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ARCHIV FÜR HYGIENE
(BEGRÜNDET VON MAX t. PETTENKOFEB.)
UNTER MITWIRKUNG
VON
Prof. Dr. O. BOLLINGBR, München ; Prof. Dr. BON HOFF, Marburg a. L. ; Prof. Dr. R. EMMERICH,
München; Prof. Dr. F. ERI8MANN, Zürich; Prof. Dr. HEIM. Erlangen; Prof. Dr. F. HUEPPE,
Prag; Prof. Dr. KABRHEL, Prag; Prof. Dr. F. KRAT8CHMER, Wien; Prof. Dr.K. LEHMANN,
WfiRboig; Prof. Dr. A. LODB, Innsbruck; Prof. Dr. L. PFEIFFER, Rostock; Prof. Dr.
W. PRAUSNITZ, Graz; Prof. Dr. F. RENK, Dresden; Prof. Dr. SCHOTTELIUS, Freiburg i. B.;
Qeneraloberarxt Dr. A. SCHUSTER, München ; Prof. Dr. M. SILBERSCHMIDT, Zürich ; Prof.
Dr. WERNICKE, Posen.
HERAUSGEGEBEN
VON
J. FOBSTEB, M.OBÜBEB, FB. HOFMANN, H. BUBNEB,
O. ö. PROrBSMBIH DIR BTOIBVB UND DIEBKTOUN DBB HTGIBKUOHBN IITSTITUTB AN OBN UNITBRSITÄTBN lU
8TBASSBUBO HÜNGHBN LEIPZIG BERLIN.
Mit 6 Abbildungen.
MONOHBN und BERLIN.
DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG.
1907.
CATALOGUEO
FEB15 1907
E. H. B.
<\^
ii
Inhalt.
8«1U
Über Bleivergiftungen nnd ihre Erkennung. Von Dr. P. Schmidt,
L Assistenten am Hygienischen Institut su Leipzig. (Aus dem
Hygienischen Institut der üniversit&t Leipzig) 1
Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe? Von Dr. Anton Wafs-
m u t h , Assistent der medizinischen Klinik. (Aus dem Hygienischen
Institute der k. k. Universität Innsbruck. Vorstand : Prof. Dr. A . L o d e) 23
Die relative Photometrie. Methode zur Charakterisierung und Messung
der Tageslichtbeleuchtung in Arbeits- und Wohnräumen. Von
Dr. Stanislav Rftiicka. (Aus dem k. k. Hygienischen Institut
des Prof. Dr. QusUv Kabrhel in Prag) 37
Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen durch
Säuren und verschiedene Konserven. Nach zum Teil in Gemein-
schaft mit den Herren P. A. Walt her aus Würzburg, Paul Dercken
aus Westfalen, Dr. Ferd. Müller aus Wittlich, Dr. L. Seh ü 11 er aus
Trier, Dr. W. Glaser aus Niederramstadt und Dr. Isidor Lilien-
stein aus Grävenwiesbach angestellten Versuchen von Prof. Dr.
K.B.Lehmann. (Aus dem Hygienischen Institut in Würzburg) 67
Bemerkungen zu dem Artikel von cand. med. Schuppius »Die Milch-
leukozytenprobe nach Trommsdorff«. Von Privatdozent Dr. R.
Trommsdorff- München, I. Assistent des Instituts. ( A us dem
Hygienischen Institut der Universität München. Vorstand: Prof.
Dr. Max Gruber) 122a
Über das Wachstum der Bakterien in und auf Nährböden höherer Kon-
zentration. Von Dr. August Jörns, vorm. Assistenten am Hygie-
nischen Institut (Aus dem Hygienischen Institut der Universität
Würzburg. Direktor: Prof. Dr. K. B. Lehmann) 123
Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen. Von
Prof. Dr. K. B. Lehm an n. Unter Mitwirkung der Herren : Dr. Fritz
Schindler aus Kascher i. Schi., Dr. Paul Gunkel aus Kassel,
Dr. Joseph Till mann aus Menden (Westf.), Dr. Joseph Wilms aus
Mausbach b. Aachen, Dr, David Rothschild aus Frankfurt a. M.,
Dr. Max Selo aus Prechlau (W.-Pr.), Dr. Adolf Schauwienold,
H. Jaeth, Dr. Leo Isaak aus Pfungstadt und Dr. Ludwig Rumpf
aus Eichstätt. (Aus dem Hygienischen Institut in Würzburg) . . 134
IV Inhalt.
Seite
Die Festigkeit (Zähigkeit) vegetabilischer Nahrungsmittel and ihre Ver-
änderung durch das Kochen. Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
Nach Versuchen der Herren Dr. P. Gunkel aus Kassel und Dr. ^
J. Wilms aus Mausbach. (Aus dem Hygienischen Institut der u • .
üniversiUt Wünburg) l^f f
Experimentelle Untersuchungen über die Empfänglichkeit und Immuni- '
sierung der Kaltblüter gegen Pest Von Prof. Y. Fukuhara, Ab-
teilungsvorsteher im Pathologischen Institut der medisinischen Aka-
demie zu Osaka. (Aus dem amtlichen Bakteriologischen Institut in
Osaka. Direktor: Prof. A. Sata) 188
Über die Bedeutung des Bacillus coli communis als Indikator für Ver-
unreinigung von Wasser mit Fäkalien. Von Kenji Saito. (Aus
dem Hygienischen Institut der Universität Kyoto. Direktor: Prof.
Dr. T. Matsushita) 216
Untersuchungen über die Hämagglutination und ihre physikalischen
Grundlagen. Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. aus Warschau.
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor:
Geh. Medizinalrat Prof. Dr. M. Rubner) 237
Die Wärmeabgabe des Menschen in ungleichmäfsig temperierten
Räumen. Von Dr. Karl Kifskalt^ Privatdozenten und Ober-
assistenten am Institute. (Aus dem Kgl. Hygienischen Institut der
Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner) 287
Zentrosomen oder Kernreste in den Erythrozyten des normalen strömen-
den Blutes? Von Prof. Dr. Franz Weidenreich in Strafsburg . 312
Die Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf das Wutvirus.
Von Prof. Claudio Fermi. (Hygienisches Institut der Kgl. Uni-
versität Sassari. Prof. Claudio Fermi) 315
Untersuchungen über die hämolytischen Eigenschaften des Blutserums
abgekühlter und erwärmter Tiere. Von Dr. Max Li s sau er,
I. Assistent des Instituts. (Aus dem patholog. Institut des Rudolf
Virchow-Krankenhauses in Berlin. Prosektor: Prof. v. Hanse-
mann. Vorsteher der bakteriologischen Abteilung: Dr. Töpfer) 331
Über das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Lungen gegenüber
einigen Ursachen, die dasselbe zu modifizieren vermögen. Experi-
mental- Untersuchungen von Dr. Enrico Ronzani, Assistent. (Aus
dem hygienischen Institut der Universität Padua) 339
Experimentelle Staubinhalation serkrankungen der Lungen. Von Dr.
C. Lubenau, Assistent am Sanatorium. (Aus dem Laboratorium
des Sanatoriums Beelitz der Landes Versicherungsanstalt Berlin.
Chefarzt: Dr. Pielicke) 391
über Bleivergiftungeii und ihre Erkennung.
Von
Dr. P. Schmidt,
L Asslatenten am hygienischen Institut zu Leipzig.
(AuB dem hygienischen Institut der Universität Leipzig.)
Es ist als eine Tatsache anzusehen, dafs die Zahl der Blei-
vergiftungen in den gewerblichen Betrieben im Rückgang begriffen
ist, dank der unablässigen Fürsorge unserer Regierungen für die
dort beschäftigten Arbeiter. Diese Abnahme der Bleierkrankungen
seit Inkrafttreten des Bleigesetzes ist in allen Statistiken so un-
zweideutig übereinstimmend, dafs man sie nicht gut als eine rein
zufällige Schwankung auffassen kann. — Gleichwohl ist die Zahl
der Bleikranken, die ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt und das
Unglück, das über manche Arbeiterfamilien durch länger dauernde
Erwerbsunfähigkeit ihrer Ernährer infolge Bleivergiftung herein-
bricht, leider noch immer viel zu grofs.
Es ist deshalb erfreulich zu sehen, wie das Interesse nicht
allein unserer Regierungen, sondern auch der Arbeiter selbst für
die Bekämpfung der Bleigefahr im Wachsen begriffen ist.
Da es nicht möglich sein wird, das Blei gänzlich aus den
Gewerben zu verdrängen, und da sich die zweifellos vorhandene
grofse Empfindlichkeit einzelner Individuen gegenüber dem Gift
nicht beseitigen läfst, wird die Hauptaufgabe der die Bleiarbeiter
überwachenden Arzte nunmehr die bleiben, die Krankheit in
einem so frühen Stadium zu erkennen, dafs schwerere Formen
womöglich ganz verhütet werden. Und gerade in der Früh-
ArchlT für Hygiene. Bd.LXm. 1
2 Über Bleivergiftungen und ihre Erkennung.
diagnose der Bleivergiftung lag bisher die grofse Schwierigkeit
bei der Verhütung der schweren Fälle.
Es ist überflüssig, hier diese Schwierigkeiten bei der Dia-
gnostik, besonders der rheumatischen und nervösen Formen,
näher zu erörtern. Selbst der für die Vergiftung charakteristische
Bleisaum lälst oft genug im Stich, da er bei guter Zahnpflege
fehlen kann. Inwieweit er für eine Frühdiagnose in Betracht
kommt, wäre erst noch durch ein grofses Krankenmaterial fest-
zustellen.
Um so bedeutungsvoller erscheint eine Beobachtung, auf die
besonders E. Grawitz^) und seine Mitarbeiter aufmerksam
gemacht haben. Sie fanden nämlich in allen Fällen klinisch
sicherer Bleiintoxikation regelmäßig in den mit Methylenblau
gefärbten Blutaiisstrichen eine Veränderung der roten Blutkörper-
chen, welche sonst nur noch bei einigen besonders genannten
Krankheiten (Malaria, perniziöse Anämie, Darmfäulnis, Sepsis,
Krebs- Kachexie) in grölserer Zahl vorkommen sollen: die Ein-
lagerung verschieden zahlreicher gröfserer oder kleinerer Kömer,
welche sich mit den basischen Farbstoffen besonders leicht dar-
stellen lassen (Ehrlichs basophile Kömelung).
Die Grawitzschen Befunde sind bereits von mehreren Seiten
bestätigt worden.^)
Sabrazös und Grawitz haben diese basophil gekörnten
roten Blutkörperchen auch experimentell an Tieren durch Ver-
fütterung oder Einspritzung von Bleisalzen erzeugen können.
1) £. Grawitz, Über körn. Degeneration der roten Blatkörperchen.
Deatsche med. Wochenschrift, 1899, Nr. 44.
Derselbe, Die klin. Bedeutung u. experim. Erzeugung körn. Degene-
ration in den roten Blutkörperchen. Berlin, klin. Wochenschr., 1900, Nr. 9.
Hamel, Über die Beziehungen der körn. Degeneration der roten Blut-
körperchen zu den sonstigen morph. Veränderungen des Blutes mit beson-
derer Berücksichtigung der Bleiintoxikation. Deutsches Arch. f. klin. Med.,
Bd. 67, 1900.
2) O.Moritz, Ergebnisse von Blei Untersuchungen. St Petersburger
med. Wochenschr., 1903, Nr. 50.
Büsing, Blutuntersuchungen bei Bleiarbeitem. Diss. Rostock, 1904.
Frey, Beitrag zur Frühdiagnose von chron. Bleivergiftung. Deutsche
med. Wochenschr., 1907, Nr. 6.
Von Dr. P. Schmidt 3
Es wurden jedoch bei allen bisherigen Versuchen nur grolse
Dosen verwendet, um das Auftreten der gekörnten Elemente über-
haupt zu erweisen. Mir kam es darauf an, einmal Tierversuche
mi^ Dosen auszuführen, wie sie etwa in den Bleigewerben für
die Arbeiter in Frage kommen dürften.
Zu dem Zwecke wurde eine Reihe von Tierversuchen mit
Verfütterung und Einspritzung abgestufter Mengen Bleis vor-
genommen, einmal um festzustellen, ob basophil gekörnte rote
Blutkörperchen nach Verabreichung von Blei wirklich erzeugt
werden, sodann, um womöglich einen Anhaltspunkt dafür zu
erlangen, von welcher Menge an das Blei die ersten Verände-
rungen im Körper hervorruft 1 Diese scheinen nach den bisherigen
Beobachtungen immer am Blute ihren Anfang zu nehmen.
Schlief slich wurden nebenher einige quantitative Bleibestim-
mungen im Waschwasser, Mundspülwasser und Urin von Blei-
arbeitern, und femer Studien über die Genese der basophilen
Körner vorgenommen.
Untersuchungsmethode.
Zur Herstellung der Präparate wurde teils Azurblau (Qiemsas
Azur II), teils verdünnte Manson-Lösung verwendet. Es ist nach
unseren Erfahrungen unbedingt nötig, dünne im Reagensglase
soeben noch durchscheinende Farblösuug zu verwenden : die baso-
philen Körner färben sich mit solcher ^Ibst bei kurzer Dauer
(8 — 10 Sekunden) schon ganz intensiv blau und heben sich auf
den blafsgrün bleibenden roten Blutscheiben weit besser ab, als
wenn ihr Untergrund selbst dunkelblau tingiert ist. Es hat sich
bei unseren Untersuchungen die haltbare neutrale Lösung von
Azur II Giemsa (Grübler, Leipzig) 50 mg auf 100 Wasser ganz
vorzüglich bewährt. Die Färbung der Körner ist dabei eine
äufserst intensive.
Um einen ungefähren Mafsstab über die im Blute vorhan-
denen basophil gekörnten roten Elemente zu gewinnen, habe ich
in jedem Falle eine gröfere Anzahl Gesichtsfelder (mindestens 200)
eines gut gelungenen Ausstrichs mit durchschnittlich etwa 200
4 Über Bleivergiftungen und ihre Erkennung.
roten Blutkörperchen im Gesichtsfeld (Leitz ^/i2 OUmmmersion,
Okular 1) auf die vorhandenen basophil gekörnten roten Blut-
scheiben abgesucht und das Resultat der Zählung auf eine Million
berechnet. Gleichzeitig fanden auch die metachromatischen rot^n
Blutkörperchen Berücksichtigung. — Diese ungefähre Bestimmung
ihrer Menge erwies sich in der Folge als aufserordenüich wichtig,
da sich herausstellte, dafs die basophil gekörnten roten Blut-
körperchen selbst im Blute anscheinend gesunder Menschen vor-
kommen und erst recht bei anämischen Zuständen irgendwelchen
Ursprungs, so dafs ihr Vorkommen erst von einer bestimmten
Menge an diagnostischen Wert bekommt.
Beim Absuchen der Präparate leistete der Leitz sehe beweg-
liche Objekttisch grofse Dienste. Doppeltzählung wurde so mit
Sicherheit vermieden.
Bemerken möchte ich, dafs ich bei Kontrollzählungen, falls
mindestens 200 Gesichtsfelder ausgezählt wurden, immer gut über-
einstimmende Resultate erzielt habe.
Es versteht sich von selbst, dafs die gefundenen Zahlen
keine mathematisch genau der Wirkhchkeit entsprechende Werte
darstellen, da sich mancherlei Fehler nicht allein bei der Aus-
zählung, sondern auch bei der Darstellung einschleichen können ;
es genügt aber für die Praxis, dafs sie doch einen orientierenden
Mafsstab bieten. In zweifelhaften Fällen wird man sich ohnehin
nicht mit einer einzigen Untersuchung begnügen.
•
Tierversuche.
Es soll hier zunächst über die Tierversuche berichtet werden,
bei welchen das Blei als Bleinitrat teils verfüttert teils subkutan
injiziert wurde. Die angegebenen Mengen beziehen sich immer
auf metallisches Blei.
Die Untersuchungen des Blutes der Tiere wurden alle 14 Tage
vorgenommen.
Von vier Kaninchen (K I — IV) erhielten zwei täglich 0,25 mg
Blei auf das Kilo subkutan, zwei dieselbe Menge per os jetzt
bereits 3^2 Monate lang ohne jede Veränderung des Blutbildes.
Von Dr. P. Schmidt. 5
Das Gewicht jedes zu diesen Versuchen verwandten Kaninchens
betrug rd. 2 kg. Die vier ersten Kaninchen zeigten eine stän-
dige, wenn auch sehr geringe Gewichtszunahme. Ein weiteres
Tier (K V) bekam 2,5 mg Blei pro Kilo täghch per os bereits
3 Monate lang, ein sechstes (K VI) 5 mg per kg während 2^/2 Mo-
naten, ohne jede Wirkung; ihr Gewicht bleibt unverändert.
Einem siebenten Kaninchen (K VII) wurden täglich eben-
falls 5 mg Blei per kg nunmehr schon 2% Monate lang ver-
füttert: das Tier nahm die ersten 4 Wochen ein wenig an Ge-
wicht ab und reagierte nach 14 Tagen mit basophil gekörnten
roten Blutkörperchen, und zwar mit 180 auf die Million roter
Blutkörperchen. Ihre Zahl nahm noch langsam zu und es stellten
sich des weiteren Poikilozyten, Megalozyten und spärliche kern-
haltige rote Blutkörperchen ein. Trotz dieses pathologischen
Blutbildes ging das Gewicht des Tieres nach der schon erwähnten
geringen Abnahme wieder in die Höhe. Es hatten bei dem Tier
70 mg Blei per Kilo, in Tagesdosen von 5 mg verfüttert, genügt,
um basophil gekörnte rote Blutelemente zu erzeugen.
Femer wurden zwei Kaninchen (K VIII und IX) je 2,5 mg
Blei pro Kilo subkutan injiziert. Das eine hatte nach 21 Tagen,
nachdem insgesamt also 62,5 mg Blei pro Kilo verabfolgt worden
waren, die ersten basophil gekörnten roten Elemente, und zwar
250 pro Million. Auch hier gesellten sich Poikilozyten, Me-
galozyten und kernhaltige rote Blutkörperchen zu den basophil
gekörnten.
Kaninchen Nr. IX zeigte die ersten basophil gekörnten Blut-
körperchen, 30 an der Zahl, schon nach 10 Tagen, nachdem ins-
gesamt dem Tier 25 mg pro Kilo einverleibt worden waren. Ihre
Zahl steigerte sich noch, und es stellte sich eine grofse Zahl
kernhaltiger roter Blutkörperchen ein.
Beide Tiere, VIII und IX, nahmen anfangs mäfsig ab, kehrten
aber bald zu ihrem ursprünglichen Gewicht zurück.
Besonders erwähnt sei hier ein interessanter Befund bei
Kaninchen Nr. IX. Nachdem am 53. Tage nach der ersten In-
jektion aufser zahlreichen basophil gekörnten roten Elementen
eine grofse Zahl kernhaltiger roter und einiger weniger gekörnter
6 Über Blei Vergiftungen und ihre Erkennung.
kernhaltiger konstatiert worden war, erschienen 2 Tage später
die sehr zahkeichen roten kernhaltigen Blutkörperchen alle gekörnt.
Bei vielen unter ihnen war der Prozefs der Abbröckelung der
Körner vom Kern an den Bildern in ganz überzeugender Weise
zu verfolgen. Alle gekörnten kernhaltigen roten Blutkörperchen
waren übrigens metachromatisch gefärbt. Bemerken möchte ich
noch, dafs diese Körner mit Giemsa alle deutlich blau tingiert
waren, also wohl aus einer nukleinfreien Kemsubstanz bestanden.
Wir kommen auf diesen Befund weiter unten zurück.
Schliefslich wurden drei weitere Versuche mit einmaligen
grofsen Dosen ausgeführt mit 25 mg, und zweimal mit je 50 mg
Blei pro Kilo, auf vier verschiedene Stellen der Haut verteilt.
Während bei Nr. X (25 mg) und XII (50 mg pro Kilo) keinerlei
Wirkung eintrat, erschienen bei Nr. XI nach 9 Tagen 50 baso-
phil gekörnte rote Blutkörperchen auf die Million nebst einer
mäfsigen Anzahl kernhaltiger roter Elemente. Drei Tage später
bekam das Tier eine ausgesprochene Lähmung beider hinterer
Extremitäten, verbunden mit Blasenlähmung. Ohne dafs sich
das Blutbild wesentlich verschlimmert hatte, ging das Tier am
17. Tage ein. Danach hat es den Anschein, als ob die fraktio-
nierte Verabreichung des Giftes eine gröfsere Zahl basophil
gekörnter roter Blutkörperchen zu erzeugen imstande wäre.
Es ist von Interesse, die verschiedene Reaktion der Tiere
auf dieselben Dosen zu beobachten. Die geringste bei täglicher
Fütterung wirksame Dosis lag also bei 5 mg pro Kilo während
14 Tagen, die geringste nach der Injektion wirksame Dosis bei
2,5 rag pro Kilo während 10 Tagen verabreicht. Von einmal
subkutan gegebenen Dosen waren 50 mg pro Kilo nach 9 Tagen
wirksam.
Die Frefslust blieb bei allen Versuchstieren, auch da, wo
deutliche Blutveränderungen vorhanden waren, stets un ver-
ringert.
Wenn es erlaubt wäre, die bei Kaninchen Nr. VII gewon-
nenen Resultate einfach gewichtsproportional auf den Menschen
zu übertragen, so würden bei einer 60 kg schweren Person
Von Dr. P. Schmidt. 7
also täglich 300 mg Blei, im Ganzen 4,5 g nötig sein, um eine
ebensolche Blutveränderung zu erzeugen.
Man hat zur Zeit leider noch nicht den geringsten Anhalt
dafür, welche Menge nötig ist, um den Menschen chronisch
bleikrank zu machen. Ich bin in der Lage, in einem Falle von
Bleivergiftung durch Leitungswasser, das pro Liter 2,9 mg Blei
enthielt, eine ungefähre Berechnung der Bleimenge anzustellen,
die nötig war, die ersten Symptome, sodann das ausgesprochene
Bild mit Bleisaum, Paresen, Bleikoliken und schwerer Cachexie
zu erzeugen. Der betreffende Patient hatte die Gewohnheit
grosse Mengen Wasser zu trinken. Er nahm von dem bleihal-
tigen Wasser täglich durchschnittlich 2^2 1 zu sich. Der Zeit-
punkt der ersten Aufnahme des bleihaltigen Wassers liefs sich
genau bestimmen, da ein Umzug stattgefunden hatte. Es dauerte
zwei volle Jahre, bis sich die ersten Erscheinungen, bestehend
in Wadenschmerzen und öfter wiederkehrenden Wadenkrämpfen
einstellten ; 2 ^/q weitere Jahre, bis sich diese Beschwerden zu dem
ausgesprochenen Bilde der chronischen Bleivergiftung gesteigert
hatten. Dann erst wurde die Diagnose gestellt und das Blei in
dem Leitungswasser nachgewiesen. Darnach würde sich also die
Menge des in diesem Falle bis zu den ersten Symptomen nötigen
Bleies auf 5,3 g und auf 12,6 g bis zum ausgesprochenen Bilde
der Vergiftung berechnen. Voraussetzung für die Richtigkeit
dieser Berechnung wäre freilich, dafs das getrunkene Wasser
immer 2,9 mg Blei enthielt.
Es ist klar, dafs die Zeit, auf welche sich das fragliche Blei
verteilt, von ausschlaggebender Bedeutung ist, ferner die Fähigkeit
des Körpers, das Blei zu resorbiren und es später als Blei-Albu-
minat mit der Galle und den Darmsekreten sowie dem Urin aus-
zuscheiden. Die Schwellendosis dieser Ausscheidung dürfte wie bei
allen Salzlösungen individuell stark schwanken, so dafs es bei dem
einen in derselben Zeit zu einer grösseren Aufspeicherung im
Körper kommt als bei dem andern. Die Feststellung einer Blei-
bilanze dürfte durch diese vielen mitsprechenden Faktoren zu
einem äufserst schwierigen Problem werden.
8 Über Bleivergiftangen und ihre Erkennung.
Bemerkungen über die Herkunft der basophilen Körneiung
und Ober die Metachromasie.
Ich möchte hier etwas näher auf die Genese der basophilen
Kömer eingehen. Bekanntlich sind die Meinungen darüber noch
in 2 Lager geteilt. Die einen, E. Grawitz^) an der Spitze,
fassen die Körner als Degenerationsprodukte des Protoplasmas
der roten Blutkörperchen auf. Die anderen führen sie auf den
Kern zurück, so dafs also die basophil gekörnten roten Blutkör-
perchen jugendliche, unfertige Blutkörperchen darstellten, die zu
früh in die Zirkulation gelangt sind (Askanazy, Sabraz^s,
Naegeli.2)
Ich selbst habe diesen letzteren Standpunkt in mehreren
Publikationen^) vertreten, die teils auf klinischen, teils auf ex-
perimentellen Studien fufsen. Die Resultate meiner damaligen
Untersuchungen habe ich durch meine letzten experimentellen
Studien wieder bestätigen können.
Ich möchte hier nochmals auf den schon oben erwähnten
Befund bei Kaninchen IX zurückkommen, den ich in ganz
ähnlicher Weise schon früher einmal bei Tierversuchen am In-
stitut für- Tropenkrankheiten beobachtet habe. (S. Münchner
med. Wochenschrift 1903 Nr. 13. Ein Beitrag zur Frage der
Blutregeneration .)
Die lediglich an den Ausstrichen eines einzigen Tages ge-
wonnenen Bilder demonstrierten in überzeugender Weise die Ab-
lösung der Könier vom Kern, indem festgestellt werden konnte,
dafs dicht um die Kerne der roten Blutkörperchen gröfsere und
1) E. Grnwitz, Klin. Pathologie des Blutes. Leipzig 1906. 8. 120.
2) Askanazy, Zeitschr. f. klin. Medizin, 1896, Bd. 27.
Sabraz^s, XIII. Congres intern, de med. Paris, 1900.
N a e g e 1 i , Über die Entstehung der basoph. gek. roten Blutkörperchen.
Münch. med. Wochenschr., 1904, Nr. 6.
3) P. Schmidt, Zur Frage der Entstehung der basoph. Körner in den
roten Blutkörperchen. Deutsch, med. Wochenschr., 1902, Nr. 44.
Derselbe, Experim. Beiträge z. Pathologie des Blutes. Jena 1902.
Derselbe, Ein Beitrag zur Frage der Blutregeneration. Münch. med.
Wochenschr., 1903. Nr. 13.
Von Dr. P. Schmidt. 9
kleinere Splitter lagerten, während die Kerne selbst ihre scharfen
Konturen verloren hatten und Aussparungen in der Gröfse er-
kennen liefsen, wie sie den anhaftenden basophilen Körnern ent-
sprachen.
Ich kann mich nicht dazu verstehen, es als einen blofsen
Zufall anzusehen, dafs bei dem Versuchstier Nr. IX die sämt-
lichen zahlreichen kernhaltigen roten Blutkörperchen gerade alle
gekörnt waren. Man hätte doch erwarten müssen, dafs, wenn der
Prozefs der Kömerbildung unabhängig von den Kernen wäre,
gekörnte kernhaltige und nichtgekörnte kernhaltige etwa in
einem gleichen Verhältnis gestanden hätten wie gekörnte und
nichtgekörnte kernlose rote Blutkörperchen. Noch viel weniger
vermag ich es als Zufall hinzunehmen, dafs so viele von den
Kernen die Körner wie Auswüchse, Warzen aufsitzen hatten.
Wenn E. Grawitz von meinen „sehr sorgfältigen" Unter-
suchungen sagt, sie seien nicht gut diskutabel, weil die Kesul-
täte bei Malariakranken und Rekonvaleszenten gewonnen wurden,
und weil nach A. Plehn in solchem Blute mit jungen, baso-
philen Malariaparasiten gerechnet werden müsse (gemeint sind
offenbar die A. Ple huschen Latenzformen der Malariaparasiten,
s. A. Plehn: Weiteres über Malariaimmunität und Latenz*^
Periode. Jena 1901J^), so möchte ich bemerken, dafs ich 2—3
solcher basophiler Kömchen (um mehr würde es sich nach der
A. Plehn sehen Ausführung ja nicht handeln) niemals als ba-
sophile Kömelung bezeichnet habe. Vor allem aber möchte ich
E. Grawitz daran erinnern, dafs A. Plehn bei anderen Mala-
riaforschern mit seinen Latenzformen keinerlei Anklang gefunden
hat. 2)
Durch Schaudinns Aufklärung der Spätrezidive mit der
Entdeckung der Parthenogenese der Makrogameten in der Milz
und im Knochenmark ist die A. Plehn sehe Ansicht vollends
hinfällig geworden.
1) 8. E. Grawitz, Klin. Pathologie des Blutes. Leipzig 1906, S. 121.
2) S. R u g e , Einführung in das Studium der Malariakrankheiten. Jena
1906. S. 32.
10 über Blei Vergiftungen and ihre Erkennung.
Es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, dals A. Plehn
die besonders in metachromatischen roten Blutscheiben vorkom-
menden vereinzelten Kernrestchen für diese Urformen gehalten
hat.
Untersuchung der basophilen Körnelung und der Metachromasie
mit Dunicelfeldbeleuchtung.
Durch die Betrachtung der basophil gekörnten und meta-
chromatischen roten Blutkörperchen mit dem Ultramikroskop
konnte man weitere Aufschlüsse erwarten. Auffallend war, dafs
die basophilen Körner im Dunkelfelde in viel gröfserer Zahl als
bei gewöhnlicher Beleuchtung als goldgelbe Kügelchen in allen
Gröfsen zur Darstellung kamen (Methylenblaupräparate).
Sie erscheinen also in der Komplementärfarbe zu ihrer
eigenen Farbe wie alle gefärbten Gebilde im Dunkelfeld.
Die Untersuchung geschah in der Weise, dafs zunächst ein
bestimmtes, basophil gekörntes, rotes Blutkörperchen mit dem ge-
wöhnUchen Abbe*schen Kondensor eingestellt, hierauf erst der
Reicher tische Ultrakondensor eingeführt wurde, so dats man
dasselbe Blutkörperchen wieder in's Gesichtsfeld bekam.
Eine besondere Überraschung brachte die Untersuchung der
metachromatischen roten Elemente. Dieselben haben sich samt
und sonders dabei als Blutkörperchen mit feiner Körnelung ent-
puppt, die mit gewöhnlicher Beleuchtung, weil zu fein, nicht
mehr auflösbar ist. Es zeigt sich übrigens, dafs auch in dieser
feinsten metachromatischen Körnelung ebenso wie in der gröberen
die Körnchen in verschiedenen Gröfsen vorhanden sind. Der-
selbe Befund wurde bei den metachromatischen kernhaltigen roten
Elementen erhoben; auch diese Metachromasie liefs sich im
Ultramikroskop als feinste Körnelung analysieren. Stellenweise
konnte auch hier die Oberfläche der Kerne als dicht besetzt von
in der Ablösung begriffenen Körnchen erkannt werden. Es
dürfte also nach diesem Befund kein Zweifel mehr darüber be-
stehen, dafs die Metachromasie in diesen Präparaten ein weiteres
Auflösungsstadium der basophilen Körner darstellen kann: na-
Von Dr. P. Schmidt. 1 1
türlich kann auch Eemsubstanz ohne das Zwischenstadium
der Eömelung direkt karyolytisch ins Hämoglobin übertreten;
jedenfalls aber ist sie, wie die Bilder bei der Dunkelfeldbeleuch-
tung erweisen, nicht im völlig gelösten, sondern im Zustande
feinster Tröpfchen im Hämoglobin enthalten. Dieser Zustand
einer die Metachromasie darstellenden unvollständigen Karyolyse
ist die Regel bei den kernhaltigen roten Blutkörperchen des
roten Marks, wo es wohl infolge der anderen chemischen Reaktion
des zellreichen roten Marks seltener zu einem karyorrhektischen
Kernschwund kommt als im alkalischen zirkulierenden Blute.
Vielleicht wirkt die Bewegung der Blutkörperchen im Blutstrom
noch befördernd auf diese Karyorrhexis ein. Man kann sich
vorstellen, dafs der Prozefs der Auftrümmerung der Kerne im
Blutstrome zu Körnern so rasch erfolgt, dals man es als einen
glücklichen Zufall betrachten muls, wenn man einmal die Über-
gangsform vom Kern zu den Kömern im Moment des Aus-
streichens in die Präparate bekommt. Ich habe diesen glück-
lichen Zufall bei meinen Studien erst zweimal erlebt. Dafs die
Ausschwemmung der jungen Blutkörperchen in pathologischen
Fällen meist nicht kontinuierlich, sondern stofsweise erfolgt, habe
ich in meinen früheren Publikationen bereits dargetan.
Diese Untersuchungen an den metachromatischen roten
Blutkörperchen mittels Ultramikroskop sind also eine neue Be-
stätigung meiner in den ,, Experimentellen Beiträgen zur Patho-
logie des Blutes'^ schon ausgesprochenen Annahme, dafs die
Metachromasie ein weiteres Stadium der basophilen Kömelung
darstellen kann.
Untersuchungen an Bleiarbeitern.
Da das Blutbild bei unsern Versuchstieren schon ein patho-
logisches war, während sie in ihrem ganzen Verhalten noch nicht
die geringsten Änderungen wahrnehmen liefsen, war es von
grofsem Interesse, einmal eine grosse Zahl von Untersuchungen
au Arbeitern der Bleigewerbe (Schriftsetzer, Schriftgiefser, Maler
12 Über Bleivergiftungen and ihre Erkennung.
USW.) vorzunehmen, welche in ihrer Arbeitsfähigkeit noch in
keiner Weise geschädigt erschienen und keinerlei deutliche Symp-
tome einer Bleierkrankung zeigten. Durch gütige Vermittlung
eines hiesigen praktischen Arztes wurde mir Gelegenheit geboten,
eine Anzahl Arbeiter aus Bleigewerben in der oben angeführten
Richtung zu untersuchen. Diese ersten Blutuntersuchungen
fanden nun seitens dieser Leute ein solches Entgegenkommen,
dafs dieselben weitere Arbeitsgenossen mitbrachten. So kam es,
dafs sich die Arbeiter der verschiedensten Bleigewerbe zahlreich,
ohne jede Aufforderung, nach Arbeitsschlufs ins hygienische
Institut zum Zwecke einer Blutuntersuchung begaben und es
mir ermöglichten, jetzt schon 546 Leute der verschiedensten Blei-
betriebe auf das Vorhandensein von basophil gekörnten Blut-
körperchen hin zu untersuchen.
Parallel zu diesen Leuten nahm ich Untersuchungen an 110
Personen vor, bei denen eine berufliche Berührung mit Blei
auszuschliefsen war. Eine Auswahl der Personen fand in keiner
Weise statt.
Eine Anzahl Fälle von Bleivergiftung konnte ich mit gütiger
Erlaubnis desHerrn GeheimratCursch mann am hiesigen Jakobs-
kränkenhause untersuchen.
Unter den 546 Bleiarbeitern waren nun 15, welche klinisch
die sicheren Zeichen der Bleivergiftung boten (deutlicher Blei-
saum, Koliken mit Verstopfung, z. T. Paresen, fahle Gesichts-
farbe), darunter zur Zeit der Untersuchung noch 11 beschränkt
arbeitsfähig; ferner 6, die vom klinischen Standpunkte als sehr
wahrscheinliche Fälle betrachtet werden konnten. Schliefslich
wurden 224 als klinisch unsicher und 301 als symptomlos re-
gistriert.
Teilt man die Fälle in 2 Gruppen derart, dafs man 100
basophil gekörnte rote Blutkörperchen auf die Million als Grenze
annimmt, so lassen sich die Befunde wie folgt tabellarisch zu-
sammenstellen :
Von Dr. P. Schmidt.
13
546 Arbeiter ans Bleibetrieben.
Auf 1 Million rote Blutkörpereben
1
basophil gekörnte
metachromatische
bis 100
über 100
keine
98 Arbeiter — 17,9 V«
51 » — 9,2 >
397 y — 72,9 »
82 Arbeiter — 15 «/o
44 > — 8 »
420 . = 77 »
Gesamt ,
1
1 546 Arbeiter — 100 Vo
1
546 Arbeiter ~ 100 Vo
110 Personen aas anderen Betrieben.
Auf 1 Million Blutkörperchen.
metachromatische
bis 100
über 100
keine
18 Personen
6
86
16,4 7o
5,4 >
78,2 »
Gesamt
110 Personen =
110 Personen = 100 ®/,
Es weisen also von den sämtlichen 546 Fällen 17,9^0 bis
zu 100, 9,2% über 100 basophil gekönite rote Blutkörperchen auf.
Von den anderen 110 Nichtbleileuten hatten 12,7% bis zu
100 und 1,8% über 100 der charakteristischen roten Elemente.
Hiernach möchte ich annehmen, dafs man Werte unter 100
basophil gekörnter roter Elemente kaum zu Schlüfsen verwenden
darf. Bei dem Befund über 100 handelt es sich also um ein
5 fach häufigeres Auftreten gekörnter roter Blutkörperchen bei
Bleiarbeitem, das doch kaum als ein zufälliges angesehen werden
dürfte.
Metachromatische rote Blutkörperchen hatten von der
1. Gruppe 15% unter 100, 8% über 100: von der 2. Gruppe
der Nichtbleileute 16,4% unter 100 und 5,4% über 100, so dafs
man das Verhalten der metachromatischen roten Blutkörperchen
wohl kaum zu Scblufsfolgerungen mit heranziehen darf.
Von besonderer Bedeutung ist das Ergebnis der Unter-
suchung bei den 15 klinisch sicheren Fällen von Bleierkrankung.
14 über Bleivergiftungen nnd ihre Erkennung.
Alle 15 wiesen über 100 basophil gekörnte rote Blut-
körperchen auf, ein Fall über 1000, klinisch der vorgeschrittenste
mit deutlicher Parese der Arme.
Bemerkenswert ist, dafs 5 unter diesen Fällen einen an-
nähernd normalen Hämoglobingehalt aufwiesen, 7 nur einen
Hämoglobingehalt unter 80% Sahli.
Unter den 6 klinisch sehr wahrscheinlichen Fällen hatten 5
einen Befund über 100, während der 6. angeblich Bleikranke
überhaupt keine Blutveränderungen zeigte.
Im ganzen also hatten unter den sehr wahrscheinlichen
Fällen 83,3% einen positiven Befund über 100.
Von den genannten 224 klinisch unsicheren Fällen hatten
nur 4,5% einen Befund über 100; beachtenswert ist, dafs unter
diesen 4,5^/o bisher schon zwei durch den chemischen Nachweis
von Blei im Urin als Bleivergiftung erwiesen werden konnten.
(Beidemal waren nur Spuren von Blei vorhanden.)^)
Der eine Patient davon zeigte gichtische Veränderungen der
Gelenke, der andere klagte über chronische Kopfschmerzen und
Nervosität.
Unter den 301 symptomlosen Leuten endlich wurden 5,9%
mit einem Befund über 100 gefunden. Diese 5,9% sind somit
als „gesunde Bleiträger'' aufzufassen, bei denen man früher oder
später auf Krankheitserscheinungen gefafst sein mufs.
Erwähnt sei noch, dafs sich unter den als „sicher*' aufge-
führten 15 Fällen 1 Maler befindet, welcher nur über „zeitweilige
Schwindelanfälle'' klagt, aber doch einen ausgesprochenen Blei-
saum zeigt, der also den „gesunden Bleiträgem" sehr nahe steht.
Auch in diesem Falle wurde Blei im Urin chemisch nachgewiesen
(0,5 mg in 1000 ccm Urin).
1) Bleinachweis im Urin (modifiziert nach Schmidt, ph. Ghem. I 697).
Nach Eindampfen die organische Substanz mit chlorsaarem Kali and Salz-
säure zerstören. Filtrieren, heifs auswaschen, schwach sauer machen, H, S
einleiten. Filtrieren, mit konzentr. Salpetersäure oxydieren. Filtrieren, aus-
waschen, H, SO« hinzufügen : das ausgefällte Pb SO« mit basisch weinsaurem
Ammonium lösen, H,8 einleiten, PbS mit verdünnter Salpetersäure lösen,
kolorimetrisch als Chromblei bestimmen.
Von Dr. P. Schmidt
15
Er hatte einen Hämoglobingehalt von 78% (Sahli) und 530
basophil gekörnte rote Blutkörperchen in der Million.
In der folgenden Tabelle sind die Leute nach den ver-
schiedenen Gewerben und nach den Prozentsätzen zusammen-
gestellt, mit denen sie bei den Befunden über 100 basophil ge-
körnter roter Blutkörperchen beteiligt sind.
Maler, Lackierer
Schriftgiefser, Schmelzer
Galvanoplastiker, Stereotypeare, Fraiser
Klempner
Notenstecher
Schriftschleiferinnen , Schriftschneide-
rinnen
Schriftsetzer
Zahl
der Lente
78
95
43
32
44
27
226
Befunde
über 100
16,4 7p
12,6 »
11,6 »
9,4 >
9,0 »
3.7 >
5.8 >
Es dürfte wohl nicht zufällig sein, dafs die Maler und
Lackierer auch in dieser wie in allen Statistiken obenan stehen,
während die Setzer und Schleiferinnen mit nur geringen Zahlen
vertreten sind.
Von einer Anzahl der Arbeiter liefsen wir, ohne dafs sie sich
nach Schlufs ihrer Arbeit gereinigt hatten, Händewaschungen
in essigsäurehaltigem Wasser vornehmen, um einen Begri£E davon
zu bekommen, wie viel Blei bei der Arbeit an den Fingern
haften bleibt.
Das Waschwasser wurde eingedampft und in der oben an-
gegebenen Weise chemisch untersucht. Die gefundenen Blei-
mengen sind in der nächsten Tabelle wiedergegeben:
Menge Blei
Arbeitsstunden
Lackierer ....
Klempner ....
Schriftgiefser . . .
Schriftschleiferin . .
Notenstecher . . .
Schriftsetzer . . . ;
1
168 mg Blei
44 > >
31 > »
21 > >
11 » >
4 > >
4
(hat trocken abgeschliffen)
5
(hat gelötet)
5
5
5
5
16 Über Bleivergiftungen and ihre Erkennung.
Auch in ^i^sem Verzeichnis steht wiederum der Lackierer
obenan; derselbe hatte eine Arbeit verrichtet, die mir durch die
Bildung von Bleistaub (Bleiweils) aulserordenthch gesundheits-
schädlich zu sein scheint: das sog. Abschleifen. Dieses Ab-
schleifen des ersten Bleiweifsanstrichs mittels Glaspapier ge-
schieht, wie ich wiederholt feststellen konnte, immer trocken,
da die Verhältnisse der Arbeitsstätten meist ein feuchtes Arbeiten
verbieten (z. B. Rücksicht auf Parkettboden). Die Staubbildung
ist dabei, noch dazu direkt in Mundhöhe, eine so erhebliche,
dafs die Möglichkeit der Aufnahme von Bleistaub durch die
Atmung aufser Zweifel steht, wiewohl im vorliegenden Fall der
chemische Nachweis von Blei im Mundspülwasser des Lackierers
bei seiner Anwesenheit im Institut nicht mehr gelungen ist.
Ebensowenig gelang es bei 2 Klempnern, die stundenlang
zuvor mit Stichflamme gelötet hatten, und bei Schriftsetzern,
die nach 5 stündiger Arbeit in staubiger Luft Mundspülungen
vornahmen. Vielleicht ist der Mifserfolg darin begründet, dafs
das aufgenommene Blei immer sofort verschluckt wird, sodafs
es zur Ansammlung einer chemisch nachweisbaren Menge im
Munde nicht kommen kann.
Hingegen war es bei einem Klempner, der ohne sein Arbeits-
zeug frühmorgens berührt zu haben, möglich, im Waschwasser
0,2 mg Blei nachzuweisen, nachdem er am Abend zuvor nach
der Arbeit seine Hände mit Bimsstein und Soda und am selben
Morgen mit Seife gewaschen hatte. Diese Befunde lassen die
Aufnahme des Bleis durch die Finger als den häufigeren Weg
erscheinen und sind für die im Bleigewerbe beschäftigten Arbeiter
eine neue Mahnung, sich der gröfsten Sauberkeit im Betriebe
zu bedienen, vor allem, vor jeder Mahlzeit eine pedantische
Waschung vorzunehmen. Rauchen, Schnupfen, Primen, Offen-
stehenlassen von Speisen und Getränken, Anfeuchten der Finger
mit Speichel (Notenstecher, Schriftsetzer) sollten unter allen Um-
ständen vermieden werden.
Das radikalste Mittel, bei den Malern Bleivergiftungen über-
haupt unmöglich zu machen, wäre freilich die gänzliche Ab-
schaffung des Bleiweifses aus dem Malergewerbe. Es scheint
Von Dr. P. Schmidt. ] 7
leider nicht möglich zu sein, das Bleiweifs als Deckfarbe durch
eine andere Farbe, etwa Zinkweifs oder Lithopone zu ersetzen;
wenn aber dieser Nachweis erbracht würde, dann sollte die Ein-
führung nicht bleihaltiger Ersatzfarben doch mit allen Mitteln
angestrebt werden.
Eine besondere Besprechung erheischen noch die Befunde
bei den Schriftschleiferinnen, die in der Liste der im Wasch-
wasser nachgewiesenen Bleimengen mit 21 mg, bei den Befunden
über 100 basophil gekörnter roter Blutkörperchen mit nur 3,7 ^/q
verzeichnet sind, wo femer 44,4% unter ihnen einen Hämoglobin-
gehalt von unter 80% (Sahli) und deutliche Zeichen einer Chlorose
aufwiesen. Ich sehe nur zwei Wege der Erklärung dieser kontra-
stierenden Erhebungen: entweder die Arbeiterinnen nehmen in-
folge gröfserer Sauberkeit weniger Blei auf als die Männer, was
mir unwahrscheinlich vorkommt, oder aber sie reagieren nicht
in dem Mafse mit basophil gekörnten roten Blutkörperchen wie
die Männer. Jedenfalls gehört die basophile Körnung nicht zum
Bilde chlorotischer Zustände. Ob die Chlorose selbst nur durch
das Blei verschlimmert wird, lasse ich dahingestellt sein. Es
wäre von grofsem wissenschaftlichen Interesse, bei künftigen Unter-
suchungen diesem Verhalten besondere Aufmerksamkeit zu
schenken.
Für die Anhänger der Auffassung der basophilen Kömer
als Kemderivate ist das Ausbleiben der gekörnten roten Elemente
bei den Arbeiterinnen nichts Auffälliges, da das Charakteristische
an der Chlorose ja die Hämoglobinarmut ohne zahlenmäfsige
Verminderung der roten Blutkörperchen ist, da also eine über-
stürzte Bildung roter Blutkörperchen wie bei Anämie nicht statt-
findet. Der Prozefs der Entkernung kann bei der Chlorose lang-
sam im Knochenmark durch Karyolyse von statten gehen, so
dafs es zu einer Ausschwemmung unfertiger kernhaltiger roter
Elemente und nachfolgender Zertrümmerung dieser Kerne über-
haupt nicht kommt.
Archiv cor Hygiene. Bd. LXIII. 2
18 über Bleivergiftungen nnd ihre Erkennung.
Schlufsfoigerungen fOr die Gewerbehygiene.
Es dürfte nach dem Vorausgehenden keinem Zweifel mehr
unterliegen, dafs die basophil gekörnten roten Blutkörperchen,
wenn in gröfserer Menge (mehr als 100 in der Million) vorhanden,
ein äufserst wertvolles Hilfsmittel für die Diagnostik der Blei-
vergiftung darstellen ; dieses Hilfsmittel kann um so segensreicher
wirken, als es uns die Krankheit in einem Stadium erkennen
läfst, wo überhaupt noch keine Erscheinungen der Krankheit
vorzuliegen brauchen.
Man darf die Hoffnung aussprechen, dafs künftig dieser
hämatologische Befund bei der Überwachung der Arbeiter in
Bleibetrieben mit grofsem Nutzen wird mitverwendet werden
können. Da die überwachenden Arzte dabei wohl kaum in
Frage kommen dürften wegen der damit verbundenen Mehrbe-
lastung und der mangelnden Schulung im Mikroskopieren, würden
die hygienischen Untersuchungsämter in erster Linie in Betracht
kommen. Es wäre eine dankbare Aufgabe, die Arbeiter in be-
sonders gefährdeten Betrieben (Bleiweifsfabriken, Blei-, Zink-
hütten, Akkumulatorenfabriken) in fortlaufender hämatologischer
Kontrolle zu halten. Liegt ein positiver Befund über 100 vor,
so könnte ja obendrein noch eine weitere Kontrolle durch die
Untersuchung des Urins auf Blei stattfinden, die sich ebenfalls
an den hygienischen Instituten vornehmen liefs. Es würde der
Mühe lohnen, wenigstens einmal einen Versuch mit gut einge-
schultem Personal während einiger Jahre auszuführen. Man
kann jetzt schon prophezeien, dafs die Krankenstatistiken bei
dieser Art der Untersuchungen ein wesentlich anderes Bild zeigen
werden. Ich wage nicht zu entscheiden, ob sie dann mehr
wirkliche Vergiftungsfälle aufweisen werden als bisher oder mehr
rheumatisch-nervöse und intestinale Affektionen.
Von Dr. P. Schmidt 19
Nach unserer Statistik, bei welcher unter 224 unsicheren
Fällen nur 4,5% einen Befund über 100 aufwiesen, mülste das
letztere der Fall sein.
Übrigens bedienen sich unserer Untersuchungen jetzt schon
eine grofse Anzahl hiesiger praktischer Ärzte, die uns die Leute
zur Blutuntersuchung zuschicken. Sie erhalten sodann die Re-
sultate der Hämoglobinbestimmung, der Auszählung der basophil
gekörnten roten Blutkörperchen und eventuell der chemischen
Urinuntersuchung schriftlich mitgeteilt.
Schlußsätze.
1. Es gelingt, sowohl durch Verfütterung, wie durch sub-
kutane Injektion von Bleinitrat auch bei Kaninchen
basophil gekörnte rote Blutkörperchen zu erzeugen, die
beim Menschen, nach £. Grawitz, wenn in gröfserer
Zahl vorhanden, für Bleivergiftung charakteristisch sind,
falls nicht Malaria, perniciöse Anämie, Carcinom-Gachexie,
Darmfäulnis oder Sepsis vorliegen.
2. Die mindeste Bleimenge, bei welcher durch Verfütterung
gekörnte rote Blutkörperchen erzeugt wurden, beträgt
5 mg Blei pro Kilo Kaninchen und täglich 14 Tage
lang verabreicht, bei subkutaner Einverleibung 2,5 mg
pro Kilo und 10 Tage lang injiziert.
Bleimengen von 0,25 rag Blei pro Kilo subkutan
und per os und 2,5 mg pro Kilo per oa blieben auch
bei einer täglichen Verabreichung von 3^/2 Monaten bez.
3 Monaten (2,5 mg pro dosi) ohne Wirkung, obgleich im
Ganzen pro Kilo 26 bez. 226 mg Blei gegeben worden
waren.
Bei einmaliger subkutaner Einverleibung von 50 mg
pro Kilo traten nur in einem Falle basophil gekörnte
Elemente nach 9 Tagen, 3 Tage später eine vollständige
Lähmung der hinteren Extremitäten und der Blase auf;
nach 17 Tagen erfolgte der Tod.
2*
20 Über Bleivergiftangen und ihre Erkennung.
Ein anderes Tier, das die gleiche Menge von 50 mg
pro Kilo subkutan erhielt, reagierte auch nach 6 wöchiger
Beobachtung in keiner Weise.
3. Es bestehen somit grofse individuelle Verschiedenheiten
gegen Bleigaben, sowohl wenn es per os, als auch wenn
es subkutan verabreicht wird.
4. Die basophilen Kömer sind Derivate des Kerns, wie
unter anderem aus Befunden an gekörnten kernhaltigen
roten Blutkörperchen (Kaninchen IX) mit Sicherheit her-
vorgeht. Wenn die gekörnten roten Blutkörperchen in
Fällen, wo sie in der Zirkulation reichlich vorhanden
sind, im Knochenmarke selten gefunden werden, so be-
weist das nur, dafs die Zertrümmerung der Kerne erst
im Blutstrome und dann wahrscheinlich sehr rasch statt-
findet. Aus der Schnelligkeit dieses karyorrhektischen
Prozesses resultiert die Unwahrscheinlichkeit, solche Über-
gangsformen im Blutstrome öfter zu finden; in einzelnen
Fällen werden sie doch gefunden und weisen dann alle
Phasen der Zertrümmerung der Kerne bis zur Köme-
lung auf.
5. Die Metachromasie hat sich bei ultramikroskopiscber
Untersuchung gleichfalls als feinste Körnelung mit sehr
beträchtlichen Gröfsenunterschieden unter den Körnern
erwiesen. Die Metachromasie ist also entweder ein weiter-
gehendes Verteilungsstadium der gröberen basophilen
Körnelung, oder aber sie geht direkt durch Vorherrschen
eines intensiven karyolytischen Prozesses ohne das
Zwischenstadium gröberer Körnelung aus der Beimengung
von Kernsubstanz zum Hämoglobin hervor. Diese Karyo-
lyse ist nie eine vollständige, sodafs die Kernsubstanz
immer in Gestalt, wenn auch noch so feiner Körnchen
im Hämoglobin kolloidal enthalten ist. Das trifft auch
für die metachromatischen kernhaltigen roten Blutkör-
perchen zu. Im Duukelfeld erscheinen die blaugefärbten
Von Dr. P. Schmidt. 21
basophilen Körner als goldgelbe Kugeln (in der Kom-
plementärfarbe).
6. Beträgt die Zahl der in der Million roter Blutkörperchen
gefundenen basophil gekörnten unter 100, so ist der Be-
fund zu Schlöfsen auf eine stattgefundene Bleivergiftung
nicht ohne weiteres verwendbar. Der Grenzwert basophil
gekörnter roter Blutkörperchen ergab sich aus Blutunter-
suchungen, welche bei nicht mit Blei beschäftigten
Personen gemacht wurden.
7. Unter 546 Untersuchungen von mit Blei beschäftigten
Personen waren 15 klinisch sichere Fälle von Blei-
vergiftung (2,7%). Dieselben zeigten sämtlicli Ober 100
basophil gekörnte rote Blutkörperchen auf die Million
(100%).
Unter 6 wegen Bleierkrankung ärztlich behandelten
Fällen zeigten diesen Befund 5 (83,3%); unter 224 dia-
gnostisch unsicheren nur 4,5%, während unter 301 Blei-
arbeitern ohne irgend welche subjektive Erscheinungen
5,9% einen positiven Befund aufwiesen. Unter jenen
4,5% der diagnostisch unsicheren Fälle konnten noch
2 nachträglich durch den Bleinachweis im Urin sicher
gestellt werden.
Unter 110 Personen, die nie mit Blei in ihrem Beruf
in Berührung gekommen waren, zeigten nur 1,8% einen
Befund über 100 basophil gekörnter roter Blutkörperchen
(2 Fälle). Der eine davon hatte vor 30 Jahren eine
schwere Malaria, der andere kurz zuvor eine Sepsis nach
Angina durschgemacht.
8. Der Befund Ober 100 baeophil gekörnter roter Blut-
körperchen in der Million iet eine äußeret wertvolle
Stütze fOr die Diagnoee der Bleivergiftung.
9. Mit Hilfe dieser Blutuntersuchung gelingt es, die Leute
in einem so frühen Stadium der Bleivergiftung heraus-
zufinden, dafs man hoffen darf, künftig die ganz schweren
22 Über Bleivergiftangen und ihre Erkennung.
chronischen Formen der Bleikrankheit ganz verhüten zu
können.
10. Das hygienische Institut der Universität Leipzig wird
bereits von vielen praktischen Ärzten als Unter-
suchungsstelle zur Ermittlung der Bleiintoxikation an-
gerufen.
Zum Schlüsse dieser Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht,
meinem hochverehrten Chef, Herrn Geheimrat Hof mann für
die Anregung zu diesen Untersuchungen, sowie für die mir
dabei erteilten wertvollen Winke hiermit meinen verbindlichsten
Dank auszusprechen.
Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe?
Von
Dr. Anton Wafsmuth,
Assistent der medizinischen Klinik.
(Aas dem Hygienischen Institute der k. k. Universität Innsbruck. Vorstand :
Prof. Dr. A. Lode.)
Metschnikoff(^) bat im Jahre 1883 darauf hingewiesen,
dals die Leukozyten imstande sind, Mikroorganismen aufzufressen
und abzutöten. Neben dieser als Phagozytose benannten Eigen-
schaft dieser beweglichen Zellen schien es schon frühzeitig nahe-
liegend, dafs die Leukozyten auch an der Produktion der im
Serum befindlichen bakteriziden Stoffe beteiligt sind. Hankinp)
war der erste, der darauf hinwies, dafs die bakterizide Wirkung
des Blutes von den Granulis der Leukozyten ausgehe. Eine
weitergehende Entscheidung in der Frage nach der Abstammung
der Alexine brachte Hahn(^) im Jahre 1895, indem er die
Leukozyten durch Gefrieren und Wiederauftauen abtötete und
dabei zeigte, dafs sowohl die lebenden als die toten Leukozyten
und ihre Extrakte unter Umständen eine weit grölsere bakteri-
zide Wirkung ausüben als Blut und Blutserum des gleichen
Tieres. Van de Velde(^) und B a i 1 (^) gewannen bakterizide
Substanzen aus den Leukozyten, ersterer durch Auslaugen mit
destilliertem Wasser, letzterer durch die abtötende Wirkung des
Leukozidins auf die Leukozyten. Vorher war es auch Schatten-
froh (®) gelungen, durch Zerreiben der Leukozyten mit Quarzsand
bakterizide Leukozytenstoffe zu extrahieren.
24 Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe?
War durch diese und durch die Arbeiten anderer Autoren
einerseits festgestellt, dafs die Leukozyten bei der Vernichtung
lebender Mikroorganismen beteiligt sind, so war es anderseits
interessant, zu erforschen, ob die Leukozyten Schutzsto£Ee ent-
halten, welche gelöste schädliche Stoff Wechselprodukte , z. B.
Toxine oder andere schädigende Stoffe zu neutralisieren ver-
mögen.
Bekanntlich besitzen gewisse Toxine neben anderen schä-
digenden Eigenschaften auch die Fähigkeit, rote Blutkörperchen
aufzulösen. Es war nun der leichten Technik wegen verlockend,
nachzusehen, ob die Leukozyten in irgendeiner Weise befähigt
sind, diese hämolytische Wirkung der Bakterientoxine zu ver-
hindern.
Wir müssen uns hier erinnern, dafs bei der Differenzierung
der Blut- und Serumalexine und der Phagozytenextrakte (Phago-
zidin) von Schattenfroh die Tatsache festgestellt worden ist,
dafs die letzteren, im Gegensatze zu den ersteren, nicht in der
Lage sind, Erythrozyten zur Lösung zu bringen, mithin kein
Hämolysin enthalten. Anderseits war es nicht erforscht, inwie-
fern etwa Leukozytenextrakte der hämoljrtischen Wirkung des
Blutserums entgegenwirken.
Zuerst studierte ich demnach die Frage, ob die lösende
Wirkung des Kaninchenserums auf Meerschweinchenerythrozyten
durch Leukozytenextrakte der Kaninchen aufgehoben oder be-
einflufst werde. Fügt man einen Tropfen in physiologischer
Kochsalzlösung gewaschener Erythrozyten von Meerschweinchen
zu einer kleinen Menge (2 ccm) von reinem Kaninchenserum
hinzu und läfst dieses Gemisch durch 2 Stunden im Brutschrank,
dann in der Kälte stehen, so findet man am nächsten Tag, dafs
sich die roten Blutscheiben des Meerschweinchens vollständig
aufgelöst haben. Es tritt also komplette Hämolyse ein. Ver-
dünnt man dagegen das Serum des Hasens mit physiologischer
Kochsalzlösung, so gelangt man schon bald zu einem Punkt,
wo der Tropfen Erythrozyten nicht mehr vollständig gelöst wird
und schliefslich zu einer Verdünnung, welche überhaupt nicht
mehr imstande ist, Hämolyse zu erzeugen. Ich habe mir solche
Von Dr. Anton Wafismath.
25
Verdünnungen in der Weise hergestellt, dafs ich mit 0,1 ccm
reinen Serums begonnen und Reihen hergestellt habe, in welchen
(siehe Tabelle I)
die Menge des Serums bis auf 2 ccm stieg, wobei immer so viel
physiologischer Kochsalzlösung zugesetzt wurde, dafs die Ge-
samtmenge stets 2 ccm betrug. In diese Verdünnung wurde dann
immer 1 Tropfen gewaschener Meerschweinchen-Erythrozyten von
der ursprünglichen Blutkonzentration hinzugesetzt. E^ zeigte
sich nun, dafs noch bei einer Verdünnung von 1,5 ccm Serum
auf 0,5 NaCl-Lösung komplette Hftmolyse eintrat, während erst
bei 0,1 ccm Serum auf 1,9 NaCl die Hämolyse überhaupt aus-
blieb. Doch zeigten die Erythrozyten der einzelnen Tiere in
ihrer Resistenz ein sehr verschiedenes Verhalten, so dafs kom-
(riebe Tabelle II)
plette Hämolyse erst bei reinem Serum auftrat. Es war daher
immer nötig, für jeden Versuch einen Kontrollversuch anzulegen.
Tabelle I.
Seram
Kochsalz
0,1
1,9
0,2
1.8
0,5
1,5
1
1
1,6
0,6
2
Nach 2 Std. Brattemperatur
> 24 Standen ....
e
Kuppe
Kappe
LH.
i. H.
i. H.
c. H.
c. H.
c. H.
c. H.
Tabelle II.
Seram ....
Kochsalx . .
1
0,1
11,9
0,2
1,8
0,8
1.7
0.4
1.6
0,6
1^
0.7
1,3
1
1
1.5
0,5
2
Nach28t.Brattemp.
> 24 Standen .
Kappe
Kuppe
Kuppe
i. H.
Kuppe
i. H
Kuppe
i. H.
i. H.
i. H.
i. H.
i. H.
c H.
C.H.
Um nun die Wirkung der Leukozyten näher zu studieren,
wurden zuerst Tropfen von Leukozyten hinzugesetzt, welche in
(siehe Tabelle III und IV)
folgender Weise gewonnen wurden: Nach dem Verfahren von
Hahn wurde grofsen, über 2 kg schweren Kaninchen 10 ccm
einer gekochten mit Weizenstärke versetzten Aleuronatauf-
26 Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe?
schwemmung von dickbreiiger Konsistenz in die rechte Brust-
höhle injiziert. Die Tiere wurden nach 24 — 26 Stunden durch
Entbluten getötet und das Blut zur Serumgewinnuug aufgehoben.
In der Brusthöhle des Tieres befanden sich dann 10 — 20 ccm
trüben Exsudates, welchem allerdings ab und zu etwas Blut bei-
gemengt war. Zur Verwendung gelangten ausschliefslich farb-
lose Exsudate oder solche, welche höchstens Spuren von Blut
enthielten. Das Exsudat wurde hierauf zentrifugiert und die
Leukozyten, nach den Angaben Schattenfrohs(^), wiederholt
mit Kochsalzlösung gewaschen und durch Schütteln fein verteilt,
oder das gebildete Klümpchen mit sterilem feinem Quarzsand
mechanisch zerrieben.
Die so präparierten Leukozyten stellen einen dünnen Brei
dar, welcher sich leicht tropfenweise zufügen läfst. Zerreibt man
die Leukozyten nur in geringem Grade, so verlieren die meisten
ihre Lebensfähigkeit durchaus nicht, wie man sich teils durch
ihre amöboiden Bewegungen, teils durch ihr Vermögen, Methy-
lenblau zu reduzieren, zu überzeugen vermag. [Neifser und
WechsbergC^)].
Es wurden nun Verdünnungen nach obigem Verfahren her-
gestellt, wobei in jedes Reagensgläschen je 1 Tropfen Leukozyten-
breies hinzugesetzt wurde. Darauf wurden die Röhrchen bei 37®
durch 2 Stunden in den Brutschrank gestellt, erst dann wurden
die Erythrozyten in der eben beschriebenen Weise hinzugefügt
und die Röhrchen neuerdings der Bruttemperatur durch 2 Stun-
den ausgesetzt.
Die Beobachtungen wurden immer am nächstfolgenden Tage
durchgeführt. Bei jedem Versuch wurde die verwendete phy-
siologische Kochsalzlösung (8,5 : 1000) daraufhin geprüft, ob die-
selbe an und für sich nicht imstande sei, die Erythrozyten in
der Wärme zu lösen. Desgleichen wurde, um zu zeigen, dafs
die Hämolyse auf enzymatischer Grundlage beruht und nicht
Anisotonie ist, stets jedem Versuch ein Röhrchen mit inakti-
viertem Serum (^/g Stunde auf 60° erwärmt) beigefügt. Die Hä-
molyse mufste dann ausbleiben.
Von Dr. Anton WaÜBinath.
27
Zur Nomenklatur meiner Tabellen will ich erwähnen, dafs
ich zwischen der kompletten (c. H.) und der ausgebliebenen
Hämolyse (0) noch 2 Grade unterschieden habe. Ich bezeichne
als Kuppe den Zustand der eingetretenen Lösung, wenn sich
über den zu Boden gesenkten Leukozyten eine Zone hämolytisch
gefärbter Flüssigkeit befindet, wobei aber immer ein Teil der
Flüssigkeit farblos bleiben mufs. Die dazwischen liegenden
Stufen bis zur kompletten Hämolyse bezeichne ich durchaus als
inkomplette Hämolyse (i. H.).
Tabelle IH.
Senim
Kocbsala ....
0,2
1,8
0,4
1.6
0,8
1,2
1,5
0,5
Nach 2 Std. Brattemp.
> 24 Standen . .
> 2 Std. Brattemp.
> 24 Standen . .
1
LH.
ECuppe
i. H.
i. H.
1
i. H. :
i. H
Kuppe,
i. H.
p
Kontrolle.
Mit je 1 Tropfen Leuko-
zytenbreia, welcher darch
KochsalEwaschungen and
Schottein digeriert wurde.
Tabelle IV.
Serum
Kochsalx
0,1
1,9
0,2
1.8
0,3
1,7
0,4
1,6
0,6 : 0,7 : 1
1,5 I 1,3 : 1
Nach 2 St. Brattemp
> 24 Standen
> 2 St Brattemp
> 24 Standen
Kuppe
Kuppe
.
Kuppe
i. H.
i. H.
i. H.
Kuppe
Kuppe
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
c.H.
i.H.
i.H.
c.H.
c.H.
i.H.
i.H.
I
c.H.
c.H.
i.H.
C.H.
Kontrolle.
MitjelTropf.
Leukozyten-
brei B wie in
Versuch IH.
Tabelle IX.
Sertun
Kochsalz
0,1
1,9
0.2
1.8
0.3
1,7
0,4
1,6
0,5
1,5
1
1
Nach 2 St Brattemp.
» 24 > . . . .
> 2 > Brattemp.
24
.'I
Kuppe
Kuppe
Kuppe
i.H.
Kuppe,
i. H.
Kuppe
Kontrolle.
Mit Je 1 Tropfen Leu-
kozytenbreis wie in
Tabelle m und IV.
28
Enthalten Leukozyten antibämolytische Stoffe?
Tab. III, IV zeigen schon deutlich die Schutzwirkung der
Leukozyten. Während der Kontrollversuch schon bei einer Ver-
dünnung von 0,8 auf 1,6 eine Hämolyse ergab, trat diese in der
mit Leukozyten versetzten Reihe erst bei 0,8 auf 1,2 ein. Auch
in der Tab. IV sieht man noch eine ähnliche Schutzwirkung.
Die Hämolyse tritt in den Kon troll versuchen bei 0,1 ein, wäh-
rend die Leukozyten eine totale Schutzwirkung noch bei 0,2
auf 1,8 und eine partielle noch bei 0,7 auf 1,3 zeigen. An-
scheinend handelt es sich hier um Erythrozyten, welche eine ge-
ringere Resistenz zeigen als in Tab. III. Geradezu überraschend
war der Versuch in Tab. IX, wo erst bei einer Verdünnung von
1:1 Hämolyse auftrat, während die Kontrolle schon bei 0,2:1,8
Spuren einer Hämolyse zeigte.
Die folgenden Versuche zeigen das Verhalten der in den
Leukozyten aufgespeicherten Enzyme gegenüber den Temperatur-
einflüssen.
Tabelle VI.
Serum .
Kochsalz
0,1
1,9
0,2
1,8
0,3
1,7
0.4
1,6
0,5
1,5
Nach 2 8t. Brütnng
24 y
2 > >
24 >
2 >
24 >
Kuppe
i. H.
Kuppe
Kuppe
i. H.
Kuppe
i.H.
Kuppe
Kuppe
Kuppe
i.H.
.H.
.H.
.H.
.H.
.H.
.H.
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
LH.
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
Kontrolle.
Zusatz von je 1 Tropfen auf W*C
erwftrmt. I^ukozyteo. Leuko-
zyten durch Zerreiben mit
Quarzsand bebandelt.
Zusatz von je 1 Tropfen auf
80° erwärmt. Leukozyten.
Vorbehandlung w. oben.
Tabelle VH.
Serum ....
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5 .|
Kochsalz
1,9
1,8
1,7
1,6
1,5 li
Nach28t.Bruttemp
Kuppe
i. H.
i.H.
i.H.
Kontrolle
> 24 Stunden. .
i. H.
i.H.
i.H.
> 2St.Bruttemp.
Kuppe
i H.
i.H.
Mit je 1 Tropfen Leuko-
zytenbreis versetzt Vor-
> 24 Stunden
Kuppe
i.H.
i.H.
behandlg. w.in Tab. VUI.
> 2St.Bruttemp.
Kuppe
i. H.
i.H.
i.H.
Leukozyten auf 60*^ C er-
> 24 Stunden . .
Kuppe
i. H.
i.H.
i.H.
1
wärmt.
Von Dr. Anton Wafsinnth.
29
Tabelle VIII.
Seram
Kochsalz
0,1
1,9
0,2
IS
0,3
IJ
0,4
1,6
0,5
1,5
Nach 2 Std. Brntterop. a
24 Standen . . Kappe
2 Std. Bruttemp. 6
24 Standen . . 9
2 Std. Brattemp. 9
24 Standen . . ' Kuppe
2 Std. Brattemp.
24 Standen . . 'Kappe
Kappe
LH.
e
Kappe
i. H.
Kappe
i H.
LH.
L H.
Kappe
Kappe
L H.
L H.
LH.
LH.
LH.
LH.
LH.
LH.
L H. I i.H.
L H. ' LH.
.H.
.H.
.H.
.H.
.H.
.H
.H.
.H.
Kontrolle
Normale Lenkozyten
mit Qaarzsand ler-
rieben.
Leukozyten auf GO^ C
erwärmt.
I^ukozyten auf 80^ G
erwärmt
Der hemmende Körper ist inaktivierbar. Er wird sicher
durch Temperaturen von 80® und ^/a Stunde Einwirkung ver-
nichtet. 60® und eine ^IzStilndige Einwirkung schädigen ihn
schon im hohen Grade.
Durch mehrfaches Einfrieren und Wiederauftauen konnte
ich allerdings in einem Falle (Tab. XI) die Schutzwirkung der
antihämolytischen Körper im geringen Grade vermindern. Doch
sind wir weit entfernt, aus diesem einen, mit den bisher be-
kannten Tatsachen nicht übereinstimmenden Versuche irgend-
welche Schlüsse zu ziehen. Der Versuch möge nur dartun, dafs
auch mit toten Leukozyten eine Wirkung zu erzielen ist.
Tabelle XI.
1
Serum . .
OA
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
Kochsalz . .
1,9
1,8
1.7
1,6
1,5
1,4
AmnftchBtenTAg
e
Kuppe
i. H.
i. H.
iH
i.H.
j > >
■ e
Kuppe
i.H. i.H.
> » >
1
9
Kappe
i. H.
i.H.
i.H.
c.H. } Kontrolle.
• |T ) Mit je 1 Tropfen Leuko-
*•"• I zytenbrels versetzt.
Mit je 1 Tr. lieukozyten-
breis versetzt, der2mal
z. (lefrier.u. Wiederauf-
tauen gebracht wurde.
i.H.
Dafs bei Zunahme der Leukozyten die Schutzwirkung eine
gröfsere wird, zeigt deutlich die Tab. XII.
30
Enthalten Leukozyten antihämolytiBche Sto£fe?
Tabplle Xn.
Serum .
KochsaU
0.1
1,9
0,2
1,8
0,3
1,7
0,4
1,6
0,6
1.6
0.6
1,4
Am nächsten Tag
Kuppe
i.H.
LH.
Kuppe
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
i.H.
Kontrolle.
Je 1 Tropfen Leukozyten.
Je 2 Tropfen Leukozyten.
Bei derselben wurden in eine Verdünnungsreihe 1 Tropfen,
in die zweite 2 Tropfen Leukozytenbreies hineingegeben.
Während die Kontrollreihen schon bei 0,2 eine beginnende
Hämolyse zeigen, tritt eine solche bei Zusatz eines Tropfens bei
0,4 und bei Zusatz von 2 Tropfen erst bei 0,5 ein. Auch in
Tab. XIII zeigt sich ein ähnliches Verhalten. Aber auch hier
sehen wir, dafs die Erwärmung der Leukozyten auf 60^ die
Schutzwirkung fast vollständig aufhebt.
Tabelle XIH.
Serum . . .
Kochsalz . .
i
0.1
1,9
0,2
.1.8
0,3
1,7
0,4
1,6
0,5
1,5
1
1
1
Am nächsten Tag
> > »
» 9 >
Kuppe
Kuppe
i. H.
Kuppe
iH.
i.H.
i. H.
Kuppe
i. H
c.H.
i.H.
c.H.
Kontrolle.
Mit 2 Tropf. Leukozytenbreis
' \ Desgl. ; die [Onkozyten wurden
, j vorher aul 609 C erhitzt.
Fassen wir die Versuche zusammen, so ergibt sich die über-
raschende Tatsache, dafs die Leukozyten imstande sind, die glo-
bulizide Eigenschaft des eigenen Serums gegen Meerschweinchen-
erythrozyten bis zu einem gewissen Grade aufzuheben.
Diese Eigenschaft haftet sowohl den lebenden als den toten
Leukozyten an und wird durch Erwärmen auf 60° C beträcht-
lich vermindert, durch Erhitzen auf 80° C aber vollständig auf-
gehoben. Wir müssen uns aber ferner fragen, ob diese Eigen-
schaft der Leukozyten für das Tier eine praktische Bedeutung
hat. Sehen wir von dem gewifs seltenen Vorkommen einer Blut-
transfusion ab, bei welchem die Leukozyten die Hämolyse der
fremden Erythrozyten teilweise zu vermindern vermögen, so schei-
Von Dr. Anton Wafsmath. 31
nen anderseits die Leukozyten eine bedeutsame Rolle in dem
Falle zu spielen, wo es sich nicht um Serum-Hämolysine, sondern
\un die Neutralisation der Bakteriolysine handelt. Damit komme
ich zu dem zweiten Teile meiner Untersuchung.
Wirkung der Leukozyten auf Staphylolysin.
Um die Leukozyten auf ihre antihämolytischen Eigenschaften
zu prüfen, verwendete ich ausschliefslich Staphylolysin.
Dieses Lysin erhftlt man, wie nebst anderen Autoren, vor
allen Neifser und Wechsberg (®) in ihrer grundlegenden
Arbeit über Staphylolysin gezeigt haben, sehr leicht durch Ein-
impfen von geeigneten Kulturen von Staphylokokkus pyogenes
aureus in Bouillon. Am 4. — 6. Tage wurde die Bouillon durch
einen Berkefeldfilter filtriert. Die Fähigkeit dieses Filtrates, die
roten Blutkörperchen zu lösen, war eine ziemlich grofse. Noch
in einer Verdünnung von 0,025 Lysin auf 1,975 Na Gl- Lösung
von 0,85% konnte ich eine komplette Lösung eines Tropfens
Kaninchenerythrozyten erzielen. Die Leukozyten gewann ich in
analoger Weise wie in den früheren Versuchen. Die Erythrozyten-
stammen meist von demselben Tiere, welches zur Leukozyten-
gewinnung entblutet wurde. Es macht übrigens, wie ich mich
durch Versuche überzeugen konnte, wenig Unterschied in der
Wirkung der Leukozyten auf die Hämolyse aus, ob man rote
und weifse Blutkörperchen von denselben oder von verschiedenen
Tieren nimmt. Genau so wie in den früheren Versuchen stellte
ich auch jetzt Reihen her, in deneu die fallenden Mengen des
Lysins durch Zusatz von 0,85 proz. NaCl-Lösuug auf 2 ccm gebracht
wurden Das Lysin verwendete ich ohne jeden Zusatz. Die
Inaktivierung des Lysins gelang durch '/4 — 1 stündiges Kochen
im Wasserbade.
Der Versuch wurde hierauf in folgender Weise vorgenommen :
Das Exsudat wurde nach Entbluten des Tieres steril aus der
Brusthöhle entnommen und sofort, um eine Gerinnung zu ver-
meiden, mit doppelt so viel Kochsalzlösung verdünnt, hierauf
zentrifugiert und die zu Boden gesenkten Leukozyten mehrmals
32
Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe?
gewaschen, schliefslich die darüberstehende Flüssigkeit abpipe-
tiert. Die Leukozyten, welche einen dünnflüssigen Brei dar-
stellten, konnten nun direkt tropfenweise zugesetzt werden. Zur
Verwendung gelangten also fast ausschlielslich lebende Leuko-
zyten. Zwar konnte ich mich nicht überzeugen, dafs auch die
durch starkes Zerreiben oder Gefrieren und Wiederauftauen ge-
töteten Leukozyten eine grofse Wirksamkeit entfalteten, doch
schien mir ihre antihämolytische Kraft lange nicht so sicher und
prompt zu sein als wenn ich lebendes Material verwendete.
Sonst blieb die Versuchsanordnung die gleiche wie in den früheren
Versuchen. Auch hier wurden dem Lysingemenge zuerst die
Leukozyten beigemengt und erst nach 2 stündigem Verweilen bei
37 ** C je 1 Tropfen wiederholt gewaschener Kaninchenerythrozyten
beigefügt. Die angeführten Resultate beziehen sich immer auf
den nächstfolgenden Tag.
Tabelle XIV.
Tabelle XV.
Mit
Mit
Lyiiu
; Kontrolle
1 Tropfen
Lenko-
2 Tropfen
Leuko-
xyten
zyten
0.6
c. H.
c. H.
LH.
0.4
c. H.
c. H.
LH.
0.2
c. H.
c. H.
LH.
0,1
1
c. H.
Kuppe
Kuppe
0,05
LH.
Kuppe
Kuppe
0,025
i. H.
Kuppe 1/4
0,0126
i. H.
e
0,0062
LH.
e
0,0031
Kuppe
0,0015
Kuppe
0,0007
•
Lysin
Kontrolle
Mit
8 Tropfen
Leuko-
zyten
0,5
c. H.
L H.
0,4
c. H.
LH.
0,2
c. H.
LH.
0.1
c. H.
Kuppe
0,05
c H.
0,025
LH.
0,0125
LH.
0,0062
Kuppe
0,0031
Kuppe
0,0015
Tab. XIV und XV zeigen in deutlicher Weise die antihämo-
lytische Wirkung der Leukozyten. Die Versuche zeigen auch
ferner, obwohl sie mit verschieden starkem Lysin und mit Erythro-
zyten verschiedener Hasen angestellt sind, dafs mit steigendem
Leukozytengehalt auch die Schutzwirkung der Leukozyten in die
Ton Dr. Anton WaTsmath. 83
Höhe geht. Ich war imstande, mit 3 Tropfen Leukozyten die
einfach komplett lösende Dosis Lc zu neutralisieren. Die Fest-
stellung dieser beträchtlichen Schutzwirkung ist um so inter-
essanter, als Neifser und Wechsberg am Schlüsse ihrer Ar-
beit über das Staphylotoxin angeben, dafs ihnen durch Zugabe
von Leukozyten zum Staphylotoxin allerdings gelungen ist, das
Leukocidin zum Verschwinden zu bringen, dagegen konnten sie
nie eine stärkere Abnahme des Hämolysins konstatieren. Ein
geringgradiges Verschwinden führen beide Autoren auf die An-
wesenheit von Erythrozyten in dem Leukozytenexsudat und auf
Bindung dieser Erythrozyten mit Hämolysin zurück.
Ich glaube, dafs bei meiner Anordnung der Versuche, eine
Bindung des Hämolysins mit den Erythrozyten sich eben durch
Hämolyse kundgegeben hätte. Ich konnte aber immer konsta-
tieren, dafs die Röhrchen nach Zusatz von Leukozyten wenig-
stens für das unbewaffnete Auge vollständig farblos blieben.
Die Erythrozyten, welche in dem Exsudat vorhanden waren, wur-
den entweder durch die Antistoffe an der Lösung verhindert oder
waren in so geringen Mengen vorhanden, dafs keine auffallende
Rotfärbung entstehen konnte. Die geringfügige Bindung des
Lysins, welche dadurch entstand, ist gewifs für den Versuch
ohne Bedeutung.
Dagegen konnte man sich vorstellen, dafs durch die An-
wesenheit von Leukozidin die Leukozyten eine Schwächung er-
fahren haben, indem sie durch das Leukozidin geschädigt und
demnach bei der Bindung des Hämolysins gehindert würden.
Obwohl nun Bail(*) gerade durch das Leukozidin Alexine aus
den Leukozyten gewinnen konnte, so versuchte ich dennoch
zuerst das Leukozidin durch Leukozytenzusatz auszuschalten in
der Hoffnung, durch dieses Verfahren eine bessere Ausnutzung
der antihämolytischen Schutzstoffe der Leukozyten zu erlangen.
Bei diesen Versuchen kam es im wesentlichen darauf an, gerade
so viele Leukozyten hinzuzusetzen, dafs das Leukozidin eben
gebunden wurde. Da die Leukozyten durch Bindung mit Leu-
kozidin zugrunde gehen, so war der Moment der Neutralisation
in dem Auftreten von Lebensvorgängen in den Leukozyten
Archiv für Hygiene. Bd. LXnL 3
34 Enthalten Leukozyten antihämolytische Stoffe?
kenntlich. Zur Prüfung dieser Lebensfähigkeit verwendete ich
die von Neifser und Wechsberg angegebene bioskopische
Methode.
Aus bestimmten Gründen ging ich etwas anders vor als die
genannten Autoren. Ich verwendete in Kochsalzlösung ge-
waschene Leukozyten und nicht das mit Iproz., Lösung von
oxalsaurem Natron vermengte leukozytenhaltige Exsudat.
Zuerst bestimmte ich mir die Dosis minima reducens, d. i.
jene geringste Menge von Leukozyten, welche eben noch hin-
reicht, um nach 2 stündigem Verweilen im Thermostaten eine
Reduktion von 2 Tropfen der von den genannten Autoren an-
gegebenen Methylenblaulösung hervorzurufen.
Ich verwendete zu diesen Versuchen Röhrchen von 0,7 cm
lichter Weite in welche ich 2 ccm physiologischer Kochsalzlösung
und verschiedene Mengen von Leukozyten nebst 2 Tropfen von
Methylenblaulösung hineinbrachte und mit Paraphinum hquidum
überschichtete.
Ich fand nun nach wiederholter Prüfung, dafs ca. 0,025 g
Leukozytenbreies genügten, um die von Neifser und Wechs-
berg geforderte Reduktion einer ^/g-Röhre zu ermöglichen. Lr
war also = 0,025 ccm.
Nun nahm ich abfallende Mengen von Lysin, gab überall
die doppelte Dosis dazu; das war in meinem Falle = 0,05 ccm
Leukozytenbreies und füllte die Röhrchen auf 2 ccm Gesamt-
flüssigkeit auf. Erst nach 2 stündigem Verweilen im Brutschrank
wurden 2 Tropfen der Methylenblaulösung hinzugesetzt und mit
Paraffin überschichtet. Dabei fand ich, dafs z. B. in den Röhr-
chen mit 0,1 ccm Lysin eben noch eine deutliche Reduktion zu
sehen war, während bei 0,2 ccm Lysin keine Reduktion mehr
auftrat. Ich hatte nun die Möglichkeit, durch Zusatz einer be-
stimmten Tropfenzahl ein beliebiges Quantum von Lysin zu
neutralisieren. Bei dem nun folgenden Versuche wurde nun tat-
sächlich eine bestimmte Menge von Lysin durch Leukozyten-
zusatz neutralisiert, das Gemenge hierauf zentrifugiert und das
von Leukozidin befreite Lysiu abpipetiert und in gleicher Weise
Von Dr. Anton Wafiimath.
35
zu den hämolytischen Versuchen verwendet wie das nicht neu-
tralisierte.
Tabelle XVI.
Lysin
Kontrolle
1
2 Tropfen
T^ukozyten
2 Tropfen
Leukozyten
nach Ann-
schaltunf^d.
Leukozidins
0,4
c H.
i. H.
i. H.
0,2
c. H.
i. H.
i. H.
0,1
c. H.
i H.
0,06 ;
c. H.
Kappe
0,026
; i. H.
0.0126
i. H.
0,0062
Kappe
0,0031
Klippe
Man sieht nun tatsächlich, dafs 2 Tropfen Leukozyten in
dem nicht neutralisierten Lysin eine totale Bindung von 0,025 ccm
Lysin vermögen, während das gleiche Volumen Leukozyten in
dem von Leukozidin befreiten Lysin eine Bindung von 0,1 ccm
Lysin ermöglicht. Diese Steigerung der antihämolytischen Kraft
scheint mir aber darauf zu beruhen, dafs die Leukozyten ge-
legentlich der Bildung mit Leukozidin bereits Hämolysin abge-
geben haben, welches durch das erneuerte Hinzufügen von Leu-
kozyten noch vermehrt wurde. Das Leukozidin scheint demnach
die hämolytische Wirkung nicht zu beeinflussen. Qchliefslich
untersuchte ich die Organe der Kaninchen auf ihre antihämo-
lytischen Eigenschaften. Ich verwendete dazu kleine Organ-
stücke aus entbluteten Tieren, welche ich in reiner physiologi-
scher Kochsalzlösung gründlich auswusch. Hierauf wurden die
Organstückchen zerkleinert und mit Quarzsand zu einem dünnen
Brei verrieben, welcher tropfenweise zugesetzt wurde. Zur Ver-
wendung gelangte Leber, Milz und Niere. Der Zusatz des
Organbreies erfolgt parallel mit dem Zusatz von Leukozyten in
der früher beschriebenen Weise. Von den Organen liefs allein
die Milz geringe antihämolytische Eigenschaften erkennen, welche
jedoch verschwindend klein im Verhältnis zu der Schutz Wirkung
der Leukozyten genannt werden müssen.
S*
36 Enthalten Leukozyten antibämoly tische Stoffe? Von Dr. A. Wafsmath.
Fassen wir die Resultate zusammen, so können wir auf
Grund unserer Ergebnisse in vitro behaupten, dals die Leuko-
zyten und vor allem die lebenden imstande sind, die hämoly-
tische Komponente des Staphylotoxins in gewissem Grade zu
neutralisieren. Bei 60^ C ist das Vermögen der Leukozyten, das
Hämolysin zu binden, entschieden geschwächt und bei 80® C
vollständig aufgehoben.
Literatur.
1. Metschnikoff: Zar Lehre von den Phagozyten nnd deren experimen-
tellen Grandlagen. Handhach der pathogenen Mikroorganismen. Bd. 4.
2. Hankin: Zentralhlatt für Bakteriologie. Bd. 12 and 14.
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Archiv f. Hygiene. Bd. 25. 1895.
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des Sernms and der Leakozyten. Zentralbl. f. Bakter. Bd. 23. 1898.
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zyten. Archiv f. Hyg. Bd. 81 and 35.
7. Neifser und Wechsberg: Über eine neue, einfache Methode zar
Beobachtang von Schftdigang lebender Zellen and Organismen. (Bio-
skopie.) Mflnchener med. Wochenschr. 1900, Nr. 37.
8. Dieselben: Über das Staphylotoxin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 36.
Die relative Photometrie.*)
Methode zur Charakterisierung und Messung der Tagesiicht-
beieuchtung in Arbeits- und Wohnräumen.
Von
Dr. Stanislav Büzicka.
(Aas dem k. k. hygienischen Institut des Prof. Dr. Gustav Kabrhel in Prag.)
I. TeU.2)
Das Prinzip der relativen Photometrie.
Die Versorgung der Arbeitsplätze mit einer genügenden Menge
Tageslicht ist ein ebenso schwieriges wie wichtiges Problem der
praktischen Hygiene, insbesondere der Schulhygiene.
In solchen Fällen, wo man seinen Arbeitstisch im Zimmer
nach Belieben ans Fenster rücken kann, macht es wohl selten
Schwierigkeiten die genügende Lichtmenge in das Arbeitsfeld zu
bekonmien.
Aber in Schulzimmern, Nähzimmern, Zeichensälen, gröfseren
gewerblichen Arbeitslokalen (Schriftsetzereien u. a.) mit einer
grofsen Zahl von Arbeitsplätzen hat man oft recht grofsen Mangel
an Licht, wenigstens an Arbeitsplätzen, welche von der Fenster-
wand am weitesten entfernt sind.
Die Oberlichtbeleuchtung, welche immer reichlich ge-
nügende Lichtfülle bietet, bringt fast unüberwindliche finanzielle
und technische Schwierigkeiten mit sich, so dafs man bis auf seltene
1) Als IV. Teil meiner Studien zur relativen Photometrie (Archiv für
Hypnene, Bd. XLIIT, LT, LIV).
2) Der böhm. Kaiser-Franz- Josephs- Akademie vorgelegt am 18. April 1907.
38 ^ie relative Photometrie.
Ausnahmen — wenigstens in der Schule — auf das Seitenlicht
verwiesen ist.
Beim Seitenlicht aber sinkt die Beleuchtungsstärke der Ar-
beitsplätze mit ihrer Entfernung vom Fenster soweit, dafs die
für die Praxis wichtige Frage entsteht, unter welchen Um-
ständen sie bis an die Grenze des Zulässigen anlangt.
Die Beantwortung dieser Frage ist aber sehr schwierig und
kompliziert ; und zwar besonders aus dem Grunde, weil einige die
Intensität der Tagesbeleuchtung von Arbeitsplätzen bestimmende
grundwichtige Momente in einer der menschlichen Beein-
flussung unzugänglichen Weise veränderlich sind.
Im Grunde genommen mufs die Frage beim Taglicht ebenso
gestellt werden wie bei der künstlichen Beleuchtung. Wie soll
es angeordnet werden, dafs der schlechteste Arbeits-
platz die minimale genügende Lichtmenge garantiert
hat?
Beim künstlichen Lichte ist die Lösung ziemlich einfach.
£s wird eine Lichtquelle von bestimmter Lichtintensität in einer
solchen (leicht zu berechnenden) Entfernung von der Arbeits-
fläche aufgestellt, bei welcher die Belichtungsintensität (das von
der Decke, den Wänden usw. reflektierte Licht eingerechnet)
eben die geforderte ist.
Da man die Lichtintensität der Lichtquelle, ihre Entfernung
von der Arbeitsfläche, sowie den Einfallwinkel, die Reflexion
des Lichtes von den Wänden, der Decke usw. (Farbe des An-
striches) in der Hand hat, kann man durch die künstliche Be-
leuchtung eine bestimmte Lichtintensität am Arbeitsplatze erreichen.
Beim Tageslicht ist die primäre direkte Lichtquelle für
unsere Arbeitsplätze das leuchtende Himmelsgewölbe. (Das direkte
Sonnenlicht kann schon wegen seiner zu grofsen Intensität nicht
verwendet werden.)
Die Intensität dieser primären direkten Tageslichtquelle ist
aber bekanntlich eine sehr schwankende, wozu ich durch meine
vor zwei Jahren in Prag während der dunkelsten Jahreszeit
täglich um 9 Uhr vormittags und 3 Uhr nachmittags ausge-
Von Dr. StanislaT Rftücka. 39
führten photometrischen Messungen^) zahlenmäfsiges Material
geliefert habe.
Die Messungen haben ergeben, dafs die Lichtintensität des
Himmelsgewölbes, innerhalb der Zeit vom 24. November bis
1. Februar (um 9 Uhr vorm. und 3 Uhr nachm.) Schwankungen
von 30 bis 82ö7 Meterkerzeu zeigte ; und, wenn man von seltenen
Ausschlägen nach beiden Extremen absieht, doch noch als regel-
mäfsige Erscheinung Werte zwischen 1000 bis 4000 und 5000
Meterkerzeu aufweist.
Bei solchen grofsen, der menschlichen Beeinflussung unzu-
gänglichen Schwankungen der primären Lichtquelle kann der
Hygieniker nichts anderes tun, als sich auf die schlechtesten
Verhältnisse — nämlich auf die geringste Intensität der primären
Lichtquelle — einrichten.
Da ich aber Werte unterhalb 2000 Meterkerzen (Lichtinten-
sität des Himmelsgewölbes) nur in einem ganz beschränkten
Jahresteile (fast nur im Dezember, von welchem für die Schulen
noch die Weihnachtsferien entfallen) gefunden habe, so habe ich
vorläufig vorgeschlagen, in der Schulhygiene mit diesem Werte
als dem minimalen zu rechnen, und an den dunklen Dezember-
tagen sich mit künstlicher Beleuchtung auszuhelfen. (Dieses
praktische Resultat meiner Messungen des Himmelsgewölbes finde
ich durch die im letzten Winter ebenso ausgeführten Messungen —
siehe den Anhang am Ende dieser Arbeit — bestätigt.)
Also die Frage steht jetzt so: Wie sind die baulichen
Einrichtungen und die übrige Einrichtung des Schul-
zimmers zu treffen, damit bei 2000 Meterkerzen Licht-
intensität des Himmelsgewölbes auch der dun-
kelste Arbeitsplatz noch die genügende Lichtmenge
erhält, als welche 20 bis 25 Meterkerzen ange-
nommen werden.
Durch die baulichen Einrichtungen (Gröfse der Fenster, ihre
Höhe, Entfernung und Höhe des gegenüberliegenden Gebäudes,
Farbe des gegenüberliegenden Gebäudes, Entfernung des be-
treffenden Arbeitsplatzes von der Fensterwand, Farbe der Decke
1) Archiv f. Hygiene, Bd. UV, 8. 32.
40 ^io relative Photometrie.
und der Wände des Scbulzimmers) wird nämlich die auf einen
bestimmten Arbeitsplatz gelangende Licbtmenge, wie schon die
grobe Erfahrung zeigt, wesentlich beeinfluCst. Die baulichen Mo-
mente aber sind eben jene zweite Gruppe von Komponenten der
Belichtungsintensität der Arbeitsplätze, welche man beim Bau
und bei der Verwaltung der Schule vollkommen in der Hand
hat. Höchstens mit Ausnahme der Verhältnisse des gegenüber-
liegenden Hauses; eventuell mufs man also auch bei diesem
zweiten unbeeinfiufsbaren Moment mit den ungünstigsten Werten —
einer tiefgrauen Farbe, der gröfsten zulässigen Höhe, der kleinsten
zulässigen Entfernung usw. — rechnen. Auch die Farbe der
StralsenoberSäche mufs eventuell in dem ungünstigsten Werte in
die Rechnung gezogen werden (als tiefgraue).
(Zahlenmäfsige Belege über die Bedeutung dieser verschie-
denen Momente für die Lichtintensität der Arbeitsplätze sind im
zweiten Teile dieser Arbeit enthalten.)
Um den Einflufs der baulichen Einrichtungen auf die Licht-
stärke der Arbeitsplätze exakt studieren zu können, habe ich
meine relativ photometrische Methode konstruiert.
Ich bin von dem Gedanken ausgegangen, dafs — ein voll-
kommen gleichmäfsig diffus leuchtendes Himmelsgewölbe
vorausgesetzt — unter bestimmten gegebenen Bauverhält-
nissen und Verhältnissen der Zimmereinrichtung die
Lichtintensität eines Arbeitsplatzes einen ganz be-
stimmten Teil von der Lichtintensität des Himmelsge-
wölbes beträgt, obschon die absolute Intensität des
Himmelsgewölbes eine grofse oder eine kleine ist.
Dieser Schluls erscheint schon auf Grund der bekannten
physikalischen Gesetze als ein zwingender, wenn wir uns genau
vorstellen, wie das auf einen Arbeitsplatz auffallende Licht her-
kommt :
Ein Teil des Lichtes kommt direkt von einem durch die Bau-
verhältnisse bestimmt gegebenen Teile, resp. von mehreren
Teilen bei mehreren Fenstern des Himmelsgewölbes ; ein anderer
Teil ist das von dem gegenüberliegenden Gebäude, von der
Zimmerdecke, den Zimmerwänden usw. reflektierte Licht. Da
Von Dr. Stanislay Rftii6ka. 41
die refiektierenden Flächen je nach der gegebenen Farbe einen
ganz bestimmten Teil des auffallenden Lichtes reflektieren,
so sind auch diese Verhältnisse — ohne Rücksicht auf die
absolute Lichtmenge — ganz konstante.
Also z. B. ein bestimmter Arbeitsplatz hat unter bestimmten
Bauverhältnissen eine solche absolute Lichtintensität, welche
einem Prozent der gleichzeitigen absoluten Lichtintensität des
Eümmelsgewölbes gleich ist, also bei der »minimalen zulässigen c
Helligkeit des Himmelsgewölbes (2000 Meterkerzen) hat der Platz
20 Meterkerzen, steigt die Helligkeit des Himmelsgewölbes auf
4000 Meterkerzen, so hat er 40 Meterkerzen usw.
Die Richtigkeit des oben angeführten Schlusses wird auch
durch die praktische Erfahrung bei der Benützung meiner Me-
thode jeden Augenblick erhärtet. (Schwankungen der Tageslicht-
intensität haben keinen Einfiufs auf das Lichtverhältnis der in
meinem Photometer auf Gleichheit eingestellten beiden Felder:
Arbeitsplatz und Himmelsgewölbe.)
Die Kenntnis dieses Prozentverhältnisses für einen Arbeits-
platz im Zusammenhang mit der Kenntnis der konventionellen
minimalen Lichtintensität des Himmelsgewölbes, ergibt direkt
die absolute Zahl Meterkerzen, bis zu welcher die Lichtintensität
des betreffenden Arbeitsplatzes innerhalb der ungünstigen praktisch
zu berücksichtigenden Verhältnisse sinkt.
An dieser Stelle ist noch der Einwand zu besprechen, dafs
die relative Photometrie nur für den Fall Geltung hat, wenn
das Himmelsgewölbe vollkommen gleichmäfsig diffus
leuchtet und für die weitaus meisten Fälle der Praxis ohne
Geltung ist.
In der Tat führe ich die Bestimmung eben nur bei voll-
kommen gleichmäfsig diffus leuchtendem Himmelsgewölbe
aus; und ohne jeden Zweifel ist, wie man sich leicht übrigens
auch überzeugen kann, bei ungleichmäfsig bedecktem Himmel
das Verhältnis (zwischen der Lichtintensität des Arbeitsplatzes
und derjenigen des Zenitpunktes) ein begreiflicherweise oft recht
42 ^10 relative Photometrie.
weit abweichendes und sehr schwankendes, so dafs es keineswegs
zur Charakterisierung des Platzes dienen kann.
Aber für den praktischen Zweck, um welchen es sich handelt,
sind wir vollkommen zufrieden, wenn wir eine Methode haben,
welche uns einen verläfslichen Anhaltspunkt zur Charakterisierung
der Tageslichtbeleuchtung unter den ungünstigsten
Verhältnissen gibt; an den ungüstigen nebligen Tagen ist
eben das Himmelsgewölbe recht gleichmäfsig bedeckt.
Es darf nicht vergessen werden, dafs die ganze Methode
eben auf dem Grundgedanken ausgearbeitet ist, dafs sie die Frage
beantworten soll: bis zu welchem Werte sinkt die ab-
solute Lichtintensität am betreffenden Arbeitsplatze
im ungünstigsten Momente.
Beschreibung des von mir für die Zwecke der relativen Photo-
metrie konstruierten Apparates „Der relative Photometer''.
Zur Ausführung der relativ photometrischen Bestimmungen
habe ich auf Grund des von mir in meiner früheren Publikation ^)
schon angegebenen Prinzips einen Apparat konstruiert, in
welchem dem Auge des Beobachters das Spiegelbild des aus-
zumessenden Arbeitsplatzes (welcher vorher mit einem Blatt rein
weifsen Papiers belegt wird) als Fleck in der Mitte eines Spiegel-
bildes des Zenitteiles des Himmelsgewölbes erscheint, Die einzige
Abweichung von der oben zitierten Beschreibung beruht darin,
dafs das Bild des Arbeitsplatzes (anstatt von einem Spiegel) von
einem Lummer-Brodhun sehen Würfel reflektiert wird.
Das Bild des Himmelsgewölbes (welches natürlich immer
vielmal heller ist als das Bild des Arbeitsplatzes) kann durch
einen mittels Trieb (Knopf Kn) verschiebbaren Rauchglasdoppel-
keil beliebig^) abgedämpft werden; also auch auf eine mit dem
Arbeitsplatze gleiche Intensität, wobei dann das Bild des Arbeits-
platzes in demjenigen des Himmelsgewölbes verschwimmt.
1) Archiv für Hygiene, Bd. UV, S. 38 u. 39.
2) Bei meinem Exemplar des relativen Photometers auf 4,00—0,36%
der wirklichen Intenaität.
Von Dr. SUnislav B&iiCka.
43
Die augenblickliche Einstellung des Rauchglaskeiles kann
an einer Millimeterskala abgelesen werden und aus einer beige-
fügten Tabelle tieat man heraus, auf wieviel Prozent der wirk-
liehen Lichtatärke das Bild des Himmelsgewölbes durch die be-
treffende Einstellung verdunkelt ist: also wieviel Prozent von der
ffirklichen augenblicklichen Lichtinte Qsitftt des Himmelsgewölbes
die augenblickliche Lichtintensität des Arbeitsplatzes ausmacht.
[~1
Fl(.2.
Erkllruf der In Ate ZeiebnuBKen elB|r«trsfeneD Baehsteben.
^ grolaer TnbnB.
:= kleiner Tabus.
^ Rancbgloskeil.
, r= Spiegel, welcher in das Aage des Beobachters dae Bild des Himmels-
gewölbes reflektiert.
, T= Spiegel, in welchem das — vor dem Okular befindliche — &uge
dee Beobachters die Skala Sc sieht.
I = Knopt, dessen Drehen Verschiebung des Haucbglaskeiles K bewirkt
44 ^ie relative Photometrie.
Die Peripherie des unteren Endes des kleinen Tubus t ist mit
▼ier die Peripherie genau in Quadranten teilenden Einkerbungen
versehen.
Der Lummer-Brodhunsche Würfel befindet sich inner-
halb des grofsen Tubus T über der Ansatzstelle des kleinen
Tubus t an den grofsen T.
Den Apparat hat mir nach meinen Angaben die Firma
F. Schmidt & Haensch, optisch-mechanische Werkstätte in
Berlin, in ganz dankenswerter Weise konstruiert.^)
Ausführung der relativ photometrisohen Bestimmungen.
Die relativ photometrischen Messungen werden immer am
Modell ausgeführt, obschon das betreffende Gebäude erst gebaut
werden soll, oder schon fertig dasteht.
Es liegt darin wohl ein nicht geringer Vorteil der Methode,
dafs die Bestimmungen auch für ein erst zu erbauendes Ge-
bäude — an einem nach den Plänen leicht herzustellenden
kleinen Modell — ausgeführt werden können, da es so leicht
möglich ist, die Pläne soweit entsprechend abzuändern, bis der
erforderliche Grafl der Lichtfülle erreicht ist.
An einem fertigen Gebäude selbst ist zwar die Ausführung
einer solchen Messung theoretisch auch möglich, aber praktisch
sehr schwer durchzuführen. Und zwar aus zwei Gründen:
1. Das Bild des Zenitpunktes des Himmelsgewölbes müfste
durch einen von dem Auge des Beobachters mehrere Meter (etwa
3 — 7)2) entfernten Spiegel reflektiert werden. Bei Verwendung
eines mathematisch genau planen Spiegels würde dabei kein
Fehler entstehen; aber praktisch ist ein solcher nicht zu be-
kommen. Selbst die genauesten präzisen Planspiegel, welche
1) Die Firma liefert solche Apparate zu einem Preise von etwa 220 M.
Aufserdem yerfertigt die Firma auf meine Veranlassung auch relative Photo-
meter, welche unveränderlich auf eine bestimmte Absorption (ohne verschieb-
baren Keil) — 1 °/o durchgehenden Lichtes — eingestellt sind, etwa au 120 M.
Dies für solche Fälle, wo es sich nur darum handeln würde, zu entscheiden,
ob die auszumessenden Plätze der Minimal forder ung genügen oder nicht.
2) Je nachdem, ob es sich um einen der Fensterwand nahen oder von
ihr entfernten Platz handelt
Von Dr. Stanislav Rfiii£ka. 45
ungeheuer teuer sind, sind nur bis zu einer Fehlergrenze garan-
tiert, bei welcher doch noch — bei der grofsen Entfernung —
ein nicht zu vernachlässigender Fehler entstehen würde (eine
Konzentration oder wieder Dispersion der Strahlen : Verstärkung
oder Abschwächung der wirklichen Intensität).
2. Es ist praktisch sehr schwer möglich, zum Zwecke einer
solchen Bestimmung eben einen nebligen Tag mit genau gleich-
mäfsig leuchtendem Himmelsgewölbe abzuwarten. Ich benütze,
wie ich im weiteren genauer angeben werde, ein künstliches
>Hinmielsgewölbe«, dessen Gleichmäfsigkeit an jedem beliebigen
Tage zu erreichen ist.
Mein künstliches Himmelsgewölbe ist auf folgende Art
konstruiert:
Eine 50 cm hohe, 80 cm lange und 70 cm breite (innere
Mafse) Holzkiste hat anstatt der oberen (Decken-) Wand zwei
aufeinanderliegende Glasplatten, zwischen welchen ein Blatt
homogenen weiJsen Papiers liegt. Die Glasplatten sind nur
dazu da, das Papierblatt in seiner Lage zu halten und es vor
Beschmutzung zu schützen.
Da in der Regel aber in der Praxis der die Schule be-
leuchtende Teil des Himmelsgewölbes einen sehr langen Streifen —
der Länge der Gasse entsprechend — darstellt, die Kiste aber
praktisch entsprechend lang nicht konstruiert werden kann, habe
ich mein Himmelsgewölbe nur 26,67 m^) lang gemacht, und es
— durch Bedeckung der beiden kurzen Seitenwände der Kiste mit
geschliffenen Spiegeln — auf beiden Seiten optisch ins unendliche
verlängert. (Dadurch wird natürlich der kleine Fehler eingeführt,
dafs die Spiegelbilder des Himmelsgewölbes je entfernter desto
dunkler — infolge der fortschreitend sich wiederholenden Re-
flexion — werden, aber dieser Fehler wird erst bei den ent-
fernteren Spiegelbildern ein bedeutenderer, welche für die Be-
leuchtung der Schule schon wenig in Betracht kommen. Wenn
wir uns übrigens um den Erdball herum ein gleichmäfsig
1) Die Kiste ist 80 cm lang, was 26,67 m in der Wirklichkeit entspricht.
Die Modelle mache ich nämlich so grofs, dafs ein Meter des wirklichen
MaÜBes durch 3 cm dargestellt wird.
46 I^io relative Photometrie.
leuchtendes Himmelsgewölbe denken, so mufs — besonders bei
bedeutender vernebelter Atmosphäre — an jedem Punkte der
Erdoberfläche der Zenitteil des Himmelsgewölbes lichter erscheinen
und gegen den Horizont die Lichtintensität abnehmen.
Die eine, längere, Seitenwand der Kiste (50 • 80 cm) ist nicht
ausgeführt, bleibt leer und bietet dem Experimentator Zutritt in
das Innere der Kiste.
Die Kiste wird nämlich bei den Messungen auf einen Tisch
von gewöhnlicher Höhe gestellt, so dafs die Glasfläche nach oben
gekehrt ist, und der Experimentator setzt sich zum Tisch an
derjenigen Seite, an welcher die Seitenwand fehlt. Seinen Ober-
körper samt dem Haupte hüllt der Experimentator in ein möglichst
lichtdichtes Tuch ein, dessen oberer Rand und die beiden Seiten-
ränder an den oberen Rand und die Seitenränder der durch
das Fehlen der einen Seitenwand der Kiste entstandenen Öffnung^)
geheftet ist.
Dadurch wird es erreicht, dafs beim Experimentieren im
Inneren der Kiste nur das von dem künstlichen Himmelsge-
wölbe kommende Licht zur Geltung kommt. Übrigens wird auch
das Modell des auszumessenden Gebäudes in dieser Öffnung
aufgestellt (die Öffnung wird durch dasselbe in der Regel fast
vollkommen verstellt), so dafs auch durch dieses unbefugte Licht-
strahlen abgehalten werden.
*•
Die der Öffnung gegenüberliegende Wand repräsentiert in
den Versuchen das gegenüberliegende Gebäude (16,67 m hoch,
dreistöckiges Wohngebäude). Bei Aufstellung eines falschen
Bodens oberhalb des wirklichen in der Kiste, oder bei Herstellung
des auszumessenden Modells in entsprechend gröfseren Mafsen,
kann man dieselbe Wand als eine niedrigere benützen.
Will man die » Gasse c abgeschlossen haben, so belegt man
den einen Seitenspiegel mit einem Papierblatt usw., welches die
gewünschte Abschlufswand möglichst nachahmt. Natüriich
spiegelt sich dieselbe auf der anderen Seite in einer Entfernung,
1) Diese Öffnung werde ich im folgenden einfach als Öffnung der Kiste
oder Öffnung kurzweg bezeichnen.
Von Dr, Stanislay Rdiicka. 47
welche der doppelten Länge der Kiste entspricht (so dafs in dieser
Entfernung — 53 • 33 m — die Gasse auch auf der anderen
Seite abgeschlossen ist).
Die Kiste — das »Himmelsgewölbe« — mufs von oben
intensiv und gleichmäfsig beleuchtet sein. Dies wird am
einfachsten und am besten durch Aufstellung der Kiste unter
freiem Himmel erreicht; wenn kein vollkommen freier Raum
verfügbar ist, z. ß. in der Mitte ^) eines gröfseren von womöglich
gleichhohen Wänden umgebenen Hofes. — Durch künstliches
Licht ist eine hohe Intensität und Gleichmäfsigkeit nicht so
einfach zu erreichen.
