HANDßoUND
AT THE
UNIVERSITY OF
TORONTO PRESS
(
(3)
lo(^9J _
ARCHIV
FÜR DAS
STUDIUM DER NEUEREN SPRACHEN
UND LITTERATUREN.
BEGRÜNDET VON LUDWIG HERRIG.
HERAUSGEGEBEN
VON
ADOLF TOBLER UND JULIUS ZUPITZA.
XLIX. JAHRGANG, 95. BAJ^D.
BRAUNSCHWEIG.
DRUCK UND VERLAG VON GEORGE WESTERMANN.
1895.
■As
Inhalts-Verzeichnis des XOV. Bandes.
Julius Zupitza f.
Abhandlungen.
Seite
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoflfe. IV. Von V. Ryssel . 1
Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. Von A. L. Stiefel . 55
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen epischer, gemischt und rein lyri-
scher Gattung. Von HermannHenkel 107
Triomphe d'Argent Von G. Schmilinsky 131
Julius Zupitza. Von Arthur Napier und Max Roediger 241
Anmerkungen zu Jakob Rymans Gedichten. V. Teil. Von Julius Zu-
pitza 259
Die Abfassungszeit des 'Sommernaohtstraums'. Von G. Sarrazin . . . 291
Job. Haselberg aus Reichenau und Jakob Schenk aus Speier. Ein Beitrag
zur Volks- und Übersetzungslitteratur des 16. Jahrhunderts. Von
F. W. E. Roth 301
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie aus dem 16. bis 18. Jahrhundert.
Von Dr. A. Schmidt 353
Anmerkungen zu Jakob Rymans Gedichten. VI. Teil. Von Julius Zu-
pitza 385
Beiträge zu Andre Chenier. Von Oscar Schultz 407
Kleine Mitteilungen.
Zum Andenken an Adelbert Hoppe. (Immanuel Schmidt) 153
Eine weitere mittelenglische Übersetzung der Disticha Catonis. (A. S. Napier) 163
Spensers 'Blatänt Beaat'. (Emil Koeppel) 164
Zum Märchen vom Tanze des Mönches im Dornbusch. (J. Zupitza) . . 168
Bruchstücke eines alten Druckes des Eglamour of Artois. (J. Hall) . . 308
Sitzungen der Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen 431
IV
Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Seite
Abhandlungen, Herrn Prof. Dr. Adolf Tobler zur Feier seiner fünfund-
zwanzigjährigen Thätigkeit als ordentlicher Professor an der Universität
Berlin von dankbaren Schülern in Ehrerbietung dargebracht. (Adolf
Tobler) 198
The Woman who did. By Grant Allen. (J. Z.) 446
Bahlsen, s. Becker, auch Schenck.
Erckmann-Chatrian, Histoire d'un Conscrit de 1813. In Auszügen mit Anmer-
kungen zum Schulgebrauch herausgegeben von Prof. Dr. K. Bandow.
Ausgabe B. — Dasselbe. Mit 2 Karten. Für den Schulgebrauch er-
klärt von Strien. 2. Auflage. — Erckmann-Chatrian, Vier Erzäh-
lungen. Mit Anmerkungen herausgegeben von Prof Dr. K. Bandow.
(Fafsbender) 467
Questionnaire zu Ulbrichs Elementarbuch der französischen Sprache. Zu-
sammengestellt von Dr. K. Becker und Dr. L. Bahlsen. (Fr. Speyer) 464
A Eoman of Dijon. By M. Betham-E dwards. (J. Z.) 196
Highland Cousins. A Novel. By William Black. (J. Z.) 444
Henri de Kleist. Sa Vie et ses ffiuvres par Raymond Bonafous. (Richard
Maria Werner) 181
German Classics edited with Introduction, Notes and Index by C. A. Buch-
heim. Vol. XII. Goethe's Dichtung und Wahrheit (The First Four
Books). (Ad. Müller) 314
Of Royall Educacion. A Fragmentary Treatise by Daniel Defoe. Edited
for the First Time, with Introduction, Notes, and Index, by Karl D.
Bülbring. (J. Z.) 442
The Old, Old Story. A Novel. By Rosa Nouchette Carey. (J. Z.) . . 194
Dante e la Calabria, Studio di S. de Chiara. Poiche la caritä del natio
loco Mi strinse, raunai le fronde sparse, Dante, Inf. XIV. (H. Buchhollz) 470
On English Life and Customs. Aufsätze aus verschiedenen englischen
Schriften zusammengestellt und erläutert von Dr. Hermann Conrad.
(Immanuel Schmidt) 190
The Ralstons. By F. Marion Crawford. (J. Z.) 443
L. C r o u s 1 e : Fenelon et Bossuet. (R. Mahrenholtz) 218
Le Theätre Fran9ais sous Louis XIV par Eugene Despois. Im Auszug und
für den Schulgebrauch herausgegeben und mit Anmerkungen versehen
von Dr. Georg Erzgraeber. (Fr. Speyer) 223
Gl au n in g, s. Münch.
Lectures sur les Principales Inventions Industrielles et les Principales In-
dustries par P. Maigne. Ausgewählt, für den Schulgebrauch heraus-
gegeben und erklärt von Dr. Ew. Goerlich. (Fr. Speyer) .... 223
Dr. Ew. Goerlich. Materialien für freie französische Arbeiten. Ein Hilfs-
V
Seite
buch für den franz. Unterricht an sämtlichen höheren Lehranstalten.
(E. Pariselle) 461
The God in the Car. By Anthony Hope. (J. Z.) 445
Edmond Huguet, Etüde sur la syntaxe de Kabelais comparee h celle des
autres prosateurs de 1450 k 1550. (Albert Stimming) 207
Emile Littre. Comment j'ai fait mon dictionnaire de la langue fran9aise.
Causerie. Für den Schulgebrauch erklärt von J. Imelmann. (Adolf
Tobler) 327
Sketches of English Culture by Thomas Wright, herausgegeben von Dr. C.
Klöpper, (Immanuel Schmidt) 456
Der Versbau Robert Garniers. Von Dr. Paul Körner. (Felix Kalepky) 460
Über die provcnzalischen Feliber und ihre Vorgänger. Rektoratsrede ge-
halten von Eduard Koschwitz. (Oscar Schultz) 324
Grammaire historique de la Langue des Fellbres par Edouard Koschwitz.
(Oscar Schultz) 326
Sammlung Englischer Gedichte. Zusammengestellt von A. Lepzien. (Imma-
nuel Schmidt) 460
F. Lindner, Henry Fieldings Dramatische Werke. Litterarische Studie.
(0. Glöde) 186
The Pi'ince and the Pauper by Mark Twain. Herausgegeben von Dr. E.
Lobedan z. (Ad. Müller) 312
Baker, History of the English People, im Auszuge herausgegeben und erklärt
von Dr. Heinrich Loewe. (Immanuel Schmidt) 193
E. Maddalena, Raccolta di prpse e poesie italiane annotate ad uso dei
Tedeschi. (Adolf Tobler) 333
Beside the Bonnie Brier Bush. By lan Maclaren. (J. Z.) 444
Kensington Palace in the Days of Queen Mary IL A Story. By Emma
Marshall. (J. Z.) 448
Goethe. Von Richard M. Meyer. (R. M. Werner) 178
Neues Taschen- Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache für den
Schul- und' Handgebrauch von H. Michaelis. (H. Buchholtz) . . . 472
Colonel Norton. A Novel. By Florence Montgomery. (J. Z.) . . . 451
Tales of Mean Streets. By Arthur Morrison. (J. Z.) 449
Didaktik und Methodik des französischen und englischen Unterrichts von
Dr. Wilhelm Münch und Dr. Friedrich Glauning. (Adolf Tobler) 328
La Navigation Transatiantique et les Navires ä Vapeur par Maurice De- •
moulin. Im Auszuge mit Anmerkungen zum Schulgebrauch heraus-
gegeben und mit einem alphabetischen Verzeichnis aller Fachausdrücke
versehen von Dr. G. van Muyden. (Fr. Speyer) 223
Der kleine Toussaint-Langenscheidt. Französisch. Unter Mitwirkung von
Professor G. Langenscheidt von Dr. G. van Muyden. (A. T.) . . 463
Nachtrag zu Archiv XCV, 189. (G. Opitz) 474
Seite
A Victim of Good Luck. A Novel. By W. E. Norris. (J. Z.) ... 443
The Beauties of Nature by Sir John Lubbock. In gekürzter Fassung zum
Schulgebrauch herausgeg. von Oberlehrer G. Opitz. (Immanuel Schmidt) 459
A Study in Prejudices. By George Pas ton. (J. Z.) 449
Rime antiche italiane seeondo la lezione del codice vaticano 3214 e del
codice casanatense d. v. 5 pubblicate per cura del dott. Mario Pelaez.
(Adolf Tobler) 225
The Impregnable City. A Romance. By Max Pemb ertön. (J. Z.) . . 452
Mrs. Bouverie. By F. C. Philips. (J. Z.) 195
A Question of Colour and other Stories. By F. C. Philips. (J. Z.) . . 448
Programmschau. (L. Kölscher) 225. 335
Chapters from Some Memoirs. By Anne Thackeray Ritchie. (J. Z.) . . 197
F. W. Gesenius, Englische Sprachlehre. Völlig neu bearbeitet von Dr. Ei-nst
Regel. II. Teil. Lese- und Übungsbuch nebst kurzer Synonymik.
(Ad. Müller) 313
A Daughter of Judas. A Tale of New York City Fin-de-Siecle-Life. By
Richard Henry Sa vage. (J. Z.) 196
Newton by Sir David Brewster. Im Auszuge und mit Anmerkungen zum
Schulgebrauch herausgeg. von Dr. L. Schenck und Dr. L. Bahlsen.
(Immanuel Schmidt) , 452
Georg Schlaeger, Studien über das Tagelied. (E. Freymond) .... 320
Merimee, Colomba. In gekürzter Fassung herausgegeben und erklärt von
O. Seh mag er. 2. Auflage. (Fr. Speyer) 4G6
Übungsstücke zum Übersetzen aus dem Deutschen ins Fi-anzösische. Für
den Schul- und Privatgebrauch bearbeitet von J. Schul thefs. Vier-
zehnte durchgesehene Auflage. (PV. Speyer) 465
Suchier und Wagner, Ratschläge für die Studierenden des Französischen
und des Englischen an der Universität Halle. (Carl Friesland) . . , 334
Über die Chronologie von Jean Rotrous dramatischen Werken von A. L.
Stiefel. (Oscar Schultz) 323
Strien, s. Bandow.
Deutsches Geistesleben. Vorträge von Rudolf Thimm. Herausgegeben von
seiner Witwe. Mit einer biographischen Einleitung von J. H. Zweite
Auflage. (Ludwig Fränkel) 441
Adolf Tobler, Vermischte Beiträge zur französischen Grammatik. Zweite
Reihe. (A. Risop) 315
Die vier Jahreszeiten für die englische Konversationsstunde, nach Hölzeis
Bildertafeln bearbeitet von E. Towers-Clark. Zweite, vermehrte und
verbesserte Auflage. — Übungen für die englische Konversationsstunde,
nach Hölzeis Bildertafeln bearbeitet von E. Towers-Clark. Heft 5 — 8.
(Ad. Müller) 312
Dr. H. Th. Traut, Französische Aufsatz- und Briefschule. Eine Sammlung
VII
Seite
von Musteraufsätzen, Briefen und Eutwürfen. Mit Einleitungen und
Präparationen. Für die Oberklassen höherer Schulen und zum Privat-
studium. 2. Auflage. (E. Pariselle) : . . . . 462
Wagner, s. Suchier.
Erwin Walther, Wissenschaftliche Fortbildungsblätter für Lehrende und
Lernende der französischen Sprache. (Adolf Tobler) 217
Anschauungsunterricht im Englischen mit Benutzung von Hölzeis Bildern
von Dr. Edmund Wilke. (G. Opitz) 188
New Eiiglish Reading-Book for the Use of Middle Forms in Germau High-
Schools by Dr. Hubert H. Wingerath. (G. Opitz) 189
Goethes Leben und Werke. Mit besonderer Rücksicht auf Goethes Bedeu-
tung für die Gegenwart. Von Eugen Wolff. (R. M. Werner) . . . 178
The Honour of Savelli. A Romance. By S. Levett Yeats. (J. Z.) . . 445
Verzeichnis der vom 20. April bis zum 15. Juli 1895 bei der Redaktion
eingelaufenen Druckschriften 237
Verzeichnis der vom 16. Juli bis zum 21. September 1895 bei der Redaktion
eingelaufenen Druckschriften 342
Verzeichnis der vom 22. September bis zum 30. November 1895 bei der Re-
daktion eingelaufenen Druckschriften 475
Syrische Quellen abeiidliiiidisclier Erzähluiigsstoffe.
IV. Die Silvesterlegende.
Zu den im Mittelalter allgemein beliebten und weit verbrei-
teten Erzähl ungsstoifen gehört auch die Legende vom römischen
Bischof Silvester (314—335), in welcher die Taufe und die Hei-
lung des Kaisers Konstantin den Mittel- und Höhepunkt bilden.
Der gesamte Umfang ihres Inhaltes ist in den sogenannten Acta
Silvestri aufgezeichnet, welche in griechischer, in lateinischer
und in syrischer Sprache ' existieren. Welche Bedeutung man
' Von den verschiedenen Texten der griechischen Silvesterlegende, die
übrigens in einigen Handschriften dem Eusebius von Cäsarea beigelegt
wird (vgl. Fabricius-Harles, Bibliotheca Qrceca VII, p. 407, und Harnack-
Preuschen, Geschichte der altchristl. Litteratur bis Eusebius, I. Teil, 1898,
S. 585) ist bis jetzt einer gedruckt: in Combefis' Illustrium Christi Mar-
tyrum lecti triumphi, Paris 1659, und zwar am Ende des Bandes, unter
dem Titel Sancti Silvestri Romani Antistitis Acta Antiqua probatiora.
Dieser griechische Text stand mir nicht zur Verfügung; er stimmt, wie
Nestle, De sancta cruce S. 79—81 zeigt, nicht wörtlich mit dem syrischen
Texte der Anecdota Syriaca überein. Von diesem Texte unterscheidet
Duchesne in der Einleitung zum ersten Bande seiner Ausgabe des TAber
Pontificalis (s. Anm. 2) den griechischen Text, nach welchem die sogleich
zu nennende Übersetzung bei Lipomanus und Surius angefertigt ist, und
als dritten einen ungedruckten, in gewissen Handschriften der Pariser
Bibliothek sich findenden ganz abweichenden Text; sonach gäbe es (min-
destens) drei griechische Texte, die alle ungenügend bekannt seien. —
Der lateinische Text, den ich zur Vergleichung herangezogen habe, findet
sich in den Vitm Sanctorum des Lipomanus (Rom 1551 — 60, 8 Bde.) und
hieraus abgedruckt in dem sechsten, die Monate November und Dezember
umfassenden Bande von des Surius Werke De probatis Sanctorum Historiis
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 1
2 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
aber dieser Legende beimafs, ergiebt sich aus der weiten Ver-
breitung, die sie innerhalb der lateinischen, der griechischen und
der orientalischen Litteratur gefunden hat. Spuren einer all-
gemeinen Bekanntschaft mit ihr finden sich innerhalb der latei-
nischen Litteratur des Abendlandes nicht blofs in den nahe ver-
wandten Texten, wie in den symmachianischen Fälschungen und
dem Liher Pontificalis ,^ sondern auch bei Venantius Fortunatus,
Gregor von Tours, Beda Venerabilis und in anderen Litteratur-
werken des Abendlandes, wie in den Schriften des Bischofs Ald-
helm, von denen noch besonders die Rede sein soll. Innerhalb
der griechischen und byzantinischen Litteratur stehen die Be-
richte des Zosimus und des Sozomenus an Alter und Bedeutung
obenan. Ein noch älterer Zeuge für die weite Verbreitung der
Silvesterlegende bis in den Orient hinein ist der armenische Ge-
schichtschreiber Moses von Chorene, der um 450 schrieb. Von
ganz besonderer Bedeutung sind aber innerhalb der orientalischen
Litteratur, wie wir sehen werden, die syrischen Behandlungen
der Silvestersage: der Text der eigentlichen Silvesterlegende in
der von Land im dritten Bande seiner Anecdota Syriaca her-
(erste Ausgabe Köln 1575, S. 1052 — 1065; vgl. noch Acta Sanct., Dez.
S. 368 ff.) mit der Überschrift Vita sancti patris nostri Sylvestri papcB
Romani. Authore Simeone Metaphraste (auf welchen nach Adelb. Lipsius,
Die apokryphen Apostelgeschichten II, 1, 396, auch der Text bei Combefis
zurückzuführen ist); doch findet sich in der Ausgabe der Schriften des
Simeon Metaphr. in Mignes Patrologia Qrcßca Tom. 114 — 116 nicht der
griechische Text dieser Legende (nach Duchesne auch nicht in den Pariser
Handschriften). Über einen alten lateinischen Strafsburger Druck, etwa
vom Jahre 1470, berichtet Land, Anecdota Syriaca III, p. XVIII (s. unten
S. 17). Von verschiedenen Abweichungen dieser Texte wird weiter unten
(S. 8, spec. Anm. 9) die Eede sein. — Über die beiden Versionen des
syrischen Textes, von denen wir den der Anecdota Syriaca Lands immer
mit A, den von mir aus cod. Brit. Mus. syr. add. 12174 kopierten mit B
bezeichnen, s. unten S. 18 ff. — Zum Stoffe der Silvesterlegende vgl. noch
J. Döllinger, Papstfabeln des Mittelalters, 1863, S. 52 ff.
^ Vgl. Duchesne, Etüde sur le Liber Pontificalis, Paris 1877, und den
ersten Band seiner grofsen Ausgabe des Diber Pontificalis, Paris 1884/85,
welche Werke mir nicht direkt zugänglich waren. Nach ihm hat ent-
weder Armenien {Etüde S. 165 ff.) oder am wahrscheinlichsten die Gegend
um Edessa und Nisibis {Lib. Pont. I, § 57 der Einleitung) als die Heimat
der Acta Süvestri zu gelten (vgl. S. 7 f.).
Syrische Quellen abendländischer Erzähluugsstoffe. 3
ausgegebenen Geschichtskompilation, den wir hier zum erstenmal
in deutscher Übersetzung veröffentlichen, und die Homilie des
bekannten syrischen Homiliendichters Jacob von Sarug, welche
A. Frothingham dem syrischen Wortlaute nach und in italienischer
Übersetzung herausgegeben hat.^ In der Einleitung zu dieser
Edition giebt der Herausgeber zugleich einen Überblick über die
gesamte Litteratur der Silvesterlegende und behandelt auch in
einem besonderen interessanten Abschnitte ihre Verwendung in
den Monumenten und in der Kunst.
Es sei in diesem Zusammenhang nur noch auf die weniger
bekannte Thatsache hingewiesen, dafs in dem berühmten Kon-
stantinssaale des Vatikans nach dem Plane Raphaels auf dem
vierten Hauptbilde die Scene unserer Legende veranschaulicht
werden sollte, wie Papst Silvester das Abschlachten unschuldiger
Kinder vereitelte, in deren Blute Konstantin sich zu baden be-
absichtigte, um sich von seinem Leiden zu heilen. Erst später
wurden dann für dieses und das dritte Hauptbild zwei andere
Gegenstände gewählt: die Taufe Konstantins — was sich wieder
mit dem Stoffe der Legende Silvesters berührt — und die Schen-
kung Roms. Doch gehen auf Raphael nur die Darstellungen der
Erscheinung des Kreuzes und der Schlacht gegen Maxentius zu-
rück; und auch hierfür sind nur die Entwürfe Raphaels durch
Schülerhände zur Ausführung gekommen.*
Von der Entstehung und allmählichen Weiterbildung der
^ A. L. Frothingham, Uomelia di Qiacomo di Sarüg sul battesimo di
Costantino imperatore, piihhlicata, tradotta ed annotata da A. L. Fr. Reale
Aceademia dei Lincei. Anno CCLXXIX. 1881—82. Roma, 1882. Serie 5«.
Memorie della Classe di scienxe morale, storiche et fdologiche. Vol. VIII.
78 Seiten. Nach einem Überblick über die Litteratur und den Stoff"
S. 4—8 behandelt Frothingham S. 8—14 die lateinische, S. 14—18 die
griechische und byzantinische und S. 18 — 23 die orientalische Litteratur
der S.-L. und S. 23—27 ihre Verwendung in den Monumenten und der
Kunst. Sodann giebt er nach einer Beschreibung der Handschriften
S. 28—31 und der arabischen Version S. 31 f. auf S. 33—52 eine italienische
Übersetzung der Homilie. Der syrische Text, im ganzen 832 Zeilen (nicht
Verse), umfafst 25 Seiten.
"* Vgl. Sebastiano del Piombos Brief in Gottis Vita di Michelangelo
I, S. 138, nach A. Woltmann und K. Woermann, Geschichte der Malerei
Bd. 2, S. 653 f.
1*
4 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Silvesterlegende giebt Frothingham im Anschlüsse an Duchesnes
Etüde über den Liher Pontificalis (s. oben Anm. 2) folgendes
anschauliche Bild. Da der erste christliche Kaiser Konstantin sich
von Eusebius, dem arianischen Bischof der Stadt Nicomedien,
am Ende seines Lebens taufen lieis (Eus., Vita Const. IV, 61),
nachdem er schon nach dem Siege über Maxentius sich zum
Christentum bekehrt hatte, so nahmen die Orthodoxen später an
dieser Hinneigung zu den Arianern Anstofs und erfanden darum
eine neue Überlieferung, nach welcher Konstantin wegen seiner
Christenverfolgung vom Aussatze befallen und durch Silvester,
den Bischof von Rom, von diesem durch die Taufe geheilt wird.
Der Aussatz ist in dieser Legendenform wahrscheinlich sekundär,
ein Wiederspiel der moralischen Mängel, von denen der erste
christliche Kaiser behaftet war. Diese älteste Gestalt der Legende
findet sich, wie bei Zosimus und Sozomenus, so auch im syrischen
Texte, in welchem sogar die Heilung vom Aussatz ausdrücklich
als ein äufseres Abbild der Reinigung von der inneren Unrein-
heit durch die Sünde bezeichnet wird. Erst später fafste man
dann den Aussatz als eine Folge der heidnischen Geburt, schil-
derte ihn also, wie z. B. Jacob von Sarug, als eine angeborene
Krankheit, während schliefslich nur noch von physischem Aus-
satz die Rede war.
Diese verschiedenen Gestaltungen der Legende treten nun
aber innerhalb der Litteratur in sehr verschiedener Weise zu
Tage. Bei den griechischen Schriftstellern findet sich bis ins
achte Jahrhundert hin nur die ältere Form, wonach die physische
Unreinheit des Aussatzes einen symbolischen Sinn hat, weshalb
eben mit der Taufe zugleich der Aussatz und die Sünden aus-
gerottet werden, während in der gewissermafsen vorlegendarischen
Überlieferung, die der reinen Geschichtserzählung noch ganz nahe
stand, doch bereits die Taufe als eine Reinigung von den Sün-
den angesehen wurde.
Aber auch abgesehen von den verschiedenen Formen der Le-
gende ist ihre Verbreitung eine sehr verschiedene. In der grie-
chischen Litteratur, wo schon im fünften Jahrhundert Zosimus und
Sozomenus sie benutzen, tritt sie im sechsten Jahrhundert mehr
und mehr zurück und verschwindet vorläufig fast ganz, so dafs
im siebenten nur noch wenige Spuren von ihr bei den griechischen
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 5
Schriftstellern nachzuweisen sind. Die Occidentalen adoptieren
sie langsamer als die Griechen, legen ihr aber eine gröfsere Be-
deutung bei, weil durch sie das Ansehen des römischen Stuhles
ganz besonders herausgehoben und verklärt wird, was wiederum
die Folge gehabt hat, dafs man lange Zeit lateinischen Ursprung
der Legende für erwiesen hielt. In der orientalischen Litteratur
kommen aufser dem Armenier Moses von Chorene besonders die
Syrer in Betracht. Von dem syrischen Texte der Legende selber
wird weiter unten noch ausführlich die Rede sein; auf Jacob
von Sarug (f 521), der sie in der von Frothingham edierten und
übersetzten, 832 Zeilen langen Homilie poetisch behandelte, folgt
im achten Jahrhundert Dionysius von Tellmahre, sodann tritt sie
erst im 13. Jahrhundert bei dem bekannten vielseitigen Schrift-
steller Gregorius Barhebräus wieder auf.
Als charakteristisches Beispiel für die Benutzung der Sil-
vesterlegende in der abendländischen Litteratur des Mittelalters
heben wir ihre Verwertung in den Schriften des bedeutenden
altenglischen Schriftstellers Aldhelm, Bischofs von Sherborne
(t 709), 5 heraus. Er erzählt in groiser Ausführlichkeit und dabei
im Anschlüsse an die Legende die Thaten des Silvester in seiner
Prosaschrift De laudihus virginitatis sive de virginitate sanc-
torum, indem er ihn als ^ExempeP der JungfräuUchkeit schildert.
Während er hier Silvesters Besiegung des die Pest aushauchen-
den Drachen in Rom, seine Heilung des Konstantin vom Aus-
satz, seine Disputation mit zwölf Magistern der Juden und seine
Erscheinung im Traume Konstantins, dem er den Bau von Kon-
stantinopel vorschreibt (letzteres ein der Legende fremdes Mo-
ment), erzählt, fügt er in seinem Gedichte De laudihus virginum
noch die Erzählung von dem Magier ^Zambrus', einem der zwölf
^Magister^ (d. i. Rabbinen) bei. Da wir wissen, dafs die gelehrte
Bildung Altenglands zum grofsen Teile auf die Sendung des zum
Erzbischof von Canterbury geweihten tarsischen Mönches Theodor
und seines Genossen Hadrian am Ende der sechziger Jahre des
^ Vgl. jetzt auch Leo Bönhoff, Aldhelm von Malmesbury. Ein Bei-
trag zur angelsächsischen Kirchengeschichte. Leipziger Doktordissertation.
1894 (s. spec. S. 8 f. 49 ff. 71 f. 79. 109 ff.). Der oben mitgeteilte Stoff
ist aus Eberts Allgemeiner Geschichte der Litteratur des Mittelalters im
Abendlande, 2. Aufl., 1889, Bd. I, S. 622 ff., entnommen.
6 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
siebenten Jahrhunderts zurückgeht, so könnten diese der grie-
chischen wie der lateinischen Sprache kundigen Geistlichen die
Silvesterlegende aus ihrer Heimat, ebenso wie Aldhelm selber
von seiner Romfahrt, mitgebracht haben. Kamen aber einmal
Orientalen zum Zwecke des Unterrichts nach England, so könnte
recht gut auch einer oder der andere des Syrischen mächtig ge-
wesen sein.
Die Unechtheit der Akten kann als sicher gelten. Schon
deshalb, weil sie in vollem Gegensatze zu den historischen That-
sachen stehen. Von Interesse ist es, die verschiedenen Weiter-
wucherungen zu verfolgen. So werden z. B. aufser Konstantin
dem Grofsen auch Konstans, sein Sohn, und noch später sein
Neffe, der Sohn des Konstans, des Bruders Konstantins, als der
Held der Legende genannt, der durch die Taufe vom Aussatz
gereinigt wird. Manches Schwanken kam auch dadurch in die
Überlieferung, dafs in der Kreuzauffindungslegende es Eusebius,
der Bischof von Rom, ist, der die Taufe vollzieht (vgl. Anmer-
kung 8).^'
Wie schon erwähnt, nahm man früher an, dafs die Akten
des Silvester ursprünglich lateinisch geschrieben sein müfsten.
Duchesne hat dann {Etüde S. 168) zuerst nachgewiesen, dafs die
topographischen Angaben über Rom und seine Umgebung, deren
scheinbare Genauigkeit man früher für abendländische Abfassung
geltend machte, da solche genauen Angaben in allen römischen
Apokryphen häufig vorkommen, in Wirklichkeit gar nicht so
genau sind, sondern im Gegenteil so vag und auf allerorten Be-
kanntes sich beschränkend, dafs dies eher für Entstehung im
fernen Osten, also in griechischer Sprache, spreche. Frothingham
*"' So findet sich z. B. im Leabhar Breac zu der Erzählung von der
Taufe Konstantins durch Eusebius sogleich im Texte die Notiz: 'Nicht
Eusebius hat Konstantin getauft, sondern Papst Sylvester, wie sich später
zeigen wird'; und diese Taufe des Konstantin, der die Kinder nicht hat
töten lassen, durch Silvester wird dann in der Einleitung zur zweiten
Kreuzauffindung kurz erwähnt. An dieser letzteren Stelle findet sich
übrigens unmittelbar vorher in der Überschrift die Notiz, dafs diese Kreuz-
auffindung 'aus dem 10. Buche der Geschichte des Eusebius' entnommen
sei, was auf (wohl kaum direkte) Bekanntschaft mit dem ursprünglichen
Texte hinweist (s. unten S. 22). Vgl. hierzu G. Schirmer, Die Kreuzes-
legenden im Leabhar Breac, St. Gallen 1886, S. 33. 44. 65. 67.
Syrische Quellen abendländischer Erzähhingsstoffe. 7
hat sich dieser Annahme durchaus angeschlossen und sie durch
Hinweis darauf, dafs die ersten Zeugen der Legende dem Orient
angehören, zu verstärken gesucht. Es sei schon in diesem Zu-
sammenhange betont, dafs dieselben Gründe, welche für nicht-
lateinische, sondern griechische Abfassung geltend gemacht wor-
den sind, auch für Entstehung der Legende in einer der orien-
talischen Sprachen, wie im Syrischen, geltend gemacht werden
können. Interesse für Rom und die römische Kirche läfst sich
auch in anderen genuin orientalischen Erzählungen nachweisen,
wie in der den syrischen Akten des Scharbil angehängten Schlufs-
notiz von Begebenheiten in Rom zur Zeit des Bischofs Fabianus,
wo also eine römische Lokaltradition in edessenische Märtyrer-
akten verschlagen worden ist. "^
So dürfen wir uns nicht wundern, wenn Lipsius die Ab-
fassung der Acta Silvestri ebenso wie die der Acta Cyriaci,
der ausgebildetsten Gestalt der Legende von der Kreuzauffindung
durch Helena,^ in den Orient verlegt und als wahrscheinlich für
^ Vgl. hierzu Adelb. Lipsius, Die edessenische Abgarsage. Braun-
schweig 1880, S. 46 ff. Zu dem folgenden Abschnitte vgl. S. 81 ff. der-
selben Schrift. Lipsius verlegt u. a. die Abfassung der Doctrina Addai
in die Kreise des berühmten edessenischen Kirchenlehrers Ephräm, wel-
cher in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts eine ausgebreitete
schriftstellerische Thätigkeit entfaltete (S. 51). Zu dieser Zeit mufs ein
reger Verkehr der syrischen und der römischen Kirche, speciell ein leb-
haftes Interesse der Syrer an der römischen Kirche bestanden haben;
vermutlich haben die dogmatischen Streitigkeiten über das Nicänum, in
welchen die edessenische Kirche, wie die Theologie Ephräms zeigt, auf
Seiten der römischen gegen die griechische stand, wesentlich dazu bei-
getragen, diese engere Beziehung anzuknüpfen (ebd. S. 91 f.).
** Wenn man mit Lipsius (a. a. O. S. 71 ff. und S. 88), um die ver-
schiedenen Stufen der Entwickelung dieser zweiten Kreuzauffiudungs-
erzählung auseinanderzuhalten, den Namen 'Helenalegende' nur für die
der Geschichte noch nahestehende erste Ausprägung der Erzählung von
der Auffindung des Kreuzes durch Helena, den Namen 'Cyriacuslegende'
aber für die ausgeprägteste Gestalt verwendet, so müfste man die von
mir in dem ersten der Aufsätze in deutscher Übersetzung mitgeteilte
Kreuzauffindungserzählung genauer als 'Cyriacuslegende' (vgl. über ihren
Inhalt den Auszug bei Lipsius a. a. O. S. 77—79) bezeichnen, wie sich
denn z. B. darin die für die ausgebildetste Gestalt der Sage charakte-
ristische Erzählung von der Auferweckung eines Jünglings (anstatt
der früheren Erzählung von der Heilung einer sterbenden Frau) vor-
8 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
beide edessenischen Ursprung vermutet. Zum Erweise dieser
Behauptung weist Lipsius zunächst auf den nahen Zusammen-
hang hin, in welchem beide Legenden zueinander stehen,^ ferner
findet. Wir haben dort den Namen 'Helenalegende' schon um deswillen
dafür setzen müssen, um diese Erzählung der zweiten Auffindung durch
einen adäquaten Namen von der ersten, der 'Protonikelegende', zu unter-
scheiden. Weiter ist aber auch darauf aufmerksam zu machen, dafs die
syrischen Acta Cyriaci von den lateinischen Akten sich dadurch unter-
scheiden, dafs in den ersteren die (jedenfalls sekundäre) Erzählung von
den greulichen Martern und dem schliefslichen Märtyrertode des Bischofs
Cyriacus und seiner Mutter Anna unter Julian, die den zweiten Teil der
lateinischen Acta Cyriaci bildet, fehlt. Auf weitere Unterschiede zwischen
den syrischen und lateinischen Akten hat schon Lipsius (a. a. O. S. 80)
hingewiesen ; jetzt kann dies auf Grund der Übersetzung, die Nestle und
ich von den syrischen Relationen veröffentlicht haben (s. die Litteratur-
angaben Archiv XCIII, S. 1 ff.), jeder selbst kontrollieren. Für die Ver-
gleichung mit den Acta Silvestri ist es von Interesse, sich zu vergegenwär-
tigen, dafs der römische Bischof Eusebius, der in den Acta Cyriaci auf-
tritt, seine Existenz nur einer Verwechselung mit dem Bischöfe Eusebius
von Nikomedien verdankt, welcher nach sicherer geschichtlicher Über-
lieferung den Konstantin getauft hat (s. oben S. 4) ; der historische Bischof
Eusebius von Rom safs nur wenige Monate (309 aer. Dion.) auf dem
päpstlichen Stuhle. In den Acta Silvestri, die ja nach Lipsius und Ti-
xeront noch etwas später als die Acta Cyriaci sind (letztere etwas nach
400), ist dann eben weiter an Stelle des unbekannteren römischen Bischofs
(Eusebius) der bekanntere (Silvester) substituiert worden, der übrigens
auch aus chronologischen Gründen sich besser zum Bekehrer des Kaisers
zu eignen schien.
'■^ Auch hier wie bei den Acta Cyriaci (vgl. Anm. 8) weichen die ver-
schiedenen Relationen der Legende voneinander ab. Nach Lipsius (a. a. 0.
S. 81 — 83) beginnen die Acta Silvestri mit dem Siege, den Konstantin an
der Donau über die Barbaren erficht mit Hilfe des am Himmel erschauten
Kreuzes, welche Bemerkung allerdings für die von mir benutzte latei-
nische Bearbeitung (s. Anm. 1) nicht zutrifft, also wohl sich auf den grie-
chischen Text des Combefis bezieht. Diese Einführung der Silvester-
legende findet sich aber nicht in der Relation der syrischen Texte, die
nach einer kurzen Einleitung über ihr Fehlen bei Eusebius direkt zur
Jugendgeschichte des Silvester übergeht. Ferner findet sich nach Lipsius
am Schlüsse der Acta Silvestri die Notiz, dafs 'die seligste Helena ge-
tauft wird und nach Jerusalem reist, um das Kreuz des Herrn aufzu-
suchen'. Auch hiervon ist in dem syrischen Texte der Attecdota Syriaca
(der andere reicht nicht so weit) nicht die Rede, wohl aber heifst es an
der betreffenden Stelle, dafs der Erzähler 'das, was Helena that (d. h. wohl
ihre Reise samt der Kreuzauffindung), weil es zu viel ist, weglasse, zumal
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 9
darauf, dals beide Legenden sehr früh im Orient verbreitet waren.
Da sie nun schon um die Mitte des fünften Jahrhunderts in
der syrischen Kirche bekannt waren, so wird auch für die Acta
Silvestri syrische Abfassung wahrscheinlich, insofern als sie für
die Acta Cyriaci durch die auf die syrische Protonikeerzählung
zurückgehende Notiz, dafs das Kreuz in zwanzig Ellen Tiefe
aufgefunden wird — weil es unter Kaiser Trajan von den Juden
so tief vergraben worden war — , gesichert ist.^^ Für die Acta
da es in einer anderen Relation der Kircheugeschichte aufgezeichnet sei'.
Hier am Schlüsse findet sich auch in dem von mir benutzten lateinischen
Texte ein suinmarischer Bericht über die Reise und Kreuzauffindung der
Helena (vgl. noch S. 17). Wenngleich wir somit die Berührung der Acta
Silvestri mit den Acta Cyriaci im Stoffe gegenüber Lipsius erheblich
einschränken müssen, so bleibt doch dies bestehen, dafs beide in enger
Verbindung zueinander stehen, da sie unmittelbar hintereinander aufge-
zählt werden (im decretum Oelasii) und in der syrischen Kirche auch schon
von Anfang an als zusammengehörig auftreten. — Ein ähnliches Ver-
hältnis, wie es rücksichtlich der oben erwähnten Notizen zwischen den
verschiedenen Relationen der Acta Silvestri sich findet, herrscht auch be-
treffs der in den lateinischen Acta Silvestri nach dem Bericht von der
Taufe sich findenden Notiz, dafs der Kaiser Konstantin auf Bitte Sil-
vesters die Kirchen des Paulus und Petrus an der Strafse nach Ostia
und auf dem Vatikan erbaut habe (s. Lipsius, Die apokryphen Apostel-
geschichten II, I, 396). Diese Angabe (die auch in dem Texte des Ldher
Pofitifiealis vom Jahre 530 und in dem cononianischen Excerpte fehlt)
ist nach Lipsius sekundär und vielleicht 'einer eigenen, die päpstlichen
Fundationen und Donationen verzeichnenden Quelle' entlehnt, was jetzt
bestätigt wird durch ihr Fehlen in dem syrischen Texte. Überhaupt
unterscheidet Lipsius a. a. O. selber den kirchlich approbierten Original-
text der Acta Silvestri (zweite Hälfte des fünften Jahrhunderts) von dem
Texte der Vita Silvestri innerhalb des Liber Pontißcalis. Da beide von
uns angeführten Stellen in dem Texte bei Surius fehlen, so stellt dieser
eben eine ältere Recension dar.
^^ Mit den syrischen Acta Cyriaci hängt wiederum die Stephanus-
legende zusammen, die ich Briegers Ztschr. f. Kirchengeschichte B. XV,
S. 222 — 243 zum erstenmal in deutscher Übersetzung veröffentlicht habe.
Denn in den syr. Acta Cyriaci erscheint Stephan us als der Bruder des
Simeon, des Vaters des Judas-Cyriacus, indem Stephanus und Simeon
als Söhne des Zachäus, der wieder mit Nikodemus identifiziert wird, be-
zeichnet werden (s. Archiv XCIII, S. 13 — 15; vgl. noch betreffs anderer
Fassungen des Verwandtschaftsverhältnisses Lipsius, Edess. Abgarsage
S. 80, und Schirmer, Die Kreuzeslegenden im Leabhar Breac S. 68). In
der Stephan uslegende, in welcher von der Auffindung der Gebeine des
10 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Silvestri kommt aber als ein Moment, das für syrische AVjfassung
zeugt, noch hinzu, dafs Helena darin zuerst als Jüdin erscheint,
die sich erst durch die römische Disputation zum Christentum
bekehrt. Lipsius sieht nämlich darin eine Erinnerung an die alte
Erzählung von der Königin Helena von Adiabene, der Mutter
Gamaliel, des Stephanus, des Nikodemus und des jüngeren Sohnes des
Gamaliel Namens Chabib berichtet wird, wird wiederum Nikodemus als
Verwandter des Gamaliel bezeichnet. In dem jüngst {Studia Sinaitica
No. I. Gatalogue of the Syriac Mss. in the Gonvent of S. Catharine on Mount
Sinai, London 1894, S. 8 ff.) veröffentlichten syrischen Verzeichnisse der
70 Jünger des Herrn werden Zachäus und Gamaliel am Schlüsse erwähnt;
man darf wohl annehmen, dafs sie erst später, nach der Entstehung der
genannten Legenden, in dieses Verzeichnis Aufnahme fanden. — Diese
Stephanuslegende, welche sich als das Werk eines Priesters Lucianus
giebt, findet sich auch lateinisch bei Surius, Vitm Sanctorum IV, 502 ff.
(zum 3. August), bei Baronius, Annal. ad. ann. 415, und in der Benedik-
tiner-Ausgabe des Augustinus B. VII, Anhang. Aus ihr schöpfte der
Presbyter Eustratius von Konstantinopel (6. Jahrh.) in seinem Buche über
den Zustand der Verstorbenen, Kap. 23 (griechisch herausgegeben von
Leo Allatius 1655), und aus diesem wieder giebt Photius Excerpte in
seiner Bibl. cod. 171. Vgl. noch Fabricius, Bibl. gr. ed. Harles X, 327.
725. XI, 623, Thilo, Cod. apocr. p. 501 und Nilles, Calendarium Manuale,
1879, p. 232. — Wir haben in London auch den Text der Stephanus-
legende, der in die mehrfach erwähnte Geschichtskompilation aufgenom-
men ist, mit der Ausgabe von Land im dritten Bande seiner Anecdota
Syriaea p. 76 — 84 kollationiert; dabei hat sich ergeben, dafs der Text
Lands (abgesehen von Kleinigkeiten) an folgenden Stellen nach der Hand-
schrift verbessert werden mufs — da wir teils schon selbst so konjizierten
und demgemäfs übersetzten, teils mit den Lesarten keine Abweichung des
Sinnes verbunden war, so wird die deutsche Übersetzung dadurch nicht
modifiziert (dagegen ist in meiner Übersetzung S. 237, Z. 10 statt 'Altar'
zu lesen 'Osten', weil dort eine Konjektur nicht nötig ist) — : 76, 11. 12.
77, 7. 19. 20. 21 bis. 22 ter. 78, 3. 12. 81, 22. 82, 3. 20. 26. 83, 8. 17. 19. 84,
4. 8 (78, 12 ist 'Bruder' sekundär, das ursprüngliche 'Verwandter' aber
trotz der Rasur noch heute deutlich zu lesen, vgl. a. a. O. S. 224, wo
auch 82, 12 in 81, 22 zu verbessern ist). — In diesem Zusammenhange
sei noch darauf aufmerksam gemacht, dafs betreffs eines Namens sich
auch eine Berührung mit der Siebenschläferlegende findet, die freilich
nur sekundär zu sein scheint, da sie sich erst im Leabhar Breac aufzeigen
läfst. Dort heifst der von den Märtyrern, der die Hauptrolle spielt, mit
seinem vorchristlichen Namen Cyriacus, was schon um deswillen abge-
leitet sein mufs, weil Cyriacus (= xvotaxog) doch wie in den Acta Cyriaci
als christlicher Name zu gelten hat.
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 11
des Köaigs Izates, welche (nach Josephus, Äi^t. XX, 2 — 5)
ebenso wie ihr Sohn zum jüdischen Glauben übertrat. Da auch
Moses von Chorene jener Helena von Adiabene gedenkt und sie
mit der syrischen Abgarsage in Verbindung bringt, so ergiebt
sich, wenn man von der Möglichkeit absieht, dafs es auf Rech-
nung des armenischen Historikers kommen könnte, als wahr-
scheinlichste Annahme dies, dafs diese Verbindung auf edes-
senischen Ursprung hinweist (S. 92; vgl. noch S. 89).^'
Von dem Interesse, das sich auch in anderen syrischen,
in Edessa entstandenen Erzählungsstoffen an Rom und seiner
Kirche kundgiebt, ist schon oben (S. 7) die Rede gewesen. Es
fällt damit der Einwand hinweg, dafs sich nicht begreifen lasse,
wie ein syrischer Schriftsteller dazu gekommen sein sollte, Be-
gebenheiten in aller Ausführlichkeit zu schildern, welche nach
seiner eigenen Angabe in und um Rom sich zugetragen haben.
Ein anderer Einwand gegen ursprünglich syrische Abfassung
könnte in dem eigentümlichen Verhältnisse gesehen werden, in
welchem die beiden Relationen der ersten Hälfte der Acta 8il-
vestri (bis zur Taufe und dem Edikt des Konstantin) zueinander
stehen, die im Nachstehenden von uns in deutscher Übersetzung
veröffentlicht werden (weiteres s. u. S. 18 ff.). In der That liefse
sich das eigentümliche Auseinandergehen der gebrauchten syri-
schen Wendungen und Satzbildungen am einfachsten so erklären,
dafs die Verfasser beider Relationen einen und denselben grie-
chischen Text vor sich gehabt und diesen ganz nach Gutdünken,
mehr oder weniger frei, ins Syrische übertragen hätten, wie
W. Wright (bei Frothingham a. a. O. S. 20) thatsächlich ange-
nommen hat, freilich zu einer Zeit, wo man noch nichts davon
wufste, dafs derartige Stoffe vielfach nicht auf ein griechisches,
sondern auf ein syrisches Original zurückgehen. Aber es giebt
doch auch noch andere Erklärungen hierfür. Die eine wäre die,
dafs der jüngere Text, dessen sachliche Abweichungen wir in
den Anmerkungen zur Vergleichung beifügen, nicht eine blofse
" Vgl. betreffs der Quellen des Moses von Chorene über die Bekeh-
rung Edessas die Darlegung Baumgartners in seinem Aufsatze 'Über das
Buch "Die Chrie"' in der Zeitschr. der deutschen Morgenländischen Ge-
sellschaft Bd. 40, 1886, S. 510 f.
12 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
stilistische Redaktion des ursprünglichen syrischen Textes dar-
stellt; sondern die Rückübertragung einer griechischen Übersetzung
desselben ist. Da damals, wie die Kreuzauffindungslegenden
zeigen, solche syrische Texte bald ins Griechische übersetzt wur-
den, so wäre es nicht unnatürlich, zu denken, dafs ein syrischer
Übersetzer die Legende zuerst in griechischem Texte kennen
lernte und, weil er von dem Vorhandensein des syrischen Ori-
ginaltextes keine Kenntnis hatte — dies das einzig Unwahr-
scheinliche dieser Annahme — , den griechischen Text ins Syrische
übersetzte. '2 Die andere Erklärung für die starke Abweichung
beider syrischen Texte, die über die bei syrischen Texten ja so
häufige Freiheit in der Überlieferung des Wortlautes weit hinaus-
geht, wäre die, dafs man den jüngeren Text — natürlich mit
Ausschluls aller Textfehler und sekundären Zusätze (s. u. S. 20,
Anm. 14) — als die im wesentlichen treue AViedergabe des sy-
rischen Originals ansähe, den Text der Anecdota Syriaca aber
als das Produkt einer eingehenden Neustilisierung von selten des
Kompilators (s. Archiv XCIII, S. 246), der die Erzählung in sein
Geschichtswerk aufnahm. Hiergegen läfst sich aber wieder gel-
tend machen, dafs wir bei der Siebenschläferlegende noch heute
kontrollieren können, worin die stilisierende Thätigkeit des Kom-
pilators bestand, nämhch in einer Verkürzung, die zwar einzelne
Wörter und ganze Sätze, wo immer es angänglich schien, weg-
hefs, dagegen an dem Tenor der Erzählung und selbst an den
einzelnen Wendungen nichts änderte. Für die Richtigkeit dieser
Hypothese läfst sich geltend machen, dafs überall da, wo wir
'^ Hierfür liefse sich auch noch dies geltend machen, dafs sich diese
Erzählung der Taufe Konstantins durch Silvester in der Handschrift, die
sie uns überliefert hat, mitten unter anderen Geschichten, die gleichfalls
aus dem Griechischen übersetzt sind, findet, wie denn unmittelbar vorher
vier Geschichten aus der Historia Lausiaea des Palladius stehen. Auch
das Alter der Handschrift wäre dieser Annahme nicht im Wege; sie
stammt aus dem Jahre 1197, während die Handschrift, welche die Kom-
pilation des monophysitischen Geschichtschreibers enthält, viel älter ist
('nicht jünger als Anfang des 7. Jahrh.') und diese selbst auf einen Text
der Silvesterlegende aus dem sechsten Jahrhundert zurückgehen mufs,
da sie noch in diesem Jahrhundert ('nicht vor 567 und sogar später')
entstanden ist (vgl. Wright, A Short History of Syriac lAterature, 1894,
S. 107).
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 13
deü Wortlaut alter Relationen der Silvesterlegende mit den syri-
schen Texten vergleichen können, Übereinstimmung nicht mit
dem Texte der Anecdota Syriaca^ sondern mit dem der anderen
Textüberlieferung vorliegt ; so nicht nur in dem lateinischen Texte,
betreffs dessen die Anmerkungen zur Übersetzung zu vergleichen
sind, sondern auch z. B. in dem von Aringhi (Roma suhterranea
lib. III, cap. 6) aus einem cod. Vatic. mitgeteilten Berichte, dafs
Theone den Leichnam des Timotheus in ihrem Garten beigesetzt
und damit den Christen eine grolse Freude bereitet habe, ut
huius nominis martyrem vicinum exciperent, gut Paido apostolo
ut quondam Timotheus adhcereret, und in dem von Florentini
(in seiner Ausgabe des Martyr. Hieron. S. 768) aus einem alten
Hagiologium mitgeteilten Berichte, dafs der Bischof Miltiades
mit seinen Presbytern und Diakonen im Hause des Silvester,
wohin dieser den Leichnam des Timotheus gebracht hatte, die
ganze Nacht über unter Lobpreisungen Gottes verweilt habe
(vgl. unten S. 23, Anm. c)J3
Ein weiterer Einwand gegen ursprünglich syrische Abfassung
der Silvesterlegende könnte, freilich nur bei flüchtiger Betrach-
tung, von dem Ausdrucke puschaqa hergeleitet werden, mit wel-
chem der Kompilator in der Überschrift die Legende bezeichnet.
Dieses syrische Nennwort kann nämlich ebensowohl ^Erläuterung',
^[erläuternde] Darlegung' bedeuten als auch 'Übersetzung'. Man
könnte darum meinen, dafs es dort in diesem letzteren Sinne zu
verstehen sei. Aber dem gegenüber ist vor allem darauf hin-
zuweisen, dafs der Verfasser betreffs der Erzählung von Joseph
und Aseneth, die er aus dem Griechischen ins Syrische übersetzt
hat, diese Thatsache immer wieder nachdrücklich erwähnt (vgl.
2, 6. 16, 3. 5 f. 12. 18, 10 f. und zuletzt in der Unterschrift 46,
20 f.); es ist also anzunehmen, dafs er dies auch betreffs der
" Bei der wörtlichen Übereinstimmung dieser lateinischen Texte mit
dem syrischen ist man versucht, direkte Abhängigkeit, d. h. ohne Ver-
mittelung einer griechischen Übersetzung, anzunehmen. Ein Analogon
hierzu würde u. a. in einer erst jüngst gemachten Beobachtung vorliegen,
dafs nämlich der lateinische Text der 'Beschreibung des Antichrists', den
Robinson, Texts and Sttcdies II, 3. Äpocryphal Anecdota, 1894, veröffent-
licht hat, nach einer Bemerkung des Herausgebers (S. 187) auf eine Über-
setzung nach dem syrischen Urtexte zurückzugehen scheint.
14 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Silvesterlegende gethan hätte, wenn sie wirklich von ihm aus
dem Griechischen übersetzt worden wäre. Ferner gebraucht er
das Zeitwort pascheq nicht blofs im Sinne von 'übersetzen^ (so
11, 21. 22. 16, 5. 46, 21), sondern ebensowohl im Sinne von
'erklären^, 'erläutern^ (6, 7. 12, 24) oder 'klar darlegend Gerade
in diesem letzteren Sinne verwendet er es einigemal innerhalb
der Silvesterlegende selber (50, 21. 64, 14), und zwar in einem
Zusammenhange, der deutlich zeigt, dafs auch das Nennwort
jpuscliäqa der Überschrift in diesem Sinne zu verstehen ist, also
= 'klare Darlegung\ Schliefslich ist auch noch die Stelle 5,
14 — 19 bemerkenswert, weil der Verfasser hier sicher es er-
wähnt haben würde, wenn er die Erzählung einer griechischen
Quelle entnommen und ins Syrische übersetzt hätte; dieselbe
lautet: 'und darnach (d. h. nach der Schrift von Joseph und
Aseneth) die Schrift von Silvestros und dem [christlichen] Unter-
richte (syr. xaT7]/T^Gig) des Königs Konstantiuos und seiner Taufe,
deren genaue Darstellung Eusebios weggelassen hat [in der Hist.
Eccl.], ebenso wie Sokrates [I, 39] den wirklichen Vorgang, indem
der König nicht, wie er schreibt, erst zuletzt sich taufen liels,
weil ja auch die Erzählung von seiner Unterweisung durch Sil-
vestros in Schrift und Bild in Rom aufbewahrt wird an meh-
reren (resp. bekannten) Orten, wie es dort gesehen und dann
weitererzählt haben die, welche [dort] waren und [dann] zu uns
herkamen.^ Wenn man aber nun fragt, worin wohl die 'Erläute-
rung^ bestanden hat, die der Kompilator seinem Texte hat ange-
deihen lassen, so könnte hier eine stilistische Umschreibung aus
irgend einem Grunde (z. B. Mifsfallen des Verfassers an der
ursprünglichen Art der Darstellung, Mangel historischer An-
knüpfung, teilweise unleserliche Handschrift oder dergl.) gemeint
sein, wofür man angesichts der weit geringeren Veränderungen,
die er mit dem Siebenschläfertexte vorgenommen hat, darauf hin-
weisen könnte, dafs er eben nur unseren Text als eine 'Erläute-
rung^ oder 'erläuternde Darstellung^ l)ezeichnet hat.
Positive Beweise für die Ursprünglichkeit des syrischen
Textes gegenüber den anderen können aufser den meist im Stoffe
liegenden Indicien, die aber mehr nur die Wahrscheinlichkeit der
Annahme darthun, nicht gegeben werden. Hierher gehört z. B.
das Fehlen der Namen der Geistlichen, die den Silvester nach
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 15
der Drachenhöhle begleiteteo, im lateinischen Texte (auch in den
griechischen?), während man aus den Worten ii, quos vocabat
nominatim entnehmen kann, dafs diese Namen in der Vor-
lage standen, sowie überhaupt das Fehlen der meisten Namen.
Ein durchschlagender Beweis für Ursprünglichkeit des syrischen
Textes würde sich allerdings ergeben, wenn es gelänge, die drei
als Bibelcitate nicht nachweisbaren Citate (S. 40 f.) als Stellen
syrischer Apokryphen oder abweichender syrischer Bibelüber-
setzungen nachzuweisen.
Zum Stoffe der Silvesterlegende sind noch einige Parallelen
zu erwähnen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dafs der Timo-
theus, dessen am Anfange der Silvesterlegende gedacht wird,
eine historische Persönlichkeit ist. Es ist der Märtyrer, dessen
Gedenktag der 22. August ist; er wurde während des Pontifi-
kates des Miltiades von Rom unter Kaiser Maxentius im Jahre
306 enthauptet. Die jüngeren Martyrologien des Beda und Ado
berufen sich zum Beweise der Geschichtlichkeit dieses Märtyrers
Timotheus zugleich auf die Acta Silvestri, die nun freilich un-
echt sind. Bisweilen wird er sogar irrtümlich als Paulusschüler
bezeichnet, augenscheinlich auf Grund der (falsch verstandenen)
Notiz, dafs er iiixta beatvm apostolum Paulum (so bei Beda
und Ado) bestattet worden sei. Ebenso geht die Notiz in ver-
schiedenen Texten, dais dieser Timotheus unter Nero als Mär-
tyrer geendet habe, auf das Streben zurück, ihn zu den Aposteln
in Beziehung zu bringen, was sich eben dadurch als sekundäre
Zuthat erweist. Eine Hinweisung auf die Grabeskirche des Timo-
theus (s. Lipsius, Apokr. Apostelgesch. II, 2, S. 395) könnte ent-
halten sein in dem Berichte in B, dafs der Papst Miltiades
^seinen Tempel weihte^ (s. unten S. 23).
In diesen Akten des Timotheus wird auch das Weib er-
wähnt, die den Heiligen in ihrem Garten bestatten liefs; sie
heilst dort Theogneia (resp. in einem britischen Codex Theognesia,
was aber auch dort in Theogneia korrigiert ist), in den syrischen
Texten Theone und Theonike (s. unten S. 23). — Gleichfalls wird
erwähnt der Stadtpräfekt, der den Silvester einkerkern läfst,
aber zur Strafe an einer Fischgräte, die er beim Abendessen
(statt beim Frühstück, wie in den syrischen Texten) verschluckt,
eines elenden Todes stirbt; er heifst in den Timotheus-Akten
16 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
meist Tranquilianus^ aber daneben auch Tarquinianus und Tar-
quinius (so bei den Syrern). Nach Baronius (zum Martyrol.
Roman. S. 353, ed. Rosweyde) wäre nun zwar ein Tarquinius
Perpenna im ersten Jahre des Papstes Miltiades Stadtpräfekt ge-
wesen; doch ist die Herkunft dieser Notiz nicht bekannt, diese
selbst also zweifelhaft. Nach den kontrollierbaren Angaben läfst
sich ein Stadtpräfekt dieses Namens in dieser ganzen Zeit nicht
nachweisen — man mülste denn annehmen, dals der Name Tar-
quinius verstümmelt sei aus dem Namen Septimius Aquindinus
(oder Acindinus), dessen Träger aber in den Jahren 293 und 294,
also ein Decennium vor der diocletianischen Verfolgung, Stadt-
präfekt von Rom war. — Der Papst Miltiades oder Melchiades
(im lat. Texte Milciades) war römischer Bischof vom 2. Juli 310
bis zum 10. oder 11. Januar 314; also fällt in seine Zeit wohl
die Einnahme Roms durch Konstantin (s. Ad. Harnack in der
Prot. Real-Encykl. B. 9, S. 525), nicht aber der Märtyrertod des
Timotheus im Jahre 314. In diesem Zusammenhange sei auch
noch der auf die Donatisten zurückgehenden und auch im feli-
cianischen Papstkataloge berichteten, dagegen von Augustin {De
unico haptismo contra Petilianum cap. XVI) bestrittenen Nach-
richt gedacht, dafs der Papst Marcellinus, der vom 30. Juni 296
an Bischof von Rom war (wogegen der 25. Oktober 304 als
Todestag unsicher ist), in der Christenverfolgung der Jahre 303
bis 311 samt seinen Presbytern Melchiades, Marcellus und Syl-
vester, die auch seine Nachfolger in der römischen Bischofswürde
wurden, vorübergehend Christum verläugnet und den Göttern ge-
opfert hätte. — Ferner ist darauf hinzuweisen, dafs die Erzäh-
lung von der Wiederbelebung des durch den jüdischen Magier
Zambres infolge der Einflüsterung des Gottesnamens getöteten
Stieres in den katholischen uQu^eig tmv uyicov änoGrohov ebenso
auch von dem Wettkampfe des Apostels Petrus mit dem Magier
Simon berichtet wird (vgl. Lipsius, Petrussage S. 157, und Die
apokr. Apostelgesch. u. s. w. II, 1, S. 216). Dafs es ein Stier ist,
der zum Experimente dient, ist nach Lipsius sekundär; er ist an
Stelle eines Knaben, den in der ursprünglichen Erzählung der
Präfekt Agrippa dazu hergiebt — wahrscheinlich erst unter dem
Einflüsse der Acta Silvestri — , eingesetzt worden, weil es an-
stöfsig schien, zuerst ein Menschenleben zu opfern. Eine ahn-
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 17
liehe Gesehiehte enthält auch die Passio Georgii, in welcher der
Zauberer Athanasius seine Zauberkraft dem Könige dadurch be-
weist, dais er einen Stier, indem er ihm ins Ohr spuckt, in zwei
Teile bersten läfst und dann durch Anblasen aus diesen zwei
Stücken zwei Stiere herstellt (s. A. Dillmann, Über die apokryphen
Märtyrergeschichten des Cyriakus mit Julitta und des Georgius,
in den Sitzungsberichten der Kgl. Preufs. Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin, 1887, Sitzung vom 28. April). So viel über
die Beziehungen der Silvesterlegende zu anderen Stoffen und
zur geschichtlichen Wirklichkeit.
Innerhalb der verschiedenen Texte der Silvesterlegeude selber
begegnen uns folgende Namensformen: statt Quirinus (dafür im
lat. Texte Curio) auch Kyrinos, statt Soracte auch Syraptis (bei
Moses von Chorene Syraptim) oder Serapte (betreffs der Wort-
formen der syr. Texte s. unten S. 28 f.) ; und die Mutter Silvesters,
die aulserhalb der syrischen Texte erwähnt wird, heifst Justa.
Ferner besiegt Silvester nach der Fassung der Akten, die Lipsius
benutzt hat (s. hierüber oben Aum. 9), aufser den Rabbinen noch
den Häretiker Marcus oder Marciou (vgl. Ijipsius, Edessenische
Abgarsage S. 82, Anm. 1). — Am Schlüsse der Erzählung wird
in dem lateinischen Texte des Surius von 1575 noch ganz kurz
die Reise des Silvester mit Helena nach Rom und die Kreuz-
auffindung erwähnt (quum . . . et deinde cum imjperatrice pro-
fectus esset Hierusalem et ad qucerendam salutarem Christi
crucem ei collaborasset et propter inventionem eius esset collce-
tatus). Diese Notiz, die höchst wahrscheinlich nur aus den Acta
Cyriaci, wo dasselbe von Cyriacus berichtet wird, herübergenom-
men und auf Silvester übertragen worden ist, scheint in dem
griechischen Texte zu fehlen. Wenigstens berichtet J. P. N. Land
in der Einleitung zum dritten Bande seiner Anecdota Syriaca
(S. XVni), dafs das, was im syrischen Texte (s. S. 53, Z. 39)
und vom Griechen weggelassen worden sei, in der lateinischen
Ausgabe erhalten sei. Mit dem Griechen meint er den Verfasser
der von Combefis herausgegebenen griechischen Legendengestalt,
mit der lateinischen Ausgabe aber einen alten Strafsburger Druck
ungefähr vom Jahre 1470, so dafs wir nicht wissen können, ob
der Text unserer lateinischen Relation bei Surius damit überein-
stimmt; was Land sonst noch anführt, dafs das Werk beim La-
Archiv f. n. Spracheu. XCV. , 2
18 Syrische Quellen abendländischer Erzähl ungsstofFe.
teioer in zwei Teile geteilt sei, und dafs als Schiedsrichter des
Wettkampfes der Philosoph Kraton und Zenophilus, ein prcefec-
torius vir, fungieren, stimmt nicht. — Einer Bemerkung bedarf
noch die Erzählung von der Verwendung des Kolobiums als
liturgischen Gewandes. Die Bedenken, welche man gegenüber
dem Berichte der Vita Silvestri ausgesprochen hat, erledigen
sich zum Teil durch den Wortlaut des syrischen Originaltextes
nach A (B hier unklar), wo ausdrücklich erwähnt ist, dafs man
das Colohium eben deshalb nicht allein getragen habe, weil es
die Arme nackt lief's, sondern immer nur zugleich mit der Dalma-
tica, die lange Ärmel hat, was zu den sonstigen Nachrichten
stimmt, wonach unter dem Colohium immer die Tunica talaris
getragen wurde. Vgl. hierzu Wetzer und Weites Kirchenlexikon,
2. Aufl., Bd. 2, 1884, col. 142—144, und den Artikel ^Kleidung,
liturgische^, in Kraus^ Eeal-Encykl. der christl. Altertümer, Bd. 2,
1886, S. 175-215 und spec. S. 207 ff.
Zum Schlüsse haben wir noch Bericht zu erstatten über die
syrischen Texte, die wir im Nachstehenden — nach demselben
Princip und in derselben äufseren Einrichtung, wie die frü-
heren — ins Deutsche übertragen haben. Zu Grunde gelegt
haben wir den Text in Lands Anecdota Syriaca Bd. III, S. 46,
21 — 76, 10. Da wir oben gezeigt haben, dals dieser Text (A)
höchst wahrscheinlich von dem Verfasser der Geschichtskompi-
lation, der er einverleibt ist, verändert worden ist, so liegt die
Frage nahe, warum ich dann nicht den anderen Text bei der
Zusammenstellung beider Texte in meiner Übersetzung zu Grunde
gelegt habe. Hiervon war aber um deswillen abzusehen, weil
nur der Text des Kompilators die ganze Erzählung, einschliefs-
lich der Disputation des Silvester mit dem Juden vor Konstantin,
bietet, während dieser zweite, umfangreichere Teil in dem an-
deren Texte ganz fehlt. Da der Text bei Land ziemlich fehler-
haft ist, so mufste an nicht wenigen Stellen versucht werden,
den ursprünglichen Text zu eruieren; eine Kollation mit der
Handschrift ergab dann, dafs sie an vielen dieser Stellen den
von uns vermuteten Wortlaut wirklich bietet. Wir haben alle
diese Stellen durch ein Sternchen bezeichnet, in derselben Weise
aber der Einfachheit halber auch die Stellen, wo ohne Kenntnis
des Wortlautes der Handschrift weder ein Textfehler vermutet.
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoife. 19
noch die Verbesseruog geahnt werden konnte. Es ist also (ab-
gesehen von Stellen, wo ich Buchstaben lesen zu können glaubte,
die Land ganz verblichen schienen, wie 48, 5. 65, 6 f.) an folgenden
Stellen, deren blolse Angabe zumeist für den Kenner des Syri-
schen genügen wird, eine andere Lesart der Übersetzinig zu
Grunde gelegt: 47, 1. 2. 4. 12. 26. 48, 15. 16*. 26*. 49, 22 u.
25. 24*. 50, 2. 5*. 6—8. 13. 14. 16. 51, 4*. 7*. 9. 12*. 52, 7.
8*. 14 u. 18. 53, 9*. 10*. 54, 11*. 14. 28. 55, 1. 3*. 16*. 56,
5. 6*, 9. 10*. 16. 24. 57, 15. 17. 23. 28. 58, 8*. 13. 16*. 21?.
22. 26. 59, 19. 60, 4. 6*. 7. 15. 26, 61, 4*. 6*. 21. 25. 63,
3 bis *. 4*. 20*. 63, 1*. 27. 64, 1*. 20*. 65, 2. 8*. 10. 13. 27*.
66, 9?. 67, 3. 8*. 10. U. 18. 26*. 68, 3 bis. 6. 7. 18*. 22. 69,
9. 10*. 12. 14. 25. 70, 4*. 16*. 71, 3. 16*. 17. 18*. 22*. 72, 7*.
10 bis. 14*. 19?. 27. 73, 2*. 5. 6*. 8*. 12?. 74, 10. 12. 21. 75,
12*. 14. 17. 25. 76, 6*. Einige von diesen Konjekturen fanden
auch durch den lateinischen Text (L) nachträgliche Bestätigung
(so z. B. die 72, 10, wo L hat: sequemur und commum con-
sensu)f und 47, 2 konnte nach B das unbedingt nötige 'alle' ein-
gefügt werden. Auch ist es nicht unmöglich, dafs noch ver-
schiedene andere Konjekturen als die oben genannten in der
Handschrift Bestätigung finden könnten, indem wegen des un-
günstigen Lichtes, das ich bisweilen bei meiner Arbeit hatte,
wahrscheinlich nicht alle Abweichungen vom Texte Lands von
mir bemerkt wurden.
Der zweite Text (B), dessen Abweichungen ich in den An-
merkungen mitteile, ist dem Cod. Mus. Brit. Syr. Add. 12174
vom Jahre 1197, welcher 78 Lebensgeschichten von Heiligen und
Kirchenvätern enthält, entnommen (s. Wrights Katalog S. 1128).
Die Veröffentlichung des syrischen Textes ist von Frothingham
zu erwarten, der sich (a. a. O. S. 20, Anm. 1) 'die Veröffent-
lichung des syrischen Textes bei anderer Gelegenheit reserviert
hat\ Für den Zweck unserer Publikation genügte der deutsche
Wortlaut. Das Verhältnis dieses Textes zu dem bei Land hat
W. Wright treffend so charakterisiert: Questa versione e tutto
independente da quella puhhlicata da Land . . .; a parola non
si corrisjjondono, ma non differiscono in quanto al senso ;
quella del cod. 12174 alquanto pm diffusa e completa . . . (bei
Frothinghaui S. 20). Bei dem eigenartigen Verhältnisse beider
20 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Texte zueinander (s. oben S. 11) haben wir davon absehen müssen,
alle Abweichungen zu notieren. Wir lassen alle nur stilistischen
Abweichungen beiseite, einschliefslich der Hinzufügung von mehr
oder weniger ausdruckslosen Attributen und der anderen Reihen-
folge von Synonymen zur Bezeichnung derselben Sache, ^'* und
teilen nur das wirkliche Plus und die sachlichen Abweichungen
mit. Wo es wünschenswert schien, haben wir auch den latei-
nischen Text mit zur Vergleichung herangezogen, besonders da,
wo er mit dem einen syrischen Texte, meist mit B, gegen den
anderen zusammenstimmt. Die Einleitung geben Avir im Wort-
laute, weil sie ein besonders charakteristisches Beispiel für die
trotz sachlicher Übereinstimmung grofse formelle Abweichung,
die übrigens im syrischen W^ortlaute noch viel merkbarer ist.
i^ Wir geben noch einige Beispiele für diese Charakteristik des syri-
schen Textes B. Die kleineren Zusätze betreffen zumeist die Attribute;
so wenn z. B. zu Timotheus hinzugefügt wird: 'ein frommer Mann', fast
immer von dem 'seligen' Silvester geredet wird und dem Drachen, der
im Texte A als grofs bezeichnet ist, noch 'und stark' beigefügt ist. Eein
stilistische Änderungen liegen z. B. vor, wenn die Anknüpfung innerhalb
der Erzählung vielfach durch 'nun' statt 'aber' erfolgt, oder wenn die
Hinterlassenschaft des Timotheus, die in A durch 'etwas Gold' bezeichnet
ist, in 'vielen Reichtum' verwandelt wird. Dafs diese Änderungen auf
den Schreiber von B zurückgehen, ergiebt sich daraus, dafs es meist durch
die Vergleichung mit A ersichtlich ist, dafs sie sekundär sein müssen ;
zum Teil auch deshalb, weil sie keinen rechten Sinn geben; z. B. wenn
es heifst, dafs der Präfekt den Timotheus 'lange Zeit' in Gewahrsam ge-
halten habe, während er im Sinne der ursprünglichen Erzählung rasch
hingerichtet wird. Ein Beispiel für andere Reihenfolge der Synonyma
bietet z. B. 49, 21 ff., wo bei A sich folgen: unblutiges Hostienopfer, das
Mysterium, bei B dagegen : das Mysterium Christi, die Opfergabe, das
[Schlachtjopfer. Alle Zusätze des Textes B sind in den Anmerkungen
mitgeteilt (mit add, wenn in dem Texte A sich gar nichts Entsprechendes
findet); dagegen haben wir es nicht bezeichnet, wenn etwas bei B fehlt,
deshalb, weil wir solche Stellen bei der durchgehenden Neigung von A, zu
kürzen, nicht als Zusätze des A, sondern als von B weggelassene Partien
des ursprünglichen Textes anzusehen haben und darum ihre Bezeichnung
keinen Wert hat. Dafs übrigens manches in B einfach auf Abschreiber-
fehl er zurückgeht, beweist u. a. die Stelle 48, 14, wo das Wort l'^büsa
sicher verschrieben ist aus hihasa, da man doch nicht mit Kleidstückchen
eine Gräte aus der Kehle zu ziehen sucht, weshalb (auch im Sinne der
Erzählung) die Zaubersprüche ursprünglich sein müssen.
Syrische Quellen abendländischer Erzähl ungsstofFe. 21
darbietet; ebenso mufsten, zunächst aus anderen Gründen, die
letzten Partien im Wortlaute wiedergegeben werden.
Wie schon erwähnt, haben wir auch den lateinischen Text
mit berücksichtigt, dessen Einleitung gar nicht mit der des
syrischen Textes übereinstimmt und deshalb wohl von Simeon
Met^phrastes stammt (d. h. wenn sie sich gleichlautend im grie-
chischen Texte vorfindet). Derselbe ist meist wortreicher als die
syrische Erzählung, und manches von seinen Zusätzen ist cha-
rakteristisch für die spätere Zeit, wie die erhöhte Wertschätzung
des römischen Bischofsstuhls und dogmatische Formulierungen.
Andererseits mag manches auf den Urtext zurückgehen : so dort,
wo unsere heutigen syrischen Texte eine Lücke haben (s. z. B.
S. 37 den Bericht über den Anfang der Disputation). Manches
andere ist dagegen im lateinischen Texte stark gekürzt, wie z. B.
der Brief Konstantins an Helena (58, 8 ff.) und die grolse Rede
Konstantins in der Basilica Ulpia (55, 25 ff.). *•'»
*^ Eine Eigentümlichkeit dieses lateinischen Textes besteht vor allem
auch darin, dafs er mit wenigen Ausnahmen alle Eigennamen wegläfst,
also Theone, Euphrosynus, Soracte, Lateran, ja sogar den Namen der
Stadt Rom da, wo von den Verheerungen die Rede ist, die der Drache
anrichtet. Ebenso fehlen die Namen der Juden, die an der Disputation
sich beteiligen, sowie die der Geistlichen, welche den Silvester nach dem
Berge Sorakte begleiten. An der letztgenannten Stelle können wir wohl
aber den Schlufs ziehen, dafs in der Vorlage des lateinischen (event. auch
des ihm zu Grunde liegenden griechischen) Textes die Namen standen,
weil es da heilst iis, quos vocabat nominatim. Gegenüber diesen Weg-
lassungen verdient die Notiz besondere Erwähnung, dafs Helena in Bi-
thynien weilte, weil sie von dort stammte {Bithynia, imde orta erat).
' Darlegung von Silvester, dem Patriarchen von Rom, welche lehrt
den [christlichen] Unterricht und die Taufe Konstantins, des ersten gläu-
bigen Königs, und auch die Genesung von dem Ausschlag, der an seinem
' Weiter die Geschichte vom grofsen König Konstantinos, dem Gläubigen
und Siegreichen, wie er gewürdigt wurde der heiligen Taufe von seilen des
Patriarchen Silvester der Hauptstadt Rom, und dafs er König wurde und anfing,
allerorten heilige Kirchen zu bauen. — Eusebius von Cäsarea hat, als er den Text
der Kirchengeschichte schrieb, das, was in anderen Schriftwerken [steht], zu er-
zählen unterlassen ; denn er hat ja in zehn Büchern so zu sagen alle Leiden der
2ä Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Leibe war, und die Disputation, welche die Lehrer der Juden, die von
judäa hingesandt worden und mit Helena zusammengekommen waren,
vor dem Könige und dem Senate in Rom hatten.
Der Sohn des Pamphilus, Eusebius [47] von Cäsarea, der doch in
den zehn Büchern der Kirchengeschichte — so zu sagen — alle Leiden
der Märtyrer und auch der Bischöfe und der Bekenner und der tapferen
Weiber und der unschuldigen Jungfrauen, welche mutvoll den Kampf im
Bekenntnisse um Christi, unseres Gottes, willen kämpften, beschrieben und
der Reihe nach auch die Thaten der Bischöfe (eig. Oberpriester), die in
ununterbrochener Folge nacheinander kamen, erzählt hat — d. h. derer
von Rom und auch von Alexandrien und von Antiochien und von Jeru-
salem und von Ephesus, von dem Apostel Petrus an bis zu den Zeiten
des Eusebius — , hat einzig die Geschichte des Silvester weggelassen —
welche ich, wie du mir vorschreibst, unser heiliger Vater, niederzuschrei-
ben bereit bin. Und ich bitte, dafs du zu Christus, unserem Herrn,
betest, dafs er uns beistehe, 10 damit ich weder ungehorsam zu sein
brauche, noch auch in Verlegenheit gerate, indem, wenn ich irgend einen
Tadel verdiene, nämlich [wegen eines Versehens] in dieser Arbeit, es mei-
ner Thorheit zur Last gelegt wird, zugleich aber, wenn die Darstellung
gefällt (Text: mifsrät), auch eurer Einsicht (weil ihr mich damit beauf-
tragt habt).
Silvester aber war während seiner Jugend um den Priester Quirinus
und bediente ihn, und so gewöhnte er sich an die Redeweise und an das
Verhalten dieses Mannes, indem er eifrigst auch die Besorgung seines
Hauswesens erledigte. Als aber gerade damals, zur Zeit der Verfolgung,
ein Mann Namens Timotheus von Antiochien nach Rom gelangte und
trotzdem mit Freimut unseren Herrn Christus predigte, da wurde er
freudig von Silvester ohne Furcht in sein Haus aufgenommen, was auch
Märtyrer und der Bischöfe und der Bekenner und auch ihre Kämpfe in allen
Provinzen aufgezeichnet, und weiter hat er die der Weiber und der Jungfrauen,
welche in männlicher Gesinnung um unseren Herrn Jesus Christus in den Kampf
gingen, aufgezeichnet; und ebenso hat er noch besonders von der Wirksamkeit
der Bischöfe vom Apostel Petrus an der Reihe nach erzählt, und speciell von den
[Bischöfen der] Städte mit apostolischen Bischofsstühlen, welche [von den Aposteln]
die hohepriesterliche (d. i. bischöfliche) Würde herleiten — als da sind die hoch-
angesehenen und berühmten der Städte Rom und Alexandrien und Antiochien und
Jerusalem und Ephesus. Und, wenn ich nun jetzt aus dieser Zahl, nämlich aus
der Zahl der Bischöfe, die der von uns [am Anfange] Genannte bis auf seine
eigene Zeit herab in griechischer Sprache aufgezeichnet hat, den einzigen [, den
er weggelassen hat], einen von den [Bischöfen] der Hauptstadt Rom, in deinem
Auftrage schildern soll, d. i. den heiligen Silvester, den heiligen und hochseligen
Herrn, so bitte ich euch, dafs ihr zu Gott, dem Herrn Christus, betet, dafs er mir
ein Beistand sei, damit ich nicht, indem ich der üngehorsamkeit entgehen will,
in die Gefahr komme der Geschwätzigkeit [geziehen zu werden]. Ich weifs wohl,
dafs, wenn etwas in dem, was ich unternehme, vorkommt, was zu allerlei Tadel
Anlafs giebt — dafs dies alsdann meiner Unverfrorenheit zur Last gelegt wird,
dafs aber, wenn jedweder Vorwurf fernbleibt, dies natürlich eurem Gebete zu
gute gerechnet werden mufs.
Syrische Quellen abeDdläüdischer Erzählungsstoffe. 23
die Priester zu thun sich gescheut hatten. ^ Und er erzählte vielen von dön
Lebensgewohnheiten und der Predigt und den Kasteiungen des Mannes;
und er pries 20 den Timotheus, dafs er durch seinen Eifer viele Heiden
vom Irrglauben abbrachte, indem er sie belehrte und ihnen von der
Wahrheit Christi ^ mehrere Monate lang predigte. Schliefslich aber liefs
Tarquinius, der Präfekt der Stadt, den Timotheus ergreifen und im Ge-
fängnisse verwahren; und mau nötigte ihn gar sehr, zu opfern, und er
wurde dreimal gegeifselt und zu verschiedenen Martern verurteilt, und
schliefslich wurde ihm der Kopf abgeschlagen. Und sogleich stahl er um
Mitternacht seinen Leichnam und brachte ihn in sein Haus und zeigte
ihn dem Miltiades, der zu jener Zeit Bischof war, indem er ihn bat, er
möge ihn glänzend einsargen und beerdigen. ^ Und dieser versammelte
die übrigen Priester und Diakonen bei der Nacht, und er bestattete ihn
mit geistlichen Gesängen in dem Garten eines gläubigen Weibes [48]
Namens Theone, der an den Tempel stiefs, in welchem der Apostel Paulus
beigesetzt war, indem sie auf ihre Kosten über ihm ein Bethaus erbaute.
Und viele Einsichtige wunderten sich über die Fügung Gottes, die es so
einzurichten wufste, dafs dieser Timotheus, der des Namens des Schülers
des Apostels Paulus würdig war, an seiner Seite beigesetzt wurde. * Und
dies vollzog sich auf die angegebene Weise.
Weil aber der Präfekt Tarquinius vermutete, dafs Timotheus etwas
Gold gehabt haben müsse, so liefs er den Silvester ergreifen und sprach
zu ihm: 'Wenn du mir nicht alles das giebst, was Timotheus hinterlassen
hat<i, so bringe ich dich durch die Leiden, die zur Strafe über dich ver-
hängt werden sollen, um!' Und es entgegnete ihm Silvester und sprach:
'Vernimm das Wort des Evangeliums: "In dieser Nacht wird man deine
Seele von dir nehmen" (Luc. 12, 20), damit du erkennest, o 10 dafs du un-
rechtmäfsigerweise Timotheus, den Diener Christi, verurteilt hast.'* Und,
als der Präfekt dies hörte, wurde er heftig und befahl, dafs er mit ^ zwei
Ketten gebunden und eingekerkert werde. Und, während Silvester im
Gefängnis verwahrt wurde und Tarquinius u auf dem Landgute vor der
a add Silvester nun freute sich niclit allein, dafs er denselben aufgenommen
hatte, sondern er warf auch seine ganze Furcht von sich und erzählte — b add
in einem Jahre (L mit 'und': anno tino et paulo ampliiis) — ^ welcher [dann] mit
allen seinen Presbytern und Diakonen die ganze Nacht unter heiligen Lobprei-
sungen wachte und seinen Tempel (d. i. seinen Leib, nach 1 Kor. 6, 19, oder
'das Haus des Timotheus', s. oben S. 15) weihte. Ein vornehmes (eig. freigeborenes
= adliges) Weib aber, eine Christin und Gottesfürchtige Namens Theonike, hatte
einen Garten, der dem heiligen Paulus nahe lag; und sie bat den genannten
Bischof, dafs auf ihre Kosten eine Märtyrerkirche (eig. Haus der M.) in ihrem
Garten für die Heiligen gebaut würde, und dafs [dort] auch der Leib des heiligen
Timotheus beigesetzt werde; und, indem dies geschah, erfreute es auch die Christen
sehr (eig. hinlänglich), dieweil er bei dem, dessen Schüler sein Namensvetter ge-
wesen war, beigesetzt wurde. — d add und den Göttern opferst (so auch L) —
e dafs der Timotheus, den du getötet hast, nicht ein Unreiner war (im Sinne von:
'unrecht Gut besafs'V), wie du denkst (wörtl. sagst), sondern ein Märtyrer Christi.
— f harten (L ferreis) — g an einem Orte, der Syngma (?) heifst
24 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Stadt, das Sigmatis heifst, frühstückte, da ereilte ihn das göttliche Ge-
richt: h und es blieb eine Fischgräte in seiner Kehle stecken. Und nicht
halfen ihm die Zauberformeln und nicht die Kunst der Arzte;* vielmehr
quälte er sich ruhelos vom Frühstück an bis um Mitternacht und starb
dann, so wie es Silvester gesagt hatte. Und zu derselben Stunde, wo
der Leichnam des Tarquinius unter schmerzlicher Klage zum Grabe ge-
leitet wurde, ward Silvester unter Freude aus dem Kerker entlassen ;
indem er von den Gläubigen laut erhoben und gepriesen wurde, brachten
sie ihn zum Papste 20 Miltiades. So ward dies die Veranlassung zu
einem herrlichen Beispiele und zu einer freieren Stellung (syr. nnoorioia)
für die Christen, für die Heiden aber zu Schimpf und Schande; und die,
welche ihn auf Befehl des Präfekten verunglimpft hatten, umfafsten seine
Füfse und flehten ihn an, i damit sie nicht auch ein schrecklicher Tod
seinem Worte entsprechend treffe, wie den Präfekten. Und es wurde ihn
die Gnade zu teil, dafs er bei den Gläubigen und bei den Heiden beliebt
war; und ^ nach drei Jahren* wurde er von Miltiades i zum Diakon ge-
weiht. Und er hatte mehr Erfolg [in seiner Amtsthätigkeit] als die an-
deren Kleriker ; und er war nicht hoffärtig in seinem Verhalten, und nicht
stolz war er, [49] sondern sehr schüchtern und bescheiden, und er war
voranleuchtend in den geistlichen und himmlischen Gepflogenheiten,* und
hell erstrahlte sein Gesicht wie das eines Engels, und beredt war er in
seiner Rede, und heilig war er in seinem Thun, und gesund an seinem
Leibe und tugendsam in seinem Betragen, und er war "^ zuverlässig* und
reich an gutem Rate, und war ausdauernd in seinem Hoffen, und war
nicht wetterwendisch in seiner Zuneigung — und, weil ich nicht im stände
bin, alle seine Tugenden zu schildern, so wende ich meine Darstellung
dem zu, " dafs sie etwas von seinen Thaten erzähle.
Als nun der heilige Miltiades [aus dieser Welt] geschieden und zu
unserem Herrn gegangen war, da riefen alle zusammen, Kleriker und
Laien, mit lauter Stimme: 'Würdig ist Silvester, Bischof zu werden!'
Und er 10 lehnte es ab und wies selbst darauf hin, dafs er noch ein
Jüngling sei und nicht würdig; und, je mehr er ablehnte, desto mehr
schrien sie. Und — um nicht weitschweifig zu werden — so ward er mit
dem Willen Gottes Bischof.
^ denn als er die Speise zu sich nahm, setzte sich eine Fischgräte in seinem
Gaumen fest; und weder durch Kleider (d. h. einen Zeugstreifen?; lies dafür:
Zauberkünste, wie A und L prcestigice incaniatorurn) noch durch etwas anderes
konnte er sie herausbringen; — i add er möge für sie beten, — k im Alter von
dreifsig Jahren (so auch L) — 1 durch Handauflegung des heiligen Amtes (syr.
td^cg) des Diakonatcs gewürdigt. Und es ward ihm die ganze Gnade Christi
in vollem Mafse zu teil; denn Stolz und Ruhmredigkeit fand Zeit seines Lebens
bei ihm keinen Platz, sondern er war sanft und hatte seine Freude am tugend-
haften Leben und war bescheiden, und er zeigte, dafs seine Person mit himm-
lischen Gepflogenheiten geschmückt war, — m rechtgläubig (der Ausdruck in A
kann sowohl 'zuverlässig' [eig. glaubenswert], als auch, wie hier, aufs religiöse
Gebiet bezogen, 'gläubig' bezeichnen) — » was von ihm eins nach dem anderen
(eig. y.ara ueQos) vollbracht worden ist.
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 25
Und mit solchem Nachdruck ermahnte er das Volk allezeit, dafs
viele 0 die Verehrung* der Götzen aufgaben und zu Christus ihre Zu-
flucht nahmen. Zu dieser Zeit war es, wo der Bischof von Pamphylien
Euphrosynus nach Rom gelangte, einzig zu dem Zwecke, um vor der Be-
gräbnisstätte (eig. den Särgen) der heiligen Apostel zu beten und [so] ein
Gelübde seiner Knabenzeit, nachdem er ein Greis und Bischof geworden
war, zu erfüllen. Und es ward ihm die Gnade Gottes zu teil, so dafs
jeder, der von einer Krankheit p geplagt war und sich ihm im Glauben
näherte, <i geheilt wurde; und die Dämonen trieb er aus im Namen 20 un-
seres Herrn Jesus Christus, weil er ein gottesfürchtiger Mann war und
viel um dieses seines Namens willen gelitten hatte. Wenn er aber das
unblutige Hostienopfer >■ darbrachte, war er mit einem ärmellosen Kleide
angethan, von welchem er sagte, dafs es ^^ dem Apostel Jakobus * angehört
habe; es gezieme sich nämlich, dafs der, der herantrete, um das Mysterium
darzubringen, nicht blofs geistlich, sondern auch am Leibe strahlend und
rein und mit weifsen Gewändern bekleidet sei. Und dementsprechend be-
dienen sich die römischen Priester bis heutigen Tages dieses ärmellosen
Gewandes (syr. y.olößiof) ; aber, t weil sie darin nackte Arme haben, so
waren sie um so mehr darauf bedacht, die Dalmatika sich anzuziehen.*
Und er belehrte den Silvester, dafs es sich für die Priester gezieme, " sich
aller [50] weltlichen Geschäfte zu entäufsern* und beständig im Gebete
zu verweilen, indem sie nämlich eingedenk seien des Wortes des Pro-
pheten, der da sagt (Ps. 46, 11): 'Seid beständig und wisset, dafs ich Gott
bin !' und das des Apostels, dafs der, der [als Soldat] dient, nicht in welt-
liche Geschäfte verflochten sein solle, damit er dem, den er erwählt hat,
wohlgefalle (2 Tim. 2, A).
V Und, weil die Schriftkundigen die Benennung der sieben Tage der
Woche tadelten, die von den Heiden herstammte, welche Sonne und Mond
und Mars (eig. Ares) und Merkur (Hermes) und Jupiter (Zeus) und
Venus (Aphrodite) und Saturn (Kronos) dafür sagten, so benannte sie
Silvester [in folgender Weise]: anstatt Mond zweiter Wochentag und an-
statt Ares dritter und anstatt Hermes vierter und für Zeus fünfter und
für Aphrodite Rüsttag (eig. Vorabend) und für Kronos Sabbat,* und den
Tag der Sonne benannte er ersten Wochentag, weil an ihm die Auf-
0 den Irrwahn — P add oder Schmerz oder Leiden — q add blofs durch
seinen Anblick — r add in der Versammlung der Gläubigen — s den Aposteln
— t weil die Entblöfstheit der Arme getadelt wurde, nannten sie sie Dalmatiken
und nicht Kolobien. — u sich fern zu halten von allem Warenhandel (L merca-
tur(B) in der Welt — v Und dabei passierte es ihm, von den Schriftkundigen ge-
tadelt zu werden, dieweil er die Wochentage mit Namen benannte. Denn bei
den Heiden sagt man, wenn man die Tage benennt, dafs es der [Tagj der Sonne
und des Mondes und des Mars (Ares) . . . und schliefslich des Saturn (Kronos)
sei ; der heilige Silvester aber nannte den zweiten Tag, [den] des Mondes, zweiten
[Wochenjtag, den des Mars dritten Wochentag u. s. w. (vgl. zum Anfang dieses
Abschnittes L: Hinc in eum sunt exortce apud Romanos calumnice, ut qui patrios
eorum riius iolleret).
26 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
erstehung stattfand 1^ und weil er ausgezeichnet ist durch den allerersten
Wochenanfang und das Werden des Lichts, weil an ihm Gott sprach:
'Es werde Licht und es ward Licht' [Gen. 1, 3]. Und, weil ein Streit ent-
stand zwischen den Occidentalen und den Orientalen, weil die Orientalen
am Sabbat essen w und die Occidentalen fasten, so setzte Silvester fest,
dafs es recht sei, am Sabbat zu fasten und auch am fünften Wochentag:
am Sabbat, dieweil [an ihm] unser Herr im Grabe war und [deshalb] die
Apostel fasteten, am ersten Wochentag [d. i. Sonntag] aber, an welchem
er auferstand, sollen wir uns freuen und frohlocken und lobpreisen, x
am fünften Wochentage [d. i. Donnerstag] aber geziemt es sich gleichfalls
zu fasten, weil an ihm das Ol der Salbung geweiht und an ihm neu dar-
gereicht wird die frohe Botschaft des Leibes Christi, der uns der Ver-
gebung der Sünden würdigt und uns aus dem Kerker herausführt.*
Dies habe ich in Kürze hier von seiner Lehre aufgezeichnet, be-
treffs des übrigen 20 aber will ich nun einzelnes von seinen Wunder-
thaten, y die er im Namen unseres Herrn Jesus Christus gethan hat,
darlegen.
Es war ein grofser Drache in einer tiefen Höhle des Berges Tarpeius,
auf welchem das Capitolium erbaut ist; zu diesem stiegen einmal im
Monat Zauberer und Magierjungfrauen, die ihnen folgten, auf dreihundert
und sechzig (B: 365) Stufen hinab, gewissermafsen, i- um die Erde (das
Erdinnere) zu beschauen, und brachten ihm Speise hinunter und voll-
führten ihre Zauberkünste. Und von Zeit zu Zeit stieg der Drache
herauf; doch kam er nicht aus der Höhle heraus, sondern er hauchte
[51] Gift aus, und [dadurch] gingen in Rom viele zu Grunde und starben,
die in seine Nähe kamen und diese verderbenbringende Luft einatmeten,*
insbesondere die Kinder.
LTnd, als Silvester mit den Heiden disputierte und ihnen Beweise und
Wegleitung gab betreffs des wahren Glaubens an unseren Herrn Jesus
Christus, da sprachen a sie ihm gegenüber:* 'Wenn Christus, den du
w add nach dem Brauche der Juden zur Mittagszeit — x um so mehr, da
den Sabbattag Traurigkeit umgab (eig. erfafste); und deswegen zieme es sich zu
fasten für jeden, der es in seiner Macht hat (resp. dazu die Kraft hat), — Gott
aber verlangt nicht, dafs jemand über Vermögen faste; am fünften Wochentage
aber, weil er durch die Auffahrt unseres Herrn verklärt ist und wir ihn als den
Genossen (wörtl. Compagnon) des [Tages] der Auferstehung bezeichnen sollen, und
zudem wird auch das heilige Ol der Salbung (vgl. zur Bedeutung des Subst. mtli-
huia meine Schrift 'Georgs des Araberbischofs Gedichte und Briefe' S. 152) an
diesem Tage geweiht, und an ihm lösen sich die Bande der Eingekerkerten, und
an ihm fangen wir auch an, den Leib unseres Herrn [uns] zu kommunizieren.
— y die Gott durch seine Hände zum Preise seines Namens gethan hat — ^ in
den Abgrund (fehlt in L); und sie bedienten sich auch bei ihrem Hinabsteigen
unsauberer Verrichtungen (L mysteria in quibus nuUa insignis deerat aborninatio).
Der Drache aber stieg sogleich herauf, und er ging nicht nach aufsen hinaus
(ebenso L foras quidem non egrediebatur); alle aber, die um ihn herum waren,
brachte er durch den todbringenden Hauch um, und über ganz Rom verbreitete
sich der Odem der verderblichen Luft, imd infolgedessen ergriff tödliche Krank-
heit alle Leute in ihr — a die von der entgegengesetzten Partei:
Syrische Quellen abendländischer Eizählungsstoffe. 27
predigst, wahrer Gott ist und grofs und stark seine Macht, so steige
in seinem Namen hinunter und banne den Drachen in seinem Neste auf
ein Jahr nur, dafs er nicht heraufkommen und die Leute hier in klei-
nerer oder gröfserer Zahl umbringen kann ; und wir wollen an ihn glauben !'
Und es sprach zu ihnen Silvester: ^ 'Unser Herr Christus erweist auch
durch so etwas seine Macht, eure Unterweisung aber kann [geradezu] dies
und anderes nötig machen, was zwar für ihn 10 leicht ist, was aber, wenn
es bestehen bleibt (d. h. wenn nicht durch einen solchen unmittelbaren
Machterweis das Bestehende — hier die verderbliche Thätigkeit des
Drachen — beseitigt wird), euch hindert, umzukehren und die Wahrheit
zu erkennen und [so] zu leben.'* Da versammelte Silvester die Ange-
hörigen der heiligen Kirche, die geistlichen und gottesfürchtigen Männer,
und er sagte ein dreitägiges Fasten an, und sie verweilten beständig im
Gebete und flehten zu unserem Herrn Jesus Christus, dafs er, wie zu
aller Zeit, ein Retter der Menschheit sein solle von dieser verderben-
bringenden Bestie, und dafs er [so] die Kraft seines heiligen Namens er-
weisen solle.
c Und, als die drei Tage zu Ende waren, erschien der Apostel Petrus
dem Silvester im Gesichte und sprach zu ihm: 'Nimm mit dir die Pres-
byter Theodorus und Dionysius und Felicissimus und die Diakonen
«1 Hieromathes (resp. Andromachos) und Romanus, und « bringet an der
Öffnung der Höhle ein Opfer dar (d. h. feiert die Messe); und alsdann,
wenn du in die Höhle hinabsteigst, so findest du darin eiserne Thore;
wirf sie zu angesichts 20 des Drachens und verschliefs sie mit einem
Schlosse, das du dort liegen findest, und vergrab die Schlüssel daselbst,
wo du gerade willst; und, indem du betest zu unserem Herrn Jesus
Christus, sollst du sagen:* "So hat der Apostel Petrus gesagt, dafs diese
t Christus, mein Gott, ist in vollstem Malse in Kraft, und er wird durch Für-
sprache [bei Gott] und auch durch diese That seine Kraft zeigen. Euer Unglaube
aber vermag anderes, was [jedoch] gegenüber seiner Gottheit ganz und gar nicht
bestehen kann ; für euer Heil aber kämpfe ich. Vgl. hierzu L A deo, qui a me prw-
clicafur, nihil est omnino, quod non possit ßeri. Quocirca faciliime hanc nostram implebit
precationem. Ex vobis autem plurimi ne sie qtiidem absiinebunt ab impietate (wie wenn
der syrische Wortlaut so aufgefalst wäre: 'aber selbst wenn dies eintritt, so wird
es doch nur euch hindern' u. s. w.), sed rursits retinebiint et amplectentur impiefafem.
— c Als nun die drei Tage, die festgesetzt worden waren, zu Ende waren und
das Fasten an ihnen zu Ende gebracht worden war (vgl. L peracto, quod prcesti-
iutum fuerat, ieiunio) — (l Contatos? (diese arge Verstümmelung des Namens be-
weist, dals das ursprüngliche Wort nicht mehr bekannt war) — e am Eingange,
bevor du hineingehst zu dem Drachen, bringe dar den Leih und das Blut des
Erlösers, das Opfer[lamm] Christi (vgl. L incruentum offerret cultum); und nachher
nimm dir eine Kette und ein Schlols. Und siehe! du findest eine Höhle, den
Aufenthaltsort des Drachen: daran sind eiserne Thore und an ihnen sind Ringe;
nachdem du nun hinabgestiegen bist, rufe den Namen unseres Herrn Jesus Christus
an, und hänge dich an die Thore, [ziehe sie so] an dich heran und stecke die
Kette samt dem Schlois durch die Ringe, die an ihnen sind, durch (vgl. L ad se
portas Iraheret et in adaptafos annidos clavem iniiceret); und, nachdem du sie (die
Thore) so verschlossen hast, sprich :
28 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Thore nicht wieder aufgethan werden sollen (Matth. 16, 18 f.) bis an den
furchtbaren Tag des Gerichts.'" Während aber Silvester nun hinabstieg,
hofften die Heiden, dafs ihn Furcht packen werde; er aber stieg ver-
trauensvoll ohne Furcht hinab und vollzog alles, was ihm vom Apostel
Petrus befohlen worden war. Und so wurde von diesem Tage an f die
Stadt von dem verderbenbringenden Gifte jenes Drachen befreit.
Und es verging ein Monat und zwei, und er wurde nicht wieder ge-
sehen, auch stieg er nicht herauf; und es erkannten nun die, welche den
Drachen bedient hatten, dafs er durch [52] das Gebet des Heiligen be-
siegt worden war. Und sie kamen und fielen ihm zu Füfsen und wurden
gläubig und liefsen sich taufen auf Christus.
Zu jener Zeit ging ein Befehl aus vom Könige, dafs allerorten die
Christen verfolgt werden und die Götzen anbeten sollten. Und Silvester
ging weg nach dem Berge s Sarapion und verbarg sich dort mit seinen
Klerikern. Konstantinus aber, der die Maximina, die Tochter des Dio-
cletianus, geheiratet hatte, wurde, während er die Christen verfolgte und
viele tötete, von einem räudigen und schuppigen Ausschlag an seinem
Körper befallen. ^^ Und viele Arzte und Zauberer und Kräutersammler und
Magier, die aus dem Perserreiche hergesandt worden waren, machten sich
mit ihm zu schaffen und* konnten ihm nichts helfen. Da traten die
Heidenpriester des Kapitolstempels an ihn heran und sprachen: 10 'Es
sollen sich Kinder aus allen Ländern versammeln, die unschuldig (eig.
noch nicht verderbt) sind, und es soll eine Wanne im Tempel bereit
stehen, während die in Bereitschaft sind, die sie opfern sollen; und, so-
bald ihr Blut zu wallen anfängt, so steig hinein und bade dich darin,
o König, und du wirst rein und gesund werden.' Und, als sich die Kin-
der versammelt hatten, die man dafür bestimmt hatte, und der König
[aus dem Palaste] herauskam, um nach dem Kapitolstempel hinzugehen,
da kamen ihm die Mütter der Knaben entgegen, wie sie unter Wehklagen
jammerten und mit aufgelösten Haaren und > mit zerrissenen Kleidern *
und wie sie weinend um ihre Söhne zum Könige schrien und [sogar] die
Erde erbeben machten und die Luft mit dem Aschen staube, den sie [über
sich] warfen, erfüllten, k Und, als sich der König erkundigte, was denn
die Weiber, die da eben erst sich versammelt hatten, schrien und jämmer-
lich weinten, da wurde ihm gesagt : * 'Es sind die Mütter der Knaben, die
f bis in die fernste Zeit — S Sorapantos (vgl. griech. JSco^nTilvov und ^ao-
nach Nestle S. 79) — '^ Und es versammelten sich bei ihm die Magier und die
Zauberer, welche die illyrischen (?) heifsen ; und die Zauberer und auch die mari-
sischen (?) Arzte (d. i. die aus der oberägyptischen Landschaft Maris, d. i. event.
Meroe, stammen), und mit ihnen auch die, welche aus Persien gekommen waren,
die Verächter der Heilkunst waren — i mit entblöfsten Brüsten (bei L beides:
vestesque discerpebant et ubera ostendehant, quibus lactabant infantes) — ^ Und grofses
Entsetzen und Furcht überkam den König und auch seinen Senat. Als nun der
König sich erkundigte, welches die Ursache sei, die diese ganze Vei^sammlung zu
den Klagelauten gebracht hatte und sie genötigt, sich ganz der Trauer hinzugeben,
da benachrichtigten sie ihn:
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 29
getötet werden sollen, welche um ihre Söhne weinen.' i Und auch der
König wurde weich gestimmt ^0 und erklärte sich für besiegt und
weinte; und er rief aus und sagte: 'Das Reich und die Herrschaft des
Königtums der Römer ist eine Quelle des Erbarmens und der Liebe ; und
ich will sie euch zeigen, da auch ich dazu geneigt und gewillt bin. Ich
ziehe für mich die Rettung der Kinder und die Freude ihrer Mütter der
Genesung vor, die mir zu teil werden soll — oder, wenn sich's trifft,
auch nicht. So sollen denn sogleich die Knaben ihren Müttern zurück-
gegeben werden ! Denn es ist richtiger, zu sterben für diese geliebten
und reinen Knaben, und nicht dadurch, dafs jemand sie tötet, zur Ge-
nesung und zum Leben befähigt zu werden, was nicht einmal sicher ist.
Denn, wenn sie der Liebe ihrer Mütter zurückgegeben werden, so werden
diese aufhören zu jammern ; und ihre Thränen um sie werden ein Anlafs
zur Freude für die, die darum wissen. Es sollen [53] ihnen aber auch
die Reisekosten, die für eine jede von ihnen je nach der Entfernung ihres
Landes nötig sind, und Kleider gegeben werden.' Und, als er dies ange-
ordnet hatte, kehrte er nach dem Palaste zurück. *
Und in der Nacht erschienen ihm im Traumgesichte Petrus und
Paulus; und sie sprachen zu ihm: 'Uns hat unser Herr gesandt, um
dir die Freudenbotschaft deiner Lebensrettung zu verkündigen. Darum
so sende hin und lafs mit allen Ehren hierherholen den Bischof Silvester,
der auf der Flucht vor dir auf dem Berge '" Saraption sich verborgen
hält. Wenn du diesen sehen und hören und seinen Rat befolgen wirst,
" so zeigt er dir und läfst dich baden im lebendigen Wasser, das deinen
1 Zum Staunen kam er da wegen der ganz unnatüi-lichen Erbarm ungslosig-
keit und wegen der Gröfse dieser [sittlichen] Unsauberkeit ; und er fing an,
Thränen zu vergiefsen und mit lauter Stimme auszurufen: 'Das Königtum der
Römer hat eine Quelle und Wurzel, die der Gottesfurcht entspricht; und dieweil
ich nicht auf Grund davon [zu einem gesunden Menschen] umgestaltet werden
will, so thue ich jedermann kund, dafs mir die Rettung der unschuldigen
Knaben mehr wert ist als meine eigene Gesundheit.' Und, indem diesem ganz
erbarmungslosen Befehle Einhalt gethan wurde, befahl er, dafs die geliebten
Knaben auf Grund der Gottesfurcht der Römer ihren Müttern wiedergegeben
werden sollten, indem er sagte: 'Es ist eher meine Pflicht, dafs ich zu gunsten
der Rettung der Unschuldigen sterbe, als dafs ich ein mitleidloses Leben erneuere ;
d. h. es ist auch nicht einmal sicher (eig. bekannt), ob mein Leben erneuert
werden würde, die Erbarmungslosigkeit ist aber deutlich erkennbar (vgl. L aclionis
quidem impietas est evidens et vianifesia, inceriuvi est auiem, an sit evenfurum . . .). Es
sollen also ihren Müttern die geliebten Knaben zurückgegeben werden; indem die
Süfsigkeit der Kinder den Müttern zurückgegeben wird, wird sich die Bitterkeit
der Thränen zur Freude wenden (vgl. hier zum syrischen Ausdruck in A: 'die
die darum wissen' in L, wenngleich etwas weiter oben, 'ii qui videbant'). Und,
nachdem er dies gesagt hatte, schlug er den Weg zum Palatium hin ein; und er
liefs nun nicht die Knaben blofs ihren Müttern zurückgeben, sondern er gab auch
Auftrag, dafs ihnen der Proviant und auch die Kosten für die Rückkehr in ihre
Heimat gegeben werden sollten, damit sie, die in Trauer und unter Thränen ge-
kommen waren, in Freude und unter Frohlocken in ihre Heimat heimkehren sollten.
— ™ Sarap^ina — » so kann er dir die Wanne der Gottesfurcht zeigen (ebenso
weiter unten, s. Anm. s auf S. 31), — wenn du dich in ihr badest, wirst du die
30 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Körper und deine Seele wieder gesund macht, und das dich befähigt zum
Leben und zur Gesundheit auf immer, dieweil du die Knaben verschont
hast und hast sie am Leben gelassen und nicht umgebracht.' *
» Und, als sie dies im Traumgesicht zu ihm gesagt hatten, 10 da
staunte er und wurde aus seinem Schlafe aufgeschreckt; und er sah den
Arzt stehen, der nach seiner Gewohnheit bereit war, ein linderndes Pflaster
auf seine Beulen zulegen, und er sprach zu ihm: 'Von jetzt an ziehe ich
nicht mehr von diesen menschlichen Heilmitteln Nutzen, sondern ich
glaube, dafs mir die Hand Christi hilft.'
Nachdem er dies gesagt hatte, sandte er sogleich nach dem Berge
Saraption hin und liefs unter hohen Ehren den Silvester herbeiholen ;
und, als er hereintrat, stand der König vor ihm auf und begrüfste ihn
und sprach: 'Ich freue mich sehr, dafs du, wie ich sehe, wohlbehalten
hierhergekommen bist.' Und es antwortete Silvester und sprach zu ihm:
'Es möge dir Frieden und Sieg vom Himmel her verliehen werden!' Und
es sprach der König: 'Ich beschwöre dich bei Gott, dafs du mir sagest,
ob das eure Götter sind, [nämlich] Petrus und Paulus!' Und Silvester
gab ihm zur Antwort und sprach: p 'Wir haben einen Gott, 20 den wir
verehren und anbeten, ihn, * der die Welt aus nichts gemacht hat, d. h.
den Himmel und die Erde und alles, was auf ihnen ist. Petrus aber und
Paulus sind nicht Götter, sondern die Diener Gottes, <i die sein Wohl-
gefallen erwarben und im Glauben grofse Erfolge hatten * und die ersten
in der Verkündigung des Evangeliums waren und von Gott zu Aposteln
gemacht wurden; und sie haben zuerst den Völkern gepredigt von der
Gottheit des Sohnes Gottes, unseres Herrn Jesu Christi, so dafs die ganze
Kirche durch ihre Vermittelung ihren Anfang nahm. Und, als sie den
Dienst ihres Apostelamtes zu Ende geführt hatten, gelangten sie zum
Martyrium, und [jetzt] sind sie die Gäste des Allmächtigen.' Und, als
der König dies gehört hatte, freute er sich und sprach: 'Ich bitte dich,
wenn du Bilder von ihrer äufseren Erscheinung hast, [54] sie mir zu
zeigen, dafs ich ihr Aussehen kennen lerne und sehen kann, ob es die
sind, die zu mir sagten, dafs sie von dem erhabenen Gotte zu mir ge-
sandt worden seien.'
Da befahl Silvester einem von den Diakonen, dafs er ihre Bilder
herbeiholen solle; und, als der Augustus sie sah, fing er an auszurufen
und zu sägen : r 'Nicht ist an ihnen ein Unterschied [zu bemerken] gegen-
ganze Unreinigkeit deiner Beulen (eig. Wunden) abwaschen und gesund werden
und zu dem [neuen] Leben befähigt werden, das d u den unschuldigen Knaben ge-
schenkt hast' (vgl. L nie tibi osteiidet piscinam, quce et carnis purgahit vitia et animce
sordes eluet). — » Als er aber durch diese Hede aus seinem Schlafe erwacht war,
sah er . . . [Nach L recesserunt ab oculis imperatoris könnte man für 'da staunte
er' koujizieren: 'da kehrten sie zurück' (was graphisch nahe steht); doch kann
für ürsprünglichkeit der Lesart das bei L folgende visitm adiniranie geltend ge-
macht werden.] — P Der, den Avir verehren und anbeten, ist Jesus Gott (dagegen L
wie A Unus a nobis deus cognosdtur) — ^1 die durch ihren Glauben es sich verdient
haben, dafs sie die obere Stadt der Heiligkeit erlangten — i" Es giebt nichts, was so
Syrische Quellen abendländischer ErzählnngsstoflTe. 31
über dem Aussehen jener, die ich gesehen habe und die zu mir sprachen:*
''Sende hin zu dem Bischof Silvester, und der wird dir zeigen den Lebens-
quell, durch den du, wenn du dich in ihm badest, der Heilung von dei-
nem Ausschlage gewürdigt werden wirst." ' Und Silvester sprach zu ihm :
'Wisse, « dafs dies die Taufe des Lebens ist, dafs * du von ganzem Herzen
an Christus, unseren Herrn, glaubest!' Und es sprach der Augustus:
'Wenn ich nicht geglaubt hätte, hätte ich auch nicht nach dir geschickt.' ^'
Und, als er ihn anflehte, er möge ihn taufen, 1^^ sprach zu ihm Silvester:
'Faste diese Woche und lege ab von dir deine königlichen Gewänder und
gehe in dein Gemach und demütige dich ^i auf einem Sacke vor Gott
unter Thränen und bekenne, dafs du im Irrwahne seine heiligen Diener
getötet hast; und die Tempel der Heiden sollen geschlossen werden in
dieser Woche, damit die schändlichen Opfer in ihnen aufhören. Und er-
lafs denen, die ^' Geld schuldig sind und nicht haben, um zahlen zu
können; w lafs die Gefangenen frei und bring heim die, welche ins Exil
gestofsen worden sind, und die, welche an irgend einem Orte in Gewahr-
sam gehalten und schlecht behandelt werden, und gieb den Bedürftigen
Almosen;* gieb Geschenke denen, die dich in geziemender Weise darum
bitten. ^ Und wenn dies von dir regelrecht erfüllt sein wird und ich
davon Kunde habe, so werde ich dir alsdann als Vermittler zwischen dir
und unserem Herrn dienen.' *
Und der König versprach, dies alles y gutwillig 20 und mit Eifer zu
thun; und so legte Silvester die Hand auf ihn und segnete ihn und
machte ihn zum Katechumenen (eig. Hörer), damit er [christlich] unter-
richtet werde. Und er ging fort und berief die Priester und ^^ die
Schwestern der Kirche,* und er sagte ein Fasten an und sprach: 'Wenn
die Niniviter wegen » des Fastens* des Jonas ein Fasten ^ anordneten
und so den wohlverdienten Todesandrohungen und dem Zorne über sie
entgingen, um wie viel mehr c wird jetzt, wenn wir uns nur um das
wahr ist, wie diese Bilder; denn von ihnen sind es die Nachbildungen und Ge-
stalten. Denn die Erscheinungen, die ich gesehen habe, s i e haben zu mir ge-
sagt: — s dafd dir die Wanne der Gottesfurcht gezeigt wird, wenn (vgl. L rogavit,
ut ei ostemhreL piscinam) — * add Nun aber lafs mich wissen, was mir zu thun
obliegt. — u auf der Erde im Sacke (vgl. L in sacco et cinere humi iacens) — -
V add der Staatskasse (syr. Srj/uooiov) — w und lasse frei die, welche im Kerker
sind; und denen, welche im Exile und in Bergwerken (syr. f/sraXlov, vgl. L et
ad metalla dainnati) sind und mit allen Qualen gepeinigt werden, schenke Kühe;
und befiehl, dafs man Gnade und Erbarmen jedermann angedeihen lasse; —
X Und, damit dies richtig und so, wie es die Pflicht erfordert, ausgeführt
werde, so stelle besondere Leute an, die für dieses Amt tauglich sind. — y add
und dem Ähuliches — z die Kleriker — a der Predigt — b add von vierzig
Tagen — c werden wir von der Predigt unseres Herrn Jesu Christi, der unsere
Seelen von der Verfolgung befreit hat, Vorteil und Hilfe haben. Und wir wollen
der Kirche Gottes den Frieden geben und der Verehrung der Götzen ein Ende
machen; dies erreichen wir aber, wenn wir durch das Fasten und durch das
Gebet und durch das Flehen Gott versöhnen können.' So setzte er nun unter
allgemeiner Einwilligung und Zustimmung das lang andauernde Fasten fest;
und alle thaten, ein jeder nach seinem Vermögen, Gutes und gaben Almosen.
32 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Seelenheil unserer Brüder bemühen, die Verfolgung von dem Erbfeinde
her uns hinfort erspart bleiben können, so dafs Friede sein wird für die
Kirchen des Erdkreises, für die Götzen Verehrer aber Schimpf und Schande.
Es wird also unter Zustimmung aller, die es gehört haben, ein Fasten
und ein allgemeines Gebet und Almosen nach dem Vermögen eines jeden
angeordnet werden' — nämlich während der sieben Tage, die er dafür
festgesetzt hatte. Und, als diese zu Ende waren, da kamen sie zusammen
vor dem Könige [55] und sprachen:* *Höre, o König! Diese Wasser
bekommen infolge der Anrufung der Namen der anbetungswürdigen Gott-
heit ihre göttliche Kraft und machen rein von dem Schmutze des ganzen
Leibes draufsen, der mit den Augen wahrgenommen wird, und [reinigen]
die Seele drinnen von der Sünde, so dafs du dann strahlen und leuchten
wdrst mehr als die Sonne, Darum, o König, lafs dich taufen in dem hei-
ligen Namen und werde gereinigt von deinen Sünden, o Konstantinus!'
Und, als er dies gesagt hatte, salbte er ihn mit dem lieblichen Salböl
der Heiligkeit, und er weihte das Wasser und betete, und nach der Ord-
nung der Kirche taufte er ihn. Und es ward eine Stimme gehört und
ti ein grofses Licht ward gesehen, und die Wasser wallten auf wie in einem
Kessel ; und es fielen durch sie von dem Körper des Königs die Schuppen
ab, so viele, wie von dem Fleische eines Fisches. Und, als 10 der König
aus ihnen heraufstieg, da war sein Leib rein wie der eines Kindes. Und
er erzählte, dafs er, während er im Wasser war, eine Hand gespürt habe,
die wie vom Himmel herab kam und ihn berührte. Und er zog weifse
Kleider an.
Und am ersten Tage erliefs er ein Gesetz, des Inhalts, dafs jeder,
der es wagen sollte, in seinem Reiche Christus zu schmähen und einem
von den Gläubigen ein Unrecht anzuthun, die Hälfte seiner Güter ver-
lieren solle, e Und er selbst nahm in seine Hände eine kleine Palme,
damit jedermann sich überzeugen könne, dafs er von ganzem Herzen ein
Christ sei. Und an seinem Palaste, der der Lateranensische heifst, zeich-
nete er grabend den Grundrifs * und verordnete, dafs eine Kirche dem
Namen unseres Herrn Christus gebaut werden solle. Und nachher f gab
er Anordnungen, dafs jeder, der gewillt sei, von ganzem Gemüte gläubig
zu werden, aus dem Staatsschatze Almosen und Kleider erhalten sollte.
Und am Sabbattage, wo das Fasten seinen Abschlufs fand, zur Zeit des Abends,
da sprach er zum Könige: — ^ sogleich leuchtete der Schein (syr. Xaf.iiiäs) eines
unermefslichen Lichtes und ein Geräusch erscholl, wie von einem siedenden Kessel ;
— e Und damit von jedermann erkannt werden könne, dafs er von ganzer Seele
glaubte, so nahm er in seinem Palaste, der der Lateranensische heifst, eine Palme,
und er fing mit seinen Händen als der erste an zu graben und [so] den Grund-
rifs der Kirche zu zeichnen — f liefs er Verordnungen auf den Märkten prokla-
mieren, in denen er versprach, dafs jeder Arme, der gewillt sei, Christ zu wei-den,
aus den Staatsgeldern die Kosten [für die Taufe] und die [dazu nötigen] Kleider
erhalten solle ; damit aber nicht den Heuchlern zur Sünde die Hand geboten wer-
den solle, erhielten [es] nur die, welche nicht mit doppeltem Herzen (d. h. in
zweideutiger Haltung) sich unserem Herrn Jesus Christus nahten, sondern auch
mit einem Zeugnisse von Seiten unbescholtener Männer und Christen.
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 33
wenn er dessen bedürftig sei; und es wurden 20 darüber eifrige Leute ge-
setzt, welche die einzelnen prüfen sollten. * Und es war die Zahl derer,
die sich dort in jenem Jahre von den Heiden taufen liefsen, zwölftausend
Männer, ohne die Weiber und die Kinder, s Und es wuchs und mehrte
sich die Partei der Gläubigen; und es verringerte sich die Partei der
Ungläubigen.
Und an den Senat (syr. [^] avyy.lrjros), der zu dem Könige hinzutrat
in der Basilika, welche Ulpia (syr. Olympia) heifst, um gläubig zu werden,
richtete er solche Worte: 'Die unreinen Gedanken der Seelen der Heiden
können nicht die leuchtenden und göttlichen Strahlen aufnehmen, zumal
da sie an die Dunkelheit der Verehrung der Götzen gewöhnt und darin
befangen sind; denn von diesen werden sie verdunkelt und verfinstert.
Und es ziemt sich für sie, dafs sie, wenn sie sich dem Lichte nähern,
verachten [56] diese Finsternis der Verehrung der Dämonen und der
Götzenbilder, die von den Menschen herstammen. Denn nicht Götter
sind diese, die von den Menschen herstammen, und die bewacht werden
müssen, um nicht gestohlen zu werden; und so mache ich mich selbst
wie zu einem Beispiele für viele, dafs sie nämlich den Gott fürchten
sollen, der uns erschaffen und der uns zu einem neuen Menschen gemacht
hat, und nicht durch einen anderen ist mir die Gesundheit zu teil ge-
worden oder neu geschenkt worden. Und darum soll ausgerottet werden
der Irrwahn der Götzen Verehrung, welche die Thorheit geboren, der Wahn-
S Und ebenso unterlag die Partei der Götzendiener und die Gottlosigkeit wurde
zu schänden ; an die aber vom Senate, welche zum Glauben an unseren Herrn Jesus
Christus berufen wurden, wandte er sich in der Basilika, die Ulpia heifst, mit fol-
gender Ansprache: 'Die Gesinnungen eurer Seelen sind verunreinigt; und darum
können sie auf keinerlei Weise den Heilsratschlufs [in ihren Sinn] aufnehmen, die-
weil sie die Wolken und die Dunkelheit des Irrwahnes in sich bergen; und nicht
vermögen sie das Licht der Gottesfurcht in sich hineinzubringen. Öffnet nun die
Augen der Herzen und die Sehkraft der Gedanken: und prüft eifrigst und fällt
das Urteil, dafs jetzt nicht [mehr] die als Götter bezeichnet oder anerkannt wer-
den sollen, welche von Menschen gemacht worden sind. Denn nicht waren sie
(d. h. die in den Götterstatuen Dargestellten) schon vorher Götter, sondern es
waren ihre Mitmenschen; und ganz besonders sind [alsdann] Götter die Menschen,
die sie gemacht haben, während sie doch vorher nicht da waren, und die durch
[Kunst]eifer es dahin brachten, dafs sie sie zu [solchen] Gestalten bildeten (eig.
brachten). Und siehe, ich mache mich selbst zu einem Vorbilde für jedermann,
dafs man den wahren Gott anbeten und verehren soll! Denn wenn er es nicht
wäre, der uns von Anfang an geschaffen hat, wie hätte er mich, falls ich von
einem anderen gemacht worden wäre, erneuern können?! So möge denn nun
dieser ganze Irrwahn ein Ende nehmen : es möge sich verstecken die Unreinheit
und die Unsauberkeit der Vielgötterei (eig. der Vielheit der Dämonen), welche
der Unverstand geboren, die Dummheit aber hat wachsen und grofs werden lassen.
Und es soll ein wahrer Gott angebetet werden, der ewig existiert und im Himmel
herrscht. So wollen wir davon absehen, die zu verehren, durch deren Hände
wir nicht gerettet zu werden vermögen, die wir aber retten müssen, indem wir
die schmähen, die sie hassen, und von denen wir nicht bewacht werden können,
die wir aber bewachen müssen, wenn es nicht unser Wille ist, dafs sie gestohlen
werden, und es wäre wohl am Platze, wenn man sogar so weit ginge, zu den
Götzen zu sagen: 'Ihr Tauben, höret!' und: 'Ihr Blinden, sehet!'
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 3
34 Syrische Quellen abendländischer ErzählungsstofFe.
sinn aber grofsgezogen hat; und nur ein Gott soll [fortan] angebetet und
geehrt werden, er, der da lebt und herrscht im Himmel. Ist es uns wohl
angemessen, dafs wir die ehren, die uns nicht helfen können, die, welche
wir bewachen müssen, dafs sie nicht Schaden leiden, und bei denen wir
uns hüten müssen, dafs sie nicht gestohlen werden ? Ist es uns wohl an-
gemessen, 10 dafs wir zu den Tauben sagen sollen: Höret, und zu den
Blinden: Sehet!* Freuet euch aber und frohlocket mit mir ihr alle, dafs
Christus, den ich verläugnet hatte, mir die Gesundheit wie ehedem ge-
schenkt hat. Darum soll unsere, der Römer, Einsicht und Weisheit nicht
ferner Christum verachten, sondern ihn anerkennen (eig. aufnehmen) und
ihn anbeten, da er der Gott ist, von welchem her ihr [der Weisheit] Hilfe
wird, und den nicht sie bewachen mufs, und damit von der ganzen Welt
erkannt werde, dafs ich an den Gott der Wahrheit gläubig geworden bin.
Ich habe aber geziemendermafsen dazu die Anregung gegeben, dafs an
meinem Palaste eine Kirche gebaut werde, auf dafs alle Einsichtigen
gleicherweise wahrnehmen sollen, dafs nichts in meinem Herzen übrig
geblieben ist von dem früheren Irrwahne.'
Da riefen das Volk und der Senat vierzigmal: 'Christus ist Gott!'
und zehnmal riefen sie: 'Die Kirchen sollen geöffnet werden!' und zehn-
mal riefen sie: 'Die, welche Christum nicht fürchten, sind die Feinde
des Augustus!' 20 Dreifsigmal riefen sie: 'Er, der den Augustus ii gesund
gemacht* hat, ist der wahre Gott!' Zwanzigmal riefen sie: 'Der, wel-
cher Christum fürchtet, bleibt zu aller Zeit Sieger!' Vierzigmal i riefen
sie:* 'Die, welche Christum nicht anbeten, sollen aus der Stadt vertrieben
werden !'
Und, als sie stille geworden waren, sprach der König: ^ 'Zwischen
Gott und der Menschheit besteht folgender Unterschied: die Menschheit
ist unterworfen und bedürftig, und die Gottheit schaltet unumschränkt
ihrem Wesen nach und ist nicht bedürftig und herrscht über alles, und
sie will auch, dafs sie unter Zustimmung der Willensfreiheit der Men-
schen von ihr angebetet und geehrt werde. * Darum [57] wollen wir
nicht, dafs die Menschen gezwungen, sondern dafs sie freiwillig Christen
werden sollen ; und nicht aus Menschenfurcht, sondern aufrichtigen Sinnes
^ gerettet — i aber wurde auch dies festgestellt: — ^ 'Zwischen der mensch-
lichen und der göttlichen Knechtschaft findet dieser Unterschied statt: die mensch-
liche Knechtschaft nämlich (syr. aber) ist eine gezwungene, die Gottes aber eine
freiwillige und [selbst]crwählte [von seilen] dessen, der an ihr Wohlgefallen hat
(vgl. L Dominum velle sua voluntate ipsum confiterl eos, qui ad eum- accedunf, et sua
sponte sacrificare: non mitem vi eis et metu intentato). Denn Gott will mit reinem
Herzen und mit dem Bewufstsein der ganzen Seele von den Menschen angebetet
werden; und darum will er nicht gezwungenermafsen, sondern von denen, die
sich ihm freiwillig nähern, als der Heilige anerkannt werden. [Hieran schliefst
sich — sicher nur durch ein Versehen des Abschreibers, zumal da L hier aus-
nahmsweise mit A statt mit B übereinstimmt — unmittelbar (also noch als Rede
Konstantins) das an, was im obigen Texte weiter unten als Brief der Helena an
Konstantin hinter der Überschrift folgt; betreffs des Wortlautes von B vgl. die
Anmerkungen zum Texte (S. 35 f).]
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 35
sollen sie die Bitte aussprechen, dafs sie, wenn sie sich bekehren, der
grofsen Gemeinschaft der Christen beigemengt werden sollen.' Und, nach-
dem wieder verschiedenartige Zurufe erschollen waren, trat aufs neue
Stille ein; und der König kehrte zu dem Palaste mit Lampen und Kerzen
unter Lobeserhebungen zurück, und die ganze Stadt war geschmückt. Und
dies Gesetz wurde gegeben, dafs niemand gezwungen von seiner Religion
übertreten solle, und dafs niemand genötigt werden solle, eine Religion,
die er nicht wolle, zu verehren. Und es entstand Freude und Frohlocken
in allen Kirchen, und die Tempel der Begräbnisstätten (eig. über den
Särgen) der Heiligen wurden festlich geschmückt; und alle verfolgten
Gläubigen erhielten den Ruf, dafs sie zurückkehren sollten in ihre Hei-
mat, und wurden 10 die Freunde und Vertrauten des Königs. Das Übrige
aber, was [noch] gethan und gesagt wurde, verschweige ich und erzähle
es nicht, um nicht den Leser zu langweilen; weil du aber die Geschichte
von Helena, der Mutter des Königs, wünschest, so sollst du diese Er-
eignisse erfahren.
Dieselbe war in Bithynien mit ihren zwei Enkeln, den Augusti Kou-
stans und Konstantins, indem sie dort wohnten. Und, als die Juden
hörten, dafs der König sich hatte [christlich] unterweisen lassen und ge-
sund geworden und ein Christ geworden war, da näherten sie sich ihr
und teilten ihr mit, dafs er nicht von Christus her gesund geworden sei,
indem er sich taufen liefs, sondern vom Vater her, den sie anbeten.
Und sie bestachen die Gläubigen, die in ihrer Begleitung waren, und
brachten sie dahin, dafs sie an den König Konstantinus, ihren Sohn,
folgen dermafsen schrieb: 'Du machtvoller Besieger unserer Feinde und
Augustus, mein Sohn Konstantinus! Von deiner Mutter Helena einen
Grufs! 1 Die 20 wahre Überlegung stöfst nicht leichtfertig die Wahrheit
von sich, * und nicht erleidet der wahre Glaube jemals irgend eine Ein-
bufse. n» Darum [sage ich dir] : von Gott rührt es her, mein Sohn, dafs
1 Es stöfst aber die weise Überlegung nicht die Wahrheit von sich (vgl.
betreffs des Zusammenhanges oben S. 34, Anm. k). — '" Das Erbarmen Gottes
also müssen wir preisen, dafs ich (denn in B ist es noch Rede Konstantins) ge-
würdigt worden bin, dafs ich mich von der Nichtigkeit der Götzen lossagte. Das
Ende ist aber für den Irrwahn dadurch eingetreten, dafs ich geglaubt habe, dafs
Jesus der Nazaräer Gott ist und dafs derselbe als Sohn Gottes im Himmel ist;
denn er, der in menschlicher Gestalt und unter dem Gesetze der Juden war und
auf Grund richterlichen Urteiles infolge der Anklage am Kreuze starb, der ist
auch auferstanden von den Toten und herrscht im Himmel. So ist nun (syr. aber)
durch deine Barmherzigkeit [resp. 'deiner Liebe' sc. zu Gott, indem der Abschreiber
hier nicht mehr daran denkt, dafs und wie er seine Vorlage abzuändern hat] die
Genesung geschenkt worden.' Der heilige Silvester aber sprach: 'Weil du als
erster unter den Königen die Götzen verläugnet hast, so hat dir nämlich der
wahre Gott der Juden, sofern er zeigen wollte, dafs die, welche du verläugnet
hast, nicht Götter waren, die Gesundheit [wieder]geschenkt, damit du alle Götzen-
furcht von dir werfest und erkennen solltest, dafs sie nicht, wenn sie geehrt
36 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
du gewürdigt worden bist, ihn zu erkennen und gesund zu werden, indem
du nämlich von dem Irrwahne der Götzen dich trennst. Dafs du aber
glauben willst, Jesus der Nazarener sei Gott im Himmel und der Sohn
des Gebenedeiten, das ist ein Irrtum — da er doch, aus Judäa stammend,
zu einem Manne emporwuchs und deshalb, weil er [das Volk] irreleitete,
ergriffen wurde und die Kreuzesstrafe erleiden mufste und gestorben ist.
Deinem Glauben mufs aber in dem Sinne deine Genesung zugeschrieben
werden, dieweil du nämlich als erster König die Religion der Götzen ver-
läugnetest; und der wahre Gott, der der Juden, wollte zeigen, dafs es
keinen Gott giebt aufser ihm, und so schenkte er dir die Gesundheit
[wieder], damit du als [Gesundgewordener] nicht mehr [58] die Götzen
fürchten solltest, sondern dich von ihrer Verehrung abwenden, da sie
nicht zu helfen im stände sind, wenn sie angebetet werden, und nicht
Übles zuzufügen, wenn sie geschmäht werden. Es hat dich also die
Krankheit verlassen, indem du sie [die Götzen] verliefsest. Und nun,
mein Sohn, wenn du dich hinwenden wirst zu dem allmächtigen Gott, so
wirst du von ihm empfangen Kraft und Stärke, die nicht unterliegt und
besiegt wird; und du wirst ein Held werden wie David, und du wirst
weise werden wie Salomo, und es werden dir helfend zur Seite stehen
die Propheten, mit denen Gott geredet hat, und alles, was du von ihm
erbitten wirst, wirst du durch ihre Vermittelung hinnehmen. Gehab dich
wohl zu aller Zeit, und mögest du glücklich sein (eig. Erfolg haben),
o Augustus in alle Ewigkeit!'
Und er schrieb ihr in entsprechender Weise also: 'Meine Herrin, die
in alle Ewigkeit Königin ist, meine Mutter Helena! Von Konstantinus
Augustus [einen Grufs] ! Er, der alles erschaffen hat und W die Welten
umfafst, und der die Geschöpfe beherrscht und leitet und am Leben er-
hält, und der durch seine Kraft allem, dafs es lebe, den Lebensodem
giebt, und der der Menschheit befiehlt, dafs sie den Königen die ihnen zu-
kommende Ehre erweisen soll, und der, ebenso wie unsere Herrschaft hoch
und erhaben ist unter den Menschen, so auch über unseren Anordnungen
waltet — und darum sollen die Augen eines jeden Menschen, die Augen
wie die Gedanken, mit dem, was uns genehm ist, übereinstimmen, und
werden, Gesundheit zu schenken vermögen, und dafd sie, wenn sie verachtet
werden, nicht im stände sind, Krankheit zu bewirken. Indem du dich nun von
diesem Irrwahn der Götzen infolge der Liebe zu Gott, die in dir ist, losgesagt
hast, hat dich auch deine Krankheit verlassen. Jetzt aber, wo du dich zu dem
Allmächtigen hingewandt hast, hast du eine Kraft erhalten, die nicht besiegt zu
werden vermag, und, indem du ihn anzubeten anfängst, wirst du im Besitze des
Königtums Gottes [nach der Weise Davids] und des weisheitsreichen Salomon
sein; denn es werden mit dir sein die Propheten, mit denen Gott geredet hat,
und alles, was du erbitten wirst, werden sie dir durch ihre Hände geben. Gehab
dich wohl, 0 Augustus in alle Ewigkeit; hochgeehrter Sohn, erfreue dich der
schönsten Segnungen [NB. Schlufs des Briefes, obwohl der Inhalt zuletzt als Rede
Silvesters ausgegeben wurde]. — Zu Ende ist die Erzählung von der Bekehrung
des grofaen Königs Konstantin und von seiner Taufe durch den heiligen Silvester,
den Patriarchen der Hauptstadt Rom. Sein Gebet sei mit uns!
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 37
das, was wir nicht begünstigen, das sollen auch sie verwerfen. Also war
auch, o meine erlauchte Mutter, das, was wir gethan und begünstigt
haben, nicht nur nicht verwerflich; sondern vielmehr recht und lobens-
wert ist unser Wille, und das, was wir nicht wollen, ist verwerflich und
nicht annehmbar. Und das, wovon du gesprochen hast, kommt unserem
Regimente zu. Dafs wir aber Gott erkennen könnten, [dies zu meinen]
liegt unserer Anschauung durchaus fern; darum soll sie auch eine der-
artige Anmafsung (als ob wir über den Glauben entscheiden wollten)
von uns fernhalten und unmöglich machen. Und es sollen sich die Leh-
rer der Juden und der Christen allesamt versammeln, indem 20 sie in
unserer Gegenwart eine Sitzung abhalten, und sie sollen vor uns dispu-
tieren und ihre Fragen vor unseren Augen darlegen, damit wir die Wahr-
heit und die Glaubwürdigkeit der Streitfrage durch [ihre] Beweise [selber]
finden können. Denn ebenso wie (d. h. wenn) sie uns aus den heiligen
Schriften überzeugen können, uns und die ganze Welt, sollen sie dann
auch durch unsere Hände den wahren Glauben leiten (d. h. ihr Glaube
soll zur Staatsreligion werden). Gehab dich wohl, du meine Mutter und
du 0 Tugendreiche!'
Da versammelten sich die Lehrer der Juden und wählten [unter sich]
wohlunterrichtete Männer aus, dafs sie sich mit Helena nach Rom hinauf-
begeben sollten, indem sie ihr folgten. Und ihr Hoherpriester war zu
dieser Zeit Issakhar; und er beschwerte sich [gegen die Zumutung] und
weigerte sich, mitzureisen. Und er sandte zwölf Schriftgelehrte der Phari-
säer, die [59] der lateinischen Sprache und der griechischen und der
hebräischen in hervorragendem Mafse kundig waren, und die in der Dis-
putation Erfolg hätten haben müssen. Und im Monat Ab (August) im
vierten Konsulat fand die Versammlung der Juden und der Christen in
Rom statt; und es kamen aus ihren Städten vierundzwanzig Bischöfe
zusammen, und von den Juden versammelten sich hundertundzwanzig
Priester, über die zwölf Obere die Verfügung hatten, und deren Namen
so lauten: Abjathar und Jonan die Lehrer (Rabbinen), Gedalja und Onan
die Schriftgelehrten, Doeg und Kusa, Benjamin und Ariel die Gesetzes-
kundigen, Jubal und Terach die Häupter der Pharisäer, Silon und Zam-
bres die Ältesten der Juden. Und Zambres (syr. Zambrä, meist -i) war
ein Zauberer und Magier, wie sich schliefslich herausstellte; und sie ver-
trauten fest auf ihn, dafs sie durch seine Vermittelung l^ siegen würden.
Doch ist Hoffnung auf Menschen eitel ! Silvester aber vertraute auf Gott,
und er trug das Siegeszeichen in diesem Kampfe davon und ward [als
Sieger] gekrönt (vgl. Phil. 3, 14; 2 Tim. 2, 5).
Und, indem sie sagten, es sollten zwölf von den Christen ausgewählt
werden, die zur Disputation mit den zwölf Lehrern der Juden schreiten
sollten,* da sprach Silvester: 'Nicht auf die grofse Zahl der Leute ver-
* Hier ist höchst wahrscheinlich eine Lücke anzunehmen. Man vermifst eine
Ankündigung des Beginnes der Disputation, wie sich solche bei L. findet : Cum
adesset autem dies prcesüiutus, venu et ipse Sylvester in regiam et quidam episcopi et
38 Syrische Quellen abendländischer ErzählungsstofFe.
trauen wir, sondern allein zu der Kraft Gottes nehmen wir unsere Zu-
flucht, indem wir sagen: "Steh auf, o Gott, und verhilf deinem Rechte
zur Geltung (eig. streit deinen Streit; Ps. 74, 22)!" Und, je mehr wir
uns der Hilfe von Menschen entäufsern, desto mehr werden wir durch
die Kraft Gottes gekräftigt.' Und Abjathar hob an und sprach: 'Dieses
Wort hat unser Prophet gesagt; deshalb darfst du, wenn du für Jesus
die Sache führst und disputierst, nicht auf Grund des Unserigen [etwas]
aussagen, sondern auf Grund des Eurigen sollst du 20 die Antwort geben!'
Und es antwortete Silvester und sprach: 'Alles, was hier heute geredet
wird, das reden wir gegen euch auf Grund eurer Schrift, und nicht auf
Grund unserer. Es soll der Sieg durch unseren Herrn Jesus gerade da-
durch um so unbestreitbarer zur Erscheinung kommen (eig. durchdringen),
dafs ihr unterliegt, indem man in der Disputation von eurem [Stand-
punkte] ausgeht.' Und es sprach der König: 'Recht und billig ist das
Urteil, wenn es sich herausstellt, dafs jemand durch seine eigene Sache
(resp. seine Aussagen) unterliegt.'
Und es sprach Abjathar: 'Wenn Gott gesagt hat: "Sehet und er-
kennet, dafs ich es bin und nicht ist ein Gott aufser mir" (Deut. 32, 39),
wie könnt ihr da sagen, dafs man die Dreiheit anbeten müsse — ich
meine nämlich: unseren Gott und Jesum, den ihr vorbringt, und den
heiligen Geist. Wenn ihr nun die Dreiheit anbetet, betet ihr da den, der
gesagt hat: "Nicht ist ein anderer aufser [60] mir", so, wie es nötig ist,
an?' (resp. so betet ihr ihn nur gezwungen mit an). Und Silvester sprach:
'Wir bekennen einen Gott, und ihn fürchten wir; freilich meinen
wir nicht, dafs seine Gottheit unfähig (eig. leer) sei, sich über einen
Sohn von ihr zu freuen und zu frohlocken. Mit dem Sohn aber meinen
wir den, von dem es wiederum bei eurem Propheten heifst: "Durch das
Wort des Herrn sind die Himmel geschaffen" (Ps. 33, 6a); und vom
Geiste, an den wir [auch] glauben, hat der Prophet gesagt: "Durch den
Geist seines Mundes sind alle seine Heere" (ebd. 6b). Mit dem Sohne
meinen wir den, von dem es wiederum beim Propheten heifst : "Mein Sohn
bist du, und heute habe ich dich gezeugt" (Ps. 2, 7). Bei Gott aber,
weil er die Ursache von allem und vor aller Zeit ist, giebt es nicht gestern
und heute; und, gleichwie er vor 10 dem Schöpfungsbeginn ohne Anfang
ist, so ist Gott Vater und hat gezeugt. Wenn aber nicht, zu wem hätte
er denn gesagt: "Lasset uns einen Menschen machen nach unserem Bilde
und nach unserer Ähnlichkeit" (Gen. 1, 26); denn wenn er gesagt hätte:
"Ich will einen Menschen machen nach meinem Bilde und nach meiner
Ähnlichkeit", so müfste es als richtig anerkannt werden, dafs es sich um
eine Person und Wesenheit handelt; also ist es, da er gesagt hat: "nach
unserem Bilde und nach unserer Ähnlichkeit", klar und deutlich, dafs er
auf seinen Sohn, unseren Herrn, hingewiesen hat. Denn nicht sind wir
multitudo ludceorum: certaminis autem auditores et diiudicalores, et ipse plus prcesi-
delat Constantinm, et prceclarus senafus. Eins autem mater imperatrix sedehat inira
velum (vgl. S, 53, wo auch im syrischen Texte von den Vorhängen die Rede ist).
Syrische Quellen abendländischer Eizählungsstoffe. 39
im Stande, zu denken, dafs es etwas gäbe, was erhabener wäre als er, so
dafs es ihm helfen könnte, und nicht acceptabel ist die [Annahme einer]
UnVollständigkeit des Vollkommenen und nicht die [einer] Ergänzung
des Absoluten.' Und es sprach Rabbi Jonan: 'Nicht annehmbar ist
der Glaube auf Grund einer [blofsen] menschlichen Überlegung (resp.
Schlufsfolgerung). Denn an welchen Gott sollen wir denn glauben, dem
entsprechend, was du von uns verlangst, o Mann, der du den Vater, den
Sohn und den Geist bekennst?' Und Silvester sprach: 'Wenn du in der
Schrift liest, so findest du, dafs der Vater 20 vom Sohne gesagt hat:
"Mein Sohn bist du" (Ps. 2, 7) ; alsdann mufst du [auch] einsehen — das,
was behauptet wird — , dafs bei unserem Bekenntnis das mit der Dreiheit
nichts Fremdartiges (= Auffallendes) ist, da du auch betreffs des Geistes
hörst, dafs der Prophet gesagt hat, indem er betet: "Den heiligen Geist
nimm nicht von mir!" (Ps. 51, 13), und weiter ein anderer Prophet, dafs
er von dem Geiste weggegangen ist (Ps. 139, 7 ?), und weiter ein anderer
Prophet, der da sagt: "Durch den Geist seines Mundes sind alle Heere
des Himmels."' Und es sprach Koustantinus : 'Ich wundere mich über
die Juden, dafs sie, während sie doch auf Grund ihrer Schriften unter-
liegen, in immer neuen Beziehungen es wagen, die Streitfrage aufzustellen
und [so] die Wahrheit zu verhüllen. Darum ist das vom Vater und
Sohne und Geiste [bereits] hinlänglich als Wort der Wahrheit auf Grund
der Schriften erkannt worden. Wenn ihnen noch etwas Annehmbares
(d. h. Beweiskräftiges) übrig geblieben ist, so mögen es eben die Juden
kund tliun!'
Und Gedalja sprach: [61] 'Wir behaupten es (d. h. dafs wir etwas
Stichhaltiges vorbringen können) betreffs dessen, von dem ihr Evangelium
schreibt, dafs er geboren wurde und zunahm an Alter und an Weisheit
und vom Teufel versucht wurde und von seinem Jünger verraten ward und
verkauft wurde und gefangen genommen wurde und gereizt wurde und
geschlagen wurde, und dafs sie ihn verlachten und auch Essig gemischt
mit Galle* ihm zu trinken gaben und auch eine Dornenkrone ihm auf
sein Haupt setzten, und dafs ihm seine Kleider ausgezogen und durch
Würfelspiel verteilt wurden, und dafs er ans Kreuz geheftet wurde und
starb und begraben wurde.' Und es antwortete Silvester und sprach:
'Dies alles ist vorher verkündigt worden über Christus, unseren Gott,
damit es erfüllt werde, von den Schriften der Propheten, wie wir sogleich
beweisen wollen. Denn über seine Geburt hat der Prophet Jesaja gesagt
(7,14): "Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und gebiert einen Sohn, und
1^ sein Name soll Immanuel heifsen';^ und darüber, dafs er mit den Men-
* Der syrische Ausdruck hier und Z. 25 bedeutet 'Bitterkeiten' (=: Bitteres?);
doch wird mit geringer Veränderung dafür nach Matth. 27, 34 'Galle' zu lesen sein.
2 Bei L findet sich eine weitere Ausführung, dafs schon um deswillen der
Prophet von einer Jungfrau gesagt haben müsse, dafs sie schwanger werden
würde, weil ja sonst nicht von einem Wunderzeichen die Rede sein könne (s. Jes.
7, 14). Im Folgenden wird dann ausgeführt, dafs der Messias schliefslich den
40 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoflfe.
sehen verkehrte, höre weiter den Propheten, der da sagt (Baruch 8, 86—38):
"Siehe, unser Gott, dem gleich es keinen anderen giebt, hat den Weg der
(resp. zur) Wahrheit gefunden und sie dem Jakob, seinem Knechte, ge-
geben, und dem Israel, seinem Freunde, und schliefslich erschien er auf
der Erde und verkehrte mit den Menschen"; und darüber, dafs er versucht
wurde vom Teufel, der von ihm besiegt wurde, sagt der Prophet Sacharja
(3, 1 f.) : "Ich sah den Hohenpriester Jesus (eig. Josua), der dastand, und
den Satan, der zu seiner Rechten stand, um ihn zu schädigen ; er spricht
zu ihm : Es schelte dich der Herr, der Jerusalem erwählt hat" ; und, dafs
er gefangen genommen wurde, das sagt die Weisheit Salomos (2, 12) : "Es
sprachen die Gottlosen: Wir wollen den Gerechten binden, der uns nicht
pafst"; und dafs ihn weiter sein Jünger verriet, sagt der Psalter (41, 10):
"Der mein Brot ifst, hat gegen mich die Ferse erhoben"; dafs aber 20
seine Kleider ihm ausgezogen und dann verteilt wurden, das hat der
Prophet gesagt (Ps. 22, 19): "Sie haben meine Kleider unter sich verteilt
und über mein Gewand gewürfelt" ; und dies, dafs er von den lügnerischen
Zeugen verraten wurde, das hat wiederum der Prophet gesagt (Ps. 35, 11;
vgl. 27, 12): "Sie haben gegen mich falsche Zeugen aufgestellt"; und,
dafs die Dornenkrone ihm aufgesetzt wurde, sagt Jeremia: "Diese Leute
haben auf mich die Dornen ihrer Sünden gelegt" ; * und darüber, dafs er
Galle afs und Essig trank, sagt der Prophet: "Sie haben meine Speise
zu Galle gemacht und für meinen Durst haben sie mir Essig zu trinken
gegeben" (Ps. 69, 22) ; und darüber, dafs sie ihn verlachten, sagt Jeremia
(22, 7 f.): "Ich bin zum Gelächter für dieses Volk geworden und zum
Spotte"; und, dafs er gebunden [62] und an das [Kreuzesjholz gehängt
Namen Jesus trug, damit durch seinen Namen auf die zukünftige Ausübung seines
Berufs hingewiesen werde; denn Jesus bedeute populi mlus. Theologisch inter-
essant ist auch die folgende (wahrscheinlich gleichfalls sekundäre) lange und durch
Beispiele erläuterte Ausführung bei L (a. a. O. S. 1060 f.) über die Eigenheit
der prophetischen Diktion des Alten Testaments : quod scepe mos sit prophetis futura
prcedicere perinde ac si iam facta essent, propterea quod omnino futura sit i)rophetia
et non possit excidere.
* Diese Stelle kann nicht nachgewiesen werden; bei L findet sich dafür
Ps. 87, 7 : Posuerunt me in lacu inferiori (bemerkt sei, dafs in demselben Psalme
in V. 18 sich die Anfangsworte dieses Citates hier: 'sie haben auf mich gelegt...',
finden). Ebensowenig läfst sich die bald folgende Stelle, die dem Esra zugeschrie-
ben wird, noch auch die dieser folgende, die dem Jeremia zugeschrieben wird,
nachweisen. Die letztere erinnert etwas an den Sinn von Jes. 26, 19. Von allen
drei Stellen hat der lateinische Text nur die Esra-Stelle in folgender Fassung:
Alligavistis me, clamantes super tribunal iudicis, me humiliavistis : ut supra lignum pen-
derem, me tradidistis. Da eine Stelle dieses Wortlautes in der lateinischen Bibel
sich nicht findet, wie auch der Herausgeber des lateinischen Textes sie nicht
nachzuweisen vermocht hat, so wird sie wohl dem syrischen Texte, der ebendarum
der Urtext sein mufs, entnommen sein und aus einem syrischen Apokryphon,
resp. aus einer vom hebräischen Urtexte resp. der LXX abweichenden Bibelstelle
einer der syrischen Übersetzungen, stammen, ebenso wie auch die beiden anderen
Stellen, die man bei der Übersetzung des syrischen Textes wegliefs. Freilich
weifs ich nicht, ob im griechischen Texte sich diese Stellen — und damit zugleich
Handhaben für die Bestimmung ihrer Herkunft — vorfinden.
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 41
wurde von den Juden, das sagt auch Esra: "Ihr habt mich gebunden,
als ob ich nicht euer Vater wäre, der euch aus Ägypten errettet hat,
indem ihr vor dem Eichterstuhle schreit, dem ihr mich preisgegeben habt,
und habt mich arm gemacht, so dafs ich ans Kreuzesholz gehängt wurde" ;
und darüber, dafs er begraben wurde, sagt Jeremia: "Durch sein (resp.
bei seinem) Begräbnis sollen die Toten leben"; denn an dem Tage, an
welchem unser Herr Jesus, indem er litt, seinen Geist aufgab, da wurden
die Grabstätten aufgethan, und viele Leiber der Heiligen standen auf, und
die Sonne verdunkelte sich [mitten] am Tage, und es ward Nacht, und
der Vorhang des Tempels zerrifs, und die Erde schwankte allerorten
(Matth. 27, 51 f.). Und, wenn du im stände bist, o Jude, zu beweisen,
dafs alles dies nicht in deinen Büchern durch die Propheten aufgezeichnet
steht, und du mich der Lüge überführen kannst, so siegst du; 10 wenn
aber in Wahrheit dies von den Propheten gesagt wird und in den Büchern
aufgezeichnet steht, so mufst du dich von deinen Propheten überzeugen
lassen und es als wahr entgegennehmen (= acceptieren), und wenn du
noch so sehr meinen Worten entgegentrittst. Und, wenn du von ihnen
(d. h. den Propheten) sagst, dafs sie gelogen haben mit dem, was sie
niedergeschrieben haben, dann löst sich [von selbst] deine Religion und
dein Glaube auf. Wenn du aber bekennst, dafs es wahr ist, so erweisest
du sie als Zeugen der Wahrheit und bist dann verpflichtet, Christus [als]
unseren Gott, auch wenn du es nicht willst, mit Fug und Recht anzu-
beten.' Und Konstantinus sagt: 'Wenn dies in euren Schriften aufge-
zeichnet steht, so seid ihr Juden mehr als genug genötigt, betreffs des
Leidens Christi für das einzustehen, was durch ihn als Verkündigung
über ihn bei den Propheten überliefert worden ist. Und darum mögen
sie, wenn sie etwas anderes [zur Hand] haben, es darlegen, weil dies
sich doch richtig [den Weissagungen] entsprechend 20 zugetragen hat.'
Spricht Onan: *Was über [irgend] einen von den Heiligen nieder-
geschrieben worden ist, bezieht Silvester auf Jesum, indem er ihn darunter
versteht; aber er möge doch beweisen, dafs das, dafs er geboren wurde
und versucht und gefangen genommen und geschmäht und verhöhnt und
gekreuzigt, und dafs er starb und begraben wurde, [wirklich] alles auf
ihn [allein] pafst.' Und Silvester sprach : 'Danach wäre es nötig, dafs wir
dir alle Bücher, indem wir [ihren Inhalt] nacherzählen, erläuterten. Aber
bekenne doch vorerst, dafs es eure Bücher sind, und dafs sich in ihnen
keine Lüge findet.' Und Onan sprach: 'Dafs alles, was von den Pro-
pheten gesagt worden ist, wahr ist, behaupten wir alle; aber du behaup-
test, dafs das, was über andere gesagt wird, auf einen anderen zu be-
ziehen sei.' Und Silvester sprach: [63] 'Nun, so zeige mir doch den
anderen, der von der Jungfrau geboren worden ist, und der, als er
empfangen worden war, die Völker dem (syr. deinem?) Gesetze zuwandte, ^
* Zum Ausdruck vgl. z. B. Luc. 1, 16. Doch scheint eine Anspielung auf Ps. 2, 1
(oder der Rest eines Citates dieser Stelle) vorzuliegen, weil bei L mehrfach gerade
diese Stelle für die Beweisführung verwertet wird (s. S. 1058, 1060 und 1061).
42 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
und der Galle afs und Essig trank, und dem die Dornenkrone auf sein
Haupt gesetzt wurde, und der gekreuzigt wurde und starb und begraben
wurde!' Und Konstantin spricht: 'Wenn Onan nicht den anderen, der
dies erduldet hat, aufzuzeigen vermag, so mufs er einsehen, dafs er offen-
bar als besiegt zu gelten hat.'
Doeg wiederum spricht: 'Silvester hat versprochen, die Dinge, die
[nur auf ihn] passen, anzugeben betreffs seiner Geburt und seiner Ver-
suchung und seines Leidens; und es ist recht und billig, dafs er seine
Versprechungen erfülle.' Silvester spricht : 'Weil ihr gesagt habt, dafs die
Prophetie wahr ist, so bekennet vorerst, dafs die Jungfrau schwanger ge-
worden ist und den Immanuel — das ist verdolmetscht "unser Gott mit
uns" — geboren hat!'^ Und es schwieg Doeg. Und Konstantin spricht:
l() 'Doeg würde nicht so ohne weiteres geschwiegen haben, wenn er im
stände gewesen wäre, Beweise aufzustellen. Und es ist seine Pflicht, dafs
er einsieht, dafs das wahr ist, was über Christus niedergeschrieben wor-
den ist.' Und weiter sprach Silvester: 'Wenn sie anderes [zur Verfügung]
haben, so sollen sie es kund thun!'
Und es sprach Kusak, der Lehrer : 'Du hast allerdings nicht die Sache
mit der Geburt uns klar dargelegt!' Silvester spricht: 'Habt ihr nicht
in der Schrift gelesen, dafs Gott von dem Lehm der Erde nahm und den
ersten Menschen bildete (Gen. 2, 7)?' Und es sprach Kusak: 'Jeder, der
es gelesen hat, besinnt sich darauf, dafs dies [so] geschrieben steht.' Und
es sprach Silvester: 'Und dies, dafs der Mensch durch den Rat der
Schlange dem Tode verfiel und des Paradieses verlustig ging, und dafs
dann festgesetzt wurde, dafs er unter Mühsal und Schmerzen das Brot
essen müsse (Gen. 3, 17 — 19. 23) — ?' Und es sprach Kusak: 'So ist es!'
Und Silvester spricht : 'Also wurde er um seiner Übertretung des Gebotes
willen aus 20 dem wonnereichen Eden verstofsen.' Und Kusak sprach:
'So ist es!' Und Silvester spricht: 'Die Erde, von welcher Adam [ge-
nommen] war — war sie verderbt oder nicht?' Und Kusak spricht: 'Un-
verderbt war sie, jungfräulich, um so zu sagen.' Und Silvester spricht:
'Mit Recht hast du gesagt, dafs die Erde vorher unverderbt war, jung-
fräulich, weil sie [noch] nicht den Fluch empfangen hatte, dafs sie Dor-
nen und Disteln hervorbringen solle, und [noch] niemand in ihr begraben
war^ und [noch] nicht das [unreine] Gewürm von ihr ernährt wurde.'
Und Kusak sprach: 'So verhält sich dies!' Und es sprach Silvester: 'Mit
Recht hast du diesen [Thatsachen] zugestimmt, die Wahrheit sind, des-
halb [nämlich], weil von der Jungfrau Maria uns ein neuer Adam geboren
werden mufste, der im stände sei, die versuchende Schlange [64] wegzu-
jagen — ich meine die, welche den ersten Menschen besiegt hat — und
* Dagegen tritt L von einem etwas anderen Gesichtspunkt an diese Frage
lieran ; dort sagen die Juden von Silvester : Et iam dicaf, qnanam de causa Jes?is,
cum esset Deus, ut ipse dicif, natus est ex inrgine, et carnem suscepit (vgl. unten S. 44).
^ L hat dafür (S. 1062) neque polluta sanguine frotris, auf ca?dibus aliorum
animaUum, neque morluorum corporum, nt postea vocatn esset sepidcrum etc. Dagegen
fehlt der Inhalt des folgenden Satzes ganz.
Syrische Quelleu abendländischer Erzählungsstoffe. 43
ihn aus der Gefangenschaft zu erretten. Denn der, welcher den Men-
schen in Eden besiegt hat, der hat unseren Herrn in der Wüste versucht.
Und, weil dadurch, dafs Adam auf den Rat der Schlange hin afs, alle
seine Nachkommen dem Tode unterworfen waren, so können nun ebenso
um des Fastens unseres Herrn willen alle auch das Leben erlangen ; und
ebenso, wie nur die dem Tode unterworfen sind, welche von den Gebeinen
und dem Fleische und dem Blute Adams herstammen, so können auch
nur die das ewige Leben im Lichte erlangen, welche aus dem Wasser und
Geiste [wiederjgeboren werden und den Leib und das Blut unseres Herrn
Jesus Christus [in der Kommunion] geniefsen. Und darum hat der, wel-
cher in der Versuchung den Teufel besiegt hat, uns 1*^> das Paradies zu-
rückerworben und hat uns das ewige Thor des Lebens [wieder] geöffnet.'
Da priesen Konstantin und der Senat, indem sie sich wunderten, laut
den Silvester.
Und es stand Benjamin auf und sprach: 'Es ist [noch] nicht die [rechte]
Zeit, dafs Silvester gepriesen werde, weil wir noch viel mit ihm zu reden
haben ; und, wenn er ausreichend über alles das uns Aufschlufs giebt und
geziemendermafsen sich verteidigt, alsdann werden auch wir den, der
schliefslich als Sieger in der Disputation sich herausstellt, zugleich mit
euch preisen.' Und es sprach Silvester: 'Nichts Ungewöhnliches ist dies,
dafs die, welche an einem Unrecht beteiligt sind, die Rechtlichen [an
der Geltendmachung ihrer Rechte] hindern wollen; haben sie doch auch
den Vorteil davon, dafs sie, da sie doch auf Grund der Wahrheit über-
wunden werden würden, das gerechte Gericht [zum Austrag der Sache]
zwischen ihnen hinausschieben. Doch rede, sintemal doch auch du, o Ben-
jamin, gewillt bist einzusehen, dafs der heilige Geist, der in unserem Her-
zen ist, bereit ist, dir Antwort zu geben.' Und es sprach 20 Benjamin:
'Indem du betreffs der Geburt Christi und seiner Versuchung und seines
Verrates und betreffs seines Leidens und seines Todes von uns gefragt
worden bist, hast du nur über seine Geburt ein wenig Auskunft gegeben ;
und es ist weiter nötig, dafs du uns über dies alles den Nachweis lieferst.
Und darum habe ich gesagt, dafs [noch] nicht die [rechte] Zeit ist, dafs
du als Sieger gepriesen werdest, weil erst dann jemand gefeiert werden
darf, wenn er vollständig gesiegt hat.' Und es sprach zu ihm Silvester:
'Bekenne nun, dafs es sich so, wie meine Rede es auf Grund der Pro-
pheten über seine Geburt richtig nachgewiesen hat und [wie] ich es danach
weifs, zugetragen hat. Und ebenso würdest du es auch betreffs seiner
übrigen Leiden im Streite mit irgend jemand wahrnehmen können.' Und
Konstantin sprach: 'Berechtigt ist die Forderung des Priesters Silvester;
und dir kommt es zu, das, was von ihm über seine Geburt gesagt worden
ist, zuzugeben, damit er, wenn es [nun einmal] richtig [65] gesagt wor-
den ist, nicht immer wieder durch dieselben [Einwendungen] aufgehalten
werde.' Und Benjamin sprach: 'Alsdann ist das, was gesagt wird, an-
nehmbar, wenn es sich nicht dem Sichtbaren (d. h. wohl: der deutlichen
Wahrnehmung) entzieht.' Und Silvester sprach: 'Sage doch das, was
damit zusammenhängt (resp. sich als Folgerung daraus ergiebt)!' Und
44 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
Benjamin sprach: 'Ist es möglich, dafs der Sohn Gottes vom Bösen ver-
sucht werde und hungere und genötigt werde, aus Steinen Brot zu
machen, und dafs er dazu gebracht werde, sich von der Zinne des
Tempels, die er bestiegen hat, in die Tiefe zu stürzen, und dafs er,
indem er die Eeiche und ihre Herrlichkeit sieht, nämlich falls er nach
ihnen begehren sollte, den Versucher anbete?' Und es sprach Silvester:
'Du hast aus Versehen vergessen, dafs ich vorhin zu euch gesagt habe,
dafs der, welcher den Adam dadurch, dafs dieser von dem Baum afs,
durch seinen Eat besiegte, verachtet und besiegt wurde von Christus,
der hungerte. Und höre! 10 Müssen wir nicht sagen, dafs Christus in
der Natur seiner über alle Bedürfnisse und Leiden erhabenen Gott-
heit nur deshalb versucht werden konnte, weil er freiwillig sich mit
dem Körper bekleidete und in allem unserer Art und uns gleich wurde,
ausgenommen die Sünde, und sich selbst zur Kettung für viele hingab.
Und, dieweil es nicht möglich war, dafs der Sohn des Gebenedeiten rein
in seiner Gottheit versucht wurde, darum ist er von der Jungfrau als
unser Anverwandter geboren worden und hat die Gestalt unserer Mensch-
heit mit sich vereint und ward vollkommen ein Mensch, indem er doch
vollkommener Gott war, und so vollführte er in unserer Menschheit (d. i.
menschlichen Natur) als Mensch den Kampf mit dem Versucher und
fastete und siegte;^ und beachte, dafs nicht ein einfacher Mensch den
Sieg im Zweikampf der Unterlegenheit des Adam (d. i. der unterworfenen
Menschheit) zuwenden konnte, und dafs [andererseits] auch der Versucher
nicht mit Gott 20 in Wirklichkeit kämpfen konnte, da doch die Kreatur
nur ein Schemel unter seinen Füfsen ist (Jes. 60, 1. Matth. 5, 35). Und
ebenso, wie der Versucher den ersten Menschen, den Sohn der Jungfrau,
der unverderbten Erde, besiegte, und wir von ihm her für (resp. in) den
Tod geboren wurden, so wurde er von dem zweiten Menschen, dem Sohne
der Jungfrau Maria, Christus, in welchem alle Fülle der Gottheit ver-
körpert wohnte, wie es heifst (Col. 2, 9), besiegt und wandte das Leben
den übrigen Nachkommen Adams zu, auch wenn sie es nicht wollen,
weshalb unser Herr Jesus Christus gesagt hat (Joh. 3, 5): "Wer nicht
geboren wird aus Wasser und dem heiligen Geist, hat nicht das ewige
Leben." Und, wie ein Mensch fleischlich geboren wird und beanlagt ist
zu sterben, so wird ein anderes Kind geboren im Geiste und ist befähigt
[66] für das ewige Leben, und diese [letztere] Geburt hat uns zu jener
Zeit unser Herr geschenkt. Und beachte, dafs der Böse besiegt worden
ist; und, während er einmal den ersten Adam besiegte, ward er drei-
mal von Christus besiegt. Und es hätte zwar für den, der einmal den
Adam besiegt hat, genügt, einmal zu unterliegen; [thatsächlich] ist er
aber ein erstes, zweites und drittes Mal besiegt worden. Denn damals.
* Jesus siegte durch sein Fasten und durch die Zurückweisung des Angebots
der Weltherrschaft gegen die Verlockungen gulte und dominandi desiderii (s. unten
S. 45: 66, 19), ebenso wie Adam unterlegen war per intemperantiam et glorice
cupiditatem (s. lat. Text S. 1062). Vgl. S. 43.
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 45
als Christus auf der Zinne des Tempels nach dem Fasten und Hungern
dastand und ihm der Böse die Keiche der Erde zeigte, damit er nach
eitlem Kuhme begehren sollte (Matth. 4, 1 ff.), da hat er, der [schon]
durch das Fasten gesiegt hatte und nicht aus Steinen Brot gemacht
hatte, auch nicht die Engel gerufen, dafs sie ihn nun auf ihren Armen
tragen sollten, damit er sich nicht au seinen Fufs stofse, [indem er
sich dadurch] als Sieger [erwiesen hat], damit er uns die gute Lebens-
weise zeige, 10 dafs wir in seinen Fufsstapfen wandeln sollten, und
dafs uns nicht der Böse anstachele und wir uns erhaben dünken oder
uns brüsten wegen irgend einer einmaligen oder zweimaligen Ausübung
der Tugend, die sich einzig und allein bei uns vorfinde, und er dann
wieder seinen Sklaven (eig. Unterlegenen) am Gängelbande führt [durch
die Sünde des Hochmuts]. Denn bei den Menschen ist es Brauch,
dafs einer dann, wenn er in der Askese des Fastens sich bethätigt, von
ihnen geehrt wird, d. h. von den Königen und den Grofsen der Erde,
indem sie ihm goldene Geschenke und Ehrengaben versprechen; aber es
ist ihm gut, dafs er nicht [danach] begehre und sich nicht erhaben
dünke, sondern dafs er die einen zurechtweise, die anderen aber warne,
und wieder anderen zurede und vor denen, die [ihm] schaden können
(resp. vor dem, was schadet), sich hüte, und zwar, indem er darauf auf-
merksam sei, dafs er nicht wiederum falle. Und darum hat unser Herr
Christus auch zu dieser Zeit offenkundig im Zweikampfe gesiegt, indem
ihm von dem Versucher Besitz und Schmeichelei entgegengebracht wurde
und dieser ihn bat, 20 er möge ein Feind der Wahrheit werden, und ihm
die ganze Welt versprach, wenn er niederfallen werde, um ihn anzubeten.
Doch höre [ihn sagen]: "Gehe hinweg von mir, Satan; es steht geschrie-
ben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen
(Matth. 4, 10)." Siehe, den ganzen Gegenstand des Leidens habe ich dir
dargelegt in dem, wovon früher (?; eig. unten) die Eede war; aber glaube
jetzt, o Jude, dafs auch du im stände bist, den Versucher zu besiegen
und dich mit uns zu ergötzen an dem Siege Christi, wenn du nämlich
glaubst und durch deine Werke dich rechtfertigst.' Und wiederum priesen
ihn das Volk und der König und die Grofsen gewaltig und feierten ihn
[67] darum, und dann schwiegen sie erfreut still.
Und Ariel rief aus und sprach: 'Auf Grund seiner Schriften hat er
versprochen mit uns zu disputieren, und siehe, er besiegt uns auf Grund
der unserigen in der Disputation!' Und es sprach Silvester: 'Es erinnert
sich der Augustus und die, die hier zugegen sind, dafs ich von vorn-
herein versprochen habe, unsere ganze Disputation, sowohl bezüglich der
Leiden Christi wie seiner Geburt, auf Grund eurer Bücher zu führen, die
über Christus vorher niedergeschrieben worden sind.' Und es sprach der
Augustus: 'Ariel befand sich im Irrtum betreffs dessen, was geredet wor-
den ist, und er wollte den Gang der Disputation uns umkehren und
wieder von vorn anfangen lassen. Darum möge er schweigen, damit er
nicht als Intrigant Strafe bekomme oder als Irrender Tadel.'
Und Jobab, der Pharisäer, sprach: 'Ich wundere mich darüber, dafs,
46 Syrische Quellen abendländischer ErzählungsstofFe.
obwohl Silvester [bisher] nur 10 über die Versuchung Christi uns ge-
antwortet hat, doch eure Weisheit ihn jetzt preist, als ob er über alles
gesprochen und gesiegt hätte. Denn wir haben an ihn [noch] eine wich-
tige Frage zu richten, und er mufs sie prüfen, ich meine nämlich betreffs
dessen, dafs er von seinem Jünger verkauft und verraten wurde, und
betreffs seiner Verhöhnung und betreffs dessen, dafs sie ihn nackt hin-
stellten, und betreffs der Dornenkrone, die er bekam, und betreffs seiner
Kreuzigung und seines Todes und seines Begräbnisses.' Und es sprach
Silvester: 'Es ist deine Pflicht, dafs du dich darauf besinnst, o Jude,
dafs ich gesagt habe, bei der Natur der Gottheit sei es nur dadurch für
Christus zu leiden möglich gewesen, dafs er von der Jungfrau Maria als
Mensch geboren (eig. verkörpert) wurde; wie es in der Schrift heifst, dafs
Gott dem Abraham verheifsen hat: "In deinem Samen sollen alle Völker
gesegnet werden" [Gen. 22, 18], und dem David : "Einen von den Früchten
20 deines Leibes will ich auf deinem Throne sitzen lassen" [1 Kön. 5, 19].
Mit diesem vollkommenen Menschen also, den er annahm, sagen wir, dafs
er gelitten hat und verraten worden ist und dafs er versucht wurde, um
den Teufel zu besiegen und die Leiden durch seine Leiden im Fleische
zu unterjochen, und dafs er starb, um den Tod aufzuheben und unwirk-
sam zu machen.' Und es sprach Jobab : 'Sonach giebt es zwei Söhne
Gottes, den einen von der Jungfrau, und den anderen, der vom allmäch-
tigen Vater gezeugt worden ist.' Und Silvester sprach: 'Christus ist ein
Sohn (resp. einer als Sohn). Denn ebenso, wie der Sohn Gottes unsicht-
bar ist, in gleicher Weise wurde der Sohn Gottes in Wahrheit sichtbarer
Mensch, ohne [seine Natur] zu verändern, damit er uns Menschen das
vollkommene Heil verschaffen könne.' Und Jobab sprach: 'Wie ist es
möglich, [68] dafs er in dem Menschen, den er annahm, litt?' Und Sil-
vester sprach zu ihm : 'An einem Beispiele, dessen du dich erinnern magst,
sollst du erkennen, dafs, während er aus zwei Naturen eine [gemein-
same] geworden ist, doch die eine dem Schimpfe verfällt und die andere
über ihn erhaben ist.' Und es sprach Jobab : 'Auf keine Weise vermagst
du mich hiervon, indem du mich aufklären willst, zu überzeugen.' Sil-
vester spricht: 'Das hast du nach jüdischer Art gesagt, dafs du, bevor
du noch darüber etwas hören konntest, schon mir erwidert hast, ich sei
nicht im stände, meine Versprechungen aufrecht zu halten.' Und es
sprach Jobab: 'Es ist nicht möglich, dafs mich jemand an einem Bei-
spiele lehren könnte, dafs von zweien, wenn sie in einem sein sollten
und wenn sie zusammen geboren und zusammen gekreuzigt werden soll-
ten, doch nur der eine (resp. die eine sc. Natur) von ihnen den Schimpf
erleiden sollte.' Silvester 10 spricht: 'Also, wenn ich dir an einem von
[verschiedenen] Beispielen den Beweis liefern kann, dann wirst du zu-
geben vor diesen Grofsen [der Erde], dafs du besiegt worden bist?' Kon-
stantin spricht : 'Zu unserer Befriedigung und nach unserem Wunsche ist
er [alsdann] verpflichtet, beizustimmen, wenn du den Beweis lieferst, dafs
von zwei Naturen, wenn sie in einem geeint sind, die eine gelitten hat
und die andere über die Leiden erhaben ist.'
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 47
Und es sprach Silvester : 'Sieh ! Indem ich mich des Beispiels der
königlichen Purpurkleider bediene — so ist dies Wolle gewesen, die mit
dem Blute der Schnecken vermischt worden ist und von ihm diese Pur-
purfarbe bekommen hat. Wenn sie (d. i. die Wolle) nun gekrempelt wurde,
entweder um [als Kette] aufgezogen oder um als Einschlag verwendet zu
werden, indem [nämlich] sie zu Fäden gesponnen wurde, was war das
Empfangende? — das Gespinst in gleicher Weise wie der königliche Pur-
pur, in den es getaucht worden ist, öder die frühere Wolle allein, die
einst ^0 da war, und zwar, ehe sie hineingetaucht wurde?' Und es ist
danach klar, dafs es (d. i. das empfangende Element) nicht die der Königs-
würde entsprechende Pracht ist, sondern die Wolle, die geringwertig war,
und zwar [die Wolle, wie sie war,] bevor jene (die Pracht, d. i. der präch-
tige Mantel) entstand und geboren wurde. Indem man sich dies aber in
dieser Weise klar macht, so müssen wir den Menschen der Wolle ver-
gleichen und die Purpurfarbe dem Gott-Logos, der [aus beiden] einer ge-
worden war und im Fleische und in der Seele bestand, sowohl bei der
Geburt als bei dem Leiden und bei der Kreuzigung, indem er in seiner
göttlichen Natur nicht geschädigt werden konnte oder überhaupt den
Leiden unterworfen war.'
Und, als der König und sie alle ausriefen: 'Wahrheit sind diese Be-
weise,' spricht Terach, der Pharisäer: 'Dieser Beweis genügt mir nicht,
weil die Farbe in der Wolle gleichzeitig mit gekrempelt und mit gewebt
worden ist (so dafs also nicht blofs die Wolle, sondern auch die Farbe
dies mit leidet).' [69] Und, indem sie ihm alle verständlich zu machen
suchten, dafs, während die Farbe alles gleichzeitig mit annimmt (= erfährt),
sie doch über alles dies erhaben ist (d. h. nicht dadurch leidet) und nur
die Wolle dem Krempeln und dem Spinnen und dem Übrigen unterworfen
und dienstbar ist, da spricht Silvester: 'Ich bitte euch, meine geliebten
Söhne, schweiget ein wenig still; denn ich will ein anderes Beispiel, das
am Platze ist, vorbringen, welches dieser Jude nicht zu tadeln und zu
schmähen vermag.' Und er fuhr fort und sprach: 'Höre, o Terach! Kann
wohl ein Baum, wenn auf ihm ein Sonnenstrahl liegt, abgehauen werden ?'
Und Terach sprach: 'Das kann geschehen!' Silvester spricht: 'Siehst du
nicht, dafs, wenn er abgehauen wird, die Sonne, die auf dem Baume aus-
gebreitet ist, zuerst den Schlag des Beiles empfängt? Aber der Sonnen-
strahl, auch wenn er an und 10 mit ihm (dem Baume) ist, kann doch
nicht zerhauen und zerschnitten werden — in gleicher Weise würde auch
die Gottheit nicht weggegangen sein (= hätte nicht wegzugehen brauchen)
und wäre [doch] nicht zerschnitten worden oder hätte [nicht] gelitten — ,
sondern das Holz verfällt und unterliegt dem Leiden wie der, der ergriffen
und getötet werden kann. Und diese beweise habe ich vorgebracht als
* Vgl. Li ulrum erat id, quod nebalur, aut secabalur, aut Ugabahir, fila serlca,
an id quod ea coloravif, color inquam purpvrce (dafür auch purpura tuoi potenfice),
und betreflfs des Entscheides : . . . quomodo neque purpiira, dum fila secabantur serica^
oMt qttce ex eis contexta -fuerant, fuit concisa.
48 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffie.
ein schwacher Mensch, o du Jude; denn das, was als etwas Schwaches
von einem Schwachen dadurch ausgedrückt wird, ist zwar gegenüber
der göttlichen Seinsweise dunkel und geringwertig; aber es macht doch
den Gläubigen das, was sich in Wirklichkeit vollzogen hat, so viel als
möglich klar. Und, indem ich diese Seinsweise [mit den Worten meiner
Darlegung] umfasse, habe ich dies nicht in erschöpfender Weise zum
Ausdruck gebracht; denn nicht vermag die Natur der Geschaffenen mit
dem Verstände die ungeschaffene 'Natur zu umfassen. Denn darum hat
er es auf sich genommen, Fleisch von unserem Fleische (eig. von uns her)
zu werden, damit er uns der Natur seiner Gottheit durch 20 Adoption
wert und teilhaftig mache, und [so] hat er unsere Natur sich geeint —
ich meine aber eine unvermischbare und unveränderliche und unvergäng-
liche Einigung, die er allein kennt.' Da spendete [auch] das ganze Volk
der Juden laut rufend Beifall. *
Und, als der Augustus dem Kampfe der Disputation ein Ende machen
wollte, da sprach Silvester: 'Silon und Zambres sind allein übrig; und,
wenn wir es ablehnen würden, auch mit ihnen zu disputieren, ohne dafs
sie es abgelehnt haben, mitzureden, so würden allerdings die, welche es
wollen und darauf absehen, über uns das Gerücht verbreiten, entweder
dafs wir sie mifsachtet hätten, oder dafs wir uns nicht mit ihnen ein-
gelassen hätten.' [70] Und Silon sprach: 'Du thust wohl daran, dafs du
an einen Einwand von uns her gedacht hast, der gegen dich erhoben wor-
den wäre — ein Zeichen, dafs es also nur der nämliche ist, den [auch]
ich zu macheu habe : ob von dem Messias, von dem du sagst, dafs er ge-
kommen ist (d. i. Christus), die Propheten diese schriftlich aufgezeichneten
Stellen (Aussagen) vorher geweissagt haben, welche die Beschimpfung und
die Erniedrigung und die Leiden des Todes eins nach dem anderen uns
kund thun, so dafs auch wir bekennen müfsten, dafs er der ist, von dem
Mose gesagt hat: "Einen Propheten gleich mir wird Gott euch erwecken;
ihn sollt ihr hören" (Deut. 18, 15), und Daniel, dafs der Messias kommen
werde und getötet werden werde (Dan. 9, 25 f.).' Und es sprach Sil-
vester: 'Den Sinn (resp. die Tragweite) dessen, was jetzt gesagt werden
soll, müssen unbedingt die Zuhörer [selber] prüfen. Also bitte ich euch,
geliebte Söhne, dafs ihr auf meine Worte aufmerkt ; denn ich will [damit]
nicht blofs auf die Frage jenes 10 Antwort geben, sondern [ich thue
es auch] um des Vorteils und des [Seelen]heils der Gläubigen willen.
Von Anfang an, als die Welt entstand und der erste Mensch geschaffen
wurde und aus dem Paradiese Edens herauskam und in das niedrige
[Jammer]thal der Erde der Schmerzen und der Mühsal und des Leidens
hinausgestofsen wurde, da wurde als Sprecher (hier =: Weiterverkündiger)
aus der Mitte der menschlichen Kreatur der gläubige Abraham erfunden,
und er wurde der Verheifsung Gottes gewürdigt, der zu ihm sprach : "In
deinem Samen sollen gesegnet werden alle Völker," wie geschrieben steht
* So kann der syrische Wortlaut ungefähr übersetzt werden; aber es ist wohl
zwischen den Worten 'das ganze Volk' und 'der Juden' eine Lücke anzunehmen.
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 49
in dem Buche des Gesetzes [Deut. 32, 8 f.]: "Als der Erhabene die Völ-
ker, die durch die Söhne Adams ausgesäet worden waren, verteilte,
setzte er den Völkern eine Grenze nach der Zahl der Engel Gottes; und
es wurde das Eigentum des Herrn sein Volk, die Söhne Jakobs der An-
teil des Erbteils Israels."' Und Silon fuhr fort und sprach: *So 20 lautet
es!' Und Silvester spricht: 'Also wurde Abraham ausgewählt, dieweil er
den Glauben angenommen hatte, und er zeugte auf Grund der Verheifsung
den Isaak und Isaak den Jakob ; und diese drei, die glaubten, erschienen
Gott untadelig recht, und es verhiefs ihnen der allwaltende Herr, dafs er
seinen Namen nach ihnen und nach ihrem Samen nennen werde, indem
er sprach: "Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der
Gott Jakobs ; dies ist mein Name in Ewigkeit, und dies mein Gedächtnis
für alle Zeiten" (Ex. 3, 15). Und es geschahen [nun] die [bekannten] Dinge,
die zu zahlreich und zu lang sind, als dafs ich sie alle erzählen könnte.
Hier nur dies: es stiegen die Söhne Abrahams in das Land Ägypten
hinab und wurden Unterthanen des Pharao, und Gott erinnerte sich seines
Bundes mit ihnen [71] und führte sie aus Ägypten heraus mit starker
Hand und hochgehaltenem Arme, und sie zogen zu Fufs mitten durch
das Kote Meer hindurch, und Pharao und sein Heer versanken und er-
tranken vor ihren Augen in dem Wasser des Meeres, und es gab ihnen
Mose das Gesetz, dafs sie opfern sollten Stiere und Kälber und Lämmer
und Ziegenböcke und Turteln und junge Tauben, mit denen [auch schon]
vorher die Menschen hier und da infolge der Einwirkung des Bösen den
Götzen zu opfern pflegten. Und darum war es nötig, dafs Christus von
der Jungfrau auf heilige Weise geboren würde, er, der das Lamm ohne
Fehl genannt wurde, er, der geopfert werden sollte für das Heil der ganzen
Welt, aller Menschen (vgl. Joh. 1,29). Es wurde also lo dieser geboren von
der Jungfrau, damit wir aus dem Mutterschofse der Kirche von neuem
geboren werden könnten; und er wurde versucht, damit wir gerettet
würden; und er wurde gebunden, damit er uns loslöse aus den Fesseln
der fluchwürdigen Sünde; und er wurde geschmäht, damit er mich be-
freie von dem Schimpfe der Dämonen; und er wurde verkauft, damit er
uns loskaufen könne; und er demütigte sich selbst, um mich empor-
zuheben; und er wurde von den Leuten ergrifien, damit er mich befreie
aus der Gefangenschaft ; und er stand nackt da, um die Nacktheit Adams,
durch welche der Tod [in die Welt] hereingekommen war, zu bedecken;
und sie setzten ihm die Dornenkrone auf, damit er die Disteln und
Dornen des Fluches, den die Erde empfing wegen der Verbotsübertretung
des Adam, ausrode; und er afs Galle und trank Essig, damit er mich
hineinführen könne in das Land, das von Milch und Honig überfliefst;
und schliefslich wurde er gekreuzigt auf Golgatha und ward [so] ge-
opfert, um die Sünden der ganzen Welt wegzuwischen und wegzuschaffen,
und dadurch wurden alle Leiden des Bösen (d. h. alle vom Teufel ge-
schickten Leiden) aufgehoben — denn es wurde [zur Zeit des alten Bun-
des] Kalb 20 um Kalb und Widder um Widder hingetragen, so dafs es
der Feind vorgefunden hatte, aber ein Lamm ohne Fehl hatte er nicht
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 4
50 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
vorgefunden — ; und er starb, um die Herrschaft des Todes aufzulösen;
und er wurde begraben, um die Gräber der Gerechten zu segnen und
die Toten auf zuerwecken, dieweil er auferstanden war aus der Grabstätte ;
und er fuhr gen Himmel, um nicht blofs das Paradies, das der Mensch
verloren hatte, ihm [wieder] zuzuwenden, sondern auch Erhabenheit und
Wohnen im Himmel; er sitzt jetzt zur Rechten des Vaters, damit er,
während er [gegenwärtig] die Gebete der Gläubigen entgegennimmt, [einst]
komme, um zu richten die Toten und die Lebenden und einem jeden nach
seinen Werken vergelte. [72] Dies ist unser Glaube und unsere Pre-
digt. Das habe ich mifsbilligt, was nach deiner Meinung nicht mit der
Wahrheit übereinstimmt. Und von wem ist denn gesagt worden, dafs er
noch wieder gefragt hat, o Jude?' Und Silon sprach: 'Ich gestehe aber
[auch] zu, dafs du vollständig alles von dem ersten bis zum letzten
Punkt für Punkt in deiner Darlegung erwähnt und mich [so] vollständig
befriedigt hast. Und recht und billig ist es [nun] für uns, dafs wir
durch die vielen [Gründe] zum Glauben an Christus gebracht werden;
doch ist das nicht etwas Neues, was unsere Schlauheit ausführt (nur um
neue Ränke zu versuchen), sie, die zu aller Zeit, [nur] uns [selbst] zum
Schaden, alles durchsetzen und erreichen will.'
Da entbrannte Zambres über ihn in Zorn, und er spuckte ihm viele-
mal ins Gesicht und sprach: 'Wenn du menschlicher Erwägungen und
Beweise dich bedienst, o Silvester, und [dadurch] siegst, nun, so müssen
wir freilich das Gesetz unserer Väter im Stiche lassen lO und dem Zauber-
manne folgen, der unter Zustimmung unserer Väter ergriffen und hin-
gerichtet wurde. Aber höre mich, mein Herr König, und befiehl, dafs
ein starker Stier aus der Viehherde* hierhergebracht werde, damit ich
durch ihn heute vor dir die grofse Kraft Gottes und seines Namens auf-
zeige. Denn ich will nicht eine Disputation mit Worten anstellen, son-
dern ich bin bereit, durch Thaten zu siegen.' Und sie fingen an, nach
einem Stiere zu suchen; und es sprach Irenäus, einer vom Senate: 'Ich
habe einen Stier bei der Viehherde, die nicht sehr weit von der Stadt
entfernt ist, welcher stark und kräftig ist, so dafs kaum hundert Männer
ihn hierherbringen können.' Und da fing Silvester an, den König und
die Grofsen zu bitten, dafs der Stier hergebracht werden möge; und er
befahl, dafs er ergriffen und hergebracht werden solle.
Und dieweil (resp. während der Zeit, wo) er hergebracht wurde, dis-
putierten Silvester und Zambres miteinander: 20 'Wozu ist dir der Stier
erforderlich?' Und es sprach Zambres: 'Es existierte einst ein Zauber:
weil auch nicht ein Wesen den Namen unseres Gottes auszuhalten im
Stande ist, so haben unsere Väter ehedem, wenn sie starke Stiere opferten,
seinen Namen in ihre Ohren gezischelt, und da fielen sie nieder und
* Statt des syrischen Attributs zu Stier, das armentariiis bedeuten mufs, hat
L beim ersten Male agrestis, beim zweiten immansuetus ; da nun die syrischen
Adjectiva für 'auf dem Felde resp. im Walde befindlich' wie für 'wild' (barraja
und bcirirja) jenem Attribut (baqraj'd) sehr ähnlich sind, ist vielleicht so dafiir
zu lesen.
Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe. 51
konnten zum Opfern getötet werden, dieweil nicht eines von den Lebe-
wesen ihn hören und am Leben bleiben kann.' Und es sprach Silvester:
'Und du, wie hast du diesen Namen, ohne daTs du ihn gehört hättest,
erfahren?" Und Zambres sprach: 'Weder ein Blatt Papier, noch eine
Pergamentrolle, noch Holz und Steine sind stark genug, dafs er auf ihnen
aufgezeichnet werden könnte, sondern schnell vergehen sie und werden
zu Asche.' Und, als der König dem Zambres in zutraulicher (eig. fried-
fertiger) Weise schmeichelte: *Und wie hast du ihn [denn] [73] erfahren?'
