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THB NEW YORK PUBUC UBRARY
RBFBRBNCB DEPARTMENT
This book is ander no eironmstanees to be
Ulken f rom the
.
form 41*
I i
ARCHIV FÜR HYGIE
(BEGRÜNDKT VON MAX t. PETTENKOFEB.
UNTER MITWIRKUN(i
VON
Prof. Dr. O. BOLLINGER, München ; Prof. Dr. BONHOFF. Marburg a. L. ; Prof Dr. It. EMMEltlC H,
München ; Prof. Dr. F. ERI8MANN, Zürich ; Prof. Dr. HEIM, Erlangen ; Prof. Dr. F. HUEPPE.
Prag; Prof. Dr. KABRHEL, Prag; Prof. Dr. F. KRATSCHMER, Wien; Prof. Dr. K. LEHMANN,
Würzbiirg; Prof. Dr. A. LODE, Innsbruck; Prof. Dr. L. PFEIFFER, Rostock; Prof. Dr.
W. PRAU8NITZ, Gra«; Prof. Dr. F. RENK, Dresden; Prof. Dr. SCH0TTEUU8, Freiburg i. B.;
Generaloberarzt Dr. A. SCHUSTER, München; Prof! Dr. WERNICKE, Posen
HERAUSGEGEBEN
VON
J. FOBSTEB, M. QBUBEB, FB. HOFMAHN, M. BUBNEB,
O.Ö.PKOnSSOREN DRR HYOIIMR UND DIKKKTORKN llRK HYU1KM8CHRN INSTITUTE AN DEN UNIVER8ITÄTKN ZU
STBAS8BURQ MÜNCHEN LBIPZIQ BERLIN.
VIEK-UNDFÜIVFZXOSTEI^ BA^V^iy.
Mit 4 Abbildungen und 2 Tafeln.
MÜNCHEN UND BERLIN.
DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG.
1005.
h-^\ y
l
Inhalt.
^efte
Spezifische Sera gegen Infasorien. Von Privatdosent Dr. Robert
Röfsle in Kiel. (Aus dem Hygienischen Institat der Universität
Manchen) 1
Studien xur relativen Photometrie, in. Teil. Vom Dosenten Dr. 8tan.
R&iiSka. (Aus dem k. k. Hygienischen Institut des Prof Dr.
Gustav Kabrhel in Prag) 32
Wasserstoffsuperoxyd als Reinigungs- und Desinfektionsmittel im
Friseurgewerbe. Von Dr. R. Hilgermann. (Aus dem Hygieni-
schen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat
Prof. Dr. Rubner) 40
Bemerkungen zur Abhandlung von E. Mettler über die bakterizide
Wirkung des Lichtes auf gefärbte Nährböden. Von H. v. Tappeiner 49
Weitere Versuche mit photodynamischen , sensibilisierenden Farb-
stoffen. (Eosin, Erjrthrosin.) Prtlfung der Wirkung des Tages-
lichtes auf Lebensfähigkeit und Virulenz von Bakterien, auf Toxine
und Antitoxine und auf das Labferment Von Dr. Hans Huber.
(Aus der bakteriologischen Abteilung des Hygiene-Institutes der
Universität Zürich. Vorstand: Privatdozent Dr. W. Silber-
schmidt) 58
Vernichtung von Bakterien im Wasser durch Protozoen. Von Dr. Otto
Uuntemüller aus Hoya a. d. Weser. (Mit Tafel I) . . . . <^9
Über den Gewichtsverlust des Fischfleisches beim Dünsten Von Dr.
Friedrich Peters, Assistenten des Institutes. (Aus den Hygieni-
schen Instituten der Universität Berlin. Direktor: Geh. Medizinalrat
Prof. Dr. M. Rubner) 101
Studien über verdorbene Gemüsekonserven. Von Dr. Joseph Belser,
dipl. Chemiker. (Aus dem Hygienisch-bakteriologischen Labora-
torium des Eidgen. Polytechnikums. Vorstand: Prof. Dr. O. Roth) 107
IV Inhalt.
Seite
Die pchütxenden Eigenpchaften des Blutes von aggressinimmunen
Htthnercholeratieren. Von Dr. Edmund Weil, Assistenten des
Institutes. Ausgeführt mit Unterstützung der Gesellschaft zur
Forderung deutscher Wissen.ochaft, Kunst und Literatur in Böhmen
(Aus dem Hygienischen Institut der deutschen Universität in Prag.
Vorstand: Prof. Hueppe) 149
Über Hämolyse im Reagenzglas und im Tierkörper. Von Dr. Oskar
R. von Wunschheim, I. Assistenten am Institute. (Aus detii
Hygienischen Institute der k. k. Universität Innsbruck. Vorstand :
Prof. A. Lode) 185
Weitere Erfahrungen über Aggressinimmunität gegen den Shiga-Kruse-
Bchen Dysenteriebazillus. Von Dr. Yonetarö K i k n c h i. (Aus dem
Hygienischen Institut der deutschen Universität in Prag. Vorstand:
Prof. Hueppe) 297
Über Bleivergiftungen durch eine Wasserleitung. Von Inspektor Dr.
Paul Fort n er. (Ans der k. k. allg. Untersuchungsanstalt für
Lebensmittel der deutschen Universität in Prag. Vorstand: Prof.
Hueppe) 326
Die Bakteriendurchlässigkeit der normalen Magendarmschlei mhant im
Säuglingsalter. Von Dr. med. R. Hilgermann. (Aus dem Hygie-
nischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat
Prof. Dr. M. Rubner.) (Mit Tafel U) 335
Blntparasiten imd Erythrocytolyse. Von Dr. A. Nifsle. (Aus dem
Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-
Rat Prof. Dr. M. Rubner) 343
Über den Einflufs des Hungers auf die Bakteriendurchlässigkeit des
Intestinaltraktus. Von Prof. M. Ficker. (Ans dem Hygieni-
schen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Medizinalrat
Prof. Dr. M. Rubner) 354
Über das Verhalten der aeroben Keime gegenüber der absoluten
Sauerstoffentziehung. Von Dr. Walther Willi msky. (Ans dem
Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med. -
Rat Prof. Dr. Rubner) 375
Zum Nachweis fäkaler Verunreinigung von Trinkwasser. Von Oberarzt
Dr. Christian. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität
Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rubner) 386
Sind bei der bakteriziden Wirkung des Blutserums osmotische Vor-
gänge im Spiele? Von Dr. Georg Le uchs. (Ans dem Hygienischen
Institut der Universität München. Vorstand: Prof. Max Grub er) 3%
v
I .
Spezifische Sera gegen Infusorien.
Von
Privatdozent Dr. Robert Böfsle
in Kiel.
(AuB dem Hygienischen Institute der Universität München.)
Die vorliegende Arbeit ging von dem Gedanken aus, zu
versuchen, ob sich unsere Kenntnis von der Morphologie der
spezifischen Toxin-Wirkung dadurch fördern liefse, dafs man
statt der bisher gewöhnlich gebrauchten Antigene grofse ein-
zellige Lebewesen aus der Klasse der Protozoen als Immunisierungs-
material .verwendete. Es lag dabei zunächst die Absicht zu-
grunde, an neuen Versuchsobjekten zu prüfen, ob die kürzlich
von mir (^*) beschriebenen morphologischen Veränderungen von
Erythrozyten durch das inaktivierte spezifisch lytische Serum
der Ausdruck einer allgemeinen Gesetzmäfsigkeit sind. Erwies
sich die Annahme, dafs sich auch mit Protozoen Antikörper
lytischer und agglutinierender Natur gewinnen liefsen, was nach
dem bisher über die Immunitätsreaktionen des Warmblüter-
Organismus Bekannten doch grofse Wahrscheinlichkeit hatte,
als richtig, so sollte die Wirkungsweise der betreffenden Stoffe
auf die Protozoen dann auch im aktiven Zustande studiert werden.
In zweifacher Hinsicht, gerade vom morphologischen Standpunkte
aus, versprach die Immunisierung mit Protozoen einen Erfolg
und bestimmte Vorteile gegenüber der Verwendung der sonst
gebräuchlichen Antigene : bei den Bakterien hindert die Kleinheit
ArcblY fttr Hygiene. Bd. UV. 1
I .
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'. .c
2 Spezifische Sera {regen Infusorien.
der Zelle und die mangelnde Differenzierung in Kernapparat
und Zelleib die Beobachtung der durch spezifisch lytische Stoffe
erzeugten feineren morphologischen Veränderungen und die Ver-
wertung der Befunde für die Erklärung der einschlägigen
Störungen im höheren Organismus; bei den roten Blutkörperchen
anderseits erwies sich, ein so günstiges Versuchsobjekt sie in
anderer Hinsicht sein mögen, ihre fragliche Zellnatur, ihr ganz
eigentümlicher Bau und die Unmöglichkeit zu entscheiden, ob
man im gegebenen Falle überhaupt lebende oder tote Objekte
vor sich hat, als mifslich. Gegen die Brauchbarkeit der weifsen
Blutzellen zum Zweck des Studiums der morphologischen Seite
der Toxinwirkung sprach von vornherein die Unmöglichkeit,
die Leukozyten unter vollkommen natürlichen Existenzbedingungen
zu beobachten, sowie die verhältnismäfsig kurze Dauer ihres
Überlebens aufserhalb des Organismus. Alle diese Nachteile
haften den freilebigen Protozoen nicht an : ihre Gröfse versprach
zunächst eine bequemere Beobachtung der, wie ich nach Ana-
logie der bisherigen Erfahrungen annahm, eintretenden Auflösungs-
erscheinungen, ihr den höheren Zellen wenigstens ähnlicher Bau
liefs hoffen, dafs man vergleichende Schlüsse zur menschlichen
Pathologie wagen durfte und schliefslich bestand bei ihnen auch
die Möglichkeit, die Zellen unter natürlichen Lebensverhältnissen
der Toxinwirkung aussetzen und jederzeit entscheiden zu können,
ob man lebende oder tote Objekte vor sich habe. Zur Ver-
wendung kamen Infusorien und Flagellaten. Es soll gleich hier
vorweggenommen werden, dafs die Annahme, es könnten sich
durch Immunisierung mittels dieser Antikörper lytischer Natur
gewinnen lassen, als irrtümlich herausgestellt hat. Wenn nun
auch die Untersuchung in morphologischer Richtung bisher kein
Resultat gehabt hat, so sind die dabei gemachten Beobachtungen
doch in anderen Hinsichten mitteilenswert.
Der Immunisierung mit Protozoen stellten sich zunächst
dadurch Schwierigkeiten entgegen, dafs es jeweils einer müh-
seligen Vorarbeit bedurfte, um genügend viel und genügend
reines Material zur Behandlung zu erhalten. Was die Menge
betrifft, so konnte man hoffen, durch Aufstellung sehr zahlreicher
Von Privatdozent Dr. Rol)ert Röfele. 3
Zuchtgläser genügende Quantitäten zu bekommen. Als Versuchs-
objekt wurde das gewöhnlich für physiologische Zwecke ver-
wendete und deshalb in vielen Eigenschaften schon wohlbekannte
Paramäcium caudatum gewählt, das allerdings in den Winter-
monaten nicht recht zum Gedeihen zu bringen ist, weshalb die
Immunisierung oft in unregelmäfsigen Zeitintervallen vorgenommen
werden mufste. Eine Reinkultur von Paramäcien und Protozoen
überhaupt im bakteriologischen Sinne war ja schon von vorn-
herein ausgeschlossen, da sie sich ja nicht auf osmotischem
Wege ernähren, sondern auf körperhche Nahrungsaufnahme an
gewiesen sind. Paramäcium frifst, ohne in bezug auf die Arten
wählerisch zu sein, Bakterien. Es lieFs sich also jedenfalls die
gleichzeitige Einbringung von Bakterien mit den Paramäcien bei
den Injektionen zur Immunisierung nicht umgehen.
Allein alle Versuche, Paramäcien zu isolieren und in iso-
liertem Zustande mit bestimmten, aus den Aufgüssen gezüchteten
Bakterien zu kultivieren, mifslangen. (Diese Versuche wurden
gemacht, um Sicherheit dagegen zu gewinnen, dafs wenigstens
nicht pathogene Mikroorganismen miteingespritzt wurden.) Da-
gegen gelang dies ohne viel Schwierigkeiten bei einem anderen
Infusor, dem Glaukoma scintillans Ehrenbergi. Dieses
Infusor verträgt offenbar höhere Grade der Fäulnis als andere
Protozoen, so dafs, wenn man in einem Aufgufs, in dem es von
allen möglichen Vertretern aus dem Protistenreich wimmelt,
durch Zusatz von Bouillon die Vermehrung der Fäulnisbakterien
steigert, das Glaukoma alle anderen Protozoen überwuchert, bis
man es zuletzt sogar ausschliefslich darin findet. Aus solchen
Infusionen wurde dann das Ausgangsmaterial für die Reinzuchten^)
1) Da äer Aasdruck »Kultur« gewöhnlich im Sinne von »Reinkultur«
gehraucht wird und also nur für Bakterien verwendet werden kann, so wird
im folgenden das deutsche Wort »Zucht« für die künstlich gehaltenen Pro-
tozoen-Stämme gebraucht und das Wort »Reinzucht« könnte dann für die-
jenigen Protozoen-Zuchten reserviert sein, in denen die betreffende Infusorien-
oder Flagellaten- (oder Amöben-) Art allein vorhanden ist, gleichgültig, ob
sie sich dabei von einer oder von vielen Bakterienspezies dabei ernährt.
Der Ausdruck »Reinzucht von Protozoen« ist für denjenigen nicht mifsver-
ständlich, der sich bewufst ist, dafs es eine solche Keinzucht ohne Bakterien
(resp. anderes körperliches Material) nicht geben kann.
4 Spezifische Sera gegen tnfaBorien.
des Glaukome gewonnen, indem es mit Wasser im Sinn einer
Nägelischen »Einzelkultur« so verdünnt wurde, dafs man mit
einer sterilisierten Pipette ein einzelnes Tier herausfangen und
in einen sterilen Erlenmay ersehen Kolben einbringen konnte.
Der Kolben war bis zu einer bestimmten Marke mit stark ver-
dünnter steriler Bouillon gefüllt (je 1 com Bouillon auf 50 com
Leitungswasser). Es überwog sehr bald eine Bakterienart, welche
in der Vermehrung dann mit dem Glaukoma, welches so reich-
liche Nahrung fand, geradezu wetteiferte. Wurde eine solche
Zucht nun wieder stark verdünnt und mit einem Glaukoma
daraus ein neuer Erlenmay er -Kolben beschickt, so erhielt
man eine Reinzucht von Glaukoma mit einem einheitlichen
Futter, einer einzigen Bakterienart. Diejenige, welche ich in
meinen Glaukomazuchten hatte, war ein kurzes, plumpes Stäbchen,
welches Gelatine verflüssigte. Ich habe es nicht weiter bestimmt,
weil Glaukoma sich ebenso sicher mit vielen anderen Bakterien-
arten zusammen züchten läfst und deshalb eine Indentißzierung
jenes Bakteriums keinen Wert hatte. Die Zuchten wurden auf
folgende Weise weitergeführt. Der Höhepunkt der Glaukoma-
vermehrung tritt etwa am 4. und 5. Tag nach der Impfung eines
auf die angegebene Weise beschickten Er lenmay er- Kolbens
ein. Ungefähr um diese Zeit tritt aber, offenbar durch die
enorme Gefräfsigkeit der Infusorien, mehr und mehr Bakterien -
armut und dadurch auch bald Nahrungsmangel für Glaukoma
ein. Sie gehen vom 6. oder 7. Tag ab an Zahl offenbar zurück,
vielleicht gelangen in die Flüssigkeiten auch schädliche Stoff-
wechselprodukte; kurz, wenn man die Zucht am Leben erhalten
will, so mufs man frische verdünnte Bouillon zusetzen, am besten
indem man einfach die alte Zucht bis auf Reste abgiefst und
den Kolben mit verdünnter Bouillon bis zur Marke wieder auf
füllt. Es findet dann sofort eine starke Vermehrung der Futter-
bakterien und des Glaukoma statt, auch wenn die Kultur schon
nahe dem Aussterben war (welches allerdings erst nach Wochen
stattfindet). Zu Zwecken der Immunisierung erwies es sich am vor-
teilhaftesten, wenn zu dem Zeitpunkte, zu welchem die stärkste
Bevölkerung der Flüssigkeit mit Glaukoma gefunden wurde
Von Privatdozent Dr. Robert Röfsle. 5
etwa am 5. Tage), die Zucht bis auf Reste abgegossen wurde,
der Abguls zentrifugiert und das Zentrifugat, welches die aus-
geschleuderten Infusorien und verhältnismäfsig wenig Bakterien
enthielt, injiziert wurde, während mit den im Kolben zurück-
gebliebenen Resten die Zucht durch Auffüllung neuer Nährflüssig-
keit für die Bakterien wieder zum Aufblühen gebracht wurde.
Glaukoma liels sich auch in Petrischalen bequem züchten. Es
ist zweckmäfsig, so zu verfahren, dafs man ^2 Agarröhrchen in
der Schale schief erstarren läfst, und den übrigen Raum mit
Leitungswasser so ausfüllt, dafs der Wasserspiegel eben noch
den Rand der Agarschichte erreicht; dies hat den Vorteil,
dafs einerseits die des Sauerstoffs bedürftigen Bakterien noch
auf dem Agar wachsen können, anderseits aber den frei im
Wasser schwimmenden Infusorien zugänglich sind. Die zu-
nehmende Verdunstung des Wassers legt immer nur einen
kleinen Teil der Agarfläche trocken. In dieser W^eise hielten
sich bei Zimmertemperatur Glaukoma-Reinzuchten monatelang
ohne Erneuerung. Erreicht die Verdunstung des Wassers solche
Grade, dafs die Infusorien nicht mehr frei schwimmen können,
so passen sie sich in merkwürdiger Weise den veränderten
Lebens- und Bewegungsbedingungen an, indem ihr Protoplasma
flüssiger zu werden scheint und sie dadurch befähigt, in einer
an die Fortbewegung der Amöben erinnernden Art den Ort zu
verändern.
Bei der Anlegung von Protozoen- Reinzuchten kommt es
darauf an, Eigenschaften ausfindig zu machen, welche nur der
betreffenden Art, die man züchten will, zukommen. Gelang die
Reinzucht von Glaukoma dadurch, dafs es intensivere Grade
der Fäulnis (und auch höhere molekulare Konzentration der
Nährmedien) aushält als andere Protozoen, so fand ich später
zufällig, dafs die Paramäcien in anderer Hinsicht widerstands-
fähiger sind als die übrigen Tiere, welche man in Infusionen zu
finden pflegt: während nämlich z. B. Glaukoma, Stentor, Col-
pidium, Stylonychia u. a. bei Erwärmung der Infusion auf 37 ^
zugrunde gehen, überleben die Paramäcien allein diese Prozedur.
Es ist infolgedessen höchst einfach, grofse Mengen Paramäcien
6 Spezifische Sera gegen Infusorien.
in Reiuzucht, allerdings mit den verschiedenartigsten Bakterien
zusammen, zu erhalten^), und es gestaltete sich die Gewinnung
des Materials zur Immunisierung gegen Paramäcien auf folgende
Weise :
Ein sterilisiertes, hohes Becherglas wurde, mit Leitungswasser
gefüllt und mit einer sauberen Glasschale bedeckt, mehrere Tage
stehen gelassen (frisches Leitungswasser schädigt die Paramäcien),
und dann mit Salatblättem, welche in heifses Wasser auf kurze
Zeit getaucht waren, versehen. Impft man nun möglichst sorg-
fältig isolierte Paramäcien ein, so erhält man zu günstiger Jahres-
zeit in wenigen Tagen eine üppige Zucht. Es ist zunächst nicht
unmer zu vermeiden, dafs sich auch andere Protisten entwickeln,
aber man kann sie in den Gläsern leicht los werden, indem
man diese auf 24 Stunden in den Brutschrank von 37" bringt.
Dies hat gleichzeitig den Vorteil, dafs durch die erhöhte Tem-
peratur den Paramäcien sehr rasch folgende Teilungen sozusagen
aufgezwungen werden, so dafs man in dem Brutschrank gleich-
zeitig ein Mittel hat, um sie von anderen Protozoen zu isolieren
und sie allein zu enormer Vermehrung zu bringen. Die Teilungen
wiederholen sich infolge des Einflusses der Wärme so schnell,
dafs die Tiere nach der Teilung nicht mehr die alte Gröfse er-
reichen, und man erhält durch fortgesetzte Züchtung im Brutofen
Zuchten von wesentlich kleineren Tieren als die Tiere der Aus-
gangszuchten waren. Diese Tatsache ist aber für die Zwecke der
Immunisierung, bei der es sich zunächst nur um die Gewinnung
möglichst grofsen und möglichst einheitlichen Materiales zur
Vorbehandlung handelt, gleichgültig. Wenn das faulende Salat-
wasser sehr dicht von Paramäcien erfüllt schien, so wurde der
gröfsere Teil der Zucht zur Zentrifugierung abgegossen und das
Glas mit abgestandenem, steril aufbewahrtem Leitungswasser
wieder aufgefüllt. Trat Nahrungsmangel ein, was an der zu-
1) Es gibt allerdings eine winzige Flagellaten-Art, Chilodon-Para*
mäcium, welche sehr gerne mit Paramäcium caudatiim vorzukommen
pflegt, und welche ihm auch darin gleicht, dafs sie die Erwärmung auf 37**
manchmal unter Umständen, die mir nicht näher bekannt sind (Gewöhnung ?),
(Ibersteht
Von rrivatdozeiit Dr. Robert Röfslc. 7
nehmenden Magerkeit der Paramäcien leicht erkannt werden
kann, so wurden wieder Salatblätter zugegeben usf. Auf diese
Weise liels sich eine üppige Zucht monatelang in denselben
Gläsern unterhalten. Gerade der Wechsel von Hunger und
starker Ernährung liefert die gröfste Vermehrung und scheint
die Zuchten vor den Dei)ressionszuständen zu bewahren, welche
zuerst von Calkins und von R. Hertwig beobachtet wurden.
Die »Depression« besteht in der Unfähigkeit zu Assimilation und
Vermehrung und tritt am schnellsten in gleich- und übermäfsig
gefütterten Zuchten auf.
Das Impfungsmaterial wurde aus den Abgüssen der Zucht-
gläser durch Zentrifugieren gewonnen. Diese Arbeit ist um so
mühseliger, als es sich nicht empfiehlt, sie sich dadurch zu er-
leichtern, dafs man die Paramäcien zuvor abtötet und dadurch
ihre Eigenbewegung, welche von schwachen Zentrifugen nicht
wirksam genug unterdrückt wird, aufhebt. Es erschien vielmehr
notwendig, die unveränderte Substanz der Paramäcien zur Injektion
zu gebrauchen. Mittels einer kräftigen Zentrifuge kann man
bei einiger Übung in einer halben Stunde ungefähr aus einem
Liter Zuchtflüssigkeit die Paramäcien erhalten, indem man je
zwei je 10 ccm fassende Röhrchen füllt, zehn Sekunden kräftig
schleudert, ziemlich rasch anhält und sofort abgiefst, mit neuer
ZuchtSüssigkeit anfüllt usf. Die zehn Sekunden genügen, die
schweren Paramäcien auszuschleudern, und je kürzer man zentri-
fugiert, desto weniger Bakterien wird der Bodensatz enthalten.
Zunächst wurden drei Tiere immunisiert: erstens zwei Ka-
ninchen, welche subkutan Paramäcien erhielten, und ein Meer-
schweinchen, welches ebenfalls subkutan die Zentrifugate der
Reinzuchten des Glaukoma scintillans injiziert bekam. Dem
Umstände, dafs mit letzterem nur eine und zwar offenbar un-
schädliche Bakterienart einverleibt wurde, ist es wohl zuzu-
schreiben, dafs das Meerschweinchen die Behandlung sehr gut
vertrug und nur einmal eine harte Infiltration an einer In-
jektionsstelle aufwies. Dagegen traten bei dem einen Para-
mäcienkani neben mehrmals Abszesse auf, da ja mit den Para-
mäcien unkontrolliert viele und verschiedene Mikroorganismen
8 Sperißsche Sera gegen Infusorien.
unter die Haut gebracht wurden. Von Protozoen wurden aufser
den Paramäcien zuweilen recht zahlreiche Vertreter jener schon
erwähnten winzigen Flagellatenart, des Chilodon paramäcium
mit eingespritzt, weil sie sich zuweilen auch durch erhöhte Tem-
peratur nicht aus der Gesellschaft der Paramäcien vertreiben
lassen. Übrigens war dieser Umstand keineswegs mifslich, im
Gegenteil, es wurde auf diese Weise von demselben Tiere ein
zweiter Antikörper gleichzeitig gewonnen, wie aus der folgenden
Schilderung hervorgehen wird. Später wurde zur Kontrolle die
Immunisierung eines weiteren Kaninchens gegen Paramäcinen
ausgeführt, wobei sich die jüngst von Löffler(®) angegebene
Methode der Antikörpergewinnung sehr bewährt hat. Es standen
also im ganzen vier Antiprotozoensera zur Verfügung, über
deren Eigenschaften und Wirkungsweise hier berichtet werden soll.
Semm L
Ein janges Kaninchen erhält innerhalb eines Zeitraums von mehreren
Monaten im ganzen 4 subkutane Injektionen je 10 ccm sehr dichter Auf-
schwemmung von Paramäcien und wird 10 Tage nach der letzten Ein-
spritzung entblutet. Es vertrug die Injektionen ohne Störung.
Semm II.
Ein junges, im Wachstum begriffenes Kaninchen (2750 g) erhält inner-
halb von 27i Monaten im ganzen 6 subkutane Injektionen von Paramäcien
(mit Chilodon paramäcium). Das Serum war schon nach der dritten Injektion
wirksam. Das Tier litt während der Behandlung an häufiger Abszefsbildung,
ohne aber an Gewicht abzunehmen. Die Abszesse wurden eröffnet, entleert
und heilten gut. Die Blutproben wurden den Ohrvenen entnommen.
Serum I und II werden, weil in ihren Eigenschaften gleich,
zusammen besprochen.
Da die Paramäcien in fauligem Wasser freilebende Tiere und
gegenüber höheren Salzkonzentrationen so empfindlich sind, dafs
sie in Konzentrationen, welche dem Serum entsprechen, und na-
türlich auch in diesem selbst in ganz kurzer Zeit unter Zer flies-
sungserscheinungen und rascher Gerinnung ihres Protoplasmas
und Kerns absterben, so mufste vor allem zunächst diejenige
schwächste Verdünnung von normalem Kaninchenserum festge-
stellt werden, welche für die Paramäcien harmlos ist und mit
Von Privatdozent Dr. Robert Röfsle. 9
dieser indifferenten Verdünnung des Normalserums mufste eine
gleich sehwache Verdünnung des spezifischen Serums verglichen
werden. Verhielten sich in dieser die Paramäcien anders als in
der gleichen Verdünnung des Normalserums und als die Kontroll-
tiere aus der Zucht, so konnte das abweichende Verhalten auf
besondere Stoffe des spezifischen Serums bezogen werden. Um
nicht Irrtümern durch zufällige Verunreinigungen ausgesetzt zu
sein, wurden nur sterile Reagenzgläser und Pipetten und sehr
sorgfältig gereinigte und getrocknete Uhrschälchen verwendet;
die Mischungen von Serum und Paramäcien wurden in Reagenz-
gläsern angesetzt und gewöhnlich sofort nach Mischung die Hälfte
in eine Uhrschale zur Untersuchung mit schwachen Vergröfserungen
ausgegossen; zur genaueren Beobachtung wurden einzelne Tiere
herausgefangen und unter dem mit Wachsfüfschen gestützten
Deckglas, seltener im Hohlobjektträger beobachtet. Die Verdün-
nungen des Serums wurden durch unmittelbare Vermischung
desselben mit der die Paramäcien enthaltenden Zuchtflüssigkeit
hergestellt; in besonderen Fällen war es aber erforderlich, die
Paramäcien in einem anderen, für sie vollkommen indifferenten
Medium der Toxinwirkung auszusetzen; als dieses erwies sich
abgestandenes Leitungswasser von Zimmertemperatur.
Der Grundversuch bestand also, wie gesagt, darin, das aktive
Serum eines normalen mit dem aktiven Serum des mit Paramäcien
vorbehandelten Kaninchens zu vergleichen und diejenige Ver-
dünnung festzustellen, bei welcher einerseits durch das erstere
keinerlei Störung mehr auftrat, anderseits zu sehen, ob dieselbe
Verdünnung des spezifischen Serums noch eine Wirkung ausübte.
Dies war der Fall bei 20facher Verdünnung beider Sera; hier
trat die spezifische Wirkung deutlich und ausschliefslich zutage.
In höheren Konzentrationen war allerdings auch ein durchgreifen-
der Unterschied vorhanden, allein die spezifische Schädigung war
kombiniert und dadurch verwischt mit der osmotischen, und des-
halb wurde in den meisten der folgenden Versuche zum Studium
der reinen, spezifischen Wirkung die 20- und die 40-fache Ver-
dünnung des spezifischen Serums gebraucht. Die 40-fache des-
halb, weil es sich herausstellte, dafs das ganz frische aktive Nor-
10 spezifische Sera gegen InfuHorien.
malserum hie und da noch die Beweglichkeit der Paramäeien in
20-facher Verdünnung stört; die Schädigung wird aber im Gegen-
satze zu der spezifischen sehr schnell überwunden.
Es besteht nämlich die spezifische toxische Wir-
kung in einer intensiven, langdauernden Lähmung
der Paramäeien, und zwar beteiligen sich an der
Lähmung zunächst nur die Wimpern der Oberfläche,
bei höherem Grade auch die kontraktilen Vakuolen
und sc hliefs lieh auch die und ulierende Membran des
Cytostoms, also die Organe der Fortbewegung, der
Exkretion (Atmung?) und der Nahrungsaufnahme.
Beschränkt sich die Lähmung auf die Cilien der Oberfläche, so
erholen sich die Paramäeien nach 3 — 5 Tagen. Sie vermögen
unter diesen Umständen im Zustande der völligen Fortbewegungs-
Unfähigkeit Nahrung aufzunehmen und zu verdauen, ja sie sind
sogar imstande Teilungen auszuführen und begonnene Teilungen
zu vollenden.
Im einzelnen gestaltet sich der Vorgang der spezifischen
Wirkung folgend ermafsen : Bringt man Paramäeien in eine 20-fache
Verdünnung von Antiparamäcienserum, so tritt zunächst ein bald
nur Bruchteile einer Minute, bald mehrere Minuten währendes
Stadium der Erregung ein, welche sich in lebhaft hin- und her-
schiefsenden Vorwärtsbewegungen äufsert. Diese werden aber
bald nach einem Augenblick des Stillstandes durch kurze, sehr
heftige, ruckweise Vorstöfse unterbrochen, denen zuerst schnell
vorübergehende, dann immer länger dauernde rückwärts gerich-
tete Wirbelbewegungen folgen. Die normale Locomotion der
Paramäeien beschreibt eine Schraube mit sehr lang gezogenen
Windungen nach vorwärts, die pathologische Drehbewegung nach
rückwärts besteht in der Ausführung einer Schraube mit mehr
und mehr verschwindender Höhe der Schraubengänge, bis schliefs-
lich eine Drehung am Platze eintritt, welche immer mehr sich
verlangsamt. Man kann in diesem und in dem Stadium an-
scheinend vollkommener Lähmung, in die die Drehung ausläuft,
durch kalorische und mechanische Reize die Paramäeien zu kur-
zen, sofort nachlassenden Vorwärtsbewegungen oder auch zu
Von Privaldozent Dr. Robert Röfale. 1 1
Wirbeln veranlassen, wenn nicht unterdessen eine weitere Er-
scheinung eingetreten ist, die auch selbständig vor Eintritt der
Lähmung Platz greifen kann; es ist eine Erscheinung, welche
an die Agglutination der Bakterien erinnert und ihr vielleicht
analog ist: die Verklebung der Paramäcien mit der Oberfläche
anderer fester Körper in ihrer Umgebung, vielleicht durch ein
Klebrigwerden ihrer Cilien. Merkwürdigerweise bleiben sie nun
nie aneinander hängen, sondern haften immer nur am Glase, an
Bakterienhaufen oder an Exemplaren jener kleinen Flagellaten-
art, die, bei der Immunisation mitverwendet, ebenfalls gelähmt
wurde. Wurden andere, zur Immunisierung nicht verwendete
Protozoen der Wirkung des Antiparamäcien-Serums gleichzeitig
ausgesetzt, so wurden diese niemals in ihrer Bewegungsweise ge-
stört, nicht gelähmt, und die Paramäcien blieben nicht an ihnen
hängen. Dieser Versuch beweist also gleichzeitig die Spezifität
des gewonnenen Serums. Ja, diese Spezifität des Serums ging
soweit, dafs keine andere Paramäcienart, sondern nur Paramäcium
candatum gelähmt wurde. Ob übrigens ein bestimmtes Paramä-
cium infolge von Lähmung oder von Agglutination still lag, war
leicht zu entscheiden, denn die festgeklebten Paramäcien machen
meist, jedenfalls immer auf Reize (Erschütterung) hin, gewaltige
und manchmal erfolgreiche Anstrengungen, wieder loszukommen;
bleiben sie haften, so sieht man deutlich, an welchen Punkten
sie festkleben und in welchen Richtungen ihre Bewegungsmög-
lichkeit beschränkt ist; gelähmte Paramäcien lassen sich durch
Bewegung der Uhrschale nach Willkür hin- und herschwenken;
gelähmte und gleichzeitig angeklebte Tiere pendeln dabei um
ihren Fixationspunkt. Es ist bekannt, dafs gesunde Paramäcien
auTser zur Zeit der Konjugationsepidemien die gegenseitige Be-
rührung vermeiden, jedenfalls wenn sie sich berühren, schnell
entfliehen. Dies ist den vom spezifischen Serum beeinflufsten
Tieren nicht möglich; geraten sie aneinander, so haben sie oft
Schwierigkeiten, auseinanderzukommen; trotzdem sieht man nie-
mals Paramäcien dauernd oder zu mehreren verklebt, auch dann
nicht, wenn man Paramäcien allein in Wasser der Serumwirkung
aussetzt. Selbst gelähmte Tiere sah ich niemals aneinander fest-
12 Spezifische Sera gegen Infusorien.
geheftet. Es ist deshalb vielleicht nicht richtig, den Ausdruck
Agglutination für jene Zustände zu gebrauchen, da man darunter
das Zusammenkleben gleichartiger Zellen untereinander durch
spezifisches Serum zu verstehen gewohnt ist. Vorgänge, welche
der Bakteriolyse analog zu setzen gewesen wären, traten nicht
ein, auch nicht bei tagelanger Beobachtung, weder bei Zimmer-
noch bei Brütofentemperatur von 37°. Selbst im schwach und
gar nicht verdünnten Serum kamen keine eindeutigen Befunde
zustande. Es wurde die Wirkung von 5- und lOfachen Verdün-
nungen von aktivem normalen und spezifischen Serum verglichen.
Mit dem Serum I ergab sich ein ganz deutlicher Unterschied in-
sofern, als die 10-fache Verdünnung des aktiven Normalserums
die Paramäcien nicht schädigte, während die gleiche Konzen-
tration spezifischen Serums neben der Lähmung eine Verquellung
der Tiere hervorrief, die bei einer Anzahl innerhalb 24 Stunden
zu Zerfliefsungserscheinungen führte ; im lOfach verdünnten Nor-
malserum waren die Tiere nach 24 Stunden sämtlich munter,
gefräfsig und ihre Zahl war vermehrt. Ein Vergleich der nur
öfachen Verdünnungen ergab für das Normalserum zunächst
eine Lähmung ohne tiefgreifende sichtbare Gestaltveränderung,
dagegen für das spezifische Serum Zerfliefsungserscheinungen
fast aller Individuen ; nach 24 Stunden waren die Paramäcien in
der Lösung des Normalserums unbeweglich bis auf die undulierende
Membran gequollen, mit enormen aufgetriebenen Vakuolen, einige
zerplatzt, einige von normalem Ansehen; in der Lösung des
spezifischen Serums war die Mehrzahl zerplatzt, die übrigen un-
beweglich mit enormen Vakuolen, aber mit strudelndem Peristom-
feld, einige in verschiedenen Stadien der Teilung, die Teilungs-
produkte hatten ein annähernd normales Aussehen. Es ergibt
sich also im Grunde nur ein gradweiser Unterschied in der Wir-
kung des normalen und des spezifischen Serums: die Schä-
digung, die das spezifische Serum noch in grofsen Verdünnungen
(s. unten) zu bewirken vermag, erzeugt in konzentrierteren Lösungen
auch das Normalserum (aufser der Agglutination). Ob die be-
schriebenen Erscheinungen im konzentrierten Serum in Analogie
zu lytischen Vorgängen zu setzen sind, bleibt übrigens fraglich.
Von Wvatdoaent Dr. Robert Höfsle. 13
Sicher ist, dafs die Zerfliefsungserscheinungen, welche etwas
leichter in konzentrierteren Mischungen des spezifischen als des
uonnalen Serums eintreten, in bezug auf ihr Aussehen gegenüber
den durch mechanische und chemische Mittel leicht zu bewirken-
den Zerfliefsungserscheinungen nicht die geringste Eigentümlich-
keit hatten. Es blieb auch zunächst unerklärlich, warum fast
nie in denjenigen Verdünnungen, wo die spezifische Wirkung
allein sichtbar wurde, Zerfliefsungserscheinungen an den Para-
mäcien auftraten, es sei denn, dafs man diesen Umstand auf
Rechnung des geringen lytischen Wertes des Serums zu setzen
hat. Diese Verhältnisse sollen in den Schlufsbetrachtungen noch
näher berührt werden. Es ist nötig, hier einen Punkt zu erwähnen,
der bei den Versuchen mit Paramäcien immer wieder sich be-
merkbar machte, das ist der grofse individuelle Unterschied im
Verhalten von Paramäcien derselben Zucht den verschiedensten
Eingriffen und Einflüssen gegenüber; er macht es zur unumgäng-
lichen Notwendigkeit, stets mit einer beträchtUchen Anzahl von
Individuen zu arbeiten, weil z. B. in einem Dutzend immer ein
oder zwei Exemplare sich anders verhalten als die übrigen, welche
den Durchschnitt repräsentieren. Da es sich aber immer nur
um gradweise Unterschiede dabei handelt, d. h. um erhöhte oder
herabgesetzte Empfindlichkeit gegenüber den experimentellen
Reizen, so ist der individuelle Unterschied nicht nur nicht mifs-
lich, sondern von Nutzen und in häufigen Fällen ein wertvoller
Fingerzeig. Hierfür ein Beispiel : Mit der 20-fachen Verdünnung
des Serums I trat bei der gröfsten Mehrzahl der behandelten
Paramäcien nur eine einfache Lähmung der Fortbewegung ein;
vereinzelte Exemplare blieben aber schwach beweglich, wieder
andere hingegen erlitten eine tiefergreifende Lähmung, indem
diese sich auf die kontraktilen Vakuolen verbreitete. Mit der
Zeit nahm das aufbewahrte Serum an Wirksamkeit ab und nach
Wochen war keine vollkommene Lähmung der Bewegung zu er-
zielen; der Durchschnitt der Paramäcien verhielt sich jetzt wie
die mehr empfindlichen Exemplare vor mehreren Wochen. Mit
dem frischen starken Serum II waren anderseits nun viel zahl-
reichere Lälimungen höheren Grades zu erzielen, als seinerzeit
]4 Spezifische Sera gegen Infusorien.
mit dem Serum I, so dafs die damals als Zufälligkeiten erscheinenden
Ausnahmen zu gesetzmäfsigen Erscheinungen gestempelt wurden.
Die feineren Vorgänge bis zum Eintritt tiefgreifender Läh-
mungen sind folgende: es findet zunächst immer zuerst der all-
mähUche Stillstand der Ortsveränderung auf die oben beschriebene
Weise statt ; liegen die Tiere still, so ist die weitere Beobachtung
natürlich sehr erleichtert ; man bemerkt dann auch an den inneren
Teilen der Paramäcien zuerst eine Erregung: die Endoplasma-
Strömung (»Cyclosec) ist eine sehr lebhafte, die undulierende
Membran schlägt aufserordentlich schnell, die Nahrungsvakuolen
füllen sich sehr schnell und stofsen sich oft ab, die kontraktilen
Vakuolen bleiben zuerst klein und pulsieren mit grofser Frequenz,
durchschnittlich 4 mal in 1 Minute (normale Frequenz der Ent-
leerung der kontraktilen Vakuolen ist alle 25 Sekunden bei 16® C).
Der Vorgang der Paralysierung kann auf jeder beschriebenen
Stufe stehen bleiben ; geht er nicht weiter, als bisher beschrieben,
so ist es nicht zu verwundem, dafs diejenigen Tiere, deren Stoff-
wechsel so offenbar gesteigert ist, sich besonders schnell auch
von der Lähmung ihrer Fortbewegungsorgane erholen; geht er
hingegen weiter, so folgt der Erregung eine Verlangsamung der
inneren Bewegungsvorgänge; am auffallendsten ist das seltenere
Schlagen und die gleichzeitige diastolische Erweiterung der kon-
traktilen Vakuolen, welche so enorme Grade erreichen kann, dafs
das ganze Tier mifsgestaltet erscheint, indem es in eine von
wenig Plasma umgebene Blase verwandelt wird. Dies geschieht
dadurch, dafs schliefsUch überhaupt keine Entleerung der Vaku-
olen mehr erfolgt und die normaliter vorhandenen zwei Vakuolen
in eine einzige verschmelzen. Sehr häufig ist auch der Fall,
dafs sich die sogenannten Bildungsvakuolen nicht mehr in die
Haupt- Vakuolen zu entleeren vermögen, so dafs diese letzteren
von einem Kranz scheinbar neugebildeter Hohlräume umgeben
werden. Bemerkenswert ist, dafs in diesem Stadium noch die
Nahrungsaufnahme ungehindert vor sich gehen kann, und dafs
die Paramäcien in diesem aufgeblasenen Zustande tagelang leben
können. Erst die höchsten Grade der Lähmung ergreifen die
undulierende Membran und bedingen den Tod.
Von Privatdozent Dr. Robert Röfsle. 15
EHe Hoffnung, eine anatomische Grundlage für die beschrie-
benen Vorgänge zu finden und sie dadurch des rein funktionellen
Charakters zu entkleiden, hat sich nicht erfüllt. Es gelang auch
mit den stärksten Vergröfserungen nicht, Veränderungen der
Cilien und ihrer Ansatzpunkte zu finden. Zuweilen schienen sie
verdickt und verkürzt und an ihren äufsersten Enden mit An-
schwellungen versehen. Aber die Täuschung ist dadurch, dafs
Bakterien und feinste Bröckel unter dem Einflüsse des Serums
an ihnen haften bleiben und mit verdickten Enden verwechselt
werden können, sehr leicht möglich. Ferner erscheinen die Oi-
lien-Enden, wenn sie von oben gesehen werden, infolge starker
Lichtbrechung als Knöpfchen; da nun die Cilien gelähmter Pa-
ramäcien wirr durcheinander hegen, so können solche Knöpfchen
bei der ungemeinen Feinheit des Objekts leicht eine pathologische
Anschwellung benachbarter Cilien vortäuschen. Im ganzen hat
man den Eindruck einer falschen Innervation, indem die Cilien
an den verschiedenen Stellen der Oberfläche in Gruppen bald
schnell, bald langsam, und oft in entgegengesetzten Richtungen
schlagen. Die Trichiten werden von den festklebenden Tieren
ausgeschleudert, aber sehr häufig nur mangelhaft, so dafs sie von
von einem Walde starrer Spiefse umgeben erscheinen ; auch bleiben
sie oft an ausgestofsenen Trichiten mit den Cilien kleben.
Auch die andere Hoffnung, es würden sich vielleicht bei Behand-
lung von Paramäcienmitspezifischem An tiserum Wirkungen ergeben,
welche ausschliefslich nur durch solches zu erzeugen wären, ist nicht in
Erfüllung gegangen. Alle genannten pathologischen Aufserungen
des Paramäcien-Organismus lassen sich auch durch chemische
Mittel hervorrufen. Es liegen eben dieselben Verhaltnisse vor,
wie bei der Hämolyse, welche ebensogut durch chemische und
thermische Mittel als durch spezifische Antikörper bewerkstelligt
werden kann.
Von der Annahme ausgehend, dafs in den Eigenschaften des
Plasmas gesunder einerseits und durch spezifisches Serum
gelähmter Paramäcien anderseits Unterschiede bestehen müssen,
unternahm ich färberische und andere Versuche, aber ohne
bisher ein verschiedenes Verhalten beider zu entdecken. Gerade
16 Spezifische Sera gegen Infusorien.
beim Vergleich der Zerfliefsungserscheinungeu gesunder und spe-
zifisch gelähmter Infusorien hätte man am ehesten erwarten
können, Unterschiede zu finden, weil einerseits die Vorgänge der
»Zerfiielsungc normaler Infusorien durch die treffliche Arbeit
Kölschs (^) wohlbekannt sind und anderseits das Protoplasma
hierbei in feineren Beziehungen beobachtet werden kann, als bei
irgend einem anderen Vorgang. Bisher haben aber meine Ver-
suche in dieser Bichtung keinen Erfolg gehabt: die durch Er-
wärmung oder durch sanften Druck bewirkte Zerfiiebung spezi-
fisch gelähmter Paramäcien glich vollkommen derjenigen unter
gleichen Bedingungen erfolgenden normaler Kontrolltiere. Doch
sollen diese Versuche gerade mit Rücksicht auf die osmotische
Natur der dabei sich abspielenden Veränderungen gelegentlich
wiederholt werden.
Ferner seien die Ergebnisse von Vitalfärbungen spezifisch ge-
lähmter Paramäcien mitgeteilt. Dieselben wurden zu dem gleichen
Zwecke unternommen wie die Zerfliefsungs- Versuche, nämlich
um etwaige Unterschiede im Verhalten von spezifisch beeinflufsten
und normalen Paramäcien gegenüber dem Neutralrot festzustellen.
Zu gleichen Mengen Zuchtflüssigkeit mit gelähmten Paramäcien
einerseits und gesunden anderseits wurden gleiche Mengen (ge-
wöhnlich 3 Tropfen) verschiedener Verdünnungen einer konzen-
rierten, wäfsrigen Neutralrotlösung (100-, 5000- und 10000-fache-
Verdüunungen) auf Objektträger gegeben, gemischt und ein mit
tWachsfüIschen versehenes Deckglas aufgesetzt. Normale Para
mäcien wurden durch diesen Zusatz von 100-fach verdünntem
Neutralrot in wenigen Stunden, meist unter Zuspitzung des Vor-
derendes abgetötet, nachdem sie eine anfänglich distinkte, an
bestimmte Granula gebundene, dann mehr und mehr diffuse Fär-
bung angenommen hatten. Zuerst stirbt das Vorderende ab. Das
absterbende Plasma nimmt im Gegensatz zu dem hochbordeaux-
rot sich färbenden lebenden mehr und mehr eine ziegelrote bis
braunrote Farbe an; schliefslich schwindet überhaupt jede Fär-
bung. Gleichzeitig gehen Zerfliefsungs- und Gerinnungserschei-
nungen an den Körpern der Paramäcien vor sich. Der Zusatz
einer 5000-fachen Verdünnung der Neutralrotlösung bewirkt eben-
Von PrivatdozeDt Dr. Robert Röfsle. 17
falls zunächst eine isolierte Färbung der Nahrungsvakuolen- Wände
und gewisser Granula am hinteren Körperpol. Je mehr mit dem
Fortgang der Verdauung die Nahrungsvakuolen kleiner werden,
desto intensiver färbt sich der Inhalt. Allmählich verbreitet sich
die Granulafärbung nach vom und meist tritt auch eine Färbung
der warzenförmigen Vorsprünge der Pellicula zwischen den Cilien-
ansätzen, wahrscheinlich durch eine rein mechanisch durch die
Wimperbewegung bedingte Ansammlung des Farbstoffs ein. Nach
6 Stunden liegen die Paramäcien bei Anwendung der öOOOfachen
Verdünnung still, nach 24 Stunden sind sie sämtlich darin ab-
gestorben. Der Zusatz von 10000-fach verdünnter Neutralrot-
lösung hatte eine noch gröfsere Verlangsamung der Vitalfärbung
zur Folge, so dafs noch nach 24 Stunden einzelne distinkt gefärbte
Individuen am Leben waren. Diese selben Färbungen, in der-
selben Konzentration und gleichzeitig angewandt, hatten nun bei
spezifisch gelähmten Paramäcien nicht denselben Erfolg. Je inten-
siver nämlich die Tiere gelähmt waren, desto geringer war die
eintretende Färbung, desto langsamer trat sie ein, wenn sie über-
haupt statt hatte. Der Zusatz von 100 facher Verdünnung des
Neutralrots, welcher gesunde Paramäcien in kurzer Zeit tötet,
hatte bei gelähmten nach 4 Stunden lediglich den ersten Grad
der FarbstofEwirkung erzeugt, nämlich die distinkte Färbung der
Vakuolen-Wände und der umliegenden Granula des Hinterendes.
Noch nach 24 Stunden befanden sich die gelähmten Paramäcien
am Leben, jetzt allerdings diffus gefärbt und gequollen. Die
10000-fache Verdünnung hatte bei gut gelähmten in dieser Zeit
noch keine Färbung zu erzielen vermocht. Als der gleiche Ver-
such mit solchen Paramäcien angestellt wurde, welche z. T. bereits
die Lähmung fast überstanden hatten, ergab sich eine geringere
Verzögerung der Färbung gegenüber den gelähmten Paramäcien ;
die Erscheinung war ganz konstant: je mehr ein Tier die Ver-
giftung überwunden und je mehr es beweglich geworden war,
desto mehr glich es in bezug auf seine Färbbarkeit mit Neutral-
rot den gesunden Paramäcien. Ob die besonders dunkelrote
Färbung, welche einige Male bei immun gewordenen Paramäcien
auffiel, auf einer Gesetzmäfsigkeit beruht, mufs noch dahingestellt
Archiv f. Hygiene. Bd. UV. -
1^ Sjiezifiscr.e Sera Zf^n Infuäonen.
bleiben und soll bei Tielegenheit weiter untersucht werden. Wie
die obigen Befunde von der geringen Farbstoffaufnahme durch
8I^zifi<ich gelähmte Paramäcien zu deuten sind, ist nicht klar.
Jedenfalls ist sie, wie aus einem Kontrollversuche hervorgeht,
nicht allein auf Rechnung der lähmenden Substanz im spezifi-
schen Serum zu setzen : Denn auch inaktives Xormal-Serum vom
Kaninchen, welches in den angewandten Konzentrationen absolut
keine sichtbare Wirkung auf die Paramäcien auszuüben scheint,
verzögerte die Vitalfärbung erheblich, wenn auch nicht in dem
Mafse wie das spezifisch-toxische Serum.
Zum Schlüsse sei noch bemerkt, dafs das Antiparamäcien-
Serum ebenso im Dunklen als im Hellen auf die empfindlichen
Tiere lähmend einwirkt.
Die lähmende Wirkung des Antiparamäcien-Serums läfst sich
mit blofsem Auge verfolgen, wie sich gleich bei einem der
ersten Versuche ergab, der den Zweck hatte, die Wirkungen von
aktivem spezifischem, inaktivem spezifischem, aktivem normalem
und inaktivem normalem Kaninchenserum auf die Paramäciken
in 2<>facher Verdünnung zu vergleichen. Die Proben wurden in
Reagenzgläsern angesetzt, und es liefs sich mit unbewaffnetem
Auge verfolgen, wie in dem aktiven spezifischen Serum und in
dem auf 53 ^ ^2 Stunde lang erhitzten spezifischen Serum die
Flüssigkeit mehr und mehr entvölkert wurde und sich klärte,
indem die darin befindlichen Paramäcien gelähmt zu Boden
sanken und gleichzeitig auch die Bakterien zu grofsen Haufen
agglutiniert wurden, die sich ebenfalls in der untersten Schichte
ansammelten. Im aktiven Normalserum sanken anfänglich eben-
falls die meisten Paramäcien zu Boden, erholten sich aber schnell
und kamen wieder empor. Die Probe mit inaktivem Normal-
serum dagegen blieb in allen Schichten gleichmäfsig bevölkert.
Die mikroskopische Kontrolle zeigte, dafs im inaktiven Normal-
serum die Paramäcien nach schnell vorübergehenden Wirbel-
bewegungen, welche wohl durch die veränderten osmotischen
Verhältnisse bedingt sind, sich vollkommen unbeeinfiufst zeigen.
Von t^rivatdozent Dr. Robert tlöfsle. 19
Aus dem Gesagten geht hervor, dafs die halbstündige Er-
wärmung auf 53® diesem Serum die Fähigkeit, zu lähmen, nicht
geraubt hatte. Auch die einstündige Erhitzung auf 53® ver-
mochte dies nicht, wohl aber genügte eine darauffolgende Er-
hitzung auf 55 — 56® (vergl. die einschlägigen Angaben bei
Serum III). Merkwürdigerweise liefs sich aber das einmal inak-
tivierte Serum durch Zusatz von aktivem Normalserum nicht
wieder aktivieren. Ebenso war die Wirksamkeit durch Alexin-
Zusatz nicht wieder herzustellen, wenn das spezifische Serum
sie nach Monaten spontan eingebüfst hatte.
Die Intensität der Wirkung in bezug auf die Zahl der ge-
lähmten Paramäcien und in bezug auf den Grad der Lähmung
bei den einzelnen war der Menge des jeweils verwendeten Serums
proportional, ebenso die Zeit, in welcher die Lähmung eintrat.
Durch ganz schwaches Serum wurden nur die empfindlicheren
Individuen beeinflufst. Je intensiver die Lähmung war, desto
länger hielt sie an, aber noch 5 Tage lang gelähmte Paramäcien
waren am Leben und konnten sich erholen. Sie erholten sich
rascher, wenn sie nach Eintritt der Lähmung von dem um-
gebenden Serum befreit, d. h. in Wasser gebracht wurden. Doch
hielt auch hier die Wirkung tagelang an, was wohl dafür spricht,
dals eine Regeneration wirklich geschädigter Teile erst notwendig
war. Bei der Temperatur von 37 ® trat die lähmende Wirkung
rascher als bei Zimmertemperatur ein, anfänglich konkurriert hier
aber die erregende Wirkung der Wärme mit der Wirkung des
Serums in der Weise, dafs das Exzitationsstadium länger an-
dauert als bei den Kontroll tieren (Serum Wirkung bei 16 ® C), aber
dann wird die Lähmung um so schneller vollkommen.
Die Paramäcien verhielten sich dem spezifischen Serum
gegenüber negativ chemotaktisch ; diese Tatsache wurde in der
Weise festgestellt, dafs der unter einem gestützten Deckgläschen
befindliche Raum zur einen Hälfte mit bestimmten Verdünnungen
des spezifischen Serums, zur anderen Hälfte mit Paramäcienzucht
gefüllt wurde. Die Flucht der Tiere an den dem spezifischen
Serum entferntesten Teil des zur Verfügung stehenden Raumes
bewies die negative Chemotaxis. Im Gegensatz dazu trat bei
20 Spezifische Sera gegen InfasorieD.
Auffüllung der einen Hälfte mit indifEerenten Medien sehr
bald gleichmäfsige Verteilung der Paramäcien in den beiden
Deckglashälfteu ein.
Ein Verbrauch wirksamer Substanz war bei den doch ver-
hältnismäfsig geringen Mengen Paramäcien, die in Berührung
mit dem Serum kamen, nicht festzustellen. Wenigstens wirkte
der Abgufs nach gelungenem Lähmuugsversuch anscheinend un-
geschwächt auf mehrere frische Portionen Paramäcien. In starken
Verdünnungen wirkten die Sera erst nach Stunden und Tagen.
So trat eine Erlahmung in dem 100 fach verdünnten Serum
Nr. II erst nach Stunden ein, und nach 4 Tagen fanden sich
sogar im 400 fach verdünnten Serum die meisten Paramäcien
vollkommen gelähmt und an ihre Nachbarschaft festgeklebt. Die
gleichzeitig angesetzten Proben mit schwächeren Verdünnungen
(50 — 200 fach) beherbergten fast nur zerflossene und geronnene
Paramäcien nach dieser Zeit; doch ist die Deutung dieses Be-
fundes im Sinne eines mittlerweile schon eingetretenen lytischen
Prozesses nicht einwandfrei, da ja die aseptische Vornahme
dieser Versuche nicht möglich ist und durch Zusammenbringen
der Paramäcienzucht mit den verschiedenen Serummischungen
reichliche Fäulnis der letzteren eintritt, so dafs das Absterben der
Paramäcien auf diese bezogen werden kann. Noch gröfsere
Wahrscheinlichkeit aber hat die Annahme, dafs es durch die
auf die Organe der Ernährung übergreifende Lähmung bedingt ist.