Endlich ist noch die Frage zu besprechen, wie hoch eigentlich
das künstliche Himmelsgewölbe oberhalb der Bodenfläche ange-
bracht werden soll.
Die Höhe des wirklichen Himmelsgewölbes oberhalb der
Erdoberfläche ist eine sehr verschiedene. Denn das Himmels-
gewölbe wird durch die Wolken und Nebelmassen gebildet, welche
zuweilen Tausende von Metern hoch schweben, ein anderes Mal
aber sich in der nächsten Nähe der Erdoberfläche befinden.
Man könnte unter solchen Umständen glauben, dafs die
augenblickliche ßelichtungsintensität eines bestimmten Arbeits-
platzes nicht nur von der augenblicklichen Lichtintensität des
Himmelsgewölbes, sondern auch von der Höhe (-Entfernung)
des letzteren abhängig ist. Dies würde wirklich so sein, wenn
das Himmelsgewölbe eine Lichtquelle von beschränkter Aus-
dehnung (z. B. eine punktförmige Lichtquelle) wäre.
Es gilt dies auch in der Tat für die partiellen Lichtintensi-
täten, welche von den einzelnen Punkten des Himmelsgewölbes
auf einen bestimmten Arbeitsplatz im Schulzimmer kommen:
Steht das Hinameisgewölbe zweimal so hoch, so ist die von
1) Ausdrücklich mufs ich davor warnen, solche Untersuchungen z. B.
aal einem Balkon vornehmen zu wollen, wohei das künstliche Himmels-
gewölhe mit dem einen Rande fast an das Haus anstöfst, der gegenüber
liegende Rand aber von dem gegenüberliegenden Gebäude weit entfernt ist.
48 1^16 relative Photometrie.
einem einzelnen Punkte des Himmelsgewölbes auf den Arbeits-
platz gelangende Lichtintensität eine viermal kleinere. Aber
dafür kommt wieder in den Bereich des betreffenden Arbeits-
platzes bei einer zweifachen Entfernung des Himmelsgewölbes
ein viermal so grofser f^lächenanteil des Himmelsgewölbes, also
viermal so viele leuchtende Punkte. Also die Abnahme der
von jedem einzelnen leuchtenden Punkte kommenden licht-
Intensität wird durch die Zunahme der Anzahl der leuchtenden
Punkte genau kompensiert.
Bei meiner Versuchsanordnung ist also das Himmelsgewölbe
möglichst niedrig angebracht, in direktem Anschlufs an die
Oberkante des »gegenüberliegenden Gebäudes«, wie es übrigens
unserem Auge perspektivisch in allen Fällen erscheint.
Von der Richtigkeit der eben dargestellten Analyse zeugt
übrigens auch das Experimentum crucis.
Stellt man meinen Photometer bei gleichmäfsig diffus
leuchtendem Himmelsgewölbe in meiner Kiste — welche aber des
künstlichen Himmelsgewölbes entblöfst ist — auf einen Schüler-
platz in einem Schulklassenmodell genau ein (auf Intensitäts-
gleichheit der beiden Felder), und setzt dann ohne jedwede
sonstige Veränderung das künstliche EUmmelsgewölbe auf, so
sieht man im Photometer, dafs keine Veränderung des Ver-
hältnisses der beiden Intensitäten eingetreten ist.^)
Ich brauche nicht besonders auszuführen, dafs für spezielle
Fälle — wie z. B. für den Fall eines ganz freien Horizontes vor
der Schule — die oben beschriebene Anordnung unbrauchbar
wäre. In dem angeführten Falle z. B. müfste man das Himmels-
1) Nur muTs man natürlich dafür sorgen, dafs wirklich keine andere
Veränderung eintritt als die Annäherung des Himmelsgewölbes (natürlich
auch Abschwächung seiner absoluten Lichtintensität, welche aber auch auf
die Resultate der relativ photometrischen Messung keinen Einflufs hat). Es
dürfen sich bei abgenommenem künstlichem Himmelsgewölbe z. B. keine
Häuser anstatt des Himmelsgewölbes in den Spiegeln spiegeln. Genau ist
der Versuch nur an einem so freien Platze auszuführen, dafs kein Gegen-
stand den Rand der Kiste überragt. Dafs das Himmelsgewölbe möglichst
vollkommen gleichmäfsig leuchten muTs^ versteht sich von selbst
Von Dr. SUnislav Rftül^ka. 49
gewölbe darstellende Papierblatt schief zum Horizont absteigend
konstruieren.
Diese Fälle sind aber — als besonders günstige — für die
Praxis wenig wichtig.
Das Modell des auszumessenden Hauses mufs nicht voll-
kommen ausgeführt werden. Bei einem Schulhause z. B. genügt
es, oft nur ein Klassenmodell (wenn alle Klassen gleich sind)
in der Form eines Kistchens herzustellen, welchem in entspre-
chender Weise ein Brettchen angefügt wird, welches die Front-
wand des Schulhauses darstellt. Das Klasseumodell kann als
eine Parterreklasse untersucht werden und mit entsprechender
Unterlage dann auch als Stock werksklasse fungieren.
Um die dunklen Fenster an den Frontwänden und die be-
absichtigte Farbe des Anstrichs der Frontwände darzustellen,
verfahre ich so, dafs ich in einem, der Form der Frontwand
entsprechend zugeschnittenen Papierblatte von der beabsichtigten
Farbe die Fensteröffnungen ausschneide und das Papierblatt,
mit einem dunkelgrauen Papierblatte unterlegt, auf die Front-
wand aufspanne.
Die Herstellung des Zimmermodells siehe unten bei der
Beschreibung der Experimente über schulhygienische Fragen der
Tageslichtbeleuchtung.
Die Handhabung des relativen Photometers bei der Ausführung
der Messungen.
Will man die relativ photometrischen Werte z. B. für eine
Reihe von Schülerplätzen bestimmen, so bezeichnet man sich
auf der oberen Fläche der Decke des Klassenmodells Punkte,
welche genau senkrecht über den Mittelpunkten der fraglichen
Arbeitsplätze liegen ; und zwar als Schnittpunkte zweier senkrecht
sich schneidenden Geraden (ausführlicher siehe unten S. 55).
Von diesen Punkten aus, als Mittelpunkten, wird je ein rundes
Loch (Durchmesser etwa 1 cm) ausgebohrt.
Der Photometer wird auf die Decke des Zimmermodells so
aufgestellt, dafs sein Okularende dem Experimentator zugekehrt
ArchlT t Hygien«. Bd. LXm. 4
50 I^i^ relative Photometrie.
und das Spiegelende von ihm abgekehrt ist, die Öffnung des
kleinen Tubus über dem dem augenblicklich zu messenden Platze
entsprechenden Loche in der Decke sich so eingestellt beßndet,
dafs die beiden in der Mitte des Loches sich schneidenden Linien
mit den Einkerbungen der Peripherie des kleinen Tubus zusammen-
fallen. Ist das Deckenbrettchen genau horizontal, so spiegelt
sich dem Auge des Beobachters in dem Apparate bei solcher
Aufstellung genau der Mittelpunkt des zu messenden Arbeits-
platzes.
Mittels des Triebes Kn wird nun jene Stellung des Rauch-
glaskeiles ausgesucht, bei welcher die beiden Felder im Apparate
genau gleiche Lichtintensität haben.
Dieser Punkt ist nicht immer auf direktem Wege ganz haar-
scharf zu bestimmen, beson^fi£a..jacfiign die beiden verglichenen
Felder nicht genau g\eyii^^Q^sm£^j^
[Dies kommt sehr^m vorTTSSs iHiiö^lsge wölbe c ist zwar
rein weifs, aber das (von f^)94t$D9§§f emep Arbeitsplatz nach
einer oder mehreren wlflexionen^^langen^er Licht kann infolge
teilweiser Absorption dm^j^fi^^ .afe^^^e^ Flächen farbig
sein, und ist es oft auch in*^ui. iixtSnsivem Grade. Dies kann
man eben bei den relativ photometrischen Bestimmungen, bei
welchen dem Auge das Bild des Arbeitsplatzes genau neben dem
auf gleiche Intensität abgedämpften Bilde des Himmelsgewölbes
erscheint, sehr schön sehen: z. B. bei ganz lichtgelben AVänden
des Schulzimmers erscheint im Photometer das Bild des Arbeits-
feldes, obwohl auf demselben auch reinweifses Papier liegt, ganz
deutlich gelb im Vergleich zu dem es umgebenden Bilde des
Himmelsgewölbes.]
Ich verfahre so, dafs ich mit dem Triebe zwei Ausschläge
um den unbestimmten Neutralpunkt herum mache: einerseits
bis zur ersten Spur des zweifellosen Hellerseins des »Arbeits
platzes«, anderseits bis zur ersten Spur des Dunklerseins, und
die Mitte zwischen diesen zwei Ablesungen nehme ich als den
Neutralpunkt.
Noch feiner wird das Verfahren — und so führe ich es eben
aus — , wenn man von dem Punkte des zweifellosen Hellerseins
Von Dr. StanisUv Rftüdka.
51
fein zurückschraubt, bis der Eindruck des zweifellosen Hellerseins
eben sich verliert, analog mit dem Punkte des Dunklerseins ver*
fährt, und dann die Mitte zwischen diesen zwei Ablesungen als
den gesuchten Wert annimmt. Diese zwei Ablesungen sind ein-
ander nämlich dann immer sehr nahe.
Nach einiger Übung geschehen solche Ablesungen mit einer
grofsen Sicherheit und Genauigkeit. Die Abweichungen zwischen
mehreren Ablesungen sind nicht gröfser als bei den sonstigen
präzisen Photometern. Das Prinzip und die Technik der Ab-
lesung sind ja genau dieselben.
Die Ablesung geschieht in Millimetergraden, da der Apparat
eine Millimeterskala hat.
Jedem Apparate ist aber eine Umrechnungstabelle beigefügt,
welche z. B. bei meinem Exemplar des relativen Photometers
folgender Art ausschaut (nur bruchstückweise angeführt, da die
Tabelle für jeden Apparat eine andere ist) :
Die LichÜDteDSität des betreffenden Plstxes
Millimeter- '
grad
1 iJCbxai^ft ^|}i<7i\iuuxaiDi|} uiuuo AouvA<fcC7u«tva
Hlmmeligewölbe vorausgesetzt)
der Skala
von der augenblicklichen
LichtintensitAt
also bei Liohtintensität
des Himmelsgewölbes
i
; des Himmelsgewölbes
von 2000 Meterkersen
%
Meterkenen
2
4,00
80,0
8
8,92
78,4
4
3,85
77,0
5
8,78
75,6
20
2,73
54,6
21
2,66
58,2
22
2,58
51,6
40
1,82
26,4
41
1,25
25,0
42
1,18
23,6
48
1.11
22,2
44
1,04
20,8
45
0,97
19,4
46
0,90
18,0
47
0,83
16,6
58
0,41
8^2
54
0,36
7,2
52 I^iö relative Photometrie.
Wenn sich bei der Ablesung Brüche von Millimeter er-
geben — was in der Regel vorkommt — so werden entspre-
chende Werte interpoliert.
Das Resultat der Messung kann in der betreffenden Prozent-
zahl angegeben werden. Noch anschaulicher ist es aber, die
Resultate in absoluter Anzahl der Meterkerzen anzugeben, welche
der konventionellen minimalen Intensität des Himmelsgewölbes
(2000 Meterkerzen) entspricht (siehe die dritte Spalte der Tabelle).
Denn diese Zahl gibt direkt in Meterkerzen die Grenze an, bis
zu welcher die Lichtintensität des betreffenden Platzes unter
den ungünstigsten praktisch zu berücksichtigenden Verhält-
nissen sinkt.
In dieser Art sind auch die Resultate meiner im weiteren
angeführten Messungen in den Tabellen angegeben.
n. TeU.
Ich habe nun das systematische Studium der die Tageslicht-
beleuchtung betreffenden zahlreichen hygienischen Fragen mittels
meiner Methode in Angriff genommen. Leider ist aber inzwi-
schen die kalte Jahreszeit herangebrochen, welche länger dauernde
solche Versuche im Freien wegen Erkältungsgefahr bei stunden-
langem Sitzen und wegen der Schwierigkeit feinerer Arbeit mit
gefrorenen Fingern unmöglich macht.
Ich mufs mich also in dieser Publikation auf die Mitteilung
des bisher absolvierten kleinen Bruchstückes dieser Studien be-
schränken, welche ich im Frühjahr dann fortzusetzen gedenke.
Vor allem habe ich das Studium dieser Fragen in bezug
auf die besonderen Verhältnisse der Schule unternommen.
Zu diesem Zwecke habe ich mir vom Tischler ein Modell
einer Schulklasse von maximalen Ausmafsen anfertigen lassen in
solcher Gröfse, dafs 1 m durch 3 cm im Modell dargestellt wird.
Die Länge beträgt 10 m, die Breite 7 m, die Höhe 4 m.
Auch den 3 Fenstern habe ich die etwa maximalen Aus-
mafse (Länge der Glasfläche 2,1 m, Höhe der Glasfläche 3 m)
Von Dr. StaniBlav Rfiiicka.
53
und die etwa günstigste Anordnung gegeben: die Glasfläche
reicht bis 10 cm unterhalb der Zimmerdecke, die ganze Glasfläche
eines Fensters ist nur in drei Teile geteilt (ein einheitlicher
Oberflügel, der untere Teil des Fensters doppelflügelig), so dars
sie bei geschlossenem Fenster durch eine Tförmige Figur der
Fensterrahmen ^) unterbrochen erscheint. Die Arme der T- Figur
haben eine Breite von 10 cm. Die Fenster sind als Doppel-
fenster ausgebildet. Die Dicke der Fensterwand (aus entsprechend
dickem Brett ausgeschnitten) und die Entfernung der beiden
Gasflächen jedes Doppelfensters von einander beträgt 66 cm, die
Breite der zwei Zwischenfensterpfeiler der Fensterwand je 83 cm.
Fig. 8. (Halbe oatürllcbe GrAße.)
Der Fufsboden, die Wände, die Decke des Schulzimmers
können mit einem weifsen, gelblichen, grauen usw. Papier be-
spannt werden, wodurch ein weifser, gelber usw. Waudanstrich,
ferner reiner oder schmutziger Fufsboden nach Belieben nach-
geahmt wird. Anstatt der Tafel ist ein Stück schwarzes Papier
an der Vorderwand angeheftet. Dimensionen der Tafel: 2,5 X
1,4 m.)
Im Schulzimmer sind fünf (der Einfachheit der Modellkon-
struktion halber in einem die ganze Klassenbreite durchlaufende)
Bänke aufgestellt. Die vorderste Bank entspricht genau der
Mitte des vorderen Zwischenfensterpfeilers, die zweite der Mitte
des mittleren Fensters, die dritte der Mitte des hinteren Zwischen-
fensterpfeilers, die vierte der Mitte des hintersten Fensters, die
fünfte ist bis an die Hinterwand des Schulzimmers herangerückt
(letzte Bank des Schulzimmers).
Die »Bänke« sind einfache vierseitige Holzleisten von fol-
gendem unregelmäfsigen Querschnitt (s. oben Fig. 3). Ihre Gröfse
entspricht mittelgrofsen Bänken.
1) Im Modell ist die ganze Glasfläche eines Fensters darch eine ein-
heitliche Glasplatte dargestellt, aaf welcher die Rahmen durch aufgeklebte
Streifen undorchscheinenden Papiers dargestellt sind.
54 ^6 relative Photometrie.
[Für weitere Versuche habe ich mir »zweisitzigec, solche
Bankmodelle hergestellt, welche in voller Anzahl in der Klasse
aufgestellt werden.]
Die abgeschrägte Fläche ist die Arbeitsfläche der Bank.
Die »Bänke« stellen natürlich nur die Bank tische dar. Die
Schülerfiguren sind einfach an den vorderen und an den hin-
teren Flächen der »Bänkec angeklebt. Die an der vorderen
Pläche angeklebten repräsentieren die vor der betreffenden
Bank sitzenden Schüler ; die an der hinteren Fläche angeklebten
repräsentieren die in der betreffenden Bank sitzenden Schüler.
Die Figurinen sind folgenderart angefertigt: Aus einer 10 mm
breiten und 7 mm dicken vierseitigen Holzleiste wurden 3 cm
lange Stückchen geschnitten, in einer Kaliumhypermanganatlösung
gebadet, dadurch tief braun gefärbt (dunkle Kleidung), dann an
dem einen Ende zur Markierung des Kopfes bis etwa 6 mm weit
vom Ende ein wenig Holz abgetragen (lichtes Gesicht, dunkle
Haare).
Die fünf über die ganze Breite des Zimmers laufenden > Bänke c
mit den angeklebten Schülern sind an beiden Seiten in den be-
treffenden Entfernungen an je eine Seitenschiene einen (Blech-
streifen) befestigt, welche wieder an den Boden des Schulzimmers
mittels eines Heftnagels leicht angeheftet werden kann. (Siehe
die Abbildung.)
Auf der ganzen Arbeitsfläche jeder Bank ist ein Streifen
weifsen Papiers^) ausgebreitet, welcher an die Arbeitsfläche mittels
eines längs der Vorderkante und eines längs der Hinterkante der
Arbeitsfläche laufenden straff angespannten Fadens angeprefst
ist. (Eine Veränderung der Ebene der photometrierten Arbeits-
fläche durch nicht genaues Aufliegen des Papiers würde leicht
eine Abweichung der Belichtungsintensität zur Folge haben wegen
Veränderung des Einfallwinkels des Lichtes.)
Die Anordnung der Schüler in diesen Bänken ist so aus-
geführt, wie wenn in dem Schulzimmer drei Reihen zweisitziger
1) Die Helligkeit des Arbeitsplatzes in der Schale muTs an einem
weifsen Papier gemessen werden (entsprechend den Verhältnissen bei der
Schreib- und Lesearbeit).
Von Dr. Stanislav Rfiiicka. 55
Bänke aufgestellt wären. Die von den Fenstern entfernteste
Schülerreihe sitzt an einer Linie, welche von der den Fenstern
gegenüberliegenden Wand 130 cm entfernt ist, die zweite Schüler-
reihe ist von der Wand 180 cm entfernt, die dritte und vierte
Schülerreihe 330 resp. 380 cm, die fünfte und sechste Schüler-
reihe 530 resp. 580 cm.
Um den relativen Photometer auf die einzelnen Arbeitsplätze
einstellen zu können, habe ich an der oberen Fläche der Zimmer-
decke die genau senkrecht oberhalb der Mittelpunkte einzelner
Arbeitsplätze befindlichen Punkte eingezeichnet und dann in
denselben ein rundes Loch ausgebohrt.
[Man macht dies so, dafs man erstens senkrecht auf die
Fensterwand fünf Gerade quer über die ganze Decke konstruiert:
die erste in der Mitte des vorderen Zwischenfensterpfeilers, die
zweite in der Mitte des mittleren Fensters, die dritte in der
Mitte des hinteren Zwischenfensterpfeilers, die vierte in der Mitte
des hintersten Fensters, die fünfte der letzten Bank entsprechend.
Zweitens konstruiert man sechs den Schülerreihen entsprechende
Gerade, welche auf die eben erwähnten fünf Geraden senkrecht
und zwar in den oben angegebenen Entfernungen von der Innen-
wand des Schulzimmers verlaufen. Die 30 Schneidepunkte dieser
Geraden liegen genau oberhalb der Mittelpunkte der einzelnen
Arbeitsplätze. Um jeden diesen Schneidepunkt herum als Mittel-
punkt wird ein rundes Loch durch die Decke ausgebohrt (Durch-
messer etwa 1 cm).]
Das Brettchen, welches als Zimmerdecke dient, wird mittels
Schrauben befestigt, um es — bei Vornahme von verschiedenen
Manipulationen im Schulzimmer — leicht abnehmen zu können.
Der innere Papierüberzug der Decke (Papier von der beabsich-
tigten Farbe) wird aber nicht mit so vielen Löchern versehen,
sondern es werden nur die einer Bank entsprechenden Löcher
ausgeführt und das — natürHch entsprechend lange — Papier
wird bei der Messung nach Bedarf von Bank zu Bank ver-
schoben. Zu diesem Zwecke muls das Papier ein etwas steiferes
sein (dünne Pappe) und die Decke (das Brettchen) darf nur an
56 ^io relative Photometrie.
den Längsseiten angeschraubt sein^), um die Verschiebung des
Papiers in der Richtung der Klassenlänge (zwischen dem Brett-
chen [»Deckec] und den oberen Kanten der beiden Querwände
des Schulzimmers) zu ermöglichen.
Bei der Ausmessung eines Platzes werden natürlich die
übrigen offenen Löcher (oberhalb der übrigen Plätze der betref-
fenden Bank) durch oben auf die Decke aufgelegte entsprechende
Stückchen lichtdichten Papiers zugedeckt. (Da sonst durch die-
selben Licht in die Klasse hineingelangen würde, wodurch die
natürlichen Lichtverhältnisse verändert werden würden.)
Die Fensterwand des Schulzimmers ist in meinem Modell
auswechselbar (abschraubbar) ausgeführt, um den Eintiufs ver-
schiedener Arten der Fensterausführung leicht studieren zu können.
Vor allem handelte es sich mir darum, unter welchen
äufseren Verhältnissen ein möglichst günstig in
bezug auf Zutritt des Tageslichtes an den Arbeits-
plätzen hergestelltes Schnlzimmer, wie das in meinem
Modell dargestellte, als Parterrezimmer (der ungünstigste
Fall) auch für seine dunkelsten Arbeitsplätze — bei
2000 Meterkerzen Intensität des Himmelsgewölbes
— noch die minimale zugelassene Belichtungsinten-
sität von 20 Meterkerzen garantiert hätte.
Das belehrendste von meinen zur Beantwortung dieser Frage
angestellten Experimenten ist das folgende*.
I. Yersneh.
Der Schale gegenüber liegt ein anendlich langes, dreistöckiges, 16,67 m
hohes Gebände, dessen Frontwand licht (gelblich weifs) gestrichen ist (das
daza benutzte Papier reflektierte im Vergleich zum rein weifsen Papiere
— die Reflexion dieses als = 100 ^/^ gesetzt — 86% ^^^ auffallenden Lichtes).
Die Fensterflächen (Fenster in der bei Wohnhäusern üblichen GrOfse und
Anzahl angebracht) und (zwei) Haustüren waren durch ein dunkelgrünlich-
graues Papier dargestellt (Reflexion im Vergleich zum rein weifsen Papier
= 270/,).«)
1) Ich habe das Brettchen nur an der von den Fenstern abgewendeten
Längsseite mit zwei Schrauben leicht angeschraubt.
2) Die 1 gegenüberliegende Wandt war mit einem gelblichweifsen Papier
Überspannt, in welchem die »Fenster < und »Türen« ausgeschnitten waren, and
unter welches ein Blatt des dunkelgrünlichgrauen Papiers unterschoben war.
Von Dr. Stanislay Rfiiicka.
57
Die >Strar8ehoberfl&che iat ebenfallB mit dem erwähnten grünlichgraaen
Papier übenogen.
Das Schnigebäade ist von dem gegenflberliegenden Gebäude 16,67 m
entfernt, sweistöckig, 12,67 m hoch» seine Frontwand ebenso liebt wie die-
jenige des gegenüberliegenden Gebäudes, die Fenster sind ebenfalls durch
das grünlichgraue Papier dargestellt und über das ganse Schnlgebäude eben-
so (GrOfse, Verteilung) wie am Parterrezimmer ausgeführt. Auch das Schnl-
gebäude ist durch die beiden Spiegel ins unendliche verlängert. Ebenso
natürlich das leuchtende > Himmelsgewölbe« und die StraTsenoberfläche.
Der Fufsboden des Schnlzimmers ist mit dem grünlichgrauen (27 Vo ^^'
flexion) Papier bedeckt, die Wände und die Decke mit dem gel blich weifsen
Papier (86*^/o Reflexion).
Das Resultat der Ausmessung der Belichtungsintensitäten
der .einzelnen Arbeitsplätze unter den beschriebenen Verhält-
nissen ist das folgende:
Die Lichtintensitäten der einzelnen Arbeitsplätze in Meter-
kerzen — bei 2000 Meterkerzen Lichtintensität des Himmels-
gewölbes — betragen*):
Bank Nr.
1
V.
III.
I.
4. Schülerreihe
1. *
39,5
15,9
• 49,5
21,2
49,2
27.8
Dieses Beispiel dürfte also annähernd die in der Praxis
ohne besondere Schwierigkeiten erreichbaren Grenzverhältnisse
angeben, bei welchen eine praktisch genügende Beleuchtung (für
das Prager Lichtklima) erzielt wird. Einige 2 bis 3 hintersten
Plätze der 1. und 2. Schülerreihe sinken unter solchen Verhält-
nissen unter das geforderte Minimum, die müfsten also — be-
sonders im dunkleren Jahresteile — unbenutzt bleiben.
Die Farbe des Schulzimmerfufsbodens ist zwar vielleicht etwas
zu ungünstig angenommen (sehr schmutziger Fufsboden), dafür
aber die Farbe des gegenüberliegenden und des Schulgebäudes
1) Diese hier erstangeführten Experimente (I und II) — mit auf seine
ganze Höhe entferntem gegenüber liegendem Gebäude — waren eben die
letzten von mir noch ausgeführten, bei welchen ich eben wegen kalter Wit-
terung weitere Messungen für dieses Jahr aufgeben mufste. Deswegen sind
eben auch die Zahlen nur für eine kleine Anzahl von Plätzen bestimmt, die
folgenden, früher ausgeführten sind ausführlicher.
58
Die relative Photometrie.
wieder sehr günstig, wie sie auf die Dauer in der Praxis nicht
leicht zu erreichen ist.
Wie stark sich die Belichtungsverhältnisse verändern, wenn
das gegenüberliegende Gebäude dunkler wird, davon zeugt der
folgende
II. Tersaeh,
bei welchem die einzige Abänderung eingeführt wurde, dafs die ganze Front-
wand nur 27^0 (im Vergleich zum rein weifsen Papier) des auffallenden
Lichtes reflektiert (die ganze Frontwand mit dem grünlichgrauen Papier
überzogen).
Unter diesen Verhältnissen betragen die Lichtintensitäten
der einzelnen Arbeitsplätze — bei 2000 Meterkerzen Lichtinten-
sität des Himmelsgewölbes:
Bank Nr.
V.
4. Schülerreihe
3. » .
2.
1.
22,2
9.6
33,0
13,8
35,5
17,7
mit meinem Apparate, welcher
nur bis 7,2 Meterkersen reicht.
nicht mehr mefsbar.
Wird die Entfernung des gegenüberliegenden Ge-
bäudes bedeutend kleiner als seine Höhe gemacht, so
ist eine genügende Beleuchtung aller Plätze im Parterrezimmer
(ohne besondere Behelfe) nicht zu erreichen. Davon zeugt der
III. Yersueh.
Anordnung des Schalzimmers dieselbe, auch die Strafsenöberfläche von
derselben Farbe wie in den ersten Versachen. Das gegenüberliegende Ge-
bände, sowie auch das Schulgebäude lichtfarbig, lichtgelb (77 7o Reflexion),
sogar ohne die dunkleren Fenster (als einheitliche Wand); aber seine Ent-
fernung von dem Schulgebäude beträgt nur */$ ^o^ seiner Höhe (16,67 m),
nämlich 11,11 m.
Unter diesen Verhältnissen betragen die Lichtintensitäten
der einzelnen Arbeitsplätze bei 2000 Meterkerzen Lichtinteusität
des Himmelsgewölbes:
Bank Nr.
V.
IV.
m.
II.
I.
4. Schülerreibe . . .
29,5
37,1
36,9
34,8
39,2
3. > ...
21,5
28,5
28,2
28,5
31,6
2. * ...
17,3
22,6
21,1
24,5
25,7
1. » ...
14,5
I
16,9
18,7
18,7
21,8
Von Dr. Stanislav Rüiiöka.
59
Also 5 Plätze erscheinen unbrauchbar, obwohl die fenster-
losen hellen Frontwände einen ausnahmsweise günstigen Umstand
darstellen, auf welchen man in der Praxis im allgemeinen nicht
rechnen kann.
Es sollen hier femer noch einige Experimente angeführt
werden, welche ich ausgeführt habe, um einige weitere den
Lichtzutritt beeinflussende Momente quantitativ zu erfassen.
Tersneh IT.
Derselbe Versach wie der vorige, nur ist die Klasse unbesetzt,
leer (keine Schüler darin).
Die Resultate der
Messung waren
die folgenden:
Bank Nr. !
V.
IV.
III.
IL
I.
4.
Schalerreibe . . .
40,4
47.4
49,5
49,7
49,5
3.
> ...
36.9
42,5
45,3
45,6
45,6
2.
» ...
29,9
33,4
35,5
38,4
37,2
1.
» ...
27,8
31,6
33,7
33,7
34,3
Diese Zahlen zeigen, wie gewaltig die Lichtintensität der
Arbeitsplätze durch die Anwesenheit der Schüler abgeschwächt
wird. Wieviel davon auf die Schlagschatten und wieviel auf
die Lichtabsorption durch die dunkle Kleidung kommt, kann
leicht durch weitere Versuche ermittelt werden.
Der foUrende V. Yersaeh
zeigt die Verhältnisse, wie sie sich gestalten, wenn blols die 1., 2.,
3. und 4. Schülerreihe besetzt sind, die Schüler der 5. und 6. Reihe
aber ausbleiben:
Bank Nr.
V.
IV.
III.
ir.
I.
4. Scbülerreihe . . .
31,6
38,8
40,7
39.2
41,4
3. * ...
23,9
30,1
30,6
30,9
33,7
2. > ...
■ 17,6
22.9
23,1
26,4
27,4
1. » ...
14,8
18,7
19,0
20,8
23,9
Der III. Versuch zeigt dann die Verhältnisse bei voller
Besetzung der Klasse.
60
Die relative Photometrie.
Der YI. Yersneh
sollte mir zeigen» wieweit die Lichtfülle der Klasse unter den im
III. Versuche beschriebenen Verhältnissen gehoben werden kann,
wenn man auf die Fensterbrüstung eines jeden der 3 Fenster
einen 2 m langen und 60 cm breiten in einem Winkel von etwa
15° geneigten Spiegel auflegt, welcher das auf die Fenster-
brüstung auffallende Licht gegen die Decke reflektiert.
Das Resultat der Messung war das folgende:
Bank Nr.
V.
IV.
III.
II.
I.
4. Scbülerreihe . . .
32,7
39,2
40,1
37,1
40,7
o. > ...
26,3
31,3
31,3
31,0
32,9
2. » ...
19,0
25,0
22,9
27,4
29,2
1. > ...
1
16,6
19,7
20,8
23,2
27,1
Vergleicht man diese Zahlen mit den im III. Versuche
erhobenen, so sieht man, dals der Unterschied, die Besserung
der Lichtverhältnisse, nicht unbedeutend ist. Sämtliche Schüler-
plätze zeigen eine gröfsere Lichtfülle. Der Zuwachs beträgt bei
verschiedenen Plätzen 4 — 17%, wobei im ganzen der relative
Zuwachs desto gröfser ist je dunkler der Platz. Von den 5
unbrauchbaren Plätzen sind 3 zu brauchbaren geworden und
auch die übrigen zwei bedeutend gebessert worden.
Es wird die Aufgabe weiterer Versuche sein, genauer die
günstigen Bedingungen (Neigung des Spiegels u. a.) zu bestimmen.
In einzelnen konkreten Fällen wird man am besten spezielle,
auf die Verhältnisse des betreffenden Falles genau angepafste
Versuche ausführen.
Der VII. Versuch
soll im Vergleich mit dem IV. Versuche ilhistrieren, wie stark die
Lichtfülle des Schulzimmers durch dunkle Farbe des gegen-
überliegenden Gebäudes (fensterlose gleichmäfsig graue Wand)
herabgesetzt wird. (Vgl. auch den I. und IL Versuch.)
Die Verhältnisse waren bei diesem Versuche genau dieselben
wie beim IV. Versuche, nur war die gegenüberliegende Wand
grau (27% Reflexion) anstatt lichtgelb (77% Reflektion).
Von Dr. Stanislav RÜiiika.
61
Die Lichtintensitäten der Arbeitsplätze betrugen
Bank Nr.
V.
IV.
III.
n.
I.
4. Schülerreihe . . .
14,9
21,6
23,6
24,3
25,7
0» * ...
10,3
16,6
19,4
19,4
20,1
2. » ...
-0
7.7
9^
9,9
9,6
1. > ...
-0
-»)
-•)
7,7
7,7
Im Till. Tersneh
war auCserdem auch noch die Frontwand des Schul-
gebäudes mit demselben grauen Papier liberzogen, was
noch stärkere Abnahme der Lichtfülle der Klasse zur Folge hatte:
4. Schfllerreihe .
3.
2. >
1.
sämtlich kleinere Werte als 7,2 (mit meinem
Apparat nicht meJDsbar).
Dagegen zeigt der
IX. Yennoh
eine wie grofse Lichtfülle zu erreichen wäre, wenn nicht nur die
gegenüberliegende Wand und die Frontwand des Schulgebäudes,
sondern sogar auch die (z. B. schneebedeckte) Strafsen-
oberfläche licht wären (Reflexion 77%.)
Die entsprechenden Zahlen waren (Verhältnisse genau wie
beim IV. Versuch, nur auch die Strafsenoberfläche lichtgelb):
Bank Nr.
V.
IV.
III.
II.
• I.
4. Schalerreihe . . .
68,8
63,3
64,7
64,7
65,1
3. , ...
56,3
59,9
62,3
62,3
62,3
2. . . .
50,2
53,5
55,5
56,0
55,3
1. > ...
48,5
50,5
54,1
53,5
53,2
Aus den eben angeführten Experimenten ergeben sich
interessante Anhaltspunkte zur Beurteilung des Wertes des soge-
nannten Lichtraumwiukels als Mafs der Lichtversorgung des
betreffenden Platzes.
1) Weniger als 7,2.
62
Die relative Photometrie.
Durch günstige (lichte) Farbe der reflektierenden Flächen
ist es zu erreichen, dals Plätze, welche überhaupt keine direkten
Lichtstrahlen vom Himmelsgewölbe bekommen, genügend — ja
sogar ziemlich reichlich — mit Licht versorgt sind.
Z. B. die Schülerplätze der 1. Schülerreihe im I. Versuche
bekommen überhaupt kein direktes Licht vom Himmelsgewölbe
(ihr Raumwiukel ist numerisch gleich Null, nach geometrischer
Konstruktion — siehe Fig. 4 — eigentlich sogar negativ ^), und
doch haben zwei Drittel von ihnen auch bei der minimalen
konventionellen Lichtintensität des Himmelsgewölbes eine ge-
nügende Beleuchtung.
KoDBtraktion des äufsersten vom direkten Himmelslicht noch getroffenen
Punktes in der Klasse beim I. und III. Versuch.
a
uUL
ü
y
/
y
!?•
3.
Fig. 4.
Frontwand des gegenüberliegenden Gebäudes, dessen Entfernung von
der Schule gleich seiner Höhe ist.
Frontwand des gegenüberliegenden Gebäudes, dessen^^Entfemang von
der Schule gleich Vt seiner Höhe ist.
Arbeitsplatz der 3. Schülerreihe, 4. = Arbeitsplatz der 4. Schülerreihe.
Noch weit auffallender ist es im HI. Versuche, wo aber
besonders günstige Reflektionsverhältnisse vorliegen, wie sie in
der Praxis nur ausnahmsweise erreicht werden können: das
1) Der negative Wert des Kaumwinkels hat die praktische Bedeutung,
dafs der betreffende Platz noch weiter vom Fenster entfernt ist als ein Plats,
dessen Raumwinkel geometrisch gleich Null ist.
Von Dr. Stanislav Rftiicka.
63
igegenüberliegende Gebäude« ist eine einheitliche, recht lichte
Wand ohne die dunklen Pensterflecke ; ebenso auch die Wand
des Schulgebäudes, in welcher nur die Fenster der gemessenen
Klasse ausgeführt sind. — In diesem Versuche bekommen alle
Plätze der 1., 2., 3. und 4. Schülerreihe auch überhaupt kein
direktes Himmelslicht (siehe Fig. 4) und doch haben nur fünf
unter 20 solchen Plätzen ungenügende Beleuchtung.
Die Frage also, ob ein Schülerplatz, welcher nur
reflektiertes (und kein vom Himmelsgewölbe direkt
kommendes) Licht bekommt, durch dasselbe — und zwar
ohne besondere Vorrichtungen — in genügendem Mafse
belichtet werden kann, mufs also als im positiven Sinne
entschieden betrachtet werden.
Anhang.
Systematische Messung der Intensität des Himmelgewölbes
im Zenit (in Prag).
Als Kontrolle meiner vor zwei Jahren ausgeführten Messungen
habe ich auch in diesem Winter auf dieselbe Art^) dieselben
durchgeführt.
Die Resultate waren die folgenden (in Meterkerzen):
Datum
1
1
rm 9 rhr
vonnittagH
Bedeckimg des
Himmels
Im 3 Uhr
nach-
mittags
Bedeckung des
Himmels
Oktober 1906. 1
22.
5 569
gleichmärsig. Nebel
10594
gleichmäfsig. Nebel
23.
8817
> »
8817
UDgleicbmäfHig
24.
3968
> f
—
25.
8 817
> >
8 817
gleicbraärsig
26.
—
5 473
»
27. 1
3 690
» >
—
—
30.
7115
> »
—
—
November i
8.
8 817
UDgleichmäfsig
1
9.
2885
gleicbmäfsig blau
—
10.
4600
zieml. gleicbmäfsig
2 286
zieml. gleicbmäfsig
1) Archiv für Hygiene, Bd. LIV, S. 32.
64
Die relative Photometrie.
Datum
Um 9 Uhr
vormittags
Bedeckung des
Himmels
Um 3 Uhr
nach-
mittags
Bedeckung des
Himmels
November
12.
13.
20. 7 557
21. I 4 176
22.
23. 6 471
26. \ 4 828
27. 3 165
28. —
29. 7 053
30. 4408
Dezember
1. 4 572
3. 1983
4. 4408
5. 8 816
6. 4 959
7. 1807
10. 2 993
11. 2 572
12. 4 959
13. 1 936
14. 3 355
15. 4 115
17. 1 466
18. 2 572
19. 2 159
20. 4 572
21. 959
22. 2 032
24. 2 159
27. 4 115
28. 3 292
29. 747
31. 3 355
Januar 1907
2. 4 572
3. 4 115
4. 1 789
5. 3 658
7. 2 318
8. 1 2 698
gleichmilfBig blaa
ungleichmäfsig
zieml. gleichmäfsig
angleichmäfsig
zieml. gleichmäfsig
ungleichmäfsig
>
zieml. gleichmäfsig
gleichmäfsig
»
zieml. gleichmäfsig
gleichmäfsig
gleichmäfsig, Nebel
gleichmäfsig
ungleichmäfsig
zieml. gleichmäfsig
> >
gleichmäfsig
6348
3292
2 572
4 572
2 032
1466
925
1983
4 572
' 1727
1466
4 572
707
4572
717
1413
3578
3106
2159
2159
3429
3 292
4572
3658
2159
4115
4 572
2 743
2 993
4 115
2 032
4 572
3 429
2 032
3 578
ungleichmäfsig
»
gleichmäfsig blau
gleichmäfsig
gleich mäüaig blaa
zieml. gleichmäfsig
gleichmäfsig, Regen
ungleichmäfsig
>
ungleichmäfsig
>
>
gleichmäfsig, Regen
>
zieml. gleichmäfsig
ungleichmäfsig
zieml. gleichmäfsig
gleichmäfsig
angleichmäfsig
zieml. gleichmäfsig
zieml. gleichmäfsig
gleichmäfsig
zieml. gleichmäfsig
ungleichmäfsig
>
zieml. gleichmäfsig
»
>
Von Dr. Stanisiav R&iiika.
65
Datum
1
Um 9 Uhr
Yormittaga
Bedeckung des
Himmeb
Um 3 Uhr
nach-
mittags
Bedeckung des
Himmels
Janaar
1
9.
10.
2939
1751
gleicbm&fsig
>
1895
2058
gleichrnftfeig
>
11.
4 572
*
2 939
>
12.
4572
>
—
—
14.
15.
16.
17.
18.
19.
4959
8 919
1496
2989
1431
angleichmäfBig
gleichmäfsig
äeml. gleichmftTsig
gleichmäfBig
>
1646
2 939
971
3292
2698
gleichmftAig
zieml. gleichmftTsig
gleichrnftCsig
angleich mftCrig
zieml. gleichmftfsig
21.
22.
2 572
3658
>
>
3 919
3 292
zieml. gleichmftTsig
> »
23.
3919
blauer Himmel
3578
blaaer Himmel
24.
3 658
* >
3919
> »
25.
4115
» >
3 919
» >
26.
28.
29.
30.
31.
Febmar
1829
2 790
8292
4 572
4572
gleichm&Tsig
angleichmttCiig
>
zieml. gleichmftTsig
2939
3919
4115
4959
zieml. gleichmftÜBig
ungleichmftTsig
zieml. gleichmftTsig
1.
4959
> >
4176
> »
4.
3106
* »
3658
> >
Das Resultat dieser Messungen kann man etwa folgender Art
resamieren :
In ähnlicher Weise wie bei meinen früheren Messungen^)
hielt sich die Intensität des Himmelsgewölbes im Zenit mit
Ausnahme wieder des ungünstigen Monates: Dezember, welcher
aber dieses Mal (relativ) abnorm günstig, licht war — zwischen
der 9. Stunde vormittags und der 3. Stunde nachmittags fast
ausnahmslos oberhalb des Wertes von 1500 Meterkerzen, und
selbst kleinere Werte als 2000 Meterkerzen kamen ziemlich selten
vor: Unter 82 Messungen ergaben nur 8 (=9,8%) Fälle Inten-
sitäten unterhalb 2000 und von diesen 8 nur 3 (=3,6%) eine
Intensität unterhalb 1500 Meterkerzen. [Für den Winter 1904/05
1) Archiv fflr Hygiene, Bd. UV.
AiehlT fflr Hjglene. Bd. LXIIl.
66 I^ie relative Photometrie. Von Dr. Stanislav Rftiicka.
waren die betreffenden Zahlen : 56 Messungen, davon 3 (= 5,4%)
unterhalb 2000 Meterkerzen, davon 1 {=iß%) unterhalb 1500
Meterkerzen].
Im Dezember ergaben die Messuugen wieder bedeutend —
wenn auch nicht in dem Mafse wie im Winter vor zwei Jahren —
ungünstigere Resultate : Unter 44 Messungen wiesen 11 (=25 %)
eine niedrigere Intensität als 2000 Meterkerzen auf, von diesen
11 Intensitäten waren 7 (= 15,9%) geringer als 1500 Meterkerzen,
und von diesen 7 sogar 4 Intensitäten (=9%) kleiner als 1000
Meterkerzen. [Für den Wintör 1904/05 waren die betreffenden
Zahlen: 39 Messungen, davon 19 (=48,7%) unterhalb 2000
Meterkerzen, davon 11 (=28,2%) unterhalb 1500 Meterkerzen,
davon 3 (= 7,4%) unterhalb 1000 Meterkerzen.]
Ich glaube auf Grund dieser Resultate (für Prag) die »kon-
ventionelle minimale Tageshelligkeit«, wie ich sie in
meiner ersten Arbeit angegeben habe, nämlich im Werte von
2000 Meterkerzen, beibehalten zu sollen.
Es wäre sehr wünschenswert, wenn solche Messungen auch
in möglichst zahlreichen anderen Städten ausgeführt würden.
Anmerkang bei der Korrektar.
Während der Darchlegang meiner Arbeit ist die wichtige Arbeit von
Poesek (Archiv f. Hygiene Bd. 60) erschienen. — Aus diesen Unter-
sachnngen ergibt sich vor aUem von neuem, dafs die Sehschärfe bei ver-
schiedenen Personen beim Sinken der Lichtintensität von 30 bis zu 8 Meter-
kerzen in sehr verschiedener Art sich verändert. Die Darchschnittsiahlen
aber (von 60 Normal- und 60 Kurzsichtigen) ergeben, dafs bei Normalsicb-
tigen im Durchschnitt 10 Meterkerzen, ja nach der Ansicht des Autors
selbst sogar 6 Meterkerzen, als minimale Lichtintensität zugelassen werden
können. — Würde man also 10 Meterkerzen als den absoluten Grenzwert
annehmen, so könnte man sich mit ViVo relativer Lichtintensität im Sinne
der relativen Photometrie, als dem minimalen Grenzwert begnügen.
über die Angreif barkeit der verzinnten Konserveabttchsen
dnrch Sänren nnd yerßchiedene Konserven.
N&ch zum Teil in GemeiDschaft mit den Herren P. A. Walther aus
Wflnbnrg, Paal Dercken aus Westfalen, Dr. Ferd. Müller aus Witilicb,
Dr. L. S c h a 1 1 e r aus Trier, Dr. W. Glaser aus Niederramstadt und Dr. Isidor
Lilienstein aus Gräyenwiesbach angestellten Versuchen von
Prof. Dr. E. B. Lehmann.
(Aus dem hygienischen Institut in Würzburg.)
I. Einleitung und Literatur.
Im Bd. 45, 8. 88 dieses Archivs habe ich über eine Reihe von
Untersuchungen berichtet, welche ich über den Zinngehalt von
Konserven und seine hygienisch - toxikologische Bedeutung an-
gestellt habe. Ich hatte zwar aus meinen Studien den Schlufs
^) Die genannten Herren haben über einen Teil der Resultate in ihren
Dissertationen berichtet:
P. A. Walther, Orientierende Versuche Über das Verhalten von Kon-
servenbüchsen gegen Säuren (noch nicht gedruckt).
P. Dercken, Weitere Versuche über das Verhalten etc. Der Autor
ist leider verstorben kurz vor der Promotion.
F. Müller, Ober die Lösliohkeit des Zinns durch Weinsäure usf.
L. Schüller, Orientierungsversuche über die Löslicbkeit des Zinns
anter verschiedenen Bedingungen des praktischen Lebens.
W. Glaser, Über den Einflnfs des Fettes, der Nitrate und des Offen-
Stehens auf den Zinngehalt von Konserven.
J. Lilienstein, Neue Untersuchungen zur Frage der Zinnlösung in
Konservenbüchsen; Einflufs der Viskosität, des Zuckergehaltes und einer
deckenden Fettschicht.
Eine vorläufige Mitteilung von Prof. Dr. K. B. L e h m a n n in der physik-
med. Gesellschaft in Würzburg fand statt am 21. Juni 1905, ein Referat
findet sich in den Sitzungsberichten der Gesellschaft 1905.
5»
68 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
gezogen, dafs die Zinnmengen , wie sie aus den Weifsblech-
büchsen in unsere Konserven übergehen, keine greise hygienische
Bedeutung besitzen, und dafs sie nur selten akute ernstere Ver-
dauungsstörungen und wohl niemals eine chronische Vergiftung
hervorzurufen imstande sind. Doch schienen mir bei dem Inter-
esse, das in weiteren Kreisen dem Metallgehalt unserer Nahrungs-
mittel entgegengebracht wird, ausgedehntere Untersuchungen im
Interesse der Hygiene und Nahrungsmittelindustrie am Platze.
Nach der a. a. O. von mir gegebenen Zusammenstellung des
Zinngehalts in einem Kilo vegetabilischer Konserven schwankt
derselbe zwischen Spuren und ca. 600 mg pro Kilo. Mengen
von 160 — 250 mg sind sehr oft beobachtet.
In der Literatur habe ich seitdem noch folgende weitere Angabe
gefunden :
In dem Bericht über die Nahrungsmittelkontrolle in Hamburg im Jahre
1903 und 1904 berichtet Farnsteiner yon Zinnuntersuchungen in Rhabarber,
der in lackierten Weirsblechbüchsen aufbewahrt war. Der Lack Überzug war
mehr oder weniger zerstört und in gleichem MaTse war die Verzinnung an-
gegriffen. Die Konserven enthielten pro Kilo 150 — 800 mg Zinn. An der
gleichen Ware wurden von Hamburger Handelslaboratorien sogar über 1960 mg
Zinn pro Kilo nachgewiesen. Diese Konserven stammten aus dem Jahre
1899 und wurden als frische Ernte verkauft. Die Rhabarberkonserven ent-
hielten rd. 0,6% Apfelsfture, 0,2% Oxalsäure.
Es schien der Mühe wert, zu erforschen, woher dann diese
gewaltigen Schwankungen im Zinngehalte kämen. Der erste
Gedanke, dafs es in erster Linie auf die Azidität der Füllung
ankomme, ist sicher nicht geeignet, alles zu erklären, denn es
finden sich sehr zinnreiche Spargel von minimaler Azidität neben
zinnarmen sauren Fruchtsäften.
Die einzigen mir bekannten systematischen Versuche, die
man heranziehen konnte, hat R. Kayser^) in Nürnberg über
Lösungen von Zinn durch Säuren und Chlomatrium angestellt.
Er füllte Weifsblechbüchsen von einer Kapazität von 250 ccm
mit der zu untersuchenden Flüssigkeit und verschlofs die Büchsen
') R. Kays er, Über zinnhaltige Konserven, Forschungaberichte Ober
Lebensmittel. 1. Jahrgang 1894. — Irrtümlicherweise habe ich die obigen
Zinnzahlen in meiner Publikation im Bd. 45 des Archivs zehnmal zu niedrig
angegeben, indem ich sie auf 1 1 bezogen annahm.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
69
unverlötet mit dem Weifsblechdeckel. Es ist dies wohl so zu
verstehen, dals die moderne Falzmethode beim Büchsenverschlufs
angewendet wurde. Am Schluls des Versuchs wurde der Inhalt
der Büchsen durch Schütteln gut gemischt und Proben heraus-
pipettiert. Fest ansitzende Kristallüberzüge von Zinnsalzen
waren entweder nicht vorhanden oder sie wurden bei der Analyse
nicht beachtet.
Tabelle I.
Es losten 100 com:
EflsigBäure
WeinsAare
Apfelflänre
Chlomairinm ....
-7T-
noch
1 Monat
nach
6 Monaten
"/,
0,6
2,0
0,2
0,6
0.2
0,6
0,2
0.6
mg
1.4
3,2
4.9
12,0
6,1
10,6
mg
2,8
4.2
7.2
21,0
6,8
18,2
Spar
2,2
nach
1 Jahr
mg
4,1
5,1
10,0
42,9
7,9
22,9
2,3
5,4
Zunächst erschienen mir diese Zahlen — weil ich sie durch
ein Versehen auf 1 1 statt auf 0,1 1 bezog — auffallend nieder,
zweitens fehlten Versuche mit höheren Säurekonzentrationen,
während doch der Säuregehalt der üblichen Obstsorten nach
König meist zwischen 1 und 2 bis 2^J2% Säure beträgt^), und
endlich fehlte mir jeder Fingerzeig, wie ich die hohen Zinu-
zahlen in wenig sauren Gemüsen erklären sollte.
Nach König betrftgt der darchschnittliche Säuregehalt der Äpfel
0,82%; er steigt aber gar nicht selten bis 1,3, ja 1,67 Vo- Zwetschgen ent-
halten 0,85 <*/o; Pflaamen l,5<*/o, Reineklauden 0,91 «'/o freie Säure, wobei die
Natur der S&ore nicht angegeben ist. Bei Aprikosen wird der Durchschnitts-
Bftaregehalt zu 1,16 Vo> das Maximum xu Ifi^U angegeben; bei Kirschen der
Durchschnitt su 0,91%, das Maximum zu 2%; ^®i Weintrauben der Durch-
Bchnitt zu 0,78 */o» das Maximum zu Ifiß^U; bei Erdbeeren der Durchschnitt
la 0,98 <^/o, das Maximum zu 1,65% >' hei Himbeeren der Durchschnitt zu
1,42% das Maximum zu 1,98 <»/o; bei Heidelbeeren der Durchschnitt zu 1,66 Vo.'
bei Maulbeeren zu 1,86%; bei Stachelbeeren der Durchschnitt zu 1,42%,
das Maximum zu 2,4^/«, bei Johannisbeeren zu 2,15 ®/o, das Maximum zu
70 tTber die Angreifbarkeit der verzinnten Konserven bflchaen etc.
Die eigenen Versuche, die ich 1902 mit meinen Schülern
begann, wollten zunächst den Einilufs der Säurekonzentration
und daneben den des Lacküberzuges der Büchsen feststellen.
Erst nach einer gröfseren Reihe von Versuchen kam ich all-
mählich dahinter, dals noch ganz andere Faktoren von maTs-
gebender Bedeutung für die Zinnlösung seien, Faktoren, die
bisher meines Wissens kaum oder gar nicht beachtet sind.
Und wenn ich später erkennen mufste, dafs die ersten Versuchs-
reihen, unter falscher Voraussetzung angesetzt, vielfach zu un-
brauchbaren Resultaten führen mufsten, so habe ich doch die
Genugtuung, dafs die vergeblich aufgewendete Arbeit doch schliets-
lich auf den richtigen Weg führte.
2. Methodik.
In den ersten Versuchsreihen wurde nebeneinander mit Wein-
säure, Apfelsäure und Zitronensäure gearbeitet. Die beiden erst-
genannten Säuren wurden gewählt, weil sie nach Kayser besonders
stark Zinn lösen; die weitverbreitete und in ihrem Zinnlösungs-
vermögen noch nicht studierte Zitronensäure fügte ich neu hinzu.
2,53 ^Iq ; bei Preifselbeeren zu 2,34 Vo- l^ie Säure der Äpfel besteht aus Apfel-
Bäure, die Säure der Trauben wird als Weinsäure berechnet. Sonst finde ich
nur noch die Angabe, dafs die Säure der Himbeeren als Weinsäure, die
Säure der Preifselbeere als Apfelsäure berechnet sei. Was für Annahmen
bei den anderen Obstsorten fQr die Berechnung der Säure aus dem Titrier-
ergebnis gemacht sind, ist nicht gesagt.
Im Begriff, das Manuskript abzusenden, erhalte ich Nr. 12 der Zeitschr.
für Untersuchung der Nahrungs- und Genufsmittel, Bd. 12, vom 15. De-
zember 1906 mit den ausführlichen Angaben über die Fruchtsaftstatistik vom
Jahre 1906, an der sich nicht weniger als sechs Untersuch ungsämter für
Nahrungsmittel methodisch beteiligt haben. Es finden sich sehr saure Säfte
darunter. Namentlich Johannisbeersaft (aus schwarzen Johannisbeeren) mit
einer Azidität bis zu 62 ccm Normalsäure in 100 Saft oder mit einem
Apfelsäuregehalt bis 4,1^0 ^^^it auf. — Die von mir später am häufigsten
gewählten Aziditäten l^o Weinsäure (13,3 ccm Normalsäure in 100) und
17 ccm Normalsäure in 100 entsprechen teils etwa (13,3), stärker sauren Frucht-
sirupen teils (17) schwach sauren Fruchtsäften. Die Fruchtsirupe enthalten
etwa 68 Vo Invertzucker. Die im folgenden erwähnten Fruchtsäfte, wie sie
im Kleinhandel sind, wären alle korrekter als Fruchtsirupe zu bezeichnen.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 71
Später wurde nur noch Weinsäure verwendet, weil es un*
durchführbar war, die vielen Einzelfragen mit mehreren Säuren
zu studieren.
Die im folgenden verwendeten Büchsen waren aus verzinntem
Eisenblech mit modernen Maschinen zusammengefalzt und nur
bei Verwendung von stärkerem Blech von aufsen in der Längsnat
wenig gelötet. Da gegenwärtig das Weifsblech für saure Kon-
serven in der Regel einen Lacküberzug erhält, so wurde auch
dessen Bedeutung durch Parallelversuche mit lackierten Büchsen
geprüft. Die Bleche werden von dem Konservenfabrikanten blank
bezogen und selbst lackiert. Nach dem Überstreichen mit Lack
werden die Bleche im Ofen gebacken, wobei je nach der Tem-
peratur hellgelbe bis goldbraune Töne auftreten. Die Büchsen
hatten 9 cm Durchmesser, 13 cm Höhe und fafsten zwischen
830 und 850 ccm Flüssigkeit.
Die Oberfläche, welche mit der Flüssigkeit in Berührung
kam, berechnete sich zu rd. 340 qcm Mantelfläche und 63 qcm
Bodenfläche. Auf diesen rd. 400 qcm sind rd. 1260 mg Zinn auf-
getragen. Vier Bestimmungen von vier Stellen eines gröfseren
Weifsbleches, wie es damals zu der Büchsenherstellung verwendet
wurde, ergaben pro 5 qcm Blech, d. h. pro 10 qcm Oberfläche
43, 41,5 40 und 38 mg Sn02, also im Durchschnitt 40 mg Sn02,
gleich 31,5 mg Zinn. Dies macht 3,15 mg pro qcm. Unten noch
mitzuteilende Versuche an drei verschiedenen anderen Blechen
ergaben 3,7, 3,5 und 2,6 mg. Bei der Untersuchimg von derberem
Blech, wie es zu Fleischkonserven für das Militär diente, hatte
ich früher a. a. 0. 10 mg pro 1 qcm gefunden.
Über die verwendete Lackmenge kann ich folgendes angeben :
Als das verzinnte einseitig lackierte Eisenblech in Salzsäure
gelöst wurde, schieden sich, entsprechend 25 qcm Oberfläche, 16,0
und 19,1 mg einer leichten klumpigen Masse ab, die dem
Lacküberzug entspricht; es kommen also etwa 0,7 mg Lack auf
1 qcm Büchsenoberfläche.
Über die Methodik der Bestimmung des Zinns und des Eisens
in reinen Säurelösungen ist nicht viel zu berichten. Das Zinn
72 Über die Angreifbarkeit der verzinnten EonseryenbQchsen etc.
wurde bei schwach salzsaurer Reaktion durch Schwefelwasser-
stoff gefällti abfiltriert und etwas mit SchwefelwasserstofEwasser
ausgewaschen. Hierauf wurde es nochmals in heifser, verdünnter
Salzsäure gelöst und ein zweites Mal mit Schwefelwasserstoff
gefällt. Auf diese Weise wurde es reingelb und frei von Eisen
erhalten. Das Schwefelzinn wurde mit etwas Salpetersäure in
einem Porzellantiegel übergössen, abgedampft, schwach geglüht
und als Sn02 gewogen.
War Zinn und ev. Eisen in einer stark zuckerreichen, vis-
kosen Flüssigkeit gelöst (Fruchtsirupe und Nachahmungen solcher),
so geschah die Zinnbestimmung auf folgende Weise. Die auf
ihren Zinngehalt zu prüfende Substanz wurde verkohlt, zu Asche
verbrannt, die mit heifser, verdünnter Salzsäure aufgenommen
und filtriert wurde. Das Filter wurde durch häufiges Auswaschen
mit heifsem Wasser von der Salzsäure befreit, darauf verbrannt,
geglüht und mit festem Kaliumhydrat in einen silbernen Tiegel
gegeben^ wo der Schmelzungsprozefs (Umwandlung in Kalium-
stannat) bei mälsiger Erwärmung innerhalb drei Minuten glatt vor
sich ging. Nun wurde das in Wasser gelöste Schmelzungs-
produkt mit dem vorher gewonnenen Filtrat vereinigt, Schwefel-
wasserstoff eingeleitet und die Menge des Zinns und im Filtrat
das Eisen wie oben bestimmt.
Die Methode ist rasch und bequem ausführbar und sehr zu
empfehlen.
Im Filtrat vom Zinn wurde das Eisen durch Schwefelammo-
nium gefällt, und zu dem Niederschlag die zweite kleine Schwefel-
eisenmenge gefügt, welche mit dem Zinn bei seiner ersten Fäl-
lung niedergeschlagen war. Das vereinigte Schwefeleisen wurde
in Salzsäure gelöst, der Schwefel abfiltriert, die Flüssigkeit
mit etwas Kaliumchlorat gekocht und mit Natronlauge unter
Kochen gefällt. Das Eisenhydroxyd wurde abfiltriert, die Filter
verbrannt und das Eisen als Eisenoxyd gewogen. In einer An-
zahl von Versuchen mit reinen organischen Säuren wurde noch
einfacher verfahren, es wurde nämlich das Schwefeleisen einfach
durch Glühen in Eisenoxyd verwandelt.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
73
3. Erste orientierende Versucliereilie mit BlechbDclisen.
Die ersten Versuche sind von den Herren Walther und
Dercken mit Büchsen von 850 ccm Inhalt und 800 ccm Füllung
angestellt, welche mit Glasplatten und Paraffin so gut und sorg-
fältig wie möglich verschlossen wurden. Untersucht auf Zinn-
gehalt wurde nach 1 und 3 Monaten.
Das Resultat der Untersuchung in den nur zu %q gefüllten,
mit Paraffin verschlossenen Büchsen war ein sehr auffallendes.
Schon nach 4 Wochen waren bei allen stärker sauren Füllungen
aas den blanken Büchsen sehr grofse Zinnmengen gelöst.
Tabelle II.
Nach 1 Monat waren mg Zinn pro 1 1 xelöiit:
•/.
1
mg
' \
mg
1
mg
Weinsäare ....
V.
924
1
1042
2
1060
Zitronensftare . . .
v.
680
1
743
2
1088
Apfelaftnre ....
V.
574
1
^—
2
1026
Nach 3 Monaten untersucht, waren die Resultate nicht
wesentlich anders. Es wurden ungefähr die gleichen Mengen in
Lösung gebracht.
Tabelle III.
•/.
mg
Vo
mg
mg
Weinsäare ....
V.
1
1232 !
1
932
2
1035
Zitronensäure . . .
V.
1019 !
1
811
2
1224
Apfelaänre ....
V.
586
r
\
1
—
^■■^
2
1
1180
Wenn wir diese Ergebnisse in einen Satz zusammenfassen,
so lautet er: Aus nicht vollständig gefüllten, im übrigen aber
mit Glas und Paraffin verschlossenen blank verzinnten Blech-
büchsen lösen Weinsäure, Zitronensäure und Apfelsäure schon
von der Konzentration von ^2% ^b binnen 4 Wochen stets Mengen
von über 600 mg pro 1 Zinn auf. Weinsäure scheint bei der
74 Über die Aogreifbarkeit der yerzinnten KonservenbOcbBen etc.
geringsten Konzentration etwas stärker wie Zitronensäure, Zitronen-
säure etwas särker wie Apfelsäure zu wirken. Doch sind die
Versuche mit Apfelsäure nicht in genügender Zahl angestellt.
Bei einem Gehalt von 1% und 2^/q ist schon nach 4 Wochen
eine Lösung von 750 — 1088 mg Zinn vorhanden, resp. die 1260 mg
Zinnüberzug der Büchsen sind zu 60—80% entfernt.
Wenn wir fragen, in welchem Zustande sich die eingefüllte
Flüssigkeit und die Büchsen befunden haben, so läfst sich etwa
folgendes sagen: Nach 4 Wochen war die Flüssigkeit in der
Regel farblos oder blafsgelblich. An Stelle des blanken Zinn-
überzugs zeigte das Innere der Büchse in gröfserer oder geringerer
Ausdehnung einen grauen , undeutlich kristallinischen Über-
zugy der manchmal sehr schön moiräeartig ausgebildet war. Die
Verfärbung und Moiräebildung beginnt bei den Büchsen immer
an der Oberfläche der Flüssigkeit; im Anfang des Versuchs und
bei schwächeren Konzentrationen (nach 4 Wochen bei ^2%) is^
der untere Teil der Wandung und der Boden der Büchsen noch
blank, ein Fingerzeig dafür, dafs der von oben zutretende Sauer-
stoff bei der Lösung des Zinns eine wichtige Elolle spielt.
Im Eisengehalt des Büchseninhalts finden wir einen grofsen
Unterschied zwischen den 4 wöchentlichen und 3 monatlichen
Versuchen, wie dies wohl leicht verständlich ist.
Tabelle IV.
Es waren nach 4 Wochen gelöst (mg Eisen pro 1 1):
Weinsäure
Zitronensäure
Apfelsäore
•/<
V.
mg
•/.
164,5 1
106 ; 1
114
mg
31,5
299,6
V.
2
2
2
mg
326,0
267
304
In den Büchsen war etwa in der Hälfte der Fälle gar kein
Anzeichen zu sehen, dafs Eisen angegriffen war. ) Roste fehlte
meist ganz oder er war nur spurweise als braune Fleckchen an
der Längsnaht oder an der Bodennaht vorhanden. Einige Male
zeigte sich über dem Flüssigkeitsspiegel ein Streifchen von Salz-
kristallen.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
75
Außerordentlich viel gröfser waren meist die Mengen, die
nach 3 Monaten gelöst waren. Es fanden sich nach '6 Monaten :
Tabelle V.
fiei Weinsaare .
> ZitronensAnre
> Apfelsftore .
Die Eisenzahlen sind ebensowenig wie die Zinnzahlen ab-
solut regelmäfsig. Einzelne Werte fallen aus der Reihe heraus.
Es lag nahe, anzunehmen, dafs die Güte der Verzinnung bei den
einzelnen Büchsen eine etwas verschiedene sei, und dafs etwaige
kleine schlecht verzinnte Stellen besonders an der Falzstelle von
bedeutendem Einflufs auf die Menge des in Lösung gegangenen
Eisens und Zinns seien.
Wesentlich günstiger als das Resultat, das an den unlackierten
Büchsen gewonnen wurde, war das, welches die lackierten Büchsen
lieferten. Die Ergebnisse zeigten deutlich den ausgezeich-
neten Schutz, den das Lackieren der Büchsen gegen
den Angriff der Säuren unter den gewählten Ver-
suchsbedingungen darstellt.
Tabelle VI.
Nach 4 Wochen betrug bei den lackierten Büchsen der Gehalt an Zinn pro
1 1 nur:
Mit Glasdeckel und Paraffin verschlossen :
Offen :
"/,
mg
0/
10
mg
' 0/
1 '•
mg
'0
mg
WeinBänre ....
V.
50
1
46
2
59
2
70
Zitronensäare . . .
V.
15
1
25
2
35
Apfelfläore ....
V,
18 I
2
53
Auch nach drei Monaten war die in lackierten Büchsen in
Lösung gegangene Menge sehr erheblich kleiner als wie in den
nicht lackierten. Sie betrug zwischen 35 und 150 mg, während-
dem, wie wir oben gesehen haben, die nicht lackierten Büchsen
76 Über die Angreifbarkeit der yendnnten Konservenbüchsen etc.
in dieser Zeit 568 mg bis zu 1280 mg Zinn abgegeben haben.
Ähnlich wie gegen die Abgabe von Zinn schützt das Lackieren
auch gegen die Abgabe von Eisen. Wir finden nach 4 Wochen
nur Eisenmengen von 11 — 88 mg, nach 3 Monaten Eisenmengen
von 21 — 161 mg. Oder der Zinngehalt beträgt in der Regel höch-
stens 10% von dem der unlackierten Büchsen, in der Mehrzahl
der Fälle übersteigt er aber nicht 5%. Auch der Eisengehalt
beträgt bei den kürzer dauernden Versuchen nur 5 — 10%, bei
den länger dauernden nur 1 — 3% von dem, den die unlackierten
Büchsen liefern.
Die eben mitgeteilten aufserordentlich hohen Zinn- und Eisen-
zahlen aus den blanken Büchsen mufsten von vornherein den
Gedanken nahe legen, daüs dieselben ihre Ursache einem Ab-
weichen von der gewöhnlichen Art der Büchsenfüllung oder Ver-
schlielsuug verdankten, denn wer könnte Konserven ge-
brauchen, die einen derartigen Zinn- und Eisen-
gehalt zeigen, wer könnte mit Büchsen arbeiten, die wie die
Versuchsbüchsen, angegriffen werden. Schon nach 4 Wochen
zeigte sich dann und wann im oberen Niveau des
Büchseninhalts, also ca. 2 cm unter dem Glasdeckel,
ein mehr oder weniger deutlicher von aufsen sicht-
barer Angriff der Büchsenwandl Nach 3 Monaten waren
die besprochenen Beschädigungen resp. Durchfressungen der
Büchsenwand bei der Mehrzahl der Büchsen zu konstatieren, ja
nicht selten war die Zerstörung der Büchse so vollständig, dafs
sich die Büchse in zwei Stücke auseinandernehmen liefs. Das
obere Stück wurde gebildet aus einem ca. 2 cm breiten Streifen
der Büchsenwand mit dem aufgekitteten Glasdeckel.
Auf die Wiedergabe von Versuchen, die über P/4 Jahre aus-
gedehnt wurden, verzichte ich, eine grofse Anzahl derselben
zeigte nach dieser langen Zeit unzweifelhaft schlechtes Funktio-
nieren des Verschlufsdeckels. In den wenigen tadellos
schliefsenden Büchsen aber fand sich zuweilen wenig
Zinn und Eisen — eine starke Anregung zur An-
stellung von Experimenten mit absolut sicherem
Schlüsse.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 77
Ich füge hier an, dafs spezielle Versuche, ob es möglich sei,
einen Glasdeckel auf eine Zinnblechbüchse mit Paraffin fest an-
zukitten (Verschlulsweise der ersten Serie), zeigten, daTs dies gegen
unsere ursprüngliche Erwartung sehr oft nicht der Fall war.
Der gleiche Institutsdiener, der die früheren Büchsen teils allein
teils zusammen mit den Praktikanten verschlossen hatte, wurde
angewiesen, auf 7 Büchsen einen Glasdeckel wie früher aufzu-
paraffinieren, nachdem er 100 ccm Wasser eingefüllt. Beim lang-
samem Umdrehen der Büchsen lief eine sofort, eine andere allmäh-
lich aus, zwei weitere liefsen ein wenig Wasser durch das Paraffin
treten, wenn man es schwach gegen das Glas schleuderte. Auch
die drei übrigen Büchsen wurden bei etwas derberem Anfassen
allmähUch undicht, der Deckel sprang ab. Es war also kein
Zweifel, dafs der von uns in der ersten Versuchsreihe gewählte
Verschlufs auch bei sorgsamem Umgehen mit den Büchsen viel-
fach undicht gewesen sein mufste, dafs aber gar ein Aufeinander-
stellen gefüllter Büchsen den Verschlufs auf das ärgste gefährdet.
Ahnliche Resultate erhielten wir, als wir etwas Ammoniak-
flüssigkeit in Büchsen füllten, sie dann mit Paraffin verschlossen
und mit Nefslerpapier auf Dichtigkeit prüften.
4. Versuche Ober den Einflurs des Sauerstoffs auf die Lösung
des Zinns.
Die Ergebnisse des dritten Abschnittes drängten darauf hin,
den Einflufs des Büchsenverschlusses und damit die Bedeutung
des Sauerstoffzutritts methodisch zu untersuchen. Sowie die
Frage klar aufgestellt war, waren auch klare Antworten zu
erhalten.
Die erste Versuchsreihe zur Feststellung der lösenden Wirkung
des Sauerstoffs wurde folgendermafsen angestellt:
Ich bezog von der Firma Ohles Erben in Breslau Zinnblech
aus dem reinsten technisch verwendeten Zinn, wie es für die
Nahrungsmittelindustrie angewendet wird. Das wundervoll blanke
Blech wurde mit Äther abgewaschen und Stücke von 110,8 qm
Oberfläche (beide Seiten gerechnet) daraus geschnitten. Zwei der
78 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
Stücke wurden in ganz gefüllte, luftdicht durch Paraffin ver-
schlossene Glasbehälter gebracht, so dafs die reine Säure ihre
ganze Oberfläche bedeckte. Die zwei andern liefsen wir, an Fäden
aufgehängt, in gröfsere nur teilweise mit Säure gefüllte Glas-
behälter bis auf einige Millimeter weit eintauchen und gewährten
der Luft zu diesen Behältern freien Zutritt, indem wir sie nur
lose mit einer Glasplatte bedeckten.
Um bei diesem Versuche gleichzeitig den etwaigen Einflufs
des Eisens auf die Löslichkeit des Zinns zu studieren, wurden
durch eines der im ganz vollen und durch eines der im luftenthal-
tenden Glasbehälter befindlichen Zinnstücke je sechs eiserne
Nägel mehrfach durchgesteckt, so dafs sie mit dem Zinn in mög-
lichst innige Berührung kamen.
Während des 10 Tage dauernden Versuchs wurden die Gläser
ständig kontrolliert und dabei nachstehende Veränderungen wahr-
genommen :
In den luftdicht verschlossenen Behältern spielten sich keine
grofsen Veränderungen ab. Wo das Zinn allein war, blieb in
den 10 Tagen des Versuchs das Zinn und die Säure unverän-
dert. Wo Zinn und Eisen zusammen waren, bildete sich eine
grofse Gasblase. Das Zinn war ebenfalls mit Gasbläschen bedeckt.
Sonst blieb alles unverändert. In den Behältern mit Luftzutritt
dagegen entstand bereits am zweiten Tage des Versuchs in
der Höhe des Flüssigkeitsspiegels ein grauschwarzer Streifen, der
mit der Zeit dunkler und nach unten breiter wurde. Wo neben
dem Zinn auch Eisen war, färbte sich die Flüssigkeit gelblich
und die Eisenstücke bräunlich.
Ich verzichte auf nähere Angaben über die erste Versuchs-
reihe, da die Flüssigkeits- und Zinnmengen nicht genau gleich
gewählt waren in den Versuchen mit und ohne Luftzutritt.
Doch war ihr Resultat schlagend für die Bedeutung des Luft-
zutritts in 10 Tagen, da bei Sauerstoffabschlufs nur 1,2 bis
1,36 mg Zinn pro 100 ccm gelöst wurden, bei Luftzutritt 16,4 resp.
25,6 mg, obwohl bei den beiden letzteren Versuchen mehr
Flüssigkeit und weniger Zinn angewandt waren.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 79
Sobald die beiden dem Luftzatritt ausgesetzt gewesenen
Zinnstücke ans den Behältern herausgenommen waren und einige
Minuten an der Luft lagen, wurden die schwarzen Streifen
schnell stärker und breiter. Auch da wo ein Säuretropfen am
Zinn hing, entstand bald ein schwarzer Fleck. Hiernach scheint
es, dafs die schwarzen Verfärbungen überall da zustande kom-
men, wo der Sauerstoff der Luft und Weinsäure mit Zinn zu-
sammenkommen. Dafs die schwarzen Flecken Zinn enthalten, ist
leicht zu beweisen. Man kann sie teilweise sehr leicht ab-
reiben, in Salzsäure lösen und Zinn darin nachweisen. Es
ifit wohl am wahrscheinlichsten, dafs die schwarze Substanz nichts
auderes ist als Zinnmetall, und zwar besteht sie aus zurückbleiben-
den Teilchen, zwischen denen andere durch die Säure gelöst sind.
Die beiden Zinnstücke, die der Weinsäure allein ohne Luft
ausgesetzt waren, blieben völlig blank; demnach greift also
die Säure allein das Zinn nicht oder doch nur sehr
wenig an, sondern erst dann, wenn sie gemeinsam mit Luft
auf dasselbe einwirken kann.
Nur in den Gläsern, die neben Zinn Eisen enthielten, zeigte
sich Gasbildung. Als wir nun einen vergleichenden Versuch
machten über die Gasmenge, die sich in Iproz. Weinsäure aus
Nägeln entwickelt mit und ohne Anwesenheit von Zinn, zeigte
sich der auffallende Befund, dafs Zinnanwesenheit sicht-
bar die Wasserstoffbildung aus Eisen und die Eisen-
lösung vermindert.
Dieser Tatsache sind wir später nachgegangen.
Für die späteren genauen Versuche nahm ich darauf Rück-
sicht, dafs in den üblichen Büchsen von ca. 870 ccra Inhalt
440 qcm Zinn mit der Flüssigkeit in Berührung kommen, es
wurden in die Gläser 435 ccm Flüssigkeit und ein Zinnstück
gebracht, das auf beiden Seiten 220 qcm Oberfläche hatte. Ein
Teil der Versuche wurde mit ausgekochter, im Wasserstoffstrom
abgekühlter Weinsäure in ganz gefülltem mit Paraffin noch um-
gossenem Gefäfs gemacht, bei anderen wurde ein bestimmtes
kleines Luftvolum in das Gefäfs miteingeschlossen, in noch an-
80 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen.
deren enthielt das locker verschlossene Gefäls viel Luft.^) Die
Versuche mit Luftzutritt wurden alle so angestellt, dafs das Zinn
ein Stück weit aus der Flüssigkeit heraasragte.
^) Die Versuche mit viel Luft waren nicht so geblieben, wie sie an-
gesetzt wurden, denn die eingehängten Zinnstflcke waren, da der Faden
rifs, teilweise und zwar verschieden tief in die Säure eingesunken. Dadurch
sind die Resultate ungleichmäüsig geworden. Derselbe Versuch wurde des-
halb nochmals angestellt, jedoch blofs auf 12 Tage ausgedehnt, weil bereits
nach dieser Zeit die Zinnscheibe durchgefressen war.
Tabelle
Einwirkung des Sauerstoffs der Luft auf die
I. Versuch mit viel Luft
(nach 4 Wochen)
Zinn
(4 Gefäfse)
Zinn u. Elsen
(2 Qef&Tse)
la. Versuch mit yiel Luft
(nach 12 Tagen)
Zinn
(2 Gefäfse)
Zinn u. Eisen
(2 GeflUke)
Verschlufs der Gefäfse .
Gesamt - Oberfläche des
Zinns in qcm . .
Oberfläche d. eingetauch
ten Stückes in qcm
Gasbildung . . .
Aussehen des Zinns
Zinngehalt in 435 ccm
in mg
Menge des in 435 ccm ge-
lösten Eisens in mg .
Deckel lose
aufgelegt
220
200
e
Alle 4 Zinnstücke
sind gleichrnftüBlg
grauschwarz ge-
färbt. 3 Stücke
sind, da der Auf-
hängefaden rifs,
untergesunken.
Das 8. ist in der
Höhe des Flünsig-
keitsspiegels teil-
weise durch*
gefressen, sein
aus der Säure her-
ausragender Teil
ist blank
436; 443;
257; 258
e
Deckel lose
aufgelegt
220
200
Beide zinnstücke
sind In der Höhe
des Flüssigkeits-
spiegels durch-
gefressen. Der
untere, schwärz-
lich gefärbte
Teil ist in die
Flüssigkeit ein-
gesunken. Der
aus der Säure her-
ausragende Teil
ist blank. Die
Nägel sitzen noch
überall fest
288; 442
18,0; 13
220
200
220
200
9
In der Höhe des Flassig-
keitsspiegels ist das Zinn
glatt durchgefressen. Der
in der Fltlssigkeit befind-
liche Teil ist an einzelnen
Stellen grauschwars ver-
färbt. Der herausragende
Teil ist vollständig blank
Die Nägel
sitsen noch
überall fest
237 ; 231
251; 228
26; 15
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
81
Die Resultate sind in der Tabelle VII enthalten.
Aus diesen Versuchen folgt:
I. Auf die Mengen des gelöstens Zinns ist die Luft von
gröfstem Einflufs. Auch alle sichtbaren Veränderungen
(schwarze Färbung etc.) am Zinn kommen nur dann zu-
stande, wenn die Luft mit der Säure zusammen das
Zinn angreifen kann ; denn die vollständig der Luft ent-
zogenen Zinnstücke (Versuch III u. V) zeigen gar keine
vn.
Löslichkeit von Zinn in Iproz. Weinsäure.
H Venrache mit 25 ccm
1
m. VeiBuche mit 25 ccm
1
i rv. Versnche ohne Luft
1 V. Versuche ohne Luft
Luft (nach 4 Wochen)
Lnft (nach 3 Monaten)
1 (nach i Wochen)
(nach 3 Monaten)
Zinn Zinn u. Eisen
Zinn
Zinn u. Eisen
1
1 Zinn
Zinn U.Eisen
Zinn
Zinn U.Eisen
i2GefiUte) (1 Oefjüs)
(2 GefUTse)
1
(1 Oefäft)
(2Gefftrse)
(1 Gefftft)
(2 GeflUke)
(1 GefäA)
VerschluIiB un-
versehrt
Ganz un-
versehrt
Paraffin an
einigen Stel-
len durch-
brochen
Ganz un-
versehrt
Paraffin
gesprengt
Ganz un-
versehrt
Paraffin an
einigen Stel-
len durch-
brochen
220
220
216
216
220
220
216
216
184
184
198
198
220
220
216
216
ja
ja
ja
ja
1 Der eingetauchte
Zinnteil seigt an
' BeinergansenOber-
fliehe eine gleich-
mfttsige bläulich-
grsae Verfärbung.
Derherausragende
Teil ist an verändert.
: In der Höhe des
FlüBsigkeitsspiegels
ist das Zinn leicht
angefressen
Der in die Flflssig-
keit eingetauchte
Teil der Zinnstücke
s6igt eine gleich-
mäßig graue Ver-
filrbung. In der
Hohe des Flassig-
keitsspiegels ist ein
scharfer, schwarser
Streifen. Der aus
der Säure heraus-
ragende Teil ist voll-
ständig blank
Das Zii
veri
m ist un-
Indert
Die Nägel
sitzen
noch voll-
ständig
fest
Das Zii
veri
in ist un-
Indert
Die Nägel
sitzen
noch voll-
ständig
fest
1
Die Nägel
sitzen noch
TOllBtäDdig
fest
Die Nägel
sitzen
noch ganz
fest
1
1
41; 30
29
51; 56
60
12; 6
15
8; 5
12
6
11
1
1
18
21
AichiT ffir Hygiene. Bd. LXUI.
82 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
sichtbaren Veränderungen und nur minimale Zinnlösung,
d. h- etwa 10—24 mg pro 1.^) Ist genügend Luft vor-
handen, so wird das Zinn an der Berührungsstelle zwi-
schen Luft und Säure durchgefressen und in 4 Wochen
500 — 800 mg Zinn pro 1 gelöst (Versuch I u. lä); ist nur
wenig Luft da, so kommt es an dieser Stelle als Aus-
druck des stärkeren Angriffs nur zur Bildung eines
schwarzen Streifens durch Anfressen des blanken Zinns
und zu einer Lösung von 70 — 90 mg in 4 Wochen, von
110—120 in 12 Wochen.
II. Dem Eisen kommt in bezug auf Lösung und Verände-
rungen des Zinns keine Bedeutung zu, denn es brachte
weder äufserlich sichtbare Veränderungen am Zinn her-
vor, noch waren die gelösten Zinnmengen in den Eisen-
versuchen wesentlich von denen der übrigen Versuche
verschieden. Wo kleine Differenzen vorhanden sind,
lassen sie sich so erklären, dafs infolge der vom Eisen
verursachten Gasbildung der Verschlufs undicht wurde
und so die Luft spurweise Zutritt hatte.
III. Die Lösung des Eisens überschritt — gleichgültig, ob Luft
zur Flüssigkeitaoberfläche zutreten konnte oder nicht
— nie 60 mg im 1, sie blieb meist erheblich niedriger —
es ist dies dem gleichzeitig vorhandenen Zinnblech zu-
zuschreiben, denn eiserne Nägel lösen sich bei Abwesen-
heit von Zinnblech leicht in Weinsäure.
Ich lasse hier gleich die Versuche folgen, die wir weiter
anstellten zur Aufklärung der wunderbar geringen Eisenlösung 2)
bei Anwesenheit von Zinn, die oben (S. 79) vorläufig erwähnt ist.
1) Diese geringe Zinnlösung läfst sich auf Lnftspuren beziehen, die in
der Flüssigkeit beim Koeben zurQckblieben und auf Sauerstoff, der an der
Oberfläche des Zinns kondensiert ist.
2) M. Siegfeld teilt mit, dafs von einer zur Hälfte verzinnten Kupfer-
platte in Milchsäure sich kein Kupfer löste, vielmehr Zinn auf das Kupfer
niederschlug. (Milch-Ztg. 1902, Bd. 31, S. 401 nach Z. f. U. d. N. 1903, 223.)
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
83
Die Lösung des Eisens geht parallel einer Wasserstoff-
bilduDg :
Fe + C4 06He = C^OeH^ Fe + Hg.
Also gibt ein Messen des gebildeten Wasserstoffs einen Mafs-
Stab für das gelöste Eisen. Zinn und Weinsäure bilden gar keinen
Wasserstoff.
Bei den Versuchen war nicht nur zu studieren, wie die Lö-
sung des Eisens vom Zinn beeinflufst wird, sondern auch, ob
die Anwesenheit des Eisens die Lösung des Zinns beeinflufste.
In den Experimenten war stets der Luftsauerstoff vollkommen
ausgeschlossen.
Ein Vorversuch ergab:
a) 200 qcm Zinn (auf beiden Seiten gemessen) -|- 8 Eisen-
stifte (2,5 g Eisen) + 200 ccm 1 proz. Weinsäure.
In 48 h bildete sich nur wenig Wasserstoff und
0,14 mg Eisen wurden gelöst.
b) Kein Zinn + 8 Eisenstifte + 200 ccm 1 proz. Weinsäure.
In 48 h bildete sich reichlich Wasserstoff und 4,6 mg
Eisen wurden gelöst.
Der Hauptversuch wurde folgendermafsen ausgefühii;:
Tabelle Vni.
1. 100 qcm Zinn -f~ 200 ccm Iproz. Weinsäure.
2. 100 > > -f- ^ Eisenstif te + 200 ccm 1 proz. Weinsäure.
3. + 25 . 4- 200 » >
]
[.' " !
n.
m.
Zeit
Zinn 1
Eisen und Zinn
1
Eisen
(In Standen)
Gm
Gelöstes {
Gas
Gelöstet
Gelöstes
Gas
Gelöstes
in ccm
Zinn in mg.
in ccm
Eisen in mg
Zinn in m^
1
in ccm
Eisen in mg
50
e
3
25
100
—
6
—
49
—
150
e
2,0
9 bis 10
30,8
2,4
1
1
74
199,2
Es stört also das Eisen nicht die Lösung des
Zinns unter den gegebenen Verhältnissen, wohl
Aber enorin^das Zinn die Lösung des Eisens.
6^
84 Über die Angreifbarkeit der verzinDten Konaervenbüchsen etc.
Wenn man das eine negative Katalyse nennen will, mag
man es tun, ich mufs mich bescheiden, die interessante Tatsache
zu konstatieren.
5. Mafsgebende Versuche an Blechbachsen mit korrektem Ver-
schlufs bei FOiiung mit Säureiösungen und Fruchtsäften.
a) Versuche über das Verhalten verschiedener verzinnter
Bleche gegen Säure.
Ehe die neugewonnene Erkenntnis von der ausschlaggeben-
den Bedeutung des Sauerstoffs für die Zinnlösung weiter in Ver-
suchen an Blechbüchsen erprobt werden konnte, galt es, das
Verhalten verschiedener Bleche unter genau gleichen Bedingungen
zu studieren.
Der Fabrikant hatte uns nämlich zugestanden, und eine Re-
vision der noch vorhandenen gebrauchten leeren Büchsen hat
dies ebenfalls ergeben, dafs bei den oben mitgeteilten Versuchen
nicht immer Büchsen aus gleichem Blech zu jedem Versuch
verwendet worden seien. Im Gegenteil wurden eben, wenn für
uns Blechbüchsen angefertigt wurden, die Blechsorten resp. Reste,
die gerade vorrätig waren, verwendet. Die Verschiedenheit der
Bleche konnte vielleicht manche Unregelm&Tsigkeit erklären.
Die drei wichtigsten Blechsorten, welche unser Lieferant zur Zeit
meiner Versuche verwendete^ sind in folgendem mit den Buch-
staben R, D, H bezeichnet.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Blechen schien
nicht wahrnehmbar, die Verzinnung bei allen intakt und gut zu
sein. In Schwefelammonium gebracht, zeigt keines der Bleche
schwarze Stellen, Eisen liegt also nirgends merklich frei zutage.
Von jeder Marke wurde nunmehr je eine Probe in 50 ccm kalte
konzentrierte Salzsäure gelegt. Das Verhalten der einzelnen
Proben ist in der folgenden Tabelle beschrieben.^
Von Prof. Dr. K* B. Lehmann.
85
Tabelle IX.
Verhalten der 3 Blechsorten in kalter konzentrierter SalzAnre.
Nach 2 Min.
2 8td.
18
3^^
4V,
> 2 Tagen !
> 8 >
beim Ab-
brechen des
Versuchs
Das Blech ist ganz mit Bläschen bedeckt.
Beginn von Moiröebildung.
Geringe Gasentwicklang. Moir^ deutlich aasgeprägt. Farbe
der Säare anverändert. Bis jetxt also kein unterschied.
Farbe der Säare anver-
ändert Alles Zinn
scheint sich gelöst zu
haben. Einzelne Eisen*
and Kohlen teilchen
schweben abgelöst in
der Fl üssigkei t. Geri nge
Gasentwicklang. Keine
angefressenen Ränder
Farbe der Säure an-
verändert. Das Zinn
noch nicht ganz ge
lOst. Keine Gasent-
wicklung, keine an-
gefressenen Ränder
Nicht viel anders als nach 18 Stunden
Das Eisen beginnt sich
zu lösen, der Rand ist
angefressen. Die Ober-
fläche des Blechs zeigt
dankle Flecken. Die
Säure ist grünlich ge-
färbt
Der Rand ist stärker
ausgefressen , die ge-
lösten Eisen- und
Kohlen teilchen sind
zahlreicher, die Gas-
entwicklung stärker
Das Blech ist noch nicht
aufgelöst, aber sehr
stark angegriffen. Es
bildet eine sehr dünne
Scheibe (0,887 g), die
abgespült und gegen
das Licht gehalten mit
ihrer netzartigen Struk-
tur wie Laffa aussieht.
Die Säure riecht stark
nach Arsen- oder Phos-
phorwasserstoff
Der Rand des Blechs
ist noch ganz intakt.
Die Säure ist noch
nicht verfärbt. Ei-
nige Kohlen teilchen
schwimmen darin
Der Rand und die
Oberfläche noch un-
versehrt. Die Säure
beginnt sich grün
zu färben
Das Blech ist etwas
angegriffen, wiegt
noch (0,994 g); ab-
gespült und gegen
das Licht gehalten
sieht es wie ein
dünn geschliffenes
Stückchen Eichen-
holz aus. Die Säure
riecht deutlich nach
Arsen- oder Phos-
phorwasserstoff
Säure grünlich ver-
färbt. Alles Zinn ge-
lost. Ziemlich viel
Eisen- und Kohlen-
teilchen in der
Flüssigkeit, reich-
liche Gasentwick-
lung. Die Ränder
angefressen, das
Eisen beginnt sich
also bereits zu lOsen.
Das Blech ist voll-
ständig aufgelöst
Säure grünlich ver-
färbt, enthält viele
Kohlenteilchen
neben einigen
Eisenteilchen.
Wie nach 2 Tagen.
•Die Eisenteilchen
haben sich ganz ge-
lost. Es ist nur noch
Kohle in der nun
gelbgrünen Flüssig-
keit, die nach Arsen-
und Phosphor-
wasserstoff riecht.
86 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbücbsen etc.
Diese Resultate lassen es wahrscheinlich erscheinen, dafs die
Probe H wesentlich schlechter verzinnt sei als R und D, und in
der Tat ergab sich bei Behandlung von Blechstücken von 5 cm
Seitenlänge mit heifser konzentrierter Salzsäure folgendes:
Tabelle X.
U
Verhalten in
heifser Salz-
säure . . . .
Bei der Analyse ge-
fundenes Z i n n •
oxyd pro50qcm
Also reines Zinn pro
1 qcm ....
Zur vollständigen
Auflösung des
Bleches dauerte es
V4 Stunden. Die
Lösung war dunkel
schmutzig gefärbt
und enthielt einige
Eisen- und Kohlen-
teilchen
a) 0,2300 g
b) 0,2297 g
3,7 mg
Auch hier dauerte
die Auflösung
Vi Stunden. Die
Lösung war gans
klar von hellgrüner
Farbe und enthielt
weder Eisen noch
Kohl enteil eben
a) 0,2231 g
b) 0,2195 g
3,5 mg
Die Auflösungs-
seit war etwas
geringer; die Lö-
sung war sehr
trüb und dunkel
und enthielt
sahireiche
Bisen- und
Kohlenteilchen
a) 0,1634
b) 0,1658
2,6 mg
Es stimmt also zu meinen obigen Beobachtungen, dals Marke
R und D stai*k, H wesentlich schwächer verzinnt ist, offenbar
spielte aber neben der verschiedenen Verzinnung für die Resul-
tate der Tabelle IX auch die Beschaffenheit des Eisens eine Rolle.
b) Versuche mit korrekt verschloBBenen WeiÜBblechbüöhsen
versohiedener Qualität und von verschiedenem Luftinhalt.
Auf der Basis dieser Versuche habe ich nun mit den Herren
Schul 1er und Müller eine Reihe von Versuchen an Blech-
büchsen ausgeführt, welche die Bedeutung der Blechbeschaffen-
heit (es wurden drei verschiedene Blechsorten verwendet) und
den Einflufs des Luftgehalts nebeneinander zeigen sollen. Es
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 87
wurden 30 Büchsen von 850 com Inhalt gewählt, dieselben zum
Teil so voll wie möglich gemacht, zum Teil aber nur mit 800,
zum Teil nur mit 300 ccm Flüssigkeit gefüllt, um so einen kleinen
und einen grofsen Luftvorrat zur Verfügung zu haben. Ver-
schlossen wurden die Büchsen in der Konservenfabrik. Die
Versuche wurden weiter dahin variiert, dafs eine Serie der-
selben aus der Blechmarke H, eine andere aus R und D her-
gestellt wurde. Endlich wurde jede Büchse einmal in un-
lackiertem und einmal in lackiertem Zustand verwendet. Die
Füllung geschah ausnahmslos mit 1 proz. Weinsäure. Alle
Proben wurden einmal nach 4 Wochen, einmal nach 3 Monaten
untersucht.
Ich teile die Resultate in der Tabelle XI (S. 88) mit, ge-
ordnet nach dem Füllungszustand derselben. Auf Eisenbestim-
mungen wurde Verzicht geleistet.
Diese Tabelle zeigt:
I. Die Blechbeschaffenheit ist von Einflufs auf die Lös-
lichkeit des Zinns ; denn in den aus der Marke H
hergestellten Büchsen mit sehr wenig und mit 50 ccm
Luft ist durchweg deutlich mehr Zinn gelöst als in
den aus den beiden andern Blechbüchsen gefertigten,
trotzdem bei der ersteren die Verzinnung um 28,7%
schwächer ist als bei den andern. Diese sind fast
ganz gleich verzinnt und sind ziemlich gleichmäfsig an.
gegriffen.
II. Die Lackierung bildet bei gut gefüllten Büchsen einen
guten Schutz, denn sie setzt, wie klar ersichtlich ist, die
gelösten Zinnmengen ganz bedeutend herab.
III. Die Zeitdauer (1 Monat oder 3 Monate) der Säureein-
wirkung ist nur von ganz untergeordnetem Einflufs, da-
gegen kommt
IV. der Luft eine alle anderen Einflüsse weit übertreffende
Bedeutung bei der Zinnlösung zu. Sie ist — von der
S8 über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbflchsen etc.
S
M
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08
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Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
89
LackieruDg abgesehen — der praktisch zunächst allein
in Frage kommende Faktor.
Um die Wirkung verschieden starker Säure zu prüfen, wurde
Weinsäure in 3 Konzentrationen angewendet und das Resultat
von Tabelle XII erhalten.
Tabelle XU.
Inhalt der Büchsen 800 — 850 ccm. Volle Büchsen in der Fabrik TerBchlossen.
Gelöstes Zinn und Eisen in mg auf 1000 ccm umgerechnet:
Sfturekonsentration
1
Art
der Bfiehte
Nach 1 Monat
1
' Nach 3 Monaten
Zinn
Eisen
Zinn
Elsen
VsProB. Weinsäure ...
1 > » ...
2 > > ... 1
'
blank
lackiert
blank
lackiert
blank
lackiert
150
52
159
1 60
163
63
1
5
3
7
18
6
6
128
79
130
82
; 141
80
11
13
11
18
11
8
Hieraus folgt:
1. Ea nimmt nach 1 Monat aus tadellos verschlossenen
blanken Btlchsen die ZinnlOsung nicht mehr zu, sie ent-
spricht dann etwa der Bindung von 10 — 12 mg Sauer-
stoff. Ja, man könnte aus den Versuchen sogar schlielsen,
dafs mit weiterer Eisenlösung wieder etwas Zinn aus-
gefällt wird.
2. Bei lackierten Büchsen ist nach 1 Monat die Zinnlösung
nur etwa halb so grofs wie in nicht lackierten, doch
nimmt mit Zunahme der Versuchsdauer die Zinnlösung
in diesem Falle noch zu, es ist eben noch SauerstofE
vorhanden.
3. Die Zinnlösung wird durch einen Weinsäuregehalt von
% 1, 2% nicht wesentlich beeinflufst, es ist aber immer-
hin ein minimal höherer Zinngehalt bei den saueren
Proben zu konstatieren.
90 über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
Es lag mir nun daran, einige Versuche unter Anwendung
von Fruchtsäften vorzunehmen; die Fruchtsäfte bezog ich von
der Firma Wucherer. Dieselben wurden vor meinen Augen
kunstgerecht in Büchsen verschlossen.
Die Fruchtsäfte sind mit 10% Zucker vergoren, 75 g frischer
Saft wiegt etwa 100 g.
Tabelle Xm.
Versuche mit kunstgerecht eingefülltem und verschlossenem Himbeersaft und
Johannisbeersaft.
Vewucha-
dauer
Inhalt
Azidität
pro
100 ccm
in N8
1
Büchsen-
grörse
I^ack
1
Aussehen nach
Versuch
Zinn
pro
1 1
Eisen
pro
1 1
1 Monat
Erdbeersaft
16
375
unlack.
etwas Moir^e
140
-*)
lackiert
tadellos
41
-')
4 Monate
Weichselsaft
10
375
unlack.
wenig angegriffen
78
17
lackiert
tadellos
44
9
16 >
Himbeersaft
10
490
unlack.
schlecht
266
32
490
lackiert
gut
23
30
Johannisbeeraaft
34
750
unlack.
schlecht
312
112
>
34
760
unlack.
schlecht
831
116
>
34
760
lackiert
schlecht
T^ack beschädigt
339
70
>
34
750
lackiert
schlecht
263
73
Hierauf wurden reine Weinsäurelösungen ebenso eingefüllt
und verschlossen.
Eine Reihe älterer Konserven, die zum grölsten Teil im
Institut gelagert hatten, wurden schliefsUch auch noch unter-
sucht und dabei, wo es möglich war, Büchse und fester Inhalt
getrennt analysiert. (Tabelle XIV, S. 92 u. 93.)
1) Die hohen Eisenzahlen 641 bei der nnlackierten und 489 bei der
lackierten Büchse, die meine Original tabelle enthält, sind mir so unverständ-
lich, dafs ich sie weglasse, obwohl ich keinen Grund habe, an einen Analysen-
fehler zu denken. Kommafehler?
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 91
6. Theoretische Betrachtungen Dber die Rolle des Sauerstoffs
bei der Zinnlösung.
Die von uns gefundene Haupttatsache, dafs sich ohne Sauer-
stoSzutritt kein oder nur sehr wenig Zinn in Weinsäure löst,
war natürlich in der chemischen Literatur, wie ich mich nach-
träglich überzeugte, nicht ganz unbekannt, wenn auch die üb-
lichen Bücher nichts Bestimmtes darüber sagen und meines
Wissens noch niemand in einer praktischen Zwecken gewidmeten
Arbeit darauf hingewiesen hat.^)
Eine sehr klare Darstellung der hier interessierenden Frage, die
allerdings gerade beim Zinn eine Dunkelheit läfst, habe ich in
Ostwalds »Grundzügen der anorganischen Chemie € gefunden. Er
nimmt an, idals alle Metalle durch Wasserstoff aus ihren Lösun-
gen ausgeschieden werden können, wenn man diesen nur von
passender Konzentration anwendet. Es würde eine Reaktion
Zu -f H2SO4 = ZnS04 4~ H3 sich umkehren lassen, so dafs aus
Zinksulfat und Wasserstoff Zink und Schwefelsäure entstehen.
Die verschiedenen Metalle unterscheiden sich in ihrem Verhalten
gegen Säuren nur durch die verschiedenen Konzentrationen, die
der Wasserstoff für eine solche Reaktion brauchen würde. Wäh-
rend sie im Falle des Zinks sehr grofs sein müfste, da ja die
Zerlegung der Säuren durch das Metall so leicht von sich geht,
so wäre sie umgekehrt im Falle des Silbers sehr klein, denn
1) 80 vennisse ich z. B. in dem vortrefflichen >Aa8fübrlichen Lehrbuch
der PharmarseatiBchen Chemie von Ernst Schmidt, 4. Aafl., 1878« irgend-
eine Bemerkung über die Bedeutung des Saueretoffs für die Zinnlösung.
— Dagegen gibt Schmidt für das Kupfer ganz genau an, dads es blofs bei
SaaerstofEzutritt in verdünnten Säuren löslich sei (S. 928). Vgl. auch K. B.
Lehmann, Über die Bedeutung des Sauerstoffs für die Löslichkeit des
Knpfers in Sfturen. Arch. f. Hyg., XXIV, 49.
92 Über die Angreifbarkeit der versinnten Konservenbücbflen etc.
Tabelle
Zinn in alten BQchsenkonserven. Alle Bücbsen sind auf 14 mm Qaecksilber-
Nr.
Inhalt der BüchBen
Anssehen des
Inbalti
Asidität der Brühe I
fürlOOocm = ccm'|
KaOH
Augsehen der Bflchaen im
Innern
u
m
IV
VI
via
VII
vm 1
VlUa
IX
IXa
IXb
Weicbselsaf t
mit 12<>/o Zucker
do.
do.
do.
Hochfeine
Preifselbeeren.
Auffallend trocken
Brechspargel,
mittel locker gefüllt
BrQbe von V
Erbse n,mittelf eine
SchnittBpargel,
locker gefüllt
Brühe von VHI
feinste mari-
nierte Heringe.
3 Heringe vom
Boden der Büchse
entnommen
3 Heringe aus der
Mitte der Büchse IX
entnommen
Brühe Ton IX
blaurot, trüb
blaurot» sehr
trocken
normal,
locker gefüllt
do.
sehr grün,
etwas
schleimig.
Geknpfert
normal,
locker gefüllt
normal
18,0
18,0
18,0
18,0
49,0
blank. Leichtes
Moir^e in der ganzen
Büchse, lila ange-
laufen
lackiert.
Tadellos
blank. Wie I
lackiert. Wie II
lackiert Wie U
am Flüssigkeitsni-
veau an verscbie-
denen Stellen durch-
löchert
blank. Wie I
blank. Qans leichtes I
Moir^indergansen |
Büchse. Viele blan-
schwane Flecken.
(Kupfer I) I
blank. Viele graue
matte Stellen. —
AuAen ein grofser
Rostflecken. Die
Druckprüfung seigte,
dafs der Itost nur
auTsen
blank. Kräftiges
Moir^ in der gansen
Büchse. Am Deckel
einige Rostfleckchen
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
93
XV.
drack vor dem Offnen mit bestem Erfolg geprflft, nur BQchse Y ist defekt.
Voltunan
SB9SB-
Alter
der Büchse
ccm
Inhalt
Inhalt
Untersucht
Sn
8n
der BfichBen
in cem
in g
In g
gefanden
pro Kilo
37, Jahre
1
860,0
1
909
425
885
94.80
224
1 3' . »
800,0
856
400
885
71,10
178
3V, >
800,0
855
400
885
102,70
257
3»/, >
D
1
1
800,0
856
400
885
79,00
197
mindestens
4 Jahre
850
300
■ehr trooken
300
400
83,74
279
1 mindestens
' IV, Jahre
!
—
300
300
460
1 90,00
800
1
do.
1
150
kein NaO»
—
150
—
1 15,80
105
! do.
1
i
400
400
425
37,92
95
' do.
250
250
470
( 31,60
126
1
do.
1
200
kein NaO»
—
200
1
5 »^ p «
1
1 15.80
79
mindestens
' 13 Monate
C.5000
205
3 Btflck
205
Spur ver-
92,43
451
loren
o*5r"^
1 1 * V V
5.® 0- ^
dieselbe
Bflchse
—
185
S Stflok
185
29,23
158
do.
1
250
2 OD M.
18,96
76
94 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
WasserstoflE von gewöhnlichem Druck, also der ' entsprechenden
kleinen Konzentration, genügt bereits, um Silber aus seinen
Salzen metallisch auszuscheiden. Alle Metalle lassen sich dem-
nach in eine Reihe ordnen, die mit dem Metall anfängt, welches
den konzentriertesten Wasserstoff zu seiner Ausscheidung braucht,
und mit dem endet, die mit dem verdünntesten Wasserstoff im
Gleichgewicht ist. Diese Reihe würde am natürlichsten an der
Stelle in zwei Stücke geteilt werden, wo die Konzentration des
Wasserstoffs gerade dem Atmosphärendrucke entspricht. Es ist
dies zwar eine willkürliche Wahl, doch entspricht sie bei weitem
der gröfsten Mehrzahl der Fälle, in denen das Verhalten der
Metalle geprüft wird oder in Frage kommt, c
»In die erste Abteilung, die der Wasserstoff entwickelnden
Metalle, gehören zunächst alle Leichtmetalle und von den Schwer-
metallen die der Eisengruppe. Die Schwermetalle der andern
Gruppen gehören meist der zweiten Abteilung an, doch bildet
Zinn^) eine Ausnahme und Blei steht auf der Grenze. Auf
diese Verhältnisse wird bei den einzelnen Metallen näher einge-
gangen werden.2)c
»Solche Metalle nun, die sich nicht unter Wasserstoffentwick-
lung in verdünnten Säuren lösen, werden meist leicht von Sal-
petersäure gelöst. Dies rührt daher, dafs die Salpetersäure den
Wasserstoff, der sich bei der Einwirkung zunächst, wenn auch
nur in nicht mefsbaren Spuren bildet, alsbald durch Oxydation
in Wasser verwandelt und ihn dadurch aus dem Reaktionsgebiet
entfernt. Sie wirkt mit anderen Worten so, dafs sie die Kon-
zentration des Wasserstoffs aufserordentlich niedrig hält und es
dadurch dem Metall ermöglicht, weiter in Lösung zu gehen, c
1) Soll wohl heifsen Zink, denn Zinn gehört doch nach meinen Unter-
suchungen in die zweite Abteilung.
2) Ich finde über die Bedeutung des Sauerstoffs für die Zinnlösang bei
Ostwald nichts Besonderes im speziellen Teil des Buches.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 95
7. Woher 8tammt der SauerstofT, der zum Lösen des Zinns
notwendig Ist
(Freier Sauerstoff, Nitrate.)
E^ gibt nur drei Sauerstofiquellen, die in Frage kommen
können :
1. DiÄ geringen Mengen, welche in dem Büchseninhalt und
in der kleinen in praxi höchstens 50 ccm betragenden
Luftschicht darüber enthalten ist;
2. von aulsen durch irgendwelche Undichtigkeiten zutre-
tender Sauerstoff und
3. gebundener Sauerstoff in Form von irgendwelchen chemi-
schen Verbindungen aus den eingeschlossenen Konserven
oder dem Kochwasser und den Zusätzen.
Zinn wird von Weinsäure gelöst nach der Gleichung:
Sn + 0+COOH C — 00
OHOH CHOH 8n + H,0
OHOH ~~ CHOH
OOOH C-00
Wir brauchen also für 118 mg Sn: 16 mg Sauerstoff und
150 mg Weinsäure. Oder 1 mg Sauerstoff kann 13,6 mg Zinn in
Lösung 6 brauchen, oder 1 mg Zinn braucht 0,074 mg Sauerstoff.
Prüfen wir nun die Sauerstoff mengen, welche nach 1., 2.
und 3. zur Verfügung stehen.
1 1 Wasser kann bei 20^ C 10,9 mg Sauerstoff enthalten,
bei 60° C, bei welcher Temperatur die Büchsen zur Sterilisierung
angefüllt werden, nur 5,4 mg. Es ist sehr unwahrscheinlich, dals
der Zucker, die Säuren und anderen Bestandteile einer Büchsen-
füUuDg die Sauerstoffaufnahmefähigkeit wesentlich beeinflussen;
ein etwaiger Einflufs wird immer im Sinne einer Verminderung
wirken.
In dem schädlichen Raum, der auf 800 ccm Flüssigkeit nach
einer Reihe von Versuchen, 30 — 50 — 60 ccm beträgt, also im
Mittel etwa 60 ccm pro 1 1, wird bis zu 12 ccm = 17,7 mg Sauer-
96 Über die Angreifbarkeit der verzinnten KonservenbflchBen etc.
Stoff eingeschlossen sein ; es stehen also bei einer schwach gefüllten
Büchse etwa 5,4 + 17,7 bis 10,9 + 17,7 mg, d. h. rd. 23—28 mg
freier Sauerstoff pro 1 zur Verfügung. Oder es können 310,5
bis 378 mg Zinn pro Kilo gelöst werden.
Wenn gröfsere Zinnmengen gelöst gefunden werden, so mufs
noch irgendeine andere Sauerstoff quelle vorhanden sein.
Bei längerer Versuchsdauer liegt es nahe, an die Möglich-
keit zu denken, dafs die nicht ganz hermetisch schliefsenden
Büchsen allmählich etwas Sauerstoff einlassen an Stelle des ab-
sorbierten, da die meist blols gefalzten Büchsen kaum immer
absolut luftdicht geschlossen werden können. Der Gaswechsel
durch diese Offnungen braucht nur sehr langsam zu gehen und
diese Sauerstoff quelle nur bei sehr langer Aufbewahrung und
nicht bei allen Büchsen in Frage zu kommen.
Ich kann für das Vorkommen undichter Büchsen eine inter-
essante Beobachtung meines Assistenten, Herrn Dr. Krepelka,
anführen. Er beobachtete an Konserven von Mirabellen, die in
lackierten Blechbüchsen eingeschlossen waren (in etwa 3 Stück
unter 30 — 40) eine ziemlich starke Gärung. Der Inhalt war mit
kleinen Gasbläschen durchsetzt und das charakteristische Knistern
im Inhalt der Büchse liefs ebenfalls auf eine andauernde lebhafte
Gasentwicklung schliefsen. Trotzdem war das Aussehen der
Büchsen vor dem Offnen ganz normal, 'ohne Vorwölbung der
Endflächen, und beim Öffnen verriet kein Geräusch das Ent-
weichen von angesammeltem und in der Büchse unter Druck
stehendem Gas.