— da sprach Zambres: 'Sieben Tage habe ich gefastet und war ganz
mit mir allein ; und dann gols ich in eine neue silberne Schale rasch-
fliefsendes (d. i. klares, vgl. L: fontana) Wasser und segnete es. Und
ich sah, und siehe, ein Finger schrieb und zeichnete oben darauf diesen
Namen vom Morgen bis zum Abend; und so erfuhr ich ihn nur ver-
mittelst meines Gedächtnisses und meiner Überlegung. Und wozu sind
[noch] nichtssagende Worte erforderlich?'
Und, während dies gesprochen wurde, ward der Stier von starken
Männern herangeführt mit Seilen, die um seine Hörner und seinen
Nacken geworfen waren, hin vor den königlichen Palast. Und, als ihn
Zambres sah, ward er verschmitzt und gesprächig, und er reizte den Sil-
vester und sprach : 'Jetzt wird an den Tag kommen, was an deinen starken
Worten ist, und was deine elegante Diktion für Beweiskraft hat, i^ und
durch Thaten werden wir sie (Christus und den Gott der Juden) ange-
sichts des Königs und der Grofsen kennen lernen ! Wenn du den Namen
deines Gottes dem Stier ins Ohr sagen wirst, und er stürzt, alsdann
wollen wir an ihn glauben, wir und der König und seine Hofleute;
wenn aber nicht — ich meine: wenn es geschieht und er wird besiegt — ,
so sollst du auch und der König und die, die zugegen sind, glauben.'
Und es erschraken gewissermafsen viele von unseren Anhängern und
Glaubensgenossen über diese Aufserung des Zambres. Silvester aber
stand beherzt da und sprach frohlockend: 'Auch gewaltige Kämpfe mit
den Dämonen sind notwendig, indem Gott dabei hilft, und zwar haben
am Anfange des Glaubens die Gläubigen nicht wenige Versuchungen und
Kämpfe zu bestehen, damit sie durch die Prüfung erprobt werden.'
Es waren aber alle, die zugegen waren, damit einverstanden, dafs
Zambres den Namen seines Gottes dem Stier ins Ohr sagen sollte, wie
er zugesagt hatte. 20 Und so trat er [an ihn] heran und flüsterte, und
der Stier brüllte und wankte und verendete, und seine Augen traten
weit heraus. Da traten die Juden herzu und zankten heftig mit Sil-
vester und reizten ihn und schmähten ihn; und die Menge der Gläubigen
hatte sich geteilt, und der eine half dem und der andere jenem bei dem.
* Nach dem lateinischen Texte (a. a. O. S. 1064) weigert sich nun Zambres
erst, dies dem Silvester zu oflfenbaren, bis ihm Konstantin es zur Pflicht macht.
Dies könnte ursprünglich sein. Dagegen ist der nach der Erzählung des Zambres
von Silvester vorgebrachte Einwand, dafs er doch, wenn er den Namen jemandem
ins Ohr flüstere, ihn selber auch höre, also gleichfalls sterben müsse, wohl eine
sekundäre Zuthat.
52 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
was sich zugetragen hatte. Und es ward ein Geschrei und eine Aufregung
bei zwei Stunden (vgl. Act. 19, 34). Und während derselben verweilte
Silvester kniend im Gebet, und er flehte Gott Christus an und bat ihn
um Hilfe; und schliefslich stand er auf und bat den König um die Er-
laubnis, das Volk ermahnen zu dürfen, damit es mit der Unruhe des
Geschreies aufhören möchte. Und, als [74] sie aufgehört hatten, stieg
er nach einem erhöhten Platze hinauf und schrie und sprach: 'Höret,
ihr Fürsten und Grofsen und das Volk, das hier zugegen ist ! Ich predige
unseren Herrn Jesus Christus, der den Blinden verliehen hat, dafs sie
sehen, und den Tauben, dafs sie hören, und den Stummen, dafs sie reden,
und den Hinkenden und Gelähmten, dafs sie gehen, und den Aussätzigen,
dafs sie rein werden, und den Paralytischen, dafs sie stehen können, und
den Toten, dafs sie leben — damit nämlich von euch erkannt wird, dafs
dieser Name, der getötet hat und tötet, der des Bösen ist und nicht der
Gottes. Und wenn es Gottes [Name] wäre, so würde er den Stier nicht
getötet, sondern lebendig gemacht haben; und der Feind ist der, der
wohl alle Wesen, die leben, töten, aber nicht lebendig machen kann, weil
er nicht Leben seinem Wesen nach hat.'
Und Zambres zerrifs seine Tunica, und er 10 sprach zum Könige:
'O Herr! Nicht mit Worten habe ich den Silvester besiegt und auch
nicht meine Genossen, die vor mir mit ihm disputiert haben, sondern mit
Thaten ; und es kommt deiner Majestät zu, dafs sie ihm nicht die Frei-
heit zugestehe, es wegzuläugnen, weil er allerlei, was fremdartig und un-
erhört ist, rasch herspricht und gegen uns losredet und nicht aufhört,
indem er [dadurch zugleich] deiner Hoheit (eig. Herrschaft) lästig fällt.'
Und es sprach Silvester: 'Höre doch auf deine Schriften, o du Jude,
welche sagen: "Sehet und erkennet, dafs ich der Herr bin, und nicht ist
ein anderer aufser mir; und ich töte und ich mache lebendig, ich
schlage und ich heile" (Deut. 32, 39); und darum tötet er bald, bald
macht er lebendig. Sprich also seinen Namen ihm in das andere Ohr,
damit der Stier, wenn du hineinflüsterst, [wieder] lebendig werde; und
alsdann wollen wir alle glauben.' Und es sprach Zambres: 'Habe ich
nicht gesagt, o Herr König, dafs den Silvester niemand durch Worte
20 besiegt? Befiehl ihm, dafs er nicht durch Worte, sondern auch durch
Thaten uns etwas wunderbar Neues im Namen seines Gottes zeige.' Und
Silvester sprach: 'Willst du, o Zambres, dafs ich den Namen unseres
Herrn Jesus Christus anrufen und den Stier wieder aufrichten soll, so
dafs er wieder lebendig wird?' Und Zambres sprach: 'Dies kannst du
nicht ausführen, ebensowenig wie du mit Flügeln fliegen kannst wie ein
Adler.' Und es sprach der König: 'Ich wundere mich über deine Ge-
riebenheit, die [darin liegt], dafs du [selbst] vorher gesagt hast, es sollten
die Worte aufgegeben werden, und Thaten sollten nun sichtbar werden;
und dieser verspricht jetzt, dafs er durch Thaten etwas ausführen will,
wovon du behauptest, dafs es nicht geschehen könne. Darum ist es
recht und billig, dafs wir, und auch du, den [75] als den wahren Gott
bekennen, der die Toten aufrichten und lebendig machen kann; dafs wir
Syrische Quellen abendländischer Erzähliingsstoffe. 53
aber [auch] konsequenterweise den als Feind ansehen, der tötet und
nicht lebendig machen kann.' Und Zambres fing an, sich selbst zu ver-
dammen, indem er bei dem Diadem und der Sieghaftigkeit des Königs
schwur: 'Wenn Silvester dies thun kann, dafs er den Stier lebendig
macht und zum Aufstehen bringt durch den Namen Christi, so wollen
wir alle sogleich die Gebräuche des Gesetzes aufgeben und an ihn glau-
ben, dafs er Gott ist, und so wollen wir Christen werden.'
Da hob Silvester seine Hände eine nicht unbeträchtliche Zeit zum
Himmel empor, und er kniete auch nieder und weinte, indem er unseren
Herrn anflehte; und dann stand er auf und schaute gen Himmel und
sprach: 'Ich werde mit lauter Stimme den Namen Jesu Christi anrufen,
damit dieses Volk, 10 das hier zugegen ist und zuhört, es erkenne, dafs
der Stier durch den Namen des Bösen gestorben ist, jetzt aber durch die
Anrufung des heiligen Namens unseres Herrn Jesu Christi leben wird!
Sei also gewillt, o unser Herr, deinen Knecht zu erhören ; denn es verlangt
auch der [gegenwärtige] Zeitpunkt, dafs er (d. h. ich) allen Gläubigen die
grofse Kraft deines hochgepriesenen Namens zeigen könne. Und ich flehe
und bete inständig zu deiner Gnade, dafs dieser Stier aufstehen möge.
Mit deiner Rechten vermagst du alles zu thun!' Und, als er dies gesagt
hatte, trat er an den Stier heran und rief: 'Im Namen unseres Herrn
Jesus Christus, der gekreuzigt worden ist in den Tagen des Pontius
Pilatus, stehe auf und stelle dich ruhig (eig. friedlich) hin!' Und die
Seele kehrte zurück in den Stier und er schüttelte sich mit seinem ganzen
Körper. Und er (Silvester) stand eilends auf und trat heran; und er
löste alle Knoten und Fesseln der Stricke, die an ihm waren, und sprach
zu ihm: 'Geh 20 ruhig nach deiner Herde hin und thue niemandem
etwas zu leide, indem auch dir niemand etwas zu leide thut oder dich
tötet; sondern auf den Tag, wo unser Herr es will, sollst du von selbst
sterben.' Und, als er dies gesagt hatte, machte er ihm Platz und liefs
ihn fortgehen ; und der Stier ging ganz ordentlich, bescheiden seine Frei-
heit gebrauchend, fort.
Da warfen sich alle Juden vor seinen Füfsen nieder und baten ihn,
er möge für sie beten, damit ihnen nicht etwas zustofse, was sie um ihrer
Arglist willen verdient hätten. Und die Königin Helena befahl, dafs
alle Vorhänge weggezogen wurden, so dafs sie vor den Augen des ganzen
Volkes hinausging und die Knie Silvesters erfafste, indem sie ihn bat,
es möchte ihr Zeit zur Bekehrung (resp. Bufse) gegeben werden.*
Und, weil das, was sie that, zu viel ist, als dafs wir es erzählen
könnten, so lassen [76] wir es weg, weil dies [aufserdem] in einer an-
deren Relation der Kirchengeschichte aufgezeichnet ist; wohl aber [sei
erwähnt, dafs] sogleich viele gereinigt wurden von den Dämonen durch
* Entsprechend L td divinum haplismum consequeretur wird hier die 'Bufse'
als Vorbereitung zur Taufe zu verstehen sein (vgl. noch den Ausdruck 'Taufe der
Bufse' z. B. in der Passio Quirici et Julitfce, s. a. a. O. S. 6). Dafs im Folgenden
der lateinische Text eine kurze Schilderung dessen, was Helena (resp. Silvester
mit ihr) that, enthält, ist schon oben (S. 17) erwähnt worden.
54 Syrische Quellen abendländischer Erzählungsstoffe.
den Namen Christi, unseres Herrn, indem sie riefen und sprachen: 'Ge-
siegt hat Silvester!' Und, weil sich alles dies am Anfang des Adar
(März) zugetragen hatte, so wurden viele zu Ostern dort zu Koni zur
Taufe herzugebracht.
Und seit jener Zeit nahm das Christentum zu durch die Hilfe Gottes
mit der Erlaubnis des Königs in der Stadt Rom im Namen unseres
Herrn Jesus Christus, welchem ebenso wie seinem Vater und dem hei-
ligen Geiste Preis und Ehre und Anbetung und Ruhm sei in Ewigkeit
der Ewigkeiten. Amen !
Zu Ende ist diese Geschichte vom heiligen Silvester.
Zürich. V. Ryssel.
über das Schwankbuch
^Schertz mit der Warheyt',
Kein Schwankbuch des 16. Jahrhunderts erfreute sich einer
gröfseren Verbreitung als die Sammlung ^Schimpf und Ernst^
des getauften Juden und Barfülsermönchs Johannes Pauli. Keines
verdiente sie aber auch in höherem Grade. Während die meisten
übrigen Schwankbücher sowohl vor ihm, wie nach ihm, vorzugs-
weise lustige Anekdoten, Schnurren ohne tieferen Gehalt und in
sehr vielen Fällen abstofsende Zoten bieten, entspringen seine
längeren oder kürzeren Erzählungen, so derb sie auch oft ge-
halten sein mögen, so wenig sie sich auch scheuen, die Dinge
beim wahren Namen zu nennen, durchaus einem sittlich ernsten
Geiste und atmen eine gesunde Moral. Dazu kommt noch eines:
Pauli ist ein vortreffhcher Erzähler. Er trifft, obwohl gelehrt
vom Hause aus, vorzüglich den Volkston und fesselt durch
ungekünstelte, frische Darstellung. Gewaltig war daher auch die .
Wirkung seines Buches, die von keiner späteren ähnlichen Samm-
lung erreicht wurde. Das bezeugen zunächst die zahllosen Auf-
lagen. Ferner nahmen es sich jüngere Schwänkesammler in der
Form und sehr oft im Inhalt zum Vorbilde. Meistersänger und
andere Dichter — vor allen Hans Sachs — beuteten es zu ge-
reimten Schwänken oder zu Fastnachtspielen aus, und selbst die
gelehrten Verfasser der Humanistendramen verschmähten es nicht,
die ergiebige Quelle aufzusuchen. Ja, die Wirkung des Buches
ging weit über die Grenzen Deutschlands hinaus: Pauli wurde
in Dänemark übersetzt, in den Niederlanden und in Frankreich
nachgeahmt oder geplündert, imd man begegnet Spuren von ihm
56 Über das Schwankbiich 'Schertz mit der Warheyt'.
in Italien, Spanien und England. So war es gerechtfertigt, dals
schon vor 29 Jahren (1866) eine Neuausgabe des wichtigen
Schwankbuches veranstaltet wurde. Hermann Oesterley, dem wir
den vortreiflichen Neudruck verdanken, hat nicht nur durch eine
reiche Fülle von Nachweisungen — wozu ihm Goedekes wert-
volle Kollektaneen zur Verfügung standen — , sondern auch durch
bibliographische Bemerkungen, sowie durch vergleichende Zu-
sammenstellungen des Inhalts der einzelnen untereinander sehr
verschiedenen ältesten Ausgaben ihr einen erhöhten Wert ver-
liehen und wichtige Beiträge zur Geschichte des Buches gegeben.
Allein erschöpfend sind seine Angaben nicht. Nicht nur ver-
zichtete er darauf, Ausgaben des Buches, die nach 1550 ei-
schienen sind, zu berücksichtigen; er hat auch einige frühere
unbeachtet gelassen. Besonders unzulänglich ist, was er über
die unserem Schwankbuche nahestehende Sammlung *Schertz
mit der Warheyt^ vorträgt. Da nun auch andere Litterar-
historiker, wie Lappenberg, Goedeke, uns nur dürftig über letz-
tere belehren, so beabsichtige ich im Folgenden, mich mit dieser
noch wenig bekannten Schwanksammlung eingehend zu beschäf-
tigen, und behalte es mir für eine andere Gelegenheit vor, die
Geschichte des Paulischen Buches zusammenhängend zu be-
trachten.
Im Jahre 1550 erschien zu Frankfurt a. M. ein Buch in
Folioformat mit folgendem Titel : ^
Schertz mit der
Warheyt
Vonn guttem Gespräche/
In Schimpff vnd Ernst Reden / Vil HöfF-
licher / weiser Spruch / lieblicher Historien / vnd Lehren. Zu Vnder-
weisung vnd Ermanung/ in allem thun vnd Leben/ der Mensch-
en/ Auch ehrlichen Kurtzweilen/ Schertz vnd Freuden zeiten/ zu erfrew
ung des gemüts / zusamen bracht. Jetzund New / vnnd vor-
mals dermassen nie aufsgangen
[Titelbild von Hans Schäuffeleinj
Cum Priuilegio Imp. Franckfurt. Bei Christian Egenolff.
* Exemplare befinden sich in der Kgl. bayer. Hof- und Staatsbiblio-
thek zu München (zwei Exemplare) P. O. gall. 11/1, 2«, u. A. lat. a 165/2,
eines besitze ich selbst.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 57
Die Rückseite des Titelblattes enthält oben drei Sprüche Salo-
monis, den übrigen Teil der Seite füllt ein Holzschnitt von Hans
Burgkmair, drei Liebespaare in einem Garten darstellend. Hier-
auf folgen fünf Seiten Index (^Register vnnd Inhalt), auf der
sechsten Seite wiederum mehrere Sprüche Salomonis und ein
Holzschnitt von Hans Schäuffelein, dann achtzig foliierte Blätter
(I — LXXX), das letzte Blatt ist auf der Rückseite leer, auf der
ersten Seite schliefst es unten mit den Worten:
Getruckt zu Franckfurt am Meyn/ Bei Christian
Egenolff/ Im Mertz. Des Jars nach der Geburt Christi
vnsers erlösers. MDL.
Falsch foliiert ist dreimal: 4 statt 5, 33 statt 32, und 81 statt 79.
Im Texte befinden sich 42 Holzschnitte, augenscheinlich von allen
Seiten hergeholt, darunter sind mehrere Doppelbilder, und ein-
zelne Holzschnitte wiederholen sich. Eigens für das Buch dürften
wohl keine angefertigt worden sein.
Oesterley äufsert sich in der Vorrede seiner Ausgabe von
^Schimpff und Ernst' über die Sammlung ^Schertz mit der War-
heyt' mit den nachstehenden Worten (S. 6 ff.): ^Durch die Zu-
sammenstellung der Nummern nach ganz neuen Rubriken und
die fortwährende Neigung, ältere Stücke auszuscheiden, neue ein-
zuschieben und jedem einen moralisierenden Schlufs anzuhängen,
sowie Sprache und Orthographie dem Gebrauche der Zeit anzu-
passen, erhalten die nach der ersten Hälfte des Jahrhunderts er-
scheinenden Ausgaben ein immer fremdartigeres Ansehen und
müssen endlich als ganz neue Werke betrachtet werden, die wie
so viele andere Schwankbücher, Paulis Sammlung benutzt oder
ausgezogen haben. Zu diesen gehört die Sammlung, die unter
dem Titel erschienen ist: Scherz mit der Warheyt u. s. w. (folgt
eine nicht genaue Beschreibung des Buches in der ersten sowie
zweiten Ausgabe, dann heifst es :) ... beide Ausgaben enthalten
etwa 240 bis 250 Nummern, die letzte etwa sechs mehr. Unge-
fähr fünfzig derselben sind unzweifelhaft einer Ausgabe der
Paulischen Sammlung entnommen, ein Hundert stimmt mit Er-
zählungen derselben überein, ist aber anderen Quellen entnommen
(die klassischen z. B. sind meistens aus den Originalen über-
tragen), und das andere Hundert enthält Stücke, die bei Pauli
nicht vorkommen.'
58 über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Diese Angaben Oesterleys werden sich weiter unten im
ganzen wie im einzelnen entweder als unrichtig oder ungenau
erweisen.
Hinfällig ist auch die Vermutung Goedekes (Grundrifs^ ü,
S. 465): Vielleicht ist die Ausgabe von Schimpf und Ernst
Frankf. Cyr. Jacob. 1544, welcher als zweiter Teil Reiueke Fuchs
von Beuther angehängt wurde, ein früherer Druck dieses gröfsten-
teils aus Pauli geschöpften, aber mit viel fremdartigen Geschichten
versetzten Buches.' Schon die Worte auf dem Titelblatte von
^Schertz mit der Warheyt': Vormals dermassen nie aufs-
gangen', lassen dies wenig glaublich erscheinen. Dann irrte
sich Goedeke, wenn er glaubte, dals das ^Ander Teyl des
Buchs Schimpff vn Ernst etc.' (. . . Frkf. Cyriacus Jacob 1544)
— unter welchem Titel jener Reineke Fuchs erschien — als
Fortsetzung eines im gleichen Verlag erschienenen ersten Teils,
das Buch ^Schimpf und Ernst' enthaltend, gedruckt worden sei.
Mir liegt diese Ausgabe des ^Ander Teyl' vor. Es ist ein ganz
selbständiges Buch, das nur in den Worten des Titels auf Schimpf
und Ernst Bezug nimmt, weil es eben als Fortsetzung des viel-
verbreiteten Volksbuches gedacht ist, nicht, dafs es wirklich
mit ihm zusammen erschienen wäre. In den zwanzig Ausgaben,
die Julius Zacher (Die deutschen Sprichwörtersammlungen, Leipzig
1852, S. 37/38) vom 'Ander Teil' anführt, sowie in einer mir
vorliegenden einundzwanzigsten, erscheint das Buch immer allein
und gleichwohl als 'Ander Teil'. Mir ist keine Ausgabe von
'Schimpf und Ernst' bekannt, die gleichzeitig mit dem 'Ander
Teil' im gleichen Format und beim gleichen Verleger ans Licht
gekommen wäre. Bei Cyriacus Jacob erschien 1550 eine Aus-
gabe von 'Schimpff und Ernst' zusammen mit den Übersetzungen
des A. V. Eyb, aber ohne den 'Ander Teil'. Der Schlufs,
dafs es eine Ausgabe von Schimpf und Ernst Frkf. Cyr. Jacob
1544 geben müsse, weil in diesem Jahre der 'Ander Teyl'
herauskam, ist also falsch. Nirgends habe ich eine Spur von
einer solchen entdecken können, denn Lappenberg, der (Ulen-
spiegel S. 374) dieselbe anführt, schlofs, wie seine Angaben
beweisen, nur gleich Goedeke von dem 'Ander Teyl' auf die
Existenz eines ersten Teils. Die oben beschriebene Ausgabe
von 'Schertz mit der Warheyt' ist also wirklich die editio prin-
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt. 59
cepsj und ihr folgte bekaüntlich nur eine weitere Ausgabe im
Jahre 1563.
Werfen wir einen Blick in das Buch 'Schertz mit der War-
heyt^, so fällt uns zunächst die geringe Zahl von Erzählungen
auf: die älteste Ausgabe von 'Schimpf und Ernst'* enthielt 700
Nummern, hier haben wir noch nicht 300. Das Buch böte also,
selbst wenn alle Erzählungen aus Pauli entnommen wären, nur
eine Auswahl, die sich indes noch erheblich vermindert, weil viele
Erzählungen in der That aus anderen Quellen zugeflossen sind.
Ferner ist die Rubrizierung der Geschichten wesentlich verschie-
den, nicht nur von der editio princeps, sondern von allen bei
Lappenberg und Oesterley näher beschriebenen Ausgaben.
Wie haben wir uns nun die Entstehung des Buches zu
denken? Hat der Verleger Christian Egenolff — der uns be-
reits als Verleger der in Strafsburg bei Grüninger 1538 gedruckten
Ausgabe von 'Schimpf und Ernst' bekannt ist — irgend eine
ältere der uns erhaltenen Ausgaben, etwa die eben erwähnte,
vor sich gehabt, daraus seine Auswahl getroffen und das übrige
aus anderen Quellen hinzugefügt, oder hatte er eine bereits sehr
verkürzte und mit fremden Zusätzen entstellte Ausgabe vor sich?
Um hierauf antworten zu können, gilt es die früheren Ausgaben
zu durchmustern.
Es ist von Lappenberg und Oesterley richtig bemerkt wor-
den, dafs die Ausgaben von 'Schimpf und Ernst', welche nach
der editio princeps ans Licht kamen, in der Zahl der Geschichten
und natürlich auch im Umfang mehr oder weniger hinter der
letzteren zurückblieben. Teils um zahlreiche Holzschnitte im
* Goedeke giebt (Grundrifs^ I, 404) als Fundstätte für die editio prin-
ceps Berlin, Dresden und München an. Da man unter München ge-
wöhnlich die Kgl. Hof- und Staatsbibliothek versteht, so bemerke ich,
dafs diese nur ein defektes Exemplar der editio princeps besitzt, dagegen
findet sich ein sehr schön erhaltenes in der Kgl. Universitätsbiblio-
thek daselbst (Signatur: Bibl. 2» 324/2). Aufserdem hat diese noch an
Ausgaben: Bern Apiarius 1543 (defekt), Augsb. 1544, Augsb. 1546, Frkf.
Gülfferich 1549 8», Ausg. ohne Titelbl. 8" (227 gez., 12 ungez. Blätter),
wahrscheinlich Zimmermann Augsb. 1549, Frkf. Eebarth u. W. Han Erben
1567 8". — Die Kgl. Hof- u. Staatsbibl. daselbst besitzt aufser der ed.
prino., Augsb. 1534, 1536, 1537, 1542, 1546, Frkf. Cyriacus Jakob 1550,
s. 1. (Frkf.?) 1569 8«, Frkf. 1583 2o, s. 1. 1597 8^ und (Strafsb.) 1654.
60 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Texte anzubringen — In der editio princeps fehlen diese — , teils
um das allzu umfangreiche Buch zu reduzieren, hatte man eine
grofse Anzahl von Erzählungen — hier mehr, dort weniger —
ausgeschieden, allerdings auch neue eingeschoben, doch im ganzen
nur wenige. Allein alle diese vor 1550 erschienenen Ausgaben,
wie sie Oesterley (S. 439 — 463 seiner Ausgabe) inhaltlich ver-
gleichend zusammengestellt hat, sind — von den Auslassungen
und den zwei bis drei Dutzend Zusätzen abgesehen — im grofsen
und ganzen inhaltlich und textlich gleich. Unter 500 Nummern
geht keine herunter. Auch die Anordnung hat nicht sehr ge-
litten. Anders hier, wo alles durcheinander geworfen und auch
der Text Pauli gegenüber vielfach wesentlich verändert erscheint.
Nur eine von Oesterley vernachlässigte, von Lappenberg (S. 375)
näher beschriebene Ausgabe von ^Sch. u. E.^ (Frkf . 1 546 8^) bietet
einige Ähnlichkeit mit ^Sch. m. d. W.', aber nur insofern, als auch
darin die Zahl der Rubriken sehr zusammengeschmolzen ist —
hier sogar noch mehr als dort: 13 : 20 — , und als die erste
Rubrik Von Keysern etc.^, die letzte von ^Tod und Sterben' han-
delt. In der sonstigen Anordnung, die auch hier umgestürzt ist,
in der Auswahl, sowie im Texte bietet sich keine weitere Über-
einstimmung. Auch ist die Zahl der Geschichten noch verhältnis-
mäfsig grofs: 455. Die Vorlage für ^Sch. m. d. W.' schien sie
mir daher auch nicht zu sein. Aber sie führte mich auf die
richtige Spur. In ihrer Vorrede wird der Leser gewarnt Vor
den Büchlin / so vnder diesem Namen aufsgehen / welche aufs
diesem gestümplet / vnnd gehümplet sein ! vnd doch nicht die
halb meinung Frater Johannis Pauli ist\ Diese Worte lassen
auf die Existenz einer ganz verstümmelten und etwa auf die
Hälfte verminderten Ausgabe Paulis schliefsen. Diese Ausgabe
liegt mir vor und ist in der That die direkte Quelle von *Sch.
m. d. W.\ Merkwürdigerweise beschreibt und charakterisiert
Oesterley das Buch (S. 5/6), ohne indes sein nahes Verhältnis
zu ^Sch. m. d. W.' zu erkennen.
Ich lasse hier die genaue Beschreibung des Buches ' folgen:
* Die Kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München besitzt ein Exem-
plar des seltenen Buches (L. eleg. m. 4^ 190 m), ein anderes ist in der
Kgl. Bibliothek zu Berlin.
über das Schwankbiich 'Schertz mit der Warheyt'. 61
VOn SchimpfF/
vnnd Ernst / vil weiser
Höflicher Spruch / Historie /
Exempel / vnd Lehren / Zu Vnder-
weisung vnnd Manung / in allem
thun vnd leben der menschen. Auch
zu Kurtzweil / Schertz vnnd Frö-
lichkeit des gmüts / zesamen bracht.
Jetzund New / vnd vormals der
massen nie aufsgangenn.
Cum Priuilegio.
Titel in Holzschnitteinfassung (mythologische und allegorische
Scenen darstellend). Auf der Rückseite des Titelblattes beginnt
das Register, das sieben Seiten einnimmt. Diesen vier ungezählten
Blättern folgen, den Text enthaltend — eine Vorrede fehlt — ,
88 gezählte. Die letzte Seite des Buches (88 b) ist frei. Zu den
88 Stücken sind Signaturen A^"* bis Y*. Auf Seite 88 a steht
unten die Jahrzahl M. D. xlv. (= 1545). Format 4^. Druckort
und Drucker sind nicht angegeben, und auch ein Herausgeber
ist nirgends genannt, selbst der Name Pauli fehlt, wie man sieht,
auf dem Titel, desgleichen im Texte. Im Buche befinden sich
18 Holzschnitte (auf Blatt la, 10a, 21a, 21b, 23a, 26a, 28b,
42a, 46b, 47b, 53b, 63b, 66a, 72a, 74a, 77b, 80a und 87b).
Diese anonyme Ausgabe von ^Schimpf und Ernst' bildet nun
den Grundstock zu ^Schertz mit der Warheyt\ Bevor wir daher
ihr Verhältnis zu der letzteren Sammlung klarlegen, verdient sie
selbst in ihrem Verhältnis zu den älteren Ausgaben von ^Schimpf
und Ernst' und den etwaigen anderen Quellen gewürdigt zu wer-
den. Dies um so mehr, als dadurch ja auch für das Verhältnis
ihrer späteren Umarbeitung — als solche werden wir weiter
unten ^Schertz mit der Warheyt' zu charakterisieren haben — zu
der früheren Schwankdichtung vorgearbeitet wird, um so mehr,
als solche Quellangaben nicht nur für die Geschichte der beiden
Schwankbücher, sondern überhaupt für unsere Kenntnis der
Schwanklitteratur im 16. Jahrhundert von Wichtigkeit sind.
Oesterley äufsert sich f olgendermafsen über das Buch : 'Unter
den etwa 218 Stücken (oft sind mehrere unter einer Nummer
zusammengestellt) befinden sich 72 neue; und die aus sämtlichen
Ausgaben, auch der ältesten, ausgewählten Erzählungen sind häufig
62 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
zu blofsen Anekdoten und Vafredikten zusammengezogen/ Auch
diese Angaben entbehren der Genauigkeit; richtig ist aber, dafs
viele Erzählungen Paulis in unserem Buche in bedeutend ver-
kürzter Form auftreten und dafs mehrere Anekdoten zu einer
Nummer zusammengezogen sind. Es wird daher bei der nun
folgenden Inhaltsangabe nötig sein, die Erzählungen und Aus-
sprüche nicht nach den Überschriften — eine Zählung fehlt
überhaupt in dem Buche — , sondern nach der wirklichen An-
zahl von Stücken zu numerieren. Da es indes auch von Wert
ist, dafs die Überschriften, schon des leichteren Findens wegen,
fortlaufend numeriert seien, so will ich die entsprechende Ziffer
in Klammern beifügen.
I. Von grossen Herrn / Keysern vnd Königen.
Bl. la, Nr, 1 Von Romulo. (Über das Wein trinken). Quelle
Erasmus Apophthegmata (Ausgabe Lugduni 1573, S. 682). Unge-
schickterweise liefs der Bearbeiter des Buches die zum Verständnis
nötigen Schlufsworte seiner Vorlage nam ego hihi quantum volui weg.
Die Erzählung findet sich auch bei J. Gast, Gonvivales Sermones
I, 241 (hier citiert nach der Ausg. Basel 1554), bei L. D. Brusonius,
Facetiarum Exemplorurtique Lihri VII, Ausg. Basel (1559) S. 52
und anderswo.
Bl. Ib, Nr. 2 (Ib) (Augustus Tyrann gescholten) Quelle Mensa
Philosophica^ (schon 1489, nach Panzer sogar 1481 gedruckt, hier
i Ich möchte bei dieser Gelegenheit die Aufmerksamkeit der Forscher
auf dieses Büchlein lenken, das, offenbar in der Zeit der letzten Hohen-
staufen geschrieben, trotz seiner Wichtigkeit für die Geschichte der
Schwanke, trotz seiner vielen Auflagen und obwohl schon die Menagiana
(Ausg. Amst. 1716, IV, S. 50) und in neuerer Zeit Brunet (s. v. Mensa
philos.) darauf hinwiesen, von den gröfsten Kennern der Novellen- und
Schwanklitteratur, von F. Liebrecht, von der Hagen, Benfey, E. Köhler,
Oesterley, Goedeke, Bolte u. a. übersehen worden ist. Die Frage nach
seinem Verfasser und überhaupt eine erschöpfende Betrachtung des In-
halts gedenke ich bei anderer Gelegenheit zu geben. Ich begnüge mich
mit einigen Andeutungen über den Inhalt.
Von den vier Büchern des am kürzesten als Tischreden charak-
terisierten Werkes ist das zweite und vierte in der Hauptsache erzählen-
den Inhalts. Aber während jenes meist Exempla aus antiken Autoren
(Val. Maximus, Macrobius, Frontius, Orosius u. s. w.) bringt, enthält das
letztere in 45 Kapiteln eine Anzahl von Anekdoten, Schwänken und Denk-
ßprüchen aus dem Erzählungsschatze der Zeit des Verfassers. Die viel-
fachen Berufungen auf arabische Schriftsteller, die sich im ersten Buche
befinden, lassen es als wahrscheinlich bezeichnen, dafs der Verfasser auch
arabischen Quellen einzelne Schwanke entnommen. So treffen wir auf
S. 203 die im Conde Lucanor (sub Nr. 11) erzählte Novelle vom Schwarz-
künstler, S. 223 die Geschichte von der Frau des Einäugigen, S. 233 die
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 63
citiert nach der Ausg. Mensa Philos. seu E^ichiridion etc., Lipsise
1603, worin Michael Scotus als Verfasser genannt ist). S. 202.
Bl. Ib, Nr. 3 (Ic) (Kaiser Friedrich u. Mailand) Quelle Mensa
Philos. S. 203.
Bl. Ib, Nr. 4 (Id) (Alexander u. Müller mit dem Esel) Quelle
Valerius Maximus VII, 3, ext. 1. Pauli 507 (ed. Oest. S. 293),
welcher die gleiche Anekdote enthält, steht dem Wortlaute nach
ferner, ebenso die Vigiliussche Übersetzung von Petrarcas De rebus
memcyi'ayidis (gedr. 1541) III, 28. Dagegen könnte der Bearbeiter
aus der Mensa Philos. geschöpft haben, woselbst sich die Anekdote
(S. 204), aus Val. Max. entnonmien, befindet.
Bl. Ib, Nr. 5 (le) (Jüngling küfst eines Fürsten Tochter) Quelle
Val. Max. V, 1, ext. 2. Auch hier ist Pauli, der (sub Nr. 120) die
vom weinenden Hündlein, beide auch in der Disciplina Glericalis vor-
kommend, und man weifs, dafs sowohl der Conde Lucanar wie die Discipl.
Cleric. gröfstenteils aus arabischen Schriften geschöpft haben. Wir finden
in der Mensa philos. nicht selten die ältesten der erhaltenen, oder wenig-
stens sehr alte Versionen von Schwanken und Anekdoten, die bis in un-
sere Tage fortgelebt haben, und die wir bisher nur bis ins 16. Jahrhundert
zu rück verfolgen konnten. So erzählt z. B. Kap. 11 (S. 214) die Geschichte
vom Gerichtsverwalter, der vom Bauern ins Wasser geworfen wird, da er
nicht mehr im Amte ist = Pauli 582, Kap. 12 (S. 217) die Geschichte
von dem der Untreue überführten Wirt = Pauli Anh. 30, und (S. 218)
die von einem Ehepaar, das sich täglich einen Weinkauf bereitet = Pauli
306. Interessante rarallelen zu Pauli bilden noch: S. 213 = Pauli 169,
S. 215 = P. 127, S. 219 = P. 193, S. 224 = P. 389, S. 267/8 = P. 474,
S. 279/80 = P. 61 (vgl. auch meine H. Sachs - Forsch. S. 183). S. 235
finden wir eine Version, welche vielleicht die Quelle, aber jedenfalls eine
ältere Version zu dem altdeutschen Gedichte Nr. 38 der Gesamtabenteuer
ist, für welches von der Hagen keine Parallelen auftrieb ; S. 256 liest man
eine Parallele zum Pfaffen Amis V. 805 — 932, S. 260 die Umrisse zum
Pathelin, S. 234 zeigt uns schon den Teufel voller Furcht gegenüber einem
alten Weib, dem er das versprochene Geschenk an einer langen Stange
reicht u. dgl. m. Das Interesse für das Büchlein erhöht sich natürlich,
wenn sich nachweisen läfst, dafs es Quelle für spätere berühmte Erzähler
geworden. Dies vermute ich, zunächst noch mit Vorbehalt, für Boc-
caccio: Decamerone IX, 2 (Nonne und Äbtissin) hat eine Parallele auf
S. 284/5, die um so mehr Aufmerksamkeit verdient, als Boccaccio bisher
als die älteste Version dieser verbreiteten Erzählung galt. Bebel
scheint die Mensa philos. gekannt und mehrfach benützt zu haben, es
entspricht z. B. Facetice (Ausg. 1514) Sign. li 4a De qaodam mendico etc.
der Mensa philos. S. 205, nur ist dort dem Kaiser Friedrich III. zuge-
schrieben, was hier Regi summo Philippo (Philipp von Schwaben) begegnet
sein soll, ferner Sign. Cc la De quodam equum emente = M. ph. S. 218
(hier ist die Übereinstimmung fast wörtlich), Sign. Cc Ib De quodam in
tempestate maris deprehenso = M.ph. S. 229, Sign. Eela De quodam aduo-
cato =: M. ph. S. 260, Sign. Dd 4 b De patientia monachorum = M. ph.
S. 267 u. s. w. Poggio mochte seine Clitella S. 289 finden, Sebastian
Brant eine Erzählung S. 284; Agricolas Erzählung zu seinem 623.
Sprichwort [Traum von der Regensburger Brücke] liest man S. 287. Ich
glaube, das Angeführte genügt, um die Wichtigkeit der Mensa philoso-
phica zu beweisen.
64 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
gleiche Erzählung enthält, nicht benützt. Die Mensa Philos. enthält,
aus Val. Max. geschöpft, auch diese Erzählung (S. 206).
Bl. Ib, Nr. 6 (2) Von Juden. Quelle Mensa Philos. S. 208.
Bl. Ib, Nr. 7 (3) Von eynes grossen geschlecht. Quelle
Mensa Philos. S. 209.
Bl. 2a, Nr. 8 (4) Hoher standt hat hohe gef erligkeyt.
Von Democle. Unter den vielen mir bekannten Darstellungen
dieser Erzählung ist nicht eine, die dem Bearbeiter zur Vorlage ge-
dient haben könnte. Vielleicht schrieb er nach dem Gedächtnis. Die
Entstellung des Namens Democle (statt Damokles) spricht dafür.
Bl. 2 a, Nr. 9 (Ausspruch König Alphonsi : Esel besseres Leben
als Fürsten). Quelle Erasmus, Äpophthegmata (Ausg. Lugd. 1573,
S. 955, 17). Dieser und alle anderen Denksprüche aus Erasmus
kommen auch in Plutarch-Eppendorff vor, der ja nur eine Über-
setzung von des Erasmus Äpophth. ist, nach dem Wortlaut zu schlie-
fsen ist jedoch Eppendorff nicht benützt.
Bl. 2a, Nr. 10 (5). Schuldt eyn schwere last. Es läfst
sich schwer sagen, woher der Bearbeiter die vielverbreitete Anekdote
von dem durch Augustus angekauften Bette eines überschuldeten
Ritters nahm. Am nächsten kommt er noch Petrarca, De rebus memo-
randis, aber nicht nach der Übersetzung des Vigilius (Ausg. 1541,
Buch II, Kap. 37), sondern nach dem lat. Original; ferner steht er
Pauli 502, Erasmus, Macrobius u. a. Aus der unrichtigen Darstel-
lung möchte man schliefsen, dafs der Bearbeiter die Erzählung aus
dem Gedächtnis niedergeschrieben. ^
Bl. 2a, Nr. 11 (6). Was recht sei. Antigonus. Quelle
Erasmus, Äpophth. (Lugd. 1573, S. 385).
Bl. 2a, Nr. IIb (6b) (Diogenes über den Adel). Quelle Eras-
mus, Äpophth. (S. 343, 7).
Bl. 2 b, Nr. 11c (6 c) (Caligula über seine Unterthanen). Ähn-
lich Erasmus, Äpophth. S. 618 {oderint dum metuunt).
Bl. 2b, Nr. 12 (7). Ehr nach dem tode. Agesilaus.
Quelle Erasmus, Äpophth. S. 60.
Bl. 2 b, Nr. 13 (7 b) (Herrschen wie ein Vater über die Kinder).
Quelle Erasmus, Äpophth. S. 22.
Bl. 2b, Nr. 14 (8). Lieb der Kinder Agesilai. Quelle
Erasmus, Äpophth. S. 54.
Bl. 2b, Nr. 15 (9). Von gutem raht. Quelle Pauli 442 (ed.
Oest. S. 263). Der Anfang ist etwas verändert, vielleicht um die
Spur der Quelle zu verwischen.
Bl. 3a, Nr. 16(10). Alte Räthe nit zuuerwehlen. Quelle
Pauli 538 (zweite Hälfte) (Oesterleys2 Ausg. S. 307).
^ Vgl. jedoch die gedrängte Darstellung bei Brusonius (Ausg. Basel
1559, S. 362).
^ Oesterleys Text bedarf an einer Stelle der Berichtigung, diese Stelle
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt*. 65
Bl. 3a, Nr. 17 (11). Von Hannibale. Quelle Pauli 539
(Oest S. 307/8). Der Anfang, der in der Quelle lautet 'Ein weiser
Hauptman luogt wie er möcht ein arckwon ... machen' etc., ist hier
entstellt: *Es war eyn weiser Hauptman' etc.
Bl. 3 b, Nr. 18(12). Guter name. Quelle Pauli 259 (Oest. S. 172).
Bl. 4 a, Nr. 19 (13). Kriegs rhat. Quelle Pauli 541 (Oest. S. 308).
IL Von Schmeychlern.
Bl. 4 a, Nr. 20 (14) (Agesilaus über das Loben). Quelle wahr-
scheinlich Erasmus, Apophth. S. 186. Der Übersetzer hat allerdings,
wie auch sonst, gekürzt und hier nicht gut übersetzt.
Bl. 4a, Nr. 21 (14b) (Socrates über schädliche Tiere: Tyrann
und Schmeichler). In den Apophth. des Erasmus wird Bias als Ur-
heber des Spruches bezeichnet (s. Ausg. Lugd. 1573, S. 780), ebenso
Brusonius S. 434 und Plutarch im Anfang von '^Eutu aorptny ov/li-
noGiov. Vielleicht schrieb der Bearbeiter aus dem Gedächtnis und
irrte sich daher.
Bl. 4 a, Nr. 22 (14 c) (Antisthenes über Schmeichler). Quelle
Erasmus, Apophth. Lih. 7 Antisth. No. 13 (Ausg. Lugd. 1573, S. 783)
stammt wahrscheinlich aus Stobseus, Sei'mo 14.
Bl. 4a, Nr. 23 (15). Schwem der grossen Herrn. Quelle
J. Gast, Conv. Sermones S. 293 Dicta in Vefpafianum imperatorem,
frei übersetzt. Erasmus, Apophth. S. 630 steht noch ferner.
Bl. 4a, Nr. 24 (16). Anaximenes behielt das gegen-
theyl seiner Bitt von Alexandro. Quelle Petrarca, De rebus
memorandis (wahrscheinlich aber nach dem Original, nicht nach der
Übersetzung des Vigilius) III, 29. Pauli 508 sowie Val. Max. 7, 3,
ext. 4 stehen ferner.
Bl. 4b, Nr. 25 (17). Harrf f enschlager mit Hoffnung
belohnt. Quelle J. Gast, Conv. Serm. S. 46 De Citharoedo. Eras-
mus, Rotterd. Apophth. (ed. Lugd. 1573) S. 493 weicht davon etwas ab.
Bl. 4b, Nr. 26 (18). Von Schätzung der Vnderthanen.
Tyberius. Quelle Erasmus, Apophth. (Lugd. 1573) S. 615 {Exactio
moderata).
Bl. 4 b, Nr. 27 (Darius über Besteuerung). Quelle Erasmus,
Apophth. S. 413, 5.
Bl. 4b, Nr. 28 (19). Domitianus Muckenstecher. Keine
lautet bei ihm : 'das stet zu Kolmar vfF dem ratzhufs an der wand ge-
schriben, heimlicher neid, eigner nutz, iunger rat. Troy vnd Rom vnd
ander schlofs vnd stet zerstört der grofs Alexander darumb. Da er König
ward etc.' Diese sinnlose Stelle mufs offenbar so verbessert werden : Das
stat zu Kolmar . . . geschriben : Heimlicher neid ... rat Troy vnd Rom . . .
zerstöret hat. Der grofs Alex, da er künig ward u. s. w. Ob Oesterley
hier Druckfehler der ed. princeps wiederholte oder ein Druckversehen
vorliegt, weifs ich im Augenblick nicht.
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 5
66 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
der mir vorliegenden Versionen, wie Erasmus, Apophth. 633, die
Chroniken von Seb. Franck und Hedion, Petrarca {Rer. mem.or.) und
Pauli, kommt in der Darstellung unserem Autor nahe genug, um
dessen Quelle sein zu können, am meisten noch der letzte, den er
wahrscheinlich auch, aus dem Gedächtnis niederschreibend, wiedergab.
Bl. 5 a, Nr. 29 (Aristonymus vergleicht Schmeichler und Reich-
tum mit Feuer und Brennholz). Letzte Quelle Stobseus, Serm. 14
(Ausg. Basel 1549, S. 147, Zeile 12).
Bl. 5a, Nr. 30 (20). Von eynem Hauen vnd Fuchs eyn
fabel. Am nächsten kommt in der Fassung dieser Fabel Stein-
höwel, Esopus fab. 83 (die dritte der sogen. Extravagantes, Oest. Ausg.
S. 196). In ein paar Zügen ähnelt sie Camerarius {Fab. jEsopi Ausg.
Norimb. apud G. Wachterum s. a.) Nr. 235 Vulpes et Oallus. Viel-
leicht hatte der Herausgeber aber eine mir entgangene andere Quelle.
Bl. 5b, Nr. 31 (21). Von Schmeychlers glück. Quelle Pauli
326 (Oest. S. 206) wörtlich, nur sprachlich etwas verjüngt, benützt.
Bl. 6a, Nr. 32 (22). Durch gunst/ hafs vnd neidt/
werden rechtschaffne leut vndertruckt/ vnnd vn-
tüchtige herfür zogen/ Eyn Fabel von einem Löwen
vnd Esel. Quelle Luthers 'Eine newe Fabel Esopi, neulich ver-
deutscht gefunden, vom Lawen und Esel'. Der Bearbeiter war be-
müht, sich textlich seine Selbständigkeit zu wahren, aber ganze Sätze
sind wörtlich herübergenommen.
Bl. 7a, Nr. 33 (23). Von der weit vntrew vnd vndanck-
barkeyt/ Eyn schöne Fabel von eym Bawren/ Schlan-
gen vnd Fuchs. Quelle wahrscheinlich Camerarius' Merces An-
gvina {Fab. JEsopi Nr. 392). Egenolffs Sprich wörtersammlung (Ausg.
1560) Bl. 40 (Fabel von der weit Ion), Reineke Fuchs Buch 3, Kap. 4
und andere Versionen stehen ferner.
Bl. 10 a, Nr. 34—43 (24—33). Von Vntrew/ Vinantz / list/
vnnd mancherhandt geschwindigkeyt des HofFlebens/ Eyn lüstige
Fabel vnd Beispiel voller lere vnd weifsheit.
Diese fast elf Blätter umfassende Prosadarstellung von Rei-
neke Fuchs ist mit zahlreichen wörtlich beibehaltenen Stellen
aus der bekannten ältesten hochdeutschen Bearbeitung des Volks-
buches — das Ander Teyl etc. — (Frkf., Cyriacus Jacob, 1544^)
ausgezogen. Die Erzählung ist auf zehn Nummern verteilt. Hier-
von entspricht
* In einem Auktionskatalog, in meinem Besitz, ohne Titelblatt, aus
den vierziger Jahren, gedruckt in der Officin des Preufs. Volksfreundes
zu Berlin, der eine sehr schöne Sammlung äufserst seltener älterer Werke
enthält, ist S. 42 eine Ausgabe des Reineke (gedruckt bei Cyriaco Jacob,
Frkf. 1543) angeführt, es wäre möglich, dafs eine solche existierte, doch
glaube ich, dafs ein Versehen (XLllI für XLIIII) vorliegt.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warhey t*. 67
1) Nr. 34 (24) dem Kapitel 1 u. 2 des ersten Buches,
2)
V
35 (25)
11
VI
3
11
11
11
3)
1'
36 (26)
11
n
4 u. 5
11
11
11
4)
Tt
37 (27)
11
V
6 u. 7
11
11
11
5)
11
38 (28)
11
11
8—11
11
11
11
6)
11
39 (29)
11
11
12—21
11
11
11
7)
11
40 (30)
11
11
22—29
11
v
11
8)
11
41 (31)
11
11
30—37
(38U.39
11
11
11
11 ^
11
11
9)
11
42 (32)
1?
11
] 1—14
( 1— 6
11
11
zweiten
dritten
vierten
11
11
11
0)
11
43 (33)
11
11
7—13
11
11
11
Diese Tabelle gestattet uns einen Einblick in die Arbeits-
weise des Verfassers. Vor ihm lag ein Exeraplar des ein Jahr
zuvor erschienenen Reiueke, und er schrieb, darin blätternd, seine
Prosanachbildung nieder. Anfangs excerpierte er ziemlich aus-
führlich seine Vorlage. Ein bis zwei Kapitel gaben je eine
Nummer ab. Dann merkte er, dafs er auf diese Weise zu breit
werden würde, und von der fünften Nummer an zog er 4 — 5,
dann 13, dann wieder je 8 Kapitel zusammen. Bei der neunten
Nummer angelangt und immer noch nicht aus dem ersten Buche
heraus, vereinigte er, der Arbeit müde, mit den Schlufskapiteln
des ersten Buches gleich das ganze zweite und dritte Buch sowie
die Hälfte des vierten (zusammen 31 Kapitel), um in der zehnten
Nummer mit der zweiten Hälfte des vierten Buches zu schliefsen.
Aus dieser ungleichen Verteilung des Stoffes läfst sich erkennen,
dafs der Verfasser sich mit seiner Arbeit nicht schwer that. Er
schrieb, ohne viel zu überlegen, wie es ihm gerade in die Feder
kam. Die wörtliche Übereinstimmung mit seiner Vorlage ist nur
in den ersten Nummern, weniger in den späteren, häufig. Umge-
kehrt verhält es sich mit den Kürzungen und Auslassungen.
Als Belege für die wörtlichen Übereinstimmungen führe ich
folgende kürzere Stelleu an.
Schimpf und Erust. Eeineke.
Bl. 10 b. Kap. 2.
Dafs keyns keynen stich sihet. Das jrer drei kein stich nicht sahen.
ßl. Ha. Kap. 2.
Das sihet ewer gnad . . . noch Da sehet jr noch die frischen wun-
dise meine bhitige wunden. den.
68
Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Bl. IIb.
. . . das Krumpholtz, daran die
Saw gehangen war.
Bl. IIb.
Sie klaget doch nichts / So ist sie
auch nicht daran gestorben.
Bl. 12 a.
Zeyget sein Schepler vnnd härin
kleydt vnder der kappen / auch
eynen Brieff von seinem Prior.
Bl. 13 b.
Also Hessens den Beren für todt
liegen, holffen den fünff weibern
aufs.
Bl. 14 b.
. . . also het er eynen fallstrick
an das loch gelegt, den Fuchs zu-
fahen, das wist der Fuchs wol.
Kap. 8.
. . . das krumhöltz daran dz schwein
hat gehange.
Kap. 3.
. . . Sie klagt doch selber nicht.
Sie ist doch nicht gestorben dran.
Kap. 4.
Sein kapp vnd scepler zeigt er dar
Ein brieff derzu von seim Prior
Vnter der kappen ein kleyd von har.
Kap. 9.
Sie Hessen den Behren ligen für todt
Das sie den weibern zuhülffe kamen
Vnnd alle fünff aus dem wasser
namen.
Kap. 12.
— — — vnd hat — — —
Ein strick mit list fürs loch ge-
hangen
Damit meint er den Fuchfs zufangen
Das wüste Reinicke alles wol.
(in.) Von der Warheyt.
Bl. 20b — 21a, Nr. 44 (34). Eynem Narren wird die war-
heyt mit ruten erleydet. Quelle Pauli 1 (mit unbedeutenden
Kürzungen).
Bl. 21b, Nr. 45 (35). Ein eynäugiger Bawer kund die
warheyt nicht leiden. Quelle Pauli 3. (Die ganze Schlufs-
moral — ca. 12 Zeilen — ist weggeblieben, daneben sind, wie in
der vorigen Nummer, einzelne Sätze gekürzt.)
Bl. 22a, Nr. 46 (36). Ein Atzel hett von dem Ahl ge-
schwetzt. Quelle Pauli 6 (einzelne Sätze gekürzt).
(IV.) Von Lügen.
Bl. 22 b, Nr. 47 (37) (Sattel angefroren). Quelle Beheh Facetice
Ausg. 1514, Signatur Ee 3a NugcE cuiusdam fabri clauicularij Can-
tharopolitani.
Bl. 23 aj Nr. 48 (38). Lügen eynes Betten (Schneedörren).
Quelle Bebel, Sign. Gg 5b Facetum dictum et ridiculum.
Bl. 23a, Nr. 49 (39). Lügen von eynem Beren. Quelle
Bebel, Sign. Ss 8 a De alio mendacio. Es ist die Lügengeschichte
vom abgeschossenen Ferkelschwanz, an dem man ein altes blindes
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 69
Schwein fortführt. Die Übersetzung von Ape?' durch *Ber' hat einige,
so z. B. Goedeke (Schwanke des 16. Jahrhunderts, S. 60 Anm.) zu
der Angabe verleitet, dafs in unserer Version ein Bär (ursus) statt
eines Schweins gewählt sei. Indes bedeutet *Bär' jetzt noch in man-
chen Gegenden, so z. B. bei den Bauern in der Umgegend von Nürn-
berg, so viel wie Eber (verres). In diesem Sinne hat der Übersetzer
der Bebeischen Anekdote offenbar das Wort 'Ber' (engl, boar) auch
gemeint. Vgl. über das Wort Schmeller-Frommann I, 263.
V. Von Frawen und Junckfrawen/ Bösen vnd guten.
Bl. 23b, Nr. 50 (40). Eyner frommen frawen antwort.
Quelle Erasmus, Apophth. (Ausg. Lugd. 1573, S. 214, Nr. 30) aus
Plutarch entlehnt.
Bl. 23b, Nr. 51 (41). Eyner frawen gefiel jr man vn-
bekant mehr, dann da sie jn kennet. Quelle Mensa philos.
S. 231.
Bl. 23b, Nr. 52 (42). Papyri j antwort seiner mutter
geben. Hier folgte der Bearbeiter keiner der vielen naheliegenden
deutschen Quellen, wie z. B. Pauli 392, Agricola, Sprichwörter Nr. 192,
Alte Römer (G. R. v. 1538, S. 82b), Ritter v. Thurn 1538, fol. 33b
u. s. w., sondern er übersetzte direkt aus des Macrobius Sat. I, 6.
Nachstehende Parallelen mögen dies veranschaulichen:
Schimpf und Ernst von 1545. Macrobius.'
Zv Eom war der brauch / dafs Mos antea senatoribus fuit, in cu-
etwan der Ratherrn Knäblin mit riam cum prcetextatis fdiis introire.
den Vättern in rath giengen. Vff cum in fenatu res major qv^piam
eyn zeit het man eyn wichtige sach confultaretur, eaque in posterum diem
für/ die Schub man auffvnbeschlos- prolata effet: placuit, ut hanc rem,,
sen / bifs den negsten Rahtfstag/ super qua tractavissent, ne quis enun-
doch seit es niemant eröffnen ' ehe tiaret priusqaam decreta esset.
man darin beschlossen het.
Bl. 24a, Nr. 53 (43). Eyn fraw vertraurt jren man
bald. Quelle Bebel Gg 2a De quadam mulier e citissime nuhente
post obitum primi viri.
Bl. 24a, Nr. 54 (44). Eyn andere Histori von frawen
trew (Witwe von Ephesus). Quelle Steinhöwels Esopus (III, 9. Gest.
Ausg. S. 152). Sprachlich etwas verändert, aber so, dafs die Vorlage
deutlich durchschimmert.
* Dagegen Pauli 892 (Oest. Ausg. S. 289): 'Zu Rom was ein Gewon-
heit das man die burgerskind von IX. oder X. iaren liefs in den rat gon,
das sie lerten von iugent vff, vnd safs ieglicher neben seinem vatter. Vff
ein tag hetten die Römer lenger rat dan gewonheit was, das eins herren
fraw vbel verlangt, wan der her kern zu dem imbifs.'
70 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Bl. 24a, Nr. 55 (45). Frawen mey sterschaf f t. Quelle
Bebel Ee 4b De imperio midierum in viros.
Bl. 25a, Nr. 56 (46). Kind küfst seinen Vatter (der
wirkliche ist ferne in Basel). Quelle Bebel Ff 2 b De partu aduliero
cuiusdam mulieris. Die Angabe der Quelle (Philesius) unterdrückt.
Bl. 25a, Nr. 57(47). Vnuerschampte Buler. Quelle Bebel
G g 1 a De viro in adulterio deprehendente vxorem. Etwas abgekürzt,
andererseits wieder durch einen Satz verlängert, der aus einem an-
deren Schwank Bebeis (E e 5 a) entnommen ist {De alio Zelotypö).
Bl. 25a, Nr. 58 (48). Eyner sucht sein fraw im Was-
ser/ Widder den stram. Quelle J. Gast, Conviv. Sermones I,
S. 309 De Viro uxorem submersam qucerente, oder — seine Vorlage —
Poggios Mulier Demersa. Pauli 142 weicht wesentlich hiervon ab.
Bl. 25b, Nr. 59 (49). Von eynem bösen weyb eyns Edel-
mans. Quelle Poggio Uxor Litigiosa (Ausg. di&i: Facet, Lond. 1798,
S. 88).
Bl. 25b, Nr. 60 (50). Eyn böfs weib hiefs den man Klick-
laufs. Quelle Poggio, Pertinacia muliehris (Ausg. Lond. 1798, S. 68).
Pauli 595 weicht hiervon erheblich ab. Seine Vorlage hat der Be-
arbeiter verkürzt wiedergegeben.
Bl. 25b, Nr. 61 (51). Eyn fraw leret zwibeln essen.
Quelle Pauli 317.
Bl. 26a, Nr. 62 (52). Weibern liebet erst/ was man jnen
verbeut. Quelle Pauli, Anhang 12.
Bl. 27a, Nr. 63 (53). Studenten Bulschaft beweynt
seinen mantel. Quelle Pauli 10.
Bl. 27b, Nr. 64 (54). Von eyner frommen Nonnen/
die blendet sich selber. Quelle Pauli 11.
Bl. 28a, Nr. 65 (55). Nonnen schneiden jn selber die
nasen ab/ dafs sie fromm bleiben. Quelle Pauli 12.
Bl. 28b, Nr. 66 (56). Dreier Schwestern / vberkümpt
die weisest eynen mann. Quelle Pauli 14.
Bl. 29a, Nr. 67 (57). Eyn gesell von seinem Bulen
ledig gesprochen. Quelle Pauli 15.
Bl. 29b, Nr. 68 (58). Fuchs läfst sein art nit in der
Galgenf art. Quelle Pauli 29.
Bl. 29b, Nr. 69 (59). Eyner stund für sein fraw im
halfs eisen. Quelle Pauli 31.
Bl. 29b, Nr. 70 (60). Von Weibern. Quelle Pauli 139.
Bl. 30a, Nr. 71 (61). Eyner flöhe sein fraw bifs in die
Hell. Quelle Bebel Dd 2a J/md
Bl. 30a, Nr. 72 (62). Eheleut eynigkeyt. Quelle Pauli
132. Verkürzt wiedergegeben.
Bl. 30a, Nr. 73 (63). Eyn fraw solt nichts gedencken.
Quelle Pauli 145.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warhey f. 71
Bl. 30b, Nr. 74(64). Frawen freud verkert sich. Quelle
Pauli 147. Die Moral ist in unserem Buche weggeblieben.
Bl. 31a, Nr. 75 (65). Eyn Man stirbt ehe dann sein
weib. Quelle Pauli 148. Paulis Schlufssatz ist weggeblieben, dafür
liest man: 'Das theten nit alle man.'
Bl. 31a, Nr. 76 {{^6). Zwölff Kinder mütter mit zwölf f
Vättern. Quelle Pauli 204 (etwas verkürzt wiedergegeben).
Bl. 31b, Nr. 77(67). Gedultige Menner. Quelle Pauli 205.
Bl. 32a, Nr. 78 (68). Keyserin verhelet den Ehbruch.
Quelle Pauli 206 (die Moral, etwa 21 Zeilen, hat der Bearbeiter weg-
gelassen).
Bl. 32b, Nr. 79 (69). Ehebrecherisch Keyserin nen.
Quelle Pauli 207.
Bl. 33a, Nr. 80 (70). Eyn fraw emphahet vom eifs.
Quelle Pauli 208.
Bl. 34a, Nr. 81 (71). Das alter nimptviel freud. Quelle
Bebel Bb 4b Fdbula de adultera. Abgekürzt wiedergegeben.
Bl. 34a, Nr. 82(72). Buben ehe ist am stärksten. Quelle
Pauli 213.
Bl. 34a, Nr. 82b (72 b) (Quos deus coniunxit, nemo separet).
Quelle Pauli 215.
Bl. 34a, Nr. 82c (72c) (Verwandte heiraten). Quelle Pauli 217.
Bl. 34b, Nr. 83 (73). Eyn stuin redt die warheyt. Quelle
Pauli 219.
Bl. 35, Nr. 84 (74). Eyn fraw kompt der nachthofie-
rer ab. Quelle Pauli 220 (mit Ausschlufs der Moral).
Bl. 36a, Nr. 85 (75). Wer die geschickten leutte mache.
Quelle Bebel Cc 7 a De Mercatore et Nohili. Abgekürzt wiedergegeben.
Bl. 36b, Nr. 86 (76). Eyn alter Buler besteht vbel.
Quelle Pauli 221.
Bl. 37a, Nr. 87 (77). Von Witwen standt. Quelle Pauli 222.
Bl. 37b, Nr. 88 (78). Eyn yeder hat sein Creutz. Von
eynem Ritter. Quelle Pauli 223 (der letzte Satz weggelassen).
Bl. 39a, Nr. 89 (79). Ehebrecher straff. Quelle Pauli
225 (Anfang weggeblieben).
Bl. 39a, Nr. 90 (80). Eyn Vatter tregt halbe straff
für den Sun (Zaleucus). Quelle Pauli 226. Statt eines unge-
nannten 'künigs' macht der Bearbeiter, der offenbar Valerius Maxi-
mus und Plutarch, Autoren, die er sonst kannte, im Augenblick
nicht vor sich hatte, einen 'Römer' zum Helden der Erzählung.
Bl. 39b, Nr. 91 (81). Ehebrecherin brent eyn kalt
eisen. Quelle Pauli 227.
Bl. 40, Nr. 92 (82). Mordt vnd Ehebruch strafft sich
selbs. Von eyner Königin. Quelle Pauli 231 (aus dem 'Al-
kinnus' der Vorlage ist hier ein 'Alkindus' geworden).
72 über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Bl. 40b, Nr. 93 (83). Ehebrecherisch Zauberer er-
sehe uf st sich selbs. Quelle Pauli 232.
Bl. 41b, Nr. 94 (84). Zwo Mägde bezalen eynem Ge-
sellen den Magthumb. Quelle Pauli 17 (etwas gekürzt).
(V.) Von der lere Vatter vnd Mutter/ Ehr und
Gehorsamkey t.
Bl. 42a, Nr. 95 (85). Vnehr gegen die Eltern. Quelle
Erasmus, Apophth. (Ausg. Lugd. 1573) S. 922.
Bl. 42 a, Nr. 96 (85 b) (Die halbe Decke). Es ist dies derselbe
Stoff, der in dem mhd. Gedicht Der kozze (Gesamtabenteuer Nr. 48),
bei Pauli 436 und aufserdem noch unzähligemal behandelt worden ist.
Pauli steht unserem Bearbeiter ganz fern, näher kommt er dem alten
Gedichte, das indes, ebensowenig wie die anderen älteren Versionen
bei Oesterley, in dem Mafse damit übereinstimmt, dafs es Quelle sein
könnte. Vielleicht entnahm er den Stoff einer verlorenen Schwank-
sammlung.
Bl. 42b, Nr. 97 (86). Fürsorg eynes Vatters für sei-
nen Sun. Quelle Pauli (Strafsb. Ausg. von 1533, Nr. 351, Oester-
leys Ausgabe Anh. 16, S. 400). Den erbaulichen Schlufs, dafs der
Sohn zuletzt das plötzlich entdeckte Gut armen Leuten gab und
Einsiedler wurde, ferner die elf Zeilen lange Moral hat der Bearbeiter
weggelassen, auch hat er den Anfang etwas gekürzt. Die Nachweise
Oesterleys zu dieser Novelle sind der Ergänzung bedürftig, die ich
an anderer Stelle zu geben gedenke.
Bl. 43b, Nr. 98 (87). Eyns Löwen vnderweisung an
seinen sun. Quelle Pauli 18.
Bl. 44a, Nr. 99 (88). Eyn anders. Quelle Pauli 20 (ein-
zelne Ausdrücke geändert).
Bl. 44b, Nr. 100 (89). Von vntrew der Kinder gegen
den Eltern. Quelle Pauli 435.
Bl. 45b, Nr. 101 (90). Zanck eyner frawen mit jrer
magt. Quelle Pauli 365.
Bl. 45 b, Nr. 102 (91). Von eynem faulen Jungen. Pogius.
Quelle Poggio, Facetim (Ausg. Lond. 1798, S. 10) Excusatio Pigritice.
Ob der Bearbeiter direkt aus Poggio schöpfte oder vielleicht Brant-
Adelphus (Seb. Brants Fabeln, Ausg. 1535, S. 129) benutzt hat, kann
ich nicht sagen, da mir letzteres Buch nicht zur Hand ist.
Bl. 46 a, Nr. 103 (92). Eyn Hundt verseumbt zween imbfs. Quelle
Pauli 24.
(VH.) Von Eynfalt vnd Narrheyt.
Bl. 46b, Nr. 104 (93). Von eynem närrischen Bauren-
knecht. Quelle Bebel, De fatuo rustico (Ausg. 1514, Bb 3 a). (Ab-
gekürzt wiedergegeben.)
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 73
Bl. 47a, Nr. 105 (94). Eyner kaufft eyn Esel für eyn
Rofs. Quelle Bebel (Dd 8a), De quodam asiniim emente. Frei über-
tragen und breiter ausgeführt.
Bl. 47b, Nr. 106 (95). Der geschickt Königs Narr.
Bl. 48a, Nr. 107 (96). Eyn weiser Narr. Quelle Bebel
(Tt Ib), De fattio Duds Austricc & Heluetijs.
Bl. 48a, Nr. 108(97). Eyns Bauren eynf alt. Quelle Bebel
(Gg 2 b), De rustico incomposito.
Bl. 48b, Nr. 109 (98). Höflicheyt eyns Redners. Quelle
Bebel (Gg 2b), De quodam consule Ulmensi.
Bl. 48b, Nr. 110 (99). Eynfalt eyns Schweitzer Bau-
ren. Quelle Bebel (Gg 3b), De alio (Suitensi sc).
Bl. 49a, Nr. 111 (100). Vom Bocher/ Pfaltzgrauen
Narren. Quelle Bebel (Yy 3 b), De Conrado Pocherio morione.
BL 49 b, Nr. 112 (100 b) (Ochsen die Schwänze ab). Bebel (1. c).
De eodem.
Bl. 49b, Nr. 113 (100c) (Burg aushungern). Bebel (Yy 7b), De
eodem, d. h. von Claus Narr erzählt — der indes bei Bebel nicht
genannt wird — und hier auf Pocher übertragen.
Bl. 49 b, Nr. 114 (lOOd) (Pocher soll einen Narren abrichten).
Quelle unbekannt.
Bl. 49b, Nr. 115 (101). Eyner kundt Narren weise
machen. Von Weydwerk. Quelle Poggio, Insanus Sapiens
(zweiter Schwank, S. 7). Abgekürzt wiedergegeben. Steinhöwels
Übersetzung (Äsop ed. Oesterley S. 345) ist nicht benutzt.
Bl. 50b, Nr. 116 (102). ^Eyn Narr räth zum frieden
vorm krieg. Quelle Pauli 39.
Bl. 50b, Nr. 117 (103). Eyn Narr verbrennet seinen
Junckern. Quelle Pauli 44. Die Schlufsmoral ist weggeblieben.
Bl. 51a, Nr. 118 (104). Fürsorg zum tod. Quelle Pauli 45.
Bl. 51b, Nr. 1 1 9 (1 05). Von Claus Narr. Quelle Pauli (Strafsb.
Ausg. 1 533, Nr. 47). Oest. Ausg. Anh. 1 (der erste Satz ist weggeblieben).
Bl. 52a, Nr. 120 (106). Eyn ander Histori von Claus
Narren. Quelle Pauli (Strafsb. Ausg. 1533, Nr. 48). Oesterleys
Ausg. Anhang 2.
Bl. 52a, Nr. 121 (107). Eyn andere (Claus und Lepisch).
Quelle Pauli (Strafsb. 1533, Nr. 49). Oest. Anhang 3. Die Schlufs-
moral ist weggelassen.
Bl. 53a, Nr. 122 (108). Eyn Narr schlegt seinen Herrn.
Quelle Pauli 49.
Bl. 53 a, Nr. 123 (108 b) (Narr schlägt Abt, weil er den Kelch
austrinkt). Die Quelle war mir früher bekannt, ich konnte sie aber
nicht wieder auffinden. .
Bl. 53b, Nr. 124(109). Der Narr verteydingt des Her-
ren ehr. Quelle Pauli 51.
74
Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
VIII. Von München vnd Pfaffen.
Bl. 53b, Nr. 125(110). Eyn Priester begrub sein Hünd-
lin auffs geweihete. Quelle Poggios Facetice (Lond. 1798, S. 45)
Canis Testamentum. Pauli Nr. 72, die dieselbe Fabel enthält, steht
in den Einzelheiten unserer Darstellung ferner. Dies zu beweisen,
will ich den Anfang der drei Versionen hierhersetzen :
Pauli 72.
Vf ein mal was ein
burger der hat ein hund,
der was seiner f rauwen
vnd im gar lieb, wie
die mist bellerlin seind,
. . . Da er nun starb,
da kam der burger in
dem dorff zu dem pfar-
rer vnd bat in u. s. w.
Seh. U.Ernst v. 1545.
Eyn reicher Dorf
Priester/ hett eyn seer
liebes Hündlin / da es
gestarb / begrub er es
auflf den Kirchhoff/ der
Bischoff ward es ionen
Poggio.
Erat sacerdos in Tus-
cia quidam Rusticanus,
sed opulenius admodutn.
Hie eaniculum sibi ca-
rum, cum mortuus esset
sepelivit in ccemiterio.
Sensit hoc Episcopus
etc.
Bl. 54a, Nr. 126 (111). Eyn süsse Predig eynes Prie-
sters. Quelle Bebel (Aa 3 b), De sacerdote vera historia (verbietet
in den Fasten alle menschliche Speise).
Bl. 54a, Nr. 127 (112). Eyn Pfarrherr liset vnserera
Hergot eyn Requiem. Quelle Bebel (Aa 4a), Fabula.
Bl. 54b, Nr. 128(113). Geystliche gedult. Quelle Pauli 474.
Bl. 54b, Nr. 129 (114). Eyn Münch suchte die Schlüs-
sel zur Abtei. Quelle Pauli 500.
Bl. 55a, Nr. 130 (115). Eyn wüster Priester. Quelle
Bebel (Bb la). De sacerdote faceto Historia.
Bl. 55a, Nr. 131 (116). Pfarrher sitzen gern oben an
(Geistliche sollen am ersten rein, am letzten voll sein). Quelle Mensa
Philosophica (Ausg. Lipsise 1603) S. 210.
Bl. 55a, Nr. 132 (117). Eyn Pfaffen magt im Schlitten
gefüret. Quelle Bebel (Cc Ib), De concuhina sacerdotis (stark ge-
kürzt).
Bl. 55b, Nr. 133 (118). Eyn Bawer war dem Pfaffen
z u w i d d e r. Quelle Bebel (C c 6 a), Historia.
Bl. 55b, Nr. 134 (119). Der Teuffei prediget wol. Quelle
Pauli 448.
Bl. 56a, Nr. 135 (120). Eyn Jud wolt gleubig werden.
Quelle Bebel (Cc 7b), Historia de ludceo.
Bl. 56b, Nr. 136 (121). Von eynem krancken. Quelle
Bebel (Ff 3 a), De rustico appellante a Deo ad apostolos. Hier ist
nur die zweite Hälfte, und diese gemildert, benutzt
Bl. 56b, Nr. 137 (122). Von eynem getaufften Juden.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 75
Quelle Poggios Centuplum (Lond. 1798, S. 11) (auch in Brants Fa-
beln; ob deren deutsche Übersetzung von Adelphus hier benutzt
worden ist, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen).
Bl. 57a, Nr. 138 (123). Welcher leut zuwenig sein.
Quelle Bebel (Ee, 5 b), De auaritia atque ambitio?ie mortalium (ähn-
lich auch Facetim Adelphince in Mar gar. facet. Sign. O 4 a).
Bl. 57a, Nr. 139 (124). Eyn Priester versetzt sein Seel.
Quelle Bebel (Vv la). De sacerdote.
Bl. 57a, Nr. 140(125). Vom Passion. Quelle Bebel (Vv 4a),
Plura in passione Domini mentita quam vera.
Bl. 57b, Nr. 141 (126). 'Wie viel Paffen von nöten
seien.' Quelle Pauli 96.
Bl. 58a, Nr. 142 (127). Etlich Priester examiniert. Quelle
Pauli 102.
Bl. 58a, Nr. 143 (In diebics Ulis etc. Quelle unbekannt!) (Adam
comedit de pomo uetito). Quelle Bebel (III. Buch, Sign, a 1 a), Idem
de fratribus illiteratis.
Bl. 58 a, Nr. 144 {Lupi rapaces =:^ Rüben wie Wölfe). Quelle
mir unbekannt.
Bl. 58a, Nr. 145 (Examinand aufgefordert, 'da pfeiff auf, pfeift
wirklich). Quelle mir unbekannt.
Bl. 58b, Nr. 146 (128). Ein ander Histori von der Priester
Weihe. Quelle Pauli 103.
Bl. 59a, Nr. 147 (129). Eyn Predigt eynes Pfarrhers.
Quelle Bebel (Cc 8 b), Sacerdotis faceta Goncio. Allerdings ist un-
sere Erzählung breiter ausgeführt: die Personen des Pfarrers von
Laubingen und des Pfarrers von Ringelheym fehlen bei Bebel ganz
und ebenso der Name Kolbingen. Solche originelle Erweiterungen
und Zusätze finden sich indes noch einigemal in unserem Buche, so
dafs wir nicht an eine andere Quelle zu denken brauchen.
Bl. 59b, Nr. 148(130). Eyn Doctor zu Ritter geschla-
gen. Quelle Pauli 106.
B. 59b, Nr. 149 (131). Ein Sewhirt wirt Apt. Quelle
Pauli 55.
Bl. 60a, Nr. 150 (132). Ein Münch zerteylt eyn Kap-
paunen. Quelle Pauli 58.
Bl. 61a, Nr. 151 (133). Von der Münch Geitzigkeyt.
Quelle Bebel (Dd la). De Monachorum auaritia. Pauli 497, denselben
Stoff behandelnd, steht ferner.
Bl. 61a, Nr. 152 (134). Edelman beraubt eynen Münch.
Quelle Bebel (Cc 7b), De nobile S monacho.
Bl. 61b, Nr. 153 (135). Vnser Herrgot wirdt eyns bürge
vnd löset jn. Quelle Pauli 59 (Schlufsmoral weggeblieben).
Bl. 62a, Nr. 154 (136). Wie eyn Münch sein geraubt
vihe wider bekam. Quelle Pauli 61.
76 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Bl. 62b, Nr. 155 (137). Gute lehre eynes verruchten
Pfaffen. Quelle Pauli 68.
Bl. 63a, Nr. 156(138). Eyns Apts Examen. Quelle Pauli 77.
Bl. 63a, Nr. 157 (139). Pfründen Permutieren. Quelle
Pauli 78.
(IX.) Vom bösen Geyst.
Bl. 63b, Nr. 158 (140). Ein Münch beleugt den Teuf-
fei. Quelle Pauli 366.
Bl. 64a, Nr. 159 (141). Gott vnd dem Teuffei Hecht
brennen. Quelle Pauli 94 (Schlufsmoral weggelassen).
Bl. 64a, Nr. 160 (142). Dem Teuffei gibt man alles
vnglücks schuld t. Quelle Pauli 84.
Bl. 64b, Nr. 161 (143). Der Teuffei eyns Diebs gesel.
Quelle Pauli 87 (ein Teil der Schlufsmoral ist weggeblieben).
Bl. 64b, Nr. 162 (144). Von eynem andern Dieb mit
eym Mefsgewand. Quelle Pauli (Strafsb. Ausg. 1538, Nr. 511),
Oest. Anhang Nr. 34.
(X.) Von Müllern.
Bl. 65b, Nr. 163 (145) (Bettelnder Müller beim Bäcker). Quelle
Bebel (A a 2 b), Facetum Dictum in molitores. Schlufssatz weggelassen.
Bl. 65b, Nr. 164a u. b (146). Eyn anders (Müller nicht ge-
henkt, denn es giebt keine ehrlicheren). Quelle Bebel (A a 3 a). Contra
eosdem, womit noch Bebel Dd 2b (unten) De eisdem vereinigt ist.
Bl. 65b, Nr. 164c (146b) (Müllers Hemd fängt jeden Morgen
einen Dieb). Quelle Bebel (Dd 2b), Contra molitores.
Bl. 65 b, Nr. 165 (146 c) (Müller und hl. Maria). Quelle Bebel
(Ff Ib), De molitoribus. Abgekürzt.
(XL) Von Gerichts händelen vnd Personen.
Bl. 66a, Nr. 166 (147). Vrteyl/ hinderlegt gelt be-
treffend. Quelle Pauli 113 (Schlufs, ca. 9 Zeilen, weggelassen).
Bl. 66b, Nr. 167 (148). Vrtheyl vmb eyn klünglin
garns. Quelle Pauli 114.
Bl. 67a, Nr. 168 (149). Vom Ochsen Perilli. Da hier als
Tyrann statt Phalaris von Agrigent Dionysius von Syracus
erscheint, so glaube ich, dafs der Bearbeiter aufser Pauli 116, den er
offenbar verbessern wollte, keine gedruckte Quelle vor sich hatte.
Er schrieb eben aus dem Gedächtnis nieder, was er von der Ge-
schichte wufste, und, wenn er auch den Namen Pillus (Pauli)
richtig verbesserte, so mifsglückte ihm doch — wie wir sahen — die
Richtigstellung des Paulischen Falerius. Im Ausdrucke weicht er
übrigens sehr von Pauli ab.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 77
Bl. 67a, Nr. 169 (150). Vrtheyl vber eynen gefunden
Wetschger mit gelt. Quelle Pauli 115.
Bl. 68a, Nr. 170(151). Durch eynen Segen werden sew
ins Wasser bracht. Quelle Pauli 117, doch ist hiervon Anfang
und Schlufs weggeblieben.
Bl. 68a, Nr. 171 (152). Cambises vrtheyl. Quelle Pauli
118; der Bearbeiter hat aber den Namen 'Cambises', der sich nicht
in seiner Vorlage findet, dazu ergänzt.
Bl. 68b, Nr. 172 (153). Eyn irrig Vrtheyl. Quelle Pauli
119; die Namen bei letzterem, sowie den Schlufs, hat der Bearbeiter
weggelassen.
Bl. 68b, Nr. 173 (154). Wie eyn Wittwe eynem Richter
die Hende schmieret. Quelle Pauli 124.
Bl. 69a, Nr. 174 (155). Eyner schanckt eynem Richter
eyn wagen/ sein Widerpart zwey pferde. Quelle Pauli 125
(jedoch mit Weglassung der Schlufsmoral).
Bl. 69a, Nr. 175 (156). Turinus erdempfft. Quelle Eras-
mus, Apophthegmata (Lugd. 1573, S. 651).
Bl. 69b, Nr. 176 (157). Rew eyns Procurators. Quelle
Pauli 127. (Aus der Mitte ist die 13 Zeilen lange Betrachtung über
die Procuratores weggeblieben.)
Bl. 69 b, Nr. 177 (157 b) (Vergleich zwischen Wagenzunge und
Juristenzunge). Quelle Bebel (IL Buch 1) (Ee 2 b), De lurisconsultis
Phüesius. Es ist nur dieser eine Satz daraus genommen.
Bl. 69b, Nr. 178(158). Von Juristen. Quelle Bebel (Hh2a),
Facetia ex Joane Gersone. Die Scene ist von Orleans (Aurelianum)
nach Köln verlegt. Die Übersetzung ist ziemlich frei.
XII. Von Zauberei vnd Aberglauben.
Bl. 70a, Nr. 179 (159). Eyn täsch lieff eyner frawen
nach. Quelle Pauli 150.
Bl. 70b, Nr. 180 (160). Eyns Bawren aberglaub. Quelle
Pauli 152.
Bl. 71a, Nr. 181 (161). Farender Schüler kunst. Quelle
Pauli 153 (Schlufssatz fiel weg).
Bl. 71b, Nr. 182 (162). Eynes Bauren Sun die dritt per-
son Trinitatis. Quelle Pauli 155.
Bl. 71b, Nr. 183(163). Eyn Bawer klagt weib vnd kind.
Quelle Bebel (Cc 7 a), Älia de rustico.
Bl. 71b, Nr. 184 (163 b) (Gott bewahre dich davor, dafs du
dahin [in den Himmel sc] kommst). Quelle Bebel (Dd la), De
simplici rustico.
Bl. 72a, Nr. 185 (163c) (Eines Bauern Gebet wegen seines
Heues). Quelle Bebel (Cc 7a), De eodem.
78 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt*.
(XIIL) Von Hoffart vnnd Bracht.
Bl. 72a, Nr. 186 (164). Bischoff vnd Weltlicher Fürst.
Quelle Pauli 158.
BL 72b, Nr. 187 (165). Eyn Edelman wolt gerhümet
sein. Quelle Pauli 164 (Schlufsbetrachtung weggeblieben).
Bl. 72b, Nr. 188 (166). Zanck vmb eyn Wapen. Quelle
Pauli 168 (Moral ausgelassen).
Bl. 73 a, Nr. 189 (166b) (Leiter im Wappen). Erfindung des
Bearbeiters ?
Bl. 73a, Nr. 190(167). Wer gewinnen wil/ mufs an-
legen. Quelle Pauli 169 (Schlufsmoral blieb fort).
Bl. 73b, Nr. 191 (168). Eyner küsset sein mutter die
Erd. Quelle Pauli 171.
Bl. 73b, Nr. 192 (169). Vom Eychbaum vnd Ror. Quelle
Pauli 174.
(XIV.) Vom Geitz vnd Wucher.
Bl. 74b, Nr. 193 (170). Ein karger hett gnug bifs auff
eynen tag. Quelle Pauli 176 (Schlufsmoral nicht herübergenommen).
Bl. 75a, Nr. 194(171). Von eynes geitzigen träum. Eine
ähnliche Fabel wie des Poggio Aureum Somnium, aber aus einer
anderen, zur Zeit mir unbekannten Quelle geschöpft. (Über den
Stoff vergleiche meine Hans Sachs-Forschungen S. 132 ff.)
Bl. 75a, Nr. 195 (172). Wie eyner sein würst alleyn
wolt essen. Quelle Poggio, Porci furtum (Ausg. Lond. 1798, S. 1 5 7).
Bl. 75b, Nr. 196 (153). Antwort eynes gedultigen. Quelle
Pauli 478.
Bl. 75b, Nr. 197(175). Eyn küw vmb Gotts willen geben.
Quelle Pauli 324.
Bl. 76 a, Nr. 198 (175). Von einem bawrenschinder. Quelle
Pauli (Strafsb. Ausg. 1538, Nr. 502). Oest. Ausg. Anhang 27.
Bl. 76a, Nr. 199 (176). Keyn Schnapphahn bitt für den
anderen. Quelle Pauli (Strafsb. Ausg. 1538, Nr. 80). Oest. Ausg.
Anhang 4.
Bl. 76b, Nr. 200 (177). Wie sich eyn Wucherer an der
Predig bessert. Quelle Pauli 192.
Bl. 77a, Nr. 201 (178). Welche laster am härtsten an-
hangen. Quelle Pauli 200 (ähnlich auch Pauli 177).
Bl. 77a, Nr. 202 (179). Testament sein mifslich. Quelle
Pauli 203, jedoch sind die einleitenden und Schlufsworte weggeblieben.
(XV.) Von Meysterschafft vnd Künsten.
Bl. 77b, Nr. 203 (180). Zwen fechten vmbs leben. Quelle
Pauli 311 (Schlufssatz weggeblieben).
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 79
Bl. 78a, Nr. 204(181). Goldschmid macht eyn Lautten
klingen. Quelle Pauli (Strafsb. 1538, Nr. 504). Oest. Ausg. Anh. 29.
Bl. 78a, Nr. 205 (182). Von eynem Esels Artzt. Quelle
Poggios Circulator (Lond. 1798, S. 89) auch in Gasts Conv. Ser-
mones I, 182 herübergenommen. Statt Florenz giebt der Bearbeiter
Köln als Ort der That an.
Bl. 78b, Nr. 206 (183). Eyn ander kunst eynes Artzts.
Quelle Poggios Clüella (Lond. 1798, S. 113); auch in Gasts Conv.
Senn. I, S. 180 übergegangen.
Bl. 79a, Nr. 207 (184). Künstliche maier. Quelle Pauli
410 (etwas verändert).
Bl. 79b, Nr. 208 (85). Eyn anders von eynem maier.
Quelle Pauli 411.
Bl. 79b, Nr. 209 (186). Eyn maier macht hefsliche/ vnd
malet hübsche kinder. Quelle Pauli 412.
(XVI.) Von Trunckenheyt/ essen vnd trincken.
Bl. 80a, Nr. 210 (187). Der wein Gottes trähen. Quelle
Pauli 233.
Bl. 80a, Nr. 211 (188). Eyn Hirsch wirt weise. Quelle
Pauli 240.
Bl. 80b, Nr. 212(189). Knecht weyfs des Herren wil-
len. Pauli 370.
Bl. 80b, Nr. 213 (190). Wein wässern der wirt. Quelle
Pauli 374 (Schlufsbetrachtung fiel weg).
Bl. 81a, Nr. 214 (191). Von eyner Atzel die wein aufs-
rieff. Quelle Bebel (Ff 4b), De pica loquente (jedoch spielt die Er-
zählung dort in Metz, bei Bebel in Augsburg). Pauli 669 enthält
dieselbe Fabel, ist aber nicht benutzt.
Bl. 81a, Nr. 215 (192). Alles arges kompt von Truncken-
heyt. Quelle Pauli 243.
Bl. 81b, Nr. 216 (193). Vilerley Trunckenheyt. Quelle
Pauli 244 (der Anfang weggefallen).
Bl. 81b, Nr. 217 (194). Der Geystlichen Abstinentz.
Quelle Pauli 245 (Schlufssatz weggefallen).
Bl. 82a, Nr. 218 (195). Kleyne fisch fragt eyner nach
seinem vatter. Quelle Pauli (Strafsb. 1538, Nr. 221), Oest. Anh. 7.
Der etwas breite Anfang — ungefähr 12 Zeilen — ist weggeblieben.
(XVH.) Von dem Zorn vnd vbereilung.
Bl. 82b, Nr. 219 (196). Edelman tödtet seinen getrewen
hundt. Quelle Pauli 257 (Schlufsabsatz weggefallen).
Bl. 83a, Nr. 220 (197). Eilen thut nit gut. Von S. Mar-
tin. Quelle Pauli 255 (die letzten anderthalb Zeilen weggeblieben).
80 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
(XVIII.) Vom Beichten.
Bl. 83 b, Nr. 221 (198) (Mann zwingt seine Frau, ihm zu beich-
ten). Quelle Mensa Philosophica S. 211. Unsere Fassung ähnelt der
78. Novelle der Cent Nouuelles Nouuelles. Sie unterscheidet sich
davon durch ihre Kürze, dann dafs darin vier Liebhaber (Edelmann,
Kriegsmann, Thor und Pfaffe) gegen drei der französischen (Knappe,
Ritter und Pfaffe) vorkommen.
Bl. 83b, Nr. 222 (199). Einer Beginen ward leicht
nach der Beicht. Quelle Pauli 203.
Bl. 84a, Nr. 223 (200). Ein Schultheyrs hat sieben sin.
Quelle Pauli 297.
Bl. 84a, Nr. 224 (201). Willen für die werck nemen.
Quelle Pauli 298.
Bl. 84a, Nr. 225 (202). Wie eyner das Vattervnser ler-
net. Quelle Pauli 338.
Bl. 85a, Nr. 226 (203). Eyner beichtet seiner frawen.
Diese Erzählung stimmt mit dem alten Gedichte bei von der Hagen
(Gesamtabenteuer Nr. 44) 'Diu bihte' inhaltlich überein, doch dürfte
dem Verfasser weder dieses, noch das in Kellers Erzähl, aus alt-
deutschen Handschr. S. 383 ff. abgedruckte erweiterte Gedicht, noch
das Volkslied des 16. Jahrhunderts 'Von einem Mülner vnd Mül-
nerin' vorgelegen haben — die Abweichungen davon sind zu grofs — ,
sondern eher eine kurze Prosaerzählung in irgend einer verschollenen
Schwanksammlung.
Bl. 85a, Nr. 227 (204). Eyner wolt nit in H. Geyst glau-
ben. Quelle Bebel (Ee 8 a), De simplici rustico (verwandt ist Pauli
156). Etwas gekürzt.
Bl. 85 a, Nr. 228 (205). Kind dem rechten vatter geben. Quelle
Bebel (Ff 8 b), De calliditate mulierum historia vera. Frei nachgeahmt.
Bl. 85b, Nr. 229 (206). Eyner kaufft vil wiegen. Quelle
Bebel (Yy 6 a), De eo qui multas cunas emerat. Statt quoddam forum
setzte der Bearbeiter 'Nürmberg', sonst hielt er sich so ziemlich wört-
lich an seine Quelle.
Bl. 85b, Nr. 230 (207). Absolution künfftiger Sund.
Quelle Pauli 301.
Bl. 86a, Nr. 231 (208). Warumb eyner nit in die Predig
gieng. Quelle Bebel (Dd 3 b), De illo, qui non libenter diuinos ser-
mones audiehat. Abgekürzt und frei behandelt.
Bl. 86a, Nr. 232 (209). Wein verbotten in der Beicht.
Quelle Pauli 306.
(XIX.) Von freien reden.
Bl. 86b, Nr. 233 (210). Eyner sähe dem Keyser gleich.
Quelle Pauli 502, indes ist mancherlei textlich geändert, so dafs der
Bearbeiter wahrscheinlich daneben noch eine Version benützte.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 81
Bl. 86b, Nr. 234 (211). Eynen frewret darnach er kleyder
anhat. Brillenmacher müssen verderben. Quelle Pauli 513.
Bl. 86b, Nr. 235 (211b). Quelle Pauli 514. Beide Nummern
etwas gekürzt.
Bl. 87a, Nr. 226 (212). Keyser nimpt geschenck für sein
Verfs von einem Poeten. Quelle Pauli 506.
(XX.) Von Sterben vnd Tode.
B1.87b, Nr. 237(213). Schiffleut ertrincken gern. Quelle
Pauli 264 (Schlufsmoral weggeblieben).
Bl. 87b, Nr. 238 (214). Betrachtung des todts. Quelle
Pauli 265.
Bl. 88a, Nr. 239 (215). Warnung vnd vorbotten des
tods. Quelle Pauli 268 (Schlufs und einige Sätze aus der Mitte
weggeblieben).
Fassen wir die Resultate der Untersuchung zusammen, so
enthält ^Schimpff und Ernst' von 1545 — wenn wir die drei-
fachen Nummern 11, 82 und 164 mitberechnen — im ganzen
245 Erzählungen und Sinnsprüche, verteilt auf 215 Nummern.
Hiervon stammen 133 — also weitaus die gröfsere Hälfte
— aus Pauli und 112 aus anderen Quellen. Was die
aus Pauli entlehnten Erzählungen betrifft, so finden sich alle^
in der Strafsburger Ausgabe von 1538, die also selbst oder in
einem späteren Nachdruck die Vorlage des Sammlers war. Er-
zählungen, die ausschliefslich in der editio prmceps des Pauli
stehen, sind nicht in unser Buch aufgenommen worden. Sonach
erweisen sich die oben citierten Angaben Oesterleys als irrig.
Von den 112 (und nicht 72) neuen Nummern sind 48 aus Bebel,
16 aus den Apophthegmata des Erasmus u. a., 10 aus Reineke,
10 aus Poggio, 7 aus der Mensa philo sophica, je 2 aus J. Gast,
Valerius Maximus und Steinhöwel (Asop), je 1 aus Luther, Ma-
crobius, Camerarius (Fah. jEsopi) und Petrarca {De reb. memor.)
entnommen, 3 sind in älteren Darstellungen (altdeutschen Dich-
tungen), aber nicht in der direkten Vorlage bekannt, 2 (allbekannte
* Vorausgesetzt jedoch, daTs die Angabe Oesterleys (S. 446 seiner Aus-
gabe von Schimpff und Ernst), Pauli 215 finde sich nicht in der Strafs-
burger Ausgabe von 1538, eine irrige ist. Ich glaube, dafs diese auch
in unserem Buche aufgenommene Sentenz (s. oben S. 71) in der Strafs-
burger Ausgabe vorkommt und von Oesterley vielleicht deshalb übersehen
wurde, weil sie mit der vorausgegangenen Erzählung zusammengezogen ist.
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 6
82 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt*.
Stoffe behandelnd) sind wahrscheinlich aus dem Gedächtnis nieder-
geschrieben, und von 5 bleiben die Quellen noch zu ermitteln.
Unter den 112 Erzählungen befinden sich 11 (4. 5. 10. 24. 52.
58. 60. 96. 125. 151. 214), die der Bearbeiter auch aus Pauli
hätte nehmen können, er zog aber ältere Quellen (Val. Max.,
Macrobius, Petrarca, Poggio und Bebel) vor. Für Bebel, Poggio,
Gast, Macrobius, Camerarius und die Mensa phüos. standen dem
Bearbeiter nur die lateinischen Originale zur Verfügung, und er
scheint auch bei Steinhöwel und Petrarca dem lateinischen Ori-
ginal den Vorzug gegeben zu haben. Daraus ergiebt sich, dals
er humanistische Bildung besafs.
Charakteristische Züge des Erzählers sind das Streben nach
Kürze und das Weglassen der Moral. Hierdurch und durch die
einen anderen Geist atmenden Erzählungen aus Bebel und Poggio
entfernt sich seine Sammlung in der moralischen Absicht von
Paulis Buch, dessen Titel sie kaum mehr zu tragen berechtigt
ist. Sie enthält weitaus mehr Schimpf als Ernst. Sie ist fast
eine reine Anekdotensammlung, die indes durch die aus Plutarch
entlehnten Denksprüche, durch die Reineke-Fabeln und andere
Fabeln und Erzählungen des lehrhaften Charakters nicht ganz
entbehrt. Es mufs dem Kompilator nachgerühmt werden, dafs
er aus den schmutzigen Schwänken Poggios und Bebeis noch die
anständigsten ausgewählt hat.
Wer der Verfasser des Buches gewesen, habe ich nicht fest-
zustellen vermocht, ebensowenig den Drucker; doch dürfte letz-
terer vielleicht mit Hilfe der Holzschnitte und der Typen mit
einiger Sicherheit zu ermitteln sein. (Vgl. jedoch meine Ver-
mutung weiter unten S. 104 ff.)
Ziehen wir jetzt das Buch ^Schertz mit der Warheyt'
zu einem Vergleich mit der soeben besprochenen Sammlung heran,
so zeigt uns auch ein flüchtiger Blick, dafs diese die Grund-
lage für jenes im eminentesten Sinne gebildet. Der Sammler
des jüngeren Schwankbuches ging nicht auf frühere vollständigere
Ausgaben des Pauli zurück, er begnügte sich, den Inhalt des
^gehümpelten und gestümpelten' Buches fast in der gleichen
Reihenfolge und beinahe unter den gleichen Rubriken abzu-
drucken; er unterscheidet sich von seiner Vorlage nur durch
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 83
einige Weglassungen und besonders durch zahbeiche, aus ver-
schiedenen Quellen geschöpfte Zusätze. Um das Verhältnis in
erschöpfender Weise klarzulegen und insbesondere um die Quellen
der neuen Zusätze zu bestimmen, will ich in ähnhcher Weise wie
oben die Titel der Erzählungen nebst den Quellen anführen, die
Titel abgekürzt, falls sie mit denen der Hauptquelle — hier der
Kürze wegen mit Seh. bezeichnet — übereinstimmen. Die Zif-
fern haben dieselbe Bedeutung wie oben.
Schertz mit der Warheyt.
(I.) Von Keysern Königen vnd Herrn.*
Bl. la, 1. Wie König Ludwig von Franckreich eiii
einfaltigen Bauren für ein rohe Ruhen reichlich begabt.
Quelle J. Gasts Convivales Sermones (Ausg. 1554, S. 169), De Ludo-
uico Galliarum rege. •
Bl. Ib, 2. König von Frankreich belont vmb ein laufs
XL Cronen/ vnd ein Augen diener mit so vil streychen.
Quelle J. Gasts Conv. Serm. (S. 170), De Dudouicö eodem.
Bl. 2a, 3. Dafs die ämpter zu hofe vngleich ersucht
vnd verrechnet werden/ Ein histori vonn Keyser Maxi-
milian. Quelle Conv. Serm. (S. 178), De Caesar e Maximiliano. Gast
selbst entnahm die drei vorstehenden Nummern wörtlich den Colloq.
fam. des Desid. Erasmus, und zwar dem Convivium fabulosum. In
der mir vorliegenden Ausgabe der Colloq. (Basel 1546, 8^) stehen sie
auf S. 368 ff., 370 ff. und 373 ff.
Bl. 2b, 4. Von Romulo, der kein Wein tranck rr: Seh. 1.
Bl. 5 (4 b) (Augustus) = Seh. 2.
BL 2b, 6 (5). Ein esel erlöst seinen Herren r= Seh. 4.
Bl. 2b, 7(6). Küssen zeygt lieb an = Seh. 5.
Bl. 2b, 8 (7). Juden etc. = Seh. 6.
Bl. 2b, 9 (8). Von eines geschlecht von neun Künigen
=r Seh. 7.
Bl. 2b, 10 (9). Der mit schulden beladen ist, darf eins
gutten schlafküssen = Seh. 10.
Bl. 3 a, 11 (10). 'Democles' t= Seh. 8. Hier sind indes einige
kleine textliche Änderungen vorgenommen, so z. B. dafs Dionysius
König von Ägypten ist und dafs er *auffs aller köstlichest essen vnd
trincken' auftragen liefs und dem 'Democles' selber zu Tisch 'dienet'.
Bl. 3 a, 12 (10 b) (Alphonsus) — Seh. 9.
Bl. 3a, 13a. 13b. 18c (11). Was Recht Adel vnd Tyran-
nei sei =: Seh. IIa— ilc.
Bl. 3 b, 14 (12) (Agesilaus) — Seh. 12.
84 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Bl. 3 b, 1 5 (] 3). Wie mann sicher Regieren sol = Seh. 13.
Bl. 3b, 16 (14). König Agesilaus ritte mit seinen Kin-
dern auff einem stecken = Seh. 14. Etwas textlich geändert.
Bl. 3b, 17 (15). Von gutem rath, wie mans Saltz von
Wurmen behalten soll := Seh. 15.
Bl. 4a, 18 (16). Alte Räte etc. = Seh. 16.
Bl, 4a, 19 (17). Dafs man nit bald argwonen sol. Vom
Hanibal =r Seh. 17 (die Einleitung und einiges aus der Mitte fort-
gelassen).
Bl. 4a, 20 (18). Guter name behalt bei ehren r=z Seh. 18.
(IL) Von freien Reden.
Bl. 4 b, 21 (19). Demosthenis Schertz rede zu eim Diebe. Quelle
Gasts Conv. Serm. (S. 71), Demosthenis dictum in furem.
BL 4b, 22 (20). Des Philosophen Diogenis Schimf-
liche Spruch vnd Antworten. Zuerst kurzer Bericht über ihn
und sein 'Fafs', dann
Bl. 4 b, 23 Alex. u. Diog. — aus der Sonne gehen. Diese bei-
den Nummern wahrscheinlich aus dem Gedächtnis niedergeschrieben.
In der Darstellung der letzteren Anekdote stimmt der Bearbeiter
übrigens, abweichend von den gewöhnlichen Versionen, mit W. Bur-
leys De Vita et Morihus Philosoph, (ed. Knust S. 196) überein: 'nim
mir nit, was du mir nit geben kannst' (Burley rogo ne michi auferas
quod michi dare non potes). Endlich
Bl. 4 b, 24 — 36 Verschiedene Denksprüche des Diogenes. Quelle
Gast, Conv. Serm. I, 77 — 79.
Bl. 5 a, 37 (Ausspruch des Diogenes über einen Verräter). Quelle
Gast, Conv. Serm. I, S. 233, De Proditore.
Bl. 5a, 38(21). Wie lang mann freüd hab. Quelle Bebel
(Vv 7 b), Proverbium apud Germanos ; findet sich auch bei Pauli
Nr. 221 (Schlufs). Oesterley hat Bebel in seinen Nachweisen dazu
übersehen.
Bl. 5a, 39 (22). Welcher ding mann nit hoch achtet.
Quelle Bebel (Kk 2 a), Quce nihili valeant.
Bl. 5b, 40 (23). Hencker ward ein Behemischer pfaff.
Quelle Bebel, De quodam carnifice, qui sacerdos fmtus est.
Bl. 5b, 41 (24). Ein Dieb versetzt dem Richter, dafs
er ihm gestolen het. Quelle Gast, Conv. Serm. II, 48, De füre.
Abgekürzt und Kleinigkeiten geändert.
Bl. 5b, 42 (25). Von eim Diebischen Wirt vnnd eim
Landsknecht, ein wäre Histori. Quelle Gast, Conv. Serm.
II, 127, De Satane et hospite. Die gleiche Erzählung aus der glei-
chen Quelle findet sich auch in Lauterbecks Regentenbuch, Buch IV,
Kap. 10.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 85
Bl. 6b, 43 (26). Ein ander solich geschieht, von eym
meyneydigen zu Reutlingen geschehen. Quelle Gast, Conv.
Serm. II, 131, De periurio per duos dcemones Euthlingce punito.
Pi'cecedens historia huic fere similis.
(m.) Von Schmeychlern.
Bl. 6b, 44—46 (27) = Seh. 20—22 (Schmeichler).
Bl. 6b, 47 (28) = Seh. 23 (Vespasian).
Bl. 6b, 48 (29) = Seh. 24 (Anaximenes).
Bl. 6 b, 49 (30) r= Seh. 25 (Dionysius und Harfner).
Bl. 7a, 50/51 (31) = Seh. 26/27 (Schätzung).
Bl. 52 (32) = Seh. 28 (Domitian).
(IV.) Von List, gescheidigkeyt, lügen vnd Betrug.
Bl. 7a, 53 (33). Wie ein Jud durch geschickte ant-
wort dem Soldan auff ein fehrliche Frage einem fall-
strick entgienge. Quelle Boccaccios Decam. I, 3 in einer Aus-
gabe der (Steinhöwel längere Zeit zugeschriebenen) deutschen Über-
setzung aus dem 15. Jahrhundert. Der Bearbeiter hat vielfach
gekürzt und auch stilistisch geändert.
Bl. 8a, 54 (34). Wie sich einer angenomner kranck-
heyt zu eim heyligen tragen Hesse, der jn gesundt macht
u. s. w. Quelle Decam. II, 1, aus der gleichen Übersetzung, aber
auf kaum die Hälfte verkürzt.
Bl. 9a, 55 (35). Wie ein Kauffman auff seiner frawen
frumkeyt fünff tausend Cronen verwettet u. s. w. Quelle
Decam. II, 9; zwar nach der gleichen Vorlage, aber sprachlich viel
selbständiger als die beiden vorigen Nummern gehalten. Der Ver-
fasser hat die Novelle auf die Hälfte reduziert und auch sachlich
einiges geändert.
Bl. IIb, 56 (36) = Seh. 30 (Hahn und Fuchs).
Bl. 12 a, 57 (37) = Seh. 31 (Schmeichlers Glück).
Bl. 12b, 58 (38) = Seh. 32 (Löwe und Esel).
Bl. 14 a, 59 (39) = Seh. 33 (Bauer, Schlange und Fuchs).
Bl. 15 b, 60—69 (40—49) = Seh. 34—43 (Reineke Fuchs).
Hin und wieder ist ein Sätzchen oder ein Ausdruck eingeschoben
oder weggelassen, aber sonst alles getreu wiedergegeben.
(V.) Von der Warheyt.
Bl. 22 a, 70 (50) = Seh. 44 (Der geschlagene Narr).
Bl. 22 b, 71 (51) = Seh. 45 (Der Abenteurer, der die Wahrheit
spricht).
Bl. 23 a, 72 (52) — Seh. 46 (Atzel schwätzt vom Aal).
86 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
(VI.) Von Lügen.
Bl. 23 a, 73 (53) = Seh. 47 (Sattel angefroren).
Bl. 23 b, 74 (54) = Seh. 48 (Schneedörren).
Bl. 23b, 75 (55) == Seh. 49 (Ferkelschwanz abgeschossen). Ein
Sätzehen am Schlüsse angefügt.
(VII.) Vonn Frawen vnnd Jungkfrawen/ Bösen vnd guten.
Bl. 23b, 76 (56). Von Gehorsam, Standthaf f tigkeit
vnd Gedult Erbarer frommen Ehefrawen/ Ein schön
Exempel etc. (Griseldis). Quelle Boccaccio X, 10. Weiter noch
als in den früheren Erzählungen aus der gleichen Quelle gehen hier
die Änderungen. Von diesen sind ein Teil auf Rechnung des Be-
arbeiters zu setzen, ein Teil dürfte aber durch den Einflufs von Pe-
trarcas Bearbeitung dieser Novelle bezw. durch deren Verdeutschung
veranlafst sein. Auch stilistisch verfuhr der Bearbeiter viel freier,
Bl. 27a, 77 (57) = Seh. 50 (Der Spartanerin Antwort). Die
Bezeichnung 'Laeena' weggeblieben.
Bl. 27a, 78 (58) — Seh. 51 (Der Frau gefällt der Mann *vn-
bekant').
Bl. 27a, 79 (59) — Seh. 52 (Papirius).
Bl. 27 b, 80 (60) — Seh. 53 (Witwe vergifst bald den Ehemann).
Bl. 27 b, 81 (61) — Seh. 54 (Witwe von Ephesus).
Bl. 28a, 82 (62). Von einer Frawen die ein vnehliehs
vnder jhren Kindern, solt anzeygen aufs beueleh des
Beiehtuatters. Quelle Gast, Gonv. Serm. I, 62, Confessor ineptus
(aus O. Luseinius, Jod ac Sales, Augsb. 1524). Abgekürzt.
Bl. 28b, 83 (63). Ein anders, Dafs vnehliche Kinder
gemeldt werden sollen. Quelle Gast, Conv. Serm. I, 64, De
Confessore (aus Luseinius). Abgekürzt und frei übertragen. Die
gleiche Erzählung (und wahrscheinlich zugleich die Quelle für Lus-
einius) findet sieh bei Bebel (Ff 8b), De callidate mulierum historia
Vera, und diese Version hatte — wie wir oben sahen — Seh. unter
Nr. 228 übersetzt.
B1.28b, 84(64). Eine Dienstmagt beicht für ein reehen-
pfenning. Quelle vielleicht das Sehwankbuch des O. Luseinius,
Jod ac Sales, das mir leider nicht vorliegt.^ Nachgeahmt ist diese
Erzählung in Lindeners Kalzipori Nr. 96 (Liehtensteinß Ausg. S. 150),
aber in schamlose Worte gekleidet, so recht im Geiste dieses im
Schmutze wühlenden Zotenreifsers.
Bl. 29a, 85(65). Von Weiber meystersehafft bei dem
* In der zweiten Ausgabe des Buches (zusammengedruckt mit der
Mensa philos. Frkf. 1602, wiederholt Leipzig 1603), die nur eine Auswahl
(176 Nummern statt 233) bietet, findet sie sich nicht.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 87
Ostergesa 11 g. Quelle Bebel (Bb 2a), Facetia de domiriatione
mulierum, auch in Gasts Conv. Serm. I, 200, Mulierum Dominatio.
Bl. 29 a, ^Q (66) = Seh. 55 ('Frawen meysterschafft vmb ein
par stifeF).
Bl. 29b, 87 (67) = Seh. 58 (Frau gegen den Strom).
Bl. 29b, 88 (68) = Seh. 59 (Böses Weib).
Bl. 29 b, 89 (69) ^ Seh. 60 (Klicklaufs).
Bl. 29 b, 90 (70) = Seh. 61 (Frau ifst Zwiebel).
Bl. 30 a, 91 (71) — Seh. 62 (Frau reitet Hund). Einige Sätze
weggeblieben.
Bl. 30 b, 92 (72) = Seh. 63 (Bulschafft beweint Studentenmantel).
Bl. 30 b, 93 (73) = Seh. 64 (Nonne blendet sich). Ein paar
Kleinigkeiten weggelassen.
Bl. 31a, 94 (74) = Seh. 65 (Nonnen schneiden sich Nasen ab).
Ein paar Sätzchen weggeblieben.
Bl. 31b, 95 (75) zir Seh. 66 (Jüngste heiratet zuerst). Der An-
fang etwas gekürzt.
Bl. 31b, 96 (76) = Seh. 67 (Eine um ihre Ehre Klagende ab-
gewiesen).
Bl. 32 a, 97 (77) ::= Seh. 68 (Fuchs zum Galgen). Einzelnes geändert.
Bl. 32a, 98 (78) — Seh. 69 (Mann für Frau im Halseisen).
Bl. 32 a, 99 (79) = Seh. 70 (Weib handelt strikte nach Vorschrift).
Bl. 32b, 100 (80) = Seh. 71 (Mann vorm Weib in die Hölle
geflohen).
Bl. 32 b, 101 (81) = Seh. 72 (Eheleute uneinig).
Bl. 32b, 102 (82) = Seh. 73 (Frau soll nichts denken). Ein
I)aar Ausdrücke Aveggelassen.
Bl. 32b, 103 (83) = Seh. 77 (Frommer Mann, frommes Weib).
Bl. 32 b, 104 (84) =^ Seh. 78 (Kaiserin Ehebruch). Einiges ist
weggelassen.
Bl. 33a, 105 (85). Von Falschlistigkeyt eines Weibes/
die einen Edelman inn gestalt, ob sie sein Schwester
were / vmb grofs gelt vnd in angst vnd not bracht.
Quelle Decam. II, 5 (Andreuccio). Sachlich und noch mehr sprach-
lich geändert.
Bl. 35b, 106 (86). Von gezwungener liebe/ Wie eines
Doctors Tochter einen Grauen wider seinen willen
zur ehe erwarb/ Vnd wol gerieth. Quelle Decam. 111, 9
(Giletta v. Narb.). Ähnlich wie oben in der Griseldis ist hier das
Verhältnis zur Quelle: viele sachliche Änderungen, und auch sprach-
lich ein ziemlich freies Verhältnis.
Bl. 38a, 107 (87) =: Seh. 79 (Ehebrecherische Kaiserinnen).
Bl. 38 a, 108 (88) = Seh. 80 (Eiskind).
Bl. 38 b, 109 (89) = Seh. 81 (Frau im Alter treu). Ein Satz
hinzugefügt.
88 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Bl. 38b, 110 a.b. c (90) =i Seh. 82a.b.c (Bubenehe am stärk-
sten). Einiges weggelassen, anderes geändert.
Bl. 39 a, 111 (91) =z Seh. 83 (Stummer redet).
Bl. 39 b, 112 (92) = Seh. 84 (Liebhaber verscheucht). Einzelne
Sätze sind weggelassen. Hinzugefügt ist der Zug, dafs der erste
Liebhaber den Toten an die Thüre des Pfarrhauses anlehnt, so dafs
des Morgens, als der Pfarrer 'in die Metten gehen wolte', der Leich-
nam ihm entgegenfiel.
Bl. 40 a, 113 (93) z= Seh. 85 (Kinder der Edelleute und Bürger).
Bl. 40b, 114 (94) = Seh. 86 (Alter Buhler). Die letzten drei-
zehn Zeilen, die allerdings mit der Erzählung nichts zu thun haben,
sind weggeblieben, und dies mit um so mehr Grund, als der Inhalt
schon oben unter Nr. 38 (aus Bebel entlehnt) vorkommt.
Bl. 40b, 115 (95) = Seh. 87 (Drei Witwen).
Bl. 41a, 116 (96) — Seh. 88 (Fürst und Kaufmann).
Bl. 41b, 117 (97) = Seh. 89 (Ehebr. — grauer Kock).
Bl. 42 a, 118 (98) =r Seh. 90 (Zaleucus).
Bl. 42a, 119 (99) — Seh. 91 (Kaltes Eisen brennt).
Bl. 42b, 120 (100). Von thorechter lieb erbärmlichem
aufsgang/ die Histori Guiscardi vnnd Gismondae etc.
Quelle Decam. IV, 1. Hier schlofs sich der Bearbeiter mehr als in
den letzten Nummern aus dieser Quelle seiner Vorlage an ; einzelnes
ist indes geändert, und namentlich hat er sehr gekürzt.
Bl. 45a, 121 (101). Mordt vnd Ehebruch strafft sich
selbs. Von König Alboino vnd Rosimunda/ der Köni-
gin n. Quelle Seh. 92. Aber der Bearbeiter von 'Schertz mit der
Warheyt' hat mit seiner Vorlage verschiedene kleine Änderungen
vorgenommen, wozu ihm, wie es scheint, irgend eine Chronik das
Material geliefert. So hat er z. B. den Namen 'Alkindus' seiner
Quelle in Alboinus verbessert, und die in seiner Vorlage fehlenden
Namen Turisindus 'König Gepidarum' und Peredeus hinzu-
gefügt. Der letztere Name findet sich in Hedions 'Chronick' (Strafsb.
1543) S. 248; doch fehlt der Name Turisindus, und so wird er über-
haupt eine andere Chronik, vielleicht die EgenolflTsche von 1535
(mit den Figuren von S. Beham) vor sich gehabt haben.
Bl. 45b, 122 (102) z= Seh. 93 (Wachsbild).
Bl. 46 a, 123 (103) = Seh. 94 (Mädchen bezahlen Jünglingen
'den Magthumb'). Anfangsworte geändert.
(VIII.) Von der lehre Vatter vnd Mütter/ Ehr vnd
Gehorsamkeyt.
Bl. 46 b, 124/25(104) = Seh. 95/96 ('Vnehr gegen die Eltern').
Bl. 46b, 126 (105) — Seh. 97 (Verschwender, sich hängend,
findet Schatz).
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 89
Bl. 47a, 127 (106) = Seh. 98 (Löwe und sein Sohn).
Bl. 47b, 128 (107) =r Seh. 99 (Löwe und zwei Söhne).
Bl. 48 a, 129 (108) =r Seh. 100 (Kolben im Kasten).
Bl. 48b, 130 (109) = Seh. 101 (Frau und Magd).
Bl. 48 b, 131 (110) == Seh. 102 (Fauler im Bett).
Bl. 48b, 132 (111) =3 Seh. 103 (Hund versäumt zwei Mahl-
zeiten). Abgekürzt und die Schlufsmoral geändert.
(IX.) Von Einfalt vnd Narrheyt.
Bl. 49a, 133 (112) ::= Seh. 104 (Närrischer Bauernknecht freit).
Bl. 49 b, 134 (113) =: Seh. 105 (Rofs aus Esel).
Bl. 49b, 135 (114) = Seh. 106 ('Der Geschickt Königs Narr').
Ein paar Ausdrücke hinzugefügt.
Bl. 50 a, 136 (115) = Seh. 107 (Narr warnt vor Schweitzern).
Bl. 50 a, 137 (116) = Seh. 108 (Grobe Bauern).
Bl. 50 a, 138 (117) = Seh. 109 ('Höflicheyt eynes Redners').
Bl. 50b, 139 (118) = Seh. 110 (Einfalt eines Schweitzers).
Bl. 50b, 140—143 (119) = Seh. 111—114 ('Vom Pocher').
Bl. 51a, 144 (120) = Seh. 115 (Narrenbad).
Bl. 51b, 145 (121) = Seh. 116 (Narr rät zum Frieden).
Bl. 51b, 146 (122) = Seh. 117 (Narr verbrennt seinen Herrn).
Bl. 52 a, 147 (123) = Seh. 118 (Narr mahnt an den Tod).
Bl. 52 a, 148 (124) = Seh. 119 (Claus Narr).
Bl. 52b, 149 (126) = Seh. 120 (desgl.).
Bl. 52b, 150 (126) = Seh. 121 (desgl.).
Bl. 53 a, 151 52 (127) = Seh. 122/23 (Narr schlägt Abt).
Bl. 53 b, 153 (128) = Seh. 124 (Kaiser, kein PfafFensohn).
Bl. 53b, 154(129). Von eim tewren Furtz eines Krancken.
Quelle Gast, Conv. Serm. S. 67, De crepitu ventris (aus O. Liscinius).
Bl. 53b, 155 (130). Ein fluch von hundert gülden/ vn-
bekanter Müntz. Quelle Gast, Conv. Serm. S. 82, De Domino et
Seruo. Kleinigkeiten geändert.
Bl. 53b, 156b. Von eim Trunckenboltz/ der das Abc.
hinder sich vnd für sich kundt.^ Quelle Bebel (Gg 8a), De
quodam Ebrioso.
Bl. 53 b, 156 a (Sohn wird durch den wüsten Anblick eines
Trunkenen nicht von der Trunksucht geheilt). Quelle Poggios Paterni
Moniti Sicccessus oder wahrscheinlicher J. Gasts Conv. Serm. I, 84,
De Ebrio. Der Bearbeiter hat jene aus Bebel geborgte Erzählung
auch auf den unverbesserlichen Trinker angewendet.
Bl. 54a, 157 (132). Von eim falschen spiler den mann
ertrenckt. (Quelle Behel (G g 8 sl), De quodam Blasphematore. Der
Die der Überschrift entsprechende Erzählung bildet den zweiten Teil.
90 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Bearbeiter hat die Fabel erweitert. Seine Zusätze habe ich schon
irgendwo einmal gelesen, erinnere mich aber nicht, wo.
Bl. 54a, 158 (133). Von eines Zeuge sage. Quelle Bebel
(Gg 8 a), Testimonium cuiusdam Tuhingensis.
Bl. 54a, 159 (134). Von eym gelerten Studenten. Quelle
Bebel (Gg 8b), Ridiculum factum, cuiusdam Tuhingensis. Der Be-
arbeiter benützte nur den Anfang und Schlufs der Bebeischen Er-
zählung. Den^ Anfang seiner eigenen Darstellung (Unwissender hat
sein Wissen in der Beichte gelernt, 'dafs ers niemandt offenbaren
dorffte') — ein bekannter Volkswitz — ist von ihm hinzugefügt.
Bl. 54a, 160 (135). Von eim Koler/ der eines fürsten
gestolen schätz wider fände. Quelle Bebel (Hh 2a), De
quodam carbonario. Abgekürzt.
(X.) Von Pfaffen/ München/ vnd Nunnen.
Bl. 54b, 161 (136) = Seh. 125 (Hund 'auffs Geweihte').
Bl. 55 a, 162 (137) = Seh. 126 (Lächerliche Predigt).
Bl. 55 a, 163 (138) = Seh. 127 (Christo ein Eequiem).
Bl. 55 a, 164 (139) = Seh. 128 ('Geystl. Gedult').
Bl. 55 a, 165 (140) = Seh. 129 (Schlüssel zur Abtei).
Bl. 55b, 166 (141) = Seh. 130 (Pfarrer andre Bauern).
Bl. 55b, 167 (142) ~ Seh. 131 (Wie sollen Geistliche sein?).
Bl. 55b, 168 (143) = Seh. 132 (Pfaffenmagd im Schlitten).
Bl. 56a, 169 (144). Von eim falschen Beichtuatter. Wie
ein andechtiger grosser Gleifsner/ ein Barfüsser Münch/
ein einfeltig hochfertigs Venediger Weiblin/ in gestalt
eins Engels betrog u. s. w. Quelle Decam. IV, 2. Die Novelle
ist hier auf weniger als die Hälfte gekürzt, manche Einzelheiten
sind weggelassen, das Ganze viel züchtiger als im Original gehalten
und sprachlich durchweg geändert.
Bl. 57b, 170 (145) = Seh. 133 (Bauer und Pfaffe).
Bl. 57 b, 171 (146) — Seh. 134 (Teufel predigt).
Bl. 58 a, 172 (147) = Seh. 134 (Jude läfst sich taufen).
Bl. 58 a, 173 (148) = Seh. 136 (Kranker und Beichtvater).
Bl. 58 a, 174 (149) = Seh. 137 (Getaufter Jude findet Schatz).
Bl. 58 b, 175 (150) = Seh. 138 (Pfaffen, Edelleute und Juden).
Bl. 58b, 176 (151) = Seh. 139 (Priester versetzt Seele).
Bl. 58b, 177 (152) = Seh. 140 (Lügen in Passion).
Bl. 58b, 178 (153) = Seh. 141 (Wie viel Geistliche nötig).
Bl. 59 a, 179—82 (154) — Seh. 142—45 (Priesterexamina).
Bl. 59b, 183 (155) — Seh. 146 (Unwissender Priester). Am An-
fang etwas gekürzt.
Bl. 59b, 184 (156) = Seh. 147 (Komische Predigt). Ein Satz
am Ende hinzugefügt.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 91
Bl. 60a, 185 (157). Der wüst gienge eira von jm selbst
im bad ab. Quelle Bebel (Aa, 4b), Egregiuni facinus, oder Gast,
Conv. Serm. I, 42, De Cacatore in bahieum. Der Bearbeiter hat einen
Satz am Ende hinzugefügt.
Bl. 60a, 186 (158). Ein Münch predigt in Lands-
knechtskleydern/ verspeiet Sant Peter vnd S. Paul.
Quelle Gast, Conv. Serm. I, 53, De Concionatorihus. Der Anfang ist
weggeblieben.
Bl. 60 b, 187 (158 b) (Derselbe in der Passion etc.). Quelle Gast,
Conv. Serm. I, 55, De Concionatoi'ihus ineptis. Was bei Gast von
einem anderen Prediger erzählt wird, berichtet der Bearbeiter, abge-
kürzt, von dem obigen Mönch (Rupertus).^ Gast selbst schöpfte aus
Erasmus, De rat. Concionandi bei beiden Nummern.
Bl. 60b, 188(159). Eyn trewe Pfaffen magt. Quelle Bebel
(Gg 8 b), De duobus filiis euiusdam sacerdotis. Frei übertragen.
Bl. 60b, 189 (160). Von kurzer Predig. Quelle Gast, Conv.
Serm. I, 52, De Concionatore astuto. Abgekürzt übertragen.
Bl. 61a, 190 (161). Einem Wucherer sein eygen gut
zu pfand versetzt. Von Pap Thönen. Quelle Gast, Conv.
Serm. I, 300, De Sacerdote Antonio Louaniensi. Ziemlich getreu be-
nützt. Die Erzählung nahm Gast wörtlich aus den Colloq. famil.
des Erasmus (aus dem Convivium fahulosum, Ausg. der Colloq., Basel
1546, 80, S. 375). Woher der Bearbeiter den Namen Pap Thön, der
sich weder bei Erasmus noch bei Gast findet, nahm, weifs ich nicht.
Bl. 61a, 191 (162). Ein anders/ Von Pap Thön/ Wel-
ches das ehrlichst glid des menschen sei. Quelle Gast,
(^onv. Serm. I, 301, De eodem Sacerdote Antonio, ebenfalls aus des
Erasmus Colloq. fam. (S. 376). Jedoch fehlt in der mir vorliegenden
Ausgabe des Gast (Basel 1554) der Schlufs der Erzählung, so dafs,
falls die früheren Ausgaben denselben auch nicht enthalten, entweder
Erasmus selbst oder eine andere Zwischenquelle die Vorlage war.
Bl. 61b, 192 (163) = Seh. 148 (Doktor und Ritter).
Bl. 61b, 193 (164) = Seh. 149 (Sauhirt Abt).
Bl. 62 a, 1 94 (1 65) = Seh. 1 50 (Mönch zerlegt Kapaun). Gekürzt.
Bl. 62 a, 195 (166) ^ Seh. 161 (Habgieriger Mönch).
Bl. 62 b, 196 (167) == Seh. 152 (Mönch beraubt).
Bl. 62b, 197 (168) =:: Seh. 153. (Die Bürgen).
Bl. 63 a, 198 (169) = Seh. 154 ('Einfalt rieht etwan mehr aufs
dann grosse witz').
Bl. 63b, 199 (170) =: Seh. 155 (Priester im Kot).
Bl. 63b, 200 (171) = Seh. 156 (Abt vom Papst geprüft).
Bl. 63b, 201 (172) = Seh. 157 (Tfründen Permutieren').
* Richtiger Robertus (Liciensis, d. i. Roberto Caracciolo aus Lecce),
einer der beliebtesten Prediger des 15. Jahrhunderts, dessen Predigten
schon früh gedruckt wurden.
92 über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
(XL) Vom Bösen Geyst.
Bl. 64 a, 202 (173) = Seh. 158 (Mönch belügt Teufel).
Bl. 64b, 203 (174) =z Seh. 159 (Licht dem Teufel).
Bl. 64b, 204 (175) = Seh. 160 (Teufel rät gut).
Bl. 64b, 205 (176) = Seh. 161 (Teufel und Dieb). Schlufs ge-
ändert.
Bl. 64b, 206 (177) = Seh. 162 (Dieb und Mefsgewand).
(XIL) Von Müllern.
Bl. 65 a, 207 (178) = Seh. 163.
Bl. 65a, 208a.b.c (179) = Seh. 164/165.
Bl. 65b, 210 (180). Von eim armen Müller. Quelle Bebel,
De Molitore (III. Buch, 6. Erzählung). Frei nachgebildet.
(XIII.) Von Gerichtshändelen vnd Personen.
Bl. 65 b, 211 (181) =r Seh. 166 (Hinterlegtes Geld).
Bl. 66 a, 212 (182) ^ Seh. 167 (Das streitige Garn).
Bl. 6ß a, 213 (183) = Seh. 169 i ('gefunden Wetscher'). Abgekürzt.
Bl. 67 a, 214 (184) =: Seh. 168 (Perillus). Die Darstellung
ist in dem jüngeren Buche etwas erweitert, der Irrtum Dionysius
für Phalaris aber beibehalten.
Bl. 67 a, 215 (185) = Seh. 170 (Schweine wollen nicht ins
Wasser). Etwas gekürzt.
Bl. 67b, 216 (186) = Seh. 171 (Cambyses — Schinden). Zwei
Sätze hinzugefügt.
Bl. 67 b, 217 (187) == Seh. 172 (Sophistischer Prozefs).
Bl. 67 b, 218 (188) = Seh. 236 2 (Augustus und der Poet). Am
Schlüsse ist die Erklärung von 100 Sestertia weggeblieben.
Bl. 67b, 219 (189) = Seh. 173 (Kichter Hände geschmiert).
Ein paar Sätzchen weggelassen.
Bl. 68 a, 220 (190) = Seh. 174 (Richter, Wagen und Pferde).
Bl. 68 a, 221 (191) — Seh. 175 (Turinus).
Bl. 68 a, 222/3 (192) =r Seh. 176/7 (Prokurator Mönch). Gekürzt.
Bl. 68 a, 224 (193) = Seh. 178 (Juristen ein Übel).
Bl. 68 b, 225 (1 94) — Seh. 180 (Abergläub. Bauer). Etwas gekürzt.
Bl. 68b, 226—228 (195) =: Seh. 183—85 (Einfältige Bauern).
Bl. 68b, 229/30 (196) = Seh. 188/9 (Zank ums Wappen).
* Diese Umstellung hat ihren Grund darin, dafs der Drucker auf
Bl. 66 a nicht mehr Platz genug fand, das zu Nr. 214 gehörende Bild in
Halbfolio (der Ochse des Perillus) anzubringen.
^ Der Bearbeiter hat diese Anekdote wohl deshalb unter dieser Rubrik
angeführt, weil darin vom Urteil über Verse die Rede ist.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 98
Bl. 69 a, 231 (197) =^ Seh. 190 (Die zwei Landsknechte).
Bl. 69 a, 232 (198) = Seh. 191 (Mutter Erde küssen).
Bl. 69 a, 233 (199) = Seh. 192 (Eiche und Rohr). Die acht Zeilen
lange Moral ist weggeblieben und durch eine von einer Zeile ersetzt.
(XIV.) Vom Geitz vnd Wucher.
Bl. 69 b, 234 (200) (Kurze Betrachtung über den Geiz). Quelle
Petrarca, De remediis utriusque fort., in der Übersetzung 'Von der
Artzney beyder Glück' etc., Augsb., H. Steyner, 1532, II. B., fol. 133 a.
Bl. 69 b, 235 (201) = Seh. 193 (Ein Opfer eigener Kargheit).
Etwas gekürzt.
Bl. 70 a, 236 (202) = Seh. 195 (Gestohlenes Sehwein).
Bl. 70 a, 237 (203) = Seh. 196 ('Antwort eynes Gedultigen').
Bl. 70 b, 238 (204) = Seh. 197 (Zwei Kühe für eine). Ein paar
Kleinigkeiten geändert.
Bl. 70b, 239 (205) = Seh. 198 (Bürgermeister Bauernschinder).
(XV.) Von Träumen.
Bl. 71a, 240 (206) (Kurze Betrachtung über die Träume). Offen-
bar vom Kompilator selbst.
Bl. 71a, 241 (207). Vom träum Keysers Augusti/ der
jms Leben erret. Quelle Petrarca, Her. Memorandarum Libri,
nach der mir vorliegenden Übersetzung des Vigilius (zuerst gedruckt
Augsb. 1541), B. IV, Kap. 39. Der Bearbeiter gab einen kurzen
Auszug, wobei er in der Eile das, was in der Vorlage der Arzt des
Augustus träumt, diesen selbst träumen läfst.
Bl. 71b, 242 (208). Wie eim träumt/ dafs jn ein stey-
niner Lew zutodt bisse, das geschähe. Quelle Petrarca,
Eer. Mem. B. IV, Kap. 49. Hier weicht der Nachahmer allerdings
sowohl sprachlich wie auch etwas sachlich von seiner Vorlage ab.
Bl. 71b, 243 (209). Hamilearis des Hauptmans zu Car-
thago träum. Quelle Petrarca, Ber. Mem. B. IV, Kap. 54. Kurzer
Auszug ohne wörtlichen Anklang.
Bl. 71b, 244 (210). Alcibiades träum wie er frawen
kleyder an hatte. Quelle Petrarca, Ber. Mem. B. IV, Kap. 59.
Ebenfalls ohne sprachliche Annäherung.
Bl. 71b, 245 (211). Ein mordt ward im träum ange-
zeygt. Quelle id. op. IV, 64. Abgekürzt und ohne sprachliche An-
näherung.
Bl. 72a, 246(212). Was eynem von eyern träumt. Quelle
id. op. IV, 65. Ähnliches Verhältnis. — Die geringe Übereinstim-
mung, welche diese sechs Nummern mit der Übersetzung des Vigilius
im sprachliehen Ausdruck bieten, lassen mich vermuten, dafs der
Bearbeiter nicht diese, sondern das lateinische Original vor sieh hatte.
94 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Bl. 72 a, 247 (213) ^ Seh. 194 i (Traum des Geizigen).
Bl. 72a, 248 (214) = Seh. 199 (Bauer Schnapphahn). Kleinig-
keit am Schlufs geändert.
Bl. 72 a, 249 (215) := Seh. 200 (Wucherer in der Predigt). Die
letzten sechs Zeilen sind weggeblieben, und mit Recht, da sie doch
nur eine Wiederholung von Nr. 175 ojjen sind.
Bl. 72 b, 250 (216) == Seh. 201 (Härteste Laster).
(XVI.) Von Meysterschafft vnd Künsten.
Bl. 72 b, 251 (217) = Seh. 203 (Fechtmeister und Schüler). Ein
Satz ist — dem Holzschnitte zulieb — hinzugekommen und dafür
ein anderer weggeblieben.
Bl. 73 a, 252 (218) = Seh. 204 (Goldsch. u. Laute). Ein Satz
geändert.
Bl. 73 a, 253 (219) = Seh. 205 (Eselsarzt). Eine Zeile hinzu-
gefügt.
Bl. 73 a, 254 (220) = Seh. 206 (Sattel gegessen).
Bl. 73b, 255 (221) = Seh. 209 (Maler, zweierlei Kinder).
(XVH.) Von Trunckenheyt/ Essen vnd Trineken.
Bl. 74 a, 256 (222) = Seh. 210 (Gottes Zähren).
Bl. 74 a, 257 (223) = Seh. 211 (Hirsch, weise). Gegen den
Schlufs gekürzt.
Bl. 74 a, 258 (224) = Seh. 212 (Wirtsknecht).
Bl. 74 a, 259 (225) == Seh. 213 (Weinwässern). Aus dem 'töch-
terlin' ist ein 'kneblin' hier geworden.
Bl. 74 a, 260 (226) = Seh. 214 (Atzel gestraft). Unbedeutend
gekürzt.
Bl. 74 b, 261 (227) = Seh. 215 (Trunkenheit das ärgste Laster).
Bl. 74 b, 262 (228) = Seh. 216 (Noe und der Weinstock).
Bl. 74b, 263 (229) = Seh. 217 ('Geystliehe Abstinentz'). Er-
heblich gekürzt.
Bl. 75 a, 264 (230) — Seh. 218 (Fische befragt). Etwas gekürzt.
Bl. 75 a, 265 (231) = Seh. 220 (St. Martin und der Fuhrmann).
(XVHL) Vom Beichten.
Bl." 75 a, 266 (232) = Seh. 221 (Frau beichtet dem Mann).
Bl. 75 b, 267 (233) — Seh. 222 (Leicht nach der Beichte). Ein
paar Ausdrücke hinzugefügt.
Bl. 75b, 268 (234) ^ Seh. 223 (Sieben Sinne).
* Diese in der Vorlage unter der Eubrik 'Geitz vnd Wucher' ange-
brachte Erzählung wurde hierher versetzt, weil sie einen Traum enthält.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 95
Bl. 75b, 269 (235) = Seh. 224 fVVillen für Werke). Die Be-
zeichnung des Mannes als 'Gerber' ist weggeblieben.
Bl. 75 b, 270(236) — Seh. 225 (Vaterunser erlernt). Eine kleine
Stelle ist geändert.
Bl. 76 a, 271 (237) =: Seh. 226 (Ehepaar beichtet einander).
Bl. 76 a, 272 (238) = Seh. 227 (Frau der H. Geist).
Bl. 76b, 273 (239) ^ Seh. 229 i (Viele Wiegen).
Bl. 7Gb, 274 (240) =r Seh. 230 (Absolution künftiger Sünden).
Bl. 76b, 275 (241) = Seh. 231 (Predigt gemieden).
Bl. 76 b, 276 (242) = Seh. 232 (Ehepaar verkauft einander Wein-
kaufs halber den Esel). Hier sind einige kleine Änderungen ange-
bracht.
(XIX.) Von Freien Reden schlechter leüt.
Bl. 77 a, 277 (243) — Seh. 233 (Doppelgänger Octavians).
Bl. 77 a, 278/79 (244) =z Seh. 234/35 (Bischof und Abenteurer).
Am Ende der ersten JErzählung sind einige Zeilen hinzugefügt.
(XX.) Vom Todt vnd Sterben vnd von Weissagungen
vor dem letzsten ende.
Bl. 77 b, 280 (245) (Betrachtung über das Weissagen). Quelle
Petrarca, Rerum Memorandarum Ldbri, nach der mir vorliegenden
Übersetzung des Vigilius (Augsb. 1541) B. IV, Kap. 72 Anfang.
Bl. 77b, 281 (246). Weissag Keysers Augusti vom
Tiberio da er sterben solt. Quelle Petrarca, Rer. Mem. B. IV,
Kap. 73 (stark gekürzt).
Bl. 77b, 282 (241). Weissagung Theramenis von Athen,
so er sterbenn solte. Quelle Petrarca, i^r. ifem. B. IV, Kap. 75.
Der Bearbeiter verfuhr hier sehr frei.
Bl. 78a, 283 (248). König Alexanders todt geweissagt.
Quelle Petrarca, Ber. Mem. B. IV, Kap. 76. — Obwohl diese vier
Nummern in einzelnen charakteristischen Ausdrücken und Wen-
dungen mit der Übersetzung des Vigilius übereinstimmen, so mag der
Bearbeiter doch auch hier das lat. Original vor sich gehabt haben.
Bl. 78 a, 284 (249) = Seh. 237 (Schiffers Antwort).
Bl. 78 a, 285 (250) = Seh. 238 (Liebhaber an Totenbetten).
Bl. 78 a, 286 (251) ^ Seh. 239 (Boten des Todes).
Bl. 78b, 287 (252. Wie ein reicher man befalh/ dafs
jhm seine Sün nach seinem todt solten zum hertzen
schiessen. Wir haben hier die vornehmlich durch die Gesta Boma-
norum C. 45 bekannte Fabel vor uns, welche, allem Anscheine nach
aus dem Orient stammend, in keinem mittelalterlichen Predigt- oder
' Nr. 228 von Seh. wurde weggelassen, weil die gleiche Erzählung
nach anderer Quelle bereits oben unter Nr. 83 eingefügt worden war.
96 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
Exempelbuch, von Vincent. Bellovac. an bis ins 16. Jahrhundert
hinein, fehlt, und aufserdem in gebundener und ungebundener Rede
über ganz Europa verbreitet war (vgl. hierüber die allerdings nicht
erschöpfenden Nachweisungen Oesterleys zu seiner vortrefflichen Aus-
gabe der Oesta Roman. S. 719). Welche direkte Vorlage unser Be-
arbeiter hatte, läfst sich schwer sagen. Die Oesta Bßman. und der
zeitlich und örtlich ihm durch den 1549 zu Frankfurt a. M. erschie-
nenen Druck naheliegende Renner des Hugo von Trimberg sind es
nicht; denn bei ihnen sind die Helden vier Söhne und Erben eines
Königreichs, während es hier nur drei Söhne ^ eines reichen Mannes
sind. Hierin nähert sich unser Autor beispielsweise der Scala eeli
(Ausg. Argen t. 1483, fol. 87, De filiis). Irgend ein ähnliches Exempel-
buch, wenn auch nicht gerade dieses, mag seine Quelle gewesen sein.
Die Anregung zur Aufnahme dieser Fabel scheint übrigens ein Bild
gegeben zu haben. Schon frühe, im 15. Jahrhundert, wurde das
Märchen Gegenstand der darstellenden Künste. Das germanische
Nationalmuseum besitzt einen Kupferstisch aus dem 15. Jahrhundert
von M. Z. (= Martin Zasinger), welcher die nach ihrem toten Vater
schiefsenden Söhne darstellt. Von Hans Baidung Grien besitzt das
Berliner Kupferstichkabinett eine Handzeichnung über den Gegen-
stand aus dem Jahre 1517 (reproduziert in Terey 'Die Handzeich-
nungen von H. Baidung Grien' Bd. I). Nicht viel später fällt wohl
die Zeichnung von Melchior Lorch (welche C. v. Lützow, Gesch. d.
deutsch. Kupferst. u. Holzschn. S. 197, erwähnt). Und so mag das
Thema noch öfter von Künstlerhand bearbeitet worden sein. Ein
solches Bild ist auch in 'Schertz mit der Warheyt' vor unserer Er-
zählung. Der Holzschnitt ist nicht eigens dafür geschnitten, denn
er findet sich bereits in der 1532 bei Heinrich Steyner zu Augsburg
gedruckten deutschen Übersetzung von Petrarcas De remediis utrius-
que fortuncB (Von der Artzney beyderley Glück). Offenbar hat
Egenolff, der Verleger von 'Schertz mit der Warheyt', welcher um
1550 die Platten der Steynerschen Officin käuflich erwarb und die
Holzschnitte aus Petrarca zum Teil für unser Schwankbuch ver-
wertete, gerade an diesem Bilde Gefallen gefunden und ihm zulieb
die Erzählung um so lieber in den letzten Teil des Schwankbuches
aufgenommen, als sie zu dem Abschnitte ('Vom Todt vnd Sterben')
recht wohl pafste.
Bl. 79a (fälschlich 81), 288 (253). Zum Beschlufs/ das
Gespräch des Schmertzen vnnd Vernunfft vom Tode.
Aufs Francisco Petrarcha. Quelle Petrarcas De remediis
utriusque fort, in der obenerwähnten deutschen Übersetzung (Augsb.
1532, H. Steyner) Bd. H, S. 155 b.
• In dem Fabliau bei Barbazan-M^on (II, S. 440 — Oesterley giebt
fälschlich III, 140 an) Le Jugement de Salemon sind es gar nur zwei Söhne.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 97
Überblicken wir Dochmals das Ganze, so finden wir, dafs
'Schertz mit der Warheyt^ 288, oder richtiger — wenn wir die
auch hier beibehaltenen dreifachen Nummern (13 [11], 110 [82],
208 [164]) bei der Zählung berücksichtigen — 294 Erzählungen
und Denksprüche, verteilt auf 253 Nummern, enthält. Von seiner
Vorlage Seh. hat der Bearbeiter 18 Erzählungen weggelassen,
und zwar 13, die aus Pauli, 3, die aus Bebel stammen, und 2,
die dem Schatze der Apophthegmata angehören. Welche Gründe
ihn bei diesen Weglassungen leiteten, lälst sich schwer sagen.
Rücksichten auf die Moral sind es nicht, das sieht man aus sei-
nen Zusätzen. Die Geistlichkeit zu schonen, kam ihm auch nicht
in den Sinn. Merkwürdig ist es aber, dals er die sonst ganz
harmlose Erzählung von ^Farnder schüler kunst^ wegliefs. Sollte
er selbst einmal einer dieser ^Fahrenden' gewesen sein? Hinzu-
gefügt hat er 67 Nummern, wovon 30 aus J. Gast {Convivales
Sermones), 12 aus Bebel, 8 aus dem Decamerone^ 13 aus Schriften
des Petrarca geschöpft, 2 wahrscheinlich aus dem Gedächtnis
niedergeschrieben sind und 2 des genaueren Quellennachweises
noch entbehren.
So hat sich denn in dieser Umarbeitung des 1545 erschie-
nenen Schwankbuches — etwas anderes ist, wie ich schon oben
betont habe, ^Schertz mit der Warheyt^ nicht — der Vorrat der
aus Pauli stammenden Erzählungen vermindert; statt 133 enthält
es nur noch 120. Den Schwänken des Bebel entstammen 57,
der Sammlung des Gast 33, den Facetien des Poggio (indirekt) 10,
dem Decamerone 8, den Schriften des Petrarca 14, dem Apo-
phthegmenschatze 16, der Mensa 'philo s. (indirekt) 7 und E-ei-
neke Fuchs (indirekt) 10 Nummern. Unter den noch übrigen
19 Erzählungen sind nur 3, und zwar indirekt, dem klassischen
Altertum entlehnt. Offenbar kam es dem Bearbeiter oder dem
Verleger darauf an, ein Buch herzustellen, das von dem viel-
verbreiteten des Pauli möglichst verschieden wäre. Aus diesem
Grunde wurden auch keine Anleihen bei den umfassenden älteren
Ausgaben von ^Schimpf und Ernst^ gemacht: nicht eine einzige
Erzählung des Pauli findet sich in ^Schertz mit der Warheyt^,
die nicht auch in dem anonymen 'Schimpf vnd Ernst' von 1545
vorkäme. Nach diesen Ausführungen ist es klar, dafs die An-
gaben Oesterleys — 'Ungefähr 50 (Erzählungen) sind unzweifel-
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 7
98 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
haft einer Ausgabe des Pauli . . . entuommen, ein Hundert stimmt
mit Erzählungen desselben überein, ist aber anderen Quellen ent-
nommen (die klassischen z. B. sind meistens aus den Originalen
übertragen), und das andere Hundert enthält Stücke, die bei Pauli
fehlen^ — vollkommen falsch sind.
Was das textliche Verhältnis betrifft, so zeigt obige Zusam-
menstellung, dafs das jüngere Buch zwar einigemal seine Haupt-
vorlage etwas erweiterte, aber weit häufiger kürzte, hin und
wieder daran kleine Änderungen vornahm, im grofsen und ganzen
jedoch die Erzählungen ziemlich getreu wiedergab. Vorliebe für
moralische Nutzanwendungen zeigt der Bearbeiter des jüngeren
Buches ebensowenig wie sein Vorgänger, er liefs sogar hin und
wieder die in einzelnen Nummern verbliebene Schlufsmoral weg.
Die unter einer Überschrift zusammengezogenen Anekdoten hat
er in ein paar Fällen getrennt und jede mit einer besonderen
Überschrift versehen.
Das Verhältnis des Buches zu den anderen Quellen ist ein
ziemlich freies. Der Bearbeiter verfährt damit genau so wie sein
Vorgänger, der Kompilator von Seh.: er kürzt und vereinfacht,
indem er die lateinischen Originale überträgt, und kürzt, wenn
er, wie bei Boccaccio oder Petrarca, eine deutsche Vorlage hat.
Bei den breitgesponnenen Novellen des ersteren war dies beson-
ders geboten. Kleine Zusätze und sprachliche und sachliche
Änderungen sind bei lateinischen und deutschen Vorlagen oft
genug zu verzeichnen und beweisen, dafs der Bearbeiter nicht
mechanisch zu Werke ging. Sein Stil ist gewandt und fliefsend,
und seine Auswahl zeugt entschieden von Geschmack. Beson-
ders mufs ihm noch nachgerühmt werden, dals er gleich seinem
Vorgänger unzüchtige Geschichten, an denen seine Quellen
(Poggio, Bebel, Boccaccio, Gast u. s. w.) ja so reich sind, aus-
geschlossen hat.
Was die Verteilung der Erzählungen unter verschiedene
Rubriken betrifft, so hat der jüngere Bearbeiter sich, wie bereits
oben erwähnt, auch an Seh. angeschlossen, jedoch mit nachstehen-
den Änderungen. Er hat weggelassen die XII. Rubrik (Von
Zauberei vnd Aberglauben), die XIII. (Von Hoffart vnd Bracht)
und die XVII. (Von dem Zorn vnd vbereilung) und die betref-
fenden Erzählungen zu den vorhergehenden Rubriken gezogen;
Seh.
fol. 1 a.
"))
„ 21a.
T)
„ 21b.
V
„ 28 b.
V
„ 46 b.
75
„ 47 b.
V
„ 53b.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 99
er hat hinzugefügt (als II. Rubrik) Freie Reden, (als IV.) Von
List gescheidigkeyt lügen, vnd betrug und (als XV.) Von Träu-
men, so dals die gleiche Zahl von Rubriken blieb.
Die Abhängigkeit unseres Schwankbuches von Seh. zeigt
sich auch — und damit kommen wir noch auf einen interessanten
Punkt zu sprechen — in seinem Bildersehmuck. Von den
44 Holzschnitten von 'Schertz mit der Warheyt^, die an Gröfse
sehr verschieden sind, stammen 7 aus Seh. Es entspricht
Schertz mit der Warheyt fol. 12 a (2. Bild) =
V 11 11 11 11 22 a =
n 11 11 11 11 22 b =
n 11 V 11 11 31b (Figur links) -^
„ „ „ „ „ 49 a (2 äufseren Fig.) =:^
„ n 11 „ 49b (1 Bild links) :::.
„ y, ^^ „ „ 54 b (beide Geistliche) =r
Was die übrigen Holzschnitte betrifft, so lassen sie sich fast alle
in älteren Drucken, und zwar meist in solchen des Augsburger
Buchdruckers Heinrich Steyner nachweisen, und zwar findet man
11 davon, die von Hans Burgkmaier herrühren sollen, in Petrar-
cas ^Von der Artzney beyder Glück' (1532), 3 in J. Pinicianus
^Scanderbeg^ ' (1532), 15 — oder, wenn man die Doppelbilder
einzeln rechnet, 23 — , angeblich von Hans Schäufelein dem
Alteren geschnitten, gehörten ursprünglich zu einer, sei es wirk-
lich bei Steyner erschienenen oder von ihm geplanten Ausgabe
des Decamerone; Steyner hat sie nachweislich schon von 1541
an zu anderen Büchern verwendet, so z. B. in Ch. Bruno von
Hyrtzweil 'Etliche Historien u. Fabulen' (1541), in Piatina von
Cremona 'Von der Erlichen Wolust des Leibes', übersetzt von
Vigihus Paeimontanus (1542), in J. L. Vi vis 'Von der vnder-
weisung ayner christlichen Frauwen^, übersetzt von Chr. Bruno
(1544) u. s. w. Ein Bild (fol. la) soll einem Werke des Konrad
Celtis entnommen sein, ein anderes (Rückseite des Titelblattes)
soll in dem oben genannten Buche von Piatina schon vorkom-
men, in welchem ich es jedoch nicht fand, sei es, dafs das mir
vorliegende Exemplar unvollständig ist, sei es, dafs mein Ge-
* Des aller streytparsten . . . Georgen Castrioten genant Scanderbeg . . .
Ritterliche Thaten ... In Latein beschriben vnd yetz durch Joanne Pinicia-
num Newlich verteutscht. 1532 s. 1. (das lat. Original von M. Barletius).
7*
100 über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
währsmann (Nagler, Monogrammisten III, 243) sich irrte. Zwei
kleine Holzschnitte (fol. 49 b, Bild rechts, und fol. 65 b) scheinen
aus irgend einem früheren Druck Egenolffs zu stammen. End-
lich die vier zu Fabeln gehörigen Bilder, die durch ihre kindische
Zeichnung und rohe Ausführung gegen die übrigen Holzschnitte
sehr abstechen, werden noch älteren Werken, vielleicht irgend
einer Äsop- bezw. Bidpaiübersetzungs- Ausgabe, entnommen sein.^
* Was ich über die einzelnen Holzschnitte des Buches zu ermitteln
vermochte, ist folgendes.
1) Titelbild. Eine Trauung. Von H. Schäuffelein (Monogramm).
Platte im Museum des Fürsten Wallerstein zu Maihingen. In einem frü-
heren Werke ist dieser Holzschnitt mir nicht bekannt.
2) (Rückseite des Titels) Maximilian I. und Maria von Burgund im
Garten. Von H. Burgk maier dem Älteren (Monogr.); s. oben S. 57.
3) (Rückseite des vierten Blattes) Liebespaare im Garten. Vielleicht
zu einer Decamerone-Ausg. geschnitten. Von H. Schäuffelein.
4) (Fol. la) Kaiser Max I. und noch vier andere gekrönte Häupter
sitzend, drei sitzende gekrönte Frauen, ein Autor (Celtis?) überreicht ein
Buch (s. oben). Von Burgkmaier.
5) (Fol. 3 a) Damocles und der Tyrann Dionysius. Findet sich schon
in Petrarca 1532 (s. oben), I, 107 a, pafst indes nicht dazu, ist also wohl
noch älter, jedenfalls von H. Burgkmaier.
6) (Fol. 4 b) Diogenes und Alexander (= Petrarca II, 74 b), ebenfalls
von H. Burgkmaier und pafst ebensowenig zu der Stelle im Petrarca.
7 a u. 7 b, 8a u. 8 b) (Fol. 8 a u. 9 a) Kleine Holzschnitte von Schäuffe-
lein (7 cm breit, 6,5 cm hoch) für eine Decamerone-Ausg. ursprünglich
bestimmt.
9a u. 9b) (Fol. Hb) Kleine Holzschnitte {Q X 6 cm), Fuchs und
Hahn (s. oben).
10 a u. 10 b) (Fol. 12 a) Ersteres (zwei Bettler) Quelle unbekannt, letz-
teres (Tischgesellschaft mit Musikanten) aus Seh. (s. oben).
11) (Fol. 12b) 12) (Fol. 13a) 13) (Fol. 15b) Rohe BUder. Einer
Reineke- oder Bidpai-Ausg. entnommen?
14) (Fol. 22 a) 15) (Fol. 22 b) Figuren von je zwei Männern, aus Seh.
(s. oben).
16) (Fol. 23 b) Edelmann auf der Jagd, an einem Garten vorbeigehend,
um dessen Brunnen edle Frauen lagern. Von H. Burgkmaier; schon in
Petrarca I, la, aber offenbar älter, weil es dazu nicht pafst.
17) (Fol. 28 b), 18) (Fol. 29a), 19 a u. b) (Fol. 30 a), 20 a u. b) (Fol.
33 a), 21au. b) (Fol. 35 b), 22) (Fol. 39 a), 23a u. b) (Fol. 39 b), 24) (Fol.
40 b), 25 a u. b) (Fol. 42 b), 26) (Fol. 44 b) Decam.-BMer von Schäuffe-
lein (s. oben).
27) (Fol. 31 b) Vier Frauengestalten, wovon die beiden links aus Seh. ;
die anderen sind ganz im gleichen Stil.
28) (Fol. 46) Familienscene. Von H. Burgkmaier; schon in Petrarca
I, 88 b.
29) (Fol. 49a) Drei Figuren; die beiden äufseren (Narren) aus Seh.;
die mittlere, offenbar vom gleichen Meister, vermag ich nicht weiter nach-
zuweisen.
30 a u. b) (Fol. 49 b) 1. Tanzgesellschaft, Narr im Hintergrund, aus
Seh. ; 2. Kriegerschar vom gleichen Meister, mir sonst nicht vorgekommen.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 101
Man sieht, das Schwankblich trägt, wie in seinen Erzäh-
kingen, so auch in seinem Bilderschmuck einen durchaus kom-
pilatorischen Charakter. Aber, so wie es einmal war, verfehlte
es nicht auf die spätere Schwanklitteratur eine bedeutende Wir-
kung auszuüben. Neben den breit moralisierenden Pauli, der
bisher — abgesehen vom Eulenspiegelbuche — den Prosaschwank
in deutscher Sprache allein repräsentiert hatte, trat plötzlich mit
31au. b) (Fol. 54b) 1. Zwei Geistliche, aus Seh.; 2. Decamerone-Bild
von Schäuffelein (s. oben). 32 a u. b) (Fol. 56 a), 33) (Fol. 60) Desgl.
34) (Fol. 64 a) Drei Liebespaare, bei jedem ein Teufel. Von H. Burgk-
maier; schon in Petrarca II, 137 a.
35) (Fol. 65 b) Gerichtsscene. Meister und früheres Vorkommen mir
unbekannt.
36) (Fol. 66 b) Der Ochse des Perillus. Von H. Burgkmaier; der Schnitt
schon in Petrarca I, lila, aber offenbar älter, weil er dazu nicht pafst.
37) (Fol. 67 a) Richter auf der Haut seines von Cambyses geschun-
denen Vaters. Von H. Burgkmaier, bereits Petrarca II, 77 b, wozu der
Holzschnitt aber offenbar nicht gezeichnet wurde.
38) (Fol. 69 b) Geizhals nackt auf Dornen, ringsum Geldsäcke. Von
H. Burgkmaier; schon in Petrarca II, 133a.
39) (Fol. 71a) Traumbild. Schon in Pinicianus' 'Scanderbeg' Fol. 1 a.
40) (Fol. 72 b) Zweikampf. Ebenfalls im 'Scanderbeg' Fol. 4 a.
41) (Fol. 73 b) Tischgesellschaft, ein Mann erbricht sich. Von H. Burgk-
maier; schon in Petrarca I, 21a.
42) (Fol. 77b) Totenbettscene. Von H. Burgkmaier; schon in Pe-
trarca II, 155 b.
43) (Fol. 78 b) Schiefsen nach dem toten Vater. Von H. Burgkmaier
=: Petrarca II, 55 b (s. oben S. 96).
44) (Fol. 79 a) Totenbettscene — Scanderbeg Fol. 237 b.
Ich benütze die Gelegenheit, um einige Irrtümer über die erwähnte
Petrarca - Übersetzung und ihre Holzschnitte zu berichtigen. Nagler
(Monogrammisten 111,253) betrachtet das 'Glücksbuch, beydes defs
Gutten vn Bösen', Augsb. 1539, und 'Von der Artzney beyder
Glück', Augsb. 1532, als zwei verschiedene Werke. Das erstere soll
Vigilius übersetzt haben und die Figuren sollen nicht von dem älteren
Burgkmaier sein; an anderen Stellen schreibt er die Holzschnitte wieder
Burgkmaier zu (so S. 255 und 577); das letztere läfst er ohne Angabe
des Übersetzers und sagt von den Holzschnitten, dafs Seb. Brandt sie an-
gegeben habe. Aufserdem spricht Nagler noch (S. 253 ff.) von Petrarcas
'Trostspiegel', so dafs man glauben mufs, dafs er dieses als ein drittes
verschiedenes Werk betrachte. — Hingegen ist zu bemerken, dafs alle
drei Bücher nur eines und dasselbe sind. Der Übersetzer des ersten
Teils ist ein gewisser Peter Stahel, 'Burger zu Nürnberg, nachf olger
der Poeterey', der 1521 bereits verstorben war, der Übersetzer des zweiten
Teils ist Georg Spalatiuus. Die Übersetzung war September 1521 schon
abgeschlossen, sie ward auf Veranlassung zweier Augsburger, des Arztes
Sigmund Gry mm und des Bürgers Marx Wyrsung, unternommen.
102 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt*.
wesentlich anderem Inhalt ^Schertz mit der Warheyt\ Das Bei-
spiel wirkte anregend. Es ist gewifs kein Zufall, dafs ein paar
Jahre nachher von der Mitte des sechsten Jahrzehnts an die
deutschen Schwankbücher allüberall emporsprofsten. Wickram,
Frey, Montanus, Lindener, V. Schuhmann und Kirchhoff be-
zeichnen eine Reihe von Schwankdichtern, die alle mehr oder
minder, neben anderen Einflüssen, auch den unseres Schwank-
buches verraten. Am wenigsten noch Wickram, der mehr in
der Form — kurze Darstellung mit Ausschlufs der Moral —
als stofflich unter dem Einflufs von ^Schertz mit der Warheyt^
steht. Auch bezüglich der Quellen geht er nur in wenigen Fällen
auf die unseres Schwankbuches (Bebel, Poggio, Petrarca, Gast
u. s. w.) zurück — dazu fehlte ihm die humanistische Schulung — ,
er zog französische und italienische Quellen vor. Anders Frey,
Das erfahren wir aus dem Dedikationsschreiben des Spalatinus, das dem
ersten Druck (1582) vorangestellt ist. Wenn der Buchdrucker Steyner in
seiner Vorrede bemerkt, dafs die 'wunder lustparlichen figurenn . . . nach
visierlicher angebung des Hochgelerteu Doctors Seb. Brandt seligen auf
jeglichs Capitel gestellt sind', so wollte er damit nicht sagen, dafs
sie von diesem herrühren, sondern nur, dafs er die bereits vorhan-
denen Zeichnungen oder Platten auf die einzelnen passen-
den Kapitel verteilte. Brandt starb am 10. Mai 1521, seine Thätig-
keit wird also nur dem ersten Teile gegolten haben. Doch wie dem
auch sei, sicher ist — was auch aus meinen Angaben über die dem
Trostspiegel entlehnten Holzschnitte oben hervorgeht — , dafs diese zum
grofsen Teil nicht für den Petrarca gefertigt worden, sondern schon
vorher, also noch vor 1521 vorhanden waren. Damit fällt auch die von
Nagler gegen Burgkmaier geltend gemachte chronologische Schwierig-
keit — Burgkmaier f 1531, Petrarca erst 1539, bezw. 1532 gedruckt —
in nichts zusammen. — Goedeke, der die richtigen Verfasser der Petrarca-
Übersetzung kannte, verfällt indes in zwei Irrtümer (Grundrifs I-, 392):
er nennt den Übersetzer Stachel und datiert 'die Vorrede' Spalatins von
1520. Stachel ist aber ein Druckfehler im ersten Druck des Buches I,
144 a, ein Druckfehler, den auch Nopitsch (Fortsetzung von Will VIII,
279) wiederholte. In Spalatins Dedikationsschreiben (und nicht Vorrede),
das vom 8. Sept. 1521 datiert ist, wird der Übersetzer Stahel genannt.
Eine BürgerfamiUe dieses Namens existierte damals in Nürnberg. Ein
Peter Stahel war von 1475 — 1506 Juriskonsultus und Konsulent zu Nürn-
berg. Unser Dichter war nach Nopitsch' Vermutung sein Sohn. Dafs
er wirklich Stahel und nicht Stachel hiefs, geht daraus hervor, dafs er
sich in einem lateinischen Werkchen Chalybs nannte (s. Nopitsch 1. c).
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 103
Montanas, Lindner, Schuhmann und Kirchhoff, die teilweise direkt
Stoffe aus ^Schertz mit der Warheyt' schöpften oder sich das
Buch noch in anderer Hinsicht zum Muster nahmen. So z. B.
dürfte die Aufnahme von Novellen aus Boccaccio bei jenen durch
unsere Schwanksammlung veranlafst worden sein, auch die Wahl
der übrigen Quellen, Poggio, Bebel, Pauli u. s. w., geht vielleicht
darauf zurück. Das Eingehen auf Einzelheiten würde mich hier
natürlich zu weit führen, ich verzichte also darauf. Nur bei
einem Buche, das ebenfalls von 'Schertz mit der Warheyt' be-
einflufst wurde, will ich eine Ausnahme machen. Es ist dies
kein anderes als Paulis ^Schimpff und Ernst' selbst. Betrachtet
man die nach ^Schertz mit der Warheyt' erschienenen Ausgaben
— ich habe im Augenblicke nur die von 1569 (s. 1.) vor mir,
vermute aber, dals es sich mit allen nach 1550 erschienenen
mehr oder weniger ähnlich verhält — , so findet man, dafs sie
mit vielen fremden Geschichten vermehrt sind. Die erwähnte
Ausgabe, die sich durch ein viel handlicheres Format — sie ist
in 8^ gedruckt' — von den schwerfälligen älteren Drucken des
Buches und von 'Schertz mit der Warheyt' vorteilhaft unter-
scheidet, enthält z. B. — neben zahlreichen aus Wickram, Bebel,
Brant-Adelphus u. a. entlehnten Erzählungen — etwa zwei Dutzend
Nummern, 2 die wörtlich aus ^Schertz mit der Warheyt' entnom-
men sind.
Dafs Hans Sachs unsere Sammlung gekannt und benutzt
hat, habe ich schon an anderer Stelle gezeigt, und nicht nur er,
* Die erste Ausgabe des Pauli in 8° scheint die 1543 bei GülfFerich
in Frankfurt erschienene zu sein (Kat. 312, Nr. 481, von J. Baer & Co.
in Frankfurt — Bibl. Lexer). Lappenberg (Ulensp. S. 374 fF.) giebt noch
folgende 8'^-Ausgaben an: Gülfferich 1546, 1549; Zimmermann, Augsburg
1549; W. Han, Frkf. 1556, 1557; G. Rabe und W. Han Erben 1563, 1567;
Basse, Frkf. 1570, 1574, s. 1. 1577; Strafsb. 1582, 1583; Frkf. 1594, s. 1.
1597 (zweite Ausg.), 1602, 1609, 1612, 1613, 1618, 1630, 1654, 1677, 1699;
Freyst. 1771. Die bei Lappen berg (S. 377) unter Nr. 39 angegebene Aus-
gabe, ohne Titelblatt ist mit Nr. 29 daselbst identisch. Erschöpfend dürften
diese Angaben nicht sein, wie wir denn noch keine genügende Bibliogra-
phie des Buches besitzen.
^ So sind z. B. aus 'Schertz mit der Warheyt' entlehnt Bl. 43 b, 61b,
66, 83a, 85a, 89a, 91b, 102b, 103b, 129b, 130a, 133a, 176b, 222a, 259b,
278 b, 283, 288 b (drei Erzählungen) und 290.
104 Über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'.
sondern auch andere Dichter und Meistersänger verschmähten es
nicht, für ihre Spiele und gereimten Schwanke zu dem Egenolff-
schen Buche zu greifen. In einem früheren Aufsatze habe ich
nachgewiesen, wie dasselbe gemeinsam mit Pauli in Holland aus-
gebeutet worden und dafs dadurch Schwanke daraus auch ihren
Weg nach Frankreich gefunden.
Bevor ich schliefse, habe ich noch eines zu bemerken. Die
engen Beziehungen zwischen SSchertz mit der Warheyt^ und dem
anonymen ^Schimpif vnd Ernst^ von 1545 legen eine Vermutung
nahe, der ich hier noch Ausdruck verleihen will, nämlich dafs
beide Sammlungen möglicherweise einen Bearbeiter hatten. Das
Verfahren, das der Sammler in dem jüngeren Buche eingeschla-
gen, entspricht vollkommen dem in dem älteren Buche beobach-
teten: hier und dort Kürzungen, Weglassung der Moral, kleine
Änderungen, Ausschlufs obscöner Geschichten etc. Die Quellen-
werke für die fremden Zusätze sind in beiden Büchern mehrfach
die gleichen, und der Stil bei den aus dem Lateinischen über-
setzten Erzählungen ist ganz derselbe. Nimmt man hinzu, dafs
einerseits die Hauptvorlage für das Buch von 1545 die Ege-
nolffsche Ausgabe des Pauli von 1538 war, und dafs anderer-
seits ^Schertz mit der Warheyt^ aus der Egenolffschen
Druckerei selber hervorging, so wäre es sehr zu verwundern,
wenn das dazwischenliegende' Buch von 1545 nicht in irgend
einer Beziehung zu Egenolff stünde. Dieses Buch erschien ohne
Angabe des Druckortes und des Druckers. Ich weifs aber kaum
jemand zu bezeichnen, der sonst die Herausgabe bewerkstelligt
haben könnte, als Egenolif. Wenn er sich nicht nannte, so
mochte er gute Gründe dafür haben. Das Buch enthielt einen
Auszug aus dem ein Jahr zuvor bei einem anderen Frankfurter
Buchdrucker erschienenen Beutherschen Reineke, es bot eine arge
Verstümmelung der weitverbreiteten Paulischen Sammlung und
— Egenolff war wahrscheinlich selbst der Kompilator. Seit
H. Grotefends Festschrift über Egenolff (Christian Egenolff der
erste ständige Buchdrucker zu Frankfurt a. M. etc. Frkf. 1881)
wissen wir, dafs der Begründer der Buchdruckerkunst in Frank-
furt a. M. eine gute humanistische Bildung besafs, mit bedeu-
tenden Gelehrten, wie z. B. mit Melanchthon, freundschaftliche
Beziehungen unterhielt und im lateinischen Briefwechsel stand.
über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warheyt'. 105
Schriftstellernde Buchdrucker waren in jener Zeit keine Selten-
heit. Man kann also wohl ohne Bedenken ihn selbst für den
Sammler des älteren und dann natürlich auch des jüngeren
Schwankbuches ^ halten. Ob er jenes selbst gedruckt hat oder
bei einem anderen hat drucken lassen — ich halte auf Grund
von Typen vergleich ungen das letztere für wahrscheinlicher — ,
ist gleichgültig, denn die Pauli-Ausgabe von 1538, die er ver-
legte, ist ja auch nicht von ihm, sondern von B. Grüninger in
Strafsburg gedruckt worden. Mit dieser Konjektur, die übrigens
nichts als Konjektur sein will, würde sich das nahe Verhältnis
der beiden Bücher am einfachsten erklären.
Es erübrigt mir jetzt noch, einen flüchtigen Blick auf die
zweite Ausgabe von ^Schertz mit der Warhey t^ zu werfen. Ich
gebe zunächst eine Beschreibung derselben:
Schertz mit der Warheyt. — Kurtzweilige Gespräche/
— In Schimpff vnd Ernst Reden/ Vil höf- — lieber/
weiser Spruch/ lieblicher Historien vnd Leren. —
Zu vnderweisung vnd ermanung / in allem thun vnd leben der —
Menschen / Mit vilen Figuren vnd Exempeln / in Freud vnd Schertz
Zeiten/ — zu erfrewung des Gemüts/ fürgebildet vnd zusamen bracht.
Jetzund von newen wiedervmb ersehen/ gemehrt vnd — in
Truck geben.
Mit einem zu end angehenckten Register.
[Titelbild.]
Cum Priuilegio Imperiali nouo. — Getruckt zu Franckfort am
Meyn/ Bei Christian Egenolffs Erben. — Im jar M.DLXIII.
Format; Folio. Auf der Rückseite des Titelblattes sind vier
Sprüche Salomonis angebracht, die der ed. princeps von 'Schertz
mit der Warheyt^ entlehnt sind. Gleich auf dem zweiten Blatte
beginnt der Text, der von 11 bis LXXXIV foliiert ist (einmal
' Nagler (Monogr. III, 576) vermutet, ich weifs nicht, auf welche
Gründe hin, dafs 'Burghard Waldis' 'wahrscheinlich' der Verfasser von
'Schertz mit der Warheyt' sei. Ich halte diese Annahme für gänzlich
grundlos.
^ Die Kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München besitzt drei Exem-
plare dieser Ausgabe, wovon eins durch die Censur arg verstümmelt und
ein zweites, mir vorliegend, ohne Register ist. Weitere Exemplare finden
sich in Dresden und in Kat. 194, Nr. 1389 von K. Tb. Völcker in Frank-
furt a. M.
106 über das Schwankbuch 'Schertz mit der Warhey f.
falsch 67 statt 68). An das 84. Blatt schliefst sich das Register
an, welches drei Blätter urafafst.
Die Abweichungen dieser Ausgabe von der ersten sind nicht
erheblich: der Titel ist, wie man sieht, etwas geändert, es fehlen
ferner die schönen Holzschnitte zu Anfang (Trauung und Liebes-
paare im Garten von H. Schäuffelein, und Maximilian und
Maria von Burgund von H. Burgkmaier), und zwei andere im
Innern des Buches (Fol. 12 a der ed. jprinc. = 13 b, und 49 b
der ed. princ. = 53 a) sind durch Bilder aus Petrarcas ^Trost-
spiegeF (I, Fol. 29a, bezw. I, 141b der Ausg. von 1532) ersetzt;
eine einzige Erzählung, nämlich Nr. 10, erscheint textlich ge-
ändert. Sie führt hier die Aufschrift: Keyser Octauianus
bestellt eines verdorbenen kauffmanns (sie!) bett
zukauffen. Anstatt die — Seh. entnommene — Fassung der
ed. princ. zu adoptieren, ist man hier auf Pauli Nr. 503 — oder,
wenn man die Ausgabe von 1538 (Strafsburg) zu Grunde legen
will, auf Nr. 439 daselbst — zurückgegangen und hat diese Dar-
stellung mit unbedeutenden Änderungen an die Stelle gesetzt.
Sonst habe ich bei einem allerdings etwas flüchtigen Ver-
gleich — abgesehen von ganz unbedeutenden textlichen und zahl-
reichen orthographischen Abweichungen — keinerlei Änderungen
wahrgenommen. Namentlich sind weder Erzählungen weggeblie-
ben, noch neue hinzugekommen. Es ist also nicht gerechtfertigt,
wenn die Ausgabe auf dem Titelblatte als ^gemehrt' bezeichnet
wird. Ganz unbegreiflich ist es mir aber, dafs Oesterley (S. 7
seiner Ausgabe von Pauli) behauptet, die jüngere Ausgabe von
'Schertz mit der Warheyt^ enthalte ^etwa sechs^ Erzählungen mehr.
Hugo Hayn in seiner Bibliotheca Germanorum Erotica
S. 280 versichert, ^Es giebt noch andere Ausgaben^ Man wäre
ihm dankbar gewesen, wenn er hierüber nähere Angaben hätte
machen wollen, bezw. hätte machen können. Ich glaube nicht
an deren Existenz.
Nürnberg. A. L. Stiefel.
I
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen
epischer, gemischt und rein lyrischer Gattung.
Zwischen den beiden Hauptgruppen der satirisch-humoristi-
schen Dichtungen Goethes, der dramatischen und der epigram-
matischen, Hegt noch eine kleinere Zahl vereinzelter poetischer
Produkte, die dem Gebiete des Epos, des Liedes und der epi-
schen und dramatischen Lyrik angehören, teils politischen Cha-
rakters in der Richtung der zeitgeschichtlichen Lustspiele, teils
litterarischen, meist in dichterischer Ausführung von Invektiven
der Xenien. Wir beginnen unsere Besprechung mit dem frühe-
sten von ihnen, der Reproduktion des
Reineke Fuchs.
(1793.)
Aus der tiefen Verstimmung, in die ihn der Gang der fran-
zösischen Revolution 1792/3 versetzt hatte, suchte unser Dichter
sich zu retten, indem er die ganze Welt, wie er sagt (Camp, in
Frankr., Hemp. A. XXV, S. 174), für nichtswürdig erklärte,
wobei ihm denn durch eine besondere Fügung Reineke Fuchs
in die Hände gekommen sei. ^Hatte ich mich bisher während
der Campagne in Frankreich^, fährt er fort, ^an Strafsen-, Markt-
und Pöbelauftritten bis zum Abscheu übersättigen müssen, so
war es nun wirklich erheiternd, in den Hof- und Regentenspiegel
zu blicken; denn, wenn auch hier das Menschengeschlecht sich
in seiner ungeheuchelten Tierheit ganz natürlich vorträgt,' so
' Vgl. Aufs, zur Kunst, Hemp. A. XXVIII, S. 562 : 'Den verschie-
denen Charakteren, die sich im Tierreich aussprechen, borgt die Tierfabel
108 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
geht doch alles, wo nicht musterhaft, doch heiter zu, und nir-
gends fühlt sich der gute Humor gestört/
So machte er sich denn Ende Januar 1793 an *eine zwischen
Übersetzung und Umarbeitung schwebende Behandlung^ des Ge-
dichtes, und seine dieser ^unheiligen WeltbibeF gewidmete (An-
fang Dezember desselben Jahres vollendete) Arbeit gereichte ihm
zu Hause und auswärts, im Lager vor Marienborn, zu Trost und
Freude (T.- u. Jahresh. 1793).
An die Stelle der kurzen Reimpaare des Originals setzte er
in der antikisierenden Richtung seiner klassicistischen Periode
die epische Versart der Alten, den daktylischen Hexameter.
Und, unbeirrt von den der Sprache aufgedrängten Vofsschen
Quantitätsregeln, wufste er ihm ^eine Aisance und Zierlichkeit^
(an Fr. H. Jacobi 18. Nov. 1793) zu geben, durch die der Na-
tion die ihr fremd gewordene Dichtung nicht am wenigsten wieder
zugänglich gemacht und angeeignet worden ist.^
Der Held des Gedichtes ist ein loser Bösewicht, voller
Ränke, Lügen und Listen, ein Heuchler, Verleumder und Ver-
räter von Feind und Freund, der Diebstahl, Raub, Mord und
Landfriedensbruch zu verüben sich nicht scheut und mit Eid,
Ehe, Religion und allem Heiligen seinen Spott treibt. Unter
den Schelmen und Schälken der Goetheschen Dichtungen, den
Treufreund, Grofs-Cophta, Satyros, steht, von Mephistopheles
zunächst noch abgesehen, obenan der Erzschelm Reineke.
Vor den Richterstuhl des Königs geladen, beichtet er Grim-
Intelligenz, die den Menschen auszeichnet, mit allen ihren Vorteilen, dem
Bewufstsein, dem Entschlufs, der Folge, und wir finden es wahrschein-
lich, weil kein Tier aus seiner beschränkten, bestimmten Art hinausgeht
und deshalb immer zweckmäfsig zu handeln scheint.'
* Während Gervinus (Poet. Nationallitt. d. D. V, S. 401) mit Beziehung
auf Goethes Aufserung in den Annalen das Werk für ein schlecht ge-
ratenes Exercitium im Hexametermachen erklärt, trägt V. Hehn (Goethe-
Jahrbuch VI, S. 192) kein Bedenken, in Übereinstimmung mit Knebel
die Hexameter der zwölf Gesänge des Reineke Fuchs die besten zu
nennen, die überhaupt in deutscher Sprache in einem gröfseren Zusam-
menhange gemacht worden seien. Empfindlichere Verstöfse gegen die
Regeln der accentuierenden deutschen Rhythmik, wie II, V. 154 : *D^r
krummbeinige Schloppe und d^r breitnasige Ludolf, sind in der That nur
vereinzelt und selten.
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. 109
hart, seinem Verwandten, vor dem er bei gleicher Veranlassung
schon einmal sein Sündenbekenntnis abgelegt hat (III, V. 255 f.),
zum zweitenmal und entwirft dabei ein Bild vom Lauf der Welt,
durch den er sein sündliches Treiben für entschuldigt, ja, be-
rechtigt erklärt (VIII, 91—238).
Denn wie geht es von oben herab? fragt er. Der edle
König selbst raubt so gut als einer; alles an sich zu reifsen hält
er seiner Würde gemäfs, und ihm, scheint es, gehört das Eigen-
tum seiner Unterthanen. Keiner, Beichtiger oder Kaplan, wagt
ihm die Wahrheit zu sagen; sie schweigen, weil sie den Eaub
mit geniefsen. Ganz besonders liebt er sich Leute, die bringen
und nach der Weise, die er singt, zu tanzen verstehen. Was
er selber nicht nimmt, läfst er Bären und Wölfe holen ; sie stehlen
und rauben und sind am Hofe vor allen ausgezeichnet. Die
kleinen Diebe hängt man, die grofsen verwalten das Land und
die Schlösser (vgl. X, 314—327, 399—402). Ein jeder sieht es
und schweigt; er denkt an die Reihe zu kommen. Was aber die
Mächtigen einmal genommen haben, ist dahin ; einer Klage giebt
man wenig Gehör, und sie ermüdet zuletzt.
Allerdings verdienen auch wenige unter der Menge, gute
und gerechte Herren zu haben; denn das Gute von diesen ver-
schweigt sie, forscht nur nach dem Bösen und erfindet noch
dazu. Das Schlimmste aber (und dieser Passus, V. 152 — 160,
in dem er seinem Unmut über die demokratischen Gesinnungen
der Zeit Ausdruck giebt, ist von Goethe eingeschoben), das
Schlimmste ist der irrige Wahn, es könne ein jeder die Welt
beherrschen und richten, und das Bestreben, während er sich
selbst alles zuläfst, die anderen mit Gewalt zu beherrschen. So
sinkt die Welt immer tiefer ins Arge. Falsche Propheten und
Heuchler betrügen sie schändlich; jeder lebt nur so hin, treu-
liche Ermahnungen nimmt er leicht und entschuldigt sein sünd-
liches Thun wohl mit dem bösen Exempel, das die Pfaffen
geben, indem er für die guten Werke der frommen Priester kein
Auge hat.
Denn freilich steht es um den Stand der Geistlichen gar
schwach und gebrechlich. Um ihr Gelübde unbekümmert, treiben
sie alles, was ihnen beliebt, vor aller Augen. Ihr Sinn ist auf
weltliche Dinge übermäfsig gerichtet: sie kleiden sich köstlich,
110 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
essen lecker, vergehen sich mit Weibern und haben Kinder, die
sie zu versorgen und zu Ehren zu bringen wissen. Selten findet
sich ein fürstliches Land, in dem sie nicht Zölle erheben und
Einkünfte aus Besitztümern beziehen. Ihre Werke stimmen nicht
zu ihren Worten : sie predigen einem jeden, dafs er für den Bau
der Kirche steuere, ohne selbst ihr Gutes zu thun. Die Mönche
lieben es, bei den Reichen zu schmarotzen. Wer im Kloster gut
zu schwätzen versteht, wird im Orden erhoben und erfreut sich
müfsigen Wohllebens, während den anderen der Dienst und
schmale Kost zufällt. Und, was die Legaten des Papstes und
Prälaten, die Äbte und Pröpste betrifft, heilst es überall: ^Gebt
mir das Eure und lafst mir das Meine.'
So vortrefflich kennt Reineke, Vie die Welt nun besteht
und alle Dinge sich fügen', und er baut auf diese Kenntnis die
Grundsätze seiner Lebensführung. Es sind gefährliche Zeiten,
in denen es unmöglich ist, sich so heilig wie im Kloster zu be-
wahren. Sieht er also das Gebaren der Grofsen im Reiche,
nun, so spielt er halt auch sein Spiel und denkt daneben bei
sich, es müsse ja wohl recht sein, da so viele es thun. Freilich
regt sich dann auch das Gewissen und zeigt ihm von ferne
Gottes Zorn und Gericht, und da fühlt er denn Reue im Herzen;
doch währt es nicht lange. So bleibt ihm allerdings die Sünde,
aber er trägt dafür auch den Gewinn davon.
Denn, was ihn vor allen auszeichnet, ist sein Witz, seine
Gewandtheit und Klugheit. Die Starken und Mächtigen sind
ein plumpes und tölpisches Volk (XI, 263), die Menge weifs
nicht zu denken und zu wählen, ist einfältig, stumpf und unge-
schickt (Vin, 99—100, 170, 253). Im Bewufstsein seiner Über-
legenheit (Vn, 189 f.) und Unentbehrlichkeit (III, 222 f., VII,
121 f., IX, 211 f., 335 f.) triumphiert er daher über alle. In
allen Fährlichkeiten weifs er Rat, ^aller Orten kennt er ein Loch
und weifs sich zu helfen' (XZI, 6). Selbst seinem Könige ge-
lingt es ihm ^einen flächsenen Bart und eine wächserne Nase zu
drehen' (VI, 140) und ^die bunte Schellenkappe über die Ohren
zu schieben' (ebd. 275). Er rettet sich von dem drohenden Gal-
gen durch die unverschämtesten Lügen, mit denen er die Hab-
gier des Herrscherpaares ködert. Alle, die ihm zu schaden ge-
dacht, müssen zuletzt die Zeche bezahlen (VI, 208); er selbst.
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. 111
der am Hofe Unentbehrliche, wird in seine Ehren wieder einge-
setzt und zum Kanzler des Reiches erhoben, dafs er an des
Königs Stelle hinfort rede und handle und, was er thun und
schreiben möge, gethan und geschrieben bleibe. —
Die Satire im Reineke Fuchs trifft, wie man sieht, in erster
Linie Zeitschäden, das im Verlaufe des Mittelalters entwickelte
Verderbnis in Kirche und Staat, das zur Reformation führte.
Goethe konnte sich nicht enthalten, auch verwandte Erscheinun-
gen der Gegenwart, der ihn so tief erschütternden Revolution, in
ihren Kreis zu ziehen, in dem oben angeführten Einschiebsel^
den demokratischen Schwindelgeist, der die Menschen ergreife,
zu brandmarken und wie einst Luther (M. L. als deutscher Klas-
siker II, S. 342 'Hausregiment^ und sonst) und er selbst schon
in der Schlufsscene des Bürgergenerals noch einmal seine mah-
nende Stimme zu erheben, dafs doch jeder vor allem sein Haus,
Weib, Kind und Gesinde in Zucht und Ordnung halten möchte.
Die Satire unseres Epos aber enthält neben bestimmten histo-
rischen Beziehungen noch Züge allgemeineren Charakters und
gilt zugleich Erscheinungen der moralischen Welt, die allen Zeiten
gemeinsam sind. Sie geifselt insbesondere die blöde Einfalt und
den blinden Nachahmungstrieb, die Schafs- und Aifennatur der
Menge (VIH, 251, 169 f.), und Reineke selbst ist, wie Goethe
an Frau v. Kalb schreibt (28. Juni 1794), ^der Ahnherr jenes
Geschlechtes, das auch in unseren Zeiten an Höfen, besonders
aber in Republiken, sehr angesehen und unentbehrlich ist.^ ^Vor
Jahrhunderten^, sagt das Xenion des Xenienalmanachs Nr. 362,
^hätte der Dichter dieses gesungen? Wie ist es möglich? Der
Stoff ist ja von gestern und heut.'
Nach der Weise also, in der Goethe das ^köstliche Werk'
gewürdigt und sich angeeignet hat, sind wir berechtigt, auch
die Satire desselben ihm mit der nötigen Einschränkung zu vin-
dizieren und unter seinen einschlagenden Dichtungen zur Sprache
zu bringen.
' Nur in dieser Stelle, nicht 'hier und da', wie Gervinus sagt (Gesch.
der poet. Nationallitt. V, S. 401), der unserem Dichter entschieden unrecht
thut, wenn er ihn 'mit lächelnder Behaglichkeit die schrecklichen Übel
der Gesellschaft beleuchten' läfst.
112 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
Deutseher Parnafs,
(1798.)
Die verbündeten beiden Dichter, Goethe und Schiller, in
ihren besten Bemühungen um die ästhetische Kultur der Nation
verkannt, retardiert und gehudelt (G. an Seh. 24. Nov. 1797),
hatten zur Bekämpfung des Gemeinen und Mittelmäfsigen, von
dem sie die Litteratur beherrscht sahen, insbesondere zur Be-
freiung der Poesie von der Unterordnung unter Moral und Re-
ligion (Xen. 177, 311, Tab. vot. 97 u. a.) eine martialische Truppe
geharnischter Epigramme aufgeboten und einen vernichtenden
Feldzug in das Land der Philister unternommen. Ein Sturm
sittlicher Entrüstung brach über die Duumvirn herein, die, ihrem
erhabenen Berufe untreu, %rer hohen Würde uneingedenk'
(v. Hennings, Sehr, der G. Ges. VIII, S. 174; Wieland, Merc.