Antiglaukoma-Serum.
Ein 335 g schweres Meerschweinchen erhielt im Zeitraum
von zwei Monaten acht subkutane Injektionen zentrifugierter
Reinzuchten des Glaukoma scintillans Ehbg. ; es befand sich in
den Reinzuchten nur eine einzige Bakterienart. Das Tier ver-
trug die Injektionen ohne Abszefsbildung und behielt sein ur-
sprüngliches Körpergewicht.
Die Schilderung der Wirkung dieses Serums kann kurz ge-
fafst werden, da sich den AntiparamäcienSeris vollkommen analoge
Beobachtungen ergaben. In höheren Konzentrationen war
Von Privatdozeut Dr. Ko1)ert Röfsle. 21
zwischen der Wirkung normalen Meerschweinchen-Serums und
der des spezifischen Serums kein deutlicher Unterschied zu er-
kennen. Erst die 20 fache Verdünnung des Normalserums er-
wies sich unschädlich für Glaukoma und damit begann der
Bereich der spezifischen tonischen Wirkung beim Serum des
behandelten Tieres. Die höheren Verdünnungen des spezifischen
Serums verhielten sich wie folgt:
20-fache Verdünnung: sofort eintretende Bewegangsstörangen,
Rückwärtsrollen, nach 8 Minuten nur noch schwache Beweglichkeit, nach
14 Minuten Verklebung mit Bakterien und vollständiger Stillstand, nach
25 Minuten einseitige (»Thränenform«) oder allgemeine Abrundung der Gestalt
Nach 24 Stunden einzelne zu Kugeln mit deutlich hervortretendem Kern
geronnen; die übrigen liegen in vollkommener Lähmung still.
40-facheVerdünnung: sofortige Bewegungsstörung, nach 8 M inuten
nur noch schwache Ortsveränderung, nach 15 Minuten fast völliger, nach
45 Minuten vollständiger Stillstand bei normaler Form. Nach 24 Stunden
merkwürdige Gröfsen unterschiede (allgemeine Quell ung oder abnormes
Wachstum?). Vereinzelte schwache Bewegungen.
80-fache Verdünnung: Fast sofort bewirkte Drehbewegung; nach
10 Minuten meist Stillstand; wenn wieder eintretende Bewegung, dann
immer Rückwärtsrotation, nach 45 Minuten Stillstand ; die meisten erhalten
»Thränenform« (ein Körperpol zugespitzt, der andere abgerundet). Nach
24 Stunden wieder eingetretene Beweglichkeit; die meisten aber bleiben
schwach am Boden der Gefäfse; Gröfsen unterschiede!
160-fache Verdünnung: Nach 3 Minuten die erste rollende Be-
wegung; nach 5 Minuten schwache, ruckweise Bewegungen fest am Platze;
innerhalb 30 Minuten sinken sämtliche Tiere zu Boden, ohne die Fähigkeit
der Fortbewegung ganz zu verlieren. Nach 24 Stunden normale Beweglich-
keit wieder hergestellt; keine bedeutenden Gröfsenunterschiede zwischen
den einzelnen Tieren.
320 fache Verdünnung: Innerhalb 15 Minuten keine Bewegungs-
störung, nur allmähliches Absinken zu Boden, Ausführung nur kleiner Be-
wegungen. Nach 24 Stunden Tiere vollkommen unbeeinfluTst.
Durch halbstündiges Erhitzen auf 56 ® verlor das Serum die
Fähigkeit, Glaukoma zu lähmen, nicht aber die Fähigkeit der
»Agglutination :c Die Glaukoma blieben allerorts mit ihren Cilien
kleben. Die sonstigen feineren Veränderungen der Tiere durch
das aktive Serum (Cilienstillstand, lebhafte Körnchenströmung)
glichen vollkommen den Beobachtungen bei den Paramäcien.
22 Spezilische Sera gegen Infusorien.
Das Meerschweinchen ging bei einem Versuche, die Ver-
änderungen und Schicksale der Glaukoma in der Bauchhöhle
des immunisierten Tieres zu studieren, zugrunde.
Antiparamäcien-Serum Nr. III.
Von den bisherigen Erfahnmgen in dieser Untersuchungs-
reihe schien das Fehlen von eigentlichen lytischen Stoffen in den
spezifischen Seris die auffallendste. Es war nicht unmöglich,
diese Tatsache der im allgemeinen weniger wirksamen subkutanen
Injektion zur Last zu legen. Allein es war ja wegen der Natur
des Injektionsmaterials nicht angängig, die intraperitoneale Ein-
spritzung zu versuchen. Deshalb war es sehr willkommen, in
dem kürzlich von Löffler(*) mitgeteilten »neuen Verfahren zur
Gewinnung von Antikörpern« eine Methode kennen zu lernen,
welche die Einbringung der Paramäcien samt den ihnen anhaf-
tenden Bakterien in die Bauchhöhle ermöglichte. Sie besteht in
der Erhitzung des sorgfältig getrockneten Antigens. Für die Pa-
ramäcien gestaltete sich die Gewinnung eines wirksamen und bei
intraperitonealer Injektion ungefährlichen Materials in folgender
Weise: Möglichst dichte Reinzuchten wurden vollkommen ab-
zentrifugiert, der Brei von Paramäcien in sterilen Petrischalen
ausgestrichen und dann im Vakuum oder über Schwefelsäure
sorgfältig getrocknet. Man erhielt dann an den dickeren Stellen
fettig glänzende graugelbe Schüppchen, bei guter Verteilung in
den Schalen nach Ablösung n)it einem Messer ein lockeres feines
Pulver. Nun wurde im Trockenschranke ^2 Stunde erhitzt; nach
dem Abkühlen wurde das so sterilisierte Material mit NaCl-Lösung
versetzt, wobei es sich schlecht benetzte, und dann einem Kanin-
chen intraperitoneal eingespritzt. Das Tier erhielt innerhalb drei
Wochen acht derartige Injektionen, wobei sein Gewicht von
3090 g auf 2570 abnahm. Die jedesmalige Dosis an Paramäcien-
trockensubstanz wurde genau gewogen, zwecks Orientierung über
die aus guten Paramäcien-Zuchten gewinnbaren und der zur
Immunisierung erforderhchen Mengen. Im ganzen erhielt das
Tier 150 mg Paramäcieu-(-f- Bakterienj-Trockensubstanz. In 1 Liter
Von Privatdozent Dr. Robert Röfsle. 23
dichter Pararaäcienzucht sind höchstens 30 mg Trockensubstanz
an Paramäcien und Bakterien). 6 Tage nach der letzten Injek-
tion wurde dem Tiere Blut entzogen. Das Serum erwies sich
als wirksam, obwohl anscheinend nicht in dem Grade als die
vorigen Sera (trotz Verwendung gröfseren Impfmaterials). Seine
physiologischen Wirkungen waren die gleichen wie die der
anderen Sera. Dagegen unterschied es sich in einer höchst
merkwürdigen Weise von jenen dadurch, dals es sich nicht in-
aktivieren liefs: bei halbstündiger Erhitzung auf 70^ wurde es,
wie jedes andere Serum trüb opaleszierend, büfste aber seine
lähmende Wirkung nicht ein. Bei weiterer Erhitzung, gegen 80°,
gerann es allmählich.
Auch diesmal wurde die Wirkung des unverdünnten spezifi-
schen Serums verglichen mit der des unverdünnten Normal-
serums: die Paramäcien starben in beiden innerhalb derselben
Zeit, nämlich in VJ^ — 3 Minuten, indem Kern und Plasma ge-
rannen. Der einzige Unterschied, der bemerkt wurde, bestand
darin, dafs im spezifischen Serum nach eingetretenem Tode an
vielen Individuen nach eine Abhebung der Pellicula von dem
Endosarke zu beiden Seiten des Tieres durch eine erst postmortal
eintretende Flüssigkeitsansammlung eintrat.
Die Wirkung des verdünnten spezifischen Serums (gewöhn-
lich wurde die 40 fache Verdünnung verwendet) hielt meist bei
ausschliefslicher Lähmung der Fortbewegungsorgane, mehrere
Tage an ; vom dritten Tage an mehrten sich die wieder beweglich
gewordenen Tiere und von Tag zu Tag konnte man ver-
folgen, wie die Zahl der gelähmten sank und diejenige der in
den oberen Schichten der Flüssigkeit frei herumschwimmenden
zunahm. Dies konnte nicht anders erklärt werden als dadurch,
dafs vermöge des während der äufseren Lähmung unbehindert
vor sich gehenden StofEwechsels die Vergiftung überstanden wird
und die geschädigten Teile regeneriert werden. Damit erhob sich
die Frage, ob durch ein derartiges Überstehen der Vergiftung
gegenüber einer wiederholten Vergiftung ein veränderter Zustand
geschaffen wird, also vielleicht Überempfindlichkeit oder Immunität
eintritt. Schon der erste Versuch bewies eine ganz auffallende Herab-
24 Spezifische Sera gegen Infusorien.
Setzung derEmpfindlicbkeitgegenüber dem spezifischen Serum: eine
Reihe Paramäcien, welche vor 3 Tagen gelähmt worden waren, und
von denen sich die Hälfte erholt hatte, während die andere Hälfte sich
noch in gelähmtem Zustande befand, wurden mit Wasser vorsichtig
von Resten des alten Serums gewaschen und nach dem Zentrifu-
gieren in eine frische Uhrschale gesetzt, in der die gelähmten sofort
zu Boden sanken unter bald aufhörenden, ruckweisen Versuchen
zur Fortbewegung, während die gesundeten Tiere in den oberen
Schichten herumschössen. Zur Kontrolle wurden normale Para-
mäcien auf ganz die gleiche Weise behandelt und in eine zweite
Uhrschale gebracht. Beide Proben wurden nun mit der gleichen
Menge spezifischen Serums versetzt, sodafs eine 40 fache Ver-
dünnung derselben entstand, durch vorsichtige Mischung
mittels steriler Pipetten. Während die normalen Paramäcien
binnen wenigen Minuten der lähmenden Wirkung unterlfiigen,
blieben diejenigen Paramäcien, die sich von der ersten Vergiftung
vollkommen erholt hatten, ganz munter, und erst ungefähr nach
1 Stunde sanken einige wenige davon nach abwärts, ohne die
wilden Bewegungsstörungen zu zeigen, mit denen bei normalen
Tieren sonst die Serumwirkung eingeleitet wird. Was die Para-
mäcien dieser Probe betrifft, welche sich noch in gelähmtem
Zustande befanden, so schien die zweite Dosis des spezifischen
Toxins die Vergiftung eher zu verstärken, indem bei einigen die
tiefer greifende Lähmung der Vakuolen und des Peristomfeldes
eintrat Der eben beschriebene Versuch wurde in verschiedener
Weise, aber immer mit demselben Resultate wiederholt ; u. a. wurde
gezeigt, dafs Paramäcien, welche eine zweimaHge Vergiftung
überstanden hatten, auch gegen eine erhöhte Giftkonzentration
nur 20 fache Verdünnung nach zweimaliger Behandlung mit
40 fachen Verdünnungen) ohne Ausnahmen ganz unempfindlich
geworden waren.
Zusammenfassung.
Die vorliegenden Untersuchungen waren zum Zwecke morpho-
logischer Studien unternommen worden. Wenn sie nun auch
bisher gerade nach dieser Richtung keine Resultate gehabt haben,
Von Privatdozont Dr. Robert Röfsle. 25
SO bieten ihre Ergebnisse doch vielleicht in bezog auf theoretische
Fragen der Immunitätslehre und in bezug auf die Klinik der durch
Protozoen verursachten Infektionskrankheiten einige interessante
Hinweise. Systematische Versuche über Immunisierung gegen
Protozoen liegen bisher nicht vor. Die einzigen Angaben,
welche über die Einwirkung eines spezifischen Serums auf Pro-
tozoen existieren, stammen von Laveran und MesnilC^) und
sind verzeichnet in ihren Untersuchungen über die Trypano-
somiasis der Ratten. Auch die klinische Seite der Frage war voll-
kommen unbearbeitet und unsicher bis in die jüngste Zeit;
wufste man ja nicht einmal für die seit altersher bekannte
Malaria gewifs, ob ihre Überstehung eine Immunität verschaffte,
wie viel weniger für diejenigen menschlichen und tierischen
Seuchen, welche noch nicht lange bekannt sind und deren Natur
noch später als die der Malaria erkannt worden ist. Bevor
R. Koch(') im Jahre 1900 an einem ein wandsfreien Kranken-
material feststellte, dafs es eine erworbene Immunität nach
Malariaerkrankung gibt, war gerade die entgegengesetzte Meinung
die herrschende, dafs nämlich das Überstehen der Malaria gegen-
über einer Reinfektion empfängUcher mache. Koch hat dann
auch in Übereinstimmung mit Smith und Kilborne die Mit-
teilung gemacht, dafs beim Texasfieber eine Immunität erworben
wird (zit. nach Ko8sel(*). Es besteht zwischen dieser Proto-
zoeninfektion und der Malaria darin noch eine besondere Ähnlich-
keit, dafs gerade die Durchseuchung in früher Jugend einen wirk-
sameren Schutz als das Überstehen in späterem Lebensalter
verleiht. Seitdem mehren sich die Angaben über die Möglichkeit
der Erwerbung aktiver Immunität bei Protozoen-Infektionskrank-
heiten. Inwieweit diese Frage durch obige Untersuchungen
über Immunisierung gegen Infusorien und Flagellaten berührt
wird, darauf soll weiter unten eingegangen werden.
Schon 1899 haben L. Rabinowitsch und Kempner(")
gelungene Übertragungsversuche von Trypanosomen grauer Ratten
auf weifse Ratten ausgeführt und mitgeteilt, dafs die weifsen und
gescheckten Ratten, welche sich niemals spontan mit Trypano-
soma Lewisi infizieren, durch die einmalige Impfung eine aktive
26 Spezifische Sera gegen lufusorien.
Immunität erwerben, ferner dafs das Serum solcher weifsen Ratten
anderen bei der Infektion Schutz verleiht (passive Immunität.)
Doch konnten Rabinowitsch und Kempncr keine für die
Parasiten schädlichen Wirkungen des ImmunSerums erkennen:
Weder Agglutination noch Entwicklungshemmung. Demgegenüber
stellten Laveran undMesnil (1. c.) fest, dafs das Serum von
Ratten, welche eine oder mehrere Injektionen von Trypanosomen
erhalten hatten, eine »Agglomerationc der Flagellaten erzeugte.
Gewöhnlich trat vor der Häufchenbildung keine Immobilisation
ein. Eine lähmende Wirkung gewann das Serum überhaupt nur
bei langedauemder und forcierter Immunisierung mit Trypauo-
soma; auch dann erschien der paralysierende Erfolg nur bei An-
wendung stärkerer Konzentrationen (z. B.: eine Ratte hatte in
sieben Monaten 13 Impfungen erhalten; ihr Serum lähmte nur
noch in lOfacher Verdünnung). Die agglutinierten Trypanosomen
sind in den Seris von gewöhnlicher Stärke ebenso beweglich wie
die isolierten gesunden. Indem sie mit dem geifsellosen Hinter-
ende verkleben, bilden sie, oft in Dutzenden, Rosetten, an deren
Peripherie die Geifseln lebhaft schlagen. Nie sahen sie die ge-
ringste morphologische Veränderung an den agglomerierten Try-
panosomen. Diese blieben trotz Agglutination am Leben und
infektiös. Nie vermochten sie eine Auflösung der Flagellaten
durch das Serum zu konstatieren.
Vergleicht man mit diesen Angaben die obige Schilderung
der Wirkung meiner Anti-Infusorien- und Anti-Flagellaten-Sera,
so ergibt sich eine Übereinstimmung in der Art ihrer Wir-
kungen und Unterschiede nur in den Graden der ver-
schiedenen Wirkungsweisen. Während bei meinen Seris sowohl
für die Infusorien (Paramäcium caudatum und Glaukoma scin-
tillans) wie für das kleine Flagellat, Chilodon paramäcium, die
lähmende Wirkung weit überwog, trat in jenem Anti-Trypano-
somen-Serum die agglutinierende Wirkung in den Vordergrund.
Auch war die Stärke der Sera erheblich verschieden: diejenigen
von Laveran und Mesnil agglutinierten höchstens noch in
öOfacher Verdünnung (lähmten höchstens noch in lOfacher Ver-
dünnung); ich beobachtete lähmende Wirkung noch in 400facher
Von Privatdozent Dr. Robert Röfele. 27
Verdünnung. Gemeinsam ist die Feststellung, dafs es unmöglich
ist, morphologische Veränderungen an den beeinflulsten Proto-
zoen ausfindig zu machen, dafs niemals Auflösungserscheinungen
zu sehen sind (welche an die Bildung lytischer Antikörper denken
lielsen), und dals die tatsächlich gewonnenen Antikörper paraly-
sierender und agglutinierender Natur die Protozoen gar nicht
oder kaum schädigen. Dies ist ein neuer Beweis für die wichtige
Tatsache, dafs wir nicht berechtigt sind, diese Antikörper als
Schutzstoffe zum Zwecke der Überwindung der parasitären Proto-
zoen anzusehen; es verbietet sich also die teleologische Auffassung
der Antikörperproduktion, wenigstens soweit es sich um die
paralysierenden und agglutinierenden Stoffe handelt; wenn, wie
Laveran und Mesnil gesehen haben, die Trypanosomen in
der Bauchhöhle des immunen Tieres lange am Leben bleiben,
so weist dies darauf hin, dafs ihre endgültige Beseitigung auf
anderem Wege zustande kommen mufs als durch die schädigende
Wirkung der Körpersäfte. Tatsächlich haben die französischen
Autoren beobachtet, dafs die Vernichtung der Parasiten allein
durch Phagocytose bewerkstelligt wird.
Es ist fraglich, ob bei der natürlichen Erwerbung einer
aktiven Immunität gegen Protozoen je so stark wirksame Sera
zustande kommen, als ich sie durch künstliche Immunisierung
erhielt. Wäre dies der Fall, so wäre ja allerdings, wie wir ge-
sehen haben, die Möglichkeit gegeben, dafs die Parasiten infolge
tiefergreifender Lähmung (Lähmung der exkretorischen und metri-
torischen Apparate) durch die spezifische Säftewirkung absterben.
Aber es mufs auch daran erinnert werden, dafs die bisher be-
kannten parasitischen Protozoen fast ohne Ausnahme sich auf
andere Weise ernähren als diejenigen, die ich als Antigene be-
nutzt habe, so dafs ein Analogie-Schlufs von Paramäcien auf
parasitische Protozoen nicht ohne weiteres zulässig ist.
Auf die Besonderheit der » Agglutination c durch die Anti-
paramäcien- und AntiglaukomaSera mufs noch mit einigen Worten
eingegangen werden. Am auffallendsten war, dafs niemals die
spezifischen Zellen miteinander verklebten, sondern immer nur
mit den Gefäfs- Wänden oder mit den anderen zur Immunisation
28 Spezifische Sera gegen InfuHtjrien.
verwendeten Zellen (Bakterien, Chilodon, Paraniäcium). Befanden
sich Lebewesen in der Zucht, die nicht als Antigen gedient
hatten, so blieben die Paramäcien oder das Cliilodon niemals
an ihnen haften. Dies erinnert an Beobachtungen von Bordet
und von Kraus (zit. nach Paltauf (^'), wonach bei Gemengen
von zweierlei Blutkörperchenarten Zusatz von für die eine Art
spezifischem Serum nur eben diese miteinander verkleben liefs.
Die spezifisch beeinflufsten Blutkörperchen blieben niemals an
den normalen hängen.
Obwohl die Paramäcien meist mit einem ihrer Körperpole
haften blieben, so war doch keine ausschlielsliche Beteiligung
bestimmter Körperstellen bei der Agglutination zu beobachten
wie etwa bei den Trypanosomen. Die makroskopische Be-
obachtung der Serumwirkung gegenüber den Paramäcien er-
innerte sehr au den englischen Ausdruck für Agglutination:
Sedimentation, weil im Vordergrunde der sich im spezifischen
Serum abs[)ielenden V^orgänge die Lähmung und hierdurch be-
dingte Absinken der Protozoen stand. Schon den ersten Be-
obachtern der Agglutination fiel der Verlust der Eigenbewegung
als stetes Begleitsymptom der Häufchenbildung auf (Gruber
und Durham, Bordet, Metschnikoff).
Das Fehlen von lytischen Stoffen in cytotoxischen Seris und
das Vortreten von paralysierenden Eigenschaften scheint sehr
oft Hand in Hand zu gehen; wenigstens ist dies für die Sper-
jnotoxine durch Landsheimer (^), Metschnikoff (") und
Moxter(^2)^ fQr Antisera gegen Flimmerepithelien durch v. Dun-
ger n (^) bekannt. Es trifft also nach den bisherigen Erfahrungen
auch für die Antisera gegen Protozoen zu. Es wäre von Interesse
zu sehen, ob man durch Immunisierung gegen Amöben, welche
keine speziellen Bewegungsorgane besitzen, weniger lähmende
und dafür ly tische Antikörper erhält. Was die Leukozyten be-
trifft, so habe ich keine Angaben darüber finden können, ob
durch ein Leukozytotoxin (Metschnikoff 1. c, Funck,(-) die
Bewegungsfähigkeit der weifsen Blutzellen aufgehoben wird.^) Es
1) Nach einer Mitteilung von Prof. G ruber ist dies der Fall.
Von Privatdozent Dr. Robert Röfsle. 29
sind nur Aufhellungen und Kernveränderungen beschrieben. Es
ist auffallend, dafs gerade die mit kräftigen Bewegungen begabten
Zellen, zur Immunisierung verwendet, die Bildung vorwiegend
paralysierender Antikörper auslösen. Eine Erklärung läfst sieh
dafür nicht geben. (Doch mag daran erinnert werden, dafs
wenigstens die freilebigen unter ihnen entsprechend der Fähigkeit
der schnellen Fortbewegung und der hohen Ausbildung der Be-
wegungsorgane eine andere Ernährungsweise besitzen als z. B.
die Bakterien, von welchen man Lysine erhält. Vielleicht sind
es die eigenartigen Enzyme der Verdauung, welche als Antigene
in besonderer Weise wirken. Für die Paramäcien ist ein
diastatisches Ferment von Mesnil und Mouton (^) nachgewiesen
worden).
Negativ wie die Versuche, morphologische Eigentümlich-
keiten an den spezifisch beeinflufsten Zellen zu entdecken, fielen
die Experimente aus, welche den Zweck hatten, zu prüfen, ob
geringe Dosen des paralysierenden Serums etwa lediglich eine
stimulierende Wirkung besäfsen. Dies war nicht der Fall. Das
gleiche negative Resultat verzeichnet übrigens Metschnikoff
(1. c.) für die gleichen Versuche mit geringen Dosen von spormo-
toxischem Serum. In beiden Fällen verlängerte sich mit ab-
nehmender Dosis des spezifischen Giftes nur die Zeit bis zum
Eintritt der Lähmung.
Was die merkwürdige Beobachtung betrifft, dafs das Serum III
sich der paralysierenden Wirkung auch durch halbstündiges Er-
hitzen auf über 70® C nicht berauben liefs, so steht sie meines
Wissens einzig da. Die anderen Antiparamäcien-Sera liefsen sich
durch einstündiges Erhitzen auf 56° der lähmenden und agglu-
tinierenden Eigenschaften berauben. Worin die Verschiedenheit
der Sera begründet liegt, ist nicht zu sagen (das Material für
das Serum III war in der Wärme gezüchtet und nach der
Löffl ersehen Methode behandelt worden). Dafs übrigens Sera
mit vorwiegend paralysierenden Eigenschaften sich der Erhitzung
gegenüber anders verhalten als die gewöhnlichen lytischen Sera,
geht aus Angaben von La voran und Mesnil (1. c.) hervor:
Die Erwärmung des Antitrypanosomenserums auf 55® zerstörte
30 Spezifische Sera gegen Infusorien.
nur halb dessen lähmende Eigenschaften^ selbst die Erwärmung
auf 64® vermochte dies nicht vollständig, während bei 64® die
Agglutinine vollständig zugrunde gegangen waren. Moxter (1. c.)
berichtet, dafs die lähmende Wirkung seines Spermotoxins durch
1^2 — 2 stündiges Erhitzen auf 58® verschwand.
So viel über die Wirkungen und die Eigenschaften der
spezifischen, gegen Protozoen gerichteten Sera, soweit sie bis
jetzt bekannt sind. Was die gegen diese Sera von selten der
Protozoen erwerbbare Immunität betrifft, so ist durch meine
obigen Versuche sichergestellt, dafs eine solche, wenigstens bei
den Paramäcien, sehr leicht eintritt. Diese Tatsache dürfte, wenn
sie in gleicher Weise für parasitische Protozoen konstatiert wird,
von klinischer Bedeutung sein, indem es bei spontaner Infektion
mit krankheitserregenden Protozoen für den Verlauf der Krank-
heit mafsgebend sein wird, welcher von den beiden Organismen
sich zuerst eine wirksame Immunität gegen die ihm schädlichen
Stoffe des anderen verschafft. Jedenfalls darf man daran denken,
dafs die Chronizität mancher und die Unheilbarkeit mancher
Infektionskrankheiten, insbesondere der durch Protozoen ver-
ursachten, darauf beruhen kann, dafs die pathogenen Keime
gerade gegenüber den vom Organismus produzierten, spezifisch
gegen sie gerichteten Säften aktive Immunität erwerben können.
Von Privatdozent Dr. Robert Röfsle. 31
Literatur.
1. V. Dungern, Immunserum gegen Epithel. Münchener med. Wochen-
schrift, 1899, Bd. 38.
2. Funck, Das antileukozytäre Serum. Zentralbl. f. Bakt., 1900, Bd. 27.
3. R. Koch, Deutsche med. Wochenschrift, 1900, Bd. 49 u. 50.
4. Kölsch, Untersuchungen über die Zerfliefsungserscheinungen der
ciliaten Infusorien. Zool. Jahrbücher, 1902, Bd. 16, S. 273.
5. Kos sei, Die Hämoglobinurie der Rinder. Kolle Wassermann, Handbuch
der path. Mikroorganismen, Bd. 1.
6. Landsteiner, Zur Kenntnis der spezifischen auf Blutkörperchen
wirkenden Sera. Zentralblatt f. Bakt., Bd. 25, S. 547.
7. Laver an u. Mesnil, Recherche sur le trypanosome des rats. Ann.
de rinst. Fast., 1901, Bd. 15, S. 690.
8. Löffler, Über ein neues Verfahren zur Gewinnung von Antikörpern.
Deutsche med. Wochenschrift, 1904, 30. Jahrgang, Nr. 52.
9. Mesnil u. Mouton, Sur une diastase prot^olytique extraite des in-
fusoires cili^. Compt. rend. Soc. de Biologie, 1903, T. 55, p. 1016.
10. Metschnikoff, Etudes sur la resorption des cellules. Ann. Inst. Fast,
1899, Bd. 13, 8. 741.
U. Metschnikoff, Immunitä, 1902.
12. Moxter, Über ein spezifisches Immunserum gegen Spermatozoon.
Deutsche med. Wochenschrift, 1900, 14.<
13. Pal tauf, Agglutination. In KoUe-Wassermanns Handbuch, Bd. 4.
14. Rabinowitsch u. Kempner, Z. f. Hygiene, 1899, Bd. 30, S. 251.
15. Röfsle, Morphologische Veränderungen der roten Blutkörperchen durch
inaktiviertes, spezifisch lytisches Blutserum. Münchener med. Wochen-
schrift, 1904, Nr. 42.
n1
Studien zur relativen Photometrie/)
III. Teü.
Vom
Dozenten Dr. Stan. Räzicka.
(Aus dem k. k. Hygienischen Institate des Prof. Dr. Gustav Kabrhel
in Prag.)
Ich habe in meiner früheren Arbeit 2) gezeigt, dafs der Lieht-
charakter einzelner Arbeitsplätze (z. B. in der Schule) in bezug
aut das Taglicht am besten in der folgenden Art für hygienische
Zwecke fixiert und ausgedrückt werden kann: Man liest an
einem nebligen dunklen Tage — bei gleichmäfsig diffus leuch-
tendem Himmelsgewölbe — gleichzeitig die Lichtintensität des zu
beurteilenden Arbeitsplatzes und des Himmelsgewölbes im Zenit
mittels eines Photometers ab und berechnet das Verhältnis dieser
zwei Intensitäten. So findet man z. B., dafs ein Platz nur 1%
der gleichzeitigen Lichtiutensität des Himmelsgewölbes aufweist,
ein anderer 2%, ein dritter 5%.
Welchen Wert hat eine solche Angabe für die hygienische
Beurteilung des betreffenden Arbeitsplatzes in bezug auf seine
Taglichtboleuchtung ?
Es ist nötig, sich zu vergegenwärtigen, dafs das Grund-
erfordernis der Hygiene in bezug auf die Taglichtbeleuchtung
1) Vorgelegt der Böhm. Kaiser Franz-.IosephH-Akademie in Prag am
7. April 11H)5.
2; Diese« Archiv, Bd. 51.
Vom Dozenten Dr. Btan. Rftibi6ka. 33
SO lautet, dals die absolute Lichtintensität eiues Arbeitsplatzes
niemals unter eine bestimmte Minimalgröfse sinken darf, als
welche im allgemeinen für gewöhnliche Schularbeiten die In-
tensität von etwa 20 — 25 Meterkerzen angenommen wird.
Wir wollen uns nun vorstellen, dafs man wüfste, innerhalb
welcher Grenzen sich die Lichtintensität des Himmelsgewölbes
binnen des ungünstigsten — in bezug auf die Taglichtintensität —
Jahresteiles während der Unterrichtsstunden bewegt.
Nehmen wir an, dafs die Lichtintensität des Himmels-
gewölbes an den dunkelsten nebligen Tagen (aufser der aus-
nahmsweise stark dunklen Tage) nicht unter 2000 Meter-
kerzen sinken würde.
Es ist klar, dals dann ein Arbeitsplatz, an welchem wir
mittels meiner Methode — der relativen Photometrie — bei
gleichmäfsig di£Eus leuchtendem Himmelsgewölbe den Quotienten
1% gefunden haben (welcher bedeutet, dafs am Arbeitsplatze
eine hundertmal kleinere Lichtintensität als am Himmelsgewölbe
abgelesen wurde), bei solcher »minimalere Tageslichthelligkeit
(die Intensität des Himmelsgewölbes = 2000 Meterkerzen), die
Lichtintensität von 20 Meterkerzeu, also die noch minimal zu-
lässige haben wird. Ferner ist es klar, dafs Arbeitsplätze, welche
einen kleineren Quotienten als 1% aufweisen, bei obiger mini-
maler Tageshelligkeit eine geringere als die minimal noch zu-
lässige (= 20 Meterkerzen) Lichtintensität haben.
Aus dem Angeführten ergibt sich, dafs man im Sinne meiner
Methode — der relativen Photometrie — das hygienische Er-
fordernis in bezug auf die Taglichtbeleuchtung eines Arbeits-
platzes einfach in der Weise formulieren kann, dafs ein Arbeits-
platz für gewöhnliche Schularbeit bei nebligem dunklem Wetter,
bei gleichmäfsig difEus leuchtendem Himmelsgewölbe wenigstens
1% der im Zenit am Himmelsgewölbe gleichzeitig abgelesenen
Lichtintensität aufweisen muls.
Die Frage aber, innerhalb welcher Grenzen sich die Licht-
intensität des gleichmäfsig bedeckten Himmelsgewölbes im un-
günstigsten Jahresteile während der Unterrichtsstunden bewegt,
ist noch nicht systematisch bearbeitet worden.
ArahlT für Hygleiw. Bd. LIV. 3
i
34 Stadien zur relativen Photometrie.
Ich mufste also selber solche systematische Messungen aus-
führen, deren Resultate für den verlaufenen Winter im folgenden
mitgeteilt werden.
Die Messungen habe ich am 24. November 1904 angefangen
und mit einer kleinen Unterbrechung kontinuierlich bis Ende
Jänner 1905 fortgeführt. Und zwar wurde die Lichtintensität des
Himmelsgewölbes im Zenit mittels eines Web ersehen Photo-
meters abgelesen. Der Apparat war unter einem Dachfenster
des Dachbodenraumes im Institute, gegen das Himmelsgewölbe
gerichtet, dauernd aufmontiert. Zur Ablesung wurde das Fenster
immer geöfEnet. Die Lampe des Apparates war gründlich von
Vorhängen umgeben, um Störungen der richtigen Lage der
Benzinflamme durch Luftströmungen zu vermeiden.
Die Ablesung wurde immer um 9 Uhr vormittags und um
3 Uhr nachmittags vorgenommen. Diese Ablesungszeitpunkte
sind aus folgenden Gründen ausgewählt worden: Es ist nicht
nötig, zu verlangen, dafs die Lichtintensität während der ganzen
Unterrichtsdauer des Tages — von 8 Uhr früh bis 4 Uhr nach-
mittags — der oben angeführten hygienischen Anforderung ent-
spräche. Denn es ist möglich für den ungünstigsten Jahresteil
auf die erste und letzte Stunde solche Lektionen zu verlegen,
welche kein Lesen, Schreiben und ähnliche die Augen besonders
anstrengende Arbeiten erfordern.
E^ genügt also, wenn die Beleuchtung von 9 Uhr vor-
mittags bis 3 Uhr nachmittags den Anforderungen entspricht. ^)
Eventuell mufs man sich in der ersten bezw. letzten Stunden
durch künstliche Beleuchtung aushelfen.
Anfangs habe ich die Messungen nur bei gleichmäfsiger
oder wenigstens annähernd gleichmäfsiger Bedeckung des Himmels
ausgeführt (Ergebnisse in der Tabelle durch fettgedruckte
Zahlen ausgedrückt), später aber vergleichshalber auch bei un-
gleichmäfsiger Bedeckung.
1) Natürlich kommen — ausnahms weise — auch nach 9 Uhr, bzw. vor
3 Uhr niedrigere Intensitäten vor als die zu diesen Zeitpunkten gemessenen.
Vom Dozenten Dr. Stan. R&üika.
35
Die Liehtintensitftt des HimmelsgrewSlbes Im Zenit (in Meterkerzen).
Datum
nm
9 rhr
vorm.
Bedeckung des Uimmels
um
8 Uhr
nachm.
Bedeckung des Himmels
November
24.
5446
1209
25.
8916
unbedeckt
26.
27.
unbedeckt
> unbedeckt
28.
4707
unbedeckt
29.
75o4
5768
30.
8566
8512
Dezember
1
1.
1879
1240
2.
1148
2448
3.
1860
1106
4.
5.
1188
ungleicnmäbig bedeckt
1
6.
8896
> ungleicbmftfsig bedeckt
7.
2126
1
8.
8859
2448
9.
10.
2706
4120
,
——
ungleicbmäfsig bedeckt
11.
1824
■
1620
12.
8896
2158
■
13.
5648
1
1850
14.
2204
30')
16.
1156
ungleiclümäfsig bedeckt
16.
ungleichmäfBig bedeckt
2022
17.
1277
1889
18.
1824
1680
19.
ungleicbmäfsig bedeckt
—
ungleicbmäfsig bedeckt
20.
8896
•
527
21.
3560
etwas ungleichmäfsiger
bedeckt
4572
etwas ungleicbmäfsiger
bedeckt
22.
2278
blauer Himmel,
wenige Wolken
1214
blauer Himmel
23
1680
dito
2926
24.
3776
ungleicbmäfsig bedeckt
4572
ungleicbmäfsig bedeckt
25. Dezember bis 3. Januar wegen Krankbeit nicht gemessen.
1) Von 10 Uhr angefangen ein ganz an fserge wohnlich dunkler Tag
(nm 11 Uhr vormittags 153 Meterkerzen).
3*
36
Studien zur relativen Photometrie.
Datum
um
9 Uhr
vorm.
Bedeckung des Himmels
um
3 ühr
nachm.
Bedeckung des Himmels
Jan aar
4.
8006
4282
5.
4147
2572
6.
3896
ziemlich ungleicbmäfBig
bedeckt
8520
7.
8.
9.
2572
4572
2890
blauer Himmel
2448
blauer Himmel
10.
2777
ungleichmäfsig bedeckt
11.
8859
4282
'
12.
6477
4572
> ungleichmäfsig bedeckt
13.
2448
5353
14.
3779
ungleicbrnftTsig bedeckt
8859
klar, bläulicher
Himmel
15.
16.
8175
4282
17.
2448
4019
18.
19.
4572
4959
> ungleichmäfsig bedeckt
5643
2777
ungleichmäfsig bedeckt
blauer Himmel
20.
2448
bläulicher Himmel
4572
bläulicher Himmel
21.
4282
ungleichmäfsig bedeckt
2777
blauer Himmel
22.
23.
2688
bläulicher Himmel
24.
3175
4572
blauer Himmel
25.
8257
5956
26.
4572
ungleichmäfsig bedeckt
3667
ungleichmäfsig bedeckt
27.
4572
dito
4572
dito
28.
1898
1898
29.
2159
2159
30.
2159
2088
31.
8896
7512
Februar
1.
6478
Die Tabelle zeigt, dafs — mit Ausnahme des ungünstigsten
Monates: Dezember — die Intensität des Himmelsgewölbes im
Zenit zwischen der 9. Stunde vormittags und der 3. Stunde nach-
mittags sich fast ausnahmslos oberhalb des Wertes von 1500 Meter-
kerzen erhält, ja sogar fast ohne Ausnahme oberhalb des Wertes
Vom Dozenten Dr. Stan. R(iii6ka. 37
von 2000 Meterkerzen : Unter 56 Messungen ergaben nur 3 (5,4%)
Fälle Intensitäten unterhalb 2000 und von diesen dreien nur ein
Fall (1,8%) eine Intensität unterhalb 1500 Meterkerzen.
Im Dezember ergaben die Messungen viel ungünstigere Re-
sultate: Unter 39 Messungen wiesen ganze 19 (= 48,7%) eine
niedrigere Intensität als 2000 Meterkerzeu, von diesen 19 sogar
11 (28,2%) Fälle weniger als 1500, und von diesen noch 3 (7,4%)
weniger als 1000 Meterkerzen.
Kehren wir jetzt zu der vorläufig vorher gemachten Annahme,
dafs wir im Sinne meiner Lichtmessungsmethode als das Minimum
der Taglichtintensität an einem Arbeitsplatze 1% der im Zenit
des Himmelsgewölbes abgelesenen Intensität bezeichnen würden.
Wie gestaltete sich die Taglichtbeleuchtung eines solchen Arbeits-
platzes im Verlaufe der verflossenen Winterperiode?
Im Dezember herrschte unter 39 Fällen 19 mal an diesem
Platze um 9 Uhr vormittags bzw. um 3 Uhr nachmittags eine
geringere Intensität als die minimal zugelassenen 20 Meterkerzen;
sogar 11 mal eine geringere als 15, ja 3 mal eine geringere als
10 Meterkerzen.
Es ist klar, dafs uns auch die Minimalanforderung 1 % für
diese ungünstigste Jahreszeit nicht vor einer bedeutenden Anzahl
von Fällen schützt, in welchen zwischen 9 Uhr vormittags und
3 Uhr nachmittags an den am schwächsten beleuchteten Arbeits-
plätzen die Belichtungsintensität selbst bedeutend unter das zu-
gelassene Minimum sinken würde.
Natürlich genügt es in solchen Fällen, einfach, die künstliche
Beleuchtung anzuwenden. Das kostet natürlich Geld, und es ist
einfach Sache des Kalküls, bis wieweit es vorteilhafter ist, die
ungenügende Taglichtbeleuchtung der Schulzimmer mittels
künstlicher Beleuchtung zu ersetzen, und wieweit man wieder
besser auf seine Rechnung kommt durch Erreichung eines reich-
licheren Taglichtzutrittes mittels erhöhten Bauaufwandes inklusive
der Grundstückbeschaffung, wodurch man einen höheren Minimal-
quotienten für die Taglichtbeleuchtung der dunkelsten Arbeits-
38 Studien zur relativen Photometrie.
platze als 1% erreichen kann.^) Vom rein hygienischen Stand-
punkte mufs man natürHch immer dem TagUcht Vorzug geben.
Auf Grundlage obiger Messungen nehme ich vorläufig^) als
»minimale Tageshelligkeitc 2000 Meterkerzen (im Zenit
des Himmelsgewölbes gemessen) au.
Was die Frage betrifft, auf welche Art es möglich ist zu
ermitteln, wieviel Prozente von der Intensität des Himmelsgewölbes
die an einem bestimmten Arbeitsplatze herrschende Intensität
beträgt, soll folgendes angefülirt werden:
1. Bei einem fertigen Gebäude kann man die von mir in
meiner oben zitierten Arbeit angegebene Methode be-
nutzen. (Gleichzeitige Ablesung der Lichtintensität am
Himmelsgewölbe und am betreffenden Arbeitsplatze.)
2. Wenn erst nur die Pläne eines zu bauenden Gebäudes
vorliegen, so ist der folgende Weg möglich :
Es wird ein teilweises Modell des Gebäudes angefertigt, an
welchem alle den Zutritt des Taglichtes beschränkenden Wände,
Dächer usw. genau ausgeführt wären (dabei sind die ungünstigsten
durch die Bauordnung zugelassenen Verhältnisse und nicht die
gerade vorhandenen zu berücksichtigen.) Im Modell des Ge-
bäudes werden nur die Parterreklassen ausgeführt und in diesen
wieder nur die dunkelsten Arbeitsplätze ; denn es genügt, die un-
günstigsten Plätze zu berücksichtigen : wenn diese den An-
forderungen entsprechen, entsprechen desto besser die günstigeren.
Auf der oberen Fläche der Decke des eben auszumessenden
Raumes wird ein Apparat aufgestellt, welcher durch einen Spiegel
das Bild des Zenitteils des Himmelsgewölbes') in das Auge des
1) Bei der Erhöhung der Minimalforderung auf 1,5 °/o würden von
jenen 89 Fällen nur in 10 die dunkelsten Plätze eine geringere Intensität
als 20, davon nur 3 eine geringere Intensität als 15 Meterkerzen aufweisen.
2) Der definitive Wert soll erst auf Grundlage eines gröfseren Materiales
gewählt werden.
3) Die Messung mufs auf einem freien Platze unter freiem Himmel
ausgeführt werden.
Vom Dozenten Dr. Stan. RiÜiöka. 39
Beobachters reflektiert; ein zweiter Spiegel reflektiert ebenso das
Bild eines weifsen Papierstückchens, welches auf dem zu messenden
Arbeitsplatze liegt (oberhalb des Arbeitsplatzes mufs zu diesem
Zwecke in der Decke eine kleine OfEnung hergestellt sein). Dieses
zweite Bild erscheint dem Auge des Beobachters als ein Fleck
auf dem Bilde des Himmelsgewölbes. Mittels eines kalibrierten
Rauchglaskeiles wird das letztere Bild soweit verdunkelt, bis es
infolge kongruenter Intensität mit dem Bilde des Arbeitsplatzes
eben genau verschwimmt.
Auf der Skala wird dann direkt abgelesen — nach der Ein-
stellung des Keiles — wieviel Prozent von der Intensität des
Himmelsgewölbes diejenige des betreffenden Arbeitsplatzes beträgt.
Die ziemlich schwierige Konstruktion dieses Apparates bildet
den Gegenstand meiner weiteren Arbeit.
Wasserstoffsaperoxyd als Beinigungs- nnd Desinfektions-
mittel im Frisenrgewerbe.
Von
Dr. B. Hilgermann.
(AuB dem Hygienischen Institat der Universität Berlin. Direktor: Geh.
Med.-Rat Prof. Dr. Rubner.)
Bei der Fürsorge zur Verhütung der Übertragung ansteckender
Krankheiten in den öffentlichen Gewerben hat sich in dem
letzten Dezennium die Aufmerksamkeit der Gesundheitsbehörden
auch besonders auf das Friseurgewerbe erstreckt, seitdem wieder-
holt darauf hingewiesen wurde, wieviel ansteckende Krankheiten
in ihrer Entstehung und Weiterverbreitung diesem Gewerbe zu-
zuschreiben seien. Eine gröfsere Anzahl von Städten hat dem-
entsprechende Polizeiverordnungen erhalten, welche den Friseuren
strengste Reinlichkeit und sauberste Reinigung, vor allem Des-
infektion der dabei in Betracht kommenden Gerätschaften vor-
schreiben. Seitdem die Walze und zumeist der Rasierpinsel in
Wegfall gekommen, für das Messer Reinigungsmittel zur Genüge
verwendbar waren, fehlte noch stets für die Bürste, der Haupt-
trägerin vieler Keime, ein genügendes Desinfektionsmittel. Die
vorhandenen und erprobten Verfahren der Desinfektion mittels
Formalin, Alkohol usf. waren teils zu teuer, teils zu zeitraubend,
teils schädigten sie das Bürstenmaterial. Da man die Unmöglichkeit
einer genügenden und billigen Desinfektion einsah, wurden zahl-
Von Dr. R. Hilgermann. 41
reiche Auswege vorgeschlagen. Jeder Kunde z. B. sollte sein
eigenes Friseurbesteck haben, oder für besonders desinfizierte
Bürsten sollte ein kleiner Kostenaufschlag erhoben werden.
Ersterer Vorschlag ist wohl für die sogenannte Stammkundschaft
anwendbar, wie verhält es sich aber mit den Fremden imd mit
denjenigen, die infolge ihres Berufes gezwungen sind, täglich
ihren Wohnort zu wechseln ? Der zweite Vorschlag — betreffend
den Kostenaufschlag für stets vorrätig zu haltende desinfizierte
Bürsten — dürfte gerade durch die wenn auch geringe Ver-
teuerung die meisten vor dem Gebrauch einer derartigen Bürste
abschrecken. Und doch mufs Publikum wie Gesundheitsbehörde
strengste Sauberkeit und Gefahrlosigkeit verlangen können,
anderseits ist auch den Friseuren bilUgerweise nicht zuzumuten,
durch AnschafEung kostspieUger Mittel ihren Verdienst sich
schmälern zu lassen.
Bei Beurteilung dieser Verhältnisse und der diesbezüglichen
vielfachen Neuerungsvorschläge schien es angebracht, vor allem
einmal zu untersuchen, was für Reinigungsmittel der Friseur
selbst verwendet, um den an die Sauberkeit seiner Gerätschaften
gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Mufste doch die
Beantwortung dieser Fragen im positiven oder negativen Sinne
auch für die weitere Benutzung derartiger Mittel von ausschlag-
gebender Bedeutung sein. Ergaben sich nämUch bei einer
Prüfung der Leistungsfähigkeit der zurzeit im Friseurgewerbe
üblichen Reinigungsmethoden befriedigende Resultate, so fiel
damit auch jeder Grund, die Friseure zum Gebrauch neuer
Reinigungsmittel anzuhalten, fort, und würde eine genaue Fest-
setzung der Anwendungsweise der einzelnen Mittel genügt haben,
um einen befriedigenden Ausweg zu sichern.
Im entgegengesetzten Falle mufste gerade von seiten der
Gesundheitsbehörde die Anwendung von Reinigungsmethoden
untersagt werden, die nutzlos, höchstens geeignet sind, eine noch
grölsere Verschmutzung und Infektionsgefahr herbeizuführen.
In bezug auf letzteren Gesichtspunkt war Herr Regierungs-
medizinalrat Nesemann so gütig, mir die am meisten in Frage
konmienden Reinigungsverfahren zugänglich zu machen.
42 Wasserstoffsuperoxyd als Reinigmlgs- u. Dosinfektionsmittel etc.
Die zurzeit gebräuchlichsten Methoden bestehen teils in
einer trockenen Reinigung, teils in einer Waschung der Bürsten.
Von ersterer Art wird besonders das Ausklopfen mit Mehl be-
vorzugt, von letzterer das Auswaschen in Soda- und Salmiakgeist-
lösungen.
Bei einer Nachprüfung dieser Methoden ergab sich, dafs sie
wohl eine leidliche, dem Auge sichtbare Reinigung der Bürsten
zu erzielen imstande sind, doch ist die hierbei erfolgte etwaige
Keimverminderung eine viel zu geringe, als dafs sie den vom
hygienischen Standpunkte aus zu stellenden Anforderungen
hätte entsprechen können.
Noch einen anderen, nicht zu gering einzuschätzenden Nachteil
haben diese Reinigungsarten insofern, als sie sämtlich ziemlich
zeitraubend und umständlich sind, denn nur bei einer leicht zu
handhabenden und schnellen Methode wird sich der Friseur zu
einer öfteren Reinigung seiner Bürsten verstehen wollen.
Eine wirklich befriedigende Lösung dürfte erst dann zu er-
warten sein, sobald dem Friseur ein Mittel zur Verfügung steht,
das für ihn nicht nur als Desinfektions-, sondern auch als Reini-
gungsmittel brauchbar, gleichzeitig billig, völlig geruchlos, un-
giftig ist und die Bürsten nicht schädigt, dabei darf das Ver-
fahren nicht umständlich und zeitraubend sein.
Auf Anregung von Herrn Geheimrat Rubner habe ich
diesbezügliche weitere Untersuchungen gemacht und glaube nun-
mehr in dem Wasserstoffsuperoxyd ein all diesen An-
forderungen genügendes Mittel gefunden zu haben.
Verwendung fand das sog. lOproz. Wasserstoffsuperoxyd
(Marke Schering), das in 100 Gewichtsteilen 3 Gewichtsteile Hg Og
enthält. Auch machte ich Versuche mit dem neuerdings von
Merck in den Handel gebrachten 30proz. Perhydrol. Letzteres
wirkte natürlich bedeutend prompter, doch kann dasselbe seines
hohen Preises wegen kaum in Betracht kommen. Da es sich
aber bei diesen Versuchen um eine allen zugängliche Verwertung
handeln sollte, bezog ich sodann aus den verschiedensten Ge-
schäften das nötige Wasserstoffsuperoxyd, um gleichzeitig die
Von Dr. R Hilgermann. 43
Möglichkeit einer allgemeinen Anwendung in ihren Erfolgen
kontrollieren zu können.
Als Versuchsmaterial diente mir aufser einer grofsen Anzahl
in Gebrauch befindlicher Friseurbürsten noch Bürsten, die ich
mit Staphylokokkenkulturen, einmal auch mit Tricho-
phyton und Favus verunreinigte. Diese Verunreinigimgs-
versuche führte ich in der Weise aus, dafs ich die Bürsten mit
2 — 3 24 Stunden alten Staphylokokkenbouillon-Kulturen übergofs
und sodann durch mehrere Stunden im Brutschrank bei 37^
trocknete.
Die zu reinigenden Bürsten wurden zusammen mit einem
im Gebrauch befindlichen Kamme für wechselnde Zeiten in ver-
schieden starken Lösungen in Standgefäfse gestellt, einige Male
gründlichst durchgekämmt und sorgfältig mit sterilem Wasser
durchspült.
Sowohl vor als nach der Behandlung der Bürsten mit H2O2
wurden stets ca. fünf Borsten aus den verschiedensten Stellen
der Bürsten mit steriler Pinzette herausgezogen, auf sterile Petri-
schalen gelegt und teils mit Gelatine, teils mit Agar übergössen,
oder die Borsten wurden in sterile Bouillon gebracht, um auf
diese Weise die besten Wachstumsbedingungen für vorhandene
Keime zu ermögUchen. Gleichzeitig wurden stets Kontrollplatten
angelegt.
Nach zahlreichen Vorversuchen bin ich zu '■■ dem Resultat ge-
kommen, dafs für die Zwecke des Friseurgewerbes am geeignetsten
eine 5proz. Lösung ist, d. h. die im Handel e>rhältlich6 Stamm-
lösung ist zur Hälfte mit Wasser zu verdünnen. In dieser ver-
bleiben die Bürsten 30 Minuten und werden sodann mit dem be-
treffenden Kamm ausgebürstet. Bei diesem Verfahren blieben
stets die nach der Reinigung angelegten Platten steril oder
zeigten höchstens ausnahmsweise vereinzelte Kolonien, während
die Platten vor der Reinigung massenhaft Kolonien aufwiesen.
Am besten sind die Bürsten in Standgefäfse zu stellen, eventuell
gewöhnliche Wassergläser, während Schalen nicht zu empfehlen sind.
Au&er den Bürsten werden auf diese Weise . gleichzeitig die
Känmie gereinigt.
44 Wasserstoffsuperoxyd als Reinigungs- u. Desinfektionsmittel etc.
Folgende Tabelle zeigt die Endergebnisse:
Yersaeh L
Untersuchnngsmaterial : 5 in tftglichem Gebrauch befindliche Friseurbürsten.
KoDzentra-
Nummer
tionderzur
Einwir-
IKTut.
Bürste vor der
Desinfelctionierfolg
der
Reinigung
verwandten
kungs-
Nähr-
boden
Behandlung mit
nach der Behand-
lung der Bürste
Bürste
H,0,-
I^sung
zeit
H,0,
mit H, 0,
1.
Steril
2.
>
3.
5proz.
30 Min.
Agar,
Auf den Platten
>
4.
Gelatine,
zahlreichste Eo-
>
5.
9
Bouillon
lonienbildung ,
sowohl entlang
den Borsten, als
»
auch im freien
Gesichtsfeld.
Bouillon stark ge-
trübt.
Yersaeh II.
Infektionsmaterial : Staphylokokken.
Nummer
der
Bürste
Konzentra-
tion der zur
Reinigung
verwandten
H,Or
Lösung
Einwir-
kungs-
zeit
Nähr-
boden
Bürste vor der
Behandlung mit
H.O.
Desinfektionserfolg
nach der Behand-
lung der Bürste
mit H, Ot
1.
2.
3.
4.
5.
5 proz.
30 Min.
Agar,
Gelatine,
Bouillon
Auf den Platten
reichlichste Sta-
phylokokken-Ko-
lonien.
Bouillon stark ge-
trübt.
Steril
>
>
>
>
Bei Versuch I und II wurde jede Bürste für sich in einer
stets neu hergestellten Lösung gereinigt, bei dem folgenden
Versuch III hingegen dieselbe Lösung zur Reinigung von drei
verschiedenen Bürsten benutzt. Das bei diesem Versuch erzielte Er-
gebnis zeigt für die Verwendung im Friseurgewerbe, also für die
allgemeine Praxis, dafs in derselben Lösung ohne Beeinträchtigung
des Resultats 2— 3 Bürsten gereinigt werden können. Bedenkt man
aber, dals es sich bei meinen Versuchen stets um arg ver-
Von Dr. E. Hilgermann.
45
nachlAssigte oder absichtlich mit Infektionsmaterial imprägnierte
Bürsten handelte, so würde sich bei steter Anwendung des
Mittels und dementsprechender zunehmender Sauberkeit die
Leistungsfähigkeit derselben Lösung noch erheblich steigern
lassen und hiermit die Auslagen stetig billigere werden.
Yersueh ni«
üntersuchungsmaterial : 3 in tftglichem Gebrauch befindliche Haarbürsten.
Nummer
der
Bürste
KonzeDtra-
tionderzur
yerwandten
IfÖBUOg
Einwir-
kungs-
zeit
Nähr-
boden
Vor der Be-
handlung mit
H,0,
Desinfektionserfolg
nach der Behand-
lung mit H,0,
1.
2.
3.
' 5proi.
30 Min.
Agar,
Gelatine,
Bouillon
135 K.
90 >
105 .
Steril
1 E.
Haben die in vorstehender Tabelle angeführten Versuchs-
reihen bewiesen, dafs bei dieser Art der Reinigung eine gute
desinfizierende Wirkung erzielt wird, so ergibt Versuch IV, dafs
die bei meinen Versuchen verwandte Wasserstoffsuperoxydlösung
vor allem auch eine prophylaktische Wirkung auszuüben im-
stande ist. Mit diesem Nachweis der Prophylaxis ist aber in
der Verhütung der Weiterverbreitung ansteckender Krankheiten
in den öfEentlichen Gewerben ein weiterer Schritt getan.
Yersueh IV.
Üntersuchungsmaterial: 3 mit H,0, yorbehandelte Bürsten.
Infektionsmaterial : Staphylokokken.
Nummer ;
der
Bürste :
1
Konzentra-
tion der zur
Reinigung
verwandten
Lösung
Einwir-
kungs-
seit
Nähr-
boden
Vor der Behand-
lung mit HfOt.
nach der Infek-
tion mit Bta-
phylolcokken
Nach der Be-
handlung mit
H,0,
(DeslnfektionB-
eifolg
Eontroll-
röhrchen
u. Platte
1.
2.
3.
5proz.