Generaloberarzt Prof. Dr. E. Pf uhP) hat sich ausführlich mit
der Frage beschäftigt, wie die Dichtigkeit verschlossener Büchsen
kontrolliert wird oder werden könnte. Aus der Arbeit geht her-
vor, dafs ihm namentlich bei den gröfseren viereckigen Büchsen
mehrfach Undichtigkeiten vorgekommen sind ; die kleinen runden
Büchsen schliefsen viel sicherer. Im übrigen verweise ich auf
das Original.
1) Zeitschr. f. Hyg., Bd. 50, S. 316.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 97
Uin über Vermutungen hinauszukommen, habe ich nach zwei
Methoden die Dichtigkeit des Verschlusses von leeren Büchsen kon-
trolliert, die vorher in einer Konseryenfabrik kunstgerecht ver-
schlossen und durch Bombieren, d. h. Vorwölben der Endflächen
in heifsem Wasser, als > dichte erkannt waren:
1. Es wurde auf die Deckel der kunstgerecht verschlossenen
leeren Büchsen ein kurzes Kupferrohrstück von dem
Durchmesser eines mittleren Gummistöpsels aufgelötet,
dann der Deckel im Gebiete dieses Rohraufsatzes durch-
stochen, ein durchbohrter Gummistöpsel in das Rohrstück
eingepafst und unter Anbringung eines seitenständigen
Manometers in die unter Wasser getauchte Büchse Luft
eingeprefst. Undichtigkeiten verrieten sich durch Gasent-
weichen. Nach dieser Methode wurden 24 Büchsen unter-
sucht, nur zwei, die vorher bombiert hatten, zeigten bei
14 mm Quecksilberüberdruck eine Durchlässigkeit. Hierauf
wurden neun ältere gefüllte Konservendosen genau auf
die gleiche Weise geprüft und darunter bei einem Druck
von 14 mm Quecksilber nur eine durchlässig gefunden.
2. Es wurde etwas schwach feuchte Bleiazetatwatte in die
Büchsen gegeben, dieselben wie gewöhnlich verschlossen,
auf Bombieren geprüft und in geräumige Glasgefäfse ge-
stellt, die mit Schwefelwasserstoff gefüllt und verschlossen
wurden. Natürlich wurden die Büchsen vor dem Offnen
aufsen gewaschen, abgetrocknet und in einen Raum frei
von Schwefelwasserstoff gebracht.
I. Serie. 21 Büchsen von 850 ccm Inhalt wurden der Bom-
bierprobe unterzogen, nur eine bombierte nicht. Nach 40tägigem
Aufenthalt in Schwefelwasserstoff zeigte beim Offnen der Büchsen
die Watte in der nichtbombierten und in vier bombierten Büchsen
deutliche Schwärzung, die Watte in den anderen war nicht ge-
schwärzt. Also 4 auf 20 oder 20% nicht dichte Büchsen!
II. Serie. 62 Büchsen von 400 ccm Inhalt, aber dem gleichen
Querschnitt (8 cm) wie die erste Serie, ergaben bei der Bombier-
probe nur eine Büchse, die nicht bombierte. Nach 3 Wochen
ArchiT für Hygiene. Bd. LXIII. 7
98 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
geöffnet, waren aufser der nicht bombierten noch zwei andere
durch Schwärzung der Bleiwatte als durchlässig erkannt. Also
waren von 61 bombierten Büchsen zwei, d. h. 3,3%, undicht.
Die verschieden guten Resultate der ersten und zweiten Ver-
suchsreihe könnten sich zunächst durch verschiedene Sorgfalt
beim Schlielsen der Büchsen erklären, namentlich soll der Apparat
zum Schliefsen verschieden genau eingestellt werden können.
Alle diese Versuche zusammen zeigen deutlich, dafs es sehr
leicht vorkommen kann, dafs von einer Büchsenserie ein
erheblicher Teil zwar genügend dicht schliefst, um zu
bombieren, aber nicht dicht genug, um nicht einen
bescheidenen Gaswechsel zu gestatten, dafs also die
Bombierprobe nicht sehr fein ist.
Als ich nach Verbindungen in den Konserven suchte, die
chemisch gebundenen Sauerstoff abgeben könnten, kam
ich sofort auf die Nitrate.
Es gibt in der Tat in Vegetabilien weit verbreitet salpeter-
saure Salze, welche sehr wohl imstande sind, wie ein einfacher
Versuch zeigte, auch bei Sauerstoffabschluls der Weinsäure die
Eigenschaft zu erteilen, Zinn zu lösen. Aufserdem ist nicht zu
vergessen, dafs bei den Konserven, die mit Hilfe von Wasser
bereitet werden, sehr erhebliche Nitratmengen aus dem Wasser
in den Büchseninhalt gelangen können.
Nach Satter und A 1 w e n s finden sich in 100 g Trockensubstanz von
Boten Rüben 1,92 g Salpetersflure
Weifsen > 1,89 g
Runkelrüben ...:.. 1,67 g
Kopfsalat 1,62 g
Erdkohlraben 1,18 g
Blumenkohl 1,18 g
Der Gehalt an Nitraten hängt von dem Salpetergehalt des
Bodens, der Düngung und auch der Witterung stark ab. Im
Maximum fanden die genannten Forscher in der weifsen Rübe
3,5%, in der roten Rübe 2%, im Mais 0,55% Salpetersäure in
der Trockensubstanz.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 99
Über den Nitratgehalt an Früchten habe ich nichts ge-
funden.^)
Eigene Untersuchungen über den Nitratgehalt von Vegeta-
bilien, insbesondere von Früchten, ergaben folgendes:
Mit Diphenylamin und Schwefelsäure erhielt ich beim Ein-
bringen kleiner Fragmente des frischen Vegetabils Reaktion mit
folgenden Knollen und Zwiebeln :
Radieschen sehr stark
Rettich sehr stark
Kohlrabi sehr stark
Rote Rübe sehr stark
KartofFelschale kräftig
Gelbe Rübe I sehr stark
Gelbe Rübe II negativ
Zwiebel sehr stark
Lauch schwach.
Stengel und Blätter wurden untersucht mit folgenden Re-
sultaten :
Lauchblatt I sehr schwach
Lauchblatt II sehr deutlich
Spargel negativ (mehrmals)
Kohlrabiblattstiel schwach
Sellerieblattstiel schwach
Radieschenblattstiel .... deutlich
Spinatblattstiel schwach
Gelbe Rübeblattstiel .... deutlich
Mangoldblattstiel sehr stark
Rote Rübeblattstiel .... sehr stark
Blumenkohlstengel sehr stark
Blumenkohlblattschuppen . . schwach
Blumenkohlblütenknospen . . negativ.
^) Vgl. E. £bermayer, Physiologische Chemie der Pflanzen. Berlin 1882.
S. 67, wo sich sahireiche Analysen finden. Weitere Literatar gaben E. and
H. S c h a 1 z e and H. Groaven in: * Landwirtschaftliche Versachsstationen « .
Bd. 8 und 9. ökonomische Fortschritte 1867. S. 97.
100 über die Angreifbarkeit der yerzinnten Konservenbüchsen etc.
Besonders habe ich mir die Untersuchung von Früchten an-
gelegen sein lassen:
Gurken (äulserste Fruchtschicht) . positiv
Gurken (Inneres) negativ
Erbsen (Schote) sehr schwach positiv
Erbsen (Samen) mehrmals negativ
Grüne Bohnen sehr stark positiv.
Alle Untersuchungen mit Obst verliefen durch-
weg negativ und zwar sind untersucht: Rote und schwarze
Süfskirschen und Sauerkirschen, rote und gelbe Pflaumen, Birnen,
Orangen, Aprikosen, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Erdbeeren,
Heidelbeeren, Himbeeren, japanische Mispeln.
Die Untersuchung wurde mehrfach ausgeführt, teils mit
kleinen, frischen Fruchtstückchen direkt, teils mit Prefssaft, teils
mit filtrierten Abkochungen und endlich mit Dialysaten der Prefs-
Säfte. Ebensowenig erhielt ich ein Resultat, als ich BYuchtsaft
(Heidelbeere, Himbeere) kochte, filtrierte, mit Bleiazetat und einer
Spur Ammoniak fällte und das Filtrat entbleite.
Setzt man einem frischen, durch Abkochung der Früchte mit
etwas Wasser und Filtrieren erhaltenen Fruchtsaft etwas Nitrat-
lösung zu und reinigt ihn nachher mit Bleiazetat, Ammoniak und
Soda, so ist in 1 ccm des annähernd farblosen Filtrats Nitrat nur
nachweisbar, wenn pro 1 1 bei Heidelbeeren 40 mg Natrium-
nitrat, bei Himbeersaft mindestens 100 mg zugesetzt sind.
Bereitet man zuerst durch Kochen der Früchte mit Wasser
einen starken Fruchtsaft und setzt dann Nitrat zu, so gelingt der
Nachweis nach der Diphenylaminmethode unter Verwendung von
1 ccm Saft, wenn 50 mg NaNOg im Liter enthalten sind. Auch
nach 6 stündigem Stehen des nitrathaltigen Fruchtsafts tritt die
Reaktion ein. Besondere Versuche zeigten uns, dafs in 20pro2.
Zuckerlösung noch 100 mg NaNOg pro 1 1 sicher nachweisbar
sind. Bei 50 mg pro 1 1 wird der Nachweis zweifelhaft.
Auch den Nachweis der Nitrate nach dem neuen Verfahren
von Busch durch Fällung mit »Nitren« (Diphenylendanilodihydro-
triazol) haben wir versucht.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 101
Das käufliche Reagens wurde vorschriftsmärsig zu 10 ^/q in
öproz. Elssigsäure gelöst und so eine blafs violette Lösung er-
halten.
In reinen Nitratlösungen erhält man noch deutliche Nieder-
schläge bei 30 mg Natriumnitrat im Liter, wenn man 1 — 2 ccm
zur Reaktion verwendet, einige Tropfen Schwefelsäure zusetzt,
aufkocht, einige Tropfen Reagens zugibt und abkühlt. Wollte
man schwächere Lösungen untersuchen, so mülste man sie ein-
dampfen ; gröfsere Mengen, etwa von 60 mg im Liter ab, geben
prachtvolle Niederschläge. Zuckerzusatz von 20% macht die
Reaktion unsicherer, doch erhielten wir bei 80 mg NaNOs im
Liter noch deutlich positive Reaktion, bei 40 mg im Liter' war die
Reaktion sehr zweifelhaft bei Verwendung von 1 — 2 ccm Nitrat-
lösnng.
Um in Fruchtsäften eine NitronfäUung zu erhalten, mufs
man dem frisch gekochten Heidelbeersaft pro 1 1 310 mg Natrium-
nitrat zusetzen; bei Himbeersaft war noch bei 180 mg pro 1 1
die Reaktion positiv. In mit Bleiazetat, Ammoniak und Soda
gereinigten Fruchtsäften aus Heidelbeeren und Himbeeren, denen
vor dieser Behandlung (im frischen Zustande) Nitrat zugesetzt
worden war, wurde dieses erst bei 250 mg im Liter unzweifelhaft
nachweisbar.
Aus diesen Ergebnissen geht hervor, dafs meine
negativen Resultate bei der Untersuchung von Obst
auf Nitrate nicht beweisen, dafs kein Nitrat da ist,
nur dafs die Mengen^kleiner als etwa 50mg im Liter
sind. Es wurden eigentlich in keinem Pflanzenteil, den man in
Blechbüchsen aufzubewahren pflegt, aufser grünen Bohnen nennens-
werte Nitratmengen gefunden. Zweifelhaft bleibt es mir aller-
dingS; ob nicht Spargel gelegentlich bei geeigneter Düngung
nitrathaltig resp. nitratreich werden. Doch schien es unter allen
Umständen der Mühe wert, den Einflufs der Nitrate auf die Zinn-
lösung zu untersuchen.
Wie reagiert nun Zinn mit Salpetersäure?
102 t}ber die Angreifbarkeit der verzinnten KonservenbOchsen etc.
Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dafs zunächst die Reaktion
auftritt
NOsH + Sn = NO2H + SnO.
Es ist mir aber nur im Anfang unserer Untersuchungen
gelungen, salpetrige Säure beim Schütteln von Zinn mit Wein-
säure und Nitrat zu finden. Später mifslang die Reaktion, ob
ich Schwefelsäure oder Weinsäure anwendete.
Nach der Literatur tritt aus Zinn und Salpetersäure auch
Ammoniak und Hydroxylamin auf, was folgende Gleichungen
veranschaulichen :
NOsH + Sn = SnO -f- NO2H
N02H + 2Sn + H20 = 2SnO + N0H8
NO Hg + Sn = NH3 + S»0
Es würde dies bedeuten, dafs 1 NOg H 4 Sauerstoff lieferten
und 4 Atome Zinn zu Zinnoxyd oxydieren.
1 N2O5 = 2 NOsH = 2 NHs =: 8 O = 8 Sn
1 mg N2O6 = 1,2 mg Sauerstoff = 8,9 mg Zinn
= 0,31 mg Ammoniak,
1 mg Sauerstoff = 0,27 mg Ammoniak = 7,4 Zinn
1 mg Ammoniak = 287 mg Zinn.
Es wurde zunächst ein Orientierungsversuch angestellt: Es
wurden in zwei Proben von je 100 ccm l,5proz. Weinsäure
0,170 g Natriumnitrat (=0,108 g NgOß) gelöst und 100 qcm Zinn-
blech (auf beiden Seiten gemessen) eingestellt. Das eine Gläs-
chen wurde ganz gefüllt und vom Sauerstoff abgeschlossen, das
andere offen stehen lassen. Nach 6 Tagen Stehen bei Zimmer-
temperatur enthielten:
das offene Gläschen 2,27 mg N H3 und deutlich Nitrit
» verschlossene » 0,51 mg N Hs » » »
Die Möglichkeit, dafs das offene Gläschen etwas Ammoniak
aus der Luft aufgenommen haben kann, ist nicht zu bestreiten,
immerhin ist beim geschlossenen Gläschen die Reduktion der
Salpetersäure bis zum Ammoniak unzweifelhaft.
Von Prof. Dr. K. B. Ijehmftnn. 103
Spätere quantitative Ergebnisse lauteten:
Es wurden zweimal 100 qcm Zinn mit je 170 mg NOgNa
und 500 com 1 proz. Weinsäure in eine ^/2-Literflasche luftfrei ein-
geschlossen (Flasche B und C) und zweimal die gleiche Mischung
in eine halbvolle Literflasche eingeschlossen (Flasche B) und die
Literflasche öfters umgeschüttelt und der Stöpsel gelüftet. Die
Untersuchung ergab:
Tabelle XV.
Nach 4 Wochen:
mit Luftzatritt ohne Laftsatritt
I. 1,98 mg NH, (A) III. 2,08 mg NH, (B)
Kein Nitrit. Kein Nitrit.
Nach 8 Wochen*
n. 3,01 mg NH,») (A) IV. 2,52 mg NH, (0)
Kein Nitrit. Kein Nitrit
Aus dem ganzen Nitrat hätten 34 mg N Hg entstehen können,
es geht also die Nitratreduktion unter den gewählten Bedingungen
nur sehr langsam bis zum Ammoniak vor sich.
In einer Bestimmung (Nr. IV) wurde auch das gelöste Zinn
bestimmt und 91,6 mg gefunden, die 12,4 mg Sauersto£E zur
Lösung brauchen, die entstehen, wenn 10,3 mg N2O5 3,2 mg
Ammoniak liefern. Die gefundenen 2,52 mg Ammoniak ent-
2 52
sprechen (s. unten) j^ = 9,6 mg Sauerstoff und die übrigen
2,8 mg waren gasförmig in den 500 ccm Wasser gelöst.
In einem dritten Versuch wurde blofs die Lösung des Zinns
mit und ohne Nitratzusatz zur Weinsäure untersucht (Tab. XVI).
Ein vierter Versuch ermittelte Zinnlösung und Ammoniak-
bUdung bei gleichzeitiger Anwesenheit von Weinsäure, Nitrat und
Zinn und prüfte die Wirkung des Zuckers auf den Vorgang.
(Tabelle XVII.)
') Diese Zahl ist zu grofs. Sie wurde gewonnen durch Analyse von
250 ccm, die in Flasche A nach der ersten Analyse noch weitere 4 Wochen
gestanden hatten. Während dieser zweiten Versuchshftlfte war das Ver* i
h<nis von Zinnflftche su FlQssigkeitsmenge doppelt so grofs als in den drei |
übrigen Proben. Es ist damit wohl auch erklärt, dafs die Ammoniakmenge, !
die bei G gegenüber B um 5 mg zunahm, sich in A um 10 gegenüber Ana-
lyse I gehoben hat. '.
104 Über die Angreifbarkeit der yersinnten KonservenbüchBen etc.
Tabelle XVI.
Einflufs der Nitrate aal die Löslichkeit von 100 qcm Zinn in 500 ccm Wein-
säure, fest verschlossen in 6 Wochen:
IVo Weinsäure
17o Weinsäure
+ 10mgN,0,
Vl^ Weinsäure
+ 50mgN,O5
P/o Weinsäure
+200mgN,O»
Zinn in mg .
Aussehen
Zinns
.'"]
ganz blank
23
blank
37
Spur graulich
116
stärker grau
Das wäre fQr Büchsen mit 410 qcm Oberfläche und 850 ccm Inhalt,
wenn man die LOslichkeit als der Oberfläche proportional annimmt und auf
1000 umrechnet, etwa:
Zinn in mg . .
19
111
178
559
Tabelle XVH.
100 qcm Zinn 500 ccm Weinsäure, fest verschlossen 6 Wochen aufbewahrt
IVo Weinsäure
V/o Weinsäure
+ ßON,05
l°/o Weinsäure
+ 200 N,0,
Zinn in mg ....
Ammoniak in mg . .
13
25
2,7
144
4,8
iVo Weinsäure
20<»/o Rohrzucker
l«/o Weinsäure
20®/o Rohrzucker
50 N,Oj
VIo Weinsäure
20o/o Rohrzucker
300 N.O,
Zinn in mg ....
Ammoniak in mg . .
16
26
3,0
66
4.0
Durch Reduktion des Nitrats zu dem gefundenen Ammoniak
hätten gelöst werden können:
a) ohne Zucker 17,5
» 1 137
b) mit Zucker 86
» 115
(durch 2,7 Ammoniak)
( »4,8 » )
( » 3,0 » )
( » 4,0 » )
Also ist durch die Nitratreduktion auch hier der erforder-
liche Sauerstoff wirklich beschafft.
Der Zucker ist auf die Nitratreduktion von zweifelhaftem
Einflufs, auf die Zinnlösung wirkt er hemmend (s. unten).
Von Prof. Dr. K. B. r^hmann. 105
Während unserer Untersuchungen sind auch über den Ein-
flufs der Nitrate auf die Lösung des Bleis interessante Studien
veröffentlicht, die mir aber erst nach Abschlufs meiner Arbeiten
bekannt wurden.
Rui^iöka hat in einer kurzen aber wertvollen Studie gezeigt,
daüs Nitrate die Bleilösung eines Wassers sehr erhöhen, ohne
zu versuchen, diese — auch früher schon von einzelnen Autoren
gemachte — Beobachtung zu erklftren. Der Autor lälst es auch
unentschieden, ob überhaupt Blei von ganz luftfreiem Wasser
gelöst werde, während er die mächtige Förderung der Bleilösung
durch Luft anerkennt. (A. f. H. XL, S. 44.)
Fortner (A. f. H. LIV, 329) hat ebenfalls eine Beobachtung
gemacht, die für die Bedeutung der Nitrate für Bleiaufnahme
spricht. Er macht aufserdem auf eine Stelle bei Schönbein
aufmerksam, in der dieser Forscher schon 1861 die Reduktion
von Alkalinitraten durch Blei, Kadmium, Zink, Kalium und
Natrium beschrieben hat, während er keine reduzierende Wirkung
von Eisen, Zinn und Aluminium finden konnte. Den Vorgang
der Bleilösung denkt sich Fortner folgendermafsen :
«Die im Wasser vorhandenen HO Jonen (von der Jonisation
des Wassers herstammend) und die aus den Nitraten stammenden
NOgJonen wirken bleilösend, der hierdurch disponibel werdende
Wasserstoff hat nun Gelegenheit, auf einen Teil der vorhandenen
Nitrate reduzierend zu wirken und dadurch die Bildung von sal-
petriger Säure bzw. Nitriten zu veranlassen. € An anderer Stelle
spricht es der Autor nochmals aus, dafs er es für nicht not-
wendig hält, im destillierten Wasser gelösten Sauerstoff zur Lösung
des Bleis anzunehmen, er betrachtet die schwache Jonisierung
des destillierten Wassers als ausreichend zur Erklärung der ge-
ringen Bleilösung durch ausgekochtes Wasser.
8. Läfat 8ich der in Konserven beobachtete Zinngehalt
nach dem Vorliegenden verstehen?
Wir sahen, dafs — auf 1 Kilo Flüssigkeit ausgerechnet —
etwa 23 — 28 mg freier Sauerstoff zur Verfügung steht, der etwa
310 — 378 mg Zinn pro Kilo lösen kann — die höchste Zahl, die
106 t)ber die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
ich selbst für 1 Kilo Fruchtsaft gelöst fand, war 339 — , wir
können also unsere Zahlen alle erklären durch den freien
Sauerstoff allein, ohne Annahme einer Undichtigkeit der Büchsen
oder Zuhilfenahme der Nitrate.
Die höchsten Zahlen, die mir überhaupt bekannt sind, sind
— selbstgefunden — 450 mg Zinn für die Randpartien der lang
aufbewahrten Delikatelshäringe, aus der Literatur 404 und 600 mg
in Spargel, 600 mg in Brombeeren.
Keine dieser Zahlen macht Schwierigkeiten, sowie wir an-
nehmen, dafs Nitrate im verwendeten Wasser oder Kochsalz vor-
handen waren, jedes mg N2O5 pro 1 erklärt uns je 8,9 mg Zinn,
Wässer mit 100 mg N2O5 sind durchaus nicht selten, und die
Zeit, um genügend Nitrat zu reduzieren, ist ja in alten Kon-
serven reichlich gegeben.
Die Nitrate werden wir wohl namentlich da zur Erklärung
heranziehen dürfen, wo viel Wasser verwendet wird. Die Frucht-
säfte sollen nur sehr wenig Wasser enthalten (etwa 10 — 20®/o),
aber Kompottfrüchte werden erst in Wasser gedünstet und dann
in Zuckerwasser eingelegt, wodurch etwa 40% Wasser in die
Büchse kommt, ebenso ist es mit Erbsen, Spargel usw.
Auffallend wird auf den ersten Blick erscheinen, dafs auch
so schwach saure Flüssigkeiten, wie Spargelbrühe, Zinn lösen.
118
Bedenken wir aber, dafs 1 ccm Normalsäure schon für —^ = 59 mg
Zinn ausreicht, dafs also 4 ccm Normalsäure genügen, um die
ganzen 200 — 250 rag Zinn in 1 1 Spargelkonserve zu lösen, so
wird uns dies beruhigen.^) Dabei ist weiter zu beachten, dafs
die Spargelstengel etwa dreimal so zinnreich sind wie die Spargel-
brühe, was wohl so gedeutet werden darf, dafs die durch die
schwache Säure der Brühe gelöste Zinnmenge immer wieder
durch die Albuminate der Stengel ausgefällt wird, wodurch neue
Säuremengen zur Zinnlösung verfügbar werden.
^) Die Azidität der Spargelbrühe ist etwa einer -^r-r Normalsäare ent-
sprechend. Enthalten 1000 ccm Spargel and Brühe 400 ccm Brühe, so ent-
spricht dies 4 ccm Normals&ure.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
107
Hier mag auch angeführt sein, dafs ein Kochsalzzusatz
die Zinnlösung der Weinsäure sehr beschleunigt.
Es tauchten diesmal 100 qcm Zinn (auf beiden Seiten ge-
messen) in nur 100 ccm Flüssigkeit, in den Proben ohne Luft-
zutritt war das Fläschchen klein und vollständig gefüllt, in den
anderen Proben tauchte das Zinn zwar auch ganz unter, aber
68 stand reichlich Luft über dem Flüssigkeitsspiegel, da eine
grofse Flasche verwendet wurde.
Tabelle XVIH.
100 ccm FlflSBigkeit nnd 100 qcm Zinn liefern in 4 Wochen:
In 100 ccm sind
4% Na Ol
In 100 ccm sind
4Vo Na Ol
4- 20 ccm Nor-
malweinsäare
In 100 ccm sind
20 ccm Normal-
weinsäare
Ohne Lafteutritt
Mit Laftza tritt .
2^
&,7
5,8
241,5
3,9
106,0
Aber auch zu dieser Lösungsverstarkung ist Luft resp. Sauer-
stoff nötig.
9. Ober den Einflurs des ÖfTnene der Konservenbüchsen mit
vegetabilischem Inhait auf den Zinngehait des Inhalts. Wiricung
des Zuckers und der Viskosität.
Da Luftzutritt für die Zinnlösung ein mafsgebender Faktor
ist, so war zu prüfen, inwieweit eine Zunahme des Zinngehalts
im Büchseninhalt eintritt, wenn man Büchsen o£fen stehen läfst.
Als Vorversuch diente eine Reihe, bei der 100 qcm Zinn
(die Oberfläche beider Seiten gerechnet) in offene Gläser einge-
stellt wurden, welche je 100 ccm Weinsäurelösung enthielten.
Das Zinnstück ragte eine Spur über den Flüssigkeitsspiegel empor.
Tabelle XIX.
nach 8 Tagen nach 14 Tagen
I. Weinsäure
Viot 0,075 Vo 27,9 mg - 88,3 mg,
II. . •
V,o 0,376^0 — B4,9 * - 111.4 >
III.
Vio 0,76 % --- 116.7 » — 212,6 . >
IV.
Vs 1,6 7o - 176.7 * - 366,0 »
V. >
V, 3,76 o/o — 293,6 * — 630,9 »
VI. Normalweins. 7,6 •/« — 846,2 > — 817,7 *
108 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
Das würde für Büchsen mit 410 qcm Oberfläche und 850 ccm
Inhalt, wenn ich annehme, dafs die Lösung der Zinnoberfläche
proportional ist und auf 1000 umrechne, etwa ergeben:
nach 8 Tagen nach 14 Ta^en
1. Weinsäure
•/,..
0,075% — 134 mg — 183 mg,
II,
'/.«
0.375 7o — 409 > — 535 >
III. »
V,.
0,75 °/o — 564 . — 1027 >
IV. »
Vs
1,5 «/o - 849 » — 1717 >
V. >
'/.
3,76 % — 1417 » — 2649 »
VI. Normalweine.
7,5 Vo — 1669 > — 3946 >
Diese Zahlen dürften etwas zu grols sein, denn der Sauer-
stoff dringt in den tiefen Büchsen nicht so leicht zum Grunde
wie in den weniger tiefen Bechergläsern.
Immerhin zeigen aber diese Zahlen unzweifelhaft, dafs bei
allen hier gewählten Konzentrationen der Säure mit der Dauer
des Versuches auch die Menge des gelösten Zinns steigt, und
zwar um so stärker, je konzentrierter die Säure.
Nun wurden eine Anzahl gekaufter Büchsen mit verschieden-
artigem Inhalt geöffnet, die. Azidität und der Zinngehalt ihres
Inhalts bestimmt, die teilweise entleerten Büchsen liefs man im
Laboratorium stehen und analysierte ihren Inhalt nach 8 und
14 Tagen wieder.
Die ziemlich überraschenden Resultate der Untersuchung
gibt folgende Tabelle:
Tabelle XX.
Anf 1000 ccm umgerechnet:
Azidität
= Wein-
säure
Frisch
Nach
8 Tagen
Nach
14 Tagen
Johannisbeersaft ^)
(Büchse innen lackiert)
Spargel
(Brühe u. Stengel gemischt)
(Büchse nicht lackiert)
Ve Normal-
säure
Vin« Normal-
100
1,5%
0,076 Vc
39 mg
103
säure
46 mg
153
181 mg
Die Zahlen sind das Mittel von je 2 gut übereinstimmenden
Kontrollversuchen.
1) richtiger Johannisbeersirup vgl. S. 70.
Von Prof. Dr. K. 6. Lehmann. 109
Spargel haben in der Zinnbüchse, offen stehend, somit in
8 Tagen 50 mg , in 14 Tagen 78 mg gelöst — recht erheblich
weniger als eine wässerige reine ^/^qq Weinsäurelösung, welche in
8 Tagen 134, in 14 Tagen 183 mg löste.
Die geringe Zinnlösung des Johannisbeersaftes erklärt sich
einstweilen einfach durch die Lackierung der Büchse. Um die
ziunlösende Kraft des fraglichen Johannisbeersaftes sicherzustellen,
wurden 100 ccm desselben in ein Becherglas gefüllt und 100 qcm
reines Zinnblech bei Luftzutritt eingetaucht, es lösten sich auch
so in 8 Tagen nur 33,7 mg, eine merkliche aber gegenüber den
Werten von Tabelle XIX (175,7 mgl) auffallend kleine Menge.
Es unterlag sofort keinem Zweifel, dafs wir bei den pflanz-
lichen Konserven einem neuen Faktor gegenüberstanden, der
hemmend auf die Zinnlösung wirkt.
E^ schien von vornherein namentlich zweierlei möglich:
1. Es beeinäufst die Viskosität der Fruchtsaftlösung
die Bewegung der Flüssigkeit in den Büchsen ungünstig.
Während eine Weinsäurelösung, die die Büchse ganz
ausfüllt, fortwährend in durch TemperaturdifEereuzen ver-
ursachter Bewegung ist, wird diese Bewegung, dank Kle*
brigkeit und Zähflüssigkeit der Lösung, gehemmt. Es
bleiben also viel mehr als wie in reinen wässerigen Lö-
sungen die gleichen Säureteilchen längere Zeit mit der
Wandung in Berührung, auch der Sauerstoff dringt
schwerer ein.
2. Es kommt allein auf gewisse chemische Bestandteile des
Büchseninhalts an, namentlich schien es möglich, dafs
der Zucker die Zinnlösung stört.^)
Um diese Frage zu entscheiden, wurden spezielle Versuche
mit Fruchtsaft, dann mit Weinsäure derselben Azidität ohne und
mit Zugabe von Rohrzucker resp. Kapillärsirup resp. Agar und
schliefslich Qelatine angestellt.
1) Die Btörende Wirkung des Zuckers auf die Lösung des Kupfers habe
ich Bchon vor Jahren einer experimentellen Untersuchung unterworfen.
110 über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbacbsen etc.
Kapillärsirup wird den Fruchtsäften des Handels in sehr
erheblichen Mengen zugesetzt. Kapillärsirup (Karto£Eelstärke-
sirup) bezog ich von einer grofsen Konservenfabrik als ungemein
dickflüssige, farblose, wenig süfse, in der Kälte sehr zähe, in der
Wärme leidlich flüssige Masse vom spezifischen Gewicht 1,4 bei
73°. Bei niedrigeren Temperaturen stiefs die Bestimmung mit
dem Areometer auf Schwierigkeiten wegen der aufserordentlichen
Klebrigkeit der Masse. So hatte ich also im Kapillärsirup, der
eine sehr stark dextrinhaltige Zuckerlösung darstellt, einen zucker-
haltigen imd gleichzeitig sehr viskosen StofE. Er soll enthalten
50 — 75% Döxtrose und 16 — 30% Dextrin, aufserdem etwas Mal-
tose, Asche und nach unserer Analyse 13,8% Wasser. Starke
Rohrzuckerlösungen allein sind zuckerreich, ohne viskos zu sein.
Zur Anstellung der Versuche bedienten wir uns kleiner
Bechergläser von ca. 200 ccm Volumen. Die Zinnplättchen
waren darin so eingestellt, dafs jedesmal gerade 100 qcm Ober-
fläche auf beiden Seiten zusammen in die Lösung eintauchten,
während ihr freier Rand einige Millimeter über den Flüssigkeits-
spiegel herausragte. Die Lösungen bestanden teils aus reinem käuf-
lichen Johannisbeersaft, teils aus gleichstark sauren Weinsäure-
lösungen, aus einem Gemisch von Kapillärsirup und Weinsäure-
lösungen mit und ohne Zuckerzusatz und schliefslich aus einem
Gemisch von Weinsäure und Gelatine, und Weinsäure und Agar.
Alle Lösungen waren auf 100 ccm Volum gebracht und gut ge-
mischt, was bei der Dickflüssigkeit des Sirups nicht ohne Schwie-
rigkeit zu erreichen war. Es waren folgende Proben aufgestellt :
I. 100 ccm Frachtsaft von der Azidität 17.
II. 1? ccm Norm.-Weinsftare -f- 88 ccm Wasser
lU.
17 t
IV.
17 .
V.
17 »
VI.
17 .
vn.
17 »
VTTT.
17 .
IX.
17 >
X.
17 >
XI.
17 »
+ 30
+ 60
-f 60
+ 70
-f 83
+ 30
Kap.-Sir. -f" ^ ccm Wasser
> 4- 33 >
-j- 23 >
+ 13 »
> -f- 20 g Rohrzucker +
Wasser = 100 ccm
+ 30 g gelöst. Bohrzuck. + Wasser = 100 ccm
-|- 20proz. OelatinelOsung =100 >
-f 2 proz. Agar = 100 >
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
111
Die Lösungen von 30 g Zucker sind nicht viskos, von
30 ccm Eapillärsirup schwach viskos, von 50 com ab stark vis-
kOs, etwa wie Fruchtsaft. Die Gelatine und der Agar waren fest
erstarrt; die Zinnstücke wurden eingeführt, ehe die Erstarrung
eintrat.
Sämtliche Proben wurden doppelt angesetzt.
Nach 8 Tagen wurden die Zinnstückchen herausgenommen
and das gelöste Zinn bestimmt.
Es darf nicht weiter wundernehmen, dals die Resultate
der Kontrollen bis zu 4 mg auseinandergehen, da es ungemein
schwierig war, gerade 100 qcm der Zinnplättchen in die Lösungen
eintauchen zu lassen, da ja bei der geringsten Erschütterung und
einem notwendig werdenden Transporte kleine Verschiebungen
eintreten mufsten, so dafs dadurch den Flüssigkeiten vielleicht
eine etwas gröfsere oder geringere AngrifEsfl&che geboten wurde.
Die Resultate folgen tabellarisch.
Tabelle XXI.
Einflols des Zackergehaltes and der Viskosität des LöBangsmittels aaf die
LOelichkeit von Zinn.
In 100 ccm Flassigkeit
lind aaßer dem cum Auflflllen auf 100 ccm nötigen
Wasser
finden sich nach
8 Tagen gelöst mg 8n
Analyse
A.
Analyse
B.
Mittel-
werte
17
17
17
17
17
17
17
17
lOO
17
17
ccm
»
>
>
Normalweinsftare
m
> -f- 30 g Rohrsacker . .
> -|- 80 ccm Kapillärsirap .
-{- 20 g Rohrzacker . .
> -|- 60 ccm Kapillftnirop .
» -j- 60 > >
+ 70 >
* 4- 83 > >
käoflicher Johannisbeersaft (ohne Wasser-
zusats)
Normalweinsaore -f- ^ g Gelatine . . .
» + 2 g Agar
99,8
55,0
51,09
30,6
37,7
26,7
18,8
5,5
11,7
16,5
113,9
104,5
51,9
48,7
30,6
36,9
28,2
17,2
7,8
9,4
16,7
110,04
102,1
53,4
49,9
30,6
37,3
27,4
18,0
6,6
10,5
16,1
111,9
112 t}ber die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
Die Ergebnisse der ersten 8 Proben zeigen, dafs die Lös-
licbkeit des Zinns ungefähr in demselben Mafse abnimmt, als
die Konzentration des Kapillärsirups . steigt, und dafür konnte
ja die zunehmende Viskosität im Verein mit dem Steigen des
Zuckergehaltes anzuschuldigen sein. Allerdings ist es schon
höchst auffallend, dafs Lösungen, die blofs aus Weinsäure und
zuckerhaltigem Wasser bestehen, und die durchaus nicht viskos
sind, die Zinnlöslichkeit auf fast die Hälfte reduzieren im Vergleich
zu den gleichstark sauren Weinsäurelösungen ohne Zuckerzusatz.
Wie aber soll man es sich erklären, wenn eine Probe, die
aufser Weinsäure nur Agar enthält und infolgedessen zu einer
gallertigen Masse erstarrt war, wo also eine Verschiebung der
einzelnen Teile durch Wärmedifferenzen völlig ausgeschlossen
war, eine Zinnmenge zur Auflösung bringt, die sogar diejenige
gleichstark saurer Weinsäurelösungen etwas übertrifft?
Dieses eine Resultat beweist uns zur Genüge, dafs nicht die
Viskosität der zuckerhaltigen Lösung das entscheidende Hinder-
nis für die Zinnlösung sein kann. * Der Zuckergehalt einer Lö-
sung allein ist von gröfstem Einflufs für die Menge des aufzu-
lösenden Zinns.
Ich beziehe demgemäfs die geringe Zinnlösung des offen
stehenden sülsen Fruchtsaftes auf die Anwesenheit gröfserer
Zuckermengen.
Die enorm hemmende Wirkung der Gelatine läfst sich ganz
ungezwungen durch ihre säurebindende Eigenschaft erklären.
Tabelle XXn.
Einflufs von Zucker, Quittenschleim und Agar auf die Lösung von Zinn in
Weinsäure.
Zinn gelöst in Milligramm in 8 Tagen :
A. : 100 qcm Zinn tauchen in 100 ccm Flüssigkeit ein, 1 cm ragt heraus.
In den 100 ccm Flüssigkeit sind enthalten:
17 ccm Normal-
weinsäure
1
17 ccm Normal-
1 Weinsäure
! + 20 o/o Zucker
1 1
17 ccm Normal-
weinsäure
-{- 2% Agar
17 ccm Normal-
1 Weinsäure
-{- Quittenachleim *)
a
146
b
124
a
67
b
64
a
177
b
169
a
95
b
84
1) Der Quittenschleim enthielt 0,6% feste Bestandteile.
Von Prof. 0r. K. B. Lehmann.
113
6.: 100 qcm Zinn tauchen in 100 com Flttssigkeit 1 cm tief nnter.
17 ccm Normal-
Weinsäure
17 ccm Normal-
Weinsäure
-t- 20% Zucker
17 ccm Normal-
weinsäure
-f 2% Agar
17 ccm Normal-
wein säure
-f Qulttensehleim*)
a
48
b
52
a
3d
b
39
a
15
b
14
a
14
b
16
Einige weitere Versuche ergaben ;
Tabelle XXUI.
Zinngehalt de8 Lö8nng8mittelB nach 4 — 5 Tagen Stehens bei Lnftiatritt.
Lösungsmittel
Gelöstes
Zinn in mg
Lösungsmittel
Gelöstes
Zinn in mg
83 ccm 2prox. Agar -\-
17 ccm Normal Weinsäure
I
63 ccm 2proz. Agar (
-|- 17 ccm Normalwein- <
säare + 20 g Rohrzucker [
83 ccm Wasser + 17 ccml
Normalweinsäure )
122
119
86
92
110«)
83 ccm dicke Gummi-
lösung 4~ ^'7 c<^°> Wein-
säure
63 ccm dicke Gummi-
lösung -f- 17 ccm Wein-
säure -4- 20 g Rohrzucker
83 ccm dicker Quitten-
schleim -}- 17 ccm Wein-
säure
63 ccm Quittenschleim
-f- 17 ccm Weinsäure
-f- 20 g Rohrzucker
68
40
110
102
Tabelle XXIV.
Zinngehalt des Lösungsmittels nach 20Std. Stehen im Brutschrank b. Luftzutritt.
Lösungsmittel
Gelöstes
Zinn in mg
17 ccm Normal Weinsäure a > *b •
40
17 > » b
*5
41
17 » > -j- 20 g Dextrose .
3 08
18
17 » . -j- 40 . .
08 9
11
17 . > + 20 » Rohrzucker
26
17 . , -f 40 »
18
10
17 . > + 20 » Dextrin
38
23
17 t , _|_ 40 » . J
?"
24
1) Der Qulttensehleim enthielt 0,6 Vo feste Bestandteile.
2) Die Zahl 110 ist nicht durch Analyse gefunden (die betreffende Probe
verunglückte), sie ist aber mit grofser Sicherheit auf etwa 5 mg genau ein-
losetzen.
ArchiT für Hygiene. Bd. LXin. 8
114 über die Ad greifbarkeit der verzinnten Konservenbücbsen etc.
Diese vier Versuchsreihen lehren ganz deutlich:
Bei Zinnblechstücken, die aus dem Lösungsmittel
herausragen, gibt es zwei Faktoren, welche die Lösung stören :
a) Der Zuckergehalt der Flüssigkeit, und zwar ver-
min d e rn 20®/o Rohrzucker oder Traubenzucker die Zinn-
lösung etwa auf die Hälfte, 40% Zucker etwa auf ein
Viertel. Zuckerlösungen von 20% sind noch wenig vis-
kos, ihre Wirkung kann nicht auf der Viskosität beruhen.
b) Die Viskosität der Flüssigkeit. Diese ist von
bescheidener, ja zweifelhafter Bedeutung bei den heraus-
ragenden Stücken. Nur in der Tabelle XXII A hat der
Quittenschleimzusatz die Zinnlösung durch Säure von
135 auf 90 herabgesetzt, ähnhch hat in Tabelle XXIII
die Gummilösung gewirkt.
Eine 2proz. Agarmischung löste, obwohl sie ganz fest und
starr ist, mehr Zinn als die entsprechende wässerige Weinsäure :
112 gegen 102, 173 gegen 135, während doch die Flüssigkeits-
bewegung enorm durch die Beimengung des Agars gestört war.
Ich möchte glauben, dafs der Agar doch etwas stören mufs, dafs
er aber durch irgendeinen uns noch unbekannten Mechanismus
gleichzeitig die Lösung begünstigt. Sicher ist, dafs am Agar eine
Anzahl schwärzlicher gelockerter Zinnteilchen hängen bleibt, welche
bei den in wässerige Weinsäure tauchenden Blechen am Blech haften
aber abreibbar sind, vielleicht wird nur dadurch die Agarzahl er-
höht, ob dies allerdings genügt zur Erklärung obiger Zahlen, mufs
dahingestellt bleiben. Hierüber sind besondere Versuche nötig.
Bei Zinnblechstücken, welche mindestens 1 cm unter der Ober-
fläche der Weinsäure eingetaucht liegen, ist die Hemmung durch
die Viskosität der Flüssigkeit viel stärker als durch den Zucker I
Offenbar hemmt die Viskosität nicht sowohl
durch Störung der Flüssigkeitszirkulation als durch
Hemmung des Eindringens des Sauerstoffs, der Zucker
hat dagegen eine spezifisch hemmende Wirkung.
Als ich mit meinem Freunde Prof. A. Hantzsch über
den merkwürdigen Einflufs des Zuckers auf die Angreifbarkeit
des Zinns durch Weinsäure sprach und ihn fragte, ob etwa die
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
115
JonisieruDg der Weinsäure durch Zucker beeinflulst sein könnte,
verwies er mich auf eine Publikation von ihm^), in der nach-
gewiesen ist, dafs in der Tat Rohrzucker die Leitfähigkeit, also
die Jonisierung der Salzsäure, um etwa 2% herabsetzt. Wesent-
lich stärker wird die Leitfähigkeit der Schwefelsäure durch
Traubenzucker vermindert (um etwa 20%), und Hantzsch
nimmt an, dafs wohl Schwefelsäure als mehrbasische Säure von
geringer Dissoziationstendenz durch Fremdkörper stärker beein-
flufst wird als die stärksten einbasischen Säuren. Dabei hat
Hantzsch den Zucker stets in gleicher molekularer Konzen-
tration verwendet wie die Säure.
Durch die freundliche Vermittlung von Herrn Kollegen
Straub, der mir die Hilfsmittel seines Laboratoriums und seinen
Rat zur Verfügung stellte, war ich in der Lage, mich über den
Einflufs des Rohrzuckers auf die Leitfähigkeit der Weinsäure
direkt überzeugen zu können und festzustellen, dafs auch diese
Säure sehr stark durch Zuckerzusatz beeinfiufst wird.
Ich habe verschiedene Weinsäurekonzentrationen kh»
n
32' 64' 128'
n
aber stets die gleiche Zuckerkonzentration von 20%, d. h. ^y ver-
wendet. Die von uns in den Zinnlösungsversuchen verwendete war
— um dies hier auch anzuführen — entweder Iproz., d. h.
7,6
oder sie enthielt 17 ccm Normalsäure, in 100 war also -j^ = -^
normal.
Tabelle XXV. Weinsäure in Wasser.
Kon- '
zen-
tratlon
w
/« = k. y
fi bei 25 <>
N bei 25«
nach
Ostwald
Die von mir gefun«
denen Zahlen sind
In % größer als die
Ostwalds
32 21.82
n
64
21,9
128 ^^'^
145,7
213,5
316,7
0,001839
0,001255
0,000846
58,848
80,320
108,288
63,526 61,4
86,545 83,9
116,68 ' 113,2
3,3
3,0
2,9
1) A. Hantzsch, Über Oxonium und Ammoniamsalte, B. d. d. ehem.
Ges , XXXVm, Heft 9.
8*
116 Ober die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
Tabelle XXVI.
Weinsäure in Wasser, das 20<^/o Rohrzucker enthält.
Kon-
xen-
tration
1
t
w
k- "
w
fi — k. if
fi bei 25»
n
32
21,75
239,0
0,001121
35,872
38,790
n
64
21,74
332,9
0,000805
51,520
55,719
n
138
21,8
484,8
0,000552
70,656
76,308
Hieraus folgt : es verhält sich das Leitvermögen ohne Zucker
zu dem bei Zuckerzusatz
n
bei i^ Weinsäure wie 100 : 66,
»
n
64
n
128
f> 100 : 69,
» 100 : 70.
Es wird also die Leitfähigkeit, d. h. die Jonisierung der
Weinsäure, durch Zucker um 30 — 34% herabgesetzt, der stärkste
Einfiufs ist bei den stärkeren Säurelösungen, bei der etwa ein
halbes Säureäquivalent auf 1 Zuckermolekül kam.
Auch für das Kupfer habe ich früher gefunden (A. f. H.
XXXV, 50), dafs der Zucker den Angriff der Säuren auf das-
selbe vermindert — ich hatte eine Angabe dieser Art bei einem
älteren Autor angetroffen, konnte aber später das Zitat nicht
mehr finden.
Einen Versuch habe ich auch mit Eisen durchgeführt, und
zwar in der Weise, dafs ich je 200 ccm Iproz. Weinsäure mit
2ö blanken kleinen Eisennägeln zusammen luftdicht in Flaschen
füllte und der einen Probe 40% Rohrzucker zusetzte, die suk-
zessive Lösung des Eisens wurde durch Auffangen des entstehen-
den Wasserstoffs kontrolliert, nachdem ich in einigen Vorver-
suchen das Parallelgehen von Wasserstoffbildung und Eisenlösung
nachgewiesen.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
117
Das Resultat ist in der folgenden Tabelle enthalten
Tabelle XXVIL
Zeit
in
Stunden
Ohne Zucker
Wassentoff
com
Mit Zucker
Wasserstoff
ccm
24
27
12
48 ,
93
25
55
121
81
72
165
40
76
172
44
81
185
48
91
197
53
97
204
56
99
206
57
119
214
63
121
216
64
128
143
217
! nach Zugabe von
^ frischen Elsenstiften
219
68
75
153 1
226
80
166
238
85
176
247
88
196
254
95
227
263
102
287
273
124
Die graphische Darstellung des Versuches zeigt, dafs mit
Zucker eine absolut gleichmäfsige geringe Wasserstoff bildung statt-
fand, wogegen ohne Zucker eine etwas unregelmätsigere Kurve er-
halten wurde. Zunächst eine kurze Periode (24 h), in der nur
etwa doppelt so viel Wasserstoff entstand als wie mit Zucker,
dann folgte eine etwa bis zur 100. Stunde dauernde fast gleich-
mäfsige Wasserstoff bildung, etwa viermal so grofs als mit Zucker.
Nach 100 Stunden nahm die Wasserstoffbildung stark ab, ich
schwankte, ob ich dies auf Abnahme des Säuregehalts oder mehr
auf eine sichtbare Inkrustation der Nägel in dem zuckerfreien
Glase durch Eisentartrat beziehen solle. Zufügen von frischen
Nägeln brachte eine vorübergehende raschere Entwicklung hervor,
die aber bald wieder einer langsameren Platz machte. Die Kurve
des Säuregehaltes zeigt, dafs um diese Zeit der Säuregehalt sehr
zurückgegangen war.
118 Über die Angreifbarkeit der verzinnten KonserYenbflchBen etc.
Wir diirfen also wohl annehmen, dafs der Zuckerzusatz den
Angriff aller Säuren auf Metalle herabsetzt.
10. Über den Einflurs des Öffnens der Konservenbflchsen mit
animalischem Inlialt auf den Zinngelialt des Inlialts.
Versuche an animalischen Konserven würden ausgeführt mit
2 Büchsen Heringen in Weinsäure, 1 Büchse Appetitsild und
1 Büchse Hummer.
Die Resultate sind in der folgenden Tabelle enthalten:
Tabelle XXVm.
Einflafs des Offenstehens auf animalische Konserven.
Zinn in mp; umgerechnet auf 1000 ccm.
Azidität
Soeben
geöffnet
Nach
8 Tagen
Stehen
Nach
14 Tagen
Stehen
1. Häringe in Weinsaace I
2. > » > n
3. Appetitsild
4. Hammer
Vs Normal
7« »
Neutral
Alkalisch
134
100
144
137
157
109
159
173
119
Die Zahlen sind Mittel von je zwei gut übereinstimmenden
Bestimmungen.
Es ist wohl nicht wunderbar, dals im Versuch 3 und 4, wo
es sich um schwach alkalische oder neutrale Konserven handelte,
eine wesentliche Zunahme des Zinngehalts beim Stehen an der Luft
ausblieb. Auffallender und entschieden einer besonderen Erklä-
rung bedürftig sind aber die Resultate von Versuch 1 und 2.
Es handelt sich hier um kräftig saure animalische Eonserven.
Der Säuregehalt entsprach einer ^/s — ^4 Normalsäure. Die frisch
geöffneten Büchsen besafsen den erwarteten mäfsigen Zinngehalt,
und wir waren der festen Erwartung, dieser Zinngehalt würde
beim Offenstehen erhebUch zunehmen. Nichts davon wurde
beobachtet, obwohl hier unlackierte Büchsen verwendet wurden.
Beim eingehenden Untersuchen der Häringbüchsen zeigte
sich, dafs die Wände mindestens stellenweise mit einer Fettschicht
überzogen waren, und dafs auch auf der Oberfläche der Brühe
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
119
grobe Fettmengen schwammen. Es lag deshalb die Vermutung
nahe, dsSs die Fettschicht an den Wänden der Büchse und auf
der Oberfläche des Büchseninhalts als ein Schutzmantel gegen
den Angriff von Säure und Sauerstoff zu betrachten sei.
Um dieses festzustellen, wurden Versuche in zwei Rich-
tungen unternommen.
1. Zur Prüfung der Vermutung, dafs ein Fettüberzug
der Büchsenwand eine Rolle als Schutzmittel spielt, wurden
Zinnstückchen von je 100 qcm Oberfläche in offenen Gefäfsen
1. anpräpariert, 2. schwach und 3. stark mit Hirschtalg einge-
fettet (durch Eintauchen des Zinns in geschmolzenen Hirsch-
talg), in Weinsäure untergetaucht und die gelösten Zinnmengen
Dach 8 und 14 Tagen bestimmt. Die Zinnstücke ragten heraus.
Die Resultate sind in der Tabelle XXIX enthalten.
Dieselben zeigen, dafs bereits eine schwache Fettung
ein wesentliches Hindernis für die Zinnlösung darstellt, und dafs
bei starkem Einfetten der Schutz der Fettschicht äufserst stark
wird. Der Unterschied der gefetteten und nichtgefetteten Bleche
tritt besonders bei den stärkeren Säurekonzentrationen hervor.
2. Um zu sehen, ob das Fett auf der Oberfläche der
Eonserve eine schützende Decke gegen den Einflufs des Sauer-
stoffs der Luft bildet, wurde folgender Weg eingeschlagen:
Tabelle XXIX.
EinfiofB der Einfettang auf die Löslichkeit von Zinn.
Gelöstes Zinn in mg.
1
Siarekonzentration
I
Zixmstücke
11 n eingefettet
Zinnstücke
schwach eingefettet
, Zinnstücke
stark
eingefettet
1
nach
8 Tagen
nach
14 Tagen
nach
8 Tagen
nach '
14 Tagen i
nach
8 Tagen
Weinsftore '/im normal
28
88
19
30
1
1
V„ " .
85
111
50
76
14
V., . .
. 117
213
81
166
V. • •
176
356
99
251
v. . .
294
531
139
303
22
Normalweinsäare . .
346
818
202
418
120 Über die Angreifbarkeit der verzinnten Konservenbüchsen etc.
Es wurden Zinnbleche von 100 qcm Oberfläche in Wein-
säure so tief eingetaucht, dafs die Weinsäure etwas darüber stand
und nun wurde in einigen der Gläser eine Decke von geschmol-
zenem Hammeltalg, in anderen eine dünne Olivenöldecke über
die Säure geschichtet. Bei einem Kon troll versuch blieb jeder
Fettzusatz weg. Die Konzentration der Säure war ^/g normal.
Nach 8 Tagen wurde der Versuch abgebrochen und das
gelöste Zinn bestimmt, nachdem das Fett mit Äther extrahiert
und mittels eines Scheidetrichters von der übrigen Flüssigkeit
getrennt war.
Alle Versuche wurden doppelt angesetzt und ergaben fol-
gende Resultate:
Tabelle XXX.
In den offen itehenden Lösungen
wurden gefunden
In den mit öl- und Fettschichten bedeckten
Lösungen ohne Unterschied
33 mg Sn
34 > >
Minimale Mengen Zinn
(Beim Einleiten von SH, kaam eine
Andeutung eines Farbenamschlages.)
Es ist dadurch erwiesen, dafs ein die Luft abschliefsender
Fettüberzug, auch wenn er recht dünn ist, ein sehr starkes
Hindernis für die Zinnauflösung bildet.
Durch beide Versuchsreihen findet die Tatsache der geringen
Zinnauflösung in geöffneten, Fett enthaltenden Konservenbüchsen
ihre Erklärung. Teils ist es das den Wandungen der Büchsen
anliegende Fett, das einen Schutz gegen Säure und Sauerstoff
ausübt, teils ist es die obenauf schwimmende Fettschicht.
Zusammenfassung der wichtigsten Resultate.
1. Zinn wird in verdünnten Säuren gar nicht oder nur in
sehr kleinen Spuren gelöst, wenn die Flüssigkeit nicht entweder
freien Sauerstoff enthält oder Luftsauerstoff aufnehmen kann.
Die Zinnlösung geschieht am raschesten, wenn das Zinn aus der
Flüssigkeit herausragt, erheblich langsamer, wenn es bei freiem
Sauerstoffzutritt zur Oberfläche der Flüssigkeit ganz in der Flüs-
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 121
gigkeit uuteigetaucht ist, fast gar nicht, wenn es in Sauerstoff-
freier Flüssigkeit luftdicht eingeschlossen ist. Es bleibt vorläufig
unentschieden, worauf die unter den letzteren Bedingungen be-
obachteten minimalen Zinnmengen zurückzuführen sind.
2. In nicht lackierten Zinnbüchsen wird Zinn gelöst von
verdünnten organischen Säuren nach Mafsgabe des in der Flüs-
sigkeit gelösten Sauerstoffs und des gasförmig zwisclien Deckel
und Flüssigkeitsspiegel befindlichen. Bei stehenden Büchsen er-
folgt der Angriff der Zinn wand meist sehr deutlich von oben
nach unten unter deutlicher Moir^ebildung. Die in Gasform und
gelöst zur Verfügung stehenden Sauerstoffmengen genügen, um
die in Fruchtsäften beobachteten Zinnmengen bis zu 300 mg
pro 1 zu erklären.
3. Bei Abwesenheit von freiem Sauerstoff kann der gebun-
dene Sauerstoff der Nitrate für denselben eintreten. Die Nitrate
werden dabei zu Ammoniak reduziert. Es gelang nicht, in
Früchten Nitrate nachzuweisen, bei dem hohen Nitratgehalt vieler
Brunnenwässer ist aber eine reichliche Gelegenheit gegeben, dafs
Nitrate namentlich in Gemüsekonserven gelangen. Die höchsten
Zahlen, welche in Konserven bisher gefunden sind, 600 in einem
Falle, sogar 1200 mg pro 1, erklären sich ohne weiteres durch
einen mäfsigen resp. hohen Gehalt des verwendeten Wassers oder
Kochsalzes an Nitraten.
4. In geöffneten Büchsen sollte man rasche Zinnlösung er-
warten, weil der Sauerstoff der Luft zutreten kann. Dieselbe
bleibt aber in der Praxis in der Regel aus und zwar verhindert
bei sürsen Konserven der Zucker, bei animalischen Konserven
das Fett, welches die Büchsenwafidungen und den Flüssigkeits-
spiegel mehr oder weniger vollständig überzieht und die Luft
abhält, die Zinnlösung. Die Viskosität des Büchseninhalts er-
schien von untergeordneter Bedeutung.
5. Die hemmende Wirkung des Zuckers beruht auf einer
Störung der Jonisierung der Weinsäure. Alle untersuchten Me-
talle (Kupfer, Eisen) werden von gezuckerten Säuren wesentlich
schwächer angegriffen als von ungezuckerten.
122 Über die Angreifbarkeit etc. Von Prof. Dr. K. B. Lebmann.
6. Bei gleichzeitiger Anwesenheit von Eisen and Zinn ist
die Zinnlösung sehr erheblich gestört, wogegen die Eisenlösung
durch das Zinn nicht wesentlich beeinflufst wird. Es erscheint
wahrscheinlich, dafs bei nachlässiger Verzinnung viel Eisen aber
wenig Zinn in Lösung geht.
7. Das Lackieren der Konservenbüchsen schützt dieselben
für ^4 bis ^/2 Jahr in hohem Grade gegen Zinnangriff, später nimmt
die Wirkung durch Zerstörung des Lacks ab.
In der Diu'chführung der Analysen der vorliegenden Arbeit
bin ich aufser durch die im Titel genannten Doktoranden auch
durch die Assistenten des Instituts, Herrn Dr. Krepelka und
vor allem durch Herrn H. K. Lang, eifrigst unterstützt worden,
wofür auch hier mein bester Dank ausgesprochen wird.
Den Herren Gebrüdem Wucherer, Besitzer der Wucher er-
sehen Schokolade- und Konservenfabrik, bin ich für mannigfache
liebenswürdige Förderung durch Überlassung und Verschliefsung
von Büchsen und Auskunfterteilung in technischen Fragen zu
herzlichem Dank verpflichtet.
Bemerkungen za dem Artikel Yon cand. med. Schappius
,,Die MUchleukozytenprobe nach Trommsdorff '.
Von
Privatdozent Dr. B. Trommsdorff-Münohen,
I. AMiitont des Initltuts.
(.^ns dem Hygienischen Institut der Universität München. Vorstand: Prof.
Dr. Max Gm her.)
In dem soeben erschienenen Hefte des Arch. f. Hyg. (Band 62,
H. 2, S. 137) beschäftigt sich cand. med. Schuppius mit der
von mir angegebenen »neuen Methode zur Diagnose der
chronischen, speziell der Streptokokkenmastitis der
Euhc^), die ich kurz als »Milchleukozytenprobec^) oder
»Milcbeiterprobe« zu benennen vorschlug.
Es sei gestattet, zu dem Artikel von Schuppius, der den
Anschein erwecken könnte, als sei die Probe weder begründet
noch brauchbar, im Anschlüsse an die von ihm als Endresultat
aufgestellten Sätze einiges zu erwidern.
Schuppius schreibt:
>1. Die Graduierung der von Trommsdorff angegebenen
im Handel erhältlichen Zentrifugierungsröhrchen ist nicht ge-
nau; der Inhalt ihres Kapillarteils erreicht statt 0,02 im besten
Falle 0,0148 cmc
»Der von ihm untersuchten 13 Gläschen« hätte er hinzu-
fügen müssen. Tatsächlich ist es richtig, dals von der Firma
Hugershoff durch das Versehen eines Arbeiters bedauerlicher-
weise eine — nach Angabe der Firma allerdings verschwindend
1) Berl. tieräntl. Wochenschr. 1906, Nr. 15.
2) Münch. med. Wochenschr. 1906, Nr. 12.
122 b Bemerkungen za dem Artikel »Die Milchleukozytenprobe« ete.
kleine — Anzahl Gläschen mit zu geringem Gehalt der Kapillare
hinausgegangen sind. Schuppius hat offenbar gerade solche
Gläschen bekommen. Jedoch sei — ohne hiermit etwa das Ver-
sehen der Firma entschuldigen zu wollen — bemerkt, dafs selbst
die Fehler, die Schuppius fand, für die praktische Bedeutung
der Milcheiterprobe keine wesentliche Rolle spielen.
Die Fehler, die Schuppius feststellte — ein Mindergehalt
von 30 — 40% — sind ja sehr grofse; wenn man aber berück-
sichtigt, dafs sie sich auf die gesamte Eichung beziehen (0,02),
so trifft auf den einzelnen Teilstrich — nur ein Fehler von 0,0003
bis 0,0004. Da nun bei gesunden Kühen der Zentrifugalboden-
satz der Milch in den Gläschen oft nur Spuren beträgt, und nicht
über 2 bis 4 Teilstriche (0,002—0,004) hinauszugehen pflegt,
der Verdacht einer Erkrankung nach meinen Angaben erst bei
Überschreitung der Marke 1 (= 0,01) vorliegt, so würde unter
normalen Verhältnissen der gelbliche Bodensatz selbst im schlech-
testen Gläschen, das Schuppius vorlag, statt bis zum 1., 2., 3.
oder 4. Teilstrich, bis zum 5. oder äufserst bis nahe zum 6. Teil-
strich gehen, immer also noch beträchtlich unter der Marke
bleiben, die einen Verdacht auf bestehende Mastitis erweckt. Er-
fahrungsgemäfs findet sich aber, wenn nicht der Bodensatz nur
minimal ist (Spuren bis zu wenigen Teilstrichen) bei bestehender
Mastitis ein die Marke 1 wesentlich übersteigendes gelbes
Sediment, so dafs auch in diesem Fall die zu geringe Eichung
nicht von praktischer Bedeutung ist. Immerhin hat Schuppius
recht, wenn er die Ungenauigkeit seiner Gläschen bzw. der die-
selben liefernden Firma rügt.
Schuppius schreibt weiter:
»2. Ein durch Zentrifugieren von Milch in Trommsdorffs
Kapillaren erhaltener Bodensatz besteht zum grofsen Teile —
manchmal bis zu 50 Vol.-Proz. und darüber — aus Fett. Aufserdem
finden sich darin Kuhkot, Haare, rote Blutkörperchen u.a.m., da-
gegen relativ wenig Leukozyten, die aber nicht von einer Eiterung
herrühren, da sie zum gröfsten Teile solche mit eosinophilen
Granulationen sind.«
Von Privatdozent Dr. R. Trommsdorff. 122 C
Auch diesen Satz von Schuppius — erkenne ich vollständig
zu Recht bestehend an — in bezug auf den minimalen
Bodensatz der Milch gesunder Kübel
Aber dieser minimale Bodensatz ist für die Milcheiterprobe
völlig belanglos (die Milcheiterprobe ist eine Vergleichsmethode:
sie vergleicht nur den Zentrifugalbodensatz der Milch gesunder
und kranker Kühe.) Erst in der Marke 1 (l^/oo) übersteigender
gelber Bodensatz erweckt nach meinen Angaben »Ver-
dacht auf bestehende chronische Euterentzündung«, auf
Eiterung.
Der gröfste Bodensatz nun, den Schuppius beobachtete,
war 0,3®/oo; solche Menge ist — wie aus meinen Veröffentlichungen
für jeden klar hervorgeht — völlig bedeutungslos und hat selbst-
verständlich nichts mit einer Eiterung zu tun.
Wollte Schuppius an meiner Methode Kritik üben,
so hätte er Bodensätze untersuchen müssen, die die
Marke 1 überschreiten. Auch in solchen findet sich selbst-
verständlich, z. T. reichlich, Fett (vielfach in Zellen eingeschlossen)
and Milchschmutz; aber im wesentlichen bestehen sie
(mit vereinzelten Ausnahmen, auf die ich bereits aufmerksam
gemacht habe [z.B. beginnende Laktation]) aus polynukleären
Leukozyten.
Da die Milchleukozytenprobe mit der Mischmilch je einer
Kuh (nicht eines Stalles!) gemacht werden soll, so deutet der
Befund der vermehrten Ausscheidung polynukleärer Leukozyten
auf einen Entzündungsvorgang im Euter hin, dessen Sitz dann
durch genauere Untersuchung der einzelnen Viertel, bzw. der
Milch der einzelnen Viertel ermittelt werden kann.
(Die in solchen Fällen meist vorliegenden Streptokokken-
mastitiden führen übrigens in der Regel in nicht allzulanger Zeit
durch Verödung der Drüse zur Sistierung der Milchproduktion,
zur Agalaktie.)
Der Schlufssatz von Schuppius lautet:
»3. Aus der Menge der Leukozyten im Bodensatz läfst sich
nicht auf die Menge des der Milch beigemengten Eiters schliefsen,
da der Leukozytengehalt verschiedener Eiterarten verschieden istc.
122d Die Milchleiikozytenprobe. Von Priyatdozent Dr. R. Trommsdorff.
Die letztere Tatsache ist gewils nicht zu bestreiten und
hätte wohl kaum der besonderen Versuche von Schuppius be-
durft.
Wenn man aber aus beispielsweise 300 cm Milch einer kranken
Zitze durch Zentrifugieren 100 cm Bodensatz (der im wesent-
lichen aus polynukleären Leukozyten -|- Bakterien besteht) erhält,
so ist es sicher praktisch gerechtfertigt, von einem Eiteigehalt
dieser Milch von 33% zu sprechen. Wissenschaftlich exakt lassen
sich da allerdings keine Angaben machen, und ich erkenne gerne
an, dafs meine Angaben in der Beziehung verbotenes unkorrekt
sind; dem Sinne nach aber sind sie durchaus berechtigt.
Die weiteren Einzelheiten der Schuppius sehen Unter-
suchungen zu besprechen, verlohnt sich nicht der Mühe. Der
praktischen Anwendung der Methode tut er keine Erwähnung.
Eine Bestätigung des Wertes der Milchleukozytenprobe
zur raschen und leichten Auffindung euterkranker Kühe
ist mir aber von vielen Seiten zugegangen und auch in
der tierärztlichen Literatur bereits gewürdigt worden.
Möge in nicht allzu ferner Z eit wenigstens inStällen,
die Kindermilch liefern, eine regelmäfsige Durch-
führung der Milcheiterprobe dahin führen, dafs das
Vorkommen von lEiter in der Milche zu den Unmög-
lichkeiten gehörti
über das Wachstum der Bakterien i n und auf Nähr-
böden höherer Konzentration.
Von
Dr. August Jörns,
Yorm. Aasistenten am hygienischen Institut.
(Aus dem hygienischen Institut der Universitftt Wünharg. Direktor :
Prof. Dr. K. B. Le h m an n.)
Auf Anregung von Herrn Prof. Dr. K. B. Lehmann unter-
suchte Leo Wolf^), bis zu welchem Wassergehalte Bakterien
auf verschiedenen Nährsubstraten noch zu wachsen vermöchten.
Die von ihm benutzten Nährböden waren mit Gelatine, Brot,
Kartoffel, Fleischpulver und Kakes hergestellt. Aus seinen
Untersuchungen ging hervor, dafs Bakterien auf diesen Nähr-
böden durchschnittlich noch bei einem Wassergehalte von 50%
zu wachsen vermögen, bei 40% Wassergehalt aber meistens
kein Wachstum mehr zustande kommt. Bei der näheren Durch*
sieht seiner Tabellen ergibt sich weiter eine individuelle Ver-
schiedenheit der einzelnen Spezies der Art, dafs manche Bak-
terienarten sogar bei einem höheren Wassergehalte noch dürftig
wachsen. Diese Tatsache sucht Wolf dadurch zu erklären, dafs
auf seinen undurchsichtigen Nährböden das Wachstum der färb-
stoStragenden Arten leichter zur Beobachtung gelangt als das
der farblosen. Aufserdem geht aus den Erörterungen Wolfs
klar hervor, wie ich gleich von vornherein konstatieren möchte,
dafs er sich nur mit dem Wachstum auf und nicht inner-
halb dieser Nährböden beschäftigt hat.
1) Archiv f. Hygiene, Bd. 84, S. 200.
AichiT für Hygiene. Bd. LXIII. 9
124 Über das Wachstum der Bakterien in und auf NfthrbOden etc.
Richard Weigert^) glaubte nun gerade gegen diese Ver-
suchsanordnung Einwände erheben zu müssen. Er behauptete,
dafs das Bakterienwachstum nicht bei dem angegebenen, sondera
bei einem weit höheren Wassergehalte zustande gekommen wäre,
denn es sei unvermeidlich, dafs sich auf der Oberfläche der
Nährböden Kondenswasser niederschlage, welches die ober-
flächlichen Schichten stets wasserreicher mache. So wäre also
in den Versuchen von L. Wolf das Wachstum nicht bei dem
durch die Trocknung der ganzen Nährbodenmenge ermittelten
Wassergehalte, sondern bei einem weit höheren erfolgt.
Dieser Erwägung ist ja von vornherein eine gewisse Be-
rechtigung nicht abzusprechen, da in den Versuchen von
L. Wolf nicht ausdrücklich über das Verhalten des Kondens-
wassers berichtet ist und sich Herr Prof . Lehmann nicht mehr
genau erinnerte, welche Vorkehrungen gegen einen Einflufs des
Kondenswassers getrofEen • waren. Eines war natürlich ohne
weiteres klar, dafs Wolfs Versuche nicht auf Nährböden ange-
stellt wurden, auf denen sichtbare Kondenswassermengen vor-
handen waren. Deshalb veranlafste Herr Prof. Lehmann bald
nach dem Erscheinen der Weigert sehen Arbeit A. Schlitz er*),
die Wolf sehen Versuche unter besonderer Berücksichtigung
gerade dieser Kondenswasserbildung von neuem aufzunehmen.
Schlitzer benutzte nur Nährböden, deren hoher Trockengehalt
durch Auflösung entsprechender Mengen Gelatine in Nährbouillon
erreicht wurde. Diesen Nährboden liefs er schräg in Reagens-
gläsern erstarren. Er beobachtete nun in der Tat, dafs sich in
der ersten Zeit nach Herstellung der Nährböden Kondenswasser
in reichlicher Menge an den Wänden des Reagensröhrchens
niederschlägt. Um dieses nach Möglichkeit zu beseitigen, wurden
die Röhrchen mit der Ofifnung schräg nach unten gelagert, so
dafs das Kondenswasser abäiefsen konnte. Ein anderer Teil
verschwindet dabei durch Verdunstung, der Innenraum des
Röhrchens wird ja durch den Wattepfropf nicht* luftdicht
von der Atmosphäre abgeschlossen. Infolgedessen wurde die
1) Zentralblatt f. Bakt., Bd. XXX VI, S. 112.
2) Inaug.-Dies. Würzburg, 1905.
Von Dr. Aagast Jörns. 125
KondenswasserbilduDg immer geringer bis zur Unmerklichkeit.
Erst dann wurden die Röhrchen beimpft. Bei den Röhrchen,
die Nährböden mit höherem Trockengehalte enthielten, war die
Kondens Wasserbildung überhaupt sehr gering. Ich glaube nun,
dafs bei einer solchen Versuchsanordnung sogar eher eine Wasser-
verarmung als -Anreicherung der oberflächlichsten Nährboden-
schichten eintritt. Zeigt uns doch die tägliche Erfahrung im
Laboratorium, dafs die in Reagensgläsern aufbewahrten Nähr-
böden von der Oberfläche aus allmählich eintrocknen. Die Ober-
fläche sinkt schalenförmig ein, indem die Randpartien an der
Glaswand haften bleiben. Bei solchen stark eingetrockneten
Nährböden kann man schon durch das Gefühl konstatieren, dafs
die oberflächlichsten Partien fester, also auch wasserärmer als
die tieferen Schichten des Nährbodens sind. Bei nur kürzere
Zeit aufbewahrten Röhrchen wird das ebenfalls, wenn auch in
geringerem Grade, der Fall sein.
Die Untersuchungen Schlitzers, wurden also unter pein-
lichster Vermeidung der durch Kondenswasserbildung eventuell
verursachten Fehlerquellen angestellt. Seine Resultate, die er aus
zwei Versuchsserien erhielt und in seiner Dissertation niederlegte,
will ich hier nochmals in tabellarischer Form wiedergeben. Der
mittlere Wassergehalt wurde für jedes einzelne Kulturröhrchen
aus folgenden Komponenten berechnet:
a = Gewicht des eben beimpften Kulturröhrchens ;
h = Gewicht des Kulturröhrchens nach Abschlufs der Be-
obachtung des erfolgten Wachstums;
c = Gewicht des Röhrchens, nachdem durch mehrtägigen
Aufenthalt im Wassertrockenschrank Gewichtskonstanz
des Nährbodens herbeigeführt war;
i = Gewicht des Reagenzglases.
Die Ausrechnung des Wassergehaltes erfolgte nach der
Formel :
(a — c) : (a — d) = a: : 100
(b — c):(b — d) = y: 100
X + y
Mittlerer Wasssergehalt =
126 Über das Wachstam der Bakterien in and auf Nährböden etc.
Tabelle I. Konzentration mit einem gewOnschten Wassergehalt von 10^1^.
Serie I
!
1
Serie II
Bakterienart
Art des
Wachstums
Nach
?
Tagen
Mittlerer
Wasser-
gehalt in %
Art des
Wachstums
Nach
?
Tagen
Mittlerer
Wasser-
gehalt In %
Bact. prodigiosum .
üppig
2
65,4
1
üppig
2
70,0
> pyocyaneum .
2
65,3
>
2
70,0
> vulgare . . . •
deutlich
5
64,5
deutlich
3
70,0
Vibrio cholerae . .
10
64,6
>
5
69,8
Bac. anthracis . .
12
63,7
5
69,5
M. pyog. aureus . .
15
63,4
8
69,3
Bact. latericium . .
15
63,2
-
8
68,7
» typhi . . .
15
63,3
»
15
67,4
Tabelle II. Konzentration mit einem gewünschten Wassergehalt
Bact. prodigiosum
> pyocyaneum
> vulgare .
Vibrio cholerae
Bac. anthracis
M. pyog. aureus
Bact. latericium
> typhi
üppig
2
f
3
deutlich
8
»
12
>
12
>
15
*
15
58,8
58,5
57,4
66,8
67,3
55,6
56,2
üppig
2
»
3
deutlich
6
12
8
10
12
15
von 60 **/o.
59,8
59,3
58,9
57,9
58,3
58,6
57,4
68,2
Tabelle III. Konzentration mit einem gewünschten Wassergehalt von 50 ^Z«.
Bact. prodigiosum . üppig 5 48,7 üppig 5 * 49,7
> pyocyaneum . > 8 48,6 > 6 49,8
> vulgare. . . deutlich 8 47,3 > 6 48,5
Vibrio cholerae . . * 12 47,7 » 10 48,3
Bac. anthracis . . > 15 46,5 > 12 47,9
M. pyog. aureus . . > 15 47,9 * 15 48,2
Bact. latericium . . > 20 44,6 > 16 47,5
> typhi ... t 20 45,3 > 20 45,6
Tabelle IV. Konzentralion mit einem gewünschten Wassergehalt von 40 Vo-
Bact. prodigiosum
* pyocyaneum
> vulgare .
Vibrio cholerae
Bac. anthracis
M. pyog. aureus
Bact. latericium
» typhi
zieml. üppig
zart
8
14
21
21
21
21
21
21
37.5
36i3
36.4
36,7
35,9
36,3
35,6
35,3
lizleml.üppig
8
zart
14
1 '
14—21
1
14-21
14-21
i
14 21
14-21
14 21
38,4
36,7
36,5
36,2
36,4
35,2
35,7
35,2
Von Dr. Augnst Jörns. 127
Die Resultate der Schlitzerschen Untersuchungen
bestätigen also vollkommen diejenigen, die Wolf
erhalten hatte. Ja, Schlitzer sah sogar noch Oberflächen-
wachstum all seiner untersuchten Arten bei einem
durchschnittlichen Wassergehalt von nurSß^/o. Aller-
dings war dasselbe nur sehr zart und wurde erst nach 3 Wochen
sichtbar. Wolf hatte ja schon festgestellt, dafs die Stärke des
Wachstums mit der Konzentration des Nährbodens abnimmt.
Um den Fehler, der durch eine eventuelle Wasseran-
reicherung der obersten Schichten durch Kondenswasserbildung
entstehen könnte, gänzlich zu vermeiden, wandte R. Weigert
eine andere Versuchsanordnung an; er füllte die von ihm ver-
wandten Gelatinenährböden in flache Pläschchen nach Soyka
und suchte eine nachträgUche Eintrocknung des Nährbodens
durch Abdichtung der mit Watte verschlossenen Fläschchen
durch Paraffin und eine Gummikappe zu vermeiden. Er be-
trachtete den Versuch nur dann als positiv, sofern Bakterien-
wachstum in den tieferen Schichten zu beobachten war; Wachstum
an der Oberfläche oder in den oberflächUchen Schichten sah er
als negativ an.
Auf diese Weise ergab sich ihm, dafs auf Nährböden mit
einem Wassergehalte von 67% ziemlich gleichmäfsig bei allen
von ihm untersuchten Arten eine allmählich zunehmende Wachs-
tumshemmung eintritt. Später sagt er noch bestimmter: »Alle
7 geprüften Bakterienarten können noch gedeihen in Nährsub-
straten mit einem Trockengehalte von ca. 3 2 % i. e. einem Wasser-
gehalte von 68%, sie gedeihen nicht mehr in einem Nährsubstrate
von ca. 35% Trockensubstanz, i. e. einem Wassergehalte von
ca. 65%.€
Es war nun zu ergründen, woraus sich diese Ver-
schiedenheiten der Resultate Weigerts einerseits
und Wolfs und Schlitzers anderseits erklären lassen.
Mehrere Gründe können zur Erklärung herangezogen werden.
Vergleicht man die Tabellen Schlitzers und Weigerts, so
mufs auffallen, dafs die B eobachtungsdauer sehr erheblich
differiert. Weigert beobachtete das Wachstum in seinen
128 über das Wachstum der Bakterien in und auf Nährböden etc.
Nährböden meistens nur bis zum 6. — 8. Tage, Schlitzer aber
konnte durchschnittlich erst Wachstum nach einer Zeit kon-
statieren, die mehr als 6 — 8 Tage betrug. Die Zeit, bis zu
welcher deutliches Wachstum konstatiert wurde, war um so
länger, je höher die Konzentration des Nährbodens war. Dafs
aber die Stärke des Wachstums und damit auch die Intensität
und das Sichtbarwerden desselben mit der Höhe der Konzentration
abnimmt, das war schon von Wolf deutlich ausgesprochen worden.
Eine andere Tatsache macht es wahrscheinlich, dals wenigstens
für einen Teil der Bakterien das Wachstum im Innern von hoch-
konzentrierten Gelatinenährböden eine weitere Verlangsamung
erfährt, resp. vollkommen unmöglich wird. In diese Nährböden
diffundiert nämlich der Sauerstoff nur sehr langsam hinein. Ich
konnte dies auf folgende Weise veranschaulichen. Ich färbte
Nährböden verschiedener Konzentration, nachdem ich sie ver-
flüssigt hatte, unter Schütteln mit einem Tropfen verdünnten
Methylenblaus, dann brachte ich sie auf ca. ^2 Stunde in den
Autoklaven bei geringem Überdruck. Dadurch wird aller
Sauerstoff aus dem Nährboden ausgetrieben und das Methylen-
blau reduziert. Die Leukoverbindung regeneriert sich beim
Zusammenbringen mit Sauerstoff sofort wieder zu Methylenblau.
Die entfärbten Röhrchen wurden rasch im kalten Wasser
annähernd farblos zur Erstarrung gebracht. Die nachträglich
etwa eintretende Bläuung zeigte mir die Art und die Intensität
der Sauerstoffdiffusion an. Bei der gewählten Versuchsänordnung
schreitet die Bläuung von der Oberfläche des Nährbodens in die
Tiefe fort, und das Fortschreiten der Bläuung giebt ein Mafs
für die Geschwindigkeit der Sauerstoffdiffusion in die verwendeten
Nährböden. Folgende Tabelle enthält meine mit dieser Methode
gewonnenen Resultate.
Tabelle V. Sauerstoffdilfusion in Nährböden verschiedener Konzentration.
Art des Nährbodens
Gesamthöhe des ' hlftuung reicht in eine Tiefe von ? cm
Nährbodens
im Reagensglas
Iproz. Nähragar .
lOproz. Nährgelatine
nach
24 Stunden
5 cm
nach 4 Tagen
nach einigen
Wochen
50proz Nährgelatine. 4 »
1 cm 3Vi cm 5 cm
1 > i 2»/, > 57, »
einige min 1 * 2 »
Von Dr. Aagast Jörns. 129
Aus diesem Versuch geht jedenfalls hervor, dals die
Diffusion des Sauerstoffs der Konzentration des Nähr-
bodens proportional verlangsamt wird. Da die Gelatine
vor der Beimpfung in den Gläsehen oder Fläschchen selbst durch
Hitze sterilisiert wird, so sind die Nährböden von vornherein
sauerstoffarm. Werden sie dann nach der Beimpfung durch
Paraffin luftdicht verschlossen, so steht in dem geringen Luftraum
im Reagensrohr nur eine sehr geringe Menge Sauerstoff zur
Diffusion in den Nährböden zur Verfügung. Ein Wachstum
ist daher nur für anaerobe oder fakultativ anaerobe
Bakterienarten im Innern des Nährbodens möglich.
Schlielslich möge noch erwähnt sein, dafs schon eine
SOproz. Gelatine aulserordentlich zähe ist. Solche
und noch mehr noch höher -konzentrierte Nährböden
werden der heranwachsenden Bakterienkolonie, sofern
diese nicht imstande ist, die Gelatine zu verflüssigen, einen
grofsen, elastischen Widerstand entgegensetzen.
Dieser wird, je nach der Wachstumsenergie, die der einzelnen
Spezies innewohnt, einen mehr oder weniger starken Einfluls
auf die Gröfse der Kolonie, mithin auf ihr Sichtbarwerden ausüben.
Schlitz er hat schon einige Versuche angestellt, um die
Weigert sehen Resultate mit einer ähnlichen Versuchsanordnung
nachzuprüfen. Jedoch erscheinen mir diese Schlitz ersehen
Versuche nicht vollkommen einwandfrei. In einer Versuchsreihe,
aus der er Resultate über das Wachstum der Bakterien im Innern
von hochkonzentrierten Nährböden erhalten wollte, beimpfte er
deu erstarrten Nährboden durch einen Stich mit der Platinnadel.
Bei der Festigkeit des Nährbodens entstand aber durch den
Stich ein der Platinnadel entsprechendes Loch von nicht uner-
heblichem Durchmesser, da nur mit starken Nadeln der Einstich
möglich war. Dadurch waren aber im weiten Stichkanal etwa
die gleichen Verhältnisse wie an der Oberfläche. Die Versuche,
in denen Schlitzer Schüttelkulturen verwendet, sind wenig
zahlreich. Bei ihnen könnte auch die nachträgliche Eintrocknung
des nicht mit Paraffin verschlossenen Kulturröhrchens einen
Fehler bei der Berechnung des Trockengehaltes veranlafst haben.
130 t)ber das Wachatum der Bakterien in and auf Nährböden etc.
Da Schlitzer durch äufsere Verhältnisse gezwungen war
seine Versuche abzubrechen, veranlafste mich Herr Prof. Dr.
E. B. Lehmann zur Fortsetzung derselben, da ich schon vorher
Schlitzer unterstützt hatte.
Schlitz er war bei der Herstellung einer vollständig klaren
Gelatine auf Schwierigkeiten gestofsen. Hochprozentige Gelatine-
tösungen lassen sich auf keine Weise klar filtrieren. Ein voll-
kommen klarer Nährboden ist aber unbedingt erforderlich, um
die eventuell sehr kleinen Kolonien beobachten zu können. Dm
einen vollständig klaren Nährboden zu erzielen, verfuhr ich
folgendermafsen : Ich stellte mir zunächst eine 20 proz. Gelatine-
lösung her, fügte Pepton, Fleischextrakt und Kochsalz in Mengen
zu, dafs ich in der durch Einkochen gewonneneu höheren Kon-
zentration stets einen Gehalt von 1 % Fleischextrakt, 1 % Pepton
und ^/3% Kochsalz erhielt, neutralisierte in üblicher Weise,
filtrierte und brachte dann durch Einkochen auf dem Wasserbade
den Nährboden etwa auf die gewünschte Konzentration. Dabei
war ein stetes Umrühren mit dem Glasstabe erforderlich, um
Hautbildung an der Oberfläche zu vermeiden. Nährböden mit
einem Trockengehalte von 60 — 70*^/o herzustellen, ist auf diese
Weise unmöglich. Durch das stete Umrühren durchsetzt sich
der Nährboden mit Luftblasen, die bei so hohen Konzentrationen
auch im Dampftopf nicht wieder zu entfernen sind. Aufserdem
sind diese Nährböden aufserordentlich fest. Es gelang nur mit
einem Meifsel, die 70 proz. Gelatine auf der Porzellanschale, in der
sie gekocht war, herauszubekommen. Es sei daran erinnert, dafs
die Gelatine des Handels lb% Wasser enthält. Nach Einkochung
wurden die Nährböden in Reagensgläser gefüllt und sterilisiert.
Der genauere Wassergehalt der annähernd genau einge*
kochten Gelatine wurde durch Trocknung einiger Röhrchen jeder
Serie im Wassertrockenschrank festgestellt. Die Resultate stimmten
gut überein, so dafs nicht alle Röhren der Serie auf ihren
Trockengehalt untersucht zu werden brauchten.
Die einzelnen Röhrchen wurden in flüfsigem Zustande beimpft,
indem das Bakterienmaterial mit der Platinöse durch kreisende
Bewegungen möglichst gleichmäfsig verteilt wurde. Das Röhrchen
Von Dr. August Jörns.
131
wird mit Watte und alsdann noch mit Paraffin luftdicht ver-
schlossen. Die Tatsache, dafs das Gewicht der Röhrchen selbst
nach Monaten noch konstant blieb, beweist die Vollkommenheit
des Verschlusses.
Bei meinen in folgender Tabelle wiedergegebenen Versuchen
standen die beimpften Röhren bei Zimmertemperatur. Bei 64,6%
und 55,6% Wassergehalt ist das Wachstum erst nach
8 Tagen, bei 49,2% Wassergehalt erst nach 2 Wochen
eben sichtbar und verstärkt sich im Laufe der
nächsten Monate zu demBild, das die Tabelle fixiert.
Tabelle VT. Wachstum innerhalb hochkonzentrierter NUhrböden.
Bakterien-
art
Waehsttun bei einem durchsohnittUcheiL Waaser-
^halt von
64.5 %
66,6 Vi
49,2»/.
Micr. pyog.
aorens
Bact. typhi
Bact. coli
Bact. pyo*
cyaneum
Bac.
anthracis
Bac. tetani.
Oberfl. VerflflsBi-
gang bis au 1 cm
Tiefe. In der Tiefe
gröfsere, kleinere a.
kleinste Kolonien.
Kolonien nur in den
oberfl. Schichten.
Diffuses Wachstum
bis KU Vi cm Tiefe.
In tiefer. Schichten
grölsere, kleinere u.
kleinste Kolonien.
Oberfl. Verflüssi-
gung. In der Tiefe
brftunlich. Kolonien
und Gasblasen.
Oberfl. Verflüssi-
;; gungstrichter. In d.
oberfl. Schieb t.klein.
zarte Kolonien.
Fast vollkommene
Verflflssigung.
Kulturrasen am
Boden derselben.
Oberfl. Verflüssi-
gungstrichter bis au
Vi cm, diffuses
Wachstum bis zu
1 cm Tiefe, darunter
kleinste Kolonien.
Makroskopisch kein
Wachstum erkenn-
bar.
Bis zu 1 cm Tiefe
zahlr. Kolonien, ver-
einzelte in der Tiefe,
daneben diffuse
Trübung u. kleinste
Kolonien.
Geringe oberfl. Ver-
flüssigung. In der
Tiefe grofse Gas-
blasen neben grOfs.
Kolonien.
Makroskopisch kein
Wachstum.
Starkes diffuses
Wachstum u. zahlr.
mittelgr. Kolonien
in der Mitte.
Kleinere Kolonien
in allen Schichten
des Nährbodens. In
der Mitte Gasblasen.
2 Versuche : a) Zart.
Wachstum mit Gas-
bildung in d. Mitte,
b) Verflüss. u. zahlr.
kleine Kolonien i. d.
Mitte d.Nährbodens.
132 Über das Wachstum der Bakterien in und auf Nährb<klen etc.
Aus diesen Versuchen geht völlig einwandfrei hervor, dafs
Bakterien Wachstum im Innern von Nährböden noch
bis zu einem Wassergehalt von 49,2*^/o, i. e. einem
Trockengehalte von 50,8®/o möglich ist. Die Versuche
erscheinen mir absolut einwandfrei und beweisend.
Weiter wird durch sie erhärtet, dals mit der Höhe der
N ährbodenkonzentratiou die Stärke und Intensität
des Wachstums vermindert wird; die Entwicklungs-
dauer der Kolonien ist verlangsamt, eine Tatsache, die
schon Wolf deutlich ausgesprochen hatte, die aber Weigert
gar nicht in Erwägung zog.
Der Sauerstoffmangel, der, wie ich vorher auseinander-
setzte, im Innern der hoch konzentrierten Nährböden herrscht,
könnte das Wachstum aerober Bakterien daselbst weiter
herabmindern oder unmöglich machen. In der Tat gediehen
Bact. typhi und Bac. anthracis, die bei 55,6 ^/q Wassergehalt
nicht mehr makroskopisch sichtbar wuchsen, in Kontroll versuchen
schlecht oder kümmerlich bei anaerobem Kulturverfahren. Aufser-
dem war in meinen Versuchen die relativ stärkste Entwicklung
in oberflächlicheren Schichten, die noch am sauerstoffreichsten
sind. Veränderungen des Wassergehaltes dieser Schichten können
mit Ausnahme der Oberfläche selbst hier nicht in Betracht
kommen. Ich konnte niemals merkliche Spuren von Kondens-
wasser an den Wänden der Gläschen, die in einem, keinen groben
Temperaturschwankungen ausgesetzten Raum aufgestellt waren,
bemerken. Bacillus tetani, ein obligater Anaerob, wuchs in allen
Konzentrationen am üppigsten, ein weiterer Beweis für meine
Behauptung.
Die negativen Versuche Weigerts erklären sich, wie
oben vermutet, offenbar durch seine zu kurze Beobach-
tung. Die Kürze seiner Beobachtungsdauer mag eine gewisse
Berechtigung haben in Anbetracht des Zweckes, für den er seine
Versuche anstellte. Wollte er doch durch sie beweisen, dafs
die natürliche Widerstandsfähigkeit des menschlichen Organismus
gegenüber den Bakterien vielleicht auf der Unfähigkeit letzterer,
bei einem Wassergehalt zu wachsen, wie ihn der menschliche
Von Dr. August Jörns. 133
Gesamtorganismus bat, beruhe. leb will miob auf die Diskussion
dieser Frage nicbt einlassen. Es leuebtet doch leicht ein, dafs
sich der Wassergehalt eines homogenen Nährbodens nicht mit
dem Gesamtwassergehalte des menschlichen Organismus ver-
gleichen läfst. Im letzteren gibt es ja wasserärmere, aber auch
recht wasserreiche Regionen (Blut, Lymphe usw.).
Für uns handelte es sich nur um die Feststellung
der rein biologischen Frage: Bis zu welchem Wasser-
gehalte Bakterienwachstum überhaupt noch möglich
ist. Meine Untersuchungen zeigen, dals die Behaup-
tung, die schon Wolf aufstellte: »Bakterien wachsen
auf unseren gebräuchlichen Nährböden noch bis zu
einem Wassergehalte bis zu50%f, auch für das Wachs-
tum dieser Bakterien im Innern dieser Nährböden,
speziell derGelatinenährböden, vollkommen zuRecht
besteht. Über die Möglichkeit, bis zu 40% Wassergehalt noch
spurweises Wachstum zu beobachten, was auf Nährboden Wolf
dann und wann, Schlitzer immer gelungen sein soll, möchte ich
mich nicht endgültig aussprechen. Die Fehlerquellen liegen auf
der Hand. Klare Nährböden mit so niederem Wassergehalt
konnte ich nicht mehr herstellen und deshalb über das Wachstum
im Innern derselben nichts erfahren.
Am Schlüsse meiner Arbeit ist es mir eine angenehme
Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. K. B.
Lehmann, für das rege Interesse, welches er meinen Unter-
suchungen entgegenbrachte, meinen herzlichsten Dank auszu-
sprechen.
^
Studien Aber die Zähigkeit des Fleisches und ihre
Ursachen.
Von
Prof. Dr. E. B. Lehmann.
unter Mitwirkung') der Herren: Dr. Fritz Schindler aas Kascher i. Seh).,
Dr. Paul Gunkel aus Kassel, Dr. Joseph Tillmann aus Menden (Weetf.X
Dr. Joseph Wilms aus Mausbach b. Aachen, Dr. David Rothschild aas
Frankfurt a. M., Dr. Max Selo aus Prechlau (W.-Pr.), Dr. Adolf Schau-
wienold, H. Jaeth, Dr. Leo Isaak aus Pfungstadt und Dr. Ludwig
Rumpf aus £ichstätt.
(Aus dem Hygienischen Institut in Würzburg.)
I. Einleitung.
Es ist jedermann bekannt, dafs sich sowohl die gleichen
Muskeln verschiedener Tiere als verschiedene Muskeln des gleichen
Tieres in bezug auf ihre Zähigkeit sehr bedeutend unterscheiden.
Die Zartheit des Filets gegenüber der Zähigkeit der Waden-
muskeln und Hautmuskeln, die Zähigkeit des Fleisches alter
und abgearbeiteter Tiere gegenüber dem von jungen und gut
gefütterten ist in breiten Schichten des Volkes als Tatsache an-
erkannt und bei der Preisbestimmung von Bedeutung.
1) Vergl. : K. B. Lehmann, Sitzungsberichte der physik.*med. Oeeell-
Schaft zu Würzburg, 11. März 1897.
Fritz Schindler, Über die Ursache und Bedeutung der verschiedenen
Zartheit unseres Schlachtviehs. Dissertation WQrzburg 1895.
Paul Gunkel, Vergleichende Bestimmungen über die Zfthigkeit ver-
schiedener Fleischsorten. Dissertation Würzburg 1896.
Stadien Aber die Z&higkeit des Fleisches etc. Prof. Dr. K. B. Lehmann. 135
Untersuchungen, aus denen ziffermälsig etwas über den ver-
schiedenen Grad der Zähigkeit entnommen werden könnte oder
die über die Ursachen der verschiedenen Zähigkeit etwas aus-
sagten, sind mir nicht bekannt geworden, ich teile daher die
von mir mit meinen Schülern in den letzten 10 Jahren unter-
«
nommenen Arbeiten mit, ohne mich auf die Arbeiten anderer
zu beziehen.
Ich schicke voraus, dals das meiste untersuchte Fleisch von
leicht tuberkulösen Tieren stammte und von der Würzburger
Freibank durch freundliche Vermittelung des Herrn Polizeitier-
arztes Düll geliefert wurde. Es kam ausschliefslich Fleisch
kräftiger, wohlgenährter Tiere zur Verwendung. Nach einigen
Versuchen einigten wir uns, immer nur zwei Fleischsorten des
gleichen Tieres miteinander zu vergleichen und zwar wählten wir
Lende (Filet), d. h. die oberen Teile des Psoas und einen Muskel,
der im folgenden als Hautmuskel bezeichnet ist, und der genauer
als Flankenhautmuskel zu bezeichnen wäre.
Ich habe lange mit der Zusammenfassung der vorliegenden
Arbeiten gezögert, weil ich durchaus nicht verkenne, wie schwierig
die gestellten Probleme sind. Nachdem ich aber zur Einsicht
gekommen bin, vorläufig wohl nicht mehr viel weiter kommen
zu können, so habe ich mich entschlossen, die vorhandenen
Joseph Till mann. Die Bedeutung des Bindegewebes fflr die Zähigkeit
des ScblachtfleiBches. Dissertation WOrzburg 1896.
Joseph Wilms, Beiträge cur Kenntnis der Zähigkeit unserer Nahrungs-
mittel. Dissertation WOrsburg 1897.
Dayid Rothschild, Beiträge zur Kenntnis der Zähigkeit der inneren
Organe unserer wichtigsten Schlachttiere. Dissertation Wünburg 1897.
Max 8elo, Quantitative Bestimmungen des koUagenen Gewebes im
Fleische. Dissertation Wflrzburg 1899.
Adolf Schauwienold, Neue Beiträge zur Kenntnis der Muskelzähig-
keit, insbesondere über die Veränderung derselben beim Abhängen des
Fleisches. Dissertation Würzburg 1899.
Leo Isaak, Über die Zähigkeit des Fleisches in ihrer Beziehung zur
Dicke der Muskelfasern. Dissertation Wfirzburg 1901.
H. Jaethy Über die Veränderung der Muskelzähigkeit beim Gefrieren.
Noch nicht gedruckt.
Ludwig Rumpf, Physikalische Veränderungen des Fleisches beim
Kochen. DiseerUtion Würzburg 1903.
136 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen.
Resultate einmal zu publizieren und auf die erkannten Lücken
und Mängel offen hinzuweisen. Vielleicht dals weitere Forscher
mit neuen Methoden weiterkommen.
II. Die Methodik zur Gewinnung von Vergleichszahlen Ober
die Zähigkeit verschiedener Muskeln.
Unter der Zähigkeit eines Fleisches versteht man im prak-
tischen Leben den Widerstand, den dasselbe dem Zerschneiden
und namentlich dem Zerbeifsen entgegenstellt. Es ist also die
Druckfestigkeit, richtiger die Abscherfestigkeit das Mafs für die
Zähigkeit.
Da ein geeigneter Apparat zur Prüfung der Druckfestigkeit
nicht zu Gebote stand, so stellten wir zuerst einige Versuche
über die Zugfestigkeit an, um uns einen Begriff zu ver-
schaffen, ob Lende und Hautmuskel sich überhaupt so verschieden
verhielten, dafs eine Prüfung der Frage der Zähigkeit mit einer
einfachen Methodik lohne.
Es wurden aus Lende und Hautmuskel 15 cm lange Streifen
der Faser parallel geschnitten von einem Durchmesser von
1 ^/2 cm. Diese Streifen wurden am einen Ende mittels Kork
fest in ein kräftiges Eisenstativ eingespannt während an das
andere stark mit Bindfaden umwickelte Ende mittels eines Hakens
steigende Gewichte angehängt wurden. Die Versuche, die nur
als ziemlich rohe Vorversuche bezeichnet werden dürfen, gaben
immerhin ein aufserordentlich interessantes Resultat. Es zeigte
sich, dais der Hautmuskel erst bei einer Belastung von 11 kg,
die Lende dagegen schon bei 4 kg zerrits. Die Versuche wurden
ein paar Mal wiederholt und gaben immer analoge Resultate, d. h.
die Zugfestigkeit von Filet und Hautmuskel verhält sich etwa wie
1 : 2,75. Vor der Zerreifsung wird der Muskel stark gedehnt.
Die Abreifsung erfolgte fast immer in der Nähe des einen der
beiden Enden, beeinflufst von der etwas einschneidenden Um-
Wickelung.
Nachdem wir in einer vorläufigen Versuchsreihe einige
Fleischsorten auf ihre Nachgiebigkeit gegen Druckbelastung mit
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
137
aabefriedigendem Resultat geprüft hatten, sagte ich mir, dafs es
wohl am besten sei, einen Apparat zu konstruieren, der tunlichst
den menschlichen Beifsakt nachahmt. Ich weifs sehr wohl, dafs
das Zerkauen des Fleisches nur zum kleineren Teil durch die
Schneidezähne, zum gröfseren Teil durch die Backzähne bewirkt
wird; dennoch lehnt sich die Konstruktion an die Funktion der
Schneidezähne an, da nur auf diese Weise Vergleichszahlen für
verschiedene Fleiaehsorten zu gewinnen waren. Der neben-
stehend abgebildete Apparat Dexometer (J^^cg == Biß) ist von der
Firma Siedentopf, dahier, ausgeführt und hat sich im grofsen
and ganzen als recht zweckentsprechend erwiesen.
Flg. 1.
Auf einem eisernen Fufse / erhebt sich ein gebogener Auf-
satz a, an dessen nach unten gerichtetem freien Ende eine
abnehmbare, durch Schrauben befestigte Schneide s sich befindet.
Diese Vorrichtung entspricht, dem Oberkiefer und bleibt bei den
Versuchen in Ruhe. Der Unterkiefer wird nachgeahmt durch
eine auf der Schneide h aufgehängte Metallstange 6, die an ihrem
einen Arme eine Gewichtsschale, an ihrem anderen Ende ein
verschraubbares Gewicht zum Zwecke der Equilibrierung trägt.
Ziemlich genau unter der oberen Schneide ist an dem beweg-
lichen Balken eine zweite angeschraubt. Die Schneiden sind aus
Stahl und messerartig scharf. Die untere Schneide ragte eine
Spur über die obere vor, wenn der Hebel im Gleichgewicht ist.
Es wird dadurch ein scherenartiges Abschneiden des zwischen
die Schneiden gebrachten Fleisches bewirkt, wenn in die Schale c
Gewichte gelegt werden. Das obere Ende der unteren Schneide,
der Aufhängepunkt des beweglichen Arms und die Mitte der
138 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
Wagschale liegen in einer Ebene. Der Hebelarm, an dem die
Gewichte angreifen, ist 35 cm, der kleinere mit den Schneiden
7 cm lang, es wirken somit die Gewichte an einem 5 mal längeren
Hebelarm, und es sind deshalb die gefundenen Gewichtszahlen
im folgenden mit 5 multipliziert.
Unter die Gewichtsschale wurde ein Aufbau aus Holz-
klötzen gelegt, der in den ersten Versuchsserien die Bewe-
gung der unteren Schneide etwa in ^/^ mm Entfernung von
der oberen Schneide hemmte, um eine Beschädigung der
Schneiden zu vermeiden. Später hemmten wir den Apparat
erst, wenn die obere Schneide ca. V2 mni an der unteren vorbei-
geglitten war, was die Zahlen kaum beeinflufste. Alle Versuche
sind mit den gleichen Schneiden angestellt Dieselben sind mäfsig
scharf, verdünnen sich gleichmäfsig gegen die schneidende Kante
und sind in einer Entfernung von 14 mm von derselben 2 mm dick.
Der Apparat wurde eingehend nach verschiedenen Gesichts-
punkten auf seine Brauchbarkeit und die zur Gewinnung brauch-
barer Vergleichszahlen nötigen Vorsichtsmafsregeln untersucht,
woran sich insbesondere Dr. Rothschild beteiligte.
Vor allem drängte sich uns die Überzeugung auf, dafs der
Hebelarm, welcher die Schale trägt schon unbelastet mit einer
gewissen Kraft das Objekt zu durchbeifsen strebt, das man
zwischen die geöffneten Schneiden legt. Um dies einzusehen,
brauchte man blofs den Finger zwischen die Schneiden zu legen.
Die Grölse dieser Kraft wächst mit der Entfernung der Schneiden,
indem mit zunehmender Öffnung der Schneiden der Schwerpunkt
des Hebels immer mehr aus seiner Lage senkrecht unter (2,8 cm)
dem Drehpunkt sich entfernt und der Hebelarm, an dem das
Gewicht des Schalenbalkens wirkt, gröfser wird. Wir haben die
potentielle Energie, welche der Schalenbalken (1730g schwer)
entwickelt, wenn die Schneiden in einer Entfernung von 1 cm
stehen, einmal konstruktiv und rechnerisch, zweitens aber ex-
perimentell bestimmt. Da beide Bestimmungen recht gut über-
einstimmen, so teilen wir nur die Ergebnisse der zweiten Methode
mit. Legt man zwischen die beiden Schneiden ein Holzklötzchen
von 1 cm Dicke, so genügt es unter der Schneide s, ein Gewicht
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann«
139
voD 100 g anzuhängen, um jede Druckwirkung der Schneiden
gegen das Holz aufzuheben, so dals das Holz leicht herausgezogen
werden konnte. Auch ein Finger von 1 cm Dicke fühlte keinen
Druck mehr, wenn 100 g augehängt wurden. 100 g am kurzen
Hebelarm wirken aber gerade wie 20 g am 5 mal längeren langen
Hebelarm. Da aber der Hebel diese Wirkung nur in der extremen
OSnuDg der Schneiden von 1 cm ausübt und nach dem Durch-
beifsen im Gleichgewicht hängt, also keinen Druck hervorbringt,
so läfst sich die Wirkung des Hebeldruckes durch ^ —
d. h: durch 10g zum Ausdruck bringen, die man zu den auf
die Schale gelegten Gewichten addiert. Für Objekte von nur
0,öcm Dicke sind 5 g zu addieren.
Unter Berücksichtigung dieser selbstverständlichen Korrek-
turen gibt der Apparat die Zahlen, wie man sie theoretisch er-
warten mufs, während die unkorrigierten unbefriedigend sind.
Wir haben diese Prüfung angenommen mit sorgsam regelmäfsig
zurechtgeschnittenen Kartoffel-Parallelopipeden. Folgende Zahlen
wurden je in 10 Versuchen direkt gefunden:
Höhe 1 cm
Höhe 1 cm
Höhe 0,6 cm
Höhe 0,6 om
Breite 1 cm
Breite 0,5 cm
Breite 1 cm
Breite 0,6 om
1.
48
18
30
8
2.
55
15
25
12
3.
49
23
23
10
4.
46
22
26
12
5.
50
24
24
7
6.
50
25
22
9
7.
53
17
25
12
8.
55
22
28
15
9.
48
20
26
12
10.
45
23
25
8
also im '
DurchflChnitt :
49,0
20,9
24,9
10,5
Diese Zahlen
49 21 25 10,5
verhalten sich nur ungefähr wie die durchbissenen Flächen, nach
denen zu erwarten gewesen wäre:
50 25 25 12,5.
AichlT für Hygiene. Bd. LXm. 10
140 Studien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen.
Addiert man aber zu den an den beiden 1 cm dicken Beifs-
objekten gewonnenen 10 zu den beiden V2 cm hohen niedrigen
5 g, so erhält man:
59 31 30 16,5
statt
60 30 30 16
eine gröfsere Übereinstimmung wäre nicht möglich und es ist
damit nachgewiesen, dafs der Apparat sehr befriedigend arbeitet.
Die hier abgeleitete Korrektur haben wir nur bei den Zahlen
für weiche Objekte durchgeführt. Betrug die notwendige
Gewichtsauflage wie bei Fleisch mehrere Hundert Gramm, so
war eine solch kleine Korrektur ohne Bedeutung.
Die im folgenden mitzuteilenden Versuche wurden unter-
einander möghchst gleichmäfsig angestellt. Die zu durchbeifsen-
den Fleischzylinder hatten alle möglichst genau in rohem Zu-
stande einen Umfang von 3,75, d. h. einen Durchmesser von
1,2 cm und waren möglichst genau der Faser parallel geschnitten.
Um ein Ausweichen der Bündel nach der Seite möglichst zu
vermeiden, wurden dieselben in Abständen von 1 zu 1 cm mit
weichem Bindfaden fest umwickelt und zwischen den Binde-
stellen durchschnitten.
Die einfache Konstruktion des Apparates sowie die unregel-
mälsige Zusammensetzung der Muskulatur, die Einlagerung von
gröberen Bindegewebszügen, Gefäfsen, Nerven zwang natürlich
dazu, jeden Einzelversuch stets ca. 10 — 20 mal zu wiederholen,
was bei der einfachen Versuchsanordnung keineswegs als ein Un-
glück anzusehen ist. Abgesehen von einigen Belegbeispielen
werde ich in dieser zusammenfassenden Darstellung nur die
Mittelzahlen geben, zu deren Gewinnung stets alle überhaupt
erhaltenen Werte Verwendung fanden, sie mochten noch so ab-
weichend nach oben oder unten ausgefallen sein. — Oberfläch-
liche Faszien wurden natürlich stets wegpräpariert, die Durch-
beifsung wurde als vollendet angesehen, wenn auch noch
V4 — V2 ™iö Bindegewebe zwischen den Schneiden blieb. Die
Durchschneidung wurde stets laugsam durchgeführt, um nicht
durch zu hastiges Gewichtauflegen zu grofse Lasten zu finden,
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 141
vielmehr wurde jedem Gewicht etwa ^/2 Minute Zeit gegeben
ZQ wirken und für weiche Körper Gewichte von 5 zu 5, für feste
von ÖO zu 50 aufgelegt. Die Zeit, die man^ die Einzelbe-
lastangen wirken läfst, ehe man sie vermehrt, ist natürlich von
einiger Bedeutung für das Resultat — es mag in etwas ab-
weichendem Arbeiten in dieser Richtung zum Teil der Unter-
schied der Resultate der verschiedenen Mitarbeiter bedingt sein.
Dr. Ludwig Rumpf hat versucht, in einigen Versuchen
die »langsame Durchschneidung c, wie ich sie oben beschrieben
habe, durch die »rasche Durchschneidungc zu ersetzen, bei der
er auf einmal ein vorher ungefähr ausprobiertes Gewicht sanft auf-
legte, um auf einmal eine Durchschneidung zu erzielen. War das
Gewicht zu niedrig, um eine prompte Durchschnei düng zu ge-
statten, so wurde dieser Wert verworfen. Es wurden so erheb-
lich niedrigere Zahlen erhalten — nur 50— 30% der Werte nach
der langsamen Methode — aber die Relativzahlen zweier zu ver-
gleichender Fleischproben zeigten zu meiner Freude im wesent-
lichen das gleiche Verhältnis als wie bei der langsamen Methode,
Es waren die Verhältnisse in 3 Reihen:
nach der langsamen Methode: 1:2,42 1:1,62 1:1,14
„ raschen „ 1:2,18 1:1,39 1:1,09.