1797, Bd. I, S. 183; G. an Seh. 24. Nov. 1797), den gemütlichen
Frieden des alten Regimes, des goldnen Weltalters der Litteratur
(Seh. an G. 18. Dez. 1798, Xen. 309—318) so mutwillig und
frevelhaft gestört hatten. Von den Gröfsen des letzteren waren
es besonders Wieland und Gleim, die, wenn auch nur leicht ge-
streift (Xen. 76 u. 280, 343/4), doch schwer verletzt, ihrem Un-
mut lebhafteren Ausdruck gaben. Der erstere legte in einem
Dialog (Merc. 1797, Bd. I, S. 181) mit diplomatischer Klugheit
seinem Unterredner die Worte in den Mund, dafs die poetischen
Titanen sich im Augenblick einer wilden bacchantischen Geistes-
trunkenheit alles erlaubt hätten. Der alte invalide Grenadier
erhob sich zu poetischer Gegenwehr und richtete gegen die
^Schreckensmänner' (Nr. 27) und ^Mörder der Humanität^ (N. 39)
ein Büchlein Antixenien, 'Kraft und Schnelle des alten Peleus^,
worin er freilich nur den Beweis erbrachte, dafs ihm, was die
Xenien ausgesprochen, von der 'Kraft und Schnelle^, die er einst
bewährt, in der That nichts geblieben war. Er jammert darin
über den 'schweren SündenfalF (N. 61) und den Sittenhafs der
Xeniendichter (N. 8, 27), über den Einbruch hochborstiger Faunen
des Thüringer Waldes ins Thal der stiUen Musen (N. 20) und
über den Untergang der schönen Zeit, als Klopstock noch Homer
und Uz Auakreon gerufen wurde, keine Faunen mit ihrem Wolfs-
geheul und Tigerungestüm die Tänze der Musen störten ; Apollo
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. Il3
noch, niclit Priapus, auf dem Helikon Gott war, alle Sänger noch
ihre Lieder einander vortrugen, alle sich wie Brüder liebten (N. 26).
Mit der Priapusverehrung zielt er natürlich auf Goethe, seine
Römischen Elegieen und den Wilhelm Meister, ganz im Sinne
des befreundeten Herder, der sich verstimmt immer entschiedener
auf die Seite der Alten schlug (Von u. an Herder I, S. 244 f.)
und in den ^Briefen zur Beförderung der Humanität' (1793/7)
überall die alte Philisterleier durchklingen liefs, dafs die Künste
sich dem Sittengesetz zu subordinieren hätten.' Aus diesen An-
schauungen der älteren Dichtergeneration also heraus und in
ihrem Geiste, aber mit der Überlegenheit des poetischen Genies
schuf Goethe im Juni 1798 für den Musenalmanach des folgenden
Jahres das von Schiller 'Sängerwürde' getaufte ironisierende Ge-
dicht, worin 'der Hüter des Parnassus' (Tgb. 15. Juni 1798) das
dem hehren Musendienst geweihte Leben der edlen Brüder und
Schwestern in Apoll auf dem heiligen Berge, den Einbruch einer
von gottvergessenen Parnassiern selbst geführten wilden bacchan-
tischen Schar und die Abwehr des profanen Geschlechtes in
lebendig monologischer Darstellung und bedeutsamem Wechsel
der Rhythmen- schildert.
* G. an H. Meyer 20. Juni 1796: 'Und so schnurrt denn auch wieder
durch das Ganze die alte halbwahre Philisterleier, dafs die Künste das
Sittengesetz anerkennen und sich ihm unterordnen sollen. Das erste
haben sie immer gethan und müssen es thun, weil ihre Gesetze so gut
wie das Sittengesetz aus der Vernunft entspringen; thäten sie das zweite,
so wären sie verloren, und es wäre besser, dafs man ihnen gleich einen
Mühlstein um den Hals hinge, als dafs man sie nach und nach ins Nützlich-
platte absterben liefse.' Vgl. an Kayser 4. Dez. 1785: 'Der moralische
Geschmack ist der schlimmste für den Künstler und der glücklichste für
den Pfuscher.' D. u. W. B. 12, W. A. 28, S. 148 : 'Ein gutes Kunstwerk
kann und wird moralische Folgen haben, aber moralische Zwecke vom
Künstler fordern, heifst ihm sein Handwerk verderben.'
^ Das Gedicht ist in trochäischem Metrum verfafst. Bis V. 185 kom-
men in unregelmäfsiger Folge, abgesehen von einer Monopodie, vier- und
zweifüfsige Trochäen, die ersteren etwa um das Doppelte überwiegend, in
Anwendung; der Rest verläuft in lauter Tetrapodieen. Alle Verse sind
bis auf zwanzig gereimt, an neun Stellen ist der Reim ein dreifacher.
Vom Beginn des Gedichtes bis V. 94 sind die Verse ruhig ausklingende,
die Reime also weiblich; mit dem Eintritt des aufregenden Momentes
V. 95 gleichsam stockenden Atems abbrechende, katalektische, also mit
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 8
114 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
Ein Liebling Apolls ist er, in den paradiesischen Gefilden
des Parnasses nach dem Willen des Gottes von den Musen auf-
erzogen, die ihm das Siegel der Reinheit und Keuschheit auf die
Lippen gedrückt haben. Die himmlischen Gesänge der Nachti-
gallen^ lehren ihn von Liebe träumen, und es wächst in seinem
Herzen die Fülle der edlen geselligen Triebe. Denn Apoll be-
lebt die Stille seines Gebietes: es kommen die Edlen alle, denen
er gewogen ist, dieser heiteren, jener ernsten Wesens, und ein an-
derer, der, von verzehrendem Liebesleid kaum genesen, in der
Dichtkunst den Wiedergewinn der alten Kraft und Lebensfreu-
digkeit sucht; denn, Vas Amor ihm entwendet, kann Apoll nur
wiedergeben,'^ Ruh und Lust und Harmonieen und ein kräftig
rein Bestreben.^ ^ Den Diener des Gottes aber drängt es vor
allem zu einem Mahnruf an die Brüder, die Poesie um ihrer
sittlichen Wirkung willen hochzuhalten, einem Mahnruf, in dem
allerdings die Begeisterung argumentiert; denn die Lieder, erklärt
er, sind den guten Thaten gleich, da niemand dem verirrten
Freunde besseren Rat zu geben weifs, als der Sänger, und gute
Thaten wirken bis in Zeiten fort, in die menschliches Thun sonst
männlichen Reimen, und diese setzen sich bis V. 126 fort. Zur Schilderung
des bacchantischen Chores, V. 102—122, ist eine fortlaufende Reihe von
Kretikern (katalekti sehen Dipodieen) verwendet. Von V. 127 — 185 über-
wiegt wieder die Zahl der vollständigen Trochäen. Mit V. 186 endlich,
allerdings an einer Stelle, wie Düntzer mit Recht bemerkt, wo es dem
Inhalte nicht entspricht, erscheint eine in vierzeilige Strophen zerlegbare
regelmäfsige Folge von Tetrapodieen mit gekreuzten weiblichen und männ-
lichen Reimen und setzt sich bis zum Schlüsse fort.
^ Vgl. Philomele (1782): Von Amor erzogen, 'Trifft mit der Liebe Ge-
walt nun Philomele das Herz', und Die Musageten (1799): 'Die lieberfüll-
ten Sänger — Regten zartes neues Sehnen.'
2 Vgl. Alexis und Dora (1795) V. 157/8: 'Heilen könnt die Wunden
ihr (Musen) nicht, die Amor geschlagen; Aber Linderung kommt einzig,
ihr Guten, von euch.' 'Die heilenden Kräfte der edlen Dichtkunst' werden
auch in den Wanderjahren II, 5 berührt, und schon Theokrit sagt im
Cyklop V. 1 : 'Nicht ist gegen die Liebe gewachsen ein anderes Heilkraut
AuTser den Musen allein.'
^ Vgl. Goethe an Knebel 19. Jan. 1798: 'Harmonische Stimmung zu
geben und manches anzuregen, was — so oft nur stockt, sollte von Rechts
wegen die beste Wirkung der Poesie sein', und an Schiller 28. Febr. 1798:
'Was ist denn an unserem ganzen bifschen Poesie, wenn es nicht belebt
und für alles und jedes, was gethan wifd, empfänglich macht?'
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. 115
nicht reicht. Uod schon hört er in der Feme die Saiten voü
gewaltigen Götterschlägen ertönen; Sänger rufen zu Recht und
Pflichten und bewegen singend und dichtend ziu* Erfüllung der
erhabensten Aufgabe des Menschen, der Bildung aller KräfteJ
Auch .mit den holden Blüten der Phantasie schmücken sich
ringsumher alle Zweige, die bald eine zauberhafte Fülle goldner
Früchte beugt. Und wie die edlen Männer lockt es auch die
besten Frauen in dies wonne volle Land. Beseelt vom Hauch
der Musen, singt das zarte Mädchen schon würdige Lieder, setzt
sich zu den Schwestern, und in immer zarteren Weisen ertönt
alsbald ihr Wettgesang. Nur eine sucht fern von ihnen in der
Einsamkeit der Natur- die Stille des Herzens, die Amor ihr ge-
raubt, trägt, was die Männer nicht verdienen,^ ihre lieblichen
Gefühle, in die Waldesschatten und verliert sich, ohne die Mit-
tagsschwüle und Abendkühle zu achten, in die Felder. Der
Diener Apolls heifst die Muse ihr still entgegengehen, dafs sie
an ihrem Busen (wie der liebeskranke Mann) die verlorene Ruhe
endlich finde.
Plötzlich vernimmt er wüstes Geschrei und Getümmel; ein
wilder bacchantischer Zug, Mann und Weib, wein- und liebes-
trunken, nur mit Tigerfellen angethan, die umherschlagend die
nackten Leiber zeigen, dringt unter den gellenden Klängen me-
tallener Becken in den heiligen Bezirk. Die Büsche werden ge-
knickt, die Blumen niedergetreten, alles flieht. Doch der treue
Hüter, auf seines Gottes Hilfe trauend, ruft die Genossen zu
gemeinsamer Abwehr auf. Und schon prasseln vom Gipfel des
von ApoU erschütterten Berges Steine herab, um als Waffen
gegen die fremde wilde Brut zu dienen, schon hat er die Hand
zum Wurf erhoben, da sieht er mit Entsetzen, dafs es Brüder
sind, die mit den Klapperblechen der wüsten Schar im Takt
vorausziehen und ihr die Wege zeigen. Flucht scheint geboten,
doch zuvor soll ein kräftiges Wort den Frechen begegnen, dafs
* Herders Ideal der Humanität ist die harmonische Entwickelung
und Bethätigung aller Kräfte, die in der menschlichen Natur liegen.
2 Vgl. Idylle V. 37: 'Die Liebe sucht die Einsamkeit.'
^ Vgl. G. an A. Gr. v. Stolberg 20. Mai 1776: 'Was rechte Weiber
sind, sollten keine Männer heben', und Rom. El. G, V. 135 : 'Geh ! Ihr seid
der Frauen nicht wert.'
8*
116 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
sie ihrer hohen Götterwürde so weit vergessen haben, den rohen
Thyrsus zu schwingen und das abscheuliche Tier Silens im hei-
ligen Musenquell zu tränken J Umsonst; von Scenen wüstester
Sinnlichkeit sieht er die keuschen Schatten des Hains entweiht;
Weiberhafs und -Verachtung triumphiert, Faunen ringen mit
Nymphen, und Phöbus leuchtet zu ihrem frechen Treiben mit
Verdrufs. Doch nicht lange mehr, hoift er, werde dieser es dulden.
Schon erblickt er von weitem Wolkenzug und Rauch und ahnt
das rächende Nahen des Gottes, der nicht nur über der Leier,
sondern auch des Bogens Saiten gebietet.^ Und er beschwört
die Abtrünnigen, auf seiner Liebe Bruderwort zu hören, vor dem
Grimm Apolls zu fliehen und den Zug von dem heiligen Boden,
wo nur das Edle Wert habe, hinwegzulenken. Doch, wenn sie,
der Lust am schrankenlosen Spiele müde, einst zurückverlang-
ten, möchten sie als reuige Pilger wiederkommen. Freude sei
bei allen Göttern, wenn sich der Verirrte finde,^ und, von den
Brüdern freudig aufgenommen, würden sie verklärt der musischen
Gemeinde in Zukunft doppelt angehören. —
Allerdings nun haben ^der warme und ernste Ton des Ge-
dichtes^ (Y. Hehn, G.-J. VI, S. 324) und so manches specifisch
Goethesche darin, das in den obigen Anmerkungen nachgewiesen
ist, über seinen Charakter zu täuschen vermocht.^ Indessen läi'st
» Vgl. das Bacchanal im Faust II, 3, V. 10030 f.: 'Und nun gellt
ins Ohr der Cymbeln mit der Becken Erzgetöne; Denn — Dionysos —
Kommt hervor mit Ziegenfüfslern, schwenkend Ziegenfüfslerinnen, Und
dazwischen schreit unbändig grell Silenus öhrig Tier. Nichts geschont!
Gespaltne Klauen treten alle Sitte nieder' u. s. w^.
^ Xenie, W. A. V, 1, S. 269: 'Saiten rühret Apoll, doch er spannt
auch den tötenden Bogen.'
3 Der Gott und die Baj. V. 97: 'Es freut sich die Gottheit der reuigen
Sünder.'
^ Auch mich in dem Artikel des Arch. für Litteraturgesch. IX, S. 200 f.
Wenn ich übrigens in der Darstellung des Gedichtes vom Wesen und
Wirken der Poesie die eigensten Anschauungen unseres Dichters zu finden
glaubte, so schwebten mir insbesondere die echt Goetheschen Verse 39 — 42
und bei V. 53 Oden, wie 'Das Göttliche': 'Edel sei der Mensch, Hilfreich
und gut !' u. s. w. vor. Nimmermehr jedoch habe ich Goethe die Philister-
ansicht zuschreiben wollen, dafs die Poesie moralische Zwecke zu verfol-
gen habe. Die S. 201, Anm. 3 von mir angeführten Parallelstellen aller-
dings, durch die ich V. 46/7 des Gedankenknäuels V. 43/9 als Goethesch
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. 117
eine unbefangene Vergleichung der Aufserungeu Gleims und des
Gleimschen Kreises keinen Zweifel an seiner satirischenT e ndenz,
die schon die verschwenderische Fülle und Überschwenglichkeit
der Attribute verrät, womit die Dichterstätte und der Dichter-
beruf charakterisiert werden.' Mit lächelndem Humor giebt
Goethe sich und den Freund als die abtrünnigen Brüder preis,
die ein bacchantisch schrankenloses Unwesen in die Poesie ein-
geführt.2 Aber, während Gleim über ihren ^SündenfalF lamen-
tiert, läfst er zur Beschämung des unduldsamen Eiferers den
Parnassushüter brüderlicheren Sinnes den Verirrten Umkehr pre-
digen und das antik gewendete Bibelwort von der Freude im
Himmel über den Sünder nachrufen, der Bufse thut. Zum Über-
flufs endlich ist die Tendenz des Gedichtes auch urkundlich be-
glaubigt. Schiller, dem Goethe das Gedicht zur Aufnahme in
den Musenalmanach ohne Überschrift zurückgelassen, schreibt an
diesen, 23. Juli 1798, er finde dafür gerade keinen passenderen
Titel als 'Sänger würde', der die Ironie verstecke und doch die
Satire für den Kundigen ausdrücke, und Goethe erwidert zwei
Tage darauf, derselbe übertreffe an Yortrefflichkeit alle seine
Hoffnungen. Später jedoch wurde er aufgegeben und zuerst durch
'Dithyrambe', endgültig durch 'Deutscher Parnafs' ersetzt.
Der neue Alcinous.
(1803.)
Ein zweites satirisches Gedicht Goethes in monologischer
Form und lyrisch-epischen Charakters gilt dem in den Xenien
zu erweisen suchte, sind nicht beweiskräftig, ebensowenig wie die Schlufs-
verse des Aufsatzes für junge Dichter, durch die D. Jacoby (G.-J. VI,
278; XIV, 206) sie als ungoethesch abgelehnt erachtet.
' Wie der um die Erklärung des Gedichtes verdiente D. Jacoby G.-J.
VI, 277 u. XIV, 204 mit Recht hervorgehoben hat.
^ In dem Bacchantenchor mit seinen Faunen und Nymphen, dem die
Brüder die Wege zeigen, sehe ich nur eine dichterische Versinnlichung
dieses Gedankens. Wenn D. Jacoby in ihm die Jüngeren erblickt, die
der älteren Generation unbequem wurden, G.-J. XIV, 204, so ist zu be-
merken, dafs die Romantiker, die er im Sinne hat, bisher noch keineswegs
in der Weise hervorgetreten waren, dafs ihnen die Rolle der rasenden Brut
hätte zugeteilt werden können.
118 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
bereits (von Schiller) gegeifselten Kotzebue. Sein berühmtes
Ehebruchsdrama 'Menschenhafs und Keue^ fertigte das grobe Epi-
gramm Nr. 271 ab, und ^die splitternackende Natur' in Nr. 396,
wie ^der nasse Jammer' auf der Bühne in Nr. 400 zielte neben
Iffland besonders auf ihn. Fortgesetzt wurden die Angriffe gegen
seine 'Natürlichkeiten, Rührungen und Moralitäten', von den Ro-
mantikern, von Tieck in den Schildbürgern (1796) und im Ge-
stiefelten Kater (1797) und von A. W. Schlegel in Recensionen
der Jenaischen Allgemeinen Litteraturzeitung. Dafür sah er sich
von verwandten Geistern, wie von K. A. Böttiger im Neuen
Deutschen Mercur (1800) und wie von G. Merkel in den Briefen
an ein Frauenzimmer über die neuesten Produkte der schönen
Litteratur (1800/3), gepriesen, ja, ein dramatisches Genie ersten
Ranges genannt. Er selbst aber rächte sich an seinen Gegnern
durch satirische Possen und Lustspiele. Im 'Hyperborei sehen
EseF (1799) verhöhnte er die Romantiker, indem er, wie sein
Gesinnungsgenosse Nicolai in den Adelheidbriefen, eine Person
aus Sentenzen des Athenäums und der Lucinde witzlos zusammen-
flickte (Haym, Die romant. Schule S. 732 u. 762). Mit dem
Berliner Aufklärer teilte er auch den Hafs gegen den transscen-
dentalen Idealismus der neuen strebenden Philosophie Kants,
Fichtes und Schellings und machte ihm namentlich gegen den
ersteren, ihren Urheber, in dem Lustspiel 'Der Besuch oder die
Sucht zu glänzen' (1801) Luft. Auch die von dem Schotten
J. Brown begründete, in Jena neben dem Professor Marcus vom
Professor Röschlaub vertretene Erregungslehre in der Heilkunde,
deren Anhänger auf der Seite Kants und der Naturphilosophie
standen, verfiel seinem Spott in der Posse 'Das neue Jahrhun-
dert' (1801). Natürlich mufste ihm bei seiner entschiedenen
Richtung nach der alltäglichen Wirklichkeit nicht minder der
antikisierende klassische Idealismus der Kunstanschauungen
Goethes, insbesondere die von ihm seit 1800 eingeführte Masken-
komödie (T.- u. Jahresh. 1800/2), ein Dorn im Auge sein. In-
dessen wagte er sich zunächst nur gelegentlich einmal (in der
'Sucht zu glänzen') gegen den Allmächtigen mit einem Stich auf
die Propyläen heraus. In Weimar, wo er 1799 und 1801/2 seinen
Wohnsitz genommen hatte, fand er bald einen ansehnlichen Kreis
eifriger Verehrer und Parteigänger. Seine glänzende ökonomische
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. 119
Lage ermöglichte es ihm, ein Haus zu machen. ^Man schmauste
behaglich an seiner wohlbesetzten Tafel und ergötzte sich an
den mannigfachen Zeitvertreiben, die der erfindungsreiche Wirt
zur Unterhaltung seiner Gäste ersann' (G.-J. VI, S. 65). Zugleich
aber ward ihm, als dem geschickten Beherrscher der Bühne, auf
dem heimatlichen Boden ein besonders reiches Mafs huldigender
Bewunderung zu teil, in Weimar imd Umgebung, ungerechnet die
Menge des Theaterpublikums, von dem oben genannten Böttiger,
von Wieland ' und vom verwitweten Hofe, dessen Orakel der
letztere war, in Jena (wo er vor dem nach Weimar führenden
Thore einen von einem Kirchhof begrenzten Garten erworben
hatte und das gesellschaftliche Kegelspiel pflegte, Schiller an G.
15. Juli 1799) neben anderen von dem berühmten Anatomen
Loder, einem Gegner der neuen medizinischen Schule. Allerdings
sah er sich von dem Goetheschen Kreise ausgeschlossen, und es
gelang dem eitlen Manne ungeachtet mancher anklopfenden Ver-
suche nicht, Zutritt zu dem 'geistlichen Hofe' Weimars (Falk,
G. S. 182) zu erhalten. Er sann daher auf Rache und bereitete
für den 5. März 1802 zu Ehren Schillers eine grofse Exhibition
vor in der Absicht, dem stolzen Günstling des Glückes zu zeigen,
da/s es noch andere Götter neben ihm gebe, Schillers Wohlwollen
zu erschleichen und ihn von Goethe abzuziehen (T. u. Jahresh.
1802). Der Plan wurde vereitelt. Einen ausführlichen Bericht
über den ganzen Vorfall hat die Gräfin Henriette v. Egloifstein
(G.-J. VI, 59 f. G.s cour d'amour) hinterlassen, die, in das In-
triguenspiel des ihr unsympathischen Kotzebue arglos verwickelt,
in den Ruf kam, es mit ihm zu halten. Nachdem es nun diesem
mit seinen versteckten Bemühungen, Goethes Ansehen zu schädi-
gen, milsglückt war, beschlofs er, zu offener Fehde zu schreiten
und eine eigene Zeitschrift zu begründen, in der er seine Angriffe
zugleich gegen ihn und die Romantiker richten könnte. Er ver-
band sich also mit dem seit 1800 in Berlin lebenden Merkel,
um vom 1. Januar 1803 an 'den Freimütigen' herauszugeben, in
* 'Wieland nannte ihn in Briefen an Böttiger einen verzärtelten Günst-
ling der Musen, zergliederte seine Stücke als Meisterwerke und erklärte
die Hussiten vor Naumburg für das non plus ultra dessen, was die tra-
gische Muse über die Gemüter vermöge' (Gervinus, Gesch. der poet. Na-
tionallitteratur der Deutschen V, 552).
120 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
dem die ruhige Partei des guten Geschmacks und der gesunden
Vernunft dem Haufen der litterarischen Renommisten entgegen-
treten sollte und die Kritik durch keinen berühmten Namen und
noch weniger durch eine Würde im Staat sich würde imponieren
und verleiten lassen, ein mittelmafsiges oder gar schlechtes Pro-
dukt zu bewundern (s. Koberstein, Gesch. der deutschen Natio-
nallitteratur IV, S. 74 f.).
Diese Koalition der beiden Widersacher gab Goethe die An-
regung zu unserem Gedichte, einem in seinem ersten Teil den
Freunden, in seinem zweiten den Feinden gewidmeten Monologe
Kotzebues.
Der neue Alcinous beginnt mit der Aufforderung an jene,
sich die Herrlichkeiten des alten Phäakenkönigs aus dem Sinn
zu schlagen und in seinen Garten zu kommen, den modernen,
der sich zwar nicht des besten Bodens, aber der schönsten Lage,
'recht im Mittelpunkt der Dichtung nächst an Jena gegen Weimar^,
erfreue' und von guten fühlenden Seelen mit Bäumen ausge-
stattet sei, unter deren Schatten er leben wolle. Gleich an der
Mauer des Kirchhofs, an die sich der Garten 'zu ganz gewisser
Rührung^ lehnt, hat der gute Loder der dort verwesenden Toten
wegen Lebensbäume gepflanzt. Vom Würzburger Theaterdirektor
Grafen v. Soden sind ihm für jedes Stück vierzehn Stämmchen
aus dem besten Boden zugeschickt; sollten nicht alle Wurzel
schlagen, gedenkt er neue Stücke zu schreiben. Von seinen Ver-
legern hat ihm der Leipziger Kummer Mispeln, der dicke Ber-
liner Sander einen Korkbaum gestiftet. Bedenklicher Natur aller-
dings sind die Gaben der ihm befreundeten Kritiker, die unge-
niefsbaren Schlehen ^ des scharmanten kleinen Merkel statt der
versprochenen Pflaumen und die Hahnebutten Böttigers, die durch-
frostet zwar leidlich schmecken, aber von häfslicher Nachwirkung
sind. Erfreulicheres dagegen haben ihm die Verehrer und Ver-
ehrerinnen seiner Muse aus dem Publikum gespendet: Kammer-
kätzchen die schönsten Nelken, Wieland ein Lorbeerreischen, das
^ Vgl. die ähnliche Wendung in den Musen und Grazien der Mark:
'Sagt mir nichts von gutem Boden, Nichts vom Magdeburger Land, Unsre
Samen, unsre Toten Ruhen in dem leichten Sand.'
■^ Übrigens macht, beiläufig bemerkt, starker Frost auch die Schlehen,
wie die Hahnebutten, geniefsbar.
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. 121
freilich bei ihm verwelken will, die Gräfin (Henriette v. Egloif-
stein) ein ganzes Wäldchen Haselstauden ; so oft er Nüsse knackt,
will er an die Freundin denken ; aus Tiefurt endlich ist ihm (von
den Hofdamen v. Göchhausen und v. Wolfskeel) manches Reis-
chen und, um was man ihn besonders beneidet, (von der Herzo-
gin Amalie) ein Lilienstengel zu teil geworden. So sind gute
Freunde aus der Nähe und Ferne beflissen gewesen, seinen Garten
zu versorgen, und der Magistrat von Naumburg läfst es (in An-
erkennung seiner soeben, 1803, erschienenen ^Hussiten vor Naum-
burg') nicht an Kirschen fehlen.
Hat er nun seine Freunde im Garten um sich versammelt,
so geht es an das edle Kegelspiel, womit er sich die Langeweile
zu verkürzen liebt, ein Spiel, in dem es sich seine Feinde ge-
fallen lassen müssen, als Kegel behandelt zu werden. Einem
jeden von diesen nämlich ist sein Name angeschrieben. Den König
in der Mitte taufte er Vater Kant; hüben und drüben stehen
als dessen nächste Geistesverwandte Fichte und Schelling; im
Grunde hinten Brown, vorn Röschlaub ; die übrigen Stellen nehmen
die Schlegel und Tiecke (L. Tieck und sein Schwager Bernhardi)
ein. Mit geschicktem und kräftigem Arm nun schleudert er die
Kugeln, die er nach den Namen seiner Werke genannt hat, die
Sucht zu glänzen, das Jahrhundert, den Hyperboreer, unter sie,
dafs sie über ihre steifen Beine stürzen und ergötzliche Purzel-
bäume schlagen, und, weil sie ihres Frevels wegen ewige Hölle
verdienen, setzt sie der behende Junge immer von neuem auf.
So könnte er sich denn, wie Alcinous, behaglicher Ruhe erfreuen:
aber das Weimarische Theater schickt ihm mit dem Westwind
Kletten in den Garten. Das Unkraut schiefst empor, und aus
jedem Distelkopfe starrt ihm eine behaarte Maske gräfslich ent-
gegen. Da erscheint vor ihm ein Bote von Freund Merkel.
Schweigend geht er, gefolgt von dem der Antwort Harrenden,
durch den Garten und, wie jener römische König (Tarquinius
Superbus, Liv. I, 54) sich einst die höchsten Mohnköpfe aus-
ersehen hatte, fährt er mit der Gerte in das schnöde Distelwesen,
dafs die frechen emporgestreckten Häupter unter seinen Hieben
fallen oder niederducken. Der Bote sieht es mit Verwunderung,
geht und meldet es dem Herrn, der des Freundes geheimnis-
vollen Wink versteht und alsbald zu handeln anfängt. Und so
122 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
glänzen denn die beiden Verbündeten (in dem neu gegründeten
Journal des Freimütigen) vor allen Kritikern durch Verstand,
Bescheidenheit und ganz besonders durch Gerechtigkeit. —
Überaus glücklich, wie man sieht, hat Goethe den Umstand,
dafs Kotzebue im Weimarischen einen Lustgarten besafs, im vor-
liegenden Gedicht zu benutzen gewufst, um einen einheitiichen
Boden für die Ausführungen der Charakteristik des Mannes, für
die Schilderung der Gunst, in der er beim Publikum stand, seiner
dichterischen Polemik, sowie der EröfiPnung des kritischen Feld-
zuges gegen die Widersacher, und um die entsprechenden Mittel
für die poetische Versinnlichung seines Gegenstandes zu gewinnen.
Im Alcinous-Motiv das eigentliche Leitmotiv der ganzen Dich-
tung und im Detail derselben eine durchgeführte Parodie des
antiken Musters zu sehen, ist v. Loeper, wie mir scheint, durch
die Überschrift verführt worden. Diese trifft allerdings eine
charakteristische Eigenschaft Kotzebues, seinen auf behaglichen
Lebensgenufs gestellten Phäakensinn, aber darüber hinaus geht
die Parallele nicht; denn das Kegelspiel kann doch schwerlich
zu den von Alcinous veranstalteten Kampfspielen in Beziehung
gesetzt werden. Mit Recht übrigens hebt der genannte Goethe-
forscher die Originalität der Erfindung und innere und äufsere
Abrundung an unserer Humoreske hervor. Nur gegen die eine
Stelle, die von den Gaben Merkels und Böttigers handelt, möchte
ich zum Schlufs das Bedenken äufsern, ob nicht der Stich auf
die Herolde seines Ruhmes im Munde Kotzebues befremdend
erscheint, während Goethe natürlich ihre Spenden als unschmack-
haft oder ungeniefsbar bezeichnen durfte.
Musen und Grazien in der Mark.
(1796.)
Noch ein Opfer der Xenien hat Goethe in einem besonderen
Gedichte, einem ihm in den Mund gelegten Liede,^ im Xenien-
almanach selbst bedacht, den Pfarrer und Reimschmied von
Werneuchen, einem Flecken der Mittelmark, Fr. W. A. Schmidt.
Dieser hatte in dem für das Jahr 1796 herausgegebenen ^Kalender
Mit Musikbegleitung von Zelter, Z. an G. 21. Mai 1829.
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. 123
der Musen und Grazien' die ländlich-sittlichen Freuden des dörf-
lichen Lebens mit wenig Geschmack und vielem Behagen munter
reimend besungen. In dem Xenion Nr. 246 spottete Goethe
über den dem Almanach aufgestülpten pretentiösen Titel; noch
nie hätten die Musen und Grazien sich so schrecklich verirrt
und dem Pfarrer die Perücke selbst gebracht. In unserem Liedc
giebt er eine lustige Charakteristik seines Inhalts, indem er
mit ironischem Behagen und dem glücklichsten Humor das ganze
Gesichtsfeld des Dorfpoeten durchmifst, alle hervorstechenden
Züge der platten Natürlichkeit seiner Poesie aufnimmt und mit
geschickten Strichen ins Komische hinüberzuspielen und doch
dabei den Anschein des Harmlos-Naiven zu bewahren weifs.
Der bieder^ Märker hebt damit an, seinen herzlichen Wider-
willen gegen die Stadt mit ihren Mauern und Palästen und
gegen die Vergnügungen ihrer Bälle und Opern kund zu geben,
und lädt sein Liebchen ein, ihm auf das Land zu folgen, wo sie
die lautere, nicht die in den Schilderungen (idealisierender Dich-
ter) gefälschte Natur finden werde. Und er darf sich ihrer Na-
türlichkeit freuen, darf ihr ohne Scheu den Düngerhaufen als
den künftigen Spielplatz ihrer Kinder bezeichnen und mit ihr
durch Morast und Sand am zerrenden Dorngesträuch des Angers
vorüber nach dem Dörfchen seiner Mark promenieren, wo ihnen
der Genufe von trockenem Brot und saurem Bier im Wirtshaus
winkt. So rede man ihm doch nicht vom guten Boden des
Magdeburger Landes: hier ruhen die Samen und Toten im leich-
ten Sande; ja, die Wissenschaft selbst verliert nichts am raschen
Lauf ihrer Entwickelung, wie denn alle Vegetation in diesem
Erdreich schnell, wenn auch getrocknet, aufkeimt. Und welch
ein paradiesisches Leben im Hofe mit der glucksenden Henne
und den grauen und weifsen Gänsen, in deren Zucht sich Frau^
und Mutter teilen! Welch ein Glück für einen deutschen Mann,
abends den edlen Vetter Michel bei sich zu sehen und in seiner
Nähe bleibend zu wissen! In unseren Liedern endlich, schliefst
^ Das Liebchen (V. 6) ist hier (V. 40) zur Frau geworden, indem 'der
Dichter seine Personen jedesmal das reden läfst, was eben an dieser Stelle
gehörig, wirksam u^d gut ist, ohne viel und ängstlich zu kalkulieren, ob
diese Worte vielleicht mit einer anderen Stelle in scheinbaren Widerspruch
geraten möchten' (G. Eckermann III, 18. April 1827).
124 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
er, arbeitet mit unaufhaltsamer Triebkraft Vers und Reim^ und
herrscht, woran es genügt, statt aller poetischen Kunst Natür-
lichkeit und Biedersinn. —
Man wird bekennen müssen, dafs es Goethe in den bespro-
chenen Gedichten durch die bildende Kraft der Phantasie und
die Meisterschaft, mit der er über die Mittel der Ironie und
des Humors verfügt, die Satire poetisch zu machen gelungen ist,
was der mehr kritisch und formalistisch veranlagte A. W. Schlegel
auf gleichem Felde in den berühmten Kotzebue und Schmidt
(neben Vofs und Matthisson) gewidmeten Dichtungen (Triumph-
bogen für den Theaterpräsidenten K. und Weltgesang dreier
Poeten) mit Schärfe der Charakteristik, Schneidigkeit des Witzes
und metrischer Bravour nicht hat erreichen können (vgl. D. F.
Straufs, Kl. Schriften S. 184 und R. Haym, Die romantische
Schule S. 723 f. und 763).
Hauspark.
(1797 u. 1826?)
Minderwertig ist das ursprünglich zu einem Gegenstück der
Musen und Grazien bestimmte Gedicht, von dem Goethe die
zwei letzten Strophen am 28. April 1797 an Schiller mit der
Bemerkung schickte, es werde vielleicht nicht so gut werden,
eben weil es ein Pendant sei. Er nannte es hier Die empfind-
same Gärtnerin^ Zurückgelegt, erschien es, nur um die Anfangs-
strophe vermehrt, erst 1827 in der Ausgabe letzter Hand mit
der von Riemer vorgeschlagenen Aufschrift ^Hauspark^
Goethe nimmt darin ein bereits zwanzig Jahre früher im
Triumph der Empfindsamkeit, Akt 4, angeschlagenes, auch später
in den Aufgeregten H, 4 (1792) und in der zweiten Epistel
V. 146 — 149 (1794) berührtes Thema wieder auf und richtet den
Scherz gegen die Empfindsamkeit der jungen Mädchen weit, die
dem altmodischen, in französischem Geschmack gehaltenen Zier-
^ 'Unsere Naturpoeten', sagt Goethe, der übrigens nicht blofs alte,
sondern auch moderne Volksdichtung zu würdigen wufste, im Vorwort
zum deutschen Gil Blas 18'^2, Hemp. A. 29, S. 195, 'unsere Naturpoeten
sind gewöhnlich mehr mit rhythmischen als dichterischen Fähigkeiten
geboren.'
(
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. 125
garten, der zugleich Nutzgarten ist, den Krieg erklärt und für
die Romantik des freien englischen Parkes schwärmt. So hatte
auch J. Moser schon (in dem ^Briefe der Frau Anglomania an
ihre Grofsmutter^) die Anglomanie verspottet, die den ganzen
Krautgarten in Hügel und Thäler, wodurch sich unzählige kleine
Wege schlängeln, zu verwandeln unternimmt.
In unserem Gedichte nun klagt ein junges Mädchen der
Mutter, die Gespielinnen beschuldigten sie schon lange geringer
Empfänglichkeit für das, was die Natur im Freien biete, und
bedauerten es, sie hinter Gartenmauern, zwischen Beeteinfassun-
gen von Buchs und schnurgrad laufenden Heckenwänden zu sehen,
die sie nicht länger stehen lassen würden. Und mit Recht, er-
klärt sie; nenne doch auch der liebe Vetter Asmus (Claudius in
der ^Serenata, im Walde zu singen^) das Werk der Schere, unter
der Blätter und Blüten fallen, den puren Schneiderscherz. Aber
nun erst der Kohlgarten mit seinen Zwiebeln, die sich so nieder-
trächtig neben den prächtigen Pappeln um das Gartenhaus des
Nachbarn ausnehmen! Sie will sich ja wohl bescheiden, ihren
Wunsch nicht erfüllt zu sehen; nur heuer wenigstens, bittet sie
mit komischem Entsetzen, um Gottes willen keinen Kohl!
Das Gedicht, das mit seiner sentimentalen Naturschwärmerei
der platten und prosaischen Naturanschauung der Musen und
Grazien hatte zur Seite treten sollen, erhielt, weil es nicht zu
entsprechender Ausführung gelangte, einen besonderen Platz in
der ^Lyrisches' überschriebenen Abteilung der Gedichte Goethes.
Wegen seiner epigrammatischen Zuspitzung scheint es in späteren
Ausgaben unter ^Epigrammatisch^ eingereiht zu sein. —
In den Beginn der Altersperiode unseres Dichters fallen
noch zwei ^Scherze^ lyrischer und lyrisch-dramatischer Form ohne
schärfere satirische Würze, in denen er die Grämler und Grübler
verlacht und unverwüstlichen Humores Lebenslust und Lebens-
weisheit predigt.
Gewohnt, gethan.
(1813.)
Es war in der Zeit der aufziehenden Kriegsgewitter des
Jahres 1813, am 19. April, wo Goethe auf der Reise nach Teplitz
im Gasthof zu Oschatz den obigen ^aufserzeitlichen Scherz' dich-
126 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
tete, 'eine Parodie des Solbrigschen LiedesV das er in Leipzig
hatte recitieren hören, 'des elendesten aller deutschen Lieder:
Ich habe geliebt, nun lieb ich nicht mehr'/ (an Zelter, 3. Mai
1813), worin ein moroser Philister in sechs Strophen mit An-
fangs- und Schlufsversen, die dem angeführten entsprechen, allem
Lachen und Weinen, Lieben und Schwärmen, Hassen und Hoffen
absagt. Gegen solche trostlosen Jeremiaden legt Goethe in un-
serem Gedichte lustigen Protest ein, indem er für das beginnende
Alter vielmehr erst den rechten Lebensmut und -genufs in An-
spruch nimmt. 'Ich habe geliebt, nun lieb ich erst recht !^ ruft
der muntere Greis, dem er das Wort erteilt; zuvor hat er allen
gehuldigt, nun sich einer einzigen scharmanten Person zu eigen
gegeben, die ihm dafür auch alles zur Liebe thut.^ Ebensowenig
ist sein Glaube, ob es auch wunderlich und schlecht geht, er-
schüttert; denn er hat es zur Genüge erfahren, dafs in allen
Nöten sich das Dunkel doch auf einmal wieder erhellt. Und
jetzt erst weifs er die Freuden der Tafel, für die die Jugend
kein Verständnis hat, in heiterem Behagen recht zu würdigen,
jetzt erst des Weines sich recht zu erfreuen, ^ dessen erhöhende
und befreiende Kraft er preist, und dessen erquickendes Nafs
er nicht zu schonen mahnt, weil der schwindende älteste Wein
durch den alternden jungen steten Ersatz findet. Der flotte Tänzer
von ehemals aber darf sich, zwar nicht mehr im rasenden Walzer,
doch immer noch in sittigem Tänzchen drehen, und, wer sein
Leben mit Genüssen reich auszustatten gewufst hat, dem bleiben.
* An seine Gattin, 19. April 1813. Des von Solbrig verfafsten, oder
von ihm vorgetragenen Gedichtes? Wäre das letztere gemeint, so läge
nach von Biedermann, Goethe in Leipzig II, S. 83, ein Irrtum Goethes
vor, da der Deklamator Th. von Sydow es recitiert hatte.
^ Es weht schon wie Divansluft in diesem Gedichte. Ein weifser
Himmelsbogen zeigt sich im Nebel: 'So sollst du, muntrer Greis, dich
nicht betrüben : Sind gleich die Haare weifs. Doch wirst du lieben,' heifst
es im Buch des Sängers 'Phänomen' ; und im ersten Liede des Schenken-
buches : 'Ich liebe sie (die Liebste), wie es ein Busen giebt, Der treu sich
Einer gab und knechtisch hängt' ('Nun bin ich der Knecht, Nun
fesselt mich diese scharmante Person, Sie kann nur allein mir ge-
fallen,' in unserem Liede).
3 Vgl. Zahme Xenien III, W. A. III, S. '280, V. 742: 'Bleibt doch
dem Greise selbst Noch immer Wein.'
Goethes satirisch-humoristische Dichtungen. 127
wenn auch der eine und andere versagt, es zu verschönen ihrer
noch immer genug. Drum heifst es: stets von neuem die Rosen
brechen, ehe sie verblühen, nie den Kopf verzagend hängen lassen
und immer von vorn seines Lebens geniefsen!
Die Weisen und die Leute.
(1814.)
Gegenstand satirisch-humoristischer Beleuchtung bildet für
Goethe immer von neuem und in allen Dichtungsgattungen der
Charakter der Menge im engeren und weiteren Sinne des Wortes.
Das Gedicht, das uns hier zuletzt noch beschäftigt, persifliert
das Verhalten der Masse der sogenannten Gebildeten zur Philo-
sophie. 'Einen dramatisch-lyrischen Scherz,' nennt es Goethe (in
den T.- u. Jahresh. 1814), 'worin die verschiedenen Philosophen
jene zudringlichen metaphysischen Fragen, womit das Volk sie
so oft belästigt, auf heitere Weise beantworten oder vielmehr
ablehnen.' Das Gedicht, am 7. Juni 1814 in Berka diktiert und
anfänglich 'Das Gastmahl der Weisen' überschrieben, ist zunächst
vom Dichter sekretiert, 'weil es, wenn es bekannt würde, gewisse
Individuen tief verletzen müfste, und die Welt es denn doch
nicht wert sei, dafs man sich, um ihr Spafs zu machen, mit der
Welt überwerfe' (an Zelter, Mai 1815, Nr. 225), später jedoch,
nachdem er die Anzüglichkeiten getilgt, unter dem Titel 'Die
Weisen und die Leute' mit den von Riemer für die ersteren
ausgewählten Namen alter Philosophen (an Zelter, 31. Okt. 1814)
Oktober 1820 veröffentlicht worden. 'Nun hat es den Stachel
verloren,' schreibt er an Zelter am 20. Okt. 1820, 'und, wie ich
hoffe, die Anmut behalten.' Hier sein Inhalt.
In den (akademischen) Hain, in dem die Weisen sich er-
gehen, strömt aus allen Himmelsrichtungen das Volk herbei, um
von den Grillenfängern, wie es sie nennt, belehrt zu werden,
aber deutlich und klar und ohne dafs es Mühe koste. Epimenides
ruft die Brüder, dafs sie sich sammeln und bereit halten, den
Leuten derb den Text zu lesen.
Der Dialog beginnt. Es wird dem Dichter das launige Ge-
spräch der Schülerschen Xenien (Nr. 371 — 389 des Xenien-
almanachs) zwischen dem Lehrling und den Philosophen vor-
geschwebt haben. Die Fragen erfolgen mit Ausnahme der ersten
128 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
und letzten in je einem Verse, die Antworten, mit denen die
Leute mehr oder weniger bündig und derb abgefertigt werden,
in zwei bis fünf, meist vier Zeilen, alles in bequemer Behand-
lung des Metrums und namentlich der Reime. ^
Auf die Frage, ob die Welt von Ewigkeit bestehe, lautet
die Antwort, das sei glaublich; denn es wäre um jede Zeit, wo
sie nicht existiert hätte, schade gewesen. Untergang allerdings
stehe ihr vermutlich bevor; doch würde es, bleibe Gott nur in
Ewigkeit, nie an Welten fehlen."^ Was Unendlichkeit sei ? Dar-
über, heifst es, brauche man nicht zu grübeln; wer sie nicht in
sich selbst, in seinem geistigen Wesen finde, dem sei nicht zu
helfen. Über das Wo und Wie unseres Denkens wird der Fra-
gende bedeutet, im Denker sei, wenn er denke, die ganze volle
Persönlichkeit Vom Hut zum Schuh' thätig, und es gerieten ihm
die besten Gedanken im Augenblick. Wenn er weiter zu wissen
verlangt, ob wirklich eine Seele in ihm hause, erhält er die spöt-
tische Aufforderung, seine Gäste zu fragen, ob sie in ihm das
artige Wesen, das seine Freude daran habe, sich selbst und an-
dere zu beglücken, d. h. Seele zu entdecken vermöchten. Vom
Körper unzertrennlich übrigens ruhe im Schlafe auch sie und
werde erquicklich ruhen, wenn man jenem (^mäfsig' sagt erklärend
der erste Entwurf, W. A. III, S. 403) wohlgethan. Eine höh-
nische Abfertigung erfährt die Frage nach dem Wesen des ^so-
genannten Geistes': der antworte, aber frage nicht. Was das
Glück betrifft, wird auf das arme Kind als Beispiel hingewiesen,
das recht gut wisse, wo die begehrenswerten Semmeln zu holen
seien, und ohne Besinnen mit seinem Pfennig nach dem Bäcker-
laden springe (also lehre, dafs man wissen müsse, wo man sein
Glück zu suchen habe, und die Entschlossenheit besitzen, es dort
aufzusuchen und sich anzueignen). Über das Problem der Un-
sterblichkeit äufsert sich der Weise in einem echt Goetheschen
^ Das Gedicht ist in iambischen, in der Minderzahl (meist zu Anfang,
stets am Schlufs der Antworten) katalektischen Tetrapodieen geschrieben.
Öfter (achtmal) reimen mehr als zwei (bis neun) Verse aufeinander, zum
Teil mit Wiederholung desselben Wortes. An zwei Stellen (V. 39 und 61)
bleibt der Eeim aus, einmal (V. 64/65) ist er durch Assonanz ersetzt.
*^ Vgl. Proömium: 'Im Namen dessen, der sich selbst erschuf Von
Ewigkeit in schaffendem Beruf.'
Goethes satirisch-humoristische DichtuDgen. 129
Bilde: den rechten Lebensfaden spinne einer, der, unbekümmert
um andere, fest zu drillen und zu zwirnen beflissen sei, die Ar-
beit aber fortzuführen, den Faden aufzuwickeln und im grofsen
Weltgewebe zu verwenden dem lieben Gott, dem Webermeister,
überlasse. Was den Vorzug verdiene, Thorheit oder Klugheit,
findet der lachende Philosoph begreiflich; denn, wenn der Narr
sich klug genug dünke und sich in seiner Narrheit gefalle, diese
also für das Bessere halte, so gönne der Weise es ihm von Her-
zen. Die Herrschaft des Zufalls und Augentruges zu brechen
weifs er ein probates Mittel: man möge den ersteren nur sich
dienstbar, d. h. zum Glücksfall machen und an der Welt des
Scheines sich ergötzen, und werde Nutzen und Spafs von beiden
haben. Den Beweis, dafs Willensfreiheit kein Lug sei, empfiehlt
er mit launiger Ironie doch praktisch zu erbringen und mutig
seinen Willen festzuhalten; gehe man darüber zu Grunde, so habe
das nicht viel zu sagen. Dafs es eine Erbsünde gebe, beweist ihm
der Fragende selbst, dem der unerträgliche Fehler, ungeschickt
zu fragen, in der That angeboren sein und darum freilich wohl
nachgesehen werden müsse. Ebenso, dafs die Welt den Trieb
habe, sich zu verbessern und ihre Kenntnis zu vermehren, weil
er sonst nicht fragen würde. Doch heifst er ihn, bevor er an-
dere Leute quäle, erst versuchen, sich selbst zu erkennen und zu
verstehen. Der Klage über die Herrschaft des Eigennutzes und
Geldes begegnet er mit der Mahnung, der Welt ihre wertlosen
Marken und Rechenpfennige doch nicht zu mifsgönnen. Und so
wünschen die Leute denn, ehe sie auf immer scheiden, noch zu
zu hören, was ihnen als wahrhaft erstrebenswert zu gelten habe,
und werden mit der Antwort heimgeschickt, der Weisen erstes
Gesetz sei es, den Fragern aus dem Weg zu gehen.'
^ In gleichem Ton launiger Persiflage werden mehrere der hier ge-
stellten Fragen auch in den Zahmen Xenien beantwortet. Vom Denken,
V. 24, heilst es daselbst: 'Ich hab es klug gemacht. Ich habe nie über
das Denken gedacht' (VII, V. 109 f., W. A.); vom Problem der Unsterb-
lichkeit, V. 48 : 'Der Hauptgrund liegt darin, Dafs wir sie nicht entbehren
können' (III, V. 714 f.); von der Thorheit, V. 53: 'Bewahre jeder die Ver-
gunst Auf seine Weise toll zu sein' (VII, V. 147 f.), und über die Fragen
der Leute nach dem, was sie sollen, V. 82, äufsert der Dichter: 'Sie
machen, was sie wollen, nur sollen sie mich nicht fragen' (I, V. 135 f.).
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 9
130 Goethes satirisch-humoristische Dichtungen.
Wenn sich die Satire unseres Gedichtes direkt gegen den
Unverstand der Menge kehrt, so trifft sie indirekt auch die
Philosophen selbst, die ^ewige Probleme^* zu lösen unternommen
haben, indem der Dichter ihnen die Rolle zuerteilt, entweder
Fragen dieser Art in drastischer Weise abzulehnen, oder sie mit
launigen Bemerkungen und ironischen Ratschlägen zu beantworten,
oder endlich, den Knoten durchhauend, den ihnen gewidmeten
Grübeleien Sätze einer resoluten praktischen Lebensweisheit zu
substituieren. Worin aber in der ursprünglichen Fassung des
Gedichtes die verletzenden Beziehungen bestanden und welchen
der lebenden, auch hinter den antiken Masken noch kenntlichen
Philosophen sie gegolten haben, ist eine Frage, die zu beantworten
wir nicht im stände sind.^
* Siehe G. Eckermann II, 1. Sept. 1829: 'Die Natur Gottes, die Un-
sterblichkeit, das Wesen unserer Seele und ihr Zusammenhang mit dem
Körper (sind) ewige Probleme, worin uns die Philosophen nicht weiter
bringen.'
2 Zur Vervollständigung unseres Artikels sei in einer Schlufsnote
noch an das erste satirische Gedicht Goethes erinnert, die Parodie des
Leipziger Studenten auf den Professor Chr. A. Clodius, der in Fest-
gedichten den bei ihm fremdartig erscheinenden majestätischen Pomp des
ßamlerschen Odenstils nachzuahmen bemüht war. Es war das unserem
jungen Dichter um so anstöfsiger, als jener, der ihm gelegentlich der
Kritik eines Hochzeitskarmens den Gebrauch der mythologischen Figuren
als eine falsche, aus pedantischen Zeiten sich herschreibende Gewohnheit
verwiesen hatte, sich nun 'eine andere Leiter auf den Parnafs aus grie-
chischen und römischen Wortsprossen zusammenzimmern' wollte, und zu
lustiger Stunde, da er und seine Freunde in Hendels Garten den treff-
lichsten Kuchen verzehrten, fiel ihm auf einmal ein, die Kraft- und
Machtworte des gestrengen Lehrers (in dessen Prolog zur Eröffnung des
Leipziger Theaters, 6. Okt. 1766, und in seiner poetischen, am Friedrichs-
tage den 5. März 1767 gehaltenen Rede, einer pomphaften Apostrophe an
den Fürsten, s. J. Minor, G.-J. VIII, S. 226 f.) in einen lächerlich bom-
bastischen Täan' an den genannten Kuchenbäcker zu versammeln und
die sofort hergestellten Verse an eine Wand des Hendelschen Hauses mit
Bleistift anzuschreiben. Goethe hat sie zuerst 1812 im siebenten Buche
von Dichtung und Wahrheit, W. A. 27, S. 140 f., veröffentlicht.
Wernigerode. Hermann Henkel.
Triomphe d'Argeni
Das unten abgedruckte Gedicht entnahm ich einer Hand-
schrift, die sich im Besitz des um die Heraldik hochverdienten,
vor kurzem in Berlin verstorbenen Geh. Rats Friedrich Warnecke
befand und mir von dessen Witwe zur Veröffentlichung gütigst
zur Verfügung gestellt wurde.
Die Handschrift in kl. 4^ (20,6 : 15,2 cm) enthält elf auf
beiden Seiten beschriebene Pergameutblätter und ist in schwarzer,
Dur die beiden Überschriften in roter Tinte, und mit vorzüg-
licher Sorgfalt ausgeführt. Sechsmal ist bei gröfseren Abschnitten
eine gröfsere Initiale, sonst noch 73 mal kleinere Initialen in Gold
auf abwechselnd blauem und rotem Grunde verwandt.
Vorgefügt sind der Handschrift zwei Blätter in gleicher
Gröfse mit Miniaturen, die ich photographisch habe vervielfältigen
lassen. Die eine bildet die Erläuterung des Inhalts des Ge-
dichtes und stellt den Triumph des Geldes dar in einem silbernen
Cupido auf einem von zwei Affen gezogenen Wagen, unter dem
der besiegte Liebesgott liegt, der Flügel, des Köchers und der
Pfeile beraubt; hinter dem Wagen die Freunde und Freundinnen
Amors, zur Linken die Anhänger des Fürsten Argent. Oben
auf diesem Bilde befindet sich auch der Titel des Gedichtes:
LE TRIVPHE DARGENT.
Die andere Miniature enthält das Lilienwappen Franz^ I. von
Frankreich blau auf rotem Grunde, umgeben von vierundzwanzig
verstreuten F in Gold, darüber ebenfalls in Gold: Considerate .
lilia . agri . quomodo . crescunt . no7i . laborant . neque .
iierit . Mat. VI.; darunter der Salamander in blau mit der Um-
132 Triomphe d'Argent.
Schrift Nustrico . et . extingor. Aus diesem Bücherzeichen läfst
sich wohl mit Sicherheit schlielsen, dafs wir es hier mit dem
Exemplar zu thun haben, das für Franz I. geschrieben war und
ihm gehört hatte. Vgl. Les reliures d'art ä la Bihliotheque
nationale par Henri Bouchot (Paris, 1888). W. Lübke, Gesch.
d. Kenaissance in Frankreich, 2. Auflage, 1885, S. 424 if. 429
(Figur 157). 434.
Herrn Professor Emile Picot in Paris, der letzteres auch an-
nimmt, verdanke ich die Mitteilung, dafs von diesem Gedicht,
das gewöhnlich dem sonst wenig bekannten Dichter Almanque
Papillon zugeschrieben wird, noch zwei Handschriften existieren,
von denen die eine sich in der Arsenalbibliothek in Paris befindet,
die andere von dem Kgl. Museum in Berlin unter den Hamilton-
Handschriften im Jahre 1889 veräufsert wurde. Letztere findet
sich in dem Catalogue of 91 Mss. on Vellum chiefly from the
Famous Hamilton Collection^ 1889, pag. 51, Nr. 53 verzeichnet.
Die englischen Auktionatoren fügen die Bemerkung hinzu: This
ms. was evidently written for Francis I, King of France.
Doch beruht diese Annahme auf Irrtum oder, was wahrschein-
licher, auf Reklame; denn die beiden Miniaturen dieser Hand-
schrift, von denen die eine eine Nachbildung der unserer Hand-
schrift zu sein scheint, sind nach ihrer eigenen Angabe decorated
witJi the arms of the Prince Francis of Bourbon, Count of
St. Paul (f 1Ö4Ö). Die Hamilton-Handschrift enthält aulser-
dem noch ein Gegenstück: La victoire et triomphe d'honneur
et . d'amour contre VArgent, und einiges andere.
Herr Picot weist ferner darauf hin, dafs unser Gedicht be-
reits unter folgendem Titel im Druck erschienen ist: La Victoire
et Triumphe d'Argent contre Cupido dieu d'Amours naguieres
vaincu dedans Paris. MDXXXVIL On les vend a Lyon
chez Frangois Juste pres nostre Dame de Confort. 16^. Sech-
zehn 25zeilige Blätter mit Holzschnitten.
Dazu Bl. Bij^: Response faicte a Vencontre d'un petit Hure
intitule le Triumphe et la Victoire d'Argent contre Cwpido,
naguieres vaincu dedans Paris. Par maistre Charles Fontaine.
Dieser Druck befindet sich ebenfalls in Paris, und zwar in
der Bihliotheque nationale. In Deutschland wird wohl kein
Exemplar davon vorhanden sein, sicher nicht in Berlin, München
Triomphe d'Argent. 133
und Dresden; und darum erscheint mir ein Abdruck der Hand-
schrift Franz' I. nicht überflüssig und auch von weiterem Interesse.
Noch sei bemerkt, dafs die Handschrift in hellrotem Sammet
gebunden ist und auf dem ersten Blatt den Namen Francois
Duraiz 1593 als den eines späteren Besitzers trägt.
Den Text habe ich genau nach der Handschrift wiedergegeben,
nur die wenigen Abbreviaturen aufgelöst, jedoch durch kursiven
Druck bezeichnet. Die Interpunktion habe ich nach modemer
Weise eingefügt, desgleichen nur die Eigennamen grofs geschrieben,
während in der Handschrift bei diesen willkürlich auch kleine,
wie in anderen Fällen grofse Anfangsbuchstaben gebraucht sind.
Die Übersetzung habe ich möghchst wortgetreu gehalten;
doch mufste ich, um sie lesbarer zu machen, mir hin und wieder
einige Freiheiten gestatten.
Zum Schluls möchte ich nicht unterlassen, Herrn Professor
Suchier sowie Herrn Picot für das Interesse, das sie meiner
Arbeit schenkten, meinen besten Dank auszusprechen.
i Gott Amor griff im Mai zu seinen Pfeilen,
Zu seinen Treuen, Mann und Weib, zu eilen.
Die in Paris und rings in allen Orten:
Ein guter Fürst, getreu in That und Worten.
5 Kaum ist er da, glüht er in heiFgem Grimme:
Kein Weib erhebt für Amor seine Stimme.
In hast'gem Fluge richtet er den Bogen
Auf manche Maid, der ehmals er gewogen.
Zur Sicherheit läfst er die Binde fallen
10 Von Zorn erfüllt; doch alle Pfeile prallen
Au moys de May Amour priwt ses sagettes
Pour venir veoir ses subgectz et subgectes
Dedans Paris et toute la prouince
Ainsi que doibt et veult faire vng hon priwce.
Luy arrive en sa collere monte,
Car plus de luy dames ne tenoient compte.
Dont descocha son arc dressant ses ailles
Contre plusieurs dames et damoiselles.
Pour mieulx tirer ses deux yeulx desbouscha
Tout despite; mais son trect rebouscha
8 damorselles Es.
134 Triomphe d'Argent.
Von jeder Brust; und Wunden schlägt er keine.
Wenn ja einmal, so war es doch nur eine.
Doch waren ihm die Fackeln noch zur Hand:
Er fafst sie fest und schleudert sie gewandt.
15 Doch, trafen sie, noch eben glühend heifs,
Im Nu erloschen sie, so kalt wie Eis.
Wie Amor sah, dafs ihm die Macht geschwunden.
Ein Herz zu heilen oder zu verwunden,
ib Da flüchtet er, gequält von bittren Schmerzen,
20 Und klagt sein Leid dem trauten Mutterherzen.
Und Venus sprach: Auf die Pariser Frauen
Darfst nimmermehr in Zukunft du vertrauen.
Zum Liebesgott und Herrn der ganzen Welt
Erwählten einen sie, und der heifst Geld.
25 Der feit ihr Herz durch starke Wehr und Waffen,
Um Liebesgram Verachtung nur zu schaffen.
Als Amor kaum die wicht' ge Mär vernommen,
Ist auch sein Herz von Schmerz und Zorn entglommen.
Der zarte Knabe bietet kühnlich Trotz
30 Dem stolzen Übermut des neuen Gotts,
Und läfst, nach manchem Streit, sich Recht zu schaffen.
Zu blut'gem Kampf ihm frei die Wahl der Waffen.
Contre leurs cueurs sans faire playe aucune,
Et s'il en fist, ce fut seullement une.
II eut recours a ses ardants flambeaux
Et leur lanca par moyens fins et beaulx.
15 Mais quant du cueur vindre/^t saisir la place,
Furent estainctz quasi plus froidz que glace.
Ce dieu voyant sa debile foiblesse,
Qu'il ne guerist plus les cuewrs ny ne blesse,
Se retira prins de doulleur amere
20 Compter le cas devers Venus sa mere,
Qui luy respond que sur Parisiennes
Auoit perdu ses vertuz anciennes.
Car pour leur dieu d'amours et powr regent
Auoient receu vng que Ton nomme argent,
25 Qui a muny leurs cueurs de fortes armes
Pour contempner tous amoureux alarmes.
Ce fait ouy de si grande importance,
Precipite de dueil et d'inconstance
Ce ieune enfant hardy vint deffier
30 Le nouueau dieu süperbe fort et fier
Et luy liura apres mainte querelle
D' armes le choix auec guerre mortelle.
Triomphe d'Argent. 135
Jedoch was Menschenwitz kaum mag gelingen,
Weifs in Paris jetzt Geld zu stand zu bringen.
35 Er nimmt das Feld, wirft Amor unter Streichen
Siegreich zur Erd': ein Wettkampf ohnegleichen!
Doch nicht genug: von Rachedurst bewogen.
Entreifst er ihm auch Flügel, Pfeil' und Bogen.
IIa Nur um die Mutter nicht zu sehr zu kränken,
40 Entschlofs er sich, das Leben ihm zu schenken.
So hatte Geld den Amor überwunden.
Der lag am Boden, hilflos und gebunden.
Und es begann in übermüt'gem Ton
Der Sieger ihn zu schmähn ; er rief mit Hohn :
45 Wie, Knabe, sonst so listig und verschlagen,
Im offnen Aufruhr wolltest du es wagen.
Zu trotzen mir? Nun glaubst du doch fortan,
Dafs ich vernichten, wie ich schaffen kann?
Der einstmals deiner Macht die Stirnc bot,
50 Das Herz von deinem Liebespfeil bedroht.
War der wohl auch so freventlich vermessen,
Was meinem Recht er schuldig, zu vergessen?
Mais c'est argent qui a l'homme impossibles
Rend a Paris maintes choses possibles,
35 Gaigna le camp ruant Amour par terre
Et le vainquit par nompareille guerre,
Qui non content de si rüde secousse
Luy arracha traictz, arc, aelles et trousse;
IIa Et pour l'honneur de Venus la deesse
40 Ne luy voulut faire plus griefue oppresse.
Donc quant Argent eut sur Amowr victoire
Et prins captif dedans son territoire,
II commanca a parier fierement
Et le blasmer fort temerairement,
45 Disant ces motz: Garson piain de cautelle,
As tu ose par rigueur si rebelle
Me deffier qui monstre par effect,
Que faire puis le fait et le deffaict.
Cil qui iadis desploya estendardz
50 Contre ta force et tes amoureux dardz
Fut il si fol de voulloir tant mesprendre,
Que sur mon droict s'efforcast d'entreprendre ?
49 Ovid, wie V. 120. 291 ff.
136 Triomphe d'Argent.
Manch Mittel war's, das gegen dich er fand,
Doch gegen mich erhob er nie die Hand.
55 Im Unbedacht hast du dich, Kind, vergangen.
Denn siehst du nicht in Undank dich befangen?
Sag frei und offen mir, wie will's dir scheinen?
nb Verstandest du zwei Herzen je zu einen,
Dafs ich nicht selbst dabei beteiligt war,
60 Und zwar zumeist als Hauptvermittler gar?
Bist du's im stände, nun, so straf mich Lügen;
Doch sicher nicht: du würdest sonst betrügen.
Ein Ring von Gold, Rubin und Diamant
Stets inniger die Liebenden verband,
65 Als Pfeil und Bogen und die feinste List,
Zumal er ja weit wirkungsvoller ist.
Mir ist es fremd, wie armen Hirten Rosen
Verschafften einst der Liebe süfses Kosen.
Du kleiner Schelm, voll Ränke und vorwogen
70 Hast du den Himmel, hast die Welt betrogen;
Die Götter all, sogar selbst Jupiter
Zogst du vom Himmel auf die Erde her.
Pour t'abolir sceut remede adresser,
Mais contre moy il n'osa l'oeil dresser.
55 Cruel enfant, conduict par prowptitude
Congnoys tu point ta grant ingratitude?
Je te supply, respons ce qu'il t'en semble,
IIb Sceuz tu iamais ioindre deux cueurs ensemble,
Que ie ne fusse en cest accord compris
60 Et pour raoyen le plus apparent pris?
Mais scauroys tu de ce me desraentir?
Certes nenny si ne voulloys mentir.
Mes chesnes d'or, rubiz et dyamans
Ont plus vallu pour ioyr aux amans,
65 Que tes fins tours, tes fleches et tes arcz.
Aussi sont ilz bien plus vertueux artz.
Je n'entends pas du temps que pour florettes
Humbles pastei^rs ioyssoient d'amourettes.
Petit trompeur de finesse la bonde
70 Qui as deceu et le ciel et le monde.
Tu as induict Jupiter et les dieux
Icy descendre et delaisser les cieulx,
69 Mit la bonde ist jedenfalls l'abonde (= l'abondance, perfection)
Triomphe d'Argent. 137
Und zum Genüsse ird'scher Liebesfreuden
Liefst du sie sich in Tiergestalten kleiden.
75 Wie manchem ward durch deinen gift'gen Pfeil
Nur Sinnenlust als schimpflich Los zu teil!
Wie manchen Ritter zwangst du bei Turnieren
III a In blut'gem Kampfe Lanz' und Schwert zu führen
Und Städte, Schlösser, Türme zu beschiefsen,
80 Nur um der Liebe Freuden zu geniefsen!
Und schmachten liefsest du manch armen Wicht
Oft Jahre lang in traurigem Verzicht.
Sieh meine Macht: auch ohne blut'ge Wunden
Gewähre ich des Lebens schönste Stunden,
85 Und allen weifs das Glück ich zu erschliefsen,
Ganz mühelos das Leben zu geniefsen.
Ein Mann, der heut bei Frauen wohlgelitten.
Erreicht dies nicht durch Adel, Tugend, Bitten.
Nein, es genügt zu günstigem Empfang
90 Mein Name schon, der stets von gutem Klang.
Ein fader Geck, selbst fremd noch in der Stadt,
Der Gönner nicht, auch nicht Verwandte hat.
Erringt durch mich weit eh'r ein Liebchen traut,
Als wenn Verstand auf deine Ränke baut.
Et pour ioyr d'humaines creatures
Prendre et vestir des bestes les figures.
75 Par tes flabmeaulx et flesches venymeuses
Maintz ont souffert tes ardeurs oultraigeuses,
Les contraignant de iouxter a oultrance
lila Dedans tournayz donwant grans coupz de lance
Et assaillir villes, chasteaulx et tours
80 Pour seullement ioyr de leurs amours.
Languyr faisoys les poures amoureux
Trois ou quatre ans tristes et langoureux.
Mais maintenant par ma grande puissa?zce
Sans les naurer leur donne ioyssance
85 Et si les puis tellement dispenser,
Qu'ilz iouyront souuent sans y penser.
Car n'ont esgard dames aux gens honwestes,
Ne aux vertus, prieres et requestes.
Mais il suffist pour auoir bon recueil,
yo Qu'on me presente ou lieu de bei accueil.
Vng laid quinault que iamais n'auront veu
Et qui n'aura ne parentz ne adueu
En me liurant plustost en ioyra
Que vng saige amant qui par tes artz yra;
138 Triomphe d'Argent.
95 Ein Diener wird durch mich das Glück zu minnen
In gleichem Mafse wie sein Herr gewinnen.
III b Du spieltest stets mit armen Weiberherzen,
Wie Mädchen mit der Puppe spielen, scherzen;
Du machtest schüchtern alle und verlegen,
100 Dafs man für thöricht sie hätt' halten mögen.
Denn, hatten einem sie ihr Herz geschenkt.
Nichts hätte sie von diesem abgelenkt.
Und traurig safsen Tag und Nacht sie nieder
Und lasen stets des Liebsten Briefe wieder
105 Und liefsen ruhen sie an ihrem Herzen,
In ihrer Brust die sehnsuchtsvollen Schmerzen,
Und liebten sie, die thöricht schlichten Seelen!
Mehr noch als Prachtgewänder und Juwelen.
Auch Trank und Speise galt für sie nicht viel:
110 Sie setzten so ihr Leben gar aufs Spiel.
Ins innre Mark bald ihre Schmerzen drangen.
Und bleich und bleicher wurden ihre Wangen.
Oft liefsen sie durch Schwachheit sich berücken,
Den Mordstahl gegen ihre Brust zu zücken;
95 Et vng vallet me donnant a congnoistre
Aura la dame aussi tost que le maistre.
III b Tu t'es iadis ioue des poures sottes
Ainsi que fönt enfans de leurs pellottes;
Tant les faisoys honteuses et secrettes,
100 Qu'on dit c'estoient nyaises indiscrettes.
Car quant auoient a vng leur cueur donne,
Ne l'eussent onq pour riens habandonne.
Tristes estoient et iour et nuyct pensifues
De leurs amans relysant les missiues
105 En les faisans coucher auecques elles
Dardant desir entre leurs deux mamelles,
Et les aymoient comme simples et nices
Plus que ioyaulx et fourreures de nyces.
Pour leurs amaws perdoiewt boyre et manger
110 Mectant leur vie en peril et danger.
Et enduroient tant de griefues douUeurs,
Que pour le moins portoiewt palles coulei^rs.
Et maintesfois par telz faictz inhumaiws
Contre leurs cueurs ont conuerty les mains;
108 nyces scheint unverständlich.
118 inhumains erfordert Sinn und Versmafs statt des handschriftlicJien
humains.
Triomphe d'Argent. 139
115 Und die einst schön und lieblich von Gestalt,
Lag hingestreckt, ein Leichnam, starr und kalt.
IV a So ward gar teuer ihnen deine Lust,
Da grausam du durchbohrtest ihre Brust.
Es trieb ihr Herz sie, Briefe zu verfassen,
120 Wie sie Ovid so rührend hinterlassen,
Und ihre Zeit mit Büchern zu vergeuden,
Die sie beraubt der schönsten Lebensfreuden.
Ja, ihnen galt ein Kranz von frischen Rosen
Als reichrer Lohn, als kostbare Preziosen.
125 Dagegen sie: durch reiche Stickereien
Sucht eine den Geliebten zu erfreuen;
Ein andermal schenkt eine andre Holde
Ihr Bildnis zart, umrahmt von reinem Golde.
Die liefsen sich durch Unkenntnis nur leiten,
130 Nicht kannten sie den Geist der neuen Zeiten,
Sie hatten ihre Schule nie besucht,
Genossen nicht der weisen Lehre Frucht.
Denn sicher ist's, ich sag's an dieser Stelle:
Paris ist doch des wahren Wissens Quelle,
135 Mit Recht bist du mit deiner Macht zu End':
Ich führe jetzt mein mildes Regiment.
115 Et qui estoient heiles et bien formees
En viles corps ont este transformees.
IV a Bien eher vendu leur estoit ton plaisir,
En les faisant de teile mort gesir.
Leur ieu estoit de composer epistres
120 Dont on en voit en Guide les tiltres.
Et perdre temps a lyre vng tas de liures
Qui les rendoit de tous plaisirs deliures.
Elles prenoient pour precieuses choses
De leurs amys vng chappellet de roses.
125 Mais non apres de guerdonner remyses,
L'une donnoit mouchouers et chemises,
L'aultre en fin or quelque riebe deuise
La ou estoit sa pourtraicture assise.
De teile erreur cause estoit Finscience
130 Faulte d'auoir des miennes la science,
Et de n'auoir frequente leur escolle
Ou la doctrine est de fruict non friuolle.
Pour neant n'est dit mais c'est chose certaine,
Que Paris est de scauoir la fontaine.
136 Donc n'ont pas tort de t'auoir depose
Et en ton lieu moy doulx prince pose
140 Triomphe d'Argent.
IV b Mein mild Gesetz, nur der Natur verpflichtet,
Hat deine Willkür jetzt mit Recht vernichtet.
Denn dein Gesetz ist nicht zu Nutz und Frommen :
140 Mit Recht hat man das mein'ge angenommen.
Das wahrt weit besser frohen, freien Mut,
Als dein Gesetz mit Pflicht und Ehe thut.
Die Satzungen des Fürsten Geld.
Zuerst nun hab ich streng Befehl gegeben.
Nie Hand zu legen an das eigne Leben,
145 Wie oft dem Tod sich deine Schönen weihten.
Sie sollen heiter, froh zu allen Zeiten
An Spiel und Tanz und Festen sich ergetzen
Und nie ihr Herz durch Trübsinn je verletzen.
Nachts will ich jeder süfsen Schlaf gewähren,
150 Kein Kummer soll ihr je den Schlummer stören —
So pflegt sie besser ihre zarte Haut — .
Nicht denke sie an ihren Liebsten traut:
Doch künde ihre Miene süfs Verlangen,
Va Dann ist der Tropf unfehlbar schon gefangen,
155 Und reicher Lohn wird zum Entgelt ihr winken.
Beim Schlafengehn soll Mandelmilch sie trinken
IV b Duquel les loix doulces et naturelles
Ont confondu les tiennes tant cruelles
Qui a bon droict ont este reprouuees,
140 Et iustement les miennes approuuees
En les gardant de bon et franc couraige
Mieulx que ne fönt la loy de mariaige.
Les ordonnances d'Argent.
En premier Heu ie leur ay fait defliewce
De ne vouloir a leurs corps faire offence
145 Pour leurs amys comme tes amoureuses,
Mais qu'en tout temps soient gayes et ioyeuses
En frequentant festins, bancquetz et festes
Et que de dueil ne tourmentent leurs testes.
Je leur permectz dormir toutes les nuictz
150 Les dispensant ne prendre aucuns ennuyz
Pour mieulx traicter leur delicate chair,
Sans point penser en amy, tant soit eher.
Et toutesfoys luy feront bonne myne;
Va Car c'est le poinct qui plus le chetif myne
155 Dont payera les despens et amendes.
A lewr coucher prendront vng laict d'amewdes
Triomphe d'Argent. 141
Denn das erfrischt, hält stetig unverdrossen —
Im weichen Pfühl, vom Vorhang dicht umschlossen.
Früh morgens dann, was rein den Teint ihr macht,
160 Dem Färb' und Glanz benahm die lange Nacht,
Mufs sie sofort ein weiches Ei geniefsen ;
Den Imbifs soll dann Hühnersuppe schliefsen.
Wohlthät'ger Schweifs wird stärkend sie erquicken,
Versucht sie noch ein wenig einzunicken.
165 Ich lasse dann als zweite Regel walten,
Sich nimmermehr an einen nur zu halten.
Und haben einem Rechte sie gewährt.
Der andre sei desselben Rechtes wert.
Doch freilich soll der Arme nicht des gleichen
170 Empfanges sich erfreuen wie die Reichen :
Gebührt mit Recht nicht Ehre wohl dem Mann,
Der gerne giebt und reichlich geben kann?
Dann ferner: wünschen meine stolzen Damen
vb Verkehr mit Herrn von angesehnem Namen,
175 Nicht dürfen sie mit Wohlgerüchen geizen:
Das hilft gar viel zu ihren eignen Reizen.
Sorgfältig sei die Kleidung stets gehalten.
Wie Ordnung mufs in allen Dingen walten.
Qui les tiendra fresches et bien disposes
Dedans leur lict entre courtines closes.
Sur le matin pour auoir le beau taiwct
160 Qui se ternit la nuyct et se destainct
Humer pourront vng petit oeuf mollet
Ou vng bouillon cuyt auec vng poullet.
Puis se feront suer sur l'oreiller
En essayant vng peu de sommeiller.
165 Je leur ay fait autre commandement
Ne s'arrester a vng tant seullement;
Et quant sera quelqun d'elles party,
Qu'a l'autre apres facent vng tel party.
Mais pas n'entends que les poures et chiches
170 Ayent recueil si humble que les riches;
Car c'est raison de defferer honneur
A eil qui est le plus large donneur.
Et si seront mes damoyselles fieres
Vb A saliner honnestes gens fort cheres,
175 Consequemment que soient bien parfumees;
Car par cela en seront estimees
De plus hault pris et tousiours bien en ordre
D'affiquetz d'or et sans aucun desordre.
142 Triomphe d'Argent.
Das ist das Netz, in das die Gimpel schlupfen,
180 Sie, wenn auch arm, nach Möglichkeit zu rupfen.
Denn ein Geschenk, so denkt der Thor, mufs immer
Im Einklang stehn mit solchem Glanz und Schimmer.
Mit feinsten Wassern sollen sie sich schminken.
Von duft'ger Salbe zart der Körper blinken;
185 Und auch Pomade fällt mir dabei ein.
Der Lippe Glanz und Frische zu verleihn.
Dann sollen sie, durch Anmut zu verführen.
Den schlanken Leib in enge Mieder schnüren;
Stirnlöckchen kräusle lieblich zart der Wind.
190 Das sagt genug: Wer hier nur wagt, gewinnt.
Des Busens Pflege ihnen zu empfehlen,
Ist unnütz wohl: und keine wird verfehlen
Mit Züchten ihn ein wenig zu entblöfsen,
via Der Männer Blick Verlangen einzuflöfsen.
195 Die Kirche auch mufs ihren Zwecken dienen:
Man kommt dorthin mit zücht'gen, heil'gen Mienen ;
Doch unter des Gebetes frommem Schein
Trifft man sich bald zum zarten Stelldichein.
Noch sei dann ihnen folgendes empfohlen:
200 Man geh mit Bitten, dreist und unverhohlen.
Car telz gluaulx fönt duppes consommer
180 Et bien souuent de pourete sommer
Pour ce qu'il fault que le present consonne
Au riche habit et luysante personne.
A se farder auront eaux distillees
Qu quelque vnguewt cowrae sont bien stillees.
185 Je ne veulx pas oublier la pommade
Pour rafreschir leur leure seiche ou fade.
Pour apparoir gentes et sadinettes
Leurs corps seront estrainctz de cordelettes.
Dessus leurs yeulx yrowt cheueulx au \ent.
190 Car cela dit: C'est icy que Ton vent.
Les aduertir d'ordonner leurs mamelles
Sur l'estommac s'en fault fier en elles
Qu'elles scauront descouurir vng petit
via Pour prouoquer des hommes l'appetit.
195 Au temple yront voire pour mugueter
Leurs pigeonnetz qui les vont la guecter
Et soubz coulleur de leurs deuotions
Entre eulx feront les assignacions.
Bien ay voulu aussi leur Commander
200 De non iamais se faindre a demander
i
Triomphe d'Argent. 143
Den Liebsten an, auch den mit kahlem Scheitel:
So füllen sie gar weidlich ihren Beutel,
Mit feinsten Leckerbissen ihren Magen,
Die bergeshoch vor ihren Blicken ragen.
205 Wie könnten sonst die Männer solcher Frauen
Sie ganz nach Wunsch zu halten sich getrauen ?
Auch hab ich schon mit ihnen abgemacht,
Dafs keiner je nach meinem Ursprung fragt.
Denn so sind sie der Sorge überhoben
210 Für Goldgeschmeid, Juwelen, seidne Roben,
Wenn jederzeit und willig sie gewähren.
Im eignen Haus die Gattin zu verehren.
Erregt etwa der Ehmann Furcht und Zweifel:
vib Der thut, als sieht er nichts, der arme Teufel;
215 Und seine Frau läfst ruhig er gewähren:
Er mufs zur Stadt, um Hab und Gut zu mehren.
Auch steht er sich durchaus nicht schlecht dabei.
Da er dadurch von manchen Kosten frei.
Und trauert einst um ihren Mann die Frau,
220 Trägt sie ein tiefbetrübtes Herz zur Schau,
Und wirft dabei ihr Netz nach einem andern.
In das so gern die Männer blindlings wandern;
A leurs mignons raesmes aux testes razes;
Car par ceulx la feront riches leurs cazes
Et mangeront de maintz friandz morceaulx
Qui deuant eulx sourder^t a graws monceaulx.
205 Sans ce mariz de dames ainsi graues
Ne les pourroiewt entretenir tant braues,
Auec lesquelz i'ay d'accord conuenu
Ne s'enquerir dont ie seray venu;
Et par l'accord ne leur sera besoing
210 Des ioyaulx d'or et robes auoir soing
En permectant qu'en tout temps et saison
L^on voyse veoir la dame en leur maison.
Si du mary l'amawt a craincte ou doubte:
vib Semblant fera ce mary ny veoir goutte
215 En le laissant auec sa femme faire
Faignant d'auoir en ville quelque affaire.
Aussi apres il s'en trouuera bien,
Car les gros fraiz ne luy cousteront rien.
Quant porteront le dueil de leur mariz,
220 Feront semblant auoir les cueurs marriz
Pour en siffler d'aultres a leurs pippees
Dont les amowrs sont par femmes pippees.
144 Triomphe d'Argent.
Und unbeirrt nährt sie in ihrem Herzen
Gar schlau versteckt die Lust an Liebesscherzen.
225 Da sieht man denn, wie in der Mütter Wegen
Die Töchterlein getreu zu wandeln pflegen.
Im Alter drum als ew'ge Wahrheit gilt:
Die Tochter ist der Mutter Ebenbild.
Mit Lesen auch soll keine sich befassen :
230 Das würde schlecht zum Lebensfrohsinn passen.
Schickt ihnen wer ein Briefchen, ein Gedicht,
Wo gleich vorweg von mir die Rede nicht,
Dann weg damit! Ich will, dafs stets mit mir
VII a Begonnen wird, geendet erst mit dir.
235 Ich weifs genug, die grofs sich darin zeigen;
Doch will ich ihre Namen hier verschweigen.
Lust an Turnieren, rauhem Kriegesspiel
Verbiet ich streng : das hat nicht Zweck noch Ziel.
Giebt sich für sie im Kampf der Liebste hin,
240 Solch eitler Ruhm bringt nimmermehr Gewinn,
Hilft nicht zum Ziel, wonach sie streben sollen,
Wonach, ich weifs, die Meinen streben wollen.
Gewinnsucht treibe sie zur Liebeslust,
Und, Schüchternheit verbannend aus der Brust,
Mais au couuert soubz ses blanches pelices
Continueront leurs plaisirs et delices.
225 Et si entends que les adolescentes
Obseruent bien de leurs meres les sentes.
Affin qu'apres en aaige plus parfaicte
L'on dye: c'est la mere toute faicte.
Pas ie ne vueil quWne d'elles s'amuse
230 A lire escriptz, car cela les abuse.
Que si quelcun leur enuoye vne epistre
Qu vng dizain, si ie n'y suis en tiltre,
Muttes seront. Car ie vueil que par moy
VII a Soit Fintroite en finissant par toy.
235 J'en scay assez qui scauent ce mestier,
Mais les nommer il n'est point de mestier.
D'aymer tournayz et les vertuz bellicques
Je leur deffends comme vaines praticques.
Car si l'ung est pour elles desconfit,
240 C'est vaine gloire ou n'y a nul proffit,
Qui est Ie blanc la ou ie vueil que tendent,
Pource que say ou leurs miens cueurs pretende^^t.
Aspres seront en entrant en besongne
En delaissant tout honneur et vergongne,
Triomphe d'Argent. 145
245 Sei'n sie zu nehmen wohl mit will'gen Händen
Stets gleich bereit, doch nimmer selbst zu spenden.
Genügen mufs ein Sträufschen hin und wieder
Von frischen Rosen, Veilchen oder Flieder,
Geschenke auch von andren Kleinigkeiten,
250 Da gröfsere stets Unheil nur bereiten.
Gewinn nur sei's, was sie zur Liebe zwingt,
Wie auf dem Markt nur Geld den Kauf bedingt.
Sie dürfen nicht sich leichten Sinns ergeben,
vub Nur ab und zu der Liebsten sehnlich Streben
255 Befried'gen und bei festlichen Gelagen
Bescheidne Freuden ihnen nicht versagen,
Und wenn am Tanz die andren sich erfreun.
In süfser Lust ein Stündchen ihnen weihn.
Aufsicht und Schutz vertraut man einer Alten,
260 Die solches Amt mit Würde mufs verwalten.
An deren Ernst und Ehrbarkeit man sieht,
Wie alles nur im besten Sinn geschieht.
Stellt ohne mich, wenn sonst auch wohlgelitten.
Ein Freund sich ein, taub sei man seinen Bitten:
245 Par tous endroitz a prendre curieuses
Et a donner lentes et paresseuses.
Donner pourront vne foys la sepmaine
Boucquetz de fleurs, garniz de mariolaine,
Ou autre cas de petite valleur;
250 Car les grans dons ne portent que malheur.
Mais pour leur bien ie veulx qiie soiewt venalles
En se vendant comme les bledz aux halles,
Et qu'elles soient au baiser difficilles,
VII b Mais au galant humaines et faciles
255 Ne refusant es festes et festins
A leurs oyseaulx manier les tetins.
Et que pendant qw'a baller on se esgaye
Es cabinetz prennent vne biscaye.
Pour couuerture aurowt quelqwe matrosne
260 De grauite qui conduira le throsne.
Car de penser donra occasion,
Que tout se fait en bonne intencion.
Si quelque amy, tant soit de honne grace,
Entre sans moy, qu'on destourne la face.
258 biscaye ist mir unverständlich; bei Cotgrave, A French English
Dictionary (London 1650), findet sich die Erklärung a vantage at Tennis.
Arcliiv f. n. Sprachen. XCV. 10
146 Triomphe d'Argent.
265 So auch, wenn wer um Hab und Gut gekommen :
Von dem hat man noch nie etwas vernommen,
Selbst wenn mit allen, die ihm eng befreundet.
Sich um der Liebe willen er verfeindet.
Nachdem sein Lieb er überreich bedacht
270 Und er ihr Heim geschmückt mit goldner Pracht.
Trifft ihre Ehre darob etwa Schmach,
Die räche sie durch einen Faustesschlag.
Dein Name sei ganz aus der Welt verbannt,
Villa Niemand durch dich zum Freunde mehr ernannt,
275 Durch. mich, Fürst Geld, nur, wie es sich gebührt.
Wo Habsucht nur die Herzen all regiert.
Kein Widerspruch! Das wäre doch gewagt!
Hab ich zu viel von dir und mir gesagt?
Die Frauen tauschten Gutes für das Schlechte
280 Und nahmen für Verrottetes das Echte;
Aus Sklavinnen schuf ich sie um zu Freien,
Nach Herzenslust des Lebens sich zu freuen.
Sie wählten ihren Weg bequem und eben
Und wandeln froh und sorglos durch das Leben.
285 Wie Feuer sich und Wasser stets befehden.
Bekämpf ich dich, gar mild in That und Reden.
265 Et quant aucun en sera despourueu,
Semblant feront de iamais l'auoir veu,
Combien que tous ses parens et amys
Pour les aymer en arriere aura mys.
Et que dorez soient cabinetz et plains
270 De ses presens dont apres fera plaingtz.
Je vueil aussi que si leur howneur touche
Pour soy venger qu'on luy baille vne touche;
Et que ton nom hors de vsaige soit mys
Villa Sans plus nommer par Amour leurs amys,
275 Mais par Argent pour l'honneur d'auarice;
Gar ce surnom conuient a leur office.
Scauroys tu donc en rien me contredire
Que de nous deux il n'y ayt trop a dire?
N'ont elles pas le bien pour mal choisy
280 En acceptant le fraiz pour le moisy.
Donne leur ay pour seruaige franchise.
Affin de viure a leur desir et guise.
Bien ont esleu la plus facille voye,
Car Sans ennuy auront toute leur ioye.
285 Ne suis ie pas comme le feu a l'eau
Gontraire a toy et plus doulx et plus beau?
Triomphe d'Argent. 147
So tritt nun schnell den Rückzug an und eile,
Versende sonstwo deine gift'gen Pfeile.
Hier würdest du nur weiter Unheil stiften,
290 Der Meinen Herz durch deine List vergiften.
Drum fort von hier! Der Orte magst du walten.
Durch dich berühmt durch Wandel der Gestalten.
Such Thisbe auf, des Pyramus Geliebte,
viiib Auch Minos Kind, das Theseus tief betrübte,
295 Und Dido, der so schweres Leid geschah.
Als auf dem Meer sie den Äneas sah.
Such auf Penelopes getreues Herz,
Das lang dich hegte selbst im tiefsten Schmerz;
Auch Portia: denn rein und unverschuldet
;w Hat sie durch dich den herbsten Tod erduldet.
Wo nicht, such doch am Hofe weit und breit
Nach keuscher Sitte und nach Ehrbarkeit.
An ihn, an ihn mufst du allein dich halten :
Hierher führt dich ein unglückselig Walten.
305 Vergebens schlugst hierorts du deine Zelte:
Hier findest du bei Frau'n nur eis'ge Kälte.
Laut klagend künd es allen unumwunden,
Wie in Paris dein Ansehn ganz geschwunden.
Parquoy bien tost pense te retirer
Allant ailleurs tes dardz infectz tirer.
Tu ne feroys icy riens que morfondre,
290 Si par tes artz voulloys les miens confondre.
Retire toy es lieux sans longues poses,
Qu tu as fait tant de metamorphoses.
Va t'en chercher Thisbee et Deyphille,
VIII b Phillis, Phedra et de Mynos la fiUe
295 Et ta Dido a qui feyz ce bon tour,
Quant vit sur mer Enee de sa tour.
Va visiter le cueur Peneloppe,
Ou si long temps tu fuz enueloppe.
Et Portia, ta lealle rommaine,
300 Que mourir feyz de mort si inhumaine.
Sinon va t'en trouuer po2^r le plus court
Chaste vertu et honneur a la court.
C'est la, c'est la ou tu te doys tenir;
Malheureux sort te feist icy venir.
305 Car tu as mal cy desploye tes tentes,
Pour y trouuer femmes si violentes.
Va leur former ta piteuse complaincte,
Que ta puissance en Paris est estaincte.
10*
148 Triomphe d'Argent.
Doch den Triumph will ich mir erst noch gönnen,
310 Dafs du in mir den Sieger sollst erkennen,
Und ich im Glanz des neuen Herrn der Erde "'
An deiner Statt im Lied verherrlicht werde.
Drum jung und alt, ob schön, ob häfslich ihr,
IX a Ihr Laien all, auch ihr mit dem Brevier,
315 Den Frau'n gefiel's, von Amor sich zu wenden
Und mir dafür nun Ehr' und Ruhm zu spenden.
Mir war es leicht, ihn gänzlich zu bezwingen:
Drum eilt herbei, mir Huldigung zu bringen.
Ich lafs euch im Genüsse freien Lauf:
320 Pflanzt drum vor Frauen meine Fahne auf!
Nichts hilft die Herzen der Pariserinnen
So leicht wie sie, so mühelos gewinnen.
Ein jeder ist von Herzen stets willkommen.
Als bester Freund durch mich stets aufgenommen.
325 Doch lafst ihr mich zu achten jemals nach,
Trifflt euch sofort Vergessenheit und Schmach.
Lafst Tugend, Ehre, Tanz als unerspriefslich :
Das macht die Weiber krank nur und verdriefslich.
Sobald nicht ich die erste Rolle spiele:
330 Denn nur durch mich gelangt ihr erst zum Ziele.
Mais en premier de toy triumpheray
310 Et deshonneur de vaincu te feray
Et si auray d'ung nouueau dieu la marque
Pour en ton lieu estre mys en Petrarque.
Donc ieunes gens et vieulx et beaulx et laidz
IX a Sans excepter mecaniques et lays!
315 Puis qu'il a pleu aux dames me donner
Le lieu d'amours et de l'habandonner
Et que sur luy i'ay eu tel aduentaige,
Venez a moy faire foy et hommaige.
L'art de ioyr maintena7^t vous enseigne.
320 C'est que portez aux dames mon enseigne.
Car point n'y a de plus helles ymaiges
Pour conuertir parisiens couraiges.
Chacun de vous sera le bien venu
Et moy -present le eher amy tenu.
325 Mais si perdez, tant soit peu, ma presence,
Vous serez mys du tout en oublience.
Laissez vertuz, honneurs, dances, ballades:
Car ce les rend fascheuses et mallades,
Si ie ne suis au premier lieu pose
330 Et en presens et bancquetz expose.
Triomphe d'Argent. 149
Kommt all herbei, mich festlich zu geleiten
Und Amor Schmach und Schande zu bereiten:
Und SeeP und Leib, die ihm jetzt unterliegen, ,
Bald werden sie in meinem Zeichen siegen.
IX b 335 Und siegreich zog der Held nun durch die Strafsen,
Die all geschmückt mit Blumen ohne Mafsen,
In vollem Pomp auf seinem Siegeswagen,
In ganz Paris den Sieg davonzutragen.
Der Liebesgott, erniedrigt, überwunden,
340 Folgt seinem Feind, aufs schimpflichste gebunden.
Dann jagt man ihn, der nichts verbrochen hat.
Den armen Knaben, grausam aus der Stadt.
Und in der Nacht, so hiefs es in dem Volke,
Besuchte er, gehüllt in eine Wolke,
345 Ein Mädchen, das, um ihn in Kümmernis,
Am Fürsten Geld kein gutes Härchen liefs.
Auch ich weifs eine, fast vom Schmerz vernichtet;
Zu der hat Amor sicher sich geflüchtet:
Denn sie verdient, den Gott bei sich zu hegen,
350 Den, wohlgemerkt, nur Tugendsame pflegen.
Venez trestous ma personne conduire
Sans plus voulloir a Amo^^r vous reduyre,
Duquel vexez membres, espritz et cueurs
Seront sans peine en mon signe vainqueurs.
IX b 335 Ce conquereur lors allant par les rues
De riches draps et dorures tendues
Pompeusement en char victorieux
Dedans Paris triumpha en maintz lieux
Du dieu d'amours, triste et humilie,
340 Trop rudement garrotte et lye.
Et cela faict comrae personne vile
Ce poure enfant fut banny de la ville.
Quelcun me dist, quawt la nuyct fut venue,
Que on l'auoit veu en l'urabre d'une nue
345 Entrer dedans le logis d'une dame
Qui a Argent donnoit merueilleux blasme.
Vne apperceu qui son dueil ne celloit
Et croy qu'Amour siez eile recelloit.
Car digne eile est d'estre d'Amour hostesse,
350 J'entends d'Amour de vertu et saigesse.
348 siez, gewöhnlich cies geschrieben, = chez.
150 Triomphe d'Argent.
Entschuldigung an die ehrbaren
und tugendsamen Jungfrauen und Frauen
von Paris.
xa Von euch nicht spricht Fürst Geld, ihr edlen Frauen,
Auf die man mit Gewifsheit kann vertrauen,
Dafs höher als die Schätze dieser Welt
Ihr guten Ruf und guten Namen stellt;
355 Die in der Eh' die Treue ihr bewahrt
Und auf verheifsnen Himmelssegen harrt.
Mögt ihr von Gold und von Juwelen strahlen,
In süfsdurchdufteten Gewändern prahlen:
Herrscht nur im Herzen ehrbar zücht'ger Geist,
360 Der nur allein den wahren Sinn beweist.
So zeigt uns das mit grofser Sicherheit:
Den Priester macht das Innre, nicht das Kleid.
Wenn ihr einmal Gott Amors Pfeil erliegt,
Ist euer Herz im Frohsinn nur besiegt.
365 Denn ob gewappnet gegen Erdenmängel,
Im Grunde sind wir alle keine Engel.
Doch hat Fürst Geld nie über euch die Macht,
Euch einzureden, was er hier gesagt.
Excuse aux honnestes
et lealles damoyselles et dames
de Paris.
Xa De vous ne parle Argent, hownestes dames,
Desquelles sont si precieuses ames,
Que ne vouldriez pour toute sa richesse
Auoir le nom de femme pecheresse,
355 Qui gardez foy en leal mariage
En esperant le promis heritaige.
Combien que ayez precieux aornemens,
Riches ioyaulx, parfumez vestemens,
Chef apparent en toute honnestete.
360 Car cela n'est contraire a chastete;
Et qu'il soit vray i'ay la raison ydoine,
Que non l'habit, mais le cueur fait le raoyne;
Que si Amour d'aucunes est vainqueur,
Cela ne vient que de gayte de cueur:
365 Obstant qu'a mal estes assez estranges,
Mais pas n'auons priuileige des anges.
Argent n'a pas sur voz cueurs ce credit
De vous induyre a ce qu'il a predit
Triomphe d'Argent. 151
Ich weifs gar wohl, bei seinem ganzen Trachten,
•Mi) Ihr werdet ihn nicht einen Deut drum achten,
xb Da ihr dem Ehrgefühle treu geblieben,
Wie Gott es euch in euer Herz geschrieben.
Wenn diese Schrift euch nun vor Augen kommt,
Ist's Nachsicht nur, was euch beim Lesen frommt.
375 Ihr werdet dann nichts weiter daraus machen.
Im Herzen still für euch darüber lachen
Und werdet sagen: Ja, er hat ganz recht,
Da er ja euch doch nichts zur Last gelegt.
Ich möchte nicht, dafs ihr euch nach ihm richtet
380 Und seinem Wort euch haltet für verpflichtet;
Doch hat in manchem wohl — ich sag es offen —
Den Nagel er grad auf den Kopf getroffen.
Ich glaub es wohl, dafs manches räud'ge Schaf
Nicht sehr erfreut, da es die Spitze traf;
;^5 Und doch wird es, wie ihr, ihr frommen Seelen,
Die nimmermehr in ihrem Wandel fehlen,
Entschuld'gen gern: wird eine Freundin wagen
Dem teuren Freunde Böses nachzusagen?
Und zürnen sie im Ernst dem Fürsten Geld,
31K) Dafs er ihr Bild so treulich hingestellt,
Car ie scay bien qu'en quelque lieu qu'il aille
370 Vous l'estimez moins que vng festu de paille
Xb Ayant honneur tresbien recommande
Ainsi que dieu le vous a commande.
Quant cest escript de luy sera party,
En l'excusant vous tiendrez son party,
375 Je m'en foys fort et point n'eii rougirez,
Mais en voz cueurs ioyeuses en rirez
Et si direz qu'il a dit verite,
Parquoy de vous ne sera irrite.
Je ne dy pas que le vueillez ensuyure
380 Et ses beaulx faicts et ordonnances suyure;
Mais vous direz que par certaines choses
A descouuert au vent le pot aux roses.
Je pense bien que les brebiz rongneuses
Ne seront pas en elles trop ioyeuses,
385 Et toutesfois ainsi comme vous bonnes
Qui bien monstrez voz loyalies personn es
L'excuseront. Car vne bonne amye
De son amy tel ne mesdira mye.
Si d'Argent fönt iniurieuses plainctes,
390 Quant se verront au vif ainsi bien painctes,
152 Triomphe d' Argen t.
XI a So werden sie im Herzen sich verklagen,
Nach aufsen doch sich zu entschuld'gen wagen;
Und er wird lobend aller Namen nennen,
Die sich zu ihm und seinem Wort bekennen.
395 Doch nun genug: die Zung' im Zaum gehalten.
So lassen wir jetzt alles noch beim alten.
XI a Et qu'en leurs cueurs elles s'accuseront,
Mais par dehors tres fort s'excuseront :
II nommera par nom et par surnom
Celles qui ont de luy ce bon renom.
395 Donc tenir fault les langues en arrest
En delaissant le monstier ou il est.
Halle a. S. G. Schmilinsky.
Kleine Mitteilungen.
Zum Andenken an Adelbert Hoppe.
Adelbert Friedrich Gustav Hoppe wurde am 24, Januar
1827 in Berlin geboren. Sein Vater hatte ein Materialgeschäft und
brachte es zu einem gewissen Wohlstande, so dafs er Hausbesitzer
wurde und in verhältnismäfsig frühen Jahren weiterem Erwerb ent-
sagen und von seinen Renten leben konnte. Seine Einkünfte wür-
den ihm erlaubt haben, dem Sohn, der seit seinem zehnten Jahre
das Gymnasium zum Grauen Kloster besucht hatte, als er dasselbe
zu Ostern 1846 als primus omnium verliefs, die Mittel zum Uni-
versitätsstudium zu gewähren. Aber ihm ging das Verständnis dafür
ab, dafs dieser sich wissenschaftlich weiter zu vervollkommnen
wünschte, und zwischen beiden scheint es deshalb zu harten Kämpfen
gekommen zu sein. Der junge Mann war genötigt, als Hauslehrer
und durch Erteilen von Privatunterricht sich so viel zu verdienen,
dafs er Kollegien besuchen konnte. Der Vater wird überhaupt nicht
nur als ein Mann von festem Charakter, sondern von rücksichtsloser
Härte geschildert. Seine Schroffheit nahm mit dem Alter, besonders
seit seiner Erblindung, immer mehr zu. Die Mutter dagegen soll
eine vortreffliche und sehr milde Frau gewesen sein. Leider starb
sie früh, nachdem ihr Jahre lang der innige Verkehr mit ihren näch-
sten Angehörigen durch fast völlige Taubheit erschwert worden war.
Wir können hiernach wohl annehmen, dafs die Haupteigenschaften
der Eltern sich vererbt hatten. Dem Vater verdankte unser Hoppe
des Lebens ernstes Führen; seine Festigkeit und Selbständigkeit
hatte er ja schon früh dadurch bewiesen, dafs er sich in seinem Ent-
schlufs zum Universitätsstudium nicht wankend machen liefs. Aber
tiefes Gemüt war ihm von der Mutter zu teil geworden, und ihr mil-
dernder Einflufs war darin zu erkennen, dafs er, wenigstens in seinen
besten Jahren, durch unerquickliche Verhältnisse nicht verbittert
wurde, sondern sich stets ein freundliches Wesen bewahrte.
154 Kleine MitteiluDgen.
Hoppe hatte ursprünglich wohl daran gedacht, Geistlicher zu
werden ; er ging aber von der Theologie allmählich zu der klassischen
Philologie über. Dafs er sich als Student hauptsächlich mit den
griechischen Dramatikern beschäftigt hat, läfst sich, abgesehen von
einer später im Jahre 1859 veröffentlichten Programmarbeit Über
Vergleichungen bei den Tragikern, besonders daraus
schliefsen, dafs er.l852 in Halle auf Grund einer Dissertation De
deorum Sophocleorum fatali potestate promovierte.
In demselben Jahre trat er in das Lehrerkollegium der Anstalt
ein, der er seine wissenschaftliche Vorbildung verdankte, und er
hat sie bis kurz vor seinem Tode nie wieder verlassen. Zu Ostern
1857 wurde er Kollaborator und rückte zwei Jahre später zu einer
neugegründeten ordentlichen Lehrerstelle auf. Bald darauf wurde
er durch seinen damaligen Direktor, den allseitig hochverehrten
D. Friedrich Bellermann, zur Vertiefung seiner schon während
der Schulzeit begonnenen englischen Studien veranlafst. Unter den
'Wohlthätern', zu deren Ehre am Gymnasium zum Grauen Kloster
alljährlich eine Gedächtnisfeier abgehalten wird, nimmt eine hervor-
ragende Stellung ein vornehmer Handelsherr zu Venedig Namens
Sigismund Streit ein, der im Jahre 1775 zu Padua gestorben
ist. Als alter Klosteraner hatte er der Anstalt grofse Anhänglichkeit
bewahrt und bedachte sie mit einer Stiftung, aus der der Lehrer des
fakultativen englischen Unterrichts in den oberen Klassen besoldet
wird. Bis dahin war ein an einer anderen Berliner Schule ange-
stellter Philologe nach dem Kloster gekommen, um dort Englisch zu
lehren. Bellermann wünschte aber, dafs der 'streitische Lehrer' dem
eigentlichen Kollegium der Anstalt angehören sollte; daher drang
er in Hoppe und brachte ihn dahin, sich zur Übernahme des Postens
vorzubereiten. Indem dieser auf die Vorstellungen seines Direktors
gern einging, vervollständigte er seine Kenntnis und seine Fertigkeit
im Gebrauch der Sprache bald so weit, dafs er eine Nachprüfung
bestehen und die ihm zugedachte Stelle antreten konnte.
Hoppe nahm bei Solly, dem damaligen Universitätslektor des
Englischen, Privatstunden und hörte die von ihm in seiner Mutter-
sprache gehaltenen Vorträge über Litteratur. Dieser war von Haus
aus Jurist und blieb den eigentlich philologischen Studien fern; aber
er kannte die modernen englischen Schriftsteller recht genau, wufste
auf allen möglichen Lebensgebieten Bescheid und verstand es, sich
elegant und mit nicht unbedeutendem Redeflufs auszudrücken. Er
unterstützte Hoppe bei seiner Lektüre, und so manches damals ganz
Neue, was im Supplementlexikon geboten werden sollte, dürfte auf
den Lektor zurückzuführen sein, dem der Verfasser seinen Frage-
bogen vorlegte.
Solly gab ihm auch Empfehlungsbriefe mit, als sich Hoppe 1860
auf mehrere Monate nach London begab. Diese Studienreise hatte
Kleine Mitteilungen. 155
zum Hau})tzweck Erwerbung der Geläufigkeit im mündlichen Aus-
druck und Bekanntmachung mit englischen Lebensverhältnissen.
Hoppe wohnte bei einem Lehrer des Deutschen, der mit einer Eng-
länderin verheiratet war. Der Verfasser dieser Skizze hatte die Be-
kanntschaft vermittelt, und die Dame war während des Londoner
Aufenthalts in zwangloser Konversation Hauptlehrerin des Philo-
logen.
Die englischen Studien bildeten fortan für Hoppe den Mittel-
punkt seines Forschens, und in der Verfolgung derselben bewies er
unglaubliche Zähigkeit und einen geradezu rührenden Eifer. Nur
vorübergehend trat wieder klassische Philologie in den Vordergrund,
als ihm in späteren Jahren der griechische Unterricht in Prima über-
tragen wurde. Er sprach damals dem Unterzeichneten gegenüber aus,
wie tief er es beklage, der Beschäftigung mit englischer Sprache und
Litteratur auf lange Zeit entsagen zu müssen; er glaubte es nicht ver-
antworten zu können, wenn er nicht seine ganze Kraft einsetzte, um
dem ihm zugewiesenen Fache möglichst bald ganz gewachsen zu wer-
den. Unbedingtes Pflichtgefühl liefs keine widerstreitende Regung in
ihm aufkommen ; an jede wissenschaftliche oder pädagogische Auf-
gabe trat er heran mit dem Ernst, den keine Mühe bleichet, und er
konnte sich als Lehrer oder Gelehrter nie genug thun. Herr Direktor
Dr. Ludwig Bei 1er mann, ein Sohn des oben genannten ver-
dienten Schulmanns, hat von Hoppe in der bei seiner Gedächtnis-
feier gehaltenen Rede gesagt: *Es war fast übertrieben, mit welcher
peinlichen Gewissenhaftigkeit er sich auf seine Stunden vorbereitete,
und dies steigerte sich später, als sein Leiden begann, geradezu ins
Krankhafte. Einen umfangreichen Schriftsteller z. B. wie Thuky-
dides, von dem ein kleiner Teil in der Schule gelesen werden sollte,
glaubte er erst ganz und gar sachlich und sprachlich nochmals durch-
arbeiten zu müssen, ehe er das Pensum begann.' Aufser den grie-
chischen und fakultativen englischen Lehrstunden gab er Jahre lang
deutschen Unterricht, besonders in der Obersekunda. Auch hier
können wieder Worje aus der Gedächtnisrede angeführt werden: 'Es
ist mir oft von seinen Schülern gerühmt worden, wie er hier die
nicht leichte Aufgabe, zum deutschen Aufsatz anzuleiten, mit beson-
derem Geschick gelöst habe, wie die Schüler bei ihm wirklich greif-
bare Förderung auf den schwierigen Gebieten der Dispositionslehre,
der Stilistik, der Rhetorik erhielten.'
Hoppe war ein hervorragender Lehrer, besonders in den oberen
Klassen, denn er verstand es vor allem, seine Schüler anzuregen.
Er nahm es mit dem Gegenstande so genau, wie es der Gymnasial-
unterricht überhaupt zuläfst, traf in Übersetzung und Schilderung
stets einen glücklichen Ausdruck und würzte seinen Vortrag ge-
legentlich mit gemütlichem Witz. Auch war er mit Spreewasser ge-
tauft, war mit dem Jargon eines Berliner Kindes vertraut und erzielte
156 Kleine Mitteilungen.
oft schlagenden Erfolg durch Anwendung desselben. Hat er doch
auch zu dem bekannten Sammelwerk 'Der richtige Berliner in Worten
und Redensarten' viel beigesteuert. Wenn er sich beim Unterrichten
durch sein cholerisches Temperament bisweilen im augenblicklichen
Unmut zu heftigen Ausdrücken hinreifsen liefs, so machte er seine
Übereilung durch Freundlichkeit gleich wieder gut und fesselte die
Schüler um so mehr an sich. Nichts verzeiht man dem Lehrer
leichter als Heftigkeit, wenn man nur weifs, dafs er gerecht ist.
Hoppe hatte vor allem ein Herz für die Jugend, und die Jugend
fühlte dies; darum war er so beliebt. Lebhaft beteiligte er sich,
solange rüstige Kraft ihm zu Gebote stand, an den Sängerfahrten der
Schule, und ich selbst habe ihn in Falkenberg in der Mark, wo ich
damals das Viktoria-Institut leitete, wenn der Ausflug, wie so oft,
dahin unternommen war, im Kreise seiner Kollegen wiederholt ge-
troffen und mich über seinen ungezwungenen Verkehr mit den Schü-
lern gefreut.
Im Jahre 1867 verheiratete sich Hoppe, als er schon aus den
Dreifsigen heraus war. Bald darauf begegnete ich ihm auf der
Strafse mit der Gattin am Arme in der Nähe seiner Wohnung. Nach-
dem er mich vorgestellt hatte, sagte er als echter Berliner : *Nun habe
ich mir auch eine Frau angewöhnt.' Es wurden ihm drei Söhne ge-
boren, und sein Familienleben war so glücklich als möglich, zumal
da sich, seit er in den Räumen des Klosters wohnte, zwischen seinen
Kindern und denen eines ihm nahen Kollegen ein sehr inniges
Freundschaftsverhältnis entwickelte. Sein Sinn war über die Mafsen
häuslich, und er hat einmal, wie in der Gedächtnisrede angegeben
ist, einem guten Freunde, der sich einen Hausstand gründen wollte,
die schönen Worte zugerufen:
Manches draufsen wird gefunden,
Was man sucht und greift und ehrt;
Doch des Lebens Weihestunden
Blühn dir nur am eignen Herd.
Hoppes Frau bereitete ihm als tüchtige Klavierspielerin durch ihre
Kunst viele frohe Stunden, denn er liebte die Musik über alles.
Direktor Bellermann sagt: 'Ich erinnere mich eines Abends, als ich
mit ihm in der Singakademie Bachs Matthäuspassion hörte, wie er
voll war von dem Eindruck, und wie ihn insbesondere der unver-
gleichliche Wohllaut des Chorals ergriff: Wenn ich einmal soll schei-
den, so scheide nicht von mir. Er war kein Mann von streng kirch-
lich gläubigem Sinn, aber der innige Ausdruck dieses tiefen Gott-
vertrauens rührte ihn bis zu Thränen. Und wer könnte es nun ohne
Rührung hören, was mir sein Sohn erzählt hat, dafs er dieselben
schönen Strophen in seinen letzten schweren Tagen und Stunden
wiederholt zu hören verlangt hat, und dafs bei ihren beschwichtigen-
Kleine Mitteilungen. 157
den Klängen ein friedliches Lächeln über seine kranken Züge ge-
gangen ist?'
Solange Hoppes Gattin lebte, war er ein glücklicher Mensch
im vollen Sinne des Wortes ; denn er hegte keine Wünsche, die über
das von ihm Erreichte hinausgingen. Nach grofsen Glücksgütern
hatte er nie verlangt, und er blieb stets zufrieden mit dem beschei-
denen Los, das ihm zu teil geworden war. Er hatte eine Lebens-
gefährtin gefunden, die ihn verstand und mit der er durch die
innigste Liebe verbunden war. Seine Söhne entwickelten sich normal
und versprachen, einst tüchtige Männer zu werden. In seinem Beruf
und in seiner schriftstellerischen Thätigkeit fand er volle Befrie-
digung, auch fehlte ihm nicht die Anerkennung derer, welche seine
Leistungen zu beurteilen berufen waren. Endlich besafs er auch,
was in dem alten und bekannten, bald dem Simonides, bald dem
Epicharmos zugeschriebenen Skolion an erster und an letzter Stelle
gepriesen wird; er war im Genufs frischer Gesundheit und freute
sich jugendlicher Kraft im Kreise seiner Freunde.
Der erste Schlag, der ihn traf, war der Tod seiner Gattin im
November 1884. Sie hatte schon lange am Krebs gelitten, war ver-
geblich operiert worden und starb nach unsäglichen Leiden. Nach
etwas mehr als einem Jahre verheiratete er sich wieder, und zwar
mit der Dame, welche seine erste Frau mit rührender Aufopferung
gepflegt hatte, und welche berufen war, auch ihm eine treue Pflegerin
zu werden. Einige Jahre durfte er sich der neu gewonnenen Häus-
lichkeit freuen, dann stellten sich Gebrechen ein, die von schneller
Abnahme der Kräfte und von einer sich immer mehr steigernden
Nervosität begleitet waren. Wohl infolge der übergrofsen Anstrengung
bei wissenschaftlicher Arbeit war Schwerhörigkeit eingetreten, die
allmählich zunahm, das Unterrichten erschwerte und Umgang meiden
liefs. Hoppe war ursprünglich eine äufserst gesellige Natur gewesen ;
aber mit zunehmendem Alter spann er sich von Jahr zu Jahr mehr
ein, vertiefte sich ausschliefslich in seine Arbeiten und entzog sich
seinen alten Freunden.
Im Wintersemester 1891 — 92 liefs sich Hoppe, um sich ganz
ungestört seiner wissenschaftlichen Thätigkeit widmen zu können, da
er fühlte, dafs ihm nicht mehr viele Jahre würden beschieden sein,
von allen seinen Stunden mit Ausnahme der englischen entlasten.
Von einem ihm dringend nötigen Urlaub zur Stärkung seiner Ge-
sundheit wollte er nichts wissen. Von Ostern 1892 ab versah er
seinen Unterricht in der Schule wie vordem, bis die Seinigen im No-
vember desselben Jahres, als er von einer Konsultation beim Ohren-
arzt zurückkehrte, die Anzeichen eines leichten Schlaganfalls an ihm
bemerkten. Das störende Gehörleiden konnte unmittelbar darauf
durch eine geringfügige Operation gehoben werden; allein, noch ehe
er als geheilt aus der Ohrenklinik entlassen werden konnte, befiel
158 Kleine Mitteilungen.
ihn eine heftige Lungenentzündung und brach seine Kräfte vollends.
Vergeblich suchte er im Sommersemester 1893 Genesung in Südtirol,
Italien und der Schweiz. Nach seiner Rückkehr im September wurde
man auf Anzeichen eines Gehirnleidens aufmerksam, und er sah sich
genötigt, den Wunsch auf völlige Entbindung von seiner amtlichen
Thätigkeit auszusprechen. Er hat den Eintritt in den Ruhestand am
1. April 1894 nicht mehr erlebt. Stärkung und Ruhe erhoffend sie-
delte er im Februar nach Rostock über, wo ihn ein erneuter Schlag-
anfall am 16. März dahinraffte. Am 18. April veranstaltete Herr
Direktor Dr. Ludwig Bellermann in der Aula des Gymnasiums zum
Grauen Kloster eine Gedächtnisfeier zu Ehren des Dahingeschiedenen
und schilderte sein ganzes Wesen mit warm empfundenen und tief
ergreifenden Worten.
Hoppe gehört der älteren Generation der englischen Philologen
an, die, da ihnen während ihrer Studienzeit keine Förderung in ihrem
Fache geboten war, sich selbständig hatten bilden müssen, indem sie
fast sämtlich von der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Latei-
nischen und Griechischen ausgingen. Vergleichende Sprachforschung
fand man zwar auf den Universitäten schon vertreten; sie war jedoch
noch nicht recht eingedrungen, so dafs die meisten Studenten mit
ihren Resultaten unbekannt blieben. In der Schule der klassischen
Philologie lernten die modernen Sprachwissenschaftler wenigstens
Methode, um sie hauptsächlich bei der Erklärung der Schriftsteller
und der dadurch bedingten Kritik anzuwenden. Was Hoppe sowohl
als Interpret, wie als Grammatiker und Lexikograph geleistet hat,
ist auf das bei den klassischen Philologen herkömmliche Verfahren
zurückzuführen. Dafs ihm die sprachlich historischen Studien des
jüngeren Geschlechts, sowie die älteren Litteraturperioden ziemlich
fremd geblieben sind, darf man ihm nicht zum Vorwurf machen.
Konnte er doch nur durch Beschränkung das gesteckte Ziel erreichen.
Die äufsere Veranlassung, durch welche Hoppe der modernen
Philologie zugeführt worden ist, haben wir schon angegeben. Wei-
tere Anregung erhielt er durch seinen Eintritt in die zu Ende des
Jahres 1857 von Herr ig mit seinen Freunden gestiftete Gesell-
schaft für das Studium der neueren Sprachen. In dieser habe ich
ihn selbst im Winter 1858 kennen gelernt und bin in den nächst-
folgenden Jahren viel mit ihm in Berührung gekommen. Georg
Büchmann hatte es bald nach Gründung des Vereins in Bd. XXI
des Archivs bei Gelegenheit einer Kritik der Strathmannschen Bei-
träge als wünschenswert bezeichnet, lexikalische Nachtragssamm-
lungen für das Englische zu veranstalten und dabei, damit eine
Grenze zwischen dem schon Bekannten und Neuhinzugefügten fest-
gestellt werde, das Wörterbuch von Lucas, welches damals schon
wegen verhältnismäfsiger Vollständigkeit als tüchtigste Leistung in
ihrer Art galt, zu Grunde zu legen. Er selbst veröffentlichte im
Kleine Mitteilungen. 159
Archiv Beiträge zur englischen Lexikographie, und ihm schlofs sich
bald auch Hoppe an, von dem in den Bänden XXVIII — XXXVI,
sowie in der neuen Folge Bd. XLIX neun derartige Artikel erschie-
nen sind. Zu erwähnen ist auch als in dasselbe Fach einschlagend
seine Recension von Pineas, Ergänzungsblätter zu jedem englischen
Handwörterbuch, Hannover 1846, in Band XXXIX des Archivs.
Er hat in diesem Blatte etwas später H. A. Werners Ausgabe
des Cricket on the Hearth, sowie 1874 im Centralorgan für Real-
schulen Riechelmanns Ausgabe von Christmas Carol, letztere
mit derbem Humor, besprochen.
Als zu Anfang der sechziger Jahre von Herrig im Auftrage des
Vereins für neuere Sprachen Cyklen öffentlicher Vorlesungen im
Konzertsaal des königlichen Schauspielhauses veranstaltet wurden,
deren Ertrag zu Reisestipendien für jüngere moderne Philologen be-
stimmt war, hielt Hoppe einen Vortrag über Slang. Den Haupt-
inhalt desselben dürfte man wohl in dem allerdings kurzen, aber
sehr gründlichen Artikel des Supplement-Lexikons finden.
Wir müssen es im Interesse der englischen Sprache als ein be-
sonderes Glück bezeichnen, dafs Hoppe für sein Hauptwerk, durch
welches sein Name bald allgemein bekannt werden sollte, in der
Person des Professors G. Langenscheidt einen intelligenten Ver-
leger fand, der an der Arbeit des Verfassers das lebhafteste Inter-
esse nahm und alles aufbot, um sie angemessen auszustatten und
ihre schnelle Verbreitung in den weitesten Kreisen zu fördern. 1871
erschien der nicht ganz sechzig Bogen enthaltende Band in grofsem
Lexikonformat mit dem vollständigen Titel: Englisch-deutsches
Supplement-Lexikon als Ergänzung zu allen bis jetzt erschie-
nenen englisch-deutschen Wörterbüchern, insbesondere zu Lucas, mit
teilweiser Angabe der Aussprache nach dem phonetischen System
der Methode Toussaint- Langenscheidt, durchweg nach englischen
Quellen bearbeitet von Dr. A. Hoppe. Als Motto war das Sprich-
wort gewählt: All is fish that comes to net. Die Angabe, dafs das
Werk durchweg nach englischen Quellen bearbeitet sei, leidet insofern
eine Ausnahme, als aus dem Werke von Dr. Ed. Fischel, Die Ver-
fassung Englands, Berlin 1864, und aus einer Reihe von Artikeln
über englische und preufsische Gerichtsverfassung in den Sonntags-
beilagen der Vossischen Zeitung vom Jahre 1862 viel geschöpft ist,
abgesehen von Benutzung der lexikalischen Beiträge von Büchmann,
Pineas und Strathmann, sowie eines Artikels von Flügel, Das eng-
lische Lexikon in Deutschland, in Bd. VIII des Archivs.
Grofsbritanniens Verfassungs- und Gerichtswesen war allerdings
schon manchmal von Fachmännern besprochen worden; aber die
Leser englischer Werke konnten sich nicht leicht in jedem einzelnen
Fache Auskunft verschaffen, Hoppe erwarb sich ein Verdienst,
indem er die in Betracht kommenden Ausdrücke lexikalisch zu-
160 Kleine Mitteilungen.
sammenstellte und genügend erklärte. Er bot aufserdem eine Menge
anderen Stoflf*, um Land und Leute kennen zu lernen, was zu der
Zeit, als das Supplement-Lexikon herauskam, dankenswert erschien,
da die Sachwörterbücher des Langenscheidtschen Verlags noch nicht
vorlagen, diejenigen also, welche sich nicht durch eigene Anschauung
an Ort und Stelle ihre Kenntnis erworben hatten, bei der Lektüre
oft ratlos dastanden. Um ein Beispiel anzuführen, Cricket und an-
dere Spiele mufsten beschrieben, die dabei üblichen Ausdrücke er-
klärt werden, was in Wörterbüchern so gut wie gar nicht geschehen
war. Dabei traf es sich glücklich, dafs sich Hoppe von einem Eng-
länder, dessen mir einmal mitgeteilten Namen ich vergessen habe,
sich Auskunft zu verschaffen wufste, wie er ja auch im Vorwort an-
giebt, dafs er Solly vielerlei Aufschlüsse verdanke.
Der Verfasser des Supplement-Lexikons, hat manche damals bei
uns noch wenig bekannte Werke eingehend studiert; ich nenne be-
sonders Tom Brownes School-days. Seine zunächst aus dem eigenen
Bedürfnis hervorgegangenen Erklärungen sind gründlich und zeich-
nen sich durch Präzision des Ausdrucks vorteilhaft aus; dabei ist
die Anordnung in den einzelnen Artikeln übersichtlich. Nahe lag
die Heranziehung des bis dahin noch nicht ausgebeuteten Slang-
Dictionary, wie überhaupt Berücksichtigung der >S'/aw^- Ausdrücke,
die besonders seit Dickens immer mehr in die Litteratur eingedrungen
sind und sich von Tag zu Tag ein unbestreitbares Bürgerrecht erwer-
ben. Endlich sind auch Namen erklärt, die in volkstümlichen Wer-
ken oft vorkommen und den Lesern Schwierigkeit bereiten. Wenn
man dies alles zusammennimmt, so kann man sich nicht wundern,
dafs das Supplement-Lexikon als ein unvergleichliches Werk auch
einen durchschlagenden Erfolg hatte.
Als Michaelis 1872 die Akademie für moderne Philologie unter
Herrigs Leitung eröffnet wurde, übernahm Hoppe Interpretation mo-
derner englischer Werke und las unter anderem Sheridans Rivals,
sowie Dickens' Cricket on the Hearth und Sketches. Eine Ausgabe
des Cricket hatte er bei Beginn seiner Vorlesungen wohl schon vor-
bereitet; sie kam 1873 im Verlag von Langenscheidt heraus und
hat jetzt bereits die siebente Auflage erreicht. Aus den Vorträgen
in der Akademie ist aber jedenfalls die 1886 in zwei Bänden der
Tauchnitzschen Students' Series erschienene Ausgabe der Sketches
hervorgegangen, zu der der Herausgeber etwas später auf besonderen
Wunsch des Verlegers ein kleines Specialwörterbuch hinzugefügt hat.
Diese Hoppeschen Ausgaben können in jeder Hinsicht als Muster
gelten ; denn sie sind durchaus zuverlässig und erschöpfend, zugleich
aber mit Geschmack angefertigt.
Zu der Festschrift, welche bei Gelegenheit der dritten Säkular-
feier des Berliner Gymnasiums zum Grauen Kloster 1874 von dem
damaligen Direktor D. Bonitz herausgegeben wurde, steuerte Hoppe
Kleine Mitteilungen. l6l
einen fast zwei Bogen füllenden Aufsatz bei: Über Vergleichun-
gen in der englischen Sprache. Auffallend ist es, dafs er
darin keine Bekanntschaft mit Rays Proverbs verrät; obgleich er
durch einen mit Bezug auf Shak. E7t. IV, 2, 27 von ihm heran-
gezogenen Artikel aus Nares' Olossary auf diese allerdings etwas
trübe fliefsende und oft versiegende Quelle hingewiesen war. Seine
Auseinandersetzungen, deren Stoff er offenbar samt und sonders aus
der eigenen Lektüre geschöpft hat, würden durch Benutzung jenes
Werks in manchen Fällen etwas modifiziert, namentlich aber auch
durchgehends umfassender geworden sein. Hauptgegenstand der Be-
sprechung sind die typischen Bilder, für deren Gebrauch die Ge-
sichtspunkte aufgestellt sind, dafs die eigentümliche Art und Weise
einer Handlung, oder Eigenschaft, oder ihre besondere Stärke dar-
gestellt wird. Nach beiden Seiten, besonders aber nach der letzteren
hin geht der Vergleich in das Formelhafte über. Der Verfasser
macht weiterhin darauf aufmerksam und weist es an zahlreichen
Beispielen nach, dafs Begriffe durch den blofsen Zusatz einer Ver-
gleichung eine ganz andere Färbung erhalten, ja, dafs die betreffen-
den Wörter dadurch ganz verschiedenen Grundbegriffen zugeteilt
werden. In engem Zusammenhange damit steht Vertauschung der
Bedeutungen, wodurch das gemeinschaftliche Prädikat dem Gegen-
stande selbst in einer anderen Bedeutung zukommt als dem Bilde.
Der Teil der Arbeit, in welchem der Gegenstand am meisten er-
schöjift ist, behandelt die gradbezeichnenden Formeln, z. B. as sure
as can he, as bad as bad can be. Daran schliefsen sich Ausdrücke,
die infolge des allmählichen Verblassens der ursprünglichen Bedeu-
tung an das Sinnlose grenzen. Hoppe hat in dem vorliegenden Auf-
satze nicht allein willkommene Nachträge zu Angaben des Supple-
ment-Lexikons geliefert und die einzelnen Formen der Vergleichungen
in Zusammenhang miteinander gesetzt, sondern vor allem einen Gegen-
stand der wissenschaftlichen Erörterung angeregt, der noch weiter
untersucht werden mufs. Die allgemeinen Gesichtspunkte sind grund-
legender Natur, und es sind aufserdem Winke gegeben, deren Ver-
folgung für die englischen Studien, auch für die Litteraturgeschichte
noch ergiebig werden kann. Es wäre sehr interessant, wenn die kurz
skizzierte Verwendung der Vergleiche von selten verschiedener be-
deutender Schriftsteller eine genauere Besprechung fände.
1879 veröffentlichte Hoppe, der inzwischen den Professortitel
erhalten hatte, im Langenscheidtschen Verlag den ersten Teil eines
Lehrbuchs der englischen Sprache für Schulen mit
dem ausdrücklichen Zusatz : 'Nicht für den Selbst-Unterricht.' Dieser
erste Teil, der durch einen zweiten leider nicht vervollständigt ist,
wird als Elementarbuch bezeichnet und führt auf dem Titel die
Worte: 'Mit besonderer Berücksichtigung der Aussprache und An-
gabe derselben nach dem phonetischen System der Methode Toussaint-
Archiv f. n. Sprachen. XCV. H
162 Kleine Mitteilungen.
Langenscheidt/ In der Vorrede hat der Verfasser das Erlernen der
Aussprache nachdrücklich betont und hervorgehoben, dafs sie im
elementaren Teile eines solchen Werkes schon vollständig abgethan
werden müsse. Anzuerkennen ist vor allem, dafs auf Aussprache
der Wörter im Zusammenhange mit richtigem Satzton gedrungen
wird. Durch Angabe von Regeln hierfür unterscheidet sich das Werk
vorteilhaft von den meisten ähnlichen.
Hoppes letzte Lebensjahre sollten der Umarbeitung und Erwei-
terung des Supplement -Lexikons gewidmet werden. Obgleich das
Werk nicht allein den Namen des Verfassers berühmt gemacht, son-
dern auch allen buchhändlerischen Anforderungen in vollem Mafse
genügt hatte, konnte sich der Verleger, nachdem es vergriffen war,
lange zu keiner Wiederveröffentlichung entschliefsen. Und doch
wurde das Buch fortwährend gesucht, und Antiquare, die es zu lie-
fern Gelegenheit fanden, liefsen sich oft das Doppelte des ursprüng-
lichen Ladenpreises dafür bezahlen. Erst 1878 nahm Prof. Langen-
scheidt eine neue Auflage in Aussicht. Lizwischen hatte die Sammel-
arbeit des Verfassers trotz aller seiner Berufsgeschäfte und Neben-
arbeiten nie geruht. Von den verschiedensten Seiten hatte er allerhand
Beiträge erhalten und selbst immer neue Lektüre getrieben und
Belagstellen gesucht, oder noch unbeachtete Wörter und Bedeutungen
gefunden, so dafs die Zahl fast ins Endlose angewachsen war. Für
die Neubearbeitung hatten sich etwa 40 000 Notizen zusammen-
gefunden, mehr als ein einzelner am Abend seines Lebens noch
überwinden konnte, zumal da das Material während der Arbeit sich
immer noch vermehrte. Trotz des emsigsten, geradezu aufreibenden
Fleifses hat Hoppe nur die erste 1888 erschienene Abteilung und
die erste Hälfte der zweiten Abteilung, von Glose bis Do, im Jahre
1893 fertigzustellen vermocht. Wenn er das Werk nicht ganz so
umfassend und minder vollständig hätte anlegen wollen, so würde
er sicher darin weiter gedrungen sein. Er hat aber nicht nur den
aufzunehmenden Stoff etwas zu weit ausgedehnt, insbesondere durch
Berücksichtigung älterer, dem jetzigen Sprachgebrauch fremd gewor-
dener Wörter, sondern auch das schon Vorhandene bedeutend er-
weitert. Ein Beispiel mag genügen. Über den Gebrauch von again
zur Bezeichnung der Intensität, der wenigstens in der Ausdehnung,
wie es im Supplement-Lexikon gefordert wird, zur Verwunderung
des Verfassers nicht allgemeine Anerkennung gefunden hat, sind zu
den in der ersten Auflage angeführten 15 Stellen mit verschiedener
Nüancierung jenes Begriffs nicht weniger als 27 andere hinzugefügt
und sämtlich ausgedruckt. Der Verfasser ist über der Vervollstän-
digung des Werks hingestorben, und wir können uns nur mit der
Aussicht trösten, dafs einer seiner Söhne, Herr Dr. Karl Hoppe
in Landsberg a. W., bald die Herausgabe des Vermächtnisses unter-
nehmen wird.
Kleioe Mitteilungen. 163
Alle Philologen müssen tief beklagen, dafs das Leben des streb-
samen Gelehrten nicht in der Vollendung seiner letzten und um-
fassendsten wissenschaftlichen Aufgabe einen würdigen Abschlufs
gefunden hat. Wir aber, die wir das Glück genossen haben, ihm
persönlich näher zu treten, werden dem edlen Manne, dessen ganzes
Leben der Wissenschaft geweiht war, stets ein liebevolles Gedächtnis
bewahren.
Grofs-Lichterfelde. Immanuel Schmidt.
Eine weitere mittelenglisehe Übersetzung der Distieha
Catonis. Zu den bisher bekannten mittelenglischen Übersetzungen
der Distieha Catonis tritt eine weitere Version, die sich in der Hs.
Rawlinson G. 59 der Bodleiana befindet. Diese Papierhandschrift,
die sonst nichts enthält, besteht aus dreizehn Blättern und stammt
aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts. Voran geht eine aus
sechs ungleich langen Abteilungen bestehende Einleitung (entsprechend
Hauthal, Gatmiis philosophi über S. 1 — 7), von denen die erste als
Probe folgen möge. Die aufgelösten Abkürzungen sind durch kur-
siven Druck kenntlich gemacht.
' [C]Vm animuduerterem . . . contingere (Hauthal S. 1).
When I auysed me ryght hertely
How dyuerse men eren grevously
Departyng fro wey of vertu will
Me semeth it nedful to fulfyll
And teche sum thing that scholde w* resou^
Socowr to here opiniou?^
Wherthurgh her^ that gloryows her lyuyng be
And lede here lyf in honeste.
Auf die Einleitung folgen die Distieha selbst, die in vierzeiligen
Strophen wiedergegeben sind. Ich teile die beiden ersten und die
beiden letzten Strophen mit.
1 [S]I dens est aniraw« . . . (H. I, 1).
My fayre sone at the begynnyng
Sythen god made erthe and celestial thing
Worschype hym serue.hym and pryse
With stedefaste herte and no feyntyse.
Pins uigila . . . (H. I, 2).
Wak the more that thou ne be
To slep subiect for thou mayst se
That mechyl slep and long restyng
Maketh to vices gret noryschyng.
Die Initiale fehlt. '■^ Unter her sind Tilgungspunkte.
164 Kleine Mitteilungen.
Quam }}rim\ifri . . . (H. IV, 45).
How profitable it is and thou be wys
To make nother preysyng ne jet despys
The may happe desyre ful sore
The thing the ^ of whyche thou made no störe.
Miraris uerbis . . . (H. IV, 49).
Dere sone merueyle noght thogh I
Haue wryte thise wordes so nakedly
Certis ray scherte wytt made hitt
That I tweyn togedir knytt.
Oxford (Headington Hill). A. S. Napier.
Spensers 'Blatant Beast'. Das Beiwort hlatant, welches
Spenser seinem die Verleumdung verkörpernden Ungeheuer gegeben
hat, ist nach dem 'New English Dictionary' vor Spenser nicht belegt,
Murray bemerkt: ApparenÜy invented hy Spenser. Ich glaube, das
französische Vorbild bestimmen zu können, welchem der englische
Dichter die Bezeichnung, manche Eigenschaften, vielleicht sogar die
Anregung zur Schöpfung seines Ungeheuers verdankt.
Unter den zahlreichen, durch die Druckerpresse weit verbreiteten
französischen Ritterromanen des 1 6. Jahrhunderts findet sich La plai-
sante et amoureuse hystoire du Chevalier Dore, et de la pucelle sur-
nommee Gueur d'acier, Nouuellement imprimee. M. D. XLL ^ Über
die Quelle des 'Chevalier Dor^' bemerkt Brunet: U'Histoire du Che-
valier dore,' teile que la donnent les editions de 1542 et 1570, n'est
qu'un episode du grand Roman de 'Perceforesf. Uediteur du petit
volume, afin de deguiser son plagiat, a substitue au nom de Perce-
forest celui du roi Peleon (Huhand, Notice d'un manuscrit appartenant
ä la Bibliotheque de Marseille, p. 93). Diese Bemerkung entspricht
der Wahrheit vollkommen. ^ Die 'Histoire du Chevalier Dore' ist
^ Unter dem the sind Tilgungspunkte.
^ Ohne Ortsangabe, doch wird der Kenner den Druckort leicht be-
stimmen können aus folgender Notiz des Titelblattes: On les vend en la
rue neufue nostre Dame ä l'enseigne Sainct Jehan Baptiste, pres Saincte
Oeneuiefue des Ärdens, en la houticque de Denys Janot, imprimeur et libraire.
Brunet, 'Manuel du Libraire' und Supplhnent, tome II, s. v. Plaisante, ver-
zeichnet diesen zweimal die Jahreszahl 1541 tragenden Druck nicht, wohl
aber einen Druck des Jahres 1542, der mir mit dem mir vorliegenden
Drucke identisch zu sein scheint, und einen Druck des Jahres 1570 von
Lyon. Altere Drucke, die vermutungsweise in die Jahre 1480 — 1490 ge-
setzte editio princeps und eine Quarto des Jahres 1508, erwähnt Brunet
nach den Angaben anderer Bibliographen ohne eigene Kenntnis.
^ Vgl. auch Grsefse II, 3, 1, S. 229: 'Eine andere Episode aus Vol. II,
eh. 143 sq. ist die Histoire du Chevalier aux ar^nes dorees et de la pucelle
Cceur d'acier s. l. et a. (1480 — 90) fol' Die kurze Analyse der Histoire
in der Bibliotheque Universelle des liomans, September 1785, S. 3 ff., auf
welche Grsefse 1. c. verweist, ist sehr unvollständig.
Kleine Mitteilungen. 165
nur ein fast durchgehends wortgetreuer Auszug aus dem 'PerceforestV
dessen Persönlichkeiten fortwährend genannt werden, dessen Er-
eignisse oft als bekannt vorausgesetzt sind. Sie umfafst den gröfsten
Teil folgender Kapitel des Romans : Second volume, chapitres CXLIII
(Fueillet. CXLVII ff.), CXLIV; Tiers volumes, chapitres V, XXXIII
bis XXXVIII incl., XLII, in welch letzterem sie mitten im Text
abbricht, ohne jeden Versuch eines abrundenden Schlusses. Die-
'Histoire' charakterisiert sich somit als eine ganz mechanische Kom-
pilation, als eine sehr ungeschickte Zusammenstellung der im 'Perce-
forest' oft unterbrochenen Abenteuer des Chevalier Dor6.
Auf die Frage, ob Spenser den Stammroman oder den Auszug
vor sich hatte, kann ich jetzt nicht eingehen. Möglicherweise haben
unserem Dichter auch noch andere Episoden des ungeheuren Romans
als Vorbild gedient, vielleicht ist der 'Perceforest', in welchem oft
von Feenköniginnen die Rede ist, und dessen fünftes Buch die Be-
schreibung eines vor la royne Faee Blanche abgehaltenen, aus zwölf
Kämi)fen bestehenden Turniers füllt, für die Quellenfrage der 'Fairy
Queen' von grofser Bedeutung. Heute mufs ich meine Betrachtung
auf die Episode beschränken, in welcher ich das Urbild des Blatant
Beast gefunden zu haben glaube. Da der Text des Terceforest' in
den für meine Vergleichung wichtigen Stellen nur geringfügige Ab-
weichungen zeigt, citiere ich im Folgenden den Wortlaut der mir
vorliegenden 'Histoire du Chevalier Dore'.
Der Chevalier Dore liebt die schöne Neronnes, genannt Cueur
d'acier; auf seiner abenteuerreichen Fahrt, w^elche ihn schliefslich mit
der Geliebten vereinigt, gelangt er en la forest du Glar (XXIII) : Le
gefitil cheualier cheuaulcha tant celle inatinee, qu'a Vheure de prime il
fut au parfond de la forest, et la trouua ung merueilleux rocher, ou
y auoit du coste deuers Orient vne cauerne qui alloit au parfond du
7-ocher. Quajid le Chevalier vint au pres de la cauerne, il regarda et
veid Vune des merueilleuses bestes du monde, et la plus terrihle qu'onc-
ques auoit veue. Celle beste auoit teste de serpent, et le col d'une beste
que les Sarrasins nomment Dagglor. . . . Et quand celle beste veoit ces
oyseaulx ou aultres bestes, hommes ou femmes ... eile leur couroit sus
et les estrangloit. . . . Geste beste tant merueilleuse auoit corps de Lyon,
piedz de cerf, cuysses et queue de Lyon . . .
' Vgl. La Treselegante Delicieuse Melliflue et tresplaisante histoire du
tresnoble victorieux et excellentissime Roy Perceforest, Roy de la graut Bre-
taigne, fundateur du Franc palais, et du Temple du Souuerain dieu. . . . Nou-
uellement Imprime a Paris. Mil. V. cens. XXXI. In dieser Folio ist der
Koman in sechs Bücher abgeteilt, das Titelblatt des zweiten Buches trägt
die Jahreszahl 1583, vor dem dritten Buche steht die Jahreszahl 1532
und die Schlufsnotiz lautet: Imprime nouv£llement a Paris I et fut acheue
ce present volume le XVIIl iour du moys de Decembre Mil einq cens.
xxxn.
166 Kleine Mitteilungen.
Spensers Sir Artegall fragt den zur Verfolgung des Ungeheuers
ausgesandten Sir Calidore:
"What is that Blataut Beast theu?" he replied.
"It is a monster bred of hellish race,"
Then answer'd he, "which often hath annoy'd
Good knights and ladies true, and many eise destroy'd.
Of Cerberus whylome he was begot
And feil Chimsera, in her darksome den,
Throiigh foul commixture of his filthy blot;
Where he was fost'red long in Stygian fen,
Till he to perfect ripeness grew . . .
(FQu. Book VI, c. I, 7 f.)
Der französische Romancier fährt fort : et quand eile auoit faim,
eile cryoit comme ung chien glatissant. . . . Et pource les habitantz
d'icelle forest qui veue et ouye Vauoient, la nommoient la beste gla-
tissant^ — die bellende Bestie, von Spenser genau, mit einem
nach dem Muster des französischen Epitheton neu gebildeten Worte,-
wiedergegeben mit: the blatant beast.
Der Chevalier Dore kämpft mit der beste glatissant, wie Sir
Calidore mit dem Blatant Beast. Vor dem Angriffe bellt das fran-
zösische Ungeheuer, als ob es mehr denn hundert bellende Tiere im
Leibe hätte: puis iecta ung glatissement tant nierucilleux, qu'il setn-
bloit qu'elle eust dedans le corps plus de cent bestes [Perceforest :
bracques] glatissantz. Spenser sagt von dem Rachen seines von Cali-
dore zum Kampfe gezwungenen Ungeheuers :
And therein were a thousand tongues empight
Of sundry kinds and sundry quality;
Some were of dogs, that barked day and night;
And some of cats, that wrawling still did cry ;
And some of bears, that groyn'd continually;
And some of tigers, that did seem to gren. . . .
(FQu. 1. c. c. XII, 27.)
Die ganze Stärke der beste glatissant steckt in ihren Zähnen: toute
sa fierie et defense n'estoit tant seulement qu'en ses dens. Auch
Spenser erwähnt vor der Schilderung des Kampfes als schrecklichste
Waffe des Blatant Beast seine Zähne: es stürzt sich auf Calidore
With open mouth, that seemed to contain
A füll good peck within the utmost brim,
* Et pource fut la forest surnommee du glat. Der Wald ist jedoch un-
mittelbar vorher, in demselben Kapitel, la forest du Olar genannt worden,
nach dem Namen des Zauberwaldes im 'Perceforest' (vgl. Dunlop-Lieb-
recht S. 99).
'^ Erleichtert wurde ihm diese mit dem Hauptwort allitterierende Neu-
bildung wohl durch die Erinnerung an die schottische Form blaitand,
blökend, oder an lat. blafire, plappern, vgl. Murray s. v. Blatant. Viele
ein Geräusch angebende Verba haben denselben Anlaut: Meat, hla^-e,
blab, bluster, bellow, bark.
Kleine Mitteilungen. 167
All set with iron teeth in ranges twain,
That terrified bis foes, and armbd him,
Appearing like the mouth of Orcus griesly grim.
(FQii. 1. c. 26.)
Nach dem Kampfe flieht die verwundete beste glatissant und
wird lange verfolgt von dem Chevalier Dor6, Avelcher auf der Ver-
folgung verschiedene Abenteuer zu bestehen, verschiedene Ritter zu
bekämpfen hat (XXIV und XXV). Ebenso ist das Blatant Beast
vor dem Kampfe von Calidore durch viele Länder verfolgt worden,
und auch Sir Calidore erlebt auf dieser Verfolgung viele Abenteuer.
In beiden Werken, in dem französischen Roman sowohl wie in dem
englischen Epos, wird das Ungeheuer schliefslich doch nicht getötet.
Die beste glatissant rettet sich in einen Wald und läfst sich aus
Furcht vor dem Verfolger nie mehr sehen: II la chassa tellement,
qtt'elle 7ie feust oncques puis mal d komme ne ä femme, ains quand
eile sentoit qu'on rapp-ochoit eile se mettoit ä la fuite . . . toutesfoys
apres le record du cheualier Dore, plusieurs cheualiers se misrent en
queste pow la trouue?-, mais ce fut ptour neant (XXV). ^ Sir Calidore
besiegt the Blatant Beast und führt es gefesselt ins Feenland, später
ist es aber wieder entkommen und wütet, nach des Dichters Klage,
jetzt noch in der Menschenwelt.
Spensers Schilderung des Blatant Beast enthält, seinen neuen
und gröfseren Zwecken entsprechend, viele neue, geistreich erfundene
Züge. Aber auch die Beschreibung des französischen Erzählers bietet
eine auffällige Einzelheit, welche Spenser nicht verwerten konnte:
die beste glatissant besitzt nämlich eine gewisse Ähnlichkeit mit
dem Panther des Physiologus. Wie der Panther durch sein schön-
geflecktes Fell und durch seinen wohlriechenden Atem das andere
Getier anlockt,- so bezaubert das bellende Ungeheuer Menschen
und Tiere durch das Farbenspiel seines Halses im Sonnenlicht: Le
col [estoit^ tant 7nerueilleux que toutes les couleurs du monde y appa-
roissoient ordonneement assises et compasees, et vous aduertiz que la
reuerberation des couleurs qui s'entremesloient au ray du soleil, estoit
tant delectable d regarder que tous ceulx qui la veoient en ce poinct
oublioient tous aultres deduictz, ne iamais d'icelle veue ne se fussent
voulu departir. Das Merkwürdigste aber war, dafs in diesem glän-
zenden Farbenspiel, welches manchmal das Ungeheuer selbst ver-
deckte, jeder Mensch das zu sehen glaubte, was ihm am meisten am
Herzen lag, den Gegenstand seiner Neigung: pucelles, dames et da-
' Im 'Perceforest' erscheint das Ungeheuer späterhin noch einmal,
cf. Sixiesme et dernier volume, cha. VI. Comraent le preux Marones de lestrange
marche irouua la beste glatissant et des merueilles quil veit en son col au ray
du soleil. Eine Wiederholung der betreffenden Episode des 'Chevalier Dore'.
^ Vgl. Laueherts 'Geschichte des Physiologus' S. 19 und 185. Auch
der Walfisch lockt die kleinen Fische durch wohlriechenden Atem, vgl.
ebd. S. 19 f.
168 Kleine Mitteilungen.
moyselles ou cheualiers, sehn ce que les couraiges de ceulx qui la re-
gardoient estoient affectez ; der Chevalier Dore glaubt die Geliebte zu
erkennen : Adonc sembla au cheualier qu'il veoit pucelles en celle mer-
ueille qui se deuisoient, et tant y affecta sa reue que par heure il cui-
doit plainement veoir la helle Neronnes (XXIII). In dieser Verzückung
Avurden Menschen und Tiere die Beute der beste glatissant. Eine
freie Erfindung des Verfassers ist diese zur symbolischen Deutung
herausfordernde Eigentümlichkeit seines Ungeheuers schwerlich, doch
ist es mir gegenwärtig nicht möglich, auf eine genauer entsprechende
Parallele hinzuweisen.
München. Emil Koeppel.
Zum Märchen vom Tanze des Mönches im Dornbusch.
1.
Als die jüngste poetische Gestalt, in der das Märchen vom
Tanze des Mönches im Dornbusch auf englischem Boden erscheint,
führt Bolte in der 'Festschrift zur Begrüfsung des fünften allgemei-
nen deutschen Neuphilologentages' (Berlin 1892) S. 9 an die 'Um-
formung zu dem gewöhnlichen achtzeiligen Balladenmetrum ... mit
dem Anfange An honest man in Lancashire und dem Titel The Merry
Piper, or the Friar and his Boy\ Das British Museum besitzt von
dieser Bearbeitung des Stoffes eine gröfsere Anzahl von Drucken,
und ich habe im August 1894 wenigstens drei von ihnen genauer
anzusehen Zeit gehabt, von denen der erste auch hauptsächlich von
John Ashton für seine Schrift Ghapbooks of the 18"' Century (London
1882) S. 237 ff. benützt worden ist. Sie enthalten alle drei auch
den zweiten, in keiner älteren Fassung nachweisbaren Teil: zunächst
kümmert uns hier aber nur der erste. Wir wollen die drei Texte
«, ß, y nennen.
a ist nach dem Katalog ungefähr 1750 erschienen. Sein Titel
lautet (vgl. Ashton) THE \ FRIAR and BOY; \ OR, THE \ Young
PIPERS I Pleasant PASTIME; \ Gontaining, \ His witty FRANKS,
in Relation to his \ Step-Mother, whom he fitted for her un-ki7id
Treatment. \ PART the FIRST. \ [Das hier folgende Bild giebt Ash-
ton S. 238] Printed and Sold in Aldermary Church-\Yard, Londoii.
24 S. 12.
ß setzt der Katalog ungefähr 1790 an. Der Titel unterscheidet
sich von dem in «, abgesehen davon, dafs der Schlufs von Printed
an fehlt, nur durch die Interpunktion und GONTAINING statt Gon-
taining. Es besteht ebenfalls aus 24 S. 12, und zwar entsprechen
sich die einzelnen Seiten von a und // durchaus.
y wird im Katalog ungefähr 1835 angesetzt. Sein Titel lautet
The FIRST PART of | Jack the merry Piper; \ OR, THE \ FRIAR
AND BOY. GONTAINING, \ The witty Adventures betwixt the
Kleine Mitteilungen. 169
Friar and Boy, in Relatio7i to \ his Step-motlwr, whom he fairly ßtted
for her \ umnerciful Onielty. \ [Das hier stehende Bild würde für die
AVeiber von Weinsberg passen : unter ihm stehen die ersten acht
Verse des Gedichts] Printed hy Wm. Fordyce, \ 48, Bemi-lStreet, New-
castle. Ebenfalls 24 S. 12, aber die einzelnen Seiten entsprechen
denen in aß nicht.
Die drei Texte sind unabhängig voneinander: aß sind aber
untereinander näher verwandt, als mit y. Keiner von ihnen fängt
sogleich mit An honest man in Lancashire an, sondern diesem Verse
gehen in aß 20, in y, das zum Schaden des Metrums zwei Verse
weggelassen hat, 18 Verse vorher. Die Strophen sind nicht abge-
setzt. Einen Grund, ein anderes Versmafs als das gewöhnliche vier-
zeilige Ballad Metre oder Service Metre mit Keimen a b a b anzuneh-
men, kann ich nicht finden. Der Anfang lautet (ich schliefse mich
im allgemeinen a an):
YOU that in pleasant tales delight
To pass ^ the Urne away,
Fach long and tedious winter 7iight,
Read this small hook, I pray.
The fandes which in this you'll fi?id
Will make you laugh your fill,
And- eure a melancholly mind
Beyond a '^ Dodor's skill.
' pass ßy] take a ^ And] They'll y ^ a ßy] the «
Inhaltlich deckt sich der erste Teil, von gelegentlichen Erweite-
rungen und am Schlufs auch von dem Hinweis auf den zweiten Teil
abgesehen, mit den älteren Darstellungen. Eine Vergleichung mit
diesen läfst keinen Zweifel darüber, dafs dem Bearbeiter ein Text
derjenigen Gruppe vorlag, die ich aus apm kenne, d. h. dem Lon-
doner Druck von E. A. aus dem Jahre 1617, der von Furnivall
herausgegebenen handschriftlichen Aufzeichnung in dem Percy Folio
MS. und dem Druck in der Bibliothek von Magdalene College in
Cambridge (s. Archiv XC, 58 Anm.). Indem ich dies durch Anfüh-
rung der hauptsächlichsten Belege zu erweisen suche, citiere ich ußy
nach den Seiten von aß, apm nach Furnivalls Zählung der Verse
in p, die älteren Fassungen nach der im Archiv XC, QQ ^. ange-
wendeten Strophen Zählung.
1. He had a pretty {comely y) hoy aßy 3, Which was a pretty
sturdy lad apm 11] That {The wyche P, Which R) was a good
{hapey C, propre RP) sttirdy (fehlt CRP) lad AWCRP II, 5.
2. ... he put it up again Secure from any sight aßy 6,
... put it vp (fehlt p) from sight apm 57] ... put it vp againe
(anon CRP) AWCRP X, 3.
170 Kleine Mitteilungen.
3. Saying his hunger should remain Till he came
home at night aßy 6, Saying ... that his hunger still should
last Till he came home at night apm 58 ff,] He {And P)
Saide he would {I will R) eate hut (hut a R) Ute TU night (evyn P)
that he {I R) came home {home came A) AWRP X, 5. 6 (C hat ge-
ändert).
4. To suxih poor victuals as I have Right welcome you shall
{shall you y) he ußy 7, To such poore victuals as I haue Right
ivelcome shall you {you shall m) he apm 71 f.] To such vitayles {To
s. vytayle W, Thow shalt haffe seche C, Thow shalt se su^he B.) as I
haue Welcome shall you {ye WC) he {Thou art welcome to me P, And
welcome shalt pou he R) AWCRP XII, 5. 6.
5. Three things whatever thou will chuse Fll give to thee
ußy 7, And I will giue three things to {unto m) thee What ere thou
will intreat apm 80 f.] / shall giue thee {the gyueWP) things {gyftis
RPC) three Thou shalt them neuer {not C) fo^^get {That shall not he
forgete RP) AWCRP XIV, 2. 3.
6. They shan't he dble to forhear aßy 8, Shall haue no power
to forheare apm 101] Shall {They shall R, He s. P) not them
s 6 //-(fehlt C) steer {astere R) AWCRP XVII, 5.
7. The hoy then smiling answer' d aßy 9, The hoy then
smiling ans wer made apm 106] The little (fehlt CR) hoy on him
{on h. fehlt C, dafür ßan lowde R, stode and P) lough {low he
lowde C) And said AWCRP XVIII, 4. 5.
8. Whene'er she looks vpon thy {your aß) face ... Her tail
shall wind the hörn aßy 9, When ere {that m) she lookes thy
face vpon Her tayle shall winde the home apm 122 f.] When
{YefWj she looketh {loke R) on thee so She shall hegin to hlowe
AWCRP XXI, 2. 3.
9. The Friar swore aßy 13, The Frier swore apm 196]
Quod the frier AWC XXXIV, The frere sei de RP.
10. Which made him skip and dance ußy 14, And feil
{gan m) to skip and dance apm 240] Began to daunce ful soon
AW LX, 6, And toke hes pype sone {anon C) CR, Füll lyjtly and
füll sone P.
11. But danc'd the hush ahout ußy 15, And leapt {Leaping m)
the hush ahout apm 243] He lept and daunced ahout AW XLI, 3,
He {And RP) hegan to lepe {stertyll P) and dans {a. d. fehlt RP)
ahowth CRP.
12. His privy rnemhers {part y) ußy 15, And did his
priuy memhers {memher m) prick apm 251] In m>any place s
they did him prick AW XLII, 2, And yn {eke in R) maney a
wother plays CRP.
13. So he had {Thus had he y) little cause to hrag aßy 16, He
made no hrag g es {hragge p) for very sham apm 278] Of his
Kleine MitteiluDgen. 171
iou7'ney he made {hcmadoA, madeheBF) no («*9 W) hoste AWCRP
XLVill, 2.
14. A fit of mirth I (he aß) play'd (had aß) mdeed aßy 1 7,
/ j)layd him but a fi t of mirth apm 317] / did iiought eis
(no thyng C, ryjt noujt RP) as I you say (io hem to [pis R] day
CRP statt as u. s. w. AWCRP LIV, 5.
15. With very haste some broke theii' locks ... Some (White
others aß) in their shirts some in their (and aß statt some
in th.) smocks aßy 20, Straight foorth (out m) they (the p) start
through doores and (door ands m) locks (kockes p) Some in their
Shirts som in their smocks (smok m) apm 382 f.] Some stert
in the way Truely as I (fehlt A) you say AW LXV, 4. 5, They
ran weytley the soyt to say Yn to the strete they toke the wey C, In
( Ynto P) pe strete as I hard saye (to the playe P statt as u. s. w.) In
feyth (Anone P) pey toke pe ryght waye RP.
16. The dancing Friar aßy 21, the dancing fixier apm 410]
the frier AWC (RP haben hier und im Folgenden nichts Ent-
sprechendes).
17. Ca7ne flocking y (die Stelle fehlt aß 21), Flockt
(Flock m) apm 413] gathered AW, cam C.
18. The proctors all were (was a) busy there aßy 21, Fach
pro der there did plead his case apm 421] Euery man put foorth
his case AWC.
19. He is a witch (wizard y) . . . A little Devil aßy 21, He
is a witch ... He is a deuill apm 427. 430] He is a great
nicromancer . . . He is a witch AWC.
20. And stood like one stritck (quite y) dumb aßy 21, Stood
mtite atid nere a word she spake apm 440] That no (Nat on C)
wooi'd mo she spake AWC.
21. Come little Jack thy cunning shew aßy 22, Pipe on
lacke ... And let me hear thy cunning all apm 457 f.] Pipe on
lack ... I will heare (h. now W) how thou canst jylay AW, Pype on C.
22. So that (fehlt y) I may go (go but y) free aßy 23, Pro-
uided I may hence goe free apm 494] If ye wil (wolde) graunt me
(me graunte W) with hart free AW (nichts Entsprechendes C).
2.
Über den zweiten Teil der Ballade fand Bolte bei seinen Ge-
währsmännern nur wenig eingehende Mitteilungen, und so hat er
sich S. 9 auf die Bemerkung beschränkt, dafs in ihm 'Jack drei neue
Wundergaben empfängt'. Vielleicht kommt dem einen oder anderen
das Folgende gelegen. Viel Vergnügen kann man allerdings an der
Fortsetzung nicht haben, da sie, was ihr an Witz fehlt, durch Un-
flätigkeit zu ersetzen sucht.
Von dem zweiten Teil habe ich dieselben Ausgaben eingesehen
172 Kleine Mitteilungen.
wie von dem ersten; doch habe ich von y hier nur den Anfang ver-
glichen. Der Titel hat den gleichen Wortlaut, wie beim ersten Teil,
bis Treatment bei aß und bis Cruelty bei y, nur dafs natürlich bei y
der Anfang lautet The SECOND PART. In u heifst es dann weiter
PART the SECOND, in ß The SECOND PART In y stehen unter
Cruelty die ersten zwölf Verse des zweiten Teils, aß haben dasselbe
Bild, wie auf dem Titel des ersten Teils : in y sind zwei Frauen dar-
gestellt, die tanzen, während ein Mann bläst, a hat in der Angabe
des Druck- und Verkaufsorts zwischen Church | Yvrd (so !) und Lon-
don noch (in Kommata eingeschlossen) Bow Lane. ß, das bei dem
ersten Teil nichts Derartiges zeigt, hat beim zweiten Teil Printed and
Sold in London (aber d in London zum Teil und das zweite n ganz
weg), y hat PRINTED AND SOLD BY W. FORDYCE und dann
weiter wie beim ersten Teil. Die einzelnen Seiten bei aß (es sind
ihrer auch hier 24) entsprechen sich nur ausnahijasweise
YOU Lads and Lasses that can read,
And you that fain would learn,
Herein you may your fancies feed, ^
And pleasant tales discern.^
If once they are ^ but ^ understood,
Deny it if you ^ can,
The merry Tales of Robin Hood,
Tom Thumb and Utile John,
Cannot compare with this small book,
Which I present to you,
So^ reader slight it not but look'^
You read the same quite thro/
' fancy please (pleafe «) aß ^ der Punkt fehlt «, steht in ß; Strich-
punkt /. Auch im zweiten Teil sind die Strophen in keinem der drei
Texte abgesetzt ^ were «, 're y ^ fairly y ^ it tJiey that y ^ Tlien y
' see aß
So beginnt der zweite Teil. Nach einem kurzen Hinweis auf
den Hauptinhalt des ersten Teils wird dann erzählt, dafs Jack beim
Viehhüten den hermit (in dem ersten Teil ist der Mann ein palmei')
zum zweitenmal sieht und sich bei ihm für seine Gaben bedankt. Die-
ser bittet ihn um einen Schluck aus seiner Flasche. Jack reicht sie
ihm hin und bietet ihm auch Butter und Käse an, was der Alte an-
nimmt. Zum Danke fordert er den Knaben auf, drei weitere Wünsche
zu äufsern. Dieser wünscht sich nun und erhält a stock of points ...
Made of inchanted leather, um damit Leute zusammenbinden zu kön-
nen ; ferner die Gabe, Frauen, die mit Bettelmönchen ein Liebesver-
hältnis haben, und ebenso diesen selbst Schellen auf die Nase zu zau-
bern, und endlich die, Hahnreien Hörner auf die Stirn zu pflanzen.
<
Kleine Mitteilungen. 173
Nachdem Jack den Alten beim Abschied noch mit einem groat
beschenkt, sieht er in einer Scheuer ein Liebespaar, das er bindet,
und das nun in wenig anständiger Stellung nach seiner Pfeife tanzen
mufs: da die Herrin des Mädchens vom Wollekämmen dazukommt,
bindet er sie an der letzteren Kehrseite, die von ihrer Frau Krämpeln
blutig gerissen wird, während zugleich auf der Nase der Herrin eine
Schelle erklingt. Jack trennt die drei erst, nachdem sie sich in
schmutzigem Wasser arg zugerichtet haben. Aber die Schelle läutet
auf der Nase der Frau weiter : sie läuft zu ihrem Manne und fordert
ihn auf, sie an Jack zu rächen. Der Mann bringt nahezu zwanzig
Leute mit dem Polizisten an der Spitze zusammen, die Jack, da er
am Abend sein Vieh nach Hause treiben will, ergreifen und vor
einen Richter bringen. Da Jack dessen Aufforderung, sich zu ver-
antworten, mit Frechheit begegnet, soll er ausgepeitscht werden; er
zaubert aber sofort dem Richter und den Anklägern Hörner an den
P • The Justice had the largest pair,
Plac'd just above his hrow.
Dann bläst Jack seine Pfeife, und so drehen sich denn die gehörnten
Männer und die Frau mit der Schelle im Tanze, wobei die Hörner
allerlei Unheil anstiften. Der Lärm bringt des Richters Frau herbei,
die auch sofort eine Schelle auf die Nase bekommt und mittanzen
mufs. Jack begiebt sich nun auf die Strafse, und die anderen folgen
ihm nach und erhalten bald Zuwachs. Alle Frauen tragen Schellen
auf der Nase, alle Männer Hörner auf dem Kopfe, und Jack bindet
sie paarweise zusammen. Besonders schlimm geht es dem Richter:
...he bound his copper nose
Fast to his Lady's bum.
His hm-ns did any cow's ^ excel,
And her backside was bare;
Besides upon her^ snout a bell,
0 what a sight was there!
Then in the dance ^ immediately
1 shall! I shall! she cries,
With that her fundament let fly,
And blinded both his eyes.
* cows n 2 his aß ^ chanee ß
Endlich löst aber Jack den Zauber auf die Bitte des Richters. Er
bringt seine Kühe heim, und sein Vater freut sich über seine Streiche,
die bald eine Fortsetzung erfahren.
Nach dem Abendbrote schlendert nämlich Jack durch den Ort
und kommt so um Mitternacht in ein Kloster, in dessen Halle
174 Kleine Mitteilungen.
The matron he heheld
With the old Friar sleeping fast.
Dieser alte Mönch ist natürlich sein früherer Gegner. Da aber Jack
das Kloster weiter durchforscht,
he found eight and forty nuns
With friar s twenty four.
Between two nuns a Friar lay,
Twijiing like ivy round
Fach other's waist.
Sie müssen nun alle nach seiner Pfeife tanzen die ganze Nacht und
den ganzen folgenden Vormittag. Gegen Mittag aber führt sie Jack
auf die Strafse: die alte Nonne hockt dabei auf dem Rücken des alten
Mönches. Die Zuschauer nehmen natürlich an dem Tanze mit teil:
der KSchmied verbrennt dabei den Mönch mit einer glühenden Eisen-
stange, so dafs er die alte Nonne zur Erde wirft. Anderen geht es
nicht besser. So kommt der Zug auf den Marktplatz, wo einige
unter die Eier springen,
Making caudle of the same.
Hier mufs auch Jacks Stiefmutter mittanzen, und, da sie ihn voller
Wut ansieht, passiert ihr natürlich wieder etwas Menschliches. Jack
höhnt sie deshalb, und, da der alte Mönch sich ihrer annimmt,
schmückt er dessen Kopf mit Hörnern, worauf
The butcher's dog began to hark
Seeing a horned beast.
Mindestens vierzig Männer versieht er mit der gleichen Kopfzier. Da
der Mönch nicht aufhört, Jack zu bedrohen, führt dieser den ganzen
Zug in ein Dorngebüsch. Nun bitten ihn alle mit Einschlufs des
alten Mönches und seiner Stiefmutter, sie freizugeben, und sichern
ihm Straflosigkeit zu. So läfst er sie denn endlich gehen.
3.
Beide Teile sind mit Bildern versehen, die aber natürlich dem
Texte gegenüber nebensächlich sind. Die Hauptrolle aber spielen
die Bilder in einer Publikation, die Bolte unbekannt geblieben ist.
Ich kenne sie aus einem Exemplare des British Museum. Ihr Titel
lautet The Comical tricks of JACK the PIPER. \ London. Puhlish'd
as the Act directs July y^ 30"! 1772 \ hy H Roberts N 56 almost oppo-
site Great Turnstile Holborn \ and L Tomlinson N" 124 White Chapple \
6''f Piain P. Colour'd. Also einen halben Schilling kostete ein Exem-
plar mit einfarbigen Bildern, einen ganzen eines mit kolorierten. Das
Exemplar des British Museum gehört der ersteren Art an. Die Zahl
i
Kleine Mitteilungen. 175
der Bilder ist zwölf. Es liegen zunächst immer zwei übereinander,
von denen das obere in der Mitte zerschnitten ist, so dafs die Hälften
nach oben und nach unten hin umgelegt werden können : ein drittes
Bild ergiebt sich aber jedesmal aus der unteren Hälfte des oberen
und der oberen Hälfte des unteren. Auf dieses Umlegen der beiden
Teile des oberen Bildes beziehen sich die Ausdrücke turn down und
turn up in den Erläuterungen zu den Bildern VI, 2. VHI, 6. X, 6. XI, 5.
Die Erklärung jedes der zwölf Bilder besteht aus drei viermal
gehobenen Reimpaaren. Bei dem Abdruck habe ich die Interpunktion
beigefügt, die im Original vollständig fehlt, abgesehen davon, dafs
am Ende jedes sechsten Verses ein Punkt steht (auch statt des Frage-
zeichens V, G). Über sonstige Abweichungen geben die Fufsnoten
Auskunft.
1 'Twas in the north, as I've heard teil,
A Boy jwssess'd a Magic sj)ell :
Ä j)ipe it was which when he sounded
People of all sorts him sutrounded,
And, what is stränge, tho' no romance,
They all at once hegan to dance.
II Jack had a stepdame, not the best,
Who hy a fryar was caressd
And Jack, with grief of heart I teil ye,
Went often with an empty helly,
Which made him try, or fame's a lyar,
To humble hoth the dame S fryar.
III And now you see that JacJcs hegun
With the old fryar first his fun,
Who moves his legs with wondrous ease,
But yet it donH his fancy please.
A fryar thus to jump about,
You'll 1 say 2 is mighty odd, no doubt.
IV The amourous fryar S the dame
Now to each other own their flame,
White Jack conceal'd is but just by,
Observing all with laughing eye,
Determin'd eer His long to shew ^eni
The pretty tricks that he can do 'em.
V Jack by his skill in Conjuration
Ilas wrought the couple mu^h vexation:
A bell upon his stepdames nose
Does her loose condu^t all expose.
White horns adorn the fryar' s pate ;
And who can grumble at his fate ?
' Der Apostroph hier und XI, G nicht ganz sicher. ^ fay gedruckt.
176 Kleine Mitteilungen.
VI But there's more fun, the whole to crown,
You'll see if you have turn'd it down :
Ägain they dance it here and there;
The bell alarms the womans ear,
And 'tis in vain the fryar scorns
The hranching of his new got horns.
VII A house of Innoccnce and grace
You'd take to he this ancient place
Where virgin nuns & fryars dwell
Within the dark and lonely cell.
Perhaps you ask, 'hut is it so?'
Have patience, presently you'll know.
VIII Sly Jack, for mirth and frolick ripe,
In at the window plays his pipe,
That pipe — whoever hears its ^ strain
Front dancing never can refrain.
What husiness^ the next scene will shew,
Turn down, and you shall surely know.
IX Jack with some thongs of magic Leather
In pairs has ty'd the folks together,
Then dancing leads them to the mire,
A blooming nun & bald pate fryar,
White tinJding bells & lofty horns
Fach nun & fryar' s head adorns.
X But ah, poor Jack, unluxiky Made,
Is by some accident betray'd:
Before the Justice he must go
With Gonstables, a mighty show.
Yet he has got a irick in störe:
If you turn up you will see more.
XI His pipe young Jack will try again.
And treat the Justice with a strain,
Who cocks his ears as does his wife,
Without a thought of any strife.
But turn it down, & then, my friend,
You'll find the tricks are at an end.
XII Alike they all begin to prance,
The justice, wife, and daughter dance.
White Jack '^ proceeds as heretofore,
And leads the dancers out of door.
The horns of justice (mark the j est)
Are more extensive then the rest.
^ it. Schwerlich haben wir es hier mit einer Altertümlichkeit zu
thun. ^ buisness. ^ jack.
Kleine Mitteilungen. 177
Offenbar beruhen die Comical Tricks auf der Ballade, und zwar
vorzugsweise auf deren zweitem Teile, obwohl sie ihr nicht sklavisch
folgen, wie schon die Vergleichung mit der Inhaltsangabe unter
Nr. 2 ergiebt. Es mögen sich hier noch einige Bemerkungen an-
schliefsen. I, 1 in the north) vgl. Ball. I, S. 2 in Lmicashire. —
2 a Magic spell. Wie Jack dazu gelangt ist, sagen die Comical tricks
nicht. — II, 2 Who hy a fryar was cai'essd (s. auch IV, 1. 2); vgl.
Ball. I, S. 5 Thought she I can the (my y) Friar kiss, When ( White y)
Jack is imth his cows. Die älteren Versionen haben nichts Der-
artiges. — 5 Which made him try ... To humhle hoth the dame and
fryar. In der Ballade, wie in den älteren Darstellungen, kommt es
zur Bestrafung der Stiefmutter und gar des Mönches ganz zufällig.
— III, 2 t}is old fryar; diese Bezeichnung erscheint öfter in Ball. II,
sonst aber nicht. — V, 3 ^ bell upon his stepdames nose (vgl. VI, 3);
hiervon sagt Ball. II, 22 nichts. — 5 White horns adorn the fryar' s
pate; s. Ball. II, 23 Jack grafted by his cunning art (spell a) Large
horns upon his head. — VII; vgl. Ball. II, 17 f. — VIII, 2 In at
the mindow ; nach Ball. II, 18 befindet sich Jack in dem Kloster,
da er auf seiner Pfeife zu spielen anfängt: Up stairs immediately
he goes, Searching the house all o'er. — IX ist etwas, was Ball. II, 7 ff.
von dem Liebespaar und der Herrin des Mädchens und zum Teil
auch S. 15 von dem Richter und seinen Unglücksgenossen erzählt,
auf die Mönche und Nonnen übertragen. — 3 leads them to the 7nire;
vgl. Ball. II, 9 Quite thro' a dirty miry slough und Thro' all the
stinking water. — 5 tinkling bells; vgl. Ball. II, 20 Then Jack by
virtue of a spell, White they did skip about, Did fix a curious ringing
bell To every woman's (s fehlt «) snout. Aber Hörner erhält Ball. II
von den Mönchen kein anderer, als der aus dem ersten Teil; vgl.
oben zu V, 3 und S. 174. — X, 2 by some aecident; so drückt sich
der Verfasser der Verse wohl nur der Kürze wegen aus. In Ball. II
schliefst sich die Anklage vor dem Richter nicht an den Streich an,
den Jack den Nonnen und Mönchen spielt, sondern an den, dem
das Liebespaar und die Herrin des Mädchens zum Opfer fällt. —
4 With Constables; Ball. II, 11 ist nur von einem die Rede: The
constable with his long staff, Did sieze (seize ß) wpon him first. — -
XII, 2 daughter; nicht in Ball. II. — 5. 6; vgl. die oben S. 173 aus
Ball. II angeführte Stelle.
Berlin. J. Zupitza.
Archiv f. n. Sprachen. XCV. \2
Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Goethe. Von Richard M. Meyer. Preisgekrönte Arbeit. Berlin,
Ernst Hofmann & Co., 1895. Geisteshelden (Führende Gei-
ster). Eine Sammlung von Biographien. Herausgegeben von
Dr. Anton Bettelheim. Dreizehnter bis fünfzehnter Band
(der HI. Sammlung erster bis dritter Band). XXXI u.
628 S. 8. M. 7,20.
Goethes Leben und Werke. Mit besonderer Rücksicht auf Goethes
Bedeutung für die Gegenwart. Von Eugen Wolff. Kiel u.
Leipzig, Lipsius & Tischer, 1895. 380 S. 8. M. 5.
Bekanntlich hatte die Verlagsbuchhandlung der 'Führenden Geister'
einen ansehnlichen Preis für die beste Goethebiographie ausgeschrieben,
obwohl von verschiedenen Seiten Zweifel an der Möglichkeit einer zu-
sammenfassenden Betrachtung von Goethes Leben und Wirken gerade
im jetzigen Augenblicke nicht unterdrückt wurden. Die Zweifler behielten
recht; trotz einer lockenden Summe und der noch lockenderen Krönung
in einem beachtenswerten Wettkampfe wurden nur drei Manuskripte ein-
gereicht, von denen eines mit dem Preise bedacht, aber erst nach einer
kürzenden Überarbeitung dem Druck übergeben wurde. Sie übertrifft
den von der Preisausschreibung gestatteten Umfang noch immer fast um
das Doppelte! Gleichzeitig erschien eine andere populäre Darstellung,
von der man fast annehmen möchte, dafs sie auch um den Preis mit-
gerungen habe. Ist diese Vermutung richtig, dann wird jeder Leser das
Urteil des Preisrichterkollegiums billigen. Denn R. M. Meyers und Eugen
Wolffs Arbeiten unterscheiden sich durchaus zum Vorteile Meyers. Ihn
leitet eine klare Gesamtauffassung seines Helden und befähigt ihn, ein
einheitliches Porträt zu entwerfen. Wolffs Goethe gleicht einem Mosaik-
werk, das aus kleinen Steinchen von hier und dorther zusammengetragen
wird. Könnte man Meyer mit einem Goetheschen Ausdruck einen Skiz-
zisten nennen, Wolff ist ein Punktierer, der trocken und reizlos die wis-
senswertesten Einzelheiten aus Goethes Leben aufzählt. Was er vorbringt,
ist richtig, aber kurzatmig; immer von neuem setzt der Verfasser an,
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 179
springt unruhig von einem zum anderen und läfst gerade das vermissen,
was Goethe so hoch hielt, die schöne Abrundung und den künstlerischen
Stil. Seine Charakteristik geht nirgendwo in die Tiefe, begnügt sich meist
mit dem Abdruck einzelner Citate. Die Personen leben ihm nicht, man
mufs sie schon genau kennen, um sie in seiner flüchtigen Erwähnung zu
erkennen. Die Goetheschen Werke werden kurz, aber im ganzen ausrei-
chend geschildert, wobei WolfF von dem Gedanken geleitet ist, aufzuzei-
gen, was an ihnen entwickelungsfähig, zukunftsbedeutend sein dürfte.
Hierin sehe ich den Hauptvorzug seiner Darstellung; Goethe als der
Führer des nächsten Jahrhunderts, Goethe als der Dichter seiner Enkel,
das ist WolfFs Thema. Freilich stimmt manches nicht ganz mit den That-
sachen. Wenn Wolff glaubt, erst unser Geschlecht sei reif geworden für
das Verständnis Goethes, erst am zwanzigsten Jahrhundert würden wir
das Jahrhundert Goethes haben, und dann doch bezeugen mufs, das
jüngste Deutschland wolle nur den jungen Goethe gelten lassen, so liegt
darin ein Widerspruch, der nicht zu lösen ist. Bekanntlich wird von der
jüngsten Richtung die Losung ausgegeben, es sei schade, dafs Goethe
nicht im Jahre 1775 erschlagen worden sei. Und für dieses Geschlecht
soll ein Goethe gedichtet haben? Dieses Geschlecht soll ihn besser ver-
stehen als jene kleine 'stille Gemeinde', die mit so wenig Lärm und so
viel inniger Versenkung sich an Goethe erbaute? Das will trotz Wolffs
Ausführungen nicht einleuchten.
Wichtig aber sind seine Andeutungen, wie klar Goethe die Fragen er-
kannt habe, deren Lösung dem folgenden Jahrhundert übrig bleibe. Da-
durch leistet Wolff mehr als durch das flüchtige, kaum den allgemeinsten
Umrifs gebende neunte Kapitel: 'Goethe in der Nachwelt.' Hier kommt
er über Zufälliges nicht hinaus, weil er zu viel geben will; er möchte
gern als der echte 'moderne Mensch' erscheinen, fügt darum ein paar
Worte über Moltkes und Bismarcks verschiedenes Verhältnis zu Goethe
ein, tupft hier und tupft dort etwas an, was er zufällig aufgelesen hat,
und hinterläfst dadurch den Eindruck des Flüchtigen und Unwissenschaft-
lichen. Die gelegentliche Hereinzerrung des Allerneuesten verstärkt diesen
Eindruck noch, weil sie in keinem Verhältnisse zu der Kürze der Haupt-
sachen steht. So wirft Wolff S. 235 die Bemerkung hin: 'In Ibsens
"Nora" könnte man ein schroffes Gegenstück zu den "Wahlverwandt-
schaften" sehen.' Was soll das heifsen? Wem soll mit einer solchen An-
spielung gedient sein? Und weshalb 'könnte'? Wenn man bedenkt, dafs
in dieser Biographie von Goethes Begegnung mit Napoleon nicht die Rede
ist, so fällt eine solche Andeutung doppelt ins Gewicht. S. 241 wird der
angebliche 'Waffensegen' erzählt, den Goethe über das Freicorps gespro-
chen haben soll, trotzdem berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Nach-
richt vorgebracht wurden. Aus solchen Kleinigkeiten ersieht man, dafs
Wolff sein Buch nicht wohl überlegt hat, um nun genau zu wissen, wo
er sich fest zusammenfassen mufs, wo er dagegen breiter werden darf,
dafs er vielmehr eilig das Ganze zusammen raff'te oder aus einem Kollegien -
heft überarbeitete. Sein Buch ähnelt am ehesten dem Düntzerschen, von
12*
18Ö Beurteilungen und kurze Anzeigen.
dem es aber durch den Reichtum der Thatsachen und die übersichtliche
chronikalische Form weit übertrofFen wird.
R. M. Meyer dagegen sucht in seiner geschmackvollen Darstellung
vor allem das schönste Kunstwerk zu verstehen, das Goethe hervorbrachte:
sein Leben. Diesem Zwecke seines Werkes ordnet er alles unter, hat sich
aber jenen Standpunkt entgehen lassen, der für Goethes Biographie die
Gesamtübersicht erleichtert und von Meyer selbst im Anfang geahnt wird.
Mich will bedünken, dafs bei Goethe jene Mischung, deren er in den be-
kannten, vielcitierten Versen gedenkt :
Vom Vater hab ich die Statur,
Des Lebens ernstes Führen,
Von Mütterchen die Frohnatur
Und Lust zu fabulieren,
im ganzen Leben zu bemerken ist; die beiden hier klar bezeichneten
Geistesanlagen, das Streben nach Ordnung einerseits, die Lust an der
Phantasiethätigkeit andererseits, haben es Goethe möglich gemacht, in jeder
Epoche seines Lebens zur Harmonie durchzudringen. Ein Biograph könnte
dies zum Faden nehmen, an dem er die Einzelheiten des reichen, in der
Darstellung so leicht zerflatternden Lebens aufreihte. Aber Meyer ist es
gelungen, uns einen Eindruck des Reichtums zu gewähren; er giebt in
grofsen Umrissen, so sehr in einer breit angelegten Skizze Biographie und
Kritik, dafs er z. B. Goethes Geburtstag und -jähr nicht einmal nennt,
was bei einer Biographie immerhin merkwürdig ist. Man fühlt bald, dafs
Meyer sich liebevoll in Goethes Lebenswerk versenkt, das Ganze wie das
Einzelne wohl überlegt hat; er greift aus der Fülle des auf ihn eindrin-
genden Stoffes meist mit Geschick und Geschmack das Wichtigste heraus,
um ein richtiges Verhältnis der Einzelheiten untereinander und zum
Ganzen zu gewinnen. Er hütet sich vor der Einseitigkeit und steht Goethe
keineswegs als bedingungsloser Anbeter gegenüber. Anders als Herman
Grimm stellt er Goethe in den Mittelpunkt, es bleibt genug Licht auch
für die Freunde neben Goethe. Man könnte von der Malerei den Ver-
gleich herholen, um den Unterschied zwischen dem 'Goethe' von Grimm
und dem 'Goethe' von Meyer auszudrücken, und sagen, bei Grimm haben
wir die künstliche Atelierbeleuchtung, bei Meyer Plein-air. Darum ist
meinem Gefühl nach das glänzendste Kapitel Meyers seine Kontrastierung
und Vergleichung von Goethe und Schiller, gerade jene Partie, die seiner
Zeit in Grimms 'Vorlesungen' manchem als ungerecht gegen Schiller er-
schienen ist. Wenn Meyer dem Zusammenleben Goethes und Schillers
das Nicht- Verhältnis Hebbels und Grillparzers in Wien gegenüberstellt,
so dünkt mich dies wenig glücklich angeführt, denn hier waren die Per-
sönlichkeiten eben grundverschieden, und Grillparzer als Mensch mufs
damals genau so ungeniefsbar wie Hebbel schwer zu behandeln gewesen
sein. Man könnte so einzelne Kleinigkeiten herausgreifen, die vielleicht
geändert werden sollten, einige nicht gerade glückliche Bilder (so S. 4.S)
oder Anspielungen, z. B. die Erwähnung des Käthchens von Heilbronn
(S. 22), kleine Widersprüche wie jenen zwischen den Seiten 122 und 152 f.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 181
über Goethes landschaftliche Vorliebe, Übertreibungen gleich jener auf
S. 395 über die neueren Romanschriftsteller, Erläuterungen nach Art der
recht merkwürdigen (S. 397), die uns Mittler in den Wahlverwandtschaf-
ten verstehen lehren will, indem sie ihn mit Gregor Werle in Ibsens
'Wildente' vergleicht, als ob uns das Drama des Norwegers bekannter wäre
als der Roman unseres gröfsten deutschen Dichters, hier und da einen
gezierten Ausdruck; doch neben der Gesamtleistung sind das unbedeu-
tende Mängel der letzten Redaktion, die bei einer neuen Auflage ver-
schwinden werden.
Meyer setzt die Kenntnis der Goetheschen Werke voraus, sucht ihnen
nur den richtigen Platz in der Entwickelung des Dichters anzuweisen und
ihr Verständnis zu fördern. Dabei gelingen ihm manche Partien ganz
ausnehmend, ich möchte vor allem den Vergleich von Hermann und
Dorothea mit Werthers Leiden (S. 276) hervorheben, dann S. 268 die
Deutung des 'Märchens', auch einzelne Teile in der Analyse des Faust
(bes. S. 344). Prächtig sind die Kapitel, die Goethes wissenschaftlicher
Thätigkeit gewidmet sind; hier wird mancher Gebildete wohl ganz neuen
Aufschlufs erhalten. Sie beweisen, wie das ganze Werk, dafs Meyer von
Goethe eine 'anschauende Erkenntnis' hat, dafs er sich bemüht hat, vor
allem die 'Persönlichkeit' Goethes zu erfassen und darzustellen. Trotz
aller Ausführlichkeit konnte vieles nur gestreift werden ; vielleicht hätte
noch einiger wissenschaftlicher Ballast, besonders mancherlei Erwähnun-
gen neuerer Forscher über Bord geworfen werden können, da wir in dieser
Biographie kein Werk für den Fachmann, sondern für die gröfsere Ge-
meinde der Goetheverehrer besitzen sollen. Der Fachmann holt sich aus
dem Ganzen das Neue schon heraus. So erscheint mir der Hinweis neu,
nach dem 'ürfaust' müsse man auf Goethes Absicht schliefsen, dafs Faust
vom Teufel geholt werde, also wie im Volksschauspiel der Hölle verfalle.
Da dürfte jedoch Meyer das vorhandene Material zu sehr pressen und
allzu vorschnell ein luftiges Gebäude errichten. Mancherlei noch nicht
ganz Spruchreifes ist mit allzu grofser Sicherheit vorgetragen, doch dürfte
dies kaum viel stören.
Wer ein wirkliches Porträt Goethes erhalten will, der kann getrost
zu Meyers Biographie greifen; ist sie auch noch nicht die abschliefsende
Biographie, so hat sie es doch so weit gebracht, als dies gegenwärtig mög-
lich ist, und verdiente darum vollauf den ausgeschriebenen Preis.
Lemberg. R. M. Werner.
Henri de Kleist. Sa Vie et ses CEuvres par Raymond Bonafous,
Docteur ^s-lettres. Paris^ Librairie Hachette et C'^, 1894.
XI, 424 S. gr. 8.
Die Zeiten sind lange vorüber, da Heine über die geringe Kenntnis
der deutschen Litteratur bei den Franzosen klagen konnte und ihr durch
sein Buch über die romantische Schule entgegenzuarbeiten suchte. Aus-
führliche, zum Teil sogar ausgezeichnete Monographien über deutsche
182 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Dichter, wie über ganze Epochen der deutschen Litteratur haben Fran-
zosen geschaffen, sich dabei durchaus vertraut gezeigt mit den Kesul-
taten der deutschen Untersuchungen und befähigt, in den Geist der deut-
schen Werke einzudringen. Diesen Arbeiten reiht sich das vorliegende
umfangreiche Buch über Kleist an, dessen solide und elegante Ausstat-
tung besonders hervorgehoben werden mufs.
Sein innerer Wert besteht in einer geschickten Wiedergabe des von
anderen Erforschten, nicht in eigener neuer Forschung. Sorgsam ist der
Stoff zusammengetragen und in zwei Teilen verarbeitet, so dafs La Vie
und Les CEuvres auseinandergerissen wurden, was man vielleicht aus der
Rücksicht auf das Publikum des Verfassers erklären kann, obwohl es
mancherlei nicht eben angenehme Wiederholungen herbeiführt. Auffallen
mufs die überaus breite Darstellung, die zudem etwas schematisch ist;
vor allem im zweiten Teil immer die gleiche Reihenfolge : eine allgemeine
und eine besondere Einleitung, die ausführliche Inhaltsangabe, die Analyse
des Stoffes und der Personen, Ästhetisches und Sprachliches, endlich eine
abschliefsende Formel. Das Schematische geht so weit, dafs Bonafous
die Inhaltsangabe dreimal mit denselben Worten beginnt: Au moment oit
la toile se leve, ... (S. 180, 203 und 270). Der Verfasser folgt im wesent-
lichen den Ansichten und Ausführungen Brahms und Zollings, nur giebt
er für seine mit den Quellen nicht vertrauten Leser die Belegstellen und
bemüht sich, auf diesem Wege die genauere Kenntnis des Menschen und
des Dichters zu vermitteln. Er citiert seine Gewährsmänner, führt die
Ansichten seiner Vorgänger an, um ihnen beizustimmen oder entgegen-
zutreten, immer bescheiden, immer geschmackvoll; aber das Ganze ruft
doch den Eindruck hervor, als bekäme man Variationen über ein ge-
gebenes Thema, wie man in der Musik sagen würde. Sehr häufig sieht
man nicht recht ein, wozu manches gesagt wird, und zumal die Kapitel-
anfänge erregen Bedenken.