30 Min.
Agar,
Gelatine,
Bouillon
Steril
Steril
>
>
+
+
+
46 WasBentoffsuperoxyd als Reihigungs- n. DeeiiifektionBmittel etc.
Um die Desinfektionswirküng der bei obigen Versuchen be-
nutzten Wasserstoffsuperoxydlösung noch eingehender festzustellen
und zu prüfen, machte ich einen Kontrollversuch mit Milz-
brandsporenseidenfäden. Es zeigte sich hierbei, dafs die
5proz. Lösung auch zur Abtötung dieser resistenten Sporen in
verhältnismälsig kurzer Zeit ausreichend ist. Seidenfäden, die
die zur Abtötung der Milzbrandsporen drei Minuten strömendem
Wasserdampf und 24 Stunden Sublimatlösung (1 : 1000) ausgesetzt
werden mufsten, waren nach 50 Minuten langem Verweilen in der
Wasserstoffsuperoxydlösung abgetötet.
Wenn auch die im vorhergehenden mitgeteilten Resultate
die Möglichkeit einer vollkommenen Sterilisierung der als Ver-
suchsmaterial benutzten Friseurbürsten erwiesen haben, so mufs
doch das Wasserstoffsuperoxyd noch andere Eigenschaften be-
sitzen, die den Vorschlag einer eventuellen Einführung desselben
in die Hygiene der Friseurstuben nicht nur als wünschenswert,
sondern vor allem auch als berechtigt erscheinen lassen. Bei
meinen Versuchen bin ich nun zu dem Resultat gekommen, dafs
neben der Keimabtötung vor allem auch gleichzeitig eine gute
Reinigung, selbst der verschmutztesten Bürsten, erzielt wird,
welch letzteres mir auch von Fachleuten bestätigt wurde. Bürsten,
welche vor der Reinigung mit Wasserstoffsuperoxyd eine dichte,
verfilzte Schmutzschicht auf dem Bürstenboden und entlang den
Bürstenbündeln zeigten, waren nach der Reinigung vollständig
von diesen gesäubert.
Mit dem Moment der gleichzeitigen Reinigung und Des-
infektion in kürzester Zeit fällt aber jeder Einwand der Friseure
von einer unnötigen Überlastung oder Inanspruchnahme in sich
zusammen, und kann sodann ein Zwang von selten der Gesund-
heitsbehörde nicht mehr als unbillige Forderung angesehen
werden. Da femer, wie ich oben beschrieben, die Reinigung
nur Bruchteile von Minuten dauert, würde dieses Verfahren
vielleicht schon an und für sich allmählich die Indolenz der
Friseure überwinden können. Dazu kommt, dafs das Wasser-
stoffsuperoxyd sehr billig, völlig geruchlos ist und desodorierend
Von Dr. B. Hilgermann. 47
wirkt. Wie bei Versuch III (vgl. Tabelle) angegeben, ist dieselbe
Lösung für mehrere Bürsten verwendbar, auch ist sie noch nach
mehreren Tagen völlig brauchbar. Das Bürstenmaterial, der
Holzboden, Lack oder die Festigkeit der einzelnen Borstenbündel
hat, abgesehen von ganz minderwertigem Material, niemals eine
Schädigung oder eine Verminderung der Leistungsfähigkeit ge-
zeigt. Die Dehnbarkeit und Reifsbelastuug^) der Borsten habe
ich sowohl vor als nach Anwendung des Wasserstoffsuperoxyds
mit dem Präzisionsapparat geprüft und keinerlei Veränderung
gefunden. Zii erwähnen wäre, dafs allerdings Bürsten mit gelblich-
weifsen Borsten eine allmähliche Bleichung erlitten, jedoch dürfte
dieses in der Praxis der Friseurstuben eher als Vorteil denn
als Nachteil gelten.
Infolgedessen müfste bei seinen vielen einwandsfreien Vor-
zügen das Wasserstoffsuperoxyd sich wohl eignen, die Kalamität
der Friseurstuben in bezug auf Mangel an Reinlichkeit und
Ansteckungsgefahren zu beseitigen. Eine dementsprechende
Verordnung könnte die Friseure dazu anhalten, täglich zwei-
bis dreimal die im Gebrauch befindUchen Bürsten und Kämme
einige Zeit in die in einem gläsernen StandgefäTs oder Wasser-
glas bereitstehende Lösung zu stellen, oder sie wenigstens bei
Schlufs des Geschäftes oder mindestens alle zwei bis drei Tage
nach den oben angegebenen Vorschriften gründlich zu säubern.
Eine Kontrolle wäre jederzeit leicht möglich.
Nicht blofs für das Friseurgewerbe, sondern auch für
Krankenhäuser, Anstalten und gröfsere Betriebe wäre dieser
Modus der Reinigung wohl ein willkommener Ausweg. Denn
nunmehr würden stets vollständig saubere und sterile Bürsten zur
Verfügung stehen, gröfsere Anschaffungsausgaben und Über-
tragungsgefahren aber in Wegfall kommen.
1) Weitere Untersuchungen zu dem in § 2,1 der Bekanntmachung des
Herrn Beichskanzlers vom 28. Januar 1899 für Rofshaarspinnereien usw.
Yorgeschriehenen Desinfektionsverfahren mittelst Wasserdampf. Arbeiten
aus dem Kais. Gesundheitsamt 1901, von Dr. P. M u s e h o 1 d , Oberstabsarzt.
Herrn Regierungsrat Dr. Weber vom Kais. Gesundheitsamt für die
gütige Erlaubnis der Benutzung des Präzisionsapparates ergebenster Dank.
48 Wasserstoffsaperoxyd als BeinigongBinittel etc. Von Dr. R. Hilgermann.
Herrn Geheimen Medizinalrat Dr. Rubner spreche ich für
die gütige Anregung, Herrn Professor Dr. F ick er für seine
Unterstützung bei Abfassung der Arbeit meinen ganz ergebensten
Dank aus. Herrn Regierungsmedizinalrat Dr. Nesemann und
Herrn Geheimen Medizinalrat Dr. Granier bin ich für die
gütige Unterstützung bei BeschafiEung des erforderlichen Materials
zu Dank verpflichtet.
Literatur.
B ruh na, Handbuch d. Hygiene von Dr. Th. Weyl. H. Supplementband,
1902.
Strafe mann, Hygienische Rundschau, 1903, Nr. 5.
Berger, Zentralblatt f. Bakteriologie, 1898, Bd. 28.
Lichtenstein, Deutsche med. Wochenschrift, 1900, Nr. 10.
Blaschko, Berl. kl. Wochenschrift, 1893, Nr. 35.
Rausch, Zentralblatt f. Bakteriologie, 1902, Bd. 31.
Weichselbaum, Münchener med. Wochenschrift, 1898, Nr. 8.
Musehold, Arbeiten aus dem Reichsgesundheitsamt, 1901.
Kolle-Wassermann, Handbuch der pathogenen Mikroorganismen, 1903,
S. 31.
Flu egge, Grundrifs der Hygiene, 1897, S. 46.
Behring, Bekämpfung der Infektionskrankheiten, 1894, S. 98.
Therapeutische Monatsberichte, 1905, 2. Heft
Bemerknngen zur Abhandlnng yon E. Mettler über die
bakterizide Wirkung des Lichtes auf gefärbte Nährböden.
Von
H. V. Tappeinen
Die Art der Besprechung der mit dieser Abhandlung^) in
Beziehung stehenden früheren Arbeiten veranlafst mich zu folgen-
den Bemerkungen:
1. In der Einleitung wird gesagt, dafs diese Untersuchung
durch eine Idee von Dreyer, Gewebe durch Zusatz ge-
wisser Stoffe zu sensibilisieren, veranlafst worden sei. Es
wird hierbei zu erwähnen unterlassen, dafs sämtliche hier-
für grundlegenden Versuche inklusive dem Hinweis auf
Sensibilisierung bereits von anderer Seite 1900 veröffent-
licht wurden.^) Da ich schon einmal genötigt war, gegen
diese historisch unrichtige Darstellung Verwahrung ein-
zulegen und dieselbe von verschiedensten Seiten Zustim-
Tnxing gefunden hat, genügt es, darauf hinzuweisen.
2. In der am Schlüsse folgenden Literaturzusammenstellung ist
die von mi r gemeinsam mit Jodlbauer ausgeführte Unter-
suchung über die Wirkung photodyuamischer(iluoreszieren-
1) Archiv f. Hygiene, Bd. 53, 8. 79.
2) H. ▼. Tappeiner, Über die Wirkung fluoreszierender Stoffe auf
Infusorien nach Versuchen von 0. Baab, Münchener med. Wochenschrift,
1900, Nr. 1.
3) H. y. Tappeiner, Zur Kenntnis der lichtwirkenden (fluoreszierenden)
Stoffe. Deutsche med. Wochenschrift, 1904, Nr. 16.
Archiv f Hygiene, Bd. LIV. 4
50 Bemerkungen lur Abhandlung von £. Mettler etc.
der) StofEe auf Protozoen und Enzyme^) zwar zitiert, im
übrigen aber unberücksichtigt geblieben. Nur so ist es
zu erklären, dafs Ansichten und Behauptungen aufs neue
vorgebracht werden, welche dort experimentell widerlegt
wurden und fundamenteil irrige Sätze Aufnahme finden
konnten, wie der folgende: i Das Ery throsin unterscheidet
sich vom Eosin durch das Fehlen der Fluoreszenz, c
3. Die Darstellung der Beziehungen der photodynamischen
Erscheinung zu Fluoreszenz und Sensibilisierung scheint
mir der wirklichen Sachlage nicht zu entsprechen. Da
ähnliche Auffassung auch bei einzelnen anderen Bear-
beitern dieses Gebietes sich findet, dürfte es angezeigt
sein, den gegenwärtigen Stand der Frage, soweit sie Bak-
terien betrifft, in Kürze zu präzisieren.
Die Frage, ob die photodynamische Erscheinung und die
von H. W. Vogel an Bromsilberplatten entdeckte optische Sensi-
bilisierung identische Vorgänge sind, wurde durch die von
Jodlbauer und mir angestellten Versuche insoferne verneinend
beantwortet, als erstere nach den bisherigen Erfahrungen nur
durch Stoffe bewirkt wird, welche die Eigenschaft haben in
wässeriger Lösung zu fluoreszieren, letztere hingegen auch durch
Stoffe erfolgt, welchen diese Fähigkeit abgeht.
Unentschieden hingegen ist die weitere Frage, ob die photo-
dynamische Erscheinung als Sensibilisierung aufzufassen ist, wenn
man darunter ganz allgemein die Steigerung jedes Prozesses
versteht; der auch durch Licht allein verursacht wird.
Nun wurde durch unsere Untersuchungen 2) ermittelt, dafs
Bacillus prodigiosus, Proteus vulgaris und Bact. acidi lactici durch
verschiedene fluoreszierende Stoffe (Eosin, Erythrosin, Rose bengale,
Phenosaframin, Methylenblau) bei Gegenwart von zerstreutem Tages-
lichte zu einer Zeit (je nach der angewandten Substanz 1 — 7 Tage)
abgetötet werden, in der von einer Wirkung des Lichtes allein
1) D. Arch. f. klin. Medizin, Bd. 80, S. 427—487.
2) A. Jodlbauer u. H. v. Tapp einer, Über die Wirkung photo-
dynamischer (fluoreszierender) Stoffe auf Bakterien. Münchener med.
Wochenschrift, 1904, Nr. 25.
Von H. V. Tappeiner. 61
noch nichts zu bemerken ist. Anderseits steht fest, dafs Licht
allein, insbesondere ultraviolettes Licht, Bakterien zu töten ver-
mag, wenn es sehr intensiv ist. Daraus wird von melureren Au-
toren der Schlufs gezogen, dafs es sich bei der Wirkung der
fluoreszierenden (photodynamischen) Stoffe um eine Steigerung
der einfachen Lichtwirkung handle und somit die Auffassung des
Vorganges als Sensibilisation bewiesen sei. Ich halte diesen Schlufs
nach dem gegenwärtigen Stande der Untersuchungen noch nicht
für berechtigt. Es wird dabei aufser acht gelassen, dafs Tötung
von Bakterien auf verschiedene Weise bewirkt werden kann.
Zwei Vorgänge, die zu demselben Endeffekt führen, dürfen nicht
ohne weiteres als identisch betrachtet werden. Die Berechtigung
hierzu ist erst mit dem Nachweise gegeben, dafs dieser End-
effekt, also die Tötung der Bakterien, in beiden Fällen unter den-
selben Bedingungen erfolgt. Nun ist als notwendige Bedingung
der Abtötung von Bakterien durch fluoreszierende Stoffe die An-
wesenheit von Sauerstoff erkannt.^) Die Frage hingegen, ob
diese Bedingung auch für die Abtötung der Bakterien durch
Licht allein Geltung hat, ist trotz vieler Untersuchungen noch
unentschieden. Der letzte Bearbeiter *'*) derselben verneint dieselbe
geradezu; der erste Satz imResümmee des Resultates seiner Ver-
suche hat folgenden Wortlaut: »Die bakterizide Wirkung des
Lichtes ist nicht in dem Sinne ein Oxydationsprozefs, dafs das Vor-
handensein des Sauerstoffs eine Bedingung für dieselbe ist. Das
Licht vermag nämlich Bakterien zu töten, selbst wenn jede Spur
von Sauerstoff fehlt, und wenn sich während der Belichtung kein
neuer Sauerstoff durch Dekomposition chemischer Stoffe bilden
kann.c
Es unterliegt daher keinem Zweifel, dafs es bei diesem gegen-
wärtigen Stande der Untersuchung nicht zulässig ist, von der
Auffassung der photodynamischen Erscheinung als Sensibilisierung
1) A. Jodlbauer u. H. v. Tappeiner, Die Beteiligung des Sauer-
stofiFs bei der Wirkung fluoreszierender Stoffe. D. Arcb. f. klin. Medizin,
Bd. 82, 8. 520.
2) V. Bie, Ist die bakterizide Wirkung des Licbtes ein Oxydations-
prozefs. Finsens med. Lichtinstitut, 1905, Heft 9, S. 73.
4*
52 Bemerkungen z. Abhandlung v. £. Mettler. Von H. v. Tappeiner.
wie von einer erwiesenen Tatsache zu sprechen, und ich glaube,
es war durchaus gerechtfertigt, die im Münchener Pharmakolo-
gischen Institute entdeckte Lichtwirkung bis zur Klärung ihrer
Beziehungen zu Fluoreszenz und Sensibilisation mit dem nichts
präjudizierenden Namen photodynamische Wirkung zu belegen.
Wie bereits erwähnt, gelten diese Bemerkungen nur für Bakterien. Für
Enzyme dflrfte die Frage nach Untersuchungen von Jodlbauer und mir,
welche an anderer Stelle ausführlich veröffentlicht werden sollen, entschieden
sein. £b sei hier nur eine Versuchsreihe als Beleg angeführt.
Gläserne Gaswaschflaschen, aus einem Stück geblasen, wurden im
Dunkelidmmer zu ca. ^U ^^^ klarer Invertinlösung gefüllt und der überstehende
Luftraum nach sorgfältiger Evakuierung durch Wasserstoff, resp. Sauerstoff,
ersetzt. Nach dem Zuschmelzen wurden die Flaschen unter guter Kühlung
durch Leitungswasser, bedeckt von einer Glasplatte, an zwei aufeinander-
folgenden Tagen von VslO — 5 Uhr dem intensivsten Sonnenlichte (Juli) aus-
gesetzt Zur Kontrolle wurde je eine Sauerstoff- resp. Wasserstoffflasche,
mit doppelter Stanniollage umhüllt, daneben gelegt. Diese Dunkelflaschen
befanden sich also unter denselben Bedingungen, nur der Lichtzutritt war
vollständig ausgeschlossen. Aus sämtlichen Röhren wurden hierauf je 5 ccm
Fermentlösung entnommen, mit 5 ccm 15proz. Rohrzucker versetzt und die
Invertierung nach 4 Stunden mit einem Halbschattenapparate nach Laurent
polarimetrisch bestimmt.
Drehung
<^tebildeter Invertzucker,
wenn vollständige
Invertleraug = 100
gesetzt wird
Wasserstoffflasche, dunkel . .
(y>45'
86,9 •/«
Wasserstoffflascbe, hell'. . .
— 0'> 47'
87,3 o/o
Sauerstoffflasche, dunkel . .
— 0^48'
87,6 •/„
Sauerstoffflasche, hell . . .
+cy>34'
66,7 •/.
Der Versuch ergibt folgendes : Das Ferment wurde in Wasserstoffatmo-
Sphäre durch Sonnenlicht nicht geschädigt, denn seine invertierende Wirkung
ist sogar eine Kleinigkeit grOfser wie in der Dunkelröbre; bei Gegenwart
von Sauerstoff hingegen ist die Schädigung unverkennbar, denn die Inver-
tierung blieb um mehr als einen Grad des Polarimeters zurück. Hiermit
ist anscheinend einwandfrei der Beweis erbrach t, dafs En-
zyme durch Licht nur bei Gegenwart von Sauerstoff merkbar
geschädigt werden, also unter d erselben Bedingung wie bei
Anwesenheit von fluoreszierenden Stoffen. Die Wirkung dieser
Substanzen besteht daher in einer Steigerung dieser Schädigung und kann
als Sensibilisierung im weiteren Sinne des Wortes bezeichnet werden. Die
Steigerung ist allerdings eine sehr grofse, denn bei Zusatz von Eosin unter
denselben Bedingungen (Sauerstoffgegenwart und durch Glas und Wasser
flltriertes Sonnenlicht) war das Invertin nach V4 Stunde nicht blofs deutlich
geschädigt» sondern fast vollständig (zu Ve) vernichtet
Weitere Versuche mit photodynamischen, sensibili-
sierenden Farbstoffen. (Eosin, Erythrosin.)
Prüfung der Wirkung de8 Tageslichtes auf Lebensfähigiceit und
Virulenz von Bakterien, auf Toxine und Antitoxine und auf das
Labferment
Von
Dr. HajiB Huber.
(Aas der bakteriologischen Abteilang des Hygiene-Institutes der Universität
Zürich. Vorstand: Privatdozent Dr. W. Silberschmidt)
In neuerer Zeit hat das Licht in der Medizin immer mehr
an Bedeutung gewonnen. Währenddem klinische Arbeiten darüber
schon in ziemlich grofser Zahl vorliegen, sind die experimentellen
bis jetzt noch ziemhch spärlich.
Met 1 1er (^) hat im hiesigen Institute Versuche über die
bakterizide Wirkung des Lichtes auf mit Eosin, Erythrosin und
Fluoreszein gefärbten Nährböden vorgenommen. Ich habe diese
Versuche fortgesetzt und erweitert; neben der Prüfung der bak-
teriziden Wirkung verfolgten meine Untersuchungen vor allem
den Zweck, den Einflufs des Lichtes auf Virulenz der Bakterien,
auf Toxine und Antitoxine und auf das Labferment eingehend
zu prüfen.
Erster Abschnitt.
Wirkung des Liclites auf Lebensfälligkeit und Viruienz patliogener
Mikroorganismen.
Wie Mettler in seiner Arbeit näher ausführt, wurde die
bakterizide Wirkung des Lichtes schon von einigen Forschem
wie Downes und Blunt(2), Dieudonnö (^), Finsenf*) und
Andern experimentell untersucht. Von den neueren Autoren haben
54 Weitere Versuche mit photodynamisch., sensibilisierend. Farbstoffen etc.
namentlich Tappeiner (^) und seine Schüler, Dreyer(*) und
Bie (^) diese Versuche auf Prüfung der Lichtwirkung bei Zusatz
von photodynamischen oder sensibilisierenden Substanzen ausge-
dehnt. Mettler hat diese Versuche an Choleravibrio, Staphylo-
kokkus pyogenes aureus, Bact. Typhi und Bact. coli weitergeführt
und dabei gefunden, dafs Eosin oder Erythrosin, dem Nährboden
zugefügt, sowohl die entwicklungshemmende als die bakterien-
tötende Wirkung des Lichtes erhöhen. Auch über die Fähigkeit
des Lichtes, die Virulenz der pathogenen Bakterien herabzusetzen,
ja selbst aufzuheben, wurden schon zahlreiche Versuche gemacht.
Arloing(®) impfte verschieden lange Zeit am Sonnenlicht expo-
niert gewesene Anthraxkulturen auf Meerschweinchen. Die mit
den am längsten belichteten Kulturen geimpften Meerschweinchen
blieben am Leben, wenn auch in der Bouillon noch Wachstum
der Bakterien vorhanden war.
Duclaux(^), Palermo (^°) und Chemelewsky (^^) zeigten
die Virulenzherabsetzung an verschiedenen Mikrokokken und
pyogenen Bakterien, d'Arsonval et Charrin^) an Bac. pyo-
cyaneus.
Von Mo m ont P) wurde nachgewiesen, dafs der B. anthracis
die durch Exposition an der Sonne eingebüfste Virulenz wieder
erhielt, indem die exponiert gewesenen Bakterien in Bouillon
weitergezüchtet wurden und sich beim wiederholten Tierexperiment
als virulent erwiesen. Die Milzbrandbazillen waren nach 6^2 Stun-
den Belichtung abgetötet.
Von Santori (") wird behauptet, dafs die Milzbrandbazillen,
ehe sie vom Sonnenlicht getötet werden, eine ächte Abschwächung
erfahren.
Yersuchsanordnung.
Als Lichtquelle wurde bei unseren Versuchen ausschliefslich
Sonnenlicht, bzw. das diffuse Tageslicht benutzt. Die Kulturen
und Lösungen wurden zu diesem Zwecke auf dem Dache des
hygienischen Institutes aufgestellt, das Licht hatte also von allen
Seiten freien, ungehinderten Zutritt.
Die meisten Versuche wurden in gewöhnlichen Glasgefäfsen,
Reagenzröhrchen und in mit Glasdeckel versehenen Schälchen
Von Dr. Hans Haber. 55
ausgeführt. Wir wissen, dafs dadurch ein Teil der wirksamen
Strahlen, namentlich die ultravioletten, zurückgehalten werden;
es wurden deshalb auch einige vergleichende Untersuchungen
mit zugedeckten und offenen Schälchen vorgenommen.
In einigen Versuchen wurde die Exposition in einem Kasten
aus Rubinglas und unter doppelwandigen Glasglocken, mit ver-
dünnten Eosin- resp. Erythrosinlösungen und mit Alaunlösung ge-
füllt, wie Mettler die betreffenden Instrumenteinseiner Arbeit näher
beschreibt, ausgeführt. Die Versuche hatten den Zweck, die Ein-
wirkung des Lichtes zu studieren, nachdem dasselbe rotes Glas
passiert hatte, bzw. durch sensibilisierende Farbstofflösungen
unter möglichster Wärmeausschaltung filtriert worden war. Die
Versuche wurden femer zum gröfsten Teil in offenen, der Luft
zugänglichen Gefäfsen ausgeführt, daneben wurden aber auch
einige vergleichende Experimente im Vakuum, d. h. in zuge-
schmolzenen Röhren unter Luftabschlufs gemacht, da namentlich
die Untersuchungen von Bie(^^), wie auch von anderen, die Be-
deutung des Sauerstoffzutrittes hervorgehoben haben.
Zur Färbung wurden benutzt Eosin (Tetrabromfluoreszein) und
Erythrosin (Tetrajodfluoreszein). Die Färbung wurde durchweg vor-
genommen im Verhältnis von 1 : 1000.
1. Wirkung auf Lebensfähigkeit der Bakterien.
Während Mettler seine Versuche fast nur an Gelatine bzw.
Agarnährböden vornahm, wurden unsere Versuche mit Bouillon-
kulturen resp. Aufschwemmungen in Bouillon ausgeführt. Im
Gegensatz zu Bie wurde stets mit grofsen Mengen von Mikro-
organismen gearbeitet. Wir verwendeten zu unseren Versuchen
zwei pathogene Mikroorganismen und zwar wählten wir einen so-
genannten infektiösen, den Streptococcus pyogenes und einen
toxisch wirkenden, den Diphtheriebazillus. Die verwendete
Kultur des Streptococcus pyogenes war durch eine Anzahl von Tier-
passagen von Herrn Dr. Simon in ihrer Virulenz bedeutend er-
höht worden, so dafs eine Menge von 0,0001 ccm genügte, um
eine Maus zu töten. Der Diphtheriebazillus wurde aus einer
Serumkultur eines Falles von Diphtherie isoliert.
56 Weitere Versache mit photodynamisch., sensihilisiereiid. FarhBto£fen etc.
Es wurden zu jedem Versuche frische Bouillonkulturen einer
Streptokokkenreinkultur resp. Blutserumkulturen einer Rein-
kultur des Diphtheriebazillus verwendet. Die Streptokokken-
bouillonkultur wurde diiekt im Verhältnis von 1 : 1000 mit Eosin
bzw. Erythrosin gefärbt, von der Diphtherieblutserumkultur
wurde eine Aufschwemmung in Bouillon gemacht und dieselbe
dann auf gleiche Weise gefärbt.
Die Exposition im Freien wurde in kleinen, sterilisierten
Doppelschälchen vorgenommen, ebenso wurden Kulturen in Dop-
pelschälchen in schwarzes Papier eingehüllt, unter Lichtabschlufs
zu Kontrollversuchen exponiert.
Nach beendeter Exposition wurden drei Tropfen der betref-
fenden Kultur auf Schrägagar überimpft und die Agarröhrchen
im Brutschrank bei 36 ^ C aufbewahrt. Das Wachstum der Agar-
kulturen wurde sodann mindestens zwei Tage lang beobachtet
und nur deutliche Unterschiede notiert.
Für die Intensität des Wachstums wurden bei den folgenden
Versuchen nachstehende Bezeichnungen gewählt:
-|--|-4- sehr reichliches Wachstum,
+ -f" reichliches Wachstum,
-f- geringes Wachstum,
L einzelne Kolonien,
0 kein Wachstum.
I. Versuche am Tageslichte.
1. Yersnch mit Streptokokken.
26. I. Streptokokkenbouillon wird ungefärbt, mit Eosin bzw. Erythrosin
gefärbt dunkel und am Lichte 1, 3 und 6 Stunden lang exponiert
LichtTorhältnisse : hell, keine Sonne.
Dauer d. Exposition
1 Stunde ' 3 Stunden i
6 Stunden '
; Kontroll nicht
1 exponiert
Wachstum am . .
I.Tag
2. Tag
I.Tag
2.Taß| I.Tag
2. Tag
1 I.Tag
2 Tag
Bouillon ungefärbt
Bouillon mit Eosin
gefärbt ....
Bouillon mit Ery-
throsin gefärbt .
+ +
-f-r
-1-4-
-t-4--F
0
0
0
0
+ + -1-
0
0
0
0
+ 4-h
-i- + -i-
++ +
+ + +
Von Dr. Hans Haber.
57
2. Yenaeh mit Bliihtherlebarilleii.
27. I. Diphtheriebouillon wird angef&rbt, mit Eosin bzw. Erythrosin
gefärbt daokel and am Lichte 1, 3 und 5 Standen lang exponiert
LichtTerhältnisse : Sonne, seitweise trübe.
Daaer d. Exposition
1 Stande
8 Standen
5 Standen
Kontroll Dicht
exponiert
Wachstam am . .
l.Tag
2. Tag
l.Tag
2. Tag
l.Tag
2. Tag
l.Tag
2. Tag
Boaillon angefibrbt
+
+ +
+
-f+
0
+
++-f
++-I-
Bouillon mit Eosin
gefärbt ....
1 +
+ +
0 j L
0
0
+ + +
++ +
Boaillon mit Ery-
1
throsin gefärbt .
1 +
+ +
0
L
0
0
+++
-f++
II. Vergleichende Versuche am Tageslichte und unter
dem Rubinglaskasten.
8. Yersaeh mit IHphtheriebäzillen.
2. II. Diphtherieboaillon wird angefärbt, mit Eosin resp. Erythrosin
gefärbt, direkt am Lichte 2, 3 and 4 Standen lang and anter Rabinglas-
kasten 6, 12, 18 and 24 Standen lang exponiert
Lichtverhältnisse: Sonne, zeitweise trübe.
a) Exposition am Tageslicht.
Dauer d. Exposition
2 Stunden
8 Stunden
4 Stunden
Kontroll
Wachstam am . .
l.Tag
2. Tag
l.Tag
2, Tag
l.Tag
2. Tag
l.Tag
2. Tag
Boaillon angefärbt
+
+
L
+
0
+
+ +
+++
Boaillon mit Eosin
gefiLrbt ....
0
L
0 L
0
0
-h-^
-r + +
Boaillon mit Ery-
1
throsin gefärbt .
0
0
0
0
0
0
+ +
+ + +
b)Ex]
Position
unter Ru
binglask
asten.
Dauer d. Exposition
6 Std.
1. T.
12 Std.
18 Std.
24 Std.
1. T.
Kontroll
Wachstam am . .
1. T.
1. T.
1. T.
Boaillon angefärbt
Boaillon mit Eosin
gefärbt ....
Boaillon mit Ery-
throsin gefärbt .
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+++
+ +
+ +
+
+ +
+ +
L
+ + +
+++
+++
58 Weitare Venache mit photody namisch ., senBibilisierend. Farbstoffen etc.
4. Yenneli mit Stre|»tokokkeB.
3. II. Streptokokkenbonillon wird angefärbt, mit Eosin resp. Erythrosin
gefärbt, direkt am Lichte 2, 4 ond 6 Standen lang and anter Rabinglas-
kasten 6, 12, 18 and 24 Standen lang exponiert.
Lichtverhältnisse: Sonne, zeitweise trübe.
a) Exposition am Tageslicht.
Daaer d. Exposition
2 Standen
4 Stunden
6 Standen Kontroll
Wachstam am . .
I.Tag
2. Tag
1. Tag 2. Tag
I.Tag 2. Tag I.Tag 12. Tag
Boaillon angefärbt
^+-f-f
-^+-f
+
+ r-f
+
-f-^ +■[-+ ++-
Bouillon mit Eosin
r
gefärbt ....
, +
■h-h
0
0
0
0 -r+-l-
-f- + +
Boaillon mit Ery-
,
throsin gefärbt .
■■ 0
1
L
0
0
0
0 ■ r H- -
-h-h-f
b) Exposition anter Rubinglaskasten.
Dauer d. Exposition ■■ 6 Std.
12 Std.
18 Std.
24 Std.
Kontroll
Wachstum am . . 1. T.
1. T.
1. T. 1. T.
1. T
Bouillon angefärbt i -f- H- -f-
Bouillon mit Eosin
gefärbt .... 1 + + +
Bouillon mit Ery- |
throsin gefärbt . !| + + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
++
+
+ +
+
L
+ + +
+ + +
+ + +
III. Vergleichende Versuche bei Luftzutritt und bei
Luftabschlufs.
5. Yersueh mit Diphtheriebazilien.
4. II. Diphtheriebouillon wird ungefärbt, mit Eosin resp. Erythrosin
gefärbt, bei Luftzutritt in Doppelschälchen und bei Luftabschlufs in ge-
schlossenen Glaszylindern nach Absaugen der Luft exponiert, 4 Stunden lang.
Lichtverhältnisse : Sonne.
Wachstum bei
Luftzutritt am ii Luftabschlufs am
1 1. Tag 2. Tag 1. Tag
2. Tag
Bouillon ungefärbt . . . ' L
) mit Eosin gefärbt , 0
milEfythrosingef. I 0
ü
0
+ +
+ +
+
+ + +
+ 4- +
+ + +
Von Dr. Hans Haber.
59
6. Yenneh mit Blphtheriebazillen.
17. n. Diphtherieboaillon wird ungefärbt, mit Eosin resp. Erythrosin
gefärbt, unter Laftzatritt in Doppelschälchen und unter Luftabachlufs in
zugeschmolsenen Pipetten 4 und 10 Stunden lang exponiert
Lichtverhältnisse: Sonne, zeitweise trübe.
Dauer der Exposition .
Wachstum am
4 Stunden
I.Tag
10 Stunden
2. Tag 1. Tag
Kontroll
2. Tag 1. Tag
2. Tag
Bouillon ungefärbt bei
Luftzutritt ....
Bouillon mit Eosin ge-
färbt bei Luftzutritt .
Bouillon mit Er3rthro8in
gefäibt bei Luftzutritt
Bouillon ungefärbt bei
LuftabschluXs . . .
Bouillon mit Eosin gef.
bei Luftabschlufs . .
Bouillon mit Erythrosin
gef. bei LuftabschlulB
+
L
L
+ +
+
+
+ +
+
+
+ +
+
0
0
L
L
+ '■ + +
L
L
+
+
+
+ +
+ + +
+++
+-■+
IV. Vergleichende Versuche in offenen undbedeckten
Schälchen.
7. Yersuch mit Streptokokken.
8. n. Streptokokkenbouillon wird ungefärbt, mit Eosin resp. Erythrosin
gefärbt, in offenen und bedeckten Schälchen 4 Stunden lang exponiert
Lichtverhältnisse : Sonne.
Wachstum in
Bouillon ungefärbt . . .
> mit Eosin gefärbt
> mit Erythrosin
gefärbt
offenen
Schälchen
1 Tg.
+ +
0
0
2 Tg.
+ +
L
bedeckten
Schälchen
1 Tg.
f+4
2 Tg.
+
+
8. Yenaeh mit Streptokokkan.
9. II. Streptokokkenbouillon wird ungefärbt, mit Eosin reap. Erythrosin
gefärbt, 3 and 5 Standen lang in offenen und bedeckten Schalchen exponiert.
lichtverhftltniBse : trüb, etwas Sonne.
60 Weitere Vereache mit photodynamisch., sensibilisiereiid. Farbstoffen etc.
Daaer der Exposition .
Wachstum am ....
3 Stunden
I.Tag
2. Tag
Kontroll
I.Tag
2. Tag
Bouillon ungefärbt in
offenen Schälchen
Bouillon mit Eosin gef.
in offenen Schälchen
Bouillon mit Erythrosin
gef. in off. Schälchen
Bouillon ungefärbt in
bedeckten Schälchen
Bouillon mit Eosin gef. in
bedeckten Schälchen .
Bouillon mit Er3rthro8in
gef. in bed. Schälchen
+ +
+ +
0
+ +
+ +
+
++-f
0
+ +
+
+
+ + 0
0
+
L
+
0
+ +
+
L
+ +
] + +
+ +
+ +
+ +
+ +
Resümee. Unter den angegebenen Versuchsbedingungen
wurden Streptokokken und Diphtheriebazillen durch das Sonnen-
licht bzw. diffuse Tageslicht nach etwa 5 — 6 Stunden Belich-
tung in ihrer Weiterentwicklung gehemmt. Wurde die Kultur
mit Eosin oder mit Erythrosin gefärbt, so erfolgte die Abtötung
schon nach 2 — 3 Stunden Belichtung.
Passieren die Lichtstrahlen vor ihrer Einwirkung auf das
Substrat rotes Glas, so tritt die bakterizide Wirkung des Lichtes
nicht deutlich ein, d. h. es läfst sich dann selbst nach 24 stün-
diger Belichtung an den ungefärbten Kulturen keine, an den ge-
färbten nur eine teilweise Wachstumshemmung konstatieren. Ein
Vergleich mit der Wirkung des direkten Lichtes ist nicht mög-
lich, da eine genaue Messung der Lichtinteusität unter dem
Rubinglaskasten nicht vorgenommen worden ist.
Wie frühere Versuche schon ergeben haben, beweisen auch
unsere Resultate, dafs der Luftzutritt die bakterizide Wirkung
des Lichtes bedeutend erhöht. Wurde der Sauerstoff der Luft
abgehalten, so blieb auch nach länger dauernder Belichtung die
bakterizide Wirkung des Lichtes aus oder war dieselbe eine sehr
geringe.
Von Dr. Hans Haber. 61
Die Einwirkung der Wärme war bei unseren Versuchen
jedenfalls sehr gering, indem dieselben in den Monaten Januar
und Februar vorgenommen wurden, wo ja die Wärmeproduktion
des Sonnenlichtes bei relativ starker Lichtintensität noch eine
geringe ist.
2. Wirkunsr auf Virulenz der Bakterien.
Die folgenden Versuche wurden in gleicher Weise wie die
vorher beschriebenen mit Bouillonkulturen bzw. Aufschwem-
mungen von virulenten Streptokokken und Diphtheriebazillen vor-
genommen.
Mit den Streptokokkenkulturen wurden sodann weifse Mäuse
subkutan am Rücken injiziert, die Diphtheriebazillenaufschwem-
mungen wurden Meerschweinchen subkutan am Bauche einge-
spritzt. Zugleich mit diesen Injektionen wurden jeweils drei
Tropfen der betreffenden Kultur auf Schrägagar überimpft, um
die Wirkung des Lichtes auf Entwicklungshemmung und auf
Virulenzschwächung nebeneinander beobachten zu können. Es
wurden auch stets Kontrollinjektionen, wie angegeben, mit nicht
belichteten Kulturen vorgenommen.
L Versuche mit Diphtheriebazillen.
») Exposition am Tageslicht.
30. I. Diphtheriebazillenaufschwemmang wird angefärbt, mit Eoain
bsw. Eryihrosin gefärbt dunkel and 1, 2Vs und 4 Standen am Tageslicht
exponiert. Die 4 Standen exponierte Kultur wird zum Tierversuch benutzt
LichtTerhältnisse : trüb, keine Sonne.
Tierversuch abends 5 Uhr.
Meerschweinchen Nr. 1, 165 g schwer.
Subkutane Injektion von 2,0 ccm Diphtheriebouillon, ungefärbt, nicht
exponiert
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 2, 175 g schwer.
Subkutane Injektion von 2,0 ccm Diphtheriebouillon mit Eosin gefärbt,
nicht exponiert.
Tod nach 2 Tagen.
62 Weitere Versache mit photody namisch., senBibiliaierend. Farbstoffen etc.
Meerschweinchen Nr. 3, 180 g schwer.
Subkutane Injektion von 2,0 ccm Diphtherieboaillon mit Erythrosin ge-
färbt, nicht exponiert.
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 4, 185 g schwer.
Sabkatane Injektion von 2,0 ccm Diphtherieboaillon angefärbt, 4 Stan-
den exponiert.
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 5, 175g schwer.
Subkutane Injektion von 2,0 ccm Diphtherieboaillon mit Eosin gefärbt,
4 Stunden exponiert
Tod nach 9 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 6, 175 g schwer.
Subkutane Injektion von 2,0 ccmDiphtheriebouillon mit Erythrosin ge-
färbt, 4 Stunden exponiert.
Bleibt am Leben.
Bei allen gestorbenen Tieren werden durch Sektion die für Diphtherie
typischen Veränderungen : subkutanes pseudomembranöses ödem, Rötung
der Nebennieren und kulturell Diphtheriebazillen nachgewiesen.
b) Exposition am Tageslicht und unter Rubinglaskasten.
16. U. Diphtheriebazillenaufschwemmung wird ungefärbt, mit Eosin
bzw. Erythrosin gefärbt, 4 Stunden direkt am Lichte, 7 und 14 Stunden
unter Rubinglaskasten exponiert
Lichtverhältnisse : Sonne, zeitweise trübe.
17. U. Tierversuch abends 5 Uhr.
Meerschweinchen Nr. 7, 210 g schwer.
Subkutane Injektion von 2,0 ccm mit Erythrosin gefärbter, nicht ex-
ponierter Diphtheriebouillon-Kontroll.
Tod nach 2Vi Tagen.
Meerschweinchen Nr. 8, 215 g schwer.
Subkutane Injektion von 2,0 ccm ungefärbter, 4 Stunden direkt ex-
ponierter Diphtheriebouillon.
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 9, 200 g schwer.
Subkutane Injektion von 2,0 ccm mit Eosin gefärbter, 4 Stunden direkt
exponierter Diphtheriebouillon.
Bleibt am Leben.
Von Dr. Hans Haber.
63
Meerschweinchen Nr. 10, 220g schwer.
Sabkutane Injektion von 2,0 ccm mit Erythrosin gefärbter, 4 Standen
direkt exponierter Diphtherieboaillon.
Bleibt am Leben.
Meerschweinchen Nr. 11, 680g schwer.
Sabkatane Injektion von 2,0 ccm ungefärbter Diphtherieboaillon,
14 Standen anter Rabinglaskasten exponiert.
Tod nach 2Va Tagen.
Meerschweinchen Nr. 12, 570 g schwer.
Sabkatane Injektion von 2,0 cc m mit Eosin gefärbter Diphtherieboaillon
14 Standen anter Rabinglaskasten exponiert
Tod nach 27, Tagen.
Meerschweinchen Nr. 13, 520 g schwer.
Saboktane Injektion von 2,0 ccm mit Erythrosin gefärbter Diphtherie-
boaillon^ 14 Standen anter Rabinglaskasten exponiert.
Tod nach 8 Tagen.
Bei allen gestorbenen Tieren wird darch Sektion and kaltarellen Ver-
sach Diphtherie als Todesursache nachgewiesen.
Das Wachstum auf Agar gibt folgende Resultate:
Yersueh a.
Dauer d. Ezpoeiüon
1 Stunde
2 V, Stunden
4 Stunden
Kontroll
Wachatam am . .
I.Tag
2. Tag
I.Tag
2. Tag
I.Tag
2. Tag
ITag
2. Tag
Bonillon nngef&rbt
Boaillon mit Eoein
gef&rbt ....
Bouillon mit Ery-
throsin gefftrbt .
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
+
+
+ +
+
+ +
1 +
0
+ +
+ +
L
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
Yersneh b.
Exposition am Tageslicht
4 Stunden
Kontroll
Wachstum am . . .
1. Tag
2. Tag
1. Tag
2. Tag
Bouillon ungefärbt .
Bouillon mit Eosin
gefärbt
Bouillon mit Erythro-
sin gefärbt . . .
+ +
0
0
+ +
0
0
1
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
64 Weitere Versnche mit photodynamisch., sensibilisierend. Farbstoffen etc.
ExpoBitton unter Rubingl
kästen ....
Wachstam am
7 Standen
1. Tag 2. Tag
14 Stunden
1. Tag 2. Tag
Kontvoll
1. Tag 2. Tag
Bonillon angefärbt . .
Bonillon mit Eosin ge-
färbt
Bouillon mit Erythrocin
gefärbt
+ + ! ++ + +
+ + ++ 'I +
+ ++I++ +
+ +
+++i++-f
II. Versuche mit Streptokokken.
a) Exposition am Tageslicht
31. I. Streptokokkenbouillon wird ungefärbt, mit Eosin, bsw. Erythrosin
gefärbt dunkel und IVs« 3, 4</i und 6 Stunden am Tageslicht exponiert.
Die 3 Stunden exponierte Kultur wird anm Tierversuch benutzt
Lichtverhältnisse: trüb, zeitweise etwas Sonne.
Tierversuch abends 6 Uhr.
Maus Nr. 1.
Subkutane Injektion von 0,1 ccm ungefärbter, nicht exponierter
Bouillon.
Tod nach 2 Tagen.
Maus Nr 2.
Subkutane Injektion von 0,1 ccm mit Eosin gefärbter, nicht exponierter
Bouillon.
Tod nach 2 Tagen.
Maus Nr. 3.
Subkutane Injektion von 0,1 ccm mit Erythrosin gefärbter, nicht expo-
nierter Bouillon.
Tod nach 2 Tagen.
Maus Nr. 4.
Snbkutane Injektion von 0,1 ccm ungefärbter, 3 Stunden exponierter
Bouillon.
Tod nach 2 Tagen.
Maus Nr. 5.
Subkutane Injektion von 0,1 ccm mit Eosin gefärbter, 3 Stunden expo-
nierter Bouillon.
Bleibt am Leben.
Maus Nr. 6.
Subkutane Injektion von 0,1 ccm mit Erythrosin gefärbter, 3 Stunden
exponierter Bouillon.
Bleibt am Leben.
Bei allen gestorbenen Mäusen werden durch Überimpfung des Herz-
blutes auf Schrägagar und mikroskopische Untersuchung Streptokokken nach-
gewiesen.
Von Dr. Uana Haber.
65
b) Exposition anter Rabinglaskasten.
13. n. Streptokokkenbonillon wird angefärbt, mit Eosin bzw. Ery-
throflin gefärbt 7 and 14 Standen unter Rabinglaskasten exponiert.
LicbtTerhflItnisse : Sonne, zeitweise trQbe.
14. n. Tierversach abends 4 Uhr.
Maas Nr. 7.
Sabkatane Injektion von 0,1 ccm angefärbter nicht exponierter Boaillon-
Kontroll.
Tod nach 1 Tag.
Maas Nr. 8.
Sabkatane Injektion von 0,1 ccm angefärbter Boaillon, 14 Standen
anter Rabinglaskasten exponiert
Tod nach IV, Tag.
Maas Nr. 9.
Sabkatane Injektion von 0,1 ccm mit Eosin gefärbter Boaillon, 14 Stan-
den anter Rabinglaskasten exponiert
Tod nach 1 Tag.
Maas Nr. 10.
Sabkatane Injektion von 0,1 ccm Boaillon, mit Erythrosin gefärbt,
14 Standen anter Rabinglaskasten exponiert.
Tod nach IV, Tagen.
Bei allen gestorbenen Mänsen werden kaltarell im Herzblat Strepto-
kokken nachgewiesen.
Das Wachstam aaf Agar ergab folgende Resultate:
Yersneh a.
Dauer d. Exposition
IVs Stunden
3 Standen
Wachstam am . .
1. Tag 2. Tag
1. Tag
2. Tag
Boaillon angefärbt .
Bouillon mit Eosin
gefärbt ....
Boaillon mit Erythro-
sin gefärbt . . .
+ + +
1
++
+ + +
+ +
L
+ + +
+
L
+ + +
+
Dauer der Exposition
Wachstam am
4V, Standen
1. Tag ± Tag
6 Stunden
Kontroll
1. Tag 2. Tag
I.Tag
2. Tag
Boaillon angefärbt . .
Boaillon mit Eosin ge-
färbt
Boaillon mit Erythrosin
gefärbt
++
+
0
ArehiT rOr Hygiene. Bd. UV.
++• .; L
+
L
0
L H-++J4++
5
66 Weitere Veraache mit photodynamiBch., sensibilisierend Farbstoffen etc.
Tersaeh b.
Daaer der Exposition .
7 Stunden
14 Stnnden
Kontroll
Wacbstom am ... .
I.Tag
2. Tag
I.Tag
2. Tag
I.Tag
2. Tag
Bouillon ungefärbt . .
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
Bouillon mit Eosin ge-
färbt ......
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
Bouillon mit Erythros! n
i
gefärbt
+ +
1
+ +
L
L
+ +
+ +
c) Prüfung der Virulenz von exponierten Streptokokkenkulturen.
Diese Versuche wurden unternommen, um festzustellen, ob ein Strepto-
kokkus, welcher nach Exposition am Lichte Tiere nicht mehr tötete, obschon
die Kulturen noch Wachstum ergaben, dauernd abgeschwächt ist.
1. Tersaeh«
12. V. Streptokokkenbouillon wird ungefärbt, mit Eosin resp. Erythrosin
gefärbt dunkel und am Lichte 2, 4 und 6 Stunden exponiert.
Die Exposition wird, um die Verdunstung der Kulturen bei der ziem-
lich intensiven Sonne zu vermeiden, statt in Doppelschälchen wie gewöhn-
lich in Reagenzröhrchen vorgenommen, wo die Wirkung des Lichtes weniger
deutlich ist
Lichtverhältnisse: Sonne.
18. V. Tierversuch mittags 11 Uhr.
Maus Nr. 1.
Subkutane Lijektion von 0,1 ccm mit Erythrosin gefärbter, nicht expo-
nierter Bouillon-Kontroll.
Tod nach 2 Tagen.
Maus Nr. 2.
Subkutane Injektion von 0,1 ccm mit ungefärbter, 6 Stunden expo-
nierter Bouillon.
Tod nach 4 Tagen.
Maus Nr. 8.
Subkutane Injektion von 0,1 mit Eosin gefärbter, 6 Stunden exponierter
Bouillon.
Bleibt am Leben.
Maus Nr. 4.
Subkutane Injektion von 0,1 ccm mit Erythrosin gefärbter, 6 Stnnden
exponierter Bouillon.
Bleibt am Leben.
Bei den gestorbenen Mäusen werden durch Sektion und kulturellen
Versuch im Herzblute Streptokokken nachgewiesen.
Von Dr. Hans Haber.
67
Das Wachstam auf Agar ergab folgendes Resaltat:
Daner d. Exposition
2 Stunden
4 Stunden
6 Stunden
Kontroll
Wachstnm am . .
I.Tag
2. Tag
I.Tag
2. Tag
I.Tag
2. Tag
I.Tag
2. Tag
1
Bonillon ungefärbt
+ +
+ +
+ +
+ +
+
:
+ ■
Bouillon mit £k>8in
1
1
gefärbt ....
+ +
+ +
+
+ +
L
+ ,
Bouillon mit Ery-
!
throsin gefärbt .
+ +
+ +
L
~f~
0
0
■I-4- +
+++
2. Yersuch.
15. V. Die von den 6 Stunden exponiert gewesenen Streptokokken
kulturen aus Versuch 1, welche für die damit injizierten Mäuse nicht mehr
oder abgeschwächt virulent waren, angelegten Agarkulturen werden zur
Weiterzüchtung auf Bouillon überimpft. Die von der ungefärbten und von
der mit Eosin gefärbten exponierten Kultur herrührende Bouillon ist stark
getrübt, die von der mit Er3rthrosin gefärbten exponierten Kultur herrührende
zeigt kein Wachstum.
16. V. Tierversuch mittags 2 Uhr.
Maus Nr. 1.
Subkutane Injektion von 0,1 ccm Bouillon, herrührend von ungefärbt
exponiert gewesener Streptokokkenkultur.
Tod nach 2 Tagen.
Maus Nr. 2.
Subkutane Injektion von 0,1 ccm Bouillon, herrührend von mit Eosin
gefärbt exponiert gewesenen Streptokokkenkultur.
Tod nach 2 Tagen.
Bei den gestorbenen Mäusen werden durch kulturellen Versuch im
Herzblut Streptokokken nachgewiesen.
Resümee. Der Zusatz von sensibilisierenden Farbstoffen
hat nicht nur auf das Wachstum, sondern auch auf die
Virulenz der pathogenen Mikroorganismen einen sehr deut-
lichen Einflufs. Es stellte sich heraus, dafs sehr virulente Strepto-
kokkenkulturen, welche in Mengen von 0,0001 ccm Mäuse eben
noch sicher töteten, selbst in einer Menge von 0,1 ccm nicht
mehr den Tod der Versuchstiere hervorrufen, wenn sie, mit Eosin
oder mit Erythrosin vermengt, 3 — 4 Stunden lang am Tageslicht
exponiert wurden, während die ungefärbte exponierte Kultur in
der Menge von 0,1 ccm, ähnlich wie die nicht exponierte, unge-
färbt und gefärbte wirkte, also rasch den Tod der Tiere herbei-
68 Weitere Versacbe mit photodynamisch., sensibilisierend. Farbstoffen etc.
führte. Ähnliches ergaben die Versuche mit Diphtheriebazilleu
an Meerschweinchen. Während eine Bouillonauf seh wemmung
einer Serumkultur, in der Menge von 2,0 ccm ungefärbt dem
Lichte 4 Stunden exponiert, das Tier innerhalb 2 Tagen tötete,
wirkte die exponierte Kultur nicht mehr tödtlich, wenn sie vorher
mit Eosin oder Erythrosin versetzt worden war.
Bei den Versuchen unter dem Rubinglaskasten konnte kon-
statiert werden, dafs die durch rotes Glas filtrierten Lichtstrahlen
die Virulenz von Bakterien ebenso wenig abzuschwächen ver-
mögen als ihre Entwicklungsfähigkeit und zwar selbst bei tage-
langer Exposition.
Wie dies schon von anderen Autoren beobachtet worden ist,
haben auch unsere Versuche ergeben, dafs die Abschwächung
bzw. das Verlorengehen der Virulenz früher eintritt als die
vöUige Abtötung der Bakterien. Einzelne exponierte, sensibili-
sierte Kulturen ergaben noch Wachstum, währenddem die inji-
zierten Tiere am Leben blieben; immerhin beweisen die ange-
führten Resultate, dafs Wachstumshemmung und Virulenzabnahme
Hand in Hand gehen.
Sehr interessant ist auch das Resultat des letzten Versuches,
dafs nämlich durch Weiterzüchtung einer exponierten Kultur von
virulenten Streptokokken, welche die damit injizierte Maus nicht
mehr getötet hatte, eine Kultur erhalten wurde, die sich wieder
als voll virulent erwies; wir konnten also eine dauernde Ab-
schwächung in diesem einen Versuche nicht nachweisen.
Zweiter Abschnitt.
Wirkung des Lichtes auf Toxine und Antitoxine.
Kitasato (^^) hat in seinen experimentellen Untersuchungen
über Tetanusgift die Einwirkung des Lichtes auf dasselbe durch
zahlreiche Tierversuche genau geprüft. Er fand, dafs das Filtrat
einer Bouillonkultur von Tetanusbazillen durch Aufstellen am
Fenster bei zerstreutem Tageslichte allmählich seine Wirksamkeit
verlor; es dauerte aber lange Zeit, bis die Giftwirkung vollständig
Von Dr. Hans Huber. 69
verschwand. Durch Aufstellen direkt an Sonnenlicht verlor das
Tetanusgift erst nach 15 — 18 Stunden vollständig seine Wirksamkeit.
Das Diphtheriegift erwies sich atmosphärischen Einflüssen,
also auch dem Lichte gegenüber, widerstandsfähiger.
Tizzoni und Cattani(^^) fanden ebenfalls, dafs Sonnen-
licht imstande ist, das Tetanustoxin bald unwirksam zu machen,
namentlich wenn der Zutritt des SauerstofEes der Luft leicht
möglich war.
Auch Fermi und Celli (^^) konstatierten, dafs das Tetanus-
gift, dem direkten Sonnenlichte ausgesetzt, wobei die Temperatur
zwischen 40 — 50® schwankte, nach 8 Stunden zerstört wurde.
Bei einer Temperatur von nicht mehr als 37 ® blieb das .Gift, an
der Sonne exponiert, 15 Stunden lang wirksam.
Tappeiner und Jodlbauer (^^) haben die Wirkung des
Lichtes auf mit fluoreszierenden StofEen gefärbtes Diphtherietoxin
und Tetanustoxin geprüft. Bezüglich der Versuche mit Diph-
therietoxin schreibt Tappeiner: »Man sieht, dafs der Zusatz
von Eosin im Dunkeln auf das Toxin nicht ganz ohne Einflufs
war, in gleicher Weise wie der Zutritt des Lichtes im Glas ohne
Eosin. Die Schädigung ist indes in beiden Fällen unbedeutend,
nur bei der einfachen und doppelten letalen Dosis in Form einer
Verzögerung des letalen Ausganges von ^{2 — 1 Tag bemerkbar.
Wahrhaft erstaunlich aber ist die Wirkung auf das Toxin durch
Ek)sin am Lichte. Sämtliche Tiere bis inklusive den mit der
120 fachen Dosis letalis injizierten blieben vollkommen normal, c
Die 1 — lOfache dosis letalis des Tetanustoxins wird ertragen
bis auf lokalen Tetanus, die 25 fache Dosis ist letal.
Eine mit Tetanusantitoxin durchgeführte gröfsere Versuchs-
reihe ergab eine analoge Wirkung auf Antitoxine.
Schon früher hatte Tappeiner P®) gezeigt, dafs Rizin, in
Lösung mit etwas Eosin, 14 Stunden zerstreutem Tageslicht aus-
gesetzt, sein charakteristisches Agglutinationsvermögen für rote
Blutkörperchen vollkommen verloren hatte, während eine ebenso
lang exponierte, einfache Rizinlösung und eine mit Eosin ver-
setzte, im Dunkeln aufbewahrte Lösung unverändert wirksam
waren.
70 Weitere Versuche mit photodynamiscb., senBibiliBierend. Farbstoffen etc.
In den folgenden Versuchen wurde Diphtherie toxin und
Antitoxin, das wir der Freundlichkeit des Berner Seruminstitutes
verdanken, benutzt, femer Tetanustoxin und Antitoxin, das wir
von den Höchster Farbwerken bezogen.
Das Diphtherietoxin, ohne und mit Zusatz von Antitoxin,
wurde Meerschweinchen von durchschnittlich 150 — 200 g Gewicht
subkutan am Bauche injiziert. Da die Wertigkeit der Präparate
nicht angegeben war, wurde dieselbe experimentell festgestellt
und dabei gefunden, dafs 0,05 ccm Toxin den Tod der Ver-
suchstiere in ca. 48 Stunden herbeifährte. Wurde 0,5 ccm Toxin
einer Menge von 0,005 ccm Antitoxin beigefügt, das Gemisch ca.
1 Stunde lang aufbewahrt und dann injiziert, blieben die Tiere
am Leben ; bekamen sie in gleicher Weise 0,5 ccm Toxin und
0,001 ccm Antitoxin, starben sie nach ca. 48 Stunden.