Differenzen, wie sie bei der raschen Methode und dem un-
gleichmäfsigen Material nicht anders zu erwarten sind.
Die gefundenen Zahlen (Gewichtszahleu) sind mit 5 zu
multiplizieren, da die Gewichte an einem Hebelarm wirkte, der
5 mal länger ist als der, welcher die Schneiden trägt. Ich habe,
wo ich Originalzahlen (Versuchsprotokolle) mitteilte, stets die
wirklich beobachtete Zahl in Grammen angegeben, aber die Mittel
stets in absolute Zahlen durch Multiplikation mit 5 umge-
rechnet.
ill. Vergleich der Zähigkeit von Hautmuskel und Filet
des Rindes in rohem Zustand.
Ich teile von den beiden allerersten Versuchen die Original-
zahlen mit, um ein ungeschminktes Bild der Leistungen des
Apparates zu geben.
10*
142 Studien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen.
Versuch I. Rind. 4 Tage nach der Schlachtung untersucht.
Es mufsten zur Durchbeifsung aufgelegt werden:
Filet
Hautmuskel
1
g
K
1
1
750
1100
2
600
1000
;j
400
1100
4
1
450
1600
5
350
1000
6
600
1400
7
800
1000
8
400
900
9
400
1150
10
450
1400
11
450
12
400
Mittel 463 1165
Absolute Zahl 2315 5825 (durch Multiplikation mit 5 erhalten)
Verhältnis 1 : 2,5
Läfst man die beiden extremen Werte jeder Seite 300 und
750 und 900 und 1600 g weg — bei denen man ja unwillkürlich
an einen Fehler denkt, so ändert sich das Durchschnittsresultat
kaum.
Versuch II. Rind.
FJlet
Hautmuskel
g
g
1
600
1500
2
650
1200
3
500
1200
4
600
1100
5
500
1250
6
800
1400
7
400
1150
8
400
1000
9
450
1200
10
350
1120
11
250
1050
12
250
1050
13
1200
14
1100
Von Prof. Dr. E. B. Lehmann«
143
Mittel 479 1180
Absolute Zahl 2395 • 590Ü (durch Multiplikation mit 5 erhalten)
Verhältnis 1 : 2,6
Trotz der fatalen Abweichung einzelner Zahlen — was in
diesem extremen Grade später kaum je wieder beobachtet wurde,
stimmt Durchschnitt und Verhältnis auffallend gut zum ersten
Versuch. Ich unterlasse daher im allgemeinen die Mitteilung
der Einzelversuche und gebe alle hierhergehörigen Versuche in
einer Tabelle.
Numiner
Absolute Werte
Verhältnis
Autor
des Rindes
Lende
Haatmuakel
1
2
3
2815
2395
1930
5825
5900
4860
Weichen-
haut-
,2.6
:2,5
;2,7
Lehmann und
Schindler
4
2680
7050
maskel.
2,5
5
2410
6750
;2,9
Rothschild.
6
7
8
3120
2000
3225
6385
jfinn /Flankenhftnt- i
*^^"" \ muskel I
7650
2.1
.2,0
;2,37
Schauwienold.
>
9
4880
9900
:2,S6
10
4200
9150
:2,18
L. Rumpf.*)
11
3850
9300
:2,42
12
3050
6650
:2,lä
Aus dieser Tabelle folgt:
1. Mit auffallender Regelmäfsigkeit war die Lende 2,0 bis
2,9 mal leichter zu durchbeifsen als der Hautmuskel, im Mittel aller
Versuche war das Verhältnis wie 1 : 2,4.
2. Bei verschiedenen Tieren fanden wir eine nicht uner-
hebliche Verschiedenheit der Zähigkeit des gleichen Muskels,
das zarteste Filet und der zarteste Hautmuskel sind etwa 1,5 mal
leichter zu durchbeifsen als die entsprechenden Muskeln der
Zähesten uns bisher vorgekommenen Tiere. Es ist dabei zweck-
mäfsig, die älteren Versuche 1 — 7 und die neueren 8 — 12 nur
untereinander zu vergleichen.
1) Die absoluten Werte von Rumpf sind auf&Uend höher als die
seiner Vorg&nger — vielleicht hangt dies zam Teil mit dem allmfthligen
Stampfwerden der Schneiden zasammen.
144 Stadien Ober die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
Am Kalbe sind 4 methodische Untersuchungen durchgeführt,
welche als absolute Werte ergaben. (Jede Zahl ist das Mittel
aus 10 — 15 Versuchen, die sehr gut untereinander stimmten.)
1
1
t
1
Lende
Haut-
muskel
Verhält-
nisae
Kalb I
. n
> III
> IV
Die Kälber waren 3—6 Wochen
alt und hatten mindestens
24 Stunden im Kühlhaus ge-
hangen. 1
2090
1950
2000
2060
8825
8485
8690
8645
1:4,2
1 :4,36
1:4,33
1:4,2
Oder im Mittel
2035
8660
1:4,3
Es war also die Zähigkeit des Kalbfleisches in den einzelnen
Versuchen auffallend ähnlich und die der Lende ganz allgemein
etwas über 4 mal so klein als die des Hautmuskels, der Unter-
schied der Zähigkeit der verschiedenen Muskeln also noch weit
bedeutender als beim Rind! Die Zähigkeit der Kalbslende
entspricht etwa der des zartesten Rindslende, der Hautmuskel
war ^ auf den ersten Blick ein sehr überraschendes Resultat —
erheblich zäher als der des Rindes!
Von Schweinefleisch und Hammelfleisch sind bisher nur
zwei Untersuchungen gemacht, jede Zahl ist aus 20 — 40 Einzel-
zahlen abgeleitet:
Lende Schlegel
Schweinefleisch 1640 3545
Lende Rücken
Hammelfleisch 2150 2350.
Die Zahlen entsprechen unserer Erwartung. Zartes Schweine-
und Hammelfleisch entspricht in der Zartheit dem besten Rind-
fleisch. Hammelrücken und Hammelfilet sind etwa gleich zart,
Schweineschlegel ist etwa doppelt so zäh wie Filet.
IV. Die Ursachen der verschiedenen Zähigiceit verschiedener
Fleiechsorten.
Die grofsen Zähigkeitsdifferenzen von Lende und Hautmuskel
konnten a priori in sehr verschiedenen Ursachen begründet sein :
1. War es möglich, dafs die Muskelfasern selbst bei Lende
und Hautmuskel eine verschiedene Struktur, eine ver-
schiedene Derbheit besafsen.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 145
2. Konnte die Verbindung der Muskelfasern miteinander
durch das Sarkolemm von verschiedener Festigkeit sein.
3. Konnten die einzelnen Muskelfaserbündel in dem einen
Falle durch stärkere und derbere, in dem andern Falle
durch zartere und dünnere Bindegewebsmassen (Perimy-
sium internum) miteinander verbunden sein.
4. Konnte der bindegewebige Bestandteil des Muskels in
dem einen Falle vorwiegend aus gewöhnlichem koUa-
genem fibrösen Bindegewebe bestehen, währenddem in
andern Fällen vielleicht elastische Fasern eine grölsere
Rolle bei der Zusammensetzung des Bindegewebes
spielten.
Punkt 1 und 2 haben wir zwar manche Aufmerksamkeit
gewidmet, aber nicht mit allzuviel befriedigendem Erfolg.
Der Hautmuskel ist mehr ein weifser, die Lende ein roter
Muskel, der-Hämoglobingehalt — wie in einer besonderen Arbeit
gezeigt ist^) — ist beim Hautmuskel 2 — 4 mal kleiner als beim
Filet — aber daraus läßt sich nichts bestimmtes über die Festigkeit
der Muskelfasern ableiten.
In einer sorgfältigen Studie hat Herr Leo Isak sich
vergeblich bemüht, den Nachweis zu führen, dafs in der Dicke
der Muskelfasern von Filet und Hautmuskel ein wesentlicher
Unterschied bestehe, und daß die Festigkeitsdifferenz vielleicht
zum Teil wenigstens darauf zu beziehen sei. Ich führe über
diese Untersuchungen folgendes an:
Die Versuche wurden an mehreren Rindern und Kälbern
mit möglichst differenten Ernähnmgs- und Altersverhältnissen
angestellt und zwar:
1. an einem abgetriebenen mageren Rinde, Alter 2 Jahre,
2. einem Vl^ jährigen fetten Rinde,
3. einem mittelstarken 4 jährigen Rinde,
4. einem mageren Kalb, 10 Tage alt,
5; an einem 4 Wochen alten fetten Kalb.
1) K. B. Lehmann mit Werner, Stadtfeld, Mandelbaum,
Eiseneaaer und I m h o f , Über den Hämoglobin gehalt der Muskeln. Zeit-
schrift f. Bio]., XLVII.
146 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
Die Muskeln wurden dem kurze Zeit zuvor geschlachteten
Tiere entnommen, auf freundlichen Rat des Herrn Prof. Dr. Stöh r
nach der von Tellyesnicky angegebenen Methode in 30proz.
Kalibichromat-Essigsäure 18 — 24 Stunden fixiert, darauf 3 bis
4 Stunden in fliefsendem Wasser ausgewaschen und in allmählich
verstärktem Alkohol gehärtet. Nach 3 — 4 Tagen wurden sie
in Celloidin eingebettet, nach weiteren 2 Tagen geschnitten und
in verdünnter Boraxkarminlösung gefärbt. Es wurden sowohl
Längs- als Querschnitte angelegt, letztere aber in erster Linie
berücksichtigt. Darauf fand die Messung der Fasemdicke mit
dem Okularmikrometer statt, und zwar benutzten wir Mikroskop
Leitz, Okular III, Objektiv 3 beim Rinde, Objektiv 7 beim Kalb.
Für das Gefühl erschien die Muskelsubstanz der Lende
weicher, komprimierbarer, verreibbarer als die des Hautmuskels.
Gemessen wurden alle in einem Gesichtsfeld befindlichen
Fasern, mit Ausnahme der vereinzelten ganz extrem dicken
und dünnen. Bei nicht kreisförmigen Querschnitten berück-
sichtigten wir stets — wie dies auch Majeda tat — den gröfsten
Querschnitt.
In kürzester Form ausgedrückt lautet die Tabelle:
Rin
d.
Haatmuskel (zäh)
Lende (zart)
Einzelzahlen
Grenzwert
in MUtra
Mittel-
wert
Mittelwert
aus den
EinBel-
zahlen
Grenzwert
in Mlkra
Mittel-
wert
Mittelwert
aus den
Einzel-
zahlen
Tier I
Tier II
Tier III
30—75
30-38
38 45
53
34
42
54
35
43
30 38
45-53
38—45
34
49
42
35
49
42
Mittel der 3 Rinder ;
1
43
45
Tier I
Tier U
Kalb.
17-20
19 18
22 27
25
25
15—17 ' 16
17 17
17
17
Werfen wir zuerst einen Blick auf die absoluten Zahlen!
Die Fasern des Rindes sind wesentlich dicker (2 — 2\vci9X) als
die des Kalbes. Ganz ähnliche Resultate hatte Schwalbe für
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 147
den Menschen gewonnen. Während nach ihm z. B. die Durch-
schnittszahlen für die Fasern des Rectus medialis, Masseter,
Biceps und Sartorius des erwachsenen Menschen: 15, 29, 51 und
52 M betragen, betragen sie beim Neugeborenen 10, 8, 12 und
10 M. Die soeben erwähnten Zahlen beweisen die relativ geringe
Verschiedenheit der Dicke der Muskelfasern beim Neugeborenen,
und unsere für das Kalb gefundenen Mafse entsprechen gleichfalls
diesen Beobachtungen. Die Schwankungen im Faserkaliber des
Rindsmuskels entsprechen im grofsen und ganzen den bei
anderen Säugetieren gefundenen. So betragen die Grenzwerte
für die Fasern des M. subcutaneus colli der Maus 38 resp. 76 M ;
vom Psoas sind keine Werte angegeben.
Im Sinne unserer Fragestellung ergibt sich nichts Brauch-
bares, im Mittel der 3 Rinderuntersuchungen gibt Hautmuskel
und Lende identische Zahlen.
Dagegen steht ganz fest, dafs die möglichst isolierten Bündel
des Lendenmuskels viel weicher, zerreibbarer sind als die des
Hautmuskels.
Eiue Untersuchung einzelner isolierter Bündel mit dem Beifs-
apparat war nicht möglich, dagegen habe ich die Zugfestigkeit
mit Herrn Isaak einem rohen Vergleich unterzogen. Die ab-
soluten Zahlen unterdrücke ich hier, weil die Angaben von
Isaak nicht genau verständlich sind, ich gebe vielmehr nur die
Relativzahlen :
VerhJUtnis der Zagfestigkeit von Haut und Filet bei gleichem, sehr dünnem
Querschnitt.
Rind I wie 2,5 : 1
Rind U wie 2,8 : 1
Rind m wie 2,3 : 1
Da oben gezeigt ist, dafs sich die Zugfestigkeit etwa wie die
Beirsfestigkeit verhält, so dürfen wir wohl annehmen, dafs sich
auch für den Dexometer feine Muskelbündel von Lende und
Hautmuskel in ihrer Festigkeit wie etwa 2,5 : 1 verhalten.
Natürlich beweisen auch diese Resultate nichts über die spezifische
148 Studien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen.
Festigkeit der verschiedenen Muskelsubstanz, sie können ebensogut
vom Sarkolemm, Perimysium internum etc. abhängen.
Die Untersuchung des zweiten Punktes ist schwierig. Zerzupft
man ein Stück Hautmuskel und ein Stück Filet, so ist ein höchst
auffallender Unterschied ohne weiteres zu bemerken. Während
sich die Filetbündelchen leicht voneinander trennen lassen und
bei einiger Geduld der Auffaserung in einzelne Fasern keine be-
sondere Schwierigkeit erwächst, haften die Hautmuskelfasem sehr
fest aneinander, und es entsteht die Frage, ob dies durch ein-
faches festeres Aneinanderhaften der Sarkolemmschläuche oder
durch reichlicheres und derberes zwischengelagertes Bindegewebe
zustande kommt. Es könnte beides der Fall sein, nähere Unter-
suchungen habe ich hierüber nicht angestellt.
Auf die dritte Frage gibt, wie eben erwähnt, schon die ein-
fache Betrachtung des rohen Fleisches eine schlagende Antwort.
Unzweifelhaft enthält der Hautmuskel wesentlich gröfsere Massen
gröberer und feinerer Bindegewebszüge, welche die einzelnen
Muskelbündel verbinden.
Mit Herrn Tillmann habe ich diese Frage einer eingehenden
mikroskopischen Untersuchung unterzogen. Es wurden grolse
Querschnitte durch Filet- und Hautmuskelstücke angefertigt, nach-
dem das Material vorher in Paraffin kunstgerecht eingebettet
worden war. Die Schnitte wurden mit verschiedenen Methoden
gefärbt, namentlich mit Fuchsin, und dann bei 20facher Ver-
gröfserung pbotographiert. Was schon die makroskopische Be-
trachtung gezeigt hatte, ist am Photogramm noch weit deutlicher.
In den zwischen den einzelnen Fibrillenbündeln gelegenen, durch
die Präparation (Schrumpfung der Muskelbündel im Alkohol)
etwas breiter gewordenen Zwischenräumen befindet sich beim
Hautmuskel ein sehr deutliches bindegewebiges Strangwerk.
Manche dieser Interstitien sind sogar vollständig von demselben
a
ausgefüllt. Ganz anders verhält sich das Filet. Tn den Zwischen-
räumen zwischen den Fibrillenbündeln fanden sich nur feine
zarte Bindegewebszüge, die zwar dann und wann nicht erhebliche
Mengen von Fett einschlössen, die aber niemals derbe Stränge
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
149
zeigten. Das Resultat dieser Untersuchungen stimmt vollkommen
mit dem übereiu, was die Betrachtung des frischen Muskels und
die Ausschabungsversuche (s. u.) gelehrt hatten.
Für eine quantitative Bestimmung des Bindegewebs-
gehaltes fehlte es bisher an Methoden. Mit Herrn Schindler
habe ich zur ersten Orientierung über den quantitativen Gehalt
eines Fleisches an Bindegewebe Versuche derart angestellt, dafs
wir das Fleisch und zwar von 7 verschiedenen Tieren je 20 g
mit einem mäfsig scharfen Messer schabten, parallel der Faser-
richtung. Es zeigte sich sehr bald ein sehr bedeutender Unter-
schied zwischen Filet und Hautmuskel: Aus dem Hautmuskel
war ziemlich leicht die Muskelsubstanz auszuschaben und es
blieb dabei ein derbes, zusammenhängendes, weifes Faserwerk
zurück, das leicht von den anhaftenden, letzten Muskelpartikelchen
in einer für den Versuch genügend genauen Art befreit werden
konnte. Viel schwieriger war das Ausschaben der Lende. Hier
wurde kein zusammenhängendes Muskelskelett erhalten, sondern
es war sehr mifslich, die zarten dünnen, leicht zerreifslichen Binde-
gewebsfasern vollständig zu gewinnen. Immerhin war bei gröfserer
Sorgfalt auch diese Aufgabe mit leidlicher Genauigkeit zu lösen.
Das Bindegewebe wurde teils feucht, teils trocken gewogen, teils
nach dem Trocknen mit Äther extrahiert und gewogen, nachdem
sich gezeigt hatte, dafs das Bindegewebsskelett des Filets noch
zahlreiche Fettläppchen einschlofs. Die folgende Tabelle stellt
die Versuche anschaulich zusammen. Die doppelt angestellten
Versuche 4 und 5 a und b zeigen, dafs die Methode mit recht
befriedigender Genauigkeit arbeitet.
100 g Rindfleisch liefern Milligramm Bindegewebe.
Nummer des Tieres
I. !
Lende . . .
HaatmuBkel .
Wadenmnskel
Lende . . .
Hantmuskel .
Wadenmaske]
IL { m.
IV.
VI.
vn.
1555
4620
690
i 2555
1538
4300
trocken
feucht
2 505
14 855
830
4380.
2240
3760
trocken und extrahiert
a) 460
b) 421
a) 1206
b) 1169
a) 438
b) 466
a) 1288
b) 1222
464
1242
1832
448
1015
150 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen.
Reebnen wir die absoluten Zablen in Relativzahlen um, so
verhält sich der Bindegewebsgehalt :
Nammer des Tieres
I.
n.
m.
IV.
V.
VI.
vn.
feacht
Filet
1
1
1
1
Haatmaskel ....
2.9
2,8
1.7
Wadenmuskel . . .
5,94
•
trocken
trocken and extrahiert
Filet
1.0
1
1
1
1
1
Haatmaskel ....
3.7
2,7
2,75
2.7
2,26
Wadenmuskel . . .
5,3
3,9
Das heist, der Gehalt des Hautmuskels an trockenem und
fettfreiem Bindegewebe ist etwa 2,3 — 2,7 mal gröfser als der
des Filets.
Um genauere Zahlen für den Bindegewebsgehalt zu erhalten,
habe ich im Jahre 1898 Herrn Dr. Schepilewsky veranlafst
eine quantitative Bestimmungsmethode für das Bindegewebe auf
dem chemischen Wege auszuarbeiten. Die Bemühungen waren
von einem befriedigenden Erfolge begleitet, Schepilewsky hat in
diesem Archiv (Bd. XXXIV) seine Methode ausführlich beschrieben
und mitgeteilt dafs er in 3 Fleischsorten (leider von verschiedenen
Tieren) je 2 Bestimmungen mit folgendem Resultat angestellt
habe:
Wadenmuskel a) 0,53 ^/^ Leim
b) 0,61 > »
Glutäus a) 0,44 » »
1 b) 0,48 » t
Filet
a) 0,21 1
b) 0,19 »
Um die Methode für unsere Frage wirklich verwerten zu
können, waren natürlich eingehendere Untersuchungen an zwei
Fleischsorten des gleichen Tieres notwendig. Mit Herrn Selo
habe ich diese Untersuchungen ausgeführt und dabei gesehen,
dafs sehr viel für die Bestimmung des Bindegewebes in den
Von Prof . Dr. K. 6. Lehmann. 151
daran reichen Muskeln darauf ankommt, wie vollständig man die
bedeckende Faszie, grobe von der Faszie in die Tiefe gehende
Bindegewebszüge u. dergl. entfernt. Ein gewisses Mafs von Will-
kür kommt dadurch entschieden in die Versuchsanordnung hinein
da es an einem grOfseren Hautmuskelstück nicht ganz leicht ist,
das sichtbare Bindegewebe gerade soweit zu entfernen, wie wir es
für die Herstellung unseres Durchbeifszylinders taten. Beim Filet
dagegen fielen alle Bedenken weg.
Das Verfahren von Schepilewsky haben wir, nur unbe-
deutend modifiziert, folgendermafsen verwendet: Nachdem das
Fleisch von der aufsen anhaftenden Faszie nach Wunsch be-
freit war, wurde es fein zerschnitten (Streifchen von 3—4 mm
Dicke), mit dem Pistill in der Reibschale zerquetscht, das trübe
Wasser durch ein feines Metallsieb gegossen, frisches Wasser zu-
gefügt. Eine nicht unerhebliche Menge von Muskelelementen
läfst sich schon durch die geduldige 4 — 6 malige Wiederholung
dieses Verfahrens beseitigen, namentlich aus dem Filet. Der
Rückstand kommt nun (statt 16 Stunden) 24 Stunden in eine 5proz.
Natronlauge bei Zimmertemperatur, wodurch das Muskelgewebe
gelöst, die koUagene Substanz aufgequollen wird. Die elastischen
Fasern bleiben unverändert.
Ist das Bindegewebe genügend von Eiweifs befreit, so filtriert
man durch ein mit Watte belegtes Porzellansieb das Bindege-
webe ab.
Es gelingt nach gutem Auswaschen so, das Kollagen und
Elastin fast absolut frei von Eiweifs zu erhalten. Löst man . ein
Pröbchen des Rückstands in verdünnter kochender Natronlauge^
säuert an und kocht mit Milien s Reagens, so findet man, dafs
die Flüssigkeit farblos bleibt und nur die Elastinfiöckchen eine
leichte Rosafärbung annehmen. Leicht überzeugt man sich, dafs
schon einige Tropfen einer Iproz. Albumoselösung ausreichen,
um die ganze Flüssigkeit rot zu färben, dafs also der negative
Ausfall der Probe wirklich die Entfernung der Eiweifskörper
bedeutet.
Die Watte mit dem Bindegewebe wird mit V2proz. Natron-
lauge gekocht, das Filtrat enthält alles Kollagen, das Elastin
152 Studien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen.
bleibt mit der Watte auf dem Filter. Die Menge des Leims
wird durch StickstofiEbestimmung in dem Filtrat ermittelt, der
gefundene Stickstoff durch Multiplikation mit5,6 nach Hofmeister
in Bindegewebe umgerechnet, das Elastin wurde nicht bestimmt.
Alle Bestimmungen wurden doppelt gemacht, wobei je 25 g
Muskel Anwendung fanden.
In tabellarischer Übersicht lauten unsere Resultate:
Ver-
such
Tier
Präparation
des
Filets
Prozent-
gehalt des
Binde-
gewebes im
Filet
Präparation
des
Haatmuskels
Prozent-
gehalt des
Binde-
gewebes im
Haut-
muskel
II
m
IV
7 jährige
Kuh
3 jähriger,
Ochse '
11 jährig.
Kuh
2V,-3-
jähr. Rind
Gröbere Bindege-
websstücke ent-
fernt.
Absolut alles sicht-
bar. Bindegewebe
entfernt.
Alles oberflächliche
makroskop. sicht-
bar. Bindegewebe
entfernt.
Bindegewebe von
der Oberfläche u.
zwisch. den grob.
Muskelpaketen
entfernt.
A. 0,493
B. 0,533
A. 0,188
B. 0,188
A. 0,423
B. 0,312
A. 0,323
B. 0,323
Alles sichtbar, seh-
nige Gewebe ent-
fernt.
Gröbere Bindege-
webszüge ent-
fernt. Perimy-
sium beiderseits
erhalten.
Gröbere Bindege-
webssüge ent-
fernt. Ein zartes
Perimysium er-
halten, eine derb.
Faszie entfernt
Perimysium auf
beiden Seiten ab-
präpariert Grob.
Faszien und Seh-
nen bis auf Vi cm
Tiefe entfernt.
A. 0,961 »)
B. 0,796
A. 1,473
B. 1,243
A. 1,411»)
B. 1,482
A. 0,774
B. 0,756
Hieraus folgt:
In der Präparation, wie wir die Muskeln .verwandten, ent-
hielt das Filet etwa 0,3—0,5, der Hautmuskel 0,8— 1,4% Binde-
gewebe. Bilden wir Mittel aus diesen Werten (die Zahlen sind
dazu natürlich noch zu spärlich), so wäre 0,4 für Filet, 1,2
für den Hautmuskel zu setzen oder ein Verhältnis des Binde-
1) Es war statt Hautmuskel Wadenmuskel verwendet.
2) Mit dem derben Perimysium hatte der Hautmuskel einen Gehalt
von 1,94 «»/o.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 153
gewebsgehalts wie 1:3 konstatiert. Diese Zahlen stimmen in
ihrer absoluten und relativen Gröfse recht gut mit den oben mit-
geteilten mit Schindler nach rascherer Methode ermittelten überein .
Ist es nun durch diese verschiedenen Untersuchungen er-
wiesen, dals der Gehalt an Bindegewebe in verschiedenen Muskeln
ein sehr verschiedener ist, so handelt es sich viertens darum,
festzustellen, ob das Bindegewebe in den einzelnen Muskeln ver-
schieden reich an elastischen Fasern ist oder nicht. Die
Deaeu Färbemethoden der elastischen Fasern sind von uns in
ausgedehntem Mafsstabe zu diesem Studium angewendet worden.
Für Übersichtsbilder leistete uns gute Dienste die namentlich
im Laboratorium von Bonnet ausgebildete Unnasche Orcein-
metbode.
Die in Müllerscher Flüssigkeit oder Alkohol gehärteten,
mit dem Mikrotom geschnittenen und mit Eiweifs aufgeklebten
grofsen Organschnitte kommen in eine Mischung von 2 Teilen:
Oreein 0,1; 95proz. Spiritus 20; aq. dest. 5 und ein Teil Acid
mur. conc. 0,1 ; 95proz. Spiritus 20; aq. dest. ö. Aus der Farb-
lösuDg brachten wir die Schnitte in Alkohol, welchen wir mehr-
mals wechselten, bis derselbe keine auffallenden Farbstoffmengen
mehr aufnahm. In unsern Präparaten färbte das Oreein stets
befriedigend die gröberen Züge der elastischen Fasern,
die braunrot auf heller rotem Grunde hervortreten; dagegen hatten
wir nie den Eindruck, dafs eine verläfsliche Färbung der feineren
Fasern gelungen sei. Wir schieben dies nicht auf die Methode,
sondern auf vielleicht ungenügende Erfahrung in ihrer Anwendung.
Da wir aber in der Silbermethode eine sehr gute Ergänzung
der Orceinmethode fanden, so gaben wir* uns weiter mit der ersteren
keine Mühe.
Die Silbermethode nach Martinotti wandten wir folgender-
mafsen an : Frische Stücke von 1 cm Seitenlänge wurden während
24 Stunden in eine 2proz. Arsensäurelösung gelegt, dann auf
10 Minuten in Müll ersehe Flüssigkeit, endlich 24 Stunden lang
in eine Lösung von 6 g Arg. nitr. in 9 g destilliertem Wasser,
wozu 45 g reinstes Glyzerin gefügt wurden. Nach 24 Stunden
wurde das Stück herausgenommen, in destilliertem Wasser ab-
154 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
gewaschen und in Alkohol gebracht. Mit dem Mikrotom wurden
aus den gut gehärteten Stücken ohne Einbettung Längs- und
Querschnitte angefertigt^ die Schnitte kurze Zeit in physiologische
Kochsalzlösung, dann in Kalilauge gebracht und schliefslich in
Glyzerin eingeschlossen. Auch einige Versuche, die Schnitte
aus der Kochsalzlösung in absoluten Alkohol, Terpentinöl und
Kanadabalsam zu übertragen, gaben gute Resultate. Die fertigen
Präparate zeigen, wenn sie gut gelungen sind, die Muskelfasern
gelblich bis bräunlich gefärbt, die elastischen Fasern schwarz bis
braunschwarz, aufserordentlich scharf und deutlich bis in die
feinsten Enden hervortretend. Leider leidet diese Methode wie
alle anderen Silbermethoden an einer gewissen Launenhaftigkeit,
für die uns die Erklärung fehlt. In manchen Präparaten färbten
sich nur die gröberen Züge, in anderen störten Niederschläge
die Übersicht und nur auf kleinere Strecken erhielten wir tadel-
lose Bilder.
Die Resultate all' dieser Studien lassen sich in folgende
Sätze zusammenfassen:
1. Das Perimysium internum enthält stets reichlich elastische
Fasern. Je dicker die Bindegewebszüge sind , um so mehr
elastische Fasern enthalten sie auch, doch scheint die relative
Menge der elastischen Fasern im Bindegewebe überall ziemlich
gleich.
2. Die elastischen Fasern des Perimysium internum dringen
zwischen die einzelnen Muskelfasern ein, umspinnen die Muskel-
fasern mit einem zarten Maschenwerk, dessen Hauptrichtung in
der Richtung des Muskelfaserverlaufes ist. Für den Haut-
muskel mit seinem stark -entwickelten Perimysium internum ist
der Nachweis gelungen, dafs jede Muskelfaser eine ziemlich
gleichmäfsige weitmaschige netzartige elastische Umspinnung
zeigt, für das Filet haben wir eine ganz gleiche Regelmäfsigkeit
bisher nicht nachweisen können. Immerhin zeigen mehrere
Präparate, dafs auch hier feine elastische Fasern reichlich und
auf kleine Strecken in typischer Weise in netzartiger Anordnung
vorhanden sind, so dafs wir die Frage offen lassen, ob nicht an-
einem tadellosen Präparat vielleicht noch zahlreichere Fasern hervor
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 1 55
treten und die Analogie mit den Fasern des Hautmuskels voll-
ständig wird.
Es unterscheiden sich also nach unseren bisherigen Unter-
suchungen Hautmuskel und Lende morphologisch namentlich durch
den ca. 2,6 mal gröfseren Bindegewebsgehalt des ersteren. Das
elastische Gewebe scheint in relativ gleicher Menge im Binde-
gewebe vorhanden. Das Verhältnis der Zähigkeit entspricht auf-
fallend dem Verhältnis des Bindegewebsgehalts aber auch feine
möglichst vom Bindegewebe befreiten Muskelbündel zeigen un-
gefähr das gleiche Zugfestigkeitsverhältnis.
V. Einflufs des Abhängens auf die Zähigkeit des Fieiscliee.
Niemand verzehrt frisch geschlachtetes Fleisch ohne Zwang,
auch nach gründlichem Kochen pflegt dasselbe zäher zu sein als
> abgehängtes«. Über den Grad der Zähigkeitsänderung hat
Herr Dr. Schauwienold in meinem Institut sehr zahlreiche
Versuche angestellt, über die ich hier nur in sehr abgekürzter
Form berichten kann.
Yersach I. a) Roh.
Hautmuskel Lende
Zähigkeit Abnahme Zähigkeit Abnahme
1. Tag 6365 um % 3120 «m %
2. Tag 3855 39 2776 27
3. Tag 3090 51 1810 42
4. Tag 2900 64 1836 41
6. Tag 2830 66 1410 65
8. Tag — — 1360 66
b) Gekocht 6 Minuten.
1. Tag 5400 — 4380 —
2. Tag 4216 22 3090 29
3. Tag 3600 36 2870 36
4. Tag 3420 37 3620 19
6. Tag 3180 41 3200 27
8. Tag — — 3100 29
c) Gekocht Vi Stande.
1. Tag 6000 — 4960 —
2. Tag 3435 31 3240 35
3. Tag . . . . . 2660 47 2780 44
4. Tag 3595 28 2845 43
5. Tag 2490 60 2470 50
8. Tag — - 2420 51
iKtUr für Hygiene. Bd. LXIII 11
156 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
1. Tag .
2. Tag .
3. Tag .
4 Tag .
5. Tag .
8. Tag .
1. Tag
2. Tag
3. Tag
4. Tag
6. Tag
8. Tag
1. Tag
2. Tag
3. Tag
4. Tag
8. Tag
1. Tag
2. Tag
3. Tag
4. Tag
8. Tag
Yersaeh IL a) Koh.
Hautmuskel
Z&hlgkeit Abnahme
4010
Lende
Zähigkeit Abnahme
3200
3010
2820
2780
2715
um«/o
22
25
30
31
32
b) Gekocht V, Stande.
3210 —
2915
2585
2400
2440
2375
9
19
25
24
26
1976
1870
1730
1700
1630
1465
2940
2715
2675
2706
2660
2480
am %
5
12
14
17
26
8
9
8
10
16
Yersneh III von Dr. Rothschild.
a) Roh.
6750
7475
5185
5875
5150
10
23
13
24
b) Gekocht 1 Stunde.
2860 —
3560
2435
2575
2625
24
15
10
8
2415
2375
1650
1810
1725
2350
2310
2385
1610
1125
2
32
26
29
15
41
31
31»)
Endlich hat Herr Jaeth bei Gelegenheit seiner Versuche
über die Wirkung des Gefrierens (s. u.) auch Beiträge zu unserer
Frage geliefert, aber nur die Veränderung des rohen Muskels
durch das Abhängen berücksichtigt.
1. Tag
2. Tag
3. Tag
4. Tag
Yersneh IT. 5 jähriges Rind.
Hautmuskel
Z&bigkelt Abnahme
um o/o
9
13
24
6050
5520
5270
4590
Lende
Zfthigkeit Abnahme
2480 tun %
2365 5
2410 3
2015 19
1) Anhangsweise sei noch ein Versuch von Herrn Gankel mitgeteilt
Derselbe fand nur für Filet:
ganz frisch 2000, 6 Tage alt, 1695, 13 Tage alt 1320.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 1 57
Yenueli ITa.
Vollständig unabhängiger Kontroll versuch za Versuch IV am gleichen Material.
Hautmuskel Lende
Zähigkeit Abnahme Zähigkeit Abnahme
1. Tag 6160 «m Y 2620 «m %
• 2. Tag 55&0 10 2340 11
3. Tag 5420 12 2410 6
4. Tag 4650 25 1965 26
Zwei weitere Versuche von Herrn Jaeth sind nur mit Vor-
behalt zum Vergleich zu verwenden, da sie nach einer etwas
anderen Methode ausgeführt sind. Die Schneiden wurden arretiert,
wenn dieselben noch 1 mm weit von einander entfernt waren,
während sie in den übrigen Versuchen das Fleischstückchen
inkl. das Bindegewebe total zu durchbeifsen hatten.
Immerhin zeigen auch diese Versuche die Wirkung des Ab-
hängens.
Versuch V.
Hautmuskel Filet
Zähigkeit Abnahme Zähigkeit Abnahme
1. Tag 3200 um X 2450 "^ %
2. Tag 2720 34 1735 29
3. Tag 2050 36 1525 38
4. Tag 1915 40 1450 41
5. Tag 1770 45 1415 42
Versnch VI.
1. Tag 3750 — 2475 —
2. Tag 2700 28 1810 27
3. Tag .... • ^15 33 1685 32
4. Tag 2300 40 1600 35
5. Tag — — — —
Die Versuche beweisen klar, dafs rohes Fleisch beim
Aufbewahren bald rascher bald langsamer um 20 — 40,
seltener bis 50% an Zähigkeit abnimmt. Die Abnahme war
in den ersten zwei Versuchen nach 24 Std. schon überraschend stark,
nach 48 Std. meist schon ziemlich maximal. Genauere Resultate
zu erhalten ist namentlich beim unregelmäfsig gebauten Haut-
muskel schwierig. Die scheinbare Zunahme bei Versuch III
nach 24 Std. ist natürlich durch Untersuchung eines zufällig zäheren
Stückchens zu erklären. Sehr regelmäfsig aber langsam war die
11* 1
1
158 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
Abnahme in Versuch IV, fast plötzlich in den nach abweichendem
Plan angestellten Versuchen V und VI. Die Wirkung des Ab-
hängens spricht sich auch bei der Untersuchung gekochter Stücke
aus. Betrachten wir das Resultat des 5 oder 30 oder 60 Minuten
lang dauernden Kochens : fast stets finden wir 20 — 30% Zfthigkeits-
abnähme gegenüber dem nicht abgehängten gekochten Fleisch. Auch
in diesen Versuchen ist — durch die Ungleichheiten des Materials
bedingt — die Abnahme der Zähigkeit keine durchwegs gleich-
mäfsige, wenn auch im allgemeinen zwischen dem 2. und 4. Tag
das Maximum der Abnahme liegt. Versuch II zeigt relativ kleine
aber sehr regelmäfsige Abnahmen.
Die Ursache der Zähigkeitsabnahme beim Aufbewahren dachte
man sich früher meist so, dafs die bei der Totenstarre gebildete
Säure lösend oder lockernd auf gewisse Muskelbestandteile wirken
soll. Versuche, Muskelstücke nach mehrtägigem Aufenthalt in
Essig zu durchbeifsen, zeigten aber keine verminderte Zähigkeit
der so präparierten Stücke. Überhaupt spricht sehr viel dafür,
die Zähigkeitsabnahme beim Aufbewahren als durch eine Art
Autolyse bedingt anzusehen. In dem Umstand, dafs die Zähig-
keitsabnahme im Anfang rasch voran geht aber bald nur noch
langsam weiter zunimmt, ist nur eine Analogie zu vielen Fermen-
tationsvorgängen zu sehen.
VI. Einflufs der Kälte auf die Zähigkeit des Fleisches.
In manchen Gegenden setzt man, um das Fleisch zart zu
machen, dasselbe gern im Winter starker Kälte aus. Eingehende
Versuche von Herrn Jaeth an Fleisch von 3 Tieren bestätigte
die starke Wirkung der Kälte.
Die zu untersuchenden Fleischstücke wurden stets in die
üblichen 1,2 cm dicken Stränge verwandelt und in Abständen
mit Ligaturen versehen. Während dann der eine Strang direkt
mit der Beifsmaschine untersucht wurde, kam der andere in
eine verschlielsbare Messinghülse von ca. 1,3 cm lichter Weite
und mit dieser in eine Kälteroischung aus 2 Teilen pulverisierten
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
159
Eis und 1 Teil Kochsalz. Die Temperatur von —20 bis — 15®
wurde teils 2, teils 6 Std. einwirken gelassen und die Stränge nach
dem Auftauen auf ihre Festigkeit geprüft.
Yersueh I.
Hautmaskel
Abnahme \
um % :
' Filet
Abnahme
um Vo
uDge- 2 Stdn.
froren ; gefror.
6 stdn.
gefror.
durch
2 Stdn.
durch
6 Stdn.
unge- 2 stdn.
froren gefror.
6 stdn.
gefror.
durch
2 stdn.
durch
6 stdn.
Am 1. Tag
6050
4060
3830
33
37
2480
2195
2125
11
15
> 2. >
5520
3860
2800
30
49
2365
2095
1790
11
26
> 3. >
5270
3270
2450
38
54
2410
1950
1645
19
32
. 4. >
4590
3080
2270
33
51
2015
1610
1460
20
28
In zwei anderen, doppelt angestellten^) Versuchsreihen, welche
nicht ohne weiteres mit den übrigen vergleichbar sind, weil hier
die Schale nur soweit belastet wurde, bis die Fleischzylinder bis
auf 1 mm durchgebissen waren, fand Herr Jaeths
Tersueh II. Rind, 4 Jahre alt, gut genährt
1
Hautrouskel
Abnahme
um °/o
Filet
Abnahme
um 7o
unge-
froren
2 stdn.
gefror.
6 stdn.
gefror.
durch
2 Stdn.
durch
6 Stdn.
unge-
froren
2 stdn.
gefror.
6 Stdn.
gefror.
durch
2 Stdn.
durch
6 Stdn.
Am I.Tag
, 3200
2340
1170
27 (41)
63(71)
2450
1795
1180
27 (18)
54(54)
' 2. .
2120
1205
1105
43(38)
48(50)
1735
1040
990
40(84)
43(88)
* 8. >
2050
1205
1135 41(37)
45(48)
1525
1190
1100
22(20)
28(31)
' 4. ,
1915
1055
1015 45(38)
47(46)
1450
1000
995
31 (24)
34(33)
' 6. »
1770
1045
995
41(34)
45 (45)
1415
985
995
30(28)
38(31)
Tersaeh III. Rind, 6 Jahre alt, schlecht genährt.
> 2. »
> 3. >
I 4. >
3750
2795
1600
33(33)
37 (38)
2875
1920
1205
11(15)
2700
1835
1510
80(31)
49(49)
1800
1245
1140
11(11)
2515
1895
1565
38(35)64(57)
1687
1205
1135
19(22)
2330
1730
1550
33 (35)
51(53)
1600
1050
1025
20(23)
15(19)
26 (23)
32(34)
28 (25)
1) Die Tabellen enthalten nur die Originalzahlenmittel je einer Versuchs -
reibe, nicht die der Kontrollreihe, dagegen habe ich eingeklammert auch
(Ue prozentualen Werte der Kontrollreihe hingesetzt.
160 Stadien über die Zähigkeit dee Fleisches und ihre Ursachen.
Aus diesen Versuchen ergibt sicli übereinstimmend:
1. Gefrieren und Wiederauftauen vermindert die Zähigkeit
der Muskeln.
2. 6 stündiges Gefrierenlassen wirkt ausnahmslos stärker als
2 stündiges, doch tritt dieser Unterschied nicht immer
gleichstark hervor. In Versuch I, in dem eine totale
Durchbeifsung ausgeführt wurde, war die Wirkung stärker
als im Versuche II und in.
3. Abgehängtes Fleisch vom 2. — 5. Schlachttag wurde in der
Regel etwas stärker durch das Gefrieren beeinäufst als
ganz frisches.
4. Während Hautmuskel durchschnittlich in 2 Std. etwa um
30 — 40 ^/o zarter wurde, nahm beim Filet die Zähigkeit
nur um 11 — 30 ab. In 6 Std. wurde der Hautmuskel meist
ca. 50% zarter, das Filet nur etwa 30%.
Es ist also das Gefrierenlassen eine sehr wirksame Methode,
die Zähigkeit des rohen Fleisches zu vermindern.
VII. Über den Einflurs des Kochens auf die Fleischzähigkeit
nebst Untersuchungen Ober die Veränderung des Volumens und des
Wassergehaltes durch das Kochen.
Es wurde die Mehrzahl der Fleischsorten, über deren Unter-
suchung im rohen Zustande oben berichtet wurdet auch im ge-
kochten Zustande untersucht und zwar wurden zu diesem Zwecke
erst mit Fadenumschnürungen versehene Streifen hergestellt und
diese dann gekocht. Ein mäfsiges Aufquellen von 1,2 auf etwa
1,5 cm, das einige Mal beobachtet wurde, haben wir nicht bei der
Mitteilung der Zahlen in Rechnung gezogen, da es nicht konsequent
notiert war.
Diese Versuche habe ich schon 1896 mit Gunkel und
Tillmann begonnen, auch Schau wienhold hat eine Reihe
solcher Experimente ausgeführt. Das Resultat der Versuche
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
161
ffar von Anfang an ein sehr auffallendes und charakteristisches,
die Deutung aber machte Schwierigkeiten. Ich gebe von diesen
filteren Versuchen nur die Übersichtstabelle und unterlasse es,
Einzelheiten anzuführen.
Wirkung eines 1 — IViStQndigen Kochens auf 1^ cm dicke Fleischstreifen.
Direkt abgelesene Werte.
Nammer
Lende
Haatmuskel
roh
Kochdaaer
gekocht
Rind 1
Rind 2
Rind 3
Rind 4
1165
1180
942
360
618
IV, Stunden
1 Stunde
Ih
419
2h
289
8h
215
6h
125
Mittel
AbBoIate Werte
Daraus ist zu schliefsen:
1096
5480
444
2220
Während frischer Hautmuskel etwa 2,63 mal so zäh ist wie
Filet, ist gekochter Hautmuskel nach 1 — P^sttindigem Kochen
etwa ebenso zart wie gekochtes oder rohes Filet. Das Filet
ändert durch Kochen seine Zartheit überhaupt nicht bedeutend,
meist fanden wir eine geringe Abnahme, nur bei Rind IV, dessen
Filetfleisch roh sehr zart gewesen war, eine etwas erheblichere Zu-
nahme.
Bei länger dauerndem Kochen bis zu 3 Stunden verändert
sich die Zartheit des Filets auch nicht mehr wesentlich, dagegen
nimmt die Zähigkeit des Hautmuskels nach der 1. Stunde noch
bedeuten4 ab, aber auch von der 2 zur 3. Stunde geht noch
eine weitere Zähigkeitsabnahme vor sich, nach dieser Zeit
kehrt sich das Verhältnis der Zähigkeit der beiden
Fleischsorten um, jetzt ist geradezu der Hautmuskel
zarter als das Filet. — Von dem Resultat nach 6 stündigem
Kochen will ich nichts weiter sagen, weil die Muskelfasern nach
dieser Zeit kaum mehr zusammenhängen.
162 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
Um genaueres zu erfahren ^ habe ich Herrn Dr. Ludwig
Rumpf veranlafst, die ganze Frage des Einflusses des Kochens
einer besonderen Untersuchung zu unterziehen. Ich drucke auch
diese sorgfältigen Versuche hier nur teilweise ab, weil der Einzel-
versuch bei der wechselnden Beschaffenheit des Fleisches wenig
Wert hat und nur Mittel aus gröfseren Reihen wirkliche Schlüsse
gestatten. Rumpf hat sehr viel Sorgfalt angewendet, mit Fleisch
von genau bekannter und sehr stark variierter Kochdauer ge-
arbeitet und fast von jeder Kochdauer 3 parallele Reihen durch-
geführt. Die eine Reihe untersuchte die Festigkeit des gekochten
Fleisches, nachdem man den 1,2 cm dicken Fleischstreifen ein-
fach gekocht hatte, die zweite Reihe beschäftigte sich mit Streifen,
welche vor dem Kochen alle Zentimeter weit fest mit Bindfaden
umbunden waren, die dritte wurde an Fleischstreifen ausgeführt, die
in einer genau 1,2 cm weiten Zinnröhre eingeschlossen gekocht
worden waren. Es zeigte sich bei späteren Spezialuntersuchungen,
dals diese drei Reihen kaum verschiedene Resultate geben konnten,
denn die Voraussetzung, von der aus sie ausgeführt waren, war
nicht richtig. Ich hatte gelegentlich Fleischstückchen beim Kochen
kürzer und erheblich d i c k e r «werden sehen und mir die Vor-
stellung gebildet, dafs dies der normale Vorgang sei. Rumpf
konnte aber zeigen, dafs blofs lebend frische Fleischstückchen
beim Kochen dicker (und dabei sehr kurz) werden, während
einige Stunden nach dem Schlachten das totenstarre Fleisch beim
Kochen in allen Dimensionen kleiner wird, ob man das Fleisch
frei kocht oder ob man es in eine Zinnröhre einschUefst, welche
ein Dickerwerden beim Kochen unmöglich macht. Auch um-
bundene Stückchen — welche in der Regel zwischen den Ligaturen
beim Kochen etwas vorquellen — zeigen keine erhebliche Dicken-
zunahme. #
Zunächst setze ich ein Beispiel eines Versuchs (S. 163) ausführ-
lich her.
Die prozentualen Mittelwerte aller seiner Versuche gibt
Tabelle (S. 164), in die ich die Generalmittel eingesetzt habe,
weil ich auf eine Diskussion der verschiedenen feineren Ab-
änderungen des Kochens verzichte.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
163
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§11
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134 Btudien über die Zähigkeit dee FleiBcbes und ihre Uraacbea.
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Rind IV . .
100 103
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Mittelwert .
100 lU
112
10! 99129
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86 II 81
81
70
Rind I .
Rind II .
Rind III ,
Rind IV .
-1-
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46 42
57 1 46
_
65
1,-
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-1146
ft2
70||30
42
40 25
26
46 38
47
44
U^
&i
57 il 42
39
43 39
49
36 ,: 42
37
39; -
—
—
:i69
~
-1-
-
- 54
-
-li-
-J!-
-
-
General mittel
Man sieht, Rumpfs Verauche stimmen prinzipiell durchaus
zu den früheren. Sie zeigen im einzelnen folgendes:
1. Lende wird durch Kochen w&hrend 2 Stunden in ihrer
Zähigkeit nicht sehr wesentlich verändert. Es täfst sich
aus den General initteln sehr wahrscheinlich machen, dafs
die Zähigkeit nach 6 Min. um etwa 8%, nach 15 Min.
um etwa 13 "/q zugenommen habe, nach 30 Min. wurde
noch 5 % über nach 1 Std. 4<'/o unter der Anfaugszähligkeit
gefunden, nach 2 Std. betrug sie 1B% weniger als zu Be-
ginn. Es muFs aber zugegeben werden, dafs unsere
Methode nicht so scharf, und vor allem, dafs das Fleisch
nicht so homogen ist, dafs man die eben vorgetragenen
Schlüsse mit absoluter Schärfe formulieren kann.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 165
2. Hautmuskel ändert dagegen seine Festigkeit — wie wir
von Anfang an fanden — in ganz auffallender Weise.
Schon 5 Min. genügen, um die Zähigkeit auf 56% herab-
zusetzen, nach 16 Min. beträgt sie 49, nach 30 Min. 42,
nach 1 Std. 38 und nach 2 Std. 49%, d. h. sie wird nach
kurzem Kochen fast auf die Hälfte herabgesetzt und
sinkt bis auf 38%. Die nachträgliche Steigerung auf
49% halte ich vorläufig für eine Täuschung durch Zu-
fälligkeiten des Materials.
über das tatsächliche Verhalten der zähen und zarten Muskeln,
als deren Typen wir Haut- und Lendenmuskeln gewählt haben;
besteht somit kein Zweifel — schwierig ist aber von Anfang an
die Erklärung erschienen und ich kenne heute noch keine ganz
befriedigende Deutung.
A priori sollte man erwarten, dafs ein gekochter Muskel
fester werde. Der Muskel zieht sich in allen Dimensionen zu-
sammen, prefst Wasser aus und wird dichter, gequollene Eiweifs-
körper werden fest — dies mufs eine gewisse Festigkeits- resp.
Zähigkeits Vermehrung zur Folge haben. Die gefundenen Ver-
hältnisse beim Lendenmuskel entsprechen etwa dem, was man
erwarten sollte : Eine bald einsetzende mäfsige Festigkeitszunahme,
die allmählich zurückgeht. Dafs sie zurückgeht und ev. ein Stück
weit ins Gegenteil umschlägt, habe ich von Anfang an darauf
bezogen, dafs das kollagene Bindegewebe beim Kochen zu Leim
wird, dafs also an Stelle fester schwerer zerschneidbarer Bündel
eine widerstandslose Masse tritt.
Ich habe mit Till mann sofort Versuche angestellt, um das
Verschwinden der Bindegewebsfestigkeit beim Kochen zu be-
weisen. Sehnen bestehen vorwiegend aus koUagenem Gewebe,
dem nur wenig elastisches Gewebe eingelagert ist. Aus Rinds-
sehnen wurden 1,2 cm im Durchmesser messende Bündel ge-
schnitten und dieselben dann gekocht von 7^2 Min. bis 5 Stunden.
Die Sehnen quollen dabei etwas und zeigten eine zunehmende,
gegen Ende des Versuchs ganz aufserordentlich starke
Festigkeitsabnahme.
166 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches and ihre Ursachen.
Yerändernn; der Zihigkelt einer Sehne beim Koehen.
■■ - ■ ■ T
i
roh
1
T ■
1
"7»/« Min.
V48td.
gekocht
Vt Std. 1 Std.
2 std.
5 Std.
1
5700
3900
2300
3600
4200
1000
50
2
4000
2700
3400
2000
2000
900
50
3
5700
4400
1600
2100
700
40
4
4000
4000
1900
800
60
5
3500
700
6
4900
500
7
4700
600
8
6300
9
6000
10
7200
1
Darchschnittsbelastung '
5200
1
3750
2850
2400
2050
743
50
Zähigkeit in •/© ^er An-
fangszähigkeit . . .
100
1
' 72,1
54,8
46,1
39,4
14,3
0,96
Die Kurve der Abnahme ist durch beifolgende Kurve sehr
anschaulich ausgedrückt.
ZP.f-
i
54.8-
\
\
--^izzr
rtj
- «<
1 l
> Sfuna/en s
Fig. 2.
Ordinaten : Festigkeit in % der Anlangafestiglceit, Abszissen : Zeit.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
167
Ich füge hier gleich an, dafs sich, wie zu erwarten, das
elastische Gewebe, das beim Kochen nicht zu Leim wird, sondern
das im wesentlichen unverändert zu bleiben scheint, ganz anders
verhält — ich möchte aus den Zahlen nicht zuviel schliefsen,
die Bestimmungen sind nicht bei allen Eocharten hinreichend
zahlreich.
Naekenband.
1
i roh
V* std.
gek
1 std.
ocht
l»/4 Std.
6 std.
1
2500
2200
2000
3000
3000
2
3000
2400
2400
3400
3300
3
3000
2500
2000
3200
3300
4
2500
2000
1500
3500
3400
5
2700
2000
3900
6
2700
2000
7
3300
3000
8
3000
2900
9
2600
2900
10
3100
3500
11
2900
3800
12
3400
2500
13
3000
2900
14
2500
15
3000
16
8600
17
2700
18
2700
19
2500
20
3400
21
3100
22
2500
23
3100
24
2800
25
2900
DarchschnittebelaBtang
2900
2275
1980
3115,4
3250
Zähigkeit in V« der An-
{angflzahigkeit . . .
100
78,4
68
107,4
112
Nach diesen Darlegungen darf ich wohl sagen, dafs ich das
geringe Zunehmen und spätere geringe Abnehmen der Lenden-
zähigkeit sehr wohl verstehen resp. erklären kann. Anders liegen
die Verhältnisse für den Hautmuskel.
16g Studien über die Zähigkeit des Fleisches nnd ihre Ursachen.
Ich ging von der Meinung aus, dafs es wohl am plausibelsten
sei, die zunehmende Zähigkeitsabnahme mit der allmählichen Zer-
störung resp. Lösung des kollagenen Gewebes zu erklären —
mufs aber zugeben, dafs es — ganz abgesehen von dem Nicht-
verschwinden des elastischen Gewebes — sehr auffallend ist,
dafs schon nach 5 Minuten die Zähigkeit auf 56*^/o herabgeht,
und dafs 1 — 2stündiges Kochen sie nur auf 48 — 38°/o vermindert.
Dafs das kollagene Gewebe in 5 Minuten erheblich zu Leim
verwandelt sei, glaube ich nicht, und niemand wird es glauben,
der ein 5 Minuten gekochtes Fleischstückchen zerzupft und sich von
der Zähigkeit und Intaktheit des Bindegewebegerüstes überzeugte.
Für diese erste starke Zähigkeitsabnahme hat Rumpf die
Erklärung versucht: Sie werde bedingt durch Entspannung
des Bindegewebes in dem geschrumpften Fleischstück. Das
entspannte Bindegewebe setzt den Zähnen des Apparates lange
nicht den Widerstand entgegen wie gespanntes Gewebe. Der
Beifsapparat durchschneide glatt eigentlich nur die Muskel-
fasern, die Bindegewebszüge würden stets nur teilweise durch-
schnitten und mehr nur vor den Schneiden hergeschoben. Seien
nun die Bindegewebszüge entspannt durch Schrumpfen des Flei-
sches und damit leichter dehnbar geworden, so erleichtere dies
das Eindringen der Schneiden sehr.
Ich mufs gegen diese Erklärung das Bedenken äufsem, dafs
das Bindegewebe, wie selbst Rumpf (S.26 seiner Dissertation) ge-
zeigt hat, ein besonders starkes Kontraktionsvermögen beim Kochen
besitzt, ein Kontraktionsvermögen, das dasjenige des Fleisches
sogar übertrifft. Es träte demnach die von Rumpf vermutete
Entspannung gar nicht ein.
Bei nochmaliger Überlegung aller Möglichkeiten komme ich
zu keiner definitiven Erklärung, ich glaube wohl dieselbe in
Veränderungen des Bindegewebes suchen zn müssen, ohne ihre
Art angeben zu können. Die Veränderungen müssen sehr wirk-
sam sein, da sie die Wirkung des Dichterwerdens der Muskel-
substanz überkompensieren.
Eine Vermutung, die ich mit allem Vorbehalt gebe, wäre etwa
folgende :
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
169
Die Elastizität des Muskelgewebes ist gering im Verhältnis
zum Bindegewebe. Alle Muskeln werden durch Schwinden der
Muskelelastizit&t beim Kochen etwas leichter durchschneidbar,
durch Gerinnen des Muskeleiweifses etwas schwerer durchschneid-
bar. Diese beiden Faktoren kompensieren sich ungefähr.
Anders liegt die Sache mit dem Bindegewebe; dasselbe ver-
liert anfangs an Schwerdurchschneidbarkeit durch Abnahme seiner
Elastizität, später durch Übergang in Leim. Sowie das hoch-
elastische Bindegewebe koaguliert ist, ist es viel leichter zu
durchschneiden wie vorher, es nimmt also die Durchschneidbar-
keit des bindegewebsreichen Hautmuskels viel stärker ab als die
des Lendenmuskels, und die Raschheit der Kochwirkung an den
dünnen Stücken wäre erklärt.
Anhangsweise gebe ich noch einige Zahlen für die Verände-
rung anderer Fleischsorten durch Kochen, und zwar teile ich die
unmultiplizierten Mittelzahlen aus je 20— 30 Einzelversuchen jnit:
Hammel
VerhAltnis .
Das zartere Fleisch (Filet) verändert sich auch in diesen
Versuchen durch Kochen weniger als das zähere (Schlegel und
Rücken), doch ist auffallend die starke Zähigkeitsabnahme des
Filets bei Schwein und Hammel gegenüber dem Rind, auch
Schlegel und Rücken zeigen ganz gewaltige Zähigkeitsabnahme.
In möglichster Kürze seien hier noch die von Rumpf auf
meine Veranlassung ausgeführten Versuche über die Verände-
rungen des Volumens und Wassergehalts von Fleischproben beim
Kochen angeführt.
170 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
L Versuche an 4 Bindern über den Wassergehalt des
verschiedene Zeiten gekochten Fleisches.
Für die Untersuchungen auf Wassergehalt wurde folgender
Weg eingeschlagen. Von Haut- und Lendenmuskeln wurden
sowohl rohe als auch gekochte Fleischmengen von je 10, 20
bzw. 50 g auf 0,1 . genau abgewogen, hierauf möglichst klein
zerschnitten und in Schalen im Trockenkasten einer Hitze von
80^ ausgesetzt. Nach 24 Stunden wurde der Rückstand ge-
wogen und nach weiterem, 24 Stunden langem Verweilen im
Trockenkasten nochmals kontrolliert, wobei die neue Gewichts-
verminderung höchstens einige Zentigramm betrug.
Um zur Gewichtsbestimmung die gekochten Fleischmassen
vom adhärierenden Wasser möglichst zu befreien, liefsen wir die
Proben bei den Untersuchungen an Rind I und II (Versuch a\
gut ablaufen, für Rind II (Versuch b) nach Ablaufen des Wassers
^2 Stunde an der Luft trocknen, und in den beiden letzten Ver-
suchsreihen, Rind III und IV, trockneten wir sie sogleich durch
Abtupfen mit Filtrierpapier. Ich will nicht verschweigen, dafs
keines von den drei Verfahren uns vollständig befriedigen konnte,
da kleine Fehlerquellen bei allen drei Methoden vorhanden sind
und dem subjektiven Ermessen ziemlicher Spielraum bleibt.
a) Lende.
100 g
rohes
Fleisch
100 gl
15 Min.
gekochtes
so Min.
Fleisch
IVt stdo.
Rind I
Rind n
Rind n
Rind m
Rind IV
77,0
75,6
76,5
77,2
77,0
70,0
66,4
66,5
70,8
70,0
62,5
63,4
66,0
65,6
69,0
60,8
61,8
61,3
65,8
66,0
Wassergehalt, Mittelwert . .
b) Hau
76,7
tmuskei
68,7
i.
65,3
63,1
Rind I
Rind U
Rind II
Rind III
Rind IV
73,0
67,5
66,0
73,8
72,2
68,8
74,5
72,5
69,5
74,6
68,2
69,2
75,0
74,0
73,0
74,2
1 '
70,9
69,3
63,5
64,0
66,5
67,4
70,0
Wassergehalt, Mittelwert . . .
c) Wassergehaltsunterschied.
Gehalt der Lende 11+2,5 «/p i| — 2,2 %
4,0 Vo
66,3
3,2 7o
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
171
Es enthält demnach der rohe Lendenmuskel durchweg etwa
2,5% Wasser mehr wie der rohe Hautmuskel, der wasserreichere
(d. h. an Muskelsubstanz reichere) an Bindegewebe ärmere Lenden-
muskel verliert beim Kochen mehr Wasser als der Hautmuskel,
so dafs die gekochte Lende in allen Stadien der Kochung trocke-
ner ist als der Hautmuskel. An dem Wassergehalt des gekochten
Hautmuskels ist die Wasseraufnahme seines Bindegewebes beim
Kochen beteiligt.
IL Vereuche an 3 Bindern über die Ghewichtsabnahme des
Fleisches und die Gewichtszunahme des Bindegewebes beim
Koohen.
Das Fleisch wurde in rohem Zustand gewogen und zer-
schnitten ; die relativ starke Gewichtsabnahme bei Rind II erklärt
sich durch halbstündige Trocknung des zerschnittenen Fleisches
an der Luft nach sorgfältigem Ablaufenlassen des Kochwassers,
während bei III und IV blofs Wasser ablaufen gelassen wurde.
a. Lende:
AnfangB-Ge wicht
in rohem Zustand
Gewicht gekocht in ^^ des Rohgewichts
16 Min.
80 Min.
l>/t Std.
Rind IL
' III
' IV
20 g
60 g
50 g
54,5
72,0
64,8
61,5
66,4
60,0
50.0
62,0
58,4
A&tteJwert in 7o (aus III u. IV)
68,4
62.7
60,2
Geirichtaverlust in V,
— 32,6
37,3
39,8
b. Haui
bmuskel:
®«<1 XJ
20g
66,0
62,0
61,0
' III
60g i
70,6
65,0
61,2
J XV
50g
79,2
73,2
70,4
^JÜ^^l^ert in •/. (»<»* Wl
u. IV) ;
74,9
69,1
65,8
'J«wicht8verlust in •/„
1
-25,1
— 30,9
-34,2
c. Bindegewebe:
20 g
50 g
50 g
136,5
106,0
114,4
J^J ^wert in 7o (aus III u. IV) | 110,2
136,0
109,6
116,2
134,5
108,0
110,8
Gewichts Vermehrung in 7o
XtcMt für Hygiene. Bd. LXIII
+ 10,2
112,9
109,3
+ 12,9
+
12
9,4
172 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
Aus den Zahlen folgt wieder die stärkere Gewichtsabnahme
der Lende beim Kochen gegenüber dem Hautmuskel und in
sehr schlagender Weise eine Wasseraufnahme durch gekochtes
Bindegewebe.
in. Versuche über die Volumen- und DimensionBänderung^en
gekochten Fleisches.
a) Tersuehe an Fleiseh, das die Totenstarre dmrelifemaelit hat.
Die Methodik der Versuche bestand in möglichst genauem
Messen und Berechnen von Fleischstückchen, die etwa 4 cm
lang und 1—2^2 cd^ breit und dick waren. Ganz genaue Re-
sultate waren so nicht zu erlangen, zur Orientierung reichen aber
die Ergebnisse.
Yolomen- nnd Dimensionsbestimmnnifen beim Kochen des
abgrelairerten Rindfleisches*
a. Lende:
MaTse in cm
1. Probe 2. Probe
b. Hautmuskel:
MaTse in cm
1. Probe 2. Probe
L&nge . .
Durchmesser
Umfang .
Volumen .
Lange . . .
Durchmesser
Umfang . .
Volumen . ,
Länge . . .
Durchmesser
Umfang . .
Volumen . .
Lange . . .
Durchmesser
Umfang . .
Volumen . .
4.0
1.2
1.4
2.6
4.6
10,0
7,0
7.4
roh
Länge
Breite
Dicke
Volumen
5 Min. gekocht
3,2
1,2
6,1
1,0
2,3
8,5
6,5
15 Min. gekocht
Länge
Breite
Dicke
Volumen
3.1
1.0
1,1
2.1
4,0
8,0
3.7
4,6
3,0
1.0
I l'Ö
2.0
; 3,8
7,7
3,5
1
4,0
LAnge
Breite
Dicke
Volumen
30 Min. gekocht
Länge
Breite
Dicke
Volumen
• |i
4.0
2,6
0,7
7,6
2.6
2,6
0,7
4,6
2.4
2.4
0,7
4,6
2,3
2.3
0,7
4.6
2,9
4.8
0,7
11.4
2.2
3,6
0,7
6,5
2,1
3,5
0.7
6,5
2.1
3,6
0,7
6.1
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
173
a) Lende.
Ma^8« in cm
I.Probe
2. Probe
b) HautznuBkel.
MaTse in cm
1. Probe 2. Probe
1 Std. gekocht
Un
DarcliKiiesBer
Um
Vol
• •
3,0
1,0
1,0
1,9
3,8
7.6
3,3
I
*,o
Länge
Breite
Dicke
Volnmen
2,3
2,3
0,7
4,6
2,0
3,5
0,7
5,9
Sestimmiuig der prozentualen Mittelwerte des Tolnmens.
a. Lende:
t
roh
5 Min. gek.
15 Min. gek.
30 Min. gek.
1 std. ged.
1. I^robe
2. Probe
100
100
72,93
74,25
62,91
60,75
50,05
54,00
47.28
54,00
Mittelwert:
100
73,59
56,83
52,03
50,62
b. HantmuBkel:
1. Probe
^. Probe
Mittelwert:
100
100
100
60,72
57.20
60,72
57,20
58,96
58,96
59,40
53,68
59,40
51,92
56,54
55,66
Hieraus folgt in gutar ÜbereinstimmuDg mit den Ergebnissen
der Wasserbestimmung: Der Lendenmuskel vermindert sein Vo-
lum nach 5 Min. bis auf 73,6%, nach einer Stunde bis ca. 50,6% ;
da er nur um rund 40% Wasser auspreist, so müssen sich die
festen Teile noch stärker kontrahieren als dem blofsen Wasser-
verlost entspricht. Der Hautmuskel nimmt an Volumen nur
etwa auf 55,7 % ab — sein Wasserverlust beträgt dementsprechend
auch nur 34%.
An der Volumabnahme sind alle Dimensionen beteiligt«
ebenso wie die Länge nimmt die Dicke ab, genauere prozentische
Abnahmen zu berechnen, lohnt aus den spärlichen Zahlen nicht.
b) Yersnehe mit Fleiseli, das zanäehst ganz trisoli nnd dann naeh
längerem Lagern nntersnelit wurde.
a. Lende:
Mafae in cm
Länge
Breite
Dicke
b. Hautmuskel:
Länge Breite
Dicke
1. 1 Stunde nacb Schlachtung des Rindes.
roh . . .
5 Min. gek.
15 Min. gek.
6,0
3,7
1,6
5,5
3,6
3,0
4,0
2,6
4,3
3,2
3,0
3,5
2.5
4,3
3,2
0,9
1,0
1,9
12'
174 Studien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
a) Lende
b) Haotmuskel.
Malse in cm Länge
Breite
Dicke
I^nge
Breite
Dicke
2. 7 Stunden nach Schiachtang des Rindes.
roh ....
5 Min. gek.
15 Min. gek. .
[ 10,0 4,0
. 5,0 4,5
4,7 . 4,0
1,1
1,6
1,5
14,0
12,0
11,5
10,0
9.4
9.0
0.4
0.5
0.5
3. 30 Standen nach Schiachtang des Rindes.
roh ... .1 7,5
5 Min. gek. . 6,0
15 Min. gek. . . 5,5
3,5 1.7
3,3 1,7
3,0 1,7
11,0
9,4
9,0
7,5
5,5
5,2
0,6
0,6
0,6
Volamen des gekochten Fleisches in Vo berechnet.
nach 1! 1 Std.
7 Std.
30 Std.
1 std.
7 Std.
30 Std.
5 Min. gek.
15 Min. gek. .
90,0
! 78,6
81,7
61.7
75,4
62,9
79,5
79,5
69,8
64,8
62,6
56,6
Der Versuch zeigt in Übereinstimmung mit dem vorigen,
dafs sich Fleisch nach 30 stündiger Aufbewahrung in keiner Rich-
tung mehr beim Kochen verdickt, sondern kürzer und dünner
wird. Dagegen ergab der Versuch, dafs ganz frisch geschlach-
tetes Fleisch sich wohl beim Kochen in der Länge sehr stark
verkürzt, aber dabei an Dicke zunimmt, so dafs sein Volum sich
nicht auf 56 — bl%, sondern nur auf 78 bis etwa 73% vermin-
dert. Nach 7 stündigem Anfbewahren stand das Fleisch in seinen
Eigenschaften etwa zwischen dem frischen und dem abgestorbenen
in der Mitte.
Diese Resultate stimmen mit denen von Ferrati (Arch. f.
Hyg. XIX, 324), dafs das Fleisch nach überstandener Toten-
starre einen gröfseren Gewichtsverlust bei Kochen zeigt als vor
demselben.
VIII. Zähigkeit geräucherten Fleisches, von Speck und Wurst.
Anhangsweise seien einige Resultate erwähnt, welche die
übrigen Befunde vom praktischen Standpunkt ergänzen.
Gunkel, der für Rindslende die Durchschnittszahl 2085, für
Hautmuskel 5480 (multipliziert) gefunden hatte, untersuchte auch
einige Proben geräucherter Fleischwaren,
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
175
Speck A.
Derbere, der Hant nfther liegende
Schicht mit mehr Bindegewebe
Speck B.
Zartere tiefe Schicht mit weniger
Bindegewebe
Speck I
(gerftachert)
1940
Speck n
(nicht gerftachert)
1645
Speck I
(geräuchert)
117
Speck n
(nicht gerftachert)
93
Durch Kochen veränderte sich die Zahl in
28 — 21 16
Offenbar spielt für die Zähigkeit des rohen Specks und für
das Verschwinden dieser Zähigkeit das Bindegewebe die Haupt-
rolle.
Ferner wurde untersucht (je 40 — 50 Einzelbestimmung):
Roher kftaflicher
zartester >Liach8-
Bchinkenc
199
Kftaflicher ge-
kocht. Schinken
404
Salamiwarst I
alt Vj 8td.
179
Salamiwarst II
alt 21 Tage
94
Es besitzt also gekochter Schinken etwa die Zähigkeit von
Filet, der zarteste rohe Schinken (Lachsschinken) ist aber erheb-
lich zarter — was dem subjektiven Eindruck und der Anschau-
UDg der diätetisch verordnenden Arzte entspricht.
IX. Einige Unteraucliungen über die Zäliigkeit der anderen efsbaren
Organe unserer Schiachttiere mit Rücksicht auf die Frage der
Kranicenkost und zur PrUfung meiner Anschauungen Über die Be-
deutung des Bindegewebes.
Als Ergänzung zu den Versuchen von Muskeln liefs ich
vom ärztlichen Standpunkte aus einige Untersvchungen über die
Zähigkeit der am häufigsten zur Speise benutzten inneren Or-
gane der Tiere vornehmen. Herr Dr. Rothschild, der sie
ausführte, fand bald, dafs es für diese Versuche bequemer sei,
möglichst quadratische Säulen von 1 cm Querschnitt herzustellen,
die man aufsen bis auf die Bifsstelle mit schmalem Leinenband
umwickelte, um zu verhüten, dafs die Blöcke mehr zerquetscht
als zerbissen würden.
Geprüft ist jedes Organ nur von einem Tier, alle Organe wurden
vom Rind, Kalb und Schwein in Untersuchung genommen.
176 Stadien über die Zähigkeit des Fleiscbeg and ihre Ursachen.
Alle mitgeteilten Zahlen sind Mittel aus mindestens acht Einzel-
durchbeilsungen. Ich verkenne nicht, dats Vermehrung der
Untersuchungen durch Ausdehnung derselben auf mehr Tiere
den Wert der Zahlen erhöht hätte, aber zu einer Orientierung
über das Gebiet reichen dieselben.
Es schien am kürzesten, in eine Tabelle alle Ergebnisse
über Leber, Milz, Thymus und Gehirn aufzunehmen. Die Zahlen,
die wir an der Lunge ermittelten, sind als ziemlich wertlos weg-
gelassen, da die Lunge frisch sehr luftreich, gekocht dagegen
mehr oder weniger luftfrei ist.
Leber
MiU
Niere
Thymus Hirn
^
■M
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**
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M
M
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rt C*
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C«
Rind . .
754
260
230
890
520
470
1455
615
500
2475
1600 780
210
1
70 50
£alb . .
825
240
180
1305
535
130
1030
255
220
890
370 260
180
60 50
Schwein
2330
450
385
735
1
235
170
580
330
160
—
150
55
Aus den Zahlen leitet sich ab (wobei natürlich dahinge-
stellt bleibt, wie weit individuelle Besonderheiten das Resultat
beeinflussen) :
1. Rohe Kalbsleber ist etwas zäher als rohe Rindsleber;
gekocht wird sie sehr zart, noch etwas zarter wie Rinds-
leber. Es erklärt sich dies wohl durch den relativ etwas
gröfseren Oehalt der Kalbsleber an Bindegewebe, das
beim Kochen zum teil zu Leim wird und somit für die
Festigkeit verschwindet. Trefflich pafst dazu die sehr
grofse Zähigkeit der bekanntlich enorm bindegewebe-
reichen rohen Schweinsleber, welche durch Kochen um
% ihrer Zähigkeit verliert. Trotzdem bleibt sie doppelt
so zäh als die Kalbsleber, was sich wohl ungezwungen
so erklärt, dafs die Leber neben kollagenem auch ela-
stisches Gewebe enthält, das nicht durch Kochen er-
weicht.
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann.
177
2. Die Kalbsmilz ist roh viel zäher als die Rindsmilz ge-
funden — wahrscheinlich ist sie reicher an Bindegewebe.
Sehr überrascht waren wir von dem enormen Rückgang
dieser Zähigkeit durch 2 stündiges Kochen, was wohl
beweist, dafs namentlich leicht zu Leim verwandelbares
koUagenes Gewebe an der gröfseren Zähigkeit der Kalbs-
milz schuld ist.
3. Bei der Niere wurde ermittelt, dafs die Substantia corti-
calis der Rindsniere roh fast nur halb so zäh ist wie die
Substantia medullaris, 950 gegen 1850. Gekocht ver-
schwindet der Unterschied. Es liegt nahe, den derberen
GefäTsen, dem Bindegewebe der gröfseren Sammelröhren
u. s. f., die Ursache davon zuzuschreiben.
4. Die grofse Zähigkeit des Rindsthymus erklärt sich sehr
einfach daraus, dafs auch bei dem jungen Rind die
Thymusendrüse nur noch sehr wenig Drüsensubstanz,
aber sehr viel Bindegewebe enthält. Die starke Abnahme
der Zähigkeit bei langem Kochen spricht dafür.
5. Das Hirn ist konkurrenzlos das zarteste Organ (es wurden
Würfel aus der weifsen Substanz untersucht). Nach
2 stündigem Kochen drang die Schneide des BeiTsappa-
rates ohne Belastung durch.
Nicht ohne Interesse waren auch einige Versuche über Herz
^^^ Zunge.
Herz
roh
2440
1150
890
1 stunde
gekocht
2370
1110
890
2 Stunden
gekocht
2060
910
750
Zange
roh
4190
4170
4100
1 stunde
gekocht
2155
8030
2475
2 Stunden
gekocht
2110
2785
2740
betrachten wir zunächst das Herz, so fällt auf, dafs nach
*'^nde eine kaum merkliche nach 2 Stunden nur eine geringe
reatdg^eitsabnahme durch Kochen erreicht ist.
178 Stadien über die Zähigkeit des Fleisches und ihre Ursachen.
Es entspricht dies etwa dem Verbalten des bindegewebe-
armen Lendenmuskels und pafst recht gut in die oben nieder-
gelegten Betrachtungen und Berechnungen.
Die absoluten Zahlen für das Riudsherz und den Rinds-
lendenmuskel stimmen auch untereinander, auffallend niedrig
ist aber der Wert für das rohe Kalbs- und Schweinsherz. Die
oben niedergelegten Werte für Kalbslende betragen rund 2000,
für Schweinslende 1640.
Nach anderer Richtung überraschen die Resultate an der
Zunge.
Die rohe Zunge von Rind, Kalb und Schwein gibt hohe
Resultate, fast doppelt so hohe wie Filet, etwa ^/j so hohe wie
der Hautmuskel; durchs Kochen nimmt die Zähigkeit um 30
bis 50% ab, ohne aber unter die Zähigkeit des Filets zu sinken.
Nun haben wir alle speziell von Zunge den Eindruck, als ob
das Fleisch ganz besonders zart sei, geneigt, auf der Zunge zu
vergehen.
Es stellte sich heraus, dafs in den Versuchen Stücke ver-
wendet werden mufsten, welche das bindegewebereiche Septum
linguae enthielten, wenn wir schöne Würfel von 1 ccm erhalten
wollten. Hierauf wurde eine grofse Pökelzunge aus dem Liaden
bezogen und an isolierten Partien der Zunge folgende Werte
ermittelt :
Gekochte Zunge.
Transversus
linguae
GenioglosBus
kalt
heiß
kalt heiß
506
120
2365 1655
1
Diese Zahlen weisen für den Genioglossus die normale
Zähigkeit eines gekochten Muskels auf, während für den vor-
deren Teil der Zunge, welcher vorwiegend aus Fasern des Mus-
culus transversus linguae gebildet ist, eine aufserordentliche Zart-
heit nachgewiesen ist. Dies versteht man aber sehr leicht, wenn
Von Prof. Dr. K. B. Lehmann. 179
man an das reichliche Gerüste von fetthaltigem Bindegewebe
denkt, in das die Muskelfasern eingebettet sind, ein Gerüste, das
durch Kochen zu Fett und Leim wird. Interessant ist, dafs
diese beiden Substanzen kalt ungeschmolzen noch einen gewissen
Zusammenhalt verleihen, während im warmen Zustand nur noch
etwa ein ^/iö — Vao ^^^ normalen Fleischfestigkeit übrig bleibt.
Die Festigkeit (Zähigkeit) yegetabiliseher Nahnings-
mittel und ihre Veränderung durch das Kochen.
Von
Prof. Dr. K. B. Lehmann.
Nach Versuchen der Herren Dr. P. G a n k e 1 aus Kassel und Dr. J. Wilma
aus Mausbach.
(Aus dem hygienischen Institut der Universität Würzburg.)
Der iu der vorigen Arbeit (S. 137) vielfach benutzte Appa-
rat liefs sich vortrefEIich auch dazu verwenden, einmal einige
Daten über die Festigkeit resp. Zähigkeit vegetabilischer Nahrungs-
mittel zu gewinnen. Besonders interessant versprach dabei die
Wirkung des Kochens bei den Versuchen hervorzutreten. Irgend-
welche Vorarbeiten auf diesem Gebiete sind mir nicht bekannt.
In diesen Versuchen war es meist sehr leicht, recht genaue
Resultate zu gewinnen, weil die Herstellung von gleichmäfsig
geformten Objekten zu den Zerbeifsversuchen sehr leicht war
und auch die vegetabilischen Objekte meist homogener in ihrer
Struktur sind als die animalischen, wenn wir von Leber, hartem
Ei, Käse absehen. Nur die Kohlrabi lieferten, weil sie ver-
schieden holzig waren, verschiedene Werte.
Bei der Weichheit namentlich der gekochten Objekte war
es nötig, dem Druckmoment des Hebels (vgl. S. 139) selbstRechnung
zu tragen durch Addition von 10 g zu den Zerbeifsungszahlen,
bevor sie mit 5 multipliziert werden.
Die Festigkeit vegetabilisch. Nahrangsmittel etc. Prof. Dr. K. B. Lehmann. 181
Gemüse.
Kartoffel alt I . . . .
Kartoffel alt II ... .
Kartoffel nen I . . . .
Kartoffel neu II ... .
Kohlrabi I alt ....
Kohlrabi n
Apfel I
Apfel n
Apfel III
Gelbe Robe jang . . .
Gelbe Rübe alt ... .
Rinde einer älteren Rübe
Weifsbrot ohne Rinde
Schwarzbrot ohne Rinde .
Pampernickel
850
940
560
610
1420
575
170
150
150
1900
1780
855
870
135
120
515
95
75
89
85
100
85
Die Zahlen sind Mittel von
etwa 50 Bestimmungen an vier
Knollen, die Extreme schwanken
von 550- 2000 roh, und 75 bis
100 gekocht.
Die Zahlen sind Mittel von
sechs Knollen, die je 20 mal
untersucht sind, die Extreme roh
schwanken zwischen 800 — 4050,
die Mehrzahl der Werte lag
zwischen 1000 und 2000. Für
die gekocht. Kohlrabi schwanken
die Werte von 105—86.
Die Zahlen sind Mittel von
etwa 70 Einzelbestimmungen, sie
schwanken von 800—2060. Die
gekochten Stücke zeigten ganz
weich Werte um 200, die etwas
derberen um 100.
Nicht recht in die Tabelle passen die Versuche mit grünen
Erbsen, weil wir nur einzelne Körner, nicht 1 cm dicke Zylinder
zerbeifsen konnten ; hier wurden für das Moment des Hebels nur
5 g addiert.
V4 Stunde
1 Stunde gekocht
1 Stunde gekocht
gekocht
in dest. Wasser
in Brunnenwasser
Erbsen roh . .
220
39
65
Die Zahlen zeigen den enormen Einfluls des Kochens auf
die Zähigkeit vegetabilischer Nahrung; dieselbe verliert durch
Kochen stets % — '/^o der früheren Festigkeit. Dadurch wird natürlich
die Zerkleinerung der vegetabilischen Speisen au [serordentlich
erleichtert, und welche Bedeutung die Zerkleinerung für die Ver-
daulichkeit hat, ist ja in den von mir mit Herrn M. Götz und
182 ^^ Festigkeit vegetabilisch. Nahrungsmittel etc. Prof. Dr. K. B. Lehmann.
F. M e y e r angestellten Versuchen ganz auffallend zutage getreten
(vgl. dieses Archiv, XLIU, 123).
Vegetabilien sind roh wie gekocht fast durchweg zarter wie
die eigentliche Fleischnahrung, die zartesten gekochten Tier-
organe (Thymus) erreichten nicht ganz die gekochten Vegetabilien
und übertreffen sie nur ganz ausnahmsweise (Hirn).
Im allgemeinen empfinden wir Nahrungsmittel von 1cm Dicke
als sehr weiche, wenn 100 g zum Zerbeifsen ausreichen, als weich
bis etwa 200 — 400, als fest aber sehr leicht zerbeifsbar bis 1000 g,
als gut aber mit etwas Anstrengung zerbeisbar bis 2000, etwa
von 4000 g an stöfst die einseitige Zerbeifsbarkeit auf ernstliche
Schwierigkeiten.
Experimentelle Untersuchungen über die Empfänglich-
keit und Immnnisierong der Kaltblüter gegen Pest.
Von
Prof. Y. Fukuhara,
AbteilQDgfyonteher im Pathologiacben Institut der medisinischen Akademie
zu Osaka.
CA.UB dem amtlichen Bakteriolog. Institat in Osaka. Direktor: Prof. A. Sata.)
Seit 10 Jahren sind die Pestbazillen Gegenstand mehrfacher
Untersuchungen gewesen, jedoch die Empfänglichkeit der Kalt-
bluter für die betreffenden Mikroben und zwar die pathologisch-
anatomischen Veränderungen der infizierten Kaltblüter nur wenig
studiert worden.
Alb recht und Gohn versuchten bei Schlangen, Eidechsen
und Fröschen die Infizierbarkeit per os, subkutan und intra-
thorakal, jedoch ohne Erfolg. Nutall {^) fand in seinen Unter-
suchungen über die Empfänglichkeit verschiedener Tiere für
Pest, dafs eine der versuchten Kreuzottern (Pelius borus) bei
26 bis 28^ C nach 43 Stunden an Pest starb, während 2 andere
derselben bei 14 ^ C noch 3 Monate lang nach der Impfung am
Leben blieben. Was die Frösche (Rana temporaria) betrifft,
fand er, dafs 2, die bei 20 ° C gehalten und mit grofsen Milz-
stücken an Pest gefallener Tiere geimpft wurden, sich als immun
erwiesen, indem sie über 3 Wochen lang lebten.
I>evell(2) zieht dagegen aus seinen Beobachtungen folgende
ScUüsse:
184 Experimentelle Untersuchungen über die Empfänglichkeit etc.
1. Die Frösche (Rana temporaria) sind sowohl im Winter-
ais auch im Sommerzustande für Infektion mit Bubonen-
pest empfänglich.
2. Die Infektion läfst sich durch Einführung von virulenten
Pestkulturen oder von Organteilen (resp. Blut) an Pest
gefallener Tiere in den Lymphsack der Frösche bewerk-
stelligen.
3. Spontane Infektion der Frösche bei vorhandenen Haut-
wunden erscheint nicht ausgeschlossen.
4. Nach Infektion mit Pestbazillen von konstanter Virulenz
für weifse Mäuse (tot in 2 bis 2^/2 Tagen) gehen die
Frösche am 13. bis 19. Tage an Pest ein. Nach ein-
maliger Passage durch den Froschkörper töten die Pest-
bazillen Frösche in 12 bis 14 Tagen, nach einer zweiten
Passage verkürzt sich der Termin bis auf 7 bis 8 Tage,
womit jedoch noch keine konstante Virulenz für Frösche
erreicht zu sein scheint; wenigstens haben wir bei einer
ferneren Passage der Pestbazillen durch den Froschkörper
eine weitere Verkürzung des Todestermins bis auf 5 Tage
konstatieren können.
Was die Empfänglichkeit der anderen Kaltblüter für Pest
anbelangt, kann man leider nirgends eine Arbeit finden. Was
die pathologische Anatomie resp. pathologische Histologie bei
den Pesttieren betrifft, so verdanken wir die genauen und exakten
Untersuchungen von Babes(*), Houl(*), Stricht (^), Lustig-
Zardo (®) und Satap^), meinem hochverehrten Direktor der
medizinischen Akademie zu Osaka und des pathologischen Insti-
tutes. Aber alle diese Arbeiten sind natürlich auf die Warmblüter
beschränkt.
Um daher die Infektionsverhältnisse bei einigen Kaltblütern
und die pathologischen Veränderungen derselben zu studieren,
sowie den diesbezüglichen Unterschied zwischen den Warmblütern
und Kaltblütern festzustellen, stellte ich folgende Versuche an.
Als Untersuchungsmaterial wurden Frösche, Fische, Tritonen
(kleine Salamander in Japan), Schildkröten, Schlangen und Regen-
würmer benutzt, indessen beschränkte sich die Untersuchung
Von Prof. Y. Fukuhara. 185
bei Fischen nur auf Süfswasserfische. Es wurden im ganzen
50 Frösche, 20 Fische, 25 Schildkröten, 30 Tritonen, 3 Schlangen
und 45 Regenwürmer verwendet.
Die Pestkultur, welche ich verwendete, erhielt ich von Herrn
Dr. Guawa, Assistent am Institut, der sie im Juli dieses Jahres
voD einem Pestkranken in Osaka gezüchtet hatte; die Kultur
tötete Mäuse mit ^/xooo Ose in 2 bis 5 Tagen.
i. Infektionsversuche an SOrswasserfischen.
Als Versuchstier wählte ich Karpfen und Goldfische. Ka-
rausche konnte ich nicht anwenden ; sie vertragen die Gefangen-
schaft im stehenden Wasser (besonders im Sommer) nicht.
Neun Karpfen (Cyprinus carpio, L.), welche kurz vor Anfang
des Versuches gefangen waren, wurden in einen grofsen Glas-
zylinder gebracht, der mit Leitungswasser bis zu einem Drittel
gefüllt worden ist. Die Apparate wurden mittels Drahtnetz und
Watte verschlossen.
Bei der Zimmertemperatur von 25 bis 30^0 wurden ganze
Apparate aufgestellt. Es wurde den Karpfen Pestagarkultur
teiis intraperitoneal, teils subkutan (oder besser intramuskulär)
eingespritzt. Die Agarkultur wurde mit gewissen Mengen
physiologischer Kochsalzlösung fein verrieben und die dadurch
hefgestelle Emulsion wurde angewendet.
Nachdem die Tiere eingegangen bzw. getötet waren, wurden
^öVV ^er Impfstelle sowie von den inneren Organen sofort Aus-
.j^c^präparate angefertigt und Kultivierung ausgeführt. Die
0^erung der Organstückchen wurde in Formol und die Färbung
jjiit Hämatoxylin-Eosin und Karboltionin auch nach Roma-
nowsky vorgenommen. Diese üntersuchungsmethoden wurden
an allen anderen Versuchstieren auch angewandt.
186 Ezi^rimentelle üntersachnngen über die Empfänglichkeit etc.
Tabelle I.
Beginn des VereacheB am 14. VIII. 1906.
Wassertemperatur am 14. VIU.: 24*»; am 23. VIII. : 21,3°.
Ergebnis :
Nr.
1
Gattung
Körper- '
gewicht ,
, Art und Menge
des
Impfmaterials
1
stelle
der
Impfung
Datum
der
' Impfung
1
Datum
des
Todes
Dauer
der
Krankheit
1
Oyprinus
carpio '
20
Agarknltur
V. Öse
1
snbkntan
14. vni.
23.VnL . 9
2
do.
20
V. <
' periton.
2o.vm.»); 6
3
do. !
20
Vto '
subkutan
17.VTTT.
3
4
do.
20
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periton.
18. VI FT.
1
6
do.
20
V.0 > ;
subkutan
23. vm.
9
6
do.
20
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periton.
2i.vin.
7
7
do.
22
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Lebend bleiben.
8
do.
24
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subkutan j
25.VTn.0' 11
9
do.
20 1
V. .
do.
Lebend bleiben.
Maas
1
12 1
VlOOO *
, periton.
1
16. VIII.
Sektionsbelünde der Karpfen.
Nr. 1. An der Impfstelle finden sich keine Veränderungen in der Haat,
hingegen Hämorragien im Muskelgewebe. Flflssiges Blut im Herzen. Leber
grauweils, Nieren graurot, Milz vergrOlsert.
Ausstrichpräparate. Herzblut : mehrere, ungleichmäfsig gestaltete
Bazillen. Hämorragische Stelle in Muskel: mehrere kurzstäbchenlörmige
oder spitzige ovale Bazillen. Keine Bazillen in der Leber, Kiemen nnd
Nieren.
Schnittpräparate. Impfstelle: das Muskel- und ünterhaut^webe
sind dicht oder locker mit Erythrozyten nebst spärlichen Leukozyten durch-
setzt. In der Umgebung dieses hämorrhagischen Herdes sind BlutgefiUs stark
injiziert und die Muskelfasern haben ihre Querstreifung verloren. Im Unter-
hautgewebe sowie nekrotisierten Muskelgewebe finden sind zerstreut bipolar
gefärbte Bazillen und spärliche nach Gram färbbare Bazillen. Spärliche Bak-
terien im intravaskulären Blut. Die meisten Mikrooiiganismen zeigen eine
kurze Stäbchenform mit abgerundeten Enden. Milz: spärlichen Bakterien
ohne besondere gewebliche Veränderungen. Leber: ausgedehnte Trübung
ohne Bazillen. Nieren: leichte parenchymatöse Degeneration hauptsächlich
in den gewundenen Harnkanälchen, GefäTise erweitert und gefflllt. Rund-
zelleninfiltration ohne Bazillen in der Umgebung des Glomeruli. Kiemen :
Keine Veränderung. Keine Bazillen. Herz: Muskelfasern nicht verändert
1) Getötet
Von Prof. Y. Fukuhara. 187
Kr. 2. 6 Tage nach Impfong getötet. Bauchhöhle enthält geringe
Mengen von Flflssigkeit; sonst makroskopische Befände aller Organe wie
bei Nr. 1.
Ausstrichpräparate. Einige Bazillen im Banchhöhlenexsadat,
aber keine im Herzblut und in der Leber. Spärliche unregelmäfsig gestaltete
Stäbchen in der Pulpa der Milz.
Schnittpräparate. Milz : keine nennenswerten Veränderungen des
Gewebes. Sehr spärliche Bazillen insofern als man in einem Präparate kaum
einige Bazillen finden kann. Leber : wie bei 1. Niere : Leichtgradige Trübung
der Rindensubstanz, aber keine Bazillen. Kiemen : wie bei 1. Herz : leicht-
gradige Verfettung. Keine Bazillen. Im Herzblut findet man durch das
Knltarversuchen gewisse Menge Bazillen.
Nr. 3. TJnterhautgewebe an der Impfstelle zeigt Hämorrhagien.
FIflBsiges Blut im Herzen. Milz etwas angeschwollen, Leber hyperämisch.
Beide Nieren hyperämisch.
Ausstrichpräparate. Zahlreiche ovale auch kurze Bazillen im
Mnskelgewebe an der Impfstelle, einige Bazillen darunter zeigen Inyolutions-
form. Keine Bazillen in allen Organen.
Schnitt Präparate. Impfstelle : leichtgradige Nekrotisierung des Haut-
und Muskelgewebes. Zahlreiche Pestbazillen im genannten Herde, besonders
reichlich im intermuskulären Bindgewebe. Milz: keine Bazillen und keine
nennenswerten Veränderungen. Leber *. leichtgradige Trübung nebst fettiger
Degeneration, ohne Bazillen. Niere: hochgradige Trübung und Verfettung,
Hyperämie und Hämorrhagie an einigen Stellen. Keine Bazillen. Kiemen:
leichte Hyperämie. Keine Bazillen in den Alveolen. Herz: leichtgradige
Verfettung. Keine Bazillen im Blute.
Nr. 4. Herz gefüllt Milz etwas angeschwollen. Beide Nieren hype-
rftmisch.
Aasstrichpräparate. Keine Bazillen im Herzblut, Milz, Leber und
Niere, aber reichlich in der Bauchhöhleflüssigkeit, welche basophile Leuko-
zyten enthalten. Die letztgenannten Zellen sind mit den gut tingierbaren
ßaallen überladen.
Schnittpräparate. Milz: wie bei Nr. 3. Leber: leichtgradige
Trflbung und Hyperämie, keine Bazillen. Niere: wie Leber. Kiemen: wie
bei Nr. 3. Herz: keine besondere Veränderung und keine Bazillen.
Nr. 5. An der Impfstelle findet man keine sichtbaren Veränderungen.
H^rt enthält flüssiges Blut. Milz keine Veränderung, Leber gelblich verfärbt,
gieren hellrot.
Ausstrichpräparate. Keine Bazillen im Herzblut, Milz, Leber und
liieren.
Schnittpräparate. Impfstelle: spärliche Anzahl der involutierten
Bazillen. Milz: keine Bazillen und keine nennenswerten Veränderungen.
Leber: Gefäfs injiziert ohne Bazillen. Niere: ziemlich deutliche Trübung und
nnd fettige Degeneration der gewundenen Harnkanälchen nebst der Er-
weiterung der Kapillaren. Keine Bazillen. Kiemen : keine besonderen Ver-
änderungen und keine Bazillen.
Nr. 6. Wie bei Nr. 4.
Archiv mr Hygiene. Bd. LXII. 13
igg Experimentelle Üntersachungen über die EmpfäDglichkeit etc.
Nr. 8. Keine sichtbare Yeränderang und spärliche Bazillen an der
Impfstelle. Keine Veränderung nnd keine Bazillen in allen Organen, doch
warde ans der Impfstelle die Kultar angestellt und 2 Ratten geimpft, welche
dann an Pest erlegen sind.
Resultate :
Die Krankheitsdauer der Fische schwankt je nach der Art
der Impfling und der Menge von Bazillen zwischen 18 Stunden
bis 10 Tagen und manchmal darüber. Bei Nr. 9 wurde die ein-
gespritzte Bakterienschwemmung durch die Muskelkontraktion
wieder teilweise ausgepreist und infolgedessen blieb das Tier
am Leben.
Es wurden die folgenden Veränderungen an den genannten
7 Fischen festgestellt, von denen 2 aber getötet wurden:
1. Leichte Nekrose und Hämorrhagie an der Impfstelle.
2. Auftreten einer spärlichen Anzahl der Bazillen im Blut.
3. Fettdegeneration bzw. Trübung der Herzmuskeln.
4. Parenchymatöse Degeneration der Leber und Niere, keine
Ansiedelung des Bazillus.
5. Nur selten beobachtete Hämorrhagien der Niere.
6. Milzschwellung mit den nur zweimal nachgewiesenen
spärlichen Bazillen.
II. Infektionsversuche am Frosche.
Wie bei Fischen wurden 10 Frösche und eine Kröte (Nr. 15)
mit Pestagarkultur geimpft und bei Zimmertemperatur in einem
Zylinder beobachtet, welcher mit niedriger Schlammschicht und
Wasser versehen ist. Das Wasser wurde nicht erneuert, denn
die Frösche waren schon an einem solchen Zustand gewöhnt.
Frosch Nr. 4 wurde am 9. Tage post infectionem getötet.
Mit der aus Nr. 2 Frosch gezüchteten Kultur wurden wieder
2 Frösche (Nr. 11 und Nr. 12) infiziert. Die aus Nr. 11 Frosch
isolierte, nämlich zweimal den Froschkörper passierte Kultur
wurde auch wieder an 2 Frösche (Nr. 13 und 14) geimpft.
Versuchsergebnisse sind folgende:
Von Prof. Y. Fukabara.
189
Tabelle U.
Beginn des Versuches am 10. VIII. 1906.
Temperatur der Aufbewahrung: 21 — 23° 0.
Körper-
gewicht
Art und Menge
des
stelle
der
Datum
der
Datum
des
Dauer
der
I
1
g
Impfmaterials
Impfung
Impfung
Todes
Krankheit
1
JE^^ina
esoii&lenta
1 9
1
; Agarkultur
V4 Öse
periton.
10. vm.
ll.VIII.
12 Stdn.
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1
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1
Sektioiisergebnisse der PrSsche.
Nr. 1. Herzblut flüssig. Leber graurot, Mils etwas vergrOfsert. Nieren
angeschwollen, hellrot. Lungen hyperämisch.
Ausstrichpräparate. Ganz sp&rliche Anzahl der Bazillen im Herz-
blut^ in der Leber und Nieren. Reichliche Anzahl der bläschenförmigen
Bazillen im Bauchhöhlenexsudat.
Schnittpräparate. Milz: keine Veränderungen und keine Ba-
zillen. Leber: Trübung und leichte Hämorrhagien. Niere: hochgradige
Trübung und Fettdegeneration der Hamkanälchen. Lunge: etwas pneu-
moDisch infiltriert. Herz: Muskel zeigt sich leicht getrübt, aber keine Ver-
fettung. Leber, Nieren und Lungen lassen sich keine Bazillen nach-
weisen. Kultivirung aus Herzblut positiv.
Nr. 2. Reichliche, blutige Flüssigkeit in dem Lymphsack. Herz enthält
dankelrote Oerinnsel- Milz weich, Leber dunkelrot. Nieren etwas hype-
rämisch, Lunge auch stark hyperämisch. Darm entzündlich gerötet.
Ausstrichpräparate. Spärliche Bazillen im Herzblutausstrich. In
der Lymphsackflüssigkeit finden sich zahlreiche Bazillen und einigen Bazillen-
1) Getötet
13^
1
190 ^Experimentelle Üntereachungen über die Empfänglichkeit etc.
fäden, welche sich stellenweise schwach gefärbt erweisen. Keine Bazillen in
der Leber, Milz und Lungen.
Schnittpräparate. Man findet keine Bazillen in der Leber, Milz,
Nieren und Lungen. Kultivierung aus Leber positiv auf Pestbazillen. Milz:
keinerlei Erscheinungen. Leber: Trübung, leichtgradige Verfettung und
kleine Hämorrhagien an einigen Stellen. Niere: wie bei Nr. 1. Lunge:
Spärliche Zellen in Alveolarraum. Herz: Trübung.
Nr. 3. Herzblut enthält reichlich Gerinnselmassen. Keinerlei makro-
skopische Erscheinungen aufser dem Exsudat in Bauchhöhle.
Ausstrichpräparate. BauchhOhlenexsudat enthält zahlreiche Ba-
zillen. Im Herzblut findet sich nur eine spärliche Anzahl der Bazillen, so
dafs man in einem mehrere Präparate kaum finden kann. Sonst keine Mikro-
organismen in allen Organen.
Schnittpräparate. Milz und Lungen: keine nennenswerten Ver-
änderungen. Leber und Nieren: hochgradige Trübung.
Kulturell werden die Bazillen aus dem Herzblut gezüchtet, nicht aber
aus der Leber und Niere.
Nr. 4. An der Injektionsstelle, sowie an den inneren Organen makro-
skopisch nichts Besonders.
AuBstrichpräparate. In der Lymphsackflüssigkeit und in dem
Herzblut wenige bläschenförmige Bazillen. Keine Bazillen in allen Organen.
Schnittpräparate. Milz: keine nennenswerten Veränderungen.
Leber : Trübung und Hämorrhagien. Lunge : wie bei Nr. 3. In allen Organen
findet man keine Bazillen, aufser der Leber mit einer Anzahl der Bazillen
in den grofsen Blutgefäfsen.
Nr. 5. An der Innenfläche der beiden Oberschenkel an der Haat finden
sich kleine Geschwüre, deren Umgebung hyperämisch ist. Herzblut etwas
flüssig. Milz etwas angeschwollen. Leber gelblich marmoriert. Nieren intakt.
Darm und Lungen hyperämisch. Harnblase erweitert und gefüllt, deren Ge-
fäfse injiziert. In demselben kann man weder mikroskopisch noch kullarell
Pestbazillen finden.
Ausstrichpräparate. Bauchhöhlefiüssigkeit zeigt zahlreiche Ba-
zillen. Keine Bazillen in allen Organen.
Schnittpräparate. Milz : Kapillaren erweitert. Leber : hochgradige
Trübung und Fettdegeneration. Hämorrhagien an einigen Stellen. Niere:
Hämorrhagien und Trübung. Lunge: Alveolen mit zellig hämorragiechen
Exsudat. Herz: Verfettung. In allen Organen kann man keine Bazillen
nachweisen. Im Schnitte des ulzerierten Teiles der Schenkel findet naan die
intramuskuläre Blutung und Nekrose des Muskelgewebes, in welcher sich eine
Menge der Fäulnisbakterien zerstreut nachweisen läfst. Kulturell werden die
Pestbazillen aus der Muskelsubstanz nicht gewonnen.
Nr. 6. Starke Abmagerung. Lymphsack am Rücken (Impfstelle) zeigt
wenige Flüssigkeit. Histologische Befunde an allen Organen wie der obigen
Nummer.
Ausstrichpräparate. Lymphsackfiüssigkeitsausstrich enthftlt nn-
regelmäfsig gestaltete Stäbchen, deren einige scheinfädig sind. Herzblut
Von Prof. Y. Fukuhara. 191
enthftlt geringere Anzahl der Bazillen. Alter Organaasstrich, es lassen sich
keioe Bazillen nachweisen.
Schnittprftparate. Alle Befunde wie bei Nr. 5.
Kulturell wurden die Pestbazillen aus dem Herzblut gezüchtet.
Nr. 8. Im unteren Teil der Bauchdecke zeigt sich ca. 1 cm breite subkutane
Hämorrbagie. In der Mundhöhle zeigt sich keine sichtbare Veränderung.
Magen und Darm stark hyperämisch, hier und da mit dem nadelkopfgrofsen
Biotaustritt durchsetzt. Milz angeschwollen. Leber dunkelgrau, Nieren
dankelrot, Harnblase leer. Reichliches, flüssiges Blut im Herzen. Beide
Lungen hyperAmisch.
Ansstrichpräparate. Im Herzblut-, Leber-, Milzausstrich findet
sich geringere Anzahl von Bazillen. Keine Bazillen in den Nieren. Magen-
und Darminhalt enthalten zahlreiche, bipolar gefärbte Stäbchen.
Schnittpräparate. Milz zeigt keine besondere Veränderung.
Leber: Verfettung und Hämorrhagien. Niere: Parenchym erweist sich hoch-
gradig degenerativ verändert; in der Rinde zeigen sich fast sämtliche Harn-
kanälchenepithelien als kernlose, unregelmäfsige Schollen in den Röhren der
Tanica propria. In den Glomeruli sind viele Epithelien abgestossen und in
Form scholliger Ablagerungen im Kapselraum deponiert. In der äufseren
Zone der Rinde finden sich in der Umgebung zahlreicher Glomeruli Blut-
austritte ; das Interstitium ist hier von dicht gedrängten Erythrozyten durch
setzt Selbst in den geraden Hamkanälchen der Marksubstanz ist die Dege-
neration und Nekrose eine sehr ausgedehnte. Pestbazillen lassen sich mikro-
skopisch im Nierengewebe nicht auffinden. Lunge: Weder Veränderungen
noch Bazillen. In der Magenwand findet man einige Defekte der Schleim-
haut, in deren Gebiete keine zirkumskripte Blutung der Submucosa statt-
findet In ihrem Bereiche zeigt die Submucosa leichte Nekrose, aber die
Pestbazillen sind nur spärlich zerstreut vorhanden. Bei dem Dühndarm ist die
Spitze der Darmzotten nekrotisch, und zwar an einzelnen Stellen das Ober-
flftchenepithel losgestofsen ; die an solchen Defekt angrenzende Zone ist von
roten Blutkörperchen durchsetzt. Der nekrotische Vorgang in der Submucosa
ist nicht deutlich, und Auftreten der Bazillen auch spärlich, so dafs man sie
/n einem Schnitte kaum nachweisen kann. Herzmuskelgewebe: zeigt tief-
greifende Veränderungen. Die Querstreifung der Muskelfaser fast überall
ganz vermischt Man kann mit Sudan III leichte Fettdegeneration nach-
^Mfien. Kultivierung der Pestbazillen aus der Niere positiv.
^r. 11. Herzinhalt halbfltissig. Milz angeschwollen. Leber grofs, gelb-
^^lia marmoriert. Gallenblase grofs, mit dunkelgrüner Flüssigkeit gefüllt
^Q dep Bauchhöhle weniges Exsudat.
-Ausstrichpräparate. Wenige Bazillen in dem Bauchhöhlen-
^iBudctt und dem Herzblut Keine Bazillen in der Milz, Leber und Niere.
Schnittpräparate. Milz : keine besondere Veränderungen. lieber :
Trübixng und Hämorrhagien. Niere: Hochgradige Trübung und Fettdegene-
ration, Subkapsuläre Blutung. Lunge: hämorrhagische Pneumonie. Herz:
■^^ting.
In allen Organen findet man keine Bazillen,
192 Experimentelle TTnteraachangen über die Empfänglichkeit etc.
Nr. 13. Die Stichstelle der Spritze an der Bauchdecke leigt eine sub-
kutane Blutung. Herz enthält flQBsiges Blut. Beide Lungen hyperämisch.
Reichliche Flflssigkeit in der Bauchhöhle. Milz angeschwollen. Leber gelblich
weifs.
AusBtrichpräparate. Bauchhöhlenflüssigkeit enthält eine sehr spär-
liche Anzahl der Bazillen. Wenige Bazillen im Herzblut.
Schnittpräparate. Milz: Die Veränderungen sind mikroskopisch
auch geringfügig, Blutgehalt im allgemeinen ziemlich gering; Bakterien sind
nicht nachweisbar. Leber: Die Kapillarräume sind durchgehends ziemlich
weit, enthalten strotzend rote Blutkörperchen. Leberzellen zeigen im allgemeinen
leichtgradige Trübung und Fettdegeneration. Keine Bazillen in der Leber.
Ein überraschendes Bild zeigt die Niere; das Rindenparenchym hochgradig
verändert; die Kerne der Epithelien der Tubuli contorti sind auf weite
Strecken vermischt oder gar nicht mehr nachweisbar. An solchen Stellen
kann man weder durch die Weigertsche Färbung noch nach Romanowsky
nichts nachweisen. In den Glomeruli sind viele Epithelien abgeschuppt, aber
noch kernhaltig. Mittels; der Sudanfärbung sind alle Nierenzellen verfettet.
Lungen: etwas pneumonisch. Herz: Fettdegeneration.
Resultat.
Es wurden im ganzen an 14 Fröschen und einer Kröte Ver-
suche vorgenommen. Die Kröte blieb am Leben, wenn auch
die grolse Menge der Bazillen injiziert wurde. Zwei Frösche
(Nr. 9 und 10), welchen V^oOse Agarkultur injiziert war, bheben
gesund, während eine mit ^xooo ^^^ Bazillen intraperitoneal in-
jizierte Maus nach 55 Stunden zugrunde ging.
Ein Frosch, der mit aus Nr. 2 Frosch gezüchteter Kultur
(^4 Ose) infiziert wurde, blieb überlebend, während ein anderer
Frosch (Nr. 11) durch ^2 Ose derselben Kultur getötet wurde.
Man kann daran denken, dals sich die den Froschkörper einmal
passierten Bazillen ihre Virulenz so steigern, wie es Nutall
bestätigt hatte.
Es ist auch denkbar, dafs die Bazillen durch die Passage
des Froschkörpers merkwürdigerweise eine Abschwächuug ihrer
Virulenz zeigen, indem die den Froschkörper zweimal passierten
Bazillen ebenso nicht giftig waren (Nr. 14 Frosch), wie die
Stauimkultur.
Von Prof. Y. Faknhara. 193
Was die Reaktion des Organismus anbetrifft, ist sie etwa
entsprechend der Menge der Bazillen. Die Dauer der Krankheit
schwankt zwischen 12 Stunden bis 9 Tagen. Die Verabreichung
der Bazillen wurde meist intraperitoneal oder subkutan ausgeführt,
während in einem Fall (Nr. 8) die Bazillen direkt in den Schlund
dem Tiere eingebracht wurden. Pathologischanatomische Ver-
änderungen sind auch quantitativ verschiedene, aber qualitativ
analoge. Die wichtigen Befunde sind folgende:
1. Subkutane Blutung an der Impfstelle.
2. Milzanschwellung mit keinen Bazillen.
3. Hochgradige parenchymatöse Degeneration und Hämor-
rhagien der Leber und Niere; seltenes Auftreten spär-
licher Bazillen.