Kommt Kleist nach Berlin, so entwirft Bonafous ein Bild der gei-
stigen Atmosphäre in dieser Stadt, spricht von Nicolai und den alternden
Vertretern der Aufklärung (dieses Wort immer deutsch gebraucht), von
den jüdischen Salons, in denen die Romantik grofs wurde, er beruft sich
auf Haym — alles ist richtig, aber wozu steht es da, wenn der Verfasser
selbst sagen mufs, dafs bei Kleist damals noch kein Einflufs dieses milieii
zu bemerken war. Da Kleist nach Paris zieht, angeblich um die Natur-
wissenschaften zu studieren, orientiert uns Bonafous über den damaligen
Stand der französischen Naturwissenschaft, trotzdem Kleist seine Absicht
nicht ausführte und sich um die liebe Wissenschaft gar nicht kümmerte.
Das Urteil, das Kleist über Paris und die Pariser fällt, wird Anlafs, ein
paar Notizen über das Verhältnis anderer deutscher Schriftsteller in der
damaligen Zeit anzubringen. Bei Kleists Eintritt in Weimar erhält der
Leser eine Geschichte dieses Musenhofes und seiner allmählichen Bildung;
beim Erscheinen des 'Phöbus' einige Bemerkungen über die damals neu
erscheinenden deutschen Zeitschriften. Auch im zweiten Teil ist es nicht
anders. Gleich zu Beginn wird recht obenhin die Situation im deutschen
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 183
Drama dargelegt, in die Kleist mit seiner 'Familie Schroffen stein' eintrat,
ja, der Eiuflufs Shaksperes auf das Drama des 'Sturms und Drangs' wird
sogar zweimal ausgeführt, ohne dafs man den Nutzen einsähe. Auch die
zweimalige Aufzählung der 'Schicksalstragödien' hat nicht viel zu bedeu-
ten. Bei der 'Hermanusschlacht' wird die erwachende patriotische Litte-
ratur hauptsächlich der Befreiungskriege behandelt, die viel näher liegen-
den österreichischen Dichter, die doch vorangingen, sind dagegen nicht
erwähnt, trotzdem Kleist mit Collin in Verbindung stand, den Erzherzog
Karl besang und selbst in österreichische Dienste treten wollte. Der 'Zer-
brochene Krug' giebt Bonafous Gelegenheit zu einer flüchtigen Skizze des
damaligen deutschen Lustspiels, wobei aber 'Wallensteins Lager' gar nicht
genannt ist. Die Bearbeitung des 'Amphitryon' wird durch einen Über-
blick über die Bedeutung des Französischen von Opitz bis Friedrich d. Gr.
eingeleitet. Die 'Novellen' können nicht besprochen werden, ohne dafs uns
einiges über den deutschen Roman, über die Novellen jener Zeit, ja eine
Erläuterung des Unterschiedes zwischen Roman und Novelle aufgetischt
wird. Die Weisheit stammt meist aus zweiter Hand und gereicht den
Kapiteln nur wenig zur Zierde.
Dieser Flüchtigkeit in den allgemeinen Teilen steht dann die Gründ-
lichkeit im eigentlichen Thema ziemlich unvermittelt gegenüber, obwohl
man anerkennen mufs, dafs sich Bonafous eifrig um ein richtiges Ver-
ständnis Kleists bemüht hat. Einiges überrascht durch die Objektivität
des Verfassers. Mit offenem Auge, ja, mit innerem Anteil versteht er die
nationale Erhebung Deutschlands gegen Napoleon und Kleists Franzosen-
hafs. Mit Gerechtigkeit beurteilt er die Vorzüge von Kleists 'Amphitryon'
gegenüber dem Original, den preufsischen Patriotismus im 'Prinzen von
Homburg' und im 'Michel Kohlhaas'. Geschickt verfolgt er aus Anlafs
der Würzburger Reise das erwachende Naturgefühl bei Kleist und legt es
an der Hand des Briefwechsels durch gut gewählte Beispiele dar. Die
ersten poetischen Regungen Kleists führt er, ohne sie zu besprechen, auf
ihre Veranlassung zurück, auf das erwachte Naturgefühl und auf die ge-
änderte Ansicht über die Liebe. Bonafous hat Sinn für den besonderen
Reiz in Kleists 'Zerbrochenem Krug', wie in den ersten Novellen. Die
ästhetischen Ansichten verraten Geschmack; es zeigt sich die Gabe, einem
mit dem Gegenstande nicht vertrauten Publikum allmählich ein Bild des
Dichters zu entwerfen und endlich in der Conclusion zusammenzufassen.
Drei Ursachen entdeckt Bonafous für die Entwickelung Kleists: Ent-
täuschung seines Ehrgeizes, Geldverlegenheiten und patriotisches Gefühl.
Im dichterischen Schaffen scheint ihm Kleist nach drei Methoden zu ver-
fahren: seine Helden habe Kleist nach seinem eigenen Bilde gestaltet,
seine Heldinnen nach seinen Träumen, seine Nebenpersonen nach seinen
Beobachtungen. Der Schlufssatz kommt zu dem Resultate : Doue de qua-
lites superieures, il a reve de conquerir la pre7niere place. Cette pre?mere
place, il ne l'a ohtenue que yarmi les genies de second ordre.
Bonafous ist an keiner Schwierigkeit vorübergegangen, er hat mit
grofsem Eifer die ganze Litteratur über Kleist ausgenutzt, nur ist er
184 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
darin vielleicht oft zu weit gegangen, manches erscheint entbehrlich,
aber der Verfasser glaubte wohl die Gründlichkeit seiner Kenntnisse er-
weisen zu müssen. Wenn man sein Buch mit der Preisschrift Brahms
oder mit Wilbrandts schönem Werke vergleicht, dann möchte man glau-
ben, der Verfasser sei ein deutscher Doktorand, Brahm und Wilbrandt
aber in die Schule der grofsen französischen Schriftsteller gegangen. Von
Zolling unterscheidet ihn hauptsächlich, dafs er sich mehr als für das
äufsere für das innere Wesen des Dichters und seiner Werke interessiert.
Einzelnes ist ihm ganz besonders gelungen : wie hübsch begründet er z. B.
die Todesfurcht des Prinzen von Homburg, wobei freilich eine leise iro-
nische Wendung nicht fehlt: Ajoutons qu'en outre, si Kleist n'avait pas
fait de Hombourg un malade, il aurait pu et du supprimer cette terreur de
la mort qui s'expliqiie, nous l'avons dit, avec le caractere de Hombourg,
mais qui risque d' am^oindrir le personnage. Les officiers prussiens de notre
siede n'auraient pas eu ä se plaindre, et la these eüt ete plus franchement
soutenue. Wie feinsinnig entwickelt er die Art von Kleists Amphitryon-
bearbeitung! Dieses Kapitel halte ich neben der Gonclusion für die beste
Partie des Werkes.
Einzelne Wendungen kann man nicht gelten lassen; vor allem ist
die Parallele der 'Hermannsschlacht' mit den damaligen 'aktuellen' Zu-
ständen in Deutschland zu sehr geprefst. Wenn Bonafous S. 290 Anm.
sagt: Nous avouons surtout ne pas com/prendre V emotion d' Hermann en
presence de la confusion de sa femme lorsqu'il lui a revele la perßdie de
Ventidius, so hat er sich wohl nicht vor Augen gehalten, dafs Hermann
sein 'Thuschen' innig liebt, dafs es ihn daher schmerzen mufs, ihr Leid
zuzufügen, dafs er aber seinen Hafs gegen die Fremden nun auch seiner
Gattin einflöfst und darum gerührt sein mufs. * Wenn S. 99 für das Jahr
1802 vom grand-duehe de Weimar gesprochen wird, wenn es S. 101 heifst:
La connaissanee de Schiller avait renouveU en lui (Ooßthe) le besoin de
produire. II avait aeheve en 1796 son roman philosophique de Wilhelm
Meister . . ., oder wenn wir S. 140, Anm. 1 lesen : La lettre est produite
dans L'Enfant trouve d'Hofftnann de Fallersleben, womit natürlich die
'Findlinge' gemeint sind, so hat das nicht viel zu bedeuten, ebensowenig,
dafs ich bei Bonafous jedesmal Kichard Maria Wagner heifse. Bedenk-
licher ist die Parallelenjagd, die sich der Verfasser zweimal zu schulden
kommen läfst. So vergleicht er mit den Worten Johanns zu Agnes (II, 3
der 'Familie Schroffenstein', Hempel I, S. 38):
icli liebe dich —
Ach, lieben! Ich vergöttre dich!
den Vers aus Eacines 'Britanniens' (II, 3, V. 384): J'aime (qui dis-je
aimer?) j'idoldtre Junie, und glaubt daraus schliefsen zu dürfen, qu^ Kleist
^ Die Phrase 'Wie rührst du mich' wird in Bonafous' Übersetzung Comme tu
me touches abgeschwächt. Auch S. 308 ist die Stelle des 'Prinzen von Homburg':
'Den Sieg nicht mag ich, der ein Kind des Zufalls Mir von der Bank fällt . . .'
durch die Übertragung um ihren starken Nebensinn gekommen, wenn es heifst:
Je na tien pas ä une victoire qui, fille du hasard, me tonibe des nues.
Beurteiluugen und kurze Anzeigen. 185
ne se bornait pas ä la hcturc des tragiques anglais et allemands. Wenn
wir nicht wülsteu, dafs sich Kleist mit der französischen Litteratur be-
schäftigt hatte, diese Wendung könnte nichts beweisen, denn eine solche
Steigerung liegt zu nahe; so sagt z. B. Wieland im 'Agathon' (1773, II,
S. 175): 'Das Volk, welches mich vorhin geliebt hatte, fing nun an,
mich zu vergöttern. Der Ausdruck, den ich hier gebrauche, ist nicht
zu stark.' S. 346 behauptet dann Bonafous : Nous avons signaU dans Les
Schroffenstein une Imitation evidente de Racine, und führt eine andere
im 'Amphitryon' (III, 8, Hempel I, S. 259) an:
Wer den Vögeln
Im Himmel Speisung reicht, wird auch, so denk ich
Den aheu ehrlichen Sosias speisen
soll durch den Vers der Athalie (II, 7) veranlafst sein:
Aux petiU des oiseaux il donne leiir pdture,
Et sa bonte s'etend sur toule la nature.
Es liegt aber viel näher, an die Bibel zu denken, wo es bei Matth. 6, 26
bekanntlich heifst: 'Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht,
sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himm-
lischer Vater nähret sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr, denn sie?'
(vgl. Luc. 12, 24). Racine und Kleist haben aus dieser gemeinsamen
Quelle geschöpft.
Von Einzelheiten sei noch erwähnt, dafs Bonafous die 'Familie
Schroffenstein' ausführlich mit 'Romeo und Julie' vergleicht, um zu zei-
gen, Kleist habe es verstanden, mit einem Stoffe, der stark an jenen Skak-
speres erinnert, ein Original, keine Kopie, zu schaffen. Für die 'Penthe-
silea' weist der Verfasser noch Quintus von Smyrna als wahrscheinliche
Quelle nach und zieht Episoden aus dem Orlando, furioso und der Gerusa-
lemme liberata zum Vergleich herbei. Im 'Käthchen von Heilbronn', das
er gut bespricht (nur hätte sich wenigstens ein Hinweis auf das Ritter-
schauspiel empfohlen), deckt der Verfasser (S. 247, Anm. 2) den Wider-
spruch auf, dafs Hatto das eine Mal (III, 1, Hempel III, S. 47) Prior
der frommen Augustinermönche heifst, während er das nächste Mal (III, 4,
S. 52) Dominikanerprior ist. Einen anderen Widerspruch, der meiner An-
sicht nach für Wilbrandt und gegen Zolling (I, S. 60) wie Bonafous (S. 195)
entscheidet, finde ich im letzten Akte der 'Familie Schroffenstein'.
Rupert hält bekanntlich den verkleideten Ottokar für Agnes und er-
sticht ihn (V, 1). Ottokar fällt ohne Laut zusammen.
Rupert (betrachtet starr die Leiche).
Santing! Santing! — Ich glaube, sie ist tot.
S a n t i n g.
Die Schlange hat ein zähes Leben. Doch
Beschwör' ich's fast. Das Schwert steckt ihr im Busen.
Nach dem weiteren Gespräch findet sich die Bühnenanweisung für Rupert
'Er zieht das Schwert aus dem Busen Ottokars' (Hempel I, S. 91). Nun
186 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
kehrt Agnes in die Höhle zurück und ruft ihren Ottokar, der sich mit
matter Stimme meldet; da sagt Agnes (S. P2):
Wo bist du? — Ein Scliwert — im Busen — Heiland!
Man könnte Schwert als Synekdoche fassen, sogar in den Worten (S. 93)
des hinzutretenden Sylvester, der gleichfalls Ottokar für Agnes hält:
Ein Schwert im Busen meiner Agnes!
Nun erscheint aber der blinde Sylvius und sagt, 'indem er die Leiche
betastet' (S. 96):
Ein Schwert — im Busen — einer Leiche —
80 dafs kein Zweifel übrig bleibt: das Schwert Kuperts, das er S. 91 der
Leiche aus dem Busen gezogen hat, steckt doch noch drinnen. Kann
man auch hier die Hast bei der Abfassung des Werkes als Erklärung
gelten lassen, wie Bonafous bei den Anachronismen der 'Hermanns-
schlacht' ?
Den 'Zerbrochenen Krug' betrachtet unser Verfasser nicht als eine
comedie, sondern nur als eine farce, was ihn an voller Schätzung nicht
hindert. Am wenigsten befreunden kann er sich mit den späteren No-
vellen, besonders dem 'Michel Kohlhaas'; er stöfst sich auch an der
sprachlichen Manier in diesen Arbeiten.
Das Urteil über die neue Kleist-Biographie läfst sich in die Worte
zusammenfassen: solid, aber breit und trocken, verläfslich, aber reizlos
und darum vielleicht wenig geeignet, für Kleist in Frankreich Stimmung
zu machen, in jedem Falle der willkommene Beweis eines lebhaften Inter-
esses für einen deutschen Dichter bei einem gelehrten Franzosen.
Lemberg. Richard Maria Werner.
F. Lindner, Henry Fieldings Dramatische Werke. Litterarische
Studie. Leipzig u. Dresden, C. A. Kochs Verlagsbuchhand-
hing, 1895. 185 S. kl. 8.
Am ausführlichsten hat bisher Frederick Lawrence {The Mfe of Henry
Fielding ; with Notices of his Writings, his Ti^nes, and his Contemporaries,
London 1855) auch über die dramatischen Werke Fieldings gehandelt.
Die Biographie Fieldings von H. F. Dobson (in English Men of Letters,
London 1883) hat Lindner leider nicht benutzen können. Nicht unbe-
rücksichtigt hat Lindner natürlich den Aufsatz von F. Bobertag gelassen:
'Zur Charakteristik Henry Fieldings' (Engl. Stud. I, 317 ff.). In Deutsch-
land waren bisher Fieldings Dramen fast unbekannt. Lindner citiert
nach der in London 1783 in 12 Bänden erschienenen Sammlung der wich-
tigsten Werke Fieldings, da ihm die Quartausgabe von 1762 nicht zu-
gänglich war. Die Dramen sind in den ersten 4 Bänden enthalten, und
zwar giebt Liudner S. 8 — 156 eine genaue Analyse und Kritik jedes ein-
zelnen Stückes in der Reihenfolge, wie sie sich in der Ausgabe vorfinden :
1. Love in Several Masques (1727). 2. The Temple Beau (1729). 3. The
Author's Farce (1729). 4. The Lottery (1731). 5. T}ie Coffee-House Poli-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 187
tician; or The Justice Caught in his own Trap (nach Lawrence 1730).
6. The Trafjedy of Tragedies or, the Life and Deatk of Tom Thumh the Great
(1730). 7. The Letter -Writers : or, a New Way to keep a Wife at Home
(1731). 8. The Grubstreet Opera (nach Lawrence 1731). 9. The Moder??
Hushand (1731). 10. The Mock Doctor: or, The Dumb Lady Oiir'd (1732).
11. The Covent- Garden Tragedy (1732). 12. The DehaucJiees: or, the Jesuit
Caught (1732). 13. The Miser (1732). 14. The Intriguing Ghambermaid
(1733). 15. Don Quixote in England (1733). 16. An Cid Man taught Wis-
dorn: or, the Virgin Unmasked (1734). 17. Tlie Universal Gallant: or, The
r>ifferent Husbands (1734). 18. Pasquin, A Dramatick Satire on the Times
(1736). 19. The Historical Register, For the Year 1736 (1737). 20. Eury-
dice (1737). 21. Eurydice Hiss'd: or, A Word to the Wise (nach I^awrence
1737). 22. Tumble-Domi Dick: or, Phaeton in the Suds (1744 nach der
Ausgabe, Lawrence richtiger 1737). 23. Miss lAicy in Tovm (bald nach
1740). 24. The Wedding Day (1742 oder 1743). 25. The Fathers: or, The
Good-natured Man (ßrst printed in 1778). Hinzu kommt noch ein Vor-
spiel und einige unbedeutende Farcen. Lindner nimmt in den Anmer-
kungen immer auf die Urteile der Zeitgenossen Rücksicht; ebenso wird
stets auf Analogien bei Moli^re und anderen französischen Lustspieldich-
tern hingewiesen. Von vornherein bemüht sich der Verfasser mit bestem
Erfolg, nachzuweisen, dafs wir Fieldings Lustspiele als eine Vorübung
zu seinen Romanen betrachten müssen, und dafs sich aus seinen Komödien
heraus die Principien entwickelten, welche er seinen Romanen zu Grunde
legte. Die steten Hinweise auf die Romane, besonders auf Tom Jones
und Joseph Andreivs, erleichtern das Verständnis dieses Zusammenhangs
ungemein. Bei den wichtigeren Stücken verweilt Lindner entsprechend
länger und giebt ausführlichere Anmerkungen. Sehr lehrreich ist die
Analyse der Tragedy of Tragedies, eines der besten Stücke Fieldings.
Fielding verspottet hier hauptsächlich Drydens in seinen Nachfolgern noch
fortlebende Manier, und das Stück ist in diesem Sinne eine Art Fort-
setzung des bekannten Rehearsal George Villiers Duke of Buckinghams,
Butlers, Sprats, Cliffords u. a., dessen Bedeutung Döhler (Anglia X, 38
bis 75) dargelegt hat. Lindner weist mit Recht darauf hin, dafs das
Stück wegen der vielen erläuternden Noten, die der Verfasser hinzufügt,
ein Lesedrama ist, bei dessen Aufführung das Beste verloren gehen
mufste. Interessant ist der Vergleich Fieldings mit La Calpren^de, dessen
zehn Theaterstücke bis jetzt auch noch keine eingehende Würdigung ge-
funden haben. Beide Schriftsteller verdanken ihre Berühmtheit ihren
Romanen. An den Werken beider kann man auf das deutlichste die
Wechselwirkung zwischen Drama und Roman zeigen. Bei Fielding sind
wir überdies in der glücklichen Lage, seine theoretischen Ansichten über
die Punkte, auf die es hier ankommt, zu kennen. Er hat sie in ein-
facher und klarer Weise im Vorworte zu Joseph Andrews niedergelegt.
Fieldings Lustspiele unterscheiden sich vorteilhaft von denen eines Wy-
cherley und Congreve, die das Lasterhafte aus reinem Gefallen daran
darstellen. Fielding war ein Kind seiner Zeit und tadelte die Schwächen
188 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
und Verirrungen, wie er sie vorfand. Die Hauptquelle für Fieldings
Dramen war das Leben und Treiben der Mitwelt, wie es sich vor seinem
Geiste entrollte; daher machen viele seiner Lustspiele und Farcen den
Eindruck von Gelegenheitsdichtungen. Aber auch in den Lustspielen,
die er direkt aus dem Französischen entlehnt hat, in den Übersetzungen
Moli^rescher Stücke offenbart sich seine Originalität. Dies zeigt Lindner
in eingehender Weise an der Komödie The Miser, einer Übersetzung von
Moli^res Avare. Die Veränderungen, die Fielding in seinem Miser an
dem französischen Original vorgenommen hat, sind zum Teil noch ein-
schneidender als im Moek Doctor, der Übersetzung des Medecin malgre lui.
Lindner hält die psychologische Begründung Fieldings an vielen Stellen
für besser und tiefer als bei Moli^re. Anklänge an Boccaccio, Regnard
und besonders an den von ihm verehrten Cervantes (vgl. Don Quixote in
England) finden sich häufig. Wenn eben über die Quellen der Fielding-
schen Lustspiele wenig zu sagen ist, so schliefst Lindner meines Erach-
tens mit Recht daraus, dafs dadurch des Verfassers Originalität und Selb-
ständigkeit um so mehr hervortritt.
Lindners Studie ist ein wertvoller Beitrag zur englischen Litteratur-
geschichte, insofern sie die Bedeutung von Fieldings Dramen für die
Litteraturgeschichte im allgemeinen als auch für das Verständnis seiner
Romane im besonderen klar legt, das Verhältnis Fieldings zu seinen Zeit-
genossen und ihren Werken richtig stellt und auf die grofse Bedeutung
dieser Dramen für die englische Kulturgeschichte mit grofsem Nachdruck
hinweist.
Wismar i. M. O. Gl öde.
Anschauungsunterricht im Englischen mit Benutzung von Höl-
zeis Bildern von Dr. Edmund Wilke. Leipzig, Gerhard,
1894. Vin u. 108 S.
Die Hölzelschen Wandbilder scheinen sich bereits einer solchen Be-
liebtheit zu erfreuen, dafs eine Anzahl von fremdsprachlichen Schul-
büchern ihre Methode auf ihre Benutzung basiert. Lehrer, welche es für
zweckmäfsig halten, dieses Unterrichtsmittel zu benutzen, werden in dem
obigen Werkchen eine brauchbare Hilfe finden; denn die Art, in der die
Stoffe hierin behandelt sind, ist wirklich eine recht glückliche. Jeder der
sechs den sechs Bildern gewidmeten Abschnitte enthält zuerst eine An-
gabe der Gegenstände und kurze Beschreibungen in kleineren Sätzen;
dann folgt eine Lesson in Grammar, die nur in Beispielen ohne jede
Regel besteht ; diesen schliefsen sich kleine, sehr gut gewählte englische
Lesestücke an, deren Gegenstand zu dem jeweiligen Bilde pafst. Den
Beschlufs jedes Abschnitts bilden Aufgaben zu schriftlichen Ausarbeitun-
gen und ein Gedicht. Man sieht hieraus, dafs das Büchlein besonders
dort am Platze sein wird, w^o auf den grammatischen Unterricht geringer
Wert gelegt, die Sprechfertigkeit um so mehr betont wird. Doch ist
nicht ausgeschlossen, das Büchlein im Anschauungsunterricht neben einem
k
BeurteiluDgen und kurze Anzeigen. 189
grammatischen Lehr- und Übungsbuche zugleich als Lesebuch zu ge-
brauchen, vorausgesetzt, dafs man Schüler oder Schülerinnen in wenig
vorgerücktem Alter vor sich hat und hinreichend Zeit zur Verfügung
steht. Ein geschickter Lehrer wird es sehr geeignet finden, um Sprech-
übungen daran zu knüpfen. Ich vergafs zu erwähnen, dafs auch ein al-
phabetisches Wörterverzeichnis mit beigefügter Lautschrift dem Buche
beigegeben ist.
Berlin. G. Opitz.
New Eüglish Reading-Book for the Use of Middle Forms in
German High-Schools by Dr. Hubert H. Wingerath, Head-
Master of St. John's High-Sehool. Cologne, Dumout-Schau-
berg Publishers, 1894. XII u. 345 S. 8.
Ehe ich an die Besprechung dieses Lesebuches herantrete, ist es mir
ein Bedürfnis, auf die Geschmacklosigkeit hinzuweisen, die darin besteht,
die Titel deutscher Schulbücher in obiger Weise abzufassen. Es ist schwer,
einen vernünftigen Grund dafür aufzufinden; wenn schon aus Köln Co-
logne wird, dann kommen wir auch wohl bald dahin, dafs die Verfasser
ihre Namen gleichfalls englisch oder französisch schreiben und Herr Weifs
sich in M. Blanc, Herr Schneider in Mr. Taylor verwandelt.
Die Frage, ob es durchaus geboten war, nachdem im Laufe der letzten
Jahre unzählige Lesebücher zu den älteren hinzugekommen sind, wieder
ein neues erscheinen zu lassen, würde sich nur bejahen lassen, wenn dieses
vor den anderen wirklich grofse Vorzüge hätte. Solches glaubt der Ver-
fasser behaupten zu können, indem er für sein Lesebuch aus einem dop-
pelten Grunde den Anspruch der Neuheit erhebt. Es enthalte nämlich
zunächst nur Stücke von Schriftstellern des 19. Jahrhunderts, bezw. der
Gegenwart; und zweitens seien die Lesestücke unter thunlichster Berück-
sichtigung sowohl der Vorkommnisse des täglichen Lebens als auch des
Gesichtspunktes einer wohlverstandenen und nirgends gewaltsam herbei-
gezogenen Konzentration des Unterrichts, und zwar mit solcher Sorgfalt
ausgewählt, dafs kein einziges Stück als zwecklos und mehr zufällig, oder
wohl gar als bedenklich erscheinen müfste.
Nun ist es ja ohne Frage nur zu billigen, dafs den Schülern während
der ersten drei Jahre nur modernes Englisch geboten wird. Doch wüfste
ich kaum ein neueres Lesebuch zu nennen, welches dieser Forderung
nicht entspräche. Einen besonderen Vorzug aus dieser Eigenschaft könnte
man also wohl nicht herleiten. Weniger in Übereinstimmung mit vielen
der in den letzten Jahren erschienenen Lesebücher befindet sich der Ver-
fasser hinsichtlich des Verfahrens bei der Auswahl und Zusammenstel-
lung des Stoffes, indem er es vermeidet, die Schüler sogleich auf eng-
lischen Boden und ins englische Kinderleben zu versetzen, und es vor-
zieht, in seinen Object Lessons namentlich, die Gegenstände ihrer deut-
schen Umgebung ihnen in englischer Sprache vorzuführen. Von päda-
gogischem Standpunkte läfst sich dies wohl rechtfertigen; doch scheint
190 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
es mir in metliodischer Hinsicht einen Umweg zu bedeuten. Ein ziem-
lich breiter Raum ist sodann Fabeln, Parabeln, Fairy Tales, Legends and
Sagas und Anecdotes und Narratives gewährt, die mit Ausnahme der
letzten fast gar keine specifisch englischen Stoffe bringen. Dagegen ent-
halten die Abschnitte, welche History, Qeography, Sciences, Miscellaneous
Extracts benannt sind, durchaus brauchbares Material für die Lektüre in
den Mittelklassen. Dafs sich darunter auch Schilderungen nichtenglischer
Personen und Verhältnisse befinden, halte ich mit dem Verfasser für
vollständig berechtigt; es ist sicher wünschenswert, dafs in der fremd-
sprachlichen Lektüre auch Gegenstände berührt werden, die in anderen
Unterrichtsstunden bereits behandelt worden sind; dieser Zusammenhang
wird die Verarbeitung und Aneignung des Stoffes nur erleichtern helfen.
Der 11. und 12. Abschnitt enthält eine Auswahl lyrischer und epischer
Gedichte, unter denen sich neben vielen minderwertigen auch die besseren
und bekannteren finden und gemeinhin den Bedürfnissen dieser Stufe
entsprechen werden. Wenn ich noch hinzufüge, dafs der Verfasser von
einem Wörterbuche absehen zu müssen geglaubt hat, dagegen erklärende
Anmerkungen zu den Lesestücken für den Lehrer herauszugeben gedenkt,
so glaube ich den Leser über das New English Reading-Book hinlänglich
aufgeklärt zu haben. Dafs es eine Lücke auszufüllen berufen ist, scheint
mir nicht erwiesen. Trotz der entgegengesetzten Versicherung des Ver-
fassers im Vorwort macht es den Eindruck, als ob die unselige Bemer-
kung in d^n 'Neuen Lehrplänen', welche einen gewissen Parallelismus der
Unterrichts werke in beiden Fremdsprachen empfiehlt, an seinem Erschei-
nen wie an dem vieler anderer schuld ist.
Berlin. G. Opitz.
On Eüglish Life and Customs. Aufsätze aus verschiedenen eng-
lischen Schriften zusammengestellt und erläutert von Dr. Her-
mann Conrad, Professor an der Haupt-Kadettenanstalt zu
Grofs-Lichterfelde (Schulbibliothek französ. und engl. Prosa-
schriften herausgegeben von L. Bahlsen und J. Hengesbach).
Berlin, Hermann Heyfelder, 1895.
Der Herausgeber dieser chrestomathieartigen kleinen Sammlung hat
die Abschnitte The Structure of English Society, Popidar Ämtisements, Mo-
dern Ghanges of Social English Life dem 18., 29. und 17. Kapitel des be-
kannten Werkes von Escott, England: its People, Polity, and Purstiits
entlehnt, jedoch mit Kürzung des Originals. Obgleich ich im allgemeinen
wünsche, Schriften oder einzelne Teile derselben ohne Auslassung von
überflüssig scheinenden Stellen herausgegeben zu sehen, so mufs ich doch
meine Meinung dahin erklären, dafs der Auszug mit grofsem Geschick
angefertigt ist, so dafs man keine Lücken vermutet. Bei den drei an-
deren Schilderungen: On some Social Conventionalities, Social Pleasures,
In the Country habe ich allerdings nicht, wie bei jenen, einen Vergleich
mit dem unverkürzten Original angestellt; da mir die vom Herausgeber
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 191
als Quellen angegebenen Schriften nicht zu Gebote stehen. Es sind die
folgenden: The Glass ofFashion: Social Etiquette and Home Culture, London
1881, The Cmmtess of Malmesbury, Village lAfe in England (in der North-
American Review, March 1894) und G. H. Wyatt, The English Citizen, kis
Life and Duftes, London 1893. Der Eindruck bei der Lektüre ist aber,
dafs man etwas ganz Zusammenhängendes liest. Die erläuternden An-
merkungen sind, wie man es von einem so berufenen Herausgeber nicht
anders erwarten kann, mit grofser Sorgfalt angefertigt und im allgemeinen
auch erschöpfend. Indem ich die Ausgabe als eine sehr tüchtige Lei-
stung ausdrücklich anerkenne, will ich mir erlauben, für eine gewifs bald
zu erwartende neue Auflage ein paar unbedeutende Nachträge und Ver-
besserungsvorschläge mitzuteilen.
S. 4 ist es wünschenswert, dafs dem Citat aus Macaulay hinzugesetzt
wird I, S. 37. Tauchn., dafs ferner Angaben über die beiden Heiraten
hinzukommen. — S. 6 wird eine Anmerkung über Blackstonc vermifst. —
S. 9 sollte das Sternchen wohl auf die Anm. 54 zu Chapt. II verweisen.
Über das auch sonst manchmal erwähnte alte Lokal the Cocoa Tree läfst
sich leicht ein Nachweis geben. Der damalige Earl of Surrey ist beson-
ders bekannt wegen seines Übertritts zum Protestantismus. Lord Mahon,
HisL of Engl. VII, 77 f. Tauchn. — S. 12 ist für den Schüler eine An-
gabe über Xenophon, S. 15 über Aladdin's palace wünschenswert; man
darf nicht alles als bekannt voraussetzen. — S. 26 scheint dem Heraus-
geber entgangen zu sein, dafs die Worte fold up their tents like the Arabs
dem Schlufs des, Longfellowschen Gedichts The day is done entlehnt sind:
And the night shall he ßlled with miisic. And the cares that infest the day,
Shall fold their tents, like the Arabs, And «s silently steal away. Ich habe
eine dunkle Erinnerung, dafs die Verse Longfellows einem deutschen Ori-
ginal, wenn ich nicht irre, einem Gedichte Gustav Pfizers, nachgedichtet
sind. — S. 32 vermisse ich eine Angabe über Jules Glaretie (oder La
Claretie), S. 35 über Sir Robert Walpole. — S. 38. Der Name des Schwind-
lers Gönnt Basset mit Anspielung auf das alte Kartenspiel basset (frz.
bassette) ist dem Lustspiel The Provoked Husband von C. Cibber entnom-
men. — Zu S. 41, 16 möchte ich hinzusetzen, dafs jemand, wenn er den
rechten Handschuh nicht gleich abziehen kann, zu sagen pflegt: Please,
exciise niy glove. — S. 43. Bei Mr. Peregrine dürfte der Schüler auf die
Zweckmäfsigkeit des Namens (von peregrintts) für einen Reisenden, in der
folgenden Zeile bei Mr. Apollo Jones darauf hinzuweisen sein, dafs ein
poetischer Angehöriger der urplebejischen Familie Jones (ein so gewöhn-
licher Name wie im Deutschen Müller, Schulze, oder Schmidt) den hoch-
trabenden Vornamen Apollo führt. — S. 49 wünsche ich einen Nachweis
über Aaro?i Hill; sein Stück Zara gehört dem Jahre 1735 an. — S. 60
bedarf der Schüler einer Anmerkung über Scythian steppes, S. 74 über
central fire, Centralzündung; Ruch, single-barrel findet sich nicht in jedem
kleineren Wörterbuch, und bei to stalk lassen gewöhnliche Wörterbücher
den Nachsuchenden gleichfalls im Stich. — S. 90 ist eine Angabe über
wise wornen aus demselben Grunde erforderlich.
19Ö Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Ich komme nun zu den Anmerkungen. S. 92 hätte ich gern etwas
über die schon fast veraltete Bezeichnung May fair erfahren; ich selbst
könnte nur hinzufügen, dafs dies Stadtviertel im Osten von Hyde Park
zu suchen ist und sich wahrscheinlich bis Piccadilly erstreckt, aber die
genauere Begrenzung ist sogar den Londonern in der Regel unbekannt.
— S. 98. noblesse bezeichnet offenbar im Unterschied von nobility alle
diejenigen, welche Adelsgeschlechtern angehören, selbst aber streng ge-
nommen nur bürgerlichen Rang besitzen, — Ib. S. 6, Z. 7 schlage ich
als genauer die Fassung vor: Trotzdem führen die ältesten Söhne etc.
— S. 96. Die Anm. 51 scheint mir dem Texte nicht zu entsprechen. —
S. 98, Anm. 70. Bei brotigham fehlt die Angabe: mit niedrigem Schlag
und Tritt. — Anm. 72. dog-cart für einen von Hunden gezogenen Wagen
läfst sich schwerlich nachweisen, obgleich die Bedeutung sich bei Muret
findet; der gewöhnliche Gebrauch des Wortes zwingt in jenem Falle zu
einer anderen Ausdrucksweise {a cart drawn by dogs). — S. 99, Anm. 86.
Der scherzhafte Ausdruck impecuniosity ist nicht gesucht, sondern ganz
gewöhnlich. — S. 100, Anm. 90 sollte aufser solicitor auch attorney ge-
geben werden. — Ib. Anm. 92 sind Geistliche, Offiziere zu strei-
chen. Ausdrücke wie the clerical profession, the profession of arms be-
rechtigen nicht, sie zu den professional men zu zählen. — S. 101, Anm.
Es liegt wohl eine Verwechselung von baronetage mit barony zu Grunde.
— S. 102, Anm. 5. Das über sport Gesagte ist nicht umfassend genug;
denn man hat auch indoor-sports. — Ib. Anm. 7. Bei foot-ball ist zu
berücksichtigen, dafs das Spiel eine Saison hat, die von der des cricket
verschieden ist. — S. 103, Anm. 11. Rounders läfst sich kaum als ein
dem cricket ähnliches Spiel bezeichnen. Vgl. Langenscheidt, Sachwörter-
buch. — S. 104, Anm. 25. Das bat ist kein schweres Ballholz; um
es möglichst leicht herzustellen, nimmt man dazu Weidenholz. Ge-
schleudert ist wohl verdruckt für geschlagen. — S. 105, Anm. 37.
Dafs in the ascendant in der betreffenden Stelle ein sehr gesuchter Aus-
druck sei, kann ich nicht zugeben. — Ib. Anm. 39. Chambers ist nicht
immer eine vornehme Junggesellen wohnung ; die Zimmer im TempU pfle-
gen äufserst primitiv zu sein, wie sie wenigstens von Thackeray in Pen-
dennis geschildert werden. — S. 110, Anm. 3. Die ISiotes and Qiieries ver-
dienen eine genauere Charakteristik, zumal da wir leider kein entsprechen-
des Journal besitzen. — S. 111, Anm. 12. Morning-call, die gewöhnliche
Zeit ist von zwölf bis zwei. Die dem Original entsprechende Bemerkung,
der morning gehe bis zum Mittagsessen, d. h. bis ca. sieben Uhr abends,
ist übertrieben. — S. 117, Anm. 69. Es ist ein Unterschied zu machen
zwischen Walking - dress, Promenadenanzug, und morning - dress, Visiten-
anzug. — Anm. 70. Der Name Araminta ist Vanbroughs Confederacy,
1695, entlehnt. — S. 126, Anm. 65. Statt rock-dove sagt man in der Regel
roek-pigeon; wir nennen sie gewöhnlich Feldtaube, seltener Felstaube {co-
lumba livia). — Anm. 71. Quarry, Strecke. — S. 127, Anm. 6. Das nicht
veredelte Mafsliebchen hat oft rotspitzige (pink-tipped) Blütenblätter; hier
ist die Rede von der Landschaft, das Tausendschönchen gehört dem
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 103
Garten an. — S. 130, Anm. 33. Viear ist wohl ein Versehen statt curate.
— Anm. 35. Countrydance nennen wir 'Anglaise'. — Anm. 46. Vari-coloured
ist verdruckt für varicoloured.
Grofs-Lichterfelde. Immanuel Schmidt.
WeidmaDDSche Sammlung französischer und englischer Schrift-
steller. Baker, History of the English People, im Auszuge
herausgegeben und erklärt von Dr. Heinrich Loewe.
Die Geschichte des englischen Volks von Baker ist eine keineswegs
bedeutende Nachbildung des bekannten gleichnamigen Greenschen Werkes.
Letzteres beginnt mit den Worten : For the fatherland of the English race
ice must look far away from England itself; der Anfang des zweiten Ka-
pitels im ersteren lautet: For the Fatherland of the English people we must
look aivay from this country. Der Herausgeber wollte, wie er im Vorwort
sagt, 'unseren Schülern neuere englische Prosa zugänglich machen, ihnen
im Gegensatz zu Hume, Dickens, Green (und auch Macaulay)
einen modernen, leichteren historischen Lesestoff bieten'. Die Zusammen-
stellung ist merkwürdig; denn, ganz abgesehen von Hume und Macaulay,
die noch dazu so verschieden voneinander sind, lassen sich Dickens und
Green schwerlich als veraltet bezeichnen, und der Greensche Stil zeichnet
sich durch die gröfste Einfachheit aus. Für welche Klasse der Heraus-
geber sein Buch bestimmt hat, ist mir nicht recht klar. Auf der ersten
Seite bemerkt er zu the flesh of wild animals they Mlled und the first st&p
these savages made etc.: 'das Relativum ist hier ausgelassen.' S. 2 steht:
'is Said, soll; es entspricht dem lat. dieitur.' Wenn die Schüler auf der-
gleichen noch hingewiesen werden müssen, kann man mit ihnen über-
haupt kein zusammenhängendes Werk lesen. Ferner wird S. 1 die An-
merkung gegeben: Ho grow ist hier transitiv, also to grow corn Getreide
bauen.' Das steht in jedem noch so kleinen Wörterbuch, z. B. in dem
Langenscheidtschen Notwörterbuch. Aus demselben Grunde ist überflüssig
S. 2 most likely, höchst wahrscheinlich. Zu The poor Brilons fought like
heroes against the invaders, but, after niuch hard fighting, the country was
fairly conquered (S. 2) kommt die Anmerkung: 'Hier bedeutet fairly in
ehrlichem Kampf.' Nein, es bedeutet vollständig; vgl. the Saracen fairly
Struck off the poor Dwarf's arm. S. 6, Anm. 13. ^very much hier: ganz
und gar'; vielmehr: ziemlich, fast. Fortfallen könnte auch S. 1, 19: 'Mit
woad ist der Färber- Waid {Isatis tinctoHa) gemeint.' Ist gemeint ? Wood
bedeutet nichts anderes; nur bezeichnet das Wort sowohl die Pflanze als
den Farbestoff. Höchstens wäre eine Andeutung am Platze, dafs jene
hier the woad plant genannt ist, während man gewöhnlich einfach woad
sagt. Entbehrlich ist die Anmerkung S. 3 'to swoop down, herabstofsen
auf, wird vom Raubvogel gesagt, der mit angezogenen Schwingen sich
auf seine Beute stürzt' etc. Die Bedeutung giebt jedes Wörterbuch; das
Anziehen der Flügel aber wird jeder von selbst finden, wenn die Auf-
merksamkeit darauf gelenkt wird. Eigentlich erscheinen fast sämtliche
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 13
194 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
unter dem Texte stehende Anmerkungen zu dem ersten Kapitel, S. 1 — 3,
unnötig, wenn man bedenkt, was später vom Schüler gefordert wird. Die
im Anhange dazu gegebenen Anmerkungen enthalten manches Überflüs-
sige. Gleich zu Anfang steht: 'Über die Trennung der Gelten von den
übrigen Ariern oder Indo-Germanen, sowie über ihre Einwanderung nach
Westeuropa besitzen wir keine sicheren Nachrichten.' Hier hätte dem
Schüler etwas mehr gegeben werden sollen: die Worte dürften ihm sogar
nicht recht verständlich sein ; denn die grammatischen Anmerkungen setzen
einen Tertianer voraus. Überflüssig hingegen ist der Zusatz: 'denn die
Gründung Milesischer Kolonien in Irland und die Wanderung der Tro-
janer nach Wales ist in das Gebiet der Fabel zu verweisen.' Was im
vorhergehenden Satze mit denn begründet werden soll, verstehe ich nicht;
nach meiner Meinung hat der zweite Satz mit dem ersten gar nichts zu
thun. Ich habe so eben angedeutet, dafs dem Verständnis des Schülers
ziemlich viel zugemutet wird. Das in Kap. XVI, The Elizabethan Writers,
Gebotene geht zum Teil über die Schule hinaus; selbst der Primaner
braucht von euphuism und Arcadia nichts zu erfahren, geschweige denn
der wohl vorauszusetzende Tertianer oder Untersekundaner. Es findet
sich unter den Anmerkungen zu diesem Kapitel: 'Euphuismus (lat. gr. =
von kräftigem Wüchse, beredt)' etc. Die Parenthese erklärt nicht das
Substantiv, sondern das als Namen gebrauchte Adjektiv, von dem die
Bezeichnung der Richtung entlehnt ist; bei seinem Euphues hat Lyly
wohl an mehr als den Wuchs gedacht; beredt ist falsch. Zu The Faery
Qtteen hätte doch wohl eine Bemerkung hinzugesetzt werden sollen, da
in kleineren Wörterbüchern sich nur die Form fairy findet. In der be-
treffenden Anmerkung heifst es: 'Ghaucers Canterbury Tales, welche in
den erzählenden Personen zugleich ein Bild mittelalterlichen Lebens bil-
den,' etc. Der Ausdruck dieses Relativsatzes ist höchst ungeschickt.
Doch ich glaube aus wenigen Seiten des Buches schon genug ange-
führt zu haben, um die Flüchtigkeit des Herausgebers zu kennzeichnen.
Grofs-Lichterfelde. Immanuel Schmidt.
The Old, Old Story. A Novel. By Eosa Nouchette Carey.
Leipzig, Berühard Tauchnitz, 1895 (Coli, of Brit. Authors,
Vols. 3041 and 3042). 344 und 336 S. kl. 8. M. 3,20.
True woman even in her faultiness, the old, old story had sound£d
sweeter in her ear than all Üie plaudits of an admiring audience, and Re-
ginald Lorimer's love dearer even than the art slie had prixed so mtich : so
erklärt die Verfasserin selbst II, 324 den Titel. Gloden Carrick, die Tochter
eines Geistlichen, kommt nach dem Tode ihres Vaters mit ihrem jüngeren
Bruder Harvey in das Haus eines Onkels, der Buchhändler in dem kleinen
Orte Grantham ist. Sie macht bald zufällig die Bekanntschaft des in
geringer Entfernung davon wohnenden Gutsbesitzers Reginald Lorimer,
der, über Standesvorurteile erhaben, sich des Neffen des Buchhändlers
warm annimmt und sich bald, darüber klar wird, dafs er Gloden liebt.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 195
Aber zu einer Liebeserklärung kommt ea nicht, da es noch kein ganzes
Jahr her ist, seit seine Frau gestorben. Gloden liebt ihn wieder, hält ihn
aber für charakterlos, da ihr Mrs. Winter vorlügt, dafs Lorimer schon
heimlich mit deren Tochter Violet verlobt sei. Während Lorimer einen
kranken Vetter seiner verstorbenen Frau im Süden pflegt, geht Gloden
auf den Vorschlag von Lorimers Schwester, Mrs. Wyndham, ein und
bildet sich in London zur Violinvirtuosin aus, obwohl sie weifs, dafs
Lorimer über das, was sich für Frauen ziemt, altmodische Ansichten hat.
Ihr Entschlufs macht denn auch Lorimer ebenso unglücklich, wie sie es
selbst ist. Aber, da Lorimer, nachdem Gloden schon in einem Concert
unter grofsem Beifall gespielt, von ihrer Irreführung durch Mrs. Winter
erfahren, bringt er alles bald in Ordnung. — Auch dieser neue Roman
der Verfasserin (s. über sie zuletzt Archiv XC, 199 f.) ist lesenswert. Auf-
gefallen sind mir einige Flüchtigkeiten. Der Vorname von Mr. Wyndham
lautet anfangs Hartley, von I, 248 an aber Harcourt. II, 2 heifst es his
wife died last spring statt last spring but o?ie. I, 126 führt die Verfasserin
an Ä merry heart goes all the way (statt day), Tour sad one (dieses Wort
ist interpoliert; vgl. Archiv XCIV, 452) iires in a mile-a. Vgl. ferner
I, 104 lieyben lay down the toast he was spreading with marmalade; 134 Tlie
soft grey-green tints of tJie whole was wonderfully harmoniotis and rcstful;
160 one of those women whose mere presence diffuse an air of comfort;
284 Garde tu, ma petite'; II, 120 looking neitlier to tlie right hancl or to
the left; 215 tJie blessed relief of tears are denied me. J. Z.
Mrs. Bouverie. By F. C. Philips. Leipzig, Bernhard Tauchnitz,
1895 (Coli, of Brit. Authors, Vol. 3043). 280 S. kl. 8.
M. 1,60.
Die Heldin des Verfassers (s. über ihn zuletzt Archiv XCIV, 337) ist
diesmal keine Abenteurerin, sondern eine ehrbare reiche und schöne Witwe
im Alter von neunundzwanzig Jahren, die sich der mittellos hinterblie-
benen drei Kinder des Rev. Dr. Heath in Threegates in der taktvollsten
Weise annimmt. Dem Sohne Frank, der sich kurz vor dem Tode seines
Vaters durch einen Jugendstreich die Strafe einer vorübergehenden Ent-
fernung von der Universität Cambridge zugezogen, verschafft sie eine
Stelle bei einem Londoner Journal, deren Ertrag ihn in den Stand setzt,
mit seinen beiden Schwestern in bescheidenen Verhältnissen in Hamp-
stead zu leben. Er schreibt einen Roman, der in zwei Monaten sechs
Auflagen erlebt. Er glaubt Mrs. Bouverie zu lieben, und sein schrift-
stellerischer Erfolg giebt ihm den Mut, um ihre Hand anzuhalten: sie
lehnt aber seine Werbung mit dem Hinweis auf die neun Jahre, die sie
mehr zählt, als er, ab. Franks ältere Schwester Marion wird die Frau
des Captain Lingard, den sie im Hause der Mrs. Bouverie kennen ge-
lernt; Christabel dagegen, die jüngere Schwester, verlobt sich mit dem
armen Curate Stirling. An demselben Tage, da es Mrs. Bouverie gelingt,
diesem eine ausnehmend gute Pfarre zu verschaffen, teilt ihr Frank mit,
13*
196 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
dafs er sich mit der Tochter seines Verlegers verlobt habe. Er merkt
nicht, wie nahe ihr das geht. Er begiebt sich zu seiner Braut, um sich
seines Glückes zu freuen, hut Mrs. Bouverie still sat motionless before the
dying fire, her head sunk wpon her breast. — Mir hat diese neue Erzäh-
liing des Verfassers weit besser gefallen, als die meisten früheren.
J. Z.
A Eoman of Dijon. By M. Betham-Edwards. Leipzig, Bern-
hard Tauchnitz, 1895 (Collection of British Authors, Vol.
3044). 287 S. kl. 8. M. 1,60.
A Roman, of Dijon hat mir nicht so gut gefallen, wie derselben Ver-
fasserin Curb of Honour (vgl. Archiv XCII, 112 f.) oder gar Two Aunts
and a Nephßw (vgl. Archiv XC, 430 f.). Der Stil ist vielfach affektiert,
und die Erzählung tritt hinter der Schilderung fast zurück, ohne dafs es
darum der Verfasserin gelingt, dem Leser eine ganz deutliche Vorstellung
von dem französischen Leben in Dijon während der Eevolution zu geben.
Ferner fehlt dem Koman ein ordentlicher Abschlufs, und auch die Hand-
lungsweise der Heldin ist nicht recht begreiflich. Pernelle Nesmond, die
junge, schöne und reiche Besitzerin der Schnittwarenhandlung Coiffe ä
Merveille in Dijon, trägt sich selbst ihrem protestantischen Vetter Laurent
Nesmond, der bisher hauptsächlich von ihrer Unterstützung gelebt, als
Gattin an. Er will zwar der armen Finette treu bleiben, allein diese will
seinem Glücke nicht im Wege stehen und verschwindet deshalb in eine
andere Gegend, wo sie bald heiratet. Laurent wird infolgedessen bereit,
Pernelle die Hand zu reichen, aber nun hat sie es nicht mehr so eilig,
da sie sich inzwischen in den armen Marquis de Velours verliebt hat,
der in London als Lehrer des Französischen sein Brot verdient und ihr
ein von ihm korrigiertes Schülerexercitium in die Hände zu spielen weifs,
in dem die Sätze vorkommen : Life is but another name for Hope. The
Word adieu is meaningless on this side of the tomb. J. Z.
A Daughter of Judas. A Tale of New York City Fin-de-Si^cle-
Life. By Richard Henry Savage. Leipzig, Bernhard Tauch-
nitz, 1895 (Collection of British Authors, Vol. 3045). 336 S.
kl. 8. M. 1,60.
Dieser wieder mit gröfster Hast erzählte Eoman zeigt mehr Ähnlich-
keit mit Delilah of Harlem (s. Archiv XCI, 442 f.) und The Masked Venus
(XCI, 310), als mit dem hier (XCIII, 352) zuletzt besprochenen Anarchist.
Der Titel bezeichnet die schöne Edith Calvert. Aus reiner Berechnung
heiratet sie den mehrfachen Millionär Frank Van Arsdale, der aus seiner
ersten Ehe eine Tochter Marie hat, die ihm selbst ziemlich gleichgültig
ist, über der aber der unvermählte Bruder ihrer verstorbenen Mutter,
Floyd Stanwix, mit zärtlichster Liebe wacht. In diesen verliebt sich
Edith, verbirgt aber ihre Leidenschaft in der geheimsten Falte ihres Her-
zens. Frank Van Arsdale thut ihr nach kurzer Zeit den Gefallen, sie
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 197
mit etwa zwei Millionen als Witwe zu hinterlassen. Unbegreiflicherweise
hofft sie nun Floyds Gegenliebe zu finden, indem sie es durch Unter-
schlagen von Briefen und andere Mittel zuwege bringt, dafs Marie, die
eine sehr gute Partie ist, nicht den vortrefflichen Earle Schuyler heiratet,
sondern Ediths Bruder Harold Calvert, der ein ganz gemeiner Schurke
ist. Freilich wird Marie nur dem Namen nach Harolds Frau ; denn Rosie
Feiton, eines der vielen Opfer seiner Gewissenlosigkeit, entlarvt ihn un-
mittelbar nach der Trauung. Er wird auf der Überfahrt nach Europa
noch zum Mörder an dem von Rosie Feiton benutzten Werkzeug seiner
Entlarvung, der von ihm entführten und dann verlassenen Griechin Diane
Lascaris, fällt dann aber bei Paris im Duell durch ihren Bruder Cyprian,
der einst sein bester Freund gewesen. Floyd stirbt an einer inneren Ver-
letzung, die er sich zugezogen, da er eine in die Seine gesprungene Dirne
rettet. Edith reicht dem Sekretär ihres ersten Mannes die Hand, Marie
kommt schliefslich doch mit Schuyler zusammen. — Man blickt in einen
wahren Pfuhl von Verderbtheit. Selbst der gute Onkel Floyd ist ein
Schwerenöter. Des Verfassers Chronologie ist nicht ganz einwandfrei.
Nach S. 10 (vgl. S. 8) fängt der Roman im Januar 1890 an : nach S. 105
ist seitdem ein halbes Jahr vergangen, und doch ist S. 91 schon vom
Juni 1891 die Rede. Auch möchte ich gern wissen, wie es von Edith,
die sich in a Thuringian Castle befindet, S. 217 heifsen kann : Her delighted
cyes ranged over the heautiful wooded valley sweeping doion totvards the Elbe
heloiü her. Schwerlich sind auch alle Versehen in lateinischen und beson-
ders französischen Citaten Druckfehler. So lesen wir S. 37 Eheu, fugaees
lahunter anni: ist es ein Zufall, dafs auch im neuesten Webster diese
Worte, wie ohne Posiwne, Postume, so mit der Form labunter erscheinen?
Aber gegenüber Sa vages Vera incessa jmtuit dea S. 57 steht bei Webster
richtig incessu. Höchst merkwürdig ist lietairce S. 148. Von französischen
Wörtern führe ich an petite verre S. 13, connäit und clos vougeot S. 50,
cachet, La Saltpetriere S. 107, d^fi S. 119, Dites-lui S. 120 und 123, dis-
tingue S. 126. J. Z.
Chapters from Some Memoirs. By Anne Thackeray Ritchie.
Leipzig, Bernhard Tauchnitz, 1895 (Coli, of British Authors,
Vol. 3046). 255 S. kl. 8. M. 1,60.
Die Verfasserin dieser lesenswerten Erinnerungen ist die Tochter des
berühmten Romanschriftstellers, die auch selbst auf demselben Gebiete
einen guten Namen hat, und von der in der Tauehnitx Collection früher
schon 15 Bände erschienen sind. Freilich tritt sie in diesen noch als
Miss Thackeray auf, und dies ist wohl der Grund, weshalb der vorliegende
Band gegen die Gewohnheit der Sammlung keine Hindeutung auf ihre
früher in ihr veröffentlichten Werke enthält. Die Erinnerungen beziehen
sich zum grofsen Teil auf die Kinder- und Backfischzeit der Verfasserin,
und zwar vorzugsweise auf ihr Leben bei ihren Grofseltern in Frankreich
und auf ihre Reisen mit ihrem Vater auf dem Kontinent. Sie enthalten
198 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
viele kleine Züge zur Charakteristik des grofsen Humoristen. Hervor-
gehoben sei der Bericht darüber, wie er seinen beiden Töchtern Weimar
zeigte und die Erinnerungen an seinen ersten Aufenthalt dort auf-
frischte. Seine alte Flamme Amalia von X. war verreist: er traf sie
aber ein oder zwei Jahre später in Venedig; allein sie war so dick ge-
worden, dafs er ausrief: ^That Amalia! That cannot be Amalia f und es
nicht übers Herz bringen konnte, die Bekanntschaft zu erneuern. Auch
von Carlyle und seiner Frau ist viel die Rede und von der Schau-
spielerin Fanny Kemble. Mit viel Humor erzählt Mrs. Ritchie von der
Gesellschaft, die ihr Vater zu Ehren von Miss Bronte gab. Die be-
rühmte Verfasserin von Jane Eyre war so ernst und einsilbig, dafs auch
die übrigen angesteckt wurden: als sich Miss Bronte empfohlen hatte,
überliefs Thackeray seine anderen Gäste ihrem Schicksal und entfloh in
seinen Klub. Endlich sei noch auf der Verfasserin flüchtige Begegnungen
mit dem neuprovenzalischen Dichter Jasmin und mit Chopin hingewiesen
(K. 1 und 2). J. Z.
Abhandlungen, Herrn Prof. Dr. Adolf Tobler zur Feier seiner
fünfundzwanzigjährigen Thätigkeit als ordentlicher Professor
an der Universität Berlin von dankbaren Schülern in Ehr-
erbietung dargebracht. Halle a. S., Niemeyer, 1895. 509 S. 8.
Zwei Tafeln in Lichtdruck. 16 M. (für Abonnenten der
Zts. für rom. Phil. 13 M.).
Vorstehender Titel sagt hinlänglich, aus welchem Anlasse der statt-
liche Band, der ihn trägt, mir am 31. Januar dieses Jahres überreicht
wurde. Den einundzwanzig Fachgenossen, die sich zu so schöner Gabe
vereinigt haben, sei auch hier mein herzlicher Dank ausgesprochen, auch
hier bestätigt, dafs, wenn denn einmal auch öffentlich ihre Anhänglichkeit
bezeigt werden sollte, es keine Weise gab, die meinem Sinne besser ent-
sprochen hätte. Nun aber drängt es mich, das reiche Festgeschenk auch
allen guten Freunden und Bekannten zu zeigen, wie ein Kind seine
Weihnachtsbescherung, damit sie sich mit mir freuen. Sie werden sehen,
was für Männer, die inzwischen meine und anderer Leute Lehrer gewor-
den sind, ich einstmals meine Schüler habe nennen dürfen; sie werden
sehen, dafs die Enge des Kreises, in dem die eigene litterarische Arbeit
und die lehrende Thätigkeit eines einzelnen sich bewegen mögen, zum
Glück nicht hindert, dafs die Arbeit kräftiger Schüler weit darüber hinaus
dringe, sich neuer Gebiete bemächtige, der Vollendung zuführe, wo der
Lehrer kaum anzufangen wagen konnte; sie werden sich überzeugen, dafs,
wenn die Art des ehemaligen Anleiters dem, der sie kennt, hier und da
in der Arbeit der Nachfolger spürbar wird, die freie Selbständigkeit der
Jüngeren darunter sicher nicht gelitten hat. Jedenfalls wird eine rasche
Hinweisung auf den Inhalt des Bandes lehren, dafs er eine grofse Zahl
bemerkenswerter Beiträge zur Förderung verschiedenartiger Studien in
sich schliefst, dafs er für viele eine Quelle der Belehrung und edlen Ge-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 199
nusses werden kann, wie er es, abgesehen von dem, was mir ihn beson-
ders wertvoll macht, mir gewesen ist und bleiben wird.
Stimming giebt von den zahlreichen, stark auseinandergehenden
gereimten altfranzösischen Fassungen der Sage von Beuve de Hanstone
sorgfältige vergleichende Analysen. Es ist erstaunlich, in wie verschieden-
artiger Weise die einzelnen Bearbeiter um einen gemeinsamen Kern neue
Züge angesetzt haben, hier frei und abenteuerlich erfindend, dort ander-
wärts bereits verwendeten Stoff zu neuem Gebrauche sich aneignend. Die
Gruppen, zu denen die Versionen sich zusammenschliefsen, zeigen auch
nicht für den ganzen Verlauf der langen Erzählung jeweilen den nämlichen
Bestand, sondern gewisse Fassungen schliefsen sich nur streckenweise ge-
wissen anderen an und treten in anderen Teilen auf die Seite von solchen,
mit denen sie im übrigen nicht verwandt erscheinen, so dafs der Verfasser
zu der Annahme gedrängt wird, es sei zuweilen bei gleichzeitigem Vor-
liegen auseinandergehender Bearbeitungen eklektisch verfahren worden.
Von dem Auftreten der Sage in prosaischer Form und ihrer Verpflanzung
in aufserfranzösische Gebiete ist hier noch nicht die Rede.
Appel widmet dem Trobador Uc Brunenc eine sauber ausgearbeitete
Monographie. Die alte Lebensnachricht weifs von ihm nicht viel zu
melden, und es ist höchst fraglich, ob auch das wenige in allen Punkten
Glauben verdient. Die sechs Lieder, die seinen Namen tragen (eins spricht
ihm Appel mit Fug ab), gewähren über die Umstände seines Lebens auch
nur spärliche Aufschlüsse; sie erfreuen aber durch Kraft des Ausdrucks
und manche eigentümliche Gedanken, Vorzüge, die nach seiner Zeit immer
seltener werden. Den Liedern, die in kritischem Texte auf Grund eines
nahezu vollständigen Materials gegeben sind, steht das Klagelied des
Daude de Pradas auf den Tod Ucs voran. Von hohem Interesse sind
die in einem längeren Exkurse gegebenen Mitteilungen über Singweisen
zu Trobadorliedern. Ist es schon eine sehr bemerkenswerte und schwer
erklärliche Thatsache, dafs in verschiedenen Handschriften zu dem näm-
lichen Liede völlig verschiedene Weisen überliefert sind, so giebt nicht
minder zu denken der Umstand, dafs durchaus nicht immer, wenngleich
oft, die Gliederung der Weise, d. h. das Auftreten und die Anordnung
kongruenter Stücke derselben, sich mit derjenigen Gliederung deckt, die,
der Reimanordnung, dem Mafse und dem Geschlechte der Verse nach zu
schliefsen, der dichterischen Strophe gegeben zu sein scheint. Es ist
dankbar zu begrüfsen, dafs hier einer wichtigen Seite der Trobadorkunst
endlich eingehendere Beachtung geworden ist, und dringend zu wünschen,
dafs der so wohl ausgerüstete Verfasser dem Gegenstande seine Aufmerk-
samkeit auch weiter gönne und das Gefundene, womöglich unter Wieder-
gabe der Singweisen in allgemein verständlicher Umschrift, den Fach-
genossen vorlege.
Meyer-Lübke handelt über den Infinitiv im Rumänischen, zeigt, wie
dessen unverkürzte, heute nur als weibliches Substantivum fortbestehende
Form in älterer Zeit noch in echt infinitiver Funktion begegnet, und
bringt für die schon von Mussafia gegebene Deutung des Plurals des
200 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
prohibitiven Imperativs (auf — reti) bemerkenswerte neue Beweisgründe
bei. Die Verwendung der Infinitivform in Verbindung mit velle oder
habere zum Ausdrucke der Künftigkeit des Geschehens, eine Redeweise,
die übrigens vielfach derjenigen mit sa und dem Konjunktiv weicht, wird
auf griechische und südslavische Impulse zurückgeführt. Der Verfasser
geht sodann auf alle übrigen Arten des Auftretens des reinen Infinitivs
ein, aus reicher Lektüre älterer und, wenn es neue sind, volkstümlicher
Texte seine Belege schöpfend. Wir sehen, dafs auch nach Wörtern wie
posse, seire, non habere quod der reine Infinitiv durchaus nicht mehr das
einzig Mögliche ist, dafs er auch hier mit a verbunden begegnet, auch
hier öfter dem sd mit Konjunktiv Platz macht. Letzteres ist in weiter
Ausdehnung auch da der Fall, wo sonst nur der Infinitiv mit a üblich
ist, wo er das Subjekt bilden kann zu 'notthun, scheinen', das Objekt zu
'wollen, müssen, wagen, können, lassen' u. a. Es ist nicht möglich, die
erörterten Punkte alle hier auch nur flüchtig zu berühren ; besonders aber
sei noch hingewiesen auf die Entschiedenheit, mit der Meyer das Fort-
bestehen des Supinums im Rumänischen bestreitet; er wird hier für die
Negation sicher nur Zustimmung finden, manchem aber wohl das Ver-
langen geweckt haben nach eingehenderer Darlegung dessen, was an die
Stelle der irrigen Ansicht zu treten hat.
Visin g folgt Andeutungen Gautiers, Suchiers, v. Feilitzens und
Schuchardts, wonach it. coma und come, prov. coma und com, afz. come
und com im Gebrauche keineswegs völlig zusammenfallen, vielmehr die
hier jedesmal vorangestellte Form zunächst nur im verkürzten Vergleiche
ihre Stelle habe, die andere im vollständigen Satze. Zunächst gilt es
natürlich die Thatsächlichkeit solches Unterschiedes aufser Frage zu stellen,
und es ist sicher, dafs die Ergebnisse mühsamer Beobachtung, die Vising
hier vorgelegt, Eindruck machen. Weiter wird dann die Frage nach dem
Ursprung des it. pr. a, des fz. e der im verkürzten Vergleich gebrauchten
Formen zu entscheiden sein. Vising scheint geneigt, an ad und an et zu
denken, von denen wenigstens letzteres begriff'lich sich wohl eignet. Be-
denken bleiben freilich: es wäre doch seltsam, dafs ein afz. come, das
aus quomo(do) et entstanden wäre, vor Vokal sein e fast durchaus einbüfst ;
denn die Beispiele von Nichtelision, von denen G. Paris Rom. VIII 626
zu Z. 528 spricht, sind jedenfalls ungemein selten; es wäre merkwürdig,
dafs pr. coma, wenn sein a — ad ist, nicht gelegentlich vor Vokalen auch
als comaz auftritt. Die Sache bleibe weiterer Beobachtung und Erwägung
empfohlen. Hier bemerke ich blofs noch, dafs gerade an jener Stelle, für
die G. Paris ein come mit hiatustragendem e annehmen will, das Wort
nicht im verkürzten Vergleich verwendet bietet; das Gleiche gilt von
Estoit si pris come il ere, Athis 2256, wo übrigens der Text nicht völlig
feststeht; besser würde zu dem angenommenen Sachverhalt sich fügen
Velu sunt comme ours, hirecie et poignant, RAlix. 331, 7; Job se prova come
ors ßns, Rencl. C. 207, 11 (aber Come il est apres veus, eb. M. 208, 12!).
Jedenfalls ist die Verbindung quant et (quatido et), solange sie bestanden
hat, in ganz anderem MaTse durchsichtig, d. k- verständlich geblieben.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 201
Wiese giebt aus einer Handschrift des Brit. Museums (Harl. 5847),
bezüglich deren er sich in seiner Ausgabe der 'altlombardischen Mar-
garethenlegende' 1890 S. CXVIII auf kurze Angaben beschränken mufste,
ein Bruchstück von 341 Zeilen, die den zwischen 753 und 893 liegenden
140 Zeilen seines Druckes entsprechen, wie denn die Londoner Handschrift
der Wieseschen Ausgabe gegenüber ein Plus von im ganzen über 300 Versen
aufweist. Zeigt das hier mitgeteilte Stück in einigen Einzelheiten engeren
Anschlufs an Mombritius als die entsprechende Stelle der Ausgabe, so
erscheinen in ihm aufserdem Zusätze anderen Ursprungs, über deren Ab-
stammung aus verbreiteten Überlieferungen Wiese manche willkommene
Nachweise gewährt. (Zu der Stelle HO — 132 konnte an den Fablel von
S. Peter und dem Spielmann erinnert werden ; für die Fabel vom Blinden
und dem Lahmen kann die Stelle des Sulpicius Severus schwerlich als
erste Bezeugung gelten, s. Oesterley, Zu Kirchhofs Wendunmut V 124.)
Lenz verdankt der Band bemerkenswerte Mitteilungen über die ge-
druckte Volkspoesie in Chile. Sehr auffällig ist, was wir über die Ver-
schiedenheit erfahren, die nach Stoffen, Formen und Begleitung zwischen
dem Gesang der Männer und dem der Weiber besteht. Genaueres erfah-
ren wir diesmal mehr über den ersteren, den Bau des begleitenden gui-
tarron, die bevorzugte Dichtungsform (die Glosse in fünf Strophen aus
je zehn siebensilbigen Versen), bevorzugte Stoffe, die Dichtung im Wider-
streit und in Frage und Antwort, wobei ein anziehendes Musterstück zu
teilweisem Abdrucke kommt, und die wunderliche Sitte der musikalischen
Leichenfeier für kleine Kinder. Die vorgeführten Texte gaben zu mancher
Bemerkung auch über die Sprache des Volkes Gelegenheit. Es ist zu
wünschen, dafs der Verfasser recht reichlich weitere Auskunft über die
Sammlungen gebe, die er von Erzeugnissen des chilenischen Volksgeistes
angelegt hat.
Goldschmidt bespricht einige Wörter sicher oder vielleicht germani-
scher Herkunft, garou zieht er mit Kögel vor durch ahd. "^weriwulf hin-
durch, mit got. vasjan 'kleiden' in Verbindung zu setzen statt mit got.
vair 'Mann' (lat. vir ist doch immer nur in entfernten Zusammenhang
mit dem frz. Worte gebracht worden). Eine germanische Zusammen-
setzung *wariwulf mit der Bedeutung 'Wolfskleid' scheint mir nicht leicht
annehmbar, auch die Benennung 'Wolfskleid' für den Werwolf wenig
glücklich. — Afz. estout wird aus lat. stultus abgeleitet, dem auch deutsch
stolx entstammt; beides scheint mir völlig sicher. Weniger einleuchtend
ist die Gleichung it. bosco, prov. böse, woraus sp. bosque = *buxicum, die
schon in Rom. XVII 290 durch den Verfasser hat aufgestellt werden
sollen. Die lautliche Schwierigkeit ist durch den Hinweis auf martorio
nicht gehoben. — Auch bei der Zurückführung von estoier, estuier auf
stekan scheinen mir die lautgesetzlichen Verhältnisse nicht genügend er-
wogen; für Ol aus ek ist doch wohl niemals ui eingetreten (estüer auch
im Anglonormannischen !). — Was über it. tirare, über afz. guile und
beider Sippen ausgesprochen wird, sei der Erwägung empfohlen; einige
Zweifel bleiben mir auch da.
202 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Mit überzeugendem Nachweise im einzelnen und geschmackvoll vor-
tragend, thut Wen drin er dar, wieviel in Dovizis Calandria dessen ist,
was er bei seiner freien Neugestaltung des MenaechmistofFes an einzelnen
Elementen der Handlung und insbesondere an fertigen Eedestücken dem
Dekameron entnahm. Der Gewinn, der sich aus dem anmutigen Aufsatze
für unser Verständnis von Dovizis künstlerischem Verfahren ergiebt, wird
ohne Zweifel künftiger Betrachtung auch anderer Litteraturwerke zu
statten kommen.
Oskar Schultz bemüht sich mit umsichtigem Studium der Ur-
kunden, denen er schon so viel für die Litterargeschichte bedeutsame That-
sachen abzugewinnen verstanden hat, und mit behutsamem Erwägen der
Forderungen, denen der Etymologe Genüge thuu soll, um die Deutungen
einiger wichtiger, im alten Frankreich begegnender Frauennamen. In
Heldise, älter Helois, sieht er Heil-ivid-is; Eufiaut, was man dann meines
Erachtens freilich Evr'iaut würde lesen müssen, ist ihm Ebur-hild; Avierna,
das ihm Vierna gegenüber das ältere scheint, führt er auf ein direkt
freilich nicht erweisliches Avi-gerna zurück, bei welcher Gelegenheit
auch auf manche andere Namen neues Licht fällt; Odierne endlich, das
prov. durch Audierna wiedergegeben ward, auf Audigerna, wobei die
Frage der Erhaltung des intervokalen germanischen d eingehend erörtert
wird.
O. Hecker hat von den drei bekannten Exemplaren des Deo-Gratias-
druckes des Dekameron dasjenige der Magliabechiana in Florenz genauer
Untersuchung unterworfen. Ist es ihm nun gleich nicht gelungen, über
Ort, Zeit und Veranstalter des Druckes die Ungewifsheit zu mindern, in
der alle Bibliographen uns bisher gelassen haben, so hat er nach anderer
Seite hin wichtige Thatsachen zum erstenmal ermittelt: wir wissen jetzt,
dafs die Deputati (1574) diese Ausgabe meinen, wenn sie vom Secondo
(testo) sprechen, und wissen, dafs dieser Ausgabe freilich sehr nachlässig
gedruckter Text aus der vorzüglichen Berliner Handschrift stammt, sei
es auf geradem oder auf einem Umwege. So ist es denn möglich, sich
dieses alten Druckes für die Textkritik mit Nutzen zu bedienen, wo die
Berliner Hs. um ihrer Lücken willen ihr Zeugnis versagt. Hecker giebt
längere Reihen von Lesarten aus den in Betracht kommenden Teilen des
Druckes, teils solche, die nur überhaupt erwägenswert sind, teils solche,
die Mannellis Wortlaut gegenüber den Vorzug verdienen, endlich auch
solche, die als gemeinsame Fehler der Berliner Hs. und der Mannellischen
gelten dürfen. Möge die eifrige Arbeit, die Hecker nun schon seit längerer
Zeit dem Texte des Dekameron widmet, zu dem Abschlüsse gelangen, den
sie zu hoffen berechtigte Zuversicht einflöfst.
E. Gorra giebt von der Court d'Amours des Mahiu le Poriier eine
ausführlichere Analyse, als man sie früher durch Raynaud (Rom. X 520)
erhalten hatte, wobei er mehrere Stellen im französischen Wortlaut (der
übrigens der bessernden Hand noch bedarf) mitteilt. Wir sehen hier in
einer Zeit und bei einem Autor, deren Auffassung von der Minne durch-
aus nicht in allem mehr die des alten Minnesanges ist, die Lust am
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 203
Diskutieren schwieriger Streitfragen aus dem Gebiete des Miuuedieustes
noch lebendig, dazu den Brauch wetteifernder Gelübde bei festlichem
Anlafs in ungewohnter Weise erneuert, der in dem voeu du Mron uüd dem
du pami dichterische Verherrlichung erfahren hat (Zts. f. rom. Phil. IV
83 ff., Kajua, Orig. 404, Jeanroy, Orig. 17).
Cloetta untersucht, Studien fortführend, deren Ergebnisse in diesem
Archiv bereits durch ihn niedergelegt sind, ob nicht gewisse geschichtliche
Vorgänge der Synagon-Episode zu Grunde liegen, die eine der Besonder-
heiten des zweiten, weiter ausgeführten Montage Ouülaume ausmacht, und
von der er eine genaue Inhaltsangabe mitteilt. Man wird nicht in Abrede
stellen können, dafs die ins Jahr 1016 fallende Rettung Salernos von den
Sarazenen durch vierzig normannische Pilger, zusammen gefafst mit der
1072 erfolgten Eroberung Palermos durch die Brüder Roger und Robert
Guiscard und mit den 1038 und 1039 durch Guillaume Fierebrace, den
Sohn Tancreds, über die Sarazenen auf Sizilien und 1041 über die Byzan-
tiner in der Basilicata errungenen Erfolgen, eine Reihe von Zügen dar-
bieten, die mit manchen bedeutsamen Einzelheiten jener Episode einige
Verwandtschaft zeigen. Man wird aber vielleicht finden, es hätten die
tiefgehenden Unterschiede zwischen den geschichtlich überlieferten und
den dichterisch dargestellten Vorgängen ausdrücklicher anerkannt werden
dürfen. Es ist doch beachtenswert, wie in der Chanson der Heidenkönig
in Frankreich den gefährlichen Gegner aufsucht, wie Guillaume bis
gegen das Ende fast nur in der Rolle des Gefangenen auftritt, wie dem
französischen Könige selbst ein wesentliches Verdienst um den endlichen
Sieg eingeräumt ist, was alles in der herangezogenen Geschichte gleich
wenig seinen Ursprung findet, wie die im Mittelpunkte der Ereignisse
stehende Person Landris. Sollte nicht der freien Erfindung oder auch
der erneuten Verwendung episch bereits verarbeiteter Züge etwas gröfserer
Anteil an der Schöpfung einzuräumen sein?
Georg Cohn giebt von dem Verbum rever und dem daraus gewon-
nenen Substantivum reve eine Etymologie, die nicht allein besser als alle
bisher vorgebrachten befriedigt, sondern in der That die endgültige zu sein
scheint. Der Annahme, rever sei ein von dem irrigerweise als Deminutiv-
bildung empfundenen reveler aus gebildetes Simplex, scheint mir kaum
etwas im Wege zu stehen. Der inhaltreiche, in seiner fast übertriebenen
Gedrängtheit etwas mühsam zu lesende Aufsatz beschäftigt sich mit der
etymologischen Deutung noch mehrerer anderer französischen Wörter, und
mit Interesse wird man ihm auch da folgen; doch ist mir zweifelhaft, ob
er in allen Einzelheiten Zustimmung finden wird. Dafs das afz. reder
'faseln' zu redoter (nfz. radoter) in das gleiche Verhältnis gebracht wird
wie rever zu reveler, beanstande ich nicht ; ' dagegen scheint mir die Zurück-
* So ist von nfz. redingote (=r engl, riding-coai) aus ein vermeintliches Stamm-
wort redingue in gleicher Bedeutung (bei Richej»in, Cadet 22) gewonnen, so von
dem vermeintlichen span. Deminutiv levita 'langer Kock', chilenisch leva, s. in dem
Aufsatz von Lenz, S. 155, A 10.
204 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
führung von redotc auf *reductatus wenig annehmbar, auch schon, aber
nicht allein darum, weil, entgegen Cohns Aufstellung, die sicheren Reime,
die über die Qualität des o von redoter im Falle der Betonung Aufschlufs
gewähren, für offenen Vokal zeugen; so der von ihm selbst angeführte
aus der Bible Guiot, wo nicht ecouter, sondern das zu nfz. ecot gehörende
Verbum vorliegt, ferner Besant 1411 (iriote), RAlix. 99, 11 (imote, assote,
trote), VdlMort 36, 12 (iriote). Auch die Deutung des afz. weiblichen
reve 'Zoll' hat mich nicht überzeugt.
Wallensköld hat zu dem Bande einen Aufsatz 'Zur Klärung der
Lautgesetzfrage' beigesteuert, in welchem er scharfsinnig und mit sorg-
licher Püfung der bisherigen Aufstellungen der allgemeinen Sprachwissen-
schaft von den Arten und der Wirkungsweise der Ursachen handelt, die
Lautwandel herbeiführen.
Freymond berichtet über einige Handschriftenfragmente der Berner
Stadtbibliothek, die durch ihn mit grofser Sorgfalt den Schriftwerken
zugeteilt werden, denen sie zugehören, und macht Mitteilungen über den
der nämlichen Sammlung angehörenden (übrigens spät und wenig ge-
wissenhaft geschriebenen) Text des Ovide moralise. Er verweilt nament-
lich bei der (in Lichtdruck wiedergegebenen) Stelle, wo das berühmte
eristiens li gois sich findet, und die ungewöhnliche Gestalt des g veranlafst
ihn die Vermutung auszusprechen, es seien hier die dem Schreiber nicht
recht verständlichen Züge seiner Vorlage ängstlich nachgemalt, in dieser
selbst ein ursprüngliches tr nachträglich zu g abgeändert gewesen, im
ursprünglichen Wortlaut habe die Zeile mit de trois geschlossen, womit
de Troies gemeint wäre.
Ebeling trägt zu der durch Raynaud (Romania XII) gegebenen Be-
schreibung der Berliner (Hamilton) Fableaux-Handschrift mancherlei be-
richtigend und ergänzend nach und teilt die Abweichungen derselben von
den bei Montaiglon-Raynaud gegebenen Texten zu fünf sonst nur in je
einer Handschrift erhaltenen Stücken mit. Von zweien darunter giebt
er, da der Berliner Text ganz besonders stark von dem früher gedruckten
sich entfernt, vollständigen diplomatischen Abdruck. Derselbe behandelt
in einem ausgedehnte Lektüre, gute Beobachtungsgabe und unbefangenes
Urteil zeigenden Aufsatze die von ihm 'Asymmetrie des Ausdrucks' ge-
nannte Erscheinung. Er hat vielleicht nicht in allem einzelnen recht; ich
glaube z. B. nicht, dafs in dem Verse N'e7i puis vive eschaper, se ne vos
voi u seilte (S. 347) der Konjunktiv sente durch irgend eine 'Vorliebe', ein
'Verlangen' herbeigeführt und irgend zu rechtfertigen sei, möchte lieber
que ne vos voie u s. schreiben; ich stelle mich auch auf die Seite derer,
die im Falle der Anreihung eines Präs. Conj. an ein mit se eingeführtes
Präs. Ind. im Bedingungssatze jenes als unabhängig von der Konjunk-
tion ansehen, wie denn derartige Sätze auch aufserhalb der Koordination
vorkommen und vorkamen (Karls R. 697, Clig. 5677, Rom. u. Past. I 8, 16);
ich kann in dem esvoille, Erec 1432, einen Konjunktiv, dessen Subjekt
ein nirgends erwähnter 'selbstverständlicher' Knappe wäre, nicht erkennen,
freilich auch kein Intransitivum im Indikativ, obschon im Hiob 334, 1
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 205
evigilate mit esvoiliex übersetzt ist, sondern nehme es einfach als Indikativ
des transitiven Verbums; endlich meine ich, es wäre bei der psychologi-
schen Erklärung der Vorgänge noch das Moment der weiteren Trennung
des zweiten Satzgliedes von dem regierenden ins Auge zu fassen gewesen,
einer Trennung, die sicher die Freiheit in der Gestaltung jenes zweiten
erweitert. Im ganzen sind aber in dankenswerter Weise nicht hinlänglich
beachtete Erscheinungen ins Licht gerückt, und ist damit die Textbehand-
lung vor Mifsgriffen gewarnt, die sie nicht selten sich hat zu schulden
kommen lassen.
Goldstaub behandelt unter dem Titel 'Zwei Beschwörungsartikel der
Physiologus-Litteratur' die der Aspis und der Gorgo gewidmeten Kapitel,
die miteinander gemein haben, dafs auch zur Bewältigung der beiden
Wesen Anweisung gegeben wird, jenes zum Teil, dieses völlig dem mittel-
griechisch-slavischen Zweige der Quellen angehörig. Welche Elemente, und
in welcher Folge sie zur Bildung der späteren Lehren zusammengetreten
sind, setzt der Verfasser mit bekannter Gelehrsamkeit auseinander.
Das Schachspiel im Altfranzösischen hat Fritz Strohmeyer zum.
Gegenstande einer fleifsigen Abhandlung gemacht, die reichliche Samm-
lungen von Belegstellen zur Kenntnis des Sprachgebrauches und der alten
Sitte in sich schliefst. Beiläufig sei bemerkt, dafs mit dem double?- les poinz
de Veschaquier doch nicht gemeint ist 'etwas mit 128 multiplizieren', son-
dern jene viel weiter gehende Vervielfältigung, die dem König des Ostens
der Erfinder des Schachspiels vorgeschlagen haben soll. Es sei auch
noch der Anstandsregeln für Schachspieler hier erwähnt, die Raimon
de Cornet uns hinterlassen hat (Noulet et Chabaneau, Deux Manuscrits
prov. S. 92).
C.Wahl und, dessen Beteiligung an der litterarischen Festgabe mich
um so inniger freut, je weniger ich mich rühmen darf, ihn jemals zum
Schüler gehabt zu haben, beschäftigt sich mit Leben und Werken der
bisher von der Litteraturgeschichte wenig beachteten Dichterin Anne
de Graville, einer Freundin der Marguerite de Navarre. Was irgend über
ihre Lebensumstände und die ihrer Verwandten aus den abgelegensten
Verstecken aufzutreiben war, ist hier mit erstaunlicher Gelehrsamkeit zu-
sammengetragen. Nicht minder willkommen aber ist, was man über ihre
Dichtungen erfährt. Voran steht ihre trotz der Erhaltung in fünf oder
sechs Handschriften und trotz eines Druckes von 1892 immer noch schwer
nahbare Bearbeitung von Boccaccios Teseide, und zwar, wie Wahlund
entgegen der ausdrücklichen Aussage des Titels glaubt und wahrscheinlich
macht, eine durch keine ältere französische Prosaerzählung mit dem
italienischen Gedichte verbundene, sondern von diesem selbst ausgehende
Bearbeitung, die zwischen 1520 und 1524 ausgeführt sein mufs. Dazu
kommt die früher als Arbeit der Anne de Graville nicht erkannte Um-
setzung von Alain Chartiers Belle darrte sans merci in Rondelform, aus
der ein Stück mitgeteilt wird, endlich ein Rondeau, das schon G. Tory als
Musterstück in seinen Champ fleury (1529) aufgenommen hatte, und das
wir hier nach einer handschriftlichen Fassung zu lesen bekommen.
206 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Risop setzt sich mit Psichari über einige der schwer mit Sicherheit
zu beantwortenden Fragen auseinander, die sich an den Florimont knüpfen,
und bezüglich deren ohne Kenntnis des Textes der stark voneinander ab-
weichenden Handschriften eine Meinung sich selbständig zu bilden so
aufserordentlich schwierig ist. Sind die beiden Gelehrten darin glei-
cher Ansicht, dafs sie das in dem französischen Gedichte auftretende
Griechisch als von einem Nichtgriechen und zwar einem des Griechi-
schen nur sehr wenig kundigen herrührend betrachten, so kann dagegen
Risop seinem Gegner nicht zugeben, dafs ein lateinisches Bindeglied mit
einzelnen griechischen Stellen dem Franzosen zur Quelle gedient habe.
Er macht mit Nachdruck geltend, dafs den Hinweisungen Aimons auf
schriftliche Quellen gleich wenig Gewicht wie vielen ähnlichen anderer
beizulegen, viel mehr den Stellen zu trauen sei, die sich als Zeugnisse für
mündliche Überlieferung verwerten lassen und von des Dichters tnemoire
sprechen (welches Wort freilich auch nicht blofs 'Gedächtnis' bedeuten
kann); er ist geneigt, auf solche mündliche Überlieferung allerdings nur
den Kern der erzählten Sage zurückzuführen, und deutet an, dafs manche
anderen Elemente, und zwar abendländischer Herkunft, erst durch Aimon
mit jenem Kern zusammengefügt worden seien; sein bifschen Griechisch
habe dieser wohl nur aus einer jener kümmerlichen Anleitungen für Rei-
sende sich angeeignet, wie sie uns mehrfach erhalten sind, und weislich
habe er sich begnügt, von der ihm wenig vertrauten Sprache nichts als
die alleralltäglichsten Floskeln seiner Erzählung einzuverleiben. Wenn die
mit ausnehmend mannigfaltiger Gelehrsamkeit und grofser Gedrängtheit
durchgeführte Argumentation zu gunsten dieser Ansicht ihren Eindruck
sicher nicht verfehlen wird, so weifs ich nicht, ob die schwierige Aufgabe,
den Namen Florimont als zutreffende Übersetzung von Eleneos zu erweisen,
gleich glücklich gelöst ist. An Gelehrsamkeit ist sicher auch hier kein
Mangel spürbar, und die ungewöhnliche Belesenheit des Verfassers ver-
läugnet sich hier so wenig wie anderswo ; aber damit allein ist nicht alles
zu erreichen. Doch wäre es unbillig, zu verschweigen, dafs Risop selbst
andeutet, wie er die Lockerheit seiner Argumentation anerkenne und all-
fälligen Bedenken der Zweifler Berechtigung nicht versage.
Breul lehrt zum erstenmal vollständig den Dit de Robert le diable in
vierzeiligen Alexandrinerstrophen kennen, über dessen Verhältnis zu den
übrigen Fassungen der rührenden Sage er schon 1886 in seinem Sir
Gowther gehandelt hat. So nahe die Entstehungszeit des Dit dem Ende
der altfranzösischen Zeit liegt, so ist er doch in mancher Beziehung an-
ziehend. Der Verfasser meidet müfsige Abschweifungen, trägt in ange-
messenem Tone vor, flicht gern von Zeit zu Zeit ein Sprichwort ein und
handhabt die gewählte Form mit auffallender Freiheit, dergestalt, dafs sie
ihn nicht veranlafst, seine Erzählung in lauter gleiche Stückchen zu zer-
hacken. Auch die Vergleichung der (nur etwas wenig übersichtlich) mit-
geteilten Varianten zweier jüngerer Handschriften ist nicht ohne Interesse,
weil ersichtlich w4rd, wie inzwischen eingetretene Änderungen des Sprach-
standes zu Änderungen des Wortlautes geführt haben. Ein paar kleine
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 207
Änderungen am gedruckten Texte scheinen mir nötig; oft stellen sie die
überlieferte Lesart her: Z. 7 \. et ü se rent, nach Z. 16 Punkt, nach 17
Komma, weil nur im Nachsatz die Kopula fu (18) an der Spitze steht,
G5 diex nie het, bien le voi, 71 coustast, 98 jusqu'au terme, 129 ou il fetist,
157 Dessics, 171 ens es dens, 286 duc ne conte, 252 a resori, 302 7noult
fu, 316 Punkt nach fois, 419 Non fais, ce dist, 526 j'irai, 547 depria,
556 Jusques a tant, 658 kein Komma, 697 s'e7i issirent, 731 merdaille (Ge-
sindel), 824 engingniex, 858 Em priant, 933 moult grant.
Berlin. Adolf Tobler.
Edmond Huguet, Etüde sur la syntaxe de Rabelais comparc^e
ä Celle des autres prosateurs de 1450 ä 1550. Paris, Librairie
Hachette et 0% 1894. VIII, 455 S.
Die Sprache Rabelais' ist bereits öfter der Gegenstand mehr oder
weniger eingehender Arbeiten gewesen. Diese behandelten aber entweder
neben der Syntax auch die Laut- und die Formenlehre, so. dafs das Ganze
einen mehr skizzenhaften Charakter hatte, oder aber sie beschäftigten sich
nur mit einzelnen Abschnitten der Syntax, gaben also kein vollständiges
Bild von den syntaktischen Erscheinungen der Sprache des Autors. Dem-
nach war eine umfassende Untersuchung des Gegenstandes, die auf einer
genauen Kenntnis des altfranzösischen und des neuesten Sprachgebrauches
beruhte, sehr wohl am Platze. Leider kann ich nicht behaupten, dafs das
vorliegende Buch trotz seines gewaltigen Umfanges die Aufgabe in befrie-
digender Weise gelöst habe. Der Verfasser hat seinen Stoff nicht immer
gut geordnet und wirft zuweilen verschiedenartige Fälle zusammen, wäh-
rend er anderswo zusammengehörige auseinanderreifst; an einzelnen Stellen
fehlt ihm das richtige Verständnis für die zu Grunde liegenden gram-
matischen Verhältnisse, an anderen mangelt eine klare Darstellung der-
selben, indem er sie rein äufserlich nach formellen Merkmalen bezeichnet,
statt auf den Inhalt, auf die Bedeutung einzugehen. Das Schlimmste
aber ist, dafs er mit dem Altfranzösischen nicht genügend vertraut ist,
so dafs ihm die richtige Beurteilung der einzelnen Erscheinungen nicht
immer gelungen ist.
Nach einer Einleitung, in welcher er das ihm vorschwebende Ziel ge-
nauer bezeichnet und seine Vorgänger auf diesem Gebiete kurz charak-
terisiert, gruppiert er den ganzen Stoff in 13 Kapiteln. Die ersten neun
sind im allgemeinen nach der Reihenfolge der Redeteile geordnet, d. h.
er handelt nacheinander vom Substantivum, Adjektivum, Zahlwort, Ar-
tikel, Fürwort, Verbum, Adverbium, von der Präposition und der Kon-
junktion, Das zehnte Kapitel ist betitelt 'Ellipse und Pleonasmus', das
zwölfte 'Übereinstimmung {Accord) und Syllepse', das dreizehnte 'Wort-
stellung' und das letzte 'Satzbau' {construction de la phrase). Was zu-
nächst die Besprechung der Vorgänger betrifft, so ist diese weder voll-
ständig, noch auch ist sie immer gerecht. Unter den Abhandlungen, die
sich auf Rabelais selbst beziehen, fehlt Schäffer, Grammatische Abband-
208 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
lung über Eabelais, Archiv XXXV, 221 — 288; Schönermark, Beiträge zur
Geschichte der frz. Sprache aus Rabelais' Werken. Breslauer Programm
1861, 1866, 1874; Leander, Observations sur l'infinitif dans Rabelais, Diss.
Lund 1871, und E. Platen, Syntaktische Untersuchungen zu Rabelais,
Diss. Leipzig 1890. Noch zahlreicher sind die übersehenen Arbeiten über
diejenigen Prosaiker, die der Verfasser zum Vergleiche heranzieht. Die
von ihm besprochenen werden meist mit wenigen kurzen Bemerkungen
abgethan, worauf er erklärt (S. 18), dafs er ohne Rücksicht auf sie sich
seinen Stoff selbst gesammelt habe. Dieses Verfahren ist aber keines-
wegs zu billigen. Zunächst hätte der Verfasser sein Buch sehr bedeutend
entlasten und dadurch kürzen können, wenn er auf alle diejenigen Er-
scheinungen, welche in jenen Arbeiten schon genügend klar gestellt wor-
den waren, einfach verwiesen hätte, statt dieselben Sachen noch einmal
zu sagen; sodann aber würde ein sorgfältiges Studium der Arbeiten ihn
selbst vor mehreren Fehlern bewahrt haben. So aber hat er sich nicht
einmal von solchen Mängeln frei gehalten, die er an jenen, und zwar mit
Recht, tadelt. Er wirft z. B. Radisch vor (S. 12), dafs dieser hier und da
auch Sätze mit aufgeführt habe, die dem heutigen Sprachgebrauche völlig
entsprechen. Genau so aber hebt Huguet auf S. 82 hervor, dafs Rabelais
le mien, le tien als neutrale Substantiva, also im Sinne von mon, ton
bien verwende, was doch auch jetzt noch geschieht. Ebenso auf S. 267,
dafs bei Rabelais in Sätzen wie la terre ne porte gens plus mechans que
vous estes und im Heptameron in jamais femme ne fut mieux traictee
que vou^ serex im Vergleichungssatze ne ausgelassen sei, während dies
doch auch die heutige Sprache nach negierten Hauptsätzen thut. Auf
S. 318 führt er sogar den Satz Mon moyne se met ä bauifrer dfun tel
appetit comme s'il n'eust veu de trois jours pain unter denjenigen Bei-
spielen auf, in welchen das Neufranzösische qu£ statt comme brauchen
würde.
Ebenso verhält es sich mit einem anderen Vorwurfe des Verfassers.
'Eckert läfst sich sogar einfallen,' ruft er auf S. 10 spottend aus, 'Rabelais
zu verbessern,' als jener nämlich einmal hervorgehoben, dafs manche Un-
klarheit bei letzterem durch einfache Umstellung einzelner Worte ent-
fernt werden könnte. Aber thut denn Huguet etwas anderes, wenn er
auf S. 186 erklärt, in dem Satze alors que il eut mis le feu par les tentes,
passoit legierement wäre es besser gewesen {il aurait ete m,ieux), das D^-
fini statt des Imparfaits zu setzen, oder wenn er auf S. 187 behauptet
il faudrait le plus-qu^-parfait, oder wenn bald darauf ein Wechsel des
Tempus ein defaut de concordance des temps genannt wird?
Die Einleitung enthält aber auch mehrere Stellen, welche beweisen,
dafs des Verfassers Auffassung der sprachlichen Entwickelung teilweise
unrichtig ist. So heifst es z. B. auf S. 3 ju^qu'ä la ßn du XIV" siech le
plus grand desordre regne dans la syntaxe. Notre langue ne reussit
qu'apres une longue lutte ä eliminer les restes de l'ancienne declinaison
latine. Was hat die Nivellierung der Deklination mit der 'Unordnung*
der Syntax zu thun, die obenein nur in der Einbildung des Verfassers
i
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 20Ö
existiert? Auch der Satz la langiie est encore hesitante, et hien des qtcestions
sont posees anqiielles les grammairiens n' ont jamais fait aueune
reponse logique verrät eine unzutreffende Anschauung von dem Ver-
hältnis der Grammatiker zur Sprache. Das nämliche Gebrechen tritt
aber noch mehrfach in dem Buche hervor. Die Möglichkeit, zwischen
mehreren Konstruktionen zu wählen, d. h. einen und denselben Gedanken
auf verschiedene Weise wiederzugeben, ist keine Unordnung, da jeder
Konstruktion doch ein anderer Sinn entsprach, so dafs also nicht Will-
kür bei dieser Wahl herrschte. Demgegenüber hören wir z. B. auf S. 187
bei der Erwähnung der Thatsache, dafs Rabelais mit dem Tempus sehr
häufig wechselte, c'est le hasard le pltcs complet qui a fait employer teile
ou teile tournure, et il serait inutile de chercher ä decouvrir une tendance
de la langue ou une intention de Vecrivain. Dieselbe Erscheinung wird
auf S. 190 eine confusion genannt, und auf S. 411 wird die gröfsere Frei-
heit der früheren Autoren einzig deren caprice zugeschrieben. Ebenso er-
fahren wir S. 414 qu'il y a beaucoup de fantaisie ckex, Rabelais et qu'il
s'amuse plus d'une fois ä construire bixarrement sa phrase. Er fährt dann
fort: (Je qui nous prouve qu'il ne faut voir la qu'un caprice, c'est qu£,
souvent atissi, il met l'adjectif apres le substantif dans les cas oii rums le
placerions avant. Als ob Rabelais und seine Zeitgenossen (denn Rabe-
lais unterscheidet sich in der Syntax nicht von diesen) geahnt hätten,
welche Adjectiva im 19. Jahrhundert ihren Substantiven stets vorangehen
würden, und diese nun aus reiner Laune vor das Substantiv gesetzt
hätten !
Endlich erfahren wir in der Vorrede, dafs nur diejenigen Erschei-
nungen hervorgehoben worden sind, welche heute nicht mehr vorkommen,
und dafs bei ^ jeder derselben die übrigen Prosaiker zwischen 1450 und
1550 zum Vergleich herangezogen sind. Es ist ja durchaus lobenswert,
die Sprache Rabelais' im Zusammenhang der geschichtlichen Entwicke-
lung zu behandeln, aber die Art, wie dies hier geschehen ist, giebt wie-
derum zu Ausstellungen Anlafs. Die Zeit vor 1450 ist für Huguet nicht
vorhanden, ja, als ob es gar keine Werke über altfranzösische Syntax
gäbe, belegt er die alltäglichsten altfranzösischen Wendungen und Er-
scheinungen durch ganze Seiten von Beispielen aus Commines, den Cent
Nouvelles, Saintrö, Jean de Paris u. s. w., um nachzuweisen, dafs die-
selben eine Fortsetzung des früheren Brauches enthalten, statt sich mit
einem Hinweis auf diesen völlig bekannten Brauch zu begnügen und
höchstens festzustellen, dafs auch die Zeitgenossen mit Rabelais überein-
stimmen. Auf diese Weise hätte fast der vierte oder gar der dritte Teil
des Buches ohne Schaden wegfallen können.
Letzteres gilt aber noch von anderen Abschnitten. So das ganze
dreizehnte Kapitel, das überhaupt nicht in die Syntax gehört, da es aus-
schliefslich den Periodenbau, den Stil und die Ausdrucksweise, Antithesen,
Vergleiche und anderen Redeschmuck betrifft. In das Lexikon gehört
die Verwendung eines Adjektivs statt de mit dem Substantiv {marbrin
statt de marbre), in die Formenlehre der Gebrauch der Formen vieil und
Archiv f. n. Sprachen. XCV. X4
210 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
fol, wo die heutige Sprache vieux und fou wählt, die Aufzählung der
Reste von synthetischen Komparativen und von gelehrten Superlativ-
bildungen, der gröfste Teil des Kapitels vom Zahlwort, beim Pronomen
die Aufführung sämtlicher jetzt verloren gegangener Formen, soweit sie
nicht in syntaktischer Hinsicht Besonderheiten darbieten. So sind auch
dem Adverbium volle dreifsig Seiten gewidmet, da der Verfasser sich
nicht damit begnügt, diejenigen Erscheinungen zu erwähnen, die syntak-
tisch bemerkenswert sind, sondern alle Adverbia, die verloren gegangen
sind oder die sich bei Rabelais in etwas anderer als der heutigen Bedeu-
tung finden, aufzählt und durch zahlreiche Beispiele belegt.
Es liegt mir nunmehr ob, das oben ausgesprochene Urteil über die
Ausführung der Arbeit zu begründen, wobei ich mich natürlich auf die
Hervorhebung einiger charakteristischer Beispiele beschränken mufs. Was
die Anordnung des Stoffes betrifft, so findet sich z. B. die Verwendung
des bestimmten sowie des unbestimmten Artikels in dem Kapitel 'Ellipse';
ebendort der Gebrauch des blofsen Konjunktivs (ohne que) im Hauptsatze,
ebendort der Gebrauch des reinen Infinitivs, der des beziehungslosen
Relativums, die Verwendung von indirekten Fragesätzen, wo das Neu-
französische den Relativsatz wählt, der Gebrauch des singularischen Ar-
tikels vor mehreren koordinierten Substantiven, das Eintreten des per-
sönlichen Fürwortes statt des bezüglichen im zweiten von zwei koordi-
nierten Relativsätzen und sehr vieles andere. Im elften Kapitel {accord
et syllepse) erhalten wir die Regeln von der Verwendung des Part. Präs.
statt des Gerundiums, über die Veränderlichkeit des mit avoir zusammen-
gesetzten Part. Prät., über die Bildung und Verwendung des Femininums
von demi und tout u. s. w.
Die Erklärung zu dieser kaum glaublichen Thatsache liegt in dem
Umstände, dafs Huguet den heutigen Zustand der Sprache als den 'nor-
malen' ansieht, daher, wenn beispielshalber Rabelais die Abstracta ohne
Artikel braucht, darin eine 'Auslassung' sieht, demnach die Erscheinung
unter 'Ellipse' behandelt.
Der Abschnitt 'Modi', der also über den Gebrauch des Indikativs
und des Konjunktivs in den verschiedenen Arten von Haupt- und von
Nebensätzen Aufklärung geben sollte, enthält nur drei Sätze: 1) Im
hypothetischen Satzgefüge findet sich zuweilen der Konjunktiv und zwar
sowohl im Haupt- wie im Nebensatz; 2) der Konjunktiv steht zuweilen
statt des Indikativs nach Verben des Glaubens und im indirekten Frage-
satz; 3) der Indikativ statt des Konjunktivs findet sich oft na,ch. jitsqu'ä
ce que, hien que und den Verben der Gemütsbewegung. Alles ist also
bunt durcheinander geworfen und ebenfalls wieder ausschliefslich vom
neufranzösischen Standpunkt aus beurteilt!
Zahlreich sind die Fälle, wo die Regeln unklar ausgedrückt sind,
was allerdings oft in einer Unklarheit über das zu Grunde liegende
grammatische Verhältnis seinen Grund hat. Auch hierfür nur einige
Beispiele. Rabelais hat eine grofse Vorliebe für die Relativkonstruktion.
Statt daher zwei Sätze koordiniert aneinanderzureihen, in deren zweitem
Beurteilungen und kurze Anzeigen. Sil
sich ein auf einen Begriff des ersten bezügliches Personalpronomen be-
finden würde, wählt er statt des letzteren das entsprechende Relativ-
pronomen, wodurch er also den zweiten Satz dem ersten unterordnet.
Er thut dies sogar (in Übereinstimmung mit lateinischen Konstruktionen
wie qy£m videns, qaeftn cum vidisset) auch dann, wenn das Personal- bezw.
das Relativpronomen von einem Participium, einem Infinitiv oder dem
Verbum eines Nebensatzes abhängt, z. B. les qtielx, quand Panurge apper-
ceut . . . Über diese Erscheinung erfahren wir nun folgendes. Ohne die
allgemeine Bemerkung von der relativen Anknüpfung vor wegzuschicken,
bespricht er nur die zweite Art von Konstruktionen und erklärt (S. 138):
Rabelais fait du pronom relatif un usage qui ncms rappelle tout ä fait la
syntaxe latine. Place dans une proposition incidente, le relatif la rattache
d'une pari ä la proposition qui precede, et dans laquelle se trouve son ante-
cedent, d'autre pari ä une proposition pi'incipale qui suit. Niemand wird
aus diesen Worten entnehmen können, um welche Konstruktion es sich
handelt. Obenein ist die Behauptung, dals das Relativum sich in einem
'eingeschobenen' {incidente) Satz befinde, unrichtig. Höchst drolligerweise
findet sich denn auch bei der Aufzählung der einzelnen Fälle als e) la
proposition reliee ä la precedente par le relatif peut etre non pas une
proposition incidente, mais une proposition infinitive sujet du verbe
principal. Als einziger Beleg erscheint der Satz: Alleguantes que les femmes
de religion ont quelques petites imperfections secretes, les quelles honte in-
supportable hur est decele?' aux homes confesseurs, in welchem auch jetzt
noch die relative Konstruktion verwandt werden würde (qu'il leur est . . .
de). Ebenso heifst es unter d) La proposition incidente peut contenir encore
un autre relatif: Troiiveretit neuf flacons. . . . DesqueU celluy qui au milieu
estoit couv^roit un gros livret; der zweite Relativsatz hat aber mit der in
Rede stehenden Konstruktion nicht das Geringste zu thun.
Auf S. 145 heilst es von dem interrogativen quel: Le pronom quel,
que nous joignons le plus souvent ä un notn, quand il n'est pas attribut, est
assez souvent employe par Rabelais dans des cas oii nous ne pouvons plus
employer aujourd'hui que la forme lequel. Ohne die Beispiele würden
wir über die Verwendung von quel bei Rabelais völlig im unklaren sein.
Wer kann sodann auf S. 195 aus der Angabe: On trouve aussi che%
Rabelais le subjonctif determine par certaines expressions dont les equi-
valents laiins se construisent soit avee l'indicatif, soit avec le subjonctif
entnehmen oder auch nur ahnen, um was für Arten von Sätzen es sich
hier handelt?
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen erlaube ich mir nun noch einige
unrichtige Einzelheiten hervorzuheben, die auch zum Teil die mangel-
hafte Kenntnis des Altfranzösischen kennzeichnen. Mehrfach erscheinen
falsche etymologische Angaben. So wird auf S. 26 navire von dem mlat.
navirium abgeleitet, und auf S. 233 wird die längst als unrichtig nach-
gewiesene Herleitung des Wortes cukmcques von tunc, auf S. 246 die des
Adv. ore von hora wiederholt. Andererseits wird auf S. 242 das Adv. mon
in Wendungen wie ä scavoir mon als ungewisser Herkunft bezeichnet.
14*
212 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Kennt der Verfasser Diezens Erklärung nicht (von mundios, rein), oder,
wenn er sie kennt, was hat er gegen sie einzuwenden? — S. 27. Der
Wechsel des Geschlechtes von mensonge wird vermutungsweise dem Ein-
flüsse des lat. mendaeium zugeschrieben, während er höchst wahrscheinlich
auf songe zurückzuführen ist. — S. 65. Bei dem Gebrauche der betonten
oder unbetonten Formen des persönlichen Fürwortes unmittelbar vor dem
Verbum hätte unterschieden werden müssen, ob das Verb als Mittelform
(Inf. oder Part. Präs.) oder als Verbum finitum auftritt. In ersterem
Falle war im Afrz. bekanntlich der Gebrauch der volleren Formen des
Pronomens obligatorisch, in letzterem fakultativ. Daher haben sie sich
vor jenen länger und häufiger erhalten. Demnach ist es nicht richtig,
dafs in Sätzen wie 'il estoit trop matin pour eulx lever' eulx proklitisch
gewesen sei, und dasselbe gilt also auf S. 67 — 68 von sotj, toy vor einem
Inf. oder einem Part. Präs.
S. 107. Der Verfasser vergleicht die beiden Wendungen comme celui
qui und il n'y a celui qui mit den lateinischen quippe qui und nemo est
quin, ja, er scheint sie auch als Nachbildungen des Lateinischen aufzu-
fassen, wenigstens hebt er hervor, dafs sie sich auch bei Commines und
bei Monluc finden, obwohl letztere peu latinistes seien. Diese Ausdrücke
haben aber selbstverständlich nichts mit dem Lateinischen zu thun, da
sie, wie übrigens schon Diez, Gr. III, 78 nachgewiesen hat, von Anfang
an dem Französischen geläufig waren. Diez hat sogar schon einen Beleg
aus Montaigne angeführt. — S. 116. Zu dem mehrfachen Vorkommen
von qui im Sinne von qu'il wird die Bemerkung gemacht, dafs es sich
hier um einen phonetischen Vorgang, nämlich ein Verstummen des l
handle, und dann hinzugefügt: Cest evidemment ce fait de prononciation
qui a donne Heu ä la construction si repandue au XVII'^ siecle. Nous la
trouvons dejä dans Des Periers. Die Konstruktion findet sich aber schon
viel früher, z. B. par moi vous . . . mande Et sachiez qui le vou^ com-
mande Que la plus grande me baillies, Fabliaux 2, 5; Nes (= ne les)
prendroit il qui ne jeust A vous, ib. 2, 83; Dont est si lies qui baise terre
Li prestre, ib. 2, 90 u. ö. Daher ist es zweifelhaft, ob die obige Erklärung
der Erscheinung richtig ist. Mit Unrecht aber wird unter den Beispielen
auch TJn des gentilz hommes de la Beausre que Von dit qui sont deux ä un
cheval quand ih vont par pays (aus Des Periers) aufgeführt. Hier handelt
es sich um einen Kelativsatz im Verhältnis eines lateinischen Accusativ mit
dem Infinitiv, und die angewandte Konstruktion ist nicht nur im Afrz.,
sondern noch bis ins 18. Jahrhundert hinein gebräuchlich. Ja noch Victor
Hugo schreibt: J'ai travaille ä cette grosse bombarde de Jean Maugue qus
vous savez qui a creve au pont de Charenton. — S. 126. Im 15. Jahrhun-
dert soll quoy völlig im Sinne des nfrz. lequsl gebraucht worden sein. In
sämtlichen Beispielen, die aufgeführt werden, erscheint jedoch quoy von
Präpositionen abhängig und auf Sachen oder abstrakte Begriffe bezogen. —
S. 155. Der Verfasser ist durch die unrichtige Interpunktion des Heraus-
gebers verleitet worden, den Satz Jamais en maulvaise partie ne prendront
choses qu£lconques, ilx congnoistront sourdre de bon, franc et loyal couraige
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 213
unter die Belege für qitelconque als unbestimmtes Fürwort aufzuneh-
men ; das erste Komma ist zu streichen und quelconques als bezügliches
Fürwort aufzufassen. Ebenso war die Verwendung von quel mit und
ohne vorangehendes tel im Sinne von 'solcher, welcher' (S. 161) unter dem
Relativpronomen zu behandeln. — S. 165. Äpprendre soll bei Rabelais die
Bedeutung 'belehren, unterrichten, lat. docere' haben, und als Beweis wird
angeführt: Singulierement estoit aprins ä saulter hastivement d'un cheval
sus l'autre. Hier hat aber apris wie im Afrz. und auch heute noch die
aktive Bedeutung 'der etwas gelernt hat, erfahren'. Im Afrz. würde es
allerdings mit de verbunden werden, jetzt scheint es nur mit dem Adv.
bien oder mal, nicht aber mit einer präpositionalen Bestimmung vorzu-
kommen. — Genau ebenso verhält es sich mit der auf S. 167 angeführten
Stelle aus Des P(5riers de peur d'estre mal disnex chex ce basse contre;
disne erscheint auch bei Commines zweimal in der Bedeutung 'gespeist
habend' (vgl. Ztschr. f. rom. Phil. I, 221). — S. 166. Von den Beispielen,
welche obeir als transitiv nachweisen sollen, ist keines beweiskräftig, da
es jedesmal mit einem transitiven Verbum verbunden erscheint, so dafs
nach altfranzösischem Brauch die Konstruktion von diesem auf ob^ir
übertragen sein kann. — S. 187. Dans les propositions qui exprhnent une
comparaison nous trouvons tres souvent le verbe 4 l'imparfait du subjonctif
quand le verbe principal est ä un temps passe et qu'il faudrait, par conse-
quent, le plus-que-parfait : mais les Oeans estoient aises comme s'ilx feussent
de tiopces. Diese Worte enthalten zwei Unrichtigkeiten; erstens befindet
sich der Konjunktiv nicht in einem Vergleichungs-, sondern in einem
irrealen Bedingungssatz, und zweitens liegt ein Konjunktiv Plusquam-
perfecti vor, da der Konjunktiv des Imperfekts bei Rabelais, wie im Afrz.,
seinem Ursprünge gemäfs auch die Bedeutung eines Konj. Plusqu. haben
kann. — S. 194. Unter den Objektivsätzen, in denen bei Commines der
Konjunktiv steht, wird auch aufgeführt: Encores que aucuns congnoissoient
qu'il le fist pour gaigner temps, si le dissimuloient ih, wo fist selbstver-
ständlich = fecit ist. — S. 195. Es wird behauptet, dafs Rabelais in der
indirekten Frage gewöhnlich den Konjunktiv setze. Es mufste hinzu-
gefügt werden, wie auch aus den Beispielen erhellt, wenn der Hauptsatz
negativen Sinn hat. — S. 198. In Et ne tarda gueres qvs luy envoya trois
mille escux soll que die Bedeutung des nfrz. jusqu'ä ce qus haben. Es
liegt aber einfach ein Subjektssatz vor, so dafs der Indikativ durchaus
am Ort ist. — S. 200. Nach den Verben der Furcht und des WoUens
soll angeblich bei Rabelais que mit dem Indikativ vorkommen, was sehr
auffällig wäre. In dem ersten der drei Belege steht aber nach avoir peur
im Objektssatze das Futurum, wie bekanntlich auch im Afrz.; in den
beiden übrigen handelt es sich um einen Temporalsatz mit jusques ä ce
que und dem gleichbedeutenden attendant qu£, nach denen bei Rabelais
wie auch sonst in der ältesten Sprache oft der Indikativ steht (vgl. S. 197).
Ähnlich verhält es sich mit den auf S. 201 angeführten Beispielen. Ent-
weder haben wir es mit Konjunktionen zu thun, die den Indikativ neben
dem Konjunktiv regieren, oder an Stelle des Konjunktivs ist das Futur
214 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
eingetreten, oder endlich der Konjunktiv ^ird durch devoir mit dem In-
finitiv umschrieben. Auch diese letzte Erscheinung ist im Afrz. ganz ge-
bräuchlich, findet sich z. B. Löwenr. 5711; Erec 1798; Rom. des Eies
138 u. ö.
S. 219 f. In dem Abschnitt Du Participe wird kein Unterschied zwi-
schen dem (unveränderlichen) Gerundium und dem (flektierbaren) Part.
Präs. gemacht. Nachdem sodann nachgewiesen, dafs in Participialkon-
struktionen das Part. Präs. zuweilen dem Worte, zu dem es gehört, voran-
geht, erklärt der Verfasser, diese Erscheinung gehöre nicht in den Ab-
schnitt von der Wortstellung, sondern in den vom Particip, und zwar
sonderbarerweise aus dem Grunde, weil dans la langue moderne le parti-
cipe ainsi place a change completement de nature; il est devenu une veri-
tahle preposition. — Auf S. 226 versucht der Verfasser den Ursprung von
temporalen Wendungen wie arrive qu'il fut festzustellen. In erster Linie
hält er es für möglich, dafs diese Ausdrücke solchen wie sot que vous etes
gleichzustellen seien, weil dans tous les exemples cites, sauf dans un eocemple
de Rabelais, l'auxiliaire cons fruit avec le participe est Vauxiliaire etre (!).
Diese Begründung ist ebenso unzutreffend wie die Ansicht, der sie als
Stütze dienen soll, da in Wendungen wie sot que vous etes das que be-
kanntlich ein beziehungsloses Relativpronomen ist, was es in den in Rede
stehenden Sätzen nicht sein kann. In zweiter Linie weist er darauf hin,
dafs qu£ in dem zweiten von zwei aneinander gereihten Nebensätzen an-
dere Konjunktionen vertreten könne, und fügt hinzu, vielleicht habe que
in jenen Sätzen den Wert einer Zeitkonjunktion, und die Stellung erkläre
sich durch eine in der alten Sprache sehr häufige Inversion. Diesmal
ist er der Wahrheit näher, obwohl die ganze Argumentation wiederum
sehr schwach ist. Es scheint vielmehr nicht zweifelhaft, dafs jene Kon-
struktion, die nur im Mfrz. und der darauf folgenden Zeit bekannt ist,
aus dem Italienischen stammt, wo sie von jeher aufserordentlich beliebt
war und noch ist (vgl. Blanc, Gramm, der ital. Spr. S. 597; Vockeradt,
Lehrb. der ital. Spr. S. 471). Diez, Gr. III, 348 weist sie allerdings auch
im Spanischen nach und führt sogar ein provenzalisches Beispiel an.
Auch in anderen Fällen sind die Versuche des Verfassers, die von ihm
vorgeführten 'Abweichungen' und augeblichen 'Unregelmäfsigkeiten' logisch
zu erklären, oft sehr unglücklich; so auf S. 135 {qui = si quis), S. 358 — 9,
S. 376 (Nr. 2), S. 377, S. 384, S. 389 u. ö. — S. 242. Tresque wird durch
plus que übersetzt und als einziger Beleg angeführt: // nous fit tresque
bon recu£il par la recommandation de Vhermite. Tresque heifst aber, wie
das einfache t^-es, 'sehr'. Godefroy VIII, 45 giebt nicht nur diese Be-
deutung, sondern bringt sogar eine zweite, unserem Verfasser entgangene
Stelle aus Rabelais, sowie mehrere weitere aus Baif, Brantöme u. a. —
S. 244. Petit soll in Sätzen wie Si n'estoit pour un petit, je vou^ feroys
couper bras et Jambes adverbial gebraucht sein; in Wirklichkeit wird es
substantivisch gebraucht. — S. 250. Das zweite si in Si n'avez tant
d'escu% comme avoit Midas, si avex vous de luy je ne spay quoy wird als
Adverb aufgefafst und durch du moins übersetzt. Dasselbe hat hier viel-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 215
mehr die Funktion einer Konjunktion und dient, wie so oft im Afrz.,
zur Einleitung des Nachsatzes. Umgekehrt werden auf S. 804 ains und
am^ois zu den Konjunktionen statt zu den Adverbien gerechnet. — S. 254.
Wir erfahren, dafs du tout sich bei Rabelais im Sinne von 'ganz und gar'
findet; es mufs hinzugefügt werden, auch in affirmativen Sätzen, da es in
negativen ja auch heute noch in dieser Bedeutung vorkommt. — S. 260.
Die Negation non soll auch vor dem Verbum finitum verwandt worden
sein. Die Beispiele beweisen aber, dafs dies nur vor den Hilfsverben und
vor faire als verbum vicarium der Fall ist. — Auf S. 282 wird sus fälsch-
lich die ältere Form von sur genannt; beide haben ganz verschiedenen
Ursprung {susum und super). — S. 291. Bei Besprechung des aus der
früheren Zeit wohlbekannten Gebrauches von de in Sätzen wie G'estoit
un desordre incomparable de ce qu'ih faisoient wird die Behauptung aus-
gesprochen, dafs statt de das Afrz. que de gesagt haben würde. Schon
vor achtzehn Jahren hat Tobler das Verhältnis dieser beiden Konstruk-
tionen zueinander und ihren Ursprung klargelegt (Ztschr. für rom. Phil.
I, 3 f. und Verm. Beitr. I, 5 f.).
S. ,322. In dem distributiv gebrauchten Interrogativpronomen (z. B.
trente mille, que bons que mauvais) will der Verfasser die Konjunktion
qu£ erkennen. Auf derselben Seite heifst es: Que, precedant une propo-
sition qui exprime une cause se trouve une fois remplace par la conjonction
plus expressive parce que, et une autre fois par car. Nach diesen Worten
wäre es als auffällig anzusehen, wenn ein Kausalsatz durch parce que
oder car eingeleitet wird. In Wirklichkeit verhält sich die Sache aber
auch anders. Die betreffenden Sätze beginnen: la raison est, car und
parce que. Die beiden Nebensätze sind also gar nicht Kausal-, sondern
Substantiv-, und zwar Subjektssätze. Die Wahl der Konjunktion erklärt
sich demnach durch die Einwirkung des vorangehenden Begriffes raison.
— S. 326. Die Behauptung, dafs in le feu sainct Antoine und ähnlichen
Ausdrücken die Präp. de, in Di&ii ne plaise die Präp. ä ausgelassen sei,
ist nur bei einer völligen Unbekanntschaft mit den einfachsten Erschei-
nungen der Sprachgeschichte zu erklären. Dagegen kann man in ce villain
humeux Qrangousier (S. 328) nicht einmal vom neufranzösischen Stand-
punkte aus die Auslassung von de vor dem Namen behaupten, da villain
hier offenbar Adjektiv ist. — S. 333. Vor dem sogenannten Superlativ
fehlt, wie auch die Beispiele beweisen, der Artikel vor dem nachgestellten
Adjektiv nur dann, wenn das zu ihm gehörige Substantiv selbst den be-
stimmten Artikel vor sich hat. Dagegen gilt von dem Beispiel aus Com-
mines die altfranzösische Regel, dafs in einem Relativsatz der Komparativ
ohne bestimmten Artikel Superlative Bedeutung hat. — Auf derselben
Seite wird behauptet, dafs in imes (sont) noires, aultres fauves der be-
stimmte Artikel fehle. Dies ist jedoch nicht richtig; un ist hier als un-
bestimmtes Fürwort gebraucht, also 'einige, andere' (vgl. S. 135). — S. 334.
Unter den Beispielen, in denen der bestimmte Artikel vor konkreten Sub-
stantiven ausgelassen sein soll, fehlt er in denjenigen Fällen nach alt-
französischem Brauche durchaus korrekt, wo das Wort im allgemeinen
216 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Sinne gebraucht wird, wie in abeilles 'Bienen überhaupt', sang 'Blut all-
gemein genommen'; in anderen Fällen, wie in dos et venire, jambes et
cuisses haben wir es mit einer Aufzählung zu thun, wo ja auch heute
noch der Artikel fehlen kann. Daher ist die auf S. 344 ausgesprochene
Ansicht, dafs bei E-abelais le suhstantif peut parfaitement se passer d'etre
accompagne d'un artiele in dieser Allgemeinheit falsch. — S. 335. Die
Verwendung des bestimmten Artikels vor un ist mit der vor Kardinal-
zahlen (S. 336) zusammen zu besprechen, da es sich in beiden Fällen
um die gleiche Erscheinung handelt; die gröfsere Zahl, von welcher ein
Teil abgesondert wird, kann auch eine nur gedachte sein (Diez, Gr.
111,42). — S. 338. Die Behauptung, dafs der unbestimmte Artikel beau-
coup moins ancien sei, als der bestimmte, ist nicht richtig; er findet
sich mit Ausnahme der Eide bereits in den ältesten Denkmälern. Kich-
tiger wäre der Satz gewesen, dafs er im Afrz. ziemlich selten gebraucht
wird. — S. 340. Der Plural des unbestimmten Artikels soll nur bei sol-
chen Substantiven vorkommen, die im Plural singulare Bedeutung haben.
Dem widersprechen aber die Beispiele, da die betreffenden Worte, z. B.
unes lettres, wie im Afrz., so auch bei Rabelais plurale Bedeutung aufwei-
sen. — S. 349. Zu dem Vorkommen des Subjonctifs ohne die Konjunktion
qtie hätte bemerkt werden müssen, dafs dies nur in Hauptsätzen und nur
beim Konjunktiv des Wunsches sich findet. — S. 379. Quand le participe
present se rapporte ä un nom au feminin pluriel, il lui arrive tres souvent
de s'accorder en nombre seulement, e'est-ä-dire de prendre la forme du
masculin pluriel. Der Verfasser weifs also nicht, dafs considerans der
Plural auch des Femininums ist. Derselbe Fehler kehrt noch mehreremal
wieder. — S. 387. Zu dem Verse Que mesme eeulx qui tenue Vauront
wird die Bemerkung gemacht, er könne nicht als Beweis für die Ver-
änderlichkeit des mit avoir verbundenen Part. Prät. auch bei folgen-
dem Objekt gelten, denn Rabelais a peut-etre fait accorder le participe
passe simplement ä cause de la ?nesure du vers. Als ob Rabelais
des Metrums wegen einem Worte ein e anhängen könnte, wenn dies dem
Sprachgebrauche widerspräche! — S. 396. Der Singular des Verbums
wird in Sätzen wie en mourut dix ou dou%e de peste durch die Auslassung
eines neutralen il als Subjekt erklärt; in Wirklichkeit hat er seinen
Grund in dem Umstände, dafs das Verb dem Subjekte vorangeht, der
Autor sich also beim Niederschreiben desselben über den Numerus des
letzteren noch nicht klar war. — S. 399. Inversion des Subjekts soll
dann begegnen, wenn der Satz mit einer Konjunktion beginnt. Dann
wären also or, plusieurs fois u. a. ebenfalls Konjunktionen. — S. 407.
Die Beispiele zu Nr. 4 und 5 sind aus Versehen miteinander vertauscht
worden.
Ich möchte daher mein Urteil dahin zusammenfassen, dafs das
Buch eine recht fleifsige Sammlung von Beispielen enthält, die jedoch
nur von einem genauen Kenner des Altfranzösischen mit Vorteil zu be-
nutzen sind.
Göttingen. Albert Stirn ming.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 217
Erwin Walther, Königl. Professor am Gymnasium zu Ansbach,
Wissenschaftliche Fortbildungsblätter für Lehrende und Ler-
nende der französischen Sprache. Serie I. Stuttgart, Jos.
Roth, 1895. 45 S. 8. M. 0,50.
Noch sind die nicht völlig ausgestorben, die mit dem Berichterstatter
der Meinung sind, die Beherrschung einer fremden lebenden Sprache
komme man ganz besonders häufig beim Übersetzen aus der eigenen
zu erweisen in die Lage, sei es, dafs man anderer in der Muttersprache
vorliegende schriftliche oder mündliche Äufserungen dem Ausländer zu
verdolmetschen habe, sei es, dafs man, was doch auch vorkommen kann,
eigene, zunächst in der Sprache des eigenen Volkes gebildete Gedanken
ihm mitzuteilen wünsche. Wie schwer es manchmal ist, solcher Aufgabe
ohne langes Besinnen völlig gerecht zu werden, wissen manche von denen,
die sich von Zeit zu Zeit damit abgeben und die Versuche von Anfängern
in solcher Kunst beaufsichtigen; sie wissen, wie viel von dem, was die
Wörterbücher uns als äquivalent mit deutschen Wörtern kennen gelehrt
haben, unter gewissen Umständen es eben doch nicht ist; für wie viele
jedem Deutschen unter demselben Namen, freilich vielleicht erst seit
kurzem, bekannte Dinge auch die besten Wörterbücher vorderhand keine
Benennungen in fremden Sprachen bieten; auf wie viel Wendungen, auf
wie viel Ausdrucksmittel, die in besonderen Wortstellungen oder Be-
tonungsweisen liegen, wir zu verzichten haben, wenn wir dem Fremden
verständlich bleiben wollen, von ihm nicht geradezu mifsverstanden wer-
den sollen; wie viel andererseits aus langer und achtsamer Beschäftigung
mit der fremden Sprache vertraut Gewordenes uns, sobald Not an Mann
kommt, ungesucht zuströmen mufs, sollen wir nicht beim Verzicht auf
jenes Unverwendbare völlig hilflos dastehen.
Die schwere Kunst des Übersetzens aus der Muttersprache wird auch
in der Schule bis zu einem gewissen Grade geübt werden müssen, und
die Lehrer werden gut thun, sie neben der leichter erlernten des Bilden«
von Fragesätzen, mittels deren man sich nach Subjekt oder auch Objekt
eines gegebenen fremdsprachlichen Satzes erkundigt, nicht ganz zu ver-
nachlässigen. Das Heftchen, das obeustehenden Titel trägt, will Lehren-
den und (vorgerückten) Lernenden Gelegenheit geben zu erkennen, wie
weit sie es in jener Kuns.t gebracht haben, und das, was ihnen die zu-
treffende französische Wiedergabe eines deutschen Satzes scheint, mit dem
französischen Satze zu vergleichen, von dem jener die freie, aber treue
Übersetzung ins Deutsche ist. Geschickte Leute werden mit Vergnügen
und mit Nutzen ihr Können an den deutschen Sätzen prüfen und, wenn
ihre Übersetzung mit dem hinten gegebenen Urtext nicht übereinstimmt,
meist wohl auch erkennen, worin das Französisch des Franzosen vor
dem selbstgemachten den Vorzug verdient. Minder Geübte werden die
gleiche Übung mit wirklichem Gewinne freilich nur unter Beistand vor-
nehmen.
Die französischen Sätze sind wohl gröfstenteils Zeitungen entnommen
218 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
und zwar vielfach Berichten über Vorgänge in Deutschland, so dafs der
Benutzer des Büchleins lernen kann, wie er 'Haberfeld treiben', 'Sang an
Ägir', 'Heilserum', 'Umsturzvorlage' u. dgl. wiederzugeben hat. Dafs das
Französisch, an dem man sein eigenes messen soll, nicht immer ein be-
sonders sorgfältiges ist, darf nicht verschwiegen werden: il a w,otive les
raisons qui ont determine . . ., oder la nouvelle s'est repandue comme une
tratnee de poudre, oder nous cherehons une jeune ßlle pour aider menage,
oder mermalade ('seekrank') sind Wendungen und Ausdrücke von zweifel-
hafter Güte; doch begegnet dergleichen selten. Hinwieder scheint der
deutsche Ausdruck mir nicht immer tadellos: 'den Verfolgungswahn
haben', 'lassen Sie Ihr Gepäck behandeln' (d. h. geben Sie es auf), 'auf
Dach und Fach einquartieren', 'die geringer angelegten Steuerpflichtigen',
'ein Mosbacher' (une Mvue), 'der Schmelz (eclat) der Gesichtsfarbe' mögen
in bestimmten örtlichen Grenzen üblich sein, sind aber schwerlich Schrift-
deutsch. Störender ist, dafs Übersetzung und Text sich bisweilen nicht
decken: 'Witterungsberichte' S. 8 gieht previsions zu frei wieder; 'zwanzig
lange Minuten' eb. und vingt bonnes minutes ist nicht dasselbe; 'ich habe
den Migränestift angewendet' S. 9 darf man nicht erwarten mit fai ex-
perimente le erayon contre la m. übersetzt zu bekommen; 'er verwarf die
Politik seines Vorgängers' S. 13 sagt etwas ganz anderes als il passa con-
damnatiofi sur la politique de son predecesseur ; 'modisch gekleidet' S. 16
und correctement mise decken sich nicht; 'aneinander stofsende Gärten' S. 21
sind nicht jardins mitoyens; 'er weifs durch sein Auftreten sich Ansehn
zu verschaffen' S. 21 heifst nicht il a helle prestance; 'ein Kandelaber'
S. 22 ist nicht un bec de gaz; man darf auch nicht cette qttestioti demeurera
au passif de la Session actuelle übersetzen 'diese Frage wird . . . nicht be-
rührt werden' S. 22.
Möge der Verfasser, wenn er der ersten Keihe seiner 'Fortbildungs-
blätter' weitere von ähnlicher Art will folgen lassen, durch gesteigerte
Sorgfalt der Ausführung den Nutzen erhöhen, den sein Unternehmen
manchen gewähren kann. Dazu wird auch schärferes Achten auf Druck-
fehler gehören, deren hier zu viel begegnen: S. 14 'rücklings' für 'ritt-
lings', S. 22 'Menton' für 'Mentone' (auch S. 43 Meuton für Menton), S. 27
assiociation, S. 34 grison für grisou, S. 35 tacke für tacke, S. 37 correspon-
dence, S. 39 Z. 8 von unten n'y eii aurait für n'y aurdit, dazu fortwäh-
rend oe für oß, wie leider fast immer in deutschen Drucken französischer
Texte.
Berlin. Adolf Tobler.
L. Crousl^: F^nelon et Bossuet. Teil I und II. Paris, Honor^
Champion, Libraire, 1894. 573 u. 695 S.
Der Verfasser will in diesem auf umfassenden Quellenstudien be-
ruhenden Werke, dem noch ein dritter Band folgen soll, die seit dem
18. Jahrhundert noch vielfach herrschende Ansicht, dafs Feuelou ein Vor-
kämpfer der Humanität und ein unschuldig verfolgter Märtyrer seiner
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 219
religiösen Überzeugung gewesen sei, erschüttern, geht aber in vieler Hin-
sicht nicht ohne Voreingenommenheit gegen Fenelon zu Werke. Schon
der Überblick, den er über Fenelons Leben und Werke bis zu dem feind-
lichen Zusammenstofse mit Bossuet giebt, läfst diese bemerkbar werden.
So tadelt er, dafs Fenelon seinem Onkel eingesteht, er sei seinem geist-
lichen Berater Tronson gegenüber noch offenherziger als gegen ihn, dafs
er als junger Mensch sich mit diesem Tronson auf gleiche Stufe stelle,
dafs er seinen Verwandten gegenüber einen Autoritätston anschlage, für
die Mission im Orient schwärme, seinen Eintritt in das Priorat von Carenac
humoristisch schildere u. s. w. Bei einem Jünglinge, der von früh an
für den geistlichen Beruf erzogen wurde, der, wie Crousl^ selbst dem
Biographen Fenelons, Bausset, nachschreibt, mit 15 Jahren' als Prediger
gefeiert wurde, der ein lebhaftes, südfranzösisches Temperament besafs
und im Bewufstsein seiner hohen geistigen Begabung sich fühlte, ist das
alles nur zu begreiflich. Auch seine Bestrebungen, als Deputierter der
Diöcese von Bordeaux im Jahre 1675 wirken zu wollen, und die dafür
angewandten, nicht immer ein wandsfreien Mittel erklären sich aus dem
richtigen Gefühle des Jünglings, dafs ihm eine grofse Zukunft bevorstehe.
Ebensowenig dürfen wir ihm zum Vorwurf machen, dafs er bei der Wahl
eines Erziehers für den Herzog von Bourgogne andere in seinem Interesse
wirken liefs. Verständiger, als Fenelons Gegner Douen, berücksichtigt
Crousl^ bei der Beurteilung von Fenelons Thätigkeit als superieur der
Nonvelles Catholiques und als Protestantenmissionär den Zwang, den die
weltliche Macht ihm in beiden Stellungen auferlegte, und giebt sogar zu,
dafs Fenelon in dem letzteren Berufe die nach Umständen mögliche Milde
und Schonung den Hugenotten gegenüber angewandt habe. Die Bedeu-
tung seiner Schrift über weibliche Erziehung und der für den Herzog von
Bourgogne verfafsten Fabeln und Totengespräche wird trotz Hervorhebung
der grofsen pädagogischen Einseitigkeiten objektiv gewürdigt. Die Även-
tures de Telemaque werden dagegen nur vom uationalökonomischen und
politischen Standpunkt beurteilt, nach ihrer poetisch-litterarischen Seite
zu wenig anerkannt. Die Meinung, dafs dieser Erziehungsroman schon
1693/94, also vor Fenelons Ernennung zum Erzbischof von Cambray, ge-
schrieben sei (S. 321, Anm. 1), können wir nicht für bewiesen ansehen,
halten vielmehr an den Jahren 1695 — 97 als Abfassungszeit fest. Der
Telemaque war eine Art Vademecum Fenelons für seinen hohen Zögling,
der dem direkten Einflüsse des neukreierten Erzbischofs grofsenteils ent-
zogen war, und ist deshalb wahrscheinlich erst nach Übernahme dieses
Amtes von Fenelon geschrieben worden.
Der mannhafte Brief an Ludwig XIV., an dessen Echtheit auch wir
trotz Bausset und v. Sallwürk (Fenelon und die Litt, der weibl. Bildung
in Frankreich S. 82) glauben (s. die Erörterung des Herausgebers der
Corresp. de Fenelon Bd. II, S. 329), hätte eine offenere Anerkennung ver-
dient. Bei dem Vergleiche von Fenelons Examen de conscience »ur les
* Ramsay iu seinem Vie de Fenelon, Haag 1723, S. 9, giebt 19 Jahr au.
220 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
devoirs de la royaute und von Bossuets Politiqtte tiree de VEcriture sainte
tritt schon CrousMs parteiische Vorliebe für Bossuet hervor. Er stellt
nämlich die letztere Schrift, trotzdem sie nur eine willkürliche, von rhe-
torischem Prunk durchdrungene Abschätzung moderner Verhältnisse nach
biblischen Überlieferungen ist, über Fenelons Abhandlung, die den vor-
urteilsfreien Blick des staatsmännisch beanlagten Geistes fast überall er-
kennen läfst.
Eine ungerechte Herabsetzung Fenelons zu Gunsten Bossuets zeigt
aber die sehr eingehende Behandlung der Affaire du Quietisme (I, 375 bis
öchlufs und Bd. II). Zunächst ist gar nicht bewiesen, dafs Fenelon von
dem persönlichen Umgange mit der visionären Schwärmerin, Mme. de
Guyon, und von ihren phantastischen Schwärmereien irgendwie beeinflufst
wurde, wie Crousle mehrfach in verdächtigender Form zu verstehen giebt.
Was an Übereinstimmung zwischen seinen Ansichten über Gebet, Liebe
zu Gott u. s. w. und denen der Guyon sich findet, hat seinen Ursprung
in der gemeinsamen Quelle der modernen Mystik, namentlich in Fran9ois
de Sales. Fenelon vertrat daher in seiner Schrift Maximes des Saints und
in seinen polemischen Auseinandersetzungen mit Bossuet und dessen
Parteigängern lediglich seine eigene Sache, konnte sich aber zu einer
unbedingten Preisgebung der Person und Lehre der Mme. de Guyon
nicht entschliefsen. Seine Mitunterzeichnung der bekannten Artikel von
Issy, deren teilweise Umänderung durch ihn wir nach wie vor auf sein
Zeugnis hin annehmen, obgleich Bossuet und Anhang nichts davon wissen
wollen, war gleichwohl keine unaufrichtige; denn diese Artikel hatten
eine so weitgehende Tendenz nicht. Wir geben Mme. de Guyon und ihren
Betbruder Lacombe gern der Orthodoxie Bossuets preis, ohne darum
dessen furchtbare Härte gegen die halb geisteskranke, an Verfolgungs-
wahn leidende Frau billigen zu können. Um so edler ist Fenelons Be-
nehmen, der die Person von der Sache zu trennen wufste.
Dafs die Maintenon, anfängliche Beschützerin dieser Dame, gegen sie
und indirekt auch gegen Fenelon eingenommen wurde, halten wir mit
Ramsay (a. a. O. S. 33) für ein Werk ihres Beichtvaters, des Bischofs von
Chartres, da Crousles verhüllende Beweisführung (a. a. O. S. 469 f., vgl.
S. 457) uns nicht überzeugt. Überhaupt ist die Stellung der Maintenon
Fenelon gegenüber weniger neutral, als Crousle, von der irrigen Voraus-
setzung ausgehend, dafs der Bischof von Chartres ein lauterer Charakter
und Freund Fenelons gewesen sei, annimmt. Wie hätte sie sonst Fenelons
vertraute Briefe an sie den drei Kommissaren, welche die Guyon ver-
urteilen sollten, ausliefern und dadurch Fenelon selbst in Verdacht der
Gemeinschaft mit der Guyon bringen können? Die sogenannten Konfe-
renzen von Issy waren daher ebenso gegen Fenelon selbst, wie gegen die
Guyon gerichtet, und Fenelons Mitunterzeichnung der 30 (oder 34) Ar-
tikel bedeutete in den Augen der drei Examinatoren (Bossuet, Noailles
und Tronson) nur eine Art Widerruf. Kein Wunder, dafs Fenelon, so-
bald er vom abbe zum Erzbischof von Cambray ernannt war, seiner Mifs-
stimmung gegen Bossuet, den Haupturheber dieser Artikel, offenen Aus-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 221
druck gab. In der ursprünglichen Unterwürfigkeit des abbe gegen den
hochberühmten Bischof wird man nicht mit Crousl^ blofse Heuchelei
sehen dürfen. Die kirchliche Disciplin bedingte sie. Auch in der Ver-
öffentlichung der Maximes des Saints Fdnelons liegt kein nachweisliches
Unrecht. Dafs dieselbe absichtlich, gegen sein dem Erzbischofe von
Paris gegebenes Versprechen, vor Bossuets Instruction sur les etats d'orai-
son erfolgt sei, kann auch Crousl^ nicht erweisen. Dafs nun die drei
Bischöfe sich über diese Maximes zu Richtern aufwarfen, Bossuet seinen
Amtsbruder beim Könige denunzierte, was in der Hauptsache auch Crousl^
zugiebt, F^nelon erst später zu den Verhandlungen, die ein Ketzergericht
gegen ihn bedeuteten, hinzugezogen werden sollte und mit Rücksicht auf
Bossuets feindliche Stellung zu ihm ablehnte, geht auch aus Crousl^s
etwas schönfärbender Darlegung hervor. Ebenso ist sein Versuch, F^nelon
in dieser Streitfrage als Begünstigten der Jesuiten hinzustellen, nur bis
zu einem gewissen Grade gelungen, denn er selbst mufs die geteilte Hal-
tung des Ordens zugeben. F^nelons Appellation an den Papst gegen das
willkürliche Gericht der drei Bischöfe, das Crousl^ ganz irrigerweise ein
jugement des eveques remiis par Vordre du roi (II, 157) nennt, kann wohl
keinen Vorwurf unnationaler Denkweise begründen, und die Verbannung
aus Paris, welche Ludwig XIV. über ihn verhängte, nachdem er selbst
die Zustimmung zu der Appellation gegeben, bleibt eine despotische Mafs-
regel. Dieselbe Parteilichkeit für F^nelons Gegner, insbesondere für
Bossuet, zeigt Crousl^ auch in der Besprechung des Flugschriften kämpf es
der drei Bischöfe gegen F^nelon und der Verhandlungen in Rom, die zu
einem päpstlichen Breve gegen die Maximes des Saints führten. Aller-
dings geht F^nelon ebensowenig ehrlich zu Werke, wie seine Gegner. Er
wirft diesen z. B. falsche Citate aus seinen Flugschriften vor, wo sie dem
Sinne nach richtig citierten, handhabt die kirchliche Rhetorik und erbau-
liche Phrase ebenso wie diese, wirkt in Rom für seine Sache, genau wie
Bossuets zwei Agenten. Aber das von Crousle gezeichnete Bild wird da-
durch einseitig, dafs er Bossuets Relation du Quietisme, Phelippeaux' Be-
richte und des jüngeren Bossuet Hetzbriefe, in denen Bausset mit Recht
die Hauptschuld an der zunehmenden Erbitterung des Bischofs von
Meaux gegen Fenelon sah, über Fdnelons und seiner Partei Aussagen
und Kundgebungen stellt. In dem Abgesandten Ludwigs XIV., dem
Kardinal von Bouillon, sieht Crousle einen rücksichtslosen Vorkämpfer
der Sache Fenelons, der selbst vor Gewaltthaten nicht zurückscheut.
Wieder ist ihm das Gerede der Anhänger Bossuets mafsgebend, auf
Bouillons Proteste gegen die Anklagen seiner Gegner (Briefe an Lud-
wig XIV. in Corresp. de Fenelon X, 345. 387. 521) nimmt er keine Rück-
sicht. Den Nutzen, welchen Fenelon die Jesuiten in Rom brachten, über-
schätzt er, wogegen er den Eingriffen Ludwigs XIV. und der geschlosse-
nen Einheit der drei Bischöfe zu wenig Wert beilegt. Willkürlich ist
auch (II, 206) die Behauptung, Innocenz XII. habe zu Bossuet hingeneigt,
Chanteracs Korrespondenz mit Fenelon dürfte das Gegenteil ergeben.
Ebenso willkürlich ist die Behauptung, dafs Ludwig XIV. etait environne
222 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
et tenu en echec par des personnes aveuglement devoues ä ce prelat (Fenelon).
Wer waren denn diese Personen? Die Maintenon war Fenelon feindlich,
Beauvilliers und Chevreuse mit in Ungnade, der Beichtvater La Chaise
zu vorsichtig, um sich F^nelons wegen zu kompromittieren, der gröfste
Teil des französischen Klerus stand, wie Crousle selbst sagt, auf seite
Bossuets, die Sorbonne sprach sich mit 60 Stimmen gegen die Maximes
des Saints aus u. s. w. Über den in Rom geführten Prozefs gewinnen
wir auch aus Crousles Darstellung den Eindruck, dafs Innocenz XII. zur
Verurteilung der Maximes des Saints oder vielmehr der aus denselben ge-
zogenen Sätze nur auf Drängen der französischen Regierung, der Agenten
Bossuets und der Fenelon feindlichen Partei im Kardinalkollegium schritt,
und zwar in schärferer Form, als er ursprünglich beabsichtigte. Fenelon
konnte nicht mehr thun, als sich rein äufserlich zu unterwerfen, da nach
seiner Ansicht die Auszüge aus den Maximes in einem Sinne verurteilt
waren, der nicht der seinige war, da auch auf seine Explikationen keine
Rücksicht genommen wurde. Ihm daraus einen Vorwurf zu machen, wie
das sein neidischer Untergebener, der Bischof von St. Omer, that, ist
ganz unrichtig. Crousle hätte die Intriguen dieses Herrn und anderer
zu Bossuets Partei gehöriger Geistlichen nicht beschönigen sollen. Auch
halten wir gegen Crousle daran fest, dafs Fenelon sich von der Kanzel
herab dem Urteile des Papstes zwar äufserlich, aber unbedingt unterwarf,
nicht in verhüllter Form, wie das sein Gegner Phelippeaux angiebt. In
diesem Zusammenhange müssen wir auch gegen Crousles Manier, Kritik
an abweichenden Parteiberichten zu üben, entschieden protestieren. Wenn
Bossuet und Fenelon sich widersprechen, wie z. B. bei der Angabe über
die Salbung F^nelons zum Erzbischof, die nach Bossuet auf Feuelons
Bitten geschehen sein soll, während Fenelon Bossuet sich freiwillig an-
bieten läfst, und anderen Dingen, sagt Crousle jedesmal, wenn Bossuet
die Unwahrheit schriebe, so müfste man ihn für einen Lügner halten,
darum glauben wir ihm, nicht Fenelon. Aber in den Kämpfen der kirch-
lichen Widersacher hat der Grundsatz lauterster Wahrheitsliebe nie ge-
golten, warum sollte nur Bossuet eine Ausnahme machen? Warum soll-
ten seine Aussagen mit einem anderen kritischen Mafsstabe gemessen
werden, als die Fenelous?
Wir erhalten aus Crousles sehr fleifsigem und gut geordnetem Werke
kein anderes Bild von dem Zwiste Bossuets und Feneions, als aus frü-
heren Darstellungen und aus Feneions Schriften und Briefwechsel. Bossuet
ist dadurch, dafs er Fenelon in die Sache der Guyon hineinzog und das
Ketzergericht der drei Bischöfe über die Maxiines des Saints veranlafste,
der Angreifer, Föneion verteidigt sich nur mit guten und schlechten
Waffen. Auf seiner Seite stehen nur wenige, auf Bossuets sehr viele,
denn dort stand auch Ludwig XIV. Die Bischöfe von Paris (Noailles)
und Chartres sind, das geht auch aus Crousles Darlegung hervor, ab-
hängig von dem geistig überlegenen Bossuet, und ihr Charakter nicht
besser, als Föneion das annahm. In der Berufung an Rom und der un-
bedingten Unterwerfung unter die Verdammung der Maximes hat Fenelon
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 223
den Kechten des französischen Episkopats so wenig vergeben, wie Bossuet
und Anhang, die gleichfalls sich Rom unterwarfen. Crousl^s Verdienst
ist es, die idealisierenden Vorstellungen, welche das 18. Jahrhundert sich
von F^nelons Humanität und Toleranz machte, erschüttert und eine sehr
eingehende Darlegung der verwickelten Affaire du Quietisme gegeben zu
haben. Aber, obgleich er mehrfach zugiebt, in die theologische Seite der-
selben nicht eingedrungen zu sein, nimmt er das Recht des Aburteilens
über F^nelons Auffassung der modernen Heiligen in Anspruch. Wie sein
Vorläufer Douen will er zu viel beweisen. War F^nelon auch kein Philo-
soph im Sinne der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, so ist er darum
doch kein Ketzerrichter, verkappter Jesuit und blinder Ultramontaner,
wozu ihn Douen und in mafsvollerer Weise auch Crousl^ macht. —
Beide urteilen vom Standpunkte der modernen Anschauungen. Weil
Fenelon der Sache der Ketzerbekehrung dient, so ist er nach Douen ein
gewissenloser hinterhaltiger Agent des Ultramontanismus. Weil er die
Unfehlbarkeit des Papstes und die römische Omnipotenz in kirchlichen
Dingen williger anerkannt, als Bossuet, der Schöpfer der gallikanischeu
Freiheiten, weil er mit den Jesuiten sich freundlicher zu stellen weifs, so
scheint er Crousle ein Feind der kirchlichen Unabhängigkeit Frankreichs,
ein Vorkämpfer des vatikanischen Konziles und des modernen Jesuitis-
mus zu sein.
Dresden. R. Mahren holtz.
Schulbibliothek französischer und englischer Prosaschriften aus
der neuen Zeit. Herausgeg. von L. Bahlsen und J. Henges-
bach. Abteilung I: Französische Schriften. Berlin, Gaertners
Verlagsbuchhandlung (Hermann Heyfelder), 1894.
5. Bändchen: La Navigation Transatiantique et les Navires ä
Vapeur par Maurice Demoulin. Im Auszuge mit Anmerkungen zum
Schulgebrauch herausgegeben und mit einem alphabetischen Ver-
zeichnis aller Fachausdrücke versehen von Dr. G. van Muyden.
7. Bändchen : Lectures sur les Principales Inventions Industrielles
et les Principales Industries par P. Maigne. Ausgewählt, für den
Schulgebrauch herausgegeben und erklärt von Dr. Ew. Goerlich.
9. Bändchen: Le Th^ätre Fran^ais sous Louis XIV par Eugene
Despois. Im Auszug und für den Schulgebrauch herausgegeben und
mit Anmerkungen versehen von Dr. Georg Erzgraeber.
'Wir berücksichtigen die Realien und bringen neben Werken über
Erd- und Völkerkunde formgewandte Darstellungen aus anderen
wissenschaftlichen (besonders naturwissenschaftlichen) Ge-
bieten, aus dem gewerblichen und Handelsleben, Schriften, aus
denen das moderne französische und englische Kultur-, Geistes-
und Verkehrsleben vielgestaltig in die Erscheinung tritt' u. s. w. So
lautet die Ankündigung der Schulbibliothek, und 'wenn man's hört,
möcht's leidlich scheinen'. Aber, wenn man sich das Ding auch nur ein
224 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
bif sehen genauer ansieht, dann erkennt man in jenen hochtönenden
Worten nicht viel mehr als schöne Phrasen. Wissenschaftliche Abhand-
lungen in solchem Umfange können nimmermehr dem Sprachunterrichte
dienen, denn sie langweilen den Schüler einfach tot. Ja, ursprünglich
ist ein lebhaftes Interesse für Natur und Naturwissenschaft, für Erfin-
dungen und Entdeckungsfahrten und ähnliches bei unseren Jungen gewifs
vorhanden, und wir thun wohl, es zu pflegen; aber dieses Interesse ist
nur bei einzelnen so stark, dafs es den Mühen und dem langsamen Gang
der schulmäfsigen Übersetzung gegenüber standhält — und zudem fehlt
hier in den meisten Fällen alle Anschauung. Ich weifs wohl noch,
mit welcher Lust wir Einzelheiten des Schiffsbaus, der Takelung, des see-
männischen Berufs überhaupt kennen lernten, aber nie ging diese Lust
weiter als unser Vorstellungsvermögen, das zuletzt doch der Erfahrung
durch das Bild nie entbehren konnte. Aber was sagen unsere Jungen
zu einer vier Seiten langen Beschreibung der Schiffsschraube, wie sie
sich im vorliegenden 5. Bändcheu der 'Schulbibliothek' findet? Gerade
so übertrieben ausgedehnte Schilderungen bringen auch die anderen Num-
mern. Und, wenn nun die Herausgeber meinen, dafs sie den Bedürf-
nissen des täglichen Lebens dadurch dienten, dafs sie den Schüler
'mit den geläufigsten Ausdrücken und Wendungen der gewöhnlichsten
industriellen und gewerblichen Thätigkeiten bekannt' machen, so ist das
nach meiner Meinung ein zweiter grofser Irrtum. Denkt man sich auch,
dafs diese Bücher hauptsächlich den künftigen Technikern vorgelegt
werden und für deren besonderes 'tägliches Leben' sorgen wollen, so wird
es doch bei der Verschiedenartigkeit der Stoffe und der verwirrenden
Menge der Einzelheiten unmöglich, ihnen durch planmäfsige und bestän-
dige Wiederholung einen wohlgegründeten Schatz von Kenntnissen zu
vermitteln, den sie später wirklich frei bewegen könnten. Eichten sich
diese Bemerkungen vorwiegend gegen die Navigation Transatlantiqiie und
die Inventions industrielles, so ist das 9. Bändchen, das Le Theätre fran-
^ais sous Louis XIV behandelt, schon deswegen als verfehlt zu bezeich-
nen, weil hier Verhältnisse geschildert werden, die nur der Kenner der
damaligen dramatischen Litteratur verstehen kann. Wenn ein
Knabe an diesen Schilderungen Gefallen fände, so thäte er mir leid,
denn für ihn wäre das nur ein Gefallen an der Phrase und am Schein-
wissen.
Was soll ich nun noch über die Behandlung der betreffenden
Stoffe sagen, wenn ich sie selbst für unzweckmäfsig ausgewählt erachte?
Tüchtige Kenntnisse, Fleifs und Sorgfalt sind bei keinem der drei Bücher
zu vermissen; Lust und Liebe zu dem immerhin eigenartigen Unterneh-
men zeigt sich auf Schritt und Tritt; und eine weise Beschränkung in
den Anmerkungen ist bei van Muyden (Nr. 5) erreicht, bei Goerlich (Nr. 7)
und Erzgraeber wenigstens erstrebt. Aber gerade darum mufs ich es
doppelt tief bedauern, dafs ich die Benutzung der Bändchen nicht empfeh-
len kann.
Berlin -Zehlendorf. Fr. Speyer.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 225
Rime antiche italiane secondo la lezioDe del codice vaticano 3214
e del codice casanatense d. v. 5 pubblicate per cura del
dott. Mario Pelaez. Bologna, Romagnoli — DelF Acqua, 1895.
Xm, 390 S. 8. (CoUezione di opere inedite o rare ecc.)
Die vatikanische Handschrift 3214, welche aufser den hier abgedruck-
ten 201 Gedichten diesen voranstehend einen mit dem Drucke Gualte-
ruzzis fast gleichlautenden Text des Novellino enthält, hat Fulvio Orsini
angehört, ist in dessen Besitz aus dem Nachlasse P. Bembos übergegan-
gen und war für letzteren 1523 nach einer heute nicht mehr bekannten,
wahrscheinlich damals in Bologna befindlichen Vorlage ausgeführt. Sie
ist seit ihrem Übergänge an die vatikanische Bibliothek öfter benutzt und
ist von Luigi Manzoni in der Riv. di ßl. rom. 1872 beschrieben, woselbst
auch die früher nicht gedruckten Stücke aus ihr veröffentlicht sind und
man zu jedem Gedichte angegeben findet, ob und wo es in der vatikani-
schen Handschrift 8793 oder der chigianischen Lvm, 305 und in den
wichtigsten neueren Drucken begegnet. Der jetzt gegebene Abdruck des
gesamten lyrischen Teiles der Handschrift ist ein rein diplomatischer, der
auch die späteren Randbemerkungen und Besserungen kennen lehrt. Ein
alphabetisches Verzeichnis der als Verfasser genannten Dichter und ein
eben solches der Gedichtanfänge mit'Verweisen auf die von Pelaez den
einzelnen Stücken nach ihrer Reihenfolge gegebenen Nummern ist hinzu-
gefügt.
Auch die casanatensische ist eine Papierhandschrift des sechzehnten
Jahrhunderts. Ihre 198 Stücke sind mit viel Sorgfalt, mit malerischem
Schmuck und bereits mit allerlei Interpunktion und, wie es nach dem
zu Anfang angebrachten Wappen scheint, für einen Medici aus unbe-
kannter Vorlage eingetragen. Die Handschrift ist in unserem Jahrhun-
dert wiederholt benutzt und enthält aufser zwei Sonetten kaum mehr
etwas, das nicht irgend einmal bereits ans Licht gezogen wäre. Der Her-
ausgeber begnügt sich auch hier mit dem diplomatischen Verfahren. Zwei
Indices gleicher Art wie die oben erwähnten schliefsen sich dem Texte an.
Berlin. Adolf Tob 1er.
Programmschau.
Das Deutsche im altsprachlichen Unterricht. Von Prof. Dr. Becker.
Programm des Gymnasiums zu Neu-Strelitz 1894. 28 S. 4.
Wie in verschiedenen Aufsätzen in den Lehrproben bespricht hier der
Verfasser die Frage, wie das Übersetzen ins Deutsche zu behandeln sei,
um die Gefahr, dafs durch undeutsche Wendungen das Gefühl für deut-
schen Stil verdorben werde, zu vermeiden ; hier namentlich, wie die deutsche
Sprache auch für die sprachliche Seite des altklassischen Unterrichts be-
nutzt werden kann ; so werde das Deutsche noch mehr als bisher in den
Mittelpunkt des gesamten Unterrichts gerückt. Denn in der That oft sei,
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 15
226 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
damit der Schüler den fremden Ausdruck verstehe, das Wort der deut-
schen Übersetzung zu klären. Der Verfasser kommt dann auf verschie-
dene Ausdrucksweisen im Lateinischen und Griechischen, die in syntak-
tischer Beziehung uns zum ßewufstsein kommen, wenn wir die Über-
setzungen, wie sie uns unsere grammatischen Lehrbücher geben, ohne
weitere Untersuchung nachsprechen; diese unverständlichen Ausnahmen
werden uns aber durch genauere Untersuchung als der passendste Aus-
druck erscheinen, durch die Nachbildung im Deutschen wird die fremd-
sprachliche Erscheinung dem Gefühle und dem Verstände nahe gebracht.
Die Art, wie öfters in den fremdsprachlichen Grammatiken die deutsche
Sprache behandelt wird, kann und mufs den Schüler' zu einem gedanken-
losen Gebrauch der Muttersprache verleiten; diese Gefahr zu vermeiden,
mufs die deutsche Ausdrucks weise bis ins Einzelnste der Wortbedeutun-
gen untersucht werden. So will also der Verfasser auch im altsprach-
lichen Unterricht das Deutsche eine gröfsere Rolle spielen lassen, als ihm
bisher zu teil geworden.
Lehrplan für den deutschen Unterricht. Von Direktor Dr. Franz
Koch. Programm des Progymnasiums zu St. Wendel 1894.
20 S. 4.
Die Abhandlung beschäftigt sich gröfstenteils mit den Übungen im
mündlichen Ausdruck, behandelt diese sehr sorgfältig, auch überall eine
reiche Litteratur pädagogischer Werke anführend, die der Lehrer zur
Vergleichung heranziehen kann, führt eine Menge von Thematen auf, die
zu mündlichen Vorträgen passend sind, aus Schillers Teil, dem Lied von
der Glocke, Hermann und Dorothea u. s. w., und knüpft daran Bemer-
kungen über die Anfänge im schriftlichen Gebrauche der Sprache. Der
angehende Lehrer wird die Abhandlung mit Nutzen lesen können.
Deutsche Aufsätze in Unter-Sekunda. Von Dir. Dr. H. &etsch-
mann. Programm des Gymnasiums zu Danzig 1894. 25 S. 4.
Aus dem unzweifelhaft richtigen Gedanken, dafs es besonders förder-
lich für die Schüler sei, wenn durch eigene Bearbeitung der Lehrer zeige,
wie die Arbeit anzulegen und auszuführen sei, sind auch diese Aufsätze
entstanden; mögen sie von jedem Sekundalehrer wohl beachtet werden.
Es darf der Lehrer keine Arbeit scheuen; die Meinung des Verfassers,
dafs das heute selbstverständlich sei, als unerläfslich gelte, kann selbst
nicht einmal auf allgemeine Anerkennung Anspruch machen; kommt es
ja noch vor, dafs der Lehrer seinen Schülern die Aufgabe zum deutschen
Aufsatz aus dem Stegreif stellt, ohne darüber nachgedacht zu haben, wie
er sie sich selbst disponieren würde. Die hier vorgelegten und ausge-
führten Themata schliefsen sich gröfstenteils an die Lektüre, griechische,
lateinische, französische. Ihrer Zweckmäfsigkeit wegen seien sie hier ge-
nannt: 1) Cyrus der Jüngere. 2) Warum gelang den Römern die Unter-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 227
werfung Galliens in so kurzer Zeit? 3) Warum feiern wir den 2. Sep-
tember? (Rechtfertigung nach der Festrede). 4) Vom goldenen Zeitalter.
5) Das Hirtenleben, wie es in der Phantasie des Dichters erscheint, wie
es in dem frühesten Altertum war, wie es in der Neuzeit ist. 6) Frank-
reich das Taradies der Länder' (Jungfrau von Orleans, Prolog). 7) Pom-
peji (Schiller). 8) Das Seeräuberunwesen im Mittelmeer 70 v. Chr.
0) Welche Erwägungen bestimmten Napoleon zum Zuge nach Ägypten?
10) Polyphems Gebet eine Voraussage von Odysseus' Schicksal. 11) Über
die Berechtigung der homerischen Beiwörter aU atoi'ysrog und itörros
ansiQiToe. IIb) Betrachtung über einige homerische Beiwörter (Od. 10 f.).
12) Wodurch erhielt sich den Hellenen bei aller Zersplitterung das Be-
wufstsein ihrer Einheit? — Nur bei Nr. 6 erhebt sich bei einem Punkte
ein schweres Bedenken, da es von Frankreich heifst: 'Der unglückliche
Zwist religiöser Bekenntnisse, der Deutschland zerrüttete und noch spaltet,
ist längst überwunden'; hier ist mit keinem Worte des Segens der deut-
schen Reformation gedacht, noch der entsetzlichen Erzwingung der kon-
fessionellen Einheit in Frankreich, noch des unseligen Einflusses der Unter-
drückung des Evangeliums in religiöser und sittlicher Beziehung.
Das Verhältnis Walthers von der Vogelweide zu Kaiser Fried-
rich II. Von Prof. Richard Fischer. Programm des Gym-
nasimns zu Hamm 1894. 36 S. 4.
Über die chronologische Bestimmung mehrerer Sprüche der früheren
Zeit weicht der Verfasser bald von Simrock, bald von Wilmauns ab. Erst
als Otto IV. Walther trotz seines treuen Aushaltens an den Rechten des
Reiches schnöde behandelte, ging er zu Friedrich II. über, noch vor der
Schlacht von Bouvines 1214, wie der Verfasser annimmt, und erhielt
dann sein Lehen wohl bald nach der Schlacht und wahrscheinlich in
Würzburg; er betrachtet es aber nur als Zufluchtsort für den Fall der
Not. Schon 1217 ist er wieder am österreichischen Hofe; 1219 begrüfste
er den von dem erfolglosen Kreuzzuge heimkehrenden Leopold. Der von
Friedrich IL versprochene Kreuzzug verzögerte sich; auf dem von ihm
1220 berufenen Reichstag zu Frankfurt erschien auch Herzog Leopold
und wahrscheinlich auch Walther. Friedrich setzte die Königs wähl seines
Sohnes Heinrich durch und zog dann nach Italien zur Kaiserkrönung.
Heinrich blieb zurück unter der Vormundschaft des Erzbischofs Engel-
bert, des Reichs Verwesers. Der Verfasser stimmt der Vermutung zu, dafs
Walther von Friedrich zum unmittelbaren Lehrmeister, also Miterzieher
des Knaben bestellt sei (Spruch 101, 23, gegen Wilmanns gedeutet), also
Mitarbeiter Engelberts wurde. Auf die Zeit des Erzieheramtes bezieht
der Verfasser mehrere Sprüche des Dichters mit freilich nicht sicheren,
aber wahrscheinlichen Erklärungen. Schon vor dem Würzburger Reichs-
tage 1229 läfst er den Dichter, der wenig Freude aus seinem Erzieher-
amte gewonnen hatte, nicht mehr dem Hofe angehören. Nach Engelberts
Ermordung 1225 lebte Walther still auf seinem Lehen, sich vom Hofe
15*
228 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Heinrichs fern haltend. Als der Kaiser sich ernstlich zum Kreuzzuge
rüstete, war in Deutschland Walther für ihn thätig und suchte auf den
Landgrafen Ludwig von Thüringen einzuwirken. Bei dem wachsenden
Gegensatz zwischen der kaiserlichen und weltlichen Macht bleibt der
Dichter dem Kaiser treu; seine Lieder aber haben von jetzt an nicht
mehr den altkräftigen, sondern einen elegischen Klang; bei dem viel-
besprochenen alten Klausner verwirft der Verfasser jede Vermutung einer
bestimmten geschichtlichen Persönlichkeit. Er hält fest an der Teilnahme
Walthers an dem Kreuzzuge und an der Annahme, dafs er mit Friedrich
nach Jerusalem gekommen sei. Die Reihenfolge der nach dem Tode
Engelberts bis dahin verfafsten Gedichte ist nach ihm folgende: 85, 9;
85, 17; 10, 33; 10, 25; 10, 17; 78, 24; 13, 5; 124, 1 bis 125, 10; 76, 22;
14, 38; 10, 9. — Im Gefolge des Kaisers, nimmt weiter der Verfasser an,
kehrte der Dichter aus Palästina zurück und ging wohl weiter nach
Deutschland. Aus dem Jahre 1230 lassen sich die letzten Lebenszeichen
Walthers nachweisen ; in diese letzte Zeit setzt der Verfasser (und sieht
in ihnen Beziehungen auf die deutschen Verhältnisse, sich an Rieger an-
schliefsend) die Sprüche 83, 14; 83, 27; 102, 15; 85, 25. — Für die Zeit-
bestimmung und Einzelerklärung zahlreicher Gedichte ist die Abhand-
lung, die auf fast alle Arbeiten ähnlicher Art über Walther mit Aus-
nahme von Schulprogrammen Bezug nimmt, nicht zu übersehen.
Der Spruchdichter Boppe. Versuch einer kritischen Ausgabe
seiner Dichtungen. Programm der Eealschule zu Sonders-
hausen 1894. 31 S. 4.
So geringen künstlerischen Wert auch Boppes Gedichte haben, ist er
doch mit Vorliebe gehört und nachgeahmt. Dieser Gedanke ist für den
Verfasser Veranlassung seiner Arbeit geworden. Da Boppe nachweislich
in den Jahren 1275 bis 1287 lebte, ist er nicht identisch mit dem vor
1270 gestorbenen sog. starken Boppe. Nach Ausscheidung einiger un-
echten Sprüche und kurzen Bemerkungen über die Metrik giebt der Ver-
fasser nach den besten Handschriften eine Probe einer Ausgabe der Dich-
tungen.
Über Sebastian Francks Sprichwörtersammlung vom Jahre 1541.
Programm des Gymnasiums zu Hildburghausen 1894. 42 S. 4.
Eine Untersuchung über die Quellen der Franckschen Sprichwörter-
sammlung vom Jahre 1541. Der Verfasser hat sämtliche Sprichwörter
Seb. Francks ausgeschrieben; hier kam es ihm darauf an, die Benutzung
der Sprichwörtersammlungen von Eberhard Tappius und Antonius Tun-
nicius nachzuweisen. Des Tappius Geburtsort ist die Stadt Lünen in
Westfalen, nicht Lüne bei Lüneburg (Goedeke); er lebte in Köln oder
unweit Köln. Von seiner lateinischen 1539 gedruckten Sammlung giebt
der Verfasser eine genaue Beschreibung und stellt neben die 527 Sprich-
BeurteiluDgen und kurze Anzeigen. 229
Wörter Francks entsprechende von Tannins, führt dann die von Franck
nicht aufgenommenen Sprichwörter desselben auf, eine ziemliche Anzahl.
Danach bespricht er die erste Sammlung deutscher Sprichwörter, nämlich
die von Antonius Tunnicius, die in erster Ausgabe 1514 erschienen, wo-
nach Franck sie in 161 Fällen sicher, in 30 wahrscheinlich benutzte. Dies
das Resultat der ausführlichen Abhandlung.
Lessings Abhandlung 'Wie die Alten den Tod gebildet^ analy-
siert und erweitert. Ein Beitrag zum deutsehen Unterricht
im Obergymnasium. Von Prof. Alfred von Senden. Pro-
gramm des Friedrich- Wilhelms-Gymnasiums zu Posen 1894.
28 S. 4.
Das Programm ist für die Schüler bestimmt. Es will dem Primaner
zu einer tieferen Auffassung des Gedankens der Arbeit Lessings verhelfen;
es giebt zuerst eine kurze Übersicht über den Klotzschen Streit und dar-
auf eine ausführliche gejiaue Disposition der Abhandlung, wodurch der
beabsichtigte Zweck vollkommen erreicht wird. Daran schliefsen sich
Herders Bemerkungen, die, von Herder in zwölf Briefen vorgetragen, hier
in systematischer Ordnung genau wiedergegeben sind; der Verfasser weist
selbst hier und da darauf hin, wie wenig glücklich Herders Polemik war,
doch bleibt sie für den Schüler fesselnd. Die Klage Herders, es sei von
den Darstellungen des Todes bei den Griechen fast nichts übrig geblie-
ben, ist nach den glücklichen Funden der letzten Zeit nicht mehr berech-
tigt ; diese schliefsen sich meist an die Erzählung vom Tode des Sarpedon
im 16. Buche der Ilias an, als Darstellung der Überführung seiner Leiche
durch die Zwillingsbrüder Schlaf und Tod in die lykische Heimat; die
Bilder zeigen, dafs in den Vorstellungen des Altertums immer mehr die
furchtbare Seite des Todes zurücktritt. Endlich beantwortet der Verfasser
kurz die dem Schüler naheliegende Frage nach der Vorstellung der Alten
vom Leben nach dem Tode; es erscheint als ein Leben der Ruhe, teils
als Ende aller Mühen und Sorgen, teils als Fortdauer des Genusses der
sinnlichen Freuden.
Dramaturgische Propädeutik im Anschlüsse an Lessings Ham-
burgische Dramaturgie für den Unterricht der Gymnasial-
Prima bearbeitet. 1. Teil. Von Prof. Dr. Georg Schilling.
Programm des Pädagogiums zu ZüUichau 1894. 42 S. 4.
Die höchst sorgfältige Abhandlung ist nicht blofs für die Schule von
grofser Bedeutung; sie bietet alles, was man in den Kommentaren ver-
gebens sucht, eine Anleitung zur Auswahl der für den Unterricht pas-
senden Stücke und zu ihrer schulmäfsigen Behandlung; durch die ein-
gehende Besprechung der hier erläuterten dramatischen Grundsätze kommt
der Schüler zur richtigen Würdigung anderer dramatischen Gedichte.
Ausgewählt ist St. 10, 11, Anfang von 12: Voltaires Semiramis, Berech-
230 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
tigung des dramatischen Dichters, Geister der Verstorbenen auf die Bühne
zu bringen; St. 15 u. 16: Zaire; St. 20—32: Corneilles Rodogune, Ver-
gleichung der Exposition im Julius Cäsar, Maria Stuart, Aias; Aufbau
der Tragödie, Vergleichung der Rodogune und der Maria Stuart; St. 36
bis 50, mit vielen Kürzungen, Besprechung der Forderung der drei Ein-
heiten. — Der Verfasser giebt darauf eine Übersicht des Inhaltes der
dramaturgischen Propädeutik, d. h. nicht nur des ersten Teiles, der hier
vorliegt, sondern auch des noch ausstehenden zweiten, bei dem auch die
verschiedenen Deutungen der Aristotelischen Katharsis zur Sprache kom-
men müssen. — Nun folgt die ausführliche Besprechung, und zwar nament-
lich in der Einleitung von Lessings früheren dramaturgischen Arbeiten,
so den Litteraturbriefen, für das Verständnis der folgenden Kämpfe Auf-
klärung über die dramatische Theorie und Praxis der Franzosen und ihrer
Anhänger, deshalb Bekanntschaft mit den ersten Definitionen der Ari-
stotelischen Poetik, der Begriffe des onovSalov und cpnvlov, des Erhabenen
und Kleinlichen, des Erhabenen im modernen Drama, wonach der tra-
gische Held kein guter Mensch im gewöhnlichen Sinne des Wortes zu
sein braucht, aber ein ganzer Mann sein mufs von unbedingter Hingabe
an das einmal gewählte Ziel; danach wird die Erhabenheit auch in Be-
zug auf die Mittel bestimmt, sowie umgekehrt die Kleinlichkeit in der
Komödie. Nach weiterer Besprechung der Aristotelischen Begriffe in der
Poetik der tzqu^ls xslsia und noa^is fisysß'og s'xovaa gewinnt der Verfasser
bis jetzt die Definition: die Tragödie ein Drama mit erhabener einheit-
licher und mäfsig grofser Handlung.
Danach gehen wir nun zur Hamburgischen Dramaturgie selbst über.
Die Besprechung von Voltaires Semiramis führt auf die drei Punkte, auf
die die französische Tragödie den ersten Wert legte, und durch die sie
sich ihren Vorrang erobert hatte: 1) die geschicktere Exposition; 2) die
Kunst die Auftritte so untereinander zu verbinden, dafs die Bühne nie-
mals leer bleibt; 3) die witzigen Antithesen und die Menge erhabener und
blendender Gedanken. Lessing weist nun nach, wie diese Punkte teils
unwesentlich seien, teils von der Erkenntnis des eigentlichen Wesens des
Dramas abführen. Voltaires Semiramis führt aber auch auf die Unter-
suchung der Berechtigung des dramatischen Dichters, eine übernatürliche
Erscheinung auf die Bühne zu bringen. Hier zeigt nun Lessing die Vor-
trefflichkeit der Kunst Shaksperes im Hamlet, im Macbeth, im Julius
Cäsar, die ganze Lächerlichkeit des Verfahrens Voltaires. Durch die Er-
weiterung der Frage nach dem Wesen der dramatischen Illusion über-
haupt wird die Berechtigung der Geistervorführung tiefer begründet dahin,
dafs der Strom der Handlung uns so fortreifst, dafs wir alles, was für
sie förderlich ist, nur von diesem Gesichtspunkte der Förderung der Hand-
lung aus betrachten; wir glauben die Geister Shakesperes und wir sehen
sie, wir sehen sie und wir glauben an sie. — Im 15. und 16. Stück kom-
men wir zu Voltaires Zaire, in der Shaksperes Othello Zug für Zug nach-
geahmt ist; die bis ins einzelne gehende Zergliederung zeigt den schärf-
sten Gegensatz zwischen Natur und Manier, und selbst das, worauf Vol-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 231
taire hier besonders Gewicht legt, die Sprache mit ihren glänzenden und
erhabenen Gedanken, bringt nur triviale Sätze; mit Recht sagt der Ver-
fasser: 'An Gedanken voll tiefer Weisheit oder auch nur feiner Beobach-
tung, an wirklichen Sentenzen, die Neues bieten, enthalten sämtliche
Tragödien von Corneille, Racine und Voltaire zusammen weit weniger als
der eine Goethesche Tasso. Nicht erhabene und glänzende Gedanken
sind der Sprache der Tragödie in erster Linie eigentümlich, aber innere
Leidenschaft und Gröfse, wie sie fast jede Scene einer Shakspereschen
Tragödie atmet, und wie wir sie bei Schiller wiederfinden.' — Im Anhang
der trefflichen Arbeit teilt der Verfasser mehr als zwanzig Themata zu
Vorträgen und Aufsätzen in Anlehnung an diese Besprechungen mit, die
in der Unterprima behandelt sind.
Nochmals die 'Geschichte in Sessenheim\ Von Prof. Lic. Adolf
Metz. Programm der Gelehrtenschiüe des Johanneums in
Hamburg 1894. 32 S. 4.
Nach diesem Programm erschien von A. G. Müller: Urkundliche For-
schungen zu Goethes Sesenheimer Idylle und Friedrikens Jugendgeschichte.
Auf Grund des Sesenheimer Gemeinde-Archivs, Mit Porträt und Bei-
lagen. Bühl 1894. Hier heifst also der Ort Sesenheim, und das ist jetzt
der officielle Name, wie auch Goethe in W. und D., während er in Briefen
Sessenheim schreibt; es ist doch noch zweifelhaft, ob darum die Schrei-
bung Sessenheim als richtig bezeichnet werden darf. Die beiden neuesten
Arbeiten sind also unabhängig voneinander erschienen und berühren sich
auch nicht weiter. Die vorliegende treffliche Abhandlung geht von dem
Geständnis Goethes aus, dafs in der Darstellung in W. und D. kein Strich
der Sesenheimer Geschichte enthalten sei, der nicht richtig sei, aber kein
Strich so, wie er erlebt worden. Aus wirklicher Geschichte hat Goethe
also einen Roman gemacht; es gilt demnach aus seiner Darstellung den
wirklichen Gang herauszufinden. Dies geschieht an der Hand der Briefe
und der Gedichte; in deren Erläuterung und chronologischen Bestimmung
bietet die vorliegende Abhandlung viel Wertvolles. Der geschichtliche
Stoff ist innerlich belebt durch zwei fremde Motive, durch die Parallele
zwischen der Sesenheimer Pfarrerfamilie und der Familie Primrose in
dem Herbst 1770 Goethe bekannt gewordenen Vicar of Wakefield und
durch das Hereinragen des Fluches der Strafsburger Tanzmeistertochter.
Aufserlich ist in W. und D. alle chronologische Bestimmung so sehr
aufser acht gelassen, dafs das ganze Sesenheimer Drama danach im Früh-
jahr und Sommer 1771 sich abgespielt haben müfste. Nun aber fällt
Goethes erster Besuch 13. und 14. Oktober 1770, seine Promotion 6. August
1771; das also sind die Endpunkte. In die zweite Hälfte des Oktober
1770 setzt der Verfasser (gegen Düntzer) das Gedicht 'Ein grauer trüber
Morgen', in den Winter 1770 'Ich komme bald, ihr goldnen Kinder' und
'Nun sitzt der Ritter an dem Ort'. — Dann folgt 'Mir schlug das Herz,
geschwind zu Pferde' u. s. w. Ende Februar oder Anfang März 1771
232 Beurteilimgen und kurze Anzeigen.
von da an galt Goethe als Friedrikens Verlobter (irrig Goedeke, Archiv
für Litteraturgeschichte VI, 223). Daran schliefst sich im Frühjahr 1771
das Gedicht 'Jetzt fühlt der Engel, was ich fühle'. Ins Frühjahr 1771
fällt ferner 'Kleine Blumen, kleine Blätter' (Goedeke auch hier irrig).
Daran schliefst sich das Lied 'Bald seh ich Eiekchen wieder'. In dem
Mai vor Pfingsten ist in Sesenheim gedichtet das Lied 'Wie herrlich leuchtet
mir die Natur' (Goedeke irrig). Auf diese ganze Liebeszeit von Ende
Februar bis Anfang Mai beziehen sich die fünf Briefe von Salzmann,
welche der Verfasser so ordnet: 5, 3, 4, 1, 2, wahrscheinlich 17., 22.,
29. Mai, 12., 19. Juni; der Besuch in Sesenheim dauerte fünf Wochen.
Die Zeit der Ernüchterung Goethes hat begonnen. Was aber die Erzäh-
lung von dem Besuche Strafsburgs durch die Frau Brion und ihre zwei
älteren Töchter betrifft, so kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, dafs
die ganze Besuchsgeschichte vom Dichter frei erfunden ist, also gar nicht
stattgefunden hat. Ohne Erklärung reiste Goethe ab; erst von Frankfurt
aus nahm er Abschied. Als letztes Lied der Friedrike-Zeit sieht der
Verfasser das Lied an : 'Ach, wie sehn ich mich nach dir, kleiner Engel'
u. s. w., welches seine Eeue über sein bisheriges Verhalten ausdrückt.
Die Lösung aber wurde herbeigeführt durch Goethes Erkenntnis von der
Gefährlichkeit überhaupt frühzeitiger Neigungen, von der Unvereinbarkeit
enger Verhältnisse, in die er eingetreten sein würde, mit dem in ilim
immer stärker wachsenden Drange ins Weite und Universelle, der ihn
denn auch bewog, rasch sich von allen Frankfurter Verbindungen loszu-
reifsen. Schuldig ist Goethe dadurch geworden, nicht dafs er Friedrike
verliefs, sondern dafs er sich zu tief in diese Liebe einliefs, und doch ist
gerade dadurch der dichterische Genius zu seiner Entfaltung gekommen.
Der historische Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand
und Goethes Schauspiel über ihn. Von Prof. Dr. Reinhold
Pallmann. Programm der Luisenstädtischen Realschule zu
Berlin 1894. 44 S. 4.
Die streng geschichtliche Darstellung, ein Bild der damaligen Zu-
stände in Süd Westdeutschland bietend, beweist das ungesetzliche Verfahren
des schwäbischen Bundes und stellt die sog. Raubritter in ein ganz an-
deres Licht, als die landläufige Meinung ihnen giebt. Die Fehden des
Götz von Berlichingen der früheren Zeit ergeben sich als wohlberechtigt,
die späteren ebenfalls als nicht verdam mens wert und mindestens entschuld-
bar. Seiner Selbstbiographie ist der Charakter der Wahrheit beizulegen;
zum Beweise geht sie der Verfasser von Anfang bis zu Ende durch. Wo
Goethe von der Geschichte abgewichen ist, wissen wir; das religiöse Ele-
ment in ihr hat er nicht erwähnt, der historische Götz ist nicht nur ein
Märtyrer seiner Freiheitsliebe, sondern auch seines protestantischen Glau-
bens geworden. Der Drang nach Freiheit, welcher den Götz von Berli-
chingen bis in sein Greisenalter beseelt hat, war berechtigt, Goethe hat
in seiner Vorführung kein Phantasiebild hingestellt.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 233
Zur Geschichte der deutschen Idyllendichtung. Von Dr. Gustav
Eskuche. Programm des Realgymnasiums zu Siegen 1894.
27 S. 8.
Aus den Dichtungen dieser Gattung bringt die Abhandlung nur eine
kürzere Vergleichung von Vofs' Luise und Goethes Hermann und Doro-
thea, und zwar hauptsächlich der bei beiden vorkommenden Personen
untereinander, nicht der Ortlichkeiten und, was sich sonst vergleichen
läfst; sie genügt ihrem Zweck, einen weiteren Leserkreis, besonders die
Jugend, anzuregen.
Die Heilung des Orest in Goethes Iphigenie auf Tauris. Von
Prof. Dr. Primer. Programm des Kaiser-Friedrich-Gymna-
siuma in Frankfurt a. M. 1894. 20 S. 4.
Der Verfasser gehört ebenfalls zu denjenigen, die der bekannten Auf-
fassung F. Kerns nicht zustimmen. Einen wesentlichen Anteil an Orests
Heilung, findet der Verfasser, hat Pylades. Pylades erinnert Orest an
die Wahrhaftigkeit des Gottes, der ihre Rettung zugesagt, an die Milde
der Priesterin; Iphigeniens Nähe wirkt wunderbar stärkend auf ihn. In
seiner tiefen Reue zeigt sich die erste Spur seiner Heilung. Dann kommt
die tiefe Erregung, die ihn in den Traum der Unterwelt führt; auch hier
findet er im Traume die Liebe wieder, die er soeben von Iphigenie er-
fahren hat. Als er erwacht, die Schwester und den Freund vor sich
sieht, ist er geheilt. So sieht der Verfasser den ganzen Heilungsprozess
psychologisch wohl motiviert an. Der Verfasser geht dann daran, die
Einwürfe Kerns der Reihe nach zu widerlegen ; er hebt namentlich her-
vor, daß Orests That von allen unreinen Beweggründen frei war, und
dafs sie aus dem Befehle des Gottes hervorging, dafs seine Heilung nicht
blofse Gnaden Wirkung einer Gottheit ohne eigene thatkräftige Sühneleistung
des Frevlers, also kein Wunder ist.
Goethes Faust als weltliche Bibel betrachtet. Von Dr. H. Lahnor.
Programm des Gymnasiums zu Wolfenbüttel 1894. 85 S. 4.
Eine weltliche Bibel nennt der Verfasser den Faust; eine Bibel im
christlichen Sinne ist er nicht, denn er steht den tiefsten Gedanken des
geoffenbarten Christentums gegenüber; aber, wie die Bibel über Gott und
göttliche Dinge belehrt, so ist der Faust eine Offenbarung über alle Ver-
hältnisse des Menschenlebens und eine Fundgrube der Lebensweisheit; er
darf als eine weltliche Bibel betrachtet werden, er beruht auf einem
reichen, echt volkstümlichen Stoff und ist die gewaltigste Geistesäufserung
der Zeit, welche der geistigen Wiedergeburt unseres Volkes vorausging.
Er behandelt den rein menschlichen und ergreifenden Gedanken von des
Menschen Sünde und Läuterung. Er ist der treueste Lebensspiegel des
gröfsten Dichters. Eine Fülle von Gestalten, eine Fülle der treuesten
Bilder aus allen Verhältnissen des Lebens wird vorgeführt. Besonders ist
234 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
das Gedicht dem Volke näher gebracht durch die Annäherung an die
Sprache der Bibel und den volkstümlichen Sprachschatz, worüber zahl-
reiche Beispiele beigebracht werden.
Von Goethes Sprache und Stil im Alter. Von Dr. Paul Knauth.
Programm des Gymnasiums zu Freiberg 1894. 37 S. 4.
Fast alle Litterarhistoriker sind dem harten Urteile des jugendlichen
Fr. Theod. Vischer über den Altersstil Goethes gefolgt, dafs dieser in
seinen Eigenheiten von der geschwundenen Dichterkraft zeuge und durch
die Altersschwäche zu erklären sei. Und, wenn derselbe Vischer im Alter
ganz anders urteilt und in Goethes späteren Dichtungen die Natur des
Dichters fand in alter Kraft, aber milde und sanft, so ist ihm die Mehr-
zahl der Tadler nicht gefolgt. Aber es ist das letzte Urteil Vischers
richtig; Goethe hat sich neue Wege geschaffen, aber iu seinen späteren
Schöpfungen zeigt sich ebenfalls Einheit des Stils in allen Gattungen,
in Poesie und Prosa. Wie ist diese Wandlung zu erklären, und wie zeigt
sich dieser neue Stil? Diese Frage beantwortet die vorliegende Abhand-
lung, bei weitem über die früheren Arbeiten über dies Gebiet hervor-
ragend, von dem ausgebreitetsten und sorgfältigsten Studium zeugend,
von hoher Wichtigkeit selbst für die Einzelkritik der Schriften Goethes.