Die Wertigkeit des Höchster Tetanustoxin war angegeben
für 1,0 g festes Toxin = 150000000+Ms, die des flüssigen Teta-
nusantitoxins war diejenige eines fünffachen Normalserums, also
sollte 0,1 ccm Antitoxin 0,15 g Toxin neutralisieren. In unseren
Versuchen waren wir genötigt, mit ziemlich höheren Dosen von
Toxin und etwas kleineren von Antitoxin zu arbeiten.
Die Wirksamkeit des Tetanustoxins wurde an Mäusen und
Meerschweinchen erprobt und dabei gefunden, dafs bei Mäusen
0,0000125 ccm Toxin innerhalb zweimal 24 Stunden den Tod an
Tetanus herbeiführte, bei Meerschweinchen 0,00025 ccm inner-
halb 36 Stunden. Eine mit 0,00125 ccm Toxin + 0,001 ccm Anti-
toxin injizierte Maus starb nach ca. 18 Stunden, eine mit einem
gleich wie oben hergestellten Gemenge von 0,001 ccm Toxin
-|- 0,0005 ccm Antitoxin injizierte blieb am Leben.
Die zu injizierenden Mengen wurden durch Verdünnen des
Diphtherietoxins und Serums mit steriler Bouillon, die des Te-
tanustoxins und Serums durch Auflösen, resp. Verdünnen mit
sterilem Wasser hergestellt. Die Toxine und Antitoxine wurden
im Freien exponiert und zwar teils ungefärbt, teils mit Eosin I^/qq
gefärbt, daneben wurden immer Kontroilösungen direkt exponiert.
Die Exposition fand teils in bedeckten, gewöhnlich in unbedeckten
Glasschälchen statt.
Von Dt. Hans Haber. 71
Die Versuche wurden immer mit sehr grofsen Mengen Toxin,
bzw. Toxin und Antitoxin ausgeführt behufs Erlangung un-
zweideutiger Resultate.
I. Exposition von Toxinen am Tageslichte.
L Tersneh mit Dlphtherietoxiii.
27. IV. Diphtherietozin wird ungefärbt und mit Eosin ge&rbt dunkel
und am Tageslichte in bedeckten und offenen Doppelschälchen 4 Stunden
exponiert
Lichtverhältniase : 2 Stunden Sonne, 2 Stden trüb.
Tierversuch. Abends 4 Uhr.
Meerschweinchen Nr. 1.
Subkutane Injektion von 0,05 ccm Diphtherietoxin, ungefib*bt, nicht
exponiert.
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 2.
Subkutane Injektion von 0,06 ccm Diphtherietoxin, mit Eosin gefärbt
nicht exponiert
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 8.
Subkutane Injektion von 0,05 ccm Diphtherietoxin, ungefärbt, in be-
deckter Schale exponiert.
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 4.
Subkutane Injektion von 0,05 ccm Diphtherietoxin, mit Eosin gefärbt,
in bedeckter Schale exponiert
Bleibt am Leben.
Meerschweinchen Nr. 5.
Subkutane Injektion von 0,05 ccm Diphtherietoxin, unge&rbt, in offener
Schale exponiert
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 6.
Subkutane Injektion von 0,05 ccm Diphtherietoxin, mit Eosin gefärbt,
in offener Schale exponiert.
Bleibt am Leben.
Bei allen gestorbenen Tieren werden bei der Sektion die für Diphtherie
typischen Veränderungen gefunden.
72 Weitere Versuche mit photodynamiscb., seDBibilisierend. FarbstoflFen etc.
2. Tergueli mit Tetanustoxin.
3. V. Tetanustoxin wird ungefärbt und mit Eosin gefärbt dunkel und
am Tageslichte 4 Stunden exponiert.
Lichtverhältnisse : Sonne, zeitweise trüb.
Tierversuch abends 4 Uhr.
Meerschweinchen Nr. 1.
Subkutane Injektion von 0,00025 ccni Tetanustoxin, ungefärbt, nicht
exponiert
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 2.
Subkutane Injektion von 0,00025 ccm Tetanustoxin, mit Eosin gefärbt,
nicht exponiert.
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 3.
Subkutane Injektion von 0,00025 ccm Tetanustoxin, ungefärbt, exponiert.
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 4.
Subkutane Injektion von 0,00025 ccm Tetanustoxin, mit Eosin gefärbt,
exponiert.
Bleibt am Leben.
Der Tod aller drei gestorbenen Tiere trat unter deutlich tetanischen
Symptomen ein.
II. Exposition von Antitoxinen am Tageslichte.
3. y ersuch mit Diphtherieantitoxin«
10. V. Diphtherieantitoxin wird ungefärbt und mit Eosin gefärbt dunkel
und am Tageslichte 4 Stunden exponiert. Das exponierte Antitoxin wird
im Dunkeln aufbewahrt gewesenem Diphtherietoxin beigemischt, ca. 1 Stunde
stehen gelassen und dann injiziert.
Lichtverhältnisse : Sonne.
Tierversuch abends 5Vs Ubr.
Meerschweinchen Nr. 1.
Subkutane Injektion von 0,0025 ccm Antitoxin, ungefärbt, nicht exponiert
-{-0,25 ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Meerschweinchen Nr. 2.
Subkutane Injektion von 0,0025 ccm Antitoxin, mit Eosin gefärbt,
nicht exponiert -\- 0,25 ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Von Dr. Hans Huber. 73
Meerschweinchen Nr. 3.
Sabkatane Injektion von 0,0025 ccm Antitoxin, angefärbt, exponiert
+ 0,25 ccm Toxin.
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 4.
Sabkatane Injektion von 0,0025 ccm Antitoxin, mit Eosin gefärbt,
exponiert -{-Oßb ccm Toxin.
Tod nach 2 Tagen.
Die Krankheitssymptome traten bei diesem Tiere etwas früher ein als
bei Nr. 3.
Die Sektion der gestorbenen Tiere ergibt die für Diphtherie typischen
Veränderangen.
4. Yersueh mit Tetaansantitoxin.
10. V. Tetanusantitoxin wird angefärbt und mit Eosin gefärbt dunkel
und am Tageslichte 4 Stunden exponiert. Das exponierte Antitoxin wird
mit im Dunkeln aufbewahrt gewesenem Tetanustoxin vermischt, ca. 1 Stande
stehen gelassen und dann injiziert.
Lichtverhältnisse: Sonne.
Tierversuch abends 5 Uhr.
Maas Nr. 1.
Subkutane Injektion von 0,0005 ccm Antitoxin, ungefärbt, nicht exponiert
+ 0,001 ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Maas Nr. 2.
Subkutane Injektion von 0,0005 ccm Antitoxin, mit Eosin gefärbt» nicht
exponiert -|- 0,001 ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Maus Nr. 3.
Subkutane Injektion von 0,0005 ccm Antitoxin, nicht gefärbt, exponiert
-f 0,001 ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Die Maus xeigt die ersten Tage nach der Injektion leichte tetanische
Symptome.
Maus Nr. 4.
Subkutane Injektion von 0,0005 ccm Antitoxin, mit Eosin gefärbt,
exponiert -|- 0,001 ccm Toxin.
Tod nach 3 Tagen.
Der Tod des gestorbenen Tieres erfolgte anter deutlichen Erscheinungen
von Tetanus.
in. Exposition von Antitoxinen am Tageslichte und
unter Rubinglaskasten.
5. Yersiieli mit Diphtherieantitoxin.
17. V. Exposition von Diphtherieantitoxin, ungefärbt und mit Eosin
gefärbt unter Rubinglaskasten und am Tageslichte 4 Stunden. Dem exponierten
Antitoxin wird nicht exponiertes Diphtherietoxin zugefügt, die Mischung
ca. 1 Stande stehen gelassen and dann injisiert
74 Weitere Venache mit photod juamüch., aennbilisierend. Farbstoffen etc.
LichtverhJÜtniflBe : Sonne.
Tlenrersoch abends 4 Uhr.
Meerschweinchen Xr. 1.
Babkatane Injektion von 0,0025 ccm Antitoxin, nngettrbt, anter Bnbin-
glaskasten exponiert 4~ ^i^ ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Meerschweinchen Xr. 8l
Sabkatane Injektion von 0,0025 ccm Antitoxin mit Eoein gefftrbt, anter
Babinglaskasten exponiert -rO;25 ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Meerschweinchen Xr. 3.
Babkatane Injektion von 0,0025 ccm Antitoxin, angefärbt, direkt
exponiert -|-0,25 ccm Toxin.
Tod nach 2 Tagen.
Meerschweinchen Nr. 4.
Babkatane Injektion von 0,0025 ccm Antitoxin, mit Eoein gefftrbt^ direkt
exponiert -)- 0,25 ccm Toxin.
Tod nach 2 Tagen.
Die Sektion der gestorbenen Here ergab die fflr Diphtherie typischen
Verftnderangen.
6. Tenvfh mit TetannsaatitexiB.
14. V. Exposition von Tetanosantitoxin, angefärbt and mit Eosin gefftrbt,
unter Babinglaskasten nnd am Tageslicht 4 Standen. Das exponiert ge-
wesene Antitoxin wird vermischt mit nicht exponiertem Tetanostoxin, ca.
1 Stande stehen gelassen and dann injiziert.
Lichtverhftltnisee : Sonne.
Tierversach abends 47] ühr.
Maas Nr. 1.
Sabkutane Injektion von 0,0005 ccm Antitoxin, nicht gefftrbt, anter
Babinglaskasten exponiert -f- 0,00125 ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Maas Nr. 2.
Subkutane Injektion von 0,0005 ccm Antitoxin, mit Eosin gefiUbt, unter
Babinglaskasten exponiert -|- 0,00125 ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Maus Nr. 3.
Subkutane Injektion von 0,0005 ccm Antitoxin, ungefftrbt^ direkt exponiert
4- 6,00125 ccm Toxin.
Bleibt am Leben.
Maus Xr. 4.
Subkutane Injektion von 0,0005 ccm Antitoxin, mit Eoein gefftrbt, direkt
exponiert -{- 0,00125 ccm Toxin.
Tod nach 1 * ', Tagen.
Der Tod der Maus erfolgte unter deutlichen tetamschen Symptomen.
Von Dr. Hans Haber. 75
Resümee. Aus den mitgeteilten Versuchen erhellt, dafs
die Wirksamkeit von Diphtherie- und Tetanustoxin durch eine
Exposition am Tageslichte von 4 Stunden herabgesetzt wird und
dafs diese Einwirkung besonders an dem mit Eosin gefärbten
Toxin gegenüber dem nicht gefärbten zutage tritt, so dafs eine
für das betreffende Tier mindestens 100 fach letale Dosis nicht
mehr tödlich wirkt, sondern höchstens noch vorübergehende
Vergiftungssymptome bewirkt, wie dies an den mit Tetanus in-
jizierten Tieren etwa beobachtet wurde.
Auch auf die Diphtherie- und Tetanusantitoxine war deut-
lich der schädigende EinfluTs des Lichtes mit und ohne Zusatz
eines sensibilisierenden Farbstoffes zu erkennen, indem die mit
nicht exponiertem Antitoxin plus Toxin injizierten Tiere nicht
erkrankten und am Leben blieben, während das exponierte Anti-
toxin unter denselben Bedingungen eine Neutralisierung des
Toxins nicht mehr herbeizuführen im stände war.
Im Gegensatz hierzu vermochte das unter dem Rubinglas-
kasten exponierte Diphtherie- und Tetanusantitoxin die Wirkung
seines entsprechenden Giftes vollständig zu neutralisieren.
IV. Einwirkung des Lichtes auf die hämolytische
Wirkung von Tetanustoxin.
M a d s e n (^^) hat interessante Versuche angestellt über die
schädigende Wirkung des Tetanustoxins, bzw. des Tetanolysins
auf rote Blutkörperchen, wobei er fand, dafs diese schädigende
Wirkung durch Tetanusantitoxin unter gewissen Versuchs-
bedingungen aufgehoben wurde. Unsere Versuche bezweckten
nun, nachdem die zerstörende Beeinflussung des Tetanustoxins
und Antitoxins am Lichte an Tierexperimenten konstatiert war,
diese Lichtwirkung auch noch an hämolytischen Versuchen zu
erproben.
1. Yersueh.
15. V. Tetanustoxin, angefärbt und mit Eosin l^oo gefärbt, ebenso
Antitoxin, werden teils an der Sonne 4 Stunden, teils dunkel exponiert.
Tetanusantitoxin wird direkt einem halben ccm einer ca. 5proK. Kanin-
chenblut- Aufschwemmung beigefügt and dann Toxin zugesetzt, so dafs zuerst
76 Weitere Veraache mit photodynamisch., sensibilisierend. Farbstoffen etc.
Antitoxin mit dem Blnte ca. 12 Standen im Kontakt gelassen, nachher mit
physiologischer Kochsalzlösung ausgewaschen und dann das Toxin beigegeben
wird.
Es bedeutet:
4" + + starke Hämolyse,
-{--{- mittelstarke >
-f- schwache >
0 keine >
Das Besultat war nach 12 Stunden folgendes:
Blutlösung mit 0,01 ccm Tetanustoxin nicht exponiert . . .
> -|- Eosin nicht exp.
> exponiert
> -{~ ^sin exponiert . .
Tetanusantitoxin nicht exponiert
Tetanustoxin
Tetanusantitoxin u. Eosin nicht exp.
Tetanustoxin
Tetanusantitoxin exponiert
Tetanustoxin
Tetanusantitoxin -\- Eosin exponiert
Tetanustoxin
Kontroll nicht exponiert
-{- Eosin > >
mit Antitoxin 0,1 ccm Kontroll
» > 0,1 > -|- Eosin exponiert
>
0,01 *
>
0,01 *
»
O.Ol >
>
0,1 >
+
0,01 »
mit 0,1 >
+
0,01 »
mit 0,1 >
+
0,01 .
mit +
0,1 .
+
0,01 >
+++
++
+
0
0
+
++
0
0
0
0
2. Yersueh.
17. n. Die 4 Stunden am Sonnenlicht exponiert gewesenen Lösungen
werden heute noch 2 Stunden bei wenig Sonne exponiert, der Versuch dann
in gleicher Weise wiederholt
Die Resultate nach 12 Stunden waren folgende:
Blutlösung mit 0,01 ccm Tetanustoxin nicht exponiert . . .
> 4~ ^8in nicht exp.
» exponiert
> -|- Eosin exponiert . .
Tetanusantitoxin nicht exponiert
Toxin
Tetanusantitoxin -f Eosin nicht exp.
Toxin
Tetanusantitoxin exponiert
Toxin
Tetanusantitoxin 4~ Eosin exponiert
Toxin
» 0,01 »
> 0,01 »
» 0,01 »
» 0,1 >
+ 0,01 >
mit 0,1 »
+ 0.01 >
mit 0,1 »
+ 0,01 .
mit 0,1 >
+ 0,01 >
I +++
■+++
+
0
0
+
Von Dr. Hans Haber. 77
Resümee. Die wenigen hier angeführten Versuche er-
geben, dals die hämolytischen, bzw. antihämolytischen Eigen-
schaften des Tatanustoxins und Antitoxins durch Exposition
am Lichte ähnUch beeinflufst werden wie die rein toxischen
bzw. antitoxischen Eigenschaften. Die Wirksamkeit der be-
treffenden Lösungen wird auch hier bei Zusatz von sensibili-
sierenden Farbstoffen viel stärker abgeschwächt.
Dritter Abschnitt.
Wirkung des Lichtes auf das Labferment.
Von verschiedenen Seiten wurde die Lichtwirkung auf
Enzyme untersucht und zwar machten schon Downes und
Blunt(22) Versuche mit Invertinlösungen, welche längere Zeit
dem SonnenUchte ausgesetzt waren. Dieselben zeigten nachher
eine erhebUch geringere Fähigkeit, Rohrzucker in Traubenzucker
umzuwandeln, als die im Dunkeln aufbewahrten KontroUproben.
Fermi und Pernoni(^) glaubten ebenfalls in ihren
Untersuchungen gefunden zu haben, dafs Lösungen von Pepsin
und Trypsin im Sonnenlicht mehr abgeschwächt werden als beim
Aufbewahren im Dunkeln.
Eine sichere Wirkung des Sonnenlichtes auf Chymosin (Lab)
und Maltase (Hefenextrakt) beobachtete Emmerling. (^^)
Tappeiner (2<*) veröffentUchte 1903 und in Gemeinschaft
mit Jodlbauer(^) 1 904 interessante Mitteilungen über die
Wirkung des SonnenUchtes auf Enzyme bei Anwesenheit fluores-
zierender Stoffe. Er fand regelmäfsig, dafs Eosin die Verzuckerung
der Stärke in bedeutendem Mafse hemmte, wenn die betreffende
Lösung von Diastase dem gewöhnlichen Tageslicht ausgesetzt war.
Im Dunkeln war das Eosin ohne jede Einwirkung, ebenso
war Tageslicht für sich allein ohne Einflufs. Die Wirkung trat
nicht ein bei Filtration der Lichtstrahlen, indem man das zu-
tretende Licht vorher eine Lösung des im Versuch stehenden
fluoreszierenden Stoffes von 10 cm Schichtdicke passieren läfst
78 Weitere Versacbe mit photod3mainl8ch., sensibiliBierend. Farbstoffen etc.
Das zweite untersuchte Enzym war das Invertin, das sich
ähnlich wie Diastase verhält. Auch die Wirkung des eiweifs-
verdauenden Papayotin wurde durch Eosin im Lichte gehenmit.
Schmidt-Nielsen (2^ benutzte zu seinen Versuchen mit
Chymosin das konzentrierte, elektrische Bogenlicht; die Belichtung
geschah in Quarzkammem. Er hatte nämlich gefunden, dafs
das Sonnenlicht und das nicht konzentrierte Licht von elektrischen
Bogenlampen nur von schwacher Wirkung auf Enzyme war,
femer dafs die wirksamen ultravioletten Strahlen nicht durch-
drangen, wenn eine klare Glasplatte vor die Versuchskammer
eingeschoben wurde. Das Chymosin büfste durch Belichtung
mit konzentriertem, elektrischem Bogenlichte an Wirksamkeit
ein. Versuche mit Erythrosin und Belichtung in der Quarz-
kammer mit durch Glasfilter filtriertem, konzentriertem Lichte
waren negativ.
Zu unseren Versuchen wurde ebenfalls das leicht erhältliche
Labferment (Chymosin) benutzt. Dasselbe eignete sich für die
Versuche auch deshalb besonders, weil man in der Zeit des
EintrefiEens der Gerinnung von damit versetzter Milch unter den
gewöhnlichen Versuchsanordnungen ziemlich genaue Werte be-
kam. Es wurde zu den beschriebenen Versuchen eine 1 proz. Lab-
lösung benutzt, welche mittels Auflösen einer käuflichen Lab-
tablette in 100 ccm gewöhnlichen Wassers erhalten wurde. Da
die Lösung nicht haltbar ist, wurde zu jedem Versuche eine
frische Lösung hergestellt.
Diese Lablösung wurde nun in Reagenzröhrchen teils direkt,
teils mit einer P/qq E}osin- resp. Erythrosinlösung versetzt,
im Freien exponiert. Ebenso wurden die betrefiEenden Lösungen
in Reagenzröhrchen mit schwarzem Papier umhüllt, also unter
Lichtabschlufs zu Kontrollversuchen exponiert.
Für die Prüfung der Gerinnungsfähigkeit dieser Lablösungen
wurden dieselben frischer, ungekochter Milch beigefügt und zwar
1 ccm Lablösung auf 100 ccm Milch.
In einigen Versuchen wurde auch Milch der Einwirkung
des Lichtes ausgesetzt und nachher mit exponierten und nicht
Von Dr. Hans Haber.
79
exponierten Lablösungeu die Gerinnungsfähigkeit derselben unter-
sucht. Die Milch wurde dazu in grofsen Doppelschalen un-
gefärbt und mit I^Jqq Eosin- bzw. Erythrosinlösung versetzt
exponiert. Die Prüfung der Milchgerinnung durch Lab wurde
teils im Schaf f er scheu, teils in einem nach diesem konstruierten
gröfseren Apparate, einem viereckigen Blechkasten mit 20 Ö£E-
nungen für Bechergläser bei einer Temperatur von etwa 37 ** C
vorgenommen.
Es wurde bestinunt, innerhalb welcher Zeit bei den ver-
schiedenen Gemischen eine deutliche Gerinnung der Milch ein-
trat und diese Zeit in Minuten notiert.
L Versuche mit Lab und Milch ohne und mit Zusatz
von Eosin.
100 ccm Milch werden mit 1 ccm Lablösung vermengt; die Zahlen
geben die Minaten an, welche zwischen Labzusatz and Gerinnung ver-
streichen. In den folgenden Tabellen wird die Vorbehandlang von Milch
und von Lab (exponiert, nicht exponiert; ungefärbt, mit Eosin gefärbt) mit-
geteilt
18. I. Lab, ungefärbt und mit Eosin gefärbt, Milch ungefärbt und mit
Eosin gefärbt, werden dunkel und am Lichte 6 Stunden exponiert.
Lichtverhältnisse: trüb, keine Sonne.
Milch
TAb
Lab
exponiert
Tiab nicht expon.
(Kontroll)
1. nicht exponiert 1
ungefärbt j
ungefärbt ....
mit Eosin gefärbt .
6
8
6
8
2. nicht exponiert \
mit Eosin gefärbt )
ungefärbt ....
mit Eosin gefärbt .
16
20
12
16
3. exponiert
•
ungefärbt J
ungefärbt ....
mit Eosin geerbt .
18
26
12
24
4. exponiert \
•
mit Eosin gefärbt )
ungefärbt ....
mit Eosin gefärbt .
55
120
55
65
80 Weitere Versache mit photodynamiBch., senBibilisierend. Farbstoffen etc.
IL Versuche mit Lab und Milch, ungefärbt und mit
Zusatz von Erythrosin.
19. I. Lab, angefärbt und mit Erytbrosin gefärbt, Afilch angefärbt and
mit Er3rthro8in gefärbt, werden dankel and am Lichte 6 Standen exponiert
LichtverhältniBBe: trübe, keine Sonne.
Milch
TAb
exponiert
Lab
nicht expon.
(Kontroll)
1. nicht exponiert
>
angefärbt J
1
angefärbt ....
mit Erytbrosin gef.
8
65
8
10
2. nicht exponiert \
mit Erythr. gefärbt [
angefärbt ....
mit Erythrosin gef.
15
nach 100 Min.
keine
Gerinnunir
15
20
3. exponiert
•
ungefärbt
angefärbt ....
mit Erythrosin gef.
18
70
18
30
4. exponiert \
mit Erythr. gefärbt [
angefärbt ....
mit Erythrosin gef.
80
nach 140 Min.
keine
(Jerinnung
70
110
in. Vergleichende Versuche mit getrennt und mit
gemeinsam exponierten Lab- und Farbstofflösungen.
26. I. Exposition von 1 7oo I^blösang, 1 ^/^ Eosinlösang getrennt und
1 7oo Lablösung gemeinsam mit 1 ^oo Eosinlösang dankel und 4 Standen am
Tageslichte.
Lichtverhältnisse : Sonne, zeitweise trübe.
1
Milch
Lab
TAb
exponiert
Lab
nicht expon.
(Kontroll)
nicht exponiert
ungefärbt
1
>
ungefärbt ....
mit Eosin gefärbt )
getrennt exponiert |
mit Eosin gefärbt 1
zusammen exponiert )
14
12
120
12
12
15
20. I. Exposition von IVo Lablösung, l®/oo Erythrosinlösang, getrennt
and 17o Lablösung gemeinsam mit 1^« Erythrosinlösang dankel und am
Tageslichte 6 Standen.
Von Dr. Hans Huber.
81
Lichtverhältnisse : trüb, keine Sonne.
Milch
Lab
Lab
exponiert
Lab
nicht expon.
(Kontroll)
nicht exponiert
ungefärbt
L
angefärbt
mit Kr3rtbroBin gefärbt 1
getrennt exponiert /
mit Erythrosin gefärbt 1
zusammen exponiert |
12
16
75
12
15
18
IV. Versuch mit 12 Stunden aufbewahrter Lablösung.
21. L Die am 20. I. 6 Stunden exponierten liösungen werden über
Nacht, ca. 12 Stunden, im Eisschrank aufbewahrt und heute nochmals auf
ihre Wirksamkeit geprüft.
Milch
Lab
TAb
exponiert
Lab
nicht expon.
(Kontroll)
nicht exponiert
angefärbt
ungefärbt
mit Erythrosin gefärbt 1
getrennt aufbewahrt J
mit Erjrthrosin gefärbt \
zusammen aufbewahrt /
14
18
100
12
15
22
V. Versuche mit Exposition der Lablösungen bei
Luftzutritt und Luftabschluls.
3. II. Lab, ungefärbt und mit Eosiu resp. Erythrosin gefärbt, wird
teils in Beagenzröhrchen unter Luftzutritt, teils unter Laftabschlufs in ge-
schlossenen Glaszylindern nach Absaugen der Luft 4 Stunden exponiert.
Lichtverhältnisse: Sonne, zeitweise trübe.
Nicht exponierte Milch wird versetzt mit:
Lab
bei Luftzutritt
exponiert
bei Luftabschl.
exponiert
nicht exponiert
1
ungefärbt
mit Eosin gefärbt . .
mit Erythrosin gefärbt
10
Nach 120 Min.
1 keine Gerinnung
Nach VJü) Min.
keine Gerinnung
10
120
120
10
12
20
6. II. Milch ungefärbt und mit Eosin rosp. Erythrosin gefärbt, wird
teils in offenen Glaszylindern unter Luftzutritt, teils unter LuftabHchlufs in
geschlossenen Glaszylindern nach Absaugen der Luft 4 Stunden exponiert.
Lichtverhältnisse : Sonne.
Archiv für Hygiene. Bd LIV. 6
82 Weitere Versuche mit photodynamiacb., sensibilisierend. Farbstoffen etc.
Nicht exponiertes Lab wird zugefügt:
Milch
i
bei Luftzutritt
exponiert
bei Luftabschl.
exponiert
nicht exponiert
ungefärbt
mit Eosin gefärbt . .
mit Erythroain gefärbt
18
60
60
15
35
35
12
30
30
VI. Versuche u nter der Eosin-resp. Erythros! ng locke.
30. L Lab ungefärbt und mit Eosin bzw. Erythrosin gefärbt, werden
teils unter der Eosin- resp. Erylhrosinglocke , teils direkt am Tageslichte
3 Stunden exponiert.
Lichtverhältnisse: trüb, keine Sonne.
Nicht exponierte Milch wird versetzt mit:
Lab
unter Eosin-
Glocke exp.
unter Erythr.-
Glocke exp.
direkt exp. nicht exp.
ungefärbt ....
mit Eosin gefärbt .
mit Erythrosin gef.
10
15
10
15
10
40
40
8
10
10
10. IL Wiederholung des obigen Versuches bei Exposition 4 Stunden
am Sonnenlichte.
Nicht exponierte Milch wird versetzt mit:
Lab
unter Eosin-
Glocke exp.
unter Ery thr.-
Glocke exp.
direkt exp.
nicht exp.
1
ungefärbt ....
mit Eosin gefärbt .
mit Erythrosin gef.
12
Nach 120 Min.
«Jorinnuiig beg.
14
Nach 120 Min,
(jerinnung beg.
14
Nach 120 Min.
k. (ierinnung
Nach 120 Min.
k. Gerinnung
10
10
10
Resümee. Aus den mitgeteihen Versuchen ist ersichtlich,
dafs die Wirksamkeit einer Lablösung durch Exposition am Lichte,
namentlich bei Zusatz von sensibilisierenden Farbstoffen, bedeutend
abgeschwächt wird. Während z. B. eine bestimmte Lablösung,
im Dunkeln aufbewahrt, die Gerinnung der Milch nach 8 — 10 Mi-
nuten bewirkte, war die Wirksamkeit einer am Lichte exponierten,
mit Eosin oder Erythrosin gefärbten Lösung unter denselben Be-
dingungen um eine bis mehrere Stunden verzögert. Der Unterschied
zwischen nicht gefärbter und sensibilisierter Lösung war bei der
Exposition auch hier sehr deutlich, noch gröfser als zwischen der
Von Dr. Hans Huber. 83
nicht exponierten und exponierten farblosen Lablösung, während
zwischen der im Dunkeln aufbewahrten ungefärbten und der ge-
färbten Lösung nur ein geringer Unterschied nachweisbar war.
Es wurde auch Milch der Einwirkung des Lichtes ausgesetzt,
um festzustellen, ob die Gerinnungsfähigkeit derselben nach dem
Lichteinflufs verändert wird. Auch hier stellte sich hieraus, dafs,
währenddem die nicht exponierte gefärbte Milch ungefähr gleich
rasch zur Gerinnung gebracht wurde als die nicht gefärbte, die
mit Eosin resp. Erythrosin gefärbte Milch nach Exposition viel
langsamer gerinnt als die sensibilisierte, nicht exponierte.
Weitere Versuche sollten feststellen, ob durch getrennte Ex-
position und nachherige Vermengung von Farbstoff und Lab-
lösung der Einflufs ein ähnlicher war. Es stellte sich aber heraus,
dafs die exponierte Eosinlösung auch hier nur dann wirkt, wenn
sie schon während der Exposition mit dem Lab vermengt ist.
Wurde die exponierte Lablösung über Nacht aufbewahrt und
erst etwa 12 Stunden nach der Exposition nochmals auf ihre
Wirksamkeit geprüft, so waren die Resultate ähnlich lautend wie
in den gleich nach der Exposition vorgenommenen Untersuchungen,
so dafs eine nachträgliche Zunahme der Wirksamkeit einer ab-
geschwächten Lablösung nicht angenommen werden kann.
Der Einflufs des Luftzutrittes bei der Abschwächung der
exponierten, sensibilisierten Lablösung war auch hier nachweisbar,
obschon nicht so deutlich wie bei den früher beschriebenen bak-
teriziden Versuchen und bei denjenigen auf Virulenzschwächung.
Die Versuche unter der Eosin- und Erythrosinglocke ergaben,
dafs ungefärbte Lablösungen, welche durch Eosin- oder Erythrosin-
licht belichtet wurden, nicht stärker verändert werden als unge-
färbte, dem direkten Lichte ausgesetzte Lösungen. Die unter
Eosin- resp. Erythrosinglocke exponierten, sensibilisierten Lab-
lösungen verhielten sich ungefähr wie die direkt exponierten ge-
färbten. Entsprechend der etwas schwächern Lichtintensität war
auch hier die Abschwächung der Wirksamkeit eine etwas geringere.
Aus unseren Versuchen geht hervor, dafs das diffuse Tages-
licht, noch mehr aber das Sonnenlicht von schädigendem Einflufs
i
84 Weitere Versuche mit photodynamisch., sensibilisierend. Farbstoffen etc.
auf Wachstum und Virulenz patliogeuer Mikroorganismen (Strepto-
coccus pyogenes und Diphtheriebacillus) , auf Tetanus- und
Diphtherietoxin sowie deren Antitoxine und auf Labferment ist.
Immerhin mufs hier hervorgehoben werden, dafs die bakterizide
und die giftzerstörende Wirkung des Tages- bzw. Sonnenlichtes
bei der von uns gewählten Versuchsanordnung keine so starke
ist, wie häufig angenommen wird. Wiederholt konnten wir in
unseren in den Monaten Januar, Februar und Mai ausgeführten
Versuchen nachweisen, dafs trotz zweistündiger Exposition am
Sonnenhchte Diphtheriebazillen und Streptokokken, Tetanus- und
Diphtlierietoxine ihre Virulenz bzw. Giftigkeit noch nicht einge-
büfst hatten. In einigen Fällen konnte selbst nach 5 — 6 stündiger
Exposition am Sonnenhcht weder die bakterientötende noch
toxinzerstörende Wirkung desselben nachgewiesen werden. Viel
schneller und frappanter tritt diese Wirkung ein, wenn das zu
beHchtende Medium vorher mit einer 1 ^/qo Eosin- oder Erythrosin-
lösung, also einem sogenannten photodynamischen oder sensibi-
lisierenden Farbstoffe gefärbt wird. Wie Mettler gezeigt hat,
rufen auch geringere Konzentrationen dieser Farbstoffe diese
Wirkung hervor, es dürfen aber nicht beliebige Farbstoffe, sondern
eben nur sensibilisierende sein.
Aus weiteren Versuchen geht hervor, dafs Lichtstrahlen,
welche durch Rubinglas filtriert werden, also »rotes Lichte, keine
oder nur unbedeutende Wirkung auf Wachstum und Virulenz
pathogener Bakterien sowie auf Antitoxine hatten und zwar selbst
nach tagelanger Belichtung. Es blieb sich dabei ziemlich gleich,
ob die exponierte Flüssigkeit sensibilisiert war oder nicht. Die
Versuche erweitern die von Mettler angegebenen Resultate, in-
dem trotz stärkerer Belichtung und längerer Expositionszeit
pathogene Mikroorganismen nicht nur nicht abgetötet, sondern
auch in ihrer Virulenz in keiner Weise verändert wurden. Wurde
das Licht in Versuchen mit Lab durch eine sensibilisierende Farb-
stofflösung filtriert, so liofs sich in der Wirkung gegenüber dem
direkten Sonnenlicht kein deutlicher Unterschied konstatieren,
auch sensibilisierte Lablösungen wurden dadurch nicht mehr als
gewöhnlich beeinflufst.
Von Dr. Hans Uuber. 85
Was die Erklärungen der Lichtwirkung ohne und mit Sen-
sibilisation durch die verschiedenen Autoren anbelangt, so sind
dieselben in der Arbeit von Mettler berücksichtigt.
Die neuesten Untersuchungen von B i e (*^) haben in Bestäti-
gung der Ansicht von Kruse p) ebenfalls ergeben, dafs bei der
Lichtwirkung neben der Schädigung durch gebildete schädliche
StofEe wie Wassersto£Esuperoxyd die Lichtstrahlen an und für sich
schädlich wirken. Was die Wirkung der von Tappeiner als
photodynamische und von Dreyer als sensibilisierende bezeich-
neten Farbstoffe betrifft, so ist eine befriedigende Erklärung bis
jetzt nicht erbracht.
Unsere Untersuchungen haben die Resultate von Mettler
bestätigt, und wir können ebenfalls die Wirkung von £k)sin und
von Erythrosin mit Busk(2*), Tappeiner und andern als eine
Verstärkung der gewöhnlichen Lichtwirkung auffassen. In allen
unseren Versuchen konnten wir ebensowenig wie Met 1 1er einen
qualitativen Unterschied in der Wirkung des Lichtes auf sensi-
bilisierte und auf nicht sensibilisierte Nährböden konstatieren,
sondern nur quantitative, graduelle.
Schiursfolgerungen.
1. Die bakterizide Wirkung des Tages- bzw. des Sonnen-
lichtes auf Bouillonkulturen oder Aufschwemmungen von
Streptococcus pyogenes und Diphtheriebazillen
ist eine geringe. Die Wirkung des Lichtes wird aber
bedeutend erhöht, wenn den Flüssigkeiten geringe Mengen
(P/oo) sensibihsierender Farbstoffe, Eosin oder Erythrosin
zugesetzt werden.
2. Das Tageslicht wirkt nicht nur schädigend auf die
Lebensfähigkeit, sondern auch auf die Virulenz
von Bakterien. Bei unserer Versuchsanordnung war auch
diese Wirkung trotz mehrstündiger Expositionszeit keine
bedeutende. Wurden die exponierten Aufschwemmungen
86 Weitere Versuche mit photodynamisch., sensibilisierend. Farbstoffen etc.
liingegen vorher mit Eosin oder Erythrosin gefärbt, so
war die virulenzschwächende Wirkung des Lichtes eine
viel stärkere.
3. Keimtötende und virulenzschwächende Wirkung des
Lichtes gehen Hand in Hand ; immerhin konnte wieder-
holt beobachtet werden, dafs exponierte, sensibilisierte
Kulturen nicht mehr virulent waren, obschon dieselben
noch entwicklungsfähige Mikroorganismen enthielten.
4. Ähnlich wie gegenüber virulenten Kulturen war die gift-
zerstörende Wirkung des Tageslichtes gegenüber unge-
färbtem Diphtherie- und Tetanustoxin eine be-
schränkte, währenddem sensibilisierte Giftlösungen in
ziemlicli kurzer Zeit ihre Giftigkeit für Versuchstiere ein-
büfsten. Die sensibihsierenden Antitoxine von Diph-
therie und Tetanus verloren am Lichte ebenfalls bald
ihre spezifischen Eigenschaften.
5. Labferment büfst nach mehrstündiger Exposition am
Tageslicht nur wenig von seiner milchgerinnenden Eigen-
schaft ein; wird die Lablösung mit Ek)sin oder Ery-
throsin versetzt, so tritt nach kurzer Belichtung eine
deutliche Verlangsamung der Gerinnung ein.
6. Wird das Tageslicht durch Rubin glas filtriert, so ist
die bakterientötende sowohl wie die giftzerstörende Wir-
kung auch bei mehrtägiger Exposition kaum nachweisbar;
die sensibilisierten Lösungen werden ebenso wenig be-
einflufst als die nicht gefärbten. Die geringen Unter-
schiede lassen sich wohl auf eine auch während der
Exposition im Dunkeln wahrzunehmende chemische Ein-
wirkung des betreffenden Farbstoffes zurückführen. Das
von uns geprüfte »Rote Lichte hat also weder eine
bakterizide noch eine giftzerstörende Wirkung gezeigt.
7. Das durch verdünnte Eosin- bzw. Erythros! nlösungen
filtrierte Licht wirkt auf ungefärbte und auf sensibili-
sierte Flüssigkeiten nicht intensiver als das Tageslicht;
die Wirkung des unveränderten Tageslichtes
Von Dr. Hans Huber. 87
war vielmehr stets kräftiger als die Wirkung des
durch einen sensibilisierenden Farbstoff filtrierten.
8. Die schädigende Wirkung des Lichtes ist viel stärker
bei Luftzutritt als unter Luftabschlufs. Dies gilt
auch für die mit photodynamischen Farbstoffen gefärbten
Lösungen ; wurden sensibilisierte Aufschwemmungen von
Bakterien oder Lösungen von Labferment bei Luft-
abschlufs am Licht exponiert, so war die Schädigung
derselben nicht stärker als in den ähnlich exponierten
nicht gefärbten Lösungen.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, Herrn Privatdozent
Dr. W. Silberschmidt, Vorstand der bakteriologischen Ab-
teilung am Hygiene - Institut für die Anregung zu der vor-
liegenden Arbeit und für die Unterstützung bei der Ausführung
derselben bestens zu danken.
88 Weitere Versuche mit Farbstoffen etc. Von Dr. Hans Huber.
Literatur,
1. Mettler, Experimentelles über die bakteriside Wirkung des Lichtes
auf mit Eosin, Erythrosin und Fluoreszein gefttrbte Nfthrböden. Disser-
tation, Zürich, 1905. Archiv f. Hygiene, 1905, Bd. 63.
2. Downes u. Blunt, Proceeding of the Royal Society of London, 1877,
XXVI, S. 488.
3. Dieudonn^, Arbeiten aus dem Kais. Qesundheitsamte, 1894, Bd. 9.
4. Finsen, Om Anvendelse i Medicinen af koncentrerede kemiske Lys*
straaler. Köbenhavn, 1896.
5. Tappeiner, Münch. Med. Wochenschrift. 3. Jan. 1900. 5. Nov. 1901.
Nr. 16, 1904. Deutsche Med. Wochenschrift, Nr. 16, 1904.
6. Dreyer, Mitteilungen aus Finsens med. Lichtinstitut, Heft 7, 1904.
7. Bie, Om Lisets Virkuing paa Bakterier. Köbenhavn, 1908.
8. Arloing, Comptes rendus, 1885, Vol. 0— CL
9. Duclaux, Comptes rendus, 1885, Vol. C.
10. Palermo, Ref. im Zentralblatt für Bakteriologie, 1895, Bd. 18, 8. 665.
11. Chemeleswky, Ref. im Zentralblatt für Bakteriologie, 1892, Bd. 12.
12. d'Arsonval et Charrin, Comptes rendus. Acad. des Sciences, 1894.
13. Momont, Annales de Tlnstitut Pasteur, 1892, YL
14. Santori, Annales de l'Inst. hyg. Roma, 1890.
15. Bio, Mitteilungen aus Finsens med. Lichtinstitut, Heft L
16. Kitasat o, Zeitschrift f. Hygiene, Bd. 10, 1890.
17. Tlzzoni u. Cattani, Archiv f. experiment. Pathologie, 1890, Bd. 27.
18. Fermi u. Celli, Ref. im Zentralblatt f. Bakteriol., 1892, Bd. 12, Nr. 18.
19. Tappeiner u. Jodlbauer, Münch. med. Wochenschrift, Nr. 17, 1904.
20. Tappeiner, Berichte der d. ehem. Gesellschaft, 1903, Bd. 36, S. 3035.
21. Arrhenins u. Madsen, Zeitschrift f. physik. Chemie, 1903, Bd. 44,
lieft 1.
22. Downes u. Blunt, Proceeding of the Royal Society of London,
Vol. 28, S. 205.
23. Fermi u. Pernoni, Zeitschrift f. Hygiene u. Infekt., 1894, Bd. 18.
24. Emmerling, Berichte der d. ehem. Gesellschaft, 1901, Bd. 34.
25. Tappeiner u. Jodlbauer, Deutsches Archiv f. klin. Medizin, Bd. 80.
26. Schmidt-Nielsen, Mitteilungen aus Finsens med. Lichtinstitut,
Heft 9, 1904.
27. Kruse, Zeitschrift f. Hygiene u. Infekt., Bd. 19, S. 312.
28. Busk, Mitteilungen aus Finsens med. Lichtinstitut, Heft 8, 1904.
'''"^'''^,7^
Vernichtimg der Bakterien im Wasser dnrch Protozoen.
Von
Dr. Otto Huntemüller
aus Hoya a. d. Weser.
(Mit Tafel I.)
Professor Emraerich und Dr. Gern und hatten die Be-
obachtung gemacht, dafs sich Typhusbazillen, die in grofser An-
zahl im Mangfall-Leitungswasser ausgesät waren, nach einigen
Tagen darin nicht mehr durch die Kultur nachweisen liefsen,
während der Nachweis in sterilem Wasser noch nach längerer
Zeit gelang. Da die chemische Zusammensetzung des Wassers
in beiden Fällen so ziemlich die gleiche war, konnte hierdurch
das verschiedene Verhalten der Bakterien im Wasser nicht er-
klärt werden. In dem nicht sterilisierten Wasser fanden sich
nach diesen Versuchen sehr wenig Keime, nur 8 bis 10 pro ccm,
80 dafs auch diese die Vernichtung der Typhusbazillen nicht
verursacht haben konnten. Dagegen war in dem nicht sterilisierten
Wasser eine grofse Menge Protozoen nachweisbar, während das
sterilisierte natürlich frei davon war.
Aus diesen Beobachtungen glaubte Professor Emmerich
die Abnahme der Typhusbakterien im Wasser auf die Tätigkeit
der Protozoen zurückführen zu dürfen. Es gelang ihm auch
durch die von Giemsa für die Malariaplasmodien vor-
geschlagene Färbungsmethode Bazillen in den Protozoen, und
zwar waren letztere Flagellaten, nachzuweisen, auch konnte er
die Bakterien in verschiedenen Stadien der Auflösung im
Flagellatenkörper sehen.
ArchiT fQr Hygiene. Bd. UV. 7
90 Vernichtung der Bakterien im Wasser durch Protozoen.
Auf seine Veranlassung und unter seiner gütigen Beiiiilfe
befafste ich mich näher mit diesen Beobachtungen.
Die Versuche wurden mit den verschiedensten Wässern und,
wenn nicht besonders erwähnt, in diffusem TagesUcht bei Zimmer-
temperatur angestellt. Die Wasserentnahme geschah in sterilem
Glase, das halbgefüllt etwa 100 ccm fafste. Zum Vergleich
wurde meist ein Versuch mit sterilem oder keimfrei filtriertem
Wasser, d. h. Wasser, in dem keine Flagellaten waren, gemacht.
In allen Brunnen, Flüssen und Quellen, die wir untersuchten,
ja selbst wenn sie erst gerade aus dem Boden herauskamen,
Uefsen sich Protozoen nachweisen, und zwar sind es in den
reinen Wässern, z. B. dem Mangfallwasser (dem Münchener
Trinkwasser) Wasser aus einem Brunnen bei Schäftlarn etc., haupt-
sächlich die beiden Flagellatenarten Bodo ovatus und Bodo
saltans, und unter diesen wieder besonders der erste.
Mangfall Wasser am 6. 5. 04 zu je 3,0, 2,0, 1,0 und 0,5 ccm
in sterilisiertem Reagensglase mit einer grofsen Anzahl Typhus-
bazillen versetzt, enthielt am 16. 5. in allen Proben reichlich
diese beiden Arten. Ja, in 0,05 ccm Mangfallwasser liefsen sich
auf diese Weise Flagellaten nachweisen, während in sterilem,
auf gleiche Weise beschicktem Wasser keine Flagellaten ent-
halten waren, so dafs also in 0,05 ccm Mangfallwasser mindestens
ein Flagellat oder eine Spore vorhanden sein mufste. Auf
1 ccm Mangfallwasser treffen somit im Sommer wenigstens
20 Flagellaten.
Als Bakterienmaterial diente meist eine frische, 24 Stunden
bei 37® auf Agar gewachsene Typhuskultur, doch wurden auch
Versuche mit anderen Bakterien gemacht.
Alle diese Versuche ergaben dasselbe Resultat, nach 2 bis
3 mal 24 Stunden waren die Typhusbazillen aus dem Wasser
nahezu verschwunden, wenigstens so, dafs sie sich durch das
gewöhnliche Gelatine-Plattenverfahren nicht mehr nachweisen
liefsen.
Die Zahl der Flagellaten hatte dagegen ganz bedeutend
zugenommen.
Von Dr. O. HantemOller. 91
Sehr interessant ist auch das Verhalten der Wasserbakterien.
Diese nahmen, solange die Flagellaten an den eingesäten Typhus-
bazillen reichlich Nahrung fanden, beständig zu, doch vom dritten
Tage an wieder stetig ab und waren am vierten Tage bedeutend
weniger vorhanden als bei Beginn des Versuchs, da sie den
stark vermehrten Flagellaten jetzt leichter zur Beute fielen.
Versuch vom 6. V. 1904.
a) Das Wasser aus dem Brannen des hygieDischen Instituts hatte am
6. Y. eine Keimzahl von 6930 pro 0,05 com (gezählt nach 48 Stunden), also
in 1 ccm 138 600 Wasserbakterien und eine ziemliche Menge von Flagellaten,
Infusorien und anderen Protozoen.
Von diesem Wasser werden 100 ccm mit einer Öse einer frischen
Typhusagarkultur versetzt und wiederholt umgeschüttelt, um das Bakterien,
material gut zu verteilen. Davon wird sofort eine Öse, die etwa 0,006 ccm
faüst, zu einer Gelatineplatte ausgegossen. Diese Platte, die 24 Stunden bei
22^ im Wärmeschrank gestanden hat, ergibt am :
7. V. . . . 176400 Kolonien pro Platte
nach 24 Std. 20070 > > >
> 2X24 > 360 > > >
Unter diesen 360 Kolonien waren nur noch einige wenige, welche
typhusbazillenverdächtiges Aussehen hatten.
b) am 7. V. wird der Versuch mit Wasser aus dem Brunnen des
hygienischen Instituts wiederholt, nach Zusatz einer Öse einer 24 Stunden
bei 36^ gewachsenen Typhusagarkultur und kräftigem Umschfltteln werden
drei Ösen des infizierten Wassers zu einer Gelatineplatte ausgegossen, auf
dieser wachsen in 24 Stunden bei 22^ im
Warmeschrank 214200 Kolonien
aus 3 Ösen nach 24 Std 20340 >
> 5 > > 48 > 7200 >
Eine Identifizierung der wenigen, nach 48 Stunden vorhandenen typhus-
bazillenähnlichen Kolonien wurde nicht ausgeführt.
Versuch vom 12. V. 1904.
Wasser aus einem Brunnen in der Nähe des Bavariadenkmals enthält
in 0,01 ccm 2700 Wasserbakterien. Zu 100 ccm werden drei Ösen einer
frischen Typhusagarkultur gesetzt und hiervon nach mehrmaligem Um-
schütteln fünf Ösen ä 0,005 ccm zu einer Gelatineplatte ausgegossen. Es
wachsen auf der wie im vorigen Versuch
behandelten Platte 261000 Kolonien
aus 5 Ösen nach 20 Std 195300 >
> 5 > > 46 > 135000 >
> 5 > > 68 > 8280 >
darunter sehr wenig typhusbazillenähnliche Kolonien.
7*
92 Vernichtung der Bakterien im Wasser darch Protozoen.
Versuch vom 19. V. 1904.
Mflnchener Leitungswasser (Mangfallwasser) enthält am 19. V. in
1 ccm 4 Kolonien des Bac. flaorescens liqnefaciens. Hiervon werden 100 ccm
mit drei Ösen einer frischen Typhusagarkultar versetzt und nach gutem
Umschattein drei Ösen zu einer Platte ausgegossen. Es ergeben sich
sofort 151200 Kolonien
aus 3 Ösen nach 24 Std. 56700 t
> 3 > > 48 > 16200 >
Werden von diesen letzteren alle verdächtigen Kolonien als Typhus-
bazillen gezählt, so ergeben sich 2430 Typhusbazillenkolonien.
Waren in einem Wasser schon an und für sich viele Flagel-
laten enthalten, so läfst sich schon nach einer Stunde eine deut-
liche Ahnahme der eingesäten Typhusbazilleu konstatieren, während
Typhusbazillen im sterilen Wasser nach dieser kurzen Zeit sogar
öfters etwas zugenommen hatten. Dies letztere erklärt sich
daraus, dals viele Bakterien der Agarkultur in Teilung begriffen
waren, als sie ins Wasser verimpft wurden, in welchem sich
alsdann die Teilung in der ersten Stunde noch vollständig voll-
zog. Stellte man nämlich eine starke Suspension von Typhus-
bazillen in einigen Kubikzentimetern sterilen Wassers her, liefs
diese etwa 1 Stunde stehen und verimpfte hiervon, so fand keine
Vermehrung statt.
Versuche vom 20. VL 1904.
a) Wasser aus dem Brunnen des hygienischen Instituts wird mit einer
Öse einer frischen Typhusagarkultur versetzt. Die aus drei Ösen gegossene
Platte ergibt
sofort 199350 Kolonien
nach 1 Std 148680 >
b) Ein am selben Tage wiederholter zweiter Versuch ergibt aus drei Ösen
sofort 124830 Kolonien
nach 1 Std 81900 >
Versuche vom 21. VI. 1904.
a) Wasser aus dem Brunnen des hygienischen Instituts, auf dieselbe
Weise wie in den vorigen Versuchen mit Typhuskeimen versetzt, ergibt
aus drei Ösen
sofort 241650 Kolonien
nach 1 Std 140598 >
pro Platte.
Von Dr. 0. Hantemüller. 93
b) Im Btrömenden Dampf BteriliBiertes Wasser aus dem Bronnen
des Institats wird gleichfalls mit Typhusbaadllen versetzt nnd enthält in
drei Ösen
sofort 134900 Typhnskeime
nach 1 Std 201600 >
Versuch vom 22. VL 1904.
a) 100 ccm Wasser ans dem Instituts-Brunnen wird mit fflnf Ösen
einer Aufschwemmung in 2 ccm sterilem Wassers einer frischen Agartyphus-
bazillenkaltar versetzt^ die eine Stande lang gestanden hat Ans drei Ösen
ergeben sich
sofort 64350 Kolonien
nach 1 Std 43497 t
b) 100 ccm sterilisiertes Wasser aas dem Institatsbrunnen wie bei a)
behandelt ergibt
sofort 50103 Typhaskolonien
nach 1 Std 52875 >
> 48 > 11700 >
> 11 X 24 Std 387
Der folgende Versuch zeigt, dafs auch die Wasserbakterien
ebenso schnell wie die Typhusbazillen von den Protozoen ge-
fressen werden.
Am 22. VI. werden zu Wasser aas dem Institatsbrunnen drei Ösen
einer frischen, 24 Stunden bei 87 ^ auf Agar gewachsenen Kultur des Bacillus
fluorescens liquefaciens gesetzt und hiervon drei Ösen zu einer Gelatine-
platte ausgegossen; man erhält auf der Platte
sofort 352000 Kolonien
nach 1 Std 264600 >
> 24 > 11160 >
Versuch vom 29. VI. 1904.
Aus dem Institutsbrunnen werden drei Ösen in ein BouiUonrÖhrchen
verimpft und dieses 24 Stunden bei Sl^ im Wärmeschrank stehen lassen.
Von dieser Bouillonkultur, in der sich die Wasserbakterien während dieser
Zeit sehr reichlich vermehrt hatten, werden drei Ösen zu ca. 100 cbm
Wasser aus dem Brunnen des hygienischen Instituts gesetzt Auf der sofort
nach der Einsaat aus 3 Ösen gegossenen Gelatineplatte wachsen
sofort 260380 Kolonien
nach 1 Std 236394 >
t 24 > 24930 >
> 48 > 2160 >
Die Temperatur spielt bei der Vernichtung der Bakterien
auch eine Rolle; nach meinen bisherigen Versuchen scheint
94
Vernichtung der Bakterien im Wasser durch Protozoen.
26— 30^ C das Optimum für die Entwicklung und Frefs-
tätigkeit der Protozoen zu sein. Auch das Licht scheint einen
Einflufs hierbei auszuüben, doch sind die Versuche hierüber noch
nicht abgeschlossen.
Versuch vom 24. VI. 1904.
a) Wasser aus dem Institutsbrunnen wird mit einer frischen Typhus-
kultur versetzt und bei 26^ C im Warmeschrank gehalten.
Aus drei Ösen wachsen
sofort 438400 Kolonien ] gezählt
nach 1 Std 340000 > l nach
> 24 > 79200 > ) 48 Std.
nach 48 Stunden Platte fast steril, Typhusbazillen nicht mehr nachweisbar.
b) Steriles Wasser aus dem Institutsbrunnen wie, bei a behandelt, ergibt
aus drei Ösen
sofort 315000 Kolonien
nach 1 Std 331794 > gezählt
> 24 > 235980 > nach
. > 4 X 24 Std. . . . 10846 > 48 Std.
> 14 X 24 > . . . 840 >
nach 20 X 24 Stunden Platte steril.
Während die Abnahme der Bakterien nach 1 Stunde sehr
beträchtlich ist, ist sie nach der zweiten Stunde nur gering. Dies
erklärt sich daraus, dafs die Flagellaten sich in der ersten Stunde
vollgefressen haben und in der zweiten Stunde verdauen, wie ich
dies wiederholt unter dem Mikroskop beobachten konnte.
Versuch vom 26. VI. 1904.
a) Mit Typhuskeimen versetztes Wasser aus dem Institutsbrunnen wird
bei 30^ C im Wärmeschrank gehalten; aus drei Ösen wachsen
sofort 153775 Kolonien
nach 1 Std 102960 >
> 2 > 104994 >
4 . 87957 >
> 24 > 33930 >
nach 48 Stunden Platte bleibt fast steril.
b) Derselbe Versuch mit sterilisiertem Wasser aus dem Institutsbrunnen
aus drei Ösen
195075 Kolonien
203180
128 180
108420
59580
2970
gezählt
nach
48 Std.
sofort
nach 1 Std. . .
> 24 >
> 2 X 24 Std.
» 4 X 24 >
> 13 X 24 >
gezählt
nach
48 Std.
Von Dr. 0. Huntemüller. 96
nach 19 X 24 Stunden Platte fast Bteril, nach 28 X 24 Stunden werden
10 Ösen in Bouillon übertragen; bei 37<^ C im Wärmeschrank entwickeln sich
Typhusbazillen.
Verimpft man eine geringere Zahl Typhuskeime ins Wasser,
so nehmen auch die Flagellaten nicht in dem Mafse zu, als wie
bei gröfserer Aussaat, auch spielt hierbei die Menge der schon
vor dem Versuch im Wasser befindlichen Flagellaten eine Rolle ;
da die Bazillen bei der geringen Anzahl der Flagellaten den
Nachstellungen derselben eher entgehen, so können sie sich auch
länger im Wasser erhalten.
Am 7. VII. wird zu Mangfall wasser eine Ose einer Auf-
schwemmung einer frischen Typhusbazillenkultur in steriles
Wasser gesetzt. Auf der sofort aus 3 Ösen gegossenen Gelatine-
platte wachsen 45000 Kolonien. Die Anzahl der Flagellaten ist
nach 24 Stunden nicht sehr beträchtlich vermehrt. Am 17. VII.
werden 10 Ösen in ein Bouillonröhrchen verimpft und dies
14 Stunden bei 37^ C im Wärmeschrank gehalten. Von dieser
Bouillonkultur werden 3 Ösen zu 3 Gelatineplatten verarbeitet.