4. Hämorrhagische Erosion im Darm und Magen bei der
Infektion per os, und das Vorkommen der Bazillen im
betreffenden Herde.
5. Pneumonische, auch selten hämorrhagische Infiltration
der Lungen mit keinen Bazillen.
6. Trübung und Fettdegeneration des Herzmuskels und Auf-
treten der Bazillen im Herzblut.
Dafs eine hämorrhagische Erosion im Magen und Darm nach
vorausgegangener Schädigung inneren Schleimschichten durch
Pestbazillen entstehen sollte, ist klar. Es ist vielleicht auch
denkbar, dafs die Bazillenverschleppung an anderen Organen vom
Darm aus erfolgt sei.
III. Infektionsversuche an den Tritonen.
Alle Versuchstiere wurden bei Zimmertemperatur gehalten,
und zwar in hohen Glasgefäfsen, deren Boden mit einer ganz
niedrigen Schicht Wassers bedeckt war. Ich impfte diese Tiere
immer peritoneal, weil die subkutane Impfung sich als un-
praktisch zeigte.
194 Experimentelle Untersuch un gen über die Empfänglichkeit etc.
Tabelle IH.
Beginn des Versuches am 6. VIII. 1906.
Wassertemperatur am 6. VIII.: 21^ C; am 6. IX.: 27» C.
i
I
1
Körper- ;
Art und Menge
Stelle
Datum
Datum
Dauer
Nr.
Gattung
gewicht
des
der
der
des
der
g
Impfmaterials
Impfung
Impfung
1
Todes
1 Krankheit
1
, Triton
■ pyrohQg.
1
4
1
:j Tage alt. Agar- 1
kiiltur % Ose
1
periton.
6. VJII.
7. VIII
13 8tdn.
1
2
do. ;
4
do.
: > ;
aviii.
2 Tage
3
do. i
4
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11. VIII.
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4
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10. VIII.
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do.
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14. VIII. .
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19. VIII. ;
13 .
7
do.
4
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überlebend.
8
do.
1
4
Avarkultnr au»
Nr. 1, Frosch,
Vft Öse
>
27. VIII
30. VIII. ;
1
3 Tage
9
do.
4
Agarkultur aus
Nr. 2, Triton,
vi Öse
•
1
1
i
6. IX.
1
10 .
Ich lasse die Sektionsprotokolle und die Befunde mikro-
skopischer Untersuchung hier folgen:
Nr. 1. In der Injektionsstelle der Bauchdecke findet man den punkt-
förmigen, dunkelbraunen Fleck. Bauchhöhle enthält kleine Menge des Ex-
sudats. Milz angeschwollen und hyperämisch. Leber vergröfsert, rot mar-
moriert. Niere dunkelrot^ Lunge hyperämisch.
Ausstrichpräparate. Durch Abstrichpräparate aus der Bauchhöhle
lassen sich reichliche Bazillen nachweisen. Herzblut enthält wenige Bazillen,
Milz auch wenige. Agarkultur aus dem Herzen und der Milz wiesen die
Pestbazillen auf. Keine Bazillen im Leber- und Nierenausstrieb.
Schnittpräparate. In der Leber und dem Herzen kann man
keine besonderen Veränderungen nachweisen. Nieren etwas getrübt, aber
keine Bazillen. In der Milz läfst sich eine spärliche Anzahl der Bazillen
nachweisen, aber keine nennenswerte Erscheinung.
Nr. 2. Sektionsergebnis wie bei Nr. 1, aufser dem Auftreten der Try-
panosomen im Blute und keiner Verschleppung der Bazillen in der Milz.
Nr. 3. In der Bauchdecke und im oberen Teil der Brustdecke findet
man einige, zerstreute subkutane Hämorrhagien.
Ausstrichpräparate. Bauchhöhlenflüssigkeit zeigen massenhaft
die Bakterienhan fen. Der Ausstrich aller inneren Organe läfst keine Ba-
zillen nachweisen.
Schnittpräparate. In der Milz läfst sich sehr bedeutende Vermehrung
der Pulpazellen erkennen. Die Gefäfsräume sind kaum erkennbar. Keine Bak-
terien in der Milz. In der Leber lassen sich keine sichtbaren VerändenmgeQ
Von Prof. Y. Fukahara. 195
auffinden, aach keine Baiillen nachweisen. In der Niere bemerkt man
Tröbang. Henmnskel auch getrübt. Agarstrichkultaren ans Blut, Leber,
Mtls und Nieren ergaben keine Pestbazillen.
Nr. 4. Keine freie Flüssigkeit in der Bäuchhöhle. Alle Organe ohne
nennenswerten pathologischen Befund. In den etwas fadenziehenden Auf-
lagerungen an den Bauchorganen findet man reichliche Menge von Bazillen.
In den Ausstrich präparaten aus allen Organen und dem Herzblut lassen sich
keine Bazillen erkennen.
Schnittpräparate. Bakterien können in der Milz nicht gefunden
werden. Die Leber zeigt eine leichte Degeneration. Fettvakuolen sind in
den peripheren Azinuspartien nur ganz spärlich nachweisbar. Alle Kapillar-
riume sind erweitert. Bakterien können auch in der Leber mikroskopisch
nicht nachgewiesen werden. Etwas weniger, wenn auch noch recht nach-
weisbar sind die parenchymatösen Degenerationen in den Nieren. Die zwischen
den Markstrahlen liegenden, geraden gröfseren arteriellen und venösen Ge-
fäfse sind ebenfalls stark gefüllt. Keine Bakterien auffindbar. Querstreifung
des Herzmuskels ist nur mangelhaft darstellbar, die Kerne aber gut gefärbt
Keine Bazillen im Herzblut.
Nr. 5. In der Bauchhöhle wenige Flüssigkeit, wenige Bakterien nach
weisbar. Herzblut fiüssig, keine Bazillen. Milz angeschwollen. Leber
dankelrot Nieren auch angeschwollen.
In den Ausstrichpräparaten aller Organe sind keine Bakterien
nachweisbar.
Schnittpräparate. In der Niere läfst sich .starke Blutfüllung der
Gefäüse und hochgradige Trübung erkennen. In der Leber zeigt sich mikro-
skopisch nichts Besonderes. In der Milz sind weder die pathologischen Ver-
ftnderangen noch die Bazillen nachweisbar. Am Myokard findet man die
leichte Trübung des Muskelgewebes; Bazillen sind nicht erkennbar.
Nr. 6 Keine freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle. Milz vergröfsert
Leber zeigt hier und da einige subseröse, diffuse rote Flecke. Nieren etwas
angeschwollen.
Schnittpräparate. Die Milz zeigt keine besonderen Veränderungen.
In der Leber sind die Zellformen und die Färbbarkeit ihrer Kerne sehr gut
erhalten. Die subkapsulären Gefäfse sind sehr stark mit roten Blutkörperchen
gefüllt, vereinzelte kleine Blutaustritte liegen im Interstitium. In den Nieren
weisen sich leichtgradige, parenchymatöse degenerative Veränderungen auf.
Henmuskel leicht verfettet Bakterien lassen sich in allen Organen nicht
nachweisen, kulturell auch negativ.
Nr. 8. In der Bauchhöhle zeigt sich eine geringere Flüssigkeitsansamm-
long. Bakterien befinden sich spärlich darin.
Im Herzblutausstrich lassen sich spärlich Bakterien auffinden.
Mikroskopische Befunde der Organe wie bei Nr. 6.
Nr. 9. Bauchhöhle enthält wenige Flüssigkeit Herzblut halbflüssig.
Milz vergröfsert. Leber etwas gelblich. Beide Nieren etwas hyperämisch.
Im AuBStrichpräparat der Bauchhöhlenflüfsigkeit lälst sich eine sehr spär-
liche Anzahl Bakterien nachweisen.
Die Bakterienfunde sowie Gewerbsveränderungen eben so wie bei Nr. 8.
196 Experimentelle üntersachangen über die Empfänglichkeit etc^
Resultate.
Alle Versuchstiere, ausgenommen Nr. 7, sind im Laufe von
12 Stunden bis 13 Tagen verstorben. Ein dreifsigstel Ose der
Bazillen konnte nicht den Triton von 4 gr Körpergewicht töten,
während ein vierzigstel Ose derselben Bazillenkultur den Frosch
von 12 gr Körpergewicht zu töten vermag.
Also ist die Empfänglichkeit der Tritonen im Verhalten des
Körpergewichtes etwas schwächer als die des Frosches. Die
durch Bakterien und seine Toxine hervorgerufenen Veränderungen
sind nicht so auffällig, wie bei den Fröschen. Die wichtigen
Befunde sind folgende:
1. Anschwellung der Milz.
2. Spärliches Auftreten des Bazillus im Herzblut und in
der Milz.
3. Parenchymatöse Degeneration der Leber und der Niere;
aber die Veränderungen sind nicht deutlich wie bei
den Fröschen.
4. Hämorrhagien in der Leber.
5. Trübung und leichtgradige Verfettung des Herzmuskels.
6. Die Bakterienverschleppung in die Blutbahn trifft man
nur 3 mal (Nr. 1, 8 u. 9), die Anzahl der Bakterien ist
natürlich sehr spärlich, so dafs man in allen inneren
Organen (ausgenommen einen Fall Nr. 1) weder mikro-
skopisch noch kulturell die Bakterien auffinden kann.
Ich will hier noch anfügen, dafs ich einer Gekko 1 Öse
Agarkultur intraperitoneal eingeimpft hatte und das Tier noch
gesund blieb.
IV. Infektionsversuche an den Schildkröten.
Als Versuchstiere benutzte ich 6 »Suppon^: (Trionix japo-
nicus), 6 »Käme« (Trionix sp.) und 5 »Tosakame« (Emys tosa-
ensis).
Von Prof. Y. Fukuhara.
197
Tabelle IV.
Beginn des Veraacbes am 17. VIII. 1906.
Wassertemperatur im Aofbewabrungsgefäfs 21 — 23^ C.
Jl
1
Art und Weise
stelle
Datum
Datum
'1
1
liattang
Körper-
gewicht
des
der
der
des
.^
Impfmaterials
Impfung
Impfung
Todes
\
Trionix
1
Agarkultur»)
sp.
100
1 Öse
subkutan
17. VIII.
^
]
100
1 >
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subkutan |
22. VITI.
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subkutan
22. vin.
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1 1
japon.
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15
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16
1
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>
17
1
6.6
; V.0 '
>
Nr. 3 und 5 gingen nach 5 Tagen ein, während die andere
ganz gesund blieben. Bei der Mikroskopierung und Kultivierung
aller Organen sind nur Fäulnisbakterien vorhanden. Deshalb
läfst sich aus dem betreffenden Versuche weiter keine Schlufs-
foIgeruDg ziehen. An der Injektionsstelle findet man nur lokal
eine Menge der fast aufgelösten staubähnlichen Bazillen.
V. Infektionsversuche an den Schlangen.
Drei Schlangen (Elaphis virgatus, Schleg.) wurden verwandt.
Nr.l wurde 5 Öse Pestagarkultur intramuskulär injiziert.
Nr. 2 wurde 5 Öse Pestagarkultur in Magenrohr injiziert.
^) V)Qoo derselben Knltnr hat die Mäuse nach 2—5 Tagen getötet.
198 Experimentelle üntersnchnngen über die Empfänglichkeit etc.
Nr. 3 Ich unternahm, das Tier eine infizierte Maus fressen zu
lassen, aber es gelang nicht. Dann wurde ihm wieder
ein infizierter Frosch gegeben. Die Schlange verschlang
den Frosch, blieb aber gesund.
Vi. Versuche zur Infektion bei den besonderen Zuständen.
Ich unternahm auch die Infektion der Kaltblüter in einem
dem natürlichen Infektionsmodus nahe liegenden Zustande zu
beobachten und benutzte hierzu Frösche, Fische, Tritonen, Regen-
würmer und Schildkröten.
Nach den umfangreichen Untersuchungen von Pasteur
über die Bedeutung der Regenwürmer für die Verbreitung des
Milzbrandes suchten Despeignes und Lortet(^) ebendieselbe
Frage bezüglich der Verbreitung von Tuberkelbazillen durch
Regenwürmer klarzustellen. Sie fanden, dafs tuberkulöses Ma-
terial von Regenwürmern ohne Schaden aufgenommen und in
ihrem Organismus deponiert werden kann ; mit den Fäzes dieser
Würmer konnten sie bei Meerschweinchen generalisierte Tuber-
kulose erzeugen.
Die Pestratten sind dadurch gefährlich, dafs sie mit dem
Urin und den Dejektionen massenhaft Pestbazillen ausscheiden,
die in allen Räumen deponiert werden können. In den dunkeln
feuchten Räumen, worin bei unserem Gebäude, insbesondere in
der Küche, verschiedene Regenwürmer vorhanden sind, können
sich dann die Pestkeime lange Zeit lebensfähig erhalten und
unter Umständen von Regenwürmern aufgenommen werden.
Die im Körper der Würmer vorhandenen Pestkeime können
nicht nur von Würmern an Würmer übertragen, sondern auch
durch die Würmerwanderung wieder auf die Oberfläche des
Bodens transportiert werden und die Gelegenheiten geben, zu
Menschen übertragen zu werden, welche beim Dienst oft bar-
fufs zur Küche und dergleichen Räumen hineinzutreten ge-
wohnt sind.
Auch die Fische scheinen nach Jansen (^®) in China in
Vordacht gewesen zu sein, zur Verbreitung der Pest beizutragen,
Von Prof. Y. FukabartL 19
denn das Fangen derselben wurde dort zur Pestzeit untersagt
Aber es lag nahe die Frage aufzuwerfen, ob Fische oder Schild-
kröten zuweilen auch zu Verbreitern von Pest werden könnten,
weil dieselben ein Volksnahrungsmittel darstellen und in mannig-
faltigsten Zubereitungen genossen werden.
Ich lasse hier zunächst die eigenen Versuchsergebnisse
folgen.
Verettch A.
Vierzig Regenwürmer, welche gewöhnlich kurz vor Anfang
des Versuches aus der Küche und dem Keller gefangen waren,
wurden in Glaszylinder gebracht, deren Boden mit Schlamm be-
deckt ist. Bei Zimmertemperatur (23^ bis 25 ^C am Anfang
des Versuches) wurden die Zylinder 2 Tage lang stehen gelassen.
Dann wurde die Pestbazillenbouillonkultur auf die Schlamm-
schicht gegossen; nach 2 Tagen wurden alle Regenwürmer
in neuen Zylinder gebracht, welcher neuen Schlamm enthält.
Die so behandelten Würmer wurden zeitweise herausgenommen,
erst mit Sublimatalkohol gewaschen, dann mit sterilem Wasser
gespült, darauf der Wurmleib geschnitten und zur mikrosko-
pischen und bakteriologischen Untersuchung sowie zu Tier-
versuchen gebracht.
Während der Versuche gingen Würmer zugrunde, deren
viele auch mikroskopisch und bakteriologisch untersucht wurden.
In den folgenden Tabellen, werden die Untersuchungsergebnisse
der getöteten und gestorbenen Würmer angegeben :
Wie aus den Tabellen ersichtlich, gingen 8 Würmer im ganzen
zugrunde, aufserdem 32 getötet. Der Schlamm, welcher 2 Tage
lang die Würmer behielt, wurde täglich in Bouillon aufge-
schwemmt, 5 bis 7 Tage lang im Eisschrank aufbewahrt und
dann Mäusen oder Ratten eingeimpft.
Ich konnte in mit der Bouillonkultur geimpftem Schlamm
Pestbakterien 27 Tage lang lebensfähig nachweisen, während sich
die Pestbazillen im Leib der Würmer 70 Tage noch lebensfähig
und virulent für Versuchstiere aufweisen lassen. Es ist wohl
denkbar, dafs die Pestbazillen den Darm der Würmer mit den
Fäzes zusammen passieren können. Es ist auch möglich, dafs
200 Experimentelle Untersachangen Ober die Empfänglichkeit etc.
die Bazillen mit Fäzes und Harn von Pestratten auf die Erde
fallen und gewisse Zeit im Darm der Regenwürmer aufbewahrt
werden können. Dafs verschiedene Tierarten, insbesondere die
Ratten, zu der Verbreitung der Pest beizutragen vermögen, kann
nach verschiedenen Mitteilungen unzweifelhaft sein. Noch nicht
völlig geklärt scheint dagegen die Frage, ob der Pestkeim von
gewissen Tieren länger in lebensfähigem Zustande beherbergt wird,
als vom Menschen. Einige Autoren sind der Meinung, dafs die
Pest in Ratten von gewisser Zeitdauer latent verlaufen könne.
Aber es ist noch nicht mit Sicherheit bestätigt worden. Die Tat-
sache, dafs die Pest in manchen Gegenden zu bestimmten Jahres-
zeiten aufhört, sich Monate hindurch in infektionsfähigem Zu-
stande erhält, ist bekannt. Welche Medien es hauptsächlich sind,
Tabelle V.
Beginn des Versaches am 20. Vm. 1906.
Zimmertemperatur: 23 — 27° C.
Nummer
Zeitdauer
(Tage)
B&kterien-
befund
1
2
+
2
2
+
3
5
+
4
6
+
5
8
+
6
10
—
7')
12
+
8
15
+
9
16
+
10
17
+
11
18
+
12»)
18
+
13
19
+
14
20
+
15
21
+
16»)
21
+
17
22
+
18
23
+
19»)
23
+
20
24
+
Zeitdauer
Bakterien-
Nummer
(Tage)
befund
21
25
+
22
26
+
23
27
+
24
28
+
25»)
28
+
26
29
+
27»)
29
+
28
30
+
29
32
+
30»)
32
+
31
34
+
32
38
+
33
42
+
34»)
42
+
35
45
+
36
50
+
37
55
+
38
60
+
39
61
+
40
70
+
1) Spontan gestorben.
Von Prof. Y. Fakuhara. 201
die eine Verbreitung der Pestbazillen vermitteln — ob letzteres
im Wasser oder im Boden enthalten sei — ist an der Hand der
bisher vorhandenen Arbeiten noch nicht mit Sicherheit zu
entscheiden, doch deuten meine Resultate des Regen würmer-
versacbes darauf hin, dafs die Regenwürmer wohl beim ersten
Blick in Betracht kommen würden. Lowson(^^) nimmt auf
Grund seiner eingehenden Untersuchungen den Standpunkt ein,
dafs die Erde in den Pesthäusern gelegentlich infiziert werden
könne, dafs man aber für die Annahme einer Verbreitung der
Pest durch die Erde bislang keinerlei Grundlage habe. Aber
fast alle Epidemiologen stimmen damit überein, dafs die Pest
nur dort sich zu verbreiten vermag, wo die menschlichen
Wohnungen Stätten arger Schmutzanhäufung sind. Die Regen-
würmer kann man immer dort reichlich vorhanden finden, wo
feuchter Schmutz angehäuft ist. Es ist wohl daher denkbar,
dafs die Regenwürmer im Schmutzstoffe eine Rolle für die lang-
dauernde Aufbewahrung wie Verbreitung des Pestkeimes spielen
können. In den spontan gestorbenen Regenwürmern kann man
keine nennenswerten Veränderungen nachweisen. Im Blut findet
man auch keine Bazillen. Das Sterben ist vielleicht auf einen
etwas unpassenden Aufbewahrungszustand zurückzuführen.
Versuch B.
16. VIII. Bei Zimmertemperatur (23 bis 2b ^ C) wurden
4 Goldfische und 2 Karpfen in einen Glaszylinder hinein-
gebracht, welcher mit Wasser halbgefüllt war; und darin wurde
dann ca. 20 cc. Pestbouillonkultur eingegossen, nach 2 Stunden
die Fische in einen neuen Glaszylinder gebracht. Ergebnisse
sind folgende:
Nr. 1. Ein kleiner Goldfisch, Körpergewicht 10 gr. 25. VIII. tot.
Sektionsbefund : Herz enthält flQBsiges Blat. Dünndarm hyperämisch
Herzblut-, Leber-, und Milzsusetrich enthält zahlreiche Bazillen. Nieren
aosBtrich mit wenigen Bazillen.
Schnittpräparate. Milz: ziemlich reichliche Bazillen in den Blut
gef&fsen der Pulpasubetanz. Leber : ausgedehnte parenchymatöse Degeneration
In den erweiterten Kapillaren findet man eine geringe Anzahl des typischen
Pestbasillus; auch sind sie in grofsen Blutgefäfsen zu finden. Niere: Ver
ändernngen an den Malpighischen Körperchen sind nicht sichtbar; aber
202 Experimentelle Üntersnchungen über die Empfänglichkeit etc.
zwischen den Körperchen findet man leichte Infiltration mit Randzellen.
Harnkanälchen zeigen hochgradige Trübung and an manchen Stellen Fettr
degeneration. Alle Kapillaren sind erweitert und darin finden sich Pest-
bakterien in spärlicher Anzahl. Kiemen: ist an allen Stellen pneumoniisch
infiltriert. In infiltrierten Alveolen findet man keine Bazillen. Darm : (Schnitte
aus der hyperätnischen Darmstelle) Schleimhaut ist hier und da losgestolsen
und es entstehen geschwürige Defekte, in deren Grund der nekrotisierende
Zottenrest (Fäulnis?) und hämorrhagische, etwas infiltrierte Submucosa frei
zutage liegt. Im nekrotischen Herde findet man wenige zerstreute Pest-
bazillen und zahlreiche Darmbakterien. Der Darminhalt wurde mit Bouillon
gemischt and 5 Tage lang im Eisschrank aufbewahrt. Die damit injizierten
2 Meerschweinchen gingen an Pest zugrunde.
Nr. 2. Ein kleiner Goldfisch. Körpergewicht 8 g. 17. VIII. tot.
Nr. 3. Ein kleiner Goldfisch. Körpergewicht 8 g. 18. VIII. tot
An beiden Fischen lassen sich. fast dieselben makroskopischen und
mikroskopischen Erscheinungen des Herzens, der Milz, der Leber und der
Niere nachweisen, wie im vorigen Fall.
Nr. 4. Ein kleiner Karpfen. Körpergewicht 20 g. 19. VIH. tot.
Sektionsbefund wie bei Nr. 1. Es war deutlich sichtbar die Hämorrhagie
in der Darmschleimhaut mit Bazillen.
Nr. 5. Ein kleiner Karpfen. Körpergewicht 22 g. Überlebend.
Die wichtigsten pathologischen Veränderungen der Versuchs-
tiere sind:
1. Hochgradige, parenchymatöse Degeneration der Leber
und Niere mit geringer Anzahl der Pestbazillen.
2. Spärliche Bazillen im Herzblut und Fettdegeneration des
Herzmuskels.
3. Pneumonische Infiltration der Lunge, welche in keinem
Zusammenhang mit dem Bazillus steht.
4. Hyperämie, Hämorrhagie und Nekrose der Dünndarm-
schleimhaut. In diesen Fällen tritt weder Bakteriämie,
— d. h. sowohl Verschleppung der Pestbazillen ins Blut
als auch Vermehrung darin — ; noch Metastasenbildung
in der Milz und Leber. Aber es ist bemerkenswert, dafs
die Bazillen bei solchen Fütterungsversuchen immer ins
Blut einschleppen können, wenn auch die Anzahl der-
selben sehr spärlich ist.
Von trof. Y. Fukuharä. 2Ö3
Versuch O.
Zwei Frösche (Nr. 15, 16) wurden vorher im Glaszylinder
gefangen, welcher etwa 2 cm hohe Sehlammschicht enthielt.
9. Vm. Pestbouillonkultur wurde auf die Schlammschicht
ausgegossen. Ein Frosch davon (Nr. 16) ist nach 12 Tagen ge-
storben, der andere überlebend. Ein anderer Glaszylinder, der
niedere Schicht des Wassers enthält, wurde erst mit 10 cc Pest-
bouillonkultur eingegossen, dann ein Frosch (Nr. 7) hineingebracht
und nach einem Tag wieder in den neuen Zylinder gebracht.
Der Frosch ist nach 12 Tagen gestorben, während ein Kontroll-
tier überlebte, welches im Glasgefäfs aufbewahrt war, das nur
Wasser und Bouillon enthielt. Noch andere zwei Frösche (Nr. 17
u. 18) wurden mit den bazillenhaltigen Regenwürmern zusammen
aufbewahrt. Beide Tiere sind noch überlebend, trotzdem der
« ♦
eine (Nr. 17) ein Stück des Wurmes gefressen hatte.
Nr. 7. Ein Frosch. Körpergewicht 11 g. Starke Abmagerung. In dem
oberen Teil der beiden Unterschenkel entsteht ein ca. 1 cm breites Haut-
geschwQr^ in dessen Umgebung subkutane Blutung auftritt. Im Schnitte
kann man die Darmbazillen mit den ausgetretenen Blutkröperchen hier nach-
weisen.
In der Bauchhöhle befindet sich keine Flüssigkeit. Gedärme byperä-
misch. Das. Herz enthält halbflassiges Blut. An anderen Organen findet
man keine besonderen makroskopischen Veränderungen. In dem Herzblut-
nnd Darminhaltausstrich lassen sich mikroskopisch bipolar gefärbte Bakterien
auffii^den.
Schnittpräparate. Die Milz zeigt keine nennenswerte« Yerände*
rangen und keine Bazillen. Leber: Zellkontouren sind etwas abgerundet.
In den kleinen Lebervenen finden sich zwischen den roten Blutkörperchen
sehr spärliche Bazillen. Auch die Niere zeigt das Bild einer ganz akuten
parenchymatösen Degeneration. Einzelne Exemplare der Harukanälchen-
epithelien sind kernlos. Vereinzelt finden sich kleine Blutungen in dem
Lumen der Harukanälchen. In den Nieren kann man die Bazillen nicht
nachweisen. Lunge: keine Bazillen. Im Herzmuskel findet man ausge-
dehnte Fettdegeneration. Die Befunde im Dünndarm wie bei Goldfisch
Nr. 1..
Nr. 13. Ein Frosch. Körpergewicht 16 g.
Starke Abmagerung. Bauchorgane zeigen sich fast kadaverös verändert,
en und Darm haben noch ihre Form gehalten. Ein Abschnitt des
ArchiT für Hygiene. Bd. LXIII 1^
2Ö4 Experimentelle tJnteraachangen Über die Empfänglichkeit etc.
Darmes warde abgeschnitten und mit Bouillon im EisBchrank 5 Tage auf-
bewahrt. Kultivierung und Tierversuch aus der Bouillon lassen Pestbazillen
nachweisen.
Wichtige Sektionsbefunde sind;
1. Spärliches Auftreten der Bazillen im Blut und in der
Leber.
2. Parenchymatöse Degeneration und Hämorrhagien in der
Niere ohne Bazillen.
3. Hyperämie, Hämorrhagie und Nekrose der Dünndarm-
schleimhaut.
4. Fettdegeneration des Herzmuskels.
Hier habe ich noch hinzuzufügen, dals einige Tiere ganz
von der natürlichen Infektion vermilst waren, d. h. bei einem
ungeimpften Frosch, der 9 Tage lang mit dem infizierten Froach
(Nr. 4) in einem Behälter gehalten wurde, und ebenso bei 2 Tri-
tonen, welche selbst ungeimpft mit einem infizierten Triton (Nr. 9)
10 Tage lang zusammen aufbewahrt wurden.
Ich möchte noch einen Passagenversuch anführen. Es wurden
10 Frösche mit hochvirulenten Pestkulturen in die Bauchhöhle
geimpft. Das erste Tier starb durch % Öse Agarkultur nach
66 Stunden, während das letzte schon nicht mehr unter Ein-
führung ^/^ Ose erlag. Die so durch Passagen abgeschwächten
Bazillen waren auch für Mäuse und Ratten ihre Virulenz ab-
genommen.
VII. Versuch mit Pesttoxine.
Um eine weitere Stütze für Erklärung der Intoxikations-
erscheinungen zu gewinnen, untersuchte ich auch die Wirkung
von abgetöteten Pestbazillen und Bouillonkulturfiltrat auf den
Frosch, Triton und Fisch.
Von Vrci. Y. Fakahanu
205
Tabelle Via.
(>Mtung
Körper-
gewicht
g
^TOSCh
Triton
Karpfen
1 Ü Maos
2 ;
12,5
15,0
15,5
9,5
19,5
5,0
5,0
4,5
5,0
20,0
18,0
14,5
18,5
Art und Menge
der Toxine
Stelle der Injektion
l
6
Frosch
7
>
8
>
9
>
10
9
5
Triton
6
>
7
»
S
Karpfen
4
>
3
Maus
12,0
12.0
13,0
12,5
12,5
5,0
5.0
4,5
18,0
18,0
12,0
Fntrat»)l,Occm
0,5
0,3
0,2
0.1
0,5
0,3
0,2
0,1
0,5
0,8
1,0
Tabelle VIb.
Abgetötete B.
3 Ösen')
3
2
2
1
2
1
V,
2
1
1
peritoneal
Ergebnis
tot nach 10 Tagen
überlebend
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
peritoneal
tot
nach 2 Tage»
8ubk. a. Backen
do.
peritoneal
do.
subkutan
überlebend
peritoneal
do.
do.
do.
do.
do.
do.
da
do.
do.
do.
do.
do.
tot
nach 10 Tagen
Es wurden Versuche im ganzen an 10 Fröschen, 7 Tritonen
und 4 Karpfen, sowie an 3 Mäusen als Kontrolltiere, sowohl mit
der abgetöteten Kultur als auch mit Kulturfiltrat vorgenommen.
Durch Kulturfiltrate wurde nur 1 Frosch (Nr. 1) und durch
die abgetöteten Bazillen 3 Frösche und eine Maus getötet. Aus
^^öaen Ergebnissen geht hervor, dals die Versuchstiere zu töten
®o vielmal gröfsere Menge sowohl der abgetöteten Kultur als
1) 32 Tage gezüchtete Bouillonkultur.
2) Agarkultnr 55^ C: 30 Minuten getötet Die lebenden Bazillen der-
^^Iben Kultur konnten die Mftose mit Vteoo Ose in 3—5 Tagen töten.
206 Experimentelle Untersuch ungen über die Empfänglichkeit etc.
auch der gelösten Toxine erforderlich sei, als die Dosis letalis
bei der lebenden Kultur.
Sektionsergebnisse sind folgende:
Nr. 3. Maus.
Herz enthält halbflüssiges Blnt. Milz angeschwollen, Leber etwas ge-
trübt. Niere angeschwollen, Lunge normal.
Schnittpräparate. Milz : Ausgedehnte Blutung in der Pulpa, sonst
keine nennenswerten Veränderungen des Gewebes. Leber: Ausgedehnte
fettige Degeneration. Niere : Hochgradige Trübung und Verfettung der Rinden-
substanz. Einige Blutungen zwischen den Glomeruli. Lunge: Stellenweise
hämorrhagische sowie seröse Infiltration. Herz : Trübung und Verfettung.
Nr. 6. Frosch.
Herz enthält faalbflüssiges Blut. Milz angeschwollen und hyperämisch.
Leber gelblich. Niere angeschwollen und hyperämisch. In der Bauchhöhle
findet man spärliche Anzahl der fast aufgelösten, kokkenartigen Pestbazillen.
Schnittpräparate. Milz: Die Kapillaren mit Blut gefüllt. In den
Pulparäumen findet man Überfüllung von roten Blutkörperchen. Die zellige
Fulpaelemente vermehrt. Leber: Kolossal vermehrte Fettablagerung und
Trübung, aber Leberzellkerne noch gehalten. Kapillaren erweitert und mit
Blut gefüllt. Niere: Hochgradige . Trübung und Verfettung. SubkapsalUre
Blutung und Austritt der' roten Blutkörperchen in der Glomeruli. Lunge:
Hyperämisch. Herz: Hochgradige Fettdegeneration.
Nr. 7. Frosch.
Makroskopisch wie bei Nr. 6.
Schnittpräparat, aufser der Hämorrhagie in der Leber findet man' fast
dieselben Erscheinungen wie bei Nr. 6.
Nr. 8. Frosch.
Wie bei Nr. 6.
Nr. 1. Frosch.
Milz normal. Leber graugelb. Niere etwas hyperämisch. Hörs mit
Blut gefüllt.
Schnittpräparate. Milz: Keine nennenswerten Veränderungen.
Leber : Einige kleine Blutaustritte an den Blutgefäfsen und Fettdegeneration.
Keine Hämorrhagie. Lunge: Etwas hyperämisch.
Wichtige Befunde bei den Fröschen sind:
1. Milzanschwellung und Blutung.
2. Trübung, Fettdegeneration und Hämorrhagie der Leber.
3. Trübung, Verfettung und Blutung der Niere,
4. Trübung und Verlettung des Herzens,
Von Prof. Y. Fukuhara. 207
Es kann also schliefsen, dafs bei Fröschen die Einspritzung
abgetöteter Pestkulturen bzw. der Kulturfiltrate fast genau so
wie die der lebenden wirke. In Schnittpräparaten lassen sich
die durch Toxine bedingten Veränderungen von denjenigen
kaum unterscheiden, welche durch lebende Bazillen hervor-
gerufen werden.
VIII. Immunisierungsversuch an den Schildkröten.
Die* bislang von vielen Autoren gearbeiteten Iramunisierungs-
versuche gegen Pest beschränkten sich auf die Warmblüter.
Es fehlten leider noch Versuche an Kaltblütern. Daher unter-
nahm ich die Schildkröten sowohl mit lebender als auch ab-
getöteter Kultur zu immunisieren.
Schildkröte A. wurde mit der abgetöteten Kultur, B. mit der
lebenden hochvirulenten Kultur vorbehandelt. Die betreffende
Agarkultur war so virulent, dafs ^j^qq Öse die Ratten in 3 bis
5 Tagen töten kann. Die oftmalige Immunisierung der Tiere
wurde derart ausgeführt, dafs mit 48 stündigen gut bewachsenen
Agarkulturen A. als solche aber B. getötet — 55^ C: 30 Minuten
— und in je 1 ccm Bouillon gleichmäfsig verteilt injiziert wurden.
A. Ktrpergrewieht 620 g,
1. IX. erhält subkutan am Fufse 18 Ösen der abgetöteten Kultur.
8. IX. 36 Ösen subkutan,
15. IX. 36 Ösen intraperitoneal.
25. IX. 70 Ösen intraperitoneal. Körpergewicht 580 g.
B. Orpergewleht 450 g.
1. IX. 3 Ösen subkutan.
8. IX. 6 Ösen subkutan.
13. IX. 13 Ösen intraperitoneal.
20. IX. 60 Ösen intraperitoneal.
24. IX. 80 Ösen intraperitoneal. Körpergewicht 400 g.
Von den so vorbehandelten Tieren wurde nach der letzten
Immunisierung das Blut aufgenommen und auf Immunitätswert
geprüft. Zur Wertbestimmung des Serums verwendete ich die
Frösche, Tritouen und Mlfuse.
208 Experimentelle üntenmchongen Aber die Empf&nglichkeit etc.
Als die tödliche Dosis wird solche Menge genannt, durch
welche Frösche (im Gewicht von 10 — 12 g), Triton«a (im Ge-
wicht von 4 — 4,5 g) und weifse Mäuse (im Gewicht von 12 bis
15 g) in 30—60 Stunden (n&mhch in 2—3 Tagen) getötet werden.
Durch die wiederholten Prüfungen genügen % Öse einer viru-
lenten Pestbazillenkultur beim Frosche, ^/4 Ose bei Tritonen und
Vjooo Öse bei Mäusen, um die Tiere im angegebenen Zeitraum
zu töten.
T
abelle VH
a.
Wirkangen des Sernms A.
1
" — - - - -
Serum-
menge
Kultur-
menge
Tienxt
SrgebniB
0,4
Vio öae
Frosch 1
gesund
0,3
2
tot nach 6 Tagen
0,2
8
> > 3 >
0,1
4
9 9 5 •
0,05
5
> > 3 9
—
6
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0.4
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Triton 1
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tot nach 3 Tagen
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> 5
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—
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0.4
Viooo Öse
Maas 1
> 43 8tdn.
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4
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5
» 33 >
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> 6
» 33 >
Tabelle Vllb.
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Vio Öse
Frosch 1
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tot nach 8 Tagen
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1
Von ^rot y. Fakah«M.
1K)9
FortMtewig <te TalMll« VHb.
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0,4
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Kaltnr-
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V4 Öse
Tierart
>
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Triton 1
2
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Ergebnis
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1000
>
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>
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1
tot nach 38 Stdn.
2
33 >
3
)
34 >
4
32 >
5
(
33 >
6
33 >
Wenn man zunächst die Wirkungen des Serums >A« Schild-
krötec im allgemeinen betrachtet, so wurde hier durch die In-
jektion von 0,4 des Serums 1 Frosch und 1 Triton, durch 0,3
1 Triton geschützt, während die Kontrolltiere sämtlich zugrunde
gingen. Die Mäuse wurden keineswegs beeinflufst, abgesehen
von der Verzögerung des Todes.
Ein ähnliches Ergebnis hat die Prüfung des Serums » B. Schild-
kröte« gezeigt. Was die Wirksamkeit der einzelnen Dosen an-
betrifft, so zeigt sich, dafs bei 0,4 Serum 1 Frosch und 1 Triton,
bei 0,3 1 Triton am Leben blieben. Auch hier wurden die Mäuse
durcli das Serum absolut nicht beeinflufst. Aus den genannten
Untersuchungen, betreffend die Leistungen der Pestsera — sei
es mit der abgeschwächten Kultur, sei es mit der lebenden, hoch-
virulenten Kultur vorbehandelt — ergibt sich, dafs die beiden
Sera nur den Fröschen und Tritonen geringen Schutz vor einer
tödlichen Pestinfektion verleihen können.
Aggiutinierungsversuche.
Die nötigen Quantitäten der Agarkultur wurden vorsichtig
in der physiologischen Kochsalzlösung aufgeschwemmt, in schmale
Eprouvetten verteilt und zu allen das reine Serum resp. eine Ver-
210 Experimentelle Untersuchungen über die Empfänglichkeit etc.
dünnuDg desselben zugesetzt. Nach diesem Serumzusatz wurde
jede Probe gründlich geschüttelt und sofort danach in den Brut-
schrank (37 ®C) gebracht. Die Untersuchung jeder einzelneu Probe
folgte nach einer halben Stunde, dann nach 1, nach 2, nach 4,
6 und schliefslich nach 24 Stunden.
Das erhaltene Resultat ist tabellarisch dargestellt.
Tabelle Vm.
Normal-Schildkrötser um .
Verdünnung
V,
1
2
4
Stui
6
L de n
8
10
16
20
24
1:25
t
1
___
.__
_
—
_
+
50
1
1 -
—
—
—
___
—
—
100
1 —
—
—
—
—
—
—
—
—
.200
1 —
—
—
—
—
—
300
1 """
—
—
—
—
500
"*■■
—
—
—
—
—
:8()0
—
—
—
■ —
— ,
^
1000
1
1
1
—
■
—
PeBt8erum.>A<.
1
1
1
1
1
1
1
25
50
100
200
300
500
800
1:1000
~~~
—
+
•
+
+
+
+++ 1 1
1
1
1
+
lekvack
25
50
100
200
.300
500
800
1000
4
Feste
erum
>B.«
+
+
++ 1 1 1 1.
1 1 1 ++
+ 1
Von Prof. Y. Fakuhara. 21 1
Die in den Tabellen angeführten Stunden geben den Zeit-
punkt des Auftretens der Reaktion an. Das Normalserum wurde
aus einer anderen Schildkröte aufgenommen.
Wie man aus Tabelle VIII ersieht, liefert >A.€ Schildkröte,
die mit abgetöteten Kulturen vorbehandelt wurde, ein viel stärker
agghitinierendes Serum als >B.c, bei dem lebende Kulturen ver-
wandt wurden. Diese Tatsache stimmt mit dem Befund von
Zabolotny(^2j nicht überein. Der Autor befand, dafs die Tiere,
welche mit abgetöteten Kulturen immunisiert werden, ein viel
schwÄcher agglutinierendes Serum liefern als solche, bei denen
lebende Kulturen verwandt wurden.
IX. Schiursbetrachtung zum pathologisch-anatomischen Befunde.
Die nachgewiesenen wichtigen anatomischen Befunde bei
den XCaltblütera sind folgende:
1. Leichtgradige nekrotische Entzündung und Blutung ohne
nachweisbare fibrinöse Exsudation wie Eiterung an der
Injektionsstelle.
2. Auftreten einer spärlichen Anzahl der Bazillen im Blut.
3. Peritonitis bei der intraperitonealen Impfung.
4. Hämorrhagische Erosion im Magen und Darm bei der
Infektion per os, aber ohne Auftreten der massenhaft
gehäuften Mikroorganismen im Krankheitsherde.
5. Milzanschwellung durch Hyperämie. Die Vermehrung
der Pulpaelemente findet man sehr selten. Keine Me-
tastasenbildung und keine Blutung in der Milz, ab-
gesehen von einem Fall akuter Intoxikationen mit reich-
licher Menge der abgetöteten Bakterien ; dieser Fall zeigte
in der Milz eine ausgedehnte Hämorrhagie.
6. Parenchymatöse Degeneration und Hämorrliagien der
Leber ohne Bazillen oder selten mit Bazillen. Keine
Metastasenbildung in der Leber.
7. Parenchymatöse Degeneration der Niere selten mit Bazillen
b. Pneumonische, auch selten hämorrhagische Infiltration
der Lunge ohne Bazillehansiedelung.
-^«ihl? für Hygiene. Bd.LXIII. 14**
212 Experimentelle Untersuchimgeii tlber die Empfänglichkeit etc.
9. Trübung und Fettdegeneration des Herzeus.
10. Keine Bildung der eigentümlichen, durch Weigerts Me-
thode nachweisbaren fibrinösen Massen in den Gefäfsen
und in den Gewebsspalten.
11. Beim Fütterungs versuche an Fröschen und Fischen mit
Pestreinkultur gingen die Mikroben von dem Magen-
darmtraktus aus in die Blutbahn über.
12. Die aus dem Körper der Kaltblüter gezüchteten Bazillen
zeigen keinerlei dauernde biologische Abweichungen.
Wenn ich die oben erwähnten anatomischen Veränderungen
in aller Kürze einer Kritik unterziehen mögen, so kann ich
betonen, dafs die Veränderung der Kaltblüter an der Pest haupt-
sächlich zur Intoxikationserscheinung gehöre. Leichtgradige,
lokale Entzündung und eine nicht so typische Herderscheinung
im Darm — wie man sie auch bei den Warmblütern beobachten
kann, — müssen wohl zur direkten Wirkung der Bazillen gezählt
werden.
Es sei noch zu bemerken, dafs die Bazillen seinen wesent-
lichen Sitz nicht im Blut wählen, sondern nur bei starker Ver-
mehrung in spärlicher Anzahl weiter in die Blutbahn eindringen.
X. Schlufssätze.
Die Resultate meiner Untersuchungen kann ich in folgende
Sätze zusammenfassen:
1. Die Frösche (Rana esculenta), Karpfen (Cyprinus Carpio, L.),
Goldfische (Carrasius sp.) und Tritonen (Triton pyrrho-
gaster, Boie.) sind für Pest sicher empfänglich. Tritonen
sind aber weniger empfänglich, als die Frösche.
2. Die Infektion läfst sich durch Einführung von virulenten
Kulturen sowohl intraperitoneal als auch durch Fütterung
bewerkstelligen (bei dem Frosche in den Lymphsack).
3. Schildkröte (Celemmys Japonica, Gray. Emys Tosaensis
und Trionix Japonicus, Schleg.) und Schlangen (Elaptus
virgatus, Schleg.) scheinen immun für Pest zu sein.
4. Impfversuche an einer Kröte (Bufe vulgaris) und einer
Gekko (Platidactylus jamori, Schleg.) waren erfolglos.
Von Prof. Y. Faknhara. 213
Es müssen weitere Versuche ausgeführt werden, um zu
sicheren Resultaten zu gelangen.
5. Regenwürmer charakterisieren sich fast immun, obwohl
ein Teil derselben während des Versuches hinfällig zu-
grunde gingen.
6. Die im Regenwürmerkörper 70 Tage lang aufgehaltenen
Bazillen zeigen keine Abschwächung ihrer Virulenz.
7. Die Regenwürmer können für die Verbreitung der Pest
eine gewisse Rolle spielen.
8. Bei den wiederholten Passagen von Pestbazillen durch die
Frösche kann man eine Abschwächung der Virulenz
nachweisen.
9. Das pathologisch-anatomische Bild der Pest bei den Kalt-
blütern ist als eine lokale Erkrankung mit allgemeiner
Intoxikation und gelegentlicher Verschleppung des Mikro-
organismus in den Kreislauf zu betrachten, wenigstens
soweit als unter meinen Versuchstieren.
10. Die durch die abgetöteten Bazillen oder durch den Bouil-
lonkulturfiltrat verursachten Veränderungen sind sowohl
qualitativ als auch quantitativ fast analog, wie dieselben
durch die Injektion der lebenden Bazillen.
11. Das Serum der Schildkröten, welches Fröschen und Tri-
tonen vor ihrer Pestinfektion durch tödliche Dosis gut zu
schützen vermag, entfaltete bei Mäusen nicht die Schutz-
wirkungen gegenüber der Pestiufektion.
Im Sinne der Ehrlich sehen Auffassung ist diese
Tatsache vielleicht so zu erklären, dafs die Ambozeptoren
des Schildkrötenserums nur bei Fröschen und Tritonen,
nicht aber bei Mäusen das passende Komplement finden.
12. Das Serum einer mit lebenden Bazillen vorbehandelten
Schildkröte agglutiniert etwas stärker, als das der mit
abgetöteten Bazillen immunisierten.
Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Professor
Sata, spreche ich an dieser Stelle für die mir gewährte Unter-
stützung und Förderung meinen ergebensten Dank aus.
Osaka, den 1. November 1906.
214 Experimentelle Unteraachnngen etc. Von Prof. Y. Fakahara.
Literaturverzeichnis.
1. Nutall, Zur Aufklärung der Rolle, welche die Insekten bei der Ver-
breitung der Pest spielen. G. f. Bakteriolog. und Parasitenk. u. lofektionsk.
1. Abt., XXII. Bd., 1897.
2. Deyell, Über die Empfänglichkeit der Frösche für Infektion mit Bu-
bonenpest. Ebenda, XXIL Bd., 1897.
3. Babes V. u. Livadite C, Über einige durch den Pestbazillus ver-
ursachte histologische Veränderungen. Virchows Archiv, Bd. CL, S. 343.
4. Honl, -Pestis bubonica. C. f. allgem. Path. u. pathol. Anatomie, Bd. IX,
Nr. 5.
5. Van der Stricht, Läsions anatomo - pathologiques produites par le
microbe de la peste. Referat : C. f. allgem. Path. u. path. Anatomie, Bd. IX.
6. Lustig-Zardo, Beitrag zum Studium der feineren Gewebsverände-
rungen bei der experimentellen Beulenpest. G. f. allg. Path. u. path. Ana-
tomie, Bd. 8, 1897.
7. Sata, Experimentelle Beiträge zur Ätiologie und pathologische Anatomie
der Pest, 1. Arch. f. Hygiene, Bd. 37, 1900.
8. Sata, Über Fütterungspest und das Verhalten des Pestbazillus im tieri-
schen Körper nach dem Tode des Organismus, IL Ebenda, Bd. 39, 190L
9. Despeignes u. Lortel, De la tuberculose experimentale chez les
lombrics. Etudes exper. et clin. Sur la Tub., 1892.
10. Janson, Archiv f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilkunde, Bd. 21, S. 451.
11. LowBon, British med. Journal, 1897.
12. Zabolotny, Arch. d. Scienc. biol. de St. Petersbonrg, 1901.
Ü1)er die Bedeutung des Bacillus coli communis als Indi-
kator ffir Verunreinigung von Wasser mit Fäkalien.
Von
Kesji Saito.
(Ans dem Hygienischen Institat der Universität Kyoto.
Direktor : Prof. Dr. T. M a t s n s h i t a.)
Eine gröfsere Bedeutung als den Fäulniserregern messen
die meisten Hygieniker der Anwesenheit des Bacillus coli com-
munis im IVasser zu; dieser soll direkt auf Verunreinigung mit
menschlichen Fäkalien hinweisen.
Es ist aber s<^hon längst bekannt, dafs der Bacillus coli comm.
überall zu finden ist; auch betonen einige Autoren, dafs der
Bacillus coli communis als Kriterium für die Verunreinigung
eines Trinkwassers versage. Miquel, wohl die erste Autorität
auf dem Gebiete der bakteriologischen Luft- und Wasserunter-
suchung, findet den Kolibazillus fast in jedem Trinkwasser, wenn
nur hinreichende Wassermengen zur Analyse verwendet werden!
Über den Wert der bakteriologischen Wasseruntersuchungen
schreibt Migula^): > Wichtiger aber noch als die Zahl ist der
Charakter der in einem Wasser vorkommenden Arten. Bakterien,
welche in reinen Gebirgsquellen vorkommen, fehlen in den Ab*
1) Migala, Die Artzabl der Bakterien. bei der Beurteilung des Trink-
wassen ; Zentralbl. f. Bakteriologie. Bd. VIII, 353, 1890; der Wert der bakte-
riologischen Wasseruntttrsuchung^ Arbeiten ans dem Bakteriologischen Institut
der Technischen Hochschule zu Karlsruhe, Bd I, 535, 1897.
Archiv fOr Hygiene. Bd. LXIII. 15
216 über die Bedeatong des Bacillus coli commanis etc.
Wässern von Städten, in Dunggruben oder KoÜachen und um-
gekehrt. Es gibt Arten, welche als regelmäüsige Bewohner
menschlicher und tierischer Fäkalmassen anzutreffen sind, sich
auch in reinem. Wasser sich wohl eine Zeitlang am Leben zu
erhalten vermögen, aber doch die ihnen zusagenden Existenz-
bedingungen nicht finden und schliefslich verschwinden.
Derartige Fäkalbakterien deuten stets auf ein Wasser, welches
in hygienischer Beziehung durchaus nicht gleichgültige Verun-
reinigungen erfahren hat und möglicherweise auch Krankheits-
keime bergen oder geborgen haben kann. Die Gefahr einer Neu-
infektion ist aber dann immer vorhanden, und das Wasser mufs
so lange als verdächtig bezeichnet werden, bis der Infektions-
weg gefunden und verschlossen ist.
Deshalb ist die genaue Kenntnis dieser Fäkalbakterien für
die bakteriologische Wasseruntersuchung eines der wichtigsten
Erfordernisse. €
G6t6^) hat in allen Trinkwässern von Algier den Bacillus
coU communis nachgewiesen, was er auf Verunreinigung durch
Fäkalien bezieht.
Das Ergebnis seiner Untersuchungen fafst Davalos^ dahin
zusammen, dafs in dem von der Mehrzahl der Bevölkerung der
Stadt Habana zum Trinken gebrauchten Wasser des Grabens
(1591 angelegt) der Bacillus coli communis beständig in grofser
Menge vorkommt, aber nicht als einfacher Saprophyt, sondern
als höchst virulenter Krankheitskeim, und dafs es daher sehr
gefährlich ist, das Wasser dieses Grabens zu trinken, ohne es
vorher zu kochen oder durch ein geaichtes Chamberland filter
zu reinigen. Über die Infektionsquelle hat er leider nichts ge-
schrieben.
Nach Dunbar^) findet sich der Kolibazillus nur in verun-
reinigtem Wasser. »Bei der mangelhaften Anlage eines grofsen
1) Q6r6, Zentralbl. f. Bakteriologie, Bd. IX, 609, 1891.
2) Davalos, Zentralbl. f. Bakteriologie, Bd. XII, 871, 1892.
3) Dun bar, Untersucbung über den Typhusbazillus und den Bacillus
«
coli commanis. Zeitschrift f. Hygiene and Infektionskrankheiten. Bd. XII,
484, 1892.
Von Kenji Saito. 2l7
Teiles derjenigen Reservoire, aus welchen Brauchwasser ent-
nommen wird, mufs man von vornherein erwarten, dafs sich in
recht vielen Wässern der Bacillus coli communis wird nach-
weisen lassen. In der Tat trifft man ihn in offenen Flufs-
laufen, welche jeder Verunreinigung ausgesetzt sind, häufig in
grofser Zahl.
Auch in dem Wasser von Kesselbrunnen, welche nahe bei
Dunggruben gelegen und der Verunreinigung von der Oberfläche
her sehr zugängig waren, haben wir ihn gefunden, während er
in reinen Wässern vermifst wurde, c
Lehmann^) schränkt die Bedeutung des Kolibazillus als
Indikator für Fäkalverunreinigungen dadurch ein, dafs er auf die
grofse Varietätenzahl hinweist, welche zur Vorsicht mahne, »nicht
aus jedem im Wasser gefundenen koliartigen Organismus eine
Verunreinigung des betreffenden Wassers abzuleiten.^
Von Guiraud^) wurde bei der bakteriologischen Unter-
suchung des Trinkwassers in Toulouse besonders auf das Vor-
kommen von Typhusbazillen und von Bacterium coli commune
geachtet und dabei das Verfahren von P6t6 und Vincent an-
ge?Fendet, von denen namentlich das erstere die besten Dienste
geleistet haben soll. Während nun der Nachweis von Typhus-
bazillen niemals gelang, konnte fast regelraäfsig das Bacterium
coli commune angetroffen werden. Hieraus zieht er den Schluls,
dafs das betreffende Wasser durch Fäkalstoffe verunreinigt sei.
Im Jahre 1894 schreibt Schardinger ^): »Das Bacterium
coli commune Esch. kommt meiner Erfahrung nach nicht so
häufig vor, als vielfach angenommen wird, dafür spricht der
relativ seltene Nachweis im Trinkwasser und das Fehlen des-
selben als zufällige Luftverunreinigung auf Platten.« »In vielen
hundert Wasseruntersuchungen habe ich fünfmal das Bacterium
coli commune nachgewiesen. <<
1) Lehmann, Die Methoden der praktischen Hygiene, Wiesbaden
1890.
2) Guiraud, Zentralbl. f. Bakteriologie, ßd. 17, 88, 1894.
, 3) Schardinger, Beitrag zur hygienischen Beurteilung des Trink-
I Wassers. Zentralbl. f. Bakteriologie, Bd. XVI, 855, 1894.
15»
218 Über die Bedeutung des fiacillas coli communis etc.
Nach Kruse^) würde auch der Bacillus coli communis wohl
seltener gefunden werden, wenn man sich die Mühe geben
würde, »einen im Wasser gefundenen Bazillus mit allen Mitteln
der jetzt recht komplizierten Diagnostik mit jenem Typus zu
identifizierend
Im schroffen Gegensatz zu den erwähnten Autoren stellt sich
Freudenreich^). Er fand das Bacterium coli commune häufig,
selbst in Quellen wasser, wenn man z. B. bei Anwendung der
Vincentschen Methode ca. 100 ccm auf einmal zur Unter-
suchung gelangen läfst (Wasser 90 ccm, 20proz. PeptonlÖsung
10 ccm, 1 ccm einer 7proz. Karbolsäurelösung und Bebrütung
bei 42^ C), während es sich in einem Kubikzentimeter nicht nach-
weisen läfst. Einmal hat es Freudenreich in einem ca. 6 m
tief gefafsten Quellenwasser vorgefunden, welches sonst chemisch
und bakteriologisch sehr rein war; dieses enthielt bei einer ersten
Analyse 32, bei einer zweiten Analyse 17 Bakterien pro ccm —
freilich auch bei Verwendung von 100 ccm Wasser, während die
Impfung von 15 Tropfen in Karbolbouillon gar keine Trübung
hervorrief. Während so Freudenreich einerseits überzeugt
ist, dafs das blofse Vorkommen von Bacterium coli nicht genüge,
um ein Trinkwasser zu diskreditieren, gibt er anderseits zu, dafs
der Befund von Koli doch nicht ganz belanglos sei und stützt
sich hierbei auf folgende Tatsachen:
iln jedem schlechten Wasser, d. h. chemisch bean-
standbaren (z. B. Vorhandensein zu vieler orgcmischer Sub-
stanz) und sonst sehr bakterienreichen Wasser ist der
Bacillus coli reichlich vorhanden. c
:»Kommt er in bakterienarmem und chemisch gutem
Wasser vor, so ist er darin nur sehr spärlich vorhanden, c
»Sehr oft, aber auch nur wenn es sich um ein sonst
als sehr gut anerkanntes Wtoser handelt, fehlt er auch
ganz.c
1) Kruse, Kritische und experimentelle Beiträge zur hygienischen Be-
urteilung des Wassers, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. XVII, 53, 1894.
2) Freudenreich, Über den Nachweis des Bacillus coli comm\ im
Wasser und dessen Bedeutung. Zentralbl. f. Bakteriologie, Bd. 18, 102. 1895.
Von Kenji Saito. 219
»Daraus ergibt sich, dafs sein Fehlen jedenfalls zu den
Eigenschaften eines sehr guten Trinkwassers gehört, und dafs
sein massenhaftes Vorkommen stets nur bei schlechtem Wasser
auftritt, während ein spärliches Vorhandensein desselben nicht
absolut gegen die Brauchbarkeit des betreffenden Wassers spricht,
wenn dabei das Wasser den sonstigen chemischen und bakterio-
logischen Anforderungen entspricht, c
Gärtner^) sagt: »Wir sehen also, mit den Fäulnis- und
Kotbakterien und ihrer Bestimmung im Wasser ist fast nichts
für die Beurteilung eines Wassers zu machen, wir wisaen zunächst
nicht, welche Bakterien zu den Fäulnisbakterien zu rechnen sind,
von den Kotbakterien treten alle zurück bis auf das Bakterium
coli commune, dieses aber ist ebenso wie die meisten sogen,
Fäulniserreger ubiquitär, beide Arten brauchen nicht an den
Menschen und seinen Verkehr gebunden zu sein, und in nicht
keimfreiem Wasser finden sich die erwähnten Bakterien in
einzelnen Exemplaren leicht ein.c
In seiner umfassenden Monographie über mikroskopische
Wasseranalyse schreibt Mez^): »Man hat dem Bacterium coli
zwar seine Bedeutung als typischen Darmorganismus auch schon
abgesprochen und darauf hingewiesen, dafs dasselbe schon wenige
Stunden nach der Geburt in den Darm des Menschen und der
höheren Tiere hineingelangt, dafs es an den verschiedensten
Orten und bei den verschiedensten Gelegenheiten sich findet und
deswegen noch keinen Beweis für die Fäkalverunreinigung des
Wassers darstelle.
Diesem gegenüber ist zu betonen, dafs wir Menschen,
wenigstens wir Städter, leider überhaupt in einer Atmosphäre
leben, welche überall und allerorten einen Staub enthält, der
Fäkalreste in reichlichstem Mafse mit sich führt. Dement-
sprechend ist es nur selbstverständlich, dafs wir das Bacterium
coli in unserer Umgebung sehr häufig finden. Gerade die Regel-
mäfsigkeit und Geschwindigkeit, mit welcher Bacterium coli, oft
1) Gftrtner, Über Methoden, die Möglichkeit der Infektion eines
Wassers zn beurteilen. Berlin 1895.
2) Mes, Mikroskopische Waaseranalyse. Berlin 1898.
220 über die Bedeutung des Bacillus coli communis etc.
schon vor der ersten Nahrungsaufnahme des Kindes, vom After
her in den Darm eindringt, ist der beste Beweis dafür, daCs es
ein typischer Darmorganismus ist.
Wenn es nun möglich ist, diesen Spaltpilz in dem Wasser
eines Brunnens nachzuweisen, so ist damit die Kommunikation
zwischen der Flora irgend eines Darmes und dem Brunnenwasser
bewiesen. Diese Kommunikation ist nur dadurch möglich, dals
Fäkalien oder Fäkalauslaugungen oder Fäkalstaub in den Brunnen
gelangt sind: unter allen Umständen ist die Entdeckung einer
solchen Kommunikation von gröfster Wichtigkeit, c
Levy und Bruns^) sagen: i Der rein morphologische Nach-
weis von Koli' Bazillen gibt noch nicht genügende Sicherheit
über seine Bewertung als Fäcesbakterium, es gehört dazu dessen
Pathogenität, c
Im Jahre 1900 kommt Weifsenfeld^ zu dem Schlüsse,
dafs der Befund des Bacillus coli communis im Wasser eine
Verunreinigung dieses Wassers durch Fäkalbakterien nicht be-
deutet, da es »aus Wässern jeder Herkunft, guter und schlechter,
zu züchten c sei, wenn man nur genügend grofse Mengen des
Wassers zur Untersuchung nehme. (Bei schlechten Wässern —
aber auch bei vielen guten — war schon aus jedem Kubik-
zentimeter Wasser der Bacillus coli zu züchten. Von manchen
guten Wässern mufsten grölsere Mengen zur Kultur genonunen
werden). Weifsenf eid sagt ferner noch, dafs »der Bacillus coli
communis in keiner Weise charakteristisch sei für die Fäces der
Menschen oder Tiere, sondern dafs solche Bakterien sich überall,
in der Luft, im Boden, im Wasser aller verschiedensten Ur-
sprungs finden.«
Smith^) fand in 800 ccm des Leitungswassers den Bacillus
coli communis.
1) Levy und Bruns, Zur Hygiene des Wassers, Archiv für Hygiene,
Bd. XXXVI, S. 178, 1899.
2) Weifsenfeld, Der Befund des Bact. coli im Wasser und das l^er-
ezperiment sind keine brauchbaren Hilfsmittel für die hygienische Beurtei-
lung des Wassers. Zeitschr. f. Hygiene, Bd. XXXV, S. 78, 1900.
3) Smith, Zentralbl f. Bakteriologie, Bd. XXX, S. 211, 1900.
Von Kenji Saito. 221
Chick^) hat sich in Fortsetzung früherer Arbeiten mit der
Frage beschäftigt, ob der KoUbazillus eine ubiquitäre Verbreitung
besitze oder sein Vorkommen als Folge einer Verunreinigung
des betreffenden Materials mit Darmentleerungen anzusehen sei,
und deshalb Proben von Luft, von gedüngter Ackererde, von
Strafsenstaub und Kehricht, sowie von Schmutzlachen einer ent-
sprechenden Prüfung unterwerfen.
Von der Luft wurden mehrere hundert Liter durch ein aus
Watte und Glaswolle bestehendes Filter gesogen und letzteres
dann ebenso wie die untersuchte Erde mit sterilem Wasser aus-
gewaschen, die so gewonnene Spülflüssigkeit aber endlich zur An-
fertigung von Platten aus Karbolagar benutzt. Die hier ent-
wickelten verdächtigen Kolonien übertrug er in GährungskÖlbchen,
die 2 proz. Pepton wasser mit Iproz. Milchzucker enthielten; Ver-
gärung des Milchzuckers unter Bildung von Gas und Säure
gibt er als sicherstes Zeichen zur Erkennung und Unterscheidung
des Bacillus coli von anderen Mikroorganismen an.
In der Luft wurde der Bazillus nur ein einziges Mal nach-
gewiesen, als diese aus einem schlecht ventilierten Stalle her-
rührte und obwohl Mengen bis zu 250 1 und mehr verarbeitet
wurden. Aber auch in den sonstigen Proben war der Bazillus
seltener, als man zunächst hätte glauben sollen, und selbst im
Strafsenstaub oder in der Ackererde fehlte er häufig, wenn es
sich nicht um feuchtes oder nasses Material handelte. Er führt
die Tatsache auf die grofse Empfindlichkeit des KoUbazillus gegen
den Einflufs des Austrocknens und des Sonnenlichts zurück, die
er in einer Reihe besonderer Versuche noch genauer feststellt.
Nach alledem gelangt C h i c k zu dem Schlufs, dafs die An-
wesenheit des Kolibazillus in derartigen Substanzen als ein Be-
weis für eine frische Beschmutzung derselben anzusehen sei.
Zu einem ähnlichen Schlüsse mit Weifsenfeid und Chick
kommt Papasotiriu^): »Im Wasser ist die Anwesenheit von
1) Chick, Ref. Hygien. Rundschaa, Bd. XII, S. 647, 1902.
2) Papasotiria, Üntersuchangen über das Vorkommen des Bact. coli
im Teig, Mehl and Getreide, nebst einigen Bemerkungen über die Bedeutung
des Baet coli als Indikator für Verunreinigung von Wasser mit Fftkalien.
Archiv t Hygiene, Bd. 41, S. 209, 1902.
222 Über die Bedeutung^ des Baciilas coli communis etc.
spärlichen Keimen von Bacterium coli commune ohne jede
diagnostische Bedeutung. Durch Anwesenheit einer Vorkultur
kann man mindestens die Anwesenheit von spärlichen Individuen
von Bacterium coli sehr oft nachweisen, wie Weifsenfeld ge-
zeigt hat.c ^Die Anwesenheit zahlreicher Individuen von
Bacterium coli in einem frisch geschöpften Wasser kann, wie
man längst gewufst hat, und wie durch die Beobachtung von
H. Ghick weiter festgestellt ist, den Verdacht auf fäkale Ver-
unreinigung eines Wassers erwecken. Es mufs aber bei der
weiten Verbreitung des Bacterium coli der Schlufs auf das
wirkliche Bestehen dieser Verunreinigung noch durch andere
Hilfsmittel gestützt sein, denn z. B. die Abwässer einer
Bäckerei können eine. Menge Bacterium coli in ein Wasser
bringen. Bacterium coli vermehrt sich . unter günstigen Be-
dingungen (höhere Temperatur, Kohlehydrate usw*) sehr leicht
in Wasser. €
Meusburger und Rambousek^) schreiben: »Sobald es
sich um eine Trink Wasseruntersuchung handelt, bleibt es zur Be-
urteilung der Geniefsbarkeit des Wassers natürlich vollkommen
gleichgültig, ob Kolibazillen oder Typhuskeime in denselben
konstatiert wurden ; denn falls man auch nur Kolibazillen findet,
mufs man das betreffende Wasser als mit tierischen oder mensch-
lichen Exkrementen verunreinigt, also als ungeniefsbar bezeichnen.
Auch im Falle eines Infektionsverdachtes (mit Typhusbazillen
oder Dysenterie) genügt es, Kolibazillen im Wasser nachgewiesen
zu haben, um sagen zu können, dafs hier die Infektionsmöglich-
keit mit eventuell gleichzeitig vorhandenen, nicht entdeckten,
überwucherten oder durch die grofse Azidität des Bodens im Wachs-
tume gehemmten Typhuskeimen vorhanden sei; denn die
Kommunikation mit irgend einer Infektionsquelle (Kanal, Senk-
grube, Dünger etc.) ist erwiesen.«
1) Mensbarger und Ramboasek, Beitrag zum bakteriologischen
Nachweise von Trinkwasser Verunreinigungen anlftDslich infektiöser Erkran-
kungen. Zentralblatt f. Bakteriol., I. Abteil., Originale, Bd. XXXII, 8. 477,
1902.
Von Kenji Saito. ^23
Hirschbrucb und Schwer^) erwähnen auch noch: »Bei
unseren Untersuchungen von Wasser haben wir häufig — un-
abhängig davon, ob Typhusbazillen im Wasser sich fanden oder
nicht — die Anwesenheit des Bacterium coli commune als
wichtiges Stigma der Wasserverunreinigung erachtet, und wir
halten die Kolidiagnose im öffentlichen hygienischen Dienst bei
der Beurteilung von Trinkwässern für fast ebenso wichtig wie
die Eruierung des Typhusbazillus selbst. Zeigt uns doch der
Eolibazillus eine bestehende Kommunikation zwischen dem
Brunnen, Bach, See usw. und den irgendwo abgelagerten Fäkalien
an. Wo eine solche Verbindung aber besteht, ist eine Ver-
seuchung des Wassers mit Typhus jederzeit möglich.^
Petruschky und Pusch^), die sich mehrere Jahre über
die Frage, inwieweit sich das Vorkommen des Bacillus coli im
Wasser als Indikator für eine Verunreinigung des Wassers mit
Fäkalien verwenden lasse, beschäftigten, kommen zu folgendem
Gesamtergebnis: »Die Ubiquität des Bacterium coli konnte
keineswegs bestätigt werden. Wiederholt haben wir Wasserproben
untersucht, die in der ganzen für uns verfügbaren Menge kein
Bacterium coli enthielten.
In einigen deinen Brunnenwässern war Bacterium coli selbst
in Mengen von '/4 1 nicht nachweisbar, in wenig verunreinigten
in 100, 10 bzw. 1 ccm.
In stark verunreinijgten Wäösern, namentlich Flufswässern,
wurde Bacterium coli stets gefunden; durch quantitative Be-
stimmung des Koligehaltes konnte ein guter Mafsstab für die
Fäkalverunreinigung des Wassers gewonnen werden, c
Escherich und Pfaundler^) äufserten sich über die Ver-
breitung des Kolibazillus wie folgt: »Bacillus coli ist ein auch
1) Hirschbroch und Schwer, Prüfung des Typhusnährbodens nach
Y. Drigalski and H. Oonradi und einer nach ähnlichen Prinzipien her-
gestellten Bouillon. Hygienische Enndachan, Bd. XIII, S. 864, 1908.
2) Petraschky and Pasch, Bacteriam coli als Indikator für Fäkal-
veranreinigang von Wftssern. Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 43, S. 304, 1903.
3) Escherich und Pfaundler, Bacterium coli comm., Handbuch der
pathogenen Mikroorganismen, herausgegeben von W. Kolle und A. Wasser-
mann, Bd. n, S. 400, 1903.
224 Über die Bedeutung des Bazillus coli communis etc.
in der Aulsenwelt sehr weit verbreiteter Keim. Mau hat so-
gar von seiner »Ubiquitätc (Henke, Flügge) gesprochen,
doch ist dies nur in beschränktem Sinne gerechtfertigt, denn
man wird — sofern man an der von Escherich für das
»Bacterium colic vorgeschlagenen Begriffsumgrenzung festhält —
finden, dafs sich sein Vorkommen in der Natur an die Be-
dingung einer direkten oder indirekten Verunreinigung des
Fundortes mit menschlichen oder tierischen Darmsekreten
knüpfte
Am XIII. Internationalen Kongrefs für Hygiene und Demo-
graphie zu Brüssel (1 903) erwähnte L ö f f 1 e r : » Besondere Methoden
zum Nachweise von Kolibakterien oder bestimmten Fäulnis-
Organismen sind nicht erforderlich, da der Nachweis dieser
Bazillenarten für sich allein kein abschliefsendes Urteil über die
Brauchbarkeit eines Wassers gestattet, c Allerdings drückt sich
Löffler hier weniger scharf aus, indem er dem Befunde des
Kolibazillus in Verbindung mit anderen gravierenden Befunden
doch eine Bedeutung beizumessen scheint.
In der jüngsten Zeit sagt Kaiser^), dafs die Ansicht, das
typische Bacterium coli (wurde in 22% aller Fälle gefunden) oder
die Koliarten (30% aller Fälle gefunden) seien in Brunnen-
wässern allgemein verbreitet, irrig ist und die Verwertung des
Bacterium coli als Indikator für Fäkalverunreinigung eine gewisse
Wahrscheinlichkeit hat.
Aus den oben ausgeführten verschiedenen Arbeiten ersehen
wir, dafs die Autoren teils Anhänger, teils Gegner der Annahme
sind, dafs der Bacillus coli communis als Index für die Trink-
wasserverseuchung aufgestellt werden kann ; dieser Streit ist nicht
beendigt. Deshalb lohnt sich die Untersuchung der Frage, ob
der Bacillus coli communis in jedem Brunnenwasser zu finden
ist und ihm eine Bedeutung als Indikator für Fäkalverunreinigung
beizumessen ist.
1) Kaiser, Über die Bedeutung des Bacterium coli im Brunnenwasser.
Archiv f. Hygiene, Bd. 52, 8. 148, 1905.
Von Kenji Saito. 225
Bei ihrer grolsen Wichtigkeit für die hygienische Beurteilung
des Wassers habe ich sie unter Leitung von Herrn Professor
Matsushita einer erneuten Bearbeitung unterzogen.
Da es von vornherein nicht anzunehmen war, dafs man Koli
bei der Aussaat geringer Wassermengen oder gar nur eines
Kubikzentimeters antreffen würde, so war die Indikation für
eines der zahlreichen Anreicherungsverfahren gegeben.
Als erster darf Thoinot genannt werden, welcher, gestützt
auf die Erfahrungen von Chantemesse und Widal, dafs
Bacillus typhosus im Gegensatz zu anderen Bakterien auf 0,2 proz.
Karbolgelatine gut wachse, diese Eigenschaft zu einem Isolier-
verfahren ausbeutete.
In ähnlicher Weise hat Gerö^) gearbeitet; sein Verfahren
ist folgendes; In einen Mefskolben zu 1 1 kommen 100 com
neutrale, sterile Rindsbouillon, 50 ccm neutrale sterile 10 proz.
Peptonlösung und 600 — 700 ccm des zu untersuchenden Wassers;
femer 20 ccm einer 5 proz. Lösung von reiner Karbolsäure;
schliefsUch wird mit dem zu untersuchenden Wasser bis zur
Marke aufgefüllt. Im Liter sind dann 1 g Karbolsäure und
830 ccm des zu prüfenden Wassers. Das Ganze wird in 10 sterile
mit Watte verschlossene Kolben verteilt und bei 32 — 36° C (nicht
darüber I) kultiviert. Falls Koli- oder Typhusbazillen zugegen
sind, tritt Trübung ein — um so früher, je gröfser die Verun-
reinigung ist — gewöhnlich in 15 — 20 Stunden, bei sehr geringer
Verunreinigung erst in etwa 30 Stunden. Nach deutlich einge-
tretener Trübung wird eine Platinöse voll in gewöhnliche sterile
Bouillon übertragen, wobei man oft bereits eine Reinkultur des
Bacillus coli communis oder Typhusbazillus oder von beiden ge-
mischt erhält. Um sicher zu Reinkulturen zu gelangen, emp-
fiehlt sich 2 — 3 malige wiederholte Aussaat in die obige
karbolisierte Bouillon. Kleber^) hat auch als Vorkultur pepton-
haltige Bouillon mit 1- bzw. 2promill Karbolzusatz benutzt.
1) Gero, Zentralbl. f. Bakt., Bd. 9, S. 609, 1891.
2) Kleber, Qualitative und quantitative bakteriolog. Untersuchungen
des Zürichseewassers. Hygien. Rundschau, Bd. 5, S. 199, 1895.
226 Über die Bedeatang des Bacillus coli commanis etc.
Die Jordan sehe ^) Methode ist folgende: Die gewünschte
Wassermenge wird in Karbolsäurefleischbrühe bebrütet (incubated),
die mit 5 bis 5,5 Säure nach Füllers Skala bereitet ist und
Karbolsäure in Verhältnis von 1 : 1000 enthält. Nach Inokulation
bei 38— 40^ während 12—18 Stunden werden Plattenkulturen
auf Lackmus-Laktose-Agar gemacht, und Kolonien, die dieses
Medium röten, werden geprüft auf Milchgerinnung, Indol-
erzeugung, Verflüssigung von Gelatine und Gasbildung in Glykose-
Fleischbrühe.
Unwesentlich modifiziert wurde die obengenannten Me-
thode durch Parietti^), welcher die Wasserprobe mit einer
Mischung von 5 proz. Karbol- und 4 proz. Salzsäure versetzt. Als
die nützlichste Methode zur Trennung von Bac. coli zeigte.
Smith ^) die Anwendung von Pariettis Lösung und auch die
anaerobische Sodium-Formal-Glykosemethode, wie sie von Pake
empfohlen wird. Weifsenfeid*) verfuhr so, dafs er 1 ccm des
betreffenden Wassers in ein Röhrchen mit Bouillon brachte, dazu
einige Tropfen der Pari et tischen Lösung (5 proz. Karbolsäure,
4 proz. Salzsäure) fügte und die Röhrchen 24 Stunden lang
bei 37^ bebrütete. Dann wurden Tröpfchen der Mischkultur
mittels Platinpinsels auf Gelatineplatten verstrichen. War kein
Wachstum in der Mischkultur eingetreten, so wurden groüse
Wassermengen (gewöhnlich ^/s bis 1 1 nach Zufügung von
^/^ bis 1 proz. Pepton und Kochsalz in 10 proz. Lösung) einer
ähnlichen Probe unterworfen. Später wurde Pariettis Verfahren
durch Meusburger und Rambousek<^) für den Landarzt
handlicher gemacht.
1) Jordan, Über die Entdeckung des Bact. coli comm. im Wasser. Zen-
tralbl. f. Bakt., Bd. 27, S. 679, 1900.
2) Parietti, Ref. ans dem Zentralblatt f. Bakteriol., Bd. 32, Originale,
8. 476.
3) Smith, Zentralbl. f. Bakt, Bd. 30, 1900.
4)Weirsenfeld, Zeitschr. f . Hygiene, Bd. 35, 1900.
5) Meusburger and Rambousek, Zentralblatt f. Bakter., Bd. 32,
8. 476, 1902.
Von Kenji Saito. 227
Im Gegensatz zu den obenerwähnten Autoren macht Burri ^)
seinen Nährboden nicht nur nicht sauer, sondern fügt ihm
sogar 0,75 proz. wasserfreie Soda zu und will damit gute Resul-
tate erzielt haben.
Graziani und Abba verwendeten Laktose mit einem
Zusatz von Phenolphthalein. Abba 2) bereitete eine Nährlösung,
die folgende Substanzen enthält:
Milchzucker . . . 200 g
Trockenes Pepton , . 100 g
Chlomatrium .... 50 g
Wasser 1000 g.
Dieselbe wird im Dampf apparat % Stunde lang bei 100^ C
gekocht, dann abfiltriert und in Gläschen von je 100 com Inhalt
aufbewahrt. Für 1 1 des zu untersuchenden Wassets genügt
eiü Zusatz von 100 ccm der beschriebenen Lösung plus ^{2 ccm
einer 1 proz. alkoholischen Phenolphthaleinlösung; das ganze
Gemenge wii'd durch den weiteren Zusatz von kohlensaurem
Natron in kalt gesättigter Lösung bis auf Rosafarbe getont.
Vorhandensein von Coli verrät sich durch Vergärung, Ent-
färbung und üblen Geruch.
Schardinger') isolierte Bacillus coli communis auf fol-
gende Weise: Durch Vermischen von Wasser mit zuckerhaltige
(5 proz.) Bouillon — er verwendete gewöhnlich 30 ccm Bouillon
70 ccm Wasser — Anreicherung bei 37 ^ durch 24 Stunden und
nachträgliche Aussaat auf Platten gelingt es, aus wirklich ver-
schmutztem Wasser zahlreiche Arten von gärungserregenden
Keimen zu isolieren. Aufser der Zuckerbouillon verwendet er
auch sterile Lösungen von 1 g Pepton (Witte) und 1 g Kochsalz
in 10 ccm aqu. dest., die, mit 100 ccm des zu untersuchenden
1) Barri, Nachweis von Fäkal bakterien im Trinkwasser. Hygienische
Randschan, Bd. 5, S. 49.
2) Abba, Über ein Yerfabreni den Bacillus coli communis schnell und
sicher aus dem Wasser zu isolieren. Zentralbl. f. Bakt, Bd. 19, S.^ la, 1806.
3) Schardinger, Zentralbl. f. Bakt.. Bd. 16» 8. 853.
238 über die Bedeutung des BacilluB coli commuDis etc.
Wassers vermischt, bis zu 24 Stunden bei Brüttemperatur ge-
halten wurden. Er untersuchte beim Peptonverfahren auf das
Vorhandensein eines »ausgesprochen fäkulenten Geruches« auf
H2S- und Indolbildung. H2S wird chemisch nachgewiesen durch
Einhängen eines mit Bleikarbonat überzogenen Papierstreifeus.
Schardingers Methode wurde auch von Weifsenf eld ^) und
in der letzten Zeit von Petruschky und Pusch^) verwendet.
Letztere haben die Untersuchung in der Weise angestellt, dafs
verschiedene steril angemessene Wasserquanten, mit etwa der
gleichen Menge Bouillon versetzt, zur Anreichung in den Brüt-
schrank gestellt und von den nach 24 Stunden getrübten Proben
durch Osenausstriche auf Agarplatten Aussaaten gemacht wurden.
Freudenreich^) gelang es, Koli zu isolieren, indem er
das Ausgangsmaterial mit öproz. Milchzuckerbouillon anreichert
ohne jeden weiteren Zusatz. Auch hier soll Gasbildung auf Coli
hindeuten. (Nach ihm sollen alle Fäulniserreger, wie Proteus
vulgaris, Milchzucker nicht vergären.)
Die von Smith*) verwendete Methode besteht in der Be-
schickung mehrerer (gewöhnlich 10) Gärungskölbchen, ent-
haltend 1 proz. Dextrosebouillon, mit 0,1 bis 1 ccm Wasser; je
nach dem Ursprung füllen sich in einem oder mehreren Kölbchen
nach 3 bis 4 Tagen 40 bis 60% ^^^ geschlossenen Röhre mit
Gas; ist die Reaktion stark sauer, die Vermehrung der Bazillen
schwach und nach 4 Tagen schon beendet, so kann mann auf
die Anwesenheit des Bac. coli schliefsen. Solche Röhrchen ent-
halten fast immer Reinkultur, wie die Plattenkultur aus dem
Bodensatz zeigt. Nach Smith soll Bacterium cloacae in den
Milchzuckerlösungen gleichfalls Gas bilden, während Gasbildung
und saure Reaktion in der Dextrosebouillon für das Koliwachstum
charakteristisch sein sollen.
l)WeirBenfeld, Zeitochrift f. Hygiene, Bd. 35, S. 80.
2) Petruschky und Puech, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 43, S. 304.
3) Freudenreich, Zentralbl f. Bakt, Bd. 18, S. 104.
4) Smith, Zentralbl. f. Bakt., Bd. 18, S. 494.
5) Ligni^res, Ref. aus Handbuch der pathogenen Mikroorganismen
von Kolle und AVassermann, Bd. II, S. 402.
Von Kenji Saito.
229
Das von Ligniöres*) empfohlene Verfahren ist folgendes:
Einsaat der betreffenden Massen in filtriertes, sterilisiertes 3proz.
Heuinfus. Nach 18 — 24 stündigem Stehen bei Brüttemperatur hat
sich in der Flüssigkeit Bacillus coli elektiv vermehrt und kann
nun durch das Plattenverfahren rein gewonnen werden. Die
durch Bacillus coli erzeugte leichte Säuerung scheint andere
Spaltpilze minder gut aufkommen zu lassen. Später wurde
Ligni^res* Methode von Kaiser^) verwendet.
Chick^) hat einfach mit dem ursprünglichen Material ohne
Vorkultur Platten unter Verwendung von 1 ®/oo Phenol ent-
haltendem Agar gegossen, welcher die übrigen Bakterien mehr
oder weniger im Wachstum hemmte, nicht aber Bacillus coli.
Meine Versuche begann ich zunächst nach den oben be-
schriebenen, verschiedenen Verfahren. Es wurden mit vielen
Methoden wiederholt nicht zufriedenstellende Resultate erzielt.
Nachher untersuchte ich, in welchen Nährflüssigkeiten der Bacillus
coli communis sich am besten vermehrt, um diese Nährflüssigkeit
zum Anreicherungsverfahren zu verwenden. Ich brachte in
100 ccm verschiedene Nährflüssigkeiten Vioo ^^e des Bacillus coli
communis und stellte sie in den Brutschrank. Nach be-
stimmter Zeit wurden auf Agarplatten Aussaaten gemacht; das
Resultat war folgendes:
Yersneh I.
A /oo
Phenolbouillon '
3Vo
1 Heuinfus
2^0
TraubenKUclserbouiUon
Anzahl
der Kolonien
In 1 ccm
Ver-
mehrg.-
inten-
sität
Anzahl
der Kolonien
in 1 ccm
Ver-
mehrg.-
Inten-
8it&t
Ansahl
der Kolonien
in 1 ccm
Ver-
mehrg.*
Inten-
. siUit
Sofort . .
D. 5 Std.
n. 12 Std.
n. 24 Std.
25 583
707100
30 827 500
287020000
1,0
27,7
1205,0
11219,2
4008
4868
8500
650000
1
1,0
1.2
2,1
162,2
5 348
183 200
485 333
; 2 450000
1
1
1,0
34,9
92,5
466,9
1) Kaiser, Archiv f. Hygiene, Bd. 52, S. 121.
2) Chick, Ref. aus Hygienische Rundschau, Bd. 12, S. 647.
230
Über die Bedeutang des BacüloB coli commanis etc.
Yersuch n.
l'/oo
Phenolbouillon
. 3%
Heu infus
Anzahl
der Kolonien
in 1 com
Ver-
mehrg.-
Inten-'
sltät
'^ Anzahl
der Kolonien
in 1 ccm
Ver-
mehrg.-
Inten-
sit&t
2Vo
Traubenzuckerboaillon
Anzahl
der Kolonien
in 1 ccm
Ver-
mebifT--
Inten-
sität
Sofort. . ; 26 317 1,0
n. 5 Std. ; 837 650 i 31,8
n. 12 Std. 21 397 500 814,3
n. 24 Std. ; 194 800 000 7 364,1
8602
9433
111000
783333
1,0
1,1
1.3
9 612
334 666
2 770 000
92,1 j 42 276 667
1,0
34,8
285,6
4 397,8
Sofort . .
n. 5 Std.
n. 12 Std.
D. 24 Std.
27002
614 620
32 400 000
287 580000
Tersneh UI.
1,0
22,9
1 199,9
18 968
81870
1 836 300
10650,31 20450000
1,0
4,3
%,9
107,8
23122
1,0
752530 '
32,5
41560000 !
1 797,4
515 740000 22305,2
Yersneh I.
2,5 Vo
Milchzuckerboulllon
5°/o
Milchzuckerboulllon
Anzahl
der Kolonien
in 1 ccm
I Ver-
mehrg.-
. inten-
[ sität
Anzahl
der Kolonien
in 1 ccm
Ver-
mehrg.-
Inten-
sität
l7o
Dext rosebouillon
Anzahl
der Kolonien
in 1 ccm
ii —
id 40 770
110,2:' 3402000
1 978,2 953 692 000
210474,3:111758580000
Ver-
mehrg.
inten-
sltfit
Sofort
n. 5 Std.
n. 12 Std.
n. 24 Std.
Sofort .
n. 5 Std.
n. 12 Std.
n. 24 Std.
37196
33 483 350
93 285000
748 820 000
45 900
6 189 750
127 950 000
808 380000
i,o;
900,2
2 507,9
20 132,0
34155
3665 280
67 566 600
7188 750000
Yersueh II.
39150
2136 380
86 805 000
1.0
83,3
23 392,0
288 385,6
i,c^!
134,9;;
2 787,q!
17 611,7! 3 746 250000
1,0
54,6
2 217,2
95 689,7
34 777
930 891 600
3 746 250000
1,0
26 767.8
107 725,2
Sofort .1 40 365
n. 5 Std.' 7101000
n. 12 Std, 153 831 700
n. 24 Std. , 1 512 000 000
Yersueh III.
1,0 27 338
175,9|! 2 762 070
3 811,0{i 614 700000
37 458,214 783 750000
1,0
101,0
22 485,2
38410
3 898 630
79 315 800
540 776,6 1383080000
I
1,0
115,0
2064,8
36006,3
Von KoDJi Saito.
231
Die Durchschnitte der Vennehrungsintensität aus den oben
beschriebenen, dreimal winderholten Untersuchungen sind fol-
gende :
IVoo
Phenol-
bonillon
3»/.
Heuinfus
2»/.
Trauben-
zucker-
bouillon
2,5 Vo
Milch-
zucker-
boulllon
5%
Milch-
zucker-
bouillon
1'/«
Dextrose-
bouillon
Sofort ... 1
DAch 5 Stdn. i 28
> 12 > 1037
> 24 > 9 744
1
2
33
444
1
34
727
9068
1
403
3036
25067
1
89
8 893
282 314
1
99
17 408
144039
Aus diesen Beobachtungen ersehen wir, dafs in der 5proz.
Milchzuckerbouillon am besten die Vermehrung des Bacillus coli
communis eintritt; deshalb verwendete ich zur Anreicherung
5proz. Milchzuckerbouillon und stellte folgende Untersuchung an:
l.Verschiedene steril abgemessene Wasserquanten(0,l — l,Occm)
mit 10 ccm von 5 proz. Milchzuckerbouillon versetzt (bei Verwen-
dung von mehr als 1 ccm Wasserprobe setzte ich diese zu 100 ccm
5 proz. Milchzuckerbouillon) wurden zur Anreicherung in den Bru^
schrank gestellt; von den nach 24 Stunden getrübten Proben
wurden durch Osenausstriche auf Agarplatten Aussaaten gemacht ;
der V. Drygalski- Conradische Nährboden ist sehr geeignet
hierfür; es genügt aber auch gewöhnlicher Agar. Wenn die
Plattenkulturen tatsächlich koliähnliche Keime ergeben hatten,
wurden sie dennoch mit allen gebräuchlichen diagnostischen
Methoden (d. h. nach Gram gefärbtes Präparat, Bewegung, Gela-
tineplatte, Gasbildung, Milchkoagulation, Indolbildung, Agar-
strich, Kartoffelstrich, Gelatinestich, Bouillon, etc.) weiter unter-
sucht.
2. War die Menge des zu untersuchenden Wassers zu grofs
(über 1 1), so filtrierte ich zuerst das Wasser durch Chamber-
lands Tonfilter ab; hernach wurden die auf dem Filter zurück-
bleibenden Reste in 5 ccm sterilisierten Wassers gelöst, und so-
fort die gesamte Menge in die 5 proz. Milchzuckerbouillon (100 ccm)
eingegossen.
Archiv für Hygiene. Bd. LXIII. 16
232
Über die Bedeatüng des ßacillas coli commanis etc.
Das mit dieser Methode erzielte Resultat war immer sehr
zufriedenstellend. Die folgende Tabelle gibt eine klare Übersicht.
des
Dnens
Tiefe des
Brunnens
(von Erd-
oberfläche
bis Wasser-
fläche)
m
■ Ent-
, ternung
vom
Abort
oder
Ombe
m
Beschaffen-
heit des
1
Keimzahl
pro ccm
Wasser
Das Vorhandensein oder Fehlen
des Bacillus coli comm. in
verschiedenen Mengen der be-
treffenden Wasserproben.
Wassers
in
0.1
ccm
In In
0,8 1,0
ccm Iccm
in
5,0
ccm
In
10,0
ccm
in
100,0
ccm
in
2>/s
I
1
6.1
10,9
klar
182 125
+
+
+
+
+
+
-f-
2
6,4
3,6
125 417
—
+
+
+
+
+
-t-
3
4,5
2,8
44550
+
+
+
+
+
+
-h
4
7.3
12,8
41175
+
+
+
+
+
+
-t-
5
8,2
7.2
63042
+
+
+
+
+
+ '4-
6
5,5
5,4
22 478
—
+
+
+
+
+
-f-
7
8,3
6.4
63 450
+
+
+
+
+
+
-h
8
5,5
10,9
83150
+
+
+
+
+
+
4-
9
4,5
5,4
etw. getrübt
104 324
+
+
+
+
+
-h
10
5,5
4.5
klar
31283
■h
+
+
+
+
-h
11
: 5,5
5.4
138 375
+
+
+
+
+
+ 4-
12
4,5
1,8
93163
+
+
+
+
+
+ -h
13
5,5
8,2
97167
+
+
+
+
+
+ -h
14
6,4
5.4
72 225
—
+
+
+
+
+ :-h
15
10,9
5,6
263 733
+
+
+
+
+
+ , -F
16
2,8
9,1
24400
+
+
+
+
+
+ -h
17
4,6
8,6
84870
+
+
+
+
+ +
18
18,2
6.4
43874
—
+
+
+
+
+
H-
19
2,8
3,6
24 300
—
+
+
+
+
+
H-
20
0,6
1.7
getrübt
68850
+
+
+
•
+
+
-1-
21
22,1
3,6
etw. getrübt
47 250
+
+
+
+
+
+
+
22
3,6
8,6
klar
31725
+
+
+
+
4-
+
23
1 2,8
4,6
>
.81050
+
+
+
+
+
+
+
24
1 3,6
3.6
gelbl. getrübt
' 18225
+
+
+
+
+
+
+
25
3,6
3,6
klar
1933
+ , +
+
+
+
26 '
' 2,8
2,8
2 572
—
+
+
+
+
+
27 1
3,6
4,5
57 375
+
+
+
+
+
+
28
4,5
4,6
35100
+
+
+
+
+
+
+
29 i
5,7
9,1
35 910
+
+
+
+
+
+
+
30
4,2
7.3
33075
+
+
+
+
31
1 5.6
2,8
68 225
+
+
+
+ ' +
32
2,7
7,3
24875
+
+
+
+
+
+
+
33
5,5
3,6
getrübt
31725
+
+
+
+
+
4-
34
4,5
4.5
klar
45115
+
+
+
+
+
+
+
35
6,4
5,5
>
4117
+
+
+
+
+
+
36
1.7
1.6
>
10 800
+ i +
+
+
+
+ ,+
37
5,5
1.7
]
►
63 450
+
+
+
+
+
+
+
Von Kenji Saito.
233
a
■öS
Hefe des
Bmnnens
(von Erd-
oberflftche
bis Wasser-
1 fläche)
1 m
Ent-
feranug
vom
Abort
oder
Grabe
m
Beschaffen-
heit des
Keimzahl
pro ccm
Wasser
Das Vorhandensein oder Fehlen'
des Bacillus coli comm. in
verschiedenen Mengen der be-
treffenden Wasserproben.
ACQ
«
Wassers
i in
0,1
ccm
in
0,5
ccm
in
1,0
ccm
in
8.0
ccm
in
10,0
ccm
In
100,0
ccm
In
2;,
38
1
1.7
6,5
klar
3680
+
+
+
+
+
+
+
39 I
2,8
1,7
1
4520
+
+
+
+
+
+
40
8,2
7.3
3
31050
—
+
+
+
+
+
+
41
4,5
6,5
]
112 700
—
+
+
+
+
+
+
42
M
7,0
j
31050
+
+
+
+
+
43
1,7
1.7
1
35 775
+
+
+
+
+
+
+
44
1
3,6
8.6
wolkiggetrbt.
86068
+
+
—
+
+
+
+
45
3,6
8.6
klar
247 933
+
+
+
+
+
+
46
1
1.7
1
6,6
>
21500
—
+
+
+
+
+
+
47 1
5,6
3,6
getrabt
70200
+
+
+
+
+
+
48'
5,5
1.7
klar
21268
+
+
+
+
+
+
+
49 1
2,8
9,1
getrübt
76950
+
+
+
+
+
+
+
50'
3,6
4,6
>
699 763
—
+
+
+
+
+
+
51
3,6
7,3
klar
57 875
+
+
+
+
+
+
4-
52,
1.7
5,6
]
147 825
+
—
+
+
+
+
+
53;
4,6
4,5
]
43 538
—
+
+
+
+
+
+
54 i
1
4,6
3.6
1
80825
+
+
+
+
+
+
+
55>
6,6
4,5
1
7 763
—
—
+
+
+
+
+
56
8,2
4,6
>
11417
—
+
+
+
+
+
+
57
8,2
7.8
1 '
* 1
21263
—
+
+
+
+
+
+
58
1.2
6,4
1
i '
45 225
+
+
+
+
+
+
+
59'
7,3
9,1
1
81081
+
+
+
+
+
+
+
60
8,2
4.5
1
69902
—
—
+
+
+
+
+
61
4,6
4.5
1
76 950
+ +
+
+
+
+
+
62
3,1
1.7
j
54 675
+
+
+
+
+
+
+
63 !
4,5
3,6
]
44550
1
+
+
+
-+■
+
+
64'
2,8
4,5
3
81000
+
+
+
+
+
+
+
65 1
4,5
3,6
]
35100
+
+
+
+
+
+
+
66i
2.8
2,8
1
45 225
+
+
+
+
+
+
+
67
*fi
1.7
3
37 000
+ -
^
+
+
+
+
68 1
4,5
2,8
•
15530
—
+
+
+
+
+
+
69
4,5
1.7
j
157 275
+
+
+
+
+
+
+
70
9,1
1.5
3
65 433
—
+
+
+
+
+
+
71
6,4
7.8
8 316
+ +
+
+
+
+
+
72
7,8
1,7
3
62 776
+
+
+
+
+
+
73
; 3,6
6,5
etw. getrübt
33075
+
+
+
+
+
+
+
74
3,5
1,5
klar
82400
1 +
+
+
+
+
+
+
75
1,7
5,5
>
32 288
+ +
+
+
+
+
+
76
7,3
7,3
]
»
2 397
1
+
1
+
+
+
+
+
+
16^
234
Über die Bedeutung des Bacillus coli communis etc.
■ 1
Tiefe des
' Brunnens
(von Erd-
oberfläche
bis Wasser-
fläche) 1
m
Ent-
{erniing
vom
Abort
oder
Grube
! m
Beschaffen-
heit des
Wassers
1
1
Keimzahl
pro com
Wasser
D
v<
in
0,1
ccm
as Vorhandensein oder Fehlen
des Bacillus coli comm. in
arschiedenen Mengen der be-
treffenden Wasserproben.
in
0,5
ccm
in
1,0
<^cm
iD
6,0
ccm
In
10,0
ccm
in
100,0
ccm
in
7-
77
9,1
9,1
klar
43 875
+
+ +1 +
+
+ +
78
9.1
7,3
1928
+
+ + +
+
+
+
79
4,5
10,9
1767
+
+ .+
+
+
+
+
80
9,1
5,5
67
+
+ i +
+
+
+
-1-
81
4,6
9,1
33413
+ i+ -
+
+
+
82
4,6
9,1
44045
+ i+ -
+
+
+
83
7,3
14,6
17 368
+
+ + +
+
+
+
84
4,5
8,2
29 700
+
+ + +
+
+
+
85
8,2
9,1
etw. getrübt
165 725
+ + +
+
+ +
86
7,3
7,3
klar
48 600
—
+
+
+
+
+
4-
87
5,5
3,6
10800
—
— —
+
+
+ +
88
8,2
7,3
963
+
+ +
+
+
+
+
89
9.1
3,6
50625
+ -
+
+
+
+
90
3,6
5,5
3 295
M^^
+
+
+
+
+
91
10,0
7.3
18925
+
+
+
+
+
+
92
5,5
8,2
527
—
—
+
-H
93
6,4
4,5
27 653
+
—
+
+
+
+
H-
94
5,5
3,6
12488
+
+
+
+
+
95
6.4
10,0
71100
+
+
+
+
+
-h
96
14,6
3,6
etw. getrübt
1 41 178
+
+
+
+
+
+
+
97
9,9
6,6
klar
' 62 778
+
+
4-
+
+
+
-h
98
7,0
7,0
50625
+
+
+
+
+
+
+
99
7,3
9,1
45 563
+
+
+
+
+
+
+
100
10,9
9,1
43 875
+
+
+
+
+
+
+
101
1.7
7,3
20250
+
+
+
+
+
+
+
102
2,2
31,0
1890
+
+
+
+
+
+
-f
103
1.0
20,0
2530
+
+
+
+
+
+
+
104
1,5
3,5
5200
+
+
■4-
+
+
+
+
105
10,0
8,0
9360
+
+
+
+
+
+
106
1.1
5,4
j 21 380
+
+
+
+
+
+
+
107
20,0
30,0
624
+
+
+
+
+
+
108
4,0
10,0
2500
+
1
+
+
+
+
+
+
Aus dieser Tabelle können wir Folgendes ersehen:
1. Der Bacillus coli communis ist in allen Brunnenwässern
nachweisbar, vorausgesetzt dafs man genügende Wasser-
mengen, nämlich über 100 ccm zur Untersuchung ver-
Von Kenji Saito.
235
wendet. Nimmt man dazu geringere Wassennengen, so
ist dieser Bazillus nur noch in einem gröfseren oder
geringeren Prozentsatz der Untersuchungen nach-
weisbar.
Dies zeigt die folgende kleine Tabelle:
Untersuchte Wassermenge
in ccm
• •
0,1
0.5
Angabe der positiven Re-
saltate in Prozenten der
Zahl d. Untersuchungen 61 ®/o
88 Vc
1,0
92 •/,
5,0
%V«
2. Die Anzahl der im Brunnenwasser vorhandenen Keime
steht in keinem Zusanmienhang mit der leichteren oder
schwierigeren Nachweisbarkeit des Bacillus coli com-
munis in Brunnenwasser. So konnte man z. B. bei
Brunnen Nr. 80, dessen Wasser in 1,0 ccm nur 67 Keime
enthielt, schon in 0,1 ccm den Bacillus coli nach-
weisen, während im Brunnen Nr. 30 dessen Wasser in
1 ccm über 30000 Keime enthielt, erst in 5,0 ccm Wasser
dieser Bazillus nachgewiesen werden konnte.
3. Schliefslich zeigt noch die Tabelle, dals in ein und der-
selben Wasserprobe bei Verwendung gröfserer Mengen
(0,5 — 1,0 ccm) der Kolibazillus nicht nachweisbar war,
während man es in geringeren Mengen (0,1 ccm) fand
(Brunnen Nr. 26, 31, 42, 44, 47, 52, 67, 81, 82, 89
und 94); offenbar war in solchem Brunnenwasser der
Kolibazillus nur in relativ wenigen Exemf)laren vor-
handen. Man kann daher aus der Menge der nachweis-
baren Kolibakterien nicht ohne weiteres einen Schlufs
auf den Grad der Verunreinigung des Brunnenwassers
mit Fäkalien ziehen.
236 Über die Bedeutung des Bacillus coli communis etc.
Wir kommen daher zu folgendem Schlufsergebnis :
1. Der Bacillus coli communis ist in allen Brunnenwässern
nachweisbar.
2. Aus der Anwesenheit des Bacillus coli communis in
Brunnenwässern kann mann nicht ohne weiteres auf
Verunreinigung des Brunnens mit Fäkalien schliefsen.
[TiLtersnehnngeiL ftber die Hämagglntmation nnd ihre
plLysikalischen (jnmdlagen
Von
Ludwig Hirschfeld cand. med.
auB Warschau
(Aas dem Hygienischen Institut der UniTersitftt Berlin.
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner.)
Das Vorhandensein zahlreicher Schutzwirkungen gegen die
verschiedensten Gifte und Bakterienarten im Serum normaler
Tiere ist eine Tatsache, mit der jede Theorie über die Vorgänge
der Antikörperbildung sich abfinden mufs. Wenn es anfangs
schien, als ob jeder Schutzsto£E der Ausdruck einer vielleicht
unbeachteten Infektion wäre, so zwangen doch bald experimentell
gewonnene Tatsachen zu einer anderen Auffassung: denn es
fanden sich im Serum AntistofEe, die mit Substanzen reagierten,
welche nie früher in den Organismus gelangt sein konnten
(Hämagglutinine Cytolysine, etc.). Ehrlich fafste daher die
normalen Antikörper als vom Serum aufgenommene Produkte
des Zellstoffwechsels auf, welche zu den Stoffen, auf die sie wirken,
eine nur zufällige Affinität besitzen, und betrachtete ihre Existenz
als eine wesentliche Stütze seiner Ansicht, da[s die Antikörper-
bildung nur eine quantitative Steigerung physiologisch verlaufender
Vorgänge bedeute.
Eine Vorbedingung dieser Anschauung ist jedoch, dafs die
normalen Antistoffe in der gleichen Weise spezifisch auf ihre
Substrate wirken, wie die künstlichen Immunkörper auf ihre
Antigene. Wenn normale Sera nun auf die verschiedensten
Bakterien, Blutkörperchen etc. einwirken, so darf es sich nicht
um eine einheitliche Substanz handeln, welche alle diese Wirkungen
238 Untersuchangen über die Hämagglntination etc.
hervorruft, sondern die Erythrozyten jeder Spezies finden im Serum
Antikörper, welche nur auf sie, nicht auf die gleichen Gebilde
anderer Arten einwirken, die vielseitigen Leistungen normaler
Sera führen daher zur Annahme einer grofsen Multiplizität der
in ihnen enthaltenen Antikörper.
Diese Forderung der Theorie ist von verschiedenen Seiten
experimentell geprüft und bestätigt worden, allerdings mit Gründen
von verschiedener Beweiskraft.
Als wichtigstes Argument für die Vielheit der normalen
Antikörper wurde die Erscheinung der spezifischen Absorption
ins Feld geführt. Bord et ^) konnte zeigen, dafs es gelingt, das
Agglutinationsvermögen eines Serums für eine Bakterienart voll-
ständig zu erschöpfen, ohne da[s die Agglutination anderer
Bakterien dadurch irgendwie beeinflufst wird, — und die gleiche
Beobachtung machte Malkoff bei den Hämagglutininen.
Gegen die Deutung, dafs es sich bei diesem Phänomen um die
Absorption vonPartialagglutininen handelt, kamen jedoch Bor de t
selbst, sodann Landsteiner ^) Bedenken. Nachdem es sich her-
ausgestellt hatte, dafs selbst die nahestehendsten Bakterienarten
durch die Immunitätsreaktionen unterschieden werden können,
mufste das Vorhandensein unzähliger spezifischer Schutzstoffe
gegen Gebilde, welche nie mit dem Organismus in Verbindung
getreten waren, in höchstem Grade befremdUch erscheinen. Die
genannten Autoren sprechen daher die Ansicht aus, dafs die Bak-
terien, bzw. Blutkörperchen, möglicher Weise einen oder wenige
im Serum vorhandene wirksame Stoffe in der Weise beeinflussen,
dafs sie nunmehr auf die gleiche Zellart nicht mehr einwirken
könnten. Landsteiner'), der dieser Frage experimentell näher
trat, änderte jedoch dann selbst seine Ansicht, nachdem es ihm
gelungen war, von den zur Absorption benutzten Blutkörperchen
das Agglutinin wieder abzuspalten. Allerdings wirkte das so ge-
wonnene Agglutinin auch auf andere Blutarten, wenn auch stets
1) Annal. Pasteor 1899.
2) Müncb. medizin. Wochenscbr. 1902, Wiener klin. Wochenschr. 1902,
Wiener klin. Rundschau 1902.
3) Landsteiner u. Reich, Zentralbl. f. Bakt. 1906.
Von Ludwig Hirachfeld, cand. med. 239
schwächer. Landsteiner und Stürli^) bilden sich daher die
Vorstellung, dafs im Serum einige wenige Agglutinine vorhanden
seien, durch deren verschiedenartigste Kombinationen spezifische
Wirkungen zustande kommen könnten. Es scheint mir jedoch,
dafs auch diese Annahme nicht zu einer befriedigenden Erklärung
der spezifischen Absorption führt.
Neuerdings wurde die Frage wieder aufgerollt durch dio
Entdeckung spezifischer antagonistischer Substanzen, welche
Pfeifer und Friedberger^) im normalen Serum nach Aus-
fällung durch Bakterien beobachtet hatten. Während die Ent-
decker die Existenz im Serum präformierter Substanzen annahmen,
verfochten BaiP) und WeiM) die Ansicht, dafs es sich um aus
den Bakterienleibern stammende Hemmungssto£Ee handele. Weitere
Experimente, besonders von Sachs^), lassen sich jedoch mit
dieser letzteren Ansicht schwer in Einklang bringen.
Bei der unbefriedigenden Lösung, welche die Frage der
spezifischen Absorption bisher gefunden hat, können die übrigen
Tatsachen, auf welche sich die Ansicht von der Multiplizität
der normalen Antikörper stützt, eine erhöhte Bedeutung
beanspruchen.
Als besonders schwerwiegend wird der Umstand angesehen,
dafs in verschiedenen Seris die einzelnen Antisto£Ee in ungleichen
Proportionen enthalten seien, ein Verhalten, das M. Neisser für
mehrere Antitoxine nachwies. In bezug auf die Hämagglutinine,
mit denen sich die folgende Arbeit beschäftigt, hat Lüdke^)
neuerdings ähnliche Angaben gemacht, und aus seinen Be-
obachtungen den Schlufs gezogen, dafs die Agglutinine für ver-
scldedene Blutarten in den einzelnen Seris, entsprechend der
Theorie, in ganz regellosen Proportionen anzutreffen seien. Der-
artige Untersuchungen können für die vorliegende Frage nur
dann verwandt werden, wenn die Blutkörperchen einer Spezies,
1) Wiener klin. Wochenschr. 1909» Wiener klin. Rundschau 1902.
2) Deutsche medisin. Wochenschr. 1905.
3) Archiv f. Hygiene 1905.
4) Archiv f. Hygiene 1905.
5) Deutsche med. Wochenschrift, 1905.
6) Zentralbl. f. Bakt. 1905, 1906.
Archiv für Hygiene. Bd. LXm. 17
240 Untersachangen über die Hämagglutination etc.
auf welche die verschiedensten Sera einwirken, auch stets von ein
und demselben Individuum stammen. Nur so ist es möglich,
die aufserordentlich starken individuellen Differenzen in der
Agglutinabilität der Blutkörperchen auszuschalten und überhaupt
zu vergleichbaren Werten zu gelangen. Da dieser Faktor in der
Arbeit Lüdkes nicht betont wird und nach dem Ergebnis
meiner Untersuchungen nicht berücksichtigt sein kann, so
werden damit auch die von Lüdke gezogenen Schlüsse
hinfällig.
Überhaupt ist es nicht angängig, aus der Verdünnung, in
der ein Serum noch agglutiniert, ohne weiteres Schlüsse auf die
im Serum vorhandenen Agglutininmengen zu ziehen, ein oft be-
gangener Fehler, der erst in letzter Zeit durch die Arbeiten über
die Kolloidchemie und ihre Beziehungen zur Immunitätsforschung
ins rechte Licht rückte. Wenn man nämlich die verschiedene
Stärke der Agglutination der einzelnen Blutarten auf verschiedene
Mengen der Agglutiuine zurückführt, so übergeht man still-
schweigend die Möglichkeit, dafs die Agglutinabilität der Blut-
körperchen keine feststehende Gröfse ist. Man müfste erst die
Variabilität dieser Gröfse ausschalten, bevor man irgendwelche
Schlüsse über die Mengen der Normalagglutinine ziehen könnte.