Wer etwas noch vermifst, könnte höchstens sagen, es hätte aus der Prosa
noch die Sprache in den Briefen mehr berücksichtigt werden können. Es
mag hier nur der Gang der Untersuchung angedeutet werden.
Auf den alternden Goethe wirkten die neuen Erscheinungen in Welt
und Litteratur mächtig ein, das Erwachen des historischen Sinnes, er be-
gann sich selbst als eine historische Erscheinung zu betrachten, die ver-
gleichende Sprachwissenschaft, nach deren Resultaten sich ihm neue Ana-
logien auch für die Sprachgebilde ergaben, die Stellung der deutschen
Sprache und Litteratur in der Weltlitteratur, das vertiefte Studium des
Griechischen, die neue Bekanntschaft mit dem Orient. Dazu kam die im
Alter gesteigerte Reflexion und das gesteigerte Naturgefühl. So haben
nun einen anderen Charakter die Gleichnisse der späteren Zeit; mehr als
in der früheren Zeit zeigt sich in ihnen eine höhere Einheit, mehr in
einem Zuge sind die Werke der späteren Periode niedergeschrieben. Der
neue Stil zeigt sich zuerst in den Liedern des Jahres 1814.
Von den Erscheinungsformen des neuen Stils betrachtet der Verfasser,
überall eine Fülle von Beispielen beibringend, in Kap. 2 die Wortform:
Altertümliches, Mundartliches (Thüringisch, Frankfurtisch, z. B. beschwätzen
■= besprechen), ungewöhnliche Apokope, ungewöhnliche Abkürzung bei
der Zusammenziehung. — 3) Wortbildung in Substantiven (Allspielende,
Allbuntbesternte, AUherzerweiternde — Jünglingsknaben — Mifsblickende,
Mifsredende), in Adjektiven (treusam, zweighaft), iu Adverbien, in Verben
(bedünkeln, entmanteln, begüten, begeisten; in Zusammensetzungen, wie:
uns auszudauern). — 4) Auflösung der Composita, Hendiadyoiu, Gemi-
nation, immer mit der Absicht zu charakterisieren oder den Ausdruck zu
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 235
veredeln. — 5) Kürze des Ausdrucks: Hinwerfen der Begriffe, Unterlassung
jeder ausführlichen Beschreibung, in der Naturschilderung (z. B. weifs
wie Lilien, reine Kerzen, Sternen gleich, bescheidner Beugung leuchtet
aus dem Mittelherzen rot gesäumt die Glut der Neigung — Spiegel hüben,
Spiegel drüben, Doppelstellung auserlesen), in der Charakterschilderung
(z. B. Jungfrau, rein im schönsten Sinn, Mutter, Ehren würdig, uns er-
wählte Königin, Göttern ebenbürtig); der ungewöhnliche neue Ausdruck ist
oft plastischer, konkreter, sinnlicher. — Ferner Anakoluthien (so Faust II.:
Euphorion, welche dies Land gebar aus Gefahr in Gefahr, frei, unbe-
gränzten Muts, verschwendrisch eignen Bluts, dem nicht zu dämpfenden
heiligen Sinn, alle den Kämpfenden bring' es Gewinn). — Auslassung von
Fürwörtern (z. B. der persönlichen : Viele Frauen hast und Kuh im Haus.
— Und so lang es schneit hier oben, beugen wir den Türken nicht,
sc. uns). — Auch Auslassung der demonstrativen und relativen Fürwörter.
— Ferner des Artikels, besonders zur Verallgemeinerung (z. B. von jeher
hat gewonnen Künstler kunstreich seine Macht) und als Personifikation
(z. B. Ohr ist eins mit deiner Brust). — Auslassung von Verben, sowie
von Konjunktionen. — Auslassung von Vorsilben und Vorwörtern, also
Simplicia für Composita, so selbst Entstehung ganz neuer Wörter (z. B.
Borner statt Geborner). — Vermeidung der Hilfszeitwörter. — Prägnanter
Gebrauch der Adverbien (z. B. dann sei bestimmt [sc. durch Rechtsbestim-
mungen] vergönnt zu üben ungestört, was von Gerechtsamen euch Landes-
herrn gehört). — 6) Freier Gebrauch des Genitivs und Dativs (z. B. werfen
sich anmutiger Gebärde — sie zu befeuern kühnster That). Hiermit
schliefst die an beweisenden Beispielen überreiche Abhandlung; die noch
fehlenden Kapitel: Freiheiten im Gebrauche der Adjektive besonders in
der Komparation, Gebrauch des Verbalsubstantivs, Wortstellung, sind in
der im Buchhandel erschienenen Dissertation des Verfassers hinzugefügt.
Der GedankenzusammenhaDg in Schillers Lied von der Glocke.
Von Dr. Karl Wenzig. Programm des König -Wilhelms-
Gymnasiums zu Breslau 1894. 19 S. 4.
Der Verfasser weicht in der Auffassung der Gedanken von seinen
Vorgängern ab, nach denen das Lied ein Kranz herrlicher Schilderungen
sei, aber noch kein Kunstwerk. Die erste Betrachtung von V. 49 — 79
enthalte eine Schilderung der ersten, jungen Liebe, dies sei die Aufse-
rung eines Naturtriebes, des Familientriebes, der in der Liebe seine Aufse-
rung, in der Schaffung des Familienbundes seine Erfüllung findet, und
dieser Familienbund beruht in seinem realen Bestände als Familienleben
auf dem Besitz; aber dieser reale Bestand kann wohl durch eine Zer-
störung aufgehoben werden, der Familienbund aber bleibt bestehen in
seiner idealen Form als Gefühl der Zusammengehörigkeit von Eltern und
Kindern, erst der Mutter Tod hebt die Verbindung auf. Die Schilderung
des Feierabends führt auf den den Menschen gleichfalls innewohnenden
Gesellschaftstrieb, es ist der Trieb nach dem sichereo Xiechtszustande in
236 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
der Freiheit, nach dem Zusammenwirken der Menschen in gemeinsamer
Arbeit. Diese Vereinigung ist der Staat. In der dritten Betrachtung ist
die Taufhandlung des Meisters an der Glocke nur eine sinnbildliche Aus-
drucksweise, die Gemeinde nicht die Kirchengemeinde, das Ewige und
Ernste, das die Glocke verkündet, ist das ewige Gesetz, das Schicksal
gegenüber der Flucht irdischer Erscheinungen. So erhalten wir die ver-
schiedenen Formen des menschlichen Zusammenlebens, den Familienbund,
die staatliche Organisation und die Gesellschaftsform der Zukunft, die
Vereinigung der Menschen zu einer liebenden Gemeinde ; die beiden ersten
Formen sind unvollkommene Entwickelungsgebilde, und deshalb sind sie
stets zerfallend, die dritte einzig und unveränderlich. Die ganze Ent-
stehung der Glocke von ihren Anfängen bis zu ihrer Vollendung ist ein
Symbol der Entwickelung der gesellschaftlichen Vereinigung der Men-
schen, und es steht nicht, wie man gewöhnlich sagt, jede Betrachtung zu
dem vorausgehenden technischen Meisterspruch in sinnbildlicher Beziehung.
Nur nach dieser Erklärungsweise findet der Verfasser in dem Gedichte
das Muster einer didaktischen Dichtung, nur so verschwinden die schein-
baren Lücken und unerklärlichen Gedankenverbindungen.
Brutus in Shaksperes Julius Cäsar. Von P. Kreutzberg. Pro-
gramm des Realgymnasiums zu Neifse 1894. 16 S. 4.
Weil der Held des Dramas keine blofse Idee sein könne, sondern
eine handelnde Persönlichkeit sein müsse, hält der Verfasser nicht den
Cäsar, sondern Brutus für den eigentlichen Helden des Dramas (dazu
vgl. ßötticher, Programm von Graudenz 1889). Brutus erscheint von dem
Dichter mit allen edlen Eigenschaften ausgestattet; nur durch einen Ge-
danken kann Cassius für die Teilnahme an der Verschwörung ihn ge-
winnen, durch die Erinnerung an den Ahnen, das ewige Vorbild des
Republikaners; dies Träumen von der Vergangenheit Koms trübt seine
Einsicht in die Verhältnisse der Gegenwart, in dem Morde sieht er nichts
Unsittliches. Aber, als das Mifsgeschick kommt, da ist es vorbei mit
seiner Seelenruhe, der Geist des von ihm ermordeten Freundes wird sein
unerbittlicher Feind. So, fafst der Verfasser seine Auseinandersetzung
zusammen, wird der Kampf zwischen dem in seiner Art ideal gesinnten
und dem in der Wirklichkeit dastehenden Brutus dargestellt ; seine Schuld
liegt darin, dafs er sich und seine Zeit verkennt, ihn zermalmt das rol-
lende Rad der Zeit, dem er sich vergebens entgegenstemmte.
Herford. L. Hölscher.
Verzeichnis
der vom 20. April bis zum 15; Juli 1895 bei der Redaktion
eingelaufenen Druckschriften.
Modern Language Notes edd. A. Marshall Elliott, James W. Bright,
Hans C. G. von Jage mann, Henry Alfred Todd. X, 4 [A. Lodeman,
Victor Hugo in the Estimation of his Countrymen. H. R. Lang, The
Kelations of the earliest Portuguese Lyric School with the Troubadours
and Trouvferes. A. F. Chamberlain, Mutation of Gender in the Canadien-
French Dialect of Quebec. Mary Bowen, Some New Notes on Siduey's
Poems. — Reviews: Editions of 'Maria Stuart' (J. T. Hatfield); C. Al-
phonso Smith, Repetition and Parallelisme in English Verse (Charles
Hunter Ross). — Correspondence]. 5 [T. Dieckhoff, 'Vergeben' in Goethe's
Tasso II, 8, 1. 1404. F. A. Blackburn, Note on the Phoenix, Verse 151.
George Shipley, Arrangement of the Canterbury Tales. Reviews: Ruy
Blas . . . edited by Samuel Garner (Matzke) ; On the History of the Eng-
lish Language, Illustrations of how it is taught in a Much-Advertised
Book (Albert E. Egge) etc. — Correspondence: The Authorship of Fla-
menca (Theodore Henckels hält für möglich, dafs Peire Rogier der Ver-
fasser sei)].
Publications of the Modern Language Association of America, edited
by James W. Bright, Baltimore 1895. X (New Series III), 2 [Frede-
rick Tupper, Jr., Anglo-Saxon Daeg-Msel. Oliver Farrar Emerson, A Par-
allel between the Middle - English Poem 'Patience' and an Early Latin
Poem Attributed to Tertullian. Mary Augusta Scott, Elizabethan Trans-
lations from the Italian : the Titles of Such Works now First Collected
and Arranged, with Annotations].
Die neueren Sprachen. Herausgegeben von Wilhelm Victor. 111,1
[R. Krön, Die Methode Gouin I. R. Wähmer, Der französische Ferien-
kurs zu Frankfurt a. M. im Januar 1895. Anzeige von J. Storm, Eng-
lische Philologie I'" (R. J. Lloyd)]. 2 [R. Krön, Die Methode Gouin IL
Abeck, 32. Versammlung rheinischer Schulmänner in Köln. Fortsetzung
der Anzeige von Storm. Besprechungen von Schulausgaben französischer
Schriften und von Wendts Encyklopädie des engl. Unterrichts (Krum-
macher)].
Neuphilologisches Centralblatt. Herausgegeben von Dr. W. Kasten.
IX, 4. 5. 6.
Romania, recueil trimestriel ... publ. par Paul Meyer et Gaston
Paris. T. XXIV, No. 94 [P. Meyer, Anciennes gloses fran9aises. H. Morf,
Notes pour servir ä l'histoire de la legende de Troie en Italic (suite et
fin). P. Meyer et N. Valois, Po^me en quatrains sur le grand schisme
(1381). R. J. Cuervo, Los casos encllticos y procliticos del pronombre
238 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
de tercera persona en castellano. — Melanges: A. Thomas, Etymologies
frangaises. G. F., fr. d6me. Paget Toynbee, Jean de Meun's account of
the 8pots on the Moon. Comptes Rendus. Periodiques. Chronique],
La Poesie du moyen äge, le§ons et lectures par Gas ton Paris.
Deuxieme s^.rie. Paris, Haehette, 1895. XV, 267 S. 8. fr. 3,50 [Preface;
La littörature frangaise au XII^ si^cle; L'esprit normand en Angleterre;
Les contes orientaux dans la litterature frangaise au moyen äge; La le-
gende du mari aux deux femmes; La parabole des trois anneaux; Siger
de Brabant; La litterature franyaise au XI V'' siecle; La poesie frangaise
au XV^.siMe; Notes].
Van Hamel, A. G., Gaston Paris en zijne leerlingen. Abgedruckt
aus 'de Gids' No. 6, 1895. 42 S. 8.
Tap polet, Ernst, Die romanischen Verwandtschaftsnamen mit be-
sonderer Berücksichtigung der französischen und italienischen Mundarten.
Ein Beitrag zur vergleichenden Lexikologie. Dissertation aus Zürich.
Strafsburg, Trübner, 1895. 178 S. 8.
Revue de philologie frangaise et provenyale. IX, 1 [L. Cledat, La
conjugaison morte (suite). E. Roy, Les lettres de noblesse (1503) du poete
Jean Molinet. E. Roy, Le blason d'un roi des Ribauds bourguignon et
le roman du duc Jean sans Peur. Leon Vernier, Observations sur la
phonetique du latin vulgaire. Henri Diez, Chanson en patois ä l'occasion
de la fete de S. M. Louis XVIII. L. Cledat, Les lois de la derivation
des sens appliquees au fraugais. L. Cledat, Le superlatif relatif en fran-
§ais. Nouvelles traductions dialectales d'un passage de Mireille. Compte
rendu : Etüde sur la syntaxe de Rabelais . . . par M. E. Huguet (J. Buche)].
IX, 2 [A. Jeanroy et H. Teulie, L'Ascension, mystfere proveugal inedit
du XV® siecle. L. Cledat, Etudes de grammaire frangaise: les mots in-
variables. Chronique. Comptes rendus: Wahlund, Über Anne Malet de
Graville (J. Texte); Mellerio, Lexique de Ronsard (J. T.)].
Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur . . . herausgegeben
von D. Behrens. Berlin, Gronau, 1895. XVII, H. 2 (Referate und Re-
censionen).
Encyklopädie des französischen Unterrichts. Methodik und Hilfs-
mittel für Studierende und Lehrer der franz. Sprache mit Rücksicht auf
die Anforderungen der Praxis bearbeitet von Otto Wen dt. Zweite Auf-
lage. Zweiter Teil (Schlufs). Hannover, Meyer, 1895. S. 209—356. M. 2.
Die Anschauung im neusprachlichen Unterricht. Von Dr. K. A. Martin
Hart mann. Vortrag gehalten am 16. April 1895 auf der Jahresver-
sammlung des Sächsischen Gymnasiallehrervereins zu Chemnitz. Wien,
Hölzel, 1895. 34 S. 8.
Didaktik und Methodik des französischen und englischen Unterrichts
von Dr. Wilhelm Münch, Provinzialschulrat in Koblenz, und Dr. Fried-
rich Glauning, Professor und Stadtschulrat in Nürnberg (Sonderausgabe
aus Dr. A. Baumeisters 'Handbuch der Erziehungs- und Unterrichtslehre
für höhere Schulen'). München, Beck, 1895. 107, 88 S. 8. M. 4,50.
Praktisches Elementarbuch zur Erlernung der französischen Sprache
für Fortbildungs- und Fachschulen wie zum Selbststudium, mit Unter-
stützung von A. Sohier bearbeitet von Dr. John Koch. Berlin, Gold-
schmidt, 1895. VIII, 196 S. 8. Geb. M. 1,80.
Französisches Lese- und Übungsbuch von Th. de Beaux. IL Stufe.
I— IV. Konjugation. Halle, Gesenius, 1894. VIII, 189 S. 8. M. 1,80.
Lese- und Lehrbuch der französischen Sprache für höhere Mädchen-
schulen. Nach den Bestimmungen vom 31. Mai 1894 bearbeitet von
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 239
Arnold 0hl er t. Zweite Auflage. Hannover, Meyer, 1895. VIII, 245 S. 8.
M. 2 ; geb. M. 2,40.
Banner, Dr. Max, Französische Satzlehre. Bielefeld und Leipzig,
Velhagen & Klasing, 1895. IV, 82 S. 8 (dazu: Begleitwort, Ü S. 8).
Übungen für die französische Konversationsstunde nach Hölzeis
Bildertafeln ... bearbeitet von L. Durand. Giefsen, Roth [o. J.]. 4.
5. Die Stadt, 36 S. Ö. Der Wald, 26 S. 7. Das Hochgebirge, 27 S.
8. Der Bauernhof, 24 S. Jedes Heft M. 0,40.
Französische Aufsatz- und Brief schule. Eine Sammlung von Muster-
aufsätzen, Briefen und Entwürfen. Mit Einleitungen und Fräparationen.
Für die Oberklassen höherer Schulen und zum Privatstudium von Dr. H. Th.
Traut. 2. Auflage. Dresden, Kühtmann, 1895. VIII, 170 S. 8. M. 1,80;
geb. M. 2.
Traitd de correspondance commerciale par P. Bree. lO"**' ed. revue
par F. H. Schneitier. I^"^*^ partie : Correspondance, 11^ partie: Diction-
naire et annotations. Dresde, Kühtmann, 1895. XXIII, 304, 181 S. 8.
M. 3,60; geb. M. 4,40.
Schmagersche Textausgaben französischer und englischer Schrift-
steller für den Schulgebrauch. 23: Histoire de trois ouvriers fran§ais:
Palissy, Jacquard, Richard -Lenoir. Ausgewählt und bearbeitet von Prof.
Dr. F. J. Wershoven. VI, 109 S. M. 1. 24: Contes choisis d'auteurs
suisses. Premiere partie. Combe, Les bonnes gens du Croset. Trolliet,
Dans la montagne. Herausgegeben von Prof. Dr. K. Sachs. IV, 135 S.
M. 1. 25: Deuxie^me partie. Combe, Le secret d'Hercule. C^r^sole, Les
deux coqs. Chatelain, Les lunettes de mon grand-p^re. Combe, Le Vara.
IV, 108 S. M. 1. (Zu jedem Bändchen ein kleines Wörterbuch erhält-
lich [40, 25, 20 Pf.].)
Bibliothfeque Elsevirienne. Collection d'auteurs frau§ais. Amsterdam,
Uitgevers - Maatschappy 'Elsevier' 1894, 1895 [zehn Bändchen von je 30
bis 50 S., jedes mit ganz kurzer Einleitung, die Texte von Anmerkuugen
in französischer Sprache von L. P. J. Vermeulen begleitet; dafs die
Stücke nur in Auszügen gegeben sind, lassen die Titel nicht erraten; bis
jetzt erschienen Cid, Horace, Andromaque, Athalie, Femmes savantes,
Avare, Merope, Zaire, Hernani, Gendre de M. Poirier].
Littre, Emile, Comment j'ai fait mon Dictionnaire de la langue fran-
gaise. Für den Schulgebrauch erklärt von J. Imelmann. Leipzig,
Renger, 1895. II, 55 S. 8. M. 0,80.
Wechfsler, Eduard, Über die verschiedenen Redaktionen des Robert
von Borron zugeschriebenen Graal - Lancelot - Cvklus. Halle a. S., Nie-
meyer, 1895. 64 S. 8.
Robert von Blois' sämtliche Werke. Zum erstenmal herausgegeben
von Dr. Jacob Ulrich. Bd. III. Berlin, Mayer & Müller, 1895. XXXIII,
129 S. 8. M. 3.
Altfranzösische Prosalegenden aus der Hs. der Pariser Nationalbiblio-
thek Fr. 818. Herausgeg. von Adolf Mussafia und Theodor Gärtner.
Mit Unterstützung der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien.
I. Teil. Wien und Leipzig, Braumüller, 1895. IV, 232, XXVI S. 8.
Simon, Philipp, Jacques d'Amiens. Berlin, Vogt, 1895. 72 S. 8.
(Berliner Beiträge IX. Roman. Abteilung 3).
Le livre et mistere du glorieux seigneur et martir Saint Adrien publik
d'apres un manuscrit de Chantilly aux frais de S. A. R. Mgr le duc
d' Anmale, avec introduction, table et glossaire par Emile Picot. Imprim^
240 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
pour le Eoxburghe Club. Mäcon, imprimerie Protat frbres. MDCCCXCV.
XXXIV, 206 S. 4.
Illing, Ernst, Über die Sprache der altfranzösischen Handschrift
fran9. 1070 der Nationalbibliothek zu Paris. Dissertation aus Halle, 1895.
34 S. 8.
Giornale storico della letteratura italiana. Vol. XXV, fasc. 2. 3
(fasc. 74. 75) [Antonio Medin, Le rime di ßruscaccio da Rovezzano.
Francesco Foffano, L"Amadigi di Gaula' di Bernardo Tasso. — Varietä:
Rodolfo Renier, Sui brani in lingua d'oc del 'Dittamondo' e della 'Lean-
dreide'. Francesco Cipolla, la concubina di Titone nel canto IX del
'Purgatorio'. Leon Dorez, Lettres inedites de Jean Pic de la Mirandole.
G. Battista Marchesi, Le polemiche sul sesso femminile ne' sec. XVI
e XVII. — Rassegna bibliografica : Benedetto Croce, La critica letteraria
(Camillo Trivero). Joseph Bedier, Les fabliaux (Giuseppe Rua). Studi
SU Matteo Maria Boiardo — M. M. Boiardo, le poesie volgari e latine
p. da A. Solerti (Vittorio Rossi). — Bollettino bibliografico. — Annunzi
analitici. Pubblicazioni nuziali. • Comunicazioni ed Appunti. Cronaca].
Raccolta di prose e poesie italiane annotate ad uso dei Tedeschi da
E. Madd'alena. Wien und Leipzig, Braumüller, 1894. XI, 281 S. 8.
Zumbini, B., Studi sul Petrarca. Firenze, Successori Le Monnier,
1895. VII, 393 S. 8. 1. 4.
C nervo, R. J., Disquisiciones sobre antigua ortografia y pronuncia-
ci6n castellanas (Extrait de la Revue Hispanique T. II, Paris 1895). 68 S. 8.
Haussen, Federico, Sobre la conjugacion de Gouzalo de Berceo
(publ. en los 'Anales de la Universidad'). Santiago de Chile 1895. 50 S. 8.
Haussen, Federico, Sobre la pronunciaciön del diptongo ie en la
epoca de Gonzalo de Berceo (publ. en los 'Anales de la Universidad').
Santiago de Chile 1895. 7 S. 8.
Schipper, J., Grundrifs der englischen Metrik. Wien und Leipzig,
Braumüller, 1895. XXIV, 404 S. 8 (Wiener Beiträge zur englischen Philo-
logie II).
[Das Verzeichnis ist nicht ganz vollständig; das Fehlende soll in dei* Fortsetzung
nachgetragen werden.]
Julius Zupitza
'Die Menschen sind nicht nur zusammen,
wenn sie beisammen sind ; auch der Ent-
fernte, der Abgeschiedene lebt uns.'
Goethe, Egmont V.
Durch den in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli erfolgten,
gänzlich unerwarteten Tod von Julius Zupitza hat das Studium
der englischen Philologie einen unersetzlichen Verlust erlitten.
Noch vor wenigen Wochen durfte man hoifen, dafs ihm noch
viele Jahre segensreichen Wirkens beschieden sein würden. Es
hat nicht sein sollen — ebenso wie vor drei Jahren ten Brink,
ist uns jetzt auch Zupitza in der Fülle seiner Manneskraft und
Schaifensf reudigkeit mitten aus seiner Arbeit heraus plötzlich
entrissen worden.
Geboren am 4. Januar 1844 zu Kerpen bei Oberglogau in
Preulsisch-Schlesien, besuchte Zupitza zuerst die Elementarschule
Archiv f. n, Sprachen. XCV. \ß
242 Julius Zupitza.
seines Heimatdorfes, dann von Michaelis 1854 an acht Jahre
hindurch das Gymnasium zu Oppeln. Während seiner Studenten-
jahre beschäftigte er sich in erster Linie mit der deutschen Philo-
logie und den alten Sprachen. In Breslau, wo er von Michaelis
1862 bis Ostern 1864 studierte, waren namentlich Rückert, Fried-
rich Pfeiffer, Stenzler, Haase und Hertz seine Lehrer; in seiner
Berliner Studienzeit, von Ostern 1864 bis Ostern 1866, hörte er
besonders Müllenhoff, Haupt und Weber. Im Jahre 1865 erwarb
er sich den Doktorgrad bei der philosophischen Fakultät der Uni-
versität Berlin auf Grund seiner Dissertation Prolegomena ad
Alberti de Kemenaten Eckium. In dem am 26. und 27. Fe-
bruar 1866 abgelegten examen pro facultate docendi wurde
ihm die Berechtigung zuerkannt, in der lateinischen, der grie-
chischen und der deutschen Sprache in allen Klassen eines Gym-
nasiums zu unterrichten. Von Ostern 1866 bis 1867 leistete er
sein Probejahr am Gymnasium zu Oppeln ab; darauf war er bis
Michaelis 1868 Hilfslehrer am katholischen Gymnasium zu Bres-
lau und zugleich Mitglied des pädagogischen Seminars.
Neben seiner vielseitigen wissenschaftlichen Ausbildung in
den klassischen wie in den germanischen Sprachen besals er
jedoch, sclion als er sich im Wintersemester 1868 — 69 in Bres-
lau habilitierte, eine gründliche Kenntnis des Englischen. Bereits
im Winter 1869 — 70 las er über die Anfangsgründe der eng-
lischen Sprache, und in dem folgenden Semester hielt er sein
erstes Shakspere-KoUeg über Hamlet. Aufserdem behandelte er
während seines Breslauer Aufenthalts den Beowulf und Shak-
speres Henry lY. in seinen Vorlesungen. Im Frühjahr 1872
zum Professor extraord. für die nordgermanischen Sprachen (be-
sonders Englisch und Nordisch) an der Universität Wien ernannt,
erbat er sich sofort einen sechsmonatlichen Urlaub, den er zu
seiner ersten Reise nach England benutzte. Er reiste bereits im
April ab und kehrte erst im September nach Wien zurück. Am
7. Dezember 1872 vollendete er seine erste englische Arbeit: Zu
dem altenglischen Spiel ^The Harrowing of HelF'
' Es siud im folgenden nur die Arbeiten auf dem Gebiete der eng-
lischen Sprache und Litteratur berücksichtigt worden; Zupitzas sonstige
Leistungen sollen von anderer, berufenerer Seite die gebührende Behand-
lung erfahren.
Julius Zupitza. 243
(in Wagners Archiv für die Geschichte deutscher
Sprache und Dichtung, Wien 1873, I, S. 190).
Schon während seines ersten enghschen Aufenthalts begann
Zupitza das Material für seine Ausgabe der verschiedenen Ver-
sionen der mittelenglischen Romanze von Guy of Warwick
zu sammeln, und im Laufe des folgenden Jahres, 1873, erschien
seine Abhandlung Zur Litteraturgeschichte des Guy of
Warwick, die eingehend von den mittelenglischen Bearbeitungen
des Stoffes und deren gegenseitigem Verhältnis handelt. Neben
diesen Arbeiten und seinen Vorlesungen fand der unermüdlich
thätige Gelehrte auch noch Zeit, im Oktober desselben Jahres die
erste Auflage seines bekannten 'Alt- und mittelenglischen
Übungsbuches' fertig zu stellen. Durch zweckmäfsige Aus-
wahl des Stoffes, bei welcher Knappheit neben grolser Vielseitig-
keit besonders zu rühmen ist, durch Zuverlässigkeit in der Wieder-
gabe der Texte, sowie durch gewissenhafteste Benutzung aller
neueren eiuschlägigen Arbeiten gleich ausgezeichnet, hat dieses
Werk in kurzer Zeit bereits vier Auflagen erlebt und ist noch
dazu in englischer Übersetzung in Amerika zu einem vielbenutzten
Einführungsbuch geworden, ein deutlicher Beweis, dafs es sich
als Hilfsmittel bei akademischen Übungen vorzüglich bewährt hat.
Gleichzeitig mit dieseji verschiedenartigen Arbeiten hatte Zu-
pitza seine Guy-Studien immer fortgesetzt: die spätmittelenglische
Version aus der Cambridger Hs. Ff. 2. 38 erschien 1875 — 76,
und die zahlreichen und wertvollen dem Texte beigefügten An-
merkungen legen ein beredtes Zeugnis von der aufserordentlichen
Belesenheit des Herausgebers auf dem Gebiete des Mitteleng-
lischen ab. Vermutlich giebt es keine einzige innerhalb der
letzten 10 bis 15 Jahre erschienene Ausgabe eines mittelenglischen
Textes, in welcher sich nicht zahlreiche Hinweise auf 'Zupitzas
Anmerkungen zu Guy' befänden. Erst nach einer Unterbrechung
von mehreren Jahren nahm er seine Guy-Studien wieder auf,
indem er 1883 — 91 die in der Auchinleck (Edinb.) und der Caius
Coli. (Cambr.) Hs. enthaltenen Fassungen veröffentlichte; leider
aber fehlen dieser Ausgabe Anmerkungen und Einleitung: in
Zupitzas Nachlasse fand sich für diese keine Vorarbeit, sondern
nur noch eine Abschrift des Coplandschen Druckes, den er auch
herauszugeben gedachte. Inzwischen war Zupitza im Jahre 1876
16*
244 Julius Zupitza.
nach Berlin übergesiedelt, um die an der dortigen Hochschule
eben neugegründete Professur für englische Philologie zu über-
nehmen. Obgleich er sowohl in Breslau wie in Wien über Beo-
wulf gelesen hatte, so that er dies während der ersten zehn
Jahre in Berlin nicht. Wie er mir selbst erzählte, hatte Müllen-
hoiF den Wunsch geäufsert, dieses Kolleg noch beizubehalten,
und aus diesem Grunde hat Zupitza in Pietät gegen den alten
Lehrer erst im Sommer 1886 seine Beowulf- Vorlesungen wieder
aufgenommen. Um aber eine Grundlage zu seinen altenglischen
Vorlesungen zu haben, für welche das Übungsbuch nicht ge-
nügend Stoif bot, plante er eine handliche Ausgabe der zu die-
sem Zwecke vortrefflich geeigneten Elene, die denn auch be-
reits im Jahre 1877 erschien und seitdem wohl den meisten
Anglisten als Einführung ins Altenglische gedient hat. Mit
knappem, aber hinreichendem Glossar versehen, bildet der sorg-
fältig bearbeitete Text ein ganz vorzügliches Hilfsmittel für aka-
demische Vorlesungen. Ebenso wie bei dem Übungsbuch, wur-
den in den späteren Auflagen — es sind deren bisher drei er-
schienen — die weiteren Ergebnisse der neuesten Forschung in
vollem Mafse verwertet und auch zur bequemeren Übersicht der
Text der lateinischen Quelle beigefügt.
Im Jahre 1878 unterwarf Zupitza den zweiten, die Satzlehre
behandelnden Band von Fr. Kochs englischer Grammatik
einer gründlichen Umarbeitung. Das viele neue Material, wel-
ches sich fast auf jeder Seite findet, zeugte aufs neue von seiner
aufserordentlichen Belesenheit in Schriftstellern der verschieden-
sten Perioden.
In den nächsten Jahren beschäftigte er sich namentlich mit
altenglischen Studien. Im Jahre 1880 erschien seine kritische
Ausgabe der ^Ifricschen Grammatik mit vollständigem Va-
riantenapparat, und zwei Jahre später veröffentlichte er seine
Faksimileausgabe des Beowulf. Beide Werke sind Muster-
leistungen gewissenhafter Arbeit, und sollte einmal die Beowulf-
handschrift zu Grunde gehen, so würde dies, wie ein Recensent
damals richtig bemerkte, für die Wissenschaft keinen Verlust
mehr bedeuten. Ich habe, als er den Beowulf kollationierte,
wochenlang neben* Zupitza im Britischen Museum gesessen und
hinlänglich Gelegenheit gehabt, die aufserordentliche Sorgfalt und
i
Julius Zupitza. 245
Gewissenhaftigkeit zu beobachten und zu bewundern, mit welcher
er jeden Strich untersuchte: nichts, kein verblafster Buchstabe,
keine Rasur entging seinem wachsamen Auge. Da er die beiden
Thorkelinschen Abschriften, von denen bekanntlich nur die eine
von Thorkelin selbst herrührt, sowie die früheren Ausgaben be-
nutzte, so gewährt uns Zupitzas Transskription ein treues Bild
von dem Beowulf-Codex, wie er vor beinahe hundert •Jahren
aussah, als noch mancher Buchstabe, der seitdem abgebröckelt,
erhalten war. Von beiden Werken ist leider nur je der erste Teil
erschienen; auch finden sich, abgesehen von einem handschrift-
lichen Glossar zu ^l^]lfrics Grammatik, in seinem Nachlafs
keine Vorarbeiten dafür.
In dieselbe Zeit fällt Avohl seine Beschäftigung mit der alt-
englischen Fassung der Dialoge des Gregorius, von der
Zupitza eine Ausgabe plante. Er hatte sich schon zu diesem
Zweck Abschriften der drei vorhandenen Hss. gemacht und die
Arbeit wohl auch bereits im Kopfe zurecht gelegt, als ein junger
Amerikaner, Herr Henry Johnson, welcher von Zupitzas Vor-
haben nichts wufste, auf den Gedanken kam, diesen Text heraus-
zugeben. Mit der ihm eigenen Gutmütigkeit verzichtete der
grofse Gelehrte auf die alleinige Ausgabe, und die Dialoge
sollten nun von beiden gemeinsam veröffentlicht werden. Ver-
schiedene Umstände führten allerdings eine Verzögerung herbei,
jedoch liegt der Text nebst Varianten fertig vor und wird hoffent-
lich in nicht allzu ferner Zeit erscheinen. Weiter beabsichtigte
Zupitza den altenglischen Apollonius von Tyrus aufs neue
lierauszugeben : der Text ist, offenbar seit Jahren, vollständig
druckfertig, indessen verzögerte sich die Veröffentlichung, weil
Zupitza auch die lateinische Vorlage in der Gestalt, in welcher
sie der altenglischen Bearbeitung zu Grunde gelegen haben mufs,
daneben herausgeben wollte ^ und zu diesem Zweck noch ver-
schiedene Hss. vergleichen mufste. Sein altenglischer Text wird
jedenfalls erscheinen.
Seine späteren selbständigen Publikationen gehören dem
mittelenglischen Gebiete an : die zweite Version des Guy wurde
bereits erwähnt. Es verdienen aufserdem hier noch besonders
' Vgl. Romanische Forschungen III, 279.
246 Julius Zupitza.
genannt zu werden seine Ausgabe der Romanze von Athelston
(Engl. Stud. XIII, 331 und XIV, 321) und die der Gedichte
Jacob Rymans (Archiv LXXXIX — XCV), wenngleich beide
nicht als selbständige Werke erschienen. Beiden nach den Hand-
schriften gedruckten Texten sind reichhaltige, wertvolle Anmer-
kungen nach Art derer zum Guy beigegeben.
Vftn jeher hatte sich Zupitza gern mit C haue er beschäf-
tigt, und seine handliche und billige Ausgabe des Prologs auf
Grund der Six Text Edition (1882) hat sich für Universitäts-
vorlesungen als sehr nützlich erwiesen. Auf Furnivalls Wunsch
unternahm er es, die Pardoner^s Tale nach sämtlichen zu-
gänglichen Hss. zu edieren, 1 um deren gegenseitiges Verhältnis
festzustellen, eine unumgänglich notwendige Vorarbeit zu einer
wirklich kritischen Chaucer-Ausgabe. Hiervon sind bisher zwei
Hefte erschienen, die übrigen Texte befinden sich in der Druckerei,
nur fehlt zu diesen leider wieder die Einleitung, welche un-
zweifelhaft aus seiner Feder von gröfster Wichtigkeit für die
Chaucer-Forschung geworden sein würde.
Eine Ausgabe des Lyd gateschen Gedichtes ^Von den
beiden Kaufleuten^ liegt zum grofsen Teil schon druckreif vor. ^
Mit der mittelengl. Romanze von Sir Isumbras hat sich Zu-
pitza auch vielfach beschäftigt, indem er sämtliche Hss. abschrieb
und auch sonst zu einer Ausgabe mancherlei Vorarbeiten machte.-^
Vor Jahren legte er diesen Text seinen textkritischen Übungen
im Seminar zu Grunde. Andere Publikationen, die Zupitza
plante und zu denen er die nötigen Abschriften selbst gemacht
oder sich verschafft hatte, sind : die mittelenglischen Bearbeitungen
von Boccaccios Ghismonda und Guiscardo, das mittel-
englische Gedicht De spiritu Guidonis, die Gedichte in der
Hs. Rawlinson C. 813^ und andere. Seinen letzten Aufenthalt in
Oxford im Sommer 1894 hat er dazu benutzt, die reiche Sanmi-
lung von Shelley-Hss. auf der Bodleiana zu kollationieren, und
einen Teil dieses Materials hat er bereits verarbeitet und im
Archiv veröffentlicht. Die allerletzte Arbeit, an die er Hand ge-
' Vgl. auch Archiv LXXXVII, 77. XCII, 168.
2 Vgl. auch Archiv LXXXIV, 130. LXXXV, 57. LXXXVI, 291.
3 Vgl. Anglia I, 393; Archiv LXXXVI, 291. LXXXVIII, 72. XC, 148.
^ Vgl. Archiv LXXXII, 201. LXXXV, 429. LXXXVII, 433.
Julius Zupitza. 247
legt und (leren Ergebnis zur Zeit seines Todes unvollendet auf
seinem Pult lag, war die Besprechung einer von H. Richter ver-
fafsten Übersetzung des entfesselten Prometheus.
Ein wichtiges Gebiet der englischen Grammatik, dem er seit
Jahren besondere Aufmerksamkeit gewidmet, war die Klarlegung
und historische Entwickelung des Gebrauchs der neu englischen
Präpositionen. Diesen Gegenstand hat er auch mehrfach in
seinen Vorlesungen behandelt, zum erstenmal im Winter 1883 — 84
und zum letztenmal in den Übungen, welche er im Mai dieses
Jahres mit Lehrern veranstaltete. Die Sichtung und Verarbei-
tung seines bedeutenden Belegmaterials zum Zweck baldiger Ver-
öffentlichung scheint eine der Arbeiten gewesen zu sein, an deren
Vollendung er zunächst zu gehen gedachte. Im Februar dieses
Jahres schrieb er mir: ^Ich dachte vor einiger Zeit daran, zu
Ostern auf vier Wochen nach England zu gehen, allein ich werde
den Plan wohl nicht ausführen, sondern hier arbeiten. Ich will
einmal sehen, wie weit ich meine Sammlungen über die engl.
Präpositionen ausnützen kann.' Hoffentlich wird das von ihm
im Laufe der Jahre gesammelte, umfangreiche und wertvolle
Material wenigstens zum Teil verarbeitet werden können.
Wollte man sich bei einer Würdigung von Zupitzas Arbeiten
auf englischem Gebiet auf seine selbständig erschienenen Werke
beschränken, so würde man ihm sehr unrecht thun. Es würde
sich hieraus ein sehr unvollkommenes, der ganzen Wahrheit
durchaus nicht entsprechendes Bild seiner Leistungen ergeben.
Um auch nur annähernd die aufserordentliche Förderung, die ihm
unsere Wissenschaft verdankt, zu würdigen, mufs man seine sehr
zahlreichen kleineren Arbeiten mit in Betracht ziehen, die, in ver-
schiedenen Zeitschriften verstreut, das ganze Gebiet der englischen
Philologie von den ersten erhaltenen Anfängen der Litteratur bis
auf den heutigen Tag umfassen, und die sich alle durch dieselbe
peinlich gewissenhafte Genauigkeit und Gründlichkeit der Be-
handlung auszeichnen wie seine gröfseren Werke. Die verhältnis-
mäfsig geringe Zahl seiner selbständigen Publikationen erklärt sich
eben dadurch, dafs er es vorzog, die Ergebnisse seiner vielseitigen
Forschungen in der Form von kleineren Abhandlungen zu ver-
öffentlichen; diese bilden daher einen sehr wichtigen Teil seiner
wissenschaftlichen Thätigkeit und eine wertvolle Ergänzung seiner
248 Julius Zupitza.
gröfseren Arbeiten. Folgende nach den Gegenständen geordnete
Aufzählung seiner Aufsätze möge dazu dienen, zu zeigen, wie
vollständig er jeden Zweig der englischen Philologie beherrschte.*
a) Altenglisch.
Englisches aus Prudentiushss. Z.f. d. A. XX, 36. Ken-
tische Glossen des 9. Jahrhunderts a. a. O. XXI, 1 und XXII,
,'•■23. Über den Hymnus Cädmons Z. f. d. A. XXII, 210. Ein
verkannter engl. Bienensegen Anglia I, 189. Lateinisch-
englische Sprüche a. a. O. S. 285. Verbesserungen und
Erklärungen (zu Apollonius) a. a. O. S. 463. Kritische Bei-
träge zu den Bückling Homilies Z. f. d. A. XXVI, 211.
Kleine Bemerkungen (zu Andreas) Anglia III, 369. Kollation
von Salomon und Saturn a. a. O. S. 527. Stücke aus den
altenglischen Evangelien (als Ms. gedruckt, 1882). Welcher
Text liegt der altengl. Bearbeitung der Erzählung von
Apollonius von Tyrus zu Grunde? Romanische Forschungen
III, 269. Bemerkungen zu ^Ifrics Lives of Saints Z. f.
d. A. XXIX, 269 und 372. Entstehung des Beowulf Archiv
LXXV, 450. Zur Frage nach der Quelle von Cynewulfs
Andreas Z. f. d. A. XXX, 175. Drei alte Excerpte aus Al-
freds Beda a. a. O. S. 185. Altengl. Glossen zu Abbos
Clericorum Decus XXXI, S. 1. Altengl. Glossen zu Beda
a. a. O. S. 28. Eine verschollene Handschrift (die Ruben-
schen Glossen) Archiv LXXIX, 88. Mercisches aus der Hs.
Royal 2. A 20 Z. f. d. A. XXXIII, 47. Altenglische Glossen
a. a. O. S. 237. Ein weiteres Bruchstück der Regularis
concordia in altengl. Sprache Archiv LXXXIV, 1 (vgl. Archiv
LXXXVIII, 67). Zu Beowulf 8 50 a. a. O. LXXXIV, 124.
Eine weitere Aufzeichnung der Oratio pro peccatis
a. a.O.S. 327. Zu Wanderer 31 a. a. O. LXXXVI, 279. Kreuz-
andacht a. a. O. LXXXVIII, 361. Kreuzzauber a. a. O. S. 364.
Zu Seele und Leib a. a. O. XCI, 369. Hier sei auch erwähnt;
Die ursprüngliche Gestalt von ^Ifrics Colloquium Z. f.
d. A. XXXI, 32.
b) Frühmittelenglisch.
Zum Poema Morale Anglia I, 5; III, 32; IV, 406. Frag-
ment einer englischen Chronik von 1113 — 4 a.a.O. 1,195;
III, 32. Das nicäische Symbolum in englischer Auf-
* Einige kleinere Sachen sind in dieses nur- anglistische Arbeiten um-
fassende Verzeichnis nicht aufgenommen worden. Eine rein chronologisch
geordnete Übersicht, zu welcher auch ich das ganze Material bereits ge-
sammelt hatte, ist jetzt von E. Kölbing in den Englischen Studien
XXI gegeben.
Julius Zupitzii. 249
Zeichnung des 12. Jahrhunderts a. a. O. I, 286 und III, 32.
Eine unbekannte Hs. der Ancren Riwle a. a. O. III, 34.
Ein Zauberspruch Z. f. d. A. XXXI, 45. Cantus Beati Go-
drici Englische Studien XI, 401; vgl. Archiv XC, 142.
c) Mittelenglisch.
Zu dem altenglischen Spiel: The Harrowing of Hell
Wagners Archiv I, 190. Erklärungen und Verbesserungen
zum mittelenglischen Havelok Z. f. d. A. XIX, 124. Ein
Zeugnis für die Wielandsage a. a. O. S. 129. Zwei mittel-
englische Legendenhss. Anglia I, 392. Zu Morris, An Old
English Miscellany a. a. O. S. 410. Verbesserungen und
Erklärungen (zu Havelok, Floriz, Chaucer u. s. w.) a. a. O. S. 468.
Varianten zu Chaucer ed. Morris IL (als Ms. gedruckt, 1880).
Kleine Bemerkungen (zu Chaucer u. s. w.) Anglia III, 369. Zur
Biographie Lydgates a. a. O. III, 532. Chaucer, Prolog
(als Ms. gedruckt, 1882). Zum Havelok a. a. O. VII, 145. Die
mittelenglischen Bearbeitungen der Erzählung Boc-
caccios von Ghismonda und Guiscardo Vierteljahrschrift
für Litt, und Kultur der Renaiss. I, 63; vgl. auch Archiv LXX, 81.
Bemerkungen zum 'Lob der Frauen' Engl. Studien VIII, 394.
Bemerkungen zu *A peniworth of witte' a. a. O. S. 496. Zum
Lay le Freine a. a. O. X, 41. Zur Meditacio Ricardi Here-
mite de Hampole de passione domini a.a.O. XII, 463. Zu
dem Anfang des Speculum vitse a. a. O. S. 468. Beiträge
zur mittelengl. Litteraturgeschichte Archiv LXXXII, 465.
Über die 'Fabula duorum mercatorum' a. a. O. LXXXIV,
130. LXXXV, 57 und LXXXVI, 291. Zu Lydgates Isopus
a. a. O. LXXXV, 1. Die zehn Gebote in mittelengl. Versen
a. a. O. S. 44. Handschriftliche Bruchstücke von Skeltons
'Why come ye nat to court' a. a. O. S. 429. Zu Torrent of
Portugal Engl. Studien XV, 1. Die neun Eigenschaften des
Weins Archiv LXXXVI, 89. Kleine Mitteilungen zur me.
Litteraturgeschichte a. a. O. S. 290. Rettungen und Kon-
jekturen a. a. O. S. 405. Under the Greenwood-Tree a. a. O.
LXXXVII, 433. Über die mittelenglische Bearbeitung
von Boccaccios 'De claris mulieribus' Festschrift zur Be-
grüfsung des Neuphilologentages, Berlin 1892, S. 93. Zum Sir
Launfal Archiv LXXXVI, 291. LXXXVIII, 68. Zum Sir
Isumbras a. a. O. S. 72. LXXXVI, 291. XC, 148. Jak and
his Stepdame nach derHs. RawlinsonC. 86 a. a. O. XC, 57.
Die Sprüche Alfreds a.a.0.S.141. Zu Dunbar a.a.0.S.151.
TheProverbis of Wysdom a. a. O. S. 241. Zu Burghs Über-
setzung der Disticha Catonis a. a. O. S. 296. Was jeder-
mann wissen und andere lehren mufs a. a. O. S. 297. Das
Leben der heiligen Maria Magdalena in mittelenglischer
250 Julius Zupitza.
Prosa a. a. O. XCI, 207. Zu Seele und Leib a. a. O. S. 381.
Chaucer's Dream or Isle of Ladies a. a. O. XCII, 68. Zum
Märchen vom Tanze des Mönches im Dornbusch a. a. O.
XCV, 168. In den nächsten Heften des Archivs werden ferner er-
scheinen: eine kritische Ausgabe des kleinen raittelengl. Gedichtes
Erthe opon erthe, sowie eine Ausgabe der Hy stör ie of lacob
and his twelue sones.
d) Shakspere.
Shakspere über Bildung, Schulen, Schüler und
Schulmeister Shaksp.-Jahrb. 1883, S. 1. Die mittelenglische
Vorstufe von Shaksperes 'As y ou like it' a. a. O. 1886, S. 69.
Shakspere-Miscellen Archiv LXX VII, 404. Über die Fabel
in Shaksperes 'Beiden Veronesern' Shaksp.-Jahrb. 1888, S. 1.
Zu Shaksperes Julius Caesar I, 1,24 Archiv LXXXIV, 126.
e) Spätere Litteratur.
Goldsmiths 'She stoops to conquer' als Quelle von
Winterfelds 'Der Elephant' Archiv LXXXV, 39. ZuC.Lambs
Dissertation upon roast pig a. a. O. LXXXVII, 437. Zu
einigen kleineren Gedichten Shelleys a.a.O. XCIV, 1. Zu
einer Stelle in Shelleys Übersetzung der Walpurgis-
nacht a. a. O. S. 161.
f) Grammatisches.
Mittelenglisches k für d Anglia III, 375. Zur Lehre
vom Gebrauch des neuengl. Konditionals Anglia Anz. VII,
149. Der accusativus qualitatis im heutigen Englisch
a. a. O. S. 156. Unbestimmter Artikel im Englischen Archiv
LXXV, 454. Ein kleiner Beitrag zur vergleichenden Syn-
tax des Englischen und Deutschen a. a. O. LXXVII, 103.
Die vermutende Bedeutung des sogenannten Konditio-
nals in der heutigen engl. Sprache a. a. O. S. 463. Zu § 272
oder § 27 3 von I. Schmidts Grammatik a. a. O. LXXXI, 195.
Die Lehre vom engl. Infinitiv a. a. O. LXXXIV, 117. Kar-
dinalzahlen als Multiplicativa im Mittelenglischen
a. a! O. S. 329. Zu § 38 6 von I. Schmidts Grammatik
a. a. O. LXXXVI, 277. Zum Gebrauch von neuengl. 'all'
a. a. O. S. 409. Bemerkungen über neuengl. 'like' a. a. O.
LXXXVII, 64. 'How' als Relativum a.a.O. S. 66. Zur
Lehre vom Fragesatz a. a. O. S. 67. 'Only for =: but for'
a. a. O. S. 68.
g) Lexikographisches und Etymologisches.
English Etymology in 1881 — 2 Transactions of the
Cambridge Philol. Soc. II, S. 243. Etymologie von /oose Anglia
k
Julius Zupitza. 251
Anz. VII, 152. Zur Etymologie von merry Engl. Stud. VIII,
465. Etymologie von bad Archiv LXXIII, 423. Kleine
Bemerkungen zu Skeats Etymological Dictionary
a.a.O. LXXVI, 205. Zur Geschichte von 'perhaps', 'trade'
a. a. O. LXXXIV, 122. Zur Bedeutung von me. schire a.a.O.
S. 123. Ein Un wort (altengl. ricen) a. a. O. S. 125. Meaning
of 'astel' Academy 1881 (Mai). Spelling of 'whole' a. a. O.
1881 (Oktober), 'end' or *and a. a. O. 1882 (Januar). Wyn-
browes' a. a. O. 1882 (Januar) und Archiv LXVIII, 83. Wülcker's
Edition of Wright's Vocabularies Academy 1884 (Mai).
The Epinal Glossary a. a. O. 1884 (Mai). Etymology of
'Nowcin' a. a. O. 1884 (Juli). Etymology of 'CatchpolT
a. a. O. 1885 (November), 1886 (Februar). A curious prono-
minal form (altengl. heoman) a. a. O. 1885 (November). Ety-
mology of 'shire' a. a. O. 1887 (April). German words in
Middle English a. a. O. 1888 (März). Two Glosses in Sweet's
Oldest Texts a. a. O. 1888 (Juli).
Zupitzas sehr zahlreiche Besprechungen und kurze Anzeigen *
sind in dieser Aufzählung nicht berücksichtigt worden, um die-
selbe nicht zu sehr anzuschwellen, doch auch in diesen ist viel
wertvolles Material, das Ergebnis .mancher sorglichen Forschung
oft in sehr anspruchsloser Form zu finden; wie mir ein englischer
Fachgenosse neulich bemerkte: 'they are füll of learning.' Die
ueuenglische Litteratur ist hier stärker vertreten als bei den Ab-
handlungen, und die vielen Anzeigen neuenghscher Romane und
anderer Erzeugnisse der neuesten englischen Litteratur, die er
veröffentlicht hat, seitdem er im Jahre 1889 die Redaktion des
Archivs übernahm, beweisen, dafs er auch die allerjüngsten
Strömungen der englischen Litteratur mit scharfem Blicke und
verständnisvollem Interesse verfolgte. Die Redaktion dieser Zeit-
^ Dieselben sind in den folgenden Zeitschriften erschienen: Zs. für
österr. Gymn. XXIV— XXVII (1873—76). Jenaer Litt.-Ztg. 1875—79.
Anz. f. d. A. I— IX (1876—83). Anglia II (1879). Zs. f. d. Gymnasial-
wesen XXXIV (1880). Deutsche Litt.-Ztg. 1880—90. Litteraturbl. f. germ.
u. rem. Fhil. XI (1890). Archiv LXVI und LXXXIV-XCV (1890—95).
Besonders ausführlich und umfangreich sind namentlich die im Anz. f. d. A.
erschienenen: z. B. I, 116 (Publikationen der Early Engl. Text See);
II, 1 (Engl. Dialect See); III, 95 (Schulz, Die engl. Gregorlegende); IV,
149 und IX, 181 (Wifsmann, King Hern); IV, 217 (Engl. Studien); VI, 1
(Böddeker, Ae. Dichtungen); VI, 39 u. s. w. Ein vollständiges Verzeich-
nis findet sich bei Kölbing, Engl. Studien XXI.
252 Julius Zupitza.
Schrift bildete in seinen letzten Lebensjahren seine Hauptarbeit,
fast seine ganze Kraft hat er, abgesehen von seiner Lehrthätig-
keit, ihr gewidmet, und infolgedessen war es ihm nicht möglich,
in dieser Zeit noch viele gröfsere Arbeiten zu vollenden, ja man
mufs sich eher wundern, da/s er trotzdem noch zu so vielen treff-
lichen Leistungen Zeit und Kraft gefunden hat.
Auch als Lehrer nahm Zupitza eine hohe Stellung ein.
Schon die Anerkennung, die seinen Lehrbüchern, seiner Ein-
führung in das Mittelhochdeutsche, seinem alt- und
mittel engl. Übungsbuch u. s. w. zu teil geworden, zeugt
von seiner hohen pädagogischen Begabung; aber nur diejenigen,
denen es vergönnt war, seine Schüler zu sein, vor allem an
seinen Seminarübungen teilzunehmen und damit unter seiner
persönlichen Leitung zu arbeiten, können ihn in dieser Bezie-
hung gebührend würdigen. Sein Vortrag war schlicht und an-
spruchslos, die Gabe, schw^ungvoll und hinreifsend zu Jüngeren
zu sprechen, war ihm versagt, doch verstand er es meisterhaft,
alles klar und durchsichtig darzustellen. Noglit o ivord spak
he moore, than ^vas neede, und dennoch schienen bei seiner ein-
fachen, einleuchtenden Behandlung auch die schwierigsten Pro-
bleme leicht und ihre Lösung selbstverständHch. Seine Ein-
führungen in das Altenglische und in Chaucer, seine knappen
grammatischen Einleitungen waren meisterhaft entworfen und für
Anfänger besonders ungemein brauchbar. Seine sehr eingehenden
Vorlesungen über historische englische Grammatik gehören zu
dem Wertvollsten, was Vorgeschritteneren geboten werden kann.
In seinen nach wohlüberdachtem Plane entworfenen Kursen
von Vorlesungen wurde er allen Perioden der Sprache und Litte-
ratur gerecht,^ und in den seminaristischen Übungen hatten seine
^ Seine wichtigsten Berliner Vorlesungen waren folgende: 1) Histo-
rische Grammatik (Laut- und Flexion sichre. Zwei Semester). 2) Altengl.
Litteratur und Erklärung von Cyuewulfs Elene. 3) Alt- und mittelengl.
Sprachproben (nach dem Übungsbuch. Zwei Semester). 4) Beowulf.
5) Mittelengl. Litteratur. 6) Chaucers Leben, Werke und Sprache nebst
Erklärung ausgewählter Gedichte. 7) Shaksperes Leben und Werke.
8) Shaksperes Henry IV., erster Teil. 9) Shaksperes Hamlet. 10) Neuengl.
Litteratur. 11) Über den Gebrauch der englischen Präpositionen (zwei
Semester). 12) Erklärung ausgewählter Dichtungen Byrons. 13) Erklä-
rung ausgewählter Dichtungen Tennysons. Dazu kamen auch seine semi-
naristischen und anderen Übungen.
Julius Zupitza. 253
Schüler Gelegenheit, sich auf allen Gebieten der Anglistik zu
üben. Kam in einem Semester der Beowulf an die Reihe, so
folgten wohl im nächsten textkritische Übungen an irgend einem
mittelenglischen Denkmal (Chaucer, Sir Isumbras, Poema Morale
u. s. w.), während im dritten Shakspere, Tennyson, Burns, Dickens
oder irgend ein neuerer Schriftsteller behandelt wurde. Er be-
absichtigte auch ein besonderes, bei seiner sachkundigen und
klaren Lehrweise gewiis aufserordentlich nützliches Kolleg über
'Englische Realia' zu lesen, ist aber nicht mehr zur Abhaltung
desselben gekommen. Während er stets auf eine streng philo-
logische Schulung drang, legte er doch nicht weniger Gewicht
auf eine eingehende Beschäftigung mit den Meisterwerken spä-
terer Zeit und verlangte von allen Teilnehmern an seinem eigenen
Seminar regelmäfsigen Besuch der neuenglischen Übungen des
Lektors. Allen seinen Schülern riet er dringend, wenn irgend
thunlich, sich eine Zeit lang in England aufzuhalten, um Land
und Leute aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Ja, so
weit ging seine liebenswürdige Sorge für seine Schüler, dafs er
mehrmals Mitglieder seines Seminars aufforderte, ihn auf einer
Ferienreise nach England zu begleiten, und, wenn es dazu kam,
während der ganzen Reise ihnen in der freundschaftlichsten
Weise zur Seite stand.
Für den praktischen Erfolg von Zupitzas Lehrthätigkeit
fehlt es nicht an Beweisen: man braucht nur auf die vielen
tüchtigen Dissertationen hinzuweisen, zu denen er die Anregung
gegeben hat. In diesem Zusammenhange ist auch auf die von
ihm begründete und eröffnete 'Sammlung englischer Denkmäler
in kritischen Ausgaben^ hinzuweisen, welche es leider nur auf
fünf Bände gebracht hat, zu denen freihch noch Breuls Gowther
und Schleichs Ywain hinzugerechnet werden müssen. Die sechs
nicht von Zupitza selbst verfafsten Arbeiten sind sämtlich von
Schülern auf Grund seiner persönlichen Anregung geschrieben
worden. Die häufige Anwesenheit englischer und amerikanischer
Studenten in seinem Hörsaale zeigt, dafs sein Ansehen als Lehrer
sich weit über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus erstreckte.
Viele Anglisten, die jetzt akademische Lehrstühle innehaben,
nicht nur in Deutschland, sondern auch im Auslande, sind stolz
darauf, ihre Studien auf dem Gebiete der englischen Sprache und
Litteratur unter Zupitzas Leitung begonnen zu haben.
254 Julius Zupitza.
Von der aufserordentlichen Vielseitigkeit und Gründlichkeit
seines Wissens kann ich selbst Zeugnis ablegen. Wie oft habe
ich während unserer langen Freundschaft staunen müssen über
seine wunderbar umfassende und tiefdringende Kenntnis der eng-
lischen Sprache und Litteratur aller Perioden — und mehr noch:
wollte ich mir Aufklärung über irgend eine Frage aus dem Ge-
biet der romanischen Philologie holen, ^ oder eine Stelle aus dem
Sanskrit oder dem Littauischen übersetzen lassen, so konnte ich
stets mit Sicherheit auf seine sachkundige Hilfe rechnen.
Es gewährt seinen Freunden einen Trost, zu wissen, dafs
seine Verdienste schon zu seinen Lebzeiten gebührende Anerken-
nung gefunden haben. Er war erster Vicepräsident der deut-
schen Shakspere-Gesellschaft und seit Herrigs Tode Vorsitzender
der Berliner Gesellschaft für neuere Sprachen. Im Juni 1893
ernannte ihn der Senat der Universität Cambridge in Anerken-
nung seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiete der
englischen Philologie zum Ehrendoktor der Universität, und noch
in demselben Jahre ernannte ihn die Modern Language Asso-
ciation of America zu ihrem Ehrenmitglied.
^Last but not least^ haben wir an Zupitza nicht nur den
hervorragenden Gelehrten verloren, der die anglistischen Studien
in Deutschland hat mitbegründen und in fünfundzwanzig jähriger
fruchtbarster Thätigkeit ausbauen helfen, den unübertroiFenen
Lehrer, dessen Schüler in allen Weltteilen seiner mit Liebe ge-
denken, sondern auch einen edlen, warmherzigen und treufesten
Menschen. Was er seiner Familie gewesen, das kann nur seine
nächste Umgebung wissen, aber seine Kollegen, seine Schüler,
seine zahlreichen Freunde in Deutschland, Österreich, England —
alle überhaupt, die das Glück hatten, irgendwie zu ihm in nähere
Beziehung zu treten, sind um einen trefflichen Mann ärmer ge-
worden. Seinem ehrlichen, geraden Wesen war alle Schwächlich-
keit fremd. Hatte er einmal etwas als richtig erkannt, so hielt
er daran fest, bereit, sollte es nötig sein, seine ganze Kraft dafür
einzusetzen. Nichts kränkte ihn tiefer, als Hinterlistigkeit, wo er
Aufrichtigkeit erwartete und gab. Selbst ein unermüdlicher, selbst-
* In Breslau hat Zupitza über romanische Philologie gelesen und sich
auch auf diesem Gebiet litterarisch bethätigt: vgl. seine Abhandlung über
'Die nordwestromanischen Auslautsgesetze', Jahrb. f. rom. u.
engl. Litt. XII, 187.
Julius Zupitza. 255
loser Forscher, hatte er für Oberflächlichkeit weder Verständnis
noch Geduld. Von anderen verlangte er unnachsichtig dieselbe
gewissenhafte, keiner Schwierigkeit ausweichende Arbeit, die bei
ihm selbstverständlich war. Dies war seinen Schülern wohlbekannt
und wurde im Seminar unermüdlich streng an den verschieden-
sten Stoffen geübt, und dennoch hat es wohl selten einen Lehrer
gegeben, der bei seinen Studenten persönlich so beliebt war wie
er. Sein herzliches und schlichtes Wesen zog unfehlbar jeden
an, der mit ihm in Berührung kam. Keiner wandte sich an ihn
umsonst um Hilfe: selbst mitten in der Arbeit war er stets be-
reit, das, was ihn gerade beschäftigte, beiseite zu legen, um an-
deren mit Rat und That beizuspringen. Sein vielseitiges, reiches
Wissen stand jederzeit allen zur Verfügung, die bei ihm Beleh-
rung suchten. Mehr als ein Fall ist mir bekannt, wo Zupitza
auf eine Arbeit, die er begonnen hatte, zu gunsten eines anderen,
der dieselbe Arbeit inzwischen in Angriff genommen, nicht nur
verzichtet, sondern dem anderen auch sein ganzes Material zur
Verfügung gestellt hat.^ Und darum haben unterschiedslos alle,
auch die, welchen die ihm eigene schmucklose Behandlung der
Litteraturgeschichte weniger anziehend war, mit Liebe und Be-
wunderung auf ihn geblickt, von seiner Selbstlosigkeit und Auf-
opferungsfähigkeit im Dienste der Wissenschaft einen unauslösch-
lichen Eindruck ins Leben mitgenommen. Auf Zupitza dürfen
die Worte seines gemütvollen Lieblingsdichters Chaucer Anwen-
dung finden:
A trewe swynkere and a good was he
Lyvynge in pees and parfit charitee.
Arthur Napier.
Julius Zupitzas wissenschaftliche Anfänge liegen auf dem
Gebiete der deutschen Philologie. Friedrich Pfeiffer und Hein-
rich Rückert waren in Breslau, Mafsmann und MüUenhoff in
Berlin seine Lehrer. Rückert widmete er *in dankbarer Gesin-
nung^ seine Habilitationsschrift. Bei Mafsmann hörte er nur eine
Vorlesung, und zwar über das Nibelungenlied. Es war Ma(s-
manns Ziel, seine Zuhörer von der Haltlosigkeit der Lachmann-
* Vgl. z. ß. Zielke in dem Vorwort zu seinem Sir Orfeo, Breslau
1880, und Anglia I, 39:5.
256 Julius Zupitza.
sehen Aufstellungen zu überzeugen ; als er aber am Schluls des
Semesters die Studenten fragte, welche Ansicht ihnen denn nun
am wahrscheinlichsten vorkomme, da bekannte sich Zupitza zum
grofsen Mifsvergnügen des Lehrers zu Lachmann. Denn in-
zwischen war durch Müllenhoif in ihm erst die volle Liebe zur
deutschen Philologie geweckt, die klare Einsicht in ihre Auf-
gaben eröffnet und der rechte Weg zur Lösung der Probleme
gewiesen worden. Als Müllenhoffs Schüler hat Zupitza sich alle
Zeit bekannt. In seiner ihm gewidmeten Doktordissertation
rühmt er, dafs er ihn raira semper ac prope incredihili henigni-
tate in seinen Studien unterstützt habe; zum 25jährigen Doktor-
jubiläum widmet er ihm eine Schrift, in der er mit Dankes-
worteu, die von Herzen kommen, bekennt, dafs alles, was er zu
leisten vermöge, auf Müllenhoif zurückgehe; und zwei Jahre
später preist er seine aufopfernde Unterstützung bei der Heraus-
gabe der Yirginal, wodurch er seinen Verdiensten um des Schü-
lers wissenschaftliche Förderung die Krone aufgesetzt habe. Wie
nahe sie einander standen, lehren die freudigen Erinnerungen,
die Zupitza in jener Festschrift den Einzelheiten ihres persön-
lichen Verkehrs widmet, und es kann kein Zweifel bestehen,
dafs Müllenhoif ihn damals schon als Helfer an der Bearbeitung
des Deutschen Heldenbuches ins Auge gefafst hatte. Denn Zu-
pitzas Dissertation, womit er sich am 8. Dezember 1865 in Berlin
den Doktortitel erwarb, Prolegomena ad Alberti de Kemenaten
Eckium, weist auf die Ausgabe des Eckenliedes, die einen Teil
seiner Beisteuer zum Heldenbuch bildet. Wilmanns hat später
die Entstehungsgeschichte des Liedes weiter hinauf verfolgt, und
man kann in der Deutung des hineinverwebten Mythus in einigen
Punkten anderer Meinung sein: im übrigen hatte Zupitza recht,
dafs er in der Einleitung zu seiner Ausgabe an den Ergebnissen
der älteren Untersuchung nicht rüttelte.
Die erwähnte Gratulationsschrift zum 7. April 1867 zeugt
für seine Beschäftigung mit der mittelhochdeutschen Lyrik. Er
gab die Gedichte Rubins heraus (Oppeln 1867), eines Tirolers
ritterlicher Abkunft, der freilich die herkömmlichen Geleise der
unerhörten, trübseligen Liebessänger kaum je verläfst und nur
insofern von Bedeutung ist, als er die Stärke von Walthers Ein-
flufs beweist. Mit jener Umsicht und Sauberkeit, die er von
Julius Zupitza. 25?
Lachraann und Haupt erlernt hatte, reinigte Zupitza den durch
V. d. Hagen gelieferten Text und wies die Anklänge an Wal-
ther nach, die später von Müllenhoff in einer neuen Auflage von
Lachmanns Ausgabe verwertet wurden.
In demselben Jahre griff er auch in den Nibelungenstreit
ein, in einer Schrift, die er im Verein mit etlichen Kollegen vom
Oppelner Gymnasium dessen Direktor August Stinner weihte,
der früher sein Lehrer gewesen war. Er bekämpfte Franz
Pfeiffers Versuch, den Kürenberger als den Dichter der Nibe-
lungen zu erweisen, glücklich genug, um Bartsch zu dem aus-
führlichen Versuch einer Widerlegung in der Germania 13, 241 ff.
zu veranlassen. Diese Gegnerschaft gegen Pfeiffer hielt Zupitza
aber nicht ab, seine Verdienste um die Popularisierung der mhd.
Dichtungen anzuerkennen, wenngleich er über das mechanische
Verstehen, das Pfeiffer und seine Genossen anbahnten, hinaus
eine gründlichere Kenntnis des Mhd. zu verbreiten suchte und
den Unterricht darin der Schule zuwies. Bereits in seiner ersten
Doktorthese hatte er gefordert, es müsse der Gymnasialabiturient
die Dichter des ausgehenden 12. und des 13. Jahrhunderts be-
quem lesen können. Die ^Einführung in das Studium des Mittel-
hochdeutschen. Zum Selbstunterricht für jeden Gebildeten. Oppeln
1868^ kann in der That den Lehrer ersetzen. Sie knüpft an das
vierte Lied der Nibelungen an und gewährt durch allseitige Er-
läuterungen jedes Wortes, die sich an passenden Stellen zu zu-
sammenfassenden Exkursen erweitern, allmählich einen Einblick
in die mhd. Grammatik und Wortbedeutung, der weit genug geht,
um eine gute Unterlage für genauere Studien zu bilden. Die
Brauchbarkeit des Buches beweisen seine vier Auflagen, denen
es bis zur letzten (1891) nicht an der nachbessernden Hand des
Verfassers gefehlt hat.
Seine Habilitationsschrift aus dem Jahr 1869 zeigt uns Zu-
pitza wieder für das Heldenbuch thätig. Sie enthält ^Verbesse-
rungen zu den Drachenkämpfen\ Einige übertraf Bartsch in der
Germania 15, 249 f., die meisten waren schlagend. Wir finden
sie im fünften Teil des Deutschen Heldenbuchs wieder, worin
Zupitza unter dem Titel ^Dietrichs Abenteuer^ die Drachenkämpfe
oder, wie Müllenhoff sie passender benannte, die Virginal, den
Goldemar, Sigenot, das Eckenlied, d. h. alle die Dichtungen
Archiv f. n. Sprachen. XCV, 17
258 Julius Zupitza.
vereinte, die er Albrecht von Kemenaten zuschrieb, die Bruch-
stücke von Dietrich und Wenezlan hinzufügend. Auch hier ist
er in der Textgestaltung wesentlich über v. d. Hagen hinaus-
gelangt, erörterte in der Einleitung die mit diesen Epen zusam-
menhängenden Fragen und ihre Besonderheiten und gab erklä-
rende Anmerkungen bei. Dals er die Frage nach dem Ver-
fasser nicht in einer alle befriedigenden Weise beantwortete — es
ist das bis heute noch nicht gelungen — , liegt an den Schwierig-
keiten der Überlieferung, die auch in Bezug auf die jüngeren
Texte noch späteren Forschern zu thun gab.
Mit der Herausgabe dieser mit allen Vorzügen und Mängeln
der Spielmannsdichtung, ihrer Frische und ihrer Nachlässigkeit
ausgestatteten Epen schlofs Zupitza im wesentlichen seine Thätig-
keit für die deutsche Philologie im engeren Sinne ab. Zwar ist
er ihr nie untreu geworden, hat noch in Wien umfängliche Reste
mittelhochdeutscher Kunstepen teils im Wortlaut, teils in Kol-
lationen bekannt gemacht und ihre Stelle in der handschriftlichen
Überlieferung bestimmt (vgl. Zs. f. d. Altertum 17. 18); hat, wie
erwähnt, seine Einführung ins Mhd. zu wiederholten Malen ver-
bessert; aber er gelangte doch nicht mehr dazu, sein in Zetteln
vorhandenes Glossar zur Liederedda in Druck zu geben und den
Weg ins Nordische weiter zu verfolgen, den er mit einer glück-
lichen Besserung zur HI. Gudrünarkvida bereits als Doctorandus
betreten hatte. Geläufig sind ihm alle diese Dinge jederzeit ge-
blieben, wie er denn ohne seine tüchtigen Kenntnisse im Deut-
schen, Gotischen und Nordischen, des Romanischen zu geschwei-
gen, nicht der sichere Beherrscher der englischen Grammatik
hätte sein können, der er war. Wie er die Entwickelung der
Sprachvergleichung, auch in ihr wohlausgerüstet, mit voller Auf-
merksamkeit begleitete, so verlor er auch die deutsche Philologie
nicht aus den Augen. Die förderliche Aussprache mit diesem
wissenden und teilnehmenden Freunde hat der Schreiber dieser
Worte oft genossen und mufs sie nun aufs schmerzlichste ent-
behren.
Max Roediger.
Anmerkungen zu Jakob Rymans Gedichten.
V. Teil.
LXI.
Heilige drei Könige und Kindermord.
Vgl zu LIX.
Ü. F. 1 A sterre shone bright ; s. zu XXXII, 2, 2. — on xij day
(=: 1, 1); s. zu XXXII, 8, 1.
Str. 1. F. 1 this sterre so clere; s. zu XII, 3, 1. — F. 3 Vnto
that king, that hath no pere; 5. zu IV, 2, 3. — F. 4 where he did
rest; vgl. XCVII, 14, 4 The fende his body shall possede Therin fco
resfc and make a pawse ; s. aueh zu VIII, 3 a, 3. — F. 5. 6 Kehr-
reim. Wegen swete place vgl. zu XI, 2, 3.
Sir. 2. V. 1 Bothe golde, encense and swete myrre tho; vgl. zu
XXXII, 8, 2. — F. 2 Alle thre ist natürlich Nominativ; vgl. unten
5, 1 Whenne theire offring alle thre had made To Crist; LVIII, 1, 2
The kingis went theire way alle three ; LIX, 2, 1 They went alle thre
that chielde to se. — F. 3 god and man; s. zu IV, 1, 3. — F. 4
Borne of a virgyne vndefielde; s. zu II, 3, 3.
Str. 3. F. 1 For he was king of mageste — LIX, 3, 1. — F. 2
They gave hym golde with grete reuerence ; vgl. XXXIX, 5, 1 ff. Golde
and myrre and swete encense Thise kingis gave with gret reuerence
To this king. — F. 3 Per he was god = LIX, 3, 3. — god in per-
sones thre; s. zu III, 3, 3.
Str. 4. F. 1 Por he was man, they gave hym than = LIX, 4, 1.
F. 3 buried; s. zu XLIII, 3, 1. — synfull man; s. zu LIII Ü. —
F. 4 And arise ayene and to blis stye; s. zu LIII, 3, 2. 3.
Str. 5. F. 2 king and lorde of alle — LXV, 8, 1; s. zu IV, 9, 1.
Aufserdem findet sich lorde of alle noch XC, 5, 2. CVIII, 4, 1.
17*
260 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXI, 5 — 12.
CX, 6, 6. CXIV, 7, 1. CXVIII, 2, 3. CLXV, 1, 3; ferner lord of
alle thynge CXXV, 1, 3. CXXIX, 1, 3. — V. 3 Right sone; s. zu
XXXVIII, 7, 2. — fade; s. z«^ XXXIV, 3, 1. — F. 4 brightly shone;
s. %u XXXII, 2. 2. — halle braucht Ryman aufserdem LXX, 15, 3.
LXXXVI, 4, 4. CXI, 6, 1, halle dore CXI, 5, 1, heuen halle
CLVII, 5, 3.
iSifr. 6. F. 1—4; s. zu XXXIII, 6. — F. 1 in theire way; s. %u
LX, 2, 1. — F. 4 And come by hym; s. %u LIX, 6, 1.
Str. 7. F. 1—4; 5. ;?;w LIX, 5, 1—4. — F. 1 fayne; vgl.
LXXXIV, 6, 2 we shulde be fayne. — F. 3 by hym; s. zu LIX,
6, 1. — F. 4 By an aungell bothe faire and bright; vgl. CXIII, 1, 1
An angelle, thatte was fayre and bryght; CXLI, 14, 2 Thatt angelle
fayre and bryght; s. zu\ \\, \.
Str. 8. F. 1 They wäre füll glad; vgl. XXXI, 7, 3 beyng füll
glad. — F. 2 They be gone home another way; s. zu LIX, 6, 1 — 4.
— F. 3 And king Herode was wrothe and sedde ; vgl. zu XXXIX, 8, 1 .
— F. 4 That he of them had lost his pray cv) 10, 2 Seyng of them
his purpose lorne.
Str. 9. S. zu XXXIX, 6. — F. 3 Where they abode, tili he
was dedde; s. zu LIX, 7, 2, 3.
Str. 10. Vgl. zu XXXIX, 8. — F. 2 Seyng of them his pur-
pose lorne; vgl. LX, 6, 1 und LXI, 8, 4. — F. 3 put to deth; vgl.
LXXX V, 1 4, 3. 4 And to conflicte thyne enemye He wil put ; wegen
put to flight s. zu LXXI, 7, 1.
Str. 11. Vgl. Matth. II, 11 f. Tunc adimpletum est, quod dictum
est per leremiam prophetam dicentem : 'Vox in Rama audita est, plo-
ratus et ubulatus multus.' Die Stelle steht hei Jerem. XXXI, 1 5 Vox
in excelso audita est lamentationis, luctus et fletus. — Fl Ysay.
Es sollte dafür natürlich Iheremy (XXXVII, 2, 1) oder leramye
(C, 3, 1) stehen: aber das Versehen kann sehr wohl von Ryman selbst,
nicht erst vom Schreiber, gemacht sein. — F. 2 Had prophesied long
tyme before; s. zu XL, 4, 1. — F. 3 A voice was hurde in blisse an
hye CSD LXVIII, 5, 2 A voice was hurde in blis aboue {aber in ganz,
anderem Zusammenhange). Wegen an hye s. zu XXVII, 4, 3. —
F. 4 Of grete weping; vgl. CXXXVIII, 1, 3 With grete wepyng to
the we call.
Str. 12. F. 2 As prophecy had saide before r= LXXXIII, 5, 5;
s. zu XL, 4, 1. — F. 3 To save mankyende, that was forlorne =:
Anmerkimgen zu J. Rymaiis Gedichten LXI, 12 — LXII, 1. 261
XXVII, 3, 4. XXXVI, 1, 4. LXXXIII, 5, 2. CXVIII, 6, 4; vgl.
zu V, 7, 1 und VII, 4, 1. — F. 4 And to his Wisse for to restore;
s. zu XL, 4, 3.
LXII.
Ob Christus sterben soll.
Den gleichen Gegenstand behandeln die fünf zunächst folgenden
Gedichte, und zwar ist LXIII, wie das vorliegende, ein Selbstgespräch
Christi, während wir es in den übrigen mit einem Zwiegespräch zwi-
solien ihm und der Jungfrau Maria zu thun haben. Sie fangen alle
mit Shall I an. Zu vergleichen sind aber aufserdem Nr. XC (Zwie-
gespräch) und CXLVI {Erzählung und Ziviegespräch). S. au^h zu CIV.
Str. 1. r. 1 that heuen and erth did make; s. zu VII, 6, 3 und
IV, 7, 1. — V.2 Dere moder, shaU I soo? — LXIV, 1, 2. LXV, 1, 2.
LXVII, 1, 2, also immer der zweite Vers; ähnlich auch LXIII, 1, 2
My dere spowse, shalle I soo? und LXVI, 1, 2 Moder, shalle I doo
soo? Wegen dere moder s. auch zu XXXIV, 7, 2. — F. 3. 4 Shall
I die for mannes sake And suflfre payne and woo? (>o LXIII, 1, 3. 4
Shall I for mankyende yelde my lyfe And sufFre payne and woo ? cx)
LXIV, 1, 3. 4 Shal I dye for synfull man And suffre payne and
woo? c\) LXV, 1, 3. 4 Shalle I take deth for man so ille And suffre
payne and woo? cv LXVI, 1, 3. 4 Shalle I take dethe for man alone
And suffre payne and woo? oo LXVII, 1, 2. 3 Shal I for man, that
I haue wrought, Take dethe with payne and woo ? — F. 3 ; vgl. au^h
unten 2, 3 f. Shall I die and shede my blöde For man, that is so
ylle? — F. 4 ist auch noch — LXIII, 2, 4. 3, 4. 5, 4. 9, 4. 10, 4.
LXV, 8, 4. LXVI, 2, 4. 3, 4. 5, 4. 7, 4. 8, 4 ex. LXV, 3, 4 To
suffre payne and woo — LXVII, 7, 4 c^j XC, 5, 4 And suffre alle
this payne and woo. Wegen payne and woo vgl. auch zu VII, 3, 3.
X, 5, 3. XIII, 3, 1. XVIII, 4, 3; ferner LXIII, 12, 4 Tokyns of
payne and woo; LXIV, 10, 4 And with a worde thou maist now
take Mankyende fro payne and woo; ebenda 12, 4 With thy grace
kepe me and defende Fro endeles payne and woo; LXVII, 1, 4
Take dethe with payne and woo; ebenda 3, 4 To bringe mankyende
out of doloure I wille take payne and woo = 5, 4; XCV, 1, 7 Out
of this bitter payne and woo; CI, 3, 4 Where is bothe peyne and
endeles woo = CLVII, 2, 2; CVI, 6, 1 As greuous payne to her
and woo It was to see her sone die soo, As vnto hym, that died thoo
262 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXII, 1 — 5.
To save mankyende alone; CXXXIV, 3, 2 The bitternes of dethe
alsoo Thatte lorde hath take with peyn and woo ; CLXIV, 8, 2 Lete
not the f ende . . . Brynge us to payn and endles woo ; LXVI, 1 0, 4
Not vttirly thou me forsake In langoure, payne and woo; LXVII,
4, 4 Why shuldest thou leve me in doloure, In langoure, payne and
woo ? CXLVIII, 6, 1 In derknes, payn, dolowre and woo Olde f aders
made grete mone.
Str. 2. F. 1 Shall I honge vppon the roode = LXIII, 2, l. Ryman
selbst schreibt hange: CXXII, 4, 1 Aman alsoo, the fende, oure foo,
Thou hast hangyd vppon a tre. — V. 1. 3 vppon the roode : bloode;
s. zu IV, 4, 3. — F. 2 Like as it is my wille; vgl. X, 5, 2 Fourme
of mankyende, like as we be. — F. 3 Shall I die and shede my bloode
CO LXIII, 2, 3 I shall dey and shede my bloode. — F. 4 For man,
that is so ylle; vgl. LXIII, 3, 3 I shall die for man so ille c\i LXIV,
5, 3 That I schall die for man so ille; LXV, 2, 1 Why shuldest
thou die for man so ille? ebenda 1, 3 Shalle I take deth for man so
ille? ebenda 3, 3 For man so ille it is but skille To suffre payne
and woo := LVII, 7, 3. Wegen ylle s. auch zu X, 3, 3.
Str. 3. F. 1 Mankyende to save (s. zu V, 7, 3), that I have wrought
oj LXXXII, 2, 4 To save mankyende, that he hath wrought; s. zu
XXV, 2, 4. — F. 2 And scripture to fulflUe; vgl. LXIV, 7, 1 Moder,
scripture I must fulfille; LXVI, 7, 3 Therfore I wille scripture ful-
fille ; XC, 7, 1 Scripture, moder, I must fulfille ; auch CXLII, 4, 3 f.
Normam euangelicam In itte forto fulfylle. — F. 3 My dere moder;
vgl. zu XXXIV, 7, 2. — (Mankyende to save ...) it is my thought;
vgl. LXIII, 4, 3 To save mankyende is alle my thought = LXIV,
3, 3. — F. 4 Por why {s. zu V, 7, 2) it is but skille; vgl. LXV, 3, 3
For man so ille it is but skille To sufl^re payne and woo = LXVII,
7, 3; LXV, 2, 3 Dere sonne, me semeth, it is no skille, That thou
shuldest suffre woo. Wegen by skille s. zu'K^ 3, 1. Aufserdem braucht
Ryman skille nur noch'LX.'K, 13, 2 For on thy fare no skille he can.
;S'^r. 4 ; .«?. zu XXiVI, 4. F. 1 Whenne I am xxx« winter olde =
LXIII, 5, 3. — F. 2 ludas shall me betray c\^ LXIII, 6, 1 Shall
ludas Scariot me betray? — F. 3 the Ines bolde; s. zu XLVI, 4, 3.
Str. 5 With my disciples, or I be dedde, My souper I shall make,
And vnto them in fourme of brede My body I shall take cv; LXIII,
7, 8 Shall I, moder, or I be dedde, ... Leve my body in fourme of
brede . . . ? With my disciples my soper make — Moder, I wille doo
i
Anmerkungen zu J. Rymaus Gedichten LXII, 5 — LXIII, 1. 263
soo And vnto them my body take, Or I shall suffre woo. — F. 1
or I be dedde; s. zu XXVII, 1, 3. LXIII, 7, 1. — F. 3 in fourme
of brede; s. zu LIII, 7, 1.
Str. 6. F. 1 croft braucht Ryman aufserdem CXI, 1, 1 The fals
fox came vnto oure croft. — Gesseman; s. Matth.'K.XNl, 36//*. Marc.
XIV, 32 if.; vgl auch Luc. XXII, 39 ff. Joh. XVIII, 1 ;/: _ F. 3
And bringe me to Caiphas and An c\i LXIII, 9, 3 To bringe me to
Caiphas and Anne; vgl. auch CIV, 2, 1 When he came to Cayphas
and An To be iuged f or synfuU man {c^ LXII, 6, 4 ; s. zu LIII Ü.),
Str. 7. FIX shall be iuged vnto dethe ex; LXIII, 10, 1 Shall
I be iuged vnto deth; vgl. auxih CIV, 2, 2 {zu Str. 6 citiert). — F. 2
And lewes shall me scome oo LXIII, 11, 3 The wikked Ines me shall
scorne; CIV, 3, 3 And, how the lewes hym did shorn; CLXVI a',
2, 3 And hou the luys did me schorn. Vgl. au/ih with grete scorne
XL VI, 5, 2 = XCVIII, 4, 2. ~ F. 3 And in theire malice, ire and
wreth oj LXIII, 10, 3 In theire grete malice, ire and wreth. — F. 4
They shall crowne me with thorne; s. zu XL VI, 5, 1 — 3.
Str. 8. F. 1. 2 To a pillonre I shall be bounde Scourged with
scourgis kene; ä. zu LIII, 6, 1. 2 und zu XL VI, 5, 1 — 3. — F. 3
many a wounde; s. zu LIII, 5, 2. — F. 4 sene; s. zu XIXXII, 6, 3.
Str. 9. F. 1 Than I shall bere my crosse, iwys; vgl. LXIII,
13, 1 Shall I bere my crosse after this. Wegen iwys s. zu XVI, 8, 2.
— F. 3 And suffre dethe for mannes mys ; s. zu XLIV, 6, 2. — F. 4
And so shall make hym free; s. zu VII, 2, 3.
Str. 10. Fl Thanne I shall ryse on the iijde day; s. zu XIII,
3, 2. — F. 2 And stey to heven blisse ; s. zu XLIII, 3, 3. — F. 3
And bringe man to that blis for ay — LXIII, 14:, Z\ s. zu IV, 7, 3
und wegen for ay ^wXIX, 6, 3. — F. 4 Where ioye shall neuir mys;
s. zu XLVIII, 1, 2.
LXIII.
Oh Christus sterben soll.
S. zu LXII.
Str. 1. Fl moder, mayden and wyfe; s. zu III, 10, 3. — F. 2
My dere spowse, shalle I soo; vgl. zu LXII, 1, 2. Wegen der Anrede
s. zu Y, 6, 1. — F. 3 f. Shall I for mankyende yelde my lyfe And
suffre payne and woo {der letzte Vers = 2, 4. 3, 4. 5, 4. 9, 4. 1 0, 4) ?
s. zu LXII, 1, 3. 4. Mit yelde my lyfe vgl. CXLVU, 5, 1 When we
shall dye and yelde our gost.
264 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXIII, 2—12.
Str. 2. r. 1 Shall I honge vpon the roode = LXII, 2, 1. —
F. 2 Moder, it shall be soo — 3, 2. 4, 2. 5, 2. 6, 2. 7, 2. 9, 2. 10, 2.
11, 2. 12, 2. 13, 2. 14, 2. LXV, 9, 2. 11, 2 cnd LXIV, 7, 2 Moder,
it must be soo cv LXIII, -8, 2 Moder, I wille doo soo. — F. 3
I shall die and shede my hloode c\j LXII, 2, 3.
Str. 3. F. 1 Shall I do my fadres wUle? Vgl. LXXVII, 1, 4 In
erthe be done the wille of the; LXXXVII, 3, 3 The wille of god be
done in me ; CHI, 4, 4 His wille be done alone ; ferner LXVII, 7, 1
My faders wille I must fulfiUe und die Änm. zu X, 3, 2. — F. 3
I shall die for man so ille; s. zu LXII, 2, 4.
Str. 4. F. 1 Shall I save man, that I haue wrought ? s. zu LXII,
3, 1. — F. 3. 4 To save mankyende is alle my thought And bringe it
out of woo = LXIV, 3, 3. 4. — F. 3 auch oo LXII, 3, 3. — F. 4;
s. zu VI, 3, 3.
Str. 5 und 6; s. zu XL VI, 4.
Str. 6. F. 4 And bringe me into woo; vgl. XC, 1, 3 Thou bringest
my hert in care and woo; LXXXV, 13, 2 yf oure goostely enemye
In f antasy bringe the ; XCI, 5, 4 O lorde, that . . . hast brought vs
out of that lake, That oure parent had brought vs in ; XCIX, 3, 4
And so . . . he . . . hath brought vs oute of that lake, That oure parent
had brought vs in.
Str. 7. 8 ; 5. zu LXII, 5.
Str. 7. F. 4 To the and many moo; s. zu XXXI, 5, 1.
Str. 8. F. 1. 2; s. zu LXIV, 9, 1. 2. — F. 3 wrothe; s. zu
XX, 1, 1. — sadde; s. zu XIII, 6, 2. — F. 4 Or {s. zu XXVII,
1, 3) I shall suffre woo; vgl. LXIV, 2, 4 Why shuldest thou suffre
woo = 6, 2. LXVI, 6, 4; LXV, 6, 4 Why shulde I suffre woo
== LXVII, 6, 4; LXV, 2, 4 That thou shuldest suffre woo; ebenda
4, 4 Yf thou shalt suffre woo; LXVII, 2, 4 Yf thou shuldest
suffre woo.
Str. 9; vgl. zu LXII, 6. — F. 1 suffre; s. zu XXVI, 2, 2.
Str. 10. 11; vgl. zu LXII, 7.
Str. 11. F. 3 The wikked Ines; s. zu XL VI, 4, 3.
Str. 12. Fl Shall I be bette with scourgis kene? cv3 LXII, 8, 2
Scourged with scourgis kene; vgl. zu XL VI, 5, 3. — F. 3. 4 On my
body there shall be sene Tokyns of payne and woo cvj LXII, 8, 3. 4
Withoute nombre many a wounde On me there shall be sene. —
F. 4 Tokyns of payne and woo; vgl. zu LXII, 1, 4.
Aumerkungen zu J. Rymans Gedichtcu LXIII, 13 — LXIV, 4. 265
Str. 13; vgl. LXII, 9. — V. 4 And bringe hym out of woo =
LXIV, 5, 4. 9, 4 ; s. zu VII, 3, 3.
Str. 14; vgl. LXII, 10. — F. 4 Where neuir shall be woo =
LXIV, 13, 4 c\; LXV, 11, 4 We ij. in fere in blisse so clere Wille
be, where is noo woo.
LXIV.
Ob Christus sterben soll.
S. zu LXIL
Str. 1; s. zu LXII, 1. — F. 1 I, by whome alle thing began;
vgl. LXXI, 4, 1 By whom althing, lorde, did begyniie; LXXIV, 3,
1.2 O high fader, by whome althing Onely hathe take a begynnyng.
S. zu IV, 7, 1.
Str. 2; vgl. LXV, 2. LXVI, 2. LXVII, 2. — F. 1 My dere sone;
s. zu XII, 12, 1. — mys; s. zu VII, 2, 2. — F. 2 Wherfor shuldest
thou do soo? = LXVI, 6, 2. LXVII, 2, 2 cvs LXV, 2, 2 Why shuldest
thou, sonne, doo soo?; vgl. auch XC, 1, 1 why doest thou soo? —
F. 3 Sith thou art king of heven blis — XC, 5, 1 c\^ CXXX, 1, 2
Thatte thou art kyng of heuen blis cv^ XLIII, 4, 4 He king, she
quene of heven blis = LXXXII, 3, 4. S. atcch zu IV, 3, 1. —
F. 4 i^ 6, 2. LXVI, 6, 4 ; vgl. zu LXIII, 8, 4.
Str. 3. F. 1 Mankyende, nieder, sith I haue wrought ; s. zu XXV,
2, 4. — F. 2 And take mankyende also; s. zu VIII, 5, 1. — F. 3. 4
To save mankyende is alle my thought And bringe it out of woo =
LXIII, 4, 3. 4.
Str. 4. FIX am thy moder vndeflelde; s. zu II, 3, 3. — F. 3. 4
To se the die, mjne owne dere chielde, To me it were grete woo; vgl.
LXV, 5, 3, 4 To see me dey for man alone Thou shalt be in grete
woo; LXVI, 2, 3. 4 How shulde I see the dye alone And suffre
payne and woo ? ebenda 4, 3. 4 Yf thou shuldest die and me forsake,
To me it were grete woo ; LXIV, 8, 1 ff. Dere sonne, yf thou shuldest
rae forsake And thus departe me froo, ... Thou shuldest make me füll
woo; LXVII, 2, 2. 3 To me it shold be grete doloure, Yf thou
shuldest suffre woo ; LXXVIII, 3, 1 /". O quene of blisse, that wofull
were To see thy sonne cruelly slayne; LXXXII, 6, 1 ff. the swerde
shulde Into her hert of doloure synke Her sonne to see on the roode
tre And on his paynes smert to thinke; XC, l, ^ ff. Thou bringest
my hert in care and woo Without offence to se the slayne, To see
266 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXIV, 4—8.
the blede at euery vayne And to beholde thy louely syde With a
sharpe spere wounded so wyde. To se thy hede crowned with thorne
The blöde rennyng vppon thy face, Thy flesshe also with scourgis
torne Thus cruelly in euery place, This is to me a woofull case, Sith
that thou art myne owne dere chielde And L thy moder vndefiled;
ebenda 6, 1 ff. Myne owne dere sonne; it greveth me For to beholde
thy woundes smert, To se the nayled on a tree Thy blöde bleding
oute of thyn hert. Vgl auch LXXVIII, 3, 2. LXXXII, 6, 3. CIV,
3. 4. CVI, 3. 4, 2. 5, 3. 6, 2 und zu XIII, 4. — Wegen myne owne
dere chielde s. %u XXXIV, 5, 2. — F. 4 :r^ LXVI, 4, 4.
Str. 5. F. 1. 2 Moder, it is my faders wille, And it is myne alsoo
=; LXVI, 7, 1. 2 oo XC, 7, 3. 5 For why it is my faders wille. ...
It is the wille also of me c\5 CXLVI, 9, 1. 2 Moder ..., my faders
will And myn, they be butte one. — F. 3 That I shall die for man
so ille =r LXIII, 3, 3 {nur dafs hier That fehlt). — F. 4 And brynge
hym oute of woo = 9, 4. LXIII, 13, 4 cv) 3, 4; 5. ;?;w VII, 3, 3.
Str. 6. F. 1 Myne owne dere son [s. zu XII, 12, 1), why shuldest
thou dy? r= LXVI, 6, 1. — why shuldest thou dy auch = LXV,
2, 1. LXVI, 8, 3. XC, 5, 3. CXLVI, 6, 4. 8, 4. — F. 2 = 2, 4.
— F. 3. 4 Why shuldest thou suffre velony For hym, that is thy foo ?
c\3 LXVI, 6, 3. 4 For man, that is thyne enemye, Why shuldest
thou suffre woo? XC, 5, 3 ff. Why shuldest thou die for mannes
mys And suffre alle this payne and woo, Sith that he is thy mortall
foo Thus with scourgis forto scourge the And thus to nayle the on
a tre ? Vgl. auch LXV, 1 0, 2 Whenne thou on roode hast shed thy
bloode For man, that is thy foo und unten 7, 3. 4 Mankyende,
moder, I wille not spille, Though that it be my foo. — Wegen velony
s. zu XIX, 2, 3.
Str. 7. F. 1 Moder, scripture I must fulfille cx^ XC, 7, 1 Scripture,
moder, I must fulfille. — Wegen scripture . . . fulfille s. zu LXII,
3, 2. — must auch in der nächsten Zeile, LXXVII, 7, 1 . XC, 7, 1 :
Ryman selbst schreibt most CXLVI, 11, 1. Die Bedeutung von must
und most ist 'müssen^ dagegen von mote, mot, mott, motte wohl immer
'mögen' (s. zu XXIII, 4, 4). — F. 2 Moder, it must be soo; vgl. zu
LXIII, 2, 2. — F. 3 spille; s. zu X, 3, 3. — F. 4; s. zu 6, 3. 4.
Str. 8; vgl zu 4, 3. 4. — F. 1 Dere sonne (= 10, 1. 12, 1. 2;
s. zu 2, 1), yf thou shuldest me forsake cn) LXVI, 4, 2. 3 Dere sonne,
. . . Yf thou shuldest die and me forsake ; vgl. ebenda 1 0, 3 Xot vttirly
AumerkuDgen zu J. Ryinaus Gedichten LXIV, 8—12. 267
thou me forsake In langoure, payne and woo; CXLVI, 10, 3 /".
YfT it may be, me nott forsake In eare and woo alone; s. auch
zu VIII, 5, 3. — F. 2 And thus depart me froo ; s. zu XX, 6, 6. —
F. 3 Sith thou of me mankynde hast take ■=:■ LXVI, 4, 1; s. zu
VIII, 5, 1.
Str. 9. F. 1. 2 Dere moder, to be borne of the — Dere moder
{zu XXXIV, 7, 2), I did soo; vgl LXIII, 8, 1. 2 With my disciples
Souper make — Moder, I will doo soo. — F. 3 To suffre deth; s. zu
XIjIII, 5, 3. — and make man free ; s. zu VII, 2, 3. — F. 4 =r 5, 4.
Str. 10. Fl U7id 3 with a werde; s. zu XXV, 4, 4. — F. 2
Henen and erthe; s. zu VII, 6, 3. — F. 3. 4 thou maist now take
Mankyende fro payne and woo (s. zu LXII, 1, 4); vgl. CXXIII, 3, 3
Ihesus ... Hath take us fro derknes and woo; CXXXIV, 3, 3 To
take US fro the fende, oure foo ; CXLIX, 2, 1 Thou hast take us alle
fro oure foo ; CXXXIV, 4, 2 f. His sowie went downe tho into helle
And toke oute man, thatte there did dwelle, Fro the fowle fende,
thatt is so feile; CXX, 6, 1 Thatte Eve hath take a wey fro us,
Thou yeldist; LVIII, 3, 4 The synnes ... He toke fro vs, that we
had wrought; endlich auch LIV, 1, 1 O man, whiche art the erthe
take froo.
Str. 11. Fl But I slinlde dy, mankyend were lost (s. zu VII,
4, 1) oo LXV, 7, 1 No man, but I, may save mankyende. — F. 2
Moder, sith it is soo = LXV, 3, 2. 7, 2. LXVI, 3, 2. 9, 2. LXVII,
7, 2 oo LXIV, 12, 2 Dere sonne, sith it is soo = LXVI, 4, 2. 8, 2.
LXVII, 4, 2. 8, 2 CS3 LXV, 8, 2 Dere sonne, sith thou art soo c\3
LXVII, 6, 2 Dere sonne, sith I was soo ^ LXVI, 2, 2 Dere sonne,
sith thou diddest soo, oo CX, 3, 6 O swete lady, sith it is soo oo
CXLIX, 1, 3 Therfore, goode lorde, sith it is soo. — F. 3 Sith I am
lorde of myghtis moost; s. zu X, 4, 2. — F. 4 I wille bringe it fro
woo; s. zu X, 5, 3.
Str. 12. Fl Dere sonne, fro me sith thou shalt wende; vgl.
LXXXTV, 8, 3 Out of this worlde when we shall wende = XCII,
7, 3; XCII, 6, 7 Withouten delay ye shall hense wende; CIX, 6
Out of this lyfe when we shull wende ; CLII, 4, 2 or we hense wende
= CLIV, 3, 2 {vgl. au^h zu LXXXV, 10, 7). Häufiger erscheint
natürlich went. — F. 2; s. zu 11, 2. — F. 3 With thy grace; vgl.
zu XXIX, 4, 3. — F. 3. 4 kepe me and defende Fro endeles payne
and woo {vgl. zu LXXXIII, 6, 6); vgl. LXXXI, 1, 7 Thy myelde
268 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXIV, 12 — LXV, 1.
seruauntis in euery place ... Kepe and defende fro alle doloure. —
Wegen payne and woo s. zu LXII, 1, 4.
Str. 13. F. 1. 2; s. zu XLIII, 3, 2. 3. — F. 1. Wegen aryse . . .
ag-ayne s. auch zu XIII, 3, 2. — F. 2. Mit to blis I wille goo vgl.
aufser LXV, 9, 4 noch CXXX, 7, 9 Into thi blisse thatte we may
goo und die am Anfang der Anm. zu 1,11,1 angeführten Stellen. —
. F. 3 Wherin with me ay thou shalt rayne. Die Schreibung rayne er-
scheint nur hier: einmal finden wir raigne XCVII, 9, 3, sonst immer
reigne (I, 6, 2. II, 5, 2. III, 4, 3. LXVII, 8, 1. LXXI, 3, 1. LXXXVI,
4, 4. CXII, 6, 2. CXIII, 7, 2. CXL, 3, 2. 3, 4). — F 4 =r LXIII,
14, 4.
LXV.
Oh Christus sterben soll.
S. zu LXII.
Str. 1. F. 2; s. zu LXII, 1, 2. — F. 3 Shalle I take deth for
man so ille {s. zu LXII, 2, 4); vgl. LXVI, 1, 3 Shalle I take dethe
for man alone; LXVII, 1, 3. 4 Shal I for man, that I haue wrought,
Take dethe withe payne and woo ? XCI, 2, 4 How I toke deth onely
for the; LXVI, 10, 1. 2 For man, dere sonne, sith thou wilte take
Bothe payne and deth also; XC, 4, 1. 2 This wofull payne now will
I take And bitter dethe, moder, also; LXVII, 3, 4 I wille take payne
and woo = ebenda 5, 4. — F. 4; s. zu LXII, 1, 4.
Str. 2. F. 1 Why shuldest thou die for man so ille? s.zuIjKIW,
6, 1 und LXII, 2, 4. — F. 2; s. zu LXIV, 2, 2. — F. 3 it is no
skille; s. zu LXII, 3, 4. — F. 4; s. zu LXIII, 8, 4.
Str. 3. F. 1 Moder, sith alle is at my wille ; vgl. CXL VI, 4, 3
For alle thyng is atte thyn own will In heuen and erthe alone;
LXXXIV, 5, 3 What preuayleth it a man vntill, Yf that his sowie
in daungere dwell, Tho.w he alle this worlde haue at wille ; XCI, 4, 2
O god and man, the whiche hast wrought Me and alliß thing at thyne
owne wille ; CXI V, 11,4 This dede in the now do shalle he Atte
his wylle with a thought. — V. 2; s. ;^2^ LXIV, 11, 2. ~ F. 3 For
man so ille; s. zu LXII, 1, 2. — skille; s. zu LXII, 3, 4. — F. 4
To suffre payne and woo =:; LXVII, 7, 4 ; s. zu LXII, 1, 4.
Str. 4. F. 3 harde is my happe; vgl. XCV, 2, 1. 2 Füll harde
it is forto departe. And harde it is this payne to abyde. Aufserdem
hat Ryman nur noch XXX, 4, 1 myendes harde -^:z^ sensuum. —
F. 4; s. zu LXIII, 8, 4.
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXV, 5 — 9. 269
Str. 5. F. 1. 2 Moder, tlie swerde of Symeon Thorugh thyne hart
shall goo; vgl. LXXXII, 6, 1 Symeon tolde, that the swerde shulde
Into her hert of doloure synke Her sonne to see on the roode tre
And on his paynes smert to thinke; CVI, 3, 1 Symeon seide, the
swerde shulde goo Thurgh hirmyelde hert of care and woo. S. Luc.
II, 34 f. Et benedixit illis Simeon et dixit ad Mariam, raatrem eius:
'... Et tuam ipsius animam pertransibit gladius.' — swerde braucht
Eyman sonst nur noch CXXII, 3, 2. — F. 3. 4 oo LXIV, 4 {s. die
Anm. dazu).
Str. 6. F. 1 Haue, withoute woo füll of all grace cv^ LXXXVI,
2, 5 Haile, füll of grace withouten woo — CHI, 1, 2; s. %u I, 1 und
XVIII, 4, 3. — F. 2 The anngell grette me soo; vgl. LXXX, 5, 3
For so the aungell did the grete. Wegen grete an unserer Stelle
statt grette s. zu XIII, 5, 3. — F. 3 In myende, in wombe and enery
place c\^ CXVIII, 2, 4 Haile, Mary fülle of grace: The lord of alle
now is with the In hert, in wombe and euery place. Wegen in enery
place s. zu XII, 1, 3. — F. 4 — LXVII, 6, 5; s. zu LXIII, 8, 4.
Str. 7. V.\ CS, LXIV, il, 1. — F. 2; s. zu LXIV, 11, 2. —
F. 3. 4 Of his bonde I wille it {d. h. mankyende) vnbyende And bringe
it oute of woo ; vgl. LXVI, 9, 3. 4 Moder, mankyende I wille vn-
bynde And bringe it oute of woo; CLXIV, 2, 1. 2 Pray thy sone
to vnbynde oure bonde And brynge us owte of care and woo. —
Wegen F. 4 s. auch zu VII, 3, 4.
Str. 8. Fl king and lorde of alle =z LXI, 5, 2; s. zu IV, 9, 1.
— F. 2; s. zu LXIV, 11, 2. — F. 3 To man wherfor shuldest thou
be thralle? Äufser in den zu VII, 2, 3 {gegen Ende) angeführten
Stellen braucht Eyman thralle noch LXXVII, 2, 4 And suffre not the
fende, oure foo, To ouircome and make vs thralle ; CX, 6, 7 So that
mankyende be not made thralle; CLI, 3, 2 No sclepe, that is vile,
on US mote falle Ne the fende begile and make us thralle; CXLVI,
8, 3 For man therfore, thatt is so thrall, Why shuldist thou dye
alone ? CL, 5, 4 thi seruantis alle Bought with thi bloode, thatte were
most thralle; CLXIV, 4, 4 Chyldryn of Eve, exyles most thralle.
Rynian braucht thralle durchweg als Adjectivum {vgl. bonde zu LIII,
1, 3). Wegen thraldom s. zu XLI, 7, 4. — F. 4 — 1, 4.
Str. ^', s.zu XLIII, 3, 2. 3. — F. 1 I will be slayne; vgl LXVI,
3, 3 For it, moder, I wille be slayne; CXLVI, 3, 1 Moder, ... I schall be
sclayn. — rise agayne; s. zu XIII, 3, 2. — F. 2; s. zu LXIII, 2, 2.
270 Anmerkungen zu J. Kymans Gedichten LXV, 9 — LXVI, 8.
— F. 3 bothe goä and man; 5. zu IV, 1, 3. — F. 4 To blisse endeles
Wille goo; s. zu'Xl, 2, 2.
Str. 10. Fl Whenne thou on roode hast shed thy bloode; s. zu
IV, 4, 3. — F. 2 Tor man, that is thy f oo ; s. zu LXIV, 6, 4. —
F. 3 0 endeles foode ; s. zu XIX, 5, 2. — sonne so goode ; vgl. CVII,
5, 1 thy son so god. — F. 4 Thenne bringe me oute of woo oo LXVII,
8, 4 And bringe me oute of woo ; vgl. zu VII, 3, 3.
Str. 11. F. 1 My moder dere; s. zu XXXIV, 7, 2. — be of good
chere; s. zu XII, 12, 1. — F. 2; s. zu LXIII, 2, 2. — F. 3 in fere;
s. zu VII, 8, 3. — in blisse so clere ; s. zu IV, 2, 3. — F. 4 where is
noo woo; s. zu LXJII, 14, 3.
LXVI.
Oh Christus sterben soll.
S. zu LXII.
Str. 1. FIX, that am so high in trone; vgl. LXXXIX, 4, 2
Of Criste, that is so high in trone — XCIX, 6, 2 ; CXLVI, 6, 2 the
kyng of blisse, Thatt is so highe in trone; CXLVII, 1, 2 the kyng
of grace, Thatt sittith so highe in trone; CLXVIII, 3, 3 To Crist,
thy sone, sittyng in trone; CXLVI, 8, 2 To god, thatt ys in trone;
ebenda Ü. The sonne of god in trone := CHI Ü. und CXLVIII Ü.
Wegen in heven trone s. zu LIX, 4, 3. — F. 2 ; s. zu LXII, 1, 2.
— F. 3. 4 cv^ LXV, 1, 3. 4. — F 4 = 2, 4. 3, 4. 5, 4. 7, 4. 8, 4.
Str. 2. F. 1 Of me thou hast take flesshe and bon; s.zu^, 1, 1.
— F. 2; s. zu LXIV, 11, 2. — F. 3. 4; s. zu LXIV, 4, 3. 4.
Äifr. 3. F. 2 — 9, 2 ; 5. zu LXIV, 1 1, 2. — F. 3 ; s. zu LXV, 9, 1.
Str. 4. F. 1 Sith thou of me mankyende hast take = LXIV,
8, 3; s. zu VIII, 5, 1. — F 2 =r 8, 2; s. zu LXIV, 11, 2. ~ F. 3
Yf thou shuldest . . . me forsake; s. zu LXIV, 8, 1. — F. 4 =
LXIV, 4, 4.
Str. 5. F. 1 the prophetes alle and sume oo XLII, 6, 2. LXXXVII,
4, 2. XCIX, 1, 2; s. zu XLI, 1, 4.
.S/r. 6. F. 1 = LXIV, 6, 1. — F. 2; s. zu LXIV, 2, 2. —
F. 3. 4; s. a;w LXIV, 6, 3. 4.
/SiJr. 7. F. 1. 2 = LXIV, 5, i. 2. — F. 3; s. zu LXII, 3, 2.
Str. 8. F. 1. 3. 4 Dere sonne, sith thou art king of blis ..., Why
shuldest thou die for mannys mys And suffre payne and woo? cS) XC,
5, 1. 3. 4 Sith thou art king of heven blis ..., dere sonne, ... Why
shuldest thou die for mannes mys And suffre alle this payne and
AümerkuDgen zu J. Eymans Gedichten LXVI, 8 — LXVII, 8. 271
woo? — F. 1 king of blis; s. zu IV, 3, 1. — F. 2 =r 4, 2. — F. 3;
s. zu VII, 2, 2.
;S^r. 9. F. 1 CND 4, 1 (5. Anm). — F. 2 = 3, 2. — F. 3. 4; 5. zu
LXV, 1, 3. 4.
iS^^r. 10. V.l. 2-, s. zu LXV, 1, 3. — F. 3 Not vttirly thou me
forsake c\i CX, 4, 6 And vttirly thou not forsake Mankynde. —
Wegen vttirly s. zu XXIII, 4, 1, wegen forsake zu LXIV, 8, 1. —
F. 4 In langoure, payne and woo = LXVII, 4, 4 ; wegen langoure vgl.
zu XVII, 6, 4, wegen payne and woo zu LXII, 1, 4.
LXVII.
Oh Christus sterben soll.
S. LXII.
Str. 1. F. 1 I, that wronght althing of nonght; s. zu IV, 7, 1.
— V. 2; s. zu LXII, 1, 2. — F. 3. 4 ex:) LXII, 3. 4. — F. 3 man,
that I haue wrought; s. zu XXV, 2, 4. — F. 4 Take dethe with
payne and woo; vgl zu LXV, 1, 3 und LXII, 1, 3. 4.
Str. 2. F. 1 Myne owne dere sonne (= 4, 1; s. zu XII, 12, 1)
and paramour; s. zu Y, 6, 1. — V. 2; s. zu LXIV, 2, 2. — F. 3
dolonre; s. zu XXXV, 2, 2. — F. 4; s. zu LXIII, 8, 4.
Str. 3. F. 1. 2 thy paramoure, Thy sonne, moder, also; ä. zu V,
6, 1. — F. 3. 4 To bringe mankyende out of doloure I wille take
payne and woo =: 5, 3. 4. — F. 3; s. zu VII, 3, 3. — F. 4; s. zu
LXV, 1, 3 und LXII, 1, 4.
Sti\ 4. F. 1 I was thy bowre {vgl. 5, 1); s. zu XVI, 7, 1. —
F. 2 := 6, 2. 8, 2; 5. zw LXIV, 11, 2. ~ F. 4 — LXVI, 10, 4.
Str. 5. Fl; s. zu XVI, 7, 1. — F. 2 My spowse moost dere;
s. zu V, 6, 1. — F. 3. 4 =: 3, 3. 4.
/S'^?'. 6. F. 1. 3 Keplete with alle diuinite ... And triclyn of the
trinite c\^ XII, 9, 2. 3 Replete with alle diuinite, O triclyne of the
trinitie cv; CLVI, 1, 1. 2 O tryclyn of the trinite Replete with alle
diuinite. Vgl. zu XII, 9. — F. 2 =: 4, 2. — F. 3 ; s. zu VIII,
3a, 3. — F. 4 Why shnlde I suflfre woo? =: LXV, 6, 4; s. zu
LXIII, 8, 4.
Str. 7. F. 1 My faders wille I must fulfille ; vgl. zu X, 3, 2. —
F. .2. 3. 4 =r LXV, 3, 2. 3. 4.
Str. 8. F. 3 To me in peyne c\j XXXV, 3, 1 we in payne. —
V. 4 ^ LXV, 10, 4; s. zu VII, 3, 3.
272 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXVIII. LXIX, 1.
LXVIII.
xijH'® daye {Heilige drei Könige, Hochzeit %u Kana,
Taufe im Jordan).
Berührt sich besonders mit Nr. XXXII {s. zu Nr. 2) und mit
Nr. LVIII {vgl. zu Str. 2. 3. 4).
Ü. The sonne of goA and king of hlis = K; s. zu XXXII, 4, 4.
Str. 1. V. 2 Is man hicome for lone of vs — CXXXII, 1, 2 ^
LXXII, 11, 2 Now man become for loue of vs; s. zu XXXI, 1, 5.
— F. 3 And his name is called Ihesus = CXXVIII, 4, 3; s. zu
I, 12, 3.
Str. 2 -s:^ XXXII, 8 und fast — LX, 1; F. 1. 2 aiwh =
XXXIII, 5, 1. 2. Vgl. inhaltlich auch LVIII, 2.
Str. 3 ; vgl. inhaltlich LVIII, 4. — F. 1 by grace dyvyne ; s. zu
LVIII, 4, 3. — F. 3 Crist turned water into wyne; s. zu XX, 4, 2.
Str. 4; vgl. inhaltlich LVIII, 3. — Fl in Jordan floode; vgl.
LVIII, 3, 2 of lordan floode. — F. 2. 3 baptist . . . baptized ; s. zu
XXVIII, 1, 3. — with a myoide moode . . . that lorde so goode (%i IV,
4, 1 {s. Anm. dazu).
Str. 5. Vgl. Matth. III, 16/1 Baptizatus autera lesus con-
festim ascendit de aqua, et, ecce, aperti sunt ei cceli, et vidit spiri-
tum dei descendentem, sicut columbam, et venientem super se.
Et ecce vox de cselis dicens: 'Hie est filius meus dilectus, in quo
mihi complacui' c\: Marc. I, 10 f. Luc. III, 22; auxih Jes. I, 32. —
Fla dove; vgl. zu XVI, 2, 1. — F 2 A voice was hurde in blis
aboue cx^ LXI, 11, 3 A voice was hurde in blisse an hye.
Str. 6. F. 1 Bothe god and man; s. zu IV, 1, 3. — in oure
nature; s. zu LIII, 2, 1. — F. 2 sanctified; Byman braucht dieses
Verbum nur noch LXXVII, 1, 2 Sanctified thy name mote be. —
F. 3 Of henen blisse to make vs sure — LXXVI, 6, 3 {die Reim-
wörter sind, wie an unserer Stelle, nature und pure) ; vgl. zu XXI, 4, 4.
LXIX.
Letabundus Francisco decantet clerus alleluia.
Daniel II, 193. Mone III, 306. Vgl zu XXXIV; ferner, CIX.
CXLIL GXLIIL
Str. 1. F. 2 Frannceys; ebenso schreibt der Sch7'eiber den Namen
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXIX, 1 — 8. 273
CIX Ü.; dagegen der Dichter selbst schreibt ihn CXLII, 1, 6. 3, 2.
CXLIII, 4, 1 Fraunces und reimt darauf an der ersten Stelle encres.
— this heuenly thinge; s. zu XXXVIII, 4, 2.
Str. 2. Vgl. Quem confixit novis (nobis Daniel) Clavis amor
verus, Res miranda. — V. 1 fixte; fix hat hier die für das Me. in
den Wörtei'büchern nicht angeführte und im älteren Neuenglisch seltene
Bedeutung ^durchbohren'. — that loner true (vgl. zu XLIII, 1, 1) ist
nach meiner Ansicht Apposition zu Criste. — V. 2 Hart, hande and
foote transfourmed new; vgl. LXXXIX, 2, 2 Beholde and se his
woundes fyve In his handes, his fete and hert. Von den stigmatischen
Wunden des heil. Franz (vgl. 12, 1) spricht Ryman aufserdem CXLII,
10, 4. CXLIII, 1, 3. 4.
Str. 3. Vgl. Mens in carne patuit. Novo modo splenduit, Sol de
Stella. — F. 2 in new wyse; s. zu II, 2, 2. — shone füll clere; ge-
wöhnlich sagt Ryman shyne bright; s. zu XIXXII, 2, 2.
Str. 4. Vgl. Vir, qui sie refloruit, Aves voce monuit Semper
clara. — V. 1 this wyse; s. zu II, 2, 2. — flowre braucht Ryman
als Verb aufserdem nur CLVEEI, 4, 1 O lesse yerde, the whiche didde
flowre. — V.2 hononre; s. zu XVI, 7, 3. Wegen der Sache vgl Acta
Sanctorum Oct. Bd. II (Abdruck von 1866), S. 622.
Str. 5. Vgl Sicut Christus docuit, paupertatem tenuit Pari
forma. — F. 2 In wille, dede and thought; s. zu XVII, 7, 3. —
Mit pouerte . . . kepe did he vgl XCVII, 2, 3 Blessed be they, that
truly kepe My wayes true bothe farre and nere And my doctrine
profunde and depe ; 5, 4 My wordes be füll iuste and true . . . ; Ther-
fore them kepe, it is my wille; 6, 4 For lyf is keping of my lawe;
16, 1 Also youre scilence, loke, ye kepe.
Str. 6. Vgl Hie prolem, quam (quam fehlt Daniel) genuit, Possi-
dere noluit Hsec (Nee Daniel) corrupta. — Fl nouther in wille nor
dede ; s. zu XVII, 7, 3. — F. 2 his doughter dere ist natürlich, wie
proles, von dem Orden des Heiligen zu verstehen.
Str. 7. Vgl lam in coelis iubilat, Signis novis (Novis signis
Daniel) rutilat Valle nostra. — F. 1 ioieth; s. zu XXXVI, 4, 2. —
aboue in Wisse; s. zu XXIX, 4, 3. — F. 3 Valle nostra; s. zu
LXXXIX, 3, 3.
Str. 8. Vgl. Renovantur oculi, Lingua crevit parvuli Carne
sumpta. — Fl. Die Schreibung len hat die Handschrift nur hier,
eyen XXIX, 4, 1. CXXXVIII, 5, 2. CL, 4, 1. CLI, 4, 1; eye XII,
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 18
274 Anmerkimgen zu J. Rymans Gedichten LXIX, 8 — LXX, 1.
11, 3. LXXX, 3, 3; ey XXIV, 3, 4. CV, 4, 3. — renewed scheint
hier ^erneuerten sich' zu bedeuten; transitiv steht das Verbum CLVI,
6, 3 Thatte he with grace may us renu.
Str. 9. Vgl. Os mutorum solvitur, Multis (Trinis Daniel) vita
redditur, Hseresis convincitur Esse cseca. — V. 2 playne — playnly
XXXVII, 2, 4.
Str. 10. Vgl. Lepra cedit (fugit Daniel), saliunt Claudi, febres
fugiunt, Multa regna sentiunt Hsec prsedicta. Also lepra und febres
sind nicht berücksichtigt, dafür dume mit Rücksicht auf V. 9 und
blynde mit Rücksicht auf V. 8. — V. 2 diuers; s. zu XXJV, 2, 2.
— knowing reporte ^erfahren und berichten'; reporte : conforte auch
VIII, 1, 1. 2.
Str. 11. Vgl. Soldani prospera Sprevit et (ut Daniel) aspera,
Sed hunc non Isesit Gens misera. — V. 1 fraude (s. zu XIX, 4, 3)
beruht auf Mifsverständnis des Originals; zur Sache vgl. Acta Sanc-
torum a. a. 0. ^)12 f. — F. 2 in no wise; s. zu II, 2, 2.
Str. 12. Vgl. Ostendunt vulnera Novaque munera Dat, quem
genuit Puerpera. S. auch zu Str. 1, 2.
LXX.
Verabschiedung des Advents.
Ähnlich das nur aus einer Strophe bestehende Gedicht XCVIII.
Ü. cristemas is cum = 1 6, 1. — F. 2 = iT. — both aUe and sume;
s. zu XLI, 1, 3.
Str. 1. Fl With paciens thou hast vs fedde 'du hast uns Ge-
duld zu essen gegeben'. — F. 2 And made vs go hungrie to bedde;
vgl. XXVIII, 4, 3 Delicte of synne make thou declyne; CLXVIb'
2, 2 Derknes of nyght makist appere. Aber Ryman braucht hinter
make auch den Infinitiv mit to: CXI, 7, 2 The fals fox came vnto
oure cowpe. And there he made oure gese to stowpe; 17, 2 He toke
a goose fast by the nek And made her to sey wheccumquek ; CXV,
6, 2 f. The holigost of myghtys most Lid make thatte meyde in dede
To conceyue than bothe god and man Wythowten mannys sede;
CXXX, 6, 1. 2 Make us, goode lorde Ihesu most fre, Withe endles
ioye rewardid to be. — F. 3 For lak of mete we were nyghe dedde;
vgl. 8, 3 For lak of mete thou woldest vs spille; CXLII, 3, 4 For
lacke of helpe and grace. — Wegen nyghe s. zu XXII, 3, \.
I
1
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXX, 2—15. 275
Str. 2. F. 2 fisshe; vgl. 3, 1 f.
Str. 3. V. 1 ferre ne nere; s. zu XV, 5, 3. — F. 3 hevy chere;
s. zu XII, 12, 1. Aufserdem braucht Ryman hevy nur noch CLI, 6, 2
So heuy thatt be and frayll of kynde.
. Str. 5. F. 1 With muskillis gaping afture the mone; liegt darin
eine Bezeichnung der Minderwertigkeit ? — F. 3 But ones a wyke and
that to sone lieifst das : 'obwohl die Muscheln nur einmal in der Woclie
kamen, kamen sie doch zu rasch wieder'?
Str. 6. F. 3 or; s. zu XLIX, 3, 1.
Str. 7. F. 1 ingratitude, 'da unr dich doch aufgenommen }iaben\
Str. 8. F. 1 Thou dwellest with vs ayenst owrewille; vgl. 11, 1
Thou maist not dwelle with none eastate; 12, 1 Thou niaist not dwell
with knyght nor squier; 13, 1 Thou maist not dwell with labouring
man; 14, 1 Though thou shalt dwell with monke and frere. — F. 2
fille; s. zu LIV, 3, 2. — V. Z\ s. zu l, ^. — spille; s. zu X, 3, 3.
Str. 9. F. 1 Aboue alle thynge ; vgl LXXXIX, 2, 7 Aboue alle
thinge hym for to love; s. zu VI, 7, 2. — F. 3 at Boughton Bleane;
auch Boughton under (the) Blean, bei Chau^er CT. (r 556 Boghton
under Blee genannt, an dem Wege von London nach Canterbury, von
dem letzteren etwa sechs engl. Meilen entfernt; vgl. Edw. Hasted, The
History and Topographical Survey of Kent III (1890), S. 2 und die
der Ausgabe der Tale of Beryn für die Chaucer Society beigegeben^
Karte.
Str. 10. F. 2 shent; s. zu VII, 4, 1. — F. 3 lent; auch 12, 3.
Str. 11. F. 3 or ist hier = ne. or, nicht = ne. ere {s. zu
XXVII, 1, 3).
Str. 12. F. 1 knyght nor squier cvj XCVIII, 1 knyght and
squier. — F. 2 For them thou maiste lye in the myre ; vgl. XCVIII, 3
Gaste oute aduent in to the myere.
Str. 13. F. 2 skille; s. zu LXII, 3, 4.
Str. 14. F. 3 hetter chere; s. zu XII, 12, 1.
Str. 15. F. 2 We will be mery; s. XXXVIII Ü. — grete and
small; vgl. LXXII, 1, 3 Bothe grete and small, to the we call ; XCVII,
1, 7 Therfore take hede bothe some and alle To his preceptis, bothe
grete and small; CV, 6, 1 In tyme of nede, bothe grete and small,
For subsidie we calle to the; CX, 5, 5 For thy comfort we crie and
calle, Bothe olde and yonge, both gret and small; CXI, 6, 2 The
fals fox came into oure halle And assoyled oure gese both grete and
13*
276 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXX, 15 — LXXI, 2.
small; CXIV, 3, 3 Of women alle bothe grete and smalle Ay blessyd
motte thou be; CXXXVIII, 1, 1 Childryn of Eve bothe grete and
small, ... to the we call; CXXXIX, 3, 4 Confort thou us, bothe
grete and small ; CLVI, 7, 3 Thatt thy sweete sone Ihesus may calle
Vs vnto hym, bothe grete and smalle; CLVII, 5, 2 Thatte we may
dwelle, both gret and smalle, With Crist and the in heuen halle. —
F. 3 halle; s. zu LXII, 5, 3.
Sti\ 16. V. 1 cristemas is cume ; s. Ü. — V. 2 Be we mery ; s. zu
XXXVIII Ü. — alle and sume; s. zu XLI, 1, 4. — F. 3 He is not
wise; vgl. LXXXIV, 7 Truly, he is not wyse, but madde. — dume
In ortu regis omnium; vgl. LXXXVII, 4, 5 ff. To hym therfore be
we not dume, But lete vs singe and make alle myrthe In honowre
nowe of bis swete birth.
LXXI.
Te deum laudamus.
Ähnlich LXXII—LXXVI und CXXIV— CXXXVII.
Ü. Te patrem nostrum inuocamus, Te deum verumque laudamus
= F. 2 und 4 jeder Strophe. — F. 1 oo CXXV Ü. Te patrem rite
vocamus = ebenda 1, 2 cv) CXXXIV Te patrem inuocamus cn^
LXXXII Ü. Alphl et 0 quem vocamus = LXXIV Ü. CXXVII Ü.
und 1, 1. _. F. 2 = LXXII Ü. und K. ex. LXXXIV Ü. und K.
Te deum verum laudamus =z CXXVII Ü. und K. QXXXNll K. ^
CXXV Ü. und K. Te deum uite laudamus cvd CXXXIV Ü. Te
deumque laudamus c\i LXXIII Ü. und K. Te deum laudamus =
LXXV Ü. u. K. LXXVI Ü. u. K. CXXIV Ü. u. K. CXXVI Ü. u. K.
CXXVIII Ü. u. K. CX3QX Ü. u. K. CXXX Ü. u, K. CXXXI Ü.
u. K. cxxxii ü. u. K. cxxsiii ü. u. k. cxx:xiv k. cxxxv
Ü. u. K. CXXXVI Ü. u. K. CXXXVII Ü. 1. 7.
Str. 1. Fl creatures;^. zu LIII, 2, 1. — terrestriall ; s. zu
VI, 8, 2 und LXXVI, 2, 1. — F. 3 With the high courte celestiall;
s. zu XXVI, 3, 1.
Str.. 2. F. 1 By daye and night, as it is right = LXXJV, 2, 3.
CXXIV, 2, 3. CXXVI, 3, 3. CXXVII, 4, 1; vgl. zu XIX, 6, 1 und
XXII, 4, 1. — F. 3 With aungellis bright; s. zu 1,11,1. Die Engel
als Lobpreiser Gottes auch {abgesehen von den Stellen zu LXXV, 3
und 5) LXXII, 3, 2. LXXIII, 5, 1. CXXIX, 2, 2. CXXXVI, 2, 1.
CXXXVII, 2, 2. — with alle eure myght; s. zu XIII, 1, 3.
Anmerkungen zu J. Kymans Gedichten XXI, 3— XXII U. 277
Str. 3. F. 1 0 heuenly king; s. zu XLI, 7, 2. — that aye shall
reigne; vgl. zu I, 6, 2; fernet LXIV, 13, 3. — F. 3 With potestatis
of myght and mayn; vgl. CXXIX, 2, 2 And potestatis so füll of myght;
LXXII, 5, 1 The potestates vniuersall = CXXXV, 4, 1; CXXV,
5, 2 Apostles, potestatis vniuersall ; CXXXIII, 3, 2 Tronis, potestatis
and many moo. — Wegen of myght and mayn s. zu XXXV, 3, 3.
Str. 4. F. 1 By whome althing, lorde, did begynne ; s. zu LXIV,
1, 1 und IV, 7, 1. — F. 3 cherubyn and seraphyn = LXXII, 6, 1.
LXXIII, 5, 3. LXXV, 4, 1. CXXIX, 3, 1. CXXXIU, 3, I. CXXXV,
5, 1. CXXXVI, 3, 1.
Str. 5. F. 1. 3 0 lorde moost dere, that hast no pere, ... With
the swete quere of apostles dere = CXXXV, 3, 1. 2. — Wegen
lorde moost deere s. zu IV, 8, 1, wegen pere zu IV, 2, 3, wegen quere
of apostles dere zu IV, 8, 1. — apostles erwähnt Ryman außerdem
LXXIII, 5, 2. LXIXXV, 4, 2.
Str. 6. F. 1 0 endeles god and man so fre; s. zu IV, 1, 3 und
zu XXVin, 4, 1. — F. 3 With thy prophetes in theire degree; vgl.
LXXII, 8, 1 The prophetes alle in theire degree; CXXXV, 6, 2 Thi
prophetis alle in ther degre. Von den Propheten als Lobp7'eisern
Gottes spricht aufserdem Ryman LXXV, 4, 2. CXXIX, 6, 1. CXXXVI,
6, 1. — in theire degree; vgl. zu XVIII, 6, 2.
Str. 7. F. 1 0 prince, that put eure foo to flight; vgl. CXXI,
1, 3 For thou hast putte oure foo to flyght; CLVIII, 2, 3 Thatte we
may putte the fende to flight. -^ Wegen foo s. zu LVII, 6, 2, wegen
put to zu LXI, 10, 3. — F. 3 With thy hoost of martres so bright;
vgl. CXXIX, 7, 1 The hoste of martirs bright and clere = CXXXVI,
7, 1; ferner LXXII, 9, 3 Thy martirs singe victorius = CXXXV,
7, 3 ; LXXV, 4, 2 The appostles, the prophetis and martirs in fere.
Str. 8. F. 1 Pader and sonne and holy goost ; s. zu XXI, 8, 2. —
F. 3 Bothe iij. and one, of myghtis moost; s. zu X, 4, 2.
LXXII.
Te deum laudamus.
S. zu Nr. LXXI. Berührt sich am nächsten mit Nr. CXXXV
{s. die Anm. zu Str. 5. 6. 8. 9).
Ü. Alpha et 0 quem vocamus = LXXIV Ü. CXXVII Ü. und
1, 2 oo CXXIV, 5, 2 Alpha et .oo. quem credimus; vgl. CXXIX,
278 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXII Ü. — 6.
6, 3 alpha et .oo. = CXXXVI, 6, 3 und s. Apok. I, 8 Ego sum a
et CO — ebenda XXI, 6 und XXII, 13; vgl. zu LXXI Z7. — F. 2;
s. %u LXXI tl, 2.
Str. 1. F. 1 0 god and man sempiternall cx^ LXXVII, 3, 4 The
sonne of god sempiternall; vgl. zu IV, 1, 3 und XXVI, 3, 2. —
F. 2 That hast made vs free, that were thrall; s. zu VII, 2, 3 und
LXV, 8, 3. — F. 3 Bothe grete and small to the we call (= CXXXVIII,
1, 1. 3); s. zu LXX, 15, 2 und XII, 1, 3.
Str. 2. F. 1 0 oure fader celestiall; s. zu VI, 8, 3. — F. 2
Oure foo {s. zu LVII, 6, 2) committe so bestiall; im New Engl. Dict
ist kein so frühes Beispiel für einfaches commit im Sinne von commit
to prison. Ryman braucht das Verb aufserdem nur noch XCI, 4, 6
Therefore, good lorde, I commytte me Body and sowie onely to the.
— bestiall; vgl. LXXXV, 10, 2 And dedes bestiall; CLVI, 8, 2
Thatte we, whiche be terrestrialle, May leve this lyff so bestialle And
come to blysse celestialle {also dieselben JReimwÖrter, wie an unserer
Stelle). — F. 3 We, thy children terrestriall; s. zu VI, 8, 2.
Str. 3. F. 1 so füll of myght; s. zu XXI, 3, 1. — F. 2 Aun-
gellis alle of heuen so bright; vgl. CXXIX, 2, 1 Angeliis of heuen,
that be so bryght; s. zu 1,11,1 und LXXI, 3, 2. — F. 3 Be assistent;
vgl. CXLIII, 7, 3 To the confort assistent be Ouium tuarum und
LXXV, 5, 1. 2 = CXXIII, 3, 1. 2. — bothe day and nyght; s. zu
XIX, 6, 1.
Str. 4. F. 1 The hevens; s. zuYU, 5, 1. — so bright and clere;
s. zu XII, 3, 1. — F. 2 the heuen empere; Bradley s. v. empyre be-
legt die Form empere nicht. — F. 3 laude ; s. zu IV, 8, 3. — o lorde
so dere; s. zu IV, 8, 1,
Str. 5. F. 1 — 3 The potestates vniuersall In thy high courte
imperiall Geveth the honoure perpetuall = CXXXV, 4, 1 — 3. — Fl;
s. zu LXXI, 3, 3. — F. 2; vgl. zu XXVI, 3, 1. — F. 3; vgl
CXXXVI, 6, 2 The number of thy prophetis alsoo Geuyth the hon-
owre with many moo; LXXII, 7, 3 Of the apostles the glorious
quere . . . Geveth the laude and honoure in f ere ; CXXXV, 6, 3 Laude
and honowre they geue to |)e; LXXXIII, 1, 4 We geve the lawde,
thanke and praysing; LXXII, 8, 3 Thanke and preysing they geve
to the. — Wegen perpetuall s. zu VI, 8, 1.
Str. 6. F. 1 — 3 Cherubyn and seraphyn with loue ardent Euir-
more crie with one assent: '0 lorde god Sabaoth omnipotent' co
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXII, 6—9. 279
CXXXV, 5, 1 — 3 Cherubyn and seraphin with loue ardent Euer-
more crie with on assent, O lorde of vertu omnipotent co CXXIX,
3, 1 — 3 Cherubyn and seraphyn with loue ardent Sey vnto the with
on assent, Lorde of vertu omnipotent ^=: CXXXVI, 3, 1 — 3. —
F. 1 Cherubyn and seraphyn; s. zu LXXI, 4, 3. — ardent erscheint
sonst bei Ryman nur noch als Epitheton von busshe; s. %u V, 3. —
F. 2 Euirmore; vgl. außerdem LXXV, 4, 3. LXXXIV, 6, 7. LXXXV,
11, 1 und zu XX, 5, 6. — crie; vgl. CX, 5, 4 For thy comfort we
crie and calle. — with one assent kommt aufser an den oben ange-
führten Stellen noch vor CXXVI, 1, 3 Mekely therfore with on assent
Te deum laudamus; CXXXVII, 2, 3 The ordres .ix. of angellis
bright With on voice and with on assent Sey: 'Sanctus, sanctus,
sanctus' to the of right. — F. 3 lord god; s. zu LXXXVI, 2, 6. —
omnipotent; vgl. aufser den oben angeführten Stellen noch LXXXVI,
6, 4 By grace of god omnipotent — XCVI, 2, 4 ; CXXVI, 1, 1 Fadere
of blisse omnipotent; CXXXVII, 2, 1 For thou art god omnipotent.
Str. 7. F. 1 Of the appostles the glorious quere; s. zu IV, 2, 3
und LXXI, 5, 3; wegen glorious ^w I, 12, 1. — F. 2 0 king and
prince and lorde moost dere; vgl. CI, 5, 4 To whom althing obeyeth
by skille, As to theire prince, theire lorde and king; XCIV, 1, 1. 2
O prince of peas and king of grace, O endeles lorde and moost of
myght; CLX, 1, 2 Sith thou hast borne the kyng of grace, The lorde,
the prynce of euery place; LVII, 5, 1 O prince of peas, o heven
king; LXXVI, 4, 2 O lorde and prince of euery londe. S. auch zu
IV, 9, 1. — lorde moost dere; s. zu IV, 8, 1. — F. 3 Geueth; s. zu
5, 3. — laude and honoure; 5. zu XXII, 6, 1. — in fere; s. zu
IV, 8, 3.
Str. 8. F. 1 — 3 The prophetes alle in theire degre, 0 endeles
god in persones thre, Thank and preysing they geve to the cv) CXXXV,
6, 1 — 3 O endles god in persons thre, Thi prophetis alle in ther
degre Laude and honowre they geve to {)e. — Fl; s.zu LXXI, 6, 3.
— F. 2 0 endeles god; s. zu XXVIII, 4, 1. — in persones thre;
s. zu I, 3, 3. — F. 3 ; s. zu 5, 3.
Str. 9. F. 1 — 3 0 heuenly prince moost glorious, The tryumphe
Wonne laborious Thy martirs singe victorious = CXXXV, 7, 1 — 3.
— F. 1 glorious; s. zu 1,U,\. — V. 2 wonne; vgl. LXXXV, 15, 8
And so gostely the victorie Of thy foo thou shalt wynne. — F. 3
martirs; s. zu LXXTI, 7, 3.
280 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXVII, 10— LXXIII, 1.
Str. 10. F. 1 0 endeles god, fader of light cv^ CXXXVI, 1, 1
Eternall god, fader of light; vgl zu XXVIII, 4, 1. — V. 2 AUe holy
churche, as it is right = LXXXIII, 2, 3 cv3 LXXV, 6, 1—3 Alle
holy churche with melodie, As it is right, dothe magnifie His holy
name and glorifie = CXXVIII, 5, 1—3. Vgl. auch CXXVI, 5, 2
As höfy chyrche so techith us. Der Schreiber braucht die Form
churche, Ryman selbst chirche und chyrche. — as it is right; s. zu
XXII, 4, 1. ^ — F. 3 Lawde and preyse; s. zu IV, 8, 3. — bothe day
and-nyght; s. zu XIX, 6, 1.
Str. 11. F. 2 Now man become for loue of vs; vgl. zu LXVIII,
1, 2. — F. 3 We laude and honoure; s. zu IV, 8, 3.
Str. 12. F. 1. 2 The holygoost, that dothe procede Of you both ij.;
s. zu XLVII, 4, 3. — F. 2 as seith our crede — CXXXI, 3, 3.
CXXXVI, 10, 3 c\3 LXXIV, 5, 3 this is oure crede {auch an diesen
drei Stellen sind die Reimwörter procede und dede). — F. 3 We laude
and preyse; s. zu IV, 8, 3.
Str. 13. Fl Bothe iij. and one we knowleche the -.^- LXXIII,
1, 3; wegen Bothe iij. and one s. zu XI, 6, 2, wegen knowleche zu
XXII, 4, 4, — F. 2 One in godhede, in persones thre = XLIV, 1. 2.
CXXIX, 1, 2; vgl. zu XLII, 3 f. und I, 3, 3. — F. 3 That euir
were and ay shall be — LXXXIII, 2, 2; s. zu XXI, 8, 3.
Str. 14. F. 1 0 swete Ihesu = CXXX, 1, 1. CXXXVII Ü.
CLXII, 1, 1. — V. 2 f. that on the roode Hast redemed vs with thy
hert bloode ; s. zu IV, 4, 3 und IV, 7, 3. — F. 3 With contrite hert ;
s. zu L, 4, 2. — with myoide moode; s. zu IV, 4, 1.
LXXIII.
Te deuni laudamus.
S. zu LXXI.
Ü. Dulciter pangamus: 'Te deum laudamus' = LXXVI Ü. CXXIX
Ü. CXXXIII Ü. CXXXV Ü. CXXXVII Ü. 5. 7 cv LXXV Ü. Singe
we alle this tyme thus : 'Te deum laudamus' = CXXVI Ü. CXXVIII
Ü. CXXX Ü. CXXXI Ü. CN. CXXIX Nowe synge we thys tyme
thus: 'Te deum laudamus' ^- CXXXII Ü. — V.2', s. zuJJXXl Ü. 2.
Str. 1. F. 1. 2 0 fader of high maieste, The sonne and holigoost
with the oo CXIXXVI, 8, 1. 2 O highe fader of mageste, Thy sonne
and holigost with the. — F. 1 = CXXXI, 1, 1. — F. 2; s. zuIjVII,
1, 2. — F. 3 Bothe iij. and one the knowlege we = LXXII, 13, 1.
I
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXIII, 2— LXXIV, 2. 281
Str. 2. V. 1 heuen king; s. zu LVII, 5, 1. — F. 2 On his right-
side in blisse sitting ; s. -zu XLIV, 9, 2. — F. 3 Oure iuge to be ;
s. zu XXII, 5, 2.
Str. 3. V. 1 — 3 0 holy goost ay proceding Of the fader ... And
of the sonne; 5. zu XL VII, 4, 3. — F. 2 Of the fader euirlasting;
vgl.JjXXXV, 9, 8 To euirlasting lyfe. — F. 3 withoute ending; s. zu
XX, 6, 5.
Str. 4. F. 1 — 3 0 iij. persones in one vnite Beyng but one god
and one light, One in substaunce, essens and myght = XL VII, 6,
1—3 cN^ LVn, 2, 1—3.
Str. 5. F. 1 Incessantly ; s. zu XL VIII, 7, 3. — aungellis ; s. zu
LXXI, 3, 2. — F. 2 Apostles; s. zu LXXI, 5, 3. — potestatis uni-
uersall; s. zu LXXI, 3, 3. — F. 3 Cherubyn and seraphyn; s. zu
LXXI, 4, 3. — to the doth call; s. zu XII, 1, 3.
Str. 6. F. 1 Pro day to day, lorde, we blosse the; vgl XCVII,
3, 2 Blessed be they, the whiche do wake Atte my gates fro day to
daye. — F. 2 withoute ende ; s. zu LVI, 4, 3. — thy name preyse we ;
vgl. CXXX, 8, 3 We ... blisse thy name; LXXV, 6, 2. 3 Alle holy
churche . . . dothe magnifie His holy name and glorifie =: CXX VIII
5, 3. — F. 3 Of whose kingdome noon ende shall be ; s. zu I, 6, 3.
LXXIV.
Te deum laudamus.
S. zu LXXI.
Ü. = CXXVII ü. — V. 1; s. zu LXXII Ü.l. — V. 2; s. zu
LXXI Ü. 2.
Str. 1. V. 1 — 3 Fader and sonne and holigoost, We knowlege
the in euery coost Bothe iij and one, of myghtis moost cv) CXXIX, 8
1 — 3 Fadere and sonne and holigost, Bothe .iij. and .i., of myghtis
most, We knowlege the in euery cost. F. 1. 3 auch = XXI, 8, 2. 4.
LXXI, 8, 1. 3. CXXIV, 5, 1. 3. CXXV, 4, 1. 3. CXXVI, 5, 1. 3.
CXXVII, 3, 1. 3 cxi XL VII, 7, 1. 2 O fader, o sonne, o holigoost,
O iij and one, of myghtis raoost — LXXVI, 7, 1. 2 c\) CLXI, 4, 1. 2
O .iij. and .j., of myghtys most. Fader and sone and holygost. —
F. 1; vgl. zu XXI, 8, 1. — F. 2 knowlege; s. zu XXII, 4, 4. —
in euery coost ; s. zu X, 4, 1 . — V. S; s. zu X, 4, 2.
Str. 2. F. 1. 2 Thre persones, one god, one light, One in sub-
282 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXIV, 2 — LXXV.
staunce, essence and myght; s. zu XL VII, 6, 1 — 3. — F. 3 By day
and nyght, as it is right; s. zu LXXI, 2, 1.
Str. 3. F. 1. 2 0 high fader, hy whome althing Onely hathe take
a begynnyng; s. zu LXIV, 1, 1 und IV, 7, 1. — F. 1. Mit high fader
vgl LXXV, 1, 1 The high fader of blisse aboue — LXXXVI, 1, 1;
CXXXVI, 8, 1 O highe fader of mageste; CLXI, 1, 1 0 highe fader
of heuen blys. — F. 3 Of whosekingdomeisnone ending = CXXXIV,
1, 2; s. zu I, 6, 3.
Str. 4. Fl — 3 0 sonne of the fader of myght Onely bigote of
hym by right, As god of god and light of light ^ CXXXI, 2, 1—3
O sonne of the fader of myght Ay procedyng of hym by right, As
god of god and lyght of lyght = CXXXVI, 9, 1—3. — F. 1 the
fader of myght; s. zu XXVII, 2, 1. — F. 2 by right; s. zu X, 3, 1.
— F. 3 light of light; vgl aufserdem CXXIV, 2, 1 O kyng of myght
and lyght of lyjt =z CXXVI, 3, 1; CLXVI, b^ 1, 4 Var. O kyng of
myght, we beleve the The lyght of lyght ever to be; CLXIII, 3, 2
Qui lux est veri luminis; s. auch zu LVIII, 2, 3.
Str. 5. F. 1 — 3 0 holygoost, that doost procede of the fader and
sonne in dede Onely by loue (this is onre crede) cx^ CXXXI, 3, 1 — 3
{nur V. 3 as seyeth statt this is) — CXXXVI, 10, 1—3. — F. 1;
vgl auch zu XLVII, 4, 3. — F. 2 aufserdem = CXXIV, 4, 1.
CXXVI, 4, 1. CLXI, 3, 2 {wo auch V. 1 = V. 1 an unserer Stelle).
— in dede; s. zu LVIII, -4, 1. — F. 3 this is eure crede; vgl auch
zu LXXII, 12, 2.
Str. 6. F. 1 0 endeles god of myghtis moost; 5. zuXXVlII, 4, 1
und X, 1, 4. — F. 2 That thou hast made, lete not be lost; vgl zu
XXV, 2, 4; ferner LXXXV, 14, 7 He will not lete thy soule be
lost, For the whiche he did dye. — F. 3. 4 Sith, thy sernauntis, in
euery cost Te deum verum laudamus cx^ LXXVI, 7, 3. 4 Thy myelde
seruantis, in euery coost Te deum laudamus; vgl. auch CLXIV, 1, 4
Helpe thy seruauntys in euery londe. — Wegen in euery cost s. zu
X, 4, 1.
LXXV.
Te deum laudamus.
S. zu LXXI. Zeigt mehrfache Übereinstimmung mit Nr. CXXVIII
{s. Anm. zu Str. 2, 1 f 5. 6). Str. 3 kehrt in CXXXIII und CXXXV
wieder.
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXVÜ. — 5. 283
Ü.; s. zu LXXIII Ü.
Str. 1. F. 1. 2 The high fader of blisse aboue Sent his owne
sonne oo LXXXVI, 1, 1. 2 The high fader of blisse aboue Hathe
sent his sonne. — Wegen high fader s. auch zu LXXIV, 3, 1, wegen
of blisse aboue au^h zu XXIX, 4, 3. — V. 2 to eure behoue; vgl.
LXXXIX, 1, 5 that myelde dove Borne for thy loue and thy be-
hove. — F. 3 bounde; s. zu XXXV, 4, 1.
Str. 2. Vgl zu LXXVI, 1. — F. 1. 2 To become man he lothed
nought Of a pure mayde in dede and thought cx> CXXVIII, 1, 2. 3 To
take nature he lothyd nought Of a pure meyde in dede and thought.
— F. 2; s. zu XVII, 1, 2 und XVII, 7, 3. — F. 3 To make man
fre, that he had wrought; s. zu VII, 2, 3 und XXV, 2, 4.
Str. 3 Whenne he was borne, that lorde and king, Oute of thral-
dome mankyende to bringe, With one accorde aungellis did singe: *Te
deum laudamus' =^ CXXXIII, 2 und CXXXV, 2 cvd XCIX, 7, 1—3
When he was borne, that lorde and king. Oute of thraldome to
bringe mankyende, *Ioye be to god,' aungellis did synge. Vgl. auch
zu XXXVIII, 5. — Fl Whenne he was borne; vgl. zu XXXII,
1, 1. — that lorde and king; s. zu IV, 9, 1. — F. 2 auch = XLI,
7, 4 ; s. die Änm. — F. 3 auch — CXVII, 3, 4.
Str. 4. F. 1 Cherubyn and seraphyn; s. zu LXXI, 4, 3. — with
voices clere ; s. zu IV, 8, 3. — F. 2 The appostles ; s. zu LXXI, 5, 3.
— the prophetis; s. zu LXXI, 6, 3. — martirs; s. zu LXXI, 7, 3.
— in fere; s. zu IV, 8, 3. — F. 4 Euirmore; s. zu LXXII, 6, 2. —
laudeth; s. zu IV, 8, 3. — that lorde so dere; s. zu IV, 8, 1.
Str. 5 The ierarchies with ordres nyne To hym assiste and aye
incline And honoure hym with laude diuine: 'Te deum laudamus' oo
CXXVIII, 3 The ierarchies with ordrys nyne To hym assiste and
ay inclyne ; Therf ore syng we with laude dyuyne : 'Te deum laudamus'
oo CXXVI, 2 The ierarchies of Orders nyne, They sey: 'Sanctus,
sanctus, sanctus'. Lorde of vertu, with laude diuine Te deum lau-
damus oo CXX, 7 The ierarchies with ordres nyne, For cause that
Crist is born of the, They honowre the with laude dyuyne, Mater mi-
sericordie. — Fl; vgl. auch CXXXVII, 2, 2 The ordres .ix. of angellis
bright. — F. 2 To hym assiste; vgl. LXXII, 3, 1 /f*. To the ... Aun-
gellis ... Be assistent. — incline; s. zu XXIV, 1, 4. — F. 3 honoure;
s. zu XVI, 7, 3. — with laude diuine aux^h noch XL, 5, 3; vgl. zu
XX, 6, 1.
284 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXX V, 6 — LXXVI, 4.
Str. 6 Alle holy churche with melodie, As it is right, dothe magnifie
His holy name and glorifie: 'Te deum laudamus' == CXXVIII, 3; vgl
zu LXXII, 10, 2. — F. 1 with melodie; s. zu XXXVI, 4, 4. — F. 2
magnifie; s. zu II, 9, 1. — F. 3 His holy name; s. zu XXI, 3, 3.
LXXVI.
Te deumlaudamus.
S. zu LXXI.
Ü.; s. LXXIII Ü.
Str. 1 Of a mayde Criste did not forsake Mankyende to take man
fre to make And into blisse with hym to take. Te deum laudamus cx)
CXXX, 2 The virgyns wombe thou hast not forsake, Butte thou
of itte mankynd hast take Man, thatte was bonde, fre forto make:
Te deum laudamus c\) CXXXIV, 2 Thatt blessid lorde didde not
forsake To his godhede mankynde to take Man, thatte was bonde,
most fre to make. Te deum laudamus cv LXXV, 2 To become man
he lothed nought Of a pure mayde in dede and thought To make
man fre, that he had wrought. Te deum laudamus oo CXXVIII, 1,
2 — 4 To take nature he lothyd nought Of a pure meyde in dede
and thought. Te deum laudamus. — V. 2; s. zu VIII, 5, 1 und
VII, 2, 3. — F. 3; s. zu XLIV, 10, 2.
Str. 2. F. 1 erthily creatures c\3 creatures terrestriall LXXI,
1, 1. — Wegen erthily s. zu XXII, 4, 3, wegen creature zu XL VII,
3, 3. — F. 2 Mote ; s. zu XXIII, 4, 4. — laude and preyse ; s. zu TV,
8, 3. — that lorde so fre; vgl. CL, 2, 2 O lorde most fre = CLI,
6, 1. — F. 3 With hert and myende; s. zu XVII, 7, 3.
Str. 3. F. 1 0 perfecte god, o perfecte man cv) XX:XI, 6, 3 The
whiche is perfecte god and man {vgl. die Änm.). — F. 2 That for vs
hast take woundis wan c\3 CXXXIX, 2, 5 Thatt for oure sake hadde
woundis wan. — Wegen woundis vgl. zu LIII, 5, 2. — wan braucht
Ryman aufserdem nur noch XCII, 2, 3 His nose sharpe and his lippes
wan. — F. 3 With hert, wille and thought; s. zu XVII, 7, 3. —
as we can; s. zu XIII, 7, 2.
Str. 4. F. 1 0 shaper of heuen, erthe, se and sende oo CLXJV,
1, 2 Perles prynces of euery place, Of heuen, of erthe, of see, of
sonde. Nur hier braucht Ryman shaper, dagegen maker dreimal
{s. zu XXII, 1, 1); vgl. auch zu IV, 7, 2 und zu VII,- 6, 3.. —
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXVI, 4 — LXXVII, 1 285
F. 2 0 lorde and prince; s. zu LXXII, 7, 2. — of euery londe; vgl.
CXVIII, 7, 4 A meyden pure . . . Hath born the lord of euery
londe; CX^XX, 4, 4 The iuge to be of euery lond; ferner in euery
londe CL, 5, 4. CLXIV, 1, 4; to euery londe XCVII, 1, 3. —
V. 3 That hast made vs fre, that were bonde; s. zu VII, 2, 3 und
Lin, 1, 3.
Str. 5. V. 1 manyfolde; s. zu II, 9, 1. — V. 2 yonge and olde;
s. zu XVin, 1, 1. — F. 3 The whiche thou hast create of molde ;
vgl. CXIX, 5, 2 The whiche hath made and create the =i CXLV,
3, 2 ; CXXVI, 1, 2 For thou hast made and create us ; ferner
XCII, 2, 7 And returne hym ayene to molde; CXV, 1, 1 O man
of molde, mekely beholde, Hou god mankynd hath t%ke (s. auch zu
LIV, 1, 1).
Str. 6. F. 1. 2 0 Criste, that thus hast take natura Of myelde
Marie; s. zu V, 3, 2. 3. — hast take nature Of myelde Marie, that
virgyne pure cv» CXXXV, 1, 1. 2 hath take nature Of mylde Mary,
thatt uirgyn pure oo LXXXVI, 1, 2. 4 to take nature ... Of Marie
myelde, that virgyne pure. Wegen myelde Marie s. zu V Ü., wegen
virgyne pure zu VI, 3, 3. — F. 3 Of heuen blis to make vs sure ^=
LXVIII, 6, 3; vgl. zu XXI, 4, 4.
St7\ 7. Fl — 3 0 fader, o sonne, o holigoost, 0 thre and one,
of myghtis moost, ... in euery coost = XL VII, 7, 1 — 3 {vgl. Änm.).
— F. 3. 4 Thy myelde seruantis {s. zu XXVII, 2, 3), in euery coost
Te deum laudamus cvj LXXIV, 6, 3. 4.
LXXVII.
Vater unser und Ave Maria.
Es schien mir passend, die drei Strophen zusammenzufassen.
In der Hs. folgen sie ohne Zwischenraum auf Nr. LXXVI und sind
unter sich ebensowenig durch eine leere Zeile getrennt, als von LXXVIII.
Die ersten drei Wörter von Str. 1 und die ersten vier von Str. 3 sind
gröfser und dicker.
Str. 1. F. 1 0 eure fader, that art in blisse = Matth. VI, 9 Pater
noster, qui es in cselis. — F. 2 Sanctified (vgl. zu LXVIII, 6, 2) thy
name mote {s. zu XXIII, 4, 4) be — Matth. VI, 9 sanctificetur nomen
tuum. — F. 3 Of thy kingdome lete vs not mysse {s. zu I, 12, 2) =
Matth. VI, 10 Adveniat regnum tuum. — F. 4. 5 In erthe be done
286 Anmerkungen zu J. Eymans Gedichten LXXVII, 1 — LXXVIII, 1.
the Wille of the, As in heuen, in eche degre = Matth. VI, 9 Fiat vo-
luntas tua, sicut in cselo, et in terra. — F. 6. 7 Oure dayly {vgl. zu
LXXXI, 1, 6) brede graunt vs this day Vnto oure foode = Matth.
VI, 10 Panem nostrum supersubstantialem da nobis hodie. — good
lorde; s. zu XXV, 5, 1. — we pray; s. zu XXVIII, 3, 2.
Str. 2. F. 1. 2 And forgeue vs oure dette alsoo, As we forgeue
oure dettours alle == Matth. VI, 12 Et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris. — F. 3 — 6 And suffre (vgl.
zu XXVI, 2, 2) not the fende, oure foo {vgl zu XXII, 5, 4) To ouir-
come {vgl CXXIII, 4, 3. CXXX, 3, 1) and make vs thralle {;vgl zu
LXV, 8, 3), But defende vs, that we not falle Into no synne in de de
nor Wille {vgl zu XVII, 7, 3) eine sehr freie Wiedergabe von Matth.
VI, 13 Et ne nos inducas in tentationem. Mit falle Into no synne
vgl CLIX, 3, 3 Into no syn that we notte sclyde. — F. 7 And deliuer
vs fro alle ille {vgl zu LH, 2, 1) = Matth. VI, 13 Sed libera nos
a malo.
Str. 3. F. 1. 2 Hayle, füll of grace: Crist is with the; Blessed
thou be of women alle =r Luc. 1, 2^-, s. %ul, l. — F. 3 The frute
of the blessed mote {s. zu XXIII, 4, 4) be = LXXX, 6, 2 = Lue.
I, 42 benedictus fructus ventris tui; s. auch zu XIV, 1, 3. — F. 4
The sonne of god sempiternall {vgl zu LXXII, 1, 1) entspricht dem
der eben citierten Lu^asstelle angefügten lesus des Ave Maria. — V. h ff.
With seintis {s. zu XVI, 7, 3) alle to whome thou calle {s. zu XII,
1, 3), 0 Marie myoide {s. zu V Ü.), meke {s. zu IV, 6, 1), chast and
pure {s. zu XXV, 4, 1), So that of blisse we may be sure (= LXXXIV,
2, 8. CLX, 5, 2 ; s. zu XXI, 4, 4) läfst sich vergleichen mit der Schlufs-
bitte Sancta Maria, dei genitrix, ora pro nobis peccatoribus nunc et
in hora mortis, amen, die nach Herzogs Realencyklopädie XIII-, 62
^erst im 16. Jahrhundert allmählich entstanden' ist und 'noch vor dem
Konzile zu Besan^on 1571 als ein zwar überflüssiger, aber frommer
Gebrauch erwälmf wird.
LXXVIII.
Marienlied.
Str. 1. Fl Hayle, quene of blisse of grete honour == XV, 1, 3
{vgl Anm.). — V. 2 Moder of Crist = CXLVII Ü. und 4, 3. 6, 4;
vgl CLVI, 6, 1 Holy moder of Crist Ihesu; CXIV, 9, 3. 4 of Crist
Ihesu The moder thou shalt be. — that kyng of myght; s. zu 1, 11, 3.
Anmerkungen zu J. Kymans Gedichten LXXVIII, 1 — 3. 287
— F. 3. 4 0 Mary, of alle virgynes floure, As roose or lilye of floures
bright; s. zu XI, 3, 1 und zu XII, 11, 1, 3. — F. 5 Yelde thou
prayers; s. zu XX, 5, 4. — by day and nyght; s. zu XIX, 6, 1. —
F. 6 Por helthe of man; s. zu XXI, 5, 2. — F. 7 Moder and mayden
vndefielde — XVI, 3, 3 ; 5. zu II, 3, 3.
Str. 2. F. 1 Haue, quene of mercy and of grace; s. zu VI, 4, 3.
— F. 2. 3. 5 Halle, eure swetnes, eure hope and lyfe. Exyles here in
this wofull place, ... Children of Eve c\) CLXIV, 4, 1. 4 Oure lyffe,
oure sweetnes, oure truste alsoo. ... Chyldryn of Eve, exyles most
thralle. — F. 2. Mit oure swetnes, oure hope and lyfe von der Jung-
frau Maria vgl. CLXIV Ü. Vita, dulcedo et spes Nostra {bis hierher
aus dem Salve, regina; s. Daniel II, 321); ferner mit hope and lyfe
CLV, 3, 3 Vita et spes nostra cum sis; CX, 5, 2 O hope and trust
of synners alle =z CXXXIX, 3, 2; CXXXVIII Ü. u. K. Maria, spes
nostra, salue ; CLIX Ü. Cum sola sis spes hominum. Vgl. von Christus
XXVII, 2, 2 O eternall hope of euery wight = XXXVI, 2, 2. ~
F. 3 here; s. zu XLIX, 4, 1. — in this wofull place; vgl. XC, 7, 6
And fro that woofull place of helle; s. zu XI, 2, 3. — F. 4 We sigh,
sobbe and wepe; vgl. CIV, 4, 3 She sobbed and wept watre and
bloode; CLXVI, 5, 3 I haue more cause to sobbe and wepe. —
man and wyfe ; s. zu XLII Ü. — F. 5 Children of Eve ; vgl. aufser
der bereits oben angeführten Stelle noch CXX, 2, 2 Childryn of Eve,
we call to the Here in this vale terrestriall =z CXLV, 2, 2;
CXXXVIII, 1, 1 Childryn of Eve bothe grete and small, Here in this
vale of wrechidnesse With grete wepyng to the we call. — Eve, cause?
of stryfe; im Gegensatz hierzu wird Maria CLIX, 1, 2 seaser of
stryffe genannt. — V. Q Crist Ihesus; s. zu VI, 3, 3. — F. 7 Into
his blisse for to take vs; s. zu XLIV, 10, 2.
Str. 3. F. 1 0 quene of blisse; s. zul, 12, 1. — F. 2 that wo-
full were To see thy sonne cruelly slayne; vgl. CIV, 1, 1. 2 When
fals ludas her son had solde ..., She was wofull alone; ebenda 2, 3
When he came to Cayphas and An . . ., In her hert she was woofull
than For hir dere son alone; ebenda When that she saw his flessh
totorn And on his hede a crowne of thorn And, how the lewes hym
did shorn, She was wofull alone; vgl. au^h with woofull moode zu
XIX 5, 1. 2 und XC, 2, 5 This is to me a woofull case {s. auch zu
LXIV, 4, 3. 4). — Wegen cruelly vgl. XC, 2, 4 Thy flesshe also
with scourgis torne Thus cruelly in euery place. — F. 3 worthy to
288 Aiir(]l<rrg(i] 211 J. Ejitpff GcdidilcD I 5X\]]T, P- I XX3X, ?.
bere; s. zu V, 4, 2. — V. 4 Withont synne; s. zu XVII, 7, 3. —
maternall payne; s. zu XVIII, 4, 3. — V. 0 loye; s. zu XXXVI,
4, 2. — for why; s. zu V, 7, 2. — rise agayne; 5. zu XIII, 3, 2. —
V. 7 To heuen Wisse that we come may; s. zu VI, 8, 3.
LXXIX.
Marienlied.
Ich bin flicht sicher, ob ich mit der Zusammenfassung der Stro-
phen der Handschrift zu Nr. LXXIX. LXXX. LXXXI das Richtige
getroffen habe. Der Schreiber hat nirgends angedeutet, wo ein neues
Lied anfängt.
. Sir. 1 The heuenly sterre so bright and clere; s. zu XIII, 1, 1
und XII, 3, 1. — F. 2 That fedde the lorde of indulgence; s. zu
XVI, 8, 2 und zu Jj, 1, i. — F. 3 Hath put away; s. zu XXIV,
2, 4. — bothe ferre and nere; s. zu XV, 5, 3. — F. 4 Of gostely
deth the pestilence; vgl. zu XXI, 3, 4. — F. 5 That eure parent
wrought by offence. Bei parent ist wohl nicht an Eva, sondern an
Adam zu denken, der XL VIII, 2, 1 und CLXIV, 3, 1 oure first
parent genannt wird; ebenso XC, 5, 4 And hast brought vs out of
that lake, That oure parent had brought vs in cv) XCIX, 3, 4 {nur
hath statt hast). — Wegen offence vgl. zu IX, 6, 1. — V. ^ cease;
s. zu XVII, 6, 4. — the sterre s =. Ijucifers ; vgl. Is. XIV, 12 Quo-
modo cecidisti de cselo, lucifer, qui mane oriebaris? — werre; vgl.
CVII, 9, 3 Oure goostly werre by the doth seace; CLIX, 1, 2 seaser
of stryfFe. — wreth braucht Ryman aufserdem LXI, 10, 1. LXII,
7, 3. LXIII, 10, 3.
Str. 2. F. 1 0 spowse of Crist; s. zuY,Q^l. — moder of grace;
s. zu V, 2, 3. — V. 2 0 benigne quene of heuen blisse; vgl. XCVI,
5, 1 A prince thou were meke and benigne; CXXI, 3, 1 O benigne
meyde, modere and wyfF =z CXLV, 5, 1; CXXXVIII, 5, 1 Sweete
and benigne mediatrise. Das Ädv. benignely steht XIII, 8, 2. —
Wegen quene of heuen blisse s. zu 1, 12, 1. — F. 3 Cause vs in
blisse to haue a place co CXXII, 8, 3 In blysse cause us to haue
a place; vgl. zu XII, 5, 3 und XI, 2, 3. — F. 4 Wherof the ioy shall
neuir mysse =rr XCV, 2, 7. CII, 6, 2 cv. CXXXVIII, 6, 4 Wheroff
the ioye shall neuer cease; vgl. zu XXVIII, 2, 4 und XL VIII, 1, 2.
— F. 5 Where next vnto god thy trone is; s. zu VIII, 4, 2. — F. 6
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXIX,2 — LXXX,4. 289
And for onre synne and oure mysdede; s. zu XXIII, 2, 4. — V. 7
Lete not Sathan ay vs possede; vgl. IX, 1, 3 That vs possede not
fals Sathan; s. auch zu VI, 5, 3.
LXXX.
Marienlied.
Berührt sich teilweise besonders nahe mit Nr. XII {vgl. zu 1, 1.
3. 4. 5; 2, 7; 3, 1—3).
Str. 1. F. 1. 3 0 flos campi of swete odonre, ... 0 moder of oure
savioure = XII, 7, 1. 3 c\3 XIV, 3, 1. 2 (Halle statt O beidemal).
V. 2 Moost faire of hue = XV, 3, 3. — moost of vertue ; vgl. CLVII,
1, 2 O spowsesse of Crist and paramour Most of vertu, most of
honowre; LXXXII, 1, 5 Moost of vertue and of honoure. — V. 4. 5
0 virgyne pure, on vs thou rue And for oure synne vs not eschue =
XII, 8, 1. 2 CN5 XIV, 2, 2. 3 (Halle statt O). — F. 6 swete lady;
s. zu Vin, 4, 3. — of vs haue myende; s. zu XXI, 7, 1. — F. 7
So that we may som conforte fynde; vgl. 7, 7 At nede lete vs thy
comfort fynde.
Str. 2. F. 1 0 strenge Judith; s. zuY,b,l. — quene of confort;
s. zu VIH, 1, 1. — F. 2 0 meke Bester; s. zu VI, 4, 1. — F. 3
Mekely to the sith we resort co CXXXIX, 3, 5 Mekely to the slth
we do call co VIII, 1, 3 At nede to the slth we resorte {vgl. Änm). —
F. 4 In tyme of nede rr= XCVI, 4, 4. CV, 6, 1. CLX, 3, 2 ; s. auch zu
VII, 7, 3 U7id LXXXV, 14, 1. — our comfort be; vgl. zu XH, 1, 2.
— F. 5 chastite; s. zu XL VI, 3, 4. — V. ^ onely alone; vgl. zu
XXVII, 4, 4. — F. 7 Wherfore, good lady, here our mone =z VIII,
2, 4. XH, 4, 3.
Str. 3. Fl — 3 0 fragrant rose, o lily chast, 0 violet of puritee,
Thyne eye of grace vpon vs cast =: CV, 4, 1 — 3; F. 1 und 3 au/ih
= XII, 11, 1. 3 {s. die Änm. hierzu). — F. 2 puritee; 5. %^l XV, 2, 1.
— F. 4 helth; 5. zu XXI, 5, 2. — F 6 0 lanterne of eternall light;
s. zu N,h,l. — F. 7 Cause thou; s. zu XII, 5, 3. — clere, pure and
bright; s. zu XII, 3, 1 und 5, 2.
Str. 4. F. 1. 3 0 perfecte trone of Salamon, ... 0 floore and
flese of Gedeon; s. zu\, 2, 1. 2. — F. 2 0 plentevous mounte of Daniell;
s. zu\, l, 2. — F. 3 0 moder of Emanuell = VI, 1, 3 {vgl. Änm.).
— V. 5 0 closed gate of Ezechiell; s. zu Y, 1, 1. — F. 6 0 welle
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 19
290 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXX, 5 — 7.
of grace ; s. zu Y, 5, 3. — o gate of lyfe ; s. zu V, 4, 3. — V. 7
0 Marie, mayde, moder and wyfe; s. zu III, 10, 3.
Str. 5. F. 1 0 lady swete; s. zu 1, 6. — with grace replete; vgl.
LXXXV, 8, 2 Criste, with whoice grete mercy and grace Heuen and
erthe be replete. — F. 2 0 floure of alle virginitee; s. zu XII, 9, 1. —
F. 3 grete; s. zu XIII, 5, 3 und greting zu I, 2. — F. 4 That was
sent fro the trinitee {dahinter ist im Texte ein Komma zu setzen)', vgl.
LXXXVI, 2, 2 Gabriell of so high degre Was sent fro god; CXLI,
1, 1 Misit deus angelum fro heuen blysse; um eine andere Engels-
sendung handelt es sich LXXXVIII, 2, 6 god . . . Sent an aungell . . .
Vnto loseph. — F. 6. 7 Halle, füll of grace: Crist is with thee; Of
alle women blessed thou }iQ; s. zu 1, 1.
Str. 6. F. 1 Elizabeth tho thns seid also; vgl. zu I, 9. — F. 2
The frute of the blessed mote be = LXXVII, 3, 2. — F. 3. 4 Quando
puer in vtero loyed for hym, that was in the; vgl. XXVI, 1, 3. 4
a childe ..., The whiche lohn perceyved ioying Within his moders
wombe beyng. — F. 4 loyed; s. zu XXXIV, 4, 2. — V. o For canse
that he shnlde make man fre; vgl. CXX, 7, 2 For cause that Crist is
born of the. Aber that kann auch fehlen: LXXXVIII, 1, 6 The mysterie
for cause he knew; XCVII, 1, 1 For cause alle men shall vnderstonde;
CXXII, 2, 2 For cause oure helthe is wonne by |)e. Nur einmal
braucht Ryman bicause : CX, 7, 4 Bicause of thy virginitee. — Wegen
make man fre s. zu VII, 2, 3. — V. Q And bringe hym oute of payne
and wo co XCI, 2, 6 And bringe the out of payne and woo oo XC,
4, 4 To bringe hym out of payne and woo c\: CXXIV, 3, 3 To
bryng us owte of payn and woo; s. zu VII, 3, 3 und LXJI, 1, 4.
Str. 7. F. 1 0 henenly sterre so bright and clere; s. zu XII,
3, 1 und XIII, 1, 1. — F. 2 0 myrroure of humylitee = CX, 7, 2;
vgl. zu XV, 2, 2. — F. 3 0 spowse of Criste louely and dere cxj (Hayle
statt O) XV, 5, 1. CV, 1, 3; s. zu V, 6, 1. — F. 4 0 temple of the
trinitee co CV, 2, 3 Hayle, temple of the trinitee ; s. auch zu XXV,
4, 2. Vgl. Klemming II, 119 In trinitatis templum; ebenda 160 Salue,
templum trinitatis. — F. 6 comfortatyf fehlt bei Stratmann und
Mätzner; doch s. Murray II, 663 c. — of alle mankyende; s. zu VI,
4, 3. — F. 7 At nede; s. zu VII, 7, 3 und oben zu 1, 7.
Berlin. Julius Zupitza.
Die
Abfassungszeit des ^Sommernaehtstraums\
Aufser H. Conrad (= H. Isaac) dürfte wohl kaum ein Shak-
spere-Forscher noch an der alten, von Herrn. Kurz und K. Elze
inaugiu'ierten Hypothese festhalten, dafs das geniale Märchen-
drama im Jahre 1590 zur Vermählung des Grafen Robert Essex
gedichtet worden sei. Die meisten haben sich wohl von der Un-
haltbarkeit dieser ganz vagen Vermutung überzeugt.
Dafs Shakspere, zumal in jener frühen Zeit, zu Robert Essex
in irgendwelchen persönlichen Beziehungen gestanden, ist nicht
nur ganz unerwiesen, sondern sogar im höchsten Grade unwahr-
scheinlich. Denn wenn ein solches Verhältnis bestanden hätte,
so hätte der Dichter doch wenigstens eins seiner erzählenden Ge-
dichte dem berühmteren Gönner, statt dem Grafen Southampton,
gewidmet. Aufserdem fand Robert Essex^ Hochzeit heimlich
statt; und, da der Vater der Braut kurz vorher gestorben war,
so hätte man schon aus diesem Grunde von einem glänzenden
Feste und Theateraufführungen Abstand genommen. Nun geht
aber aus dem Versbau und Stil, sowie aus der Darstellungsweise
des Lustspiels allein schon mit ziemlicher Sicherheit hervor, dafs
es nicht zu den Erstlingswerken des Dichters gerechnet werden
darf. Es ist jedenfalls reifer als die Komödie der Irrungen,
auch als Verlorene Liebesmühe. Es scheint auch nach Romeo
und Julia und dem Lustspiel von den beiden Veronesern ge-
dichtet zu sein (vgL AI. Brandl, Shakspere S. 51; Shakespeare-
Jahrbuch XXIX, 96 ff.), da Motive aus diesen Dramen im
Sommeniachts träum benutzt sind. Schon aus diesen Gründen
dürfte man unser Lustspiel jedenfalls nicht vor 1592 ansetzen.
19*
292 Die Abfassungszeit des 'Sommernachtstraums'.
Auch die offenbare Anspielung {Mids. V, 1, 52) auf Spensers
Tears of the Muses spricht gegen eine sehr frühe Datierung;
denn, wenn auch vielleicht erheblich früher verfafst, so erschien
diese Dichtung doch erst 1591 im Druck.
Andererseits wird wohl allgemein zugegeben werden, dafs
der Sommernachtstraum spätestens 1595 — 96 verfafst sein mufs,
wenngleich erst 1600 die erste Ausgabe erschien. Fr. Meres
führt das Lustspiel in seiner im Jahre 1598 erschienenen Schrift
Pallad is Tamia als ein bekanntes Stück Shaksperes an. Aus
metrischen und stilistischen Gründen ist Mids. jedenfalls vor
Henry IV. (1596/7), wohl auch vor dem Kaufmann von Venedig
(1595/6) anzusetzen.
Litterarische Beziehungen scheinen einen Anhalt für eine
'genauere Datierung zu bieten. Wie aus Henslowes Rechnungen
zu ersehen (Fleay, History of the Stage S. 96), wurde im Winter
1593 4 ein Stück Huon of Bordeaux in London aufgeführt,
welches leider nicht mehr erhalten, dessen Lihalt aber aus dem
Titel ungefähr zu erraten ist: eine Dramatisierung des alten
Ritterromans, welchen Lord Berners in englischer Sprache wieder-
erzählt hatte. Die Vermutung liegt wenigstens sehr nahe, dais
die Idee, den Feenkönig (dessen Heimat in dem Ritterroman ja
auch nach dem Orient verlegt ist) als Beschützer der Liebenden
auftreten zu lassen, diesem Drama entlehnt ist. Von dem Oboram^
King of Fairies, der in Green es James IV. auftritt, konnte
Shakspere, schon wegen der ganz rohen und skurrilen Auffassung,
nichts gebrauchen.
Im Sommer 1593 gab der bekannte Litterat Thomas Nash
in London eine Schrift in Druck, welche höchst wahrscheinlich
Anfang 1594 erschien und von vielen gewifs mit Interesse ge-
lesen wurde. Sie war betitelt Terrors of the Night; heutzutage
würde sie etwa als eine populärwissenschaftliche Plauderei über
die Entstehung der Träume bezeichnet werden. Naiv-abergläu-
bische Vorstellungen sind darin verquickt mit rationalistischen,
physiologisch-psychologischen Erklärungsversuchen. Die Träume
werden einerseits als Nachwirkungen der Gedanken des Tages,
oder als phantastische Deutungen der Sinneseindrücke während
des Schlafs, auch als Erzeugnisse der ^Humore^ erklärt; anderer-
seits werden sie auf die Einwirkung von Dämonen, Geistern,
Die Abfassungszeit des 'Sommernachtstraums'. 293
Elfen, Feen, Kobolden zurückgeführt. So stofsen wir denn bei
Nash auf Sätze wie: Ä dreame is nothing eis but a bubling
scum or froath of fancie^ (Nash, Works edd. Grosart III, 234),
— on thpse Images of memorie whereon we buyld in the daye,
comes some superfluous humour of ours lyke a Jackanapes in
the night and erects a puppet-stage, or some such ridiculous
idle childish inuention. . . . A dreame is nothing eis but the
Eccho of our conceipts in the day (S. 236). — Äs for example,
if in the dead of the night there be ante rumbling, knocking,
or disturbance neere us, we straight dream of warres, or of
thunder (S. 237).
Die eigentlichen Urheber der Träume sind aber nach Nash
die Elfen und Kobolde: The Robbin -good-felloioes, Elf es ,
FairieSf Hobgoblins of our latter age . . . did most of their
merry prankes in the Night. Then ground they malt and
had hempen shirts for their labours, daunst in rounds in
greene meadowes, pincht maids in their sleep that swept not
their houses cleane, and led poore Trauellers out of their way
notoriously (S. 222).
Den vier Temperamenten (huinours) und vier Elementen
entsprechend werden vier Arten von Elementargeistern unter-
schieden, die ihrer Natur gemäfs verschiedenartige Träume er-
regen. So heifst es von den Luftgeistern: As for the spirits
of the aire . . . they are in truth all show and no substance,
deluders of our imagination^ & nought eis ... Politique states-
men they priuily incite, to bleare the world's eyes with clowdes
of common wealth pretences, to broach any enmitie or ambi-
tious humour of their owne, under a title of their cuntries
preseruation. . . . Women they vnder-hand instruct . .. to sticke
their gums round with Comfets ... (S. 230 f.).
Dem Shakspere-Kenner werden hier sofort Stellen aus dem
Sommernachtstraum und Romeo und Julia {Queen Mabl) ein-
fallen: Mids. n, 1, 32
Either I mistake your shape and making quite,
Or eise you are that shrewd and knavish sprite
* Vgl. Shaksperes Rieh. HI. IV, 4, 88 Ä dream of what thou wert,
a hreath, a huhhle. Lucrece 2\2 A dream, a breath, a froth of fleeting joy.
294 Die Abfassungszeit des 'Sommernachtstrauras'.
CalVd Rohin Goodfellow : are not you he
That [rights the maidens of the villagcry ;
Skim milk, and sometimes Idbour in the quem,
And hootless make the hreathless housewife ehurn;
And sometime make the drink to bear no ba7'm:
Mislead night-wanderers, laughing at their härm?
Those that Hohgohlin call you and sweet Puck,
You do their work, and they shall have good lu^k.
Rom. I, 4, 96
— — True, I talk of dreams ,
Which are the children of an idle hrain,
Begot of nothing hut vain fantasy,
Which is as thin of suhstance as the air —
In den beiden eben erwähnten Dramen ist überhaupt auf-
fallend viel von der Macht der Phantasie und von Träumen die
Rede, und in merkwürdiger Übereinstimmung mit Nash werden
die Träume einerseits rationalistisch erklärt/ andererseits auf
Elfenzauber zurückgeführt. Durch die Annahme, dafs beide
Schriftsteller aus der gemeinsamen Quelle des Volksaberglaubens
schöpften, wird die letztere Übereinstimmung nicht genügend er-
klärt. So recht lebendig waren ja die Vorstellungen von Elfen
und Kobolden schon damals nicht mehr, wenigstens nicht im
südlichen und mittleren England, wie aus den Worten von Nash
(of our latter age), wie auch aus den bekannten Aufserungen
in Reginald Scots Discoverie of Witchcraft (1584) hervorgeht.
Die Elfen und Kobolde waren durch den Hexenaberglauben in
den Hintergrund gedrängt worden. Schon aus der Seltenheit
der Anspielungen in den Schriften jener Zeit ist zu entnehmen,
dafs dem gebildeten Engländer im 16. Jahrhundert Robin Good-
fellow und Königin Mab ungefähr ebenso fern lagen, wie dem
gebildeten Deutschen von heute Rübezahl oder Frau HoUe. Das
Interesse wurde durch die Dichter, wie Spenser, Lyly, Shak-
spere, Ben Jonson erst künstlich wieder belebt und aufgefrischt.
Die Vorstellung aber, welche Shakspere und Nash gemein-
sam haben, dafs Träume und Phantasien von den Elfen hervor-
gerufen werden, ist niemals eigentlich volkstümlich gewesen, son-
dern beruht wohl auf Verwechselung mit der Nightmare. Es
Mids. V, 1, 18; III, 2, 177.
Die Abfassungszeit des 'Sommernachtstraums'. 295
ist, soviel ich weifs, bisher nicht gekmgen, eine andere Quelle
oder Anregung für die Schilderung der Königin Mab nachzu-
weisen. Aber auch die Illusionen, welche von Oberon und Puck
erzeugt werden, entsprechen mehr der dämonologischen Theorie
von Nash als volkstümlichen Vorstellungen.
Auch sonst werden wir beim Lesen von Nashs Schrift zu-
weilen an Sätze erinnert, die uns aus Shaksperes Dichtungen
vertraut sind, z. B. :
Nash (a. a. O. S. 268) a superfluous mirth is to the sence,
as a surfet of Jionnie to a mans stomacke, than the which
there is nothing more dangerous.
Mids. n, 2, 138
For as a swrfeit of the sweetest things
The deepest loathing to the stomach hrings —
Rom. n, 4, 11 ^J^ sweetest honey
Is loathsome in his own deliciousness
And in the taste confounds the appetite.
Dafs Nash etwa durch Shaksperes Dramen in seiner Dar-
stellung beeinflufst sein sollte, ist nicht sehr wahrscheinlich, be-
sonders da der Sommernachtstraum sich offenbar erst allmählich
auf der öffentlichen Bühne einbürgerte. Eher könnte man denken,
dafs Shakspere Nashs Schrift gelesen hatte und dadurch poetisch
angeregt wurde. Nash bewarb sich in dieser Zeit um die Gunst
des Grafen Southampton, war also gewissermafsen Shaksperes
Nebenbuhler. Aufserdem stand er zu der Famihe des Lord-
Kämmerers Hunsdon, zu dessen Truppe Shakspere ja gehörte,
in engen Beziehungen, war also gewLTs auch mit Shakspere be-
kannt.
Im Sommer (Juni) 1594 wurde, wie aus Henslowes Rech-
nungen hervorgeht, das alte Lustspiel Taming of a Shrew auf-
geführt und erschien im selben Jahre im Druck; Shakspere ar-
beitete es höchst wahrscheinlich um diese Zeit zu seiner Komödie
Taming of the Shrelo um. Motive aus dem Vorspiel dieses
alten Stückes müssen dem Dichter aber bei der Abfassung des
Sommer nachtstraums schon vorgeschwebt haben : Auftreten des
Lords mit Jagdgefolge — Theseus mit Jagdgefolge; der schla-
fende Kesselflicker — der schlafende Weber Zettel, plebejische
296 Die Abfassungszeit des 'Sommernachtstraums'.
NatureD, die durch Possenstreiche gleichsam im Traum in eine
schönere, prächtigere, poetische Welt versetzt werden, sich dabei
aber gleich plump und ungeschickt benehmen. Vielleicht ist auch
das Motiv, ein Schauspiel im Schauspiel aufzuführen, der älteren
Komödie entlehnt. Jedenfalls bietet der Sommernachtstraum in
der ersten Scene des vierten Aktes ganz ähnliche Bilder oder
Situationen, wie das Vorspiel zu Taming of a Slirew, nur in
umgekehrter Reihenfolge. — Bekanntlich legt gerade der Sommer-
nachtstraum Zeugnis dafür ab, dafs Shakspere mit Chaucers Dich-
tungen sich vertraut gemacht hatte. Nicht blofs durch die ^Er-
zählung des Ritters^ in den Canterhury Tales wurde er angeregt,
sondern auch ein Motiv aus der Erzählung des Kaufmanns (Streit
zwischen Pluto, dem ^Feenkönig^, und seiner Gemahlin Proserpina)
scheint benutzt zu sein; auch hat der grofse Dichter wohl in
Chaucers Legenden von den guten Frauen die Geschichte von
Pyramus und Thisbe gelesen und so seine Schulerinnerungen an
Ovids Metamorphosen aufgefrischt.
Die erste Dichtung Shaksperes nun, welche sicher den Ein-
flufs Chaucers verrät, ist ^Die Schändung der Lucretia' (1593),
ebenfalls wohl durch eine der Legenden von den guten Frauen
zunächst angeregt, im Versmafs und stellenweise auch in der
Darstellung Chaucers Troüus and Creseide nachgeahmt. Ein
Gleichnis aus Lucr. verrät auch deutlich, dafs dem Dichter da-
mals die C'awfer5 i^r?/-Geschichten lebhaft vorschwebten. Lucr. 790:
And fellowship in woe doth woe assuage,
As palmers' chat makes short their pügrimage.
Chaucer-Reminiscenzen kann man noch in einem anderen
Drama (von Troilus und Cressida abgesehen) deutlich erkennen:
in dem Zwiegespräch zwischen Lorenzo und Jessica im fünften
Akt des Kaufmanns von Venedig. Dort wird nacheinander auf
die Geschichte von Troilus und Cressida, von Thisbe, Dido und
Medea angespielt. In Chaucers Legende von den guten Frauen
sind die Geschichten von Thisbe, Dido, Medea gleich nachein-
ander und genau in derselben Reihenfolge erzählt.
Shaksperes Chaucer-Studium oder Chaucer-Lektüre scheint
also in die Jahre 1593 — 95 zu fallen, hauptsächlich wohl in den
Sommer 1593, wo er am meisten Mufse dazu hatte.