Auf Platte 3. wachsen neben vielen Wasserbakterien auch einige
Typhuskolonien, die in Bouillon überimpft und nach 24 stündigem
Wachstum bei 37^ C durch die Agglutination als Typhus er-
wiesen werden.
Ebenso liefsen sich in einem zweiten, am gleichen Tage mit
Mangfall wasser angestellten Versuch, der nach der Einsaat 35010
Kolonien in 3 Ösen enthielt, nach 10 Tagen Typhusbazillen
durch die Agglutination nachweisen.
Aus zwei anderen Proben, die am 11. VII. mit einer grofsen
Anzahl Typhuskeime versetzt wurden, und von denen die eine
in 3 Ösen sofort nach der Aussaat 225000, die andere 405000
Keime enthielt, liefsen sich auf die oben angeführte Weise nach
6 Tagen Typhusbazillen durch die Agglutination nachweisen.
Alle diese Versuche geben dasselbe Resultat; die in grofser
Zahl ins Wasser verimpften Typhuskeime werden durch die
Protozoen in wenigen Tagen vernichtet oder wenigstens so
dezimiert, dafs sie nur noch schwer im Wasser nachzuweisen
sind. Die Flagellaten haben sich während dieser Zeit ganz
96 Vemichtang der Bakterien im Wasser darch Protozoen.
bedeutend vermehrt und nehmen erst albnählich wieder bis auf
ihren früheren Bestand ab. Über ihre Zahl genaue Angaben zu
machen, ist jedoch nicht möglich.
Im zweiten Hefte des 52. Bandes des Archiv für Hygiene,
S. 208, veröffentlicht Dr. W. Hoffmann Untersuchungen aus
dem hygienischen Institut zu Berlin: über die Lebensdauer der
Typhusbazillen im Aquariumwasser, welche im wesentlichen die-
selben Resultate ergaben wie die meinigen.
Am 10. November 1904 hatte er eine Typhusaufschwemmung
in ein Aquarium gegossen. Gleich nach der Aussaat fanden sich
336416 Typhuskeime pro 1 ccm Aquariumwasser mit 59 Ö90 Wasser-
keimen. Am 13. Mai, also nach etwa dreimal 24 Stunden, wurden
von der Oberfläche des Wassers an verschiedenen Stellen 4 Ösen
entnommen und auf Drigalski-Conradi-Platten ausgestrichen.
Hieraus wuchsen bis zum nächsten Tage zwei verdächtige Kolo-
nien, von denen nur die eine durch die Agglutination als Typhus-
kolonie festgestellt wurde. Nehmen wir an, dafs die Öse, wie
die unsere, etwa 0,005 ccm fafste, so fand sich also in 0,02 ccm
nach dreimal 24 Stunden ein Keim, in 1 ccm 50 Keime. Also hatten
die Typhusbazillen nach diesem Versuche innerhalb dreimal
24 Stunden in einem Kubikzentimeter von 336416 auf 50 abge-
nommen. Am 18. Mai, also nach fünfmal 24 Stunden, liefsen sich
auf diese Weise keine Typhuskeime mehr nachweisen. Auch die
Wasserbakterien hatten am 31. Mai von anfangs 59590 auf 900
abgenommen und betrugen am 11. Juli 1518 pro ccm. Ein Be-
fund, der mit dem meinen gleichfalls übereinstimmt.
Hätte Herr Dr. Hoffmann auch dem Verhalten der Pro-
tozoen Beachtung geschenkt, so würde er ihre Zahl in den ersten
Tagen, solange sie reichlicheres Futter hatten, bedeutend vermehrt
gefunden haben, alsdann wären sie erst allmählich zu ihrem
alten Bestände bei Beginn des Versuchs wieder herabgesunken.
Er würde also auch in diesem Punkte zu demselben Resultat
gekommen sein wie ich:
Dafs sich durch das Anreicherungsverfahren am 19. Mai
aus 45 ccm Aquariumwasser und am 7. Juni aus 90 ccm noch
Typhusbazillen nachweisen liefsen, ist nichts Ungewöhnliches und
Von Dr. 0. Huntemüller. 97
stimmt auch mit meinen Beobachtungen überein. Siehe Ver-
suche vom 7. und 11. Juli.
Ob aber die Typhuskeime in dieser Verdünnung eine In-
fektion veranlassen können, das erscheint mir sehr zweifelhaft,
zumal auch die Selbstinfektions versuche von v. Pettenkofer
und Emmerich dafür sprechen, dafs Infektionen vom Intestinal-
traktus aus in der Regel nur durch Zufuhr gröfserer Mengen
pathogener Bakterien zustande kommen.
Wenn aus den obigen Versuchen schon hervorgeht, dafs
die Abnahme der Typhuskeime im Wasser durch die Tätigkeit
der Protozoen bedingt ist, so wird dies durch die mikroskopische
Untersuchung aufser allen Zweifel gestellt.
Da bei Trockenpräparaten der Protozoenkörper nicht intakt
bleibt, und nicht die verschiedenen Stadien der Bakterienaufnahme
und Verdauung sich verfolgen lassen, so versuchte ich, die Beob-
achtungen an lebenden Protozoen zu machen. Das Präparat
im hängenden Tropfen war hierzu nicht brauchbar, da die tiefer
liegenden Schichten, in denen sich die Protozoen meist aufhielten,
unter dem Mikroskop bei starker Vergröfserung nicht einzustellen
waren und die schnell beweglichen Protozoen leicht aus der ein-
gestellten Ebene verschwanden. Ich versah daher ein Deck-
gläschen an den vier Ecken mit kleinen Wachsfüfsen, wie es
bei zoologischen Untersuchungen üblich ist, deckte dieses über
den auf dem Objektträger befindlichen protozoenhaltigen Wasser-
tropfen und konnte durch Abschmelzen der Wachsfüfschen mit
einem erwärmten Glasstabe oder einer Platinöse den Tropfen in
einer ganz dünnen Schicht ausbreiten, ohne dafs die Protozoen
hierdurch beschädigt wurden. Sie schwammen sehr lebhaft im
Präparat umher und konnten jetzt auch bei starker Vergröfserung
unter dem Mikroskop bequem beobachtet werden. Z e i fs^ homogene
Immersion :
Brennweite 3,0 mm
Kompensationsokular 12 »
Tubuslänge 160 »
Diese Methode hatte aber noch weitere Vorteile. Der Sauer-
stoff der Luft hatte zum Tropfen stets Zutritt, das verdunstete
98 Vemicbtang der Bakterien im Wasser durch Protonoen.
Wasser l&Ist sich leicht ersetzen, und der Zusatz der Bakterien
konnte bequem zu jeder Zeit erfolgen, so dals man den Vor-
gang bei ihrer Vernichtung durch die Protozoen von Anfang an
beobachten konnte.
Das Protozoenmaterial war unschwer zu erhalten. Zu einigen
Kubikzentimetern eines an Protozoen reichen Wassers setzte ich
im Reagenzglase so viel frische Tvphuskeime, bis eine deutliche
Trübung auftrat, wartete nun einige Tage, bis diese Trübung
wieder verschwunden war und hatte jetzt in dem Wasser
eine grofse Zahl von Flagellaten und Infusorien. Aus Mang-
fallwasser konnte ich auf diese Weise nur die beiden Flagel-
latenarten, Bodo ovatus und Bodo saltans (bestimmt von Herrn
Dr. Doflein) züchten. Im Wasser aus der Ruhr, das acht
Monate lang gestanden hatte, in welchem sich mikroskopisch
keine Protozoen mehr auffinden liefsen, konnte man nach Ein-
saat von Typhusbazillen eine reichliche Menge von Protozoen
nachweisen. Beim Wasser aus dem Brunnen des hygienischen
Instituts, das seit dem 23. Juli 1904 im Dunkeln gestanden und
in dem sich die Flagellaten auf Zusatz von Typhusbazillen
reichlich vermehrt hatten, fanden sich am 17. Februar dieses Jahres
bei mikroskopischer Untersuchung keine beweglichen Flagellaten,
dagegen viele Sporen, die sich unter dem Mikroskop auf Zusatz
von Typhusbazillen zu Flagellaten entwickelten.
Nach einigen Tagen, während welcher Zeit die Probe am
Lichte gestanden hatte, liefsen sich in dem Wasser auch ohne
Bakterienzusatz Protozoen nachweisen, doch waren diese sehr
wenig beweglich und nicht gröfser als die Sporen, hatten aber deut-
liche Geifseln und kontraktile Vakuolen. Auf Zusatz von Typhus-
bazillen wurden die Bewegungen sofort lebhafter und nach einiger
Zeit hatten sie die gewöhnliche Gröfse der Flagellaten erlangt.
Da die Beobachtung des ungefärbten Präparates schwierig war,
obwohl ich schon hier sehen konnte, wie die Bakterien von den
Flagellaten aufgenommen wurden, so suchte ich durch verschiedene
Färbungen diese Schwierigkeit zu heben, doch die Protozoen wurden
durch die Farbstoffe, selbst in geringer Konzentration, getötet. Ich
versuchte daher, die Bakterien zu färben, und es gelang mir, ein
Von Dr. 0. Hantemüller. 99
V^erfahren zu finden, bei welchem die Eigenbewegung der Bak*
terien nicht beeinträchtigt wurde. Eine Ose Agarkultur von
Typhusbazillen mit lebhafter Eigenbewegung wird auf einen Ob-
jektträger gebracht, und hierzu, ohne das Material weiter zu
verreiben, ein Tropfen einer starken, wäfsrigen Methylenblau-
lösung gesetzt. Den Farbstoff lasse ich unter leichtem Er-
wärmen über der Flamme etwa 10 Minuten einwirken; damit
die Bazillen nicht eintrocknen, setze ich mit der Platinöse ein
oder zwei Wassertropfen hinzu und rühre zugleich gut um.
Daim übertrage ich die mit gefärbtem Bakterienmaterial beladene
Öse in einen zweiten Tropfen und von da in einen dritten etc.,
bis sich der letzte Tropfen nur mehr schwach blau färbt. Dieser
enthält dann noch eine genügend grofse Menge Typhuskeime,
die man ruhig dem die Protozoen enthaltenden Präparat zusetzen
kann, ohne befürchten zu müssen, dafs diese absterben. Die
Protozoen verhalten sich beim Ergreifen der Bakterien verschieden.
Einige Arten, wie namentlich Bodo saltans, erjagen ihre Beute
im Herumschwärmen und eignen sich daher nicht so gut zur
Beobachtung. Der Bodo ovatus liegt meist während der Frefs-
und Verdauungsperiode still, und man kann an ihm daher diese
Vorgänge sehr gut und fortdauernd beobachten. * >'V:\ ; . \
Die folgenden Untersuchungen sind am Bodo ovatus ge-
macht, der sich in jedem von uns untersuchten Wasser fand
und auf Bakterienzusatz besonders stark vermehrte. Gleich nach
dem Zusatz werden die nach der vorhin angegebenen Methode
gefärbten Typhusbazillen durch die Geifseln des Flagellats her-
beigestrudelt. Nach wenigen Minuten sieht mau, wie ein Ba-
zillus von dem Protoplasma umflossen wird und sich jetzt am
Rande desselben in einer Nahrungsvakuole befindet. Bald folgt
ihm ein zweiter und sofort. Bei reichlichem Bakterienzusatz
kann man nach einer halben bis ganzen Stunde den Flagel-
laten mit Bazillen ganz vollgefressen sehen. Dieser hört jetzt
mit der Bakterienaufnahme für eine längere Zeit auf und liegt
ruhig, er verdaut. Erst nach etwa einer halben Stunde kommt
wieder mehr Bewegung in ihn, er streckt sich in die Länge, um
dann, nachdem er seine alte Gestalt wieder angenommen hat.
100 Vernichtung d. Bakt. im Wasser durch Protozoen. Von Dr. Hnntemflller.
im Wasser umher zu schwimmen. Von da ab ist die weitere
Beobachtung schwierig.
Den Verdauungsvorgang beobachtet man am besten, wenn
man eine geringere Bakterienzahl zugesetzt hat, alsdann kann
man die verschiedenen Stadien von der Aufnahme bis zur
völligen Auflösung der Bakterien verfolgen. Zuerst sieht man
den Bazillus, wie schon oben gesagt, am Rande des Flagellaten-
körpers in einer Nahrungsvakuole in heftiger Bewegung. Er
sucht aus dem ihn umschliefsenden Protoplasma wieder los zu
kommen, und manchmal gelingt es ihm auch, besonders wenn
die Flagellaten durch längeres Verweilen im Präparat nicht mehr
so lebensfähig sind. Meist jedoch rückt die Vakuole mit dem
Bazillus mehr in die Mitte des Protoplasmas vor und vereinigt
sich mit anderen, die auch noch bewegUche Bakterien enthalten.
Die Bewegungen derselben dauern noch zehn Minuten an,
werden allmählich schwächer und hören dann ganz auf; jetzt
beginnen die eingeschlossenen Bakterien nach und nach zu
zerfallen, die Zerfallprodukte fliefsen zusammen und nach
einiger Zeit sind auch die letzten Reste von ihnen verschwunden.
Auch das Methylenblau scheint chemisch verändert zu werden,
denn die Flagellaten, die mit blaugefärbten Bakterien förmUch
vollgepfropft waren, haben nach der Verdauung derselben ihr
ursprüngliches Aussehen wieder bekommen und sind nicht blau
gefärbt. Diese Beobachtungen kann man, wenn man das ver-
dunstete Wasser des Präparats von Zeit zu Zeit durch frisches
ersetzt, längere Zeit ausdehnen (man setzt am besten von dem
Protozoen haltenden Wasser zu, da man auf diese Weise wieder
neue lebenskräftige Individuen im Präparat bekommt).
Durch diese Versuche und mikroskopische Befunde ist es
wohl über allen Zweifel festgestellt, dafs die Vernichtung der
Typhuskeime im Wasser nicht durch das Überwuchern und die
Konkurrenz der Wasserbakterien, sondern hauptsächlich auf die
Tätigkeit der Protozoen zurückzuführen ist.
Ob und welchen Einflufs hierbei Licht und Osmose ausüben,
soll noch näher untersucht werden.
über den Gewichtsyerliist des Fischfleisches beim
Dttnsten.
Von
Dr. Friedrich Peters,
Assistenten des Institutes.
(Aas den Hygienischen Instituten der Universitftt Berlin. Direktor: Qeh.
Medizinalrat Prof. Dr. M. Rabner.)
Die meisten uns vorliegenden Analysen von Nahrungsmitteln
betreffen die Zusammensetzung der Rohmaterialien. Von diesen
Angaben ausgehend, schliefst man bei diätetischen Mafsnabmen
und Untersuchungen auf dem Gebiete der Ernährungslehre dann
zumeist auf die Zusammensetzung und den Wert der zugeführten
Nahrung. Doch genügt, wieRubner in seiner Physiologie der
Nahrung und Ernährung^) betont, die Betrachtung der Roh-
materialien nicht als Basis für die Ernährungslehre, denn die
Nahrungsmittel werden bei ihrer Zubereitung mehr oder minder
verändert. Der Faktor, welcher dabei fast stets in Anwendung
kommt, ist das Erwärmen; den Einäufs desselben hat Rubner
nach verschiedenen Richtungen teils selbst, teils durch seine
Schüler untersucht. So fand Nothwang^), dafs bei der durch
die Wärme hervorgerufenen Veränderung aus dem Fleische neben
dem Wasser und Salzen Extraktivstoff und etwas Eiweils aus-
tritt. Den so eintretenden Eiweifsverlust studierte weiterhin ein-
gehender für verschiedene Fleischarten von Säugetieren Ferrati^).
1) V. Leyden, Handbach, 2. Aafl., I.
2) Dieses Archiv, Bd. XVIH, S. 80.
3) Dieses Archiv, Bd. XIX, S. 317.
102 Über den Gewichtsverlust des Fiscbfleisches beim Dünsten.
Da nun schon nach den alltäglichen Erfahrungen in der Küche
•
Fischäeisch sich beim Erwärmen hinsichtlich der Gewichts-
abnahme etwas anders zu verhalten scheint als RindSeisch oder das
Fleisch von anderen Säugetieren, so forderte mein hochverehrter
Chef, Herr Geheim rat Rubn er, mich auf, die Gewichtsabnahme
von Fischfleisch zu studieren. Für die Anregung zu diesen Unter-
suchungen spreche ich ihm an dieser Stelle meinen verbindlichsten
Dank aus.
Die Gewichtsabnahme interessiert uns nicht so sehr hin-
sichtlich der Qualität, als vielmehr wegen der Quantität, und zwar
aus folgendem Grunde: Was verloren geht, ist grölstenteils
Wasser, welches durch die bei der Koagulation des Eiweifses
eintretende Schrumpfung unter beträchtlichem Drucke ausgeprefst
wird; die zurückbleibende Masse wird also reicher an Trocken-
substanz. Je reicher so das Fleisch an Trockensubstanz wird,
desto mehr geronnenes Eiweifs wird sich in dem Fleische finden
und desto zahlreicher die in einem bestimmten Volumen ent-
haltenen Muskelfibrillen sein. Sie werden enger aneinander ge-
rückt sein und zugleich zäher, so dafs der den Kauwerkzeugen
sich entgegenstellende Widerstand erhöht ist. Die Kaubarkeit
hat aber auch zweifellos einen bestimmenden Einflufs auf die
Schmackhaftigkeit einer Fleischsorte. FreiUch hängt dieselbe
noch von anderen Faktoren ab, aber die Gewichtsabnahme gibt
uns doch einen Mafsstab. Und auch ein zweiter Punkt ist zu
berücksichtigen. Wir können wohl annehmen, dafs Speisen, die
den Kauwerkzeugen keine so grofse Arbeitsleistung auferlegen,
besser zerkleinert werden ; es wird dalier bei ihnen weniger leicht
die Gefahr eintreten , dafs gröbere Stücke in den Darmkanal
gelangen, die dann nicht verdaut werden. Also auch die Aus-
nutzung wird in Beziehung treten können zu der Gewichtsab-
nahme. Allerdings ist auch die Ausnutzbarkeit wieder von so
vielen Verhältnissen^) beeinflufst, dafs uns die Gewichtsabnahme
nur einen Fingerzeig geben kann.
1) Bubner in v. Leyden, Handbucb, 2. Aufl., I, S. 118.
Von Dr. Friedrich Peters. 103
Bei meinen Untersuchungen ging ich in folgender Weise vor:
Die Fische, ausgenommen der Lachs, wurden lebend ins
Institut gebracht, getötet und sofort verarbeitet. Nachdem sie
zunächst abgeschuppt waren, wurden aus dem Rückenmuskel
Stückchen von dem in der Tabelle angegebenen Gewichte, die frei
von Gräten, Schuppen und Muskelhaut waren, herausgeschnitten,
zwischen zwei ührschalen gewogen, und die einen sofort getrocknet,
die anderen gedünstet.
Die dazu bestimmten Stückchen wurden sofort nach dem
Wägen in hohe Bechergläser gebracht, welche mit einem Kork
luftdicht verschlossen waren. Der Kork war durchbohrt von
einem Draht, der ausgebogen war in einen Haken, an dem das
Fleischstückchen hing, und ein kleines korbartiges Geüecht.
Diese Vorsicht mufs man bei Fischüeisch gebrauchen, da es bis-
weilen durchschneidet. Die Gläser mit den Fleischstücken kamen
in den Dampftopf und wurden von dem Zeitpunkte, wo das
Thermometer 98,5® C zeigte, eine Stunde daringelassen. Nach
dem Abkühlen wurden die Stückchen gewogen und ebenfalls
getrocknet. Die Trockenbestimmung des Fleisches geschah in
der üblichen Weise im Dampfwassertrockenschrank bis zur Ge-
wichtskonstauz.
Bei einer Reihe von Fischstückchen wurde eine Fettbestim-
mung angeschlossen, die im Soxhletschen Extraktionsapparate
vorgenommen wurde. Nach einer erstmaligen Extraktion wurde
das Material weiter zerkleinert und zerrieben und nochmals ex-
trahiert bis zur Gewichtskonstanz des Atherextraktes. Die Be-
stimmung des Fettes mufs ausgeführt werden, denn wir müssen an-
nehmen, dafs die Gewichtsabnahme von der Menge des koagulieren-
den Eiweifses abhängt; ein höherer Fettgehalt könnte daher durch
das relative Zurückdrängen des Eiweifses das Endresultat in dem
Sinne beeinflussen, dafs fettes Fleisch im Verhältnis zu seiner
Masse durch die Hitze nur wenig an Gewicht verliert, mageres
aber weit mehr. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dafs nach
Rubners^) Erfahrungen fettes Fleisch die Wärme weniger gut
1) V. Leyden, Handbuch, 2. Aufl., I, S. 88.
104 Über den Gewichte verlost des FiscbfleiBches beim Dflnsten.
leitet; dieselbe könnte in fettes Fleisch also weniger durchdringen»
so dafs zu einer bestimmten Zeit noch nicht alle Eiweifsstoffe
geronnen wären, denn, wie Milroy^) im hiesigen Institute ge-
zeigt hat, nimmt die Menge des koagulierten Eiweifses mit der
Temperatur zu.
Die Resultate meiner Untersuchungen habe ich in folgender
Tabelle zusammengestellt :
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10. 11.
1
1
= Gewicht der
Ver- Trockensubstanz
Äthereztrakt
1
1
1
1
Fischsorte
frisch.
Sahst.
g
ge-
dflnst
Sahst.
g
last
beim
Dün-
sten
%
Ge-
wicht
j
1 g
berecb
frisch.
Subst.
0/
■'0
in. aaf
g©- i
dünst
Sahst.
0/
'0
wicht
i g
berechnet
auf
frisch. ?e-
1
Sommerkarpfen I
' 26,06
18,49
29,05 II 4,40
16,88
23,80'
—,
.^
^_
2
>
. 22.89
16^
28,83 ' 3,90
17,04
23,94'
—
—
8
>
' 18,76
—
-- : 3,49
18,60
— 1
1
—
4
Sommerkarpfen II
= 20,47
13,87
84,69 3,36
16,41
25,11 '
—
5
>
16,61
10,93
34,20- 2,77
16,68
25,34
—
—
e;
»
22,10
—
• 4.09
18,51
1
— 1
—
—
7
Karpfen I
17,33
—
— :; 3,65
21,06
— j
8
>
' 26,00
16,66
35,92 4,89
18,81
29,35'
—
—
9
»
; 23,66
14,95
36,81 4,66
19,70
31,17 !
—
10
Karpfen n
16,69
—
- 3,10
18,57
1
11
>
15,75
1 '
11,92
24,32 2,68
17,02
22,48
—
—
12
>
15,40
11,76
23,64 2,65
17,21
22,53
—
13
Karpfen III
1 12,68
- i 2,48
19,56
0,085
0,67
14
»
1 14,64
10,77
26,43
1 2,69
18,37
24,98
0,032
0,22
0,30
15
Schlei
12,17
—
2,32
19,06
1
0,041
0,34
—
16
>
12,84
9,08
29,28 2,27
17,68
25,0
0,020
0,16
0,22
17
T^achs
' 20,25
—
- 6,86
33,88
—
2,622
12,95
18
>
! 31,84
1
22,65
28,86
1
,10,34
1
32,48
45,65
4,281
13,45
18,90
Aus der Tabelle ersehen wir, dafs der Gewichtsverlust beim
Dünsten ziemlich beträchtliche Schwankungen aufweist, nicht
bei den einzelnen Individuen, wohl aber in derselben Art, wie
z. B. der Vergleich der bei Karpfen I und Karpfen II erhaltenen
Werte zeigt. Der Durchsclmittswert beträgt 30,18ö/o. Dement-
1) Dieses Archiv, Bd. XXV, S. 156.
Von Dr. Friedrich Peters. 105
sprechend nimmt der Trockengehalt zu, wie die Betrachtung des
Stabes 8 einerseits, der Werte für die nicht gedünsteten Fische
aus Stabe 7 anderseits erkennen Iftfst. Was zu Verlust geht,
ist hauptsächUch Wasser, denn wenn wir die Werte aus der
Kolumne 7 ansehen, zeigt sich, dafs der auf die Trockensubstanz
entfallende Anteil an dem Verlust die Höhe von 2% nicht er-
reicht. Das, was von der Trockensubstanz verloren geht, besteht
zu einem Teil aus den in Äther löshchen Stoffen, wie wir aus
dem Stabe 10 der Tabelle sehen : so bei den fettarmen Fischen,
während bei dem Lachse dies nicht der Fall ist.
Einen EinSuTs des Fettgehaltes auf die Gröfse der Gewichts-
abnahme lassen unsere Ergebnisse ebensowenig erkennen, wie
die von Ferrati^).
Vergleichen wir nun unseren für die Gewichtsabnahme von
Fischfleisch beim Dünsten erhaltenen Durchschnittswert von
30,18% mit den von Ferrati gewonnenen Werten, der für Rind-
fleisch 47,3%, für Kalbfleisch 47,3% und für Schweinefleisch
43,1% fand, so sehen wir unsere ursprüngliche Annahme be-
stätigt, dafs das Fischfleisch sich weniger stark zusammenzieht
wie das Fleisch von Säugetieren.
Betrachten wir nun die Vorteile, welche nach unserer
obigen Auseinandersetzung aus der geringeren Gewichtsabnahme
folgen, so sehen wir, dafs die Ausnutzbarkeit unserer Annahme
nicht widerspricht, denn Rubner-) gibt an, dafs von der Trocken-
substanz nicht resorbiert werden in Prozenten bei gebratenem
Fleisch 5,3, bei gekochtem und gebratenem Fleisch 4,9 und bei
Schellfischfleisch 4,3. Bei der Schmackhaftigkeit liegt die Sache
anders, da eben das Fischfleisch weit weniger schmeckende Be-
standteile besitzt wie das von Säugetieren, und dadurch der
Vorzug aus der leichteren Kaubarkeit verwischt wird. Jeden-
falls aber geben uns unsere Resultate das Recht, Fischfleisch in
allen den Fällen zu empfehlen, wo die Kauwerkzeuge möglichst
geschont werden sollen, so bei Rekonvaleszenten u. a., zumal
hinsichtlich des Eiweifsgehaltes das Fischfleisch sich ähnlich
1) a. a. 0.
2) V. Leyden, Handbuch, 2. Aufl., I, 8. 119.
ArehlT ffkr Hygiene. Bd. UV. B
106 Gewichtsverlust d. Fischfleisches beim Dflnsten. Von Dr. Fr. Peters.
verhält wie das Warmblüterfleisch (Rubner^). Auch müssen wir
auf Grund unserer Resultate die Bestrebungen nur biUigen, die
darauf hinausgehen, dem Fischfleisch als Volksnahrungsmittel
weiterhin Eingang zu verschaffen.
Ich habe zu Anfang bemerkt, dafs die meisten Nahrungs-
mittelanalysen nur auf die Rohmaterialien Bezug nehmen und
möchte deshalb auf eine Arbeit von Schwenkenbecher^)
hinweisen, der in derselben die bereits vorhandenen und femer
eigene Analysen tischfertiger Speisen zusammengestellt hat.
1) Y. Leyden, Handbach, 2. Aufl., I, S. 87.
2) Inaag.-Dlssert., Marburg, 1900.
Ans dem hTg^iaeh-bakteriolog. Labontoriam de« Eidgen. PolTtechnikomt.
vToTsund: Prof. Dr. O. Roth.'
Studien über Terdorbene (remüsekonserYen.
Von
Dr. Joseph Belser»
dipl. Chemiker.
Die meisten Gemüsearten sind bei uns nur wälirend einer
verhältnismälsig kurzen Zeit des Jahres, in den Sommermonaten,
frisch zu erhalten. Daher ist man seit frühester Zeit bemüht ge-
wesen, durch geeignete Konservierungs- Verfahren diese Ungleich-
heit der Produktion, diesen zeitlichen ÜberfluCs und wieder-
kehrenden Mangel zu beheben. Aus wenig bevölkerten Gegenden
lassen sich derart Nahrungsmittel in dicht bevölkerte Kultur-
staaten, namentlich in grolse Städte schaffen, ohne dafs man ein
Verderben derselben zu befürchten hat. Durch die Entwicklung
der Konservenindustrie hat die gesamte Ernährungsfrage eine
wichtige Förderung erfahren.
Zum Eintreten von Fäulnis sind drei Bedingungen er-
forderlich, nämUch^):
1. Hinreichende Feuchtigkeit.
2. Genügende Wärme.
3. Gegenwart von Mikroben oder durch solche erzeugte
Fermentkörper.
1) Heinzerling, Ch., Die Konservierung der Nahrungs- nnd Genufs*
mittel, 1^^, S. 283.
König, J., Die Chemie der menschlichen Nuhrungs- und GonufH-
mittel, IV. Aufl., 1904, 8. 612 u. 928.
8*
108 Studien Aber verdorbene Gemflsekonserven.
Die Mittel der Konservierung bestehen nun darin, eine oder
mehrere dieser Bedingungen aufzuheben, aber zugleich dafür zu
sorgen, dafs das betreffende Nahrungs- oder Genufsmittel bei der
Haltbarmachung nicht leidet.
Eines der besten und zugleich am meisten angewendeten
Verfahren ist im Jahre 1804 von Appert angegeben worden.
Im Laufe der Zeit hat es allerdings eine Reihe von Verbesse-
rungen erfahren. Es beruht auf dem Erhitzen der verschiedenen
Nahrungsmittel unter Luftabschlufs. Letzterer wirkt nur insofern
konservierend, als dadurch Fäulnisbakterien und andere Mikroben
femgehalten werden. In den Fabriken wird gegenwärtig wie folgt
gearbeitet: Die sorgfältig gereinigten und einige Minuten vor-
gekochten Gemüse werden mit der nötigen Menge Wasser und
Kochsalz in Blechdosen hineingelegt, diese verschlossen und je
nach Art und Zusammensetzung der betreffenden Sorte 15 — 25
Minuten im Autoklaven mit gespanntem Dampfe bei 112^ — 117°^)
sterilisiert, rasch herausgenommen und zur Abkühlung der ganze
Inhalt in kaltes Wasser getaucht.
Das Reichsgesetz 2) von 1887, welches die Innenverzinnung
der Konservendosen auf einen maximalen Bleigehalt von 1%
normierte und für die Verlötung ein Lot von höchstens 10% vor-
schrieb, hatte neben anderen Vorteilen auch eine gewaltige Um-
änderung in der Konstruktion der angewandten Dosen im Gefolge.
Da die Lötung mit dem vorgeschriebenen Lote eine schwierige war,
so suchte man die Zulötung der Dosen so viel wie möglich zu
umgehen, und dies gab die Anregung zur Erfindung der so-
genannten Falzdose. Mit dem Konserveninhalt kommt derart
nur noch eine kleine, schmale Lötnat in Berührung, entsprechend
der Höhe der Dose. Zur Erzielung eines hermetischen Ab-
schlusses am Boden und Deckel der Falzdose ist das Einlegen
eines Dichtungsringes aus Gummi erforderlich.
1) Ad er hold, R., Zentralbl. f. Bakt, IL Abt., 1899, S. 17—20. Kon-
■erven-Zeitang, Jahrg. 1901, S. 365.
2) Chemiker-Zeitung, Jahrg. 1891, S. 1109, Reichsgesetz, betr. den Ver-
kehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen vom 25. Juni 1887.
Von Dr. Joseph Belser. 109
Da die durch Kochen konservierten grünen Gemüse meist
ihre lebhafte, natürliche Farbe verändern, grau- oder braungrün-
mifsf arbig werden, so sucht man dem Wunsche des konsumierenden
Publikums gemäfs das ursprüngliche, frische Aussehen dadurch
wieder herzustellen, dals man dem Wasser, das beim Vorkochen
angewendet wird, eine geringe Menge Kupfersulfat zusetzt; so
verwendet man nach Tschirch^) auf 60 — 70 kg Gemüse
30 — 70 g Kupfersulfat und 100 1 Wasser. Nach Lehmann^)
geschieht die Grünfärbung durch kurzes, 3 — 8 Minuten dauern-
des Brühen in einem Kupferkessel, auf 30 — 40 kg Gemüse 100 1
Wasser und 10 — 15 g Kupfersulfat.
Die geringen Mengen von Kupfer, welche nach zahlreichen
Untersuchungen (Gautier'), Lehmann, Tschirch, Nikitin*)
bei dieser Gelegenheit von den Gemüsen aufgenommen werden,
haben jedenfalls keine konservierende Wirkung.
Nach Tschirch bildet sich bei Kupferanwesenheit das
brillantgrüne Kupfersalz der bräunlichen Phyllocyaninsäure
(C24 H27 N2 04)2 Cu, welches hauptsächlich die Erhaltung der grünen
Farbe bedingt.
Während bis vor kurzer Zeit niemand an eine organische
Vergiftung durch derartig hergestellte Konserven mit Gemüse
dachte, trat die Möglichkeit einer solchen durch die bedauerlichen
Vorgänge in der Darmstädter Alicenkochschule in den Vorder-
grund, als dort im Januar des vorigen Jahres durch den Genufs von
in Salat verwendeten Bohnenkonserven von 52 Personen 21 schwer
erkrankten, wovon dann 11 ihr Leben einbüfsen mufsten.
Wie die angestellte Untersuchung ergab, waren die be-
treffenden Bohnen in der Kochschule selbst, in Büchsen mit
Gummiring, Deckel und federndem Bügel verschlossen, konser-
1) Tschirch« A., Das Kupfer. Stattgart, 1893.
2) Lehmann, K. B., Hygienische Studien über Kupfer. Archiv f.
Hygiene, Bd. 24, 1895, S. 1.
3) Gautier, E. J. Armand, Le Cuivre et le Plomb dans l'alimen-
tation et Tindastrie au point de vue de l'hygi^ne, Paris, 1883.
4) Nikitin, A., Das Färben der grünen Erbsen mit Kupfersalzen und
ihr einfachster Nachweis. Zeitschr. f. Unters, d. Nahrungs- u. Genufsmittel,
Jahrg. 1900, S. 703.
110 Studien über verdorbene Gemdsekonserven.
viert worden. Beim Offnen derselben soll nach den Angaben
äufserlich keine stärkere Zersetzung aufgetreten sein ; nur machte
sich ein ungewöhnlicher Geruch geltend.
Aus den seither veröffentüchten Berichten und den geschil-
derten Krankheitssymptomen ist zu entnehmen, dafs es sich bei
diesem bedauerlichen Unglücksfall nicht um eine Vergiftung mit
Metallen, sondern um eine solche mit Toxinen, die als Stoff-
wechselprodukte von Bakterien auftraten, gehandelt hat. Dafs
hierbei nicht, wie in verschiedenen Tagesblättem zurzeit be-
hauptet wurde, ein ungenügender Kochsalzzusatz in Betracht
kam, ist schon von anderer Seite ^) genügend betont worden.
Landmann ^) gewann aus einem Stückchen Bohnensalat, das
er noch in einem Kohlenkasten vorfand, durch Schütteln mit
5 com physiologischer Kochsalzlösung und nachheriges keimfreies
Filtrieren ein Gift, von dem 2 weifse Mäuse bei subkutaner
Injektion von 0,5 ccm nach 24 Stunden starben. Wurde das
erhaltene Filtrat kurze Zeit aufgekocht, so hatte es seine toxische
Wirkung eingebüfst. Hiermit stimmt auch die Tatsache überein,
dafs diejenigen, welche von dem gleichen Salat genossen hatten,
der kurze Zeit auf dem heifsen Herde gestanden und derart durch
Zufall ins Kochen geraten war, absolut keine schädlichen Wir-
kungen verspürten.
Nachdem Landmann derart die Anwesenheit eines starken,
durch Kochen zerstörbaren Giftes im Bohnensalate nachgewiesen
hatte, suchte er auch die Herkunft desselben festzustellen und
fand als Ursache der Toxinbildung einen sporenbildenden, an-
aeroben Bazillus, der mit dem von van Ermengen zuerst in
Schinken gefundenen Bacillus botulinus die weitgehendste
Ähnlichkeit besafs. Schon öfter war derselbe als Ursache von
Fleischvergiftungen erkannt worden.
G af f ky '^j, dem neben zwei leeren noch eine 1^2 ^^g wiegende
uneröffnete, mit Bohnen gefüllte Weifsblechbüchse zur ünter-
1) Konserven-Zeitung, Jahrg. 1904, Nr. 8, S. 80.
3) Land mann. Ct., Über die Ursache der Darmstädter Bohnenvergif-
tnng. Hygienische Rundschau, XIV. Jahrg., Nr. 10.
3) Gaffky, Alice-Kochschule. Darmstädter >Täglicher Anzeiger« vom
9. Februar 1904.
Von Dr. Joseph Belser. 111
suchung übergeben worden war, konnte ebenfalls ein nur bei Luft-
abschlufs wachsendes, Buttersäure bildendes Bakterium isolieren,
das kräftig wirkende Toxine bildete und, wie er sich ausdrückt,
mit Bacillus botuünus »einige Ähnlichkeitc besafs.
Auch in einigen Artikeln der »Konserven-Zeitungc^] wird
entschieden die Ansicht vertreten, dafs es sich bei vorliegendem
Unglücksfall um eine Vergiftung mit Bakterien, resp. mit Toxinen
handelte, daCs aber nicht der Bacillus botulinus in Frage komme,
sondern die beiden fakultativ anaeroben Proteusarten : Bacillus
proteus mirabilis und Bacillus proteus vulgaris, die
ja in faulenden Substanzen öfters anzutre£Een sind.
Der tragische Vorfall in Darmstadt war leicht geeignet, Be-
ängstigungen hervorzurufen und gegen die Konservennahrung
Mifstrauen zu erwecken ; da ja auch in den bestgeleiteten Fabriken
alljährlich ein gewisser Prozentsatz der sterilisierten Gemüse zu-
grunde geht, was sich namentlich durch eine kräftige Gasbildung
im Innern der Dose bemerkbar macht. Solche Büchsen werden
in Fachkreisen ihrer veränderten Form wegen als »bombierte
bezeichnet.
Trotz einer sorgfältig ausgeübten Kontrolle seitens der Fabrik
kommt es hin und wieder vor, dafs solche Konserven in die
Hände des konsumierenden Publikums gelangen, indem sie
etwa erst nachträglich noch bombieren können.
Es schien mir daher vom hygienischen Standpunkte aus
äufserst wichtig, derart verdorbene Gemüsekonserven näher zu
untersuchen, da ja, wie auch von anderer Seite wiederholt her-
vorgehoben, anzunehmen war, dafs sich auch hier ähnliche
toxische Wirkungen geltend machen könnten wie bei denjenigen
in der Alicen-Kochschule und vielleicht bis anhin nur deshalb
noch keinen Schaden bewirkt hatten, weil sie vor dem Genüsse
gekocht worden waren.
Der Umstand, dafs über die biologischen Eigenschaften der
Zerstörer von Gemüsekonserven in der Literatur bis jetzt nur
1) Konserven-Zeitang, Jahrg. 1904, Nr. 6, 7, 8. Redaktear G. Brandau,
Braonschweig.
112 Stadien über verdorbene Gemüsekonserven.
ganz wenig bekannt ist, wahrscheinlich weil solche bombierte
Dosen im Handel nur selten anzutre£Een sind und für die be-
treffenden Forscher nur schwierig zu erhalten waren, liels es
gerechtfertigt erscheinen, diese interessanten Lebewesen, die ent-
weder grofse Widerstandsfähigkeit gegen hohe Temperaturen
haben müssen oder vielleicht erst nachträglich in die Büchsen
gelangen, näher kennen zu lernen.
Das zu meinen Untersuchungen nötige Material wurde mir in
zuvorkommender Weise teils von Konserven-Handlungen, zum
gröfsten Teile aber von verschiedenen Fabriken zur Verfügung
gestellt und gab man mir, meinem Wunsche gemäfs, möglichst
solche Objekte, bei denen man glaubte, dafs die Bombage nicht
auf einen Defekt der Dose, sondern auf mangelhafte Sterilisation
zurückzuführen sei.
Wie aus der Literatur ersichtlich, war Aderhold ^) der
erste, der sich mit diesem Gegenstande etwas eingehender be-
fafste. Er versuchte aus zehn verschiedenen bombierten Gemüse-
konserven die Verderber zu züchten, doch gelang es ihm trotz
der vielseitigsten Bemühungen nie, in den hergestellten Kulturen
Wachstum zu erhalten, nach seiner Meinung, weil die betreffenden
Organismen »einfach abgestorben waren c.
Wie bereits angedeutet, ist die sachbezügliche Literatur zur-
zeit noch eine recht spärliche. Neben der schon zitierten Arbeit
von Aderhold kommt noch namentlich diejenige von
K. von WahP) in Betracht.
Wie aus den kurzen interessanten Abhandlungen ersichtlich
ist, hat Verfasser anfänglich selbst Konserven eingemacht und
zu diesem Zwecke Karotten, Spargeln, Erbsen in Gläsern bei
strömendem Dampfe sterilisiert. Trotz zweistündiger Kochdauer
verdarben alle und es konnten als Zerstörer Endosporen bildende
Stäbchenbakterien isoliert werden, die aber leider sonst nicht
1) Ader hold, R., Zentralbl. f. Bakt, IL Abt., 1899, Bd. 6, S. 17—20.
2) K. V. Wahl, Über das Verderben der Konserven. Konserven-Zeitung,
Jahrg. 1903, Nr. 11 n. 12. — Untersuchungen über Konservenverderber.
Berichte der Grofsherzoglich Badischen landwirtschaftlichen Versuchsanstalt,
Augustenberg, 1902, S. 33—35 Bericht 1903, S. 35—36.
Von Dr. Joseph Belser. 113
näher beschrieben wurden. Später untersuchte genannter Autor
auch Fabrikkonserven, und konnte hier wieder mehrere Arten
von Mikroorganismen isolieren, die zum Teil sehr widerstands-
fähige Sporen zeigten, welche ein zweistündiges Kochen über-
dauerten. Höchst interessant ist femer die Mitteilung, dals die
Sporen je nach dem Nährsubstrat, auf dem sie sich gebildet und
dem Material, auf dem sie zur Prüfung angetrocknet wurden, an
Lebensdauer einbülsten oder gewannen. Leider gibt K. v. Wahl
in beiden Notizen keine näheren biologischen Eigenschaften der
gefundenen Mikroben an, doch stellt er eine ausführliche Dar-
stellung seiner Untersuchimgen in Aussicht.
Aderhold ^) glaubt, dals es keine für eine bestimmte Ge-
müseart spezifischen Zerstörer gebe, und wahrscheinlich keine
>8pezifi8chen Gemüsezerstörer überhaupt. c K. v. Wahl aber
fand in gleichartigen Konserven verschiedener Herkunft oft die
gleichen Verderber und in Konserven verschiedener Sorte nie-
mals die gleichen Bakterien.
Nach letzterem Forscher würde sich somit die in Fach-
kreisen gehegte Ansicht bestätigen, dafs sich verschiedene Gemüse-
arten, imter den gleichen Bedingungen konserviert, verschieden
lang halten.
Nach einer anderen von K. Kroemer^) erstatteten, kurzen
Notiz ist zu ersehen, dafs man sich in der Versuchsanstalt
Geisenheim ebenfalls mit dem gleichen Gegenstand befafst. Doch
war bei Abschlufs meiner Untersuchungen eine weitere Publi-
kation noch nicht erfolgt.
Die Redaktion der >Konserven-Zeitung€ hat seit einigen
Jahren in Braunschweig eine Untersuchungsstation errichtet,
wo die Konservenfabriken in kürzester Zeit ihre Produkte auf
Keimgehalt untersuchen lassen können. Diese Einrichtung soll
sich nach Mitteilungen der Praxis sehr gut bewährt haben, indem
die betreffenden Fabriken derart eine gewisse Kontrolle für ge-
1) a. a. 0., 8. 6.
2) Untersachangen über die Bakterien der Obst- und Gemüsekonserven.
Bericht der Königl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau zu Geisen-
heim a. Rh., 1903, S. 114—115. (Berlin bei P. Parey.)
114 Studien über verdorbene Gemüsekonserven.
nügende Sterilisation besitzen. Will also ein Fabrikant die Zeit-
dauer und die Höhe der Temperatur, die notwendig ist, um eine
bestimmte Konserve sicher steril zu bekommen, genau kennen,
so braucht er nur eine gewisse Anzahl verschieden lang und bei
verschiedenen Drucken hergestellter Büchsen zur Untersuchung
zu senden und wird die gewünschten Daten erhalten.
Die Redaktion obiger Zeitschrift berichtet in einem Auf-
sätze^), betitelt: >Nochmals die Vergiftung in Darmstadtc von
Versuchen, bei denen in bombierten Büchsen einige streng
anaerobe Buttersäurebazillen, femer solche vom Kolitypus und
einige unbekannte Mikroorganismen gefunden wurden.
Bakteriologische Untersuchungen.
Die von mir vorgenommenen Untersuchungen wurden wie
folgt ausgeführt: Unmittelbar vor der Probeentnahme aus einer
bombierten Büchse wurde diese tüchtig geschüttelt, nach Ent-
fernen der Etiketten mit Bürste und Seife gut gereinigt und
der Deckel und die obersten Partien der Wand mittels eines
Bunsenbrenners gut abgebrannt, bis zum Erkalten mit einem
vorher sterilisierten GlasgefäTse bedeckt, alsdann mit einem
spitzigen, mehrere Male durch die Gasflamme gezogenen, langen
Eisennagel eine Öffnung in die Mitte des Deckels gebohrt.
Mit einer sterilen Wasserpipette wurde nun Flüssigkeit aus
dem Innern in verschiedenen Höhenlagen herausgenommen und
jedesmal folgende Kulturen damit angesetzt:
Je 1 hohe Kultur in Traubenzuckeragar mit 0,1 und 1 com
Brühe, bei Temperaturen von 37° und 30® gehalten.
Je 2 Kulturen in Traubenzuckerbouillon mit 0,1 und 1 ccm
Brühe bei 37 «, 30 <> und 22 «.
Um einen möglichst passenden Nährboden zu schaffen, ver-
wendete ich jeweils den flüssigen Inhalt steril gebliebener
Büchsen der betreffenden Gemüseart und gab jedesmal 1 ccm
1) Konserven-Zeitung, Nochmals die Vergiftung in Darmstadt, Jahrg.
1904, Nr. a
Von Dr. Joseph Belser. 115
der zu untersachenden Brühe in solche Röhrchen, die ich bei
370, 30^ uDd 22 0 beobachtete.
Öfters leistete mir auch ein Nährboden, hergestellt mit der
Flüssigkeit einer keimfreien Dose und der nötigen Menge Gelatine
oder Agar-Agar versetzt, gute Dienste.
Neben obigen Kulturen wurden noch 2 anaerobe in Trauben-
zuckergelatine hergestellt unter Verwendung von 0,5 ccm
flüssigem Büchseninhalt. Überdies machte ich jedesmal mit
einer Platinöse zwei Strichkulturen auf schiefem Agar für die
Züchtung bei Bruttemperatur. Schliefslich gab ich noch je
1 ccm in zwei verflüssigte Traubenzuckergelatine und stellte
damit Platten her.
War während vier Wochen kein Wachstum auf obigen
Kulturen zu bemerken, so wurden sie zerstört.
Kleine Mengen des Büchseninhaltes wurden sowohl im
hängenden Tropfen als auch im gefärbten Präparate jedesmal
auf Bakterien mikroskopisch untersucht.
Eine jedesmalige Prüfung der betreffenden Dose auf
Dichtigkeit nahm ich in der Weise vor, dafs im Deckel mit
einer Blechschere eine runde OfEnung gemacht wurde, der Inhalt
mit Wasser ausgespült und die Büchse durch Auflötung eines mit
einem Rohrstutzen versehenen Bleches wieder verschlossen. Die
derartig vorbereitete Büchse wurde hierauf in eine starke Fluores-
ceünlösung gestellt, der Stutzen durch Schlauch mit einer Wasser-
strahlpumpe in Verbindung gesetzt und während ca. 4 Stunden
einem Vakuum von 15 mm Hg. ausgesetzt. Nach dieser Zeit
wurde die Büchse herausgenommen, möglichst von FarbstofE
befreit, gut abgetrocknet und in der Mitte ihrer Höhe durch-
schnitten. Mit Leichtigkeit war derart ein eventueller Eintritt
von FarbstofElösung bzw. Undichtigkeit zu erkennen.
Die Tierversuche wurden in Gegenwart von Herrn Professor
Dr. O. Roth ausgeführt. Als Versuchstiere verwendete ich
weifse Mäuse, denen ich in den weitaus meisten Fällen etwas
von dem unfiltrierten Inhalt bombierter Büchsen unter die
Rückenhaut einspritzte. Da anfänglich Toxine in den ver-
dorbenen Dosen vermutet wurden, so filtrierte ich in Nr. 1, 2
116 Studien über verdorbene Gemüsekonserven.
und 3 die Brühe durch Porzellanfilter mit der Absicht, sobald
sich schädliche Wirkungen bemerkbar machen sollten, auch
Tierversuche mit den isolierten Bakterien vorzunehmen.
Meistens wurden die Versuchstiere während vier Wochen
beobachtet und dann seziert.
Ich lasse nun die Protokolle meiner Untersuchungen folgen :
Bttehse Nr. 1.
Inhalt ca. 16 Monate alte, grüne Erbsen, äafserlich sehr kräftig bombiert,
daher beim öflfnen eine Menge unangenehm riechende GkMe ; Brühe schäumt
stark auf, getrübt, unansehnliche, gelbgraue Farbe.
Säureproduktion: 10 ccm Brühe erforderten cur Neutralisation
4,25 ccm ^ Na OH.
Mikroskopischer Befund: GroüBe Zahl etwa 5 — 6 mal so langer
als dicker Stäbchen; im hängenden Tropfen stark beweglich; daneben ver-
einzelt lange, fadenförmig aneinandergelagerte Stäbchen. Zuweilen findet
man grofse, stark lichtbrechende Sporen.
Bemerkungen: Auf den wie oben angegeben hergestellten Kulturen
erhielt ich nur eine Bakterien art, die nach ihrem morphologischen, wie auch
biologischen Verhalten in die Gruppe des Bacillus amylobacter van
Tieghem^) Clostridium bntyricum Prazmowski gehört.
Tierversuche: Traubenzuckerbonillon mit der isolierten Bakterienart
eingeimpft^ wurde nach 8 Tagen filtriert, mit steriler, physiologischer Koch-
salzlösung 1:4 verdünnt und zwei Mäusen subkutan injiziert: Maus Nr. 1
0,5 ccm. Maus Nr. 2 1 ccm. Tiere bleiben gesund, auch Verfütterung einer
5 Tage alten unfiltrierten Bouillonknltur ergibt ein negatives Resultat.
Zwei weitere Mäuse erhielten von einer 10 Tage alten, keimfrei filtrierten
Traubenzuckerbouillon : Maus Nr. 3 1 ccm. Maus Nr. 4 1 ccm ; trotzdem Tiere
normal. Auch die Sektion aller Tiere zeigt keine Veränderungen.
Dichtigkeit der Büchse: Dicht.
Bttehse Nr. 2.
Enthaltend Vt ^ Erbsen, 11 Monate alt; äufserlich wenig bombiert, daher
beim öflfnen nur geringe Mengen Gas. Geruch und Farbe der Büchse normal,
schwach getrübt.
Mikroskopischer Befund: Mehrere grofse, spindelförmige Stäbchen,
ähnlich Bacillus amylobakter; vereinzelt Fäden von grolsen, dicken Stäbchen
an Bacillus megatherium erinnernd; im ganzen sind viele Kokken vor-
herrschend.
1) Matzusohita, Bakteriolog. Diagnostik, 1902, S. 492.
M i g u 1 a , System der Bakterien, II. Bd., S. 53G.
Von Dr. Joseph Belser. 117
Säureprodaktion: 10 ccm Erbsenbrühe verlangten 1,05 com
Tierversnche: Zwei Mäuse bekamen subkutan keimfrei filtrierte
Erbsenbrühe: Maus Nr. 5 0,6 ccm, Maus Nr. 6 0,4 ccm, Befinden normal.
Bemerkungen: Obschon der mikroskopische Befund auf die An-
wesenheit einer grolsen Zahl von Bakterien schliefsen liefs, konnte trotz
der verschiedenen Kulturen nie Wachstum erhalten werden.
Dichtigkeit der Büchse: Dicht.
Bttehse Nr. 8«
Inhalt 11 Monate alte grüne Erbsen, Boden und Deckel stark bombiert,
beim öffnen neben stark aufschäumender Flüssigkeit nach Buttersäure
riechende Gase. Erbsenbrühe stark trübe, schmutiig graugrün. Im Innern
der Dose an vielen Stellen grauschwarze, matte, moir^artige Flecken von
Zinnsulfid >).
Säuregrad: 10 ccm Brühe verlangten 2,90 ccm ^k Na OH.
Mikroskopischer Befund: Qrofse Zahl Kokken oder Kurzstäbchen,
vielfach kettenförmig aneinandergelagert.
Tierversuche: Zwei Mäuse erhielten subkutan keimfrei filtrierte
Erbsenbrühe: Maus Nr. 7 = 0,7 ccm; Maus Nr. 8 = 0,8 ccm: Verhalten
normal.
Bemerkungen: Leider läCst sich hier die Frage, durch welche
Bakterienart die Bombage verursacht wurde, nicht beantworten, da die Kul-
turen kein Wachstum zeigten.
Dichtigkeit der Büchse: Undicht an der Lötnatfalz.
Bttehse Nr. 4.
Inhalt Vt i Erbsen, wenig bombiert, zeigt Erscheinung des >Flattems« ;
deshalb beim öffnen wenig Gas, Flüssigkeit wenig trübe, von graugrüner
Farbe. Innerlich war Zinnüberzug stark angegriffen (> mattiert«.)
Säuregrad: 10 ccm Erbsenbrühe entsprachen 3,62 ccm r^rNaOH.
Mikroskopischer Befund: Viele kurze, etwa 1,5 mal so lang als
breite Stäbchen, an den Enden abgerundet ; vereinzelt kommen noch schwach
bewegliche, nach Gram färbbare, grOfsere, fadenförmig aneinandergelagerte
Stäbchen vor. Hefezellen mit deutlichen Sprossungen sind vereinzelt an-
wesend.
In 1 ccm Brühe sind im Mittel 300 Keime enthalten.
1) Beckurts, H., Bildung von Schwefelzinn in WeiTsblechbüchsen.
Chemiker-Zeitung, 1889, S. 1523.
Reufs, W., Zur Chemie der Konservenfabrikation. Chemiker-
Zeitung, 1889, S. 1428.
Rössing, A., Mitteilungen über das Schwarzwerden der Gemüse-
konserven in Weifsblechdosen. Zeitschr. f. analyt. Chemie, 1896, Bd. 35, S. 38.
11g Studien über verdorbene GemOsekonBerven.
Tierversache: Zwei M&use bekamen subkotan direkt entnommenen
Büchfleninhalt : Maas Nr. 9 ^= 1 com; Maus Nr. 10 = 1 com, ohne StOrang
im Befinden.
Bemerkungen: Aus den verschiedenen Kulturen isolierte ich zwei
Mikroorganismen, nämlich: Bacillus subtilis (Ehrenberg) Cohn*) und
eine Hefe, die trauben zuckerhaltige N&hrbOden rasch und krftftig vergährte.
Dichtigkeit der Büchse: Undicht, wo, war nicht mehr zu er-
mitteln, da zu viel FarbstoflflOsung eingesaugt worden war.
Büchse Nr. 6.
Inhalt 1 1 junge Bohnen, 1 Jahr alt, Aufserlich wenig bombiert, Geruch
der Flüssigkeit normal, Farbe graugrün, stark trübe.
Säureproduktion: 10 ccm Bohnenbrühe erforderten 3,1 8 j^ NaOH.
Mikroskopischer Befund: Grolse, etwa achtmal so lange als
breite, schlanke Stäbchen ; viele sind gekrümmt, und da sie sich gerne faden-
förmig hintereinander lagern, so erwecken sie den Eindruck eines Spirillums ;
nach Gram nicht färbbar.
Auf den Gelatineplatten zählte ich im Mittel pro 1 ccm Brühe 15000
Kolonien.
Morphologie der Reinkultur: Grofse, etwa achtmal so lange
als breite Stäbchen, bilden gerne die genannten, gekrümmten Involutions-
formen.
Gelatineplatten: Makroskopisch: Oberflächenkolonien bläulich-
weifs, durchsichtig ; Wachstum langsam. Tiefenkolonien erscheinen als gelbe
Pünktchen. Bei schwacher Vergröfserung zarter, dünner Belag ; Randabgren-
zung unscharf; die ganze Kolonie ist gleichmäfsig, fein gekörnt. Die tiefer
liegenden sind meistens rund, auch oval, ebenfalls schwach gekörnt
Gelatinestich: Im Stichkanal nur ganz geringes Wachstum, der
dünne, zarte, oberflächliche Rand zeigt keine Ausbuchtungen; Verfltissigung
tritt nie ein.
Agarstrich: Bei 30^ zarter, glatter, feuchtglänzender, durchsichtiger
Belag.