Mir scheint, dafs insbesondere beim Studium der Temperatur-
einwirkungen auf die Agglutinine infolge Nichtbeachtung dieses
Faktors den Forschern bereits manche Irrtümer unterlaufen
sind. So wird angenommen, dafs Tuberkulose und Pestagglutinine
bei 56® inaktiv werden, und Pick^) fand Choleraagglutinin
empfindlicher gegen hohe Temperatur, wie Typhusagglutinin.
Nun ist bekannt, dafs diese Skala der AgglutinabiHtät der Bakterien
entspricht (Nicoll und TrenelP). Ich halte es in diesem
Falle nicht für ausgeschlossen, auch wenn ich speziell für diese
Frage keine experimentellen Belege zu liefern vermag, dafs es
sich einfach um den Ausdruck einer verschiedenen Agglutinabilität
handelt, und dafs es unrichtig ist, hier eine verschiedene
Empfindlichkeit der Agglutinine der Temperatur gegenüber an-
1) Hofmeisters Beiträge 1902.
2) Ann. Pasteur 1902.
Von Ludwig Hirachfeld, cand. med. 241
zunehmen. Denn — nachdem dtis Agglutinin geschädigt ist,
verliert es die Möglichkeit, die schlecht agglutinablen Tuberkel-
bazillen, nicht aber Cholera- und Typhus, zu agglutinieren.
Erst nach der successiven Abschwflchung des Serums gehen all-
mählich die Typhus- und Choleraagglutinine zugrunde, d. h.
die eine Komponente wird allmählich unfähig, auch die labilen
Bakterien zu fällen. Den gleichen Fehler begeht auch L ü d k e ,
welcher beobachtete, dafs das Agglutinationsvermögen des Serums
für die einzelnen Blutarten durch Erwärmen in ungleicher Weise
leidet, und daraus den Schlufs zieht, dafs im normalen Serum
eine Vielheit von Agglutininen von verschiedener Thermoresistenz
vorhanden sei, — ein Verhalten, das, wie ich mich bemühen
werde, zu beweisen, einzig und allein von der Agglutinabilität
der betrefiEenden ßlutarten abhängt.
Die Aufgabe der folgenden Untersuchungen soll es nun sein,
zunächst einmal unter Berücksichtigung aller Kautelen an einem
möglichst umfassenden Material die Agglutination der verschiedenen
Blutarten durch normale Sera quantitativ zu verfolgen und da-
mit die tatsächliche Frage zu entscheiden, ob die allgemein an-
genommene und für die Multiplizität der Normalagglutinine ver-
wertete Regellosigkeit des quantitativen Verhaltens zu Recht
besteht.
Die Prüfung dieser Frage schien um so interessanter, als
Bürgi^) bereits in einer Arbeit aus dem hiesigen Institut bei
der Bakterienagglutiuation eine bemerkenswerte Gesetzmäfsigkeit
gefunden hatte. Ordnete er die verschiedenen Tiersera nach
ihrem Agglutinationsvermögen für eine bestimmte Bakterienspezies,
80 fand er, dafs dieselbe Skala bei allen anderen untersuchten
Bakterienarten wiederkehrte. Ganz ähnlich verhielten sich die
Sera in ihrem Fälluugsvermögen auf Mastixsuspensionen.
Wenn ich nun auf Anregung von Herrn Dr. Friedemann, dem
ich auch an dieser Stelle für die Unterstützung und Leitung sowohl
bei den Experimenten, wie bei den theoretischen Ausführungen
meinen warmen Dank ausspreche, analoge Versuche an Blut-
körperchen vornahm, so geschah es einmal, um ev. dem von ßurgi
1) Archiv f. Hygiene 1907.
17*
242
Untersachongen über die Hämagglutiiiation etc.
gefundenen Gesetz eine allgemeinere Gültigkeit zu verschaffen, so-
dann aber, weil die Blutkörperchen gegenüber Bakterien gewisse Vor-
teile bieten. Bei ihnen ist nämlich die Möglichkeit ausgeschlossen,
dafs es sich um echte Immunagglutinine handelt, welche nach
einer nicht beachteten Infektion auftreten, und zu den Normal-
agglutininen zugerechnet, die Übersicht stören könnten. Es ist
allerdings eines zu berücksichtigen, was bei der Bakterien-
agglutination nicht in Betracht kommt: das ist die Artverwandt-
schaft der Tiere, welche Blut und Serum liefern. Indessen, wie
wir sehen werden, ist sie nicht imstande, die sich hier ergebenden
Regeln irgendwie zu benachteiligen.
Ganz besonders sind aber die Blutkörperchen geeignet zum
Studium der einzelnen Faktoren, welche den Agglutinationseffekt
beeinflussen. In dem II. Abschnitt dieser Arbeit werde ich
daher versuchen, für einen dieser Faktoren, nämlich die
Agglutinabilität oder Suspensionstabilität der verschiedenen Blut-
. arten, durch besondere Methoden ein Mafs zu gewinnen und
damit ihren EinSufs auf die quantitativen Resultate zu eruieren.
Tabelle I.
Schweineblnt 5®/o.
Akt. Sera
v,
V,
V.
V.
V,e
v„
Ve4
V,«
1/
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KaCl
Huhn . .
V.
V.
V.
V.
unv.
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Spur
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unv.
unv.
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wen.
Spur
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Ziege . .
Spur
Spürch.
ü
Kaninchen
*
1
Hund . .
>
>
Pferd . .
9
Hammel .
Spur
»
Meerschw.
Spur
Bemerkung : v. = vollständig, f. v. = fast
Von Lodwig Hirschfeld, cand. med.
243
Experimenteller Teil.
I. Teil. Fällung der Blutkörperchen durch normale Sera.
Ich untersuchte Sera von: Huhn, Schwein, Pferd, Hammel,
Hund- Ziege, Kaninchen, Meerschweinchen und Rind, — und
Blutkörperchen von denselben Tieren. Die Sera wurden bei 56°
inaktiviert, in geometrischer Reihe mit 0,85°/oNaCl verdünnt, die
Blutkörperchen zweimal mit Na Cl gewaschen. Die Untersuchung
geschah makroskopisch, nachdem die Röhrchen zwei Stunden bei
37°, dann bis zum nächsten Tage im Eisschrank gestanden haben.
Sämtliche Sera waren stets gleich alt, sämtliche Blutarten einer
Reihe wurden mit demselben Serum behandelt. Die Blutkörperchen
der gleichen Spezies stammten stets von demselben Tier und
wurden an einem Tage gegen alle Sera austitriert. Es hat sich
ein bemerkenswertes Resultat ergeben: auf den ersten Blick
schien es, als ob tatsächlich die Menge der Agglutinine in einem
Serum verschieden wäre, denn das untersuchte Serum ergab mir
mit verschiedenen Blutarten verschiedene Agglutinationshöhen,
an deren Spitze Kaninchen und Pferd, deren untere Grenze Rind
und Ziege, die ganz inagglutinabel sind, einnahmen. Die weitere
Untersuchung lehrte mich aber eines anderen: denn dieselbe
Reihenfolge wiederholte sich bei jeder anderen
Blutart.
TabeUe I.
Pferdeblut öVo-
'/■
V,
V.
Vg
V,a
V.,
Vm
1/
'in
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NaCl
V.
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unv.
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Spur
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>
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wen.
Spur
Spur
>
>
>
unv.
»
>
f.v.
unv.
Spur
Spur
Spürch.
Spur
vollständig, unv. = unvollständig.
244
Untersuchungen Aber die Hftmagglutination etc.
Hundeblut 5«/o
»
Akt. Sera
V.
V.
V.
V.
V.e
v„
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Im
NaCl
Huhn . .
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1 V.
V.
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wenig
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unv.
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Hund . .
ü
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Spur
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Sera inakt.
m
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V4
V.
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f. V.
f. V.
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wenig
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>
wenig
Spur
Spürch.
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Spur
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Spur
Pferd . . .
>
9
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wenig
>
>
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Sera inakt.
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wenig
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Spur
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wenig
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Von Ludwig Hirachfeld, cand. med.
245
Kaninchenblat 57o-
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Spur
Spürchen
1. V.
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unv.
Spur
Spur
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>
wenig
Spur
SpOrchen
(
)
Rinder- und Ziegenblut werden spurweise blofs von HQhner-
flemm agglutiniert, sonst ist bei ihnen keine Spur von Agglutination zu
beobachten.
246
Untersuchungen über die Hämagglutination etc.
Tabelle U.
Schweine blut 5^/^. Mit unerhitzten Serie
Sera inakt.
i V. '/.
V4
Vs
V,e
V,.
V«
v.«
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Huhn . .
Rind . .
Pferd . .
V.
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Spürch.
Ziege . .
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>
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Spur
Spur
>
Hund . .
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Hundeblut ß«/«.
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Schwein . .
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Kaninchen
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1
Von Ludwig Hirgchfeld, cand. med.
247
Tabelle TL
Schweineblut 5°/o. Mit erhitzten Seris.
'/.
V. V.
1/
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V..
•/.,
V«
'/,„ NaCl
1
V.
nnv.
V.
unv.
V.
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f. V.
Spur
unv.
Spürchen
unv.
Spur
1
Spürchen
!
f. V.
>
>
>
nnv.
>
unv.
>
Spur
Sparchen
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249
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wenig
Spur
Spürchen
Spur
Spürchen
1
250
Untersachangen über die Hämagglutination etc.
(Die letzten zwei Tabellen haben durch das Eintreten der Hämolyse an
Übersichtlichkeit verloren. Hammelblut ergab sehr geringe Agglutination,
Rind* und Ziegenblut keine. Auf den Unterschied zwischen erhitzten und
unerhitzten Seris werde ich später einzugehen haben.)
Wenn ich in einer Tabelle noch alles im Zusammenhang
fassen kann, indem ich in senkrechter Richtung die Sera, in
wagrechter die Blutarten schreibe und in dem Kreuzungspunkte
die letzte Verdünnung, bei welcher noch »Spur« zu sehen ist,
so ergibt sich folgendes Bild:
Sera
Pferd
1
Kanin-
chen
Schwein
Huhn
Hund
Meer-
schwein-
chen
Ham-
mel
Ziege
Rind
Huhn . .
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128
256
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Kaninchen
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Hammel
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2
2
2
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1
Pferd . .
—
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1
2
2
Meerschw.
1
r
2
1
Diese Tabelle bringt die ganze Bedeutung der früheren
Tabellen zum Vorschein, — denn sie besagt, dafs die Agglu-
tination der Blutkörperchendurch Normalsera mitge-
ringen Ausnahmen eine Funktion zweier unabhängiger
Gröfsen ist: der Agglutinabilität der Blutkörperchen,
die sämtlichen Seris gegenüber auf gleiche Weise in
Erscheinung tritt, und der agglutinierenden Kraft
des Serums, die sich, ebenfalls unabhängig, sämt-
lichen Blutarten gegenüber gleich offenbart.
Und da man solche Funktionen, die unabhängig von ihren
Komponenten in Erscheinung treten, im allgemeinen als additiv
bezeichnet, so möchte ich der Kürze halber diesen Befund auch
so formulieren, dafs die Agglutinationshöhe als additive
Eigenschaft der Serumstärke und der Agglutinabilität
der Erythrozyten anzusehen ist.
Dieselbe Reihenfolge der Sera und der Blutarten bekam ich
auch in zahlreichen anderen Versuchen ; — doch begegneten mir auch
Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 261
ab und zu Ausnahmen, z. B. Schweineserum, das sehr sohwach
war, oder Meerschweinchenblut, das sich äufserst gut agglutinieren
lieEs etc. — die weitere Untersuchung dieser Abweichung führte
jedoch zu einer wertvollen Bestätigung der obigen Annahme, denn
68 zeigte sich, dafs dann das Serum auch allen anderen Blutarten
gegenüber an St&rke eingebüfst hat, so dafs die Regelmftlsigkeit in
bezug auf Abstufungen der Agglutininstärke erhalten war. Man .
könnte die verschiedene Agglutinabilität als Ausdruck der ver-,
schiedenen Agglutininmengen im Serum auffassen, also an-
nehmen, dafs z. B. Rind bei sämtlichen Seris keine oder blols
geringe Rezeptoren findet^ Pferdehlut dagegen viele etc. Zum
Teil könnte vielleicht die Annahme gestützt werden durch die
Beobachtung, dafs ein Kaninchenimmunserum, das das Rinder-
blat noch in Verdünnung 0,01 löste, es nicht zu agglutinieren
vermag. Man würde also zu der Vorstellung geführt, dafs der
Mangel an Normalagglutininen die Möglichkeit ausschliefst,
Immunagglutinine hervorzurufen. Indessen wissen wir seit
Morgeuroth und Sachs^), dafs die Präexistenz der Normal-
ambozeptoren im Serum keine notwendige Vorbedingung zur
Entstehung von Immunambozeptoren ist (»sessile Rezeptoren c).
£s erschien auch unwahrscheinlich, dafs das Blutkörperchen, das
mit Serum ja sicher in Wechselbeziehung tritt (wie die Tatsache
der Normalhämolyse beweist), keine agglutinierenden Rezeptoren
finden sollte. Wir wissen, mit welch enormer Zahl von Stoffen
das Serum reagieren kann, und nun sollte es einem so kompli-
zierten Komplex gegenüber, wie es ein Blutkörperchen ist, ver-
sagen? Offenbar hängt das nicht mit den Serumagglutinineu zu-
sammen, deren Zahl und Affinität in diesem Falle gleichgültig
sind, sondern einzig und allein von der Stabilität der Blut-
körperchenaufschwemmung.
Dafs es sich tatsächlich nicht um eine verschiedene Empfindlich-
keit der Agglutinine der Temperatur gegenüber handelt, wodurch
bei dem gleichen Prozefs der Inaktivierung (56 ®) die Sera verschieden
stark beeinfiufst wurden, bewiesen mir Parallelversuche mit un-
erhitzten Seris. Um Hämolyse zu vermeiden, benutzte ich blofs
1) Berl. klin. Wochenschr. 1902.
252 Untersachungen über die Häxnagglutination etc.
abgekühlte Lösungen und stellte v die Röhrchen gleich in den
Eisschrank. Im grofsen und ganzen sind die Werte dieselben
geblieben, auch wenn die Übersicht manchmal gestört ist: die
Hämolyse, die manchmal auftritt, wirkt der Agglutination ent-
gegen, ein Verhalten, das bereits von Lüdke^) beobachtet und
auf Verkürzung der Reaktionszeit sowie stärkere Affizierung der
angegriffenen Zellen durch vollkommenes Zumausdruckkommen
des lösenden Agens zurückgeführt wurde.
Durch diese Beobachtung kann man auch manches erklären, was auf
Multiplizität der Normalagglutinine und ihre yerschiedene Empfindlichkeit
der Temperatur gegenüber hinzudeuten schien. Ich greife nur einige Be-
obachtungen von Lüdke heraus: z. B. soll beim Meerschweinchen das
Agglutinin durch Erhitzen verschwinden, Meerschweinchenagglutinin wird
also als empfindlicher angesprochen wie z. B. Pferdeagglutinin. In Wirklich-
keit handelt es sich blofs um Quantitätsdifferenzen : das kraftlose Meer-
schweinchenserum wird durch die geringste Abnahme seiner agglutinierenden
Kraft stark geschädigt, eine Abnahme, die bei dem stärkeren Pferdeserum gar
nicltt zum Ausdruck kommen kann. Es handelt sich nicht um die Unter-
schiede in der absoluten Zahl der zerstörten Agglntininmengen, sondern am
Effekt einer gleichen Abnahme der Agglutinationskraft, — der je nach der
ursprünglichen Stärke verschieden ausfallen mufs. — Selbstverständlich liegt
die Möglichkeit der verschiedenen Empfindlichkeit vor: sie ist aber durch
Lüdkes Experimente nicht im geringsten erwiesen. Oder z. B. Agglutinin
für Hammelblut soll empfindlich sein. Die Agglutinationsstärke können wir
blofs in ihrer Funktion erkennen; diese Funktion ist allerdings gehemmt,
als hauptsächlicher Faktor ist aber die Stabilität der Hammelerythrozyten
anzusprechen, durch welche die geringste Abnahme der Serumstärke schwerer
ins Gewicht fällt, wie bei einer gut aggluUnablen Blutart. [Lüdke konnte
ebenfalls die Beobachtung machen, dafs Rinderblut (weniger Hammelblut)
sich auch gegen Immunsera sehr refraktär erweisen.]
Ich möchte erwähnen, dafs die unerhitzten Sera das Rinder-
blut spürchenweise agglutinieren. Ich kann dem aber nicht die
Bedeutung beimessen, dafs Agglutinin gegen Rinderblut labiler
ist wie andere: denn 1. ist die genaue Beobachtung durch
Hämolyse gestört, 2. auch bei anderen Seris verschieben sich etwas
die Werte, mal zugunsten, mal zuungunsten der inaktivierten,
3. für das gleiche Abfallen der Agglntininmengen ist das schlecht
agglutinable Blut ein viel feineres Reagens, als das gut aggluti-
nable — ebenso wie an einem schwachen Meerschweinchenserum
1) a. a. O.
Von Ludwig Hirachfeld, cand. med. 253
die Erhitzung scheinbar viel gröfsere Spuren hinterläfst wie an
einem starken.
Mit der Agglutinabilität der Blutart bzw. mit der Stärke
eines Serums verknüpft sich innig ein dritter Faktor: die Zeit.
Je ausgesprochener die oben erwähnten Eigenschaften sind, um
so schneller sieht man das Agglutinationsmaximum. Das scheint
nicht ohne Bedeutung für die Erklärung eines Versuches, den
mit Immunserum bereits Borde t angestellt hat. Nimmt man
zwei verschieden agglutinable Blutarten, z. B. Pferd (gut) und
Huhn (mäfsig), mischt und setzt man dann Serum hinzu, so
kann man sehr schön mikroskopisch verfolgen, wie die runden
Pferdeerythrozyten zueinander wandern und blofs miteinander
verkleben: eine Vermischung findet nicht statt, die Hühner-
erythrozyten reagieren ebenfalls blofs miteinander. Indessen,
nach dem froher Gesagten ist das Pferdeblut nicht blofs besser,
sondern auch schneller agglutinabel — mit anderen Worten ist
das bei dieser Versuchsanordnung die blofse Wiederholung des
Malkof fschen^) Absorptionsversuches. Um die Blutkörperchen
gleichzeitig dem Einflufs des Agglutinins auszusetzen, raufs man
ungefähr gleich gut agglutinable Blutarten nehmen. In der Tat
zeigen Huhn (mäfsig) und Meerschweinchen (mäfsig) bei weitem
nicht die hochgradige Spezifität: wenn auch die Haufen der
Hauptsache nach von Erythrozyten einer Art gebildet werden,
so sieht man doch zahlreiche Stellen, wo die ovalen Hühner-
erythrozyten sich den runden von Meerschweinchen und umge-
kehrt anlagern. Selbstverständlich läfst dieser Versuch eine
doppelte Deutung zu — man kann ihn im Sinne eine Rezep-
torenverwandtschaft interpretieren — es ist aber ebenso möglich,
dafs er Ausdruck der noch nicht ausgebildeten Spezifität ist, ein
Verhalten, das gegen die Präexistenz der vielen Normalagglutinine
sprechen würde.
Nachdem es sich herausgestellt hat, dafs die verschiedenen
Blutarten gegenüber sämtlichen Seris dieselbe Skala in bezug auf
die Agglutinabilität aufweisen, war es nun von gröfstem Interesse,
1) Deutsche med. WochenBchr. 1900.
2) Diese BeobachtuDg bezieht sich ausschliefslich auf NormalagglutiniD.
254
Untersachangen über die Hämagglotinatioii etc.
ZU untersuchen, inwieweit dieses Verhalten auch gegenüber
anderen agglutinierenden Substanzen zum Ausdruck kommt. Aus
theoretischen Gründen sQbieneu mir die Untersuchungen der
Phytotoxine, von denen mir das Abrin zur Verfügung stand, ein
besonderes Interesse zu bieten. Denn bekanntlich wird im Sinne,
der Ehrlich sehen Seitenkettentheorie die verschiedene Empfind-
lichkeit der Blutarten gegenüber diesen Blutgiften als ein
Kriterium für das Vorhandensein spezifischer Rezeptoren ange*
sehen. In der Tat konnte Sachs^) zeigen, dafs beim Spiunen-
gift die Empfindlichkeit und das Bindungsvermögen parallel geht.
Wenn es sich daher herausstellen sollte, dafs die Empfindlich-
keitsskala gegenüber Abrin identisch ist mit der gegenüber
Serumagglutininen, so würde dieses Resultat zu dem theoretisch
wichtigen Schlufs führen, dafs entweder beim Abrin die Bindungs-
fähigkeit der Blutarten mit der Agglutinabilität in keinem Zu-
sammenhang steht, oder aber dafs die bindenden Faktoren der
Blutkörperchen für Serumagglutinine und für Abrin identisch sind.
Der Versuch ergab nur in der Tat, dafs die Reihenfolge der
Blutarten fast genau dieselbe geblieben ist wie bei Serumaggluti-
nation. ^)
Abrin.
Blatarten
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Sp.
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unv.
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Sp.
SpQrch.
Rind ....
SpQrch.
Ziege . , . .
1
Die Kontrolle mit Schweineserum ergibt dieselbe Reihenfolge mit
einer kleinen Abweichung bei Hundeblut, das bei Serum nicht die Fei-
ste llung einnimmt.
1) Hofmeisters Beiträge.
2) Hell in (Inaug.-Diss. Rostock 1901) hält das Pferde- und Hnndeblnt
als am meisten gegen Abrin empfindlich. Kaninchen und Rind sollen sich
mehr refraktär erhalten. Wie gesagt, kann ich das blofs teilweise bestätigen.
Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 255
m
Versuche über die verschiedene Bindungsfähigkeit für Abrin
habe ich nicht angestellt, da diese Frage mit dem von mir an-
fänglich gestellten Problem in keinem direkten Zusammenhang
steht. Sollte sich aber die Bindungsfähigkeit der Agglutina-
bilität parallel erweisen, so würde das zu Schlüssen von gans
grofser Tragweite über die Bildung von Antikürpern führen»
Da die immunisatorisch erzeugten Antikörper streng spezifisch
und also das Antibrin unmöglich mit dem etwaigen Anti-Serum-
agglutinin identisch sein könnte, so würde der gemeinsame An*
griffspunkt des Abrins und Serumagglutinins am Blutkörperchen
dafür sprechen, dafs das Antitoxin nicht mit dem Rezeptor,
der nach Ehrlich die Bindung des Toxins vermittelt, identisch
sein könnte. Ich habe auch einige Versuche angestellt, um
experimentell zu eruieren, ob in der Tat der Angriffspunkt des
Abrin und Serumagglutinins am Blutkörperchen gemeinsam ist.
Ich ging dabei so vor, dafs ich schlecht agglutinierende Sera in
nicht mehr wirksamer Konzentration auf die Blutkörperchen
einwirken liefs, die Zwischenflüssigkeit durch Zentrifugieren ent-
fernte und nun untersuchte, ob die Agglutinabilität gegenüber
Abrin im Vergleich zu unbehandelten Blutkörperchen herabgesetzt
ist. Die Resultate dieser Untersuchungen waren nicht so eindeutig,
dafs ich bei Bedeutung dieser Frage irgend welche Schlüsse
ziehen könnte. Ich behalte mir deshalb vor, im anderen Zu-
sammenhang auf dieses Thema zurückzukommen.
II. Teil.
Fällung der Blutkörperchen durch Kolloide und Salze.
Im ersten Teil dieser Arbeit habe ich feststellen können,
dafs die normale Agglutination der Blutkörperchen als additive
GröCse der zwei hier wirkenden Komponenten zu betrachten ist,
d. h. je labiler die Blutkörperchenaufschwemmung, je stärker
das Serum, um so höher steigt die Agglutination; mit anderen
Worten: dafs die verschieden starken Agglutinate eines Serums
mit vielen Blutarten nicht als Beweis einer Vielheit der Aggluti-
nine in dem betreffenden Serum gelten können. Es war nun von
besonderem Interesse zu untersuchen, ob die obengenannten Eigen-
ArchlT fiir Hygiane. Bd. LXIII. 18
266 Untersuchungen Ober die Hämagglutination etc.
Schäften beider Komponenten sich nicht physikalisch-chemisch
fixieren liefsen, ob man also nicht in dem komplizierten biologischen
Vorgang Momente fände, die ihn der Willkür einer Zufallsaf&nität
entreifsen könnten. Der Gedanke lag um so näher, als es Bürgi
gelungen ist, die Parallelität der fällenden Kraft des Serums
gegenüber Bakterien und Mastix nachzuweisen, womit die Möglich-
keit vielleicht gegeben ist, die Gesetze, die man in bezug auf
fällende Kraft gegenüber Kolloiden eruiert hat, auf Serum anzuwen-
4en. unbekümmert um die angenommene Vielheit der Agglutinine.
Es dürfte durch die Arbeiten der letzten Jahre wahrschein-
lich geworden sein, dafs der Agglutinationsvorgang mit den
Fällungen von Suspensionskolloiden in nahem Zusammenhang
steht. Da diese von den elektrischen Eigenschaften der kolloi-
dalen StofEe abhängen, so bestand zunächst die Aufgabe, die
Art der elektrischen Ladung der Blutkörperchen festzustellen.
Zu diesem Zwecke untersuchten Landsteiner und Jagic^).
sowie Henri 2) und seine Schüler die Fällbarkeit der Erythro-
zyten durch Kolloide und konnten zeigen, dafs im Gegensatz zu
unorganischen Suspensionen und Bakterien, welche zur Anode
wandern und daher nur von elektropositiven Kolloiden gefällt
wurden, die röten Blutkörperchen ein mehr amphoteres Verhalten
zeigen, d. h. sowohl durch positive wie negative Kolloide ausge-
flockt werden. Dementsprechend fand auch Hob er bei der
Kataphorese ein mehr kompliziertes Verhalten. Im allgemeinen
wandern die roten Blutkörperchen, in Rohrzucker oder Neutral-
salzen der Alkalien und Erdalkalien aufgeschwemmt, im Potential-
gefälle zur Anode. Es gelingt aber aufserordentlich leicht, durch
kleine Mengen von Säure, Kupfer-, Silber-, Eisen- und Aluminium-
salzen die Richtung der Kataphorese umzukehren. Ja Hob er')
erzielte dies Resultat sogar bei CO2 gesättigten Blutkörperchen
schon durch Erhöhung der Salzkonzentration. Offenbar ist dies
Verhalten auf den amphoteren Charakter der in den Blutkörper-
1) Müncb. med. Wochenschr. 1904.
2) Compt. rend. de la soci^t^ de biol. 1904.
3) PflOgers Archiv 1904. Hob er, Physik. Chemie d. Zelle u. Gewebe.
II. Auflage.
Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 257
eben entbaltenen EiweifskOrper, vielleicht auch des Lezithins,
zurückzuführen. Über die Fällbarkeit der Erythrozyten durch
Salzlösungen, welche ja ebenfalls die Kolloide zu charakterisieren
vermag, liegen systematische Untersuchungen bisher nicht vor.
Nachdem ich so die Kolloideigenschaften der roten Blutkörperchen
in grofsen Zügen als bekannt voraussetzen darf, schien es
nun vor allem von Interesse, zu untersuchen, ob die verschiedenen
Blutarten, welche den Serumagglutininen und dem Abrin gegenüber
ein so ungleiches Verhalten an den Tag legten, auch eine ver-
schiedene Suspensionsstabilität gegenüber Salzen und Kolloiden
besitzen, und ob etwaige Unterschiede in derselben Richtung
liegen. Zu einer derartigen Untersuchung ermutigten die schönen
Versuche von Porges^), welcher einen Parallelgang zwischen der
Agglutinabilität der Bakterien durch Sera und ihre Fällbarkeit
durch konzentrierte Lösungen der Alkalisalze feststellte. Ich
möchte jedoch ausdrücklich bemerken, dafs es vorläufig unbe-
rechtigt ist, diese Differenzen mit der Spezifität der Immun-
körperreaktionen in Zusammenhang zu bringen. Wenn verschiedene
Blutarten durch ein Toxin (z. B. Ricin) ungleich stark agglutiniert
werden, so sind diese Unterschiede deswegen durchaus keine
spezifischen. Den Begriff der Spezifität müssen wir auf jene
Vorgänge beschränken, bei denen Wahlverwandtschaften zwischen
den reagierenden StofEen eine Rolle spielen, wie es bei den
Reaktionen zwischen den Antikörpern und ihren Antigenen der
Fall ist. Solche Vorgänge sind aber gerade dadurch ausge-
zeichnet, dafs ihr Verlauf nicht durch Eigenschaften bedingt ist,
die an den Komponenten an sich haften, sondern ihnen nur
in Wechselbeziehungen aufeinander zukommen. Die vorliegen-
den Untersuchungen sollen daher nicht die Spezifität der
Immunitätsreaktionen erklären, sondern im Gegenteil zeigen, in-
wieweit nicht spezifische Faktoren dabei eine Rolle spielen.
Landsteiner und Jagic^) entwickeln allerdings Vorstellungen,
nach denen eine gegenseitige Beeinfiussung von Kolloiden im
Sinne einer spezifischen Wirkung möglich sein sollte. Diese
1) Zentralbl. f. Bakt. 1906.
2) a. a. O.
18»
258 ÜntersachuBgen über -die Hämagglatination etc.
Autoren fassen nach dem Vorgange Billitzers^) die Kolloid*
teilcben als grofse Komplexe auf, welche Jonen abdissoziieren
und daher selbst als Jonen betrachtet werden können. Die
Immunkörper sind nach dieser Vorstellung Kolloide, welche ge-
mäls ilirem amphoteren Charakter H* und OH«Jonen aussenden
können. Ein stark saueres Kolloid soll nun vermittelst der
H'Jonen die Jonisierung eines schwächer saueren Kolloides
beeinflussen können und damit dessen basischen Charakter
verstärken. Es dürfte aber wohl schwierig sein, sich auf
diesem Wege die Entstehung von Kolloidkombinationen vorzu-
stellen, die in der gleichen ausschlielsiichen Weise miteinander
reagieren, wie Antikörper und Antigen.
Die folgenden Untersuchungen sollen zeigen, inwieweit die
Reibenfolge der Agglutinabilität der verschiedenen Blutarten mit
ihrem Verhalten gegen Kolloide und Salze in Zusammen-
hang steht.
Ich untersuchte die Fällung mit folgenden Kolloiden:
+ a) Ferrihydrat — a) Arsentrisulfid
b) Chromhydroxyd b) Molybdänsäure
c) Kieselsäure.
Chromhydroxyd, Molybdänsäure, Kieselsäure wurden in
salzfreiem und salzhaltigem Medium untersucht; Ferrihydrat und
Arsentrisulfid blofs in salzfreiem. Wie das speziell von Land-
steiner und Jagic^), Henri^), beim Blut beobachtet worden
ist, sind positive und negative Kolloide wirksam. (S.Tab. S. 259.)
Tab. I. Ergebnis:
1. Kieselsäure fällt in salzhaltigem Medium sämtliche Blut»
körperchen aus (s. Landsteiner und Jagic).
2. Zwischen der Agglutinabilität der Blutkörperchen durch
Kieselsäure bestehen keine nennenswerten Unterschiede.
Beim Kaninchen finden wir eine geringe Hämolyse. Eis
kann sich selbstverständlich nicht um irgendwelche osmotischen
1) Zeitschr. f. physik. Chemie 1903.
2) a. d) 8. o.
Von Ludwig Hirachfeld, cand. med.
259
Tabelle
I. KfeselsSiire.
Blut 1
in 0,85° EochBalz
suspendiert.
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StöruDgen bandeln : das Blut befindet sieb in isotoniscber Kocb-
Salzlösung, und die zugesetzte bocbmolekulare Kolloidlösung kann
das unmöglich stark beeinflussen. Anderseits als AngrifEspunkt
dient ja die Plasmabaut der Blutkörperchen — und irgendwelche
tiefere Zerstörung im Innern der Blutkörperchen sind ausge-
schlossen. Es handelt sich wohl um eine geringe Herabsetzung
der Widerstandsfähigkeit des Blutkörperchens, wie das bereits
Landsteiner und Jagic^) bei Kolloidblutfällung beobachtet
und in diesem Sinne gedeutet haben, eine Herabsetzung, die auch
nach Ehrlich^) beim Ricin stattfindet, wobei das Blutkörperchen
bei nachträglichen kleinen Schädigungen, wie Aufschütteln (beim
Protokollieren I) etwas Hämoglobin durchläfst. Die Tatsache, dafs
beim Protokollieren nach einer Stunde noch keine Hämolyse und
erst na.ch 24 Stunden eine solche deutlich zu sehen war,
scheint mir eine Bestätigung der oben entwickelten Anschauung.
1) Etwas Hämolyse.
2) S. o.
8) Gesammelte Arbeiten über Immnnitätsforschung, herausgegeben von
Paul Ehrlich.
260
üntersachungeii über die Hämagglatination etc.
Die Reaktionsgeschwindigkeit ist sehr grofs: nach einigen
Minuten ist die Fällung zum Stillstand gekommen. Wie man
aus den Protokollen nach 24 Stunden ersieht, ist die Fällung
blols um eine Kleinigkeit gestiegen. (Eine geringe Ausnahme
scheint Meerschweinchen zu sein.)
Tabelle II. Molybdttnsftnre.
(BlutkörpercheDaufschwemmuDg und VerdünnoDgeflüssigkeit — 0,85° NaCI.)
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Tab. II. Ergebnis:
a) Molybdänsäure fällt in salzhaltiger Lösung alle Blutkörper-
chen (s. auch Landsteiner u. Jagic).
b) Es lassen sich dabei keine nennenswerten Unterschiede
unter den Blutkörperchen beobachten.
c) Die Fällung geht sehr schnell vor sich (auch hier macht
Meerschweinchen durch etwas längere Reaktionsdauer eine leichte
Ausnahme).
Wie bei Kieselsäure, sind auch hier geringe Abweichungen
vorhanden, z. B. Rind und Kaninchen etwas besser agglutinabel
wie die übrigen Blutkörperchen. Inwieweit das auf die Sus-
pensionsdichte zurückzuführen ist — oder als im Rahmen des
Versuchsfehlers noch liegend zu betrachten ist — werde ich später
auseinanderzusetzen haben.
Von Ludwig Hirschfeld, cand. med.
261
Tabelle III. Chromhydroxyd.
(Aufschwemmungs- und VerdünnungsflÜBsigkeit — 0,85^ Na Gl.)
5% Blut von :
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Tab. III. Ergebnis:
a) Chromhydroxyd fällt in salzhaltiger Lösung alle Blut-
körperchen.
b) In bezug auf die Agglutinationshöhe sind zwischen den
Blutkörperchen keine nennenswerten Unterschiede vorhanden.
Was die Stftrke der Agglutinaten anbelangt, so scheinen kleine
Unterschiede zu bestehen.
c) Die Reaktionsgeschwindigkeit ist sehr grofs.
Gleichzeitig mit der Kolloidfällung unternommene Kontrolle
mit Serum und Abrin ergab die Reihenfolge: Kaninchen, Hund,
Schwein, Meerschweinchen, Pferd, Hammel, Ziege, Rind.
Die systematische Durcharbeitung der oben erwähnten Blut-
arten in einer salzfreien Lösung stöfst auf die Schwierigkeit:
dals nämlich manche Blutarten unter Einwirkung von Rohr-
zucker ausfallen. Dafs die Nonelektrolyte au und für sich
fällen können, ist bekannt — es handelt sich meistens um Ent-
ziehung vom Lösungsmittel — , doch ist diese Frage keineswegs
gelöst, und es kommen auch sicherlich andere Momente in Be-
262
Untersuchungen über die HämagglutinaUon etc.
tracbt. Nach Billitzer^) kann die Potentialdifferenz des kolloi-
dalen Platins gegen Wasser durch Alkoholzusatz geändert werden).
Auch an Veränderung des spezifischen Gewichtes des Suspen-
sionsmittels im Vergleich zu dem des Kolloids, an Verkleine-
rung der Viskosität, die den Gravitationskräften gröfseren Spiel-
raum gibt, gelegentlich auch an die Bildung chemischer Verbin-
dungen ist zu denken.
Bei der Fällung dachte ich zuerst, ob nicht vielleicht das
Präparat mit kleinen Spuren von Säuren verunreinigt ist, aber
auch nach der sorgfältigsten Neutralisierung blieb die fällende
Kraft erhalten. So mufsten aus der Untersuchung das Rinder-
blut und Pferdeblut ausfallen. Einmal konnte ich Fällung mit
Meerschweinchenblut beobachten, was um so merkwürdiger ist,
da Meerschweinchenblut sich sonst im Rohrzucker gut auf-
schwemmen läfst. Es war das insofern für meine Zwecke gleich-
gültig, als die anderen Repräsentanten der gut und schlecht
agglutinablen Blutarten, nämlich Kaninchen und Ziege, sich auf-
schwemmen liefsen, so dafs etwaige DifEerenzen zum Vorschein
kommen mufsten.
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(Aufscbwemniungs- und Verdünnungsflüssigkeit — 10^/<y Bohrzucker).
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1) Ziitachr. f. physik. Cliemie 1903.
Von Ludwig Hirschfeld, cand. med.
263
Tab. IV. Ergebnis:
a) Ferrihydrat fällt alle untersuchten Blutarten (s. Land*
stelner und Jagic, Henri).
b) Es lassen sich keine nennenswerten Unterschiede finden.
Dem Unterschied zwischen Huhn und Meerschweinchen, der aller-
dings ein gröfserer ist, glaube ich, kann man keine Bedeutung
beimessen wegen der unkontrollierbaren Beziehungen vou Meer-
schweinchenblutkörperchen, die, wie erwähnt, manchmal aus-
fallen, zum Suspensionsmittel. Wahrscheinlich eine Oberflächen-
veränderung, nicht stark gOnug, um, wie in anderem Falle, Fäl-
lung zu bewirken, verändert hier die Bedingungen zuungunsten
der Fällung. Sonst stehen die Hühner- und Meerschweinchen-
erythrozyten nahe zueinander. Sonst ergeben die anderen Blut-
arten und, was das Wichtigste ist, die beiden Pole — Ziege und
Kaninchen — beinahe identische Werte.
c) Bei verschiedenen Blutarten lassen sich Hemmungszonen
von verschiedener Breite beobachten. Ob die Breite der Hem-
mungszone mit der Aufschwemmungsdichte zusammenhängt, ist
zweifelhaft: denn z. B. Schweineblut, das in bezug auf Suspen-
sioBsdichte in erster Linie steht, nimmt eine mittlere Stellung ein.
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264 Untersach ungen über die Hämagglutination etc.
d) Die Reaktionsgeschwindigkeit ist sehr grofs. In den Ver-
dünnungen ^/s und ^liß erscheint die Fällung beinahe sofort, bei
den anderen Verdünnungen etwas später (FäUungsoptim'um).
Tab. V. Ergebnis:
a) Das positive Chromhydroxyd wie negatives Arsentrisulfid
fällen in salzfreiem Medium sämtliche untersuchten Blutarten.
b) Es lassen sich in bezug auf die Höhe der Agglutination
zwischen den verschiedenen Blutkörperchen keine nennenswerten
Unterschiede konstatieren.
Das Verhalten des Chromhydroxyds gegen Blut weicht inso-
fern von Chromhydroxyd-EiweifsfäUung ab, als es durch den
Salzzusatz nicht nennenswert verändert wird. Beim Eiweifs findet
sich ein Heraufrücken der Fällungszone bei steigendem Salzzusatz
(Friedemann)^).
Bei Kieselsäure und Molybdänsäure habe ich in salzfreier
Lösung keine Wirkung erzielen können (mit Übereinstimmung von
Landsteiner und Jagic, s. o.) Wenn man kieselsaure Eiweifs-
fäUung hier zur Parallele nimmt, so mufs man in Betracht ziehen,
dafs die Mengen von Eiweifs von grofser Bedeutung sind (Friede-
mann) ^) in dem Sinne, dafs eine Verschiebung der Fällung bzw.
Hemmungszone bei Salzzusatz auftritt, die von der angewandten
Eiweifskonzentration abhängig sind. Ich lasse deshalb noch
dahingestellt, ob man nicht durch Varieren der Dichte der Blut-
körperchenaufschwemmung Mengenverhältnisse schaffen könnte,
bei welchen auch Kieselsäure und Molybdänsäure auf Blut ein-
zuwirken imstande wären. Bei Innehaltung derselben Mengen-
verhältnisse findet man aber keine nennenswerte Agglutination
— abgesehen von Spürchen in ersten Röhrchen.
Wie man aus den Protokollen ersieht, besteht, abgesehen
von kleinen Abweichungen, wie Chromhydroxyd, vielleicht Kiesel-
säure und Molybdänsäure, zwischen Eiweifs- und Blutkörperchen-
fällung starke Analogie.
Was aber für meine Zwecke am wichtigsten ist : die Kolloide
bringen Unterschiede in der Agglutinabilität der Blutkörperchen
1) Archiv f. Hygiene 1906.
Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 265
nicht zum Ausdruck. Und da nach früheren Auseinander-
setzungen sich — theoretisch wenigstens — von einer fällenden
Kraft des Serums reden läfst und man sie einer einheitlichen
Betrachtung unterziehen kann, so folgt daraus, dafs das normale
Agglutinin nicht wie ein unorganisches Kolloid wirken kann. Es
ist das von prinzipieller Bedeutung : denn, wie ich das noch aus-
einanderseUen werde, teilen dies die Kolloide mit Schwermetall-
salzen von niedriger Entladungsspannung, wälirend umgekehrt die
Salze mit hoher Entladungsspannung, soweit sie wirksam sind,
die gröfsten Differenzen zum Vorschein bringen.
Zur Untersuchung gelangen folgende Salze: (NH4)2, SO4,
BaCl2. MgCLj, CaCla, FeCls, Fe^tNOg)^ Al2(N08)6, Zn(N08)2,
Pb(N03)2, Cu(N08)2, Od(N03)2, Ni(N0s)2. Hg(N03)2HgCl2, AgNOs.
Untersucht wurde, soweit es ging, in physiologischer Kochsalz-
lösung; wo die Reaktion zwischen den beiden Salzen störend
wurde, ist 10% ^o^^^cker zur Verwendung gekommen. Es war
allerdings -^ nach Untersuchungen von Pauli ^) bei EiweifsfäUung
- eine geringe Hemmung zu erwarten - indessen nimmt das
NaJon in bezug auf die hemmende Kraft die letzte Stellung ein
mach Pauli)^). Es handelte sich bei meinen Untersuchungen um
Unterschiede bei verschiedenen Blutarten, so dafs die gleiche
Hemmung von selten des Na-Jones die Differenzen kaum beträcht-
lich verwischen konnte.
Es sei vorweg gesagt, dafs ich mit (NH4) SO4, Ba CI2, Mg CI2,
CaCl2 keine Fällung erzielen konnte, wie das bereits bei Bakterien
vonNeifser und Friedemann^) sowie Bechhold*)in breitem
Umfange nachgewiesen worden ist. Es kamen hier allerdings
Konzentrationen in Verwendung, die noch nicht EiweifsfäUung
erzielen konnten (Porges), und mit konzentrierten Lösungen
gelang es Porges^), die Fällung zu bewirken. Bei den Blut-
körperchen ist allerdings in der Empfindlichkeit derselben für
allzu grofsen osmotischen Differenzen der Aufschwemmungs-
1) Hofmeisters Beiträge 1906.
2) Münch. med. Wochenschr. 1904.
3) Zeitschr. f. physik. Chemie 1904.
4) Zentralbl. f. Bakt. 1906.
266 ünterBUohangen über die Hämagglutination etc.
äüssigkeit eiue Schranke gesetzt — ich konnte jedoch sogar mit
2 — 3 normaler Lösung keine Fällung erzielen. Konzentrierte
NH4 S04-Lösung fällt oft aus und reifst die Blutkörperchen mit
sich. Dafs wohl blofs mechanische Momente in Betracht kommen,
beweisen die sich dabei bildenden Kristalle.
Die Schwermetallsalze fällen dagegen die Blutkörperchen,
und es sei mir gestattet, auf sie genauer einzugehen.
(Siehe TabeUen anf S. 267 u, 268.)
Ergebnis :
a) Die dreiwertigen Schwermetallsalze: Fe2(N0s) und AlalNOs)^
fällen sämtliche untersuchten Blutarten.
b) In bezug auf die Agglutinabilität der Blutkörperchen
lassen sich keine nennenswerten Unterschiede konstatieren.
Es ist dies Verbalten mit der enormen Stärke der dreiwertigen
Salze zu erklären, die die Unterschiede in der Agglutinabilität
der Blutkörperchen verwischt. Wie ich später auseinandersetzen
werde, ist für das Hervorrufen der DifEerenzen bzw. Stärke der
Fällung die Entladungsspannung mafsgebend: s. z. B. die ein-
wertigen Neutralsalze fällen nicht, das einwertige Silber fällt
sehr stark. Wo wir aber mit Jonen zu tun haben, die grofse
Mengen Elektrizität mit sich führen, dort kommt der zweite
Faktor (die Entladungsspannuug) nicht zum Ausdruck.
Wie man aus den Protokollen ersieht, findet sich bei sämt-
lichen Reihen ungefähr in der Mitte eine Zone, wo nicht die Agglu-
tination, sondern mehr oder weniger ausgesprochene Hämolyse
auftritt.
Die Hämolyse kann auf dem Bestehen einer osmotischen
Druckdifferenz beruhen, die sich allein durch Wasserbewegung,
entgegen dem Konzentrationsgefälle der gelösten Stoffe, ausgleicht
— die Bewegung der gelösten Stoffe in das Protoplasmainuere
zwecks Ausgleichung der osmotischen Druckdifferenz ist ausge-
schlossen, da die Blutkörperchen normaliter jonenundurchlässig
sind. Je steiler das Konzentrationsgefälle, um so eher mufs die
Hämolyse auftreten. Indessen bei konzentrierteren Lösungen
bleibt die Hämolyse aus, ja, ihre Beziehung zu der mittleren
Hemmungszone (wie z. B. bei Hammel) findet man nach einer
Von Ludwig Hinchfeld, cand. med.
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Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 269
Stunde noch 0, nach 24 Stunden voUstftndige llämolyse) ist un-
verkennbar. Die Unregelmäfsigkeit mit dreiwertigen Salzen haben
bei Suspensionen bereits Bechbold, Neifser und Friede-
mann ^) gesehen und sie als hemmende Funktion der kolloi-
dalen Hydroxyde aufgefafst. Ob die Hämolyse in Analogie mit
der geringen Hämolyse zu bringen ist, die Landsteiner und
Jagic bei der Kolloidfällung manchmal gesehen haben, und die
auch bei mir vorhanden ist, ist zweifelhaft. Dort handelt es
sich wahrscheinlich um Herabsetzung der Widerstandsfähigkeit
des Erythrozyten durch Veränderung seiner Plasmahaut, hier, nach
der von Neifser und Friedemann entwickelten Vorstellung
wird das eine Kolloid durch das Schutzkolloid gewissermafsen
umhüllt. Auch die vollständige Hämolyse ähnelt nicht der leicht
roten Verfärbung bei Kolloid-Blutfällung. Es handelt sich um
eigenartige Veränderung der Blutkörperchen in der Hemmungs-
zone, deren Ursache und Wesen ich als ungelöst bezeichnen mufs.
Erwähnen möchte ich nur, dafs Henri und Girard^) Mangin
in den Hemmungszonen, bei Immunseris ebenfalls eine Hämo-
lyse beobachten konnte. In bezug auf die Breiten der Hemmuugs-
Zonen kann ich, wie bei Kolloiden, keine Parallelität mit den Auf-
schwemmungsdichten konstatieren.
(Siehe Tabelle auf S. 270.)
Tab. Vm. Ergebnis:
a) Kupfernitrat fällt alle untersuchten Blutarten. Die Reak-
tionsgeschwindigkeit ist sehr grofs.
b) In der Agglutinabilität der Blutkörperchen lassen sich
gewisse Unterschiede konstatieren. Die Reihenfolge der Blut-
körperchen in bezug auf die Agglutinabilität lautet (nach 1 Stunde):
Huhn V160000 norm.
Kaninchen Vsoooo
Hund V40000
»
»
000 *
Ziege Vo
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Meerschweinchen . . V20000 ^
Schwein Vioooo »
Rind V2560 ^
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1) 8. o. 2) a. a. 0.
270
Untersuchangen Qfoer die Hämagglatination etc.
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Von Ludwig Hirscfafeld, cand. med.
271
Die Reihenfolge stimmt blofs zum Teil mit der bei Serum-
fällung überein. Rind und Hammel nehmen auch hier eine
niedrige Stellung ein, Ziege wird aber abnorm hoch agglutiniert.
(Die Agglutination macht oft einer allmählichen Hämolyse Platz,
s. 0.) Was die Huhnerythrozy ten anbelangt, so ist das eine regel-
mäfsige Erscheinung: sie werden von sämtlichen Salzen (Blei
ausgenommen) hoch agglutiniert. Bei anderen verschiebt sich
oft die Reihenfolge, wobei die Entladungsspannung eine gewisse
Rolle zu spielen scheint. So werden z. B. Hammelerythrozyten
stets von Pb, Ni, Cd sehr gut agglutiniert, während bei Cu (s. nie-
drige Entladungsspannung) und Zink (s. hohe Entladungsspannung)
sie unten stehen.
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Tab. IX. Ergebnis: In bezug auf die Agglutinabilität der
Blutkörperchen bildet sich folgende Reihenfolge:
Hund V2660
Schwein V2660
Hammel V2660
Archiv für Hygiene, Bd. LXIU. ^^
272
Üntersnchungen über die Hämagglutination etc.
Pferd Vi2«)
Kaninchen ^/i28o
Rind ....... ^/64o
Huhn Vsao
Meerschweinchen . . . ^j^^
Ziege ^/i6o.
Die Differenzen zwischen den Blutkörperchen stimmen nicht
mit denen zusammen, die Kupfer aufweist: so haben z. B. die
Hühner in Hammelerythrozyten ihre Stellung vertauscht, indem
jetzt Hammel an der Spitze steht. An und für sich aber sind
die Differenzen in der Agglutinabilität unverkennbar. Die Hämo-
lyse, wenn auch unregelmäfsig, greift auch hier Platz; worauf
sie zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu sagen.
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Tab. X. Ergebnis. Es bildet sieb folgende Reihenfolge:
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Hammel V128
Huhn Vi28
Schwein ^le
Meerschweinchen . • . V2
Hund V2
Ziege V2
Rind 0.
Das angegebene Protokoll ist erst nach 24 Stunden aufge-
nommen. Nach einer, sogar nach 2 Stunden ist, abgesehen von
Von Ludwig Hinchfeld, cand. med.
273
Hammel und Pferd, und Meerschweinchen, das Spürchen auf-
weist, noch nichts zu sehen. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist
also äuTserst träge. Bemerkenswert ist, dafs Rind nicht zu aggluti-
nieren ist, Ziege äufserst wenig. Pferd und Kaninchen, wie beim
Serum, stehen an der Spitze.
Tabelle XL /?(N0,), Cd (NO,), norm.
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XI. Ergebnis:
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Meerschweinchen . . • %
Rind V2
Die Reaktionsgeschwindigkeit ist bedeutend gröiser als beim
Nickel, jedoch bei weitem nicht so grofs wie bei Kolloiden und
Salzen mit niedriger Entladungsspannung. Rind nimmt die letzte
Stellung ein, Ziege rückt aber etwas nach oben. Hammel, wie
ich bei Cu bereits erwähnt habe, zeigt sehr hohe Werte.
19*
274
Üntersnchangen über die Hämagglutination etc.
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Ergebnis :
a) Zink fällt sämtliche Blutarten.
b) Es zeigen sich in der Agglutinabilität der Blutkörperchen
Unterschiede, die mit denen bei Serum- und Abrinfällung fast
identisch sind.
AbriD.
Reihenfolge:
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1
Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 275
Die Übereinstimmung der beiden Werte, sowie der kolossale
Unterschied bei Zinkfällung, wo Kaninchen mit Vioooo norm, noch
gefällt wird, während für Rind ^lo sich als zu schwach erweist,
ist eklatant. Speziell auf die Zinkfällung werde ich unten noch
zurückzukommen haben.
Meine Protokolle mit Ag NO3 werde ich nicht angeben : die
Versuche mufsten mit Rohrzucker gemacht werden, so dafs sie
mit den übrigen Protokollen schlechthin nicht vergleichbar sind.
Ich will blofs erwähnen; da[s zwischen den Blutkörperchen keine
nennenswerten Unterschiede zu verzeichnen waren.
Sehr interessant waren dafür die Versuche mit Quecksilber.
Ich habe zuerst mit HgCl2 gearbeitet, — und keine Spur von
Agglutination, dafür reichliche Hämolyse bekommen. Es war
das um so befremdender, als Hg Metall mit niedriger Entladungs-
spannung ist — und nach später zu besprechenden Regeln sind
niedrige Entladungsspannung und fällende Kraft als reziproke
Werte zu betrachten. Man weifs, dafs die Ionen in den Lösungs-
mittein Äther und Fett nicht nebeneinander existenzfähig sind
— und wenn sich ein Elektrolyt in ihnen auflöst, so lösen
sich die undissoziierten Moleküle, und nicht die Ionen. Darum
ist auch das negative Resultat mit Hg Cl.^ verständlich : Sublimat
dringt, wie Pfeffer^) zuerst hervorhob, in das noch lebende
Propoplasma ein, es ist fettlöslich — und dabei äufserst schwach
dissoziiert. Einmal in das Blutkörperchen gelangt, kann es seine
zerstörende Kraft entwickeln. Es war zu erwarten, dafs andere
lipoidunlösliche, Quecksilbersalze, die also blofs die Plasmahaut
anzugreifen imstande sind, sich anders verhalten werden.
In der Tat ist Hg (N03)2 im Gegensatz zu Sublimat stark wirk-
sam. Ich gebe die Protokolle nicht an, weil ich dabei nicht
mit normalen Lösungen gearbeitet habe (bekanntlich fallen
basische Salze aus, so dafs man sich keine normale Lösung her-
stellen kann. — Ich will erwähnen, dafs, wie bei Ag, die Unter-
schiede in der Agglutinabilität der Blutkörperchen gering waren). —
Damit ist der starke Einflufs der Dissoziation und der Lipoid-
1) Osmotische Untersuchungen 1877. Vgl. auch Landsteiner und
Ei Bier. Zentralhl. f. Bakt. 1905.
276 Untersuchungen über die Hämagglutination etc.
löslichkeit für das Phänomen der Blutfällung festgestellt. Er-
wähnen möchte ich nur, dafs Neifser und Friedemann^) bei
Mastix die Unwirksamkeit von HgCl2 ebenfalls gesehen haben.
Um den Einflufs des Anions zu studieren, nahm ich folgende
Salze vor: Zn, SO4, Zn Ja, ZnBra, ZnClg, Zn {GR^COO)^, ZnCNOgjj.
Bei sämtlichen Salzen bekam ich dieselben Fällungswerte. Eine
kleine Ausnahme bildete das Azetat, insofern als bei derselben
Agglutinationshöhe das Agglutinat schwächer war wie bei anderen
Salzen. Man wird wohl nicht fehlgehen, dies der geringeren
Dissoziation zuzuschreiben.
Da Untersuchungen über die Schwermetallfällung mit Blut
meines Wissens im breiteren Umfange nicht vorliegen, so sei es
mir gestattet, auf meine Protokolle im allgemeinen einzugehen.
Es ergeben sich hier folgende Momente:
1. Die Ausflockung der Erythrozyten durch die Salze der
Schwermetalle ist lediglich abhängig von den Eigenschaften des
Kations, unabhängig von denen des Anions.
2. Die Fällungskraft der Kationen steigt mit ihrer Wertig-
keit. Damit ist der enorme Einflufs von AI und Fe erklärt.
3. Die Kationen fällen im allgemeinen um so stärker, je
niedriger ihre Entladungsspannung ist. In der Tat wirkt Cu bei
mir am stärksten, dann folgt Pb, Ni, Cd — eine Reihenfolge, die
der der Entladungsspannung entspricht. (Ab egg und' B Öd-
länder.) Die einzige Ausnahme macht bei mir Zink, das trotz
der höchsten Entladungsspannung sehr stark wirksam ist. Ich
möchte erwähnen, dafs bei sämtlichen Versuchen über den Ein-
flufs von Schwermetallen auf Kolloide oder auf vitale Vorgänge
Zink und zum Teil Kadmium durch ihre abnorm hohen Werte
ausgezeichnet sind. Man ist geneigt, die starke Wirkung von
Zink seiner starken Hydrolyse zuzuschreiben. Ich mufs das auf
Grund meiner Experimente bezweifeln. Wie ich gezeigt habe,
bringen die Kolloide keine Differenzen in der AgglutinabiUtät
der Blutkörperchen zum Vorschein — und bei Zink sehen wir
gerade die Unterschiede am schönsten ausgeprägt. Auf die ver-
1) 8. 0.
Von Ladwig Hirschfeld, cand. med. 277
mutliche Ursache dieser Erscheinung komme ich später zu
sprechen.
4. Die Fällung hängt auch ah von der elektrolytischen Dis-
soziation des Elektrolyten. Als Beispiel möge HgCls, vielleicht
auch Zn(CH8 000)2 dienen.
5. Die Eythrozyten werden durch ein- und zweiwertige Salze
der AlkaUen und Erdalkalien nicht ausgeflockt.
Wenn man die oben formulierten Gesetze init denen ver-
gleicht, die Bechhold, Neifser und Friedemann für die
Fällung von Bakterien und Suspensionen aufgestellt haben, so
liegt die volle Identität auf der Hand. Und wenn sich vielleicht
kleine Unterschiede werden finden können, die möglicherweise
mit dem hohen Gehalte der Bakterien an Nukleinstoffen zu-
sammenhängen, so steht der systematischen Betrachtung der
Blutkörperchen als Suspensionen von höherer Stabilität (durch
die stabilen Eiweifsstoffe, die sie enthalten) nichts im Wege.
Die Eigentümlichkeiten der EiweifsfäUung kommen auch bei
der Blutfällung zum Ausdruck. So zeigen die Blutkörperchen die
Stabilität der Eisweilslösungen : sie werden von Salzen mit hoher
Entladungsspannung — in geringeren Konzentrationen nicht aus-
geflockt, gegen Schwermetallsalze erweisen sie sich dagegen sehr
empfindlich. So wird die Eataphorese der Blutkörperchen, wie
die des Eiweifses, von der Reaktion des Lösungsmittels stark be-
einflufst, — ja, die von Höber^) ermittelte Sonderstellung von
Zink und Kadmium, die je nach der zugesetzten Menge auf die
Blutkörperchen positivierend oder negativierend wirken, hängt
möglicherweise mit den von Pauli^) bei Ei weifs - Zinkfällung
nachgewiesenen zwei Fällungsmaxima, wobei, nach der elektrischen
Theorie der Fällung — die Umkehrung der Kataphorese zu
erwarten ist.
Nachdem die allgemeinen Bedingungen der Blutkörperchen-
fällung besprochen sind , möchte ich speziell auf meine Befunde
unter dem Gesichtspunkte^ eingehen, den ich im ersten Teil der
Arbeit berührt habe: nämlich, ob sich die Reihenfolge in der
1) Physik. Chemie der Zelle u. Gewebe.
2) Hofmeisters Beiträge 1906.
278 Untersnchangen über die Hämagglatination etc.
Agglutinabilität der Erythrozyten auch in ihren Beziehungen zu
Salzen und Kolloiden wiederfindet, ob sich also die BlutkOrperchen-
fäUung durch das Serum als ein spezielles Problem der Kolloid-
forschung herausstellen und in ihr sich auflösen wird.
Wollen wir uns noch einmal vergegenwärtigen: die Fällung
mit den unorgan. Kolloiden hat keine Differenz in der
Agglutinabilität ergeben, ebenso mit den dreiwertigen
Salzen. Von den anderen Salzen bringen die mit nied-
riger Entladungsspannung geringe Unterschiede zum
Ausdruck, auch nicht in derselben Reihenfolge, wie
Abrin und Serum; je mehr wir aufwärts zu den Salzen
mit hoher Entladungsspannung kommen, um so grOfser
die Differenzen und, was das wichtigste ist, umso ähn-
licher der Serumfällung gestaltet sich die Reihenfolge
der Erythrozyten. Bei Zink endlich, das in bezug auf
Haftintensität von den Schwermetallsalzen die höchste
Stellung annimmt, fällt die Reihenfolge mit der von
Serum beinahe zusammen. Ich möchte dies ganz besonders
hervorheben : denn Zink fällt sehr stark — und trotzdem bringt
es die Unterschiede zum Ausdruck. Ich erblicke hierin einen Be-
weis, dafs, um eine mit Serum identische Reihenfolge
in der Agglutinabilität der Blutarten hervorzurufen»
die hohe Entladungsspannung, — und nicht die absolute Fällungs-
stärke — mafsgebend ist.
Wenn auch Porges bereits bei den Bakterien Unterschiede
bei der Fällung mit Alkalien und Erdalkalien gefunden hat, so
dürfte es doch eine höchst unerwartete Tatsache sein, dafs die
morphologisch und chemisch scheinbar so gleich gebauten Ery-
throzyten der Säuger physikalisch-chemisch so enorme Unterschiede
aufweisen.
Theoretischer Teil.
Wir wollen nun sehen, ob die gefundenen Gesetzmäfsigkeiten
sich auf begründete physikalisch-chemische Tatsachen zurück-
führen lassen und in ihnen eine Erklärung finden. Dabei müssen
wir von der wohlberechtigten Vorstellimg ausgehen, dafs die
Blutkörperchen Teilchen darstellen, welche elektrische Ladungen
Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 279
tragen und diese mit einer gewissen Kraft festhalten, welche der
Haftintensität der Ionen analog ist. Da nun bei der Ausflockung
die Kolloide oder Elationen eine Verbindung mit der Substanz
des Blutkörperchens eingehen, wobei es zur Bildung ungeladener
Komplexe kommt, so ist dieser Vorgang in gewisser Hinsicht
mit dem Ausfallen unlöslicher Salze zu vergleichen und eine
Übertragung der für diese aufgestellten Theorien auf das vor-
liegende Problem gerechtfertigt.
In der Tat hoffe ich zeigen zu können, dafs die von Ab egg
und Bodländer aufgefundenen Beziehungen zwischen der Lös-
lichkeit der Salze und den Eigenschaften ihrer Ionen die von
mir gefundenen GesetzmäTsigkeiten ungezwungen zu erklären
vermögen.
Es ist einleuchtend, dafs die Neigung eines Ions in den un-
elektrischen Zustand überzugehen (Bildung unlöslicher Salze, un-
dissoziierter Molekelen) umso gröfser sein mufs, je geringer seine
Affinität zum Elektron, d. h. seine Elektroaffinität ist. Nun spielt
aber bei der Bildung von nicht dissozierten resp. unlöslichen
Molekeln die chemische Affinität der beiden Ionen eine erheb-
liche Rolle, indem sie der elektrolytischen Dissoziation und da-
mit der lonenlöslichkeit entgegenstrebt. Diese Beziehungen haben
Ab egg und Bodländer^) in folgende Formel gebracht:
0,116 (0.087, 0.058) logp = Ea-\' Ek— E,,
wo E, bedeutet die freie Bildungsenergie der nicht dissoziierten
Salze, (durch die Bildungswärme annähernd gemessen) Ea und Ek
die Zersetzungsspannungen von Anion und Kation in normaler
Lösung, p — die lonenkonzentration der gesättigten Lösung des
Salzes, ausgedrückt in Bruchteilen der Normallösungen. — Die
von mir gefundenen Gesetzmäfsigkeiten lassen sich unmittelbar
aus dieser Formel ablesen, wenn wir unter E^ die Zersetzungs-
spannung (Haftintensität) des fällenden Kations, unter Ea die
Elektroaffinität der Blutkörperchen und unter Es die hier wie bei
den Salzen im allgemeinen unbekannte freie Bildungsenergie der
Blutkörperchen-Ionenverbindung verstehen, p stellt alsdann ange-
1) Zeitschr. f. physik. Chemie 1899.
280 UnterBuchangen über die H&magglutiiiation etc.
nähert die Quote der suspensionsfähigen Blutkörperchen dar und
steht zur Stärke der Agglutination im reziproken Verhältnis. Je
niedriger Ek ist, um so kleiner wird auch logi>., d. h. die Suspensions-
stabilität der Blutkörperchenjonenverbindung. Um vollständige
Agglutination zu erzielen, werden daher bei den Jonen mit niedriger
Entladungsspannung geringere Konzentrationen erforderlich sein,
wie es auch der Versuch ergibt. Die Abweichungen bei Zu,
die, wie bereits erwähnt, auch bei anderen biologischen Reaktionen
beobachtet wurden, dürften sich wohl aus dem unverhältnis-
mäfsig hohen Wert von J?« bei den Zinkeiweilsverbindungen ergeben.
Diese Annahme läfst sich sogar direkt theoretisch aus einer
von Ab egg imd Bodländer gefundenen Gesetzmäfsigkeit ab-
leiten, nach welcher die Bildungsenergie der nicht dissoziierten
Molekeln (annähernd gemessen durch die entwickelte Wärme) in
einem gewissen Zusammenhang mit den Haftintensitäten der
Jonen steht. Im allgemeinen steigt nämlich die Stärke der Atom-
bindung mit der Elektroaffinität. Während aber bei den Jonen
mit niedriger Entladungsspannung ^« langsamer wächst als Et,
findet bei den Jonen mit grofser ElektroaffinitAt das Umgekehrte
statt: die Kurve der Werte Ea-\- E^ — Eg, d. h. die Suspensions-
stabilität mufs also zwischen Zn und Cu ein Maximum aufweisen.
In der Tat bilden die Entladungsspannungen die Reihe Gu, Pb,
Ni, Cd, Zn, während sich die Jonen nach dem Fällungsvermögen
in die Reihe Cu, Zn, Pb, Cd, Ni einordnen.
In ganz analoger Weise werden wir uns vorzustellen haben,
dafs die schwer agglutinablen Blutkörperchen (Rind, Ziege, zum
Teil Hammel) gegenüber den anderen ihre elektrischen Ladungen
mit gröfserer Kraft festhalten. Nach dem oben Gesagten mufs
bei den Jonen mit hoher Entladungsspannung neben der Electro-
af finität der Blutkörperchen die freie Bildungsenergie eine gröfsere
Rolle spielen als bei den Jonen mit niedriger Entladungsspannung.
Die Unterschiede in der Reihenfolge der Suspensionsstabilität der
Blutarten gegenüber verschiedenen Salzen bilden daher eine direkte
Forderung der Theorie, indem beim Cu mehr die Elektroaffinität,
beim Zn daneben die chemische Affinität die Agglutinabilität der
Blutkörperchen bestimmt.
Von Ladwig Hirschfeld, cand. med. 281
Ganz besonders scheint mir aber die auffallende Tatsache,
dafs die Jonen mit kleiner Entladungsspannung alle Blutarten
ziemlich gleich stark agglutinieren, während z. B. beim Zink die
gröfsten Unterschiede zum Vorschein kommen, — einer Erklärung
durch die Theorie von Ab egg und Bodländer zugänglich.
Ist Et sehr klein, so erreicht die Gröfse -Ejt — Eg einen hohen
negativen Wert, so dafs geringe Schwankungen von Ea ohne
groGsen Einflufs sein müssen. Je gröfser hingegen Eic wird, um
so mehr nähert sich der Wert von Et — Eg der Null, um so
gröfsere Bedeutung gewinnen geringe Unterschiede in den Haft-
intensitäten der Blutkörperchen. Ich glaube daher, dals meine
Versuche, wenn auch zunächst auf hypothetischem Wege, Schlüsse
auf eine der experimentellen Forschung bisher unzugängliche
Gröfse, nämlich die Elektroaffinität der Blutkörperchen, zulassen.
Was ich über die Fällung der Blutkörperchen durch die
Salze der Schwermetalle gesagt habe, läfst sich ohne weiteres
au! die Kolloid-Blutkörperchen-Fällung übertragen. Denn auch
die Kolloidteilchen müssen wir uns als Teilchen mit elektrischen
Ladungen, die mit einer gewissen Haftintensität festge-
halten werden, vorstellen. Dafs die anorganischen Kolloide
durchgehends wirken und keine Unterschiede zwischen den
einzelnen Blutarten erkennen lassen, dürfte darin seinen Grund
haben, dafs im allgemeinen nur solche Elemente, welche als
Jonen eine sehr niedrige Entladungsspannung besitzen, zur
Bildung kolloidaler Lösungen befähigt sind und wir uns infolge-
dessen wohl auch die Haftintensitäten der unorganischen Kolloide
als sehr gering vorstellen müssen.
Ganz anders hingegen liegen die Verhältnisse bei den
organischen Kolloiden, welche ja bekanntlich gegenüber Elektrolyten
eine gröfse Stabilität aufweisen, nach den oben entwickelten An-
schauungen daher ihre elektrischen Ladungen mit grofser Kraft
festhalten. Machen wir nun die an sich wohl nicht unwahr-
scheinhche Annahme, dafs die agglutinierenden StofEe der normalen
Sera organische Kolloide sind, so müssen wir erwarten, dalB sie
die einzelnen Blutarten verschieden stark agglutinieren. Die
Versuche haben ergeben, dafs nicht nur diese Folgerung zu Recht
282 Untersuchungen über die Hämagglutination etc.
besteht, sondern dafs sogar die Reihenfolge der Agglutinabilität der
Blutarten gegenüber Serum und Abrin beinahe vollständig mit der
gegenüber dem noch selbständig agglutinierenden Jon von höchster
Entladungsspannung, nämlich Zink, übereinstimmt. Diese Be-
funde rechtfertigen eine von der bisherigen ganz abweichende
Auffassung mansher Immunitätsreaktionen. Wenn die Blut-
körperchen der Spezies A, B, C, D — von einem Agglutinin X
gleich stark agglutiniert werden, von einem anderen Y in un-
gleicher Weise, so sind wir nicht ohne weiteres berechtigt den
Schlufs zu ziehen, dafs die betreffenden Blutarten zu dem Agglu-
tinin X die gleiche, zu y eine ungleiche Affinität besitzen,
sondern der angenommene Tatbestand ist vollkommen erklärt,
wenn wir annehmen, dafs die Elektroaffinität (Ek) bei Y gröfser
ist wie bei X, während die chemische Affinität nicht erhebUch
differiert.
Ja es erscheint sogar möglich, dafs aus den Empfindlichkeits-
unterschieden der Blutarten gegenüber einem Agglutinin Rück-
schlüsse auf dessen Elektroaffinität gemacht werden können, und
auf diesem indirekten Wege direkt nicht meisbare Eigenschaften
der Immunkörper festzustellen wären.
Wenn daher verschiedene Sera eine Bakterien- oder Blut-
körperchenart verschieden stark agglutinieren, so sind wir durch-
aus nicht ohne weiteres berechtigt, aus diesem Verhalten auf
einen verschiedenen Gehalt an Agglutineinheiten zu schliefsen.
Vielmehr könnten diese Unterschiede auf qualitativen Differenzen
der Sera beruhen und nach den obigen Erörterungen ist es
besonders naheliegend, an eine verschiedene Elektroaffinität der
in den Seris wirksamen kolloidalen Stoffe zu denken.
Die Agglutinine der in meinen Versuchen als stark wirksam ge-
fundenen Sera vom Huhn, Schwein, Rind, hätten demnach eine ge-
ringe Elektroaffinität, die schlecht agglutinierenden Sera vom
Hund und Meerschweinchen eine grofse Haftintensität aufzuweisen.
In der Tat konnte Bürgi^) zeigen, dafs die Sera der verschiedenen
Tierspezies in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften erheb-
lich differieren, und dafs diese unterschiede in derselben Richtung
1) Archiv für Hygiene, 1907.
Von Ladwig Hirschfeld, cand. med. 283
wie ihre agglutinierende Kraft auf Bakterien liegen: während
nämlich die stark wüksamen Sera von Ziege und Rind etc. noch
in den stärksten Verdünnungen Mastixsuspensionen auszuflocken
vermochten, war das schwach agglutinierende Meerschweinchen-
serum hierzu überhaupt nicht imstande.
Unter diesem Gesichtspunkte müfste man daher den Aggluti-
nationstiter in erster Linie durch die physikalischen Eigen-
schaften des Serums erklären, und die Berechnung nach Agglu-
tinineinheiten dürfte den tatsächlichen Verhältnissen nicht im
vollen Umfange gerecht werden. Nach dieser Vorstellung dürften
sich unsere Befunde zu der Annahme der Pluralität der Normal-
agglutinine in keinem direkten Widerspruche befinden.
Allerdings möchte ich eine andere Erklärungsmöglichkeit
nicht übergehen, welche dem gleichen Verhalten der Blutarten
gegenüber den Serumagglutininen, Abrin und den Zn- Salzen
ebenfalls gerecht wird. Bechhold, Neifser und Friedemann^)
hatten bei der Bakterienagglutination beobachtet, dafs unter der
Einwirkung des spezifischen Agglutinins eine eigentümliche Um-
wandlung der Bakterien stattfindet, nach der diese sonst so
stabilen Gebilde eine grofse Empfindlichkeit auch gegen die
Jonen mit höchster Entladungsspannung (z. B. Alkalisalze) er-
langen. Die Autoren erörtern daher die Möglichkeit, dafs das
Agglutinin gar nicht direkt fällend wirkt, sondern nur die
Bakterien der agglutinierenden Wirkung der Salze zugängUch
macht. In der gleichen Weise könnten wir uns vorstellen, dafs
auch die Hämagglutinine der normalen Sera sowie des Abrins
nur vorbereitend wirken, die Fällung selbst hingegen den Salzen
des umgebenden Mediums zu verdanken ist. Da diese jedoch
stets eine hohe Entladungsspannung besitzen, so ist ohne weiteres
ersichtlich, dafs grofse Differenzen in der Agglutinabilität der
Blutkörperchen auftreten müssen, und es kann auch nicht
wundernehmen, dafs beim Zn, dem allein fällenden Jon mit
höchster Entladungsspannung, die Agglutinabilität die gleiche
Skala bildet wie beim Serum und Abrin.
1) Vgl. auch Bor de t.
284 üntersuchangen über die Hftmagglatination etc.
Diese Vorstellung besitzt den Vorzug grofser Einfachheit,
ist aber nicht so umfassend, wie die vorher gegebene; denn sie
vermag die bei allen Blutarten wiederkehrende Skala der Sera,
vor allem aber deren Parallelität zu der Ausflocknng des Mastix,
welche auf eine direkt fällende Rolle der Serumagglutinine hin-
weist, nur gezwungen zu erklären. Möglicherweise ist, woran
schon Landsteiner gedacht hat, der Wirkungsmechanismus
bei Normal- und Immunägglutininen ein verschiedener.
Es ist mir, wie ich glaube, im vorhergehenden gelungen,
die Agglutinabilität der Blutkörperchen auf physikalisch-chemische
Eigenschaften zurückzuführen. In letzter Linie müssen aber
diese in der cheihischen Zusammensetzung der Blutzellen be-
gründet sein. Wenn wir uns auch natürlich direkt über derartig
feine Differenzen im chemischen Bau der Zelle keinen AufschluTs
verschaffen können, so scheinen doch einige bisher nicht er-
örterte auffallende Beziehungen der Blutkörperchenagglutinabilität
zu anderen Eigenschaften einen Fingerzeig zu geben. Es ist
nämlich höchst merkwürdig, dafs die inagglutiuablen Blutarten
— Rind, Ziege, Hammel — auch gegen das Hämolysin des
Kobragiftes unempfindlich sind. Von Kyes^) wurde dies Verhalten
durch einen Mangel an disponiblem Lezithin erklärt. Land-
st einer und Eisler'^) fanden ferner, dafs dieselben Blutarten
eine Polstellung in bezug auf die Empfindlichkeit gegenüber
Säuren und Laugen annehmen, wobei die gegen Säure resistenteren
Blutarten gegen Laugen grössere Empfindlichkeit an den
Tag legen.
Es ist zu hoffen, dafs weitere Versuche in dieser Richtung
ein eingehenderes Verständnis des Agglutinationsvorganges er-
möglichen werden.
Wenn man bedenkt, dafs dieselben Regeln, die ich in bezug
auf Schwermetallfällung für Blut dargetan habe, auch ganz
andere Gebiete beherrschen, wie Nerven- und Muskelerregung,
1) Berl, klin. Wochenschr. 1902.
2) Müncb. med. Wochenschr. 1904.
Von Ludwig Hirschfeld, cand. med. 285
wie Giftigkeit für wachsende Organismen, Bakterien- und Eiweifs-
f&Uung, Drüsentätigkeit and Befruchtungsvorgang, Fixierung und
Färbung der Oewebe, so erkennt man die enorme Wichtigkeit
der Kolloidfrage, die die verschiedensten Probleme unter einen
einheitlichen Gesichtspunkte zu stellen und zu lösen vermag.
Zusammenfassung.
I. Bei allen untersuchten Blutarten zeigen die normalen
Sera der verschiedenen Tierspezies in ihrer agglutinierenden
Kraft die gleiche Reihenfolge.
II. Gegenüber allen untersuchten Seris weisen die ver-
schiedenen Blutarten die gleiche Skala der Agglutina-
bilität auf. (Eine Ausnahme von dieser Regel bilden
Kombinationen von denselben oder nahe verwandte
Spezies. ) Der AgglutinationseSekt ist daher eine additive
Gröfse, zusammengesetzt aus der agglutinierenden Kraft
des Serum und der Agglutinabilität der Blutkörperchen.
III. Die gleiche Reihenfolge der Agglutinabilität der Blutarten
findet sich beim Abrin.
IV. Gegenüber anorganischen Kolloiden und 3 wertigen Salzen
kommen die Differenzen in der Agglutinabilität der Blut-
körperchen nicht zum Ausdruck.
V. Die Jonen der zweiwertigen Metalle wirken um so besser
agglutinierend, je kleiner ihre Entladungsspannung ist.
Die Unterschiede in der Agglutinabilität der Blutarten
sind am stärksten bei Salzen mit hoher Entladungs-
spannung ausgeprägt.
VI. Die Reihenfolge in der Agglutinabilität der Blutarten
ist bei Zinksalzen mit der bei Serum und Abrin beinahe
identisch, während bei den Salzen mit niedriger Ent-
ladungsspannung die Reihenfolge von der bei Serum
und Abrin abweicht.
Vn. Die Blutkörperchen werden als elektrisch geladene Teil-
chen aufgefafst, die ihre Ladung mit einer gewissen
Haftintensität festhalten. Dieselbe Vorstellung ist auf
286 tJntersuch. über die Hämagglntination etc. Von L. Hirschfeld.
die Teilchen des in kolloidaler Lösung befindlichen
Agglutinins anwendbar. Unter diesen Gesichtspunkten
stellt sich die Agglutinationshöhe als eine Funktion der
Haftintensitäten der Blutkörperchen und des Agglutinins
dar. Unter dieser Voraussetzung lälst sich auf den
Agglutinationsvorgang die Theorie von Abegg und
Bodländer über den Zusammenhang zwischen der
Jonenlöslichkeit und Elektroaffinität anwenden und ge-
stattet eine theoretische Ableitung der von mir unter
IV, V, VI experimentell gefundenen Tatsachen.
VIII. Die schlecht agglutinabeln Blutkörperchen von Rind,
Ziege und Hammel sind auch gegen das Hämolysin des
Kobragiftes unempfindlich.
Herrn Geh. Medizinalrat Professor Dr. R u b n e r sage ich für
das Interesse sowie die Erlaubnis, im Institut zu arbeiten, meinen
ergebensten Dank.
Die Wärmeabgabe des Menschen in nngleichmäfsig
temperierten Banmen.
Von
Dr. Karl Kifskalt,
Privatdozenten und Oberassistenten am Institute.
(Ans dem Kgl. Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor : Geh.
Medizinalrat Prof. Dr. M. Bubner.)
Es ist eine bekannte Tatsache, dafs es nicht leicht ist, ein
kaltes Zimmer durch schnelles Anheizen zu einem behaglichen
Aufenthaltsort zu machen. Mau pflegt dies so zu erklären,
dafs, »wenn nur die Luft eine höhere Temperatur angenommen
hat, die Wärme aber noch nicht, man fröstelt, wegen vermehrter
Ausstrahlung nach den kalten Wänden bei Lufttemperaturen,
welche uns sonst vollauf behaglich sind« (1, S. 162). Diese Er-
klärung ist sicher richtig und wird von keiner Seite bezweifelt;
doch existieren noch keine exakten Untersuchungen darüber, wie
grofs der Wärmeverlust in solchen schlecht angeheizten Zimmern
ist gegenüber dem in gut geheizten Zimmern. Die Lehrbücher
der Hygiene verzeichnen einfach die Tatsache. Auch die Forde-
rungen, die Trälat als Referent des internationalen Hygiene-
kongresses zu Paris 1899 aufstellte: »dier Oberflächen der Wände . . .
müfsten auf eine solche Temperatur gebracht werden, dafs die
Wärmestrahlen, die sie aussenden, und die wir empfangen, auf
die Körpertemperatur nicht störend einwirken c (2, S. 215) be-
ruhen nicht, wie Schmidt (3, S. 294) nach einem ungenauen
Arcliiv für Hygiene, Bd. LXlIl. 20
288 ^10 Wärmeabgabe des Menschen in angleichmäfsig temperierten Eäamen.
Zitat angibt, auf derartigen Erwägungen, sondern sie werden nur
dadurch begründet, dafs auch die natürliche Erwärmung durch
die Sonne und den Boden durch Strahlung geschehe.
Will man ein derartiges Problem von der wissenschaftlichen
Seite anfassen, so ist es immer nötig, von den einfachsten Ver-
hältnissen auszugehen. Wir sind ja in vielen Teilen unserer
Wissenschaft noch weit davon entfernt, alle Vorgänge in Formeln
fassen zu können, aus denen sich dann umgekehrt wieder ab-
leiten läfst, was in einem gegebenen Falle eintreten mufs. Wo
es aber, wie hier, möglich ist, eine Aufgabe auf einfache Ver-
hältnisse zurückzuführen, da sollte es auch geschehen, um feste
Grundlagen zu erhalten. Auch in der vorliegenden Arbeit sollte
daher zunächst der einfachste Fall untersucht werden, nämlich
bei Abkühlung von Kugeln in zwei Räumen, bei denen in dem
einen Luft und Wand gleichmäfsig , in dem anderen ungleich-
mäfsig temperiert waren.
Eine mit Quecksilber gefüllte Glaskugel hing an einem kurzen
Halse an Drähten von der Decke herab. Ihr Radius war 3,24 cm,
ihre Oberfläche 133 qcm, ihr Gewicht 0,0319 kg, das des Queck-
silbers 1,676 kg. In die Mitte tauchte ein 200°- Thermometer ein-
Nimmt man die spez. Wärme des Glases zu 0,132, die des Queck-
silbers zu 0,033, so erhält man als Wasserwert 59,416, ein-
schliefslich des Thermometers rund 61 kleine Kalorien.
Der Raum, in dem die ersten Versuche angestellt wurden,
lag über dem Tierstalle ; er hatte eine Gröfse von 5,50 : 3,15 : 3,60 m,
lag an zwei Seiten frei und hatte hier 5 qm Fensterfläche. Die Kugel
hing in der Mitte, 1,80 m über dem Fufsboden. — Sie wurde
mit einem Bunsenbrenner (Spiritusflammen hinterlassen eine Spur
Rufs, der das Strahlungsvermögen ändert) auf etwa 190® erhitzt
und dann mittels eines 1,65 m entfernten Fernrohres und einer
Sekundenuhr bestimmt, in welcher Zeit die Temperatur um 1®
abfiel. Es wurde darauf geachtet, dafs in dem Zimmer kein Luft-
zug die Wärmeleitung störend beeinflufste. Sämtliche Versuche
wurden zunächst im ungeheizten Zimmer gemacht, nachdem
lange vor dem Versuche das Fenster offen gestanden war. Die
Aufseutemperatur war zunächst nicht sehr niedrig, so dafs au-
Von Dr. Karl Kifskalt. 289
genommen werden konnte, dafs die Temperatur der Wand mit
der der Zimmerluft übereinstimmte.
Weitere Versuche wurden im Stinkzimmer und im kleinen
Hörsaale des Institutes angestellt. Beide Räume waren geheizt,
doch war die Aufsentemperatur mild und die Heizung schon
seit Tagen im Gang, weshalb angenommen werden kann, dafs
auch hier die Wandtemperatur mit der Lufttemperatur gleich war.
Besonders wertvoll dürften die Untersuchungen sein, die im
Respirationsapparate angestellt wurden. Hier war das Material
der Wand gleichmäfsig, da die Fensterflächen sehr klein sind,
aufserdem die Temperatur der Luft und der Wand sicher gleich,
da der Respirationsapparat in einem Zimmer stand und seine
Tür den ganzen Tag aufser während des Versuchs offen war.
Seine Gröfse ist 1,5:2,5:2m. Die Kugel wurde stets aufserhalb
des Apparates erwärmt, die Temperaturen von aufsen durch das
Fenster abgelesen. — Sämtliche Thermometer, die zur Ver-
wendung kamen, waren selbstverständlich miteinander verglichen
worden.
Die erhaltenen Zahlen wurden tabellarisch eingetragen. Da
jedoch die Zimmertemperaturen in den einzelnen Versuchen ver-
schiedene waren, so wurde sofort die Zimmertemperatur von der
Temperatur der Kugel subtrahiert und diese Differenz mit der
dazugehörigen Sekundenzahl, innerhalb welcher die Temperatur
der Kugel um 1 « fiel, in die Tabelle I (S. 290—295) eingetragen.
Man sieht, dafs die Sekundenzahl bei gleichen Differenzen fast
genau gleich ist. Die gemessene Zimmertemperatur ist in gewissen
Abständen in Klammern beigefügt.
Eine Ableitung der Formel zur Berechnung der Zeit, inner-
halb der sich die Kugel um 1° abkühlt, ist nun in folgender
Weise möglich: Man subtrahiert die Logarithmen zweier Diffe-
renzen, in den vorliegenden Versuchen solcher, die um 1° von-
einander entfernt sind, multipliziert mit 100000 und dividiert
durch die Anzahl der Sekunden. Der Quotient wird als Ordinate,
die Differenz als Abszisse eingetragen. Es zeigt sich, dafs die
Linie eine Gerade ist, die der Abszisse in einem Winkel & zu-
(Fortsetzung des Textes S. 296.)
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290 ^16 Wärmeabgabe des Menschen in ungleich mäfsig temperierten B&amen.
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296 I^ie Wärmeabgabe des Menschen in nngleichmäfsig temperierten Räamen.
strebt. Nur bei sehr grofser Annäherung an D=0 weicht sie von
der Geraden etwas ab, indem sie sich der Abszisse dann schneller
nähert. — Daraus ergibt sich für den Geradenteil : y = 6 + ^ tg o,
wobei y die Abszisse, x die Ordinate, h die Entfernung des
(Schnittpunktes der Linie von der Ordinate bei D=0 ist.
Trägt man mehrere solcher Kurven ein, so ergibt sich, dals
die Geraden zwar parallel sind, jedoch von der Abszisse einen
verschiedenen Abstand haben, und zwar ist er am gröfsten da,
wo die Messungen bei hoher, am geringsten, da, wo sie bei
niederer Lufttemperatur vorgenommen wurden; er wurde ge-
messen bei einer Lufttemperatur von 20° zu 20,8, von 5*^ zu
18,2, bei den übrigen Untersuchungen waren die Abstände ent-
sprechend. Da diese Differenzen sehr gering sind, so kann man
ohne weiteres lineare Beziehungen für den Zusammenhang wählen.
Daraus ergibt sich & = 17,3 + 0,17 t^] tg. «wurde durch Rechnung
zu 0,1551 bestimmt.
Die Formel y = h -{- xiga lautet nunmehr:
i^^^l^^^ll^^ = 17,333... + 0.17 333... <, + Dtg« (1
wobei s die Zahl der Sekunden darstellt, innerhalb deren die
Temperatur von einer Differenz D zwischen Kugel und Zimmer-
temperatur auf eine Differenz D' gesunken ist ; t^ ist die Zimmer-
temperatur. Daraus ergibt sich:
,^ (lg Z?- lg D') 100 000
17,33 . . . + 0,1733 . . . ^ + 0,1551 D ^
Die auf diese Weise beobachteten Zahlen weichen von den
durch Messung ermittelten — r die natürlich nicht absolut genau
sein können — nur um einen geringen Betrag ab. So wurde
z. B. für eine Zimmertemperatur von 20® durch Berechnung resp.
Messung ermittelt: D = 100, s = 12,008 resp. 12; D = 80,
s = 16,45 resp. 17; D = 60, s = 24,25 resp. 22,3; D = 40,
5 = 40,73 resp. 42; D = 30, s = 57,83 resp. 60,3; jD = 20,
s = 93,21 resp. 96,8 u. 99,4. Doch wird es sich im folgenden
zeigen, dafs es sehr wichtig ist, besonders bei höheren Werten
von D, ganz genaue Zahlen zu haben, da schon sehr geringe
Von Dr. Karl Kifskalt. 297
Fehler, in manchen Fällen solche um Bruchteile einer Sekunde,
ein falsches Resultat ergeben. Nur bei sehr geringen Werten für
D wird man vorziehen, mit den gemessenen Zahlen zu arbeiten,
da dann die Linie von den Geraden abweicht, d. h. die Zahl
der Sekunden grOfser ist, als die Berechnung ergeben würde.
Es soll nun zunächst untersucht werden, ob sich mit Hilfe
dieser Formel die Temperatur der bestrahlten Fläche, d. h. der
Wand, genau berechnen >läfst. Die Wärmeabgabe durch Strahlung
geschieht (4, Bd. 2, S. 363) nach der Stefan sehen Formel
wobei B die abgegebene Wärmemenge, F die Oberfläche des
ausstrahlenden Körpers, E sein Emissionsvermögen, a sein Ab-
sorptionsvennögen, T seine absolute Temperatur, jF\ die Ober-
fläche des bestrahlten Körpers, o^ sein Absorptionsvermögen,
Ji seine absolute Temperatur ist. — Ist die Oberfläche des be-
strahlten Körpers sehr grofs gegenüber der Oberfläche des
strahlenden Körpers, so ist das 2. Glied im Nenner zu ver-
nachlässigen und die Formel geht in die vereinfachte über :
B = E Fs(T^—Tj^^) (4
Es wurden nun bestimmte Temperaturen für die Kugel und
das Zimmer als Beispiel gesetzt und daraus die Abkühlungszeit
nach Formel 2) berechnet. War die ermittelte Sekundenzahl
richtig (wobei es, wie erwähnt, manchmal auf Bruchteile einer
Sekunde ankam), so mufste sich dann, wenn man die erhaltene
Zahl in die Stefan sehe Formel einsetzte, derselbe Wert für die
bestrahlte Wand (Tj — 273) ergeben, der vorher für die Zimmer-
temperatur gegeben war, da ja Luft und Wand einstweilen als
gleich temperiert angenommen worden waren.
Da der Wasserwert der Kugel 61 Kai. betrug und sich die
Wärmeabgabe durch Strahlung zu der Gesamtabgabe nach Rubner
(5,8.73) wie 0,468: 1 verhält, so ist JS = 61 X 0,468; E ist für
Glas 1,0846 X 10" i^; F= 133. li kann nun nach der Formel
berechnet werden:
298 I^io Wärmeabgabe des Menschen in ungleichmälsig temperierten Räumen.
^j=yT'—
61 X 0,468
sXEXF-
Nimmt man z. B. die Temperatur der Luft = 11", die der
Kugel = 41", so ergibt sich D = 30.
gg 30 - lg 29) 100000
17,33 . . . + 0,1733 ... X 11 + 30 X 0,1551 '
T lAu- 61X0,468X10" _og^o7
also ti = 11,03».
Auf diese Weise wurden folgende Zahlen ermittelt:
Für eine Lufttemperatur von 20°: D = 156, «i = 32,65
D=100, ^ = 21,71; 2) = 80, «i = 19,49; X> = 60, <i = 19,95
D^40, <i = 20,67; 2) = 30, <! = 20,91; D = 20, <i = 21,03
D = 10, «1 = 20,91.
Für eine Lufttemperatur von 14»: D = 80, fi = 10,83;
Z)=50, «1 = 13,03; D = 40, «i = 13,8; D = 30, «i = 14,34;
D = 20, ti = 14,53 ; D = 10, «1 = 14,8.
Für eine Lufttemperatur von 1 1 » : D = 60, <i = 8,35 ; D = 40,
<i=:9,91; D = 30, «i= 11,03; JD = 20, <i = ll,55; D = 10,
*i = 11,73.
Für eine Lufttemperatur von 5 » : D = 100, <i = — 5,6 ; D = 60 ;
ti=0,5; D = 40, <i = 2,96; D=30, <i = 4,46; D=20, ti = 5,25;
D = 10, «1 = 5,61.
Bedenkt man, dafs auch der Hals der Kugel Wärme verlor,
ferner dafs dasselbe durch Leitung an den Drähten der Fall
war, wo können die Zahlen für genügend genau gelten. Sie
sind brauchbar bei einer Lufttemperatur von 20» bis zu einem
Temperaturunterschied Z) = 100; bei einer Lufttemperatur von
14» bis Z) = 50; bei einer Lufttemperatur von 11 und 5» bis
i) = 30.
Untersuchungen im schlecht geheizten Zimmer.
Hat die Wand eine niedrigere Temperatur als die Luft, so
tritt die Abkühlung durch Leitung in derselben, die durch Strahlung
in kürzerer Zeit ein. Die Untersuchung wurde wie vorher vor-
Von Dr. Karl Kifskalt.
299
genommen, nur wurde der Respirationsapparat vermittelst 8 Gas-
flammen geheizt und, nachdem er auf eine konstante Temperatur,
etwa 50°, gebracht worden war, die auf 190® erhitzte Kugel
hineingehängt. Das Thermometer in der Kugel sank schneller
als in den vorhergehenden Versuchen und tiefer als das in der
Luft frei aufgehängte; wenn die beiden Instrumente gegenein-
ander korrigiert wurden um 2,75 — 3,5®. Die Temperatur der
Wand des Respirationsapparates war sicher niedriger als die der
Luft darin, da er ständig Wärme an das Zimmer abgab ; sobald
die Gasfiammen angemacht wurden, trat schnelles Sinken ehi.
Die folgende Tabelle gibt die Resultate der Untersuchungen
wieder.
Tabelle II.
Abkühlung um J
.° in 7 Sekunden
D —
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1
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1
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11,6
Von Dr. Karl Kifskalt.
301
Fortsetzung der Tabelle II.
Abkühlung um 1 ^^ in ? Minuten
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Respirationfl-
apparat
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Kimmer über dem Tierstall
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1
1
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23,1
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302 I^ie Wärmeabgabe des Menschen in angleichm&Tsig temperierten Räamen.
Fortsetzung der Tabelle II.
Abkühlang am 1* in ? Minuten
— —
1
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Respirations-
apparat
1 2
Zimmer über dem Tierstall
1
1
2
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4
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1
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23,2
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67
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1
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1
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1
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1
33,6
32,2
46
36,2
34,6
32,8
45 1
25,8
27.2
36,0
35,4
35,4
44
36.0
43
28,2
28,0
38,1
37,6
36,0
42
'
38,4
38,6
41
29,2
29.6
43,2
40,5
39,2
38,6
40
l|50,3|
40,2
39
' 31,0
32,4
43,7
40,6
41,4
38
43,2
37
32,4
32,8
44,6
46,9
44,6
44,4
36
1
50,6
19,0|
48,6
46.2
35
35,2
34,4
49,9
__ ina
^ 1
51,8
|19.5|
50,2
33
1
53,1
32
35,2
: 67,8
56,0
.
31
1
17,4|
60,6
55,6
30
39,8
36,2
1H,8
•
29
59,8
60,2 1
28
, 43.8
62,8
27
|50,3|
67,6
63,8
63,6 |13,5|
26
48,4
48,2
1
25
|50,2| !
76,8
73,2
68,6
80,2
24
1
77,6
|18.7|
23 ;
53,2
1
83,2
80,4
87,2
22
■
82,4
87.4
21
, 51,Ö
1
90,6
|19,7|
99,0
Von Dr. Karl Kifskalt
303
Fortsetzung der Tabelle Ü.
Abkühlung um 1° in ? Minuten
D =
Bespirations-
apparat
Zimmer über dem Tierstall
20 I
19
18 I
17 ;
16
15
14 i
13
12
11
10
9
8 '
7,7—6,7
6,8 — 6,8 j
5,7-4,7 ,
4,3—3,3
I
3,3—2,3 ,
I
3—2
2—1
0,3bis-0,7>)
56,6
66,8
87,8
105,6
121,2
137,2
146,2
163,2
188,2
223,0
274,0
|52g
49,0|
107,8
17,2
146,8
163,6
ITiä
101,4
104,8
117,6 ! 118,6
18,51
137,4
153,61 146,4
I 154,4
184,3 j
p;5| ' 203,6
100,4
18.6
107,6
127,8
HS
131,2
141,2
151,2
188,0
19,5
49,7
144,8
161,0
210,2
270,4
107,2
121,4
EU
134,6
162,0
170,0
217,0
350,4
49,7
236,0
684.0
PÖ3[
1) Sinken des Thermometers in der Kugel unter das frei aufgehängte
Thermometer.
Für weitere Berechnungen müssen die Sekundenzahlen
direkt aus der Tabelle abgelesen werden, was um so eher ge
schehen kann, als sie recht genau mit einander übereinstimmen.
Aufzeichnen einer Kurve und Ableiten einer Formel wie vorher
war nicht möglich, da die Abgabe durch Leitung und Strahlung
ganz verschieden und das Verhältnis zu jeder Zeit ein anderes
Archiv für Hygiene, Bd. LXm. 21
304 ^16 Wärmeabgabe des Menseben in ungleichmäTsig temperierten Rftnmen.
ist, da letztere im Verhältnis zur ersteren mit Annähern der Tem-
peratur der Kugel an die der Luft bedeutend zunimmt.
Die Bestimmung der Temperatur der Wand konnte nicht
durch Ablesen an Thermometern geschehen, auch nicht an solchen,
die etwa mit Gips angeklebt waren, da sie an verschiedenen
Teilen verschieden war und auch die Flammen nach der Kugel
ausstrahlten. Sie wurde daher wieder berechnet und zwar in
folgender Weise :
Es wurde zunächst nach der Formel 2) berechnet, wieviel
Sekunden nötig gewesen wären, um die Temperatur der Kugel
bei der gemessenen Lufttemperatur um 1 ^ sinken zu lassen, falls
Wand und Luft gleiche Temperatur gehabt hätten. In dieser
Zeit werden aber durch Leitung allein 61 X 0,532 Kalorien abge-
geben ^) ; in der gemessenen Zeit (Tabelle II) entsprechend weniger.
Durch Subtraktion dieser letzteren Zahl von 61 wurde die in
der gemessenen Zeit durch Strahlung abgegebene Wärmemenge
ermittelt und daraus wie vorher nach der Stefan sehen Formel
die Temperatur der bestrahlten Wand bestimmt.
Voraussetzung für die Richtigkeit der Rechnung ist aller-
dings, dafs bei der Temperatur von 50^ noch dieselben Gesetze
gültig sind, die oben für eine Temperatur von 5—20^ abgeleitet
wurden.
') Es war zanächst versucht worden, nach der von Fielet (6, Bd. I,
S. 521) angegebenen Formel den Verlast darch Leitung zu berechnen. Die
IS
Formel lautet A -^ 0,552 K^ D »."», wobei K^ für die Kugel 1,778 + ^ - ist.
I"
Berechnet man daraus, wie viel Wärme durch Leitung von der Kugel abge-
geben wird, so findet man z. B. bei D = 50 und s = 31,9 : 46,85 Kai. ; bei
D = 30 und 8 = 60,32 : 47,20 Kai. Dies kann unmöglich richtig sein, da
der gesamte Wärme Verlust in dieser Zeit nur 61 Kai. beträgt; auch kleine
Beobachtungsfehler würden hier keine Bolle spielen. Berechnet man dagegen
mit Hilfe der Stef ansehen Formel und der berechneten Sekundensahl den
Verlust durch Strahlung allein bei Sinken um 1®, so findet man bei einer
Luft- und Wandtemperatur von t^ = 20 «, bei D = 156 <> 29,76 Kai. ; bei
D = lOQö 26,82 Kai; bei D = 30» 29,32 Kai; bei D = 10» 31,262 Kai.;
bei t, = 5° und D = 156<> 28,01 Kai.; D = 100« 25,02 Kai.; D = 30"
28,12 Kai. ; D = 10» 30,31 Kai., während oben 61 X 0,468 = 28,548 Kai.
angenommen wurden. Deshalb wurde vorgezogen, nur die Stefan sehe
Formel zu benutzen, zumal diese an über 6000 Messungen erprobt ist.
Von Dr. Karl Kifskalt.
305
Auf diese Weise ergab sich für die Wand bei :
D = 43 — 44,890; 2> = 41 — 43,14«; D = 26 — 43,96»;
i) = 23— 43,260; -0=18 — 43,04°; D = l3 — 42,75«; D = ll
bis 44,33«; im Mittel 43,62«. Die Temperatur der Luft hatte im
Mittel 50,30, also 7,7« mehr.
Aus diesen Temperaturen und der abgegebenen Sekunden-
zahl wurde berechnet, wieviel Kalorien in 1 Sekunde von der
Kugel durch Strahlung abgegeben wurden. Ferner wurden, wie
oben berechnet, wieviel Kalorien in 1 Sekunde bei Temperatur-
gleichheit von Luft und Wand abgegeben worden wären. Das
Resultat ist in Tabelle III wiedergegeben.
TabeUe lU.
D =
Kai. In 1 Sek.
statt
Eal. in 1 Sek.
also mehr
11
0,3562
0,1948
82,85 o/o
13
0,4313
0,2318
86,05 •/,
18
0,5344
0,3332
60,84 o/o
23
0,6468
0,4397
47,12 o/o
26
0,6896
0,5043
36,76 •/.
41
1,094
0,8629
26.78 »/«
43
1,1241
0,914
22,99 »/o
Berechnet man in derselben Weise das Plus des Wärmeverlustes
durch Leitung und Strahlung zusammen, so erhält man wesent-
lich andere Zahlen, nämlich:
Tabelle IT.
11
13
18
28
26
41
43
0,5776
0,6948
0,9131
1,1466
1,2626
2,075
2,163
stott
kal. in 1 Sek.
0,4162
0,4953
0.7119
0,9394
1,0777
1,844
1,953
also mehr
38,71%
40,28%
28,26 Vo
22,05 Vo
17,16 °/o
12,61 7o
10,730/0
Die Zahlen sind deshalb niedriger, weil infolge des durch
stärkere Strahlung bedingten schnelleren Sinkens des Thermo-
21*
306 ^ie Wärmeabgabe des Menschen in angleichmäfsig temperierten Räamen.
meters das Temperaturintervall von 1° schneller durchschritten
wurde und in der kürzeren Zeit die Abgabe der Wärme durch
Leitung geringer war.
Eine Anzahl Messungen in »ungleich temperierten c Zimmern
wurden auch in dem Zimmer über dem Tierstall gemacht. Seine
Fenster wurden bei niedriger Aufsentemperatur einige Tage
offen gelassen, vor Beginn des Versuches geschlossen, und dann
einige Stunden kräftig eingeheizt, wobei die Temperatur des
frei aufgehängten Thermometers höher stieg als die der an den
Wänden in Augenhöhe mit Gips angeklebten Thermometer. Die
Differenz betrug von 2,8 bis 7,3°. Doch darf die Temperatur
der Wandthermometer nicht als Temperatur der Wand ange-
nommen werden, da die Decke wärmer war, indem die warme
Luft dorthin aufstieg, ebenso vielleicht auch der Fufsboden, da
das darunter befindliche Zimmer geheizt war. Dagegen war die
Temperatur des Fensters und vielleicht auch eines Teiles der
Wand niedriger. Auch hier müfste also die Gesamttemperatur
der Wand mit Hilfe der Stefanschen Formel und der auf das
genaueste ermittelten Temperatur berechnet werden. Das ist
leider nicht möglich, da die Sekundenzahl aus den oben er-
wähnten Gründen nicht berechnet werden konnte und die ab-
gelesenen Zahlen, selbst wenn die Fehler nur einige Prozent be-
tragen, im vorliegenden Falle nicht brauchbar sind, da dies in
der Berechnung schon Fehler um einige Temperaturgrade aus-
macht. Bei den im Respirationsapparate ermittelten Zahlen war
dies nicht der Fall, da bei der höheren Temperatur kleine Fehler
weniger hervortreten. Immerhin zeigen sich deutlich Unterschiede
gegenüber den Versuchen im geheizten Zimmer, weshalb auch
diese Zahlen angeführt sein sollen. (Tabelle II).
Übertragen wir diese Resultate auf den Menschen. — Eis
werde zunächst angenommen, dafs sich eine Person der Arbeiter-
kategorie I, die also im wesentlichen nur durch Umhergehen
körperliche Arbeit leistet, in einem Räume befindet, dessen Luft
und Wand gleichmälsig temperiert sind, nämlich 17,5°. Ihr Ge-
samtkraftwechsel ist zu 2700 Kalorien anzunehmen. Der Ka-
Von Dr. Karl Klüakalt. 307
lorienverlust beträgt pro Tag (5, S. 96) durch Atmung 35, durch
Arbeit 51, durch Erwärmung der Kost 42; für Wasserverdunstung
seien 558 Kai. angenommen, so dafs für Leitung und Strahlung
2014 bleiben. Berechnet man den Verlust durch Strahlung,
wobei man nicht, wie in dem zitierten Beispiele das Strahlungs-
vermögen des Sommerkammgarns zugrunde legt, sondern das
eines Winteranzugs, das dem des Wollflanells gleich sein dürfte,
so erhält man folgende Zahlen:
Das Strahlungsvermögen des Glases verhält sich zu dem des
Rufses = 0,914 : 0,996 ; das Strahlungsvermögen des WoUfianells
verhält sich zu dem des Rufses = 108,7 : 100 (7, S. 13 u. 14).
Die Strahlungskonstante des Glases für die Stefan sehe Gleichung,
auf Kai., qcm und Sek. bezogen, ist 1,0846 X 10 ~". — Daraus
ergibt sich die des Wollflanells zu 1,2847 X 10-^2. _ Die der
Haut werde gleich der des Waschleders gesetzt; dann ergibt sich
in derselben Weise 1,1287 X 10" i^. Die Oberfläche der be-
kleideten plus der behaarten Teile wurde wie in obigem Bei-
spiele zu 19404, die der unbehaarten Teile zu 1200 qcm, die
Temperatur der Kleidungsoberfläche zu 22,9, die der unbehaarten
Teile zu 30^ angenommen. Berechnet man mit Hilfe dieser
Zahlen und der St ef ansehen Formel, wieviel der Körper in
einer Stunde durch Strahlung verliert, so ergibt sich: Für die
unbekleideten Teil bei einer Temperatur von 17,5® 6,37 Kai.;
bei 16,5® 6,847 Kai.; bei 14,5« 7,785 Kai.; bei 12° 8,93 Kai.;
bei 90 10,262 Kai. Für die übrigen Teile bei 17,5» 48,8 Kai.;
bei 16,5« 57,5 Kai; bei 14,5» 74,76 Kai.; bei 12« 95,85 Kai;
bei 90 120,36 Kai.
Da es aber keine praktische Bedeutung hätte, den Mehr-
verlust durch Strahlung allein zu berechnen, so wurde der Ver-
lust durch Leitung (28,62 Kai pro Stunde) und durch Wasser-
verdunstung (23,25 Kai) dazugerechnet und Tabelle V (s. S. 308)
aufgestellt.
Wenn also die Lufttemperatur 17,5°, die Wand-
temperatur in einem schlecht angeheizten Zimmer
weniger beträgt, so werden von einer Person bei ge-
ringer körperlicher Arbeit pro Grad Temperaturdiffe-
308 ^16 Wärmeabgabe des Menschen in angleichmäfsig temperierten Räumen.
renz etwas über 8% Wärme mehr abgegeben als bei
Temperaturgleichheit.
Tabelle T.
Bei geringer Arbeit werden pro Stunde im ganzen abgegeben:
liUft-
temperatUT
Wand-
temperatur
Differenz
abgegebene
Kalorien
also mehr als
bei gleichmäfsiger
Zimmertemperatur
17,50
17,50
16,50
14,50
120
90
1
3
5,5
8,5
107,04
116,22
134,41
156,65
182.49
8,580/,
25,57 >
46,35»
69,55 »
Weiter interessiert uns noch, wie grofs diese Zahlen beim
ruhenden Menschen sind; diese Zahlen sind praktisch noch be-
deutsamer. — Pro qm Oberfläche sind hier 1189 Kai. zugrunde
zu legen (8, S. 398); die Oberfläche des Nackten betrage wieder
2,243 qm, es werden also pro Tag 2267, pro Stunde 111,12 Kai.
gebraucht. Die Erwärmung der Atemluft erfordere wieder 35,
die der Kost 42 Kai. ; für Wasserdampfabgabe werden (9, S. 212)
11,4X24 = 273,6 Kai. gerechnet. Der Verlust durch Strahlung
beträgt wie vorher 1324 Kai. Dann treffen auf den durch Leitung
verursachten 592,4, pro Stunde 24,7 Kai. — Wie vorauszusehen, war
der Verlust durch Leitung geringer beim Ruhenden als bei dem,
der im Zimmer umhergeht. — Daraus wurden in derselben Weise
wie vorher folgende Zahlen berechnet:
Tabelle TL
Bei Bube werden pro Stunde im ganzen abgegeben:
Luft-
temperatur
Wand-
temperatur
Differenz
also mehr als
abgegebene ^^ gielchmlUMger
Kalonen i „. _^ T
1 Zimmertemperatur
17,50
17,50
16,50
14,50
120
90
1
3
5,5
8,5
91,27
100,45
118,67
140,88
166,72
10,060/,
30,00»
54,35»
82,67 »
Im angeführten Falle wird also bei Ruhe pro Grad
Temperaturdifferenz im ganzen etwa lO^/g mehr Wärme
abgegeben als bei Temperaturgleichheit.
Von Dr. Karl Kifskalt.
309
In Wirklichkeit ist die Wärmeabgabe etwas geringer, da ein
Teil des Körpers von der Strahlung ausgeschaltet ist, doch ist
diese GrOfse nicht genau anzugeben, da sie mit der Sitzgelegen-
heit (Stuhl, Sessel, Divan) stark variiert.