I
Die Abfassungszeit des 'Sommernachtstraums'. 297
Endlich ist bemerkenswert, dafs ein Stück Palainon and
Arclte, welches doch wohl die Grundlage des bekannten Pseudo-
Shakspereschen Dramas Two Noble Kinsmen bildet (Delius, Sh.-
Jahrb. 1878), ebenfalls gerade im Jahre 1594 aufgeführt wurde.
Es mufs ebenso, wie Shaksperes Sommernachtstraum, auf Chau-
cers Erzählung des Ritters als Quelle zurückgeführt werden.
Der Sommernachtstraum scheint also besonders gut in die
litterarische Atmosphäre des Jahres 1594 hineinzupassen.
Einen noch deutlicheren Fingerzeig giebt, wie schon vielfach
hervorgehoben, die bekannte Stelle, in welcher das Miisgeschick
eines aulsergewöhnlich regnerischen Sommers drastisch ausgemalt
ist {Mids. II, 1, 88 ff.). Dafs hier eine Anspielung auf Zeit-
ereignisse vorliegt, ist doch nicht zu bezweifeln. Gewifs ist das
Wetter in England öfters regnerisch, aber nur auf abnorme Natur-
ereignisse konnte in dieser Weise hingewiesen werden, und solche
fanden, wie Chronisten (Simon Forman und Stow) berichten,
gerade im Frühjahr und Sommer 1594 statt: schon im April und
Mai Regengüsse und Überschwemmungen, die sich im Juni und
Juli, ja bis in den September hinein fortsetzten. Ahnliches war
seit dem ebenfalls sehr regnerischen Sommer 1587 nicht vor-
gekommen. Der Sommer 1592 war sehr heifs und dürr, so dafs
die Themse fast ausgetrocknet war; aus den Jahren 1593 und
1595 wird nichts Aufserge wohnliches über die Witterung berich-
tet; erst der Sommer 1596 wird wieder als besonders regnerisch
bezeichnet, doch nicht in dem Mafse, wie der Sommer 1594
(Fleay, History of the Stage S. 163, nach Stow). Wir können
also eigentlich nur zwischen 1594 und 1596 schwanken, aber
1596 wird den meisten als eine zu späte Datierung erscheinen.
Nun kommt aber noch ein bisher nicht beachteter Umstand
hinzu, um die Datierung Sommer 1594 zu bestätigen.
Nach ziemlich allgemeiner Annahme mufs der Sommernachts-
traum ursprünglich ein Festspiel für eine vornehme Hochzeit ge-
wesen sein. Der Charakter des Stückes weist sehr deutlich
darauf hin. Allerdings wird schon in der Einleitung zu Chaucers
Erzählung des Ritters kurz berichtet, dafs Theseus sich mit der
Amazonenkönigin vermählte, aber diese Hochzeitsfeier steht dort
in keiner Verl^indung mit dem eigentlichen Inhalt der Erzählung.
Vielmehr sind dort Theseus und Hippolyta längst vermählt, wie
298 Die Abfassungszeit des 'Sommernachtstraums'.
Palamon und Arcite um die schöne Emilia streiten. Im Sommer-
nachtstraum aber klingt das Hochzeitsmotiv von Anfang bis zu
Ende durch, ja die ganze Handlung scheint gleichsam auf die
Hochzeitsfeier zugespitzt. Das Spiel der Handwerker nimmt sich
ganz aus wie eine Selbstpersiflage der Schauspieler; der Elfen-
reigen und Segenswunsch zum Schlufs hat offenbar persönliche
Beziehung und aktuelle Bedeutung, ähnlich wie in den ent-
sprechenden Scenen der Lustigen Weiber von Windsor.
Es ist auch gewifs nicht ohne Bedeutung, dafs die Hochzeit
in den Anfang Mai, und zwar genau berechnet auf den 2. Mai
verlegt wird (bei Chaucer ist gar nichts über die Zeit der Ver-
mählung von Theseus und Hippolyta angegeben). Das Lustspiel
umfafst die Zeit von vier Tagen. In der ersten Scene, am
vierten Tage vor der Hochzeit, verabreden Lysander und Hermia,
am nächsten Abend {to-morrow night) zu entfliehen. Da die
Flucht, wie aus dem Folgenden hervorgeht, in der Walpurgis-
nacht erfolgt, so müssen wir uns die erste Scene am 29. April
denken und kommen so auf den 2. Mai als Hochzeitstag. Dazu
stimmt auch, dafs Theseus und Hippolyta (im vierten Akt) am
Morgen des 1. Mai, einen Tag vor der Hochzeit, noch zu einer
Jagd ausziehen, und dafs am selben Morgen Oberon zu Titania
sagt (IV, 1, 92):
Now thou and I are new in amity
And will to-morrow midnight solemnly
Dance in Duke Theseus hause triumphantly
And hless it to all fair prosperity.
In keinem anderen Drama hat der Dichter eine so genaue Chrono-
logie innegehalten. Dabei wird aber die Zeit niemals ausdrück-
lich angegeben, sondern, man möchte sagen, als selbstverständ-
lich vorausgesetzt. Dafs der neue Mond, von dem Theseus in
der ersten Scene spricht, der Maimond ist, erfahren wir erst im
vierten Akt durch eine nebensächliche Bemerkung. Von der ersten
Scene an aber durchweht Frühlingsluft das ganze Lustspiel, und
der Zauberspuk der Elfen hat die Walpurgisnacht zur Voraus-
setzung.
Wenn nun diese Fixierung der Zeit der Handlung eine
aktuelle Bedeutung hat, wie doch wohl anzunehmen, so würde
aus der Kombination mit der vorher erwähnten Anspielung her-
A
Die Abfassiingszeit des 'Sommernachtstraums', 299
vorgehen, dafs der Sommernachtstraum ursprünglich
gedichtet wurde für eine vornehme Hochzeitsfeier,
die am 2. Mai 15 94 stattfand.
Dazu stimmt es nun wunderbar genau, dafs am 2. Mai
1594 Sir Thomas Heneage mit der verwitweten Lady
Southampton, der Mutter des bekannten Gönners von Shak-
spere, sich vermählte {Diction. of National Biography , s.v.
Th. Heneage). Wenn wir bedenken, dafs die Hochzeit gerade
in die Zeit fiel, in welcher, nach der Widmung zu Rape of Lii-
crece (Sommer 1594) zu schliefsen, das Verhältnis des Dichters
zu seinem Patron ein besonders intimes war, so werden wir es
nicht nur begreiflich, sondern fast selbstverständlich finden, dafs
Shakspere zu diesem Feste einen poetischen Tribut brachte. Sir
Thomas Heneage war als Schatzmeister der Königin {Treasurer
of tlie Chamber) eine sehr angesehene und für die Schauspieler
besonders wichtige Persönlichkeit. Bei seinem Reichtum wird
die Hochzeit gewifs mit grofsem Pomp gefeiert worden sein. Er
war schon ein Mann in reiferem Alter, wie ja auch Theseus dar-
gestellt wird. Auch Hippolyta ist mehr wie eine vornehme Dame
in gesetzten Jahren gezeichnet; das Würdevolle mehr als das
Jugendlich-Anmutige hervorgehoben.
Das Festspiel wurde bald danach vom Dichter gewifs für
die öffentliche Bühne umgearbeitet oder zugestutzt; bei dieser
Umarbeitung wurde wohl der Epilog Pucks hinzugefügt, vielleicht
auch die Stelle über den regnerischen Sommer. Jetzt mag das
Stück auch erst den Namen Midsummernight' s Dream erhalten
haben, vermutlich mit Bezug auf die erste öffentliche Aufführung.
Einem Einwand gegen die obige Hypothese, der vielleicht
von subtilen Kritikern gemacht werden könnte, föchte ich zuvor-
kommen. Gleich die ersten Worte des Theseus vergleichen den
alten Mond, der so langsam abnimmt und des Bräutigams Seh-
nen hinhält, mit ^einer Witwe, deren dürres Alter von ihres
Sohnes Renten lange zehrt^ (like to a stepdame or a dowager,
long tuithering out a yoimg mans revenue). Wäre dieser Ver-
gleich, wenn auch sehr naheliegend, in einem solchen Fall, wie
bei der Wiedervermählung der Lady Southampton, einer Witwe,
die einen schon erwachsenen Sohn hatte, nicht sehr unzart und
taktlos gewesen? Ich glaube nicht. Im 16. Jahrhundert war in
300 Die AbfassuDgszeit des 'Sommernachtstraums'.
vielen Beziehungen das Empfinden und der Ausdruck des Empfin-
dens noch nicht so verfeinert wie in unserer Zeit; in England
spricht man noch jetzt über Vermögens Verhältnisse und Geld-
fragen ungenierter als z. B. in Deutschland. Zudem, mit dem
alten Monat ging ja in der That der Witwenstand der Lady zu
Ende; sie hörte, sowie sie Lady Heneäge wurde, auf, dowager
zu sein und mufste gewifs wenigstens auf einen Teil der bisher
bezogenen Kenten verzichten.^ Sie konnte daher den schalk-
haften Vergleich ruhig lächelnd anhören.
Mcht ohne Absicht scheint mir das Ruhige, Sichere, Beson-
nene im Wesen des Theseus und der Hippolyta, in ihrer Liebe
zueinander, kontrastiert zu sein mit dem Wankelmut, den Ein-
bildungen, der Unbesonnenheit der jugendlichen Liebhaber. Hat
der Dichter etwa auf Liebesabenteuer des jungen Southampton
angespielt? Die Situation von Demetrius und Helena im zweiten
Akt erinnert an die von Adonis und Venus in dem ersten dem
Grafen Southampton gewidmeten Gedicht.
Vielleicht würde auch auf den Sommernachtstraum mehr
Licht fallen, wenn die wirklichen Verhältnisse, die den Freund-
schafts- und Liebessonetten zu Grunde liegen, deutlicher erkenn-
bar wären.
1 Auf eine Witwe mit grofsen Renten wird übrigens in derselben
Scene noch einmal angespielt (Z. 157).
Kiel. G. Sarrazin.
Joli. Haselberg aus Reichenaii und Jakob Schenk aus Speier.
Ein Beitrag
zur Volks- und Übersetzungslitteratur des IG. Jahrhunderts.
Johann Haselberg.
Johann Haselberg stammte nach dessen eigener Angabe aus
der Reichenau bei Konstanz. Er heifst in dem Druckprivileg
Kaiser Max' I. vom 10. November 1514 für den Druck der
Schriften des Abts Trithemius nach C. Peutingers Auswahl Ma-
gister, besals demnach wissenschaftliche Bildung. Dafür spricht
auch sein Wirken als Übersetzer aus dem Lateinischen. Hasel-
berg war von Beruf Verleger und Buchführer. Er führte ein
unstätes Leben und zog ohne festen Wohnsitz von Stadt zu
Stadt auf die Messen, dort seine gedruckten Erzeugnisse los-
zuwerden. Diese Thätigkeit als Buchhändler gehört nicht hier-
her. Die Verlagsartikel für seinen Buchhandel schrieb er teil-
weise selbst. Tragen dieselben auch nicht die Urheberschaft
Haselbergs an der Stirne, so läfst sich dieses voraussetzen, zumal
andere Verfasser derselben nicht bekannt und genannt sind.
Haselberg stand zu den Kaisem Max I. und Karl V. in Be-
ziehungen, der Abt Trithemius vertraute ihm den Druck seiner
Schriften an, und weiter sind aus dem Kreise seiner Bekannten
zu nennen Konrad Peutinger, Martin MyUius und Ulrich Krafft,
Pfarrer zu Ulm. Haselberg verlegte in den Jahren 1515 bis
1522 eine Anzahl Schriften Trithemius' in ersten Ausgaben, nebst-
dem liefs er deutsche Übersetzungen von Volksbüchern, unter
anderen von Aneas Sylvius (Pius H.) ' und dem Würzburger
Sekretär Johann Pfeifelmann als Übertragung von Stellen aus
' Panzer, Annalen I, S. 395 und 857.
302 Job. Haselberg aus Eeichenau und Jakob Schenk aus Speier.
Eusebius und Plutarch^ erscheinen. Von den genannten Martin
Myllius und Ulrich Kraift verlegte er volkstümliche Schriften. ^
Hat Haselberg durch diese Thätigkeit schon Anspruch auf eine
Stelle in der deutschen Litteratur, so steigert sich dessen Wirken
noch durch dessen eigene litterarische Erzeugnisse in deutscher
Sprache sowie einige Übersetzungen ins Deutsche. Die jeden-
falls Haselberg angehörigen Schriften folgen hier unter Verwei-
sung auf bibliographische Hilfsmittel in abgekürzter Form der
Titel. Es sind dieses als deutsche Schriften:
1) Ein Hübsche history von eines reichen burgers sun vfs
der schönen inseln Cippern etc. Strafsburg, J. Grüninger, 1516.^
2) Die Stend des hailigen Römischen Reichs, mit sampt allen
Churfürsten vnd Fürsten etc., so zu Augspurg in der Kayser-
lichen Reichstat, auif dem yetzvergangen loblichen Reichstag er-
schinen etc. Augsburg 1518.*
3) Dis biechlin wurt genant das gülden schleslin des hymels
etc. Basel, N. Lamparter, 1519.^
4) Ain wunderliche Prophecey oder Weyssagung, gemacht,
practiciert, vnnd aufsgeschriben durch den Hochgelerten mayster
Alofresant etc. München, H. Schobfser, 1519.^
5) Von der Chur vnnd Wal des grofsmächtigisten Königs
Karolum, wie Er yetz zu Franckfurt verschinen, zu römischen
König vnd künftigen Kaiser erwölt ist worden etc. München,
H. Schobfser, 1519. ^
6) Warhafftige neüwe Zeitung. Von dem krieg zwischen
keyserlicher Maiestat, dem Haufs von Burgundi, Stiift Vtricht,
vnd Hertzog Karol von Gellern etc. O. O. 1528.
7) Das new Bockspiel nach gestalt der weit. Anno MDXXXI.
O. O. (Köln).»
1 Eoth, Buchdruckerfamilie Schöffer S. 186, Nr. 12.
2 Panzer, Annalen I, 402, Nr. 870. — Goedeke, Grundrifs II, Aufl. II,
S. 149, Nr. 8. — Panzer, Annalen I, 869. — Weller, Repert. Nr. 1058.
3 Weller, Eepert. Nr. 1000.
^ Panzer, Annalen I, Nr. 915. — Annalen des histor. Vereins für den
Niederrhein XLIV, S. 141.
5 Weller, Repert. Nr. 1171.
^ Weller, Repert. Nr. 1160.
' Panzer, Annalen, Zusätze Nr. 947.
» Weller, Annalen I, S. 27, Nr. 118. — Schorr, Kunstblatt, 1838,
Joh. Haselberg aus Eeichenau und Jakob Schenk aus Speier. 303
8) Eyn lobspruch der Keyserlichen freygstath Coellen, Auch
wie die heyligen treyg Küüing, Anno LXII ersthlich dahin käm-
men etc. Köln, Melchior von Neufs, 1531.*
9) Von den welschen Pnrppeln. Wie die ritterbrüder des
purpelschen ordens mit grol'sen schlachten und stürmen ir ritter-
schaift erhaltent etc. Mainz, Ivo Schöffer, 1532. ^
10) Newe Zeitung, nach gestalt der Welt vil Nation betref-
fende. Auch von der handlung des Tyrannischen Türekens, die
er newlich begangen etc. O. O. u. J. (1536 oder anfangs 1537
gedruckt). ^
11) Die Offenbarung des wunderbarlichen Gesichtes Gama-
lions, ein gotzfärchtiger diener Gottes etc. O. O., 1538.'* Teil-
weise Übersetzung des Lateinischen durch Haselberg.
Ob die beiden von Weiler'^ dem Haselberg zugeschriebe-
nen Schriften Todagra^ und ^Aureum seculum diesem wirklich
angehören, bedarf noch näherer, namentlich sprachlicher Unter-
suchung. Die Urheberschaft Haselbergs liegt aber auch hier
sehr nahe.
Von Übersetzungen Haselbergs aus dem Lateinischen sind
bis jetzt bekannt:
1) Von den syben Geysten oder Engeln, den Got die hymel
zu füren von anfang der weit bevolhen hat etc. Nürnberg,
H. Höltzel, 1522.^ Eine Übertragung der im gleichen Jahre in
Haselbergs Verlag zu Nürnberg erschienenen Schrift des Abts
Trithemius von Sponheim : De Septem secundadeis (!) i. e. intelli-
Nr. 55. — Merlo, Kölner Künstler, 1850, Nr. 533. — Goedeke, Grundrifs,
2. Aufl., II, S. 280. — Bibliothek des litt. Vereins CXIX, S. 94 Anm.
' Goedeke, Grundrifs, 2. Aufl., II, S. 280. — Annalen des bist. Ver-
eins für den Niederrhein XLIV, Köln 1885, S. 139 (mit Abdruck). —
Mone, Anzeiger VII (1838), S. 387. — Weller, Annalen II, S. 354, Nr. 28.
2 Bibliothek des litt. Vereins CXIX, S. 94—105 (Abdruck). — Roth,
Buchdruckerfamilie Scböffer S. 184, Nr. 8 a. — Goedeke, Grundr., 2. Aufl.,
II, S. 280. — Weller, Annalen II, S. 460.
3 Centralblatt f. Bibliothekwesen IX (1892), S. 227—228.
'* Annalen des bist. Vereins für den Niederrhein XLIV, S. 141. —
Weller, Annalen II, S. 398.
" Annalen II, 461, Nr. 896 und 898.
^ Weller, Repert. Nr. 2283. — Andere Auflagen Speier 1529 und
Nürnberg 1701. Vgl. Silbernagel, Joh. Trithemius, 2. Aufl., S. 241.
304 Joh. Haselberg aus Reichenau und Jakob Schenk aus Speier.
gentiis sive spiritibus moventibus orbes libellus.'^ Wie die
lateinische Ausgabe, ist auch die deutsche Übersetzung erste
Auflage.
2) Der Adler wider den Hauen. Eyn schöner lüschbarlicher
Dialogus vnd bedüttnus, Römischer Keyserlicher Maiestat vnd
des Künigs von Franckenreich etc. O. O., 1536, 4. Juli.^ Die
Schrift ist eine Übersetzung der Schrift des Wormser Dichters
Johann Bockenrhod: Colloquium metricum aquilce cum gallo.
Joanne Bockenrhodio Wormaciensi Authore. O. O., 1536. ^
Der Hauptwert der Schriften Haselbergs, namentlich seiner
Dichtungen, besteht in der frischen, unmittelbaren Darstellung
der Sitten und Kulturerscheinungen seiner Zeit. Als vielgewan-
derter Mann hatte Haselberg vieles beobachtet und konnte ver-
gleichende Schilderungen liefern, wodurch seine Schriften an Viel-
seitigkeit gewinnen. Zu dieser Kategorie gehören namentlich das
Bockspiel, der Lobspruch auf Köln, die beiden Zeitungen und
die welschen Purppeln. Das volkstümliche Element in Hasel-
berg hinderte denselben nicht, vielfach, wie namentlich in den
welschen PurppelUj wo er die galanten Absteigequartiere der
Kaufmannswelt beschreibt und sich selbst als deren Besucher
hinstellt, derb und obscön zu werden. Bei poetisch anmutenden
Schilderungen der Natur und des Volkes, wie namentlich in dem
Lobspruch auf Köln, findet sich Mangel an poetischem Talent,
Härte der Diktion, Gezwungenheit der Reime und des Vers-
mafses. Man sieht, Haselberg ist begabt, aber kein wahrer
Dichter. Bei den Stücken in Prosa ist vor allem die glückliche
Wahl der Themata hervorzuheben. Haselberg ist ein politisch
angelegter Kopf, der die Lesebedürfnisse der Zeitgenossen kannte
und ausbeutete. Er war Katholik, Anhänger des Hauses Habs-
burg, schrieb im Sinne dieser Kreise und hielt sich von kirchlich
polemischer Litteratur fern. Mit anderen Volksschriftstellern
verdient er eine achtbare Stelle in der Litteratur. Wann und
wo Haselberg starb, ist unbekannt. Nach 1538 verschwindet
sein Wirken.
1 Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein XLIV, S. 141.
^ Weller, Annalen I, S. 30, Nr. 135. — Eoth, Buchdruekereien zu
Worms S. 67.
^ Roth, Buchdruckereien zu Worms S. 67, Nr. 6.
Joh. Haselberg aus Reichenau und Jakob Schenk aus Speier. 305
Jakob Schenk.
Jakob Schenk gehört zu den beinahe vergessenen Personen
des 16. Jahrhunderts, welche der Strömung der Volkslitteratur
durch Übersetzungen gerecht wurden. Wann und wo er ge-
boren, ist unbekannt. Mit dem Verfasser einiger theologischen
Streitschriften, dem Jakob Schenk aus Stauffenberg^ und dem
gleichnamigen Theologen und Pfarrer zu Freiberg in Sachsen, ^
ist er keineswegs eine Person, wenn er auch häufig mit ihnen
verwechselt worden ist. Des Übersetzers Schenk Schriften tra-
gen stets die Bezeichnung Doktor der Rechte und kennzeichnen
sich durch ihren Charakter als Übersetzungen, unterscheiden sich
mithin leicht von den polemisch-theologischen Erzeugnissen des
J. Schenk von Stauffenberg. Jakob Schenk scheint sich bereits
1522 zu Speier aufgehalten zu haben. Die Herausgabe seiner
Trithemius-Übersetzung läfst dieses vermuten. Er war Rechts-
gelehrter und wurde 1525 Bürger der Stadt Speier. Das Bürger-
buch Speiers sagt hierüber: Item doctor Jacob Schenck emit et
iuravit civilitatem in forma consueta Sampstags nach jpenthe-
costen^ Anno x. XXV (1525).* Er ward 1526 Advokat am
Reichskammergericht zu _ Speier, ^ dabei aber als Protestant er-
mahnt, sich der Religion halber dem Augsburger Religionsabschied
geraäfs zu halten.^ Im Jahre 1531 war Schenk als Advokat bei
der Visitation des Reichskammergerichts thätig,^ was auch im
Jahre 1533 noch der Fall war. Letzterer Eintrag hat aber den
Vermerk *Ist nit hie\^ Damit hören die Nachrichten über Schenk
auf. Wo er fortan lebte, wann und wo er starb, ist unbekannt.
Schenk verlegte sich auf die Übersetzung lateinischer und
griechischer Schriften ins Deutsche. Obgleich Protestant, be-
* Weller, Repert. Nr. 3155, 3156, 3968 und 3969. — Panzer, Annalen
II, S. 406, Nr. 2891.
^ Über ihn Allg. d. Biographie unter J. Schenk.
3 9. Juni 1525.
* Hs. Folio, Stadtarchiv Speier.
^ Harpprecht, Staatsarchiv des H. Rom. Reichs-Cammergerichts. Ulm
1757—1768, V, S. 83.
« Ebenda V, S. 83.
' Ebenda V, S. 247.
« Ebenda V, S. 326.
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 20
306 Job. Haselberg aus Reichenan und Jakob Schenk aus Speier.
gann er mit der ÜbertraguDg einer Schrift des Abts Johann
Trithemius, dem Compendium sive hreviarium primi voluminis
annalium sive historiarum de origine regum et gentis Franco-
rum etc., wovon Joh. Haselberg im Jahre 1515 zu Mainz bei
Johann Schoeifer die erste Auflage hatte erscheinen lassen. Die
Übersetzung Schenks hat den Titel: Eyn schone . Cronica von
Erstem vrsprunck vnd vfwachsen der Francken wie sie in
Deutsch Landt komen. Auch von dhenen Kunig, Hertzogen,
gemeyns Adels vnd volcks berümlichsten Kriegs vnd andern
Tugentlichen vbungen, Da durch sie beynach gantze Europam
bestritten vnnd erobert. Von dem Erwirdigen vatter Hern
Johansen weylant Abbt zu Sponheim, aufs vil seltzamen wenig
gehörten Historien, beim kürtzsten verfast, Ne wuchst durch den
Hochgelerten Hern Jacoben Schenck der rechten Doctor aufs
Latin in Deutsch transferiert vnd gezogen. Seite CXX unten:
Gedruckt vnd volendt zu Speyer, durch den Ersamen Johans
Eckharten, dinstags nach vnser frawen Lichtmefs, nach Christ
geburt dausent funff hundert zwentzig vnd zwey jar. Folio,
8 Blätter und 120 Seiten. Exemplare befinden sich zu Speier im
Kreismuseum, zu Strafsburg, Universitätsbibliothek, und zu Nürn-
berg, Germanisches Museum. Eine bibliographische Beschreibung
in Roth, Geschichte der Buchdruckereien zu Speier. ^ Das Buch
erhielt sich auf dem Büchermarkt, da noch eine Auflage davon
erschien. ^
Eine zweite Übersetzungsprobe lieferte Schenk in der Schrift:
Zwen Christenlich tröstliche Sendbrieff, eyns hochberümpten Wel-
schen Grauen zu gedult vnnd erkündigung Götliches worttes ver-
manende. Zwölff Regell oder lere, sampt XH. geystlicher waffen,
zu erhaltung Christlichens lebens, streyt, vnd ritterschaiFt vast
nützlich. Anno M. D. XXVI. Aufs lateyn inn deützsch durch
Jacoben schenck Doctor transferirt vnnd gezogen. Hiebey wirdt
mann vernemmen was New oder Alt sy. O. O. (Strafsburg).
Quarto, 12 Blätter. ^
' II, S. 57—59. — Hummel, Neue Bibliothek I, S. 18.
^ Frankfurt, Sigmund Feyerabend, 15G3. Duodez. Silbernagel, Johann
Trithemius, 2. Aufl., S. 243, erwähnt noch Auflage Frankfurt 15(i8, welche
obige sein dürfte.
3 Weller, Repert. Nr. 3950.
Joh. Haselberg aus Reichenau und Jakob Schenk aus Speier. 307
Später wagte sich Schenk auch an Übertragungen aus dem
Griechischen. Wenn wir auch nicht wissen, ob er direkt aus
dieser Sprache oder durch Vermittelung des Lateinischen über-
setzte, bleibt die Sache für Schenks Litteraturkenntnisse doch
merkwürdig. Vorerst heferte er eine Übersetzung der Calumnice
des Lukian mit dem Titel: Von falschem angeben vnd ver-
schwetzen. Ein nützlich büchlin, durch den berümpten Hey-
denischen redner Lucianum in kriechischer sprach beschrieben,
Neülichst durch den Ernhafftenn, Hochgelerten Doctor Jacob
Schencken aufs Latein in Deützsch sprach transferiert vnd ge-
zogenn. Anno M. D. XXVm. Dem Philipp zu Stettin und
Pommern gewidmet. Die Widmung ist unterschrieben: 17. De-
cember 1528 ^Jacob Schenck Doctor, Keyserlichs Camergerichts
Aduocat.^ O. O. (Speier). Quarto, 18 Blätter. Ein Exemplar
zu Darmstadt, Hof bibhothek. ^ Auch den Timon des Lukian
übersetzte Schenk. Die Schrift erschien in Quarto auf 28 Blät-
tern bei Hans Meiel zu Worms 1530.- Damit schliefst Schenks
litterarische Thätigkeit, soweit bekannt, ab.
* Roth, Geschichte der Buchdruckereien zu Speier II, S. 103.
^ Goedeke, Grundrifs, 2. Aufl., II, S. 319. — Hoffmann, Lexicon hiblio-
graphicum III, S. 55. — Graesse, Tresor IV, 282. — Roth, Buchdrucke-
reien zu Worms S. 31, Nr. 2.
Wiesbaden. F. W. E. Roth.
20'
Kleine Mitteilungen.
Bruchstücke eines alten Druckes des Eglamour of Artois.
Die folgenden Fragmente sind von Blättern und Teilen von Blättern
im Besitze des Herrn Francis Jenkinson, Bibliothekar der Cam-
bridger Universitätsbibliothek, abgedruckt.
Bankes' Ausgabe des Romans ist sonst nicht bekannt. Herr
E. Gordon Duff sagt mir, dafs Bankes im Jahre 1523 The IX Drunk-
ards, in 1525 The Herhai, in 1526 The Herhai und wahrscheinlich
Book of Medicines und Seeing of Uryns, in 1528 The Butter of the
Sea, Ät the longe Shop druckte.
Im Jahre 1539 ist sein Druckort In Fletestrete at the sygne of
the White Hart. Wenn wir seine Ausgabe von Eglamour in das
Jahr 1530 setzen, werden wir nicht mehr als zehn Jahre irren.
Der Text ist dem Eglamore, Percy Folio HS. Bd. II, S. 338
sehr ähnlich. Die entsprechende Stanze in Halliwell, The Thornton
Romances S. 121 wird durch die ersten Nummern in den Klammern
am Anfange jedes Fragments bezeichnet, wie auch die entsprechen-
den Stanzen in Eglamore durch P.
I (79. P. 74).
Speke woman in goddes name f. ir.
Agaynst hym she rose
The lady that was so meke and mylde
She had so sore bewepte her chylde
II (82. P. 77).
Now is Eglamoure hole and sounde f. \v.
And well heled of his wounde
Homewarde than wolde he fare
Of the Emperoure toke he leue ywys
Of
Kleine Mitteilungen. 309
III (84, 85, 86. P. 79, 80, 81).
And thou erle of Artayes f. 2r.
Take he sayd the dragons heed
All is myne that here is leued
What doest thou in my place
Great dole it was to here
Wh an he called Crystabell his fere
What arte thou drowned in the see
God that dyed vpon the rode bytterly
On thy soule haue mercy
And on that yonge chylde so free
The erle was so aferde of Eglamoure
That he was fayne to take the toure
That euer more wo hym be
Eglamoure sayd so god nie saue
All that the ordre of knyghthode wyll haue
Ryse vp and go with me
They were füll fayne to do his wyll
Up they rose and came hym tyll
He gaue them order soone
The whyle that he in the hall abode
Two and thyrty knyghtes he made
Fro morne tyll it was noone
Tho that lyuynge had none
He gaue them lyuynge to lyue vpon
For Crystabell to praye soone
Than anone I vnderstonde
He take the waye to the holy londe
Where god on the ... was done
IV (87, 88, 89, 90. P. 82, 83, 84).
Where ony dedes of armes were f. 2 t;.
Agayne them that lyued wronge
In batayle nor in torneymente
There myght no man withstonde his dynte
But downe ryght he them thronge
By that fyftene yere were gone
His sone that the gryifon had tane
Was waxen bothe styffe and stronge
Now is Degrabell waxen wyght
The kynge of Israeli dubbed hym knyght
And prynce with his honde
Lysten lordynges great and small
Of what maner of armes that he bare
And ye wyll vnderstonde
SIÖ Kleine Mitteilungen.
He bereth in asure a gryffon stronge
Kycliely portured on the molde
On his clawes hangynge
A man chylde in a mantell wounde
And with a gyrdell of golde bounde
Without ony lesynge
The kynge of Israeli' is wexen olde
To Degrabel his sone he tolde
I wolde thou had a wyfe
Whyle that I leue my sone dere
Whan I am deed thou hast no fere
Rychesse is so ryfe
A messenger stode by the kynge
In Egypt is a s ete ge
V (112, 113, 114. P. 106, 107, 108, 109).
Thou shalte haue my doughter Ardnada f. 3r.
The kynge of satyn sayd also
I remembre syns thou her wan
Eglamoure prayed the kynges thre
At his weddynge for to be
If that they wolde wouche saue
All g..nted hym that were thore
Yonge o..e lesse and more
Lorde Jesus chryst hym haue
Kynges and erles I vnderstonde
And worthy dukes of many a londe
With Joye and myrthe ynoughe
The trompettes in the shyp blowes
That euery man to shyp goes
The wynde them ouer blewe
Thoroughe goddes myght all his meyne
In good lyke passed the see
In Artayes they dyd aryue
The erle than in a toure stode
He sawe men passe the salte flode
And fast to his horse gan dryue
Whan he harde of Eglamoure
He feil out of his toure
And brake his necke belyue
The messangers wente agayne to teil
Of that case how it befell
With god may no man stryue
Thus in Artayes the lordes were lente
After the Emperoure sone they sente
Kleine Mitteilungen. 811
VI (115, 116. P. 109, 110).
Ryght welcome shall they be f. 3«.
Syr Eglamoure to the chyrche is gone
Degrabell and Ardnada they haue tane
And his lady bryght of ble
The kynge of Israeli sayd I the gyue
Hälfe my londe whyle I lyue
Broke well all after my daye
With mykyll myrthe the feest was made
Fourty dayes it abode
Amonge all lordes hende
And than forsothe as I you saye
Euery man toke his waye
Where hym lyked to dwell
Mynstrelles had good great plente
That euer the better raaye they be
And bolder for to spende
In Romayn this cronycle is
Dere Jesus brynge vs to thy blys
That lasteth without ende
AMEN
TT Thus endeth syr Eglamoure of Artayes
Emprynted at London by Rycharde
Bankys dwellynge in the pultry
at the Stockes at the löge shop
by saynt Myldredes
churche
Manchester. J. Hall.
Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Die vier Jahreszeiten für die englische Konversationsstunde, nach
Hölzeis Bildertafeln bearbeitet von E. Towers-Clark. Zweite,
vermehrte und verbesserte Auflage. Giefsen, Roth. 4 Hefte
ä M. 0,40.
Übungen für die englische Konversationsstunde, nach Hölzeis
Büdertafeln bearbeitet von E. Towers-Clark. Heft 5 Die
Stadt, 6 Der Wald, 7 Das Hochgebirge, 8 Der Bauernhof.
Giefsen, Roth. M. 0,40 das Heft.
Die vier Heftchen, die Besprechungen über Hölzelsche Bildertafeln
der Jahreszeiten enthalten, liegen hier in einer zweiten Auflage vor. Dem
ersten ist ein längerer Abschnitt Elementary Questions vorangesetzt, die
der Lehrer bei den anderen selber nach Belieben hinzufügen kann, wie
der Herausgeber in der Vorrede sagt. An einigen Stellen sind neue
Fragen eingeschaltet oder längere Fragen in zwei zerlegt. Warum aber
auf S. 18 statt der in der ersten Ausgabe gestellten Frage What are they
called? in der zweiten die Fassung lautet How are tJiey called?, ist mir
nicht ersichtlich. Die meisten gebildeten Engländer halten hoiv darin für
unrichtig. Die zweite Eeihe enthält Fragen über die Bilder, welche eine
Stadt, einen Wald, ein Hochgebirge und einen Bauernhof darstellen. Sie
sind geschickt gearbeitet, aber ich kann über ihre Verwendung nur das
Urteil wiederholen, das ich im Archiv Bd. XCII ausgesprochen habe.
Berlin. Ad. Müller.
L. Bahlsen und J. Hengesbach, Schulbibliothek französischer und
englischer Prosaschriften aus der neueren Zeit. Abteilung II:
Englische Schriften. Berlin, Gaertner, 1894/5.
15. Bändchen: The Prince and the Pauper by Mark Twain.
Herausgegeben von Dr. E. Lobedanz. Nebst einer Karte von Alt-
London. VI, 166 S. 8.
Die reizende Geschichte von Mark Twain ist hier um mehr als die
Hälfte gekürzt, damit ihre Lektüre in einem Halbjahre bewältigt werden
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 313
kann. Es bleibt zwar immer noch manches Interessante übrig, aber es
ist doch zu bedauern, dafs so viel fortgeschnitten ist. Der Herausgeber
hat einen Anhang von 13 Seiten hinzugefügt, worin er die in dem Buche
'vorkommenden altertümlichen, dialektischen oder seltenen Formen, Wör-
ter, Redensarten und Konstruktionen den gebräuchlichen neu-englischen
Ausdrücken' gegenüberstellt. Die Mehrzahl dieser Bemerkungen ist durch-
aus überflüssig. Soll man nicht Formen wie thy, thou, dar' st thou, thou'st,
'tis als bekannt voraussetzen? Genügt es nicht einmal darauf hinzuwei-
sen, dafs hath u. s. w. die mittelenglische Form ist, anstatt immerfort
diese Formen zu wiederholen? Ebenso genügt eine einmalige Bemerkung
über die Auslassung von to do. She shall hie her ist gar nicht she shall
he hurriedy sondern her ist statt des Reflexivums herseif gesetzt. Warum
soll gloomy mien wohl altertümlicher sein als appearance, oder antie als
funnyt doff und don sind auch heute noch ganz gewöhnliche Ausdrücke.
Solche Bemerkungen, von denen ich nur einige angeführt habe, erwecken
in dem Schüler ganz falsche Vorstellungen und müssen fortbleiben. In
dem Anhange ist zu den Seiten 13 und 14 des Textes eine ganz falsche
Zeilenzählung eingetreten, so dafs sämtliche Nummern um 1 oder 2 zu
hoch angegeben sind. Der Stoff ist zu einer Schullektüre und zu Sprech-
übungen, die daran anzuknüpfen sind, sehr geeignet.
Berlin. Ad. Müller.
F. W. Gesenius, Englische Sprachlehre. Völlig neu bearbeitet
von Dr. Ernst Regel. II. Teil. Lese- und Übungsbuch nebst
kurzer Synonymik. Mit einem Plan von London und
Umgebung. Halle a. S., Hermann Gesenius, 1895. VIII,
235 S. 8.
Der zweite Teil der englischen Sprachlehre soll ein Lese- und Übungs-
buch für die oberen Klassen höherer Schulen sein und das Material zu
freien Arbeiten bieten, denen, nach des Verfassers Ansicht, sicherlich die
Zukunft gehört (?). Trotzdem sieht er auf der Oberstufe die Übersetzung
aus der Muttersprache in die fremde als eine gute Übung an und giebt
deshalb einen grofsen Vorrat an deutschen Übersetzungsstücken. Die
Fähigkeit, einen deutschen Text gewandt in die fremde Sprache zu über-
setzen, ist meiner Meinung nach das höchste Ziel des Unterrichts, und
jeder soll danach streben, es zu erreichen. Um die Schüler mit Land
und Leuten bekannt zu machen, sind Stücke aus Dickens, Irving, Escott,
Farrar, Collier, White u. s. w. zusammengestellt, die über das Familien-,
Schul- und Universitätsleben handeln und uns in das Treiben von London
einführen. Es sind mit Geschick teils unveränderte Stellen des englischen
Originaltextes abgedruckt, teils wörtlich, teils freier ins Deutsche über-
setzt oder bearbeitet, so dafs dadurch ein recht brauchbares Buch ent-
standen ist. Mir scheint es indessen unnötig, in einem Lesebuch für
obere Klassen durch gröfseren Druck die Aufmerksamkeit der Schüler
z. B. auf so bekannte Formen wie eome, work im Plural, die Infinitive
314 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
live, lie down, oder auf lives, lilces, driving u. s. w. hinzulenken, oder gar
in dem Stück über die Präpositionen jede darin vorkommende Präposition
durch grofsen Druck auszuzeichnen.
Berlin. Ad. Müller.
German Classics edited with Introduction, Notes and Index by
C. A. Buchheim. Vol. XII. Goethe's Dichtung und Wahr-
heit (The First Four Books). Oxford, Clarendon Press,
1894. XX, 317 S. 8.
Die vier ersten Bücher von Goethes Selbstbiographie sind hier für
Engländer herausgegeben, damit sie teils als Einleitung zum ganzen Werke
dienen, teils den Leser dazu anreizen, das ganze Werk zu studieren. Der
Herausgeber spricht deshalb, nachdem er in seiner Vorrede eine kurze
Wertschätzung des Werkes gegeben und seine Grundsätze über die Art
der Anmerkungen u. s. w. auseinandergesetzt hat, in dem ersten Teile
seiner Einleitung von dem Anlafs und der Geschichte des Werkes, wäh-
rend ein zweiter Teil eine kurze Übersicht über den Inhalt des gesamten
Werkes enthält, dem sich eine Genealogie Goethes anschliefst, soweit sie
für die vier Bücher nötig ist. Der Text ist nach der grofsen Weimarer
Ausgabe gegeben, doch ist die neue Orthographie eingeführt. Warum
aber in den Anmerkungen zu S. 10, 10 'Prospeckt' und zu 54, 5 'Tech-
nick' gedruckt ist, während der Text nur k hat, kann ich nicht einsehen.
Der Plural von Stock (story) S. 12, 4 ist gewöhnlich jetzt Stockwerke
und nicht Stocke. Selbst wenn dieser dialektisch irgendwo noch vor-
kommt, hätte der Herausgeber doch aufmerksam machen sollen, dafs
der gewöhnliche Sprachgebrauch heute nicht mehr die Goethesche Form
hat. Etwas Ähnliches gilt von den Wörtern Wachstum (S. 40, 26) und
Pult (S. 47, 4), die von Goethe wohl als Masculina gebraucht sind, von
denen man aber heute Engländer nicht mehr lehren kann : used hoth 7nasc.
and neuter. Ebensowenig richtig scheint mir die Anmerkung zu S. 54,12:
The form Pappenarbeiten ... is like that of Pappendeckel the correct one;
but in colloquial speech the syllable en is generally dropped. Die kürzere
Form ist heute nicht nur colloquial. Die Aussprachebezeichnung von
'Serge' durch ^Sxersche' ist für einen Deutschen unrichtig, für einen Eng-
länder ganz unverständlich. Zu der Form 'gleiteten' auf S. 58, 19 sollte
wohl eine Anmerkung gemacht werden. Die Anmerkung zu S. 40, 27:
Diintxer recommends the reading verwandter Gewächsen, making this ex-
pression dependent on von ; but Loeper adopts the reading verwandter Ge-
wächse. The Weimar edition has verwandten Gewächsen, explaining it
OS an intentional ehange of the eases ist mir unverständlich. 'Verwandten
Gewächsen' hängt von von ab, während 'verwandter Gewächsen' gar
keine richtige Form ist. Die Anmerkungen enthalten viel Belehrendes
für Ausländer, und das Buch ist ein gutes Hilfsmittel für das Studium
des Deutschen.
Berlin. Ad. Müller.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 315
Adolf Tobler, Vermischte Beiträge zur französischen Grammatik.
Zweite Eeihe. Leipzig, S. Hirzel, 1894. Vm, 250 S.
Mit Befriedigung wird mancher der Thatsache gewahr werden, dafs
Tobler in den hier zu einem stattlichen Bande vereinigten neuen Bei-
trägen zur französischen Grammatik in weit höherem Mafse, als man dies
sonst aus seinen Arbeiten gewöhnt war, die neuere und neueste Sprache
in den Kreis seiner Betrachtungen gezogen hat. Dafs bei diesem Ver-
fahren für den Verfasser keine anderen als dem Bedürfnis nach im höch-
sten Sinne des Wortes wissenschaftlicher Erforschung der sprachlichen
Erscheinungswelt entstammende Motive mafsgebend waren, sollte beson-
derer Bekräftigung nicht benötigen, und so werden die Fachgenossen nicht
ohne Beschämung hinnehmen, dafs Tobler selbst sich gedrängt gefühlt
hat, jeder etwaigen Verkennung seines durch keinerlei sekundäre Rück-
sichten zu beeinflussenden wissenschaftlichen Standpunktes in .scharfen
Wendungen vorzubeugen. Erfreulich ist jedenfalls die gerechtfertigte Er-
wartung, dafs die neuen Beiträge infolge ihrer soeben gekennzeichneten
Eigenart die Teilnahme auch aller derer finden werden; denen, ohne dafs
sie eigentlich romanistische Studien treiben, an einer vertieften Erkennt-
nis der sich in der modernen Sprache darbietenden Erscheinungen ge-
legen ist, die sich an den in den landläufigen Schulgrammatiken aus
pädagogischen Gründen oftmals absichtlich nur oberflächlich und kritik-
los versuchten Deutungen nicht genügen lassen wollen, kurz, denen es
um das Wesen der Dinge zu thun ist, um die Wirklichkeit, nicht um
den Schein. Und die so denken, werden den Verfasser auch gern in die
Vergangenheit der Sprache begleiten und die gelegentlichen fruchtbaren
Ausblicke auf nahe verwandte oder entlegenere Sprachgebiete mit Genug-
thuung begrüfsen, froh des Gefühles der stetig wachsenden, allmählich zu
voller Erkenntnis reifenden Einsicht in das eigentliche Wesen romanischer
Sprachbethätigung.
Abgesehen von den unter 11, 12 und 21 vorgeführten Abschnitten,
die nunmehr zum erstenmal im Druck erscheinen, sind die hier zusammen-
gestellten Aufsätze den Romanisten aus den Bänden 11, 12, 13 der Gröber-
schen Zeitschrift, den Sitzungsberichten der Berliner Akademie vom Jahre
1891 und den in demselben Jahre Heinrich Schweizer- Sidler gewidmeten
Thilologischen Abhandlungen' bereits bekannt geworden. Es genügt
daher, an dieser Stelle in eine kurze Kennzeichnung des neu Dargebotenen
einzutreten ; was ich, angeregt durch einige auch innerhalb der älteren Auf-
sätze gethane Aufserungen, aus eigener Beobachtung beizutragen habe, ist
zwar äufserst bescheiden, verdient aber doch vielleicht einige Beachtung.
In dem Abschnitte Nr. 11 beschäftigt sich Tobler mit dem bereits
durch Diez III^, 74 aus dem Südwesten des romanischen Sprachgebietes
nachgewiesenen pleon astischen Auftreten eines possessiven Adjektivs dritter
Person in Verbindung mit einem Substantiv, 'das eine den Besitzer an-
gebende Bestimmung, bestehend aus de und einem Casus ohliqims, bereits
bei sich hat'. Die auch deutscher volkstümlicher Ausdrucksweise geläu-
316 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
fige Erscheinung, für die Tobler in Ergänzung von anderen gelieferter
Beiträge weitere Stellen aus provenzalischen, katalanischen und italieni-
schen Denkmälern gesammelt hat, scheint im Altfranzösischen nur selten
zu begegnen, wenn auch häufiger, als man nach Diez glauben sollte.
Aufser der nicht ganz zuverlässigen Stelle Rou 1073, auf die schon Diez
aufmerksam machte, kennt Tobler nur fünf Belege, von denen der erste
aus Bari. Jos. wiederum nicht ganz sicher ist. In dem folgenden Auf-
satze (Nr. 12) wird der Diez II 3, 87 nur aus dem Spanischen und Portu-
giesischen bekannt gewordene, aber auch im Alt- und Neuitalienischen
nicht unerhörte Gebrauch von suus an Stelle von illorum aus einer statt-
lichen Anzahl nur zum kleinsten Teile auf lateinischen Vorlagen be-
ruhender Denkmäler auch für das Altfranzösische nachgewiesen.
Der die unscheinbare Überschrift 'Adjektiv in Substantivfunktion'
tragende Aufsatz Nr. 21 geht aus von den einfach liegenden Fällen, in
denen ein Adjektiv selbständig entweder so auftritt, dafs ein von dem-
selben determinierter substantivischer Oberbegriff in der Sprache zwar
unterdrückt erscheint, aber doch jedesmal von dem Bewufstsein mühelos
und unmittelbar reproduziert wird {une droite, sc. ligne), oder so, dafs
mit dem Adjektiv ohne weiteres die Vorstellung eines zuweilen in seinem
Geschlechte gekennzeichneten menschlichen Wesens verknüpft ist {le riche,
une vieille). Im Anschlufs daran werden alle die Fälle entwickelt, in
denen bei gleicher Verwendung des Adjektivs das Vorhandensein eines
bestimmten Seienden im Bewufstsein des Redenden ausgeschlossen er-
scheinen mufs. Jeder Versuch, die in sauberster Gliederung und feinster
Begründung mit Hilfe umfassendster Kenntnis vorzugsweise der neuesten
Litteratur durchgeführte Untersuchung hier kurz wiederzugeben, könnte
derselben nur Eintrag thun. Deshalb sei jedem, der Wert darauf legt,
ein Stück echt Toblerscher Geistesarbeit kennen zu lernen, das Studium
des Aufsatzes, der durch die Heranziehung im Lateinischen, Griechischen,
Deutschen, Spanischen und Portugiesischen anzutreffender gleicher oder
ähnlicher Erscheinungen ein allgemein sprachwissenschaftliches Gepräge
gewinnt, ganz besonders dringend anempfohlen.
Zu S. 37. Zu der Konstruktion non sono potuta venire anstatt non
ho potuto venire, an die aufser den bereits von Tobler beigebrachten Ana-
logien auch die auffallende Stellung des Präfixes re in Revolex vos a Troie
aler? Eneas 5684, Dont refu fais Elidur rois Si com il ot este anqois, Brut
3638 erinnert, verweise ich auf E. Kades Ausführungen in der Zs. f. rom.
Phil. VII, 576 ff. Ältere französische Beispiele sind: Li maresehaux n'estoit
voulu venir a lui, Livre de la Conqueste S. 412; Vous estes volue apparoir,
Mir. N. D. I, S. 19, 460; Sur Vasnesse est volu monier, Greban 16135;
Devers vous suys voullu venir, Gring. II, 107; oder bei reflexiven Zeit-
wörtern : Et le duG Loys, son frere, qui de Qrenoble ne se estoit voulu partir
tant que sa seur fust contente, remercia les seigneurs, Chron. Loys Bourb.
S. 261; s'il ne s'en fust voulu abstenir, C. d'Artois S. 142; les troys estatx
ne s'etoient voulu (ohne s) condescendre, Arch. cur. 1® serie, t. II, 349, was
auch für die Sprache unserer Zeit noch möglich ist, da man noch heute
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 317
findet: La pauvre fille se voulait bt'iser la Ute, Ars^ne Houssaye, La P^-
cheresse S. 142. Gegenüber einem Satze wie Cuens Äymeris s'est ja fet
(lies fez) herbergier, Aym. Narb. 1186 ist zu betonen, dals auch er siph
von der ursprünglich einzig denkbaren Fassung s'a fet, wie sie vorliegt
in ear nuns ne puet En grant pris par armes monter, S'afi^ois ne s'a fait
adouher^ Biausdous 488, infolge derselben Irreleitung der Vorstellungen
entfernt hat.
S. 61. Das Hilfszeitwort avoir in Verbindung mit den zusammen-
gesetzten Zeiten reflexiver Verba wird von modernen Schriftstellern ge-
legentlich verwendet, um volkstümliche Kedeweise zu kennzeichnen: Je
m'ai dit alors: Venfant a bon cceur, Edm. de Goncourt, Fille Elisa 234;
Je m'en ai aper^u souvent sans rien dire, Maupassant, Bei- Ami 175, oder:
C'est tout ä l'heure en voulant s'accrocher pour monier ä bord, qu'elle s'a
enleve ses ongles, Loti, Matelot 251. So auch in Malm^dy: apre s'avcer
rvmetu pn. miet' dv loex estumakety = ajjres s' avoir (s'etre) remis une
miette de leur surprise, Z^liqson, Aus der Wallonie, Progr. Metz 1898,
S. 10. Damit ist aber die Beliebtheit und Lebensfähigkeit dieses Ge-
brauches gerade in der ungekünstelten Sprache des Volkes genugsam er-
wiesen (s. auch Archiv XCII, 465, wo zuletzt ältere und neuere Beispiele
zusammengestellt wurden).
S. 88, Anm. 1. Die nach dem Muster von envoler, enfuir, emmener
u. dergl. heutzutage sich vollziehende, von Tobler aus hochangesehenen
Autoren der Neuzeit belegte enge Verschmelzung des Adverbiums en mit
aller in s'en aller, die sich in Fügungen wie il s'est en alle äufsert (ein
Beispiel aus Zola, Pot-Bouille 296, gab ich im Archiv XCII, 448), ist
schon in der alten Sprache anzutreffen ; ich finde Et lors ycelui suppliant
se fust parti et s'en alle oudit chastel in einer Urkunde vom Jahre 1391,
S. d'Angl. LXX. Die Wiederholung von se vor en darf nicht wunder
nehmen, da die Sprache vor en das Reflexivpronomen erklingen zu hören
von altersher gewöhnt war. Die Neuschöpfung des Kompositums s'enaller
(vgl. pikard. dale aus end aler, Meyer-Lübke II, 629) scheint übrigens in-
folge der Nähe der aus en (> in) -f- Simplex gebildeten Komposita eine
Verkennung des eigentlichen Wesens des Adverbiums en nach sich ziehen
zu sollen. So erkläre ich mir wenigstens die von Littr^ s. v. aller tadelnd
gekennzeichnete, aus Schriftwerken jedoch bisher nicht nachgewiesene
doppelte Setzung von en, wie sie vorliegt in Vous me direz, quand ils
s'en seront tous en alles, Catulle Mend^s, Maison de la Vieille 370, oder
bedeutet die hier angerichtete Verwirrung nur den verunglückten Versuch,
eine zunächst auf Abwege geratene Vorstellung nachträglich wieder in
die rechte Bahn zu lenken? Bei anderen Zeitwörtern ist übrigens die
doppelte Setzung von en schon in älterer Zeit nachzuweisen. So wendet
sich Th. Corneille gegen mifsbräuchliches ils s'en sont enfuis, zu Vaugelas
II, 182, und schon lange vor ihm findet sich Dont il s'en enssuit ung
grant mal bei Gring II, 182.
S. 160. Die von Tobler an seine Erörterungen über die neufranzö-
sischer Rede eigene Ausdrucksweise ä des dettx heures, ä des trois heures
S18 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
u. s. w. = oft schon um zwei, drei Uhr geknüpfte, aber offen gelassene
Frage nach der Zulässigkeit von ä des une heure in der gleichen Bedeu-
tung giebt dem Zweifel Ausdruck, ob die Funktion, die der pluraiische
Teilungsartikel des, soweit nachgewiesen, ausschliefslich bei einer Mehr-
zahl gewisser Zeiteinheiten auszuüben berufen scheint, auch da noch mög-
lich bleibt, wo nur eine einzige Einheit von demselben Umfange in Be-
tracht kommt. Beispiele für ä des une heure vermag auch ich nicht bei-
zubringen, doch möchte ich deswegen die Möglichkeit dieser Wendung
nicht in Abrede stellen, zumal verwandte Erscheinungen im Leben der
Sprache nicht eben selten begegnen. Um auszudrücken, dafs der Eintritt
eines Ereignisses nicht genau mit dem Ablauf einer zahlenmäfsig be-
stimmten Tagesstunde zusammenfällt, bedient sich das Französische der
Präpositionen sur oder vers in Verbindung mit der Stundenzahl, die dann
häufig den bestimmten Artikel vor sich nimmt, und zwar wird, da es sich
öfter um eine Mehrzahl von Stunden, die seit zwölf Uhr verflossen sind,
handeln wird, der Plural des Artikels häufiger zur Verwendung gelangen,
als der bei une heure, midi und minuit zu erwartende und auch wirklich
begegnende Singular {sur le midi, sur le minuit, vers la 7ni-nuit, SchefFer,
Misere Eoyale 39). Das Sprachgefühl wird also, irregeleitet durch die
häufigen Fälle, in denen die Verbindung vers les, sur les erscheint, mit
dem Pluralis leicht die Vorstellung einer nicht mit voller Sicherheit an-
zugebenden Tagesstunde verknüpfen und ihn dann auch da setzen, wo
sein Gebrauch sonst nicht zu rechtfertigen wäre. Daher: La princesse
est rentree sur les une heure du matin, E. Sue, Martin (ed. Kollmann)
VII, 96 ; Les invites de Mlle Juliette quitterent l'hdtel vers les une heure du
matin, eb. VII, 35; ähnlich E. Sue, Myst^res de Paris, ed. Bruxelles 1843,
II, 103, und aus dem Departement de la Charente: Quand il arrive sur
les minuit Queu pauv' Renaud l'äme rendit, Rolland, Eecueil de Chans,
pop., Paris 1887, III, 37. Ein solcher Wandel wird überall da leicht ein-
treten können, wo, wie dies bei den schon besprochenen Erscheinungen
der Fall ist, aus einer Eeihenfolge gleichartiger, dieselben Funktionen
ausübender Wortgestaltungen oder syntaktischer Fügungen eine oder meh-
rere infolge ihrer grammatischen Eigenart heraustreten und daher ur-
sprünglich einer anderen Behandlung teilhaftig werden, als die sonstigen
Angehörigen derselben Reihe. Die auch von Tobler (Versbau^ 54 und
Sitzungsber. der Berl. Akad. 1893, S.-A. S. 6) geteilte Anschauung der
Acad. fran§., dafs onxe, welches übrigens noch heute nicht nur bei Dich-
tern, sondern auch in familiärer Rede Elision des tonlosen e vor sich
duldet {je crois qu'il n'est pas hin d'onze heures, Pierre Mael, Derni^re
Pens^e 56), aspiriertes h erhalten habe und daher in jedem Falle dem-
entsprechend behandelt werde (Gram. d. Gram. I, 31), scheint mir un-
haltbar. Ich glaube vielmehr mit Vaugelas I, 156, dafs on%e allmählich,
vereinzelt schon im Altfrz.: Le onxiesme jour du moix de Mars (a. 1390),
Hist. de Metz, Nancy 1781, IV, 398, mit gröfserer Entschiedenheit seit
dem 16. Jahrhundert, durch das Vorbild seiner konsonantisch anlautenden
Nachbarn zu dem heute üblich gewordenen Verhalten veranlafst wurde.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 319
Man vergleiche dazu den Wandel von deutschem elf zu ölf nach dem
Muster von xwölf, s. Wallensköld, Abhandl. z. E. Toblers 299, wo auf
Nyrop, Adj. Könsb. 44 verwiesen wird. Wie mit onxe, wird auch mit un,
une verfahren, wenn es so gebraucht ist, dafs zu gleicher Zeit eine oder
mehrere andere Glieder der Zahlenreihe im Bewufstsein des Redenden
lebendig werden, De ime heure ä deux du matin, Figaro, 11. Juni 1893,
Spalte 3; le toit du petit hangar eleve du sol de un metre quatre-vingts
centimetres seulement, Petit-Parisien, 30. Juli 1895, S. 2, Z. 5; Mais, made-
moiselle, vous avex gagne. Vous avex Vas. — Mais non; je n'ai que le un
et le sept. — Eh hieti! le un, c'est l'as . . . en style noble, Henry Kabusson,
Bon Garyon S. 10. Ob auch huit, altfrz. uit > octo hierher zu stellen ist,
bleibt zweifelhaft, da nach G. Paris die Aspiration durch die Eigenart des
Diphthongen ui herbeigeführt zu sein scheint, daher auch die vulgäre Aus-
sprache vuit, wie voui für oui, Revue Critique, 2® sem. 1867, 295; immer-
hin könnte sich dieser Prozefs erst im Neufranzösischen vollzogen haben.
An den aus dem Provenzalischen, Altfranzösischen, Catalanischen und
Spanischen bekannten Übertritt des s von Martis dies, Jovis dies, Veneris
dies in Lunce, Mercurii dies und dies Dominica (Diez, E. W. svv.) erinnert
der Mittwoch, dessen alte Form die Mittwoch durch den Einflufs der Namen
der übrigen Wochentage verdrängt wurde (Grimm, D. W. s. v.). Wie
anderthalb für anderhalb sein t aus dritthalb, vierthalb u. s. w. herüber-
genommen hat (Grimm, D. W. s. v.), so kann volkstümliches dettsse, troisse,
Cat. Mend^s, Maison de la Vieille 360, sein tonloses s, wenn es nicht ur-
sprünglich ist, einer Einwirkung von six, dix, cinq, sept, huit, neuf ver-
danken, und die Verwendung von mil für milie, mille in XX. mil Che-
valiers, Rol. 548 ; sept mil, Mort Garin S. 40 ; deux mil et quatre mil mors,
Chron. Loys Bourb. 169; quatre vingtx mil, Jean Lemaire, 111. Gaule liv.
III, fol. XIX V. erhält durch die Einheitlichkeit von cent den Schein der
Berechtigung. Von einer Beeinflussung des Vokalismus von viginti durch
sekundäres treginta neben tr.iginta ist bei Meyer-Lübke I, 495 die Rede.
Findet man nun vinte dous, Rois 299 (und öfter), und sichtbar mit syl-
labischer Geltung des e in Nes se il fussent vinte quatre, Flor. Ms. F
fol. 87 a; La vinte tißrce herbe est creue sur les autres, Adgar (Neuhaus)
S. 31 ; Des serjanx aus noires gonneles Ot la, ce croi, cele semaine Navrex
une vinte-cinquaine, GGuiart VIII, 8979, so könnte, wie schon Alfred
Schulze, Predigten d. Heiligen Bernhard S. 396 für vinte quatre eb. IV, 22
annahm, in der That ebenfalls Anbildung an trente, quAirante etc. vor-
liegen, stünde nicht die Möglichkeit entgegen, das e als die Darstellung
der in der alten Sprache an dieser Stelle bevorzugten Konjunktion et auf-
zufassen. Diesen Wert hat doch das e wohl ohne Zweifel in diseseptime,
Peros de Nesle bei Fr. Michel, Chron. Anglo-norm. III, S. XXVII, dise-
nwußsmes, eb. S. XXXIII, dixeneuf, Jean Lemaire, lUustr. Gaule liv. III,
fol. XIII V. Wie dem auch sei, die heute gültige Aussprache von vingt-
deiix, vingt-trois, vingt-quatre u. s. w. mit lautem t, die noch immer stark
an trente erinnert, sowie die von dix-neuf mit tönendem s, bleibt derselben
doppelten Deutung fähig. Auch minuit sonnerent, Zola, CEuvre 302, neben
320 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
midi sonnait, Bourget, Terre Promise 95, midi venait de sonner, Cat. Men-
d^s, Maison de la Vieille 401, une heure sonna, Zola, CEuvre 148, wird nicht
ohne weiteres aus onxe heures, dix heures sonnerent u. s. w. hervorgegangen
sein, da hier minuit von der ungeduldig des Gatten harrenden Christine
nicht als ein Ganzes, sondern als eine langsam sich vollziehende Addition
von zwölf einzelnen Schlägen empfunden wird. Wohl aber gehört mit
Sicherheit in diesen Zusammenhang die an septembre, novembre, decembre
angelehnte Neubildung octembre, Villeh. (P. Paris) 165; Stavelot 76, 139;
: septembre, Bouteiller, Guerre de Metz en 1324, 176, 141, und auch neu-
poitevinisches Janvre für janvier, Favraud, CEuvres en pat. poit. (1884)
S. 9 dürfte sein r aus fevrier bezogen haben, um so eher, als chanvre >
cannabim auf diesem Gebiete charbe lautet, s. Favraud a. a. 0. S. 14 und
Jaubert, Gloss. C. Fr. I, 230, und umgekehrt wird die Metathesis des r
in frevier (a. 1444), Chron. M, S. Michel II, 166 unter dem Einflufs von
janvier vor sich gegangen sein. In weiterem Sinne rechne ich hierher
rovTos, ravTT] für ovros, avTTj; tuites et tuit, Mir. N. D. IV, 184, 980, für
toutes et tuit, Claris 21403; dieux et dieuesses, Prosa-Cliges 296, 34; beneir
und maleir (s. meine Studien z. frz. Konj. auf ir S. 30, Anm. 2), benis-
sons und maudissons, Rom. 15, 437; sui, sue > sutu, Hilarii Versus et
Ludi S. 27 — 28, je seus, Jaubert, Gloss. C. Fr. I, 412, und nous suymes
für sommes, G. Paris, Chans, pop. XV^ sifecle, XX, 26 ; Mist. V. Test. impr.
G III, 59; Oresme, Ethique bei God. III, 644, Sp. 1, oder siiemes, Mont.
Fabl. II, 121 ; das in deutscher Kindersprache gelegentlich erklingende
wir binnen neben ich bin, Nord und Süd Bd. 72, 402; Nepturnus und
Saturnus, E. Desch. (Anc. T.) I, 80; I, 268—9.
Der zuerst in den Sitzungsberichten 1882 veröffentlichte Aufsatz 'Ver-
blümter Ausdruck und Wortspiel in altfranzösischer ßede', der hier im
Anhang wieder erscheint, wird auch in seiner neuen, bedeutend umfang-
reicheren Fassung von den Fachgenossen mit dankbarer Freude entgegen-
genommen werden.
Potsdam. A. Eisop.
Georg Schlaeger, Studien über das Tagelied. Jenenser Disser-
tation. Jena 1895. 89 S. 8.
Die anregende, über dem Durchschnittsniveau stehende Dissertation
Schlaegers zerfällt in drei Abschnitte. Den ersten bildet eine Besprechung
der mit den Worten Oaite de la tor beginnenden altfrz. Aube, die schon
wiederholt in gar verschiedener Weise interpretiert worden ist. Das noch-
mals nach dem Faksimile^ abgedruckte Gedicht wird mit einigen Kon-
jekturen versehen, von denen mir die V. 37 tor (Hs. flor) besonders bemer-
kenswert erscheint. Schlaeger fafst die Situation dieser unechten Aube
folgendermafsen auf: Der Liebhaber, der bei seiner Ankunft durch eine
^ Le Chansonnier fran^ais de St. Germain des Prfes (Bibl. Nat. fr. 20 050).
Reproduction phototypique avec transcription par P. Meyer et G. Raynaud t. I,
fol. 83. Paris 1892 (Soc. d. a. t. f.).
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 321
verdächtige Gestalt erschreckt worden war, ermahnt den Wächter zur
Achtsamkeit (Strophe 1) und würde der geliebten Dame das Liebeslied von
Blancheflor vorsingen, wenn er nicht den Verräter fürchtete (Str. 2). Die
drei folgenden Strophen sollen den zum Teil neckischen Dialog zwischen
den Liebenden enthalten. Die beiden letzten Strophen, in denen der
Eitter dem Wächter gegenüber sein eben genossenes Glück schildert und
den Tag verwünscht, bedürfen keiner besonderen Erklärung. Das bal-
ladenartige Gedicht zerfällt somit in drei Scenen, und diese Dreiteilung
erscheint in der That durch die jeweilige Gleichmäfsigkeit des Eefrains
begründet. Durchaus einleuchtend ist Schlaegers, übrigens, wie es scheint,
bereits von Leroux de Lincy angenommene Auffassung des roheor in der
vierten Strophe: der einzige Räuber ist der Liebhaber. Allein die ganze
vorgeschlagene Erklärung, so geistreich und bestechend sie auch ist, hebt
gleichfalls nicht alle Schwierigkeiten auf. Ein so feiger Ritter, wie ihn
Schlaeger annimmt, erscheint von vornherein fraglich; dafs er, kaum mit
der Dame vereint, zuerst den Lai von Blancheflor singen will, mag man
noch hingehen lassen, dafs er aber gleich darauf aus Angst den Wunsch
äufsert, in diesem Augenblick lieber in friedlichem Schlaf zu liegen, er-
scheint mir denn doch gar zu gezwungen. Wenn der Dichter eine solche
Angst des Ritters hätte schildern wollen, so hätte er für dormiroie ver-
mutlich eher hin seroie oder m'en iroie gesetzt. Dies Wort dormiroie ist
im Munde eines Wächters entschieden besser angebracht, und ich bin
noch keineswegs davon überzeugt, dafs der ganze zweite Teil des Ge-
dichtes (Str. 3 — 5) nicht ein Dialog zwischen zwei Wächtern sein könne.
Freilich dürften alsdann jeweilen die beiden letzten Verse des Eefrains
nicht zu diesem Dialog gehören; sie sind vielmehr den Liebenden oder
einem derselben zuzusprechen und sind etwa als spöttische Nachahmung
des gehörten Hornstofses aufzufassen. Denn für völlig verfehlt halte ich
Schlaegers Erklärung des Hu et hu. wonach diese Laute durchweg als
Ausruf des jeweilen Redenden zur Bezeichnung der verschiedensten Stim-
mungen anzusehen sind. Es ist durchaus nicht nötig, dafs der Hornstofs,
wie der Verfasser meint, nur einmal erfolgt sein müsse.
Der zweite Abschnitt enthält zunächst allgemeinere Erörterungen
über die Gattung der Alba, Aube oder Tagelied, und Schlaeger scheidet,
wie mir scheinen will, gar zu schroff zwei Gruppen, von denen er nur
der einen, derjenigen nämlich, welche eine fingierte Situation mit kon-
ventionell ritterlichen Zügen darstellt, die Bezeichnung Alba, Aube, Tage-
lied zusprechen will. Die andere Gruppe wird dadurch gekennzeichnet,
dafs sich in der Erfassung der Situation nichts Gemachtes, nichts
Unwahres, nichts Fernliegendes findet, dafs ferner darin alles
persönlicher Entwickelte zu Gunsten des allgemein Empfundenen zurück-
tritt. Gedichte dieser Art, aus dem Vollen geschöpfte Erzeugnisse un-
reflektierter Poesie können in den verschiedensten Ländern ganz unab-
hängig voneinander erwachsen; das gelte dagegen nicht für die ritterlich
konventionelle Alba, bezw. für die Aube und das Tagelied.
Um nun den Grundtypus der so auf höfische Gedichte begrenzten
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 21
322 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Gattung zu erhalten, untersucht Schlaeger die echten provenzalischen
Albas, und er bringt zu deren Erklärung mancherlei Beachtenswertes bei.
Als das wesentlichste Merkmal des Tageliedes wird der Wächter bezeich-
net. Diese fast allgemein geteilte Auffassung — Giske (Zs. f. d. Ph. XXI.
244) gebraucht fast dieselben Worte — ist gewifs ganz richtig. Da aber
Schlaeger selbst (S. 80) zugiebt, dals das Wächtermotiv im Tageliede zu-
nächst nicht die Hauptsache ist, sondern dafs es, ursprünglich neben-
sächlich, sich immer weiter entwickelte, so brauchte er meines Erachtens
die von Bartsch, Levy und eigentlich doch auch von Jeanroy und G. Paris
angenommene Entwickelung : 1) Wächter lediglich als Tagesverkündiger,
2) Wächter als vertrauter Warner, nicht als gewagt zu bezeichnen. In
der altertümlichsten und poetischsten Alba En un vergier sotx folha d'al-
bespi läfst sich über die Stellung des Wächters zu den Liebenden gar nichts
ersehen. Er kann mit gleichem Eecht als blofser Tagesverkündiger wie
als Warner aufgefafst werden ; mir erscheint das erstere wahrscheinlicher.
Schlaeger geht dann zu den Abarten der provenzalischen Alba über,
die durch drei weltliche und vier geistliche Lieder repräsentiert werden;
er zeigt dabei, dafs sich in ihnen die Einflüsse der echten Alba auf
ganz äufserliche, belanglose Einzelheiten beschränken, und dafs vielmehr
diese Gedichte ihrer Grundsituation nach auf biblischer, bezw. kirchlich
traditioneller Grundlage beruhen. Durch die interessanten Ausführungen
Eoethes ^ angeregt, setzt der Verfasser den Einflufs alter kirchlicher Sym-
bolik gut auseinander; in der Auffindung von Parallelstellen aus der
Bibel scheint er mir etwas zu weit zu gehen.
Nach alledem kehrt Schlaeger zu der altfrz. Aube zurück, von wel-
cher er ausgegangen war. Dies in der Champagne oder in Lothringen
entstandene Gedicht weist einige wesentliche Züge der echten Alba auf,
doch es entfernt sich durch seinen bailaden artigen Gesamtcharakter w^eit
von dem provenzalischen Typus. Ob die meisten und besten originellen
Züge dieser Aube, wie Verfasser meint, unbedenklich dem Dichter zu
gute zu schreiben sind, läfst sich mit solcher Bestimmtheit nicht sagen. —
Weit geringer noch als in dieser Aube sind die Spuren der höfischen
Alba in anderen französischen Gedichten, die von Jeanroy und anderen
zu der besagten Gattung gerechnet worden sind. Dadurch erhält die
übrigens keines Beweises mehr bedürftige Ansicht eine Stütze, dafs das
Tagelied in Nordfrankreich bei weitem nicht so gepflegt und verbreitet
war wie etwa in Deutschland.
Um nun im dritten Abschnitt der Abhandlung dem Ursprung der
Alba nachzugehen, wird zunächst die bekannte älteste lat.-prov. Alba
einer Betrachtung unterzogen. Schlaeger nimmt die Interpretation Suchiers
an, nur mit der Änderung, dafs umet mar als das 'feuchte Nebelmeer'
anzusehen sei. Eine völlig befriedigende Erklärung der rätselhaften Worte
wird dadurch nicht erreicht. Auch Schlaeger weist die Vermutung, dafs
man es bei diesem Gedicht mit einem Tagelied zu thun habe, zurück,
* Vgl. Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Litteratur XVI, 8G ff.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 323
und zwar weil das Liebespaar eine zu untergeordnete Rolle spielen und
weil auf den Trennungsmoment nicht hingewiesen würde. Laistners und
Roethes Spuren folgend, erklärt Schlaeger das ganze lat.-prov. Gedicht
für einen Hymnus. — Im Gegensatz zu Roethe wird darauf die Ent-
wickelung der Alba aus der Hymnenpoesie zurückgewiesen, desgleichen
die durch Gedanken Schacks hervorgerufene Vermutung Ottos,' dafs sich
die in Frage stehende Gattung aus der arabischen Dichtung entwickelt
habe. — Schlaeger wendet sich schliefslich an das klassische Altertum ;
er führt eine Reihe von Stellen bei Ovid an, die, weil wenig beweisend,
nach dem Verfasser selbst als direkte Quellen des Tageliedes nicht in
Betracht kommen können; endlich macht er auf den pseudo-
ovidischen Brief Leanders an Hero (Ep. XVII) V. 105 ff. auf-
merksam, in welchem sich allerdings wesentliche Merk-
male der Alba vorfinden. Die Rolle des in das Geheimnis gezoge-
nen Vertrauten spielt hier die Amme, welche die Säumenden an die
Notwendigkeit des Scheidens erinnert. Schlaeger hält es für wahrschein-
lich, dafs diese pseudo-ovidische Stelle den Ausgangspunkt für die Alba
gebildet habe; es lasse sich nicht bestimmen, ob das Albamotiv unter
Verwertung anderer ähnlicher Stellen zunächst in lateinischen Vaganten-
liedern Verwendung fand oder in die Volkssprache zuerst durch einen
gelehrten Troubadour eingeführt wurde; die letztere Annahme habe eher
Anspruch auf Wahrscheinlichkeit, weil die anonyme prov. Alba: En un
vergier sotx folha d'albespi in ihrem Refrain Ähnlichkeit mit den altfrz.
Chansons de toile verrate. Die Heranziehung dieser pseudo-ovidischen
Stelle ist entschieden sehr beachtenswert; sie direkt für den Ausgangs-
punkt des Albamotivs zu halten, erseheint mir immerhin gewagt. Meiner
Überzeugung nach werden vielmehr verschiedene Elemente zu der Ent-
wickelung der ganzen Gattung beigetragen haben; die Erforschung der
dabei möglichen Faktoren ist einstweilen noch nicht abgeschlossen.
Wenn man nach alledem den Resultaten, zu denen der Verfasser
gelangt, nicht durchweg beistimmen kann, so ist seine fleifsige Arbeit
dennoch als dankenswerter Beitrag zur Geschichte der mittelalterlichen
Lyrik Frankreichs zu bezeichnen; denn Schlaeger besitzt eine grofse Be-
lesenheit, er entwickelt eine Reihe neuer anregender Gedanken und er
verfügt über eine flotte, ansprechende Darstellung.
Bern. E. Freymond.
Über die Chronologie von Jean Rotrous dramatischen Werken
von A. L. Stiefel. Berlin, W. Gronau, 1893. 49 S. 8.
Sonderabdruck aus ^Zeitschrift für französische Sprache und
Litteratur' Bd. XVI.
Es ist dem Verfasser gelungen, für eine Reihe von Theaterstücken
Rotrous entschieden glaubwürdigere Daten zu gewinnen, als diejenigen
S. Zs. f. rom. Phil. XII, 519 f.
2r
324 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
sind, welche die Brüder Parfaict und die ältesten Biographen des Dra-
matikers angeben. Die Originaldrueke mit ihren Dedikationen, Druck-
erlaubnis- und Druckabschlufs-Daten, Vergleichung cler Stücke unter-
einander, Berücksichtigung der Quellen, sowie Heranziehung von drama-
tischen Erzeugnissen gleichzeitiger französischer Autoren liefern in der
Hauptsache die äuTseren und inneren Gründe, mit denen Stiefel erfolg-
reich operiert. Er kommt, teils in Übereinstimmung mit den Brüdern
Parfaict, oft abweichend von ihnen, zu folgender Chronologie der Rotrou-
schen Stücke, wobei denn einiges, wie es in der Natur der Sache liegt,
nur auf mehr oder minder gut gestützter Vermutung beruht: L'Ypocon-
driaque 1G28, La Bague de l'Oubly 1628, Les Menechmes 1631 (Parfaict
1632), Diane 1632/33 (P. 1630), Celiane 1632/33 (P. 1634), Celim^ne 1633,
Les Occasions perdues 1633 (P. 1631), L'Heureux Naufrage 1633 (P. 1634),
Filandre 1633/34 (P. 1635), La Pelerine amoureuse 1633/34 (P. 1634), Her-
cule mourant 1634 (P. 1632), Cleagenor et Doristee 1634 (P. 1630), L'Inno-
cente Infidelit^ 1634 (P. 1635), L'Heureuse Constance 1635 (P. 1631), Flori-
monde 1635 (P. 1649), Clorinde 1635 (P. 1636), Amelie 1636, Ag^silan de
Colchos 1636 (P. 1635), La Belle Alphrede 1636 (P. 1634), Crisante 1636
(P. 1639), Les deux Pucelles 1636, Les Sosies 1636, Antigene 1638, Laure
persecut^e 1638 (P. 1637), Les Captifs 1638, Iphygenie 1640, Ciarice 1641,
Belissaire 1642—44 (P. 1643), Celle 1644/45 (P. 1645), La Sceur 1645, Le
v^ritable St. Genest 1645 (P. 1646), Dom Bernard de Cabr^re 1646 (P.
1647), Venceslas 1647, Cosroes 1648, Dom Lope de Cardone 1646/47?,
1649? (P. 1649).
Nicht ganz überzeugend dürfte die Beweisführung für Clorinde sein.
Es heifst S. 29: 'dafs Clorinde so spät (d. h. 1636) nicht verfafst sein
kann, ergiebt sich daraus, dafs Amelie, die unbedingt einige Zeit nach
ihr entstanden sein mufs, selbst erst Anfang 1636 fällt.' Dafs einige
Zeit zwischen Clorinde und Amelie liege, ist durch die voraufgehende
Erörterung nur wahrscheinlich gemacht, nicht gewifs, und ein Gleiches
gilt selbst davon, dafs Amelie kurz vor den 11. März 1636 falle (S. 28). —
Dafs die Erwähnung der Waffenthaten Richelieus (1629 — 1631) in der Ode
Rotrous an den Kardinal dazu berechtige, die letztere nicht später als
1633 anzusetzen (S. 23), erscheint mir zweifelhaft; für das zu Beweisende
war es überhaupt nicht nötig, die Ode heranzuziehen. — Warum 'läfst
sich vermuten, dafs Laure grofsen Beifall gefunden'? (S. 42), und warum
'dürfte Cosroes schwerlich vor 1648 entstanden sein'? (S. 47). — Auf S. 47,
Z. 4 lies 'ihnen' statt 'ihm'; auf S. 28 Mitte 1. 'vor den' st. 'vor dem'.
Berlin. Oscar Schultz.
Über die provenzalischen Feliber und ihre Vorgänger. Rektorats-
rede gehalten von Eduard Koschwitz. Berlin, W. Gronau,
1894. 38 S. 8.
Diese kleine Schrift ist recht geeignet, in Deutschland Teilnahme für
die Bestrebungen der Feliber zu erregen, oder solche, soweit sie schon
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 825
vorhanden war,, zu verstärken. Es wird zunächst in kurzen, aber an-
schaulichen Zügen geschildert, wie es nach dem Verfalle der höfischen
Trobadordichtung zur Gründung einer heute noch bestehenden Akademie
in Toulouse kam (1P>24), welche ein poetisches Gesetzbuch ausarbeiten
liefs (1356), und welche für Dichtungen in der heimischen Sprache, seit
dem 16. Jahrhundert auch für französische Gedichte Preise in Gestalt
von goldenen und silbernen Blumen verteilte (daher 'Blumenspiele'), wie
daneben auch in anderen Teilen Südfrankreichs trotz der Herrschaft des
Französischen als Schrift- und Litteratursprache Dichter und Schrift-
steller nicht aufhörten, sich des Provenzalischen zu bedienen, d. h. jeder
seines Dialektes, und im 16. Jahrhundert Bellaud de la Bellaudi^re und
Goudouli, im 17. und 18. Jahrhundert Fran9ois de Cors^te, Claude Brueys,
Saboly, Favre u. a. sich hervorthaten, bis in der ersten Hälfte dieses
Jahrhunderts Jansemin (franz. Jasmin) auch in Nordfrankreich Anerken-
nung fand, und zugleich die ersten neuprovenzalischen Zeitungen und
Zeitschriften gegründet wurden.
Mit Aubanel, Roumanille und Mistral beginnt dann die neuproven-
zalische Renaissance. Von diesen dreien, deren bedeutendster Mistral ist
(geb. 18?)0), wurde im Verein mit anderen Mundartdichtern im Jahre 1854
der Feliberbund (Felibrige) begründet, der in vier Mantenen^ zerfällt
(Provence, Languedoc, Aquitanien, Catalonieri), alle sieben Jahre eine
Hauptversammlung mit Verteilung von Preisen veranstaltet, und deren
führende Organe jetzt die Revue Felibreenne (seit 1885) und der Aiöli
(seit 1891) sind. In ihrem Bemühen, das Provenzalische wieder zu einer
anerkannten Litteratursprache zu erheben, haben sie freilich mit einer
nicht geringen Schwierigkeit zu kämpfen, nämlich Einigkeit darüber zu
erzielen, welche Mundart den begründetsten Anspruch darauf habe, zur
ausschliefslichen Verwendung zu gelangen. Während die eine und wohl
stärkste Richtung sich für das Rhonische erklärt, die Mundart von
Avignon, in der Mistral geschrieben hat, will die Gruppe der sogenannten
lateinischen Feliber, welche sich unter Roque-Ferrier im Jahre 1890 von
dem Gesamtverbande losgelöst hat, der Mundart von Montpellier diesen
Vorrang gesichert wissen. Andere kämpfen für das Neulimousinische,
während noch andere der Meinung sind, dafs jeder nur in seiner eigenen
Mundart mit rechtem Erfolge dichten könne (S. 22—34). — Weniger
haben sich die religiösen und politischen Gegensätze unter den Felibern
bemerkbar gemacht. Was sie alle einigt, ist das Ringen nach einer ge-
wissen Selbständigkeit des Südens gegenüber der Pariser Centralgewalt,
und, solange sie dabei nicht eine politische, sondern nur eine gröfsere
administrative Unabhängigkeit im Auge haben, wird man ihre Decentrali-
sationsbestrebungen, namentlich wenn man die erhebliche Verschiedenheit
der Süd- und Nordfranzosen in Temperament und Charakter berücksich-
tigt, als berechtigt und nützlich anerkennen müssen.
Ein paar Bemerkungen im einzelnen. Dafs die Trobadordichtung
aus schlichten volkstümlichen Tanzliedern und aus einigen anderen alten
volkstümlichen Liedergattungen hervorgegangen sei (S. 6), läfst sich
326 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
höchstens vermuten, ist aber durch nichts bewiesen und auch nicht
durch neuere Forschungen, wenigstens meines Ermessens nicht, wahr-
scheinlich gemacht worden, — S. 12, Anm. 1 wäre E. Engel, Geschichte
der französischen Litteratur, insofern zu erwähnen gewesen, als er schon
vor Lintilhacs Freds de la litterature fran^aise auf S. 54—56 wenig-
stens über Mistral spricht; ingleichen hätte sich vielleicht den auf S. 5,
Anm. 1 angeführten Schriften auch Max Nordaus 'Vom Kreml zur Al-
hambra' (1881) anreihen lassen, wo ebenfalls von der neuprovenzalischen
Dichtung die Eede ist, sowie ferner 'Die litterarische Wiedergeburt in der
Provence' von Gustav Dorieux, vorgedruckt der Übersetzung von Mireio
von Frau Dorieux - Brotbeck (S. XXXI— LXVIII). — Wenn Koschwitz
auf S. 26 bemerkt, dafs Mistral die heimische Litteratur auf die Höhe
einer Weltlitteratur brachte, so heifst das denn doch zu viel sagen. —
Über die Herkunft des Wortes ßlibre (S. 29) s. jetzt Jeanroy in der
Komania XXIII, 463 fF., vgl. Tobler in Zs. f. rom. Phil. XIX, 144. —
S. 35, Anm. 1 werden Mistrals Isclo d'or als 1890 erschienen angegeben,
auf S. 27 steht aber 1870, und in Zs. f. französ. Spr. u. Litt. XV-, 267,
Anm. 1 nennt Koschwitz das Jahr 1889; es scheint sich um erneute und
vermehrte Ausgaben zu handeln, aber die erste Sammlung von Mistrals
lyrischen, zeitlich schon weiter zurück liegenden Gedichten unter dem Titel
Lis isclo d'or stammt meines Wissens, wie auch Böhmer in der Einleitung
zu Bertuchs Übersetzung von Mireio S. IX angiebt, vom Jahre 1876.
Berlin. Oscar Schultz.
Grammaire historique de la Langue des F^libres par Edouard
Koschwitz. Greifswald-Avignon-Paris, 1894. VI, 181 S. 8.
Man kann Koschwitz nur aufrichtig dankbar sein dafür, dafs er
uns zuerst eine Grammatik des Ehonischen (der Sprache von Avignon),
also desjenigen Dialektes gegeben hat, in dem die Werke des bedeutend-
sten südfranzösischen Dichters geschrieben sind. Es ist damit wirklich
einem praktischen Bedürfnisse abgeholfen, indem allen denen, welche
Mistrals Dichtungen im Original lesen wollen, das Verständnis auf Grund
des Studiums dieser Grammatik sehr erleichtert wird. Was die Anlage
der letzteren, an der von vornherein die Übersichtlichkeit zu rühmen ist,
anlangt, so war es gewifs nicht leicht, es Franzosen und Deutschen zu-
gleich recht zu machen; die Nr. 3 jedes Paragraphen sind ein Zugeständ-
nis an die ersteren, und wir Deutschen werden dafür vielleicht etwas
mehr Berücksichtigung des Altprovenzalischen und der historischen Ent-
wickelung vermissen. So möchte man z. B. wenigstens ausgesprochen
finden, dafs c vor a bald e geblieben (canta), bald ch geworden ist {cha-
mineio), oder dafs altprovenzalisches auslautendes r in der grofsen Mehr-
zahl der Fälle geschwunden ist (vgl. die beiläufige Bemerkung auf S. 102),
was dazu beiträgt, dem Neuprovenzalischen ein fremdartiges Aussehen
zu geben, also jougne {jüngere), paisse (pascere), ama {amare), aber mar
{mare), ßour (florem), er (aerem). — Unter den in Parenthese angegebenen
Beurteiliingeu und kurze Anzeigen. 327
lateinischen Etymeu sieht man nicht gern *caxinum. für chaine 'Eiche'
figurieren (S. 38), obwohl diese Etymologie von Meyer-Lübke herrührt;
mir scheint die Annahme einer Kreuzung von *castanum und fraisne
(Suchier, Altfrz. Gramm. S. 37) noch am meisten für sich zu haben. S. 13
ist für cuja ein *eügitare angesetzt, während S. 37 für dasselbe cuja cogi-
tarc angegeben wird. S. 47 wäre es besser gewesen, anstatt *parabolare
schon die weitere Stufe *paraulare als zu Grunde liegend anzunehmen.
Das Streben nach Kürze scheint zur Unklarheit geführt zu haben S. 12
bei H {ülos, illas), mi {m[e]os, mfejas) und ebenso S. 85. S. 15 ist der
Ausdruck irregidierement schief, desgleichen das S. 51 bezüglich ä-%-Ais
u. s. w. Gesagte, während S. 47 das Korrekte steht. Lou manjadou und
la manjadouiro (S. 61) gehören nicht unter den betreffenden Abschnitt.
Den Ausdruck c dur {— k) und c doux (= scharfes s) (S. 30), den frei-
lich auch Chabaneau in seiner Qrammaire limousine anwendet, sollte man
lieber nicht gebrauchen.
Berlin. Oscar Schultz.
Emile Littr^, Comment j'ai fait mon dictionnaire de la langue
fran9aise. Causerie. Für den Sehulgebrauch erklärt von
J. Imelmaun. Leipzig, Renger, 1895 (Schulbibliothek von
Dickmann, Bd. XCI). VHI, 55 S. 8. M. 0,80.
Littre nimmt als Schriftsteller unter seinen Volks- und Zeit-
genossen keineswegs eine der ersten Stellen ein. Dem, was er als wahr
und wissenswert vortragen wollte, durch Kunst der Darstellung die Auf-
nahme in die Gedanken seiner Leser zu erleichtern, hat er sich nicht oft
bemüht; auf wohlthuende Schönheit, vollendete Sauberkeit des Ausdrucks
Sorge zu verwenden, hat der rastlos von der Stelle strebende Mann keine
Zeit gefunden ; und von selbst kommt es doch nur wenigen. Aber er hat
auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaft sich grofse Verdienste er-
worben, er hat auch in seinen kleineren Schriften richtige, zu seiner Zeit
neue Gedanken mit ernstem Eifer in weiteren Kreisen verbreitet, und
überall erkennt man in seinen Arbeiten eine der Wahrheit und der Frei-
heit selbstlos dienende Persönlichkeit, der man aufrichtige Verehrung um
so lieber zollt, je weniger merklich sie sich um solchen Tribut bewirbt.
Gewifs werden ältere Gymnasiasten mit Anteilnahme, mit Nutzen für
ihren Einblick in den Betrieb wissenschaftlicher Arbeit grofsen Stils und
namentlich mit Gewinn für die Bildung des eigenen Charakters die kleine
Schrift lesen, in der der treffliche Mann, aufatmend am Schlüsse lang-
jähriger Mühen, Aufschlufs darüber giebt, wie das gröliste und bekann-
teste seiner Werke, die Frucht einer Hingebung seltener Art, zu stände
gekommen ist. Professor Imelmann hat dem Texte anhangsweise eine
Reihe dem jugendlichen Leser unentbehrlicher und sicher auch manchem
älteren willkommener sachlicher Anmerkungen beigegeben und unter dem
Texte Schwierigkeiten gehoben, die dem Verständnis des Ausdrucks oder
der treffenden deutschen Wiedergabe im Wege stehen konnten. Unter
828 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
den Anmerkungen der ersten Art, in denen der feine Sinn und die Sach-
kenntnis des Erklärers sich nirgends verläugnen, vermisse ich höchstens
eine zu S. 7, Z. 16 über die Bewegung von 1848. Von den sprachlichen
Erläuterungen halte ich die zu taillahle 11, 1 für irrtümlich; sicher un-
zutreffend ist die zu Z. 26 der nämlichen Seite, wo au faire et au
jprendre in dem Sinne gebraucht ist, den sonst au fait et au prendre hat
(s. Littre unter fait 1), und die zu S. 28, Z. 34, wo aucun jpredicateur ne
nous (Accusativ) vaut heifst 'kein Prediger kommt uns selbst an Wirksam-
keit gleich'. Auch gegenüber der Deutung von predestine 16, 31 bleibt mir
ein Zweifel und halte ich mich lieber an den Sinn 'vorausbestimmt' (näm-
lich 'der Druckerei und den Korrektoren viel Mühe und Sorge zu brin-
gen'). Für die Erklärung der Redensart joindre les deux houts 21, 24
scheint mir das Wörterbuch von Darmesteter, Hatzfeld, Thomas Rich-
tigeres zu geben als Littre; und was den coup de collier 22, 14 betrifft,
so ist dabei sicher nie an das Stachelhalsband des Hundes, wohl aber an
das Kummet des Zugpferdes gedacht worden, das sich 'ins Geschirr legt'.
Endlich mufs ich noch mein Bedauern aussprechen, dafs eine etwas grofse
Zahl von Druckfehlern stehen geblieben ist; ich erwähne blofs manuscripts
1, 14, College 2, 37, anci-enne 5, 37, consomme 19, 31, ces 22, 30, lavQLis
27, 16, Conversation 32, 13. Das Adverbium zu complet wird seit 1877
completement geschrieben, und da Littre in seinen Müdes et glanures selbst
so schreibt und in seinem Wörterbuch die Schreibung completement aus-
drücklich mifsbilligt, so brauchte man zu dieser älteren der Akademie
nicht zurückzukehren. An ein paar Stellen hätte der Herausgeber auf
Nachlässigkeiten in Littr^s Ausdruck hinzuweisen ein Recht gehabt, und
wenn er es nicht gethan hat, so liegt das sicher nicht daran, dafs sie ihm
entgangen wären. Aber bei sorgsamer Lektüre in der Schule wird wenig-
stens eine mündliche Bemerkung des Lehrers zu 18, 14, zu 19, 34, zu
32, 1 und 10 wohl gestattet sein. Haben wir im allgemeinen alle Ur-
sache, uns die Franzosen im sorgsamen Gebrauch der Muttersprache zum
Muster zu nehmen, so ist doch nicht jeder unter ihnen gleich geeignet,
uns zum Vorbilde zu dienen, und auch unsere Schüler dürfen erfahren,
dafs jenseit der Vogesen so gut wie diesseit die Vollendung oft unerreicht
bleibt, wo man sich eine nachsichtslos prüfende Rückkehr auf das Er-
gebnis des ersten Wurfes erläfst.
Berlin. Adolf Tobler.
Didaktik und Methodik des französischen und englischen Unter-
richts von Dr. Wilhelm Münch, Provinzialschulrat in Koblenz,
und Dr. Friedrich Glauning, Professor und Stadtschulrat in
Nürnberg (Sonderausgabe aus Dr. A. Baumeisters ^Handbuch
der Erziehungs- und Unterrichtslehre für höhere Schulen^).
München, Beck, 1895. 107 und 88 S. 8. M. 4,50.
Der erste, mit dem Unterricht im Französischen sich beschäftigende
Teil der unter vorstehendem Titel erschienenen Sonderausgabe, also der
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 329
von Münch herrührende Teil — und nur von diesem zu reden nehme ich
mir vor — ist eine lebhaftester Anerkennung würdige Schrift, deren auf-
merksames Studium und dauernde Beherzigung man den Lehrern des
Französischen (und deren Vorgesetzten!) dringend empfehlen mufs. Wer
bisher mehr auf den älteren Bahnen des Französisch-Unterrichts gewan-
delt ist, wird daraus vielleicht lernen, dafs er dies und jenes mit Nutzen
in sein Unterrichtsverfahren aufnehmen kann, woran er noch nicht ge-
dacht hat, und das zur Anwendung zu bringen ihm nicht schwer fallen
wird, wofern er über das unter allen Umständen erforderliche Wissen
und Können verfügt. Wer 'Reform' zu seinem Feldgeschrei gemacht hat
— Wissen und Können sind auch für ihn kaum zu entbehren und durch
Geschrei allein noch nicht verbürgt — , wird sich überzeugen, dafs er ge-
wisse überlaut angepriesene Unterrichtsmittel neuester Erfindung fallen
lassen darf, ohne darum der Mifsbilligung eines Mannes zu verfallen, der
in allgemeiner, verdienter Hochschätzung steht, der zweckmäfsigen Neue-
rungen gegenüber nicht zaghaft ist, und dessen Urteile nicht minder auf
Beobachtung und eigene Erfahrung als auf theoretische Erwägung sich
gründen. Die einen wie die anderen werden sich vergegenwärtigt finden,
wie vieles und wie Schweres von ihnen gefordert werden mufs, aber auch
wie mannigfaltig und wie wertvoll die Förderung ist, die ein gewissen-
haft und weise erteilter Unterricht den Schülern gewähren wird.
'Einleitende Betrachtungen' belehren überzeugend über den Wert und
die Ziele des Unterrichts im Französischen. Wichtig wäre mir hier der
Hinweis auch darauf erschienen, dafs nicht leicht anderswo als am Fran-
zösischen in seinem Verhältnis zum Latein den Zöglingen unserer höheren
Schulen ein erster Einblick in das Werden und die Entwickelung einer
Kultursprache sich eröffnen läfst, ein Einblick von hoher Bedeutung für
das Verhalten des gebildeten Mannes auch zu seiner Muttersprache. Zahl-
reiche Fragen, die diese angehen, nicht blofs in Bezug auf ihre Schrei-
bung, sondern auch etwa auf die Wünschbarkeit einer Bestimmung all-
gemein anzustrebender Aussprache, auf die Berechtigung des Gebrauches
gewisser Formen oder Konstruktionen, auf die Zulassung des Mund-
artlichen u. dgl. treten an jeden Gebildeten heran und heischen seine
Stellungnahme; und vor viel thörichten Antworten, vor viel albernem
Schulmeistern und ebenso albernem Sichschulmeisternlassen bleibt be-
wahrt, wer einmal gelernt hat, die Sprache als das ehrwürdige Erzeugnis
mannigfacher, unbewufst wirkender Triebe und tief eingreifender geschicht-
licher Vorgänge zu erfassen, als ein langsam Gewordenes und immer noch
Werdendes, heilig durch seinen Ursprung wie durch seine Bestimmung.
Noch in einem anderen Punkte bin ich mit dem Verfasser nicht völlig
einer Meinung: er unterschätzt das Wissen von der lebenden Sprache,
den Wert der vielgeschmähten 'Regel'. Auch ich schwärme nicht für
alles, was sich Regel nennt, besonders wenig für Regeln, die infolge ganz
verfehlter Fassung die Kennzeichnung eines unter bestimmten Umständen
stetigen Sprachgebrauches gar nicht sind, die sie sein sollten; nicht für
solche, die durchaus überflüssig sind ; und halte den für wenig beneidens-
380 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
wert, der im Besitze der schönsten Regeln aus Mangel an Wörterkenntnis
— oder gar an Gedanken doch nichts zu sagen weifs. Ein Irrtum aber
ist es, zu glauben, ein Handeln, beziehungsweise Sprechen nach bewufsten
Normen erfolge minder sicher und richtig, als eines, das blofs durch
vielleicht nicht scharfe, vielleicht mifs verständliche Einzelbeobachtung
fremden Thuns bestimmt ist. Eine bedauerliche Lücke ergiebt sich im
Sprachunterricht, wenn man auf die Versuche verzichtet, die Schüler das
allgemeine Ergebnis aus der Beobachtung gleichartiger Fälle in möglichst
genaue Fassung bringen zu lassen, auch sie prüfen zu lassen, ob die ge-
druckte 'Regel' ihrer Grammatik nicht mehr und nicht weniger sagt, als
sie sagen soll und darf, und wenn man die mühsam gefundene 'Regel'
nicht immer wieder in Erinnerung bringt. Die vielgepriesene induktive
Methode besteht doch wohl nicht blofs darin, dafs man aus den Büchern
der 'deduktiven' Vorgänger zuerst die Beispiele und erst dann die Regeln
abschreibt, um diese letzteren aber sich weiter nicht mehr kümmert.
In dem Abschnitte, der dem Lehren der Aussprache gewidmet ist, er-
freut die weise Mäfsigung beim Festsetzen des Ziels, dem zuzustreben sei.
Das Unerreichbare wird von vornherein preisgegeben, dafür um so nach-
sichtsloser auf das Wesentliche gedrungen, dessen Elemente mit Sach-
kunde vorgeführt sind. Der Verfasser ist frei von rechthaberischem Ein-
treten für irgend ein alleinseligmachendes Verfahren bei diesem Teile des
Unterrichts und erkennt an, dafs auf mehr als einem Wege zum Ziele zu
gelangen möglich sei.
Nicht minder enthält sich im Kapitel von den Sprechübungen der
Verfasser jedes Versuches, dem Lehrer die unschätzbare Freiheit der Be-
wegung zu beschränken, und stellt verschiedene Weisen des Vorgehens
zur Verfügung, zwischen denen man wählen oder die man miteinander
wechseln lassen möge. Die Art, wie die Frage nach der Verwendung des
Französischen als Unterrichtssprache beantwortet ist, zeigt den erfahrenen
Schulmann. Nicht recht verständlich ist mir, warum Münch die An-
knüpfung der Sprechübungen an ein systematisches Vokabular ablehnt.
Nicht alle Abschnitte eines solchen werden sich dazu gleichermafsen, nicht
alle für die gleiche Stufe eignen ; aber in Fülle findet sich darin Stoff
zu fruchtbaren Unterredungen. Ich möchte hier auch noch die Bemer-
kung mir erlauben, dafs es nicht richtig ist, wenn man Sprechübungen,
wie sie heute billig verlangt werden, als eine Erfindung allerjüngster
Lärmer ansieht; für banausisch haben solche Übungen wohl immer nur
die ausgegeben, die sie zu veranstalten nicht vermochten, und (von älte-
ren zu Unterrichtszwecken verfafsten fertigen Gesprächen abzusehen)
Schmitz' Anleitung zu Sprechübungen ist schon im Jahre 1856 erschienen.
Es folgt ein Abschnitt über die Grammatik, der abermals viel Gutes
enthält und dabei ein billiges Verständnis für das Verfahren einer älteren
Zeit zeigt, welche strebsamer und fachmännisch leidlich gebildeter Männer
auch nicht völlig ermangelte, sowenig sie es mit der Gegenwart in Bezug
auf Selbstverherrlichung und auf öde Buchmacherei aufnehmen kann.
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der Lektüre. Mit einsich-
i
Beurteilungen und kurze Anzeigen. S31
tigern Urteil und feiner Empfindung für das zur Bildung deutscher
Jugend Verwendbare stellt der Verfasser eine schöne Fülle von Lesestoff
zur Auswahl, weist er andererseits mit gutem Fug manches von der
Hand, was nur Unverstand hat der deutschen Schule anbieten können.
Es ist eben blofs zu beklagen, dafs von den zahlreichen durch Münch
empfohlenen Schriften dem einzelnen Schüler oder der einzelnen Klasse
doch nur sehr wenig wird nahe gebracht werden können, dafs bei der
unübersehbaren Menge kleiner Werke, unter denen die deutschen Schulen
umherirren, der Dinge, die allgemein bekannt würden, worüber der Schü-
ler vom Joachimsthal mit dem vom Grauen Kloster seine Gedanken aus-
tauschen könnte, deren bessere Auffassung von selten eines Lehrers
auch anderen zu statten kommen möchte, so ungeheuer wenig sind. Man
möchte wünschen, ein tüchtiges Lesebuch, das in nicht winzigen Portionen
Proben vom Besten gäbe, was die Litteratur an Verwendbarem bietet,
schlüge all den kleinen Kram in die Flucht, mit dem wir zur Zeit über-
schwemmt sind. Dafs nur 'Ganzes' gegeben werden solle, ist ja doch eine
Forderung, mit der es kaum jemand ernst nimmt. Aber freilich, was
würde dann aus der blühenden Schulabdruck-Industrie, die weniger zur
Ehre des Lehrerstandes oder zum Heile der Schulen als zu leichter Be-
friedigung der Eitelkeit und um eines beinahe nicht mehr ehrlichen Er-
werbes willen so viele Pressen in Thätigkeit erhält? Der Verfasser, der
vorher verständigerweise die Übersetzung aus der Muttersprache gegen
ihre unbedachten Gegner in Schutz genommen hat, legt wie billig grofses
Gewicht auch auf die Übersetzung aus der fremden Sprache. Wird man
ihm gern beistimmen, wenn er dabei alle Vergewaltigung der eigenen
durchaus verwirft und volle Natürlichkeit des deutschen Ausdrucks an-
gestrebt wissen will, so wird doch vielleicht mancher finden, die gegebenen
Proben freier Übertragung entfernen sich öfter ohne Not von der Vor-
lage, undjes gehe von dem Texte manchmal etwas verloren, dessen Be-
deutsamkeit dem Schüler nicht entgehen dürfe und für das er ein Äqui-
valent gleichfalls zu finden müsse angehalten werden.
Es folgen Abschnitte über die Einführung in den Wortschatz und
über die Pflege der 'Neben gebiete', der Synonymik, der Stilistik (wobei
mehr an das Idiomatische der französischen Ausdrucks weise im allgemei-
nen als an persönliche Eigenart der Darstellung gedacht ist), Verslehre,
Litteraturgeschichte und Sprachgeschichte. Was die Litteraturgeschichte
betrifft, so empfiehlt der Verfasser mit Recht ein verständiges Sich-
bescheiden bei dem Wichtigsten und warnt vor einer nicht ganz seltenen
Scheingelehrsamkeit, die einen wertlosen Ballast an die wenigen wissens-
würdigen, zum Verständnis eines Autors wirklich wesentlichen Thatsachen
hängt. Warum die Chrestomathie in litterarhistorischer Ordnung so un-
bedingt verworfen wird, ist nicht gesagt. Was Münch an sprachgeschicht-
lichem Wissen mitgeteilt zu sehen wünscht, mag manchem knapp zuge-
messen vorkommen; die Worte seines § 81 lassen aber erkennen, wie hoch
doch auch er das anschlägt, was durch Kenntnisse dieser Art gewonnen
wird.
882 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Nachdem so die einzelnen Gebiete behandelt sind, auf denen der
Unterricht sich zu bewegen hat, bespricht der Verfasser die Organisation
desselben. Wiederum begegnet man vielen beherzigenswerten Urteilen
und Räten ; ich rechne dahin die Abweisung des Beginnens mit gröfseren
zusammenhängenden Lesestücken, des Irrtums derer, die beim Einführen
in den fremden Sprachschatz durch Fernhalten der Muttersprache Gott
weifs was zu gewinnen meinen. Die Änderungen in Ziel und Inhalt des
Unterrichts, die sich aus dem Wesen verschiedener Schularten ergeben,
kommen darauf zur Sprache. Die Forderungen, die ans Gymnasium zu
stellen seien, scheinen mir allzu bescheiden bemessen. Soll es wirklich
dabei bleiben, und wird zudem auch dem Gymnasium ein solider gram-
matischer Unterricht selbst in den alten Sprachen immer mehr unmög-
lich gemacht, dann freilich werden künftig die an ihm und die am Real-
gymnasium vorgebildeten jungen Leute für das wissenschaftliche Studium
der neueren fremden Sprachen an Universitäten ungefähr gleich schlecht
vorbereitet sein.
Die Übersicht der vorhandenen Fachlitteratur leitet der Verfasser
mit der wohlberechtigten Klage über die Überproduktion an Hilfsmitteln
für den Unterricht ein, die auch dem Fachmanne den Verzicht auf ein-
gehende Kenntnisnahme zur Notwendigkeit mache. Sollte nicht in der
That dem mafslosen Anwachsen der Litteratur der Elementarbücher,
Grammatiken und Lesebücher, einer Litteratur, in der neue wissenschaft-
liche Erkenntnis, neue methodische Gedanken eine so bescheidene Rolle
spielen, die zu so grofsem Teile nur vom Hunger, so selten von der Liebe
ins Dasein gerufen erscheint, sollte nicht ihrem Anwachsen, das geradezu
eine Schädigung des Nationalvermögens, eine ganz ungerechtfertigte Be-
steuerung der Eltern bedeutet und dem lehrenden Stande zur Unehre
gereicht, seitens der Behörden durch Versagen der Einführung, wo nicht
durchschlagende Gründe sie rechtfertigen, Schranken gezogen werden ? —
Durchaus zu billigen scheint mir die Forderung, dafs eine einzige Gram-
matik, nach Erledigung des Elementarbuchs, für alle folgenden Klassen
zu verwenden sei. Aber, ist wirklich von ihr alles auszuschliefsen, was
in der Schule zu behandeln nicht durchaus unerläfslich ist? Ich meine,
es wäre gut, den Schüler an den Gebrauch eines Buches zu gewöhnen,
das er in der Schule nicht bis in seine hintersten Winkel kennen zu
lernen brauchte, das aber auch für seine späteren Bedürfnisse ausreichte,
auf das er verwiesen werden könnte, wann die Lektüre ihn seltener auf-
tretende Erscheinungen kennen lehrt, das ihm ebenso sehr durch Reich-
tum des Beobachteten, wie durch Schärfe der Fassung und Klarheit der
Ordnung Respekt einflöfste.
Die schliefsliche Zusammenstellung dessen, was vom Lehrer des Fran-
zösischen gefordert werden mufs, könnte entmutigen, wird aber auch
wieder das Selbstgefühl dessen zu heben vermögen, der mit Ernst daran
arbeitet, seinem Amte nichts schuldig zu bleiben, der bei voller Klarheit
über die Gröfse der übernommenen Aufgabe und über den Wert der von
ihm geforderten Leistung sein Wirken gerechtfertigt weifs durch eine
Beurteilungen und kurze Anzeigen, 333
allseitige und gründliche Vorbereitung auf sein Amt und eine nie nach-
lassende Strenge gegen sich. Dafs es dem Lehrer gelingen möge, seiner
schweren Aufgabe zu genügen, ohne vorzeitig verbraucht zusammen-
zubrechen, wer wollte das nicht mit dem Verfasser wünschen? Gewifs
kann und soll der Lehrer selbst einen Teil der Sorge dafür tragen, dafs
er nicht erliege; aber möchten auch Direktoren und Schulräte sich das
angelegen sein lassen !
Ich trenne mich von Dr. Münchs Schrift mit der erfreuenden Gewifs-
heit, dafs darin viel gesagt ist, was der Hebung eines mir am Herzen
liegenden Unterrichtszweiges förderlich sein wird, und mit der nicht minder
tröstlichen, dafs an einer amtlichen Stelle, von der aus viel Heilsames
gewirkt werden kann, ein Mann von Sachkenntnis, edlem Wollen und
weiser Bedachtsamkeit steht.
Berlin. Adolf Tobler.
E. Maddalena, Racc9lta di pr9se e poesie italiane annotate ad
uso dei Tedeschi. Wien und Leipzig, Braumüller, 1894.
XI, 281 S. 8.
Das Lesebuch des Herrn Maddalena ist nicht wie manche andere
bestimmt, einer ersten Einführung in die Geschichte der italienischen
Litteratur zu dienen; es entnimmt seinen Inhalt fast ausscliliefslich den
Autoren des neunzehnten Jahrhunderts und hält sich vorherrschend an
die unterhaltenden Erzähler, neben deren meist kurz gewählten Erzeug-
nissen nur in bescheidenem Umfange Gespräche aus dem täglichen Leben
oder Auftritte aus Lustspielen, sowie hübsche kürzere Gedichte Aufnahme
gefunden haben. Die Gattungen der Beschreibung, des Briefes, der Ge-
schichtschreibung, der öffentlichen Rede sind kaum oder gar nicht ver-
treten. Was geboten wird, ist meist ansprechend, ganz Unbedeutendes
begegnet selten. Frische, lebendige toskanische Redeweise findet man in
reichlicher Fülle, unbeholfene Sprache nicht oft. Ein alphabetisches Ver-
zeichnis der Verfasser giebt Auskunft über ihre Herkunft und Geburts-
zeit und lehrt die Titel der Bücher kennen, nach deren genauerer Kennt-
nis die daraus mitgeteilten Stücke etwa Verlangen wecken möchten.
Die Texte sind durchgängig mit Accenten und diakritischen Zeichen
ausgestattet, die über die Tonsilbe sowie über die Qualität der e, o, ^
keinen Zweifel lassen; von einer Unterscheidung des stimmhaften und
des stimmlosen s ist dagegen seltsamerweise gänzlich abgesehen, sowie
auch die Verdoppelung des anlautenden Konsonanten nach betontem Vokal
unangedeutet bleibt, die doch für richtige Aussprache ganz unerläfslich
ist. JVIir scheint, es sei, wenn die beiden eben bezeichneten Versäumnisse
empfindliche Lücken bedeuten, andererseits darin eher zuviel getban, dafs
die in der gewöhnlichen Schrift fehlenden Zeichen hier das ganze Buch
hindurch festgehalten werden. Da der Schüler einmal doch lernen mufs,
auch ohne Beistand richtig zu lesen, wäre es wohl richtiger gewesen, nach
einiger Zeit, vielleicht etwa nach dem ersten Viertel des Buches, ihm die
334 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Stützen im Texte zu entziehen und dafür in einem Glossar die nötige
Belehrung zu gewähren (bei den Verben natürlich nicht blofs für den
Infinitiv). Ein Glossar sollte überhaupt nicht fehlen ; die sehr reichlichen,
über dreifsig Seiten engen Druckes füllenden Anmerkungen, die fast nur
zwar bequeme, aber wenig fördernde Anweisungen zum Übersetzen geben,
dagegen ein wahres Verständnis des Ausdrucks nicht vermitteln, sind
dafür kein ausreichender Ersatz.
Wenn das Buch, wie zu wünschen ist, ein zweites Mal gedruckt wird,
sollte auch auf Beseitigung aller Druckfehler noch mehr Sorgfalt ver-
wendet werden. Gerade auch die diakritischen Zeichen sind nicht selten
unrichtig gesetzt oder fehlen, wo sie nach dem einmal gewählten Ver-
fahren nicht fehlen durften : 8, 6 steht mediocre für mediocre, 8, 15 spegnere
für spegnere (wie 26, 6 v. u. geschrieben ist), 25, 4 v. u. custodi für ctisfodi,
87, 20 cheti für cketi, 50, 17 inseguono für inseguono, 52, 7 v. u. spavento
für spavento, 54, 3 quei für quei, 55, 19 poi für poi, 105, 3 v. u. capelli
für capelli. Andere Druckfehler sind 12, 8 v. u. olfato, 37, 1 v. u. ajfa-
eiasi u. a., vielleicht auch eleggersi 36, 2.
Das Lesebuch des Herrn Maddalena ist mit Liebe und mit gutem
Urteil ausgeführt und wird ohne Zweifel dem Unterricht im Italienischen
an manchen Orten willkommene Dienste leisten. Voraussetzungen und
Zweck dieses Unterrichts sind ja aufserordentlich verschieden; wo aber
es besonders darauf ankommt, mit der heute im Verkehr lebenden Sprache
vertraut zu machen, wird man gern zu der neuen Raecolta greifen.
Berlin. Adolf Tobler.
Suchier und Wagner, Ratschläge für die Studierenden des Fran-
zösischen und des Englischen an der Universität Halle.
Halle a. S., Niemeyer, 1894.
Die auf elf Druckseiten niedergelegten 'Eatschläge' wollen den jungen
Philologen in den Betrieb des Englischen und des Französischen einführen,
wie er in Halle gehandhabt wird, sind aber so gehalten, dafs sie von
Studierenden auch anderer deutscher Universitäten benutzt werden kön-
nen, da ja die Verhältnisse im wesentlichen gleich liegen. Die Art und
Weise, wie die Verfasser das Studium der neueren Philologie behandelt
zu sehen wünschen, bietet eigentlich Neues nicht. Eine Vergleichung der
'Ratschläge' mit den 'Bemerkungen über das akademische Studium', die
für das französische Gebiet Körting seiner Encyklopädie (I, 192 ff.) an-
gefügt hat, ergiebt, dafs die Verfasser nichts bringen, was nicht auch
schon Körting erwähnt; dieser Umstand spricht natürlich durchaus nicht
gegen die Güte der 'Ratschläge'. Es zeigt sich jedoch, dafs sie reichlich
allgemein gehalten sind und ebensoviel Interpretationen zulassen, wie die
betreffenden Bestimmungen der Prüfungsordnung. Ein Vollbild des Stu-
diums, wie es Körting giebt, wird durch diese kurzen Bemerkungen nicht
geschaffen, und ich glaube deshalb nicht, dafs das Heftchen erreichen
wird, was es erreichen soll. Eine revidierte Sonderausgabe der in den
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 335
beiden Körtingschen Encyklopädien enthaltenen Bemerkungen würde einen
ganz anderen Nutzen hervorbringen, als es diese 'Ratschläge' vermögen,
deren gute Absicht darum nicht verkannt werden soll. — In manchen
Punkten wird man den Ansichten der Verfasser nicht zustimmen können.
Auf S. 4 wird beispielsweise dem Studierenden geraten, wenn es die Ver-
hältnisse gestatten, eine Vorlesung über Metrik vor einer solchen über
Litteraturgeschichte zu hören. Jeder Praktiker wird, denke ich, anders
entscheiden. Zwei Drittel der Namen der im Metrikkolleg citierten Litte-
raturdenkmäler werden dem jungen Philologen unbekannt sein, sobald er
vorher noch keine Litteraturvorlesung gehört hat, und der ohnehin trockene
Stoff eines Metrikkollegs wird ihn dann nicht nur langweilen, sondern
sein Interesse für sein Studium bedeutend abschwächen, da er im Glau-
ben ist, die übrigen Vorlesungen seien für ihn ebenso uninteressant und
unverständlich. — Auf S. 8 heifst es ferner: 'Von den übrigen roma-
nischen Sprachen liegt uns Deutschen das Italienische, nicht nur räum-
lich, am nächsten. Das Studium des Provenzalischen ist dem zu empfeh-
len, der sich mit dem Altfranzösischen eingehender beschäftigen will.'
Ich glaube, dafs es für den Studierenden, der ein Bild der alten gesamt-
französischen Sprache gewinnen will,' richtiger ist, neben dem Altfranzö-
sischen zunächst das Altprovenzalische zu betreiben. Der gröfsere prak-
tische Nutzen, der mit der Beschäftigung mit dem Italienischen ver-
bunden ist, fällt doch da fort, wo es sich um ein wissenschaftliches
Sprachstudium handelt.
Göttingen. Carl Friesland.
Programmschau.
Aufsatzstoffe und Aufsatzproben für die Mittelstufe des huma-
nistischen Gymnasiums. Von Dr. Job. Schmaus. Programm
des alten Gymnasiums zu Bamberg 1894. 84 S. 8.
Durchweg ist die Arbeit als eine ganz verständige zu bezeichnen und
jüngeren Lehrern zur Vermeidung mancher Fehler bei Stellung deutscher
Aufgaben zu empfehlen. Der Verfasser warnt einerseits vor aller Ver-
stiegenheit, andererseits vor Nüchternheit; das Thema mufs fesselnd, selbst
poetisch sein; nichts verkehrter, als bei Naturschilderungen den Aufsatz
nach dem Schema des naturgeschichtlichen Unterrichts zu behandeln.
Der Verfasser giebt überall da gute Winke; auffällig ist, dafs da, wo er
vor der Reproduktion von Aufsätzen wie 'Ein Tag unter dem Äquator'
warnt, er nicht die unvergleichlichen Naturstudien von Masius erwähnt;
sie geben das herrlichste Vorbild, wie der Schüler liebevoll die Tiere seiner
Umgebung betrachten und uns im deutschen Aufsatz vorführen soll; jeder
Lehrer wird einräumen, dafs solche Schilderungen seinen Quartanern und
Tertianern grofse Lust bereitet haben. Über Erzählungen spricht sich
der Verfasser ebenfalls richtig aus, über die Stoffe aus der historischen
Lektüre (z. B. Biographie des Dumnorix mit guter Disposition), aus Dich-
336 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
tungen; auch die Behandlung von Sprichwörtern und Sentenzen ist zu
loben. Die Aufsatzproben gehen teilweise über die Mittelstufe hinaus,
verdienen aber auch Beachtung.
Zur Poetik der Ballade. Von Direktor Dr. Ludwig Chevalier.
III. Programm des Staats-Obergymuasiums in Prag-Neustadt
1894. 39 S. gr. 8.
Bei der ungewöhnlichen Weitläufigkeit seines Planes ist der Verfasser
nach den drei langen Aufsätzen auch jetzt noch nicht beim Schlüsse an-
gelangt; ein viertes Heft ist in Aussicht gestellt. Was der Verfasser ge-
legentlich an erzählenden Gedichten von bedeutenderen und unbekannten
Dichtern beigebracht hat, das zählt nach vielen Hunderten; es ist aber
eben nur nebenbei erwähnt inmitten einer Besprechung psychologischer
und ästhetischer Begrifie; und eben hier den Gang zu verfolgen, ist un-
endlich mühsam, da den gröfsten Teil der Arbeit lange Citate aus Büchern,
Zeitschriften, Programmen von allen möglichen Schriftstellern einnehmen,
und zwar unvermittelt nebeneinander solche, die einander geradezu wider-
sprechen. Das alles zeugt von einer staunenswerten Belesenheit oder
vielmehr von rastlosem Sammeleifer, von dem nur zu wünschen wäre,
dafs er das wirklich Unbedeutende, und dessen ist recht viel, vorher aus-
geschieden hätte. Möge es dem unermüdlichen Verfasser gelingen, im
Schlufsheft das Ergebnis seiner Untersuchungen in kurzen Begriffsbestim-
mungen mit Abweisung abweichender Ansichten bestimmt uns vorzulegen.
Friedrich von Hausen und der ältere deutsche Minnesang. Von
Julius Weichardt. Programm des Realgymnasiums zu Duis-
burg 1894. 24 S. 8,
Es ist dem Verfasser zuzugeben, dafs der deutsche Minnesang seinem
Ursprünge nach nicht volkstümlich war, dafs er erst um die Mitte des
12. Jahrhunderts entstand und sich auf den Ritterstand beschränkte; das
ist der von der Liebeslyrik des Ostens verschiedene Minnesang des Westens,
der unter dem Einflufs der Komanen sich entwickelte, zuerst vertreten
von Friedrich von Hausen, dem Vorbilde aller Lyriker bis auf Walther
von der Vogelweide. Friedrich stammt vom Ehein; die Mundart seiner
Gedichte und Folgerungen aus geschichtlichen Notizen machen es wahr-
scheinlich, dafs seine Heimat das heutige St. Goarshausen gewesen sei.
Er wird aufgeführt in der Umgebung des Erzbischofs Christian I. von
Mainz und des Königs Heinrich; auf dem Kreuzzuge mit Kaiser Fried-
rich I. ist er am 6. Mai 1190 im Treffen bei Philomelium durch einen
Sturz mit dem Pferde umgekommen. Die meisten seiner Liebeslieder
sind Liebesklagen; eigentümlich ist ihnen die starke Vorliebe für Selbst-
betrachtungen. Die vielfachen Versuche, eine chronologische Reihenfolge
der Lieder festzustellen, weist der Verfasser zurück; nur dafs diejenigen,
welche sich auf den Kreuzzug beziehen, als die letzten anzusehen sind.
Hausens dichterische Thätigkeit setzt der Verfasser zwischen 1175 und 1189.
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 337
Zur Geschichte des Minnesingers Gotfried von Neifen und seines
Geschlechtes. Von Fr. Grimme. Programm des Lyceums
zu Metz 1894. 23 S. 4.
Die Arbeit sucht das Leben des Dichters mit der grofsen Zeitgeschichte
und den Verhältnissen seiner engeren Heimat in Verbindung zu setzen.
Sie sucht auch überhaupt alles, was sich über das Geschlecht finden läfst,
zusammenzustellen. Die Stammburg liegt über der Stadt Nürtingen, das
Geschlecht erwarb auch die Grafschaft Achalm, die Propstei Ursperch und
noch andere Besitzungen. Im Anfang des 12. Jahrhunderts kommen sie
zuerst vor als Grafen von Sulmetingen, ein Graf Mangolf wird zuerst
erwähnt. Nach dem Aussterben der Grafen von Sulmetingen kam eine
Seitenlinie empor, aus der die Herren von Neifen zu stammen scheinen.
Sie erscheinen als Anhänger der Staufen, wie die Urkunden beweisen.
Zwei Brüder, Heinrich II. und Albert, machen Friedrichs II. Kreuzzug
mit, kehren mit ihm nach Italien zurück, sind 1230 in Deutschland und
seitdem Freunde Heinrichs VII., bleiben ihm auch im Unglück treu,
mit ihnen Gotfried, der Sohn Heinrichs II., doch erhalten sie später die
Gnade des Kaisers wieder, wie mit Recht der Verfasser aus verschiedenen
Zeugen Urkunden schliefst. Doch blieb innerlich die Entfremdung be-
stehen, wir finden daher die Familie später auf der päpstlichen Seite.
Gotfried kommt 1240 und 1241 in Schenkungsurkunden vor, 1245 in
einer Fehde mit dem Bischof von Konstanz unterlagen er und seine Ge-
nossen; in einer Schenkungsurkunde von 1255 wird er zuletzt erwähnt.
Verwandt war das Geschlecht mit dem Geschlechte von Winterstetten ;
der Verfasser macht wahrscheinlich, dafs der Dichter Ulrich von Winter-
stetten Neffe Gotfrieds gewesen sei. Das angestammte reiche Erbe Got-
frieds von Neifen war wohl die Ursache, dafs er sefshaft blieb und nicht
die Milde der Höfe als wandernder Sänger aufzusuchen brauchte, deshalb
auch keine Schule bildete; nur vom Taler und Friedrich von Sunenburg
wird er erwähnt und später von Hugo von Trimberg.
Goethes Faust im Gymnasialunterricht. Von Prof. Karl Haehnel.
Programm des Gymnasiums zu Leitmeritz 1894. 31 S. gr. 8.
Die schwierige Frage, was der Schüler von Goethes Faust kennen
lernen soll und auf welche Weise, beantwortet der Verfasser dahin, dafs
er ihn in der Schule lesen läfst. Wie er sich das denkt, das läfst sich
wohl hören, es ist hier dazu eine ausführliche Anleitung gegeben. Aber
wenn man danach verfahren wollte, so ist es schwer begreiflich, wie die
dazu nötige Zeit gewonnen werden könnte. Es sollen erst in einer Einlei-
tung der Teufelsglaube des Mittelalters, dann die Entstehung und Ent-
wickelung der Faustsage, die Dramatisierungen von Marlowe an, die Ent-
stehungsgeschichte des Goetheschen Dramas besprochen werden; dann
erst wird übergegangen auf die Besprechung der einzelnen Scenen, von
der Zueignung an, die genau zergliedert wird; das Vorspiel wird ebenso
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 22
888 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
in verschiedenen Fragen durchkatechisiert, und so geht es weiter. Alles
zeigt, dafs der Verfasser sich mit dem Faust gründlich beschäftigt, dafs
er ein genaues Schema, die innere Eutwickelung erläuternd, angefertigt
hat, und somit ist das Ganze als Inhalt eines akademischen Vortrags,
der ein Semester füllen könnte, oder auch immerhin eines populären Vor-
trags in einem Lyceum anzusehen ; aber wie soll das alles im Gymnasial-
unterricht, so wie er heute verstanden wird, durchgenommen werden?
Schillers Vergilstudien. I. Von Dr. Paul von Boltenstern. Pro-
gramm des Gymnasiums zu Köslin 1894. 23 S. 4.
Der Verfasser hat alles, was sich über Schillers Beschäftigung mit
Vergil hat finden lassen, fleifsig zusammengestellt; es bezieht sich das
natürlich hauptsächlich auf die Übersetzung der zwei Gesänge aus der
Äneide, doch treten auch in eigenen Gedichten Schillers im Einzelaus-
druck Erinnerungen an die lateinische Ausdrucksweise Vergils hervor,
wie das auch schon in manchen Erläuterungsschriften zu Vergil und zu
Schiller hervorgehoben ist. Von einem bedeutenden Einflufs Vergils auf
die dichterische Eutwickelung Schillers kann freilich nicht die Eede sein.
Klingers Zwillinge, Leisewitz^ Julius von Tarent und Schillers
Braut von Messina. Eine vergleichende Betrachtung mit
besonderer Rücksicht auf ihre Verwertung beim Unterrichte.
Von Oberlehrer Gustav Kraft. Programm des Gymnasiums
zu Altenburg 1894. 20 S. 4.
Alle drei Dramen behandeln den Brudermord. Der Verfasser giebt
erst kurz den Gang der Handlung bei Kliuger an (der Ort ist nicht an
der Tiber, sondern am Arno, der Einflufs Grimaldis nicht beachtet, die
Antwort der Mutter auf Guelfos Frage kann nicht eine ausweichende
genannt werden), bei Leisewitz, bei Schiller. Bei Klinger ist die Auf-
merksamkeit fortwährend auf Guelfo gerichtet, die Eutwickelung einfach ;
bei Leisewitz wird die leidenschaftliche Liebe des Julius neben der Hef-
tigkeit Guidos ein zweites Hauptmoment der Eutwickelung genannt. Bei
Schiller fehlt zunächst der principielle Gegensatz zwischen den Brüdern,
nach der Versöhnung erst tritt der tragische Konflikt ein mit dem Ge-
bote der Mutter hinsichtlich Beatricens, die tragischen Momente bestehen
in den Enthüllungen der Irrungen. Bei Klinger ist in dem unveränder-
lichen Charakter Guelfos, von dem allein die dramatische Handlung aus-
geht, der Schlüssel des psychologischen Verständnisses gegeben ; bei Leise-
witz wird der tragische Konflikt durch die schwärmerische Liebe des
älteren Bruders mit bedingt, und Guidos Mord ist Folge augenblicklicher
Aufwallung, nicht eines vorbedachten Planes. Bei Schiller aber fehlt der
schrofie Charaktergegensatz der beiden Brüder, beide zeigen zu Anfang
schroffe Gehässigkeit, dann entgegenkommende Nachgiebigkeit, Cäsars
That ist zu betrachten als alleiniges Ergebnis der Verkennung des waTiren
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 339
Sachverhalts, zur Verzweiflung treibt ihn erst die Erkenntnis, dafs sein
Bruder unschuldig gelitten hat, für sich aber beansprucht er noch Mitleid
wegen seines harten Loses; den Sühnetod vollzieht er willig, nicht als
Sühne böser Gesinnung, sondern als Opfer der feindlichen Schicksals-
fügungen. Aus diesem Grunde ist bei Schiller die Charakteristik der
Personen zurückgetreten. Das ist alles richtig, auch der Vorzug des Leise-
witzschen Dramas vor Klinger ist ersichtlich, noch mehr erhebt sich über
beide der Grundgedanke Schillers von der Erkenntnis der Nutzlosigkeit
eigensinnigen Widerstandes gegen das Schicksal. Für das tiefere Ein-
dringen in jedes der drei Dramen ist die hier gegebene Vergleichung ge-
wifs wertvoll. Wie stellt sich aber die Schule dazu? Der Verfasser denkt
nicht daran, dafs die beiden ersten Dramen in der Schule gelesen werden,
sondern das überläfst er der Privatlektüre. Ein anderes ist nicht mög-
lich, aber es erhebt sich das Bedenken: sind Neigung und Vermögen zu
ästhetischer Kritik bei der Jugend schon so stark ausgebildet, um sie zu
bestimmen, sich durch das Klingersche Drama, welches so wenig unserem
Geschmack entspricht, hindurchzuarbeiten?
Der falsche Demetrius in der Dichtung (Forts.). Von Prof. Anton
Popek. Programm des Staatsgymnasiums zu Linz 1894.
26 S. 8.
In dieser Fortsetzung bespricht der Verfasser die Bearbeitung der
Demetriusdramen, die sich mehr oder weniger an Schiller anschliefsen,
von Gruppe, Laube, Sievers, von Zimmermann (1883) und Grimm (1854);
die Beurteilungen dringen nicht tief ein.
Schillers Demetrius-Fragment und seine Fortsetzungen (Schlufs).
Von Dr. A. Stein. Programm der Oberrealschule zu Mül-
hausen (E.) 1894. 26 S. 4.
Noch immer ist Schillers Demetrius so, wie er dem Dichter vor-
schwebte, nicht auf der deutschen Bühne erschienen. Mit sorgfältigster
Benutzung jedes Punktes, der in den Entwürfen enthalten ist, ist weiter
zu bauen. Hier setzt sich der Verfasser zunächst mit Franz, dem um-
sichtigsten Untersucher der Fragmente, auseinander über die wichtige
Frage des Höhepunktes des Dramas. Während nämlich Franz den Gipfel
der Handlung auf die Huldigungsscene zu Tula verlegt, so bezeichnet
der Verfasser erst den Einzug in Moskau als die Hauptscene des Stückes
in Bezug auf stoffliches Interesse, und auf dieses kommt es in einer
historischen Tragödie an. Wie haben nun die Fortsetzer sich dem Stoff
gegenüber verhalten? F. v. Maltitz zuerst (1817), ausgehend von dem
Irrtum, die Schillers Fragment beigefügte Prosaskizze Körners rühre von
Schiller her, machte einen ganz mifslungenen Versuch. Die darauf er-
schienenen Demetriustragödien von Grimm und Bodenstedt sind ganz selb-
ständige Dichtungen, haben mit Schiller nichts zu thun. 1860 erschien
22*
340 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
G. Kühnes Arbeit, der ebenfalls nur der Körnersche Prosaentwurf vorlag ;
er bat sich bedeutende Änderungen in der Charakteristik erlaubt, aber
seine Diktion ist schwungvoll. Auf demselben Grunde baute Otto Fr.
Gruppe 1864, in der Diktion steht er Kühne nach. Am populärsten
wurde die Demetriusfortsetzung von H. Laube 1872, der ebenfalls mit
dem vollständigen Nachlafs Schillers unbekannt war; bei Laube sind der
Hauptheld und die Haupthandlung völlig verschoben. Nach Herausgabe
des gesamten Schillerschen Nachlasses erschien der Demetrius von H. von
Zimmermann 1885, sich selbst als freie Bearbeitung bezeichnend, der mit
seinen Abweichungen von dem vorgezeichneten Plan nicht glücklich war,
der Titelheld ist völlig verzeichnet, dagegen sind einige Hauptfiguren
glücklich behandelt und die Arbeit hat scenische Vorzüge. Der Demetrius
von Otto Sievers (1888) ist die beste der bisher erschienenen Demetrius-
fortsetzungen, der Hauptcharakter kraftvoll gezeichnet, die Handlung
knapp gehalten, die Sprache flüssig, aber allerdings ist es nicht mehr der
von Schiller geplante Demetrius. Der jüngste Demetrius von A. von
Weimar (1893) geht den Weg Kühnes, der Stil ist lobenswert. Den uns
jetzt genau bekannten Plan Schillers hat bisher kein Fortsetzer zur Aus-
führung gebracht.
Bemerkungen zu Heinrich von Kleists Hermannsschlacht. Ein
Beitrag zum Kapitel der Schullektüre von Dr. Heinr. Ortner.
Programm des neuen Gymnasiums zu Regensburg 1894.
32 S. 8.
Entgegen der Empfehlung, die das Gedicht Kleists in neueren Schul-
ausgaben erfahren hat, verwirft die vorliegende Abhandlung, die die ge-
samte Litteratur über das Gedicht, alle Ausgaben, aber auch alle auf
Kleist überhaupt bezüglichen Schriften berücksichtigt, die Hermanns-
schlacht, vorzugsweise für die Benutzung in der Schule, aber auch über-
haupt ihrem dichterischen Werte nach. Sie betont mit Recht, dafs der
Stoff geeignet sei für ein Epos, aber durchaus nicht für ein Drama. Dazu
kommen zahlreiche Mängel in der Charakteristik der Personen, so des
Helden Hermann, dessen Gebaren öfters unsittlich, verletzend und darum
unpoetisch ist, ebenso der Thusnelda, kommt die Unbestimmtheit und Ver-
schwommenheit der Charaktere des Varus und Marbod; es wimmelt das
Gedicht von Irrtümern in mythologischer, geographischer, ja in sprach-
licher Hinsicht, alles Beweise, mit welcher Leichtfertigkeit der Dichter
an seine Arbeit ging, wie ungenügend überhaupt seine wissenschaftliche
Bildung war. Die patriotische Tendenz, welche ihm vorschwebte, machte
ihn noch nicht geeignet, auf seine Zeit und sein Volk einzuwirken, dazu
war er zu wenig Mann, nichts war in ihm beständig als die Unbeständig-
keit. Trotz des unzweifelhaften dichterischen Talents, das sich auch in
unserem Gedichte in manchen schönen Stellen offenbart, trotz der patrio-
tischen Gesinnung fehlte dem Dichter die Kraft, an sich selbst zu ar-
beiten. Da die Schule bei jedem Kunstwerk, das sie mit den Schülern
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 341
behandelt, den ästhetischen Mafsstab anzulegen hat, so mufs man dem
Verfasser wohl beistimmen, dafs die [Hermannsschlacht für die Schul-
lektüre ungeeignet ist.
Studien zur Syotax in Grillparzers Prosa. Von weil. Prof. Dr.
Karl Tomanetz. Programm des Gymnasiums im VIII. Be-
zirke Wiens. Wien 1894. 29 S. gr. 8.
Der früh im Alter von 37{ Jahren verstorbene Prof. Tomanetz, ein
ungemein fleifsiger Germanist, hatte sieh zur Lebensaufgabe die Abfassung
einer wissenschaftlichen deutschen Syntax gemacht. Aus seinem Nach-
lafs ist dieser höchst dankenswerte gründliche Aufsatz veröffentlicht.
Grillparzers Prosa enthält eine Menge syntaktischer Eigentümlichkeiten,
von denen manche grammatisch unhaltbar sind. Aber über die meisten
ist nicht so schlechthin abzuurteilen, es gilt ihre Quelle zu ergründen.
Da finden sich zwei, nämlich einmal der Einflufs der Umgangssprache
auf den schriftlichen Ausdruck, zum anderen die Neigung, den Gedanken
die möglichst kurze Form zu geben, zu verkürzen, auch auf die Gefahr,
die Regeln der Syntax zu verletzen. Hierbei ergab sich aber, dafs Grill-
parzers Fügungen ihm nicht allein angehören, sondern auch bei den an-
erkannt besten deutschen Schriftstellern, und dafs sie sich in früheren
Sprachperioden finden. So erweitert sich bei dem vielbelesenen und
scharf untersuchenden Verfasser ^die Arbeit weit über Grillparzer hinaus
und kann als ein sehr wertvoller Beitrag zu der Forschung über die
deutsche Syntax bezeichnet werden, vielleicht besonders als ein Beitrag
zu Erdmanns Syntax. Er beginnt mit der Ersparung in den sogenannten
zusammengezogenen Sätzen, z. B. 'bei Schriftstellern, die früher als ich
geschrieben, ich aber viel später gelesen habe'; 'alle diese Stücke mufs
man nach den ersten Akten beurteilen, die sehr sorgfältig geschrieben, ja
sogar die Charaktere gut gehalten sind'; 'welche Hilfe der König ihm
zusagt und ein Heer sammelt' u. s. w. Dazu kommen die mannigfachen
Satzverkürzungen durch Participialkonstruktionen u. ä., von denen zahl-
reiche Belege gegeben werden, verschiedene Ellipsen u. ä.
Herford. L. Hölscher.
Verzeichnis
der vom 16. Juli bis zum 21. September 1895 bei der Redaktion
eingelaufenen Druckschriften.
Publications of tlie Modern Language Association of America. Edited
by James W. Bright, Secretary of the Association. Vol. X (New Series III),
No. 2. Baltimore 1895 [Frederick Tupper, Jr., Anglo-Saxon Dseg-Msel.
Oliver Farrar Emerson, A Parallel between the Middle English Poem
Patience and an Early Latin Poem Attributed to Tertullian. Mary Augusta
Scott, Elizabethan Translations from the Italian : the Titles of such Works
now first Collected and Arranged, with Annotations].
Modern Language Notes edd. A. Marshall EUiott. X, 6, June 1895
[Lentzner, Historical Outline of the Danish Language. E. Leser, Modern
French *gene' = Old French 'gehine'. A. B. Simonds, Two Unedited
Chansons of Eobert la Chi^vre de Eeins. L. Oscar Kuhns, Some Verbal
Resemblances in Orlando Furioso and the Divina Commedia. Francis
A. Wood, Apparent Absence of Umlaut in 0. E. E. C. Armstrong, The
Position of the Secondary Accent in French Etymons having more than
two Protonic Syllables. I. Eeviews. Correspondence].
Die neueren Sprachen. Herausgegeben von Wilhelm Victor. III, 8
[J. Hengesbach, Der französische Unterricht am preufsischen Gymnasium
nach der neuen Lehrmethode. R. Krön, Die Methode Gouin III. M. Tissot,
De l'enseignement secondaire en France. L. P. Eykman, Gouin's System
in Holland. Besprechungen von Hilfsmitteln für den französischen Unter-
richt. Vermischtes]. 4 [R. Krön, Die Methode Gouin IV. Ph. Aron-
stein, England um die Mitte des 18. Jahrhunderts, ein Beitrag zur Kultur-
geschichte. Tissot, De l'enseignement sec. en France (fin). Fortsetzung
der Anzeige von Storms Engl, Philologie (R. J. Lloyd). Besprechungen
von Orell Füfslis Bildersaal für den Sprachunterricht (F. D.) und von
J. d'Escolaux, A travers mes manuscrits (Lohmann). Vermischtes].
Neuphilologisches Centralblatt. Herausgegeben von Dr. W. Kasten.
IX, 7. 8. 9.
Internationale Litteraturberichte. Organ des Deutschen Schriftsteller-
Verbandes. 2. Jahrg., Nr. 29. Leipzig, C. F. Müller. 16 S. 4 [erscheint
vierzehntägig. Quartal 1 M.].
Mitteilungen aus der Litteratur des 19. Jahrhunderts und ihrer Ge-
schichte. Ergänzungsheft zu Euphorion, Zeitschrift für Litteraturgeschichte
herausgegeben von A. Sauer. Band 2. Bamberg, C. C. Buchner (Rudolf
Koch), 1895. 2 Bl., 192.. S. 8. M. 4 [Jakob Schipper, Charles Wolfe.
Spiridion Wukadinovi6, Über Kleists 'Kätchen von Heilbronn'. Alfred
Christlieb Kalischer, Clemens Brentanos Beziehungen zu Beethoven (mit
einer Beilage von August Sauer). Reinhold Steig, Zu Theodor Körners
Leben und Dichten. Anton Reichl, Grabbes und Grillparzers 'Hannibal'.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 343
Eudolf Kraufs, Studien zu Eduard Mörikes Gedichten. Wilhelm Buchner,
Unbekanntes und Ungedrucktes von Ferdinand Freilig;rath. Jakob Baech-
told, Der Apotheker von Chamouny oder der kleine Eomanzero von
Gottfried Keller, in älterer Fassung mitgeteilt. L. G., Friedrich Ast an
Kreuzer. Emil Fromm, Ein Sprachdenkmal aus den Befreiungskriegen].
Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte. Herausgegeben von
Max Koch. N. F. Vfll, 3 [Ludwig Chr. Stern, Die ossianischen Helden-
lieder. III. Marcus Landau, Die Dramen von Herodes und Mariamne. I.
Veit Valentin, Dichterisch und Poetisch. Emil Sulger-Gebing, Dante in
der deutschen Litteratur bis zum Erscheinen der ersten vollständigen
Übersetzung der Divina Comedia (1767/69). .1. A. Ludwig Stiefel, Zwei
Schwanke des Hans Sachs und ihre Quellen ; Über die Quelle der Turandot-
Dichtung Heinz des Kellners]. 4. 5 [Ernst Müller, Schillers Alpenjäger
und Kalidasas Sakuntala. Marcus Landau, Die Dramen von Herodes
und Mariamne. IL Artur Farinelli, Deutschlands und Spaniens littera-
rische Beziehungen. — Th. Distel, Die erste Verdeutschung des 12. Lukia-
nischen Totengesprächs. Eudolf Schlösser, Gotter und die Karschin.
Albert Zipper, Das Manuskript von Kraszewskis Dante-Übersetzung. Be-
sprechungen].
Literaturblatt für germanische und romanische Philologie. Heraus-
gegeben von 0. Behaghel und F. Neumann. XVI, 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Sainenu, Lazär, Basmele romäne in comparatiune cu legendele an-
tice dasice si in legäturä cu basmele popörelorü invecinate si ale tuturorit
popöreloru romanice, studiu comparativn. Opera premiata si tipäritä de
academia romänä. Bucuresci, Göbl, 1895. XIV, 1114 S. 8. 10 1.
Paris, Gaston, Saint Josaphat in Eevue de Paris. 2^ ann^e, No. 11
(l^juin 1895). S. 529—550.
Kohl er, J., Der Ursprung der Melusinensage. Eine ethnologische
Untersuchung. Leipzig, Eduard Pfeiffer, 1895. 3 Bl., 66 S. 8.
Alemannia. Zeitschrift für Sprache, Kunst und Altertum besonders
des alemannisch-schwäbischen Gebietes, begründet von f Anton Birlinger,
fortgeführt von Friedrich Pf äff. XXIII, 1 [J. J. Hoffmann, Schapbach
und seine Bewohner. Ludwig Wilser, Schwaben und Alemannen. Karl
Amersbach, Zur Tannhäusersage. Fr. Pf äff. Die Künstlerinschrift zu
Engen. Alte Sprüche].
Binz, G., Zeugnisse zur germanischen Sage in England. Ausschnitt
aus den Beiträgen zur Geschichte der deutschen Sprache XX, 142 — 223.
[Biltz, C] Neuer Deutscher Bücherschatz. Verzeichnis einer an
Seltenheiten ersten Eanges reichen Sammlung von Werken der deutschen
Litteratur des 15. bis 19. Jahrhunderts. Mit bibliographischen Bemer-
kungen [und einem Anhange: 'Das neuaufgefundene Wittenberger Ge-
sangbüchlein vom Jahre 1526']. Berlin, Imberg & Lefson, 1895. 4 Bl.,
264 S. 8.
*«?* Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache.
XXIX. Heft (Band HL Bogen 79—88). Bearbeitet von Fr. Staub,
L.Tobler, E. Schoch, A.Bachmann und H. Bruppacher. Frauen-
feld, Huber, 1895. M. 2.
Wörterbuch der Strafsburger Mundart aus dem Nachlasse von Charles
Schmidt (1812—1895). Mit einem Porträt des Verfassers, seiner Bio-
graphie und einem Verzeichnisse seiner Werke. Strafsburg, Heitz, 1895.
I. Lieferung, S. 1—48.
Allgäuer, K., Vergleichendes Vor- und Taufnamenbüchlein. Eied-
lingen, Ulrichsche Buchhdlg. [o. J.l. 45 S. 8.
Sehen ck, Ottilie, Elementarbuch der deutschen Sprache für Aus-
länder. Mit einem Wörterbuche. Marburg, Elwert, 1895. 50 S. 8.
844 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Bornscheuer, Gustav, Deutsch, eine Sammlung von falschen Aus-
drücken, die in der deutschen Sprache vorkommen, nebst der Berichtigung
und Erklärung dieser Fehler. Bonn, Hanstein, 1895. XV, 194 S. 8. M. 2.
Kaeding, F. W., Über die Häufigkeitsuntersuchungen der deutschen
Sprache. Vortrag. Sonderabdruck aus dem Magazin für Stenographie.
Jahrgang 1895. 38 S. 8.
Die deutschen Klassiker erläutert und gewürdigt für höhere Lehr-
anstalten sowie zum Selbststudium von E. Kuenen, Prof. am Kgl. Gym-
nasium zu Düsseldorf, M. Evers, Prof. und Direktor des Gymnasiums
zu Barmen, und einigen Mitarbeitern. Leipzig, Heinrich Bredt, 1895. 8.
I. Bändchen: Schillers Wilhelm Teil von Eduard Kuenen. Vierte
Auflage. Mit einer Karte der Örtlichkeit. 116 S. M. 1.
II. Bändchen: Goethes Egmont von Dr. Friedrich Vollmer. 113 S.
M. 1.
German Classics, edited with English Notes, etc. by C. A. Buch-
heim, Ph. D., F. C. P., Professor of the German Language and Litera-
ture in King's College, London, etc. Vol. XIII. Schiller's Maria Stuart,
with an Historical and Critical Introduction, a Complete Commentary,
etc. Oxford, Clarendon Press, 1895. LVI, 262 S. 8.
Angelus Silesius, Cherubinischer Wandersmann (Geistreiche Sinn-
und Schlufsreime). Abdruck der ersten Ausgabe von 1657. Mit Hinzu-
fügung des sechsten Buches nach der zweiten Ausgabe von 1675. Her-
ausgegeben von Georg Ellinger. Halle a. S., Max Niemeyer, 1895 (Neu-
drucke deutscher Litteraturwerke des 16. und 17. Jahrh. Nr. 135 — 138).
1 Bl., LXXX u. 174 S. 8. M. 2,40.
Lessings Hamburgische Dramaturgie. Ausgabe für Schule und Haus
von Friedrich Schröter und Richard Thiele. Halle, Buchhandlung
des Waisenhauses, 1895. VIII, 535 S. 8. M. 4.
Om undersOgelsen og tolkningen af vore runemindesmserker. Af
Ludv. F. A. Wimmer. Indbydelsesskrift til Kjobenhavns Universitets
aarfest i anledning of hans majestset kongens f(/}dselsdag den 8'^® april
1895. 2 Bl., 134 S. 4.
Englische Studien. Herausgegeben von Eugen Kölbing, XXI, 1
[F. Graz, Beiträge zur Textkritik der sogenannten Ctedmonschen Dich-
tungen. Ph. Aronstein, John Marston als Dramatiker (Schlufs). E. Nader,
Das VI. Sommer-Meeting der Oxford University Extension. E. Kölbing,
Textkritische Bemerkungen zu William von Shoreham. E. Kölbing, Kleine
Beiträge zur Erklärung und Textkritik vor-Shaksperescher Dramen. I;
Bemerkungen zu Byrons Childe Harold. L. Fränkel, Nochmals zur Le-
gende vom Einsiedler und Engel. J. G. Wülfing, Orond =■ krächzen?
. R. Gnerlich, Zur Abstammung des Wortes pedigree. H. Gruber, Der äl-
teste, neu aufgefundene Druck der dramatischen Werke des Sir Richard
Steele. J. Ellinger, Zu dem Gebrauche des Infinitivs nach to dare.
A. Schröer, Laura Soames f]. 2 [J. Hall, Short pieces from Ms. Cotton
Galba E. IX. J. Hoops, Keats' Jugend und Jugendgedichte. A. Pakscher,
Die Berlitz-Methode. Miscellen].
Anglia. Herausgegeben von Eugen Einenkel. XVII, 4 [Benno
Leonhardt, Bischof Fletcher. Ferd. Holthausen, Zu alt- und mittelengl.
Dichtungen. VII. 47. Zum Havelok. 48. Zu den Signa ante Judicium.
49. Englische Weihnachtslieder. Emil Hausknecht, Vier Gedichte von
Charles D'Orl^ans. L. Schipper, 'Der Papist Shakspere im Hamlet' von
J. Spanier. M. Kolkwitz, Zum Erfurter Glossar. Ph. Aronstein, Ben
Jonsons Theorie des Lustspiels. A. E. H. Swaen, To shrink, to sing, etc.
Einenkel, Die Wortstellung im englischen Nebensatze]. Beiblatt, heraus-
gegeben von M. F. Mann. VI, 1. 2. 3. 4 [Trautmaun, Der Andreas doch
von Cynewulf (die hier von Trautmann begründete Ansicht, dals die
Verzeichnis der eingelaufenen Druckscliriften. 345
Fata apostolonim nur der Schlufs des Andreas seien, hat Israel Gollancz
schon 1892 in seiner Ausgabe von Cynewulfs Crist S. 178 ausgesprochen].
Murray, Dr. James A. H., The Oxford English Dictionary. A New
English Dictionary on Historical Principles. Dejeci — Depravation (Vol. III).
Oxford, Clarendon Press, 1895. S. 158—216 gr. 4. 2 s. 6 d.
Muret, Encyklopädisches Wörterbuch der englischen und deutschen
Sprache. Mit Angabe der Aussprache nach dem phonetischen System
der Methode Toussaint-Langenscheidt. Berlin, Langenscheidt [1895]. Teil I
(Englisch-Deutsch). Lieferung 16 [painting—pled], 17 [pledge—qtieer'].
S. 1529—1720. Je M. 1,50. _____
Barnstorff, E. H., Kurzgefafste Schulgrammatik der englischen
Sprache. Flensburg, Westphalen, 1895. IV, 112 S. 8. M. 1.
Dickhuth, Oberlehrer Dr. W., Übungsstoff und Grammatik für den
englischen Anfangsunterricht. Osnabrück, G. E. Lückerdtsche Buchhand-
lung (S. Bühling), 1895. 4 Bl., 119 S. 8.
Methode Gaspey - Otto - Sauer. Englische Konversations- Grammatik
zum Schul- und Privatunterricht. Von Dr. Thomas Gaspey. Neu be-
arbeitet von H. Eunge, Gvmnasial-Oberlehrer in Eisen berg. 22. ver-
besserte Auflage. Heidelberg, Julius Groos, 1895. XII, 424 S. 8. Geb.
M. 8,60.
Wingerath, Dr. Hubert H., The Intuitive English Keader for Be-
ginners in German Schools being a Selection of Keadings in Prose and
Poetry with Spelling and Pronunciation Lessons. Cologne, Dumont-
Schauberg, 1895. XXVIII, 144 S.
Victor, Wilhelm, und Dörr, Franz, Englisches Lesebuch, Unter-
stufe. Vierte Auflage. Leipzig, Teubner, 1895.
Pünjer, J., und Hodgkin son, F. F., Lehr- und Lesebuch der
englischen Sprache. Dritte Auflage. Hannover, Carl Meyer (Gustav Prior),
1895. XII, 286 S. 8. M. 2,25; geb. M. 2,65.
Traut, Dr. H. Th., Englische Aufsatz- und Brief schule. Eine Samm-
lung von Musteraufsätzen, Briefen und Entwürfen. Mit Einleitungen und
Präparationen. Für die Oberklassen höherer Schulen und zum Privat-
studium. 2. Auflage. Dresden, Gerhard Kühtmann, 1895. VIII, 164 S. 8.
M. 1,80; geb. M. 2.
Wingerath, Dr. Hubert H., A Short English Vocabulary Arranged
according to the Intuitive Method. Cologne, "Dumont-Schauberg, 1895.
VIII, 84 S.
Cook, Albert S., Professor of the English Language and Literature
in Yale University, Exercises in Old English, based upon the Prose Texts
of the Author's 'First Book in Old English'. Boston, U. S. A., Ginn &
Company, 1895. IV, 68 S. 8.
Collection of British Authors. Leipzig, Bernhard Tauchnitz, 1895.
kl. 8. Band M. 1,60.
Vol. 3049. A Victim of Good Luck. A Novel. By W. E. Norris.
287 S
Vol. 8050." Beside the Bonnie Brier Bush. By lan Maclaren. 286 S.
Vols. 3051 and 3052. Highland Cousins. A Novel. By William Black.
302 und 302 S.
Vol. 3053. The God in the Car. By Anthony Hope. 288 S.
Vol. 3054. The Honour of Savelli. A Komance. By S. Levett Yeats.
335 S.
Vol. 3055. The Woman who did. By Grant Allan. 269 S.
Vol. 3056. A'Question of Colour and other Stories. By F. C. Phi-
lips. 270 S.
346 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Vol. 3057. Kensington Palace in the Days of Queen Mary II. A Story
by Emma Marshall. 286 S.
Vol. 3058. A Study in Prejudices. By George Pas ton. 272 S.
Vol. 3059. Tales of Mean Streets. By Arthur Morrison. 27P S.
Vols. 3060 and 3061. Colonel Norton. A Novel. By Florence Mont-
gomery. 288 und 279 S.
Vol. 3062. The Impregnable City. A Roman ce. By Max Pemberton.
287 S.
Vol. 3063. The Beautiful Soul. By Florence Marryat. 279 S.
Vol. 3064. The Man who was Good. A Novel. By Leonard Merrick.
268 S.
Vol. 3065. The three Graces. By the Author of 'Molly Bawn'. 287 S.
Vols. 3066 and 3067. My Lady Nobody. By Maarten Maartens.
279 und 279 S.
Vol. 3068. Celibates. By George Moore. 336 S.
Vol. 3069. The Gods, some Mortals and Lord Wickenham. By John
Oliver Hob bes. 287 S.
Vols. 3070 and 3071. Beyond the Dreams of Avarice. By Sir Walter
Besant. 294 und 272 S.
Vol. 3072. Too late repented. By Mrs. Forrester. 248 S.
Vol. 3073. In the Old Chateau. By Richard Henry Sa vage. 375 S.
Vol. 3074 and 3075. They call it Love. By Frank Frankfort Moore.
288 und 280 S.
Vol. 3076. The Story of Bessie Costrell. By Mrs. Humphry Ward. 222 S.
Vols. 3077 and 3078. Lord Ormont and his Aminta. By George Mere-
dith. 278 und 270 S.
Vol. 3079. A Tug of War. By the Author of 'Molly Bawn'. 287 S.
Anthologie englischer Gedichte bis auf die neueste Zeit. M. C. Wil-
liams' Pearls of Poesy zum Schulgebrauch und Privatstudium. Vierte
Auflage. Mit einer Ergänzung von Dr. Ernst Groth. Leipzig, Hans
Licht, 1895. XVI, 310 S. kl. 8. Kart. M. 1,80.
Of Royal Education. A Fragmentary Treatise by Daniel Defoe.
Edited for the First Time, with Introduction, Notes, and Index by Karl
D. Bülbring, M. A., Ph. D., Professor of the English Language and
Literature in the University of Groningen, Netherlands. London, David
Nutt, 1895. XIX, 72 S. 8.
Schmagersche Textausgaben (französischer und) englischer Schrift-
steller für den Schulgebrauch. Dresden, Gerhard Kühtmann, 1895. kl. 8.
22. Sketches of English Culture aus: A History of English Culture
from the Earliest Known Periods to the Modern Times. By Thomas
Wright. Zum Schulgebrauch ausgewählt von Dr. C. Klöpper,
I. Lehrer der neueren Sprachen am Gymnasium zu Rostock. XIV,
69 S. M. 0,80. Kommentar 48 S. M. 0,60.
26. The Beauties of Nature, and the Wonders of the World we live in.
By Sir John Lubbock. In gekürzter Fassung zum Schulgebrauch
herausgeg. von Oberlehrer G. Opitz. IV, 116 S. M. 1. Wörter-
buch 44 S. M. 0,30. Anmerkungen für den Lehrer 19 S. gratis.
Library of Early English Writers edited by C. Horstman. Vol. I.
Yorkshire Writers. Richard Roll of Hampole an English Father of the
Church and his Followers edited by C. Horstman. London, Swan
Sonnenschein and Co., 1895. XIV, 442 S. 8.
Breit inger, H., Grundzüge der englischen Litteratur- und Sprach-
geschichte. Mit Anmerkungen zum Übersetzen ins Englische. Dritte
Auflage besorgt von Dr. Theodor Vetter. Zürich, Schulthefs, 1896.
122 S. 8. M. 1,60.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 847
Scherillo, Michele, Ossian, conferenza tenuta ai soci il 24 febbraio
1895 (Associazione Magistrale Milanese). Milano, Vallardi, 1895. 76 S. 8. 1 1.
P. J. Cosijn, Anglosaxonica II. Ausschnitt aus den Beiträgen zur
Geschichte der deutschen Sprache XX, 98 — 116 [zu Genesis, Exodus,
Daniel und Azarias].
Seyferth, Dr. Paul, Sprache und Metrik des mittelenglischen stro-
phischen Gedichtes 'Le Morte Arthur' und sein Verhältnis zu 'The Lyfe
of Ipomydon'. Berlin, C. Vogts Verlag, 1805 (Berliner Beiträge zur ger-
manischen und romanischen Philologie, veröffentlicht von Dr. Emil Ehe-
ring. VIII. Germanische Abteilung Nr. 6). 79 S. 8 [der erste Teil bis
S. 43 ist als Berliner Dissertation erschienen; vgl. Archiv XCIV, 365].
Koeppel, Emil, Quellen-Studien zu den Dramen Ben Jensons, John
Marstons und Beaumont und Fletchers. Erlangen und Leipzig, Deichert,
1895. VIII, 159 S. 8. M. 3,60 (Münchener Beiträge ... herausgegeben
von Breymann und Koeppel, XI).
Adler, Fritz, Das Verhältnis von Shaksperes Antony and Cleopatra
zu Plutarchs Biographie des Antonius. Hallische Dissertation (1. Mai
1895). Separatabdruck aus dem Jb. d. d. Sh.-Gesellschaft, Bd. XXXI.
4 Bl., 55 S. 8.
Westenholz, Dr. Friedrich von. Die Tragik in Shaksperes Corio-
lanus. Eine Studie. Stuttgart, Frommann, 1895. 31 S. 8.
Schreyer, Hermann, William Shakspere. Schauspiel in fünf Auf-
zügen. Nebst einem Anhang: Zur Shakspere-Frage. Leipzig, Otto Schmidt,
1895. 2 BL, 170 S. 8.
Schipper, Prof. Dr. J., Der Bacon-Bacillus. Feuilleton der Wiener
Neuen Freien Presse im Morgenblatt vom 18. und 30. April 1895.-
Wukadinovi6, Dr. Spiridion, Prior in Deutschland. Graz, K. K.
Universitäts - Buchdruckerei und Verlagsbuchhdlg. 'Styria', 1895 (Grazer
Studien zur deutschen Philologie. Herausgeg. von Anton E. Schönbach
und Bernhard Seuffert. IV. Heft). X, 72 S. gr. 8. M. 1,70.
Schipper, Jakob, Charles Wolfe. Sonderabdruck aus der Zeitschr.
f. Litteraturgesch. 'Euphorien'. Zweiter Band. Ergänzungsheft. 13 S. 8.
Streuli, Wilhelm, Thomas Carlvle als Vermittler deutscher Litte-
ratur und deutschen Geistes. Zürich, Schulthefs, 1895. VII, 146 S. 8. M._2.
Opitz, Gustav, Oberlehrer, Sommerfahrten in England. Berlin,
R. Gaertners Verlagsbuchhdlg. (Hermann Heyfelder), 1895. Beilage zum
Jahresbericht der VIII. Realschule zu Berlin. Programm Nr. 124. 28 S. 4.
Romania, recueil trimestriel ... publ. par Paul Meyer et Gaston
Paris. T. XXIV, No. 95 [F. Lot, Celtica. A. Thomas, Les noms com-
pos^s et la derivation en fran§ais et en proven9al. P. Meyer, La descente
de Saint Paul en enfer, pofeme franyais compos^ en Angleterre. Paget
Toynbee, Dante's references to Pythagoras; Dante's obligations to Oro-
sius; some unacknowledged obligations of Dante to Albertus Magnus;
Dante's obligations to Alfraganus in the Vita Nuova and Convivio. —
M^langes : A. Mussafia, Francese vals, valt, valent; sals, sali; ehielt, ehalt.
E. Langlois, Interpolations du Jeu de Robin et Marion. G. Raynaud,
Le dit^ du'. Cheval ä vendre, publik d'apr^s un ms. du chäteau de Ohan-
tilly. — Comptes Rendus. Periodiques. Chronique].
Revue des Langues romanes. XXXVIII, 5 [Jules Camus, Un MS.
namurois du XV*^ Si^cle (suite et fin). Ch. Barbier, Le Libre de Memorias
de Jacme Mascaro (suite). Ch. R^villout, La lögende de Boileau (dixi^me
article). William Paillet, Un Rapprochement entre La Fontaine et Victor
Hugo. Maurice Rivifere, Rigaudons chantes autrefois ä Saint-Maurice-
de-l'Exil (Is^re). D'apr^s le Temps, Deux Carnavals beiges. Mistral, Per
Na Clareto, fiho de moun ami Messino, sendi de la Manten^ngo de Leu-
348 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
gado]. 6 [Eugene Eigal, Corneille et l'evolution de la tragedie en France
(deuxi^me article). Ch. R^villout, La legende de Boileau (onzi^me ar-
ticle). Joseph Buche, Lettres inidites de Jean de Boyssone et de ses
amis (deuxi^me article). George-C. Keidel, Note sur le ms. 205 de Berne
(Bibliotheca Bongarsiana). Maurice Rivi^re, Chansons patoises qui se
chantaient ä Saint-Maurice, autrefois: La fenna de mätre Piäre; L'avi-
giöusa de mariajou. Chronique]. 7 [F. Gabotto, Un po^me inedit de
Cesar de Nostredame et quelques autres documents litt^raires sur l'histoire
de France au XVI*^ si^cle. Ch. Revillout, La legende de Boileau (dernier
article), Bibliographie. Chronique]. Statt der ausstehenden Hefte 8 — 12
des Jahrganges soll der erste Teil eines von C. Chabaneau bearbeiteten
Cartulaire du Consulat de Limoges ausgegeben werden.
Densusianu, Ov., Aliteratianea in limbile romanice. Jasi 1895.
96 S. 8. ' J
Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur . . . herausgegeben
von D. Behrens. XVII, 4 (Referate und Recensionen 2). 5. 7 (Abhand-
lungen 3. 4) [D. Behrens, Mitteilungen aus Carl Ebenaus Tagebuch
(Schlufs). G. Körting, Die Entwickelung des Suffixes -arius im Franzö-
sischen. W. Foerster, Friedrich Diez].
Revue de philologie frangaise et proven§ale p. p. Löon Cl^dat.
T. IX, f. 1 [L. Cledat, La conjugaison morte (suite). E. Roy, Les lettres
de noblesse (1503) du poMe Jean Molinet. E. Roy, Le blason d'un roi
des Ribauds bourguignon et le roman du duc Jean sans Peur. L^on
Vernier, Observation s sur la phon^tique du latin vulgaire. Henri Viez,
Chanson en patois ä l'occasion de la fete de S. M. Louis XVIII. L. ClMat,
Le superlatif relatif en franjais. Nouvelles traductions dialectales d'un
passage de Mireille. Compte rendu: Etüde sur la syntaxe de Rabelais
p. E. Huguet (Joseph Buche)].
Dictionnaire de la langue toulousaine par Jean Doujat, ajoute par
G. Visner, Fun des ^crivains de 'M Gril'. I*'^ fascicule: lettre A. Avec
la pröface de M. A. Jeanroy. Toulouse, Bureaux de '1^ Gril', 1895.
30 S. 8 (das 1637 — 8 gedruckte Glossar Doujats ist seitdem den Ausgaben
von Goudelin beigefügt; es erscheint hier sehr bedeutend erweitert durch
die Bemühungen des lebenden Schriftstellers Visner. Wie grofs der Um-
fang des einzelnen Bandes zu 5 fr. und die Zahl der Bände werden soll,
ist nicht zu ersehen).
Weitzenböck, Georg, Professor an der Landes-Oberrealschule in
Graz, Lehrbuch der französ. Sprache. Prag- Wien-Leipzig, F. Tempsky —
G. Freytag. I. Teil 1893. 2 Bl., 140 S. 4. Geb. M. 1,80. IL Teil 1895.
VI, 259 S. 4. Geb. M. 3; geh. M. 2,50.
Rehrmann, Dr., Prof. am Kgl. Kadetten-Corps, Französische Schul-
grammatik nebst grammatischen Übungen für die Oberstufe höherer Lehr-
anstalten. Auf Veranlassung der General-Inspektion des Militär-Erzie-
hungs- und Bildungswesens bearbeitet (Lehrgang der französ. Sprache von
Dr. Püttmann und Dr. Rehrmann. Dritter Teil). Berlin, Ernst Siegfried
Mittler und Sohn, 1895. XV, 351 S. 8. M. 3,50.
Stier, Georg, Lehrbuch der französischen Sprache für höhere Mäd-
chenschulen. Nach den Bestimmungen des Kgl. Preufs. Unterrichts-Mini-
steriums vom 31. Mai 1894 bearbeitet. Leipzig, Brockhaus, 1895. VIII,
136 S. 8. M. 1,50.
Oster, J., pasteur de l'^glise r^form^e de Dresde, membre de la com-
mission d'examen du Minist^re de l'Instruction publique, Cours sup^rieur
de Grammaire fran9aise ä l'usage des ecoles allemandes. Dresde, Ger-
hard Kühtmann, 1895. VII, 265 S. 8. Brosch. M. 4,50; geb. M. 5.
Sehn eitler, F. H., Lehrgang der französischen Sprache für Kauf-
leute und Vorschule zur französischen Handelskorrespondenz. Dritte ver-
Verzeichnis der eiDgelaufenen Druckschriften. 349
besserte Auflage. Dresden, Gerhard Kühtmann, 1895. VIII, 313 S. 8.
M. 2,20; geb. M. 2,60.
Frings, M. J., Leichte Gespräche für das tägliche Leben junger
Mädchen. Zum Gebrauche in Töchterschulen. Durchgesehen und ver-
bessert von Dr. Max Kuttner. Neunte Auflage. Berlin, Hayns Erben,
1895. VIII, 108 S. 8.
Traut, Dr. H. Th., Französische Aufsatz- und Brief schule. Eine
Sammlung von Musteraufsätzen, Briefen und Entwürfen. Mit Einlei-
tungen und Präparationen. Für die Oberklassen höherer Schulen und
zum Privatstudium. 2. Auflage. Dresden, Gerhard Kühtmann, 1895. VIII,
170 S. 8. M. 1,80; geb. M. 2.
Französische Konjugationstafeln nach Kennformen und Ableitungen
zusammengestellt. Passau, Abt, 1895. 56 S. 4.
Fleischhauer, Dr. W., Methodisches französisches Lese- und Übungs-
buch. Nach den neuen Lehrpläuen bearbeitet. I. Teil. Leipzig, Renger,
1895. X, 195 S. 8.
Wolter, Dr. E., Frankreich. Geschichte, Land und Leute. Ein
Lese- und Realienbuch für den französischen Unterricht. Zweiter Teil:
La France et les Franyais. Lectures pratiques. Correspondance. Mit
7 Plänen und 1 Karte. Berlin, Gaertner, 1895. V, 206 S. 8.
Walther, Erwin, Wissenschaftliche Fortbildungsblätter für Lehrende
und Lernende der französischen Sprache. Serie IL Stuttgart, Roth, 1895.
46 S. 8.
Französische Übungsbibliothek Nr. 7. Zopf und Schwert . . . von Karl
Gutzkow. Zum Übersetzen aus dem Deutschen in das Französische neu
bearbeitet von Dr. Julius Sahr. Zweite Auflage. Dresden, Ehlermann,
1895. 152 S. 8. M. 1.
Le Maitre fran§ais. — The English Teacher. Französisch-englisches
Lern- und Übungsblatt insbesondere für alle, welche in der Schule Fran-
zösisch und Englisch gelernt haben. Herausgegeben von Dr. phil. H. P.
Junker. 3. Jahrgang, 1895. Englischer Teil. Nr. 19. Französischer
Teil. Nr. 20. Leipzig, Renger [jährlich 24 französische und 24 englische
Nummern von je 8 Seiten 8; M. 6; die 24 Nummern für eine einzelne
Sprache M. 4.].
Hosch, Siegfried, Oberlehrer, Französische Flickwörter. Ein Bei-
trag zur französischen Lexikographie. Teil I. Berlin, R. Gaertners Ver-
lagsbuchhandlung (Hermann Heyfelder), 1895. Wissenschaftliche Beilage
zum Jahresberichte der Luisenstädtischen Oberrealschule zu Berlin. Pro-
gramm Nr. 116. 32 S. 4.
Söderhjelm, Werner, Über Accentverschiebung in der dritten Per-
son Pluralis im Altfranzösischen. Separatabdruck aus: 'Öf versigt af
Finsku Vet.-Soc. Förhandlingar Haft. XXXVIL' 31 S. 8.
The Evangile aux Femmes, an old-french Satire on Women. Edited
with Introduction and Notes, by George C. Keidel, Ph. D., Assistant in
Romance Languages in the Johns Hopkins University. Dissertation pre-
sented to the Board of University Studies of the Johns Hopkins University.
June 1895 (Also issued as Number One of Romance and Other Studies
by George C. Keidel). Baltimore, Frieden wald Company, 1895. 100 S. 8.
Le Pelerinage de vie humaine de Guillaume de Deguileville. Edited
by J. J. Stürzinger, Ph. D., professor in the University of Würzburg.
Printed for the Roxburghe Club. London, 1893. X, 444 S. 4.
L'ystoire et la vie de Saint Genis nach der einzigen bekannten Hand-
schrift zum erstenmal veröffentlicht von W. Mostert und E. Stengel.
Marburg, Elwert, 1895. IV, 124 S. 8 (Ausgaben u. Abhandlungen XCIII).
Biblioth^que frangaise. Dresden, Gerhard Kühtmann, 1895.
7. Adfele ou la petite Fermi^re par Mlle S. UUiac Tremadeure. Mit
Anmerkungen und Fragen nebst einem Wörterbuch. Für den Schul-
350 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
gebrauch neu herausgegeben von Oberl. Dr. Eahn. 8. Auflage.
IV, 23 u. (Wörterbuch) 26 S. M. 1.
63, Histoire d'un petit homme par Marie Eobert Halt. In Auszügen
mit Anmerkungen, Fragen und einem Wörterbuch zum Schul-
gebrauch herausgegeben von Prof. Dr. C. Th. Lion. VI, 206 u.
(Wörterbuch) 83 S. M. 1,50.
Franyois Copp^e, Ausgewählte Novellen mit Einleitung und Anmer-
kungen herausgegeben von Gerhard Franz. Leipzig, Dr. P. Stolte, 1895
(Martin Hartmanns Schulausgaben, Nr. 17). XVI, 80 S. nebst 38 S. Anm.
Geb. M. 1.
Paris, Gaston, La Poesie du moyen äge, legons et lectures. Deuxi^me
s^rie (la litt^rature frangaise au XII** si^cle; l'esprit normand en Angle-
terre; les contes orientaux daus la litterature frangaise au moyen äge; la
legende du mari aux deux femmes; la parabole des trois anneaux; Siger
de Brabant; la litterature franyaise au XIV si^cle; la poesie frangaise
au XV« si^cle), Paris, Hachette, 1895. 267 S. 8. 3,50 fr.
Paris, Gaston, Le roman de Renard. Extrait du Journal des Sa-
vants (Septembre, Octobre et Decembre 1894, Fevrier 1895). Paris, Im-
primerie Nationale, 1895. 72 S. 4.
Meyer, Paul, Guillaume Anelier de Toulouse, Matfre Ermengau de
B^ziers, Troubadours de la fin du XIII® si^cle et du commencement du
XIV®, Legendes pieuses en provengal (Extrait de l'Histoire litteraire,
tome XXXII). 108 S. 4.
Paris, Gaston, Besprechung von Tietro Toldo, Contributo allo studio
della novella francese del XV e XVI secolo, considerata specialmente
nelle sue attinenze con la letteratura italiana. Eoma, Loescher, 1895'.
Extrait du Journal des Savants, mai et juin 1895. 34 S. 4.
Texte, Joseph, De Antonio Saxano (Antoine du Saix) 1505 — 1579
francogallico carminum scriptore thesim facultati litterarüm Parisiensi
proponebat. Paris, Hachette, 1895. 125 S. 8.
Rosenbauer, A., Über P. Ronsards kunsttheoretische Ansichten.
Dissertation von München 1895. 32 S. 8 (Anfang einer Arbeit, die in
Breymanns und Koeppels Münchener Beiträgen erscheinen soll).
Werner, Moritz, Zwei Threnoi Alfred de Mussets. Berliner Disser-
tation (27. Mai 1895). VII, 33—104 S. 8 [nur ein Teil der bei der Fa-
kultät eingereichten Arbeit, die vollständig unter dem Titel 'Kleine Bei-
träge zur Würdigung Alfred de Mussets' in den 'Berliner Beiträgen zur
germanischen und romanischen Philologie' als Nr. 4 der rom. Abteilung
erscheinen soll].
Giornale storico della letteratura italiana. Vol. XXVI, fasc. 1. 2
(fasc. 76. 77) [V. Rossi, II canzoniere inedito di Andrea Michieli detto
Squarzöla o Strazzöla. G. Rosalba, Un poeta coniugale del sec. XVI
(Bernardino Rota). E. Bertana, Un precursore del romanticismo (Giulio
Cesare Becelli). — Varietä: E. Rostagno, Frammenti di un cod. di rime
volgari affine al Vat. 3793. Paget Toynbee, Le teorie dantesche sulle
macchie della luna. 0. Hecker, Della parentela esistente fra il mano-
scritto berlinese del Decameron ed il cod. Mannelli. G. Sanesi, Un libello
e una pasquinata di P. Aretino. — Rassegna bibliografica : G. Salvadori,
La poesia giovanile e la canzone d'amore di Guido Cavalcanti (Fl. Pelle-
grini). Le rime di Bartolomeo Cavassico a cura di V. Cian e C. Sal-
vioni (V. Rossi). C. Simiani, La vita e le opere di Nicolö Franco (E. Si-
cardi). F. Gabotto, Per la storia della letteratura civile dei tempi di Carlo
Emanuele I (G. Rua). V. Alemanni, Un filosofo delle lettere, Melchior
Cesarotti (E. Bertana). — Bollettino bibliografico. — Annunzi analitici. —
Pubblicazioni nuziali. — Communicazioni ed Appunti. — Cronaca].
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 851
Neues italienisch-deutsches und deutsch-italienisches Wörterbuch von
Giuseppe Rigutini und Oskar Bulle. Leipzig, Tauchnitz, 1895. 1. und
2. Lieferung zu je 6 Bogen gröfsten Lexikon-Oktavs. Preis der Lieferung
M. 1. Das Werk soll in 17 bis 18 monatlich erscheinenden Lieferungen
vollständig sein.
Rime antiche italiane secondo la lezione del codice vaticano 3214
e del codice casanatense d. v. 5 pubblicate per cura del dott. Mario
Pelaez. Bologna, Romagnoli- Dali' Aqua, 1895. XXIII, 390 S. 8 (Col-
lezione di opere inedite o rare ecc).
L'Urban cortese (Nozze Crivellucci-Brunst). Pisa 1895. 12 S. 8. Das
anglonormannische Gedicht, von dessen Existenz man zuerst durch Paul
Meyer (Bulletin de la Soc. des anc. textes 1880, S. 73) erfahren hat und
von dem dieser Gelehrte vier weitere Handschriften nachweist, darunter
die später (Romania XV, 263) von ihm beschriebene, wird hier durch
L. Biädene nach einer Abschrift gedrucht, die Meyer nach einer Hand-
schrift der Cambridger Universitätsbibliothek genommen hat. Der Text
ist bisweilen mit Hilfe zweier gleichfalls von Meyer abgeschriebener an-
derer Codices oder durch Konjektur verbessert. Es sind 184 paarweise
gereimte, ungefähr achtsilbige Verse, Anstandsregeln.
Varnhagen, Hermann, Italienische Kleinigkeiten. Herrn Professor
Adolf Tobler zu seinem sechzigsten Geburtstage am 23. Mai 1895 dar-
gebracht. Halle, Niemeyer, 1895. IV, 42 S. 4 (I. Zur Erzählung vom
verbrannten Mantel. II. La Novella della Figliuola del Mercatante.
III. Über einige alte italienische Drucke. IV. Ein Marsch Georgs von
Frundsberg über die Alpen nach Mailand im Februar 1522).
Poema italicum de Lautreco Marescallo et de hello in Italia superiori
a. d. 1522 gesto edidit Hermannus Varnhagen. Einladung zur Feier-
lichkeit der Übergabe des Prorektorats der Universität Erlangen 1894.
XII, 38 S. 4.
Lenz, Rodolfo, Apuntaciones para un testo de ortologia i ortografia
de la lengua castellaua (publicado en los 'Anales de la Universidad').
Santiago de Chile, 1894. 32 S. 8.
Lope de Vega's Comedia 'Sin secreto no ay amor' edited from the
autograph manuscript by Hugo A. Rennert, Ph. D. Baltimore, The
Modern Language Association of America, 1894 (Reprinted from the Publi-
cations of the Mod. Lang. Ass. of Am. Vol. IX, No. 2). 132 S. 8.
Revista critica de historia y literatura espanolas. Afio I, num. 1.
Madrid 1895 (monatlich ein Heft von 32 S. gr. 4, im Postverein jährlich
25 Fr.). ______
Breymann, Hermann, Die neusprachliche Reform - Litteratur von
1876—1893. Eine bibliographisch-kritische Übersicht. Leipzig, Deichert,
1895. 155 S. 8. M. 3.
Cutting, Starr Willard, 'Should the Elementary Study of Grammar
be chiefly Inductive?' A Paper read before the Modern Language Asso-
ciation of America, at Washington, December 27, 1893. Reprinted from
the Proceedings. 8 S. 8.
Bahrs, Prof. Dr., Die gegenwärtigen Ziele im neusprachlichen Unter-
richt auf dem Realgymnasium und ihre Erreichbarkeit. Beilage zum
XIII. Jahresbericht des Herzogl. Friedrichs-Realgymnasiums . . . für das
Schuljahr 1894—1895. Dessau 1895. 19 S. 4.
Seeger, Direktor, I. Bemerkungen zur Organisation des französischen
Unterrichts. IL Bemerkungen zu einzelnen Lehren der neufranzösischeu
Syntax. Wissenschaftliche Beilage zum Programm des Realgymnasiums
zu Güstrow. 1895. 32 S. 4.
Groth, Dr. Ernst, Studienreisen und Reisestipendien der Neuphilo-
352 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
logen. Vortrag auf dem ersten sächsischen Neuphilologentage am 16. Juni
1895 gehalten. Leipzig, Fock, 1895. 16 S. 8 (Separatabdruck aus dem
Anglia-Beiheft VI).
Methode Gaspey - Otto - Sauer. Neugriechische Kon versations - Gram-
matik zum Schul- und Privatunterricht von K. Petraris. Heidelberg,
Julius Groos, 1895. IX, 476 S. 8.
Das Lied von der Heerschaar Igorj's. Abdruck der editio princeps
nebst altslovenischer Transskription und Commentar von Dr. Rudolf
Abi cht, Senior an der Pfarrkirche zu Elftausend Jungfrauen, Lector
der polnischen und russischen Sprache an der Universität Breslau. Leip-
zig, Eaimund Gerhard, 1895. 52 S. 8. M. 1,80.
Methode Gaspey - Otto - Sauer. Türkische Kon versations - Grammatik
von Henry Jehlitschka. Mit einem Anhang von Schrifttafeln in tür-
kischer Kursivschrift nebst Anleitung. Heidelberg, Julius Groos, 1895.
VIII, 420 S. 8.
Linguae Guarani grammatica Hispanice a reverendo patre Jesuita
Paulo Restivo secundum libros Antonii Ruiz de Montoya, Simonis Ban-
dini aliorumque adjecto particularum lexico anno MDCCXXIV in civi-
tate Sanctse Marise Majoris edita et 'Arte de la lengua Guarani' inscripta
sub auspiciis et impensis illustrissimi domini Petri, principis Saxo-Cobur-
gensis Gothensis ex unico, quod in Europa noscitur, eiusdem serenissimi
principis exemplari redimpressa necnon prsefatione notisque instructa opera
et studiis Christian! Frederici Seybold, doctoris philosophise. Stuttgardise,
in «dibus Guilelmi Kohlhammer, MDCCCXCII. XIV, 331 S. 8.
Lexicon Hispano-Guaranicum 'Vocabulario de la lengua Guarani' in-
scriptum a reverendo patre Jesuita Paulo Restivo secundum vocabularium
Antonii Ruiz de Montoya anno MDCCXXII in civitate S. Marise Majoris
denuo editum et adauctum sub auspiciis augustissimi domini Petri Se-
cundi, Brasilese imperatoris, posthac curantibus illustrissimis eiusdem hse-
redibus ex unico, qui (!) noscitur, imperatoris beatissimi exemplari redim-
pressum necnon praefatione notisque instructum opera et studiis Christiani
Frederici Seybold, doctoris philosophi£E. Stuttgardise, in sedibus Guilelmi
Kohlhammer, MDCCCXCIII. XI, 545 S. 8.
The University of Minnesota. Catalogue for the Year 1894 — '95 and
Announcements for the Year 1895— '96. By the University, Minneapolis,
1895. 245 S. 8.
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie
aus dem 16. bis 18. Jahrhundert.
Das Meisterblich der Frankfurter Goldschmiede-Iiiniin
Im Besitze des Herrn Baron Wilhelm von Erlanger zu
Niederingelheim bei Mainz befindet sich das Meisterbuch der
Goldschmiede-Innung von Frankfurt a. M., ein Kleinod des deut-
schen Kunsthandwerkes früherer Jahrhunderte. Als in den sech-
ziger Jahren die Frankfurter Zünfte sich auflösten und ihren
Innungsbesitz veräulserten, erstand die Familie von Erlanger die
dabei zum Verkauf gelangenden Gegenstände von künstlerischem
Werte und erwarb damit eine Sammlung von höchst bemerkens-
werter Schönheit und Kostbarkeit. Während von den übrigen
Innungen eine Reihe von prachtvollen Pokalen und Tafelaufsätzen
stammten, unter denen ein silbernes Schiff von der Schifferzunft
besondere Bewunderung verdiente, steuerte die Goldschmiedezunft
vor allem jenes herrliche Stammbuch ihrer Innungsmeister bei.
Jahrelang bildete infolge der Liberalität der nunmehrigen Be-
sitzer der gesamte Schatz das gröfste Schaustück des Frankfurter
Kunstgewerbemuseums und die Freude aller Kenner. Nachdem
er dann in den Erlangerschen Landsitz zu Niederingelheim über-
gesiedelt war, erreichte ihn wenige Wochen später sein Verhäng-
nis. Eine Bande verwegener Einbrecher drang in der Nacht
vom 8. zum 9. Februar 1886 in die Villa ein, plünderte das Erd-
geschofs derselben aus und raubte als Hauptbeute den Innungs-
schatz, der seitdem spurlos verschwunden ist, trotz sorgfältigster
krimineller Nachforschung in allen Erdteilen; wahrscheinlich sind
die herrlichen Kunstwerke von den Räubern sofort eingeschmol-
zen und als Rohmaterial roh verwendet worden. Ein glücklicher
Zufall hat es gewollt, dafs allein das Meisterbuch durch eine
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 23
354 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
Portiere gedeckt den räuberischen Blicken entging und so vor
dem gleichen Schicksale der Vernichtung bewahrt blieb. Habent
sua fata libelli!
Hätten die Einbrecher es entdeckt, sie hätten es sicher nicht
liegen gelassen. Denn der Einband ist ein Mosaik von getrie-
benen, mit Wappen und Figuren geschmückten Gold- und Silber-
platten von solcher Pracht, wie man sie auf dem Gebiete der
Buchbinderkunst so leicht nicht zum zweitenmal findet. Ist so
schon die Schale, die im Laufe von Jahrhunderten durch stück-
weise Widmung der verschiedenen Meister zusammengewachsen
ist, ein bedeutsames Zeugnis für die Kunstfertigkeit ihrer Stifter,
so ist doch für unsere Zwecke der Inhalt des Buches inter-
essanter. Es ist seiner Anlage nach eine Stammbuchchronik der
Innung, indem ein jeder, der den Meistergrad erlangt hatte, der
Ehrenpflicht unterworfen war, seinen Namen zugleich mit seinen
Hauptlebensdaten einzutragen. Aber mit diesen nüchternen No-
tizen begnügten sich die kunstsinnigen und nachdenklichen Mei-
ster nicht: sie fügten einerseits Malerei, andererseits Poesie
hinzu. Immer zwei Gegenseiten sind von einem Meister aus-
gefüllt: auf der rechten prangen Malereien, hauptsächlich Wappen
mit eingelegten Wahlsprüchen, aber auch reicher komponierte
symbohsche Darstellungen und sogar Porträts; darunter steht der
Name des Stifters und meist das Jahr seiner Meisterschaft, auch
wohl noch andere Daten aus seinem Leben; die linke Seite ent-
hält den weiteren dazugehörigen Text.