Kartoffeln: Zarter Belag, am Rande Ausbuchtungen.
Milch: Gallertartige, gleichmäfsige Gerinnung, die nach 8 Tagen
klumpig wird mit wässerigem Serum.
Traubenzuckerbouillon: Trübung nach 3 Tagen, schwache
Gasbildung.
Temperaturverhältnisse: W ächst bei Zimmertemperatur langsam.
Luftbedürfnis: Fakultativ anaerob.
Tierversuche: Maus Nr. 11 = 0,6 ccm. Maus Nr. 12 =3 0,3 ccm un-
Ültrierte Brühe subkutan; normal.
Bemerkungen: Nach diesem Befunde war mir eine Artbestimmung
nicht möglich.
Dichtigkeit der Dose: Undicht am Lötstellefalz.
1) MatzuBchita, Diagn., 1. Aufl., S. 2.
Von Dr. Joseph Belser. 119
Bichae Nr. 6.
1 Jahr alte Erbaen, beidsdtig stark bombiert, beim Ofiben Gerach nach
Batteniare: Flflnigkeit gelblichweiA,- stark trflbe.
Aiiditit: 10 ccm BrOhe erforderten 4,7 ccm j^ NaOH.
Mikroskopischer Befand: Grofse, dicke, sporenhaltige, manch-
mal spindelfOnnig angeschwollene 8tAbchen, seigen Granolosereaktion, be-
wegen sich lebhaft
Tierversuche: Maas Nr. 13 = 0,3 ccm, Maus Nr. 14 = 0,5 ccm un-
filtrierter BrQhe, subkutan, ohne Wirkung.
Bemerkungen: Diese Bakterienart stimmt morphologisch, wie auch
biologisch mit der in Büchse Nr. 1 gefundenen überein.
Dichtigkeit der Dose: Dicht.
Biehse Nr. 7.
Inhalt grüne Bohnen, 1 Jahr alt, wenig bombiert, Flüssigkeit schwach
trübe, Grerach normal.
S&ureproduktion: Für 10 ccm Brühe waren 6,2 ccm -^ NaOH er-
forderlich.
1 ccm Brühe enthielt im Mittel 400 Keime.
Mikroskopischer Befund: Kurse, dicke, 2 — 3 mal so lang als
breite Stäbchen mit abgerundeten Enden, nach Gram nicht färbbar ; sie sind
lebhaft beweglich.
Gelatineplatten: Makroskopisch: Nach 3 Tagen gelblichweifse,
punktförmige Kolonien; bei schwacher Vergröfserung durchscheinende,
kOmige Struktur.
Gelatinestich: Wachstum bis in die Tiefe des Stichkanales, ober-
flächlich zarter, gelblichweifser Belag.
Agarstrich: Schwach gelbliche, feuchtglänzende Auflagerung.
Kartoffeln: Feuchtglänzender, zitronengelber Belag.
Traubensuckerbouillon: Nach 48 Stunden starke Trübung;
schwache Gasentwicklung; Nährböden aus Bohnen werden ebenfalls schwach
vergärt.
Temperaturverhältnisse: Wächst bei 30^ am besten.
Tierversuche: Maus Nr. 15=0,6 ccm, Maus Nr. 16 = 0,3 ccm sub-
kutan unfiltrierter Bohnenbrühe; keine Wirkung.
Bemerkungen: Identifizierung mit einer schon beschriebenen
Bakterienart war mir nicht möglich.
Dichtigkeit der Büchse: Undicht, an Berührungsstelle Lötnat
und Falz.
Bttehse Nr. 8.
Inhalt junge Erbsen, 1 Jahr alt^ stark bombiert, beim Öffnen widerlich
riechende Gase, Flüssigkeit schäumt stark auf, trübe, graugrün. Innerlich
zeigt Büchse vielerorts Belag von Schwefelzinn.
120 Studien über verdorbene Gemüsekonserven.
Azidität: 10 ccoi Erbsenbrühe verlangten 4,73 ccmr^NaOH.
Mikroskopischer Befund: Mittellange dicke Stäbchen mit abge-
rundeten Enden, neben kurzen, dicken, die sich nach Gram färben.
Tierversuche: Maus Nr. 17=0,6 ccm unfiltrierte Brühe, subkutan.
Maus Nr. 18 mit ebensolcher Brühe gefüttert ; Maus Nr 19 = 0,3 ccm keimfrei
filtrierter Erbsenbrühe subkutan. Befinden aller Tiere normal.
Bemerkungen: Trotz verschiedener Kulturen, auch auf solchen mit
Erbsen, kein Wachstum.
Dichtigkeit der Dose: Dicht.
Bttchse Nr. 9.
Inhalt Wacbsbohnen, 1 Jahr alt, wenig bombiert, daher nur wenig Gas
beim öffnen; Flüssigkeit schwach trübe, sonst normal.
Säureproduktion: 10 ccm Bohnenbrühe erforderten 1,34 ccm
^ Na OH.
MikroskopischerBefund: Lange, dünne, schwachgebogene, manch-
mal spirillenförmig angeordnete Stäbchen, wahrscheinlich sind es Involutions-
formen. Daneben vereinzelt noch kurze, dicke Stäbchen.
Tierversuche: Maus Nr. 20 ==0,2 ccm, Maus Nr. 21=0,7 ccm un-
filtrierter Brühe subkutan; normal.
Kulturversuche: Sowohl aerob als auch anaerob in den verschiedenen
Nährböden kein Wachstum.
Dichtigkeit der Dose: Undicht, wo, war nicht zu ermitteln.
Bttchse Nr. 10.
1 Jahr alte Erbsen, sehr kräftig bombiert, beim Offnen heftige Gas-
entwicklung, Flüssigkeit stark trübe, säuerlich.
Azidität: 10 ccm erforderten zur Neutralisation 5,52 ccm ^tv Na OH.
Mikroskopischer Befund: Kurze, etwa 2 — 4mal so lange als breite
Stäbchen in grofser Zahl, an den Enden abgerundet, häufig reihenförmig an-
geordnet; lebhaft beweglich. Es scheint sich nur um eine einzige Art zu
handeln.
Bemerkungen: Alle durch die Kulturen erhaltenen Merkmale, auch
die Widerstandsfähigkeit lassen auf Identität dieser Bakterienart mit Bacillus
brassicae acidae^) schliefsen, der zuerst von Conrad als ein Erreger der
Sauerkrautgärung erkannt worden war.
Tierversuche: Subkutan Maus Nr. 28=0,5 ccm ; Maus Nr. 24=0,9 ccm
direkt entnommener Brühe; Verhalten normal.
Dichtigkeit der Büchse: Dicht.
1) Matzuschita,Diagn. S. 318. — Migula, System d. Bakt. ü, S. 737.
Von Dr. Joseph Belser. 121
Bttchse Nr. 11.
Inhalt 13 Monate alte Erbsen, anf beiden Seiten kräftig bombiert; beim
Offnen eine grofise Menge anangenehm riechende Gase neben schmatiig
grangrüner stark aufschäumender Brühe.
Säure gr ad: 10 ccm Brühe erforderten 8,45 ccm jz: Na OH.
Mikroskopischer Befund: Kurze, dicke Stäbchen von lebhafter Be-
weglichkeit, neben vereinzelten Ilefezellen und Langstäbchen, die an Kar-
toffelbazillen erinnern.
Durch die Kultur konnte nur eine einzelne Art isoliert werden, die
folgende Eigenschaften zeigt:
Morphologisches. Verhalten: Kurze, 2 — 4mal so lang als breite
Stäbchen, Gram positiv.
Gelatineplatten: Nach 2 Tagen oberflächliche Kolonien stark ent-
wickelt, einzelne mit gelber Färbung. Mikroskopisch um das lichtere Zentrum
radiäre Fasern, nach gekerbtem, stark glänzenden Bande zu erkennen. Früh
zeigt sich um die Kolonie herum eine verflüssigte Zone von gelber Farbe.
Kleinere Kolonien haben ein gegen gekerbten Rand verlaufendes Ldnien-
system. Auf Erbsengelatine entwickeln sich Kolonien in gleicher Weise,
aber langsamer.
Gelatinestich: Wachstum bis in die Tiefe des Impf Stiches; an der
Oberfläche flach ausgebreitete, zitronengelbe Auflagerung; bald beginnt die
Verflüssigung, zuerst schreitet sie gegen die Glaswand vor und greift dann
erst in die Tiefe ; in der verflüssigten Gelatine entsteht ein gelber, flockiger
Niederschlag.
A garstrich: Gelblich weisse, feuchtglänzende Auflagerung mit feinen
Einbuchtungen am Rande.
Kartoffeln: Gelbe, glänzende Auflagerung mit kräftigen Ausbuchtungen
am Rande.
Bouillon: Nach 24 Stunden Trübung; später bildet sich eine gelblich
gefärbte Kahmhaut.
Gasentwicklung: Traubenzuckerhaltige Nährboden werden rasch und
kräftig vergärt; solche aus Erbsen weniger rasch.
Temperaturverhältnisse: Wächst bei Zimmer- und Bruttemperatur.
Schnelligkeit des Wachstums: Wächst rasch.
Farbenproduktion: Erzeugt bei Luftzutritt einen gelben Farbstoff.
Sporenbildung: Bildet mittelständige Sporen, die aber an Seiden-
fäden angetrocknet 20 Minuten strömenden Dampf nicht aushalten.
Peptonwasser: Trübt sich stark und gibt die Indolreaktion.
Luftbedürf nis: Fakultativ anaerob.
Tierversuche: Maus Nr. 25 = 0,6 ccm, Maus Nr. 26 = 0,8 ccm subkutan,
ohne Störungen.
Bemerkungen: Eine Artbestimmung war mir nicht möglich.
Dichtigkeit der Büchse: Dicht.
ArchiT für Hygiene. Bd. LIV. 9
122 Stadien über verdorbene Gemüsekonserven.
Bttehse Nr. 12.
3 Monate alte grüne Scbmalzbohnen, nor ganz wenig bombiert; die
Brühe war stark trübe, von gelblich weiTser Farbe, sonst normal. Innerlich
war die Büchse an sehr vielen Sti)llen stark angegriffen.
Azidität: 10 ccm Bohnenbrühe verlangten 8,66 ccm t^t Na OH.
Mikroskopischer Befund: Grofse Zahl langer, schlanker Stäbchen,
neben kürzeren, dicken, die sich nach Gram färben
Tierversache: Zwei weifse Mäuse erhielten subkutan folgende
Mengen unfiltrierter Bohnenbrühe:
Maus Nr. 27 = 0,5 ccm , Maus Nr. 28 =: 1,0 ccm ; trotzdem keine Ver-
änderungen.
Kulturversuche: Alle fielen negativ aus ; auch solche auf Bohnen-
nährbOden, was wohl zum Schlüsse berechtigt, dafs diese Organismen abge-
storben waren.
Dichtigkeit der Büchse: Undicht am Falze.
Btlehse Nr. 13.
Enthaltend ca. 4 Monate alte, gemischte Gemüse, wenig bombiert:
Flüssigkeit nur schwach getrübt
Säureproduktion: 10 ccm Brühe verlangten 1,79 ccm rrr Na OH.
Mikroskopischer Befund: Kurze, dicke, an den Enden abgerundete
Stäbchen von lebhafter Bewegung.
In 1 ccm Brühe wurden im Mittel 14 Kolonien gezählt.
Gelatineplatte: Makroskopisch : Oberflächenkolonien meistens rund,
mattweiTs, glänzend, mit bläulichem Schimmer, gewöhnlich zentralem Kern,
Rand scharf und zeigt eine schon makroskopisch leicht zu erkennende
Buchtung. Mikroskopisch sind tiefer liegende Kolonien gelblich, scharf um-
grenzt; oberflächliche haben am Rande starke Furchungen, um das hell-
gelbe Zentrum verläuft ein System konzentrischer Kreise.
Gelatinestich: Wachstum bis in die Tiefe des Stichkanales, ober-
flächlich zarter, ausgebuchteter Belag.
Agarstrich: Weifse, feucht glänzende Auflagerang, am Rande schwach
ausgebuchtet.
Kartoffeln: Feuchtglänzender, bräunlichgelber Belag.
Traubenzuckerbouillon: Starke Trübung, weifser Bodensatz,
Gasentwicklung (auch Nährboden von Erbsen), Indolreaktion positiv.
Temperatur Verhältnisse: Wächst rasch und Üppig bei Zimmer-
temperatur, bei 37" kümmerlich.
Milch: Wird koaguliert.
Tierversuche: Maus Nr. 29 = 0,6 ccm, Maus Nr. 30 = 0,6 ccm
direkter Brühe, subkutan, normales Verhalten.
Bemerkungen: Artbestimmungen nicht möglich. Plattenwachstum
erinnert an die Koligruppe, gegen dieses spricht aber mangelhaftes Wachs-
tum bei 37».
Dichtigkeit der Büchse: Undicht bei Lötnatfalz.
Von Dr. Joseph Belser. 123
Bttehse Nr. 14.
Inhalt grOne Erbsen 5 Monate alt, stark bombiert, daher kam beim
Offnen Flüssigkeit unter starkem Aufsch&omen hervor.
Azidität: 10 com Erbsenbrühe verbrauchten 2^68 ccm r^ NaOH.
Bemerkungen: Morphologisch und biologisches Verhalten genau
gleich wie der in Nr. 13 beschriebene Bazillus.
Tierversuche: Maus Nr. 31 = 0,2 ccm; Maus Nr. 32 = 0,5 ccm sub-
kutan, der unfiltrierten Brühe ; normal.
Dichtigkeit der Büchse: Undicht an Lötnat und Falz.
Bliehse Nr. 15.
Inhalt Schinalzbohnen, stark bombiert, unangenehm riechende Gase beim
Offnen; Flüssigkeit stark trübe, mifsf arbig.
8&ure Produktion: 10 ccm Bohnenbrühe verlangten 5,74 ccm r^NaOH
zur Neutralisation.
Mikroskopischer Befund: Zweimal so lange als breite Stäbchen
neben vereinzelten Hefezellen und Langstäbchen.
1 ccm Bohnenbrühe enthielt im Mittel 3500 Keime.
Aus dieser Büchse konnte nur eine Art isoliert werden:
Morphologisches Verhalten: Kurze, dicke, an den Enden ab-
gerundete, nach Gram färbbare Stäbchen, träge beweglich.
Gelatineplatten: Ohne VergröfiBerung : Die oberflächlichen Kolonien
erreichen nach 3 Tagen einen Durchmesser von 1 — 2 nmi; später ver-
grölsem sie sich nur noch wenig, sie sind rein milchweifs und ragen knopf-
artig über die Gelatine heraus. Bei schwacher VergrOlserung ist nichts be-
sonderes zu erkennen.
Gelatinestich: Wachstum bis in die Tiefe des Kanals; der Stich
erscheint am Rande fein gezähnt, oben sind nach einer Seite kleine, perl-
mutterglänzende Ausläufer.
Agars trieb: Zarter, weiÜBer Belag, der Länge nach gestreift.
Kartoffeln: Kein Wachstum.
Bouillon: Wird getrübt, weifser Bodensatz.
Gasentwicklung: Zuckerhaltige Nährboden werden vergärt^ auch
solche mit Bohnen hergestellte.
Temp erat urVerhältnisse: Wächst gut bei Zimmertemperatur, bei
37* gar nicht
Tierversuche: Maus Nr. 33 = 0,6 ccm; Maus Nr. 34 = 0,8 ccm
direkter Brühe, subkutan; normal.
Bemerkungen: Eine Identifizierung war nicht möglich.
Dichtigkeit der Dose: Dicht
Büchse Nr. 16.
Inhalt 115 Monate alte Bohnen, kräftig bombiert, beim Offnen nur
wenig Gas, Flüssigkeit stark trübe.
Azidität: 10 ccm entsprachen 8,40 ccm l- NaOH.
124 Studien über verdorbene Gemüsekonserven.
Mikroskopischer Befand: Überwiegend kurze, dicke Stäbchen,
neben vereinzelten Langstäbchen; erstere gering beweglich.
Tierversuche: Maus 35 und 36 wurde 0,5, resp. 0,6 ccm unfiltrierter
BrQhe injiziert; letztere wurde später noch mit ebensolcher Brühe gefüttert;
beide Tiere bleiben normal.
Bemerkungen: Die erhaltene Reinkultur hatte morphologisch, wie
auch biologisch die gleichen Eigenschaften wie diejenige in Büchse Nr. 15
vorgefundene.
Dichtigkeit der Büchse: Undicht, wo, nicht zu ermitteln.
Bttchse Nr. 17.
5 Monate alte Erbsen, kräftig bombiert; beim öffnen unangenehm
riechende Gase; Flüssigkeit schäumt stark auf, schmutzig, graugrün.
Säuregrad: 10 ccm Erbsenflüssigkeit erforderten 2,35 ccm r^ Na OH.
Mikroskopischer Befund: Nur eine Art von Bakterien nachweis-
bar, zwei bis vier mal so lange als breite Stäbchen, Enden abgerundet,
Gram positiv, lebhaft beweglich.
In Übereinstimmung damit könnte nur eine Art isoliert werden.
Gelatineplatten: Die oberflächlichen Kolonien sind stark erhaben.
Mitte Kern, perlmutterglänzend, weilsgrau. Mikroskopisch Rand scharf,
Kolonien stark gefurcht durch eine Menge radiärer Strahlen, gegen Peri-
pherie hin sich verästelnd; ganze Kolonie schwach gekörnt.
Agarplatten: Koliähnliche Kolonien.
Gelatinestich: Wachstum bis in die Tiefe des Stichkanals, Rand
gezähnt^ oberflächlich feucht glänzende, ausgebuchtete Auflagerung.
Agar strich: Kräftiger, dicker, gelblichweifser Belag.
Kartoffeln: Dicke, wurzelähnlich verzweigte, gelbe bis grauweifse Auf-
lagerung.
Traubenzuckerbouillon: Starke Trübung mit Häutchen, Indol-
reaktion positiv; kräftige Gasentwicklung (aus erbsenhaltigen Nährböden
ebenfalls).
Milch: Wird koaguliert, keine Serumabscheidung.
Temperaturverhältnisse: Wächst bei 22 — 30^ rasch und am besten.
Sporenbildung: Bildet mittelständige Sporen, Stäbchen schwellen
hierbei tonnenförmig an.
Tierversuche: Maus Nr. 37 = 0,9 ccm; Maus Nr. 38 = 0,8 ccm sub-
kutan unfiltrierter Brühe; keine Veränderungen.
Bemerkungen: Identifizierung nicht möglich, scheint in die Koli-
gruppe zu gehören.
Dichtigkeit der Büchse: Undicht, wahrscheinlich durch kräftige
Bombage.
Bttchse Nr. 18.
Inhalt 4 Monate alte Wachsbohnen, stark bombiert; daher kam beim
Offnen Flüssigkeit zum Vorschein, stark getrübt.
Azidität: 10 ccm Bohnenbrühe verlangten 6,17 ccm r^ Na OH.
Von Dr. Joseph Belser. 125
Mikroskopischer Befund: Kurze, dicke Stäbchen mit abgerundeten
Enden, mft£Big beweglich, offenbar derselben Art angehörend.
In 1 ccm Brühe sind im Mittel 10000 Keime enthalten.
Gelatineplatten: Makroskopisch: Oberflächen kolonien bilden nach
3 Tagen gelblich weiTse Punkte, sich mehr und mehr verfärbend, bis sie
schliefslich goldgelb werden. Mikroskopisch meistens kreisrund, Rand scharf,
Zentrum etwas dunkler, ganze Kolonie gekörnt.
Agarplatten: Kleinen, gelben Kolonien sind grob gekörnt, in der
Mitte etwas dunkler; Rand unscharf.
Gelatinestich: Wachstum bis in die Tiefe des Stichkanals; ober-
flächlich leichter, gelber Belag mit schwachen Furch ungen.
Kartoffeln: Kräftiger, feuchtglänzender, goldgelber Belag ; Rand aus-
gebuchtet, stellenweise korallenartige Ausläufer.
Traubenzuckerbouillon: Trübung, gelbe Haut; später wird ganze
Flüssigkeit gelb, Gasbildung; Kulturen in Bohnenbrühe entwickeln ebenfalls
Gas, auch gelbe Haut.
Dieses Bakterium greift Bohnen an, indem Epidermis eine Menge
Blasen zeigt
Milch: Koaguliert, peptonisiert ; Serum färbt sich gelb.
Temperaturverhältnisse: Wächst rasch bei 22^30^ bei 37«
nur schlecht.
Luftbedürfnis: Fakultativ anaerob; bei LuftabschluTs kein gelber
Farbstoff.
Tierversuche: Maus Nr. 39 = 0,4 ccm; Maus Nr. 40 = (i,8 ccm
direkter Brühe, ohne schädliche Wirkung.
Bemerkungen: Einige Merkmale (Farbstoffbildung, Morphologie,
Pathogenität für Bohnen) lassen auf Identität mit Bacillus phaseoli,
Smith, Bchliefsen. Leider sind die Angaben in den mir zugänglichen
Werken^) nur sehr kurz gehalten.
Büchse dicht
Bttchse Nr. 19.
5 Monate alte Erbsen, schwach bombiert, Flüssigkeit wenig trübe.
Säureproduktion: 10 ccm Brühe entsprachen 5,5 ccm -r^ NaOH.
Mikroskopischer Befund: Viele mittelgrofse, dicke Stäbchen,
Eindruck von Involutionsformen.
Tierversuche: Maus Nr. 41 = 0,2 ccm; Maus Nr. 42 = 0,7 ccm
unfiltriert, subkutan; normal.
Bemerkungen: Alle Kulturversuche negativ: Artbestimmung daher
unmöglich.
Dichtigkeit der Büchse: Dicht.
1) Matz Uschi ta, Diagnostik, S. 348.
Migula, System d. Bakterien, H. Bd., S. 776.
126 Studien über verdorbene Gemüsekonserven.
Bttehse Nr. 20.
Vi l Bohnen, 4 Monate alt, sehr stark bombiert; beim öffnen viel Gas,
Flüssigkeit schäamt stark auf, trübe.
Säureproduktion: 10 ccm erforderten 1,79 ccm r^r Na OH.
Mikroskopischer Befund: Grofse Zahl Stäbchen von wechselnder
Länge, aber gleicher Dicke, mäfsig beweglich, nach Gram nicht färbbar.
Im Mittel wurden in 1 ccm Brühe 350 Kolonien gezählt.
Gelatineplatten: Nach 2 Tagen erreichen die oberflächlichen
Kolonien eine Gröüse von 2 — 3 mm. Dünner, weifser, durchsichtiger Belag.
Unter dem Mikroskop grob gekörnt^ Rand scharf, ausgebuchtet, nach einigen
Tagen am Rande schwache Verflüssigung.
Agarplatten: Mikroskopische Tiefenkolonien am Rande Strahlen-
kraus, oberflächlicher, weifser, dünner, durchsichtiger Belag.
Kartoffeln: Kräftiger, stark erhabener, anfänglich gelbbrauner, später
fleischfarbener Belag mit Ausbuchtungen.
Traubenzuckerbouillon: Stark getrübt, Häutchen, lockeres
Sediment, Indolreaktion -j- ; starke Gasentwicklung (auch Milchzuckerglyzerin,
Erbsen- und Bohnennährböden).
Sporenbildung: Mittelständige Sporen, sporenhaltiges Material an
Seidenfäden hält 20 Minuten Dampf nicht aus.
Gelatinestich: Leichter Belag, später trichterförmige Verflüssigung.
Temperaturverhältnisse: Wächst bei Zimmertemperatur etwas
langsamer, bei Bruttemperatur hingegen sehr rasch.
Milch: Koaguliert, peptonisiert, aromatischer Geruch.
Tierversuche: Maus Nr. 43 = 0,8 ccm; Maus Nr. 44 = 0,7 ccm
subkutan, direkte Brühe; keine Veränderungen.
Bemerkungen: Identifizierung nicht möglich.
Büchse undicht; scheint durch starken Gasdruck im Innern aufgerissen
worden zu sein.
Büchse Nr. 21.
5 Monate alte Bohnen, sehr wenig bombiert ; Flüssigkeit schwach trübe.
Säureproduktion: 10 ccm Brühe erforderten 1,05 ccm rpr NaOU.
Mikroskopischer Befund: Wenige, lange, schlanke Stäbchen,
vielfach fadenförmig angeordnet.
Tierversuche: Maus Nr. 45 = 0,2 ccm. Maus Nr. 46 = 0,4 ccm
Brühe, subkutan, ohne Wirkung.
Bemerkungen: Morphologie, wie auch Biologie der gezüchteten
Reinkultur liefsen auf Identität mit Bacillus mycoides Flügge') schliefsen.
Büchse dicht.
1) Matzuschita, Diagnostik, S. 150.
Migula, System d. Bakterien, Bd. U, S. 527.
Von Dr. Joseph Belser. 127
Bttehse Nr. 22.
6 Monate alte Erbsen, kräftig bombiert, heftige Gasentwicklung, Flüssig-
keit tritt anter starkem Aufschäumen heraus; stark trübe.
Säureproduktion: 10 ccm Brühe verlangten 2,98 ccm r^ Na OH.
Mikroskopischer Befund: Viele kurze, dicke Stäbchen, an den
Enden abgerundet, gerne fadenförmig aneinander gelagert, Gram negativ.
Tierversuche: Maus Nr. 47 = 0,6 ccm. Maus Nr. 48 = 0,3 ccm
unfiltrierte Brühe, subkutan; keine Störungen wahrzunehmen.
Bemerkungen: Aus den verschiedenen Kulturen ergab sich Identität
mit dem in Büchse Nr. 10 schon gefundenen Bacillus brassicae addae.
Büchse dicht.
Bttehse Nr. 28.
Inhalt 6 Monate alte Erbsen, schwach bombiert, Flüssigkeit wenig getrübt.
Säuregrad: 10 ccm Brühe erforderten 5,5 ccm t^t Na OH.
MikroskopischerBefnnd: Grofse Zahl kurze, dicke, an den Enden
abgerundete, nach Gram schlecht färbbare, wenig bewegliche Stäbchen.
Vereinzelt kommen noch Langstäbchen vor.
Tierversuche: Maus Nr. 49 = 0,2 ccm, Maus Nr. 50 = 0,8 ccm
unfiltrierter Flüssigkeit^ subkutan; keine Veränderungen.
Bemerkungen: Aus allen Kulturen konnte ich nur eine Bakterienart
isolieren, die ich mit Bacillus acidi lactici Hueppe^) identisch erklären
möchte.
Büchse dicht
Bttehse Nr. 24.
Inhalt Erbsen, Alter unbestimmt^ wenig bombiert, zeigt > Flattern«.
Brühegeruch nach Buttersäure, graugrün, trübe.
Säureproduktion: 10 ccm Brühe erforderten 2,94 ccm — Na OH.
Mikroskopischer Befund: Kurze, dicke Stäbchen mit abgerundeten
Enden; vereinzelt auch Hefezellen.
Tierversuche: Maus Nr. 51 = 0,8 ccm. Maus Nr. 52 = 0,2 ccm un-
filtrierter Brühe, subkutan; normaler Befund.
Bemerkungen: Auf allen Kulturen konnte kein Wachstum kon-
statiert werden.
Büchse dicht.
Bttehse Nr. 25.
6 Monate alte Bohnen, kräftig bombiert ; Flüssigkeit schäumt stark auf,
starke trübe, Geruch normal.
Sänregrad: 10 ccm Brühe entsprachen 1,57 ccm j^ Na OH.
1^ Matznschita, Diagnostik, S. 370.
Migula, System d. Bakterien, 11. Bd., S. 827.
128 Stadien über verdory>ene Gemüsekonserven.
Mikroskopischer Befund: Grofse Zahl lange, ziemlich dicke, an
den Enden schwach abgerundete, etwa 4 — 8 mal so lang als breite Stabeben,
reihen sich gerne fadenförmig aneinander, nach Gram nicht oder nur schlecht
färbbar; zeigen keine Bewegung.
Es konnte hier nur eine einzelne Art isoliert werden.
Gelatineplatten: Makroskopisch und mikroskopisch colifthnlich-
Gelatinestich: Wachstum bis in die Tiefe, oberflächlich dflnne,
zarte Auflagerung, Perlmutterglanz; Verflüssigung tritt nie ein.
Agarst rieh: Feuchter, weifser Belag, Rand ausgebuchtet^ am Rande
dünner und heller, in der Mitte Querstreifung.
Kartoffeln: Coliähnliches Wachstum.
Traubenzuckerbouillon: Lebhafte Trübung mit Häutchen, weifses
Sediment; Indolreaktion -}-; starke Gasbildung (auch in bobnenhaltigen
Nährböden).
Milch: Koaguliert.
Sporenbildung: Endogene, stark lichtbrechende Sporen; sporen-
haltiges Material hält an Seidenfäden angetrocknet 10 Minuten strömenden
Dampf nicht mehr aus.
Temperaturverhältnisse: Wächst gut bei Zimmertemperatur; bei
37® schon nach 10 Stunden kräftiger Belag auf schiefem Agar.
Tierversuche: Maus Nr. 53==0,5ccm; Maus Nr. 54 = 0,8ccm sub-
kutan, unfiltrierte Brühe; normales Befinden.
Bemerkungen: Artbestimmung nicht möglich, morphologisch gleich
wie die in Büchse Nr. 12 gefundene Bakterienart.
Büchse dicht.
Bttchse Nr. 26.
Spinat, Alter unbestimmt, wenig bombiert; beim öffnen Buttersäure-
geruch; innerlich Flecken von Schwefelzinn.
Azidität: 10 ccm Brühe verlangten 3,66 ccm :^— Na OH.
Mikroskopischer Befund: Lange, schlanke Stäbchen, 4 — 8mal
so lang als breit, scheinen schwach gekörnt, zuweilen fadenförmig angeordnet;
nach Gram teilweise färbbar; viele gekrümmt, wahrscheinlich Involutions-
formen, einige sind mäfsig beweglich; daneben kommen noch schlanke,
6— lOmal so lang als breite Stäbchen, Grampositive, ebenfalls fadenförmig
angeordnete Stäbchen vor.
Tierversuche: Maus Nr. 55 = 0,7 ccm ; Maus Nr. 56 = 0,4 ccm direkt
entnommene Brühe, subkutan, normales Verhalten.
Bemerkungen: Aus den erhaltenen Kulturen konnte ich zwei Mikro-
organismen isolieren, nämlich den schon in Büchse Nr. 25 gefundenen und
beschriebenen coliähnlich wachsenden Bazillus und Bacillus bntyricus*)
Botkin. Bei letzterem konnte einzig kein Wachstum auf Kartoffeln er-
halten werden.
Blechdose dicht.
1) Matz Uschi ta, Diagn. S. 250.
Von Dr. Joseph Belser. 129
Bttchse Xr. 27.
Gemischte Gemüse, wenig bombiert, zeigt > Flattern c, 8 Monate alt.
FlflBsigkeit stark trübe.
Azidität: 10 ccm Brühe verlangten 0,58 ccm -^i Na OH.
Mikroskopischer Befand: Lange, plampe Stäbchen, fadenförmig
angeordnet.
Tierversnche: Maus Nr. 57 = 0,2 ccm; Maus Nr. 58:= 0,4 ccm sub-
kutan direkter Brühe; normales Verhalten.
Bemerkungen: Die Kulturversuche ergaben zwei Mikroorganismen;
nämlich Bacillus mycoides (Wurzel- oder Erdbazillus) und einen Schimmel-
pilz, zu den Penicilliumarten gehörend.
Büchse undicht, an Lötnat und Falz.
Bftchse Nr. 28.
Inhalt Wachsbohnen, nicht bombiert, zeigt das >Flatternc ; Geruch der
Flüssigkeit normal, wenig getrübt.
Säureproduktion: lOccm Brühe erforderten 3,66 ccm :r^ NaOH.
Mikroskopischer Befund: Grofse, 3 — 5 mal so lang als breite
Stäbchen, fadenförmig; daneben sind vereinzelt feine dünne Stäbchen zu
erkennen, die leicht beweglich sind.
Tierversuche: Maus Nr. 59 = 1,0 ccm; Maus Nr. 60 = 0,3 ccm un-
filtrierter Brühe, subkutan; Befinden normal.
Bemerkungen: Auf den wie früher angegebenen Kulturen konnte
ich hier drei Mikroorganismen in Reinkulturen isolieren, nämlich: Bacillus
fluorescens liquefacieus,^) Bacillus subtilis und ein zu den Penicilliumarten
gehörender Schimmelpilz.
Büchse stark undicht, wo« war nicht zu ermitteln.
Bttchse Nr. 29.
IVs Jahre alte Erbsen, sehr stark bombiert; beim öffnen neben einer
Menge nach Buttersäure riechender Gase« heftig aufschäumende Flüssigkeit,
miÜBfarbig, trübe. Innerlich hat Dose viele matte, dunkelgraue Flecken.
Azidität: 10 ccm Erbsenbrühe erforderten 2,36 ccm ^x NaOH.
Mikroskopischer Befund: Lebhaft bewegliche, stark lichtbrechende
Sporen besitzende, manchmal spindelförmig angeschwollene 5 — 6 mal so lang
als dicke Stäbchen; schlecht färbbar, besser, wenn sie mit Chloroform be-
handelt werden; Bazillen sind gekörnt, geben sog. Granulosereaktion.
Tierversuche: Maus Nr. 61 =0,6 ccm; Maus Nr. 62 = 0,7 ccm direkt
entnommene Erbsenbrühe, subkutan, ohne Wirkung,
Bemerkungen: Kulturen ergaben Identität mit dem in Büchse Nr. 1
schon gefundenen Bacillus amylobacter.
Büchse war dicht
1) Eisenberg, Diagn.,ni. Aufl. S. 112. — Matsuschita, Diagn., S. 182.
X30 Studien über verdorbene Gemüsekonserven.
Bttehse Nr. 30.
Inhalt 18 Monate alte Erbsen, stark bombiert ; heftige Gasentwicklung,
starkes Aufschäumen der Flüssigkeit beim öffnen; Brühe gelbgrau, mifs-
farbig, stark trübe.
Säureproduktion: 10 ccm Erbsenbrühe erforderten 5,85 ccm r— NaOH.
Mikroskopischer Befund: Kurse, plumpe, an den Enden abge-
rundete Stäbchen; zu zweien oder auch su vieren fadenförmig aneinander-
gelagert; nach Gram nicht oder nur schlecht färbbar; lebhaft beweglich.
Tierversuche: Maus Nr. 63 = 0,8 ccm; Maus Nr. 64 = 0,8 ccm un-
filtriert, subkutan, ohne Störungen.
Bemerkungen: Morphologisch und biologisch identisch mit dem in
Büchse Nr. 23 schon gefundenen Bazillus
Büchse undicht ; wahrscheinlich wurde durch den starken Gasdruck im
Innern diese Undichtigkeit erzeugt, indem Falz wenig aufgerissen war.
Bttchse Nr. 31.
17s J&hre alter Rosenkohl, sehr stark bombiert; Flüssigkeit säuerlich,
stark trübe; Blechdose im Innern an vielen Stellen mit grauschwarzen
Flecken bedeckt.
In 1 ccm Brühe wurden im Mittel 52 Keime gezählt
Tierversuche: Maus Nr. 66 = 0,6 ccm; Maus Nr. 66 = 0,8 ccm un-
filtrierte Brühe, subkutan; Verhalten normal.
Bemerkungen: Der mikroskopische Befund, wie auch die angesetzten
Kulturen, ergaben die gleiche Bakterienart wie die in Büchse Nr. 28, resp. SO
schon gefundene.
Dose war dicht.
Bttchse Nr. 32.
7 Monate alte Bohnen, äufserst kräftig bombiert; Flüssigkeit war grau
grün, trübe; Geruch normal.
Säuregrad: 10 ccm Brühe erforderten 2,71 ccm j^ Na OH.
Mikroskopischer Befund: 4 — 8mal so lange als breite Stäbchen,
Gramnegativ.
Tierversuche: Maus Nr. 67 = 0,5 ccm ; Maus Nr. 68 = 0,5 ccm sub-
kutan, direkt entnommene Brühe ; Befinden normal.
Bemerkungen: Morphologische und biologische Eig«^nschaf ten (auf
den verschiedensten Nährböden) sprechen für Identität mit dem in Büchse
Nr. 25 schon beschriebenen Mikroorganismus.
Büchse undicht, doch, wie leicht zu erkennen ist Falz durch den grofsen
Gasdruck im Innern aufgerissen worden.
Bttchse Nr. 33.
P>bsenp()ree, 8 Monate alt, sehr kräftig bombiert; beim öffnen Geruch
nach Buttersäure.
Tierversuche: Gleiche Mengen Erbsenpüree mit Bouillon geschüttelt,
absetzen gelassen und von dieser Flüssigkeit zwei Mäusen folgende
Von Dr. Joseph Belser. 131
Mengen injiziert: Maas Nr. 69=0,5 ccm; Maus Nr. 70 = 0,7 com; keine
pathogene Wirkung.
Bemerkungen: Mikroskopischer Befund und Verhalten auf den
verschiedenen Nährmedien sprechen fflr Identität mit dem in Büchse Nr. 1
schon gefundenen Bacillus amylobacter.
Büchse undicht; auch durch grofsen Gasdruck im Innern am Falz auf-
gerissen.
Bttchse Nr. 34.
Bohnen, 7 Monate alt, sehr stark bombiert; Flüssigkeit stark trübe.
Säureproduktion: 10 ccm Brühe erforderten im Mittel 3,78 ccm
^ Na OH.
Im Mittel sind in 1 ccm Brühe 3200 Keime enthalten.
Bemerkungen: Im mikroskopischen Präparate konnte nur eine
einzelne Bakterienart konstatiert werden, was sich dann später in den Kulturen
bestätigte. Morphologisch und biologisch ist dieser Mikroorganismus identisch
mit denjenigen in Büchse Nr. 25, resp. 32 schon gefundenen.
Tierrersuche: Maus Nr. 71=0,7 ccm; Maus Nr. 72 = 0,7 ccm un-
filtrierte BrQhe, subkutan; keine Wirkung zu erkennen.
Büchse dicht.
Anschliefseud an die obigen Untersuchungen wurden nach
den gleichen Methoden 16 Stück verschiedene unver-
dorbene Gemüsekonserven auf den Keimgehalt untersucht.
Wenn auch im Präparate vereinzelt hin und wieder ein Stäbchen
angetroffen wurde, so ergaben die Kulturen doch ein negatives
Resultat; es scheinen also diese Konserven frei von entwicklungs-
fähigen Bakterien gewesen zu sein.
Fassen wir die Resultate der vorstehend 34 untersuchten
verdorbenen Gemüsekonserven kurz zusammen, so ergeben sich
aus deren Befunde folgende Schlüsse :
1 . Die Bombagen wurden durch Mikroorganismen verursacht,
was sich in 27 Fällen direkt durch die Kulturen, in 7 Fällen
aber durch den mikroskopischen Nachweis einer grolsen Zahl
von Bakterien in den betreffenden Büchsen beweisen liefs; in
letzteren waren höchst wahrscheinlich die Organismen abge-
storben.
2. Von den 34 verdorbenen Dosen waren 16 undicht, wovon
5 (Nr. 17, 20, 30, 32, 33) walirscheinlich während der Aufbewahrung
durch den kräftigen Gasdruck im Innern aufgerissen wurden,
132 Studien über verdorbene Gemüsekonserven.
was schon äufserlich leicht erkannt werden konnte, da der Falz
zum Teil aufgesprengt war.
3. Die betreflEende Undichtigkeit ist in den weitaus meisten
Fällen an der Übergangsstelle von seitlicher Lötnat und Falz
zu finden.
4. Aus den verschiedenen Büchsen gelang es, 20 verschiedene
Bakterienarten zu züchten, wovon ich 12 identifizieren konnte.
5. In 9, resp. 12, der 18 dicht befundenen bombierten
Büchsen, wenn der in 3 Fällen vorgefundene, nach Ansicht von
Hueppe^) sporenbildende Bacillus acidi lactici Hueppe noch
dazu genommen wird, gelang es mir, mehr oder weniger hitze-
beständige Mikroben als Ursache der Bombage aufzufinden, die
wohl die Sterilisation in irgend einer Weise überdauert hatten.
In 4 Büchsen waren wohl mikroskopisch zahlreiche Bakterien
nachzuweisen, während in den Kulturen keine solchen wuchsen.
Die Frage der Sporogenität war somit nicht zu entscheiden.
5. Für Erbsen kommt von diesen Dauerformen bildenden
Mikroben, namentlich Bacillus amylobacter (in 4 Büchsen
gefunden) in Betracht. Daneben konnte ich noch je zweimal
Bacillus acidi lactici Hueppe und Bacillus brassicae acidae neben
einigen unbekannten, in ihrem Wachstum coliähnlichen Orga-
nismen finden.
6. Der unter Nr. 25 beschriebene und wiederholt vorgefundene
Bazillus scheint namentlich für Bohnen gefährlich zu sein.
7. Auffallend ist die immer vorhandene, wenn auch zuweilen
geringe Steigerung des Säuregehaltes in bombierten Gemüse-
konserven.
Während ich in guten, keimfreien Bohnen- und Erbsenbüchsen
für 10 ccm der betreffenden Büchse eine Acidität von 0/J5 — 1 ,30
ccm YTj Na OH finden konnte, variierte dieselbe in verdorbenen
Büchsen der gleichen Gemüseart von 1,05 — 8,66 ccm T^NaOH.
Bemerkenswert ist die stärkere Säuerung in den Büchsen Nr. 12
und 16.
1) Vgl. Migula, System d. Bakt., 11, 8. 327.
Von Dr. Joseph Belser. 133
8. Die jeweils mit der Brühe der Büchsen ausgeführten
Tierversuche an Mäusen verliefen alle resultatlos.
Allerdings müssen wir zugeben, dafs diese Versuche für das
Auffinden von Krankheitserregern insofern nicht erschöpfend
waren, als bei denselben nur Mäuse angewendet wurden, weil
andere Tiere in der nötigen Anzahl nicht zur Disposition standen.
Aber das Eine geht aus denselben hervor, dafs in den Büchsen
der erwähnte, für Mäuse stark toxische Bacillus botulinus nicht
enthalten war, was auch mit den Kulturversuchen übereinstimmt.
Das Gleiche gilt von dem ebenfalls mäusepathogenen Proteus,
der, wie eingangs erwähnt, u. a. als Ursache von Konservenver-
giftung angesehen wurde.
Folgende Versuche haben den Zweck, die Frage zu studieren,
ob genannte Mikroben in den in Betracht fallenden Konserven
überhaupt zu gedeihen vermögen.
Bacillus botulinus und Proteus in Konservenbrülie.
Der als Erreger der Darmstädter Vergiftung angenommene
Bacillus botulinus wurde, wie früher erwähnt, wieder angezweifelt^),
indem Proteusarten als Ursache der Toxinbildung angesehen wurden.
Nach den bisherigen Beobachtungen ist der Bacillus botulinus
gegen Säuren sehr empfindlich. Es mufste deshalb über-
raschen, dafs nach G. Landmann genannter Organismus auch
auf Bohnenkonserven, also auf entschieden sauren Nährböden,
Toxine bilde. Um diesen Widerspruch aufzuklären, führte ich
folgende Versuche aus :
Der von Kräl bezogene Bacillus botulinus zeigte in seinem
ganzen morphologischen wie auch biologischen Verhalten die
gleichen Merkmale wie der von van Erm engen beschriebene 2) ;
nur hatte der Stamm, wie verschiedene Tierversuche gezeigt,
die Eigenschaft verloren, auf glykosehaltigen Nährböden Toxine
zu bilden. Da mir leider keine andere Kultur zur V^erfügung
stand, mufste ich mich auf die Frage beschränken, ob dieser
1) Konserven-Zeitang, Jahrg. 1904, Nr. 8.
2) Kolle-Wassermann, Handbuch d. pathogenen MikroorganiBmen.
9. Q. 10. Liefg., 1903, S. 637.
134 Studien über verdorbene Gemüsekonserven.
Bazillus in den genannten Substraten, die aus keimfreien Büchsen
des Handels entnommen wurden, zu gedeihen vermag. Bei
wiederholten, auch bei verschiedenen Temperaturen ausgeführten
Versuchen konnte immer in Bouillon mit Traubenzucker, ebenso
in Erbsenbrühe bei Einimpfung von Bacillus botuliuus starke
Trübung und Gasentwicklung mit Buttersäuregeruch konstatiert
werden; in gleichzeitig beimpfter Bohnenbrühe war niemals
Wachstum zu bemerken, obschon diese unter gleichen Bedingungen
gehalten wurde. Auch im mikroskopischen Präparat war keine
Vermehrung zu bemerken. Der allerdings nicht toxisch
wirkende Stamm von Bacillus botulinus, mit dem
diese Versuche gemacht, wuchs also in Bohnenbrühe
nicht, wohl aber in Erbsenbrühe.
Wie erwähnt, prüfte ich auch das Verhalten von Bacillus
proteus vulgaris auf diesen Nährböden. Die Kulturen wurden
6 Tage anaerob bei 22® gehalten.
In Traubenzuckerbouillon, in Erbsen- und Bohnenbrühe war
ein üppiges Wachstum und Gasentwicklung zu verzeichnen. Auf
all diesen Substraten bildeten sich kräftig wirkende Toxine, so
dafs weifse Mäuse nach 1 — 3 Tagen daran zugrunde gingen bei
subkutaner Injektion von 0,6 — 0,7 ccm der keimfrei filtrierten
Flüssigkeit.
Lebensdauer der Baktsrien, welche die Bombage verursachen.
Aus den bakteriologischen Untersuchungen ist ersichtlich,
dafs es nur bei einzehien bombierten Konservenbüchsen, trotz
vielseitiger Versuche, nicht gelang, die Verderber zu züchten,
obschon in den diesbezüglichen mikroskopischen Präparaten
eine Menge solcher nachweisbar waren.
Dies konnte ich mir kaum anders erklären, als dafs die
Organismen abgestorben waren. Sie haben sich wohl anfänglich
in den schwach sauren Gemüsekonserven gut entwickelt, sind
aber später mit zunehmendem Säuregrad in ihren eigenen Stoff-
wechselprodukten zugrunde gegangen.
Um dieser Frage näher zu treten, stellte ich folgende Ver-
suche an: Bohnen oder Erbsen mit Kochsalz und Wasser in dem
Von Dr. Joseph Belser. 135
in den Konserven vorkommenden Verhältnis versetzt, in Glas-
röhren in drei aufeinanderfolgenden Tagen je eine Stunde im
Dampftopf sterilisiert und nachher nach den bekannten Me-
thoden auf Keimfreiheit geprüft, wurden mit einigen aus Kon-
serven isolierten Bakterien beimpft, die Röhren zugeschmolzen
und längere Zeit bei Zimmertemperatur im Dunkeln sich selbst
überlassen. Schon nach kurzer Zeit war in den erwähnten Glas-
röhren Wachstum und lebhafte Gasentwicklung im Innern zu
bemerken.
Organismen aus den Büchsen Nr. 13, 18, 28 in der er-
wähnten Weise in Bohnen eingeimpft waren trotz kräftiger Gas-
und Säurebildung nach fünf Monaten noch lebensfähig; zur
Neutralisation der gebildeten Säure wurden pro 10 ccm Brühe:
3,57 ; 0,79 ; 3,49 ccm j^ Na OH verbraucht. Die ursprüngUche
Säuerung einer gleich lang, ebenfalls eingeschmolzenen sterilen
Probe betrug für 10 ccm 0,79 ccm ^tJ Na OH.
Eine in gleicher Weise, mit dem aus Büchse 10 isolierten
Organismen eingeimpfte, mit Erbsen beschickte Probe zeigte
nach neun Monaten bei einer Säuerung von 9,82 ccm ^j^ Na 0 H
pro 10 ccm Erbseubrühe keine entwicklungsfähigen Bakterien
mehr. Doch liefsen sich solche in grofser Zahl durch das mikro-
skopische Präparat nachweisen. Versuche mit den aus Büchse
Nr. 1 und 14 gefundenen Bazillen gaben nach acht resp. fünf
Monaten noch Lebensfähigkeit.
Wohl möglich, dafs ich zu einem anderen Resultate gelangt
wäre, wenn ich die Röhren noch länger sich selbst überlassen
hätte, was mir aus äufseren Gründen nicht möglich war.
Immerhin ist durch den einen Versuch erwiesen, dafs
Bakterien auch in Konserven in ihren eigenen StoflEwechsel-
produkten zugrunde gehen können Möglich wäre auch, dafs
diejenige Bakterien, welche die Sterilisation in irgend welcher
Art überstanden haben, oder solche, welche nachträglich von
aufsen hineingelangt sind, sich erst dann in den Büchsen nicht
136 Studien Qber verdorbene Gemüsekonserven.
mehr entwickeln, wenn die zu ihrem Lebensunterhalte nötige
Menge Sauerstoff aus der Luft, die doch immer in kleinen
Mengen in den Dosen vorkommt, aufgezelnl ist.
Gasdruck bombierter Gemüsekonserven.
Bei meinen Untersuchungen fiel mir öfters der enorme Druck
im Lmem der Dosen auf, und ich entschlofs mich, denselben
durch einige Messungen festzustellen.
Um den Gasdruck in bombierten Büchsen zu bestimmen,
wurde an der betreffenden Dose in der Mitte des Deckels ein
kurzes Messingröhrchen aufgelötet und darüber ein dickwandiges,
möglichst kurzes, enges Gummischlauchstück (Vakuumschlauch)
mittels Drahtligaturen gut befestigt. In das Rohr, resp. in den
Schlauch wurde nun ein scharf zugespitzter, kurzer, oben mit
einem Knopf versehener Stahlnagel hineingelegt und der ganze
Schlauch mit Wasser gefüllt. Bei den ersten Versuchen wurde
das Schlauchende mit einem Quetschhahn verschlossen und
hierauf der Schlauch wenig umgebogen und mit der Hand fest
auf den Nagelknopf gedrückt, so dafs die Spitze in die Blech-
dose eindrang und derart eine Verbindung mit dem Innern der
Büchse und dem Schlauche herstellte. Zuerst wurde zur Druck-
messung ein U-förmig gebogenes, langes, mit Quecksilber ge-
fülltes Glasrohr angesetzt und der Quetschhahn geöffnet; sodann
konnte durch Bestimmung der Niveaudiffereuz der beiden Queck-
silberkuppen der Gasdruck in mm Hg abgelesen werden. Wie
aus untenstehender Tabelle ersichtlich, war der Druck manchmal
so grols, dafs diese Vorrichtung nicht zu gebrauchen war, daher ver-
wendete ich in der Folge anstatt des U-Rohres ein Metallmano-
meter und stellte die Verbindung des Doseninnein mit dem
Manometer in gleicher Weise her.
In untenstehender Zusammenstellung sind die erhaltenen
Resultate in Atmosphüren-Überdruck angegeben.
(Siehe die Tabelle auf S. 137.)
Wie aus dieser Tabelle ersichtlich, ist der Druck in den ver-
dorbenen Konserven manclnnal ein enormer, und es braucht uns
Von Dr. Joseph fielser.
1S7
nicht zu verwundern, wenn ein spontanes Platzen der Dosen
vorkommt, wobei der Falz gewöhnlich aufgesprengt werden soll.
GröÜBO
der Büchse
Inhalt der Büchse
Druck
in Atmosphären
1 Liter
Schwarzworzeln
0,4 Atmosphären
1 1
Erbsen
0,2
1 j
Erbsen
0,3
V. '
1 1
Karotten
Bohnen
0,7
2,0
V. '
1 ^
Erbsen
Erbsen
8,5
1.9
1 :
1 :
Bohnen
Erbsen
Erbsen
2,0
2,2
2,1
Prflfung des BDchssnmatsriales auf Dichtigkeit.
Aus meinen früher erwähnten Untersuchungen ist zu entnehmen,
daTs ein grofser Teil der Bombagen auf Undichtigkeit der be-
treffenden Dosen, die entweder schlecht gefalzt oder nachträglich
gehtten, zurückzuführen ist. Um den Orund näher kennen zu
lernen, untersuchte ich 30 Stück leere, beiderseitig verschlossene,
neue Dosen verschiedener Gröfse ohne Inhalt, die mir in zuvor-
kommender Weise von mehreren Fabriken übermittelt worden
waren, nach der früher erwähnten Evakuierung mit einer
Wasserstrahlpumpe. Von diesen 30 derartig geprüften Büchsen
waren vier Stück an der Übergangsstelle von Lötnat und Falz
undicht.
Woher es kommt, daTs ein so hoher Prozentsatz (13^8%)
von Dosen undicht war, kann ich mir nicht genau erklären,
Vielleicht ist es einem Zufall zu verdanken, oder, was wahr-
scheinlicher ist und man mir auch seitens einer Fabrik nach-
trägUch mitgeteilt hat, dafs mau namentlich solche Büchsen
vom Lager genommen hatte, bei denen am ehesten eine Mög-
lichkeit einer späteren Undichtigkeit vermutet wurde.
Gestützt auf diesen Befund und namentlich auch darauf,
dafs bei den bombierten Büchsen in sehr vielen Fällen die Ur-
sache des Zerstörens auf Undichtigkeit zurückzuführen ist,
▲rehlT Ar Hygiene. Bd. UV. 10
138
Stadien über verdorbene Gemüsekonserven.
möchte ich die Frage aufwerfen, ob es vom ökonomischen Stand-
punkte aus nicht empfehlenswert wäre, die maschinellen Ein-
richtungen für das Falzen zu verbessern oder, wenn dies nicht
möglich, diese verdächtige Stelle noch nach dem Falzen zu
verlöten ?
Chemische Zusammensetzung der Gase.
Diese Frage besitzt zwar kein praktisches, wohl aber wissen-
schaftliches Interesse. Daher entschlofs ich mich, eine Reihe
diesbezüglicher Untersuchungen zu machen.
Dazu wurden mehr oder weniger stark bombierte Büchsen
verwendet und die Gase nach der Methode von HempeP)
untersucht. Schwere Kohlenwasserstoffe und Methan konnten
niemals gefunden werden. Der durch die Absorption erhaltene
Gasrest wurde in der Explosionspipette verbrannt und die Kon-
traktion bestimmt.
Znsammensetziiiiir der Gase in Prozenten.
Inhalt der Büchse
CO,in«/p
0 in ^0
H in •/.
N in V.
Bohnen .... stark bombiert
38,1
0,4
21,5
40,0
Erbsen .... wenig >
69,8
—
30.2
Erbsen .... stark >
81,8
0.1
18,1
Bohnen .... wenig »
86,0
0,6
11,4
52,1
Erbsen u. Karotten, stark >
72,6
0,7
26,7
Erbsen . . . schwach >
70.8
0,8
28,4
Erbsen . . . sehr stark >
21,8
0,3
60,3
18,1
Erbsen .... kräftig >
68,6
—
21,2
10,2
Erbsen .... mfllsig »
87,4
—
12,6
Erbsen . . . sehr stark >
77,8
0,2
—
22,0
Bohnen .... mäfsig >
82,5
0.7
20,0
46,8
Karotten . . . wenig >
17,2
6,7
ri6,o
20,1
Bohnen . . sehr gering >
34,4
0,6
5,0
60,1
Bohnen . . . schwach >
21,7
0,5
5,3
72,5
Gemischte Qemüse, wenig >
16,2
60,4
24,4
Spinat . . . schwach >
12,8
0.8
45,1
41,3
1) Treadwell, F. P., Quantitative chemische Analyse, I. Aufl., S. 465.
Von Dr. Joseph Belser. 139
Der Sauerstoff dürfte der bei dem Verschlufs der Büchsen
zurückgebliebeDen Luft entstammen, ebenso ein Teil des Stick-
stoffs. Der andere Teil des letzteren aber, sowie die Kohlensäure
und der Wasserstoff, sind als Produkte der Bakterientätigkeit auf-
zufassen, durch welche auch ein Teil des ursprünglichen Luft-
sauerstoffs verbraucht wurde.
Maximaltemperatur in den Gemüsekonserven während der
Sterilisation in den Autoiclaven.
Zu wiederholten Malen war mir die zum Teil geringe Hitze-
beständigkeit einzelner Mikroorganismen, die ich in bombierten,
als dicht befundenen Gemüsekonservenbüchsen vorgefunden
hatte, aufgefallen, und es stieg in mir die Vermutung auf, dafs
unter Umständen die Temperatur in den Büchsen während der
Sterilisation im Autoklaven nicht so hoch sei, wie man vermuten
konnte. Um darüber klar zu werden, führte ich einige dies-
bezügliche Temperaturmessungen aus. (Bei diesen Versuchen
möchte ich noch besonders darauf aufmerksam machen, dafs ich
allerdings nur die Temperatur der die Gemüse umgebenden
Flüssigkeit ermitteln konnte. Wie sich die Verhältnisse im
Innern einer Bohnenhülse oder Erbse, wo doch auch Bakterien
hineingelangen können, gestalten, konnte ich aus naheliegenden
Gründen leider nicht ermitteln.)