Von Interesse erschien es noch zu untersuchen, wie eine
Person sich verhält, die sich nach starker körperlicher Arbeit in
einen solchen Raum begibt um sich auszuruhen. In einem
solchen Falle dauert, wie Wolpert und Peters (10)^) nachgewiesen
haben, die Vermehrung der Wasserdampfabgabe noch einige Zeit
an, wodurch eine Vermehrung des Wärmeverlustes bedingt ist.
Das Plus betrug 5 — 9,3 g pro Stunde. Nehmen wir 8 g = 4,3 Kai.
und berechnen, wieviel das Plus der Wärmeabgabe in einem un-
gleichmäbig temperierten Räume beträgt gegenüber der Wärme-
abgabe einer Person, die vorher nicht gearbeitet hat, in einem
gleichmäfsig temperierten Räume.
Tabelle VII.
Luft-
temperatur
1
Wand-
temperainr
D.
Kai.
also mehr
17,5°
17,50
—
91,27
16,5°
1
104,76
14,77%
14.5°
3
122.94
34,70 »
120
5,6
146,18
59,07 .
9°
8,5
171,02
87,38 >
Wie man sieht, sind die Werte nicht grols ; bedeutend gröfser
dürfte der Wärmeverlust sein, der durch die Verdunstung des in
den Kleidern steckenden Schweifses herbeigeführt wird.
Bei der Berechnung ist noch eins zu bedenken. Wenn man
einen Körper in einen Raum aufhängt, dessen Wand und Luft
ungleichmäTsig temperiert sind, so wird er eine zwischen beiden
gelegene Temperatur annehmen. Da die Wärmeabgabe einer
Glaskugel durch Strahlung sich zu der durch Leitung etwa wie
1 : 1 verhält, so wird ihre Temperatur «ich auf die Mitte zwischen
beiden einstellen. Ist dies beim bekleideten menschlichen Körper
auch der Fall, so wird zwar der Verlust durch Strahlung dann
1) B. Literatur 8. 311.
310 ^io Wärmeabgabe des Menschen in ongleichmilfsig temperierten Räamen.
geringer sein, da die Temperaturdifferenz zwischen Wand und
Kleidungsoberfläche geringer ist, aber der Verlust durch Leitung
von der Haut nach der Kleidungsoberfiäche erhöht, jedenfalls die
Rechnung komplizierter als vorher wird. Doch erwies sich eine
nochmalige Rechnung als unnötig, da, wie sich aus früheren Unter-
suchungen von Rubner (11, S. 31) ergibt, bei Sinken der Luft-
und der Wandtemperatur von 17,5 auf 10° die Kleidungsober-
fläche nur von 22,7 auf 19,3° sinkt, bei Sinken der Wandtemperatur
allein also noch viel weniger, sodafs die Unterschiede von obigen
Zahlen ganz verschwindend würden.
Es wurde bereits erwähnt, dafs zahlenmäfsige Angaben, wie
grols die Temperaturdifferenz zwischen Luft und Wand in einem
derartigen unbehaglichen Zimmer ist, nicht existieren. Mir selbst
ist es nicht gelungen, eine gröfsere Temperaturdifferenz als
7,4° herbeizuführen, und auch diese sank schnell ab auf 5,5°.
Leichter war eine solche von 4 — 5° auf einige Zeit zu erreichen,
doch ist dabei zu bedenken, dafs das Zimmer absichtlich einige
Tage ausgekühlt und dann möglichst stark angeheizt wurde. Sie
wird in praxi bei Lokalheizung selten vorkommen, eher schon
bei Luftheizung. Auch ist an den Fall zu denken, dafs eine
Wand dem Nordwind exponiert ist, wobei noch die Gefahren
einer einseitigen Abkühlung dazukommen. Jedenfalls aber be-
weisen die Zahlen, dafs schon anscheinend geringfügige Diffe-
renzen einen starken Wärmeverlust bedingen, und es ist daher darauf
zu sehen, dafs die Beheizung der Zimmer nicht nur eine direkte,
durch einen Heizkörper oder die erwärmte Luft, sondern auch
eine indirekte, von den erst sekundär erwärmten Wänden aus
sein mufs.
Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn 'Geheimrat Prof. Dr.
Rubner, erlaube ich mir für die Anregung zu der vorliegenden
Arbeit und seine Unterstützung dabei meinen ergebensten Dank
zu sagen.
Von Dr. Karl KiTskalt. 311
Literatur.
1) Rabner, Lehrbuch der Hygiene. 7. Aufl. ' 1903.
2) Tr^lat, Le chanfEage et Ta^ration des habitations. Congr^s inter-
national d*hygi^ne et de dämographie. Paria 1889.
3) Schmidt, Heizung and Ventilation, in Weyls Handbach der
Hygiene, Bd. 4, 1896.
4) Wüllner, Lehrbach der Experimentalphysik. 5. Aufl. 1896.
5) R ahn er, Zar Bilanz unserer Wärmeökonomie. Archiv f. Hygiene,
Bd. 27, 1896, S. 69.
6) Fielet, Trait^ de la chaleur. 4. Aufl. 1878.
7) R ahn er, Das Strahlungsvermögen der Kleidungsstoffe nach abso-
lutem Mafse. Archiv f. Hygiene, Bd. 17, 1893, 8. 1.
8) Rubner, Kalorimetrische Untersuchungen H. Zeitschr. f. Biologie,
Bd. 21, 1885, 8. 337.
9) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs. 1902.
10) Wolpert u. Peters, Über die Nachwirkung körperlicher Arbeit
auf die Wasserdampf abgäbe des Menschen. Archiv f. Hygiene, Bd. 65, 1906,
S. 309.
11) Rubner, Thermische Studien über die Bekleidung des Menschen.
Archiv f. Hygiene, Bd. 23, 1895, S. 13.
Zentrosomen oder Kenireste in den Erythrozyten
des normalen strömenden Blntes?
Von
Prof. Dr. Franz Weidenreich
in BtraAburg.
Durch die Liebenswürdigkeit des Autors erhalte ich Kenntnis
von der Abhandlung A. Nilsles: Ȇber Zentrosomen und
D eh lersche Reifen in kernlosen Erythrozyten <: im Bd. 61 dieser
Zeitschrift. Ich werde dadurch aufmerksam gemacht, dafs die
von mir beschriebenen eigentümlichen, chromatischen Kömchen
vieler kernloser Erythrozyten des normalen strömenden Blutes
schon früher von diesem Autor gesehen und als Zentrosomen
gedeutet wurden. Da die betreffende Abhandlung^ in der sich
diese Mitteilung befindet, den allgemein gehaltenen Titel:
»Beobachtungen am Blut mit Trypanosomen geimpfter Tiere«
führt und zudem in den Jahresberichten für Anatomie und Ent-
wicklungsgeschichte nicht referiert und nicht einmal aufgeführt
ist, so ist mein Versehen wohl entschuldbar.
Nun behauptet Nifsle, dals die fraglichen Gebilde die er-
halten gebliebenen Zentrosomen seien, während ich sie für die
letzten Reste des ursprünglichen Kernes gehalten habe. Nach
der« Kenntnisnahme der beiden Arbeiten jenes Autors besteht
für mich nicht der geringste Anlafs, von dieser meiner Beurteilung
abzulassen. Ftir Nifsle war lediglich der allgemeine Habitus,
unter dem die Kömchen erscheinen, mafsgebend. Dafs daraus
Zentrosomen oder Kernreste etc. Von Prof. Dr. Franz Weidenreicb. 313
nicht ohne weiteres auf die ZentrosomenDatur geschlossen werden
darf, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Die Tatsache, dafs
You Dehler und Heidenhain in kernhaltigen roten Blut-
körperchen Zentrosomen beschrieben wurden, beweist nicht das
geringste dafür, dafs in kernlosen Erythrozyten gefundene ähn-
liche Gebilde mit jenen identisch sind. Man darf um so mehr
an der Berechtigung dieser Deutung zweifeln, als es ein meines
Wissens völlig ohne jedes Analogon in der Zellbiologie dastehen-
der Fall wäre, dafs die Zentrosomen erhalten bleiben, während
der Zellkern völlig schwindet und auch das Protoplasma in seiner
Gesamtheit eingreifende Umwandlungen erfährt. Schon dieser
Umstand verlangt nach ganz anderen Beweisen, als sie Nifsle
bringen kann. Da müfste doch vor allem einmal von der
Mitose an das Zentrosom in seinem besonderen Verhalten ver-
folgt werden!
Ist also von Nifsle überhaupt kein genügender Beweis für
seine Ansicht erbracht worden, so ist es auf der andern Seite
leicht, die Kernnatur jener Kömchen nachzuweisen. Zunächst
färben sich die Körnchen mit allen typischen Kernfarbstoffen,
was bekanntlich für die Zentrosomen nicht zutrifft; so besitze
ich Präparate, in denen die Körnchen gefärbt erscheinen, nicht
aber die Zentrosomen der daneben liegenden Leukozyten, die
mit typischen Zentrosomenfärbungen gut darstellbar sind. Aber
abgesehen davon, habe ich durch Untersuchung fötalen Blutes
und des Knochenmarks den Nachweis erbracht, dafs sich meist
eine kontinuierliche Reihe aufstellen läfst, die von den frag-
mentierten und pyknotischen Kernen der Erythroblasten zu
jenen Körnchen führt. Nifsle kritisiert zwar diesen Nach-
weis, ich glaube aber, dafs hier eine Kritik nur dann berechtigt
ist, wenn sie sich auf eine exakte Nachprüfung meiner An-
gaben stützt. Inzwischen ist diese von anderer Seite erfolgt.
Im letzten Heft des Arch. d'Anat. microscop. (T. IX. F. II,
S. 133 — 314) publiziert J. Jelly eine sehr ausführliche Unter-
suchung über die Kernumwandlung der roten Blutkörperchen,
in der er genau zu den gleichen Resultaten kommt wie ich.
Auch er leitet jene fragliche Körnchen in kontinuierlicher Reihe,
314 ZentroBomen oder Kemreste etc. Von Prof. Dr. Franz Weidenreich.
vom Kerne ab und die figürlichen Belege, die er dafür gibt,
stimmen auffallend mit den meinigen überein. JoUy weicht
nur darin von mir ab, dafs er beim normalen, erwachsenen
Menschen die Körnchen nicht gesehen haben will, sondern nur
in den kernlosen Erythrozyten des fötalen und anämischen
Blutes; diese Differenz ist aber hier belanglos, da sie sich ja
ebensogut gegen Nif sie wie gegen mich richtet. Ich halte also
meine Deutung, wonach die Körnchen Kernreste (Chroma-
tinstäubchen) sind, für durchaus gesichert, während für ihre
Zentrosomennatur im Sinne Nifsles jeder Beweis fehlt.
Strafsburg, Juni 1907.
Die Wirknng verschiedener chemischer Agentien
auf das Wntvirus/)
Von
Prof. Olaudio Fermi.
{HygLemachea Institat der Egl. Universität Saesari. Prof. Claudio Fermi.)
Die Kenntnis der lyssatötenden Minimalmenge der ver-
schiedenen chemischen Stoffe ist uns noch vollständig fremd.
Dies erklärt sich teilweise durch den Mangel von zur subkutanen
Lyssainfektion empfindlichen Tieren und teilweise aus der grofsen
Anzahl von kostbaren Tieren (Kaninchen oder Meerschweinchen),
die dazu notwendig waren.
Die verschiedenen Autoren haben sich daher begnügen
müssen, nur zu bestimmen, in welcher Zeit eine gegebene
Lösung einer bestimmten chemischen Substanz imstande ist, das
Wutvirus zu zerstören. Dies kann man in nachstehenden Tabellen
sehen, in welchen die verschiedenen Stoffe in alphabetischer
fieihenfolge angegeben sind.
Um das Kapitel über die Wirkung der verschiedenen
chemisch-physischen Agentien auf das Wutvirus zu vervoll-
ständigen, sowie um einige Aufklärung zu schaffen über die
Natur des Wutvirus und die verschiedentliche Widerstands-
fähigkeit desselben den genannten Faktoren gegenüber und mit
jener der bekannten Mikroorganismen verglichen, ferner weil diese
1) Eine vorläufige Mitteilung über diesen Gegenstand habe ich schon
im Jahre 1905 in der Riforma Medica (XXI. Jahrg. Nr. 36) yerOffentlicht.
316 ^ie Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf den WutYims.
Kenntnisse mir zu einigen Forschungen über die Immunisierung
und die Behandlung der Tollwut dienen sollten, studierte ich
die Wirkung einer Serie chemischer vorwiegend antiseptischer
Substanzen in bezug auf das Wutvirus.
Chem. Substanzen*)
Prozentzahl der
gebrauchten
Lösungen
Der Wutvirus wurde zerstört in
Essigsäure . . .
Borsäure ....
!
i
4
5'
15
De Blasi e Russo Travali
Zitronensäure . .
6
lO'
Galtier
Salzsäure ....
5
5'
De Blasi e Russo Travali
Salizylsäure . . .
Schwefelsäure . .
Alkohol . . . . <
5(1)
10
15
25
5'
5'
lebt noch nach
7 Tagen
5 Tagen
De Blasi e Russo Travali
^ Celli e Luigi De Blasi
50 90
24 Stunden
Ammoniak . . .
Konzentriert
10'
De Blasi e Russo Travali
Kreolin ....
1
3'
Formol ....
i
5' 10'
Caterina
Holzranch . . .
V.
20 Stunden
Glyzerin ....
1 Monat
>
Silbemitrat ...
50
25
5'
10*
De Blasi e Russo Travali
Kalipermanganat .
2,5
1
24 Stunden
20'
Celli e Luigi De Blasi
De Blasi e Russo Travali
Kalihydrat . . .
5
Sofort
Kupfersulfat . .
10
10*
Celli e Luigi De Blasi
Zinksulfat . . .
1
10'
De Blasi e Russo Travali
1
■
Sublimat . . . . j
,1
1 /ooo
17oo
Sofort
Sofort
l Celli, Luigi De Blasi e Cala-
1 brese
Zitronensaft . . .
3'
Galtier
1) Bekanntlich kombinieren sich Spuren dieser Stoffe (Sublimat, Säuren
usw.) mit den eiweifsähnlichen ; und andere (Nitrat argen usw.) mit den Salzen
(Chlomatrium etc.), doch wäre es eine aulserordentliche, unnütze« und mit
dem Zwecke nicht im Einklänge stehende Arbeit gewesen, chemisch den
Inhalt der verschiedenen chemischen, der Emulsion beigefügten Stoffe, fest-
zustellen.
Übrigens habe ich die Methode befolgt, die beim Studium der ver-
schiedenen Antiseptika auf die Mikroorganismen im Gebrauch ist^ um auch
den Wutvirus mit jenen vergleichen zu können.
In ähnlichen Forschungen handelt es sich nicht darum, die Menge der
absoluten freien Substanz festzustellen, die auf die Mikroorganismen ein-
wirkt, sondern um zu wissen, wie viel Stoffe, unter gegebenen Bedingungen,
Von Prof. Claudio Permi. 317
Untersuchungsmethode: Man giefse in Prouvetten oder
in kleine Kelchgläser die 10 ccm gut zubereitete Emulsion von
frischem feinen Virus zu 1 : 10 (1 g Mark in 10 ccm destilliertes
Wasser enthalten), verschiedene Quantitäten der verschiedenen
Stofflösungen; man schüttle dieselben gut 1 Minute lang, lasse
die Prouvetten ^4 Stunde lang ruhen und prüfe die Virulenz
des so behandelten Virus auf Ratten und Mäusen nach indem
man ^/s oder ^4 <^^ diesen Tieren subkutan injizierte.
Man war stets darauf bedacht, die Nadel der Spritze in die
Mitte der Flüssigkeit einzuführen, um die Berührung der Wandung
des Röhrchens oder des Gläschens zu vermeiden, und um zu ver-
hüten, dafs mit der Nadel irgendein Stückchen Mark durch
Anhängen an die Wandung des Gefäfses der Wirkung des Anti-
septikum für die bestimmte Zeit sich hätte entziehen können.
Da unser Zweck ist, die tödliche Minimaldosis der ver-
schiedenen chemischen Substanzen zu kennen, so bereitete man
für jede Substanz fast immer 5 — 7 Proben mit verschiedenen
Quantitäten des Antiseptikum und zwar 1, 2, 3, 4, 5, 6 bis
7 Zehntel der Lösung der verschiedenen Substanzen.
Auf diese Weise konnte die tödliche Minimaldosis leicht
festgestellt werden. Aufserdem bestätigten von den 5 — 7 Proben
die einen das Resultat der anderen und dienten zugleich als
Kontrollproben.
Geschah es bisweilen, dafs alle Dosen zu schwach waren
und der Virus überlebte und sämtliche 5 — 7 Mäuse an der Wut
starben, so wurde der Versuch mit einer grölseren Anzahl von
Zehnteln derselben Lösung wiederholt oder der Prozentsatz letzterer
gesteigert, oder die Zahl der erwähnten Zehntel gelassen. Die sehr
zahlreichen Reihen von Versuchen, die 619 Tiere verlangt haben,
sind in der ausführlichen Arbeit (L^Azion di vari agenti chimici sul
virus rabico. — Tipografia degli Olmi-Scansano, 1906) zu finden.
hinzagelflgt werden mflssen, um die Mikroorganismen zu töten oder ihre
Entwicklung anfzohalten.
Die Forschung nach der Menge der aktiyen freien Substanzen ist nicht
nur, wie gesagt unnütz, sondern sie würde zu oft langen und nicht immer
fehlerfreien Bestimmungen führen.
318 ^10 Wirkung yerschiedener chemischer Agentien auf den Watyiras.
In der nntenstehenden Tafel werden wir die gewonnenen Resultate zusammenfassen.
chemische Stoff in der entsprechenden
Versuchte Stoffe
Konzen-
tration
%0
%
^Ho
'lio
'%0
%
%
KRsigsäure . . . |
5:100
5:100
00
tt
00
tt
Salizylsäure
5:100
tt
tt
tttt
00
00
Zitronensäure . .
5:100
2:100
00
tt
00
1 1
Milchsäure . . . |
5:100
2:100
5:100
00
tt
00
1
r
j
00
tt
00
Salzsäure ....
2:100
00
'
00
t
2:100
■
5:100
00
00
Schwefelsäure . . /
2:100
2:100
00
00
1:200
t
1
1
Kalipermanganat
5:100
tt
tt
tttt
tt
00
Alaun
10:100
tt
tt
: 00
I
30:100
ttt
tt
ttt
T » •
Chlornatrium . . j
30:100
30:100
50:100
1
Natrium fluorur* .
1:100
f
20:100
tt
tt
tt
1 ^^
Natriumkarbonat . <
20:100
20:100
Ammoniak . . .
1%?
tt
tt
■
f T
Jod 1
5:100
1:100
tttt
000000
00
tt
000
00
t-
Kupfersulfat . .
1:100
t
Jodkali
5:100
5:100
•
00
Ott
00
tt
Jodalbacid* . . .
1:100
tt
00
Silbemitrat*. . . i
1:100
1:1000
tt
tt
tt
00 *
00
1:5000
t
■
T
Tachiol*
1:5000
;
t
t
1
1:200
Von Prof. Claudio Fermi.
319
Die t bedeuten, dafs das Tier auR Wut gestorben ist, und dafs daher der versuchte
Dosis den Wutvirus nicht tötete.
%
%
%
^''•/lO
%
%
%o
%o
"/lO
'%
%0
="'/io
00
00
00
00
00
00
•
00
00
00
00
00
00
00
00
00
00
00
00
00
00
00
00
•
oott
tt
tt
tt
ttt
ttt
tt
t
ttt
ttt
ttt
tt
t
ttt
tt
ttt
to
t
tt
tt
00
00
0000
00
00
tt
tt
00
tt
00
00
00
00
00
00
■
00
'
00
00
tt
00
00
00
Ott
00
00
^
00
tt
t
Archiv ffii Hygiene. Bd. LXm.
22
320 I^ie Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf den Watvirus.
Versachte Stoffe
Konzen-
tration
'/•/lo
Vio
^•'•/lo
%
'^•/•/lo
%
%
■
1:500
tt
tt
Ichthargan* . . . /
1:500
1:500
t
t
t
Ot
1:500
CoUargol* ...
1:100
1:1000
t
t
Protorgol* . . .
1:100
•
t
t
Largin
1:100
t
t
Argonin ....
1:100
t
t
1:5000
1:5000
t
t
Sublimat*
1 : 10,000
1:5000
1:20,000
tt
t
ot
t
ot
too
Ermophenil* . .
1:100
t
t
■
Karbolsäure. .
5:100
tttt
tt ttt
00
00
5:100
tt
t
tt
tt
Tymol,
1:100
tt
tt
Lysoform.
5:100
5:100
tt
tt
tt
Alumnol ....
1:100
tt
tt
Abrastol (asaprol)*
1:100
1:100
tt
t
' tt
t
Formalin ....
t
t
t
t
Chinin Bisulfat. .
5:100
tt
tttt
tttt
t
tttt
00
Chloroform ...
1:5
1:5
tt
t
tt
t
Wassersauwstoff- 1
superoxyd . . . '
Methylenblau . .
■
1:100
too
tt
tt
tttttttt
tt
tt
tt
tt
000
tt
tt
000
Malachitgrün . .
1:100
tt
ttt
ttttt
00000
Larycith ....
1:1000
tttt
tt
t
tt
00t
Bemerkungen. Die mit einem Sternchen gezeichneten
Aus vorhergehender Tabelle mit Hilfe einfacher FormeP)
(100 + n) ■ 1000
1) X =
nr.
W = Zahl der zu 10 ccm Emulsion zugefügten Lösungszehnteln.
B = Titel der geprüften chemischen Lösung pro Tausend.
Von Prof. Claudio Fermi.
321
'I:
10
«/:
10
n
10
oooott
000
tt
00
00
oooott
tt
00
0000
00
00
t
00
00
''% %
tt
ö
t
t
t
t
'I
00
tt
0000
tt
00
t
tt
00
10
'i.
10
tt
t
t
t
00
00
00
00
t
00
00
00
n
10
"/
10
"/:
10
n
10
30/,
10
00
Stoffe wirkten 30 Minuten lang auf den fixen Viras ein.
wurde die folgende Tabelle, welche die tödliche minimale
Menge der verschiedenen chemischen StofEe auf den Wutvirus
ergibt :
22*
322 I^Je Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf den Wntvirus.
Menge der verschiedenen Substanzen
1
bei welcher das fixe
bei welcher das fixe
Prozentzahl
der
Virus widerstand
Virus zerstört wurde
Versuchte i
1
Zehntel der
Zehntel der
Substanzen
versuchten
verschied.
Substanzen-
berechnete
verschied.
Substanzen-
berechnete
Lösungen
Lösungen,
Lösungen,
diez.lOccm
Emulsion
Prozentzahl
diez.lOccm
Emulsion
Prozentzahl
beigefügt
beigefügt
wurden
wurden
Essigsäure ....
2:100
4
1:1300
8
1 :675
Salicylsäure . . .
5:100
IV«
: 1846,67
2
:1020
Zitronensäure . . .
2:100
4
:1300
8
:675
Milchsäure ....
2:100
4
:1300
8
:675
Salzsäure ....
1:100
1
: 10,100
2
: 5,100
Schwefelsäure . .
1:200
v»
: 40,200
1
.20,200
Kalipermangat . .
: 5:100
3
686,67
4
520
Alaun 1
1 10:100
10
:110
12
: 93,33
Chlornatrium . . . ;
50 : 100
20
:12
30
.8.67
Natriumfluor ur* . .
1:100 '
10
:1100
15
: 766,67
Natriumkarbonat . .
20:100 i
4
8
:130
67,5
5
10
:105
55
Ammoniak ....
l*/o
4
:2600
5
:2100
Jod
5:100
V,
:4020
IV,
: 1346,67
1:100
4
:2600
8
:1350
Kupfersulfat . . .
1:100
2
:5100
4
:2600
Jodkali
5:100
Jodalbacid* . . .
1:100
2
:5100
4
:2600
Silbernitrat* . . . i
1:100
1:100
2
4
:5100
.26,000
3
8
3433
: 13.500
Takiol* i
1:200
V,
: 402,000
1
: 20,200
1:500
4
: 130.000
8
: 67.500
Collargol» . . . .|
i 1:100
1:100
10
2
Ictargan |
1:1000
1:500
10
2
: 25,500
3
1:17166,67
Protargol* ....
1:100
8
:1350
10
:1100
Largin
1:100
4
:2600
8
: 1350
Argonin* ....
1:100
4
;2600
8
:1350
Sublimat* ....
1:10 000
4
: 260,000
8
: 135,000
Ermophenil* . . .
1:100
4
:2600
8
:1350
Karbolsäure .
5:100
2Vj
:520
3
:420
Thymol*
1:100
4
2600
8
:1350
Lysoform* ....
5:100
8
270
10
:220
Alumnol* ....
1:100
8
:1350
10
:1100
Abrastol* ....
1:100
4
2600
8
:1350
Chininbisulfat . .
5:100
3
686,67
10
:210
Chloroform ....
20:100
4
130
8
:675
W assersauers toff •
Buperoxyd . . .
4
25
5
:20
Methylenblau . . .
1:100
IV,
6733,33
3
3433,33
Malachitgrün . . . j
1:100
3
3433,33
4
:2600
Larycith 111
1:100
5
21,000
6
: 17666,67
Bemerkung: Die mit einem Sternchen bezeichneten Stoffe wirkten 30 Minuten
auf den fixen Virus ein.
Von Prof. Claudio Fenni. 323
Resultate: Aus diesen Tabellen ergibt sich folgendes:
1. Die Essigsäure zerstört in ^4 Std. den fixen Virus schon in
einer Proportion von 1 : 675, während sie bei 1 : 1300 in-
aktiv bleibt.
2. Die Salizylsäure zerstört in ^j^ Std. den fixen Virus im Ver-
hältnis von 1 : 1020, während sie bei 1 : 1346,67 inaktiv
bleibt.
3. Die Zitronensäure zerstört in ^j^ Std. bei 1 : 675, inaktiv bei
1 : 1300.
4. Die Milchsäure zerstört in ^/4 Std. bei 1 : 675, inaktiv bei
1 : 1300.
5. Die Salzsäure zerstört in % Std. bei 1 : 5100 und ist inaktiv
bei 1 : 10100.
6. Die Schwefelsäure zerstört in % Std. bei 1 : 20200 und ist
inaktiv bei 1 : 40200.
7. KaHpermanganat zerstört in ^j^ Std. bei 1 : 520, inaktiv bei
1 : 686,67.
8. Der Alaun zerstört in ^4 Std. bei 1 : 93,33, inaktiv bei 1 : 110.
9. Das Chlomatrium zerstört in ^4 Std. bei 1 : 8,67, inaktiv
bei 1 : 12.
10. Das Natriumfluorur zerstört in 30 Min. bei 1 - 776,67, inaktiv
bei 1 : 1100.
11. Das Natriumkarbonat tötet in ^j^ Std. bei 1 : 105, inaktiv
bei 1 : 130.
12. Ammoniak zerstört in ^/4 Std. bei 1 : 2100, inaktiv bei
1 : 2600.
13. Jod tötet in ^4 Std. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600.
14. Jodalbacid zerstört in 30 Min. bei 1 : 5400, inaktiv bei
1 : 15,100.
15. Kupfersulfat zerstört in ^4 Std, bei 1 : 2600, inaktiv bei
1 : 5100.
16. Silbernitrat zerstört in 30 Min. bei 1 : 3433, inaktiv bei
1 : 5100 oder tötet bei 1 : 13500 und inaktiv bei 1 : 26,000.
17. Tachiol tötet in 30 Min. bei 1 : 20,200, inaktiv bei 1 : 40,200
oder wirksam bei 1 : 67,500 und wirksam bei 1 : 130,000.
18. Ichthargan tötet in 30 Min. bei 1 : 17166, inaktiv bei 1 : 25500.
324 l^io Wirkuug verschiedener chemischer Agentien aal den Watvirns.
19. Collargol tötet in 30 Min. bei 1 : 10200, inaktiv bei 1 : 22000.
20. Protargol tötet in 30 Min. bei 1 : 1100, inaktiv bei 1 : 1350.
21. Largin tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600,
L* Argonin tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600.
22. Sublimat tötet in 30 Min. bei 1 : 153333,34, inaktiv bei
1 : 220000.
23. Ermophenil tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600.
24. Karbolsäure tötet in % Std. bei 1 : 420, inaktiv bei 1 : 520.
25. Thymol tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600.
26. Lysoform tötet in 30 Min. bei 1 : 220, inaktiv bei 1 : 270.
27. Alumnol tötet in 30 Min. bei 1 : 1100, inaktiv bei 1 : 1350.
28. Assaprol tötet in 30 Min. bei 1 : 1350, inaktiv bei 1 : 2600.
29. Chininbisulfat tötet in ^4 Std. bei 1 : 220, inaktiv bei 1 : 687.
30. Chloroform zerstört in 1/4 Std. bei 1 : 67,5, inaktiv bei 1 : 130.
31. Wassersauerstoffsuperoxyd tötet in ^j^ Std. bei 1 : 20, inaktiv
bei 1 : 25.
32. Methylenblau tötet in Vi Std. bei 1 : 3433,33, inaktiv bei
1 : 6733,33.
33. Malachitgrün tötet in Vi Std. bei 1 : 2600, inaktiv bei
1 : 3433,33.
34. Larycith zerstört in V4 Std. bei 1 : 11000, inaktiv bei
1 : 13500.
Schlufsfolgerungen.
Indem wir zur näheren Kenntnis der lyssatötenden Minimal-
menge der verschiedenen superimentierten Substanzen auf die
Tabelle zurückweisen, führen wir hier einige allgemeine Schlufs-
folgerungen an, die wir daraus ziehen können:
1. Die lyssatötende Wirkung der organischen
Säuren (Essigsäure, Zitronensäure, Milchsäure) war
ungefähr die gleiche (aktiv zu 1 : 675 ungefähr, in-
aktiv zu 1 : 3000 ungefähr).
Die der Salizylsäure ist stärker (aktiv zu 1: 1020
ungefähr und inaktiv zu 1 : 1346).
Wirksamer sind einige Mineralsäuren, z. B. die Schwefelsäure
zerstört in V4 Std. bei 1 : 20200 und ist inaktiv bei 1 : 40200 und
die Salzsäure zerstört bei 1 : 5100 und ist unaktiv bei 1 : 10100.
Von Prof. Claudio B'ermi. 325
2. Das Natriumfluorur (1 : 766) war aktiver als das
Kalipermanganat (1 : 520).
3. Das Ammoniak war noch viel aktiver (1 : 2100)
als das kohlensaure Natron (1 : 105), and dieses war
wiederum aktiver als das Alaun (1 : 93).
4. Das Chlornatrium zeigt unter den versuchten
Stoffen die schwächste lyssatötende Wirkung (1 : 8).
5. Das Jod übte eine ziemlich energische Wirkung
aus, die noch stärker war als jene des Jodalbacid.
6. Das Kupfersulfat war noch viel aktiver
(1 : 26000) als alle Säuren, als das Kalipermanganat,
als das Jod und als die Karbolsäure.
6a. Nach dem Sublimat übten einige Silberzu-
sammensetzungen die energischste Wirkung aus.
Unter diesen Silberzusammensetzungen kommt in
erster Reihe das Takiol (aktiv bei 1 : 67000 und in-
aktiv bei 1 : 130,000 ungefähr), sodann das Nitratum
argentum (aktiv bei 1:13500 und inaktiv bei 1:26000),
das Ichthargan (aktiv bei 1:13000 und inaktiv bei
1:33000 ungefähr), das Collargol (aktiv bei 1 : 10200
und inaktiv bei 1:22000); dann das Largin und das
Argonin (aktiv bei 1:1350 und inaktiv bei 1:26000).
Zuletzt endlich kommt das Protargol (aktiv bei 1 : 1100
und inaktiv bei 1 : 1350 ungefähr).
7. Unter den angewandten Substanzen nimmt
natürlich das Sublimat die erste Stelle ein (aktiv
bei 1 : 131 000 und inaktiv bei 1 : 260000). Das Ermo-
phenil, welches ebenfalls eine Quecksilberverbin-
dung ist, übt eine unendlich schwächere Wirkung
aus (aktiv bei 1 : 1350 und inaktiv bei 1 : 2600).
8. Das Wassersauerstoffsuperoxyd hat eine sehr
schwache lyssatötende Wirkung (aktiv bei 1 : 20, in-
aktiv bei 1 : 25).
9. Ebenso ist die Wirkung des Chloroforms sehr
schwach (aktiv bei 1 : 67, inaktiv bei 1 : 130).
326 ^^0 Wirkung verschiedener chemischer Agentien auf den Wotviros.
10. Das Thymol übt eine lyssatötende Wirkung
aus (aktiv bei 1 : 1350 und inaktiv bei 1 : 2600), die viel
energischer ist als die Karbolsäure (aktiv bei 1 : 420
und inaktiv bei 1 : 520) und noch stärker als die des
Isophorms (aktiv bei 1 : 220 und inakitv bei 1 : 270).
11. Das Alumnol und das Abrastol zeigten eine
ziemlich gute Wirkung. (Alumnol, aktiv bei 1 : 1100,
inaktiv bei 1 : 1350; Abrastol, aktiv bei 1 : 1350, in-
aktiv bei 1 : 2600).
12. Schwach war die Tätigkeit des Chininbisulf at
(aktiv bei 1 : 220, inaktiv bei 1 : 186).
13. Eine verhältnismäfsig energische lyssatötende
Tätigkeit fand ich bei einigen Anilinfarben und be-
sonders beim Larycith III (aktiv bei 1:11000, inaktiv
bei 1:13500), welches das Malachitgrün übertraf
(aktiv bei 1 : 2600, inaktiv bei 1 : 3400) und noch mehr
das Methylenblau, das sich als die am wenigsten
energische dieser drei Substanzen zeigte (aktiv bei
1 :340, inaktiv bei 1 : 670).
I. Anhang.
Wirkung des Kokains und des Olokains auf das
Wutvirus.
Unter den verschiedenen von mir probierten Mitteln, um
die Einspritzungen in der Paste urschen Kur so schmerzlos
als mögUch zu machen, besonders wenn es sich um Kinder und
Frauen handelt, fand ich als das wirksamste und billigste jenes,
einige Tropfen von einer Iproz. Kokain- oder Olokainlösung mit
der bereits mit der Emulsion angefüllten Spritze aufzusaugeo.
Bevor ich jedoch diese Methode der Anästhesie zur An-
wendung brachte, hielt ich es für meine Pflicht, mich zu verge-
wissern, ob das Kokain und das Olokain nicht irgendeine Wirkung
auf das Wutvirus ausübten.
Da es äufserst lang und schwer gewesen wäre zu entscheiden,
ob die momentan auch nur teilweise mit der Markemulsion in
Berührung kommenden Kokain- und Olokainspuren einen schäd-
Von Prof. Claudio Permi. 327
liehen Einflufs auf den Impfstoff ausüben, so studierte ich hin-
gegen die Wirkung dieser beiden Anästhetica auf frisches Mark
und unter den obigen Bedingungen.
Versuche mit Kokain.
1. Versuch. Zu 3 ccm Emulsion von frischem feinen Virus
von Kaninchen fügte ich 0,25 (ungefähr 5 Tropfen) einer Kokain-
lösung zu 2%, indem ich so eme Kokainlösung von 0,17% er-
hielt. Hierauf impfte ich drei Kaninchen sub dura.
Resultat: Die Tiere verenden regelmäfsig mit
dem gewöhnlichen symptomatologischen Bilde der
Tollwut am 7. Tage.
2. V e r s u c h : Zu 3 ccm Emulsion von frischem feinen Kanin»
chenvirus 0,40 (= 8 Tropfen) einer 2proz. Kokainlösung hinzu
und impfte sofort 3 Kaninchen sub dura.
Resultat: Die Tiere starben an der Tollwut am
7. Tage.
3. Versuch: Man bereitet eine Emulsion frischen fixen Virus
1:3 direkt mit der 2proz. Kokainlösung und impft 4 Kaninchen«
Resultat: Die Tiere starben zwischen dem 8. und
9. Tage, d. i. mit einer Verspätung von 1 — 2 Ta^en.
4. Versuch: Da ich wahrnahm, dafs das vollständig un-
schädliche Verhältnis des Kokains jenes von 0,25 einer Lösung
zu 2% in 3 ccm war, überstieg ich dasselbe nicht, ging hingegen
herab auf 0,1%, nämlich l%o-
Bevor ich jedoch dasselbe an Personen anwandte, versuchte '
ich es neuerdings an 30 Kaninchen. Man ging wie gewöhnlich
vor. Man bereitete die Spritze im Augenblicke der Injektion
und aspirierte 0,25 einer 2proz. Kokainlösung.
Resultat: Alle 30 Kaninchen starben regelmäfsig
am 7. Tage ohne irgend einen Unterschied in dem
symptomatotischen Bilde zu bieten.
Versuche mit Olokain.
Diese Versuche wurden in derselben Weise wie die vorigen
angestellt. Der Kürze halber unterlasse ich es, sie hier anzuführen.
Das Resultat war ungefähr dasselbe wie jenes mit dem Kokain.
328 ^^^ Wirkung verschiedener ohemischer Agentien auf den Watviras.
Anwendung der Methode beim Menschen.
Angesichts der geringen Quantität von Kokain und Olokain,
die täglich dem Menschen eingespritzt werden konnte, war es
nicht der Fall, sich mit dem verschiedentlichen Giftgehalt dieser
beiden Stoffe zu beschäftigen.
Ich ging somit ohne weiteres zur Anwendung der Methode
auf den Menschen über. Neben den Kelchgläschen, welche die
Emulsion enthielten, hielt ich ein anderes Gläschen mit einer
Kokain- oder Olokainlösung, die mit aller Vorsicht bereitet und
aufbewahrt worden war. Nachdem die Spritze gefüllt war und
bevor die Einspritzung vorgenommen wurde, wurden mit der-
selben 0,15 — 0,25 von gesagter Lösung aufgesaugt und man ging
sofort zur Impfung über.
Um über die Wirksamkeit des Verfahrens urteilen zu können,
wurden bei allen der Kur unterworfenen Personen bald Ein-
spritzungen mit Kokain, bald solche ohne Kokain vorgenommen.
Fast alle, ohne die Modifikation in den Einspritzungen zu
wissen, bemerkten beständig den Unterschied, und wir selbst
bemerkten es im Augenblick der Einspritzung.
Die unschädUche und geringe Modifikation einmal eingeführt,
ward nicht mehr aufgegeben und seit 3 Jahren ist dieselbe in
Anwendung, ohne je einen Übelstand verzeichnet zu haben.
2. Anhang.
Dauer der Virulenz des in Glyzerin aufbewahrten
fixen Virus, aus dem Institute zu Sassari, auf Nage-
tiere, die subkutan geimpft wurden.
Sowohl um die Dauer der Virulenz des längere Zeit hin-
durch in Glyzerin aufbewahrten und den Nagetieren auf sub-
kutanem Wege eingeimpften fixen Virus aus dem Institute zu
Sassari zu kennen, als auch um zu entscheiden, ob irgendein
diesbezüglich mit dem mir aus anderen Pasten r sehen Instituten
zugesandten fixen Virus erhaltenes, negatives Resultat dem Auf-
enthalt des fixen Virus in Glyzerin, während der Reise, d. h.
während einer Zeitdauer von 3 — 6 Tagen, zuzuschreiben sei,
unternahm ich folgende Versuche.
Ton Prof. CUndio Femii. 829
In 50 ocm konzentriertes Glyzerin zu 1 : 2 und 1 : 4 legte
ich QehirnstQckfl von je 2 g Gewicht, welche einem an der Toll-
wut zugrunde gegangenen Kaninchen entstammten. Ich achtete
darauf, stets denselben Teil des Gehirns zu wählen und brachte
die verschiedenen Gefftbe in eine Temperatur von ungefähr 22".
Nach 3 — 5 — 10 — 20 — 25 Tagen versuchte ich die Virulenz
der verschiedenen Stücke vom Gehirn an Nagetieren, und zwar
auf subkutanem Wege, indem ich die Versuche im ganzen auf
26 Tiere ausdehnte. Ich trug stets Sorge, den mittleren Teil des
GehimstQckes zu wählen.
In nachstehender Tabelle lasse ich die erhaltenen Resultate
folgen.
1 :
1:4
1:4
1:2
1:2
19 .
19 .
36 >
% •
2fi .
25 .
26 .
25 .
|"i
1
330 ^1® Wirkang verBchied. ehem. Agentien a. 'd. Wutyiras. Prof. Cl. Fermi.
Resultate.
1. Wie aus der zweiten, obenstehenden Tabelle hervorgeht,
bewahrte das aus dem P a s t e u r sehen Institut zu Sassari
verwertete fixe Virus seine Virulenz auf subkutanem Wege
den Nagetieren gegenüber ungefähr 20 Tage hindurch.
Doch keines der in Glyzerin aufbewahrten Gehirnstück-
cheu bewahrte seine Virulenz bis zum 25. Tage.
Nach Rodet, Galavielle und Loir^) solider Wut-
virus hingegen beim subkutanen geimpften Kaninchen
seine Virulenz sogar 2 Monate lang erhalten.
2. Die Inkubationsdauer schwankt zwischen 5 — 6 Tagen, sie
wird also durchaus nicht verlängert.
3. Man nahm keinen Unterschied in der Inkubationsperiode
wahr, gleichwohl, ob die Wirkungsdauer des Glyzerins
sich auf 3 oder auf 20 Tage erstreckt hatte.
4. Man fand weder in der Widerstandsfähigkeit des Virus,
noch in der Inkubationsperiode irgendeinen Unter-
schied, ganz gleich, ob das Virus in konzentriertem
Glyzerin oder in verdünntem zu 1 : 2 und 1 : 4 auf-
bewahrt worden war.
1) Rodet et Galavielle, Bulletin de la charitö de Biologie. Sitsang
5. Juni 1902.
üntersnehmigeii über die hämolytischen Eigenschaften
des Blutsernnis abgekiihlter und erwärmter Tiere/)
Von
Dr. Max Lissauer,
I. Assiatent des Instituts.
(Aus dem patholog. Institat des Radolf Virchow-KrankeDhauses in Berlin.
Proaektor : Prof. v. Hansemann. Vorsteher der bakteriologischen Abteilung :
Dr. Töpfer.)
Durch umfassende Untersuchungen sind wir über die Art
und Weise unterrichtet, wie sich im Organismus die Wärme-
regulation vollzieht. Besonders Rubner hat diese Fragen durch
sein Werk über die Gesetze des Energieverbrauches bei der Er-
nährung geklärt. In zahlreichen Arbeiten ist versucht worden,
das Wesen der Erkältungskrankheiten zu ergründen, und eine
Reihe von Untersuchungen befalst sich mit der Art und Weise,
wie Infektionen durch Erhöhung oder Erniedrigung der Temperatur
beeinflufst werden. Im Gegensatz hierzu sind die Untersuchungen
über die Veränderungen des Blutserums bei Abkühlung und Er-
wärmung des Organismus sehr spärlich.
Ich habe mich in einer Reihe von Versuchen mit dieser
Frage beschäftigt.
1} Nach einem am 7. Jani 1907 in der Berliner physiolog. Gesellschaft
gehaltenen Vortrage.
ArehiT für Hygiene. Bd. LXUI 23
332 Üntersuciiüügen über die hämolyt. £igenBcliaften dies filatserumd eic.
i. Versuche mit abgekühlten Tieren.
Die verschiedensten Theorien, gestützt auf sorgfältige Ar-
beiten, hat man aufgestellt, um eine Erklärung der Erkältungs-
krankheiten zu finden. Die älteste Theorie, die Retentions-
theorie, nahm an, dafs im Organismus schädliche Stoffe
durch Unterdrückung der Hautsekretion zurückgehalten würden.
Auf sie folgte die Reflextheorie, nach welcher die Kältewirkung
einen Reiz auf die sensible]> Hautnerven ausübt, worauf dann
auf reflektorischem Wege krankhafte Störungen entstehen. lu
der bakteriologischen Ära glaubten dann die Anhänger der In-
fektionstheorie, dafs die Erkältungskrankheiten Infektions-
krankheiten sind. Nach der heute am meisten verbreiteten An-
sicht ist die Disposition der wesentliche ätiologische Faktor.
Auf welche Weise dies aber geschieht und welche Veränderungen
der Organismus dabei erleidet, ist eine noch ungelöste Frage.
Dafs die Abkühlung des Körpers bei der Entstehung von
Infektionskrankheiten eine Rolle spielen kann, ist eine allgemein
anerkannte Erfahrungstatsache. Auch experimentell ist wieder-
holt gezeigt worden, dafs abgekühlte Tiere eine erhöhte Dis-
position für Infektionskrankheiten haben. Es lag nahe, die
modernen serologischen Untersuchungsmethoden bei diesem Gegen-
stand anzuwenden. Dies habe ich in einer hämolytischen
Versuchsreihe getan, und will zunächst kurz die Technik des
Versuches angeben.
Ich verwendete als Versuchstiere Kaninchen, deren Blutserum
ich auf seine hämolytischen Eigenschaften gegen Hammelblut-
körperchen untersuchte. Bei sämtlichen Kaninchen hatte ich die
hämolytischen Eigenschaften durch intravenöse Injektion von
Hammelblutkörperchen immunisatorisch gesteigert. Dem Ver-
suchstier wurde nun Blut entnommen und das Blutserum durch
halbstündiges Erwärmen bei 60° inaktiviert. Von diesem Blut-
serum stellte ich mir verschiedene Verdünnungen , in physiolo-
gischer Kochsalzlösung her, und zwar im Verhältnis 1 : 10, 1 : 20,
1 : 40, 1 : 80 und so weiter bis 1 : 2560. Zu 1 ccm dieser Lösungen
setzte ich nun je 1 ccm einer 5proz. Aufschwemmung von Hammel-
Von t>r. Max Lissauer.
333
blutkörperchen in physiologischer Kochsalzlösung und je 1 ccm
frisches Meerschweinchenserum als Komplement. In je ein
Kontrollröhrchen tat ich nur Kaninchen- und nur Meerschweinchen-
serum zusammen mit Hammelblutkörperchen. Dieses hämoly-
tische System wurde nun 2 Stunden im Brutschrank bei 37^
gehalten.
Auf diese Weise untersuchte ich 6 Tiere vor und nach der
Abkühlung. Die Abkühlung erreichte ich dadurch, dafs ich die
Tiere 3 — 10 Minuten in Wasser von ca. 10° C tauchte. Die Tem-
peratur der Tiere, im After gemessen, fiel dadurch zum Teil sehr
erheblich. Die Temperaturerniedrigung schwankt zwischen 2
und 8,5® C. Nur zwei von den Tieren blieben am Leben, die
meisten gingen binnen 24 Stunden oder nach wenigen Tagen
ein. Die Blutuntersuchung nahm ich teils sofort nach der Ab-
kühlung, teils erst nach Stunden vor. Die Resultate habe ich
in Tab. I zusammengestellt.
Tabelle I.
I
Kanin-
1
eben
Tempe-
ratur
des
1 Kanln-
1 chens
i »c
Wasser-
Tempe-
ratur
C
Dauer
der
Abküh-
lung
in Min.
Darauf
Tempe-
ratur
des
Kanin-
chens
*C
l
1
Vollkommene Hämolyse
•
I.
IL
III.
IV.
V.
VI.
38
38,5
38,1
37,5
38,8
39,1
10
10
11
10
10
10
5
10
7
3
5
3
1
31
30
1
32,2
35,5
32,5
35,2
1
a) vor der Abkühlung . . ,
, b) unmittelbar nach d. Abkfihl.
a) vor der Abkühlung . .
1 b) unmittelbar nach d. Abkühl
a) vor der Abkühlung . . .
b) unmittelbar n ac h d. Abkühl
. c) 1 Stunde nach d. Abkühl.
a) vor der Abkühlung . .
b) unmittelbar nach d. Abkühl
c) 2 Stunden jnach d. Abkühl
a) vor der Abkühlung . .
b) unmittelbar nach d. Abkühl
c) 3 Stunden nach d. Abkühl
a) vor der Abkühlung . .
b) unmittelbar nach d. Abkühl.
1:320
1:160
, 1:640
. 1:160
. 1:160
. 1:40
1^20
. 1:320
. 1:160
. 1:20
. 1:160
. 1:40
. 1:40
. 1:640
. 1:640
Wie man sieht, fand sich nach der Abkühlung in fast
allen Fällen eine teilweise sehr bedeutende Abnahme
der hämolytischen Fähigkeiten. Nur einmal war nach der
23»
3ä4 üntersuciiungeti über die hämolyt. t^igensch alten des blatsemms etc.
Abkühlung keine Veränderung in dem hämolytischen Verbalten
zu konstatieren. Ich stimme also vollkommen Nagelschmidt
bei, welcher über denselben Gegenstand gearbeitet hat und eben-
falls beobachtet hat, dafs nach intensiver Abkühlung der Ver-
suchstiere das Blutserum erheblich verminderte hämolytische
Fähigkeiten zeigt. Nagelschmidt experimentierte hauptsächlich
mit nicht immunisierten Tieren, ein Verfahren, welches ich für
nicht so geeignet halte, weil die Ausschläge bei immunisierten
Tieren naturgemäfs gröfser sind.
Ich weifs nun wohl, dafs so hochgradige Abkühlungen, wie
ich sie zum Teil anwandte, im allgemeinen nicht den Erkrankungs-
faktor im täglichen Leben repräsentieren. Indessen kommen
sie doch vor, und ich glaube, dafs im Experiment extreme Ver-
hältnisse angewendet werden können, bisweilen sogar müssen.
Nun lehrt aber die tägliche Erfahrung, dafs auch eine sehr
geringe Abkühlung genügt, um die Prädisposition zu einer In-
fektionskrankheit zu schaffen. Ruh n er verdanken wir sorg-
fältige Untersuchungen über die Art und Weise, wie insensible
Luftströmungen den Körper beeinflussen. Rubner fand, dafs
Luftströmungen, welche man nicht mehr fühlt, doch objektive
Wirkungen hervorbringen.. Nach ihm summiert sich der Wärme-
v^rlust allmählich so, dafs die Kälte doch schliefslich fühlbar
wird. Er sagt: »Hier liegt also entschieden eine Anlage zu
anormalen Zuständen vor, zu Abkühlungen über die Grenze
des Gesunden hinaus, zu Entwärmungen, die tiefer greifen, als
für den Ablauf der Lebensprozesse günstig ist. Im ganzen ge-
nommen handelt es sich dabei um Erscheinungen, welche den
Modus der Zuglufterkältung uns recht deutlich vor Augen
führen c.
Ein ungünstiger Ablauf der Lebensprozesse, eine Disposition
des Körpers für Krankheiten wird geschaffen, wenn die natür-
lichen Schutzvorrichtungen des Organismus, die Abwehrstoffe,
geschädigt werden. Meine Experimente, im Verein mit denen
Nagelschmidts, zeigen, dafs dieses eintrifft, wenn der Körper
intensiv abgekühlt wird. Nun zeigen aber die eben erwähnten
Untersuchungen Rubners, dafs auch Luftströmungen, welche
Von Dr. Ilax lissaaer. 335
nicht mehr wahrgenommen werden können, doch zu einer Ab-
kühlung des Körpers führen, und ich glaube, dafs sich hierbei
ähnliche Vorgänge abspielen können wie im Experiment. Denn
die aufserordentlich fein abgestimmten Einrichtungen des Körpers
können in Aktion treten, bzw. versagen, ohne dafs wir imstande
sind, sie mit unseren Mitteln nachzuweisen. Für mich ist aber
die Analogie mit dem Experiment zwingend.
II. Versuche mit erwärmten Tieren.
Nachdem so festgestellt war, dafs das Blutserum abgekühlter
Tiere eine Verminderung der Hämolysine aufweist, lag es nahe,
zu untersuchen, wie sich diese Stoffe bei erwärmten Tieren ver-
halten. Ich verfüge hier ebenfalls über eine Versuchsreihe von
6 Tieren. Die Technik des Versuches ist in allen Stücken die
gleiche, wie die bei den Abkühlungsversuchen angewendete.
Die Erhöhung der Temperatur der Versuchstiere , ebenfalls nur
Kaninchen, deren Hämolysine immunisatorisch, gesteigert waren
erreichte ich durch 2—10 Minuten langes Eintauchen der Tiere
in heiCses Wasser von 43*^ — 49*^ C. Die Temperatur der Tiere
stieg hierdurch um 3,4® — 4,8®; 5 Tiere überlebten die Prozedur,
während das sechste nach 2 Tagen einging. Auch hier wurde
das Blut teils sofort, teils nach mehreren Stunden untersucht.
Ich habe die Resultate in Tab. II (S. 336) zusammengestellt.
In allen Fällen zeigten die hämolytischen Eigen-
schaften des Blutserums eine deutliche, zum Teil
sehr erhebliche Verstärkung. Es fragt sich nun, welche
praktische Bedeutung diesen Versuchen zukommt.
Zunächst glaube ich, dafs die Resultate geeignet sind, be-
stimmte Erfahrungen zu ergänzen, welche wir schon seit langer
Zeit über das Fieber besitzen.
Während eine Reihe älterer Autoren im Fieber eine schwere
Schädigung des Organismus sehen, gab es doch schon in den
ältesten Zeiten andere, welche entgegengesetzter Ansicht waren;
ich erwähne Hippokrates, Sydenham und Boerhave. In
neuerer Zeit ist besonders Liebermeister dafür eingetreten,
336 Untersuchungen über die hämolyt. Eigenschaften des Blutsemms etc.
Tab
eile IL
Kanin-
chen
Tempe-
ratur
des
1 Kanin-
' chens
1 C
Wasser-
Tempe-
ratur
C
Dauer
der
Abküh-
lung
in Min.
Darauf
Tempe-
ratur
des
Kanin-
chens
ö C
1
Vollkommene Hämolyse.
I.
n.
1
TTT.
IV.
V.
VI.
, 39,3
39
38,3
38,7
38,6
88,1
48
49
47
43
45
45
10
5
5
10
6
1
1
42,8
42,6
43,1
42,6
42,6
41,5
a) vor der Erwftrmung . . 1
b) unmittelbar nach d. Erw. 1
! c) 1 Stunde nach d. Erw. 1
a) vor der Erwftrmung . . 1
b) unmittelbar nach d. Erw. 1
a) vor der Erwftrmung . . 1
b) unmittelbar nach d. Erw. 1
c) SStunden nachd. Erw. 1
a) vor der Erwftrmung. . . 1
b) unmittelbar nach d. Erw. 1
a) vor der Erwftrmung . . 1
b) unmittelbar nach d. Erw. 1:
c) 5 Stunden nach d.Erw. 1'
a) V r der Erwftrmung . . 1 :
b) unmittelbar nach d. Erw. 1:
c) 7Stunden nachd. Erw. 1 :
:640
:2560
:2560
:40
:640
:320
:1280
:1280
:160
:640
:640
2560
2560
320
1280
1280
das Fieber für etwas dem Körper Schädliches zu halten, und
zwar beruht nach ihm die Hauptgefahr des Fiebers in der
Temperatursteigerung an und für sich. Hiergegen wandten sich
nicht nur eine Reihe bedeutender Kliniker auf Grund ihrer
praktischen Erfahrung, wie Senator, Naunyn, Heubner
und Un verriebt. Wir verfügen auch über eine Reihe sorg-
fältiger Tierexperimente, welche den Einflufs erhöhter Temperatur
auf den Verlauf von Infektionskrankheiten untersuchen.
Zuerst hat Walther festgestellt, dafs Kaninchen, welche
mit Pneumoniebazillen infiziert worden waren, die Infektion
leichter ertrugen, wenn sie im Wärmeschrank auf 40 — 42 ^ er-
wärmt wurden. Rovighi bestätigte dies an Kaninchen und
Meerschweinchen, welche mit den verschiedensten Infektions-
erregern infiziert worden waren, und konstatierte zugleich, dafs
Abkühlung die Tiere gegen Infektionen weniger widerstandsfähig
macht. Lode und Dürck gelangten zu ähnlichen Resultaten.
Aber nicht nur gegen Bakterien werden die erwärmten Tiere
widerstandsfähiger, sondern auch gegen Gifte, wie die Versuche
Dochmanns an Katzeu zeigten, welche mit Curare, und die
Von Dr. Max Lissaner. 337
Experimente Hildebrandts an Tieren, welche mit Fermenten
vergiftet waren. Auch Loewy und Richter erhöhten die Tem-
peratur von Kaninchen durch einen Stich in das Korpus striatum
auf 41,5^ bis über 42,0 ^ und sahen dann Infektionen mit ver-
schiedenen Krankheitserregern sowie auch mit Diphtherietoxin
leichter verlaufen. Ich glaube nun, dafs es gleichgültig ist, ob
die Temperatur des Blutes durch innere Ursachen erhöht wird,
wie im Fieber, oder durch äufsere, wie in meinen Experimenten.
Ich nehme an, dafs durch die Erwärmung des Körpers die
Antikörper vermehrt sind, wodurch, wie ich glaube, auch die
Art und Weise, wie das Fieber den Körper beeinflurst, erklärt
werden kann.
Hiermit stimmen auch gut die Versuche von Töpfer und
Jaff^ überein; sie konnten zeigen, dafs Typhuskrankensera die
stärkste bakterizide Einwirkung auf Typhusbazillen im Reagenz-
glase aufwiesen, während die von Rekonvaleszenten, also dann,
wann das Fieber abgelaufen war, femer von Schutzgeimpften
und hochimmunisierten Tieren, einen weit geringeren Titre
hatten.
Aber nicht nur mit dem Fieber glaube ich meine Versuche
in Verbindung bringen zu können, sondern auch mit bestimmten
ärztlichen Mafsnahmen. Wie ich dem Lehrbuch über klinische
Hydrotherapie von Matthes entnehme, werden heifse Bäder
zu therapeutischen Zwecken in Temperaturen von 37 — 45® ge-
geben. Nun steigt nach Balz im heilsen Bad von 40® C die
Temperatur in 10 Minuten ca. um 1®; im heifsen Bad von 45® C
steigt sie in 10 Minuten auf 39 — 40®. Ich glaube, dafs hierbei
die Schutzstoffe des Körpers vermehrt werden und dafs auf diese
Weise der Körper im Heilungsprozefs unterstützt wird. Ich
nehme an, dafs ähnliche Vorgänge bei Schwitzkuren eine
Rolle spielen.
So habe ich denn die Vorstellung, dafs die Erhöhung oder
Herabsetzung der Disposition^ wie sie Abkühlung bzw. Er-
wärmung des tierischen Organismus zur Folge hat, auf einer
Vermehrung bzw. Verminderung der im Körper vorhandenen
Schutz8to£Ee beruht. Ich glaube, dafs weitere nach dieser Richtung
338 Untersuch, über hämolyt. Eigenschaften etc. Von Dr. M. Lissaaer.
hin unternommene Untersuchungen ähnliche Verhältnisse auch
bei anderen im Organismus sich abspielenden Vorgängen er-
geben werden.
Literatur.
Nagelschmidt, Beiträge zur kiin. Medizin, 1904.
Rabner, Archiv f. Hygiene, Bd. 50.
Walt her, Archiv f. Hygiene, Bd. 12.
Rovighi, Prag. med. Wochenschr., 1892, Nr. 26.
Dochmann, Wiener med. Wochenschr. 1889.
Hildebrandt, Virchows Archiv, Bd. 121.
Loewy u. Eichter, Virchows Archiv, Bd. 145.
Balz, zit. nach Schalle. Diss. Freibarg 1906.
über das Verhalten des bakteriziden Vermögens der
Lnngen gegenüber einigen Ursachen, die dasselbe zu
modifizieren vermögen.
Experimental-Unt ersuchungen
von
Dr. Enrico Ronzani, Assistent.
(Aus dem bygienischeQ Institat der Univereität Padua.)
Bis vor wenigen Jahren glaubte man, dafs die eingeatmete
Luft infolge der Filtration, die sie beim Passieren der ersten
Atmungswege zu erleiden hatte, keimfrei in die Lungenalveolen
gelange und dafs deshalb die gesunden Lungen im wahren
Sinne des Wortes ein von Mikroorganismen freies Organ seien.
Eine Stütze für diese Theorie boten die Beobachtungen
Weichselbaums, von Babes u. a., welche in den Lungen
von gesunden Menschen, die einer tödlichen Verletzung zum
Opfer gefallen waren, niemals Mikroorganismen vorfanden, und
ebenso jene von Hildebrandt, Neifsor, Klipstein und
Göbell, die in den gewöhnlichen Versuchstieren (Kaninchen,
Mäuse) nur seiton Keime antrafen, deren Gegenwart -man dann
unvermeidlichen technischen Irrtümern zuschreiben wollte.
Dürck war der erste, welcher feststellte, dafs die Lungen in
Wirklichkeit kein keimfreies Organ darstellen, sondern dafs sich
selbst in den feinsten Alveolen die Mikroorganismen in be-
achtenswerter Menge vorfinden können.
340 t3l>er das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc.
Dieses Studium wurde dann von Barthel, von Beco,
von Boni, von Nenninger und von Gneusel wieder auf-
genommen, aus deren Erfahrungen man schliefsen kann, dafs,
wenn auch ein sehr grofser Teil der in der Luft frei schweben-
den und eingeatmeten Keime von der Nase, dem Pharynx, dem
Larynx und den weiten Bronchien, dank ihrer besonderen Kon-
stitution zurückgehalten wird, immerhin ein kleiner Teil, der im
Verhältnis steht zur Zahl der in der Luft enthaltenen Keime,
in die Alveolen gelangt. Die Art, wie dieses Eindringen erfolgt,
wurde in besonderer Weise von Buchner, von Flügge, von
König er und von Paul studiert, welche, wenn auch unter
verschiedenen Verhältnissen experimentierend, zum Schlüsse
kamen, dafs die Keime in die Lungen eindringen, da sie sich
an sehr feine flüssige und feste Partikelcben anhaften, welche
vom Luftstrom fortgetragen werden.
Von denselben Beobachtern wurde femer die sehr wichtige
Tatsache bemerkt, dafs die in die Lungen eingedrungenen Mikro-
organismen schnell zum Verschwinden gelangen; in der Tat
fanden sie, dafs kurze Zeit nach der Versuchsinhalation eines
gegebenen saprogenen Keimes dieser sich nicht mehr in den
Lungen befindet, eine Tatsache, welche uns erklärt, warum die
ersten Forscher unter gewissen Verhältnissen die Lungen frei
von Mikroorganismen fanden.
Auf Grund dieser Feststellungen hat man also zugeben
müssen, dafs die Lungen über Verteidigungsmittel gebieten,
welche imstande sind, die in sie eingednmgenen Keime in kurzer
Zeit abzutöten oder zu entfernen.
Sehen wir nun, welche Kräfte es sind, mit denen die Lungen
sich von diesen Keimen freizumachen oder dieselben zu ver-
nichten vermögen.
Aus den Arbeiten von Ins, Arnold u. a. wufste man, dafs
die in die Lungen gedrungenen Staubteilchen zum grofsen Teil
von besonderen Zellen eingekörpert wurden, die man damals
Staubzellen hiefs und von denen Ins und Slavjansky an-
nahmen, dafs sie von den Leukozyten herrührten, da sie den-
selben ähnelten, während Ruppert und Fleiner hingegen
Von Dr. Enrico Ronzani. 341
epithelialen Ursprung annahmen und schliefslich Arnold und
Schottelius zur Annahme des einen wie des andern Ursprunges
hinneigten, d. h. zu derjenigen, dafs die grofsen Zellen
epithelialen Ursprunges wären, die kleineren hingegen auf
lymphoider Basia entständen.
Nachdem sich diese neue Frage für die Bakteriologie auf-
tat, diejenige nämlich, festzustellen, welchen Kräften das Ver-
schwinden der in die gesunden Lungen eingedrungenen Keime zu
verdanken sei, fehlte es nicht an Autoren, die ihren Beitrag in
einer so wichtigen Sache zu bieten hatten, die die Funktionen
aufdecken soll, welche die Lungen im HinbHck auf die Entwick-
lung vieler Infektionskrankheiten haben. Die diesbezüglichen
Versuche wurden an den gewöhnlichen Laboratoriurastieren vor-
genommen.
Heck, der seine Versuchstiere den Staphylococcus pyogenes
aureus einatmen liefs und sie dann nach einer gewissen Zeit,
die er nach der Inhalation verstreichen liefs, opferte, fand bei
den Lungensektionen, dafs die Epithelialzellen und die Leuko-
zyten sich einen sehr grofsen Teil der Staphylokokken einver-
leibt hatten, und dafs deshalb diesen beiden Elementen das Ver-
schwinden der Keime aus den Lungen zuzuschreiben ist.
Eine analoge Tatsache wurde von Muskatblüt beim Milz-
brandbazillus beobachtet. Lahr fand hingegen bei Einführung
von Staphylokokkuskulturen in die Trachea von Kaninchen nach
einigen Stunden bei der Lungenprüfung alle Kokken nur von
den Epithelialzellen eingeschlossen, innerhalb welcher die Kokken
selbst eine rückschreitende Umwandlung erlitten und schliefslich
zum Verschwinden gebracht wurden.
Ribbert sah anderseits, mit den Sporen von Aspergillus
flavescens arbeitend , allein die Leukozyten in den Lungen-
aiveölen und in den Kapillargefäfsen, wo sie diese Sporen um-
gaben und deren Entwicklung hintanhielten.
Schliefslich beobachtete Buchner, der viele Beobachtungen
in dieser Beziehung machte und viel Licht in die Theorie von
der Immunität und der Verteidigung des Organismus im Hin-
blick auf die infektiösen Krankheiten getragen hat, dars in
342 tTber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Lungen etc.
den Lungen der Mäuse, in die er den Bazillus der Hühner-
cholera hatte eindringen lassen, diese Bazillen von den Leuko-
zyten und nicht von den Epithelialzellen eingekOrpert wurden.
Aus den verschiedenen Beobachtungen der zitierten Autoren
ergibt sich also, dafs wenn sie auch in der Annahme einer
keimzerstörenden Macht von Seiten der Lungen einig sind, doch
Abweichungen in der Feststellung der Elemente, denen solche
Funktion zukommt, bestehen. Es scheint jedoch, dafs T c h i s t o •
vitch, durch Beeinflussung Metchnikoffs, das Problem
wenn nicht völlig gelöst, so doch in klareres Licht gerückt habe.
Aus seinen Versuchen ergibt sich, dafs nach erfolgtem Eindringen
von Keimen in die Lungen die Erstherbeieilenden die Leuko-
zyten sind, die bei ibrem späteren Hyperthrophisieren sich in
umfängliche Makrophagen von epithelialer Form und mit eminent
phagozytischen Eigenschaften umwandeln, ein Grund, der, ent-
sprechend den verschiedenen Beobachtungsperioden, die früheren
Autoren bald glauben hefs, dafs nur die Leukozyten fähig
seien, sich die Keime einzuverleiben, bald hingegen den Epithelial-
zellen und bald diesen wie jenen zugleich solche Aufgabe zu-
schoben, die letzteren Zellen als von anderer Natur denn die
ersteren betrachtend, während dieselbe gemäfs unserem Autor
eine und dieselbe ist. Solche Umwandlung in den Lungen
erfolge schnell, dank besonderer Verhältnisse des Alveolar-
Epithels.
Schliefslich haben wir die jüngsten Versuche von Paul,
welcher festzustellen suchte, ob die schnelle Verminderung der
in die Lungen gedrungenen Keime wirklich durch Zerstörung
derselben mittels phagozytischer Tätigkeit unter Mitwirkung
der anderen biochemischen Aktionen erfolge oder durch Trans-
port mittels der lymphatischen Strömung in die benachbarten
Ganglien, wie von vielen anderen Autoren angenommen
worden war.
Er führte seine Versuche in anderer Weise als seine Vor-
gänger aus. So sah er vor allem, dafs, wenn er Kaninchen
flüssige Kulturen des B. prodigiosus einatmen liefs und in
einigen sofort, in anderen aber nach etlichen Stunden die Zahl
Von I>r. Enrico Ronxani. 343
der in die Lungen der verschiedenen Kaninchen eingeatmeten
Keime festzustellen suchte, in den zuletzt untersuchten Tieren
eine bedeutende Verminderung der Bazillenzahl bestand.
Auf Grund dieser Ergebnisse wollte er sehen, wie sich die
Sache gestalte, wenn er die Kaninchen anstatt des B. prodigiosus
Sporen des B. subtilis einatmen lasse, die, wie man au9 den
Arbeiten von Wisokowicz weifs, sich im tierischen Körper
nicht entwickeln ; ob die letzteren mit der gleichen Schnelligkeit
wie der B. prodigiosus aus den Lungen verschwinden würden,
welcher Umstand, wenn er in Erscheinung treten würde, den
Beweis liefere, dafs dem Lymphstrom die Entfernung der Keime
aus den Lungen zukomme; während, wenn sich die Sporen noch
nach einer gewissen Zeit in den Lungen vorgefunden hätten,
nicht mehr von einer einfachen Entfernung der Keime die Rede
sein könnte, sondern von einer zerstörenden Wirkung der Lungen
in Sachen der Mikroorganismen, Wirkung, die sich auf die Sporen
nicht zu äufsem vermochte.
In der Tat fand er, dafs während beim ersten Versuch,
17 Stunden nach der Einatmung, die eingeatmeten B. prodigiosus
fast völlig aus den Lungen verschwunden waren, von den Sporen
des B. subtilis, nach 24 Stunden, in den Kulturen, über die
Hälfte der zur Einatmung gelangten ihre Entwicklung fanden.
Er kam deshalb zum Schlüsse, dafs die schnelle Verminderung
der eingeatmeten Keime, die sich in den Lungen vollzieht, be-
sonders der zerstörenden Kraft zukommt, welche den Lungen
selbst innewohnt, und dafs nur zum kleinen Teil der Lymph-
strom mitwirkt, da nur eine kleine Anzahl von Keimen in den
peribronchialen Lymphdrüsen angetroffen wurde.
Aus den bislaug gesammelten Daten ergibt sich also klar
genug, dafs die gesunden Lungen über ein Verteidigungsver-
mögen gegen die Keime verfügen, welch letztere zum grofsen
Teil an Ort und Stelle von besonderen biochemischen Aktionen
zerstört werden, die noch nicht völlig bekannt sind, unter denen
aber sicherlich die Phagozytose und die bakteriziden Substanzen
des Blutes den ersten Platz haben.
344 t^ber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen ei<!.
Aber ist dieses Verteidigaugsvermögen eine beständige und
andauernde Äufserung des Organismus oder erleidet es unter
besonderen Verhältnissen der Umgebung vielmehr Umwandlungen
in seiner Wesenheit, derart zwar, dafs es an Wert einbüfst, dafs
ihm seine obenerwähnte wohltätige, schützende Eigenschaft ge-
schädigt bzw. teilweise genommen wird?
Dies ist der Gegenstand meiner Nachforschungen und zwar:
Direkte Nachforschung im Lungenbereich, welche Wandlungen
solches Schutzvermögen erleidet, indem die Tiere etwelchen
anormalen Bedingungen allgemeiner Natur unterworfen werden,
welchem der Organismus leicht ausgesetzt werden kann. Die
anormalen Bedingungen, denen ich die Tiere unterwarf, sind die
folgenden:
1. Kälte;
2. schnelle Temperaturübergänge;
3. Wärme;
4. Bad;
5. Ermüdung;
6. Traumen;
7. Inhalationen von verschiedenem Staub;
8. akuter und chronischer Alkoholismus.
Natürhch waren diesen Dingen auch Untersuchungen bei-
zufügen, inwieweit in den von mir gewählten Tieren (Meer-
schweinchen) im physiologischen Zustande und in normalen
Verhältnissen der Umgebung das Verteidigungsvermögen der
Lungen gegen einen zu diesem Behufe gewählten Keim ausreicht,
da die Untersuchungen Pauls, deren ich teilweise vorhin ge-
dachte, und die sich besonders in dieser Richtung betätigen, nur
am Kaninchen vorgenommen wurden.
Die Wahl des Tieres und die zu gebrauchende Technik, um
mich vor den zahlreichen Kritiken sicherzustellen, war im
Angesichte der Schwierigkeit der Untersuchungen sicherlich nicht
die kleinste Sorge bei diesen meinen Experimenten.
Ich klügelte, soweit es mir möglich war, alle denkbaren
Mittel aus, um die vielen Operationen einfacher und schneller
zu gestalten, ohne nach der einen Seite hin zu übertreiben, noch
nach der andern hin zu fehlen.
Von Dr. £iirico tloxusant. 345
Die von mir in Gebrauch genommenen Tiere waren die
Meerschweinchen, und die Technik allgemeiner Natur ward in
folgender Weise gehandhabt:
Die Operationen, die ich für jede Versuchsreihe vorzunehmen
hatte, waren vor allem die folgenden:
1. Die Tiere mit der Luft überaus feine Tröpfchen von
Bouillonkultur des im Stadium befindlichen Keims inhalieren
zu lassen.
2. Das Tier nach einer gegebenen Zeitperiode zu töten und
die quantitative Nachforschung der Zahl der noch in den
Lungen befindlichen Keime vorzunehmen, zu welchem Zwecke
nötig war:
a) in der schnellstmöglichen Weise die zu prüfenden Lungen-
stücke herauszunehmen,
b) das Volumen zu bestimmen und das Kleinschneiden zu
besorgen,
c) die Plättchen vorzubereiten,
d) das Zählen der Kolonien vorzunehmen und die gefundene
Keimzahl auf 1 ccm Lungen festzustellen.
Für die erste Operation diente mir meine Inhalationskassette,
welche ich in meiner früheren Arbeit über die Tätigkeit des
Kohlenstaubes auf die Mikroorganismen beschrieb. (Annali d'Igiene
sperimentale 1905.)
Eine derartige Kassette bietet gegenüber anderen Methoden
und Apparaten für die Einpflanzung von Keimen in die Atmungs-
wege den Vorteil, zu verhindern, dafs das Eindringen der
pulverisierten Keime auf anderen als den Luftwegen erfolge,
sogar den Mund ausschliefsend, da dieser eine gemeinsame
Eingangspforte für die Atmungs- und Verdauungsorgane dar-
stellt. Mit solchem Apparat vermochte ich, da das Maul der
Versuchstiere dabei nicht infiziert wurde, die Gefahr zu ver-
meiden, dafs während der überaus kurzen Agonie der Tierchen
einige Keime, die sich eventuell im Maule befinden könnten, in
die Lungen gelangten; ein durchaus mögUches Eindringen, wie
es experimentell Klipstein und Göbell bewiesen, womit den
;
346 t}ber das Verbalten des bakterixiden Vermögens der Lungen etc.
Versuchen Dürcks, Bonis u. a. kritisch zu Leibe gegangen
ward.
Die an meiner Kassette behufs dieser neuen Art von Ver-
suchen vorgenommenen Veränderungen waren die folgenden:
Die Zahl der Tiere, die sie aufzunehmen vermochte, wurde
erhöht und an ihrem oberen Teil wurde eine dicke gekrümmte
Metallröhre angebracht (2ö mm Durchmesser), um in sie die
Luft einzuführen, welche mit den winzigen Tröpfchen beladen
war, in denen sich die für die Einpflanzung bestimmten Keime
befanden. Diese Röhre wurde an einem Ende gut an das
Kistchen befestigt, während sie mit dem andern in den Hals
einer grofsen Flasche von etwa 10 1 Raumgehalt eindrang, inner-
halb welcher die Kultur verstäubt wurde. Die Flasche besafs
aufser der oberen Öffnung noch eine an der unteren Seite, durch
welche eine Glasröhre und ein gewöhnlicher Verstftuber mit dem
Inhalt von 150 ccm Bouillonkultur von 36 Stunden des B. pro-
digiosus Zugang hatten; diese Öffnung wurde hermetisch ge-
schlossen, sobald der Verstäuber in Tätigkeit war.
Von aufsen setzte ich den Verstäuber selbst mittels einer
Gummibirne unter beständigem Strom in Betrieb und mittels
einer kleinen metallischen Pumpe, die in Verbindung stand mit
der kleinen, in die Flasche eindringenden Glasröhre, vermochte
ich den Druck in ihr leicht zu erhöhen, derart zwar, daTs durch
die Röhre hindurch in das Kistchen nur die winzigen Tröpfchen
der Bouillonkultur getrieben wurden, d. h. zum greisen Teil nur
jene, die, wie Flügge, Buchner, Königer und Paul gezeigt
haben, bis in die Lungenverzweigungen zu gelangen vermögen.
Ich werde sofort die Gründe angeben, die auch mich dazu
führten, den B. prodigiosus für meine Versuche zu wählen.
Vor allem mufste ich mit einem saprogenen Mikroorganismus
experimentieren und ihm nach Ablauf einer gewissen Zeit in
den Lungen der Tiere nachforschen, in denen sich ev. auch
andere Keime vorfinden konnten.
Deshalb setzte mich der B. prodigiosus um seiner Eigen-
schaft willen, in den gewöhnlichen Kulturmitteln ein schönes
rotes Pigment zu ergeben, in die Lage, ihn leicht festzustellen;
Von br. £nrico ttonzant. 347
und dies um so mehr, als solcher Keim nach Passierang der
Lungen der Meerschweinchen ein überaus bedeutendes chromo-
genes Vermögen erwirbt, auch wenn dieses Vermögen zu Anfang
gering gewesen wäre. Und aulserdem entwickelt sich der B. prodig.
auch leicht bei 37^ C und, wenn nicht pathogen inokuliert, in
mäfsigen Mengen pafst er sich leicht den tierischen Organen au.
Ich wählte Meerschweinchen von nahezu dem gleichen
Gewicht, die in das Kistchen eingeführt wurden, in das ich die
winzigen Tröpfchen von Bouillonkultur des B. prodigiosus auf die
Dauer von 20 Minuten gelangen liefs, worauf ich sie heraus-
nahm und innerhalb festgesetzter Zeitpunkte tötete.
Die Autopsien wurden in Lokalen vorgenommen, die völlig
von denen getrennt waren, in denen die Inhalationen vorge-
nommen wurden, und der Operierende wechselte die Kleidung
und schritt zu sorglicher Reinigung der Hände.
Für jede Autopsie wurde das Meerschweinchen vor seiner
Tötung auf der unteren Brustregion sorglich durch Rasieren aller
Haare befreit, in seiner Haut desinfiziert und dann mit einem
energischen Nackenschlage geopfert. Dann wurde dasselbe auf
einen Seziertisch gelegt, von vom nach hinten um 45 <> geneigt,
derart zwar, dafs es, dort ausgestreckt, mit dem Kopfe nach
unten und dem hinteren Teil des Körpers erhöht verbliebe, um
zu verhindern, dafs das eventuale und eingeatmete Keime ent-
haltende Bronchialsekret während der überaus kurzen Zeit der
Operation in die tieferen Teile hinabsteige. Schliefslich extrahierte
ich nach schneller Blofslegung der Haut und OfEnung der Thorax-
höhle mit wenigen Scherenschnitten in wenigen Sekunden nach
dem Tode mit allen Normen der Asepsis die Lungenstückchen,
deren ich mich für meine Untersuchungen bedienen wollte.
Paul entfernte, um sich vor der einigen seiner operierenden
Vorgänger gemachten Kritik sicherzustellen, dafs während der
Agonie des Tieres in den Einatmungen des Todeskampfes Keime
aus dem Munde und den oberen Luftwegen in die inneren
Verzweigungen einzudringen vermöchten, die für die Unter-
suchung nötigen Lungenstückchen aus dem noch lebenden Tiere.
ArohiT für Hygiene, Bd. LXIIL 24
34^ ti^ber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen eic.
Auch ich wollte, mit der von mir gebrauchten Methode schon
verhindernd, dafs der B. 4)rodigiosus in das Maul der Meer-
schweinchen gelange, vor Beginn meiner Untersuchungen sehen,
ob es angezeigter gewesen wäre, die Lungenstückchen dem leben-
den Tiere zu entnehmen, wie es Paul getan hatte, oder dies
sogleich nach dem Tode zu tun. Zu diesem Behufe experimen-
tierend, entdeckte ich, dafs beim Operieren am lebenden Tiere,
soviel man sich auch mit den verschiedensten Mitteln bemüht,
dies zu verhindern, das Tier schreit, um sich schlägt, Schluck-
bewegungen macht, alles Dinge, die das Hinuntergleiten von
Keimen aus den oberen Luftwegen in die unteren weit mehr
begünstigen, als dies durch eine etwaige agonische Einatmung
erfolgt, welche in den kleinen Tieren oberflächlich und von
überaus kurzer Dauer, dabei auch sehr selten ist. Aus diesen
Gründen entschlofs ich mich, die zu prüfenden Lungenstückchen
dem kaum getöteten Tiere zu entziehen, die Operation, wie ge-
sagt, in einigen Minuten nach dem Tode zu Ende führend.
Die in Prüfung genommenen Lungenstückchen waren für
jedes Tier immer die gleichen und zwar: der Apix der rechten
Lunge, ein Stück des unteren rechten Lappens, zur Hälfte dem
Lappen mit grofser Bronchie entnommen, schliefslich ein Stück
der Base des unteren linken Lappens.
Bei der quantitativen Feststellung der Keime, die sich in
diesen Lungenstücken befanden und der Berechnung der Zahl
dann für 1 ccm derselben Lungen schien es mir überaus nötig,
von Fall zu Fall, dafs ich die Extraktion vornahm, zur genauest-
möglichen Bestimmung des in Prüfung genommenen Volumens
zu schreiten ; überzeugt, dafs nur in dieser Weise vergleichende
Schlüsse aus den mittels der Prüfung der zahlreichen Stücke
verschiedener Tiere gewonnenen Resultaten gezogen zu werden
vermöchten.
Paul, Memminger u. a. begnügen sich, nur annähernd
die Gröfse des in Beobachtung befindlichen Lungenstückes fest-
zustellen, unter Vergleichung desselben mit bekannten Körpern
wie Erbsen, Bohnen usw. und nur selten zur Wage greifend,
Von t>r. tiorico ttonzani. ^4^
um nur zuweilen eine annähernde Idee vom Gewichte ihrer
Stücke zu haben.
Der Gebrauch der Wage schien mir übrigens für eine der-
artige Feststellung durchaus nicht der praktischeste, sei es wegen
der zahlreichen Manipulationen, die man hätte machen müssen,
um das Stück vor Verunreinigungen zu bewahren, sei es, weil
das genaue Abwägen eine lange Operation ist, weshalb man so-
wohl Irrtümer in einem anderen Sinne hätte haben können als
auch der Zeitverlust bedeutender geworden wäre, wenn man die
grofse Zahl der von mir geprüften Stücke (ca. 1000) bedenkt.
Für alles das habe ich also ein Verfahren ausgeklügelt, das
nach meinem Dafürhalten, aufser einfach zu sein, erlaubt, das
Volumen des in Prüfung befindlichen Stückes festzustellen und
zugleich die Zermalmung ohne weitere Übertragungen vorzu-
nehmen, dergestalt die leichtmöglichen Verunreinigungen ver-
meidend, die man haben kann, wenn man diese letztere Operation
mit den gewöhnlichen sterilen Mörsern vornimmt. In der Tat
ist der Gebrauch des Mörsers für die Zermalmuug der Organe,
die in steriler Weise vorzugehen hat, um Zwecke der bakterio-
logischen Nachforschungen willen, weder praktisch noch sicher,
weil es bei den Bewegungen, die man dem Stampfer zu geben
hat, um seinen Zweck zu erreichen, unmöglich ist, den Mörser
gut bedeckt zu halten, und zudem gleitet das Organ, zumal
wenn es ein wenig widerstandsfähig ist, mit Leichtigkeit unter
dem Stampfer hinweg und es gelingt nur mit grofser Mühe,
dasselbe zu zerquetschen und in Brei umzuwandeln. Die von
mir gebrauchte Methode war die folgende:
»Ich nahm gewöhnliche Glaszylinder von der Raumfähigkeit
von ccm, 5, 10, 15 je nach der Gröfse des zu prüfenden Stückes,
auf Vio ^^^^ besser noch % ccm abgestuft.
Ich führte in dieselben eigens von mir konstruierte Stampfer,
die aus kurzen zylindrischen Glasstückeu von einem Durch-
messer, der wenig mehr als die Hälfte des Durchmessers der als
fiezipienten dienenden Zylinder betrug, bestanden, und die Base
nach unten gewendet hatten, eine glatte Base mit scharfen Rändern,
während die obere abgerundet war und einen gut befestigten,
24*
350 t)^ber das Verhalten des bakteriiiden Vermögens der Lungen etc.
feinen, aber dauerhaften Stahlaufsatz trug, der lang genug war,
um aus den abgestuften Zylindern um 7 oder 8 cm herauszuragen.
Die ÖfEnung der letzteren wurde mit einem Baumwollpfropfen
verschlossen, den der Aufsatz des obenerwähnten Stampfers
durchquerte.
Nach derartiger Vorbereitung führte ich in sie 1 oder 2 com
destillierten Wassers ein und nach Hebung des Stampfers vom
Grunde bis dafs er die Flüssigkeit nicht mehr berührte, wurde
sie behufs Sterilisierung in die Autoklave gebracht.
Im Moment des Gebrauches las ich auf der äufseren Skala
des Zylinders die Höhe ab, bis zu der das Wasser in seinem
Inneren gelangte und während ich das zu prüfende Lungenstück
mit sterilen Instrumenten in der obenbezeichneten Weise zerschnitt,
entnahm ein Assistent, den Zylinder in 45^ Neigung haltend,
den Stöpsel samt eingeführtem Stampfer, liefs mich schnell das
Organstückchen einführen, das untergetaucht wurde, und ver*
sohlofs, dabei immer Sorge tragend, dafs der Stampfer oberhalb
des Wassers verbliebe, das Gefäfs. Ich las von neuem die Höhe
ab, in der die Flüssigkeit danach gelangte und, die Differenz
zwischen den beiden Ablesungen ziehend, erhielt ich das Volumen
des Orgaus. Darauf ging ich zu dessen Zermalmung über, welche
mittels Bewegungen in perpendikulärem und zirkulärem Sinne
von Seiten des Stampfers vorgenommen wurde, welcher an dem
aus dem Stöpsel herausragenden metallischen Aufsatz gehalten
ward. Zu Anfang hatte ich mir in der Annahme, dafs die Lungen
wegen ihres Luftgehaltes nicht gut im Wasser eingetaucht blieben,
vorgenommen, sie mit dem Stampfer niederzuhalten, nach vor-
ausgegangener Bestimmung des Volumens desselben ; aber in der
Praxis sah ich, dafs die verschiedenen Stücke, wenn sie auch
nicht vollständig untergingen, immerhin jedoch stets im Wasser
eingetaucht blieben und nur selten hatte ich ein derartiges Vor-
gehen nötig.
Auf diese Weise gelang es mir immer in kurzer Zeit, mit
dem im Zylinder enthaltenen Wasser eine Art Emulsion zu er-
halten, mit der ich die Plättchen machte, zuvor den Inhalt jedes
Zylinders in drei Petrische Schachteln verteilend und dann den-
Von Dr. Enrico Ronsani. 851
selben mit anderem sterilen Wasser mischend, den ich seinerseits
in eine vierte Schachtel füllte.
Zu Anfang machte ich auch mit dem Zylinder nach der er-
neuten Bewässerung ein zusammengerolltes Plättchen h laE smarch
nach vorausgegangener Einführung von Agar in denselben, da
ich aber in der Folge sah, dals sich die meisten der Keime
nicht entwickelten, unterliefs ich um der Zeitersparnis willen
diese Operation.
Die derart bereiteten Plättchen wurden in einem Thermo-
staten bei 35® C gehalten, einer Temperatur, bei der sich der
B. prodigiosus prächtig entwickelt.
Nach 24 oder 48 Stunden schritt ich zum Zählen der Ko-
lonien mit den gebräuchlichen Methoden vor, und die in den
4 Plättchen für jedes Organstück gefundene Gesamtzahl (das
Volumen der Stücke war mir bereits bekannt) wurde auf 1 ccm
Lungen berechnet ; und da ich für jedes Tier drei Lungenstücke
prüfte, machte ich dann einen Gesamtdurchschnitt der Zahl der Keime
pro ccm, wie sich klar aus der folgenden Tabelle ergibt. (S. 353).
Überzeugt, dafs ein solches Studium nur vorteilhaft sein
könne, wenn man die Versuche an einer g^ofsen Anzahl von
Tieren macht und die Versuche an verschiedenen Serien der-
selben wiederholt, unternahm ich meine Experimente an etwa
300 Meerschweinchen einschliefsUch der Vorveräuche, mit denen
ich einige individuelle Verschiedenheiten entfernen wollte, die
sich stets bei derartigen Untersuchungen ergaben.
Verteidigungsvermögen der Lungen gesunder Meerschweinchen
in normalen Umgebungsverhäitniseen.
Diesbezügliche Untersuchungen, vorgenommen, um festzu-
stellen, in welchem Mafse die Zerstörung der Mikroorganismen
innerhalb der Lungen der gesunden Tiere stattfinde, wurden,
wie icb schon früher sagte, von Paul gemacht, der mit Kaninchen
experimentierte und zum Schlüsse kam, dafs die Lungen der
Kaninchen 1 ^j^ Stunden nach der Inhalation fähig seien, Vio <ler
in sie eingedrungenen B. zu vernichten und nach 17 Vg Stunden
fast alle,
352 (^er das Verhalten des bakterisiden Vermögens der Langen etc.
Meine Untersuchungen wurden hingegen an den Meer-
schweinchen (28 Stück) vorgenommen und die respektiven Re-
sultate sind mit all den nötigen Daten in der Tabelle I zusammeu-
gefafst, wobei ich bemerke, dafs die zwischen den Stunden 16
und 28 in der I. Versuchsreihe bestehende Lücke den vorge-
rückten Stunden der dazwischen liegenden Nacht zu verdanken
ist, und dafs in der zweiten die Nachforschung zugleich an zwei
Tieren vorgenommen wurde, um derart die individuellen Ver-
schiedenheiten klarstellen zu können und somit ein genaueres
Kriterium über die Art zu haben, wie die verschiedenen Er-
gebnisse in der Folge auszulegen seien.
Aus den Ergebnissen der in den erwähnten und dieser Aus-
arbeitung angeschlossenen Tabellen dargelegten Nachforschungen
scheinen sich mir die folgenden Schlüsse zu ergeben:
I. Dafs eine grofse Anzahl von Mikroorganismen
mit der eingeatmeten Luft in die Lungen der Meer-
schweinchen eindringen kann, wie von vielen andren
Autoren bei anderen Tieren beobachtet wurde.
II. Dafs die Zahl der in die Lungen eingedrungenen
Mikroorganismen schnell bis zum völligen Verschwin-
den innerhalb 48 Stunden abnimmt; dafs folglich die
Lungen sofort nach dem Eindringen der Mikroorganis-
men in dieselben energisch dagegen reagieren, mit
einer Reaktion, die allmählich abnimmt, ohne jedoch
völlig zu verschwinden.
IIL Dafs im allgemeinen alle Teile der Lungen gegen
die inhalierten Mikroorganismen fast gleichermafsen
reagieren, da sich keinerlei beständige Differenz weder
von Seiten des Apix der rechten Lunge noch vom
unteren rechten Lappen, noch von selten der Base
der linken Lungen bemerkbar gemacht hat.
(Ich will hier nicht in die Natur des Verteidigungsvermögens
der Lungen gegen die Keime eintreten; vermutlich ist dasselbe,
wie ich auch schon anderswo zu sagen Gelegenheit hatte, einem
Komplex von Faktoren zu verdanken, als da sind Phagozytose,
bakterizides Vermögen des Blutes, Sekret des Lungenepithels,
Von Dr. Enrico Boni&ni.
Tabelle I.
Verteidignags vermögen der Langen von gesunden Meerschweinchen i
normalen ümgebnngaverhättniseen.
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und der Sache ;i
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Dnchle, "atcta Lunge
i. Dezember 1905.
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- 740 ; 0,3
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Versuch IIa. 10. Januar 1
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5 2115 14100'! C
5016
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0,2
70
350
42
105
0.4
91
227
116
386
0.2
54
270
20
100
0,2
54
270
80
200
0,3
50
166
SS
120
0.3
40
133
30
100
0.4
35
87
18
45
0.3
9
30
12
30
0.3
3
6
4
13
0.4
1
2
0.3
0,25
75 375 : 0,3
25 250 0,25
il 0,15
0,2
llc
6700
1061
W125
2fi760
0,2
3190J15960
7200
36000
0.4
4910112270 1
462
2310
0,25
184 736 1
696
1735
0,2
124
620
87
290
0.8
125
416
78
312
0,2
94
470
23
76
0,2
31
IÖ5
30
160
0,6
34
85
12
40
0.3
20
66
5
20
0.2
5
26
0,4
0,26
Ü
0,8
0,2
20788
12^
354 Über das Verhalten des bakterisiden Vermögens der Langen etc.
Lymphestrom usf. Ich will hingegen feststellen, dafs ein solches
Verteidigungsvermögen von beachtenswerter Energie auch in den
Lungen der Meerschweinchen sich erweist, da es ca. 20000 B.
prodigiosus pro ccm in weniger als 48 Stunden zu vernichten vermag.
Dieses Studium der Lungen der gesunden Meerschweinchen
in ihrer Verteidigung gegen die eingeatmeten Keime um der an-
gegebenen Gründe willen vorausgeschickt, komme ich zum Haupt-
argument meiner Arbeit, d. h. zur Suche nach den Umwand-
lungen, welches solches Verteidigungs vermögen erleidet, wenn
sich die Lebens- oder Umgebungsverhältnisse der dem Experiment
unterstehenden Tiere ändern.
Wirkung der Kälte.
Die Wirkung der Kälte auf den Organismus kann die Ur-
sache derartiger Modifikationen in den inneren Organen sein,
dafs der Widerstand erheblich und zumal im Kampfe gegen die
Mikroorganismen herabgesetzt wird; da jedoch die Modifikationen,
denen die Gewebe durch solche Einwirkung entgegengehen, über-
aus vielseitig sind, hat sich noch kein gerechtes Kriterium über
die Art des Auferstehens einiger Infektionskrankheiten bilden
lassen.
Bevor die Bakteriologie ihre diesbez. Studien einleitete, hielt
man die Abkühlung für die direkte Ursache zahlreicher Übel;
ca. einige 80 nach Schön lein.
In der Folge nahm man, wie dies jedesmal beim Auftreten
neuer Theorien geschieht, der Kälte jedwede ätiologische Be-
deutung und man glaubte auch die Frage der Kältekrankheiten
völlig mit der alleinigen Gegenwart der Mikroorganismen klar-
gelegt zu haben. Aber die Notwendigkeit der individuellen Ver-
anlagung aufser der Gegenwart der pathogenen Mikroorganismen
und die Tatsache, dafs sich solche Disposition festlegen und bzw.
verschärfen läfst durch die Einwirkung andrer Ursachen, welche
auf den Organismus Einflufs nehmen, liefsen eben die Kälte
unter die prädisponierenden Ursachen der sogen. Kälte-Krank-
heiten einreihen,
Von Dr. Enrico Roniani. 355
Wie sich eine Verminderung des Widerstandes infolge von Ver-
kühlung ergebe, ist eines der widerspruchsvollsten Argumente
der Pathologie und zahlreich sind deshalb die in dieser Richtung
angestellten Versuche und Theorien.
Pasteur war der erste, welcher die Wirkung der Kälte auf
den Organismus jenen Teil gab, der ihm leider in der Genesis
einiger Krankheiten zukommt, insofern es ihm, wie bekannt,
durch Abkühlung der Hühner gelang, dieselben für den Milz-
brand, gegen den sie gewöhnlich refraktär sind, zugänglich zu
machen. In der Folge bestätigten diese Erfahrungen die Ar-
beiten von Wagner und Santschenko für die gleiche Infektion,
diejenigen von Ernst für die Infektion mit dem fröschetötenden
B. auf abgekühlte Frösche, diejenigen von Filehne für den
Rotlauf auf abgekühlte Kaninchen, und weitere noch, so dafs da-
mals kein Zweifel bestand über die schwächende Wirkung der
Kälte auf den Organismus im Hinblick auf die Infektionskrank-
heiten.
Wie sein Aktionsmechanismus sei, dies zu studieren, liefsen
sich Massalongo, Heidenhain und Lipari angelegen sein.
Letzterer erklärt das leichtere Anhaften der Mikroorganismen in-
folge von Verkühlung mit einer Lähmung der Epithelien und
nachfolgender Hyperämie und Tumefaktion der von der Kälte
gereizten Schleimhaut, wodurch sich dann das Hinabsteigen der
pathogenen Keime in die Lungen-Alveolen ergebe.
Andre Beobachter teilten jedoch damals die Meinung Lipari s
nicht. Tatsächlich glaubt Lode, welcher mit verschiedenen
Infektionskrankheiten an abgekühlten Tieren experimentierte,
dafs die gröfsere Anlage der Lungen, infolge von Abkühlung
zu erkranken, vielmehr ausschliefslich den Alterationen der na-
türlichen Wärme-Okonoraie zu verdanken sei, welche zu einer
mehr oder minder intensiven Verminderung der allgemeinen
Wärme führt.
Kifskalt ist jedoch nicht dieser Meinung, da er nicht
glaubt, dafs die Abkühlung der Oberfläche des Körpers auch
zur Abkühlung der inneren Organe führe und ihnen damit die
Widerstandskraft nehme; sondern sich auf die Erfahrungen von
356 über das Verbalten des bakteritiden Vermögens der Lungen etc.
Hofbauer, Heidenbain, Hamburger stützend, meint er,
dafs vielmehr die folgende arteriöse Hyperämie den inneren Or-
ganen Schaden bringe, sei es zufolge der verminderten Alkalinität
des Blutes (welche Lode leugnet), sei es wegen der besseren
Lebensbedingungen und der gröfseren Sauerstoffmenge, die die
Keime in solchen Verhältnissen antreffen, sei es schliefslich wegen
der Widerstandsverminderung der Gewebe, welche der Autor
als Begleiterscheinung einer arteriösen Hyperämie ansieht.
Wenn jedoch die von Kifskalt gegen Lode gemachten
Einwendungen gerechtfertigt sein können, insofern die Theorie
des letzteren wenig aufklärt, da von vielen anderen Beobachtern,
unter ihnen Liebermeister, infolge von Abkühlung des Körpers
immer eine Hyperämie und meist auch Zunahme der Temperatur
angetroffen wurde, so ist doch andrerseits seine Idee nicht über-
zeugend, dafs eine arteriöse Hyperämie die Widerstandskraft
eines gegebenen Organes zu vermindern habe. In der Tat be-
obachtet Strafser, dafs die artikolären Prozesse infektieusen Ur-
sprungs im guten Sinne von einer arteriösen Hyperämie beein-
flufst werden, während hingegen die aus Stase sich ergebende
Hyperämie es ist, die auf sie sehr ungünstige Einwirkung nimmt,
und deshalb glaubt er mit Ruhemann und Filehne, dafs das
Überladen der Lungen mit Blut mehr den Charakter einer Stase
denn den einer aktiven Hyperämie habe, welche Stase ihrerseits
Modifikationen sowohl in den zellulären Mechanismus der ver-
schiedenen Gewebebestandteile tragen und dergestalt ihre Vitalität
und Widerstandskraft alterieren müsse, einen locus minoris re-
sistentiae schaffend, und ev. wirkliche anatomische Alterationen
schaffend, wie dies Lipari zeigte und Strafser selbst für die
Pneumonite aufrechtzuerhalten vermochte.
Eine solche Theorie erscheint in der Tat die annehmbarste.
Jedoch scheint mir aus meinen Versuchen der Schlufs be-
rechtigt, dafs wenn man auch annimmt, dafs in den Lungen die
obenerwähnten Modifikationen stattfinden, welche dergestalt den
Boden für die Entwicklung der Keime vorbereiten, eine beachtens-
werte Alteration infolge der Abkühlung gerade jenes Verteidigungs-
vermögen erleidet, mit dem die Lungen gegen die Keime aus-
Von Dr. Enrico Ronzani. 357
gestattet sind. Anders gesagt, dafs nicht blofs die Einwanderung
der Leukozyten sondern auch ihr phagozytisches Vermögen um-
gewandelt und die Aktion der bakteriziden Substanzen alteriert
werde, so dafs die Keime nicht zerstört werden und in den vor-
hin erwähnten Lesionen einen günstigeren Boden zu ihrer Ent-
wicklung finden. Das entspricht auch den Erfahrungen Borchards
und Holms, welche die Phagozytose in den abgekühlten Tieren
studiert haben.
Experimente. Die Meerschweinchen wurden, wie ge-
wöhnlich, in das Verstäuberkästchen eingeführt, um mit der Luft
die B. prodigiosus durch 20 Minuten einzuatmen. Danach
wurde eines von ihnen sofort getötet, um die Zahl der von den
Meerschweinchen eingeatmeten Keime annähernd festzustellen.
Gleichzeitig wurden die übrigen in zwei Gruppen geteilt, deren
eine im Laboratorium bei 15° C verblieb, während die andere
der Wirkung der Kälte ausgesetzt wurde.
Um die Abkühlung der Tiere zu bewerkstelligen, habe ich
sie unter möglichst natürliche Verhältnisse bringen wollen. Des-
halb habe ich sie nicht mit der Enthaarung noch mit dem Bade
abkühlen wollen, wie dies Lode und Lassar taten; noch mit
Äther (Massalongo, Lipari, Kasparekj, noch mit Eis (Filehne),
noch schliefslich mit Antipyretica (Wagner), sondern, da die
Jahreszeit günstig war, durch einfache Aussetzung an die Aufsen-
temperatur, die während meiner Versuche von einem Minimum
von — VC bis zum Maximum von + 5^ C variierte.
Nachdem die Tiere unter den genannten Bedingungen ge-
halten worden waren, wurden sie von 12 zu 12 Stunden, zugleich
mit den in dem Laboratorium gehaltenen Kontrolitieren getötet,
und mit der gleichen Technik, die mir für die früheren Unter-
suchungen gedient hatte, nahm ich die quantitative Bestimmung
der in den Lungen enthaltenen B. prodigiosus vor. Ich mufs
bemerken, dafs sich die Lungen der der Kälte ausgesetzten
Meerschweinchen bei der Autopsie kongestioniert erwiesen, eine
Erscheinung, die ich in den Kontrolltieren nicht vorfand.
Um Daten zu erhalten, aus denen sich Schlüsse ziehen liefsen,
wiederholte ich den Versuch zu drei verschiedenen Zeiträumen.
358 Über das Verhalten des bakterisiden Vermögens der Lungen etc.
Die Ergebnisse sind in der Tabelle II zusammengefafst.
Tabelle U.
Kontrolltiere.
In Prüfung genommene Lungenteile
Versuchstiere
Zwischen der
fiinatmang des
B. prodigrlosus
und der Suche
nach demselhen
verstrichene
Zeit
Apix rechter
Lunge
An der Hälfte des
recht, unt. Lappens
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Meerschw. Nr. 29
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33
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Serie la.
Sofort nach der
Einatmung
Stunden 12
> 24
> 36
> 48
> 60
17. Januar 1906.
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12
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1
0,2
0,2
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Meerschw. Nr. 41
> 42
> 43
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Serie IIa.
Sofort nach der _ . _ __
Einatmung 0,1 502
Stunden 12 0,3 88
> 24 0.2
> 48 0,2
23. Januar 1906.
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S e r i e III a. 27. Januar 1 906.
Meerschw. Nr. 51
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I. Sofort nach der
Einatmung
' Stunden 12
> 24
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1
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7760 1 16730
200
180
230
53
3
Die in dieser Tabelle vorgeführten Zahlen sind schon an
und für sich lehrreich.
Es erweist sich in der Tat mit Deutlichkeit eine
Abnahme des Verteidigungsvermögens der Lungen
Von l)r. finrico ttonzant.
ä5d
WirkoBff der Kilte.
Der Kälte aasgesetzte Tiere (—1^ bis +b^ C).
In Prüfung genommene Lungenteile
Yereachstiere
Zwischen der
Einatmung des
B. prodlgiosus
und der Suche
nach demselben
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Apis rechter
Lunge
An der Hälfte de^
recht, unt Lappens
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Meerschw. Nr. 35
Standen 12
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Serie la. 17. Januar 1906.
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Serie na. 23. Janaar 1906.
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Meerschw. Nr. 45 ' Standen 12
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S e r i e III a. 27. Januar 1906.
Meerschw. Nr. 55
56
57
58
59
60
Stunden 12
24
48
60
72
84
0,2
0,2
0,2
0,1
0,3
0,2
40
12
10
2
200
60
50
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46
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110
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10
0,2
0,3
0,4
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700
73
21
19
2
8500
140
50
60
5
1876
103
68
34
7
gegen den B. prodigiosus in den der Kälte ausge-
setzten Meerschweinchen, sei es wegen der gröfseren
Bazillenzahl, die sich beständig in den Lungen der
letzteren fand, sei es wegen der gröfseren Zeitdauer,
§60 über das Verbalten des bakteriziden Vermögens der Langen etd.
welche die Lungen zu ihrer völligen Zerstörung
brauchten (über 72 Stunden), eine genügend lange
Zeit, wenn man erwägt, dafs in weniger als 48 Stunden
die gesunden Lungen unter normalen Verhältnissen
über 20000 B. prodigiosus zu töten vermögen.
Wirkung der schnellen TemperaturQbergänge.
Nachdem festgestellt ward, dafs die fortgesetzte Einwirkung
der Kälte auf den Organismus eine Verminderung der schützenden
Kraft der Lungen gegen die Keime hervorbringt, wollte ich
sehen, ob in mehr oder minder schädlichem Sinne die unver-
mittelten Übergänge von einer relativ hohen zu einer niedrigeren
Temperatur wirken, welche im allgemeinen als von gröfster
Schädlichkeit angesehen werden und während deren sich a priori
eine gröfsere Unordnung ergeben müfste, sei dies in den vaso-
motorischen Reäexwirkungen, sei es im biochemischen Insgesamt
der Lungenumgebung.
Zu diesem Zwecke setzte ich, indem ich die Kontrolltiere
stets bei der Temperatur von 15° C erhielt, die anderen in einen
für Tiere eingerichteten Thermostaten bei 30 — 35° C und zwar
3 Stunden lang, worauf sie schnell in eine Eisgrube von 0°
und 1° C durch weitere 3 Stunden gebracht wurden und so fort im
Wechsel bis zum Moment der Tötung. Bei dieser Untersuchung,
in der ich, um der Tierersparnis halber immer in gleicher Weise
operierte, unterliels ich die Bestimmung der Zahl der Keime,
welche von den kaum aus dem Zerstäuberkästchen herausge-
nommenen Meerschweinchen eingeatmet waren, sei es, weil wir
in früheren Untersuchungen gesehen haben, dafs diese Zahl im
Durchschnitt zwischen 15000 — 20000 pro ccm Lungen schwankt,
sei es, weil als Zeugenschaft der möglichen Variationen immer
die Daten der Kontrolltiere bestehen.
Auch hier wiederholte ich dreimal die Untersuchungen, um
schätzbare Resultate zu haben, die in der Tab. lU (S. 362 u. 363)
gesammelt sind.
Unter Zusammenfassung der in dieser Tabelle vorgetragenen
Resultate kann man sagen, dafs in den schnellen Tem-
Von Dr. Enrico RonEani. 361
peratur-Übergängen ausgesetzten Tieren das Schutz-
vermOgen der Lungen gegen die Mikroorganismen
von Anfang an beträchtlich vermindert wird, mehr
als dies bei jenen Tieren statthat, welche der be-
ständigen Einwirkung der Kälte ausgesetzt sind;
aber dieses Verm ögen scheint später teilweise seine
Kraft zurückzugewinnen, so zwar, dafs es den Lungen
gelingt, alle eingeatmeten Keime in kürzerer Zeit
zu vernichten, als dies für die Lungen der Meer-
schweinchen der voraufgegangenen Untersuchung
möglich war.
Deshalb könnte man sagen, dafs die Lungen zu Anfang von
den schnellen Temperatur-Übergängen stark erschüttert wurden,
dann aber sich langsam daran gewöhnen und nach und nach
ihren normalen Zustand zurückzugewinnen trachten, ohne ihn
aber völlig zu erreichen.
Dies stimmt mit den Ideen übereiu, welche Pieraccini
in seinem Traktat über die Krankheiten der Arbeiter vorträgt.
Der Autor bestätigt, indem er von den Arbeitern spricht, welche
zufolge ihres Berufes beachtenswerten und schnellen Temperatur-
Schwankungen ausgesetzt sind, dals wenn auch diese unver-
mittelten Übergänge Ursache zahlloser Schädigungen des Or-
ganismus sein können, immerhin die Angewöhnung eine aus-
geprägte Schutzkraft verleiht.
Wirkung der Wärme.
Seltener ist die Ansicht, dafs die Wärme ähnlich der
Kälte prädisponierende Ursache der Lungenkrankheiten sein
könne; immerhin scheinen einige Erfahrungen von Gib i er
und Maurel zu zeigen, dafs der Organismus dabei nahezu
ähnliche Alterationen erleiden kann, als sie die Kälte im Hin-
blick auf die Entwicklung der Infektionskrankheiten hervor-
bringt.
In der Tat gelang es Gibier bei Erwärmung d* Frösche,
ihnen den Milzbrand zu übertragen, ähnlich dem, was Paste ur
362 t)^ber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Lungen etc.
Tabellen!. WIrkug 4er
Kontrolltiere.
In Prüfung genommene Lungenteile
Versuchstiere
Zwischen der
Einatmung de.s
II. prodiglosus
und der Suche
nach demselben
verstrichene
Zeit
Apix rechter
Lunge
An der HUfte des
unt. recht. Lappens
m. grofser Bronchie
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linken Lunge
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Meerschw.Nr.61
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Meerschw.Nr. 70
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Meerschw. Nr. 79
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S e r 1 e I a. 22. Februar 1906.
Standen 12
> 24
> 48
> 60
Stunden 12
> 24
> 48
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Stunden 12
> 24
> 48
> 60
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Serie IIa.
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5. März 1906.
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S e r i e m a. 12. März 1906.
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30 159
200 589
192 142
1
u
652 874
270 20«
erzielte, indem er seine Hühner abkühlte. Maurel sah in der
Folge, dafs bei Überhitzung der Tiere die Leukozyten derselben
derartige Alterationen zu erleiden hatten, dafs sie ihre zerstörende
Kraft gegenüber den Keimen eiubüfsten. Wegen dieser Nach-
forschungen wollte ich mich mit den Experimenten sicherstellen,
ob die Lungen im Hinblick auf ihre Verteidigung gegen die
Keime Schaden von der länger dauernden Einwirkung nicht über-
mäfsiger Wärme auf den Organismus erleiden.