Die Geschichte des Buches läfst sich aus seinem Inhalte mit
Sicherheit feststellen. Die erste Eintragung stammt vom Jahre
1534; im Jahre 1624 ist es vom Goldschmied Johannes von den
Popeliere renoviert, in den Jahren 1650, 1741 und 1755 von
den Geschworenen der Zunft ebenfalls wieder hergestellt und
durch Einlagen von weifsem Papiere zu weiterer Benutzung ver-
gröfsert. Die jüngste nachweisbare Jahreszahl der Eintragung ist
1863, womit zugleich das Auflösungsjahr der Goldschmiedezunft
gegeben ist. So erstreckt sich das Buch über mehr als 300 Jahre
und ist 630 Seiten stark. Um die Verfasser selbst zu Worte
kommen zu lassen über Zweck und Bedeutung des Werkes, so
seien zwei der Gedichte, die eine neue Epoche des Buches er-
öffneten, zum Abdruck gebracht:
i
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. S55
Auf der rechten Seite ein Bild mit den symbolischen: Eigurcn der Fax und
Justitia, an den vier Ecken die Namen der Geschworenen, auf der lipken folgende
Vcrs6 • ' ' ' *^
Als Ferdinand der dritt das Römisch Reich Regirt
unnd eine lange Zeit ein schweren Krieg geführt,
hat, nächst des höchsten hülff, der wilden ivaffen gfahr,
als mann von Christi gehurt Sechsxehn hundert Jahr
unnd funffxig (sie!) xehlete, Dass endt erwünscht genammen
unnd ist iin Vatterlandt der Friede wiederkommen,
Nachdem der blutig Mars alles im grimm verhert
unfid Nahrung undt gewerb in boden umbgekehrt.
Es wäre diesses buch damals gantx vollgeschrieben
mit nahmen und gemähld, das wenig platx verblieben.
Darumb es dann die Oeschwome renovirt
Ergrössert unnd xugleich mit einem stück gexiert,
Darinn Gerechtigkeit unndt friedt beysammen stehen,
auff den vier Ecken icird mann ihre nahmen sehen.
Der Ehrbarn Oolttschnidts Zunft ist es xu Ehrn gemacht,
wie es von alters her ist auch auff uns gebracht.
Weil dann der Friedenfürst vor Unfridt friedt gegeben,
So wollen sie hierinit der guten hoffnung leben.
Es werd bey ihro auch mit solcher newen ruh
kunst Nahrung Ehr unnd lieb von newen nehmen xu.
II.
Drei schön gemalte Wappen mit Namensunterschriften, auf dem nächsten
Blatte die Verse:
Nachdem in diesem Buch kein Platx, mehr übrig blieben
JJnd schon von langem her der Brauch auf uns gebracht,
Dass, wann ein Goldschmidt hat sein Meister- Stück gemacht.
Er seinen Nahmen hat xum Denkmal drein geschrieben,
Nebst einem Beygemähl, so ihm es wolt belieben.
Wie solches noch mit Lust von vielen wird betracht.
Damit nun fernerhin dergleichen! möcht geschehn.
Hat mann das Buch auffs Neu mit weis Papier .versehn.
Mann hat die Wappen auch derjenigen beygeTnahlt,
Die uns geraume Zeit mit Lieb und Gunst bestrahlt.
Sie wollen fernerhin uns hochgeneigt verbleiben,
Wogegen wir uns stäts xu dero Dienst verschreiben.
20 August 1741
Folgen vier Namen der Geschworenen.
Seine Hauptbedeutung findet das Werk als wichtige Quelle
zur Geschichte des Kuusthand Werkes, speciell der Gold-
schmiedekunst, sowohl nach ihrer Leistungsfähigkeit, wie Organi-
23*
356 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
sation, wie persöolichen Zusammensetzung, und in dieser Rich-
tung ist es, wie ich von den jetzigen Besitzern des Buches er-
fahre, auch schon eingesehen worden von Herrn Dr. Rosenberg
und Herrn Professor Lorsch, ohne dals mir die Art ihrer Ver-
wertung bekannt geworden wäre.
Aber auch nach der litterarhistorischen Seite be-
ansprucht das Werk zweifellos Beachtung. Da nämlich der Text
zu allermeist aus Versen besteht, so stellt es einen interessanten
Beitrag zur Handwerkerpoesie der letzten Jahrhunderte dar.
Damit ist schon umschrieben, was für Poesie sein Inhalt erwarten
läfst: keine echte, frische, tiefe Dichtung, sondern biedere Reim-
drechseleien der ehrsamen Meister, oft von kurioser UnbehilfHch-
keit und nüchternster Prosa, hier und da aber auch origineller
und gelungener in Form und Inhalt, und im ganzen genommen
charakteristisch für Bildung, Geist und Gesinnung des Hand-
werkerstandes, aus dem sie hervorgegangen sind. Die Gesamt-
heit dieser Verse bildet einen Nebenzweig und Ausläufer der
mittelalterlichen Meisterschulen, die ja auch fast diese ganze
Periode über noch bestanden. Schon die Freude an reimmäfsiger
Behandlung auch der prosaischsten Themata gemahnt an die
handwerksmäfsige Übung im Versemachen, welche durch die
Meisterschulen unterhalten wurde und mit ihrem Untergange
auch verschwand. Wer von unseren heutigen Handwerkermeistern
hätte noch Lust und Fertigkeit, sich in Versen zu ergehen!
Wenn wir uns somit einerseits in dem Bereich der her-
gebrachten Handwerkerpoeterei befinden, so ist doch andererseits
interessant zu beobachten, wie die Strömungen und Wandlungen
der gesamten deutschen Litteratur bis in diesen Winkel hinein
wirken und Form und Stil und auch Inhalt beeinflussen und
wandeln. Während anfangs die Reimpaare ausschliefslich herr-
schen, stellt sich im Jahre 1627 zum erstenmal der überschla-
gende Reim ein; um 1650, also cirka 25 Jahre nach dem Er-
scheinen von Martin Opitz^ 'Büchlein von der deutschen Poeterei^,
setzt der Alexandriner ein, der in seinem gemachten Schwulst-
stile auch hier ein Jahrhundert lang dominiert; die kürzeren
Versmafse und Strophenformen, die seit 1760 begegnen, und ihr
flotterer Stil sind ein Widerklang der anakreontischen Richtung
in unserer Litteratur; und die pathetische Unterschrift unter dem
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. 357
Bilde eiües deutschen Ritters im Panzer, dem ein Bürschchen in
höfischer Tracht gegenübersteht: 'O Alter-Teutscher was dein
Handschlag? was deine Waffen? Gehe hin nach Gallien und
lerne deinen Bruder teuschen!' aus den Jahren 1790 — 95 atmet
etwas vom Geiste Klopstocks. Schliefslich hat ein Gedichtchen
vom Jahre 1806, in dem der Biedermann mit seiner Tugend
über den König mit seiner Königswürde rangiert wird, einen
Stich in die republikanische Gesinnung, die durch das Zeitalter
der Humanität und Revolution großgezogen ist.
Über die sprachliche Form ist folgendes bemerkenswert: die
Wahlsprüche sind, wie es ja auch heute noch Brauch ist, aus
fremden Sprachen genommen; interessant dabei ist aber wiederum,
dafs es Handwerker sind, die sich des fremden Idioms bedienen.
Der häufige Gebrauch des Französischen erklärt sich freilich
ohne weiteres aus den Namen der betreffenden Meister, die fran-
zösische Abstammung bezeugen, z. B. Jacques de Mons, Pierre
de Mond, Louis de Bary, Peter de Reynier. Dafs aber oft das
Lateinische und einmal sogar das Griechische verwendet wird,
nämlich in dem 1613 geschriebenen Spruche: y^alov t6 jurider eig
ffilovg u/iiuQTuyeiy^ ist ein Beweis davon, wie auch der strebsame
Handwerkerstand seinen Anteil an gelehrter Renaissancebildung
beanspruchte und nahm.
Unter den Gedichten sind einige der frühesten in nieder-
ländischer, eins in englischer Sprache verfafst. Namen und Her-
kunft der Verfasser lösen auch hier das Rätsel. Um die Wende
des 16. und 17. Jahrhunderts erfuhr Frankfurt a. M. eine förder-
liche Einwanderung von tüchtigen und geschickten Niederländern,
die ihrer evangelischen Glaubenstreue wegen aus der Heimat ver-
trieben wurden. Dieser Zuschufs von frischen Kräften kam zum
beträchtlichen Teile gerade der Goldschmiedezunft zu gute; eine
ganze Reihe von Meistern ist in Anttorf geboren. Einer stammt
sogar aus England:
Jacob Allmann hyn ich genannt,
geboren tot Londen yn Enghelant.
Während einige der Ausländer sich also ihrer Mutterlaute be-
dienten, haben andere von ihnen die angelernte deutsche Sprache
bei der Einzeichnung vorgezogen, aber die wüste, systemlose
Orthographie und mancher offenbare Fehler in Form und Syntax
358 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
zeugt von der MaDgelhaftigkeit ihrer deutschen Sprachkenntnisse.
Die in ihren Versen vorkommenden sprachHchen Eigenheiten
haben daher keinerlei wissenschaftliche Bedeutung.
Die Gedichte von wirklich deutschen Verfassern sind im
ganzen in einem Hochdeutsch geschrieben, das dem normalen
Sprach zustande ihrer Entstehungszeit entspricht. Indem ich alles
für den Kenner unserer Sprachentwickelung ohne weiteres Selbst-
verständliche übergehe, hebe ich im Folgenden nur die Erschei-
nungen heraus, die entweder wirklich auffällig sind oder doch
wenigstens brauchbares Material für die historische Betrachtung
unserer Sprache bieten.
Um 1610: wurdt und wurd als 1. und 3. Pers. Sing. Ind.
Prät. von werden; daneben findet sich aus gleicher Zeit war dt,
ein Beweis, dafs das schon im 13. Jahrhundert einsetzende, auf
Vereinheitlichung der präteritalen Ablautsvokale abzielende
Schwanken zwischen a und u im Sing. Prät. dieses Verbums
noch unentschieden fortdauert. Die jüngere schwache Form
lüurde ist mir nirgends im Meisterbuche begegnet.
Vom Jahre 1743: Wie lechzende der Hirsch na ch frischem
Wasser strebet .... Hier haben wir ein verhältnismäfsig spätes
Beispiel der alten Participialendung : ahd. anti, mhd. ende.
Vom Jahre 1619: verratheten, Präteritum zu verraten,
ein weiteres Beispiel aus hochdeutschem Gebiete für das beson-
ders im Mnd. aufkommende Schwanken dieses Verbums zwischen
starker und schwacher Flexion.
Um 1610: der frid, den fridt, in fride (Dat. Sing.),
Formen der alten starken Flexion von diesem Substantiv.
Um 1610: und in die Theutsche schulen ging. Da schtde
ahd. und mhd. nur stark flektiert, so ist der hier erscheinende
schwache Acc. Sing, bemerkenswert.
Vom Jahre 1664: doch wollen sie für gute freundt ge-
halte sein. Der Plural von freund findet sich noch öfters in
der alten konsonantischen Flexion.
Vom Jahre 1664: wer kan alle falsche Hertze erkennen?
Hier bietet sich ein später Beleg für die auch im Ahd. und Mhd.
vorkommende starke Deklination von herz, besonders im Nom.
und Acc. Plur.
Vom Jahre 1632: die gedechtnus. Der dumpf e Vokal in
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. 359
der Ableitungssilbe nis kommt auch sonst noch vereinzelt im
17. Jahrhundert vor. Das Geschlecht der Substantiva auf nis
schwankt bis ins 18. Jahrhundert hinein zwischen Neutrum und
Femininum.
Vom Jahre 1695: Das leich car hey der iviegen steht ....
(Ins leich = Leichnam, Leiche, ein beachtungswürdiges nhd. Bei-
spiel für das in ältester Zeit überall begründete neutrale Ge-
schlecht dieses Wortes. Danach ist die Bemerkung in Grimms
Wörterbuche VI, S. 612: das Neutrum, im Ahd. selten, scheine
im Mhd. ganz untergegangen zu sein, zu berichtigen. (? Redaktion.)
Vom Jahre 1738: Schand bringt der pr acht . . ., ein
verhältnismäfsig spätes Beispiel für das maskuline Geschlecht
dieses Wortes.
Vom Jahre 1749: aS'o verlach ich deinen wuth. Dies
Beispiel für das maskuline Geschlecht von Wut, das auch mhd.
ganz vereinzelt vorkommt, ist darum nicht zweifellos, weil das
Nomen im Verlauf des Satzes als Femininum behandelt wird.
Vom Jahre 1639: Wohl dem, der entflieht die Welt,
ein weiteres Beispiel für den transitiven Gebrauch von entfliehen,
wofür Grimms Wb. III, 520 nur einen Beleg beizubringen weifs.
Vom Jahre 1603: mit mein Hausfraiv (Verfasser stammt
aus Aachen); 1744: rnit falsch und hoese Tücke. An diesen
und noch anderen Stellen findet sich der Accusativ bei mit, ein
Sprachgebrauch, der aus dem Nd. stammt, vereinzelt im Mhd.
vorkommt und auch jetzt noch in einigen Dialekten zu be-
obachten ist. In litterarischer Verwendung ist besonders das
letztere, verhältnismäfsig junge Beispiel bemerkenswert.
Um das Jahr 1650: hat nächst des höchsten hülff der
wilden waffen gfahr . . . das endt erwünscht genommen, nächst
in der Bedeutung 'infolge der Nähe, mit' kennt Grimms Wb. nicht.
Um 1650: die Grub ist tief, der Steg ist schmal und un-
gewifs der Schritt: 0 Christ bewahr uns für Verfall und
festige unsern Tritt! Verfall in der genauen Bedeutung von
,Fair ist mir sonst unbekannt. Die beiden Beispiele in Grimms
Wb. XII, 295 sind andersartig.
Vom Jahre 1680: und wil darin keiner fast dein Freund
und Kenner sein. Kenner in der Bedeutung ^Bekannter' habe
ich sonst nicht belegt gefimden.
360 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
Um das Jahr 1610: da hey ich dan hab bewogen^ das
golty perleUj edel gestern von gott selber geschaffen seyn. be-
wegen =: ^erwägen' ist ebenfalls in Grimms Wb. ohne Beleg.
Um 1610: darnach ich . . . mich annahm mit der Hand-
arbeit zu ernehrn. Für sich annehmen = ^sich vornehmen, sich
daran machen^ finden sich in Grimms Wb. nur zwei entsprechende
Beispiele aus Logau; aber nicht glücklich wird es dort inter-
pretiert als ^sich unterfangend
Um 1700: Ein wahrer glaub ... bewirbt durch Christum
die Ewige Seeligkeit. bewerben = ^erwerben^ Grimm I, 1782
bringt aus neuhochdeutscher Zeit keinen Beleg für diese Be-
deutung.
Von den zahlreichen Gedichten und Sprüchen bietet das
Folgende eine Auswahl von charakteristischen Proben, möglichst
geordnet nach bestimmten formalen und inhaltlichen Gesichts-
punkten.
Am tiefsten stehen, aber zugleich am bezeichnendsten für
den handwerksmäfsigen Mifsbrauch der poetischen Form sind
die versifizierten Lebensabrisse, die wegen ihrer typisch wieder-
kehrenden Züge ziemlich einförmig verlaufen. Als Beispiel sei
einerseits die älteste der vorhandenen Biographien genommen,
andererseits eine, die durch etwas reicheren Inhalt ein deutliches
Bild von dem gewöhnlichen Lebensgange eines damaligen Hand-
werkermeisters gewährt.
I.
Wilhelmus Leeuwaerts.
Zu anttorff hin ich ehlich geborren, 1562
Und hab das golttsmitt Handtwerk ercorren,
bey mein bruder gelernt, sechs gantser jar, 15 73
Wie ers selbst hir hatt bezeuget zwar.
Neun Jar hab ich in frembde Landt 1579
gewandertt und gearbaitt gesellen standt.
darnach bin ich hir zu frankfort kommen 1588
ward von mein Herrn zum, Burger angenommen, 1589
und bin auch ordentlich maister worden,
darnach tradt ich in den Ehstandt ordten
mit ein eheliche fromb burgers tochter eben:
gott lass uns mitt ruhe in fride leben!
anno 1609 bin ich schauwmaister wordenn
und halt gar steiff auff unser orden.
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. 861
II.
Johannes Bauch Goltschmit allhie inn frankfurt.
Als man xalt fiinfxehn hundert Jahr,
Achtzig darxu, difs nennet war,
Nach des Herren Christi gebührt:
Anno X580 Ich Johannes Bauch ghoren wurdt,
Im Herhstmon: den Acht und xivänfsgsten Jag
Daruff man mich xu Tauffen Pflag.
1585 Fünfjährig, darnach anfing,
Unnd inn die TheidscJie schulen ging,
Damach ich von der Schule kam
Vierzehn järig und mich annahm
1594 Mit der hend arbeit zu ernehm,
24 Febr. Die Kumt des Ooldschmits mich thet lehrn
Jeremias Qoltger drithalb Jahr
Und Bemhart Lengrich, vollents gar.
Daran lehrnt ich fünf gantzer Jahr.
Als mein Lehrzeit vollendet war.
Da thet ich dieser Kunst nachwandern.
Von einer Stadt wol zu der Andern,
1606 Nach sieben Jahrn zog ich mit Oliick
Widrum hieher, Machts Meister Stück,
Demnach durch einen weysen Rath
Der Bürgerschaft bestelligt wart.
1607 Nach dem wurd mir vermählt hirinn
Mein Weib: Elisabeth Schweitxerin,
TJf fabian Sebastian Tag
Den 20 Jenner ich Hochzeit pflog,
Unnd hat mein Hochzeit schlecht und still
Mit der leb ich, so lang Oott will.
1609 Uf Elogius ich wurdt erwehlt.
Zu eim Schaw-Meister : vne bestell,
Oott geb, dafs ich mich Immerdar
Drinnen halt: Unverweifslich gar.
Einige der interessantesten Lebensläufe, in denen sich das
Zeitalter mit seinen Schicksalen und Fährlichkeiten spiegelt, kom-
men hier darum aufser Betracht, weil sie in Prosa abgefafst sind.
An diese gereimten Biographien reihen sich die Gedichte,
die insofern noch einen persönlichen Charakter tragen, als in
ihnen die Namen der Verfasser eine Rolle spielen. Es wird
nämlich entweder der Name durch Akrostichon verewigt, wie
vom Goldmeister J. M. Keil vom Jahre 1716:
362 Beiträge zur deutscheil Handwerkerpoesie.
Kommt Kunsterfahrne her und lernt den Weg xu leben:
Ein jeder fürchte Gott und thue allzeit recht,
Ta scheue auch niemand, so wird ihm Jesus gehen
Lauter gewünschte Freud als seinem treuen Knecht.
Oder mit der Bedeutung des Namens — sei es des Vornamens
oder des Zunamens — wird in symbolischer Auslegung gespielt,
wobei Beziehungen auf die Bibel und biblische Personen beliebt
sind. Gewöhnlich ist dann auch Zusammenhang mit dem gegen-
überstehenden Bilde vorhanden, indem die Verse den paraphra-
sierenden Text dazu bilden. Solcher Art sind die folgenden
Proben:
I.
Franz Nicolaus Zigeler, Meister 1659.
Was sind Ziegel? rothte Erden!
Was ist aller Blumen Kleid?
Heu! : das mufs gemehet werden
und verdorren mit der Zeit.
Aller Zeiten Lust und Tracht
Ist das, was der Tod nit acht.
II.
Hans Jacob Birkenholtz, Meister 1664.
Der Birkenbaum von sich ein Heilsam wasser giebt;
Doch wird er sehr gehafst, weil jedem nicht beliebt,
was man sonst von ihm schneidt; doch ist die schuld nicht sein.
So gehts her in der tvelt: Ob einer schon allein
Sich ,, ehrlich nehren will und, sonst sich redlich hält,
So wird er doch gehafst und ihm sehr nachgestellt.
III.
Henrich Wagner Meister 1672.
[Den Mittelpunkt des Wappens bildet ein Glücksrad.]
Wag nichts auffs Glück: Glück geht wies Rad.
Stell all dein Thun auff Gottes gnad.
Forcht gott: sey fromm und thu das dein,
So kanst du allxeit frölich
IV.
Johannes Willems Silbermeister 1699.
[Das Bild stellt die Taufe Jesu durch Johannes dar.]
Ein wahrer glaub, lieb, hoffnung und die Beständigkeit
Betvirbt durch Christum die Ewige Seeligkeit.
Wer wie ein Bohr, so jedes Windgen beugt, sich auf der Welt bexettgt, •
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. 363
Kann nicht Johannes heifsen, Johannes mufs in dieser Zeitlichkeit ".
Den Nahmen mit der That beweisen, denn kombt er nach dem Todt
Zum Leben sonder leidt.
V.
Cornelius Pilgram Oold-Meister 1771.
[Das Bild bezeichnet einen auf einer Bank sitzenden Pilger.]
Cornelius, wie wir Actorum xehen lesen,
Ist Hauptmann, doch dabey ein frommer Mann gewesen;
Ein Pilgram trachtet nicht nach Würden dieser Zeit;
Die Z/ween freuen sich auf jene Ewigkeit.
VI.
Georg Wolf gang May Silber- Meister 1779.
Du schönster von xwölf Welt-Regenten
Prangst stol% in grüner Majestät!
Denn die Natur, durch dich erhöht
Kann ihre volle Kraft vollenden.
Sie duft durch balsamische Kräuter
Uns Menschen neue Lebenskraft.
Setxt Florens Blumen-Bett in Saft
Und macht die Creaturen heiter.
Die Vögel luftig auf den Zweigen
Verehren dich, o sanfter May,
Mit ihrem süfsen Feldgeschrey.
Wie kann der Mensch hier schweigen!
Endlich findet sich auch eine Vereinigung von Akrostichon
und auf den Namen bezüghchera Inhalt wie von
Thobias Custodes geschrieben um 1600:
Thobias war ein frommer man
Hatt arme leuht viel guts gethan; -.
Ob er selbst schon war gefangen,
ß lieb er doch an gotts wortt hangen.
Ins creutz gerieht er und ward blindt,
A Is Job, geduldich er sieh findt;
Sterbentt leuht begrub er bey nacht.
Custodes ist auf Deutsch gesaght: gefencknis.
Wie wol ich frey bin nach dem fleisch,
So gib ich doch Vernunft und geist
Txum gehorsam gotts und seiner wortt —
Oder man geht in ihrthumb fortt.
Denn was man weifs, ist kein glaub
E s ist nur ein blofs wissen sieht (?) :
Solch thomas-glaub gott wiederspricht.
364 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
und ferner von
Enoch Oheldorff geschrieben 1603:
Enoeh Oheldorff hin ich genantt,
Nicht der Patriarch wie bekantt,
Oder der gehn Himmel gefahren.
Christus der Herr der Her scharen
Hatt mir da auch ein platz bereitt.
G eltdorfftig ist man wol alxeit
Hir auff er dt. — aber dort oben
Es nicht bedarff, ist auff g' hoben!
Lob derhalben, mein gott und Herr,
Der mich geoffenbart der lehr.
O b alles xeitlich lieb ieh gott,
Jßeichthumb der Welt acht ich for kott;
Fromb und ehrlich ist mein reichthumb!
För gottes seegen Danck ihm drumb.
Das gröfste Kunststück leistete sich aber
Ehrhard Christian Hundertstund
mit seinem Wort- Akrostichon vom Jahre 1749:
[das Bild stellt die Kreuzigung Christi dar]
Efir und Preifs sey dem Erlöser, welcher willig vor mich starb!
Hart verklagte man den Frommen, der doch lauter Heil erwarb.
Christi Leiden bringt den Trost, dafs wir selig sterben können;
An ihm hat der Sünder Theil, den man kann bufs fertig tiennen.
Hundert, ja viel tausend Striemen litt er für uns mit Geduld,
Stund verschmähet an dem Kreutxe und erwarb des Höchsten Huld.
Silber, Oold und Edelstein soll daher mich nicht erfreuen;
Arbeit, Mühe und Gefahr will ieh als ein Christ nicht scheuen;
Er allein sey m,eine Freude und was meinen Wunsch erfüllt!
Zu der Seiten will ich fliehen, woraus Blut und Wasser quillt. —
Franliftirt wird dem Leibe hier Aufenthalt und Schutz vergönnen;
An der Seelen werd ich stets Gottes lÄeb und Gnad erkennen.
Dem sey ewig alle Ehre, dessen Macht den Feind besiegt.
Mein Gott hat den Todt bezwungen, drum bin ieh in ihm vergnügt.
Solche äufserlichen und kalten Formkünsteleien — echte
Handwerkerstücke — sind natürlich das Gegenteil von wahrer
Poesie, deren eigentliche Seele schlichte und natürlich redende
Empfindung ist.
Wir gehen nun zu den Versen über, die sich nicht mehr
auf die eigene Person, wohl aber auf den eigenen Beruf beziehen.
Wenn es überhaupt dem Menschen naturgemäfs ist, dafs er seine
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. 365
eigene Arbeit und Thätigkeit schätzt und im Vergleich und
Widerstreit mit anderen in rechte Beleuchtung zu rücken weifs
— ein social gesunder Standpunkt, da aus ihm Berufsfreudigkeit
und Lebenszufriedenheit quillt — , kann man es da den Gold-
schmiedemeistern verdenken, dafs sie ihre Kunst, welche den
kostbarsten StoiF zu dem edelsten Schmucke für die freude- und
weihevollsten Zwecke des Lebens zu formen hat, mit besonders
hohem Stolze betrachten und würdigen? So findet denn dieser
Stolz auch in unserem Buche mannigfaltigen Ausdruck, und die
Art, wie es geschieht, gereicht den biederen und frommen Mei-
stern durchaus zur Ehre. Denn die Goldschmiede, besonders der
älteren Zeit, sehen die eigentliche Berechtigung ihres Standes
und Berufes und seine höchste Würde nicht in der Kostbarkeit
seiner Erzeugnisse, sondern darin, dals er schon in der Bibel
begründet und nach seinem Werte anerkannt wird: die religiöse
Weihe geht ihnen also über die weltliche Schätzung, die bibel-
festen Meister kennen nämlich die Stellen aus der Heiligen
Schrift, in denen Gold und Silber als die wertvollsten und ge-
diegensten materiellen Stoffe in Vergleich und Beziehung zu den
höchsten geistigen und religiösen Gütern gesetzt werden. So wird
von einem Meister, ungefähr im Jahre 1600, aus der Vulgata,
Sprüche 17, V. 3 wörtlich citiert: Sicut igne probatur argentum
et aurum carnino, ita corda probat dominus. Dazu kommen
Psalm 12, V. 7: ^Die Rede des Herrn ist lauter wie durchläutert
Silber im erdenen Tiegel, bewähret siebenmal.^ Maleachi 3, V. 2. 3:
*Er (der Engel des Herrn) ist wie das Feuer eines Goldschmiedes
und wie die Seife der Wäscher. Er wird sitzen und schmelzen
und das Silber reinigen; er wird die Kinder Levi reinigen und
läutern wie Gold und Silber.^ Eine Hauptstelle ist 1 Kor. c. 3,
V. 10—15, wo die gottgefälligen, auch im Feuer des jüngsten
Gerichts unvergänglichen Werke mit Gold, Silber und Edelsteinen
verglichen werden, das wertlose Thun der Menschen aber mit
Holz, Heu und Stoppeln, die im Feuer vergehen. Ja, sie wissen
zu berichten, dafs Gott selbst die Goldschmiedekunst eingesetzt
und die beiden ersten Goldschmiede in Gestalt von Bezaleel und
Ahaliab berufen habe (2 Mos. c. 31, V. 2—6), und dafs die Er-
zeugnisse des Goldhandwerkes schon in ältester biblischer Zeit
zum Schmuck des Heiligsten und als Abzeichen priesterlicher
366 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
und königlicher Würde gedient haben (2 Mos. c. 25 — 31). Auf
solcher Grundlage der Heiligen Schrift beruhen die folgenden
Verse, die zum Teil in Lebensbeschreibungen eingeflochten sind.
I (vom Jahre 1589).
Das golttsmüt Hantwerk sol man billich ehren:
dan es ist geordnett von gott dem Herrn,
Wie Moyses das bezeugen thut,
und auch ist kein Mettäll so gutt,
als goltt und silber, wie Davidt schreibett,
dan es im feur bestendich bleibett,
wan es schönn (?) siebefimäll probirrtt
gleichwol lautter erfonden wirrtt.
Sanet Paulus schreibt auch davon recht,
sagt, er hab ein gutt fondament gelecht :
Wan man drauff Holtz, Huy und stoppten bautt,
Es vergeht im rauch, wie gras und kraut.
Aber golt, silber und edelgestein
das golt drin (?) stich im feur allein.
So thutt der glaub von ein rechtten Christ,
Wan er auff de^n ecJcstein Christi gebauwet ist.
II (um das Jahr 1600).
Ich zu Anttorf geboren bin,
nam das goltsmitts hantwerk in sinn,
Hab mich damit redlich ernehrt,
Bis mich gott durch sein seegen wehrt
und mich im Handel hatt gezogen.
Da bey ich dan hab bewogen,
Das goltt, perlen, edelgestein
von gott selber geschaffen sein.
Die stand dadurch zu underscheiden.
Aaron hatt sich müssen kleiden
, Anders als den gemeinen man,
Zwelff edelgestein angethan.
Salomon war köstlich geziert. ...
[Der Schlufs fehlt durch Verstümmelung des Blattes.]
III (vom Jahre 1603).
Zu Aach ward ich ehelich geboren
Und hab die goltsmitz kunst erkoren
gelehrnt und mich damit ernehrtt.
Dan die wirtt selbst von gott geehrt :
Bezaleel und Ahaliab,
Den gott den geist der konste gab,
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
mi
Die sindt auch goltsmitt gewesen,
So wir in exode lesen.
IV (um 1603).
Derren goldtschmidt Kunst höchst op allen
Hadt Oodt selbst woll gevallen.
In Maleachy man liest,
Wie er wir dt schmilsen gewis
Und machen lauter sein Kinder
Wie goldt und silber . . . f* ??
Durgs feur seins wordts er sie bewerdt
Und im glauben xu godtt bekerdf.
Die seinen nahmen anruffen
Äu^g seiner Ehren sie hoffen,
Wen Christus xu seinem preis
Kompt xu rigten den werelt Kreis. '
' Eine interessante Parallele zu dieser auf die Bibel zurückgehenden
Kechtfertigung des Berufes habe ich vom Handwerk der Zimmerleute bei
einem Richtfest auf dem Eichsfelde kennen gelernt. Dort hiels das Mittel-
stück des vom Polier vorgetragenen Gredichtes folgendermafsen :
Ich ging einst zum Spazieren aus
Und wollte eine Sache forschen aus.
Als ich hinawi kam vor das Thor,
sah ich einen schönen Wald davor;
darin (hit mit Lust ich sehen
so manche schöne Bäume stehen:
Buchen, Tannen, Espen, Eichen,
Die mit ihren grünen Zweiyen
Des Sommers Wunder klar anzeigen.
Indem sah ich von ungefähr
einen Mann im Waid spazieren gehn.
Er still vor manchen Bäumen stand
und schlug daran mit seinem Stab,
da/s es den und Jenen Schall gab,
woraus er etwas mochl erspähn.
Endlich hat er auch mich gesehn.
Ich redt ihn an mit höflichem Wort
und sprach: Mein Freund, was macht ihr
dort?
Er sprach : die ich anschlug, will ich be-
stellen,
tceil sie jetzund sind gut zum Fällen.
Denn weil ich bin ein Zimmermann,
schöne Häuser daraus ich bauen kann.
Ich sprach: Mein Freund, thut mir Be-
scheid,
woher die Kunst gediehen so weit.
Er sprach: Ja gar herzlich gerne.
Ich will Euch aus der Zeiten Ferne
Erzi'ihlen vom ersten Zimmermann,
wer es gewesen ist auf seinem Plan:
Adam stand einst elend und trostlos,
bedeckt mit Feigenblättern bloß;
An vier Orten thät er Zwiebelbaum stecken,
leget Riegel darein und thuts bedecken
mit Erde, Lehm und Kalk vermischt,
damit hinein kein Regen fliefst;
darum mit Fug man sagen kann:
Schon Adam war ein Zimmermann.
Wieder meldt Moses ganz getreu:
Eh die Sündflut kam herbei,
Redt Gott den frommen Noah an
lind sprach: das Menschengeschlecht mvfs
dran.
Drum baue, ohne lang zu rasten,
von Tannenholz dir einen Kasten,
hoch dreifsig Ellen, fünfzig breit,
dreihundert Ellen lang zur Sicherheit,
von innen und außen mit Pech verpicht,
damit hinein kein Regen fliefst.
Auch mufs von allen Erdtieren grofs und klein
auch ein Männlein und Fräulein hinein.
Da er dieses nun hat vollendf,
so wird er Zimmermann genennt.
Nun safs der König Salomon
Auf seines Vaters Davids Thron;
Denn er hatte auf dem Libanon
■80 000 Zimmerleut, der Salomon:
Die zimmerten das Holz durchaus
Zum Tempel wie zum Könighaus.
So hoch, wie Jetzt ihr habt gehört,
hat Gott das Zimmerhandwerk geehrt.
868 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
Gewährte somit die Bibel die Berechtigung zu einem wohl-
begründeten und würdigen Standesgefühle, so liefsen sich anderer-
seits aus ihr auch Warnungen schöpfen, das Gold, das kostbarste
materielle Gut, nicht vor den geistigen und himmlischen Gütern
zu schätzen. So giebt (im Jahre 1729) ein Meister dem Bilde,
auf welchem ein älterer Mann Gold und Silber wiegt, als Unter-
schrift die Stelle aus Sirach 28, 29: ^Du wägest dein Gold und
Silber ein; warum wägest du nicht auch deine Worte auf der
Goldwage?' Ein anderer schreibt im Jahre 1603 die gedrungenen
Verse :
Wer goltt über gott thut Heben,
Der hatt mitt geits gotts geist verdrieben
Und ist ihm gott noch goltt nit blieben,
und nicht minder kernig drückt den gleichen Gedanken ungefähr
zu derselben Zeit ein aus den Niederlanden gebürtiger Zunft-
genosse aus:
Das beste Kleinott drag ins Herz,
Das ist: christi Leiden und smerx;
Das auff die Kleider ist nur Schertx!
Aber neben dieser religiösen Betrachtungsweise kommt bald auch
der rein weltliche Stolz auf die Vorzüge und den irdischen Wert
der Goldschmiedekunst in harmloser Form zum Ausdruck.
I (ungefähr vom Jahre 1632).
Ooltt und Silber zu vermüntzen, ist ein feine Kunst,
Die arbeit daran ist nicht umbsonst.
So fressen die wahr auch nicht die schaben;
mann darff auch nicht lang feil dran hohen:
wanns fertig ist, so ists baar geltt,
das andern künsten noch weit fehlt.
II (vom Jahre 1774).
Mein schliefender Oedanke
Sey unserer Kunst geweiht;
Dafs nie der Staat erkranke.
Der Sie mit Geld erfreut!
Viele Köpfe, viele Sinn&n,
Das ist nun einerley :
Ein jeder mufs gewinnen,
Dafs er zufrieden sey.
Uns liefert Holland Steine,
Die edler sind als Ooldf
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. 369
Wir fassen grofs und kleine,
So wie das Geldgen rollt/
Wir schmücken Frauenzimmer
Hand, Hals und Kopfe aus,
Und selbst der Kronen Schimmer,
So mancher edler Straufs
Sind unserer Künste Früchte,
Sie leben stets in Flor! —
Hier ziehet mein Gedichte
Den Abschieds Vorhang vor.
III (vom Jahre 1777).
[Das Bild zeigt den Eingang zu einem Bergwerke mit mannigfach arbeitenden
Männern.]
Wa^ ist des Menschen Wunsch, was ihre Lust auf Erden?
An Schätzen reich xu seyn, die hier gegraben werden.
Doch würden Menschen sie wohl je so heftig lieben,
Wenn sie so rohen Stofs, so unpolieret blieben?
Der Bergmann macht sie schon von viel&n Schlaken rein;
Doch können sie noch nicht der Menschen Zierde seyn.
Nur unsere Kunst allein kan sie zum Glanz erheben,
Dafs sie ein strahlend Licht und Schmuck und Reize geben.
Drum lebe unsere Kunst! bis zu der fernsten 2!eit
Sey ihr des Kenners Lob und Beyfall stets geweyht!
Den Hauptstock der Sammlung bilden die Gedichte, in
denen nicht der Berufsmensch, sondern der Mensch an sich zu
Worte kommt; und in ihnen finden wir den Niederschlag dessen,
was die in Mühe und Arbeit, in Handel und Wandel gereiften
Meister an Lebensweisheit gewonnen haben. Manche von den
Versen, welche sprichwörtlichen Charakter tragen, sind sicher
aus dem geistigen Besitz des Volkes übernommen; aber auch
bei ihnen ist, wenn auch nicht die Entstehung, so doch die Ver-
wendung bezeichnend für die Gesinnung der Meister.
Ernst ist das Leben, und von ernster Gediegenheit ist auch
diese Handwerkerweisheit; nur spärlich wagen sich die Stellen
heraus, die einen leichteren, launigen Ton anschlagen. Dafs der
Mensch auf den Menschen angewiesen ist zu gegenseitigem Tra-
gen und Erleichtern des Daseins, das lehrte die Zunftgenossen
Tag für Tag das Leben; und so werden denn die geselligen
Tugenden, die einen einträchtigen und förderlichen Verkehr her-
stellen, in erster Linie empfohlen: Einigkeit, VersöhnUchkeit,
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 24
870 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
Nachgiebigkeit, Treue und Freundschaft, Barmherzigkeit werden
zur Pflicht gemacht; der vorsichtige Gebrauch der Zunge wird
dringend angeraten, die Schweigsamkeit als Hauptvorzug geprie-
sen, andererseits Verleumdung des Nächsten gebrandmarkt. Mit
erfahrener Weltklugheit entwickelt ein Meister ein ganzes Pro-
gramm für den Umgang mit Menschen. Aber mit dieser Zeich-
nung des Ideales im Verkehr untereinander verbindet sich die
nüchterne Erkenntnis von der unvollkommenen Wirklichkeit. Über
die Fährlichkeiten des Lebens, über die Mängel des Weltgetriebes,
über die Unzuverlässigkeit der Menschen wird nachdrücklich ge-
klagt; vor falschen Freunden wird gewarnt, und mit männlicher
Resignation bemerkt einer der Dichter, da man den bösen Mäu-
lern der Menschen doch nicht entgehen könne, so solle man sich
im Thun und Handeln mit dem Beifall des eigenen Gewissens
und vor allem Gottes genügen lassen.
Diesen Beifall verdient man sich nach den Aussprüchen
des Meisterbuches aber nur, wenn man die eigene Lebensaufgabe
mutig und tüchtig erfafst und durchführt. Ordnungsliebe und
Gewissenhaftigkeit, Vorbedachtsamkeit und Geduld, Ehrlichkeit
und Sparsamkeit werden als die notwendigen Eigenschaften
wackerer Berufserfüllung betont. Die sittliche und geistige Be-
deutung der Arbeit wird begründet. Dem Hinweis auf die
Flüchtigkeit der Zeit steht die Mahnung zu tüchtiger Ausnutzung
derselben zur Seite; und die Hauptdevise der frommen und flei-
fsigen Meister bildet recht angemessen der lateinische Spruch
Ora et labora^ der bald wörtlich citiert, bald in deutschen Versen
ansprechend variiert wird.
Damit gelangen wir zu der Grundlage der Lebensphilosophie
unserer Meister, zu ihrer innigen und ergebenen Frömmigkeit.
Durchdrungen von der Vergänglichkeit des Lebens, der Nichtig-
keit aller irdischen Güter, sehen die Wackeren ihren Halt und
ihren sicheren Port allein in dem allmächtigen, in Lohn und
Strafe allgerechten Gott und seinem göttlichen Vermittler Jesus
Christus. Dieser Glaube, der in mannigfachster Form zum Aus-
druck gelangt, leitet die Meister hoffnungsvoll und erhebend
durchs Leben. Er verleiht ihnen die Fähigkeit, unter den Gütern
der Welt zwischen dauernden und vergänglichen zu unterscheiden;
er giebt ihrem ganzen Thun die Richtung auf das Gute; er be-
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. "STl
wahrt sie im Glück vor ÜberhebuDg, im Unglück vor Verzweif-
lung; er verleiht Kraft und Geduld im Leiden der Erde und
eröffnet überall mahnend und tröstend die Aussicht auf das
bessere Jenseits. So klingen denn auch die Sprüche, die als eine
Art von Vademekum die Hauptsumme der Lebensweisheit ziehen,
meist aus mit dem Hinweis nach Oben.
Die nachfolgenden Belege mögen diese kurze Inhalts-Cha-
rakteristik der in dem Stammbuche vorherrschenden Poesie recht-
fertigen.
Um das Jahr 1630.
[Das Bild stellt vier sich kreuzweise fassende Hände dar.]
Die Umschrift lautet:
Lieber, nim dis woll in acht:
Die Einigkeit bringt grofse macht.
1661.
[Auf dem Bilde sieht man einen alten, auf einem Lager ruhenden König, der
einen Pfeil entzwei gebrochen hat, während seine Söhne vergeblich ein Bündel
Pfeile zu zerbrechen versuchen]
Schaw trewe Vatters lehr. Ein Pfeil ist leicht xu schwächen;
Doch kan das gantx gebund der Söhne keiner brechen.
Wo also freundschafft ist, die fest bey sammen hell.
So treibt sie ihren feind gar leichtlich atis dem feld.
1748.
[Das Bild bezieht sich auf das Freundespaar David und Jonathan.]
Wie dorten Jonatan und David sich verbunden,
So wirds gar selten mehr In dieser Welt gefunden.
Doch stell difs Gleichnis uns das schönste Muster dar,
Wie doch die Einigkeit Das beste Kleinod war.
Difs sey auch stets mein Wunsch; Drum lafs ich Oott mir walten,
Der woll xu jederxeit das Friedensband erhalten.
Um 1650.
[Auf dem Bilde wird der Triumph der Eintracht, Treue und des Friedens über die
Laster des Neides, des Geizes, des Zornes und der HoflFart allegorisch dargestellt]
Welcher will sein ein Christ genandt,
Dem soll difs Bildt sein woll bekandt.
So er sein leben rieht darnach,
wirdt im gewifslich hie kein schmach
In diesem lebenn widerfahm,
sunder wirdt mit xeit unnd Jahrn
Oruenen wie ein Balmxweig hoch
mit gesundheit und freudenn doch.
24*
372 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
Das merk also inn disem Bildt,
Darmit du nit seist also wildt:
Die wäre treu durchs Herx wol gieb
mit einigkeit unnd rechter lieb.
Sunder Neid, Hafs vnder den fufs drit,
Den Qeitx und Hoffart auch hiemit.
Frit herschen lafs inn deinem sinn,
so hastu gewifs ein reichen gwinn
Und lüirst auch hie ein Helt genandt,
darxu hey Gott ganz woll bekandt.
Der dir wirdt geben denn %u lohn
Die ewig freud und Himlisch Krön.
Das wöln wir alle Reich und arm
Oott bittenn, der sich doch erbarm
Und geb uns ein solch Herz unnd mut,
Dafs wir allhie mit leib unnd gut
Einander dienern in der nodt,
wie frommen Christen wol anstodt.
Das geb uns Oott durch Jesum Christ,
der aller Herxenn kenner ist,
Wöll uns gebenn sein heiigen geist
nach im %u wandten allermeist.
Amenn.
1614.
[Das Bild zeigt zwei Ziegenböcke auf schmaler Brücke, die sich nicht ausweichen
wollen.]
Wen einer dem andern in gut dhet weichen,
Dü/rfft man wenig Streit vergleichen.
Wer seines Nechsten Unglückh lacht.
Dem Blut das seinig über Nacht.
1733.
[Auf dem Bilde giebt ein Mädchen am Brunnen einem armen Reisenden zu trinkeii
Die Überschrift lautet:
Liebe vergröfsert es
die Unterschrift:
Es ist barmherzig seyn das beste Wucherleben:
Indem m,an Armen gibt, wird uns von Oott gegeben.
1777.
Tausend Thaler sichre Renten
Alle Jahre zum Oenufs,
Und das Göttliche Vermögen,
Wohl zu thun vom Überflufs:
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. - 873
Dies ist meiner Wünsche Summe,
Dies ist meines Strebens Ziel;
Alles scheint mir aufser diesem
Thorheit oder Kinderspiel.
1630.
Auf Erden höh ich nichts edeleres funden,
Dan treuw von Hertxen undt still von munde.
1729.
Hil/f, dafs ich rede stets, womit ich kan bestehen!
Lafs kein unniitxes Wort aus meinem Munde gehen;
Und wenn in meinem Amt ich reden sol und muß.
So gieb den Worten Kr äfft und Nachdruck ohn Verdrufs!
1712.
Es ist auff Erden kein besser List,
Wer seiner Zungen ein Meister ist.
Viel toissen und wenig sagen.
Nicht antwortten auff alle Fragen.
Lafs ein Jeden sein, wer er ist,
So bleibstu auch, wer du bist!
1666.
Falsche Zung ist nicht xu meiden.
Was Oott schickt, das mufs man leiden.
Bleibe ehrlich bis ins Orab.
Seine Ehr schneid Keinem ah!
1664.
Distlen stechen und Nesslen brennen,
Wer kan alle falsche Hertxe erkennen!
Doch wil ich lieber durch Distlen und Dornen baden,
alls mit falschen Zungen sein beladen.
1773.
Im Unglück nicht bestürzt, im Glück
nicht übermüthig;
Bey Kleinen niemahls stoltz, bey
Hohen ehrerbietig;
Bey Freunden niemahls falsch, bey
Feinden unverzagt;
Bey Gönnern voller Dank, bey
Neidern nie geklafft;
874 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
Im Leben xwar nicht frech, doch
auch nicht niederträgtig :
So thut man nach Vernunft, so
handelt nian bedächtig.
1664.
Oute wordt under dem falschen Schein
Geben etliche xum- offtern ein,
Doch wollen Sie für gute freundt gehalte sein.
1680.
Solange dir das Olück in alle Segel wehet.
Solange hast du Freund; im fall es sich verdrehet.
Und Trübes Wetter wird, so sitzest du allein.
Und wil dann keiner fast dein Freund und Kenner sein.
Drum weil die Welt so falsch und Jedem nicht %u Trauwen,
So ist die beste Kunst auff Gottes Hülffe bauwen.
1642.
Wenn der Neidt thet brennen tvie Feuer,
So were das Holtx nicht so theusr,
Unnd waren der Neider noch so viel,
So geschieht doch, was Gott haben will.
Thu recht, schew niemandt.
An Gottes Segen is alles gelegen.
Gedult überwindet alles!
1630.
Niemand auff erden ist, der Jean
Zu gefallen leben Jederman
Und thun, was einen Jeden gefeit.
Weil es den so steht in der Welt,
So sol man billich alxeit recht thun.
Damit man kan fü/r Gott bestan.
Auch alle Sachen so fangen an,
Das frome leut ihr lust dran han.
1614.
Wan wir hatten all einen glauben,
Gott und gemeinen Nutx vor äugen.
Eine volle Maafs und Rechts gewicht.
Den güldenen Fried und Recht gericht,
Daxu gutt Freund und gut gelt:
So stund es wohl in aller Welt.
Beiträge zur deutschen Haudwerkerpoesie. 375
1762.
Es führet mich das falsche Olück
fÄtis Dresden nach Frankfurt xuriick,
Und xwar durch Schrecken, Krieg und Brand
Zum Meister-Recht im Vate7'land.
Der dieses liest, gedenk dabei,
Das er nie frey vom Unglück sey!
175B.
Es leiden Ungemach die Bäume, Feld und Wiefsen,
Wenn Hagel, Kalt und Schnee, auch Regen überfliefsen ;
Noch mehr erduldet der, der fremhde Land durchzieht.
Doch wer den Herren furcht, den schützet seine Oütf
1748.
[Auf dem Bilde eine Sonnengöttin, im Wagen durch die Wolken fahrend, der
durch zwölf Engel knaben gezogen und^ geschoben wird.]
Die Zeit, der Sonne Lauf ist Königin der Welt,
Zwölff Kinder hat Sie sich xu ihrem Lauf bestellt,
So Tagesstunden sind, die ohne xu verweilen,
Mit schneller Flügeln Schwung nach Ewigkeiten eilen.
Die Thorheit, Müfsiggang, der Laster Zauberey,
Der Mißbrauch machen sich von Ihren Pflichten frey.
Der Stunden gröfster Theil wird wollüstig verschwendet,
Und der geringre kaum xur Arbeit angewendet.
Wie klein ist nicht der Theil, den man Oott eingeweiht!
Wie frech, wie faul, tvie blind misbrau^ht man nicht die Zeit!
Um 1630.
Der mensch ist drumb vernünftig, weis,
Das er trag sorg, hob muhe unt fleis.
Den wer onh sorg ist, der thut eben
Wie unvernunfftich vieh hinleben.
Wen wir noch weren im paradis,
So het es vil eyn andere weis;
Jetx aber für das teglich brodt
Mus jeder sorgen fru und spat.
Schauw an die omais unt gib a^ht,
Wie sie nach ihrer notdurft tracht.
Ja schem dich, das dies thirlein klein
Soll hierin dein schulmaister sein.
Darum wer nach ehr und fromkeit strebt,
Wert seines berufs, der ist ernert.
1763.
Geduld, Vernunft und Zeit
macht möglich die Unmöglichkeit.
876 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
1689.
In deynem Beruff sey geflissen;
Thue alles mit reinem Gewissen!
Wirstu nach dieser Regullen leben,
Das wird dir dann viel gutes gehen.
Halt dich schlecht und recht nach deinem staht,
Setxe die Zehrung nach der Nahrung und folg meinem Bathf
1695.
Thu alles mit bedacht und Scheu,
Dafs dich dein Thun hernach nicht reu.
Sihe vor dich und thu nichts ohne Rath,
Äuff dafs dichs nicht Reu nach der That.
^ Den es wird nichts so fein gesponnen,
Dafs endlich nicht kompt an die Sonnen.
Halt dich nur als ein frommer Mann,
Der nichts unEhrliches gethan:
Wirstu als dann gefochten an
Von Bösen Mäulern, was ligt dran?
Denk, es wird bald kommen der Tag,
Der alles offenbahren mag.
Denn es wird doch allhier auff Erden
Nicht besser, sondern ärger werden.
Um 1770.
Wie seelig lebt ein Mann Der seine Pflichten kent
Und seine Pflicht xu thun Aus Menschenliebe brent.
Der, wenn ihn auch kein Eyd xum Dinst der Welt verbindet,
Beruff und Eyd und Amt schon in sich selber findet!
1739.
[Auf dem Bilde sehen wir eine Wasserlandschaft mit beladenen Schiffen, Mühle
und thätigen Menschen.]
Zwey Hände hat mir Gott gesund und frisch gegeben.
Die will ich Lebenslang nicht lassen müfsig ruhn:
Erst will ich sie xu Gott gen Himmel hoch erheben.
Drauf sollen sie ihr Werk und Amt mit Freuden thun :
Das heist, ich will xusrst das Ora wohl ermessen
Und das Labora auch daneben nicht vergessen.
1701.
[Das Bild stellt eine Familie: Vater, Frau, Knabe, vor, die alle drei fleifsig arbeiten.)
Darüber: Ora et labora
Darunter: Hab Gott vor Augen, fleifsig beth!
Ohn dieses sonst kein Ding gereth.
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. 877
Thu auch darhey alxeit das Dein:
Wirstu hier reich, dort seelig sein.
1736.
[Im Wappen befinden sich die Symbole der Zeit, wie Stundenglas, Sense u. s. w.]
So flüehtig wie der Wind eilt unsre Zeit vorhey;
Der Ein- und Ausgang ist bey allen einerley.
Bald spielt, bald schertxt und lacht der Mensch bey guien Tagen,
Bald sieht man weinend ihn die Eitelkeit beklagen.
Oft läfst sein Glücke sich wie Rosen- Stöcke sehen,
Davon die Blätter doch bald zur Verwelkung gehen.
Und endlich nimmt der Tod die Sense in die Hände,
Das Stunden- Olafs lauft aus, das Leben eilt Mim Ende.
1695.
Heute leben wir. Morgen sind wir Todt:
Es ist mit uns nur Jammer und Noth.
1626.
Gleich wie verwelkt ein Blumenstrauß,
ein liecht verlescht, ein uhr lauft aus,
eine blas xerfährt, ein knaul lauft ab,
also der mensch stirbt, mus ins grab.
1744.
[Der Mittelpunkt des Bildes ist eine Flufslandschaft mit Brücke, Häusern, Schwä-
nen etc. An der einen Seite ist ein Kartenblatt mit König David, daneben eine
halbe Karte mit der Karo-Zehn, zwischen beiden ein vergilbtes Tapetenmuster
gezeichnet. In die Landschaft hinein ragt der Fetzen eines Kalenderblattes, am
Rande sitzt eine Fliege.]
Geneigter Leser/ schau hier dieses Bildniss an.
Das die Vergänglichkeit sehr wohl vorstellen kann:
Die Fliege zeiget dir, wie unsre Lebens-Zeit
In einem Huy verfliegt in die Vergänglichkeit.
Was hilffts? dafs mancher Narr thut stets Calender machen,
Er sorgt und quälet sich mit Kummervollen Sachen,
Denckt nicht in seinem Sinn, dafs alles eitel sey.
Und alles in der Welt in kurzer Zeit vorbey.
Schau diesen König an, sucht mancher nicht sein Glücke
In seinem Königreich mit falsch und böse Tücke?
Offt kommt der Zehender und seine Spiefs- Gesellen
Und thut den König ganz zu Grund und Boden fällen.
Drum ist des Menschen Thun, wie jener Weise spricht.
Mit Eitelkeit erfüllt. Und glaubst du dieses nicht,
378 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
So schaue dies Papier, so schiyn von Anfang war,
Mit Farh und Qold geziert, nun auf der Toden-Bahr
Erblast, verbleicht, auch nicht so schöne sich mehr zeiget,
Weil die Vergänglichkeit sich auch zu ihm geneiget.
J)ru7n wer in dieser Welt will Ehr und Ruhm erhalten,
Der lasse seinen Gott in allen Stücken walten!
Der tveifs, wenns nöthig ist und wenn Ers geben soll. *'^
Offt ist der mifsvergnügt, der beyde Hände voll.
Ein gut Gewissen ist in allem Thun das best.
Wer dies zur Richtschnur nimmt, den Oott niemahl verlast.
Die Treu und Redlichkeit mufs nimmermehr vergehn.
Und solt der Erden-Kreys viel tausend Jahr noch stehn.
Dies, ist das wenige, so ich zum Angedenken
In unser Meister-Buch der Nachwelt wolle schenken.
1716.
[Auf dem Bilde zieht der Tod mit der Hippe und Stundenglas den Wagen mit
der Göttin Zeit.]
Darunter
Hin läuft die 2kit, her Jcombt der lodt,
0 Mensch, thu recht undt fürchte Oott.
1695.
[Auf dem Bilde ein Totengerippe mit der Sanduhr, ein Sarg, eine Wiege
mit Kind,]
Dafs Leieh-car bey der Wiegen steht,
Aufs einem man ins ander geht:
So bald wir kommen auff die Welt,
Ist uns schon unser Orab bestellt.
1663.
Wan Hoffenung nicht tvehr, So kränkt ich mich sehr.
Aber weill Hoffenung ist, Vertrauwe ich auff Jesum Christ.
1744.
[Das Bild stellt einen Hafen mit Schiffen und Türken dar.]
Sey alle Zeit getrost, wenn Sturm und Wetter rafsen.
Wenn Blitz und Donner kracht, wenn alle Winde blafsen,
wenn dir die Unglücke Fluth bifs an die Seele geht,
und deiner Wohlfahrt Schiff in wilden Wellen steht.
So lasse dennoch nicht der Hoffnung Anker fallen:
nach grofsem Ungestüm und schwehrem Donner-Knallen
nach Stock-Pech-finsierer Nacht und nach Cometen- Schein,
sich der güldne Qlantz der Sonnen wieder ein.
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. S7Ö
1630.
Oh mich auch offt das glück verlest,
So halt ich doch die hoffnung fest:
Ich verthrau Qott undt thu nit sorgen;
Kompts nit heut, vieleicht kompts morgen.
1624.
Im Glück überhebe dich nicht,
Im Unglück verxage nicht!
1674.
[Auf dem Bilde sieht man ein durch die Wellen fahrendes Schiff, auf das eine
Windsbraut bläst. Davor auf dem Lande die Mutter Gottes mit dem Jesuskind]
Wann Wellen, Windt und Blitz das wilde Meer erheben.
Wann höchsten donners knal macht grofse Berge beben.
So ist der Untergang xwar Schiff und Menschen nah.
Doch giebts niemand verlohren, so lang nur Hoffnung da,
Man kön durchs Ankers hülff der gefahr vielleicht entweiclien:
Es ist des Menschen Hertx auch einem schiff xu gleichen.
Das hie ein Unglückswindt, dort Kreutxes wellen plagen.
Der Hoffnungs Anker ists, ders bald nicht löst vertagen,
Den icirffts im. Glauben hin auff den, der Jesus heifset:
Der ist ein starker Felfs, so die Gefahr abweifset.
Drumb trag im Unglück man ein frischen Lewenmuth.
Trau nwr dem wahren Gott, der macht schon alles guth.
1750.
Wies Gott gefällt, so gefällt mirs wohl in allen meinen Sachen,
Was Gott versehen halt einmahl, wer kann das anders machen.
Er giebt umsonst Geld, Witz und Kunst, es hilßs nichts Haar ausrauffen.
Murrt oder beifst — solls seyn, so seys, wirds doch den Weg nauslauffen!
1769.
Glaube, Liebe, Hoffnung sind aller Weisheit Kronen,
Die mehr als Diamant und reiclie Perlen sind;
Wo diese nicht zugleich in einer Seele wohnen.
Da ist ein Sterblicher mit Luchsen Augen blind.
Will Nahal Geld und Guth und Hamann Hochmuth lieben,
so will ich mich dafür in dieser Weisheit üben;
In dieses Purpurkleid will ich mich ewig kleyden,
so wird mich auch der Herr an Lebensquellen weyden.
3^ Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
1639.
Bleib beständig, Trew urmd vest,
Auff Oott hoffen ist das best!
1649.
Das Glück des Menschen stehet fest,
Wans Gott erhelt, der Mensch sein best
darxu thut, fleyfsig und getrew
Zu seiner Arbeit ohne Schew.]
Um 1610.
Im Kreuth sei geduldich unt stil:
Gedult kan überwinden vil.
1765.
Im Lieben, im Leiden,
Im Hoffen, im Hassen,
Vernünftig, geduldig.
Beständig, gelassen!
Um 1640.
Gedult inn Noth,
Hoffnung %u Gott,
Gut gewissen darbey
Macht sorgen frey.
Halt fest an Gott!
Der wendt all Noth.
1614.
Wer Tugent hatt, ist wolgeborn.
Ohne Tugendt ist der Adel verlohrn.
Adel bey Tugendt gar wol steht:
Tugent für allen Dingen geht.
1738.
Lang lebe?i ist ein schlechter rühm.
Nichts nutx ist der schändliche reichthum.
I/ieb schaden bringt, schand bringt der pracht:
Tugendt allein unsterblich macht.
1806.
[Auf dem Bilde sitzt ein Mann in städtischer Kleidung unter einem Baume und
spielt die Harfe.]
Den Biedermann gewinnt man lieb,
Er sey nun König oder Hirte,
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. 381
Die Tugend, die ein Gott ins Herx ihm schrieb,
Ist wahrlich mehr als Königswürde,
Aitch 7nehr als alle Künste, alles Wissen;
Denn sie folgt uns bis übers Grab,
Da^ andre legen wir am Rande ab,
Wenn wir die Welt verlassen müssen.
1733.
Wie kütxelt sich ein Mann mit seiner Ewigkeit,
Die ihr?i ein guter Ruhm in dieser Welt verleiht!
Ach, könnt ich einen Tag dafür im Himmel leben!
Dergleichen Ewigkeit wolt ich mich stracks begeben.
1743.
[Auf dem Bilde ein Hirsch, der an einem Quell Wasser trinkt.)
Wie leehxende der Hirsch nach frischem Wasser strebet,
So schreyet meine Seel, mein Gott, xu dir genau;
Sie dürstet sehr nach Gott, nach Gott, der ewig lebet:
Wann komm ich doch dahin, dafs ich sein Antlitx schau!
Inxwischen will ich hier von deinem Lobe sagen
Und deines Nahmens Ruhm erheben jederzeit :
Das thue alles Fleisch so wohl in diesen Tagen
Als au^h in jener Welt in alle Ewigkeit!
1743.
Was ist des Lebens Herrlichkeit?
Wie bald ist sie verschumnden !
Was ist das Leiden dieser Zeit?
Wie bald ists überwunden!
Wer Gottes Rath
Vor Av^en hat,
Dem wird ein gut Gewissen
Die Trübsal auch versüfsen!
Um 1620.
Wer sein Sach hatt xu Gott gericht,
Forcht Todt, Teuffei und Helle nicht.
1695.
Was schadt mir dann der Todt, er ist nur mein Gewinn-
Er führt den, den er holt, xum rechten Leben hin;
Er nimet uns die Welt, das er den Himmel gebe.
Drum au ff und nur davon! Ich sterbe, das ich lebe!
882 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
Um 1704.
[Das Bild stellt die Flucht Loths aus dem brennenden Sodom dar.]
Mufs ich schon gleich allhier mein Haus und Hoff 'verlassen,
Wie man an diesem Loth im Vorbild kau ersehn,
Und wenn gleich viele sich einstellen, die mich hassen,
So läfst der Höchste doch kein Unglück mir gesehen.
Denn wer aus Sodoma der Sünden will entfliehen,
Und es nicht halten will mit der verruchten Schaar,
Den mufs der Engel Chor aus Oluth und Flammen xiehen,
Weil Oott ihn schützen will, als Seiner Augen Paar.
1625.
Durch Schlangen list und Weiher Bath
Der erste Adam, übertratt
Gottes gebott, dardurch die Sündt
Gefangen Mit all Menschen Kindt,
Wo nicht der newe Adam mildt
Zerbrochen hett der Schlangen Schildt,
Gebohren von der Jungfraw xahrt
Und aufsgetilgt der Sünden Ahrt,
Am Kreuth gestorben uns xu gutt,
Und nicht geschewt der wechter hutt.
Sondern vom todt erstanden ist:
Unser Erlöser Jehsus Christ
Zum Vatter ist gefahren auff,
Dardurch vollendet seinen lauff,
Drumb mir aufs Gnadt das Ewig Leben
Sampt andern Gläubigen wirdt geben.
1655.
Wer Jesum erkist unt recht erkent,
Hat all sein Zeit wohl angewent.
1738.
Lafs eysen, hagel, bieg, lafs Donnerkeulen schneyen,
Lafs alle teuffei lofs und lügen, lästern, schreyen:
Den Christi gnade stärkt, ist solcher franck und frey;
Wer Christum hertxlichg liebt, dem kan kein Feind nicht hey.
1666.
[Im Wappen eine Sonne als Gottesauge.]
Wa^ ist heller als die Sonne ? Gottes Auge nur allein.
Drum lafs all dein Thun und wandet für difs Aug gestellet sein.
Was wir Menschen böfs begehen,
Kann difs Aug im Finstern sehen.
Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie. 883
1666.
Inn all deifn Thun such Gottes, Ehr,
Des Nechsten Nutz, folg guter Lehr,
So wird dir Gott in diesem leben
Hier Glück und dort den Himmel geben.
1721.
[Das Bild zeigt das Blatt 'eines Kalenders.]
Betrachte weislich allezeit
Der unsterblichen Seelen Eivigkeit!
Ich achte nichts, die Welt mag toben.
Und halte mich nach meiner Pflicht,
Mann mag mich schelten oder loben,
Nach allen beyden frag ich nicht:
Hier mag es gehen, wie Gott will,
Wann mir nur bleibt des Himmels Ziel.
[Verfasser der folgenden Verse ist Joh. Peter Günther, der 1703 Silbermeister
geworden ist.]
Gott, der wöll xu seinen Ehren
Seine furcht stets in mir mehren
und mein Hertz so zu ihm kehren,
Dafs ich mög für ihm fromm wandeln,
Wie Ers will, in allem Handeln,
Bifs ich alfs ein seeiger Günther
Nach der weit leydvollem Winther
Mehr die Zahl der Gottes Kinder,
Die, wie hier in Zeit, so droben
Gott den Herren ewig loben.
1709.
Trau gott, bett offtmahls und hüte dich für sünden,
Lafs dich in demuth stets und friedenliebend finden.
Flieh hohe ding, hör viel, und rede wenig drein.
Verschweig die heimlichkeit, verschone den, der klein.
Und gieb dem gröfsern nach, vertrage deines gleichen,
Thu stets das deinige, lafs keinne zeit verstreichen,
Bifs du dein werk verricht, hilff armen in der noth.
Halt, was du hast, und leyd gedultig, denk an todt.
1705.
Hilff, Grofser Jehova, dafs ich meins Ämptes werke
Zu deiner Ehr verricht, und gieb mir darxu StärJce,
Auch Weisheit und Verstandt und Seegen und Genad —
Dann Menschenwitz ist nichts, Herr, ohne Deinen Raht —
t I
384 Beiträge zur deutschen Handwerkerpoesie.
Dafs meiner Feinde Zorn, der Neider freche Handt
Mich nicht verletzen kan, gleich einen diamandt.
Behütt vor Unglück mich, so lang es dir gefeit,
0 Gott, hifs du mich wirst abfordern aufs der Welt,
Zu letzt an jenem tag vor Christo mag bestehen
Und als ein Seeliger zu deiner Freud eingehen!
Um 1734.
Lafs mich dich
Mich und die Welt erkennen:
Dich, dafs du mir mein alles bist,
Mich, dafs ich Staub und Asch zu nennen.
Die Welt, dafs sie mein Kerker ist.
Wer dich, sich und die Welt recht kennt.
Der macht ein richtig Testament.
Magdeburg. Dr. A. Schmidt.
Anmerkungen zu Jakob Rymans Gedichten.
VI. Teü.
LXXXI.
An Maria, Pete?' und Paul und alle anderen Heiligen.
Str. 1. V. 1 lady dere nur hier, während dere bei lord ziemlich
häufig steht; s. zu IV, 8, 1. — o condite clere; vgl. Register hei Salzer
[s. zu XVII, 9, 1) S. 610 unter aquseductus. — F. 2. 4 0 well of
vertue and of grace, . . . And turne to vs thy louely face cv) XII, 1 0, 2
O welle of vertu and of grace, Returne to vs thy louely face; vgl.
Anm. — F. 3 With louely chere; s. zu XII, 12, 1. — eure prayere
here ; s. zu XIV, 5, 3. — F. 5 Thy myoide seruauntis ; s. zu XXVII,
2, 3. — in euery place ; s. zu XII, 1,3. — V.^^ dayly hraucht Ryman
als Adverb aicch LXXXV, 4, 5 und 11, 1, als Adj. nur LXXVII,
1, 6. — laude the and honoure; s. zu IV, 8, 3. — F. 7 Kepe and
defende fro alle doloure; s. zu LXIV, 12, 3. 4. XI, 3, 3. XXII, 5, 3.
Vn, 3, 3. XXXV, 2, 2 ; ferner CXXI, 6, 3 Defende us ay fro all
dolowre; CXXXIX, 1, 5 And defende us fro all doloure; CLVIII,
4, 3 That Crist defende us fro dolowre.
Str. 2. F. 1 Without delay; s. zu IX, 2, 2. — F. 1. 2 for vs
thou pray King Assuere ; s. zu Y Ü. — F. 2 King Assuere, thy sonne
so dere; s. zu IV, 2, 1. — F. 3 So that wo may at domes day To hym
appere; vgl. CI, 7, 3 That shall bringe vs at domes day Fro thral-
dom; CXLVII, 6, 1 When we shall stonde atte domys day Before
thy sonne echone; CLXIII, 2, 1 Atte domys day ... suecurre nobis
miseris ; CLXIV, 7, 1 O sweete lady, atte domys day . . . For us vnto
thy sone thou pray. — F. 4 To hym appere; s. zu XII, 12, 3. —
F. 6 Eternall blis tak and possede ; vgl. zu LVI, 6, 2. — F. 7 That
ordeyned is vnto youre mede; vgl. CVII, 2, 3 the king of grace ...
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 25
386 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXI, 2 — LXXXII, 3.
Hath ordeyned the a ioyfull place. — mede erscheint aufserdem
LXXXV, 16, 5 Also, I rede, for the more mede Vse goostely con-
templacion; CLIX, 5, 3 Thatte heuyn blysse may be oure mede.
Str. 3. V. 1 seintis alle; s. zu XVI, 7, 3. — F. 2 quene of
paradice ; s. zu IX, 5, 1 . — F. 3 For snbsidie to you we calle oo C V, 6
For subsidie we calle to the; vgl. ferner CX, 5, 5 For thy comfort
we crie and calle; CXLVIII, 6, 3 Olde faders made grete mone
Callyng for Crist ... To saue mankynde alone. — F. 4 in lowest
wyse cv) IX, 5, 3 in the lowest wyse ; s. zu II, 2, 2. — F. 5 To Crist,
that king and high iustice cv) LXXXIV, 4, 7 That lorde, that king,
that high iustice; vgl. ferner CXXI, 8, 1 Pray Crist, thy sonne, that
high iustyce cv) CXLV, 6, 1 Pray thy sweete sonne, pat high iustice
CV) CLVII, 3, 2 Crist, thy sone, that high iustice; CLXIII Ü. 1
O mater summi iudicis = ebenda 1, 2. S. auch zu XXII, 5, 2. —
F. 6 Whenne he shall come and iugement make ^^ XLIV, 10, 1. —
F. 7 With hym to blisse that he vs take; s. zu XLIV, 10, 2.
LXXXII.
Marienlied.
Berührt sich mehrfach wörtlich mit XLIII {s. zu Str. 1, 2 — 4.
2, 1—4. 3, 1—4).
Str. 1. F. 1 welle; s. zu V, 5, 3. — F. 2. 3 To alle mankyende
whiche is socoure, And Ms name is Emanuell = XLIII, 1, 2. 3. —
F. 4 Of alle floures he is a floure cvs XLIII, 1, 4 Of all louers he is
the floure. — F. 5 Moost of vertue and of honoure cv? CLVII, 1, 2
Most of vertu, most of honoure; s. zu LXXX, 1, 2 und V, 4, 1. —
F. 6. 7 He is the kyng of kingis alle And lorde of lordes principall oo
LXIXXIII, 4, 1. 2 O Ihesu, king of kynges alle And lorde of lordes
most of myght; s. auch XIXXIV, 1, 2 :r= CII, 1, 2.
Str. 2. F. 1 — 4 His moder is a virgyne pure In werde, in dede,
in Wille and thought, Of whome he toke mortall nature To save man-
kyende, that he hath wrought c^ XLIII, 2 {nur had myswrought
statt he hath wrought, wegen dessen die Anm. zu XXV, 2, 4 zu ver-
gleichen ist). — F. 5 By whome is wrought althing of nought; s. zu
IV, 7, 1. — F. 6 Heuen and erthe, the see also = XXVII, 5, 1; vgl.
ZM VII, 6, 3.
Str. 3. F. 1 — 4 He is called king Assuere, Hester his moder
AnmerkuDgen zu J. Rymans Gedichten LXXXII, 3—6. . 387
called is: Crowned they be bothe ij. in fere, He king, she quene of
henen blis =: XLIII, 4. — V. b Wherof the ioye eternall is; s. zu
L, 6, 2. — F. 6 as it is right; s. zu XXII, 4, 1. _ F. 7 Loue ...
laude; s. zu CLXV, 3, 1. 2. IV, 8, 3. — drede; s. zu XXI, 4, 1. —
with alle eure myght; s. zu XIII, 1, 3.
Str. 4. F. 1 He was scourged with sconrgis smerte ; s. zu XL VI,
5, 1 — 3 und LIII, 10, 1. — F. 2 He was nayled upon the roode; s.
zu XIII, 4, 3. — F. 3 He had a spere smytte thnrgh his hert; vgl.
LXXXV, 11, 5 where the sherpe spere entred in; XC, 1, 7 And to
beholde thy louely syde With a sharpe spere wounded so wyde. —
F. 4 For vs he shedde his precious blöde oo XL VI, 6, 3 Wheron he
shed his precious bloode — XLVIII, 5, 3 ; vgl. avxih LXXXV, 11,4
tmd zu IV, 4, 3. — F. 5 He suffred deth; s. zu XLIII, 5, 2. 3. —
that lorde so goode ; s. zu IV, 4, 1 . — F. 7 And with his blöde man-
kyende to bye; s. zu IV, 7, 3.
Str. 5. F. 1. 2 Vnder the rode with wofnll moode Marie tho
stoode; s. zu XIX, 5, 1. 2. — F. 2 lohn; s. zu XVII, 5, 2. — F. 3
That lorde so goode; s. zu IV, 4, 1. — for mannes foode; vgl. zu
XIX, 5, 2. — Suffryng grete payne, dolowre and woo; vgl. CXVI,
2, 4 Withouten peyn, dolowre and woo; CXLVIII, 4, 1 without
peyn, woo and dolowre; CXLVIII, 6, 1 In derknes, peyn, dolowre
and woo ; ferner LXX^IV, 2, 5 to suffre grete doloures ; s. zu XIII,
3, 1. XXXV, 2, 2. LXII, 1, 4. — F. 5—7 The same payne, that
he snfFred theo Uppon the Crosse for synfuU man, The same did she
in her hert than; s. zu XIII, 4. — F. 5; vgl. zu XIII, 3, 1. — V.Q
for synfull man; s. LIII Ü.
Str. 6. F. 1 Symeon; s. zu LXV, 5, 1. 2. — F. 2 of doloure
(s. zu XXXV, 2, 2) ist natürlich von swerde in V. 1 abhängig ; vgl.
die zu LXV, 5, 1. 2 citierte Parallelstelle CVI, 3, 1. 2 the swerde
shulde goo Thurgh hir myelde hert of care and woo und zu XXIV,
1, 2. XCVI, 5, 4. — F. 3 Her sonne to see; s. zu LXIV, 4, 3. 4. —
on the roode tre; s. zu XXVII, 6, 1. — F. 4 And on his paynes smert
to thinke; vgl. XCII, 1, 2 On the to thenke my hert is colde; CLXIII,
4, 3 Haue mynde, lady, and thenke on this. Die ältere Form thenke
steht, wie an den beiden dtierten Stellen, auxih XCI, 6, 1 We can not,
lorde, thenke on good thought. Dagegen mit i oder y geschrieben ist
das Verbum, wie an unserer Stelle, so auch LI, 3, 1. LH, 2, 2.
LXXXII, 6, 7. LXXXV, 11, 7. CVI, 5, 1. Im Reime steht es nur
25*
388 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXII, 6 — LXXXIII, 3.
an unserer Stelle. — Wegen paynes smert s. zu LIII, 10, 1. — V. &
Out of thy slepe arise and wake ~ XXXIX, 1, 1 Oute of youre
slepe arryse and wake.
Str. 7 When her sonne dere to her did appere In Iherusalem,
glad was she u. s. w. geht wohl auf die Legende von der Himmelfahrt
der Jungfrau Maria. — Wegen her sonne dere s. zu XII, 12, 1. —
V. 3 Hayle, moder dere; s. zu I, 1, 2. — F. 4 In Wisse with me thy
place shall he; s. zu XI, 2, 3. — F. 5 Replete with alle iocundite;
s. zu XTTI, 5, 1; vgl. auch iocunde XCIII, 1. — V. Q by his grete
mercy and grace ; s. zu VI, 4, 3 und CXIII, 9, 3. — F. 7 Bring vs
all to that ioyfnll place ; vgl. zu XI, 2, 3.
LXXXIII.
Loh Christi.
Stimmt teilweise wörtlich mit Nr. XL VII (s. zu Str. 1, 1 — 3.
2, 1), Nr. XXVII und XXXVI {s. zu Str. 5, 1—4), Nr. XXVIII
(s. zu Str. 3, 1 — 5 und 6 — 7) u. s. w.
Str. 1. F. 1 — 3 0 lorde, by whome alle thing is wrought, And
without whome is wrought nothyng, With hert, with myende, with wille
and thought — XL VII, 1, 1—3. — F. 4 We geve the lawde, thanke
and praysing. Wegen lawde s. zu XXII, 6, 1; im übrigen vgl. LXXII,
8, 3 Thanke and preysing they geve to the und zu LXXII, 5, 3. —
F. 5 0 thre and one withoute ending =r LVII, 1, 3. — F. 6 Fader
and sonne and holy goost; s. zu XXI, 8, 2. — F. 7 One perfecte god;
s. zu XXXI, 6, 3. — of myghtis moost; s. zu X, 4, 2.
Str. 2. F. 1 One in substaunce, essens and myght; s. zu^lNll,
6, 3. — F. 2 That euir were and ay shall be — LXXII, 13, 2; s. zu
XXI, 8, 3. — F. 3 Alle holy churche, as it is right — LXXII, 10, 2
(vgl. Änm.). — F. 4 With stedfast feithe; vgl. CLIII, 1, 2 That in
tyme past by feith stedfast Conceued hast the kyng off blys ; XCVI,
6, 2 In thy gesture thou were like lobe Stedfast of feith. — know-
lege; s. zu X^XII, 4, 4. — F. 5 Borne of a virgyne pure and free =
XXVI, 4, 2. — F. 6 Porto restore mankyende to blis; s. zu XL,
4, 3. — F. 7 That was exiled by Adams mys; s. zu XII, 6, 3. VII,
4, 2. 2, 2.
Str. 3. Fl — 5 0 redemer of alle mankyende, Mercifull lorde,
that boughtest vs dere, Entre into eure hert and myende, To feithfull
men yeve thou light clere. And eure prayers, good lorde, thou here cv)
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXIII, 3—6. 389
XXVIII, 3, 1 — 4 O redemer of alle mankynde, We pray the, entre
into oure myende: Mercifull lorde, that bought vs dere, To feithfull
men geve thou light clere {vgl. die Änm.). — F. 3 hart and myende;
5. zu XVII, 7, 3. — F. 5; vgl zu XIV, 5, 3. XXV, 5, 1. — F. 6. 7
0 endeles lorde, with ys thou dwelle, Derkenes of synne fro ts expelle
(>o XXVIII, 4, 1. 2 0 endeles lorde, with vs thou dwell: Derkenes,
the fende, fro vs expelle. — Wegen derkenes of synne s. zu XXIV, 1, 2.
Str. 4. F. 1. 2 0 Ihesu, king of kyngis alle And lorde of lordes
most of myght cv) LXXXII, 1, 6. 7 He is the king of kingis alle
And lorde of lordes principall. — Wegen most of myght s. zu X,
4, 2. — F. 3 The whiche madest vs fre, that were thrall; s. zu VII,
2, 3. LXV, 8, 3. — F. 4 Of the grannte vs to haue a sight; s. zu
XI, 4, 3. — F. 5 In heuen blisse so clere and bright cvj LXXXV,
8, 4 In heuen blisse so clere. Wegen clere and bright s. zu XII,
3, 1. — F. 6 aungellis foode; s. zu LVI, 3, 1. — F. 7 Lorde, that
hast bought vs with thy blöde; s. zu IV, 7, 3.
Str. 5. F. 1 — 4 Auetor of helthe, Crist, haue in myende, To save
mankyende, that was forlorne, That thou hast take fourme of man-
kyende Of a pure virgyne beyng borne = XXVII, 3 und XXXVI, 1 ,
nur dafs an diesen beiden Stellen die Verse in der Reihenfolge 1. 3. 4. 2
stehen. — F. 5 As prophesy had seyde beforne = LXI, 12, 2. —
F. 6 And forsake vs not for oure synne; s. zu I, 13, 2. — ^^ F. 7 But
graunt vs grace thy blisse to wynne; s. zu XLIX, 6, 3 und zu
LVI, 6, 2.
Sir. 6. F. 1. 2 Sith thou hast bought vs with thy blöde Redemyng
vs on the roode tree; s. zu IV, 7, 3 und XXVII, 6, 1. — F. 3
Graunte vs alle grace; s. zu XLIX, 6, 3. — F. 4 Mercifull lorde;
s. zu XXVIII, 3, 3. — F. 4. 5 to dwell ... In blisse; s. zu XL VIII,
8, 2. — F. 5 wherof none ende shall be =. XCVII, 19, 7. CXIV,
7, 4. CXLI, 8, 4. CLXV, 4, 2 ; s. zu XI, 2, 2. _ F. 6. 7 And de-
fende vs fro endeles woo And fro the fende, oure goostly foo co
LXXXVI, 1, 6. 7 And to bringe vs fro endeles woo And fro the
feende, oure goostely foo oo XC, 4, 4. 5 To bringe hym out of payne
and woo And fro the fende, his mortall foo oo XCI, 2, 6. 7 And
bringe the out of payne and woo And fro the feend, thy goostely
foo. — V.6 = CXXX, 7,2; s. zu XXII, 5, 3. Vgl. ferner LXXXVI,
7, 7 To bringe mankyende fro endeles woo; LXXXIX, 1, 7 To
bringe the oute of endeles wo; CX, 3, 7 Defende mankyende fro
endeles woo; CLVI, 3, 3 Where is derkenes and endles woo oo
390 Anmerkungen zu J. Eymans Gedichten LXXXIII, C— LXXXIV, 2.
CLVII, 2, 3 Where is bothe payn and endles woo; CLXIV, 8, 2
Brynge us to payn and endles woo ; LXIV, 1 2, 4 Fro endeles payne
and woo; CLXVI, c, 2, 4 Fro peyn, thatt endles ys. — V. 7; s. zu
XXII, 5, 4 und XXI, 3, 4.
LXXXIV.
Alles Irdische ist vergänglich.
Vgl, zu LIV.
Str. 1. F. 1 Atte sumtyme (auch im Folgenden); s. zu XXIII,
1, 2. — mery; s. zu XXXVIII Ü. — sadde; s. zu XIII, 6, 2. —
V. 2 At sumtyme wele. An allen anderen Stellen, an denen in un-
seren Gedichten wele vorkommt, ist es Adverb ; vgl. LV, 8, 2 Wele to
expende oure tyme and space; LXXXIV, 6, 1 Wele to exspende
oure lyfe therf ore, While we be here, we shulde be f ayne ; LXXX V,
1, 1. 2. 5. 6 Remembre wele ... And pryente wele in thy myende
Beholde wele thy begynnyng And pondre wele thy kyende; ebenda
8, 3 Criste . . . Knowith right wele. Deshalb ist wohl auch an unserer
Stelle wele (und dann auch woo) nicht substantivisch zu fassen. —
V. 5 At sumtyme richesse and welthe is hadde; vgl. LXXXV, 5, 3
All erthely welthes and riches, Truly, thou shalt resigne. Wegen is
hadde s. zu XIII, 6, 3. — V. ^ At sumtyme it is gone vs froo; vgl.
CXLVI, 12, 2 When thou fro me art gone; s. auch zu LV Ü. und
zu LXXXV, 10, 7. — F. 7 Truly; s. zu XXI, 4, 2. — he is not
wyse = LXX, 16, 3. — F. 8 worldly welthe; s. zu LV li.
Str. 2. F. 1 floures of swete odoures; s. zu VII, 3, 1. — F. 2
Vadeth; s. zu LIV, 5, 2. — to erthe; s. zu LIV, 1, 2. — by theire
nature; vgl. by kyende [zu XXIX, 6, 2). — F. 3 grete honoures;
vgl. CLIV, 1, 3 With grete honoure und zu I, 4, 2. — F. 4 Shall
fade fro euery creature; vgl. XCII, 3, 3 His dayes passith, as a sha-
dewe. And, as a floure, fro hym they fade {s. zu LIV, 5, 2). Wegen
euery creature s. zu XL VII, 3, 3. — F. 5 to suffre grete doloures;
s. zu LXXXII, 5, 4. — F. 6 I holde it best; vgl. CXVII, 1, 1 Now
forto syng I holde it best. Aufserdem braucht Ryman holde 7iur noch
unten 4, 2 King Salamon, that prince so wise. Alle erthely thinge
beide vayne and nought. — to do oure eure. Diese Formel braucht
Ryman hier zum erstenmal, von nun aber ziemlich häufig: LXXX VI,
1, 5 And so on vs to do his eure; CV, 5, 3 On vs therf ore do thou
thy eure; CLX, 5, 1 Vppon mankynde do thou thy eure; CLXIII,
1, 3 On US mekely do thou thy eure; XCVI, 8, 5 Wherefore to Criest
Anmerkungen zu J. Eymans Gedichten LXXXIV, 2—6. 391
thou do thy eure, That he will graunte vs of his grace In blisse with
the to haue a place; XCV, 1, 2 Come vnto me and do thy eure;
CX, 6, 5 Do thou thy eure, swete lady, than. — F. 8 So that of
blisse we may be sure = LXXVII, 3, 7 und CLX, 5, 2; s. zu
XXI, 4, 4.
Str. 3. V. \ — 4 In Genesi and lob we finde Et in Ecclesiastico,
Thou art but erthe, man, by thy kynde And into erthe ayene shalt goo ;
Ä. zu LIV, 1, 1. 2, wegen lob aucln zu LIV, 4, 1. — F. 5 On erthely
good sette not thy myende; s. zu XXTI, 4, 3. XLIII V. XXI, 7, 1.
F. 6 For erthely good shall passe the fro; s. zu LV V. — F. 7. 8
Naked thou camest, thon man so blynde, And into erthe naked shalte
goo; vgl. Hioh I, 21 Nudus egressus sum de utero matiis meae et
nudus revertar illuc; Ecclesiastes V, 14 Sicut egressus est nudus de
utero matris suse, sie revertetur.
Str. 4. F. 1 King Salamon; s. zu V, 2, 1 und LIV, 1, 3. — F. 2
Alle erthely thinge {s. zu XXII, 4, 3) beide (s. oben zu 2, 6) vayne
and nought And vttirly it did despise; vgl. Ecclesiastes I, 1. 2 Verba
Ecclesiastfe, filii David, regis lerusalem. Vanitas vanitatum, dixit
Ecclesiastes: vanitas vanitatum, et omnia vanitas. — F. 4 And so
shulde we in dede and thought; s. zu XVII, 7, 3. — F. 5 price; s. zu
XLn, 1, 2. — V. ^ Per his lone, that alle thinge hath wrought; s. zu
XX:XI, 1, 5 und rV, 7, 1. — F. 7 That lorde, that king, that high
instice; s. zu IV, 9, 1 und LXXXI, 3, 5. — F. 8 That with his
bloode vs dere hath bought; s. zu IV, 7, 3.
Str. 5. F. 1 Crist seith hym seif in the gospell oo XVII, 5, 1
Seint Mathew seith in the gospell. — F. 2 — 4 What preuayleth it a
man vntill, Yf that his sowie in danngere dwell, Thow he alle this
worlde haue at wille =r Matth. XVI, 26 Quid enim prodest homini,
si mundum Universum lucretur, animse vero suse detrimentum patia-
tur ? — F. 4 at wüle; s. zu LXV, 3, 1. — F. 5 goostely; s. zu XXI,
3, 4. — counsell; s. zu III, 4, 2. — V. Q worldely welthe; s. zu
LV Ü. — Spille ; s. zu X, 3, 3. — F. 7 yf it come ... in helle ; s. zu
XLV, 1, 3. — F. 8 Trnly; s. zu XXI, 4, 2. — stille als AdverUum
'stets' hraiwht Ryman nur hier, als Adjektiv nur CXLVI, 4, 1.
Str. 6. F. 1 Wele to expende; s. zu LV, 8, 2. — F. 2 While
we be here; s. zu XLIX, 4, 1. — fayne; s. zu LXI, 7, 1. — F. 3
forlore; s. zu VII, 4, 1. — F. 4 in no wyse; s. zu II, 2, 2. — F. 5
gostely {s. zu XXI, 3, 4) salne vnto thy sore; vgl. XCI, 1, 6 Vnto
thy goostely leche thou goo, And he shall geve the {dahinter gostely
892 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXIV,6— LXXXV,2.
ausradiert) salue füll goode, That is confect with my hert bloode;
ferner aitch XX, 5, 5 To save oure sore. — F. 6 And fro alle synne
thou the refrayne; s. zu XXXV, 3, 2. — F. 7 In dede, wille, and
thought; s. zu XVII, 7, 3. — enirmore; aufser in den zu XX, 5, 6
^lnd LXXII, 6, 2 angeführten Stellen auch noch LXXXV, 11, 1.
Str, 7. F. 1 while thou art here; s. zu XLIX, 4, 1. — F. 2
For, whenne thou art layde in thy graue; s. zu XL VI, 7, 1. — F. 3
brenne; s. zu XXIII, 2, 2. — fere, wenn auch nicht für den Schrei-
her, so doch durch den Reim auf here, dere, bere für den Dichter
sicher, der freilich daneben auch L, 5, 3 fire mit enspire und desire
reimt: dagegen füre XXXIX, 8, 1 ist wohl ein anderes Wort.
Str. 8. F. 1 Pro endeles deth god vs defende; s. zu XXII, 5, 3.
Mit endeles deth ist wohl zu vgl. XCVII, 7, 3 f. And alle, truely,
withouten ende Loueth theire deth, that hatith me, da hier withouten
ende füglich nur zu theire deth gehören kann. — F. 2 — 4. 6 And
graunt vs alle by Ms grete grace, Out of this worlde when we shall
wende, In heuen blisse to haue a place . . . And hym to see there face
to face =-- XCII, 7, 2 — 5 {auA^h der vorhergehende Vers ist ähnlich
LXXXIV, 8, 1). — V. 2; s.zu XLIX, 6, 3. — F. 3 ; s. zu LXIV,
12, 1. — V. 4:; s. zu XI, 2, 3. — F. 5 Therin to dwelle withouten
ende; s. zu LVI, 4, 3. — V. 6; auch -^ XLV, 5, 3. XCIX, 8, 3 ex;
LXXXIX, 5, 7 In blisse to se hym face to face ; s. zu XX, 6, 4. —
F. 7 Whoes ioye = XLVIII, 1,2-, s. zu XL VIII, 1, 2. — no tunge
can comprehende ; vgl. XCV, 1, 3 The payne no tunge can compre-
hende ; s. au^h zu XI, 5, 2. — F. 8 That ay shall be, is and ay wace ;
s, zu XXI, 8, 3.
LXXXV.I
Alles Irdische ist vergänglich
Vgl. zu LIV.
Str. 1. Fl man mortall; s. zu XXVIII, 2, 3. — F. 2 And
pryente wele in thy myende; s. zu XXI, 7, 1. — F. 4 transitorious ;
dieses Wort finde ich nur im Century Dictionary aus Bale (to haue
but transytoryouse frutes) belegt. — V. ^ pondre; Skeat belegt to
ponder erst aus Skelton. — V. 1 f. Then call to thy remembraunce
Eternall ioye and blis; vgl. unten 11, 2 Take in remembraunce The
woundes of oure sauyoure And his bloode precious. — F. 8 ; s. zu
LVI, 6, 2 und zu XVI, 2, 2.
Str. 2. F. 2 Por certeyn; s. zu XXXII, 6, 2. — F. 4 that place
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXV, 2 — 6. 393
and this ; s. zu XI, 2, 3. — F. 5. 6 Por, as lob seith, that holy man,
Thy lyfe is but a wyende; s. zu lÄV, 4, 1. 2 und XLIX, 1, 1. 2. —
V, 7 terrestriall; s. zu VI, 8, 2. — F. 8 Take lyfe, that shall not
mys; s. zu XLVm, 1, 2.
Str. 3. F. 1 Truly {vgl V. 5); s, zu XXI, 4, 2. — Orient; s. zu
XXXV, 1, 1. — F. 2; tenebrat; nicht in den Wörterbüchern. —
F. 3 different; fehlt in den me. Wörterbüchern. — F. 4 mekenesse;
s. zu VII, 2, 5. — F. 7 celestiall; s. zu VI, 8, 3.
Str. 4. F. 1. 2 As the prophete of god, Dauid, Seith; vgl. XCII,
3, 4 Thus seith Dauid, that prophete true. Wegen Dauid s. zu I, 6, 1.
XXXVII, 4, 3. XXXVIII, 4, 3. — F. 2 knyght; vgl. zu LIX, 6, 1.
— F. 3 — 5 'As a shadewe, that passeth sone, My life from me dothe
glide'; Dayly thon fadest, as a floure; vgl. XCII, 3, 1 — 3 Like to a
thinge vayne man is made, His dayes passith, as a shadewe. And,
as a floure, fro hym they fade. Oemeint ist wohl Ps. CXLIII, 4 Homo
vanitati similis f actus est; dies eius, sicut umbra, prsetereunt. Hier-
aus ergiebt sich, dafs die direkte Rede an unserer Stelle mit glide auf-
hört und V. 5 Zusatz des Dichters ist {vgl. zu LIV, 5, 2), den dieser
aber dann, wie die angeführte Parallelstelle zu zeigen scheint, für
einen Teil des CUats gehalten hat. — F. 4 fro me doth glide ; vgl. zu
LV Ü: — F. 6 with alle thy myght; s. zu XIII, 1, 3. — F. 7 vic-
torie. Ryman l/raucht dieses Wort nur in unserem Gedichte : 7, 7 In
armoure and in victorie; 15, 7 And so gostely the victorie Of thy
foo thou shalt wynne ; wegen victorious s. zu LXXII, 9, 3. — wynne
heuen blisse; s. zu LVI, 6, 2. — F. 8 Therin aye to abide; s, zu
LIV, 5, 1.
Str. 5 habe ich hierher gesetzt, weil die offenbar zusammen-
gehörenden Strophen 6 Where is become king Salamon ...? und 7
Also where is king Dauid nowe ...? nicht getrennt sein dürfen. —
F. 1 When dredefnll deth to the shal come c\^ LIV, 3, 3 When drede-
full dethe shall come the tili {vgl. Anm). — F. 2 And smyte the with
his spronge; vgl. zu LV, 2, 3. Wegen spronge, das bei Stratmann-
Bradley fehlt, vgl. Halliwell s. v. sprong '2) A prong of a fork, &c.
West'. — F. 3 erthely; s. zu XXII, 4, 3. — welthes and riches;
s. zu LXXXIV, 1, 5. — F. 4 Truly; s. zu XXI, 4, 2. — resigne;
s. zu XLIX, 1, 3. — F. 5 thy trespas and synne; s. zu XXIII, 2, 4.
— V. Q amonge ; s. zu LV, 4, 2. — F. 7 f. thy sauyoure and lorde ;
s. zu XXI, 1, 3. — F. 8 inclyne; s. zu XXIV, 1, 4.
Str. 6. F. 1 — 4 Where is become king Salamon And Sampson of
394 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXV, 6—8.
myght strong^, King Charles also and king Arthure With alle the
worthies nyne? und 7, 1 ff. Also where is hing Dauid nowe With ar-
mony so swete, Säule also and lonathas So louely faire of chere . . . ?
Vgl Daniel I, 350; Kluge, Engl. Studien VII, 481. VIII, 472; Afs-
mann, Ägs. Homilien und Heiligenleben S. 263; Batiouchkoff, Roma-
nia XX, 13. 544 f.; Cook, Bright und Tupper in Modern Language
Notes VIII, 129 f. 187 f. 506. — V. 1 king Salamon; s. zuY, 2, 1
und LIV, 1, 3. — V. 4; man schwankte über die Persönlichkeiten
der worthies nyne. Nach einer Angabe bei Nares bestehen sie aus
drei Heiden: Hector, Alexander, Julius Cäsar; drei Juden: Josua,
David, Judas Maccabäus ; drei Christen: Arthur, Karl dem Grofsen,
Gottfried von Bouillon. Aber in Shaksperes LLL. V, 1. 2 werden als
zu ih7ien gehörig aufser Hector, Alexander, Josua und Judas auch
Hercules und Pompeius genannt. — V. b Diues; s. Lucas XVI, 19
Homo quidam erat diues, qui induebatur purpura et bysso. Öfter
erscheint DiYes im Piers Plowman: C IX, 279 Thenk, that Diues
for hus delicat lyf to the deuel wente; B XIV, \22 =^ C XVI, 303
And Diues in (in his C) deyntees lyued and in douce vye ; B XVII,
263 — CXX, 230 Diues deyed dampned (and dampned was G) for his
vnkyndenesse; B XVII, 268 — C XX, 250 But thei (to C) dwelle,
there Diues is, dayes withouten ende. Vgl. Chaucer, C. T. D \%11 {ed.
Morris II, 264, 269) Lazar and Dives lyueden diuersly; Shakspere,
1 Henry IV. III, 3, 36 I neuer see thy face, but I thinke vpon hell
fire, and Diues that liued in purple, den Titel einer Erzählung von
Besant The Doubts of Dives {vgl. Archiv LXXXIX, 431; s. au^h
432) und zwei Belege aus Bulwer und Trollope bei Flügel. Vgl. F.M.
Grawford, Katharine Lauderdale {Tauchn) II, 47 Dives ... is the only
man mentioned in the Bible as having asked for a glass of water,
and he's — where he ought to be.
Str. 7. V. 1 king Dauid; s. zu XXXVIII, 4, 3. — F. 2 With
armony so swete; s. zu LV, 4, 1. — V. 3 Säule also and lonathas =
8, 5. Vgl. 2 Kön. I, 4 Saul et lonathas, filius eins, interierunt. —
V. 4 — 6 So louely faire of chere, As myghty and strenge, as lyons,
As egles, swefte of fete = 2 Kön. I, 23 Saul et lonathas amabiles
et decori in vita sua in morte quoque non diuisi, aquilis velociores,
leonibus fortiores. — F. 3; vgl. zu XII, 12, 1. — F. 8 In erthe
hauyng no pere; s. zu IV, 2, 3.
Str. 8. Fl mercy and grace ; s. zu VI, 4, 3. — F. 2 Heuen and
erthe be replete; vgl. CV, 9, 3 With the glorie of thy sone swete ...
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXV, 8—13. 395
Heven and erthe bothe be replete; CXXIX, 4, 2 Heuyn and erthe,
lorde, replete be With glorie of thy maieste =: CXXXVI, 4, 2 ; s. zu
Vn, 6, 3 und XXI, 6, 4. — F. 3 Knowith right wele = V. 1. —
V. 4 In heuen Wisse so clere; s. zu IV, 2, 3. — F. 5 = 7, 3. —
F. 6 That lorde and king; s. zu IV, 9, 1. — F. 8 That bought man-
kyende so dere ; s. zu TV, 7, 3 : selbstverständlich geht That auf That
lorde and king so swete in F. 6.
Str. 9. F. 1 deuoute; auch unten 16, 2 Vse deuoute meditacion;
das Ädv. unten 13, 5 Deuoutely calle to Crist Ihesus und XCVII,
1 5, 2 Deuoutely do youre diligence. — creature ; s. zu LIII, 2, 1 . —
F. 2 Thon man terrestriall ; s. zu VI, 8, 2. — F. 3 Closed within
thy streite clausure; vgl. XL VI, 3, 3 And closed hym in her clau-
sure; s. zu XXII, 3, 3. — F. 6 celestiall; s. zu VI, 8, 3. — F. 7. 8
Thy sonle forte enhaunce truly To euirlasting lyfe ; s. zu XLIX, 2, 3.
Wegen euirlasting s. zu LXXIII, 3, 2.
Str. 10. Fl Porsaking flesshly lustis alle; s. zu LH, 5, 1 und
XXIX, 3, 3. — F. 2 And dedes bestiall; s. zu LXXII, 2, 2. — F. 4
enduratyfe; fehlt in den Wörterbüchern; vgl. zu XCV, 1, 5. — F. 5
In heuen blisse, so swete that is ; vgl. CXXI, 8, 3 In the swete blysse
of paradyse = CXI.V, 6, 3; CXXIII, 1, 3 Fro the swete blysse of
paradyse. — F. 7 When thou shalt go this worlde fro c\i XCV, 1, 6
Whenn shall I goo this worlde fro cn? CXLVII, 5, 2 When we shall
dye and yelde our gost And oute of this worlde gone; s. auch zu
XLIX, 3, 1 und LXIV, 12, 1. — F. 8 Thy ioyes shall be ryfe; vgl.
LXXXIX, 2, 3 Flowing with bloode and water ryve; CXLIII, 1, 2
In whom be vertuys ryve.
Str. 11. Fl Daily; s. zu LXXXI, 1, 6. — euirmore; s. zu
LXXXrV, 6, 7. — F. 2 Take in remembraunce ; s. oben zu 1, 7. —
F. 3 The woundes of eure sauyoure; s. zu LIII, 5, 2. — F. 4 And
his bloode precious ; s. zu XL VI, 6, 3. — F. 5 And, where the sherpe
spere entred in; s. zu LXXXII, 4, 3. Ryman braucht entre in auch
unten 16, 8; wegen des einfachen entre s. zu XXVIII, 3, 2. — F. 7
right side; s. zu XLIV, 9, 2 und LIII, 5, 1. — F. 8 mellifluous;
bei Skeat erst aus Shakspere belegt.
y? Str. 12. Fl that rose so swete; vgl. XIX, 6, 1 This swete
rose und zu XII, 11, 1. — F. 3 goostely; s. zu XXI, 3, 4. — F. 6
avaunce; s. zu XLIX, 2, 2. — F. 7 forsake; s. zu LH, 5, 1.
Str. 13. Fl (s. auch 14, 3) goostely enemye; vgl. LXXXIII,
6, 7 goostly foo = XCI, 2, 7; s. su XXI, 3, 4 und LVII, 6, 2. —
39G Anmerkungen zu J. Kymans Gedichten LXXXV, 13 — LXXX VI, 2.
F. 3 velony; s. zu XIX, 2, 3. — F. 4 Deuoutely; s. ;^w 9, 1. —
call to Crist Ihesus; s. zu XII, 1, 8. — F. 5 That died on the roode
tre cx^ CX, 2, 6 That died for vs on the roode tree; s. zu XXVII,
6, 1. — F. 8 Thy soule ayene to bye oo CXV Ü. 2 Mankynde ayene
to by; s. zu IV, 7, 3.
Str. 14. Fl And in tyme of necessite ; vgl. In tyme of nede zu
LXXX, 2, 4 und unten F. 5 In tyme of infestacion. — F. 2 Thy
comforte; s. zu XII, 1, 2. — F. 3. 4 And to conflicte thyne enemye
(vgl. oben zu 13, 1) He will put; vgl. zu LXI, 10, 3. — verely;
s. zu XXI, 1, 4. — F. 5 In tyme of infestacion; s. zu V. l. — F. 6
To hym yf thou wilte flee; s. zu^, 2, l. — F. 7 He will not lete
thy soule be lost; s. zu LXXIV, 6, 3.
Str. 15. Fl At sumtyme = 3. 5; s. zu XXIII, 1, 2. — F. 2
Moorne ; ebenso XC, 3, 2 geschrieben. — F. 4 To avoide vice and synne ;
vgl. CLIX, 4, 1 Of syn and vice thatte we may sease; s. auch zu
XXIII, 2, 4. — F. 5 vpon thy knee; s. zu XXII, 4, 2. — F. 6. 7
goostely; s. zu XXI, 3, 4. — F. 7. 8 the victorie Of thy foo thou
shalt wynne; 5. zu LXXII, 9, 2. LVII, 6, 2.
Str. 16. F. 1 By nyght and day; s. zu XIX, 6, 1. — F. 2 Vse
deuoute [s.zu 9, 1) meditacion; vgl. V. 6 Vse goostely contemplacion ;
CXLII, 7, 4 Alle vertu he did vse. — F. 5 mede [das Komma da-
hinter ist zu tilgen); s. zu LXXXI, 2, 7. — V. Q goostely; s. zu
XXI, 3, 4. — F. 7 And than to blisse, that endeles is ; s. zu XI, 2, 2.
— F. 8 entre in; s. zu 11, 5.
LXXXVI.
Maria Verkündigung.
S. zu I.
Ü. By whome eure ioye endeles is hadde; s. zu XXV, 5, 1 und
XIII, 6, 3.
Str. 1. F. 1. 2 The high fader of blisse aboue Hathe sent his
sonne cv) LXXV, 1, 1. 2 The high fader of blisse aboue Sent his
owne sonne {vgl. Anm.). — F. 2. 4 to take nature . . . Of Marie myoide,
that virgyne pure cv) LXXVI, 6, 1 /! hast take nature Of myelde
Marie, that virgyne pure = {nur hath statt hast) CXXXV, 1, 1 f.;
s. Anm. zu LXXVI, 6, 1 /*. — F. 5 And so on vs to do his eure;
s. zu LXXXI V, 2, 6. — F. 6 /". And to bringe vs fro endeles woo
And fro the feende, eure goostely foo; s. zu LXXXIII, 6, 6. 7.
Str. 2; s. zu I, 1. — F. 2 sent fro god; s. zu LXXX, 5, 4. —
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXVI, 2—8. 397
scriptnre seith soo = CI, 3, 2. CXLVIII, 6, 3; s. zu XVII, 1, 3. —
V. 3 To Nazareth; s. zu XLIII, 5, 1. — V. 4 And to Marie thns seide
he theo oo CHI, 1, 1 Thus to her seide an aungell thoo. — V. b
Haile, füll of grace withonten woo = CHI, 1, 2 oo LXV, 6, 1 Haile,
withoute woo füll of all grace. — F. 6 The lorde god; vgl. LXXII,
6, 3 O lord god Sabaoth omnipotent; XCIII, 3 oure lorde god, the
king of blis; XCVII, 12, 3 Serue oure lorde god with a myelde
mode; CXIV, 2, 2 The lorde god ys wyth the.
Str. 3. F. 1. 2 Whenne she hurde this, she was afrayde And
thoaght, what greting this myght be ; ä. zu I, 2. — V. 3 — 5 'Drede
not, Marie,' the anngell seyde: 'Thou hast founde grace, thou mayden
free, Before one god in persones thre; s. zu I, 3. — F. 6. 7 Thou
shalt conceyve and bere the same, The sonne of god, Ihesns by name;
s. zu I, 4.
Str. 4. F. 1. 2 He schalle be grete and called shall be {= III,
4, 1) The sonne of the highest of alle; 5. zu 1, ö. — F. 3 — 5 And
god shall geve hym Dauid see, And ay shall reigne in lacobes halle;
Whose high kingdome is eternall; s. zu I, 6. — F. 5 high kingdome
vgl. zu CXIV, 4, 3. — F. 6 heuen and erilie; s. zu VII, 6, 3. —
F. 7 there is nomoo; s. zu LVII, 2, 2.
Str. 5. F. 1—4 cN^ XLI, 4; s. zu I, 7. — F. 5—7; s. zu I, 8.
Str. 6. F. 1 — 3 ; s. zu I, 9. — F. 4 By grace of god omnipotent
= XCVI, 2, 4; vgl. au£h zu LXXII, 6, 3. — F. 5 good lady; s. zu
VIII, 2, 3. — concent; s. zu XLV, 1, 1.
Str. 7, 1 — 4; 5. zu I, 10. — F. 1 Magnifiyng god manyfolde =:^
II, 9, 1. — F. 3 The handmayde of oure lorde beholde = XLI, 6, 1.
— F. 4 As thou hast seyde, be done to me ~ I, 10, 3. CHI, 4, 2.
CXII, 10, 3. CXIII, 8, 2. — F. 5. 6 Thus conceyved this mayden
free By her mekenes god and man thoo cx) CXVI, 6, 2 ff. By here
mekenes in virginite Sehe conceyued thatte tyme ful sone The second
persone in trinite. Wegen this mayden free s. zu I, 2, 1; wegen By
here mekenes zu VII, 2, 3; wegen god and man IV, 1, 3. — F. 7
To bringe mankyende fro endeles woo; s. zu LXXXIII, 6, 6.
Str. 8. F. 1 This mayden myelde hath borne a chielde; ä zu
XLII, 1, 1. — F. 2 As prophetes seide longo tyme before; s. zu XL,
4, 1. — F. 3 To save mankyende, that was exielde =r LXXXVIII,
3, 8. XCIV, 1, 7; vgl. zu V, 7, 3 und XII, 6, 3. — F. 4 And to
blisse it for to restore; s. zu XL, 4, 3. — F 5 Oure ioye is wonne
for euirmore; vgl. CXXI, 3, 2 Oure ioye is wonne only by the =
398 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXVI,8 — LXXXVII,3.
CXLV, 5, 2. Wegen for euirmore s. zu XX, 5, 6. — F. 6. 7 For
Criste hath brought mankyende fro woo And fro the fende, oure mortall
foo; s. %u LXXXIII, 6, 6. 7.
LXXXVII.
Maria Verkündigung.
S. %u I.
jj. As Gabriell archaungell seyde; s. %u III, 1, 2. — Now Criste
is borne of a pure meyde; s. zu XVII, 1, 2.
Str. 1. V.l. 2 That archaungell . . . Game vnto Marie co CXIII, 1,
1. 2 An angelle ... Game to Mary; vgl. auch zu CXVI, 1, 1. S. zu
I, 1, 3. — V. 1 That archaungel shynyng füll bright; s. zu III, 1, 2.
XI, 3, 2. I, 11, 1. — F. 2 that myelde mayde; s. zu II, 3, 1. — F. 3
Bringyng tydingis; vgl. CLXV Ü. I bryng tydyngys, thatte be fülle
tru ; CXV, 2, 2 True tydyngys forto teile ; auch im Singular: CXIV,
4, 1 Of thatte tydyng, thatt he dydde bryng ; XXIII, 2, 3 the tyding
hurde Of thy laude. — god almyght ; 5. zu II, 7, 3. — F. 4 And vnto
her mekely he sayde = CXVI, 1, 3 cv. CXIV, 1, 3 /". and tlius he
seyde Fülle mekely here vnto c\i CXLI, 1.6/". And to Mary, thatte
meyde, Füll mekely thus he seyde. — F. 5 be not afrayde =
LXXXVIII, 3, 5. — F. 6 in euery place; s. zu XII, 1, 3. — F. 7
Thou shalt conceyve the king of grace ; s. zu XLI, 3, 4.
Str. 2) s. zu 1,1 u. 8. — Fl 'How shalle this be,' this mayden
than = III, 5, 1. — F. 2 Seyde to that archaungell so bright; s.zu
III, 1, 2 und I, 11, 1. — F. 3 Sith I purpose to knowe no man; s. zu
III, 5, 3. — F. 4 And shall conceyve the sonne of myght; s. zu XLI,
4, 4. — F. 5 — 7 The holygoost in the shall light, And thurgh his
working thou shalt be Moder of god in persones thre cv) CHI, 3, 3 ff.
The holygoost shall light in the. And thurgh his workyng thou shalt
be Moder of god alone. — F. 5 ir= II, 7, 2 ; vgl. auch zu III, 6, 1.
F. 7 in persones thre; s. zu I, 3, 3.
Str. 'd) s.zu 1,10 u.U. — Fl 'Ecce ancilla' (= CXLI, 13, 1),
thenne seide she = CXVI, 5, 1. — F. 3 The wille of god be done
in me; vgl. CHI, 4, 3. 4 As oure lorde wille, so moote it be; His
wille be done alone; CXIII, 8, 3 The wille of god fulfyllyd be =
CXVI, 5, 3 {dahinter In me). CXIX, 7, 3. — F. 4 In dede, in thought,
in wille and worde; s. zu XVII, 7, 3. — F. 5 as scripture bereth
recorde; s. zu XVII, 1, 3 und XLII, 3, 2. — V. Q> Marie, that mayde;
vgl. CXLI, 1, 5 And to Mary, thatte meyde; XCIV, 1, 5 That into
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXVII,8 — LXXXVIII, 1. 399
mayde Marie diddest light; XCVIII, 7 Of mayde Mary; CXLVIII,
3, 3 Throughe meyde Marie so did he passe ; CXIII tj. Heyle, Mary,
meyden meke and mylde; s. auch zu III, 10, 3. — moost of hononre;
s. ^w V, 4, 1. — V. 7 Hath borne Ihesus, oure sauyoure; s. zu
VII, 3, 2.
Str. 4. V. 1 — 4 The prophecy fulfilled is Of the prophetis nowe
alle and snme, For why the faders sonne of blis To save mankyende
is man becume = XCIX, 1, 1—4. _ T. 1 c\j V, 7, 1 Fulfilled is
the prophesye; s. die Anm. — K 2 po XLII, 6, 2. LXVI, 5, 1; s. zu
XLI, 1, 4. — F. 3 For why; s. zu V, 7, 2. — the faders sonne of
büs; s. zu XXVII, 4, 4. — F. 4; s. zu XXI, 7, 3. — F. 5 To hym
therfore be we not dnme; vgl. LXX, 16, 3 He is not wise, that wille
be dume In ortu regis omnium, — V. ^ But lete vs singe; s. zu
XXXI, 8, 1. — make alle myrth; vgl. CXVII, G, 3 Lete us alle
make myrj)e and solace; s. zu XXXVI, 4, 4.
LXXXVIII.
Joseph und Maria.
Man könnte meinen, dafs Str. 5 und 6 ein Gedicht {'Eva und
Maria') für sich bildeten. Allein Str. 4 macht nicht den Eindruck
einer Schlufsstrophe, und der Schreiber fängt offenbar erst mit
LXXXIX, 1, 1, das er ganz und gar mit gröfseren und fetteren
Buchstaben schreibt, ein neues Gedicht an.
Überschrift als Bede des Engels (Str. 3) gedacht. — F. 2 And to
Marie thy way thou take; 5. zu XXXIII, 7, 2.
Str. 1. Vgl. Matth. I, IS f. Cum esset desponsata mater eius
(Christi) Maria loseph, antequam convenirent, inventa est in utero
habens de spiritu sancto. loseph autem, vir eius, cum esset iustus,
... voluit occulte dimittere eam; ferner Klemming III, 96 loseph
fert mentem stupid am Fuge parans presidiura. Dum videt sponsam
grauidam Ignoratque misterium. — F. 2 for noo synne ne for offence ;
s. zu XXin, 2, 4. — F. 3 abyde ; s. zu LIII, 5, 3. — F. 4 presence ;
s. zu L, 3, 2. — F. 5 Extans virgo concipiens gehört als Bestimmung
zu here, indem das lateinische Participium vor Nominativ absolut ge-
braucht wird, wie das englische XXXV, 2, 3 cease oure doloure
Bothe day and houre waityng socoure. — F. 6 The mysterie for cause
he knew. Man vermifst die Negation: hat Byman etwa ein ignorat
seiner Vorlage {vgl. die aus Klemming oben angeführte Strophe) =
400 Anmerkungen zu J. Kymans Gedichten LXXXVIII, 1 — 5.
norat, noverat genommen ? Wegen for cause s. %u LXXX, 6, 5. —
— F. 7 of so füll grate vertue gehört wohl zu mysterie; s. zu
LXXXII, 6, 2.
Str. 2. Vgl. Matth. I, 20 Hsec autem eo cogitante, ecce, angelus
domini apparuit in somnis ei. — F. 4 departe; s. zu XX, 6, 6. —
F. 6 sent; s. zu LXXX, 5, 4, — an aungell, that was füll bright;
s. zu I, 11, 1. — F. 7 vpon a night; s. zu XVIII, 6, 1.
Str. 3. Vgl. Matth. I, 20 ff. dicens : 'loseph, fili David, noli timere
accipere Mariam, coniugem tuam; quod enini in ea natum est, de
spiritu sancto est. Pariet autem filium, et vocabis nomen eius lesum :
ipse enim salvum faciet populum suum a peccatis eorum. Hoc
autem totum factum est, ut adimpleretur, quod dictum est a domino
per prophetam dicentem: "Ecce, virgo in utero habebit et pariet
filium ...". — F. 1 verdirbt das Metrum., vielleicht stammt er aus
einer früheren Fassung der Strophe. — F. 2 Drede not; s. zu I, 3, 1.
— F. 3 Marie, thy wyfe, that mayde; s. zu III, 10, 3. — F. 4 For
why; s. zu V, 7, 2. — the chielde, that she goth with; vgl. 4, 4 He
founde that mayden grete with chielde; CXIV, 12, 4 And soo she
was with chylde; CXV, 5, 4 That tyme with chyld was she. — F. 5
be not afrayde — - LXXXVII, 1, 5. — F. 6 f. Long tyme before
scripture hath sayde, That a pure mayde shulde bere a cMeld; s. zu
XL, 4, 1. XVII, 1, 3. V, 7, 1. 2. XXXVII, 1, 1. — F 8 To save
mankyende, that was exield; s. zu LXXXVI, 8, 3.
Str. 4. Vgl. Matth. I, 24 Exsurgens autem loseph a somno fecit,
sicut prsecepit ei angelus domini, et accepit coniugem suam. — Fl
füll right; s. zu I, 11, 2. — F. 2 Marie, that mayden myoide =
CXV, 7, 2; s. zu II, 3, 1. — F. 3 And thurgh vertue of god almyght
— . n, 7, 3. — F. 4; s. zu 3, 4. — F. 5 begielde; s. zu XIX, 4, 3.
— V. ^ For why ; s. zu V, 7, 2. — F. 6. 7 Ihesus the sonne of right
Fro blis into her wombe did light; s. zu XIII, 1, 2. VII, 5, 2.
Str. 5. Ich hohe diese und die folgende Strophe zum Vorher-
gehenden gezogen, da in 5, 1 nur Beholde gröfser und fetter ist in
Übereinstimmung mit With 2, 1, And vnto 3, 1, loseph 4, 1, The
frute 6, 1, wohingegen der Anfang von Nr. LXXXIX durch gröfsere
und fettere Buchstaben in der ganzen ersten Zeile bezeichnet ist. Aber
freilich durchaus zwingend ist dieser Grund nicht, da z. B. auch im
Anfang von XCIII und XCIV nur ein oder zwei Wörter anders ge-
schrieben sind. — Fl Beholde; s. zu XVII, 2, 1. — Eve; vgl. aufser
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXX VIII, 5 — LXXXIX, 1 . 401
den zu VII, 4, 2 und LXXVIII, 2, 5 angeführten Stellen noch unten
6, 1 The frute of deth Eve gave to us; CXX, 6, 1 Thatte Eve hath
take a wey fro us. An diesen beiden Stellen wird, wie an unserer,
Eva der Jungfrau Maria entgegengesetzt. — wielde ; s. zu IV, 6, 3. —
F. 2 frute (auch V. 4 und 6, 1. 3); s. zu XIV, 1,3. — in care and
woo; s. zu XI, 1, 3. — F. 3 virgyne Marie, moder myelde; s. zu III,
10, 3. VI Ü. XV, 6, 1. — F. 5 nomoo; s. zu LVII, 2, 2. — F. G
Forte defende vs fro the feende; s. zu XX, 5, 3. X, 3, 3. — F. 7
withouten ende; s. zu LVI, 4, 3.
Str. 6. F. 1 frute; s. zu 5, 2. — Eve; s. zu b, 1. — F. 3 that
pure mayde and moder dere; s. zu III, 10, 3. XVII, 1, 2. XXXIV,
7, 2. — F. 4 Wherfore next god she hath no pere; s. zu XI, 6, 2.
IV, 2, 3. — F. 5 Aboue in blisse ne in erthe here ; s. zu XXIX, 4, 3.
XLIX, 4, 1. — F. 6 Por why; s. zu V, 7, 2. — F. 6. 7 her sete
is next the trone Of god; s. zu VIII, 4, 2. — F. 7 bothe iij. and
one; s. zu XI, 6, 2.
LXXXIX.
Was Christus für den Menschen gethan hat.
Str. 3, 1 — 4 und 4, 1 — 2 kehren mit geringen V^rändermigen
in Nr. XCIX wieder {vgl. die Anm.).
Str. 1. F. 1 0 man vnkyende. Auch an den anderen Stellen, wo
Ryman vnkyende anwendet, dient es zur Bezeichnung des sündigen
Menschen im Verhältnis zu Gott: XC, 4, 6 Though that he be vn-
kyende to me, Yet will I die to make hym free; ebenda 6, 6 Why
doest thou bere mannes desert, Sith that to the he is vnkyende And
loue of hym thou cannest not fynde; XCI, 2, 1 [Christus spricht)
To me why art thou so vnkyende, Sith I to the so kyende haue
be? Vgl. auch The Prouerbis of Wysdom [AjxMv XC, 244) 6 Vn to thy
makere be neuer vnkynd. — pryente in |)i myende ; s. zu XXI, 7, 1 .
F. 2 perfecte ; s. zu XXXI, 6, 3. — of Criste aboue ; vgl. unten 3, 6
See the mekenes of god aboue ; CLI, 4, 3 Goode lorde aboue, defende
US by grace; auch CL, 4, 3 Lorde, thi right honde defende us aboue;
s. auch zu XXIX, 4, 3. — F. 4 that myelde dove; s. zu XVI, 2, 1.
— F. 5 Borne for ... thy behove; s. zu LXXV, 1, 2. — V. Q And
suffred fährt so fort, als ob statt Borne F. 5 That was borne stände.
— suffred payne and deth also; s. zu XIII, 3, 3. XLIII, 5, 3. LI,
3, 3. — F. 7 To bringe the oute of endeles wo; s. zu LXXXIII, 6, C.
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 2t!
402 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXXIX, 2—4.
Str. 2. V. 1 Beholde and se; s. zu IV, 1, 1. — my woundes fyve;
s. zu LIII, 5, 2. — F. 2 In his handes, his fete and hert ; vgl. LIII,
5, 1 hande, foote and side. — F. 3 blood and water; vgl. zu CIV,
4, 3. — ryve; s. zu LXXXV, 10, 8. — F. 4 That {bezieht sich auf
woundes F. 1 ; vgl. zu LXXXV, 8, 8) he suffred for thy desert ; s. zu
LIII, 10, 2. — F. 5 Beholde; s. zu LIII, 4, 3. — his deth bitter
and smert. Wegen bitter vgl. XC, 4, 2 This wofull payne now will
I take And bitter deth, moder, also; CXXXIV, 3, 1 The bitternes
of dethe alsoo Thatte lorde hath take with peyn and woo; ferner
XCV, 1, 7 Out of this bitter payne and woo; CXXXIX, 2, 3 Fro
peyn of helle bittere and sowre; CXLIV, 2, 7 Quos amara mors
afflixit. S. Ecclesiasticus XLI, 1 O mors, quam amara est memoria
tua homini pacem habenti in substantiis suis. Wegen smert vgl.
XCII, 1, 1 O cruell deth paynfull and smert und zu LIII, 10, 1. —
F. 7 aboue alle thinge; s. zu VI, 7, 2.
Str. 3. F. 1 — 4 His loue to the was so feruent, That he came
downe fro heven blisse Into this wrecched vale present And of a mayde
man become is c\i XCIX, 2, 1 — 4 His loue to vs was so feruent,
That he came downe, that lorde so good, Fro blisse in to this vale
present And of Mary toke flesshe and blöde. — F. 2 ; vgl. CXLI,
1, 2 Adowne fro heuen blysse; s. zu XXVII, 4, 3. — F. 3; vgl.
CXXXVIII, 1, 2 Here in this vale of wrechidnesse ; CXX, 2, 3 Here
in this vale terrestriall =: CXLV, 2, 3; CLXIV, 5, 1 Here in this
vale of care and woo; LXIX, 7, 3 Valle nostra. — F. 4; vgl. zu
XLII, 7, 3. — F. 5 0 synfull man; s. zu LIII IJ. — take hede of this;
s. zu XVIII, 1, 1. — y. ^ mekenes; s. zu VII, 2, 3. — god aboue;
s. oben zu 1, 2.
Str. 4. F. 1—4 Pryente in thy myende {s. zu XXI, 7, 1) the
lowe descence Of Criste, that is so high in trone, To suffre dethe for
thyne offence, The whiche offence did neuir none oo XCIX, 6, 1 — 4
Beholde and see the lowe descence Of Criest, that is so high in trone,
To take nature for oure ofFence, The whiche offence did neuir none.
Von den engl. Wörterbüchern, die mir zur Hand sind, belegt descense
nur das Century Dictionary aus dem Früh- Ne. Wohl auf Grund
dieses Citats wird das Wort auxih bei Muret als veraltet angeführt. Vgl.
descens und descense bei Godefroy. Wegen lowe ... high vgl. zu
CXLV, 2, 4. — F. 2; s. zu LXVI, 1, 1. — F. 3 To suffre dethe;
s. zu XLIII, 5, 3. — F. 4; s. zu CXLIII, 3, 2. — offence {vgl. 4);
Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten LXXX1X,4— XC,2. 403
5. zu IX, 6, 1. — V. b f. But shed his blöde for the alone Forte make
the fre, that were.bonde; vgl. XCI, 2, 5 And shed my blöde to
make the fre; CX, 2, 7 And shed his blöde to make vs free;
CXXIII, 2, 2 f. Ihesus so good To bryng us fro captiuite Hath
sufferd deth and shed his blood; CXXV, 2, 3 That sheddist thi
bloode forto ese us. Wegen shede blöde s. auch zu IV, 4, 3 ; vgl.
auch XIX, 5, 3. XLIII, 5, 2. LXXXIX, 5, 4. — F. 6; s. zu LIII, 3.
VII, 2, 3. — F. 7 And bringe the fro the fendis honde ; s. zu X, 5, 3.
Der Genitiv fendes ist z=z ne. fiend's, nicht fiends', da Ryman, von
unserer Stelle abgesehen, fende in keiner Form hat, die als Plural ge-
nommen werden könnte; vgl. aufser zu X, 3, 3 und XXII, 5, 4 noch
XXVIII, 4, 2. XXIX, 3, 2. XXX, 3, 2. XLV, 1, 2. LXXXVIII,
5, 6. XCVII, 14, 3. CX, 7, 7. CXXI, 7, 1. CXXXIV, 4, 3. CL, 3, 3.
CLI, 3, 2. CLVIII, 2, 3. CLIX, 2, 1. CLXIV, 7, 2. 8, 1.
Str. 5. V. 1 f. Bot loue for loue, nomore of the He asketh not;
s. zu LIII, 10, 3. — V. 2 that lorde so good; s. zu IV, 4, 1. — F. 3
suffred deth; s. zu XLIII, 5, 3. — vppon a tree; s. zu VIII, 6, 2. —
F. 5 With 80 myoide chere ; s. zu XII, 1 2, 1 . — myoide moode ; s. zu
IV, 4, 1 . — V.Q The which graunt vs by his grete grace ; s. zu XLIX,
6, 3. — F. 7 In blisse to se hym face to face; s. zu XX, 6, 4 und
XXXIX, 9, 1—3.
xc.
Warum Christus sterben mufste,
Gespräch zwischen Maria (Str. 1. 2. 5. 6) und Jesus (3. 4. 7. 8).
S. zu Nr. LXII.
Ü.; s, zu LIII, 9, 1. 2. — maker; s. zu XXII, 1, 1.
Str. 1. F. 1 0 my dere sonne; s. zu XII, 12, 1. — why doest
thou doo? s. zu LXIV, 2, 2. — F. 2 suffre alle this payne; s. zu
XIII, 3, 1. — F. 3 Thou bringest my hert in care and woo; s. zu
LXIII, 6, 4 und IX, 1, 3. — F. 4 Without offence {s. zu IX, 6, 1)
to se the slayne u. s. w.; s. zu LXIV, 4, 3. 4. — F. 6 syde; s. zu
LIII, 5, 1. — F. 7 With a sharpe spere; s. zu LXXXII, 4, 3. —
wounded so wyde; vgl. zu LIII, 5, 2.
Str. 2. F. 1—4; s. zu XLVI, 5, 1—3. — F. 1 To se thy hede
crowned with thorne ; vgl. CLXVI, a^ 2, 2 Hou my hede was crownyd
wyth thorn. — F. 2 rennyng; s. zu XX, 4, 6. — F. 4 in euery place;
s. zu Xn, 1, 3. — F. 5 a woofull case; s. zu XXXVIII, 1, 2. — F. 6
26*
404 Anmerkungen zn J. Rymans Gedichten XC, 2 — 7.
myne owne dere chielde ; s. zu XXXIV, 5, 2. — V.7 vndefiled ; s. zu
11, 3, 3.
Str. 3. V. 1 My dere moder; s. zu XXXIV, 7, 2. — F. 2 moorne;
s. zu LXXXV, 15, 2. — F. 3 For why; s. zu V, 7, 2. — grevetli
auch unten 6, 1, grevous CVI, 6, 1. — sore; s. zu XX, 4, 5. — F. 4
In care and woo; s. zu IX, 1, 3. — F. 5 take nature of the; s. zu
V, 3, 2. 3. — F. 7 bothe moder and meyde; s. zu III, 10, 3.
Str. 4. F. 1 . 2 This wofuU payne now will I take And bitter dethe,
mother, also; vgl zu LXV, 1, 3 und LXXXIX, 2, 5; ferner CXLVI,
3, 3 And suffer dethe with woofull payn. — F. 3 for synfuU mannes
sake ; s. zu LIII Ü. — F. 4. 5 To bringe hym out of payne and woo
And fro the fende, his mortall foo; s. zu LXXXIII, 6, 6. 7. — F. 4 ;
s. zu VII, 3, 3 und LXII, 1,4. — V. h; s. zu^, 5, 3. XXII, 5, 4.
LVIII, 1, 1. _ F. 6 vnkyende; s. zu LXXXIX, 1, 1. — F. 7 Yet
will I die to make hym free c\i unten 7, 4 That I shall die to make
man fre; s. zu VII, 2, 3.
Str. 5. F 1—4 Sith thou art king of heven blis (= LXIV, 2, 3)
And lorde of alle {s. zu IV, 9, 1 und LXI, 5, 2) dere sonne {s. zu XII,
12, 1) also, Why shuldest thou die for mannes mys {s. zu VII, 2, 2)
And suffre alle this payne and woo {s. zu LXII, 1, 4)? c\j LXVI, 8,
1. 3. 4 Dere sonne, sith thou art king of blis ..., Why shuldest thou
die for mannes mys And suiFre payne and woo ? — F. 5 Sith that he
is thy mortall foo; s. zu LXIV, 6, 4. LVIII, 1, L — F 6 Thus with
scourgis forte scourge the; s. zu XL VI, 5, 3. — F. 7 And thus to
nayle the on a tre; s. zu XIII, 4, 3.
Str. 6. F. 1 Myne owne dere sonne; s. zu XII, 12, 1. — it greveth
me ; s. oben zu 3, 3. — F. 2—3 ; s. zu LXIV, 4, 3. 4. — F. 2 For
to beholde thy woundes smert; s. zu LIII, 5, 3. 10, 1. — F. 3 nayled
on a tree; s. z,u XIII, 4, 3. — F. 5 desert; s. zu LIII, 10, 2. — V.^
vnkyende; s. zu LXXXIX, 1, 1. — F. 7 And loue of hym thou cannest
non fynde; s. zu VI, 4, 2.
Str. 7. F. 1 Scripture, moder, I must fulfllle oo LXIV, 7, 1
Moder, scripture I must fulfille; vgl. zu LXII, 3, 2. — F. 2 I toke
nature of the; s. zu V, 3, 2. 3. — F. 3 — 5 For why {s. zu V, 7, 2)
it is my faders wille, That I shall die to make man fre {vgl. oben z^u
4, 7). It is the wille also of me oo LXIV, 5, 1 — 3 Moder, it is my
faders wille. And it is myne alsoo (= LXVI, 7, 1. 2), That I shall
die for man so ille. — F. 6 To suffre deth for mannes mys; s. zu
Anmerkungen zu J. Eymans Gedichten XC, 7— XCI, 1. 405
XLIV, 6, 2. — V. 7 And bringe hym to eternall blis ; ä. zu IV, 7, 3
und LVI, 6, 2.
Str. 8. V. 1 craue ; s. zu IX, 2, 2. — V. 2 lorde of indulgence ;
s. zu Ij, 1, 2. — F. 4 And forgeve hym alle Ms offence; s. zu IX,
G, 1. — V. b With hym, truly {s. zu XXI, 4, 2), I will dispence; s. zu
LH, 3, 2. — F. 6. 7 And pay his raunsom on the rode With the treasure
of my hert blöde; vgl. CXLVI, 11, 1 For man I most the raunsome
pay, The whiche to helle is gone, ... on goode fryday; CXXXIX,
2, 6 And with his bloode hath payede eure fe. S. zu IV, 4, 3. 7, 3.
— F. 7 treasure aufserdem XCVI, 8, 2 und XCVII, 11, 4.
XCI.
Christus, Maria und der Sünder.
In den ersten beiden Strophen fordert Christus, in der dritten
Maria den Sünder zur Umkehr auf. Die übrigen vier Strophen bringen
die Antwoii des Menschen, die in Str. 4. 5. 6 an Christus, in Str. 7
an Maria gerichtet ist.
Str. 1. F. 1 bounde; s. zu XXXV, 4, 3. LIII, 1,3. — doloure;
s. zu XXXV, 3, 2. — F. 4 comforte; s. zu XII, 1, 2. — in alle woo;
vgl. CXLIX, 1, 1 Thou art solace in alle oure woo. And thou art oure
confort as welle. — F. 5 goostely loche ; s. zu XXI, 3, 4. — V. &
salue ; s. zu LXXXIV, 6, 5. — F. 7 hert bloode ; s. zu IV, 4, 3.
Str. 2. V. 1. 2 To me why art thou so vnkyende, Sith I to the so
kyende haue be? s. zu LXXXIX, 1, 1. — F. 3 reuert; vgl. unten
3, 1 und s. zu LIII Ü. — calle to myende; s. zu XXI, 7, 1. — F. 4
toke deth; s. zu LXV, 1, 3. — F. 5 And shed my blöde to make the
fre ; s. zu LXXXIX, 4, b f. — V. 6 f. And bringe the out of payne
and woo And fro the feende, thy goostely foo ; s. zu LXXXIII, 6,
6. 7. — F. 6 ; s. zu VII, 3, 3 und LXII, 1, 4.
Str. 3. V.l; s. zu 2, 3. — F. 2. 3 Haue myende; s. zu XXI, 7, 1.
— F. 3 what he for the hath done; s. zu LIII, 9, 1. 2. — F. 4 How he
brought the oute of doloure; s. zu VII, 3, 3. — F. 5 enheritoure;
fehlt in den me. Wörterbüchern, aber im Century Dict. s. v. inheritor
ist es aus dem B,om. of Partenay F. 6120 belegt. — F. (5. 7 By effusion
of his hert bloode For thy redempcion on the roode; s. zu IV, 4, 3
imd IV, 7, 3.
Str. 4. F. 1 0 god and man; s. zu IV, 1, 3. — F. 2 f. the whiche
406 Anmerkungen zu J. Rymans Gedichten XCI, 4 — 7.
hast wrought Me and alle thing; .<?. %u IV, 7, 1. — F. 3 at thyne
owne Wille ; s. zu LXV, 3,1. — F. 4 my hert, my wille and thought ;
s. zu XVII, 7, 3. — F. 5 spille; s. zu X, 3, 3. — V. ^ good lorde;
s. zu XXV, 5, 1. — commytte; ä. zu LXXII, 2, 2. — F. 7 Body
and sowie; s. zu XXXV, 4, 3.
Str. 5. F. 1 — 4 0 lorde, that eure nature hast take To thy god-
hede withonten synne And hast brought vs out of that lake, That eure
parent had brought vs in rv» XCIX, 3, 1 — 4 And so oure nature he
hath take To his godhede withouten synne And hath brought vs oute
of that lake, That oure parent had brought vs in. — V. 1; s. zu V,
3, 2. — F. 2 ; vgl. auch CXLVIII, 2, 3 Withowte syn he is made
a man. Without sinne von der Jungfrau Maria zu XVII, 7, 3. —
F. 3; s. zu VII, 3, 3. — F. 4 oure parent; s. zu LXXIX, 1, 5. —
F. 5 Thy Wisse . . . we can not wyn ; s. zu LVI, 6, 2. — F. 6 by mene ;
s. zu IX, 1, 2. — thy woundes smert; s. zu LIII, 5, 2. — F. 7 desert ;
s. zu LIII, 10, 2.
Str. 6. F. 2 Withoute it be by thy grete grace; vgl. einerseits
XCVII, 14, 2 Withoute he haue a laufull cause, andererseits XCIV,
;1, 3 By thy grete grace graunte vs alle space Of due penance (vgl.
auch zu CXIII, 9, 3). — F. 3 myswrought; s. zu XLIII, 2, 4. —
F. 4 And cast vs not fro thy swete face; s. zu L, 4, 3. Häufiger als
swete face ist glorious face; s. zu XXXIX, 9, 3. — F. 5 tyme and
Space ; s. zu XLIX Ü. — F. 6 To do penaunce ; s. zu XLIX, 2, 1 . —
with hert contrite ; s. %u L, 4, 2. — F. 7 For oure offence, synne and
delite; s. zu XXIII, 2, 4. IX, 6, 1. XXVIII, 4, 3.
Str. 7. F. 1 0 Marie, floure of women alle c\^ XI, 3, 1 Of alle
women sith thou art flowre (s. Änm.). — F. 2 0 moder myelde ; s. zu
XV, 6, 1. — 0 quene of blis; s. zu 1, 12, 1. — F. 3 Vnto thy sonne
Ihesus thou calle; s. zu XII, 1, 3. — F. 4 Eternall god; s. zu XXVI,
3, 2. — god and man; s. zu IV, 1, 3. — F. 5 oure synne and mys;
s. zu XXIII, 2, 4. und VII, 2, 2. — F. 6. 7 Ayenst his wille that we
haue wrought In werde, in dede, in wille and thought (v> XLIX, 5,
1. 3 (vgl. Änm.): that ist wohl KonjunJäion, nicht Relativum.
Berlin, Julius Zupitza.
Beiträge zu Andre Chenier.
Das Interesse für A. Chenier und die Beschäftigung mit
seinen Dichtungen ist diesseits und jenseits des Rheines noch
immer im Wachsen begriffen,^ und vielleicht dürften allmählich
auch weitere Kreise sich nicht länger der Erkenntnis verschlie-
fsen, dafs er und kein anderer der bedeutendste Lyriker der
Franzosen ist.^ Wie wenig Frankreich wufste, welchen Dichter
es in der Revolution verlor — nur zwei Gedichte waren bei
seinen Lebzeiten erschienen — , wie auch die im Jahre 1795 ver-
' Es seien aus den letzten Jahren nur erwähnt : Ellinger, A. Ch.s Ge-
dichte, ein Bild seines Lebens, Troppau 1892. — M. Hartmann, Chenier-
Studien, Leipzig 189^. — J. Haraszti, La Poesie d'A. Gh., Paris 1892. —
P. Morillot, A. Gh., Paris 1894. — Vianey, La place d'A. Chenier dans
l'hist. de la litt^r. franf. in der Kevue des üniversit^s du midi (Nouv.
Serie des Annales de la Facult^ des lettres de Bordeaux) I. 1895.
^ Wenn freilich ein Litterarhistoriker von Fach, Emile Faguet, in
einem allerdings auch sonst merkwürdigen Aufsatze über A. Chenier (Dix-
huitifeme si^cle, 1890, S. 499 — 588) in dem Hymnus Ä la Justice (früher
A la Frafice) keinen anderen Hauch verspürt, als den eines Schülers
Lebruns (S. 510), und die Jeime Tarentine für das Meisterwerk Andres
erklärt (S. 528), dagegen die Stücke 0 mon esprit, au sein des cieux und
Salut, 6 belle nuit, etincelante et sombre nicht zu kennen scheint, das herr-
liche Gedicht Versailles gar nicht erwähnt und sich S. 508 zu den Worten
versteigt : et jamais, sauf peut-etre [!] une stropke [!] ä Fanny, ce n'est le
cmur vraiment epris et passumne, dann ist noch immer wenig Aussicht
dafür vorhanden, dafs die breitere Masse der gebildeten Franzosen zu
einer richtigen Würdigung von A. Ghenier gelangt. Scheint es doch über-
haupt, dafs die Anschauungen von Franzosen und Deutschen über das
Wesen der Lyrik stets sehr verschieden bleiben werden. Wenn Leconte
de Lisle in seinen nachgelasseneu Papieren V. Hugo als le plus grand
poete lyrique connu bezeichnet (Revue des deux mondes, 15 mai 1895,
S. 832), so kann man zwar darauf aus naheliegenden Gründen nur wenig
408 Beiträge zu Andr^ Chenier.
öffentlichte Jeune Captive im ganzen unbeachtet blieb, indem
die politischen Begebenheiten die meisten anderen Interessen zu
verschhngen schienen, wie Marie- Joseph Chenier so gut wie nichts
für den Ruhm seines Bruders that und ihn in seinem Tableau
nicht einmal erwähnte, wie Andr^ gleich einer antiken Statue
ausgegraben werden mufste, und welch ein Unstern auch hierbei
waltete, da der erste Herausgeber Latouche (1819) nicht gewissen-
haft verfuhr, und da eine Reihe von Handschriften teils durch
Sorglosigkeit verzettelt wurden, teils später in dem Kriegsjahre
1870 — 71 abhanden kamen, so dafs Gabriel de Chenier in seiner
Ausgabe von 1874, welche zum erstenmal das gesamte Material
bot, lange nicht mehr für alle Stücke auf Originalen fufsen
konnte — alles dies ist zur Genüge bekannt. Es ist weiterhin
hinlänghch erwiesen worden, dafs G. de Chenier seiner Aufgabe
keineswegs gewachsen war, allein man darf auch vermuten, dafs
unter den obwaltenden Umständen diese Aufgabe ganz befriedigend
zu lösen, d. h. einen endgültigen Text sämtlicher Dichtungen
Andres mit unzweifelhaft richtiger Anordnung und Einordnung
derselben zu bieten, selbst dem rastlosen, geist- und verdienst-
vollen Ch^nier-Forscher Becq de Fouqui^res hervorragende Schwie-
rigkeiten bereiten würde ; denn immer bleiben drei Thatsachen
bestehen: einmal die eigentümliche Art, welche unser Dichter
beim Schaffen und Niederschreiben vielfach beobachtete und
welche die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit dieser oder
jener Stücke wesentlich erschwert, zweitens die mikroskopische
Schrift, die aus bekannten Gründen Andr^ bei den im Gefäng-
nisse geschriebenen lamhes anwandte, und drittens der Verlust
der Originale von vielen Gedichten, der eine gesicherte Kontrolle
der Lesarten von Latouche unmöglich macht. Allerdings ist
Gewicht legen, wenn aber der bedeutendste litterarische Kritiker des heu-
tigen Frankreich, F. Bruneti^re, noch jetzt sich nicht scheut, V. Hugo
gleichfalls als den gröfsten Lyriker aller Zeiten hinzustellen (Evolution
de la poesie lyrique en France II, 107), nachdem schon Heinrich Heine
die Natur der Hugoschen Lyrik ganz richtig charakterisiert hatte, dann
wird man unwillkürlich an die Worte Schillers erinnert, welche er am
21. Dezember 1803 bezüglich der Frau von Stael, die doch schon einige
germanische Züge aufweist, an Goethe schrieb: für das, was wir Poesie
nennen, ist kein Sinn in ihr; sie kann sich von solchen Werken nur
das Leidenschaftliche, Kednerische und Allgemeine zueignen.
Beiträge zu Andre Chenier. 409
Becq de Fouqui^res, trotzdem ihm ein Einblick in den hand-
schriftlichen Nachlals versagt Wieb, in seinen Ausgaben Andres
sowie namentlich in den Documents nouveavx sur Ä. Chenier
(1875) und in den Lettres critiques suq' la vie, les ceuvres, les
manuscrits d'A. Chenier (1881) mit Erfolg bemüht gewesen,
obige Schwierigkeiten zu ebnen, wobei er etwas von R. Dezeimeris,
Leqons nouvelles et remarques sur le texte de divers auteurs
(Actes de FAcad^mie des Sciences, Beiles -Lettres et Arts d«
Bordeaux, 1875) unterstützt wurde; doch bleibt aus den ange-
gebenen Gründen immer noch manches zweifelhaft und der Kon-
jektur zugänglich, ja bedürftig: so hat in Deutschland schon
R. Hülsen in seiner Schrift 'Andr^ Chenier, Die Überlieferung
seiner CEuvres po^tiques^, BerHn 1885 (Programm des Sophien-
Gymnasiums), Gelegenheit genommen, Verschiedenes zur Text-
kritik beizusteuern, und so mögen denn dem gleichen Zwecke
einige Bemerkungen dienen, die ich hier unter Nr. I zusammen-
stelle, um daran unter Nr. II ein paar Beobachtungen stiHstischer
Art anzuschliefsen und unter Nr. III eine metrische Übersetzung
der^Ode an Charlotte Corday folgen zu lassen.
I.
In der Epistel Ami, chez nos Frangais ma muse voudrait
plaire ^ spricht Andr^ davon, wie er Erzeugnisse fremdländischer
^ Dieser Epistel habe ich in meiner Auswahl aus den Dichtungen
A. Cheniers (Halle 1891) S. 49 die Überschrift A Le Brun gegeben, wo-
gegen Ellinger in seiner von Sachkunde zeugenden Besprechung (Zs. f.
frz. Spr. u. Litt. XIV, 254 — 7) bemerkt, dafs es nicht ausgemacht ist, ob
sie an Le Brun oder an F. de Fange gerichtet sei. Allerdings zeigen die
ersten Ausgaben von Latouche keine Überschrift; erst bei Robert (1826)
steht A Le Brun (S. 58), dann auch Latouche (1840): Au meme (S. 173),
indem die voraufgehende Epistel Laisse gronder le Rhin überschrieben ist :
A Le Brun, und so denn auch bei Becq in den Ausgaben von 1862 und
1872 (S. 311. 321). Gabriel de Chenier (1874) III, 191 unterlälst wieder
jene nähere Bezeichnung; auf S. 342 liest man die nicht ohne weiteres
verständliche Bemerkung: le manuscrit non restitue ne porte aucun titre,
und ein Gleiches bezüglich Laisse gronder le Fhin (S. 344). Demgemäfs
giebt Becq in seiner Textausgabe von 1881 beiden Gedichten keine Über-
schrift (S. 289. 291). Es ist mir nicht klar, welchem Grundsatz Becq
folgt; denn wenn er auf die Worte von G. de Chenier, der die Originale
nicht besessen hat, Gewicht legt, dann darf er auch die Epistel Le Brun,
410 Beiträge zu Andr6 Ch^nier.
Dichter für sein Schaffen verwertet, und wie er namentlich den
Dichtungen der Alten Gedanken und Worte entlehnt, jene in
andere Form kleidend, diesen einen anderen Sinn gebend:
qui nous attends nicht überschreiben mit A M. Le Brun et au marquis de
Brazais (S. 280), da auch zu dieser G. de Chenier sagt : le manuscrit non
restitue n'avait point de titre, und noch weniger darf er Heureux qui se
livrant an den Chevalier de Fange gerichtet sein lassen (S, 297), denn,
abgesehen davon, dafs sich hierzu wieder dieselbe Bemerkung bei G. de
Chenier III, 344 findet, wird de Fange weder angeredet noch in der dritten
Ferson erwähnt, wie das erstere doch in Le Brun, qui nous attends der
Fall ist. Meiner Ansicht nach sollte Becq wieder ganz zu dem Stand-
punkte zurückkehren, den er in der Ausgabe von 1872 eingenommen hat,
d. h. folgende Stücke als an Le Brun gerichtet betrachten und sie mit
einer dementsprechenden Bezeichnung versehen: 1) Le Brun, qui twus
attends (III, 188), denn hier wird nicht nur Le Brun zusammen mit
de Brazais angeredet, sondern der Inhalt der Epistel wendet sich auch
an beide. 2) Qu'un autre soit jaloux; zwar erfolgt die Anrede erst gegen
den Schlufs, aber das von Becq in der Ausgabe von 1872 S. 303 Anm.
Vorgebrachte läfst nicht zweifelhaft, dafs sich das Ganze an Le Brun
richtet. 3) Laisse gronder le Rhin (III, 196), ohne Überschrift in Ausg.
1881, S. 289; eine direkte Anrede findet sich allerdings erst in der fünft-
letzten Zeile, aber schon in V. 2 wird der Name genannt. Andre sendet
die Muse an Le Brun (V. 23), und das ganze Gedicht beschäftigt sich
mit dessen Ferson. 4) Mänes de Gallimaque (III, 79), ohne Überschrift
in A.usg. 1881, S. 215, denn diese Elegie wendet sich wenigstens mit ihrem
wichtigsten Teile an Le Brun, der V. 25 angeredet wird. — In der Epistel
Amis, chex nos Fran^ais, von welcher wir ausgingen, liegt nun die Sache
insofern etwas anders, als hier kein Name genannt wird; allein wenn es
mehr als wahrscheinlich ist, dafs die Elegie Voiis restex, mes amis, in der
auch keine Namen begegnen (III, 20), sich an die Brüder de Fange
richte — sie ist von Becq in Ausg. 1881, S. 155 nicht überschrieben, wäh-
rend man bei einer anderen Elegie au Chevalier de Fondat liest (S. 160),
offenbar nur, weil hier der Name Abel in V. 3 erscheint (vgl. G. de Chenier
III, 299) — , so darf man ebenfalls kaum Bedenken tragen, in dem
Adressaten unserer Epistel wiederum Le Brun zu erblicken, und nicht
etwa F. de Fange. Dafür spricht von vornherein sehr stark der ganze
Inhalt, denn bei wem konnte Andre mit der ausführlichen Darlegung
seines poetischen Schaffens auf gröfseres Verständnis rechnen, als bei
Le Brun, den er bekanntlich so hoch stellte und den er in Mänes de
Gallimaque zusammen mit sich selber als Wiedererwecker der Elegie be-
zeichnet? Der Ausdruck ami steht dem nicht entgegen, da, abgesehen
von anderen Stellen (III, 80. 197), Andr^ schon in der frühen Epistel Le
Brun, qui nous attends mit Bezug auf ihn und de Brazais sagt: oui, mes
amis, voilä le bonheur, la sagesse.
Beiträge zu Andre Ch^nier. 411
Tantot chex un auteur fadopte wie pensee,
mais qui revet ehex moi, souvent entrelacee,
mes Images, mes tours, jeune et frais ornement';
tantot je ne retiens qiie les mots seulement:
j'en detcnirne les sens, et l'art sait les contraindre
vers des objets nouveaux qu'ils s'etonnent de peindre (III, 195).'
Dann heifst es:
La prose plus souvent vient subir d'autres lots,
et se transfoi'me, et fuit mes poetiques doi^ts;
de rimes couronnee, et legere et dansante,
en nombres mesures eile s'agite et ckante.
Ich nehme an der Lesart fitit, welche man in allen für
die Textgestaltung in Betracht kommenden Ausgaben findet,
grofsen Anstofs. In meiner Ch^nier- Aus wähl habe ich bereits
Folgendes dazu bemerkt (S. 54): ^Diese Stelle erachten die Her-
ausgeber nicht als erläuterungsbedürftig; die Worte stehen aber,
falls der erste Herausgeber überhaupt die Handschrift richtig
gelesen hat, im Widerspruche mit dem Folgenden und werden
nur mit Hilfe eines Zvvischengedankens allenfalls verständlich.
Andr^ will dann sagen, dafs die Prosa sich zunächst seinen
poetischen Fingern entzieht, weil er oft den Stoff selbst verändert
und umformt, dann aber, wenn dies geschehen ist, fügt sie sich
und läfst sich das poetische Gewand anlegen/ Schon damals ver-
mutete ich, dafs es mit ftiit seine Richtigkeit nicht haben könne,
wagte aber nicht, die Konjektur vorzubringen, die ich jetzt vor-
* Ich citiere nach der Ausgabe von G. de Ch^nier, wobei ich nicht
verkenne, dafs dies für diejenigen, denen sie nicht leicht zugänglich ist,
seine Unbequemlichkeit hat. Die Ausgabe von Moland (188B), welche
Hartniann in seinen Chenier-Studien hierzu benutzt, steht doch zu wenig
auf der Höhe. Es wäre gut, wenn die deutschen Ch^nier-Forscher sich
vielleicht dahin einigten, nach der Ausgabe von Becq de Fouquiferes (1881)
oder nach der von Joubert (1883) zu eitleren; die erstere leidet freilich
an dem nicht unerheblichen Mangel, dafs sie kein ordentliches Inhalts-
verzeichnis mit Angabe der Anfänge aller Dichtungen besitzt. Die nur
in einer beschränkten Anzahl von Exemplaren in den Buchhandel ge-
langte, 1888 bei Charpentier erschienene illustrierte und sehr teure Pracht-
ausgabe ist mir unerreichbar geblieben; Bruneti^re, Evolut. de la po^s.
lyr. en France au 19® si^cle .1, 98, Anm. 1 verweist besonders auf diese,
ich weifs nicht, ob wegen der Ausstattung oder wegen des von Becq de
.Fouquiferes besorgten, etwa Neuerungen bietenden Textes.
412 Beiträge zu Aodrö Ch6nier.
bringe, nämlich dafs man nicht fuit, sondern suit zu lesen habe.
Ein fuit mes poetiques doigts könnte füglich nicht als eine
weitere Ausführung von (eile) se transforme gelten und mit
diesem zusammen nicht eine Erläuterung des voraufgehenden
Verses gewähren, eine Erklärung würde vielmehr nur in (eile)
se transforme allein liegen; aber selbst ersteres angenommen,
liefse sich zwischen et se transforme et fuit mes poetiqves doigts
und de rimes couronnee u. s. w. kein Zusammenhang wahrneh-
men, denn teils liegt die Umformung nicht darin, dafs Andrö an
Stelle von Prosa Verse bietet, teils tritt fuit mes poetiques doigts,
wie schon oben bemerkt, geradezu in Widerspruch zum Folgen-
den. Liest man hingegen suit, so scheint mir alles in Ordnung
zu sein. ^ Die autres lois bestehen dann darin, dafs Andr^ den
Prosastoif umgestaltet, indem er die für poetische Behandlung
brauchbaren Züge herausnimmt und selbständig verarbeitet, w^el-
ches letztere er passend mit (eile) suit mes poetiques doigts be-
zeichnen würde. Das folgende de rimes couronnee u. s. w. braucht
dann auch keine Erklärung mehr zu (eile) se transforme zu sein,
es erscheint nur wie eine accessorische Bemerkung, die Andr^
wahrscheinlich aus Rücksichten der Kongruenz, und weil sie sich
ihm unter einer gelungenen Form darstellte, macht; sie steht
aber doch nicht aufser Zusammenhang mit dem Vorigen, sondern
findet ihre Anknüpfung in suit mes poetiques doigts, nament-
lich in dem Ausdrucke poetique. — Der fragliche Vers würde
in der vorgeschlagenen Gestalt auch gut zu dem Verfahren stim-
men, das Andr^ thatsächlich bei Prosastoffentlehnung beobachtet
hat. Ganz lehrreich dafür ist seine Pannychis, deren canevas
und Verse deutlich zeigen, wie er ein Motiv seiner Vorlage,
Gefsners Clymene und Dämon, herausgegriffen, durch teilweise
Modifizierung noch poetischer gemacht und dann weiter ausge-
staltet hat, s. Becqs Ausgabe von 1872, S. 103—105. — Meine
Annahme setzt voraus, dafs in der verloren gegangenen Hand-
schrift^ unserer Elegie suit gestanden hat, so dafs fuit auf Rech-
nung einer fehlerhaften Lesung seitens Latouches käme. Bei
den verschiedenen Ungenauigkeiten, die Latouche beging, wäre
das nicht gerade auffällig, allein wahrscheinlich ist es doch nicht.
G. de Chenier III, 342 ; Becq de Fouquiferes, Docum. nouv. S. 141.
Beiträge zu Andr^ Ch^nier. 413
dafs er die Handschrift an dieser Stelle falsch gelesen hat, und
zwar deshalb nicht, weil Andr^, wie man wenigstens aus den
von G. de Ch^nier dem ersten Bande seiner Ausgabe beigegebe-
nen Faksimiles der letzten lamhes entnehmen kann, kein langes f,
sondern ein rundes s schrieb, daher denn eine Veranlassung zur
Verwechselung mit f nicht wohl vorliegen konnte. Vielmehr
meine ich, dals, wenn suit das Richtige ist, wir es bei fuit mit
einem Druckfehler zu thun haben, den Latouche von vornherein
übersehen hat, was um so begreiflicher wäre, als die Lettern der
ersten Ausgabe recht klein und wenig scharf sind und gerade /'
und das lange f — diese Letternform ist in der Ausgabe zur
Verwendung gekommen — nicht selten erst bei genauerem Hin-
sehen sich voneinander unterscheiden. Der Druckfehler würde
sich dann von hier aus unbemerkt in alle folgenden Ausgaben
verpflanzt haben.
In der Jeune Tarentine liest man bei G. de Ch^nier, der
nach der Handschrift abgedruckt hat (I, 69):
Z/C vent impetneux qui soufflait dans ses volles
Venvelojype: etonnee d loin des matelots
eile crie, eile tombe, eile est au sein des flots.
Den gleichen Wortlaut findet man für die erste Zeile auch bei
Latouche, wo das Stück als 20. Elegie steht, und wahrscheinlich
wird auch der von Marie- Joseph Ch^nier im Mercure (1801) be-
sorgte Abdruck ses volles aufweisen. Trotzdem nun Becq in
den Docum. nouv. S. 201 sagt, man müsse den Text annehmen,
wie ihn G. de Ch^nier gebe, schreibt er doch S. 64 und S. 34
seiner Ausgabe von 1881 und der Schulausgabe von 1889 les
volles. Mir scheint kein zwingender Grund vorzuliegen, von der
alten Lesart abzugehen, da Andr^ auch sonst volle für Hülle,
Gewand im eigentlichen Sinne gebraucht (wie velum dies ja auch
im Lateinischen bedeuten konnte), so wenigstens in der Oaristys
(I, 50):
Tu dechires mon volle l Oü me cacher? Helasf
Me voilä nue! oü fuir?
Übrigens setzte schon Ecouchard Lebrun in einer Übersetzung
derselben Idylle Theocrits an dieser Stelle, volle (QCuvres de
Lebrun ed. Ginguen^ II, 368):
Tu decidres mon volle, et je suis nue. ... Äh ! Dieux !
414 Beiträge zu Andr^ Ch^nier.
ferner sagt der letztere in der vierten Elegie des ersten Buches
(II, 11):
Ce herger, qui ravit d'inßdeles appas,
Vit Helene, smis voile, au lit de Menelas.
Es wird also anstatt an die Segel des Schiffes, wie Becq will,
doch an die Gewänder der Tarentinerin zu denken sein, in die
der ungestüme Wind fährt.
Bei Becq^^ liest man S. 472 in dem lambe Comme un
dernier rayon, comme un dernier zephyre:
Si la risee atroce, ou, ' plus atroce injure,
l'encens de hideux scelerats
ont penetre vos coßurs d'ime large blessure,
sauvex-moi . . .
und desgleichen in seiner Schulausgabe S. 110. — Schon in den
Docum. nouv. S. 364 hatte Becq dem G. de Ch^nier, der ebenso
wie Latouche longue liest (III, 289), Unaufmerksamkeit vor-
geworfen und gesagt, das Wort longue sei surcharge: par-dessus
le mot longue Andre a ecrit large. Sieht man daraufhin
das Faksimile bei G. de Ch^nier I an, so ist es schlechterdings
unmöglich, Becq recht zu geben. Dafs aus einem ursprünglichen o
ein a gemacht worden sei, könnte man noch allenfalls zugeben,
aber der darauf folgende Buchstabe ist gewifs eher ein n als
ein r^ und noch viel sicherer ist, dafs auf das g nicht ein Buch-
stabe folgt, sondern zwei, von denen der erste eben ein u ist;
die etwas auffallende schnörkelhafte Verlängerung des l^ die über
das 0 herüberreicht, läfst sich nicht als ein Buchstabe deuten.
Nun ist allerdings bekannt, dafs die Faksimiles des zweiten Ab-
druckes der Ausgabe G. de Ch^niers leider nicht ganz genau mit
denen des ersten übereinstimmen (s. Hülsen S. 26), aber Becq
konnte, als er die Docum. nouv. (1875) schrieb, nur diese letz-
teren kennen. Solange also die Originalhandschrift nicht zugäng-
lich gemacht wird und sich nicht herausstellt, dafs an dieser
Stelle doch eine andere Buchstabenformation steht, ist longue zu
schreiben, das mir, nebenbei bemerkt, auch poetischer erscheint.
* Das Fehlen des Kommas beruht wahrscheinlich auf einem Druck-
fehler; in der Schulausgabe von 1889, S. 110, ist es entsprechend dem
Faksimile vorhanden.
Beiträge zu Andr^ Ch^nier. 415
Eine recht zweifelhafte Stelle enthält Vers 35 desselben
berühmten lambe (III, 288), dessen Anfang Latouche als le
desespoir, le fer, G. de Ch^nier als le desespoir ; la feinte,
Becq^^''^^ als le desespoir, la honte Hest. Sicher ist, dafs fer
nicht dasteht, und es pafst auch gar nicht; andererseits läfst sich
aus der fast hoffnungslosen Gestalt des Wortes auch nicht feinte
herauslesen und auch nicht honte, wie schon Hülsen S. 26 be-
tont hat, ' eher noch ficvre, wie Becq anfangs wollte (Docum.
nouv. S. 364). Hülsen weist indessen darauf hin, dafs honte, so
sehr es auch nur Konjektur ist, dem Sinne nach am meisten be-
friedigt. Dem kann man nur beistimmen, und ich meine, dafs
es bis auf weiteres erlaubt sei, mit Becq la honte in den" Text
zu setzen, dagegen möchte ich gegen die Beibehaltung des ersten
Substantivs le desespoir Einspruch erheben. Becq befolgt den
richtigen Grundsatz, das von Andr<^ zuletzt geschriebene Wort
aufzunehmen, und dementsprechend schreibt er in V. 15 des-
selben lambe ehranlant, das der Dichter unter emplissant ge-
setzt hat, ohne das letztere auszustreichen, und in V. 34 la peur
hleme et louche statt peur tortueuse und peur fugitioe,^ allein
er irrt meines Erachtens, wenn er in V. 35 le desespoir und
das darunter stehende la hassesse als en accolade befindlich an-
sieht (Docum. nouv. S. 364) und damit die Auffassung von
G. de Ch^nier zu teilen scheint, dafs Andr^ zwischen den beiden
Wörtern nicht entschieden und sie gleichsam zur Wahl gestellt
hätte. -^ Der Fall liegt vielmehr ebenso wie mit emplissant und
ehranlant, nur dafs der auf le desespjoir folgende Teil der Zeile
etwas tiefer gerückt ist, jedoch nicht wegen des unter desespoir
stehenden hassesse — schon die Stellung der Interpunktion hinter
desespoir spricht dagegen — , sondern sehr wahrscheinlich, weil
Andr^, nachdem er desespoir geschrieben hatte, merkte, dafs er
' Hülsen scheint das surcharger Becqs irrtümlich als 'ein Wort über
das andere schreiben' statt 'aus einem Worte ein anderes herstellen' auf-
zufassen; seinen Hinweis auf V. 55, der das oben erörterte longue ent-
hält, verstehe ich weder in dem einen noch in dem anderen Falle.
'^ Becq hat gewifs gegen G. de Chenier recht, wenn er das herüber-
geschriebene bUme et louche als die letzte Redaktion ansieht, und nicht
das heruntergeschriebene fugitive (Docum. nouv. S. 363).
^ Vgl. Lettres critiques S. 150.
416 Beiträge zu Andre Chönier.
den übrigen Teil des Verses nicht auf ganz gleicher Linie mit
jenem Worte fortschreiben konnte, da er sonst allzu nahe an das
fugitive, welches er in der voraufgehenden Zeile unter tortueuse
gesetzt hatte, geraten wäre. Mithin kann hassesse sehr leicht,
erst nachdem der Vers vollendet war, unter desespoir gesetzt
worden sein, oder wenigstens, nachdem etwa aus fievre: honte
entstanden war, denn desespoir palst doch besser zu fievre (fieber-
hafte Angst) und hassesse mehr zu honte. Auch befriedigt, wenn
ich mich nicht täusche, der Sinn der ganzen Stelle mit hassesse
und honte in höherem Grade als mit desespoir und honte: peur
hassesse und honte konstituieren die Götter der Menschen, indem
niedriges und schmachvolles Verhalten (s. das daran stofsende Ah!
Idches que nous sommes!) aus ihrer feigen Furcht erwächst.
Als V. 41 — 44 desselben lambe liest man bei Becq^^' '^^r
Car l'honnete komme enfm, victime de l'oiitrage,
dans les cachots, pres du cercueil,
releve plus altiers son front et son langage
brillant d'un genereux orgueil.
Auch G. de Chenier schreibt hrlllant (III, 289), und schon Ro-
bert (1826) S. 311 zeigt diesen Fehler, während Latouche hrillans
aufweist und dabei auch in der Ausgabe von 1840 unter Schrei-
bung von hrillants geblieben ist. In der That bietet das Fak-
simile ein ganz deutliches hrillans^ indem das runde s höher
hinaufgezogen ist als die anderen Buchstaben, Avas sich noch an
vielen anderen Stellen des Faksimiles beobachten läfst, und indem
Andr^ sich der im 18. Jahrhundert noch übHcheu Schreibung
ans, ens für ants, ents bedient. ' Auch Hülsen S. 26 hat das s
erkannt, nur dafs er hrisans statt hrlllant lesen will, wozu das
Faksimile, ganz abgesehen von der Bedenklichkeit des Aus-
druckes, wirklich keinerlei Anlafs bietet. Dafs Andr^ das Parti-
cipe präsent häufig in Übereinstimmung setzt, ist bekannt, s. das.
Lexique der Ausgabe von 1862 unter Part. pr^s. Es ist also
unzweifelhaft an unserer Stelle mit Latouche hrillants zu schreiben.
In dem Hymnus A la France, oder richtiger A la Justice
^ Z. B, auf der zweiten Seite des Faksimiles amans in V. 5 des lambe
On vit; an vit infame, oder contens in V. 22 des lambe Quand au niouion
belant.
Beiträge zu Andr^ Chönier. 417
(Lettres critiques S. 72), redet Aodr^ Malesherbes und Turgot
an und sagt, dafs, wenn sie am Ruder geblieben wären, Billig-
keit geherrscht haben würde; dann fährt er fort:
Le faible aurait ose respirer pres de vous;
l'oppresseur evitant d'ar^ner d'injustes plaintes,
sinon qtielqtie ptideur, aurait eu quelques craintes.
So liest Latouche; G. de Ch^uier aber, dem das Manuskript
nicht vorgelegen hat, schreibt mit einer Konjektur für d'injustes
plaintes '. de justes plaintes (III, 207) und erklärt. S. 346 die
Lesart d'injvstes plaintes als einen Widersinn ergebend. Becq
nimmt sich in den Docum. nouv. S. 329 energisch der alten Ge-
stalt des Verses an und sagt: le poete dit fort dairement que
les oppresseurs se fönt wie arme de plaintes qui sont injustes
(cest ä dire se plaignent injustement) pour poursuivre, detenir
et rangonner le faible. II s'agit des innocents qui sont les
victimes d' accusations injustes; zugleich verweist er auf den
bei G. de Ch^nier III, 213 abgedruckten canevas zu dem Hym-
nus: fai dit: 6 vierge adoree, en qnels lieux te chercher! ...
(Parier ensuite de ces innocents accuses et condamnes, des
lionimes eloquents qui les defendent et qui encourent Vinimitie
des juges ignares et pervers). Finir par: non^ je ne veux
plus vivre. . . . Die ersten Worte hiervon finden ihre teilweise
Korrespondenz innerhalb der Hymne allerdings erst an einer
Stelle, die hinter unseren Versen und hinter non, je ne veux
jjlus vivre liegt, und zwar offenbar in toi donc, Equite sainte,
6 toi, vierge adoree (V. 129); aber, dafs die weiteren Worte die
Unterlage zu unserer fraglichen Stelle bilden, leidet keinen Zwei-
fel, namentlich nicht, seitdem der erste gröfsere Teil des canevas
der Hymne durch Becq bekannt gemacht worden ist (Lettres
critiques S. 73), denn dieser Teil führt gerade bis dahin, wo in
der Hymne die Apostrophe an Malesherbes und Turgot beginnt,
so dafs der oben mitgeteilte Rest ' des canevas, der in den
' Dieser Rest schliefst sieh räumlich nicht unmittelbar an den ersten
Teil des Prosacanevas an, indem diesem letzteren auf der zweiten Hälfte
der Rückseite des Autographs (Oktavblatt) als dichterischer Entwurf die
ersten zehn Verse der Hymne folgen; auch kann meines Erachtens das
Blatt, das G. de Chenier besafs, nicht, wie Becq zu glauben scheint, in-
haltlich eine unmittelbare Fortsetzung von Herrn Dubrunfauts Autograph
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 27
418 Beiträge zu Andr^ Chdnier.
Händen von G. de Ch^nier geblieben ist, füglich nichts anderes
als den Entwurf zu dem nun Folgenden, innerhalb dessen unsere
eingangs angeführten Verse stehen, darstellen kann. Dies ist
nicht unwichtig für die Entscheidung der Frage, ob mit Latouche
d'injiistes plaintes beizubehalten sei, und gewifs sprechen die
Worte des Canevas Ces innocents accuses ziemlich laut dafür.
Trotzdem hat Hülsen S. 19, Anm. 1 Becq de Fouqui^res un-
recht gegeben und die Konjektur von G. de Ch^nier lebhaft ver-
teidigt, indem er meint, die Erklärung Becqs sei äufserst gewun-
den. Auch ich habe zuerst die Auffassung Hülsens geteilt und
habe, G. de Chenier folgend, in meiner Ch^nier-Auswahl S. 64
de justes plaintes in den Text gesetzt, nunmehr aber sehe ich
meinen Irrtum ein und erkläre, dals Becq ganz mit Recht auch
in der Ausgabe von 1881 bei d'injiistes plaintes geblieben ist.
Zunächst ist thatsächlich nicht zu erkennen, warum ein Parallelis-
mus der beiden von oppresseur und delateur handelnden Vers-
paare (den anzunehmen übrigens nicht nötig ist), wie Hülsen
meint, durch d'injustes plaintes zerstört werden sollte. Wenn
ferner Hülsen meint, der Charakter eines oppressem^ liege doch
in der Anwendung von Gewalt und nicht in dem Vorbringen
von Klagen, wenn sie auch ungerecht sind, so triiFt das für den
vorliegenden Fall nicht zu; denn die Mächtigen, die hier der
Dichter im Sinne hat, wissen sehr wohl, dafs die falschen An-
schuldigungen, die sie vorbringen, von feigen und käuflichen
Richtern für begründet erklärt werden und daher verhängnisvoll
für die Angeklagten sind, und dieser Umstand, dafs sie es im
voraus wissen, lälst schon die Anschuldigung allein als eine
Waffe erscheinen und macht sie allerdings zu oppresseurs, die
darstellen, denn wie könnte sonst Andre sagen: fai dit: ö vierge adoree
(lies 0 toi, V. a. ?), en quels lieux te chercher ?, Worte, die sich in den ersten
zehn Versen des Entwurfes nicht finden. Das setzt doch voraus, dafs
mindestens ein dazwischenliegendes Blatt eine weitere Ausführung in
Versen enthielt, innerhalb deren o (toi?) vierge adoree, en qttels lieux te
chercher? vorkam, und daraus würde weiter folgen, dafs aufser den ersten
zehn Versen ein dichterischer Entwurf existiert hat, der nicht in allen
Punkten übereinstimmte mit der uns erhaltenen Gestalt der Hymne, die
als ßeflex obigen Verses nur 6 toi vierge adm-ee (V. r29), und zwar an
anderer Stelle stehend, aufweist.
Beiträge zu Andrd Ch^nier. 419
zwar nicht direkt, aber indirekt gewaltthätig sind. Ebenso wenig
Bedenken erregt die Verwendung von armer; denn Andr^ ge-
braucht noch an zwei anderen Stellen, wie das Lexique der Aus-
gabe von 1862 zeigt, trans. armer mit einer Person als Subjekt
in der Bedeutung ^sich e. S. als Waffe bedienend le peuple ar-
mant la torche incendiaire (Jeu de Paume V. 303), armer les
pierres et les cris (FAveugle V. 100), ^ so dafs der Sinn unserer
Stelle ungezwungen der ist, dafs unter dem Regimente von
Malesherbes und Turgot die oppresseurs sich gescheut haben
würden, ungerechte Anklagen als Waffe zu gebrauchen. Liest
man dagegen evitant d'armer de jiistes plaintes, so würde ent-
weder armer, da dann die plaintes als von den Unterdrückten
ausgehend gedacht werden, ^erregen^, Verursachen' bedeuten müs-
sen, eine Bedeutung, die wenigstens bei Andr^ nicht vorzukom-
men scheint, oder man müfste unter Festhaltung von ^sich e. S.
bedienen' als Subjekt zu armer die Unterdrückten ansetzen, was
wenig natürlich wäre. Allein auch falls die letzteren Deutungen
befriedigen sollten, so bliebe darum der Sinn der Lesart von
Latouche, der die Handschrift gehabt hat, nicht weniger zufrieden-
stellend, und, solange kein zwingender Grund vorliegt, darf man
von ihr nicht abgehen.
In dem wundervollen astronomischen Stücke Salut, ö helle
nnit, etincelante et sombre, das zuerst von G. de Gh^nier nach
dem Manuskripte bekannt gegeben wurde (II, 135), und dessen
Zugehörigkeit zu einer Dichtung L' Amerique Becq erkannt hat
(Docum. nouv. S. 321. 324 f.), redet der Dichter die Göttin
Urania an:
. . . Porte-moi sur ta route brülante,
qtie je m'eleve au ciel comme une flamme ardente,
und fährt dann fort:
Dejä ce corps pesant se detache de moi.
Adieu, tombeau de chair, je ne suis plus ä toi.
Terre, fuis sous m£s pas . . .
Auch Becq^i'^^ schreibt tombeau de chair. Der Ausdruck soll
sich doch auf das corps der vorangehenden Zeile beziehen, allein
wie ist er eigentlich genau zu verstehen? Ob wohl wirklich
^ S. auch Becq zu Jeu de paume V. 198.
27*
420 Beiträge zu Andr4 Chdnier.
tomheau in der Handschrift stehen mag? Der zweite Band der
Ausgabe Gabriels, in welchem sich unser Gedicht findet, enthält
gar kein Druckfehlerverzeichnis, während dasjenige zum ersten
Bande fünf Seiten umfafst. In Becqs Docum. nouv. S. 326, wo
sich das ganze Stück noch einmal mitgeteilt findet, steht lambeau
für tomheau, aber wahrscheinlich wird es sich hier nur um einen
Druckfehler handeln, da Becq schwerlich stillschweigend von dem
Texte G. de Ch^niers abgewichen sein würde. Tomheau de cliair,
auf cori^s bezogen, erscheint mir als ein undeutliches oder viel-
mehr schiefes Bild, das in einem sonst in jeder Beziehung voll-
endeten Gedichte auffällig ist. Sollte die Handschrift wirklich
tomheau aufweisen, so möchte ich fast der Vermutung Raum
geben, dals es auf das folgende terre zu beziehen und dem-
entsprechend hinter toi ein Komma und hinter terre ein Aus-
rufungszeichen zu setzen sei.
Es seien hier zwei ausschliefslich auf Interpungierung be-
zügliche Bemerkungen angeschlossen. Die siebente Strophe der
Ode auf Charlotte Corday lautet unter übereinstimmender Inter-
punktion in den Ausgaben bis zum Jahre 1881:
Mais la France ä la hache abandonne ta tete.
C'est au nionstre egorge qu'on prepare une fete
parmi s^s compagnons, tous dignes de son sort.
Oh! quel noble dedain fit sourire ta bouche,
quand un brigand, vengeur de ce brigand farouche,
crut te faire pälir aux menaces de mort!
Bei Becq.^i'^^ aber findet man einen Punkt hinter fete und ein
Komma nach sort, mithin V. 3 zum Folgenden gezogen. Diese
Neuerung Becqs, von der nicht wahrscheinlich ist, dafs sie durch
das Faksimile in der zweiten Auflage der Isographie des liommes
celehres (1844) gerechtfertigt wird, dürfte doch zum wenigsten
überflüssig sein. Wenn man unter dem brigand doch den A^or-
sitzenden des Tribunals zu verstehen hat, vor welchem Charlotte
erschien, so scheint mir sogar bei der geänderten Interpunktion
parmi nicht zu passen, vielmehr würde man dann devant er-
warten, da Charlotte wahrscheinlich vor den Richtern gestanden
hat, und nicht unter ihnen. Es bleibt natürlicher, compagnons
als die Anhänger und Gesinnungsgenossen anzusehen, in deren
Kreise eben eine Feier für den toten Marat vorbereitet wurde.
Beiträge zu Andre Chenier. 421
und daher wird die alte Interpunktion vorzuziehen sein. — Der
vorletzte Vers des lambe Quand au moiiton helant (III, 284),
welcher lautet: a man tonr aujourd'hin mon malhenr impor-
tune, zeigt bei Latouche keine Interpunktion im Innern; G. de
Chenier aber setzt hinter aujourd'hui ein Semikolon, und auch
Becq ^^- ^•' interpungiert, und zwar einmal mit Komma und das
andere Mal gleichfalls mit Semikolon. Ich weifs nicht, warum
die letzteren Herausgeber so verfahren, da die Handschrift, nach
dem Faksimile zu urteilen, nichts Derartiges aufweist; ein Semi-
kolon scheint mir jedenfalls unzulässig, weil es eine Nuance des
Sinnes in sich schliefst, die anzunehmen ja keinerlei Notwendig-
keit vorliegt.
Endlich noch etwas An- und Einordnung Betreffendes.
G. de Chenier hat II, 145—173 poetisches Material Andrejs publi-
ziert, von dem zuvor nur drei Stücke bekannt waren, und das er
als zu einer gröfseren Dichtung Les Cyclopes litteraires gehörig
ansah. Dafs die letztere Auffassung nicht richtig sei, und dafs
man darin Teile einer Dichtung über die Litteratur zu erkennen
habe, hat Becq gesagt (Lettres critiques S. 163) und gemeint
(ibid. Anm. 1), man müsse hier auch Fragmente einreihen, die
Andr^ tkq) ttoitjt. überschrieben hat, also das bei G. de Chenier
II, 217 — 221 Stehende. Es mag sich nun damit verhalten, wie
es will, allein die Grundsätze, nach denen Becq mit obigen
Stücken in seiner Ausgabe von 1881 verfahren ist und über die
er sich meines Wissens nirgends näher ausgelassen hat, sind mir
dunkel. Es kann zwar sein, dafs das Fragment C'est cet amour
profond que la patrie inspire, das nach G. de Chenier II, 282
doch auch zu ntQ) tioitiT. zu gehören scheint, davon abzulösen
und gesondert zu drucken ist, wie es Becq S. 392 gethan hat,
aber die Art, wie er aus dem bei G. de Chenier II, 145 — 173
Stehenden ausgeschieden und neun Fragmente unter dem Titel
La Poesie S. 372 — 384 zusammengestellt hat, mufs zum min-
desten als sehr subjektiv gelten. Warum läfst er z. B. den
Text eines neunten Fragmentes mit mais sache aussi toujours
te respecter toi-meme zu Ende gehen, während doch die bei
G. de Chenier darauf folgenden Verse sich ganz gut anschliefsen:
Du vulgaire surtout dedaigne la faveur;
il traue de folie tme male vigueur u. s. w.? (II, 171.)
422 Beiträge zu Andre Chenier.
Warum beschliefst er z. B. wieder ein viertes Fragment II iieat
que d'etre roi pour etre heureux au monde mit dem Verse je
remplis lentement ma ruche indnstrieuse'^. Wenn es schon La-
touche that, so wollte er offenbar einen besseren Abschlufs ge-
winnen, indem er das Stück als 24. Elegie figurieren läfst, aber
wenn man etwas mit Fragment überschreibt, dann mufs man
doch alle dazugehörigen Verse, soweit sie wenigstens nicht durch
Prosazeilen getrennt sind, abdrucken, und warum sollten die Verse
une pauvrete male est mon uniqtte bien;
je ne suis rien, n'ai rien, n'attends rien, ne veux rien.
Quel prince est liberal, et qicel est meehant komme,
est un soin qui jamais ne troublera mon somme (II, 161)
nicht dazu gehören? Auch in der Schulausgabe von 1889, wo
obiges Stück, man sieht nicht warum, in die Dichtung UAme-
rique eingeordnet ist, fehlen diese Zeilen (S. 75).
II.
Schon in seiner Ausgabe von 1862 spricht Becq S. XVIII
von dem Einflüsse, den der um 33 Jahre ältere Ecouchard Lebrun
auf Andre gehabt habe: on joeut en remarquer de nomhreuses
traces dans les ceuvres d' Andre; mais presque toujours ce sont
des defauts qui etaient aussi ceux de Vepoque. Dieser Punkt
verdiente eine genauere Untersuchung, die meines Wissens noch
nicht angestellt ist; etwas überraschend ist jedenfalls, dafs Becq
in seinen zahlreichen Anmerkungen keine Stellen aus Lebrun an-
führt, während er es an solchen aus anderen französischen Dich-
tern durchaus nicht fehlen läfst. Derartige Parallelen dürften
nicht unnützlich sein, sofern sie nicht zu allgemeiner Art sind
und nicht blofs Gedankenähnlichkeiten oder -gleichheiten fest-
stellen, sondern sofern sie sich auf Ausdrücke und Wendungen
von bestimmtem Charakter beziehen, welche die Vermutung einer
mehr oder weniger direkten Herübernahme nahelegen. Das letz-
tere scheint mir z. B. in folgenden Fällen einzutreffen, die ich
aus einer Anzahl anderer heraushebe; und sollte der Leser nicht
gleicher Meinung sein, so möge er sie als einfache Parallelen be-
trachten, die hinzustellen, wie ich glaube, ebensoviel Berechtigung
vorliegt, als wenn Becq z. B. zu Andres e'touffer Ja semence
Parallelen aus Lafontaine und Racine beibringt (Becq'^'^ g^ 301).
Beiträge zu Audre Chenier. 423
Wenn Andr^ sich ne citoyen du Finde et citoyen de Gnide
nennt (G. de Chenier I, S. XII), so bezeichnet sich schon Lebrun
ebenfalls als citoyen du Finde (ed. Ginguen^ III, 402):
vrai citoyen du Finde, ' indep&ndant, sincere,
m'blever sans appui sur le docte coteau . . .
Nicht minder stark werde ich an Verse Lebriins erinnert,
wenn Andr^ in seiner Elegie ^Souffre un moment encor Le
Fetose und Golconde als Stätten grofser Schätze erwähnt (III,
72—73):
Tb* — — — — — — — — —
qui sais de ton palais, d'esclaves abondant,
de diamants, d'avur, d'emeraudes ardent,
mix gouffres du Potose, aux antres de Golconde
tenir les renes d'or qui gouvement le monde,
brillante Deite! — — — — — — — ;
vgl. Lebrun I, 12:
Que Neptune ä jamais s'oppose
aux tyrans des sources de Vor.
F&rmex les veines du Potose,
Mörtels! est-ce lä que repose
notre veritable tresor?
Ces cristaux que vante Golconde. ...
Noch einmal begegnet Golconde bei Andr^ (Becq^^ S. 266):
Golconde, ä pleines mains, sur sa riche ceinture
a jete les rubis et Vemeraude pure,
und noch einmal' Le Fetose bei Lebrun II, 303 :
Souveraine des airs, sa voile triomphante
leur promit les tresor s que le Potose enfante.
Auch wenn unser Dichter den Ausdruck (ta) heaute ver-
meille gebraucht, und zwar mit Bezug auf ein weibliches Wesen
* Der Ausdruck dürfte in Anlehnung an Rousseaus citoyen de Geneve
entstanden sein; so nennt sich Rousseau übrigens nicht erst seit 175^J,
wie Hettner, Gesch. der franz. Litt, im 18. Jahrh.'* S. 497 sagt, sondern
schon 1750 in einem Briefe an Voltaire (Voltaire ed. Beuchot-Moland
XXXVII, 105) vom 30. Januar, in welchem er nicht mit dem Rousseau
verwechselt werden will, welcher sich im Theater feindselig gegen Voltaire
benommen hatte. Voltaire antwortete darauf: celui dont il est question
n'est point citoyen de Geneve, mais citoyen, ä ce qiion dit, du bourbier
du Parnasse, s. G. Maugras, Voltaire et Rousseau S. 11», nach einer
unedierten Handschrift auf der Neufchäteler Bibliothek.
424 Beiträge zu Andre Chenier.
(III, 246), kann ihm wohl die Stelle in einer Elegie Lebruu.s
vorgeschwebt haben (II, 104):
— — — — eile offrait ä ma vue
ia vermeille beaute mollement etendtie
namentlich wenn man beachtet, wie einerseits I^ebrun auch sonst
vermeil übertragen gebraucht, so vom Tage (I, 316; II, 298),
während frühere Dichter es nur mit Bezug auf Blut, Wein,
Lippen, Wunden, Blumen, Gesichtsfarbe anzuwenden scheinen,
und wie andererseits vermeil ein Lieblingsausdruck Andres ist, '
der ihn auch zu kühneren Übertragungen als Lebrun (wovon
Littres Wörterbuch nichts ahnen läfst) heranzieht, indem er von
Fete vermeil (I, 29), von Vautomne au front vermeil (III, 31),
von einer allegresse vermeille (I, 109) spricht, ja Verse frais et
vermeils nennt (III, 51).
Der Anfang einer Ode Lebruns, betitelt Contre im Zolle
(I, 140), lautet:
Quelle audace, nouveau Lycambe,
te livre aux fureurs de Viatnhe?
Man denkt dabei sogleich an die Stelle in Andres lambe Sa
langue est un fer chaud (III, 269):
Frustre d'un amoureux espoir,
Archiloque aux fureurs du belliqusux 'iambe
immole un beau-pere menteur.
Moi, ce n'est point au col d'un perfide Lycambe
que fapprete un lacet vengeur.
FaUs sich keine ähnliche Stelle mit dem Reim -iamhe und L?/-
camhe aus früheren französischen Dichtern nachweisen läfst,
glaube ich, dafs man hier eine Entlehnung annehmen mufs, doch
bin ich nicht sicher, ob sie auf selten Andres, des lambendichters
par excellence^ liegt, denn wenn sich auch sagen läfst, dafs obiger
^ Er begegnet als Adjektiv wenigstens 14 mal, fast immer im Reime:
I, 29. 52. 109. 113. 116. 185; II, 11; III, 31. 4G. 51. 5ü. 111. 120. 246.
Nebenbei bemerkt, hat offenbar von Andre der Romantiker Sainte-Beuve
seine Vorliebe für das gleiche Wort übernommen, auf welche Vorliebe
schon Julian Schmidt hingewiesen hat: in den Poesies de Joseph Delornm
ist es zum mindesten 8 mal anzutreffen.