Zu diesem Zwecke wurden eine Reihe kleiner, von 90 — 110^
bzw. 105 — 125^ eingeteilter Maximalthermometer benutzt. Die-
selben wurden so klein wie möglich angefertigt und hatten eine
Länge von 5,5 cm und einen Durchmesser von 4 — 5 mm. Alle
Thermometer waren vor dem Gebrauche auf ihre Richtigkeit
genau geprüft worden.
Bei den Versuchen im Laboratorium wurde in dem Deckel
der Büchse eine kleine Öffnung gemacht, das an einem Drahte
befestigte Thermometer möglichst in die Mitte des Gemüses ge-
steckt und das Ganze wieder zugelötet.
Während der Versuche bestimmte ich jedesmal auch die
die Büchsen umgebende Maximaltemperatur in dem Autoklaven
während der Konservierung; zum Vergleiche wurde auch der
10*
140
StnoMii flbcr TCfdoriMiM G^nflMkonMWciL
Druck, resp. die Tempeiatnr am Manometer abgelesen und die
Zeit genau eingebalten. In einem kleinen Amoklayen des Labo-
ralorimns worden folgene Zahlen ertialtea, wenn die Loft voll-
ständig durch ausströmenden Dampf Terdrftngt wurde:
Dauer 20 Minuten; Temperatur an der Temperaturskala
des Manometers 117^, Temperatur am Maximalthermometer im
Autoklaven 121^ ^
L Vttl BQchse Bohnen 119,6<> Mazimaitemperatur,
%\ > Erbsen 1209» >
1 1 f Erbsen 119,2» >
V)l > Erbsen 119,6« >
überraschenden Zahlen waren durch die Kleinheit des
Apparates bedingt, da, wie aus Versuchen hervorging, die Aus-
strahlung der groÜBen Metallmasse zu sehr in Betracht kam.
Bei den folgenden Messungen wurde ein gröCserer Autoklav,
System Lautenschlfiger (innere Tiefe bis zur Wasseroberfläche
300 mm; innerer Diameter 250 mm), mit Manometerregulator
versehen, benutzt. Auch hier wurde die Luft möglichst voll-
ständig entfernt.
IL 20 Minuten 113» (Temperaturskala des Manometers).
1 1 Büchse Erbsen 108,5» Maximaltemperatur,
in.
11
i ]
109,0»
1
4
11
109,1»
1
Val
> 7
111,0»
i
V2I
> ]
110,5»
^
21
> :
106,0»
i
Maximaltemperatur im Autoklaven 112,5o.
20
Minuten 11£
t» (Manometerablesung).
1 I Bflchae Rrbaen
J 1 .^7 » AfATiTTiftltAmpAratur.
11
9 gemischte
Gemüse
1 13,20 »
1 1
> Erbsen
113,4» 1
►
21
» 9
110,8» 1
►
V.1
% 9
116,0» I
>
%
»
1
115,8»
]
>
Von Dr. Joseph Belser. 141
Die maximale Temperatur im Autoklaven betrug während des
Prozesses, au zwei verschiedenen Stelleu gemessen, überein-
stimmend 117,5 ^
IV. 15 Minuten 112^ (Manometerablesung).
1 1 Büchse Bohnen
108,0** Maximaltemperatur,
11
> Wachsbohnen
109,0» »
11
> feine Bohnen
107,5« »
11
» ganz feine Bohnen
106,8»
V«i
> grobe Bohnen
111,0» >
11
» Erbsen
109,6» »
Maximaltemperatur im Autoklaven 112,5^
Diese auffallenden Verschiedenheiten lassen sich vielleicht
dadurch erklären, dals die Flüssigkeit bei den gröfseren, den
groben Bohnen, wie z. B. den Wachsbohnen, besser zirkulieren
kann wie bei den kleineren, wo die Zwischenräume viel enger sind.
V. 15 Minuten 109^ (Manometerablesung).
I 1 Büchse Bohnen 105,0^ Maximaltemperatur,
II 1 > 104,0° t
1 1 > Karotten 106,0 » >
V2I » Bohnen 107,0 » >
Maximaltemperatur im Autoklaven 109,5°.
VI. 15 Minuten 115° (Manometerablesung).
I 1 Büchse Bohnen 111,0° Maximaltemperatur.
II 1 > 109,9°
1 1 > gelbe Rüben 112,2° >
V2I •> Bohnen 113,0° >
Maximaltemperatur im Innern des Apparates 115,4°.
Durch das freundliche Entgegenkommen seitens der Direktion
einer Konservenfabrik wurde es mir auch ermöglicht, einige
Messungen in den von der Fabrik selbst benutzten Autoklaven
auszuführen.
*
An den Thermometern wurde oben wieder ein Draht be-
festigt und dieser in der Mitte des Dosendeckels derart angelötet.
142 Stadien über verdorbene GremüBekonserven.
dafs der Draht und damit das Thermometer beim nachherigen
Falzen durch die Maschine in die Mitte der Büchse zu hegen kam.
Es wurden hier folgende Versuche und Ablesungen an den
Maximalthermometern gemacht:
VII. 20 Minuten 105^ (Manometerablesung).
I 1 Büchse Tomatenpüree 102,8 ^ Maximaltemperatur in der Büchse,
I I > Konfitüre 102,2 » >
Maximaltemperatur im Autoklaven 110^.
VIII. 25 Minuten 112® (Manometerablesung).
1 1 Büchse rote Kirschen 108 o.
Maximaltemperatur im Autoklaven 113^.
IX. 20 Minuten 115^ (Manometerablesung).
1 1 Büchse Schwarzwurzeln 113,9^.
Maximal temperatur im Apparat 120,0^.
X. 20 Minuten 117^ (Manometerablesung).
1 1 Büchse Bohnen 110,0^ Maximaltemperatur,
1 1 f Spinat 104,00
1 1 » Erbsen 112,0^ >
Maximaltemperatur im Autoklaven 119,0^.
Die Temperaturen im Innern des Autoklaven sind hier bei
obigen Versuchen deshalb höher, wie diejenigen, welche den-
selben laut Manometerablesung entsprechen sollten, weil bei den
Versuchen der betreflEende Arbeiter in der Fabrik meinem Wunsche
gemäls den auf etwa 7 — 8 Atmosphären gespannten Dampf
derart einströmen liefs, wie es gewöhnlich geschieht. Durch
das zu rasche Einströmenlassen des Dampfes wurde das Thermo-
meter im Autoklaven für ganz kurze Zeit einer höheren Tem-
peratur ausgesetzt als diejenige ^ bei der in Wirklichkeit die
Sterilisation erfolgte.
Bei den folgenden Versuchen liefs ich den Dampf vorsichtig
einströmen.
XI. 20 Minuten 125^ (Manometerablesung).
2 1 Büchse Sauerkraut 106,5 ^
Maximaltemperatur im Autoklaven 124,5^.
Von Dr. Joseph Belser. 143
XII. 30 Minuten 105^ (Manometerablesung).
5 1 Büchse Tomatenpüree 105,0 ^ Maximaltemperatur,
V2I » » 105,5« »
XIII. 60 Minuten 105« (Manometer).
5 1 Büchse Äpfelmark 105,0 ^
21 » Erbsen 106,0«,
1/2 1 » Äpfelmark 105,9«.
Maximaltemperatur im Apparate 106,5«.
XIV. 20 Minuten 117« (Manometerablesung).
1 1 Büchse Kirschen 111,0« Maximaltemperatur,
1 1 » Spinat 104,0«
1 1 » Erbsen 112,0« ^
1 1 » Bohnen 109,5« »
Maximaltemperatur im Autoklaven 117,9«.
Bemerkenswert sind die Zahlen in X, XI, XIV, welche uns
zeigen, dafs Spinat und Sauerkraut schwer zu sterilisieren sind.
Das dichte, kompakte Material verhindert offenbar einen raschen
Ausgleich der Temperatur. Ich will noch besonders bemerken,
dafs diese Temperaturen nur teilweise im Einklang mit den
sonst von der Fabrik verwendeten stehen.
Von gröfster Wichtigkeit ist die Kenntnis der Geschwindig-
keit, mit welcher die verschiedenen Konserven die umgebende
Dampftemperatur im Autoklaven bis zu einem gewissen Grade
annehmen.
Folgende Bestimmungen geben uns hierüber AufschluTs:
I 1 Büchse Erbsen gleicher Qualität erreichten 105,8 « nach 5 Min.
11»» » » » 108,2« » 10 »
II » » » » » 111,9« » 15 »
11»! 1 1 » 113,0« » 20 »
Die Temperatur, am Manometer entnommen, betrug bei
diesen Versuchen 115«; diejenige im Innern des Autoklaven 115,5«.
1 1 Büchse Bohnen erreichten 104,5« nach 5 Min.,
11» » » 107,5« » 10 »
11» )^ » 109,0« » 15 »
144 Stadien über verdorbene Gemüsekonserven.
Die Maximaltemperatur am Manometer betrug 112^; die-
jenige im Innern des Autoklaven bei allen drei Versuchen 112,0".
Hey den reich ^) untersuchte diese Frage beim Wasser, indem
er, in mit demselben gefüllte Glaskolben verschiedener Gröüse
Maximalthermometer legte und das Ganze in den Dampftopf
brachte. Nachher verglich er die Temperatur des in dem Deckel
des Dampftopfes steckenden Thermometers mit demjenigen im
Wasserkolben. Er fand:
für 1200
(Thermometer des Deckels des Dampfkessels)
3^/4 1 Wasser erreichten 120® in wenig mehr als 15 Min.,
2 1 > > 120® in ca. 15 »
11» » 120" zwischen 5—10 »
V2 1 » » 120*^ in wenig mehr als 2 >
für 110«
1 1 Wasser erreichte 110® zwischen 5 und 10 Min.,
V2I » » 110® » 2 » 5 »
200 ccm » » 110® » 2 > 5 »
100 ccm » » 110® in ca. 2 »
Auch andere^) haben ähnliche Versuche angestellt.
Wie aus diesen Zahlen ersichtlich, nimmt Wasser in einem
offenen Gefässe die Temperatur des umgebenden Dampfes ver-
hältnismäTsig sehr rasch an, während es bei den in Büchsen
liegenden Konserven viel länger geht. Es kommt offenbar das
schlechte Wärmeleitungsvermögen des Gemüses und der be-
hinderte Ausgleich durch Strömung der Flüssigkeit in der Büchse
in Betracht.
1) Heydenreich, Sterilisation mittels des Dampfkochtopfes für bak-
teriologische Zwecke. Zeitschr. f. wissenschaftl. Mikroskopie and f. mikro-
skopische Technik. Bd. I, Heft 1, 1884; zit. nach Th. Christen, Dissert.,
Bern, 1895: Untersachungen über die Dauer des Sterilisationsproxesses im
gespannten Dampfe bei gegebenen fixen Temperataren.
2) Koch, Bob., Gaffky, Löffler, Versache über die Verwertbarkeit
helTser Wasserdämpfe zu Desinfektionszwecken. Mitteilangen aas dem Kais.
Gesandheitsamte, 1881, Bd. I, S. 322.
Von Dr. Joseph Belser. 145
Sehr ungünstig gestalten sich die Verhältnisse, wenn man
absichtlich Luft in dem Autoklaven läfst. Da auch dieser Faktor
bei der Konservierung eine grofse Rolle spielt, so führte ich
einige diesbezügliche Messungen aus. Die Luft wurde nicht aus
den Apparaten entfernt.
20 Minuten 114^ (Manometerablesung).
1 1 Büchse Erbsen 103,5^ Maximaltemperatur in der Büchse,
V2I > » 105,5<> » » » »
1 1 1 Bohnen 103,0 « » » » »
V2I » > 104,50 » > » »
1 1 » Spinat 101,0« » » » »
Die Maximaltemperatur im Autoklaven betrug in der Nähe
des Deckels gemessen nur 100,0 ^ wohl wegen der Anwesenheit
von Luft.
Der Einflufs der zurückgebliebenen Luft geht auch aus
folgendem Versuche hervor, bei welchem im Innern des Apparates
in verschiedene Höhenlagen Maximalthermometer angebracht
wurden.
15 Minuten 118« (Manometerablesung).
Thermometer in der Nähe des Deckels 101,0«,
> » » Mitte des Autoklaven 105,5«,
» über der Wasseroberfläche 117,0«.
Die Einbufse, welche die Fabrikanten alljährlich durch das
Verderben der Konserven erleiden, sind bei einem geordneten
Betriebe gegenwärtig bedeutend zurückgedrängt, während man
früher, wo die Arbeitsmethoden nicht so genau ausprobiert waren,
mit viel gröfseren Verlusten rechnen mufste. Es konnte mitunter
vorkommen, dafs ein ganzer Satz verdarb.
Als die hauptsächlichsten Gründe, die Bombagen von Kon-
serven bewirken können, möchte ich, gestützt auf vorhergehende
Versuche, resümierend folgende anführen^):
1. Die Temperaturen im Innern der Büchsen erreichen
gelegentlich nicht die notwendige Höhe.
1) Vgl. aach v. Wahl, Konserven-Zeitung, Jahrg. 1903, Nr. 11.
146 Stadien über verdorbene Gemüsekonserven.
Dies kann vorkommen:
a) Wenn zu wenig lang sterilisiert wird,
b) durch das Zurückbleiben von Luft, sowohl in dem
Autoklaven als auch in den Büchsen.
Eis ist daher dringend notwendig, die Luft aus den
Autoklaven bei der Sterilisation vollständig ausströmen
zu lassen und die Dosen möglichst mit Wasser zu füllen ;
denn die Luft erwärmt sich viel langsamer als Wasser-
dampf. Wenn sich nur an einer einzelnen Stelle der
Büchse im Innern eine kühlere Luftinsel bildet, in der
sich zufällig vereinzelte, auch nicht sehr hitzebeständige
Sporen finden, so können sie den Sterilisationsprozers
überdauern, um sich dann nachher auf dem günstigen Nähr-
boden zu vermehren und eine Zersetzung herbeizuführen.
2. Die Verderber können durch Undichtigkeit der Dosen
von aufsen hereindringen, indem die Büchse schlecht ge-
falzt wurde oder nachträglich aus irgend einem Grunde
gelitten hat.^) Solche Büchsen können dann trotz einer
ursprünglich bestehenden Verbindung nach aufsen bom-
bieren. Eine Ausgleichung des Druckes braucht nicht
stattzufinden, indem eine winzig kleine ÖfiEnung, welche
den Verderbem als Eingangspforte gedient hat, nach-
träglich durch den Gummiring im Falz oder durch ein
kleines Partikelchen des Gemüses ventilartig wieder ver-
schlossen werden kann. Dafür spricht auch, dafs sehr
häufig aus bombierten Büchsen kleine Mengen des Ge-
müseinhaltes aussickern. Auch ist ein nachträglicher
Verschlufs durch Zurostung der Büchse denkbar.
Eine solche nachträgliche Infektion wird bei undichten
Büchsen u. a. dadurch begünstigt, dafs die den Auto-
klaven verlassenden Konserven zur Abkühlung in Wasser
untergetaucht werden, welches wiederholt zu diesem Zwecke
1) Vgl. auch Pfuhl, £., Über die Entstehung, Erkennung und Be-
handlung undichter Fleischkonservenbachsen. Zeitschr. f. Hygiene u. In-
fektionskrankheiten, Bd. 50, Heft 2, 19. Mai 1905, S. 317.
Von Dr. Joseph Belser. 147
gebraucht wird und deshalb eine gröfsere Zahl von Bak-
terien beherbergt. Undichte Dosen können solches ver-
unreinigtes Wasser aspirieren, wodurch dann ebenfalls
eine Bombage zustande kommen kann. Hier wird es
sich wohl meist um Saprophyten handeln, doch ist die
Infektion mit pathogenen Keimen nicht ausgeschlossen,
namentlich aber können Toxinbildner auch auf diesem
Wege in die Konserven gelangen.
Es ist hier zu empfehlen, möglichst gutes, einwand-
freies Brunnenwasser zur Abkühlung anzuwenden und
dasselbe tunlichst häufig zu wechseln, wodurch die Gefahr
einer nachträglichen Einwanderung von Mikroorganismen
irgend welcher Art herabgemindert wird.
3. In vielen Fällen spielt sicherlich auch die grofse Wider-
standsfähigkeit der Mikroben gegen hohe Temperaturen
eine Rolle. Allerdings konnten von anderen und auch von
mir aus verdorbenen Gemüsekonserven keine Mikroben
isoliert werden, die die oben angeführten Temperaturen
aushalten.
Es ist bekannt, dafs Erbsen schwieriger zu konser-
vieren sind als Bohnen. Obschon man erstere viel höher
und länger sterilisiert, bombiert ein gröCserer Prozentsatz.
Diese Verschiedenheit ist vielleicht in der chemischen
Zusammensetzung der betreffenden Gemüse zu suchen.
So ist es beispielsweise nicht unmöglich, dals der stärkere
Säuregehalt bei Bohnen auch das Sterilisieren erleichtert
oder nachträglich wachstumshemmend wirkt. Aufser der
Säure kommen in den Gemüsen noch andere Bestand-
teile in Betracht, die einen Einfiuls auf Organismen
haben können, so scheinen z. B. Karotten eine solche
entwicklungshemmende Substanz zu enthalten, da sie
leicht steril zu erhalten sind.
Zum Schlüsse möchte ich noch darauf aufmerksam machen,
dafs es, um Vorgängen wie in Darmstadt tunlichst entgegen-
zutreten, ratsam ist, Konservennahrung nur nach nochmaligem
148 Studien über verdorbene Gemüsekonserven. Von Dr. Joseph Belser.
Aufkochen zu geniefsen und alle solche Büchsen, welche beim
OfEnen die geringste Spur einer Zersetzung zeigen, unschädlich
zu machen mit Rücksicht darauf, daCs die Möglichkeit der An-
wesenheit von Toxinen oder pathogenen Keimen nicht ausge-
schlossen ist.
Bombierte Büchsen sind auch noch aus dem Grunde vom
Handel auszuschlielsen, weil bei ihnen gewöhnlich eine starke
Säuerung auftritt und nach Lehmann^) die durch die Gärung
gebildeten Säuren die Lösung des Zinns erleichtem und so unter
Umständen zu Zinnvergiftungen führen können.
1) Lehmann, K. B., Untersnchnngen Ober die hygien. Bedentnng des
Zinns, insbesondere in Konserven. Archiv f. Hygiene, Bd. 45, Jahig. 1902
S. 88—116. — Praktische Hygiene, 8. ii5.
(Aus dem Hygienischen Institat der deatsehen tJnivendtftt in Prag.
Vorstand: Prof. H neppe.)
Die schützenden Eigenschaften des Blutes von aggressin-
immnnen Hfihnercholeratieren.
Von
Dr. Edmund Weil,
Assistenten des Institutes.
Ausgeführt mit Unterstütxnng der Gesellschaft zur Förderung deutscher
Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.
Schon die Erzeugung der aktiven Immunität bei den Er-
regem der von H u e p p e so benannten hämorrhagischen Septikämie
stieb auf greise Schwierigkeiten. Die Pasteursche Methode
mit abgeschwächten Kulturen (Vaccins) war sehr mangelhaft.
Voges, der in der bakteriziden Aera mit toten Bakterien Im-
munität zu erzielen suchte, hatte nur Mifserfolge. Bessere Re-
sultate hatte Kitt, worauf schon in einer früheren Arbeit hin-
gewiesen wurde. Daselbst konnte auch gezeigt werden, auf
welch einfache und sichere Weise es gelingt, hohe und dauernde
aktive Immunität beim gefährlichsten Erreger der hämorrhagischen
Septikämie, beim Hühnercholerabazillus, zu erzeugen, wenn man
die Itumunisienmg nach einer Methode vornimmt, die auf der
Grundlage der Bai Ischen Aggressintheorie basiert, nämlich durch
Behandlung mit aggressinhaltigem Exsudat. Es sei hier nach-
getragen, dals der Schutz, den die aktive Immunität verleiht,
soweit bisher festgestellt werden konnte, auf mindestens 3 Monate
anhält, indem ein Kaninchen, das vor dieser Zeit die letzte
150 ^io schätzenden Eigenschaften des Blutes von Hflhnercholeratieren.
Exsudatinjektion erhalten hatte, die enorme Menge von 1 com
virulenter Bouillonkultur reaktionslos vertrug*).
Was die passive Immunität anlangt, mit der sieh die nach-
folgenden Untersuchungen hauptsächlich beschäftigen, so können
wir sagen, dafs ein sicher schützendes Immunserum bei Hübner-
cholera bisher überhaupt nicht existiert. Voges konnte bei
seinen Tieren nie eine spezifische Eigenschaft im Blute auffinden ;
die Schutzwirkung, die er mit dem Blute seiner behandelten
Tiere erzielte, verlieh auch das Serum von normalen Tieren;
aufserdem bezog sich der Schutz auf Meerschweinchen, die
gegen die Erreger der hämmorrhagischen Septikämie natürliche
Resistenz besitzen. Seine Uutersuchungsergebnisse fafst er
folgendermafsen zusammen: »Mithin ist das einzige positive
Resultat dieser unendlichen Bemühungen die Erkenntnis von
der Unmöglichkeit spezifischer Wirkung der Sera von Tieren,
die wir mit den Bakterien der hämmorrhagischen Septikämie
zu immunisieren versucht haben.«
Die in neuerer Zeit hergestellten Immunsera von Jefs und
Piorkowski, von Niebel und Hoffmann, ferner von
Schreiber verliehen, wie die Nachprüfungen ergeben haben,
keinen genügenden Schutz. Die nach der Kitts eben Methode
immunisierten Tiere liefern, wie der Autor berichtet, ein Serum,
welches in allerdings hohen Dosen Schutz verleiht. Ligni^res
konnte ein Serum von sicherer Wirksamkeit nicht erzeugen.
Leclainche und Nocard konnten bei Mäusen und Kaninchen
durch Serumbehandlung lediglich eine Lebensverläugerung er-
zielen, wirklicher Schutz trat nicht auf. Wir sehen, dafs die
grofsen Schwierigkeiten, ein wirksames Serum gegen die Erreger
der Hühnercholera zu erzielen, bisher nicht überwunden sind.
Die sicheren Resultate, welche die aktive Immunisierung
gegen Hühnercholera ergeben hatte, liefsen erwarten, dafs das Blut
der mit aggressivem Exsudat behandelten Tiere Schutz verleihende
Stoffe enthalten würde. Konnte schon Bail bei Milzbrand durch
Behandlung mit aggressinhaltigem Ödem ein Serum erlangen.
1) Siehe Wiener klin. Wochenschr., 1905, Nr. 16.
Von Dr. Edmund Weil. 151
das die bisher bekannten an Wirksamkeit weit übertrifEt, so
mulste gewissermafsen die Hühnercholera, bei der wir über ein
sicher wirkendes Immunserum überhaupt nicht verfügen, einen
Prüfstein abgeben für den Wert dieser neuen Methode.
Es wurden, da sich behufs Serumgewinnung an gröfseren
Tieren vorläufig äufsere Schwierigkeiten in den Weg stellten,
ausschliefslich Kaninchen verwendet. Sterilisiertes Exsudat ver-
trugen dieselben selbst in gröfsten Mengen reaktionslos. Infil-
trate, welche auftreten, beruhen stets darauf, dals das Exsudat
noch gröfsere Mengen toter Bakterien enthält und lassen sich
mit Sicherheit vermeiden, wenn dieselben durch Zentrifugieren
entfernt sind. Die Behandlung mit Exsudat ist sehr einfach,
und die Immunität wird, wie aus beifolgendem Beispiele zu er-
sehen ist, auf folgende Weise hochgetrieben.
Kanlnehen IT.
20. XI. 04. 7s ccm sterilisiertefl Kaninchenexsadat subkutan . . 1975 g
27. XI. 04. IV, ccm » » > 2050 »
3. Xn. 04. 3 ccm > > > 2115 >
14. XII. 04. Via ^Be HOhnercholerabazillen subkutan (zur Prüfung
der Immunität) 2140 >
6. I. 05. 5 ccm sterilisiertes Exsudat subkutan 2150 >
19. I. 05. Blutentnahme aus der Jugularis externa. (Schützt in
Dosen von 1 ccm Kaninchen.)
4. II. 05. 8 ccm sterilisiertes Exsudat subkutan 2150 >
10. II. 05. 10 ccm > > > 2270 >
7. m. 05. 15 ccm > > > 2350 >
30. m. 05. 20 ccm > > > 2550 >
17. IV. 05. Blutentnahme von 25 ccm aus der Jugularis externa
(Schützt Mause in der Dosis von Vio ccm, Kaninchen
V, ccm) 2450 »
22. IV. 05. 30 ccm sterilisiertes Exsudat subkutan 2500 >
10. V. 05. 40 ccm > > > 2400 >
8. VI. 05. Entblutet (mit diesem Serum wurden die letzten Ver-
suche angestellt)
Alle hier zur Verwendung gelangten Immunsera stammten
von Kaninchen, zu deren Immunisierung Exsudate verwendet
wurden, welche mit dem Stamm »Präge erzeugt waren. Wir
verfügen über drei Stämme von Hühnercholerabakterien: den
Stamm i Präge, der durch mehr als 100 Kaninchenpassagen eine
154 I^ie schützenden Eigenschaften des Blutes von Hühnercholeratieren.
Infektion mit Stamm „Teplitz".
Maus a (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan; nach
16 Stunden Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach weniger
als 18 Stunden. An der Infektionsstelle graues, schmieriges Infiltrat, im
Aufstrich von demselben massenhaft Bazillen. Im Herzblut mikrosko^iisch
massenhaft Bazillen.
Maus b. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus c. Vs cc^ Immunserum subkutan: nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonknltur subkutan. Lebt.
Maus d. Vio cc^ Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Jjebt.
Infektion mit Stanun „Münohen^^
Maus a (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan; nach
16 Stunden Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach 24 Stunden.
An der Infektionsstelle im Infiltrat mikroskopisch massenhaft Bazillen.
Herzblut wimmelnd von Bazillen.
Maus b. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden 7io Tropfen
Bouillonkultnr subkutan. Lebt.
Maus c. V, ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt
Maus d. Vio ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Das Immunserum zu dem folgenden Versuche stammte von
Kaninchen VII, welches durch acht Injekti onen 57 ccm Exsudat
erhalten hatte.
Infektion mit Stamm „Prag^S
Maus a (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan; nach
16 Stunden Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach weniger
als 18 Stunden. Im Infiltrate an der Infektionsstelle und im Herzblute
mikroskopisch massenhaft Bazillen.
Maus b. ',\ ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. I^bt.
Mause. Vs ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus d. Vio ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Infektion mit Stamm „Teplitz".
Maus a (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan; nacb
16 Stunden ';'io Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach weniger
als 18 Stunden. Im Herzblute und im Infiltrate mikroskopisch massen-
haft Bazillen.
Von Dr. Edmund Weil. 155
Maas b. */« ^^ Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus c. Vs ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus d. Vio ^^^ Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt
Infektion mit Stamm ,3^ünchen".
Maus a (Kontrolle). 1 ccm normales Eaninchenserom subkutan; nach
16 Stunden Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach 22 Stunden.
Im Herzblute und im Infiltrate an der Infektionsstelle mikroskopisch
massenhaft Bazillen.
Maus b. V« ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt
Maus c. Vs cc™ Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus d. Vio ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. (An der Schwanzwurzel im Glase eingeklemmt
in der Frühe — nach weniger als 18 Stunden — tot aufgefunden. Im
Herzblute und im Infiltrate massenhaft Bazillen).
Die Immunisierung in dem folgenden Versuche wurde mit
dem Blutserum von Kaninchen VI ausgeführt, welches durch
sechs Injektionen 49 ccm Exsudat erhalten hatte.
Infektion mit Stamm „Prag**.
Maus a (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan: nach
14 Stunden 7io Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach weniger
als 18 Stunden. Im Infiltrate der Infektionsstelle und im Henblute mikro-
skopisch massenhaft Bazillen.
Maus b. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 14 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus c. Vt <^c°> Immunserum subkutan; nach 14 Stunden ^,\q Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus d. Vio ^c™ Immunserum subkutan i nach 14 Stunden Vio ^^^ Bouillon-
kultur subkutan. Lebt.
r«
Infektion mit Stajnm „Teplitz^
Maus a (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan; nach
14 Stunden Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach weniger
als 18 Stunden. An der Infektionsstelle und im Herzblute mikroskopisch
massenhaft Bazillen.
Maus b. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 14 Stunden ^\o Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
11»
1 56 ^i® schützenden Eigenschaften des Blutes von Htihnercholeratieren.
Maas c. Vs ^^^ Immnnserum sahkutan; nach 14 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus d. ^/lo ccm Immunserum subkutan; nach 14 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Infektion mit Stamm „München*'.
Maus a (Kontrolle) 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan; nach
14 Stunden Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach weniger
als 18 Stunden. Im Herzblute und an der Infektionsstelle mikroskopisch
massenhaft Bazillen.
Maus b. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 14 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus c. Vs ccm Immunserum subkutan; nach 14 Stunden 7io Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus d. Vio ccm Immunserum subkutan; nach 14 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Wir entnehmen aus diesen Versuchen in übereinstimmender
Weise, dafs alle hier zur Verwendung gelangten Immunsera in
Mengen von ^/jq ccm Mäuse schützen gegen eine die Kontroll-
tiere in weniger als 24 Stunden tötende Bakteriendosis. Bei
sämtlichen Kontrolltieren wurde stets die dem Immunserum ent-
sprechende Menge normales Serum gegeben, weil Voges gerade
bei den Bakterien der hämorrhagischen Septikämie die Beob-
achtung gemacht hatte, dals normale Sera von verschiedenen
Tieren Resistenzerhöhung verursachen. Es darf jedoch nicht
übersehen werden, dafs Voges mit Meerschweinchen arbeitete,
welche gegen die hämorrhagische Septikämie natürliche Resistenz
besitzen, worauf auch Kitt hinweist, ferner dafs Voges als
Infektionsort die Peritonealhöhle wählte, wo eine nicht spezifische
künstlich erzeugte Resistenz stets am stärksten ausgesprochen
ist. Bei unseren Versuchen, weder bei Mäusen noch bei Ka-
ninchen und Vögeln, wo bei den Kontrolltieren stets normales
Serum injiziert wurde, konnte nie eine Spur jener Resistenz-
erhöhung beobachtet werden, wie aus diesen und den folgenden
Versuchen ersichtlich ist. Vielleicht ist dies darauf zurückzu-
führen, dafs als Infektionsort die Subcutis gewählt wurde, oder
darauf, dafs die hohe Pathogenität der hier verwendeten Stämme
oder das natürlich empfängliche Tier dabei eine Rolle spielt.
Das soll jedoch nicht entschieden werden.
Von Dr. Edmund Weil. 157
Nach der Infektion zeigen die Mäuse kurze Zeit — einen
Tag - geringe Krankheitserscheinungen, es tritt auch manch-
mal an der Infektionsstelle eine geringe Infiltration auf, welche
jedoch rasch schwindet. Alle hier verwendeten Mäuse wurden
mindestens drei Wochen beobachtet, damit sicher festgestellt
werden konnte, ob der Schutz nicht vielleicht nur in einer
Lebensverlängerung besteht. Auch entnimmt mau aus diesen
Versuchen, dafs Unterschiede im Sinne einer Polyvalenz nicht
bestehen, denn in bezug auf die drei hier verwendeten Stämme
liefs sich eine solche nicht feststellen, und es ist auch, wie wir aus
dem folgenden ersehen werden, eine solche nicht anzunehmen.
Nun folgen die Immunisierungsversuche mit Kaninchen,
auf deren hohe Empfänglichkeit schon hingewiesen wurde. Zu
den folgenden Versuchen wurden ausschliefslich junge bis 800 g
schwere Kaninchen verwendet, welche den höchsten Grad der
Empfindlichkeit darstellen. Auch bei diesen Versuchen wurde
die Serumbehandlung am Abend vor der Infektion vorgenommen.
Serum- und Bakterieneinspritzung wurde an verschiedenen Körper-
stellen ausgeführt. Zur Immunitätsprüfung wurden die Sera der
vier gennannten Kaninchen verwendet und zur Infektion dienten
die drei zur Verfügung stehenden Stämme.
Das zu den folgenden Versuchen verwendete Immunserum
stammte von Kaninchen VI.
InfeküoD mit Stamm „Prag".
Kaninchen I. 1 ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 24 Stunden haselnufsgrofses Infiltrat.
Nach 1 Woche Infiltrat nekrotisch. Nach 14 Tagen Infiltrat verschwunden.
Lebt
K a n i n c h e n n. Vs ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultor subkutan. Nach 24 Stunden flaches, talergrofses Infiltrat.
Nach 6 Tagen gestorben. An der Infektionsstelle ausgedehntes, zum
Teil nekrotisches Infiltrat, am Rand desselben frisches Ödem. Im Herz-
blut mikroskopisch vereinzelte Bazillen.
Infektion mit Stamm „Teplitz'^
Kaninchen I. 1 ccm Immunserum subuktan; nach 16 Stunden V/^g Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Schon am Tage der Infektion deutlich krank.
Nach 24 Stunden erbsengrofses Infiltrat Stirbt nach 3 Tagen. Kitrige
Pleuritis und Perikarditis (Seuche).
158 ^^ schützenden Eigenschaften des Blutes von Hühnercholeratieren.
K a n i n c h e n IL 7s ccm Immnnserum subkutan ; nach 16 Stunden 7io Tropfen
ßonillonknltnr, subkutan. Nach 24 Stunden erbsengrofses Infiltrat Nach
1 Woche verflachtes, hellergroDBes, nekrotisches Infiltrat Nach 14 Tagen
Infiltrat verschwunden. Lebt
Infektion mit Stamm „München".
Kaninchen I. 1 com Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden ^/|o Tropfen
Bouillonknltur subkutan. Nach 24 Standen haselnufsgrofses Infiltrat.
Nach 8 Tage Infiltrat nekrotisch. Nach 2 Wochen Infiltrat verschwunden.
Lebt.
Kaninchen n Vs ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden 7io Tropfen
Bouillonknltur subkutan. Stirbt nach 48 Stunden. In der Bauchhöhle
dicker Eiter, darin mikroskopisch Stäbchen, Fäden und Hefen. (Wahr-
scheinlich intraperitoneal infiziert und Darm angestochen. An der In-
fektionsstelle subkutan keine Erscheinungen.
Die sicher schützende Dosis dieses Immunserums beträgt
1 com. ^/2 ccm Immunserum hat, wie aus Kaninchen II »Präge
zu ersehen ist, lediglich eine sechstägige Lebensverlängerung
zur Folge. Kaninchen I »Teplitzc erlag der Kaninchenseuche
(chronische Hühnercholera in der Form der Pyämie ist hier
sicher auszuschliefsen), welche leider das ganze Jahr unter den
jungen Kaninchen in unseren Ställen wütet, und gerade zu der
Zeit, als diese Versuche ausgeführt wurden, im Rückgange war;
sonst wäre ein Arbeiten mit jungen Kaninchen, die lange Zeit be-
obachtet werden mulsten, überhaupt unausführbar gewesen. Kanin-
chen II :» München € ist wahrscheinlich ein unglücklicher Zufall.
Das Immunserum für die folgenden Versuche lieferte Kanin-
chen IV.
Infektion mit Stamm „Prag**.
Kaninchen I. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden 7io Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 2 Tagen starken Nasenflnfs. Stirbt
nach 5 Tagen. Eitrige Rhinitis (Seuche). An der Infektionsstelle scharf
begrenztes, zum Teil nekrotisches Infiltrat. Darin mikroskopisch Bazillen.
Im Herzblut mikroskopisch keine Bazillen. Herzblut kulturell steril.
Kaninchen II. Vs <^cm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden 7io Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 2 Tagen erbsengrofses Infiltrat. Nach
4 Tagen Infiltrat talergrofs, hart. Nach 1 Woche Infiltrat nekrotisch.
Nach 14 Tagen Infiltrat verschwunden. Lebt.
Infektion mit Stamm „Teplitz**.
Kaninchen I. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden ^I^q Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 2 Tagen erbsengrofses Infiltrat Nach
Von Dr. Edmund Weil. 159
8 Tagen Infiltrat nekrotisch. Nach 2 Wochen Infiltrat verschwunden.
Lebt
K a n i n c h e n n. Vs ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bonillonknltur subkutan. Nach 48 Stunden erbsengrofses Infiltrat. Nach
1 Woche Infiltrat nekrotisch. Nach 14 Tagen Infiltrat verschwunden.
Lebt.
Infektion mit Stamm „München**.
Kaninchen I. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bonillonknltur subkutan. Nach 2 Tagen haselnufsgrofses Infiltrat. Nach
1 Woche Infiltrat nekrotisch. Nach 2 Wochen Infiltrat verschwunden.
Lebt
Kaninchen II. V, ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio'^op^^A
Bouillonkultur subkutan. Nach 2 Tagen Infiltrat haselnufsgrofs. Nach
1 Woche Infiltrat nekrotisch. Nach 2 Wochen Infiltrat verschwunden. Lebt.
Das Immunserum dieses Kaninchens schützt sicher in der
Dosis von ^/g ccm. Kaninchen I »Präge hatte die Infektion
mit Hühnercholera vollständig überwunden, wie aus dem sterilen
Herzblutbefund hervorgeht, und wurde ein Opfer der Kaninchen -
seuche. (Eitrige Rhinitis.)
Für die folgenden Versuche wurde das Immunserum von
Kaninchen VII verwendet.
Infektion mit Stamm „Prag*^
Kaninchen III. 1 ccm Immunseruro subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 2 Tagen walnursgroDses Infiltrat. Nach
1 Woche Infiltrat nekrotisch. Nach 2 Wochen Infiltrat verschwunden.
Lebt.
K a n i n c h e n n. Vs ^^^ Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 2 Tagen Infiltrat walnuTsgrofs. Nach
5 Tagen Infiltrat verfiacht, handtellergrofs. Nach 10 Tagen beginnt es
nekrotisch zu werden. Nach 14 Tagen vollständig nekrotisch. Nach
3 Wochen verschwunden. Lebt.
Infektion mit Stamm „Teplitz''.
Kaninchen I. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 5 Tagen erbsengroftfes Infiltrat. Nach
1 Woche vollständig nekrotisch. Nach 14 Tagen verschwunden. Lebt.
Ka n i n c h e n n. Vs ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 2 Tagen erbsengrofses Infiltrat. Nach
1 Woche Infiltrat nekrotisch. Nach 14 Tagen verschwunden. Lebt.
Infektion mit Stamm „München*^
Kaninchen I. 1 ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
BouillonkultuT subkutan. Nach 5 Tagen hellergrofses, fiaches Infiltrat.
Nach 8 Tagen Infiltrat nekrotisch. Nach 14 Tagen verschwunden. Lebt.
160 Die schützenden Eigenschaften des Blutes von Hühnereholeratieren.
K a ni n c h e n II. Vs ^^^ Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden ^\q Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 5 Tagen talergrofses Infiltrat Nach 8 Tagen
Infiltrat nekrotisch. Nach 14 Tagen Infiltrat verschwunden. Lebt.
Da die vorangehenden Kaninchen versuche gleichzeitig aus-
geführt wurden, so ergab sich nur die Notwendigkeit, je ein
Kontrolltier für jeden Stamm zu verwenden. Kontrolltiere wären
jedoch für solche Versuche vollständig überflüssig. Die Infektion
wurde hier mit der halben Bakterienmenge vorgenommen.
Infektion mit Stamm „Prag''.
Kaninchen I (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan;
nach 16 Stunden 7>o Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach
12 Stunden. An der Infektionsstelle geringes ödem. Mikroskopisch im
Aufstrich von demselben massenhaft Bazillen. Im Herzblut mikroskopisch
massenhaft Bazillen. In der Brusthöhle klare Flüssigkeit.
Infektion mit Stanmi „Teplitz*'.
Kaninchen II (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan ;
nach 16 Stunden Vso Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach
weniger als 20 Stunden. An der Infektionsstelle geringes, blutiges ödem,
darin mikroskopisch massenhaft Bazillen. Im Herzblut mikroskopisch
wimmelnd von Bazillen. In der Pleura- und Peritonealhöhle klare
Flüssigkeit.
Infektion mit Stamm „München'*.
Kaninchen III (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan ;
nach 16 Stunden ^'^q Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach
weniger als 20 Stunden. An der Infektionsstelle geringe Reaktion,
etwas ödem, darin mikroskopisch massenhaft Bazillen. Im Herzblut
mikroskopisch massenhaft Bazillen. In der Brusthöhle klares Transsudat.
Das Immunserum zu dem folgenden Versuche lieferte Kanin-
chen VIII.
Infektion mit Stanmi „Prag''.
Kaninchen I (Kontrolle). 1 ccm normales Schafserum subkutan; nach
16 Stunden Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt in weniger als
16 Stunden. An der Infektionsstelle diffusses ödematöses Infiltrat. Darin
und im Herzblute mikroskopisch enorme Mengen Bazillen.
Kaninchen II. 1 ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden ^\o Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 24 Stunden erbsengrofses Infiltrat. Nach
2 Tagen Infiltrat haselnufsgrofs. Nach 5 Tagen Infiltrat walnufsgrofs,
verhärtet. Nach 14 Tagen Infiltrat derb, nekrotisch, käsigen Eiter ent-
leerend. Nach 3 Wochen Infiltrat verschwunden. Lebt.
Kaninchen III. ^'^ ccm Imniunserum subkutan: nach 16 Stunden V,«
Tropfen Bouillonkultur Rubkutan. Nach 24 Stunden erbsengrofses Infiltrat
Von Dr. Edmund Weil. 161
Nach 2 Tagen Infiltrat vergrOlBert, doch scharf von der Umgebung ab-
gegrenzt. Nach 8 Tagen Infiltrat von der Gröfse eines kindlichen Hand-
tellers, flach, derb. Nach 14 Tagen Infiltrat nekrotisch. Nach 3 Wochen
Infiltrat verschwunden. Lebt
Infektion mit Stamm „Teplitz^^
Kaninchen I (Kontrolle) 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan ; nach
16 Stunden Vio Tropfen Bouilloukultur subkutan. Stirbt nach weniger
als 16 Stunden. An der Infektionsstelle fast keine Reaktion. Im Auf-
strich von der Infektionsstelle mikroskopisch massenhaft Bazillen, eben'
falls mikroskopisch im Herzblute.
Kaninchen II. 1 ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 24 Stunden erbsengrofses, scharf abge-
grenztes Infiltrat Nach 2 Tagen Infiltrat hart Nach 8 Tagen Infiltrat
nekrotisch. Nach 14 Tagen Infiltrat verschwunden. Lebt
Kaninchen IIL Vi ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 24 Stunden Infiltrat walnufsgrofs. Nach
8 Tagen Infiltrat nekrotisch. Nach 2 Wochen Infiltrat verschwunden. Lebt
Infektion mit Stamm „München*^
Kaninchen I (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan;
nach 16 Stunden Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach
20 Stunden. An der Infektionsstelle diffuses ödem. Darin und im
Herzblute mikroskopisch massenhaft Bazillen. In der Brusthöhle klare
Flüssigkeit
Kaninchen II. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 16 Stunden V/j« Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 24 Stunden erbsengrofses Infiltrat Nach
48 Stunden Infiltrat walnuDsgrofs ; beginnt am oberen Ende sich zu
verhärten. Nach 8 Tagen Infiltrat ganz hart, beginnt nekrotisch zu
werden. Nach 14 Tagen Infiltrat nekrotisch. Nach 3 Wochen Infiltrat
verschwunden. Lebt.
Kaninchen III. Vi ccm Immunserum subkutan ; nach 16 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 24 Stunden bohnengrofses Infiltrat. Nach
8 Tagen Infiltrat flach, handtellergrofs, derb, hart. Nach 14 Tagen
Infiltrat nekrotisch. Nach 3 Wochen Infiltrat verschwunden. Lebt.
Wir entnebmeu aus diesen Versuchsprotokollen, dafs die
hier verwendeten Immunsera Kaninchen in der Dosis von ^/a ccm
sicher schützen, gegen eine Bakterienmenge, welche die Kontroll-
tiere in weniger als 20 Stunden tötet. Die immunisierten Tiere
reagieren auf die Infektion mit der Ausbildung von Infiltraten,
die sich im Laufe der ersten Tage vergrölsern, dann stationär
bleiben, sich verhärten und schliefslich nekrotisch werden. So-
lange letzterer Umstand nicht eingetreten ist, sind die Tiere noch
162 ^i® schützeDden Eigenscbaften des Blutes von HQhnercholeratieren.
in Gefahr, das Leben zu verlieren. (Kaninchen IE iPragc. S. 157.)
Das nekrotische Infiltrat jedoch wird rasch resorbiert und die Tiere,
die manchmal unter dem Einflufs der Infiltrate zu leiden haben,
erholen sich dann rasch. Man mufs, um von der sicheren
Wirkung des Immunserums überzeugt zu sein, die Tiere so lange
in Beobachtung halten, als das Infiltrat nekrotisch zu werden
beginnt. Die Kaninchen dieser Versuche wurden mindestens
drei Wochen und länger beobachtet.
Von den drei Bakterienstämmen setzt die geringsten Verände-
rungen der Stamm iTeplitz«. Die Infiltrate bei den immunisierten
Tieren erreichen nie eine nennenswerte Gröfse und schwinden
rasch. Am stärksten sind die Infiltrate auffallenderweise beim
Stamm »Präge ausgebildet, gegen den die Tiere immunisiert
waren. Auch dieser Umstand spricht gegen die Wirkung des
Immunserums im Sinne einer Polyvalenz. Der Stamm > München«
hält betreffs der Erscheinungen an der Infektionsstelle die Mitte
zwischen beiden. Es hat doch den Anschein, dafs die Intensität
der Reaktionserscheinungen am Infektionsorte, d. i. die Aus-
bildung der Infiltrate, mit der Stärke der Aggressivität dieser drei
Stämme in Zusammenhang gebracht werden mufs. Wir müssen
uns vorstellen, dals die Wirkung eines Hühnercholera - Immun-
serums gegen die Vermehrungsfähigkeit der Bakterien, gegen
ihre Aggressivität, gerichtet sein mufs. Ein stark wirkendes
Immunserum wird die Vermehrungsfähigkeit der Bakterien stark
hemmen, oder umgekehrt, wird jener Bakterienstamm die stärkste
Aggressivität aufw-eisen, welcher sich trotz des Immunserums
noch an der Infektionsstelle zu vermehren vermag. Der Ein-
bruch und die Vermehrung im Blute wird ein sicher wirkendes
Immunserum stets zu verhindern imstande sein. Wir sind nun
aus dem Grunde geneigt, dem Stamm »Prag« der infolge seiner
Vermehrung am Infektionsorte die Ausbildung der Infiltrate be-
dingt, die stärkste Aggressivität zuzuschreiben. Der fortwährende
Aufenthalt dieses Stammes im Tier wird wohl als Grund hierfür
angesehen werden müssen. Der Virulenz nach, d. h. was die
Zahl der einzuführenden Keime betrifft, um ein Tier zu töten,
bestehen in bezug auf diese drei Stämme keine Unterschiede.
Von Dr. Edmund Weil. 163
Alle drei sind imstande, vielleicht in einem Bakterienexemplar
ein Kaninchen zu töten, die Differenzen dieser drei Bakterien-
stAmme beziehen sich nur auf ihre Aggressivität.
Um eine hohe Immunität zu erzeugen, ist es auch not-
wendig, mit einem mögUchst aggressiven Stamm die zur Immuni*
sierung verwendeten Exsudate zu gewinnen; denn von der Stärke
der Aggressivität wird hauptsächlich der antiaggressive Zustand
des Tieres abhängen. Exsudate, denen durch Erhitzen die
Aggressivität genonmien ist, wirken nur schwach oder gar nicht
immunisatorisch, wie wir aus Versuchen von Bail bei Typhus-
bazillen wissen. Bei den hämorrhagischen Septikämieerregern die
Virulenz für Kaninchen zu steigern, wird man kaum nötig haben,
anders ist es aber mit der Aggressivität, wie man es besonders
schön bei Schweineseuche beobachten kann. Man sieht im
Laufe der Tierpassagen das Exsudat gewissermafsen aggressiv
werden. Die anfangs dicke, zähe, zellreiche Flüssigkeit wird
dünn, die Zellen schwinden, Bakterien finden sich in Unmengen
vor, Phagocytose ist nie zu beobachten. Derartige Exsudate
sind für die Immunisierung die geeignetsten.
Ober den Mechanismus der Aggressinimmunität läfst sich
vorderhand nichts Bestimmtes aussagen. In einer früheren Arbeit
über die aktive Immunität bei Hühnercholera konnte durch die
Aggressintheorie die Pasteurschelmmuuisierungsmethode damit
erklärt werden, dals durch geeignete Ab Schwächungsmethoden
(Luftzutritt) den Hühnercholerabazillen ein Teil ihrer Aggressivität
genommen wird, so dafs diese Bakterien, in den Tierkörper ge-
langt, nicht mehr so viel Aggressin bilden, als zur schranken-
losen Vermehrung ausreicht. Infolge dieses Defektes ihrer Aggres-
sivität verhalten sich diese Bakterien wie Halbparasiten, die das
Tier nicht mehr unter allen Umständen töten. Das durch die
Vermehrung im Infiltrate gebildete Aggressin reicht jedoch aus,
nach der Resorption das Tier immun zu machen. Haben wir
nun ein Tier mit Immunserum behandelt und spritzen darnach
virulente Bazillen ein, so entstehen ebenfalls durch die einge-
führten Bakterien Infiltrate, welche vollständig denen durch die
Pasteurschen Vaccins entstandenen entsprechen. Das dem
164 I^ie schützenden Eigenschaften des Blutes von Hühnercholeratieren.
Tier einverleibte Immunserum übt im Tierkörper dieselbe
Wirkung auf die Bakterien aus, die Pasteur extra corpus durch
Abschwächungsmethoden erzielt hat, es nimmt den Bakterien
ihre unbegrenzte Vermehrungsfähigkeit, ihre Aggressivität. Aus
dem Grunde wollen wir dieses Immunserum als antiaggressives
bezeichnen. Dafs das Immunserum nicht bakteriolytische Wirkung
entfaltet, zeigt schon der Umstand, dafs sich die Bakterien im
Infiltrate der immunen Tiere vermehren und ihre Virulenz un-
geschwächt beibehalten.
Wir müssen auch in Erwägung ziehen, dafs der Schutzwert
von ^2 ^'Cm Immunserum schon ein sehr hoher ist. Wir dürfen
denselben selbstverständlich nicht mit einem bakteriziden oder
antitoxischen Serum in Parallele setzen, wo Bruchteile von
tausendstel Kubikzentimeter Schutz verleihen. Denn dabei ist der
Schutz gegen die einfach tödliche Dosis gerichtet. In unserem
Falle ist aber die einfach tödliche Dosis eine Bakterienzelle.
Es sei hier auf eine Äufserung von Sobernheim im Handbuch
von Wassermann und KoUe hingewiesen, der von einem
hochwertigen Milzbrandimmunserum folgendes verlangt: »Wenn
z. B. von sechs Kaninchen, die mit steigenden Mengen von
1 — 6 ccm Serum intravenös behandelt und kurz darauf mit
Viooo Os® virulenter Milzbrandkultur subkutan geimpft werden,
die Hälfte oder gar mehr mit dem Leben davonkommen, auch die
übrigen später als die Kontrolltiere sterben, so ist dies ein Re-
sultat, wie es nur von einem hochwertigen Serum zu erwarten
ist.« Wir sehen, dafs die Ansprüche, die man an ein Immun-
serum stellt, das gegen septikämische , intensiv vermehrungs-
fähige Keime gerichtet ist, recht bescheidene sind. Immerhin
sind die Resultate, die man durch Immunisierung mit aggressivem
Exsudat bekommt, ungleich bessere. So kann Bail durch eine
einmalige Injektion von ^{2 ccm antiaggressiven Immunserums
jedes Kaninchen sicher gegen virulenten Milzbrand schützen.
Ebenso verleiht, wie aus den vorhergehenden Versuchen er-
sichtlich, V2 ccm Immunserum den Kaninchen sicheren Schutz
gegen Hühnercholerabakterien, welche, was Aggressivität anlangt,
den Milzbrand sicher überragen.
Von Dr. Edmund Weil. 165
Es erübrigt noch, auf einen Punkt im Anschlufs an die
Kaninchenversuche einzugehen. Wir wissen, dafs der übertragene
Schutz nur kurze Zeit, zwei Wochen wird im allgemeinen an-
genommen, andauert, was wohl auch beim Hühnercholera-Immun-
serum der Fall sein wird. Nun bleiben aber die Bakterien
noch sehr lange im Infiltrate lebensfähig und virulent. Man
müfste also denken, dafs theoretisch aus dem Grunde eine passive
Immunisierung unmöglich wäre, da zu einer Zeit, wo der passive
Impfschutz schon geschwunden ist, die noch lebenden Bazillen
das Tier töten. Die praktische Erfahrung spricht jedoch dagegen.
Dieser Umstand wird sich wohl damit erklären lassen, dafs durch
die Aufsaugung der Infiltrate, die beim passiv immunisierten
Tiere entstehen, die Tiere nachher aktiv immun werden, wie
durch Impfung mit Pas teur sehen Vaccins.
Was die Immunisierungsversuche mit Vögeln anlangt, so
sind dieselben nicht so günstig. Das Kaninchenimmunserum
schützt zwar Tauben, — andere Vögel wurden bisher nicht
untersucht — , doch sind die Resultate nicht so befriedigend
wie die mit Kaninchen und Mäusen.
Das hierzu verwendete Immunserum stammte von Kanin-
chen VI. Die Infektion wurde mit Stamm »Prag« vorgenommen.
Taabe I (Kontrolle). 2 ccm nonnales Kaninchenserum subkutan; nach
14 Stunden V/,o Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach 21 Stunden.
An der Infektionsstelle harte Schwellung von gelblichweiTser Farbe,
auf die Muskulatur übergreifend. Im Infiltrate mikroskopisch enorme
Mengen von Bazillen, keine Zellen. Das Herzblut mikroskopisch
wimmelnd von Bazillen.
Tauben. 2 ccm Immunserum subkutan. Nach 14 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 48 Stunden bohnengrofse, harte, begrenzte
Infiltration. Nach drei Tagen Infiltrat unverändert. Nach 8 Tagen ge-
storben. Im Infiltrate zahlreiche, im Herzblut mikroskopisch spärliche
Bazillen.
Taube Ul. 1 ccm Immunserum subkutan; nach 14 Stunden Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 48 Stunden wie Taube UI. Nach
3 Tagen ebenso. Stirbt nach 5 Tagen. Im Infiltrate an der Infektions-
stelle zahlreiche Bazillen, im Herzblute mikroskopisch sehr spärliche
Bazillen.
Taube IV. 0,25 ccm Immunserum subkutan; nach 14 Stunden ^/j^ Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 48 Stunden mehr diffuse, weiche, erbsen-
156 Die schützenden Eigenschaften des Blutes von Hühnercholeratieren.
grofse Infiltration. Nach 3 Tagen Infiltration derb, hart. Nach 5 Tagen
ebenso. Nach 14 Tagen Infiltrat verschwunden. Lebt.
Die individuelle Verschiedenheit dieser Taube dürfte der Grund für
das Überleben sein.
In einer früheren Arbeit konnte gezeigt werden, dals die
aktive Immunisierung von Hühnern und Tauben mit Kaninehen-
exsudat relativ leicht gelingt und eine vollkommene ist. Wenn nun
die passive Immunität mit Kaninchenimmunserum bei Tauben teil-
weise versagt, so dürfte die Ursache davon in dem eigentümlichen
Verhältnis homologer und heterologer Sera begründet sein. Da-
bei darf nicht vergessen werden, dafs die Heterologie in diesen
Versuchen eine zweifache ist, indem einerseits das Kaninchen-
immunserum eine Tauben fremdartige Flüssigkeit ist, anderseits
die Kaninchen mit Kaninchenexsudat also ebenfalls einer Tauben
fremden Flüssigkeit behandelt wurden. Das dürfte nicht ohne
Einflufs sein. Das Aggressin mufs ja, auch wenn es von ver-
schiedenen Tieren stammt, im Prinzip dasselbe sein, geringe,
vielleicht nur quantitative Differenzen lassen sich wohl je nach
der verwendeten Tierart erwarten. Bei Mäusen, und wie wir
auch sehen werden bei Meerschweinchen kommen diese Um-
stände weniger in Betracht, vielleicht aus dem Grunde, weil sie
als Nager dem Kaninchen verwandte Tiere sind. Mit Sicherheit
läfst sich aber über diese kompUzierten Verhältnisse nichts aus-
sagen. Doch lätst sich erwarten, dafs ein höherwertiges Immun-
serum, von geeigneten Tieren gewonnen, auch bei Vögeln sichere
Resultate erzielen wird.