Bei diesen meinen Versuchen hielt ich wie bei den früheren
stets einen Teil der Tiere zur Kontrolle im Laboratorium,
Von l)r. £lnrico fionzani.
363
seknellen Temn^eratiuilberf Xnf e.
Den schnellen TemperaturQbergängen unterzogene Tiere.
(Von +30» bis 85 <» aal 0» bis +1« 0.) .
Versuchstiere
Zwischen der
Elnatmang des
B. prodigiosns
und der Suche
nach demselben
▼erstrichene
Zeit
In Prüfung genommene Lungenteile
Apix rechter
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An der Hälfte des
recht, unt. Lappens
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> > 69
Meerschw.Nr.74
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> » 76
> » 77
> > 78
Meersehw.Nr.Sd
> 84
> 85
» 86
> » 87
Stunden 12
> 24
> 48
» 60
> 72
Stunden 12
> 24
> 48
> 60
1 72
Stunden 12
> 24
> 48
> 60
» 72
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0,2
35
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0,4
0,16
0,4
0,2
0,6
1788
4470
0,3
912
8040
807
767
0,2
118
590
185
465
0,3
5
16
10
25 0,3
Ol Ol
o,s&
Serie II. 5. März 1906.
0,2
340
1700
0.4
790
1985
0,26
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0,15
18
120
0,4
146
365
0,3
138
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0,2
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43
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10
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10
40
0,3
11
36
0,25
0,15
0,4
0,3
Serie m. 12. Milrz 1906.
0,2
280
1400
i0,3
1004
3346;
0,25
512
2048!
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18
180
0,4
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0.2
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450
0,15
11
72
0,4
38
95
0,3
41
136
0,1
6
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8
25
0,25
2
8
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Ol
0,4
1
2
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30^3
510
160
8
1628
315
50
25
2264
511
101
31
1
Während der andere in einen Thermostaten bei 30 — 35*^ C ge-
bracht wurde, nachdem alle, auch die Kontrolltiere, die Ein-
führung des B. prodigiosus in die Lungen mittels des gewöhn-
lichen Verfahrens erlitten hatten.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen befinden sich in
der Tabelle IV. Aus dem Vergleiche der in dieser Tabelle
vorgeführten Daten ergibt sich, dafs der andauernde
Aufenthalt der Meerschweinchen in einer Tem-
peratur von 30 — 35° auf das Verteidigungsvermögen
der Lungen gegen die Mikroorganismen keinerlei
AroblT fax Hygiene. Bd. LXIII. S5
364 ^ber das Verhalten döö bakteriziden Vermögens der Langen etc.
Tabelle IV.
Kontrolltiere.
In Prüfung genommene Lungenteile
Versuchstiere
Zwischen der
Einatmung des
B. prodigiosus
und der Suche
nach demselben
verstrichene
Zelt
Apix rechter
Lunge
An der Hälfte des
recht, unt. Lappens
m. grofser Bronchi e
Basis der
linken Lunge
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Serie la. 31. Januar 1906.
Meer8chw.Nr.88
» 89
> 90
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Stunden 12
> 24
> 48
> 60
0,15
0,15
0,2
0,2
192
10
1280
66
0,4
0,5
0,3
0,4
500'
17
7
1250
34
23
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0,3 10
0,2
0; 0,3
760 109
33 44
7
Serie 11 a.^ 12. Februar 1906.
Meerschw. Nr. 97
> > 98
> 99
»100
Stunden 12
> 24
> 48
> 60
0,1
100
1000
0,3
257
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0,3
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2
20
0,4
50
125
0,3
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0,4
0,25
0,2
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0,3
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1
182
16
660 838
53 66
Serie III. 7 22. Februar 1906.
Meer«ehw. 106
» 107
108
109
Stunden 12
> 24
> 48
> 60
0,15
196
1300
0,4
550
1350
0,3
318
0,15
20
132
0,4
127
317
0,2
6
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0,4
0,2
0,15
0,5
0.3 1
• 1
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—
—
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—
1060 1236
30 159
Einflufs hat, denn die Zahlen, welche die Menge
der in den Lungen der im Thermostaten gehaltenen
Tiere vorgefundenenKeime darstellen, erweisen sich
beim Vergleich mit denen der Kontrolltiere nur
wenig und nicht beständig höher und erlauben des-
halb nicht den Schluls, dafs die Lungen in jener
Funktion, deren Studium wir uns angelegen (sein
lassen, einen Schaden erlitten haben.
Wirkung des Bades.
Einige Experimentatoren pflegten, wie ich auch anlälsUch der
Wirkung der Kälte auf den Organismus erwähnte, bei ihren
Von t)r. finhco ttonzaüi.
365
Wirkiuir der Wtrme.
Id +30« bis +35° C gehaltene Tiere.
In Prüfung genommene Lungenteile
Versuchstiere
ZwriROben der
Einatmung des
B. prodigiosus
und der Suche
nach demselben
yeratrichene
Zeit
Apix rechter
Lunge
1 An der Hälfte des li
recht, unt. Lappens
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Meerschw. Nr. 92
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Meerschw. 101
102
103
> 104
106
Meerschw. 110
111
112
> 113
> 114
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> 24
> 48
> 60
» 72
Standen 12
> 24
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0,4
Serie I. 31. Januar 1905.
0,2
0,2
i 0,25
0,15
II 0,2
Serie II.
0,2
0,2
0,25
0,2
0,2
12. Februar 1906.
192
16
960
80
0,4
0,4
0,4
0,3
0,5
458
35
2
1145 ;i 0,2
87 0,3
5. 0,3
0,4
0,3.
117
16
585
53
Serie III. 22. Febrnar 1906.
0,2
156
780
0,4
729
1822 „ 0,25
295
1180
0,2
14
70
0,4
112
280 0,2
11
50
0,15
0,4
26
65 0,25
29
76
0,25
0,35
0,2
0,15
035
0,3
1018
72
5
1
896
73
1
! 12-
133
43
Versuchen die Tiere in der Weise abzukühlen, dafs sie sie in
Bädern von ziemlich niederen Temperaturen hielten ; und sie zogen
ihre Schlüsse aus der Wirkung dieser gegebenen Temperatur auf
den Organismus der Tiere. Sie dachten dabei nicht daran, dafs
die thermische Kapazität des Wassers wesentlich höher ist als
diejenige der Luft, so dafs das Bad von einer gegebenen Tem-
peratur auf den Organismus wesentlich andere Modifikationen
ausübt als diejenigen sind, welche die Luft bei einer Temperatur
ausüben würde, die um viele Grade niedriger ist.
Und aus diesem Grunde wollte ich auch in meinen voraus-
gegangenen Untersuchungen über die Wirkung der Kälte keinen
25*
ä66 Über das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Lungen etc.
Gebrauch vom Abkühlungsbade der Tiere machen, da ich sicher
war, derart keine Resultate bezüglich der Temperatur zu erhalten,
mit der ich experimentieren wollte. Zur Unterstützung mehier
Anschauungsweise haben wir die Beobachtungen Hayems,
welcher gefunden hat, dafs die Temperaturschwankungen in der
Luft wesentlich besser und länger ertragen werden als diejenigen
im Wasser; und ferner jene Vinays, der am Ende seiner zahl-
reichen Versuche über die Bäder zu dem Schlüsse kommt, dafs
die vom Wasser bei einer Temperatur von + 6 ^ bis + 12 ® C ge-
gebene thermische Umgebung Schmerz und substantielle physio-
logische Modifikationen hervorbringt, während die bei der glei-
chen Temperatur von der Luft gegebene thermische Umgebung
sehr leicht als Kälte empfunden wird und die funktionellen und
physiologischen Modifikationen geringe Bedeutung haben. Bei
den höheren Temperaturen sah er dann, dafs die vom Wasser
bei + 20° C gegebene thermische Umgebung in überaus leb-
hafter Weise als Kälte empfunden wird und Modifikationen des
Pulses und der Atmung hervorbringt, und jene bei + 25® bis + 32**
als Frische und gleichfalls in milderem Grade physiologische Modi-
fikationen ergebend, während die Lufttemperatur bei +20° C als ,
milde Wärme empfunden wird und jene von +25° bis +32°C
als schlecht ertragene Hitze, physiologische Modifikationen im
entgegengesetzten Sinne hervorbringend als diejenigen, die man
beim Wasser von gleicher Temperatur erleidet. Auf Grund
dieser Erwägungen habe ich sehen wollen, welchen Einflufs das
Bad, sei es auch bei ziemlich hoher Temperatur, auf das Ver-
teidigungsvermögen der Lungen der Meerschweinchen gegen die
Mikroorganismen habe, indem dasselbe auf den Organismus be-
sondere und ihm eigentümliche Wirkungen ausübt.
Nachdem ich wie gewöhnlich Meerschweinchen vom gleichen
Alter und nahezu vom gleichen Gewicht gewählt hatte, nahm ich die
gewöhnliche Einpflanzung des B. prodigiosus in die Lungen vor
und nachdem ich sie dann in zwei Gruppen geteilt hatte, deren
eine mir für Kontrolle diente, setzte ich die andere ins Bad von
+ 30° bis +35°C 20 Minuten hindurch alle 12 Stunden bis
zum Augenblick, wo das Tier getötet wurde.
Von Dr. Enrico Ronzani. 367
Ich mufs übrigens sogleich bemerken, dafs die Meerschwein-
chen ein derartiges Bad schlecht ertrugen, da sie sofort nach
demselben die Nahrung verweigerten und halb ausgestreckt, un-
beweglich im Käfig verblieben.
Ich fasse in der Tabelle V (S. 368u.369) die Resultate zusammen.
Aus dieser Tabelle erweist sich deutlich, wie das Bad von
der Temperatur von 30— 35^C einen schädlichen Einfluls auf
das bakterizide Vermögen der Lungen ausübt, da es die Zer-
störung der eigens den Meerschweinchen durch Inhalation bei-
gebrachten Mikroorganismen verzögern macht.
Dies zeigt, wie das Bad auf den Organiamus einen wesent-
lieh umfänglicheren und zuweilen wesentlich schädlicheren Ein-
fluls ausübt als die thermische Umgebung der Luft; denn wäh-
rend in dem vorausgegangenen Versuche die in der Luft von
30 — 35 ^ ü gehaltenen Tiere fast gar keine Modifikation in Hin-
sicht auf das uns hier beschäftigende Argument erwiesen, sind
die Modifikationen hingegen in jenen, die das Bad bei der glei-
chen Temperatur durch nur 20 Minuten alle 12 Stunden zu erleiden
hatten, derart hervorspringend und beständig, dafs man über
dieselben nicht den mindesten Zweifel mehr haben kann. Und
das findet seine kombinierte Erklärung in der Tatsache, dafs
schon bei 30 — 35 ^ C das Wasser dem Organismus wesentlich
mehr Wärme entzieht als die Luft dies bei gleicher Temperatur
tut, und in der anderen, dafs das bakterizide Vermögen der
Lungen, wie sich vorhin ergab, nachläfst, sobald sich eine Ab-
kühlung des Körpers bemerkbar macht. Meine Resultate geben
also dergestalt eine Stütze für die Meinung etlicher Hydrologen
und vieler Kliniker, welche das Bad in den Infektionskrank-
heiten der Lungen nicht anraten.
Wirkung der Ermüdung.
Die Ermüdung ist, wenn man sie nicht direkte Ursache von
Krankheiten heifsen kann, oft die prädisponierende Ursache der-
selben, indem sie den Organismus schwächt.
Es ist in der Tat durch die Arbeiten von Mos so, Ranke,
Liebig, Gaucher, Rummo, Bordoni u. a. allgemein be-
368 Über das Verhalten des bakteriziden Verhaltens der Langen etc.
Tabelle y.
Kontrolltiere.
In Prüfung genommene Langenteile
Versuchetiere
Zwischen der
Einatmung des
B. i>rodigiosiis
und der Suche
nach demselben
verstrichene
Zeit
Apix rechter
Lunge
An der Hälfte des
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S e r i e I. 22. März 1906.
Meerschw. Nr. 115
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Stunden 12
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0.3
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380
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0.3
90
0,15
0,4
1
0,25
0,16
0,4
0,25
Meerschw. Nr. 123
> > 124
> > 125
Serie III. 9. Mai 1906.
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Meerschw. Nr. ISO
» > 131
> > 132
> > 133
Stunden 12
> 24
> 48
72
0,2
134
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0,1
35
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0,8
0,15
0,5
0,15
0,4
906 940
300 1 438
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Serie IL
3. Mai 1906.
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Stunden 12
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0,2
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0,4
980
80
815
383
1
kannt, dafs die Ermüdung, zumal jene der Muskeln, Anlafs zu
verschiedenen toxischen Produkten bietet, welche Oautier
Leukomanie heifst, und die nicht nur den funktionierenden Teil
beschädigen, sondern, indem sie sich in den Blutkreislauf er-
giefsen, den ganzen Organismus zu alterieren beginnen, ihn auf
die verschiedenste Weise schädigend.
Der Teil, der die Ermüdung im Hinblick auf die Entwick-
lung der Infektionen betrifft, ward von C harr in und Roger
studiert.
Diese Autoren experimentierten an weifsen Mäusen; sie er-
müdeten diese Tiere, indem sie sie geraume Zeit in (Jer gewöhn*
Von Dr. Enrico RonMoi.
Im Bade gehaltene Tiere (eu +30* bi< -f SS'G).
In Prüfung genommene Langenteile
Zwtscben der
EtnatmunK dei
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Zeit
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-ie I. 22. März 1906.
Meerachw. Nr. 119 Stunden 12 0,1
> 120 > 24 0,16
.121 . 48 0,2
. 122 . 72 0,15
Meerschw. Nr. 12G Stunden 12
SerlVm. 9. Mri 1906.
MeerBchw. Nr. 134 i Stunden 12 0,2 124 i 620 ii 0,5
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1030 :| 0,2 ' 72 860 552
010,8 I Ol 0„
20 0,2 84 170! 86
liehen Drehtrommel gehen liefseo, und znar uach vorausgegan-
gener Einimpfung etlicher Tropfen von abgeachwfichter Milzbrand-
kultur und gleichzeitig Kontrolttiere haltend, sahen sie, dafs
während die ermüdeten Tiere in kurzer Zeit starben, die Kontroll-
tiere der Milzbrandinfektiou widerstanden. Die gleichen Resultate
erhielten sie- beim symptomatischen Milzbrand, während mit den
Kulturen des hämatischen virulenten Milzbrandes, wenn sich
auch bei den Kontrolltieren der Tod ei^ab, dieser doch immer-
hin wesentlich später eintrat als bei den der EnnUdung ausge-
setzten Tieren. Deshalb kamen sie zum Schlüsse, dafs die den,
sei es mit dem hämatischen, sei es mit dem symptomatischen
Milzbrand eingeimpften Tieren auferlegte allgemeine Ermüdung
370 t^er da49 Verbalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc.
in bemerkenswerter Weise die Entwicklung und allgemeine Aus-
breitung der Infektion begünstigt.
Zu ähnlichen Schlüssen bei anderen Infektionen kamen auch
Arloing und Thomas, welche ähnlich wie die vorgenannten
Autoren bestätigten, dafs die Ermüdung die Verteidigungskraft
des Organismus im allgemeinen herabsetzt und die Entwicklung
der Infektionskrankheiten begünstigt.
Im Gegenteil hat jedoch Ceni, der dem bakteriziden Ver-
mögen des Blutes von ermüdeten Schafen und Hunden nach-
forschte, erwiesen, dafs das bakterizide Vermögen des Blutes
wenig unter dem Einflüsse der Ermüdung variiert, und dafs im
allgemeinen dieses Vermögen nur beim Schafe und bei der kurz
dauernden Ermüdung abnimmt, während es in demselben bei
länger dauernder Ermüdung zunimmt.
Auf Grund solcher Versuche wollte ich sehen, welchen Ein-
ilufs die Muskelermüdung auf die Lungen ausübe, und zwar
immer im Hinblick auf ihre Schutzkraft gegen die Mikroorga-
nismen.
Zu diesem Forschungszwecke wurden die Meerschweinchen,
nachdem ich sie, more solito, den B. prodigiosus hatte einatmen
lassen und nachdem ich die zur Kontrolle bestimmten abgeson-
dert, in eine Drehtrommel gesetzt, die ich eigens für sie hatte
herstellen lassen.
Diese Trommel war vom Durchmesser eines Meters und ihre
Breite derart, dafs die Meerschweinchen verhindert wurden, sich
quer zu legen und so also sich zu wälzen statt zu laufen, aufser-
dem liels ich, um zu verhindern, dafs die in Bewegung befind-
lichen Tiere ausgleiten könnten, längs des Trottoirs der Trommel
so viel Querbälkchen legen, dafs das Tier gezwungen wurde, die
Beine zu gebrauchen, um vorwärts zu kommen.
Anfangs wollten sich die Meerschweinchen niclit zu diesem
Spiel herbeilassen, aber mit etwas Geduld und anfangs nur lang-
sam drehend, gelingt es, sie an diesen unfreiwilligen Wettlauf
zu gewöhnen. Die Tiere wurden also ins Rad gestellt, in dem
ich sie in etwa einer halben Stunde mit kurzen Ruhepausen
einen halben Kilometer zurücklegen liels, wonach daa Tier in
Von Dr. Enrioo Bonsani. 371
anbetracht der Länge des zurückgelegten Weges und der Schnel-
ligkeit einerseits, der Kleinheit ihrer Körper anderseits wirklich
müde erschien.
Das Laufen wurde zweimal täglich für jedes Tier w^iederholt
bis zum für die Tötung bestimmten Moment. Im übrigen ging
ich wie in meinen früheren Versuchen vor.
Wie sich aus der Tabelle VI ergibt, setzt die Muskelermü-
dung das Verteidigungsvermögen bedeutend herab, welches die
Lungen den in sie eingedrungenen Mikroorganismen entgegen-
zusetzen vermögen. In der Tat wurde 72 Stunden nach der
Inhalation des B. prodigiosus dieser B. beständig in aulserordent«
lieh ergiebigen Mengen in den Lungen der Versuchstiere vor-
gefunden. Und beim Vergleich dieser Zahlen mit den beim
Examen der Lungen der Kontrolltiere erhaltenen erweist sich,
dafs die Zahl der B. prodigiosus, die sich nach 72 Stunden in
den Lungen der ermüdeten Meerschweinchen feststellen läfst, sich
derjenigen nähert, die sich nach 24 Stunden in den Kontroll-
tiereu vorfindet; es ergibt sich also eine Verzögerung in der
Vernichtung von gut 48 Stunden. Deshalb bin ich mit Marfan
der Meinung, dafs die Ermüdung durch die chemischen Ver-
änderungen, die sie in den Organen hervorruft, das Verteidigungs-
vermögen des Organismus und zumal der Lungen gegen die
Mikroben herabsetze; Herabsetzung, welche Marfan der geringe-
ren Tätigkeit der Phagozyten, der verminderten chemiotoxischen
Aktion der Zellen und bakteriziden und antitoxischen Funktion
der Säfte zuschreibt.
Wirkung der Traumen.
Es ist allgemein bekannt, dafs auch die Traumen mehr
oder minder direkt für Infektionskrankheiten prädisponieren
können.
Was nun die Luugeninfektionen zumal angeht, so stellen
die zahlreichen klinischen Beobachtungen, die über diesen Gegen-
stand von Litten, Murri, Paterson, Lucatello, Mircoli,
Galluzzi und noch andere gemacht wurden, fest, dafs man
infolge eines Trauma auf die Thoraxwand infektive Lungen-
372 t^er das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc.
Tabelle VL
Eontrolltiere.
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In Prüfang genommene Langenteile
Versuchstiere
Zwischen der
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Serie L 2. April 1906.
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34
Serie n. 11. April 1906.
Meerschw. Nr. 146
> 147
> > 148
Stunden 12
> 24
48
0,15
35
232
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450
1125
0,3
338
1126
827
0,15
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26 1,0,45
48
106
0,3
25 , 83
71
0,1
0,4
1
0,3
1
8 e r i e m. 20. April 1906.
Meerschw. Nr. 153 , Stunden 12 0,1
154
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12
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89
0,16
0,45
iO,3
,1
prozesse haben könne, die sich mit aller Wahrscheinlichkeit
nicht entwickelt haben würden, wenn das Trauma nicht einge-
treten wäre. Zur Unterstützung solcher Beobachtungen bestehen
die Experimentalversuche von Hermann, von Schuller, von
Mariani, von Gamalcia.
Dieser letztere unterzog, nachdem er in die Trachea ver-
schiedener Schafe den Pneumokokkus eingeführt, einige der-
selben Traumen der Thoroxwände und in vielen derselben erwies
sich die Entwicklung der Pneumonie, was hingegen nicht der
Fall war in den zur Kontrolle gehaltenen Tieren.
Von Dr. Enrico Roman i.
WlrkuBf 4«T ErmMnnr.
ErmOdete Tjere.
In Prüfung genommene Lungenteile
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Serie I. 2. Aprit 1
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Meerschw. Nr. 149 1! Stunden 12 l|o,16
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11. April 1906.
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362 : 0,3 !
120 !| 0,2 I
40 1 0,3 I
o;a5
Er nimmt nun mit den übrigen, vorhin zitierten Autoren
an, dafs daa leichte Anhaften und die leichte Entwicklung der
Mikroorganiflraen in einer traumatischen Region den degenera-
tiven Alterationen der Gewebe, den Kreislaufstörungen und den
Blutaustritten zu verdanken sei, welche den Bakterien ein gutes
Nährmittel darbieten, was dazu beiträgt, eine Alteration der
Widerstandskraft der Lungen gegen die Mikroorganismen her-
vorzubringen.
Bislang haben wir gesehen, data, auch ohne das Bestehen
solcher Störungen, das Verteidigungsvermögeo der Lungen gegen
374 ^ßber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc.
die Mikroorganismen im allgemeinen von anderen Ursachen
modifiziert werde ; wird nun dieses Vermögen auch vom Trauma
nicht nur am traumatischen Punkte, wo solche Störungen sich
ergeben, modifiziert oder auch im Reste der Lungen, der vom
Trauma nicht direkt beschädigt wird?
Meine Versuche wurden in folgender Weise vorgenommen :
Ich führte das Trauma in den zu den Versuchen bestimmten
Meerschweinchen herbei, indem ich mit einem Holzhämmerchen
einen Teil des Thorax erschütterte, den ich sofort dadurch kenn-
bar machte, dafs ich die Haut mit einer Anilinfarbe färbte. Bei
der ersten Versuchsreihe brachte ich bei den Tieren zuerst das
Trauma hervor und dann liefs ich sie nach und nach die Inha-
lation des B. prodigiosus vornehmen. Bei der zweiten Reihe
nahm ich zuerst die Keimeinpflanzung in den Lungen vor und
gleich darauf brachte ich das Trauma zustande.
Die Tiere wurden wie gewöhnlich innerhalb festgesetzter
Zeiträume getötet und von jedem derselben nahm ich diesmal
nicht mehr drei, sondern vier Lungenstückchen in Prüfung. Das
erste Stückchen, das ich entfernte, war das der traumatisierten
Region entsprechende, das sich meist leicht feststellen Uefs wegen
eines leichten an der Oberfläche der betreffenden Lunge bemerk-
baren Blutaustrittes; dann entfernte ich ein Stückchen in der glei-
chen Gegend der anderen nicht traumatisierten Lunge, und darauf
noch zwei andere Stückchen, eines von der Lunge, die das
Trauma erlitt, aber entfernt vom beschädigten Punkte, das andere
von der entsprechenden Region in der homologen Lunge. Ebenso-
viele Stücke wurden aus den entsprechenden Regionen bei den
Kontrolltieren entfernt und bei allen schritt ich zur quantita-
tiven Peststellung des B. prodigiosus. (Tab. VII und VII bis.)
Aus den obenerwähnten Untersuchungen ergibt sich, dafs
das Traum(\f sei es nun der Einpflanzung des B. prodigiosus
vorausgehend oder nachfolgend^ bewirkt, dafs der letztere sich
immer an der beschädigten Stelle in gröfserer Menge vorfindet, und
zwar durch längere Zeit als in den anderen Lungenteilen.
Aus dem aufmerksameren Studium der Tabellen ergibt sich
noch eine andere Tatsache, die nämlich, dafs, wenn auch das
Von t>r. £nrico tlonsani. 375
Trauma seine Wirkung nur auf einen kleinen Teil des Lungen-
lappens entfaltet hat, dennoch der ganze Lappen eine Alteration
im Hinblick auf die Zerstörungskraft gegen die in ihn einge-
drungenen Mikroorganismen erfährt; betreffs der Meerschwein-
chen Nr. 165 der I. Reihe und Nr. 171—172 der IL Reihe,
welchen aufser den Lungenstücken der eigentlich traumatischen
auch Stücke desselben Lappens entnommen wurden, hat sich
gezeigt, dafs in den letzteren auch 48 und 72 Stunden nach der
Inhalation noch Bazillen befanden, während sich in den ent-
sprechenden Stücken der Lunge der andern Seite und in denen
der Kontroiltiere keine Keime mehr nachweisen liefsen. Eine
solche Alteration findet jedoch in den anderen Lappen nicht
statt und noch weniger in der Lunge der entgegengesetzten
Seite; denn beachtenswerte Differenzen ergaben sich bei der
Prüfung der verschiedenen Lungenstücke der anderen Meer-
schweinchen nicht.
Deshalb darf man schliefsen, dafs die Traumen der
Brustwand nicht blofs die Schutzkraft gegen die
Mikroorganismen in der vom Trauma beschädigten
Lungenpartie herabsetzen, sondern diese Funktion
auch in dem gesamten betroffenen Lappen herab-
setzen, was für eine Stelle auch immer direkt vom
Trauma berührt sei.
Wirkung des Staubes.
Ich will mich nicht über die mechanische und chemische
Wirkung auslassen, welche die verschiedenen von der Lunge
eingeatmeten Staubarten auf dieselbe ausüben, jene beachtens-
werte Reihe von Krankheiten hervorbringend, welche vom ein-
fachen Bronchialkatarrh bis zur schweren Pulmonie und zum
Lungenabszefs ausgreift.
Der Natur meiner Studien entsprechend will ich nur auf
die bekannte Tatsache hinweisen, dafs infolge von Staubein-
atmung das Anhaften von Mikroorganismen in der Lunge und
die nachfolgende Entwicklung von Infektionskrankheiten viel
leichter wird und dies um so mehr, um so schädlicher die ein-
geatmeten Staubarten sind.
376 tjber das Verhalten des bakteriziclen Vermögens der Langen etc.
Tabelle VU.
Zwischen
der Bln-
atmung des
B. prodig.
und der
Suche nach
ihm vei^
Btxichene
Zeit
Trauraatisierte ]
Lunge
Versuchstiere
stück A
entsprechend dem
von Trauma
beschädigten Teil
S d
^1?
© • ©
r] © bO,
«öS
«
Stück B « c
Entfernung von B
, traomatlsiert. Punkte ^«^
entnommenen '^
Traumatisierte
S e r i e L
Meerschw. 161
Std. 6
bei Vi rechter
unterer Lappen
0,4 1129 2822
i
Apix recht. Lunge 0,1
> 162
> 24
unt. Teil d. recht,
unteren T^appens
0,45 160
400
1 > > 0,2
r
> 163
> 48
ob. recht. Lappen
unterer Teil
0,3 3
10
1
Basis des unteren 1 0,2
rechten Lappens
164
> 54
do.
0,25 29
116
1
do. 1 0,2
165
> 72
ob. linker Lappen
unterer Teil
0,4 8
20
1
1
linker Apix 0,1
1
1
Serie n.
Meerschw. 169
Std. 6
bei Vi linker
unterer Lappen
0,4 788
1970
linker Apix 0,25
> 170
» 24
bei Vi i'eehter
unterer Lappen
0,3
182
606
t
rechter Apix 0,2
171
> 48
bei Vs recht, unt.
Lappen unt Teil
0,5
256
512
1
recht, unt Lappen 0,2
oberer Teil
172
> 54
ob. linker Lappen
unterer Teil
0,2
20
100
linker Apix 0,2
1 1
Kontroll-
Der traun
latisierten entsprechende Lunge
Meerschw. 166
167
> 168
Std. 6
> 24
> 48
bei Vi rechter " 0,4
unterer Lappen
unterer Teil rechter 0,45
unterer Lappen
ob. recht. Lappen 0,4
unterer Teil
635
1587
62' 136
Oi
Meerschw. 173
> 174
» 175
Std. 6
> 24
» 48
bei Vs linker
unterer Lappen
bei V] rechter
unterer Lappen
bei ^/, recht unt.
Lappen unt Teil
0,4
0,25
0,5
506 (1260
14
1
56
10
Serie 1.
Apix recht Lunge 0,2
> > »0,2
Basis des rechten 0,15
unteren Lappens
Serie II.
linker Apix 0,1
rechter Apix 0,2
rechter unterer 0,3
Lappen
Von Dr. finrico Ronsani.
S77
Wirkanf der Traumen.
-
Nicht traumatisierte Lunge der anderen*" Seite
o o
"25 g
stück C g ^
entoprechend dem- .' £ S
jenigen der anderen ^ s
Lunge, das v. Trauma ^ ^
betroffen ward
in
sl|
Stück D
demjenigen d. anderen ^g
Lunge entsprechend, *' S §
das auf Entfernung o. B
vom'tniumatlsierten , o >
Punkte entnomm.ward ,,
1
«ig
j. 8
'S -32
Tiere.
5. Mftn 1906.
98. 980
bei Vfl linker i: 0,4
unterer Lappen
715
1787
Apix linker Lunge 0,2
*
204
1020
24 120
unt. Teil d. linken 0,4
unteren I^ppens i
105
262
> > >
0,1
8
80
1
ob. link. Lappen 0,3
unterer Teil
Basis des unteren i
linken Lappens
0,1
0'
do. 0,25
1 '
1
do.
1
0,2
2
20
ob. recht. Lappen
unterer Teil
0,4
1
rechter Apix
1
0.1
3. Mai 1906.
1
1
154
616
bei Vs rechter ; 0,4
unterer Lappen |)
532
1830
1
rechter Apix
0.2
104
520
6
1
30
bei Vi linker
unterer Lappen
0,3
8
26
linker Apix
0,1
7
70
8
1
40
link, unt Lappen
unterer Teil
0,35
6
16
recht, unt. Lappen
oberer Teil
0,25
1 2
10
recht, ob. Lappen
unterer Teil
0,3
1
1
rechter Apix '
0,16
■ il
Tiere.
w
1 Die der nict
it trau
matiBiei
rten entsprechende Lung
e
5. März 1906.
208
1
1
1040
bei Vt unterer ! 0,3
linker Lappen
742
2470
Apix linker Lunge
0.1
194
1940
21
105
unterer Teil 1
linker Lappen
0,25
40
160
> > >
0,1
1
ob. link. Lappen ' 0,3
unterer Teil
BasU des linken
unteren Lappens
0.2
3. Mai 1906.
i
89
890
bei Vi rechter
unterer Lappen .
0,25
894
1676
rechter Apix
1
0,1
106
1060
12
60
bei Vi linker 0,5
unterer Lappen |
20
40
linker Apix
1
0,2
2
10
linker unterer *
Lappen
0.4
unt. recht. Lappen
oberer Teil
0,15
1
1
378 (^01* <^ Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc.
So fand Arnold, der sich viel mit diesem Gegenstande
befafste, dafs, wenn er verschiedene Versuchstiere verschie-
dene Staubarten einatmen liefs, die geringere Sterblichkeit der-
selben durch Pneumonite von jenen Tieren geboten ward, welche
Rufs, und die grölste von denen geboten ward, welche Schmirgel-
oder Bimssteinstaub eingeatmet hatten.
Analoge Tatsachen wurden von Villaret, von Albrecht,
von Claissö und Jpusuä gefunden, da alle in der Bestä-
tigung übereingingen, dafs die in grofser Menge eingeatmeten
Staubarten, wenn auch in verschiedener Weise in den Limgen
wirkend, immerhin in ihnen einen Reizzustand hervorbringen,
welcher das Organ nicht nur für die verschiedensten Infektions-
krankheiten vorbereitet, sondern auch den Ablauf schwerer ge-
staltet um der Läsionen willen, welche die Staubarten im Lun-
gengewebe hervorbringen.
Ich wollte bei dieser Gelegenheit auch sehen, innerhalb
welcher Grenzen sich die Umwandlung des Schutzvermögens der
Lungen gegen die Mikroorganismen infolge der Einatmung ver-
schiedener Staubarten, unabhängig von den anatomischen Lä-
sionen der Lungen selbst vollzieht.
Für die Versuche wählte ich zwei Staubarten, eine unter
j eilen, welche die Atmungsorgane im geringsten Grade verletzen
(Lykopodiumstaub), die andere aber unter denen, welche in
höherem Grade verletzen (Schmirgelstaub).
Ich liefs diese Staubarten zwei verschiedene Gruppen von
Meerschweinchen in Sonderkistchen mittels Verstäuber zwei
Stunden lang und zweimal täglich einen ganzen Monat hin-
durch einatmen; am Ende desselben liefs ich sie dann den
B. prodigiosus einatmen und ging, andere für die Kontrolle be-
haltend, wie bei den früheren Versuchen vor.
In den Schlufstabellen sind die Resultate der Kontrollen
wiederholt worden, da ich mich derselben für alle beiden Grup-
pen der Einatmung der verschiedenen Staubarten unterworfenen
Tiere bediente, weil beide zugleich der Einpflanzung des B. pro-
digiosus und zwar zur selben Zeit unterzogen worden waren.
Tabelle VIII (S. 380/81).
Von Dr. £nrico tUnxoni. 37d
Aus diesen Untersuchungen ergibt sich, dafs,
während der Lyköpodiumstaub, in beträchtlicher
Menge von den Meerschweinchen eingeatmet, in
deren Lungen eine zwar schädliche, aber nur schwach
bemerkbare Aktion auf die gegen die Mikroorganis-
mengerichtete Zerstörungskraft ausübt, der Schmir-
gelstaub hingegen beträchtliche Schäden mit sich
bringt. Und wenn auch zu diesem schädlichen Einflufs natür-
licherweise viel die anatomischen Läsionen beitragen, welche von
der Härte und Billigkeit des Schmirgels veranlafst werden, so
ermächtigt doch das mit dem Lykopodiumstaube erhaltene Re-
sultat zu dem Schlüsse, dafs sich, unabhängig von den Läsionen,
eine Verminderung des bakteriziden Vermögens der Lungen
vollzogen haben mufs.
Wirkung des Alkohols.
Der neuere Kampf, den man nicht nur gegen den Mifs-
brauch, sondern auch gegen den Gebrauch des Alkohols von seiten
vieler Antialkoholisten- Vereinigungen führt und bei dem man sogar
das völlige Verschwinden des Alkohols aus dem Bereiche der
Getränke anstrebt, veranlafste mich, Umschau zu halten, ob eine
solche Substanz wirklich, wie man allgemein glaubt, eine schäd-
liche Wirkung auf die Verteidigung der Lungen ausübe.
Tatsächlich neigen klinische Beobachtungen zum Beweise,
dafs dem Alkoholismus eine überwiegende Wirkung in der Genese
der infektiven Lungenkrankheiten zukomme und alle Autoren,
cl^e den Gegenstand zu behandeln unternahmen, von Magnus-
Hufs angefangen bis zu Founier, Lanceraux, Massa-
lon go, Wesener — um nur einige zu nennen — sind sich
in der Bestätigung einig, dafs der Alkoholismus die Entwicklung
der Lungenkrankheiten begünstige.
In der Neuzeit wurden besonders zahlreiche Versuche ge-
macht, um die Aktion des Alkohols im Hinblick auf die Ent-
wicklung der Infektionskrankheiten zu studieren, und verschie-
den sind die diesbezüglich laut gewordenen Meinungen; so fanden
einige, dafs die Einführung des Alkohols in den Körper die
ArohiT ffir Hygiene, Bd. LXm. ^^
S^O ^^T das Verhalten des bakt^risiden Vermögens der Lungen eic
Tabelle Vm.
Kontrolltiere.
Versuchstiere
In Prüfung genommene Lungenteile
Zwischen der
Einatmung des
B. prodlgiosus
und der Suche
nach demselben
verstrichene
Zeit
Apix rechter
Lunge
[ An der Hälfte des '
, recht, unt. Lappens I
m. großer Bronchie i
Basis der
linken Lunge
o
>S
• es
u O
o
O
Ö 6C. ^ O^
o
I, «
&9 ^' ^ ©,-;
I - u St
»Kpi
0S o
Serie L 13. März 1906.
Meer8chw.Nr.l76 Stunden 12
> »177 > 24
> > 178 > 48
0.2
56
280 0,4
178
320 0,25
80
1
' 320
300
0,2
0,4
70
175 0,3
3
10
61
0,2
1
0,4
0,3
1
Serie U. 21. März 1906.
Meerschw. Nr. 183
Stunden 12
0,15 100
666
> 184
24
0,1 28
280
* 185
48
0,2
0,4
880
0,5
46
0,4
—
—
950 0,8 • 90
92 0,25; 10
0,3
Kontrolltiere.
Serie L 13. Mars 1906.
Meerschw. Nr. 176
» 177
. > 178
»
Stunden 12
24
48
0,2
0,2
0,2
56
280
0,4 128 320 0,251 80
0,4
0,4
70
175
0,3
0,3
3
Serie n. 21. März 1906.
Meerschw. Nr. 183
Stunden 12
0,15
> 184
24
0,1
> > 185
48
0,2
300
40
320
10
Entwicklung der Infektion begünstige, während andere in ihm
einen Feind der letzteren sehen.
Abbott führte in den Magen von Kaninchen von 5 bis
15 ccm Alkohol durch 114 Tage, worauf sich, wie er schreibt,
638
104
306
61
),15
100
666 0,4 380
1
950 0,8 ! 90
300
638
).l
28
280 0.5 46
92 , 0,25; 10
40
104
),2
0,4 1
1
0,3
1
*
Von t>r. Enrico ftontAüi.
S81
Wirkuiff der StaitbArten.
Tiere, die einen Monat hindurch mit Staub erfallte Luft einatmeten.
Ixk Prüfung genommene Lungenteile
Veranchstiere
/.wischen der
Einatmung des
B. prodiglosns
und der Suche
nach demselben
T^mtrfchene
Zeit
Apix rechter
Lunge
An der Hälft« des
recht, unt. Lappens
m. grofberBronohle
BasiH der
linken Lunge
S '.Sbd ►^
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-^2
Ad
•S fl
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B
o
Tiere, welche einen Monat hindurch mit Lykopodinmstaub erfflilte
Luft einatmeten.
Serie L 13. März 1906.
Meerachw. Nr. 179
> > 180
> 181
> » 182
Standen 12 0,2 75
.24 0,2 12
48 0,2
72 0,151
375
60
0,5 399
798. 0,2
73
0,4 1 98
245 0,3
1 '
31
0,4 6
15 0,25
0,4
1
10,3
1
365
546
103
136
5
Serie IL 21. März 1906.
Meerachw. Nr. 186
187
188
189
9
>
Stunden 12
24
48
72
0,2
106
0,1
7
0,2 4
0.16
580
70
20
0,5
0,5
0.5
0,5
404
808
70
140
6
12
0,25; 126
0,25 42
0,25 1
0,3 ;
504
168
4
Tiere, welche einen Monat hindurch Schmirgeletaub einatmeten.
Serie L 13. März 1906.
; I
772
20
48
Meerschw. Nr. 190
Stunden 12
0,2
176
880 0,5
590
* 191
>
24
0,2
17 «) 0,4 ' 60
> 192
>
48
iO,15
0,5 1 50
> 193
>
72
0.15
Serie
i 0,4 , 30
1
IL 21. März 1906.
Meerschw. Nr. 194
Stunden 12
0,2
122
610 0,5
543
. 195
<
24
0.15
75
500 0,4
474
> 196
>
48
0,1
2
20 0,5 28
> 197
*
72
0,2
0,4
16
1180
0,25
193
200
0,3
6
100
0,25
12
75
0,3
1086
1185
56
40
0,3 216
0,25 102
0,25! 8
0,25 12
720
408
32
48
die Schleimhäute entzündet und erosiert erwiesen. Dann infi-
zierte er die Tiere subkutan mit dem Streptococcus pyogenes
oder mit dem Staphylococcus pyogenes, und er fand eine Ver-
minderung des Widerstandes gegen die Infektion von Seiten dieser
Tiere im Vergleich zu den Kontrolltieren. 26»
614
126
12
4
940
101
49
25
805
697
36
29
ä82 t^ber das Verhalten des bakterizicien Vermögens der Langen eic.
Daraus schlofs er, dafs der verlängerte Gebrauch des
Alkohols eine Schwächung der natürlichen Verteidigung des
Organismus gegen die Infektionskrankheiten herbeiführe.
Laitinen sah, nachdem er die Tiere Wochen und Monate
hindurch alkoholisiert und ihnen verschiedene Arten pathogener
Keime eingeimpft hatte, dafs die mit Alkohol behandelten Tiere
starben, während die Kontrolltiere überlebten oder wesentlich
später starben.
Auch Gruber ist infolge seiner Erfahrungen der Ansicht,
dafs sich in den alkoholisierten Tieren eine Zunahme der Emp-
findlichkeit gegen Infektionen wie auch gegen Intoxikationen
mit Bakterientoxinen bemerkbar mache.
Schliefslich fand auch Kögler eine Abnahme des Wider-
standes der alkoholisierten Meerschweinchen gegenüber dem
Pneumokokkus.
Im Widerspruch, der vielleicht nur anscheinend ist und
wofür wir den vermutlichen Grund, später sehen werden, be-
finden sich hingegen die Beobachtungen der im folgenden auf-
gezählten Experimentatoren.
Mircoli zeigte, dafs das Blutserum von Menschen, welche vom
Alkohol häufig Gebrauch machten, ohne jedoch eigentUche Kranke
des Alkoholismus zu sein, das Vermögen besitze, die Tuberkulin-
Vergiftung in weit ausgesprochenerer Weise zu neutralisieren, als
dies das Blutserum eines gesunden und starken Menschen im-
stande sei. Zugleich mit Gervino fand er in den Tieren, die
gewöhnt worden waren, sich mit Alkohol zu ernähren, aufserdem
die Vermehrung des Widerstandes gegenüber der tuberkulösen
Infektion.
In einer anderen Reihe ähnlicher Nachforschungen fanden
beide Beobachter,* dafs das Blut des alkoholisierten Kaninchens
von einem energischen bakteriziden Vermögen gegenüber dem
Typhusbazillus im Vergleich zu dem Blutserum eines Kontroll-
kaninchens Besitz ergriffen habe, und ferner, dafs im gesamten
Organismus eine Zunahme des Reaktions- und Resistenzver-
mögens der Gewebe gegen eine gegebene Infektion (Tuberkulose)
zu beobachten sei ; daher die beiden Forscher der Meinung sind,
Von Dr. Enrico Ronzani. 383
dafs der Alkohol aufser irgendwelcher direkten Aktion, die er
auf die Keime auszuüben vermöge, den Organismus anreize,
zahlreichere und kräftigere bakterische Alexine auszuarbeiten.
Und als unbestreitbar bezeichnen sie den Umstand, dafs die
Entziehung des Alkohols bei daran gewöhnten Personen eine
gefährliche Sache sei, wenn dieselben von Infektionen (Lungen-
entzündung, Tjrphus) befallen wären.
Friedberger hat in Erwägung des Umstandes , dafs
während Epidemien Trinker viel leichter den Infektionen erliegen,
obschon anderseits der Alkohol von vielen als ein sehr aktives
Schutzmittel angesehen wird, nachforschen wollen, in welcher
Weise sich derselbe äufsere, wenn nur einmal verabfolgt oder
lange Zeit hindurch. Er experimentierte mit den Vibrionen der
Cholera. Zuvor inokulierte er den Kaninchen lange Zeit hin-
durch Alkohol, anderen hingegen verabfolgte er nur eine Dosis
im Moment der Infektion ; er infizierte dann alle Tiere zusammen
und fand, dafs diejenigen, welche lange Zeit hindurch mit Alkohol
behandelt worden waren, 16 mal weniger Schutzsubstanzen gegen
die Cholera hervorbrachten als die Kontrolltiere, während die
nur einmal mit Alkohol inokulierten Tiere bei der gleichen In-
fektion eine erhebliche Zunahme der Schutzsubstanzen aufwiesen.
Frank el, der im Vorjahre die Versuche Friedbergers
wiederholte, fand, dafs die mit einer einfachen Dosis Alkohol
behandelten Tiere sich 5 — 10 mal widerstandsfähiger erwiesen
als diejenigen, die seit langer Zeit Gebrauch davon machten;
indessen beobachtete er auch, dafs, wenn die letzteren nach und
nach infiziert wurden, sich dann bei ihnen ein gröfseres immuni-
sierendes Vermögen erweisen liefs.
Die von mir auf der Suche nach den Umwandlungen, welche
eventuell das Verteidigungsvermögen der Lungen gegen die
Mikroorganismen infolge von Alkoholinokulationen erleiden
könnte, angestellten Versuche wurden in drei Gruppen geteilt.
Bei den Tieren der I. Gruppe wurde zuerst die Einführung
des B. prodigiosus in die Lungen vorgenommen und gleich
darauf jedem derselben subkutan von 1,5 — 2ccm wässeriger 45proz.
Alkohollösung alle 12 Stunden bis zum Augenblick inokuliert.
384 ^ber das Verhalten des bakteririden Vermögene der Lungen etc.
Tabelle IX.
Eontrolltiere.
In Prüfung genommene Lungenteile
Versuchstiere
Zwisclien der
Blnatmnng des
B. prodigiosus
und der Suohe
nach demselben
yeratricbene
Zeit
Apiz rechter
Lunge
ij An der HÄlfte des ' ßa^ij ^^^
recht, unt. Lappens ,.„,,^„ j „„„«
• m. grofser Bronphie ^^^^^ Lunge
I. Gruppe.
Serie L 12. April 1906.
Meerschw. Nr. 198
» 199
> 200
Stunden 12 ;0,2
» 24 : 0,2f»
48
0,2
19
20
95 0,4
80 0,4
i 0,4
839
24
847 0,3
60 0,3
0,3
150
6
500
20
Serie n. 2L April 1906.
Meerschw. Nr. 205 Stunden 12
> > 206 > 24
y > 207 > 48
0,1 28
0,2
0,2
8
3
280
0,4
40
0,5
15
0,4
465 1162
68
136
0,25 275
0,2
0,3
26
1100
130
9
Serie HL 8. Mai 1906.
I ' I
Meerschw. Nr. 212 1 Stunden 12 1 0,1 ' 182 1820 ; 0,4 474
> > 213; > 24 10,2 102 510 10,5 5
214
48 ,0,1
0,3 ,
1185 0,3 199
12 iO,35 10
0,2
•=8
cc
cuc
48
53
ü
848
102
5
633 1212
32 184
Die Tiere der II. und III. Gruppe wurden hingegen andert-
halb Monat vor dem Innest alkoholisiert, indem ihnen alltäglich
1,5 — 2 com der oben erwähnten Alkohollösung injiziert wurde;
nach dieser Zeit liels ich sie in bekannter Weise den B. prodi-
giosus einatmen. Bei denjenigen der II. Gruppe setzte ich die
Alkoholinokulationen auch nach dem Innest fort, während ich
sie hingegen bei jenen der III. Gruppe unterbrach. Bezüglich
des übrigen habe ich die Technik gebraucht, wie ich sie in den
voraufgegangenen Kapiteln beschrieb.
Ich bemerke gleich, dafs sich die Tiere der II. und III. Gruppe
pach etlichen Alkobolinokulationen lascher und weniger nach
Von Dr. Enrico Ronsani.
385
Tiere, welche tttglichenEinimpfangen von 4 ccmalkoholisc her Lösung
von 45% nach dem Innest des B. prodigiosas unterzogen wurden.
In Prüfung genommene Lnngenteile
Versuchstiere
ZwischeD der
Einatmung des
R. prodlgloauB
und der Suche
nach demselben
verstrichene
Zelt
Basis der
Apix rechter ^\^^' HWfte des
- recht unt. Lappens ,, ,
Lunge m grofserBronchle linken Lunge
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1. Gruppe.
Serie I. 12. April 1906.
Meerschw. Nr. 201 Stunden 12
> > 202 > 24
> > 203; > 48
»204 » 72
0,15!
0.1
0,16
0,1!
3
10
0,45 162 360 0,3
0.4
0,4
0,5
0,3 '
0,35
i0,3
33 110
i
Serie IL 2L April 1906.
Meerschw. Nr. 208 I Stunden 12
» 209!' > 24
210
211
48
72
0.1 42 '■ 420
0,15|
0,15 !
0,15'
0,4
0,4
0,4
0.5
268
!
670 0,8
0,3
}0,3
0,4
115
28
380
93
0;
0,
Serie Ul. 3. Mai 1906.
Meerschw. Nr. 215
» > 216
» 217
* > 218
Stunden 12
24
48
72
0,15
0,1
0.2
0,1
122
5
812
50
0,55
0,4
0,4
0,6
453
31
822
0,3
151
503
77
0,3
3
10
:!0,8
0,3
Nahrung begierig als die anderen erwiesen. — Die Resultate der
Versuche sind in den Tabellen IX und X vorgetragen.
Aus der vergleichenden Prüfung der oben genannten Tabellen
ergibt sich:
I. Dafs sich it den Tieren, die mit Alkohol erst nach der
Einführung ; des B. prodigiosus in. die Lungen behandelt
wurden, eine beachtenswerte Zunahme des gegen die
Mikroorganismen gerichteten VemichtungsvermOgens von
Seiten der Lungen ergab, da 24 Stunden nach dem
Innest dieselben Keime fast alle aus den Lungen ver-
schwunden sind; während sich eine solche Zahl nach
160
490
31
712
45
386 Über das Verhalten des bakteriiiden YerinOgens der Lungen etc.
Tabelle X.
Kontrolltiere.
Versachstiere
Zwischen der
Elnatmimg des
B. prodigiosus
und der Suche
nach demselben
verstrichene
Zelt
In Prüfung genommene Langenteile
Apix rechter
Lunge
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An der Hallte des i Basis der
recht, unt. Lappens' ... _
Im. grofser Bronchie "nken Lunge
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3 —
Meerschw. Nr. 219
> > 220
> > 221
Meerschw. Nr. 226
» 227
> 228
Stunden 12
24
> 48
Stunden 12
> 24
48
II. Gruppe.
Serie L 9. Juni 1906.
0,2
0,1
0,2
120
6
600
60
0,25 2t6
864
0,25
0,4
43
107
0,25
0,6 8
16 0,3
— .
—
—
Serie n. 15. Juni 1906.
160
640
701
49
196
121
5
0,1
70
700 1
0.6
460
920
0,2
128
0.2
22
110 1
0,4
36
90 .
0,25 52
J 0,15,
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0,3
0,3
Ol
1
—
—
—
640
753
208
136
in. Gruppe.
Serie L 9. Juni 1906.
Meerschw. Nr. 219
> > 220
> > 221'i
Stunden 12
0,2
120
600 '
0,25
216
864
24
0,1
6
60
0.4
43 107 1
> 48
0,2
0,6
8
16
1
1
1
!
—
t
Meerschw. Nr. 226 il Stunden 12
> 227, > 24
228
48
Serie IL 15. Juni 1906.
0,1
0,2
0,15
70
700
22
110
0,25 160 640 701
0,251 49 j 196 121
0,3 j 5
0,5
460
920 ,
0,2
128
0,4
36
90
0,25
52
0,3
0,8
—
—
—
640 753
208 136
solcher Zeitperiode in den Kontrolltieren noch wesentlich
höher erweist.
IL Dals in den Tieren, welche geraumere Zeit hindurch vor
dem Experimental-Innest der Bazillen Gebrauch von
Von Dr. Enrico Ranzoni.
387
Wirkung des Alkoholfl.
Tiere, welche täglichen Einimpf ungen von 2ccm alkoholischer
Lösung von 45% unterzogen wurden.
In Prüfung genommene Lungenteile
Versuchstiere
Zwischen der
Einatmung des
B. prodigiosus
und der Suche
nach demselben
verstrichene
Zeit
Apix rechter
Lunge
An der HAKte des
recht, nnt. Lappens
m grofserBronchie
Basis der
linken Lunge
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23
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II. G r u p p e. Die Alkoholeinimpfungen wurden auch nach dem Innest des
Meerschw. Nr. 222
> 223
> > 224
> > 225
Meerschw. Nr. 229
> > 230
> > 231
> 232
m. Gruppe.
Meerscew. Nr. 233
> > 234
> 235
> 236
Meerschw. Nr. 237
> > 238
> 239
> > 280
Stunden 12
24
48
72
Stunden 12
> 24
> 48
72
B. prodigiosus ausgeführt.
Serie Ic. B.Juni 1906.
180 720
167 417
I
15. Juni 1906.
510 0,5 1 395 790
260 0,25 32 128
0,3 9 30
i 0,4 !
0,1
75
750
0,25
0,2
10
50
0,4
0,15
0,3
0,2
0,3
i0,2
165
825
0,3
86
286
0,3
0,4
o;
Serie II.
0.2
0,1
0,1
0,2
102
26
0,25
0,4
0,25
0,3
96
40
1
384
100
4
675
251
561
162
11
Folgenden Tierserien wurden nach dem Innest des B. prodigiosus
die Alkoholeinimpfungen eingestellt.
Serie L 9. Juni 1906.
Stunden 12
24
48
72
Standen 12
24
> 48
» 72
0,2 210
1500 1
0,5 1
0,15 40 ; 264
0,3
0,1 5 50
0,5
0,1
0,4
468
165
7
4
936
550
14
10
0,25
0.2
0,2
0,3
Serie n. 15. Juni 1906.
0,2
146
730
0,15
210 1 840
, 1
0,2
190
0,15
20
132
0,5
320
640
0,25: 61
0,1 3 I
30
0.4
48
120
0,2
12
0,1,
^1
0,3
9
30
0,3
3
365 1 1460 1 1298
42 ; 210 ! 341
4 20 28
20 10
950 840
204 I' 325
60 70
10 13
Alkohol machten und letzteren auch danach noch fort-
setzten, die Zahl von B. prodigiosus, die in ihren Lungen
gefunden ward, im Vergleich zu den Kontrolltieren nahezu
gleich oder um wenig höher war.
388 tJber das Verhalten des bakteriziden Vermögens der Langen etc.
III. Dafs in den Tieren, welche wie ihre Vorgänger und in
gleichem Zeitraum mit Alkohol behandelt wurden, bei
denen aber nach dem Innest des B. prodigiosus die Ver-
abfolgung des Alkohols eingestellt wurde, eine gröfsere
Anzahl des B. prodigiosus in den Lungen als bei den
Kontrolltieren aufzufinden war, und ferner eine Zunahme
in der für die völlige Zerstörung aufgewendeten Zeit.
Deshalb darf man schlief sen, dafs die Verabreichung
von Alkohol bei Tieren, die nicht daran gewöhnt
sind oder, besser gesagt, die vom Alkohol keinerlei
Schaden erfuhren, eine Zunahme der Verteidigungs-
kraft der Lungen gegen die eingedrungenen Mikro-
organismen zur Folge hat. In den Tieren hin-
gegeU; welche den fortgesetzten Injektionen von
Alkohol unterzogen wurden, erscheint dies Vermögen
wenig abgeändert, bei denjenigen, welche den Alkohol-
gebrauch auch nach dem Eindringen derKeime fort-
setzten, während es bemerkenswert abnimmt in denen,
welchen der Alkohol plötzlich entzogen wurde.
Eine vernünftige Auslegung der oben vorgeführten Tatsachen
läfst sich nach meiner Meinung finden, indem man dem Alkohol
mit den früher erwähnten Autoren eine anreizende Aktion auf
das Verteidigungsvermögen der Lungen zugesteht, wie auch in
Anerkennung des Faktums, dafs der Alkohol auch ein mikro-
bizides Vermögen besitzt, so dafs es bei seiner teilweisen Elimi-
nation durch die Lungen nicht unmöglich ist, dafs er in diesem
Organe auch eine direkte schädigende Aktion auf die darin be-
findlichen Mikroorganismen auszuüben vermöge.
Und wenn er auch bei der Dosis, mit welcher der aufge-
nommene Alkohol durch die Lungen eliminiert wiifd, keine
eigentliche desinfizierende Aktion zu entfalten vermag, ist doch
seine antiseptische Aktion bereits genügend, um die Mikro-
organismen in Konditionen gröfserer Inferiorität gegenüber dem
natürlichen bakteriziden Vermögen des Lungenbereiches zu setzen.
Dies für den ersteren Fall.
Von Dr. Enrico Ronzani. 389
Für die anderen beiden hingegen ergibt sich, dafs aas dem
übermälsigen und lange dauernden Gebrauch des Alkohols eine
Verminderung des mikrobiziden Vermögens der Lungen abzu-
leiten ist, die um so deutlicher wird, wenn mit der Entziehung
des Alkohols u. a. auch jene antiseptische Aktion fehlt, die wir
jener Dosis von Alkohol, welche durch die Lungen zur Aus-
scheidung gelangt, zugestanden.
Dergestalt ans Ende meiner Untersuchungen gelangt, fasse
ich knapp die Hauptergebnisse zusammen :
L Die gesunden Lungen der Versuchstiere und in nor-
malen Verhältnissen gehaltenen Tiere besitzen ein ener-
gisches Zerstörungsvermögen gegenüber den in die
Lungen gedrungenen Mikroorganismen.
II. Eine lange Exponierung der Tiere gegenüber der Kälte,
die schnellen Temperaturübergänge (0 ^ bis + 30 ® C),
das Bad, auch bei verhältnismäTsig hoher Temperatur
(+ 30® C), die Muskelermüdung, die Traumen, die Staub-
inhalationen , zumal wenn es sich um harten Staub
handelt, bedingen Modifikationen solcher Art, dafs sie
jenes natürliche Verteidigungsvermögen herabsetzen, mit
welchem die Langen in normalem Zustande ausgerüstet
sind.
HL Längere Einwirkung der Wärme (+ 30<> — 35® C) modi-
fiziert solche Lungenfunktion nicht.
1 V. Der in nicht giftig wirkender Dosis und an vorher nicht
alkoholisierte Tiere verabreichte Alkohol bringt die Schutz-
kraft der Lungen gegen die Mikroorganismen zum An-
steigen , während er dieselbe nahezu normal erhält in
den seit längerem alkoholisierten Subjekten, bei denen
die mäfsige Alkoholverabreichung während und nach
dem Eindringen der Keime fortgesetzt wird, und er
schwächt diese Schutzkraft hingegen in beträchtlicher
Weise ab, wenn er schnell solchen Individuen entzogen
wird, die an seine Aufnahme gewöhnt waren.
390 I^as Verhalten d. bakt. Vermögens d. Lungen etc. Von Dr. £. Ronsani.
Damit will ich nicht direkt auf den Menschen die Ergebnisse
meiner an Tieren vorgenommenen Versuche zur Anwendung
bringen, was vorschnell und unberechtigt wäre, denn sehr ver-
schieden sind die Vorbedingungen, unter denen sich das Experi-
ment vollzieht, von denjenigen der menschlichen Klinik. Jedoch
kann man nicht umhin, den Versuchen auch in dieser Hinsicht
einen gewissen Wert beizumessen, wenn man in Betracht zieht,
dafs einige der oben hervorgehobenen Resultate bereits mit
klinischen Beobachtungen zusammengehen, die aus solchem An-
lals angestellt wurden, und dafs sie eine plausible Erklärung
für eine hübsche Anzahl von Tatsachen geben, welche die alte
medizinische Praxis immer beobachtete.
Experimentelle Staubinlialatioiiserkraiikungeii der
Lnngen.
Von
Dr. O. Lubenau,
AaiiBtent am Sanatoxiom.
(Aus dem Laboratorium des Sanatoriums Beelitz der Landesversicherungs-
anstalt Berlin. Chefant: Dr. Pielicke.)
Über die Gefährlichkeit der verschiedenen, bei der Industrie
sich entwickelnden Staubsorten hat man sich ein Urteil bisher in
der Weise verschafft, dafs die Ausdehnung der Lungentuber-
kulose unter den Arbeitern, die den einzelnen Staubarten bei
ihrer Beschäftigung ausgesetzt sind in erster Linie als Mafsstab
genommen wurde.
Dafs ein inniger ursächlicher Zusammenhang, zwischen dieser
und der Staubeinatmung besteht, ist schon längst durch die
zahlreichen statistischen Beobachtungen, die in den einschlägigen
Handbüchern oft zitiert werden, wohl aufser Frage gestellt.
Diese Statistiken haben ohne Zweifel auf dem Gebiet« der
Gewerbehygiene den grölsten praktischen Wert, indem sie gerade
auf die Bekämpfung der Lungentuberkulose, um die sich die
Frage des Arbeiterschutzes vornehmlich dreht, hinzielen.
Dabei wird nicht unbeachtet gelassen, dafs keineswegs alle
Staubsorten nur dadurch, dafs sie die Entstehung spezifisch
tuberkulöser Prozesse fördern, gefährlich werden können. Be-
kannt sind ja schon längst die häufigen Lungenentzündungen,
392 Experimentelle StaabinhalationBerkranknng^n der Longeii.
die durch Thomasschlackenstaub hervorgerufen werden, und die
durch ihren schweren, oft rapiden Verlauf berüchtigt sind; be-
kannt sind auch die schweren, chronischen Entzündungen der
Bronchien und das Lungenemphysem, die den Staubarbeiter nur
zu oft erwerbsunfähig machen.
Indes variieren die Anschauungen der Autoren über den
Grad der Gefährhchkeit der verschiedenen Staubsorten ganz
erheblich; so ist man sich über die Gefährlichkeit des Holz-
staubes noch nicht klar (Roth S. 171); desgleichen wechseln
die Anschauungen über den Sandstein, der in der Industrie sehr
verbreitet ist und dessen Bestandteile sich im Chausseestaub und
Strafsenstaub finden. Während Wegmann meint, dals dieser
Staub, dessen Hauptbestandteil ein rundes Korn darstellt, eigent-
lich nur durch seine Menge gefährlich werden kann, an und für
sich aber zu den mehr reizlosen Arten gerechnet werden mufs,
betont Sommerfeld schlechthin nach Tabellen, die er über
die Lungentuberkulose solcher Arbeiter verfertigte, die Gefährlich-
keit desselben ; letztere wird indes mit der jeweiligen Zusammen-
setzung des Sandsteins schwanken. Die harten Sorten desselben
entwickeln nach Roth (S. 118) einen Staub, der zahllose Spitzen
und scharfkantige Trümmer aufweist und daher zu den gefähr-
lichsten Sorten rechnet; mit einem derartigen Staub experimen-
tierte augenscheinlich auch Arnold (S. 60).
Wegmann will überhaupt die Wirkung des Staubes nur
auf seine mechanische Reizung zurückführen und klassifiziert
nach derselben die verschiedenen Staubarten; indes bestehen
manche Ausnahmen von dieser Regel (Rubner S. 711); so be-
sitzt ja auch der Kohlenstaub viele scharfkantige, spitze Trümmer,
ist aber entschieden weniger gefährlich (Roth S. 141).
Zur Klärung dieser Verschiedenheiten in der Anschauung
über die spezielle Gefährlichkeit jeder Materie sind nun gerade
die Statistiken über die Lungentuberkulose der Staubarbeiter nur
mit gewisser Vorsicht zu gebrauchen. Dieselben repräsentieren
nicht nur die Schädigungen, die durch die Einwirkung des
Staubes erzeugt werden, sondern spiegeln auch alle anderen un-
gesunden Einflüsse wieder, die den verschiedenen Berufszweigeu
Von Dr. C. Inbenaü. ä9d
eigen sind. Auch die erbliche Veranlagung zur Lungentuber-
kulose ist hierbei nicht zu vergessen, und wo diese Disposition
fehlt, machen sich oft genug andere schädliche Lebensgewohn-
heiten im speziellen, wie der Alkoholismus, geltend.
Durch die eben erwähnten Statistiken ist man z. B. auch zu
einer irrigen Anschauung über die Schädlichkeit des Staubes in
Wollwebereien gelangt; es hat sich nämlich gezeigt, dafs für die
so aufserordentlich verbreitete Lungentuberkulose unter dieser
Arbeiterklasse weniger der Staub dieses Lidustriezweiges ver-
antwortlich zu machen ist, sondern die unzureichenden Existenz-
bedingungen der Arbeiter ; und es ist in der Tat auch gelungen,
durch Aufbesserung der Ernährungs- und Wohnungsverhältnisse
der Bevölkerung den berüchtigten WoUweberstaub zum gröfsten
Teil seiner Gefährlichkeit zu entkleiden (Albrecht S. 67).
Einen klareren Einblick in diese Verhältnisse erlangt man
erst durch vergleichende Experimente mit den verschiedenen
Staubarten.
Derartige Versuche liegen eigentlich noch nicht in gröfserer
Zahl vor; so erstrecken sich z. B. die klassischen Experimente
von Arnold nur auf den Vergleich von Rufs, Schmirgel, Sand-
stein und Ultramarin. Diese enge Umgrenzung der Versuche
hat auch zu Irrtümern geführt; so ist Arnold zu der Anschau-
ung gekommen, dafs die meisten Staubarten erst nach längerer
(monatelanger) Einwirkung tiefer greifende Veränderungen
(worunter nach seinen Ausführungen die chronischen peri- und
interalveolären, die perivaskulären und peribronchalen Infiltrations*
herde zu verstehen sind) hervorrufen, während vorübergehende
Einatmungen entweder ohne Störungen bleiben oder diese bald
wieder ausgeglichen werden.
Dieser Anschauung tritt unter anderen auch Albrecht bei;
nach Exposition von einer Woche habe ich dagegen durch
Schamotte , Thomasschlacke und Kalkspat die schwersten
chronischen Lungenveränderungen , die allerdings sich erst
innerhalb von einigen Wochen nach dem Aussetzen der In-
halation entwickeln, entstehen sehen, während andere Staubarten
sich viel weniger oder nahezu als ungefährlich (Rufs) erwiesen.
394 Experimentelle Staabinhalationserkrankangen der Langeii.
Auch dafs Arnold die akuten Prozesse schlechtweg zu den
akzessorischen Veränderungen in den Lungen rechnet^ worunter
zu verstehen ist, dafs dieselben nicht direkt durch den Reiz des
Staubes herbeigeführt werden, ist eine zu vage Auffassung, die
schon längst durch die anerkannte Tatsache überholt ist, dafs
es einzelne Staubarten gibt, ganz besonders die Thomasschlacke,
die die Erzeugung von schweren, akuten Lungenentzündungen
zum Charakteristikum haben.
Bei Versuchen mit organischen Staubarten wäre Arnold
auch nicht entgangen, dafs dieselben gerade durch Erzeugung
akuter, heftiger, eitriger Bronchialkatarrhe gefährlich werden
können; in erster Linie sind hier die harten Holzarten zu
nennen.
Im folgenden sind vergleichende Versuche mit 28 ver-
schiedenen Staubarten ausgeführt, die der mineralischen, metal-
hschen und organischen Ordnung angehören.
Mineralische Staubarten: Schamotte, Thomasschlacke, Zement,
Granit, Sandstein, Glas, Porzellan, Gips, Ziegelstein, Chaussee-
staub (in sterilisiertem und nicht sterilisiertem Zustande; wegen
seines Gehaltes an tierischen und Pflanzen- Beimengungen bildet
er ein Gemisch von mineralischem und organischem Staub).
Durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Professor Sommer-
feld, dem ich an dieser Stelle noch meinen ergebensten Dank
ausspreche, erhielt ich aufserdem Bohrmehle von sechs ver-
schiedenen Gesteinsarten, wie sie beim Bergbau und bei der
Gewinnung der Erze als Staub der Luft sich mitteilen: Blende
(besteht aus Schwefelmetallen, wenig spröde, weicher als Kalk-
spat); Kalkspat (Härte 3; kohlensaurer Kalk, enthält auch Quarz-
sand); Galmei (kieselsaures Zinkoxyd, Härte 5); Tonschiefer und
Grauwacke gemischt (Grauwacke rechnet zum Sandstein); Erz-
gestein (bei dem der Gehalt an Erzen überwiegt); Dolomit und
Bleiglanz. (Dolomit = Kalzium — Magnesium-Karbonat; Härte 3,5
bis 4,5; Bleiglanz = Schwefelblei, enthält auch Silber, Eisen etc.;
Härte 2,5; wird auf Silber verhüttet.)
Metallische Staubarten: Eisen, Bronze.
Von br. 6. LnUnAd. Sdo
Organische Staubarten: Tabak, Staub aus einer Getreide-
mühle (enthalt auch viel mineralische Bestandteile), Hanf, Leder,
Holz (von Piment); Hom, Elfenbein, Filz von amerikanischem
KAlberhaar, Papier, Kohlenrufs.
Ehe die mit diesen Staubarten gewonnenen Resultate be-
sprochen werden, mufs auf den Apparat eingegangen werden,
der zu den Versuchen diente.
Die Tiere atmen den Staub unter einer geräumigen Glas-
glocke ein, wie sie zu diesem Zwecke schon von anderen Autoren
benutzt wurde. Die Glocke wird an eine Wasserstrahlluftpumpe
angeschlossen und vermittelst dieser die Luft, der der Staub bei-
gemischt wird, in die Glocke gesogen.
Um den Staub, damit er sich der Luft beimischt, aufzu-
wirbeln, dient folgende einfache Vorrichtung: ein Erlenmeyer-
Kolben (hohe Form) von ca. 750 ccm Inhalt wird mit einem
Kautschukpfropfen verschlossen ; letzterer hat zwei Durch-
bohrungen. Durch das eine Loch geht ein kurzes U-förmiges
Rohr, dessen einer in dem Pfropfen steckender Schenkel mit
dem Niveau desselben etwa abschliefst, während der andere
Schenkel des Rohres frei in der Luft endigt; durch das zweite
Loch des Pfropfens geht ein langes, rechtwinkelig gebogenes
Glasrohr, dessen innerer langer Schenkel bis nahe an den Boden
des Kolbens führt, während der äufsere Schenkel zur Verbindung
mit der Glocke dient. In diesen Kolben kommt eine bestimmte,
genau abgemessene Raummenge Staub, bei meinen Versuchen
löOccm; sodann wird derselbe mit der durch den Kautschuk-
pfropfen verschlossenen Öffnung nach unten an ein Stativ be-
festigt; auf diese Weise schliefst der über dem Kautschuk-
pfropfen lagernde Staub das kurze Glasrohr ab, und indem
durch letzteres beim Gange der Luftpumpe Luft eingesogen
wird, wird der Staub aufgewirbelt; es bildet sich dadurch im
obersten Teil des Erlenmeyer-Kolbens eine Staubatmosphäre, in
welche das lange Glasrohr (das übrigens oben abgeschlossen ist,
dagegen eine seitliehe Öffnung am oberen Ende erhält) ragt und
die mit Staub gemischte Luft in die Glasglocke führt; letztere
wird auf ihrer Unterlage mit Paraffin luftdicht abgeschlossen.
Archiv für Hygiene, Bd. LXm. 27
396 äxperimenteiie iStaubinhaiatioDBerkrankangen der liungdtl.
Es ist notwendig, zwischen 'Glasglocke und Luftpumpe noch
zwei grofse Flaschen anzubringen. Die eine, der Luftpumpe zu-
nächst angebrachte Flasche wird halb mit Wasser gefüllt und
dient dazu, den aus der Glocke abgesogenen Staub abzufangen,
indem letzterer vermittelst eines langen Zuführungsrohres .durch
das Wasser geleitet wird; das abführende Rohr ist kurz.
Die zweite leere Flasche, der Glocke zunächst angebiracht,
dient einfach als Rückschlagventil, um das Eindringen von
Wasser in die Glasglocke zu verhindern, hat also ein kurzesf
zuführendes und ein langes abführendes Rohr.
Um Druckschwankungen infolge von Verstopfung der ver-
bindenden Gummischläuche leicht zu erkennen, bringt man noch
einen Atmosphärenmesser zwischen den beiden zuletzt genannten
Flaschen an.
Es ist keineswegs leicht, die verschiedenen Staubsorten
gleichmäfsig aufzuwirbeln, wie es bei vergleichenden Escperi-
menten als Vorbedingung verlangt werden muTs. Je nach der
Schwere des Staubes mufs der Gang der Luftpumpe eingerichtet
werden ; besonders für die schweren Staubsorten ist es notwendig,
dem Rohre, das den Staub in die Glasglocke einführt, im Inneren
derselben eine Biegung nach dem Dache zu geben, so dafs der
Staub zuerst gegen die Decke der Glocke geschleudert wird und
sich somit in der Luft gleichmälsiger verteilt, als wenn er aus
dem zuführenden Rohre ohne weiteres in die Glocke schüttet.
Die Absaugung der Luft aus der Glocke geschieht durch ein
langes Glasrohr, das bis auf den Boden der Glocke reicht.
Für einige Staubsorten organischen Ursprunges, die leicht
zusammenbacken, besonders das Mehl, bedurfte es noch eines
Schüttelapparates; derselbe bestand, mutatis mutandis, wie bei
Arnold, darin, dafs ein an der Achse einer Wasserturbine
exzentrisch angebrachter Gri£E gegen einen Holzstab schlug, der
an dem Erlenmeyer-Kolben (dem Staubentwickler) befestigt war.
Dieser Schüttelapparat hatte nur den Zweck, den Mehlstaub
wieder zusammenfallen zu lassen, wenn sich in demselben ein
Luftkanal gebildet hatte, durch den die Luft, ohne den Staub
aufzuwirbeln, strömte.
Von Dr. C. tabenaü. §9^
Die verschiedenen Staubsorten müssen in möglichst gleich-
mälsiger und feinster Beschaffenheit vorliegen ; zu diesem Zwecke
werden die groben Körnchen mit einem sehr feinen Haarsieb
abgesiebt. Von jeder Art sind 2 — 4 Liter feinsten Staubes nötig,
den zu beschaffen bisweilen mit erheblichen Schwierigkeiten ver-
bunden war; eventuell kann man sich mit dem Zerkleinern
gröberer Körner im Mörser, bei Filz etc. in einer Schneide-
maschine, soweit es angeht, helfen.
Die Dichte der Staubatmospbäre in dem Staubentwickler
kann nur mittels des Augenmafses bestimmt werden; im ganzen
kann man sich bei gleichmäfsiger Einstellung der Vi^asserluft-
pumpe, indem die Öffnung des Hahnes markiert wird, auch auf
einen annähernd gleichmäfsigen Gang des Apparates verlassen;
immerhin ist ein gewisses Sicheinarbeiten notwendig.
Die Gleichmäfsigkeit der Versuchsbedingungen wird indes
vornehmlich durch die MaTsregel gewahrt, dals in den Staub-
entwickler eine genau abgemessene Raummenge des Staubes
(150 ccm) gefüllt wird, die an jedem Tage zu verbrauchen ist.
Die Expositionszeit betrug bei meinen Versuchen ausschliers-
lich eine Woche, und zwar atmeten die Tiere nur während des
Tages 12 Stunden den Staub ein, zur Nacht kamen sie in den
Käfig.
Bei 28 Staubsorten zogen sich die Versuche demnach etwa
10 Monate hin.
Jedesmal wurden 3—4 Tiere zugleich exponiert, und daher
hauptsächlich Meerschweinchen, vereinzelt auch kleine Kaninchen,
zu den Experimenten gewählt, um die Tiere bequem unt^r der
Glocke unterbringen zu können.
Die in 5proz. Formalinlösung fixierten Lungen wurden
derart verarbeitet , dafs von jedem einzelnen Lungenlappen
Schnitte angefertigt wurden, und zwar gingen dieselben durch
die ganze Fläche der Lappen, indem der Hauptbronchus mit
den grofsen Gefäfsstämmen in der Längsrichtung getroffen wurde.
Auf diese Weise ist man am ehesten in der Lage, sich ein ver-
gleichendes Bild von den Gewebeveränderungen einerseits und
der Staubablagerung anderseits zu machen.
27»
«-^98 Experimentelle ätauDinhälatiofiserkrankungen der LungeÜ.
Die Schnitte wurden mit Hämatoxylin gefärbt, zum Teil
ungefärbt eingebettet; von jeder Lunge wurden aufserdem Prä-
parate mit der Elastinfärbung Weigerts hergestellt. •
Das sicherste Urteil (über die Intensität des Reizes eines
Staubes erhält man, wenn die Ausdehnung der Gewebe Verände-
rungen jedesmal mit dem Staubreichtum der Lunge in Vergleich
gezogen wird; je geringer die ersteren sind, je gröfser aber der
letztere, als desto inoffeusiver mtifs der Staub gelten ; an Hand
dieser Richtschnur ist man imstande, auch noch Fehler, die
durch den Inhalationsapparat nicht ganz umgangen werden
konnten, zu korrigieren.
Allerdings mufs man dabei der Staubreinigung der Lungen
in gemessener Weise Rechnung tragen. Es ist Arnolds Ver-
dienst, auf die Bedeutung derselben als erster hingewiesen zu
haben.
Der grölste Teil des eingeatmeten Staubes wird bekanntlich
durch den Flimmerstrom der Bronchialschleimhäut aus den
Lungen wieder entfernt; es handelt sich dabei im wesentlichen
um den Staub, der in die Luftwege bis in die Alveolen aber
noch nicht in das interstitielle Gewebe gedrungen ist; ob letzterer
•wieder in die Bronchien abgeschieden und auf dem eben er-
wähnten Wege auch entfernt werden kann, ist nach Arnolds
Untersuchungen noch zweifelhaft. Diese Elimination des Staubes
tritt alsbald nach der Inhalation ein, im allgemeinen um so
schneller, je intensiver der Staub reizt ;. zugleich findet ein Trans-
port des im interstitiellen Gewebe abgelagerten Staubes in die
Lymphdrüsen am Hilus der Lunge statt; auf diese Weise wird
hauptsächlich der interstitiell abgelagerte Staub eliminiert; schon
nach einigen Stunden kann man denselben in den Bronchial-
drüsen nachweisen; dieser Transport hält auch nach dem Aus*
setzen der Inhalation an, so dafs die Lunge nahezu völlig wieder
gereinigt werden kann.
Für die Versuche ergibt sich daraus die Lehre, falls man
nicht Täuschungen über den Staubgehalt im Vergleich mit den
Krankheitsprozessen anheimfallen will, eines der Versuchstiere
unmittelbar nach dem Aussetzen der Inhalation zu töten, falla.
Von Dr. C. Lubenan. 399
nicht ein Tier während der Exposition zugrunde gegangen ist.
Die übrigen beiden Tiere werden erst nach Ablauf eines halben
Jahres etwa getötet und dienen dem Studium der durch den
Staub hervorgerufenen chronischen Lungenveränderungen.
Es würde zu weit führen, die Befunde bei den ca. 100 Ver-
suchstieren protokollarisch wiederzugeben, vielmehr sollen nur
die bei den einzelnen Staubarten gefundenen wesentUchen Ver-
änderungen summarisch beschrieben werden.
Der Beurteilung der Gefährlichkeit der verschiedenen Sub-
stanzen sind vornehmlich die chronischen Lungenveränderungen
zugrunde gelegt, die in ihrer Entstehung eine grölsere Konstanz
zeigen als die akuten Pneumonien, deren Bedeutung deswegen
aber nicht verkannt werden soll.
Mineralischer Staub.
Unter den mineralischen Staubarten haben sich sowohl was
die Entstehung akuter Lungenentzündungen anbetrifft, als auch
in bezug auf chronische Veränderungen bei weitem am gefähr-
lichsten erwiesen, Schamotte, Thomasschlacke, Kalkspat, Erz-
gestein, Dolomit und Bleiglanz.
Besonders die beiden ersteren Staubarten führten wiederholt
zu Bronchopneumonien, u. zwar starben infolge von Schamotte^
Einatmung von 5 Versuchstieren 3 derselben am 3. oder 4. Tage.
Entweder waren neben bronchopneumonischen Herden ganze
Lappen grau infiltriert (Meerschweinchen 22 rechter Unterlappen ;
Meerschweinchen 91 rechter Unterlappen und Mittellappen), oder
es überwogen überhaupt die Bronchopneumonien; letzteres war
auch der Fall bei der Einatmung von Thomasschlacke, wobei
upter 4 Versuchstieren 2 derselben an multipler Bronchopneu-
monie starben, welche die Oberlappen bevorzugte. Erzgestein
führte nur einmal ziun Tode an multipler Bronchopneumonie.
Chronische Veränderungen: Die ausgedehntesten
Infiltrationen wurden auch hier wieder mit Schamotte erzielt
und zwar zeigten bei einem Meerschweinchen 90 (Exposition
1 Woche, Tod nach 10 Wochen spontan) alle Lungenlappen
eine derbe voluminöse Beschaffenheit und ausgesprochen graue
400 Experimentelle StaubinbalaüonserkrankaDgen der Langen.
Farbe; Hilusdrüsen enorm geschwollen und verbacken; difihise,
starke, eitrige Bronchitis. An den mikroskopischen Schnitten
erkennt man schon mit blolsem Auge deutlich, dafs die Hälfte
bis Dreiviertel der Lungenlappen ziemlich gleichmälsig und zu-
sammenhängend verödet ist; im Zentrum der Herde besteht
das Gewebe aus zellarmem Bindegewebe, wodurch es ein gewisses
Alter gegen die am Rande befindlichen Infiltrationsbezirke auf-
weist, die sehr zellreich sind und starke Wucherung und Desquam-
mation der Alveolarepithelien zeigen neben gleichzeitiger Ver-
dickung des interstitiellen Gewebes, in dem stellenweise grölsere
Rundzellenherde lagern; kleine nekrotische Inseln sind häufig
sichtbar, von der Umgebung gar nicht abgesetzt, sondern sich
nur durch den Mangel der Kernfärbung verratend und durch
Kerntrümmer, die vielfach zu grofsen Kernklumpeu verschmolzen
sind. Die Bronchialwand ist stark infiltriert, so dafs ihre Struktur
oft ganz verwischt ist. Im rechten Unterlappen befinden sich zwei
linsengrofse Kawernen, die gegen die Umgebung sich nur durch
einen breiten Ring nekrotischen Gewebes absetzen; letzterer ist
seinerseits mit Leukozyten durchsetzt. Der Staubgehalt der
Lungen ist ein geringer (Staubreinigung). Die Hilusdrüsen sind
in ausgedehntem Mafse fibrös umgewandelt und enthalten be-
sonders in den Drüsenkapseln reichlich Staubzellen und freien
Staub.
Geringer sind die Veränderungen bei einem Kaninchen 10
(Exposition 1 Woche, Tod nach 16 Wochen spontan) und kommen
etwa denen bei der Thomasschlacke gleich.
Thomasschlacke: (M. 85, K. 7 ^), Exposition 1 Woche, getötet nach
Vs Jahr). In fast jedem Lnngenlappen sind ansgedehnte Flächen verödet,
jedoch überwiegen über diese noch immer die lufthaltigen Partien, deren
interstitielles Gewebe allerdings auch durch Rundzellen oder Staubzellen
infiltriert ist; auch in den Indurationsherden sind noch unregelmftfsig er*
weiterte Alveolen sichtbar. Auffallend ist die starke Hyperämie sämtlicher
Lappen; kapillare und kleine Gefäfse sind strotzend gefüllt. Die Bronchien
enthalten ein sehr zellreiches Exsudat und weisen vielfach Blutungen auf.
Die elastischen Fasern sind in den infiltrierten Bezirken im Schwunde be-
griffen ; der Staub ist vielfach herdförmig abgelagert, so dafs unter der Pleura
und auf der Schnittfläche überall stecknadelkopfgrofse , braune Flecke
1) M =: Meerschwein, K = Kaninchen,
Von Dr. C. Labenaa. 401
sichtbar Bind. Die Staubzellen stopfen oft ganze Alveolengruppen prall aus
(StaubpfrOpfe.) Da die Thomasscblacke viel Eisen enthält, kann man sich
durch die Reaktion mit Berliner Blau die Staubverteilung noch deutlicher
machen.
Kalkspat: M. 62 (Exposition 1 Woche, sofort getötet). Reichliche
Staubablagerung (feinkörniger Staub) im interstitiellen Gewebe ; eitrige Bron-
chitis, sonst alveoläres Parenchym sehr gut erhalten.
M. 14 u. 61 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs J&hr.) Sämtliche
Lungenlappen sind von Infiltrationsherden durchsetzt, die oft die Hälfte der
Lappen okkupieren und sich hauptsächlich um die Bronchien gruppieren;
neben Rundzelleninfiltration fällt die sehr starke Wucherung der Alveolar-
epithelien, die stellenweise ganz überwiegt, besonders auf; vielfach enthalten
die Alveolen Kalkkonkremente, die, wie zahlreiche Übergangsformen beweisen,
durch Haufen von verkalkten Epithelien zustandegekommen sind. Die
Bronchien enthalten ein wenig zellreiches Exsudat und einzelne Kalk-
konkremente. Der Zylinderzellensaum ist überall sehr gut erhalten. Die
Hilusdrüsen sind aufs dichteste mit epithelialen Staubzellen, die jedoch nur
noch zum Teil feinkörnigen Staub führen, vollgepfropft, so dafs das
lymphoide Gewebe auf einzelne Inseln beschränkt bleibt.
Erzgestein: M. 15 u. 71 (Exposition 1 Woche, getötet nach ^I^J&hr).
Staubzellen finden sich reichlich im Interstitium ; gröfisere, verödete Bezirke
nur in einzelnen Lappen, hier die Hälfte bis Dreiviertel derselben okku-
pierend mit stellenweise starker Hyperämie, starker Bronchitis und Ablagerung
von Staubzellen auch in den Alveolen ; im übrigen erstreckt sich die Infil-
tration auf kleinere Inseln, die sich um Bronchien gruppieren. Dagegen ist
bei M. 15 der rechte Mittellappen in einen derben Knoten verwandelt,
der aus faserigem Bindegewebe besteht, mit Rundzellenherden durchsetzt,
nirgends mehr alveolare Struktur aufweist, aber von zahlreichen, dicht
stehenden Bronchialästen durchzogen wird; dieselben sind gebuchtet, ausge-
zogen, gelappt, vielfach verzweigt und erwecken den Eindruck adenomatöser
Wucherungen (vielleicht analog der vikariierenden Wucherung der Gallen-
gänge bei Leberzirrhose). Sämtliche Bronchiallumina sind mit desquammierten
Zylinderepithelien oder mit Rundzellen vollgepfropft. Eine alveoläre Struktur
erkennt man nur noch hier und da im Bilde der elastischen Faserfärbung.
Dolomit und Bleiglanz: M. 75 (Exposition 1 Woche, sofort ge-
tötet); reichliche interstitielle Staubablagemng ; mäfsige Bronchitis.
M. 76 u. 77 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahr). Sehr starke
peribronchiale und perivaskuläre Rundzelleninfiltration in allen Lappen. Der
rechte Oberlappen des M. 76 ist durch interstitielle Wucherung bis zu Drei-
viertel induriert Der rechte Mittellappen des M. 77 ist wieder in einen
derben Knoten umgewandelt (s. Erzgestein); besteht nur aus Bindegewebe,
das von zahlreichen Bronchialästen durchzogen ist; nirgends mehr eine
alveoläre Struktur sichtbar. Um die Bronchiallumina hat sich eine besonders
starke Rundzellenin<ration entwickelt.
402 Experimentelle StaabinhalfttionBerkrmnkimgen der Langen.
Sonst finden sich nur kleine Infiltrationeinseln in mft&iger Zahl und
eine mäfsige interstitielle Randzelleninfiltnition. Staubzellen lagern reichlich
in allen Lungenlappen, desgleichen enthalten die Hilusdrüeen viel Staub.
Geringfügiger sind schon die Veränderungen, die durch
eine zweite Gruppe der untersuchten mineralischen Staubarten
herbeigeführt wurde; hierzu gehört der Sandstein, Porzellan,
Zement, Chausseestaub, Glas, Galmei, sowie Tonschiefer und
Grauwacke.
Akute Pneumonien wurden am häufigsten nach Chaussee-
staub beobachtet und zwar ebenso häufig wie nach Thomas-
schlacke. Sowohl nachdem der Chausseestaub sterilisiert war als
in unsterilisiertem Zustande starben von je 3 Versuchstieren 2 an
multiplen Bronchopneumonien am 4. bis 6. Tage der Exposition.
Im übrigen wurde nur noch einmal nach Tonschiefer und
Grauwacke bei K. 5 komplette lobäre Pneumonie im linken
Oberlappen neben mehreren bronchopneumonischen Herden in
beiden Unterlappen festgestellt.
Chronische Veränderungen: Dieselben erreichen lange
nicht die Ausdehnung und Intensität wie bei der erstgenannten
Gruppe. Die interstitielle Infiltration ist eine mehr gleichmäfsige
oder mehr herdförmige; zugleich wuchern etwas die Alveolar-
epithelien ; aber nur in sehr kleinem Umfange erfolgt der völlige
Verschlufs der Luftbläschen entweder durch Kompression oder
durch Wucherung der Alveolarepithelien oder durch Ausstopfung
mit Staubzellen. Die Bronchien weisen meistens nur einen
mittleren Grad der Reizung auf, vielfach enthalten sie nur ein
amorphes Exsudat. Allerdings ist manchmal eine erhebliche
interstitielle Hyperämie anzutreffen.
Sandfltein: M. 45 (Exposition 1 Woche, sofort getötet). Starke inter-
stitieUe Hyperämie, stärkere Blutungen am Lungenhilas ; peribronchiale Rand-
zelleninfiltration ; reichlicher Staub im Interatitium, vereinzelte Alveolargrappen
werden von Stanbzellen verschlossen.
M. 46 u. 47 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jähre); gleichmälsige
interstitielle Infiltration; schleimige Bronchitis; Staubgehalt der Lungen
sehr spärlich, reichlich in den Hilusdrüsen, hier gröfstenteils freiliegend.
(Staubreinigung.)
Porzellan: M. 86 (Exposition 1 Woche, sofort getötet); starke
Hyperämie, Blutungen in die Alveolen; reichlicher Staub im inteistitiellei)
Von Dr. C. Looenau. 403
Gewebe; peribronchiale und perivaskuläre Infiltration; achleimigeitrige
Bronchitis mit reichlichen Staubzellen, oder grofse, kantige, scharfe Staub-
splitter, doch nur vereinzelt in den Bronchien.
M. 36 und 37 (Exposition 1 Woche, getötet nach V, Jahr). Stärkere
interstitielle Infiltration in dem Hauptbronchialstamm und stellenweise unter
der Pleura; die peribronchialen Lymphknoten in der Lunge sind beträchtlich
geschwollen und enthalten Staubzellen; schleimige Bronchitis, in manchen
Lappen sehr viele Kundzellenknötchen. Staubzellen liegen überall im
Interstitium und sind am reichlichsten in den infiltrierten Bezirken.
Zement: M. 33 (Exposition 1 Woche, getötet sofort); starke eitrige
Bronchitis ; reichliche Staubzellen und gröfsere kantige Staubtrflmmer in den
Bronchien; auch im interstitiellen Gewebe reichlich Staubzellen.
M. 34 u. 93. (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahre). Schleimig
eitrige Bronchitis, Blutungen in die Bronchien; interstitielle, peribronchiale
und perivaskuläre Infiltration mäÜBig ; fleckenweise starke Hyperämie ; Staub-
zellen im Farenchym spärlich, reichlicher in den peribronchialen Lymph-
drüsen innerhalb der Lunge und in den Hilusdrüsen.
Chausseestaub: M. 2 (Exposition 1 Woche, getötet nach V« Jahr),
mehr gleichmälsige, interstitielle Infiltration ; in der Umgebung der Bronchien
enthalten die Alveolen oft reichlich Staubzellen, hier auch die Rundzellen-
infiltration am dichtesten^ so dafs das alveoläre Parenchym in kleinem Um-
fange ganz veröden kann; schleimigeitrige Bronchitis.
Glas: M. 12 (Exposition 1 Woche, sofort getötet); interstitielle Hyper-
ämie, Blutungen in den Bronchien; schleimigeitrige Bronchitis; Staubzellen
im interstitiellen Gewebe zahlreich,
M. 13 u. 78. (Exposition 1 Woche, getötet nach Va Ja^r); unter der
Pleura ausgedehnte Infiltrationsherde; wenig Staubzellen sichtbar.
Tonschiefer und Grauwacke: M. 16 u. 65 (Exposition 1 Woche,
getötet nach 7s Jabr); gleich mäfsige, interstitielle Infiltration mäfsigen
Grades.
Galmei: M. 22 (Exposition 1 Woche, sofort getötet). Starke inter-
stitielle Hyperämiet stellenweise Blutungen; Staubzellen reichlich im
Interstitium.
M. 21 u. 69 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jabr). Hyperämie
der Unterlappen; interstitielle Infiltration am dichtesten in der Umgebung
der Bronchien; hier auch die Staubs^ellen am reiphlichsteii ; peribronchiale
Lymphdrüsen in der Lunge sind stark geschwollen und enthalten reichlich
Staubzellen. Schleimige Bronchitis.
Die dritte folgende Gruppe des mineralischen Staubes rief
die geringsten Veränderungen in den Lungen hervor; oft ist
das alveoläre Parenchym bis auf eine mehr oder minder reich-
liche Ablagerung von Staubzellen ganz intakt, oder es bestehen
knötchenförmige, umschriebene Infiltrationsherde, die gegen die
Umgebung mehr pder minder abgeschlossen sind. Gerade die
404 Experimentelle StaubinhalationBerkrankangen der Langen.
sehr reichliche Ablagerung des Staubes, die sich jedesmal un-
mittelbar nach der Exposition nachweisen liefs, im Vergleich
mit den geringfügigen Veränderungen charakterisieren diese Staub-
sorten als weniger gefährlich; hierzu gehören: Granit, Marmor,
Gips, Ziegel, Blende.
Granit*. M. 48. (Exposition 1 Woche, sofort getötet); reichliche 8taub-
zellen im interstitiellen Gewebe and in den Alveolen.
M. 49 a. 50 (Exposition 1 Woche, getötet nach 7s Jahr); geringe peri-
bronchiale und perivaskuläre Infiltration, Parenchym sonst gat erhalten;
schleimige Bronchitis, stellenweise in den Alveolen Stanbpfröpfe, sonst
Staubzellen im interstitiellen Gewebe spärlich.
Marmor: M. 11 (Exposition 1 Woche, sofort getötet) ^= Granit.
M. 78 u. 79 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vi Jabr); zahlreiche
Knötchen in sämtlichen Joppen, die aus Alveolengruppen bestehen, mit
Staubzellen vollgepfropft sind, und deren Umgebung mit Rundzellen infil-
triert ist. -
Gips: M. 10 (Exposition 1 Woche, sofort getötet) = Granit.
M. 80 u. 84 (Exposition 1 Woche, getötet nach Va Jahr). Interstitielle
Infiltration in den Hauptbronchien ; schleimige Bronchitis; Staubzellen im
interstitiellen Gewebe spärlich.
Ziegel: M. 9 (Exposition 1 Woche, sofort getötet) und M. 86 und 87
(Exposition 1 Woche, getötet nach Vi Jahr); reichliche Staubnester um die
Bronchien und GefäTse, schleimige Bronchitis.
Blende: M. 20 (Exposition 1 Woche, sofort getötet) s= Granit
M. 94 u. 95 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahr); keine Staub-
zellen in der Lunge ; unbedeutende interstitielle Infiltration (Staubreinigang.)
Organische Staubarten.
Von den untersuchten organischen Staubarten sind bei
weitem die gefährlichsten Holz, Elfenbein, Hanf, Tabak, Horu.
Holzstaub (von Piment, also einer harten Holzsorte) zeichnet sich
dadurch aus, dafs er sehr heftige, eitrige Bronchitiden erzeugt; in dem
eitrigen Exsudat sind Holzfaserfragmente sehr reichlich eingelagert, kleine
Bronchien werden durch dieselben sogar ganz verstopft. Mikroskopisch er-
kennt man, dafs die Staub fragmente in die Mucosa, diese zerstörend, sich
einspiefsen, infolgedessen einen sehr festen Halt bekommen, was die Tat-
sache erklart, dafs die Arbeiter sich über schweres Abhusten solchen Staubes
beklagen ; Verhältnisse, wie sie auch bei dem Jutestaub zutreffen (Rot h).
Die Bronchitis erstreckte sich bei allen den Versuchstieren gleichmäfsig ober
sämtliche Lappen. In der Umgebung grofser Bronchien findet man starke
Hyperämie. Bronchopneumonien wurden bei zwei Versuchstieren besonders
im rechten Unterlappen beobachtet; Blutungen sind unter der Pleura häufig
Von Dr. G. Lnbenaa. 405
anxatreffen. Das alveolAre Parencbym war gut erhalten ; Staub in demselben
nirgends sichtbar. Alle drei Tiere starben yrährend der Exposition am 5.
resp. 6 Tage.
Elfenbein: führte bei 2 Tieren durch akute Pneumonien zum Tode.
(M. 80 t am 4. Tage ; M. 68, Exposition 1 Woche, f am 14. Tage.) Die
Pneumonien waren ausgedehnt, betrafen am häufigsten die Oberlappen, ferner
die Hiluszipfel der Ünterlappen, daneben starke eitrige Bronchitis ; reichlich
Staubzellen im interstitiellen Gewebe und innerhalb der pneumonischen
Partien.
M. 31 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jfthr) wies starke Ver-
ödung aller Lappen durch interstitielle Infiltration und Wucherung auf; da-
neben beträchtliche Hyperämie und starke eitrige Bronchitis; Staubgehalt
der Lunge gering, reichlicher in den Uilusdrüsen (Staubreinigung.)
Hanf: M. 7. (Exposition 1 Woche, sofort getötet), reichlich Staubzellen
im interstitiellen Gewebe ; mälsige Bronchitis und interalveoläre Infiltration.
M. 66 u. 69. (Exposition 1 Woche, getötet nach Vi Jahr), gleichmäfsige
interstitielle Verdichtung des Gewebes mit stärker hervortretender peri-
bronchialer und perivaskulärer Rundzelleninfiltration; schleimigeitrige Bron-
chitis, geringer Gehalt an Staubzellen im interstitiellen Gewebe; die Staub-
zellen Bchliefsen feine Fäserchen und Splitterchen ein Bei M. 66 ist ein
linksseitiger Nebenlappen analog wie ' bei Erzgestein oder wie bei Dolomit
und Bleiglanz in ein derbes, fibröses Gewebe umgewandelt, das nirgends
mehr Alveolarstruktur erkennen läfst, das aber von weiten, buchtigen, viel-
fach verzweigten Bronchialgängen durchzogen wird; herdförmige Rundzellen-
anhäufnngen enthalten besonders in der Umgebung der Bronchien vielfach
Staubzellen; sonst sind letztere nur spärlich anzutreffen.
Tabak: M. 4. (Exposition 1 Woche, sofort getötet); reichlich Staub-
zellen; schleimigeitrige Bronchitis; interstitielle Bundzelleninfiltration.
M. 23 u. K. 11 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahr); herdförmige
Verödungen des alveolaren Parenchyms durch interstitielle Wucherung unter
starker Hyperämie ; dieselben nehmen ca. ein Dritteil der Lappen ein und
ftLhren bei M. 23 zur völligen Verdichtung des rechten Ünterlappens ; hier
Blutungen in den noch restierenden Alveolen; schleimigeitrige Bronchitis,
Staubgehalt spärlich.
Hörn: M. 65 (Exposition 1 Woche) starb nach 14 Tagen an Broncho-
pneumonie der beiden Oberlappen; feinkörniger Staub in Zellen um die
Bronchien gelagert.
M. 56 u. 57 (Exposition 1 Woche, getötet nach Va Jahr). Die inter-
stitielle Wucherung beschränkt sich hauptsächlich auf die Umgebung der
Bronchien, führte nur in einem Falle zur kompletten Verdichtung des rechten
Unterlappens bei M. 56. Sonst fallen die zahlreichen und grofsen Band-
zellenknoten in der Umgebung der Bronchen und Gefäfse überall auf; im
Zentrum Staubzellen führend. Schleimige Bronchitis; Staubgehalt gering,
hauptsächlich um die Brpnchien abgelagert, im Xnterstitium sehr spärlich,
406 Experimentene Staubinhalationserkrankungen der Langen.
Die Veränderungen, die durch den Staub aus einer Ge-
treidemühle hervorgerufen wurden, sind zu denen mittleren
Grades zu rechnen. M. 39 starb nach Stägiger Exposition an
Bronchopneumonie ; besonders in den Hiluszipfeln der einzelnen
Lungenlappen waren gröfsere Infiltrate nachweisbar, ftn inter-
stitiellen Gewebe lagerten reichlich Staubzellen, die einen fein-
körnigen, augenscheinlich mineralischen Staub führten , daneben
bestand schleimig eitrige Bronchitis mit feinen Härchen und
Splitterchen (Pflanzenfaserreste) im Exsudat.
M. 38 und 65 (Expos. 1 Woche, getötet nach 1/2 Jahr). Die
chronischen, interstitiellen Verdichtungen beschränken sich aus-
schlielshch auf die Umgebung der Bindegewebssepten, so dafs
diese vom Hilus aus als breite Streifen das sonst gut erhaltene
alveolare Parenchym durchziehen; schleimig eitrige Bronchitis,
peribronchiale Rundzellenherde; Staubzellen spärlich, hauptsäch-
lich in den infiltrierten Partien.
Am wenigsten gesundheitsschädlich erwies sich der Staub
von Leder, Papier und Filz; alle drei Sorten riefen eine
schleimig - eitrige Bronchitis hervor, in deren Exsudat Staub-
trümer eingebettet lagen, während im interstitiellen Gewebe
keinerlei Staub sich befand; am häufigsten waren die spitzigen
Zellrudimente des Lederstaubes anzutreffen; Filzhärchen waren
nur nach längerem Suchen zu finden ; infolge von Filzstaub ent-
wickelten sich bei M. 40 Bronchopneumonien, die im Hilus des
rechten Unterlappens einen grofsen Herd bildeten, aber nicht
zum Tode führten, sondern bei der Untersuchung der Lungen
am Schlufs der Expositionszeit entdeckt wurden.
Bei den nach Ablauf eines halben Jahres getöteten Versuchs-
tieren aller drei genannten Staubarten trug die Bronchitis einen
fast ausschliefslich schleimigen Charakter; interstitielle Wuche-
rungen waren nur in der Umgebung gröfserer Bronchien ver-
einzelt sichtbar, am häufigsten nach Inhalation von Filzstaub.
Schliefslich ist zu erwähnen, dafs die Inhalation von Kohlen-
rufs, obwohl derselbe reichlich in den Bronchien, den Alveolen
und dem interstitiellen Gewebe sich ablagerte, keinerlei nennens-
werte Veränderungen der Lungen zur Folge hatte.
Von th-. Ö, Lnbenäil. 407
Unter den metallischen Staubarten Bronze und Eisen
erwies sich am schädlichsten erstere.
Bronze: M. 51 (Exposition 1 Woche, sofort getötet), gleichmäfsige,
interstitielle Infiltration, peribronchiale und perivaskuläre Randsellen*
Infiltration; schleimigeitrige Bronchitis. Stanbzellen m&IlBig reichlich.
M. 52 u. 53 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vs Jahr), Verdichtungen
durch interstitielle Wucherung hauptsächlich um die Bronchien; schleimig-
eitrige Bronchitis ; bei M. 52 ist der rechte Oberlappen, bei M. 53 der linke
Oberlappen nahezu völlig verödet; starke Hyperämie um die Bronchien;
Staubzellen nirgends sichtbar.
Eisen: M. 32 starb am 7. Tage an kompletter Pneumonie des rechten
Oberlappens, sowie Bronchopneumonie im linken Oberlappen; starke
Hyperämie; sehr reichlicher Staubgehalt hauptsächlich in Zellen abgelagert
im pneumonischen Exsudat und dem interstitiellen Gewebe, sowie in den
Bronchien, die schleimigeitrigen Katarrh aufweisen.
M. 28 u. 29 (Exposition 1 Woche, getötet nach Vi Jftl^r)> fleckförmige
Hyperämie, geringe Infiltration, wenig Staub (Staubreinigung).
Zusammenfassend läfst sich folgendes sagen:
1. Je feinkörniger eine Staubart ist, desto leichter wird sie
nicht nur eingeatmet, desto leichter gelangt sie vielmehr auch
in das interstitielle Lungengewebe; hier ist sie stets reichlich
abgelagert anzutreffen und nach dem Grade ihrer Schädlichkeit
ruft sie pathologische Veränderungen verschiedener Ausdehnung
hervor. Diese stellen sich entweder als akute, katarrhalische
Lungenentzündungen dar oder bestehen in chronischen inter-
stitiellen Wucherungen von flächenhafter Ausdehnung, so dafs
ganze Lappen veröden können. Die Alveolarepithelien beteiligen
sich mehr oder minder stark an dem Wucherungsprozefs ; ge-
gebenenfalls so beim Kalkspat können dieselben ganz über-
wiegen.
In erster Linie tragen die mineralischen und metallischen
Staubarten den feinkörnigen Charakter, den man jedoch auch-
bei den organischen Stoffen, so dem Tabak, Hanf, Elfenbein und
besonders Kohle antrifft; dieselben gleichen also in ihrer Wir-
kungsweise den Mineralien und Metallen.
2. Viele andere organische Substanzen dagegen, wie Holz,
Leder, Filz, Papier geben einen mehr gröberen, faserigen Staub,
dessen oft spitze und scharfe Fragmente nicht in das interstitielle
408 fixperimenteile ätaabinhalationBerkrankangen der Lun^tt.
Lungengewebe eindringen, sondern sich in den Bronchien fest-
setzendy hier vornehmlich ihre Wirkung entfalten, indem sie
mehr oder minder starke eitrige oder schleimigeitrige Katarrhe
erzeugen ; von letzteren aus entwickeln sich Bronchopneumonien
oder chronische, interstitielle Wucherungen, die sich vornehmlich
um die Bronchien gruppieren. In das interstitielle Gewebe ge-
langen nur gelegentlich feine Teilchen der gröberen Fragmente.
3. Im Widerspruch mit den Beobachtungen Arnolds, der
erst nach monatelanger Einwirkung gröbere Lungen Veränderungen
nachweisen konnte, lehren diese Versuche, dafs schon nach einer
relativ kurzen Inhalationsdauer (1 Woche) sich im Laufe der
Zeit (^2 Jahr), währenddessen eine Staubeinatmung ausgeschlossen
war, sich die schwersten Limgen Veränderungen entwickeln können,
falls eine genügende Menge gesundheitsschädlichen Staubes in
die Lungen dringt, da die Staubreinigung sich sehr allmäh-
lich vollzieht.
4. Die Staubreinigung kann auch recht verschieden ablaufen,
so war sie z. B. beim Sandstein, Elfenbein, besonders auch bei
Blende und auch Schamotte nach Ablauf eines halben Jahres fast
komplett, während zu dieser Zeit Reste, z. B. von Dolomit und
Bleiglanz, Kalkspat, Erzgestein, Marmor, Granit, Ziegel, Thomas-
schlacke sogar noch in den Alveolen deutlich nachweisbar waren.
6. jBs können indes auch Staubarten, bei denen sich die
Reinigung der Lungen relativ leicht vollzieht, wie z. B. Scha-
motte, nichtsdestoweniger sehr erhebliche Veränderungen zurück-
lassen.
6. Einen Überblick über die Gefährlichkeit der verschie-
denen Substanzen, mit denen experimentiert wurde, gibt folgende
Zusammenstellung:
Am schädlichsten waren : Schamotte, Thomasschlacke, Kalk-
spat, Erzgestein, Dolomit und Bleiglanz, Bronze, Holz, Elfen-
bein, Hanf, Tabak, Hörn.
Weniger gefährlich waren: Sandstein, Porzellan, Zement,
Glas, Chausseestaub, Tonschiefer und Grauwacke, Galmei, Staub
aus einer Getreidemühle.
Von t)r. C. Lubenaü. 409
Relativ ungefährlich waren: Granit, Marmor, Gips, Ziegel,
Blende, Leder, Papier, Filz und besonders Kohlenrufs.
7. Aus den erheblichen Unterschieden, die die oben be-
schriebenen Lungenprozesse an Ausdehnung und Intensität auf-
weisen, als auch aus der speziellen Wirkungsweise mancher
Staubarten (z. B. Holz) ergibt sich, dafs die verallgemeinernde
Anwendung der Beobachtungen (Arnold S. 142), die Arnold
mit Sandstein, Smirgel, Rufs und Ultramarin gewann, auf an-
dere Staubarten nicht ohne weiteres zulässig ist; es scheint viel-
mehr notwendig, sich über den einzelnen Fall vermittelst des
Experimentes zu orientieren, indem zum Vergleich eine in ihrer
Wirkung bekannte Staubart, z. B. der unschädliche Kohlenrufs,
genommen wird.
Unter Umständen erscheint eine solche Untersuchung auch
insofern von grofsem praktischen Wert, als nach tödlichen Lun-
genentzündungen , die infolge von. Staubein atmung sich ent-
wickelten, mit Erfolg Schadenersatzansprüche auf Grund der
Unfallgesetzgebung schon erhoben sind, so in einem mir be-
kannten Falle, wo beim Abladen von Thomasschlackenmehl ein
Sack im Schuppen platzte, so dafs sich plötzlich eine enorme
Staubwolke entwickelte, die der Arbeiter einzuatmen gezwungen
war ; die Staubsplitter waren vermittelst der Berliner Blaureaktion
in dem pneumonischen Exsudat leicht nachweisbar; auf Grund
letzterer Tatsache Anerkennung der Ansprüche.
Herrn Dr. Pielicke bin ich für "die Anregung zur Arbeit
und Unterstützung bei derselben zu ergebenem Danke verpflichtet.
410 ^xp- Staubinhalfttionserkrankungen d. Lungen. Von t)r. C. Lubenaü.
Literatur.
Arnold: Unters, flb. Stanbinhalation und Staubmatastaae. Leipzig 1885.
Roth: Kompend. d. Gewerbekrankheiten. Berlin 1904.
R u b n e r : Lehrbach d. Hygiene. Leipsig 1903.
Albrecht; Handbuch d. prakt Gewerbe-Hygiene. Berlin.
Wegmann: Archiv f. Hygiene. Bd. XXL
Sommerfeld: Die Berufskrankheiten der Steinmetse und Steinbildhauer.
BerUn 1892.
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