Beiträge zu Andre Ch^nier. 425
lambe vermutlich in das Jahr 1792 fällt (s. Hartmann, Ch^nier-
Studien S. 45 f.), und zwei andere ähnliche Stellen bei Andr^:
faurais trouve sans peine au carquois de V'iamhe — son vers
apre et guerrier feint du sang de Lycajnhe und du fier ArcJii-
loque exhaler les fureurs — et teindre de son sang tes iamhes
vengenrs (s. Hartmann S. 18 *Anm.) wohl auch aus den letzten
Lebensjahren des Dichters herrühren, so kann ich einerseits doch
nicht ermitteln, welcher Zeit Lebruns Ode angehört, und an-
dererseits ist bekannt, dafs Lebrun noch nach Andres Tode sich
des Dichtens nicht ganz entschlagen hat. Immerhin dürfte in
Ansehung des Alters von Lebrun eine gewisse Wahrscheinlich-
keit für Entlehnung von selten Andres vorliegen.
Wenn Andr^ in der ersten Strophe der Ode an Charlotte
Corday von den fanges du Parnasse spricht, so begegnet eine
ähnliche Wendung in einem Epigramme von Lebrun (IH, 292):
Certain crapaud des marais du Parnasse
au rossignol votdait montrer le chant.
Aber hier wird die Quelle weiter zurück Hegen, sie wird Vol-
taire sein. Schon in seinem frühen satirischen Gedichte Le
hourbier setzt dieser an den Fufs des Parnasses einen Pfuhl, in
dem sich die elenden Reimer aufhalten, und in dem oben in
einer Anmerkung citierten Briefe nennt er Rousseau (den Ver-
fasser des Journal encyclopedique), wie wir sahen, citoyen du
hourbier du Parnasse. Ferner bezeichnet er Fr^ron in Le
pauvre diabJe als grand. ecumeur des bourbier s d'Helicon
(X, 103) und sagt in einer Epistel a« fond de so7i bourbier
je fais rentrer Freron (X, 381). W^eiterhin heifst es in einer
anderen Epistel Voltaires (X, 434):
Vainement de Dijon l'impudent ecolier
coassa contre lui du fond de son bourbier,
d. h. Clement gegen Saint-Lambert, und an einer anderen Stelle
treffen wir auf den Ausdruck fanges du Parnasse (VHI, 441),
also genau denselben, den Andr^ gebraucht und den dieser aus
vorliegender Stelle entlehnt haben dürfte.
Nicht uninteressant scheint es mir endlich, noch folgende
Coincidenzen zu betrachten. In der sechsten Strophe der Ode
an Charlotte Corday heifst es:
426 Beiträge zu Andre Chenier.
Et des choßurs sur ta tombe, en une sainte ivrcsse,
chanteraient Nemesis, la tardive deesse,
qui frappe le mechant sur son trune endormi.
Die gleiche Wendung sainte ivresse, wenn auch auf den Fana-
tismus gehend, liest man im dritten Teile des Poeme sur la loi
naturelle (IX, 452):
On vit plus d'une fois, dans une sainte ivresse,
plus d'un bon catholiqtie — — — — — — ,
und das Bild endormi sur le tröne begegnet sogar zwei-
mal, in der Henriade (VIII, 44) und in einem Gedicht an den
König von PreuTsen (X, 303). Man wird wohl nicht zu weit
gehen, wenn man auch hier annimmt, dafs Andr^ entlehnt hat.
III.
Dafs eine metrische Übersetzung Ch^nierscher Dichtungen
in das Deutsche mit ganz aufserordentlichen Schwierigkeiten ver-
bunden ist, versteht sich von selbst. Um so mehr mufs man
immer wieder die Übertragungen bewundern, welche Geibel und
Leuthold in ihren fünf Büchern französischer Lyrik von der
Jeune Captive und den ersten Versen des lambe Comme un
dernier rayon geliefert haben. Sie scheinen in Frankreich ganz
unbekannt geblieben zu sein, denn sonst würde Becq de Fou-
qui^res in seinen Lettres critiques sur A. Chenier S. 11 — 12
Übersetzungen der Jeune Captive und eines Teiles der Ode an
Charlotte Corday, welche Stephan Born, viele Jahre nach Geibel
und Leuthold, in einem Vortrage über A. Chenier veröffentHcht
hat,^ schwerlich einen essai aussi piquant quinstructif au point
de vue du ge'nie des deux langues genannt haben. Freilich kennt
auch Hülsen sie nicht, anderenfalls hätte er sogleich bemerkt
(s. S. 12, Aum. 1 seiner Schrift), wie unendlich weit Borns Verdeut-
schungen hinter den Geibel-Leutholdschen zurückstehen. Das letz-
tere kann, abgesehen von der grofsen Verschiedenheit der Talente,
^ Öffentliche Vorträge, gehalten in der Schweiz, V, Heft 1, Basel
1878. Born hat auch S. 42 die ersten Zeilen des oben genannten lambe
übersetzt, aber während Geibel und Leuthold vor der Ausgabe von G. de
Chenier 1874 nicht wissen konnten, dafs der lambe keineswegs fragmen-
tarisch ist, sondern noch eine lange Fortsetzung mitsamt einem Schlüsse
hat, hätte Born das wissen sollen.
Beiträge zu Andre Chönier. 427
schon deshalb kaum anders sein, weil Born für die Jeune Cap-
tive zur Vertretung der Alexandriner und achtsilbigen Verse
durchgehends den fünffüfsigen lambus gewählt hat — wobei
denn merkwürdigerweise immer der dritte und sechste Vers ein-
gerückt sind — , mithin nicht wenig von dem, was in den inhalt-
reichen Alexandrinern des Originals steht, ganz ohne Entsprechung
bleiben mufste. Ein Gleiches gilt in noch höherem Grade von
der Übertragung von sieben (nicht aufeinander folgenden) Stro-
phen der Ode an Ch. Corday (S. 31 — 32); denn hier zeigt das
Original bekanntlich nur Alexandriner, so dafs man eigentlich
nicht mehr von einer Übersetzung, sondern nur von einer Para-
phrase oder Umdichtung reden kann. Als Beleg möge gleich
die erste Strophe folgen:
Geheuchelt oder wahr, es stöhnt die Klage
der Mörderbrut an Marats Sarkophage;
auch Menschenopfer stehen ihm bereit.
Die Muse schändet ihre goldne Leier
und stimmt den Hymnus an zur Totenfeier,
und nur die Wahrheit hält sich stumm beiseit.
Gewifs wird man von Schack recht geben, wenn er in seiner
Anthologie abendländischer und morgenländischer Dichtungen in
deutschen Nachbildungen (Stuttgart 1893) S. VIII meint, dafs
^manche Gedichte, ohne die Sprache zu radbrechen, weder mit
buchstäblicher Treue noch in den Mafsen und Reimbildungen des
Originales übertragen werden können', und für umfangreichere
französische Dichtungen in Alexandrinern, wie z. B. Vignys Eloa,
dürfte die Beibehaltung der Originalform ihr Mifsliches haben;
allein einerseits braucht ja die Treue nicht gerade eine buchstäb-
liche zu sein, und andererseits würden wohl unzweifelhaft gerade
Ch^niers Gedichte schwungvollen Charakters ohne Wahrung der
Origiualmafse selbst unter der Hand eines hervorragenden Dich-
ters stark verlieren. Dafs für kürzere Dichtungen der andere
Weg betretbar ist und zu wirklichem poetischem Genüsse führt,
haben ja Geibel und Leuthold gezeigt.
Wenn ich nun im Folgenden eine metrische Übersetzung
der vollständigen Ode an Ch. Corday darbiete, so wünsche ich
freilich, sie nur als einen Versuch aufgefafst zu sehen, der nicht
länger von Bestand sein möge, als bis ein Dichter von Gottes
428 Beiträge zu Andre Chönier.
Gnaden uns eine vollendete Übersetzung schenkt. Natürlich habe
ich den iambischen Vers mit sechs Hebungen so behandelt, wie
wir es durch Freihgrath und Geibel gewohnt sind, d. h. so, dafs
mit der dritten Hebung ein Wortende zusammenfällt, da anderen-
falls ja der Vers den Rhythmus verliert. Auch darin wird man
strengen Auschlufs an das Original bemerken, dafs das Enjambe-
ment zwischen der ersten und zweiten Strophe beibehalten, und,
mit Ausnahme eines Falles, in der Mitte der Strophe nach der
dritten Zeile überall da eine stärkere Interpunktion eingetreten
ist, wo sie auch das Original zeigt, d. h. in der Mehrzahl der
Strophen. Warum ich mich mit der von Becq neuerdings in
der siebenten Strophe gesetzten Interpunktion nicht einverstanden
erklären kann, habe ich unter Nr. I dargelegt. Es ist bekannt,
dafs das Originalmanuskript unserer Ode im Jahre 1851 ver-
loren gegangen ist, oder man wenigstens nicht weifs, wer es jetzt
besitzt, doch darf man den Text des schönen Gedichtes' als
definitiv festgestellt ansehen, seitdem Becq das Faksimile in der
zweiten Auflage der Isographie des liommes cele.bres (1844) ver-
glichen hat; diese Vergleichung ergab zwei neue Lesarten und
eine ganz neue Strophe. Noch sei bemerkt, dafs in V. 4—6 der
ersten Strophe der Deputierte Audoin gemeint ist, welcher einen
Hymnus auf Marat verfafst hatte.
Ode an Charlotte Corday.
Wie! während überall mit Thränen, Klagelauten,
geheuchelt oder wahr, den Marat, ihren trauten,
Verruchte, Feiglinge zu grofsen Toten reih'n,
und während vom Parnafs — aus dessen Sumpfgefilde —
ein schamloses Keptil zu diesem Götzenbilde
gepilgert ist, davor ein Loblied auszuspei'n,
Da bleibt die Wahrheit still. Gefesselt in den Banden
der Furcht liegt ihre Zung', und die sonst Worte fanden
zum Preis ruhmvoller That, — erstarret ist ihr Mund.
Ist leben denn so süfs? Was gilt wohl noch das Leben,
wenn schmählich unters Joch gezwungen und mit Beben
sich der Gedanke birgt am tiefsten Herzensgrund?
* Es sei bei dieser Gelegenheit gestattet, auf die eben erschienene
Monographie von R. Focke: 'Charlotte Corday, eine kritische Darstellung
ihres Lebens und ihrer Persönlichkeit', hinzuweisen.
^Beiträge zu Andr^ Ch^üier. 429
Nein, nein, nicht will ich stumm dir meinen Beifall zollen:
du hast durch deinen Tod Frankreich erwecken wollen;
zu zücht'gen frevles Thun gabst du dein Leben hin.
O Mädchen grofs und hehr! mit deinem Arm, dem kühnen,
griffst du zum scharfen Schwert, der Götter Fehl zu sühnen,
die diesem Ungetüm des Menschen Züge liehn.
Die schwarze Schlange kam aus ekler Höhle Schofse,
und fühlte endlich da, wie unter deinem Stofse
ihr gift'ges Lebenskleid zerreifsend niedersank.
Von dieses Tigers Leib, von seinen Mörderzähnen
verlangtest du zurück das Fleisch mit Blut und Sehnen
der Menschen, die in Gier er all hinunterschlang.
Sein brechend Auge sah, wie dich die Hand erfreute,
die fest ihn traf, wie du beschautest deine Beute.
Es sagte ihm dein Blick: 'Geh, rasender Tyrann,
geh hin, brich eine Bahn für deine Schuldgenossen !
Es war dein höchstes Glück, wenn Ströme Blutes flössen:
schwimm in dem dein'gen und erkenne Götter an !'
O Mädchen ! Griechenland würd' Faros' Marmorschichten
erschöpfen, allerwärts dein Bildnis aufzurichten
da, wo Harmodius bei seinem Freunde steht.
Ein Chor an deiner Gruft besänge heilig-trunken
die Nemesis, die doch, ob spät auch, den Halunken
ereilt, wenn sorglos er auf seinem Thron sich bläht.
Doch Frankreich liefs dein Haupt dem Beile, es zu fällen,
und für den Unhold wird von seinen Mordgesellen
ein Fest geplant, um sein Gedächtnis zu ernenn.
Welch stolzes Lächeln sah um deinen Mund sich legen
der Schurke, der bestellt, des Rachewerks zu pflegen,
erbleichen dich zu sehn gedacht beim Todesdräun !
Erbleichen hätten er und deine Richter sollen,
Senat und Schergenchor allsamt, die grauenvollen,
als furchtlos du erschienst vor ihrem Tribunal,
und als mit Hoheit du und schlicht begannst zu sprechen;
fürwahr, du lehrtest sie: so stark auch das Verbrechen,
wer sich dem Tode weiht, ist stärker hundertmal.
In äufsern Schein gehüllt von freundlichem Gebaren,
wufst' deine Seele lang verborgen zu bewahren
in ihrem tiefsten Grund des Bösen Schicksalslauf.
So sammelt unbemerkt am Himmel sich ein Wetter
bei azurblauer Luft, doch bald trifft mit Geschmetter
es Bergeshöhn und wühlt des Meeres Tiefen auf.
430 Beiträge zu Andrö Chenier,
Dem Henker zugeführt in lichtem Jugendscheine,
warst du wie eine Braut zu schaun von holder Keine,
und heiter blieb dein Blick, die Stirne ungesenkt.
Ruhig auf dem Schafott des Volkes Toben trotzend,
das feil und knechtisch ist, von Missethaten strotzend,
und das alsdann sich frei bedünkt und unumschränkt.
Die Tugend nur ist frei. Du Ehre unsrer Lande!
Auf ewig lebt dein Ruhm, doch mit ihm unsre Schande.
Du warst allein ein Mann, der Menschheit Rächerin.
Und wir, Eunuchen gleich, in seelenlosem Zagen,
wir raffen auf uns nur zu ein paar Weiber klagen,
doch kraftlos sank' ein Schwert aus unsern Händen hin.
Gewifs, du meintest nicht, dafs eines Schurken Sterben
für Frankreich Sühnung war und Rettung vom Verderben,
in das es schon versinkt, zertrümmert und verheert.
Du wolltest nur den Mut der Furchtsamen erwecken,
auf dafs sie dolchbewehrt all jene niederstrecken,
die sich von Raub und Blut und Niedertracht genährt.
Ein Frevler weniger kriecht nun umher im Sumpfe.
Die Tugend spendet Lob, es schallt dir zum Triumphe;
du schöne Heldin, hör ihr mark'ges Beifallswort!
O Tugend, wenn denn frei der Himmel das Verbrechen
gebieten läfst, dann bleibt allein, um dich zu rächen,
der Dolch als Waffe dir, als einz'ger Hoffnung Hort.
Berlin. Oscar Schultz.
Sitzungen der Berliner Gesellschaft
für das Studium der neueren Sprachen.
Sitzung am 15. Januar 1895.
Zu Ehren des in Gotha verstorbenen korrespondierenden Mit-
gliedes der Gesellschaft Herrn Hofrats Sievers erhoben sich auf An-
regung des Vorsitzenden die Anwesenden von ihren Plätzen.
Herr Zupitza sprach, von PoUards Ausgabe der Canterbury
Tales ausgehend, über die Parallelen zu der Erzählung des Müllers
[vgl. Archiv XCIV, 443].
Herr Roediger sprach über den ursprünglichen Dialekt des
Annoliedes. Dafs er nicht kölnisch oder siegburgisch sei, haben
schon mehrere Forscher bemerkt, sich aber immer noch an Mittel-
deutschland, z. B. Hessen, gehalten. Der Vortragende bezweifelt zwar
nicht, dafs das Lied in Siegburg entstanden sei, hält aber den Dichter
für einen Bayern. Er führt darauf die Übereinstimmungen mit der
in Regensburg entstandenen Kaiserchronik zurück, erinnert an den
aus Regensburg gebürtigen Kuno von Falkenstein, der in jungen
Jahren in die Abtei Siegburg, Annos Lieblingsstiftung und Grab-
stätte, eingetreten, dort an der Schule thätig und seit 1105 Abt ge-
wesen war, und der 1126 als Bischof nach Regensburg zurückkehrte.
Kein einziger Reim des Gedichtes ist, wie im einzelnen nachgewiesen
wurde, mitteldeutscher Art; nichts im Wortschatz führt nach Mittel-
deutschland, wohl aber eine Reihe von Ausdrücken nach Oberdeutsch-
land, mehrere speciell in bajuvarisches Sprachgebiet. Der Redner
wird dies alles in seiner Ausgabe des Annoliedes in den Mon. Germ,
hist. darlegen.
Herr Lücking tritt wieder in die Gesellschaft ein; zur Auf-
nahme werden die Herren Speyer und Karl Langenscheidt
vorgeschlagen.
Sitzung am 29. Januar 1895.
Herr Lücking beendete seinen Vortrag über die crecelle. Es
wurde dargelegt, dafs claquette (als Schulklapper auch claquoir
genannt), tarabat (als Klapper der Oblatenhändler jetzt tapette
432 Sitzungen der Berliner Gesellschaft
genannt) und clapet eine eigentümliche Gestalt und Bewegungsform
besitzen. Die tartevelle war in den Pfarrkirchen von Ronen um
die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine tahlette de hois (de Mauleon);
die tartevelle als Leprosenklapper war jedoch ohne Zweifel mehrteilig,
wie die tartevelle als Fischerklapper {iyistrumentum quoddam corn-
pluribus ligneis frustis sese invicem collidentibus constans, Ducange),
und war also wohl dasselbe Instrument wie die dreiteilige cliquette,
sei es mit oder ohne Scharnier. Das Leproseninstrument tarterelles
(Godefroy), ein Plural wie ciseaux, war wohl mit der mehrteiligen
tartevelle identisch, die übrigens ursprünglich auch durch eine Plural-
form bezeichnet worden zu sein scheint. Die e ehe leite war im Mittel-
alter ein Schellchen und w^ar dies noch im 17. Jahrhundert (nach
Richelet, der sich auf Menage beruft). Bei Mersenne aber bezeichnet
echelette ein einer liegenden Leiter ähnliches hölzernes Instrument mit
Klaviatur, welches aus Flandern stammte und auch claquehois, re-
gale oder patouille genannt wurde. Mit Schelle jedoch, bezeichnet
Mersenne ein hängendes Holzinstrument dieser Art (also ohne Tasten),
welches bei den Türken in Gebrauch war. Die Strohfiedel (Agri-
cola und Prätorius), welche noch jetzt in Tirol vorkommt (P. Heyse),
liegt zwar, wird aber nicht durch Tasten, sondern, wie die Schelle, mit
Hämmerchen angeschlagen. — Schliefslich ward die Frage erörtert,
ob der Name crScelle, der gelegentlich Lexikographen die Namen
von so vielerlei Klappern deuten hilft, auch auf die Mühlen klapper
Anwendung gefunden hat. Die Mühlenklapper heifst im Diction-
naire de l'Academie traquet oder claquet, bei Richelet traquet
oder cliquet; Raymond fügte das alte battant hinzu. Littre hat
traquet, claquet, battant, aber cliquet nur bildlich. Hatzfeld, Darme-
steter und Thomas erklären cliquet = claquet für veraltet. Alle
diese Ausdrücke bezeichneten klappernde Vorrichtungen, durch welche
der Mühltrog (trSmie) oder der Schuh desselben (äuget) erschüttert
wurde, deren Zweck jedoch in neueren Mühlen durch anders kon-
struierte Vorrichtungen erreicht wird, so dafs man in ihnen eine An-
schauung von dem, was ursprünglich gemeint war, nicht mehr zu
gewinnen vermag.
Herr Oskar Schultz spricht über Andre Cheniers lyrische Ge-
dichte und Übertragungen ins Deutsche, die dieselben durch Geibel,
Leuthold und Stephan Born erfahren haben. Zum Schlufs giebt der
Vortragende eine eigene metrische Übersetzung der Ode an Char-
lotte Corday (s. oben S. 428).
Herr Pariselle sprach über Ada Negri, deren anfänglich in
Zeitungen verstreute Gedichte zuerst 1892 gesammelt unter dem
Titel 'Fatalitä' (Milano, Fratelli Treves) erschienen sind. Seit kurzem
existiert eine deutsche Übersetzung von Hedwig Jahn (Berlin, Alex-
ander Duncker, 1894). Das Geburtsjahr der aus Lodi stammenden
Dichterin ist unbekannt. Ihre Mutter, eine arme Fabrikarbeiterin,
für das Studium der neueren Sprachen. 433
ermöglichte die Ausbildung der Tochter zur Lehrerin, als welche sie,
achtzehnjährig, eine Anstellung in Motta- Visconti fand. Freunde
ihres Talentes bewirkten unlängst ihre Berufung als Lehrerin der
italienischen Litteratur an die Scuola normale superiore in Mailand.
In Not und Entbehrung aufgewachsen, hat Ada Negri das Elend
der unteren Volksschichten aus eigener Erfahrung kennen gelernt,
und die ungewöhnliche Wirkung, die in Italien, wo die sociale Frage
vielleicht noch brennender ist als anderswo, ihre Dichtungen hervor-
gebracht haben, dürfte sich aus dem oft erschütternden Ausdruck
erklären, den sie ihrem tiefen Mitgefühl mit allen Enterbten, Glück-
und Hoffnungslosen geliehen hat. Ihre düsteren Erfahrungen haben
sie indes keineswegs einem hoffnungslosen Pessimismus in die Arme
getrieben, sondern sie hält unerschütterlich an der Überzeugung fest,
dafs Glück und Unglück sich den Gedanken der Vorsehung nach
zu einer gewaltigen Harmonie zusammenschliefsen. Nicht gewalt-
samer Umsturz, sondern nur rastlose Arbeit kann die Menschheit
zum Ziele führen, und inmitten des Elends, das sie umgiebt, träumt
auch Ada Negri gern den schönen Traum von einem kommenden
goldenen Zeitalter. Jedenfalls mufs ihr starkes Talent, das kühn die
Bahnen der hergebrachten Lyrik verläfst und sich einen eigenen
Weg bahnt, mit Anerkennung und froher Hoffnung begrüfst werden.
Die Herren Speyer und Lange nscheidt werden in die
Gesellschaft aufgenommen.
Sitzung am 12. Februar 1895.
Herr Koch besprach aus den jetzt erschienenen Berichten über
die Wiener Philologenversammlung diejenigen Vorträge, die sich auf
das Studium des Englischen beziehen.
Herr I. Schmidt sprach über die Sonette Miltons und teilte
aus seiner Übertragung derselben mehrere mit.
Herr Lücking sprach über zwei Stellen aus Bourgeois gentil-
homme II, 6. Nach einigen neueren phonetischen Abhandlungen
bildet, man den Laut f, indem man die Oberzähne an die Unter-
lippe legt. Ein ähnlicher Irrtum {UF en appuyant les dents d'en
liaut sur la lewe de dessous) ersetzt bei Moli^re die richtige Beschrei-
bung Cordemoys {on Joint la lewe de dessous aux dents de dessus),
für welchen freilich beide Vorstellungen gleichwertig waren. Den
Ausschlag hat vielleicht die Tradition gegeben; jedenfalls begegnet
man bei Mersenne (Paris 1636) und bei Galeotti (Basel 1517) dem-
selben Irrtume. Dunkel erscheint an der Beschreibung des o (. .. et
rapprochant la levre par les deux coins [sc. de la bouche], le haut et
le bas : 0) der Ausdruck le haut et le bas. Adjektivisch aufgef afst,
läfst er sich weder auf les deux coins beziehen (da es einen oberen
und einen unteren Mundwinkel nicht giebt), noch auf les levres (da,
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 28
434 Sitzungen der Berliner Gesellschaft
wie sich leicht ergiebt, Moli^re nicht etwa den Philosophielehrer als
Gelehrten Uvre nach dem Neutrum lahrum als Masculinum gebrauchen
läfst), noch endlich, unter Streichung des Kolons, auf das nachfol-
gende 0; denn, wenngleich die Möglichkeit, dafs bereits im Jahre
1670 in Paris einzelne ein hohes und ein tiefes o unterschieden, sich
schwerlich in Abrede stellen läfst, da die Idee von dem Parallelis-
mus von Vokalen und Tonhöhen nicht erst von Reyher (1679), son-
dern bereits von van Helmont (1667) stammt, ja bereits von Mer-
senne gelegentlich, wenn auch nur für a, u, i, ausgesprochen wird,
so ist es doch, um von anderen Schwierigkeiten abzusehen, unmög-
lich, le haut et le bas bei Cordemoy in demselben Sinne aufzufassen.
Substantivisch aufgefafst, bezeichnet der Ausdruck h haut et
le bas das Obere und das Untere, den oberen und den unteren Teil
einer Sache. Als diese Sache können aber weder les deux coins, noch
les levres, noch etwa la bouche gedacht werden; les deux coins [sc. de
la bouche] nicht, denn sie sind Teile des Mundes, der Mund aber ist
eine Höhle; les levres nicht, denn le haut et le bas des levres kann
das nicht bedeuten, was es bedeuten müfste, wenn es einen erträg-
lichen Sinn ergeben sollte, nämlich Ober- und Unterlippe; endlich
la bouche nicht, weil le haut et le bas de la bouche nur die obere und
die untere Zone der Mundhöhle bedeuten kann. Ein passender Sinn
würde sich ergeben, dürfte man le haut et le bas im Sinne von haut
et bas auffassen, welche 1) oben und unten, 2) überall [und 3) gänz-
lich] bedeuten konnten. Vielleicht hat Cordemoy nicht le haut et le
bas, sondern de haut et de bas geschrieben. — Herr Tobler ist der
Ansicht, le haut et le bas lasse sich im Sinne von le haut et le bas
des deux coins auffassen, und hält daher eine Änderung des Textes
nicht für erforderlich.
Der Kassenführer erstattete Bericht über die Kasse, die von den
dazu erwählten Revisoren in Ordnung gefunden wurde. Daraufhin
wird den Kassenführern Entlastung erteilt.
Sitzung am 26. Februar 1895.
Herr Buchholtz sprach über einige Änderungen des Tones
im Italienischen und in anderen Sprachen. Im Deutschen, sowie
ähnlich in den ihm verwandten Sprachen, und auch im Hottentotti-
schen, wird der Ton rein dem Sinne nach gesetzt. Dies führt darauf,
auch in den übrigen Sprachen wenigstens einigen Zusammenhang
zwischen Betonung und Sinn anzunehmen. Diese übrigen, die Ton-
stelle nach Zählung bestimmenden Sprachen sind so einzuteilen: das
Chinesische, mit den einsilbigen Wörtern, steht für sich, kommt hier
nicht in Betracht. Die anderen Sprachen zerfallen in zwei Gruppen.
Die erste bilden die finnisch-uralischen Sprachen, welche immer die
erste Silbe jedes Wortes betonen. So Finnisch, Ungarisch. In der
für das Studium der neueren Sprachen. 435
Betonung schlägt zuweilen ein Volk aus der Art, wie wenn sich die
Böhmen jenen anschliefsen, und umgekehrt die Türken von ihnen
abweichen, fast immer die letzte Silbe betonen. Die zweite Gruppe
bilden die vielen untereinander verwandten und nicht verwandten
Sprachen, welche die letzte Silbe betonen. Durch jüngere Ansätze
oder durch Nebenrichtungen des Geschmackes kann statt der wirk-
lich letzten Silbe eine dieser nahestehende Silbe betont werden. Das
Hebräische hat meist die letzte betont, wenig die vorletzte, sonst
keine. Im Arabischen wird die letzte betont, sind die letzten Silben
kurz, so bekommt die vor-, dritt-, auch viertletzte den Ton, doch
wird dieses letzte heute durch eine Apostrophierung vermieden. Das
Persische betont meist die letzte, wenig die vor- und drittletzte. Im
Griechischen hat schon die vorletzte recht an Macht gewonnen, ja,
die Äolier, wie die Lateiner, lieben diese unbedingt, meiden die Be-
tonung der wirklichen letzten, und beide gelten eben hierdurch, nach
den alten Grammatikern, für ehrwürdig. Dies führt auf den Sinn
der Betonungsarten überhaupt. Die die erste betonenden Völker
scheinen einen kräftigen Anfang über alles zu schätzen, die die
letzte betonenden aber denken wohl als Höchstes bescheidenen An-
fang mit endlichem Gelingen, mit kräftigem Abschlufs. Manche
griechische Wörter zeigen deutlich, dafs Betonung der letzten auf
das Ende hindeutet: noiog Gelage, nozog Trunk — ersteres ausge-
dehnt, letzteres schnell abgeschlossen; ßQozog Blut, ßQoiog = (f&uQ-
Tog zum Ende kommendes Blut; TQo/og Platz zum Laufen, TQo/og
Kreis, abgeschlossener Lauf, Ankunft an demselben Punkte; yuf.iog
Hochzeit, viele Feierlichkeit, yaf.i6g geschlechtliche Vereinigung, die
sich schnell vollendet. Auch Sprachen der anderen Gruppen geben
gelegentlich Beispiele von solchem Sinne der Betonung der letzten.
Zum Zeichen der erreichten Ankunft rufen oft deutsche Eisenbahn-
schaffner zusammengesetzte Stadtnamen so, dafs die letzte Silbe einen
bedeutenden Nachdruck bekommt. In Melnik hörte der Vortragende
im Gewimmel des Marktes jemandem dohritro statt dohre jitro zu-
rufen, d. i. ich habe es vollendet, dir doch 'Guten Morgen' zugerufen,
ehe du vorüber warst. Bei Mäd hörte derselbe jö reggelt sich öfter
so zugerufen, dafs von dem zweiten Worte die erste, aber auch, und
noch deutlicher, die zweite betont wurde, was einen recht vollstän-
digen 'Guten Morgen' zu bedeuten schien. Fris vizet mit starker
Betonung der letzten Silbe bat aus dem Eisenbahnwagen nahe vor
Pest eine alte Frau, d. i. 'Frisches Wasser', nur dieses, fertig, nichts
weiter. Im Griechischen hängt hiermit zusammen, wenn man bei
Eigennamen im ganzen die Betonung der vorletzten lieber hat. So
^ocfog, yidf.inQog, Ualuiog, Qvf.iog. Man will den Eigennamen
nicht das Eilen zum Ende, sondern das Würdige geben. Hiermit
mag verwandt sein, wenn Franzosen statt der gewöhnlichen Be-
tonung der letzten Silbe die der vorletzten setzen. Die Italiener
28*
436 Sitzungen der Berliner Gesellschaft
haben wie die Lateiner am liebsten die vorletzte betont, hin und
wieder, aber ungern, die letzte, lieber noch die drittletzte, ja, bis zur
sechstletzten versteigen sie sich. Spanier und Kuraänier haben auch
noch die viertletzte, aber nicht darüber hinaus, betont, während die
Sarden nicht über die drittletzte zurückgehen (Archiv LXXXII, 140).
Woher mögen die Italiener ihre Ausdrücke piano sdrucciolo tronco
haben? Pietro Bembo kennt schon voce sdrucciolosa und versi
sdruccioli, aber nicht die beiden anderen Ausdrücke. Die Spanier
haben ihr palabras esdrüjulas von den Italienern, aber für die an-
deren comunes und agudas, welches letzte deutlich nach Griechen-
land weist. Das so schön auf plötzliches Ende hinweisende tronco
deutet auf lat. iruncus, a, um,* es findet sich bei Diomedes bei Be-
sprechung kopfloser Verse. Die Betonung der letzten weicht zu-
weilen der der vor- oder drittletzten : Trinita felicita fraternita pieta.
Donat und Quintilian sagen, dafs lateinisch nie die letzte betont
sei, aber jüngere Grammatiker, vor allen Priscian I, 302 K, führen
als auf der letzten betont an: nosträs, optimäs, Ärpinäs, Capenäs,
Mcecenäs, auch audit (aus -ivit) und illic (aus illice), indem sie sich
für jene äs auf den Nominativ nosträtis bei Cato berufen. Gewifs
richtig, so früh auch die Neigung, die letzte nicht zu betonen, ge-
wirkt haben mag. Man betont italienisch Ännihale, Annibal, Asdrü-
bale, Asdrubal; daneben Annibäle, Anniballe bei Dichtern zu finden
und Asdrubal, wie Alfieri in der Sofonisbe (Opere Padova vol. VI,
1809) zweimal mit gedrucktem Accent hat, S. 229 und 237. Die
spanische Mundart von Viscaya und Bilbao hat eine gewisse Nei-
gung zu esdrüjulas. Dort heilst es böina, bilbäino, sonst boina (vgl.
Mugica, Marana), bilbäino. Auch der dort heimische Name Mugica
hat eigentlich den Ton auf dem u, wie man ihn häufig dort hört
und liest; hat er das i betont, so ist dies eine allgemein spanische
Form. — Eine längere Diskussion, in der die Herren Michaelis,
Mugica, Schultz und Foerster das Wort ergriffen, schlofs sich
an den Vortrag.
Herr Herzfeld sprach über Engländer, die sich zur Zeit
Goethes in Weimar längere Zeit aufhielten. Viele derselben sind be-
handelt im fünften und im sechsten Bande der Publications der
englischen Goethe-Society. Von den dort nicht Erwähnten wurde
besonders Thackeray besprochen, dessen Brief an den Goethe-Bio-
graphen Lewes am meisten in Betracht kommt. Kürzer wurde John
Russell aus Edinburgh erwähnt.
Herr U h 1 a n d aus Manchester hat sich zum Eintritt in die Ge-
sellschaft gemeldet.
Sitzung am 12. März 1895.
Herr Herzfeld setzte seinen Vortrag über 'Engländer in
Weimar' fort. An dritter Stelle besprach er Joseph Charles Mellish
für das Studium der neueren Sprachen. 437
(1768 — 1823). Er ist bemerkenswert als persönlicher Freund von
Goethe und Schiller, als Übersetzer von einzelnen ihrer Werke (Her-
mann und Dorothea [nicht publiziert], Palseophron und Neoterpe,
Maria Stuart u. a.), endlich als Dichter in deutscher Sprache. Seine
Gedichte erschienen Hamburg 1818; sie sind von keinem grofsen
Werte, zeigen aber, dafs er die Klassiker genau kannte und nach-
ahmte. Einzelne Proben davon wurden mitgeteilt.
Herr A. Schulze gab einige Bemerkungen zur französischen
Syntax. Er versuchte, die Nichtkongruenz zwischen Nomen und
Adjectivum in Catherine le Grand zu erklären, erörterte die Ent-
wickelung der selbständig, d. h. ohne Hauptsatz auftretenden Neben-
sätze mit puisque und pourvu que und sprach schliefslich über die
Erweiterung des Satzgefüges durch etre. — An den letzteren Punkt
knüpfte sich eine Diskussion, an der sich die Herren Tanger und
Roediger beteiligten.
Herr I. Schmidt sprach über Browning als Humoristen und
verlas eine metrische Übertragung von Brownings Rattenfänger von
Hameln.
Herr Uhland aus Manchester wird in die Gesellschaft auf-
genommen.
Herr Tanger macht eine Mitteilung über die im Sommer-
semester stattfindenden Vorlesungen für die Berliner Lehrer der
neueren Sprachen.
Sitzung am 26. März 1895.
Herr I. Schmidt las einen Aufsatz über Robert Browning, gab
die wichtigsten Daten aus seiner Jugend an, berührte kurz Paulin
und Sordello und verweilte länger bei der Dichtung Paracelsus. Nach
kurzer Charakteristik der Tragödie Strafford analysierte der Vortra-
gende genauer Pippa Passes und teilte die darin vorkommenden
Lieder in Übersetzungen mit. Da die Zeit zu weit vorgerückt war,
konnte mit Übergehung des gröfsten Teils der Arbeit nur noch die
allgemeine Charakteristik des Dichters zur Vorlesung gelangen.
Sitzung am 30. April 1895.
Herr Tobler sprach über ein seit Jahresfrist der Königlichen
Bibliothek angehörendes Manuskript, das in roter Schrift die Disticha
des Dionysius Cato, vom zweiten Buche beginnend und im Anfang
des vierten schliefsend, enthält, diese dann in die leoninischen Disticha
des sogenannten Novus Cato umgesetzt in grüner Schrift wiedergiebt
und schliefslich ihren Inhalt in einer gröfseren oder geringeren Zahl
von provenzalischen, paarweise gereimten sechssilbigen Versen in
schwarzer Schrift umschreibt. Dafs eine provenzalische Bearbeitung
dieser Sprüche existiert hat, war bisher nicht bekannt. Die Hand-
438 Sitzungen der Berliner Gesellschaft
Schrift scheint von einem Italiener im 1 3. Jahrhundert geschrieben zu
sein, der des Provenzali sehen nicht recht kundig war.
Herr Pariselle besprach den Daudetschen Roman La petite
paroisse. Der alternde Daudet predigt darin Entsagung und Ver-
zeihung. Leider hat unter der Frömmigkeit die künstlerische Einheit
gelitten, so dafs das Werk recht tief zu stellen ist, worin Herr
Krüger dem Redner beipflichtet.
Herr Roediger machte auf die neue graphologische Zeitschrift
'Die Handschrift' aufmerksam, besonders auf den darin enthaltenen
Aufsatz 'Shakspere oder Bacon?'.
Herr Zupitza spricht über das englische Dialekt- Wörterbuch,
das, wenn sich 1000 Abonnenten melden, vom nächsten Jahre an
erscheinen soll. Jährlich sollen zwei Lieferungen von je 144 Seiten
gr. 4 fertig werden, die die Abonnenten für ihren Jahresbeitrag von
I Guinea erhalten, während Nichtabonnenten 15 sh. für die Liefe-
rung zahlen müssen. Die erste Lieferung soll im Juni 1896 aus-
gegeben werden und dann immer nach einem halben Jahre eine wei-
tere folgen. Li etwa acht Jahren soll das ganze Werk vollendet
vorliegen. Es soll nach Möglichkeit alle Dialektwörter enthalten,
die noch gegenwärtig im Gebrauch sind oder zu irgend einer Zeit
während der letzten zwei Jahrhunderte im Gebrauch gewesen sind.
Dialektische Bedeutungen von Wörtern, die auch die Schriftsprache
kennt, werden gleichfalls verzeichnet werden. Für jedes Wort wird
das Verbreitungsgebiet unter Anführung von Belegen, die Aussprache
und die Etymologie angegeben sein. Die VortrefFlichkeit der Ar-
beit wird durch den Namen des Herausgebers, Dr. Joseph Wright,
Deputy Professor of Gomparative Philology in the Univcrsity of Ox-
ford, des Verfassers der allgemein anerkannten Grammar of the Dia-
lect of Windhill, in the West Riding of Yorkshire (1892), verbürgt.
Meldungen zum Abonnement sind an seine Adresse, 6 Norham Road,
Oxford, zu richten.
Sitzung am 14. Mai 1895.
Herr Kabis ch sprach über Aristide Bruant als den letzten,
beliebtesten und bedeutendsten Vertreter der Pariser Tageslyrik,
auf die sich die früheren Vorträge (s. darüber Archiv XC, 160 und
XCI, 70) bezogen. Seine Lieder, veröffentlicht in einem Bande Dans
la rue im Selbstverlage des Verfassers, Paris, Boulevard Roche-
chouart 84, sind durchweg lyrisch und, mit wenigen Ausnahmen, die
der Verfasser selbst als Monologues bezeichnet, mit Melodien ver-
sehen, deren populärer Ton überraschen würde, wenn der Dichter
nicht selbst eingestanden hätte, dafs er alte französische Volksmelo-
dien benutzt habe. Die Sprache ist durchaus Argot und selbst für
Franzosen oft unverständlich, da der Argot nicht der allgemeine
Pariser, sondern, dem Inhalt jedes Gedichts entsprechend, derjenige
für das Studium der neuereu Sprachen. 439
der darin sprechenden Personen ist. Dennoch reichen zum Ver-
ständnis unsere deutschen lexikalischen Hilfsmittel, bis auf wenige
Fälle, vollkommen aus. Die Kenntnis dieser Sprache ist demjenigen,
der in Paris auch andere Kreise als die der Gebildeten will franzö-
sisch sprechen hören und verstehen, dringend zu empfehlen; und sie
ist nicht so schwer zu erwerben. Der Stoff der Aristide Bruantschen
Lyrik liegt freilich, den Kreisen entsprechend, für welche (man kann
fast sagen, in welchen) sie entsteht, auf einem äufserst tiefen Niveau;
doch wird der vorurteilsfreie Leser oft erstaunt sein über die feine
Beobachtungsgabe des Dichters und die oft geradezu künstlerische
Ausgestaltung der Gedanken in diesen Liedern. Die Kreise, in
denen sie ihren Stoff finden, verehren diese Lieder und kennen sie
fast alle auswendig: man braucht nur den Refrain eines Liedes zu
nennen, so singen sie es mit ungeheurer Begeisterung. Die Form
der Lieder entspricht allen billigen Anforderungen an eine volkstüm-
liche, fürs Singen gedichtete Lyrik. In seinem Heim, dem 'Mirli-
ton', Boulevard Rochechouart 84, den Dichter selbst aufzusuchen
und kennen zu lernen, ist höchst interessant; sein Autogramm giebt
er gern — für 50 c.
Herr Zupitza machte einige kleine Mitteilungen. 1. Archiv
XCI, 207 ff. hat er aus einer Hs. zu Durham ein prosaisches Leben
der heiligen Maria Magdalena veröffentlicht, von dem er zeigte, dafs
es unzweifelhaft auf die Legenda aurea des Jacobus a Voragine, und
zwar wahrscheinlich durch Vermittelung einer französischen Über-
setzung zurückginge. Im August 1894 hat er sich nun durch Ver-
gleichung der Oxforder Hs. Douce 372 (Fol. 73 v^' Mitte ff.) über-
zeugt, dafs jene Legende aus der in dieser und anderen Hss. ent-
haltenen me. Übersetzung von Jean de Vignays französischer Be-
arbeitung der Legenda aurea (vgl. Horstmann, Altenglische Legenden.
Neue Folge. CXXX ff.) stammt. Dann scheint ihm aber Horstmanns
Ansicht (a. a. O. CXXXV ff.), dafs Caxtons Ausgabe der Legenda
aurea auf der in jenen Hss. überlieferten Übersetzung beruhe, noch-
maliger Prüfung bedürftig. — 2. Von Lydgates Erzählung von den
zwei Kaufleuten (s. zuletzt Archiv XC, 241) sind dem Vortragenden
jetzt sechs Aufzeichnungen bekannt: A = Addit. 34 360 im Br. M.,
C = Hh. 4. 12 in der Universitätsbibliothek zu Cambridge, H ^
Harley 2251 im Br. M., h r=r Harley 2255, L = Lansdawne 699
im Br. M., R ^=z Rawlinson F 32 in Oxford. Diese sechs Hss. zer-
fallen in zwei voneinander unabhängige Gruppen von je drei Hss.
Innerhalb der einen Gruppe sind AH miteinander näher verwandt,
als mit C, und ähnlich gehen in der anderen hL auf eine gemein-
same Quelle zurück, aus der R nicht stammt. Die verhältnismäfsig
besten Lesarten bietet h, dessen Fehler aus L und R meist sicher zu
bessern sind. Innerhalb der anderen Gruppe ist C am wenigsten
verderbt. — 3. Im Jahre 1863 hat Collier in den nicht in den Buch-
440 Sitzungen der Berliner Gesellschaft etc.
handel gekommenen Illusirations of Early Populär Literature 1, Nr. 3
nach einem 1569 — 1575 gesetzten Druck by John Ällde, for John
Harison ein wohl noch aus dem 1 5. Jahrhundert stammendes, in der
siebenzeiligen Strophe Chaucers abgefafstes Gedicht, The History of
Jacob and his Twelue Sonyies, herausgegeben. Der Vortragende kennt
das Gedicht, von dein er eine kritische Ausgabe beabsichtigt, bisher
aufserdem aus dem Drucke Wynkyn de Wordes, von dem sich, soviel
man weifs, nur ein Exemplar erhalten hat, das sich in der Cam-
bridger Universitätsbibliothek befindet, und aus dem Drucke von
John Skot (alias Scott), von dem das Br. M. ein Exemplar besitzt.
Diese drei alten Drucke sind unabhängig voneinander. Von einem
Fragmente in der Bibliothek zu Lambeth vermutet Collier, dafs es
einem Exemplar der Ausgabe von Wally angehört habe: nach den
von Maitland {List of some of the Early P7'inted Books in the Ärchi-
episcopal Library at Lambeth, 1843, S. 320 f.) gegebenen Proben
steht das Fragment Skots Druck nahe: der Vortragende hält es
sogar für möglich, dafs sich bei Maitland einige Ungenauigkeiten in
die Proben eingeschlichen haben und das Fragment zu Lambeth
aus einem Exemplar von Skots Ausgabe stammt. Das Gedicht steht
in formeller Hinsicht nicht besonders hoch, es ist aber interessant
wegen der vielen selbständigen Züge, die es besonders in die Ge-
schichte Josephs hineingebracht hat, trotz der wiederholten Berufung
auf die Bibel und trotz der in der letzten (1 1 6.) Strophe ausgesproche-
nen Versicherung : Do not thynke, that it is contryued of ony fable ;
For it is the very bible in dede, Wherin our fayth is grounded füll
stähle. So trägt Joseph seinen Brüdern das Mittagbrot auf das Feld.
Nicht Potiphars Frau, sondern die Königin von Ägypten verliebt
sich in Joseph. Ferner lockt dieser seine Brüder dadurch nach
Ägypten, dafs er viel Spreu aufs Wasser wirft, die der Wind nach
Israel treibt. Da sie nun kommen, um Getreide zu kaufen, begegnen
sie einem Harfenspieler, der auf seinen Wanderungen auch nach
Israel gekommen und den Fremden einen Ring für Josephs Pförtner
giebt, damit er sich ihrer annehme. Mit Jacob kommt dann auch
Rachel, die nach der Bibel längst tot ist, nach Ägypten. Da sich
Joseph das erste Mal mit seinen Eltern zu Tische setzen will und
nach Wasser ruft, will ihm Jacob das Waschbecken und Rachel das
Handtuch halten.
Herr Dr. Fritz Strohmeyer wird zur Aufnahme vorgeschlagen.
Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Deutsches Geistesleben. Vorträge von Rudolf Thimm. Heraus-
gegeben von seiner Witwe. Mit einer biographischen Ein-
leitung von J. H. Zweite Auflage. Berlin, Leonhard Simion,
1894. 209 S. 8.
Das binnen ganz kurzer Zeit in zwei Auflagen verbreitete Buch soll
hier hauptsächlich wegen seines im Titel nicht verratenen, reichen germa-
nistischen und litterarhistorischen Inhalts zur Anzeige kommen. Jedoch
verdient es ohnehin, allen Freunden unserer Wissenschaft angelegentlich
empfohlen zu werden. Denn den Verfasser, einen am 9. Dezember 1893 zu
Tilsit verstorbenen Gymnasialprofessor (geb. 1845), zeichnete eine innige
Liebe für Beobachtung und Wiedergabe alles echt Volkstümlichen, nament-
lich soweit es litterarisch in Erscheinung tritt, aus, und von dieser Wärme
ist, unbeschadet der Auffassung und philologischen Treue, ein gut Teil
auf seine bezüglichen, meist für den Vortrag niedergeschriebenen Abhand-
lungen übergegangen. Sieben davon bietet der gefällige Band, den ein
Porträt des verblichenen Verfassers und ein von Freundeshand entworfe-
nes Lebensbild schmücken, dar: Das Epos der Germanen und sein Stab-
reim; Die Poesie der Fahrenden; Die öffentlichen Vergnügungen im
Mittelalter; Hans Sachs; Über Sprache, Naturlaute und Gebärden-
sprache; Bürgers Lenore und ihr Verhältnis zur deutschen Volkssage;
Die Brüder Grimm. Schon in den Themen spürt man den Einflufs Oskar
Schades, über dessen Königsberger Universitätsvorlesungen es S. 5 heifst:
'Die Anregung, welche sie ihm gaben, wirkte für sein ganzes Leben nach.'
Abgesehen von dem feinen Verständnisse für die verschiedensten littera-
rischen Aufserungen der Volksseele und der anmutenden Darstellung,
wird man von mancher einzelnen Mitteilung, die der gründlich belesene
und urteilsfähige Mann einflicht, gefesselt, auch wo man besonderer Sach-
kenner ist. Keich an höchst originellen Angaben ist in erster Linie der
Aufsatz über Ursprung und Wesen der Sprache mit Rücksicht auf die
Mimik, der eine ebenso saubere Forschungsmethode für die psychologische
wie für die ästhetische Seite des sprachlichen Lebens bekundet. Einen
hübschen klaren Überblick liefert derjenige über den Lenorenstoff' auf
442 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
deutschem Boden, wo Thimm sieh wohlweislich mit dem selbst begrenzten
Gebiete bescheidet. Was es hier mit einer allseitigen Rücksichtnahme
auf die Varianten und Parallelen auf sich hat, kann Referent, mit einer
Sammlung des gesamten Materials beschäftigt (s. seine Anfrage Ztschr. des
Vereins f. Volkskunde IV, 218; Am Urquell V, 128), zur Genüge bemessen.
Man überfliege nur die lange Reihe der weiteren Beiträge, die Schisch-
mänow jetzt in Brugmanns und Streitbergs 'Indogerman. Forschungen'
IV, 412 ff. verzeichnet hat. Thimm hat zuerst wieder einmal an den
klassischen Typus der dichterischen Gestaltung des vielgewanderten Pro-
blems angeknüpft, während die Bürger-Forscher in der Regel sich mit
ein paar Andeutungen begnügen. Die Abhandlung über die Bedeutung
der altgermanischen Allitteration zeugt von schönem Einblick in diese
Frage, der ohne metrische Specialstudien so schwer beizukommen ist,
räumt aber Wilhelm Jordans 'Reform' theoretisch wie praktisch einen zu
hohen Rang ein. Da spricht eben Thimms aufserordentliche Begeiste-
rungsfähigkeit ein kräftig Wörtlein mit, deren Walten man auch in den
übrigen Nummern, sei es nun dafs er poetische und sociale Kultur der
Vergangenheit erläutert oder in die Eigentümlichkeit Hans Sachsens und
der Brüder Grimm einführen will, nachdrücklich vermerkt. Dies soll bei-
leibe kein Tadel sein, vielmehr rechnen wir es angesichts des leider so
vielfach äufserlichen Betriebs der philologischen Studien einem Fachge-
nossen zum wahren Verdienst an, wenn er Gefühl mitbringt und in die
Darlegung verpflanzt, wie Thimm. Man versteht wohl die Betrübnis, die
neuerdings in den 'Mitteilungen der litauischen literarischen Gesellschaft'
Heft 19 (IV, 1), S. 89, und Heft 20 (IV, 2), S. 190 über den Verlust
ihres wirksamen Mitgliedes Thimm seitens dieses Vereins kundgegeben
wurde.
München. Ludwig Fränkel.
Of Royall Educacion. A Fragmentary Treatise by Daniel Defoe.
Edited for the First Time, with iDtrodiictioii, Notes, and
Index, by Karl D. Bülbring, M. A., Ph. D., Professor of
the English Langiiage and Literature in the University of
Groningen, Netherlands. London, David Nutt, 1895. XIX,
72 S. 8.
Defoes Autograph des Bruchstückes Of Royall Edueacion ist jetzt mit
seinem Autograph des Compleat Oentleman (vgl. Archiv LXXXV, 325')
zusammengebunden, aber es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs wir
es mit zwei gesonderten Werken zu thun haben (vgl. Bülbring in der
Academy 1894 II, 280 f.). Die Abhandlung Of Royall Educacion liegt
nur zu einem geringen Teile vor; denn nicht einmal die historische Ein-
' Ich habe a. a. O. gefragt, ob Defoe an einer Stelle vielleicht Itinerat
statt Jlinerary geschrieben liabe. Es liegt hier in der That ein Versehen Defoes,
nicht der Ausgabe vor. S. Of Royall Educacion S. XVIII f.
Beurteiluugen und kurze Anzeigen. 443
leitung ist vollständig, die zeigen soll, wie sich an den englischen Königen
von Wilhelm dem Eroberer an erkennen lasse, ob sie eine gute oder eine
schlechte Erziehung genossen haben. Den Stoff hierzu hat Defoe meist
landläufigen Geschichtswerken seiner Zeit entlehnt, wie der Herausgeber
in den Anmerkungen nachweist. Dafs es eine Flunkerei ist, wenn Defoe
behauptet, er habe seine Abhandlung noch vor der Thronbesteigung der
Königin Anna, als der Herzog von Gloucester (f 1699) noch lebte, für
diesen geschrieben, dafs sie vielmehr 1727 — 29 zu setzen ist, beweist Bül-
bring S. IX. Beim Drucke des Textes hat der Herausgeber dieselben
Grundsätze befolgt, wie beim Compleat Gentleman. Zu Defoes Ruhme
wird dies spät bekannt werdende Werk nicht viel beitragen. J. Z.
The Ralstons. By F. Marion Crawford. Leipzig, Bernhard Tauch-
nitz, 1895 (Collection of British Authors, Vols. 3047 and
3048). 288 und 287 S. kl. 8. M. 3,20.
Es ist dies die Fortsetzung des im Archiv XCIII, 354 besprochenen
Romans Katharine Lauderdale, die Fortsetzung, aber noch nicht der Schlufs;
denn II, 287 heifst es : More remains to he told of Katharine and of the
men and women among whom she lived; namcly, the consequences of her
(jirlhood in her married life. In den vorliegenden beiden Bänden wird
hauptsächlich von dem Tode des achtzigfachen Millionärs Robert Lauder-
dale gehandelt und von der Umstofsung seines Testaments, infolge deren
sein Vermögen zu gleichen Teilen an Katharines Grofsvater und an
ihres heimlichen Gatten Mutter fallen soll. Jack Ralston ist jetzt Katha-
rines Vater als Schwiegersohn ganz recht, und er ist durchaus nicht un-
gehalten, da die heimliche Ehe herauskommt. Ich bin jetzt erst recht der
Ansicht, dafs der Verfasser die Geschichte des 'Stammes' Lauderdale in
einem einzigen Werke hätte erzählen sollen, das bei Vermeidung aller
überflüssigen Breite keinen allzu grofsen Umfang angenommen hätte: die
von ihm beliebte Verteilung auf mehrere Werke macht natürlich Wieder-
holungen unvermeidlich. J. Z.
A Victira of Good Luck. A Novel. By W. E. Norris. Leipzig,
Bernhard Tauchnitz, 1895 (Coli, of British Authors, Vol. 3049).
287 S. kl. 8. M. 1,60.
Da der excentrische Mr. Samuel Trevor stirbt, wird nicht, wie man
erwartet, sein nächster männlicher Verwandter, Horace Trevor, der Erbe
von Broxham Hall in Norfolk, sondern vielmehr Veronica Dimsdale,
trotzdem sich der Erblasser früher um sie nie gekümmert, weil er es
ihren Eltern (ihre Mutter war seine Schwester) nie verzeihen konnte, dafs
sie katholisch geworden waren. Für Veronica ist die Erbschaft nur eine
Last, allzumal sie, wie alle Welt, der Ansicht ist, dafs sie Horace. hätte
zufallen sollen. Sie will sie ihm abtreten, doch darauf geht er natürlich
nicht ein. Da er sich aber in sie verliebt, bietet sich so eine andere Mög-
444 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
lichkeit, ihn zum Herrn von Broxham Hall zu machen, und so verlobt
sie sich mit üim. Allein, da seine und ihre Neigungen zu verschieden-
artig sind (er ist der geborene country gentleman, sie aber versucht sich so-
gar als Dichterin), fürchtet sie, da sie ihn nicht zu lieben glaubt, mit
ihm keine glückliche Ehe führen zu können, und so löst sie ihre Ver-
lobung wieder auf. Ein erneutes Angebot der Erbschaft weist Horace
abermals zurück, ein Vetter Veronicas, Joe Dimsdale, aber, der ihr dann
die Last abnehmen soll, geht scheinbar auf ihre Absicht ein, indessen
nur, um sie mit Horace wieder zusammenzubringen, was denn auch zu
einer abermaligen, diesmal endgültigen Verlobung führt, da Veronica sich
endlich überzeugt, dafs ihr Herz Horace gehört. — Der Roman ist etwas
arm an Handlung, aber die Erzählungskunst des Verfassers (s. zuletzt
Archiv XCIII, 192 f.) verläugnet sich auch hier nicht. J. Z.
Beside the Bonnie Brier Bush. By lan Maclaren. Leipzig, Bern-
hard Tauchnitz, 1895 (Collection of British Authors, Vol.
3050). 286 S. kl. 8. M. 1,60.
Dieses lesenswerte Buch eines mir bisher vollständig unbekannten Ver-
fassers enthält 7 Skizzen aus dem Leben eines Drumtochty genannten Dorfes
in Perthshire. Religiöse Momente spielen eine bedeutende Rolle. Die Dia-
loge sind fast ausschliefslich im Dialekt gehalten. Hervorgehoben mögen
werden Nr. 1 Domsie und Nr. 7 A Doctor of the Old Sehool. Domsie ist
die Bezeichnung für den allgemein geliebten Dominic des Dorfes, Patrick.
Jamieson, der seinen Stolz darein setzt, seine besten Schüler für die Uni-
versität vorzubereiten. Doch ist nicht er die Hauptperson der Erzäh-
lung, sondern sein Liebling George Howe, der nach glänzend abgeschlosse-
nem Studium im Alter von 21 Jahren im Hause seiner Eltern stirbt.
Nicht minder beliebt, als der Schulmeister, ist der Doktor von Drum-
tochty, William MacLure, dessen aufopferndes Wirken und rührendes
Ende den Inhalt von Nr. 7 bilden. J. Z.
Highland Cousins. A Novel. By William Black. Leipzig, Bern-
hard Tauchnitz, 1895 (Collection of British Authors, Vols.
3051 and 3052). 302 und 302 S. kl. 8. M. 3,20.
Barbara Maclean kommt nach dem Tode ihres Vaters vom 'Rande
der Welt', d. h. von einer der äufseren Hebriden, zu ihrer Tante Mrs.
Maclean, die in der Hauptstrafse der kleinen Seestadt Duntroone (nach
der Beschreibung müssen wir wohl Oban darunter verstehen) einen Tabaks-
laden hat. Ein Neffe ihrer Tante, der Lehrer Allan Henderson, verliebt
sich sofort in Barbaras schöne Larve, und diese geruht auch seine Frau
zu werden, da der von ihr in erster Reihe in Aussicht genommene Kas-
sierer eines Dampfschiffes, Mr. Ogilvie, wohl bereit ist, ihr die Cour zu
machen, aber nicht daran denkt, sie zu heiraten. Kurze Zeit nach der
Trauung wird aber Barbara bei einem Ladendiebstahl, zu dem sie ihre
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 445
Putzsucht verführt, ertappt und zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
Ehe sie ihre Strafe in Glasgow abgebüfst hat, stirbt sie, und einige Zeit
später sieht Allan endlich ein, dafs die Tochter der Mrs. Maclean, Jess, die
ihn längst liebt, die richtige Frau für ihn ist. — Der Verfasser (s. zuletzt
Archiv XCII, 438 f.) befindet sich wieder auf dem Boden seiner Heimat
und hat ein durchaus lesenswertes Werk geschaffen, wenn auch einzelnes
darin nur in einem rein äufseriichen Zusammenhange mit dem Thema
steht und etwas zu breit ausgesponnen ist, wie z. B. die erfolglose Cour-
macherei und die Golfspielerei des Mr. Mc Fadyen, die Kückfälle des
Temperenzlers Lauchlie in das Laster des Trunks und die Streiche des
blödsinnigen Niall. Die gelungenste Partie scheint mir der Anfang, die
Schilderung, wie Barbara zum Schiff gebracht wird, und wie dieses dann
auf einen Felsen auffährt. J. Z.
The God in the Car. By Anthony Hope. Leipzig, Bernhard
Tauchnitz, 1895 (Collection of British Authors, Vol. 3053).
288 S. kl. 8. M. 1,60.
Hope macht leider in der Annäherung an die französischen Roman-
schriftsteller immer weiter Fortschritte. Wenn in seinem zuletzt hier be-
sprochenen Werke The Bidiscretion of the Duchess (s. Archiv XCIV, 456 f.)
die Ehebruchsabsichten des Herzogs von Saint -Maclou nur bei der
Mutter der von ihm begehrten Sängerin Marie Delhasse Unterstützung
fanden und zu keinem Ziele führten, sind in dem vorliegenden Willie
Ruston und Mrs. Dennison vollständig einig, und, dafs Harry Dennison
nicht im gröbsten Sinne ein betrogener Ehemann wird, verhindert nur
die Schlaflosigkeit der ebenfalls in Ruston verliebten Marjory Valentine.
Der Titel geht auf Ruston, von dem Adela Ferrars (S. 26) sagt: He's a
Juggernaut. If you're in the way, he just icalks over you — and sometimes
ichen you're not: foi' fun, I suppose. Der Verfasser giebt sich freilich keine
allzu grofse Mühe, um dies Urteil zu rechtfertigen. Denn, dafs Ruston
schlielslich Mrs. Dennison Mrs. Dennison sein läfst, um sich seine ehr-
geizigen Pläne in Afrika nicht durchkreuzen zu lassen, hat doch auch
seine gute Seite. Und, dafs der jugendliche Sir Walter Valentine, der
ihn aus freien Stücken nach 'Omofaga' begleitet, hier am Fieber stirbt,
ist wohl etwas, was er selbst bedauert, aber doch nichts, was ihn einem
vorurteilsfreien Beurteiler als einen Juggernaut erscheinen lassen konnte.
J. Z.
The Honour of Savelli. A Romance. By S. Levett Yeats. Leip-
zig, Bernhard Tauchnitz, 1895 (Collection of British Authors,
Vol. 3054). 335 S. kl. 8. M. 1,60.
Der mir bisher ganz unbekannte Verfasser nennt in der Vorrede
Dumas als das Muster, das ihm vorgeschwebt, und bedauert, dafs er, ehe
er sein Werk schrieb, nicht mit Weymans Ä Gentleman of France be-
kannt war, weil sonst tlie style of the present book would doubtless have been
446 BeurteiluDgen und kurze Anzeigen.
much improved from the lessons taught by a wtaster-hand. Aber auch so
schon zeigt The Honour of Savelli eine grofse Ähnlichkeit mit Weymans
Erzählungen (s. zuletzt Archiv XCIV, 386), nur dafs es mir bei Yeats
noch viel schwerer geworden ist, als bei "Weyman, die Zweifel an der
Wahrscheinlichkeit, ja Möglichkeit der vielen Abenteuer, die den Leser
in beständiger Aufregung erhalten, zu unterdrücken. The Honour of
Savelli spielt in Italien am Anfang des 16. Jhdts. Der einer verarmten
italienischen Adelsfamilie entsprossene Ugo di Savelli wird, trotzdem er
einst Karl VIII. von Frankreich das Leben gerettet, unter Ludwig XII.
infolge einer von einem Waffen gefährten aus Eifersucht angezettelten In-
trigue als angeblicher Dieb mit Schimpf und Schande aus dem französi-
schen Heere gestofsen, erweist aber bald darauf in Florenz Machiavelli
einen Dienst, und dieser schickt ihn mit einer geheimen Botschaft nach
Rom zu dem Kardinal D'Amboise, in dessen Auftrag er eine für die Geg-
ner Frankreichs bestimmte bedeutende Geldsumme abfängt, nachdem er
vorher Machiavellis entführte Nichte Angiola Castellani aus der Ge-
fangenschaft befreit. Er wird nun zum Grafen gemacht und wieder mit
Ehren ins Heer aufgenommen. Er kann ohne Gewissensbisse Angiola
heiraten, da Madame D'Etrungues, mit der er ein rein platonisches Ver-
hältnis gehabt, ihr Leben geopfert hat, um das seinige zu retten, als sie
ihn auf seiner gefährlichen Unternehmung, was ihm erst ganz spät klar
wurde, in Männerkleidung als Chevalier St. Armande unter dem Schutze
eines Familien - Kaplans begleitete. — In stilistischer Hinsicht ist mir
mancherlei aufgefallen, z. B. S. 26 The room in tchich I ivas confmed ivas
bare of all furniture, ?iot eve?i a campstool (hier sind zwei Konstruktionen
in unzulässiger Weise verschmolzen). Vor allem kommt häufig will vor,
wo die Grammatik shall verlangt; vgl. S. 61 /... found I would be
compelled to climb down very nearly a hundred feet; S. 208 If it goes mi
like this, . . . we will have to drag the Tiber för his body; S. 245 If I
eould not do what I wanted with two men, I would not be able to effect it
with six or a doxen u. s. w. Excelsior als Adverb (S. 220) scheint seit
Longfellows bekanntem Gedicht unausrottbar. J. Z.
The Woman who did. ßy Graut Allen. Leipzig, Berühard
Tauchnitz, 1895 (Collectioii of British Authors, Vol. 3055).
269 S. kl. 8. M. 1,60.
Da Herminia Barton, die Tochter des Dean von Dunwich, etwa sechzehn
Jahre alt ist, macht eine Predigt ihres Vaters über Joh. VIII, 32 solchen
Eindruck auf sie, dafs sie den Entschlufs fafst, in allem die Wahrheit zu
suchen und sich durch sie frei zu machen. Sie bestimmt ihren Vater,
sie in das Girton College bei Cambridge zu schicken, und hier geht ihr,
halb durch Zufall (das Nähere erfährt der Leser nicht), die Wahrheit
auf, worauf sie ihre sie nicht befriedigenden akademischen Studien ab-
bricht und in London, vom Vater unabhängig, als Lehrerin lebt. Da sie
nun einmal ihre Sommerferien in Surrey zubringt, macht sie die Bekannt-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 447
Schaft des Juristen Alan Merrick, und die beiden lieben einander bald.
Allein, da Alan ihr einen regelrechten Heiratsantrag macht, erwidert sie,
dafs sie nie seine Frau werden könne; denn die Wahrheit, die sie ge-
funden, besteht in der Überzeugung, dafs die Ehe das gröfste Übel auf
Erden und sie selbst berufen sei, ihrem Geschlecht mit dem leuchtenden
Beispiel der freien Liebe, nicht aus Not, sondern aus reiner Wahl, vor-
anzugehen. Vergeblich sucht Alan ihr das auszureden, und er geht schliefs-
lich auf ihren Vorschlag ein, wobei für ihn namentlich der Umstand be-
stimmend ist, dafs Herminia sonst, um ihrer 'Wahrheit' nachzuleben, sich
zum Gehilfen im Kampf für die Befreiung des weiblichen Geschlechts
leicht einen Manu wählen könnte, der au ihr zum Schurken wurde. Aber
Herminia lebt nun nicht etwa mit Alan zusammen, sondern er besucht
sie nur regelmäfsig in ihrer alten Wohnung, und sie behält auch ihre
Lehrerin neu stelle bei, bis ihr Zustand, wenn auch nicht ihr selbst, so
doch wenigstens Alan, deren Aufgabe rätlich erscheinen läfst. Alan
reist nun mit ihr nach Italien. In Florenz trinkt er schlechtes W^asser
und stirbt infolgedessen einige Wochen später in Perugia am Typhus.
Bald darauf wird ihre Tochter Dolores geboren, die dann die Mutter in
London erzieht, damit sie den Kampf, den sie selbst wegen des frühen
Todes Alans aufgeben mufste, dereinst fortsetze. Schriftstellerische Ar-
beiten verschaffen ihr ein kärgliches Einkommen, Alans und ihre eigenen
Verwandten wollen von ihr nichts wissen. Noch einmal wirbt ein Mann
um sie, der Socialist Harvey Kynaston; sie will ihm aber nur unter den-
selben Bedingungen angehören, wie Alan, und diese lehnt er ab. Sie ist
enttäuscht, da er sich mit einer anderen verheiratet. Einen unvergleich-
lich grölseren Schmerz fügt ihr aber ihre Tochter zu. Sie hegt durchaus
alle die Anschauungen, die ihre Mutter als barbarisch verabscheut, und
ist, da sie sich siebzehnjährig mit einem Squire verlobt, geradezu empört,
als sie von ihrer aufserehelichen Geburt hört: solange die Mutter lebe,
erklärt sie nicht die Frau eines ehrlichen Mannes werden zu können.
Herminia vergiftet sich nun, um dem Glücke ihrer Tochter nicht im Wege
zu stehen.
Wer blofs die obige Inhaltsangabe liest, könnte meinen, dafs der Ver-
fasser (vgl. Archiv LXXXIX, 432) ähnlich, wie F. Frankfort Moore in
/ forbid the Banns (vgl. Archiv XCI, 94), die Verkehrtheit des Dogmas
der freien Liebe darthun wollte. Aber der Verfasser läfst darüber keinen
Zweifel, dafs er die Ansichten seiner Heldin teilt, wie denn z. B. sogleich
auf der Eückseite der Widmung zu lesen ist Written at Perugia spring
1893 for the first Urne in my life wholly and solely to satisfy my own
taste and my own conscience. Es ist dann aber unbegreiflich, dafs er eine
Erzählung ersonnen hat, die auf das Schlagendste die Undurchführbarkeit
jener Ansichten unter den nun einmal bestehenden Verhältnissen zeigt.
Auch von dem Hauptgedanken abgesehen, enthält das Buch viel Thörich-
tes. Zur Erklärung des Titels dient eine kurze Einleitung: "But surely
no uowan icoiild ever dare to do so," said my friend. — "I knew a wo-
mxm who did," said I, "and this is her story." J. Z.
448 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
A Question of Colour and other Stories. By F. C. Philips.
Leipzig, Bernhard Tauchnitz, 1895 (Collection of British
Authors, Vol. 3056). 270 S. kl. 8. M. 1,60.
Diese neue Sammlung von kleinen Erzählungen des Verfassers (vgl.
über ihn zuletzt oben S. 195) zeigt mit den früheren eine grofse Fami-
lien-Ähnlichkeit: auch in ihr sind die Helden vielfach Juristen, die Hel-
dinnen häufig Schauspielerinnen (vgl. Archiv XCIV, 337). Aber auch an
tieferen Beziehungen fehlt es nicht. Die erste und bei weitem längste
Geschichte, Ä Question of Colour, ist eine Erweiterung von Black and
White (s. Archiv XCI, 90); die Art, wie in Ä- Woman of Reputation die
Schauspielerin Myra Capel ihren Mann, der gern von ihrem Verdienst
leben möchte, zwingt, sich von ihr scheiden zu lassen, damit sie den
Schauspieler Eames heiraten kann, erinnert an einen ähnlichen Vorgang
in One never Knows (s. Archiv XCI, 441) u. s. w. Alle Nummern sind
gut erzählt, aber keine hinterläfst einen dauernden Eindruck. J. Z.
Kensington Palace in the Däys of Queen Mary II. A Story.
By Emma MarshaU. Bernhard Tauchnitz, 1895 (Collection
of British Authors, Vol. 3057). 286 kl. 8. M. 1,60.
Der Titel läfst keinen Zweifel darüber, dafs wir es wieder mit einer
Erzählung in der gewöhnlichen Art der Verfasserin (s. zuletzt Archiv
XCIII, 183 f.) zu thun haben. Die historische Staffage erscheint ihr so
wichtig, dafs sie in der Einleitung S. 6 die dazu verwendeten Persönlich-
keiten als the Chief personages bezeichnet (The characters ichich Surround the
Chief personages in this story are wholly imaginary), während sich ihre Er-
zählung doch hauptsächlich um die Familie des Sir Kedvers Brooke auf
Valley Manor in Somersetshire dreht, in der sie die Kevolution vom
Jahre 1688 ähnliche Gegensätze schaffen lälst, wie in Under Salisbury
Spire (s. Archiv LXXXV, 327 f.) und Winchester Meads (s. Archiv
LXXXVII, 314 f.) den Puritanismus. Die eigentliche Heldin ist Sir
Redvers' jüngste Tochter Margery; nach dem Tode ihres Vaters findet
sie eine Stelle im Hofstaate der Königin, rettet diese bei einer Feuers-
brunst vor dem Tode, wird aber trotzdem auf den ausdrücklichen Wunsch
des Königs entlassen, da ihr Bruder Geoffrey wegen Beteiligung an jako-
bitischen Umtrieben verhaftet wird; doch die Königin sorgt selbst dafür,
dafs der doppelt so alte Jurist Charles Rodney endlich seine Scheu über-
windet, um Margery anhält und sie zur glücklichsten Frau und Mutter
macht. Nicht so gut fährt die zweite Tochter Isabell, die einen Mann
heiratet, vor dem ihr Vater sie ausdrücklich gewarnt hat. Die älteste
Tochter ist eine so eifrige Jakobitin, wie ihr Bruder Geoffrey und ihre
Grofsmutter, sie tauscht mit Geoffrey, da sie diesen in Ketten besucht,
die Kleider, und so entrinnt dieser. Da sie durch besondere Gnade der
Königin freigelassen wird, tritt sie in Frankreich zum Katholicismus über.
— Wie sollte der Sonntag Quitiqua^esima im Jahre 1691 (S. 167) oder über-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 4i9
haupt jemals in den April gefallen sein? Auch überrascht es S. 39 und
71 von einem little Blenheim spaniel im Jahre 1690 zu lesen, da die
Blenheim spaniels ihren Namen dem Schlosse Blenheim und dieses den
seinigen der Schlacht bei Blenheim (d. h. Blindheim = Höchstädt) ver-
dankt, die erst im Jahre 1704 stattgefunden hat. Aus Mistress Orawfurd
(z. B. S. 18. 19 u. 26) wird später (z. B. S. 119. 121. 122. 124) Mistress
Crauford. J. Z.
A Study in Prejudices. By George Paston. Leipzig, Bernhard
Tauehnitz, 1895 (Collection of British Authors, Vol. 3058).
272 S. kl. 8. M. 1,60.
Im Frühjahr 1894 ist A Modem Amaxon von George Paston erschienen.
Ich kenne diesen Roman nur aus den Besprechungen im Athenaeum und
in der Academy. Die vorliegende Erzählung beschäftigt sich mit der
jetzt in der Prosadichtung so häufig erörterten Frauen- und Ehefrage
und zwar in einem Sinne, der mir dem in Miss Dixons Story of a Mo-
dem Woman (vgl. Archiv XCIV, 456) vertretenen Standpunkt ziemlich
nahe zu kommen scheint. Der Romanschriftsteller und Dramatiker Miles
Dormer heiratet Cecily Tregarthen, die Tochter eines verstorbenen Offi-
ziers, der seine Familie in sehr dürftigen Verhältnissen zurückgelassen hat.
Sie wird sehr glücklich, bis Dormer durch seine Schwester und andere
eifersüchtig gemacht wird. Da Cecily ihm gestehen mufs, dafs sie, ehe
sie mit ihm verlobt war, von dem Maler Jasper Fleming ein- oder
zweimal geküfst worden ist, trennt er sich von ihr. Sie kommt zufällig
nach Ilfraombe in ein Pensionat, das Dormer für Rhoda Redd einge-
richtet hat, mit der er etwa drei Jahre lang zusammengelebt. Da Ce-
cily hinter diese Sünde ihres von ihr für einen Tugendhelden angesehenen
Gatten kommt, regt sie das so sehr auf, dafs sie ein totes Mädchen zur
Welt bringt und etwa vierzehn Tage darauf stirbt. — Der Titel erklärt
sich aus Stellen, wie die folgende (S. 258): Men, even more than women,
are the creatures of custom, the puppets of prejitdice. Strip him of his
stcathings of conventionality, take away from him the support of public
opinion, and you will find the natural inan but a meagre, shivering little
being. But cover him up with custom, päd him out with prejudice, and he be-
comes quite an imposing personage, with small mercy for the peccadilloes
of the other sex. Der Held scheint mir eine ganz unmögliche Figur.
Ein Versehen ist es, wenn es S. 130 heiTst: Miss Su^an could not resist a
sarcasm at the expense of her envied eider sister. Nach S. 214. 215 u. s. w.
ist doch Susan, nicht Rhoda die ältere Schwester. J. Z.
Tales of Mean Streets. By Arthur Morrison. Leipzig, Bern-
hard Tauehnitz, 1895 (Collection of British Authors, YoL
3059). 279 S. kl. 8. M. 1,60.
Unter dem Titel Tales of Mean Streets hat der mir hier zum ersten-
mal entgegentretende Verfasser hinter einer Introd/uction 13 kleine Er-
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 29
450 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Zählungen aus dem östlichen London vereinigt. Die erste von ihnen ist
auch die längste. Li%erunt (das ist die volkstümliche Aussprache von Elixa
Hunt) hat das Unglück, von den zwei Bewerbern um ihre Hand den bei
weitem schlechteren, den faulen Billy Chope, zu heiraten, der immer
tiefer sinkt und schliefslich seine Frau bei Nacht auf die Strafse jagt,
damit sie da für ihn etwas verdiene. ( You ain't so bleed'n' innocent as all
that!) — In Without Visihle Means wird erzählt, wie der kranke Joey
Clayton, da er während eines Arbeiterausstandes in London mit anderen
nach dem Norden zieht, um da Beschäftigung zu suchen, bestohlen wird
und schliefslich dem Armenhause verfällt. — To Bow Bridge handelt von
einer Pferdebahnfahrt an einem Sonnabend um 11 Uhr nachts von der
High Street in Stratford (Chaucers Stratford atte Bowe), wo zu dieser Zeit
die Wirtshäuser geschlossen werden, bis zu Bow Bridge, wo der Bezirk
anfängt, in dem man seinen Durst noch eine Stunde länger stillen kann.
— Ihat Brüte Simmons wird von seinen bisherigen Nachbarn ein Tischler
genannt, der, nachdem er mehrere Jahre als Musterehemann gegolten,
seine Frau plötzlich verlassen hat: die Welt ahnt nicht, dafs er nur dem für
tot gehaltenen, aber jetzt unerwartet aufgetauchten ersten Gatten seiner
Frau, Mr. Ford, bereitwilligst das Feld geräumt hat, dieser aber, der es
nur auf eine Erpressung abgesehen hatte, und die strenge Herrschaft
seiner Frau sich nicht wiederwünsclite, es vorgezogen hat, durch ein Hinter-
fenster zu verschwinden, da Simmons sie zu ihm hinaufschickte. — In
Behind the Shade verhungern Mutter und Tochter, während sie nach aufsen
hin bis zuletzt den Anstand wahren. — Three Rounds erzählt, wie der
hungernde Neddy Milton zwar den wohlgenährten Fleischer Patsy Beard
im Faustkampf besiegt, aber damit doch seine Lage nicht bessert. — In
In Business erbt der Former Ted Munsey von einem Onkel hundert
Pfund, die nach dem Willen seiner Frau zur Einrichtung eines Geschäfts
verwendet werden, das aber so schlecht geht, dafs, da einige Zahlungen
fällig sind, Munsey heimlich verschwindet. — The Red Gow Group ist eine
Anarchistengeschichte. Alfred Sotcher gewinnt die Stammgäste des Wirts-
hauses Red Cow für die Anarchie, erschrickt aber des Todes, als er er-
fährt, dafs diese während seiner Abwesenheit ihn durch einstimmige ge-
heime Wahl dazu ausersehen haben, eine in der Nähe belegene Gasfabrik
in die Luft zu sprengen. Da er sich weigert, den Auftrag auszuführen, wird
er gebunden in der Nähe des Gasometers mit dem vorbereiteten Spreng-
stoff zurückgelassen und die Zündschnur angesteckt. Indessen es giebt
nur einen unbedeutenden Knall: die Polizei glaubt, dafs sich Strafsen-
jungen mit Sotcher in seiner Trunkenheit einen Spafs erlaubt haben, und
er wird zu fünf Schilling Strafe verurteilt und, da er diese nicht besitzt,
acht Tage eingesperrt. — In On the Stairs kann Mrs. Curtis ihren Sohn
nicht blofs mit plumes, sondern auch mit mutes begraben lassen, da sie
hierfür das Geld aufspart, das ihr Dr. Mansell und dann noch einmal
sein Assistent zur Anschaffung von gutem Portwein geben, da sie es
durchaus nötig finden, die Kräfte des Kranken möglichst lange zu er-
halten {Another day may make all the difference). Aber freilich die
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 451
Mutter hat three sperit knocke at the hed-head las' night gehört, und sie
weifs, was das bedeutet. — Squire Napper wird ein Pflasterer genannt,
da er von seinem in Australia gestorbenen Bruder 300 Pfund erbt, die
freilich weit rascher zu Ende gehen, als er sich das träumen liefs. — "J.
Poor Stick" verliert den Verstand, da seine Frau mit einem anderen
durchgeht. — A Conversion erzählt von einem Gauner, an dessen Besse-
rung die in innerer Mission Thätigen niemals verzweifeln, da er jedes-
mal, wenn er abgefafst wird, die unverkennbarste Reue zeigt. Eines
Tages wird er in einem sektiererischen Gebetshause "bekehrt" : doch
hindert ihn das nicht, sofort darauf einer armen lahmen Hökerin ihre Ein-
nahme zu stehlen. — In All that Messuage legt Herr Jack Randall seine
ersparten 30 Pfund an, indem er ein Haus für 220 kauft, und glaubt
nun mit seiner Frau fürs Alter versorgt zu sein. Leider verliert er aber
bald alles und mufs ins Armenhaus.
Diese Geschichten sind alle sehr gut erzählt und wirken trotz des in
ihnen herrschenden Realismus nicht abstofsend. Aber freilich fühlt man
sich nach der Lektüre der ganzen Sammlung in keiner sehr behaglichen
Stimmung. Ich hoffe, dafs der Verfasser uns in Zukunft auch erfreu-
lichere Stoffe vorführen wird. J. Z.
Colonel Norton. A Novel. By Florence Montgomery. Leipzig,
Bernhard Tauchnitz, 1895 (Colleetion of British Authors, Vol.
3060 and 3061). 288 und 279 S. kl. 8. M. 3,20.
Da die reiche Erbin Maud Egerton bei der kranken Mrs. Norton
in Biarritz zu Besuch ist, glaubt deren Mann, she will hecome a hard,
worldly, selßsk woman. Wie grofs ist daher sein Erstaunen, als er acht
oder neun Jahre später, nachdem er inzwischen seine Frau begraben und
dann in der Welt umhergereist, in Maud, die jetzt Lady Manorlands ist,
sein weibliches Ideal verwirklicht findet. Sie schiebt die von ihm ge-
wünschte Aussprache anfangs hinaus, aber schliefslich erfährt er, dafs die
Charakteränderung bei ihr nach der Rückkehr von Biarritz eingetreten
sei, da sie der Schiffskapitän Hardy, dessen Wesen und Worte sogleich
auf sie einen tiefen Eindruck gemacht, unter Aufopferung seines eigenen
Lebens rettet. Hier würde man eigentlich den Schluls erwarten; freilich
würde in diesem Falle der Titel Colonel Norton nicht passen, da dann
Maud die Hauptperson wäre. Die Verfasserin läfst aber Norton sein
weibliches Ideal noch ein zweites Mal verkörpert finden, und zwar in
Ruth Ashley, die dann seine zweite Frau wird, trotzdem ihre Mutter zu-
erst alles thut, um dies zu hindern, da sie an ihm trotz ihres Mannes
(vgl. Time and the Woman von Richard Pryce, Archiv XC, 439) selbst
Gefallen gefunden. Ungeachtet einiger Un Wahrscheinlichkeiten liest sich
der Roman nicht übel. Aufgefallen ist mir der wiederholte Gebrauch von
hardly . . ., than. I, S. 211 Hardly have the little creatures passed safely
through the anxieties of teething and other infantine ailments . . ., than
tivey begin to droop; I, 216 For hardly had she ta/cen off her Walking -things
29*
452 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
and drawn a chair to the flre, than her mother's maid entered. Die Kon-
struktion ist von no sooner . . . than beeinflufst. Wegen zweier anderer
Stellen mit hardly (II, 8 Never a night hardly did they remain at home;
II, 194 / never hardly thought her pretty before) vgl. Archiv LXXXIV,
186, 68. I, 15 ist Mrs. Egerton statt Mrs. Norton, II, 100 transcience statt
transience, II, 172 illusion statt disillusion gedruckt. J. Z.
The Impregnable City. A Romance. By Max Pemberton. Leip-
zig, Bernhard Tauchnitz, 1895 (Collection of British Authors,
Vol. 3062). 287 S. kl. 8. M. 1,60.
Über den Verfasser ist mir nur bekannt, dafs von ihm 1893 The
Iron Pirate erschienen ist, one of the most thrüling books of adventure we
have met with for some time (nach dem Athenseum vom 2. Dezember 189:^)
S. 770 a). Der nämlichen Gattung gehört The Impregnable City an, wenn
es sich auch hier nicht um einen Seeräuber handelt, sondern um einen
österreichisch-polnischen Grafen, der auf einer Insel im südlichen Stillen
Ocean eine Freistatt für politische Verbrecher begründet hat, die zwar
französischen und russischen Schiffen gegenüber sich als uneinnehmbar
erweist, aber doch durch Verrat in die Hände der Gegner gelangt. Die
Erzählung ist einem Londoner Arzt, Irwin Trevena, in den Mund gelegt,
der im Frühjahr 1892 nach der Isle of Lights durch List gebracht wird,
hier Fortune, die achtzehnjährige Tochter des Grafen Andrea Jovano-
witz (so!) heilt, aber nach drei Monaten schleunigst wieder nach London
geschafft wird, da der Graf dahinter kommt, dafs er und Fortune sich
lieben. Aber im Februar des nächsten Jahres sucht Trevena die Insel
mit der Yacht des dem Grafen befreundeten Duc de Marne selbst auf,
um ihn vor der ihm drohenden Gefahr zu warnen, wird jetzt sein
Schwiegersohn, teilt alle Gefahren und entkommt schliefslich mit Frau
und Schwiegervater nach England. Die Erzählung ist sehr spannend,
doch fehlt es ihr nicht an häfslichen Zügen; auch das ihr beigegebene
mystische Element ist in meinen Augen kein Vorzug. In der Sprache ist
mir einiges aufgefallen: so S. 156 How came Priuli at Boulogne...'^
S. 275 What agony man mag suffer and live I knew then for' the first
time. It were as though the weight I held would wrench my arm from
its socket. J. Z.
Schulbibliothek französischer und englischer Prosaschriften aus
der neueren Zeit, herausgeg. von L. Bahlsen und J. Henges-
bach. Abt. 11. 5. Bändchen. Newton by Sir David Brewster.
Im Auszuge und mit Anmerkungen zum Schulgebrauch her-
ausgeg. von Dr. L. Schenck und Dr. L. Bahlsen. Berlin,
R. Gaertners Verlagsbuchhandlung, 1895.
Das Leben Newtons, wie es uns von Sir D. Brewster geschildert ist,
eignet sich gut in Realgymnasien und Realschulen gelesen zu werden.
Beurteilungeil und kurze Anzeigen. 453
Die Werke des schottischen Physikers über denselben Gegenstand Life
of Sir Isaac Neirton und Memoirs of tke Life, Writings, and Discoveries
of Sir Isaac Newton sind beide benutzt, ohne dafs im Text Mangel an
Einheit hervortritt. Da aber ein Auszug geboten wird, so hätte wenig-
stens in den Erläuterungen auf den Inhalt der ausgelassenen Kapitel
aufmerksam gemacht werden sollen. Eine Biographie Newtons ist unvoll-
ständig ohne Charakteristik seiner religiösen Ansichten und seiner eigen-
tümlichen Schriftstellerei nach dieser Richtung hin. Ferner erwartet
jeder, etwas über ihn als Mathematiker zu erfahren. Schülern der oberen
Klassen ist es nicht unbekannt, dafs der binomische Lehrsatz sich an
seinen Namen knüpft, auch haben sie wenigstens schon etwas von Diffe-
rentialrechnung gehört und werden in dieser Hinsicht eine Lücke bemer-
ken, zumal da S. 27 sich eine Anmerkung über fliixions findet.
Es ist eine sehr verständige Kombination gewesen, dafs sich ein Phy-
siker mit einem modernen Philologen zu der Bearbeitung des Werks ver-
einigt hat. Die Anmerkungen des ersteren haben auf mich den Eindruck
der Genauigkeit und Gründlichkeit gemacht. Da aber meine eigenen
Kenntnisse nur eben zum Verständnis, nicht zur Beurteilung ausreichen,
so habe ich das Werk einem Fachmann vorgelegt, und von diesem sind
die physikalischen Anmerkungen als sachgemäfs bezeichnet. Er hat nur
ein paar Kleinigkeiten zu erinnern gehabt ; so ist er mit der Erklärung
der Koluren nicht einverstanden. Ich bemerke noch, dafs in dem mir zu
Gebote stehenden Werke von Littrow, Wunder des Himmels, Kolur als
Maskulinum gebraucht wird. Allerdings spricht für das Femininum das
griechische nl y.ökovooi, sc. yonuimi.
3c r Die philologische Behandlung des Werks vernaag ich nicht in gleichem
Mafse zu loben. Zunächst sind infolge flüchtiger Behandlung mancherlei
Ungenauigkeiten untergelaufen. Der Herausgeber ist bei seiner phone-
tischen Bezeichnung der Aussprache nicht konsequent. Bald hat er die
Silben abgeteilt und Accente gesetzt, bald nicht; bald wird ein (r) nach
langem a (wie in far) hingesetzt, bald diese Andeutung fortgelassen, so
dafs man für Archimedes, Äristarchtis, Hipparckus nebeneinander findet:
ä{r)kimt'dix, cB-ris-tä-kds, ht-pä'{^)k9s, Mppä'kds. Auch die Stelle des
Accents schwankt, neben gre'^xd{^') (grazier) wird der Anfang des Namens
Uraniburg bezeichnet ilre ^'ne . . . Weit schlimmer aber ist es, dafs der
Herausgeber auch noch eine andere Bezeichnung daneben hat, z. B.
sä'tellites, rä'dtus ve'ctor, vo'rtex, pl. vo'rtices. Hier ist die Kürzung o ein
offenbarer Fehler; aufserdem giebt die Setzung des Accents unmittelbar
nach einem kurzen Vokal in ihrer Übertragung auf ein anderes Bezeich-
nungssystem nur Konfusion. Falsch ist ferner die Angabe eines a wie
in all statt wie in ale für die Tonsilbe von Philola'us, auch wird
BouiUaud ohne c? gesprochen. Bei dem Namen Huygens fehlt die An-
gabe, dafs tty den Laut wie in huy hat. Für Ayscough ist nur die auf der
Nebenform Ayseite beruhende Aussprache gegeben, während -ough auch -öf
lauten kann. Brake wird nicht nur, wie angegeben, sondern auch wie
von uns, oder wie deutsches brä gesprochen.
454 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Eine nicht unbedeutende Anzahl der Fufsnoten hätte fortfallen
können, da der Schüler in den kleinsten Wörterbüchern, z. B. in dem
bei Goldschmidt in der Sammlung internationaler Sprachführer7erschiene-
nen von Krummacher, dessen erster Teil 320 Seiten zählt, die angegebene
Bedeutung findet. Ich will nur Beispiele des ersten Bogens wählen:
dial-plate, Zifferblatt; charcoal, Holzkohle; diagram, Figur; index, Zeiger;
winch, Kurbel ; Saracen, Sarazene ; graxier, Viehzüchter ; undershot, unter-
schlächtig; to go astray, sich verirren. Auch hätten Anmerkungen fort-
fallen können, wie zu man-servant, Gegensatz: maid-servant, Dienerin,
Magd ; phenomena, Singular phenomenon ; die, Plural : dice ; as it were =
gleichsam; ke would do hat oft die Bedeutung: er pflegte zu thun.
Am Leben Newtons soll doch nicht Elementargrammatik gelernt werden.
Dagegen fehlen Erklärungen, wie S. 8 von inditing verses; S. 12 eine
Bemerkung über fluid und liquid.
Ich komme nun auf andere Ausstellungen an den Noten unter dem
Text. S. 1 vermisse ich zu den Popeschen Versen, in deren zweitem
stehen sollte: Lei Newton he! die in den Werken sich findende Angabe:
Intended for Sir Isaac Newton in Westminster Abhey. Es kann hinzuge-
fügt werden, dafs eine Tafel über dem Kamin des Zimmers im Hause zu
Woolsthorpe, in dem er geboren wurde, die Worte führt. — Ib. Quart-
mug, Quartkrug, ein Topf, der IVs Liter hält. Vielmehr ein Glaskrug
von 1,13586 Liter. — S. 3. To he boarded at, Kost und Logis haben, in
Pension sein, an und für sich richtig, pafst hier nicht. He tvas boarded.
er wurde in Pension gegeben. — S. 9 wäre zu sagen, die Pieriden führen
ihren Namen von der Landschaft Pieria, nördlich vom Olymp; Pierus-
Berge für Pierus Mons ist hart. — S. 15 sollte statt Wissenschaft ge-
setzt sein Naturwissenschaft. — S. 18. Scholarship ist unglücklich
und ungenügend beschrieben, junior fellow nicht erklärt. Vgl. Hoppe,
Suppl.-Lex. — S. 23. Tennis vom franz. tenex. Sehr fraglich. — S. 34.
Mica, Glimmer. Besser Kaliglimmer, Marienglas oder Frauenglas. Lithion-
glimmer heifst gewöhnlich lepidolite; Magnesiaglimmer, biolite. — S. 38
fehlt die Angabe, dafs phalanx auch anders, mit betontem, langem a ge-
sprochen wird. — S. 39. Heaven im Plural der gewöhnliche Ausdruck
für Firmament. Vielmehr für Sternenhimmel, also als -astronomischer
Ausdruck. — S. 40 vermisse ich eine Anmerkung über Fossombrossa. —
S. 44 Scä'mä {Scandia, Scandinavia) bei den Alten der "Name für das
südliche Schweden (Landschaft Schonen). Warum nicht einfach Schonen,
Landschaft in Südschweden? Scania ist gar kein altklassischer Name.
S. 47. Buchanan. Sprich bük-m'msn. Schottischer Geschichtschreiber
und Dichter. Die Schotten sprechen den Namen allerdings so aus, die
Engländer mit bu- wie in bureau. Jeder wird aus der Anmerkung heraus-
lesen, B. habe Gedichte in schottischer Mundart verfafst. Er war aber
als lateinischer Dichter, überhaupt als Latinist berühmt; auch die History
of Scotland war ursprünglich verfafst als Herum Scoticarum Historia. —
Ib. lAcense hätte einer Erklärung bedurft. — ,S. 50. Der Anm. über
A. D. hätte hinzugesetzt werden sollen: lies after Christ. Sonst hat der
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 455
Herausgeber derartige Winke nicht verschmäht. — S. 82 fehlt eine An-
merkung über decimal point; auffallend ist dessen Stellung (4*48 statt
4 AS). — S. 89. Privy counsellor, wofür auch im Texte cmmcillor stehen
sollte, ist ungenügend erklärt. — S. 00. Exchequer, Finanzkollegium ;
besser Finanzministerium ; chanc, of the exch., Finanzminister. Wünschens-
wert wäre die Rückführung auf echiquier, vom Getäfel des Lokals. — Ib.
Intrinsic value ist nicht thatsächlicher, sondern eigentlicher Wert.
— Ib. Die Werke unsuitahle to a period of war bedürfen einer Erklä-
rung; es war die Zeit der Grand Alliance, und 1697 wurde der Friede
von Ryswick geschlossen. — S. 91 sollte eine Angabe gemacht werden
über he wrote an official report on the coinage. Dies geschah 1727.
Vgl. Lord Mahon, Eist. II, 63. Tauchn. — Drei Zeilen weiter ist
Arhuthnot erwähnt. Dazu ist eine Anmerkung erforderlich, dafs wirklich
der bekannte Schriftsteller John A. gemeint ist (f 1735), der Schüler
müfste etwas über ihn erfahren. — Fünf Zeilen weiter fehlt eine An-
merkung zu Mr. Whistmi. W. Whiston, 1667 — 1752, ist berühmt gewor-
den durch seine 1737 erschienene Übersetzung des Josephus. Vielen Eng-
ländern ist er allerdings jetzt besser bekannt durch die unflätigen Verse
Swifts On the Longittcde, die in Tingeltangeln gesungen werden. — Die
auf derselben Seite gegebene Bemerkung, die Schreibart assay beginnt zu
veralten, ist unrichtig. — S. 92. Der Schüler bedarf einer Bemerkung
über den Gebrauch des Titels Honourable. Conrad, Engl. Ldfe and Customs,
III, 9, S. 111. — S. 95 fehlt zu butcher meat (gewöhnlich butcJier's meat)
eine Angabe : frisches Fleisch, meistens Rindfleisch, Kalbfleisch, Hammel-
fleisch. — Ib. Das über Kensington Gesagte ist viel zu ungenau. — S. 97.
The pall was supported hy the Lord High Chancellor. Man wünscht nicht
allein den Namen, sondern auch etwas über das Amt zu erfahren. —
S. 98 war festzustellen, wer damals Bischof von Rochester war. Der
Schüler kann nach der Anmerkung zu S. 94 an Atterbury denken, der
aber schon 1723 abgesetzt war. — S. 99 hätte gesagt werden sollen, der
Titel des Newtonschen Werks war: The Chronology of Ancient Kingdoms
amended, etc. 1728. — S. 100 fragt jeder, von wem sind die angeführten
Verse ?
Nun zu den Anmerkungen im Anhang! S. 104. 2,29. War Barnabas
Smith wirklich nebenher auch Schulrektor ? — 9, 27. Das über Plato An-
gegebene erklärt den Text nicht. Die Verbannung der Dichter aus dem
Platonischen Musterstaat kann doch dem Herausgeber nicht unbekannt
sein. — S. 105. 17, 1. Die Stadt Stourbridge an der Grenze von Worcester
und Staffbrdshire ist als market-town sicher gemeint. — 18,6. Über /saac
Barroiv hätte gesagt werden sollen, dafs er als Kanzelredner und theolo-
gischer Schriftsteller eine bedeutende Stellung einnahm. — S. 17, he
purchased an English Kuclid, bezieht sich wahrscheinlich auf die Barrow-
sche Übersetzung, die nach dem lateinischen Texte 1660 in englischer
Übersetzung erschienen war. — S. 106 bedarf es zu Orimaldi des Zu-
satzes der Vornamen Francesco Maria, da es noch den Maler Oiovanni
Gr., il Bolognese giebt. — 20, 4. Isaae Voss{ius) (1618—1689), holländischer
456 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Physiker. Statt 1689 mufs es heifsen 1688, statt Physiker: Philologe.
— S. 107. 23, 9. Das über experimentum crucis Gesagte ist nicht ganz
zutreffend. Vgl. Lewis, Biographieal History of Philosophy, S. 343. —
S. 109. 28, 12. Die Angabe gegründet 1662 stimmt nicht mit dem, was
Mac. Hist. I, 400 angiebt, läfst sich damit aber vereinen, wenn man sagt,
die Gründung fand 1660, die Erteilung der Korporationsrechte durch
charter 1662 statt. Ich möchte noch hinzusetzen, dafs die Sitzungen ur-
sprünglich in Qresham College, zu der hier geschilderten Zeit in Grane
Court, Fleet Street stattfanden, und dafs der Sitz 1782 nach Somerset
House verlegt ist. — S. 110. 33, 23. Boyles Geburtsjahr und Todesjahr
sind beide falsch angegeben; er wurde 1626 (wie die Engländer gewöhn-
lich hinzusetzen, im Todesjahre Bacons) geboren und starb 1691. Es
hätte doch wohl etwas Genaueres über seine Leistungen angegeben wer-
den können. — 112. 38, 21 mufs es heifsen: um die Mitte des 2. Jahrh.
V. Chr. ; im Text steht richtig a Century and a half hefore Christ. — S.
113. 38,26. Als Todesjahr des Ptolemäus ist angegeben 147 nach Chr.; er
lebte noch 161. Seine Bedeutung als Geograph war zu erwähnen. —
39, 11. Was mitgeteilt ist in dem Satze: 'Seine abfällige Kritik etc.' ist
sicher apokryphisch. — S. 114. 41, 23. Die Bedeutung des Philolaus be-
ruhte auf seiner schriftlichen Darstellung des Systems. — 41, 26. Martia-
nus Capella lebte nicht im 4., sondern wahrscheinlich erst im 5. Jahr-
hundert; das Lehrbuch des Mittelalters bestand aus den letzten 7 Büchern
seines Werks. — S. 117. 68, 12. Bei Borelli fehlen die zur Unterschei-
dung notwendigen Vornamen Oiovanni Alfonso. Es hätte seine An-
wendung der Mathematik auf die Medizin erwähnt werden sollen. —
S. 124. 102, 21. Die Anmerkung ist ungenügend. Vgl. Preller, Rom. Myth.
S. 542, wo sich übrigens der sonst übliche Ausdruck felix arhor nicht
findet. Immanuel Schmidt.
Textausgabeu französischer und englischer Schriftsteller für den
Schulgebrauch. Sketches of English Culture by Thomas
Wright, herausgegeben von Dr. C. Klöpper. Dresden, Küht-
mann, 1894.
Das Werk T. Wrights, aus dem die Skizzen zusammengestellt sind,
A History of English Culture, London 1874, ist offenbar, wie sich mir aus
einer Vergleichung der Seitenzahl der beigebrachten Citate ergeben hat,
eine Titelausgabe, oder ein bei Veränderung des Titels unveränderter Ab-
druck des 1871 erschienenen Buches The Homes of Other Days, London,
Trübner & Co. Wenn ausführlichere biographische Notizen über die
Verfasser in der Schmagerschen Sammlung von Textausgaben nicht aus-
geschlossen wären, so würde der Herausgeber auf das «uletzt erwähnte
Werk wohl aufmerksam geworden sein und hätte diesen Umstand gewils
angegeben. Der vorliegende Auszug ist mit leidlichem Geschick ange-
fertigt, obwohl sich über Auswahl und Anordnung streiten liefse.
Warum ist z. B. der Abschnitt Eijlucation aus einem späteren Teile des
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 457
Werks an die Spitze gestellt? Natürlicher wäre es gewesen, den Schil-
derungen äufserer Verhältnisse, House, Eating and Drinking, Gardening,
diejenigen folgen zu lassen, welche das geistige Leben des Volks be-
treffen. Was soll ferner S. 6 der Satz: 'Even in the school-books in the
cid grammar-schools down to the present time, some part of the lessons
in Latin grammar is still laid out in Latin verse' ohne den Zusatz 'I
raight quote, as a well-known example, the As-in-prsesenti of the Latin
grammar' ? Wenigstens in einer Anmerkung hätte so etwas geboten wer-
den sollen. Oder hat der Herausgeber etwa nichts davon gewufst?
Hoppes Supplement- Lexikon S. 89 hätte die nötige Auskunft geben können.
Dafs das Werk in der hier gebotenen Fassung eine geeignete Lek-
türe für Oberprimaner eines Realgymnasiums sei, will mir nicht ein-
leuchten. Die sehr ins einzelne gehende Schilderung altenglischen Lebens
mit Erwähnung von allerlei, dessen Kenntnis für die Schüler ganz über-
flüssig ist, liegt zu fern ; sie erfahren selten so viel über ihre eigenen Alt-
vordern. Schon die nach Schipper, ten Brink, Lappenberg und Green
zusammengestellte Einleitung Klöppers bietet zu viel. Überhaupt scheint
mir eine Gefahr in der jetzt beliebten Begünstigung der Realien in der
Lektüre zu liegen. Während man früher ziemlich einseitig auf einen
Kanon des Mustergültigen im Lesestoff drang, zersplittert man sich jetzt
allzu sehr und führt selbst Minderwertiges ein.
Thomas Wright war ein Vielschreiber; heifst es doch, dafs er etwa
100 Werke in die Welt gesetzt habe. Obgleich ich nicht leugnen will,
dafs er sich durch einzelne Schriften, besonders durch die Biographia
Britannica Uteraria Verdienste um die Verbreitung des altenglischen Stu-
diums erworben hat, so war er doch wie bei seinen Textabdrücken, so auch
in seinen Angaben und geschichtlichen Schilderungen sehr ungenau. Als
er einst im brittischen Museum sah, wie viel ich in seinen Stücken aus
Ancren Riwle (Reliquiae Antiquse II, S. 1 ff.) nach den beiden benutzten
Handschriften korrigiert hatte, bekannte er mir, damals habe er sich noch
nicht auf Transskribieren verstanden. Was er selbst aufstellt, ist vielfach
unzuverlässig. Ich will als Beispiel nur anführen Sketches S. 54 'the turn-
sole or sunflower, called sigel-wherfe (the gem-turned) or so/s<«ce (which
is merely the Latin solsequium', ziemlich in Übereinstimmung mit dem,
was sich bei Bosworth findet. Abgesehen von der falschen Übersetzung
gem-tunied (statt des schon erwähnten turn-sole, da sigel hier nicht mifs-
zuverstehen ist) wird sunßower nicht für heliotropium, sondern für helian-
thtis gebraucht, während bastard-sunflouer, dwarf-sunflmver, little sunflower
wieder andere Pflanzen bezeichnen. Auch die folgenden Angaben über
Blumen sind nicht ohne weiteres hinzunehmen, sondern bedürfen der Be-
richtigung, und dabei ist aus den Namen in Glossaren kühn auf Garten-
kultur geschlossen. In den Anmerkungen zu dieser Stelle, S. 44, giebt
der Herausgeber als Übersetzung von sigel-hwerfe, die mit Auge (gem)
nach der Sonne sich drehende Blume; S. 45 sollte bei Äz*w«^-5«<c/e (Klöpper
schreibt hier und im Texte fälschlich suckle) statt 'die Honigsaftige' stehen
'Honigsaug' (nach Analogie von Bienensaug, lamium), ferner nicht loni-
458 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
cera pcriclymenum, sondern lonicera caprifolium. Der citierte Leunis ist
nicht richtig benutzt; übrigens ist auch dessen Ausgabe von 1866 einge-
sehen, während das Buch seit 1885 mindestens den sechsfachen Umfang
hat und überhaupt erst für wissenschaftliche Zwecke in Betracht kommt.
Die bei Kühtmann erscheinende Sammlung von Textausgaben fran-
zösischer und englischer Schriftsteller unterscheidet sich von anderen
dadurch, dafs Anmerkungen für den Lehrer geboten werden. Herr
Dr. Klöpper hat als Quellen 31 Werke namhaft gemacht, zu denen noch
andere in den Noten hinzukommen. Wo manche von jenen benutzt sein
sollen, ist mir nicht klar geworden. Die Zusammenstellung ist sonder-
bar. Wie kommt der Herausgeber dazu, neben ten Brinks grofsartigem
Werke Seherrs Geschichte der englischen Litteratur zu eitleren, die auf
keinen selbständigen Studien beruht, während er Craik angiebt und
Morley, First Sketch of English Literature unerwähnt läfst? Statt des
etymologischen Wörterbuchs der englischen Sprache von E. Müller hätte
er doch wohl auf Skeat fufsen sollen. 0. Bensch, Geschichte der englischen
Sprache und Litteratur u. s. w. aus dem Jahre 1853 kann jetzt nicht
mehr in Betracht kommen. Der Herausgeber, der Widseth, statt Widslth,
nach Wright im Text wie in den Anmerkungen beibehalten hat, entlehnt
daraus überflüssigerweise eine Übersetzung, die nur in den Schlufsversen
die Allitteration wiedergegeben hat.
Von der wissenschaftlichen Bildung seiner Herren Kollegen, die doch
das examen pro facultate docendi bestanden haben müssen, scheint Herr
Dr. Klöpper eine sehr geringe Meinung zu haben. Ich würde es nicht
wagen, sie auf Werke wie ten Brink und Green hinzuweisen, vollends das
letztere Werk in einer Übersetzung zu eitleren. Da ich solche Werke bei
Lehrern voraussetze, halte ich die meisten der Anmerkungen für über-
flüssig. Überflüssig aus einem anderen Grunde sind die gleich zu An-
fang stehenden genauen Angaben über Trinity College, wärend nicht ein-
mal angegeben wird, ob Trinity College von Cambridge oder von Oxford
gemeint ist. Was soll man andererseits von solch einer Anmerkung
denken: 'Die Beowulf-Litteratur ist so reichhaltig, dafs es unmöglich ist,
hier näher darauf einzugehen'? Lieber gar nichts als etwas Nichtssagen-
des. Überflüssig ist ferner die Anm. S. 85: ^Roundel, auch roundelay ge-
schrieben (?), Ringelgedicht, ist provenzalischen Ursprungs' u. s. w. Denn
roundel in der zu erläuternden Stelle ist nicht ein Ringelgedicht, sondern
ein Rund, z. B. ein runder kleiner Schild. In der unmittelbar darauf
folgenden Anmerkung ist der Vergleich von club-kayles mit dem nach
Wagners Spielbuch ausführlich beschriebenen Wurfkegelspiel nicht zu-
treffend. Bei kayles, wie das Spiel gewöhnlich heifst, wurden beliebig
viele, meistens sechs oder acht Kegel in einer Reihe aufgestellt und mit
einem Stock umgeworfen. S. Strutt, the Sports and Pastiraes of the
English People. (Ed. 1876.)
Hin und wieder finden sich Ungenauigkeiten in den Anmerkungen,
z. B. S. 12 Seholarship = Uterary education (gelehrter Unterricht) nicht mehr
üblich, jetzt wird dafür learning gebraucht; sc/wlarships nur noch in der
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 459
Bedeutung von 'Stiftungsstelle, Stiftungsgehalt, Prämie, Stipendium'.
Weifs der Verfasser nicht, dafs scholarship der eigentliche Ausdruck für
philologische Gelehrsamkeit ist? Auch der Text ist ungenau; so findet
sich S. 43 blinded statt hlindfolded und games of questions and commands,
and for forfeits, statt of forfeits.
Endlich ist nicht einmal das Deutsch der Arbeit korrekt. Ich be-
schränke mich auf Anführung eines Beispiels, S. 4 der Anm. 'Ob der
Psalter gedruckt wurde, dafür giebt es keine Beweise.'
Immanuel Schmidt.
The Beauties of Nature by Sir John Lubbock. In gekürzter
Fassung zum Schulgebrauch herausgegeben von Oberlehrer
G. Opitz. Dresden, Kühtmann, 1895. In derselben Samm-
lung.
Diese Ausgabe eines zur Lektüre in III oder U. II durchaus geeig-
neten Werkes ist mit grofsem Fleifs und mit bedeutendem Geschick an-
gefertigt. Die nur für Lehrer bestimmten Anmerkungen sind wertvoll
und notwendig, da wenige derselben im stände sein dürften, sich das zur
Erklärung einer solchen Schrift erforderliche Material ohne bedeutenden
Zeitverlust zu beschaffen. Gern hätten wir es gesehen, wenn der Her-
ausgeber mit Abweichung vom Herkommen der Sammlung eine kurze
Biographie des Verfassers gegeben hätte. Für eine künftige Ausgabe er-
lauben wir uns, einige kleine Änderungen in den Anmerkungen vorzu-
schlagen. S. 2 ist eine genauere Beschreibung der Midland Counties
wünschenswert; daselbst ist panninisch statt penninisch verdruckt. S. 4.
Gewöhnlicher als spectacle-snake ist kooded snake. S. 6. Dafs Diatomeen
zu dem Pflanzenreiche gehören, wird von den mafsgebenden Autoritäten
keineswegs unbedingt anerkannt; der Herausgeber des grofsen Diatomeen-
Atlas Dr. Ad. Schmidt steht auf Lubbocks Standpunkt. S. 7. Our
Teutonic forefathers ist wohl allgemeiner zu fassen als unsere Voreltern
germanischen Stammes, nicht blofs Sachsen und Angelsachsen. Ib. Mullein
ist jede Art Wollkraut, nicht blofs verbascum thapstis, wie Webster an-
giebt, obgleich dies neben vielen provinziellen Benennungen auch den
einfachen Namen mullein führt; es giebt z. B. noch moth-mullein (v.
blattaria), dark niullein (v. nigrum) u. a. m. S. 8. Cuckoo-flower bezeich-
net gewöhnlich das Wiesenschaumkraut (cardamine pratensis), provinziell
auch orchis mascula, oder lychnis flos cuculi. Ib. Harebell ist S. 41 offen-
bar verschieden von blue-bell (campanula, besonders campanula rotundi-
folia), wofür der Ausdruck auch gebraucht werden kann, bezeichnet also
gewifs eine in England heimische Meerzwiebel (scilla non scripta). S. 14.
Ragged robin ist lychnis flos cuculi, gehört nicht diesem Genus an. Ib.
Rosestrife kann auch lysimachia sein, purple loosestrife ist lythrum sali-
caria. Ib. Henvp-agriynony = eupatorium cannabinum (verdruckt sapa-
torium).
Für das mit Fleifs bearbeitete Wörterverzeichnis schlage ich folgende
460 BeurteiluDgen und kurze Anzeigen.
Änderungen vor: Bulrush, Kohr oder Teichkolbe. Nach der Penny
Cyclopsedia wird das Wort für typha latifolia und angustifolia, bisweilen
auch für scirpus lacustris gebraucht ; Ogilvie giebt an : eine Art scirpus,
Webster bringt pencülaria spicata nach London neben den aus P. C. an-
geführten Pflanzen, Worcester nur die Loudonsche Angabe. Aber was
ist das für ein Gewächs? Der Name findet sich nicht in Leunis. Ele-
phant haivk-moth, nicht Rüsselschwärmer (was soll das sein?), sondern
mittlerer Weinschwärmer (choerocampa elpenor). Python, Tigerschlange,
Gitterschlange, statt Riesenschlange. Sea-elephant, See-Elephant, Rüssel-
robbe (cystophora proboscidea). Traveller' s joy, Teufelszwirn, neben ge-
meine Waldrebe (clematis vitalba). Sollte es sich nicht überhaupt empfeh-
len, die lateinischen Namen im Wörterverzeichnis hinzuzufügen? Die
Schüler der mittleren Klassen von Realschulen sind mit der lateinischen
Nomenklatur bekannt; die Ausdrücke unserer Muttersprache aber schwan-
ken durchaus. Immanuel Schmidt.
SammluD,^ Englischer Gedichte. Zusammengestellt von A. Lepzien.
Hamburg, O. Meifsner, 1895. 199 S.
Die Sammlung ist nach dem Vorwort zunächst für Hamburger Se-
minaristen bestimmt; doch glaubt der Verfasser, sie werde sich auch an
anderen Lehranstalten verwenden lassen. Ich kann mir kaum denken,
dafs es für jene erforderlich sei, auf Spenser zurückzugehen, die alte
Ballade von Faustus, Knowell's Advice von Ben Jonson oder ein Bruch-
stück aus Hudibras zu bieten ; für andere Schulen ist kein Bedürfnis
vorhanden. Es finden sich manche zweckmäfsigere und kürzere Samm-
lungen als die vorliegende, in der die Wahl des Stoffs ziemlich willkür-
lich, oft geradezu wunderlich erscheint. Insbesondere fällt ein Vergleich
mit der Auswahl englischer Gedichte von Gropp und Hausknecht nicht
zu Gunsten des Lepzienschen Werks aus, zumal es an Angaben über die
Dichter fehlt. Auch Anmerkungen werden vermifst.
Immanuel Schmidt.
Der Versbau Robert Garniers. Von Dr. Paul Körner. Berlin,
C. Vogt, 1894. 119 S. 8.
An eine Arbeit von der Art der hier zu besprechenden wird man
keine anderen Anforderungen stellen dürfen, als die, dafs sie alles, was
in ihren Bereich fällt, vollständig, richtig und übersichtlich darbiete,
damit es als Material für die Geschichte der Metrik dienen könne. Die
Grenzen dieses Bereiches werden freilich verschieden, bald enger, bald
weiter gesteckt, je nachdem man die Untersuchung auf bestimmte, mefs-
bare und greifbare Eigenschaften des französischen Verses beschränkt,
oder, darüber hinausgehend, rhythmischen Wirkungen desselben nach-
spürt, für deren Beurteilung man sich durch Aufstellung von Verstypen
eine Grundlage zu schaffen sucht. Auf diese — sehr anfechtbare — Er-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 461
Weiterung seines Untersuchungsgebietes hat Körner verzichtet; dagegen
liegt, was an vers- und reimtechnischen Erscheinungen aus Garniers acht
Dramen zu sammeln war, in seiner Arbeit vollständig und aus den rich-
tigen Gesichtspunkten dargestellt vor. Nur auf den Binnenreim (der, wie
zu erwarten ist, von Garnier nicht streng vermieden wird) wäre noch zu
achten gewesen. Übersehen hat Körner, dais sich — was er S. 114 aus-
drücklich in Abrede stellt — bei Garnier in der Cäsur auch derjenige
Hiatus findet, bei welchem hinter dem auslautenden Vokal kein stum-
mes e steht. So Juives 931 Qui s'egalent ä lui, et qui n'ont cognoissance ;
ib. 1344 Je n'ai oncques voulu ä scs Prophetes croire, welche Beispiele viel-
leicht nicht die einzigen sein werden. Im Kapitel über den Reim schreibt
Körner dem Dichter mehrmals mit Unrecht fehlerhaften Reim zu. So
Antig. 15. 16 jpeu : veu, wo Körner das Reimwort peu, Particip von pou-
voir, offenbar für paucum hält. Ferner Corn. 1105. 6 nous : motis, wo
sich ein ta?it ils out le ccßiir mous leicht im Hinblick auf heutiges üs ont
l'air Contents erklärt. Der Reim ville : scintüle, Troade 785. 6, der heute
korrekt ist, kann es damals auch gewesen sein. Befremdlich ist, wenn
Körner sagt: 'Vorausgesetzt, dafs die Aussprache zu Garniers Zeit in die-
sem Punkte (es handelt sich um geschlossenen oder offenen Charakter
des e und o) mit der heutigen identisch war, so mülsten wir den Reim
presse : Orece (Troade 870) als mangelhaft bezeichnen.' Wie kann endlich
der Verfasser Reime 'wegen ihrer gezwungenen Orthographie' als näch-
lässig tadeln! Der Reim ist doch für das Ohr bestimmt. — Das Kapitel
über die Silbenzähluug hätte sich durch zweckmäfsigere Gruppierung des
Materials viel lehrreicher gestalten lassen. Dal's sich Garnier, wie Körner
in dem Rückblick auf dieses Kapitel sagt, in der Silbeuzählung 'im alN
gemeinen den für das Altfranzösische gültigen Vorschriften anschliefst',
wird durch seine Untersuchung selbst widerlegt. — Die Abschnitte über
die Strophen und die 'syntaktischen Gliederungen' sind dem Verfasser
besser als die vorher besprocheneu Kapitel gelungen. Er bekundet hier
ein sicheres Gefühl für die Wirkung des Strophenbaus und der verschie-
denen Versarten.
Kiel. Felix Kalepky.
Dr. Ew. Goerlich. MaterialieD für freie französische Arbeiten.
Ein Hilfsbuch für den franz. Unterricht an sämtlichen höhe-
ren Lehranstalten. Leipzig, Renger (Gebhardt & Wilisch),
1895. XIV, 338 S. 8.
Der Verfasser hat eine stattliche Anzahl franz. Stilistiken, Aufsatz-
sammlungen und Geschichts werke durchgesehen und aus ihnen ein Buch
zusammengestellt, das den Zweck verfolgt, 'dem durch zahlreiche und
zeitraubende Korrekturen und auch durch die infolge der neuen Anfor-
derungen bedingte gründlichere und gewissenhaftere Vorbereitung schwer
belasteten Lehrer des Französischen die Arbeit zu erleichtern'. Es ist
nur zu biUigen, wenn Goerlich verlaugt, dais die Schüler allmählich
462 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
daran gewöhnt werden, auch nicht in der Klasse Gelesenes und Durch-
genommenes zu verstehen und dann schriftlich wie mündlich wiederzu-
geben. Zu dieser Übung geeignete Stoffe zu finden, ist nun freilich bei
der erschrecklichen Menge vorhandener französischer Chrestomathien nicht
gerade schwer, aber mancher Lehrer wird doch gern zu Goerlichs Buch
greifen, wo er im ersten Abschnitt eine gröfsere Anzahl gut verwendbarer
Anekdoten und Erzählungen hübsch bequem beisammen hat. Dasselbe
gilt von dem zweiten Abschnitte. Er bringt Erzählungen, denen kurze
Inhaltsangaben vorangestellt sind, die den Schülern zum Zweck freier
Ausarbeitung mitgeteilt werden sollen, während die Erzählung selbst dem
Lehrer als Muster dient. Die Präparation auf die anfangs nötige Be-
sprechung der Themata in der Klasse sucht G. dadurch zu erleichtern,
dafs er dem Lehrer eine Anzahl französischer Fragen mundgerecht macht,
durch die der Gang der einzelnen Erzählungen angedeutet wird. Der
nächste Abschnitt enthält Musterbriefe, dann folgen Beschreibungen und
Schilderungen, Aufsätze allgemeinen Inhalts, Aufsätze aus der Ge-
schichte und endlich solche aus der Litteraturgeschichte. Besonders die
vier letzten Abschnitte enthalten eine Fülle trefflichen Materials und
machen das Buch zu einem wohl empfehlenswerten.
Die Ausstattung ist zu loben, doch hätte der Satz noch etwas sorg-
fältiger überwacht werden können: S. 26, Z. 25 lies antre statt autre;
S. 3'0, Z. 33 'veuve statt encore (!) ; S. 43, Z. 2ü ennemi statt onnemi; S. 03,
Z. 27 tendrement statt trendrement; S. 4, Z. 19 ist das Komma in ceux,
qui zu tilgen, ebenso S. 8, Z. 24 in un etranger avait cu£iUi, la fieur si
chere au roi. S. 13, Z. 3 — 4 hätte nicht seig-neur abgeteilt werden sollen,
sondern sei-gneur. Inkonsequent ist es, in der Überschrift von I, 20
L' Ordonnance medicale mit Majuskel des Substantivs zudrücken, während
bei I, 13 u. 16 die Minuskel steht: L'eehelle abandonnee, L'amour ßlial.
Vielleicht entschliefst sich der Verfasser in einer neuen Auflage sei-
nen Kollegen ihre Arbeit noch weiter dadurch zu erleichtern, dafs er einen
Anhang mit erklärenden Anmerkungen beifügt. Nicht jeder z. B. weifs
genau, was man auf französischen Schulen unter einer eocemptton (vgl. II,
14) versteht, und die Frage eines wifsbegierigen Schülers, in welchem
Kriege denn die Belagerung von Leucate stattgefunden hat, bei der Con-
stance de Cezelli ihren Heldenmut bewies (vgl. I, 25), könnte auch wohl
den einen oder anderen Lehrer in Verlegenheit setzen.
Berlin. E. Paris eile.
Dr. H. Th. Traut, Französische Aufsatz- und Briefschule. Eine
Sammlung von Musteraufsätzen, Briefen und Entwürfen.
Mit Einleitungen und Präparationen. Für die Oberklassen
höherer Schulen und zum Privatstudium. 2. Aufl. Dresden,
Gerhard Kühtmann, 1895. Vin, 170 S. 8. M. 1,80.
Das Buch macht den Eindruck eines alten Ladenhüters, an den der
bekümmerte Verleger in der Hoffnung, ihn doch vielleicht noch loszu-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 463
werden, die Kosten eines neuen Titelblattes gewendet hat. Um an die
dürftige Leistung nicht unnütz den Raum des Archivs zu verschwenden,
verzichte ich auf die Darlegung der Ausstellungen, die ich an der Aus-
wahl der gegebenen Musteraufsätze und Entwürfe zu machen hätte.
Ein Drittel bis ein Viertel jeder Seite ist von einer Präparation einge-
nommen, wie man sie nicht mehr für möglich halten sollte. Da werden
— den Schülern der Oberklassen höherer Schulen! — Vokabeln ver-
deutscht wie z. B. passer zubringen, repmidre antworten, le loup der Wolf,
la lumiere das Licht (S. 2, Anm. 2. 6. 9. 14), da finden sich grammatische
Belehrungen wie z. B. Das G^roudif {en mit der Verbalform auf
ant) vertritt Adverbialsätze der Zeit und des Grundes, ist
also mit 'indem, als, während, da, weil' aufzulösen (S. 2,
Anm. 5), da prunkt der Verfasser mit seiner etymologischen Gelehrsam-
keit (S. 2, Anm. 4. 5. 7. 14): la fourmi [IrL formica), prier (lat. precari),
le chevreau (lat. capra), la lumiere (lat. lumeti) u. s. w. Von Seite 7 ab
treten Latein und Etymologisches zurück, an ihrer Stelle erscheinen Eng-
lisch und Synonyma, und nun sehen die Anmerkungen aus wie folgende,
die ich auf gut Glück herausgreife (S. 8, Anm. 5): porter (engl, to take),
bringen, Syn. apporter, amener (engl, to bring), bringen (hin);
porter (engl, to wear), an sich tragen; to bear etwas Schweres
tragen können; to carry, tragen, transportieren; se porter, sich
befinden; oder (S. 9, Anmerk. 8): oser (engl, to dare), wagen. Syn.
hasarder, risquer, aventurer, tenter (sa fortune). Der Druckfehler sind
nicht wenige. Gleich in dem, nebenbei gesagt, in recht steifem Französisch
abgefal'sten Avant-Propos von zwanzig Zeilen stehen zwei.
Berlin. E. Pariselle.
Der kleine Toussaint-Langenscheidt. Fraüzösisch. Unter Mit-
wirkung von Professor G. Langenscheidt von Dr. G. van
Muyden. (Neue, fast unveränderte Auflage des Tetit voca-
bulaire fran9ais^). Erstes Bändchen 175 S., zweites Bänd-
chen 163 S. kl. 8. Berlin, Langenscheidt, 1895. Jedes
Bändchen geb. 1 M.
Das Vorwort, welches zu lesen man in jedem der zwei Bändcheu
an nicht weniger als dreizehn Stellen aufgefordert wird, bezeichnet als
solche, denen das Werkchen an erster Stelle zu dienen bestimmt sei,
Leute, die das Französische ordentlich zu lernen keine Zeit oder keine
Lust haben, sich aber unter Franzosen radebrechend durchschlagen und
Französisch, das sie zu hören bekommen, einigermafsen verstehen möch-
ten. Ein 'systematisches Vokabular' mit Aussprachebezeichnung nach dem
bekannten 'System' des Verlages und mit Übersetzung der Wörter mag
solchen Leuten Dienste leisten; die Sätze aber, die sich an jeden Ab-
schnitt des Vokabulars anschliefsen und die die Wörter desselben in
mannigfaltiger Verwendung und zwar in geschickt und gut französisch
gebildeten Zusammenhängen vorführen, dürften dieser Art Publikum doch
464 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
zu schwierig vorkommen. Wenn dagegen das Vorwort davon spricht,
dafs die beiden Büchlein auch in der Schule mit Vorteil Verwendung
finden und aufserdem solchen nützlich werden können, die bei einiger
Vertrautheit mit der fremden Sprache ihren Besitz an Vokabeln befesti-
gen und erweitern und das, worüber sie an Wendungen und idiomatischen
Satzformen verfügen, sich erhalten und mehren wollen, so darf man wohl
bezeugen, dafs damit nicht zuviel gesagt ist.' Vielleicht wird sich bei
einem Neudruck noch etwas dafür thun lassen, dafs die (durchaus unge-
zwungene) deutsche Wiedergabe der französischen Sätze in einigen
Fällen noch etwas genauer dem Gedanken des Originals entspreche.
Möglicherweise würde auch eine erneute Durchsicht der über die Bindung
der Endkonsonanten im Zusammenhang der Eede Aufschlufs gebenden
Zeichen zu einigen Änderungen führen. A. T.
Questionnaire zu ülbrichs Elementarbuch der französischen
Sprache. Zusammengestellt von Dr. K. Becker und Dr. L.
Bahlsen. Berlin^ Gaertners Verlags buchhdlg., 1894.
Ich habe zu diesem Heftchen nur wenig zu sagen : es erklärt sich
von selbst und mag ja wohl auch dem Bedürfnis manches Lehrers ent-
gegenkommen. Gewifs ist es von Nutzen, wenn man sich anfänglich an
stereotype Fragien hält; die Furcht vor mechanischem Auswendiglernen
und mechanischem Antworten sollte daran nicht hindern. Aber ich er-
kenne einen Nutzen davon auch nur im Anfange des Unterrichts und
stimme den Verfassern gar nicht bei, wenn sie fünfzig Lesestücke in
dieser Weise bearbeiten. Aufserdem ist es mir unsympathisch, dafs dem
Lehrer hier eine Arbeit erspart wird, die er meines Erachtens selbst
thun mufs, wenn er sich gebührend auf seinen Unterricht vorbereiten
will. Und wollte man solche Questionnaires damit rechtfertigen, dafs nur
durch sie dem Schüler eine Vorbereitung auf Sprechübungen ermöglicht
wird, so müfste ich bekennen, dafs mir eine Vorbereitung dieser Art ganz
unnötig vorkommt. Dadurch würde ja die Sprechübung in der Klasse
zu einer blofsen Kontrolle des häuslichen Fleifses oder zu einer einfachen
Ausspracheübung herabsinken. Aber, wenn sie fruchtbar sein soll, mufs
sie nicht nur dem Lehrer, sondern auch dem Schüler stets als Selbst-
zweck erscheinen.
Berlin-Zehlendorf. Fr. Speyer.
Übungsstücke zum Übersetzen aus dem Deutschen ins Franzö-
sische. Für den Schul- und Privatgebrauch bearbeitet von
J. Schulthefs. Vierzehnte durchgesehene Auflage. Zürich,
Friedrich Schulthefs, 1894. 194 S.
Die erste Auflage dieses Buches ist 1840 erschienen, und etwas alter-
tümlich berührt uns auch noch mancherlei in der vorliegenden vierzehn-
ten: so z. B. die naive Erklärung S. 4, dafs der Verfasser lange ge-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 465
sehwankt habe, ob er 'das Deutsche dem Französischen in der Wortstellung
und Wortverbindung ganz anpassen' solle oder nicht, dafs er zwar im
allgemeinen 'den deutschen Satz rein in seiner Eigentümlichkeit' gelassen,
weil dem Schüler sonst das Übersetzen zu sehr erleichtert würde (!), dafs
er aber doch auch 'öfters im Ausdrucke und in der Satzfügung der fran-
zösischen Weise gefolgt' sei. H. Breitinger, der seit der zwölften Auflage
das Buch neu herausgegeben hat, und wer seit dessen Tode (1889) an
seine Stelle getreten ist, hätten hier ganz notwendig die bessernde Hand
anlegen müssen. Ein Hin- und Herschwanken ist pädagogisch an sich
vom Übel; dafs aber das Deutsch der Lesestücke wirkliches Deutsch
sein mufs und unter keinen Umständen dem französischen Sprach-
unterricht zuliebe gedreht und gebrochen werden darf, darin sind wir
heute doch wohl alle einig.
Aber was sagt man dazu, wenn sich das ungeheuerlichste Deutsch
selbst da findet, wo praktische Rücksichten gar nicht einmal in Frage
kommen? Man höre nur. In Stück 2 (S. 16) heifst es z. B. 'Hernach
verkaufte er es dem Hufschmied des benachbarten Dorfes für einige
Pfennige und kaufte Kirschen daraus.' Im selben Stück (S. 17): 'der
Weise (liefs) eine zweite Kirsche fallen, welche mit der gleichen Hastig-
keit ergriffen wurde.' Oder in Stück 4 (S. 18): 'Dieser schickte sich be-
reits an, sein Verbrechen zu vollführen, als, schon das verderben-
bringende Gefäfs in der Hand, um es seinem Herrn anzubieten,
seine Augen auf die Inschrift fielen u. s. w.' In Stück 19 (S. 33):
er schüttelte sachte das Haupt.' Gräfslich ist auch der Satz (S. 33):
'Ihr habt geendigt, Grofsvater?' Allerdings entstammt diese Wendung
der Rücksicht auf den französischen Wortlaut. Das ist auch der Fall
in Stück 59 (S. 80): 'Man sieht eine Art Bauer eintreten.' Aber falsch
und durch keinen praktischen Zweck veranlalst ist die Wendung (S. 137) :
'Ich habe sagen gehört.' Oder gar (S. 153): 'Diese Johannisbeeren haben
deinen kleinen Schwestern die Ohren gespitzt.'
Der Lesestoff zerfällt in Erzählungen, Anekdoten, Züge aus dem
Leben geschichtlicher Personen, Schauspiele, Briefe über mannigfache
Verhältnisse des gewöhnlichen Lebens und Briefe berühmter Personen.
Im allgemeinen sind die Stücke zu schwer für Schüler, welche 'die For-
menlehre und die notwendigen Regeln der Syntax, wie sie in jeder auch
kleineren Sprachlehre vorkommen', sich angeeignet haben. Mit unseren
modernen Anschauungen stimmt der Verfasser aber darin überein, dafs
er die Wörter und Regeln, die er noch zu geben für notwendig hält, nach
den Stücken geordnet jedem Abschnitte voranstellt; nur dafs leider ein
Gesamtvokabular am Schlüsse des Buches vergessen ist.
Alles in allem genommen, sehe ich an dieser Sammlung kaum einen
Vorzug vor anderen Werken der gleichen Art. Aber ich meine, schon
um des mangelhaften deutschen Ausdrucks willen kann die deut-
sche Schule zu diesem Hilfsmittel für den fremdsprachlichen Unterricht
nicht greifen.
Berlin-Zehlendorf. Fr. Speyer.
Archiv f. n. Sprachen. XCV. 30
466 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
M^rim^e, Colomba. In gekürzter Fassung herausgegeben und
erklärt von O. Schmager. 2. Auflage (Weidmannsche Samm-
lung französischer und englischer Schriftsteller mit deutschen
Anmerkungen, herausgeg. von E. Pfundheller und G. Lücking).
Berhn, Weidmannsche Buchhdlg., 1894.
Es ist sonderbar, wie sehr unsere besseren Schulausgaben auf der
einen Seite durch zweckmälsige Wahl und Behandlung der Texte, durch
klare und schöne typographische Ausstattung, durch handliches Format
den Bedürfnissen der Schule im weitesten umfange gerecht zu werden
streben, und wie gerade sie zumeist auf der anderen Seite durch eine
Überfülle an weitschweifigen Einleitungen, Anmerkungen, Fufsnoten u. s. w.
dem Schüler die Freude an seinem Buche so recht gründlich verleiden.
Ich will die vorliegende Ausgabe der Colomba nicht gerade überflüssiger
Gelehrtthuerei anklagen; sie hält sich im Gegenteil durchaus auf der
Höhe, die ein verständiger Primaner noch überschauen kann. Aber es
wird doch zu viel, weitaus zu viel erklärt, sowohl unter dem Texte in
lexikalischen und grammatischen Notizen, wie am Schlüsse des Buches
in sachlichen und historischen Anmerkungen. Und dabei waltet noch
ganz sichtlich das Bestreben ob, so knapp und scharf wie möglich zu
sein! Ich möchte wohl wissen, auf welcher Altersstufe der Verfasser
seine Schüler sucht. Nur um Prima kann es sich nach meiner Ansicht
handeln; aber nehmen wir ganz allgemein die Oberstufe an, so lassen
sich Anmerkungen wie die folgenden doch nicht begreifen: 25, 11) la che-
minee 1. der Kamin ; 2. der Schornstein, die Esse, der Schlot. — 33, \h)
mon colonel Herr Oberst. Der Franzose gebraucht mon, ma, mes abwei-
chend vom Deutschen: 1. bei der Anrede eines Vorgesetzten, die zwar
höflich ist, aber doch einer gewissen Vertraulichkeit nicht entbehrt; 2. in
der Bedeutung: lieb. — 32, 23) sans gene ungeniert, zwanglos. — 44, 18)
surprendre für etonner in Erstaunen setzen, befremden. — 48, 21) homme
du monde ein Mann, der zur vornehmen Gesellschaft gehört, ein feiner
Mann. — 51, 2) pale comme la mort, ganz wie im Deutschen: bleich wie
der Tod; doch sagt man auch: pale comme un mort. — 57, 14) que im
Ausruf häufig für combien, comme wie, wie sehr. U. s. w.
Die überflüssigen Anmerkungen dieser Art sind Legion. Beständig
möchte man fragen: Soll denn der Schüler niemals lernen, ein Wörter-
buch zu gebrauchen? Aber nicht nur das Wörterbuch wird über-
gangen, viel schlimmer ist, dafs dem lebendigen Unterrichte des Leh-
rers zu viel vorweggenommen wird. Ich habe eine solche Anmerkung
schon unter 33, 15 angeführt; weitere Citate kann ich mir wohl er-
sparen.
Weit mehr stimme ich mit Auswahl und Fassung der sachlichen
Anmerkungen überein; wenngleich auch hier noch vieles zum Vorteil des
Buches gekürzt werden könnte.
Hervorgehoben aber sei — was übrigens bei einem Werke dieses
Herausgebers nicht gut anders zu erwarten war — , dals sowohl die bio-
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 467
graphische Einleitung wie der ganze erklärende Apparat durchaus auf
der Höhe der Wissenschaft stehen.
Berlin-Zehlendorf. Fr. Speyer.
1. Erckmann-Chatrian, Histoire d'un Consent de 1813. In Aus-
zügen mit Anmerkungen zum Schulgebrauch herausgegeben
von Prof. Dr. K. Bandow. Ausgabe B. Leipzig und Biele-
feld, Velhagen u. Klasing, 1891 (=B. 1), und mit einigen
Änderungen in den Anmerkungen und Hinzufügung einer
Karte 1894 (=B. 2).
2. Dasselbe. Mit 2 Karten. Für den Schulgebrauch erklärt von
Strien. 2. Auflage. Leipzig, Renger, 1891 (= S.).
3. Erckmann - Chatrian, Vier Erzählungen. Mit Anmerkungen
herausgegeben von Prof. Dr. K. Bandow. I^eipzig und
Bielefeld, Velhagen u. Klasing, 1893. Nur Ausgabe A vor-
handen.
Erckmann-Chatrian eignen sich wie kaum irgend ein anderer fran-
zösischer Schriftsteller zur Schullektüre, trotzdem die Handlungen ihrer
Werke zum gröfsten Teil in Deutschland spielen und so den Schüler
wenigstens nicht in hervorragendem Mafse in französisches Leben und
Wesen einführen. Die vier Erzählungen (der Stoff ist etwas knapp für
ein Jahr) sind allerdings von verschiedenem Werte, namentlich auch hin-
sichtlich der Sprechübungen, die daran angeknüpft werden können. La
Comete und Le Tresor eignen sich vielleicht besser als Myrtille oder
gar La Reine des Aheüles, aber alle werden gern gelesen. — Verschie-
den haben die beiden Herausgeber der 'Histoire' die Sache angefangen.
B. hat den Teil, der die Schlacht bei Leipzig behandelt, einfach aus-
gelassen. Seine Ausgabe bringt also nur ein Bruchstück, für welches
wenigstens eine kurze Inhaltsangabe des Ausgelassenen zu wünschen ist.
Jedenfalls hat der Lehrer sie zu geben. B. setzt sich dadurch in den
Vorteil, das Übrige fast vollständig in seiner behaglichen Breite geben zu
können. — S. hat viel mehr dadurch gekürzt, dafs er einzelne Sätze, ja
Satzteile fortgelassen hat. Dadurch ist ihm die Möglichkeit gegeben,
einen Auszug des Ganzen zu bringen, nur leider so in oft kompendien-
artiger Sprache. Ganz auseinandergehend sind ferner die beiden Ausgaben
hinsichtlich der Textverarbeitung in den Anmerkungen, und hier hat S.,
wo dieselben sich auf knapp 5 Seiten beschränken, unbedingt den Vor-
zug vor B., der 46 Seiten (in dem kleineren Format) giebt. B. thut
entweder des Guten zu viel in den Anmerkungen (oft in ungenauen Über-
setzungen), oder zu wenig, oder er führt dem Schüler geradezu Falsches
vor, namentlich hinsichtlich der geographischen Bezeichnungen, was in
B. 2 um so mehr verwirren mufs, als die beigefügte Karte meist das
Richtige angiebt. Die Anmerkungen zeigen überdies, dafs der Heraus-
geber sich selbst keinen klaren Überblick über den Gang der Schlacht bei
30*
468 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Görschen verschafft hat. Der Schüler soll doch wohl nicht nur jedesmal
so halb das Wort verstehen, das ihm gerade vor Augen kommt. — B.
geht zu weit in seinen Anmerkungen: Beispiele dafür finden
sich fast auf jeder Seite. Zu Seite 143, Anmerkung 27 (= 14327), höW,
12218 u. s. w. Sollen wir wirklich fernerhin noch auch weniger bekannte
Namen wie Bautzen, Wurschen, Pleifsenburg in französischen Texten
französieren? (Man denke sich, der Franzose solle etwa Bordeaux, der
Engländer Greenwich etc. nach diesem Muster verdeutschen. Wie weit
unser 'deutscher' Eifer geht: Im Hamburger Thaliatheater spielt man
Mme. Sans Oene von Sardou, worin Rovigo vorkommt. Das Stück ist
aus dem Französischen übersetzt, folglich Rovigol Die deutschen Schau-
spieler machen dann daraus unwillkürlich Rovigol) — B. giebt zu
wenig! Zu 87, Z. 5. Was ist la Finckmatt? Eine Strafsburger Orts-
benennung ist einfach auf Erfurt übertragen. (Vergleiche die Vollaus-
gabe, S. 217, Bibl. d'Edueation et de Recreation; J. Hetzel et Cie. Die
Stelle ist leider in beiden Ausgaben ausgefallen.) Finckmatt, ursprünglich
das Gefängnis, dann der Teil der Festungswerke, worin dieses lag, und
endlich die Kasernen, die an letztere stiefsen. (Vergleiche Moltke-Denk-
würdigkeiten III, S. 132. Die grofsen Finkmattkasernen sind bei der Be-
schiefsung 1870 in Flammen aufgegangen.) — Zu S. 45, Z. 14 und folgende
fehlt eine Erklärung der Bändergeschichte. Oagner heifst hier: 'eine
hohe Nummer ziehen', 'eher zu Haus bleiben können'. Wer nicht mit-
zieht, ist kein rechter Kerl, steckt sich ein dunkleres Band an den Hut, so ist
es noch Sitte in meiner rheinischen Hejmat. Das schwarze Band Pinnacles
sollte Joseph also eher die Bedeutung haben, dafs er wird daheim bleiben
können. Er erbleicht {malgre moH), weil er nun überhaupt so in der
Angst ist, wegen Pinnacles Hohn und weil das schwarze Band immerhin
das der Trauer ist. Klipfei hat die niedrige Nummer 8 gezogen, sollte
also ein buntes Band anstecken. Er durchbricht diesen Gebrauch aber,
indem er sagt : Voüä ce qu'il nous faul tnaintenant u. s. w. ^Vergleiche
Vollausgabe S. 285. — Zu 139, Z. 30 aimer de ist übersehen worden. —
Zu 77, Z. 29 hinzuzusetzen, dafs die Schlösser nicht etwa vom Rheinufer
in Mainz aus zu sehen sind. 102, Z. 10 le Floss-Oraben, ein ca. 100 Kilo-
meter langer Graben (schon 1579 — 81 angelegt), der unterhalb Zeitz von
der Weifsen Elster abzweigt und sich bei Lützen in zwei Arme teilt, von
denen der eine in die Saale geht. —
B. giebt Falsches (Weniges ist in B. 2 ausgefallen: 1433 c'etait
fini sollte indirekte Eede sein!) — : 72, Z. 3. 9. 12 ^Capougner Strafse'.
Eine solche giebt es in Mainz nicht, aber eine 'Kapuziner-Strafse'. Voll-
ausgabe S. 106 steht auch Capuzigner Strafse. — 1021'*^. Auch Lützen
liegt nordöstlich von Poserna. — 1591. Unter Lousig ist Lausigk ander
Mulde, nordnordöstlich von Leipzig, zu verstehen. Josephs Weg ist:
Leipzig- Wurzen-Gauernitz ; Abmarsch den 2. Oktober die Elbe abwärts
den Flufs entlang. Dann Hinundhermärsche mit der Truppe; am 11. Ok-
tober bei Lausigk, auf dem Wege nach Norden, am 12. bei Gräfenhaini-
chen, am 13. über die Mulde nach Aken (14. Oktober), dann südlich nach
BeurteiluDgeu und kurze Anzeigen. 469
Leipzig in die Schlacht. — 9924. Gemeint ist der kleine Ort Cleben, un-
gefähr eine Stunde östlich von Weifsenfeis. Vergleiche 99, Z. 33 ff. Die
Truppe ist noch etwa eine Stunde über Cleben hinaus nach der Eippach
hin vorgegangen. — 100 2. Die Rippach ist ein Nebenflüfschen der Saale
auf dem rechten Ufer. Die Anmerkung ist zudem für die betreffende
Stelle zu allgemein gehalten. — 101 9. Die beiden Görscheu liegen süd-
südöstlich, nicht östlich von Lützen. — Die Anmerkung 13218 gehört
nicht dahin, wenn nicht angegeben wird, warum die Vorstadt so heifst.
Zu 132, Z. 18 gehört aber die Anmerkung 13613. Ebenso gehört 15921
schon zu 156, Z. 23 f.; 14814-15 dürfte schon bei 143, Z. 29 stehen. —
138'^ ist^zu~streichen, was hinter *d. h.' steht. Die Mutter bleibt abends
nur länger im Wohnzimmer auf. Auch ihr Schlafzimmer ist oben ge-
dacht. (Vergleiche 138, Z. 4 f., 23, Z. 3 f. und den Schlufs, wo Joseph
in demselben Zimmer wieder zum Bewufstsein kommt.) — 117 26—27. Was
soll die Anmerkung sagen ? Der französische Text ist dagegen klar und
deutlich. La route de Lutxen ist die Heerstrafse von Weifsenfeis über
Lützen nach Leipzig (sollte auf der Karte wie bei S. eben angedeutet
sein), auf der Napoleon ja die Nacht vorher mit dem gröfsten Teile des
Heeres abmarschiert ist und wohin alle Gedanken in der Erwartung
von Hilfe gerichtet sind. 'Gaja war dasjenige von den Dörfern, welches
am weitesten nach hinten vor der Strafse, welche von Weifsenfeis über
Lützen nach Leipzig führt, lag.' — 11627—28. Die Anmerkung zeigt, dafs
die Stelle nicht verstanden ist. Ney kommt von hinten. Er durch-
sprengt die Schlachtordnung in ihrer ganzen Tiefe bis in die vorderste
Reihe. — 15011-12. cdu geht gar nicht auf ihn, den Arm, sondern
irgend etwas Schweres, eine Flinte u. s. w., das Tardieu gerade zur
Hand hat. — 142 3. <ein Gebäude in Lehmfachwerk.' Die Anmerkung
würde auf ein Pis^werk deuten. — Zu 7610. // n'y a qtte le premier
pas qui coüte. Anmerkung 'Aller Anfang ist schwer'. Die Stelle
(wie alle anderen, in denen das Wort vorkommt, wenn sie im Zu-
sammenhang betrachtet werden) zeigt, dafs es durchaus nicht heifst:
'Aller Anfang ist schwer', wie deutsche Wörterbücher und Grammatiken,
sogar der grofse Sachs (unter pas; unter coüter giebt er eine richtige
Wendung) es übersetzen. Ich gedenke gelegentlich an Beispielen dies
näher darzulegen. Hier ist es wiederzugeben : 'Hat man den allerersten
Angang gegen das Widerwärtige gemacht, wird einem das Übrige leicht'
— 12213. Besser ist hier 'stand halten'. — 11413. Ist doch wohl nur 'un-
gemacht' {defait). — 107 3. Es liegt mehr darin, als die Anmerkung aus-
drückt : Wer es heute nicht bekommt, der braucht überhaupt nicht mehr
darauf zu rechnen, der wird totgeschossen. — 16618. sausender Kanonen-
donner! Vielleicht: 'Hörte ich etwas, das mir entfernter Kanonendonner
zu sein schien.' — 16625-26. 'hörbar' pafst nicht. Eher 'laut', 'vernehm-
bar', 'der Donner der Kanonen, der sich von Minute zu Minute wieder-
holte'. — 7917 rätelier ist verdruckt. — 11112. Heifst nur 'dasjenige Gut',
nicht 'das höchste Gut'. — 769. gaillard. Gebrauchen andere Schriftsteller
etwa das Wort anders?
470 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Zu den 'Vier Erzählungen'. S. 8, Z. 11 corset ist hier auch =
Mieder (eorsage), nicht Korsett, wie im Wörterbuch steht. — 8 8. Einfach
'welche den Takt dazu schlägt'. — 9 9. Mit der 'gehörigen' oder 'nötigen'
Eührung. — 913. Jahr 'des Heils'. — 114. 'der Reihe nach', nicht 'ab-
wechselnd'. — IG 4. 'Bei sich', nicht 'still vor sich hin'. — 175. conftrmee
ist doch term. techn. und kann nicht durch 'bestärken' übersetzt werden.
Entweder nur 'konfirmieren', oder, weil der deutsche Katholik das
nicht gebraucht: 'bei dem sie dann auch zur ersten Kommunion ge-
gangen war.' — 21 8. Ist wohl aufzufassen : Sie liegt mit geschlossenen
Augen im Lichte und sieht so das Licht durch ihre Lider hindurch-
schimmern. — 24 3. Almäni? ist nicht der Name einer Zigeunertruppe.
Danach fragt der andere ja: de quelle troupe? Ist wohl eher zu deuten
als 'Zigeuner?' oder 'Von unsern Leuten?' — 26 3. 'von grofsartiger
Wirkung'. — 28 8. 'und das war mein Vorteil'. — 301. silhouettes sind
Schattenrisse, nicht -bilder. — 3012, 'fest geschnürt'! — 383. en bezieht
sich nicht auf miel, sondern auf abeilles. Also 'sind nur schwach an
Zahl'. (Dann gehen die Stöcke im Winter vor Kälte zu Grunde.) — 513.
Besser: 'mit ausgestreckten Armen, die Beine in die Luft.' — 53 5 ist
falsch. — 59 letzte Zeile verdient eine Anmerkung. — 72, Z. 8. deman-
teler heifst hier nirgends 'niederreifsen' (Wb.). — 72, Z. 5 von unten:
ckaume. Im Wörterbuch verdruckt: 'Koppel' anstatt 'Stoppel'. Immer-
hin sollte auch 'Stroh' dabei stehen. — 73 3. Mufs heifsen': 'Man hat nur
Fenster und Luken durch die Mauern nach der Wallseite hin zu
brechen nötig gehabt.' Die Wälle sind ja abgetragen, lehnen sich aber
auch nirgends unten an die Schlofsmauern an. — 89 3, 'über dem Lichte'.
— 113 2. Was hinter 'd. h.' steht, pafst nicht. — 71. deutsch 'Dossen-
heim'. — Zu 9, Z. 1 la riviere wäre zu bemerken: ist die auch 20 8 ge-
nannte Zinzel, ein Nebenflüfschen der Zorn auf der linken Seite. Die
Zorn geht von der rechten Seite in die Moder und mit dieser in den
Rhein. — 27 l. Mufs heifsen la Reuse. — 27 4. Mufs heifsen Noiraigu£,
Schwarzwasser.
Altona-Ottensen. Fafsbender.
Dante e la Calabria, Studio di S. de Chiara. Poichfe la caritä
del Datio loco Mi strinse, raunai le froiide sparse, Dante,
Inf. XIV. Cosenza, Tipo-Lit. Aprea, Libraio-Editore, 1894.
Mit einem lithographischen Bilde ^Cosenza veduta dalla
Villa\ 216 S.
Ein allerliebstes Buch des durch Dante- Arbeiten schon bekannten Ver-
fassers, der, aus Cosenza gebürtig, das Ganze seinem Calabrien widmet;
wer Dante und die Frage nach den italienischen Mundarten gern hat, der
lasse es sich ja nicht entgehen.
Der erste Teil handelt von Wörtern bei Dante, welche er der cala-
brischen Mundart entnommen zu haben scheint und welche aus ihr gute
und richtige Erklärung erhalten. Im Alighieri II, 497 gab Apollo Lumini
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 471
schon eine solche Untersuchung, und die von ihm vorgeführten Wörter
hat man hier ebenfalls mit einigen eigenen Bemerkungen des Verfassers
und einem Anhange solcher, die Lumini noch nicht hatte. Aus diesem
letzteren hebe ich einiges hervor. Chiappa, Inf. 24, 33, nach Benvenuto
von Imola 'Dachziegel', meint der Verfasser, sei vielmehr wie im Calabri-
schen = natica, und daher übertragen 'Hervorragendes'. Das ist wohl sehr
annehmbar, nur bleibt zu erinnern, dafs auch die allgemeine italienische
Sprache neben der gewöhnlichen Bedeutung von chiappa diese = natica
recht wohl kennt. Treffend wird vom Verfasser auch lacca als in derselben
Bedeutung und Übertragung wie chiappa stehend erklärt. Zu mano manca
stellt sich derselbe Gebrauch im Calabrischen gut, doch mufs man auch
das italienische mancino = 'link' beachten. Zu Inf. 7, 12 Michele fe la
Vendetta del superbo strupo weist der Verfasser für das letzte Wort das
spätlateinische stropus = hranco di pecore zurück und lehnt es an cala-
brisches truoppu =r drappello an. Ich bin der Meinung, dafs der Genitiv
auf stupru7n = Untreue gegen Gott (vgl. Blancs Wörterbuch, Vocabolario
Dantesco), untreue That, hindrängt. Zu crese stellen sich sehr schön cal.
crise, crlseru, auch crisu. Sollte es aber gar nicht toskanisch sein ? Wenig-
stens das dem letzten entsprechende creso ist in meiner Ital. Sprachlehre
S. 80 als toskanisch und römisch nachgewiesen. Hat Fed. Frezzi, wie
Blanc, Gr. 448 bemerkt, nicht nur dieses, sondern auch cresi, so kann
dieses leicht auf Dantes Rechnung kommen, da er dessen Nachahmer ist.
An diesen ersten Teil dürfte sich der vierte besonders eng anschlie-
fsen. Dieser bringt alle calabrischen Übersetzungen von Gesängen des
Inferno, welche es giebt, acht im ganzen, deren einer jedoch in zwei Über-
setzungen vorliegt. Die zweite ist in der besonderen Mundart von Co-
senza verfafst. Vom Purgatorio scheint gar keine solche Übersetzung
vorzuliegen; nur das Paradiso hat einer vollständig übersetzt, was hier
leider fehlt, da es unser Verfasser schon herausgegeben hat: Fanfullino
III, 2, Cosenza 18 agosto 1875, II Paradiso di Dante tradotto in dialetto
calabrese da F. Limarzi, ein gelungenes Werk. Auch das hier Vorliegende
aus dem Inferno ist gut, zum Teil trefflich, sehr selten kommt einem ein
Lächeln wie bei E caddi come corpo morto cade, E 'nterra te tummai cuomu
nu piru, was der Verfasser freilich in der Einleitung als ebenso wirkungs-
voll hervorhebt. Durch viele erklärende Anmerkungen unter den Texten
erhöht sich noch die Annehmlichkeit dieses Teiles. Dasselbe ist von der
Angabe von Varianten zu sagen. Die Lesung ist oft dem Freunde Dantes
und dem der Mundart in gleicher Weise lieb, w^ie wenn con lena affannata
durch cu suprajatu, d. i. con soprafßato gegeben wird. Dies letzte kennt
man sonst nicht, versteht aber den 'Überatem, übermäfsiges Atmen' sofort.
Im zweiten Teile werden von Dante angeführte Orte Calabriens be-
handelt, und zwar Cotrone, Cosenza, Scilla. Auf letzteres deutet der
Dichter nur hin ; die geschichtliche Beleuchtung der Orte mit Anführung
von Quellen ist anziehend. Der dritte Teil behandelt die vom Dichter
erwähnten Calabrier, nämlich den Abt Gioacchino und den Pastor di Co-
senxu, als welcher mit trefflichen Gründen Bartolommeo Pignatelli fest-
472 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
gehalten wird. Ein Anhang des ganzen Buches, S. 207—212, bringt drei
Dokumente aus dem Liber Prcßhendarum der Kirche von Cosenza auf
Bartolommeo Pignatelli, Fra Tommaso d'Agni, Cesario Pignatelli, von
denen das erste gut zu dieser Sache pafst.
Der fünfte und letzte der Hauptteile des Buches, S. 179—204, giebt
einen vollständigen Nachweis aller Schriften von Calabriern zu Dante,
wobei auch Gedichte und Gemälde mit berücksichtigt sind. Auch Nicht-
calabrier sind mit angeführt, aber mit ausdrücklicher Erinnerung, wenn
ihre Werke auf Calabrien Bezug haben, auch wohl in einer calabrischen
Zeitschrift erschienen sind. Auch dieser Teil giebt dem Ganzen eine
rechte Vollständigkeit und Brauchbarkeit.
Friedenau. H. Buchholt z.
Neues Taschen-Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache
für den Schul- und Handgebrauch von H. Michaelis. Erster
Teil; Itahenisch - Deutsch. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1895.
Nuovo Dizionario Tascabile Itahano - Tedesco ad uso delle
scuole, dei commercianti, viaggiatori ecc. da H. Michaelis.
Parte prima: ItaHano-Tedesco. Lipsia, F. A. Brockhaus, 1895.
Parte seconda: Tedesco - Itahano. Zweiter Teil: Deutsch-
Italienisch. YII, 484, 540 S.
Die geschickte Verfasserin des Vollständigen Wörterbuches der ita-
lienischen und deutschen Sprache, Leipzig 1879 und 1880, seitdem in
ich weifs nicht wie viel Auflagen, giebt hier ein nicht viel kleineres so-
genanntes Taschenwörterbuch, vermutlich auf den Wunsch des Verlegers,
für die, welchen jenes etwas zu grofs sein sollte. Wie schon der Titel
andeutet, verfolgt dies kleinere Werk ganz denselben Zweck wie jenes
gröfsere, es will recht für die Neuzeit, für die Erkenntnis der heutigen
Sprache wirken : nach Dantes Wörtern wie inluiarsi, nach chiechibichicchi
bei Benedetto Varchi u. dgl. mufs man sich hier nicht erkundigen, aber
für heutige Schriftsteller und für das heutige Leben ist es reich und
trefflich, ähnlich dem früheren Werke. Ja, es bietet wohl ungefähr das-
selbe wie jenes, selten wird man etwas, wie grissino, in dem gröfseren fin-
den, in dem kleineren nicht. Die grofse Menge der Wörter ist in beiden
Werken recht angenehm. Die lebende Sprache ist ja so unerschöpflich.
Da bleibt, versteht sich, doch immer noch manches zu wünschen übrig,
wie fodera Schirmüberzug, coda codino die Riemen ähnlichen Stücke hinten
am ßeinkleide der Männer, ersteres mit Schnalle, u. s. w. Ein Versehen
beider Werke ist, wenn im deutschen Teile unter Bovist vescica statt
vescia angegeben wird, da jenes nur Blase, kein Pilz, ist. Der italienische
Teil beider Ausgaben hat richtig vescia Staubpilz, ohne freilich noch an-
dere Bedeutung dafür anzugeben. Ein eigentümlicher Mangel beider
Werke ist, dafs man wohl Ländernamen, als Armenia, Jonia, aber zu
wenig Städtenamen, als Arezzo, Aretino, Como, Comasco u. s. w. suchen
darf. Zwar Berlinisch, Neapel, Neapolitanisch, Mailand, Mailändisch,
Beurteilungen und kurze Anzeigen. 473
Paris, Pariser, Rom, Römisch, Wien, Wiener, Tunis, Tuneser, Venedig
bietet der deutsche Teil beider Bearbeitungen; dagegen fehlen Turin,
London, Genua, Lissabon, Petersburg, Konstantinopel, Marseille, Triest
wenigstens der kürzeren.
Auch in Bezug auf Grammatik hat dieses neue kleinere Werk manche
Annehmlichkeit, manche Hilfe für den Lernenden. Von den Zeitwörtern
sind immer nach den Bedeutungen die Hauptformen angegeben, wenn
man hier auch manchmal etwas vermissen kann. Zu andare wird in dem
gröfseren Werke das Futurum andrd angegeben, in dem kleineren fehlt
es ganz — man kann es sich also ohne Gefahr allein machen, nämlich
nach amare anderö : aber dais es auch jene Form ohne e giebt, und welch
ein Unterschied zwischen beiden ist, müfste man doch erfahren. Solche
Feinheiten der neuesten, sich aus Toscana vervollkommnenden Schrift-
steller vermifst man auch bei den Imperativen va gehe, fa thue, indem
die neueren Formen vai, fai (vgl. m. Sprachl. S. 78, der treffliche Blanc
kennt diese der neuesten Zeit angehörenden Formen noch nicht) nicht
erwähnt werden. Noch ein Wörtchen zu andare. Heifst es un uomo
come va ein anständiger, feiner Mann, so ist es angenehm und wertwoll,
dies zu erfahren, wenn es nur etwas gründlicher wäre, lieber erklärt wäre:
ein Mann wie er sein mufs! Der Sinn des Müssens wird in andare nicht
erfafst, und darum fehlt auch in beiden Werken die so eigenartige Wen-
dung von andare mit dem passivischen Perfektparticip, wie wenn es heifst :
cosi va detto so mufs gesagt werden, so mufs man sagen.
Recht angenehm ist schliefslich noch die Sorgfalt, mit der in diesem
kleineren Werke für die Aussprache gesorgt wird, was in dem älteren gröfse-
ren Werke nicht geschieht, es müfste denn in einer der neueren, mir noch
unbekannten Ausgaben der Fall sein. Hier ist besonders hervorzuheben,
dafs die auf der drittletzten, in der dritten pluralis viertletzten, Silbe be-
tonten prsesentia stets bemerkt werden. Schade, dafs betontes i der vor-
letzten Silbe unmittelbar vor dem Schlufsvokal nicht bemerkt wird. Liegt
es wohl an der Druckerei? Nicht nur bei Wörtern wie ortografla, por-
cheria vermifst man es, sondern sogar bei solchen auf io, wie mormorio,
calpestio, balenio, arrufßo, welche in vielen Drucken schon ein Zeichen auf
dem i führen. Äufserst willkommen sind die Punkte über s und x zur
Bezeichnung der Weiche, wie in bisogno, xeffiro.^
Friedenau. H. Buchholt z.
' [Im Anschlüsse an das oben Gesagte sei noch ein Wunsch geäufsert: In
Verben, die in der letzten Silbe des Stammes e oder o haben, wird bei betonter
Endung, also auch vor der Infinitivendung -are, -ire, -ere jenes e oder o geschlossen
gesprochen ; erhält es aber den Ton, so ist es bald offen, bald geschlossen, ram-
mendare und ramrnenfare haben gleichlautende zweite Silben ; aber rammenda hat e,
rnmmenta hat f ; man spricht senfire, jedoch sento; osare, jedoch pso. Ein Wörter-
buch, das Auskunft über die Aussprache gewähren will, darf bei den Verben nicht
den Infinitiv allein berücksichtigen, wie das unbegreiflieherweise bei Fanfani,
Vocab. d. pron. lose, und bei Rigutini-F'anfani geschehen ist, sondern hat auch
der stammbetonten Verbalformen zu gedenken. A. T.]
474 Beurteilungen und kurze Anzeigen.
Nachtrag zu Archiv XCV, 189.
um einem Wunsche des Herrn Direktors Wingerath nachzukommen,
welcher sich beschwert, dafs ich in meiner Besprechung seines englischen
Lesebuches im Archiv Bd. XCV, S. 181> f. einige Punkte übergangen
habe, denen er Wichtigkeit beilegt, spreche ich hiermit gerne aus, dafs
die Hauptmasse seines Lesestoffes thatsächlich modernen
Autoren entlehnt ist und das Buch einen Anspruch auf
Neuheit jedenfalls insofern erheben darf, als die Lese-
stücke der überwiegenden Mehrzahl nach in anderen Schul-
büchern noch nicht verwertet worden sind. Letztere Eigen-
schaft des Buches ist von mir nicht in Abrede gestellt; dafs ich den
Punkt nicht ausdrücklich erwähnte, hat seinen Grund darin, dafs er mir
zur Kennzeichnung des Buches nicht wesentlich beizutragen schien. Wer
meine Anzeige gelesen hat, wird als meine Ansicht erkannt haben, dafs
ich das 'Neue englische Lesebuch' für brauchbar halte, ihm aber so hohe
Vorzüge nicht beimessen kann, dafs es andere sehr praktisch angelegte
Lesebücher zu verdrängen verdiente. Ich bin nicht in der Lage, meine
Meinung zu ändern. G. Opitz.
Verzeichnis
der vom 22. September bis zum 30. November 1895 bei der
Redaktion eingelaufenen Druckschriften.
The American Journal of Philology edited by Basil L. Gilder-
sleeve. XVI, 2. Baltimore 1895 [hier zu erwähnen: S. B. Platner,
Diminutives in Catullus. Besprechungen von Blase, Geschichte des Plus-
quamperfects im Lateinischen ; Ries, Was ist Syntax ?].
Thümen, F., Die Iphigeniensage in antikem und modernem Ge-
wände. Zweite Auflage. Berlin, Mayer und Müller, 1895. 47 S. 8.
M. 1. [Zuerst 1881 als Beilage zum Programm des Gymnasiums zu
Stralsund erschienen.]
Modern Language Notes edd. A. Marshall Elliot, James W. Bright,
Hans C. G. von Jage mann, Henry Alfred Todd. X, 7 [T. W. Hunt,
Educational English. Hugo A. Renioert, Two Spanish Manuscript Can-
cioneros (auf der Florentiner National -Bibliothek). Fred N. Scott, The
Misplacement of only. K. Pietsch, The Authorship of Flamenca (weist
die Vermutung Henckels' zurück, dafs Peire Rogier der Verfasser sei).
A. W. Whitney, The Ell and Yard. Reviews : A. Font, Essai sur Favart
et les origines de la comedie melee de chant (Ph. Ogden) ; J. E. Wül-
fing, Die Syntax in den Werken Alfreds des Grofsen (Frank H. Chase);
F. M. Warren, A History of the Novel Previous to the Seventeenth Century
(Robert Waller Deering); A Selection from the Poetry and Comedies of
Alfred de Musset ed. by L. 0. Kuhns, Les Origines de la France con-
temporaine par H. A. Taine, Extracts with Notes by A. H. Edgren (B.
L. Bowen) ; Betz, Heine in Frankreich (John S. Nollen). Correspondence].
Publications of the Modern Language Association of America edited
by James W. Bright. Vol. X, No. 3. Baltimore 1895 [Hermann
Collitz, Two Modern German Etymologies (Schnörkel; schmarotzen).
L. Emil Menger, 'Free' and 'Checked' Vowels in Gallic Populär Latin.
J. Hendren Gorrell, Indirect Discourse in Anglo-Saxon].
Neuphilologisches Centralblatt. Herausgegeben von Dr. W. Kasten.
IX, 10, 11 [Sachs, Zwei Veteranen der französischen Litteratur, Secre-
tan und Doucet. Berichte aus Vereinen, Besprechungen].
Die neueren Sprachen. In Verbindung mit Franz Dörr und Adolf
Rambeau herausgegeben von Wilhelm Victor. III, 5 [R. Krön, Die
Methode Gouin IV. Ph. Aronstein, England um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts IL Besprechungen (Lloyd über Storms Engl. Philologie)].
Literaturblatt für germanische und romanische JPhilologie. Heraus-
gegeben von Otto Behaghel und Fritz Neu mann. XVI, 10, 11.
Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des allgemeinen deutschen
Sprachvereins. Heft IX. Verlag des allgemeinen deutschen Sprachver-
476 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
eins. 1895 [Dunger, Die Bereicherung des Wortschatzes unserer Mutter-
sprache, Festvortrag. Heintze, Die Stellung des Zeitwortes nach 'und'].
Denkmäler der älteren deutschen Litteratur für den litteraturgeschicht-
lichen Unterricht an höheren Lehranstalten . . . herausgegeben von Dr. G.
Bötticher und Dr. K. Kinzel. I. Die deutsche Heldensage. 2. Kudrun,
übertragen und erläutert von H. Löschhorn. Zweite Auflage. Halle,
Waisenhaus, 1896. 126 S. 8. Geheftet M. 0,90.
Wörterbuch der Strafsburger Mundart aus dem Nachlasse von Charles
Schmidt (1812— 1895). IL Lieferung. Strafsburg, Heitz, 1895. S. 49— 96
(Han — Schnitz).
Merkes, Dr. P., Beiträge zur Lehre vom Gebrauch des Infinitivs
im Neuhochdeutschen, auf historischer Grundlage. Erster Teil. Leipzig,
Robolsky, 1896. 171 S. 8.
Kauffmann, Friedrich, Kurzgefafste Laut- und Formenlehre des
Gotischen, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutschen. Zweite vermehrte und
verbesserte Auflage. Marburg, Elwert, 1895. VI, 108 S. 8.
Harcourt, L., German for Beginners. Marburg, Elwert; London,
Whittaker u. Co. XI, 200 S. 8.
Bremer, Privatdozent Otto, Beiträge zur Geographie der deutschen
Mundarten in Form einer Kritik von Wenkers Sprachatlas des deutschen
Reichs. Mit 11 Karten im Text. Leipzig, Breitkopf und Härtel, 1895.
XV, 266 S. 8. M. 5.
Wenker, G., und W rede. F., Der Sprachatlas des deutschen Reichs.
Dichtung und. .Wahrheit [Wenker, Herrn Bremers Kritik des Sprach-
atlas; Wrede, Über richtige Interpretation der Sprachatlas-Karten]. Mar-
burg, Elwert, 1895. 52 S. 8. M. 1.
Fischer, E. L., Pfarrer in Quednau (Ostpreufsen), Grammatik und
Wortschatz der Plattdeutschen Mundart im Preufsischen Samlande.
Halle, Waisenhaus, 1896. XXIV, 260 S. 8.
Kiy, Prof. Viktor, Themata und Dispositionen zu deutschen Auf-
sätzen und Vorträgen im Anschlufs an die deutsche Schullektüre für die
oberen Klassen höherer Lehranstalten. Zweiter Teil. Berlin, Weidmann,
1895. XII, 227 S. 8.
Düntzer, Heinrich, Goethe, Karl August und Ottokar Lorenz. Ein
Denkmal. Dresden, Dresdener Verlagsanstalt, 1895. 124 S. 8. M. 2.
Golther, Wolf gang, ord. Professor an der Universität Rostock,
Handbuch der germanischen Mythologie. Leipzig, Hirzel, 1895. XI,
668 S. 8. M. 12, geb. M. 14.
Anglia. Herausgegeben von Eugen Einenkel. VI, 1 [A. v. Wolf-
fersdorf Leslie, Was Swift married to Stella? H. Gruber, Beiträge zu
dem mittelenglischen Dialoge 'Ipotis'. M. Trautmann, Zur Kenntnis und
Geschichte der mittelenglischen Stabzeile. Marie Gothein, Zu Keats' Ge-
dächtnis. W. Heuser, Nachtrag zu Anglia, Neue Folge V, 69 ff. Offe-
nes und geschlossenes ee im Schottischen und Nordenglischen. R. Wül-
cker, Julius Zupitza. R. E. Neil Dodge, An allusion in Coleridge's First
Advent of Love]. Beiblatt, herausgegeben von M. F. Mann. VI, 5, 6, 7.
Englische Studien. Herausgegeben von Eugen Kölbing. XXI, B
[Kaluza, Die Schwellverse in der altenglischen Dichtung. F. Maychrzak,
Lord Byron als Übersetzer. E. Nader, Zur Geschichte der University
Extension. Miscellen: G. Sarrazin, Der Name Ophelia. F. Kluge, Zeug-
nisse zur germanischen Sage in England. F. W. Skeat, Zur Abstam-
mung des Wortes 'pedigree'. F. Holthausen und E. Kölbing, Zu Every-
man. F. Lindner und L. Fränkel, Ein letztes Mal zur Legende von
Einsiedler und Engel. E. Kölbing, Ein Brief von Charles Dickens. E.
Kölbing, Julius Zupitza].
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 477
Collection of British Authors. Leipzig, Bernhard Tauchnitz, 1895.
kl. 8. Band M. 1,60.
Vol. 3080. In Market Overt. By James Pain. 302 S.
Vol. 3081. The Vagabonds. Bv Margaret L. Woods. 280 S.
Vol. 3082. Scvlla or Charybdis? By Rhoda Broughton. 288 S.
Vols. 3083 and. 3084. At Heart a Rake. By Florence Marryat. 271,
272 S.
Vol. 3085. Clarence by Bret Harte. 255 S.
Vols. 3086 and 3087. Joan Haste by H. Rider Haggard. 288 und
279 S.
Vol. 3088. A Devil in Nun's Veiling, etc. by F. C. Philips. 287 S.
Vols. 3089 and 3o90. Sons of Fire by M. E. Braddon. 279 und
270 S.
Vol. 3091. The White King's Daughter by Emma Mars hall. 270 S.
Vols. 3092 and 3093. The Long Vacation by Charlotte M. Yonge.
286 und 264 S.
Vol. 3094. The Stark Munro Letters by A. Conan Doyle. 278 S.
Flügel, Ewald, Neuenglisches Lesebuch zur Einführung in das
Studium der Denkmäler selbst nach den Handschriften und ältesten
Drucken. Erster Band, Die Zeit Heinrichs VIII. Halle, Niemeyer, 1895.
XII, 547 S. 8.
Saure, Dr. Heinrich, Auswahl englischer Gedichte für höhere Lehr-
anstalten. Zweite verbesserte Auflage. Berlin, Herbig, 1895. VIII,
219 S. 8.
Bright, James W., Ph. Dr., Associate Professor of English Philo-
logy at the John Hopkins University, An Outline of Anglo-Saxon Gram-
mar published as an Appendix to 'An Anglo-Saxon Reader'. London,
Swan Sonnenschein and Co., 1895. LXXIX S. 8.
Morris, the Late Rev. Richard, Historical Outlines of English Acci-
dence Comprising Chapters on the History and Development of the Lan-
guage and on Word-Formation, revised by L. Kellner with the Assis-
tance of Henry Bradley. London, Macmillan and Co., 1895. XIII,
463 S. 8.
Degenhardt, Dr. Rudolph, Kurzgefafstes Lehrbuch der englischen
Sprache. 3. (so auf dem Umschlag, innen 2.) Stereotyp - Auflage. Lese-
schule — Schulgrammatik — Lesehuch. Dresden, Ehlermann, 1895. VI,
384 S. 8.
Brückner, Anna, Life in an English Boarding-School. In three
Parts. Appendix: Letters. Hilfsbuch zur Erlernung der euglischen
Sprache. Bielefeld und Leipzig, Velhagen & Klasing, 1895. IV, 178 S. 8.
geb. M. 2.
Mory, Eugen, English Master at the Obere Töchterschule in Basle,
English Grammar and Reader. First Course, 87 S. 8, M. 1,20. Second
Course, 123 S., M. 1,60. Third Course, 168 S., M. 2.40. Basle, Schwabe, 1896.
Windscheid, Dr. phil. Katharina, Die englische Hirtendichtung
von 1579 — 1625. Ein Beitrag zur Geschichte der englischen Hirtendich-
tung. Halle, Niemeyer, 1895. 114 S. 8.
Sievers, Dr. E. W., Shakespeares Zweiter mittelalterlicher Dramen-
Cyklus. Mit einer Einleitung von Dr. W. Wetz. Berlin, Reuther und
Reichard, 1896. XXIII, 256 S. 8.
Wurth, Dr. phil. Leopold, Das Wortspiel bei Shakspere. Wien und
Leipzig, Braumüller, 1895. XIV, 255 S. 8. M. 6. (Wiener Beiträge zur
englischen Philologie I.) _______
Grundrifs der romanischen Philologie . . . herausgegeben von Gustav
Gröber. Zweiter Band, dritte Abteilung. 1. Lieferung (Bogen 1 — 8).
Strafsburg, Trübner, 1896.
478 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Romanische Studien. Herausgegeben von Eduard Boehmer. Heft
XXII. (Sechsten Bandes viertes Heft.) Juan de Vald^s: Didlogo de la
lengua und Refranes. Bonn, Weber, 1895. S. 339—508. 8. M. 5.
Fiore di virtü, saggi della versione tosco-veneta secondo la lezione
dei manoscritti di Londra, Vicenza, Siena, Modena, Firenze e Venezia
editi da Giacomo Ulrich, professore nell' Universitä di Zurigo. Lipsia,
Renger, 1895. II, 55 S. gr. 4.
Rigutini, Gius., e Bulle, Ose, Nuovo dizionario italiano-tedesco
e tedesco-italiano. Fase. 3°, 4» e 5". Leipzig, Tauchnitz; Milano, Hoepli,
1895. S. 193 — 384 (contramminare — minuare). Jede Lieferung M. 1.
Ein altes italienisch - deutsches Sprachbuch. Ein Beitrag zur Mund-
artenkunde des 15. Jahrhunderts. Herausgegeben von O. Brenner.
(Sonderabdruck aus 'Bayerns Mundarten', Bd. II.) München, Kaiser,
1895. 61 S. 8.
Giornale storico della letteratura italiaua diretto e redatto da F.
Novati e R. Renier. XXVI, 3 (Fase. 78) [L. Frati, Lettere amorose
di Galeazzo Marescotti e di Sante Bentivoglio. P. Toldo, Se il Diderot
abbia imitato il Goldoni. — Varietä: A Moschetti, Una lettera inedita
die Carlo Marsuppini. L. Dorez, Antonio Tebaldeo, les Sadolet et le Car-
dinal Du Bellay. G. Rossi, Alcune rime inedite di Jacopo Corsi. —
Rassegna bibliografica : A. Solerti, Vita di T. Tasso (V. Cian). — Bol-
lettino bibliografico. Annunzi analitici. Pubblicazioni nuziali. Comu-
nicazioni ed appunti. Cronaca].
Mussafia, Prof. Adolfo, Süll' antichissima cantilena guillaresca del
cod. Laurenz. S. Croce XV, 6 nota (Estratto dai Rendiconti della R.
Accademia dei Lincei, 20 genn. 1895). 8 S. 8.
Zingarelli, Nicola, Dante e Roma, saggio. Roma, Loescher e C^%
1895. 68 S. 8. 1. 1,50.
Hoyermann, Dr. F. und Uhlemann, Dr. F., ordentl. Lehrer an
der Hauptschule in Bremen, .Spanisches Lesebuch zum Schul- und Pri-
vatgebrauche, nebst einem Überblick über die spanische Litteratur und
einem vollständigen Wörterbuche. Zweite, vollständig umgearbeitete Auf-
lage. Dresden, Kühtmann, 1895. XVI, 288, 69 S. 8. M. 7, geb. M 7,50.
Wannenmacher, F. X., Pequeno Vocabulario Castellano y Gra-
mätica sin Reglas. Kleines Vokabelbuch und erste Anleitung zum spa-
nisch Sprechen nebst einer kurzgefafsten Grammatik ohne Regeln. Zweite
verbesserte Auflage herausgegeben von Lic. P. de Mugica. Berlin, Her-
big, 1896. IV, 92 S. kl. 8.
Mussafia, Adolfo, Süll' antica metrica portoghese osservazioni
(Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien,
Philosophisch-historische Klasse, Bd. CXXXIII). 86 S. 8.
Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur . . . herausgegeben
von Dr. D. Behrens. XVII, 6 (Referate und Recensionen).
Revue de philologie fran§aise et provengale p. p. Leon Cl^dat. IX,
3 [L. Cledat, Les mots invariables (tin). L. Cl^dat, Oeuvres narratives
du moyen äge (Inhaltsangaben und Übersetzungen in nfrz. Verse von
Bruchstücken alter Erzählungen). Ch. Adam, Remarques sur l'ortho-
graphe de Descartes. H. Teuli4, Traduction de quelques strophes de
Mireille en divers dialectes meridionaus. L. C, Qui vive ? Compte rendu :
Foresti^, Quelques inventaires du XIV'' si^cle (Teuli^)].
Karls des Grofsen Reise nach Jerusalem und Constantinopel . . . her-
ausgegeben von Dr. Eduard Koschwitz. Dritte, verbesserte Auflage.
Leipzig, Reisland, 1895. XXXVIII, 120 S. 8. M. 4,40.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 479
Li Proverbe au vilain. Die Sprichwörter des gemeinen Mannes, alt-
französische Dichtung nach den bisher bekannten Handschriften herausge-
geben von Adolf Tobler. Leipzig, Hirzel, 1895. XXXIIl, 188 S. 8. M. 5.
Le Jeu de Robin et Marion par Adam le Bossu ... p. p. Ernest
Langlois, professeur ä la Faculte des Lettres de Lille, (o. O.) Librai-
rie Thorin et fils, A. Fontemoing Successeur, 1895. 154 S. 8.
Glöde, Dr. Otto, Oberlehrer am Grofsherzoglichen Gymnasium zu
Doberan in Mecklenburg, Französisches Lesebuch für die mittleren Klassen
höherer Schulen. Ausgewählte Musterstücke aus der neueren französischen
Litteratur. Nach den Principieu der Reformer zusammengestellt. Mar-
burg, Elwert, 1895. XII, 28:^ S. 8.
Strien, Prof. Dr. G., Direktor des Realgymnasiums der Franckeschen
Stiftungen zu Halle a. S., Schul^ammatik der französischen Sprache.
Ausgabe B: Für Gymnasien und Realgymnasien. Halle, Eugen Strien,
1895. VIII, 139 S. 8.
Bastin, J., Le Verbe dans la langue fran§aise (^tude historique).
Premiere partie: Lexicologie. 120 S. 8. 85 cop. Seconde partie: Syn-
taxe. 208 S. 8. 1 r. 50 cop. St. P^tersbourg, imprim. Trenk^ et Fus-
not, 1896.
Probst, Dr. Hermann, Geheim. Regierungs- und Provinzial-Schul-
rat a. D., und Krause, Prof. Dr., Oberlehrer am Friedrichs- Werderschen
Gymnasium zu Berlin, Praktische Vorschule der französischen Sprache.
Elementar- und Lesebuch für die Quarta und Unter-Tertia der Gymnasien
und Realgymnasien nach den 'neuen Lehrpläuen' bearbeitet. Zehnte Auf-
lage. Leipzig, Bädeker, 1895. 208 S. 8.
Weick, Josephine, Causeries pour les enfants. Ein Hilfsbuch für
die Mittelstufe des französischen Unterrichts an weiblichen Lehranstalten.
Bielefeld und Leipzig, Velhagen & Klasing, 1894. VIII, 112 S. 8. geb.
M. 1,50.
Teichmann, Bernhard, Praktische Methode. Französisch. Zweite
vervollkommnete Auflage. Erfurt, Günther (o. J.). 211 S. 8 (Reklamen
einbegriffen). M. 3, geb. 3,75.
Ploetz, Dr. Gustav, und Kares, Dr. Otto, Übungsbuch. Aus-
gabe D. Für Mädchenschulen. (Kurzer Lehrgang der französischen
Sprache.) XII, 279 S. 8. M. 2,20.
Meyer, Paul, Notice de deux manuscrits de la Vie de saint Remi
en vers franyais ayant apparteuu ä Charles V. Tir^ des Notices et ex-
traits des manuscrits de la Biblioth^que Nationale et autres bibliothfeques.
T. XXXV, pe partie. Paris, 1895. 18 S. 4.
Meyer, Paul, Notice sur le manuscrit fr. 24862 de la Biblioth^que
Nationale contenant divers ouvrages composes ou ecrits en Angleterre.
Tir^ des Notices et extraits . . ., T. XXXV, V'' partie. Paris, 1895,
42 S. 4.
Seelmann, Universitätsbibliothekar Dr. Emil, Wiederauffindung der
von Karl dem Grofsen deportirten Sachsen. (Separat- Abdruck aus der
Kölnischen Zeitung.) 1895. 13 S. 8.
Appel, Carl, Pro venzalische Chrestomathie mit Abrifs der Formen-
lehre und Glossar. Leipzig, Reisland, 1895. XLI, 344 S. gr. 8. [Un-
geheftet] M. 9.
Levy, Emil, Provenzalisches Supplement- Wörterbuch. Berichtigun-
gen und Ergänzungen zu Raynouaras Lexique roman. Fünftes [unge-
heftetes] Heft. Leipzig, Reisland, 1895. S. 1 — 128 des zweiten Bandes
{da — desconoiser).
Sommer, Georgius, Essai sur la phon^tique forcalqu^rienne. Dis-
sertation von Greifswald. 1895. VI, 90 S. 8.
480 Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Sacerdote, Gustavo, The Ninth Mehabbereth of Emanuele da Roma
and the Tresor of Peire de Corbiac. Repriuted from The Jewish Quar-
terly Review, July 1895, London. 20 S. 8.
Maafs, Dr. Albert, Allerlei provenzalischer Volksglaube nach F.
Mistrals 'MirMo' zusammengestellt. Berlin, Vogt, 1896. 64 S. 8. (Ber-
liner Beiträge zur germanischen und romanischen Philologie veröffentlicht
von Dr. Emil Ehering, XI. Romanische Abteilung Nr. 5.)
Levy, Emil, Bemerkungen zum engadinischen Hiob. Freiburg i. B.,
Buchdruckerei von Hch. Epstein, 1895. 84 S. 8.
Zweiter Jahresbericht des Instituts für rumänische Sprache (rumä-
nisches Seminar) zu Leipzig, herausgegeben von dem Leiter des Instituts
Dr. Gustav Weigand. Leipzig, Barth, 1895. X, 224 S. 8 [Arno Dun-
ker, Der Grammatiker Bojadzi. Perikle Papahagi, Sammlung aromu-
nischer Sprichwörter und Rätsel. C. von Sanzewitsch, Die russischen
Elemente romanischen und germanischen Ursprungs im Rumänischen.
Gustav Weigand, Istrisches IL Zum Wortschatz].
Weigand, Gustav, Die Aromunen, ethnographisch-philologisch-histo-
rische Untersuchungen über das Volk der sogenannten Makedo-Romanen
oder Zinzaren. Erster Band, Land uud Leute. Mit einem Titelbilde,
8 Tafeln und einer Karte. Leipzig, Barth, 1895. XII, 334 S. 8. M. 10.
(Der zweite Band ist 1894 erschienen; drei weitere sind in Aussicht ge-
stellt.)
Kutner, Severin, Die polnische Umgangssprache. Eine Auswahl
von Gesprächen des täglichen Lebens. Nebst Wörterbuch und Erläute-
rungen in separatem Anhange. 1. Teil: Übungsbuch. 2. Teil: Wörter-
buch und Erläuterungen. Leipzig, Gerhard, 1895. IV, 97 und 71 S. kl. 8.
M. 8,30, geb. 3,75.
Anders, Dr. Sascha, Praktisches Hilfs- und Übungsbuch für die
russische Dolmetscher - Prüfung. Bearbeitet und mit Accenten versehen.
Leipzig, Gerhard, 1895. 90, 60 S. kl. 8. M. 3,80, geb. 3,75.
Anders, Dr. Sascha, 34 russische Original -Handschriften in ge-
treuer Wiedergabe. Mit Schlüssel versehen und herausgegeben. (Separat-
Ausgabe aus des Verfassers Praktischem Hilfs- und Übungsbuch für die
russische Dolmetscher-Prüfung.) Leipzig, Gerhard, 1895. M. 1,40.
Thumb, Dr. Albert, Handbuch der neugriechischen Volkssprache.
Grammatik. Texte. Glossar. Mit einer Schrifttafel. Strafsburg, Trüb-
ner, 1895. XXV, 240 S. 8.
Krampe, Wilhelm, Oberturnlehrer und Dirigent des städtischen
Turnwesens zu Breslau, Die Italienischen Humanisten und ihre Wirk-
samkeit für die Wiederbelebung gymnastischer Pädagogik. Ein Beitrag
zur allgemeinen Geschichte der Jugenderziehung und der Leibesübungen.
Breslau, Korn, 1895. VIII, 245 S. 8.
0
PB Archiv für das Studium
3 der neuBren sprachen
Bd.95
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY