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Full text of "Archiv für Hygiene"

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ARCHIV FÜR HYGIENE 

(BEGRÜNDET VON MAX t. PETTENKOFEB.) 



UNTER MITWIRKUNG 

VON 

Prof. Dr. O. BOLLINGBR, München ; Prof. Dr. BON HOFF, Marburg a. L. ; Prof. Dr. R. EMMERICH, 
München; Prof. Dr. F. ERI8MANN, Zürich; Prof. Dr. HEIM. Erlangen; Prof. Dr. F. HUEPPE, 
Prag; Prof. Dr. KABRHEL, Prag; Prof. Dr. F. KRAT8CHMER, Wien; Prof. Dr.K. LEHMANN, 
WfiRboig; Prof. Dr. A. LODB, Innsbruck; Prof. Dr. L. PFEIFFER, Rostock; Prof. Dr. 
W. PRAUSNITZ, Graz; Prof. Dr. F. RENK, Dresden; Prof. Dr. SCHOTTELIUS, Freiburg i. B.; 
Qeneraloberarxt Dr. A. SCHUSTER, München ; Prof. Dr. M. SILBERSCHMIDT, Zürich ; Prof. 

Dr. WERNICKE, Posen. 



HERAUSGEGEBEN 

VON 

J. FOBSTEB, M.OBÜBEB, FB. HOFMANN, H. BUBNEB, 

O. ö. PROrBSMBIH DIR BTOIBVB UND DIEBKTOUN DBB HTGIBKUOHBN IITSTITUTB AN OBN UNITBRSITÄTBN lU 

8TBASSBUBO HÜNGHBN LEIPZIG BERLIN. 



Mit 6 Abbildungen. 




MONOHBN und BERLIN. 
DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG. 

1907. 




CATALOGUEO 



FEB15 1907 



E. H. B. 



<\^ 



ii 



Inhalt. 



8«1U 



Über Bleivergiftungen nnd ihre Erkennung. Von Dr. P. Schmidt, 
L Assistenten am Hygienischen Institut su Leipzig. (Aus dem 
Hygienischen Institut der üniversit&t Leipzig) 1 

Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe? Von Dr. Anton Wafs- 
m u t h , Assistent der medizinischen Klinik. (Aus dem Hygienischen 
Institute der k. k. Universität Innsbruck. Vorstand : Prof. Dr. A . L o d e) 23 

Die relative Photometrie. Methode zur Charakterisierung und Messung 
der Tageslichtbeleuchtung in Arbeits- und Wohnräumen. Von 
Dr. Stanislav Rftiicka. (Aus dem k. k. Hygienischen Institut 
des Prof. Dr. QusUv Kabrhel in Prag) 37 

Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen durch 
Säuren und verschiedene Konserven. Nach zum Teil in Gemein- 
schaft mit den Herren P. A. Walt her aus Würzburg, Paul Dercken 
aus Westfalen, Dr. Ferd. Müller aus Wittlich, Dr. L. Seh ü 11 er aus 
Trier, Dr. W. Glaser aus Niederramstadt und Dr. Isidor Lilien- 
stein aus Grävenwiesbach angestellten Versuchen von Prof. Dr. 
K.B.Lehmann. (Aus dem Hygienischen Institut in Würzburg) 67 

Bemerkungen zu dem Artikel von cand. med. Schuppius »Die Milch- 
leukozytenprobe nach Trommsdorff«. Von Privatdozent Dr. R. 
Trommsdorff- München, I. Assistent des Instituts. ( A us dem 
Hygienischen Institut der Universität München. Vorstand: Prof. 
Dr. Max Gruber) 122a 

Über das Wachstum der Bakterien in und auf Nährböden höherer Kon- 
zentration. Von Dr. August Jörns, vorm. Assistenten am Hygie- 
nischen Institut (Aus dem Hygienischen Institut der Universität 
Würzburg. Direktor: Prof. Dr. K. B. Lehmann) 123 

Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. Von 
Prof. Dr. K. B. Lehm an n. Unter Mitwirkung der Herren : Dr. Fritz 
Schindler aus Kascher i. Schi., Dr. Paul Gunkel aus Kassel, 
Dr. Joseph Till mann aus Menden (Westf.), Dr. Joseph Wilms aus 
Mausbach b. Aachen, Dr, David Rothschild aus Frankfurt a. M., 
Dr. Max Selo aus Prechlau (W.-Pr.), Dr. Adolf Schauwienold, 
H. Jaeth, Dr. Leo Isaak aus Pfungstadt und Dr. Ludwig Rumpf 
aus Eichstätt. (Aus dem Hygienischen Institut in Würzburg) . . 134 



IV Inhalt. 

Seite 

Die Festigkeit (Zähigkeit) vegetabilischer Nahrungsmittel and ihre Ver- 
änderung durch das Kochen. Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 
Nach Versuchen der Herren Dr. P. Gunkel aus Kassel und Dr. ^ 
J. Wilms aus Mausbach. (Aus dem Hygienischen Institut der u • . 
üniversiUt Wünburg) l^f f 

Experimentelle Untersuchungen über die Empfänglichkeit und Immuni- ' 

sierung der Kaltblüter gegen Pest Von Prof. Y. Fukuhara, Ab- 
teilungsvorsteher im Pathologischen Institut der medisinischen Aka- 
demie zu Osaka. (Aus dem amtlichen Bakteriologischen Institut in 
Osaka. Direktor: Prof. A. Sata) 188 

Über die Bedeutung des Bacillus coli communis als Indikator für Ver- 
unreinigung von Wasser mit Fäkalien. Von Kenji Saito. (Aus 
dem Hygienischen Institut der Universität Kyoto. Direktor: Prof. 
Dr. T. Matsushita) 216 

Untersuchungen über die Hämagglutination und ihre physikalischen 
Grundlagen. Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. aus Warschau. 
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor: 

Geh. Medizinalrat Prof. Dr. M. Rubner) 237 

Die Wärmeabgabe des Menschen in ungleichmäfsig temperierten 
Räumen. Von Dr. Karl Kifskalt^ Privatdozenten und Ober- 
assistenten am Institute. (Aus dem Kgl. Hygienischen Institut der 
Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner) 287 

Zentrosomen oder Kernreste in den Erythrozyten des normalen strömen- 
den Blutes? Von Prof. Dr. Franz Weidenreich in Strafsburg . 312 

Die Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf das Wutvirus. 
Von Prof. Claudio Fermi. (Hygienisches Institut der Kgl. Uni- 
versität Sassari. Prof. Claudio Fermi) 315 

Untersuchungen über die hämolytischen Eigenschaften des Blutserums 
abgekühlter und erwärmter Tiere. Von Dr. Max Li s sau er, 
I. Assistent des Instituts. (Aus dem patholog. Institut des Rudolf 
Virchow-Krankenhauses in Berlin. Prosektor: Prof. v. Hanse- 
mann. Vorsteher der bakteriologischen Abteilung: Dr. Töpfer) 331 

Über das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Lungen gegenüber 
einigen Ursachen, die dasselbe zu modifizieren vermögen. Experi- 
mental- Untersuchungen von Dr. Enrico Ronzani, Assistent. (Aus 
dem hygienischen Institut der Universität Padua) 339 

Experimentelle Staubinhalation serkrankungen der Lungen. Von Dr. 
C. Lubenau, Assistent am Sanatorium. (Aus dem Laboratorium 
des Sanatoriums Beelitz der Landes Versicherungsanstalt Berlin. 
Chefarzt: Dr. Pielicke) 391 




über Bleivergiftungeii und ihre Erkennung. 

Von 

Dr. P. Schmidt, 

L Asslatenten am hygienischen Institut zu Leipzig. 
(AuB dem hygienischen Institut der Universität Leipzig.) 

Es ist als eine Tatsache anzusehen, dafs die Zahl der Blei- 
vergiftungen in den gewerblichen Betrieben im Rückgang begriffen 
ist, dank der unablässigen Fürsorge unserer Regierungen für die 
dort beschäftigten Arbeiter. Diese Abnahme der Bleierkrankungen 
seit Inkrafttreten des Bleigesetzes ist in allen Statistiken so un- 
zweideutig übereinstimmend, dafs man sie nicht gut als eine rein 
zufällige Schwankung auffassen kann. — Gleichwohl ist die Zahl 
der Bleikranken, die ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt und das 
Unglück, das über manche Arbeiterfamilien durch länger dauernde 
Erwerbsunfähigkeit ihrer Ernährer infolge Bleivergiftung herein- 
bricht, leider noch immer viel zu grofs. 

Es ist deshalb erfreulich zu sehen, wie das Interesse nicht 
allein unserer Regierungen, sondern auch der Arbeiter selbst für 
die Bekämpfung der Bleigefahr im Wachsen begriffen ist. 

Da es nicht möglich sein wird, das Blei gänzlich aus den 
Gewerben zu verdrängen, und da sich die zweifellos vorhandene 
grofse Empfindlichkeit einzelner Individuen gegenüber dem Gift 
nicht beseitigen läfst, wird die Hauptaufgabe der die Bleiarbeiter 
überwachenden Arzte nunmehr die bleiben, die Krankheit in 
einem so frühen Stadium zu erkennen, dafs schwerere Formen 
womöglich ganz verhütet werden. Und gerade in der Früh- 

ArchlT für Hygiene. Bd.LXm. 1 



2 Über Bleivergiftungen und ihre Erkennung. 

diagnose der Bleivergiftung lag bisher die grofse Schwierigkeit 
bei der Verhütung der schweren Fälle. 

Es ist überflüssig, hier diese Schwierigkeiten bei der Dia- 
gnostik, besonders der rheumatischen und nervösen Formen, 
näher zu erörtern. Selbst der für die Vergiftung charakteristische 
Bleisaum lälst oft genug im Stich, da er bei guter Zahnpflege 
fehlen kann. Inwieweit er für eine Frühdiagnose in Betracht 
kommt, wäre erst noch durch ein grofses Krankenmaterial fest- 
zustellen. 

Um so bedeutungsvoller erscheint eine Beobachtung, auf die 
besonders E. Grawitz^) und seine Mitarbeiter aufmerksam 
gemacht haben. Sie fanden nämlich in allen Fällen klinisch 
sicherer Bleiintoxikation regelmäßig in den mit Methylenblau 
gefärbten Blutaiisstrichen eine Veränderung der roten Blutkörper- 
chen, welche sonst nur noch bei einigen besonders genannten 
Krankheiten (Malaria, perniziöse Anämie, Darmfäulnis, Sepsis, 
Krebs- Kachexie) in grölserer Zahl vorkommen sollen: die Ein- 
lagerung verschieden zahlreicher gröfserer oder kleinerer Kömer, 
welche sich mit den basischen Farbstoffen besonders leicht dar- 
stellen lassen (Ehrlichs basophile Kömelung). 

Die Grawitzschen Befunde sind bereits von mehreren Seiten 
bestätigt worden.^) 

Sabrazös und Grawitz haben diese basophil gekörnten 
roten Blutkörperchen auch experimentell an Tieren durch Ver- 
fütterung oder Einspritzung von Bleisalzen erzeugen können. 



1) £. Grawitz, Über körn. Degeneration der roten Blatkörperchen. 
Deatsche med. Wochenschrift, 1899, Nr. 44. 

Derselbe, Die klin. Bedeutung u. experim. Erzeugung körn. Degene- 
ration in den roten Blutkörperchen. Berlin, klin. Wochenschr., 1900, Nr. 9. 

Hamel, Über die Beziehungen der körn. Degeneration der roten Blut- 
körperchen zu den sonstigen morph. Veränderungen des Blutes mit beson- 
derer Berücksichtigung der Bleiintoxikation. Deutsches Arch. f. klin. Med., 
Bd. 67, 1900. 

2) O.Moritz, Ergebnisse von Blei Untersuchungen. St Petersburger 
med. Wochenschr., 1903, Nr. 50. 

Büsing, Blutuntersuchungen bei Bleiarbeitem. Diss. Rostock, 1904. 
Frey, Beitrag zur Frühdiagnose von chron. Bleivergiftung. Deutsche 
med. Wochenschr., 1907, Nr. 6. 



Von Dr. P. Schmidt 3 

Es wurden jedoch bei allen bisherigen Versuchen nur grolse 
Dosen verwendet, um das Auftreten der gekörnten Elemente über- 
haupt zu erweisen. Mir kam es darauf an, einmal Tierversuche 
mi^ Dosen auszuführen, wie sie etwa in den Bleigewerben für 
die Arbeiter in Frage kommen dürften. 

Zu dem Zwecke wurde eine Reihe von Tierversuchen mit 
Verfütterung und Einspritzung abgestufter Mengen Bleis vor- 
genommen, einmal um festzustellen, ob basophil gekörnte rote 
Blutkörperchen nach Verabreichung von Blei wirklich erzeugt 
werden, sodann, um womöglich einen Anhaltspunkt dafür zu 
erlangen, von welcher Menge an das Blei die ersten Verände- 
rungen im Körper hervorruft 1 Diese scheinen nach den bisherigen 
Beobachtungen immer am Blute ihren Anfang zu nehmen. 

Schlief slich wurden nebenher einige quantitative Bleibestim- 
mungen im Waschwasser, Mundspülwasser und Urin von Blei- 
arbeitern, und femer Studien über die Genese der basophilen 
Körner vorgenommen. 

Untersuchungsmethode. 

Zur Herstellung der Präparate wurde teils Azurblau (Qiemsas 
Azur II), teils verdünnte Manson-Lösung verwendet. Es ist nach 
unseren Erfahrungen unbedingt nötig, dünne im Reagensglase 
soeben noch durchscheinende Farblösuug zu verwenden : die baso- 
philen Körner färben sich mit solcher ^Ibst bei kurzer Dauer 
(8 — 10 Sekunden) schon ganz intensiv blau und heben sich auf 
den blafsgrün bleibenden roten Blutscheiben weit besser ab, als 
wenn ihr Untergrund selbst dunkelblau tingiert ist. Es hat sich 
bei unseren Untersuchungen die haltbare neutrale Lösung von 
Azur II Giemsa (Grübler, Leipzig) 50 mg auf 100 Wasser ganz 
vorzüglich bewährt. Die Färbung der Körner ist dabei eine 
äufserst intensive. 

Um einen ungefähren Mafsstab über die im Blute vorhan- 
denen basophil gekörnten roten Elemente zu gewinnen, habe ich 
in jedem Falle eine gröfere Anzahl Gesichtsfelder (mindestens 200) 
eines gut gelungenen Ausstrichs mit durchschnittlich etwa 200 



4 Über Bleivergiftungen und ihre Erkennung. 

roten Blutkörperchen im Gesichtsfeld (Leitz ^/i2 OUmmmersion, 
Okular 1) auf die vorhandenen basophil gekörnten roten Blut- 
scheiben abgesucht und das Resultat der Zählung auf eine Million 
berechnet. Gleichzeitig fanden auch die metachromatischen rot^n 
Blutkörperchen Berücksichtigung. — Diese ungefähre Bestimmung 
ihrer Menge erwies sich in der Folge als aufserordenüich wichtig, 
da sich herausstellte, dafs die basophil gekörnten roten Blut- 
körperchen selbst im Blute anscheinend gesunder Menschen vor- 
kommen und erst recht bei anämischen Zuständen irgendwelchen 
Ursprungs, so dafs ihr Vorkommen erst von einer bestimmten 
Menge an diagnostischen Wert bekommt. 

Beim Absuchen der Präparate leistete der Leitz sehe beweg- 
liche Objekttisch grofse Dienste. Doppeltzählung wurde so mit 
Sicherheit vermieden. 

Bemerken möchte ich, dafs ich bei Kontrollzählungen, falls 
mindestens 200 Gesichtsfelder ausgezählt wurden, immer gut über- 
einstimmende Resultate erzielt habe. 

Es versteht sich von selbst, dafs die gefundenen Zahlen 
keine mathematisch genau der Wirkhchkeit entsprechende Werte 
darstellen, da sich mancherlei Fehler nicht allein bei der Aus- 
zählung, sondern auch bei der Darstellung einschleichen können ; 
es genügt aber für die Praxis, dafs sie doch einen orientierenden 
Mafsstab bieten. In zweifelhaften Fällen wird man sich ohnehin 
nicht mit einer einzigen Untersuchung begnügen. 

• 

Tierversuche. 

Es soll hier zunächst über die Tierversuche berichtet werden, 
bei welchen das Blei als Bleinitrat teils verfüttert teils subkutan 
injiziert wurde. Die angegebenen Mengen beziehen sich immer 
auf metallisches Blei. 

Die Untersuchungen des Blutes der Tiere wurden alle 14 Tage 
vorgenommen. 

Von vier Kaninchen (K I — IV) erhielten zwei täglich 0,25 mg 
Blei auf das Kilo subkutan, zwei dieselbe Menge per os jetzt 
bereits 3^2 Monate lang ohne jede Veränderung des Blutbildes. 



Von Dr. P. Schmidt. 5 

Das Gewicht jedes zu diesen Versuchen verwandten Kaninchens 
betrug rd. 2 kg. Die vier ersten Kaninchen zeigten eine stän- 
dige, wenn auch sehr geringe Gewichtszunahme. Ein weiteres 
Tier (K V) bekam 2,5 mg Blei pro Kilo täghch per os bereits 
3 Monate lang, ein sechstes (K VI) 5 mg per kg während 2^/2 Mo- 
naten, ohne jede Wirkung; ihr Gewicht bleibt unverändert. 

Einem siebenten Kaninchen (K VII) wurden täglich eben- 
falls 5 mg Blei per kg nunmehr schon 2% Monate lang ver- 
füttert: das Tier nahm die ersten 4 Wochen ein wenig an Ge- 
wicht ab und reagierte nach 14 Tagen mit basophil gekörnten 
roten Blutkörperchen, und zwar mit 180 auf die Million roter 
Blutkörperchen. Ihre Zahl nahm noch langsam zu und es stellten 
sich des weiteren Poikilozyten, Megalozyten und spärliche kern- 
haltige rote Blutkörperchen ein. Trotz dieses pathologischen 
Blutbildes ging das Gewicht des Tieres nach der schon erwähnten 
geringen Abnahme wieder in die Höhe. Es hatten bei dem Tier 
70 mg Blei per Kilo, in Tagesdosen von 5 mg verfüttert, genügt, 
um basophil gekörnte rote Blutelemente zu erzeugen. 

Femer wurden zwei Kaninchen (K VIII und IX) je 2,5 mg 
Blei pro Kilo subkutan injiziert. Das eine hatte nach 21 Tagen, 
nachdem insgesamt also 62,5 mg Blei pro Kilo verabfolgt worden 
waren, die ersten basophil gekörnten roten Elemente, und zwar 
250 pro Million. Auch hier gesellten sich Poikilozyten, Me- 
galozyten und kernhaltige rote Blutkörperchen zu den basophil 
gekörnten. 

Kaninchen Nr. IX zeigte die ersten basophil gekörnten Blut- 
körperchen, 30 an der Zahl, schon nach 10 Tagen, nachdem ins- 
gesamt dem Tier 25 mg pro Kilo einverleibt worden waren. Ihre 
Zahl steigerte sich noch, und es stellte sich eine grofse Zahl 
kernhaltiger roter Blutkörperchen ein. 

Beide Tiere, VIII und IX, nahmen anfangs mäfsig ab, kehrten 
aber bald zu ihrem ursprünglichen Gewicht zurück. 

Besonders erwähnt sei hier ein interessanter Befund bei 
Kaninchen Nr. IX. Nachdem am 53. Tage nach der ersten In- 
jektion aufser zahlreichen basophil gekörnten roten Elementen 
eine grofse Zahl kernhaltiger roter und einiger weniger gekörnter 



6 Über Blei Vergiftungen und ihre Erkennung. 

kernhaltiger konstatiert worden war, erschienen 2 Tage später 
die sehr zahkeichen roten kernhaltigen Blutkörperchen alle gekörnt. 
Bei vielen unter ihnen war der Prozefs der Abbröckelung der 
Körner vom Kern an den Bildern in ganz überzeugender Weise 
zu verfolgen. Alle gekörnten kernhaltigen roten Blutkörperchen 
waren übrigens metachromatisch gefärbt. Bemerken möchte ich 
noch, dafs diese Körner mit Giemsa alle deutlich blau tingiert 
waren, also wohl aus einer nukleinfreien Kemsubstanz bestanden. 
Wir kommen auf diesen Befund weiter unten zurück. 

Schliefslich wurden drei weitere Versuche mit einmaligen 
grofsen Dosen ausgeführt mit 25 mg, und zweimal mit je 50 mg 
Blei pro Kilo, auf vier verschiedene Stellen der Haut verteilt. 
Während bei Nr. X (25 mg) und XII (50 mg pro Kilo) keinerlei 
Wirkung eintrat, erschienen bei Nr. XI nach 9 Tagen 50 baso- 
phil gekörnte rote Blutkörperchen auf die Million nebst einer 
mäfsigen Anzahl kernhaltiger roter Elemente. Drei Tage später 
bekam das Tier eine ausgesprochene Lähmung beider hinterer 
Extremitäten, verbunden mit Blasenlähmung. Ohne dafs sich 
das Blutbild wesentlich verschlimmert hatte, ging das Tier am 
17. Tage ein. Danach hat es den Anschein, als ob die fraktio- 
nierte Verabreichung des Giftes eine gröfsere Zahl basophil 
gekörnter roter Blutkörperchen zu erzeugen imstande wäre. 

Es ist von Interesse, die verschiedene Reaktion der Tiere 
auf dieselben Dosen zu beobachten. Die geringste bei täglicher 
Fütterung wirksame Dosis lag also bei 5 mg pro Kilo während 
14 Tagen, die geringste nach der Injektion wirksame Dosis bei 
2,5 rag pro Kilo während 10 Tagen verabreicht. Von einmal 
subkutan gegebenen Dosen waren 50 mg pro Kilo nach 9 Tagen 
wirksam. 

Die Frefslust blieb bei allen Versuchstieren, auch da, wo 
deutliche Blutveränderungen vorhanden waren, stets un ver- 
ringert. 

Wenn es erlaubt wäre, die bei Kaninchen Nr. VII gewon- 
nenen Resultate einfach gewichtsproportional auf den Menschen 
zu übertragen, so würden bei einer 60 kg schweren Person 



Von Dr. P. Schmidt. 7 

also täglich 300 mg Blei, im Ganzen 4,5 g nötig sein, um eine 
ebensolche Blutveränderung zu erzeugen. 

Man hat zur Zeit leider noch nicht den geringsten Anhalt 
dafür, welche Menge nötig ist, um den Menschen chronisch 
bleikrank zu machen. Ich bin in der Lage, in einem Falle von 
Bleivergiftung durch Leitungswasser, das pro Liter 2,9 mg Blei 
enthielt, eine ungefähre Berechnung der Bleimenge anzustellen, 
die nötig war, die ersten Symptome, sodann das ausgesprochene 
Bild mit Bleisaum, Paresen, Bleikoliken und schwerer Cachexie 
zu erzeugen. Der betreffende Patient hatte die Gewohnheit 
grosse Mengen Wasser zu trinken. Er nahm von dem bleihal- 
tigen Wasser täglich durchschnittlich 2^2 1 zu sich. Der Zeit- 
punkt der ersten Aufnahme des bleihaltigen Wassers liefs sich 
genau bestimmen, da ein Umzug stattgefunden hatte. Es dauerte 
zwei volle Jahre, bis sich die ersten Erscheinungen, bestehend 
in Wadenschmerzen und öfter wiederkehrenden Wadenkrämpfen 
einstellten ; 2 ^/q weitere Jahre, bis sich diese Beschwerden zu dem 
ausgesprochenen Bilde der chronischen Bleivergiftung gesteigert 
hatten. Dann erst wurde die Diagnose gestellt und das Blei in 
dem Leitungswasser nachgewiesen. Darnach würde sich also die 
Menge des in diesem Falle bis zu den ersten Symptomen nötigen 
Bleies auf 5,3 g und auf 12,6 g bis zum ausgesprochenen Bilde 
der Vergiftung berechnen. Voraussetzung für die Richtigkeit 
dieser Berechnung wäre freilich, dafs das getrunkene Wasser 
immer 2,9 mg Blei enthielt. 

Es ist klar, dafs die Zeit, auf welche sich das fragliche Blei 
verteilt, von ausschlaggebender Bedeutung ist, ferner die Fähigkeit 
des Körpers, das Blei zu resorbiren und es später als Blei-Albu- 
minat mit der Galle und den Darmsekreten sowie dem Urin aus- 
zuscheiden. Die Schwellendosis dieser Ausscheidung dürfte wie bei 
allen Salzlösungen individuell stark schwanken, so dafs es bei dem 
einen in derselben Zeit zu einer grösseren Aufspeicherung im 
Körper kommt als bei dem andern. Die Feststellung einer Blei- 
bilanze dürfte durch diese vielen mitsprechenden Faktoren zu 
einem äufserst schwierigen Problem werden. 



8 Über Bleivergiftangen und ihre Erkennung. 

Bemerkungen über die Herkunft der basophilen Körneiung 

und Ober die Metachromasie. 

Ich möchte hier etwas näher auf die Genese der basophilen 
Kömer eingehen. Bekanntlich sind die Meinungen darüber noch 
in 2 Lager geteilt. Die einen, E. Grawitz^) an der Spitze, 
fassen die Körner als Degenerationsprodukte des Protoplasmas 
der roten Blutkörperchen auf. Die anderen führen sie auf den 
Kern zurück, so dafs also die basophil gekörnten roten Blutkör- 
perchen jugendliche, unfertige Blutkörperchen darstellten, die zu 
früh in die Zirkulation gelangt sind (Askanazy, Sabraz^s, 
Naegeli.2) 

Ich selbst habe diesen letzteren Standpunkt in mehreren 
Publikationen^) vertreten, die teils auf klinischen, teils auf ex- 
perimentellen Studien fufsen. Die Resultate meiner damaligen 
Untersuchungen habe ich durch meine letzten experimentellen 
Studien wieder bestätigen können. 

Ich möchte hier nochmals auf den schon oben erwähnten 
Befund bei Kaninchen IX zurückkommen, den ich in ganz 
ähnlicher Weise schon früher einmal bei Tierversuchen am In- 
stitut für- Tropenkrankheiten beobachtet habe. (S. Münchner 
med. Wochenschrift 1903 Nr. 13. Ein Beitrag zur Frage der 
Blutregeneration .) 

Die lediglich an den Ausstrichen eines einzigen Tages ge- 
wonnenen Bilder demonstrierten in überzeugender Weise die Ab- 
lösung der Könier vom Kern, indem festgestellt werden konnte, 
dafs dicht um die Kerne der roten Blutkörperchen gröfsere und 



1) E. Grnwitz, Klin. Pathologie des Blutes. Leipzig 1906. 8. 120. 

2) Askanazy, Zeitschr. f. klin. Medizin, 1896, Bd. 27. 
Sabraz^s, XIII. Congres intern, de med. Paris, 1900. 

N a e g e 1 i , Über die Entstehung der basoph. gek. roten Blutkörperchen. 
Münch. med. Wochenschr., 1904, Nr. 6. 

3) P. Schmidt, Zur Frage der Entstehung der basoph. Körner in den 
roten Blutkörperchen. Deutsch, med. Wochenschr., 1902, Nr. 44. 

Derselbe, Experim. Beiträge z. Pathologie des Blutes. Jena 1902. 
Derselbe, Ein Beitrag zur Frage der Blutregeneration. Münch. med. 
Wochenschr., 1903. Nr. 13. 



Von Dr. P. Schmidt. 9 

kleinere Splitter lagerten, während die Kerne selbst ihre scharfen 
Konturen verloren hatten und Aussparungen in der Gröfse er- 
kennen liefsen, wie sie den anhaftenden basophilen Körnern ent- 
sprachen. 

Ich kann mich nicht dazu verstehen, es als einen blofsen 
Zufall anzusehen, dafs bei dem Versuchstier Nr. IX die sämt- 
lichen zahlreichen kernhaltigen roten Blutkörperchen gerade alle 
gekörnt waren. Man hätte doch erwarten müssen, dafs, wenn der 
Prozefs der Kömerbildung unabhängig von den Kernen wäre, 
gekörnte kernhaltige und nichtgekörnte kernhaltige etwa in 
einem gleichen Verhältnis gestanden hätten wie gekörnte und 
nichtgekörnte kernlose rote Blutkörperchen. Noch viel weniger 
vermag ich es als Zufall hinzunehmen, dafs so viele von den 
Kernen die Körner wie Auswüchse, Warzen aufsitzen hatten. 

Wenn E. Grawitz von meinen „sehr sorgfältigen" Unter- 
suchungen sagt, sie seien nicht gut diskutabel, weil die Kesul- 
täte bei Malariakranken und Rekonvaleszenten gewonnen wurden, 
und weil nach A. Plehn in solchem Blute mit jungen, baso- 
philen Malariaparasiten gerechnet werden müsse (gemeint sind 
offenbar die A. Ple huschen Latenzformen der Malariaparasiten, 
s. A. Plehn: Weiteres über Malariaimmunität und Latenz*^ 
Periode. Jena 1901J^), so möchte ich bemerken, dafs ich 2—3 
solcher basophiler Kömchen (um mehr würde es sich nach der 
A. Plehn sehen Ausführung ja nicht handeln) niemals als ba- 
sophile Kömelung bezeichnet habe. Vor allem aber möchte ich 
E. Grawitz daran erinnern, dafs A. Plehn bei anderen Mala- 
riaforschern mit seinen Latenzformen keinerlei Anklang gefunden 
hat. 2) 

Durch Schaudinns Aufklärung der Spätrezidive mit der 
Entdeckung der Parthenogenese der Makrogameten in der Milz 
und im Knochenmark ist die A. Plehn sehe Ansicht vollends 
hinfällig geworden. 



1) 8. E. Grawitz, Klin. Pathologie des Blutes. Leipzig 1906, S. 121. 

2) S. R u g e , Einführung in das Studium der Malariakrankheiten. Jena 
1906. S. 32. 



10 über Blei Vergiftungen and ihre Erkennung. 

Es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, dals A. Plehn 
die besonders in metachromatischen roten Blutscheiben vorkom- 
menden vereinzelten Kernrestchen für diese Urformen gehalten 
hat. 

Untersuchung der basophilen Körnelung und der Metachromasie 

mit Dunicelfeldbeleuchtung. 

Durch die Betrachtung der basophil gekörnten und meta- 
chromatischen roten Blutkörperchen mit dem Ultramikroskop 
konnte man weitere Aufschlüsse erwarten. Auffallend war, dafs 
die basophilen Körner im Dunkelfelde in viel gröfserer Zahl als 
bei gewöhnlicher Beleuchtung als goldgelbe Kügelchen in allen 
Gröfsen zur Darstellung kamen (Methylenblaupräparate). 

Sie erscheinen also in der Komplementärfarbe zu ihrer 
eigenen Farbe wie alle gefärbten Gebilde im Dunkelfeld. 

Die Untersuchung geschah in der Weise, dafs zunächst ein 
bestimmtes, basophil gekörntes, rotes Blutkörperchen mit dem ge- 
wöhnUchen Abbe*schen Kondensor eingestellt, hierauf erst der 
Reicher tische Ultrakondensor eingeführt wurde, so dats man 
dasselbe Blutkörperchen wieder in's Gesichtsfeld bekam. 

Eine besondere Überraschung brachte die Untersuchung der 
metachromatischen roten Elemente. Dieselben haben sich samt 
und sonders dabei als Blutkörperchen mit feiner Körnelung ent- 
puppt, die mit gewöhnlicher Beleuchtung, weil zu fein, nicht 
mehr auflösbar ist. Es zeigt sich übrigens, dafs auch in dieser 
feinsten metachromatischen Körnelung ebenso wie in der gröberen 
die Körnchen in verschiedenen Gröfsen vorhanden sind. Der- 
selbe Befund wurde bei den metachromatischen kernhaltigen roten 
Elementen erhoben; auch diese Metachromasie liefs sich im 
Ultramikroskop als feinste Körnelung analysieren. Stellenweise 
konnte auch hier die Oberfläche der Kerne als dicht besetzt von 
in der Ablösung begriffenen Körnchen erkannt werden. Es 
dürfte also nach diesem Befund kein Zweifel mehr darüber be- 
stehen, dafs die Metachromasie in diesen Präparaten ein weiteres 
Auflösungsstadium der basophilen Körner darstellen kann: na- 



Von Dr. P. Schmidt. 1 1 

türlich kann auch Eemsubstanz ohne das Zwischenstadium 
der Eömelung direkt karyolytisch ins Hämoglobin übertreten; 
jedenfalls aber ist sie, wie die Bilder bei der Dunkelfeldbeleuch- 
tung erweisen, nicht im völlig gelösten, sondern im Zustande 
feinster Tröpfchen im Hämoglobin enthalten. Dieser Zustand 
einer die Metachromasie darstellenden unvollständigen Karyolyse 
ist die Regel bei den kernhaltigen roten Blutkörperchen des 
roten Marks, wo es wohl infolge der anderen chemischen Reaktion 
des zellreichen roten Marks seltener zu einem karyorrhektischen 
Kernschwund kommt als im alkalischen zirkulierenden Blute. 
Vielleicht wirkt die Bewegung der Blutkörperchen im Blutstrom 
noch befördernd auf diese Karyorrhexis ein. Man kann sich 
vorstellen, dafs der Prozefs der Auftrümmerung der Kerne im 
Blutstrome zu Körnern so rasch erfolgt, dals man es als einen 
glücklichen Zufall betrachten muls, wenn man einmal die Über- 
gangsform vom Kern zu den Kömern im Moment des Aus- 
streichens in die Präparate bekommt. Ich habe diesen glück- 
lichen Zufall bei meinen Studien erst zweimal erlebt. Dafs die 
Ausschwemmung der jungen Blutkörperchen in pathologischen 
Fällen meist nicht kontinuierlich, sondern stofsweise erfolgt, habe 
ich in meinen früheren Publikationen bereits dargetan. 

Diese Untersuchungen an den metachromatischen roten 
Blutkörperchen mittels Ultramikroskop sind also eine neue Be- 
stätigung meiner in den ,, Experimentellen Beiträgen zur Patho- 
logie des Blutes'^ schon ausgesprochenen Annahme, dafs die 
Metachromasie ein weiteres Stadium der basophilen Kömelung 
darstellen kann. 



Untersuchungen an Bleiarbeitern. 

Da das Blutbild bei unsern Versuchstieren schon ein patho- 
logisches war, während sie in ihrem ganzen Verhalten noch nicht 
die geringsten Änderungen wahrnehmen liefsen, war es von 
grofsem Interesse, einmal eine grosse Zahl von Untersuchungen 
au Arbeitern der Bleigewerbe (Schriftsetzer, Schriftgiefser, Maler 



12 Über Bleivergiftungen and ihre Erkennung. 

USW.) vorzunehmen, welche in ihrer Arbeitsfähigkeit noch in 
keiner Weise geschädigt erschienen und keinerlei deutliche Symp- 
tome einer Bleierkrankung zeigten. Durch gütige Vermittlung 
eines hiesigen praktischen Arztes wurde mir Gelegenheit geboten, 
eine Anzahl Arbeiter aus Bleigewerben in der oben angeführten 
Richtung zu untersuchen. Diese ersten Blutuntersuchungen 
fanden nun seitens dieser Leute ein solches Entgegenkommen, 
dafs dieselben weitere Arbeitsgenossen mitbrachten. So kam es, 
dafs sich die Arbeiter der verschiedensten Bleigewerbe zahlreich, 
ohne jede Aufforderung, nach Arbeitsschlufs ins hygienische 
Institut zum Zwecke einer Blutuntersuchung begaben und es 
mir ermöglichten, jetzt schon 546 Leute der verschiedensten Blei- 
betriebe auf das Vorhandensein von basophil gekörnten Blut- 
körperchen hin zu untersuchen. 

Parallel zu diesen Leuten nahm ich Untersuchungen an 110 
Personen vor, bei denen eine berufliche Berührung mit Blei 
auszuschliefsen war. Eine Auswahl der Personen fand in keiner 
Weise statt. 

Eine Anzahl Fälle von Bleivergiftung konnte ich mit gütiger 
Erlaubnis desHerrn GeheimratCursch mann am hiesigen Jakobs- 
kränkenhause untersuchen. 

Unter den 546 Bleiarbeitern waren nun 15, welche klinisch 
die sicheren Zeichen der Bleivergiftung boten (deutlicher Blei- 
saum, Koliken mit Verstopfung, z. T. Paresen, fahle Gesichts- 
farbe), darunter zur Zeit der Untersuchung noch 11 beschränkt 
arbeitsfähig; ferner 6, die vom klinischen Standpunkte als sehr 
wahrscheinliche Fälle betrachtet werden konnten. Schliefslich 
wurden 224 als klinisch unsicher und 301 als symptomlos re- 
gistriert. 

Teilt man die Fälle in 2 Gruppen derart, dafs man 100 
basophil gekörnte rote Blutkörperchen auf die Million als Grenze 
annimmt, so lassen sich die Befunde wie folgt tabellarisch zu- 
sammenstellen : 



Von Dr. P. Schmidt. 



13 



546 Arbeiter ans Bleibetrieben. 



Auf 1 Million rote Blutkörpereben 





1 

basophil gekörnte 


metachromatische 


bis 100 

über 100 

keine 


98 Arbeiter — 17,9 V« 
51 » — 9,2 > 
397 y — 72,9 » 


82 Arbeiter — 15 «/o 
44 > — 8 » 
420 . = 77 » 


Gesamt , 

1 


1 546 Arbeiter — 100 Vo 

1 


546 Arbeiter ~ 100 Vo 



110 Personen aas anderen Betrieben. 



Auf 1 Million Blutkörperchen. 




metachromatische 



bis 100 

über 100 

keine 



18 Personen 
6 
86 



16,4 7o 
5,4 > 

78,2 » 



Gesamt 



110 Personen = 



110 Personen = 100 ®/, 



Es weisen also von den sämtlichen 546 Fällen 17,9^0 bis 
zu 100, 9,2% über 100 basophil gekönite rote Blutkörperchen auf. 

Von den anderen 110 Nichtbleileuten hatten 12,7% bis zu 
100 und 1,8% über 100 der charakteristischen roten Elemente. 

Hiernach möchte ich annehmen, dafs man Werte unter 100 
basophil gekörnter roter Elemente kaum zu Schlüfsen verwenden 
darf. Bei dem Befund über 100 handelt es sich also um ein 
5 fach häufigeres Auftreten gekörnter roter Blutkörperchen bei 
Bleiarbeitem, das doch kaum als ein zufälliges angesehen werden 
dürfte. 

Metachromatische rote Blutkörperchen hatten von der 
1. Gruppe 15% unter 100, 8% über 100: von der 2. Gruppe 
der Nichtbleileute 16,4% unter 100 und 5,4% über 100, so dafs 
man das Verhalten der metachromatischen roten Blutkörperchen 
wohl kaum zu Scblufsfolgerungen mit heranziehen darf. 

Von besonderer Bedeutung ist das Ergebnis der Unter- 
suchung bei den 15 klinisch sicheren Fällen von Bleierkrankung. 



14 über Bleivergiftungen nnd ihre Erkennung. 

Alle 15 wiesen über 100 basophil gekörnte rote Blut- 
körperchen auf, ein Fall über 1000, klinisch der vorgeschrittenste 
mit deutlicher Parese der Arme. 

Bemerkenswert ist, dafs 5 unter diesen Fällen einen an- 
nähernd normalen Hämoglobingehalt aufwiesen, 7 nur einen 
Hämoglobingehalt unter 80% Sahli. 

Unter den 6 klinisch sehr wahrscheinlichen Fällen hatten 5 
einen Befund über 100, während der 6. angeblich Bleikranke 
überhaupt keine Blutveränderungen zeigte. 

Im ganzen also hatten unter den sehr wahrscheinlichen 
Fällen 83,3% einen positiven Befund über 100. 

Von den genannten 224 klinisch unsicheren Fällen hatten 
nur 4,5% einen Befund über 100; beachtenswert ist, dafs unter 
diesen 4,5^/o bisher schon zwei durch den chemischen Nachweis 
von Blei im Urin als Bleivergiftung erwiesen werden konnten. 
(Beidemal waren nur Spuren von Blei vorhanden.)^) 

Der eine Patient davon zeigte gichtische Veränderungen der 
Gelenke, der andere klagte über chronische Kopfschmerzen und 
Nervosität. 

Unter den 301 symptomlosen Leuten endlich wurden 5,9% 
mit einem Befund über 100 gefunden. Diese 5,9% sind somit 
als „gesunde Bleiträger'' aufzufassen, bei denen man früher oder 
später auf Krankheitserscheinungen gefafst sein mufs. 

Erwähnt sei noch, dafs sich unter den als „sicher*' aufge- 
führten 15 Fällen 1 Maler befindet, welcher nur über „zeitweilige 
Schwindelanfälle'' klagt, aber doch einen ausgesprochenen Blei- 
saum zeigt, der also den „gesunden Bleiträgem" sehr nahe steht. 
Auch in diesem Falle wurde Blei im Urin chemisch nachgewiesen 
(0,5 mg in 1000 ccm Urin). 



1) Bleinachweis im Urin (modifiziert nach Schmidt, ph. Ghem. I 697). 
Nach Eindampfen die organische Substanz mit chlorsaarem Kali and Salz- 
säure zerstören. Filtrieren, heifs auswaschen, schwach sauer machen, H, S 
einleiten. Filtrieren, mit konzentr. Salpetersäure oxydieren. Filtrieren, aus- 
waschen, H, SO« hinzufügen : das ausgefällte Pb SO« mit basisch weinsaurem 
Ammonium lösen, H,8 einleiten, PbS mit verdünnter Salpetersäure lösen, 
kolorimetrisch als Chromblei bestimmen. 



Von Dr. P. Schmidt 



15 



Er hatte einen Hämoglobingehalt von 78% (Sahli) und 530 
basophil gekörnte rote Blutkörperchen in der Million. 

In der folgenden Tabelle sind die Leute nach den ver- 
schiedenen Gewerben und nach den Prozentsätzen zusammen- 
gestellt, mit denen sie bei den Befunden über 100 basophil ge- 
körnter roter Blutkörperchen beteiligt sind. 



Maler, Lackierer 

Schriftgiefser, Schmelzer 

Galvanoplastiker, Stereotypeare, Fraiser 

Klempner 

Notenstecher 

Schriftschleiferinnen , Schriftschneide- 
rinnen 

Schriftsetzer 



Zahl 
der Lente 



78 
95 
43 
32 
44 

27 

226 



Befunde 
über 100 



16,4 7p 

12,6 » 

11,6 » 

9,4 > 

9,0 » 

3.7 > 

5.8 > 



Es dürfte wohl nicht zufällig sein, dafs die Maler und 
Lackierer auch in dieser wie in allen Statistiken obenan stehen, 
während die Setzer und Schleiferinnen mit nur geringen Zahlen 
vertreten sind. 

Von einer Anzahl der Arbeiter liefsen wir, ohne dafs sie sich 
nach Schlufs ihrer Arbeit gereinigt hatten, Händewaschungen 
in essigsäurehaltigem Wasser vornehmen, um einen Begri£E davon 
zu bekommen, wie viel Blei bei der Arbeit an den Fingern 
haften bleibt. 

Das Waschwasser wurde eingedampft und in der oben an- 
gegebenen Weise chemisch untersucht. Die gefundenen Blei- 
mengen sind in der nächsten Tabelle wiedergegeben: 





Menge Blei 


Arbeitsstunden 


Lackierer .... 

Klempner .... 

Schriftgiefser . . . 
Schriftschleiferin . . 
Notenstecher . . . 

Schriftsetzer . . . ; 

1 


168 mg Blei 

44 > > 

31 > » 

21 > > 

11 » > 

4 > > 


4 

(hat trocken abgeschliffen) 

5 

(hat gelötet) 

5 
5 

5 
5 



16 Über Bleivergiftungen and ihre Erkennung. 

Auch in ^i^sem Verzeichnis steht wiederum der Lackierer 
obenan; derselbe hatte eine Arbeit verrichtet, die mir durch die 
Bildung von Bleistaub (Bleiweils) aulserordenthch gesundheits- 
schädlich zu sein scheint: das sog. Abschleifen. Dieses Ab- 
schleifen des ersten Bleiweifsanstrichs mittels Glaspapier ge- 
schieht, wie ich wiederholt feststellen konnte, immer trocken, 
da die Verhältnisse der Arbeitsstätten meist ein feuchtes Arbeiten 
verbieten (z. B. Rücksicht auf Parkettboden). Die Staubbildung 
ist dabei, noch dazu direkt in Mundhöhe, eine so erhebliche, 
dafs die Möglichkeit der Aufnahme von Bleistaub durch die 
Atmung aufser Zweifel steht, wiewohl im vorliegenden Fall der 
chemische Nachweis von Blei im Mundspülwasser des Lackierers 
bei seiner Anwesenheit im Institut nicht mehr gelungen ist. 

Ebensowenig gelang es bei 2 Klempnern, die stundenlang 
zuvor mit Stichflamme gelötet hatten, und bei Schriftsetzern, 
die nach 5 stündiger Arbeit in staubiger Luft Mundspülungen 
vornahmen. Vielleicht ist der Mifserfolg darin begründet, dafs 
das aufgenommene Blei immer sofort verschluckt wird, sodafs 
es zur Ansammlung einer chemisch nachweisbaren Menge im 
Munde nicht kommen kann. 

Hingegen war es bei einem Klempner, der ohne sein Arbeits- 
zeug frühmorgens berührt zu haben, möglich, im Waschwasser 
0,2 mg Blei nachzuweisen, nachdem er am Abend zuvor nach 
der Arbeit seine Hände mit Bimsstein und Soda und am selben 
Morgen mit Seife gewaschen hatte. Diese Befunde lassen die 
Aufnahme des Bleis durch die Finger als den häufigeren Weg 
erscheinen und sind für die im Bleigewerbe beschäftigten Arbeiter 
eine neue Mahnung, sich der gröfsten Sauberkeit im Betriebe 
zu bedienen, vor allem, vor jeder Mahlzeit eine pedantische 
Waschung vorzunehmen. Rauchen, Schnupfen, Primen, Offen- 
stehenlassen von Speisen und Getränken, Anfeuchten der Finger 
mit Speichel (Notenstecher, Schriftsetzer) sollten unter allen Um- 
ständen vermieden werden. 

Das radikalste Mittel, bei den Malern Bleivergiftungen über- 
haupt unmöglich zu machen, wäre freilich die gänzliche Ab- 
schaffung des Bleiweifses aus dem Malergewerbe. Es scheint 



Von Dr. P. Schmidt. ] 7 

leider nicht möglich zu sein, das Bleiweifs als Deckfarbe durch 
eine andere Farbe, etwa Zinkweifs oder Lithopone zu ersetzen; 
wenn aber dieser Nachweis erbracht würde, dann sollte die Ein- 
führung nicht bleihaltiger Ersatzfarben doch mit allen Mitteln 
angestrebt werden. 

Eine besondere Besprechung erheischen noch die Befunde 
bei den Schriftschleiferinnen, die in der Liste der im Wasch- 
wasser nachgewiesenen Bleimengen mit 21 mg, bei den Befunden 
über 100 basophil gekörnter roter Blutkörperchen mit nur 3,7 ^/q 
verzeichnet sind, wo femer 44,4% unter ihnen einen Hämoglobin- 
gehalt von unter 80% (Sahli) und deutliche Zeichen einer Chlorose 
aufwiesen. Ich sehe nur zwei Wege der Erklärung dieser kontra- 
stierenden Erhebungen: entweder die Arbeiterinnen nehmen in- 
folge gröfserer Sauberkeit weniger Blei auf als die Männer, was 
mir unwahrscheinlich vorkommt, oder aber sie reagieren nicht 
in dem Mafse mit basophil gekörnten roten Blutkörperchen wie 
die Männer. Jedenfalls gehört die basophile Körnung nicht zum 
Bilde chlorotischer Zustände. Ob die Chlorose selbst nur durch 
das Blei verschlimmert wird, lasse ich dahingestellt sein. Es 
wäre von grofsem wissenschaftlichen Interesse, bei künftigen Unter- 
suchungen diesem Verhalten besondere Aufmerksamkeit zu 
schenken. 

Für die Anhänger der Auffassung der basophilen Kömer 
als Kemderivate ist das Ausbleiben der gekörnten roten Elemente 
bei den Arbeiterinnen nichts Auffälliges, da das Charakteristische 
an der Chlorose ja die Hämoglobinarmut ohne zahlenmäfsige 
Verminderung der roten Blutkörperchen ist, da also eine über- 
stürzte Bildung roter Blutkörperchen wie bei Anämie nicht statt- 
findet. Der Prozefs der Entkernung kann bei der Chlorose lang- 
sam im Knochenmark durch Karyolyse von statten gehen, so 
dafs es zu einer Ausschwemmung unfertiger kernhaltiger roter 
Elemente und nachfolgender Zertrümmerung dieser Kerne über- 
haupt nicht kommt. 



Archiv cor Hygiene. Bd. LXIII. 2 



18 über Bleivergiftungen nnd ihre Erkennung. 



Schlufsfoigerungen fOr die Gewerbehygiene. 

Es dürfte nach dem Vorausgehenden keinem Zweifel mehr 
unterliegen, dafs die basophil gekörnten roten Blutkörperchen, 
wenn in gröfserer Menge (mehr als 100 in der Million) vorhanden, 
ein äufserst wertvolles Hilfsmittel für die Diagnostik der Blei- 
vergiftung darstellen ; dieses Hilfsmittel kann um so segensreicher 
wirken, als es uns die Krankheit in einem Stadium erkennen 
läfst, wo überhaupt noch keine Erscheinungen der Krankheit 
vorzuliegen brauchen. 

Man darf die Hoffnung aussprechen, dafs künftig dieser 
hämatologische Befund bei der Überwachung der Arbeiter in 
Bleibetrieben mit grofsem Nutzen wird mitverwendet werden 
können. Da die überwachenden Arzte dabei wohl kaum in 
Frage kommen dürften wegen der damit verbundenen Mehrbe- 
lastung und der mangelnden Schulung im Mikroskopieren, würden 
die hygienischen Untersuchungsämter in erster Linie in Betracht 
kommen. Es wäre eine dankbare Aufgabe, die Arbeiter in be- 
sonders gefährdeten Betrieben (Bleiweifsfabriken, Blei-, Zink- 
hütten, Akkumulatorenfabriken) in fortlaufender hämatologischer 
Kontrolle zu halten. Liegt ein positiver Befund über 100 vor, 
so könnte ja obendrein noch eine weitere Kontrolle durch die 
Untersuchung des Urins auf Blei stattfinden, die sich ebenfalls 
an den hygienischen Instituten vornehmen liefs. Es würde der 
Mühe lohnen, wenigstens einmal einen Versuch mit gut einge- 
schultem Personal während einiger Jahre auszuführen. Man 
kann jetzt schon prophezeien, dafs die Krankenstatistiken bei 
dieser Art der Untersuchungen ein wesentlich anderes Bild zeigen 
werden. Ich wage nicht zu entscheiden, ob sie dann mehr 
wirkliche Vergiftungsfälle aufweisen werden als bisher oder mehr 
rheumatisch-nervöse und intestinale Affektionen. 



Von Dr. P. Schmidt 19 

Nach unserer Statistik, bei welcher unter 224 unsicheren 
Fällen nur 4,5% einen Befund über 100 aufwiesen, mülste das 
letztere der Fall sein. 

Übrigens bedienen sich unserer Untersuchungen jetzt schon 
eine grofse Anzahl hiesiger praktischer Ärzte, die uns die Leute 
zur Blutuntersuchung zuschicken. Sie erhalten sodann die Re- 
sultate der Hämoglobinbestimmung, der Auszählung der basophil 
gekörnten roten Blutkörperchen und eventuell der chemischen 
Urinuntersuchung schriftlich mitgeteilt. 



Schlußsätze. 

1. Es gelingt, sowohl durch Verfütterung, wie durch sub- 
kutane Injektion von Bleinitrat auch bei Kaninchen 
basophil gekörnte rote Blutkörperchen zu erzeugen, die 
beim Menschen, nach £. Grawitz, wenn in gröfserer 
Zahl vorhanden, für Bleivergiftung charakteristisch sind, 
falls nicht Malaria, perniciöse Anämie, Carcinom-Gachexie, 
Darmfäulnis oder Sepsis vorliegen. 

2. Die mindeste Bleimenge, bei welcher durch Verfütterung 
gekörnte rote Blutkörperchen erzeugt wurden, beträgt 
5 mg Blei pro Kilo Kaninchen und täglich 14 Tage 
lang verabreicht, bei subkutaner Einverleibung 2,5 mg 
pro Kilo und 10 Tage lang injiziert. 

Bleimengen von 0,25 rag Blei pro Kilo subkutan 
und per os und 2,5 mg pro Kilo per oa blieben auch 
bei einer täglichen Verabreichung von 3^/2 Monaten bez. 
3 Monaten (2,5 mg pro dosi) ohne Wirkung, obgleich im 
Ganzen pro Kilo 26 bez. 226 mg Blei gegeben worden 
waren. 

Bei einmaliger subkutaner Einverleibung von 50 mg 

pro Kilo traten nur in einem Falle basophil gekörnte 

Elemente nach 9 Tagen, 3 Tage später eine vollständige 

Lähmung der hinteren Extremitäten und der Blase auf; 

nach 17 Tagen erfolgte der Tod. 

2* 



20 Über Bleivergiftangen und ihre Erkennung. 

Ein anderes Tier, das die gleiche Menge von 50 mg 
pro Kilo subkutan erhielt, reagierte auch nach 6 wöchiger 
Beobachtung in keiner Weise. 

3. Es bestehen somit grofse individuelle Verschiedenheiten 
gegen Bleigaben, sowohl wenn es per os, als auch wenn 
es subkutan verabreicht wird. 

4. Die basophilen Kömer sind Derivate des Kerns, wie 
unter anderem aus Befunden an gekörnten kernhaltigen 
roten Blutkörperchen (Kaninchen IX) mit Sicherheit her- 
vorgeht. Wenn die gekörnten roten Blutkörperchen in 
Fällen, wo sie in der Zirkulation reichlich vorhanden 
sind, im Knochenmarke selten gefunden werden, so be- 
weist das nur, dafs die Zertrümmerung der Kerne erst 
im Blutstrome und dann wahrscheinlich sehr rasch statt- 
findet. Aus der Schnelligkeit dieses karyorrhektischen 
Prozesses resultiert die Unwahrscheinlichkeit, solche Über- 
gangsformen im Blutstrome öfter zu finden; in einzelnen 
Fällen werden sie doch gefunden und weisen dann alle 
Phasen der Zertrümmerung der Kerne bis zur Köme- 
lung auf. 

5. Die Metachromasie hat sich bei ultramikroskopiscber 
Untersuchung gleichfalls als feinste Körnelung mit sehr 
beträchtlichen Gröfsenunterschieden unter den Körnern 
erwiesen. Die Metachromasie ist also entweder ein weiter- 
gehendes Verteilungsstadium der gröberen basophilen 
Körnelung, oder aber sie geht direkt durch Vorherrschen 
eines intensiven karyolytischen Prozesses ohne das 
Zwischenstadium gröberer Körnelung aus der Beimengung 
von Kernsubstanz zum Hämoglobin hervor. Diese Karyo- 
lyse ist nie eine vollständige, sodafs die Kernsubstanz 
immer in Gestalt, wenn auch noch so feiner Körnchen 
im Hämoglobin kolloidal enthalten ist. Das trifft auch 
für die metachromatischen kernhaltigen roten Blutkör- 
perchen zu. Im Duukelfeld erscheinen die blaugefärbten 



Von Dr. P. Schmidt. 21 

basophilen Körner als goldgelbe Kugeln (in der Kom- 
plementärfarbe). 

6. Beträgt die Zahl der in der Million roter Blutkörperchen 
gefundenen basophil gekörnten unter 100, so ist der Be- 
fund zu Schlöfsen auf eine stattgefundene Bleivergiftung 
nicht ohne weiteres verwendbar. Der Grenzwert basophil 
gekörnter roter Blutkörperchen ergab sich aus Blutunter- 
suchungen, welche bei nicht mit Blei beschäftigten 
Personen gemacht wurden. 

7. Unter 546 Untersuchungen von mit Blei beschäftigten 
Personen waren 15 klinisch sichere Fälle von Blei- 
vergiftung (2,7%). Dieselben zeigten sämtlicli Ober 100 
basophil gekörnte rote Blutkörperchen auf die Million 

(100%). 

Unter 6 wegen Bleierkrankung ärztlich behandelten 
Fällen zeigten diesen Befund 5 (83,3%); unter 224 dia- 
gnostisch unsicheren nur 4,5%, während unter 301 Blei- 
arbeitern ohne irgend welche subjektive Erscheinungen 
5,9% einen positiven Befund aufwiesen. Unter jenen 
4,5% der diagnostisch unsicheren Fälle konnten noch 
2 nachträglich durch den Bleinachweis im Urin sicher 
gestellt werden. 

Unter 110 Personen, die nie mit Blei in ihrem Beruf 
in Berührung gekommen waren, zeigten nur 1,8% einen 
Befund über 100 basophil gekörnter roter Blutkörperchen 
(2 Fälle). Der eine davon hatte vor 30 Jahren eine 
schwere Malaria, der andere kurz zuvor eine Sepsis nach 
Angina durschgemacht. 

8. Der Befund Ober 100 baeophil gekörnter roter Blut- 
körperchen in der Million iet eine äußeret wertvolle 
Stütze fOr die Diagnoee der Bleivergiftung. 

9. Mit Hilfe dieser Blutuntersuchung gelingt es, die Leute 
in einem so frühen Stadium der Bleivergiftung heraus- 
zufinden, dafs man hoffen darf, künftig die ganz schweren 



22 Über Bleivergiftangen und ihre Erkennung. 

chronischen Formen der Bleikrankheit ganz verhüten zu 
können. 

10. Das hygienische Institut der Universität Leipzig wird 
bereits von vielen praktischen Ärzten als Unter- 
suchungsstelle zur Ermittlung der Bleiintoxikation an- 
gerufen. 

Zum Schlüsse dieser Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht, 
meinem hochverehrten Chef, Herrn Geheimrat Hof mann für 
die Anregung zu diesen Untersuchungen, sowie für die mir 
dabei erteilten wertvollen Winke hiermit meinen verbindlichsten 
Dank auszusprechen. 



Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe? 

Von 

Dr. Anton Wafsmuth, 

Assistent der medizinischen Klinik. 

(Aas dem Hygienischen Institute der k. k. Universität Innsbruck. Vorstand : 

Prof. Dr. A. Lode.) 

Metschnikoff(^) bat im Jahre 1883 darauf hingewiesen, 
dals die Leukozyten imstande sind, Mikroorganismen aufzufressen 
und abzutöten. Neben dieser als Phagozytose benannten Eigen- 
schaft dieser beweglichen Zellen schien es schon frühzeitig nahe- 
liegend, dafs die Leukozyten auch an der Produktion der im 
Serum befindlichen bakteriziden Stoffe beteiligt sind. Hankinp) 
war der erste, der darauf hinwies, dafs die bakterizide Wirkung 
des Blutes von den Granulis der Leukozyten ausgehe. Eine 
weitergehende Entscheidung in der Frage nach der Abstammung 
der Alexine brachte Hahn(^) im Jahre 1895, indem er die 
Leukozyten durch Gefrieren und Wiederauftauen abtötete und 
dabei zeigte, dafs sowohl die lebenden als die toten Leukozyten 
und ihre Extrakte unter Umständen eine weit grölsere bakteri- 
zide Wirkung ausüben als Blut und Blutserum des gleichen 
Tieres. Van de Velde(^) und B a i 1 (^) gewannen bakterizide 
Substanzen aus den Leukozyten, ersterer durch Auslaugen mit 
destilliertem Wasser, letzterer durch die abtötende Wirkung des 
Leukozidins auf die Leukozyten. Vorher war es auch Schatten- 
froh (®) gelungen, durch Zerreiben der Leukozyten mit Quarzsand 
bakterizide Leukozytenstoffe zu extrahieren. 



24 Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe? 

War durch diese und durch die Arbeiten anderer Autoren 
einerseits festgestellt, dafs die Leukozyten bei der Vernichtung 
lebender Mikroorganismen beteiligt sind, so war es anderseits 
interessant, zu erforschen, ob die Leukozyten Schutzsto£Ee ent- 
halten, welche gelöste schädliche Stoff Wechselprodukte , z. B. 
Toxine oder andere schädigende Stoffe zu neutralisieren ver- 
mögen. 

Bekanntlich besitzen gewisse Toxine neben anderen schä- 
digenden Eigenschaften auch die Fähigkeit, rote Blutkörperchen 
aufzulösen. Es war nun der leichten Technik wegen verlockend, 
nachzusehen, ob die Leukozyten in irgendeiner Weise befähigt 
sind, diese hämolytische Wirkung der Bakterientoxine zu ver- 
hindern. 

Wir müssen uns hier erinnern, dafs bei der Differenzierung 
der Blut- und Serumalexine und der Phagozytenextrakte (Phago- 
zidin) von Schattenfroh die Tatsache festgestellt worden ist, 
dafs die letzteren, im Gegensatze zu den ersteren, nicht in der 
Lage sind, Erythrozyten zur Lösung zu bringen, mithin kein 
Hämolysin enthalten. Anderseits war es nicht erforscht, inwie- 
fern etwa Leukozytenextrakte der hämoljrtischen Wirkung des 
Blutserums entgegenwirken. 

Zuerst studierte ich demnach die Frage, ob die lösende 
Wirkung des Kaninchenserums auf Meerschweinchenerythrozyten 
durch Leukozytenextrakte der Kaninchen aufgehoben oder be- 
einflufst werde. Fügt man einen Tropfen in physiologischer 
Kochsalzlösung gewaschener Erythrozyten von Meerschweinchen 
zu einer kleinen Menge (2 ccm) von reinem Kaninchenserum 
hinzu und läfst dieses Gemisch durch 2 Stunden im Brutschrank, 
dann in der Kälte stehen, so findet man am nächsten Tag, dafs 
sich die roten Blutscheiben des Meerschweinchens vollständig 
aufgelöst haben. Es tritt also komplette Hämolyse ein. Ver- 
dünnt man dagegen das Serum des Hasens mit physiologischer 
Kochsalzlösung, so gelangt man schon bald zu einem Punkt, 
wo der Tropfen Erythrozyten nicht mehr vollständig gelöst wird 
und schliefslich zu einer Verdünnung, welche überhaupt nicht 
mehr imstande ist, Hämolyse zu erzeugen. Ich habe mir solche 



Von Dr. Anton Wafismath. 



25 



Verdünnungen in der Weise hergestellt, dafs ich mit 0,1 ccm 

reinen Serums begonnen und Reihen hergestellt habe, in welchen 

(siehe Tabelle I) 
die Menge des Serums bis auf 2 ccm stieg, wobei immer so viel 
physiologischer Kochsalzlösung zugesetzt wurde, dafs die Ge- 
samtmenge stets 2 ccm betrug. In diese Verdünnung wurde dann 
immer 1 Tropfen gewaschener Meerschweinchen-Erythrozyten von 
der ursprünglichen Blutkonzentration hinzugesetzt. E^ zeigte 
sich nun, dafs noch bei einer Verdünnung von 1,5 ccm Serum 
auf 0,5 NaCl-Lösung komplette Hftmolyse eintrat, während erst 
bei 0,1 ccm Serum auf 1,9 NaCl die Hämolyse überhaupt aus- 
blieb. Doch zeigten die Erythrozyten der einzelnen Tiere in 
ihrer Resistenz ein sehr verschiedenes Verhalten, so dafs kom- 

(riebe Tabelle II) 
plette Hämolyse erst bei reinem Serum auftrat. Es war daher 
immer nötig, für jeden Versuch einen Kontrollversuch anzulegen. 



Tabelle I. 



Seram 

Kochsalz 


0,1 
1,9 


0,2 
1.8 


0,5 
1,5 


1 
1 


1,6 
0,6 


2 



Nach 2 Std. Brattemperatur 
> 24 Standen .... 




e 




Kuppe 


Kappe 
LH. 


i. H. 
i. H. 


c. H. 
c. H. 


c. H. 
c. H. 



Tabelle II. 



Seram .... 
Kochsalx . . 


1 
0,1 

11,9 


0,2 
1,8 


0,8 
1.7 


0.4 
1.6 


0,6 
1^ 


0.7 
1,3 


1 
1 


1.5 
0,5 


2 




Nach28t.Brattemp. 
> 24 Standen . 








Kappe 




Kuppe 


Kuppe 
i. H. 


Kuppe 
i. H 


Kuppe 
i. H. 


i. H. 
i. H. 


i. H. 
i. H. 


c H. 
C.H. 



Um nun die Wirkung der Leukozyten näher zu studieren, 

wurden zuerst Tropfen von Leukozyten hinzugesetzt, welche in 

(siehe Tabelle III und IV) 
folgender Weise gewonnen wurden: Nach dem Verfahren von 
Hahn wurde grofsen, über 2 kg schweren Kaninchen 10 ccm 
einer gekochten mit Weizenstärke versetzten Aleuronatauf- 



26 Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe? 

schwemmung von dickbreiiger Konsistenz in die rechte Brust- 
höhle injiziert. Die Tiere wurden nach 24 — 26 Stunden durch 
Entbluten getötet und das Blut zur Serumgewinnuug aufgehoben. 
In der Brusthöhle des Tieres befanden sich dann 10 — 20 ccm 
trüben Exsudates, welchem allerdings ab und zu etwas Blut bei- 
gemengt war. Zur Verwendung gelangten ausschliefslich farb- 
lose Exsudate oder solche, welche höchstens Spuren von Blut 
enthielten. Das Exsudat wurde hierauf zentrifugiert und die 
Leukozyten, nach den Angaben Schattenfrohs(^), wiederholt 
mit Kochsalzlösung gewaschen und durch Schütteln fein verteilt, 
oder das gebildete Klümpchen mit sterilem feinem Quarzsand 
mechanisch zerrieben. 

Die so präparierten Leukozyten stellen einen dünnen Brei 
dar, welcher sich leicht tropfenweise zufügen läfst. Zerreibt man 
die Leukozyten nur in geringem Grade, so verlieren die meisten 
ihre Lebensfähigkeit durchaus nicht, wie man sich teils durch 
ihre amöboiden Bewegungen, teils durch ihr Vermögen, Methy- 
lenblau zu reduzieren, zu überzeugen vermag. [Neifser und 
WechsbergC^)]. 

Es wurden nun Verdünnungen nach obigem Verfahren her- 
gestellt, wobei in jedes Reagensgläschen je 1 Tropfen Leukozyten- 
breies hinzugesetzt wurde. Darauf wurden die Röhrchen bei 37® 
durch 2 Stunden in den Brutschrank gestellt, erst dann wurden 
die Erythrozyten in der eben beschriebenen Weise hinzugefügt 
und die Röhrchen neuerdings der Bruttemperatur durch 2 Stun- 
den ausgesetzt. 

Die Beobachtungen wurden immer am nächstfolgenden Tage 
durchgeführt. Bei jedem Versuch wurde die verwendete phy- 
siologische Kochsalzlösung (8,5 : 1000) daraufhin geprüft, ob die- 
selbe an und für sich nicht imstande sei, die Erythrozyten in 
der Wärme zu lösen. Desgleichen wurde, um zu zeigen, dafs 
die Hämolyse auf enzymatischer Grundlage beruht und nicht 
Anisotonie ist, stets jedem Versuch ein Röhrchen mit inakti- 
viertem Serum (^/g Stunde auf 60° erwärmt) beigefügt. Die Hä- 
molyse mufste dann ausbleiben. 



Von Dr. Anton WaÜBinath. 



27 



Zur Nomenklatur meiner Tabellen will ich erwähnen, dafs 
ich zwischen der kompletten (c. H.) und der ausgebliebenen 
Hämolyse (0) noch 2 Grade unterschieden habe. Ich bezeichne 
als Kuppe den Zustand der eingetretenen Lösung, wenn sich 
über den zu Boden gesenkten Leukozyten eine Zone hämolytisch 
gefärbter Flüssigkeit befindet, wobei aber immer ein Teil der 
Flüssigkeit farblos bleiben mufs. Die dazwischen liegenden 
Stufen bis zur kompletten Hämolyse bezeichne ich durchaus als 
inkomplette Hämolyse (i. H.). 



Tabelle IH. 



Senim 

Kocbsala .... 


0,2 
1,8 


0,4 
1.6 


0,8 
1,2 


1,5 
0,5 




Nach 2 Std. Brattemp. 

> 24 Standen . . 

> 2 Std. Brattemp. 

> 24 Standen . . 


1 










LH. 





ECuppe 
i. H. 



i. H. 


1 

i. H. : 

i. H 
Kuppe, 
i. H. 

p 


Kontrolle. 

Mit je 1 Tropfen Leuko- 
zytenbreia, welcher darch 
KochsalEwaschungen and 
Schottein digeriert wurde. 



Tabelle IV. 



Serum 
Kochsalx 



0,1 
1,9 



0,2 
1.8 



0,3 

1,7 



0,4 
1,6 



0,6 : 0,7 : 1 

1,5 I 1,3 : 1 



Nach 2 St. Brattemp 

> 24 Standen 

> 2 St Brattemp 

> 24 Standen 



Kuppe 
Kuppe 
. 




Kuppe 
i. H. 







i. H. 

i. H. 
Kuppe 
Kuppe 



i.H. 
i.H. 
i.H. 
i.H. 



i.H. 
c.H. 
i.H. 
i.H. 



c.H. 
c.H. 
i.H. 
i.H. 



I 



c.H. 
c.H. 
i.H. 
C.H. 



Kontrolle. 

MitjelTropf. 
Leukozyten- 
brei B wie in 
Versuch IH. 



Tabelle IX. 



Sertun 
Kochsalz 



0,1 
1,9 



0.2 

1.8 



0.3 
1,7 



0,4 
1,6 



0,5 
1,5 



1 
1 



Nach 2 St Brattemp. 
» 24 > . . . . 
> 2 > Brattemp. 










24 



.'I 





Kuppe 









Kuppe 







Kuppe 









i.H. 







Kuppe, 
i. H. 


Kuppe 



Kontrolle. 



Mit Je 1 Tropfen Leu- 
kozytenbreis wie in 
Tabelle m und IV. 



28 



Enthalten Leukozyten antibämolytische Stoffe? 



Tab. III, IV zeigen schon deutlich die Schutzwirkung der 
Leukozyten. Während der Kontrollversuch schon bei einer Ver- 
dünnung von 0,8 auf 1,6 eine Hämolyse ergab, trat diese in der 
mit Leukozyten versetzten Reihe erst bei 0,8 auf 1,2 ein. Auch 
in der Tab. IV sieht man noch eine ähnliche Schutzwirkung. 
Die Hämolyse tritt in den Kon troll versuchen bei 0,1 ein, wäh- 
rend die Leukozyten eine totale Schutzwirkung noch bei 0,2 
auf 1,8 und eine partielle noch bei 0,7 auf 1,3 zeigen. An- 
scheinend handelt es sich hier um Erythrozyten, welche eine ge- 
ringere Resistenz zeigen als in Tab. III. Geradezu überraschend 
war der Versuch in Tab. IX, wo erst bei einer Verdünnung von 
1:1 Hämolyse auftrat, während die Kontrolle schon bei 0,2:1,8 
Spuren einer Hämolyse zeigte. 

Die folgenden Versuche zeigen das Verhalten der in den 
Leukozyten aufgespeicherten Enzyme gegenüber den Temperatur- 
einflüssen. 

Tabelle VI. 



Serum . 
Kochsalz 



0,1 
1,9 



0,2 
1,8 



0,3 
1,7 



0.4 
1,6 



0,5 

1,5 



Nach 2 8t. Brütnng 
24 y 

2 > > 

24 > 
2 > 
24 > 



Kuppe 
i. H. 



Kuppe 

Kuppe 

i. H. 



Kuppe 
i.H. 
Kuppe 
Kuppe 
Kuppe 
i.H. 



.H. 
.H. 
.H. 
.H. 
.H. 
.H. 



i.H. 
i.H. 
i.H. 
i.H. 
LH. 
i.H. 



i.H. 
i.H. 
i.H. 
i.H. 
i.H. 
i.H. 



Kontrolle. 

Zusatz von je 1 Tropfen auf W*C 
erwftrmt. I^ukozyteo. Leuko- 
zyten durch Zerreiben mit 
Quarzsand bebandelt. 

Zusatz von je 1 Tropfen auf 

80° erwärmt. Leukozyten. 

Vorbehandlung w. oben. 



Tabelle VH. 



Serum .... 


0,1 


0,2 


0,3 


0,4 


0,5 .| 




Kochsalz 


1,9 


1,8 


1,7 


1,6 


1,5 li 




Nach28t.Bruttemp 





Kuppe 


i. H. 


i.H. 


i.H. 


Kontrolle 


> 24 Stunden. . 







i. H. 


i.H. 


i.H. 




> 2St.Bruttemp. 








Kuppe 


i H. 


i.H. 


Mit je 1 Tropfen Leuko- 
zytenbreis versetzt Vor- 


> 24 Stunden 








Kuppe 


i.H. 


i.H. 


behandlg. w.in Tab. VUI. 


> 2St.Bruttemp. 





Kuppe 


i. H. 


i.H. 


i.H. 


Leukozyten auf 60*^ C er- 


> 24 Stunden . . 





Kuppe 


i. H. 


i.H. 


i.H. 

1 


wärmt. 



Von Dr. Anton Wafsinnth. 



29 



Tabelle VIII. 



Seram 
Kochsalz 



0,1 
1,9 



0,2 

IS 



0,3 
IJ 



0,4 
1,6 



0,5 
1,5 



Nach 2 Std. Brntterop. a 
24 Standen . . Kappe 

2 Std. Bruttemp. 6 
24 Standen . . 9 

2 Std. Brattemp. 9 
24 Standen . . ' Kuppe 

2 Std. Brattemp. 
24 Standen . . 'Kappe 



Kappe 

LH. 



e 

Kappe 
i. H. 

Kappe 
i H. 



LH. 

L H. 
Kappe 
Kappe 

L H. 

L H. 



LH. 
LH. 
LH. 
LH. 
LH. 
LH. 



L H. I i.H. 
L H. ' LH. 



.H. 

.H. 

.H. 

.H. 

.H. 

.H 

.H. 

.H. 



Kontrolle 

Normale Lenkozyten 
mit Qaarzsand ler- 
rieben. 

Leukozyten auf GO^ C 
erwärmt. 

I^ukozyten auf 80^ G 
erwärmt 



Der hemmende Körper ist inaktivierbar. Er wird sicher 
durch Temperaturen von 80® und ^/a Stunde Einwirkung ver- 
nichtet. 60® und eine ^IzStilndige Einwirkung schädigen ihn 
schon im hohen Grade. 

Durch mehrfaches Einfrieren und Wiederauftauen konnte 
ich allerdings in einem Falle (Tab. XI) die Schutzwirkung der 
antihämolytischen Körper im geringen Grade vermindern. Doch 
sind wir weit entfernt, aus diesem einen, mit den bisher be- 
kannten Tatsachen nicht übereinstimmenden Versuche irgend- 
welche Schlüsse zu ziehen. Der Versuch möge nur dartun, dafs 
auch mit toten Leukozyten eine Wirkung zu erzielen ist. 

Tabelle XI. 



1 

Serum . . 


OA 


0,2 


0,3 


0,4 


0,5 


0,6 


Kochsalz . . 


1,9 


1,8 


1.7 


1,6 


1,5 


1,4 


AmnftchBtenTAg 


e 


Kuppe 


i. H. 


i. H. 


iH 


i.H. 


j > > 


■ e 








Kuppe 


i.H. i.H. 


> » > 

1 


9 





Kappe 


i. H. 


i.H. 


i.H. 



c.H. } Kontrolle. 



• |T ) Mit je 1 Tropfen Leuko- 
*•"• I zytenbrels versetzt. 

Mit je 1 Tr. lieukozyten- 
breis versetzt, der2mal 
z. (lefrier.u. Wiederauf- 
tauen gebracht wurde. 



i.H. 



Dafs bei Zunahme der Leukozyten die Schutzwirkung eine 
gröfsere wird, zeigt deutlich die Tab. XII. 



30 



Enthalten Leukozyten antihämolytiBche Sto£fe? 



Tabplle Xn. 



Serum . 
KochsaU 



0.1 
1,9 



0,2 
1,8 



0,3 
1,7 



0,4 
1,6 



0,6 
1.6 



0.6 
1,4 



Am nächsten Tag 









Kuppe 





i.H. 





LH. 
Kuppe 





i.H. 
i.H. 
i.H. 



i.H. 
i.H. 
i.H. 



Kontrolle. 

Je 1 Tropfen Leukozyten. 

Je 2 Tropfen Leukozyten. 



Bei derselben wurden in eine Verdünnungsreihe 1 Tropfen, 
in die zweite 2 Tropfen Leukozytenbreies hineingegeben. 

Während die Kontrollreihen schon bei 0,2 eine beginnende 
Hämolyse zeigen, tritt eine solche bei Zusatz eines Tropfens bei 
0,4 und bei Zusatz von 2 Tropfen erst bei 0,5 ein. Auch in 
Tab. XIII zeigt sich ein ähnliches Verhalten. Aber auch hier 
sehen wir, dafs die Erwärmung der Leukozyten auf 60^ die 
Schutzwirkung fast vollständig aufhebt. 

Tabelle XIH. 



Serum . . . 

Kochsalz . . 

i 


0.1 
1,9 


0,2 

.1.8 


0,3 
1,7 


0,4 
1,6 


0,5 
1,5 


1 

1 


1 
Am nächsten Tag 

> > » 

» 9 > 


Kuppe 



Kuppe 


i. H. 



Kuppe 


iH. 



i.H. 


i. H. 

Kuppe 

i. H 


c.H. 
i.H. 
c.H. 


Kontrolle. 

Mit 2 Tropf. Leukozytenbreis 

' \ Desgl. ; die [Onkozyten wurden 
, j vorher aul 609 C erhitzt. 



Fassen wir die Versuche zusammen, so ergibt sich die über- 
raschende Tatsache, dafs die Leukozyten imstande sind, die glo- 
bulizide Eigenschaft des eigenen Serums gegen Meerschweinchen- 
erythrozyten bis zu einem gewissen Grade aufzuheben. 

Diese Eigenschaft haftet sowohl den lebenden als den toten 
Leukozyten an und wird durch Erwärmen auf 60° C beträcht- 
lich vermindert, durch Erhitzen auf 80° C aber vollständig auf- 
gehoben. Wir müssen uns aber ferner fragen, ob diese Eigen- 
schaft der Leukozyten für das Tier eine praktische Bedeutung 
hat. Sehen wir von dem gewifs seltenen Vorkommen einer Blut- 
transfusion ab, bei welchem die Leukozyten die Hämolyse der 
fremden Erythrozyten teilweise zu vermindern vermögen, so schei- 



Von Dr. Anton Wafsmath. 31 

nen anderseits die Leukozyten eine bedeutsame Rolle in dem 
Falle zu spielen, wo es sich nicht um Serum-Hämolysine, sondern 
\un die Neutralisation der Bakteriolysine handelt. Damit komme 
ich zu dem zweiten Teile meiner Untersuchung. 

Wirkung der Leukozyten auf Staphylolysin. 

Um die Leukozyten auf ihre antihämolytischen Eigenschaften 
zu prüfen, verwendete ich ausschliefslich Staphylolysin. 

Dieses Lysin erhftlt man, wie nebst anderen Autoren, vor 
allen Neifser und Wechsberg (®) in ihrer grundlegenden 
Arbeit über Staphylolysin gezeigt haben, sehr leicht durch Ein- 
impfen von geeigneten Kulturen von Staphylokokkus pyogenes 
aureus in Bouillon. Am 4. — 6. Tage wurde die Bouillon durch 
einen Berkefeldfilter filtriert. Die Fähigkeit dieses Filtrates, die 
roten Blutkörperchen zu lösen, war eine ziemlich grofse. Noch 
in einer Verdünnung von 0,025 Lysin auf 1,975 Na Gl- Lösung 
von 0,85% konnte ich eine komplette Lösung eines Tropfens 
Kaninchenerythrozyten erzielen. Die Leukozyten gewann ich in 
analoger Weise wie in den früheren Versuchen. Die Erythrozyten- 
stammen meist von demselben Tiere, welches zur Leukozyten- 
gewinnung entblutet wurde. Es macht übrigens, wie ich mich 
durch Versuche überzeugen konnte, wenig Unterschied in der 
Wirkung der Leukozyten auf die Hämolyse aus, ob man rote 
und weifse Blutkörperchen von denselben oder von verschiedenen 
Tieren nimmt. Genau so wie in den früheren Versuchen stellte 
ich auch jetzt Reihen her, in deneu die fallenden Mengen des 
Lysins durch Zusatz von 0,85 proz. NaCl-Lösuug auf 2 ccm gebracht 
wurden Das Lysin verwendete ich ohne jeden Zusatz. Die 
Inaktivierung des Lysins gelang durch '/4 — 1 stündiges Kochen 
im Wasserbade. 

Der Versuch wurde hierauf in folgender Weise vorgenommen : 
Das Exsudat wurde nach Entbluten des Tieres steril aus der 
Brusthöhle entnommen und sofort, um eine Gerinnung zu ver- 
meiden, mit doppelt so viel Kochsalzlösung verdünnt, hierauf 
zentrifugiert und die zu Boden gesenkten Leukozyten mehrmals 



32 



Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe? 



gewaschen, schliefslich die darüberstehende Flüssigkeit abpipe- 
tiert. Die Leukozyten, welche einen dünnflüssigen Brei dar- 
stellten, konnten nun direkt tropfenweise zugesetzt werden. Zur 
Verwendung gelangten also fast ausschlielslich lebende Leuko- 
zyten. Zwar konnte ich mich nicht überzeugen, dafs auch die 
durch starkes Zerreiben oder Gefrieren und Wiederauftauen ge- 
töteten Leukozyten eine grofse Wirksamkeit entfalteten, doch 
schien mir ihre antihämolytische Kraft lange nicht so sicher und 
prompt zu sein als wenn ich lebendes Material verwendete. 
Sonst blieb die Versuchsanordnung die gleiche wie in den früheren 
Versuchen. Auch hier wurden dem Lysingemenge zuerst die 
Leukozyten beigemengt und erst nach 2 stündigem Verweilen bei 
37 ** C je 1 Tropfen wiederholt gewaschener Kaninchenerythrozyten 
beigefügt. Die angeführten Resultate beziehen sich immer auf 
den nächstfolgenden Tag. 



Tabelle XIV. 



Tabelle XV. 







Mit 


Mit 


Lyiiu 


; Kontrolle 


1 Tropfen 
Lenko- 


2 Tropfen 
Leuko- 






xyten 


zyten 


0.6 


c. H. 


c. H. 


LH. 


0.4 


c. H. 


c. H. 


LH. 


0.2 


c. H. 


c. H. 


LH. 


0,1 

1 


c. H. 


Kuppe 


Kuppe 


0,05 


LH. 


Kuppe 


Kuppe 


0,025 


i. H. 


Kuppe 1/4 





0,0126 


i. H. 


e 





0,0062 


LH. 


e 





0,0031 


Kuppe 








0,0015 


Kuppe 








0,0007 












• 

Lysin 


Kontrolle 


Mit 
8 Tropfen 
Leuko- 
zyten 


0,5 


c. H. 


L H. 


0,4 


c. H. 


LH. 


0,2 


c. H. 


LH. 


0.1 


c. H. 


Kuppe 


0,05 


c H. 





0,025 


LH. 





0,0125 


LH. 





0,0062 


Kuppe 





0,0031 


Kuppe 





0,0015 









Tab. XIV und XV zeigen in deutlicher Weise die antihämo- 
lytische Wirkung der Leukozyten. Die Versuche zeigen auch 
ferner, obwohl sie mit verschieden starkem Lysin und mit Erythro- 
zyten verschiedener Hasen angestellt sind, dafs mit steigendem 
Leukozytengehalt auch die Schutzwirkung der Leukozyten in die 



Ton Dr. Anton WaTsmath. 83 

Höhe geht. Ich war imstande, mit 3 Tropfen Leukozyten die 
einfach komplett lösende Dosis Lc zu neutralisieren. Die Fest- 
stellung dieser beträchtlichen Schutzwirkung ist um so inter- 
essanter, als Neifser und Wechsberg am Schlüsse ihrer Ar- 
beit über das Staphylotoxin angeben, dafs ihnen durch Zugabe 
von Leukozyten zum Staphylotoxin allerdings gelungen ist, das 
Leukocidin zum Verschwinden zu bringen, dagegen konnten sie 
nie eine stärkere Abnahme des Hämolysins konstatieren. Ein 
geringgradiges Verschwinden führen beide Autoren auf die An- 
wesenheit von Erythrozyten in dem Leukozytenexsudat und auf 
Bindung dieser Erythrozyten mit Hämolysin zurück. 

Ich glaube, dafs bei meiner Anordnung der Versuche, eine 
Bindung des Hämolysins mit den Erythrozyten sich eben durch 
Hämolyse kundgegeben hätte. Ich konnte aber immer konsta- 
tieren, dafs die Röhrchen nach Zusatz von Leukozyten wenig- 
stens für das unbewaffnete Auge vollständig farblos blieben. 
Die Erythrozyten, welche in dem Exsudat vorhanden waren, wur- 
den entweder durch die Antistoffe an der Lösung verhindert oder 
waren in so geringen Mengen vorhanden, dafs keine auffallende 
Rotfärbung entstehen konnte. Die geringfügige Bindung des 
Lysins, welche dadurch entstand, ist gewifs für den Versuch 
ohne Bedeutung. 

Dagegen konnte man sich vorstellen, dafs durch die An- 
wesenheit von Leukozidin die Leukozyten eine Schwächung er- 
fahren haben, indem sie durch das Leukozidin geschädigt und 
demnach bei der Bindung des Hämolysins gehindert würden. 
Obwohl nun Bail(*) gerade durch das Leukozidin Alexine aus 
den Leukozyten gewinnen konnte, so versuchte ich dennoch 
zuerst das Leukozidin durch Leukozytenzusatz auszuschalten in 
der Hoffnung, durch dieses Verfahren eine bessere Ausnutzung 
der antihämolytischen Schutzstoffe der Leukozyten zu erlangen. 
Bei diesen Versuchen kam es im wesentlichen darauf an, gerade 
so viele Leukozyten hinzuzusetzen, dafs das Leukozidin eben 
gebunden wurde. Da die Leukozyten durch Bindung mit Leu- 
kozidin zugrunde gehen, so war der Moment der Neutralisation 
in dem Auftreten von Lebensvorgängen in den Leukozyten 

Archiv für Hygiene. Bd. LXnL 3 



34 Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe? 

kenntlich. Zur Prüfung dieser Lebensfähigkeit verwendete ich 
die von Neifser und Wechsberg angegebene bioskopische 
Methode. 

Aus bestimmten Gründen ging ich etwas anders vor als die 
genannten Autoren. Ich verwendete in Kochsalzlösung ge- 
waschene Leukozyten und nicht das mit Iproz., Lösung von 
oxalsaurem Natron vermengte leukozytenhaltige Exsudat. 

Zuerst bestimmte ich mir die Dosis minima reducens, d. i. 
jene geringste Menge von Leukozyten, welche eben noch hin- 
reicht, um nach 2 stündigem Verweilen im Thermostaten eine 
Reduktion von 2 Tropfen der von den genannten Autoren an- 
gegebenen Methylenblaulösung hervorzurufen. 

Ich verwendete zu diesen Versuchen Röhrchen von 0,7 cm 
lichter Weite in welche ich 2 ccm physiologischer Kochsalzlösung 
und verschiedene Mengen von Leukozyten nebst 2 Tropfen von 
Methylenblaulösung hineinbrachte und mit Paraphinum hquidum 
überschichtete. 

Ich fand nun nach wiederholter Prüfung, dafs ca. 0,025 g 
Leukozytenbreies genügten, um die von Neifser und Wechs- 
berg geforderte Reduktion einer ^/g-Röhre zu ermöglichen. Lr 
war also = 0,025 ccm. 

Nun nahm ich abfallende Mengen von Lysin, gab überall 
die doppelte Dosis dazu; das war in meinem Falle = 0,05 ccm 
Leukozytenbreies und füllte die Röhrchen auf 2 ccm Gesamt- 
flüssigkeit auf. Erst nach 2 stündigem Verweilen im Brutschrank 
wurden 2 Tropfen der Methylenblaulösung hinzugesetzt und mit 
Paraffin überschichtet. Dabei fand ich, dafs z. B. in den Röhr- 
chen mit 0,1 ccm Lysin eben noch eine deutliche Reduktion zu 
sehen war, während bei 0,2 ccm Lysin keine Reduktion mehr 
auftrat. Ich hatte nun die Möglichkeit, durch Zusatz einer be- 
stimmten Tropfenzahl ein beliebiges Quantum von Lysin zu 
neutralisieren. Bei dem nun folgenden Versuche wurde nun tat- 
sächlich eine bestimmte Menge von Lysin durch Leukozyten- 
zusatz neutralisiert, das Gemenge hierauf zentrifugiert und das 
von Leukozidin befreite Lysiu abpipetiert und in gleicher Weise 



Von Dr. Anton Wafiimath. 



35 



zu den hämolytischen Versuchen verwendet wie das nicht neu- 
tralisierte. 

Tabelle XVI. 



Lysin 


Kontrolle 

1 


2 Tropfen 
T^ukozyten 


2 Tropfen 
Leukozyten 

nach Ann- 
schaltunf^d. 
Leukozidins 


0,4 


c H. 


i. H. 


i. H. 


0,2 


c. H. 


i. H. 


i. H. 


0,1 


c. H. 


i H. 





0,06 ; 


c. H. 


Kappe 





0,026 


; i. H. 








0.0126 


i. H. 








0,0062 


Kappe 








0,0031 


Klippe 









Man sieht nun tatsächlich, dafs 2 Tropfen Leukozyten in 
dem nicht neutralisierten Lysin eine totale Bindung von 0,025 ccm 
Lysin vermögen, während das gleiche Volumen Leukozyten in 
dem von Leukozidin befreiten Lysin eine Bindung von 0,1 ccm 
Lysin ermöglicht. Diese Steigerung der antihämolytischen Kraft 
scheint mir aber darauf zu beruhen, dafs die Leukozyten ge- 
legentlich der Bildung mit Leukozidin bereits Hämolysin abge- 
geben haben, welches durch das erneuerte Hinzufügen von Leu- 
kozyten noch vermehrt wurde. Das Leukozidin scheint demnach 
die hämolytische Wirkung nicht zu beeinflussen. Qchliefslich 
untersuchte ich die Organe der Kaninchen auf ihre antihämo- 
lytischen Eigenschaften. Ich verwendete dazu kleine Organ- 
stücke aus entbluteten Tieren, welche ich in reiner physiologi- 
scher Kochsalzlösung gründlich auswusch. Hierauf wurden die 
Organstückchen zerkleinert und mit Quarzsand zu einem dünnen 
Brei verrieben, welcher tropfenweise zugesetzt wurde. Zur Ver- 
wendung gelangte Leber, Milz und Niere. Der Zusatz des 
Organbreies erfolgt parallel mit dem Zusatz von Leukozyten in 
der früher beschriebenen Weise. Von den Organen liefs allein 
die Milz geringe antihämolytische Eigenschaften erkennen, welche 
jedoch verschwindend klein im Verhältnis zu der Schutz Wirkung 

der Leukozyten genannt werden müssen. 

S* 



36 Enthalten Leukozyten antibämoly tische Stoffe? Von Dr. A. Wafsmath. 

Fassen wir die Resultate zusammen, so können wir auf 
Grund unserer Ergebnisse in vitro behaupten, dals die Leuko- 
zyten und vor allem die lebenden imstande sind, die hämoly- 
tische Komponente des Staphylotoxins in gewissem Grade zu 
neutralisieren. Bei 60^ C ist das Vermögen der Leukozyten, das 
Hämolysin zu binden, entschieden geschwächt und bei 80® C 
vollständig aufgehoben. 



Literatur. 

1. Metschnikoff: Zar Lehre von den Phagozyten nnd deren experimen- 
tellen Grandlagen. Handhach der pathogenen Mikroorganismen. Bd. 4. 

2. Hankin: Zentralhlatt für Bakteriologie. Bd. 12 and 14. 

3. Hahn: Beziehang der Leakozyten zar bakteriziden Wirkang des Blates. 
Archiv f. Hygiene. Bd. 25. 1895. 

4. VandeVelde: Beziehangen zwischen den bakteriziden Eigenschaften 
des Sernms and der Leakozyten. Zentralbl. f. Bakter. Bd. 23. 1898. 

5. Beil: Über die leakozide Substanz in den Stofifwechselprodakten des 

Staphylococcas pyogenes aareas. Archiv für Hyg. Bd. 30. 

6. Schattenfroh: Über bakterienfeindliche Eigenschaften der Leako- 
zyten. Archiv f. Hyg. Bd. 81 and 35. 

7. Neifser und Wechsberg: Über eine neue, einfache Methode zar 
Beobachtang von Schftdigang lebender Zellen and Organismen. (Bio- 
skopie.) Mflnchener med. Wochenschr. 1900, Nr. 37. 

8. Dieselben: Über das Staphylotoxin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 36. 



Die relative Photometrie.*) 

Methode zur Charakterisierung und Messung der Tagesiicht- 
beieuchtung in Arbeits- und Wohnräumen. 

Von 

Dr. Stanislav Büzicka. 

(Aas dem k. k. hygienischen Institut des Prof. Dr. Gustav Kabrhel in Prag.) 

I. TeU.2) 
Das Prinzip der relativen Photometrie. 

Die Versorgung der Arbeitsplätze mit einer genügenden Menge 
Tageslicht ist ein ebenso schwieriges wie wichtiges Problem der 
praktischen Hygiene, insbesondere der Schulhygiene. 

In solchen Fällen, wo man seinen Arbeitstisch im Zimmer 
nach Belieben ans Fenster rücken kann, macht es wohl selten 
Schwierigkeiten die genügende Lichtmenge in das Arbeitsfeld zu 
bekonmien. 

Aber in Schulzimmern, Nähzimmern, Zeichensälen, gröfseren 
gewerblichen Arbeitslokalen (Schriftsetzereien u. a.) mit einer 
grofsen Zahl von Arbeitsplätzen hat man oft recht grofsen Mangel 
an Licht, wenigstens an Arbeitsplätzen, welche von der Fenster- 
wand am weitesten entfernt sind. 

Die Oberlichtbeleuchtung, welche immer reichlich ge- 
nügende Lichtfülle bietet, bringt fast unüberwindliche finanzielle 
und technische Schwierigkeiten mit sich, so dafs man bis auf seltene 

1) Als IV. Teil meiner Studien zur relativen Photometrie (Archiv für 
Hypnene, Bd. XLIIT, LT, LIV). 

2) Der böhm. Kaiser-Franz- Josephs- Akademie vorgelegt am 18. April 1907. 



38 ^ie relative Photometrie. 

Ausnahmen — wenigstens in der Schule — auf das Seitenlicht 
verwiesen ist. 

Beim Seitenlicht aber sinkt die Beleuchtungsstärke der Ar- 
beitsplätze mit ihrer Entfernung vom Fenster soweit, dafs die 
für die Praxis wichtige Frage entsteht, unter welchen Um- 
ständen sie bis an die Grenze des Zulässigen anlangt. 

Die Beantwortung dieser Frage ist aber sehr schwierig und 
kompliziert ; und zwar besonders aus dem Grunde, weil einige die 
Intensität der Tagesbeleuchtung von Arbeitsplätzen bestimmende 
grundwichtige Momente in einer der menschlichen Beein- 
flussung unzugänglichen Weise veränderlich sind. 

Im Grunde genommen mufs die Frage beim Taglicht ebenso 
gestellt werden wie bei der künstlichen Beleuchtung. Wie soll 
es angeordnet werden, dafs der schlechteste Arbeits- 
platz die minimale genügende Lichtmenge garantiert 
hat? 

Beim künstlichen Lichte ist die Lösung ziemlich einfach. 
£s wird eine Lichtquelle von bestimmter Lichtintensität in einer 
solchen (leicht zu berechnenden) Entfernung von der Arbeits- 
fläche aufgestellt, bei welcher die Belichtungsintensität (das von 
der Decke, den Wänden usw. reflektierte Licht eingerechnet) 
eben die geforderte ist. 

Da man die Lichtintensität der Lichtquelle, ihre Entfernung 
von der Arbeitsfläche, sowie den Einfallwinkel, die Reflexion 
des Lichtes von den Wänden, der Decke usw. (Farbe des An- 
striches) in der Hand hat, kann man durch die künstliche Be- 
leuchtung eine bestimmte Lichtintensität am Arbeitsplatze erreichen. 

Beim Tageslicht ist die primäre direkte Lichtquelle für 
unsere Arbeitsplätze das leuchtende Himmelsgewölbe. (Das direkte 
Sonnenlicht kann schon wegen seiner zu grofsen Intensität nicht 
verwendet werden.) 

Die Intensität dieser primären direkten Tageslichtquelle ist 
aber bekanntlich eine sehr schwankende, wozu ich durch meine 
vor zwei Jahren in Prag während der dunkelsten Jahreszeit 
täglich um 9 Uhr vormittags und 3 Uhr nachmittags ausge- 



Von Dr. StanislaT Rftücka. 39 

führten photometrischen Messungen^) zahlenmäfsiges Material 
geliefert habe. 

Die Messungen haben ergeben, dafs die Lichtintensität des 
Himmelsgewölbes, innerhalb der Zeit vom 24. November bis 
1. Februar (um 9 Uhr vorm. und 3 Uhr nachm.) Schwankungen 
von 30 bis 82ö7 Meterkerzeu zeigte ; und, wenn man von seltenen 
Ausschlägen nach beiden Extremen absieht, doch noch als regel- 
mäfsige Erscheinung Werte zwischen 1000 bis 4000 und 5000 
Meterkerzeu aufweist. 

Bei solchen grofsen, der menschlichen Beeinflussung unzu- 
gänglichen Schwankungen der primären Lichtquelle kann der 
Hygieniker nichts anderes tun, als sich auf die schlechtesten 
Verhältnisse — nämlich auf die geringste Intensität der primären 
Lichtquelle — einrichten. 

Da ich aber Werte unterhalb 2000 Meterkerzen (Lichtinten- 
sität des Himmelsgewölbes) nur in einem ganz beschränkten 
Jahresteile (fast nur im Dezember, von welchem für die Schulen 
noch die Weihnachtsferien entfallen) gefunden habe, so habe ich 
vorläufig vorgeschlagen, in der Schulhygiene mit diesem Werte 
als dem minimalen zu rechnen, und an den dunklen Dezember- 
tagen sich mit künstlicher Beleuchtung auszuhelfen. (Dieses 
praktische Resultat meiner Messungen des Himmelsgewölbes finde 
ich durch die im letzten Winter ebenso ausgeführten Messungen — 
siehe den Anhang am Ende dieser Arbeit — bestätigt.) 

Also die Frage steht jetzt so: Wie sind die baulichen 
Einrichtungen und die übrige Einrichtung des Schul- 
zimmers zu treffen, damit bei 2000 Meterkerzen Licht- 
intensität des Himmelsgewölbes auch der dun- 
kelste Arbeitsplatz noch die genügende Lichtmenge 
erhält, als welche 20 bis 25 Meterkerzen ange- 
nommen werden. 

Durch die baulichen Einrichtungen (Gröfse der Fenster, ihre 
Höhe, Entfernung und Höhe des gegenüberliegenden Gebäudes, 
Farbe des gegenüberliegenden Gebäudes, Entfernung des be- 
treffenden Arbeitsplatzes von der Fensterwand, Farbe der Decke 

1) Archiv f. Hygiene, Bd. UV, 8. 32. 



40 ^io relative Photometrie. 

und der Wände des Scbulzimmers) wird nämlich die auf einen 
bestimmten Arbeitsplatz gelangende Licbtmenge, wie schon die 
grobe Erfahrung zeigt, wesentlich beeinfluCst. Die baulichen Mo- 
mente aber sind eben jene zweite Gruppe von Komponenten der 
Belichtungsintensität der Arbeitsplätze, welche man beim Bau 
und bei der Verwaltung der Schule vollkommen in der Hand 
hat. Höchstens mit Ausnahme der Verhältnisse des gegenüber- 
liegenden Hauses; eventuell mufs man also auch bei diesem 
zweiten unbeeinfiufsbaren Moment mit den ungünstigsten Werten — 
einer tiefgrauen Farbe, der gröfsten zulässigen Höhe, der kleinsten 
zulässigen Entfernung usw. — rechnen. Auch die Farbe der 
StralsenoberSäche mufs eventuell in dem ungünstigsten Werte in 
die Rechnung gezogen werden (als tiefgraue). 

(Zahlenmäfsige Belege über die Bedeutung dieser verschie- 
denen Momente für die Lichtintensität der Arbeitsplätze sind im 
zweiten Teile dieser Arbeit enthalten.) 

Um den Einflufs der baulichen Einrichtungen auf die Licht- 
stärke der Arbeitsplätze exakt studieren zu können, habe ich 
meine relativ photometrische Methode konstruiert. 

Ich bin von dem Gedanken ausgegangen, dafs — ein voll- 
kommen gleichmäfsig diffus leuchtendes Himmelsgewölbe 
vorausgesetzt — unter bestimmten gegebenen Bauverhält- 
nissen und Verhältnissen der Zimmereinrichtung die 
Lichtintensität eines Arbeitsplatzes einen ganz be- 
stimmten Teil von der Lichtintensität des Himmelsge- 
wölbes beträgt, obschon die absolute Intensität des 
Himmelsgewölbes eine grofse oder eine kleine ist. 

Dieser Schluls erscheint schon auf Grund der bekannten 
physikalischen Gesetze als ein zwingender, wenn wir uns genau 
vorstellen, wie das auf einen Arbeitsplatz auffallende Licht her- 
kommt : 

Ein Teil des Lichtes kommt direkt von einem durch die Bau- 
verhältnisse bestimmt gegebenen Teile, resp. von mehreren 
Teilen bei mehreren Fenstern des Himmelsgewölbes ; ein anderer 
Teil ist das von dem gegenüberliegenden Gebäude, von der 
Zimmerdecke, den Zimmerwänden usw. reflektierte Licht. Da 



Von Dr. Stanislay Rftii6ka. 41 

die refiektierenden Flächen je nach der gegebenen Farbe einen 
ganz bestimmten Teil des auffallenden Lichtes reflektieren, 
so sind auch diese Verhältnisse — ohne Rücksicht auf die 
absolute Lichtmenge — ganz konstante. 

Also z. B. ein bestimmter Arbeitsplatz hat unter bestimmten 
Bauverhältnissen eine solche absolute Lichtintensität, welche 
einem Prozent der gleichzeitigen absoluten Lichtintensität des 
Eümmelsgewölbes gleich ist, also bei der »minimalen zulässigen c 
Helligkeit des Himmelsgewölbes (2000 Meterkerzen) hat der Platz 
20 Meterkerzen, steigt die Helligkeit des Himmelsgewölbes auf 
4000 Meterkerzen, so hat er 40 Meterkerzen usw. 

Die Richtigkeit des oben angeführten Schlusses wird auch 
durch die praktische Erfahrung bei der Benützung meiner Me- 
thode jeden Augenblick erhärtet. (Schwankungen der Tageslicht- 
intensität haben keinen Einfiufs auf das Lichtverhältnis der in 
meinem Photometer auf Gleichheit eingestellten beiden Felder: 
Arbeitsplatz und Himmelsgewölbe.) 

Die Kenntnis dieses Prozentverhältnisses für einen Arbeits- 
platz im Zusammenhang mit der Kenntnis der konventionellen 
minimalen Lichtintensität des Himmelsgewölbes, ergibt direkt 
die absolute Zahl Meterkerzen, bis zu welcher die Lichtintensität 
des betreffenden Arbeitsplatzes innerhalb der ungünstigen praktisch 
zu berücksichtigenden Verhältnisse sinkt. 

An dieser Stelle ist noch der Einwand zu besprechen, dafs 
die relative Photometrie nur für den Fall Geltung hat, wenn 
das Himmelsgewölbe vollkommen gleichmäfsig diffus 
leuchtet und für die weitaus meisten Fälle der Praxis ohne 
Geltung ist. 

In der Tat führe ich die Bestimmung eben nur bei voll- 
kommen gleichmäfsig diffus leuchtendem Himmelsgewölbe 
aus; und ohne jeden Zweifel ist, wie man sich leicht übrigens 
auch überzeugen kann, bei ungleichmäfsig bedecktem Himmel 
das Verhältnis (zwischen der Lichtintensität des Arbeitsplatzes 
und derjenigen des Zenitpunktes) ein begreiflicherweise oft recht 



42 ^10 relative Photometrie. 

weit abweichendes und sehr schwankendes, so dafs es keineswegs 
zur Charakterisierung des Platzes dienen kann. 

Aber für den praktischen Zweck, um welchen es sich handelt, 
sind wir vollkommen zufrieden, wenn wir eine Methode haben, 
welche uns einen verläfslichen Anhaltspunkt zur Charakterisierung 
der Tageslichtbeleuchtung unter den ungünstigsten 
Verhältnissen gibt; an den ungüstigen nebligen Tagen ist 
eben das Himmelsgewölbe recht gleichmäfsig bedeckt. 

Es darf nicht vergessen werden, dafs die ganze Methode 
eben auf dem Grundgedanken ausgearbeitet ist, dafs sie die Frage 
beantworten soll: bis zu welchem Werte sinkt die ab- 
solute Lichtintensität am betreffenden Arbeitsplatze 

im ungünstigsten Momente. 

Beschreibung des von mir für die Zwecke der relativen Photo- 
metrie konstruierten Apparates „Der relative Photometer''. 

Zur Ausführung der relativ photometrischen Bestimmungen 
habe ich auf Grund des von mir in meiner früheren Publikation ^) 
schon angegebenen Prinzips einen Apparat konstruiert, in 
welchem dem Auge des Beobachters das Spiegelbild des aus- 
zumessenden Arbeitsplatzes (welcher vorher mit einem Blatt rein 
weifsen Papiers belegt wird) als Fleck in der Mitte eines Spiegel- 
bildes des Zenitteiles des Himmelsgewölbes erscheint, Die einzige 
Abweichung von der oben zitierten Beschreibung beruht darin, 
dafs das Bild des Arbeitsplatzes (anstatt von einem Spiegel) von 
einem Lummer-Brodhun sehen Würfel reflektiert wird. 

Das Bild des Himmelsgewölbes (welches natürlich immer 
vielmal heller ist als das Bild des Arbeitsplatzes) kann durch 
einen mittels Trieb (Knopf Kn) verschiebbaren Rauchglasdoppel- 
keil beliebig^) abgedämpft werden; also auch auf eine mit dem 
Arbeitsplatze gleiche Intensität, wobei dann das Bild des Arbeits- 
platzes in demjenigen des Himmelsgewölbes verschwimmt. 



1) Archiv für Hygiene, Bd. UV, S. 38 u. 39. 

2) Bei meinem Exemplar des relativen Photometers auf 4,00—0,36% 
der wirklichen Intenaität. 



Von Dr. SUnislav B&iiCka. 



43 



Die augenblickliche Einstellung des Rauchglaskeiles kann 
an einer Millimeterskala abgelesen werden und aus einer beige- 
fügten Tabelle tieat man heraus, auf wieviel Prozent der wirk- 
liehen Lichtatärke das Bild des Himmelsgewölbes durch die be- 
treffende Einstellung verdunkelt ist: also wieviel Prozent von der 
ffirklichen augenblicklichen Lichtinte Qsitftt des Himmelsgewölbes 
die augenblickliche Lichtintensität des Arbeitsplatzes ausmacht. 




[~1 



Fl(.2. 



Erkllruf der In Ate ZeiebnuBKen elB|r«trsfeneD Baehsteben. 

^ grolaer TnbnB. 
:= kleiner Tabus. 
^ Rancbgloskeil. 
, r= Spiegel, welcher in das Aage des Beobachters dae Bild des Himmels- 
gewölbes reflektiert. 
, T= Spiegel, in welchem das — vor dem Okular befindliche — &uge 

dee Beobachters die Skala Sc sieht. 
I = Knopt, dessen Drehen Verschiebung des Haucbglaskeiles K bewirkt 



44 ^ie relative Photometrie. 

Die Peripherie des unteren Endes des kleinen Tubus t ist mit 
▼ier die Peripherie genau in Quadranten teilenden Einkerbungen 
versehen. 

Der Lummer-Brodhunsche Würfel befindet sich inner- 
halb des grofsen Tubus T über der Ansatzstelle des kleinen 
Tubus t an den grofsen T. 

Den Apparat hat mir nach meinen Angaben die Firma 
F. Schmidt & Haensch, optisch-mechanische Werkstätte in 
Berlin, in ganz dankenswerter Weise konstruiert.^) 

Ausführung der relativ photometrisohen Bestimmungen. 

Die relativ photometrischen Messungen werden immer am 
Modell ausgeführt, obschon das betreffende Gebäude erst gebaut 
werden soll, oder schon fertig dasteht. 

Es liegt darin wohl ein nicht geringer Vorteil der Methode, 
dafs die Bestimmungen auch für ein erst zu erbauendes Ge- 
bäude — an einem nach den Plänen leicht herzustellenden 
kleinen Modell — ausgeführt werden können, da es so leicht 
möglich ist, die Pläne soweit entsprechend abzuändern, bis der 
erforderliche Grafl der Lichtfülle erreicht ist. 

An einem fertigen Gebäude selbst ist zwar die Ausführung 
einer solchen Messung theoretisch auch möglich, aber praktisch 
sehr schwer durchzuführen. Und zwar aus zwei Gründen: 

1. Das Bild des Zenitpunktes des Himmelsgewölbes müfste 
durch einen von dem Auge des Beobachters mehrere Meter (etwa 
3 — 7)2) entfernten Spiegel reflektiert werden. Bei Verwendung 
eines mathematisch genau planen Spiegels würde dabei kein 
Fehler entstehen; aber praktisch ist ein solcher nicht zu be- 
kommen. Selbst die genauesten präzisen Planspiegel, welche 

1) Die Firma liefert solche Apparate zu einem Preise von etwa 220 M. 
Aufserdem yerfertigt die Firma auf meine Veranlassung auch relative Photo- 
meter, welche unveränderlich auf eine bestimmte Absorption (ohne verschieb- 
baren Keil) — 1 °/o durchgehenden Lichtes — eingestellt sind, etwa au 120 M. 
Dies für solche Fälle, wo es sich nur darum handeln würde, zu entscheiden, 
ob die auszumessenden Plätze der Minimal forder ung genügen oder nicht. 

2) Je nachdem, ob es sich um einen der Fensterwand nahen oder von 
ihr entfernten Platz handelt 



Von Dr. Stanislav Rfiii£ka. 45 

ungeheuer teuer sind, sind nur bis zu einer Fehlergrenze garan- 
tiert, bei welcher doch noch — bei der grofsen Entfernung — 
ein nicht zu vernachlässigender Fehler entstehen würde (eine 
Konzentration oder wieder Dispersion der Strahlen : Verstärkung 
oder Abschwächung der wirklichen Intensität). 

2. Es ist praktisch sehr schwer möglich, zum Zwecke einer 
solchen Bestimmung eben einen nebligen Tag mit genau gleich- 
mäfsig leuchtendem Himmelsgewölbe abzuwarten. Ich benütze, 
wie ich im weiteren genauer angeben werde, ein künstliches 
>Hinmielsgewölbe«, dessen Gleichmäfsigkeit an jedem beliebigen 
Tage zu erreichen ist. 

Mein künstliches Himmelsgewölbe ist auf folgende Art 
konstruiert: 

Eine 50 cm hohe, 80 cm lange und 70 cm breite (innere 
Mafse) Holzkiste hat anstatt der oberen (Decken-) Wand zwei 
aufeinanderliegende Glasplatten, zwischen welchen ein Blatt 
homogenen weiJsen Papiers liegt. Die Glasplatten sind nur 
dazu da, das Papierblatt in seiner Lage zu halten und es vor 
Beschmutzung zu schützen. 

Da in der Regel aber in der Praxis der die Schule be- 
leuchtende Teil des Himmelsgewölbes einen sehr langen Streifen — 
der Länge der Gasse entsprechend — darstellt, die Kiste aber 
praktisch entsprechend lang nicht konstruiert werden kann, habe 
ich mein Himmelsgewölbe nur 26,67 m^) lang gemacht, und es 
— durch Bedeckung der beiden kurzen Seitenwände der Kiste mit 
geschliffenen Spiegeln — auf beiden Seiten optisch ins unendliche 
verlängert. (Dadurch wird natürlich der kleine Fehler eingeführt, 
dafs die Spiegelbilder des Himmelsgewölbes je entfernter desto 
dunkler — infolge der fortschreitend sich wiederholenden Re- 
flexion — werden, aber dieser Fehler wird erst bei den ent- 
fernteren Spiegelbildern ein bedeutenderer, welche für die Be- 
leuchtung der Schule schon wenig in Betracht kommen. Wenn 
wir uns übrigens um den Erdball herum ein gleichmäfsig 



1) Die Kiste ist 80 cm lang, was 26,67 m in der Wirklichkeit entspricht. 
Die Modelle mache ich nämlich so grofs, dafs ein Meter des wirklichen 
MaÜBes durch 3 cm dargestellt wird. 



46 I^io relative Photometrie. 

leuchtendes Himmelsgewölbe denken, so mufs — besonders bei 
bedeutender vernebelter Atmosphäre — an jedem Punkte der 
Erdoberfläche der Zenitteil des Himmelsgewölbes lichter erscheinen 
und gegen den Horizont die Lichtintensität abnehmen. 

Die eine, längere, Seitenwand der Kiste (50 • 80 cm) ist nicht 
ausgeführt, bleibt leer und bietet dem Experimentator Zutritt in 
das Innere der Kiste. 

Die Kiste wird nämlich bei den Messungen auf einen Tisch 
von gewöhnlicher Höhe gestellt, so dafs die Glasfläche nach oben 
gekehrt ist, und der Experimentator setzt sich zum Tisch an 
derjenigen Seite, an welcher die Seitenwand fehlt. Seinen Ober- 
körper samt dem Haupte hüllt der Experimentator in ein möglichst 
lichtdichtes Tuch ein, dessen oberer Rand und die beiden Seiten- 
ränder an den oberen Rand und die Seitenränder der durch 
das Fehlen der einen Seitenwand der Kiste entstandenen Öffnung^) 
geheftet ist. 

Dadurch wird es erreicht, dafs beim Experimentieren im 
Inneren der Kiste nur das von dem künstlichen Himmelsge- 
wölbe kommende Licht zur Geltung kommt. Übrigens wird auch 
das Modell des auszumessenden Gebäudes in dieser Öffnung 
aufgestellt (die Öffnung wird durch dasselbe in der Regel fast 
vollkommen verstellt), so dafs auch durch dieses unbefugte Licht- 
strahlen abgehalten werden. 

*• 

Die der Öffnung gegenüberliegende Wand repräsentiert in 
den Versuchen das gegenüberliegende Gebäude (16,67 m hoch, 
dreistöckiges Wohngebäude). Bei Aufstellung eines falschen 
Bodens oberhalb des wirklichen in der Kiste, oder bei Herstellung 
des auszumessenden Modells in entsprechend gröfseren Mafsen, 
kann man dieselbe Wand als eine niedrigere benützen. 

Will man die » Gasse c abgeschlossen haben, so belegt man 
den einen Seitenspiegel mit einem Papierblatt usw., welches die 
gewünschte Abschlufswand möglichst nachahmt. Natüriich 
spiegelt sich dieselbe auf der anderen Seite in einer Entfernung, 



1) Diese Öffnung werde ich im folgenden einfach als Öffnung der Kiste 
oder Öffnung kurzweg bezeichnen. 



Von Dr, Stanislay Rdiicka. 47 

welche der doppelten Länge der Kiste entspricht (so dafs in dieser 
Entfernung — 53 • 33 m — die Gasse auch auf der anderen 
Seite abgeschlossen ist). 

Die Kiste — das »Himmelsgewölbe« — mufs von oben 
intensiv und gleichmäfsig beleuchtet sein. Dies wird am 
einfachsten und am besten durch Aufstellung der Kiste unter 
freiem Himmel erreicht; wenn kein vollkommen freier Raum 
verfügbar ist, z. ß. in der Mitte ^) eines gröfseren von womöglich 
gleichhohen Wänden umgebenen Hofes. — Durch künstliches 
Licht ist eine hohe Intensität und Gleichmäfsigkeit nicht so 
einfach zu erreichen. 

Endlich ist noch die Frage zu besprechen, wie hoch eigentlich 
das künstliche Himmelsgewölbe oberhalb der Bodenfläche ange- 
bracht werden soll. 

Die Höhe des wirklichen Himmelsgewölbes oberhalb der 
Erdoberfläche ist eine sehr verschiedene. Denn das Himmels- 
gewölbe wird durch die Wolken und Nebelmassen gebildet, welche 
zuweilen Tausende von Metern hoch schweben, ein anderes Mal 
aber sich in der nächsten Nähe der Erdoberfläche befinden. 

Man könnte unter solchen Umständen glauben, dafs die 
augenblickliche ßelichtungsintensität eines bestimmten Arbeits- 
platzes nicht nur von der augenblicklichen Lichtintensität des 
Himmelsgewölbes, sondern auch von der Höhe (-Entfernung) 
des letzteren abhängig ist. Dies würde wirklich so sein, wenn 
das Himmelsgewölbe eine Lichtquelle von beschränkter Aus- 
dehnung (z. B. eine punktförmige Lichtquelle) wäre. 

Es gilt dies auch in der Tat für die partiellen Lichtintensi- 
täten, welche von den einzelnen Punkten des Himmelsgewölbes 
auf einen bestimmten Arbeitsplatz im Schulzimmer kommen: 
Steht das Hinameisgewölbe zweimal so hoch, so ist die von 



1) Ausdrücklich mufs ich davor warnen, solche Untersuchungen z. B. 
aal einem Balkon vornehmen zu wollen, wohei das künstliche Himmels- 
gewölhe mit dem einen Rande fast an das Haus anstöfst, der gegenüber 
liegende Rand aber von dem gegenüberliegenden Gebäude weit entfernt ist. 



48 1^16 relative Photometrie. 

einem einzelnen Punkte des Himmelsgewölbes auf den Arbeits- 
platz gelangende Lichtintensität eine viermal kleinere. Aber 
dafür kommt wieder in den Bereich des betreffenden Arbeits- 
platzes bei einer zweifachen Entfernung des Himmelsgewölbes 
ein viermal so grofser f^lächenanteil des Himmelsgewölbes, also 
viermal so viele leuchtende Punkte. Also die Abnahme der 
von jedem einzelnen leuchtenden Punkte kommenden licht- 
Intensität wird durch die Zunahme der Anzahl der leuchtenden 
Punkte genau kompensiert. 

Bei meiner Versuchsanordnung ist also das Himmelsgewölbe 
möglichst niedrig angebracht, in direktem Anschlufs an die 
Oberkante des »gegenüberliegenden Gebäudes«, wie es übrigens 
unserem Auge perspektivisch in allen Fällen erscheint. 

Von der Richtigkeit der eben dargestellten Analyse zeugt 
übrigens auch das Experimentum crucis. 

Stellt man meinen Photometer bei gleichmäfsig diffus 
leuchtendem Himmelsgewölbe in meiner Kiste — welche aber des 
künstlichen Himmelsgewölbes entblöfst ist — auf einen Schüler- 
platz in einem Schulklassenmodell genau ein (auf Intensitäts- 
gleichheit der beiden Felder), und setzt dann ohne jedwede 
sonstige Veränderung das künstliche EUmmelsgewölbe auf, so 
sieht man im Photometer, dafs keine Veränderung des Ver- 
hältnisses der beiden Intensitäten eingetreten ist.^) 

Ich brauche nicht besonders auszuführen, dafs für spezielle 
Fälle — wie z. B. für den Fall eines ganz freien Horizontes vor 
der Schule — die oben beschriebene Anordnung unbrauchbar 
wäre. In dem angeführten Falle z. B. müfste man das Himmels- 



1) Nur muTs man natürlich dafür sorgen, dafs wirklich keine andere 
Veränderung eintritt als die Annäherung des Himmelsgewölbes (natürlich 
auch Abschwächung seiner absoluten Lichtintensität, welche aber auch auf 
die Resultate der relativ photometrischen Messung keinen Einflufs hat). Es 
dürfen sich bei abgenommenem künstlichem Himmelsgewölbe z. B. keine 
Häuser anstatt des Himmelsgewölbes in den Spiegeln spiegeln. Genau ist 
der Versuch nur an einem so freien Platze auszuführen, dafs kein Gegen- 
stand den Rand der Kiste überragt. Dafs das Himmelsgewölbe möglichst 
vollkommen gleichmäfsig leuchten muTs^ versteht sich von selbst 



Von Dr. SUnislav Rftül^ka. 49 

gewölbe darstellende Papierblatt schief zum Horizont absteigend 
konstruieren. 

Diese Fälle sind aber — als besonders günstige — für die 
Praxis wenig wichtig. 

Das Modell des auszumessenden Hauses mufs nicht voll- 
kommen ausgeführt werden. Bei einem Schulhause z. B. genügt 
es, oft nur ein Klassenmodell (wenn alle Klassen gleich sind) 
in der Form eines Kistchens herzustellen, welchem in entspre- 
chender Weise ein Brettchen angefügt wird, welches die Front- 
wand des Schulhauses darstellt. Das Klasseumodell kann als 
eine Parterreklasse untersucht werden und mit entsprechender 
Unterlage dann auch als Stock werksklasse fungieren. 

Um die dunklen Fenster an den Frontwänden und die be- 
absichtigte Farbe des Anstrichs der Frontwände darzustellen, 
verfahre ich so, dafs ich in einem, der Form der Frontwand 
entsprechend zugeschnittenen Papierblatte von der beabsichtigten 
Farbe die Fensteröffnungen ausschneide und das Papierblatt, 
mit einem dunkelgrauen Papierblatte unterlegt, auf die Front- 
wand aufspanne. 

Die Herstellung des Zimmermodells siehe unten bei der 
Beschreibung der Experimente über schulhygienische Fragen der 
Tageslichtbeleuchtung. 

Die Handhabung des relativen Photometers bei der Ausführung 

der Messungen. 

Will man die relativ photometrischen Werte z. B. für eine 
Reihe von Schülerplätzen bestimmen, so bezeichnet man sich 
auf der oberen Fläche der Decke des Klassenmodells Punkte, 
welche genau senkrecht über den Mittelpunkten der fraglichen 
Arbeitsplätze liegen ; und zwar als Schnittpunkte zweier senkrecht 
sich schneidenden Geraden (ausführlicher siehe unten S. 55). 
Von diesen Punkten aus, als Mittelpunkten, wird je ein rundes 
Loch (Durchmesser etwa 1 cm) ausgebohrt. 

Der Photometer wird auf die Decke des Zimmermodells so 
aufgestellt, dafs sein Okularende dem Experimentator zugekehrt 

ArchlT t Hygien«. Bd. LXm. 4 



50 I^i^ relative Photometrie. 

und das Spiegelende von ihm abgekehrt ist, die Öffnung des 
kleinen Tubus über dem dem augenblicklich zu messenden Platze 
entsprechenden Loche in der Decke sich so eingestellt beßndet, 
dafs die beiden in der Mitte des Loches sich schneidenden Linien 
mit den Einkerbungen der Peripherie des kleinen Tubus zusammen- 
fallen. Ist das Deckenbrettchen genau horizontal, so spiegelt 
sich dem Auge des Beobachters in dem Apparate bei solcher 
Aufstellung genau der Mittelpunkt des zu messenden Arbeits- 
platzes. 

Mittels des Triebes Kn wird nun jene Stellung des Rauch- 
glaskeiles ausgesucht, bei welcher die beiden Felder im Apparate 
genau gleiche Lichtintensität haben. 

Dieser Punkt ist nicht immer auf direktem Wege ganz haar- 
scharf zu bestimmen, beson^fi£a..jacfiign die beiden verglichenen 
Felder nicht genau g\eyii^^Q^sm£^j^ 

[Dies kommt sehr^m vorTTSSs iHiiö^lsge wölbe c ist zwar 
rein weifs, aber das (von f^)94t$D9§§f emep Arbeitsplatz nach 
einer oder mehreren wlflexionen^^langen^er Licht kann infolge 
teilweiser Absorption dm^j^fi^^ .afe^^^e^ Flächen farbig 

sein, und ist es oft auch in*^ui. iixtSnsivem Grade. Dies kann 
man eben bei den relativ photometrischen Bestimmungen, bei 
welchen dem Auge das Bild des Arbeitsplatzes genau neben dem 
auf gleiche Intensität abgedämpften Bilde des Himmelsgewölbes 
erscheint, sehr schön sehen: z. B. bei ganz lichtgelben AVänden 
des Schulzimmers erscheint im Photometer das Bild des Arbeits- 
feldes, obwohl auf demselben auch reinweifses Papier liegt, ganz 
deutlich gelb im Vergleich zu dem es umgebenden Bilde des 
Himmelsgewölbes.] 

Ich verfahre so, dafs ich mit dem Triebe zwei Ausschläge 
um den unbestimmten Neutralpunkt herum mache: einerseits 
bis zur ersten Spur des zweifellosen Hellerseins des »Arbeits 
platzes«, anderseits bis zur ersten Spur des Dunklerseins, und 
die Mitte zwischen diesen zwei Ablesungen nehme ich als den 
Neutralpunkt. 

Noch feiner wird das Verfahren — und so führe ich es eben 
aus — , wenn man von dem Punkte des zweifellosen Hellerseins 



Von Dr. StanisUv Rftüdka. 



51 



fein zurückschraubt, bis der Eindruck des zweifellosen Hellerseins 
eben sich verliert, analog mit dem Punkte des Dunklerseins ver* 
fährt, und dann die Mitte zwischen diesen zwei Ablesungen als 
den gesuchten Wert annimmt. Diese zwei Ablesungen sind ein- 
ander nämlich dann immer sehr nahe. 

Nach einiger Übung geschehen solche Ablesungen mit einer 
grofsen Sicherheit und Genauigkeit. Die Abweichungen zwischen 
mehreren Ablesungen sind nicht gröfser als bei den sonstigen 
präzisen Photometern. Das Prinzip und die Technik der Ab- 
lesung sind ja genau dieselben. 

Die Ablesung geschieht in Millimetergraden, da der Apparat 
eine Millimeterskala hat. 

Jedem Apparate ist aber eine Umrechnungstabelle beigefügt, 
welche z. B. bei meinem Exemplar des relativen Photometers 
folgender Art ausschaut (nur bruchstückweise angeführt, da die 
Tabelle für jeden Apparat eine andere ist) : 



Die LichÜDteDSität des betreffenden Plstxes 



Millimeter- ' 
grad 


1 iJCbxai^ft ^|}i<7i\iuuxaiDi|} uiuuo AouvA<fcC7u«tva 

Hlmmeligewölbe vorausgesetzt) 






der Skala 


von der augenblicklichen 
LichtintensitAt 


also bei Liohtintensität 




des Himmelsgewölbes 


i 


; des Himmelsgewölbes 


von 2000 Meterkersen 




% 


Meterkenen 


2 


4,00 


80,0 


8 


8,92 


78,4 


4 


3,85 


77,0 


5 


8,78 


75,6 


20 


2,73 


54,6 


21 


2,66 


58,2 


22 


2,58 


51,6 


40 


1,82 


26,4 


41 


1,25 


25,0 


42 


1,18 


23,6 


48 


1.11 


22,2 


44 


1,04 


20,8 


45 


0,97 


19,4 


46 


0,90 


18,0 


47 


0,83 


16,6 


58 


0,41 


8^2 


54 


0,36 


7,2 



52 I^iö relative Photometrie. 

Wenn sich bei der Ablesung Brüche von Millimeter er- 
geben — was in der Regel vorkommt — so werden entspre- 
chende Werte interpoliert. 

Das Resultat der Messung kann in der betreffenden Prozent- 
zahl angegeben werden. Noch anschaulicher ist es aber, die 
Resultate in absoluter Anzahl der Meterkerzen anzugeben, welche 
der konventionellen minimalen Intensität des Himmelsgewölbes 
(2000 Meterkerzen) entspricht (siehe die dritte Spalte der Tabelle). 
Denn diese Zahl gibt direkt in Meterkerzen die Grenze an, bis 
zu welcher die Lichtintensität des betreffenden Platzes unter 
den ungünstigsten praktisch zu berücksichtigenden Verhält- 
nissen sinkt. 

In dieser Art sind auch die Resultate meiner im weiteren 
angeführten Messungen in den Tabellen angegeben. 



n. TeU. 

Ich habe nun das systematische Studium der die Tageslicht- 
beleuchtung betreffenden zahlreichen hygienischen Fragen mittels 
meiner Methode in Angriff genommen. Leider ist aber inzwi- 
schen die kalte Jahreszeit herangebrochen, welche länger dauernde 
solche Versuche im Freien wegen Erkältungsgefahr bei stunden- 
langem Sitzen und wegen der Schwierigkeit feinerer Arbeit mit 
gefrorenen Fingern unmöglich macht. 

Ich mufs mich also in dieser Publikation auf die Mitteilung 
des bisher absolvierten kleinen Bruchstückes dieser Studien be- 
schränken, welche ich im Frühjahr dann fortzusetzen gedenke. 

Vor allem habe ich das Studium dieser Fragen in bezug 
auf die besonderen Verhältnisse der Schule unternommen. 

Zu diesem Zwecke habe ich mir vom Tischler ein Modell 
einer Schulklasse von maximalen Ausmafsen anfertigen lassen in 
solcher Gröfse, dafs 1 m durch 3 cm im Modell dargestellt wird. 
Die Länge beträgt 10 m, die Breite 7 m, die Höhe 4 m. 

Auch den 3 Fenstern habe ich die etwa maximalen Aus- 
mafse (Länge der Glasfläche 2,1 m, Höhe der Glasfläche 3 m) 



Von Dr. StaniBlav Rfiiicka. 



53 



und die etwa günstigste Anordnung gegeben: die Glasfläche 
reicht bis 10 cm unterhalb der Zimmerdecke, die ganze Glasfläche 
eines Fensters ist nur in drei Teile geteilt (ein einheitlicher 
Oberflügel, der untere Teil des Fensters doppelflügelig), so dars 
sie bei geschlossenem Fenster durch eine Tförmige Figur der 
Fensterrahmen ^) unterbrochen erscheint. Die Arme der T- Figur 
haben eine Breite von 10 cm. Die Fenster sind als Doppel- 
fenster ausgebildet. Die Dicke der Fensterwand (aus entsprechend 
dickem Brett ausgeschnitten) und die Entfernung der beiden 
Gasflächen jedes Doppelfensters von einander beträgt 66 cm, die 
Breite der zwei Zwischenfensterpfeiler der Fensterwand je 83 cm. 



Fig. 8. (Halbe oatürllcbe GrAße.) 

Der Fufsboden, die Wände, die Decke des Schulzimmers 
können mit einem weifsen, gelblichen, grauen usw. Papier be- 
spannt werden, wodurch ein weifser, gelber usw. Waudanstrich, 
ferner reiner oder schmutziger Fufsboden nach Belieben nach- 
geahmt wird. Anstatt der Tafel ist ein Stück schwarzes Papier 
an der Vorderwand angeheftet. Dimensionen der Tafel: 2,5 X 
1,4 m.) 

Im Schulzimmer sind fünf (der Einfachheit der Modellkon- 
struktion halber in einem die ganze Klassenbreite durchlaufende) 
Bänke aufgestellt. Die vorderste Bank entspricht genau der 
Mitte des vorderen Zwischenfensterpfeilers, die zweite der Mitte 
des mittleren Fensters, die dritte der Mitte des hinteren Zwischen- 
fensterpfeilers, die vierte der Mitte des hintersten Fensters, die 
fünfte ist bis an die Hinterwand des Schulzimmers herangerückt 
(letzte Bank des Schulzimmers). 

Die »Bänke« sind einfache vierseitige Holzleisten von fol- 
gendem unregelmäfsigen Querschnitt (s. oben Fig. 3). Ihre Gröfse 
entspricht mittelgrofsen Bänken. 



1) Im Modell ist die ganze Glasfläche eines Fensters darch eine ein- 
heitliche Glasplatte dargestellt, aaf welcher die Rahmen durch aufgeklebte 
Streifen undorchscheinenden Papiers dargestellt sind. 



54 ^6 relative Photometrie. 

[Für weitere Versuche habe ich mir »zweisitzigec, solche 
Bankmodelle hergestellt, welche in voller Anzahl in der Klasse 
aufgestellt werden.] 

Die abgeschrägte Fläche ist die Arbeitsfläche der Bank. 
Die »Bänke« stellen natürlich nur die Bank tische dar. Die 
Schülerfiguren sind einfach an den vorderen und an den hin- 
teren Flächen der »Bänkec angeklebt. Die an der vorderen 
Pläche angeklebten repräsentieren die vor der betreffenden 
Bank sitzenden Schüler ; die an der hinteren Fläche angeklebten 
repräsentieren die in der betreffenden Bank sitzenden Schüler. 

Die Figurinen sind folgenderart angefertigt: Aus einer 10 mm 
breiten und 7 mm dicken vierseitigen Holzleiste wurden 3 cm 
lange Stückchen geschnitten, in einer Kaliumhypermanganatlösung 
gebadet, dadurch tief braun gefärbt (dunkle Kleidung), dann an 
dem einen Ende zur Markierung des Kopfes bis etwa 6 mm weit 
vom Ende ein wenig Holz abgetragen (lichtes Gesicht, dunkle 
Haare). 

Die fünf über die ganze Breite des Zimmers laufenden > Bänke c 
mit den angeklebten Schülern sind an beiden Seiten in den be- 
treffenden Entfernungen an je eine Seitenschiene einen (Blech- 
streifen) befestigt, welche wieder an den Boden des Schulzimmers 
mittels eines Heftnagels leicht angeheftet werden kann. (Siehe 
die Abbildung.) 

Auf der ganzen Arbeitsfläche jeder Bank ist ein Streifen 
weifsen Papiers^) ausgebreitet, welcher an die Arbeitsfläche mittels 
eines längs der Vorderkante und eines längs der Hinterkante der 
Arbeitsfläche laufenden straff angespannten Fadens angeprefst 
ist. (Eine Veränderung der Ebene der photometrierten Arbeits- 
fläche durch nicht genaues Aufliegen des Papiers würde leicht 
eine Abweichung der Belichtungsintensität zur Folge haben wegen 
Veränderung des Einfallwinkels des Lichtes.) 

Die Anordnung der Schüler in diesen Bänken ist so aus- 
geführt, wie wenn in dem Schulzimmer drei Reihen zweisitziger 

1) Die Helligkeit des Arbeitsplatzes in der Schale muTs an einem 
weifsen Papier gemessen werden (entsprechend den Verhältnissen bei der 
Schreib- und Lesearbeit). 



Von Dr. Stanislav Rfiiicka. 55 

Bänke aufgestellt wären. Die von den Fenstern entfernteste 
Schülerreihe sitzt an einer Linie, welche von der den Fenstern 
gegenüberliegenden Wand 130 cm entfernt ist, die zweite Schüler- 
reihe ist von der Wand 180 cm entfernt, die dritte und vierte 
Schülerreihe 330 resp. 380 cm, die fünfte und sechste Schüler- 
reihe 530 resp. 580 cm. 

Um den relativen Photometer auf die einzelnen Arbeitsplätze 
einstellen zu können, habe ich an der oberen Fläche der Zimmer- 
decke die genau senkrecht oberhalb der Mittelpunkte einzelner 
Arbeitsplätze befindlichen Punkte eingezeichnet und dann in 
denselben ein rundes Loch ausgebohrt. 

[Man macht dies so, dafs man erstens senkrecht auf die 
Fensterwand fünf Gerade quer über die ganze Decke konstruiert: 
die erste in der Mitte des vorderen Zwischenfensterpfeilers, die 
zweite in der Mitte des mittleren Fensters, die dritte in der 
Mitte des hinteren Zwischenfensterpfeilers, die vierte in der Mitte 
des hintersten Fensters, die fünfte der letzten Bank entsprechend. 
Zweitens konstruiert man sechs den Schülerreihen entsprechende 
Gerade, welche auf die eben erwähnten fünf Geraden senkrecht 
und zwar in den oben angegebenen Entfernungen von der Innen- 
wand des Schulzimmers verlaufen. Die 30 Schneidepunkte dieser 
Geraden liegen genau oberhalb der Mittelpunkte der einzelnen 
Arbeitsplätze. Um jeden diesen Schneidepunkt herum als Mittel- 
punkt wird ein rundes Loch durch die Decke ausgebohrt (Durch- 
messer etwa 1 cm).] 

Das Brettchen, welches als Zimmerdecke dient, wird mittels 
Schrauben befestigt, um es — bei Vornahme von verschiedenen 
Manipulationen im Schulzimmer — leicht abnehmen zu können. 
Der innere Papierüberzug der Decke (Papier von der beabsich- 
tigten Farbe) wird aber nicht mit so vielen Löchern versehen, 
sondern es werden nur die einer Bank entsprechenden Löcher 
ausgeführt und das — natürHch entsprechend lange — Papier 
wird bei der Messung nach Bedarf von Bank zu Bank ver- 
schoben. Zu diesem Zwecke muls das Papier ein etwas steiferes 
sein (dünne Pappe) und die Decke (das Brettchen) darf nur an 



56 ^io relative Photometrie. 

den Längsseiten angeschraubt sein^), um die Verschiebung des 
Papiers in der Richtung der Klassenlänge (zwischen dem Brett- 
chen [»Deckec] und den oberen Kanten der beiden Querwände 
des Schulzimmers) zu ermöglichen. 

Bei der Ausmessung eines Platzes werden natürlich die 
übrigen offenen Löcher (oberhalb der übrigen Plätze der betref- 
fenden Bank) durch oben auf die Decke aufgelegte entsprechende 
Stückchen lichtdichten Papiers zugedeckt. (Da sonst durch die- 
selben Licht in die Klasse hineingelangen würde, wodurch die 
natürlichen Lichtverhältnisse verändert werden würden.) 

Die Fensterwand des Schulzimmers ist in meinem Modell 
auswechselbar (abschraubbar) ausgeführt, um den Eintiufs ver- 
schiedener Arten der Fensterausführung leicht studieren zu können. 

Vor allem handelte es sich mir darum, unter welchen 
äufseren Verhältnissen ein möglichst günstig in 
bezug auf Zutritt des Tageslichtes an den Arbeits- 
plätzen hergestelltes Schnlzimmer, wie das in meinem 
Modell dargestellte, als Parterrezimmer (der ungünstigste 
Fall) auch für seine dunkelsten Arbeitsplätze — bei 
2000 Meterkerzen Intensität des Himmelsgewölbes 

— noch die minimale zugelassene Belichtungsinten- 
sität von 20 Meterkerzen garantiert hätte. 

Das belehrendste von meinen zur Beantwortung dieser Frage 
angestellten Experimenten ist das folgende*. 

I. Yersneh. 

Der Schale gegenüber liegt ein anendlich langes, dreistöckiges, 16,67 m 
hohes Gebände, dessen Frontwand licht (gelblich weifs) gestrichen ist (das 
daza benutzte Papier reflektierte im Vergleich zum rein weifsen Papiere 

— die Reflexion dieses als = 100 ^/^ gesetzt — 86% ^^^ auffallenden Lichtes). 
Die Fensterflächen (Fenster in der bei Wohnhäusern üblichen GrOfse und 
Anzahl angebracht) und (zwei) Haustüren waren durch ein dunkelgrünlich- 
graues Papier dargestellt (Reflexion im Vergleich zum rein weifsen Papier 
= 270/,).«) 



1) Ich habe das Brettchen nur an der von den Fenstern abgewendeten 
Längsseite mit zwei Schrauben leicht angeschraubt. 

2) Die 1 gegenüberliegende Wandt war mit einem gelblichweifsen Papier 
Überspannt, in welchem die »Fenster < und »Türen« ausgeschnitten waren, and 
unter welches ein Blatt des dunkelgrünlichgrauen Papiers unterschoben war. 



Von Dr. Stanislay Rfiiicka. 



57 



Die >Strar8ehoberfl&che iat ebenfallB mit dem erwähnten grünlichgraaen 
Papier übenogen. 

Das Schnigebäade ist von dem gegenflberliegenden Gebäude 16,67 m 
entfernt, sweistöckig, 12,67 m hoch» seine Frontwand ebenso liebt wie die- 
jenige des gegenüberliegenden Gebäudes, die Fenster sind ebenfalls durch 
das grünlichgraue Papier dargestellt und über das ganse Schnlgebäude eben- 
so (GrOfse, Verteilung) wie am Parterrezimmer ausgeführt. Auch das Schnl- 
gebäude ist durch die beiden Spiegel ins unendliche verlängert. Ebenso 
natürlich das leuchtende > Himmelsgewölbe« und die StraTsenoberfläche. 

Der Fufsboden des Schnlzimmers ist mit dem grünlichgrauen (27 Vo ^^' 
flexion) Papier bedeckt, die Wände und die Decke mit dem gel blich weifsen 
Papier (86*^/o Reflexion). 

Das Resultat der Ausmessung der Belichtungsintensitäten 
der .einzelnen Arbeitsplätze unter den beschriebenen Verhält- 
nissen ist das folgende: 

Die Lichtintensitäten der einzelnen Arbeitsplätze in Meter- 
kerzen — bei 2000 Meterkerzen Lichtintensität des Himmels- 
gewölbes — betragen*): 



Bank Nr. 

1 


V. 


III. 


I. 


4. Schülerreihe 
1. * 


39,5 
15,9 


• 49,5 
21,2 


49,2 
27.8 



Dieses Beispiel dürfte also annähernd die in der Praxis 
ohne besondere Schwierigkeiten erreichbaren Grenzverhältnisse 
angeben, bei welchen eine praktisch genügende Beleuchtung (für 
das Prager Lichtklima) erzielt wird. Einige 2 bis 3 hintersten 
Plätze der 1. und 2. Schülerreihe sinken unter solchen Verhält- 
nissen unter das geforderte Minimum, die müfsten also — be- 
sonders im dunkleren Jahresteile — unbenutzt bleiben. 

Die Farbe des Schulzimmerfufsbodens ist zwar vielleicht etwas 
zu ungünstig angenommen (sehr schmutziger Fufsboden), dafür 
aber die Farbe des gegenüberliegenden und des Schulgebäudes 



1) Diese hier erstangeführten Experimente (I und II) — mit auf seine 
ganze Höhe entferntem gegenüber liegendem Gebäude — waren eben die 
letzten von mir noch ausgeführten, bei welchen ich eben wegen kalter Wit- 
terung weitere Messungen für dieses Jahr aufgeben mufste. Deswegen sind 
eben auch die Zahlen nur für eine kleine Anzahl von Plätzen bestimmt, die 
folgenden, früher ausgeführten sind ausführlicher. 



58 



Die relative Photometrie. 



wieder sehr günstig, wie sie auf die Dauer in der Praxis nicht 

leicht zu erreichen ist. 

Wie stark sich die Belichtungsverhältnisse verändern, wenn 

das gegenüberliegende Gebäude dunkler wird, davon zeugt der 

folgende 

II. Tersaeh, 

bei welchem die einzige Abänderung eingeführt wurde, dafs die ganze Front- 
wand nur 27^0 (im Vergleich zum rein weifsen Papier) des auffallenden 
Lichtes reflektiert (die ganze Frontwand mit dem grünlichgrauen Papier 
überzogen). 

Unter diesen Verhältnissen betragen die Lichtintensitäten 
der einzelnen Arbeitsplätze — bei 2000 Meterkerzen Lichtinten- 
sität des Himmelsgewölbes: 



Bank Nr. 



V. 



4. Schülerreihe 
3. » . 

2. 
1. 




22,2 
9.6 



33,0 
13,8 



35,5 
17,7 



mit meinem Apparate, welcher 

nur bis 7,2 Meterkersen reicht. 

nicht mehr mefsbar. 



Wird die Entfernung des gegenüberliegenden Ge- 
bäudes bedeutend kleiner als seine Höhe gemacht, so 
ist eine genügende Beleuchtung aller Plätze im Parterrezimmer 
(ohne besondere Behelfe) nicht zu erreichen. Davon zeugt der 

III. Yersueh. 

Anordnung des Schalzimmers dieselbe, auch die Strafsenöberfläche von 
derselben Farbe wie in den ersten Versachen. Das gegenüberliegende Ge- 
bände, sowie auch das Schulgebäude lichtfarbig, lichtgelb (77 7o Reflexion), 
sogar ohne die dunkleren Fenster (als einheitliche Wand); aber seine Ent- 
fernung von dem Schulgebäude beträgt nur */$ ^o^ seiner Höhe (16,67 m), 
nämlich 11,11 m. 

Unter diesen Verhältnissen betragen die Lichtintensitäten 
der einzelnen Arbeitsplätze bei 2000 Meterkerzen Lichtinteusität 
des Himmelsgewölbes: 



Bank Nr. 


V. 


IV. 


m. 


II. 


I. 


4. Schülerreibe . . . 


29,5 


37,1 


36,9 


34,8 


39,2 


3. > ... 


21,5 


28,5 


28,2 


28,5 


31,6 


2. * ... 


17,3 


22,6 


21,1 


24,5 


25,7 


1. » ... 


14,5 

I 


16,9 


18,7 


18,7 


21,8 



Von Dr. Stanislav Rüiiöka. 



59 



Also 5 Plätze erscheinen unbrauchbar, obwohl die fenster- 
losen hellen Frontwände einen ausnahmsweise günstigen Umstand 
darstellen, auf welchen man in der Praxis im allgemeinen nicht 
rechnen kann. 

Es sollen hier femer noch einige Experimente angeführt 
werden, welche ich ausgeführt habe, um einige weitere den 
Lichtzutritt beeinflussende Momente quantitativ zu erfassen. 

Tersneh IT. 

Derselbe Versach wie der vorige, nur ist die Klasse unbesetzt, 
leer (keine Schüler darin). 





Die Resultate der 


Messung waren 


die folgenden: 






Bank Nr. ! 


V. 


IV. 


III. 


IL 


I. 


4. 


Schalerreibe . . . 


40,4 


47.4 


49,5 


49,7 


49,5 


3. 


> ... 


36.9 


42,5 


45,3 


45,6 


45,6 


2. 


» ... 


29,9 


33,4 


35,5 


38,4 


37,2 


1. 


» ... 


27,8 


31,6 


33,7 


33,7 


34,3 



Diese Zahlen zeigen, wie gewaltig die Lichtintensität der 
Arbeitsplätze durch die Anwesenheit der Schüler abgeschwächt 
wird. Wieviel davon auf die Schlagschatten und wieviel auf 
die Lichtabsorption durch die dunkle Kleidung kommt, kann 
leicht durch weitere Versuche ermittelt werden. 

Der foUrende V. Yersaeh 

zeigt die Verhältnisse, wie sie sich gestalten, wenn blols die 1., 2., 
3. und 4. Schülerreihe besetzt sind, die Schüler der 5. und 6. Reihe 
aber ausbleiben: 



Bank Nr. 


V. 


IV. 


III. 


ir. 


I. 


4. Scbülerreihe . . . 


31,6 


38,8 


40,7 


39.2 


41,4 


3. * ... 


23,9 


30,1 


30,6 


30,9 


33,7 


2. > ... 


■ 17,6 


22.9 


23,1 


26,4 


27,4 


1. » ... 


14,8 


18,7 


19,0 


20,8 


23,9 



Der III. Versuch zeigt dann die Verhältnisse bei voller 
Besetzung der Klasse. 



60 



Die relative Photometrie. 



Der YI. Yersneh 

sollte mir zeigen» wieweit die Lichtfülle der Klasse unter den im 
III. Versuche beschriebenen Verhältnissen gehoben werden kann, 
wenn man auf die Fensterbrüstung eines jeden der 3 Fenster 
einen 2 m langen und 60 cm breiten in einem Winkel von etwa 
15° geneigten Spiegel auflegt, welcher das auf die Fenster- 
brüstung auffallende Licht gegen die Decke reflektiert. 

Das Resultat der Messung war das folgende: 



Bank Nr. 


V. 


IV. 


III. 


II. 


I. 


4. Scbülerreihe . . . 


32,7 


39,2 


40,1 


37,1 


40,7 


o. > ... 


26,3 


31,3 


31,3 


31,0 


32,9 


2. » ... 


19,0 


25,0 


22,9 


27,4 


29,2 


1. > ... 

1 


16,6 


19,7 


20,8 


23,2 


27,1 



Vergleicht man diese Zahlen mit den im III. Versuche 
erhobenen, so sieht man, dals der Unterschied, die Besserung 
der Lichtverhältnisse, nicht unbedeutend ist. Sämtliche Schüler- 
plätze zeigen eine gröfsere Lichtfülle. Der Zuwachs beträgt bei 
verschiedenen Plätzen 4 — 17%, wobei im ganzen der relative 
Zuwachs desto gröfser ist je dunkler der Platz. Von den 5 
unbrauchbaren Plätzen sind 3 zu brauchbaren geworden und 
auch die übrigen zwei bedeutend gebessert worden. 

Es wird die Aufgabe weiterer Versuche sein, genauer die 
günstigen Bedingungen (Neigung des Spiegels u. a.) zu bestimmen. 
In einzelnen konkreten Fällen wird man am besten spezielle, 
auf die Verhältnisse des betreffenden Falles genau angepafste 
Versuche ausführen. 

Der VII. Versuch 

soll im Vergleich mit dem IV. Versuche ilhistrieren, wie stark die 
Lichtfülle des Schulzimmers durch dunkle Farbe des gegen- 
überliegenden Gebäudes (fensterlose gleichmäfsig graue Wand) 
herabgesetzt wird. (Vgl. auch den I. und IL Versuch.) 

Die Verhältnisse waren bei diesem Versuche genau dieselben 
wie beim IV. Versuche, nur war die gegenüberliegende Wand 
grau (27% Reflexion) anstatt lichtgelb (77% Reflektion). 



Von Dr. Stanislav RÜiiika. 



61 



Die Lichtintensitäten der Arbeitsplätze betrugen 



Bank Nr. 


V. 


IV. 


III. 


n. 


I. 


4. Schülerreihe . . . 


14,9 


21,6 


23,6 


24,3 


25,7 


0» * ... 


10,3 


16,6 


19,4 


19,4 


20,1 


2. » ... 


-0 


7.7 


9^ 


9,9 


9,6 


1. > ... 


-0 


-») 


-•) 


7,7 


7,7 



Im Till. Tersneh 

war auCserdem auch noch die Frontwand des Schul- 
gebäudes mit demselben grauen Papier liberzogen, was 
noch stärkere Abnahme der Lichtfülle der Klasse zur Folge hatte: 




4. Schfllerreihe . 

3. 

2. > 

1. 



sämtlich kleinere Werte als 7,2 (mit meinem 
Apparat nicht meJDsbar). 



Dagegen zeigt der 

IX. Yennoh 

eine wie grofse Lichtfülle zu erreichen wäre, wenn nicht nur die 

gegenüberliegende Wand und die Frontwand des Schulgebäudes, 

sondern sogar auch die (z. B. schneebedeckte) Strafsen- 

oberfläche licht wären (Reflexion 77%.) 

Die entsprechenden Zahlen waren (Verhältnisse genau wie 

beim IV. Versuch, nur auch die Strafsenoberfläche lichtgelb): 



Bank Nr. 


V. 


IV. 


III. 


II. 


• I. 


4. Schalerreihe . . . 


68,8 


63,3 


64,7 


64,7 


65,1 


3. , ... 


56,3 


59,9 


62,3 


62,3 


62,3 


2. . . . 


50,2 


53,5 


55,5 


56,0 


55,3 


1. > ... 


48,5 


50,5 


54,1 


53,5 


53,2 



Aus den eben angeführten Experimenten ergeben sich 
interessante Anhaltspunkte zur Beurteilung des Wertes des soge- 
nannten Lichtraumwiukels als Mafs der Lichtversorgung des 
betreffenden Platzes. 

1) Weniger als 7,2. 



62 



Die relative Photometrie. 



Durch günstige (lichte) Farbe der reflektierenden Flächen 
ist es zu erreichen, dals Plätze, welche überhaupt keine direkten 
Lichtstrahlen vom Himmelsgewölbe bekommen, genügend — ja 
sogar ziemlich reichlich — mit Licht versorgt sind. 

Z. B. die Schülerplätze der 1. Schülerreihe im I. Versuche 
bekommen überhaupt kein direktes Licht vom Himmelsgewölbe 
(ihr Raumwiukel ist numerisch gleich Null, nach geometrischer 
Konstruktion — siehe Fig. 4 — eigentlich sogar negativ ^), und 
doch haben zwei Drittel von ihnen auch bei der minimalen 
konventionellen Lichtintensität des Himmelsgewölbes eine ge- 
nügende Beleuchtung. 

KoDBtraktion des äufsersten vom direkten Himmelslicht noch getroffenen 
Punktes in der Klasse beim I. und III. Versuch. 



a 



uUL 



ü 



y 



/ 



y 



!?• 



3. 



Fig. 4. 

Frontwand des gegenüberliegenden Gebäudes, dessen Entfernung von 

der Schule gleich seiner Höhe ist. 
Frontwand des gegenüberliegenden Gebäudes, dessen^^Entfemang von 

der Schule gleich Vt seiner Höhe ist. 
Arbeitsplatz der 3. Schülerreihe, 4. = Arbeitsplatz der 4. Schülerreihe. 



Noch weit auffallender ist es im HI. Versuche, wo aber 
besonders günstige Reflektionsverhältnisse vorliegen, wie sie in 
der Praxis nur ausnahmsweise erreicht werden können: das 



1) Der negative Wert des Kaumwinkels hat die praktische Bedeutung, 
dafs der betreffende Platz noch weiter vom Fenster entfernt ist als ein Plats, 
dessen Raumwinkel geometrisch gleich Null ist. 



Von Dr. Stanislav Rftiicka. 



63 



igegenüberliegende Gebäude« ist eine einheitliche, recht lichte 
Wand ohne die dunklen Pensterflecke ; ebenso auch die Wand 
des Schulgebäudes, in welcher nur die Fenster der gemessenen 
Klasse ausgeführt sind. — In diesem Versuche bekommen alle 
Plätze der 1., 2., 3. und 4. Schülerreihe auch überhaupt kein 
direktes Himmelslicht (siehe Fig. 4) und doch haben nur fünf 
unter 20 solchen Plätzen ungenügende Beleuchtung. 

Die Frage also, ob ein Schülerplatz, welcher nur 
reflektiertes (und kein vom Himmelsgewölbe direkt 
kommendes) Licht bekommt, durch dasselbe — und zwar 
ohne besondere Vorrichtungen — in genügendem Mafse 
belichtet werden kann, mufs also als im positiven Sinne 
entschieden betrachtet werden. 



Anhang. 

Systematische Messung der Intensität des Himmelgewölbes 

im Zenit (in Prag). 

Als Kontrolle meiner vor zwei Jahren ausgeführten Messungen 
habe ich auch in diesem Winter auf dieselbe Art^) dieselben 
durchgeführt. 

Die Resultate waren die folgenden (in Meterkerzen): 



Datum 

1 
1 


rm 9 rhr 
vonnittagH 


Bedeckimg des 
Himmels 


Im 3 Uhr 
nach- 
mittags 


Bedeckung des 
Himmels 


Oktober 1906. 1 










22. 


5 569 


gleichmärsig. Nebel 


10594 


gleichmäfsig. Nebel 


23. 


8817 


> » 


8817 


UDgleicbmäfHig 


24. 


3968 


> f 




— 


25. 


8 817 


> > 


8 817 


gleicbraärsig 


26. 


— 




5 473 


» 


27. 1 


3 690 


» > 


— 


— 


30. 


7115 


> » 


— 


— 


November i 










8. 


8 817 


UDgleichmäfsig 


1 





9. 


2885 


gleicbmäfsig blau 




— 


10. 


4600 


zieml. gleicbmäfsig 


2 286 


zieml. gleicbmäfsig 



1) Archiv für Hygiene, Bd. LIV, S. 32. 



64 



Die relative Photometrie. 



Datum 



Um 9 Uhr 
vormittags 



Bedeckung des 
Himmels 



Um 3 Uhr 
nach- 
mittags 



Bedeckung des 
Himmels 



November 
12. 
13. 

20. 7 557 

21. I 4 176 
22. 

23. 6 471 

26. \ 4 828 

27. 3 165 

28. — 

29. 7 053 

30. 4408 
Dezember 

1. 4 572 

3. 1983 

4. 4408 

5. 8 816 

6. 4 959 

7. 1807 

10. 2 993 

11. 2 572 

12. 4 959 

13. 1 936 

14. 3 355 

15. 4 115 

17. 1 466 

18. 2 572 

19. 2 159 

20. 4 572 

21. 959 

22. 2 032 

24. 2 159 

27. 4 115 

28. 3 292 

29. 747 

31. 3 355 
Januar 1907 

2. 4 572 

3. 4 115 

4. 1 789 

5. 3 658 

7. 2 318 

8. 1 2 698 



gleichmilfBig blaa 



ungleichmäfsig 
zieml. gleichmäfsig 



angleichmäfsig 



zieml. gleichmäfsig 
ungleichmäfsig 

> 

zieml. gleichmäfsig 



gleichmäfsig 

» 

zieml. gleichmäfsig 

gleichmäfsig 



gleichmäfsig, Nebel 
gleichmäfsig 

ungleichmäfsig 



zieml. gleichmäfsig 
> > 

gleichmäfsig 



6348 
3292 
2 572 

4 572 
2 032 
1466 
925 
1983 
4 572 



' 1727 


1466 


4 572 


707 


4572 


717 


1413 


3578 


3106 


2159 


2159 


3429 


3 292 


4572 


3658 


2159 


4115 


4 572 


2 743 


2 993 


4 115 


2 032 


4 572 


3 429 


2 032 


3 578 





ungleichmäfsig 

» 

gleichmäfsig blau 

gleichmäfsig 

gleich mäüaig blaa 

zieml. gleichmäfsig 

gleichmäfsig, Regen 

ungleichmäfsig 

> 

ungleichmäfsig 

> 
> 

gleichmäfsig, Regen 

> 

zieml. gleichmäfsig 
ungleichmäfsig 

zieml. gleichmäfsig 

gleichmäfsig 

angleichmäfsig 

zieml. gleichmäfsig 



zieml. gleichmäfsig 

gleichmäfsig 
zieml. gleichmäfsig 



ungleichmäfsig 

> 

zieml. gleichmäfsig 



» 
> 



Von Dr. Stanisiav R&iiika. 



65 



Datum 


1 

Um 9 Uhr 
Yormittaga 


Bedeckung des 
Himmeb 


Um 3 Uhr 
nach- 
mittags 


Bedeckung des 
Himmels 


Janaar 




1 






9. 
10. 


2939 

1751 


gleicbm&fsig 

> 


1895 
2058 


gleichrnftfeig 

> 


11. 


4 572 


* 


2 939 


> 


12. 


4572 


> 


— 


— 


14. 
15. 
16. 
17. 
18. 
19. 


4959 
8 919 
1496 

2989 
1431 


angleichmäfBig 

gleichmäfsig 

äeml. gleichmftTsig 

gleichmäfBig 

> 


1646 
2 939 
971 
3292 
2698 


gleichmftAig 
zieml. gleichmftTsig 

gleichrnftCsig 

angleich mftCrig 

zieml. gleichmftfsig 


21. 
22. 


2 572 
3658 


> 
> 


3 919 
3 292 


zieml. gleichmftTsig 
> » 


23. 


3919 


blauer Himmel 


3578 


blaaer Himmel 


24. 


3 658 


* > 


3919 


> » 


25. 


4115 


» > 


3 919 


» > 


26. 
28. 
29. 
30. 
31. 
Febmar 


1829 
2 790 
8292 
4 572 
4572 


gleichm&Tsig 

angleichmttCiig 

> 

zieml. gleichmftTsig 


2939 
3919 
4115 
4959 


zieml. gleichmftÜBig 

ungleichmftTsig 
zieml. gleichmftTsig 


1. 


4959 


> > 


4176 


> » 


4. 


3106 


* » 


3658 


> > 



Das Resultat dieser Messungen kann man etwa folgender Art 
resamieren : 

In ähnlicher Weise wie bei meinen früheren Messungen^) 
hielt sich die Intensität des Himmelsgewölbes im Zenit mit 
Ausnahme wieder des ungünstigen Monates: Dezember, welcher 
aber dieses Mal (relativ) abnorm günstig, licht war — zwischen 
der 9. Stunde vormittags und der 3. Stunde nachmittags fast 
ausnahmslos oberhalb des Wertes von 1500 Meterkerzen, und 
selbst kleinere Werte als 2000 Meterkerzen kamen ziemlich selten 
vor: Unter 82 Messungen ergaben nur 8 (=9,8%) Fälle Inten- 
sitäten unterhalb 2000 und von diesen 8 nur 3 (=3,6%) eine 
Intensität unterhalb 1500 Meterkerzen. [Für den Winter 1904/05 



1) Archiv fflr Hygiene, Bd. UV. 
AiehlT fflr Hjglene. Bd. LXIIl. 



66 I^ie relative Photometrie. Von Dr. Stanislav Rftiicka. 

waren die betreffenden Zahlen : 56 Messungen, davon 3 (= 5,4%) 
unterhalb 2000 Meterkerzen, davon 1 {=iß%) unterhalb 1500 
Meterkerzen]. 

Im Dezember ergaben die Messuugen wieder bedeutend — 
wenn auch nicht in dem Mafse wie im Winter vor zwei Jahren — 
ungünstigere Resultate : Unter 44 Messungen wiesen 11 (=25 %) 
eine niedrigere Intensität als 2000 Meterkerzen auf, von diesen 
11 Intensitäten waren 7 (= 15,9%) geringer als 1500 Meterkerzen, 
und von diesen 7 sogar 4 Intensitäten (=9%) kleiner als 1000 
Meterkerzen. [Für den Wintör 1904/05 waren die betreffenden 
Zahlen: 39 Messungen, davon 19 (=48,7%) unterhalb 2000 
Meterkerzen, davon 11 (=28,2%) unterhalb 1500 Meterkerzen, 
davon 3 (= 7,4%) unterhalb 1000 Meterkerzen.] 

Ich glaube auf Grund dieser Resultate (für Prag) die »kon- 
ventionelle minimale Tageshelligkeit«, wie ich sie in 
meiner ersten Arbeit angegeben habe, nämlich im Werte von 
2000 Meterkerzen, beibehalten zu sollen. 

Es wäre sehr wünschenswert, wenn solche Messungen auch 
in möglichst zahlreichen anderen Städten ausgeführt würden. 



Anmerkang bei der Korrektar. 

Während der Darchlegang meiner Arbeit ist die wichtige Arbeit von 
Poesek (Archiv f. Hygiene Bd. 60) erschienen. — Aus diesen Unter- 
sachnngen ergibt sich vor aUem von neuem, dafs die Sehschärfe bei ver- 
schiedenen Personen beim Sinken der Lichtintensität von 30 bis zu 8 Meter- 
kerzen in sehr verschiedener Art sich verändert. Die Darchschnittsiahlen 
aber (von 60 Normal- und 60 Kurzsichtigen) ergeben, dafs bei Normalsicb- 
tigen im Durchschnitt 10 Meterkerzen, ja nach der Ansicht des Autors 
selbst sogar 6 Meterkerzen, als minimale Lichtintensität zugelassen werden 
können. — Würde man also 10 Meterkerzen als den absoluten Grenzwert 
annehmen, so könnte man sich mit ViVo relativer Lichtintensität im Sinne 
der relativen Photometrie, als dem minimalen Grenzwert begnügen. 



über die Angreif barkeit der verzinnten Konserveabttchsen 
dnrch Sänren nnd yerßchiedene Konserven. 

N&ch zum Teil in GemeiDschaft mit den Herren P. A. Walther aus 

Wflnbnrg, Paal Dercken aus Westfalen, Dr. Ferd. Müller aus Witilicb, 

Dr. L. S c h a 1 1 e r aus Trier, Dr. W. Glaser aus Niederramstadt und Dr. Isidor 

Lilienstein aus Gräyenwiesbach angestellten Versuchen von 

Prof. Dr. E. B. Lehmann. 

(Aus dem hygienischen Institut in Würzburg.) 

I. Einleitung und Literatur. 

Im Bd. 45, 8. 88 dieses Archivs habe ich über eine Reihe von 
Untersuchungen berichtet, welche ich über den Zinngehalt von 
Konserven und seine hygienisch - toxikologische Bedeutung an- 
gestellt habe. Ich hatte zwar aus meinen Studien den Schlufs 

^) Die genannten Herren haben über einen Teil der Resultate in ihren 

Dissertationen berichtet: 

P. A. Walther, Orientierende Versuche Über das Verhalten von Kon- 
servenbüchsen gegen Säuren (noch nicht gedruckt). 

P. Dercken, Weitere Versuche über das Verhalten etc. Der Autor 
ist leider verstorben kurz vor der Promotion. 

F. Müller, Ober die Lösliohkeit des Zinns durch Weinsäure usf. 

L. Schüller, Orientierungsversuche über die Löslicbkeit des Zinns 
anter verschiedenen Bedingungen des praktischen Lebens. 

W. Glaser, Über den Einflnfs des Fettes, der Nitrate und des Offen- 
Stehens auf den Zinngehalt von Konserven. 

J. Lilienstein, Neue Untersuchungen zur Frage der Zinnlösung in 
Konservenbüchsen; Einflufs der Viskosität, des Zuckergehaltes und einer 
deckenden Fettschicht. 

Eine vorläufige Mitteilung von Prof. Dr. K. B. L e h m a n n in der physik- 
med. Gesellschaft in Würzburg fand statt am 21. Juni 1905, ein Referat 
findet sich in den Sitzungsberichten der Gesellschaft 1905. 

5» 



68 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 

gezogen, dafs die Zinnmengen , wie sie aus den Weifsblech- 
büchsen in unsere Konserven übergehen, keine greise hygienische 
Bedeutung besitzen, und dafs sie nur selten akute ernstere Ver- 
dauungsstörungen und wohl niemals eine chronische Vergiftung 
hervorzurufen imstande sind. Doch schienen mir bei dem Inter- 
esse, das in weiteren Kreisen dem Metallgehalt unserer Nahrungs- 
mittel entgegengebracht wird, ausgedehntere Untersuchungen im 
Interesse der Hygiene und Nahrungsmittelindustrie am Platze. 

Nach der a. a. O. von mir gegebenen Zusammenstellung des 
Zinngehalts in einem Kilo vegetabilischer Konserven schwankt 
derselbe zwischen Spuren und ca. 600 mg pro Kilo. Mengen 
von 160 — 250 mg sind sehr oft beobachtet. 

In der Literatur habe ich seitdem noch folgende weitere Angabe 
gefunden : 

In dem Bericht über die Nahrungsmittelkontrolle in Hamburg im Jahre 
1903 und 1904 berichtet Farnsteiner yon Zinnuntersuchungen in Rhabarber, 
der in lackierten Weirsblechbüchsen aufbewahrt war. Der Lack Überzug war 
mehr oder weniger zerstört und in gleichem MaTse war die Verzinnung an- 
gegriffen. Die Konserven enthielten pro Kilo 150 — 800 mg Zinn. An der 
gleichen Ware wurden von Hamburger Handelslaboratorien sogar über 1960 mg 
Zinn pro Kilo nachgewiesen. Diese Konserven stammten aus dem Jahre 
1899 und wurden als frische Ernte verkauft. Die Rhabarberkonserven ent- 
hielten rd. 0,6% Apfelsfture, 0,2% Oxalsäure. 

Es schien der Mühe wert, zu erforschen, woher dann diese 
gewaltigen Schwankungen im Zinngehalte kämen. Der erste 
Gedanke, dafs es in erster Linie auf die Azidität der Füllung 
ankomme, ist sicher nicht geeignet, alles zu erklären, denn es 
finden sich sehr zinnreiche Spargel von minimaler Azidität neben 
zinnarmen sauren Fruchtsäften. 

Die einzigen mir bekannten systematischen Versuche, die 
man heranziehen konnte, hat R. Kayser^) in Nürnberg über 
Lösungen von Zinn durch Säuren und Chlomatrium angestellt. 
Er füllte Weifsblechbüchsen von einer Kapazität von 250 ccm 
mit der zu untersuchenden Flüssigkeit und verschlofs die Büchsen 



') R. Kays er, Über zinnhaltige Konserven, Forschungaberichte Ober 
Lebensmittel. 1. Jahrgang 1894. — Irrtümlicherweise habe ich die obigen 
Zinnzahlen in meiner Publikation im Bd. 45 des Archivs zehnmal zu niedrig 
angegeben, indem ich sie auf 1 1 bezogen annahm. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



69 



unverlötet mit dem Weifsblechdeckel. Es ist dies wohl so zu 
verstehen, dals die moderne Falzmethode beim Büchsenverschlufs 
angewendet wurde. Am Schluls des Versuchs wurde der Inhalt 
der Büchsen durch Schütteln gut gemischt und Proben heraus- 
pipettiert. Fest ansitzende Kristallüberzüge von Zinnsalzen 
waren entweder nicht vorhanden oder sie wurden bei der Analyse 
nicht beachtet. 

Tabelle I. 
Es losten 100 com: 



EflsigBäure 

WeinsAare 

Apfelflänre 

Chlomairinm .... 



-7T- 



noch 
1 Monat 



nach 
6 Monaten 



"/, 



0,6 
2,0 
0,2 
0,6 
0.2 
0,6 
0,2 
0.6 



mg 



1.4 
3,2 

4.9 
12,0 

6,1 
10,6 



mg 



2,8 

4.2 

7.2 

21,0 

6,8 

18,2 

Spar 

2,2 



nach 
1 Jahr 



mg 



4,1 

5,1 

10,0 

42,9 

7,9 

22,9 

2,3 

5,4 



Zunächst erschienen mir diese Zahlen — weil ich sie durch 
ein Versehen auf 1 1 statt auf 0,1 1 bezog — auffallend nieder, 
zweitens fehlten Versuche mit höheren Säurekonzentrationen, 
während doch der Säuregehalt der üblichen Obstsorten nach 
König meist zwischen 1 und 2 bis 2^J2% Säure beträgt^), und 
endlich fehlte mir jeder Fingerzeig, wie ich die hohen Zinu- 
zahlen in wenig sauren Gemüsen erklären sollte. 



Nach König betrftgt der darchschnittliche Säuregehalt der Äpfel 
0,82%; er steigt aber gar nicht selten bis 1,3, ja 1,67 Vo- Zwetschgen ent- 
halten 0,85 <*/o; Pflaamen l,5<*/o, Reineklauden 0,91 «'/o freie Säure, wobei die 
Natur der S&ore nicht angegeben ist. Bei Aprikosen wird der Durchschnitts- 
Bftaregehalt zu 1,16 Vo> das Maximum xu Ifi^U angegeben; bei Kirschen der 
Durchschnitt su 0,91%, das Maximum zu 2%; ^®i Weintrauben der Durch- 
Bchnitt zu 0,78 */o» das Maximum zu Ifiß^U; bei Erdbeeren der Durchschnitt 
la 0,98 <^/o, das Maximum zu 1,65% >' hei Himbeeren der Durchschnitt zu 
1,42% das Maximum zu 1,98 <»/o; bei Heidelbeeren der Durchschnitt zu 1,66 Vo.' 
bei Maulbeeren zu 1,86%; bei Stachelbeeren der Durchschnitt zu 1,42%, 
das Maximum zu 2,4^/«, bei Johannisbeeren zu 2,15 ®/o, das Maximum zu 



70 tTber die Angreifbarkeit der verzinnten Konserven bflchaen etc. 

Die eigenen Versuche, die ich 1902 mit meinen Schülern 
begann, wollten zunächst den Einilufs der Säurekonzentration 
und daneben den des Lacküberzuges der Büchsen feststellen. 
Erst nach einer gröfseren Reihe von Versuchen kam ich all- 
mählich dahinter, dals noch ganz andere Faktoren von maTs- 
gebender Bedeutung für die Zinnlösung seien, Faktoren, die 
bisher meines Wissens kaum oder gar nicht beachtet sind. 
Und wenn ich später erkennen mufste, dafs die ersten Versuchs- 
reihen, unter falscher Voraussetzung angesetzt, vielfach zu un- 
brauchbaren Resultaten führen mufsten, so habe ich doch die 
Genugtuung, dafs die vergeblich aufgewendete Arbeit doch schliets- 
lich auf den richtigen Weg führte. 



2. Methodik. 

In den ersten Versuchsreihen wurde nebeneinander mit Wein- 
säure, Apfelsäure und Zitronensäure gearbeitet. Die beiden erst- 
genannten Säuren wurden gewählt, weil sie nach Kayser besonders 
stark Zinn lösen; die weitverbreitete und in ihrem Zinnlösungs- 
vermögen noch nicht studierte Zitronensäure fügte ich neu hinzu. 



2,53 ^Iq ; bei Preifselbeeren zu 2,34 Vo- l^ie Säure der Äpfel besteht aus Apfel- 
Bäure, die Säure der Trauben wird als Weinsäure berechnet. Sonst finde ich 
nur noch die Angabe, dafs die Säure der Himbeeren als Weinsäure, die 
Säure der Preifselbeere als Apfelsäure berechnet sei. Was für Annahmen 
bei den anderen Obstsorten fQr die Berechnung der Säure aus dem Titrier- 
ergebnis gemacht sind, ist nicht gesagt. 

Im Begriff, das Manuskript abzusenden, erhalte ich Nr. 12 der Zeitschr. 
für Untersuchung der Nahrungs- und Genufsmittel, Bd. 12, vom 15. De- 
zember 1906 mit den ausführlichen Angaben über die Fruchtsaftstatistik vom 
Jahre 1906, an der sich nicht weniger als sechs Untersuch ungsämter für 
Nahrungsmittel methodisch beteiligt haben. Es finden sich sehr saure Säfte 
darunter. Namentlich Johannisbeersaft (aus schwarzen Johannisbeeren) mit 
einer Azidität bis zu 62 ccm Normalsäure in 100 Saft oder mit einem 
Apfelsäuregehalt bis 4,1^0 ^^^it auf. — Die von mir später am häufigsten 
gewählten Aziditäten l^o Weinsäure (13,3 ccm Normalsäure in 100) und 
17 ccm Normalsäure in 100 entsprechen teils etwa (13,3), stärker sauren Frucht- 
sirupen teils (17) schwach sauren Fruchtsäften. Die Fruchtsirupe enthalten 
etwa 68 Vo Invertzucker. Die im folgenden erwähnten Fruchtsäfte, wie sie 
im Kleinhandel sind, wären alle korrekter als Fruchtsirupe zu bezeichnen. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 71 

Später wurde nur noch Weinsäure verwendet, weil es un* 
durchführbar war, die vielen Einzelfragen mit mehreren Säuren 
zu studieren. 

Die im folgenden verwendeten Büchsen waren aus verzinntem 
Eisenblech mit modernen Maschinen zusammengefalzt und nur 
bei Verwendung von stärkerem Blech von aufsen in der Längsnat 
wenig gelötet. Da gegenwärtig das Weifsblech für saure Kon- 
serven in der Regel einen Lacküberzug erhält, so wurde auch 
dessen Bedeutung durch Parallelversuche mit lackierten Büchsen 
geprüft. Die Bleche werden von dem Konservenfabrikanten blank 
bezogen und selbst lackiert. Nach dem Überstreichen mit Lack 
werden die Bleche im Ofen gebacken, wobei je nach der Tem- 
peratur hellgelbe bis goldbraune Töne auftreten. Die Büchsen 
hatten 9 cm Durchmesser, 13 cm Höhe und fafsten zwischen 
830 und 850 ccm Flüssigkeit. 

Die Oberfläche, welche mit der Flüssigkeit in Berührung 
kam, berechnete sich zu rd. 340 qcm Mantelfläche und 63 qcm 
Bodenfläche. Auf diesen rd. 400 qcm sind rd. 1260 mg Zinn auf- 
getragen. Vier Bestimmungen von vier Stellen eines gröfseren 
Weifsbleches, wie es damals zu der Büchsenherstellung verwendet 
wurde, ergaben pro 5 qcm Blech, d. h. pro 10 qcm Oberfläche 
43, 41,5 40 und 38 mg Sn02, also im Durchschnitt 40 mg Sn02, 
gleich 31,5 mg Zinn. Dies macht 3,15 mg pro qcm. Unten noch 
mitzuteilende Versuche an drei verschiedenen anderen Blechen 
ergaben 3,7, 3,5 und 2,6 mg. Bei der Untersuchimg von derberem 
Blech, wie es zu Fleischkonserven für das Militär diente, hatte 
ich früher a. a. 0. 10 mg pro 1 qcm gefunden. 

Über die verwendete Lackmenge kann ich folgendes angeben : 
Als das verzinnte einseitig lackierte Eisenblech in Salzsäure 
gelöst wurde, schieden sich, entsprechend 25 qcm Oberfläche, 16,0 
und 19,1 mg einer leichten klumpigen Masse ab, die dem 
Lacküberzug entspricht; es kommen also etwa 0,7 mg Lack auf 
1 qcm Büchsenoberfläche. 

Über die Methodik der Bestimmung des Zinns und des Eisens 
in reinen Säurelösungen ist nicht viel zu berichten. Das Zinn 



72 Über die Angreifbarkeit der verzinnten EonseryenbQchsen etc. 

wurde bei schwach salzsaurer Reaktion durch Schwefelwasser- 
stoff gefällti abfiltriert und etwas mit SchwefelwasserstofEwasser 
ausgewaschen. Hierauf wurde es nochmals in heifser, verdünnter 
Salzsäure gelöst und ein zweites Mal mit Schwefelwasserstoff 
gefällt. Auf diese Weise wurde es reingelb und frei von Eisen 
erhalten. Das Schwefelzinn wurde mit etwas Salpetersäure in 
einem Porzellantiegel übergössen, abgedampft, schwach geglüht 
und als Sn02 gewogen. 

War Zinn und ev. Eisen in einer stark zuckerreichen, vis- 
kosen Flüssigkeit gelöst (Fruchtsirupe und Nachahmungen solcher), 
so geschah die Zinnbestimmung auf folgende Weise. Die auf 
ihren Zinngehalt zu prüfende Substanz wurde verkohlt, zu Asche 
verbrannt, die mit heifser, verdünnter Salzsäure aufgenommen 
und filtriert wurde. Das Filter wurde durch häufiges Auswaschen 
mit heifsem Wasser von der Salzsäure befreit, darauf verbrannt, 
geglüht und mit festem Kaliumhydrat in einen silbernen Tiegel 
gegeben^ wo der Schmelzungsprozefs (Umwandlung in Kalium- 
stannat) bei mälsiger Erwärmung innerhalb drei Minuten glatt vor 
sich ging. Nun wurde das in Wasser gelöste Schmelzungs- 
produkt mit dem vorher gewonnenen Filtrat vereinigt, Schwefel- 
wasserstoff eingeleitet und die Menge des Zinns und im Filtrat 
das Eisen wie oben bestimmt. 

Die Methode ist rasch und bequem ausführbar und sehr zu 
empfehlen. 

Im Filtrat vom Zinn wurde das Eisen durch Schwefelammo- 
nium gefällt, und zu dem Niederschlag die zweite kleine Schwefel- 
eisenmenge gefügt, welche mit dem Zinn bei seiner ersten Fäl- 
lung niedergeschlagen war. Das vereinigte Schwefeleisen wurde 
in Salzsäure gelöst, der Schwefel abfiltriert, die Flüssigkeit 
mit etwas Kaliumchlorat gekocht und mit Natronlauge unter 
Kochen gefällt. Das Eisenhydroxyd wurde abfiltriert, die Filter 
verbrannt und das Eisen als Eisenoxyd gewogen. In einer An- 
zahl von Versuchen mit reinen organischen Säuren wurde noch 
einfacher verfahren, es wurde nämlich das Schwefeleisen einfach 
durch Glühen in Eisenoxyd verwandelt. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



73 



3. Erste orientierende Versucliereilie mit BlechbDclisen. 

Die ersten Versuche sind von den Herren Walther und 
Dercken mit Büchsen von 850 ccm Inhalt und 800 ccm Füllung 
angestellt, welche mit Glasplatten und Paraffin so gut und sorg- 
fältig wie möglich verschlossen wurden. Untersucht auf Zinn- 
gehalt wurde nach 1 und 3 Monaten. 

Das Resultat der Untersuchung in den nur zu %q gefüllten, 
mit Paraffin verschlossenen Büchsen war ein sehr auffallendes. 
Schon nach 4 Wochen waren bei allen stärker sauren Füllungen 
aas den blanken Büchsen sehr grofse Zinnmengen gelöst. 

Tabelle II. 
Nach 1 Monat waren mg Zinn pro 1 1 xelöiit: 





•/. 


1 
mg 


' \ 


mg 


1 


mg 


Weinsäare .... 


V. 


924 


1 


1042 


2 


1060 


Zitronensftare . . . 


v. 


680 


1 


743 


2 


1088 


Apfelaftnre .... 


V. 


574 


1 


^— 


2 


1026 



Nach 3 Monaten untersucht, waren die Resultate nicht 
wesentlich anders. Es wurden ungefähr die gleichen Mengen in 
Lösung gebracht. 

Tabelle III. 





•/. 


mg 


Vo 


mg 




mg 


Weinsäare .... 


V. 


1 

1232 ! 


1 


932 


2 


1035 


Zitronensäure . . . 


V. 


1019 ! 


1 


811 


2 


1224 


Apfelaänre .... 


V. 


586 

r 

\ 
1 


— 


^■■^ 


2 

1 


1180 



Wenn wir diese Ergebnisse in einen Satz zusammenfassen, 
so lautet er: Aus nicht vollständig gefüllten, im übrigen aber 
mit Glas und Paraffin verschlossenen blank verzinnten Blech- 
büchsen lösen Weinsäure, Zitronensäure und Apfelsäure schon 
von der Konzentration von ^2% ^b binnen 4 Wochen stets Mengen 
von über 600 mg pro 1 Zinn auf. Weinsäure scheint bei der 



74 Über die Aogreifbarkeit der yerzinnten KonservenbOcbBen etc. 



geringsten Konzentration etwas stärker wie Zitronensäure, Zitronen- 
säure etwas särker wie Apfelsäure zu wirken. Doch sind die 
Versuche mit Apfelsäure nicht in genügender Zahl angestellt. 
Bei einem Gehalt von 1% und 2^/q ist schon nach 4 Wochen 
eine Lösung von 750 — 1088 mg Zinn vorhanden, resp. die 1260 mg 
Zinnüberzug der Büchsen sind zu 60—80% entfernt. 

Wenn wir fragen, in welchem Zustande sich die eingefüllte 
Flüssigkeit und die Büchsen befunden haben, so läfst sich etwa 
folgendes sagen: Nach 4 Wochen war die Flüssigkeit in der 
Regel farblos oder blafsgelblich. An Stelle des blanken Zinn- 
überzugs zeigte das Innere der Büchse in gröfserer oder geringerer 
Ausdehnung einen grauen , undeutlich kristallinischen Über- 
zugy der manchmal sehr schön moiräeartig ausgebildet war. Die 
Verfärbung und Moiräebildung beginnt bei den Büchsen immer 
an der Oberfläche der Flüssigkeit; im Anfang des Versuchs und 
bei schwächeren Konzentrationen (nach 4 Wochen bei ^2%) is^ 
der untere Teil der Wandung und der Boden der Büchsen noch 
blank, ein Fingerzeig dafür, dafs der von oben zutretende Sauer- 
stoff bei der Lösung des Zinns eine wichtige Elolle spielt. 

Im Eisengehalt des Büchseninhalts finden wir einen grofsen 
Unterschied zwischen den 4 wöchentlichen und 3 monatlichen 
Versuchen, wie dies wohl leicht verständlich ist. 

Tabelle IV. 
Es waren nach 4 Wochen gelöst (mg Eisen pro 1 1): 



Weinsäure 

Zitronensäure 

Apfelsäore 



•/< 



V. 



mg 



•/. 



164,5 1 

106 ; 1 

114 



mg 



31,5 
299,6 



V. 



2 
2 
2 



mg 



326,0 

267 

304 



In den Büchsen war etwa in der Hälfte der Fälle gar kein 
Anzeichen zu sehen, dafs Eisen angegriffen war. ) Roste fehlte 
meist ganz oder er war nur spurweise als braune Fleckchen an 
der Längsnaht oder an der Bodennaht vorhanden. Einige Male 
zeigte sich über dem Flüssigkeitsspiegel ein Streifchen von Salz- 
kristallen. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



75 



Außerordentlich viel gröfser waren meist die Mengen, die 
nach 3 Monaten gelöst waren. Es fanden sich nach '6 Monaten : 



Tabelle V. 




fiei Weinsaare . 

> ZitronensAnre 

> Apfelsftore . 



Die Eisenzahlen sind ebensowenig wie die Zinnzahlen ab- 
solut regelmäfsig. Einzelne Werte fallen aus der Reihe heraus. 
Es lag nahe, anzunehmen, dafs die Güte der Verzinnung bei den 
einzelnen Büchsen eine etwas verschiedene sei, und dafs etwaige 
kleine schlecht verzinnte Stellen besonders an der Falzstelle von 
bedeutendem Einflufs auf die Menge des in Lösung gegangenen 
Eisens und Zinns seien. 

Wesentlich günstiger als das Resultat, das an den unlackierten 
Büchsen gewonnen wurde, war das, welches die lackierten Büchsen 
lieferten. Die Ergebnisse zeigten deutlich den ausgezeich- 
neten Schutz, den das Lackieren der Büchsen gegen 
den Angriff der Säuren unter den gewählten Ver- 
suchsbedingungen darstellt. 

Tabelle VI. 
Nach 4 Wochen betrug bei den lackierten Büchsen der Gehalt an Zinn pro 

1 1 nur: 





Mit Glasdeckel und Paraffin verschlossen : 


Offen : 




"/, 


mg 


0/ 

10 


mg 


' 0/ 

1 '• 


mg 


'0 


mg 


WeinBänre .... 


V. 


50 


1 


46 


2 


59 


2 


70 


Zitronensäare . . . 


V. 


15 


1 


25 


2 


35 






Apfelfläore .... 


V, 


18 I 






2 


53 







Auch nach drei Monaten war die in lackierten Büchsen in 
Lösung gegangene Menge sehr erheblich kleiner als wie in den 
nicht lackierten. Sie betrug zwischen 35 und 150 mg, während- 
dem, wie wir oben gesehen haben, die nicht lackierten Büchsen 



76 Über die Angreifbarkeit der yendnnten Konservenbüchsen etc. 

in dieser Zeit 568 mg bis zu 1280 mg Zinn abgegeben haben. 
Ähnlich wie gegen die Abgabe von Zinn schützt das Lackieren 
auch gegen die Abgabe von Eisen. Wir finden nach 4 Wochen 
nur Eisenmengen von 11 — 88 mg, nach 3 Monaten Eisenmengen 
von 21 — 161 mg. Oder der Zinngehalt beträgt in der Regel höch- 
stens 10% von dem der unlackierten Büchsen, in der Mehrzahl 
der Fälle übersteigt er aber nicht 5%. Auch der Eisengehalt 
beträgt bei den kürzer dauernden Versuchen nur 5 — 10%, bei 
den länger dauernden nur 1 — 3% von dem, den die unlackierten 
Büchsen liefern. 

Die eben mitgeteilten aufserordentlich hohen Zinn- und Eisen- 
zahlen aus den blanken Büchsen mufsten von vornherein den 
Gedanken nahe legen, daüs dieselben ihre Ursache einem Ab- 
weichen von der gewöhnlichen Art der Büchsenfüllung oder Ver- 
schlielsuug verdankten, denn wer könnte Konserven ge- 
brauchen, die einen derartigen Zinn- und Eisen- 
gehalt zeigen, wer könnte mit Büchsen arbeiten, die wie die 
Versuchsbüchsen, angegriffen werden. Schon nach 4 Wochen 
zeigte sich dann und wann im oberen Niveau des 
Büchseninhalts, also ca. 2 cm unter dem Glasdeckel, 
ein mehr oder weniger deutlicher von aufsen sicht- 
barer Angriff der Büchsenwandl Nach 3 Monaten waren 
die besprochenen Beschädigungen resp. Durchfressungen der 
Büchsenwand bei der Mehrzahl der Büchsen zu konstatieren, ja 
nicht selten war die Zerstörung der Büchse so vollständig, dafs 
sich die Büchse in zwei Stücke auseinandernehmen liefs. Das 
obere Stück wurde gebildet aus einem ca. 2 cm breiten Streifen 
der Büchsenwand mit dem aufgekitteten Glasdeckel. 

Auf die Wiedergabe von Versuchen, die über P/4 Jahre aus- 
gedehnt wurden, verzichte ich, eine grofse Anzahl derselben 
zeigte nach dieser langen Zeit unzweifelhaft schlechtes Funktio- 
nieren des Verschlufsdeckels. In den wenigen tadellos 
schliefsenden Büchsen aber fand sich zuweilen wenig 
Zinn und Eisen — eine starke Anregung zur An- 
stellung von Experimenten mit absolut sicherem 
Schlüsse. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 77 

Ich füge hier an, dafs spezielle Versuche, ob es möglich sei, 
einen Glasdeckel auf eine Zinnblechbüchse mit Paraffin fest an- 
zukitten (Verschlulsweise der ersten Serie), zeigten, daTs dies gegen 
unsere ursprüngliche Erwartung sehr oft nicht der Fall war. 
Der gleiche Institutsdiener, der die früheren Büchsen teils allein 
teils zusammen mit den Praktikanten verschlossen hatte, wurde 
angewiesen, auf 7 Büchsen einen Glasdeckel wie früher aufzu- 
paraffinieren, nachdem er 100 ccm Wasser eingefüllt. Beim lang- 
samem Umdrehen der Büchsen lief eine sofort, eine andere allmäh- 
lich aus, zwei weitere liefsen ein wenig Wasser durch das Paraffin 
treten, wenn man es schwach gegen das Glas schleuderte. Auch 
die drei übrigen Büchsen wurden bei etwas derberem Anfassen 
allmähUch undicht, der Deckel sprang ab. Es war also kein 
Zweifel, dafs der von uns in der ersten Versuchsreihe gewählte 
Verschlufs auch bei sorgsamem Umgehen mit den Büchsen viel- 
fach undicht gewesen sein mufste, dafs aber gar ein Aufeinander- 
stellen gefüllter Büchsen den Verschlufs auf das ärgste gefährdet. 

Ahnliche Resultate erhielten wir, als wir etwas Ammoniak- 
flüssigkeit in Büchsen füllten, sie dann mit Paraffin verschlossen 
und mit Nefslerpapier auf Dichtigkeit prüften. 

4. Versuche Ober den Einflurs des Sauerstoffs auf die Lösung 

des Zinns. 

Die Ergebnisse des dritten Abschnittes drängten darauf hin, 
den Einflufs des Büchsenverschlusses und damit die Bedeutung 
des Sauerstoffzutritts methodisch zu untersuchen. Sowie die 
Frage klar aufgestellt war, waren auch klare Antworten zu 
erhalten. 

Die erste Versuchsreihe zur Feststellung der lösenden Wirkung 
des Sauerstoffs wurde folgendermafsen angestellt: 

Ich bezog von der Firma Ohles Erben in Breslau Zinnblech 
aus dem reinsten technisch verwendeten Zinn, wie es für die 
Nahrungsmittelindustrie angewendet wird. Das wundervoll blanke 
Blech wurde mit Äther abgewaschen und Stücke von 110,8 qm 
Oberfläche (beide Seiten gerechnet) daraus geschnitten. Zwei der 



78 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 

Stücke wurden in ganz gefüllte, luftdicht durch Paraffin ver- 
schlossene Glasbehälter gebracht, so dafs die reine Säure ihre 
ganze Oberfläche bedeckte. Die zwei andern liefsen wir, an Fäden 
aufgehängt, in gröfsere nur teilweise mit Säure gefüllte Glas- 
behälter bis auf einige Millimeter weit eintauchen und gewährten 
der Luft zu diesen Behältern freien Zutritt, indem wir sie nur 
lose mit einer Glasplatte bedeckten. 

Um bei diesem Versuche gleichzeitig den etwaigen Einflufs 
des Eisens auf die Löslichkeit des Zinns zu studieren, wurden 
durch eines der im ganz vollen und durch eines der im luftenthal- 
tenden Glasbehälter befindlichen Zinnstücke je sechs eiserne 
Nägel mehrfach durchgesteckt, so dafs sie mit dem Zinn in mög- 
lichst innige Berührung kamen. 

Während des 10 Tage dauernden Versuchs wurden die Gläser 
ständig kontrolliert und dabei nachstehende Veränderungen wahr- 
genommen : 

In den luftdicht verschlossenen Behältern spielten sich keine 
grofsen Veränderungen ab. Wo das Zinn allein war, blieb in 
den 10 Tagen des Versuchs das Zinn und die Säure unverän- 
dert. Wo Zinn und Eisen zusammen waren, bildete sich eine 
grofse Gasblase. Das Zinn war ebenfalls mit Gasbläschen bedeckt. 
Sonst blieb alles unverändert. In den Behältern mit Luftzutritt 
dagegen entstand bereits am zweiten Tage des Versuchs in 
der Höhe des Flüssigkeitsspiegels ein grauschwarzer Streifen, der 
mit der Zeit dunkler und nach unten breiter wurde. Wo neben 
dem Zinn auch Eisen war, färbte sich die Flüssigkeit gelblich 
und die Eisenstücke bräunlich. 

Ich verzichte auf nähere Angaben über die erste Versuchs- 
reihe, da die Flüssigkeits- und Zinnmengen nicht genau gleich 
gewählt waren in den Versuchen mit und ohne Luftzutritt. 
Doch war ihr Resultat schlagend für die Bedeutung des Luft- 
zutritts in 10 Tagen, da bei Sauerstoffabschlufs nur 1,2 bis 
1,36 mg Zinn pro 100 ccm gelöst wurden, bei Luftzutritt 16,4 resp. 
25,6 mg, obwohl bei den beiden letzteren Versuchen mehr 
Flüssigkeit und weniger Zinn angewandt waren. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 79 

Sobald die beiden dem Luftzatritt ausgesetzt gewesenen 
Zinnstücke ans den Behältern herausgenommen waren und einige 
Minuten an der Luft lagen, wurden die schwarzen Streifen 
schnell stärker und breiter. Auch da wo ein Säuretropfen am 
Zinn hing, entstand bald ein schwarzer Fleck. Hiernach scheint 
es, dafs die schwarzen Verfärbungen überall da zustande kom- 
men, wo der Sauerstoff der Luft und Weinsäure mit Zinn zu- 
sammenkommen. Dafs die schwarzen Flecken Zinn enthalten, ist 
leicht zu beweisen. Man kann sie teilweise sehr leicht ab- 
reiben, in Salzsäure lösen und Zinn darin nachweisen. Es 
ifit wohl am wahrscheinlichsten, dafs die schwarze Substanz nichts 
auderes ist als Zinnmetall, und zwar besteht sie aus zurückbleiben- 
den Teilchen, zwischen denen andere durch die Säure gelöst sind. 

Die beiden Zinnstücke, die der Weinsäure allein ohne Luft 
ausgesetzt waren, blieben völlig blank; demnach greift also 
die Säure allein das Zinn nicht oder doch nur sehr 
wenig an, sondern erst dann, wenn sie gemeinsam mit Luft 
auf dasselbe einwirken kann. 

Nur in den Gläsern, die neben Zinn Eisen enthielten, zeigte 
sich Gasbildung. Als wir nun einen vergleichenden Versuch 
machten über die Gasmenge, die sich in Iproz. Weinsäure aus 
Nägeln entwickelt mit und ohne Anwesenheit von Zinn, zeigte 
sich der auffallende Befund, dafs Zinnanwesenheit sicht- 
bar die Wasserstoffbildung aus Eisen und die Eisen- 
lösung vermindert. 

Dieser Tatsache sind wir später nachgegangen. 

Für die späteren genauen Versuche nahm ich darauf Rück- 
sicht, dafs in den üblichen Büchsen von ca. 870 ccra Inhalt 
440 qcm Zinn mit der Flüssigkeit in Berührung kommen, es 
wurden in die Gläser 435 ccm Flüssigkeit und ein Zinnstück 
gebracht, das auf beiden Seiten 220 qcm Oberfläche hatte. Ein 
Teil der Versuche wurde mit ausgekochter, im Wasserstoffstrom 
abgekühlter Weinsäure in ganz gefülltem mit Paraffin noch um- 
gossenem Gefäfs gemacht, bei anderen wurde ein bestimmtes 
kleines Luftvolum in das Gefäfs miteingeschlossen, in noch an- 



80 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen. 

deren enthielt das locker verschlossene Gefäls viel Luft.^) Die 
Versuche mit Luftzutritt wurden alle so angestellt, dafs das Zinn 
ein Stück weit aus der Flüssigkeit heraasragte. 

^) Die Versuche mit viel Luft waren nicht so geblieben, wie sie an- 
gesetzt wurden, denn die eingehängten Zinnstflcke waren, da der Faden 
rifs, teilweise und zwar verschieden tief in die Säure eingesunken. Dadurch 
sind die Resultate ungleichmäüsig geworden. Derselbe Versuch wurde des- 
halb nochmals angestellt, jedoch blofs auf 12 Tage ausgedehnt, weil bereits 
nach dieser Zeit die Zinnscheibe durchgefressen war. 



Tabelle 
Einwirkung des Sauerstoffs der Luft auf die 



I. Versuch mit viel Luft 
(nach 4 Wochen) 



Zinn 
(4 Gefäfse) 



Zinn u. Elsen 
(2 Qef&Tse) 



la. Versuch mit yiel Luft 
(nach 12 Tagen) 



Zinn 
(2 Gefäfse) 



Zinn u. Eisen 
(2 GeflUke) 



Verschlufs der Gefäfse . 

Gesamt - Oberfläche des 
Zinns in qcm . . 

Oberfläche d. eingetauch 
ten Stückes in qcm 



Gasbildung . . . 
Aussehen des Zinns 



Zinngehalt in 435 ccm 
in mg 



Menge des in 435 ccm ge- 
lösten Eisens in mg . 



Deckel lose 
aufgelegt 

220 
200 

e 

Alle 4 Zinnstücke 
sind gleichrnftüBlg 
grauschwarz ge- 
färbt. 3 Stücke 
sind, da der Auf- 
hängefaden rifs, 
untergesunken. 
Das 8. ist in der 
Höhe des Flünsig- 
keitsspiegels teil- 
weise durch* 
gefressen, sein 
aus der Säure her- 
ausragender Teil 
ist blank 






436; 443; 
257; 258 

e 



Deckel lose 
aufgelegt 

220 

200 



Beide zinnstücke 
sind In der Höhe 
des Flüssigkeits- 
spiegels durch- 
gefressen. Der 
untere, schwärz- 
lich gefärbte 
Teil ist in die 
Flüssigkeit ein- 
gesunken. Der 
aus der Säure her- 
ausragende Teil 
ist blank. Die 
Nägel sitzen noch 
überall fest 



288; 442 



18,0; 13 



220 

200 




220 

200 
9 



In der Höhe des Flassig- 
keitsspiegels ist das Zinn 
glatt durchgefressen. Der 
in der Fltlssigkeit befind- 
liche Teil ist an einzelnen 
Stellen grauschwars ver- 
färbt. Der herausragende 
Teil ist vollständig blank 

Die Nägel 
sitsen noch 
überall fest 



237 ; 231 







251; 228 



26; 15 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



81 



Die Resultate sind in der Tabelle VII enthalten. 
Aus diesen Versuchen folgt: 

I. Auf die Mengen des gelöstens Zinns ist die Luft von 
gröfstem Einflufs. Auch alle sichtbaren Veränderungen 
(schwarze Färbung etc.) am Zinn kommen nur dann zu- 
stande, wenn die Luft mit der Säure zusammen das 
Zinn angreifen kann ; denn die vollständig der Luft ent- 
zogenen Zinnstücke (Versuch III u. V) zeigen gar keine 



vn. 

Löslichkeit von Zinn in Iproz. Weinsäure. 



H Venrache mit 25 ccm 


1 

m. VeiBuche mit 25 ccm 


1 

i rv. Versnche ohne Luft 


1 V. Versuche ohne Luft 


Luft (nach 4 Wochen) 


Lnft (nach 3 Monaten) 


1 (nach i Wochen) 


(nach 3 Monaten) 


Zinn Zinn u. Eisen 


Zinn 


Zinn u. Eisen 


1 

1 Zinn 


Zinn U.Eisen 


Zinn 


Zinn U.Eisen 


i2GefiUte) (1 Oefjüs) 


(2 GefUTse) 

1 


(1 Oefäft) 


(2Gefftrse) 


(1 Gefftft) 


(2 GeflUke) 


(1 GefäA) 


VerschluIiB un- 
versehrt 


Ganz un- 
versehrt 


Paraffin an 
einigen Stel- 
len durch- 
brochen 


Ganz un- 
versehrt 


Paraffin 
gesprengt 


Ganz un- 
versehrt 


Paraffin an 
einigen Stel- 
len durch- 
brochen 


220 


220 


216 


216 


220 


220 


216 


216 


184 


184 


198 


198 


220 


220 


216 


216 





ja 





ja 





ja 





ja 


1 Der eingetauchte 
Zinnteil seigt an 

' BeinergansenOber- 
fliehe eine gleich- 
mfttsige bläulich- 
grsae Verfärbung. 
Derherausragende 
Teil ist an verändert. 

: In der Höhe des 
FlüBsigkeitsspiegels 
ist das Zinn leicht 
angefressen 


Der in die Flflssig- 
keit eingetauchte 
Teil der Zinnstücke 
s6igt eine gleich- 
mäßig graue Ver- 
filrbung. In der 
Hohe des Flassig- 
keitsspiegels ist ein 
scharfer, schwarser 
Streifen. Der aus 
der Säure heraus- 
ragende Teil ist voll- 
ständig blank 


Das Zii 
veri 


m ist un- 
Indert 

Die Nägel 

sitzen 
noch voll- 
ständig 
fest 


Das Zii 
veri 


in ist un- 
Indert 

Die Nägel 
sitzen 

noch voll- 
ständig 
fest 


1 


Die Nägel 
sitzen noch 

TOllBtäDdig 

fest 




Die Nägel 

sitzen 

noch ganz 

fest 


1 

1 








41; 30 


29 


51; 56 


60 


12; 6 


15 


8; 5 


12 





6 





11 





1 

1 

18 





21 



AichiT ffir Hygiene. Bd. LXUI. 



82 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 

sichtbaren Veränderungen und nur minimale Zinnlösung, 
d. h- etwa 10—24 mg pro 1.^) Ist genügend Luft vor- 
handen, so wird das Zinn an der Berührungsstelle zwi- 
schen Luft und Säure durchgefressen und in 4 Wochen 
500 — 800 mg Zinn pro 1 gelöst (Versuch I u. lä); ist nur 
wenig Luft da, so kommt es an dieser Stelle als Aus- 
druck des stärkeren Angriffs nur zur Bildung eines 
schwarzen Streifens durch Anfressen des blanken Zinns 
und zu einer Lösung von 70 — 90 mg in 4 Wochen, von 
110—120 in 12 Wochen. 

II. Dem Eisen kommt in bezug auf Lösung und Verände- 
rungen des Zinns keine Bedeutung zu, denn es brachte 
weder äufserlich sichtbare Veränderungen am Zinn her- 
vor, noch waren die gelösten Zinnmengen in den Eisen- 
versuchen wesentlich von denen der übrigen Versuche 
verschieden. Wo kleine Differenzen vorhanden sind, 
lassen sie sich so erklären, dafs infolge der vom Eisen 
verursachten Gasbildung der Verschlufs undicht wurde 
und so die Luft spurweise Zutritt hatte. 

III. Die Lösung des Eisens überschritt — gleichgültig, ob Luft 
zur Flüssigkeitaoberfläche zutreten konnte oder nicht 
— nie 60 mg im 1, sie blieb meist erheblich niedriger — 
es ist dies dem gleichzeitig vorhandenen Zinnblech zu- 
zuschreiben, denn eiserne Nägel lösen sich bei Abwesen- 
heit von Zinnblech leicht in Weinsäure. 

Ich lasse hier gleich die Versuche folgen, die wir weiter 
anstellten zur Aufklärung der wunderbar geringen Eisenlösung 2) 
bei Anwesenheit von Zinn, die oben (S. 79) vorläufig erwähnt ist. 



1) Diese geringe Zinnlösung läfst sich auf Lnftspuren beziehen, die in 
der Flüssigkeit beim Koeben zurQckblieben und auf Sauerstoff, der an der 
Oberfläche des Zinns kondensiert ist. 

2) M. Siegfeld teilt mit, dafs von einer zur Hälfte verzinnten Kupfer- 
platte in Milchsäure sich kein Kupfer löste, vielmehr Zinn auf das Kupfer 
niederschlug. (Milch-Ztg. 1902, Bd. 31, S. 401 nach Z. f. U. d. N. 1903, 223.) 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



83 



Die Lösung des Eisens geht parallel einer Wasserstoff- 
bilduDg : 

Fe + C4 06He = C^OeH^ Fe + Hg. 

Also gibt ein Messen des gebildeten Wasserstoffs einen Mafs- 
Stab für das gelöste Eisen. Zinn und Weinsäure bilden gar keinen 
Wasserstoff. 

Bei den Versuchen war nicht nur zu studieren, wie die Lö- 
sung des Eisens vom Zinn beeinflufst wird, sondern auch, ob 
die Anwesenheit des Eisens die Lösung des Zinns beeinflufste. 
In den Experimenten war stets der Luftsauerstoff vollkommen 
ausgeschlossen. 

Ein Vorversuch ergab: 

a) 200 qcm Zinn (auf beiden Seiten gemessen) -|- 8 Eisen- 
stifte (2,5 g Eisen) + 200 ccm 1 proz. Weinsäure. 

In 48 h bildete sich nur wenig Wasserstoff und 
0,14 mg Eisen wurden gelöst. 

b) Kein Zinn + 8 Eisenstifte + 200 ccm 1 proz. Weinsäure. 

In 48 h bildete sich reichlich Wasserstoff und 4,6 mg 
Eisen wurden gelöst. 

Der Hauptversuch wurde folgendermafsen ausgefühii;: 



Tabelle Vni. 

1. 100 qcm Zinn -f~ 200 ccm Iproz. Weinsäure. 

2. 100 > > -f- ^ Eisenstif te + 200 ccm 1 proz. Weinsäure. 

3. + 25 . 4- 200 » > 





] 


[.' " ! 


n. 


m. 


Zeit 


Zinn 1 


Eisen und Zinn 

1 


Eisen 


(In Standen) 


Gm 


Gelöstes { 


Gas 


Gelöstet 


Gelöstes 


Gas 


Gelöstes 




in ccm 


Zinn in mg. 


in ccm 


Eisen in mg 


Zinn in m^ 

1 


in ccm 


Eisen in mg 


50 


e 




3 






25 




100 





— 


6 


— 




49 


— 


150 


e 


2,0 


9 bis 10 


30,8 


2,4 

1 

1 


74 


199,2 



Es stört also das Eisen nicht die Lösung des 

Zinns unter den gegebenen Verhältnissen, wohl 

Aber enorin^das Zinn die Lösung des Eisens. 

6^ 



84 Über die Angreifbarkeit der verzinDten Konaervenbüchsen etc. 

Wenn man das eine negative Katalyse nennen will, mag 
man es tun, ich mufs mich bescheiden, die interessante Tatsache 
zu konstatieren. 



5. Mafsgebende Versuche an Blechbachsen mit korrektem Ver- 
schlufs bei FOiiung mit Säureiösungen und Fruchtsäften. 

a) Versuche über das Verhalten verschiedener verzinnter 

Bleche gegen Säure. 

Ehe die neugewonnene Erkenntnis von der ausschlaggeben- 
den Bedeutung des Sauerstoffs für die Zinnlösung weiter in Ver- 
suchen an Blechbüchsen erprobt werden konnte, galt es, das 
Verhalten verschiedener Bleche unter genau gleichen Bedingungen 
zu studieren. 

Der Fabrikant hatte uns nämlich zugestanden, und eine Re- 
vision der noch vorhandenen gebrauchten leeren Büchsen hat 
dies ebenfalls ergeben, dafs bei den oben mitgeteilten Versuchen 
nicht immer Büchsen aus gleichem Blech zu jedem Versuch 
verwendet worden seien. Im Gegenteil wurden eben, wenn für 
uns Blechbüchsen angefertigt wurden, die Blechsorten resp. Reste, 
die gerade vorrätig waren, verwendet. Die Verschiedenheit der 
Bleche konnte vielleicht manche Unregelm&Tsigkeit erklären. 
Die drei wichtigsten Blechsorten, welche unser Lieferant zur Zeit 
meiner Versuche verwendete^ sind in folgendem mit den Buch- 
staben R, D, H bezeichnet. 

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Blechen schien 
nicht wahrnehmbar, die Verzinnung bei allen intakt und gut zu 
sein. In Schwefelammonium gebracht, zeigt keines der Bleche 
schwarze Stellen, Eisen liegt also nirgends merklich frei zutage. 
Von jeder Marke wurde nunmehr je eine Probe in 50 ccm kalte 
konzentrierte Salzsäure gelegt. Das Verhalten der einzelnen 
Proben ist in der folgenden Tabelle beschrieben.^ 



Von Prof. Dr. K* B. Lehmann. 



85 



Tabelle IX. 
Verhalten der 3 Blechsorten in kalter konzentrierter SalzAnre. 




Nach 2 Min. 



2 8td. 



18 



3^^ 



4V, 



> 2 Tagen ! 



> 8 > 
beim Ab- 
brechen des 
Versuchs 



Das Blech ist ganz mit Bläschen bedeckt. 

Beginn von Moiröebildung. 

Geringe Gasentwicklang. Moir^ deutlich aasgeprägt. Farbe 
der Säare anverändert. Bis jetxt also kein unterschied. 



Farbe der Säare anver- 
ändert Alles Zinn 
scheint sich gelöst zu 
haben. Einzelne Eisen* 

and Kohlen teilchen 
schweben abgelöst in 
der Fl üssigkei t. Geri nge 
Gasentwicklang. Keine 
angefressenen Ränder 



Farbe der Säure an- 
verändert. Das Zinn 
noch nicht ganz ge 
lOst. Keine Gasent- 
wicklung, keine an- 
gefressenen Ränder 



Nicht viel anders als nach 18 Stunden 



Das Eisen beginnt sich 
zu lösen, der Rand ist 
angefressen. Die Ober- 
fläche des Blechs zeigt 
dankle Flecken. Die 
Säure ist grünlich ge- 
färbt 

Der Rand ist stärker 
ausgefressen , die ge- 
lösten Eisen- und 
Kohlen teilchen sind 
zahlreicher, die Gas- 
entwicklung stärker 



Das Blech ist noch nicht 

aufgelöst, aber sehr 
stark angegriffen. Es 
bildet eine sehr dünne 
Scheibe (0,887 g), die 
abgespült und gegen 
das Licht gehalten mit 
ihrer netzartigen Struk- 
tur wie Laffa aussieht. 
Die Säure riecht stark 
nach Arsen- oder Phos- 
phorwasserstoff 



Der Rand des Blechs 
ist noch ganz intakt. 
Die Säure ist noch 
nicht verfärbt. Ei- 
nige Kohlen teilchen 
schwimmen darin 

Der Rand und die 
Oberfläche noch un- 
versehrt. Die Säure 
beginnt sich grün 
zu färben 



Das Blech ist etwas 
angegriffen, wiegt 
noch (0,994 g); ab- 
gespült und gegen 
das Licht gehalten 
sieht es wie ein 
dünn geschliffenes 
Stückchen Eichen- 
holz aus. Die Säure 
riecht deutlich nach 
Arsen- oder Phos- 
phorwasserstoff 



Säure grünlich ver- 
färbt. Alles Zinn ge- 
lost. Ziemlich viel 
Eisen- und Kohlen- 
teilchen in der 
Flüssigkeit, reich- 
liche Gasentwick- 
lung. Die Ränder 

angefressen, das 
Eisen beginnt sich 
also bereits zu lOsen. 

Das Blech ist voll- 
ständig aufgelöst 
Säure grünlich ver- 
färbt, enthält viele 
Kohlenteilchen 
neben einigen 
Eisenteilchen. 

Wie nach 2 Tagen. 



•Die Eisenteilchen 
haben sich ganz ge- 
lost. Es ist nur noch 
Kohle in der nun 
gelbgrünen Flüssig- 
keit, die nach Arsen- 

und Phosphor- 
wasserstoff riecht. 



86 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbücbsen etc. 

Diese Resultate lassen es wahrscheinlich erscheinen, dafs die 
Probe H wesentlich schlechter verzinnt sei als R und D, und in 
der Tat ergab sich bei Behandlung von Blechstücken von 5 cm 
Seitenlänge mit heifser konzentrierter Salzsäure folgendes: 



Tabelle X. 




U 



Verhalten in 
heifser Salz- 
säure . . . . 



Bei der Analyse ge- 
fundenes Z i n n • 
oxyd pro50qcm 

Also reines Zinn pro 
1 qcm .... 



Zur vollständigen 

Auflösung des 
Bleches dauerte es 
V4 Stunden. Die 
Lösung war dunkel 
schmutzig gefärbt 
und enthielt einige 
Eisen- und Kohlen- 
teilchen 

a) 0,2300 g 

b) 0,2297 g 

3,7 mg 



Auch hier dauerte 

die Auflösung 
Vi Stunden. Die 
Lösung war gans 
klar von hellgrüner 
Farbe und enthielt 
weder Eisen noch 
Kohl enteil eben 

a) 0,2231 g 

b) 0,2195 g 

3,5 mg 



Die Auflösungs- 
seit war etwas 
geringer; die Lö- 
sung war sehr 
trüb und dunkel 
und enthielt 
sahireiche 
Bisen- und 
Kohlenteilchen 

a) 0,1634 

b) 0,1658 

2,6 mg 



Es stimmt also zu meinen obigen Beobachtungen, dals Marke 
R und D stai*k, H wesentlich schwächer verzinnt ist, offenbar 
spielte aber neben der verschiedenen Verzinnung für die Resul- 
tate der Tabelle IX auch die Beschaffenheit des Eisens eine Rolle. 



b) Versuche mit korrekt verschloBBenen WeiÜBblechbüöhsen 
versohiedener Qualität und von verschiedenem Luftinhalt. 



Auf der Basis dieser Versuche habe ich nun mit den Herren 
Schul 1er und Müller eine Reihe von Versuchen an Blech- 
büchsen ausgeführt, welche die Bedeutung der Blechbeschaffen- 
heit (es wurden drei verschiedene Blechsorten verwendet) und 
den Einflufs des Luftgehalts nebeneinander zeigen sollen. Es 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 87 

wurden 30 Büchsen von 850 com Inhalt gewählt, dieselben zum 
Teil so voll wie möglich gemacht, zum Teil aber nur mit 800, 
zum Teil nur mit 300 ccm Flüssigkeit gefüllt, um so einen kleinen 
und einen grofsen Luftvorrat zur Verfügung zu haben. Ver- 
schlossen wurden die Büchsen in der Konservenfabrik. Die 
Versuche wurden weiter dahin variiert, dafs eine Serie der- 
selben aus der Blechmarke H, eine andere aus R und D her- 
gestellt wurde. Endlich wurde jede Büchse einmal in un- 
lackiertem und einmal in lackiertem Zustand verwendet. Die 
Füllung geschah ausnahmslos mit 1 proz. Weinsäure. Alle 
Proben wurden einmal nach 4 Wochen, einmal nach 3 Monaten 
untersucht. 

Ich teile die Resultate in der Tabelle XI (S. 88) mit, ge- 
ordnet nach dem Füllungszustand derselben. Auf Eisenbestim- 
mungen wurde Verzicht geleistet. 

Diese Tabelle zeigt: 

I. Die Blechbeschaffenheit ist von Einflufs auf die Lös- 
lichkeit des Zinns ; denn in den aus der Marke H 
hergestellten Büchsen mit sehr wenig und mit 50 ccm 
Luft ist durchweg deutlich mehr Zinn gelöst als in 
den aus den beiden andern Blechbüchsen gefertigten, 
trotzdem bei der ersteren die Verzinnung um 28,7% 
schwächer ist als bei den andern. Diese sind fast 
ganz gleich verzinnt und sind ziemlich gleichmäfsig an. 
gegriffen. 

II. Die Lackierung bildet bei gut gefüllten Büchsen einen 
guten Schutz, denn sie setzt, wie klar ersichtlich ist, die 
gelösten Zinnmengen ganz bedeutend herab. 

III. Die Zeitdauer (1 Monat oder 3 Monate) der Säureein- 
wirkung ist nur von ganz untergeordnetem Einflufs, da- 
gegen kommt 

IV. der Luft eine alle anderen Einflüsse weit übertreffende 
Bedeutung bei der Zinnlösung zu. Sie ist — von der 



S8 über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbflchsen etc. 





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1^ J^:9 



44 



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CO 



II II II II 

H 

o 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



89 



LackieruDg abgesehen — der praktisch zunächst allein 
in Frage kommende Faktor. 

Um die Wirkung verschieden starker Säure zu prüfen, wurde 
Weinsäure in 3 Konzentrationen angewendet und das Resultat 
von Tabelle XII erhalten. 



Tabelle XU. 

Inhalt der Büchsen 800 — 850 ccm. Volle Büchsen in der Fabrik TerBchlossen. 
Gelöstes Zinn und Eisen in mg auf 1000 ccm umgerechnet: 



Sfturekonsentration 




1 

Art 

der Bfiehte 


Nach 1 Monat 


1 

' Nach 3 Monaten 




Zinn 


Eisen 


Zinn 


Elsen 


VsProB. Weinsäure ... 

1 > » ... 

2 > > ... 1 


' 


blank 
lackiert 

blank 
lackiert 

blank 
lackiert 


150 
52 

159 
1 60 

163 
63 

1 


5 
3 

7 
18 

6 
6 


128 
79 

130 

82 

; 141 

80 


11 
13 

11 
18 

11 

8 



Hieraus folgt: 

1. Ea nimmt nach 1 Monat aus tadellos verschlossenen 
blanken Btlchsen die ZinnlOsung nicht mehr zu, sie ent- 
spricht dann etwa der Bindung von 10 — 12 mg Sauer- 
stoff. Ja, man könnte aus den Versuchen sogar schlielsen, 
dafs mit weiterer Eisenlösung wieder etwas Zinn aus- 
gefällt wird. 

2. Bei lackierten Büchsen ist nach 1 Monat die Zinnlösung 
nur etwa halb so grofs wie in nicht lackierten, doch 
nimmt mit Zunahme der Versuchsdauer die Zinnlösung 
in diesem Falle noch zu, es ist eben noch SauerstofE 
vorhanden. 

3. Die Zinnlösung wird durch einen Weinsäuregehalt von 
% 1, 2% nicht wesentlich beeinflufst, es ist aber immer- 
hin ein minimal höherer Zinngehalt bei den saueren 
Proben zu konstatieren. 



90 über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 

Es lag mir nun daran, einige Versuche unter Anwendung 
von Fruchtsäften vorzunehmen; die Fruchtsäfte bezog ich von 
der Firma Wucherer. Dieselben wurden vor meinen Augen 
kunstgerecht in Büchsen verschlossen. 

Die Fruchtsäfte sind mit 10% Zucker vergoren, 75 g frischer 
Saft wiegt etwa 100 g. 



Tabelle Xm. 

Versuche mit kunstgerecht eingefülltem und verschlossenem Himbeersaft und 

Johannisbeersaft. 



Vewucha- 
dauer 


Inhalt 


Azidität 

pro 
100 ccm 

in N8 


1 

Büchsen- 
grörse 


I^ack 

1 


Aussehen nach 
Versuch 


Zinn 
pro 
1 1 


Eisen 
pro 
1 1 


1 Monat 


Erdbeersaft 


16 


375 


unlack. 


etwas Moir^e 


140 


-*) 










lackiert 


tadellos 


41 


-') 


4 Monate 


Weichselsaft 


10 


375 


unlack. 


wenig angegriffen 


78 


17 










lackiert 


tadellos 


44 


9 


16 > 


Himbeersaft 


10 


490 


unlack. 


schlecht 


266 


32 








490 


lackiert 


gut 


23 


30 




Johannisbeeraaft 


34 


750 


unlack. 


schlecht 


312 


112 




> 


34 


760 


unlack. 


schlecht 


831 


116 




> 


34 


760 


lackiert 


schlecht 

T^ack beschädigt 


339 


70 




> 


34 


750 


lackiert 


schlecht 


263 


73 



Hierauf wurden reine Weinsäurelösungen ebenso eingefüllt 
und verschlossen. 

Eine Reihe älterer Konserven, die zum grölsten Teil im 
Institut gelagert hatten, wurden schliefsUch auch noch unter- 
sucht und dabei, wo es möglich war, Büchse und fester Inhalt 
getrennt analysiert. (Tabelle XIV, S. 92 u. 93.) 



1) Die hohen Eisenzahlen 641 bei der nnlackierten und 489 bei der 
lackierten Büchse, die meine Original tabelle enthält, sind mir so unverständ- 
lich, dafs ich sie weglasse, obwohl ich keinen Grund habe, an einen Analysen- 
fehler zu denken. Kommafehler? 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 91 



6. Theoretische Betrachtungen Dber die Rolle des Sauerstoffs 

bei der Zinnlösung. 

Die von uns gefundene Haupttatsache, dafs sich ohne Sauer- 
stoSzutritt kein oder nur sehr wenig Zinn in Weinsäure löst, 
war natürlich in der chemischen Literatur, wie ich mich nach- 
träglich überzeugte, nicht ganz unbekannt, wenn auch die üb- 
lichen Bücher nichts Bestimmtes darüber sagen und meines 
Wissens noch niemand in einer praktischen Zwecken gewidmeten 
Arbeit darauf hingewiesen hat.^) 

Eine sehr klare Darstellung der hier interessierenden Frage, die 
allerdings gerade beim Zinn eine Dunkelheit läfst, habe ich in 
Ostwalds »Grundzügen der anorganischen Chemie € gefunden. Er 
nimmt an, idals alle Metalle durch Wasserstoff aus ihren Lösun- 
gen ausgeschieden werden können, wenn man diesen nur von 
passender Konzentration anwendet. Es würde eine Reaktion 
Zu -f H2SO4 = ZnS04 4~ H3 sich umkehren lassen, so dafs aus 
Zinksulfat und Wasserstoff Zink und Schwefelsäure entstehen. 
Die verschiedenen Metalle unterscheiden sich in ihrem Verhalten 
gegen Säuren nur durch die verschiedenen Konzentrationen, die 
der Wasserstoff für eine solche Reaktion brauchen würde. Wäh- 
rend sie im Falle des Zinks sehr grofs sein müfste, da ja die 
Zerlegung der Säuren durch das Metall so leicht von sich geht, 
so wäre sie umgekehrt im Falle des Silbers sehr klein, denn 



1) 80 vennisse ich z. B. in dem vortrefflichen >Aa8fübrlichen Lehrbuch 
der PharmarseatiBchen Chemie von Ernst Schmidt, 4. Aafl., 1878« irgend- 
eine Bemerkung über die Bedeutung des Saueretoffs für die Zinnlösung. 
— Dagegen gibt Schmidt für das Kupfer ganz genau an, dads es blofs bei 
SaaerstofEzutritt in verdünnten Säuren löslich sei (S. 928). Vgl. auch K. B. 
Lehmann, Über die Bedeutung des Sauerstoffs für die Löslichkeit des 
Knpfers in Sfturen. Arch. f. Hyg., XXIV, 49. 



92 Über die Angreifbarkeit der versinnten Konservenbücbflen etc. 



Tabelle 
Zinn in alten BQchsenkonserven. Alle Bücbsen sind auf 14 mm Qaecksilber- 



Nr. 



Inhalt der BüchBen 



Anssehen des 
Inbalti 



Asidität der Brühe I 
fürlOOocm = ccm'| 
KaOH 



Augsehen der Bflchaen im 

Innern 



u 
m 

IV 



VI 
via 



VII 



vm 1 



VlUa 



IX 



IXa 
IXb 



Weicbselsaf t 
mit 12<>/o Zucker 

do. 

do. 

do. 

Hochfeine 
Preifselbeeren. 
Auffallend trocken 



Brechspargel, 
mittel locker gefüllt 

BrQbe von V 



Erbse n,mittelf eine 



SchnittBpargel, 
locker gefüllt 



Brühe von VHI 

feinste mari- 
nierte Heringe. 

3 Heringe vom 

Boden der Büchse 

entnommen 

3 Heringe aus der 

Mitte der Büchse IX 

entnommen 

Brühe Ton IX 



blaurot, trüb 



blaurot» sehr 
trocken 



normal, 
locker gefüllt 

do. 



sehr grün, 

etwas 
schleimig. 
Geknpfert 



normal, 
locker gefüllt 



normal 



18,0 

18,0 

18,0 
18,0 



49,0 



blank. Leichtes 
Moir^e in der ganzen 
Büchse, lila ange- 
laufen 

lackiert. 

Tadellos 

blank. Wie I 



lackiert. Wie II 

lackiert Wie U 
am Flüssigkeitsni- 
veau an verscbie- 
denen Stellen durch- 
löchert 

blank. Wie I 



blank. Qans leichtes I 
Moir^indergansen | 
Büchse. Viele blan- 
schwane Flecken. 
(Kupfer I) I 

blank. Viele graue 
matte Stellen. — 
AuAen ein grofser 

Rostflecken. Die 
Druckprüfung seigte, 

dafs der Itost nur 
auTsen 



blank. Kräftiges 
Moir^ in der gansen 
Büchse. Am Deckel 
einige Rostfleckchen 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



93 



XV. 

drack vor dem Offnen mit bestem Erfolg geprflft, nur BQchse Y ist defekt. 





Voltunan 










SB9SB- 


Alter 


der Büchse 
ccm 


Inhalt 


Inhalt 


Untersucht 


Sn 


8n 


der BfichBen 


in cem 


in g 


In g 


gefanden 


pro Kilo 


37, Jahre 


1 


860,0 

1 


909 


425 


885 


94.80 


224 


1 3' . » 




800,0 


856 


400 


885 


71,10 


178 


3V, > 




800,0 


855 


400 


885 


102,70 


257 


3»/, > 


D 

1 

1 


800,0 


856 


400 


885 


79,00 


197 


mindestens 
4 Jahre 


850 


300 
■ehr trooken 


300 


400 


83,74 


279 


1 mindestens 
' IV, Jahre 

! 


— 


300 


300 


460 


1 90,00 


800 


1 

do. 

1 


150 

kein NaO» 


— 


150 


— 


1 15,80 


105 


! do. 

1 


i 


400 


400 


425 


37,92 


95 


' do. 





250 


250 


470 


( 31,60 


126 


1 

do. 

1 


200 

kein NaO» 


— 


200 

1 


5 »^ p « 


1 

1 15.80 


79 


mindestens 
' 13 Monate 


C.5000 


205 

3 Btflck 


205 

Spur ver- 




92,43 


451 








loren 














o*5r"^ 






1 1 * V V 








5.® 0- ^ 






dieselbe 
Bflchse 


— 


185 
S Stflok 


185 




29,23 


158 


do. 






1 


250 


2 OD M. 


18,96 


76 



94 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 

WasserstoflE von gewöhnlichem Druck, also der ' entsprechenden 
kleinen Konzentration, genügt bereits, um Silber aus seinen 
Salzen metallisch auszuscheiden. Alle Metalle lassen sich dem- 
nach in eine Reihe ordnen, die mit dem Metall anfängt, welches 
den konzentriertesten Wasserstoff zu seiner Ausscheidung braucht, 
und mit dem endet, die mit dem verdünntesten Wasserstoff im 
Gleichgewicht ist. Diese Reihe würde am natürlichsten an der 
Stelle in zwei Stücke geteilt werden, wo die Konzentration des 
Wasserstoffs gerade dem Atmosphärendrucke entspricht. Es ist 
dies zwar eine willkürliche Wahl, doch entspricht sie bei weitem 
der gröfsten Mehrzahl der Fälle, in denen das Verhalten der 
Metalle geprüft wird oder in Frage kommt, c 

»In die erste Abteilung, die der Wasserstoff entwickelnden 
Metalle, gehören zunächst alle Leichtmetalle und von den Schwer- 
metallen die der Eisengruppe. Die Schwermetalle der andern 
Gruppen gehören meist der zweiten Abteilung an, doch bildet 
Zinn^) eine Ausnahme und Blei steht auf der Grenze. Auf 
diese Verhältnisse wird bei den einzelnen Metallen näher einge- 
gangen werden.2)c 

»Solche Metalle nun, die sich nicht unter Wasserstoffentwick- 
lung in verdünnten Säuren lösen, werden meist leicht von Sal- 
petersäure gelöst. Dies rührt daher, dafs die Salpetersäure den 
Wasserstoff, der sich bei der Einwirkung zunächst, wenn auch 
nur in nicht mefsbaren Spuren bildet, alsbald durch Oxydation 
in Wasser verwandelt und ihn dadurch aus dem Reaktionsgebiet 
entfernt. Sie wirkt mit anderen Worten so, dafs sie die Kon- 
zentration des Wasserstoffs aufserordentlich niedrig hält und es 
dadurch dem Metall ermöglicht, weiter in Lösung zu gehen, c 



1) Soll wohl heifsen Zink, denn Zinn gehört doch nach meinen Unter- 
suchungen in die zweite Abteilung. 

2) Ich finde über die Bedeutung des Sauerstoffs für die Zinnlösang bei 
Ostwald nichts Besonderes im speziellen Teil des Buches. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 95 

7. Woher 8tammt der SauerstofT, der zum Lösen des Zinns 

notwendig Ist 

(Freier Sauerstoff, Nitrate.) 

E^ gibt nur drei Sauerstofiquellen, die in Frage kommen 
können : 

1. DiÄ geringen Mengen, welche in dem Büchseninhalt und 
in der kleinen in praxi höchstens 50 ccm betragenden 
Luftschicht darüber enthalten ist; 

2. von aulsen durch irgendwelche Undichtigkeiten zutre- 
tender Sauerstoff und 

3. gebundener Sauerstoff in Form von irgendwelchen chemi- 
schen Verbindungen aus den eingeschlossenen Konserven 
oder dem Kochwasser und den Zusätzen. 

Zinn wird von Weinsäure gelöst nach der Gleichung: 

Sn + 0+COOH C — 00 

OHOH CHOH 8n + H,0 
OHOH ~~ CHOH 
OOOH C-00 

Wir brauchen also für 118 mg Sn: 16 mg Sauerstoff und 
150 mg Weinsäure. Oder 1 mg Sauerstoff kann 13,6 mg Zinn in 
Lösung 6 brauchen, oder 1 mg Zinn braucht 0,074 mg Sauerstoff. 

Prüfen wir nun die Sauerstoff mengen, welche nach 1., 2. 
und 3. zur Verfügung stehen. 

1 1 Wasser kann bei 20^ C 10,9 mg Sauerstoff enthalten, 
bei 60° C, bei welcher Temperatur die Büchsen zur Sterilisierung 
angefüllt werden, nur 5,4 mg. Es ist sehr unwahrscheinlich, dals 
der Zucker, die Säuren und anderen Bestandteile einer Büchsen- 
füUuDg die Sauerstoffaufnahmefähigkeit wesentlich beeinflussen; 
ein etwaiger Einflufs wird immer im Sinne einer Verminderung 
wirken. 

In dem schädlichen Raum, der auf 800 ccm Flüssigkeit nach 
einer Reihe von Versuchen, 30 — 50 — 60 ccm beträgt, also im 
Mittel etwa 60 ccm pro 1 1, wird bis zu 12 ccm = 17,7 mg Sauer- 



96 Über die Angreifbarkeit der verzinnten KonservenbflchBen etc. 

Stoff eingeschlossen sein ; es stehen also bei einer schwach gefüllten 
Büchse etwa 5,4 + 17,7 bis 10,9 + 17,7 mg, d. h. rd. 23—28 mg 
freier Sauerstoff pro 1 zur Verfügung. Oder es können 310,5 
bis 378 mg Zinn pro Kilo gelöst werden. 

Wenn gröfsere Zinnmengen gelöst gefunden werden, so mufs 
noch irgendeine andere Sauerstoff quelle vorhanden sein. 

Bei längerer Versuchsdauer liegt es nahe, an die Möglich- 
keit zu denken, dafs die nicht ganz hermetisch schliefsenden 
Büchsen allmählich etwas Sauerstoff einlassen an Stelle des ab- 
sorbierten, da die meist blols gefalzten Büchsen kaum immer 
absolut luftdicht geschlossen werden können. Der Gaswechsel 
durch diese Offnungen braucht nur sehr langsam zu gehen und 
diese Sauerstoff quelle nur bei sehr langer Aufbewahrung und 
nicht bei allen Büchsen in Frage zu kommen. 

Ich kann für das Vorkommen undichter Büchsen eine inter- 
essante Beobachtung meines Assistenten, Herrn Dr. Krepelka, 
anführen. Er beobachtete an Konserven von Mirabellen, die in 
lackierten Blechbüchsen eingeschlossen waren (in etwa 3 Stück 
unter 30 — 40) eine ziemlich starke Gärung. Der Inhalt war mit 
kleinen Gasbläschen durchsetzt und das charakteristische Knistern 
im Inhalt der Büchse liefs ebenfalls auf eine andauernde lebhafte 
Gasentwicklung schliefsen. Trotzdem war das Aussehen der 
Büchsen vor dem Offnen ganz normal, 'ohne Vorwölbung der 
Endflächen, und beim Öffnen verriet kein Geräusch das Ent- 
weichen von angesammeltem und in der Büchse unter Druck 
stehendem Gas. 

Generaloberarzt Prof. Dr. E. Pf uhP) hat sich ausführlich mit 
der Frage beschäftigt, wie die Dichtigkeit verschlossener Büchsen 
kontrolliert wird oder werden könnte. Aus der Arbeit geht her- 
vor, dafs ihm namentlich bei den gröfseren viereckigen Büchsen 
mehrfach Undichtigkeiten vorgekommen sind ; die kleinen runden 
Büchsen schliefsen viel sicherer. Im übrigen verweise ich auf 
das Original. 



1) Zeitschr. f. Hyg., Bd. 50, S. 316. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 97 

Uin über Vermutungen hinauszukommen, habe ich nach zwei 
Methoden die Dichtigkeit des Verschlusses von leeren Büchsen kon- 
trolliert, die vorher in einer Konseryenfabrik kunstgerecht ver- 
schlossen und durch Bombieren, d. h. Vorwölben der Endflächen 
in heifsem Wasser, als > dichte erkannt waren: 

1. Es wurde auf die Deckel der kunstgerecht verschlossenen 
leeren Büchsen ein kurzes Kupferrohrstück von dem 
Durchmesser eines mittleren Gummistöpsels aufgelötet, 
dann der Deckel im Gebiete dieses Rohraufsatzes durch- 
stochen, ein durchbohrter Gummistöpsel in das Rohrstück 
eingepafst und unter Anbringung eines seitenständigen 
Manometers in die unter Wasser getauchte Büchse Luft 
eingeprefst. Undichtigkeiten verrieten sich durch Gasent- 
weichen. Nach dieser Methode wurden 24 Büchsen unter- 
sucht, nur zwei, die vorher bombiert hatten, zeigten bei 
14 mm Quecksilberüberdruck eine Durchlässigkeit. Hierauf 
wurden neun ältere gefüllte Konservendosen genau auf 
die gleiche Weise geprüft und darunter bei einem Druck 
von 14 mm Quecksilber nur eine durchlässig gefunden. 

2. Es wurde etwas schwach feuchte Bleiazetatwatte in die 
Büchsen gegeben, dieselben wie gewöhnlich verschlossen, 
auf Bombieren geprüft und in geräumige Glasgefäfse ge- 
stellt, die mit Schwefelwasserstoff gefüllt und verschlossen 
wurden. Natürlich wurden die Büchsen vor dem Offnen 
aufsen gewaschen, abgetrocknet und in einen Raum frei 
von Schwefelwasserstoff gebracht. 

I. Serie. 21 Büchsen von 850 ccm Inhalt wurden der Bom- 
bierprobe unterzogen, nur eine bombierte nicht. Nach 40tägigem 
Aufenthalt in Schwefelwasserstoff zeigte beim Offnen der Büchsen 
die Watte in der nichtbombierten und in vier bombierten Büchsen 
deutliche Schwärzung, die Watte in den anderen war nicht ge- 
schwärzt. Also 4 auf 20 oder 20% nicht dichte Büchsen! 

II. Serie. 62 Büchsen von 400 ccm Inhalt, aber dem gleichen 
Querschnitt (8 cm) wie die erste Serie, ergaben bei der Bombier- 
probe nur eine Büchse, die nicht bombierte. Nach 3 Wochen 

ArchiT für Hygiene. Bd. LXIII. 7 



98 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 

geöffnet, waren aufser der nicht bombierten noch zwei andere 
durch Schwärzung der Bleiwatte als durchlässig erkannt. Also 
waren von 61 bombierten Büchsen zwei, d. h. 3,3%, undicht. 

Die verschieden guten Resultate der ersten und zweiten Ver- 
suchsreihe könnten sich zunächst durch verschiedene Sorgfalt 
beim Schlielsen der Büchsen erklären, namentlich soll der Apparat 
zum Schliefsen verschieden genau eingestellt werden können. 

Alle diese Versuche zusammen zeigen deutlich, dafs es sehr 
leicht vorkommen kann, dafs von einer Büchsenserie ein 
erheblicher Teil zwar genügend dicht schliefst, um zu 
bombieren, aber nicht dicht genug, um nicht einen 
bescheidenen Gaswechsel zu gestatten, dafs also die 
Bombierprobe nicht sehr fein ist. 

Als ich nach Verbindungen in den Konserven suchte, die 
chemisch gebundenen Sauerstoff abgeben könnten, kam 
ich sofort auf die Nitrate. 

Es gibt in der Tat in Vegetabilien weit verbreitet salpeter- 
saure Salze, welche sehr wohl imstande sind, wie ein einfacher 
Versuch zeigte, auch bei Sauerstoffabschluls der Weinsäure die 
Eigenschaft zu erteilen, Zinn zu lösen. Aufserdem ist nicht zu 
vergessen, dafs bei den Konserven, die mit Hilfe von Wasser 
bereitet werden, sehr erhebliche Nitratmengen aus dem Wasser 
in den Büchseninhalt gelangen können. 

Nach Satter und A 1 w e n s finden sich in 100 g Trockensubstanz von 

Boten Rüben 1,92 g Salpetersflure 

Weifsen > 1,89 g 

Runkelrüben ...:.. 1,67 g 

Kopfsalat 1,62 g 

Erdkohlraben 1,18 g 

Blumenkohl 1,18 g 

Der Gehalt an Nitraten hängt von dem Salpetergehalt des 
Bodens, der Düngung und auch der Witterung stark ab. Im 
Maximum fanden die genannten Forscher in der weifsen Rübe 
3,5%, in der roten Rübe 2%, im Mais 0,55% Salpetersäure in 
der Trockensubstanz. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 99 

Über den Nitratgehalt an Früchten habe ich nichts ge- 
funden.^) 

Eigene Untersuchungen über den Nitratgehalt von Vegeta- 
bilien, insbesondere von Früchten, ergaben folgendes: 

Mit Diphenylamin und Schwefelsäure erhielt ich beim Ein- 
bringen kleiner Fragmente des frischen Vegetabils Reaktion mit 
folgenden Knollen und Zwiebeln : 

Radieschen sehr stark 

Rettich sehr stark 

Kohlrabi sehr stark 

Rote Rübe sehr stark 

KartofFelschale kräftig 

Gelbe Rübe I sehr stark 

Gelbe Rübe II negativ 

Zwiebel sehr stark 

Lauch schwach. 

Stengel und Blätter wurden untersucht mit folgenden Re- 
sultaten : 

Lauchblatt I sehr schwach 

Lauchblatt II sehr deutlich 

Spargel negativ (mehrmals) 

Kohlrabiblattstiel schwach 

Sellerieblattstiel schwach 

Radieschenblattstiel .... deutlich 

Spinatblattstiel schwach 

Gelbe Rübeblattstiel .... deutlich 

Mangoldblattstiel sehr stark 

Rote Rübeblattstiel .... sehr stark 

Blumenkohlstengel sehr stark 

Blumenkohlblattschuppen . . schwach 

Blumenkohlblütenknospen . . negativ. 

^) Vgl. E. £bermayer, Physiologische Chemie der Pflanzen. Berlin 1882. 
S. 67, wo sich sahireiche Analysen finden. Weitere Literatar gaben E. and 
H. S c h a 1 z e and H. Groaven in: * Landwirtschaftliche Versachsstationen « . 
Bd. 8 und 9. ökonomische Fortschritte 1867. S. 97. 



100 über die Angreifbarkeit der yerzinnten Konservenbüchsen etc. 

Besonders habe ich mir die Untersuchung von Früchten an- 
gelegen sein lassen: 

Gurken (äulserste Fruchtschicht) . positiv 

Gurken (Inneres) negativ 

Erbsen (Schote) sehr schwach positiv 

Erbsen (Samen) mehrmals negativ 

Grüne Bohnen sehr stark positiv. 

Alle Untersuchungen mit Obst verliefen durch- 
weg negativ und zwar sind untersucht: Rote und schwarze 
Süfskirschen und Sauerkirschen, rote und gelbe Pflaumen, Birnen, 
Orangen, Aprikosen, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Erdbeeren, 
Heidelbeeren, Himbeeren, japanische Mispeln. 

Die Untersuchung wurde mehrfach ausgeführt, teils mit 
kleinen, frischen Fruchtstückchen direkt, teils mit Prefssaft, teils 
mit filtrierten Abkochungen und endlich mit Dialysaten der Prefs- 
Säfte. Ebensowenig erhielt ich ein Resultat, als ich BYuchtsaft 
(Heidelbeere, Himbeere) kochte, filtrierte, mit Bleiazetat und einer 
Spur Ammoniak fällte und das Filtrat entbleite. 

Setzt man einem frischen, durch Abkochung der Früchte mit 
etwas Wasser und Filtrieren erhaltenen Fruchtsaft etwas Nitrat- 
lösung zu und reinigt ihn nachher mit Bleiazetat, Ammoniak und 
Soda, so ist in 1 ccm des annähernd farblosen Filtrats Nitrat nur 
nachweisbar, wenn pro 1 1 bei Heidelbeeren 40 mg Natrium- 
nitrat, bei Himbeersaft mindestens 100 mg zugesetzt sind. 

Bereitet man zuerst durch Kochen der Früchte mit Wasser 
einen starken Fruchtsaft und setzt dann Nitrat zu, so gelingt der 
Nachweis nach der Diphenylaminmethode unter Verwendung von 
1 ccm Saft, wenn 50 mg NaNOg im Liter enthalten sind. Auch 
nach 6 stündigem Stehen des nitrathaltigen Fruchtsafts tritt die 
Reaktion ein. Besondere Versuche zeigten uns, dafs in 20pro2. 
Zuckerlösung noch 100 mg NaNOg pro 1 1 sicher nachweisbar 
sind. Bei 50 mg pro 1 1 wird der Nachweis zweifelhaft. 

Auch den Nachweis der Nitrate nach dem neuen Verfahren 
von Busch durch Fällung mit »Nitren« (Diphenylendanilodihydro- 
triazol) haben wir versucht. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 101 

Das käufliche Reagens wurde vorschriftsmärsig zu 10 ^/q in 
öproz. Elssigsäure gelöst und so eine blafs violette Lösung er- 
halten. 

In reinen Nitratlösungen erhält man noch deutliche Nieder- 
schläge bei 30 mg Natriumnitrat im Liter, wenn man 1 — 2 ccm 
zur Reaktion verwendet, einige Tropfen Schwefelsäure zusetzt, 
aufkocht, einige Tropfen Reagens zugibt und abkühlt. Wollte 
man schwächere Lösungen untersuchen, so mülste man sie ein- 
dampfen ; gröfsere Mengen, etwa von 60 mg im Liter ab, geben 
prachtvolle Niederschläge. Zuckerzusatz von 20% macht die 
Reaktion unsicherer, doch erhielten wir bei 80 mg NaNOs im 
Liter noch deutlich positive Reaktion, bei 40 mg im Liter' war die 
Reaktion sehr zweifelhaft bei Verwendung von 1 — 2 ccm Nitrat- 
lösnng. 

Um in Fruchtsäften eine NitronfäUung zu erhalten, mufs 
man dem frisch gekochten Heidelbeersaft pro 1 1 310 mg Natrium- 
nitrat zusetzen; bei Himbeersaft war noch bei 180 mg pro 1 1 
die Reaktion positiv. In mit Bleiazetat, Ammoniak und Soda 
gereinigten Fruchtsäften aus Heidelbeeren und Himbeeren, denen 
vor dieser Behandlung (im frischen Zustande) Nitrat zugesetzt 
worden war, wurde dieses erst bei 250 mg im Liter unzweifelhaft 
nachweisbar. 

Aus diesen Ergebnissen geht hervor, dafs meine 
negativen Resultate bei der Untersuchung von Obst 
auf Nitrate nicht beweisen, dafs kein Nitrat da ist, 
nur dafs die Mengen^kleiner als etwa 50mg im Liter 
sind. Es wurden eigentlich in keinem Pflanzenteil, den man in 
Blechbüchsen aufzubewahren pflegt, aufser grünen Bohnen nennens- 
werte Nitratmengen gefunden. Zweifelhaft bleibt es mir aller- 
dingS; ob nicht Spargel gelegentlich bei geeigneter Düngung 
nitrathaltig resp. nitratreich werden. Doch schien es unter allen 
Umständen der Mühe wert, den Einflufs der Nitrate auf die Zinn- 
lösung zu untersuchen. 

Wie reagiert nun Zinn mit Salpetersäure? 



102 t}ber die Angreifbarkeit der verzinnten KonservenbOchsen etc. 

Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dafs zunächst die Reaktion 

auftritt 

NOsH + Sn = NO2H + SnO. 

Es ist mir aber nur im Anfang unserer Untersuchungen 
gelungen, salpetrige Säure beim Schütteln von Zinn mit Wein- 
säure und Nitrat zu finden. Später mifslang die Reaktion, ob 
ich Schwefelsäure oder Weinsäure anwendete. 

Nach der Literatur tritt aus Zinn und Salpetersäure auch 
Ammoniak und Hydroxylamin auf, was folgende Gleichungen 
veranschaulichen : 

NOsH + Sn = SnO -f- NO2H 

N02H + 2Sn + H20 = 2SnO + N0H8 

NO Hg + Sn = NH3 + S»0 

Es würde dies bedeuten, dafs 1 NOg H 4 Sauerstoff lieferten 
und 4 Atome Zinn zu Zinnoxyd oxydieren. 

1 N2O5 = 2 NOsH = 2 NHs =: 8 O = 8 Sn 
1 mg N2O6 = 1,2 mg Sauerstoff = 8,9 mg Zinn 

= 0,31 mg Ammoniak, 
1 mg Sauerstoff = 0,27 mg Ammoniak = 7,4 Zinn 
1 mg Ammoniak = 287 mg Zinn. 

Es wurde zunächst ein Orientierungsversuch angestellt: Es 
wurden in zwei Proben von je 100 ccm l,5proz. Weinsäure 
0,170 g Natriumnitrat (=0,108 g NgOß) gelöst und 100 qcm Zinn- 
blech (auf beiden Seiten gemessen) eingestellt. Das eine Gläs- 
chen wurde ganz gefüllt und vom Sauerstoff abgeschlossen, das 
andere offen stehen lassen. Nach 6 Tagen Stehen bei Zimmer- 
temperatur enthielten: 

das offene Gläschen 2,27 mg N H3 und deutlich Nitrit 

» verschlossene » 0,51 mg N Hs » » » 

Die Möglichkeit, dafs das offene Gläschen etwas Ammoniak 
aus der Luft aufgenommen haben kann, ist nicht zu bestreiten, 
immerhin ist beim geschlossenen Gläschen die Reduktion der 
Salpetersäure bis zum Ammoniak unzweifelhaft. 



Von Prof. Dr. K. B. Ijehmftnn. 103 

Spätere quantitative Ergebnisse lauteten: 

Es wurden zweimal 100 qcm Zinn mit je 170 mg NOgNa 
und 500 com 1 proz. Weinsäure in eine ^/2-Literflasche luftfrei ein- 
geschlossen (Flasche B und C) und zweimal die gleiche Mischung 
in eine halbvolle Literflasche eingeschlossen (Flasche B) und die 
Literflasche öfters umgeschüttelt und der Stöpsel gelüftet. Die 
Untersuchung ergab: 

Tabelle XV. 

Nach 4 Wochen: 

mit Luftzatritt ohne Laftsatritt 

I. 1,98 mg NH, (A) III. 2,08 mg NH, (B) 

Kein Nitrit. Kein Nitrit. 

Nach 8 Wochen* 
n. 3,01 mg NH,») (A) IV. 2,52 mg NH, (0) 

Kein Nitrit. Kein Nitrit 

Aus dem ganzen Nitrat hätten 34 mg N Hg entstehen können, 
es geht also die Nitratreduktion unter den gewählten Bedingungen 
nur sehr langsam bis zum Ammoniak vor sich. 

In einer Bestimmung (Nr. IV) wurde auch das gelöste Zinn 
bestimmt und 91,6 mg gefunden, die 12,4 mg Sauersto£E zur 
Lösung brauchen, die entstehen, wenn 10,3 mg N2O5 3,2 mg 
Ammoniak liefern. Die gefundenen 2,52 mg Ammoniak ent- 

2 52 

sprechen (s. unten) j^ = 9,6 mg Sauerstoff und die übrigen 

2,8 mg waren gasförmig in den 500 ccm Wasser gelöst. 

In einem dritten Versuch wurde blofs die Lösung des Zinns 
mit und ohne Nitratzusatz zur Weinsäure untersucht (Tab. XVI). 

Ein vierter Versuch ermittelte Zinnlösung und Ammoniak- 
bUdung bei gleichzeitiger Anwesenheit von Weinsäure, Nitrat und 
Zinn und prüfte die Wirkung des Zuckers auf den Vorgang. 
(Tabelle XVII.) 



') Diese Zahl ist zu grofs. Sie wurde gewonnen durch Analyse von 
250 ccm, die in Flasche A nach der ersten Analyse noch weitere 4 Wochen 

gestanden hatten. Während dieser zweiten Versuchshftlfte war das Ver* i 

h&ltnis von Zinnflftche su FlQssigkeitsmenge doppelt so grofs als in den drei | 

übrigen Proben. Es ist damit wohl auch erklärt, dafs die Ammoniakmenge, ! 

die bei G gegenüber B um 5 mg zunahm, sich in A um 10 gegenüber Ana- 
lyse I gehoben hat. '. 



104 Über die Angreifbarkeit der yersinnten KonservenbüchBen etc. 



Tabelle XVI. 

Einflufs der Nitrate aal die Löslichkeit von 100 qcm Zinn in 500 ccm Wein- 
säure, fest verschlossen in 6 Wochen: 



IVo Weinsäure 



17o Weinsäure 
+ 10mgN,0, 



Vl^ Weinsäure 
+ 50mgN,O5 



P/o Weinsäure 
+200mgN,O» 



Zinn in mg . 

Aussehen 
Zinns 



.'"] 



ganz blank 



23 
blank 



37 
Spur graulich 



116 
stärker grau 



Das wäre fQr Büchsen mit 410 qcm Oberfläche und 850 ccm Inhalt, 
wenn man die LOslichkeit als der Oberfläche proportional annimmt und auf 
1000 umrechnet, etwa: 



Zinn in mg . . 



19 



111 



178 



559 



Tabelle XVH. 
100 qcm Zinn 500 ccm Weinsäure, fest verschlossen 6 Wochen aufbewahrt 





IVo Weinsäure 


V/o Weinsäure 
+ ßON,05 


l°/o Weinsäure 
+ 200 N,0, 


Zinn in mg .... 
Ammoniak in mg . . 


13 


25 
2,7 


144 
4,8 




iVo Weinsäure 
20<»/o Rohrzucker 


l«/o Weinsäure 

20®/o Rohrzucker 

50 N,Oj 


VIo Weinsäure 

20o/o Rohrzucker 

300 N.O, 


Zinn in mg .... 
Ammoniak in mg . . 


16 


26 
3,0 


66 
4.0 



Durch Reduktion des Nitrats zu dem gefundenen Ammoniak 
hätten gelöst werden können: 



a) ohne Zucker 17,5 

» 1 137 

b) mit Zucker 86 

» 115 



(durch 2,7 Ammoniak) 
( »4,8 » ) 

( » 3,0 » ) 

( » 4,0 » ) 



Also ist durch die Nitratreduktion auch hier der erforder- 
liche Sauerstoff wirklich beschafft. 

Der Zucker ist auf die Nitratreduktion von zweifelhaftem 
Einflufs, auf die Zinnlösung wirkt er hemmend (s. unten). 



Von Prof. Dr. K. B. r^hmann. 105 

Während unserer Untersuchungen sind auch über den Ein- 
flufs der Nitrate auf die Lösung des Bleis interessante Studien 
veröffentlicht, die mir aber erst nach Abschlufs meiner Arbeiten 
bekannt wurden. 

Rui^iöka hat in einer kurzen aber wertvollen Studie gezeigt, 
daüs Nitrate die Bleilösung eines Wassers sehr erhöhen, ohne 
zu versuchen, diese — auch früher schon von einzelnen Autoren 
gemachte — Beobachtung zu erklftren. Der Autor lälst es auch 
unentschieden, ob überhaupt Blei von ganz luftfreiem Wasser 
gelöst werde, während er die mächtige Förderung der Bleilösung 
durch Luft anerkennt. (A. f. H. XL, S. 44.) 

Fortner (A. f. H. LIV, 329) hat ebenfalls eine Beobachtung 
gemacht, die für die Bedeutung der Nitrate für Bleiaufnahme 
spricht. Er macht aufserdem auf eine Stelle bei Schönbein 
aufmerksam, in der dieser Forscher schon 1861 die Reduktion 
von Alkalinitraten durch Blei, Kadmium, Zink, Kalium und 
Natrium beschrieben hat, während er keine reduzierende Wirkung 
von Eisen, Zinn und Aluminium finden konnte. Den Vorgang 
der Bleilösung denkt sich Fortner folgendermafsen : 

«Die im Wasser vorhandenen HO Jonen (von der Jonisation 
des Wassers herstammend) und die aus den Nitraten stammenden 
NOgJonen wirken bleilösend, der hierdurch disponibel werdende 
Wasserstoff hat nun Gelegenheit, auf einen Teil der vorhandenen 
Nitrate reduzierend zu wirken und dadurch die Bildung von sal- 
petriger Säure bzw. Nitriten zu veranlassen. € An anderer Stelle 
spricht es der Autor nochmals aus, dafs er es für nicht not- 
wendig hält, im destillierten Wasser gelösten Sauerstoff zur Lösung 
des Bleis anzunehmen, er betrachtet die schwache Jonisierung 
des destillierten Wassers als ausreichend zur Erklärung der ge- 
ringen Bleilösung durch ausgekochtes Wasser. 

8. Läfat 8ich der in Konserven beobachtete Zinngehalt 
nach dem Vorliegenden verstehen? 

Wir sahen, dafs — auf 1 Kilo Flüssigkeit ausgerechnet — 
etwa 23 — 28 mg freier Sauerstoff zur Verfügung steht, der etwa 
310 — 378 mg Zinn pro Kilo lösen kann — die höchste Zahl, die 



106 t)ber die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 

ich selbst für 1 Kilo Fruchtsaft gelöst fand, war 339 — , wir 
können also unsere Zahlen alle erklären durch den freien 
Sauerstoff allein, ohne Annahme einer Undichtigkeit der Büchsen 
oder Zuhilfenahme der Nitrate. 

Die höchsten Zahlen, die mir überhaupt bekannt sind, sind 
— selbstgefunden — 450 mg Zinn für die Randpartien der lang 
aufbewahrten Delikatelshäringe, aus der Literatur 404 und 600 mg 
in Spargel, 600 mg in Brombeeren. 

Keine dieser Zahlen macht Schwierigkeiten, sowie wir an- 
nehmen, dafs Nitrate im verwendeten Wasser oder Kochsalz vor- 
handen waren, jedes mg N2O5 pro 1 erklärt uns je 8,9 mg Zinn, 
Wässer mit 100 mg N2O5 sind durchaus nicht selten, und die 
Zeit, um genügend Nitrat zu reduzieren, ist ja in alten Kon- 
serven reichlich gegeben. 

Die Nitrate werden wir wohl namentlich da zur Erklärung 
heranziehen dürfen, wo viel Wasser verwendet wird. Die Frucht- 
säfte sollen nur sehr wenig Wasser enthalten (etwa 10 — 20®/o), 
aber Kompottfrüchte werden erst in Wasser gedünstet und dann 
in Zuckerwasser eingelegt, wodurch etwa 40% Wasser in die 
Büchse kommt, ebenso ist es mit Erbsen, Spargel usw. 

Auffallend wird auf den ersten Blick erscheinen, dafs auch 

so schwach saure Flüssigkeiten, wie Spargelbrühe, Zinn lösen. 

118 
Bedenken wir aber, dafs 1 ccm Normalsäure schon für —^ = 59 mg 

Zinn ausreicht, dafs also 4 ccm Normalsäure genügen, um die 
ganzen 200 — 250 rag Zinn in 1 1 Spargelkonserve zu lösen, so 
wird uns dies beruhigen.^) Dabei ist weiter zu beachten, dafs 
die Spargelstengel etwa dreimal so zinnreich sind wie die Spargel- 
brühe, was wohl so gedeutet werden darf, dafs die durch die 
schwache Säure der Brühe gelöste Zinnmenge immer wieder 
durch die Albuminate der Stengel ausgefällt wird, wodurch neue 
Säuremengen zur Zinnlösung verfügbar werden. 



^) Die Azidität der Spargelbrühe ist etwa einer -^r-r Normalsäare ent- 
sprechend. Enthalten 1000 ccm Spargel and Brühe 400 ccm Brühe, so ent- 
spricht dies 4 ccm Normals&ure. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



107 



Hier mag auch angeführt sein, dafs ein Kochsalzzusatz 
die Zinnlösung der Weinsäure sehr beschleunigt. 

Es tauchten diesmal 100 qcm Zinn (auf beiden Seiten ge- 
messen) in nur 100 ccm Flüssigkeit, in den Proben ohne Luft- 
zutritt war das Fläschchen klein und vollständig gefüllt, in den 
anderen Proben tauchte das Zinn zwar auch ganz unter, aber 
68 stand reichlich Luft über dem Flüssigkeitsspiegel, da eine 
grofse Flasche verwendet wurde. 

Tabelle XVIH. 
100 ccm FlflSBigkeit nnd 100 qcm Zinn liefern in 4 Wochen: 



In 100 ccm sind 

4% Na Ol 



In 100 ccm sind 

4Vo Na Ol 

4- 20 ccm Nor- 

malweinsäare 



In 100 ccm sind 

20 ccm Normal- 

weinsäare 



Ohne Lafteutritt 
Mit Laftza tritt . 



2^ 
&,7 



5,8 
241,5 



3,9 
106,0 



Aber auch zu dieser Lösungsverstarkung ist Luft resp. Sauer- 
stoff nötig. 



9. Ober den Einflurs des ÖfTnene der Konservenbüchsen mit 
vegetabilischem Inhait auf den Zinngehait des Inhalts. Wiricung 

des Zuckers und der Viskosität. 

Da Luftzutritt für die Zinnlösung ein mafsgebender Faktor 
ist, so war zu prüfen, inwieweit eine Zunahme des Zinngehalts 
im Büchseninhalt eintritt, wenn man Büchsen o£fen stehen läfst. 

Als Vorversuch diente eine Reihe, bei der 100 qcm Zinn 
(die Oberfläche beider Seiten gerechnet) in offene Gläser einge- 
stellt wurden, welche je 100 ccm Weinsäurelösung enthielten. 
Das Zinnstück ragte eine Spur über den Flüssigkeitsspiegel empor. 





Tabelle XIX. 




nach 8 Tagen nach 14 Tagen 


I. Weinsäure 


Viot 0,075 Vo 27,9 mg - 88,3 mg, 


II. . • 


V,o 0,376^0 — B4,9 * - 111.4 > 


III. 


Vio 0,76 % --- 116.7 » — 212,6 . > 


IV. 


Vs 1,6 7o - 176.7 * - 366,0 » 


V. > 


V, 3,76 o/o — 293,6 * — 630,9 » 


VI. Normalweins. 7,6 •/« — 846,2 > — 817,7 * 



108 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 

Das würde für Büchsen mit 410 qcm Oberfläche und 850 ccm 
Inhalt, wenn ich annehme, dafs die Lösung der Zinnoberfläche 
proportional ist und auf 1000 umrechne, etwa ergeben: 







nach 8 Tagen nach 14 Ta^en 


1. Weinsäure 


•/,.. 


0,075% — 134 mg — 183 mg, 


II, 


'/.« 


0.375 7o — 409 > — 535 > 


III. » 


V,. 


0,75 °/o — 564 . — 1027 > 


IV. » 


Vs 


1,5 «/o - 849 » — 1717 > 


V. > 


'/. 


3,76 % — 1417 » — 2649 » 


VI. Normalweine. 


7,5 Vo — 1669 > — 3946 > 



Diese Zahlen dürften etwas zu grols sein, denn der Sauer- 
stoff dringt in den tiefen Büchsen nicht so leicht zum Grunde 
wie in den weniger tiefen Bechergläsern. 

Immerhin zeigen aber diese Zahlen unzweifelhaft, dafs bei 
allen hier gewählten Konzentrationen der Säure mit der Dauer 
des Versuches auch die Menge des gelösten Zinns steigt, und 
zwar um so stärker, je konzentrierter die Säure. 

Nun wurden eine Anzahl gekaufter Büchsen mit verschieden- 
artigem Inhalt geöffnet, die. Azidität und der Zinngehalt ihres 
Inhalts bestimmt, die teilweise entleerten Büchsen liefs man im 
Laboratorium stehen und analysierte ihren Inhalt nach 8 und 
14 Tagen wieder. 

Die ziemlich überraschenden Resultate der Untersuchung 
gibt folgende Tabelle: 

Tabelle XX. 
Anf 1000 ccm umgerechnet: 



Azidität 



= Wein- 
säure 



Frisch 



Nach 
8 Tagen 



Nach 
14 Tagen 



Johannisbeersaft ^) 
(Büchse innen lackiert) 

Spargel 
(Brühe u. Stengel gemischt) 

(Büchse nicht lackiert) 



Ve Normal- 
säure 



Vin« Normal- 



100 



1,5% 



0,076 Vc 



39 mg 



103 



säure 



46 mg 



153 



181 mg 



Die Zahlen sind das Mittel von je 2 gut übereinstimmenden 
Kontrollversuchen. 



1) richtiger Johannisbeersirup vgl. S. 70. 



Von Prof. Dr. K. 6. Lehmann. 109 

Spargel haben in der Zinnbüchse, offen stehend, somit in 
8 Tagen 50 mg , in 14 Tagen 78 mg gelöst — recht erheblich 
weniger als eine wässerige reine ^/^qq Weinsäurelösung, welche in 
8 Tagen 134, in 14 Tagen 183 mg löste. 

Die geringe Zinnlösung des Johannisbeersaftes erklärt sich 
einstweilen einfach durch die Lackierung der Büchse. Um die 
ziunlösende Kraft des fraglichen Johannisbeersaftes sicherzustellen, 
wurden 100 ccm desselben in ein Becherglas gefüllt und 100 qcm 
reines Zinnblech bei Luftzutritt eingetaucht, es lösten sich auch 
so in 8 Tagen nur 33,7 mg, eine merkliche aber gegenüber den 
Werten von Tabelle XIX (175,7 mgl) auffallend kleine Menge. 

Es unterlag sofort keinem Zweifel, dafs wir bei den pflanz- 
lichen Konserven einem neuen Faktor gegenüberstanden, der 
hemmend auf die Zinnlösung wirkt. 

E^ schien von vornherein namentlich zweierlei möglich: 

1. Es beeinäufst die Viskosität der Fruchtsaftlösung 
die Bewegung der Flüssigkeit in den Büchsen ungünstig. 
Während eine Weinsäurelösung, die die Büchse ganz 
ausfüllt, fortwährend in durch TemperaturdifEereuzen ver- 
ursachter Bewegung ist, wird diese Bewegung, dank Kle* 
brigkeit und Zähflüssigkeit der Lösung, gehemmt. Es 
bleiben also viel mehr als wie in reinen wässerigen Lö- 
sungen die gleichen Säureteilchen längere Zeit mit der 
Wandung in Berührung, auch der Sauerstoff dringt 
schwerer ein. 

2. Es kommt allein auf gewisse chemische Bestandteile des 
Büchseninhalts an, namentlich schien es möglich, dafs 
der Zucker die Zinnlösung stört.^) 

Um diese Frage zu entscheiden, wurden spezielle Versuche 
mit Fruchtsaft, dann mit Weinsäure derselben Azidität ohne und 
mit Zugabe von Rohrzucker resp. Kapillärsirup resp. Agar und 
schliefslich Qelatine angestellt. 

1) Die Btörende Wirkung des Zuckers auf die Lösung des Kupfers habe 
ich Bchon vor Jahren einer experimentellen Untersuchung unterworfen. 



110 über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbacbsen etc. 



Kapillärsirup wird den Fruchtsäften des Handels in sehr 
erheblichen Mengen zugesetzt. Kapillärsirup (Karto£Eelstärke- 
sirup) bezog ich von einer grofsen Konservenfabrik als ungemein 
dickflüssige, farblose, wenig süfse, in der Kälte sehr zähe, in der 
Wärme leidlich flüssige Masse vom spezifischen Gewicht 1,4 bei 
73°. Bei niedrigeren Temperaturen stiefs die Bestimmung mit 
dem Areometer auf Schwierigkeiten wegen der aufserordentlichen 
Klebrigkeit der Masse. So hatte ich also im Kapillärsirup, der 
eine sehr stark dextrinhaltige Zuckerlösung darstellt, einen zucker- 
haltigen imd gleichzeitig sehr viskosen StofE. Er soll enthalten 
50 — 75% Döxtrose und 16 — 30% Dextrin, aufserdem etwas Mal- 
tose, Asche und nach unserer Analyse 13,8% Wasser. Starke 
Rohrzuckerlösungen allein sind zuckerreich, ohne viskos zu sein. 

Zur Anstellung der Versuche bedienten wir uns kleiner 
Bechergläser von ca. 200 ccm Volumen. Die Zinnplättchen 
waren darin so eingestellt, dafs jedesmal gerade 100 qcm Ober- 
fläche auf beiden Seiten zusammen in die Lösung eintauchten, 
während ihr freier Rand einige Millimeter über den Flüssigkeits- 
spiegel herausragte. Die Lösungen bestanden teils aus reinem käuf- 
lichen Johannisbeersaft, teils aus gleichstark sauren Weinsäure- 
lösungen, aus einem Gemisch von Kapillärsirup und Weinsäure- 
lösungen mit und ohne Zuckerzusatz und schliefslich aus einem 
Gemisch von Weinsäure und Gelatine, und Weinsäure und Agar. 
Alle Lösungen waren auf 100 ccm Volum gebracht und gut ge- 
mischt, was bei der Dickflüssigkeit des Sirups nicht ohne Schwie- 
rigkeit zu erreichen war. Es waren folgende Proben aufgestellt : 

I. 100 ccm Frachtsaft von der Azidität 17. 
II. 1? ccm Norm.-Weinsftare -f- 88 ccm Wasser 



lU. 


17 t 


IV. 


17 . 


V. 


17 » 


VI. 


17 . 


vn. 


17 » 


VTTT. 


17 . 


IX. 


17 > 


X. 


17 > 


XI. 


17 » 



+ 30 
+ 60 
-f 60 
+ 70 
-f 83 
+ 30 



Kap.-Sir. -f" ^ ccm Wasser 
> 4- 33 > 

-j- 23 > 
+ 13 » 



> -f- 20 g Rohrzucker + 
Wasser = 100 ccm 
+ 30 g gelöst. Bohrzuck. + Wasser = 100 ccm 
-|- 20proz. OelatinelOsung =100 > 

-f 2 proz. Agar = 100 > 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



111 



Die Lösungen von 30 g Zucker sind nicht viskos, von 
30 ccm Eapillärsirup schwach viskos, von 50 com ab stark vis- 
kOs, etwa wie Fruchtsaft. Die Gelatine und der Agar waren fest 
erstarrt; die Zinnstücke wurden eingeführt, ehe die Erstarrung 
eintrat. 

Sämtliche Proben wurden doppelt angesetzt. 

Nach 8 Tagen wurden die Zinnstückchen herausgenommen 
and das gelöste Zinn bestimmt. 

Es darf nicht weiter wundernehmen, dals die Resultate 
der Kontrollen bis zu 4 mg auseinandergehen, da es ungemein 
schwierig war, gerade 100 qcm der Zinnplättchen in die Lösungen 
eintauchen zu lassen, da ja bei der geringsten Erschütterung und 
einem notwendig werdenden Transporte kleine Verschiebungen 
eintreten mufsten, so dafs dadurch den Flüssigkeiten vielleicht 
eine etwas gröfsere oder geringere AngrifEsfl&che geboten wurde. 
Die Resultate folgen tabellarisch. 

Tabelle XXI. 

Einflols des Zackergehaltes and der Viskosität des LöBangsmittels aaf die 

LOelichkeit von Zinn. 



In 100 ccm Flassigkeit 



lind aaßer dem cum Auflflllen auf 100 ccm nötigen 

Wasser 



finden sich nach 
8 Tagen gelöst mg 8n 



Analyse 
A. 



Analyse 
B. 



Mittel- 
werte 



17 
17 

17 

17 

17 
17 
17 
17 
lOO 

17 
17 



ccm 



» 

> 
> 



Normalweinsftare 

m 

> -f- 30 g Rohrsacker . . 

> -|- 80 ccm Kapillärsirap . 

-{- 20 g Rohrzacker . . 

> -|- 60 ccm Kapillftnirop . 
» -j- 60 > > 

+ 70 > 

* 4- 83 > > 

käoflicher Johannisbeersaft (ohne Wasser- 

zusats) 

Normalweinsaore -f- ^ g Gelatine . . . 
» + 2 g Agar 



99,8 
55,0 
51,09 

30,6 
37,7 
26,7 
18,8 
5,5 

11,7 

16,5 

113,9 



104,5 
51,9 

48,7 

30,6 
36,9 
28,2 

17,2 
7,8 

9,4 

16,7 

110,04 



102,1 
53,4 
49,9 

30,6 
37,3 
27,4 
18,0 
6,6 

10,5 

16,1 

111,9 



112 t}ber die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 



Die Ergebnisse der ersten 8 Proben zeigen, dafs die Lös- 
licbkeit des Zinns ungefähr in demselben Mafse abnimmt, als 
die Konzentration des Kapillärsirups . steigt, und dafür konnte 
ja die zunehmende Viskosität im Verein mit dem Steigen des 
Zuckergehaltes anzuschuldigen sein. Allerdings ist es schon 
höchst auffallend, dafs Lösungen, die blofs aus Weinsäure und 
zuckerhaltigem Wasser bestehen, und die durchaus nicht viskos 
sind, die Zinnlöslichkeit auf fast die Hälfte reduzieren im Vergleich 
zu den gleichstark sauren Weinsäurelösungen ohne Zuckerzusatz. 

Wie aber soll man es sich erklären, wenn eine Probe, die 
aufser Weinsäure nur Agar enthält und infolgedessen zu einer 
gallertigen Masse erstarrt war, wo also eine Verschiebung der 
einzelnen Teile durch Wärmedifferenzen völlig ausgeschlossen 
war, eine Zinnmenge zur Auflösung bringt, die sogar diejenige 
gleichstark saurer Weinsäurelösungen etwas übertrifft? 

Dieses eine Resultat beweist uns zur Genüge, dafs nicht die 
Viskosität der zuckerhaltigen Lösung das entscheidende Hinder- 
nis für die Zinnlösung sein kann. * Der Zuckergehalt einer Lö- 
sung allein ist von gröfstem Einflufs für die Menge des aufzu- 
lösenden Zinns. 

Ich beziehe demgemäfs die geringe Zinnlösung des offen 
stehenden sülsen Fruchtsaftes auf die Anwesenheit gröfserer 
Zuckermengen. 

Die enorm hemmende Wirkung der Gelatine läfst sich ganz 
ungezwungen durch ihre säurebindende Eigenschaft erklären. 

Tabelle XXn. 
Einflufs von Zucker, Quittenschleim und Agar auf die Lösung von Zinn in 

Weinsäure. 

Zinn gelöst in Milligramm in 8 Tagen : 

A. : 100 qcm Zinn tauchen in 100 ccm Flüssigkeit ein, 1 cm ragt heraus. 

In den 100 ccm Flüssigkeit sind enthalten: 



17 ccm Normal- 
weinsäure 

1 


17 ccm Normal- 
1 Weinsäure 

! + 20 o/o Zucker 

1 1 


17 ccm Normal- 
weinsäure 
-{- 2% Agar 


17 ccm Normal- 
1 Weinsäure 
-{- Quittenachleim *) 


a 
146 


b 
124 


a 
67 


b 
64 


a 
177 


b 
169 


a 
95 


b 

84 



1) Der Quittenschleim enthielt 0,6% feste Bestandteile. 



Von Prof. 0r. K. B. Lehmann. 



113 



6.: 100 qcm Zinn tauchen in 100 com Flttssigkeit 1 cm tief nnter. 



17 ccm Normal- 
Weinsäure 



17 ccm Normal- 
Weinsäure 
-t- 20% Zucker 



17 ccm Normal- 

weinsäure 

-f 2% Agar 



17 ccm Normal- 

wein säure 

-f Qulttensehleim*) 



a 
48 



b 
52 



a 

3d 



b 
39 



a 
15 



b 
14 



a 
14 



b 
16 



Einige weitere Versuche ergaben ; 

Tabelle XXUI. 
Zinngehalt de8 Lö8nng8mittelB nach 4 — 5 Tagen Stehens bei Lnftiatritt. 



Lösungsmittel 



Gelöstes 
Zinn in mg 



Lösungsmittel 



Gelöstes 
Zinn in mg 



83 ccm 2prox. Agar -\- 
17 ccm Normal Weinsäure 



I 



63 ccm 2proz. Agar ( 

-|- 17 ccm Normalwein- < 

säare + 20 g Rohrzucker [ 

83 ccm Wasser + 17 ccml 
Normalweinsäure ) 



122 
119 

86 
92 



110«) 



83 ccm dicke Gummi- 
lösung 4~ ^'7 c<^°> Wein- 
säure 

63 ccm dicke Gummi- 
lösung -f- 17 ccm Wein- 
säure -4- 20 g Rohrzucker 

83 ccm dicker Quitten- 
schleim -}- 17 ccm Wein- 
säure 

63 ccm Quittenschleim 

-f- 17 ccm Weinsäure 

-f- 20 g Rohrzucker 



68 



40 



110 



102 



Tabelle XXIV. 
Zinngehalt des Lösungsmittels nach 20Std. Stehen im Brutschrank b. Luftzutritt. 



Lösungsmittel 


Gelöstes 
Zinn in mg 


17 ccm Normal Weinsäure a > *b • 


40 


17 > » b 


*5 


41 


17 » > -j- 20 g Dextrose . 


3 08 


18 


17 » . -j- 40 . . 


08 9 


11 


17 . > + 20 » Rohrzucker 


26 


17 . , -f 40 » 


18 


10 


17 . > + 20 » Dextrin 


38 


23 


17 t , _|_ 40 » . J 


?" 


24 



1) Der Qulttensehleim enthielt 0,6 Vo feste Bestandteile. 

2) Die Zahl 110 ist nicht durch Analyse gefunden (die betreffende Probe 
verunglückte), sie ist aber mit grofser Sicherheit auf etwa 5 mg genau ein- 
losetzen. 

ArchiT für Hygiene. Bd. LXin. 8 



114 über die Ad greifbarkeit der verzinnten Konservenbücbsen etc. 

Diese vier Versuchsreihen lehren ganz deutlich: 
Bei Zinnblechstücken, die aus dem Lösungsmittel 
herausragen, gibt es zwei Faktoren, welche die Lösung stören : 

a) Der Zuckergehalt der Flüssigkeit, und zwar ver- 
min d e rn 20®/o Rohrzucker oder Traubenzucker die Zinn- 
lösung etwa auf die Hälfte, 40% Zucker etwa auf ein 
Viertel. Zuckerlösungen von 20% sind noch wenig vis- 
kos, ihre Wirkung kann nicht auf der Viskosität beruhen. 

b) Die Viskosität der Flüssigkeit. Diese ist von 
bescheidener, ja zweifelhafter Bedeutung bei den heraus- 
ragenden Stücken. Nur in der Tabelle XXII A hat der 
Quittenschleimzusatz die Zinnlösung durch Säure von 
135 auf 90 herabgesetzt, ähnhch hat in Tabelle XXIII 
die Gummilösung gewirkt. 

Eine 2proz. Agarmischung löste, obwohl sie ganz fest und 
starr ist, mehr Zinn als die entsprechende wässerige Weinsäure : 
112 gegen 102, 173 gegen 135, während doch die Flüssigkeits- 
bewegung enorm durch die Beimengung des Agars gestört war. 
Ich möchte glauben, dafs der Agar doch etwas stören mufs, dafs 
er aber durch irgendeinen uns noch unbekannten Mechanismus 
gleichzeitig die Lösung begünstigt. Sicher ist, dafs am Agar eine 
Anzahl schwärzlicher gelockerter Zinnteilchen hängen bleibt, welche 
bei den in wässerige Weinsäure tauchenden Blechen am Blech haften 
aber abreibbar sind, vielleicht wird nur dadurch die Agarzahl er- 
höht, ob dies allerdings genügt zur Erklärung obiger Zahlen, mufs 
dahingestellt bleiben. Hierüber sind besondere Versuche nötig. 

Bei Zinnblechstücken, welche mindestens 1 cm unter der Ober- 
fläche der Weinsäure eingetaucht liegen, ist die Hemmung durch 
die Viskosität der Flüssigkeit viel stärker als durch den Zucker I 

Offenbar hemmt die Viskosität nicht sowohl 
durch Störung der Flüssigkeitszirkulation als durch 
Hemmung des Eindringens des Sauerstoffs, der Zucker 
hat dagegen eine spezifisch hemmende Wirkung. 

Als ich mit meinem Freunde Prof. A. Hantzsch über 
den merkwürdigen Einflufs des Zuckers auf die Angreifbarkeit 
des Zinns durch Weinsäure sprach und ihn fragte, ob etwa die 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



115 



JonisieruDg der Weinsäure durch Zucker beeinflulst sein könnte, 
verwies er mich auf eine Publikation von ihm^), in der nach- 
gewiesen ist, dafs in der Tat Rohrzucker die Leitfähigkeit, also 
die Jonisierung der Salzsäure, um etwa 2% herabsetzt. Wesent- 
lich stärker wird die Leitfähigkeit der Schwefelsäure durch 
Traubenzucker vermindert (um etwa 20%), und Hantzsch 
nimmt an, dafs wohl Schwefelsäure als mehrbasische Säure von 
geringer Dissoziationstendenz durch Fremdkörper stärker beein- 
flufst wird als die stärksten einbasischen Säuren. Dabei hat 
Hantzsch den Zucker stets in gleicher molekularer Konzen- 
tration verwendet wie die Säure. 

Durch die freundliche Vermittlung von Herrn Kollegen 
Straub, der mir die Hilfsmittel seines Laboratoriums und seinen 
Rat zur Verfügung stellte, war ich in der Lage, mich über den 
Einflufs des Rohrzuckers auf die Leitfähigkeit der Weinsäure 
direkt überzeugen zu können und festzustellen, dafs auch diese 
Säure sehr stark durch Zuckerzusatz beeinfiufst wird. 



Ich habe verschiedene Weinsäurekonzentrationen kh» 



n 



32' 64' 128' 



n 



aber stets die gleiche Zuckerkonzentration von 20%, d. h. ^y ver- 
wendet. Die von uns in den Zinnlösungsversuchen verwendete war 



— um dies hier auch anzuführen — entweder Iproz., d. h. 



7,6 



oder sie enthielt 17 ccm Normalsäure, in 100 war also -j^ = -^ 

normal. 

Tabelle XXV. Weinsäure in Wasser. 



Kon- ' 
zen- 
tratlon 



w 



/« = k. y 



fi bei 25 <> 



N bei 25« 

nach 
Ostwald 



Die von mir gefun« 

denen Zahlen sind 

In % größer als die 

Ostwalds 



32 21.82 



n 
64 



21,9 



128 ^^'^ 



145,7 
213,5 
316,7 



0,001839 
0,001255 
0,000846 



58,848 

80,320 

108,288 



63,526 61,4 

86,545 83,9 

116,68 ' 113,2 



3,3 
3,0 
2,9 



1) A. Hantzsch, Über Oxonium und Ammoniamsalte, B. d. d. ehem. 
Ges , XXXVm, Heft 9. 

8* 



116 Ober die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 



Tabelle XXVI. 
Weinsäure in Wasser, das 20<^/o Rohrzucker enthält. 



Kon- 

xen- 

tration 


1 
t 


w 


k- " 

w 


fi — k. if 


fi bei 25» 


n 
32 


21,75 


239,0 


0,001121 


35,872 


38,790 


n 
64 


21,74 


332,9 


0,000805 


51,520 


55,719 


n 
138 


21,8 


484,8 


0,000552 


70,656 


76,308 



Hieraus folgt : es verhält sich das Leitvermögen ohne Zucker 
zu dem bei Zuckerzusatz 



n 



bei i^ Weinsäure wie 100 : 66, 



» 



n 

64 

n 

128 



f> 100 : 69, 



» 100 : 70. 



Es wird also die Leitfähigkeit, d. h. die Jonisierung der 
Weinsäure, durch Zucker um 30 — 34% herabgesetzt, der stärkste 
Einfiufs ist bei den stärkeren Säurelösungen, bei der etwa ein 
halbes Säureäquivalent auf 1 Zuckermolekül kam. 

Auch für das Kupfer habe ich früher gefunden (A. f. H. 
XXXV, 50), dafs der Zucker den Angriff der Säuren auf das- 
selbe vermindert — ich hatte eine Angabe dieser Art bei einem 
älteren Autor angetroffen, konnte aber später das Zitat nicht 
mehr finden. 

Einen Versuch habe ich auch mit Eisen durchgeführt, und 
zwar in der Weise, dafs ich je 200 ccm Iproz. Weinsäure mit 
2ö blanken kleinen Eisennägeln zusammen luftdicht in Flaschen 
füllte und der einen Probe 40% Rohrzucker zusetzte, die suk- 
zessive Lösung des Eisens wurde durch Auffangen des entstehen- 
den Wasserstoffs kontrolliert, nachdem ich in einigen Vorver- 
suchen das Parallelgehen von Wasserstoffbildung und Eisenlösung 
nachgewiesen. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



117 



Das Resultat ist in der folgenden Tabelle enthalten 

Tabelle XXVIL 



Zeit 

in 
Stunden 


Ohne Zucker 
Wassentoff 

com 


Mit Zucker 
Wasserstoff 

ccm 


24 


27 


12 


48 , 


93 


25 


55 


121 


81 


72 


165 


40 


76 


172 


44 


81 


185 


48 


91 


197 


53 


97 


204 


56 


99 


206 


57 


119 


214 


63 


121 


216 


64 


128 
143 


217 
! nach Zugabe von 
^ frischen Elsenstiften 

219 


68 
75 


153 1 


226 


80 


166 


238 


85 


176 


247 


88 


196 


254 


95 


227 


263 


102 


287 


273 


124 



Die graphische Darstellung des Versuches zeigt, dafs mit 
Zucker eine absolut gleichmäfsige geringe Wasserstoff bildung statt- 
fand, wogegen ohne Zucker eine etwas unregelmätsigere Kurve er- 
halten wurde. Zunächst eine kurze Periode (24 h), in der nur 
etwa doppelt so viel Wasserstoff entstand als wie mit Zucker, 
dann folgte eine etwa bis zur 100. Stunde dauernde fast gleich- 
mäfsige Wasserstoff bildung, etwa viermal so grofs als mit Zucker. 
Nach 100 Stunden nahm die Wasserstoffbildung stark ab, ich 
schwankte, ob ich dies auf Abnahme des Säuregehalts oder mehr 
auf eine sichtbare Inkrustation der Nägel in dem zuckerfreien 
Glase durch Eisentartrat beziehen solle. Zufügen von frischen 
Nägeln brachte eine vorübergehende raschere Entwicklung hervor, 
die aber bald wieder einer langsameren Platz machte. Die Kurve 
des Säuregehaltes zeigt, dafs um diese Zeit der Säuregehalt sehr 
zurückgegangen war. 



118 Über die Angreifbarkeit der verzinnten KonserYenbflchBen etc. 

Wir diirfen also wohl annehmen, dafs der Zuckerzusatz den 
Angriff aller Säuren auf Metalle herabsetzt. 



10. Über den Einflurs des Öffnens der Konservenbflchsen mit 
animalischem Inlialt auf den Zinngelialt des Inlialts. 

Versuche an animalischen Konserven würden ausgeführt mit 
2 Büchsen Heringen in Weinsäure, 1 Büchse Appetitsild und 
1 Büchse Hummer. 

Die Resultate sind in der folgenden Tabelle enthalten: 

Tabelle XXVm. 

Einflafs des Offenstehens auf animalische Konserven. 

Zinn in mp; umgerechnet auf 1000 ccm. 



Azidität 



Soeben 
geöffnet 



Nach 

8 Tagen 

Stehen 



Nach 

14 Tagen 

Stehen 



1. Häringe in Weinsaace I 

2. > » > n 

3. Appetitsild 

4. Hammer 



Vs Normal 

7« » 

Neutral 
Alkalisch 



134 
100 
144 
137 



157 
109 
159 
173 



119 



Die Zahlen sind Mittel von je zwei gut übereinstimmenden 
Bestimmungen. 

Es ist wohl nicht wunderbar, dals im Versuch 3 und 4, wo 
es sich um schwach alkalische oder neutrale Konserven handelte, 
eine wesentliche Zunahme des Zinngehalts beim Stehen an der Luft 
ausblieb. Auffallender und entschieden einer besonderen Erklä- 
rung bedürftig sind aber die Resultate von Versuch 1 und 2. 
Es handelt sich hier um kräftig saure animalische Eonserven. 
Der Säuregehalt entsprach einer ^/s — ^4 Normalsäure. Die frisch 
geöffneten Büchsen besafsen den erwarteten mäfsigen Zinngehalt, 
und wir waren der festen Erwartung, dieser Zinngehalt würde 
beim Offenstehen erhebUch zunehmen. Nichts davon wurde 
beobachtet, obwohl hier unlackierte Büchsen verwendet wurden. 

Beim eingehenden Untersuchen der Häringbüchsen zeigte 
sich, dafs die Wände mindestens stellenweise mit einer Fettschicht 
überzogen waren, und dafs auch auf der Oberfläche der Brühe 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



119 



grobe Fettmengen schwammen. Es lag deshalb die Vermutung 
nahe, dsSs die Fettschicht an den Wänden der Büchse und auf 
der Oberfläche des Büchseninhalts als ein Schutzmantel gegen 
den Angriff von Säure und Sauerstoff zu betrachten sei. 

Um dieses festzustellen, wurden Versuche in zwei Rich- 
tungen unternommen. 

1. Zur Prüfung der Vermutung, dafs ein Fettüberzug 
der Büchsenwand eine Rolle als Schutzmittel spielt, wurden 
Zinnstückchen von je 100 qcm Oberfläche in offenen Gefäfsen 
1. anpräpariert, 2. schwach und 3. stark mit Hirschtalg einge- 
fettet (durch Eintauchen des Zinns in geschmolzenen Hirsch- 
talg), in Weinsäure untergetaucht und die gelösten Zinnmengen 
Dach 8 und 14 Tagen bestimmt. Die Zinnstücke ragten heraus. 

Die Resultate sind in der Tabelle XXIX enthalten. 

Dieselben zeigen, dafs bereits eine schwache Fettung 
ein wesentliches Hindernis für die Zinnlösung darstellt, und dafs 
bei starkem Einfetten der Schutz der Fettschicht äufserst stark 
wird. Der Unterschied der gefetteten und nichtgefetteten Bleche 
tritt besonders bei den stärkeren Säurekonzentrationen hervor. 

2. Um zu sehen, ob das Fett auf der Oberfläche der 
Eonserve eine schützende Decke gegen den Einflufs des Sauer- 
stoffs der Luft bildet, wurde folgender Weg eingeschlagen: 



Tabelle XXIX. 

EinfiofB der Einfettang auf die Löslichkeit von Zinn. 

Gelöstes Zinn in mg. 



1 
Siarekonzentration 


I 

Zixmstücke 
11 n eingefettet 


Zinnstücke 
schwach eingefettet 


, Zinnstücke 

stark 
eingefettet 


1 


nach 
8 Tagen 


nach 
14 Tagen 


nach 
8 Tagen 


nach ' 
14 Tagen i 


nach 
8 Tagen 


Weinsftore '/im normal 


28 


88 


19 


30 


1 

1 


V„ " . 


85 


111 


50 


76 


14 


V., . . 


. 117 


213 


81 


166 




V. • • 


176 


356 


99 


251 




v. . . 


294 


531 


139 


303 


22 


Normalweinsäare . . 


346 


818 


202 


418 





120 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc. 

Es wurden Zinnbleche von 100 qcm Oberfläche in Wein- 
säure so tief eingetaucht, dafs die Weinsäure etwas darüber stand 
und nun wurde in einigen der Gläser eine Decke von geschmol- 
zenem Hammeltalg, in anderen eine dünne Olivenöldecke über 
die Säure geschichtet. Bei einem Kon troll versuch blieb jeder 
Fettzusatz weg. Die Konzentration der Säure war ^/g normal. 

Nach 8 Tagen wurde der Versuch abgebrochen und das 
gelöste Zinn bestimmt, nachdem das Fett mit Äther extrahiert 
und mittels eines Scheidetrichters von der übrigen Flüssigkeit 
getrennt war. 

Alle Versuche wurden doppelt angesetzt und ergaben fol- 
gende Resultate: 

Tabelle XXX. 



In den offen itehenden Lösungen 
wurden gefunden 



In den mit öl- und Fettschichten bedeckten 
Lösungen ohne Unterschied 



33 mg Sn 

34 > > 



Minimale Mengen Zinn 

(Beim Einleiten von SH, kaam eine 
Andeutung eines Farbenamschlages.) 



Es ist dadurch erwiesen, dafs ein die Luft abschliefsender 
Fettüberzug, auch wenn er recht dünn ist, ein sehr starkes 
Hindernis für die Zinnauflösung bildet. 

Durch beide Versuchsreihen findet die Tatsache der geringen 
Zinnauflösung in geöffneten, Fett enthaltenden Konservenbüchsen 
ihre Erklärung. Teils ist es das den Wandungen der Büchsen 
anliegende Fett, das einen Schutz gegen Säure und Sauerstoff 
ausübt, teils ist es die obenauf schwimmende Fettschicht. 



Zusammenfassung der wichtigsten Resultate. 

1. Zinn wird in verdünnten Säuren gar nicht oder nur in 
sehr kleinen Spuren gelöst, wenn die Flüssigkeit nicht entweder 
freien Sauerstoff enthält oder Luftsauerstoff aufnehmen kann. 
Die Zinnlösung geschieht am raschesten, wenn das Zinn aus der 
Flüssigkeit herausragt, erheblich langsamer, wenn es bei freiem 
Sauerstoffzutritt zur Oberfläche der Flüssigkeit ganz in der Flüs- 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 121 

gigkeit uuteigetaucht ist, fast gar nicht, wenn es in Sauerstoff- 
freier Flüssigkeit luftdicht eingeschlossen ist. Es bleibt vorläufig 
unentschieden, worauf die unter den letzteren Bedingungen be- 
obachteten minimalen Zinnmengen zurückzuführen sind. 

2. In nicht lackierten Zinnbüchsen wird Zinn gelöst von 
verdünnten organischen Säuren nach Mafsgabe des in der Flüs- 
sigkeit gelösten Sauerstoffs und des gasförmig zwisclien Deckel 
und Flüssigkeitsspiegel befindlichen. Bei stehenden Büchsen er- 
folgt der Angriff der Zinn wand meist sehr deutlich von oben 
nach unten unter deutlicher Moir^ebildung. Die in Gasform und 
gelöst zur Verfügung stehenden Sauerstoffmengen genügen, um 
die in Fruchtsäften beobachteten Zinnmengen bis zu 300 mg 
pro 1 zu erklären. 

3. Bei Abwesenheit von freiem Sauerstoff kann der gebun- 
dene Sauerstoff der Nitrate für denselben eintreten. Die Nitrate 
werden dabei zu Ammoniak reduziert. Es gelang nicht, in 
Früchten Nitrate nachzuweisen, bei dem hohen Nitratgehalt vieler 
Brunnenwässer ist aber eine reichliche Gelegenheit gegeben, dafs 
Nitrate namentlich in Gemüsekonserven gelangen. Die höchsten 
Zahlen, welche in Konserven bisher gefunden sind, 600 in einem 
Falle, sogar 1200 mg pro 1, erklären sich ohne weiteres durch 
einen mäfsigen resp. hohen Gehalt des verwendeten Wassers oder 
Kochsalzes an Nitraten. 

4. In geöffneten Büchsen sollte man rasche Zinnlösung er- 
warten, weil der Sauerstoff der Luft zutreten kann. Dieselbe 
bleibt aber in der Praxis in der Regel aus und zwar verhindert 
bei sürsen Konserven der Zucker, bei animalischen Konserven 
das Fett, welches die Büchsenwafidungen und den Flüssigkeits- 
spiegel mehr oder weniger vollständig überzieht und die Luft 
abhält, die Zinnlösung. Die Viskosität des Büchseninhalts er- 
schien von untergeordneter Bedeutung. 

5. Die hemmende Wirkung des Zuckers beruht auf einer 
Störung der Jonisierung der Weinsäure. Alle untersuchten Me- 
talle (Kupfer, Eisen) werden von gezuckerten Säuren wesentlich 
schwächer angegriffen als von ungezuckerten. 



122 Über die Angreifbarkeit etc. Von Prof. Dr. K. B. Lebmann. 

6. Bei gleichzeitiger Anwesenheit von Eisen and Zinn ist 
die Zinnlösung sehr erheblich gestört, wogegen die Eisenlösung 
durch das Zinn nicht wesentlich beeinflufst wird. Es erscheint 
wahrscheinlich, dafs bei nachlässiger Verzinnung viel Eisen aber 
wenig Zinn in Lösung geht. 

7. Das Lackieren der Konservenbüchsen schützt dieselben 
für ^4 bis ^/2 Jahr in hohem Grade gegen Zinnangriff, später nimmt 
die Wirkung durch Zerstörung des Lacks ab. 

In der Diu'chführung der Analysen der vorliegenden Arbeit 
bin ich aufser durch die im Titel genannten Doktoranden auch 
durch die Assistenten des Instituts, Herrn Dr. Krepelka und 
vor allem durch Herrn H. K. Lang, eifrigst unterstützt worden, 
wofür auch hier mein bester Dank ausgesprochen wird. 

Den Herren Gebrüdem Wucherer, Besitzer der Wucher er- 
sehen Schokolade- und Konservenfabrik, bin ich für mannigfache 
liebenswürdige Förderung durch Überlassung und Verschliefsung 
von Büchsen und Auskunfterteilung in technischen Fragen zu 
herzlichem Dank verpflichtet. 



Bemerkungen za dem Artikel Yon cand. med. Schappius 
,,Die MUchleukozytenprobe nach Trommsdorff '. 

Von 

Privatdozent Dr. B. Trommsdorff-Münohen, 

I. AMiitont des Initltuts. 

(.^ns dem Hygienischen Institut der Universität München. Vorstand: Prof. 

Dr. Max Gm her.) 

In dem soeben erschienenen Hefte des Arch. f. Hyg. (Band 62, 
H. 2, S. 137) beschäftigt sich cand. med. Schuppius mit der 
von mir angegebenen »neuen Methode zur Diagnose der 
chronischen, speziell der Streptokokkenmastitis der 
Euhc^), die ich kurz als »Milchleukozytenprobec^) oder 
»Milcbeiterprobe« zu benennen vorschlug. 

Es sei gestattet, zu dem Artikel von Schuppius, der den 
Anschein erwecken könnte, als sei die Probe weder begründet 
noch brauchbar, im Anschlüsse an die von ihm als Endresultat 
aufgestellten Sätze einiges zu erwidern. 

Schuppius schreibt: 

>1. Die Graduierung der von Trommsdorff angegebenen 
im Handel erhältlichen Zentrifugierungsröhrchen ist nicht ge- 
nau; der Inhalt ihres Kapillarteils erreicht statt 0,02 im besten 
Falle 0,0148 cmc 

»Der von ihm untersuchten 13 Gläschen« hätte er hinzu- 
fügen müssen. Tatsächlich ist es richtig, dals von der Firma 
Hugershoff durch das Versehen eines Arbeiters bedauerlicher- 
weise eine — nach Angabe der Firma allerdings verschwindend 

1) Berl. tieräntl. Wochenschr. 1906, Nr. 15. 

2) Münch. med. Wochenschr. 1906, Nr. 12. 



122 b Bemerkungen za dem Artikel »Die Milchleukozytenprobe« ete. 

kleine — Anzahl Gläschen mit zu geringem Gehalt der Kapillare 
hinausgegangen sind. Schuppius hat offenbar gerade solche 
Gläschen bekommen. Jedoch sei — ohne hiermit etwa das Ver- 
sehen der Firma entschuldigen zu wollen — bemerkt, dafs selbst 
die Fehler, die Schuppius fand, für die praktische Bedeutung 
der Milcheiterprobe keine wesentliche Rolle spielen. 

Die Fehler, die Schuppius feststellte — ein Mindergehalt 
von 30 — 40% — sind ja sehr grofse; wenn man aber berück- 
sichtigt, dafs sie sich auf die gesamte Eichung beziehen (0,02), 
so trifft auf den einzelnen Teilstrich — nur ein Fehler von 0,0003 
bis 0,0004. Da nun bei gesunden Kühen der Zentrifugalboden- 
satz der Milch in den Gläschen oft nur Spuren beträgt, und nicht 
über 2 bis 4 Teilstriche (0,002—0,004) hinauszugehen pflegt, 
der Verdacht einer Erkrankung nach meinen Angaben erst bei 
Überschreitung der Marke 1 (= 0,01) vorliegt, so würde unter 
normalen Verhältnissen der gelbliche Bodensatz selbst im schlech- 
testen Gläschen, das Schuppius vorlag, statt bis zum 1., 2., 3. 
oder 4. Teilstrich, bis zum 5. oder äufserst bis nahe zum 6. Teil- 
strich gehen, immer also noch beträchtlich unter der Marke 
bleiben, die einen Verdacht auf bestehende Mastitis erweckt. Er- 
fahrungsgemäfs findet sich aber, wenn nicht der Bodensatz nur 
minimal ist (Spuren bis zu wenigen Teilstrichen) bei bestehender 
Mastitis ein die Marke 1 wesentlich übersteigendes gelbes 
Sediment, so dafs auch in diesem Fall die zu geringe Eichung 
nicht von praktischer Bedeutung ist. Immerhin hat Schuppius 
recht, wenn er die Ungenauigkeit seiner Gläschen bzw. der die- 
selben liefernden Firma rügt. 

Schuppius schreibt weiter: 

»2. Ein durch Zentrifugieren von Milch in Trommsdorffs 
Kapillaren erhaltener Bodensatz besteht zum grofsen Teile — 
manchmal bis zu 50 Vol.-Proz. und darüber — aus Fett. Aufserdem 
finden sich darin Kuhkot, Haare, rote Blutkörperchen u.a.m., da- 
gegen relativ wenig Leukozyten, die aber nicht von einer Eiterung 
herrühren, da sie zum gröfsten Teile solche mit eosinophilen 
Granulationen sind.« 



Von Privatdozent Dr. R. Trommsdorff. 122 C 

Auch diesen Satz von Schuppius — erkenne ich vollständig 
zu Recht bestehend an — in bezug auf den minimalen 
Bodensatz der Milch gesunder Kübel 

Aber dieser minimale Bodensatz ist für die Milcheiterprobe 
völlig belanglos (die Milcheiterprobe ist eine Vergleichsmethode: 
sie vergleicht nur den Zentrifugalbodensatz der Milch gesunder 
und kranker Kühe.) Erst in der Marke 1 (l^/oo) übersteigender 
gelber Bodensatz erweckt nach meinen Angaben »Ver- 
dacht auf bestehende chronische Euterentzündung«, auf 
Eiterung. 

Der gröfste Bodensatz nun, den Schuppius beobachtete, 
war 0,3®/oo; solche Menge ist — wie aus meinen Veröffentlichungen 
für jeden klar hervorgeht — völlig bedeutungslos und hat selbst- 
verständlich nichts mit einer Eiterung zu tun. 

Wollte Schuppius an meiner Methode Kritik üben, 
so hätte er Bodensätze untersuchen müssen, die die 
Marke 1 überschreiten. Auch in solchen findet sich selbst- 
verständlich, z. T. reichlich, Fett (vielfach in Zellen eingeschlossen) 
and Milchschmutz; aber im wesentlichen bestehen sie 
(mit vereinzelten Ausnahmen, auf die ich bereits aufmerksam 
gemacht habe [z.B. beginnende Laktation]) aus polynukleären 
Leukozyten. 

Da die Milchleukozytenprobe mit der Mischmilch je einer 
Kuh (nicht eines Stalles!) gemacht werden soll, so deutet der 
Befund der vermehrten Ausscheidung polynukleärer Leukozyten 
auf einen Entzündungsvorgang im Euter hin, dessen Sitz dann 
durch genauere Untersuchung der einzelnen Viertel, bzw. der 
Milch der einzelnen Viertel ermittelt werden kann. 

(Die in solchen Fällen meist vorliegenden Streptokokken- 
mastitiden führen übrigens in der Regel in nicht allzulanger Zeit 
durch Verödung der Drüse zur Sistierung der Milchproduktion, 
zur Agalaktie.) 

Der Schlufssatz von Schuppius lautet: 

»3. Aus der Menge der Leukozyten im Bodensatz läfst sich 
nicht auf die Menge des der Milch beigemengten Eiters schliefsen, 
da der Leukozytengehalt verschiedener Eiterarten verschieden istc. 



122d Die Milchleiikozytenprobe. Von Priyatdozent Dr. R. Trommsdorff. 

Die letztere Tatsache ist gewils nicht zu bestreiten und 
hätte wohl kaum der besonderen Versuche von Schuppius be- 
durft. 

Wenn man aber aus beispielsweise 300 cm Milch einer kranken 
Zitze durch Zentrifugieren 100 cm Bodensatz (der im wesent- 
lichen aus polynukleären Leukozyten -|- Bakterien besteht) erhält, 
so ist es sicher praktisch gerechtfertigt, von einem Eiteigehalt 
dieser Milch von 33% zu sprechen. Wissenschaftlich exakt lassen 
sich da allerdings keine Angaben machen, und ich erkenne gerne 
an, dafs meine Angaben in der Beziehung verbotenes unkorrekt 
sind; dem Sinne nach aber sind sie durchaus berechtigt. 

Die weiteren Einzelheiten der Schuppius sehen Unter- 
suchungen zu besprechen, verlohnt sich nicht der Mühe. Der 
praktischen Anwendung der Methode tut er keine Erwähnung. 
Eine Bestätigung des Wertes der Milchleukozytenprobe 
zur raschen und leichten Auffindung euterkranker Kühe 
ist mir aber von vielen Seiten zugegangen und auch in 
der tierärztlichen Literatur bereits gewürdigt worden. 

Möge in nicht allzu ferner Z eit wenigstens inStällen, 
die Kindermilch liefern, eine regelmäfsige Durch- 
führung der Milcheiterprobe dahin führen, dafs das 
Vorkommen von lEiter in der Milche zu den Unmög- 
lichkeiten gehörti 



über das Wachstum der Bakterien i n und auf Nähr- 
böden höherer Konzentration. 

Von 

Dr. August Jörns, 

Yorm. Aasistenten am hygienischen Institut. 

(Aus dem hygienischen Institut der Universitftt Wünharg. Direktor : 

Prof. Dr. K. B. Le h m an n.) 

Auf Anregung von Herrn Prof. Dr. K. B. Lehmann unter- 
suchte Leo Wolf^), bis zu welchem Wassergehalte Bakterien 
auf verschiedenen Nährsubstraten noch zu wachsen vermöchten. 
Die von ihm benutzten Nährböden waren mit Gelatine, Brot, 
Kartoffel, Fleischpulver und Kakes hergestellt. Aus seinen 
Untersuchungen ging hervor, dafs Bakterien auf diesen Nähr- 
böden durchschnittlich noch bei einem Wassergehalte von 50% 
zu wachsen vermögen, bei 40% Wassergehalt aber meistens 
kein Wachstum mehr zustande kommt. Bei der näheren Durch* 
sieht seiner Tabellen ergibt sich weiter eine individuelle Ver- 
schiedenheit der einzelnen Spezies der Art, dafs manche Bak- 
terienarten sogar bei einem höheren Wassergehalte noch dürftig 
wachsen. Diese Tatsache sucht Wolf dadurch zu erklären, dafs 
auf seinen undurchsichtigen Nährböden das Wachstum der färb- 
stoStragenden Arten leichter zur Beobachtung gelangt als das 
der farblosen. Aufserdem geht aus den Erörterungen Wolfs 
klar hervor, wie ich gleich von vornherein konstatieren möchte, 
dafs er sich nur mit dem Wachstum auf und nicht inner- 
halb dieser Nährböden beschäftigt hat. 

1) Archiv f. Hygiene, Bd. 84, S. 200. 
AichiT für Hygiene. Bd. LXIII. 9 



124 Über das Wachstum der Bakterien in und auf NfthrbOden etc. 

Richard Weigert^) glaubte nun gerade gegen diese Ver- 
suchsanordnung Einwände erheben zu müssen. Er behauptete, 
dafs das Bakterienwachstum nicht bei dem angegebenen, sondera 
bei einem weit höheren Wassergehalte zustande gekommen wäre, 
denn es sei unvermeidlich, dafs sich auf der Oberfläche der 
Nährböden Kondenswasser niederschlage, welches die ober- 
flächlichen Schichten stets wasserreicher mache. So wäre also 
in den Versuchen von L. Wolf das Wachstum nicht bei dem 
durch die Trocknung der ganzen Nährbodenmenge ermittelten 
Wassergehalte, sondern bei einem weit höheren erfolgt. 

Dieser Erwägung ist ja von vornherein eine gewisse Be- 
rechtigung nicht abzusprechen, da in den Versuchen von 
L. Wolf nicht ausdrücklich über das Verhalten des Kondens- 
wassers berichtet ist und sich Herr Prof . Lehmann nicht mehr 
genau erinnerte, welche Vorkehrungen gegen einen Einflufs des 
Kondenswassers getrofEen • waren. Eines war natürlich ohne 
weiteres klar, dafs Wolfs Versuche nicht auf Nährböden ange- 
stellt wurden, auf denen sichtbare Kondenswassermengen vor- 
handen waren. Deshalb veranlafste Herr Prof. Lehmann bald 
nach dem Erscheinen der Weigert sehen Arbeit A. Schlitz er*), 
die Wolf sehen Versuche unter besonderer Berücksichtigung 
gerade dieser Kondenswasserbildung von neuem aufzunehmen. 
Schlitzer benutzte nur Nährböden, deren hoher Trockengehalt 
durch Auflösung entsprechender Mengen Gelatine in Nährbouillon 
erreicht wurde. Diesen Nährboden liefs er schräg in Reagens- 
gläsern erstarren. Er beobachtete nun in der Tat, dafs sich in 
der ersten Zeit nach Herstellung der Nährböden Kondenswasser 
in reichlicher Menge an den Wänden des Reagensröhrchens 
niederschlägt. Um dieses nach Möglichkeit zu beseitigen, wurden 
die Röhrchen mit der Ofifnung schräg nach unten gelagert, so 
dafs das Kondenswasser abäiefsen konnte. Ein anderer Teil 
verschwindet dabei durch Verdunstung, der Innenraum des 
Röhrchens wird ja durch den Wattepfropf nicht* luftdicht 
von der Atmosphäre abgeschlossen. Infolgedessen wurde die 

1) Zentralblatt f. Bakt., Bd. XXX VI, S. 112. 

2) Inaug.-Dies. Würzburg, 1905. 



Von Dr. Aagast Jörns. 125 

KondenswasserbilduDg immer geringer bis zur Unmerklichkeit. 
Erst dann wurden die Röhrchen beimpft. Bei den Röhrchen, 
die Nährböden mit höherem Trockengehalte enthielten, war die 
Kondens Wasserbildung überhaupt sehr gering. Ich glaube nun, 
dafs bei einer solchen Versuchsanordnung sogar eher eine Wasser- 
verarmung als -Anreicherung der oberflächlichsten Nährboden- 
schichten eintritt. Zeigt uns doch die tägliche Erfahrung im 
Laboratorium, dafs die in Reagensgläsern aufbewahrten Nähr- 
böden von der Oberfläche aus allmählich eintrocknen. Die Ober- 
fläche sinkt schalenförmig ein, indem die Randpartien an der 
Glaswand haften bleiben. Bei solchen stark eingetrockneten 
Nährböden kann man schon durch das Gefühl konstatieren, dafs 
die oberflächlichsten Partien fester, also auch wasserärmer als 
die tieferen Schichten des Nährbodens sind. Bei nur kürzere 
Zeit aufbewahrten Röhrchen wird das ebenfalls, wenn auch in 
geringerem Grade, der Fall sein. 

Die Untersuchungen Schlitzers, wurden also unter pein- 
lichster Vermeidung der durch Kondenswasserbildung eventuell 
verursachten Fehlerquellen angestellt. Seine Resultate, die er aus 
zwei Versuchsserien erhielt und in seiner Dissertation niederlegte, 
will ich hier nochmals in tabellarischer Form wiedergeben. Der 
mittlere Wassergehalt wurde für jedes einzelne Kulturröhrchen 
aus folgenden Komponenten berechnet: 

a = Gewicht des eben beimpften Kulturröhrchens ; 
h = Gewicht des Kulturröhrchens nach Abschlufs der Be- 
obachtung des erfolgten Wachstums; 
c = Gewicht des Röhrchens, nachdem durch mehrtägigen 
Aufenthalt im Wassertrockenschrank Gewichtskonstanz 
des Nährbodens herbeigeführt war; 
i = Gewicht des Reagenzglases. 

Die Ausrechnung des Wassergehaltes erfolgte nach der 
Formel : 

(a — c) : (a — d) = a: : 100 
(b — c):(b — d) = y: 100 

X + y 



Mittlerer Wasssergehalt = 






126 Über das Wachstam der Bakterien in and auf Nährböden etc. 



Tabelle I. Konzentration mit einem gewOnschten Wassergehalt von 10^1^. 







Serie I 




! 

1 


Serie II 


Bakterienart 


Art des 
Wachstums 


Nach 

? 
Tagen 


Mittlerer 
Wasser- 
gehalt in % 


Art des 
Wachstums 


Nach 

? 
Tagen 


Mittlerer 
Wasser- 
gehalt In % 


Bact. prodigiosum . 


üppig 


2 


65,4 


1 

üppig 


2 


70,0 


> pyocyaneum . 




2 


65,3 


> 


2 


70,0 


> vulgare . . . • 


deutlich 


5 


64,5 


deutlich 


3 


70,0 


Vibrio cholerae . . 




10 


64,6 


> 


5 


69,8 


Bac. anthracis . . 




12 


63,7 




5 


69,5 


M. pyog. aureus . . 




15 


63,4 




8 


69,3 


Bact. latericium . . 




15 


63,2 


- 


8 


68,7 


» typhi . . . 




15 


63,3 


» 


15 


67,4 



Tabelle II. Konzentration mit einem gewünschten Wassergehalt 



Bact. prodigiosum 

> pyocyaneum 

> vulgare . 
Vibrio cholerae 
Bac. anthracis 
M. pyog. aureus 
Bact. latericium 

> typhi 



üppig 


2 


f 


3 


deutlich 


8 


» 


12 


> 


12 


> 


15 


* 


15 



58,8 
58,5 
57,4 

66,8 
67,3 
55,6 
56,2 



üppig 


2 


» 


3 


deutlich 


6 






12 






8 






10 






12 






15 



von 60 **/o. 

59,8 
59,3 
58,9 
57,9 
58,3 
58,6 
57,4 
68,2 



Tabelle III. Konzentration mit einem gewünschten Wassergehalt von 50 ^Z«. 

Bact. prodigiosum . üppig 5 48,7 üppig 5 * 49,7 

> pyocyaneum . > 8 48,6 > 6 49,8 

> vulgare. . . deutlich 8 47,3 > 6 48,5 
Vibrio cholerae . . * 12 47,7 » 10 48,3 
Bac. anthracis . . > 15 46,5 > 12 47,9 
M. pyog. aureus . . > 15 47,9 * 15 48,2 
Bact. latericium . . > 20 44,6 > 16 47,5 

> typhi ... t 20 45,3 > 20 45,6 

Tabelle IV. Konzentralion mit einem gewünschten Wassergehalt von 40 Vo- 



Bact. prodigiosum 

* pyocyaneum 

> vulgare . 

Vibrio cholerae 

Bac. anthracis 

M. pyog. aureus 

Bact. latericium 

» typhi 



zieml. üppig 
zart 



8 
14 
21 
21 
21 
21 
21 
21 



37.5 
36i3 
36.4 
36,7 
35,9 
36,3 
35,6 
35,3 



lizleml.üppig 


8 


zart 


14 


1 ' 


14—21 


1 


14-21 




14-21 


i 


14 21 




14-21 




14 21 



38,4 
36,7 
36,5 
36,2 
36,4 
35,2 
35,7 
35,2 



Von Dr. Augnst Jörns. 127 

Die Resultate der Schlitzerschen Untersuchungen 
bestätigen also vollkommen diejenigen, die Wolf 
erhalten hatte. Ja, Schlitzer sah sogar noch Oberflächen- 
wachstum all seiner untersuchten Arten bei einem 
durchschnittlichen Wassergehalt von nurSß^/o. Aller- 
dings war dasselbe nur sehr zart und wurde erst nach 3 Wochen 
sichtbar. Wolf hatte ja schon festgestellt, dafs die Stärke des 
Wachstums mit der Konzentration des Nährbodens abnimmt. 

Um den Fehler, der durch eine eventuelle Wasseran- 
reicherung der obersten Schichten durch Kondenswasserbildung 
entstehen könnte, gänzlich zu vermeiden, wandte R. Weigert 
eine andere Versuchsanordnung an; er füllte die von ihm ver- 
wandten Gelatinenährböden in flache Pläschchen nach Soyka 
und suchte eine nachträgUche Eintrocknung des Nährbodens 
durch Abdichtung der mit Watte verschlossenen Fläschchen 
durch Paraffin und eine Gummikappe zu vermeiden. Er be- 
trachtete den Versuch nur dann als positiv, sofern Bakterien- 
wachstum in den tieferen Schichten zu beobachten war; Wachstum 
an der Oberfläche oder in den oberflächUchen Schichten sah er 
als negativ an. 

Auf diese Weise ergab sich ihm, dafs auf Nährböden mit 
einem Wassergehalte von 67% ziemlich gleichmäfsig bei allen 
von ihm untersuchten Arten eine allmählich zunehmende Wachs- 
tumshemmung eintritt. Später sagt er noch bestimmter: »Alle 
7 geprüften Bakterienarten können noch gedeihen in Nährsub- 
straten mit einem Trockengehalte von ca. 3 2 % i. e. einem Wasser- 
gehalte von 68%, sie gedeihen nicht mehr in einem Nährsubstrate 
von ca. 35% Trockensubstanz, i. e. einem Wassergehalte von 
ca. 65%.€ 

Es war nun zu ergründen, woraus sich diese Ver- 
schiedenheiten der Resultate Weigerts einerseits 
und Wolfs und Schlitzers anderseits erklären lassen. 
Mehrere Gründe können zur Erklärung herangezogen werden. 
Vergleicht man die Tabellen Schlitzers und Weigerts, so 
mufs auffallen, dafs die B eobachtungsdauer sehr erheblich 
differiert. Weigert beobachtete das Wachstum in seinen 



128 über das Wachstum der Bakterien in und auf Nährböden etc. 

Nährböden meistens nur bis zum 6. — 8. Tage, Schlitzer aber 
konnte durchschnittlich erst Wachstum nach einer Zeit kon- 
statieren, die mehr als 6 — 8 Tage betrug. Die Zeit, bis zu 
welcher deutliches Wachstum konstatiert wurde, war um so 
länger, je höher die Konzentration des Nährbodens war. Dafs 
aber die Stärke des Wachstums und damit auch die Intensität 
und das Sichtbarwerden desselben mit der Höhe der Konzentration 
abnimmt, das war schon von Wolf deutlich ausgesprochen worden. 
Eine andere Tatsache macht es wahrscheinlich, dals wenigstens 
für einen Teil der Bakterien das Wachstum im Innern von hoch- 
konzentrierten Gelatinenährböden eine weitere Verlangsamung 
erfährt, resp. vollkommen unmöglich wird. In diese Nährböden 
diffundiert nämlich der Sauerstoff nur sehr langsam hinein. Ich 
konnte dies auf folgende Weise veranschaulichen. Ich färbte 
Nährböden verschiedener Konzentration, nachdem ich sie ver- 
flüssigt hatte, unter Schütteln mit einem Tropfen verdünnten 
Methylenblaus, dann brachte ich sie auf ca. ^2 Stunde in den 
Autoklaven bei geringem Überdruck. Dadurch wird aller 
Sauerstoff aus dem Nährboden ausgetrieben und das Methylen- 
blau reduziert. Die Leukoverbindung regeneriert sich beim 
Zusammenbringen mit Sauerstoff sofort wieder zu Methylenblau. 
Die entfärbten Röhrchen wurden rasch im kalten Wasser 
annähernd farblos zur Erstarrung gebracht. Die nachträglich 
etwa eintretende Bläuung zeigte mir die Art und die Intensität 
der Sauerstoffdiffusion an. Bei der gewählten Versuchsänordnung 
schreitet die Bläuung von der Oberfläche des Nährbodens in die 
Tiefe fort, und das Fortschreiten der Bläuung giebt ein Mafs 
für die Geschwindigkeit der Sauerstoffdiffusion in die verwendeten 
Nährböden. Folgende Tabelle enthält meine mit dieser Methode 
gewonnenen Resultate. 

Tabelle V. Sauerstoffdilfusion in Nährböden verschiedener Konzentration. 



Art des Nährbodens 



Gesamthöhe des ' hlftuung reicht in eine Tiefe von ? cm 



Nährbodens 
im Reagensglas 



Iproz. Nähragar . 
lOproz. Nährgelatine 



nach 
24 Stunden 



5 cm 



nach 4 Tagen 



nach einigen 
Wochen 



50proz Nährgelatine. 4 » 



1 cm 3Vi cm 5 cm 

1 > i 2»/, > 57, » 

einige min 1 * 2 » 



Von Dr. Aagast Jörns. 129 

Aus diesem Versuch geht jedenfalls hervor, dals die 
Diffusion des Sauerstoffs der Konzentration des Nähr- 
bodens proportional verlangsamt wird. Da die Gelatine 
vor der Beimpfung in den Gläsehen oder Fläschchen selbst durch 
Hitze sterilisiert wird, so sind die Nährböden von vornherein 
sauerstoffarm. Werden sie dann nach der Beimpfung durch 
Paraffin luftdicht verschlossen, so steht in dem geringen Luftraum 
im Reagensrohr nur eine sehr geringe Menge Sauerstoff zur 
Diffusion in den Nährböden zur Verfügung. Ein Wachstum 
ist daher nur für anaerobe oder fakultativ anaerobe 
Bakterienarten im Innern des Nährbodens möglich. 

Schlielslich möge noch erwähnt sein, dafs schon eine 
SOproz. Gelatine aulserordentlich zähe ist. Solche 
und noch mehr noch höher -konzentrierte Nährböden 
werden der heranwachsenden Bakterienkolonie, sofern 
diese nicht imstande ist, die Gelatine zu verflüssigen, einen 
grofsen, elastischen Widerstand entgegensetzen. 
Dieser wird, je nach der Wachstumsenergie, die der einzelnen 
Spezies innewohnt, einen mehr oder weniger starken Einfluls 
auf die Gröfse der Kolonie, mithin auf ihr Sichtbarwerden ausüben. 

Schlitz er hat schon einige Versuche angestellt, um die 
Weigert sehen Resultate mit einer ähnlichen Versuchsanordnung 
nachzuprüfen. Jedoch erscheinen mir diese Schlitz ersehen 
Versuche nicht vollkommen einwandfrei. In einer Versuchsreihe, 
aus der er Resultate über das Wachstum der Bakterien im Innern 
von hochkonzentrierten Nährböden erhalten wollte, beimpfte er 
deu erstarrten Nährboden durch einen Stich mit der Platinnadel. 
Bei der Festigkeit des Nährbodens entstand aber durch den 
Stich ein der Platinnadel entsprechendes Loch von nicht uner- 
heblichem Durchmesser, da nur mit starken Nadeln der Einstich 
möglich war. Dadurch waren aber im weiten Stichkanal etwa 
die gleichen Verhältnisse wie an der Oberfläche. Die Versuche, 
in denen Schlitzer Schüttelkulturen verwendet, sind wenig 
zahlreich. Bei ihnen könnte auch die nachträgliche Eintrocknung 
des nicht mit Paraffin verschlossenen Kulturröhrchens einen 
Fehler bei der Berechnung des Trockengehaltes veranlafst haben. 



130 t)ber das Wachatum der Bakterien in and auf Nährböden etc. 

Da Schlitzer durch äufsere Verhältnisse gezwungen war 
seine Versuche abzubrechen, veranlafste mich Herr Prof. Dr. 
E. B. Lehmann zur Fortsetzung derselben, da ich schon vorher 
Schlitzer unterstützt hatte. 

Schlitz er war bei der Herstellung einer vollständig klaren 
Gelatine auf Schwierigkeiten gestofsen. Hochprozentige Gelatine- 
tösungen lassen sich auf keine Weise klar filtrieren. Ein voll- 
kommen klarer Nährboden ist aber unbedingt erforderlich, um 
die eventuell sehr kleinen Kolonien beobachten zu können. Dm 
einen vollständig klaren Nährboden zu erzielen, verfuhr ich 
folgendermafsen : Ich stellte mir zunächst eine 20 proz. Gelatine- 
lösung her, fügte Pepton, Fleischextrakt und Kochsalz in Mengen 
zu, dafs ich in der durch Einkochen gewonneneu höheren Kon- 
zentration stets einen Gehalt von 1 % Fleischextrakt, 1 % Pepton 
und ^/3% Kochsalz erhielt, neutralisierte in üblicher Weise, 
filtrierte und brachte dann durch Einkochen auf dem Wasserbade 
den Nährboden etwa auf die gewünschte Konzentration. Dabei 
war ein stetes Umrühren mit dem Glasstabe erforderlich, um 
Hautbildung an der Oberfläche zu vermeiden. Nährböden mit 
einem Trockengehalte von 60 — 70*^/o herzustellen, ist auf diese 
Weise unmöglich. Durch das stete Umrühren durchsetzt sich 
der Nährboden mit Luftblasen, die bei so hohen Konzentrationen 
auch im Dampftopf nicht wieder zu entfernen sind. Aufserdem 
sind diese Nährböden aufserordentlich fest. Es gelang nur mit 
einem Meifsel, die 70 proz. Gelatine auf der Porzellanschale, in der 
sie gekocht war, herauszubekommen. Es sei daran erinnert, dafs 
die Gelatine des Handels lb% Wasser enthält. Nach Einkochung 
wurden die Nährböden in Reagensgläser gefüllt und sterilisiert. 

Der genauere Wassergehalt der annähernd genau einge* 
kochten Gelatine wurde durch Trocknung einiger Röhrchen jeder 
Serie im Wassertrockenschrank festgestellt. Die Resultate stimmten 
gut überein, so dafs nicht alle Röhren der Serie auf ihren 
Trockengehalt untersucht zu werden brauchten. 

Die einzelnen Röhrchen wurden in flüfsigem Zustande beimpft, 
indem das Bakterienmaterial mit der Platinöse durch kreisende 
Bewegungen möglichst gleichmäfsig verteilt wurde. Das Röhrchen 



Von Dr. August Jörns. 



131 



wird mit Watte und alsdann noch mit Paraffin luftdicht ver- 
schlossen. Die Tatsache, dafs das Gewicht der Röhrchen selbst 
nach Monaten noch konstant blieb, beweist die Vollkommenheit 
des Verschlusses. 

Bei meinen in folgender Tabelle wiedergegebenen Versuchen 
standen die beimpften Röhren bei Zimmertemperatur. Bei 64,6% 
und 55,6% Wassergehalt ist das Wachstum erst nach 
8 Tagen, bei 49,2% Wassergehalt erst nach 2 Wochen 
eben sichtbar und verstärkt sich im Laufe der 
nächsten Monate zu demBild, das die Tabelle fixiert. 



Tabelle VT. Wachstum innerhalb hochkonzentrierter NUhrböden. 



Bakterien- 
art 



Waehsttun bei einem durchsohnittUcheiL Waaser- 

^halt von 



64.5 % 



66,6 Vi 



49,2»/. 



Micr. pyog. 
aorens 



Bact. typhi 



Bact. coli 



Bact. pyo* 
cyaneum 



Bac. 
anthracis 



Bac. tetani. 



Oberfl. VerflflsBi- 

gang bis au 1 cm 

Tiefe. In der Tiefe 

gröfsere, kleinere a. 

kleinste Kolonien. 

Kolonien nur in den 
oberfl. Schichten. 

Diffuses Wachstum 
bis KU Vi cm Tiefe. 
In tiefer. Schichten 
grölsere, kleinere u. 
kleinste Kolonien. 

Oberfl. Verflüssi- 
gung. In der Tiefe 
brftunlich. Kolonien 

und Gasblasen. 



Oberfl. Verflüssi- 
;; gungstrichter. In d. 
oberfl. Schieb t.klein. 
zarte Kolonien. 

Fast vollkommene 

Verflflssigung. 

Kulturrasen am 

Boden derselben. 



Oberfl. Verflüssi- 
gungstrichter bis au 

Vi cm, diffuses 
Wachstum bis zu 
1 cm Tiefe, darunter 
kleinste Kolonien. 

Makroskopisch kein 
Wachstum erkenn- 
bar. 

Bis zu 1 cm Tiefe 
zahlr. Kolonien, ver- 
einzelte in der Tiefe, 

daneben diffuse 

Trübung u. kleinste 

Kolonien. 

Geringe oberfl. Ver- 
flüssigung. In der 
Tiefe grofse Gas- 
blasen neben grOfs. 
Kolonien. 

Makroskopisch kein 
Wachstum. 



Starkes diffuses 

Wachstum u. zahlr. 

mittelgr. Kolonien 

in der Mitte. 



Kleinere Kolonien 
in allen Schichten 
des Nährbodens. In 
der Mitte Gasblasen. 



2 Versuche : a) Zart. 
Wachstum mit Gas- 
bildung in d. Mitte, 
b) Verflüss. u. zahlr. 
kleine Kolonien i. d. 
Mitte d.Nährbodens. 



132 Über das Wachstum der Bakterien in und auf Nährb<klen etc. 

Aus diesen Versuchen geht völlig einwandfrei hervor, dafs 
Bakterien Wachstum im Innern von Nährböden noch 
bis zu einem Wassergehalt von 49,2*^/o, i. e. einem 
Trockengehalte von 50,8®/o möglich ist. Die Versuche 
erscheinen mir absolut einwandfrei und beweisend. 

Weiter wird durch sie erhärtet, dals mit der Höhe der 
N ährbodenkonzentratiou die Stärke und Intensität 
des Wachstums vermindert wird; die Entwicklungs- 
dauer der Kolonien ist verlangsamt, eine Tatsache, die 
schon Wolf deutlich ausgesprochen hatte, die aber Weigert 
gar nicht in Erwägung zog. 

Der Sauerstoffmangel, der, wie ich vorher auseinander- 
setzte, im Innern der hoch konzentrierten Nährböden herrscht, 
könnte das Wachstum aerober Bakterien daselbst weiter 
herabmindern oder unmöglich machen. In der Tat gediehen 
Bact. typhi und Bac. anthracis, die bei 55,6 ^/q Wassergehalt 
nicht mehr makroskopisch sichtbar wuchsen, in Kontroll versuchen 
schlecht oder kümmerlich bei anaerobem Kulturverfahren. Aufser- 
dem war in meinen Versuchen die relativ stärkste Entwicklung 
in oberflächlicheren Schichten, die noch am sauerstoffreichsten 
sind. Veränderungen des Wassergehaltes dieser Schichten können 
mit Ausnahme der Oberfläche selbst hier nicht in Betracht 
kommen. Ich konnte niemals merkliche Spuren von Kondens- 
wasser an den Wänden der Gläschen, die in einem, keinen groben 
Temperaturschwankungen ausgesetzten Raum aufgestellt waren, 
bemerken. Bacillus tetani, ein obligater Anaerob, wuchs in allen 
Konzentrationen am üppigsten, ein weiterer Beweis für meine 
Behauptung. 

Die negativen Versuche Weigerts erklären sich, wie 
oben vermutet, offenbar durch seine zu kurze Beobach- 
tung. Die Kürze seiner Beobachtungsdauer mag eine gewisse 
Berechtigung haben in Anbetracht des Zweckes, für den er seine 
Versuche anstellte. Wollte er doch durch sie beweisen, dafs 
die natürliche Widerstandsfähigkeit des menschlichen Organismus 
gegenüber den Bakterien vielleicht auf der Unfähigkeit letzterer, 
bei einem Wassergehalt zu wachsen, wie ihn der menschliche 



Von Dr. August Jörns. 133 

Gesamtorganismus bat, beruhe. leb will miob auf die Diskussion 
dieser Frage nicbt einlassen. Es leuebtet doch leicht ein, dafs 
sich der Wassergehalt eines homogenen Nährbodens nicht mit 
dem Gesamtwassergehalte des menschlichen Organismus ver- 
gleichen läfst. Im letzteren gibt es ja wasserärmere, aber auch 
recht wasserreiche Regionen (Blut, Lymphe usw.). 

Für uns handelte es sich nur um die Feststellung 
der rein biologischen Frage: Bis zu welchem Wasser- 
gehalte Bakterienwachstum überhaupt noch möglich 
ist. Meine Untersuchungen zeigen, dals die Behaup- 
tung, die schon Wolf aufstellte: »Bakterien wachsen 
auf unseren gebräuchlichen Nährböden noch bis zu 
einem Wassergehalte bis zu50%f, auch für das Wachs- 
tum dieser Bakterien im Innern dieser Nährböden, 
speziell derGelatinenährböden, vollkommen zuRecht 
besteht. Über die Möglichkeit, bis zu 40% Wassergehalt noch 
spurweises Wachstum zu beobachten, was auf Nährboden Wolf 
dann und wann, Schlitzer immer gelungen sein soll, möchte ich 
mich nicht endgültig aussprechen. Die Fehlerquellen liegen auf 
der Hand. Klare Nährböden mit so niederem Wassergehalt 
konnte ich nicht mehr herstellen und deshalb über das Wachstum 
im Innern derselben nichts erfahren. 

Am Schlüsse meiner Arbeit ist es mir eine angenehme 
Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. K. B. 
Lehmann, für das rege Interesse, welches er meinen Unter- 
suchungen entgegenbrachte, meinen herzlichsten Dank auszu- 
sprechen. 



^ 



Studien Aber die Zähigkeit des Fleisches und ihre 

Ursachen. 

Von 

Prof. Dr. E. B. Lehmann. 

unter Mitwirkung') der Herren: Dr. Fritz Schindler aas Kascher i. Seh)., 
Dr. Paul Gunkel aus Kassel, Dr. Joseph Tillmann aus Menden (Weetf.X 
Dr. Joseph Wilms aus Mausbach b. Aachen, Dr. David Rothschild aas 
Frankfurt a. M., Dr. Max Selo aus Prechlau (W.-Pr.), Dr. Adolf Schau- 
wienold, H. Jaeth, Dr. Leo Isaak aus Pfungstadt und Dr. Ludwig 

Rumpf aus £ichstätt. 

(Aus dem Hygienischen Institut in Würzburg.) 

I. Einleitung. 

Es ist jedermann bekannt, dafs sich sowohl die gleichen 
Muskeln verschiedener Tiere als verschiedene Muskeln des gleichen 
Tieres in bezug auf ihre Zähigkeit sehr bedeutend unterscheiden. 

Die Zartheit des Filets gegenüber der Zähigkeit der Waden- 
muskeln und Hautmuskeln, die Zähigkeit des Fleisches alter 
und abgearbeiteter Tiere gegenüber dem von jungen und gut 
gefütterten ist in breiten Schichten des Volkes als Tatsache an- 
erkannt und bei der Preisbestimmung von Bedeutung. 



1) Vergl. : K. B. Lehmann, Sitzungsberichte der physik.*med. Oeeell- 
Schaft zu Würzburg, 11. März 1897. 

Fritz Schindler, Über die Ursache und Bedeutung der verschiedenen 
Zartheit unseres Schlachtviehs. Dissertation WQrzburg 1895. 

Paul Gunkel, Vergleichende Bestimmungen über die Zfthigkeit ver- 
schiedener Fleischsorten. Dissertation Würzburg 1896. 



Stadien Aber die Z&higkeit des Fleisches etc. Prof. Dr. K. B. Lehmann. 135 

Untersuchungen, aus denen ziffermälsig etwas über den ver- 
schiedenen Grad der Zähigkeit entnommen werden könnte oder 
die über die Ursachen der verschiedenen Zähigkeit etwas aus- 
sagten, sind mir nicht bekannt geworden, ich teile daher die 
von mir mit meinen Schülern in den letzten 10 Jahren unter- 

« 

nommenen Arbeiten mit, ohne mich auf die Arbeiten anderer 
zu beziehen. 

Ich schicke voraus, dals das meiste untersuchte Fleisch von 
leicht tuberkulösen Tieren stammte und von der Würzburger 
Freibank durch freundliche Vermittelung des Herrn Polizeitier- 
arztes Düll geliefert wurde. Es kam ausschliefslich Fleisch 
kräftiger, wohlgenährter Tiere zur Verwendung. Nach einigen 
Versuchen einigten wir uns, immer nur zwei Fleischsorten des 
gleichen Tieres miteinander zu vergleichen und zwar wählten wir 
Lende (Filet), d. h. die oberen Teile des Psoas und einen Muskel, 
der im folgenden als Hautmuskel bezeichnet ist, und der genauer 
als Flankenhautmuskel zu bezeichnen wäre. 

Ich habe lange mit der Zusammenfassung der vorliegenden 
Arbeiten gezögert, weil ich durchaus nicht verkenne, wie schwierig 
die gestellten Probleme sind. Nachdem ich aber zur Einsicht 
gekommen bin, vorläufig wohl nicht mehr viel weiter kommen 
zu können, so habe ich mich entschlossen, die vorhandenen 



Joseph Till mann. Die Bedeutung des Bindegewebes fflr die Zähigkeit 
des ScblachtfleiBches. Dissertation WOrzburg 1896. 

Joseph Wilms, Beiträge cur Kenntnis der Zähigkeit unserer Nahrungs- 
mittel. Dissertation WOrsburg 1897. 

Dayid Rothschild, Beiträge zur Kenntnis der Zähigkeit der inneren 
Organe unserer wichtigsten Schlachttiere. Dissertation Wünburg 1897. 

Max 8elo, Quantitative Bestimmungen des koUagenen Gewebes im 
Fleische. Dissertation Wflrzburg 1899. 

Adolf Schauwienold, Neue Beiträge zur Kenntnis der Muskelzähig- 
keit, insbesondere über die Veränderung derselben beim Abhängen des 
Fleisches. Dissertation Würzburg 1899. 

Leo Isaak, Über die Zähigkeit des Fleisches in ihrer Beziehung zur 
Dicke der Muskelfasern. Dissertation Wfirzburg 1901. 

H. Jaethy Über die Veränderung der Muskelzähigkeit beim Gefrieren. 
Noch nicht gedruckt. 

Ludwig Rumpf, Physikalische Veränderungen des Fleisches beim 
Kochen. DiseerUtion Würzburg 1903. 



136 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen. 

Resultate einmal zu publizieren und auf die erkannten Lücken 
und Mängel offen hinzuweisen. Vielleicht dals weitere Forscher 
mit neuen Methoden weiterkommen. 



II. Die Methodik zur Gewinnung von Vergleichszahlen Ober 

die Zähigkeit verschiedener Muskeln. 

Unter der Zähigkeit eines Fleisches versteht man im prak- 
tischen Leben den Widerstand, den dasselbe dem Zerschneiden 
und namentlich dem Zerbeifsen entgegenstellt. Es ist also die 
Druckfestigkeit, richtiger die Abscherfestigkeit das Mafs für die 
Zähigkeit. 

Da ein geeigneter Apparat zur Prüfung der Druckfestigkeit 
nicht zu Gebote stand, so stellten wir zuerst einige Versuche 
über die Zugfestigkeit an, um uns einen Begriff zu ver- 
schaffen, ob Lende und Hautmuskel sich überhaupt so verschieden 
verhielten, dafs eine Prüfung der Frage der Zähigkeit mit einer 
einfachen Methodik lohne. 

Es wurden aus Lende und Hautmuskel 15 cm lange Streifen 
der Faser parallel geschnitten von einem Durchmesser von 
1 ^/2 cm. Diese Streifen wurden am einen Ende mittels Kork 
fest in ein kräftiges Eisenstativ eingespannt während an das 
andere stark mit Bindfaden umwickelte Ende mittels eines Hakens 
steigende Gewichte angehängt wurden. Die Versuche, die nur 
als ziemlich rohe Vorversuche bezeichnet werden dürfen, gaben 
immerhin ein aufserordentlich interessantes Resultat. Es zeigte 
sich, dais der Hautmuskel erst bei einer Belastung von 11 kg, 
die Lende dagegen schon bei 4 kg zerrits. Die Versuche wurden 
ein paar Mal wiederholt und gaben immer analoge Resultate, d. h. 
die Zugfestigkeit von Filet und Hautmuskel verhält sich etwa wie 
1 : 2,75. Vor der Zerreifsung wird der Muskel stark gedehnt. 
Die Abreifsung erfolgte fast immer in der Nähe des einen der 
beiden Enden, beeinflufst von der etwas einschneidenden Um- 
Wickelung. 

Nachdem wir in einer vorläufigen Versuchsreihe einige 
Fleischsorten auf ihre Nachgiebigkeit gegen Druckbelastung mit 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



137 



aabefriedigendem Resultat geprüft hatten, sagte ich mir, dafs es 
wohl am besten sei, einen Apparat zu konstruieren, der tunlichst 
den menschlichen Beifsakt nachahmt. Ich weifs sehr wohl, dafs 
das Zerkauen des Fleisches nur zum kleineren Teil durch die 
Schneidezähne, zum gröfseren Teil durch die Backzähne bewirkt 
wird; dennoch lehnt sich die Konstruktion an die Funktion der 
Schneidezähne an, da nur auf diese Weise Vergleichszahlen für 
verschiedene Fleiaehsorten zu gewinnen waren. Der neben- 
stehend abgebildete Apparat Dexometer (J^^cg == Biß) ist von der 
Firma Siedentopf, dahier, ausgeführt und hat sich im grofsen 
and ganzen als recht zweckentsprechend erwiesen. 




Flg. 1. 

Auf einem eisernen Fufse / erhebt sich ein gebogener Auf- 
satz a, an dessen nach unten gerichtetem freien Ende eine 
abnehmbare, durch Schrauben befestigte Schneide s sich befindet. 
Diese Vorrichtung entspricht, dem Oberkiefer und bleibt bei den 
Versuchen in Ruhe. Der Unterkiefer wird nachgeahmt durch 
eine auf der Schneide h aufgehängte Metallstange 6, die an ihrem 
einen Arme eine Gewichtsschale, an ihrem anderen Ende ein 
verschraubbares Gewicht zum Zwecke der Equilibrierung trägt. 
Ziemlich genau unter der oberen Schneide ist an dem beweg- 
lichen Balken eine zweite angeschraubt. Die Schneiden sind aus 
Stahl und messerartig scharf. Die untere Schneide ragte eine 
Spur über die obere vor, wenn der Hebel im Gleichgewicht ist. 
Es wird dadurch ein scherenartiges Abschneiden des zwischen 
die Schneiden gebrachten Fleisches bewirkt, wenn in die Schale c 
Gewichte gelegt werden. Das obere Ende der unteren Schneide, 
der Aufhängepunkt des beweglichen Arms und die Mitte der 



138 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 

Wagschale liegen in einer Ebene. Der Hebelarm, an dem die 
Gewichte angreifen, ist 35 cm, der kleinere mit den Schneiden 
7 cm lang, es wirken somit die Gewichte an einem 5 mal längeren 
Hebelarm, und es sind deshalb die gefundenen Gewichtszahlen 
im folgenden mit 5 multipliziert. 

Unter die Gewichtsschale wurde ein Aufbau aus Holz- 
klötzen gelegt, der in den ersten Versuchsserien die Bewe- 
gung der unteren Schneide etwa in ^/^ mm Entfernung von 
der oberen Schneide hemmte, um eine Beschädigung der 
Schneiden zu vermeiden. Später hemmten wir den Apparat 
erst, wenn die obere Schneide ca. V2 mni an der unteren vorbei- 
geglitten war, was die Zahlen kaum beeinflufste. Alle Versuche 
sind mit den gleichen Schneiden angestellt Dieselben sind mäfsig 
scharf, verdünnen sich gleichmäfsig gegen die schneidende Kante 
und sind in einer Entfernung von 14 mm von derselben 2 mm dick. 

Der Apparat wurde eingehend nach verschiedenen Gesichts- 
punkten auf seine Brauchbarkeit und die zur Gewinnung brauch- 
barer Vergleichszahlen nötigen Vorsichtsmafsregeln untersucht, 
woran sich insbesondere Dr. Rothschild beteiligte. 

Vor allem drängte sich uns die Überzeugung auf, dafs der 
Hebelarm, welcher die Schale trägt schon unbelastet mit einer 
gewissen Kraft das Objekt zu durchbeifsen strebt, das man 
zwischen die geöffneten Schneiden legt. Um dies einzusehen, 
brauchte man blofs den Finger zwischen die Schneiden zu legen. 
Die Grölse dieser Kraft wächst mit der Entfernung der Schneiden, 
indem mit zunehmender Öffnung der Schneiden der Schwerpunkt 
des Hebels immer mehr aus seiner Lage senkrecht unter (2,8 cm) 
dem Drehpunkt sich entfernt und der Hebelarm, an dem das 
Gewicht des Schalenbalkens wirkt, gröfser wird. Wir haben die 
potentielle Energie, welche der Schalenbalken (1730g schwer) 
entwickelt, wenn die Schneiden in einer Entfernung von 1 cm 
stehen, einmal konstruktiv und rechnerisch, zweitens aber ex- 
perimentell bestimmt. Da beide Bestimmungen recht gut über- 
einstimmen, so teilen wir nur die Ergebnisse der zweiten Methode 
mit. Legt man zwischen die beiden Schneiden ein Holzklötzchen 
von 1 cm Dicke, so genügt es unter der Schneide s, ein Gewicht 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann« 



139 



voD 100 g anzuhängen, um jede Druckwirkung der Schneiden 
gegen das Holz aufzuheben, so dals das Holz leicht herausgezogen 
werden konnte. Auch ein Finger von 1 cm Dicke fühlte keinen 
Druck mehr, wenn 100 g augehängt wurden. 100 g am kurzen 
Hebelarm wirken aber gerade wie 20 g am 5 mal längeren langen 
Hebelarm. Da aber der Hebel diese Wirkung nur in der extremen 
OSnuDg der Schneiden von 1 cm ausübt und nach dem Durch- 
beifsen im Gleichgewicht hängt, also keinen Druck hervorbringt, 

so läfst sich die Wirkung des Hebeldruckes durch ^ — 

d. h: durch 10g zum Ausdruck bringen, die man zu den auf 
die Schale gelegten Gewichten addiert. Für Objekte von nur 
0,öcm Dicke sind 5 g zu addieren. 

Unter Berücksichtigung dieser selbstverständlichen Korrek- 
turen gibt der Apparat die Zahlen, wie man sie theoretisch er- 
warten mufs, während die unkorrigierten unbefriedigend sind. 
Wir haben diese Prüfung angenommen mit sorgsam regelmäfsig 
zurechtgeschnittenen Kartoffel-Parallelopipeden. Folgende Zahlen 
wurden je in 10 Versuchen direkt gefunden: 





Höhe 1 cm 


Höhe 1 cm 


Höhe 0,6 cm 


Höhe 0,6 om 




Breite 1 cm 


Breite 0,5 cm 


Breite 1 cm 


Breite 0,6 om 


1. 


48 


18 


30 


8 


2. 


55 


15 


25 


12 


3. 


49 


23 


23 


10 


4. 


46 


22 


26 


12 


5. 


50 


24 


24 


7 


6. 


50 


25 


22 


9 


7. 


53 


17 


25 


12 


8. 


55 


22 


28 


15 


9. 


48 


20 


26 


12 


10. 


45 


23 


25 


8 


also im ' 
DurchflChnitt : 


49,0 


20,9 


24,9 


10,5 



Diese Zahlen 

49 21 25 10,5 
verhalten sich nur ungefähr wie die durchbissenen Flächen, nach 
denen zu erwarten gewesen wäre: 

50 25 25 12,5. 

AichlT für Hygiene. Bd. LXm. 10 



140 Studien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen. 

Addiert man aber zu den an den beiden 1 cm dicken Beifs- 
objekten gewonnenen 10 zu den beiden V2 cm hohen niedrigen 
5 g, so erhält man: 

59 31 30 16,5 
statt 

60 30 30 16 

eine gröfsere Übereinstimmung wäre nicht möglich und es ist 
damit nachgewiesen, dafs der Apparat sehr befriedigend arbeitet. 

Die hier abgeleitete Korrektur haben wir nur bei den Zahlen 
für weiche Objekte durchgeführt. Betrug die notwendige 
Gewichtsauflage wie bei Fleisch mehrere Hundert Gramm, so 
war eine solch kleine Korrektur ohne Bedeutung. 

Die im folgenden mitzuteilenden Versuche wurden unter- 
einander möghchst gleichmäfsig angestellt. Die zu durchbeifsen- 
den Fleischzylinder hatten alle möglichst genau in rohem Zu- 
stande einen Umfang von 3,75, d. h. einen Durchmesser von 
1,2 cm und waren möglichst genau der Faser parallel geschnitten. 
Um ein Ausweichen der Bündel nach der Seite möglichst zu 
vermeiden, wurden dieselben in Abständen von 1 zu 1 cm mit 
weichem Bindfaden fest umwickelt und zwischen den Binde- 
stellen durchschnitten. 

Die einfache Konstruktion des Apparates sowie die unregel- 
mälsige Zusammensetzung der Muskulatur, die Einlagerung von 
gröberen Bindegewebszügen, Gefäfsen, Nerven zwang natürlich 
dazu, jeden Einzelversuch stets ca. 10 — 20 mal zu wiederholen, 
was bei der einfachen Versuchsanordnung keineswegs als ein Un- 
glück anzusehen ist. Abgesehen von einigen Belegbeispielen 
werde ich in dieser zusammenfassenden Darstellung nur die 
Mittelzahlen geben, zu deren Gewinnung stets alle überhaupt 
erhaltenen Werte Verwendung fanden, sie mochten noch so ab- 
weichend nach oben oder unten ausgefallen sein. — Oberfläch- 
liche Faszien wurden natürlich stets wegpräpariert, die Durch- 
beifsung wurde als vollendet angesehen, wenn auch noch 
V4 — V2 ™iö Bindegewebe zwischen den Schneiden blieb. Die 
Durchschneidung wurde stets laugsam durchgeführt, um nicht 
durch zu hastiges Gewichtauflegen zu grofse Lasten zu finden, 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 141 

vielmehr wurde jedem Gewicht etwa ^/2 Minute Zeit gegeben 
ZQ wirken und für weiche Körper Gewichte von 5 zu 5, für feste 
von ÖO zu 50 aufgelegt. Die Zeit, die man^ die Einzelbe- 
lastangen wirken läfst, ehe man sie vermehrt, ist natürlich von 
einiger Bedeutung für das Resultat — es mag in etwas ab- 
weichendem Arbeiten in dieser Richtung zum Teil der Unter- 
schied der Resultate der verschiedenen Mitarbeiter bedingt sein. 

Dr. Ludwig Rumpf hat versucht, in einigen Versuchen 
die »langsame Durchschneidung c, wie ich sie oben beschrieben 
habe, durch die »rasche Durchschneidungc zu ersetzen, bei der 
er auf einmal ein vorher ungefähr ausprobiertes Gewicht sanft auf- 
legte, um auf einmal eine Durchschneidung zu erzielen. War das 
Gewicht zu niedrig, um eine prompte Durchschnei düng zu ge- 
statten, so wurde dieser Wert verworfen. Es wurden so erheb- 
lich niedrigere Zahlen erhalten — nur 50— 30% der Werte nach 
der langsamen Methode — aber die Relativzahlen zweier zu ver- 
gleichender Fleischproben zeigten zu meiner Freude im wesent- 
lichen das gleiche Verhältnis als wie bei der langsamen Methode, 

Es waren die Verhältnisse in 3 Reihen: 

nach der langsamen Methode: 1:2,42 1:1,62 1:1,14 
„ raschen „ 1:2,18 1:1,39 1:1,09. 

Differenzen, wie sie bei der raschen Methode und dem un- 
gleichmäfsigen Material nicht anders zu erwarten sind. 

Die gefundenen Zahlen (Gewichtszahleu) sind mit 5 zu 
multiplizieren, da die Gewichte an einem Hebelarm wirkte, der 
5 mal länger ist als der, welcher die Schneiden trägt. Ich habe, 
wo ich Originalzahlen (Versuchsprotokolle) mitteilte, stets die 
wirklich beobachtete Zahl in Grammen angegeben, aber die Mittel 
stets in absolute Zahlen durch Multiplikation mit 5 umge- 
rechnet. 

ill. Vergleich der Zähigkeit von Hautmuskel und Filet 

des Rindes in rohem Zustand. 

Ich teile von den beiden allerersten Versuchen die Original- 
zahlen mit, um ein ungeschminktes Bild der Leistungen des 

Apparates zu geben. 

10* 



142 Studien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen. 



Versuch I. Rind. 4 Tage nach der Schlachtung untersucht. 
Es mufsten zur Durchbeifsung aufgelegt werden: 





Filet 


Hautmuskel 


1 


g 


K 


1 


1 

750 


1100 


2 


600 


1000 


;j 


400 


1100 


4 

1 


450 


1600 


5 


350 


1000 


6 


600 


1400 


7 


800 


1000 


8 


400 


900 


9 


400 


1150 


10 


450 


1400 


11 


450 




12 


400 





Mittel 463 1165 
Absolute Zahl 2315 5825 (durch Multiplikation mit 5 erhalten) 

Verhältnis 1 : 2,5 

Läfst man die beiden extremen Werte jeder Seite 300 und 
750 und 900 und 1600 g weg — bei denen man ja unwillkürlich 
an einen Fehler denkt, so ändert sich das Durchschnittsresultat 
kaum. 

Versuch II. Rind. 





FJlet 


Hautmuskel 




g 


g 


1 


600 


1500 


2 


650 


1200 


3 


500 


1200 


4 


600 


1100 


5 


500 


1250 


6 


800 


1400 


7 


400 


1150 


8 


400 


1000 


9 


450 


1200 


10 


350 


1120 


11 


250 


1050 


12 


250 


1050 


13 




1200 


14 




1100 



Von Prof. Dr. E. B. Lehmann« 



143 



Mittel 479 1180 
Absolute Zahl 2395 • 590Ü (durch Multiplikation mit 5 erhalten) 

Verhältnis 1 : 2,6 

Trotz der fatalen Abweichung einzelner Zahlen — was in 
diesem extremen Grade später kaum je wieder beobachtet wurde, 
stimmt Durchschnitt und Verhältnis auffallend gut zum ersten 
Versuch. Ich unterlasse daher im allgemeinen die Mitteilung 
der Einzelversuche und gebe alle hierhergehörigen Versuche in 
einer Tabelle. 



Numiner 


Absolute Werte 


Verhältnis 


Autor 


des Rindes 


Lende 


Haatmuakel 






1 
2 

3 


2815 
2395 
1930 


5825 
5900 
4860 


Weichen- 
haut- 




,2.6 
:2,5 
;2,7 


Lehmann und 
Schindler 


4 


2680 


7050 


maskel. 




2,5 




5 


2410 


6750 






;2,9 


Rothschild. 


6 

7 
8 


3120 
2000 
3225 


6385 

jfinn /Flankenhftnt- i 
*^^"" \ muskel I 

7650 




2.1 
.2,0 
;2,37 


Schauwienold. 
> 


9 


4880 


9900 




:2,S6 




10 


4200 


9150 




:2,18 


L. Rumpf.*) 


11 


3850 


9300 




:2,42 




12 


3050 


6650 






:2,lä 





Aus dieser Tabelle folgt: 

1. Mit auffallender Regelmäfsigkeit war die Lende 2,0 bis 
2,9 mal leichter zu durchbeifsen als der Hautmuskel, im Mittel aller 
Versuche war das Verhältnis wie 1 : 2,4. 

2. Bei verschiedenen Tieren fanden wir eine nicht uner- 
hebliche Verschiedenheit der Zähigkeit des gleichen Muskels, 
das zarteste Filet und der zarteste Hautmuskel sind etwa 1,5 mal 
leichter zu durchbeifsen als die entsprechenden Muskeln der 
Zähesten uns bisher vorgekommenen Tiere. Es ist dabei zweck- 
mäfsig, die älteren Versuche 1 — 7 und die neueren 8 — 12 nur 
untereinander zu vergleichen. 



1) Die absoluten Werte von Rumpf sind auf&Uend höher als die 
seiner Vorg&nger — vielleicht hangt dies zam Teil mit dem allmfthligen 
Stampfwerden der Schneiden zasammen. 



144 Stadien Ober die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 



Am Kalbe sind 4 methodische Untersuchungen durchgeführt, 
welche als absolute Werte ergaben. (Jede Zahl ist das Mittel 
aus 10 — 15 Versuchen, die sehr gut untereinander stimmten.) 



1 

1 

t 


1 

Lende 


Haut- 
muskel 


Verhält- 
nisae 


Kalb I 

. n 

> III 

> IV 


Die Kälber waren 3—6 Wochen 
alt und hatten mindestens 
24 Stunden im Kühlhaus ge- 
hangen. 1 


2090 
1950 
2000 
2060 


8825 
8485 
8690 
8645 


1:4,2 

1 :4,36 

1:4,33 

1:4,2 




Oder im Mittel 


2035 


8660 


1:4,3 



Es war also die Zähigkeit des Kalbfleisches in den einzelnen 
Versuchen auffallend ähnlich und die der Lende ganz allgemein 
etwas über 4 mal so klein als die des Hautmuskels, der Unter- 
schied der Zähigkeit der verschiedenen Muskeln also noch weit 
bedeutender als beim Rind! Die Zähigkeit der Kalbslende 
entspricht etwa der des zartesten Rindslende, der Hautmuskel 
war ^ auf den ersten Blick ein sehr überraschendes Resultat — 
erheblich zäher als der des Rindes! 

Von Schweinefleisch und Hammelfleisch sind bisher nur 
zwei Untersuchungen gemacht, jede Zahl ist aus 20 — 40 Einzel- 
zahlen abgeleitet: 

Lende Schlegel 

Schweinefleisch 1640 3545 

Lende Rücken 

Hammelfleisch 2150 2350. 

Die Zahlen entsprechen unserer Erwartung. Zartes Schweine- 
und Hammelfleisch entspricht in der Zartheit dem besten Rind- 
fleisch. Hammelrücken und Hammelfilet sind etwa gleich zart, 
Schweineschlegel ist etwa doppelt so zäh wie Filet. 

IV. Die Ursachen der verschiedenen Zähigiceit verschiedener 

Fleiechsorten. 

Die grofsen Zähigkeitsdifferenzen von Lende und Hautmuskel 
konnten a priori in sehr verschiedenen Ursachen begründet sein : 
1. War es möglich, dafs die Muskelfasern selbst bei Lende 
und Hautmuskel eine verschiedene Struktur, eine ver- 
schiedene Derbheit besafsen. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 145 

2. Konnte die Verbindung der Muskelfasern miteinander 
durch das Sarkolemm von verschiedener Festigkeit sein. 

3. Konnten die einzelnen Muskelfaserbündel in dem einen 
Falle durch stärkere und derbere, in dem andern Falle 
durch zartere und dünnere Bindegewebsmassen (Perimy- 
sium internum) miteinander verbunden sein. 

4. Konnte der bindegewebige Bestandteil des Muskels in 
dem einen Falle vorwiegend aus gewöhnlichem koUa- 
genem fibrösen Bindegewebe bestehen, währenddem in 
andern Fällen vielleicht elastische Fasern eine grölsere 
Rolle bei der Zusammensetzung des Bindegewebes 
spielten. 

Punkt 1 und 2 haben wir zwar manche Aufmerksamkeit 
gewidmet, aber nicht mit allzuviel befriedigendem Erfolg. 

Der Hautmuskel ist mehr ein weifser, die Lende ein roter 
Muskel, der-Hämoglobingehalt — wie in einer besonderen Arbeit 
gezeigt ist^) — ist beim Hautmuskel 2 — 4 mal kleiner als beim 
Filet — aber daraus läßt sich nichts bestimmtes über die Festigkeit 
der Muskelfasern ableiten. 

In einer sorgfältigen Studie hat Herr Leo Isak sich 
vergeblich bemüht, den Nachweis zu führen, dafs in der Dicke 
der Muskelfasern von Filet und Hautmuskel ein wesentlicher 
Unterschied bestehe, und daß die Festigkeitsdifferenz vielleicht 
zum Teil wenigstens darauf zu beziehen sei. Ich führe über 
diese Untersuchungen folgendes an: 

Die Versuche wurden an mehreren Rindern und Kälbern 
mit möglichst differenten Ernähnmgs- und Altersverhältnissen 
angestellt und zwar: 

1. an einem abgetriebenen mageren Rinde, Alter 2 Jahre, 

2. einem Vl^ jährigen fetten Rinde, 

3. einem mittelstarken 4 jährigen Rinde, 

4. einem mageren Kalb, 10 Tage alt, 

5; an einem 4 Wochen alten fetten Kalb. 



1) K. B. Lehmann mit Werner, Stadtfeld, Mandelbaum, 
Eiseneaaer und I m h o f , Über den Hämoglobin gehalt der Muskeln. Zeit- 
schrift f. Bio]., XLVII. 



146 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 



Die Muskeln wurden dem kurze Zeit zuvor geschlachteten 
Tiere entnommen, auf freundlichen Rat des Herrn Prof. Dr. Stöh r 
nach der von Tellyesnicky angegebenen Methode in 30proz. 
Kalibichromat-Essigsäure 18 — 24 Stunden fixiert, darauf 3 bis 
4 Stunden in fliefsendem Wasser ausgewaschen und in allmählich 
verstärktem Alkohol gehärtet. Nach 3 — 4 Tagen wurden sie 
in Celloidin eingebettet, nach weiteren 2 Tagen geschnitten und 
in verdünnter Boraxkarminlösung gefärbt. Es wurden sowohl 
Längs- als Querschnitte angelegt, letztere aber in erster Linie 
berücksichtigt. Darauf fand die Messung der Fasemdicke mit 
dem Okularmikrometer statt, und zwar benutzten wir Mikroskop 
Leitz, Okular III, Objektiv 3 beim Rinde, Objektiv 7 beim Kalb. 

Für das Gefühl erschien die Muskelsubstanz der Lende 
weicher, komprimierbarer, verreibbarer als die des Hautmuskels. 

Gemessen wurden alle in einem Gesichtsfeld befindlichen 
Fasern, mit Ausnahme der vereinzelten ganz extrem dicken 
und dünnen. Bei nicht kreisförmigen Querschnitten berück- 
sichtigten wir stets — wie dies auch Majeda tat — den gröfsten 
Querschnitt. 

In kürzester Form ausgedrückt lautet die Tabelle: 







Rin 


d. 










Haatmuskel (zäh) 


Lende (zart) 


Einzelzahlen 


Grenzwert 
in MUtra 


Mittel- 
wert 


Mittelwert 

aus den 

EinBel- 

zahlen 


Grenzwert 
in Mlkra 


Mittel- 
wert 


Mittelwert 
aus den 
Einzel- 
zahlen 


Tier I 

Tier II 

Tier III 


30—75 
30-38 
38 45 


53 
34 
42 


54 
35 
43 


30 38 
45-53 
38—45 


34 
49 
42 


35 
49 
42 


Mittel der 3 Rinder ; 


1 


43 






45 





Tier I 
Tier U 





Kalb. 


17-20 


19 18 


22 27 


25 


25 



15—17 ' 16 
17 17 



17 
17 



Werfen wir zuerst einen Blick auf die absoluten Zahlen! 
Die Fasern des Rindes sind wesentlich dicker (2 — 2\vci9X) als 
die des Kalbes. Ganz ähnliche Resultate hatte Schwalbe für 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 147 

den Menschen gewonnen. Während nach ihm z. B. die Durch- 
schnittszahlen für die Fasern des Rectus medialis, Masseter, 
Biceps und Sartorius des erwachsenen Menschen: 15, 29, 51 und 
52 M betragen, betragen sie beim Neugeborenen 10, 8, 12 und 
10 M. Die soeben erwähnten Zahlen beweisen die relativ geringe 
Verschiedenheit der Dicke der Muskelfasern beim Neugeborenen, 
und unsere für das Kalb gefundenen Mafse entsprechen gleichfalls 
diesen Beobachtungen. Die Schwankungen im Faserkaliber des 
Rindsmuskels entsprechen im grofsen und ganzen den bei 
anderen Säugetieren gefundenen. So betragen die Grenzwerte 
für die Fasern des M. subcutaneus colli der Maus 38 resp. 76 M ; 
vom Psoas sind keine Werte angegeben. 

Im Sinne unserer Fragestellung ergibt sich nichts Brauch- 
bares, im Mittel der 3 Rinderuntersuchungen gibt Hautmuskel 
und Lende identische Zahlen. 

Dagegen steht ganz fest, dafs die möglichst isolierten Bündel 
des Lendenmuskels viel weicher, zerreibbarer sind als die des 
Hautmuskels. 

Eiue Untersuchung einzelner isolierter Bündel mit dem Beifs- 
apparat war nicht möglich, dagegen habe ich die Zugfestigkeit 
mit Herrn Isaak einem rohen Vergleich unterzogen. Die ab- 
soluten Zahlen unterdrücke ich hier, weil die Angaben von 
Isaak nicht genau verständlich sind, ich gebe vielmehr nur die 
Relativzahlen : 

VerhJUtnis der Zagfestigkeit von Haut und Filet bei gleichem, sehr dünnem 

Querschnitt. 

Rind I wie 2,5 : 1 
Rind U wie 2,8 : 1 
Rind m wie 2,3 : 1 

Da oben gezeigt ist, dafs sich die Zugfestigkeit etwa wie die 
Beirsfestigkeit verhält, so dürfen wir wohl annehmen, dafs sich 
auch für den Dexometer feine Muskelbündel von Lende und 
Hautmuskel in ihrer Festigkeit wie etwa 2,5 : 1 verhalten. 
Natürlich beweisen auch diese Resultate nichts über die spezifische 



148 Studien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen. 

Festigkeit der verschiedenen Muskelsubstanz, sie können ebensogut 
vom Sarkolemm, Perimysium internum etc. abhängen. 

Die Untersuchung des zweiten Punktes ist schwierig. Zerzupft 
man ein Stück Hautmuskel und ein Stück Filet, so ist ein höchst 
auffallender Unterschied ohne weiteres zu bemerken. Während 
sich die Filetbündelchen leicht voneinander trennen lassen und 
bei einiger Geduld der Auffaserung in einzelne Fasern keine be- 
sondere Schwierigkeit erwächst, haften die Hautmuskelfasem sehr 
fest aneinander, und es entsteht die Frage, ob dies durch ein- 
faches festeres Aneinanderhaften der Sarkolemmschläuche oder 
durch reichlicheres und derberes zwischengelagertes Bindegewebe 
zustande kommt. Es könnte beides der Fall sein, nähere Unter- 
suchungen habe ich hierüber nicht angestellt. 

Auf die dritte Frage gibt, wie eben erwähnt, schon die ein- 
fache Betrachtung des rohen Fleisches eine schlagende Antwort. 
Unzweifelhaft enthält der Hautmuskel wesentlich gröfsere Massen 
gröberer und feinerer Bindegewebszüge, welche die einzelnen 
Muskelbündel verbinden. 

Mit Herrn Tillmann habe ich diese Frage einer eingehenden 
mikroskopischen Untersuchung unterzogen. Es wurden grolse 
Querschnitte durch Filet- und Hautmuskelstücke angefertigt, nach- 
dem das Material vorher in Paraffin kunstgerecht eingebettet 
worden war. Die Schnitte wurden mit verschiedenen Methoden 
gefärbt, namentlich mit Fuchsin, und dann bei 20facher Ver- 
gröfserung pbotographiert. Was schon die makroskopische Be- 
trachtung gezeigt hatte, ist am Photogramm noch weit deutlicher. 
In den zwischen den einzelnen Fibrillenbündeln gelegenen, durch 
die Präparation (Schrumpfung der Muskelbündel im Alkohol) 
etwas breiter gewordenen Zwischenräumen befindet sich beim 
Hautmuskel ein sehr deutliches bindegewebiges Strangwerk. 
Manche dieser Interstitien sind sogar vollständig von demselben 

a 

ausgefüllt. Ganz anders verhält sich das Filet. Tn den Zwischen- 
räumen zwischen den Fibrillenbündeln fanden sich nur feine 
zarte Bindegewebszüge, die zwar dann und wann nicht erhebliche 
Mengen von Fett einschlössen, die aber niemals derbe Stränge 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



149 



zeigten. Das Resultat dieser Untersuchungen stimmt vollkommen 
mit dem übereiu, was die Betrachtung des frischen Muskels und 
die Ausschabungsversuche (s. u.) gelehrt hatten. 

Für eine quantitative Bestimmung des Bindegewebs- 
gehaltes fehlte es bisher an Methoden. Mit Herrn Schindler 
habe ich zur ersten Orientierung über den quantitativen Gehalt 
eines Fleisches an Bindegewebe Versuche derart angestellt, dafs 
wir das Fleisch und zwar von 7 verschiedenen Tieren je 20 g 
mit einem mäfsig scharfen Messer schabten, parallel der Faser- 
richtung. Es zeigte sich sehr bald ein sehr bedeutender Unter- 
schied zwischen Filet und Hautmuskel: Aus dem Hautmuskel 
war ziemlich leicht die Muskelsubstanz auszuschaben und es 
blieb dabei ein derbes, zusammenhängendes, weifes Faserwerk 
zurück, das leicht von den anhaftenden, letzten Muskelpartikelchen 
in einer für den Versuch genügend genauen Art befreit werden 
konnte. Viel schwieriger war das Ausschaben der Lende. Hier 
wurde kein zusammenhängendes Muskelskelett erhalten, sondern 
es war sehr mifslich, die zarten dünnen, leicht zerreifslichen Binde- 
gewebsfasern vollständig zu gewinnen. Immerhin war bei gröfserer 
Sorgfalt auch diese Aufgabe mit leidlicher Genauigkeit zu lösen. 
Das Bindegewebe wurde teils feucht, teils trocken gewogen, teils 
nach dem Trocknen mit Äther extrahiert und gewogen, nachdem 
sich gezeigt hatte, dafs das Bindegewebsskelett des Filets noch 
zahlreiche Fettläppchen einschlofs. Die folgende Tabelle stellt 
die Versuche anschaulich zusammen. Die doppelt angestellten 
Versuche 4 und 5 a und b zeigen, dafs die Methode mit recht 
befriedigender Genauigkeit arbeitet. 

100 g Rindfleisch liefern Milligramm Bindegewebe. 



Nummer des Tieres 



I. ! 



Lende . . . 
HaatmuBkel . 
Wadenmnskel 

Lende . . . 

Hantmuskel . 
Wadenmaske] 



IL { m. 



IV. 



VI. 



vn. 



1555 
4620 

690 
i 2555 



1538 

4300 
trocken 



feucht 



2 505 

14 855 

830 
4380. 



2240 
3760 



trocken und extrahiert 



a) 460 

b) 421 

a) 1206 

b) 1169 



a) 438 

b) 466 

a) 1288 

b) 1222 



464 

1242 
1832 



448 
1015 



150 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen. 



Reebnen wir die absoluten Zablen in Relativzahlen um, so 
verhält sich der Bindegewebsgehalt : 

Nammer des Tieres 





I. 


n. 


m. 


IV. 


V. 


VI. 


vn. 










feacht 


Filet 


1 


1 


1 








1 


Haatmaskel .... 


2.9 


2,8 










1.7 


Wadenmuskel . . . 






5,94 










• 




trocken 




trocken and extrahiert 


Filet 


1.0 




1 


1 


1 


1 


1 


Haatmaskel .... 


3.7 






2,7 


2,75 


2.7 


2,26 


Wadenmuskel . . . 






5,3 






3,9 





Das heist, der Gehalt des Hautmuskels an trockenem und 
fettfreiem Bindegewebe ist etwa 2,3 — 2,7 mal gröfser als der 
des Filets. 

Um genauere Zahlen für den Bindegewebsgehalt zu erhalten, 
habe ich im Jahre 1898 Herrn Dr. Schepilewsky veranlafst 
eine quantitative Bestimmungsmethode für das Bindegewebe auf 
dem chemischen Wege auszuarbeiten. Die Bemühungen waren 
von einem befriedigenden Erfolge begleitet, Schepilewsky hat in 
diesem Archiv (Bd. XXXIV) seine Methode ausführlich beschrieben 
und mitgeteilt dafs er in 3 Fleischsorten (leider von verschiedenen 
Tieren) je 2 Bestimmungen mit folgendem Resultat angestellt 
habe: 

Wadenmuskel a) 0,53 ^/^ Leim 

b) 0,61 > » 

Glutäus a) 0,44 » » 

1 b) 0,48 » t 



Filet 



a) 0,21 1 

b) 0,19 » 



Um die Methode für unsere Frage wirklich verwerten zu 
können, waren natürlich eingehendere Untersuchungen an zwei 
Fleischsorten des gleichen Tieres notwendig. Mit Herrn Selo 
habe ich diese Untersuchungen ausgeführt und dabei gesehen, 
dafs sehr viel für die Bestimmung des Bindegewebes in den 



Von Prof . Dr. K. 6. Lehmann. 151 

daran reichen Muskeln darauf ankommt, wie vollständig man die 
bedeckende Faszie, grobe von der Faszie in die Tiefe gehende 
Bindegewebszüge u. dergl. entfernt. Ein gewisses Mafs von Will- 
kür kommt dadurch entschieden in die Versuchsanordnung hinein 
da es an einem grOfseren Hautmuskelstück nicht ganz leicht ist, 
das sichtbare Bindegewebe gerade soweit zu entfernen, wie wir es 
für die Herstellung unseres Durchbeifszylinders taten. Beim Filet 
dagegen fielen alle Bedenken weg. 

Das Verfahren von Schepilewsky haben wir, nur unbe- 
deutend modifiziert, folgendermafsen verwendet: Nachdem das 
Fleisch von der aufsen anhaftenden Faszie nach Wunsch be- 
freit war, wurde es fein zerschnitten (Streifchen von 3—4 mm 
Dicke), mit dem Pistill in der Reibschale zerquetscht, das trübe 
Wasser durch ein feines Metallsieb gegossen, frisches Wasser zu- 
gefügt. Eine nicht unerhebliche Menge von Muskelelementen 
läfst sich schon durch die geduldige 4 — 6 malige Wiederholung 
dieses Verfahrens beseitigen, namentlich aus dem Filet. Der 
Rückstand kommt nun (statt 16 Stunden) 24 Stunden in eine 5proz. 
Natronlauge bei Zimmertemperatur, wodurch das Muskelgewebe 
gelöst, die koUagene Substanz aufgequollen wird. Die elastischen 
Fasern bleiben unverändert. 

Ist das Bindegewebe genügend von Eiweifs befreit, so filtriert 
man durch ein mit Watte belegtes Porzellansieb das Bindege- 
webe ab. 

Es gelingt nach gutem Auswaschen so, das Kollagen und 
Elastin fast absolut frei von Eiweifs zu erhalten. Löst man . ein 
Pröbchen des Rückstands in verdünnter kochender Natronlauge^ 
säuert an und kocht mit Milien s Reagens, so findet man, dafs 
die Flüssigkeit farblos bleibt und nur die Elastinfiöckchen eine 
leichte Rosafärbung annehmen. Leicht überzeugt man sich, dafs 
schon einige Tropfen einer Iproz. Albumoselösung ausreichen, 
um die ganze Flüssigkeit rot zu färben, dafs also der negative 
Ausfall der Probe wirklich die Entfernung der Eiweifskörper 
bedeutet. 

Die Watte mit dem Bindegewebe wird mit V2proz. Natron- 
lauge gekocht, das Filtrat enthält alles Kollagen, das Elastin 



152 Studien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen. 



bleibt mit der Watte auf dem Filter. Die Menge des Leims 
wird durch StickstofiEbestimmung in dem Filtrat ermittelt, der 
gefundene Stickstoff durch Multiplikation mit5,6 nach Hofmeister 
in Bindegewebe umgerechnet, das Elastin wurde nicht bestimmt. 
Alle Bestimmungen wurden doppelt gemacht, wobei je 25 g 
Muskel Anwendung fanden. 

In tabellarischer Übersicht lauten unsere Resultate: 



Ver- 
such 



Tier 



Präparation 

des 

Filets 



Prozent- 
gehalt des 

Binde- 
gewebes im 
Filet 



Präparation 

des 
Haatmuskels 



Prozent- 
gehalt des 

Binde- 
gewebes im 
Haut- 
muskel 



II 



m 



IV 



7 jährige 
Kuh 



3 jähriger, 
Ochse ' 



11 jährig. 
Kuh 



2V,-3- 
jähr. Rind 



Gröbere Bindege- 
websstücke ent- 
fernt. 

Absolut alles sicht- 
bar. Bindegewebe 
entfernt. 



Alles oberflächliche 
makroskop. sicht- 
bar. Bindegewebe 
entfernt. 



Bindegewebe von 
der Oberfläche u. 
zwisch. den grob. 
Muskelpaketen 
entfernt. 



A. 0,493 

B. 0,533 



A. 0,188 

B. 0,188 



A. 0,423 

B. 0,312 



A. 0,323 

B. 0,323 



Alles sichtbar, seh- 
nige Gewebe ent- 
fernt. 

Gröbere Bindege- 
webszüge ent- 
fernt. Perimy- 
sium beiderseits 
erhalten. 

Gröbere Bindege- 
webssüge ent- 
fernt. Ein zartes 
Perimysium er- 
halten, eine derb. 
Faszie entfernt 

Perimysium auf 
beiden Seiten ab- 
präpariert Grob. 
Faszien und Seh- 
nen bis auf Vi cm 
Tiefe entfernt. 



A. 0,961 ») 

B. 0,796 



A. 1,473 

B. 1,243 



A. 1,411») 

B. 1,482 



A. 0,774 

B. 0,756 



Hieraus folgt: 

In der Präparation, wie wir die Muskeln .verwandten, ent- 
hielt das Filet etwa 0,3—0,5, der Hautmuskel 0,8— 1,4% Binde- 
gewebe. Bilden wir Mittel aus diesen Werten (die Zahlen sind 
dazu natürlich noch zu spärlich), so wäre 0,4 für Filet, 1,2 
für den Hautmuskel zu setzen oder ein Verhältnis des Binde- 



1) Es war statt Hautmuskel Wadenmuskel verwendet. 

2) Mit dem derben Perimysium hatte der Hautmuskel einen Gehalt 
von 1,94 «»/o. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 153 

gewebsgehalts wie 1:3 konstatiert. Diese Zahlen stimmen in 
ihrer absoluten und relativen Gröfse recht gut mit den oben mit- 
geteilten mit Schindler nach rascherer Methode ermittelten überein . 

Ist es nun durch diese verschiedenen Untersuchungen er- 
wiesen, dals der Gehalt an Bindegewebe in verschiedenen Muskeln 
ein sehr verschiedener ist, so handelt es sich viertens darum, 
festzustellen, ob das Bindegewebe in den einzelnen Muskeln ver- 
schieden reich an elastischen Fasern ist oder nicht. Die 
Deaeu Färbemethoden der elastischen Fasern sind von uns in 
ausgedehntem Mafsstabe zu diesem Studium angewendet worden. 

Für Übersichtsbilder leistete uns gute Dienste die namentlich 
im Laboratorium von Bonnet ausgebildete Unnasche Orcein- 
metbode. 

Die in Müllerscher Flüssigkeit oder Alkohol gehärteten, 
mit dem Mikrotom geschnittenen und mit Eiweifs aufgeklebten 
grofsen Organschnitte kommen in eine Mischung von 2 Teilen: 
Oreein 0,1; 95proz. Spiritus 20; aq. dest. 5 und ein Teil Acid 
mur. conc. 0,1 ; 95proz. Spiritus 20; aq. dest. ö. Aus der Farb- 
lösuDg brachten wir die Schnitte in Alkohol, welchen wir mehr- 
mals wechselten, bis derselbe keine auffallenden Farbstoffmengen 
mehr aufnahm. In unsern Präparaten färbte das Oreein stets 
befriedigend die gröberen Züge der elastischen Fasern, 
die braunrot auf heller rotem Grunde hervortreten; dagegen hatten 
wir nie den Eindruck, dafs eine verläfsliche Färbung der feineren 
Fasern gelungen sei. Wir schieben dies nicht auf die Methode, 
sondern auf vielleicht ungenügende Erfahrung in ihrer Anwendung. 
Da wir aber in der Silbermethode eine sehr gute Ergänzung 
der Orceinmethode fanden, so gaben wir* uns weiter mit der ersteren 
keine Mühe. 

Die Silbermethode nach Martinotti wandten wir folgender- 
mafsen an : Frische Stücke von 1 cm Seitenlänge wurden während 
24 Stunden in eine 2proz. Arsensäurelösung gelegt, dann auf 
10 Minuten in Müll ersehe Flüssigkeit, endlich 24 Stunden lang 
in eine Lösung von 6 g Arg. nitr. in 9 g destilliertem Wasser, 
wozu 45 g reinstes Glyzerin gefügt wurden. Nach 24 Stunden 
wurde das Stück herausgenommen, in destilliertem Wasser ab- 



154 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 

gewaschen und in Alkohol gebracht. Mit dem Mikrotom wurden 
aus den gut gehärteten Stücken ohne Einbettung Längs- und 
Querschnitte angefertigt^ die Schnitte kurze Zeit in physiologische 
Kochsalzlösung, dann in Kalilauge gebracht und schliefslich in 
Glyzerin eingeschlossen. Auch einige Versuche, die Schnitte 
aus der Kochsalzlösung in absoluten Alkohol, Terpentinöl und 
Kanadabalsam zu übertragen, gaben gute Resultate. Die fertigen 
Präparate zeigen, wenn sie gut gelungen sind, die Muskelfasern 
gelblich bis bräunlich gefärbt, die elastischen Fasern schwarz bis 
braunschwarz, aufserordentlich scharf und deutlich bis in die 
feinsten Enden hervortretend. Leider leidet diese Methode wie 
alle anderen Silbermethoden an einer gewissen Launenhaftigkeit, 
für die uns die Erklärung fehlt. In manchen Präparaten färbten 
sich nur die gröberen Züge, in anderen störten Niederschläge 
die Übersicht und nur auf kleinere Strecken erhielten wir tadel- 
lose Bilder. 

Die Resultate all' dieser Studien lassen sich in folgende 
Sätze zusammenfassen: 

1. Das Perimysium internum enthält stets reichlich elastische 
Fasern. Je dicker die Bindegewebszüge sind , um so mehr 
elastische Fasern enthalten sie auch, doch scheint die relative 
Menge der elastischen Fasern im Bindegewebe überall ziemlich 
gleich. 

2. Die elastischen Fasern des Perimysium internum dringen 
zwischen die einzelnen Muskelfasern ein, umspinnen die Muskel- 
fasern mit einem zarten Maschenwerk, dessen Hauptrichtung in 
der Richtung des Muskelfaserverlaufes ist. Für den Haut- 
muskel mit seinem stark -entwickelten Perimysium internum ist 
der Nachweis gelungen, dafs jede Muskelfaser eine ziemlich 
gleichmäfsige weitmaschige netzartige elastische Umspinnung 
zeigt, für das Filet haben wir eine ganz gleiche Regelmäfsigkeit 
bisher nicht nachweisen können. Immerhin zeigen mehrere 
Präparate, dafs auch hier feine elastische Fasern reichlich und 
auf kleine Strecken in typischer Weise in netzartiger Anordnung 
vorhanden sind, so dafs wir die Frage offen lassen, ob nicht an- 
einem tadellosen Präparat vielleicht noch zahlreichere Fasern hervor 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 1 55 

treten und die Analogie mit den Fasern des Hautmuskels voll- 
ständig wird. 

Es unterscheiden sich also nach unseren bisherigen Unter- 
suchungen Hautmuskel und Lende morphologisch namentlich durch 
den ca. 2,6 mal gröfseren Bindegewebsgehalt des ersteren. Das 
elastische Gewebe scheint in relativ gleicher Menge im Binde- 
gewebe vorhanden. Das Verhältnis der Zähigkeit entspricht auf- 
fallend dem Verhältnis des Bindegewebsgehalts aber auch feine 
möglichst vom Bindegewebe befreiten Muskelbündel zeigen un- 
gefähr das gleiche Zugfestigkeitsverhältnis. 

V. Einflufs des Abhängens auf die Zähigkeit des Fieiscliee. 

Niemand verzehrt frisch geschlachtetes Fleisch ohne Zwang, 
auch nach gründlichem Kochen pflegt dasselbe zäher zu sein als 
> abgehängtes«. Über den Grad der Zähigkeitsänderung hat 
Herr Dr. Schauwienold in meinem Institut sehr zahlreiche 
Versuche angestellt, über die ich hier nur in sehr abgekürzter 
Form berichten kann. 

Yersach I. a) Roh. 

Hautmuskel Lende 

Zähigkeit Abnahme Zähigkeit Abnahme 

1. Tag 6365 um % 3120 «m % 

2. Tag 3855 39 2776 27 

3. Tag 3090 51 1810 42 

4. Tag 2900 64 1836 41 

6. Tag 2830 66 1410 65 

8. Tag — — 1360 66 

b) Gekocht 6 Minuten. 

1. Tag 5400 — 4380 — 

2. Tag 4216 22 3090 29 

3. Tag 3600 36 2870 36 

4. Tag 3420 37 3620 19 

6. Tag 3180 41 3200 27 

8. Tag — — 3100 29 

c) Gekocht Vi Stande. 

1. Tag 6000 — 4960 — 

2. Tag 3435 31 3240 35 

3. Tag . . . . . 2660 47 2780 44 

4. Tag 3595 28 2845 43 

5. Tag 2490 60 2470 50 

8. Tag — - 2420 51 

iKtUr für Hygiene. Bd. LXIII 11 



156 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 



1. Tag . 

2. Tag . 

3. Tag . 
4 Tag . 
5. Tag . 
8. Tag . 



1. Tag 

2. Tag 

3. Tag 

4. Tag 
6. Tag 
8. Tag 



1. Tag 

2. Tag 

3. Tag 

4. Tag 
8. Tag 

1. Tag 

2. Tag 

3. Tag 

4. Tag 
8. Tag 



Yersaeh IL a) Koh. 

Hautmuskel 
Z&hlgkeit Abnahme 
4010 



Lende 

Zähigkeit Abnahme 



3200 
3010 
2820 
2780 
2715 



um«/o 
22 
25 
30 
31 
32 



b) Gekocht V, Stande. 
3210 — 



2915 
2585 
2400 
2440 
2375 



9 

19 
25 
24 
26 



1976 
1870 
1730 
1700 
1630 
1465 

2940 
2715 
2675 
2706 
2660 
2480 



am % 

5 
12 
14 
17 
26 



8 

9 

8 

10 

16 



Yersneh III von Dr. Rothschild. 

a) Roh. 



6750 
7475 
5185 
5875 
5150 



10 
23 
13 
24 



b) Gekocht 1 Stunde. 
2860 — 



3560 
2435 
2575 
2625 



24 
15 
10 

8 



2415 
2375 
1650 
1810 
1725 

2350 
2310 
2385 
1610 
1125 



2 
32 
26 
29 



15 

41 
31 
31») 



Endlich hat Herr Jaeth bei Gelegenheit seiner Versuche 
über die Wirkung des Gefrierens (s. u.) auch Beiträge zu unserer 
Frage geliefert, aber nur die Veränderung des rohen Muskels 
durch das Abhängen berücksichtigt. 



1. Tag 

2. Tag 

3. Tag 

4. Tag 



Yersneh IT. 5 jähriges Rind. 

Hautmuskel 
Z&bigkelt Abnahme 
um o/o 

9 

13 
24 



6050 
5520 
5270 
4590 



Lende 

Zfthigkeit Abnahme 
2480 tun % 

2365 5 
2410 3 
2015 19 



1) Anhangsweise sei noch ein Versuch von Herrn Gankel mitgeteilt 
Derselbe fand nur für Filet: 

ganz frisch 2000, 6 Tage alt, 1695, 13 Tage alt 1320. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 1 57 

Yenueli ITa. 

Vollständig unabhängiger Kontroll versuch za Versuch IV am gleichen Material. 

Hautmuskel Lende 

Zähigkeit Abnahme Zähigkeit Abnahme 

1. Tag 6160 «m Y 2620 «m % 

• 2. Tag 55&0 10 2340 11 

3. Tag 5420 12 2410 6 

4. Tag 4650 25 1965 26 

Zwei weitere Versuche von Herrn Jaeth sind nur mit Vor- 
behalt zum Vergleich zu verwenden, da sie nach einer etwas 
anderen Methode ausgeführt sind. Die Schneiden wurden arretiert, 
wenn dieselben noch 1 mm weit von einander entfernt waren, 
während sie in den übrigen Versuchen das Fleischstückchen 
inkl. das Bindegewebe total zu durchbeifsen hatten. 

Immerhin zeigen auch diese Versuche die Wirkung des Ab- 

hängens. 

Versuch V. 

Hautmuskel Filet 

Zähigkeit Abnahme Zähigkeit Abnahme 

1. Tag 3200 um X 2450 "^ % 

2. Tag 2720 34 1735 29 

3. Tag 2050 36 1525 38 

4. Tag 1915 40 1450 41 

5. Tag 1770 45 1415 42 

Versnch VI. 

1. Tag 3750 — 2475 — 

2. Tag 2700 28 1810 27 

3. Tag .... • ^15 33 1685 32 

4. Tag 2300 40 1600 35 

5. Tag — — — — 

Die Versuche beweisen klar, dafs rohes Fleisch beim 
Aufbewahren bald rascher bald langsamer um 20 — 40, 
seltener bis 50% an Zähigkeit abnimmt. Die Abnahme war 
in den ersten zwei Versuchen nach 24 Std. schon überraschend stark, 
nach 48 Std. meist schon ziemlich maximal. Genauere Resultate 
zu erhalten ist namentlich beim unregelmäfsig gebauten Haut- 
muskel schwierig. Die scheinbare Zunahme bei Versuch III 
nach 24 Std. ist natürlich durch Untersuchung eines zufällig zäheren 
Stückchens zu erklären. Sehr regelmäfsig aber langsam war die 



11* 1 



1 



158 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 

Abnahme in Versuch IV, fast plötzlich in den nach abweichendem 
Plan angestellten Versuchen V und VI. Die Wirkung des Ab- 
hängens spricht sich auch bei der Untersuchung gekochter Stücke 
aus. Betrachten wir das Resultat des 5 oder 30 oder 60 Minuten 
lang dauernden Kochens : fast stets finden wir 20 — 30% Zfthigkeits- 
abnähme gegenüber dem nicht abgehängten gekochten Fleisch. Auch 
in diesen Versuchen ist — durch die Ungleichheiten des Materials 
bedingt — die Abnahme der Zähigkeit keine durchwegs gleich- 
mäfsige, wenn auch im allgemeinen zwischen dem 2. und 4. Tag 
das Maximum der Abnahme liegt. Versuch II zeigt relativ kleine 
aber sehr regelmäfsige Abnahmen. 

Die Ursache der Zähigkeitsabnahme beim Aufbewahren dachte 
man sich früher meist so, dafs die bei der Totenstarre gebildete 
Säure lösend oder lockernd auf gewisse Muskelbestandteile wirken 
soll. Versuche, Muskelstücke nach mehrtägigem Aufenthalt in 
Essig zu durchbeifsen, zeigten aber keine verminderte Zähigkeit 
der so präparierten Stücke. Überhaupt spricht sehr viel dafür, 
die Zähigkeitsabnahme beim Aufbewahren als durch eine Art 
Autolyse bedingt anzusehen. In dem Umstand, dafs die Zähig- 
keitsabnahme im Anfang rasch voran geht aber bald nur noch 
langsam weiter zunimmt, ist nur eine Analogie zu vielen Fermen- 
tationsvorgängen zu sehen. 

VI. Einflufs der Kälte auf die Zähigkeit des Fleisches. 

In manchen Gegenden setzt man, um das Fleisch zart zu 
machen, dasselbe gern im Winter starker Kälte aus. Eingehende 
Versuche von Herrn Jaeth an Fleisch von 3 Tieren bestätigte 
die starke Wirkung der Kälte. 

Die zu untersuchenden Fleischstücke wurden stets in die 
üblichen 1,2 cm dicken Stränge verwandelt und in Abständen 
mit Ligaturen versehen. Während dann der eine Strang direkt 
mit der Beifsmaschine untersucht wurde, kam der andere in 
eine verschlielsbare Messinghülse von ca. 1,3 cm lichter Weite 
und mit dieser in eine Kälteroischung aus 2 Teilen pulverisierten 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



159 



Eis und 1 Teil Kochsalz. Die Temperatur von —20 bis — 15® 
wurde teils 2, teils 6 Std. einwirken gelassen und die Stränge nach 
dem Auftauen auf ihre Festigkeit geprüft. 



Yersueh I. 





Hautmaskel 


Abnahme \ 
um % : 


' Filet 


Abnahme 
um Vo 




uDge- 2 Stdn. 
froren ; gefror. 


6 stdn. 
gefror. 


durch 
2 Stdn. 


durch 
6 Stdn. 


unge- 2 stdn. 
froren gefror. 


6 stdn. 
gefror. 


durch 
2 stdn. 


durch 
6 stdn. 


Am 1. Tag 


6050 


4060 


3830 


33 


37 


2480 


2195 


2125 


11 


15 


> 2. > 


5520 


3860 


2800 


30 


49 


2365 


2095 


1790 


11 


26 


> 3. > 


5270 


3270 


2450 


38 


54 


2410 


1950 


1645 


19 


32 


. 4. > 


4590 


3080 


2270 


33 


51 


2015 


1610 


1460 


20 


28 



In zwei anderen, doppelt angestellten^) Versuchsreihen, welche 
nicht ohne weiteres mit den übrigen vergleichbar sind, weil hier 
die Schale nur soweit belastet wurde, bis die Fleischzylinder bis 
auf 1 mm durchgebissen waren, fand Herr Jaeths 





Tersueh II. Rind, 4 Jahre alt, gut genährt 








1 

Hautrouskel 


Abnahme 

um °/o 


Filet 


Abnahme 
um 7o 




unge- 
froren 


2 stdn. 
gefror. 


6 stdn. 
gefror. 


durch 
2 Stdn. 


durch 
6 Stdn. 


unge- 
froren 


2 stdn. 
gefror. 


6 Stdn. 
gefror. 


durch 
2 Stdn. 


durch 
6 Stdn. 


Am I.Tag 


, 3200 


2340 


1170 


27 (41) 


63(71) 


2450 


1795 


1180 


27 (18) 


54(54) 


' 2. . 


2120 


1205 


1105 


43(38) 


48(50) 


1735 


1040 


990 


40(84) 


43(88) 


* 8. > 


2050 


1205 


1135 41(37) 


45(48) 


1525 


1190 


1100 


22(20) 


28(31) 


' 4. , 


1915 


1055 


1015 45(38) 


47(46) 


1450 


1000 


995 


31 (24) 


34(33) 


' 6. » 


1770 


1045 


995 


41(34) 


45 (45) 


1415 


985 


995 


30(28) 


38(31) 



Tersaeh III. Rind, 6 Jahre alt, schlecht genährt. 



> 2. » 

> 3. > 
I 4. > 



3750 


2795 


1600 


33(33) 


37 (38) 


2875 


1920 


1205 


11(15) 


2700 


1835 


1510 


80(31) 


49(49) 


1800 


1245 


1140 


11(11) 


2515 


1895 


1565 


38(35)64(57) 


1687 


1205 


1135 


19(22) 


2330 


1730 


1550 


33 (35) 


51(53) 


1600 


1050 


1025 


20(23) 



15(19) 
26 (23) 
32(34) 

28 (25) 



1) Die Tabellen enthalten nur die Originalzahlenmittel je einer Versuchs - 
reibe, nicht die der Kontrollreihe, dagegen habe ich eingeklammert auch 
(Ue prozentualen Werte der Kontrollreihe hingesetzt. 



160 Stadien über die Zähigkeit dee Fleisches und ihre Ursachen. 

Aus diesen Versuchen ergibt sicli übereinstimmend: 

1. Gefrieren und Wiederauftauen vermindert die Zähigkeit 
der Muskeln. 

2. 6 stündiges Gefrierenlassen wirkt ausnahmslos stärker als 
2 stündiges, doch tritt dieser Unterschied nicht immer 
gleichstark hervor. In Versuch I, in dem eine totale 
Durchbeifsung ausgeführt wurde, war die Wirkung stärker 
als im Versuche II und in. 

3. Abgehängtes Fleisch vom 2. — 5. Schlachttag wurde in der 
Regel etwas stärker durch das Gefrieren beeinäufst als 
ganz frisches. 

4. Während Hautmuskel durchschnittlich in 2 Std. etwa um 
30 — 40 ^/o zarter wurde, nahm beim Filet die Zähigkeit 
nur um 11 — 30 ab. In 6 Std. wurde der Hautmuskel meist 
ca. 50% zarter, das Filet nur etwa 30%. 

Es ist also das Gefrierenlassen eine sehr wirksame Methode, 
die Zähigkeit des rohen Fleisches zu vermindern. 



VII. Über den Einflurs des Kochens auf die Fleischzähigkeit 
nebst Untersuchungen Ober die Veränderung des Volumens und des 

Wassergehaltes durch das Kochen. 

Es wurde die Mehrzahl der Fleischsorten, über deren Unter- 
suchung im rohen Zustande oben berichtet wurdet auch im ge- 
kochten Zustande untersucht und zwar wurden zu diesem Zwecke 
erst mit Fadenumschnürungen versehene Streifen hergestellt und 
diese dann gekocht. Ein mäfsiges Aufquellen von 1,2 auf etwa 
1,5 cm, das einige Mal beobachtet wurde, haben wir nicht bei der 
Mitteilung der Zahlen in Rechnung gezogen, da es nicht konsequent 
notiert war. 

Diese Versuche habe ich schon 1896 mit Gunkel und 
Tillmann begonnen, auch Schau wienhold hat eine Reihe 
solcher Experimente ausgeführt. Das Resultat der Versuche 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



161 



ffar von Anfang an ein sehr auffallendes und charakteristisches, 
die Deutung aber machte Schwierigkeiten. Ich gebe von diesen 
filteren Versuchen nur die Übersichtstabelle und unterlasse es, 
Einzelheiten anzuführen. 

Wirkung eines 1 — IViStQndigen Kochens auf 1^ cm dicke Fleischstreifen. 

Direkt abgelesene Werte. 



Nammer 



Lende 




Haatmuskel 



roh 



Kochdaaer 



gekocht 



Rind 1 
Rind 2 

Rind 3 

Rind 4 



1165 
1180 

942 



360 
618 



IV, Stunden 
1 Stunde 



Ih 
419 



2h 
289 



8h 

215 



6h 

125 



Mittel 
AbBoIate Werte 



Daraus ist zu schliefsen: 



1096 
5480 



444 

2220 



Während frischer Hautmuskel etwa 2,63 mal so zäh ist wie 
Filet, ist gekochter Hautmuskel nach 1 — P^sttindigem Kochen 
etwa ebenso zart wie gekochtes oder rohes Filet. Das Filet 
ändert durch Kochen seine Zartheit überhaupt nicht bedeutend, 
meist fanden wir eine geringe Abnahme, nur bei Rind IV, dessen 
Filetfleisch roh sehr zart gewesen war, eine etwas erheblichere Zu- 
nahme. 

Bei länger dauerndem Kochen bis zu 3 Stunden verändert 
sich die Zartheit des Filets auch nicht mehr wesentlich, dagegen 
nimmt die Zähigkeit des Hautmuskels nach der 1. Stunde noch 
bedeuten4 ab, aber auch von der 2 zur 3. Stunde geht noch 
eine weitere Zähigkeitsabnahme vor sich, nach dieser Zeit 
kehrt sich das Verhältnis der Zähigkeit der beiden 
Fleischsorten um, jetzt ist geradezu der Hautmuskel 
zarter als das Filet. — Von dem Resultat nach 6 stündigem 
Kochen will ich nichts weiter sagen, weil die Muskelfasern nach 
dieser Zeit kaum mehr zusammenhängen. 



162 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 

Um genaueres zu erfahren ^ habe ich Herrn Dr. Ludwig 
Rumpf veranlafst, die ganze Frage des Einflusses des Kochens 
einer besonderen Untersuchung zu unterziehen. Ich drucke auch 
diese sorgfältigen Versuche hier nur teilweise ab, weil der Einzel- 
versuch bei der wechselnden Beschaffenheit des Fleisches wenig 
Wert hat und nur Mittel aus gröfseren Reihen wirkliche Schlüsse 
gestatten. Rumpf hat sehr viel Sorgfalt angewendet, mit Fleisch 
von genau bekannter und sehr stark variierter Kochdauer ge- 
arbeitet und fast von jeder Kochdauer 3 parallele Reihen durch- 
geführt. Die eine Reihe untersuchte die Festigkeit des gekochten 
Fleisches, nachdem man den 1,2 cm dicken Fleischstreifen ein- 
fach gekocht hatte, die zweite Reihe beschäftigte sich mit Streifen, 
welche vor dem Kochen alle Zentimeter weit fest mit Bindfaden 
umbunden waren, die dritte wurde an Fleischstreifen ausgeführt, die 
in einer genau 1,2 cm weiten Zinnröhre eingeschlossen gekocht 
worden waren. Es zeigte sich bei späteren Spezialuntersuchungen, 
dals diese drei Reihen kaum verschiedene Resultate geben konnten, 
denn die Voraussetzung, von der aus sie ausgeführt waren, war 
nicht richtig. Ich hatte gelegentlich Fleischstückchen beim Kochen 
kürzer und erheblich d i c k e r «werden sehen und mir die Vor- 
stellung gebildet, dafs dies der normale Vorgang sei. Rumpf 
konnte aber zeigen, dafs blofs lebend frische Fleischstückchen 
beim Kochen dicker (und dabei sehr kurz) werden, während 
einige Stunden nach dem Schlachten das totenstarre Fleisch beim 
Kochen in allen Dimensionen kleiner wird, ob man das Fleisch 
frei kocht oder ob man es in eine Zinnröhre einschUefst, welche 
ein Dickerwerden beim Kochen unmöglich macht. Auch um- 
bundene Stückchen — welche in der Regel zwischen den Ligaturen 
beim Kochen etwas vorquellen — zeigen keine erhebliche Dicken- 
zunahme. # 

Zunächst setze ich ein Beispiel eines Versuchs (S. 163) ausführ- 
lich her. 

Die prozentualen Mittelwerte aller seiner Versuche gibt 
Tabelle (S. 164), in die ich die Generalmittel eingesetzt habe, 
weil ich auf eine Diskussion der verschiedenen feineren Ab- 
änderungen des Kochens verzichte. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



163 



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134 Btudien über die Zähigkeit dee FleiBcbes und ihre Uraacbea. 

ZUlfkeltsbestlmmiuKeii In "U der Anlanfsilhlrkelt bei TenekMsBer 
Koekd&ner. 





6 »inu 


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MlTHl 


leo 1 30 MinuteD 1 Stunde li 3 Slundan 




gekocht gekocht [ gekocht 1' gekocht jl gekocht 




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Rind 1 . . 


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_ 


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- 


93 93 


_ 


8i:90 




50 


Rind 11 . . 


100;' ~ 


— 


_ 


105 


I3J 


117:1 91 


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114. 71 


81 


90 


Rind m. , 


100! 124 


112 


101 


92 


118 


102 88 


112 


69' 98 


101 


62 - 


— 


— 


Rind IV . . 


100 103 


— 




— 


-Ijllö 


— 


— — 


— 


— , — 


— 


— 


Mittelwert . 


100 lU 


112 


10! 99129 


110 92 


128 


94 100 


102 


86 II 81 


81 


70 



Rind I . 
Rind II . 
Rind III , 
Rind IV . 







-1- 


_ 


-ji36 


_ 


46 42 




57 1 46 


_ 


65 


1,- 


_ 


-1146 


ft2 


70||30 


42 


40 25 


26 


46 38 


47 


44 


U^ 


&i 


57 il 42 


39 


43 39 


49 


36 ,: 42 


37 


39; - 


— 


— 


:i69 


~ 


-1- 


- 


- 54 


- 


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-J!- 


- 


- 



General mittel 



Man sieht, Rumpfs Verauche stimmen prinzipiell durchaus 
zu den früheren. Sie zeigen im einzelnen folgendes: 

1. Lende wird durch Kochen w&hrend 2 Stunden in ihrer 
Zähigkeit nicht sehr wesentlich verändert. Es täfst sich 
aus den General initteln sehr wahrscheinlich machen, dafs 
die Zähigkeit nach 6 Min. um etwa 8%, nach 15 Min. 
um etwa 13 "/q zugenommen habe, nach 30 Min. wurde 
noch 5 % über nach 1 Std. 4<'/o unter der Anfaugszähligkeit 
gefunden, nach 2 Std. betrug sie 1B% weniger als zu Be- 
ginn. Es muFs aber zugegeben werden, dafs unsere 
Methode nicht so scharf, und vor allem, dafs das Fleisch 
nicht so homogen ist, dafs man die eben vorgetragenen 
Schlüsse mit absoluter Schärfe formulieren kann. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 165 

2. Hautmuskel ändert dagegen seine Festigkeit — wie wir 
von Anfang an fanden — in ganz auffallender Weise. 
Schon 5 Min. genügen, um die Zähigkeit auf 56% herab- 
zusetzen, nach 16 Min. beträgt sie 49, nach 30 Min. 42, 
nach 1 Std. 38 und nach 2 Std. 49%, d. h. sie wird nach 
kurzem Kochen fast auf die Hälfte herabgesetzt und 
sinkt bis auf 38%. Die nachträgliche Steigerung auf 
49% halte ich vorläufig für eine Täuschung durch Zu- 
fälligkeiten des Materials. 

über das tatsächliche Verhalten der zähen und zarten Muskeln, 
als deren Typen wir Haut- und Lendenmuskeln gewählt haben; 
besteht somit kein Zweifel — schwierig ist aber von Anfang an 
die Erklärung erschienen und ich kenne heute noch keine ganz 
befriedigende Deutung. 

A priori sollte man erwarten, dafs ein gekochter Muskel 
fester werde. Der Muskel zieht sich in allen Dimensionen zu- 
sammen, prefst Wasser aus und wird dichter, gequollene Eiweifs- 
körper werden fest — dies mufs eine gewisse Festigkeits- resp. 
Zähigkeits Vermehrung zur Folge haben. Die gefundenen Ver- 
hältnisse beim Lendenmuskel entsprechen etwa dem, was man 
erwarten sollte : Eine bald einsetzende mäfsige Festigkeitszunahme, 
die allmählich zurückgeht. Dafs sie zurückgeht und ev. ein Stück 
weit ins Gegenteil umschlägt, habe ich von Anfang an darauf 
bezogen, dafs das kollagene Bindegewebe beim Kochen zu Leim 
wird, dafs also an Stelle fester schwerer zerschneidbarer Bündel 
eine widerstandslose Masse tritt. 

Ich habe mit Till mann sofort Versuche angestellt, um das 
Verschwinden der Bindegewebsfestigkeit beim Kochen zu be- 
weisen. Sehnen bestehen vorwiegend aus koUagenem Gewebe, 
dem nur wenig elastisches Gewebe eingelagert ist. Aus Rinds- 
sehnen wurden 1,2 cm im Durchmesser messende Bündel ge- 
schnitten und dieselben dann gekocht von 7^2 Min. bis 5 Stunden. 
Die Sehnen quollen dabei etwas und zeigten eine zunehmende, 
gegen Ende des Versuchs ganz aufserordentlich starke 
Festigkeitsabnahme. 



166 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen. 
Yerändernn; der Zihigkelt einer Sehne beim Koehen. 





■■ - ■ ■ T 

i 

roh 

1 


T ■ 

1 

"7»/« Min. 


V48td. 


gekocht 

Vt Std. 1 Std. 


2 std. 


5 Std. 


1 


5700 


3900 


2300 


3600 


4200 


1000 


50 


2 


4000 


2700 


3400 


2000 


2000 


900 


50 


3 


5700 


4400 




1600 


2100 


700 


40 


4 


4000 


4000 






1900 


800 


60 


5 


3500 










700 




6 


4900 










500 




7 


4700 










600 




8 


6300 














9 


6000 














10 


7200 


1 












Darchschnittsbelastung ' 


5200 

1 


3750 


2850 


2400 


2050 


743 


50 


Zähigkeit in •/© ^er An- 
fangszähigkeit . . . 


100 


1 

' 72,1 


54,8 


46,1 


39,4 


14,3 


0,96 



Die Kurve der Abnahme ist durch beifolgende Kurve sehr 
anschaulich ausgedrückt. 



ZP.f- 


i 








54.8- 


\ 












\ 














--^izzr 




rtj 


- «< 


1 l 


> Sfuna/en s 



Fig. 2. 
Ordinaten : Festigkeit in % der Anlangafestiglceit, Abszissen : Zeit. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



167 



Ich füge hier gleich an, dafs sich, wie zu erwarten, das 
elastische Gewebe, das beim Kochen nicht zu Leim wird, sondern 
das im wesentlichen unverändert zu bleiben scheint, ganz anders 
verhält — ich möchte aus den Zahlen nicht zuviel schliefsen, 
die Bestimmungen sind nicht bei allen Eocharten hinreichend 
zahlreich. 

Naekenband. 



1 


i roh 


V* std. 


gek 

1 std. 


ocht 

l»/4 Std. 


6 std. 


1 


2500 


2200 


2000 


3000 


3000 


2 


3000 


2400 


2400 


3400 


3300 


3 


3000 


2500 


2000 


3200 


3300 


4 


2500 


2000 


1500 


3500 


3400 


5 


2700 




2000 


3900 




6 


2700 






2000 




7 


3300 






3000 




8 


3000 






2900 




9 


2600 






2900 




10 


3100 






3500 




11 


2900 






3800 




12 


3400 






2500 




13 


3000 






2900 




14 


2500 










15 


3000 










16 


8600 










17 


2700 










18 


2700 










19 


2500 










20 


3400 










21 


3100 










22 


2500 










23 


3100 










24 


2800 










25 


2900 










DarchschnittebelaBtang 


2900 


2275 


1980 


3115,4 


3250 


Zähigkeit in V« der An- 
{angflzahigkeit . . . 


100 


78,4 


68 


107,4 


112 



Nach diesen Darlegungen darf ich wohl sagen, dafs ich das 
geringe Zunehmen und spätere geringe Abnehmen der Lenden- 
zähigkeit sehr wohl verstehen resp. erklären kann. Anders liegen 
die Verhältnisse für den Hautmuskel. 



16g Studien über die Zähigkeit des Fleisches nnd ihre Ursachen. 

Ich ging von der Meinung aus, dafs es wohl am plausibelsten 
sei, die zunehmende Zähigkeitsabnahme mit der allmählichen Zer- 
störung resp. Lösung des kollagenen Gewebes zu erklären — 
mufs aber zugeben, dafs es — ganz abgesehen von dem Nicht- 
verschwinden des elastischen Gewebes — sehr auffallend ist, 
dafs schon nach 5 Minuten die Zähigkeit auf 56*^/o herabgeht, 
und dafs 1 — 2stündiges Kochen sie nur auf 48 — 38°/o vermindert. 
Dafs das kollagene Gewebe in 5 Minuten erheblich zu Leim 
verwandelt sei, glaube ich nicht, und niemand wird es glauben, 
der ein 5 Minuten gekochtes Fleischstückchen zerzupft und sich von 
der Zähigkeit und Intaktheit des Bindegewebegerüstes überzeugte. 

Für diese erste starke Zähigkeitsabnahme hat Rumpf die 
Erklärung versucht: Sie werde bedingt durch Entspannung 
des Bindegewebes in dem geschrumpften Fleischstück. Das 
entspannte Bindegewebe setzt den Zähnen des Apparates lange 
nicht den Widerstand entgegen wie gespanntes Gewebe. Der 
Beifsapparat durchschneide glatt eigentlich nur die Muskel- 
fasern, die Bindegewebszüge würden stets nur teilweise durch- 
schnitten und mehr nur vor den Schneiden hergeschoben. Seien 
nun die Bindegewebszüge entspannt durch Schrumpfen des Flei- 
sches und damit leichter dehnbar geworden, so erleichtere dies 
das Eindringen der Schneiden sehr. 

Ich mufs gegen diese Erklärung das Bedenken äufsem, dafs 
das Bindegewebe, wie selbst Rumpf (S.26 seiner Dissertation) ge- 
zeigt hat, ein besonders starkes Kontraktionsvermögen beim Kochen 
besitzt, ein Kontraktionsvermögen, das dasjenige des Fleisches 
sogar übertrifft. Es träte demnach die von Rumpf vermutete 
Entspannung gar nicht ein. 

Bei nochmaliger Überlegung aller Möglichkeiten komme ich 
zu keiner definitiven Erklärung, ich glaube wohl dieselbe in 
Veränderungen des Bindegewebes suchen zn müssen, ohne ihre 
Art angeben zu können. Die Veränderungen müssen sehr wirk- 
sam sein, da sie die Wirkung des Dichterwerdens der Muskel- 
substanz überkompensieren. 

Eine Vermutung, die ich mit allem Vorbehalt gebe, wäre etwa 
folgende : 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



169 



Die Elastizität des Muskelgewebes ist gering im Verhältnis 
zum Bindegewebe. Alle Muskeln werden durch Schwinden der 
Muskelelastizit&t beim Kochen etwas leichter durchschneidbar, 
durch Gerinnen des Muskeleiweifses etwas schwerer durchschneid- 
bar. Diese beiden Faktoren kompensieren sich ungefähr. 

Anders liegt die Sache mit dem Bindegewebe; dasselbe ver- 
liert anfangs an Schwerdurchschneidbarkeit durch Abnahme seiner 
Elastizität, später durch Übergang in Leim. Sowie das hoch- 
elastische Bindegewebe koaguliert ist, ist es viel leichter zu 
durchschneiden wie vorher, es nimmt also die Durchschneidbar- 
keit des bindegewebsreichen Hautmuskels viel stärker ab als die 
des Lendenmuskels, und die Raschheit der Kochwirkung an den 
dünnen Stücken wäre erklärt. 

Anhangsweise gebe ich noch einige Zahlen für die Verände- 
rung anderer Fleischsorten durch Kochen, und zwar teile ich die 
unmultiplizierten Mittelzahlen aus je 20— 30 Einzelversuchen jnit: 




Hammel 
VerhAltnis . 



Das zartere Fleisch (Filet) verändert sich auch in diesen 
Versuchen durch Kochen weniger als das zähere (Schlegel und 
Rücken), doch ist auffallend die starke Zähigkeitsabnahme des 
Filets bei Schwein und Hammel gegenüber dem Rind, auch 
Schlegel und Rücken zeigen ganz gewaltige Zähigkeitsabnahme. 

In möglichster Kürze seien hier noch die von Rumpf auf 
meine Veranlassung ausgeführten Versuche über die Verände- 
rungen des Volumens und Wassergehalts von Fleischproben beim 
Kochen angeführt. 



170 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 



L Versuche an 4 Bindern über den Wassergehalt des 
verschiedene Zeiten gekochten Fleisches. 

Für die Untersuchungen auf Wassergehalt wurde folgender 
Weg eingeschlagen. Von Haut- und Lendenmuskeln wurden 
sowohl rohe als auch gekochte Fleischmengen von je 10, 20 
bzw. 50 g auf 0,1 . genau abgewogen, hierauf möglichst klein 
zerschnitten und in Schalen im Trockenkasten einer Hitze von 
80^ ausgesetzt. Nach 24 Stunden wurde der Rückstand ge- 
wogen und nach weiterem, 24 Stunden langem Verweilen im 
Trockenkasten nochmals kontrolliert, wobei die neue Gewichts- 
verminderung höchstens einige Zentigramm betrug. 

Um zur Gewichtsbestimmung die gekochten Fleischmassen 
vom adhärierenden Wasser möglichst zu befreien, liefsen wir die 
Proben bei den Untersuchungen an Rind I und II (Versuch a\ 
gut ablaufen, für Rind II (Versuch b) nach Ablaufen des Wassers 
^2 Stunde an der Luft trocknen, und in den beiden letzten Ver- 
suchsreihen, Rind III und IV, trockneten wir sie sogleich durch 
Abtupfen mit Filtrierpapier. Ich will nicht verschweigen, dafs 
keines von den drei Verfahren uns vollständig befriedigen konnte, 
da kleine Fehlerquellen bei allen drei Methoden vorhanden sind 
und dem subjektiven Ermessen ziemlicher Spielraum bleibt. 

a) Lende. 





100 g 

rohes 

Fleisch 


100 gl 

15 Min. 


gekochtes 

so Min. 


Fleisch 

IVt stdo. 


Rind I 

Rind n 

Rind n 

Rind m 

Rind IV 


77,0 
75,6 
76,5 
77,2 
77,0 


70,0 
66,4 
66,5 
70,8 
70,0 


62,5 
63,4 
66,0 
65,6 
69,0 


60,8 
61,8 
61,3 
65,8 
66,0 


Wassergehalt, Mittelwert . . 

b) Hau 


76,7 
tmuskei 


68,7 

i. 


65,3 


63,1 



Rind I 
Rind U 
Rind II 
Rind III 
Rind IV 



73,0 


67,5 


66,0 


73,8 


72,2 


68,8 


74,5 


72,5 


69,5 


74,6 


68,2 


69,2 


75,0 


74,0 


73,0 


74,2 

1 ' 


70,9 


69,3 



63,5 
64,0 
66,5 
67,4 
70,0 



Wassergehalt, Mittelwert . . . 

c) Wassergehaltsunterschied. 
Gehalt der Lende 11+2,5 «/p i| — 2,2 % 



4,0 Vo 






66,3 

3,2 7o 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



171 



Es enthält demnach der rohe Lendenmuskel durchweg etwa 
2,5% Wasser mehr wie der rohe Hautmuskel, der wasserreichere 
(d. h. an Muskelsubstanz reichere) an Bindegewebe ärmere Lenden- 
muskel verliert beim Kochen mehr Wasser als der Hautmuskel, 
so dafs die gekochte Lende in allen Stadien der Kochung trocke- 
ner ist als der Hautmuskel. An dem Wassergehalt des gekochten 
Hautmuskels ist die Wasseraufnahme seines Bindegewebes beim 
Kochen beteiligt. 

IL Vereuche an 3 Bindern über die Ghewichtsabnahme des 
Fleisches und die Gewichtszunahme des Bindegewebes beim 

Koohen. 

Das Fleisch wurde in rohem Zustand gewogen und zer- 
schnitten ; die relativ starke Gewichtsabnahme bei Rind II erklärt 
sich durch halbstündige Trocknung des zerschnittenen Fleisches 
an der Luft nach sorgfältigem Ablaufenlassen des Kochwassers, 
während bei III und IV blofs Wasser ablaufen gelassen wurde. 



a. Lende: 



AnfangB-Ge wicht 
in rohem Zustand 



Gewicht gekocht in ^^ des Rohgewichts 



16 Min. 



80 Min. 



l>/t Std. 



Rind IL 
' III 
' IV 



20 g 
60 g 
50 g 



54,5 
72,0 
64,8 



61,5 
66,4 
60,0 



50.0 
62,0 
58,4 



A&tteJwert in 7o (aus III u. IV) 



68,4 



62.7 



60,2 



Geirichtaverlust in V, 



— 32,6 



37,3 



39,8 





b. Haui 


bmuskel: 






®«<1 XJ 


20g 


66,0 


62,0 


61,0 


' III 


60g i 


70,6 


65,0 


61,2 


J XV 


50g 


79,2 


73,2 


70,4 


^JÜ^^l^ert in •/. (»<»* Wl 


u. IV) ; 


74,9 


69,1 


65,8 


'J«wicht8verlust in •/„ 


1 


-25,1 


— 30,9 


-34,2 



c. Bindegewebe: 




20 g 
50 g 
50 g 



136,5 
106,0 
114,4 



J^J ^wert in 7o (aus III u. IV) | 110,2 



136,0 
109,6 
116,2 



134,5 
108,0 
110,8 



Gewichts Vermehrung in 7o 
XtcMt für Hygiene. Bd. LXIII 



+ 10,2 



112,9 



109,3 



+ 12,9 



+ 
12 



9,4 



172 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 

Aus den Zahlen folgt wieder die stärkere Gewichtsabnahme 
der Lende beim Kochen gegenüber dem Hautmuskel und in 
sehr schlagender Weise eine Wasseraufnahme durch gekochtes 
Bindegewebe. 



in. Versuche über die Volumen- und DimensionBänderung^en 

gekochten Fleisches. 

a) Tersuehe an Fleiseh, das die Totenstarre dmrelifemaelit hat. 

Die Methodik der Versuche bestand in möglichst genauem 
Messen und Berechnen von Fleischstückchen, die etwa 4 cm 
lang und 1—2^2 cd^ breit und dick waren. Ganz genaue Re- 
sultate waren so nicht zu erlangen, zur Orientierung reichen aber 
die Ergebnisse. 

Yolomen- nnd Dimensionsbestimmnnifen beim Kochen des 

abgrelairerten Rindfleisches* 



a. Lende: 



MaTse in cm 



1. Probe 2. Probe 



b. Hautmuskel: 



MaTse in cm 



1. Probe 2. Probe 



L&nge . . 
Durchmesser 
Umfang . 
Volumen . 



Lange . . . 
Durchmesser 
Umfang . . 
Volumen . , 



Länge . . . 
Durchmesser 
Umfang . . 
Volumen . . 



Lange . . . 
Durchmesser 
Umfang . . 
Volumen . . 



4.0 


1.2 


1.4 


2.6 


4.6 


10,0 


7,0 


7.4 



roh 

Länge 
Breite 
Dicke 
Volumen 

5 Min. gekocht 



3,2 
1,2 

6,1 



1,0 
2,3 
8,5 
6,5 

15 Min. gekocht 



Länge 
Breite 
Dicke 
Volumen 



3.1 


1.0 


1,1 


2.1 


4,0 


8,0 


3.7 


4,6 



3,0 


1.0 


I l'Ö 


2.0 


; 3,8 


7,7 


3,5 

1 


4,0 



LAnge 
Breite 
Dicke 
Volumen 

30 Min. gekocht 



Länge 
Breite 
Dicke 
Volumen 



• |i 



4.0 
2,6 
0,7 
7,6 



2.6 
2,6 
0,7 
4,6 



2.4 
2.4 
0,7 
4,6 



2,3 
2.3 
0,7 
4.6 



2,9 

4.8 

0,7 

11.4 



2.2 
3,6 
0,7 
6,5 



2,1 
3,5 
0.7 
6,5 



2.1 
3,6 
0,7 

6.1 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



173 



a) Lende. 



Ma^8« in cm 



I.Probe 



2. Probe 



b) HautznuBkel. 



MaTse in cm 



1. Probe 2. Probe 



1 Std. gekocht 



Un 
DarcliKiiesBer 

Um 
Vol 



• • 



3,0 


1,0 


1,0 


1,9 


3,8 


7.6 


3,3 

I 


*,o 



Länge 
Breite 
Dicke 
Volnmen 



2,3 
2,3 
0,7 
4,6 



2,0 
3,5 
0,7 
5,9 



Sestimmiuig der prozentualen Mittelwerte des Tolnmens. 

a. Lende: 



t 


roh 


5 Min. gek. 


15 Min. gek. 


30 Min. gek. 


1 std. ged. 


1. I^robe 

2. Probe 


100 
100 


72,93 
74,25 


62,91 
60,75 


50,05 
54,00 


47.28 
54,00 


Mittelwert: 


100 


73,59 


56,83 


52,03 


50,62 



b. HantmuBkel: 



1. Probe 
^. Probe 



Mittelwert: 



100 
100 



100 



60,72 
57.20 



60,72 
57,20 



58,96 



58,96 



59,40 
53,68 



59,40 
51,92 



56,54 



55,66 



Hieraus folgt in gutar ÜbereinstimmuDg mit den Ergebnissen 
der Wasserbestimmung: Der Lendenmuskel vermindert sein Vo- 
lum nach 5 Min. bis auf 73,6%, nach einer Stunde bis ca. 50,6% ; 
da er nur um rund 40% Wasser auspreist, so müssen sich die 
festen Teile noch stärker kontrahieren als dem blofsen Wasser- 
verlost entspricht. Der Hautmuskel nimmt an Volumen nur 
etwa auf 55,7 % ab — sein Wasserverlust beträgt dementsprechend 
auch nur 34%. 

An der Volumabnahme sind alle Dimensionen beteiligt« 
ebenso wie die Länge nimmt die Dicke ab, genauere prozentische 
Abnahmen zu berechnen, lohnt aus den spärlichen Zahlen nicht. 

b) Yersnehe mit Fleiseli, das zanäehst ganz trisoli nnd dann naeh 

längerem Lagern nntersnelit wurde. 



a. Lende: 



Mafae in cm 



Länge 



Breite 



Dicke 



b. Hautmuskel: 



Länge Breite 



Dicke 



1. 1 Stunde nacb Schlachtung des Rindes. 



roh . . . 
5 Min. gek. 
15 Min. gek. 



6,0 


3,7 


1,6 


5,5 


3,6 


3,0 


4,0 


2,6 


4,3 


3,2 


3,0 


3,5 


2.5 


4,3 


3,2 



0,9 
1,0 
1,9 



12' 



174 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 



a) Lende 




b) Haotmuskel. 


Malse in cm Länge 


Breite 


Dicke 


I^nge 


Breite 


Dicke 


2. 7 Stunden nach Schiachtang des Rindes. 




roh .... 
5 Min. gek. 
15 Min. gek. . 


[ 10,0 4,0 

. 5,0 4,5 

4,7 . 4,0 


1,1 

1,6 
1,5 


14,0 
12,0 
11,5 


10,0 
9.4 
9.0 


0.4 
0.5 
0.5 


3. 30 Standen nach Schiachtang des Rindes. 




roh ... .1 7,5 
5 Min. gek. . 6,0 
15 Min. gek. . . 5,5 


3,5 1.7 
3,3 1,7 
3,0 1,7 


11,0 

9,4 
9,0 


7,5 
5,5 
5,2 


0,6 
0,6 
0,6 


Volamen des gekochten Fleisches in Vo berechnet. 




nach 1! 1 Std. 


7 Std. 


30 Std. 


1 std. 


7 Std. 


30 Std. 


5 Min. gek. 
15 Min. gek. . 


90,0 
! 78,6 


81,7 
61.7 


75,4 
62,9 


79,5 
79,5 


69,8 
64,8 


62,6 
56,6 



Der Versuch zeigt in Übereinstimmung mit dem vorigen, 
dafs sich Fleisch nach 30 stündiger Aufbewahrung in keiner Rich- 
tung mehr beim Kochen verdickt, sondern kürzer und dünner 
wird. Dagegen ergab der Versuch, dafs ganz frisch geschlach- 
tetes Fleisch sich wohl beim Kochen in der Länge sehr stark 
verkürzt, aber dabei an Dicke zunimmt, so dafs sein Volum sich 
nicht auf 56 — bl%, sondern nur auf 78 bis etwa 73% vermin- 
dert. Nach 7 stündigem Anfbewahren stand das Fleisch in seinen 
Eigenschaften etwa zwischen dem frischen und dem abgestorbenen 
in der Mitte. 

Diese Resultate stimmen mit denen von Ferrati (Arch. f. 
Hyg. XIX, 324), dafs das Fleisch nach überstandener Toten- 
starre einen gröfseren Gewichtsverlust bei Kochen zeigt als vor 
demselben. 



VIII. Zähigkeit geräucherten Fleisches, von Speck und Wurst. 

Anhangsweise seien einige Resultate erwähnt, welche die 
übrigen Befunde vom praktischen Standpunkt ergänzen. 

Gunkel, der für Rindslende die Durchschnittszahl 2085, für 
Hautmuskel 5480 (multipliziert) gefunden hatte, untersuchte auch 
einige Proben geräucherter Fleischwaren, 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



175 



Speck A. 
Derbere, der Hant nfther liegende 
Schicht mit mehr Bindegewebe 



Speck B. 

Zartere tiefe Schicht mit weniger 

Bindegewebe 



Speck I 

(gerftachert) 

1940 



Speck n 

(nicht gerftachert) 

1645 



Speck I 

(geräuchert) 

117 



Speck n 

(nicht gerftachert) 

93 



Durch Kochen veränderte sich die Zahl in 

28 — 21 16 

Offenbar spielt für die Zähigkeit des rohen Specks und für 
das Verschwinden dieser Zähigkeit das Bindegewebe die Haupt- 
rolle. 

Ferner wurde untersucht (je 40 — 50 Einzelbestimmung): 



Roher kftaflicher 

zartester >Liach8- 

Bchinkenc 

199 



Kftaflicher ge- 
kocht. Schinken 

404 



Salamiwarst I 

alt Vj 8td. 

179 



Salamiwarst II 
alt 21 Tage 

94 



Es besitzt also gekochter Schinken etwa die Zähigkeit von 
Filet, der zarteste rohe Schinken (Lachsschinken) ist aber erheb- 
lich zarter — was dem subjektiven Eindruck und der Anschau- 
UDg der diätetisch verordnenden Arzte entspricht. 



IX. Einige Unteraucliungen über die Zäliigkeit der anderen efsbaren 
Organe unserer Schiachttiere mit Rücksicht auf die Frage der 
Kranicenkost und zur PrUfung meiner Anschauungen Über die Be- 
deutung des Bindegewebes. 

Als Ergänzung zu den Versuchen von Muskeln liefs ich 
vom ärztlichen Standpunkte aus einige Untersvchungen über die 
Zähigkeit der am häufigsten zur Speise benutzten inneren Or- 
gane der Tiere vornehmen. Herr Dr. Rothschild, der sie 
ausführte, fand bald, dafs es für diese Versuche bequemer sei, 
möglichst quadratische Säulen von 1 cm Querschnitt herzustellen, 
die man aufsen bis auf die Bifsstelle mit schmalem Leinenband 
umwickelte, um zu verhüten, dafs die Blöcke mehr zerquetscht 
als zerbissen würden. 

Geprüft ist jedes Organ nur von einem Tier, alle Organe wurden 
vom Rind, Kalb und Schwein in Untersuchung genommen. 



176 Stadien über die Zähigkeit des Fleiscbeg and ihre Ursachen. 



Alle mitgeteilten Zahlen sind Mittel aus mindestens acht Einzel- 
durchbeilsungen. Ich verkenne nicht, dats Vermehrung der 
Untersuchungen durch Ausdehnung derselben auf mehr Tiere 
den Wert der Zahlen erhöht hätte, aber zu einer Orientierung 
über das Gebiet reichen dieselben. 

Es schien am kürzesten, in eine Tabelle alle Ergebnisse 
über Leber, Milz, Thymus und Gehirn aufzunehmen. Die Zahlen, 
die wir an der Lunge ermittelten, sind als ziemlich wertlos weg- 
gelassen, da die Lunge frisch sehr luftreich, gekocht dagegen 
mehr oder weniger luftfrei ist. 





Leber 


MiU 


Niere 


Thymus Hirn 






^ 


■M 




■*» 


4» 




■«>> 


■*a 


' 


*» , '*' 




** 


■M 






Xi 


ja 






ji 




a 


A 




A ; ja 




xi 


J3 






o 


V 




o 




o 


V 




c o 




V 


O 






e 


o 




Q 


o 




o 


o 




o 


o 




o 


o 






M 


M 




M 


M 




M 


M 




M 


M 




M 


.M 




1 


S) 


& 


t 


m 


& 


t 


m 


m 




• 


• 




& 








T? 


2 




s 


'S 




'S 






2 


2 




2 








CO 


CO 




CO 


CO 




00 


OQ 




OD 


OQ 




CO 


CCr 






iH 


e» 




T-* 


N 




y-i 


O 




rt C* 




r^ 


C« 


Rind . . 


754 


260 


230 


890 


520 


470 


1455 


615 


500 


2475 


1600 780 


210 


1 

70 50 


£alb . . 


825 


240 


180 


1305 


535 


130 


1030 


255 


220 


890 


370 260 


180 


60 50 


Schwein 


2330 


450 


385 


735 

1 


235 


170 


580 


330 


160 


— 






150 


55 





Aus den Zahlen leitet sich ab (wobei natürlich dahinge- 
stellt bleibt, wie weit individuelle Besonderheiten das Resultat 
beeinflussen) : 

1. Rohe Kalbsleber ist etwas zäher als rohe Rindsleber; 
gekocht wird sie sehr zart, noch etwas zarter wie Rinds- 
leber. Es erklärt sich dies wohl durch den relativ etwas 
gröfseren Oehalt der Kalbsleber an Bindegewebe, das 
beim Kochen zum teil zu Leim wird und somit für die 
Festigkeit verschwindet. Trefflich pafst dazu die sehr 
grofse Zähigkeit der bekanntlich enorm bindegewebe- 
reichen rohen Schweinsleber, welche durch Kochen um 
% ihrer Zähigkeit verliert. Trotzdem bleibt sie doppelt 
so zäh als die Kalbsleber, was sich wohl ungezwungen 
so erklärt, dafs die Leber neben kollagenem auch ela- 
stisches Gewebe enthält, das nicht durch Kochen er- 
weicht. 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 



177 



2. Die Kalbsmilz ist roh viel zäher als die Rindsmilz ge- 
funden — wahrscheinlich ist sie reicher an Bindegewebe. 
Sehr überrascht waren wir von dem enormen Rückgang 
dieser Zähigkeit durch 2 stündiges Kochen, was wohl 
beweist, dafs namentlich leicht zu Leim verwandelbares 
koUagenes Gewebe an der gröfseren Zähigkeit der Kalbs- 
milz schuld ist. 

3. Bei der Niere wurde ermittelt, dafs die Substantia corti- 
calis der Rindsniere roh fast nur halb so zäh ist wie die 
Substantia medullaris, 950 gegen 1850. Gekocht ver- 
schwindet der Unterschied. Es liegt nahe, den derberen 
GefäTsen, dem Bindegewebe der gröfseren Sammelröhren 
u. s. f., die Ursache davon zuzuschreiben. 

4. Die grofse Zähigkeit des Rindsthymus erklärt sich sehr 
einfach daraus, dafs auch bei dem jungen Rind die 
Thymusendrüse nur noch sehr wenig Drüsensubstanz, 
aber sehr viel Bindegewebe enthält. Die starke Abnahme 
der Zähigkeit bei langem Kochen spricht dafür. 

5. Das Hirn ist konkurrenzlos das zarteste Organ (es wurden 
Würfel aus der weifsen Substanz untersucht). Nach 
2 stündigem Kochen drang die Schneide des BeiTsappa- 
rates ohne Belastung durch. 

Nicht ohne Interesse waren auch einige Versuche über Herz 
^^^ Zunge. 



Herz 



roh 




2440 

1150 

890 



1 stunde 
gekocht 



2370 

1110 

890 



2 Stunden 
gekocht 



2060 
910 
750 



Zange 



roh 



4190 
4170 
4100 



1 stunde 
gekocht 



2155 
8030 
2475 



2 Stunden 
gekocht 



2110 
2785 
2740 



betrachten wir zunächst das Herz, so fällt auf, dafs nach 
*'^nde eine kaum merkliche nach 2 Stunden nur eine geringe 
reatdg^eitsabnahme durch Kochen erreicht ist. 



178 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. 

Es entspricht dies etwa dem Verbalten des bindegewebe- 
armen Lendenmuskels und pafst recht gut in die oben nieder- 
gelegten Betrachtungen und Berechnungen. 

Die absoluten Zahlen für das Riudsherz und den Rinds- 
lendenmuskel stimmen auch untereinander, auffallend niedrig 
ist aber der Wert für das rohe Kalbs- und Schweinsherz. Die 
oben niedergelegten Werte für Kalbslende betragen rund 2000, 
für Schweinslende 1640. 

Nach anderer Richtung überraschen die Resultate an der 
Zunge. 

Die rohe Zunge von Rind, Kalb und Schwein gibt hohe 
Resultate, fast doppelt so hohe wie Filet, etwa ^/j so hohe wie 
der Hautmuskel; durchs Kochen nimmt die Zähigkeit um 30 
bis 50% ab, ohne aber unter die Zähigkeit des Filets zu sinken. 
Nun haben wir alle speziell von Zunge den Eindruck, als ob 
das Fleisch ganz besonders zart sei, geneigt, auf der Zunge zu 
vergehen. 

Es stellte sich heraus, dafs in den Versuchen Stücke ver- 
wendet werden mufsten, welche das bindegewebereiche Septum 
linguae enthielten, wenn wir schöne Würfel von 1 ccm erhalten 
wollten. Hierauf wurde eine grofse Pökelzunge aus dem Liaden 
bezogen und an isolierten Partien der Zunge folgende Werte 
ermittelt : 

Gekochte Zunge. 



Transversus 
linguae 


GenioglosBus 


kalt 


heiß 


kalt heiß 


506 


120 


2365 1655 

1 



Diese Zahlen weisen für den Genioglossus die normale 
Zähigkeit eines gekochten Muskels auf, während für den vor- 
deren Teil der Zunge, welcher vorwiegend aus Fasern des Mus- 
culus transversus linguae gebildet ist, eine aufserordentliche Zart- 
heit nachgewiesen ist. Dies versteht man aber sehr leicht, wenn 



Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 179 

man an das reichliche Gerüste von fetthaltigem Bindegewebe 
denkt, in das die Muskelfasern eingebettet sind, ein Gerüste, das 
durch Kochen zu Fett und Leim wird. Interessant ist, dafs 
diese beiden Substanzen kalt ungeschmolzen noch einen gewissen 
Zusammenhalt verleihen, während im warmen Zustand nur noch 
etwa ein ^/iö — Vao ^^^ normalen Fleischfestigkeit übrig bleibt. 



Die Festigkeit (Zähigkeit) yegetabiliseher Nahnings- 
mittel und ihre Veränderung durch das Kochen. 

Von 

Prof. Dr. K. B. Lehmann. 

Nach Versuchen der Herren Dr. P. G a n k e 1 aus Kassel und Dr. J. Wilma 

aus Mausbach. 

(Aus dem hygienischen Institut der Universität Würzburg.) 

Der iu der vorigen Arbeit (S. 137) vielfach benutzte Appa- 
rat liefs sich vortrefEIich auch dazu verwenden, einmal einige 
Daten über die Festigkeit resp. Zähigkeit vegetabilischer Nahrungs- 
mittel zu gewinnen. Besonders interessant versprach dabei die 
Wirkung des Kochens bei den Versuchen hervorzutreten. Irgend- 
welche Vorarbeiten auf diesem Gebiete sind mir nicht bekannt. 
In diesen Versuchen war es meist sehr leicht, recht genaue 
Resultate zu gewinnen, weil die Herstellung von gleichmäfsig 
geformten Objekten zu den Zerbeifsversuchen sehr leicht war 
und auch die vegetabilischen Objekte meist homogener in ihrer 
Struktur sind als die animalischen, wenn wir von Leber, hartem 
Ei, Käse absehen. Nur die Kohlrabi lieferten, weil sie ver- 
schieden holzig waren, verschiedene Werte. 

Bei der Weichheit namentlich der gekochten Objekte war 
es nötig, dem Druckmoment des Hebels (vgl. S. 139) selbstRechnung 
zu tragen durch Addition von 10 g zu den Zerbeifsungszahlen, 
bevor sie mit 5 multipliziert werden. 



Die Festigkeit vegetabilisch. Nahrangsmittel etc. Prof. Dr. K. B. Lehmann. 181 

Gemüse. 




Kartoffel alt I . . . . 

Kartoffel alt II ... . 

Kartoffel nen I . . . . 

Kartoffel neu II ... . 

Kohlrabi I alt .... 
Kohlrabi n 

Apfel I 

Apfel n 

Apfel III 

Gelbe Robe jang . . . 
Gelbe Rübe alt ... . 

Rinde einer älteren Rübe 

Weifsbrot ohne Rinde 
Schwarzbrot ohne Rinde . 
Pampernickel 



850 
940 
560 
610 

1420 
575 

170 
150 
150 

1900 

1780 

855 

870 

135 
120 
515 



95 

75 

89 
85 






100 



85 



Die Zahlen sind Mittel von 
etwa 50 Bestimmungen an vier 
Knollen, die Extreme schwanken 
von 550- 2000 roh, und 75 bis 
100 gekocht. 

Die Zahlen sind Mittel von 
sechs Knollen, die je 20 mal 
untersucht sind, die Extreme roh 
schwanken zwischen 800 — 4050, 
die Mehrzahl der Werte lag 
zwischen 1000 und 2000. Für 
die gekocht. Kohlrabi schwanken 
die Werte von 105—86. 

Die Zahlen sind Mittel von 
etwa 70 Einzelbestimmungen, sie 
schwanken von 800—2060. Die 
gekochten Stücke zeigten ganz 
weich Werte um 200, die etwas 
derberen um 100. 



Nicht recht in die Tabelle passen die Versuche mit grünen 
Erbsen, weil wir nur einzelne Körner, nicht 1 cm dicke Zylinder 
zerbeifsen konnten ; hier wurden für das Moment des Hebels nur 
5 g addiert. 





V4 Stunde 


1 Stunde gekocht 


1 Stunde gekocht 




gekocht 


in dest. Wasser 


in Brunnenwasser 


Erbsen roh . . 


220 


39 


65 



Die Zahlen zeigen den enormen Einfluls des Kochens auf 
die Zähigkeit vegetabilischer Nahrung; dieselbe verliert durch 
Kochen stets % — '/^o der früheren Festigkeit. Dadurch wird natürlich 
die Zerkleinerung der vegetabilischen Speisen au [serordentlich 
erleichtert, und welche Bedeutung die Zerkleinerung für die Ver- 
daulichkeit hat, ist ja in den von mir mit Herrn M. Götz und 



182 ^^ Festigkeit vegetabilisch. Nahrungsmittel etc. Prof. Dr. K. B. Lehmann. 

F. M e y e r angestellten Versuchen ganz auffallend zutage getreten 
(vgl. dieses Archiv, XLIU, 123). 

Vegetabilien sind roh wie gekocht fast durchweg zarter wie 
die eigentliche Fleischnahrung, die zartesten gekochten Tier- 
organe (Thymus) erreichten nicht ganz die gekochten Vegetabilien 
und übertreffen sie nur ganz ausnahmsweise (Hirn). 

Im allgemeinen empfinden wir Nahrungsmittel von 1cm Dicke 
als sehr weiche, wenn 100 g zum Zerbeifsen ausreichen, als weich 
bis etwa 200 — 400, als fest aber sehr leicht zerbeifsbar bis 1000 g, 
als gut aber mit etwas Anstrengung zerbeisbar bis 2000, etwa 
von 4000 g an stöfst die einseitige Zerbeifsbarkeit auf ernstliche 
Schwierigkeiten. 



Experimentelle Untersuchungen über die Empfänglich- 
keit und Immnnisierong der Kaltblüter gegen Pest. 

Von 

Prof. Y. Fukuhara, 

AbteilQDgfyonteher im Pathologiacben Institut der medisinischen Akademie 

zu Osaka. 

CA.UB dem amtlichen Bakteriolog. Institat in Osaka. Direktor: Prof. A. Sata.) 

Seit 10 Jahren sind die Pestbazillen Gegenstand mehrfacher 
Untersuchungen gewesen, jedoch die Empfänglichkeit der Kalt- 
bluter für die betreffenden Mikroben und zwar die pathologisch- 
anatomischen Veränderungen der infizierten Kaltblüter nur wenig 
studiert worden. 

Alb recht und Gohn versuchten bei Schlangen, Eidechsen 
und Fröschen die Infizierbarkeit per os, subkutan und intra- 
thorakal, jedoch ohne Erfolg. Nutall {^) fand in seinen Unter- 
suchungen über die Empfänglichkeit verschiedener Tiere für 
Pest, dafs eine der versuchten Kreuzottern (Pelius borus) bei 
26 bis 28^ C nach 43 Stunden an Pest starb, während 2 andere 
derselben bei 14 ^ C noch 3 Monate lang nach der Impfung am 
Leben blieben. Was die Frösche (Rana temporaria) betrifft, 
fand er, dafs 2, die bei 20 ° C gehalten und mit grofsen Milz- 
stücken an Pest gefallener Tiere geimpft wurden, sich als immun 
erwiesen, indem sie über 3 Wochen lang lebten. 

I>evell(2) zieht dagegen aus seinen Beobachtungen folgende 
ScUüsse: 



184 Experimentelle Untersuchungen über die Empfänglichkeit etc. 

1. Die Frösche (Rana temporaria) sind sowohl im Winter- 
ais auch im Sommerzustande für Infektion mit Bubonen- 
pest empfänglich. 

2. Die Infektion läfst sich durch Einführung von virulenten 
Pestkulturen oder von Organteilen (resp. Blut) an Pest 
gefallener Tiere in den Lymphsack der Frösche bewerk- 
stelligen. 

3. Spontane Infektion der Frösche bei vorhandenen Haut- 
wunden erscheint nicht ausgeschlossen. 

4. Nach Infektion mit Pestbazillen von konstanter Virulenz 
für weifse Mäuse (tot in 2 bis 2^/2 Tagen) gehen die 
Frösche am 13. bis 19. Tage an Pest ein. Nach ein- 
maliger Passage durch den Froschkörper töten die Pest- 
bazillen Frösche in 12 bis 14 Tagen, nach einer zweiten 
Passage verkürzt sich der Termin bis auf 7 bis 8 Tage, 
womit jedoch noch keine konstante Virulenz für Frösche 
erreicht zu sein scheint; wenigstens haben wir bei einer 
ferneren Passage der Pestbazillen durch den Froschkörper 
eine weitere Verkürzung des Todestermins bis auf 5 Tage 
konstatieren können. 

Was die Empfänglichkeit der anderen Kaltblüter für Pest 
anbelangt, kann man leider nirgends eine Arbeit finden. Was 
die pathologische Anatomie resp. pathologische Histologie bei 
den Pesttieren betrifft, so verdanken wir die genauen und exakten 
Untersuchungen von Babes(*), Houl(*), Stricht (^), Lustig- 
Zardo (®) und Satap^), meinem hochverehrten Direktor der 
medizinischen Akademie zu Osaka und des pathologischen Insti- 
tutes. Aber alle diese Arbeiten sind natürlich auf die Warmblüter 
beschränkt. 

Um daher die Infektionsverhältnisse bei einigen Kaltblütern 
und die pathologischen Veränderungen derselben zu studieren, 
sowie den diesbezüglichen Unterschied zwischen den Warmblütern 
und Kaltblütern festzustellen, stellte ich folgende Versuche an. 

Als Untersuchungsmaterial wurden Frösche, Fische, Tritonen 
(kleine Salamander in Japan), Schildkröten, Schlangen und Regen- 
würmer benutzt, indessen beschränkte sich die Untersuchung 



Von Prof. Y. Fukuhara. 185 

bei Fischen nur auf Süfswasserfische. Es wurden im ganzen 
50 Frösche, 20 Fische, 25 Schildkröten, 30 Tritonen, 3 Schlangen 
und 45 Regenwürmer verwendet. 

Die Pestkultur, welche ich verwendete, erhielt ich von Herrn 
Dr. Guawa, Assistent am Institut, der sie im Juli dieses Jahres 
voD einem Pestkranken in Osaka gezüchtet hatte; die Kultur 
tötete Mäuse mit ^/xooo Ose in 2 bis 5 Tagen. 



i. Infektionsversuche an SOrswasserfischen. 

Als Versuchstier wählte ich Karpfen und Goldfische. Ka- 
rausche konnte ich nicht anwenden ; sie vertragen die Gefangen- 
schaft im stehenden Wasser (besonders im Sommer) nicht. 
Neun Karpfen (Cyprinus carpio, L.), welche kurz vor Anfang 
des Versuches gefangen waren, wurden in einen grofsen Glas- 
zylinder gebracht, der mit Leitungswasser bis zu einem Drittel 
gefüllt worden ist. Die Apparate wurden mittels Drahtnetz und 
Watte verschlossen. 

Bei der Zimmertemperatur von 25 bis 30^0 wurden ganze 

Apparate aufgestellt. Es wurde den Karpfen Pestagarkultur 

teiis intraperitoneal, teils subkutan (oder besser intramuskulär) 

eingespritzt. Die Agarkultur wurde mit gewissen Mengen 

physiologischer Kochsalzlösung fein verrieben und die dadurch 

hefgestelle Emulsion wurde angewendet. 

Nachdem die Tiere eingegangen bzw. getötet waren, wurden 
^öVV ^er Impfstelle sowie von den inneren Organen sofort Aus- 
.j^c^präparate angefertigt und Kultivierung ausgeführt. Die 
0^erung der Organstückchen wurde in Formol und die Färbung 
jjiit Hämatoxylin-Eosin und Karboltionin auch nach Roma- 
nowsky vorgenommen. Diese üntersuchungsmethoden wurden 
an allen anderen Versuchstieren auch angewandt. 



186 Ezi^rimentelle üntersachnngen über die Empfänglichkeit etc. 



Tabelle I. 

Beginn des VereacheB am 14. VIII. 1906. 

Wassertemperatur am 14. VIU.: 24*»; am 23. VIII. : 21,3°. 

Ergebnis : 



Nr. 


1 

Gattung 


Körper- ' 
gewicht , 


, Art und Menge 

des 
Impfmaterials 

1 


stelle 

der 

Impfung 


Datum 
der 

' Impfung 

1 


Datum 

des 
Todes 


Dauer 

der 

Krankheit 


1 


Oyprinus 
carpio ' 


20 


Agarknltur 
V. Öse 


1 
snbkntan 


14. vni. 


23.VnL . 9 


2 


do. 


20 


V. < 


' periton. 






2o.vm.»); 6 


3 


do. ! 


20 


Vto ' 


subkutan 






17.VTTT. 


3 


4 


do. 


20 


Vto ' 1 


periton. 






18. VI FT. 


1 


6 


do. 


20 


V.0 > ; 


subkutan 






23. vm. 


9 


6 


do. 


20 


y.0 > 


periton. 






2i.vin. 


7 


7 


do. 


22 


MO • 


i do. 






Lebend bleiben. 


8 


do. 


24 


' v„ . 


subkutan j 






25.VTn.0' 11 


9 


do. 


20 1 


V. . 


do. 






Lebend bleiben. 




Maas 

1 


12 1 


VlOOO * 


, periton. 

1 






16. VIII. 





Sektionsbelünde der Karpfen. 

Nr. 1. An der Impfstelle finden sich keine Veränderungen in der Haat, 
hingegen Hämorragien im Muskelgewebe. Flflssiges Blut im Herzen. Leber 
grauweils, Nieren graurot, Milz vergrOlsert. 

Ausstrichpräparate. Herzblut : mehrere, ungleichmäfsig gestaltete 
Bazillen. Hämorragische Stelle in Muskel: mehrere kurzstäbchenlörmige 
oder spitzige ovale Bazillen. Keine Bazillen in der Leber, Kiemen nnd 
Nieren. 

Schnittpräparate. Impfstelle: das Muskel- und ünterhaut^webe 
sind dicht oder locker mit Erythrozyten nebst spärlichen Leukozyten durch- 
setzt. In der Umgebung dieses hämorrhagischen Herdes sind BlutgefiUs stark 
injiziert und die Muskelfasern haben ihre Querstreifung verloren. Im Unter- 
hautgewebe sowie nekrotisierten Muskelgewebe finden sind zerstreut bipolar 
gefärbte Bazillen und spärliche nach Gram färbbare Bazillen. Spärliche Bak- 
terien im intravaskulären Blut. Die meisten Mikrooiiganismen zeigen eine 
kurze Stäbchenform mit abgerundeten Enden. Milz: spärlichen Bakterien 
ohne besondere gewebliche Veränderungen. Leber: ausgedehnte Trübung 
ohne Bazillen. Nieren: leichte parenchymatöse Degeneration hauptsächlich 
in den gewundenen Harnkanälchen, GefäTise erweitert und gefflllt. Rund- 
zelleninfiltration ohne Bazillen in der Umgebung des Glomeruli. Kiemen : 
Keine Veränderung. Keine Bazillen. Herz: Muskelfasern nicht verändert 



1) Getötet 



Von Prof. Y. Fukuhara. 187 

Kr. 2. 6 Tage nach Impfong getötet. Bauchhöhle enthält geringe 
Mengen von Flflssigkeit; sonst makroskopische Befände aller Organe wie 
bei Nr. 1. 

Ausstrichpräparate. Einige Bazillen im Banchhöhlenexsadat, 
aber keine im Herzblut und in der Leber. Spärliche unregelmäfsig gestaltete 
Stäbchen in der Pulpa der Milz. 

Schnittpräparate. Milz : keine nennenswerten Veränderungen des 
Gewebes. Sehr spärliche Bazillen insofern als man in einem Präparate kaum 
einige Bazillen finden kann. Leber : wie bei 1. Niere : Leichtgradige Trübung 
der Rindensubstanz, aber keine Bazillen. Kiemen : wie bei 1. Herz : leicht- 
gradige Verfettung. Keine Bazillen. Im Herzblut findet man durch das 
Knltarversuchen gewisse Menge Bazillen. 

Nr. 3. TJnterhautgewebe an der Impfstelle zeigt Hämorrhagien. 
FIflBsiges Blut im Herzen. Milz etwas angeschwollen, Leber hyperämisch. 
Beide Nieren hyperämisch. 

Ausstrichpräparate. Zahlreiche ovale auch kurze Bazillen im 
Mnskelgewebe an der Impfstelle, einige Bazillen darunter zeigen Inyolutions- 
form. Keine Bazillen in allen Organen. 

Schnitt Präparate. Impfstelle : leichtgradige Nekrotisierung des Haut- 
und Muskelgewebes. Zahlreiche Pestbazillen im genannten Herde, besonders 
reichlich im intermuskulären Bindgewebe. Milz: keine Bazillen und keine 
nennenswerten Veränderungen. Leber *. leichtgradige Trübung nebst fettiger 
Degeneration, ohne Bazillen. Niere: hochgradige Trübung und Verfettung, 
Hyperämie und Hämorrhagie an einigen Stellen. Keine Bazillen. Kiemen: 
leichte Hyperämie. Keine Bazillen in den Alveolen. Herz: leichtgradige 
Verfettung. Keine Bazillen im Blute. 

Nr. 4. Herz gefüllt Milz etwas angeschwollen. Beide Nieren hype- 
rftmisch. 

Aasstrichpräparate. Keine Bazillen im Herzblut, Milz, Leber und 
Niere, aber reichlich in der Bauchhöhleflüssigkeit, welche basophile Leuko- 
zyten enthalten. Die letztgenannten Zellen sind mit den gut tingierbaren 
ßaallen überladen. 

Schnittpräparate. Milz: wie bei Nr. 3. Leber: leichtgradige 
Trflbung und Hyperämie, keine Bazillen. Niere: wie Leber. Kiemen: wie 
bei Nr. 3. Herz: keine besondere Veränderung und keine Bazillen. 

Nr. 5. An der Impfstelle findet man keine sichtbaren Veränderungen. 
H^rt enthält flüssiges Blut. Milz keine Veränderung, Leber gelblich verfärbt, 
gieren hellrot. 

Ausstrichpräparate. Keine Bazillen im Herzblut, Milz, Leber und 

liieren. 

Schnittpräparate. Impfstelle: spärliche Anzahl der involutierten 
Bazillen. Milz: keine Bazillen und keine nennenswerten Veränderungen. 
Leber: Gefäfs injiziert ohne Bazillen. Niere: ziemlich deutliche Trübung und 
nnd fettige Degeneration der gewundenen Harnkanälchen nebst der Er- 
weiterung der Kapillaren. Keine Bazillen. Kiemen : keine besonderen Ver- 
änderungen und keine Bazillen. 

Nr. 6. Wie bei Nr. 4. 
Archiv mr Hygiene. Bd. LXII. 13 



igg Experimentelle Üntersachungen über die EmpfäDglichkeit etc. 

Nr. 8. Keine sichtbare Yeränderang und spärliche Bazillen an der 
Impfstelle. Keine Veränderung nnd keine Bazillen in allen Organen, doch 
warde ans der Impfstelle die Kultar angestellt und 2 Ratten geimpft, welche 
dann an Pest erlegen sind. 

Resultate : 

Die Krankheitsdauer der Fische schwankt je nach der Art 
der Impfling und der Menge von Bazillen zwischen 18 Stunden 
bis 10 Tagen und manchmal darüber. Bei Nr. 9 wurde die ein- 
gespritzte Bakterienschwemmung durch die Muskelkontraktion 
wieder teilweise ausgepreist und infolgedessen blieb das Tier 
am Leben. 

Es wurden die folgenden Veränderungen an den genannten 
7 Fischen festgestellt, von denen 2 aber getötet wurden: 

1. Leichte Nekrose und Hämorrhagie an der Impfstelle. 

2. Auftreten einer spärlichen Anzahl der Bazillen im Blut. 

3. Fettdegeneration bzw. Trübung der Herzmuskeln. 

4. Parenchymatöse Degeneration der Leber und Niere, keine 
Ansiedelung des Bazillus. 

5. Nur selten beobachtete Hämorrhagien der Niere. 

6. Milzschwellung mit den nur zweimal nachgewiesenen 
spärlichen Bazillen. 

II. Infektionsversuche am Frosche. 

Wie bei Fischen wurden 10 Frösche und eine Kröte (Nr. 15) 
mit Pestagarkultur geimpft und bei Zimmertemperatur in einem 
Zylinder beobachtet, welcher mit niedriger Schlammschicht und 
Wasser versehen ist. Das Wasser wurde nicht erneuert, denn 
die Frösche waren schon an einem solchen Zustand gewöhnt. 
Frosch Nr. 4 wurde am 9. Tage post infectionem getötet. 

Mit der aus Nr. 2 Frosch gezüchteten Kultur wurden wieder 
2 Frösche (Nr. 11 und Nr. 12) infiziert. Die aus Nr. 11 Frosch 
isolierte, nämlich zweimal den Froschkörper passierte Kultur 
wurde auch wieder an 2 Frösche (Nr. 13 und 14) geimpft. 

Versuchsergebnisse sind folgende: 



Von Prof. Y. Fukabara. 



189 



Tabelle U. 

Beginn des Versuches am 10. VIII. 1906. 

Temperatur der Aufbewahrung: 21 — 23° 0. 





Körper- 
gewicht 


Art und Menge 
des 


stelle 
der 


Datum 
der 


Datum 
des 


Dauer 
der 


I 


1 


g 


Impfmaterials 


Impfung 


Impfung 


Todes 


Krankheit 


1 

JE^^ina 
esoii&lenta 


1 9 

1 


; Agarkultur 
V4 Öse 


periton. 


10. vm. 


ll.VIII. 


12 Stdn. 


2 : «io. 

1 


9 


1 


' dorsaler 
. Lymphsack 


> 


> 


> 


3 i| cio. 


11 . 


1 '/.. • 


periton. 


1 
• 


12.VTII. 


3 Tage 


* 1 do. 1 


19 


V» ' 


dorsaler 
Lymphsack 


> 


19.VTII.») 


9 » 


5 1'. do. 


12 


'L • 


periton. 


i 

; » 


16.VIIL 


6 > 


6> 


<lo. 

1 


11 


V.. . 


dorsaler 
Lymphsack 


' > 

1 


18. VIII. 


8 > 


8 ; do. 


11 


1 y 


per OS 


1 


ll.VITT. 


10 Stdn. 


9 ao. 


12 


V40 » 


periton. 


» 


aberlebend. 


«> , do. 
^1 ' do. 

12 1 . 
13 **"• 


12 


V40 > 


dorsaler 
' Lymphsack 


1 


> 
1 


17 


Imal passiert. ' periton. 
Kultur»/, Öse ^ 


i 19. VIII. 


20.VITT. 


12 Stdn. 


13 


, ebenso V4 » ! do. 


9 


überlebend. 


■ do. 


12 

1 


2mal passiert. ' do. 
Kultur Vi Öse r 


28. VIII 


31.VIII. 


3 Tage 


\K \ do. 


13 1 


ebenso V4 » 


, do. 


» 


überlebend. 


\ 


K \;Bnfe vul- 

1: garis 


130 ! 


1 Agarkultur 
4 Ösen 


do. 

1 


f 

1 




1 



Sektioiisergebnisse der PrSsche. 

Nr. 1. Herzblut flüssig. Leber graurot, Mils etwas vergrOfsert. Nieren 
angeschwollen, hellrot. Lungen hyperämisch. 

Ausstrichpräparate. Ganz sp&rliche Anzahl der Bazillen im Herz- 
blut^ in der Leber und Nieren. Reichliche Anzahl der bläschenförmigen 
Bazillen im Bauchhöhlenexsudat. 

Schnittpräparate. Milz: keine Veränderungen und keine Ba- 
zillen. Leber: Trübung und leichte Hämorrhagien. Niere: hochgradige 
Trübung und Fettdegeneration der Hamkanälchen. Lunge: etwas pneu- 
moDisch infiltriert. Herz: Muskel zeigt sich leicht getrübt, aber keine Ver- 
fettung. Leber, Nieren und Lungen lassen sich keine Bazillen nach- 
weisen. Kultivirung aus Herzblut positiv. 

Nr. 2. Reichliche, blutige Flüssigkeit in dem Lymphsack. Herz enthält 
dankelrote Oerinnsel- Milz weich, Leber dunkelrot. Nieren etwas hype- 
rämisch, Lunge auch stark hyperämisch. Darm entzündlich gerötet. 

Ausstrichpräparate. Spärliche Bazillen im Herzblutausstrich. In 
der Lymphsackflüssigkeit finden sich zahlreiche Bazillen und einigen Bazillen- 



1) Getötet 



13^ 



1 



190 ^Experimentelle Üntereachungen über die Empfänglichkeit etc. 

fäden, welche sich stellenweise schwach gefärbt erweisen. Keine Bazillen in 
der Leber, Milz und Lungen. 

Schnittpräparate. Man findet keine Bazillen in der Leber, Milz, 
Nieren und Lungen. Kultivierung aus Leber positiv auf Pestbazillen. Milz: 
keinerlei Erscheinungen. Leber: Trübung, leichtgradige Verfettung und 
kleine Hämorrhagien an einigen Stellen. Niere: wie bei Nr. 1. Lunge: 
Spärliche Zellen in Alveolarraum. Herz: Trübung. 

Nr. 3. Herzblut enthält reichlich Gerinnselmassen. Keinerlei makro- 
skopische Erscheinungen aufser dem Exsudat in Bauchhöhle. 

Ausstrichpräparate. BauchhOhlenexsudat enthält zahlreiche Ba- 
zillen. Im Herzblut findet sich nur eine spärliche Anzahl der Bazillen, so 
dafs man in einem mehrere Präparate kaum finden kann. Sonst keine Mikro- 
organismen in allen Organen. 

Schnittpräparate. Milz und Lungen: keine nennenswerten Ver- 
änderungen. Leber und Nieren: hochgradige Trübung. 

Kulturell werden die Bazillen aus dem Herzblut gezüchtet, nicht aber 
aus der Leber und Niere. 

Nr. 4. An der Injektionsstelle, sowie an den inneren Organen makro- 
skopisch nichts Besonders. 

AuBstrichpräparate. In der Lymphsackflüssigkeit und in dem 
Herzblut wenige bläschenförmige Bazillen. Keine Bazillen in allen Organen. 

Schnittpräparate. Milz: keine nennenswerten Veränderungen. 
Leber : Trübung und Hämorrhagien. Lunge : wie bei Nr. 3. In allen Organen 
findet man keine Bazillen, aufser der Leber mit einer Anzahl der Bazillen 
in den grofsen Blutgefäfsen. 

Nr. 5. An der Innenfläche der beiden Oberschenkel an der Haat finden 
sich kleine Geschwüre, deren Umgebung hyperämisch ist. Herzblut etwas 
flüssig. Milz etwas angeschwollen. Leber gelblich marmoriert. Nieren intakt. 
Darm und Lungen hyperämisch. Harnblase erweitert und gefüllt, deren Ge- 
fäfse injiziert. In demselben kann man weder mikroskopisch noch kullarell 
Pestbazillen finden. 

Ausstrichpräparate. Bauchhöhlefiüssigkeit zeigt zahlreiche Ba- 
zillen. Keine Bazillen in allen Organen. 

Schnittpräparate. Milz : Kapillaren erweitert. Leber : hochgradige 
Trübung und Fettdegeneration. Hämorrhagien an einigen Stellen. Niere: 
Hämorrhagien und Trübung. Lunge: Alveolen mit zellig hämorragiechen 
Exsudat. Herz: Verfettung. In allen Organen kann man keine Bazillen 
nachweisen. Im Schnitte des ulzerierten Teiles der Schenkel findet naan die 
intramuskuläre Blutung und Nekrose des Muskelgewebes, in welcher sich eine 
Menge der Fäulnisbakterien zerstreut nachweisen läfst. Kulturell werden die 
Pestbazillen aus der Muskelsubstanz nicht gewonnen. 

Nr. 6. Starke Abmagerung. Lymphsack am Rücken (Impfstelle) zeigt 
wenige Flüssigkeit. Histologische Befunde an allen Organen wie der obigen 
Nummer. 

Ausstrichpräparate. Lymphsackfiüssigkeitsausstrich enthftlt nn- 
regelmäfsig gestaltete Stäbchen, deren einige scheinfädig sind. Herzblut 



Von Prof. Y. Fukuhara. 191 

enthftlt geringere Anzahl der Bazillen. Alter Organaasstrich, es lassen sich 
keioe Bazillen nachweisen. 

Schnittprftparate. Alle Befunde wie bei Nr. 5. 

Kulturell wurden die Pestbazillen aus dem Herzblut gezüchtet. 

Nr. 8. Im unteren Teil der Bauchdecke zeigt sich ca. 1 cm breite subkutane 
Hämorrbagie. In der Mundhöhle zeigt sich keine sichtbare Veränderung. 
Magen und Darm stark hyperämisch, hier und da mit dem nadelkopfgrofsen 
Biotaustritt durchsetzt. Milz angeschwollen. Leber dunkelgrau, Nieren 
dankelrot, Harnblase leer. Reichliches, flüssiges Blut im Herzen. Beide 
Lungen hyperAmisch. 

Ansstrichpräparate. Im Herzblut-, Leber-, Milzausstrich findet 
sich geringere Anzahl von Bazillen. Keine Bazillen in den Nieren. Magen- 
und Darminhalt enthalten zahlreiche, bipolar gefärbte Stäbchen. 

Schnittpräparate. Milz zeigt keine besondere Veränderung. 
Leber: Verfettung und Hämorrhagien. Niere: Parenchym erweist sich hoch- 
gradig degenerativ verändert; in der Rinde zeigen sich fast sämtliche Harn- 
kanälchenepithelien als kernlose, unregelmäfsige Schollen in den Röhren der 
Tanica propria. In den Glomeruli sind viele Epithelien abgestossen und in 
Form scholliger Ablagerungen im Kapselraum deponiert. In der äufseren 
Zone der Rinde finden sich in der Umgebung zahlreicher Glomeruli Blut- 
austritte ; das Interstitium ist hier von dicht gedrängten Erythrozyten durch 
setzt Selbst in den geraden Hamkanälchen der Marksubstanz ist die Dege- 
neration und Nekrose eine sehr ausgedehnte. Pestbazillen lassen sich mikro- 
skopisch im Nierengewebe nicht auffinden. Lunge: Weder Veränderungen 
noch Bazillen. In der Magenwand findet man einige Defekte der Schleim- 
haut, in deren Gebiete keine zirkumskripte Blutung der Submucosa statt- 
findet In ihrem Bereiche zeigt die Submucosa leichte Nekrose, aber die 
Pestbazillen sind nur spärlich zerstreut vorhanden. Bei dem Dühndarm ist die 
Spitze der Darmzotten nekrotisch, und zwar an einzelnen Stellen das Ober- 
flftchenepithel losgestofsen ; die an solchen Defekt angrenzende Zone ist von 
roten Blutkörperchen durchsetzt. Der nekrotische Vorgang in der Submucosa 
ist nicht deutlich, und Auftreten der Bazillen auch spärlich, so dafs man sie 
/n einem Schnitte kaum nachweisen kann. Herzmuskelgewebe: zeigt tief- 
greifende Veränderungen. Die Querstreifung der Muskelfaser fast überall 
ganz vermischt Man kann mit Sudan III leichte Fettdegeneration nach- 
^Mfien. Kultivierung der Pestbazillen aus der Niere positiv. 

^r. 11. Herzinhalt halbfltissig. Milz angeschwollen. Leber grofs, gelb- 
^^lia marmoriert. Gallenblase grofs, mit dunkelgrüner Flüssigkeit gefüllt 
^Q dep Bauchhöhle weniges Exsudat. 

-Ausstrichpräparate. Wenige Bazillen in dem Bauchhöhlen- 
^iBudctt und dem Herzblut Keine Bazillen in der Milz, Leber und Niere. 

Schnittpräparate. Milz : keine besondere Veränderungen. lieber : 
Trübixng und Hämorrhagien. Niere: Hochgradige Trübung und Fettdegene- 
ration, Subkapsuläre Blutung. Lunge: hämorrhagische Pneumonie. Herz: 
■^^ting. 

In allen Organen findet man keine Bazillen, 



192 Experimentelle TTnteraachangen über die Empfänglichkeit etc. 

Nr. 13. Die Stichstelle der Spritze an der Bauchdecke leigt eine sub- 
kutane Blutung. Herz enthält flQBsiges Blut. Beide Lungen hyperämisch. 
Reichliche Flflssigkeit in der Bauchhöhle. Milz angeschwollen. Leber gelblich 
weifs. 

AusBtrichpräparate. Bauchhöhlenflüssigkeit enthält eine sehr spär- 
liche Anzahl der Bazillen. Wenige Bazillen im Herzblut. 

Schnittpräparate. Milz: Die Veränderungen sind mikroskopisch 
auch geringfügig, Blutgehalt im allgemeinen ziemlich gering; Bakterien sind 
nicht nachweisbar. Leber: Die Kapillarräume sind durchgehends ziemlich 
weit, enthalten strotzend rote Blutkörperchen. Leberzellen zeigen im allgemeinen 
leichtgradige Trübung und Fettdegeneration. Keine Bazillen in der Leber. 
Ein überraschendes Bild zeigt die Niere; das Rindenparenchym hochgradig 
verändert; die Kerne der Epithelien der Tubuli contorti sind auf weite 
Strecken vermischt oder gar nicht mehr nachweisbar. An solchen Stellen 
kann man weder durch die Weigertsche Färbung noch nach Romanowsky 
nichts nachweisen. In den Glomeruli sind viele Epithelien abgeschuppt, aber 
noch kernhaltig. Mittels; der Sudanfärbung sind alle Nierenzellen verfettet. 
Lungen: etwas pneumonisch. Herz: Fettdegeneration. 



Resultat. 

Es wurden im ganzen an 14 Fröschen und einer Kröte Ver- 
suche vorgenommen. Die Kröte blieb am Leben, wenn auch 
die grolse Menge der Bazillen injiziert wurde. Zwei Frösche 
(Nr. 9 und 10), welchen V^oOse Agarkultur injiziert war, bheben 
gesund, während eine mit ^xooo ^^^ Bazillen intraperitoneal in- 
jizierte Maus nach 55 Stunden zugrunde ging. 

Ein Frosch, der mit aus Nr. 2 Frosch gezüchteter Kultur 
(^4 Ose) infiziert wurde, blieb überlebend, während ein anderer 
Frosch (Nr. 11) durch ^2 Ose derselben Kultur getötet wurde. 
Man kann daran denken, dals sich die den Froschkörper einmal 
passierten Bazillen ihre Virulenz so steigern, wie es Nutall 
bestätigt hatte. 

Es ist auch denkbar, dafs die Bazillen durch die Passage 
des Froschkörpers merkwürdigerweise eine Abschwächuug ihrer 
Virulenz zeigen, indem die den Froschkörper zweimal passierten 
Bazillen ebenso nicht giftig waren (Nr. 14 Frosch), wie die 
Stauimkultur. 



Von Prof. Y. Faknhara. 193 

Was die Reaktion des Organismus anbetrifft, ist sie etwa 
entsprechend der Menge der Bazillen. Die Dauer der Krankheit 
schwankt zwischen 12 Stunden bis 9 Tagen. Die Verabreichung 
der Bazillen wurde meist intraperitoneal oder subkutan ausgeführt, 
während in einem Fall (Nr. 8) die Bazillen direkt in den Schlund 
dem Tiere eingebracht wurden. Pathologischanatomische Ver- 
änderungen sind auch quantitativ verschiedene, aber qualitativ 
analoge. Die wichtigen Befunde sind folgende: 

1. Subkutane Blutung an der Impfstelle. 

2. Milzanschwellung mit keinen Bazillen. 

3. Hochgradige parenchymatöse Degeneration und Hämor- 
rhagien der Leber und Niere; seltenes Auftreten spär- 
licher Bazillen. 

4. Hämorrhagische Erosion im Darm und Magen bei der 
Infektion per os, und das Vorkommen der Bazillen im 
betreffenden Herde. 

5. Pneumonische, auch selten hämorrhagische Infiltration 
der Lungen mit keinen Bazillen. 

6. Trübung und Fettdegeneration des Herzmuskels und Auf- 
treten der Bazillen im Herzblut. 

Dafs eine hämorrhagische Erosion im Magen und Darm nach 
vorausgegangener Schädigung inneren Schleimschichten durch 
Pestbazillen entstehen sollte, ist klar. Es ist vielleicht auch 
denkbar, dafs die Bazillenverschleppung an anderen Organen vom 
Darm aus erfolgt sei. 



III. Infektionsversuche an den Tritonen. 

Alle Versuchstiere wurden bei Zimmertemperatur gehalten, 
und zwar in hohen Glasgefäfsen, deren Boden mit einer ganz 
niedrigen Schicht Wassers bedeckt war. Ich impfte diese Tiere 
immer peritoneal, weil die subkutane Impfung sich als un- 
praktisch zeigte. 



194 Experimentelle Untersuch un gen über die Empfänglichkeit etc. 



Tabelle IH. 

Beginn des Versuches am 6. VIII. 1906. 

Wassertemperatur am 6. VIII.: 21^ C; am 6. IX.: 27» C. 



i 




I 
1 

Körper- ; 


Art und Menge 


Stelle 


Datum 


Datum 


Dauer 


Nr. 


Gattung 


gewicht 


des 


der 


der 


des 


der 






g 


Impfmaterials 


Impfung 


Impfung 

1 


Todes 


1 Krankheit 


1 


, Triton 
■ pyrohQg. 


1 

4 


1 

:j Tage alt. Agar- 1 
kiiltur % Ose 

1 


periton. 


6. VJII. 


7. VIII 


13 8tdn. 

1 


2 


do. ; 


4 


do. 


: > ; 




aviii. 


2 Tage 


3 


do. i 


4 


'!i Öse 


> 




11. VIII. 


5 > 


4 


do. 


5 


'U > 


Y 




10. VIII. 


4 > 


5 


do. 


4 


'10 ' 


> 




14. VIII. . 


8 . 


6 


do. 


4,5 


■/.. • 


; « 




19. VIII. ; 


13 . 


7 


do. 


4 


; ''•« ' 


> 


j 


überlebend. 


8 


do. 

1 


4 


Avarkultnr au» 

Nr. 1, Frosch, 

Vft Öse 


> 


27. VIII 


30. VIII. ; 

1 


3 Tage 


9 


do. 


4 


Agarkultur aus 

Nr. 2, Triton, 

vi Öse 


• 

1 

1 


i 


6. IX. 

1 


10 . 



Ich lasse die Sektionsprotokolle und die Befunde mikro- 
skopischer Untersuchung hier folgen: 

Nr. 1. In der Injektionsstelle der Bauchdecke findet man den punkt- 
förmigen, dunkelbraunen Fleck. Bauchhöhle enthält kleine Menge des Ex- 
sudats. Milz angeschwollen und hyperämisch. Leber vergröfsert, rot mar- 
moriert. Niere dunkelrot^ Lunge hyperämisch. 

Ausstrichpräparate. Durch Abstrichpräparate aus der Bauchhöhle 
lassen sich reichliche Bazillen nachweisen. Herzblut enthält wenige Bazillen, 
Milz auch wenige. Agarkultur aus dem Herzen und der Milz wiesen die 
Pestbazillen auf. Keine Bazillen im Leber- und Nierenausstrieb. 

Schnittpräparate. In der Leber und dem Herzen kann man 
keine besonderen Veränderungen nachweisen. Nieren etwas getrübt, aber 
keine Bazillen. In der Milz läfst sich eine spärliche Anzahl der Bazillen 
nachweisen, aber keine nennenswerte Erscheinung. 

Nr. 2. Sektionsergebnis wie bei Nr. 1, aufser dem Auftreten der Try- 
panosomen im Blute und keiner Verschleppung der Bazillen in der Milz. 

Nr. 3. In der Bauchdecke und im oberen Teil der Brustdecke findet 
man einige, zerstreute subkutane Hämorrhagien. 

Ausstrichpräparate. Bauchhöhlenflüssigkeit zeigen massenhaft 
die Bakterienhan fen. Der Ausstrich aller inneren Organe läfst keine Ba- 
zillen nachweisen. 

Schnittpräparate. In der Milz läfst sich sehr bedeutende Vermehrung 
der Pulpazellen erkennen. Die Gefäfsräume sind kaum erkennbar. Keine Bak- 
terien in der Milz. In der Leber lassen sich keine sichtbaren VerändenmgeQ 



Von Prof. Y. Fukahara. 195 

auffinden, aach keine Baiillen nachweisen. In der Niere bemerkt man 
Tröbang. Henmnskel auch getrübt. Agarstrichkultaren ans Blut, Leber, 
Mtls und Nieren ergaben keine Pestbazillen. 

Nr. 4. Keine freie Flüssigkeit in der Bäuchhöhle. Alle Organe ohne 
nennenswerten pathologischen Befund. In den etwas fadenziehenden Auf- 
lagerungen an den Bauchorganen findet man reichliche Menge von Bazillen. 
In den Ausstrich präparaten aus allen Organen und dem Herzblut lassen sich 
keine Bazillen erkennen. 

Schnittpräparate. Bakterien können in der Milz nicht gefunden 
werden. Die Leber zeigt eine leichte Degeneration. Fettvakuolen sind in 
den peripheren Azinuspartien nur ganz spärlich nachweisbar. Alle Kapillar- 
riume sind erweitert. Bakterien können auch in der Leber mikroskopisch 
nicht nachgewiesen werden. Etwas weniger, wenn auch noch recht nach- 
weisbar sind die parenchymatösen Degenerationen in den Nieren. Die zwischen 
den Markstrahlen liegenden, geraden gröfseren arteriellen und venösen Ge- 
fäfse sind ebenfalls stark gefüllt. Keine Bakterien auffindbar. Querstreifung 
des Herzmuskels ist nur mangelhaft darstellbar, die Kerne aber gut gefärbt 
Keine Bazillen im Herzblut. 

Nr. 5. In der Bauchhöhle wenige Flüssigkeit, wenige Bakterien nach 
weisbar. Herzblut fiüssig, keine Bazillen. Milz angeschwollen. Leber 
dankelrot Nieren auch angeschwollen. 

In den Ausstrichpräparaten aller Organe sind keine Bakterien 
nachweisbar. 

Schnittpräparate. In der Niere läfst sich .starke Blutfüllung der 
Gefäüse und hochgradige Trübung erkennen. In der Leber zeigt sich mikro- 
skopisch nichts Besonderes. In der Milz sind weder die pathologischen Ver- 
ftnderangen noch die Bazillen nachweisbar. Am Myokard findet man die 
leichte Trübung des Muskelgewebes; Bazillen sind nicht erkennbar. 

Nr. 6 Keine freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle. Milz vergröfsert 
Leber zeigt hier und da einige subseröse, diffuse rote Flecke. Nieren etwas 
angeschwollen. 

Schnittpräparate. Die Milz zeigt keine besonderen Veränderungen. 
In der Leber sind die Zellformen und die Färbbarkeit ihrer Kerne sehr gut 
erhalten. Die subkapsulären Gefäfse sind sehr stark mit roten Blutkörperchen 
gefüllt, vereinzelte kleine Blutaustritte liegen im Interstitium. In den Nieren 
weisen sich leichtgradige, parenchymatöse degenerative Veränderungen auf. 
Henmuskel leicht verfettet Bakterien lassen sich in allen Organen nicht 
nachweisen, kulturell auch negativ. 

Nr. 8. In der Bauchhöhle zeigt sich eine geringere Flüssigkeitsansamm- 
long. Bakterien befinden sich spärlich darin. 

Im Herzblutausstrich lassen sich spärlich Bakterien auffinden. 

Mikroskopische Befunde der Organe wie bei Nr. 6. 

Nr. 9. Bauchhöhle enthält wenige Flüssigkeit Herzblut halbflüssig. 
Milz vergröfsert. Leber etwas gelblich. Beide Nieren etwas hyperämisch. 

Im AuBStrichpräparat der Bauchhöhlenflüfsigkeit lälst sich eine sehr spär- 
liche Anzahl Bakterien nachweisen. 

Die Bakterienfunde sowie Gewerbsveränderungen eben so wie bei Nr. 8. 



196 Experimentelle üntersachangen über die Empfänglichkeit etc^ 

Resultate. 

Alle Versuchstiere, ausgenommen Nr. 7, sind im Laufe von 
12 Stunden bis 13 Tagen verstorben. Ein dreifsigstel Ose der 
Bazillen konnte nicht den Triton von 4 gr Körpergewicht töten, 
während ein vierzigstel Ose derselben Bazillenkultur den Frosch 
von 12 gr Körpergewicht zu töten vermag. 

Also ist die Empfänglichkeit der Tritonen im Verhalten des 
Körpergewichtes etwas schwächer als die des Frosches. Die 
durch Bakterien und seine Toxine hervorgerufenen Veränderungen 
sind nicht so auffällig, wie bei den Fröschen. Die wichtigen 
Befunde sind folgende: 

1. Anschwellung der Milz. 

2. Spärliches Auftreten des Bazillus im Herzblut und in 
der Milz. 

3. Parenchymatöse Degeneration der Leber und der Niere; 
aber die Veränderungen sind nicht deutlich wie bei 
den Fröschen. 

4. Hämorrhagien in der Leber. 

5. Trübung und leichtgradige Verfettung des Herzmuskels. 

6. Die Bakterienverschleppung in die Blutbahn trifft man 
nur 3 mal (Nr. 1, 8 u. 9), die Anzahl der Bakterien ist 
natürlich sehr spärlich, so dafs man in allen inneren 
Organen (ausgenommen einen Fall Nr. 1) weder mikro- 
skopisch noch kulturell die Bakterien auffinden kann. 

Ich will hier noch anfügen, dafs ich einer Gekko 1 Öse 
Agarkultur intraperitoneal eingeimpft hatte und das Tier noch 
gesund blieb. 

IV. Infektionsversuche an den Schildkröten. 

Als Versuchstiere benutzte ich 6 »Suppon^: (Trionix japo- 
nicus), 6 »Käme« (Trionix sp.) und 5 »Tosakame« (Emys tosa- 

ensis). 



Von Prof. Y. Fukuhara. 



197 



Tabelle IV. 

Beginn des Veraacbes am 17. VIII. 1906. 

Wassertemperatur im Aofbewabrungsgefäfs 21 — 23^ C. 



Jl 


1 




Art und Weise 


stelle 


Datum 


Datum 


'1 


1 

liattang 


Körper- 
gewicht 


des 


der 


der 


des 


.^ 


Impfmaterials 


Impfung 


Impfung 


Todes 














\ 


Trionix 


1 


Agarkultur») 








sp. 


100 


1 Öse 


subkutan 


17. VIII. 




^ 


] 


100 


1 > 


penton. 








3 


'l 1 


80 


V, . ' 


subkutan | 






22. VITI. 


4 


> 


85 


V, » 


periton. 








5 


1 


75 


'U > 


subkutan 






22. vin. 


6 


» 


75 


V4 > 


periton. 








7 


Trionix 




1 1 












japon. 


177 


1 > 


subkutan 








8 


» 


120 


1 > 


periton. 








9 ; 


> 


118 1 


'/, . 


subkutan 








10 


> 


118 


V. » 


periton. 








11 


» 


118 


V. » 


subkutan 








12 


» 


118 


V« ' 


periton. 








13 1 


fimys 
















tosaensis 


6,5 


v. • 


> 








U 


i 


6,6 


V« r 


subk. a. Fufs 








15 


1 

> j 


6,5 


V, » 


periton. 








16 


1 

> 


6,5 


V.. • 


> 








17 


1 


6.6 


; V.0 ' 


> 









Nr. 3 und 5 gingen nach 5 Tagen ein, während die andere 
ganz gesund blieben. Bei der Mikroskopierung und Kultivierung 
aller Organen sind nur Fäulnisbakterien vorhanden. Deshalb 
läfst sich aus dem betreffenden Versuche weiter keine Schlufs- 
foIgeruDg ziehen. An der Injektionsstelle findet man nur lokal 
eine Menge der fast aufgelösten staubähnlichen Bazillen. 

V. Infektionsversuche an den Schlangen. 

Drei Schlangen (Elaphis virgatus, Schleg.) wurden verwandt. 
Nr.l wurde 5 Öse Pestagarkultur intramuskulär injiziert. 
Nr. 2 wurde 5 Öse Pestagarkultur in Magenrohr injiziert. 

^) V)Qoo derselben Knltnr hat die Mäuse nach 2—5 Tagen getötet. 



198 Experimentelle üntersnchnngen über die Empfänglichkeit etc. 

Nr. 3 Ich unternahm, das Tier eine infizierte Maus fressen zu 
lassen, aber es gelang nicht. Dann wurde ihm wieder 
ein infizierter Frosch gegeben. Die Schlange verschlang 
den Frosch, blieb aber gesund. 



Vi. Versuche zur Infektion bei den besonderen Zuständen. 

Ich unternahm auch die Infektion der Kaltblüter in einem 
dem natürlichen Infektionsmodus nahe liegenden Zustande zu 
beobachten und benutzte hierzu Frösche, Fische, Tritonen, Regen- 
würmer und Schildkröten. 

Nach den umfangreichen Untersuchungen von Pasteur 
über die Bedeutung der Regenwürmer für die Verbreitung des 
Milzbrandes suchten Despeignes und Lortet(^) ebendieselbe 
Frage bezüglich der Verbreitung von Tuberkelbazillen durch 
Regenwürmer klarzustellen. Sie fanden, dafs tuberkulöses Ma- 
terial von Regenwürmern ohne Schaden aufgenommen und in 
ihrem Organismus deponiert werden kann ; mit den Fäzes dieser 
Würmer konnten sie bei Meerschweinchen generalisierte Tuber- 
kulose erzeugen. 

Die Pestratten sind dadurch gefährlich, dafs sie mit dem 
Urin und den Dejektionen massenhaft Pestbazillen ausscheiden, 
die in allen Räumen deponiert werden können. In den dunkeln 
feuchten Räumen, worin bei unserem Gebäude, insbesondere in 
der Küche, verschiedene Regenwürmer vorhanden sind, können 
sich dann die Pestkeime lange Zeit lebensfähig erhalten und 
unter Umständen von Regenwürmern aufgenommen werden. 
Die im Körper der Würmer vorhandenen Pestkeime können 
nicht nur von Würmern an Würmer übertragen, sondern auch 
durch die Würmerwanderung wieder auf die Oberfläche des 
Bodens transportiert werden und die Gelegenheiten geben, zu 
Menschen übertragen zu werden, welche beim Dienst oft bar- 
fufs zur Küche und dergleichen Räumen hineinzutreten ge- 
wohnt sind. 

Auch die Fische scheinen nach Jansen (^®) in China in 
Vordacht gewesen zu sein, zur Verbreitung der Pest beizutragen, 



Von Prof. Y. FukabartL 19 

denn das Fangen derselben wurde dort zur Pestzeit untersagt 
Aber es lag nahe die Frage aufzuwerfen, ob Fische oder Schild- 
kröten zuweilen auch zu Verbreitern von Pest werden könnten, 
weil dieselben ein Volksnahrungsmittel darstellen und in mannig- 
faltigsten Zubereitungen genossen werden. 

Ich lasse hier zunächst die eigenen Versuchsergebnisse 
folgen. 

Verettch A. 

Vierzig Regenwürmer, welche gewöhnlich kurz vor Anfang 
des Versuches aus der Küche und dem Keller gefangen waren, 
wurden in Glaszylinder gebracht, deren Boden mit Schlamm be- 
deckt ist. Bei Zimmertemperatur (23^ bis 25 ^C am Anfang 
des Versuches) wurden die Zylinder 2 Tage lang stehen gelassen. 
Dann wurde die Pestbazillenbouillonkultur auf die Schlamm- 
schicht gegossen; nach 2 Tagen wurden alle Regenwürmer 
in neuen Zylinder gebracht, welcher neuen Schlamm enthält. 
Die so behandelten Würmer wurden zeitweise herausgenommen, 
erst mit Sublimatalkohol gewaschen, dann mit sterilem Wasser 
gespült, darauf der Wurmleib geschnitten und zur mikrosko- 
pischen und bakteriologischen Untersuchung sowie zu Tier- 
versuchen gebracht. 

Während der Versuche gingen Würmer zugrunde, deren 
viele auch mikroskopisch und bakteriologisch untersucht wurden. 
In den folgenden Tabellen, werden die Untersuchungsergebnisse 
der getöteten und gestorbenen Würmer angegeben : 

Wie aus den Tabellen ersichtlich, gingen 8 Würmer im ganzen 
zugrunde, aufserdem 32 getötet. Der Schlamm, welcher 2 Tage 
lang die Würmer behielt, wurde täglich in Bouillon aufge- 
schwemmt, 5 bis 7 Tage lang im Eisschrank aufbewahrt und 
dann Mäusen oder Ratten eingeimpft. 

Ich konnte in mit der Bouillonkultur geimpftem Schlamm 
Pestbakterien 27 Tage lang lebensfähig nachweisen, während sich 
die Pestbazillen im Leib der Würmer 70 Tage noch lebensfähig 
und virulent für Versuchstiere aufweisen lassen. Es ist wohl 
denkbar, dafs die Pestbazillen den Darm der Würmer mit den 
Fäzes zusammen passieren können. Es ist auch möglich, dafs 



200 Experimentelle Untersachangen Ober die Empfänglichkeit etc. 

die Bazillen mit Fäzes und Harn von Pestratten auf die Erde 
fallen und gewisse Zeit im Darm der Regenwürmer aufbewahrt 
werden können. Dafs verschiedene Tierarten, insbesondere die 
Ratten, zu der Verbreitung der Pest beizutragen vermögen, kann 
nach verschiedenen Mitteilungen unzweifelhaft sein. Noch nicht 
völlig geklärt scheint dagegen die Frage, ob der Pestkeim von 
gewissen Tieren länger in lebensfähigem Zustande beherbergt wird, 
als vom Menschen. Einige Autoren sind der Meinung, dafs die 
Pest in Ratten von gewisser Zeitdauer latent verlaufen könne. 
Aber es ist noch nicht mit Sicherheit bestätigt worden. Die Tat- 
sache, dafs die Pest in manchen Gegenden zu bestimmten Jahres- 
zeiten aufhört, sich Monate hindurch in infektionsfähigem Zu- 
stande erhält, ist bekannt. Welche Medien es hauptsächlich sind, 



Tabelle V. 

Beginn des Versaches am 20. Vm. 1906. 

Zimmertemperatur: 23 — 27° C. 



Nummer 


Zeitdauer 

(Tage) 


B&kterien- 
befund 


1 


2 


+ 


2 


2 


+ 


3 


5 


+ 


4 


6 


+ 


5 


8 


+ 


6 


10 


— 


7') 


12 


+ 


8 


15 


+ 


9 


16 


+ 


10 


17 


+ 


11 


18 


+ 


12») 


18 


+ 


13 


19 


+ 


14 


20 


+ 


15 


21 


+ 


16») 


21 


+ 


17 


22 


+ 


18 


23 


+ 


19») 


23 


+ 


20 


24 


+ 






Zeitdauer 


Bakterien- 


Nummer 


(Tage) 


befund 


21 


25 


+ 


22 


26 


+ 


23 


27 


+ 


24 


28 


+ 


25») 


28 


+ 


26 


29 


+ 


27») 


29 


+ 


28 


30 


+ 


29 


32 


+ 


30») 


32 


+ 


31 


34 


+ 


32 


38 


+ 


33 


42 


+ 


34») 


42 


+ 


35 


45 


+ 


36 


50 


+ 


37 


55 


+ 


38 


60 


+ 


39 


61 


+ 


40 


70 


+ 



1) Spontan gestorben. 



Von Prof. Y. Fakuhara. 201 

die eine Verbreitung der Pestbazillen vermitteln — ob letzteres 
im Wasser oder im Boden enthalten sei — ist an der Hand der 
bisher vorhandenen Arbeiten noch nicht mit Sicherheit zu 
entscheiden, doch deuten meine Resultate des Regen würmer- 
versacbes darauf hin, dafs die Regenwürmer wohl beim ersten 
Blick in Betracht kommen würden. Lowson(^^) nimmt auf 
Grund seiner eingehenden Untersuchungen den Standpunkt ein, 
dafs die Erde in den Pesthäusern gelegentlich infiziert werden 
könne, dafs man aber für die Annahme einer Verbreitung der 
Pest durch die Erde bislang keinerlei Grundlage habe. Aber 
fast alle Epidemiologen stimmen damit überein, dafs die Pest 
nur dort sich zu verbreiten vermag, wo die menschlichen 
Wohnungen Stätten arger Schmutzanhäufung sind. Die Regen- 
würmer kann man immer dort reichlich vorhanden finden, wo 
feuchter Schmutz angehäuft ist. Es ist wohl daher denkbar, 
dafs die Regenwürmer im Schmutzstoffe eine Rolle für die lang- 
dauernde Aufbewahrung wie Verbreitung des Pestkeimes spielen 
können. In den spontan gestorbenen Regenwürmern kann man 
keine nennenswerten Veränderungen nachweisen. Im Blut findet 
man auch keine Bazillen. Das Sterben ist vielleicht auf einen 
etwas unpassenden Aufbewahrungszustand zurückzuführen. 

Versuch B. 

16. VIII. Bei Zimmertemperatur (23 bis 2b ^ C) wurden 
4 Goldfische und 2 Karpfen in einen Glaszylinder hinein- 
gebracht, welcher mit Wasser halbgefüllt war; und darin wurde 
dann ca. 20 cc. Pestbouillonkultur eingegossen, nach 2 Stunden 
die Fische in einen neuen Glaszylinder gebracht. Ergebnisse 
sind folgende: 

Nr. 1. Ein kleiner Goldfisch, Körpergewicht 10 gr. 25. VIII. tot. 

Sektionsbefund : Herz enthält flQBsiges Blat. Dünndarm hyperämisch 

Herzblut-, Leber-, und Milzsusetrich enthält zahlreiche Bazillen. Nieren 
aosBtrich mit wenigen Bazillen. 

Schnittpräparate. Milz: ziemlich reichliche Bazillen in den Blut 
gef&fsen der Pulpasubetanz. Leber : ausgedehnte parenchymatöse Degeneration 
In den erweiterten Kapillaren findet man eine geringe Anzahl des typischen 
Pestbasillus; auch sind sie in grofsen Blutgefäfsen zu finden. Niere: Ver 
ändernngen an den Malpighischen Körperchen sind nicht sichtbar; aber 



202 Experimentelle Üntersnchungen über die Empfänglichkeit etc. 

zwischen den Körperchen findet man leichte Infiltration mit Randzellen. 
Harnkanälchen zeigen hochgradige Trübung and an manchen Stellen Fettr 
degeneration. Alle Kapillaren sind erweitert und darin finden sich Pest- 
bakterien in spärlicher Anzahl. Kiemen: ist an allen Stellen pneumoniisch 
infiltriert. In infiltrierten Alveolen findet man keine Bazillen. Darm : (Schnitte 
aus der hyperätnischen Darmstelle) Schleimhaut ist hier und da losgestolsen 
und es entstehen geschwürige Defekte, in deren Grund der nekrotisierende 
Zottenrest (Fäulnis?) und hämorrhagische, etwas infiltrierte Submucosa frei 
zutage liegt. Im nekrotischen Herde findet man wenige zerstreute Pest- 
bazillen und zahlreiche Darmbakterien. Der Darminhalt wurde mit Bouillon 
gemischt and 5 Tage lang im Eisschrank aufbewahrt. Die damit injizierten 
2 Meerschweinchen gingen an Pest zugrunde. 

Nr. 2. Ein kleiner Goldfisch. Körpergewicht 8 g. 17. VIII. tot. 

Nr. 3. Ein kleiner Goldfisch. Körpergewicht 8 g. 18. VIII. tot 

An beiden Fischen lassen sich. fast dieselben makroskopischen und 
mikroskopischen Erscheinungen des Herzens, der Milz, der Leber und der 
Niere nachweisen, wie im vorigen Fall. 

Nr. 4. Ein kleiner Karpfen. Körpergewicht 20 g. 19. VIH. tot. 

Sektionsbefund wie bei Nr. 1. Es war deutlich sichtbar die Hämorrhagie 
in der Darmschleimhaut mit Bazillen. 

Nr. 5. Ein kleiner Karpfen. Körpergewicht 22 g. Überlebend. 

Die wichtigsten pathologischen Veränderungen der Versuchs- 
tiere sind: 

1. Hochgradige, parenchymatöse Degeneration der Leber 
und Niere mit geringer Anzahl der Pestbazillen. 

2. Spärliche Bazillen im Herzblut und Fettdegeneration des 
Herzmuskels. 

3. Pneumonische Infiltration der Lunge, welche in keinem 
Zusammenhang mit dem Bazillus steht. 

4. Hyperämie, Hämorrhagie und Nekrose der Dünndarm- 
schleimhaut. In diesen Fällen tritt weder Bakteriämie, 
— d. h. sowohl Verschleppung der Pestbazillen ins Blut 
als auch Vermehrung darin — ; noch Metastasenbildung 
in der Milz und Leber. Aber es ist bemerkenswert, dafs 
die Bazillen bei solchen Fütterungsversuchen immer ins 
Blut einschleppen können, wenn auch die Anzahl der- 
selben sehr spärlich ist. 



Von trof. Y. Fukuharä. 2Ö3 

Versuch O. 

Zwei Frösche (Nr. 15, 16) wurden vorher im Glaszylinder 
gefangen, welcher etwa 2 cm hohe Sehlammschicht enthielt. 

9. Vm. Pestbouillonkultur wurde auf die Schlammschicht 
ausgegossen. Ein Frosch davon (Nr. 16) ist nach 12 Tagen ge- 
storben, der andere überlebend. Ein anderer Glaszylinder, der 
niedere Schicht des Wassers enthält, wurde erst mit 10 cc Pest- 
bouillonkultur eingegossen, dann ein Frosch (Nr. 7) hineingebracht 
und nach einem Tag wieder in den neuen Zylinder gebracht. 
Der Frosch ist nach 12 Tagen gestorben, während ein Kontroll- 
tier überlebte, welches im Glasgefäfs aufbewahrt war, das nur 
Wasser und Bouillon enthielt. Noch andere zwei Frösche (Nr. 17 
u. 18) wurden mit den bazillenhaltigen Regenwürmern zusammen 

aufbewahrt. Beide Tiere sind noch überlebend, trotzdem der 

« ♦ 

eine (Nr. 17) ein Stück des Wurmes gefressen hatte. 

Nr. 7. Ein Frosch. Körpergewicht 11 g. Starke Abmagerung. In dem 
oberen Teil der beiden Unterschenkel entsteht ein ca. 1 cm breites Haut- 
geschwQr^ in dessen Umgebung subkutane Blutung auftritt. Im Schnitte 
kann man die Darmbazillen mit den ausgetretenen Blutkröperchen hier nach- 
weisen. 

In der Bauchhöhle befindet sich keine Flüssigkeit. Gedärme byperä- 
misch. Das. Herz enthält halbflassiges Blut. An anderen Organen findet 
man keine besonderen makroskopischen Veränderungen. In dem Herzblut- 
nnd Darminhaltausstrich lassen sich mikroskopisch bipolar gefärbte Bakterien 
auffii^den. 

Schnittpräparate. Die Milz zeigt keine nennenswerte« Yerände* 
rangen und keine Bazillen. Leber: Zellkontouren sind etwas abgerundet. 
In den kleinen Lebervenen finden sich zwischen den roten Blutkörperchen 
sehr spärliche Bazillen. Auch die Niere zeigt das Bild einer ganz akuten 
parenchymatösen Degeneration. Einzelne Exemplare der Harukanälchen- 
epithelien sind kernlos. Vereinzelt finden sich kleine Blutungen in dem 
Lumen der Harukanälchen. In den Nieren kann man die Bazillen nicht 
nachweisen. Lunge: keine Bazillen. Im Herzmuskel findet man ausge- 
dehnte Fettdegeneration. Die Befunde im Dünndarm wie bei Goldfisch 
Nr. 1.. 

Nr. 13. Ein Frosch. Körpergewicht 16 g. 

Starke Abmagerung. Bauchorgane zeigen sich fast kadaverös verändert, 
en und Darm haben noch ihre Form gehalten. Ein Abschnitt des 

ArchiT für Hygiene. Bd. LXIII 1^ 



2Ö4 Experimentelle tJnteraachangen Über die Empfänglichkeit etc. 

Darmes warde abgeschnitten und mit Bouillon im EisBchrank 5 Tage auf- 
bewahrt. Kultivierung und Tierversuch aus der Bouillon lassen Pestbazillen 
nachweisen. 

Wichtige Sektionsbefunde sind; 

1. Spärliches Auftreten der Bazillen im Blut und in der 
Leber. 

2. Parenchymatöse Degeneration und Hämorrhagien in der 
Niere ohne Bazillen. 

3. Hyperämie, Hämorrhagie und Nekrose der Dünndarm- 
schleimhaut. 

4. Fettdegeneration des Herzmuskels. 

Hier habe ich noch hinzuzufügen, dals einige Tiere ganz 
von der natürlichen Infektion vermilst waren, d. h. bei einem 
ungeimpften Frosch, der 9 Tage lang mit dem infizierten Froach 
(Nr. 4) in einem Behälter gehalten wurde, und ebenso bei 2 Tri- 
tonen, welche selbst ungeimpft mit einem infizierten Triton (Nr. 9) 
10 Tage lang zusammen aufbewahrt wurden. 

Ich möchte noch einen Passagenversuch anführen. Es wurden 
10 Frösche mit hochvirulenten Pestkulturen in die Bauchhöhle 
geimpft. Das erste Tier starb durch % Öse Agarkultur nach 
66 Stunden, während das letzte schon nicht mehr unter Ein- 
führung ^/^ Ose erlag. Die so durch Passagen abgeschwächten 
Bazillen waren auch für Mäuse und Ratten ihre Virulenz ab- 
genommen. 



VII. Versuch mit Pesttoxine. 

Um eine weitere Stütze für Erklärung der Intoxikations- 
erscheinungen zu gewinnen, untersuchte ich auch die Wirkung 
von abgetöteten Pestbazillen und Bouillonkulturfiltrat auf den 
Frosch, Triton und Fisch. 



Von Vrci. Y. Fakahanu 



205 



Tabelle Via. 



(>Mtung 



Körper- 
gewicht 

g 



^TOSCh 



Triton 



Karpfen 

1 Ü Maos 

2 ; 



12,5 

15,0 

15,5 

9,5 

19,5 

5,0 

5,0 

4,5 

5,0 

20,0 

18,0 

14,5 

18,5 



Art und Menge 
der Toxine 



Stelle der Injektion 



l 




6 


Frosch 


7 


> 


8 


> 


9 


> 


10 


9 


5 


Triton 


6 


> 


7 


» 


S 


Karpfen 


4 


> 


3 


Maus 



12,0 

12.0 

13,0 

12,5 

12,5 

5,0 

5.0 

4,5 

18,0 

18,0 

12,0 



Fntrat»)l,Occm 
0,5 
0,3 
0,2 

0.1 
0,5 
0,3 
0,2 

0,1 
0,5 
0,8 
1,0 



Tabelle VIb. 

Abgetötete B. 
3 Ösen') 

3 

2 

2 

1 

2 

1 

V, 
2 

1 

1 



peritoneal 



Ergebnis 



tot nach 10 Tagen 
überlebend 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 



peritoneal 


tot 


nach 2 Tage» 


8ubk. a. Backen 




do. 


peritoneal 




do. 


subkutan 




überlebend 


peritoneal 




do. 


do. 




do. 


do. 




do. 


do. 




da 


do. 




do. 


do. 




do. 


do. 


tot 


nach 10 Tagen 



Es wurden Versuche im ganzen an 10 Fröschen, 7 Tritonen 
und 4 Karpfen, sowie an 3 Mäusen als Kontrolltiere, sowohl mit 
der abgetöteten Kultur als auch mit Kulturfiltrat vorgenommen. 
Durch Kulturfiltrate wurde nur 1 Frosch (Nr. 1) und durch 
die abgetöteten Bazillen 3 Frösche und eine Maus getötet. Aus 
^^öaen Ergebnissen geht hervor, dals die Versuchstiere zu töten 
®o vielmal gröfsere Menge sowohl der abgetöteten Kultur als 

1) 32 Tage gezüchtete Bouillonkultur. 

2) Agarkultnr 55^ C: 30 Minuten getötet Die lebenden Bazillen der- 
^^Iben Kultur konnten die Mftose mit Vteoo Ose in 3—5 Tagen töten. 



206 Experimentelle Untersuch ungen über die Empfänglichkeit etc. 

auch der gelösten Toxine erforderlich sei, als die Dosis letalis 
bei der lebenden Kultur. 

Sektionsergebnisse sind folgende: 

Nr. 3. Maus. 

Herz enthält halbflüssiges Blnt. Milz angeschwollen, Leber etwas ge- 
trübt. Niere angeschwollen, Lunge normal. 

Schnittpräparate. Milz : Ausgedehnte Blutung in der Pulpa, sonst 
keine nennenswerten Veränderungen des Gewebes. Leber: Ausgedehnte 
fettige Degeneration. Niere : Hochgradige Trübung und Verfettung der Rinden- 
substanz. Einige Blutungen zwischen den Glomeruli. Lunge: Stellenweise 
hämorrhagische sowie seröse Infiltration. Herz : Trübung und Verfettung. 

Nr. 6. Frosch. 

Herz enthält faalbflüssiges Blut. Milz angeschwollen und hyperämisch. 
Leber gelblich. Niere angeschwollen und hyperämisch. In der Bauchhöhle 
findet man spärliche Anzahl der fast aufgelösten, kokkenartigen Pestbazillen. 

Schnittpräparate. Milz: Die Kapillaren mit Blut gefüllt. In den 
Pulparäumen findet man Überfüllung von roten Blutkörperchen. Die zellige 
Fulpaelemente vermehrt. Leber: Kolossal vermehrte Fettablagerung und 
Trübung, aber Leberzellkerne noch gehalten. Kapillaren erweitert und mit 
Blut gefüllt. Niere: Hochgradige . Trübung und Verfettung. SubkapsalUre 
Blutung und Austritt der' roten Blutkörperchen in der Glomeruli. Lunge: 
Hyperämisch. Herz: Hochgradige Fettdegeneration. 

Nr. 7. Frosch. 
Makroskopisch wie bei Nr. 6. 

Schnittpräparat, aufser der Hämorrhagie in der Leber findet man' fast 
dieselben Erscheinungen wie bei Nr. 6. 

Nr. 8. Frosch. 
Wie bei Nr. 6. 

Nr. 1. Frosch. 

Milz normal. Leber graugelb. Niere etwas hyperämisch. Hörs mit 
Blut gefüllt. 

Schnittpräparate. Milz: Keine nennenswerten Veränderungen. 
Leber : Einige kleine Blutaustritte an den Blutgefäfsen und Fettdegeneration. 
Keine Hämorrhagie. Lunge: Etwas hyperämisch. 

Wichtige Befunde bei den Fröschen sind: 

1. Milzanschwellung und Blutung. 

2. Trübung, Fettdegeneration und Hämorrhagie der Leber. 

3. Trübung, Verfettung und Blutung der Niere, 

4. Trübung und Verlettung des Herzens, 



Von Prof. Y. Fukuhara. 207 

Es kann also schliefsen, dafs bei Fröschen die Einspritzung 
abgetöteter Pestkulturen bzw. der Kulturfiltrate fast genau so 
wie die der lebenden wirke. In Schnittpräparaten lassen sich 
die durch Toxine bedingten Veränderungen von denjenigen 
kaum unterscheiden, welche durch lebende Bazillen hervor- 
gerufen werden. 

VIII. Immunisierungsversuch an den Schildkröten. 

Die* bislang von vielen Autoren gearbeiteten Iramunisierungs- 
versuche gegen Pest beschränkten sich auf die Warmblüter. 
Es fehlten leider noch Versuche an Kaltblütern. Daher unter- 
nahm ich die Schildkröten sowohl mit lebender als auch ab- 
getöteter Kultur zu immunisieren. 

Schildkröte A. wurde mit der abgetöteten Kultur, B. mit der 
lebenden hochvirulenten Kultur vorbehandelt. Die betreffende 
Agarkultur war so virulent, dafs ^j^qq Öse die Ratten in 3 bis 
5 Tagen töten kann. Die oftmalige Immunisierung der Tiere 
wurde derart ausgeführt, dafs mit 48 stündigen gut bewachsenen 
Agarkulturen A. als solche aber B. getötet — 55^ C: 30 Minuten 
— und in je 1 ccm Bouillon gleichmäfsig verteilt injiziert wurden. 

A. Ktrpergrewieht 620 g, 

1. IX. erhält subkutan am Fufse 18 Ösen der abgetöteten Kultur. 

8. IX. 36 Ösen subkutan, 
15. IX. 36 Ösen intraperitoneal. 
25. IX. 70 Ösen intraperitoneal. Körpergewicht 580 g. 

B. Orpergewleht 450 g. 

1. IX. 3 Ösen subkutan. 

8. IX. 6 Ösen subkutan. 
13. IX. 13 Ösen intraperitoneal. 
20. IX. 60 Ösen intraperitoneal. 
24. IX. 80 Ösen intraperitoneal. Körpergewicht 400 g. 

Von den so vorbehandelten Tieren wurde nach der letzten 
Immunisierung das Blut aufgenommen und auf Immunitätswert 
geprüft. Zur Wertbestimmung des Serums verwendete ich die 
Frösche, Tritouen und Mlfuse. 



208 Experimentelle üntenmchongen Aber die Empf&nglichkeit etc. 

Als die tödliche Dosis wird solche Menge genannt, durch 
welche Frösche (im Gewicht von 10 — 12 g), Triton«a (im Ge- 
wicht von 4 — 4,5 g) und weifse Mäuse (im Gewicht von 12 bis 
15 g) in 30—60 Stunden (n&mhch in 2—3 Tagen) getötet werden. 
Durch die wiederholten Prüfungen genügen % Öse einer viru- 
lenten Pestbazillenkultur beim Frosche, ^/4 Ose bei Tritonen und 
Vjooo Öse bei Mäusen, um die Tiere im angegebenen Zeitraum 
zu töten. 





T 


abelle VH 


a. 








Wirkangen des Sernms A. 


1 


" — - - - - 






Serum- 
menge 


Kultur- 
menge 


Tienxt 


SrgebniB 


0,4 


Vio öae 


Frosch 1 


gesund 


0,3 




2 


tot nach 6 Tagen 


0,2 




8 


> > 3 > 


0,1 




4 


9 9 5 • 


0,05 




5 


> > 3 9 


— 




6 


f > 2 > 


0.4 


\U Öse 


Triton 1 


gesund 


0,3 




2 


> 


0.2 




» 3 


tot nach 3 Tagen 


0,1 




4 






> 3 > 


0.05 




> 5 






> 6 > 


— 




6 






> 2 > 


0.4 


Viooo Öse 


Maas 1 






> 43 8tdn. 


0.8 




2 






» 45 > 


0.2 


> 


> 3 


' 




> 43 t 


0,1 




4 






» 46 > 


0,05 




5 






» 33 > 


— 




> 6 






» 33 > 




Tabelle Vllb. 


0,4 


Vio Öse 


Frosch 1 


gesund 


0,3 




> 2 


tot nach 8 Tagen 


0,2 




3 


> > 5 > 


0.1 




4 


* > 5 > 


0.05 




5 


> > 3 > 







6 


> > 3 > 






1 









Von ^rot y. Fakah«M. 



1K)9 



FortMtewig <te TalMll« VHb. 



Semm- > 
moDga 



0,4 
0,3 
0,2 

0,1 
0,05 

0,4 
0,3 
0,9 

0,1 
0,05 



Kaltnr- 
meng« 



V4 Öse 



Tierart 



> 
» 

> 



Triton 1 
2 

> 8 
4 
5 

> 6 



Ergebnis 



tot nach 5 Tagen 
gesund 

» 

tot nach 5 Tagen 
9 > 5 > 
» > 2 > 



rinoA LiB© 



1000 

> 

» 
> 



um 


1 


tot nach 38 Stdn. 




2 






33 > 




3 


) 




34 > 




4 






32 > 




5 


( 




33 > 




6 






33 > 



Wenn man zunächst die Wirkungen des Serums >A« Schild- 
krötec im allgemeinen betrachtet, so wurde hier durch die In- 
jektion von 0,4 des Serums 1 Frosch und 1 Triton, durch 0,3 
1 Triton geschützt, während die Kontrolltiere sämtlich zugrunde 
gingen. Die Mäuse wurden keineswegs beeinflufst, abgesehen 
von der Verzögerung des Todes. 

Ein ähnliches Ergebnis hat die Prüfung des Serums » B. Schild- 
kröte« gezeigt. Was die Wirksamkeit der einzelnen Dosen an- 
betrifft, so zeigt sich, dafs bei 0,4 Serum 1 Frosch und 1 Triton, 
bei 0,3 1 Triton am Leben blieben. Auch hier wurden die Mäuse 
durcli das Serum absolut nicht beeinflufst. Aus den genannten 
Untersuchungen, betreffend die Leistungen der Pestsera — sei 
es mit der abgeschwächten Kultur, sei es mit der lebenden, hoch- 
virulenten Kultur vorbehandelt — ergibt sich, dafs die beiden 
Sera nur den Fröschen und Tritonen geringen Schutz vor einer 
tödlichen Pestinfektion verleihen können. 



Aggiutinierungsversuche. 

Die nötigen Quantitäten der Agarkultur wurden vorsichtig 
in der physiologischen Kochsalzlösung aufgeschwemmt, in schmale 
Eprouvetten verteilt und zu allen das reine Serum resp. eine Ver- 



210 Experimentelle Untersuchungen über die Empfänglichkeit etc. 

dünnuDg desselben zugesetzt. Nach diesem Serumzusatz wurde 
jede Probe gründlich geschüttelt und sofort danach in den Brut- 
schrank (37 ®C) gebracht. Die Untersuchung jeder einzelneu Probe 
folgte nach einer halben Stunde, dann nach 1, nach 2, nach 4, 
6 und schliefslich nach 24 Stunden. 

Das erhaltene Resultat ist tabellarisch dargestellt. 



Tabelle Vm. 
Normal-Schildkrötser um . 



Verdünnung 


V, 


1 


2 


4 


Stui 
6 


L de n 
8 


10 


16 


20 


24 


1:25 


t 

1 


___ 


.__ 




_ 


— 


_ 


+ 








50 


1 
1 - 


— 


— 


— 


___ 




— 





— 






100 


1 — 


— 


— 


— 


— 


— 


— 





— 


— 




.200 


1 — 


— 


— 


— 




— 







— 






300 


1 """ 




— 


— 




— 








— 




500 


"*■■ 


— 




— 






— 




— 


— 




:8()0 






— 


— 


— 


■ — 


— , 







^ 




1000 


1 
1 
1 


— 






■ 




— 









PeBt8erum.>A<. 



1 
1 
1 
1 
1 
1 
1 



25 

50 

100 

200 

300 

500 

800 



1:1000 



~~~ 




— 






+ 

• 


+ 


+ 
+ 


+++ 1 1 


1 

1 

1 

+ 

lekvack 





25 




50 




100 




200 




.300 




500 




800 




1000 



4 





Feste 


erum 


>B.« 




+ 
+ 


++ 1 1 1 1. 


1 1 1 ++ 


+ 1 



Von Prof. Y. Fakuhara. 21 1 

Die in den Tabellen angeführten Stunden geben den Zeit- 
punkt des Auftretens der Reaktion an. Das Normalserum wurde 
aus einer anderen Schildkröte aufgenommen. 

Wie man aus Tabelle VIII ersieht, liefert >A.€ Schildkröte, 
die mit abgetöteten Kulturen vorbehandelt wurde, ein viel stärker 
agghitinierendes Serum als >B.c, bei dem lebende Kulturen ver- 
wandt wurden. Diese Tatsache stimmt mit dem Befund von 
Zabolotny(^2j nicht überein. Der Autor befand, dafs die Tiere, 
welche mit abgetöteten Kulturen immunisiert werden, ein viel 
schwÄcher agglutinierendes Serum liefern als solche, bei denen 
lebende Kulturen verwandt wurden. 

IX. Schiursbetrachtung zum pathologisch-anatomischen Befunde. 

Die nachgewiesenen wichtigen anatomischen Befunde bei 
den XCaltblütera sind folgende: 

1. Leichtgradige nekrotische Entzündung und Blutung ohne 
nachweisbare fibrinöse Exsudation wie Eiterung an der 
Injektionsstelle. 

2. Auftreten einer spärlichen Anzahl der Bazillen im Blut. 

3. Peritonitis bei der intraperitonealen Impfung. 

4. Hämorrhagische Erosion im Magen und Darm bei der 
Infektion per os, aber ohne Auftreten der massenhaft 
gehäuften Mikroorganismen im Krankheitsherde. 

5. Milzanschwellung durch Hyperämie. Die Vermehrung 
der Pulpaelemente findet man sehr selten. Keine Me- 
tastasenbildung und keine Blutung in der Milz, ab- 
gesehen von einem Fall akuter Intoxikationen mit reich- 
licher Menge der abgetöteten Bakterien ; dieser Fall zeigte 
in der Milz eine ausgedehnte Hämorrhagie. 

6. Parenchymatöse Degeneration und Hämorrliagien der 
Leber ohne Bazillen oder selten mit Bazillen. Keine 
Metastasenbildung in der Leber. 

7. Parenchymatöse Degeneration der Niere selten mit Bazillen 
b. Pneumonische, auch selten hämorrhagische Infiltration 

der Lunge ohne Bazillehansiedelung. 

-^«ihl? für Hygiene. Bd.LXIII. 14** 



212 Experimentelle Untersuchimgeii tlber die Empfänglichkeit etc. 

9. Trübung und Fettdegeneration des Herzeus. 

10. Keine Bildung der eigentümlichen, durch Weigerts Me- 
thode nachweisbaren fibrinösen Massen in den Gefäfsen 
und in den Gewebsspalten. 

11. Beim Fütterungs versuche an Fröschen und Fischen mit 
Pestreinkultur gingen die Mikroben von dem Magen- 
darmtraktus aus in die Blutbahn über. 

12. Die aus dem Körper der Kaltblüter gezüchteten Bazillen 
zeigen keinerlei dauernde biologische Abweichungen. 

Wenn ich die oben erwähnten anatomischen Veränderungen 
in aller Kürze einer Kritik unterziehen mögen, so kann ich 
betonen, dafs die Veränderung der Kaltblüter an der Pest haupt- 
sächlich zur Intoxikationserscheinung gehöre. Leichtgradige, 
lokale Entzündung und eine nicht so typische Herderscheinung 
im Darm — wie man sie auch bei den Warmblütern beobachten 
kann, — müssen wohl zur direkten Wirkung der Bazillen gezählt 
werden. 

Es sei noch zu bemerken, dafs die Bazillen seinen wesent- 
lichen Sitz nicht im Blut wählen, sondern nur bei starker Ver- 
mehrung in spärlicher Anzahl weiter in die Blutbahn eindringen. 

X. Schlufssätze. 

Die Resultate meiner Untersuchungen kann ich in folgende 
Sätze zusammenfassen: 

1. Die Frösche (Rana esculenta), Karpfen (Cyprinus Carpio, L.), 
Goldfische (Carrasius sp.) und Tritonen (Triton pyrrho- 
gaster, Boie.) sind für Pest sicher empfänglich. Tritonen 
sind aber weniger empfänglich, als die Frösche. 

2. Die Infektion läfst sich durch Einführung von virulenten 
Kulturen sowohl intraperitoneal als auch durch Fütterung 
bewerkstelligen (bei dem Frosche in den Lymphsack). 

3. Schildkröte (Celemmys Japonica, Gray. Emys Tosaensis 
und Trionix Japonicus, Schleg.) und Schlangen (Elaptus 
virgatus, Schleg.) scheinen immun für Pest zu sein. 

4. Impfversuche an einer Kröte (Bufe vulgaris) und einer 
Gekko (Platidactylus jamori, Schleg.) waren erfolglos. 



Von Prof. Y. Faknhara. 213 

Es müssen weitere Versuche ausgeführt werden, um zu 
sicheren Resultaten zu gelangen. 

5. Regenwürmer charakterisieren sich fast immun, obwohl 
ein Teil derselben während des Versuches hinfällig zu- 
grunde gingen. 

6. Die im Regenwürmerkörper 70 Tage lang aufgehaltenen 
Bazillen zeigen keine Abschwächung ihrer Virulenz. 

7. Die Regenwürmer können für die Verbreitung der Pest 
eine gewisse Rolle spielen. 

8. Bei den wiederholten Passagen von Pestbazillen durch die 
Frösche kann man eine Abschwächung der Virulenz 
nachweisen. 

9. Das pathologisch-anatomische Bild der Pest bei den Kalt- 
blütern ist als eine lokale Erkrankung mit allgemeiner 
Intoxikation und gelegentlicher Verschleppung des Mikro- 
organismus in den Kreislauf zu betrachten, wenigstens 
soweit als unter meinen Versuchstieren. 

10. Die durch die abgetöteten Bazillen oder durch den Bouil- 
lonkulturfiltrat verursachten Veränderungen sind sowohl 
qualitativ als auch quantitativ fast analog, wie dieselben 
durch die Injektion der lebenden Bazillen. 

11. Das Serum der Schildkröten, welches Fröschen und Tri- 
tonen vor ihrer Pestinfektion durch tödliche Dosis gut zu 
schützen vermag, entfaltete bei Mäusen nicht die Schutz- 
wirkungen gegenüber der Pestiufektion. 

Im Sinne der Ehrlich sehen Auffassung ist diese 
Tatsache vielleicht so zu erklären, dafs die Ambozeptoren 
des Schildkrötenserums nur bei Fröschen und Tritonen, 
nicht aber bei Mäusen das passende Komplement finden. 

12. Das Serum einer mit lebenden Bazillen vorbehandelten 
Schildkröte agglutiniert etwas stärker, als das der mit 
abgetöteten Bazillen immunisierten. 

Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Professor 
Sata, spreche ich an dieser Stelle für die mir gewährte Unter- 
stützung und Förderung meinen ergebensten Dank aus. 

Osaka, den 1. November 1906. 



214 Experimentelle Unteraachnngen etc. Von Prof. Y. Fakahara. 



Literaturverzeichnis. 

1. Nutall, Zur Aufklärung der Rolle, welche die Insekten bei der Ver- 
breitung der Pest spielen. G. f. Bakteriolog. und Parasitenk. u. lofektionsk. 
1. Abt., XXII. Bd., 1897. 

2. Deyell, Über die Empfänglichkeit der Frösche für Infektion mit Bu- 
bonenpest. Ebenda, XXIL Bd., 1897. 

3. Babes V. u. Livadite C, Über einige durch den Pestbazillus ver- 
ursachte histologische Veränderungen. Virchows Archiv, Bd. CL, S. 343. 

4. Honl, -Pestis bubonica. C. f. allgem. Path. u. pathol. Anatomie, Bd. IX, 
Nr. 5. 

5. Van der Stricht, Läsions anatomo - pathologiques produites par le 
microbe de la peste. Referat : C. f. allgem. Path. u. path. Anatomie, Bd. IX. 

6. Lustig-Zardo, Beitrag zum Studium der feineren Gewebsverände- 
rungen bei der experimentellen Beulenpest. G. f. allg. Path. u. path. Ana- 
tomie, Bd. 8, 1897. 

7. Sata, Experimentelle Beiträge zur Ätiologie und pathologische Anatomie 
der Pest, 1. Arch. f. Hygiene, Bd. 37, 1900. 

8. Sata, Über Fütterungspest und das Verhalten des Pestbazillus im tieri- 
schen Körper nach dem Tode des Organismus, IL Ebenda, Bd. 39, 190L 

9. Despeignes u. Lortel, De la tuberculose experimentale chez les 
lombrics. Etudes exper. et clin. Sur la Tub., 1892. 

10. Janson, Archiv f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilkunde, Bd. 21, S. 451. 

11. LowBon, British med. Journal, 1897. 

12. Zabolotny, Arch. d. Scienc. biol. de St. Petersbonrg, 1901. 



Ü1)er die Bedeutung des Bacillus coli communis als Indi- 
kator ffir Verunreinigung von Wasser mit Fäkalien. 

Von 

Kesji Saito. 

(Ans dem Hygienischen Institat der Universität Kyoto. 
Direktor : Prof. Dr. T. M a t s n s h i t a.) 

Eine gröfsere Bedeutung als den Fäulniserregern messen 
die meisten Hygieniker der Anwesenheit des Bacillus coli com- 
munis im IVasser zu; dieser soll direkt auf Verunreinigung mit 
menschlichen Fäkalien hinweisen. 

Es ist aber s<^hon längst bekannt, dafs der Bacillus coli comm. 
überall zu finden ist; auch betonen einige Autoren, dafs der 
Bacillus coli communis als Kriterium für die Verunreinigung 
eines Trinkwassers versage. Miquel, wohl die erste Autorität 
auf dem Gebiete der bakteriologischen Luft- und Wasserunter- 
suchung, findet den Kolibazillus fast in jedem Trinkwasser, wenn 
nur hinreichende Wassermengen zur Analyse verwendet werden! 

Über den Wert der bakteriologischen Wasseruntersuchungen 
schreibt Migula^): > Wichtiger aber noch als die Zahl ist der 
Charakter der in einem Wasser vorkommenden Arten. Bakterien, 
welche in reinen Gebirgsquellen vorkommen, fehlen in den Ab* 

1) Migala, Die Artzabl der Bakterien. bei der Beurteilung des Trink- 
wassen ; Zentralbl. f. Bakteriologie. Bd. VIII, 353, 1890; der Wert der bakte- 
riologischen Wasseruntttrsuchung^ Arbeiten ans dem Bakteriologischen Institut 
der Technischen Hochschule zu Karlsruhe, Bd I, 535, 1897. 

Archiv fOr Hygiene. Bd. LXIII. 15 



216 über die Bedeatong des Bacillus coli commanis etc. 

Wässern von Städten, in Dunggruben oder KoÜachen und um- 
gekehrt. Es gibt Arten, welche als regelmäüsige Bewohner 
menschlicher und tierischer Fäkalmassen anzutreffen sind, sich 
auch in reinem. Wasser sich wohl eine Zeitlang am Leben zu 
erhalten vermögen, aber doch die ihnen zusagenden Existenz- 
bedingungen nicht finden und schliefslich verschwinden. 

Derartige Fäkalbakterien deuten stets auf ein Wasser, welches 
in hygienischer Beziehung durchaus nicht gleichgültige Verun- 
reinigungen erfahren hat und möglicherweise auch Krankheits- 
keime bergen oder geborgen haben kann. Die Gefahr einer Neu- 
infektion ist aber dann immer vorhanden, und das Wasser mufs 
so lange als verdächtig bezeichnet werden, bis der Infektions- 
weg gefunden und verschlossen ist. 

Deshalb ist die genaue Kenntnis dieser Fäkalbakterien für 
die bakteriologische Wasseruntersuchung eines der wichtigsten 
Erfordernisse. € 

G6t6^) hat in allen Trinkwässern von Algier den Bacillus 
coU communis nachgewiesen, was er auf Verunreinigung durch 
Fäkalien bezieht. 

Das Ergebnis seiner Untersuchungen fafst Davalos^ dahin 
zusammen, dafs in dem von der Mehrzahl der Bevölkerung der 
Stadt Habana zum Trinken gebrauchten Wasser des Grabens 
(1591 angelegt) der Bacillus coli communis beständig in grofser 
Menge vorkommt, aber nicht als einfacher Saprophyt, sondern 
als höchst virulenter Krankheitskeim, und dafs es daher sehr 
gefährlich ist, das Wasser dieses Grabens zu trinken, ohne es 
vorher zu kochen oder durch ein geaichtes Chamberland filter 
zu reinigen. Über die Infektionsquelle hat er leider nichts ge- 
schrieben. 

Nach Dunbar^) findet sich der Kolibazillus nur in verun- 
reinigtem Wasser. »Bei der mangelhaften Anlage eines grofsen 

1) Q6r6, Zentralbl. f. Bakteriologie, Bd. IX, 609, 1891. 

2) Davalos, Zentralbl. f. Bakteriologie, Bd. XII, 871, 1892. 

3) Dun bar, Untersucbung über den Typhusbazillus und den Bacillus 

« 

coli commanis. Zeitschrift f. Hygiene and Infektionskrankheiten. Bd. XII, 
484, 1892. 



Von Kenji Saito. 2l7 

Teiles derjenigen Reservoire, aus welchen Brauchwasser ent- 
nommen wird, mufs man von vornherein erwarten, dafs sich in 
recht vielen Wässern der Bacillus coli communis wird nach- 
weisen lassen. In der Tat trifft man ihn in offenen Flufs- 
laufen, welche jeder Verunreinigung ausgesetzt sind, häufig in 
grofser Zahl. 

Auch in dem Wasser von Kesselbrunnen, welche nahe bei 
Dunggruben gelegen und der Verunreinigung von der Oberfläche 
her sehr zugängig waren, haben wir ihn gefunden, während er 
in reinen Wässern vermifst wurde, c 

Lehmann^) schränkt die Bedeutung des Kolibazillus als 
Indikator für Fäkalverunreinigungen dadurch ein, dafs er auf die 
grofse Varietätenzahl hinweist, welche zur Vorsicht mahne, »nicht 
aus jedem im Wasser gefundenen koliartigen Organismus eine 
Verunreinigung des betreffenden Wassers abzuleiten.^ 

Von Guiraud^) wurde bei der bakteriologischen Unter- 
suchung des Trinkwassers in Toulouse besonders auf das Vor- 
kommen von Typhusbazillen und von Bacterium coli commune 
geachtet und dabei das Verfahren von P6t6 und Vincent an- 
ge?Fendet, von denen namentlich das erstere die besten Dienste 
geleistet haben soll. Während nun der Nachweis von Typhus- 
bazillen niemals gelang, konnte fast regelraäfsig das Bacterium 
coli commune angetroffen werden. Hieraus zieht er den Schluls, 
dafs das betreffende Wasser durch Fäkalstoffe verunreinigt sei. 

Im Jahre 1894 schreibt Schardinger ^): »Das Bacterium 
coli commune Esch. kommt meiner Erfahrung nach nicht so 
häufig vor, als vielfach angenommen wird, dafür spricht der 
relativ seltene Nachweis im Trinkwasser und das Fehlen des- 
selben als zufällige Luftverunreinigung auf Platten.« »In vielen 
hundert Wasseruntersuchungen habe ich fünfmal das Bacterium 
coli commune nachgewiesen. << 



1) Lehmann, Die Methoden der praktischen Hygiene, Wiesbaden 
1890. 

2) Guiraud, Zentralbl. f. Bakteriologie, ßd. 17, 88, 1894. 

, 3) Schardinger, Beitrag zur hygienischen Beurteilung des Trink- 

I Wassers. Zentralbl. f. Bakteriologie, Bd. XVI, 855, 1894. 

15» 



218 Über die Bedeutung des fiacillas coli communis etc. 

Nach Kruse^) würde auch der Bacillus coli communis wohl 
seltener gefunden werden, wenn man sich die Mühe geben 
würde, »einen im Wasser gefundenen Bazillus mit allen Mitteln 
der jetzt recht komplizierten Diagnostik mit jenem Typus zu 
identifizierend 

Im schroffen Gegensatz zu den erwähnten Autoren stellt sich 
Freudenreich^). Er fand das Bacterium coli commune häufig, 
selbst in Quellen wasser, wenn man z. B. bei Anwendung der 
Vincentschen Methode ca. 100 ccm auf einmal zur Unter- 
suchung gelangen läfst (Wasser 90 ccm, 20proz. PeptonlÖsung 
10 ccm, 1 ccm einer 7proz. Karbolsäurelösung und Bebrütung 
bei 42^ C), während es sich in einem Kubikzentimeter nicht nach- 
weisen läfst. Einmal hat es Freudenreich in einem ca. 6 m 
tief gefafsten Quellenwasser vorgefunden, welches sonst chemisch 
und bakteriologisch sehr rein war; dieses enthielt bei einer ersten 
Analyse 32, bei einer zweiten Analyse 17 Bakterien pro ccm — 
freilich auch bei Verwendung von 100 ccm Wasser, während die 
Impfung von 15 Tropfen in Karbolbouillon gar keine Trübung 
hervorrief. Während so Freudenreich einerseits überzeugt 
ist, dafs das blofse Vorkommen von Bacterium coli nicht genüge, 
um ein Trinkwasser zu diskreditieren, gibt er anderseits zu, dafs 
der Befund von Koli doch nicht ganz belanglos sei und stützt 
sich hierbei auf folgende Tatsachen: 

iln jedem schlechten Wasser, d. h. chemisch bean- 
standbaren (z. B. Vorhandensein zu vieler orgcmischer Sub- 
stanz) und sonst sehr bakterienreichen Wasser ist der 
Bacillus coli reichlich vorhanden. c 

:»Kommt er in bakterienarmem und chemisch gutem 
Wasser vor, so ist er darin nur sehr spärlich vorhanden, c 

»Sehr oft, aber auch nur wenn es sich um ein sonst 
als sehr gut anerkanntes Wtoser handelt, fehlt er auch 
ganz.c 

1) Kruse, Kritische und experimentelle Beiträge zur hygienischen Be- 
urteilung des Wassers, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. XVII, 53, 1894. 

2) Freudenreich, Über den Nachweis des Bacillus coli comm\ im 
Wasser und dessen Bedeutung. Zentralbl. f. Bakteriologie, Bd. 18, 102. 1895. 



Von Kenji Saito. 219 

»Daraus ergibt sich, dafs sein Fehlen jedenfalls zu den 
Eigenschaften eines sehr guten Trinkwassers gehört, und dafs 
sein massenhaftes Vorkommen stets nur bei schlechtem Wasser 
auftritt, während ein spärliches Vorhandensein desselben nicht 
absolut gegen die Brauchbarkeit des betreffenden Wassers spricht, 
wenn dabei das Wasser den sonstigen chemischen und bakterio- 
logischen Anforderungen entspricht, c 

Gärtner^) sagt: »Wir sehen also, mit den Fäulnis- und 
Kotbakterien und ihrer Bestimmung im Wasser ist fast nichts 
für die Beurteilung eines Wassers zu machen, wir wisaen zunächst 
nicht, welche Bakterien zu den Fäulnisbakterien zu rechnen sind, 
von den Kotbakterien treten alle zurück bis auf das Bakterium 
coli commune, dieses aber ist ebenso wie die meisten sogen, 
Fäulniserreger ubiquitär, beide Arten brauchen nicht an den 
Menschen und seinen Verkehr gebunden zu sein, und in nicht 
keimfreiem Wasser finden sich die erwähnten Bakterien in 
einzelnen Exemplaren leicht ein.c 

In seiner umfassenden Monographie über mikroskopische 
Wasseranalyse schreibt Mez^): »Man hat dem Bacterium coli 
zwar seine Bedeutung als typischen Darmorganismus auch schon 
abgesprochen und darauf hingewiesen, dafs dasselbe schon wenige 
Stunden nach der Geburt in den Darm des Menschen und der 
höheren Tiere hineingelangt, dafs es an den verschiedensten 
Orten und bei den verschiedensten Gelegenheiten sich findet und 
deswegen noch keinen Beweis für die Fäkalverunreinigung des 
Wassers darstelle. 

Diesem gegenüber ist zu betonen, dafs wir Menschen, 
wenigstens wir Städter, leider überhaupt in einer Atmosphäre 
leben, welche überall und allerorten einen Staub enthält, der 
Fäkalreste in reichlichstem Mafse mit sich führt. Dement- 
sprechend ist es nur selbstverständlich, dafs wir das Bacterium 
coli in unserer Umgebung sehr häufig finden. Gerade die Regel- 
mäfsigkeit und Geschwindigkeit, mit welcher Bacterium coli, oft 

1) Gftrtner, Über Methoden, die Möglichkeit der Infektion eines 
Wassers zn beurteilen. Berlin 1895. 

2) Mes, Mikroskopische Waaseranalyse. Berlin 1898. 



220 über die Bedeutung des Bacillus coli communis etc. 

schon vor der ersten Nahrungsaufnahme des Kindes, vom After 
her in den Darm eindringt, ist der beste Beweis dafür, daCs es 
ein typischer Darmorganismus ist. 

Wenn es nun möglich ist, diesen Spaltpilz in dem Wasser 
eines Brunnens nachzuweisen, so ist damit die Kommunikation 
zwischen der Flora irgend eines Darmes und dem Brunnenwasser 
bewiesen. Diese Kommunikation ist nur dadurch möglich, dals 
Fäkalien oder Fäkalauslaugungen oder Fäkalstaub in den Brunnen 
gelangt sind: unter allen Umständen ist die Entdeckung einer 
solchen Kommunikation von gröfster Wichtigkeit, c 

Levy und Bruns^) sagen: i Der rein morphologische Nach- 
weis von Koli' Bazillen gibt noch nicht genügende Sicherheit 
über seine Bewertung als Fäcesbakterium, es gehört dazu dessen 
Pathogenität, c 

Im Jahre 1900 kommt Weifsenfeld^ zu dem Schlüsse, 
dafs der Befund des Bacillus coli communis im Wasser eine 
Verunreinigung dieses Wassers durch Fäkalbakterien nicht be- 
deutet, da es »aus Wässern jeder Herkunft, guter und schlechter, 
zu züchten c sei, wenn man nur genügend grofse Mengen des 
Wassers zur Untersuchung nehme. (Bei schlechten Wässern — 
aber auch bei vielen guten — war schon aus jedem Kubik- 
zentimeter Wasser der Bacillus coli zu züchten. Von manchen 
guten Wässern mufsten grölsere Mengen zur Kultur genonunen 
werden). Weifsenf eid sagt ferner noch, dafs »der Bacillus coli 
communis in keiner Weise charakteristisch sei für die Fäces der 
Menschen oder Tiere, sondern dafs solche Bakterien sich überall, 
in der Luft, im Boden, im Wasser aller verschiedensten Ur- 
sprungs finden.« 

Smith^) fand in 800 ccm des Leitungswassers den Bacillus 
coli communis. 



1) Levy und Bruns, Zur Hygiene des Wassers, Archiv für Hygiene, 
Bd. XXXVI, S. 178, 1899. 

2) Weifsenfeld, Der Befund des Bact. coli im Wasser und das l^er- 
ezperiment sind keine brauchbaren Hilfsmittel für die hygienische Beurtei- 
lung des Wassers. Zeitschr. f. Hygiene, Bd. XXXV, S. 78, 1900. 

3) Smith, Zentralbl f. Bakteriologie, Bd. XXX, S. 211, 1900. 



Von Kenji Saito. 221 

Chick^) hat sich in Fortsetzung früherer Arbeiten mit der 
Frage beschäftigt, ob der KoUbazillus eine ubiquitäre Verbreitung 
besitze oder sein Vorkommen als Folge einer Verunreinigung 
des betreffenden Materials mit Darmentleerungen anzusehen sei, 
und deshalb Proben von Luft, von gedüngter Ackererde, von 
Strafsenstaub und Kehricht, sowie von Schmutzlachen einer ent- 
sprechenden Prüfung unterwerfen. 

Von der Luft wurden mehrere hundert Liter durch ein aus 
Watte und Glaswolle bestehendes Filter gesogen und letzteres 
dann ebenso wie die untersuchte Erde mit sterilem Wasser aus- 
gewaschen, die so gewonnene Spülflüssigkeit aber endlich zur An- 
fertigung von Platten aus Karbolagar benutzt. Die hier ent- 
wickelten verdächtigen Kolonien übertrug er in GährungskÖlbchen, 
die 2 proz. Pepton wasser mit Iproz. Milchzucker enthielten; Ver- 
gärung des Milchzuckers unter Bildung von Gas und Säure 
gibt er als sicherstes Zeichen zur Erkennung und Unterscheidung 
des Bacillus coli von anderen Mikroorganismen an. 

In der Luft wurde der Bazillus nur ein einziges Mal nach- 
gewiesen, als diese aus einem schlecht ventilierten Stalle her- 
rührte und obwohl Mengen bis zu 250 1 und mehr verarbeitet 
wurden. Aber auch in den sonstigen Proben war der Bazillus 
seltener, als man zunächst hätte glauben sollen, und selbst im 
Strafsenstaub oder in der Ackererde fehlte er häufig, wenn es 
sich nicht um feuchtes oder nasses Material handelte. Er führt 
die Tatsache auf die grofse Empfindlichkeit des KoUbazillus gegen 
den Einflufs des Austrocknens und des Sonnenlichts zurück, die 
er in einer Reihe besonderer Versuche noch genauer feststellt. 

Nach alledem gelangt C h i c k zu dem Schlufs, dafs die An- 
wesenheit des Kolibazillus in derartigen Substanzen als ein Be- 
weis für eine frische Beschmutzung derselben anzusehen sei. 

Zu einem ähnlichen Schlüsse mit Weifsenfeid und Chick 
kommt Papasotiriu^): »Im Wasser ist die Anwesenheit von 

1) Chick, Ref. Hygien. Rundschaa, Bd. XII, S. 647, 1902. 

2) Papasotiria, Üntersuchangen über das Vorkommen des Bact. coli 
im Teig, Mehl and Getreide, nebst einigen Bemerkungen über die Bedeutung 
des Baet coli als Indikator für Verunreinigung von Wasser mit Fftkalien. 
Archiv t Hygiene, Bd. 41, S. 209, 1902. 



222 Über die Bedeutung^ des Baciilas coli communis etc. 

spärlichen Keimen von Bacterium coli commune ohne jede 
diagnostische Bedeutung. Durch Anwesenheit einer Vorkultur 
kann man mindestens die Anwesenheit von spärlichen Individuen 
von Bacterium coli sehr oft nachweisen, wie Weifsenfeld ge- 
zeigt hat.c ^Die Anwesenheit zahlreicher Individuen von 
Bacterium coli in einem frisch geschöpften Wasser kann, wie 
man längst gewufst hat, und wie durch die Beobachtung von 
H. Ghick weiter festgestellt ist, den Verdacht auf fäkale Ver- 
unreinigung eines Wassers erwecken. Es mufs aber bei der 
weiten Verbreitung des Bacterium coli der Schlufs auf das 
wirkliche Bestehen dieser Verunreinigung noch durch andere 
Hilfsmittel gestützt sein, denn z. B. die Abwässer einer 
Bäckerei können eine. Menge Bacterium coli in ein Wasser 
bringen. Bacterium coli vermehrt sich . unter günstigen Be- 
dingungen (höhere Temperatur, Kohlehydrate usw*) sehr leicht 
in Wasser. € 

Meusburger und Rambousek^) schreiben: »Sobald es 
sich um eine Trink Wasseruntersuchung handelt, bleibt es zur Be- 
urteilung der Geniefsbarkeit des Wassers natürlich vollkommen 
gleichgültig, ob Kolibazillen oder Typhuskeime in denselben 
konstatiert wurden ; denn falls man auch nur Kolibazillen findet, 
mufs man das betreffende Wasser als mit tierischen oder mensch- 
lichen Exkrementen verunreinigt, also als ungeniefsbar bezeichnen. 
Auch im Falle eines Infektionsverdachtes (mit Typhusbazillen 
oder Dysenterie) genügt es, Kolibazillen im Wasser nachgewiesen 
zu haben, um sagen zu können, dafs hier die Infektionsmöglich- 
keit mit eventuell gleichzeitig vorhandenen, nicht entdeckten, 
überwucherten oder durch die grofse Azidität des Bodens im Wachs- 
tume gehemmten Typhuskeimen vorhanden sei; denn die 
Kommunikation mit irgend einer Infektionsquelle (Kanal, Senk- 
grube, Dünger etc.) ist erwiesen.« 



1) Mensbarger und Ramboasek, Beitrag zum bakteriologischen 
Nachweise von Trinkwasser Verunreinigungen anlftDslich infektiöser Erkran- 
kungen. Zentralblatt f. Bakteriol., I. Abteil., Originale, Bd. XXXII, 8. 477, 
1902. 



Von Kenji Saito. ^23 

Hirschbrucb und Schwer^) erwähnen auch noch: »Bei 
unseren Untersuchungen von Wasser haben wir häufig — un- 
abhängig davon, ob Typhusbazillen im Wasser sich fanden oder 
nicht — die Anwesenheit des Bacterium coli commune als 
wichtiges Stigma der Wasserverunreinigung erachtet, und wir 
halten die Kolidiagnose im öffentlichen hygienischen Dienst bei 
der Beurteilung von Trinkwässern für fast ebenso wichtig wie 
die Eruierung des Typhusbazillus selbst. Zeigt uns doch der 
Eolibazillus eine bestehende Kommunikation zwischen dem 
Brunnen, Bach, See usw. und den irgendwo abgelagerten Fäkalien 
an. Wo eine solche Verbindung aber besteht, ist eine Ver- 
seuchung des Wassers mit Typhus jederzeit möglich.^ 

Petruschky und Pusch^), die sich mehrere Jahre über 
die Frage, inwieweit sich das Vorkommen des Bacillus coli im 
Wasser als Indikator für eine Verunreinigung des Wassers mit 
Fäkalien verwenden lasse, beschäftigten, kommen zu folgendem 
Gesamtergebnis: »Die Ubiquität des Bacterium coli konnte 
keineswegs bestätigt werden. Wiederholt haben wir Wasserproben 
untersucht, die in der ganzen für uns verfügbaren Menge kein 
Bacterium coli enthielten. 

In einigen deinen Brunnenwässern war Bacterium coli selbst 
in Mengen von '/4 1 nicht nachweisbar, in wenig verunreinigten 
in 100, 10 bzw. 1 ccm. 

In stark verunreinijgten Wäösern, namentlich Flufswässern, 
wurde Bacterium coli stets gefunden; durch quantitative Be- 
stimmung des Koligehaltes konnte ein guter Mafsstab für die 
Fäkalverunreinigung des Wassers gewonnen werden, c 

Escherich und Pfaundler^) äufserten sich über die Ver- 
breitung des Kolibazillus wie folgt: »Bacillus coli ist ein auch 



1) Hirschbroch und Schwer, Prüfung des Typhusnährbodens nach 
Y. Drigalski and H. Oonradi und einer nach ähnlichen Prinzipien her- 
gestellten Bouillon. Hygienische Enndachan, Bd. XIII, S. 864, 1908. 

2) Petraschky and Pasch, Bacteriam coli als Indikator für Fäkal- 
veranreinigang von Wftssern. Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 43, S. 304, 1903. 

3) Escherich und Pfaundler, Bacterium coli comm., Handbuch der 
pathogenen Mikroorganismen, herausgegeben von W. Kolle und A. Wasser- 
mann, Bd. n, S. 400, 1903. 



224 Über die Bedeutung des Bazillus coli communis etc. 

in der Aulsenwelt sehr weit verbreiteter Keim. Mau hat so- 
gar von seiner »Ubiquitätc (Henke, Flügge) gesprochen, 
doch ist dies nur in beschränktem Sinne gerechtfertigt, denn 
man wird — sofern man an der von Escherich für das 
»Bacterium colic vorgeschlagenen Begriffsumgrenzung festhält — 
finden, dafs sich sein Vorkommen in der Natur an die Be- 
dingung einer direkten oder indirekten Verunreinigung des 
Fundortes mit menschlichen oder tierischen Darmsekreten 
knüpfte 

Am XIII. Internationalen Kongrefs für Hygiene und Demo- 
graphie zu Brüssel (1 903) erwähnte L ö f f 1 e r : » Besondere Methoden 
zum Nachweise von Kolibakterien oder bestimmten Fäulnis- 
Organismen sind nicht erforderlich, da der Nachweis dieser 
Bazillenarten für sich allein kein abschliefsendes Urteil über die 
Brauchbarkeit eines Wassers gestattet, c Allerdings drückt sich 
Löffler hier weniger scharf aus, indem er dem Befunde des 
Kolibazillus in Verbindung mit anderen gravierenden Befunden 
doch eine Bedeutung beizumessen scheint. 

In der jüngsten Zeit sagt Kaiser^), dafs die Ansicht, das 
typische Bacterium coli (wurde in 22% aller Fälle gefunden) oder 
die Koliarten (30% aller Fälle gefunden) seien in Brunnen- 
wässern allgemein verbreitet, irrig ist und die Verwertung des 
Bacterium coli als Indikator für Fäkalverunreinigung eine gewisse 
Wahrscheinlichkeit hat. 

Aus den oben ausgeführten verschiedenen Arbeiten ersehen 
wir, dafs die Autoren teils Anhänger, teils Gegner der Annahme 
sind, dafs der Bacillus coli communis als Index für die Trink- 
wasserverseuchung aufgestellt werden kann ; dieser Streit ist nicht 
beendigt. Deshalb lohnt sich die Untersuchung der Frage, ob 
der Bacillus coli communis in jedem Brunnenwasser zu finden 
ist und ihm eine Bedeutung als Indikator für Fäkalverunreinigung 
beizumessen ist. 



1) Kaiser, Über die Bedeutung des Bacterium coli im Brunnenwasser. 
Archiv f. Hygiene, Bd. 52, 8. 148, 1905. 



Von Kenji Saito. 225 

Bei ihrer grolsen Wichtigkeit für die hygienische Beurteilung 
des Wassers habe ich sie unter Leitung von Herrn Professor 
Matsushita einer erneuten Bearbeitung unterzogen. 

Da es von vornherein nicht anzunehmen war, dafs man Koli 
bei der Aussaat geringer Wassermengen oder gar nur eines 
Kubikzentimeters antreffen würde, so war die Indikation für 
eines der zahlreichen Anreicherungsverfahren gegeben. 

Als erster darf Thoinot genannt werden, welcher, gestützt 
auf die Erfahrungen von Chantemesse und Widal, dafs 
Bacillus typhosus im Gegensatz zu anderen Bakterien auf 0,2 proz. 
Karbolgelatine gut wachse, diese Eigenschaft zu einem Isolier- 
verfahren ausbeutete. 

In ähnlicher Weise hat Gerö^) gearbeitet; sein Verfahren 
ist folgendes; In einen Mefskolben zu 1 1 kommen 100 com 
neutrale, sterile Rindsbouillon, 50 ccm neutrale sterile 10 proz. 
Peptonlösung und 600 — 700 ccm des zu untersuchenden Wassers; 
femer 20 ccm einer 5 proz. Lösung von reiner Karbolsäure; 
schliefsUch wird mit dem zu untersuchenden Wasser bis zur 
Marke aufgefüllt. Im Liter sind dann 1 g Karbolsäure und 
830 ccm des zu prüfenden Wassers. Das Ganze wird in 10 sterile 
mit Watte verschlossene Kolben verteilt und bei 32 — 36° C (nicht 
darüber I) kultiviert. Falls Koli- oder Typhusbazillen zugegen 
sind, tritt Trübung ein — um so früher, je gröfser die Verun- 
reinigung ist — gewöhnlich in 15 — 20 Stunden, bei sehr geringer 
Verunreinigung erst in etwa 30 Stunden. Nach deutlich einge- 
tretener Trübung wird eine Platinöse voll in gewöhnliche sterile 
Bouillon übertragen, wobei man oft bereits eine Reinkultur des 
Bacillus coli communis oder Typhusbazillus oder von beiden ge- 
mischt erhält. Um sicher zu Reinkulturen zu gelangen, emp- 
fiehlt sich 2 — 3 malige wiederholte Aussaat in die obige 
karbolisierte Bouillon. Kleber^) hat auch als Vorkultur pepton- 
haltige Bouillon mit 1- bzw. 2promill Karbolzusatz benutzt. 



1) Gero, Zentralbl. f. Bakt., Bd. 9, S. 609, 1891. 

2) Kleber, Qualitative und quantitative bakteriolog. Untersuchungen 
des Zürichseewassers. Hygien. Rundschau, Bd. 5, S. 199, 1895. 



226 Über die Bedeatang des Bacillus coli commanis etc. 

Die Jordan sehe ^) Methode ist folgende: Die gewünschte 
Wassermenge wird in Karbolsäurefleischbrühe bebrütet (incubated), 
die mit 5 bis 5,5 Säure nach Füllers Skala bereitet ist und 
Karbolsäure in Verhältnis von 1 : 1000 enthält. Nach Inokulation 
bei 38— 40^ während 12—18 Stunden werden Plattenkulturen 
auf Lackmus-Laktose-Agar gemacht, und Kolonien, die dieses 
Medium röten, werden geprüft auf Milchgerinnung, Indol- 
erzeugung, Verflüssigung von Gelatine und Gasbildung in Glykose- 
Fleischbrühe. 

Unwesentlich modifiziert wurde die obengenannten Me- 
thode durch Parietti^), welcher die Wasserprobe mit einer 
Mischung von 5 proz. Karbol- und 4 proz. Salzsäure versetzt. Als 
die nützlichste Methode zur Trennung von Bac. coli zeigte. 
Smith ^) die Anwendung von Pariettis Lösung und auch die 
anaerobische Sodium-Formal-Glykosemethode, wie sie von Pake 
empfohlen wird. Weifsenfeid*) verfuhr so, dafs er 1 ccm des 
betreffenden Wassers in ein Röhrchen mit Bouillon brachte, dazu 
einige Tropfen der Pari et tischen Lösung (5 proz. Karbolsäure, 
4 proz. Salzsäure) fügte und die Röhrchen 24 Stunden lang 
bei 37^ bebrütete. Dann wurden Tröpfchen der Mischkultur 
mittels Platinpinsels auf Gelatineplatten verstrichen. War kein 
Wachstum in der Mischkultur eingetreten, so wurden groüse 
Wassermengen (gewöhnlich ^/s bis 1 1 nach Zufügung von 
^/^ bis 1 proz. Pepton und Kochsalz in 10 proz. Lösung) einer 
ähnlichen Probe unterworfen. Später wurde Pariettis Verfahren 
durch Meusburger und Rambousek<^) für den Landarzt 
handlicher gemacht. 



1) Jordan, Über die Entdeckung des Bact. coli comm. im Wasser. Zen- 
tralbl. f. Bakt., Bd. 27, S. 679, 1900. 

2) Parietti, Ref. ans dem Zentralblatt f. Bakteriol., Bd. 32, Originale, 
8. 476. 

3) Smith, Zentralbl. f. Bakt, Bd. 30, 1900. 

4)Weirsenfeld, Zeitschr. f . Hygiene, Bd. 35, 1900. 

5) Meusburger and Rambousek, Zentralblatt f. Bakter., Bd. 32, 
8. 476, 1902. 



Von Kenji Saito. 227 

Im Gegensatz zu den obenerwähnten Autoren macht Burri ^) 
seinen Nährboden nicht nur nicht sauer, sondern fügt ihm 
sogar 0,75 proz. wasserfreie Soda zu und will damit gute Resul- 
tate erzielt haben. 

Graziani und Abba verwendeten Laktose mit einem 
Zusatz von Phenolphthalein. Abba 2) bereitete eine Nährlösung, 
die folgende Substanzen enthält: 

Milchzucker . . . 200 g 

Trockenes Pepton , . 100 g 
Chlomatrium .... 50 g 
Wasser 1000 g. 

Dieselbe wird im Dampf apparat % Stunde lang bei 100^ C 
gekocht, dann abfiltriert und in Gläschen von je 100 com Inhalt 
aufbewahrt. Für 1 1 des zu untersuchenden Wassets genügt 
eiü Zusatz von 100 ccm der beschriebenen Lösung plus ^{2 ccm 
einer 1 proz. alkoholischen Phenolphthaleinlösung; das ganze 
Gemenge wii'd durch den weiteren Zusatz von kohlensaurem 
Natron in kalt gesättigter Lösung bis auf Rosafarbe getont. 
Vorhandensein von Coli verrät sich durch Vergärung, Ent- 
färbung und üblen Geruch. 

Schardinger') isolierte Bacillus coli communis auf fol- 
gende Weise: Durch Vermischen von Wasser mit zuckerhaltige 
(5 proz.) Bouillon — er verwendete gewöhnlich 30 ccm Bouillon 
70 ccm Wasser — Anreicherung bei 37 ^ durch 24 Stunden und 
nachträgliche Aussaat auf Platten gelingt es, aus wirklich ver- 
schmutztem Wasser zahlreiche Arten von gärungserregenden 
Keimen zu isolieren. Aufser der Zuckerbouillon verwendet er 
auch sterile Lösungen von 1 g Pepton (Witte) und 1 g Kochsalz 
in 10 ccm aqu. dest., die, mit 100 ccm des zu untersuchenden 

1) Barri, Nachweis von Fäkal bakterien im Trinkwasser. Hygienische 
Randschan, Bd. 5, S. 49. 

2) Abba, Über ein Yerfabreni den Bacillus coli communis schnell und 
sicher aus dem Wasser zu isolieren. Zentralbl. f. Bakt, Bd. 19, S.^ la, 1806. 

3) Schardinger, Zentralbl. f. Bakt.. Bd. 16» 8. 853. 



238 über die Bedeutung des BacilluB coli commuDis etc. 

Wassers vermischt, bis zu 24 Stunden bei Brüttemperatur ge- 
halten wurden. Er untersuchte beim Peptonverfahren auf das 
Vorhandensein eines »ausgesprochen fäkulenten Geruches« auf 
H2S- und Indolbildung. H2S wird chemisch nachgewiesen durch 
Einhängen eines mit Bleikarbonat überzogenen Papierstreifeus. 
Schardingers Methode wurde auch von Weifsenf eld ^) und 
in der letzten Zeit von Petruschky und Pusch^) verwendet. 
Letztere haben die Untersuchung in der Weise angestellt, dafs 
verschiedene steril angemessene Wasserquanten, mit etwa der 
gleichen Menge Bouillon versetzt, zur Anreichung in den Brüt- 
schrank gestellt und von den nach 24 Stunden getrübten Proben 
durch Osenausstriche auf Agarplatten Aussaaten gemacht wurden. 

Freudenreich^) gelang es, Koli zu isolieren, indem er 
das Ausgangsmaterial mit öproz. Milchzuckerbouillon anreichert 
ohne jeden weiteren Zusatz. Auch hier soll Gasbildung auf Coli 
hindeuten. (Nach ihm sollen alle Fäulniserreger, wie Proteus 
vulgaris, Milchzucker nicht vergären.) 

Die von Smith*) verwendete Methode besteht in der Be- 
schickung mehrerer (gewöhnlich 10) Gärungskölbchen, ent- 
haltend 1 proz. Dextrosebouillon, mit 0,1 bis 1 ccm Wasser; je 
nach dem Ursprung füllen sich in einem oder mehreren Kölbchen 
nach 3 bis 4 Tagen 40 bis 60% ^^^ geschlossenen Röhre mit 
Gas; ist die Reaktion stark sauer, die Vermehrung der Bazillen 
schwach und nach 4 Tagen schon beendet, so kann mann auf 
die Anwesenheit des Bac. coli schliefsen. Solche Röhrchen ent- 
halten fast immer Reinkultur, wie die Plattenkultur aus dem 
Bodensatz zeigt. Nach Smith soll Bacterium cloacae in den 
Milchzuckerlösungen gleichfalls Gas bilden, während Gasbildung 
und saure Reaktion in der Dextrosebouillon für das Koliwachstum 
charakteristisch sein sollen. 



l)WeirBenfeld, Zeitochrift f. Hygiene, Bd. 35, S. 80. 

2) Petruschky und Puech, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 43, S. 304. 

3) Freudenreich, Zentralbl f. Bakt, Bd. 18, S. 104. 

4) Smith, Zentralbl. f. Bakt., Bd. 18, S. 494. 

5) Ligni^res, Ref. aus Handbuch der pathogenen Mikroorganismen 
von Kolle und AVassermann, Bd. II, S. 402. 



Von Kenji Saito. 



229 



Das von Ligniöres*) empfohlene Verfahren ist folgendes: 
Einsaat der betreffenden Massen in filtriertes, sterilisiertes 3proz. 
Heuinfus. Nach 18 — 24 stündigem Stehen bei Brüttemperatur hat 
sich in der Flüssigkeit Bacillus coli elektiv vermehrt und kann 
nun durch das Plattenverfahren rein gewonnen werden. Die 
durch Bacillus coli erzeugte leichte Säuerung scheint andere 
Spaltpilze minder gut aufkommen zu lassen. Später wurde 
Ligni^res* Methode von Kaiser^) verwendet. 

Chick^) hat einfach mit dem ursprünglichen Material ohne 
Vorkultur Platten unter Verwendung von 1 ®/oo Phenol ent- 
haltendem Agar gegossen, welcher die übrigen Bakterien mehr 
oder weniger im Wachstum hemmte, nicht aber Bacillus coli. 

Meine Versuche begann ich zunächst nach den oben be- 
schriebenen, verschiedenen Verfahren. Es wurden mit vielen 
Methoden wiederholt nicht zufriedenstellende Resultate erzielt. 
Nachher untersuchte ich, in welchen Nährflüssigkeiten der Bacillus 
coli communis sich am besten vermehrt, um diese Nährflüssigkeit 
zum Anreicherungsverfahren zu verwenden. Ich brachte in 
100 ccm verschiedene Nährflüssigkeiten Vioo ^^e des Bacillus coli 
communis und stellte sie in den Brutschrank. Nach be- 
stimmter Zeit wurden auf Agarplatten Aussaaten gemacht; das 
Resultat war folgendes: 

Yersneh I. 





A /oo 
Phenolbouillon ' 


3Vo 
1 Heuinfus 


2^0 
TraubenKUclserbouiUon 




Anzahl 

der Kolonien 

In 1 ccm 


Ver- 

mehrg.- 

inten- 

sität 


Anzahl 

der Kolonien 

in 1 ccm 


Ver- 

mehrg.- 

Inten- 

8it&t 


Ansahl 

der Kolonien 

in 1 ccm 


Ver- 

mehrg.* 
Inten- 
. siUit 


Sofort . . 
D. 5 Std. 
n. 12 Std. 
n. 24 Std. 


25 583 

707100 

30 827 500 

287020000 


1,0 

27,7 

1205,0 

11219,2 


4008 

4868 

8500 

650000 

1 


1,0 

1.2 

2,1 

162,2 


5 348 
183 200 
485 333 

; 2 450000 

1 
1 


1,0 

34,9 

92,5 

466,9 



1) Kaiser, Archiv f. Hygiene, Bd. 52, S. 121. 

2) Chick, Ref. aus Hygienische Rundschau, Bd. 12, S. 647. 



230 



Über die Bedeutang des BacüloB coli commanis etc. 



Yersuch n. 



l'/oo 
Phenolbouillon 



. 3% 

Heu infus 



Anzahl 

der Kolonien 

in 1 com 



Ver- 

mehrg.- 

Inten-' 

sltät 



'^ Anzahl 
der Kolonien 
in 1 ccm 



Ver- 

mehrg.- 

Inten- 

sit&t 



2Vo 

Traubenzuckerboaillon 



Anzahl 

der Kolonien 

in 1 ccm 



Ver- 

mebifT-- 

Inten- 

sität 



Sofort. . ; 26 317 1,0 

n. 5 Std. ; 837 650 i 31,8 

n. 12 Std. 21 397 500 814,3 

n. 24 Std. ; 194 800 000 7 364,1 



8602 

9433 

111000 

783333 



1,0 

1,1 
1.3 



9 612 

334 666 

2 770 000 



92,1 j 42 276 667 



1,0 

34,8 

285,6 

4 397,8 



Sofort . . 
n. 5 Std. 
n. 12 Std. 
D. 24 Std. 



27002 

614 620 

32 400 000 

287 580000 



Tersneh UI. 



1,0 

22,9 

1 199,9 



18 968 

81870 

1 836 300 



10650,31 20450000 



1,0 

4,3 

%,9 

107,8 



23122 


1,0 


752530 ' 


32,5 


41560000 ! 


1 797,4 



515 740000 22305,2 



Yersneh I. 



2,5 Vo 
Milchzuckerboulllon 



5°/o 

Milchzuckerboulllon 



Anzahl 

der Kolonien 

in 1 ccm 



I Ver- 
mehrg.- 
. inten- 
[ sität 



Anzahl 

der Kolonien 

in 1 ccm 



Ver- 
mehrg.- 
Inten- 
sität 



l7o 

Dext rosebouillon 



Anzahl 

der Kolonien 

in 1 ccm 



ii — 

id 40 770 

110,2:' 3402000 

1 978,2 953 692 000 

210474,3:111758580000 



Ver- 

mehrg. 

inten- 

sltfit 



Sofort 
n. 5 Std. 
n. 12 Std. 
n. 24 Std. 



Sofort . 
n. 5 Std. 
n. 12 Std. 
n. 24 Std. 



37196 

33 483 350 

93 285000 

748 820 000 



45 900 

6 189 750 

127 950 000 

808 380000 



i,o; 

900,2 

2 507,9 

20 132,0 



34155 

3665 280 

67 566 600 

7188 750000 

Yersueh II. 

39150 

2136 380 

86 805 000 



1.0 

83,3 

23 392,0 

288 385,6 



i,c^! 
134,9;; 

2 787,q! 
17 611,7! 3 746 250000 



1,0 
54,6 

2 217,2 

95 689,7 



34 777 

930 891 600 
3 746 250000 



1,0 

26 767.8 
107 725,2 



Sofort .1 40 365 

n. 5 Std.' 7101000 
n. 12 Std, 153 831 700 
n. 24 Std. , 1 512 000 000 



Yersueh III. 

1,0 27 338 

175,9|! 2 762 070 

3 811,0{i 614 700000 

37 458,214 783 750000 



1,0 

101,0 

22 485,2 



38410 

3 898 630 

79 315 800 



540 776,6 1383080000 



I 



1,0 

115,0 

2064,8 

36006,3 



Von KoDJi Saito. 



231 



Die Durchschnitte der Vennehrungsintensität aus den oben 
beschriebenen, dreimal winderholten Untersuchungen sind fol- 
gende : 



IVoo 

Phenol- 

bonillon 



3»/. 

Heuinfus 



2»/. 

Trauben- 
zucker- 
bouillon 



2,5 Vo 

Milch- 

zucker- 

boulllon 



5% 

Milch- 

zucker- 

bouillon 



1'/« 

Dextrose- 
bouillon 



Sofort ... 1 

DAch 5 Stdn. i 28 

> 12 > 1037 

> 24 > 9 744 



1 

2 

33 

444 



1 

34 

727 

9068 



1 

403 

3036 

25067 



1 

89 

8 893 

282 314 



1 

99 

17 408 

144039 



Aus diesen Beobachtungen ersehen wir, dafs in der 5proz. 
Milchzuckerbouillon am besten die Vermehrung des Bacillus coli 
communis eintritt; deshalb verwendete ich zur Anreicherung 
5proz. Milchzuckerbouillon und stellte folgende Untersuchung an: 

l.Verschiedene steril abgemessene Wasserquanten(0,l — l,Occm) 
mit 10 ccm von 5 proz. Milchzuckerbouillon versetzt (bei Verwen- 
dung von mehr als 1 ccm Wasserprobe setzte ich diese zu 100 ccm 
5 proz. Milchzuckerbouillon) wurden zur Anreicherung in den Bru^ 
schrank gestellt; von den nach 24 Stunden getrübten Proben 
wurden durch Osenausstriche auf Agarplatten Aussaaten gemacht ; 
der V. Drygalski- Conradische Nährboden ist sehr geeignet 
hierfür; es genügt aber auch gewöhnlicher Agar. Wenn die 
Plattenkulturen tatsächlich koliähnliche Keime ergeben hatten, 
wurden sie dennoch mit allen gebräuchlichen diagnostischen 
Methoden (d. h. nach Gram gefärbtes Präparat, Bewegung, Gela- 
tineplatte, Gasbildung, Milchkoagulation, Indolbildung, Agar- 
strich, Kartoffelstrich, Gelatinestich, Bouillon, etc.) weiter unter- 
sucht. 

2. War die Menge des zu untersuchenden Wassers zu grofs 
(über 1 1), so filtrierte ich zuerst das Wasser durch Chamber- 
lands Tonfilter ab; hernach wurden die auf dem Filter zurück- 
bleibenden Reste in 5 ccm sterilisierten Wassers gelöst, und so- 
fort die gesamte Menge in die 5 proz. Milchzuckerbouillon (100 ccm) 
eingegossen. 

Archiv für Hygiene. Bd. LXIII. 16 



232 



Über die Bedeatüng des ßacillas coli commanis etc. 



Das mit dieser Methode erzielte Resultat war immer sehr 
zufriedenstellend. Die folgende Tabelle gibt eine klare Übersicht. 



des 
Dnens 


Tiefe des 
Brunnens 
(von Erd- 
oberfläche 
bis Wasser- 
fläche) 

m 


■ Ent- 

, ternung 

vom 

Abort 

oder 

Ombe 

m 


Beschaffen- 
heit des 


1 

Keimzahl 

pro ccm 

Wasser 


Das Vorhandensein oder Fehlen 

des Bacillus coli comm. in 
verschiedenen Mengen der be- 
treffenden Wasserproben. 




Wassers 


in 
0.1 
ccm 


In In 

0,8 1,0 

ccm Iccm 


in 

5,0 

ccm 


In 
10,0 
ccm 


in 
100,0 
ccm 


in 

2>/s 

I 


1 


6.1 


10,9 


klar 


182 125 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


-f- 


2 


6,4 


3,6 






125 417 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


-t- 


3 


4,5 


2,8 






44550 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


-h 


4 


7.3 


12,8 






41175 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


-t- 


5 


8,2 


7.2 






63042 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ '4- 


6 


5,5 


5,4 






22 478 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


-f- 


7 


8,3 


6.4 






63 450 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


-h 


8 


5,5 


10,9 






83150 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


4- 


9 


4,5 


5,4 


etw. getrübt 


104 324 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


-h 


10 


5,5 


4.5 


klar 


31283 




■h 


+ 


+ 


+ 


+ 


-h 


11 


: 5,5 


5.4 






138 375 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 4- 


12 


4,5 


1,8 






93163 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ -h 


13 


5,5 


8,2 






97167 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ -h 


14 


6,4 


5.4 






72 225 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ :-h 


15 


10,9 


5,6 






263 733 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ , -F 


16 


2,8 


9,1 






24400 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ -h 


17 


4,6 


8,6 






84870 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ + 


18 


18,2 


6.4 






43874 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


H- 


19 


2,8 


3,6 






24 300 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


H- 


20 


0,6 


1.7 


getrübt 


68850 


+ 


+ 


+ 


• 


+ 


+ 


-1- 


21 


22,1 


3,6 


etw. getrübt 


47 250 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


22 


3,6 


8,6 


klar 


31725 




+ 


+ 


+ 


+ 


4- 


+ 


23 


1 2,8 


4,6 


> 


.81050 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


24 


1 3,6 


3.6 


gelbl. getrübt 


' 18225 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


25 


3,6 


3,6 


klar 


1933 







+ , + 


+ 


+ 


+ 


26 ' 


' 2,8 


2,8 






2 572 


— 


+ 





+ 


+ 


+ 


+ 


27 1 


3,6 


4,5 






57 375 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


28 


4,5 


4,6 






35100 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


29 i 


5,7 


9,1 






35 910 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


30 


4,2 


7.3 






33075 








+ 


+ 


+ 


+ 


31 


1 5.6 


2,8 






68 225 


+ 






+ 


+ 


+ ' + 


32 


2,7 


7,3 






24875 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


33 


5,5 


3,6 


getrübt 


31725 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


4- 


34 


4,5 


4.5 


klar 


45115 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


35 


6,4 


5,5 


> 


4117 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


36 


1.7 


1.6 


> 


10 800 


+ i + 


+ 


+ 


+ 


+ ,+ 


37 


5,5 


1.7 


] 


► 


63 450 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 



Von Kenji Saito. 



233 



a 
■öS 


Hefe des 
Bmnnens 
(von Erd- 
oberflftche 
bis Wasser- 
1 fläche) 

1 m 


Ent- 
feranug 

vom 
Abort 

oder 
Grabe 

m 


Beschaffen- 
heit des 


Keimzahl 

pro ccm 

Wasser 


Das Vorhandensein oder Fehlen' 

des Bacillus coli comm. in 
verschiedenen Mengen der be- 
treffenden Wasserproben. 


ACQ 

« 


Wassers 


i in 

0,1 
ccm 


in 

0,5 

ccm 


in 

1,0 
ccm 


in 

8.0 
ccm 


in 
10,0 
ccm 


In 
100,0 
ccm 


In 
2;, 


38 


1 

1.7 


6,5 


klar 


3680 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


39 I 


2,8 


1,7 


1 




4520 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


40 


8,2 


7.3 


3 




31050 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


41 


4,5 


6,5 


] 




112 700 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


42 


M 


7,0 


j 




31050 


+ 




+ 


+ 




+ 


+ 


43 


1,7 


1.7 


1 




35 775 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


44 

1 


3,6 


8.6 


wolkiggetrbt. 


86068 


+ 


+ 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


45 


3,6 


8.6 


klar 


247 933 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


46 

1 


1.7 

1 


6,6 


> 


21500 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


47 1 


5,6 


3,6 


getrabt 


70200 


+ 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


48' 


5,5 


1.7 


klar 


21268 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


49 1 


2,8 


9,1 


getrübt 


76950 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


50' 


3,6 


4,6 


> 


699 763 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


51 


3,6 


7,3 


klar 


57 875 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


4- 


52, 


1.7 


5,6 


] 




147 825 


+ 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


53; 


4,6 


4,5 


] 




43 538 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


54 i 

1 


4,6 


3.6 


1 




80825 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


55> 


6,6 


4,5 


1 




7 763 


— 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


56 


8,2 


4,6 


> 




11417 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


57 


8,2 


7.8 


1 ' 


* 1 


21263 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


58 


1.2 


6,4 


1 

i ' 




45 225 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


59' 


7,3 


9,1 


1 




81081 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


60 


8,2 


4.5 


1 




69902 


— 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


61 


4,6 


4.5 


1 




76 950 


+ + 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


62 


3,1 


1.7 


j 




54 675 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


63 ! 


4,5 


3,6 


] 




44550 


1 


+ 


+ 


+ 


-+■ 


+ 


+ 


64' 


2,8 


4,5 


3 




81000 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


65 1 


4,5 


3,6 


] 




35100 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


66i 


2.8 


2,8 


1 




45 225 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


67 


*fi 


1.7 


3 




37 000 


+ - 


^ 


+ 


+ 


+ 


+ 


68 1 


4,5 


2,8 


• 




15530 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


69 


4,5 


1.7 


j 




157 275 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


70 


9,1 


1.5 


3 




65 433 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


71 


6,4 


7.8 






8 316 


+ + 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


72 


7,8 


1,7 


3 




62 776 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


73 


; 3,6 


6,5 


etw. getrübt 


33075 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


74 


3,5 


1,5 


klar 


82400 


1 + 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


75 


1,7 


5,5 


> 


32 288 


+ + 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


76 


7,3 


7,3 


] 


» 


2 397 

1 


+ 

1 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 



16^ 



234 



Über die Bedeutung des Bacillus coli communis etc. 



■ 1 


Tiefe des 
' Brunnens 
(von Erd- 
oberfläche 
bis Wasser- 
fläche) 1 

m 


Ent- 
{erniing 

vom 
Abort 

oder 
Grube 

! m 


Beschaffen- 
heit des 
Wassers 

1 


1 

Keimzahl 

pro com 

Wasser 


D 
v< 

in 
0,1 
ccm 


as Vorhandensein oder Fehlen 
des Bacillus coli comm. in 
arschiedenen Mengen der be- 
treffenden Wasserproben. 




in 

0,5 

ccm 


in 

1,0 

<^cm 


iD 

6,0 
ccm 


In 
10,0 
ccm 


in 
100,0 
ccm 


in 

7- 


77 


9,1 


9,1 


klar 


43 875 


+ 


+ +1 + 


+ 


+ + 


78 


9.1 


7,3 




1928 


+ 


+ + + 


+ 


+ 


+ 


79 


4,5 


10,9 




1767 


+ 


+ .+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


80 


9,1 


5,5 




67 


+ 


+ i + 


+ 


+ 


+ 


-1- 


81 


4,6 


9,1 




33413 




+ i+ - 


+ 


+ 


+ 


82 


4,6 


9,1 




44045 




+ i+ - 


+ 


+ 


+ 


83 


7,3 


14,6 




17 368 


+ 


+ + + 


+ 


+ 


+ 


84 


4,5 


8,2 




29 700 


+ 


+ + + 


+ 


+ 


+ 


85 


8,2 


9,1 


etw. getrübt 


165 725 




+ + + 


+ 


+ + 


86 


7,3 


7,3 


klar 


48 600 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


4- 


87 


5,5 


3,6 




10800 


— 


— — 


+ 


+ 


+ + 


88 


8,2 


7,3 




963 


+ 


+ + 


+ 


+ 


+ 


+ 


89 


9.1 


3,6 




50625 




+ - 


+ 


+ 


+ 


+ 


90 


3,6 


5,5 




3 295 


M^^ 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


91 


10,0 


7.3 




18925 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


92 


5,5 


8,2 




527 


— 


— 








+ 


-H 


93 


6,4 


4,5 




27 653 


+ 


— 


+ 


+ 


+ 


+ 


H- 


94 


5,5 


3,6 




12488 


+ 


+ 


+ 







+ 


+ 


95 


6.4 


10,0 




71100 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


-h 


96 


14,6 


3,6 


etw. getrübt 


1 41 178 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


97 


9,9 


6,6 


klar 


' 62 778 


+ 


+ 


4- 


+ 


+ 


+ 


-h 


98 


7,0 


7,0 




50625 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


99 


7,3 


9,1 




45 563 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


100 


10,9 


9,1 




43 875 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


101 


1.7 


7,3 




20250 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


102 


2,2 


31,0 




1890 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


-f 


103 


1.0 


20,0 




2530 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


104 


1,5 


3,5 




5200 


+ 


+ 


■4- 


+ 


+ 


+ 


+ 


105 


10,0 


8,0 




9360 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


106 


1.1 


5,4 




j 21 380 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


107 


20,0 


30,0 




624 




+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


108 


4,0 


10,0 




2500 


+ 

1 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 


+ 



Aus dieser Tabelle können wir Folgendes ersehen: 

1. Der Bacillus coli communis ist in allen Brunnenwässern 
nachweisbar, vorausgesetzt dafs man genügende Wasser- 
mengen, nämlich über 100 ccm zur Untersuchung ver- 



Von Kenji Saito. 



235 



wendet. Nimmt man dazu geringere Wassennengen, so 
ist dieser Bazillus nur noch in einem gröfseren oder 
geringeren Prozentsatz der Untersuchungen nach- 
weisbar. 

Dies zeigt die folgende kleine Tabelle: 



Untersuchte Wassermenge 
in ccm 



• • 



0,1 



0.5 



Angabe der positiven Re- 
saltate in Prozenten der 
Zahl d. Untersuchungen 61 ®/o 



88 Vc 



1,0 



92 •/, 



5,0 



%V« 



2. Die Anzahl der im Brunnenwasser vorhandenen Keime 
steht in keinem Zusanmienhang mit der leichteren oder 
schwierigeren Nachweisbarkeit des Bacillus coli com- 
munis in Brunnenwasser. So konnte man z. B. bei 
Brunnen Nr. 80, dessen Wasser in 1,0 ccm nur 67 Keime 
enthielt, schon in 0,1 ccm den Bacillus coli nach- 
weisen, während im Brunnen Nr. 30 dessen Wasser in 
1 ccm über 30000 Keime enthielt, erst in 5,0 ccm Wasser 
dieser Bazillus nachgewiesen werden konnte. 

3. Schliefslich zeigt noch die Tabelle, dals in ein und der- 
selben Wasserprobe bei Verwendung gröfserer Mengen 
(0,5 — 1,0 ccm) der Kolibazillus nicht nachweisbar war, 
während man es in geringeren Mengen (0,1 ccm) fand 
(Brunnen Nr. 26, 31, 42, 44, 47, 52, 67, 81, 82, 89 
und 94); offenbar war in solchem Brunnenwasser der 
Kolibazillus nur in relativ wenigen Exemf)laren vor- 
handen. Man kann daher aus der Menge der nachweis- 
baren Kolibakterien nicht ohne weiteres einen Schlufs 
auf den Grad der Verunreinigung des Brunnenwassers 
mit Fäkalien ziehen. 



236 Über die Bedeutung des Bacillus coli communis etc. 

Wir kommen daher zu folgendem Schlufsergebnis : 

1. Der Bacillus coli communis ist in allen Brunnenwässern 
nachweisbar. 

2. Aus der Anwesenheit des Bacillus coli communis in 
Brunnenwässern kann mann nicht ohne weiteres auf 
Verunreinigung des Brunnens mit Fäkalien schliefsen. 



[TiLtersnehnngeiL ftber die Hämagglntmation nnd ihre 

plLysikalischen (jnmdlagen 

Von 

Ludwig Hirschfeld cand. med. 

auB Warschau 

(Aas dem Hygienischen Institut der UniTersitftt Berlin. 
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner.) 

Das Vorhandensein zahlreicher Schutzwirkungen gegen die 
verschiedensten Gifte und Bakterienarten im Serum normaler 
Tiere ist eine Tatsache, mit der jede Theorie über die Vorgänge 
der Antikörperbildung sich abfinden mufs. Wenn es anfangs 
schien, als ob jeder Schutzsto£E der Ausdruck einer vielleicht 
unbeachteten Infektion wäre, so zwangen doch bald experimentell 
gewonnene Tatsachen zu einer anderen Auffassung: denn es 
fanden sich im Serum AntistofEe, die mit Substanzen reagierten, 
welche nie früher in den Organismus gelangt sein konnten 
(Hämagglutinine Cytolysine, etc.). Ehrlich fafste daher die 
normalen Antikörper als vom Serum aufgenommene Produkte 
des Zellstoffwechsels auf, welche zu den Stoffen, auf die sie wirken, 
eine nur zufällige Affinität besitzen, und betrachtete ihre Existenz 
als eine wesentliche Stütze seiner Ansicht, da[s die Antikörper- 
bildung nur eine quantitative Steigerung physiologisch verlaufender 
Vorgänge bedeute. 

Eine Vorbedingung dieser Anschauung ist jedoch, dafs die 
normalen Antistoffe in der gleichen Weise spezifisch auf ihre 
Substrate wirken, wie die künstlichen Immunkörper auf ihre 
Antigene. Wenn normale Sera nun auf die verschiedensten 
Bakterien, Blutkörperchen etc. einwirken, so darf es sich nicht 
um eine einheitliche Substanz handeln, welche alle diese Wirkungen 



238 Untersuchangen über die Hämagglntination etc. 

hervorruft, sondern die Erythrozyten jeder Spezies finden im Serum 
Antikörper, welche nur auf sie, nicht auf die gleichen Gebilde 
anderer Arten einwirken, die vielseitigen Leistungen normaler 
Sera führen daher zur Annahme einer grofsen Multiplizität der 
in ihnen enthaltenen Antikörper. 

Diese Forderung der Theorie ist von verschiedenen Seiten 
experimentell geprüft und bestätigt worden, allerdings mit Gründen 
von verschiedener Beweiskraft. 

Als wichtigstes Argument für die Vielheit der normalen 
Antikörper wurde die Erscheinung der spezifischen Absorption 
ins Feld geführt. Bord et ^) konnte zeigen, dafs es gelingt, das 
Agglutinationsvermögen eines Serums für eine Bakterienart voll- 
ständig zu erschöpfen, ohne da[s die Agglutination anderer 
Bakterien dadurch irgendwie beeinflufst wird, — und die gleiche 
Beobachtung machte Malkoff bei den Hämagglutininen. 
Gegen die Deutung, dafs es sich bei diesem Phänomen um die 
Absorption vonPartialagglutininen handelt, kamen jedoch Bor de t 
selbst, sodann Landsteiner ^) Bedenken. Nachdem es sich her- 
ausgestellt hatte, dafs selbst die nahestehendsten Bakterienarten 
durch die Immunitätsreaktionen unterschieden werden können, 
mufste das Vorhandensein unzähliger spezifischer Schutzstoffe 
gegen Gebilde, welche nie mit dem Organismus in Verbindung 
getreten waren, in höchstem Grade befremdUch erscheinen. Die 
genannten Autoren sprechen daher die Ansicht aus, dafs die Bak- 
terien, bzw. Blutkörperchen, möglicher Weise einen oder wenige 
im Serum vorhandene wirksame Stoffe in der Weise beeinflussen, 
dafs sie nunmehr auf die gleiche Zellart nicht mehr einwirken 
könnten. Landsteiner'), der dieser Frage experimentell näher 
trat, änderte jedoch dann selbst seine Ansicht, nachdem es ihm 
gelungen war, von den zur Absorption benutzten Blutkörperchen 
das Agglutinin wieder abzuspalten. Allerdings wirkte das so ge- 
wonnene Agglutinin auch auf andere Blutarten, wenn auch stets 

1) Annal. Pasteor 1899. 

2) Müncb. medizin. Wochenscbr. 1902, Wiener klin. Wochenschr. 1902, 
Wiener klin. Rundschau 1902. 

3) Landsteiner u. Reich, Zentralbl. f. Bakt. 1906. 



Von Ludwig Hirachfeld, cand. med. 239 

schwächer. Landsteiner und Stürli^) bilden sich daher die 
Vorstellung, dafs im Serum einige wenige Agglutinine vorhanden 
seien, durch deren verschiedenartigste Kombinationen spezifische 
Wirkungen zustande kommen könnten. Es scheint mir jedoch, 
dafs auch diese Annahme nicht zu einer befriedigenden Erklärung 
der spezifischen Absorption führt. 

Neuerdings wurde die Frage wieder aufgerollt durch dio 
Entdeckung spezifischer antagonistischer Substanzen, welche 
Pfeifer und Friedberger^) im normalen Serum nach Aus- 
fällung durch Bakterien beobachtet hatten. Während die Ent- 
decker die Existenz im Serum präformierter Substanzen annahmen, 
verfochten BaiP) und WeiM) die Ansicht, dafs es sich um aus 
den Bakterienleibern stammende Hemmungssto£Ee handele. Weitere 
Experimente, besonders von Sachs^), lassen sich jedoch mit 
dieser letzteren Ansicht schwer in Einklang bringen. 

Bei der unbefriedigenden Lösung, welche die Frage der 
spezifischen Absorption bisher gefunden hat, können die übrigen 
Tatsachen, auf welche sich die Ansicht von der Multiplizität 
der normalen Antikörper stützt, eine erhöhte Bedeutung 
beanspruchen. 

Als besonders schwerwiegend wird der Umstand angesehen, 
dafs in verschiedenen Seris die einzelnen Antisto£Ee in ungleichen 
Proportionen enthalten seien, ein Verhalten, das M. Neisser für 
mehrere Antitoxine nachwies. In bezug auf die Hämagglutinine, 
mit denen sich die folgende Arbeit beschäftigt, hat Lüdke^) 
neuerdings ähnliche Angaben gemacht, und aus seinen Be- 
obachtungen den Schlufs gezogen, dafs die Agglutinine für ver- 
scldedene Blutarten in den einzelnen Seris, entsprechend der 
Theorie, in ganz regellosen Proportionen anzutreffen seien. Der- 
artige Untersuchungen können für die vorliegende Frage nur 
dann verwandt werden, wenn die Blutkörperchen einer Spezies, 

1) Wiener klin. Wochenschr. 1909» Wiener klin. Rundschau 1902. 

2) Deutsche medisin. Wochenschr. 1905. 

3) Archiv f. Hygiene 1905. 

4) Archiv f. Hygiene 1905. 

5) Deutsche med. Wochenschrift, 1905. 

6) Zentralbl. f. Bakt. 1905, 1906. 

Archiv für Hygiene. Bd. LXm. 17 



240 Untersachangen über die Hämagglutination etc. 

auf welche die verschiedensten Sera einwirken, auch stets von ein 
und demselben Individuum stammen. Nur so ist es möglich, 
die aufserordentlich starken individuellen Differenzen in der 
Agglutinabilität der Blutkörperchen auszuschalten und überhaupt 
zu vergleichbaren Werten zu gelangen. Da dieser Faktor in der 
Arbeit Lüdkes nicht betont wird und nach dem Ergebnis 
meiner Untersuchungen nicht berücksichtigt sein kann, so 
werden damit auch die von Lüdke gezogenen Schlüsse 
hinfällig. 

Überhaupt ist es nicht angängig, aus der Verdünnung, in 
der ein Serum noch agglutiniert, ohne weiteres Schlüsse auf die 
im Serum vorhandenen Agglutininmengen zu ziehen, ein oft be- 
gangener Fehler, der erst in letzter Zeit durch die Arbeiten über 
die Kolloidchemie und ihre Beziehungen zur Immunitätsforschung 
ins rechte Licht rückte. Wenn man nämlich die verschiedene 
Stärke der Agglutination der einzelnen Blutarten auf verschiedene 
Mengen der Agglutiuine zurückführt, so übergeht man still- 
schweigend die Möglichkeit, dafs die Agglutinabilität der Blut- 
körperchen keine feststehende Gröfse ist. Man müfste erst die 
Variabilität dieser Gröfse ausschalten, bevor man irgendwelche 
Schlüsse über die Mengen der Normalagglutinine ziehen könnte. 
Mir scheint, dafs insbesondere beim Studium der Temperatur- 
einwirkungen auf die Agglutinine infolge Nichtbeachtung dieses 
Faktors den Forschern bereits manche Irrtümer unterlaufen 
sind. So wird angenommen, dafs Tuberkulose und Pestagglutinine 
bei 56® inaktiv werden, und Pick^) fand Choleraagglutinin 
empfindlicher gegen hohe Temperatur, wie Typhusagglutinin. 
Nun ist bekannt, dafs diese Skala der AgglutinabiHtät der Bakterien 
entspricht (Nicoll und TrenelP). Ich halte es in diesem 
Falle nicht für ausgeschlossen, auch wenn ich speziell für diese 
Frage keine experimentellen Belege zu liefern vermag, dafs es 
sich einfach um den Ausdruck einer verschiedenen Agglutinabilität 
handelt, und dafs es unrichtig ist, hier eine verschiedene 
Empfindlichkeit der Agglutinine der Temperatur gegenüber an- 

1) Hofmeisters Beiträge 1902. 

2) Ann. Pasteur 1902. 



Von Ludwig Hirachfeld, cand. med. 241 

zunehmen. Denn — nachdem dtis Agglutinin geschädigt ist, 
verliert es die Möglichkeit, die schlecht agglutinablen Tuberkel- 
bazillen, nicht aber Cholera- und Typhus, zu agglutinieren. 
Erst nach der successiven Abschwflchung des Serums gehen all- 
mählich die Typhus- und Choleraagglutinine zugrunde, d. h. 
die eine Komponente wird allmählich unfähig, auch die labilen 
Bakterien zu fällen. Den gleichen Fehler begeht auch L ü d k e , 
welcher beobachtete, dafs das Agglutinationsvermögen des Serums 
für die einzelnen Blutarten durch Erwärmen in ungleicher Weise 
leidet, und daraus den Schlufs zieht, dafs im normalen Serum 
eine Vielheit von Agglutininen von verschiedener Thermoresistenz 
vorhanden sei, — ein Verhalten, das, wie ich mich bemühen 
werde, zu beweisen, einzig und allein von der Agglutinabilität 
der betrefiEenden ßlutarten abhängt. 

Die Aufgabe der folgenden Untersuchungen soll es nun sein, 
zunächst einmal unter Berücksichtigung aller Kautelen an einem 
möglichst umfassenden Material die Agglutination der verschiedenen 
Blutarten durch normale Sera quantitativ zu verfolgen und da- 
mit die tatsächliche Frage zu entscheiden, ob die allgemein an- 
genommene und für die Multiplizität der Normalagglutinine ver- 
wertete Regellosigkeit des quantitativen Verhaltens zu Recht 
besteht. 

Die Prüfung dieser Frage schien um so interessanter, als 
Bürgi^) bereits in einer Arbeit aus dem hiesigen Institut bei 
der Bakterienagglutiuation eine bemerkenswerte Gesetzmäfsigkeit 
gefunden hatte. Ordnete er die verschiedenen Tiersera nach 
ihrem Agglutinationsvermögen für eine bestimmte Bakterienspezies, 
80 fand er, dafs dieselbe Skala bei allen anderen untersuchten 
Bakterienarten wiederkehrte. Ganz ähnlich verhielten sich die 
Sera in ihrem Fälluugsvermögen auf Mastixsuspensionen. 

Wenn ich nun auf Anregung von Herrn Dr. Friedemann, dem 
ich auch an dieser Stelle für die Unterstützung und Leitung sowohl 
bei den Experimenten, wie bei den theoretischen Ausführungen 
meinen warmen Dank ausspreche, analoge Versuche an Blut- 
körperchen vornahm, so geschah es einmal, um ev. dem von ßurgi 

1) Archiv f. Hygiene 1907. 

17* 



242 



Untersachongen über die Hämagglutiiiation etc. 



gefundenen Gesetz eine allgemeinere Gültigkeit zu verschaffen, so- 
dann aber, weil die Blutkörperchen gegenüber Bakterien gewisse Vor- 
teile bieten. Bei ihnen ist nämlich die Möglichkeit ausgeschlossen, 
dafs es sich um echte Immunagglutinine handelt, welche nach 
einer nicht beachteten Infektion auftreten, und zu den Normal- 
agglutininen zugerechnet, die Übersicht stören könnten. Es ist 
allerdings eines zu berücksichtigen, was bei der Bakterien- 
agglutination nicht in Betracht kommt: das ist die Artverwandt- 
schaft der Tiere, welche Blut und Serum liefern. Indessen, wie 
wir sehen werden, ist sie nicht imstande, die sich hier ergebenden 
Regeln irgendwie zu benachteiligen. 

Ganz besonders sind aber die Blutkörperchen geeignet zum 
Studium der einzelnen Faktoren, welche den Agglutinationseffekt 
beeinflussen. In dem II. Abschnitt dieser Arbeit werde ich 
daher versuchen, für einen dieser Faktoren, nämlich die 
Agglutinabilität oder Suspensionstabilität der verschiedenen Blut- 
. arten, durch besondere Methoden ein Mafs zu gewinnen und 
damit ihren EinSufs auf die quantitativen Resultate zu eruieren. 



Tabelle I. 

Schweineblnt 5®/o. 



Akt. Sera 


v, 


V, 


V. 


V. 


V,e 


v„ 


Ve4 


V,« 


1/ 

/tfte 


KaCl 


Huhn . . 


V. 


V. 


V. 


V. 


unv. 


unv. 


wen. 


Spur 


Spur 





Schwein . 


unv. 


unv. 


























Rind . . 






wen. 


Spur 


Spürch. 

















Ziege . . 






Spur 


Spürch. 

















ü 


Kaninchen 






* 


1 




















Hund . . 






> 


> 




















Pferd . . 






9 























Hammel . 




Spur 


» 























Meerschw. 


Spur 






























Bemerkung : v. = vollständig, f. v. = fast 



Von Lodwig Hirschfeld, cand. med. 



243 



Experimenteller Teil. 

I. Teil. Fällung der Blutkörperchen durch normale Sera. 

Ich untersuchte Sera von: Huhn, Schwein, Pferd, Hammel, 
Hund- Ziege, Kaninchen, Meerschweinchen und Rind, — und 
Blutkörperchen von denselben Tieren. Die Sera wurden bei 56° 
inaktiviert, in geometrischer Reihe mit 0,85°/oNaCl verdünnt, die 
Blutkörperchen zweimal mit Na Cl gewaschen. Die Untersuchung 
geschah makroskopisch, nachdem die Röhrchen zwei Stunden bei 
37°, dann bis zum nächsten Tage im Eisschrank gestanden haben. 
Sämtliche Sera waren stets gleich alt, sämtliche Blutarten einer 
Reihe wurden mit demselben Serum behandelt. Die Blutkörperchen 
der gleichen Spezies stammten stets von demselben Tier und 
wurden an einem Tage gegen alle Sera austitriert. Es hat sich 
ein bemerkenswertes Resultat ergeben: auf den ersten Blick 
schien es, als ob tatsächlich die Menge der Agglutinine in einem 
Serum verschieden wäre, denn das untersuchte Serum ergab mir 
mit verschiedenen Blutarten verschiedene Agglutinationshöhen, 
an deren Spitze Kaninchen und Pferd, deren untere Grenze Rind 
und Ziege, die ganz inagglutinabel sind, einnahmen. Die weitere 
Untersuchung lehrte mich aber eines anderen: denn dieselbe 
Reihenfolge wiederholte sich bei jeder anderen 
Blutart. 

TabeUe I. 

Pferdeblut öVo- 



'/■ 


V, 


V. 


Vg 


V,a 


V., 


Vm 


1/ 
'in 


V„e 


NaCl 


V. 


V. 


V. 


V. 


unv. 


unv. 


unv. 


Spur 


Spur 





> 


> 


> 


f. V. 


> 


> 


Spur 


Spttrch. 








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f. V. 


f.v. 


unv. 


> 


> 


> 











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> 


> 


> 


Spur 


Spur 


> 











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wen. 


Spur 


Spur 


> 


> 














> 


unv. 


» 


> 


















































f.v. 


unv. 


Spur 


Spur 


Spürch. 

















Spur 






























vollständig, unv. = unvollständig. 



244 



Untersuchungen Aber die Hftmagglutination etc. 









Hundeblut 5«/o 


» 








Akt. Sera 


V. 


V. 


V. 


V. 


V.e 


v„ 


Ve4 


1/ 
Im 


NaCl 


Huhn . . 


1 

1 V. 


V. 


V. 


unv. unv. 


wenig 


Spur 


SpOrch. 





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f. V. 


unv. 


unv. 


Spur Spflrch. 














Kind . . 


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> 


> 


> > 














Ziege . . 


1 > 


i 


Spur 

















Kaninchen 


unv. 


Spur 


Spürch. 


, 














Hund . . 


ü 




















Pferd . . 


I unv. Spur 


Spur 

















Hammel . 


> 


» 




















Meerschw. 


































M 


eersch 


weineh 


en 57o. 








Sera inakt. 

m 


Vx 


V. 


V4 


V. 


V.. 


v„ 


NaCl 


Huhn .... 


f. V. 


f. V. 


unv. 


wenig 


Spur 


Spur 





Schwein . 


1 


> 


> 


1 


Spur 


Spürch. 








Rind . . 




> 


9 


> 


wenig 


Spur 


Spürch. 





Ziege . . . 




> 


wenig 


Spur 


Spürch. 











Kaninchen 




Spur 


Spürch. 

















Huud 




unv. 


Spur 

















Pferd . . . 




> 


9 


Spflrch. 














Hammel 




wenig 


> 


> 














Meerschwei 


neben 
























Hammel blnt b^L, 



Sera inakt. 


V, 


V, 


v* 


Vs 


Vi« 


Vm 


NaCl 


Huhn .... 


f. V. 


unv. 


Spur 














Schwein . 








V. 


V. 


unv. 


Spur 


Spürchen 








Rind . . 








unv. 


unv. 


wenig 


> 











Ziege . . 





























Kaninchen 








Spur 


Spur 

















Hund . . 








wenig 


Spürchen 

















Pferd . . . 





























Hammel 





























Meerschwei 


ncl 


lei 


i 














« 1 









Von Ludwig Hirachfeld, cand. med. 



245 



Kaninchenblat 57o- 



•'. 


*/. 


v. 


1' 

'8 


V,« 


1^ 

'81 


Ve4 


V,., 


1/ 


NaCl 


V. 


V. 


V. 


V. 


f. V. 


unv. 


Spur 


Spur 


Spttrcb. 





> 


> 


f. V. 


anv. 


Spur 


Spur 














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» 


V. 


f. V. 


unv. 


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f. V. 


nnv. 


Spur 


» 











































unv. 


Spar 


Spur 


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f. V. 


nnv. 


> 


Spürch. 




















9 


f. V. 


nnv. 


Spur 




















nnv. 


Spur 

































Hühner 


blut 5 


Vo' 








Vx 


V, 


V. 


'/. 


V,« 


v„ 


Ve, 


1/ 

MSR 


NaCl 














1 















unv. 


unv. 


wenig 


Spur 

















V. 


V. 


f. V. 


unv. 


Spur 


SpQrcben 











unv. 


Spur 


Spur 


Spürchen 

















1. V. 


f. V. 


unv. 


Spur 

















Spur 


Spflrchen 























> 


> 























wenig 


Spur 


SpOrchen 




















( 


) 
























Rinder- und Ziegenblut werden spurweise blofs von HQhner- 
flemm agglutiniert, sonst ist bei ihnen keine Spur von Agglutination zu 
beobachten. 



246 



Untersuchungen über die Hämagglutination etc. 



Tabelle U. 

Schweine blut 5^/^. Mit unerhitzten Serie 



Sera inakt. 


i V. '/. 


V4 


Vs 


V,e 


V,. 


V« 


v.« 


V«. 


Huhn . . 
Rind . . 
Pferd . . 


V. 

, unv. 

V. 


V. 

unv. 

f. V. 


V. 

wenig 

> 


V. 

Spur 


unv. 
Spürch. 

> 


unv. 


unv. 


Spur 


Spürch. 


Ziege . . 
Hammel . 
Schwein . 


unv. 

> 

1 


unv. 
wen. 


Spur 
Spur 


> 












Hund . . 
Kaninchen 
Meerschw. 


1 

> > 

1 » 
1 Spur 


unv. 
Spur 


wenig 
Spürch. 


> 















Hundeblut ß«/«. 


Un erhitzte Sera^ 




• 




Vi 


V. 


V. 


Vb 


V.e 


v„ 


'L 


KaCl 


Huhn . . . 


f. V. 


f. V. 


V. 


V. 


unv. 


unv. 


Spur 





Gans . . . 


9 


> 


f. V. 


unv. 


> 


Spur 







Rind 


> 


unv. 


unv. 


> 


Spur 









Pferd . . . 
Ziege . . . 
Hammel . . 
Schwein . . 
Hund . . . 


unv. 

> 

f. V. 

unv. 


Spur 
unv. 

> 

Spur 


Spürchen 
Spur 
wenig 

Spürchen 


Spur 


















Kaninchen 

Meerschwein- 
chen . . . 




e 


Hymoly 
ttwas Häm 


se 
olyse 















Kaninchenblut b^i 


'q. Ünerhitzte Sera: 








V. 


V, 


V. 


v. 


V,« 


V.. 


V« 


1/ 


/f6e 


^aCl 


Huhn . . . , 


1 
:Häm. 


Häm. 


V. 


V. 


V. 


unv. unv. 


Spur 


Spur 





Gans . . . 


f. V. 


f. V. 


f. V. 


f. V. 


unv. unv. > 


unv. 


> 





Rind. . . . 


> 


> 


> 


unv. 


> Spur Spur 









Pferd . . . 


V. 


V. 


> 


f. V. 


wen. 


> 









Ziege . . . 


f. V. 


f. V. 


> 


unv. 


unv. 


> 









Hammel . . 


> 


> 


1 


> 


Spur 


> 









Schwein . . 


V. 


> 


unv. 


wen. 


1 
* 









Hund . . . 


unv. 


unv. 


> 


Spur 


> 1 









Kaninchen 





















Meerschwein- 


1 

















chen . . . 















1 







Von Ludwig Hirgchfeld, cand. med. 



247 



Tabelle TL 

Schweineblut 5°/o. Mit erhitzten Seris. 



'/. 


V. V. 


1/ 

/8 


V.. 


•/., 


V« 


'/,„ NaCl 

1 


V. 

nnv. 


V. 

unv. 


V. 

wenig 


f. V. 

Spur 


unv. 
Spürchen 


unv. 


Spur 


1 

Spürchen 

! 


f. V. 


> 


> 


> 










nnv. 

> 


unv. 

> 


Spur 
Sparchen 


Spürchen 








1 

1 


> 

> 

Spur 


unv. 
Spur 


wenig 
Spürchen 


Spur 

















Hnndeblut 5Vo* Erhitzte Sera: 






v. 


v. 


V4 


V. 


v« 


'/.. ' •/., 


'/.,. 


NaCl 


V. 


V. 


f. V. 


f. V. 


unv. 


Spur 








* 


> 


> 


unv. 


» 


1 

> 1 






f. V. 


f. V. 


unv. 


Spur 


Spürchen 


1 






onv. 


Spur 


Spürchen 












> 


> 


Spur 














> 


> 


> 


» 












> 


> 


> 












Spur 










































Kaninchi 


Bnblut 5°/o. 


Erhitzte Sera: 






Vi 


V, 


V4 


V. 


V,« 


v„ 


V«4 


V,« 


/tS6 


NaCl 


V. 


V. 


V. 


f. V. 


f. V. 


f. v. 


unv. 


unv. 


Spur 




> 


> 


> 


V. 


V. 


> 


> 


Spur 






> 


f. V. 


f. V. 


unv. 


wenig 


Spur 










> 


V. 


V. 


» 


Spur 












f. V. 


f. V. 


unv. 


y 


unv. 


» 










V. 


unv. 


» 


9 


Spur 












1 


f. V. 


> 


wenig 


? 












unv. 


unv. 


> 


Spur 














Spur 





















248 



TJntersnchungen Aber die H&magglutinatioii etc. 







Pfer( 


dehli 


lt. Ünerhitzte Sera: 










1 
V. 


V, 


V. 


Vs 


Vu 


V« 


/M /IM 


V,»6 ^ NaCl 


Huhn . . . 


anv. 


unv. 


unv. 


Spur 


Spur 


Spur 


Spfirch. (etw. Hämolyse) 


Gans . . . 


> 


Spur 


Spur 


» 


(ist etwas Hämolyse aufgetreten) | 


Rind .... 


> 


unv. 


unv. 


unv. 


Spur 


Spur 










Pferd . . . 






















Ziege . . . 


f. V. 


> 


> 


Spur 


> 












Hammel . . 


> 


1 


» 


> 


> 


? 










Schwein . . 


Spur 


Spur 


Spur 
















Hund . . . 


> 


> 


















Kaninchen 




> 


















Meerschwein- 






















chen . . . 


1 






















Meers chweinchenblut b°L. ünerhitste Sera: 





1 

V. 


V, 


V. 


1/ 


Vie 


Vh 


V« 


V«. XaCI 


Huhn . . . 


unv. 


unv. 


wenig 


Spur 


Spur 


Spur- 


(etw. Hämolyse) 


Gans 




* 


Spur 


Spur 






(etwas Hftmolyse) | 


Rind. . 




1 , 
1 


unv. 


> 






> 


(etwas Hämolyse) 


Pferd . 




V. 


f. V. 


unv. 






> 




Ziege 




unv. 


unv. 


Spur 






Spürch. 




Hammel 




Spur 


Spur 


> 






Spur 


> > 


Schwein 




> 


» 


> 






> 


» > 


Hund 




» 


» 


> 






> 


> > 


Kaninchen 










Hämolyse 




Meerschwe 


in. 












i 
1 









Bemerknng: Die eingetretene H&molyse aetate 
Hfihnerblut 6"/,. Ünerhitzte Sera: 



,. V. 



V. 



'U 



7. 



V 



16 



•/ 



<fl 



V, 



64 



V 



IM 



V, 



SM 



Huhn 

Gans 

Rind. 

Pferd 

Ziege 

Hammel 

Schwein 

Hund 

Kaninchen 

Meerschwein. 



Spur 
f. V. 



wen. 
unv. 



unv. 
Spur 



unv. unv. 



Spur 



Spur 



Spürch. 



/ (unreg. 
I Hämol. 



Hämolyse 
f. V. I f. V. unv. I wen. I Spur | 

Hämolyse 



> 

9 







Von Ludwig Hlrschfeld^ cand. med. 



249 



Pferdeblnt. ErhiUte Sera 



V, 


i' 

• 


V4 


1/ 

8 


V,« 


V.. 


Vm 


Vi„ 


NaCi 


f. V. 


unv. 


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wenig 


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SpQrcben 


SpOrchen 







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» 


« 









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> 


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9 


» 









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> 


1 


Spar 


9 


> 









iinv. 


> 


Spar 


> 


Spürchen 











Spur 


Spur 

















» 


> 

















> 


SpQrchen 









































Meersch 


weinchenblut 5 


Vo* Erhitzte Sera: 




V. 


V. 


V« 


V. 


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v„ 


V« 


Vm 


NaCl 


f. V. 


anv. 


anv. 


Spur 


Spur 


Spürchen 


! 

* 





9 


> 


> 


> 


Spürchen 


1 

i 







f 


f. V. 


wenig 


> 


> 











V. 


> 


unv. 


> 


Spur 











nnv. 


anv. 


Spur 


> 













> 


wenig 


» 


Spürchen 













f. V. 


anv. 


> 


> 













Spur 


Spar 


Spttrchen 















> 


> 


> 

















bei unerhitzten Seris den Titer stark herab. 

Hühnerblut 6Vo' Erhitzte Sera: 



V, 


V. 


v* 


Va 


'/.. 


v« 


V.. 


v.„ 


NaCl 


















1 


wenig 


Spur 

















f. V. 


f. V. 


f. v. 


unv. 


wenig 


Spur 


Spürchen 







anv. 


unv. 


Sparen 















wenig 


Spur 


Spürchen 















onv. 


unv. 


unv. 


Spuren 






* 







> 


> 


Spur 















wenig 


Spur 


Spürchen 















Spur 


Spürchen 





1 















250 



Untersachangen über die Hämagglutination etc. 



(Die letzten zwei Tabellen haben durch das Eintreten der Hämolyse an 
Übersichtlichkeit verloren. Hammelblut ergab sehr geringe Agglutination, 
Rind* und Ziegenblut keine. Auf den Unterschied zwischen erhitzten und 
unerhitzten Seris werde ich später einzugehen haben.) 

Wenn ich in einer Tabelle noch alles im Zusammenhang 
fassen kann, indem ich in senkrechter Richtung die Sera, in 
wagrechter die Blutarten schreibe und in dem Kreuzungspunkte 
die letzte Verdünnung, bei welcher noch »Spur« zu sehen ist, 
so ergibt sich folgendes Bild: 



Sera 


Pferd 

1 


Kanin- 
chen 


Schwein 


Huhn 


Hund 


Meer- 
schwein- 
chen 


Ham- 
mel 


Ziege 


Rind 


Huhn . . 


256 


128 


256 


^^ 


64 


32 


4 


1 


1 


Schwein 


64 


32 


— 


8 


8 


8 


8 








Kind . . 


: 64 


32 


8 


16 


8 


8 


8 








Ziege . . 


64 


32 


4 


4 


4 


4 











Kaninchen 


32 


— 


4 


8 


2 


1 


2 








Hammel 


8 


8 


4 


2 


2 


2 










Hund . . 


8 


4 


4 


1 


— 


2 


1 








Pferd . . 


— 


4 


4 


1 


2 


2 











Meerschw. 


1 

r 


2 


1 





















Diese Tabelle bringt die ganze Bedeutung der früheren 
Tabellen zum Vorschein, — denn sie besagt, dafs die Agglu- 
tination der Blutkörperchendurch Normalsera mitge- 
ringen Ausnahmen eine Funktion zweier unabhängiger 
Gröfsen ist: der Agglutinabilität der Blutkörperchen, 
die sämtlichen Seris gegenüber auf gleiche Weise in 
Erscheinung tritt, und der agglutinierenden Kraft 
des Serums, die sich, ebenfalls unabhängig, sämt- 
lichen Blutarten gegenüber gleich offenbart. 

Und da man solche Funktionen, die unabhängig von ihren 
Komponenten in Erscheinung treten, im allgemeinen als additiv 
bezeichnet, so möchte ich der Kürze halber diesen Befund auch 
so formulieren, dafs die Agglutinationshöhe als additive 
Eigenschaft der Serumstärke und der Agglutinabilität 
der Erythrozyten anzusehen ist. 

Dieselbe Reihenfolge der Sera und der Blutarten bekam ich 
auch in zahlreichen anderen Versuchen ; — doch begegneten mir auch 



Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 261 

ab und zu Ausnahmen, z. B. Schweineserum, das sehr sohwach 
war, oder Meerschweinchenblut, das sich äufserst gut agglutinieren 
lieEs etc. — die weitere Untersuchung dieser Abweichung führte 
jedoch zu einer wertvollen Bestätigung der obigen Annahme, denn 
68 zeigte sich, dafs dann das Serum auch allen anderen Blutarten 
gegenüber an St&rke eingebüfst hat, so dafs die Regelmftlsigkeit in 
bezug auf Abstufungen der Agglutininstärke erhalten war. Man . 
könnte die verschiedene Agglutinabilität als Ausdruck der ver-, 
schiedenen Agglutininmengen im Serum auffassen, also an- 
nehmen, dafs z. B. Rind bei sämtlichen Seris keine oder blols 
geringe Rezeptoren findet^ Pferdehlut dagegen viele etc. Zum 
Teil könnte vielleicht die Annahme gestützt werden durch die 
Beobachtung, dafs ein Kaninchenimmunserum, das das Rinder- 
blat noch in Verdünnung 0,01 löste, es nicht zu agglutinieren 
vermag. Man würde also zu der Vorstellung geführt, dafs der 
Mangel an Normalagglutininen die Möglichkeit ausschliefst, 
Immunagglutinine hervorzurufen. Indessen wissen wir seit 
Morgeuroth und Sachs^), dafs die Präexistenz der Normal- 
ambozeptoren im Serum keine notwendige Vorbedingung zur 
Entstehung von Immunambozeptoren ist (»sessile Rezeptoren c). 
£s erschien auch unwahrscheinlich, dafs das Blutkörperchen, das 
mit Serum ja sicher in Wechselbeziehung tritt (wie die Tatsache 
der Normalhämolyse beweist), keine agglutinierenden Rezeptoren 
finden sollte. Wir wissen, mit welch enormer Zahl von Stoffen 
das Serum reagieren kann, und nun sollte es einem so kompli- 
zierten Komplex gegenüber, wie es ein Blutkörperchen ist, ver- 
sagen? Offenbar hängt das nicht mit den Serumagglutinineu zu- 
sammen, deren Zahl und Affinität in diesem Falle gleichgültig 
sind, sondern einzig und allein von der Stabilität der Blut- 
körperchenaufschwemmung. 

Dafs es sich tatsächlich nicht um eine verschiedene Empfindlich- 
keit der Agglutinine der Temperatur gegenüber handelt, wodurch 
bei dem gleichen Prozefs der Inaktivierung (56 ®) die Sera verschieden 
stark beeinfiufst wurden, bewiesen mir Parallelversuche mit un- 
erhitzten Seris. Um Hämolyse zu vermeiden, benutzte ich blofs 

1) Berl. klin. Wochenschr. 1902. 



252 Untersachungen über die Häxnagglutination etc. 

abgekühlte Lösungen und stellte v die Röhrchen gleich in den 
Eisschrank. Im grofsen und ganzen sind die Werte dieselben 
geblieben, auch wenn die Übersicht manchmal gestört ist: die 
Hämolyse, die manchmal auftritt, wirkt der Agglutination ent- 
gegen, ein Verhalten, das bereits von Lüdke^) beobachtet und 
auf Verkürzung der Reaktionszeit sowie stärkere Affizierung der 
angegriffenen Zellen durch vollkommenes Zumausdruckkommen 
des lösenden Agens zurückgeführt wurde. 

Durch diese Beobachtung kann man auch manches erklären, was auf 
Multiplizität der Normalagglutinine und ihre yerschiedene Empfindlichkeit 
der Temperatur gegenüber hinzudeuten schien. Ich greife nur einige Be- 
obachtungen von Lüdke heraus: z. B. soll beim Meerschweinchen das 
Agglutinin durch Erhitzen verschwinden, Meerschweinchenagglutinin wird 
also als empfindlicher angesprochen wie z. B. Pferdeagglutinin. In Wirklich- 
keit handelt es sich blofs um Quantitätsdifferenzen : das kraftlose Meer- 
schweinchenserum wird durch die geringste Abnahme seiner agglutinierenden 
Kraft stark geschädigt, eine Abnahme, die bei dem stärkeren Pferdeserum gar 
nicltt zum Ausdruck kommen kann. Es handelt sich nicht um die Unter- 
schiede in der absoluten Zahl der zerstörten Agglntininmengen, sondern am 
Effekt einer gleichen Abnahme der Agglutinationskraft, — der je nach der 
ursprünglichen Stärke verschieden ausfallen mufs. — Selbstverständlich liegt 
die Möglichkeit der verschiedenen Empfindlichkeit vor: sie ist aber durch 
Lüdkes Experimente nicht im geringsten erwiesen. Oder z. B. Agglutinin 
für Hammelblut soll empfindlich sein. Die Agglutinationsstärke können wir 
blofs in ihrer Funktion erkennen; diese Funktion ist allerdings gehemmt, 
als hauptsächlicher Faktor ist aber die Stabilität der Hammelerythrozyten 
anzusprechen, durch welche die geringste Abnahme der Serumstärke schwerer 
ins Gewicht fällt, wie bei einer gut aggluUnablen Blutart. [Lüdke konnte 
ebenfalls die Beobachtung machen, dafs Rinderblut (weniger Hammelblut) 
sich auch gegen Immunsera sehr refraktär erweisen.] 

Ich möchte erwähnen, dafs die unerhitzten Sera das Rinder- 
blut spürchenweise agglutinieren. Ich kann dem aber nicht die 
Bedeutung beimessen, dafs Agglutinin gegen Rinderblut labiler 
ist wie andere: denn 1. ist die genaue Beobachtung durch 
Hämolyse gestört, 2. auch bei anderen Seris verschieben sich etwas 
die Werte, mal zugunsten, mal zuungunsten der inaktivierten, 
3. für das gleiche Abfallen der Agglntininmengen ist das schlecht 
agglutinable Blut ein viel feineres Reagens, als das gut aggluti- 
nable — ebenso wie an einem schwachen Meerschweinchenserum 

1) a. a. O. 



Von Ludwig Hirachfeld, cand. med. 253 

die Erhitzung scheinbar viel gröfsere Spuren hinterläfst wie an 
einem starken. 

Mit der Agglutinabilität der Blutart bzw. mit der Stärke 
eines Serums verknüpft sich innig ein dritter Faktor: die Zeit. 
Je ausgesprochener die oben erwähnten Eigenschaften sind, um 
so schneller sieht man das Agglutinationsmaximum. Das scheint 
nicht ohne Bedeutung für die Erklärung eines Versuches, den 
mit Immunserum bereits Borde t angestellt hat. Nimmt man 
zwei verschieden agglutinable Blutarten, z. B. Pferd (gut) und 
Huhn (mäfsig), mischt und setzt man dann Serum hinzu, so 
kann man sehr schön mikroskopisch verfolgen, wie die runden 
Pferdeerythrozyten zueinander wandern und blofs miteinander 
verkleben: eine Vermischung findet nicht statt, die Hühner- 
erythrozyten reagieren ebenfalls blofs miteinander. Indessen, 
nach dem froher Gesagten ist das Pferdeblut nicht blofs besser, 
sondern auch schneller agglutinabel — mit anderen Worten ist 
das bei dieser Versuchsanordnung die blofse Wiederholung des 
Malkof fschen^) Absorptionsversuches. Um die Blutkörperchen 
gleichzeitig dem Einflufs des Agglutinins auszusetzen, raufs man 
ungefähr gleich gut agglutinable Blutarten nehmen. In der Tat 
zeigen Huhn (mäfsig) und Meerschweinchen (mäfsig) bei weitem 
nicht die hochgradige Spezifität: wenn auch die Haufen der 
Hauptsache nach von Erythrozyten einer Art gebildet werden, 
so sieht man doch zahlreiche Stellen, wo die ovalen Hühner- 
erythrozyten sich den runden von Meerschweinchen und umge- 
kehrt anlagern. Selbstverständlich läfst dieser Versuch eine 
doppelte Deutung zu — man kann ihn im Sinne eine Rezep- 
torenverwandtschaft interpretieren — es ist aber ebenso möglich, 
dafs er Ausdruck der noch nicht ausgebildeten Spezifität ist, ein 
Verhalten, das gegen die Präexistenz der vielen Normalagglutinine 
sprechen würde. 

Nachdem es sich herausgestellt hat, dafs die verschiedenen 
Blutarten gegenüber sämtlichen Seris dieselbe Skala in bezug auf 
die Agglutinabilität aufweisen, war es nun von gröfstem Interesse, 

1) Deutsche med. WochenBchr. 1900. 

2) Diese BeobachtuDg bezieht sich ausschliefslich auf NormalagglutiniD. 



254 



Untersachangen über die Hämagglotinatioii etc. 



ZU untersuchen, inwieweit dieses Verhalten auch gegenüber 
anderen agglutinierenden Substanzen zum Ausdruck kommt. Aus 
theoretischen Gründen sQbieneu mir die Untersuchungen der 
Phytotoxine, von denen mir das Abrin zur Verfügung stand, ein 
besonderes Interesse zu bieten. Denn bekanntlich wird im Sinne, 
der Ehrlich sehen Seitenkettentheorie die verschiedene Empfind- 
lichkeit der Blutarten gegenüber diesen Blutgiften als ein 
Kriterium für das Vorhandensein spezifischer Rezeptoren ange* 
sehen. In der Tat konnte Sachs^) zeigen, dafs beim Spiunen- 
gift die Empfindlichkeit und das Bindungsvermögen parallel geht. 
Wenn es sich daher herausstellen sollte, dafs die Empfindlich- 
keitsskala gegenüber Abrin identisch ist mit der gegenüber 
Serumagglutininen, so würde dieses Resultat zu dem theoretisch 
wichtigen Schlufs führen, dafs entweder beim Abrin die Bindungs- 
fähigkeit der Blutarten mit der Agglutinabilität in keinem Zu- 
sammenhang steht, oder aber dafs die bindenden Faktoren der 
Blutkörperchen für Serumagglutinine und für Abrin identisch sind. 
Der Versuch ergab nur in der Tat, dafs die Reihenfolge der 
Blutarten fast genau dieselbe geblieben ist wie bei Serumaggluti- 
nation. ^) 

Abrin. 



Blatarten 

1 


1 


V, 


v* 


Vs 


Vf 


v„ 


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Hund .... 


T. 


f. V. 


f. V. 


f. V. 


wen. 


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Sp 


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f. V. 


f. V. 


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unv. 


unv. 


Sp. 





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V. 


f. V. 


unv. 


wen. 


Sp. 








Hohn .... 


f. V. 


unv. 


unv. 


unv. 


Sp. 








Meerschwein 


f. V. 


f. V. 


unv. 


Sp. 


Sp. 








Schwein . . . 


V. 


f. V. 


unv. 


Sp. 











Hammel . . . ! 


Sp. 


SpQrch. 

















Rind .... 


SpQrch. 




















Ziege . , . . 

1 
























Die Kontrolle mit Schweineserum ergibt dieselbe Reihenfolge mit 
einer kleinen Abweichung bei Hundeblut, das bei Serum nicht die Fei- 
ste llung einnimmt. 

1) Hofmeisters Beiträge. 

2) Hell in (Inaug.-Diss. Rostock 1901) hält das Pferde- und Hnndeblnt 
als am meisten gegen Abrin empfindlich. Kaninchen und Rind sollen sich 
mehr refraktär erhalten. Wie gesagt, kann ich das blofs teilweise bestätigen. 



Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 255 

m 

Versuche über die verschiedene Bindungsfähigkeit für Abrin 
habe ich nicht angestellt, da diese Frage mit dem von mir an- 
fänglich gestellten Problem in keinem direkten Zusammenhang 
steht. Sollte sich aber die Bindungsfähigkeit der Agglutina- 
bilität parallel erweisen, so würde das zu Schlüssen von gans 
grofser Tragweite über die Bildung von Antikürpern führen» 
Da die immunisatorisch erzeugten Antikörper streng spezifisch 
und also das Antibrin unmöglich mit dem etwaigen Anti-Serum- 
agglutinin identisch sein könnte, so würde der gemeinsame An* 
griffspunkt des Abrins und Serumagglutinins am Blutkörperchen 
dafür sprechen, dafs das Antitoxin nicht mit dem Rezeptor, 
der nach Ehrlich die Bindung des Toxins vermittelt, identisch 
sein könnte. Ich habe auch einige Versuche angestellt, um 
experimentell zu eruieren, ob in der Tat der Angriffspunkt des 
Abrin und Serumagglutinins am Blutkörperchen gemeinsam ist. 
Ich ging dabei so vor, dafs ich schlecht agglutinierende Sera in 
nicht mehr wirksamer Konzentration auf die Blutkörperchen 
einwirken liefs, die Zwischenflüssigkeit durch Zentrifugieren ent- 
fernte und nun untersuchte, ob die Agglutinabilität gegenüber 
Abrin im Vergleich zu unbehandelten Blutkörperchen herabgesetzt 
ist. Die Resultate dieser Untersuchungen waren nicht so eindeutig, 
dafs ich bei Bedeutung dieser Frage irgend welche Schlüsse 
ziehen könnte. Ich behalte mir deshalb vor, im anderen Zu- 
sammenhang auf dieses Thema zurückzukommen. 

II. Teil. 

Fällung der Blutkörperchen durch Kolloide und Salze. 

Im ersten Teil dieser Arbeit habe ich feststellen können, 
dafs die normale Agglutination der Blutkörperchen als additive 
GröCse der zwei hier wirkenden Komponenten zu betrachten ist, 
d. h. je labiler die Blutkörperchenaufschwemmung, je stärker 
das Serum, um so höher steigt die Agglutination; mit anderen 
Worten: dafs die verschieden starken Agglutinate eines Serums 
mit vielen Blutarten nicht als Beweis einer Vielheit der Aggluti- 
nine in dem betreffenden Serum gelten können. Es war nun von 
besonderem Interesse zu untersuchen, ob die obengenannten Eigen- 

ArchlT fiir Hygiane. Bd. LXIII. 18 



266 Untersuchungen Ober die Hämagglutination etc. 

Schäften beider Komponenten sich nicht physikalisch-chemisch 
fixieren liefsen, ob man also nicht in dem komplizierten biologischen 
Vorgang Momente fände, die ihn der Willkür einer Zufallsaf&nität 
entreifsen könnten. Der Gedanke lag um so näher, als es Bürgi 
gelungen ist, die Parallelität der fällenden Kraft des Serums 
gegenüber Bakterien und Mastix nachzuweisen, womit die Möglich- 
keit vielleicht gegeben ist, die Gesetze, die man in bezug auf 
fällende Kraft gegenüber Kolloiden eruiert hat, auf Serum anzuwen- 
4en. unbekümmert um die angenommene Vielheit der Agglutinine. 
Es dürfte durch die Arbeiten der letzten Jahre wahrschein- 
lich geworden sein, dafs der Agglutinationsvorgang mit den 
Fällungen von Suspensionskolloiden in nahem Zusammenhang 
steht. Da diese von den elektrischen Eigenschaften der kolloi- 
dalen StofEe abhängen, so bestand zunächst die Aufgabe, die 
Art der elektrischen Ladung der Blutkörperchen festzustellen. 
Zu diesem Zwecke untersuchten Landsteiner und Jagic^). 
sowie Henri 2) und seine Schüler die Fällbarkeit der Erythro- 
zyten durch Kolloide und konnten zeigen, dafs im Gegensatz zu 
unorganischen Suspensionen und Bakterien, welche zur Anode 
wandern und daher nur von elektropositiven Kolloiden gefällt 
wurden, die röten Blutkörperchen ein mehr amphoteres Verhalten 
zeigen, d. h. sowohl durch positive wie negative Kolloide ausge- 
flockt werden. Dementsprechend fand auch Hob er bei der 
Kataphorese ein mehr kompliziertes Verhalten. Im allgemeinen 
wandern die roten Blutkörperchen, in Rohrzucker oder Neutral- 
salzen der Alkalien und Erdalkalien aufgeschwemmt, im Potential- 
gefälle zur Anode. Es gelingt aber aufserordentlich leicht, durch 
kleine Mengen von Säure, Kupfer-, Silber-, Eisen- und Aluminium- 
salzen die Richtung der Kataphorese umzukehren. Ja Hob er') 
erzielte dies Resultat sogar bei CO2 gesättigten Blutkörperchen 
schon durch Erhöhung der Salzkonzentration. Offenbar ist dies 
Verhalten auf den amphoteren Charakter der in den Blutkörper- 



1) Müncb. med. Wochenschr. 1904. 

2) Compt. rend. de la soci^t^ de biol. 1904. 

3) PflOgers Archiv 1904. Hob er, Physik. Chemie d. Zelle u. Gewebe. 
II. Auflage. 



Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 257 

eben entbaltenen EiweifskOrper, vielleicht auch des Lezithins, 
zurückzuführen. Über die Fällbarkeit der Erythrozyten durch 
Salzlösungen, welche ja ebenfalls die Kolloide zu charakterisieren 
vermag, liegen systematische Untersuchungen bisher nicht vor. 
Nachdem ich so die Kolloideigenschaften der roten Blutkörperchen 
in grofsen Zügen als bekannt voraussetzen darf, schien es 
nun vor allem von Interesse, zu untersuchen, ob die verschiedenen 
Blutarten, welche den Serumagglutininen und dem Abrin gegenüber 
ein so ungleiches Verhalten an den Tag legten, auch eine ver- 
schiedene Suspensionsstabilität gegenüber Salzen und Kolloiden 
besitzen, und ob etwaige Unterschiede in derselben Richtung 
liegen. Zu einer derartigen Untersuchung ermutigten die schönen 
Versuche von Porges^), welcher einen Parallelgang zwischen der 
Agglutinabilität der Bakterien durch Sera und ihre Fällbarkeit 
durch konzentrierte Lösungen der Alkalisalze feststellte. Ich 
möchte jedoch ausdrücklich bemerken, dafs es vorläufig unbe- 
rechtigt ist, diese Differenzen mit der Spezifität der Immun- 
körperreaktionen in Zusammenhang zu bringen. Wenn verschiedene 
Blutarten durch ein Toxin (z. B. Ricin) ungleich stark agglutiniert 
werden, so sind diese Unterschiede deswegen durchaus keine 
spezifischen. Den Begriff der Spezifität müssen wir auf jene 
Vorgänge beschränken, bei denen Wahlverwandtschaften zwischen 
den reagierenden StofEen eine Rolle spielen, wie es bei den 
Reaktionen zwischen den Antikörpern und ihren Antigenen der 
Fall ist. Solche Vorgänge sind aber gerade dadurch ausge- 
zeichnet, dafs ihr Verlauf nicht durch Eigenschaften bedingt ist, 
die an den Komponenten an sich haften, sondern ihnen nur 
in Wechselbeziehungen aufeinander zukommen. Die vorliegen- 
den Untersuchungen sollen daher nicht die Spezifität der 
Immunitätsreaktionen erklären, sondern im Gegenteil zeigen, in- 
wieweit nicht spezifische Faktoren dabei eine Rolle spielen. 
Landsteiner und Jagic^) entwickeln allerdings Vorstellungen, 
nach denen eine gegenseitige Beeinfiussung von Kolloiden im 
Sinne einer spezifischen Wirkung möglich sein sollte. Diese 

1) Zentralbl. f. Bakt. 1906. 

2) a. a. O. 

18» 



258 ÜntersachuBgen über -die Hämagglatination etc. 

Autoren fassen nach dem Vorgange Billitzers^) die Kolloid* 
teilcben als grofse Komplexe auf, welche Jonen abdissoziieren 
und daher selbst als Jonen betrachtet werden können. Die 
Immunkörper sind nach dieser Vorstellung Kolloide, welche ge- 
mäls ilirem amphoteren Charakter H* und OH«Jonen aussenden 
können. Ein stark saueres Kolloid soll nun vermittelst der 
H'Jonen die Jonisierung eines schwächer saueren Kolloides 
beeinflussen können und damit dessen basischen Charakter 
verstärken. Es dürfte aber wohl schwierig sein, sich auf 
diesem Wege die Entstehung von Kolloidkombinationen vorzu- 
stellen, die in der gleichen ausschlielsiichen Weise miteinander 
reagieren, wie Antikörper und Antigen. 

Die folgenden Untersuchungen sollen zeigen, inwieweit die 
Reibenfolge der Agglutinabilität der verschiedenen Blutarten mit 
ihrem Verhalten gegen Kolloide und Salze in Zusammen- 
hang steht. 

Ich untersuchte die Fällung mit folgenden Kolloiden: 
+ a) Ferrihydrat — a) Arsentrisulfid 

b) Chromhydroxyd b) Molybdänsäure 

c) Kieselsäure. 

Chromhydroxyd, Molybdänsäure, Kieselsäure wurden in 
salzfreiem und salzhaltigem Medium untersucht; Ferrihydrat und 
Arsentrisulfid blofs in salzfreiem. Wie das speziell von Land- 
steiner und Jagic^), Henri^), beim Blut beobachtet worden 
ist, sind positive und negative Kolloide wirksam. (S.Tab. S. 259.) 

Tab. I. Ergebnis: 

1. Kieselsäure fällt in salzhaltigem Medium sämtliche Blut» 
körperchen aus (s. Landsteiner und Jagic). 

2. Zwischen der Agglutinabilität der Blutkörperchen durch 
Kieselsäure bestehen keine nennenswerten Unterschiede. 

Beim Kaninchen finden wir eine geringe Hämolyse. Eis 
kann sich selbstverständlich nicht um irgendwelche osmotischen 



1) Zeitschr. f. physik. Chemie 1903. 

2) a. d) 8. o. 



Von Ludwig Hirachfeld, cand. med. 



259 



Tabelle 


I. KfeselsSiire. 


Blut 1 


in 0,85° EochBalz 


suspendiert. 


niut 5 % von 

1 


' V. 

1 


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V. 


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V.. 


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> 24 » 


Kaninchen . 


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» 1 » 
> 24 > 


Schwein . . 


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StöruDgen bandeln : das Blut befindet sieb in isotoniscber Kocb- 
Salzlösung, und die zugesetzte bocbmolekulare Kolloidlösung kann 
das unmöglich stark beeinflussen. Anderseits als AngrifEspunkt 
dient ja die Plasmabaut der Blutkörperchen — und irgendwelche 
tiefere Zerstörung im Innern der Blutkörperchen sind ausge- 
schlossen. Es handelt sich wohl um eine geringe Herabsetzung 
der Widerstandsfähigkeit des Blutkörperchens, wie das bereits 
Landsteiner und Jagic^) bei Kolloidblutfällung beobachtet 
und in diesem Sinne gedeutet haben, eine Herabsetzung, die auch 
nach Ehrlich^) beim Ricin stattfindet, wobei das Blutkörperchen 
bei nachträglichen kleinen Schädigungen, wie Aufschütteln (beim 
Protokollieren I) etwas Hämoglobin durchläfst. Die Tatsache, dafs 
beim Protokollieren nach einer Stunde noch keine Hämolyse und 
erst na.ch 24 Stunden eine solche deutlich zu sehen war, 
scheint mir eine Bestätigung der oben entwickelten Anschauung. 

1) Etwas Hämolyse. 

2) S. o. 

8) Gesammelte Arbeiten über Immnnitätsforschung, herausgegeben von 
Paul Ehrlich. 



260 



üntersachungeii über die Hämagglatination etc. 



Die Reaktionsgeschwindigkeit ist sehr grofs: nach einigen 
Minuten ist die Fällung zum Stillstand gekommen. Wie man 
aus den Protokollen nach 24 Stunden ersieht, ist die Fällung 
blols um eine Kleinigkeit gestiegen. (Eine geringe Ausnahme 
scheint Meerschweinchen zu sein.) 

Tabelle II. Molybdttnsftnre. 

(BlutkörpercheDaufschwemmuDg und VerdünnoDgeflüssigkeit — 0,85° NaCI.) 





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Tab. II. Ergebnis: 

a) Molybdänsäure fällt in salzhaltiger Lösung alle Blutkörper- 
chen (s. auch Landsteiner u. Jagic). 

b) Es lassen sich dabei keine nennenswerten Unterschiede 
unter den Blutkörperchen beobachten. 

c) Die Fällung geht sehr schnell vor sich (auch hier macht 
Meerschweinchen durch etwas längere Reaktionsdauer eine leichte 
Ausnahme). 

Wie bei Kieselsäure, sind auch hier geringe Abweichungen 
vorhanden, z. B. Rind und Kaninchen etwas besser agglutinabel 
wie die übrigen Blutkörperchen. Inwieweit das auf die Sus- 
pensionsdichte zurückzuführen ist — oder als im Rahmen des 
Versuchsfehlers noch liegend zu betrachten ist — werde ich später 
auseinanderzusetzen haben. 



Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 



261 



Tabelle III. Chromhydroxyd. 
(Aufschwemmungs- und VerdünnungsflÜBsigkeit — 0,85^ Na Gl.) 



5% Blut von : 


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Tab. III. Ergebnis: 

a) Chromhydroxyd fällt in salzhaltiger Lösung alle Blut- 
körperchen. 

b) In bezug auf die Agglutinationshöhe sind zwischen den 
Blutkörperchen keine nennenswerten Unterschiede vorhanden. 
Was die Stftrke der Agglutinaten anbelangt, so scheinen kleine 
Unterschiede zu bestehen. 

c) Die Reaktionsgeschwindigkeit ist sehr grofs. 

Gleichzeitig mit der Kolloidfällung unternommene Kontrolle 
mit Serum und Abrin ergab die Reihenfolge: Kaninchen, Hund, 
Schwein, Meerschweinchen, Pferd, Hammel, Ziege, Rind. 

Die systematische Durcharbeitung der oben erwähnten Blut- 
arten in einer salzfreien Lösung stöfst auf die Schwierigkeit: 
dals nämlich manche Blutarten unter Einwirkung von Rohr- 
zucker ausfallen. Dafs die Nonelektrolyte au und für sich 
fällen können, ist bekannt — es handelt sich meistens um Ent- 
ziehung vom Lösungsmittel — , doch ist diese Frage keineswegs 
gelöst, und es kommen auch sicherlich andere Momente in Be- 



262 



Untersuchungen über die HämagglutinaUon etc. 



tracbt. Nach Billitzer^) kann die Potentialdifferenz des kolloi- 
dalen Platins gegen Wasser durch Alkoholzusatz geändert werden). 
Auch an Veränderung des spezifischen Gewichtes des Suspen- 
sionsmittels im Vergleich zu dem des Kolloids, an Verkleine- 
rung der Viskosität, die den Gravitationskräften gröfseren Spiel- 
raum gibt, gelegentlich auch an die Bildung chemischer Verbin- 
dungen ist zu denken. 

Bei der Fällung dachte ich zuerst, ob nicht vielleicht das 
Präparat mit kleinen Spuren von Säuren verunreinigt ist, aber 
auch nach der sorgfältigsten Neutralisierung blieb die fällende 
Kraft erhalten. So mufsten aus der Untersuchung das Rinder- 
blut und Pferdeblut ausfallen. Einmal konnte ich Fällung mit 
Meerschweinchenblut beobachten, was um so merkwürdiger ist, 
da Meerschweinchenblut sich sonst im Rohrzucker gut auf- 
schwemmen läfst. Es war das insofern für meine Zwecke gleich- 
gültig, als die anderen Repräsentanten der gut und schlecht 
agglutinablen Blutarten, nämlich Kaninchen und Ziege, sich auf- 
schwemmen liefsen, so dafs etwaige DifEerenzen zum Vorschein 

kommen mufsten. 

T a b e 1 1 e IV. Ferrlhydrat. 

(Aufscbwemniungs- und Verdünnungsflüssigkeit — 10^/<y Bohrzucker). 





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1) Ziitachr. f. physik. Cliemie 1903. 



Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 



263 



Tab. IV. Ergebnis: 

a) Ferrihydrat fällt alle untersuchten Blutarten (s. Land* 
stelner und Jagic, Henri). 

b) Es lassen sich keine nennenswerten Unterschiede finden. 
Dem Unterschied zwischen Huhn und Meerschweinchen, der aller- 
dings ein gröfserer ist, glaube ich, kann man keine Bedeutung 
beimessen wegen der unkontrollierbaren Beziehungen vou Meer- 
schweinchenblutkörperchen, die, wie erwähnt, manchmal aus- 
fallen, zum Suspensionsmittel. Wahrscheinlich eine Oberflächen- 
veränderung, nicht stark gOnug, um, wie in anderem Falle, Fäl- 
lung zu bewirken, verändert hier die Bedingungen zuungunsten 
der Fällung. Sonst stehen die Hühner- und Meerschweinchen- 
erythrozyten nahe zueinander. Sonst ergeben die anderen Blut- 
arten und, was das Wichtigste ist, die beiden Pole — Ziege und 
Kaninchen — beinahe identische Werte. 

c) Bei verschiedenen Blutarten lassen sich Hemmungszonen 
von verschiedener Breite beobachten. Ob die Breite der Hem- 
mungszone mit der Aufschwemmungsdichte zusammenhängt, ist 
zweifelhaft: denn z. B. Schweineblut, das in bezug auf Suspen- 
sioBsdichte in erster Linie steht, nimmt eine mittlere Stellung ein. 



T a b e 1 1 e y. Chromhydroxyd. 



Arsentrisalfld. (Aufschwemmungs- 
u. VerdünnungsflüBsigkeit 10 ^/o Rohrz. 





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264 Untersach ungen über die Hämagglutination etc. 

d) Die Reaktionsgeschwindigkeit ist sehr grofs. In den Ver- 
dünnungen ^/s und ^liß erscheint die Fällung beinahe sofort, bei 
den anderen Verdünnungen etwas später (FäUungsoptim'um). 

Tab. V. Ergebnis: 

a) Das positive Chromhydroxyd wie negatives Arsentrisulfid 
fällen in salzfreiem Medium sämtliche untersuchten Blutarten. 

b) Es lassen sich in bezug auf die Höhe der Agglutination 
zwischen den verschiedenen Blutkörperchen keine nennenswerten 
Unterschiede konstatieren. 

Das Verhalten des Chromhydroxyds gegen Blut weicht inso- 
fern von Chromhydroxyd-EiweifsfäUung ab, als es durch den 
Salzzusatz nicht nennenswert verändert wird. Beim Eiweifs findet 
sich ein Heraufrücken der Fällungszone bei steigendem Salzzusatz 
(Friedemann)^). 

Bei Kieselsäure und Molybdänsäure habe ich in salzfreier 
Lösung keine Wirkung erzielen können (mit Übereinstimmung von 
Landsteiner und Jagic, s. o.) Wenn man kieselsaure Eiweifs- 
fäUung hier zur Parallele nimmt, so mufs man in Betracht ziehen, 
dafs die Mengen von Eiweifs von grofser Bedeutung sind (Friede- 
mann) ^) in dem Sinne, dafs eine Verschiebung der Fällung bzw. 
Hemmungszone bei Salzzusatz auftritt, die von der angewandten 
Eiweifskonzentration abhängig sind. Ich lasse deshalb noch 
dahingestellt, ob man nicht durch Varieren der Dichte der Blut- 
körperchenaufschwemmung Mengenverhältnisse schaffen könnte, 
bei welchen auch Kieselsäure und Molybdänsäure auf Blut ein- 
zuwirken imstande wären. Bei Innehaltung derselben Mengen- 
verhältnisse findet man aber keine nennenswerte Agglutination 
— abgesehen von Spürchen in ersten Röhrchen. 

Wie man aus den Protokollen ersieht, besteht, abgesehen 
von kleinen Abweichungen, wie Chromhydroxyd, vielleicht Kiesel- 
säure und Molybdänsäure, zwischen Eiweifs- und Blutkörperchen- 
fällung starke Analogie. 

Was aber für meine Zwecke am wichtigsten ist : die Kolloide 
bringen Unterschiede in der Agglutinabilität der Blutkörperchen 

1) Archiv f. Hygiene 1906. 



Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 265 

nicht zum Ausdruck. Und da nach früheren Auseinander- 
setzungen sich — theoretisch wenigstens — von einer fällenden 
Kraft des Serums reden läfst und man sie einer einheitlichen 
Betrachtung unterziehen kann, so folgt daraus, dafs das normale 
Agglutinin nicht wie ein unorganisches Kolloid wirken kann. Es 
ist das von prinzipieller Bedeutung : denn, wie ich das noch aus- 
einanderseUen werde, teilen dies die Kolloide mit Schwermetall- 
salzen von niedriger Entladungsspannung, wälirend umgekehrt die 
Salze mit hoher Entladungsspannung, soweit sie wirksam sind, 
die gröfsten Differenzen zum Vorschein bringen. 

Zur Untersuchung gelangen folgende Salze: (NH4)2, SO4, 
BaCl2. MgCLj, CaCla, FeCls, Fe^tNOg)^ Al2(N08)6, Zn(N08)2, 
Pb(N03)2, Cu(N08)2, Od(N03)2, Ni(N0s)2. Hg(N03)2HgCl2, AgNOs. 
Untersucht wurde, soweit es ging, in physiologischer Kochsalz- 
lösung; wo die Reaktion zwischen den beiden Salzen störend 
wurde, ist 10% ^o^^^cker zur Verwendung gekommen. Es war 
allerdings -^ nach Untersuchungen von Pauli ^) bei EiweifsfäUung 
- eine geringe Hemmung zu erwarten - indessen nimmt das 
NaJon in bezug auf die hemmende Kraft die letzte Stellung ein 
mach Pauli)^). Es handelte sich bei meinen Untersuchungen um 
Unterschiede bei verschiedenen Blutarten, so dafs die gleiche 
Hemmung von selten des Na-Jones die Differenzen kaum beträcht- 
lich verwischen konnte. 

Es sei vorweg gesagt, dafs ich mit (NH4) SO4, Ba CI2, Mg CI2, 
CaCl2 keine Fällung erzielen konnte, wie das bereits bei Bakterien 
vonNeifser und Friedemann^) sowie Bechhold*)in breitem 
Umfange nachgewiesen worden ist. Es kamen hier allerdings 
Konzentrationen in Verwendung, die noch nicht EiweifsfäUung 
erzielen konnten (Porges), und mit konzentrierten Lösungen 
gelang es Porges^), die Fällung zu bewirken. Bei den Blut- 
körperchen ist allerdings in der Empfindlichkeit derselben für 
allzu grofsen osmotischen Differenzen der Aufschwemmungs- 

1) Hofmeisters Beiträge 1906. 

2) Münch. med. Wochenschr. 1904. 

3) Zeitschr. f. physik. Chemie 1904. 

4) Zentralbl. f. Bakt. 1906. 



266 ünterBUohangen über die Hämagglutination etc. 

äüssigkeit eiue Schranke gesetzt — ich konnte jedoch sogar mit 
2 — 3 normaler Lösung keine Fällung erzielen. Konzentrierte 
NH4 S04-Lösung fällt oft aus und reifst die Blutkörperchen mit 
sich. Dafs wohl blofs mechanische Momente in Betracht kommen, 
beweisen die sich dabei bildenden Kristalle. 

Die Schwermetallsalze fällen dagegen die Blutkörperchen, 
und es sei mir gestattet, auf sie genauer einzugehen. 

(Siehe TabeUen anf S. 267 u, 268.) 

Ergebnis : 

a) Die dreiwertigen Schwermetallsalze: Fe2(N0s) und AlalNOs)^ 
fällen sämtliche untersuchten Blutarten. 

b) In bezug auf die Agglutinabilität der Blutkörperchen 
lassen sich keine nennenswerten Unterschiede konstatieren. 

Es ist dies Verbalten mit der enormen Stärke der dreiwertigen 
Salze zu erklären, die die Unterschiede in der Agglutinabilität 
der Blutkörperchen verwischt. Wie ich später auseinandersetzen 
werde, ist für das Hervorrufen der DifEerenzen bzw. Stärke der 
Fällung die Entladungsspannung mafsgebend: s. z. B. die ein- 
wertigen Neutralsalze fällen nicht, das einwertige Silber fällt 
sehr stark. Wo wir aber mit Jonen zu tun haben, die grofse 
Mengen Elektrizität mit sich führen, dort kommt der zweite 
Faktor (die Entladungsspannuug) nicht zum Ausdruck. 

Wie man aus den Protokollen ersieht, findet sich bei sämt- 
lichen Reihen ungefähr in der Mitte eine Zone, wo nicht die Agglu- 
tination, sondern mehr oder weniger ausgesprochene Hämolyse 
auftritt. 

Die Hämolyse kann auf dem Bestehen einer osmotischen 
Druckdifferenz beruhen, die sich allein durch Wasserbewegung, 
entgegen dem Konzentrationsgefälle der gelösten Stoffe, ausgleicht 
— die Bewegung der gelösten Stoffe in das Protoplasmainuere 
zwecks Ausgleichung der osmotischen Druckdifferenz ist ausge- 
schlossen, da die Blutkörperchen normaliter jonenundurchlässig 
sind. Je steiler das Konzentrationsgefälle, um so eher mufs die 
Hämolyse auftreten. Indessen bei konzentrierteren Lösungen 
bleibt die Hämolyse aus, ja, ihre Beziehung zu der mittleren 
Hemmungszone (wie z. B. bei Hammel) findet man nach einer 



Von Ludwig Hinchfeld, cand. med. 



267 



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Üntersnchungen über die Hämagglutination etc. 



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Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 269 

Stunde noch 0, nach 24 Stunden voUstftndige llämolyse) ist un- 
verkennbar. Die Unregelmäfsigkeit mit dreiwertigen Salzen haben 
bei Suspensionen bereits Bechbold, Neifser und Friede- 
mann ^) gesehen und sie als hemmende Funktion der kolloi- 
dalen Hydroxyde aufgefafst. Ob die Hämolyse in Analogie mit 
der geringen Hämolyse zu bringen ist, die Landsteiner und 
Jagic bei der Kolloidfällung manchmal gesehen haben, und die 
auch bei mir vorhanden ist, ist zweifelhaft. Dort handelt es 
sich wahrscheinlich um Herabsetzung der Widerstandsfähigkeit 
des Erythrozyten durch Veränderung seiner Plasmahaut, hier, nach 
der von Neifser und Friedemann entwickelten Vorstellung 
wird das eine Kolloid durch das Schutzkolloid gewissermafsen 
umhüllt. Auch die vollständige Hämolyse ähnelt nicht der leicht 
roten Verfärbung bei Kolloid-Blutfällung. Es handelt sich um 
eigenartige Veränderung der Blutkörperchen in der Hemmungs- 
zone, deren Ursache und Wesen ich als ungelöst bezeichnen mufs. 
Erwähnen möchte ich nur, dafs Henri und Girard^) Mangin 
in den Hemmungszonen, bei Immunseris ebenfalls eine Hämo- 
lyse beobachten konnte. In bezug auf die Breiten der Hemmuugs- 
Zonen kann ich, wie bei Kolloiden, keine Parallelität mit den Auf- 
schwemmungsdichten konstatieren. 

(Siehe Tabelle auf S. 270.) 

Tab. Vm. Ergebnis: 

a) Kupfernitrat fällt alle untersuchten Blutarten. Die Reak- 
tionsgeschwindigkeit ist sehr grofs. 

b) In der Agglutinabilität der Blutkörperchen lassen sich 
gewisse Unterschiede konstatieren. Die Reihenfolge der Blut- 
körperchen in bezug auf die Agglutinabilität lautet (nach 1 Stunde): 

Huhn V160000 norm. 



Kaninchen Vsoooo 

Hund V40000 



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» 



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Ziege Vo 

Pferd V20000 * 

Meerschweinchen . . V20000 ^ 

Schwein Vioooo » 

Rind V2560 ^ 

Hammel V1280 

1) 8. o. 2) a. a. 0. 



270 



Untersuchangen Qfoer die Hämagglatination etc. 



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Von Ludwig Hirscfafeld, cand. med. 



271 



Die Reihenfolge stimmt blofs zum Teil mit der bei Serum- 
fällung überein. Rind und Hammel nehmen auch hier eine 
niedrige Stellung ein, Ziege wird aber abnorm hoch agglutiniert. 
(Die Agglutination macht oft einer allmählichen Hämolyse Platz, 
s. 0.) Was die Huhnerythrozy ten anbelangt, so ist das eine regel- 
mäfsige Erscheinung: sie werden von sämtlichen Salzen (Blei 
ausgenommen) hoch agglutiniert. Bei anderen verschiebt sich 
oft die Reihenfolge, wobei die Entladungsspannung eine gewisse 
Rolle zu spielen scheint. So werden z. B. Hammelerythrozyten 
stets von Pb, Ni, Cd sehr gut agglutiniert, während bei Cu (s. nie- 
drige Entladungsspannung) und Zink (s. hohe Entladungsspannung) 
sie unten stehen. 







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Tab. IX. Ergebnis: In bezug auf die Agglutinabilität der 
Blutkörperchen bildet sich folgende Reihenfolge: 

Hund V2660 

Schwein V2660 

Hammel V2660 

Archiv für Hygiene, Bd. LXIU. ^^ 



272 



Üntersnchungen über die Hämagglutination etc. 



Pferd Vi2«) 

Kaninchen ^/i28o 

Rind ....... ^/64o 

Huhn Vsao 

Meerschweinchen . . . ^j^^ 
Ziege ^/i6o. 

Die Differenzen zwischen den Blutkörperchen stimmen nicht 
mit denen zusammen, die Kupfer aufweist: so haben z. B. die 
Hühner in Hammelerythrozyten ihre Stellung vertauscht, indem 
jetzt Hammel an der Spitze steht. An und für sich aber sind 
die Differenzen in der Agglutinabilität unverkennbar. Die Hämo- 
lyse, wenn auch unregelmäfsig, greift auch hier Platz; worauf 
sie zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu sagen. 







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Ziege . . 


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Rind . . 










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Tab. X. Ergebnis. Es bildet sieb folgende Reihenfolge: 

Pferd V512 

Kaninchen ^/256 

Hammel V128 

Huhn Vi28 

Schwein ^le 

Meerschweinchen . • . V2 

Hund V2 

Ziege V2 

Rind 0. 

Das angegebene Protokoll ist erst nach 24 Stunden aufge- 
nommen. Nach einer, sogar nach 2 Stunden ist, abgesehen von 



Von Ludwig Hinchfeld, cand. med. 



273 



Hammel und Pferd, und Meerschweinchen, das Spürchen auf- 
weist, noch nichts zu sehen. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist 
also äuTserst träge. Bemerkenswert ist, dafs Rind nicht zu aggluti- 
nieren ist, Ziege äufserst wenig. Pferd und Kaninchen, wie beim 
Serum, stehen an der Spitze. 

Tabelle XL /?(N0,), Cd (NO,), norm. 



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Tab. 


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XI. Ergebnis: 




Huhn ^266 norm. 




Pferd V« + + ' 




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Hund ^/32 

Meerschweinchen . . • % 

Rind V2 

Die Reaktionsgeschwindigkeit ist bedeutend gröiser als beim 

Nickel, jedoch bei weitem nicht so grofs wie bei Kolloiden und 

Salzen mit niedriger Entladungsspannung. Rind nimmt die letzte 

Stellung ein, Ziege rückt aber etwas nach oben. Hammel, wie 

ich bei Cu bereits erwähnt habe, zeigt sehr hohe Werte. 

19* 



274 



Üntersnchangen über die Hämagglutination etc. 









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1 




1 

1 



Ergebnis : 

a) Zink fällt sämtliche Blutarten. 

b) Es zeigen sich in der Agglutinabilität der Blutkörperchen 
Unterschiede, die mit denen bei Serum- und Abrinfällung fast 
identisch sind. 

AbriD. 



Reihenfolge: 


V. 


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Kaninchen V10140 norm. 


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Hammel V64o 


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Spch. 










Ziege V.20 


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Rind 


Spch. 


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1 

1 





Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 275 

Die Übereinstimmung der beiden Werte, sowie der kolossale 
Unterschied bei Zinkfällung, wo Kaninchen mit Vioooo norm, noch 
gefällt wird, während für Rind ^lo sich als zu schwach erweist, 
ist eklatant. Speziell auf die Zinkfällung werde ich unten noch 
zurückzukommen haben. 

Meine Protokolle mit Ag NO3 werde ich nicht angeben : die 
Versuche mufsten mit Rohrzucker gemacht werden, so dafs sie 
mit den übrigen Protokollen schlechthin nicht vergleichbar sind. 
Ich will blofs erwähnen; da[s zwischen den Blutkörperchen keine 
nennenswerten Unterschiede zu verzeichnen waren. 

Sehr interessant waren dafür die Versuche mit Quecksilber. 
Ich habe zuerst mit HgCl2 gearbeitet, — und keine Spur von 
Agglutination, dafür reichliche Hämolyse bekommen. Es war 
das um so befremdender, als Hg Metall mit niedriger Entladungs- 
spannung ist — und nach später zu besprechenden Regeln sind 
niedrige Entladungsspannung und fällende Kraft als reziproke 
Werte zu betrachten. Man weifs, dafs die Ionen in den Lösungs- 
mittein Äther und Fett nicht nebeneinander existenzfähig sind 
— und wenn sich ein Elektrolyt in ihnen auflöst, so lösen 
sich die undissoziierten Moleküle, und nicht die Ionen. Darum 
ist auch das negative Resultat mit Hg Cl.^ verständlich : Sublimat 
dringt, wie Pfeffer^) zuerst hervorhob, in das noch lebende 
Propoplasma ein, es ist fettlöslich — und dabei äufserst schwach 
dissoziiert. Einmal in das Blutkörperchen gelangt, kann es seine 
zerstörende Kraft entwickeln. Es war zu erwarten, dafs andere 
lipoidunlösliche, Quecksilbersalze, die also blofs die Plasmahaut 
anzugreifen imstande sind, sich anders verhalten werden. 

In der Tat ist Hg (N03)2 im Gegensatz zu Sublimat stark wirk- 
sam. Ich gebe die Protokolle nicht an, weil ich dabei nicht 
mit normalen Lösungen gearbeitet habe (bekanntlich fallen 
basische Salze aus, so dafs man sich keine normale Lösung her- 
stellen kann. — Ich will erwähnen, dafs, wie bei Ag, die Unter- 
schiede in der Agglutinabilität der Blutkörperchen gering waren). — 
Damit ist der starke Einflufs der Dissoziation und der Lipoid- 

1) Osmotische Untersuchungen 1877. Vgl. auch Landsteiner und 
Ei Bier. Zentralhl. f. Bakt. 1905. 



276 Untersuchungen über die Hämagglutination etc. 

löslichkeit für das Phänomen der Blutfällung festgestellt. Er- 
wähnen möchte ich nur, dafs Neifser und Friedemann^) bei 
Mastix die Unwirksamkeit von HgCl2 ebenfalls gesehen haben. 

Um den Einflufs des Anions zu studieren, nahm ich folgende 
Salze vor: Zn, SO4, Zn Ja, ZnBra, ZnClg, Zn {GR^COO)^, ZnCNOgjj. 
Bei sämtlichen Salzen bekam ich dieselben Fällungswerte. Eine 
kleine Ausnahme bildete das Azetat, insofern als bei derselben 
Agglutinationshöhe das Agglutinat schwächer war wie bei anderen 
Salzen. Man wird wohl nicht fehlgehen, dies der geringeren 
Dissoziation zuzuschreiben. 

Da Untersuchungen über die Schwermetallfällung mit Blut 
meines Wissens im breiteren Umfange nicht vorliegen, so sei es 
mir gestattet, auf meine Protokolle im allgemeinen einzugehen. 

Es ergeben sich hier folgende Momente: 

1. Die Ausflockung der Erythrozyten durch die Salze der 
Schwermetalle ist lediglich abhängig von den Eigenschaften des 
Kations, unabhängig von denen des Anions. 

2. Die Fällungskraft der Kationen steigt mit ihrer Wertig- 
keit. Damit ist der enorme Einflufs von AI und Fe erklärt. 

3. Die Kationen fällen im allgemeinen um so stärker, je 
niedriger ihre Entladungsspannung ist. In der Tat wirkt Cu bei 
mir am stärksten, dann folgt Pb, Ni, Cd — eine Reihenfolge, die 
der der Entladungsspannung entspricht. (Ab egg und' B Öd- 
länder.) Die einzige Ausnahme macht bei mir Zink, das trotz 
der höchsten Entladungsspannung sehr stark wirksam ist. Ich 
möchte erwähnen, dafs bei sämtlichen Versuchen über den Ein- 
flufs von Schwermetallen auf Kolloide oder auf vitale Vorgänge 
Zink und zum Teil Kadmium durch ihre abnorm hohen Werte 
ausgezeichnet sind. Man ist geneigt, die starke Wirkung von 
Zink seiner starken Hydrolyse zuzuschreiben. Ich mufs das auf 
Grund meiner Experimente bezweifeln. Wie ich gezeigt habe, 
bringen die Kolloide keine Differenzen in der AgglutinabiUtät 
der Blutkörperchen zum Vorschein — und bei Zink sehen wir 
gerade die Unterschiede am schönsten ausgeprägt. Auf die ver- 

1) 8. 0. 



Von Ladwig Hirschfeld, cand. med. 277 

mutliche Ursache dieser Erscheinung komme ich später zu 
sprechen. 

4. Die Fällung hängt auch ah von der elektrolytischen Dis- 
soziation des Elektrolyten. Als Beispiel möge HgCls, vielleicht 
auch Zn(CH8 000)2 dienen. 

5. Die Eythrozyten werden durch ein- und zweiwertige Salze 
der AlkaUen und Erdalkalien nicht ausgeflockt. 

Wenn man die oben formulierten Gesetze init denen ver- 
gleicht, die Bechhold, Neifser und Friedemann für die 
Fällung von Bakterien und Suspensionen aufgestellt haben, so 
liegt die volle Identität auf der Hand. Und wenn sich vielleicht 
kleine Unterschiede werden finden können, die möglicherweise 
mit dem hohen Gehalte der Bakterien an Nukleinstoffen zu- 
sammenhängen, so steht der systematischen Betrachtung der 
Blutkörperchen als Suspensionen von höherer Stabilität (durch 
die stabilen Eiweifsstoffe, die sie enthalten) nichts im Wege. 

Die Eigentümlichkeiten der EiweifsfäUung kommen auch bei 
der Blutfällung zum Ausdruck. So zeigen die Blutkörperchen die 
Stabilität der Eisweilslösungen : sie werden von Salzen mit hoher 
Entladungsspannung — in geringeren Konzentrationen nicht aus- 
geflockt, gegen Schwermetallsalze erweisen sie sich dagegen sehr 
empfindlich. So wird die Eataphorese der Blutkörperchen, wie 
die des Eiweifses, von der Reaktion des Lösungsmittels stark be- 
einflufst, — ja, die von Höber^) ermittelte Sonderstellung von 
Zink und Kadmium, die je nach der zugesetzten Menge auf die 
Blutkörperchen positivierend oder negativierend wirken, hängt 
möglicherweise mit den von Pauli^) bei Ei weifs - Zinkfällung 
nachgewiesenen zwei Fällungsmaxima, wobei, nach der elektrischen 
Theorie der Fällung — die Umkehrung der Kataphorese zu 
erwarten ist. 

Nachdem die allgemeinen Bedingungen der Blutkörperchen- 
fällung besprochen sind , möchte ich speziell auf meine Befunde 
unter dem Gesichtspunkte^ eingehen, den ich im ersten Teil der 
Arbeit berührt habe: nämlich, ob sich die Reihenfolge in der 

1) Physik. Chemie der Zelle u. Gewebe. 

2) Hofmeisters Beiträge 1906. 



278 Untersnchangen über die Hämagglatination etc. 

Agglutinabilität der Erythrozyten auch in ihren Beziehungen zu 
Salzen und Kolloiden wiederfindet, ob sich also die BlutkOrperchen- 
fäUung durch das Serum als ein spezielles Problem der Kolloid- 
forschung herausstellen und in ihr sich auflösen wird. 

Wollen wir uns noch einmal vergegenwärtigen: die Fällung 
mit den unorgan. Kolloiden hat keine Differenz in der 
Agglutinabilität ergeben, ebenso mit den dreiwertigen 
Salzen. Von den anderen Salzen bringen die mit nied- 
riger Entladungsspannung geringe Unterschiede zum 
Ausdruck, auch nicht in derselben Reihenfolge, wie 
Abrin und Serum; je mehr wir aufwärts zu den Salzen 
mit hoher Entladungsspannung kommen, um so grOfser 
die Differenzen und, was das wichtigste ist, umso ähn- 
licher der Serumfällung gestaltet sich die Reihenfolge 
der Erythrozyten. Bei Zink endlich, das in bezug auf 
Haftintensität von den Schwermetallsalzen die höchste 
Stellung annimmt, fällt die Reihenfolge mit der von 
Serum beinahe zusammen. Ich möchte dies ganz besonders 
hervorheben : denn Zink fällt sehr stark — und trotzdem bringt 
es die Unterschiede zum Ausdruck. Ich erblicke hierin einen Be- 
weis, dafs, um eine mit Serum identische Reihenfolge 
in der Agglutinabilität der Blutarten hervorzurufen» 
die hohe Entladungsspannung, — und nicht die absolute Fällungs- 
stärke — mafsgebend ist. 

Wenn auch Porges bereits bei den Bakterien Unterschiede 
bei der Fällung mit Alkalien und Erdalkalien gefunden hat, so 
dürfte es doch eine höchst unerwartete Tatsache sein, dafs die 
morphologisch und chemisch scheinbar so gleich gebauten Ery- 
throzyten der Säuger physikalisch-chemisch so enorme Unterschiede 
aufweisen. 

Theoretischer Teil. 

Wir wollen nun sehen, ob die gefundenen Gesetzmäfsigkeiten 
sich auf begründete physikalisch-chemische Tatsachen zurück- 
führen lassen und in ihnen eine Erklärung finden. Dabei müssen 
wir von der wohlberechtigten Vorstellimg ausgehen, dafs die 
Blutkörperchen Teilchen darstellen, welche elektrische Ladungen 



Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 279 

tragen und diese mit einer gewissen Kraft festhalten, welche der 
Haftintensität der Ionen analog ist. Da nun bei der Ausflockung 
die Kolloide oder Elationen eine Verbindung mit der Substanz 
des Blutkörperchens eingehen, wobei es zur Bildung ungeladener 
Komplexe kommt, so ist dieser Vorgang in gewisser Hinsicht 
mit dem Ausfallen unlöslicher Salze zu vergleichen und eine 
Übertragung der für diese aufgestellten Theorien auf das vor- 
liegende Problem gerechtfertigt. 

In der Tat hoffe ich zeigen zu können, dafs die von Ab egg 
und Bodländer aufgefundenen Beziehungen zwischen der Lös- 
lichkeit der Salze und den Eigenschaften ihrer Ionen die von 
mir gefundenen GesetzmäTsigkeiten ungezwungen zu erklären 
vermögen. 

Es ist einleuchtend, dafs die Neigung eines Ions in den un- 
elektrischen Zustand überzugehen (Bildung unlöslicher Salze, un- 
dissoziierter Molekelen) umso gröfser sein mufs, je geringer seine 
Affinität zum Elektron, d. h. seine Elektroaffinität ist. Nun spielt 
aber bei der Bildung von nicht dissozierten resp. unlöslichen 
Molekeln die chemische Affinität der beiden Ionen eine erheb- 
liche Rolle, indem sie der elektrolytischen Dissoziation und da- 
mit der lonenlöslichkeit entgegenstrebt. Diese Beziehungen haben 
Ab egg und Bodländer^) in folgende Formel gebracht: 

0,116 (0.087, 0.058) logp = Ea-\' Ek— E,, 
wo E, bedeutet die freie Bildungsenergie der nicht dissoziierten 
Salze, (durch die Bildungswärme annähernd gemessen) Ea und Ek 
die Zersetzungsspannungen von Anion und Kation in normaler 
Lösung, p — die lonenkonzentration der gesättigten Lösung des 
Salzes, ausgedrückt in Bruchteilen der Normallösungen. — Die 
von mir gefundenen Gesetzmäfsigkeiten lassen sich unmittelbar 
aus dieser Formel ablesen, wenn wir unter E^ die Zersetzungs- 
spannung (Haftintensität) des fällenden Kations, unter Ea die 
Elektroaffinität der Blutkörperchen und unter Es die hier wie bei 
den Salzen im allgemeinen unbekannte freie Bildungsenergie der 
Blutkörperchen-Ionenverbindung verstehen, p stellt alsdann ange- 



1) Zeitschr. f. physik. Chemie 1899. 



280 UnterBuchangen über die H&magglutiiiation etc. 

nähert die Quote der suspensionsfähigen Blutkörperchen dar und 
steht zur Stärke der Agglutination im reziproken Verhältnis. Je 
niedriger Ek ist, um so kleiner wird auch logi>., d. h. die Suspensions- 
stabilität der Blutkörperchenjonenverbindung. Um vollständige 
Agglutination zu erzielen, werden daher bei den Jonen mit niedriger 
Entladungsspannung geringere Konzentrationen erforderlich sein, 
wie es auch der Versuch ergibt. Die Abweichungen bei Zu, 
die, wie bereits erwähnt, auch bei anderen biologischen Reaktionen 
beobachtet wurden, dürften sich wohl aus dem unverhältnis- 
mäfsig hohen Wert von J?« bei den Zinkeiweilsverbindungen ergeben. 

Diese Annahme läfst sich sogar direkt theoretisch aus einer 
von Ab egg imd Bodländer gefundenen Gesetzmäfsigkeit ab- 
leiten, nach welcher die Bildungsenergie der nicht dissoziierten 
Molekeln (annähernd gemessen durch die entwickelte Wärme) in 
einem gewissen Zusammenhang mit den Haftintensitäten der 
Jonen steht. Im allgemeinen steigt nämlich die Stärke der Atom- 
bindung mit der Elektroaffinität. Während aber bei den Jonen 
mit niedriger Entladungsspannung ^« langsamer wächst als Et, 
findet bei den Jonen mit grofser ElektroaffinitAt das Umgekehrte 
statt: die Kurve der Werte Ea-\- E^ — Eg, d. h. die Suspensions- 
stabilität mufs also zwischen Zn und Cu ein Maximum aufweisen. 
In der Tat bilden die Entladungsspannungen die Reihe Gu, Pb, 
Ni, Cd, Zn, während sich die Jonen nach dem Fällungsvermögen 
in die Reihe Cu, Zn, Pb, Cd, Ni einordnen. 

In ganz analoger Weise werden wir uns vorzustellen haben, 
dafs die schwer agglutinablen Blutkörperchen (Rind, Ziege, zum 
Teil Hammel) gegenüber den anderen ihre elektrischen Ladungen 
mit gröfserer Kraft festhalten. Nach dem oben Gesagten mufs 
bei den Jonen mit hoher Entladungsspannung neben der Electro- 
af finität der Blutkörperchen die freie Bildungsenergie eine gröfsere 
Rolle spielen als bei den Jonen mit niedriger Entladungsspannung. 
Die Unterschiede in der Reihenfolge der Suspensionsstabilität der 
Blutarten gegenüber verschiedenen Salzen bilden daher eine direkte 
Forderung der Theorie, indem beim Cu mehr die Elektroaffinität, 
beim Zn daneben die chemische Affinität die Agglutinabilität der 
Blutkörperchen bestimmt. 



Von Ladwig Hirschfeld, cand. med. 281 

Ganz besonders scheint mir aber die auffallende Tatsache, 
dafs die Jonen mit kleiner Entladungsspannung alle Blutarten 
ziemlich gleich stark agglutinieren, während z. B. beim Zink die 
gröfsten Unterschiede zum Vorschein kommen, — einer Erklärung 
durch die Theorie von Ab egg und Bodländer zugänglich. 
Ist Et sehr klein, so erreicht die Gröfse -Ejt — Eg einen hohen 
negativen Wert, so dafs geringe Schwankungen von Ea ohne 
groGsen Einflufs sein müssen. Je gröfser hingegen Eic wird, um 
so mehr nähert sich der Wert von Et — Eg der Null, um so 
gröfsere Bedeutung gewinnen geringe Unterschiede in den Haft- 
intensitäten der Blutkörperchen. Ich glaube daher, dals meine 
Versuche, wenn auch zunächst auf hypothetischem Wege, Schlüsse 
auf eine der experimentellen Forschung bisher unzugängliche 
Gröfse, nämlich die Elektroaffinität der Blutkörperchen, zulassen. 

Was ich über die Fällung der Blutkörperchen durch die 
Salze der Schwermetalle gesagt habe, läfst sich ohne weiteres 
au! die Kolloid-Blutkörperchen-Fällung übertragen. Denn auch 
die Kolloidteilchen müssen wir uns als Teilchen mit elektrischen 
Ladungen, die mit einer gewissen Haftintensität festge- 
halten werden, vorstellen. Dafs die anorganischen Kolloide 
durchgehends wirken und keine Unterschiede zwischen den 
einzelnen Blutarten erkennen lassen, dürfte darin seinen Grund 
haben, dafs im allgemeinen nur solche Elemente, welche als 
Jonen eine sehr niedrige Entladungsspannung besitzen, zur 
Bildung kolloidaler Lösungen befähigt sind und wir uns infolge- 
dessen wohl auch die Haftintensitäten der unorganischen Kolloide 
als sehr gering vorstellen müssen. 

Ganz anders hingegen liegen die Verhältnisse bei den 
organischen Kolloiden, welche ja bekanntlich gegenüber Elektrolyten 
eine gröfse Stabilität aufweisen, nach den oben entwickelten An- 
schauungen daher ihre elektrischen Ladungen mit grofser Kraft 
festhalten. Machen wir nun die an sich wohl nicht unwahr- 
scheinhche Annahme, dafs die agglutinierenden StofEe der normalen 
Sera organische Kolloide sind, so müssen wir erwarten, dalB sie 
die einzelnen Blutarten verschieden stark agglutinieren. Die 
Versuche haben ergeben, dafs nicht nur diese Folgerung zu Recht 



282 Untersuchungen über die Hämagglutination etc. 

besteht, sondern dafs sogar die Reihenfolge der Agglutinabilität der 
Blutarten gegenüber Serum und Abrin beinahe vollständig mit der 
gegenüber dem noch selbständig agglutinierenden Jon von höchster 
Entladungsspannung, nämlich Zink, übereinstimmt. Diese Be- 
funde rechtfertigen eine von der bisherigen ganz abweichende 
Auffassung mansher Immunitätsreaktionen. Wenn die Blut- 
körperchen der Spezies A, B, C, D — von einem Agglutinin X 
gleich stark agglutiniert werden, von einem anderen Y in un- 
gleicher Weise, so sind wir nicht ohne weiteres berechtigt den 
Schlufs zu ziehen, dafs die betreffenden Blutarten zu dem Agglu- 
tinin X die gleiche, zu y eine ungleiche Affinität besitzen, 
sondern der angenommene Tatbestand ist vollkommen erklärt, 
wenn wir annehmen, dafs die Elektroaffinität (Ek) bei Y gröfser 
ist wie bei X, während die chemische Affinität nicht erhebUch 
differiert. 

Ja es erscheint sogar möglich, dafs aus den Empfindlichkeits- 
unterschieden der Blutarten gegenüber einem Agglutinin Rück- 
schlüsse auf dessen Elektroaffinität gemacht werden können, und 
auf diesem indirekten Wege direkt nicht meisbare Eigenschaften 
der Immunkörper festzustellen wären. 

Wenn daher verschiedene Sera eine Bakterien- oder Blut- 
körperchenart verschieden stark agglutinieren, so sind wir durch- 
aus nicht ohne weiteres berechtigt, aus diesem Verhalten auf 
einen verschiedenen Gehalt an Agglutineinheiten zu schliefsen. 
Vielmehr könnten diese Unterschiede auf qualitativen Differenzen 
der Sera beruhen und nach den obigen Erörterungen ist es 
besonders naheliegend, an eine verschiedene Elektroaffinität der 
in den Seris wirksamen kolloidalen Stoffe zu denken. 

Die Agglutinine der in meinen Versuchen als stark wirksam ge- 
fundenen Sera vom Huhn, Schwein, Rind, hätten demnach eine ge- 
ringe Elektroaffinität, die schlecht agglutinierenden Sera vom 
Hund und Meerschweinchen eine grofse Haftintensität aufzuweisen. 
In der Tat konnte Bürgi^) zeigen, dafs die Sera der verschiedenen 
Tierspezies in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften erheb- 
lich differieren, und dafs diese unterschiede in derselben Richtung 

1) Archiv für Hygiene, 1907. 



Von Ladwig Hirschfeld, cand. med. 283 

wie ihre agglutinierende Kraft auf Bakterien liegen: während 
nämlich die stark wüksamen Sera von Ziege und Rind etc. noch 
in den stärksten Verdünnungen Mastixsuspensionen auszuflocken 
vermochten, war das schwach agglutinierende Meerschweinchen- 
serum hierzu überhaupt nicht imstande. 

Unter diesem Gesichtspunkte müfste man daher den Aggluti- 
nationstiter in erster Linie durch die physikalischen Eigen- 
schaften des Serums erklären, und die Berechnung nach Agglu- 
tinineinheiten dürfte den tatsächlichen Verhältnissen nicht im 
vollen Umfange gerecht werden. Nach dieser Vorstellung dürften 
sich unsere Befunde zu der Annahme der Pluralität der Normal- 
agglutinine in keinem direkten Widerspruche befinden. 

Allerdings möchte ich eine andere Erklärungsmöglichkeit 
nicht übergehen, welche dem gleichen Verhalten der Blutarten 
gegenüber den Serumagglutininen, Abrin und den Zn- Salzen 
ebenfalls gerecht wird. Bechhold, Neifser und Friedemann^) 
hatten bei der Bakterienagglutination beobachtet, dafs unter der 
Einwirkung des spezifischen Agglutinins eine eigentümliche Um- 
wandlung der Bakterien stattfindet, nach der diese sonst so 
stabilen Gebilde eine grofse Empfindlichkeit auch gegen die 
Jonen mit höchster Entladungsspannung (z. B. Alkalisalze) er- 
langen. Die Autoren erörtern daher die Möglichkeit, dafs das 
Agglutinin gar nicht direkt fällend wirkt, sondern nur die 
Bakterien der agglutinierenden Wirkung der Salze zugängUch 
macht. In der gleichen Weise könnten wir uns vorstellen, dafs 
auch die Hämagglutinine der normalen Sera sowie des Abrins 
nur vorbereitend wirken, die Fällung selbst hingegen den Salzen 
des umgebenden Mediums zu verdanken ist. Da diese jedoch 
stets eine hohe Entladungsspannung besitzen, so ist ohne weiteres 
ersichtlich, dafs grofse Differenzen in der Agglutinabilität der 
Blutkörperchen auftreten müssen, und es kann auch nicht 
wundernehmen, dafs beim Zn, dem allein fällenden Jon mit 
höchster Entladungsspannung, die Agglutinabilität die gleiche 
Skala bildet wie beim Serum und Abrin. 



1) Vgl. auch Bor de t. 



284 üntersuchangen über die Hftmagglatination etc. 

Diese Vorstellung besitzt den Vorzug grofser Einfachheit, 
ist aber nicht so umfassend, wie die vorher gegebene; denn sie 
vermag die bei allen Blutarten wiederkehrende Skala der Sera, 
vor allem aber deren Parallelität zu der Ausflocknng des Mastix, 
welche auf eine direkt fällende Rolle der Serumagglutinine hin- 
weist, nur gezwungen zu erklären. Möglicherweise ist, woran 
schon Landsteiner gedacht hat, der Wirkungsmechanismus 
bei Normal- und Immunägglutininen ein verschiedener. 

Es ist mir, wie ich glaube, im vorhergehenden gelungen, 
die Agglutinabilität der Blutkörperchen auf physikalisch-chemische 
Eigenschaften zurückzuführen. In letzter Linie müssen aber 
diese in der cheihischen Zusammensetzung der Blutzellen be- 
gründet sein. Wenn wir uns auch natürlich direkt über derartig 
feine Differenzen im chemischen Bau der Zelle keinen AufschluTs 
verschaffen können, so scheinen doch einige bisher nicht er- 
örterte auffallende Beziehungen der Blutkörperchenagglutinabilität 
zu anderen Eigenschaften einen Fingerzeig zu geben. Es ist 
nämlich höchst merkwürdig, dafs die inagglutiuablen Blutarten 
— Rind, Ziege, Hammel — auch gegen das Hämolysin des 
Kobragiftes unempfindlich sind. Von Kyes^) wurde dies Verhalten 
durch einen Mangel an disponiblem Lezithin erklärt. Land- 
st einer und Eisler'^) fanden ferner, dafs dieselben Blutarten 
eine Polstellung in bezug auf die Empfindlichkeit gegenüber 
Säuren und Laugen annehmen, wobei die gegen Säure resistenteren 
Blutarten gegen Laugen grössere Empfindlichkeit an den 
Tag legen. 

Es ist zu hoffen, dafs weitere Versuche in dieser Richtung 
ein eingehenderes Verständnis des Agglutinationsvorganges er- 
möglichen werden. 

Wenn man bedenkt, dafs dieselben Regeln, die ich in bezug 
auf Schwermetallfällung für Blut dargetan habe, auch ganz 
andere Gebiete beherrschen, wie Nerven- und Muskelerregung, 



1) Berl, klin. Wochenschr. 1902. 

2) Müncb. med. Wochenschr. 1904. 



Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 285 

wie Giftigkeit für wachsende Organismen, Bakterien- und Eiweifs- 
f&Uung, Drüsentätigkeit and Befruchtungsvorgang, Fixierung und 
Färbung der Oewebe, so erkennt man die enorme Wichtigkeit 
der Kolloidfrage, die die verschiedensten Probleme unter einen 
einheitlichen Gesichtspunkte zu stellen und zu lösen vermag. 



Zusammenfassung. 

I. Bei allen untersuchten Blutarten zeigen die normalen 
Sera der verschiedenen Tierspezies in ihrer agglutinierenden 
Kraft die gleiche Reihenfolge. 
II. Gegenüber allen untersuchten Seris weisen die ver- 
schiedenen Blutarten die gleiche Skala der Agglutina- 
bilität auf. (Eine Ausnahme von dieser Regel bilden 
Kombinationen von denselben oder nahe verwandte 
Spezies. ) Der AgglutinationseSekt ist daher eine additive 
Gröfse, zusammengesetzt aus der agglutinierenden Kraft 
des Serum und der Agglutinabilität der Blutkörperchen. 

III. Die gleiche Reihenfolge der Agglutinabilität der Blutarten 
findet sich beim Abrin. 

IV. Gegenüber anorganischen Kolloiden und 3 wertigen Salzen 
kommen die Differenzen in der Agglutinabilität der Blut- 
körperchen nicht zum Ausdruck. 

V. Die Jonen der zweiwertigen Metalle wirken um so besser 
agglutinierend, je kleiner ihre Entladungsspannung ist. 
Die Unterschiede in der Agglutinabilität der Blutarten 
sind am stärksten bei Salzen mit hoher Entladungs- 
spannung ausgeprägt. 
VI. Die Reihenfolge in der Agglutinabilität der Blutarten 
ist bei Zinksalzen mit der bei Serum und Abrin beinahe 
identisch, während bei den Salzen mit niedriger Ent- 
ladungsspannung die Reihenfolge von der bei Serum 
und Abrin abweicht. 
Vn. Die Blutkörperchen werden als elektrisch geladene Teil- 
chen aufgefafst, die ihre Ladung mit einer gewissen 
Haftintensität festhalten. Dieselbe Vorstellung ist auf 



286 tJntersuch. über die Hämagglntination etc. Von L. Hirschfeld. 

die Teilchen des in kolloidaler Lösung befindlichen 
Agglutinins anwendbar. Unter diesen Gesichtspunkten 
stellt sich die Agglutinationshöhe als eine Funktion der 
Haftintensitäten der Blutkörperchen und des Agglutinins 
dar. Unter dieser Voraussetzung lälst sich auf den 
Agglutinationsvorgang die Theorie von Abegg und 
Bodländer über den Zusammenhang zwischen der 
Jonenlöslichkeit und Elektroaffinität anwenden und ge- 
stattet eine theoretische Ableitung der von mir unter 
IV, V, VI experimentell gefundenen Tatsachen. 
VIII. Die schlecht agglutinabeln Blutkörperchen von Rind, 
Ziege und Hammel sind auch gegen das Hämolysin des 
Kobragiftes unempfindlich. 

Herrn Geh. Medizinalrat Professor Dr. R u b n e r sage ich für 
das Interesse sowie die Erlaubnis, im Institut zu arbeiten, meinen 
ergebensten Dank. 



Die Wärmeabgabe des Menschen in nngleichmäfsig 

temperierten Banmen. 

Von 

Dr. Karl Kifskalt, 

Privatdozenten und Oberassistenten am Institute. 

(Ans dem Kgl. Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor : Geh. 

Medizinalrat Prof. Dr. M. Bubner.) 

Es ist eine bekannte Tatsache, dafs es nicht leicht ist, ein 
kaltes Zimmer durch schnelles Anheizen zu einem behaglichen 
Aufenthaltsort zu machen. Mau pflegt dies so zu erklären, 
dafs, »wenn nur die Luft eine höhere Temperatur angenommen 
hat, die Wärme aber noch nicht, man fröstelt, wegen vermehrter 
Ausstrahlung nach den kalten Wänden bei Lufttemperaturen, 
welche uns sonst vollauf behaglich sind« (1, S. 162). Diese Er- 
klärung ist sicher richtig und wird von keiner Seite bezweifelt; 
doch existieren noch keine exakten Untersuchungen darüber, wie 
grofs der Wärmeverlust in solchen schlecht angeheizten Zimmern 
ist gegenüber dem in gut geheizten Zimmern. Die Lehrbücher 
der Hygiene verzeichnen einfach die Tatsache. Auch die Forde- 
rungen, die Trälat als Referent des internationalen Hygiene- 
kongresses zu Paris 1899 aufstellte: »dier Oberflächen der Wände . . . 
müfsten auf eine solche Temperatur gebracht werden, dafs die 
Wärmestrahlen, die sie aussenden, und die wir empfangen, auf 
die Körpertemperatur nicht störend einwirken c (2, S. 215) be- 
ruhen nicht, wie Schmidt (3, S. 294) nach einem ungenauen 

Arcliiv für Hygiene, Bd. LXlIl. 20 



288 ^10 Wärmeabgabe des Menschen in angleichmäfsig temperierten Eäamen. 

Zitat angibt, auf derartigen Erwägungen, sondern sie werden nur 
dadurch begründet, dafs auch die natürliche Erwärmung durch 
die Sonne und den Boden durch Strahlung geschehe. 

Will man ein derartiges Problem von der wissenschaftlichen 
Seite anfassen, so ist es immer nötig, von den einfachsten Ver- 
hältnissen auszugehen. Wir sind ja in vielen Teilen unserer 
Wissenschaft noch weit davon entfernt, alle Vorgänge in Formeln 
fassen zu können, aus denen sich dann umgekehrt wieder ab- 
leiten läfst, was in einem gegebenen Falle eintreten mufs. Wo 
es aber, wie hier, möglich ist, eine Aufgabe auf einfache Ver- 
hältnisse zurückzuführen, da sollte es auch geschehen, um feste 
Grundlagen zu erhalten. Auch in der vorliegenden Arbeit sollte 
daher zunächst der einfachste Fall untersucht werden, nämlich 
bei Abkühlung von Kugeln in zwei Räumen, bei denen in dem 
einen Luft und Wand gleichmäfsig , in dem anderen ungleich- 
mäfsig temperiert waren. 

Eine mit Quecksilber gefüllte Glaskugel hing an einem kurzen 
Halse an Drähten von der Decke herab. Ihr Radius war 3,24 cm, 
ihre Oberfläche 133 qcm, ihr Gewicht 0,0319 kg, das des Queck- 
silbers 1,676 kg. In die Mitte tauchte ein 200°- Thermometer ein- 
Nimmt man die spez. Wärme des Glases zu 0,132, die des Queck- 
silbers zu 0,033, so erhält man als Wasserwert 59,416, ein- 
schliefslich des Thermometers rund 61 kleine Kalorien. 

Der Raum, in dem die ersten Versuche angestellt wurden, 
lag über dem Tierstalle ; er hatte eine Gröfse von 5,50 : 3,15 : 3,60 m, 
lag an zwei Seiten frei und hatte hier 5 qm Fensterfläche. Die Kugel 
hing in der Mitte, 1,80 m über dem Fufsboden. — Sie wurde 
mit einem Bunsenbrenner (Spiritusflammen hinterlassen eine Spur 
Rufs, der das Strahlungsvermögen ändert) auf etwa 190® erhitzt 
und dann mittels eines 1,65 m entfernten Fernrohres und einer 
Sekundenuhr bestimmt, in welcher Zeit die Temperatur um 1® 
abfiel. Es wurde darauf geachtet, dafs in dem Zimmer kein Luft- 
zug die Wärmeleitung störend beeinflufste. Sämtliche Versuche 
wurden zunächst im ungeheizten Zimmer gemacht, nachdem 
lange vor dem Versuche das Fenster offen gestanden war. Die 
Aufseutemperatur war zunächst nicht sehr niedrig, so dafs au- 



Von Dr. Karl Kifskalt. 289 

genommen werden konnte, dafs die Temperatur der Wand mit 
der der Zimmerluft übereinstimmte. 

Weitere Versuche wurden im Stinkzimmer und im kleinen 
Hörsaale des Institutes angestellt. Beide Räume waren geheizt, 
doch war die Aufsentemperatur mild und die Heizung schon 
seit Tagen im Gang, weshalb angenommen werden kann, dafs 
auch hier die Wandtemperatur mit der Lufttemperatur gleich war. 

Besonders wertvoll dürften die Untersuchungen sein, die im 
Respirationsapparate angestellt wurden. Hier war das Material 
der Wand gleichmäfsig, da die Fensterflächen sehr klein sind, 
aufserdem die Temperatur der Luft und der Wand sicher gleich, 
da der Respirationsapparat in einem Zimmer stand und seine 
Tür den ganzen Tag aufser während des Versuchs offen war. 
Seine Gröfse ist 1,5:2,5:2m. Die Kugel wurde stets aufserhalb 
des Apparates erwärmt, die Temperaturen von aufsen durch das 
Fenster abgelesen. — Sämtliche Thermometer, die zur Ver- 
wendung kamen, waren selbstverständlich miteinander verglichen 
worden. 

Die erhaltenen Zahlen wurden tabellarisch eingetragen. Da 
jedoch die Zimmertemperaturen in den einzelnen Versuchen ver- 
schiedene waren, so wurde sofort die Zimmertemperatur von der 
Temperatur der Kugel subtrahiert und diese Differenz mit der 
dazugehörigen Sekundenzahl, innerhalb welcher die Temperatur 
der Kugel um 1 « fiel, in die Tabelle I (S. 290—295) eingetragen. 
Man sieht, dafs die Sekundenzahl bei gleichen Differenzen fast 
genau gleich ist. Die gemessene Zimmertemperatur ist in gewissen 
Abständen in Klammern beigefügt. 

Eine Ableitung der Formel zur Berechnung der Zeit, inner- 
halb der sich die Kugel um 1° abkühlt, ist nun in folgender 
Weise möglich: Man subtrahiert die Logarithmen zweier Diffe- 
renzen, in den vorliegenden Versuchen solcher, die um 1° von- 
einander entfernt sind, multipliziert mit 100000 und dividiert 
durch die Anzahl der Sekunden. Der Quotient wird als Ordinate, 
die Differenz als Abszisse eingetragen. Es zeigt sich, dafs die 
Linie eine Gerade ist, die der Abszisse in einem Winkel & zu- 

(Fortsetzung des Textes S. 296.) 

20* 



290 ^16 Wärmeabgabe des Menschen in ungleich mäfsig temperierten B&amen. 



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296 I^ie Wärmeabgabe des Menschen in nngleichmäfsig temperierten Räamen. 

strebt. Nur bei sehr grofser Annäherung an D=0 weicht sie von 
der Geraden etwas ab, indem sie sich der Abszisse dann schneller 
nähert. — Daraus ergibt sich für den Geradenteil : y = 6 + ^ tg o, 
wobei y die Abszisse, x die Ordinate, h die Entfernung des 
(Schnittpunktes der Linie von der Ordinate bei D=0 ist. 

Trägt man mehrere solcher Kurven ein, so ergibt sich, dals 
die Geraden zwar parallel sind, jedoch von der Abszisse einen 
verschiedenen Abstand haben, und zwar ist er am gröfsten da, 
wo die Messungen bei hoher, am geringsten, da, wo sie bei 
niederer Lufttemperatur vorgenommen wurden; er wurde ge- 
messen bei einer Lufttemperatur von 20° zu 20,8, von 5*^ zu 
18,2, bei den übrigen Untersuchungen waren die Abstände ent- 
sprechend. Da diese Differenzen sehr gering sind, so kann man 
ohne weiteres lineare Beziehungen für den Zusammenhang wählen. 
Daraus ergibt sich & = 17,3 + 0,17 t^] tg. «wurde durch Rechnung 
zu 0,1551 bestimmt. 

Die Formel y = h -{- xiga lautet nunmehr: 
i^^^l^^^ll^^ = 17,333... + 0.17 333... <, + Dtg« (1 

wobei s die Zahl der Sekunden darstellt, innerhalb deren die 
Temperatur von einer Differenz D zwischen Kugel und Zimmer- 
temperatur auf eine Differenz D' gesunken ist ; t^ ist die Zimmer- 
temperatur. Daraus ergibt sich: 

,^ (lg Z?- lg D') 100 000 

17,33 . . . + 0,1733 . . . ^ + 0,1551 D ^ 

Die auf diese Weise beobachteten Zahlen weichen von den 
durch Messung ermittelten — r die natürlich nicht absolut genau 
sein können — nur um einen geringen Betrag ab. So wurde 
z. B. für eine Zimmertemperatur von 20® durch Berechnung resp. 
Messung ermittelt: D = 100, s = 12,008 resp. 12; D = 80, 
s = 16,45 resp. 17; D = 60, s = 24,25 resp. 22,3; D = 40, 
5 = 40,73 resp. 42; D = 30, s = 57,83 resp. 60,3; jD = 20, 
s = 93,21 resp. 96,8 u. 99,4. Doch wird es sich im folgenden 
zeigen, dafs es sehr wichtig ist, besonders bei höheren Werten 
von D, ganz genaue Zahlen zu haben, da schon sehr geringe 



Von Dr. Karl Kifskalt. 297 

Fehler, in manchen Fällen solche um Bruchteile einer Sekunde, 
ein falsches Resultat ergeben. Nur bei sehr geringen Werten für 
D wird man vorziehen, mit den gemessenen Zahlen zu arbeiten, 
da dann die Linie von den Geraden abweicht, d. h. die Zahl 
der Sekunden grOfser ist, als die Berechnung ergeben würde. 

Es soll nun zunächst untersucht werden, ob sich mit Hilfe 
dieser Formel die Temperatur der bestrahlten Fläche, d. h. der 
Wand, genau berechnen >läfst. Die Wärmeabgabe durch Strahlung 
geschieht (4, Bd. 2, S. 363) nach der Stefan sehen Formel 

wobei B die abgegebene Wärmemenge, F die Oberfläche des 
ausstrahlenden Körpers, E sein Emissionsvermögen, a sein Ab- 
sorptionsvennögen, T seine absolute Temperatur, jF\ die Ober- 
fläche des bestrahlten Körpers, o^ sein Absorptionsvermögen, 
Ji seine absolute Temperatur ist. — Ist die Oberfläche des be- 
strahlten Körpers sehr grofs gegenüber der Oberfläche des 
strahlenden Körpers, so ist das 2. Glied im Nenner zu ver- 
nachlässigen und die Formel geht in die vereinfachte über : 

B = E Fs(T^—Tj^^) (4 

Es wurden nun bestimmte Temperaturen für die Kugel und 
das Zimmer als Beispiel gesetzt und daraus die Abkühlungszeit 
nach Formel 2) berechnet. War die ermittelte Sekundenzahl 
richtig (wobei es, wie erwähnt, manchmal auf Bruchteile einer 
Sekunde ankam), so mufste sich dann, wenn man die erhaltene 
Zahl in die Stefan sehe Formel einsetzte, derselbe Wert für die 
bestrahlte Wand (Tj — 273) ergeben, der vorher für die Zimmer- 
temperatur gegeben war, da ja Luft und Wand einstweilen als 
gleich temperiert angenommen worden waren. 

Da der Wasserwert der Kugel 61 Kai. betrug und sich die 
Wärmeabgabe durch Strahlung zu der Gesamtabgabe nach Rubner 
(5,8.73) wie 0,468: 1 verhält, so ist JS = 61 X 0,468; E ist für 
Glas 1,0846 X 10" i^; F= 133. li kann nun nach der Formel 
berechnet werden: 



298 I^io Wärmeabgabe des Menschen in ungleichmälsig temperierten Räumen. 



^j=yT'— 



61 X 0,468 



sXEXF- 

Nimmt man z. B. die Temperatur der Luft = 11", die der 
Kugel = 41", so ergibt sich D = 30. 

gg 30 - lg 29) 100000 

17,33 . . . + 0,1733 ... X 11 + 30 X 0,1551 ' 

T lAu- 61X0,468X10" _og^o7 

also ti = 11,03». 

Auf diese Weise wurden folgende Zahlen ermittelt: 

Für eine Lufttemperatur von 20°: D = 156, «i = 32,65 

D=100, ^ = 21,71; 2) = 80, «i = 19,49; X> = 60, <i = 19,95 

D^40, <i = 20,67; 2) = 30, <! = 20,91; D = 20, <i = 21,03 
D = 10, «1 = 20,91. 

Für eine Lufttemperatur von 14»: D = 80, fi = 10,83; 
Z)=50, «1 = 13,03; D = 40, «i = 13,8; D = 30, «i = 14,34; 
D = 20, ti = 14,53 ; D = 10, «1 = 14,8. 

Für eine Lufttemperatur von 1 1 » : D = 60, <i = 8,35 ; D = 40, 
<i=:9,91; D = 30, «i= 11,03; JD = 20, <i = ll,55; D = 10, 
*i = 11,73. 

Für eine Lufttemperatur von 5 » : D = 100, <i = — 5,6 ; D = 60 ; 
ti=0,5; D = 40, <i = 2,96; D=30, <i = 4,46; D=20, ti = 5,25; 
D = 10, «1 = 5,61. 

Bedenkt man, dafs auch der Hals der Kugel Wärme verlor, 
ferner dafs dasselbe durch Leitung an den Drähten der Fall 
war, wo können die Zahlen für genügend genau gelten. Sie 
sind brauchbar bei einer Lufttemperatur von 20» bis zu einem 
Temperaturunterschied Z) = 100; bei einer Lufttemperatur von 
14» bis Z) = 50; bei einer Lufttemperatur von 11 und 5» bis 
i) = 30. 

Untersuchungen im schlecht geheizten Zimmer. 

Hat die Wand eine niedrigere Temperatur als die Luft, so 
tritt die Abkühlung durch Leitung in derselben, die durch Strahlung 
in kürzerer Zeit ein. Die Untersuchung wurde wie vorher vor- 



Von Dr. Karl Kifskalt. 



299 



genommen, nur wurde der Respirationsapparat vermittelst 8 Gas- 
flammen geheizt und, nachdem er auf eine konstante Temperatur, 
etwa 50°, gebracht worden war, die auf 190® erhitzte Kugel 
hineingehängt. Das Thermometer in der Kugel sank schneller 
als in den vorhergehenden Versuchen und tiefer als das in der 
Luft frei aufgehängte; wenn die beiden Instrumente gegenein- 
ander korrigiert wurden um 2,75 — 3,5®. Die Temperatur der 
Wand des Respirationsapparates war sicher niedriger als die der 
Luft darin, da er ständig Wärme an das Zimmer abgab ; sobald 
die Gasfiammen angemacht wurden, trat schnelles Sinken ehi. 
Die folgende Tabelle gibt die Resultate der Untersuchungen 
wieder. 

Tabelle II. 







Abkühlung um J 


.° in 7 Sekunden 




D — 


^ip^^ro^" Zimmer über dem Tierstall 






1 


2 il 1 


2 


3 


4 


5 


6 


165 164 




1 








|16,3| 


164 


1 


1 




1 




5,6 


163 
















162 


1 


i 120.01 


|18.6| 








6,0 


161 


1 














160 


1 
1 


11 












159 


1 


6,6 










6,4 


158 
















157 


1 


1 












156 
















155 




6,0 


7.6 








6,6 


154 


1 














153 


1 


i' 












152 


. ' V.2 


6.6 








6,6 


151 


t 


1 












150 




1 












149 




6.8 


7.2 








7,2 


148 


1 


1 












147 


1 














146 




i 


7,4 










145 


1, V.4 










7.4 


144 














143 


! 










7.6 


142 


7,4 


7.4 








141 




19,6 














300 ^^ Wänueabgabe des Menschen in ungleichmäfsig temperierten Kornett. 

Fortsetzang der Tabelle II. 



Abkühlang um 1^ in ? Minuten 



D — 


Respiratioos- 
' apparat 




Zimmer über dem Tierstall 




1 


1 


2 


1 


2 


3 


4 


5 


6 


140 


1 

1 














139 


1 

1 












8,0 


138 




1 


8,0 










137 




1 












136 


1 

1 


8.4 










7,6 


135 


1 


1 


8,0 








16,0| 


134 


1 


1 












133 




1 
1 










8,0 


132 


1 


. 


8,8 










131 




8,6 












130 


1 












8,6 


129 


■ 




8,8 










128 


1 


9,2 












127 


1 












9,2 


126 


1 














125 : 


1 ' 

1 


8,9 


9.1 


1 






124 


1 


. 












9,4 


123 




1 


1 
1 












122 




1 


10,2 


9,1 










121 
















9,2 


120 




1 














119 




1 


9.6 












118 




1 


' |19,6| 


9,3 








9,2 


117 












# 






116 




1 




9,7 








10.8 


115 




1 














114 


47,6| 


1 














113 


9,0 




8,2 










10,8 


112 




1 




10,3 






|20.0| 




111 






1 












110 


1 
1 








I 
1 


9,8 


10,8 


109 






10,8 


11,3 










108 




1 














107 




1 














106 






1 
1 




19.3| 






11,3 


105 






11,2 












104 




|50,0 










11,8 




103 
















11,0 


102 




9,4 


12,2 








12,4 


101 




1 


1 


12,7 


11,6 









Von Dr. Karl Kifskalt. 



301 



Fortsetzung der Tabelle II. 



Abkühlung um 1 ^^ in ? Minuten 



D ^ 1 

1 

1 


Respirationfl- 
apparat 


1 

i 

1 


Kimmer über dem Tierstall 




1 


2 1 


1 


2 


3 4 


5 


6 


1 1 

100 








i 


12,6 


13,8 


99 


11,2 






11,8 






98 




12,9 






|2ü,7 


12,6 


12,4 


97 




12,4 




11,8 t 






96 


11.2 






12,0 


13,2 


13,0 


95 




i 


12,3 


12,2 






94 




13,6 




12,0 


13,0 


|14.7| 


93 


12,2 






12.6 






92 




13,8 


|17,8| 


• 






91 


|60.0| 






' 14,2 






90 








1 

1 






89 








1 






88 


12,2 


14,6 


15,0 


.1 






87 








15,6 






86 


12,4 


14,8 




14,8 




15,8 


85 

1 






15,8 


) 






84 i 








; 15,4 


15,2 


16,2 


83 


1 

1 




15,5 










82 

1 


1 

1 






15,8 


16.0 


16,6 


16,4 


81 


1 


13,2 


15,7 




16,2 








80 

1 


1 








17,2 


16,6 




79 


13,8 






16,8 








78 






|19,2| 


17,2 




17,8 




17,8 


77 


14^ 


1 

1 












76 




17,9 


17,4 


17,0 


18,4 


17,4 


17,6 


75 




15,4 














74 




18,3 


18,4 




17,6 


18,4 


18,8 


73 


14,4 


; 




19,4 








72 




50.3 








18,6 


19,0 


19,8 


71 


1 


18,3 




19,6 








70 




16,2 


1 










18,6 


69 




160.51 


19,1 




19,2 


20,4 






68 


1 
1 
1 




21,2 






20,4 


19,9 


67 






, 21,3 




21,6 








66 


|49.4| 




|iö,o| 


23.2 




21,6 


21,6 


21,2 


65 


16,2 1 


21,7 












64 






1 

1 


22,2 




23,4 


22,4 


23,6 


63 


17,6 




21,7 

1 




22,4 








62 


1 


1 


22,2 




22,6 


23,2 


24,6 


61 

1 


1 


18,2 


23,1 




22,8 









302 I^ie Wärmeabgabe des Menschen in angleichm&Tsig temperierten Räamen. 



Fortsetzung der Tabelle II. 





Abkühlang am 1* in ? Minuten 


— — 


1 

D — 


Respirations- 
apparat 

1 2 


Zimmer über dem Tierstall 

1 




1 


2 


3 


4 


5 


6 


60 ' 


1 


1 




23,2 








24,8 


59 






23,5 












58 








25,6 




25,4 






67 


20,8 


1 


25.5 












56 




20.8 




27,0 




22,4 




28,4 


55 


21,0 


1 






27,4 




27,0 




54 






18,8| 


28,6 




27,4 




27,8 


53 


22,4 


1 






29,2 




28,8 




52 


1 






28,6 








30,3 


51 








30,6 


29,2 




28,8 




50 




27,8 


31,0 


30,8 30,8 




30,4 


30,8 


49 


|50,3| 




48 




|50,5 


33.8 










|14.0| 


47 


1 








33,6 




32,2 




46 






36,2 






34,6 




32,8 


45 1 


25,8 


27.2 




36,0 


35,4 




35,4 




44 












36.0 






43 


28,2 


28,0 




38,1 


37,6 




36,0 




42 


' 




38,4 






38,6 






41 


29,2 


29.6 


43,2 


40,5 


39,2 




38,6 




40 


l|50,3| 




40,2 


39 


' 31,0 


32,4 




43,7 


40,6 




41,4 




38 
















43,2 


37 


32,4 


32,8 


44,6 


46,9 


44,6 




44,4 




36 




1 


50,6 




19,0| 




48,6 


46.2 


35 


35,2 


34,4 




49,9 






__ ina 


^ 1 






51,8 








|19.5| 


50,2 


33 




1 




53,1 










32 


35,2 


: 67,8 






56,0 


. 


31 




1 


17,4| 


60,6 




55,6 




30 


39,8 


36,2 


1H,8 








• 




29 








59,8 






60,2 1 


28 


, 43.8 












62,8 


27 


|50,3| 






67,6 


63,8 




63,6 |13,5| 


26 


48,4 


48,2 


1 










25 




|50,2| ! 


76,8 


73,2 




68,6 


80,2 


24 




1 






77,6 


|18.7| 




23 ; 


53,2 


1 


83,2 


80,4 






87,2 


22 




■ 






82,4 


87.4 




21 


, 51,Ö 

1 








90,6 


|19,7| 




99,0 



Von Dr. Karl Kifskalt 



303 



Fortsetzung der Tabelle Ü. 



Abkühlung um 1° in ? Minuten 



D = 



Bespirations- 
apparat 



Zimmer über dem Tierstall 



20 I 

19 

18 I 

17 ; 

16 

15 

14 i 
13 

12 

11 

10 

9 

8 ' 
7,7—6,7 

6,8 — 6,8 j 
5,7-4,7 , 

4,3—3,3 

I 

3,3—2,3 , 

I 
3—2 

2—1 
0,3bis-0,7>) 



56,6 
66,8 



87,8 

105,6 

121,2 

137,2 

146,2 
163,2 

188,2 



223,0 
274,0 
|52g 



49,0| 



107,8 



17,2 



146,8 
163,6 



ITiä 



101,4 



104,8 



117,6 ! 118,6 



18,51 
137,4 
153,61 146,4 
I 154,4 
184,3 j 
p;5| ' 203,6 



100,4 



18.6 



107,6 

127,8 



HS 



131,2 
141,2 

151,2 

188,0 



19,5 



49,7 



144,8 
161,0 
210,2 
270,4 



107,2 



121,4 

EU 

134,6 



162,0 
170,0 



217,0 



350,4 



49,7 



236,0 



684.0 
PÖ3[ 



1) Sinken des Thermometers in der Kugel unter das frei aufgehängte 
Thermometer. 

Für weitere Berechnungen müssen die Sekundenzahlen 
direkt aus der Tabelle abgelesen werden, was um so eher ge 
schehen kann, als sie recht genau mit einander übereinstimmen. 
Aufzeichnen einer Kurve und Ableiten einer Formel wie vorher 
war nicht möglich, da die Abgabe durch Leitung und Strahlung 
ganz verschieden und das Verhältnis zu jeder Zeit ein anderes 

Archiv für Hygiene, Bd. LXm. 21 



304 ^16 Wärmeabgabe des Menseben in ungleichmäTsig temperierten Rftnmen. 

ist, da letztere im Verhältnis zur ersteren mit Annähern der Tem- 
peratur der Kugel an die der Luft bedeutend zunimmt. 

Die Bestimmung der Temperatur der Wand konnte nicht 
durch Ablesen an Thermometern geschehen, auch nicht an solchen, 
die etwa mit Gips angeklebt waren, da sie an verschiedenen 
Teilen verschieden war und auch die Flammen nach der Kugel 
ausstrahlten. Sie wurde daher wieder berechnet und zwar in 
folgender Weise : 

Es wurde zunächst nach der Formel 2) berechnet, wieviel 
Sekunden nötig gewesen wären, um die Temperatur der Kugel 
bei der gemessenen Lufttemperatur um 1 ^ sinken zu lassen, falls 
Wand und Luft gleiche Temperatur gehabt hätten. In dieser 
Zeit werden aber durch Leitung allein 61 X 0,532 Kalorien abge- 
geben ^) ; in der gemessenen Zeit (Tabelle II) entsprechend weniger. 
Durch Subtraktion dieser letzteren Zahl von 61 wurde die in 
der gemessenen Zeit durch Strahlung abgegebene Wärmemenge 
ermittelt und daraus wie vorher nach der Stefan sehen Formel 
die Temperatur der bestrahlten Wand bestimmt. 

Voraussetzung für die Richtigkeit der Rechnung ist aller- 
dings, dafs bei der Temperatur von 50^ noch dieselben Gesetze 
gültig sind, die oben für eine Temperatur von 5—20^ abgeleitet 
wurden. 



') Es war zanächst versucht worden, nach der von Fielet (6, Bd. I, 
S. 521) angegebenen Formel den Verlast darch Leitung zu berechnen. Die 

IS 

Formel lautet A -^ 0,552 K^ D »."», wobei K^ für die Kugel 1,778 + ^ - ist. 

I" 

Berechnet man daraus, wie viel Wärme durch Leitung von der Kugel abge- 
geben wird, so findet man z. B. bei D = 50 und s = 31,9 : 46,85 Kai. ; bei 
D = 30 und 8 = 60,32 : 47,20 Kai. Dies kann unmöglich richtig sein, da 
der gesamte Wärme Verlust in dieser Zeit nur 61 Kai. beträgt; auch kleine 
Beobachtungsfehler würden hier keine Bolle spielen. Berechnet man dagegen 
mit Hilfe der Stef ansehen Formel und der berechneten Sekundensahl den 
Verlust durch Strahlung allein bei Sinken um 1®, so findet man bei einer 
Luft- und Wandtemperatur von t^ = 20 «, bei D = 156 <> 29,76 Kai. ; bei 
D = lOQö 26,82 Kai; bei D = 30» 29,32 Kai; bei D = 10» 31,262 Kai.; 
bei t, = 5° und D = 156<> 28,01 Kai.; D = 100« 25,02 Kai.; D = 30" 
28,12 Kai. ; D = 10» 30,31 Kai., während oben 61 X 0,468 = 28,548 Kai. 
angenommen wurden. Deshalb wurde vorgezogen, nur die Stefan sehe 
Formel zu benutzen, zumal diese an über 6000 Messungen erprobt ist. 



Von Dr. Karl Kifskalt. 



305 



Auf diese Weise ergab sich für die Wand bei : 
D = 43 — 44,890; 2> = 41 — 43,14«; D = 26 — 43,96»; 
i) = 23— 43,260; -0=18 — 43,04°; D = l3 — 42,75«; D = ll 
bis 44,33«; im Mittel 43,62«. Die Temperatur der Luft hatte im 
Mittel 50,30, also 7,7« mehr. 

Aus diesen Temperaturen und der abgegebenen Sekunden- 
zahl wurde berechnet, wieviel Kalorien in 1 Sekunde von der 
Kugel durch Strahlung abgegeben wurden. Ferner wurden, wie 
oben berechnet, wieviel Kalorien in 1 Sekunde bei Temperatur- 
gleichheit von Luft und Wand abgegeben worden wären. Das 
Resultat ist in Tabelle III wiedergegeben. 

TabeUe lU. 



D = 


Kai. In 1 Sek. 


statt 
Eal. in 1 Sek. 


also mehr 


11 


0,3562 


0,1948 


82,85 o/o 


13 


0,4313 


0,2318 


86,05 •/, 


18 


0,5344 


0,3332 


60,84 o/o 


23 


0,6468 


0,4397 


47,12 o/o 


26 


0,6896 


0,5043 


36,76 •/. 


41 


1,094 


0,8629 


26.78 »/« 


43 


1,1241 


0,914 


22,99 »/o 



Berechnet man in derselben Weise das Plus des Wärmeverlustes 
durch Leitung und Strahlung zusammen, so erhält man wesent- 
lich andere Zahlen, nämlich: 



Tabelle IT. 




11 
13 
18 
28 
26 
41 
43 



0,5776 

0,6948 

0,9131 

1,1466 

1,2626 

2,075 

2,163 



stott 
kal. in 1 Sek. 



0,4162 

0,4953 

0.7119 

0,9394 

1,0777 

1,844 

1,953 



also mehr 



38,71% 
40,28% 

28,26 Vo 

22,05 Vo 
17,16 °/o 

12,61 7o 
10,730/0 



Die Zahlen sind deshalb niedriger, weil infolge des durch 
stärkere Strahlung bedingten schnelleren Sinkens des Thermo- 



21* 



306 ^ie Wärmeabgabe des Menschen in angleichmäfsig temperierten Räamen. 

meters das Temperaturintervall von 1° schneller durchschritten 
wurde und in der kürzeren Zeit die Abgabe der Wärme durch 
Leitung geringer war. 

Eine Anzahl Messungen in »ungleich temperierten c Zimmern 
wurden auch in dem Zimmer über dem Tierstall gemacht. Seine 
Fenster wurden bei niedriger Aufsentemperatur einige Tage 
offen gelassen, vor Beginn des Versuches geschlossen, und dann 
einige Stunden kräftig eingeheizt, wobei die Temperatur des 
frei aufgehängten Thermometers höher stieg als die der an den 
Wänden in Augenhöhe mit Gips angeklebten Thermometer. Die 
Differenz betrug von 2,8 bis 7,3°. Doch darf die Temperatur 
der Wandthermometer nicht als Temperatur der Wand ange- 
nommen werden, da die Decke wärmer war, indem die warme 
Luft dorthin aufstieg, ebenso vielleicht auch der Fufsboden, da 
das darunter befindliche Zimmer geheizt war. Dagegen war die 
Temperatur des Fensters und vielleicht auch eines Teiles der 
Wand niedriger. Auch hier müfste also die Gesamttemperatur 
der Wand mit Hilfe der Stefanschen Formel und der auf das 
genaueste ermittelten Temperatur berechnet werden. Das ist 
leider nicht möglich, da die Sekundenzahl aus den oben er- 
wähnten Gründen nicht berechnet werden konnte und die ab- 
gelesenen Zahlen, selbst wenn die Fehler nur einige Prozent be- 
tragen, im vorliegenden Falle nicht brauchbar sind, da dies in 
der Berechnung schon Fehler um einige Temperaturgrade aus- 
macht. Bei den im Respirationsapparate ermittelten Zahlen war 
dies nicht der Fall, da bei der höheren Temperatur kleine Fehler 
weniger hervortreten. Immerhin zeigen sich deutlich Unterschiede 
gegenüber den Versuchen im geheizten Zimmer, weshalb auch 
diese Zahlen angeführt sein sollen. (Tabelle II). 

Übertragen wir diese Resultate auf den Menschen. — Eis 
werde zunächst angenommen, dafs sich eine Person der Arbeiter- 
kategorie I, die also im wesentlichen nur durch Umhergehen 
körperliche Arbeit leistet, in einem Räume befindet, dessen Luft 
und Wand gleichmälsig temperiert sind, nämlich 17,5°. Ihr Ge- 
samtkraftwechsel ist zu 2700 Kalorien anzunehmen. Der Ka- 



Von Dr. Karl Klüakalt. 307 

lorienverlust beträgt pro Tag (5, S. 96) durch Atmung 35, durch 
Arbeit 51, durch Erwärmung der Kost 42; für Wasserverdunstung 
seien 558 Kai. angenommen, so dafs für Leitung und Strahlung 
2014 bleiben. Berechnet man den Verlust durch Strahlung, 
wobei man nicht, wie in dem zitierten Beispiele das Strahlungs- 
vermögen des Sommerkammgarns zugrunde legt, sondern das 

eines Winteranzugs, das dem des Wollflanells gleich sein dürfte, 
so erhält man folgende Zahlen: 

Das Strahlungsvermögen des Glases verhält sich zu dem des 
Rufses = 0,914 : 0,996 ; das Strahlungsvermögen des WoUfianells 
verhält sich zu dem des Rufses = 108,7 : 100 (7, S. 13 u. 14). 
Die Strahlungskonstante des Glases für die Stefan sehe Gleichung, 
auf Kai., qcm und Sek. bezogen, ist 1,0846 X 10 ~". — Daraus 
ergibt sich die des Wollflanells zu 1,2847 X 10-^2. _ Die der 
Haut werde gleich der des Waschleders gesetzt; dann ergibt sich 
in derselben Weise 1,1287 X 10" i^. Die Oberfläche der be- 
kleideten plus der behaarten Teile wurde wie in obigem Bei- 
spiele zu 19404, die der unbehaarten Teile zu 1200 qcm, die 
Temperatur der Kleidungsoberfläche zu 22,9, die der unbehaarten 
Teile zu 30^ angenommen. Berechnet man mit Hilfe dieser 
Zahlen und der St ef ansehen Formel, wieviel der Körper in 
einer Stunde durch Strahlung verliert, so ergibt sich: Für die 
unbekleideten Teil bei einer Temperatur von 17,5® 6,37 Kai.; 
bei 16,5® 6,847 Kai.; bei 14,5« 7,785 Kai.; bei 12° 8,93 Kai.; 
bei 90 10,262 Kai. Für die übrigen Teile bei 17,5» 48,8 Kai.; 
bei 16,5« 57,5 Kai; bei 14,5» 74,76 Kai.; bei 12« 95,85 Kai; 
bei 90 120,36 Kai. 

Da es aber keine praktische Bedeutung hätte, den Mehr- 
verlust durch Strahlung allein zu berechnen, so wurde der Ver- 
lust durch Leitung (28,62 Kai pro Stunde) und durch Wasser- 
verdunstung (23,25 Kai) dazugerechnet und Tabelle V (s. S. 308) 
aufgestellt. 

Wenn also die Lufttemperatur 17,5°, die Wand- 
temperatur in einem schlecht angeheizten Zimmer 
weniger beträgt, so werden von einer Person bei ge- 
ringer körperlicher Arbeit pro Grad Temperaturdiffe- 



308 ^16 Wärmeabgabe des Menschen in angleichmäfsig temperierten Räumen. 



renz etwas über 8% Wärme mehr abgegeben als bei 
Temperaturgleichheit. 

Tabelle T. 

Bei geringer Arbeit werden pro Stunde im ganzen abgegeben: 



liUft- 

temperatUT 


Wand- 
temperatur 


Differenz 


abgegebene 
Kalorien 


also mehr als 
bei gleichmäfsiger 
Zimmertemperatur 


17,50 


17,50 
16,50 
14,50 

120 

90 


1 

3 

5,5 
8,5 


107,04 
116,22 
134,41 
156,65 
182.49 


8,580/, 
25,57 > 
46,35» 
69,55 » 



Weiter interessiert uns noch, wie grofs diese Zahlen beim 
ruhenden Menschen sind; diese Zahlen sind praktisch noch be- 
deutsamer. — Pro qm Oberfläche sind hier 1189 Kai. zugrunde 
zu legen (8, S. 398); die Oberfläche des Nackten betrage wieder 
2,243 qm, es werden also pro Tag 2267, pro Stunde 111,12 Kai. 
gebraucht. Die Erwärmung der Atemluft erfordere wieder 35, 
die der Kost 42 Kai. ; für Wasserdampfabgabe werden (9, S. 212) 
11,4X24 = 273,6 Kai. gerechnet. Der Verlust durch Strahlung 
beträgt wie vorher 1324 Kai. Dann treffen auf den durch Leitung 
verursachten 592,4, pro Stunde 24,7 Kai. — Wie vorauszusehen, war 
der Verlust durch Leitung geringer beim Ruhenden als bei dem, 
der im Zimmer umhergeht. — Daraus wurden in derselben Weise 
wie vorher folgende Zahlen berechnet: 

Tabelle TL 

Bei Bube werden pro Stunde im ganzen abgegeben: 



Luft- 
temperatur 


Wand- 
temperatur 


Differenz 


also mehr als 

abgegebene ^^ gielchmlUMger 

Kalonen i „. _^ T 
1 Zimmertemperatur 


17,50 


17,50 
16,50 
14,50 
120 
90 


1 

3 

5,5 

8,5 


91,27 
100,45 
118,67 
140,88 

166,72 


10,060/, 
30,00» 
54,35» 
82,67 » 



Im angeführten Falle wird also bei Ruhe pro Grad 
Temperaturdifferenz im ganzen etwa lO^/g mehr Wärme 
abgegeben als bei Temperaturgleichheit. 



Von Dr. Karl Kifskalt. 



309 



In Wirklichkeit ist die Wärmeabgabe etwas geringer, da ein 
Teil des Körpers von der Strahlung ausgeschaltet ist, doch ist 
diese GrOfse nicht genau anzugeben, da sie mit der Sitzgelegen- 
heit (Stuhl, Sessel, Divan) stark variiert. 

Von Interesse erschien es noch zu untersuchen, wie eine 
Person sich verhält, die sich nach starker körperlicher Arbeit in 
einen solchen Raum begibt um sich auszuruhen. In einem 
solchen Falle dauert, wie Wolpert und Peters (10)^) nachgewiesen 
haben, die Vermehrung der Wasserdampfabgabe noch einige Zeit 
an, wodurch eine Vermehrung des Wärmeverlustes bedingt ist. 
Das Plus betrug 5 — 9,3 g pro Stunde. Nehmen wir 8 g = 4,3 Kai. 
und berechnen, wieviel das Plus der Wärmeabgabe in einem un- 
gleichmäbig temperierten Räume beträgt gegenüber der Wärme- 
abgabe einer Person, die vorher nicht gearbeitet hat, in einem 
gleichmäfsig temperierten Räume. 

Tabelle VII. 



Luft- 
temperatur 


1 

Wand- 

temperainr 


D. 


Kai. 


also mehr 


17,5° 


17,50 


— 


91,27 






16,5° 


1 


104,76 


14,77% 




14.5° 


3 


122.94 


34,70 » 




120 


5,6 


146,18 


59,07 . 




9° 


8,5 


171,02 


87,38 > 



Wie man sieht, sind die Werte nicht grols ; bedeutend gröfser 
dürfte der Wärmeverlust sein, der durch die Verdunstung des in 
den Kleidern steckenden Schweifses herbeigeführt wird. 

Bei der Berechnung ist noch eins zu bedenken. Wenn man 
einen Körper in einen Raum aufhängt, dessen Wand und Luft 
ungleichmäTsig temperiert sind, so wird er eine zwischen beiden 
gelegene Temperatur annehmen. Da die Wärmeabgabe einer 
Glaskugel durch Strahlung sich zu der durch Leitung etwa wie 
1 : 1 verhält, so wird ihre Temperatur «ich auf die Mitte zwischen 
beiden einstellen. Ist dies beim bekleideten menschlichen Körper 
auch der Fall, so wird zwar der Verlust durch Strahlung dann 



1) B. Literatur 8. 311. 



310 ^io Wärmeabgabe des Menschen in ongleichmilfsig temperierten Räamen. 

geringer sein, da die Temperaturdifferenz zwischen Wand und 
Kleidungsoberfläche geringer ist, aber der Verlust durch Leitung 
von der Haut nach der Kleidungsoberfiäche erhöht, jedenfalls die 
Rechnung komplizierter als vorher wird. Doch erwies sich eine 
nochmalige Rechnung als unnötig, da, wie sich aus früheren Unter- 
suchungen von Rubner (11, S. 31) ergibt, bei Sinken der Luft- 
und der Wandtemperatur von 17,5 auf 10° die Kleidungsober- 
fläche nur von 22,7 auf 19,3° sinkt, bei Sinken der Wandtemperatur 
allein also noch viel weniger, sodafs die Unterschiede von obigen 
Zahlen ganz verschwindend würden. 

Es wurde bereits erwähnt, dafs zahlenmäfsige Angaben, wie 
grols die Temperaturdifferenz zwischen Luft und Wand in einem 
derartigen unbehaglichen Zimmer ist, nicht existieren. Mir selbst 
ist es nicht gelungen, eine gröfsere Temperaturdifferenz als 
7,4° herbeizuführen, und auch diese sank schnell ab auf 5,5°. 
Leichter war eine solche von 4 — 5° auf einige Zeit zu erreichen, 
doch ist dabei zu bedenken, dafs das Zimmer absichtlich einige 
Tage ausgekühlt und dann möglichst stark angeheizt wurde. Sie 
wird in praxi bei Lokalheizung selten vorkommen, eher schon 
bei Luftheizung. Auch ist an den Fall zu denken, dafs eine 
Wand dem Nordwind exponiert ist, wobei noch die Gefahren 
einer einseitigen Abkühlung dazukommen. Jedenfalls aber be- 
weisen die Zahlen, dafs schon anscheinend geringfügige Diffe- 
renzen einen starken Wärmeverlust bedingen, und es ist daher darauf 
zu sehen, dafs die Beheizung der Zimmer nicht nur eine direkte, 
durch einen Heizkörper oder die erwärmte Luft, sondern auch 
eine indirekte, von den erst sekundär erwärmten Wänden aus 
sein mufs. 

Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn 'Geheimrat Prof. Dr. 
Rubner, erlaube ich mir für die Anregung zu der vorliegenden 
Arbeit und seine Unterstützung dabei meinen ergebensten Dank 
zu sagen. 



Von Dr. Karl KiTskalt. 311 



Literatur. 

1) Rabner, Lehrbuch der Hygiene. 7. Aufl. ' 1903. 

2) Tr^lat, Le chanfEage et Ta^ration des habitations. Congr^s inter- 
national d*hygi^ne et de dämographie. Paria 1889. 

3) Schmidt, Heizung and Ventilation, in Weyls Handbach der 
Hygiene, Bd. 4, 1896. 

4) Wüllner, Lehrbach der Experimentalphysik. 5. Aufl. 1896. 

5) R ahn er, Zar Bilanz unserer Wärmeökonomie. Archiv f. Hygiene, 
Bd. 27, 1896, S. 69. 

6) Fielet, Trait^ de la chaleur. 4. Aufl. 1878. 

7) R ahn er, Das Strahlungsvermögen der Kleidungsstoffe nach abso- 
lutem Mafse. Archiv f. Hygiene, Bd. 17, 1893, 8. 1. 

8) Rubner, Kalorimetrische Untersuchungen H. Zeitschr. f. Biologie, 
Bd. 21, 1885, 8. 337. 

9) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs. 1902. 

10) Wolpert u. Peters, Über die Nachwirkung körperlicher Arbeit 
auf die Wasserdampf abgäbe des Menschen. Archiv f. Hygiene, Bd. 65, 1906, 
S. 309. 

11) Rubner, Thermische Studien über die Bekleidung des Menschen. 
Archiv f. Hygiene, Bd. 23, 1895, S. 13. 



Zentrosomen oder Kenireste in den Erythrozyten 
des normalen strömenden Blntes? 

Von 

Prof. Dr. Franz Weidenreich 

in BtraAburg. 

Durch die Liebenswürdigkeit des Autors erhalte ich Kenntnis 
von der Abhandlung A. Nilsles: Ȇber Zentrosomen und 
D eh lersche Reifen in kernlosen Erythrozyten <: im Bd. 61 dieser 
Zeitschrift. Ich werde dadurch aufmerksam gemacht, dafs die 
von mir beschriebenen eigentümlichen, chromatischen Kömchen 
vieler kernloser Erythrozyten des normalen strömenden Blutes 
schon früher von diesem Autor gesehen und als Zentrosomen 
gedeutet wurden. Da die betreffende Abhandlung^ in der sich 
diese Mitteilung befindet, den allgemein gehaltenen Titel: 
»Beobachtungen am Blut mit Trypanosomen geimpfter Tiere« 
führt und zudem in den Jahresberichten für Anatomie und Ent- 
wicklungsgeschichte nicht referiert und nicht einmal aufgeführt 
ist, so ist mein Versehen wohl entschuldbar. 

Nun behauptet Nifsle, dals die fraglichen Gebilde die er- 
halten gebliebenen Zentrosomen seien, während ich sie für die 
letzten Reste des ursprünglichen Kernes gehalten habe. Nach 
der« Kenntnisnahme der beiden Arbeiten jenes Autors besteht 
für mich nicht der geringste Anlafs, von dieser meiner Beurteilung 
abzulassen. Ftir Nifsle war lediglich der allgemeine Habitus, 
unter dem die Kömchen erscheinen, mafsgebend. Dafs daraus 



Zentrosomen oder Kernreste etc. Von Prof. Dr. Franz Weidenreicb. 313 

nicht ohne weiteres auf die ZentrosomenDatur geschlossen werden 
darf, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Die Tatsache, dafs 
You Dehler und Heidenhain in kernhaltigen roten Blut- 
körperchen Zentrosomen beschrieben wurden, beweist nicht das 
geringste dafür, dafs in kernlosen Erythrozyten gefundene ähn- 
liche Gebilde mit jenen identisch sind. Man darf um so mehr 
an der Berechtigung dieser Deutung zweifeln, als es ein meines 
Wissens völlig ohne jedes Analogon in der Zellbiologie dastehen- 
der Fall wäre, dafs die Zentrosomen erhalten bleiben, während 
der Zellkern völlig schwindet und auch das Protoplasma in seiner 
Gesamtheit eingreifende Umwandlungen erfährt. Schon dieser 
Umstand verlangt nach ganz anderen Beweisen, als sie Nifsle 
bringen kann. Da müfste doch vor allem einmal von der 
Mitose an das Zentrosom in seinem besonderen Verhalten ver- 
folgt werden! 

Ist also von Nifsle überhaupt kein genügender Beweis für 
seine Ansicht erbracht worden, so ist es auf der andern Seite 
leicht, die Kernnatur jener Kömchen nachzuweisen. Zunächst 
färben sich die Körnchen mit allen typischen Kernfarbstoffen, 
was bekanntlich für die Zentrosomen nicht zutrifft; so besitze 
ich Präparate, in denen die Körnchen gefärbt erscheinen, nicht 
aber die Zentrosomen der daneben liegenden Leukozyten, die 
mit typischen Zentrosomenfärbungen gut darstellbar sind. Aber 
abgesehen davon, habe ich durch Untersuchung fötalen Blutes 
und des Knochenmarks den Nachweis erbracht, dafs sich meist 
eine kontinuierliche Reihe aufstellen läfst, die von den frag- 
mentierten und pyknotischen Kernen der Erythroblasten zu 
jenen Körnchen führt. Nifsle kritisiert zwar diesen Nach- 
weis, ich glaube aber, dafs hier eine Kritik nur dann berechtigt 
ist, wenn sie sich auf eine exakte Nachprüfung meiner An- 
gaben stützt. Inzwischen ist diese von anderer Seite erfolgt. 
Im letzten Heft des Arch. d'Anat. microscop. (T. IX. F. II, 
S. 133 — 314) publiziert J. Jelly eine sehr ausführliche Unter- 
suchung über die Kernumwandlung der roten Blutkörperchen, 
in der er genau zu den gleichen Resultaten kommt wie ich. 
Auch er leitet jene fragliche Körnchen in kontinuierlicher Reihe, 



314 ZentroBomen oder Kemreste etc. Von Prof. Dr. Franz Weidenreich. 

vom Kerne ab und die figürlichen Belege, die er dafür gibt, 
stimmen auffallend mit den meinigen überein. JoUy weicht 
nur darin von mir ab, dafs er beim normalen, erwachsenen 
Menschen die Körnchen nicht gesehen haben will, sondern nur 
in den kernlosen Erythrozyten des fötalen und anämischen 
Blutes; diese Differenz ist aber hier belanglos, da sie sich ja 
ebensogut gegen Nif sie wie gegen mich richtet. Ich halte also 
meine Deutung, wonach die Körnchen Kernreste (Chroma- 
tinstäubchen) sind, für durchaus gesichert, während für ihre 
Zentrosomennatur im Sinne Nifsles jeder Beweis fehlt. 

Strafsburg, Juni 1907. 



Die Wirknng verschiedener chemischer Agentien 

auf das Wntvirus/) 

Von 

Prof. Olaudio Fermi. 

{HygLemachea Institat der Egl. Universität Saesari. Prof. Claudio Fermi.) 

Die Kenntnis der lyssatötenden Minimalmenge der ver- 
schiedenen chemischen Stoffe ist uns noch vollständig fremd. 
Dies erklärt sich teilweise durch den Mangel von zur subkutanen 
Lyssainfektion empfindlichen Tieren und teilweise aus der grofsen 
Anzahl von kostbaren Tieren (Kaninchen oder Meerschweinchen), 
die dazu notwendig waren. 

Die verschiedenen Autoren haben sich daher begnügen 
müssen, nur zu bestimmen, in welcher Zeit eine gegebene 
Lösung einer bestimmten chemischen Substanz imstande ist, das 
Wutvirus zu zerstören. Dies kann man in nachstehenden Tabellen 
sehen, in welchen die verschiedenen Stoffe in alphabetischer 
fieihenfolge angegeben sind. 

Um das Kapitel über die Wirkung der verschiedenen 
chemisch-physischen Agentien auf das Wutvirus zu vervoll- 
ständigen, sowie um einige Aufklärung zu schaffen über die 
Natur des Wutvirus und die verschiedentliche Widerstands- 
fähigkeit desselben den genannten Faktoren gegenüber und mit 
jener der bekannten Mikroorganismen verglichen, ferner weil diese 

1) Eine vorläufige Mitteilung über diesen Gegenstand habe ich schon 
im Jahre 1905 in der Riforma Medica (XXI. Jahrg. Nr. 36) yerOffentlicht. 



316 ^ie Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf den WutYims. 



Kenntnisse mir zu einigen Forschungen über die Immunisierung 
und die Behandlung der Tollwut dienen sollten, studierte ich 
die Wirkung einer Serie chemischer vorwiegend antiseptischer 
Substanzen in bezug auf das Wutvirus. 



Chem. Substanzen*) 


Prozentzahl der 

gebrauchten 

Lösungen 


Der Wutvirus wurde zerstört in 


Essigsäure . . . 
Borsäure .... 


! 

i 

4 


5' 
15 


De Blasi e Russo Travali 


Zitronensäure . . 


6 


lO' 


Galtier 


Salzsäure .... 


5 


5' 


De Blasi e Russo Travali 


Salizylsäure . . . 
Schwefelsäure . . 

Alkohol . . . . < 


5(1) 
10 
15 
25 


5' 

5' 

lebt noch nach 

7 Tagen 

5 Tagen 


De Blasi e Russo Travali 
^ Celli e Luigi De Blasi 




50 90 


24 Stunden 




Ammoniak . . . 


Konzentriert 


10' 


De Blasi e Russo Travali 


Kreolin .... 


1 


3' 




Formol .... 


i 


5' 10' 


Caterina 


Holzranch . . . 


V. 


20 Stunden 




Glyzerin .... 




1 Monat 




> 

Silbemitrat ... 


50 
25 


5' 
10* 


De Blasi e Russo Travali 


Kalipermanganat . 


2,5 

1 


24 Stunden 
20' 


Celli e Luigi De Blasi 
De Blasi e Russo Travali 


Kalihydrat . . . 


5 


Sofort 




Kupfersulfat . . 


10 


10* 


Celli e Luigi De Blasi 


Zinksulfat . . . 


1 


10' 


De Blasi e Russo Travali 


1 

■ 

Sublimat . . . . j 

,1 


1 /ooo 
17oo 


Sofort 
Sofort 


l Celli, Luigi De Blasi e Cala- 
1 brese 


Zitronensaft . . . 




3' 


Galtier 



1) Bekanntlich kombinieren sich Spuren dieser Stoffe (Sublimat, Säuren 
usw.) mit den eiweifsähnlichen ; und andere (Nitrat argen usw.) mit den Salzen 
(Chlomatrium etc.), doch wäre es eine aulserordentliche, unnütze« und mit 
dem Zwecke nicht im Einklänge stehende Arbeit gewesen, chemisch den 
Inhalt der verschiedenen chemischen, der Emulsion beigefügten Stoffe, fest- 
zustellen. 

Übrigens habe ich die Methode befolgt, die beim Studium der ver- 
schiedenen Antiseptika auf die Mikroorganismen im Gebrauch ist^ um auch 
den Wutvirus mit jenen vergleichen zu können. 

In ähnlichen Forschungen handelt es sich nicht darum, die Menge der 
absoluten freien Substanz festzustellen, die auf die Mikroorganismen ein- 
wirkt, sondern um zu wissen, wie viel Stoffe, unter gegebenen Bedingungen, 



Von Prof. Claudio Permi. 317 

Untersuchungsmethode: Man giefse in Prouvetten oder 
in kleine Kelchgläser die 10 ccm gut zubereitete Emulsion von 
frischem feinen Virus zu 1 : 10 (1 g Mark in 10 ccm destilliertes 
Wasser enthalten), verschiedene Quantitäten der verschiedenen 
Stofflösungen; man schüttle dieselben gut 1 Minute lang, lasse 
die Prouvetten ^4 Stunde lang ruhen und prüfe die Virulenz 
des so behandelten Virus auf Ratten und Mäusen nach indem 
man ^/s oder ^4 <^^ diesen Tieren subkutan injizierte. 

Man war stets darauf bedacht, die Nadel der Spritze in die 
Mitte der Flüssigkeit einzuführen, um die Berührung der Wandung 
des Röhrchens oder des Gläschens zu vermeiden, und um zu ver- 
hüten, dafs mit der Nadel irgendein Stückchen Mark durch 
Anhängen an die Wandung des Gefäfses der Wirkung des Anti- 
septikum für die bestimmte Zeit sich hätte entziehen können. 

Da unser Zweck ist, die tödliche Minimaldosis der ver- 
schiedenen chemischen Substanzen zu kennen, so bereitete man 
für jede Substanz fast immer 5 — 7 Proben mit verschiedenen 
Quantitäten des Antiseptikum und zwar 1, 2, 3, 4, 5, 6 bis 
7 Zehntel der Lösung der verschiedenen Substanzen. 

Auf diese Weise konnte die tödliche Minimaldosis leicht 
festgestellt werden. Aufserdem bestätigten von den 5 — 7 Proben 
die einen das Resultat der anderen und dienten zugleich als 
Kontrollproben. 

Geschah es bisweilen, dafs alle Dosen zu schwach waren 
und der Virus überlebte und sämtliche 5 — 7 Mäuse an der Wut 
starben, so wurde der Versuch mit einer grölseren Anzahl von 
Zehnteln derselben Lösung wiederholt oder der Prozentsatz letzterer 
gesteigert, oder die Zahl der erwähnten Zehntel gelassen. Die sehr 
zahlreichen Reihen von Versuchen, die 619 Tiere verlangt haben, 
sind in der ausführlichen Arbeit (L^Azion di vari agenti chimici sul 
virus rabico. — Tipografia degli Olmi-Scansano, 1906) zu finden. 



hinzagelflgt werden mflssen, um die Mikroorganismen zu töten oder ihre 
Entwicklung anfzohalten. 

Die Forschung nach der Menge der aktiyen freien Substanzen ist nicht 
nur, wie gesagt unnütz, sondern sie würde zu oft langen und nicht immer 
fehlerfreien Bestimmungen führen. 



318 ^10 Wirkung yerschiedener chemischer Agentien auf den Watyiras. 



In der nntenstehenden Tafel werden wir die gewonnenen Resultate zusammenfassen. 

chemische Stoff in der entsprechenden 



Versuchte Stoffe 


Konzen- 
tration 


%0 


% 


^Ho 


'lio 


'%0 


% 


% 


KRsigsäure . . . | 


5:100 
5:100 




00 




tt 






00 

tt 


Salizylsäure 


5:100 


tt 


tt 


tttt 


00 




00 




Zitronensäure . . 


5:100 
2:100 








00 

tt 






00 

1 1 


Milchsäure . . . | 


5:100 
2:100 

5:100 








00 

tt 

00 


1 

r 

j 


00 

tt 

00 


Salzsäure .... 


2:100 








00 


' 


00 


t 


2:100 




















■ 


5:100 








00 






00 


Schwefelsäure . . / 


2:100 
2:100 











00 







00 




1:200 


t 















1 
1 


Kalipermanganat 


5:100 




tt 




tt 


tttt 


tt 


00 


Alaun 


10:100 




tt 








tt 


: 00 

I 




30:100 


ttt 


tt 






ttt 




T » • 


Chlornatrium . . j 


30:100 
30:100 
50:100 














1 


Natrium fluorur* . 


1:100 
















f 


20:100 




tt 




tt 




tt 


1 ^^ 


Natriumkarbonat . < 


20:100 
20:100 
















Ammoniak . . . 


1%? 








tt 




tt 


■ 

f T 


Jod 1 


5:100 
1:100 


tttt 




000000 


00 

tt 




000 


00 

t- 


Kupfersulfat . . 


1:100 








t 









Jodkali 


5:100 
5:100 






• 


00 

Ott 






00 

tt 


Jodalbacid* . . . 


1:100 








tt 






00 


Silbemitrat*. . . i 


1:100 
1:1000 




tt 




tt 
tt 




00 * 


00 




1:5000 








t 




■ 


T 


Tachiol* 


1:5000 




; 








t 






t 


1 


1:200 





















Von Prof. Claudio Fermi. 



319 



Die t bedeuten, dafs das Tier auR Wut gestorben ist, und dafs daher der versuchte 
Dosis den Wutvirus nicht tötete. 



% 


% 


% 


^''•/lO 


% 


% 


%o 


%o 


"/lO 


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00 




00 




















00 




00 




















00 




00 










• 










00 




00 


















00 




00 




















00 




00 




















00 




00 




















00 




00 




















00 




00 




















00 




00 












00 


00 














• 








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tt 






tt 




tt 














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tt 

t 






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ttt 

tt 

t 






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tt 


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t 





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00 


00 




0000 


00 










00 














tt 


tt 

00 






tt 

00 




00 
00 


00 


00 








00 
















■ 








00 







' 


00 



00 

tt 

00 




00 



00 

Ott 

00 


00 









^ 


00 
























tt 










t 





















Archiv ffii Hygiene. Bd. LXm. 



22 



320 I^ie Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf den Watvirus. 



Versachte Stoffe 


Konzen- 
tration 


'/•/lo 


Vio 


^•'•/lo 


% 


'^•/•/lo 


% 


% 


■ 


1:500 








tt 






tt 


Ichthargan* . . . / 


1:500 
1:500 


t 


t 




t 
Ot 









1:500 


















CoUargol* ... 


1:100 
1:1000 










t 








t 


Protorgol* . . . 


1:100 






• 


t 






t 


Largin 


1:100 








t 






t 


Argonin .... 


1:100 








t 






t 




1:5000 
1:5000 








t 








t 




Sublimat* 


1 : 10,000 

1:5000 

1:20,000 


tt 
t 


ot 







t 




ot 


too 




Ermophenil* . . 


1:100 








t 






t 


■ 

Karbolsäure. . 


5:100 






tttt 


tt ttt 


00 


00 


5:100 




tt 




t 




tt 


tt 


Tymol, 


1:100 








tt 






tt 


Lysoform. 


5:100 
5:100 








tt 






tt 
tt 


Alumnol .... 


1:100 








tt 






tt 


Abrastol (asaprol)* 


1:100 
1:100 








tt 
t 






' tt 

t 


Formalin .... 




t 


t 




t 




t 




Chinin Bisulfat. . 


5:100 




tt 


tttt 


tttt 


t 


tttt 


00 


Chloroform ... 


1:5 
1:5 








tt 
t 






tt 

t 


Wassersauwstoff- 1 
superoxyd . . . ' 

Methylenblau . . 


■ 

1:100 


too 


tt 
tt 


tttttttt 


tt 
tt 






tt 
tt 


000 


tt 
tt 


000 


Malachitgrün . . 


1:100 


tt 






ttt 




ttttt 


00000 


Larycith .... 


1:1000 




tttt 




tt 


t 


tt 


00t 



Bemerkungen. Die mit einem Sternchen gezeichneten 

Aus vorhergehender Tabelle mit Hilfe einfacher FormeP) 



(100 + n) ■ 1000 

1) X = 

nr. 

W = Zahl der zu 10 ccm Emulsion zugefügten Lösungszehnteln. 
B = Titel der geprüften chemischen Lösung pro Tausend. 



Von Prof. Claudio Fermi. 



321 



'I: 



10 



«/: 



10 







n 



10 



oooott 

000 



tt 



00 



00 



oooott 





tt 



00 

0000 

00 



00 

t 



00 



00 



''% % 



tt 

ö 


t 
t 




t 





t 





'I 



00 

tt 

0000 

tt 

00 

t 



tt 





00 



10 



'i. 



10 



tt 




t 





t 





t 





00 
00 

00 
00 

t 

00 

00 




00 



n 



10 



"/ 



10 



"/: 



10 












n 



10 



30/, 



10 



00 



Stoffe wirkten 30 Minuten lang auf den fixen Viras ein. 

wurde die folgende Tabelle, welche die tödliche minimale 
Menge der verschiedenen chemischen StofEe auf den Wutvirus 
ergibt : 



22* 



322 I^Je Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf den Wntvirus. 







Menge der verschiedenen Substanzen 


1 


bei welcher das fixe 


bei welcher das fixe 




Prozentzahl 
der 


Virus widerstand 


Virus zerstört wurde 


Versuchte i 

1 


Zehntel der 




Zehntel der 




Substanzen 


versuchten 


verschied. 
Substanzen- 


berechnete 


verschied. 
Substanzen- 


berechnete 




Lösungen 


Lösungen, 




Lösungen, 








diez.lOccm 
Emulsion 


Prozentzahl 


diez.lOccm 
Emulsion 


Prozentzahl 






beigefügt 




beigefügt 








wurden 




wurden 




Essigsäure .... 


2:100 


4 


1:1300 


8 


1 :675 


Salicylsäure . . . 


5:100 


IV« 




: 1846,67 


2 




:1020 


Zitronensäure . . . 


2:100 


4 




:1300 


8 




:675 


Milchsäure .... 


2:100 


4 




:1300 


8 




:675 


Salzsäure .... 


1:100 


1 




: 10,100 


2 




: 5,100 


Schwefelsäure . . 


1:200 


v» 




: 40,200 


1 




.20,200 


Kalipermangat . . 


: 5:100 


3 




686,67 


4 




520 


Alaun 1 


1 10:100 


10 




:110 


12 




: 93,33 


Chlornatrium . . . ; 


50 : 100 


20 




:12 


30 




.8.67 


Natriumfluor ur* . . 


1:100 ' 


10 




:1100 


15 




: 766,67 


Natriumkarbonat . . 


20:100 i 


4 
8 




:130 
67,5 


5 
10 




:105 
55 


Ammoniak .... 


l*/o 


4 




:2600 


5 




:2100 


Jod 


5:100 


V, 




:4020 


IV, 




: 1346,67 


1:100 


4 




:2600 


8 




:1350 


Kupfersulfat . . . 


1:100 


2 




:5100 


4 




:2600 


Jodkali 


5:100 










Jodalbacid* . . . 


1:100 


2 




:5100 


4 




:2600 


Silbernitrat* . . . i 


1:100 
1:100 


2 

4 




:5100 
.26,000 


3 

8 




3433 
: 13.500 


Takiol* i 


1:200 


V, 




: 402,000 


1 




: 20,200 


1:500 


4 




: 130.000 


8 




: 67.500 


Collargol» . . . .| 


i 1:100 
1:100 


10 




2 




Ictargan | 


1:1000 
1:500 


10 
2 




: 25,500 


3 


1:17166,67 


Protargol* .... 


1:100 


8 




:1350 


10 




:1100 


Largin 


1:100 


4 




:2600 


8 




: 1350 


Argonin* .... 


1:100 


4 




;2600 


8 




:1350 


Sublimat* .... 


1:10 000 


4 




: 260,000 


8 




: 135,000 


Ermophenil* . . . 


1:100 


4 




:2600 


8 




:1350 


Karbolsäure . 


5:100 


2Vj 




:520 


3 




:420 


Thymol* 


1:100 


4 




2600 


8 




:1350 


Lysoform* .... 


5:100 


8 




270 


10 




:220 


Alumnol* .... 


1:100 


8 




:1350 


10 




:1100 


Abrastol* .... 


1:100 


4 




2600 


8 




:1350 


Chininbisulfat . . 


5:100 


3 




686,67 


10 




:210 


Chloroform .... 


20:100 


4 




130 


8 




:675 


W assersauers toff • 












Buperoxyd . . . 




4 




25 


5 




:20 


Methylenblau . . . 


1:100 


IV, 




6733,33 


3 




3433,33 


Malachitgrün . . . j 


1:100 


3 




3433,33 


4 




:2600 


Larycith 111 


1:100 


5 




21,000 


6 




: 17666,67 



Bemerkung: Die mit einem Sternchen bezeichneten Stoffe wirkten 30 Minuten 
auf den fixen Virus ein. 



Von Prof. Claudio Fenni. 323 

Resultate: Aus diesen Tabellen ergibt sich folgendes: 

1. Die Essigsäure zerstört in ^4 Std. den fixen Virus schon in 
einer Proportion von 1 : 675, während sie bei 1 : 1300 in- 
aktiv bleibt. 

2. Die Salizylsäure zerstört in ^j^ Std. den fixen Virus im Ver- 
hältnis von 1 : 1020, während sie bei 1 : 1346,67 inaktiv 
bleibt. 

3. Die Zitronensäure zerstört in ^j^ Std. bei 1 : 675, inaktiv bei 
1 : 1300. 

4. Die Milchsäure zerstört in ^/4 Std. bei 1 : 675, inaktiv bei 
1 : 1300. 

5. Die Salzsäure zerstört in % Std. bei 1 : 5100 und ist inaktiv 
bei 1 : 10100. 

6. Die Schwefelsäure zerstört in % Std. bei 1 : 20200 und ist 
inaktiv bei 1 : 40200. 

7. KaHpermanganat zerstört in ^j^ Std. bei 1 : 520, inaktiv bei 
1 : 686,67. 

8. Der Alaun zerstört in ^4 Std. bei 1 : 93,33, inaktiv bei 1 : 110. 

9. Das Chlomatrium zerstört in ^4 Std. bei 1 : 8,67, inaktiv 
bei 1 : 12. 

10. Das Natriumfluorur zerstört in 30 Min. bei 1 - 776,67, inaktiv 
bei 1 : 1100. 

11. Das Natriumkarbonat tötet in ^j^ Std. bei 1 : 105, inaktiv 
bei 1 : 130. 

12. Ammoniak zerstört in ^/4 Std. bei 1 : 2100, inaktiv bei 
1 : 2600. 

13. Jod tötet in ^4 Std. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600. 

14. Jodalbacid zerstört in 30 Min. bei 1 : 5400, inaktiv bei 
1 : 15,100. 

15. Kupfersulfat zerstört in ^4 Std, bei 1 : 2600, inaktiv bei 
1 : 5100. 

16. Silbernitrat zerstört in 30 Min. bei 1 : 3433, inaktiv bei 
1 : 5100 oder tötet bei 1 : 13500 und inaktiv bei 1 : 26,000. 

17. Tachiol tötet in 30 Min. bei 1 : 20,200, inaktiv bei 1 : 40,200 
oder wirksam bei 1 : 67,500 und wirksam bei 1 : 130,000. 

18. Ichthargan tötet in 30 Min. bei 1 : 17166, inaktiv bei 1 : 25500. 



324 l^io Wirkuug verschiedener chemischer Agentien aal den Watvirns. 

19. Collargol tötet in 30 Min. bei 1 : 10200, inaktiv bei 1 : 22000. 

20. Protargol tötet in 30 Min. bei 1 : 1100, inaktiv bei 1 : 1350. 

21. Largin tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600, 
L* Argonin tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600. 

22. Sublimat tötet in 30 Min. bei 1 : 153333,34, inaktiv bei 
1 : 220000. 

23. Ermophenil tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600. 

24. Karbolsäure tötet in % Std. bei 1 : 420, inaktiv bei 1 : 520. 

25. Thymol tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600. 

26. Lysoform tötet in 30 Min. bei 1 : 220, inaktiv bei 1 : 270. 

27. Alumnol tötet in 30 Min. bei 1 : 1100, inaktiv bei 1 : 1350. 

28. Assaprol tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600. 

29. Chininbisulfat tötet in ^4 Std. bei 1 : 220, inaktiv bei 1 : 687. 

30. Chloroform zerstört in 1/4 Std. bei 1 : 67,5, inaktiv bei 1 : 130. 

31. Wassersauerstoffsuperoxyd tötet in ^j^ Std. bei 1 : 20, inaktiv 
bei 1 : 25. 

32. Methylenblau tötet in Vi Std. bei 1 : 3433,33, inaktiv bei 
1 : 6733,33. 

33. Malachitgrün tötet in Vi Std. bei 1 : 2600, inaktiv bei 
1 : 3433,33. 

34. Larycith zerstört in V4 Std. bei 1 : 11000, inaktiv bei 
1 : 13500. 

Schlufsfolgerungen. 

Indem wir zur näheren Kenntnis der lyssatötenden Minimal- 
menge der verschiedenen superimentierten Substanzen auf die 
Tabelle zurückweisen, führen wir hier einige allgemeine Schlufs- 
folgerungen an, die wir daraus ziehen können: 

1. Die lyssatötende Wirkung der organischen 
Säuren (Essigsäure, Zitronensäure, Milchsäure) war 
ungefähr die gleiche (aktiv zu 1 : 675 ungefähr, in- 
aktiv zu 1 : 3000 ungefähr). 

Die der Salizylsäure ist stärker (aktiv zu 1: 1020 
ungefähr und inaktiv zu 1 : 1346). 

Wirksamer sind einige Mineralsäuren, z. B. die Schwefelsäure 
zerstört in V4 Std. bei 1 : 20200 und ist inaktiv bei 1 : 40200 und 
die Salzsäure zerstört bei 1 : 5100 und ist unaktiv bei 1 : 10100. 



Von Prof. Claudio B'ermi. 325 

2. Das Natriumfluorur (1 : 766) war aktiver als das 
Kalipermanganat (1 : 520). 

3. Das Ammoniak war noch viel aktiver (1 : 2100) 
als das kohlensaure Natron (1 : 105), and dieses war 
wiederum aktiver als das Alaun (1 : 93). 

4. Das Chlornatrium zeigt unter den versuchten 
Stoffen die schwächste lyssatötende Wirkung (1 : 8). 

5. Das Jod übte eine ziemlich energische Wirkung 
aus, die noch stärker war als jene des Jodalbacid. 

6. Das Kupfersulfat war noch viel aktiver 
(1 : 26000) als alle Säuren, als das Kalipermanganat, 
als das Jod und als die Karbolsäure. 

6a. Nach dem Sublimat übten einige Silberzu- 
sammensetzungen die energischste Wirkung aus. 
Unter diesen Silberzusammensetzungen kommt in 
erster Reihe das Takiol (aktiv bei 1 : 67000 und in- 
aktiv bei 1 : 130,000 ungefähr), sodann das Nitratum 
argentum (aktiv bei 1:13500 und inaktiv bei 1:26000), 
das Ichthargan (aktiv bei 1:13000 und inaktiv bei 
1:33000 ungefähr), das Collargol (aktiv bei 1 : 10200 
und inaktiv bei 1:22000); dann das Largin und das 
Argonin (aktiv bei 1:1350 und inaktiv bei 1:26000). 
Zuletzt endlich kommt das Protargol (aktiv bei 1 : 1100 
und inaktiv bei 1 : 1350 ungefähr). 

7. Unter den angewandten Substanzen nimmt 
natürlich das Sublimat die erste Stelle ein (aktiv 
bei 1 : 131 000 und inaktiv bei 1 : 260000). Das Ermo- 
phenil, welches ebenfalls eine Quecksilberverbin- 
dung ist, übt eine unendlich schwächere Wirkung 
aus (aktiv bei 1 : 1350 und inaktiv bei 1 : 2600). 

8. Das Wassersauerstoffsuperoxyd hat eine sehr 
schwache lyssatötende Wirkung (aktiv bei 1 : 20, in- 
aktiv bei 1 : 25). 

9. Ebenso ist die Wirkung des Chloroforms sehr 
schwach (aktiv bei 1 : 67, inaktiv bei 1 : 130). 



326 ^^0 Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf den Wotviros. 

10. Das Thymol übt eine lyssatötende Wirkung 
aus (aktiv bei 1 : 1350 und inaktiv bei 1 : 2600), die viel 
energischer ist als die Karbolsäure (aktiv bei 1 : 420 
und inaktiv bei 1 : 520) und noch stärker als die des 
Isophorms (aktiv bei 1 : 220 und inakitv bei 1 : 270). 

11. Das Alumnol und das Abrastol zeigten eine 
ziemlich gute Wirkung. (Alumnol, aktiv bei 1 : 1100, 
inaktiv bei 1 : 1350; Abrastol, aktiv bei 1 : 1350, in- 
aktiv bei 1 : 2600). 

12. Schwach war die Tätigkeit des Chininbisulf at 
(aktiv bei 1 : 220, inaktiv bei 1 : 186). 

13. Eine verhältnismäfsig energische lyssatötende 
Tätigkeit fand ich bei einigen Anilinfarben und be- 
sonders beim Larycith III (aktiv bei 1:11000, inaktiv 
bei 1:13500), welches das Malachitgrün übertraf 
(aktiv bei 1 : 2600, inaktiv bei 1 : 3400) und noch mehr 
das Methylenblau, das sich als die am wenigsten 
energische dieser drei Substanzen zeigte (aktiv bei 
1 :340, inaktiv bei 1 : 670). 

I. Anhang. 

Wirkung des Kokains und des Olokains auf das 

Wutvirus. 

Unter den verschiedenen von mir probierten Mitteln, um 
die Einspritzungen in der Paste urschen Kur so schmerzlos 
als mögUch zu machen, besonders wenn es sich um Kinder und 
Frauen handelt, fand ich als das wirksamste und billigste jenes, 
einige Tropfen von einer Iproz. Kokain- oder Olokainlösung mit 
der bereits mit der Emulsion angefüllten Spritze aufzusaugeo. 

Bevor ich jedoch diese Methode der Anästhesie zur An- 
wendung brachte, hielt ich es für meine Pflicht, mich zu verge- 
wissern, ob das Kokain und das Olokain nicht irgendeine Wirkung 
auf das Wutvirus ausübten. 

Da es äufserst lang und schwer gewesen wäre zu entscheiden, 
ob die momentan auch nur teilweise mit der Markemulsion in 
Berührung kommenden Kokain- und Olokainspuren einen schäd- 



Von Prof. Claudio Permi. 327 

liehen Einflufs auf den Impfstoff ausüben, so studierte ich hin- 
gegen die Wirkung dieser beiden Anästhetica auf frisches Mark 
und unter den obigen Bedingungen. 

Versuche mit Kokain. 

1. Versuch. Zu 3 ccm Emulsion von frischem feinen Virus 
von Kaninchen fügte ich 0,25 (ungefähr 5 Tropfen) einer Kokain- 
lösung zu 2%, indem ich so eme Kokainlösung von 0,17% er- 
hielt. Hierauf impfte ich drei Kaninchen sub dura. 

Resultat: Die Tiere verenden regelmäfsig mit 
dem gewöhnlichen symptomatologischen Bilde der 
Tollwut am 7. Tage. 

2. V e r s u c h : Zu 3 ccm Emulsion von frischem feinen Kanin» 
chenvirus 0,40 (= 8 Tropfen) einer 2proz. Kokainlösung hinzu 
und impfte sofort 3 Kaninchen sub dura. 

Resultat: Die Tiere starben an der Tollwut am 
7. Tage. 

3. Versuch: Man bereitet eine Emulsion frischen fixen Virus 
1:3 direkt mit der 2proz. Kokainlösung und impft 4 Kaninchen« 

Resultat: Die Tiere starben zwischen dem 8. und 
9. Tage, d. i. mit einer Verspätung von 1 — 2 Ta^en. 

4. Versuch: Da ich wahrnahm, dafs das vollständig un- 
schädliche Verhältnis des Kokains jenes von 0,25 einer Lösung 
zu 2% in 3 ccm war, überstieg ich dasselbe nicht, ging hingegen 
herab auf 0,1%, nämlich l%o- 

Bevor ich jedoch dasselbe an Personen anwandte, versuchte ' 
ich es neuerdings an 30 Kaninchen. Man ging wie gewöhnlich 
vor. Man bereitete die Spritze im Augenblicke der Injektion 
und aspirierte 0,25 einer 2proz. Kokainlösung. 

Resultat: Alle 30 Kaninchen starben regelmäfsig 
am 7. Tage ohne irgend einen Unterschied in dem 
symptomatotischen Bilde zu bieten. 

Versuche mit Olokain. 
Diese Versuche wurden in derselben Weise wie die vorigen 
angestellt. Der Kürze halber unterlasse ich es, sie hier anzuführen. 
Das Resultat war ungefähr dasselbe wie jenes mit dem Kokain. 



328 ^^^ Wirkung verschiedener ohemischer Agentien auf den Watviras. 

Anwendung der Methode beim Menschen. 

Angesichts der geringen Quantität von Kokain und Olokain, 
die täglich dem Menschen eingespritzt werden konnte, war es 
nicht der Fall, sich mit dem verschiedentlichen Giftgehalt dieser 
beiden Stoffe zu beschäftigen. 

Ich ging somit ohne weiteres zur Anwendung der Methode 
auf den Menschen über. Neben den Kelchgläschen, welche die 
Emulsion enthielten, hielt ich ein anderes Gläschen mit einer 
Kokain- oder Olokainlösung, die mit aller Vorsicht bereitet und 
aufbewahrt worden war. Nachdem die Spritze gefüllt war und 
bevor die Einspritzung vorgenommen wurde, wurden mit der- 
selben 0,15 — 0,25 von gesagter Lösung aufgesaugt und man ging 
sofort zur Impfung über. 

Um über die Wirksamkeit des Verfahrens urteilen zu können, 
wurden bei allen der Kur unterworfenen Personen bald Ein- 
spritzungen mit Kokain, bald solche ohne Kokain vorgenommen. 

Fast alle, ohne die Modifikation in den Einspritzungen zu 
wissen, bemerkten beständig den Unterschied, und wir selbst 
bemerkten es im Augenblick der Einspritzung. 

Die unschädUche und geringe Modifikation einmal eingeführt, 
ward nicht mehr aufgegeben und seit 3 Jahren ist dieselbe in 
Anwendung, ohne je einen Übelstand verzeichnet zu haben. 

2. Anhang. 

Dauer der Virulenz des in Glyzerin aufbewahrten 
fixen Virus, aus dem Institute zu Sassari, auf Nage- 
tiere, die subkutan geimpft wurden. 

Sowohl um die Dauer der Virulenz des längere Zeit hin- 
durch in Glyzerin aufbewahrten und den Nagetieren auf sub- 
kutanem Wege eingeimpften fixen Virus aus dem Institute zu 
Sassari zu kennen, als auch um zu entscheiden, ob irgendein 
diesbezüglich mit dem mir aus anderen Pasten r sehen Instituten 
zugesandten fixen Virus erhaltenes, negatives Resultat dem Auf- 
enthalt des fixen Virus in Glyzerin, während der Reise, d. h. 
während einer Zeitdauer von 3 — 6 Tagen, zuzuschreiben sei, 
unternahm ich folgende Versuche. 



Ton Prof. CUndio Femii. 829 

In 50 ocm konzentriertes Glyzerin zu 1 : 2 und 1 : 4 legte 
ich QehirnstQckfl von je 2 g Gewicht, welche einem an der Toll- 
wut zugrunde gegangenen Kaninchen entstammten. Ich achtete 
darauf, stets denselben Teil des Gehirns zu wählen und brachte 
die verschiedenen Gefftbe in eine Temperatur von ungefähr 22". 

Nach 3 — 5 — 10 — 20 — 25 Tagen versuchte ich die Virulenz 
der verschiedenen Stücke vom Gehirn an Nagetieren, und zwar 
auf subkutanem Wege, indem ich die Versuche im ganzen auf 
26 Tiere ausdehnte. Ich trug stets Sorge, den mittleren Teil des 
GehimstQckes zu wählen. 

In nachstehender Tabelle lasse ich die erhaltenen Resultate 
folgen. 



1 : 






1:4 
1:4 
1:2 
1:2 


19 . 
19 . 
36 > 
% • 
2fi . 

25 . 

26 . 
25 . 


|"i 


1 



330 ^1® Wirkang verBchied. ehem. Agentien a. 'd. Wutyiras. Prof. Cl. Fermi. 

Resultate. 

1. Wie aus der zweiten, obenstehenden Tabelle hervorgeht, 
bewahrte das aus dem P a s t e u r sehen Institut zu Sassari 
verwertete fixe Virus seine Virulenz auf subkutanem Wege 
den Nagetieren gegenüber ungefähr 20 Tage hindurch. 
Doch keines der in Glyzerin aufbewahrten Gehirnstück- 
cheu bewahrte seine Virulenz bis zum 25. Tage. 

Nach Rodet, Galavielle und Loir^) solider Wut- 
virus hingegen beim subkutanen geimpften Kaninchen 
seine Virulenz sogar 2 Monate lang erhalten. 

2. Die Inkubationsdauer schwankt zwischen 5 — 6 Tagen, sie 
wird also durchaus nicht verlängert. 

3. Man nahm keinen Unterschied in der Inkubationsperiode 
wahr, gleichwohl, ob die Wirkungsdauer des Glyzerins 
sich auf 3 oder auf 20 Tage erstreckt hatte. 

4. Man fand weder in der Widerstandsfähigkeit des Virus, 
noch in der Inkubationsperiode irgendeinen Unter- 
schied, ganz gleich, ob das Virus in konzentriertem 
Glyzerin oder in verdünntem zu 1 : 2 und 1 : 4 auf- 
bewahrt worden war. 



1) Rodet et Galavielle, Bulletin de la charitö de Biologie. Sitsang 
5. Juni 1902. 



üntersnehmigeii über die hämolytischen Eigenschaften 
des Blutsernnis abgekiihlter und erwärmter Tiere/) 

Von 

Dr. Max Lissauer, 

I. Assiatent des Instituts. 

(Aus dem patholog. Institat des Radolf Virchow-KrankeDhauses in Berlin. 
Proaektor : Prof. v. Hansemann. Vorsteher der bakteriologischen Abteilung : 

Dr. Töpfer.) 

Durch umfassende Untersuchungen sind wir über die Art 
und Weise unterrichtet, wie sich im Organismus die Wärme- 
regulation vollzieht. Besonders Rubner hat diese Fragen durch 
sein Werk über die Gesetze des Energieverbrauches bei der Er- 
nährung geklärt. In zahlreichen Arbeiten ist versucht worden, 
das Wesen der Erkältungskrankheiten zu ergründen, und eine 
Reihe von Untersuchungen befalst sich mit der Art und Weise, 
wie Infektionen durch Erhöhung oder Erniedrigung der Temperatur 
beeinflufst werden. Im Gegensatz hierzu sind die Untersuchungen 
über die Veränderungen des Blutserums bei Abkühlung und Er- 
wärmung des Organismus sehr spärlich. 

Ich habe mich in einer Reihe von Versuchen mit dieser 
Frage beschäftigt. 



1} Nach einem am 7. Jani 1907 in der Berliner physiolog. Gesellschaft 
gehaltenen Vortrage. 

ArehiT für Hygiene. Bd. LXUI 23 



332 Üntersuciiüügen über die hämolyt. £igenBcliaften dies filatserumd eic. 

i. Versuche mit abgekühlten Tieren. 

Die verschiedensten Theorien, gestützt auf sorgfältige Ar- 
beiten, hat man aufgestellt, um eine Erklärung der Erkältungs- 
krankheiten zu finden. Die älteste Theorie, die Retentions- 
theorie, nahm an, dafs im Organismus schädliche Stoffe 
durch Unterdrückung der Hautsekretion zurückgehalten würden. 
Auf sie folgte die Reflextheorie, nach welcher die Kältewirkung 
einen Reiz auf die sensible]> Hautnerven ausübt, worauf dann 
auf reflektorischem Wege krankhafte Störungen entstehen. lu 
der bakteriologischen Ära glaubten dann die Anhänger der In- 
fektionstheorie, dafs die Erkältungskrankheiten Infektions- 
krankheiten sind. Nach der heute am meisten verbreiteten An- 
sicht ist die Disposition der wesentliche ätiologische Faktor. 
Auf welche Weise dies aber geschieht und welche Veränderungen 
der Organismus dabei erleidet, ist eine noch ungelöste Frage. 

Dafs die Abkühlung des Körpers bei der Entstehung von 
Infektionskrankheiten eine Rolle spielen kann, ist eine allgemein 
anerkannte Erfahrungstatsache. Auch experimentell ist wieder- 
holt gezeigt worden, dafs abgekühlte Tiere eine erhöhte Dis- 
position für Infektionskrankheiten haben. Es lag nahe, die 
modernen serologischen Untersuchungsmethoden bei diesem Gegen- 
stand anzuwenden. Dies habe ich in einer hämolytischen 
Versuchsreihe getan, und will zunächst kurz die Technik des 
Versuches angeben. 

Ich verwendete als Versuchstiere Kaninchen, deren Blutserum 
ich auf seine hämolytischen Eigenschaften gegen Hammelblut- 
körperchen untersuchte. Bei sämtlichen Kaninchen hatte ich die 
hämolytischen Eigenschaften durch intravenöse Injektion von 
Hammelblutkörperchen immunisatorisch gesteigert. Dem Ver- 
suchstier wurde nun Blut entnommen und das Blutserum durch 
halbstündiges Erwärmen bei 60° inaktiviert. Von diesem Blut- 
serum stellte ich mir verschiedene Verdünnungen , in physiolo- 
gischer Kochsalzlösung her, und zwar im Verhältnis 1 : 10, 1 : 20, 
1 : 40, 1 : 80 und so weiter bis 1 : 2560. Zu 1 ccm dieser Lösungen 
setzte ich nun je 1 ccm einer 5proz. Aufschwemmung von Hammel- 



Von t>r. Max Lissauer. 



333 



blutkörperchen in physiologischer Kochsalzlösung und je 1 ccm 
frisches Meerschweinchenserum als Komplement. In je ein 
Kontrollröhrchen tat ich nur Kaninchen- und nur Meerschweinchen- 
serum zusammen mit Hammelblutkörperchen. Dieses hämoly- 
tische System wurde nun 2 Stunden im Brutschrank bei 37^ 
gehalten. 

Auf diese Weise untersuchte ich 6 Tiere vor und nach der 
Abkühlung. Die Abkühlung erreichte ich dadurch, dafs ich die 
Tiere 3 — 10 Minuten in Wasser von ca. 10° C tauchte. Die Tem- 
peratur der Tiere, im After gemessen, fiel dadurch zum Teil sehr 
erheblich. Die Temperaturerniedrigung schwankt zwischen 2 
und 8,5® C. Nur zwei von den Tieren blieben am Leben, die 
meisten gingen binnen 24 Stunden oder nach wenigen Tagen 
ein. Die Blutuntersuchung nahm ich teils sofort nach der Ab- 
kühlung, teils erst nach Stunden vor. Die Resultate habe ich 
in Tab. I zusammengestellt. 











Tabelle I. 




I 

Kanin- 

1 

eben 


Tempe- 
ratur 
des 
1 Kanln- 
1 chens 

i »c 


Wasser- 
Tempe- 
ratur 

C 


Dauer 
der 

Abküh- 
lung 

in Min. 


Darauf 
Tempe- 
ratur 
des 
Kanin- 
chens 

*C 

l 


1 

Vollkommene Hämolyse 

• 


I. 
IL 

III. 

IV. 
V. 

VI. 


38 

38,5 
38,1 

37,5 
38,8 
39,1 


10 
10 

11 

10 
10 
10 


5 

10 

7 

3 

5 

3 


1 

31 
30 

1 

32,2 
35,5 
32,5 
35,2 

1 


a) vor der Abkühlung . . , 
, b) unmittelbar nach d. Abkfihl. 

a) vor der Abkühlung . . 
1 b) unmittelbar nach d. Abkühl 

a) vor der Abkühlung . . . 

b) unmittelbar n ac h d. Abkühl 

. c) 1 Stunde nach d. Abkühl. 

a) vor der Abkühlung . . 

b) unmittelbar nach d. Abkühl 

c) 2 Stunden jnach d. Abkühl 

a) vor der Abkühlung . . 

b) unmittelbar nach d. Abkühl 

c) 3 Stunden nach d. Abkühl 

a) vor der Abkühlung . . 

b) unmittelbar nach d. Abkühl. 


1:320 
1:160 

, 1:640 
. 1:160 

. 1:160 
. 1:40 
1^20 

. 1:320 
. 1:160 
. 1:20 

. 1:160 
. 1:40 
. 1:40 

. 1:640 
. 1:640 



Wie man sieht, fand sich nach der Abkühlung in fast 

allen Fällen eine teilweise sehr bedeutende Abnahme 

der hämolytischen Fähigkeiten. Nur einmal war nach der 

23» 



3ä4 üntersuciiungeti über die hämolyt. t^igensch alten des blatsemms etc. 

Abkühlung keine Veränderung in dem hämolytischen Verbalten 
zu konstatieren. Ich stimme also vollkommen Nagelschmidt 
bei, welcher über denselben Gegenstand gearbeitet hat und eben- 
falls beobachtet hat, dafs nach intensiver Abkühlung der Ver- 
suchstiere das Blutserum erheblich verminderte hämolytische 
Fähigkeiten zeigt. Nagelschmidt experimentierte hauptsächlich 
mit nicht immunisierten Tieren, ein Verfahren, welches ich für 
nicht so geeignet halte, weil die Ausschläge bei immunisierten 
Tieren naturgemäfs gröfser sind. 

Ich weifs nun wohl, dafs so hochgradige Abkühlungen, wie 
ich sie zum Teil anwandte, im allgemeinen nicht den Erkrankungs- 
faktor im täglichen Leben repräsentieren. Indessen kommen 
sie doch vor, und ich glaube, dafs im Experiment extreme Ver- 
hältnisse angewendet werden können, bisweilen sogar müssen. 

Nun lehrt aber die tägliche Erfahrung, dafs auch eine sehr 
geringe Abkühlung genügt, um die Prädisposition zu einer In- 
fektionskrankheit zu schaffen. Ruh n er verdanken wir sorg- 
fältige Untersuchungen über die Art und Weise, wie insensible 
Luftströmungen den Körper beeinflussen. Rubner fand, dafs 
Luftströmungen, welche man nicht mehr fühlt, doch objektive 
Wirkungen hervorbringen.. Nach ihm summiert sich der Wärme- 
v^rlust allmählich so, dafs die Kälte doch schliefslich fühlbar 
wird. Er sagt: »Hier liegt also entschieden eine Anlage zu 
anormalen Zuständen vor, zu Abkühlungen über die Grenze 
des Gesunden hinaus, zu Entwärmungen, die tiefer greifen, als 
für den Ablauf der Lebensprozesse günstig ist. Im ganzen ge- 
nommen handelt es sich dabei um Erscheinungen, welche den 
Modus der Zuglufterkältung uns recht deutlich vor Augen 
führen c. 

Ein ungünstiger Ablauf der Lebensprozesse, eine Disposition 
des Körpers für Krankheiten wird geschaffen, wenn die natür- 
lichen Schutzvorrichtungen des Organismus, die Abwehrstoffe, 
geschädigt werden. Meine Experimente, im Verein mit denen 
Nagelschmidts, zeigen, dafs dieses eintrifft, wenn der Körper 
intensiv abgekühlt wird. Nun zeigen aber die eben erwähnten 
Untersuchungen Rubners, dafs auch Luftströmungen, welche 



Von Dr. Ilax lissaaer. 335 

nicht mehr wahrgenommen werden können, doch zu einer Ab- 
kühlung des Körpers führen, und ich glaube, dafs sich hierbei 
ähnliche Vorgänge abspielen können wie im Experiment. Denn 
die aufserordentlich fein abgestimmten Einrichtungen des Körpers 
können in Aktion treten, bzw. versagen, ohne dafs wir imstande 
sind, sie mit unseren Mitteln nachzuweisen. Für mich ist aber 
die Analogie mit dem Experiment zwingend. 

II. Versuche mit erwärmten Tieren. 

Nachdem so festgestellt war, dafs das Blutserum abgekühlter 
Tiere eine Verminderung der Hämolysine aufweist, lag es nahe, 
zu untersuchen, wie sich diese Stoffe bei erwärmten Tieren ver- 
halten. Ich verfüge hier ebenfalls über eine Versuchsreihe von 
6 Tieren. Die Technik des Versuches ist in allen Stücken die 
gleiche, wie die bei den Abkühlungsversuchen angewendete. 
Die Erhöhung der Temperatur der Versuchstiere , ebenfalls nur 
Kaninchen, deren Hämolysine immunisatorisch, gesteigert waren 
erreichte ich durch 2—10 Minuten langes Eintauchen der Tiere 
in heiCses Wasser von 43*^ — 49*^ C. Die Temperatur der Tiere 
stieg hierdurch um 3,4® — 4,8®; 5 Tiere überlebten die Prozedur, 
während das sechste nach 2 Tagen einging. Auch hier wurde 
das Blut teils sofort, teils nach mehreren Stunden untersucht. 
Ich habe die Resultate in Tab. II (S. 336) zusammengestellt. 

In allen Fällen zeigten die hämolytischen Eigen- 
schaften des Blutserums eine deutliche, zum Teil 
sehr erhebliche Verstärkung. Es fragt sich nun, welche 
praktische Bedeutung diesen Versuchen zukommt. 

Zunächst glaube ich, dafs die Resultate geeignet sind, be- 
stimmte Erfahrungen zu ergänzen, welche wir schon seit langer 
Zeit über das Fieber besitzen. 

Während eine Reihe älterer Autoren im Fieber eine schwere 
Schädigung des Organismus sehen, gab es doch schon in den 
ältesten Zeiten andere, welche entgegengesetzter Ansicht waren; 
ich erwähne Hippokrates, Sydenham und Boerhave. In 
neuerer Zeit ist besonders Liebermeister dafür eingetreten, 



336 Untersuchungen über die hämolyt. Eigenschaften des Blutsemms etc. 











Tab 


eile IL 




Kanin- 
chen 


Tempe- 
ratur 
des 
1 Kanin- 
' chens 

1 C 


Wasser- 
Tempe- 
ratur 

C 


Dauer 
der 

Abküh- 
lung 

in Min. 


Darauf 
Tempe- 
ratur 
des 
Kanin- 
chens 

ö C 


1 

Vollkommene Hämolyse. 


I. 

n. 

1 
TTT. 

IV. 
V. 

VI. 


, 39,3 

39 
38,3 

38,7 
38,6 

88,1 


48 

49 
47 

43 
45 

45 


10 
5 



5 
10 

6 

1 

1 


42,8 

42,6 
43,1 

42,6 
42,6 

41,5 


a) vor der Erwftrmung . . 1 

b) unmittelbar nach d. Erw. 1 
! c) 1 Stunde nach d. Erw. 1 

a) vor der Erwftrmung . . 1 

b) unmittelbar nach d. Erw. 1 

a) vor der Erwftrmung . . 1 

b) unmittelbar nach d. Erw. 1 

c) SStunden nachd. Erw. 1 

a) vor der Erwftrmung. . . 1 

b) unmittelbar nach d. Erw. 1 

a) vor der Erwftrmung . . 1 

b) unmittelbar nach d. Erw. 1: 

c) 5 Stunden nach d.Erw. 1' 

a) V r der Erwftrmung . . 1 : 

b) unmittelbar nach d. Erw. 1: 

c) 7Stunden nachd. Erw. 1 : 


:640 

:2560 

:2560 

:40 
:640 

:320 

:1280 

:1280 

:160 
:640 

:640 
2560 
2560 

320 

1280 

1280 



das Fieber für etwas dem Körper Schädliches zu halten, und 
zwar beruht nach ihm die Hauptgefahr des Fiebers in der 
Temperatursteigerung an und für sich. Hiergegen wandten sich 
nicht nur eine Reihe bedeutender Kliniker auf Grund ihrer 
praktischen Erfahrung, wie Senator, Naunyn, Heubner 
und Un verriebt. Wir verfügen auch über eine Reihe sorg- 
fältiger Tierexperimente, welche den Einflufs erhöhter Temperatur 
auf den Verlauf von Infektionskrankheiten untersuchen. 

Zuerst hat Walther festgestellt, dafs Kaninchen, welche 
mit Pneumoniebazillen infiziert worden waren, die Infektion 
leichter ertrugen, wenn sie im Wärmeschrank auf 40 — 42 ^ er- 
wärmt wurden. Rovighi bestätigte dies an Kaninchen und 
Meerschweinchen, welche mit den verschiedensten Infektions- 
erregern infiziert worden waren, und konstatierte zugleich, dafs 
Abkühlung die Tiere gegen Infektionen weniger widerstandsfähig 
macht. Lode und Dürck gelangten zu ähnlichen Resultaten. 

Aber nicht nur gegen Bakterien werden die erwärmten Tiere 
widerstandsfähiger, sondern auch gegen Gifte, wie die Versuche 
Dochmanns an Katzeu zeigten, welche mit Curare, und die 



Von Dr. Max Lissaner. 337 

Experimente Hildebrandts an Tieren, welche mit Fermenten 
vergiftet waren. Auch Loewy und Richter erhöhten die Tem- 
peratur von Kaninchen durch einen Stich in das Korpus striatum 
auf 41,5^ bis über 42,0 ^ und sahen dann Infektionen mit ver- 
schiedenen Krankheitserregern sowie auch mit Diphtherietoxin 
leichter verlaufen. Ich glaube nun, dafs es gleichgültig ist, ob 
die Temperatur des Blutes durch innere Ursachen erhöht wird, 
wie im Fieber, oder durch äufsere, wie in meinen Experimenten. 

Ich nehme an, dafs durch die Erwärmung des Körpers die 
Antikörper vermehrt sind, wodurch, wie ich glaube, auch die 
Art und Weise, wie das Fieber den Körper beeinflurst, erklärt 
werden kann. 

Hiermit stimmen auch gut die Versuche von Töpfer und 
Jaff^ überein; sie konnten zeigen, dafs Typhuskrankensera die 
stärkste bakterizide Einwirkung auf Typhusbazillen im Reagenz- 
glase aufwiesen, während die von Rekonvaleszenten, also dann, 
wann das Fieber abgelaufen war, femer von Schutzgeimpften 
und hochimmunisierten Tieren, einen weit geringeren Titre 
hatten. 

Aber nicht nur mit dem Fieber glaube ich meine Versuche 
in Verbindung bringen zu können, sondern auch mit bestimmten 
ärztlichen Mafsnahmen. Wie ich dem Lehrbuch über klinische 
Hydrotherapie von Matthes entnehme, werden heifse Bäder 
zu therapeutischen Zwecken in Temperaturen von 37 — 45® ge- 
geben. Nun steigt nach Balz im heilsen Bad von 40® C die 
Temperatur in 10 Minuten ca. um 1®; im heifsen Bad von 45® C 
steigt sie in 10 Minuten auf 39 — 40®. Ich glaube, dafs hierbei 
die Schutzstoffe des Körpers vermehrt werden und dafs auf diese 
Weise der Körper im Heilungsprozefs unterstützt wird. Ich 
nehme an, dafs ähnliche Vorgänge bei Schwitzkuren eine 
Rolle spielen. 

So habe ich denn die Vorstellung, dafs die Erhöhung oder 
Herabsetzung der Disposition^ wie sie Abkühlung bzw. Er- 
wärmung des tierischen Organismus zur Folge hat, auf einer 
Vermehrung bzw. Verminderung der im Körper vorhandenen 
Schutz8to£Ee beruht. Ich glaube, dafs weitere nach dieser Richtung 



338 Untersuch, über hämolyt. Eigenschaften etc. Von Dr. M. Lissaaer. 

hin unternommene Untersuchungen ähnliche Verhältnisse auch 
bei anderen im Organismus sich abspielenden Vorgängen er- 
geben werden. 



Literatur. 

Nagelschmidt, Beiträge zur kiin. Medizin, 1904. 
Rabner, Archiv f. Hygiene, Bd. 50. 
Walt her, Archiv f. Hygiene, Bd. 12. 
Rovighi, Prag. med. Wochenschr., 1892, Nr. 26. 
Dochmann, Wiener med. Wochenschr. 1889. 
Hildebrandt, Virchows Archiv, Bd. 121. 
Loewy u. Eichter, Virchows Archiv, Bd. 145. 
Balz, zit. nach Schalle. Diss. Freibarg 1906. 



über das Verhalten des bakteriziden Vermögens der 
Lnngen gegenüber einigen Ursachen, die dasselbe zu 

modifizieren vermögen. 

Experimental-Unt ersuchungen 

von 

Dr. Enrico Ronzani, Assistent. 

(Aus dem bygienischeQ Institat der Univereität Padua.) 

Bis vor wenigen Jahren glaubte man, dafs die eingeatmete 
Luft infolge der Filtration, die sie beim Passieren der ersten 
Atmungswege zu erleiden hatte, keimfrei in die Lungenalveolen 
gelange und dafs deshalb die gesunden Lungen im wahren 
Sinne des Wortes ein von Mikroorganismen freies Organ seien. 

Eine Stütze für diese Theorie boten die Beobachtungen 
Weichselbaums, von Babes u. a., welche in den Lungen 
von gesunden Menschen, die einer tödlichen Verletzung zum 
Opfer gefallen waren, niemals Mikroorganismen vorfanden, und 
ebenso jene von Hildebrandt, Neifsor, Klipstein und 
Göbell, die in den gewöhnlichen Versuchstieren (Kaninchen, 
Mäuse) nur seiton Keime antrafen, deren Gegenwart -man dann 
unvermeidlichen technischen Irrtümern zuschreiben wollte. 
Dürck war der erste, welcher feststellte, dafs die Lungen in 
Wirklichkeit kein keimfreies Organ darstellen, sondern dafs sich 
selbst in den feinsten Alveolen die Mikroorganismen in be- 
achtenswerter Menge vorfinden können. 



340 t3l>er das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc. 

Dieses Studium wurde dann von Barthel, von Beco, 
von Boni, von Nenninger und von Gneusel wieder auf- 
genommen, aus deren Erfahrungen man schliefsen kann, dafs, 
wenn auch ein sehr grofser Teil der in der Luft frei schweben- 
den und eingeatmeten Keime von der Nase, dem Pharynx, dem 
Larynx und den weiten Bronchien, dank ihrer besonderen Kon- 
stitution zurückgehalten wird, immerhin ein kleiner Teil, der im 
Verhältnis steht zur Zahl der in der Luft enthaltenen Keime, 
in die Alveolen gelangt. Die Art, wie dieses Eindringen erfolgt, 
wurde in besonderer Weise von Buchner, von Flügge, von 
König er und von Paul studiert, welche, wenn auch unter 
verschiedenen Verhältnissen experimentierend, zum Schlüsse 
kamen, dafs die Keime in die Lungen eindringen, da sie sich 
an sehr feine flüssige und feste Partikelcben anhaften, welche 
vom Luftstrom fortgetragen werden. 

Von denselben Beobachtern wurde femer die sehr wichtige 
Tatsache bemerkt, dafs die in die Lungen eingedrungenen Mikro- 
organismen schnell zum Verschwinden gelangen; in der Tat 
fanden sie, dafs kurze Zeit nach der Versuchsinhalation eines 
gegebenen saprogenen Keimes dieser sich nicht mehr in den 
Lungen befindet, eine Tatsache, welche uns erklärt, warum die 
ersten Forscher unter gewissen Verhältnissen die Lungen frei 
von Mikroorganismen fanden. 

Auf Grund dieser Feststellungen hat man also zugeben 
müssen, dafs die Lungen über Verteidigungsmittel gebieten, 
welche imstande sind, die in sie eingednmgenen Keime in kurzer 
Zeit abzutöten oder zu entfernen. 

Sehen wir nun, welche Kräfte es sind, mit denen die Lungen 
sich von diesen Keimen freizumachen oder dieselben zu ver- 
nichten vermögen. 

Aus den Arbeiten von Ins, Arnold u. a. wufste man, dafs 
die in die Lungen gedrungenen Staubteilchen zum grofsen Teil 
von besonderen Zellen eingekörpert wurden, die man damals 
Staubzellen hiefs und von denen Ins und Slavjansky an- 
nahmen, dafs sie von den Leukozyten herrührten, da sie den- 
selben ähnelten, während Ruppert und Fleiner hingegen 



Von Dr. Enrico Ronzani. 341 

epithelialen Ursprung annahmen und schliefslich Arnold und 
Schottelius zur Annahme des einen wie des andern Ursprunges 
hinneigten, d. h. zu derjenigen, dafs die grofsen Zellen 
epithelialen Ursprunges wären, die kleineren hingegen auf 
lymphoider Basia entständen. 

Nachdem sich diese neue Frage für die Bakteriologie auf- 
tat, diejenige nämlich, festzustellen, welchen Kräften das Ver- 
schwinden der in die gesunden Lungen eingedrungenen Keime zu 
verdanken sei, fehlte es nicht an Autoren, die ihren Beitrag in 
einer so wichtigen Sache zu bieten hatten, die die Funktionen 
aufdecken soll, welche die Lungen im HinbHck auf die Entwick- 
lung vieler Infektionskrankheiten haben. Die diesbezüglichen 
Versuche wurden an den gewöhnlichen Laboratoriurastieren vor- 
genommen. 

Heck, der seine Versuchstiere den Staphylococcus pyogenes 
aureus einatmen liefs und sie dann nach einer gewissen Zeit, 
die er nach der Inhalation verstreichen liefs, opferte, fand bei 
den Lungensektionen, dafs die Epithelialzellen und die Leuko- 
zyten sich einen sehr grofsen Teil der Staphylokokken einver- 
leibt hatten, und dafs deshalb diesen beiden Elementen das Ver- 
schwinden der Keime aus den Lungen zuzuschreiben ist. 

Eine analoge Tatsache wurde von Muskatblüt beim Milz- 
brandbazillus beobachtet. Lahr fand hingegen bei Einführung 
von Staphylokokkuskulturen in die Trachea von Kaninchen nach 
einigen Stunden bei der Lungenprüfung alle Kokken nur von 
den Epithelialzellen eingeschlossen, innerhalb welcher die Kokken 
selbst eine rückschreitende Umwandlung erlitten und schliefslich 
zum Verschwinden gebracht wurden. 

Ribbert sah anderseits, mit den Sporen von Aspergillus 
flavescens arbeitend , allein die Leukozyten in den Lungen- 
aiveölen und in den Kapillargefäfsen, wo sie diese Sporen um- 
gaben und deren Entwicklung hintanhielten. 

Schliefslich beobachtete Buchner, der viele Beobachtungen 
in dieser Beziehung machte und viel Licht in die Theorie von 
der Immunität und der Verteidigung des Organismus im Hin- 
blick auf die infektiösen Krankheiten getragen hat, dars in 



342 tTber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Lungen etc. 

den Lungen der Mäuse, in die er den Bazillus der Hühner- 
cholera hatte eindringen lassen, diese Bazillen von den Leuko- 
zyten und nicht von den Epithelialzellen eingekOrpert wurden. 

Aus den verschiedenen Beobachtungen der zitierten Autoren 
ergibt sich also, dafs wenn sie auch in der Annahme einer 
keimzerstörenden Macht von Seiten der Lungen einig sind, doch 
Abweichungen in der Feststellung der Elemente, denen solche 
Funktion zukommt, bestehen. Es scheint jedoch, dafs T c h i s t o • 
vitch, durch Beeinflussung Metchnikoffs, das Problem 
wenn nicht völlig gelöst, so doch in klareres Licht gerückt habe. 
Aus seinen Versuchen ergibt sich, dafs nach erfolgtem Eindringen 
von Keimen in die Lungen die Erstherbeieilenden die Leuko- 
zyten sind, die bei ibrem späteren Hyperthrophisieren sich in 
umfängliche Makrophagen von epithelialer Form und mit eminent 
phagozytischen Eigenschaften umwandeln, ein Grund, der, ent- 
sprechend den verschiedenen Beobachtungsperioden, die früheren 
Autoren bald glauben hefs, dafs nur die Leukozyten fähig 
seien, sich die Keime einzuverleiben, bald hingegen den Epithelial- 
zellen und bald diesen wie jenen zugleich solche Aufgabe zu- 
schoben, die letzteren Zellen als von anderer Natur denn die 
ersteren betrachtend, während dieselbe gemäfs unserem Autor 
eine und dieselbe ist. Solche Umwandlung in den Lungen 
erfolge schnell, dank besonderer Verhältnisse des Alveolar- 
Epithels. 

Schliefslich haben wir die jüngsten Versuche von Paul, 
welcher festzustellen suchte, ob die schnelle Verminderung der 
in die Lungen gedrungenen Keime wirklich durch Zerstörung 
derselben mittels phagozytischer Tätigkeit unter Mitwirkung 
der anderen biochemischen Aktionen erfolge oder durch Trans- 
port mittels der lymphatischen Strömung in die benachbarten 
Ganglien, wie von vielen anderen Autoren angenommen 
worden war. 

Er führte seine Versuche in anderer Weise als seine Vor- 
gänger aus. So sah er vor allem, dafs, wenn er Kaninchen 
flüssige Kulturen des B. prodigiosus einatmen liefs und in 
einigen sofort, in anderen aber nach etlichen Stunden die Zahl 



Von I>r. Enrico Ronxani. 343 

der in die Lungen der verschiedenen Kaninchen eingeatmeten 
Keime festzustellen suchte, in den zuletzt untersuchten Tieren 
eine bedeutende Verminderung der Bazillenzahl bestand. 

Auf Grund dieser Ergebnisse wollte er sehen, wie sich die 
Sache gestalte, wenn er die Kaninchen anstatt des B. prodigiosus 
Sporen des B. subtilis einatmen lasse, die, wie man au9 den 
Arbeiten von Wisokowicz weifs, sich im tierischen Körper 
nicht entwickeln ; ob die letzteren mit der gleichen Schnelligkeit 
wie der B. prodigiosus aus den Lungen verschwinden würden, 
welcher Umstand, wenn er in Erscheinung treten würde, den 
Beweis liefere, dafs dem Lymphstrom die Entfernung der Keime 
aus den Lungen zukomme; während, wenn sich die Sporen noch 
nach einer gewissen Zeit in den Lungen vorgefunden hätten, 
nicht mehr von einer einfachen Entfernung der Keime die Rede 
sein könnte, sondern von einer zerstörenden Wirkung der Lungen 
in Sachen der Mikroorganismen, Wirkung, die sich auf die Sporen 
nicht zu äufsem vermochte. 

In der Tat fand er, dafs während beim ersten Versuch, 
17 Stunden nach der Einatmung, die eingeatmeten B. prodigiosus 
fast völlig aus den Lungen verschwunden waren, von den Sporen 
des B. subtilis, nach 24 Stunden, in den Kulturen, über die 
Hälfte der zur Einatmung gelangten ihre Entwicklung fanden. 
Er kam deshalb zum Schlüsse, dafs die schnelle Verminderung 
der eingeatmeten Keime, die sich in den Lungen vollzieht, be- 
sonders der zerstörenden Kraft zukommt, welche den Lungen 
selbst innewohnt, und dafs nur zum kleinen Teil der Lymph- 
strom mitwirkt, da nur eine kleine Anzahl von Keimen in den 
peribronchialen Lymphdrüsen angetroffen wurde. 

Aus den bislaug gesammelten Daten ergibt sich also klar 
genug, dafs die gesunden Lungen über ein Verteidigungsver- 
mögen gegen die Keime verfügen, welch letztere zum grofsen 
Teil an Ort und Stelle von besonderen biochemischen Aktionen 
zerstört werden, die noch nicht völlig bekannt sind, unter denen 
aber sicherlich die Phagozytose und die bakteriziden Substanzen 
des Blutes den ersten Platz haben. 



344 t^ber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen ei<!. 

Aber ist dieses Verteidigaugsvermögen eine beständige und 
andauernde Äufserung des Organismus oder erleidet es unter 
besonderen Verhältnissen der Umgebung vielmehr Umwandlungen 
in seiner Wesenheit, derart zwar, dafs es an Wert einbüfst, dafs 
ihm seine obenerwähnte wohltätige, schützende Eigenschaft ge- 
schädigt bzw. teilweise genommen wird? 

Dies ist der Gegenstand meiner Nachforschungen und zwar: 
Direkte Nachforschung im Lungenbereich, welche Wandlungen 
solches Schutzvermögen erleidet, indem die Tiere etwelchen 
anormalen Bedingungen allgemeiner Natur unterworfen werden, 
welchem der Organismus leicht ausgesetzt werden kann. Die 
anormalen Bedingungen, denen ich die Tiere unterwarf, sind die 
folgenden: 

1. Kälte; 

2. schnelle Temperaturübergänge; 

3. Wärme; 

4. Bad; 

5. Ermüdung; 

6. Traumen; 

7. Inhalationen von verschiedenem Staub; 

8. akuter und chronischer Alkoholismus. 

Natürhch waren diesen Dingen auch Untersuchungen bei- 
zufügen, inwieweit in den von mir gewählten Tieren (Meer- 
schweinchen) im physiologischen Zustande und in normalen 
Verhältnissen der Umgebung das Verteidigungsvermögen der 
Lungen gegen einen zu diesem Behufe gewählten Keim ausreicht, 
da die Untersuchungen Pauls, deren ich teilweise vorhin ge- 
dachte, und die sich besonders in dieser Richtung betätigen, nur 
am Kaninchen vorgenommen wurden. 

Die Wahl des Tieres und die zu gebrauchende Technik, um 
mich vor den zahlreichen Kritiken sicherzustellen, war im 
Angesichte der Schwierigkeit der Untersuchungen sicherlich nicht 
die kleinste Sorge bei diesen meinen Experimenten. 

Ich klügelte, soweit es mir möglich war, alle denkbaren 
Mittel aus, um die vielen Operationen einfacher und schneller 
zu gestalten, ohne nach der einen Seite hin zu übertreiben, noch 
nach der andern hin zu fehlen. 



Von Dr. £iirico tloxusant. 345 

Die von mir in Gebrauch genommenen Tiere waren die 
Meerschweinchen, und die Technik allgemeiner Natur ward in 
folgender Weise gehandhabt: 

Die Operationen, die ich für jede Versuchsreihe vorzunehmen 
hatte, waren vor allem die folgenden: 

1. Die Tiere mit der Luft überaus feine Tröpfchen von 
Bouillonkultur des im Stadium befindlichen Keims inhalieren 
zu lassen. 

2. Das Tier nach einer gegebenen Zeitperiode zu töten und 
die quantitative Nachforschung der Zahl der noch in den 
Lungen befindlichen Keime vorzunehmen, zu welchem Zwecke 
nötig war: 

a) in der schnellstmöglichen Weise die zu prüfenden Lungen- 
stücke herauszunehmen, 

b) das Volumen zu bestimmen und das Kleinschneiden zu 
besorgen, 

c) die Plättchen vorzubereiten, 

d) das Zählen der Kolonien vorzunehmen und die gefundene 
Keimzahl auf 1 ccm Lungen festzustellen. 

Für die erste Operation diente mir meine Inhalationskassette, 
welche ich in meiner früheren Arbeit über die Tätigkeit des 
Kohlenstaubes auf die Mikroorganismen beschrieb. (Annali d'Igiene 
sperimentale 1905.) 

Eine derartige Kassette bietet gegenüber anderen Methoden 
und Apparaten für die Einpflanzung von Keimen in die Atmungs- 
wege den Vorteil, zu verhindern, dafs das Eindringen der 
pulverisierten Keime auf anderen als den Luftwegen erfolge, 
sogar den Mund ausschliefsend, da dieser eine gemeinsame 
Eingangspforte für die Atmungs- und Verdauungsorgane dar- 
stellt. Mit solchem Apparat vermochte ich, da das Maul der 
Versuchstiere dabei nicht infiziert wurde, die Gefahr zu ver- 
meiden, dafs während der überaus kurzen Agonie der Tierchen 
einige Keime, die sich eventuell im Maule befinden könnten, in 
die Lungen gelangten; ein durchaus mögUches Eindringen, wie 
es experimentell Klipstein und Göbell bewiesen, womit den 



; 



346 t}ber das Verbalten des bakterixiden Vermögens der Lungen etc. 

Versuchen Dürcks, Bonis u. a. kritisch zu Leibe gegangen 
ward. 

Die an meiner Kassette behufs dieser neuen Art von Ver- 
suchen vorgenommenen Veränderungen waren die folgenden: 

Die Zahl der Tiere, die sie aufzunehmen vermochte, wurde 
erhöht und an ihrem oberen Teil wurde eine dicke gekrümmte 
Metallröhre angebracht (2ö mm Durchmesser), um in sie die 
Luft einzuführen, welche mit den winzigen Tröpfchen beladen 
war, in denen sich die für die Einpflanzung bestimmten Keime 
befanden. Diese Röhre wurde an einem Ende gut an das 
Kistchen befestigt, während sie mit dem andern in den Hals 
einer grofsen Flasche von etwa 10 1 Raumgehalt eindrang, inner- 
halb welcher die Kultur verstäubt wurde. Die Flasche besafs 
aufser der oberen Öffnung noch eine an der unteren Seite, durch 
welche eine Glasröhre und ein gewöhnlicher Verstftuber mit dem 
Inhalt von 150 ccm Bouillonkultur von 36 Stunden des B. pro- 
digiosus Zugang hatten; diese Öffnung wurde hermetisch ge- 
schlossen, sobald der Verstäuber in Tätigkeit war. 

Von aufsen setzte ich den Verstäuber selbst mittels einer 
Gummibirne unter beständigem Strom in Betrieb und mittels 
einer kleinen metallischen Pumpe, die in Verbindung stand mit 
der kleinen, in die Flasche eindringenden Glasröhre, vermochte 
ich den Druck in ihr leicht zu erhöhen, derart zwar, daTs durch 
die Röhre hindurch in das Kistchen nur die winzigen Tröpfchen 
der Bouillonkultur getrieben wurden, d. h. zum greisen Teil nur 
jene, die, wie Flügge, Buchner, Königer und Paul gezeigt 
haben, bis in die Lungenverzweigungen zu gelangen vermögen. 

Ich werde sofort die Gründe angeben, die auch mich dazu 
führten, den B. prodigiosus für meine Versuche zu wählen. 

Vor allem mufste ich mit einem saprogenen Mikroorganismus 
experimentieren und ihm nach Ablauf einer gewissen Zeit in 
den Lungen der Tiere nachforschen, in denen sich ev. auch 
andere Keime vorfinden konnten. 

Deshalb setzte mich der B. prodigiosus um seiner Eigen- 
schaft willen, in den gewöhnlichen Kulturmitteln ein schönes 
rotes Pigment zu ergeben, in die Lage, ihn leicht festzustellen; 



Von br. £nrico ttonzant. 347 

und dies um so mehr, als solcher Keim nach Passierang der 
Lungen der Meerschweinchen ein überaus bedeutendes chromo- 
genes Vermögen erwirbt, auch wenn dieses Vermögen zu Anfang 
gering gewesen wäre. Und aulserdem entwickelt sich der B. prodig. 
auch leicht bei 37^ C und, wenn nicht pathogen inokuliert, in 
mäfsigen Mengen pafst er sich leicht den tierischen Organen au. 

Ich wählte Meerschweinchen von nahezu dem gleichen 
Gewicht, die in das Kistchen eingeführt wurden, in das ich die 
winzigen Tröpfchen von Bouillonkultur des B. prodigiosus auf die 
Dauer von 20 Minuten gelangen liefs, worauf ich sie heraus- 
nahm und innerhalb festgesetzter Zeitpunkte tötete. 

Die Autopsien wurden in Lokalen vorgenommen, die völlig 
von denen getrennt waren, in denen die Inhalationen vorge- 
nommen wurden, und der Operierende wechselte die Kleidung 
und schritt zu sorglicher Reinigung der Hände. 

Für jede Autopsie wurde das Meerschweinchen vor seiner 
Tötung auf der unteren Brustregion sorglich durch Rasieren aller 
Haare befreit, in seiner Haut desinfiziert und dann mit einem 
energischen Nackenschlage geopfert. Dann wurde dasselbe auf 
einen Seziertisch gelegt, von vom nach hinten um 45 <> geneigt, 
derart zwar, dafs es, dort ausgestreckt, mit dem Kopfe nach 
unten und dem hinteren Teil des Körpers erhöht verbliebe, um 
zu verhindern, dafs das eventuale und eingeatmete Keime ent- 
haltende Bronchialsekret während der überaus kurzen Zeit der 
Operation in die tieferen Teile hinabsteige. Schliefslich extrahierte 
ich nach schneller Blofslegung der Haut und OfEnung der Thorax- 
höhle mit wenigen Scherenschnitten in wenigen Sekunden nach 
dem Tode mit allen Normen der Asepsis die Lungenstückchen, 
deren ich mich für meine Untersuchungen bedienen wollte. 

Paul entfernte, um sich vor der einigen seiner operierenden 
Vorgänger gemachten Kritik sicherzustellen, dafs während der 
Agonie des Tieres in den Einatmungen des Todeskampfes Keime 
aus dem Munde und den oberen Luftwegen in die inneren 
Verzweigungen einzudringen vermöchten, die für die Unter- 
suchung nötigen Lungenstückchen aus dem noch lebenden Tiere. 

ArohiT für Hygiene, Bd. LXIIL 24 



34^ ti^ber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen eic. 

Auch ich wollte, mit der von mir gebrauchten Methode schon 
verhindernd, dafs der B. 4)rodigiosus in das Maul der Meer- 
schweinchen gelange, vor Beginn meiner Untersuchungen sehen, 
ob es angezeigter gewesen wäre, die Lungenstückchen dem leben- 
den Tiere zu entnehmen, wie es Paul getan hatte, oder dies 
sogleich nach dem Tode zu tun. Zu diesem Behufe experimen- 
tierend, entdeckte ich, dafs beim Operieren am lebenden Tiere, 
soviel man sich auch mit den verschiedensten Mitteln bemüht, 
dies zu verhindern, das Tier schreit, um sich schlägt, Schluck- 
bewegungen macht, alles Dinge, die das Hinuntergleiten von 
Keimen aus den oberen Luftwegen in die unteren weit mehr 
begünstigen, als dies durch eine etwaige agonische Einatmung 
erfolgt, welche in den kleinen Tieren oberflächlich und von 
überaus kurzer Dauer, dabei auch sehr selten ist. Aus diesen 
Gründen entschlofs ich mich, die zu prüfenden Lungenstückchen 
dem kaum getöteten Tiere zu entziehen, die Operation, wie ge- 
sagt, in einigen Minuten nach dem Tode zu Ende führend. 

Die in Prüfung genommenen Lungenstückchen waren für 
jedes Tier immer die gleichen und zwar: der Apix der rechten 
Lunge, ein Stück des unteren rechten Lappens, zur Hälfte dem 
Lappen mit grofser Bronchie entnommen, schliefslich ein Stück 
der Base des unteren linken Lappens. 

Bei der quantitativen Feststellung der Keime, die sich in 
diesen Lungenstücken befanden und der Berechnung der Zahl 
dann für 1 ccm derselben Lungen schien es mir überaus nötig, 
von Fall zu Fall, dafs ich die Extraktion vornahm, zur genauest- 
möglichen Bestimmung des in Prüfung genommenen Volumens 
zu schreiten ; überzeugt, dafs nur in dieser Weise vergleichende 
Schlüsse aus den mittels der Prüfung der zahlreichen Stücke 
verschiedener Tiere gewonnenen Resultaten gezogen zu werden 
vermöchten. 

Paul, Memminger u. a. begnügen sich, nur annähernd 
die Gröfse des in Beobachtung befindlichen Lungenstückes fest- 
zustellen, unter Vergleichung desselben mit bekannten Körpern 
wie Erbsen, Bohnen usw. und nur selten zur Wage greifend, 



Von t>r. tiorico ttonzani. ^4^ 

um nur zuweilen eine annähernde Idee vom Gewichte ihrer 
Stücke zu haben. 

Der Gebrauch der Wage schien mir übrigens für eine der- 
artige Feststellung durchaus nicht der praktischeste, sei es wegen 
der zahlreichen Manipulationen, die man hätte machen müssen, 
um das Stück vor Verunreinigungen zu bewahren, sei es, weil 
das genaue Abwägen eine lange Operation ist, weshalb man so- 
wohl Irrtümer in einem anderen Sinne hätte haben können als 
auch der Zeitverlust bedeutender geworden wäre, wenn man die 
grofse Zahl der von mir geprüften Stücke (ca. 1000) bedenkt. 

Für alles das habe ich also ein Verfahren ausgeklügelt, das 
nach meinem Dafürhalten, aufser einfach zu sein, erlaubt, das 
Volumen des in Prüfung befindlichen Stückes festzustellen und 
zugleich die Zermalmung ohne weitere Übertragungen vorzu- 
nehmen, dergestalt die leichtmöglichen Verunreinigungen ver- 
meidend, die man haben kann, wenn man diese letztere Operation 
mit den gewöhnlichen sterilen Mörsern vornimmt. In der Tat 
ist der Gebrauch des Mörsers für die Zermalmuug der Organe, 
die in steriler Weise vorzugehen hat, um Zwecke der bakterio- 
logischen Nachforschungen willen, weder praktisch noch sicher, 
weil es bei den Bewegungen, die man dem Stampfer zu geben 
hat, um seinen Zweck zu erreichen, unmöglich ist, den Mörser 
gut bedeckt zu halten, und zudem gleitet das Organ, zumal 
wenn es ein wenig widerstandsfähig ist, mit Leichtigkeit unter 
dem Stampfer hinweg und es gelingt nur mit grofser Mühe, 
dasselbe zu zerquetschen und in Brei umzuwandeln. Die von 
mir gebrauchte Methode war die folgende: 

»Ich nahm gewöhnliche Glaszylinder von der Raumfähigkeit 
von ccm, 5, 10, 15 je nach der Gröfse des zu prüfenden Stückes, 
auf Vio ^^^^ besser noch % ccm abgestuft. 

Ich führte in dieselben eigens von mir konstruierte Stampfer, 
die aus kurzen zylindrischen Glasstückeu von einem Durch- 
messer, der wenig mehr als die Hälfte des Durchmessers der als 
fiezipienten dienenden Zylinder betrug, bestanden, und die Base 
nach unten gewendet hatten, eine glatte Base mit scharfen Rändern, 

während die obere abgerundet war und einen gut befestigten, 

24* 



350 t)^ber das Verhalten des bakteriiiden Vermögens der Lungen etc. 

feinen, aber dauerhaften Stahlaufsatz trug, der lang genug war, 
um aus den abgestuften Zylindern um 7 oder 8 cm herauszuragen. 
Die ÖfEnung der letzteren wurde mit einem Baumwollpfropfen 
verschlossen, den der Aufsatz des obenerwähnten Stampfers 
durchquerte. 

Nach derartiger Vorbereitung führte ich in sie 1 oder 2 com 
destillierten Wassers ein und nach Hebung des Stampfers vom 
Grunde bis dafs er die Flüssigkeit nicht mehr berührte, wurde 
sie behufs Sterilisierung in die Autoklave gebracht. 

Im Moment des Gebrauches las ich auf der äufseren Skala 
des Zylinders die Höhe ab, bis zu der das Wasser in seinem 
Inneren gelangte und während ich das zu prüfende Lungenstück 
mit sterilen Instrumenten in der obenbezeichneten Weise zerschnitt, 
entnahm ein Assistent, den Zylinder in 45^ Neigung haltend, 
den Stöpsel samt eingeführtem Stampfer, liefs mich schnell das 
Organstückchen einführen, das untergetaucht wurde, und ver* 
sohlofs, dabei immer Sorge tragend, dafs der Stampfer oberhalb 
des Wassers verbliebe, das Gefäfs. Ich las von neuem die Höhe 
ab, in der die Flüssigkeit danach gelangte und, die Differenz 
zwischen den beiden Ablesungen ziehend, erhielt ich das Volumen 
des Orgaus. Darauf ging ich zu dessen Zermalmung über, welche 
mittels Bewegungen in perpendikulärem und zirkulärem Sinne 
von Seiten des Stampfers vorgenommen wurde, welcher an dem 
aus dem Stöpsel herausragenden metallischen Aufsatz gehalten 
ward. Zu Anfang hatte ich mir in der Annahme, dafs die Lungen 
wegen ihres Luftgehaltes nicht gut im Wasser eingetaucht blieben, 
vorgenommen, sie mit dem Stampfer niederzuhalten, nach vor- 
ausgegangener Bestimmung des Volumens desselben ; aber in der 
Praxis sah ich, dafs die verschiedenen Stücke, wenn sie auch 
nicht vollständig untergingen, immerhin jedoch stets im Wasser 
eingetaucht blieben und nur selten hatte ich ein derartiges Vor- 
gehen nötig. 

Auf diese Weise gelang es mir immer in kurzer Zeit, mit 
dem im Zylinder enthaltenen Wasser eine Art Emulsion zu er- 
halten, mit der ich die Plättchen machte, zuvor den Inhalt jedes 
Zylinders in drei Petrische Schachteln verteilend und dann den- 



Von Dr. Enrico Ronsani. 851 

selben mit anderem sterilen Wasser mischend, den ich seinerseits 
in eine vierte Schachtel füllte. 

Zu Anfang machte ich auch mit dem Zylinder nach der er- 
neuten Bewässerung ein zusammengerolltes Plättchen h laE smarch 
nach vorausgegangener Einführung von Agar in denselben, da 
ich aber in der Folge sah, dals sich die meisten der Keime 
nicht entwickelten, unterliefs ich um der Zeitersparnis willen 
diese Operation. 

Die derart bereiteten Plättchen wurden in einem Thermo- 
staten bei 35® C gehalten, einer Temperatur, bei der sich der 
B. prodigiosus prächtig entwickelt. 

Nach 24 oder 48 Stunden schritt ich zum Zählen der Ko- 
lonien mit den gebräuchlichen Methoden vor, und die in den 
4 Plättchen für jedes Organstück gefundene Gesamtzahl (das 
Volumen der Stücke war mir bereits bekannt) wurde auf 1 ccm 
Lungen berechnet ; und da ich für jedes Tier drei Lungenstücke 
prüfte, machte ich dann einen Gesamtdurchschnitt der Zahl der Keime 
pro ccm, wie sich klar aus der folgenden Tabelle ergibt. (S. 353). 

Überzeugt, dafs ein solches Studium nur vorteilhaft sein 
könne, wenn man die Versuche an einer g^ofsen Anzahl von 
Tieren macht und die Versuche an verschiedenen Serien der- 
selben wiederholt, unternahm ich meine Experimente an etwa 
300 Meerschweinchen einschliefsUch der Vorveräuche, mit denen 
ich einige individuelle Verschiedenheiten entfernen wollte, die 
sich stets bei derartigen Untersuchungen ergaben. 

Verteidigungsvermögen der Lungen gesunder Meerschweinchen 

in normalen Umgebungsverhäitniseen. 

Diesbezügliche Untersuchungen, vorgenommen, um festzu- 
stellen, in welchem Mafse die Zerstörung der Mikroorganismen 
innerhalb der Lungen der gesunden Tiere stattfinde, wurden, 
wie icb schon früher sagte, von Paul gemacht, der mit Kaninchen 
experimentierte und zum Schlüsse kam, dafs die Lungen der 
Kaninchen 1 ^j^ Stunden nach der Inhalation fähig seien, Vio <ler 
in sie eingedrungenen B. zu vernichten und nach 17 Vg Stunden 
fast alle, 



352 (^er das Verhalten des bakterisiden Vermögens der Langen etc. 

Meine Untersuchungen wurden hingegen an den Meer- 
schweinchen (28 Stück) vorgenommen und die respektiven Re- 
sultate sind mit all den nötigen Daten in der Tabelle I zusammeu- 
gefafst, wobei ich bemerke, dafs die zwischen den Stunden 16 
und 28 in der I. Versuchsreihe bestehende Lücke den vorge- 
rückten Stunden der dazwischen liegenden Nacht zu verdanken 
ist, und dafs in der zweiten die Nachforschung zugleich an zwei 
Tieren vorgenommen wurde, um derart die individuellen Ver- 
schiedenheiten klarstellen zu können und somit ein genaueres 
Kriterium über die Art zu haben, wie die verschiedenen Er- 
gebnisse in der Folge auszulegen seien. 

Aus den Ergebnissen der in den erwähnten und dieser Aus- 
arbeitung angeschlossenen Tabellen dargelegten Nachforschungen 
scheinen sich mir die folgenden Schlüsse zu ergeben: 

I. Dafs eine grofse Anzahl von Mikroorganismen 
mit der eingeatmeten Luft in die Lungen der Meer- 
schweinchen eindringen kann, wie von vielen andren 
Autoren bei anderen Tieren beobachtet wurde. 

II. Dafs die Zahl der in die Lungen eingedrungenen 
Mikroorganismen schnell bis zum völligen Verschwin- 
den innerhalb 48 Stunden abnimmt; dafs folglich die 
Lungen sofort nach dem Eindringen der Mikroorganis- 
men in dieselben energisch dagegen reagieren, mit 
einer Reaktion, die allmählich abnimmt, ohne jedoch 
völlig zu verschwinden. 

IIL Dafs im allgemeinen alle Teile der Lungen gegen 
die inhalierten Mikroorganismen fast gleichermafsen 
reagieren, da sich keinerlei beständige Differenz weder 
von Seiten des Apix der rechten Lunge noch vom 
unteren rechten Lappen, noch von selten der Base 
der linken Lungen bemerkbar gemacht hat. 

(Ich will hier nicht in die Natur des Verteidigungsvermögens 
der Lungen gegen die Keime eintreten; vermutlich ist dasselbe, 
wie ich auch schon anderswo zu sagen Gelegenheit hatte, einem 
Komplex von Faktoren zu verdanken, als da sind Phagozytose, 
bakterizides Vermögen des Blutes, Sekret des Lungenepithels, 



Von Dr. Enrico Boni&ni. 

Tabelle I. 

Verteidignags vermögen der Langen von gesunden Meerschweinchen i 

normalen ümgebnngaverhättniseen. 



In Prüfung gern 



Zwischen der / 
I Einatmung dea 

und der Sache ;i 

DMh dcmrolbeD jl 

veratrichene i 



Dnchle, "atcta Lunge 






i. Dezember 1905. 



MeerBchw. Nr.l 



1804|18040|, 0,2 
- 740 ; 0,3 
I 4&0JI 0,3 
I 293 1| 0,4 
, 215 0^ 



15 75' 



Meers^hw Nr. 16 ' 



n I Stunden 6 



48 i 0^ ; Ol 

48 ! 0,3 I ; 

Versuch IIa. 10. Januar 1 

3O10ll6O60l'( 
5 2115 14100'! C 



5016 


25080 


o,s 


5510 


183S6 


3588 


11960 


0,3 


2220 


74001 


720 


2400 


0,2 


70 


350 


42 


105 


0.4 


91 


227 


116 


386 


0.2 


54 


270 


20 


100 


0,2 


54 


270 


80 


200 


0,3 


50 


166 


SS 


120 


0.3 


40 


133 


30 


100 


0.4 


35 


87 


18 


45 


0.3 


9 


30 


12 


30 


0.3 


3 


6 


4 


13 


0.4 


1 


2 








0.3 














0,25 









75 375 : 0,3 
25 250 0,25 



il 0,15 

0,2 



llc 



6700 
1061 



W125 


2fi760 


0,2 


3190J15960 


7200 


36000 


0.4 


4910112270 1 


462 


2310 


0,25 


184 736 1 


696 


1735 


0,2 


124 


620 


87 


290 


0.8 


125 


416 


78 


312 


0,2 


94 


470 


23 


76 


0,2 


31 


IÖ5 


30 


160 


0,6 


34 


85 


12 


40 


0.3 


20 


66 


5 


20 


0.2 


5 


26 








0,4 














0,26 











Ü 


0,8 














0,2 









20788 
12^ 



354 Über das Verhalten des bakterisiden Vermögens der Langen etc. 

Lymphestrom usf. Ich will hingegen feststellen, dafs ein solches 
Verteidigungsvermögen von beachtenswerter Energie auch in den 
Lungen der Meerschweinchen sich erweist, da es ca. 20000 B. 
prodigiosus pro ccm in weniger als 48 Stunden zu vernichten vermag. 

Dieses Studium der Lungen der gesunden Meerschweinchen 
in ihrer Verteidigung gegen die eingeatmeten Keime um der an- 
gegebenen Gründe willen vorausgeschickt, komme ich zum Haupt- 
argument meiner Arbeit, d. h. zur Suche nach den Umwand- 
lungen, welches solches Verteidigungs vermögen erleidet, wenn 
sich die Lebens- oder Umgebungsverhältnisse der dem Experiment 
unterstehenden Tiere ändern. 

Wirkung der Kälte. 

Die Wirkung der Kälte auf den Organismus kann die Ur- 
sache derartiger Modifikationen in den inneren Organen sein, 
dafs der Widerstand erheblich und zumal im Kampfe gegen die 
Mikroorganismen herabgesetzt wird; da jedoch die Modifikationen, 
denen die Gewebe durch solche Einwirkung entgegengehen, über- 
aus vielseitig sind, hat sich noch kein gerechtes Kriterium über 
die Art des Auferstehens einiger Infektionskrankheiten bilden 
lassen. 

Bevor die Bakteriologie ihre diesbez. Studien einleitete, hielt 
man die Abkühlung für die direkte Ursache zahlreicher Übel; 
ca. einige 80 nach Schön lein. 

In der Folge nahm man, wie dies jedesmal beim Auftreten 
neuer Theorien geschieht, der Kälte jedwede ätiologische Be- 
deutung und man glaubte auch die Frage der Kältekrankheiten 
völlig mit der alleinigen Gegenwart der Mikroorganismen klar- 
gelegt zu haben. Aber die Notwendigkeit der individuellen Ver- 
anlagung aufser der Gegenwart der pathogenen Mikroorganismen 
und die Tatsache, dafs sich solche Disposition festlegen und bzw. 
verschärfen läfst durch die Einwirkung andrer Ursachen, welche 
auf den Organismus Einflufs nehmen, liefsen eben die Kälte 
unter die prädisponierenden Ursachen der sogen. Kälte-Krank- 
heiten einreihen, 



Von Dr. Enrico Roniani. 355 

Wie sich eine Verminderung des Widerstandes infolge von Ver- 
kühlung ergebe, ist eines der widerspruchsvollsten Argumente 
der Pathologie und zahlreich sind deshalb die in dieser Richtung 
angestellten Versuche und Theorien. 

Pasteur war der erste, welcher die Wirkung der Kälte auf 
den Organismus jenen Teil gab, der ihm leider in der Genesis 
einiger Krankheiten zukommt, insofern es ihm, wie bekannt, 
durch Abkühlung der Hühner gelang, dieselben für den Milz- 
brand, gegen den sie gewöhnlich refraktär sind, zugänglich zu 
machen. In der Folge bestätigten diese Erfahrungen die Ar- 
beiten von Wagner und Santschenko für die gleiche Infektion, 
diejenigen von Ernst für die Infektion mit dem fröschetötenden 
B. auf abgekühlte Frösche, diejenigen von Filehne für den 
Rotlauf auf abgekühlte Kaninchen, und weitere noch, so dafs da- 
mals kein Zweifel bestand über die schwächende Wirkung der 
Kälte auf den Organismus im Hinblick auf die Infektionskrank- 
heiten. 

Wie sein Aktionsmechanismus sei, dies zu studieren, liefsen 
sich Massalongo, Heidenhain und Lipari angelegen sein. 
Letzterer erklärt das leichtere Anhaften der Mikroorganismen in- 
folge von Verkühlung mit einer Lähmung der Epithelien und 
nachfolgender Hyperämie und Tumefaktion der von der Kälte 
gereizten Schleimhaut, wodurch sich dann das Hinabsteigen der 
pathogenen Keime in die Lungen-Alveolen ergebe. 

Andre Beobachter teilten jedoch damals die Meinung Lipari s 
nicht. Tatsächlich glaubt Lode, welcher mit verschiedenen 
Infektionskrankheiten an abgekühlten Tieren experimentierte, 
dafs die gröfsere Anlage der Lungen, infolge von Abkühlung 
zu erkranken, vielmehr ausschliefslich den Alterationen der na- 
türlichen Wärme-Okonoraie zu verdanken sei, welche zu einer 
mehr oder minder intensiven Verminderung der allgemeinen 
Wärme führt. 

Kifskalt ist jedoch nicht dieser Meinung, da er nicht 
glaubt, dafs die Abkühlung der Oberfläche des Körpers auch 
zur Abkühlung der inneren Organe führe und ihnen damit die 
Widerstandskraft nehme; sondern sich auf die Erfahrungen von 



356 über das Verbalten des bakteritiden Vermögens der Lungen etc. 

Hofbauer, Heidenbain, Hamburger stützend, meint er, 
dafs vielmehr die folgende arteriöse Hyperämie den inneren Or- 
ganen Schaden bringe, sei es zufolge der verminderten Alkalinität 
des Blutes (welche Lode leugnet), sei es wegen der besseren 
Lebensbedingungen und der gröfseren Sauerstoffmenge, die die 
Keime in solchen Verhältnissen antreffen, sei es schliefslich wegen 
der Widerstandsverminderung der Gewebe, welche der Autor 
als Begleiterscheinung einer arteriösen Hyperämie ansieht. 

Wenn jedoch die von Kifskalt gegen Lode gemachten 
Einwendungen gerechtfertigt sein können, insofern die Theorie 
des letzteren wenig aufklärt, da von vielen anderen Beobachtern, 
unter ihnen Liebermeister, infolge von Abkühlung des Körpers 
immer eine Hyperämie und meist auch Zunahme der Temperatur 
angetroffen wurde, so ist doch andrerseits seine Idee nicht über- 
zeugend, dafs eine arteriöse Hyperämie die Widerstandskraft 
eines gegebenen Organes zu vermindern habe. In der Tat be- 
obachtet Strafser, dafs die artikolären Prozesse infektieusen Ur- 
sprungs im guten Sinne von einer arteriösen Hyperämie beein- 
flufst werden, während hingegen die aus Stase sich ergebende 
Hyperämie es ist, die auf sie sehr ungünstige Einwirkung nimmt, 
und deshalb glaubt er mit Ruhemann und Filehne, dafs das 
Überladen der Lungen mit Blut mehr den Charakter einer Stase 
denn den einer aktiven Hyperämie habe, welche Stase ihrerseits 
Modifikationen sowohl in den zellulären Mechanismus der ver- 
schiedenen Gewebebestandteile tragen und dergestalt ihre Vitalität 
und Widerstandskraft alterieren müsse, einen locus minoris re- 
sistentiae schaffend, und ev. wirkliche anatomische Alterationen 
schaffend, wie dies Lipari zeigte und Strafser selbst für die 
Pneumonite aufrechtzuerhalten vermochte. 

Eine solche Theorie erscheint in der Tat die annehmbarste. 

Jedoch scheint mir aus meinen Versuchen der Schlufs be- 
rechtigt, dafs wenn man auch annimmt, dafs in den Lungen die 
obenerwähnten Modifikationen stattfinden, welche dergestalt den 
Boden für die Entwicklung der Keime vorbereiten, eine beachtens- 
werte Alteration infolge der Abkühlung gerade jenes Verteidigungs- 
vermögen erleidet, mit dem die Lungen gegen die Keime aus- 



Von Dr. Enrico Ronzani. 357 

gestattet sind. Anders gesagt, dafs nicht blofs die Einwanderung 
der Leukozyten sondern auch ihr phagozytisches Vermögen um- 
gewandelt und die Aktion der bakteriziden Substanzen alteriert 
werde, so dafs die Keime nicht zerstört werden und in den vor- 
hin erwähnten Lesionen einen günstigeren Boden zu ihrer Ent- 
wicklung finden. Das entspricht auch den Erfahrungen Borchards 
und Holms, welche die Phagozytose in den abgekühlten Tieren 
studiert haben. 

Experimente. Die Meerschweinchen wurden, wie ge- 
wöhnlich, in das Verstäuberkästchen eingeführt, um mit der Luft 
die B. prodigiosus durch 20 Minuten einzuatmen. Danach 
wurde eines von ihnen sofort getötet, um die Zahl der von den 
Meerschweinchen eingeatmeten Keime annähernd festzustellen. 
Gleichzeitig wurden die übrigen in zwei Gruppen geteilt, deren 
eine im Laboratorium bei 15° C verblieb, während die andere 
der Wirkung der Kälte ausgesetzt wurde. 

Um die Abkühlung der Tiere zu bewerkstelligen, habe ich 
sie unter möglichst natürliche Verhältnisse bringen wollen. Des- 
halb habe ich sie nicht mit der Enthaarung noch mit dem Bade 
abkühlen wollen, wie dies Lode und Lassar taten; noch mit 
Äther (Massalongo, Lipari, Kasparekj, noch mit Eis (Filehne), 
noch schliefslich mit Antipyretica (Wagner), sondern, da die 
Jahreszeit günstig war, durch einfache Aussetzung an die Aufsen- 
temperatur, die während meiner Versuche von einem Minimum 
von — VC bis zum Maximum von + 5^ C variierte. 

Nachdem die Tiere unter den genannten Bedingungen ge- 
halten worden waren, wurden sie von 12 zu 12 Stunden, zugleich 
mit den in dem Laboratorium gehaltenen Kontrolitieren getötet, 
und mit der gleichen Technik, die mir für die früheren Unter- 
suchungen gedient hatte, nahm ich die quantitative Bestimmung 
der in den Lungen enthaltenen B. prodigiosus vor. Ich mufs 
bemerken, dafs sich die Lungen der der Kälte ausgesetzten 
Meerschweinchen bei der Autopsie kongestioniert erwiesen, eine 
Erscheinung, die ich in den Kontrolltieren nicht vorfand. 

Um Daten zu erhalten, aus denen sich Schlüsse ziehen liefsen, 
wiederholte ich den Versuch zu drei verschiedenen Zeiträumen. 



358 Über das Verhalten des bakterisiden Vermögens der Lungen etc. 



Die Ergebnisse sind in der Tabelle II zusammengefafst. 

Tabelle U. 
Kontrolltiere. 



In Prüfung genommene Lungenteile 



Versuchstiere 



Zwischen der 

fiinatmang des 

B. prodigrlosus 

und der Suche 

nach demselhen 

verstrichene 
Zeit 



Apix rechter 
Lunge 



An der Hälfte des 
recht, unt. Lappens 
m.Rrofser Bronchie 



Basis der 
linken Lunge 



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Meerschw. Nr. 29 

30 
31 
32 
33 
34 



Serie la. 

Sofort nach der 
Einatmung 

Stunden 12 

> 24 

> 36 

> 48 

> 60 



17. Januar 1906. 



0,2 


2500 


0,1 


42 


0,2 


12 


0,15 


1 


0,2 





0,2 











12500 0,3 16O22 

66 

6 

10 







420: 0,251 

60| 0,3 

7 0,4 

0,5 

0,4 



20070 0,3 

264 0,3 

20 

25 







4564,15210 15926 



0,3 . 
0.3 

0,25i 

I 



0,4 



90! 

Ö| 

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0' 

Ol 



300 

25 

35 







328 
35 

22 





Meerschw. Nr. 41 

> 42 

> 43 
> > 44 



Serie IIa. 

Sofort nach der _ . _ __ 
Einatmung 0,1 502 

Stunden 12 0,3 88 

> 24 0.2 

> 48 0,2 



23. Januar 1906. 



5020 

293 





0.2 

0,25 

0.4 



0||0.4 






15250 14892 
300, 256 
20 13 

0' 



4886 


24430 


0,2 


3050 


44 


176 


0,2 


60 


8 


20 


0,3 


6 








0,3 





_ 


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.^_ 



S e r i e III a. 27. Januar 1 906. 



Meerschw. Nr. 51 
> > 52 

> 53 

> 54 



I. Sofort nach der 
Einatmung 

' Stunden 12 

> 24 

> 48 



0,1 
0,1 
0,2 
0,2 



922 

22 

6 





92201 

1 


0,2 


6402 


32010 1 


0,3 


2330 


220 


. 0,2 


54 


270 1 0,25 


50 


30 


0,3 ' 15 i 60 1 0,4 


32 




1 


0,2 


21 10; 

1 1 


0.5 





1 

1 
» 


1 


— 


1 
1 







7760 1 16730 



200 

180 





230 

53 

3 



Die in dieser Tabelle vorgeführten Zahlen sind schon an 
und für sich lehrreich. 

Es erweist sich in der Tat mit Deutlichkeit eine 
Abnahme des Verteidigungsvermögens der Lungen 



Von l)r. finrico ttonzant. 



ä5d 



WirkoBff der Kilte. 

Der Kälte aasgesetzte Tiere (—1^ bis +b^ C). 



In Prüfung genommene Lungenteile 



Yereachstiere 



Zwischen der 

Einatmung des 

B. prodlgiosus 

und der Suche 

nach demselben 

Terstrichene 
Zelt 



Apis rechter 
Lunge 



An der Hälfte de^ 
recht, unt Lappens 
m. grofser Bronchie 



Basis der 
Unken Lunge 



1 



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Meerschw. Nr. 35 


Standen 12 


> 36 


y 24 


. 37 


» 36 


> 38 


> 48 


» 39 


» 60 


> 40 


> 72 



Serie la. 17. Januar 1906. 



|0,1 
0,25 
0,2 

0>2 
0,3 

,0,2 
Serie na. 23. Janaar 1906. 



61 


I 
610 0,2 


520 


2600 


■ 
0,25 


120 


~ 1 
480 


1230 


16 


120 0,5 


35 


70 


0.3 


86 


120 


110 


10 


50 0,4 


41 


100 1; 0,3 


13 


40 1< 


63 


6 


30 !, 0,6 


30 


50 0,3 35 


120 


67 


9 


30 ; 0,4 


28 


70 ! 0,3 


24 


80,, 


60 


2 


10 < 0,5 


25 


50 


0,4 


24 


60 > 


40 



Meerschw. Nr. 45 ' Standen 12 



46 
47 
48 
49 
50 



24 
48 
60 
72 
84 



0.2 


1 
^^ 1 

82 


410 


0,5 ' 616 


1232 , 0,25 


280 


1 

920 


854 


!0,2 


18 


90 


1 0,3 1 11 


36 " 0.3 


140 


460 1 


195 


'; 0,15 


10 


70 


0,41 22 


52 0,2 


4 


20 


47 


;0,2 


12 


60 


0,4 20 


50 0,3 


10 


32 


47 


i0,2 








0,4 


0.4 


2 


5 


1 


i0,8 




1 





0,8 . 


0,4 












S e r i e III a. 27. Januar 1906. 



Meerschw. Nr. 55 
56 
57 
58 
59 
60 



Stunden 12 
24 
48 
60 
72 
84 



0,2 
0,2 
0,2 

0,1 
0,3 

0,2 



40 

12 

10 



2 





200 
60 
50 



0,25 
0,4 
0,8 
i 0,5 
7 0,3 
0,4 



482 

46 

28 

22 

8 





1928 
110 

901, 

44 !i 

10 




0,2 
0,3 
0,4 
0,3 
0,4 
0,5 



700 

73 

21 

19 

2 





8500 

140 

50 

60 

5 





1876 

103 

68 

34 

7 





gegen den B. prodigiosus in den der Kälte ausge- 
setzten Meerschweinchen, sei es wegen der gröfseren 
Bazillenzahl, die sich beständig in den Lungen der 
letzteren fand, sei es wegen der gröfseren Zeitdauer, 



§60 über das Verbalten des bakteriziden Vermögens der Langen etd. 

welche die Lungen zu ihrer völligen Zerstörung 
brauchten (über 72 Stunden), eine genügend lange 
Zeit, wenn man erwägt, dafs in weniger als 48 Stunden 
die gesunden Lungen unter normalen Verhältnissen 
über 20000 B. prodigiosus zu töten vermögen. 

Wirkung der schnellen TemperaturQbergänge. 

Nachdem festgestellt ward, dafs die fortgesetzte Einwirkung 
der Kälte auf den Organismus eine Verminderung der schützenden 
Kraft der Lungen gegen die Keime hervorbringt, wollte ich 
sehen, ob in mehr oder minder schädlichem Sinne die unver- 
mittelten Übergänge von einer relativ hohen zu einer niedrigeren 
Temperatur wirken, welche im allgemeinen als von gröfster 
Schädlichkeit angesehen werden und während deren sich a priori 
eine gröfsere Unordnung ergeben müfste, sei dies in den vaso- 
motorischen Reäexwirkungen, sei es im biochemischen Insgesamt 
der Lungenumgebung. 

Zu diesem Zwecke setzte ich, indem ich die Kontrolltiere 
stets bei der Temperatur von 15° C erhielt, die anderen in einen 
für Tiere eingerichteten Thermostaten bei 30 — 35° C und zwar 
3 Stunden lang, worauf sie schnell in eine Eisgrube von 0° 
und 1° C durch weitere 3 Stunden gebracht wurden und so fort im 
Wechsel bis zum Moment der Tötung. Bei dieser Untersuchung, 
in der ich, um der Tierersparnis halber immer in gleicher Weise 
operierte, unterliels ich die Bestimmung der Zahl der Keime, 
welche von den kaum aus dem Zerstäuberkästchen herausge- 
nommenen Meerschweinchen eingeatmet waren, sei es, weil wir 
in früheren Untersuchungen gesehen haben, dafs diese Zahl im 
Durchschnitt zwischen 15000 — 20000 pro ccm Lungen schwankt, 
sei es, weil als Zeugenschaft der möglichen Variationen immer 
die Daten der Kontrolltiere bestehen. 

Auch hier wiederholte ich dreimal die Untersuchungen, um 
schätzbare Resultate zu haben, die in der Tab. lU (S. 362 u. 363) 
gesammelt sind. 

Unter Zusammenfassung der in dieser Tabelle vorgetragenen 
Resultate kann man sagen, dafs in den schnellen Tem- 



Von Dr. Enrico RonEani. 361 

peratur-Übergängen ausgesetzten Tieren das Schutz- 
vermOgen der Lungen gegen die Mikroorganismen 
von Anfang an beträchtlich vermindert wird, mehr 
als dies bei jenen Tieren statthat, welche der be- 
ständigen Einwirkung der Kälte ausgesetzt sind; 
aber dieses Verm ögen scheint später teilweise seine 
Kraft zurückzugewinnen, so zwar, dafs es den Lungen 
gelingt, alle eingeatmeten Keime in kürzerer Zeit 
zu vernichten, als dies für die Lungen der Meer- 
schweinchen der voraufgegangenen Untersuchung 
möglich war. 

Deshalb könnte man sagen, dafs die Lungen zu Anfang von 
den schnellen Temperatur-Übergängen stark erschüttert wurden, 
dann aber sich langsam daran gewöhnen und nach und nach 
ihren normalen Zustand zurückzugewinnen trachten, ohne ihn 
aber völlig zu erreichen. 

Dies stimmt mit den Ideen übereiu, welche Pieraccini 
in seinem Traktat über die Krankheiten der Arbeiter vorträgt. 
Der Autor bestätigt, indem er von den Arbeitern spricht, welche 
zufolge ihres Berufes beachtenswerten und schnellen Temperatur- 
Schwankungen ausgesetzt sind, dals wenn auch diese unver- 
mittelten Übergänge Ursache zahlloser Schädigungen des Or- 
ganismus sein können, immerhin die Angewöhnung eine aus- 
geprägte Schutzkraft verleiht. 

Wirkung der Wärme. 

Seltener ist die Ansicht, dafs die Wärme ähnlich der 
Kälte prädisponierende Ursache der Lungenkrankheiten sein 
könne; immerhin scheinen einige Erfahrungen von Gib i er 
und Maurel zu zeigen, dafs der Organismus dabei nahezu 
ähnliche Alterationen erleiden kann, als sie die Kälte im Hin- 
blick auf die Entwicklung der Infektionskrankheiten hervor- 
bringt. 

In der Tat gelang es Gibier bei Erwärmung d* Frösche, 
ihnen den Milzbrand zu übertragen, ähnlich dem, was Paste ur 



362 t)^ber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Lungen etc. 



Tabellen!. WIrkug 4er 



Kontrolltiere. 



In Prüfung genommene Lungenteile 



Versuchstiere 



Zwischen der 
Einatmung de.s 

II. prodiglosus 
und der Suche 
nach demselben 

verstrichene 
Zeit 



Apix rechter 
Lunge 



An der HUfte des 
unt. recht. Lappens 
m. grofser Bronchie 



Basis der 
linken Lunge 



o 
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Meerschw.Nr.61 

> 62 
> > 63 

> 64 



Meerschw.Nr. 70 

» 71 

» > 72 

' * > 73 



Meerschw. Nr. 79 

> » 80 
> 81 

> » 82 



S e r 1 e I a. 22. Februar 1906. 



Standen 12 

> 24 

> 48 

> 60 



Stunden 12 

> 24 

> 48 

> 60 



Stunden 12 

> 24 

> 48 

> 60 



0,15 


93 


620 


0,4 


0,15 


20 


132 


0.4 


0,2 








0,4 


0,15 








0,6 


— 




— 


— 



501 


1252 


127 


317 








Oi 






Serie IIa. 



0,1 
0.15 
0,15 
0,2 



48 

15 







5. März 1906. 

480 0,4 435 
100 .; 0,46 

0J0,4 

Ol 0,4 



62' 
2 




S e r i e m a. 12. März 1906. 



0,1 
0,2 
0,15 
0,15 



20 

22 







200 

110 







0,4 
0,4 
0,35 
0,4 



708 

98 







0,3 


137 


0.2 


61 


0,2 





0,3 





— . 





1087 

136 

5 





1770 

245 







0,25 
0,25 
0,3 
•j 0,25 

il- 

0,25| 
0,2 
0,25 
0,3 



50 

48 







163 

54 







456 776 

30 159 







200 589 

192 142 

1 

u 



652 874 

270 20« 







erzielte, indem er seine Hühner abkühlte. Maurel sah in der 
Folge, dafs bei Überhitzung der Tiere die Leukozyten derselben 
derartige Alterationen zu erleiden hatten, dafs sie ihre zerstörende 
Kraft gegenüber den Keimen eiubüfsten. Wegen dieser Nach- 
forschungen wollte ich mich mit den Experimenten sicherstellen, 
ob die Lungen im Hinblick auf ihre Verteidigung gegen die 
Keime Schaden von der länger dauernden Einwirkung nicht über- 
mäfsiger Wärme auf den Organismus erleiden. 

Bei diesen meinen Versuchen hielt ich wie bei den früheren 
stets einen Teil der Tiere zur Kontrolle im Laboratorium, 



Von l)r. £lnrico fionzani. 



363 



seknellen Temn^eratiuilberf Xnf e. 

Den schnellen TemperaturQbergängen unterzogene Tiere. 

(Von +30» bis 85 <» aal 0» bis +1« 0.) . 



Versuchstiere 



Zwischen der 

Elnatmang des 

B. prodigiosns 

und der Suche 

nach demselben 

▼erstrichene 
Zeit 



In Prüfung genommene Lungenteile 



Apix rechter 
Lunge 



o 



Sä 
o 



An der Hälfte des 
recht, unt. Lappens 
m.grofser Bronchi e 



a 

o 



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Basis der 
linken Lunge 



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1 



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o 



•3P.P 

N . P 

|§g 



8 e r i e I a. 22. Februar 1906. 



Meer8chw.Nr.65 

> 66 
» . 67 

> 68 

> > 69 

Meerschw.Nr.74 

> > 75 

> » 76 

> » 77 

> > 78 

Meersehw.Nr.Sd 

> 84 

> 85 

» 86 

> » 87 



Stunden 12 

> 24 

> 48 
» 60 

> 72 

Stunden 12 

> 24 

> 48 

> 60 
1 72 

Stunden 12 

> 24 

> 48 

> 60 
» 72 



0,2 


324 


1620 


0,4 


0,2 


35 


176 


0,4 


0,15 








0,4 


0,16 








0,4 


0,2 








0,6 



1788 


4470 


0,3 


912 


8040 


807 


767 


0,2 


118 


590 


185 


465 


0,3 


5 


16 


10 


25 0,3 


Ol Ol 








o,s& 









Serie II. 5. März 1906. 



0,2 


340 


1700 


0.4 


790 


1985 


0,26 


300 


1200 


0,15 


18 


120 


0,4 


146 


365 


0,3 


138 


460 


0,2 


1 


6i 


0,4 


43 


107 


0,25 


10 


40 


0,25 


10 


40 


0,3 


11 


36 


0,25 








0,15 








0,4 








0,3 









Serie m. 12. Milrz 1906. 



0,2 


280 


1400 


i0,3 


1004 


3346; 


0,25 


512 


2048! 


0,1 


18 


180 


0,4 


362 


905 


0.2 


90 


450 


0,15 


11 


72 


0,4 


38 


95 


0,3 


41 


136 


0,1 


6 


60 


0,3 


8 


25 


0,25 


2 


8 


0,15 





Ol 


0,4 


1 


2 


0,25 









30^3 

510 

160 

8 





1628 

315 

50 

25 



2264 

511 

101 

31 

1 



Während der andere in einen Thermostaten bei 30 — 35*^ C ge- 
bracht wurde, nachdem alle, auch die Kontrolltiere, die Ein- 
führung des B. prodigiosus in die Lungen mittels des gewöhn- 
lichen Verfahrens erlitten hatten. 

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen befinden sich in 
der Tabelle IV. Aus dem Vergleiche der in dieser Tabelle 
vorgeführten Daten ergibt sich, dafs der andauernde 
Aufenthalt der Meerschweinchen in einer Tem- 
peratur von 30 — 35° auf das Verteidigungsvermögen 
der Lungen gegen die Mikroorganismen keinerlei 

AroblT fax Hygiene. Bd. LXIII. S5 



364 ^ber das Verhalten döö bakteriziden Vermögens der Langen etc. 



Tabelle IV. 



Kontrolltiere. 



In Prüfung genommene Lungenteile 



Versuchstiere 



Zwischen der 

Einatmung des 

B. prodigiosus 

und der Suche 

nach demselben 

verstrichene 
Zelt 



Apix rechter 
Lunge 



An der Hälfte des 
recht, unt. Lappens 
m. grofser Bronchi e 




Basis der 
linken Lunge 



> 



B 

o 



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^ B . _ 

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§8 



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Serie la. 31. Januar 1906. 



Meer8chw.Nr.88 
» 89 

> 90 

> 91 



Stunden 12 

> 24 

> 48 

> 60 



0,15 
0,15 
0,2 
0,2 



192 

10 







1280 

66 







0,4 
0,5 
0,3 
0,4 



500' 
17 

7 




1250 
34 
23 



0,3 I 235 
0,3 10 
0,2 



0; 0,3 







760 109 

33 44 

7 





Serie 11 a.^ 12. Februar 1906. 



Meerschw. Nr. 97 

> > 98 

> 99 

»100 



Stunden 12 

> 24 

> 48 

> 60 



0,1 


100 


1000 


0,3 


257 


856 


0,3 


0,16 


2 


20 


0,4 


50 


125 


0,3 


lo,2 








0,4 





0,25 


0,2 








0,4 








0,3 


, 


— 


i 


— - 


— 




1 



182 

16 







660 838 

53 66 







Serie III. 7 22. Februar 1906. 



Meer«ehw. 106 

» 107 

108 

109 



Stunden 12 

> 24 

> 48 

> 60 



0,15 


196 


1300 


0,4 


550 


1350 


0,3 


318 


0,15 


20 


132 


0,4 


127 


317 


0,2 


6 


0,2 








0,4 








0,2 


0,15 








0,5 





0.3 1 


• 1 

i 


— 






— 


— 


— 


— 



1060 1236 

30 159 







Einflufs hat, denn die Zahlen, welche die Menge 
der in den Lungen der im Thermostaten gehaltenen 
Tiere vorgefundenenKeime darstellen, erweisen sich 
beim Vergleich mit denen der Kontrolltiere nur 
wenig und nicht beständig höher und erlauben des- 
halb nicht den Schluls, dafs die Lungen in jener 
Funktion, deren Studium wir uns angelegen (sein 
lassen, einen Schaden erlitten haben. 

Wirkung des Bades. 

Einige Experimentatoren pflegten, wie ich auch anlälsUch der 
Wirkung der Kälte auf den Organismus erwähnte, bei ihren 



Von t)r. finhco ttonzaüi. 



365 



Wirkiuir der Wtrme. 



Id +30« bis +35° C gehaltene Tiere. 



In Prüfung genommene Lungenteile 



Versuchstiere 



ZwriROben der 
Einatmung des 
B. prodigiosus 
und der Suche 
nach demselben 

yeratrichene 
Zeit 



Apix rechter 
Lunge 



1 An der Hälfte des li 
recht, unt. Lappens 
!• m. grofser Bronchie 



Basis der 
linken Lunge 



o 

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Meerschw. Nr. 92 

> 93 

> > 94 

> 95 
» > 96 

Meerschw. 101 
102 
103 

> 104 
106 

Meerschw. 110 
111 
112 

> 113 

> 114 



i{ Standen 12 

> 24 

> 48 

> 60 
» 72 



Standen 12 

> 24 
» 48 

> 60 
t 72 

Standen 12 

> 24 

> 48 

> 60 
. 72 



173 


865 0,4 


bm 


1462, 


0,4 ' 291 


727 , 


10 


60 , 0.4 


44 


110 , 0,4 23 


57,' 





0,4 








0,4' 7 


17' 





Ol 0,5 


2 


4 


0,3 1 


Oi 





• 1 0,3 








0,4 






Serie I. 31. Januar 1905. 

0,2 

0,2 
i 0,25 

0,15 
II 0,2 

Serie II. 

0,2 

0,2 

0,25 

0,2 

0,2 



12. Februar 1906. 



192 

16 









960 

80 









0,4 
0,4 
0,4 
0,3 
0,5 



458 

35 

2 







1145 ;i 0,2 

87 0,3 
5. 0,3 








0,4 
0,3. 



117 

16 









585 

53 









Serie III. 22. Febrnar 1906. 



0,2 


156 


780 


0,4 


729 


1822 „ 0,25 


295 


1180 


0,2 


14 


70 


0,4 


112 


280 0,2 


11 


50 


0,15 








0,4 


26 


65 0,25 


29 


76 


0,25 








0,35 





0,2 








0,15 








035 





0,3 









1018 

72 

5 

1 





896 

73 

1 





! 12- 

133 

43 







Versuchen die Tiere in der Weise abzukühlen, dafs sie sie in 
Bädern von ziemlich niederen Temperaturen hielten ; und sie zogen 
ihre Schlüsse aus der Wirkung dieser gegebenen Temperatur auf 
den Organismus der Tiere. Sie dachten dabei nicht daran, dafs 
die thermische Kapazität des Wassers wesentlich höher ist als 
diejenige der Luft, so dafs das Bad von einer gegebenen Tem- 
peratur auf den Organismus wesentlich andere Modifikationen 
ausübt als diejenigen sind, welche die Luft bei einer Temperatur 
ausüben würde, die um viele Grade niedriger ist. 

Und aus diesem Grunde wollte ich auch in meinen voraus- 
gegangenen Untersuchungen über die Wirkung der Kälte keinen 

25* 



ä66 Über das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Lungen etc. 

Gebrauch vom Abkühlungsbade der Tiere machen, da ich sicher 
war, derart keine Resultate bezüglich der Temperatur zu erhalten, 
mit der ich experimentieren wollte. Zur Unterstützung mehier 
Anschauungsweise haben wir die Beobachtungen Hayems, 
welcher gefunden hat, dafs die Temperaturschwankungen in der 
Luft wesentlich besser und länger ertragen werden als diejenigen 
im Wasser; und ferner jene Vinays, der am Ende seiner zahl- 
reichen Versuche über die Bäder zu dem Schlüsse kommt, dafs 
die vom Wasser bei einer Temperatur von + 6 ^ bis + 12 ® C ge- 
gebene thermische Umgebung Schmerz und substantielle physio- 
logische Modifikationen hervorbringt, während die bei der glei- 
chen Temperatur von der Luft gegebene thermische Umgebung 
sehr leicht als Kälte empfunden wird und die funktionellen und 
physiologischen Modifikationen geringe Bedeutung haben. Bei 
den höheren Temperaturen sah er dann, dafs die vom Wasser 
bei + 20° C gegebene thermische Umgebung in überaus leb- 
hafter Weise als Kälte empfunden wird und Modifikationen des 
Pulses und der Atmung hervorbringt, und jene bei + 25® bis + 32** 
als Frische und gleichfalls in milderem Grade physiologische Modi- 
fikationen ergebend, während die Lufttemperatur bei +20° C als , 
milde Wärme empfunden wird und jene von +25° bis +32°C 
als schlecht ertragene Hitze, physiologische Modifikationen im 
entgegengesetzten Sinne hervorbringend als diejenigen, die man 
beim Wasser von gleicher Temperatur erleidet. Auf Grund 
dieser Erwägungen habe ich sehen wollen, welchen Einflufs das 
Bad, sei es auch bei ziemlich hoher Temperatur, auf das Ver- 
teidigungsvermögen der Lungen der Meerschweinchen gegen die 
Mikroorganismen habe, indem dasselbe auf den Organismus be- 
sondere und ihm eigentümliche Wirkungen ausübt. 

Nachdem ich wie gewöhnlich Meerschweinchen vom gleichen 
Alter und nahezu vom gleichen Gewicht gewählt hatte, nahm ich die 
gewöhnliche Einpflanzung des B. prodigiosus in die Lungen vor 
und nachdem ich sie dann in zwei Gruppen geteilt hatte, deren 
eine mir für Kontrolle diente, setzte ich die andere ins Bad von 
+ 30° bis +35°C 20 Minuten hindurch alle 12 Stunden bis 
zum Augenblick, wo das Tier getötet wurde. 



Von Dr. Enrico Ronzani. 367 

Ich mufs übrigens sogleich bemerken, dafs die Meerschwein- 
chen ein derartiges Bad schlecht ertrugen, da sie sofort nach 
demselben die Nahrung verweigerten und halb ausgestreckt, un- 
beweglich im Käfig verblieben. 

Ich fasse in der Tabelle V (S. 368u.369) die Resultate zusammen. 

Aus dieser Tabelle erweist sich deutlich, wie das Bad von 
der Temperatur von 30— 35^C einen schädlichen Einfluls auf 
das bakterizide Vermögen der Lungen ausübt, da es die Zer- 
störung der eigens den Meerschweinchen durch Inhalation bei- 
gebrachten Mikroorganismen verzögern macht. 

Dies zeigt, wie das Bad auf den Organiamus einen wesent- 
lieh umfänglicheren und zuweilen wesentlich schädlicheren Ein- 
fluls ausübt als die thermische Umgebung der Luft; denn wäh- 
rend in dem vorausgegangenen Versuche die in der Luft von 
30 — 35 ^ ü gehaltenen Tiere fast gar keine Modifikation in Hin- 
sicht auf das uns hier beschäftigende Argument erwiesen, sind 
die Modifikationen hingegen in jenen, die das Bad bei der glei- 
chen Temperatur durch nur 20 Minuten alle 12 Stunden zu erleiden 
hatten, derart hervorspringend und beständig, dafs man über 
dieselben nicht den mindesten Zweifel mehr haben kann. Und 
das findet seine kombinierte Erklärung in der Tatsache, dafs 
schon bei 30 — 35 ^ C das Wasser dem Organismus wesentlich 
mehr Wärme entzieht als die Luft dies bei gleicher Temperatur 
tut, und in der anderen, dafs das bakterizide Vermögen der 
Lungen, wie sich vorhin ergab, nachläfst, sobald sich eine Ab- 
kühlung des Körpers bemerkbar macht. Meine Resultate geben 
also dergestalt eine Stütze für die Meinung etlicher Hydrologen 
und vieler Kliniker, welche das Bad in den Infektionskrank- 
heiten der Lungen nicht anraten. 

Wirkung der Ermüdung. 

Die Ermüdung ist, wenn man sie nicht direkte Ursache von 
Krankheiten heifsen kann, oft die prädisponierende Ursache der- 
selben, indem sie den Organismus schwächt. 

Es ist in der Tat durch die Arbeiten von Mos so, Ranke, 
Liebig, Gaucher, Rummo, Bordoni u. a. allgemein be- 



368 Über das Verhalten des bakteriziden Verhaltens der Langen etc. 



Tabelle y. 



Kontrolltiere. 



In Prüfung genommene Langenteile 



Versuchetiere 



Zwischen der 
Einatmung des 
B. i>rodigiosiis 
und der Suche 
nach demselben 

verstrichene 
Zeit 



Apix rechter 
Lunge 



An der Hälfte des 

! recht, unt. Lappens 

m. grofser Bronchie 



o 



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Basis der 
linken Lunge 



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'1= 



S e r i e I. 22. März 1906. 



Meerschw. Nr. 115 

» > 116 

» 117 

> > 118 



Stunden 12 
24 
48 
72 



> 
> 



0,1 


108 


1080 


0,5 


418 


836 


1 
0.3 


272 


0,15 


10 


66 


0,4 


380 


950 


0.3 


90 


0,15 








0,4 







1 


0,25 





0,16 








0,4 








0,25 






Meerschw. Nr. 123 

> > 124 

> > 125 



Serie III. 9. Mai 1906. 



..I 



Meerschw. Nr. ISO 
» > 131 

> > 132 

> > 133 



Stunden 12 

> 24 

> 48 
72 



0,2 


134 


670 


0,4 


0,1 


35 


350 


0,8 


0,15 








0,5 


0,15 








0,4 



906 940 

300 1 438 

' 







Serie IL 


3. Mai 1906. 






. 




Stunden 12 


0,1 


182 1820 


0,4 


474 


1185 


0,3 


199 


633 


24 


0,2 


102 


510 


0,4 


5 


12 


0,35 


10 


32 


> 48 


0,1 








0,3 








0,2 








^^ 


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— 


— ^ 


— — 


— 


■ ■■ 




— 


— 



1212 

1H4 





319 


797 


0,3 


294 


217 


720' 


0,2 


16 


2 


4 


0,3 











0,4 






980 

80 







815 

383 

1 





kannt, dafs die Ermüdung, zumal jene der Muskeln, Anlafs zu 
verschiedenen toxischen Produkten bietet, welche Oautier 
Leukomanie heifst, und die nicht nur den funktionierenden Teil 
beschädigen, sondern, indem sie sich in den Blutkreislauf er- 
giefsen, den ganzen Organismus zu alterieren beginnen, ihn auf 
die verschiedenste Weise schädigend. 

Der Teil, der die Ermüdung im Hinblick auf die Entwick- 
lung der Infektionen betrifft, ward von C harr in und Roger 
studiert. 

Diese Autoren experimentierten an weifsen Mäusen; sie er- 
müdeten diese Tiere, indem sie sie geraume Zeit in (Jer gewöhn* 



Von Dr. Enrico RonMoi. 



Im Bade gehaltene Tiere (eu +30* bi< -f SS'G). 



In Prüfung genommene Langenteile 



Zwtscben der 

EtnatmunK dei 

B. prodlglasus 

VerenchBtiere uuO der Suche 

nioli demsBlben 

veratrlchene 

Zeit 




^1 aS. 



-ie I. 22. März 1906. 



Meerachw. Nr. 119 Stunden 12 0,1 

> 120 > 24 0,16 

.121 . 48 0,2 

. 122 . 72 0,15 



Meerschw. Nr. 12G Stunden 12 



SerlVm. 9. Mri 1906. 

MeerBchw. Nr. 134 i Stunden 12 0,2 124 i 620 ii 0,5 

> > 186 Ii > 24 ' 0,16 I 40 I 266 0,4 

. 136! . 48 ,0,1 1 0,4 

> 137 1 > 72 1.0,1 I 60||0.B 



1820 10,4 I 494 |I235 0,3 

32 |0,4 j 360 1 960 0,8 

266 0,4 41 I 103 0,8 

0,4 26 62 ! 0,25 



Beri 


II. 


3. Hai 19« 


. 


0,1 ; 206 1 2060 0,45 


798 


0,1 


48 


480 0,6 


216 


0,15 





0|!o,6 


157 


0,16 





0|j„,6 






1772 brocheDScZTllndeni' 1916 

482 0,8 I 162 540 i 484 

814 ji 0,3 82 I 273 196 
' 0,3 I 



1186' 0,3 I 401 1336 1045 

1030 :| 0,2 ' 72 860 552 

010,8 I Ol 0„ 

20 0,2 84 170! 86 



liehen Drehtrommel gehen liefseo, und znar uach vorausgegan- 
gener Einimpfung etlicher Tropfen von abgeachwfichter Milzbrand- 
kultur und gleichzeitig Kontrolttiere haltend, sahen sie, dafs 
während die ermüdeten Tiere in kurzer Zeit starben, die Kontroll- 
tiere der Milzbrandinfektiou widerstanden. Die gleichen Resultate 
erhielten sie- beim symptomatischen Milzbrand, während mit den 
Kulturen des hämatischen virulenten Milzbrandes, wenn sich 
auch bei den Kontrolltieren der Tod ei^ab, dieser doch immer- 
hin wesentlich später eintrat als bei den der EnnUdung ausge- 
setzten Tieren. Deshalb kamen sie zum Schlüsse, dafs die den, 
sei es mit dem hämatischen, sei es mit dem symptomatischen 
Milzbrand eingeimpften Tieren auferlegte allgemeine Ermüdung 



370 t^er da49 Verbalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc. 

in bemerkenswerter Weise die Entwicklung und allgemeine Aus- 
breitung der Infektion begünstigt. 

Zu ähnlichen Schlüssen bei anderen Infektionen kamen auch 
Arloing und Thomas, welche ähnlich wie die vorgenannten 
Autoren bestätigten, dafs die Ermüdung die Verteidigungskraft 
des Organismus im allgemeinen herabsetzt und die Entwicklung 
der Infektionskrankheiten begünstigt. 

Im Gegenteil hat jedoch Ceni, der dem bakteriziden Ver- 
mögen des Blutes von ermüdeten Schafen und Hunden nach- 
forschte, erwiesen, dafs das bakterizide Vermögen des Blutes 
wenig unter dem Einflüsse der Ermüdung variiert, und dafs im 
allgemeinen dieses Vermögen nur beim Schafe und bei der kurz 
dauernden Ermüdung abnimmt, während es in demselben bei 
länger dauernder Ermüdung zunimmt. 

Auf Grund solcher Versuche wollte ich sehen, welchen Ein- 
ilufs die Muskelermüdung auf die Lungen ausübe, und zwar 
immer im Hinblick auf ihre Schutzkraft gegen die Mikroorga- 
nismen. 

Zu diesem Forschungszwecke wurden die Meerschweinchen, 
nachdem ich sie, more solito, den B. prodigiosus hatte einatmen 
lassen und nachdem ich die zur Kontrolle bestimmten abgeson- 
dert, in eine Drehtrommel gesetzt, die ich eigens für sie hatte 
herstellen lassen. 

Diese Trommel war vom Durchmesser eines Meters und ihre 
Breite derart, dafs die Meerschweinchen verhindert wurden, sich 
quer zu legen und so also sich zu wälzen statt zu laufen, aufser- 
dem liels ich, um zu verhindern, dafs die in Bewegung befind- 
lichen Tiere ausgleiten könnten, längs des Trottoirs der Trommel 
so viel Querbälkchen legen, dafs das Tier gezwungen wurde, die 
Beine zu gebrauchen, um vorwärts zu kommen. 

Anfangs wollten sich die Meerschweinchen niclit zu diesem 
Spiel herbeilassen, aber mit etwas Geduld und anfangs nur lang- 
sam drehend, gelingt es, sie an diesen unfreiwilligen Wettlauf 
zu gewöhnen. Die Tiere wurden also ins Rad gestellt, in dem 
ich sie in etwa einer halben Stunde mit kurzen Ruhepausen 
einen halben Kilometer zurücklegen liels, wonach daa Tier in 



Von Dr. Enrioo Bonsani. 371 

anbetracht der Länge des zurückgelegten Weges und der Schnel- 
ligkeit einerseits, der Kleinheit ihrer Körper anderseits wirklich 
müde erschien. 

Das Laufen wurde zweimal täglich für jedes Tier w^iederholt 
bis zum für die Tötung bestimmten Moment. Im übrigen ging 
ich wie in meinen früheren Versuchen vor. 

Wie sich aus der Tabelle VI ergibt, setzt die Muskelermü- 
dung das Verteidigungsvermögen bedeutend herab, welches die 
Lungen den in sie eingedrungenen Mikroorganismen entgegen- 
zusetzen vermögen. In der Tat wurde 72 Stunden nach der 
Inhalation des B. prodigiosus dieser B. beständig in aulserordent« 
lieh ergiebigen Mengen in den Lungen der Versuchstiere vor- 
gefunden. Und beim Vergleich dieser Zahlen mit den beim 
Examen der Lungen der Kontrolltiere erhaltenen erweist sich, 
dafs die Zahl der B. prodigiosus, die sich nach 72 Stunden in 
den Lungen der ermüdeten Meerschweinchen feststellen läfst, sich 
derjenigen nähert, die sich nach 24 Stunden in den Kontroll- 
tiereu vorfindet; es ergibt sich also eine Verzögerung in der 
Vernichtung von gut 48 Stunden. Deshalb bin ich mit Marfan 
der Meinung, dafs die Ermüdung durch die chemischen Ver- 
änderungen, die sie in den Organen hervorruft, das Verteidigungs- 
vermögen des Organismus und zumal der Lungen gegen die 
Mikroben herabsetze; Herabsetzung, welche Marfan der geringe- 
ren Tätigkeit der Phagozyten, der verminderten chemiotoxischen 
Aktion der Zellen und bakteriziden und antitoxischen Funktion 
der Säfte zuschreibt. 

Wirkung der Traumen. 

Es ist allgemein bekannt, dafs auch die Traumen mehr 
oder minder direkt für Infektionskrankheiten prädisponieren 
können. 

Was nun die Luugeninfektionen zumal angeht, so stellen 
die zahlreichen klinischen Beobachtungen, die über diesen Gegen- 
stand von Litten, Murri, Paterson, Lucatello, Mircoli, 
Galluzzi und noch andere gemacht wurden, fest, dafs man 
infolge eines Trauma auf die Thoraxwand infektive Lungen- 



372 t^er das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc. 



Tabelle VL 



Eontrolltiere. 



R 



In Prüfang genommene Langenteile 



Versuchstiere 



Zwischen der 
Blnatmtmg des 
B. pzx)digio8us 
und der Suche 
nach demselben 
verstrichene 
Zeit 



Apix rechter 
Lunge 



An der HUite des 
recht, unt. Lappens 
m. groüßT Bronchie 



o 



t 



o 



a t» 
. »-"^ 

H O p 

d • 



«I 



N' 



o 






Basis der 
linken Lunge 



o 



3 



o 
o 






*« 






|S8 



N 









o 



o a 60 
M o o 
^ CS . 

•SS« 



9 bo o 

es C3M 

rt w t( 

9 



N 



-«.ö 



II 



Serie L 2. April 1906. 



Meerschw. Nr. 188 Stunden 12 0,2 
> 189! > 24 iO,15 

140 > 48 ,0,15 



141 



72 II 0,2 



1 

10 







5 0,4 

66 0,4 

0,4 

10,35 



239 

15 





597 

37 







0,3 


1 

153 


0,3 





0,3 





0,25 






510 


370 





34 















Serie n. 11. April 1906. 



Meerschw. Nr. 146 

> 147 

> > 148 



Stunden 12 

> 24 

48 



0,15 


35 


232 


0,4 


450 


1125 


0,3 


338 


1126 


827 


0,15 


4 


26 1,0,45 


48 


106 


0,3 


25 , 83 


71 


0,1 








0,4 

1 








0,3 







1 






8 e r i e m. 20. April 1906. 



Meerschw. Nr. 153 , Stunden 12 0,1 



154 
155 



24 
48 



0.1 


12 


120 


0.5 


318 


636 


,0.3 


212 


706 


487 


0,2 


22 


110 


0,4 


39 


97 


:o,2 


12 


60 


89 


0,16 










0,45 








iO,3 







,1 






prozesse haben könne, die sich mit aller Wahrscheinlichkeit 
nicht entwickelt haben würden, wenn das Trauma nicht einge- 
treten wäre. Zur Unterstützung solcher Beobachtungen bestehen 
die Experimentalversuche von Hermann, von Schuller, von 
Mariani, von Gamalcia. 

Dieser letztere unterzog, nachdem er in die Trachea ver- 
schiedener Schafe den Pneumokokkus eingeführt, einige der- 
selben Traumen der Thoroxwände und in vielen derselben erwies 
sich die Entwicklung der Pneumonie, was hingegen nicht der 
Fall war in den zur Kontrolle gehaltenen Tieren. 



Von Dr. Enrico Roman i. 



WlrkuBf 4«T ErmMnnr. 



ErmOdete Tjere. 



In Prüfung genommene Lungenteile 

1- -=»!,■ '! An der H«lllB dusll „„,. . 

Lunge .]m.B«>ft»rBronrhle Unkon Lu 



VerBllcliSliero nmt der Suche ' ^ 

'r 


ilf 
111 


ii|;rilif 



Serie I. 2. Aprit 1 



Meerechw.Nr.l42' Stundei 



0,15 
jO.16 

||0,15 
|| 0,15 

8er: 

Meerschw. Nr. 149 1! Stunden 12 l|o,16 

.150;! ■ 24 0,16 

> > ISl:. . 48 II 0,15 

> > 152 > 72 0,15 



Meerich w. Nr. 15<i I Stunden 12 



100 ! 666 , 0,3 

11 72 10.4 

•db ' 232 11 0,4 

1 0,6 



536 I 1786 :, 0,3 ! 113 376 

75 I 187 i' 0,25l 129 | 616 
2 I »iiC^ I Ol 
37 i 74 ll 0,2 1 



n. 


11. April 1906. 






151 1 1006 0,4 


621 


1552 


0,3 131 


30 


132,0.4 


50 


124 


0,3 ! 23 


150 


1000 "0,4 


20 


50 


0,Söi 35 


6 


««0,4 


88, 


m 


a3| 



erie III. 


20. April 1906. 


O.t 86 ! 860 


0,4 60-2 


0.15 44 


292 


0,5 176 


0,2 38 


190 


0,4 48 


0,15 12 


80 


0,4 16 


0,15 





0,5 



1504 f 0,3 

362 : 0,3 ! 

120 !| 0,2 I 

40 1 0,3 I 

o;a5 



Er nimmt nun mit den übrigen, vorhin zitierten Autoren 
an, dafs daa leichte Anhaften und die leichte Entwicklung der 
Mikroorganiflraen in einer traumatischen Region den degenera- 
tiven Alterationen der Gewebe, den Kreislaufstörungen und den 
Blutaustritten zu verdanken sei, welche den Bakterien ein gutes 
Nährmittel darbieten, was dazu beiträgt, eine Alteration der 
Widerstandskraft der Lungen gegen die Mikroorganismen her- 
vorzubringen. 

Bislang haben wir gesehen, data, auch ohne das Bestehen 
solcher Störungen, das Verteidigungsvermögeo der Lungen gegen 



374 ^ßber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc. 

die Mikroorganismen im allgemeinen von anderen Ursachen 
modifiziert werde ; wird nun dieses Vermögen auch vom Trauma 
nicht nur am traumatischen Punkte, wo solche Störungen sich 
ergeben, modifiziert oder auch im Reste der Lungen, der vom 
Trauma nicht direkt beschädigt wird? 

Meine Versuche wurden in folgender Weise vorgenommen : 

Ich führte das Trauma in den zu den Versuchen bestimmten 
Meerschweinchen herbei, indem ich mit einem Holzhämmerchen 
einen Teil des Thorax erschütterte, den ich sofort dadurch kenn- 
bar machte, dafs ich die Haut mit einer Anilinfarbe färbte. Bei 
der ersten Versuchsreihe brachte ich bei den Tieren zuerst das 
Trauma hervor und dann liefs ich sie nach und nach die Inha- 
lation des B. prodigiosus vornehmen. Bei der zweiten Reihe 
nahm ich zuerst die Keimeinpflanzung in den Lungen vor und 
gleich darauf brachte ich das Trauma zustande. 

Die Tiere wurden wie gewöhnlich innerhalb festgesetzter 
Zeiträume getötet und von jedem derselben nahm ich diesmal 
nicht mehr drei, sondern vier Lungenstückchen in Prüfung. Das 
erste Stückchen, das ich entfernte, war das der traumatisierten 
Region entsprechende, das sich meist leicht feststellen Uefs wegen 
eines leichten an der Oberfläche der betreffenden Lunge bemerk- 
baren Blutaustrittes; dann entfernte ich ein Stückchen in der glei- 
chen Gegend der anderen nicht traumatisierten Lunge, und darauf 
noch zwei andere Stückchen, eines von der Lunge, die das 
Trauma erlitt, aber entfernt vom beschädigten Punkte, das andere 
von der entsprechenden Region in der homologen Lunge. Ebenso- 
viele Stücke wurden aus den entsprechenden Regionen bei den 
Kontrolltieren entfernt und bei allen schritt ich zur quantita- 
tiven Peststellung des B. prodigiosus. (Tab. VII und VII bis.) 

Aus den obenerwähnten Untersuchungen ergibt sich, dafs 
das Traum(\f sei es nun der Einpflanzung des B. prodigiosus 
vorausgehend oder nachfolgend^ bewirkt, dafs der letztere sich 
immer an der beschädigten Stelle in gröfserer Menge vorfindet, und 
zwar durch längere Zeit als in den anderen Lungenteilen. 

Aus dem aufmerksameren Studium der Tabellen ergibt sich 
noch eine andere Tatsache, die nämlich, dafs, wenn auch das 



Von t>r. £nrico tlonsani. 375 

Trauma seine Wirkung nur auf einen kleinen Teil des Lungen- 
lappens entfaltet hat, dennoch der ganze Lappen eine Alteration 
im Hinblick auf die Zerstörungskraft gegen die in ihn einge- 
drungenen Mikroorganismen erfährt; betreffs der Meerschwein- 
chen Nr. 165 der I. Reihe und Nr. 171—172 der IL Reihe, 
welchen aufser den Lungenstücken der eigentlich traumatischen 
auch Stücke desselben Lappens entnommen wurden, hat sich 
gezeigt, dafs in den letzteren auch 48 und 72 Stunden nach der 
Inhalation noch Bazillen befanden, während sich in den ent- 
sprechenden Stücken der Lunge der andern Seite und in denen 
der Kontroiltiere keine Keime mehr nachweisen liefsen. Eine 
solche Alteration findet jedoch in den anderen Lappen nicht 
statt und noch weniger in der Lunge der entgegengesetzten 
Seite; denn beachtenswerte Differenzen ergaben sich bei der 
Prüfung der verschiedenen Lungenstücke der anderen Meer- 
schweinchen nicht. 

Deshalb darf man schliefsen, dafs die Traumen der 
Brustwand nicht blofs die Schutzkraft gegen die 
Mikroorganismen in der vom Trauma beschädigten 
Lungenpartie herabsetzen, sondern diese Funktion 
auch in dem gesamten betroffenen Lappen herab- 
setzen, was für eine Stelle auch immer direkt vom 
Trauma berührt sei. 

Wirkung des Staubes. 

Ich will mich nicht über die mechanische und chemische 
Wirkung auslassen, welche die verschiedenen von der Lunge 
eingeatmeten Staubarten auf dieselbe ausüben, jene beachtens- 
werte Reihe von Krankheiten hervorbringend, welche vom ein- 
fachen Bronchialkatarrh bis zur schweren Pulmonie und zum 
Lungenabszefs ausgreift. 

Der Natur meiner Studien entsprechend will ich nur auf 
die bekannte Tatsache hinweisen, dafs infolge von Staubein- 
atmung das Anhaften von Mikroorganismen in der Lunge und 
die nachfolgende Entwicklung von Infektionskrankheiten viel 
leichter wird und dies um so mehr, um so schädlicher die ein- 
geatmeten Staubarten sind. 



376 tjber das Verhalten des bakteriziclen Vermögens der Langen etc. 



Tabelle VU. 





Zwischen 

der Bln- 

atmung des 

B. prodig. 

und der 

Suche nach 

ihm vei^ 

Btxichene 

Zeit 




Trauraatisierte ] 


Lunge 


Versuchstiere 


stück A 
entsprechend dem 

von Trauma 
beschädigten Teil 


S d 


^1? 


© • © 
r] © bO, 

«öS 


« 

Stück B « c 

Entfernung von B 

, traomatlsiert. Punkte ^«^ 

entnommenen '^ 










Traumatisierte 










S e r i e L 


Meerschw. 161 


Std. 6 


bei Vi rechter 
unterer Lappen 


0,4 1129 2822 

i 


Apix recht. Lunge 0,1 


> 162 


> 24 


unt. Teil d. recht, 
unteren T^appens 


0,45 160 


400 


1 > > 0,2 

r 


> 163 


> 48 


ob. recht. Lappen 
unterer Teil 


0,3 3 


10 

1 


Basis des unteren 1 0,2 
rechten Lappens 


164 


> 54 


do. 


0,25 29 


116 

1 


do. 1 0,2 


165 


> 72 


ob. linker Lappen 
unterer Teil 


0,4 8 


20 

1 
1 


linker Apix 0,1 

1 
1 










Serie n. 


Meerschw. 169 


Std. 6 


bei Vi linker 
unterer Lappen 


0,4 788 


1970 


linker Apix 0,25 


> 170 


» 24 


bei Vi i'eehter 
unterer Lappen 


0,3 


182 


606 

t 


rechter Apix 0,2 


171 


> 48 


bei Vs recht, unt. 
Lappen unt Teil 


0,5 


256 


512 

1 


recht, unt Lappen 0,2 
oberer Teil 


172 


> 54 


ob. linker Lappen 
unterer Teil 


0,2 


20 


100 


linker Apix 0,2 








1 1 


Kontroll- 






Der traun 


latisierten entsprechende Lunge 



Meerschw. 166 

167 

> 168 



Std. 6 

> 24 

> 48 



bei Vi rechter " 0,4 
unterer Lappen 

unterer Teil rechter 0,45 
unterer Lappen 

ob. recht. Lappen 0,4 
unterer Teil 



635 



1587 



62' 136 
Oi 



Meerschw. 173 
> 174 
» 175 



Std. 6 
> 24 

» 48 



bei Vs linker 
unterer Lappen 

bei V] rechter 
unterer Lappen 

bei ^/, recht unt. 
Lappen unt Teil 



0,4 

0,25 

0,5 



506 (1260 



14 
1 



56 

10 



Serie 1. 
Apix recht Lunge 0,2 

> > »0,2 

Basis des rechten 0,15 
unteren Lappens 

Serie II. 
linker Apix 0,1 

rechter Apix 0,2 

rechter unterer 0,3 
Lappen 



Von Dr. finrico Ronsani. 



S77 



Wirkanf der Traumen. 



- 


Nicht traumatisierte Lunge der anderen*" Seite 






o o 
"25 g 




stück C g ^ 

entoprechend dem- .' £ S 

jenigen der anderen ^ s 

Lunge, das v. Trauma ^ ^ 

betroffen ward 


in 


sl| 


Stück D 

demjenigen d. anderen ^g 

Lunge entsprechend, *' S § 

das auf Entfernung o. B 

vom'tniumatlsierten , o > 

Punkte entnomm.ward ,, 

1 


«ig 


j. 8 

'S -32 


Tiere. 












5. Mftn 1906. 












98. 980 


bei Vfl linker i: 0,4 
unterer Lappen 


715 


1787 


Apix linker Lunge 0,2 

* 


204 


1020 


24 120 


unt. Teil d. linken 0,4 
unteren I^ppens i 


105 


262 


> > > 


0,1 


8 


80 




1 


ob. link. Lappen 0,3 
unterer Teil 








Basis des unteren i 
linken Lappens 


0,1 








0' 


do. 0,25 

1 ' 





1 


do. 

1 


0,2 








2 


20 


ob. recht. Lappen 
unterer Teil 


0,4 








1 

rechter Apix 

1 


0.1 








3. Mai 1906. 




1 


1 






154 


616 


bei Vs rechter ; 0,4 
unterer Lappen |) 


532 


1830 

1 


rechter Apix 


0.2 


104 


520 


6 

1 


30 


bei Vi linker 
unterer Lappen 


0,3 


8 


26 


linker Apix 


0,1 


7 


70 


8 

1 


40 


link, unt Lappen 
unterer Teil 


0,35 


6 


16 


recht, unt. Lappen 
oberer Teil 


0,25 








1 2 


10 


recht, ob. Lappen 
unterer Teil 


0,3 

1 







1 


rechter Apix ' 


0,16 








■ il 

Tiere. 






w 






1 Die der nict 


it trau 


matiBiei 


rten entsprechende Lung 


e 




5. März 1906. 












208 

1 
1 


1040 


bei Vt unterer ! 0,3 
linker Lappen 


742 


2470 


Apix linker Lunge 


0.1 


194 


1940 


21 


105 


unterer Teil 1 
linker Lappen 


0,25 


40 


160 


> > > 


0,1 








1 





ob. link. Lappen ' 0,3 
unterer Teil 








BasU des linken 
unteren Lappens 


0.2 








3. Mai 1906. 






i 






89 


890 


bei Vi rechter 
unterer Lappen . 


0,25 


894 


1676 


rechter Apix 

1 


0,1 


106 


1060 


12 


60 


bei Vi linker 0,5 
unterer Lappen | 


20 


40 


linker Apix 

1 


0,2 


2 


10 








linker unterer * 
Lappen 


0.4 








unt. recht. Lappen 
oberer Teil 


0,15 

1 




1 






378 (^01* <^ Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc. 

So fand Arnold, der sich viel mit diesem Gegenstande 
befafste, dafs, wenn er verschiedene Versuchstiere verschie- 
dene Staubarten einatmen liefs, die geringere Sterblichkeit der- 
selben durch Pneumonite von jenen Tieren geboten ward, welche 
Rufs, und die grölste von denen geboten ward, welche Schmirgel- 
oder Bimssteinstaub eingeatmet hatten. 

Analoge Tatsachen wurden von Villaret, von Albrecht, 
von Claissö und Jpusuä gefunden, da alle in der Bestä- 
tigung übereingingen, dafs die in grofser Menge eingeatmeten 
Staubarten, wenn auch in verschiedener Weise in den Limgen 
wirkend, immerhin in ihnen einen Reizzustand hervorbringen, 
welcher das Organ nicht nur für die verschiedensten Infektions- 
krankheiten vorbereitet, sondern auch den Ablauf schwerer ge- 
staltet um der Läsionen willen, welche die Staubarten im Lun- 
gengewebe hervorbringen. 

Ich wollte bei dieser Gelegenheit auch sehen, innerhalb 
welcher Grenzen sich die Umwandlung des Schutzvermögens der 
Lungen gegen die Mikroorganismen infolge der Einatmung ver- 
schiedener Staubarten, unabhängig von den anatomischen Lä- 
sionen der Lungen selbst vollzieht. 

Für die Versuche wählte ich zwei Staubarten, eine unter 
j eilen, welche die Atmungsorgane im geringsten Grade verletzen 
(Lykopodiumstaub), die andere aber unter denen, welche in 
höherem Grade verletzen (Schmirgelstaub). 

Ich liefs diese Staubarten zwei verschiedene Gruppen von 
Meerschweinchen in Sonderkistchen mittels Verstäuber zwei 
Stunden lang und zweimal täglich einen ganzen Monat hin- 
durch einatmen; am Ende desselben liefs ich sie dann den 
B. prodigiosus einatmen und ging, andere für die Kontrolle be- 
haltend, wie bei den früheren Versuchen vor. 

In den Schlufstabellen sind die Resultate der Kontrollen 
wiederholt worden, da ich mich derselben für alle beiden Grup- 
pen der Einatmung der verschiedenen Staubarten unterworfenen 
Tiere bediente, weil beide zugleich der Einpflanzung des B. pro- 
digiosus und zwar zur selben Zeit unterzogen worden waren. 
Tabelle VIII (S. 380/81). 



Von Dr. £nrico tUnxoni. 37d 

Aus diesen Untersuchungen ergibt sich, dafs, 
während der Lyköpodiumstaub, in beträchtlicher 
Menge von den Meerschweinchen eingeatmet, in 
deren Lungen eine zwar schädliche, aber nur schwach 
bemerkbare Aktion auf die gegen die Mikroorganis- 
mengerichtete Zerstörungskraft ausübt, der Schmir- 
gelstaub hingegen beträchtliche Schäden mit sich 
bringt. Und wenn auch zu diesem schädlichen Einflufs natür- 
licherweise viel die anatomischen Läsionen beitragen, welche von 
der Härte und Billigkeit des Schmirgels veranlafst werden, so 
ermächtigt doch das mit dem Lykopodiumstaube erhaltene Re- 
sultat zu dem Schlüsse, dafs sich, unabhängig von den Läsionen, 
eine Verminderung des bakteriziden Vermögens der Lungen 
vollzogen haben mufs. 

Wirkung des Alkohols. 

Der neuere Kampf, den man nicht nur gegen den Mifs- 
brauch, sondern auch gegen den Gebrauch des Alkohols von seiten 
vieler Antialkoholisten- Vereinigungen führt und bei dem man sogar 
das völlige Verschwinden des Alkohols aus dem Bereiche der 
Getränke anstrebt, veranlafste mich, Umschau zu halten, ob eine 
solche Substanz wirklich, wie man allgemein glaubt, eine schäd- 
liche Wirkung auf die Verteidigung der Lungen ausübe. 

Tatsächlich neigen klinische Beobachtungen zum Beweise, 
dafs dem Alkoholismus eine überwiegende Wirkung in der Genese 
der infektiven Lungenkrankheiten zukomme und alle Autoren, 
cl^e den Gegenstand zu behandeln unternahmen, von Magnus- 
Hufs angefangen bis zu Founier, Lanceraux, Massa- 
lon go, Wesener — um nur einige zu nennen — sind sich 
in der Bestätigung einig, dafs der Alkoholismus die Entwicklung 
der Lungenkrankheiten begünstige. 

In der Neuzeit wurden besonders zahlreiche Versuche ge- 
macht, um die Aktion des Alkohols im Hinblick auf die Ent- 
wicklung der Infektionskrankheiten zu studieren, und verschie- 
den sind die diesbezüglich laut gewordenen Meinungen; so fanden 
einige, dafs die Einführung des Alkohols in den Körper die 

ArohiT ffir Hygiene, Bd. LXm. ^^ 



S^O ^^T das Verhalten des bakt^risiden Vermögens der Lungen eic 



Tabelle Vm. 



Kontrolltiere. 



Versuchstiere 



In Prüfung genommene Lungenteile 



Zwischen der 

Einatmung des 

B. prodlgiosus 

und der Suche 

nach demselben 

verstrichene 

Zeit 



Apix rechter 
Lunge 



[ An der Hälfte des ' 

, recht, unt. Lappens I 

m. großer Bronchie i 



Basis der 
linken Lunge 






o 
>S 

• es 

u O 

o 

O 



Ö 6C. ^ O^ 






o 

I, « 



&9 ^' ^ ©,-; 



I - u St 



»Kpi 



0S o 







Serie L 13. März 1906. 



Meer8chw.Nr.l76 Stunden 12 

> »177 > 24 

> > 178 > 48 



0.2 


56 


280 0,4 


178 


320 0,25 


80 


1 

' 320 


300 


0,2 





0,4 


70 


175 0,3 


3 


10 


61 


0,2 

1 





0,4 





0,3 







1 






Serie U. 21. März 1906. 



Meerschw. Nr. 183 


Stunden 12 


0,15 100 


666 


> 184 


24 


0,1 28 


280 


* 185 


48 


0,2 






0,4 


880 


0,5 


46 


0,4 





— 


— 



950 0,8 • 90 

92 0,25; 10 

0,3 



Kontrolltiere. 
Serie L 13. Mars 1906. 



Meerschw. Nr. 176 
» 177 

. > 178 



» 



Stunden 12 
24 
48 



0,2 
0,2 
0,2 



56 





280 





0,4 128 320 0,251 80 



0,4 
0,4 



70 




175 




0,3 
0,3 



3 





Serie n. 21. März 1906. 



Meerschw. Nr. 183 


Stunden 12 


0,15 


> 184 


24 


0,1 


> > 185 


48 


0,2 



300 

40 




320 

10 





Entwicklung der Infektion begünstige, während andere in ihm 
einen Feind der letzteren sehen. 

Abbott führte in den Magen von Kaninchen von 5 bis 
15 ccm Alkohol durch 114 Tage, worauf sich, wie er schreibt, 



638 

104 





306 

61 





),15 


100 


666 0,4 380 


1 

950 0,8 ! 90 


300 


638 


).l 


28 


280 0.5 46 


92 , 0,25; 10 


40 


104 


),2 





0,4 1 

1 


0,3 

1 

* 









Von t>r. Enrico ftontAüi. 



S81 



Wirkuiff der StaitbArten. 

Tiere, die einen Monat hindurch mit Staub erfallte Luft einatmeten. 



Ixk Prüfung genommene Lungenteile 



Veranchstiere 



/.wischen der 

Einatmung des 

B. prodiglosns 

und der Suche 

nach demselben 

T^mtrfchene 
Zeit 



Apix rechter 
Lunge 



An der Hälft« des 
recht, unt. Lappens 
m. grofberBronohle 



BasiH der 
linken Lunge 



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B 

o 



Tiere, welche einen Monat hindurch mit Lykopodinmstaub erfflilte 

Luft einatmeten. 

Serie L 13. März 1906. 



Meerachw. Nr. 179 

> > 180 
> 181 

> » 182 



Standen 12 0,2 75 

.24 0,2 12 

48 0,2 

72 0,151 



375 

60 







0,5 399 


798. 0,2 


73 


0,4 1 98 


245 0,3 

1 ' 


31 


0,4 6 


15 0,25 





0,4 

1 


10,3 

1 






365 


546 


103 


136 





5 









Serie IL 21. März 1906. 



Meerachw. Nr. 186 

187 
188 
189 



9 



> 



Stunden 12 
24 
48 
72 



0,2 


106 


0,1 


7 


0,2 4 


0.16 






580 

70 

20 





0,5 
0,5 
0.5 
0,5 



404 


808 


70 


140 


6 


12 









0,25; 126 
0,25 42 
0,25 1 

0,3 ; 



504 

168 

4 





Tiere, welche einen Monat hindurch Schmirgeletaub einatmeten. 

Serie L 13. März 1906. 

; I 

772 

20 

48 





Meerschw. Nr. 190 


Stunden 12 


0,2 


176 


880 0,5 


590 


* 191 


> 


24 


0,2 


17 «) 0,4 ' 60 


> 192 


> 


48 


iO,15 


0,5 1 50 


> 193 


> 


72 


0.15 
Serie 


i 0,4 , 30 

1 

IL 21. März 1906. 


Meerschw. Nr. 194 


Stunden 12 


0,2 


122 


610 0,5 


543 


. 195 


< 


24 


0.15 


75 


500 0,4 


474 


> 196 


> 


48 


0,1 


2 


20 0,5 28 


> 197 


* 


72 


0,2 





0,4 


16 



1180 


0,25 


193 


200 


0,3 


6 


100 


0,25 


12 


75 


0,3 






1086 

1185 

56 

40 



0,3 216 
0,25 102 
0,25! 8 
0,25 12 



720 

408 

32 

48 



die Schleimhäute entzündet und erosiert erwiesen. Dann infi- 
zierte er die Tiere subkutan mit dem Streptococcus pyogenes 
oder mit dem Staphylococcus pyogenes, und er fand eine Ver- 
minderung des Widerstandes gegen die Infektion von Seiten dieser 
Tiere im Vergleich zu den Kontrolltieren. 26» 



614 

126 

12 

4 



940 

101 

49 

25 



805 

697 

36 

29 



ä82 t^ber das Verhalten des bakterizicien Vermögens der Langen eic. 

Daraus schlofs er, dafs der verlängerte Gebrauch des 
Alkohols eine Schwächung der natürlichen Verteidigung des 
Organismus gegen die Infektionskrankheiten herbeiführe. 

Laitinen sah, nachdem er die Tiere Wochen und Monate 
hindurch alkoholisiert und ihnen verschiedene Arten pathogener 
Keime eingeimpft hatte, dafs die mit Alkohol behandelten Tiere 
starben, während die Kontrolltiere überlebten oder wesentlich 
später starben. 

Auch Gruber ist infolge seiner Erfahrungen der Ansicht, 
dafs sich in den alkoholisierten Tieren eine Zunahme der Emp- 
findlichkeit gegen Infektionen wie auch gegen Intoxikationen 
mit Bakterientoxinen bemerkbar mache. 

Schliefslich fand auch Kögler eine Abnahme des Wider- 
standes der alkoholisierten Meerschweinchen gegenüber dem 
Pneumokokkus. 

Im Widerspruch, der vielleicht nur anscheinend ist und 
wofür wir den vermutlichen Grund, später sehen werden, be- 
finden sich hingegen die Beobachtungen der im folgenden auf- 
gezählten Experimentatoren. 

Mircoli zeigte, dafs das Blutserum von Menschen, welche vom 
Alkohol häufig Gebrauch machten, ohne jedoch eigentUche Kranke 
des Alkoholismus zu sein, das Vermögen besitze, die Tuberkulin- 
Vergiftung in weit ausgesprochenerer Weise zu neutralisieren, als 
dies das Blutserum eines gesunden und starken Menschen im- 
stande sei. Zugleich mit Gervino fand er in den Tieren, die 
gewöhnt worden waren, sich mit Alkohol zu ernähren, aufserdem 
die Vermehrung des Widerstandes gegenüber der tuberkulösen 
Infektion. 

In einer anderen Reihe ähnlicher Nachforschungen fanden 
beide Beobachter,* dafs das Blut des alkoholisierten Kaninchens 
von einem energischen bakteriziden Vermögen gegenüber dem 
Typhusbazillus im Vergleich zu dem Blutserum eines Kontroll- 
kaninchens Besitz ergriffen habe, und ferner, dafs im gesamten 
Organismus eine Zunahme des Reaktions- und Resistenzver- 
mögens der Gewebe gegen eine gegebene Infektion (Tuberkulose) 
zu beobachten sei ; daher die beiden Forscher der Meinung sind, 



Von Dr. Enrico Ronzani. 383 

dafs der Alkohol aufser irgendwelcher direkten Aktion, die er 
auf die Keime auszuüben vermöge, den Organismus anreize, 
zahlreichere und kräftigere bakterische Alexine auszuarbeiten. 

Und als unbestreitbar bezeichnen sie den Umstand, dafs die 
Entziehung des Alkohols bei daran gewöhnten Personen eine 
gefährliche Sache sei, wenn dieselben von Infektionen (Lungen- 
entzündung, Tjrphus) befallen wären. 

Friedberger hat in Erwägung des Umstandes , dafs 
während Epidemien Trinker viel leichter den Infektionen erliegen, 
obschon anderseits der Alkohol von vielen als ein sehr aktives 
Schutzmittel angesehen wird, nachforschen wollen, in welcher 
Weise sich derselbe äufsere, wenn nur einmal verabfolgt oder 
lange Zeit hindurch. Er experimentierte mit den Vibrionen der 
Cholera. Zuvor inokulierte er den Kaninchen lange Zeit hin- 
durch Alkohol, anderen hingegen verabfolgte er nur eine Dosis 
im Moment der Infektion ; er infizierte dann alle Tiere zusammen 
und fand, dafs diejenigen, welche lange Zeit hindurch mit Alkohol 
behandelt worden waren, 16 mal weniger Schutzsubstanzen gegen 
die Cholera hervorbrachten als die Kontrolltiere, während die 
nur einmal mit Alkohol inokulierten Tiere bei der gleichen In- 
fektion eine erhebliche Zunahme der Schutzsubstanzen aufwiesen. 

Frank el, der im Vorjahre die Versuche Friedbergers 
wiederholte, fand, dafs die mit einer einfachen Dosis Alkohol 
behandelten Tiere sich 5 — 10 mal widerstandsfähiger erwiesen 
als diejenigen, die seit langer Zeit Gebrauch davon machten; 
indessen beobachtete er auch, dafs, wenn die letzteren nach und 
nach infiziert wurden, sich dann bei ihnen ein gröfseres immuni- 
sierendes Vermögen erweisen liefs. 

Die von mir auf der Suche nach den Umwandlungen, welche 
eventuell das Verteidigungsvermögen der Lungen gegen die 
Mikroorganismen infolge von Alkoholinokulationen erleiden 
könnte, angestellten Versuche wurden in drei Gruppen geteilt. 

Bei den Tieren der I. Gruppe wurde zuerst die Einführung 
des B. prodigiosus in die Lungen vorgenommen und gleich 
darauf jedem derselben subkutan von 1,5 — 2ccm wässeriger 45proz. 
Alkohollösung alle 12 Stunden bis zum Augenblick inokuliert. 



384 ^ber das Verhalten des bakteririden Vermögene der Lungen etc. 



Tabelle IX. 



Eontrolltiere. 



In Prüfung genommene Lungenteile 



Versuchstiere 



Zwisclien der 

Blnatmnng des 

B. prodigiosus 

und der Suohe 

nach demselben 

yeratricbene 

Zeit 



Apiz rechter 
Lunge 



ij An der HÄlfte des ' ßa^ij ^^^ 

recht, unt. Lappens ,.„,,^„ j „„„« 
• m. grofser Bronphie ^^^^^ Lunge 



I. Gruppe. 
Serie L 12. April 1906. 



Meerschw. Nr. 198 
» 199 
> 200 



Stunden 12 ;0,2 
» 24 : 0,2f» 



48 



0,2 



19 

20 





95 0,4 

80 0,4 

i 0,4 



839 

24 





847 0,3 

60 0,3 

0,3 



150 
6 




500 

20 





Serie n. 2L April 1906. 



Meerschw. Nr. 205 Stunden 12 
> > 206 > 24 

y > 207 > 48 



0,1 28 



0,2 
0,2 



8 
3 



280 


0,4 


40 


0,5 


15 


0,4 



465 1162 



68 




136 




0,25 275 



0,2 
0,3 



26 



1100 

130 

9 



Serie HL 8. Mai 1906. 

I ' I 

Meerschw. Nr. 212 1 Stunden 12 1 0,1 ' 182 1820 ; 0,4 474 

> > 213; > 24 10,2 102 510 10,5 5 



214 



48 ,0,1 







0,3 , 



1185 0,3 199 

12 iO,35 10 

0,2 






•=8 



cc 
cuc 




48 

53 

ü 



848 

102 

5 



633 1212 

32 184 





Die Tiere der II. und III. Gruppe wurden hingegen andert- 
halb Monat vor dem Innest alkoholisiert, indem ihnen alltäglich 
1,5 — 2 com der oben erwähnten Alkohollösung injiziert wurde; 
nach dieser Zeit liels ich sie in bekannter Weise den B. prodi- 
giosus einatmen. Bei denjenigen der II. Gruppe setzte ich die 
Alkoholinokulationen auch nach dem Innest fort, während ich 
sie hingegen bei jenen der III. Gruppe unterbrach. Bezüglich 
des übrigen habe ich die Technik gebraucht, wie ich sie in den 
voraufgegangenen Kapiteln beschrieb. 

Ich bemerke gleich, dafs sich die Tiere der II. und III. Gruppe 
pach etlichen Alkobolinokulationen lascher und weniger nach 



Von Dr. Enrico Ronsani. 



385 



Tiere, welche tttglichenEinimpfangen von 4 ccmalkoholisc her Lösung 
von 45% nach dem Innest des B. prodigiosas unterzogen wurden. 



In Prüfung genommene Lnngenteile 



Versuchstiere 



ZwischeD der 

Einatmung des 

R. prodlgloauB 

und der Suche 

nach demselben 

verstrichene 

Zelt 



Basis der 



Apix rechter ^\^^' HWfte des 

- recht unt. Lappens ,, , 

Lunge m grofserBronchle linken Lunge 



o 
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1. Gruppe. 
Serie I. 12. April 1906. 



Meerschw. Nr. 201 Stunden 12 

> > 202 > 24 

> > 203; > 48 
»204 » 72 



0,15! 

0.1 

0,16 

0,1! 



3 






10 






0,45 162 360 0,3 



0.4 
0,4 
0,5 









0,3 ' 
0,35 
i0,3 



33 110 





i 



Serie IL 2L April 1906. 



Meerschw. Nr. 208 I Stunden 12 
» 209!' > 24 



210 
211 



48 
72 



0.1 42 '■ 420 

0,15| 

0,15 ! 

0,15' 



0,4 
0,4 
0,4 
0.5 



268 


! 



670 0,8 

0,3 

}0,3 

0,4 



115 

28 



380 
93 

0; 

0, 



Serie Ul. 3. Mai 1906. 



Meerschw. Nr. 215 

» > 216 

» 217 

* > 218 



Stunden 12 
24 
48 
72 



0,15 
0,1 
0.2 
0,1 



122 
5 





812 

50 







0,55 
0,4 
0,4 
0,6 



453 

31 







822 


0,3 


151 


503 


77 


0,3 


3 


10 





:!0,8 











0,3 









Nahrung begierig als die anderen erwiesen. — Die Resultate der 
Versuche sind in den Tabellen IX und X vorgetragen. 

Aus der vergleichenden Prüfung der oben genannten Tabellen 
ergibt sich: 

I. Dafs sich it den Tieren, die mit Alkohol erst nach der 
Einführung ; des B. prodigiosus in. die Lungen behandelt 
wurden, eine beachtenswerte Zunahme des gegen die 
Mikroorganismen gerichteten VemichtungsvermOgens von 
Seiten der Lungen ergab, da 24 Stunden nach dem 
Innest dieselben Keime fast alle aus den Lungen ver- 
schwunden sind; während sich eine solche Zahl nach 



160 







490 

31 







712 

45 







386 Über das Verhalten des bakteriiiden YerinOgens der Lungen etc. 



Tabelle X. 



Kontrolltiere. 



Versachstiere 



Zwischen der 

Elnatmimg des 

B. prodigiosus 

und der Suche 

nach demselben 

verstrichene 

Zelt 



In Prüfung genommene Langenteile 



Apix rechter 
Lunge 



'■ o 

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An der Hallte des i Basis der 

recht, unt. Lappens' ... _ 

Im. grofser Bronchie "nken Lunge 



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3 — 






Meerschw. Nr. 219 

> > 220 

> > 221 



Meerschw. Nr. 226 
» 227 
> 228 



Stunden 12 

24 

> 48 



Stunden 12 

> 24 

48 



II. Gruppe. 
Serie L 9. Juni 1906. 



0,2 

0,1 
0,2 



120 
6 




600 

60 





0,25 2t6 


864 


0,25 


0,4 


43 


107 


0,25 


0,6 8 


16 0,3 


— . 


— 




— 



Serie n. 15. Juni 1906. 



160 


640 


701 


49 


196 


121 








5 



0,1 


70 


700 1 


0.6 


460 


920 


0,2 


128 


0.2 


22 


110 1 


0,4 


36 


90 . 


0,25 52 


J 0,15, 


' 


0,3 








0,3 


Ol 







1 





— 




— 


— 



640 


753 


208 


136 









in. Gruppe. 
Serie L 9. Juni 1906. 



Meerschw. Nr. 219 

> > 220 

> > 221'i 



Stunden 12 


0,2 


120 


600 ' 


0,25 


216 


864 


24 


0,1 


6 


60 


0.4 


43 107 1 


> 48 


0,2 








0,6 


8 


16 


1 





1 




1 

! 


— 


t 



Meerschw. Nr. 226 il Stunden 12 
> 227, > 24 



228 



48 



Serie IL 15. Juni 1906. 

0,1 
0,2 
0,15 



70 


700 


22 


110 









0,25 160 640 701 
0,251 49 j 196 121 
0,3 j 5 



0,5 


460 


920 , 


0,2 


128 


0,4 


36 


90 


0,25 


52 


0,3 








0,8 







— 


— 




— 



640 753 

208 136 








solcher Zeitperiode in den Kontrolltieren noch wesentlich 
höher erweist. 
IL Dals in den Tieren, welche geraumere Zeit hindurch vor 
dem Experimental-Innest der Bazillen Gebrauch von 



Von Dr. Enrico Ranzoni. 



387 



Wirkung des Alkoholfl. 

Tiere, welche täglichen Einimpf ungen von 2ccm alkoholischer 

Lösung von 45% unterzogen wurden. 



In Prüfung genommene Lungenteile 



Versuchstiere 



Zwischen der 

Einatmung des 

B. prodigiosus 

und der Suche 

nach demselben 

verstrichene 

Zeit 



Apix rechter 
Lunge 




An der HAKte des 
recht, nnt. Lappens 
m grofserBronchie 



Basis der 
linken Lunge 



o 

23 



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I M O o 

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'S fl s 






II. G r u p p e. Die Alkoholeinimpfungen wurden auch nach dem Innest des 



Meerschw. Nr. 222 

> 223 

> > 224 

> > 225 

Meerschw. Nr. 229 

> > 230 

> > 231 

> 232 

m. Gruppe. 



Meerscew. Nr. 233 

> > 234 

> 235 

> 236 

Meerschw. Nr. 237 

> > 238 

> 239 

> > 280 



Stunden 12 
24 
48 
72 



Stunden 12 

> 24 

> 48 
72 



B. prodigiosus ausgeführt. 

Serie Ic. B.Juni 1906. 

180 720 

167 417 



I 

15. Juni 1906. 

510 0,5 1 395 790 

260 0,25 32 128 

0,3 9 30 

i 0,4 ! 



0,1 


75 


750 


0,25 


0,2 


10 


50 


0,4 


0,15 








0,3 


0,2 








0,3 



i0,2 


165 


825 


0,3 


86 


286 


0,3 








0,4 





o; 



Serie II. 



0.2 

0,1 
0,1 

0,2 



102 

26 







0,25 
0,4 
0,25 
0,3 



96 

40 

1 





384 

100 

4 





675 

251 







561 

162 

11 





Folgenden Tierserien wurden nach dem Innest des B. prodigiosus 
die Alkoholeinimpfungen eingestellt. 

Serie L 9. Juni 1906. 



Stunden 12 
24 
48 
72 



Standen 12 

24 

> 48 

» 72 



0,2 210 


1500 1 


0,5 1 


0,15 40 ; 264 


0,3 


0,1 5 50 


0,5 


0,1 





0,4 



468 

165 

7 

4 



936 

550 

14 

10 



0,25 
0.2 
0,2 
0,3 



Serie n. 15. Juni 1906. 



0,2 


146 


730 


0,15 


210 1 840 

, 1 


0,2 


190 


0,15 


20 


132 


0,5 


320 


640 


0,25: 61 


0,1 3 I 


30 


0.4 


48 


120 


0,2 


12 


0,1, 


^1 





0,3 


9 


30 


0,3 


3 



365 1 1460 1 1298 

42 ; 210 ! 341 

4 20 28 

20 10 



950 840 

204 I' 325 

60 70 

10 13 



Alkohol machten und letzteren auch danach noch fort- 
setzten, die Zahl von B. prodigiosus, die in ihren Lungen 
gefunden ward, im Vergleich zu den Kontrolltieren nahezu 
gleich oder um wenig höher war. 



388 tJber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc. 

III. Dafs in den Tieren, welche wie ihre Vorgänger und in 
gleichem Zeitraum mit Alkohol behandelt wurden, bei 
denen aber nach dem Innest des B. prodigiosus die Ver- 
abfolgung des Alkohols eingestellt wurde, eine gröfsere 
Anzahl des B. prodigiosus in den Lungen als bei den 
Kontrolltieren aufzufinden war, und ferner eine Zunahme 
in der für die völlige Zerstörung aufgewendeten Zeit. 

Deshalb darf man schlief sen, dafs die Verabreichung 
von Alkohol bei Tieren, die nicht daran gewöhnt 
sind oder, besser gesagt, die vom Alkohol keinerlei 
Schaden erfuhren, eine Zunahme der Verteidigungs- 
kraft der Lungen gegen die eingedrungenen Mikro- 
organismen zur Folge hat. In den Tieren hin- 
gegeU; welche den fortgesetzten Injektionen von 
Alkohol unterzogen wurden, erscheint dies Vermögen 
wenig abgeändert, bei denjenigen, welche den Alkohol- 
gebrauch auch nach dem Eindringen derKeime fort- 
setzten, während es bemerkenswert abnimmt in denen, 
welchen der Alkohol plötzlich entzogen wurde. 

Eine vernünftige Auslegung der oben vorgeführten Tatsachen 
läfst sich nach meiner Meinung finden, indem man dem Alkohol 
mit den früher erwähnten Autoren eine anreizende Aktion auf 
das Verteidigungsvermögen der Lungen zugesteht, wie auch in 
Anerkennung des Faktums, dafs der Alkohol auch ein mikro- 
bizides Vermögen besitzt, so dafs es bei seiner teilweisen Elimi- 
nation durch die Lungen nicht unmöglich ist, dafs er in diesem 
Organe auch eine direkte schädigende Aktion auf die darin be- 
findlichen Mikroorganismen auszuüben vermöge. 

Und wenn er auch bei der Dosis, mit welcher der aufge- 
nommene Alkohol durch die Lungen eliminiert wiifd, keine 
eigentliche desinfizierende Aktion zu entfalten vermag, ist doch 
seine antiseptische Aktion bereits genügend, um die Mikro- 
organismen in Konditionen gröfserer Inferiorität gegenüber dem 
natürlichen bakteriziden Vermögen des Lungenbereiches zu setzen. 
Dies für den ersteren Fall. 



Von Dr. Enrico Ronzani. 389 

Für die anderen beiden hingegen ergibt sich, dafs aas dem 
übermälsigen und lange dauernden Gebrauch des Alkohols eine 
Verminderung des mikrobiziden Vermögens der Lungen abzu- 
leiten ist, die um so deutlicher wird, wenn mit der Entziehung 
des Alkohols u. a. auch jene antiseptische Aktion fehlt, die wir 
jener Dosis von Alkohol, welche durch die Lungen zur Aus- 
scheidung gelangt, zugestanden. 

Dergestalt ans Ende meiner Untersuchungen gelangt, fasse 
ich knapp die Hauptergebnisse zusammen : 

L Die gesunden Lungen der Versuchstiere und in nor- 
malen Verhältnissen gehaltenen Tiere besitzen ein ener- 
gisches Zerstörungsvermögen gegenüber den in die 
Lungen gedrungenen Mikroorganismen. 

II. Eine lange Exponierung der Tiere gegenüber der Kälte, 
die schnellen Temperaturübergänge (0 ^ bis + 30 ® C), 
das Bad, auch bei verhältnismäTsig hoher Temperatur 
(+ 30® C), die Muskelermüdung, die Traumen, die Staub- 
inhalationen , zumal wenn es sich um harten Staub 
handelt, bedingen Modifikationen solcher Art, dafs sie 
jenes natürliche Verteidigungsvermögen herabsetzen, mit 
welchem die Langen in normalem Zustande ausgerüstet 
sind. 

HL Längere Einwirkung der Wärme (+ 30<> — 35® C) modi- 
fiziert solche Lungenfunktion nicht. 

1 V. Der in nicht giftig wirkender Dosis und an vorher nicht 
alkoholisierte Tiere verabreichte Alkohol bringt die Schutz- 
kraft der Lungen gegen die Mikroorganismen zum An- 
steigen , während er dieselbe nahezu normal erhält in 
den seit längerem alkoholisierten Subjekten, bei denen 
die mäfsige Alkoholverabreichung während und nach 
dem Eindringen der Keime fortgesetzt wird, und er 
schwächt diese Schutzkraft hingegen in beträchtlicher 
Weise ab, wenn er schnell solchen Individuen entzogen 
wird, die an seine Aufnahme gewöhnt waren. 



390 I^as Verhalten d. bakt. Vermögens d. Lungen etc. Von Dr. £. Ronsani. 

Damit will ich nicht direkt auf den Menschen die Ergebnisse 
meiner an Tieren vorgenommenen Versuche zur Anwendung 
bringen, was vorschnell und unberechtigt wäre, denn sehr ver- 
schieden sind die Vorbedingungen, unter denen sich das Experi- 
ment vollzieht, von denjenigen der menschlichen Klinik. Jedoch 
kann man nicht umhin, den Versuchen auch in dieser Hinsicht 
einen gewissen Wert beizumessen, wenn man in Betracht zieht, 
dafs einige der oben hervorgehobenen Resultate bereits mit 
klinischen Beobachtungen zusammengehen, die aus solchem An- 
lals angestellt wurden, und dafs sie eine plausible Erklärung 
für eine hübsche Anzahl von Tatsachen geben, welche die alte 
medizinische Praxis immer beobachtete. 



Experimentelle Staubinlialatioiiserkraiikungeii der 

Lnngen. 

Von 

Dr. O. Lubenau, 

AaiiBtent am Sanatoxiom. 

(Aus dem Laboratorium des Sanatoriums Beelitz der Landesversicherungs- 
anstalt Berlin. Chefant: Dr. Pielicke.) 

Über die Gefährlichkeit der verschiedenen, bei der Industrie 
sich entwickelnden Staubsorten hat man sich ein Urteil bisher in 
der Weise verschafft, dafs die Ausdehnung der Lungentuber- 
kulose unter den Arbeitern, die den einzelnen Staubarten bei 
ihrer Beschäftigung ausgesetzt sind in erster Linie als Mafsstab 
genommen wurde. 

Dafs ein inniger ursächlicher Zusammenhang, zwischen dieser 
und der Staubeinatmung besteht, ist schon längst durch die 
zahlreichen statistischen Beobachtungen, die in den einschlägigen 
Handbüchern oft zitiert werden, wohl aufser Frage gestellt. 

Diese Statistiken haben ohne Zweifel auf dem Gebiet« der 
Gewerbehygiene den grölsten praktischen Wert, indem sie gerade 
auf die Bekämpfung der Lungentuberkulose, um die sich die 
Frage des Arbeiterschutzes vornehmlich dreht, hinzielen. 

Dabei wird nicht unbeachtet gelassen, dafs keineswegs alle 
Staubsorten nur dadurch, dafs sie die Entstehung spezifisch 
tuberkulöser Prozesse fördern, gefährlich werden können. Be- 
kannt sind ja schon längst die häufigen Lungenentzündungen, 



392 Experimentelle StaabinhalationBerkranknng^n der Longeii. 

die durch Thomasschlackenstaub hervorgerufen werden, und die 
durch ihren schweren, oft rapiden Verlauf berüchtigt sind; be- 
kannt sind auch die schweren, chronischen Entzündungen der 
Bronchien und das Lungenemphysem, die den Staubarbeiter nur 
zu oft erwerbsunfähig machen. 

Indes variieren die Anschauungen der Autoren über den 
Grad der Gefährhchkeit der verschiedenen Staubsorten ganz 
erheblich; so ist man sich über die Gefährlichkeit des Holz- 
staubes noch nicht klar (Roth S. 171); desgleichen wechseln 
die Anschauungen über den Sandstein, der in der Industrie sehr 
verbreitet ist und dessen Bestandteile sich im Chausseestaub und 
Strafsenstaub finden. Während Wegmann meint, dals dieser 
Staub, dessen Hauptbestandteil ein rundes Korn darstellt, eigent- 
lich nur durch seine Menge gefährlich werden kann, an und für 
sich aber zu den mehr reizlosen Arten gerechnet werden mufs, 
betont Sommerfeld schlechthin nach Tabellen, die er über 
die Lungentuberkulose solcher Arbeiter verfertigte, die Gefährlich- 
keit desselben ; letztere wird indes mit der jeweiligen Zusammen- 
setzung des Sandsteins schwanken. Die harten Sorten desselben 
entwickeln nach Roth (S. 118) einen Staub, der zahllose Spitzen 
und scharfkantige Trümmer aufweist und daher zu den gefähr- 
lichsten Sorten rechnet; mit einem derartigen Staub experimen- 
tierte augenscheinlich auch Arnold (S. 60). 

Wegmann will überhaupt die Wirkung des Staubes nur 
auf seine mechanische Reizung zurückführen und klassifiziert 
nach derselben die verschiedenen Staubarten; indes bestehen 
manche Ausnahmen von dieser Regel (Rubner S. 711); so be- 
sitzt ja auch der Kohlenstaub viele scharfkantige, spitze Trümmer, 
ist aber entschieden weniger gefährlich (Roth S. 141). 

Zur Klärung dieser Verschiedenheiten in der Anschauung 
über die spezielle Gefährlichkeit jeder Materie sind nun gerade 
die Statistiken über die Lungentuberkulose der Staubarbeiter nur 
mit gewisser Vorsicht zu gebrauchen. Dieselben repräsentieren 
nicht nur die Schädigungen, die durch die Einwirkung des 
Staubes erzeugt werden, sondern spiegeln auch alle anderen un- 
gesunden Einflüsse wieder, die den verschiedenen Berufszweigeu 



Von Dr. C. Inbenaü. ä9d 

eigen sind. Auch die erbliche Veranlagung zur Lungentuber- 
kulose ist hierbei nicht zu vergessen, und wo diese Disposition 
fehlt, machen sich oft genug andere schädliche Lebensgewohn- 
heiten im speziellen, wie der Alkoholismus, geltend. 

Durch die eben erwähnten Statistiken ist man z. B. auch zu 
einer irrigen Anschauung über die Schädlichkeit des Staubes in 
Wollwebereien gelangt; es hat sich nämlich gezeigt, dafs für die 
so aufserordentlich verbreitete Lungentuberkulose unter dieser 
Arbeiterklasse weniger der Staub dieses Lidustriezweiges ver- 
antwortlich zu machen ist, sondern die unzureichenden Existenz- 
bedingungen der Arbeiter ; und es ist in der Tat auch gelungen, 
durch Aufbesserung der Ernährungs- und Wohnungsverhältnisse 
der Bevölkerung den berüchtigten WoUweberstaub zum gröfsten 
Teil seiner Gefährlichkeit zu entkleiden (Albrecht S. 67). 

Einen klareren Einblick in diese Verhältnisse erlangt man 
erst durch vergleichende Experimente mit den verschiedenen 
Staubarten. 

Derartige Versuche liegen eigentlich noch nicht in gröfserer 
Zahl vor; so erstrecken sich z. B. die klassischen Experimente 
von Arnold nur auf den Vergleich von Rufs, Schmirgel, Sand- 
stein und Ultramarin. Diese enge Umgrenzung der Versuche 
hat auch zu Irrtümern geführt; so ist Arnold zu der Anschau- 
ung gekommen, dafs die meisten Staubarten erst nach längerer 
(monatelanger) Einwirkung tiefer greifende Veränderungen 
(worunter nach seinen Ausführungen die chronischen peri- und 
interalveolären, die perivaskulären und peribronchalen Infiltrations* 
herde zu verstehen sind) hervorrufen, während vorübergehende 
Einatmungen entweder ohne Störungen bleiben oder diese bald 
wieder ausgeglichen werden. 

Dieser Anschauung tritt unter anderen auch Albrecht bei; 
nach Exposition von einer Woche habe ich dagegen durch 
Schamotte , Thomasschlacke und Kalkspat die schwersten 
chronischen Lungenveränderungen , die allerdings sich erst 
innerhalb von einigen Wochen nach dem Aussetzen der In- 
halation entwickeln, entstehen sehen, während andere Staubarten 
sich viel weniger oder nahezu als ungefährlich (Rufs) erwiesen. 



394 Experimentelle Staabinhalationserkrankangen der Langeii. 

Auch dafs Arnold die akuten Prozesse schlechtweg zu den 
akzessorischen Veränderungen in den Lungen rechnet^ worunter 
zu verstehen ist, dafs dieselben nicht direkt durch den Reiz des 
Staubes herbeigeführt werden, ist eine zu vage Auffassung, die 
schon längst durch die anerkannte Tatsache überholt ist, dafs 
es einzelne Staubarten gibt, ganz besonders die Thomasschlacke, 
die die Erzeugung von schweren, akuten Lungenentzündungen 
zum Charakteristikum haben. 

Bei Versuchen mit organischen Staubarten wäre Arnold 
auch nicht entgangen, dafs dieselben gerade durch Erzeugung 
akuter, heftiger, eitriger Bronchialkatarrhe gefährlich werden 
können; in erster Linie sind hier die harten Holzarten zu 
nennen. 

Im folgenden sind vergleichende Versuche mit 28 ver- 
schiedenen Staubarten ausgeführt, die der mineralischen, metal- 
hschen und organischen Ordnung angehören. 

Mineralische Staubarten: Schamotte, Thomasschlacke, Zement, 
Granit, Sandstein, Glas, Porzellan, Gips, Ziegelstein, Chaussee- 
staub (in sterilisiertem und nicht sterilisiertem Zustande; wegen 
seines Gehaltes an tierischen und Pflanzen- Beimengungen bildet 
er ein Gemisch von mineralischem und organischem Staub). 

Durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Professor Sommer- 
feld, dem ich an dieser Stelle noch meinen ergebensten Dank 
ausspreche, erhielt ich aufserdem Bohrmehle von sechs ver- 
schiedenen Gesteinsarten, wie sie beim Bergbau und bei der 
Gewinnung der Erze als Staub der Luft sich mitteilen: Blende 
(besteht aus Schwefelmetallen, wenig spröde, weicher als Kalk- 
spat); Kalkspat (Härte 3; kohlensaurer Kalk, enthält auch Quarz- 
sand); Galmei (kieselsaures Zinkoxyd, Härte 5); Tonschiefer und 
Grauwacke gemischt (Grauwacke rechnet zum Sandstein); Erz- 
gestein (bei dem der Gehalt an Erzen überwiegt); Dolomit und 
Bleiglanz. (Dolomit = Kalzium — Magnesium-Karbonat; Härte 3,5 
bis 4,5; Bleiglanz = Schwefelblei, enthält auch Silber, Eisen etc.; 
Härte 2,5; wird auf Silber verhüttet.) 

Metallische Staubarten: Eisen, Bronze. 



Von br. 6. LnUnAd. Sdo 

Organische Staubarten: Tabak, Staub aus einer Getreide- 
mühle (enthalt auch viel mineralische Bestandteile), Hanf, Leder, 
Holz (von Piment); Hom, Elfenbein, Filz von amerikanischem 
KAlberhaar, Papier, Kohlenrufs. 

Ehe die mit diesen Staubarten gewonnenen Resultate be- 
sprochen werden, mufs auf den Apparat eingegangen werden, 
der zu den Versuchen diente. 

Die Tiere atmen den Staub unter einer geräumigen Glas- 
glocke ein, wie sie zu diesem Zwecke schon von anderen Autoren 
benutzt wurde. Die Glocke wird an eine Wasserstrahlluftpumpe 
angeschlossen und vermittelst dieser die Luft, der der Staub bei- 
gemischt wird, in die Glocke gesogen. 

Um den Staub, damit er sich der Luft beimischt, aufzu- 
wirbeln, dient folgende einfache Vorrichtung: ein Erlenmeyer- 
Kolben (hohe Form) von ca. 750 ccm Inhalt wird mit einem 
Kautschukpfropfen verschlossen ; letzterer hat zwei Durch- 
bohrungen. Durch das eine Loch geht ein kurzes U-förmiges 
Rohr, dessen einer in dem Pfropfen steckender Schenkel mit 
dem Niveau desselben etwa abschliefst, während der andere 
Schenkel des Rohres frei in der Luft endigt; durch das zweite 
Loch des Pfropfens geht ein langes, rechtwinkelig gebogenes 
Glasrohr, dessen innerer langer Schenkel bis nahe an den Boden 
des Kolbens führt, während der äufsere Schenkel zur Verbindung 
mit der Glocke dient. In diesen Kolben kommt eine bestimmte, 
genau abgemessene Raummenge Staub, bei meinen Versuchen 
löOccm; sodann wird derselbe mit der durch den Kautschuk- 
pfropfen verschlossenen Öffnung nach unten an ein Stativ be- 
festigt; auf diese Weise schliefst der über dem Kautschuk- 
pfropfen lagernde Staub das kurze Glasrohr ab, und indem 
durch letzteres beim Gange der Luftpumpe Luft eingesogen 
wird, wird der Staub aufgewirbelt; es bildet sich dadurch im 
obersten Teil des Erlenmeyer-Kolbens eine Staubatmosphäre, in 
welche das lange Glasrohr (das übrigens oben abgeschlossen ist, 
dagegen eine seitliehe Öffnung am oberen Ende erhält) ragt und 
die mit Staub gemischte Luft in die Glasglocke führt; letztere 
wird auf ihrer Unterlage mit Paraffin luftdicht abgeschlossen. 

Archiv für Hygiene, Bd. LXm. 27 



396 äxperimenteiie iStaubinhaiatioDBerkrankangen der liungdtl. 

Es ist notwendig, zwischen 'Glasglocke und Luftpumpe noch 
zwei grofse Flaschen anzubringen. Die eine, der Luftpumpe zu- 
nächst angebrachte Flasche wird halb mit Wasser gefüllt und 
dient dazu, den aus der Glocke abgesogenen Staub abzufangen, 
indem letzterer vermittelst eines langen Zuführungsrohres .durch 
das Wasser geleitet wird; das abführende Rohr ist kurz. 

Die zweite leere Flasche, der Glocke zunächst angebiracht, 
dient einfach als Rückschlagventil, um das Eindringen von 
Wasser in die Glasglocke zu verhindern, hat also ein kurzesf 
zuführendes und ein langes abführendes Rohr. 

Um Druckschwankungen infolge von Verstopfung der ver- 
bindenden Gummischläuche leicht zu erkennen, bringt man noch 
einen Atmosphärenmesser zwischen den beiden zuletzt genannten 
Flaschen an. 

Es ist keineswegs leicht, die verschiedenen Staubsorten 
gleichmäfsig aufzuwirbeln, wie es bei vergleichenden Escperi- 
menten als Vorbedingung verlangt werden muTs. Je nach der 
Schwere des Staubes mufs der Gang der Luftpumpe eingerichtet 
werden ; besonders für die schweren Staubsorten ist es notwendig, 
dem Rohre, das den Staub in die Glasglocke einführt, im Inneren 
derselben eine Biegung nach dem Dache zu geben, so dafs der 
Staub zuerst gegen die Decke der Glocke geschleudert wird und 
sich somit in der Luft gleichmälsiger verteilt, als wenn er aus 
dem zuführenden Rohre ohne weiteres in die Glocke schüttet. 
Die Absaugung der Luft aus der Glocke geschieht durch ein 
langes Glasrohr, das bis auf den Boden der Glocke reicht. 

Für einige Staubsorten organischen Ursprunges, die leicht 
zusammenbacken, besonders das Mehl, bedurfte es noch eines 
Schüttelapparates; derselbe bestand, mutatis mutandis, wie bei 
Arnold, darin, dafs ein an der Achse einer Wasserturbine 
exzentrisch angebrachter Gri£E gegen einen Holzstab schlug, der 
an dem Erlenmeyer-Kolben (dem Staubentwickler) befestigt war. 
Dieser Schüttelapparat hatte nur den Zweck, den Mehlstaub 
wieder zusammenfallen zu lassen, wenn sich in demselben ein 
Luftkanal gebildet hatte, durch den die Luft, ohne den Staub 
aufzuwirbeln, strömte. 



Von Dr. C. tabenaü. §9^ 

Die verschiedenen Staubsorten müssen in möglichst gleich- 
mälsiger und feinster Beschaffenheit vorliegen ; zu diesem Zwecke 
werden die groben Körnchen mit einem sehr feinen Haarsieb 
abgesiebt. Von jeder Art sind 2 — 4 Liter feinsten Staubes nötig, 
den zu beschaffen bisweilen mit erheblichen Schwierigkeiten ver- 
bunden war; eventuell kann man sich mit dem Zerkleinern 
gröberer Körner im Mörser, bei Filz etc. in einer Schneide- 
maschine, soweit es angeht, helfen. 

Die Dichte der Staubatmospbäre in dem Staubentwickler 
kann nur mittels des Augenmafses bestimmt werden; im ganzen 
kann man sich bei gleichmäfsiger Einstellung der Vi^asserluft- 
pumpe, indem die Öffnung des Hahnes markiert wird, auch auf 
einen annähernd gleichmäfsigen Gang des Apparates verlassen; 
immerhin ist ein gewisses Sicheinarbeiten notwendig. 

Die Gleichmäfsigkeit der Versuchsbedingungen wird indes 
vornehmlich durch die MaTsregel gewahrt, dals in den Staub- 
entwickler eine genau abgemessene Raummenge des Staubes 
(150 ccm) gefüllt wird, die an jedem Tage zu verbrauchen ist. 

Die Expositionszeit betrug bei meinen Versuchen ausschliers- 
lich eine Woche, und zwar atmeten die Tiere nur während des 
Tages 12 Stunden den Staub ein, zur Nacht kamen sie in den 
Käfig. 

Bei 28 Staubsorten zogen sich die Versuche demnach etwa 
10 Monate hin. 

Jedesmal wurden 3—4 Tiere zugleich exponiert, und daher 
hauptsächlich Meerschweinchen, vereinzelt auch kleine Kaninchen, 
zu den Experimenten gewählt, um die Tiere bequem unt^r der 
Glocke unterbringen zu können. 

Die in 5proz. Formalinlösung fixierten Lungen wurden 
derart verarbeitet , dafs von jedem einzelnen Lungenlappen 
Schnitte angefertigt wurden, und zwar gingen dieselben durch 
die ganze Fläche der Lappen, indem der Hauptbronchus mit 
den grofsen Gefäfsstämmen in der Längsrichtung getroffen wurde. 
Auf diese Weise ist man am ehesten in der Lage, sich ein ver- 
gleichendes Bild von den Gewebeveränderungen einerseits und 

der Staubablagerung anderseits zu machen. 

27» 



«-^98 Experimentelle ätauDinhälatiofiserkrankungen der LungeÜ. 

Die Schnitte wurden mit Hämatoxylin gefärbt, zum Teil 
ungefärbt eingebettet; von jeder Lunge wurden aufserdem Prä- 
parate mit der Elastinfärbung Weigerts hergestellt. • 

Das sicherste Urteil (über die Intensität des Reizes eines 
Staubes erhält man, wenn die Ausdehnung der Gewebe Verände- 
rungen jedesmal mit dem Staubreichtum der Lunge in Vergleich 
gezogen wird; je geringer die ersteren sind, je gröfser aber der 
letztere, als desto inoffeusiver mtifs der Staub gelten ; an Hand 
dieser Richtschnur ist man imstande, auch noch Fehler, die 
durch den Inhalationsapparat nicht ganz umgangen werden 
konnten, zu korrigieren. 

Allerdings mufs man dabei der Staubreinigung der Lungen 
in gemessener Weise Rechnung tragen. Es ist Arnolds Ver- 
dienst, auf die Bedeutung derselben als erster hingewiesen zu 
haben. 

Der grölste Teil des eingeatmeten Staubes wird bekanntlich 
durch den Flimmerstrom der Bronchialschleimhäut aus den 
Lungen wieder entfernt; es handelt sich dabei im wesentlichen 
um den Staub, der in die Luftwege bis in die Alveolen aber 
noch nicht in das interstitielle Gewebe gedrungen ist; ob letzterer 
•wieder in die Bronchien abgeschieden und auf dem eben er- 
wähnten Wege auch entfernt werden kann, ist nach Arnolds 
Untersuchungen noch zweifelhaft. Diese Elimination des Staubes 
tritt alsbald nach der Inhalation ein, im allgemeinen um so 
schneller, je intensiver der Staub reizt ;. zugleich findet ein Trans- 
port des im interstitiellen Gewebe abgelagerten Staubes in die 
Lymphdrüsen am Hilus der Lunge statt; auf diese Weise wird 
hauptsächlich der interstitiell abgelagerte Staub eliminiert; schon 
nach einigen Stunden kann man denselben in den Bronchial- 
drüsen nachweisen; dieser Transport hält auch nach dem Aus* 
setzen der Inhalation an, so dafs die Lunge nahezu völlig wieder 
gereinigt werden kann. 

Für die Versuche ergibt sich daraus die Lehre, falls man 
nicht Täuschungen über den Staubgehalt im Vergleich mit den 
Krankheitsprozessen anheimfallen will, eines der Versuchstiere 
unmittelbar nach dem Aussetzen der Inhalation zu töten, falla. 



Von Dr. C. Lubenan. 399 

nicht ein Tier während der Exposition zugrunde gegangen ist. 
Die übrigen beiden Tiere werden erst nach Ablauf eines halben 
Jahres etwa getötet und dienen dem Studium der durch den 
Staub hervorgerufenen chronischen Lungenveränderungen. 

Es würde zu weit führen, die Befunde bei den ca. 100 Ver- 
suchstieren protokollarisch wiederzugeben, vielmehr sollen nur 
die bei den einzelnen Staubarten gefundenen wesentUchen Ver- 
änderungen summarisch beschrieben werden. 

Der Beurteilung der Gefährlichkeit der verschiedenen Sub- 
stanzen sind vornehmlich die chronischen Lungenveränderungen 
zugrunde gelegt, die in ihrer Entstehung eine grölsere Konstanz 
zeigen als die akuten Pneumonien, deren Bedeutung deswegen 
aber nicht verkannt werden soll. 

Mineralischer Staub. 

Unter den mineralischen Staubarten haben sich sowohl was 
die Entstehung akuter Lungenentzündungen anbetrifft, als auch 
in bezug auf chronische Veränderungen bei weitem am gefähr- 
lichsten erwiesen, Schamotte, Thomasschlacke, Kalkspat, Erz- 
gestein, Dolomit und Bleiglanz. 

Besonders die beiden ersteren Staubarten führten wiederholt 
zu Bronchopneumonien, u. zwar starben infolge von Schamotte^ 
Einatmung von 5 Versuchstieren 3 derselben am 3. oder 4. Tage. 
Entweder waren neben bronchopneumonischen Herden ganze 
Lappen grau infiltriert (Meerschweinchen 22 rechter Unterlappen ; 
Meerschweinchen 91 rechter Unterlappen und Mittellappen), oder 
es überwogen überhaupt die Bronchopneumonien; letzteres war 
auch der Fall bei der Einatmung von Thomasschlacke, wobei 
upter 4 Versuchstieren 2 derselben an multipler Bronchopneu- 
monie starben, welche die Oberlappen bevorzugte. Erzgestein 
führte nur einmal ziun Tode an multipler Bronchopneumonie. 

Chronische Veränderungen: Die ausgedehntesten 
Infiltrationen wurden auch hier wieder mit Schamotte erzielt 
und zwar zeigten bei einem Meerschweinchen 90 (Exposition 
1 Woche, Tod nach 10 Wochen spontan) alle Lungenlappen 
eine derbe voluminöse Beschaffenheit und ausgesprochen graue 



400 Experimentelle StaubinbalaüonserkrankaDgen der Langen. 

Farbe; Hilusdrüsen enorm geschwollen und verbacken; difihise, 
starke, eitrige Bronchitis. An den mikroskopischen Schnitten 
erkennt man schon mit blolsem Auge deutlich, dafs die Hälfte 
bis Dreiviertel der Lungenlappen ziemlich gleichmälsig und zu- 
sammenhängend verödet ist; im Zentrum der Herde besteht 
das Gewebe aus zellarmem Bindegewebe, wodurch es ein gewisses 
Alter gegen die am Rande befindlichen Infiltrationsbezirke auf- 
weist, die sehr zellreich sind und starke Wucherung und Desquam- 
mation der Alveolarepithelien zeigen neben gleichzeitiger Ver- 
dickung des interstitiellen Gewebes, in dem stellenweise grölsere 
Rundzellenherde lagern; kleine nekrotische Inseln sind häufig 
sichtbar, von der Umgebung gar nicht abgesetzt, sondern sich 
nur durch den Mangel der Kernfärbung verratend und durch 
Kerntrümmer, die vielfach zu grofsen Kernklumpeu verschmolzen 
sind. Die Bronchialwand ist stark infiltriert, so dafs ihre Struktur 
oft ganz verwischt ist. Im rechten Unterlappen befinden sich zwei 
linsengrofse Kawernen, die gegen die Umgebung sich nur durch 
einen breiten Ring nekrotischen Gewebes absetzen; letzterer ist 
seinerseits mit Leukozyten durchsetzt. Der Staubgehalt der 
Lungen ist ein geringer (Staubreinigung). Die Hilusdrüsen sind 
in ausgedehntem Mafse fibrös umgewandelt und enthalten be- 
sonders in den Drüsenkapseln reichlich Staubzellen und freien 
Staub. 

Geringer sind die Veränderungen bei einem Kaninchen 10 
(Exposition 1 Woche, Tod nach 16 Wochen spontan) und kommen 
etwa denen bei der Thomasschlacke gleich. 

Thomasschlacke: (M. 85, K. 7 ^), Exposition 1 Woche, getötet nach 
Vs Jahr). In fast jedem Lnngenlappen sind ansgedehnte Flächen verödet, 
jedoch überwiegen über diese noch immer die lufthaltigen Partien, deren 
interstitielles Gewebe allerdings auch durch Rundzellen oder Staubzellen 
infiltriert ist; auch in den Indurationsherden sind noch unregelmftfsig er* 
weiterte Alveolen sichtbar. Auffallend ist die starke Hyperämie sämtlicher 
Lappen; kapillare und kleine Gefäfse sind strotzend gefüllt. Die Bronchien 
enthalten ein sehr zellreiches Exsudat und weisen vielfach Blutungen auf. 
Die elastischen Fasern sind in den infiltrierten Bezirken im Schwunde be- 
griffen ; der Staub ist vielfach herdförmig abgelagert, so dafs unter der Pleura 
und auf der Schnittfläche überall stecknadelkopfgrofse , braune Flecke 

1) M =: Meerschwein, K = Kaninchen, 



Von Dr. C. Labenaa. 401 

sichtbar Bind. Die Staubzellen stopfen oft ganze Alveolengruppen prall aus 
(StaubpfrOpfe.) Da die Thomasscblacke viel Eisen enthält, kann man sich 
durch die Reaktion mit Berliner Blau die Staubverteilung noch deutlicher 
machen. 

Kalkspat: M. 62 (Exposition 1 Woche, sofort getötet). Reichliche 
Staubablagerung (feinkörniger Staub) im interstitiellen Gewebe ; eitrige Bron- 
chitis, sonst alveoläres Parenchym sehr gut erhalten. 

M. 14 u. 61 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs J&hr.) Sämtliche 
Lungenlappen sind von Infiltrationsherden durchsetzt, die oft die Hälfte der 
Lappen okkupieren und sich hauptsächlich um die Bronchien gruppieren; 
neben Rundzelleninfiltration fällt die sehr starke Wucherung der Alveolar- 
epithelien, die stellenweise ganz überwiegt, besonders auf; vielfach enthalten 
die Alveolen Kalkkonkremente, die, wie zahlreiche Übergangsformen beweisen, 
durch Haufen von verkalkten Epithelien zustandegekommen sind. Die 
Bronchien enthalten ein wenig zellreiches Exsudat und einzelne Kalk- 
konkremente. Der Zylinderzellensaum ist überall sehr gut erhalten. Die 
Hilusdrüsen sind aufs dichteste mit epithelialen Staubzellen, die jedoch nur 
noch zum Teil feinkörnigen Staub führen, vollgepfropft, so dafs das 
lymphoide Gewebe auf einzelne Inseln beschränkt bleibt. 

Erzgestein: M. 15 u. 71 (Exposition 1 Woche, getötet nach ^I^J&hr). 
Staubzellen finden sich reichlich im Interstitium ; gröfisere, verödete Bezirke 
nur in einzelnen Lappen, hier die Hälfte bis Dreiviertel derselben okku- 
pierend mit stellenweise starker Hyperämie, starker Bronchitis und Ablagerung 
von Staubzellen auch in den Alveolen ; im übrigen erstreckt sich die Infil- 
tration auf kleinere Inseln, die sich um Bronchien gruppieren. Dagegen ist 
bei M. 15 der rechte Mittellappen in einen derben Knoten verwandelt, 
der aus faserigem Bindegewebe besteht, mit Rundzellenherden durchsetzt, 
nirgends mehr alveolare Struktur aufweist, aber von zahlreichen, dicht 
stehenden Bronchialästen durchzogen wird; dieselben sind gebuchtet, ausge- 
zogen, gelappt, vielfach verzweigt und erwecken den Eindruck adenomatöser 
Wucherungen (vielleicht analog der vikariierenden Wucherung der Gallen- 
gänge bei Leberzirrhose). Sämtliche Bronchiallumina sind mit desquammierten 
Zylinderepithelien oder mit Rundzellen vollgepfropft. Eine alveoläre Struktur 
erkennt man nur noch hier und da im Bilde der elastischen Faserfärbung. 

Dolomit und Bleiglanz: M. 75 (Exposition 1 Woche, sofort ge- 
tötet); reichliche interstitielle Staubablagemng ; mäfsige Bronchitis. 

M. 76 u. 77 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahr). Sehr starke 
peribronchiale und perivaskuläre Rundzelleninfiltration in allen Lappen. Der 
rechte Oberlappen des M. 76 ist durch interstitielle Wucherung bis zu Drei- 
viertel induriert Der rechte Mittellappen des M. 77 ist wieder in einen 
derben Knoten umgewandelt (s. Erzgestein); besteht nur aus Bindegewebe, 
das von zahlreichen Bronchialästen durchzogen ist; nirgends mehr eine 
alveoläre Struktur sichtbar. Um die Bronchiallumina hat sich eine besonders 
starke Rundzellenin&ltration entwickelt. 



402 Experimentelle StaabinhalfttionBerkrmnkimgen der Langen. 

Sonst finden sich nur kleine Infiltrationeinseln in mft&iger Zahl und 
eine mäfsige interstitielle Randzelleninfiltnition. Staubzellen lagern reichlich 
in allen Lungenlappen, desgleichen enthalten die Hilusdrüeen viel Staub. 

Geringfügiger sind schon die Veränderungen, die durch 
eine zweite Gruppe der untersuchten mineralischen Staubarten 
herbeigeführt wurde; hierzu gehört der Sandstein, Porzellan, 
Zement, Chausseestaub, Glas, Galmei, sowie Tonschiefer und 
Grauwacke. 

Akute Pneumonien wurden am häufigsten nach Chaussee- 
staub beobachtet und zwar ebenso häufig wie nach Thomas- 
schlacke. Sowohl nachdem der Chausseestaub sterilisiert war als 
in unsterilisiertem Zustande starben von je 3 Versuchstieren 2 an 
multiplen Bronchopneumonien am 4. bis 6. Tage der Exposition. 
Im übrigen wurde nur noch einmal nach Tonschiefer und 
Grauwacke bei K. 5 komplette lobäre Pneumonie im linken 
Oberlappen neben mehreren bronchopneumonischen Herden in 
beiden Unterlappen festgestellt. 

Chronische Veränderungen: Dieselben erreichen lange 
nicht die Ausdehnung und Intensität wie bei der erstgenannten 
Gruppe. Die interstitielle Infiltration ist eine mehr gleichmäfsige 
oder mehr herdförmige; zugleich wuchern etwas die Alveolar- 
epithelien ; aber nur in sehr kleinem Umfange erfolgt der völlige 
Verschlufs der Luftbläschen entweder durch Kompression oder 
durch Wucherung der Alveolarepithelien oder durch Ausstopfung 
mit Staubzellen. Die Bronchien weisen meistens nur einen 
mittleren Grad der Reizung auf, vielfach enthalten sie nur ein 
amorphes Exsudat. Allerdings ist manchmal eine erhebliche 
interstitielle Hyperämie anzutreffen. 

Sandfltein: M. 45 (Exposition 1 Woche, sofort getötet). Starke inter- 
stitieUe Hyperämie, stärkere Blutungen am Lungenhilas ; peribronchiale Rand- 
zelleninfiltration ; reichlicher Staub im Interatitium, vereinzelte Alveolargrappen 
werden von Stanbzellen verschlossen. 

M. 46 u. 47 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jähre); gleichmälsige 
interstitielle Infiltration; schleimige Bronchitis; Staubgehalt der Lungen 
sehr spärlich, reichlich in den Hilusdrüsen, hier gröfstenteils freiliegend. 
(Staubreinigung.) 

Porzellan: M. 86 (Exposition 1 Woche, sofort getötet); starke 
Hyperämie, Blutungen in die Alveolen; reichlicher Staub im inteistitiellei) 



Von Dr. C. Looenau. 403 

Gewebe; peribronchiale und perivaskuläre Infiltration; achleimigeitrige 
Bronchitis mit reichlichen Staubzellen, oder grofse, kantige, scharfe Staub- 
splitter, doch nur vereinzelt in den Bronchien. 

M. 36 und 37 (Exposition 1 Woche, getötet nach V, Jahr). Stärkere 
interstitielle Infiltration in dem Hauptbronchialstamm und stellenweise unter 
der Pleura; die peribronchialen Lymphknoten in der Lunge sind beträchtlich 
geschwollen und enthalten Staubzellen; schleimige Bronchitis, in manchen 
Lappen sehr viele Kundzellenknötchen. Staubzellen liegen überall im 
Interstitium und sind am reichlichsten in den infiltrierten Bezirken. 

Zement: M. 33 (Exposition 1 Woche, getötet sofort); starke eitrige 
Bronchitis ; reichliche Staubzellen und gröfsere kantige Staubtrflmmer in den 
Bronchien; auch im interstitiellen Gewebe reichlich Staubzellen. 

M. 34 u. 93. (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahre). Schleimig 
eitrige Bronchitis, Blutungen in die Bronchien; interstitielle, peribronchiale 
und perivaskuläre Infiltration mäÜBig ; fleckenweise starke Hyperämie ; Staub- 
zellen im Farenchym spärlich, reichlicher in den peribronchialen Lymph- 
drüsen innerhalb der Lunge und in den Hilusdrüsen. 

Chausseestaub: M. 2 (Exposition 1 Woche, getötet nach V« Jahr), 
mehr gleichmälsige, interstitielle Infiltration ; in der Umgebung der Bronchien 
enthalten die Alveolen oft reichlich Staubzellen, hier auch die Rundzellen- 
infiltration am dichtesten^ so dafs das alveoläre Parenchym in kleinem Um- 
fange ganz veröden kann; schleimigeitrige Bronchitis. 

Glas: M. 12 (Exposition 1 Woche, sofort getötet); interstitielle Hyper- 
ämie, Blutungen in den Bronchien; schleimigeitrige Bronchitis; Staubzellen 
im interstitiellen Gewebe zahlreich, 

M. 13 u. 78. (Exposition 1 Woche, getötet nach Va Ja^r); unter der 
Pleura ausgedehnte Infiltrationsherde; wenig Staubzellen sichtbar. 

Tonschiefer und Grauwacke: M. 16 u. 65 (Exposition 1 Woche, 
getötet nach 7s Jabr); gleich mäfsige, interstitielle Infiltration mäfsigen 
Grades. 

Galmei: M. 22 (Exposition 1 Woche, sofort getötet). Starke inter- 
stitielle Hyperämiet stellenweise Blutungen; Staubzellen reichlich im 
Interstitium. 

M. 21 u. 69 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jabr). Hyperämie 
der Unterlappen; interstitielle Infiltration am dichtesten in der Umgebung 
der Bronchien; hier auch die Staubs^ellen am reiphlichsteii ; peribronchiale 
Lymphdrüsen in der Lunge sind stark geschwollen und enthalten reichlich 
Staubzellen. Schleimige Bronchitis. 

Die dritte folgende Gruppe des mineralischen Staubes rief 
die geringsten Veränderungen in den Lungen hervor; oft ist 
das alveoläre Parenchym bis auf eine mehr oder minder reich- 
liche Ablagerung von Staubzellen ganz intakt, oder es bestehen 
knötchenförmige, umschriebene Infiltrationsherde, die gegen die 
Umgebung mehr pder minder abgeschlossen sind. Gerade die 



404 Experimentelle StaubinhalationBerkrankangen der Langen. 

sehr reichliche Ablagerung des Staubes, die sich jedesmal un- 
mittelbar nach der Exposition nachweisen liefs, im Vergleich 
mit den geringfügigen Veränderungen charakterisieren diese Staub- 
sorten als weniger gefährlich; hierzu gehören: Granit, Marmor, 
Gips, Ziegel, Blende. 

Granit*. M. 48. (Exposition 1 Woche, sofort getötet); reichliche 8taub- 
zellen im interstitiellen Gewebe and in den Alveolen. 

M. 49 a. 50 (Exposition 1 Woche, getötet nach 7s Jahr); geringe peri- 
bronchiale und perivaskuläre Infiltration, Parenchym sonst gat erhalten; 
schleimige Bronchitis, stellenweise in den Alveolen Stanbpfröpfe, sonst 
Staubzellen im interstitiellen Gewebe spärlich. 

Marmor: M. 11 (Exposition 1 Woche, sofort getötet) ^= Granit. 

M. 78 u. 79 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vi Jabr); zahlreiche 
Knötchen in sämtlichen Joppen, die aus Alveolengruppen bestehen, mit 
Staubzellen vollgepfropft sind, und deren Umgebung mit Rundzellen infil- 
triert ist. - 

Gips: M. 10 (Exposition 1 Woche, sofort getötet) = Granit. 

M. 80 u. 84 (Exposition 1 Woche, getötet nach Va Jahr). Interstitielle 
Infiltration in den Hauptbronchien ; schleimige Bronchitis; Staubzellen im 
interstitiellen Gewebe spärlich. 

Ziegel: M. 9 (Exposition 1 Woche, sofort getötet) und M. 86 und 87 
(Exposition 1 Woche, getötet nach Vi Jahr); reichliche Staubnester um die 
Bronchien und GefäTse, schleimige Bronchitis. 

Blende: M. 20 (Exposition 1 Woche, sofort getötet) s= Granit 

M. 94 u. 95 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahr); keine Staub- 
zellen in der Lunge ; unbedeutende interstitielle Infiltration (Staubreinigang.) 

Organische Staubarten. 

Von den untersuchten organischen Staubarten sind bei 
weitem die gefährlichsten Holz, Elfenbein, Hanf, Tabak, Horu. 

Holzstaub (von Piment, also einer harten Holzsorte) zeichnet sich 
dadurch aus, dafs er sehr heftige, eitrige Bronchitiden erzeugt; in dem 
eitrigen Exsudat sind Holzfaserfragmente sehr reichlich eingelagert, kleine 
Bronchien werden durch dieselben sogar ganz verstopft. Mikroskopisch er- 
kennt man, dafs die Staub fragmente in die Mucosa, diese zerstörend, sich 
einspiefsen, infolgedessen einen sehr festen Halt bekommen, was die Tat- 
sache erklart, dafs die Arbeiter sich über schweres Abhusten solchen Staubes 
beklagen ; Verhältnisse, wie sie auch bei dem Jutestaub zutreffen (Rot h). 
Die Bronchitis erstreckte sich bei allen den Versuchstieren gleichmäfsig ober 
sämtliche Lappen. In der Umgebung grofser Bronchien findet man starke 
Hyperämie. Bronchopneumonien wurden bei zwei Versuchstieren besonders 
im rechten Unterlappen beobachtet; Blutungen sind unter der Pleura häufig 



Von Dr. G. Lnbenaa. 405 

anxatreffen. Das alveolAre Parencbym war gut erhalten ; Staub in demselben 
nirgends sichtbar. Alle drei Tiere starben yrährend der Exposition am 5. 
resp. 6 Tage. 

Elfenbein: führte bei 2 Tieren durch akute Pneumonien zum Tode. 
(M. 80 t am 4. Tage ; M. 68, Exposition 1 Woche, f am 14. Tage.) Die 
Pneumonien waren ausgedehnt, betrafen am häufigsten die Oberlappen, ferner 
die Hiluszipfel der Ünterlappen, daneben starke eitrige Bronchitis ; reichlich 
Staubzellen im interstitiellen Gewebe und innerhalb der pneumonischen 
Partien. 

M. 31 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jfthr) wies starke Ver- 
ödung aller Lappen durch interstitielle Infiltration und Wucherung auf; da- 
neben beträchtliche Hyperämie und starke eitrige Bronchitis; Staubgehalt 
der Lunge gering, reichlicher in den Uilusdrüsen (Staubreinigung.) 

Hanf: M. 7. (Exposition 1 Woche, sofort getötet), reichlich Staubzellen 
im interstitiellen Gewebe ; mälsige Bronchitis und interalveoläre Infiltration. 

M. 66 u. 69. (Exposition 1 Woche, getötet nach Vi Jahr), gleichmäfsige 
interstitielle Verdichtung des Gewebes mit stärker hervortretender peri- 
bronchialer und perivaskulärer Rundzelleninfiltration; schleimigeitrige Bron- 
chitis, geringer Gehalt an Staubzellen im interstitiellen Gewebe; die Staub- 
zellen Bchliefsen feine Fäserchen und Splitterchen ein Bei M. 66 ist ein 
linksseitiger Nebenlappen analog wie ' bei Erzgestein oder wie bei Dolomit 
und Bleiglanz in ein derbes, fibröses Gewebe umgewandelt, das nirgends 
mehr Alveolarstruktur erkennen läfst, das aber von weiten, buchtigen, viel- 
fach verzweigten Bronchialgängen durchzogen wird; herdförmige Rundzellen- 
anhäufnngen enthalten besonders in der Umgebung der Bronchien vielfach 
Staubzellen; sonst sind letztere nur spärlich anzutreffen. 

Tabak: M. 4. (Exposition 1 Woche, sofort getötet); reichlich Staub- 
zellen; schleimigeitrige Bronchitis; interstitielle Bundzelleninfiltration. 

M. 23 u. K. 11 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahr); herdförmige 
Verödungen des alveolaren Parenchyms durch interstitielle Wucherung unter 
starker Hyperämie ; dieselben nehmen ca. ein Dritteil der Lappen ein und 
ftLhren bei M. 23 zur völligen Verdichtung des rechten Ünterlappens ; hier 
Blutungen in den noch restierenden Alveolen; schleimigeitrige Bronchitis, 
Staubgehalt spärlich. 

Hörn: M. 65 (Exposition 1 Woche) starb nach 14 Tagen an Broncho- 
pneumonie der beiden Oberlappen; feinkörniger Staub in Zellen um die 
Bronchien gelagert. 

M. 56 u. 57 (Exposition 1 Woche, getötet nach Va Jahr). Die inter- 
stitielle Wucherung beschränkt sich hauptsächlich auf die Umgebung der 
Bronchien, führte nur in einem Falle zur kompletten Verdichtung des rechten 
Unterlappens bei M. 56. Sonst fallen die zahlreichen und grofsen Band- 
zellenknoten in der Umgebung der Bronchen und Gefäfse überall auf; im 
Zentrum Staubzellen führend. Schleimige Bronchitis; Staubgehalt gering, 
hauptsächlich um die Brpnchien abgelagert, im Xnterstitium sehr spärlich, 



406 Experimentene Staubinhalationserkrankungen der Langen. 

Die Veränderungen, die durch den Staub aus einer Ge- 
treidemühle hervorgerufen wurden, sind zu denen mittleren 
Grades zu rechnen. M. 39 starb nach Stägiger Exposition an 
Bronchopneumonie ; besonders in den Hiluszipfeln der einzelnen 
Lungenlappen waren gröfsere Infiltrate nachweisbar, ftn inter- 
stitiellen Gewebe lagerten reichlich Staubzellen, die einen fein- 
körnigen, augenscheinlich mineralischen Staub führten , daneben 
bestand schleimig eitrige Bronchitis mit feinen Härchen und 
Splitterchen (Pflanzenfaserreste) im Exsudat. 

M. 38 und 65 (Expos. 1 Woche, getötet nach 1/2 Jahr). Die 
chronischen, interstitiellen Verdichtungen beschränken sich aus- 
schlielshch auf die Umgebung der Bindegewebssepten, so dafs 
diese vom Hilus aus als breite Streifen das sonst gut erhaltene 
alveolare Parenchym durchziehen; schleimig eitrige Bronchitis, 
peribronchiale Rundzellenherde; Staubzellen spärlich, hauptsäch- 
lich in den infiltrierten Partien. 

Am wenigsten gesundheitsschädlich erwies sich der Staub 
von Leder, Papier und Filz; alle drei Sorten riefen eine 
schleimig - eitrige Bronchitis hervor, in deren Exsudat Staub- 
trümer eingebettet lagen, während im interstitiellen Gewebe 
keinerlei Staub sich befand; am häufigsten waren die spitzigen 
Zellrudimente des Lederstaubes anzutreffen; Filzhärchen waren 
nur nach längerem Suchen zu finden ; infolge von Filzstaub ent- 
wickelten sich bei M. 40 Bronchopneumonien, die im Hilus des 
rechten Unterlappens einen grofsen Herd bildeten, aber nicht 
zum Tode führten, sondern bei der Untersuchung der Lungen 
am Schlufs der Expositionszeit entdeckt wurden. 

Bei den nach Ablauf eines halben Jahres getöteten Versuchs- 
tieren aller drei genannten Staubarten trug die Bronchitis einen 
fast ausschliefslich schleimigen Charakter; interstitielle Wuche- 
rungen waren nur in der Umgebung gröfserer Bronchien ver- 
einzelt sichtbar, am häufigsten nach Inhalation von Filzstaub. 

Schliefslich ist zu erwähnen, dafs die Inhalation von Kohlen- 
rufs, obwohl derselbe reichlich in den Bronchien, den Alveolen 
und dem interstitiellen Gewebe sich ablagerte, keinerlei nennens- 
werte Veränderungen der Lungen zur Folge hatte. 



Von th-. Ö, Lnbenäil. 407 

Unter den metallischen Staubarten Bronze und Eisen 
erwies sich am schädlichsten erstere. 

Bronze: M. 51 (Exposition 1 Woche, sofort getötet), gleichmäfsige, 
interstitielle Infiltration, peribronchiale und perivaskuläre Randsellen* 
Infiltration; schleimigeitrige Bronchitis. Stanbzellen m&IlBig reichlich. 

M. 52 u. 53 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahr), Verdichtungen 
durch interstitielle Wucherung hauptsächlich um die Bronchien; schleimig- 
eitrige Bronchitis ; bei M. 52 ist der rechte Oberlappen, bei M. 53 der linke 
Oberlappen nahezu völlig verödet; starke Hyperämie um die Bronchien; 
Staubzellen nirgends sichtbar. 

Eisen: M. 32 starb am 7. Tage an kompletter Pneumonie des rechten 
Oberlappens, sowie Bronchopneumonie im linken Oberlappen; starke 
Hyperämie; sehr reichlicher Staubgehalt hauptsächlich in Zellen abgelagert 
im pneumonischen Exsudat und dem interstitiellen Gewebe, sowie in den 
Bronchien, die schleimigeitrigen Katarrh aufweisen. 

M. 28 u. 29 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vi Jftl^r)> fleckförmige 
Hyperämie, geringe Infiltration, wenig Staub (Staubreinigung). 

Zusammenfassend läfst sich folgendes sagen: 

1. Je feinkörniger eine Staubart ist, desto leichter wird sie 
nicht nur eingeatmet, desto leichter gelangt sie vielmehr auch 
in das interstitielle Lungengewebe; hier ist sie stets reichlich 
abgelagert anzutreffen und nach dem Grade ihrer Schädlichkeit 
ruft sie pathologische Veränderungen verschiedener Ausdehnung 
hervor. Diese stellen sich entweder als akute, katarrhalische 
Lungenentzündungen dar oder bestehen in chronischen inter- 
stitiellen Wucherungen von flächenhafter Ausdehnung, so dafs 
ganze Lappen veröden können. Die Alveolarepithelien beteiligen 
sich mehr oder minder stark an dem Wucherungsprozefs ; ge- 
gebenenfalls so beim Kalkspat können dieselben ganz über- 
wiegen. 

In erster Linie tragen die mineralischen und metallischen 
Staubarten den feinkörnigen Charakter, den man jedoch auch- 
bei den organischen Stoffen, so dem Tabak, Hanf, Elfenbein und 
besonders Kohle antrifft; dieselben gleichen also in ihrer Wir- 
kungsweise den Mineralien und Metallen. 

2. Viele andere organische Substanzen dagegen, wie Holz, 
Leder, Filz, Papier geben einen mehr gröberen, faserigen Staub, 
dessen oft spitze und scharfe Fragmente nicht in das interstitielle 



408 fixperimenteile ätaabinhalationBerkrankangen der Lun^tt. 

Lungengewebe eindringen, sondern sich in den Bronchien fest- 
setzendy hier vornehmlich ihre Wirkung entfalten, indem sie 
mehr oder minder starke eitrige oder schleimigeitrige Katarrhe 
erzeugen ; von letzteren aus entwickeln sich Bronchopneumonien 
oder chronische, interstitielle Wucherungen, die sich vornehmlich 
um die Bronchien gruppieren. In das interstitielle Gewebe ge- 
langen nur gelegentlich feine Teilchen der gröberen Fragmente. 

3. Im Widerspruch mit den Beobachtungen Arnolds, der 
erst nach monatelanger Einwirkung gröbere Lungen Veränderungen 
nachweisen konnte, lehren diese Versuche, dafs schon nach einer 
relativ kurzen Inhalationsdauer (1 Woche) sich im Laufe der 
Zeit (^2 Jahr), währenddessen eine Staubeinatmung ausgeschlossen 
war, sich die schwersten Limgen Veränderungen entwickeln können, 
falls eine genügende Menge gesundheitsschädlichen Staubes in 
die Lungen dringt, da die Staubreinigung sich sehr allmäh- 
lich vollzieht. 

4. Die Staubreinigung kann auch recht verschieden ablaufen, 
so war sie z. B. beim Sandstein, Elfenbein, besonders auch bei 
Blende und auch Schamotte nach Ablauf eines halben Jahres fast 
komplett, während zu dieser Zeit Reste, z. B. von Dolomit und 
Bleiglanz, Kalkspat, Erzgestein, Marmor, Granit, Ziegel, Thomas- 
schlacke sogar noch in den Alveolen deutlich nachweisbar waren. 

6. jBs können indes auch Staubarten, bei denen sich die 
Reinigung der Lungen relativ leicht vollzieht, wie z. B. Scha- 
motte, nichtsdestoweniger sehr erhebliche Veränderungen zurück- 
lassen. 

6. Einen Überblick über die Gefährlichkeit der verschie- 
denen Substanzen, mit denen experimentiert wurde, gibt folgende 
Zusammenstellung: 

Am schädlichsten waren : Schamotte, Thomasschlacke, Kalk- 
spat, Erzgestein, Dolomit und Bleiglanz, Bronze, Holz, Elfen- 
bein, Hanf, Tabak, Hörn. 

Weniger gefährlich waren: Sandstein, Porzellan, Zement, 
Glas, Chausseestaub, Tonschiefer und Grauwacke, Galmei, Staub 
aus einer Getreidemühle. 



Von t)r. C. Lubenaü. 409 

Relativ ungefährlich waren: Granit, Marmor, Gips, Ziegel, 
Blende, Leder, Papier, Filz und besonders Kohlenrufs. 

7. Aus den erheblichen Unterschieden, die die oben be- 
schriebenen Lungenprozesse an Ausdehnung und Intensität auf- 
weisen, als auch aus der speziellen Wirkungsweise mancher 
Staubarten (z. B. Holz) ergibt sich, dafs die verallgemeinernde 
Anwendung der Beobachtungen (Arnold S. 142), die Arnold 
mit Sandstein, Smirgel, Rufs und Ultramarin gewann, auf an- 
dere Staubarten nicht ohne weiteres zulässig ist; es scheint viel- 
mehr notwendig, sich über den einzelnen Fall vermittelst des 
Experimentes zu orientieren, indem zum Vergleich eine in ihrer 
Wirkung bekannte Staubart, z. B. der unschädliche Kohlenrufs, 
genommen wird. 

Unter Umständen erscheint eine solche Untersuchung auch 
insofern von grofsem praktischen Wert, als nach tödlichen Lun- 
genentzündungen , die infolge von. Staubein atmung sich ent- 
wickelten, mit Erfolg Schadenersatzansprüche auf Grund der 

Unfallgesetzgebung schon erhoben sind, so in einem mir be- 
kannten Falle, wo beim Abladen von Thomasschlackenmehl ein 
Sack im Schuppen platzte, so dafs sich plötzlich eine enorme 
Staubwolke entwickelte, die der Arbeiter einzuatmen gezwungen 
war ; die Staubsplitter waren vermittelst der Berliner Blaureaktion 
in dem pneumonischen Exsudat leicht nachweisbar; auf Grund 
letzterer Tatsache Anerkennung der Ansprüche. 



Herrn Dr. Pielicke bin ich für "die Anregung zur Arbeit 
und Unterstützung bei derselben zu ergebenem Danke verpflichtet. 



410 ^xp- Staubinhalfttionserkrankungen d. Lungen. Von t)r. C. Lubenaü. 



Literatur. 



Arnold: Unters, flb. Stanbinhalation und Staubmatastaae. Leipzig 1885. 
Roth: Kompend. d. Gewerbekrankheiten. Berlin 1904. 
R u b n e r : Lehrbach d. Hygiene. Leipsig 1903. 
Albrecht; Handbuch d. prakt Gewerbe-Hygiene. Berlin. 
Wegmann: Archiv f. Hygiene. Bd. XXL 

Sommerfeld: Die Berufskrankheiten der Steinmetse und Steinbildhauer. 
BerUn 1892. 



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