Alle vorhergehenden Versuche wurden, wie schon des öfteren
erwähnt und auch aus den Versuchsprotokollen ersichtlich ist, derart
ausgeführt, dafs das Immunserum mehrere Stunden vor den Bak-
terien gegeben wurde. Dieser Infektionsmodus wurde teils aus
dem Grunde gewählt, weil für eine praktische Anwendung nur
eine solche Immunisierungsart in Betracht kommen konnte, teils
auch deshalb, weil wir es hier nicht mit einem bakteriziden oder
antitoxischeu Serum zu tun haben. Der Schutz, den ^in bak-
terizides Immunserum verleiht,, ist sofort gegeben, denn die
Von Dr. Edmund Weil. 167
gleichzeitig eingespritzten Keime, die mit Immunkörpern beladen
sind, finden im Tierkörper Komplement vor und werden aufge-
löst, und sind, wenn die durch die Auflösung freiwerdende Gift-
menge nicht zu grofs ist, um von den Leukozyten paralysiert
zu werden, dem Organismus unschädUch. Vorzeitig einverleibt,
wirkt das bakterizide Immunserum, wie die Erfahrung ergibt,
ungleich schwächer. Ebenso wirkt das gleichzeitig mit dem
Toxin eingespritzte antitoxische Immunserum sofort, weil es ja
schon im Glase das Gift unwirksam macht. Andere Verhältnisse
liegen jedoch beim antiaggressiven Immunserum vor, da die ein-
geführten Keime nicht abgetötet werden, sondern nur ihre inten-
sive Vermehrung gehemmt wird. Wenn wir also ein antiaggres-
sives Immunserum gleichzeitig mit den Bazillen einspritzen, so
wird vielleicht schon die Zeit, welche verstreicht, bis das Immun-
serum resorbiert ist und in die Gewebssäfte übergeht, während
welcher es noch keinen Schutz verleiht, genügen, dafs sich die
Bakterien schon zu sehr vermehrt haben; denn die Vermehrung
der Hühnercholerabakterien setzt beim Kaninchen im Gegensatz
zum Milzbrand sofort ein. Das Immunserum wird also nach dieser
Zeit aufserstande sein, gegen die zu grofse Bakterienmenge zu
schützen. Denn jede Immunität, und besonders die passive, ist
begrenzt und kann gebrochen werden. Immerhin mulste bei
einem hochwertigen Immunserum dieser Umstand in Wegfall
kommen. Aus dem Grunde wurde Kaninchen IV höher im-
munisiert, und mit dem Blutserum dieses Tieres wurden die
nachfolgenden Versuche an Kaninchen und Mäusen ausgeführt.
Das hier verwendete Immunserum stammte von Kanin-
chen IV ^), welches inzwischen durch zwei neuerliche Injektionen
um 70 ccm Exsudat mehr bekommen hatte.
1) Siehe 8. 151. Es sei hier darauf hingewiesen, dafs man mit dem
Karholzasatz behafs Sterilisiening der Exsudate — dieselbe wurde in der
früheren Publikation über Hühnercholera genau beschrieben — bei Anwen-
dung so grofser Exsudatmengen wie 30 oder 40 ccm heruntergehen mufs,
damit die Tiere nicht einer Karbolvergiftung erliegen. Dieser Umstand ist
oft recht schwierig, hängt zum grofsen Teile von der Zahl der Keime im
Exsudate ab und lassen sich da leider genaue Vorschriften nicht geben.
168 ^i^ Bchützenden Eigenschaften des Blutes von Hühnercholeratieren.
Infektion mit Stamm „Prag*S
Maus I (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan; gleich
darauf V^o Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach weniger als
14 Stunden. An der Infektionsstelle und im Herzblut mikroskopisch
massenhaft Bazillen.
Maus II. 0,75 ccm Immunserum subkutan ; gleich darauf Vio Tropfen Bonillon-
kultur subkutan. I^bt.
Maus ni. 0,25 ccm Immunserum subkutan; gleich darauf V/j, Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Infektion mit Stanun „Teplitz**.
Maus I (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan; gleich
darauf Vio Tropfen Bouillonkultnr subkutan. Stirbt nach 20 Stunden.
An der Infektionsstelle und im Herzblut mikroskopisch massenhaft
Bazillen.
Maus II. 0,75 ccm Immunserum subkutan; gleich darauf V^« Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus ni. 0,25 ccm Immunserum subkutan; gleich darauf Vio Tropfen
Bonillonkultur subkutan. Lebt.
Infektion mit Stanun „München*'.
M a u 8 I (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan ; gleich
darnach Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach weniger als
14 Stunden. An der Infektionsstelle und im Herzblut mikroskopisch
massenhaft Bazillen.
Maus II. 0,75 ccm Immunsernm subkutan; gleich darnach Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Maus UI. 0,25 ccm Immunserum subkutan; gleich darauf Vio Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Lebt.
Immunserum von Kaninchen IV.
Infektion mit Stanun „Prag**.
Kaninchen I (Kontrolle). 1400 g 1 ccm normales Kaninchenserum, auf
der einen Seite subkutan; gleich darnach auf der anderen Seite subkutan
Vio Tropfen Bouillonkultur. Stirbt nach weniger als 14 Stunden. An
der Infektionsstelle geringes ödem, darin mikroskopisch massenhaft
Bazillen, keine Zellen. Im Herzblut mikroskopisch wimmelnd von Bazillen.
In der Pleurahöhle klare Flüssigkeit.
Kaninchen H. 750 g 1 ccm Immunserum subkutan ; gleich darnach auf
der anderen Seite V^^q Tropfen Bouillonkultur subkutan. Nach 48 Stunden
an der Infektionsstelle haselnuTsgrofses derbes Infiltrat. Nach 8 Tagen
Infiltrat nekrotisch. Nach 2 Wochen Infiltrat verschwunden. Lebt.
Infektion mit Stanmi „TepUtz'S
Kaninchen I (Kontrolle). 2000 g I ccm normales Kaninchenserum, darin
aufgeschwemmt Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Stirbt nach weniger
als 18 Stunden. An der Infektionsstelle diffuses, blutiges, geringes Odem
Von Dr. Edmund Weil. 169
Darin mikroskopisch massenhaft Bazillen, keine Zellen. Im Herzblute
mikroskopisch massenhaft Bazillen. In der Pleura- und Peritonealhöhle
klare Flüssigkeit.
Kaninchen II. 850 g 1 ccm Immunsernm, darin aufgeschwemmt ^/j^ Tropfen
Bouillonkultur subkutan. Nach 24 Stunden erbsengrofses, begrenztes
Infiltrat Nach 5 Tagen Infiltrat derb. Nach 1 Woche Infiltrat ver-
schwunden. Lebt.
Infektion mit Stamm „München'^
Kaninchenl (Kontrolle). 1600 g 1 ccm normales Kaninchenserum subkutan ;
gleich darnach auf der anderen Seite Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan.
Stirbt nach weniger als 14 Stunden. An der Infektionsstelle geringes
blutiges Odem; darin mikroskopisch massenhaft Bazillen, keine Zellen.
Im Herzblute mikroskopisch massenhaft Bazillen. In der Pleurahöhle
klare Flüssigkeit.
Kaninchen II. 820 g 1 ccm Immunserum subkutan; gleichzeitig auf der
anderen Seite Vio Tropfen Bouillonkultur subkutan. Nach 48 Stunden
erbsengrofses, derbes Infiltrat, scharf begrenzt. Nach 8 Tagen Infiltrat
nekrotisch. Nach 14 Tagen Infiltrat vollständig verschwunden. Lebt.
Wir entnehmen daraus, dals ein hochwertiges Immunserum
auch bei gleichzeitiger Einverleibung Mäusen und Kaninchen
und, wie wir später sehen werden, Meerschweinchen sicheren
Schutz verleiht. Auch geht aus diesen Versuchen hervor, dafs
trotz gleichzeitiger Einverleibung die Reaktionserscheinungen an
der Infektionsstelle bei Kaninchen viel geringere sind, als in den
früheren Versuchen, wo das Immunserum noch nicht so hoch-
wertig war, und es läfst sich erwarten, dafs, wenn die Immuni-
tät noch höher getrieben wird, die Infektion bei passiver Im-
munität ganz reaktionslos verlaufen wird.
Die vollkommen sicheren Resultate, welche die vorangehen-
den Versuche mit gleichzeitiger Einverleibung des Immunserums
und der Bazillen ergaben, liefsen auch Erfolge erwarten, wenn
man ein schon infiziertes Tier mit Immunserum behandelt.
Kaninchen I (Kontrolle), 820 g, erhält V20 Tropfen Bouillonkultur
Stamm »Präge und stirbt nach acht Stunden typisch. Kanin-
chen II, 760 g, erhält % Tropfen Bouillonkultur und nach zwei
Stunden 2^/2 ccm Immunserum von Kaninchen IV. An der In-
fektionsstelle bildet sich ein handtellergrofses Infiltrat aus, das
sich verhärtet, dadurch eine Kontraktur des einen Hinterbeines
bedingt. Stirbt nach neun Tagen.
Archiv für Hygiene. Bd. LIV. 12
170 ^io schützenden Eigenschaften des Blates von Hühuercholeratieren.
Der rasche Tod des KontroUtieres ist darauf zurückzuführen,
dafs zu diesem Versuche ein der Gröfse des Immuntieres ent-
sprechendes gewählt wurde. Die Kontrolltiere in den früheren
Versuchen, wo der Tod nach 12 — 20 Stunden erfolgte, waren
stets gröfsere Tiere ; als Immuntiere wurden auch dort, wie schon
erwähnt, nur kleine Tiere gewählt. Beim Inmauntier dieses Ver-
suches, welches zwei Stunden nach der Infektion, wo sich die
Bakterien schon sehr stark vermehrt hatten, mit Serum behandelt
wurde und nach neun Tagen starb, erfolgte der Tod nicht durch
die Infektion, denn das Blut enthielt keine Bakterien. Den
Tod hatte die Ausbildung des starken Infiltrates an der Infek-
tionsstelle durch Marasmus bedingt. Letzteres hatte die hier an-
gewendete Immunserummenge nicht zu verhindern vermocht;
eine gröfsere Dosis wäre auch hier wirkungsvoll gewesen. Dies
konnte aus dem Grunde nicht durchgeführt werden, weil zu diesem
Versuche der letzte Rest des Immunserums von Kaninchen IV
aufgebraucht wurde. Jedenfalls spricht schon dieser Versuch für
die ungemein starke und sichere Wirkung des Immunserums.
Hatten schon die Kaninchenimmunversuche ein vollständiges
Fehlen von bakteriziden Eigenschaften des Immunserums ergeben,
80 war es doch noch von Interesse; die Vorgänge in der Bauch-
höhle von passiv immunisierten Meerschweinchen zu verfolgen,
um auch dabei zu beobachten, welche Rolle die Leukozyten
spielen. Betreffs derselben konnten auch im immunen Kaninchen
nie phagozytierende Eigenschaften beobachtet werden; im Infil-
trate der immunen Tiere finden sich zwar massenhaft Leukozyten,
aber keine Phagozytose, und selbst wenn das Infiltrat nekrotisch
wird, finden sich neben Leukozytentrümmem noch immer freie
Bazillen. Voges, der intraperitoneale Meerschweinchenversuche
mit Schweineseuchebakterien anstellte, fand bei resistenten Tieren,
welche die Infektion überstanden, nie Bakteriolyse, auch eine
Tätigkeit der Leukozyten als Phagozyten konnte er nicht kon-
statieren. Die eingespritzten Keime wurden immer spärlicher,
und die Bauchhöhle war gewöhnlich nach 48 — 72 Stunden steril.
Bei diesen Versuchen hatte Voges auch die Beobachtung ge-
macht, dafs auf gleiche Weise das normale Serum von verschie-
Von Dr. Edmund Weil. 171
denen Tieren, wie das Blutserum von Tieren, die mit den
Schweineseuchebakterien vorbehandelt waren, den Meerschwein-
chen gegen eine intraperitoneale Infektion Schutz verleiht, wenn
er das Serum 24 Stunden vor der Infektion einspritzt. Auf
gleiche Weise aber blieb sowohl normales Serum als auch Serum
von behandelten Tieren, bei gleichzeitiger Einführung oder wenige
Stunden vor der Infektion eingeführt, wirkungslos. Wir konnten
schon mehrfach darauf hinweisen, dafs wir bei Mäusen, Kanin-
chen und Tauben bei subkutaner Infektion mit Hühnercholera-
bakterien nie eine Spur jener Resistenz beobachten konnten;
denn die Kontrolltiere, die stets die dem Immunserum entspre-
chende Menge normalen Serums bekommen, zeigten nie eine da-
durch bewirkte Lebensverlängerung oder atypischen Befund.
Voges verlangt von der spez. Wirkung eines Immunserums,
dafs es, gleichzeitig mit den Bakterien eingespritzt, Schutz ver-
leiht. Es werden auch beim Meerschweinchen in bezug auf dij
gleichzeitige und vorzeitige Immunserumgabe dieselben Umstände
in Betracht zu ziehen sein wie beim Kaninchen. Immerhin
wurden die nachfolgenden Versuche mit Meerschweinchen, da
wir über ein ziemlich hochwertiges Immunserum verfügten, der-
art angestellt, dafs Immunserum und Bazillen gleichzeitig intra-
peritoneal eingespritzt wurden.
Das Immunserum zu diesen Versuchen stammte von Kanin-
chen IV, welches auch zu den letzten Versuchen verwendet
wurde.
Infektion mit Stamm „Prag".
Meerschweinchen I (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum intra-
peritoneal; gleich darnach Vio <^cm Bouillon kultur intraperitoneal.
Nach 1 Stunde: Vereinzelte Bazillen, vereinzelte Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 2 Stunden: Deutliche Vermehrung der Bazillen, zahlreiche Leuko-
zyten, keine Phagozytose.
Nach 6 Stunden : Massenhaft Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 7 Stunden : Enorme Mengen von Bazillen, wenige Leukozyten, keine
Phagozytose (schwer krank).
Stirbt nach 9 Stunden. In der Bauchhöhle 2 ccm dicken trüben Exsudates,
darin mikroskopisch enorme Mengen von Bazillen, wenige Zellen, keine
Phagozytose, keine Auflagerungen. Im Herzblute mikroskopisch Bazillen.
r2»
172 ^^0 schützenden Eigenschaften des Blates von Hühnercholeratieren.
Meerschweinchen n. Iccm Immanserum intraperitoneal ; gleich darauf
Vio ccm Bouillonkaltur intraperitoneal.
Nach 1 Stunde: Vereinzelte Bazillen, spärliche Leukozjrten, keine
Phagozytose.
Nach 2 Stunden: Vereinzelte Bazillen, zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 6 Stunden: Spftrliche Bazillen, zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 7 Stunden : Spärliche Bazillen, sehr zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 9 Stunden: Beginnende Vermehrung der Bazillen, massenhaft
Leukozyten, keine Phagozytose.
Nach 24 Stunden : Massenhaft Bazillen, reiner Eiter (grofse polynukleäre
Leukozyten und Makrophagen), keine Phagozytose. Tier vollkommen
munter.
Nach 48 Stunden: Noch ungemein zahlreiche Bazillen, dicker Eiter,
Phagozytose nicht sicher. Tier vollkommen munter.
Nach 72 Stunden : Weniger Bazillen, zum Teil schlecht gefärbt, zum Teil
in feine Fädchen oder in Kömchen zerfallen, zahlreiche Leukozyten,
Phagozytose nicht sicher.
Nach 96 Stunden: Vereinzelte Bazillen, zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose. Lebt.
Infektion mit Stamm „Teplitz'*.
Meerschweinchenl (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum intra-
peritoneal; gleich darnach 7io ^^^ Bouillonkultur intraperitoneal.
Nach 1 Stunde: Vereinzelte Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 2 Stunden: Vereinzelte Bazillen, zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 5 .Stunden : Sehr zahlreiche Bazillen, wenige Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 6 Stunden: Massenhaft Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose (schwer krank).
Nach 7 Stunden: Enorme Mengen von Bazillen, einzelne Leukozyten,
keine Phagozytose.
Nach 9 Stunden sterbend. Stirbt in der Nacht In der Bauchhöhle
dicktrübes Exsudat, darin mikroskopisch massenhaft Bazillen, wenige
Zellen, keine Phagozytose. Peritoneum des Darmes intensiv gerötet
(akute Peritonitis). Im Herzblut mikroskopisch zahlreiche Bazillen. In
der Brusthöhle klare Flüssigkeit.
Meerschweinchen U, 255 g. Iccm Immunserum intraperitoneal; gleich
darauf 7s cc^^ Bouillonkultur intraperitoneal.
Nach 1 Stunde: Vereinzelte Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Von Dr. Edmund Weil. 173
Nach 2 Stunden: Vereinzelte Bazillen, zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 5 Stunden: Einzelne Bazillen, sehr zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 6 Stunden: Einzelne Bazillen, massenhaft Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 7 Stunden : Hie und da ein Bazillus, reiner Eiter, keine Phagozytose.
Nach 24 Stunden: Massenhaft Bazillen, reiner, dicker Eiter, keine
Phagozytose, Tier vollkommen munter.
Nach 48 Stunden: Kapillarentnahme wahrscheinlich wegen des dicken
Eiters unmöglich. Lebt.
Infektion mit Stamm „München'^
Meerschweinchen I (Kontrolle). 1 ccm normales Kaninchenserum intra-
peritoneal; gleich darnach Vio Tropfen Bouillonkultur intraperitoneal.
Nach 1 Stunde: Vereinzelte Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagoz3rtose.
Nach 2 Stunden: Spärliche Bazillen, zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 5 Stunden: Sehr zahlreiche Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose (schwer krank).
Nach 6 Stunden: Massenhaft Bazillen, wenige Leukozyten, keine
Ptiagoz3rtose.
Nach 7 Stunden: Massenhaft Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 9 Stunden sterbend. Stirbt in der Nacht. In der Bauchhöhle
leicht blutiges, dicktrObes Exsudat, darin mikroskopisch enorme Mengen
von Bazillen, wenige Zellen, keine Phagozytose. Ungemein starke
Rötung des Darmperitoneums und Blutung ins Netz (akute Peritonitis).
Im Herzblut mikroskopisch zahlreiche Bazillen.
Meerschweinchen II. 290 g. 1 ccm Immuuserum intraperitoneal; gleich
darauf Vio ^^^ Bouillonkultur intraperitoneal.
Nach 1 Stunde: Vereinzelte Bazillen, spärliche I^ukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 2 Stunden: Vereinzelte Bazillen, zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 5 Stunden: Einzelne Bazillen, sehr zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 6 Stunden: Hie und da ein Bazillus, massenhaft Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 7 Stunden: Einzelne Bazillen, reiner Eiter, keine Phagozytose.
Nach 24 Stunden: Spärliche Bazillen, dicker Eiter, keine Phagozytose.
Nach 48 Stunden : Spärliche Bazillen, dicker Eiter, keine Phagozytose. Lebt.
In dem folgenden Versuche wurde das Immuntier mit einer
gröfseren Menge Bazillen infiziert; Immunserum von Kaninchen IV.
Infektion mit Stamm » München c.
174 ^0 schOtzeuden Eigenschaften des Blates von Hühnercholeratieren.
Meerschweinchen I (Kontrolle). 1 ccrn normales Kaninchenserum intra-
peritoneal; gleich darauf Vio ccm Boaillonkaltur intraperitoneal.
Nach 1 Stunde: Spärliche Bazillen, zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 3 Stunden: Ziemlich zahlreiche Bazillen, zahlreiche Leukozyten,
keine Phagozytose.
Nach 6 Stunden: Massenhaft Bazillen. Spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose. (Tier schwer krank.)
Nach 8 Stunden: Massenhaft Bazillen. Vereinzelte Leukozyten, keine
Phagozytose.
Stirbt nach 9^-, Stunden. In der Bauchhöhle dicktrQbes Exsudat, darin
spärliche Zellen, keine Phagozjrtose, massenhaft Bazillen. Im Herz-
blut mikroskopisch Bazillen.
Meerschweinchen U. 1 ccm Immunserum intraperitoneal ; gleich darauf
Vi ccm Bouillonkultur intraperitoneal.
Nach 1 Stunde : Ziemlich zahlreiche Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 3 Stunden : Ziemlich zahlreiche Bazillen, sehr zahlreiche Leukozyten,
keine Phagozytose.
Nach 6 Stunden: Spärliche Bazillen, sehr zahlreiche Leukoz3rten, keine
Phagozytose.
Nach 8 Stunden: Spärliche Bazillen, sehr zahlreiche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 10 Stunden: Spärliche Bazillen, Eiter, keine Phagozytose.
Nach 24 Stunden: Vereinzelte Bazillen, dicker Eiter, keine Phagozytose.
Lebt.
Die Vorgänge in der Bauchhöhle spielen sich folgender-
mafsen ab. In den ersten zwei Stunden treten zwischen Kou-
troll- und Immuntier keine Differenzen auf. Das der Bauch-
höhle entnommene Exsudat weist in jedem Gesichtsfeld verein-
zelte Keime — die eingespritzten Bazillen — auf und ziemlich
zahlreiche Leukozyten. Letztere sind durch den Reiz, welchen
die injizierte Flüssigkeit gesetzt hat, herbeigelockt, da nach
dieser Zeit eine wesentUche Vermehrung der Bazillen und eine
Beeinflussung der Leukozyten (beim Kontrolltier) durch dieselben
noch nicht stattgefunden hat. Anders gestaltet sich das Bild
nach 5 Stunden. Beim Kontrolltiere merkt man nach dieser
Zeit schon eine starke Vermehrung der Bazillen, während die
Leukozylenzahl abnimmt, beim Immuntiere hingegen ist die Zahl
der Bazillen nicht vermehrt, wohingegen massenhaft Leukozyten
auftreten. Phagozytose konnte weder beim Kontrolltier noch
Von Dr. Edmund Weil. 175
beim Immuntier mit Sicherheit beobachtet werden. In den
folgenden Stunden spielen sich beim Immuntier und Kontrolltier
die entgegengesetzten Vorgänge ab. Während bei ersterem die
Zahl der Bazillen sich nicht vermehrt und die Leukozytenzahl
ungemein reichlich bis zur dicken Eiterbildung zunimmt, ver-
ringern sich bei letzterem die Leukozyten, die Zahl der Bazillen
hingegen wächst rapide bis zum Tode des Tieres, welcher stets
unter starker Abnahme der Temperatur erfolgt.
Auffallend und überraschend ist der Befund bei den Immun-
tieren nach 24 Stunden. Man findet nach dieser Zeit eine
starke, fast erschreckende Vermehrung der Bazillen, so dafs man
nach dem Bauchhöhlenbefund um das Leben des Tieres fürchtet.
In unserem Versuche tritt dies besonders beim Stamm »Präge
und iTeplitzc hervor. Die Vermehrung der Bazillen im Immun-
tiere ist eine so intensive wie beim Kontrolltiere etwa zwei
Stunden vor dem Tode, dabei befinden sich die Tiere voll-
kommen munter und zeigen nicht die geringsten Krankheits-
erscheinungen. Neben den massenhaften Bazillen finden sich
aber grofse Mengen von Leukozyten, — dicker Eiter, — welche
wohl zum gröfsten Teile die Unschädlichkeit der Bakterien be-
wirken. Auffallenderweise konnte Phagozytose nie mit Sicher-
heit beobachtet werden. Wir haben also bei der intraperitonealen
Infektion passiv immuner Meerschweinchen in der Bauchhöhle die-
selben Vorgänge wie in der Subkutis subkutan infizierter passiv im-
muner Kaninchen, wo sich ebenfalls die Bakterien im Infiltrate ver-
mehren und durch Anlockung der Leukozyten die Infiltrate
bilden. Allerdings können wir uns vorstellen, dafs die in der
Subkutis angesammelten Leukozyten eher einen für die Bakterien
schwer zu durchdringenden Wall abgeben, so dafs eine Durch-
wachsung des Körpers unterbleibt, als in der freien Bauchhöhle.
Es scheint aber auch hier den Leukozyten, wenn auch nicht
als Frefszellen, eine grofse Bedeutung zuzukommen. Es konnten
nämlich Bail bei Cholera und Kikuchi bei Dysentrie den Nach-
weis erbringen, dafs das Aggressin unter Leukozyteneinflufs ge-
schädigt wird. Ahnliche Verhältnisse könnten auch hier vor-
liegen, indem die in grofser Menge angesammelten Leukozyten
176 ^io schützenden Eigenschaften des Blutes von Hühnercholeratieren.
die Bakterien ihrer Aggressivität beraubten, demnach die inten-
sive Durchwucherung des Körpers ausbleibt, und selbst eine
Vermehrung in oer Bauchhöhle von so gefährlichen Parasiten,
denen ihre Aggressivität genommen, unschädlich ist. Wie weit
Entgiftungsverhältnisse dabei in Betracht kommen, soll, da
wir von dem Toxin und Eudotoxin gerade der echten Parasiten
so wenig Sicheres wissen, unentschieden bleiben. Die hinter-
herige Vermehrung tritt jedoch, wie schon Stamm »Münchenc
zeigt, nicht konstant auf, der Grund hierfür wurde nicht ermittelt.
Eine analoge Beobachtung bei Milzbrand machte Sobernheim,
welcher das Blut von immunen Tieren voll von Milzbrand-
bazillen fand. Dals auch dieser Befund nicht konstant ist,
zeigen Versuche von Bail, der zwar ebenfalls noch nach Tagen
bei milzbrandimmunen Tieren die Bazillen lebend im Blut und
in den Organen nachweisen konnte, aber nur in geringer Zahl.
Die nun folgenden Versuche zeigen, dafs die hinterherige
Vermehrung der Bakterien in der Bauchhöhle auch bei aktiver
Immunität und auch bei einem anderen Vertreter aus der Gruppe
der Hüpp eschen hämorrhagischen Septikämie, dem Schweine-
seuchebakterium, auftritt. Zur Immunisierung dieser Meer-
schweinchen wurde ebenfalls das sterilisierte, von den Bakterien
befreite Brusthöhlenexsudat intrapleural mit Schweineseuche-
bakterien infizierter Kaninchen verwendet. Zur Infektion wurde
ein frisch aus der Lunge eines Schweines gezüchteter Stamm
verwendet.
Meerschweinchen I. 240 g.
Vi com sterilisiertes Schweineseacheexsudat subkutan.
Nach 6 Tagen 1 ccm sterilisiertes Schweineseucbeexsudat subkutan.
Nach 5 Tagen: IVa ccm sterilisiertes Schweineseucheezsudat subkutan.
Nach 14 Tagen mit Vi <^cm Bouillonkultur von Schweineseuche intra-
peritoneal infiziert.
Nach 1 Stunde: Spärliche Bazillen, wenige Leukozyten.
Nach 2 Stunden : Spärliche Bazillen, wenige Leukozyten.
Nach 5 Stunden : Deutliche, jedoch nicht starke Vermehrung der Bazillen,
sehr zahlreiche Leukozyten.
Nach 24 Stunden : Sehr starke Vermehrung der Bazillen, sehr zahlreiche
I^ukozyten, Phagojj-tose nicht sicher. (Tier munter.)
Nach 48 Stunden : Weniger Bazillen, zahlreiche Leukozyten. Lebt und
wurde weiter immunisiert.
Von Dr. Edmund Weil. 177
Meerschweinchen 11. 860 g. (Kontrolle.)
7s com Bonillonknltur von Schweineseuche intraperitoneal.
Nach 1 Stunde: Spärliche Bazillen, wenige Leukozyten.
Nach 2 Stunden: Wenige Bazillen, wenige Leukozyten.
Nach 5 Stunden: ungemein starke Vermehrung der Bazillen, wenige
Leukozyten.
Stirbt nach 20 Stunden. In der Bauchhöhle 1 ccm Exsudat, darin
mikroskopisch enorme Mengen von Bazillen, keine Zellen. Keine
Auflagerungen. In der Brusthöhle 1 ccm bazillenreiches Exsudat.
Im Herzblut mikroskopisch massenhaft Bazillen.
Meerschweinchen UI. 250 g.
Vi ccm sterilisiertes Schweineseucheexsudat subkutan.
Nach 6 Tagen: 1 ccm sterilisiertes Schweineseucheexsudat subkutan.
Nach 6 Tagen 1'', ccm sterilisiertes Schweineseucheexsudat subkutan.
Nach 15 Tagen : Vio ^<^^ Exsudat des Kontrolltieres des vorigen Versuches
intraperitoneal.
Nach 1 Stunde: Spärliche Bazillen, vereinzelte Zellen.
Nach 2 Stunden: Spärliche Bazillen, vereinzelte Zellen.
Nach 5 Stunden : Spärliche Bazillen, zahlreiche Leukozyten, Phagozytose
nicht sicher.
Nach 24 Stunden: Zahlreiche Bazillen, zahlreiche Leukozyten (Tier
munter).
Nach 48 Stunden : Abnahme der Bazillen, jedoch immer noch sehr zahl-
reich, zahlreiche L.eukozyten. Wurde weiterimmunisiert.
Meerschweinchen IT. (Kontrolle.) 280 gr
Intraperitoneal infiziert mit Vio ^cm Exsudat wie Meerschweinchen IIL
Nach 1 Stunde: Spärliche Bazillen, vereinzelte Zellen.
Nach 2 Stunden: Spärliche Bazillen, vereinzelte Zellen.
Nach 5 Stunden: Starke Vermehrung der Bazillen, wenige Leukozyten.
Stirbt nach weniger als 18 Stunden. Subkutanes Odem, darin mikro-
skopisch 0. In der Bauchhöhle trübes Exsudat, mikroskopisch
wimmelnd von Bazillen, sehr spärliche Zellen. Keine Auflagerungen
auf Leber und Netz. Darmperitoneum intensiv gerötet. In der Brust-
höhle trübes Exsudat, darin mikroskopisch zahlreiche Bazillen. Im
Herzblut mikroskopisch massenhaft Bazillen.
Jedenfalls zeigen diese Versuche infolge der Erscheinung
der nachträglichen Vermehrung iu der Bauchhöhle, dafs weder
die Wirkung des Hühnercholera-Immunserums, noch das Wesen
der aktiven Aggressinimmunität gegen Schweineseuchebakterien
auf bakteriolytische Eigenschaften zurückzuführen ist. Bakterizide
Reagenzglasversuche anzustellen, erschien angesichts der Tier-
versuche überflüssig. Was die agglutinierende Wirkung des
178 ^1® schützenden Eigenschaften des Blutes von Hflhnercholeratieren.
Immunserums betrifft, so zeigt dieselbe, wie aus der folgenden
Tabelle ersichtlich ist, einen fast negativen Befund. Wir wissen
ja, dafs die Bedeutung der Agglutination für die Immunität eine
sehr problematische ist.
Immonsenim Ton Kaninehen IT.
Serum-
Nach 1 Stunde
Nach 24 Stunden
verdünnung
bei 60°
bei Zimmertemperatur
1:10
negativ
etwas Bodensatz, überstehende
Flüssigkeit trüb
1:50
negativ
negativ
1:100
negativ
negativ
1:1000
negativ
negativ
Meerschweinchen 800 g. Intraperitoneal infiziert mit Vs ccm Bauch-
höhlenezsudates eines passiv immunisierten und infizierten Meer-
schweinchens ^).
Nach 1 Stunde: Zahlreiche Zellen, keine Bazillen.
Nach 2 Stunden: Zahlreiche Zellen, keine Bazillen.
Nach 8 Stunden: Massenhaft Leukozyten, keine Bazillen.
Nach 24 Stunden: Zahlreiche Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose. (Tier krank.)
Nach 25 Stunden: Massenhaft Bazillen, spärliche Leukozyten, keine
Phagozytose.
Nach 27 Stunden: Enorme Mengen von Bazillen, wenige Leukozyten,
keine Phagozytose.
Stirbt nach 30 Stunden. In der Bauchhöhle trübes Exsudat, darin
mikroskopisch enorme Mengen von Bazillen, wenige Zellen, keine
Phagozytose. Nirgends Auflagerungen. In der Brusthöhle klare
Flüssigkeit Im Herzblut mikroskopisch Bazillen.
Der vorangehende Versuch wurde ausgeführt, um zu er-
weisen, dafs die Bakterien im passiv immunen Meerschweinchen
ihre Virulenz nicht verlieren. Das Bauchhöhlenexsudat wurde
einem Meerschweinchen 24 Stunden nach der Infektion ent-
nommen, welches nicht die nachträgliche Vermehrung der Ba-
zillen in der Bauchhöhle gezeigt hatte und demgemäfs nur sehr
wenige Keime, in dem Exsudate aber ungemein zahlreiche Leu-
kozyten aufwies. Wie der vorhergehende Versuch zeigt, waren
1) Meerschweinchen II, S. 174.
Von Dr. Edmund Weil. 179
durch 8 Stundeu keine Bazillen in der Bauchhöhle aufgetreten.
Der Grund hierfür kann entweder der sein, dals die Zahl der
eingespritzten Keime eine sehr geringe war oder der, dafs die
massenhaft miteingespritzten lebenden Leukozyten, die aus einem
immunen Tiere stammten, die Vermehrung der Bakterien für
einige Stunden aufgehalten haben. Nach 24 Stunden ändert
sich jedoch der Befund, indem sich die Bakterien in der Bauch-
höhle vermehren und die Vermehrung derselben bis zum Tode
des Tieres anhält. Die hinterherige Vermehrung, die immunen
Tiere keinen Schaden bringt, bedeutet für ein normales Tier
den Tod. Diesem Versuche entnimmt man also, dals die Bak-
terien an sich im immunen Tier keine Veränderung erleiden,
denn sie sind in geringster Menge befähigt, ein normales Tier
zu töten. Nur der Zustand des aggressinimmunen Tieres mufs
ein anderer geworden sein, um sich der lebenden Bakterien
zu erwehren. Dieser Umstand, der für den Mechanismus der
Aggressinimmunität von grofser Bedeutung zu sein scheint, und
weiterer Untersuchungen bedarf, zeigt auch, dals sich die Aggressin-
immunität prinzipiell von der bakteriziden oder antitoxischen
Immunität unterscheidet. Bei diesen beiden Arten der Immunität
bedeutet eine Nichtzerstörung der Bakterien oder eine Nicht-
paralysierung des Giftes ein Verhängnis für das Tier.
Konnten wir durch eine frühere Untersuchung mit dem
Exsudate infizierter Tiere, aus dem die lebenden Bakterien voll-
ständig und zum gröfsten Teile auch die toten entfernt sind,
bei flühnercholera aktive Immunität erzielen, so zeigen diese
Untersuchungen, dafs es gelang, durch Steigerung derselben im
Blute dieser Tiere spezifisch wirkende Schutzstoffe aufzufinden.
Drei von den hier verwendeten Kaninchen, von denen das
Immunserum stammt, hatten, um ihre aktive Immunität zu
prüfen, eine Infektion durchgemacht, hatten also einmal lebende
Bazillen bekommen. Des theoretischen Interesses halber wurde
Kaninchen VII nie infiziert, war also nur mit steriUsiertem
Exsudat behandelt und nie mit lebenden Bazillen, und trotzdem
wirkt sein Serum, wie ja zu erwarten war, in demselben Malse
schützend. Dasselbe gilt auch, wie noch nicht abgeschlossene
180 ^io schützenden Eigenschaften des Blutes von Hühnercholeratieren.
Untersuchungen gezeigt haben, für Schweineseuche. Die Mit-
wirkung lebender Bazillen erscheint also für diese Immunität
nicht unbedingt nötig. Wir kommen noch auf diesen Punkt
zurück. In diesem Jahre erschien von Wassermann und
Citron eine Arbeit, in welcher sich die Verfasser mit der lo-
kalen Immunität der Gewebe befassen. Dabei erörtern sie
auch die Frage, dafs es bei vielen Mikroorganismen nicht gelingt,
durch Behandlung mit toten Bakterien, welche zur Erzeugung
der bakteriziden Immunität hinreichen, Immunität zu erzielen,
und dies mifslingt, wie die Autoren meinen, gerade bei jenen
Mikroorganismen, welche die Tiere spontan infizieren, welche
für die betreffende Tierspezies homolog sind ; hierzu ist unbedingt
die Einführung lebender Mikroorganismen nötig, selbst auf die
schonendste Weise abgetötete sind vollkommen wirkungslos.
Tatsächlich sind die Methoden, welche zur Erzeugung der
bakteriziden Immunität führen, allen jenen Bakterien gegenüber
machtlos, welche nicht befähigt sind, im Tierkörper bakterizide
Stoffe zu bilden. Und gerade auf Grund der Erkenntnis von
der unzureichenden Wirkung der bakteriziden Immunität ist die
Aggressintheorie entstanden, welche die Schwierigkeiten, welche
für die bakterizide Immunität unüberwindliche waren, über-
wunden hat, V oges war der erste, der bei der hämorrhagischen
Septikämie die vollständige Nutzlosigkeit der Behandlung mit
toten Bakterien einsehen mufste, obgleich gerade hier von
Pasteur schon der richtige Weg gezeigt war. Sobernheim
spricht sich bei Milzbrand dahin aus, dafs es bisher nicht ge-
lungen ist, durch tote Milzbrandbazillen oder durch chemische
Produkte derselben Immunität zu erzeugen, und Wassermann
und Citron präzisieren diesen Standpunkt dahin, dafs sie meinen,
dafs gerade jenen Mikroorganismen gegenüber, welche die Tiere
spontan infizieren, die Methoden der bakteriziden Immunität
machtlos sind. Unserer Ansicht sind das alle echte Parasiten,
wie hämorrhagische Septikämie und Milzbrand. Wir stimmen
mit Wassermann und Citron vollkommen darin überein,
dafs, wenn man Immunität mit Bakterien erzeugen will, man sie
lebend einführen mufs; denn diese vermehren sich im Tier-
Von Dr. Edmund Weil. 181
körper, erzeugen Aggressin, welches die ImmuDität bewirkt.
Das sind tote Bakterien nie imstande. Der Wert der Aggressin-
tbeorie liegt darin, dafs sie erkannt hat, dafs Krankheit und
Tod sowohl, als auch Immunität, an gewisse Eigenschaften der
Krankheitserreger, an die aggressiven, unbedingt gebunden sind,
und dafs es genügt, diese in das zu immunisierende Tier hinein-
zubringen. Und der grofse Vorteü, den die Aggressintheorie
den praktischen Immunisierungsmethoden gebracht hat, liegt
darin, dafs sie das Aggressin von den lebenden Bakterien trennt,
so dafs die Immunisierung mit einer sterilen, gröfstenteils, wie
bei Hühnercholera, Schweineseuche und Milzbrand vollkommen
ungiftigen Flüssigkeit vorgenommen wird. Die Gefahr, die die
Einführung lebender Bakterien mit sich bringt, wie Impfverluste
oder Infektion gesunder Tiere, ist dabei vollständig ausgeschlossen.
Die dadurch erzeugte Immunität ist eine hohe und dauernde und
trotzdem lassen die Gewebssäfte dieser Tiere, — es mufs hier
auf alle nach der Richtung hin publizierten Arbeiten verwiesen
werden, — meistenteils keine bakteriziden Eigenschaften erkennen.
Und gerade diejenigen Mikroorganismen, welche die Tiere spontan
infizieren, wie Hühnercholera und Milzbrand, denen gegenüber
die Methoden der bakteriziden Immunität versagen, zeigen in-
folge ihrer starken Aggressivität die besten Resultate. Wir
führen zwar nicht lebende Bakterien ein, sondern das Produkt,
welches das Leben der Bakterien im Körper anfacht, das
Aggressin, und den allgemeinen Gesetzen folgend bildet der
Organismus einen Gegenkörper, welcher die Aggressivität der
Bakterien, ihre unbegrenzte Vermehrungsfähigkeit zunichte macht,
und darin besteht das Wesen dieser Immunität.
Für eine hohe und dauernde aktive Immunität reicht die
Behandlung mit sterilem Exsudat vollkommen aus, auch erreicht
das Blutserum dieser Tiere einen starken Schutz, wenn die
Immunität nur mit sterilem Exsudat hochgetrieben ist. Da aber
durch die Sterilisierung des Exsudates die Aggressivität doch
abgeschwächt wird, und da, wie wir aus bereits erwähnten Ver-
suchen wissen, eine Abschwächung der Aggressivität auch eine
Abschwächung der Immunität bedeutet, so wird man, um ein
182 ^^ schützenden Eigenschaften des Blutes von Hühnercholeratieren.
hochwertiges Serum zu erlangen, sehlielslich den Tieren unver-
ändertes Exsudat einführen, selbstverständlich erst dann, wenn
die aktive Immunität eine entsprechend hohe ist, was bei Milz-
brand von Bail schon durchgeführt wurde. Bei Hühnercholera
wurde des theoretischen Interesses halber davon abgesehen, und
werden diese Umstände er^t bei Schweineseuche, worüber in
nächster Zeit berichtet w^erden wird, in Betracht gezogen.
Nach Abschlufs dieser Arbeit erschien von Wassermann und C i t r o n
eine Publikation in der Deutschen medizinischen Wochenschrift, in welcher
sich die beiden Autoren gegen die Bedeutung resp. Deutung der von Bail
entdeckten Aggressine wenden. Von der den Aggressinen snpponierten
Wirkung greifen die Autoren nur eine heraus, nämlich die Infektions-
befördernng derselben. Wenn es gelingt, meinen die Verfasser, im Vereine
mit den Bakterien aufs erhalb des lebenden Körpers Substanzen zu er-
zeugen, welche die Infektion begünstigen, so hätten die Aggressine ihre
Bedeutung verloren. Derartige Substanzen erzeugen sie aufserhalb des Tier-
körpers durch Behandlung von Flüssigkeiten mit Bakterien. Auf dieselbe
Art und Weise konnten auch Pfeiffer und Friedberger im normalen
Serum Stoffe auffinden, welche die Bakteiiolyse in der Meerschweinchen-
bauchhöhle aufheben. Die völlige Bedeutungslosigkeit letzterer für die
Aggressine konnte aber Bail in einer im Archiv für Hygiene erschienenen
Arbeit nachweisen. Abgesehen davon, daTs nirgends behauptet wurde,
dafs die Aggressine ausschliefslich im Tierkörper gebildet werden, dafs
sich im Gegenteil Bail bemühte, sie auch aufserhalb des Tierkörpers
aufzufinden, um Sicherheit zu erlangen, dafs es Sekretionsprodukte der
Bakterien sind, geht aus den Versuchen von Wassermann und Citron
nicht mit Bestimmtheit hervor, ob die Tiere der Infektion, der fortschreitenden
Vermehrung der Bakterien erlegen sind. Es ist aber immerhin möglich, dafs
verschiedene Substanzen eine oder die andere Wirkungsweise gemeinsam
haben können. Denn andere Eigenschaften der Aggressine als die Infektions-
begünstigung, wie Labilität, Leukozytenbeeinflussung, die sich, wie aus noch
nicht veröffentlichten Versuchen mit Subtilis, sogar in der Eprouvette nach-
weisen lassen etc. haben die Verfasser nicht in den Rahmen ihrer Unter-
suchungen gezogen. Übrigens sind zurzeit ganz analoge Versuche im hiesigen
Institute im Gange, wie die Untersuchungen über aggressive Eigenschaften
junger Bouillonkulturen von Bail (siehe Salus, Wiener klin. Wochenschrift,
1905, Nr. 25), und nur der Beginn der Sommerferien setzte der Vollendung
derselben ein Ziel. Was jedoch die Aggressinimmunität betrifft, von der
Wassermann und Citron behaupten, dafs dieselbe auf einfachere und
viel billigere Weise durch die von ihnen hergestellten, angeblich den
A};;j;re»8inen analogen Präparaten erzielt werden kann, so mufs daran doch
entschieden gezweifelt worden. Abgesehen davon, dafs die Aggressinimmunität
Von Dr. Edmund Weil. 183
nicht auf bakteriziden Eigenschaften der Gewebssäfte beruht, worauf immer
hingewiesen wurde, was aber der Fall sein mQfste, wenn Bakterienleibes-
snbstanzen die Ursache davon wären, so wurde mit Aggressinen gerade bei
den Infektionserregern Immunität erzielt, wo die Methoden mit toten Bakterien
oder Bakterienleibesbestandteilen unzureichend sind. So bei Milzbrand,
Schweineseuche und Hühnercholera, wo gerade, wie in dieser Arbeit schon
erwähnt, Wassermann und Citron angeben, dafs mit toten Bakterien-
demnach wohl ebensowenig mit den von ihnen hergestellten >künstlichen
Aggressinen < nichts auszurichten ist. Vollkommen sicher gelingt dies jedoch,
w^ie auch diese Arbeit beweist, mit Aggressinen, die aus dem lebenden
Organismus gewonnen sind.
Herr Professor Bail, der zurzeit abwesend ist, wird gelegentlich selbst
auf die Fragen, die Wassermann und Citron berühren, zurückkommen.
184 ^^ schätzenden Eigenschaften des Blutes etc. Von Dr. Edmund Weil.
Literatur.
Ball, Untersuchungen Aber natürliche und künstliche Milzbrandiramunität.
Zentralblatt f. Bakt, Bd. 36, Nr. 2 u. 3.
Derselbe, Untersuchungen über Tjrphus- und Choleraimmunität. Archiv f.
Hygiene, Bd. 52.
Xikuchi, Untersuchungen über das Dysenterieaggressin. Berliner klin.
Wochenschr., 1905, Nr. 15.
Kitt, Immunität bei Geflügelcholera. Wassermann und Kolle, Hand-
buch d. pathogenen Mikroorganismen.
Sobernheim, Immunität bei Milzbrand. Wassermann und Rolle,
Handbuch d. pathogenen Mikroorganismen.
Yoges, Untersuchungen über die Erreger der hämorrhagischen Septikämie.
Zeitschrift f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 23.
Wassermann und Citron, Die lokale Immunität der Gewebe und ihre
praktische Wichtigkeit. Deutsche med. Wochenschr., 1905, Nr. 15.
Weil, Untersuchungen über Infektion und Immunität bei Hühnercholera.
Archiv f. Hygiene, Bd. 52.
Derselbe, Die passive Aggressinimmunität bei Hühnercholera. Wiener klin.
Wochenschr., 1905, Nr. 16.
Arohiv fttr Hygiene. B<L LIY.
Tafel I.
VeFBchiedene Stadien der Anfiiahme nnd Yerdaanng Yon gefftrbtea Typhusbanllen
durch Bodo oyatim.
Fit. 1.
Fig. 2.
V.
Flf . 8.
Fl«. 4.
Vtf . 6.
Flf. 6.
Pif. 7.
Fl«. 8.
Flf. 9.
n'
)}
•ff
Flf. la
Fig. u.
rif . 12.
Flf. 13.
ZeiDi, Homogme Immenion. Brennweite 8,0 mm. Tabaslflnge 160 mm. (yompens.
Okular IS.
^•fftf Ton R. OMMbomf, MttMteB und B«rtla.
\A\\\.Y.^\^\^o\ai.'Vi^>wäc
NL'vV VOR
V
i"Li: ;.::.RARY.
^«^T^R. LENOX AND
- L . N FoUNDATIONft.
über Hämolyse im Reagensglas nnd im Tier
Von
Dr. Oskar B. von Wunschheim,
I. Asfliitenten am Institute.
(Aus dem Hygienischen Institute der k. k. Universität Innsbruck. V
Prof. A. Lode.)
Einleitung.
Bis vor wenigen Jahren war man gewohnt, den Begriff der
Bakterientoxine einfach so zu fassen, dafs wir unter Toxin ganz
allgemein eine giftige Substanz verstanden, welche durch ihre
deletäre Wirkung auf den tierischen Organismus ausgezeichnet
war. Den eingehenden Arbeiten derjenigen Forscher, welche
sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Wirkungen der Bakterien-
toxine auf einzelne Elemente des tierischen Körpers, zunächst
das Blut, zu studieren, haben wir die Erkenntnis zu danken,
dafs in den Toxinen mancher Bakterien Giftanteile sich nach-
weisen lassen, welche eine spezielle Wirkung auf gewisse geformte
Teile des Blutes ausüben, so sind die Bakteriohämolysine jene
Toxinkomponenten, welche die Eigenschaft besitzen, Blutzellen
in vitro zu vernichten.
Die Mehrzahl der heute vorliegenden Arbeiten befafst sich
mit den sowohl von pathogenen als auch von nicht pathogenen
Mikroorganismen produzierten Hämolysinen, welche Erythrozyten
zu lösen pflegen. Aufser diesen kennen wir auch ein Gift, das
imstande ist, Leukozyten zu vernichten, das »Leukozidin«.
Arohiv t Uyffiena. Bd. UV. 1^
186 Über Hämolyse im Reagensglas und im TierkOrper.
Die Ansiebt, dafs Bakterien hämolytische Eigenschaften
haben könnten, hat kein Geringerer als Robert Koch (^) im
Jahre 1884 wohl als erster ausgesprochen, indem er sagt, »dafs
die Kommabazillen auf die Pormelemente des Blutes höchstwahr-
scheinlich auch auf andere Zellen einen zerstörenden Einflufs
ausüben können €.
Zwei Jahre später hat Bitter {^) die Blutauflösung durch
Choleravibrionen studiert, und van de Velde (^) hat 1894 im
Exsudate von Kaninchen, die er durch intrapleurale Injektion
von Staph. pyog. aureus getötet hatte, ein Gift gefunden und
beschrieben, welches lebende Leukozyten absterben machte, das
oben erwähnte Leukozidin. Bail (*) hat später darüber weitere
Mitteilungen gemacht.
Ehrlich (^) fand in Kulturen des Tetanusbazillus ein Gift,
welches vom eigentlichen Tetanusgifte, dem krampferregenden
Tetanospasmin, funktionell verschieden sich durch seine hämo-
lytischen Eigenschaften auszeichnete, das Tetanolysin. Diesen
Körper hat Madsen (^) genauer studiert, und mit seinen Unter-
suchungen beginnt die Reihe der planmäfsigen Arbeiten über die
Wirkung der Bakteriohämolysine.
Fast alle diese Untersuchungen, die wir bei den einschlägigen
Kapiteln unserer Tierversuche kurz besprechen wollen, bezogen
sich auf Reagensglasversuche. Wenige nur, so Kraus und
Ludwig P) sowie Schur (^) haben bisher auch den Tierversuch
etwas berücksichtigt.
Kraus und Ludwig haben Kaninchen Bouillonkulturen
(auch Filtrate) von Staph. aureus und eines nicht pathogenen
Vibrio, der im Reagensglas hämolytisches Vermögen zeigte, sub-
kutan injiziert und durch Zählung der Blutkörperchen deren
Abnalime konstatiert. Kontrollversuche, welche mit Stämmen
von Typhusbakterien, Bacterum coli, und Choleravibrionen an-
gestellt waren, die von Haus aus kein oder nur geringes hämo-
lytisches Vermögen hatten, zeigten keinen nennenswerten Einflufs
der genannten Bakterien auf die Zahl der P>ythrozyten des
Kaninchens.
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 187
Schur konnte bei mit Staphylolysin vergifteten Kaninchen
keine Hämoglobinämie beobachten, aber nachweisen, dafs das
in isotonischer Kochsalzlösung suspendierte Blut dieser Kaninchen
gegenüber dem Kontrollblute normaler Tiere deutliche Lösung
zeigte.
Wir wollen in unseren Untersuchungen der Frage näher-
treten, wie denn bei Infektionen mit pathogenen Mikroorganismen
im Verlaufe des Prozesses die Erythrozyten bezüglich der Hämo-
lyse sich verhalten und nachsehen, ob ein Parallelismus zwischen
Hämolyse in vitro und im Tierkörper bestehe.
Methodik.
Um für unsere Fragestellung verwertbare Resultate zu er-
halten, mufsten wir uns zunächst eine geeignete Untersuchungs-
methode zurechtlegen.
Für die Feststellung, ob bei Infektionskrankheiten Erythro-
zyten zugrunde gehen, eine klinisch für den Menschen ja längst
gezeigte Tatsache, ist die Methode der Blutkörperchenzählung
bekanntlich sehr gut brauchbar. Für uns schien dieses Ver-
fahren nicht empfehlenswert. Aus zwei Gründen: einmal weil
es ja durchaus nicht bewiesen war, dafs die Abnahme der
Erythrozyten auf Lysinproduktion von seiten der infizierenden
Bakterien zurückzuführen sei, und zweitens weil ja in sehr
kurzen Intervallen Blutuntersuchungen vorzunehmen waren, bei
denen die Zählung mit der Entnahme nicht gut gleichen Schritt
hätte halten können.
Noch auf andere Punkte war Rücksicht zu nehmen. So
mufsten wir, da wir ja eine gröfsere Zahl von Blutentnahmen
in Betracht zogen, darauf bedacht sein, möglichst kleine Mengen
von Blut bei jeder Entnahme dem Versuchstiere zu entziehen,
da wir ja durch öfteres Abzapfen gröfserer Mengen unvermeidlich
einen Zustand von Anämie hervorgerufen und so möglicherweise
den normalen Verlauf der Infektion beeinflufst hätten. Dann
war noch zu bedenken, dafs, wie eingangs erwähnt, Schur darauf
aufmerksam gemacht hat, dafs das Blut staphylolysinvergifteter
Kaninchen in isotonischer Kochsalzlösung gegenüber dem Blute
13 ♦
188 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
normaler Tiere starke Tendenz zur Lösung gezeigt hatte. Es
war ja von vornherein durchaus nicht auszuschliefsen, dafs nicht
vielleicht beim lebenden infizierten Tiere während des Verlaufes
des Krankheitsprozesses von seiten der beteiligten Mikroorganis-
men Hämolysin produziert und von den Erythrozyten gebunden
würde, doch war ja damit keineswegs gesagt, dafs auch die
Lösung der Blutzellen sofort erfolgen müsse. Wir wissen ja,
dafs im Reagensglasversuch nach erfolgter Bindung des Lysins
durch die roten Blutkörperchen erst eine gewisse Latenzzeit ver-
streicht, ehe die Blutkörperchen ihr Hämoglobin abzugeben
pflegen.
ÄhnHche Verhältnisse waren ja auch für das lebende Tier
als möglich anzunehmen ; durch Bakteriolysin geschädigte Erythro-
zyten konnten erst nach einiger Zeit in Lösung gehen und wir
mufsten also bestrebt sein, eine Versuchsanordnung zu treffen,
welche es uns ermöglicht, gleichzeitig entnommene Blutproben
zu verschiedenen Zeiten auf den Austritt von Hämoglobin ins
Serum zu untersuchen, um, im Sinne von Schur gesprochen,
eine Nachlösung, die Nachhämolyse, konstatieren zu können.
Unter Erfüllung aller dieser Postulate glauben wir eine
möglichst bequeme und auch leicht den Regeln aseptischen Ar-
beitens entsprechende Methodik eingeschlagen zu haben. Wir
verwendeten zu den periodischen Blutentnahmen möglichst dünne,
wenig Blut fassende Glaskapillaren in U form in einer Länge von
ca. 8 cm bei einer Lichte von 1 mm. Es ist wichtig, darauf zu
sehen, dafs stets Kapillaren von gleichem Querschnitt angefertigt
werden. Indem wir eine Anzahl dieser Kapillaren sofort nach
der Entnahme (vgl. weiter unten), andere erst nach beliebigen
Zeiten zentrifugierten, erreichten wir unseren Zweck in einfacher
Weise, indem wir in den sofort zentrifugierten Proben eine etwa
bestehende Hämoglobinämie nachweisen, in den gelagerten Röhr-
chen eine etwa später erfolgte Lösung, die Nachhämolyse, kon-
statieren konnten.
Voruntersuchungen an normalen, nicht infizierten Tieren
sollten uns zunächst eventuelle Fehlerquellen aufdecken.
Da kamen zwei Momente in Betracht.
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 189
Einmal die Frage nach der normalen Färbung der Blutsera
der verschiedenen Tierspezies, ferner das Verhalten der normalen
Blute mit Hinsieht auf den Begriff der spontanen aseptischen
Hämolyse (v. Limbeck, Nolf, Schur).
Die normalen Sera verschiedener Tiere verhalten sich auch
verschieden, was ihre Farbe anbelangt, eine bekannte Tatsache,
welche aber bei Heranziehung der Serumfarbe zu Schlufsfolge-
rungen aus Farbenänderungen neues Interesse gewinnen mufste.
Unter Verwendung unseres Kapillarentyps besitzen das Kanin-
chen, der Hund, die Katze ein fast farbloses Serum, das Meer-
schweinchen zeigt meist einen Stich ins Gelbe, doch kommen
hier auch farblose Sera vor. Beim Huhne fanden wir als Regel
farbloses Serum, nur ein einziges Tier zeigte aus nicht festzu-
stellender Ursache eine ölgelbe Färbung und wurde nicht zum
Versuche verwendet. Bei der Taube zeigten die normalen Sera
ein schwankendes Verhalten. Wir sahen solche, die fast farblos
waren, neben dunkelgelben und bräunlichgelben. Altersunter-
schiede schienen uns da eine Rolle zu spielen.
Wenn wir nun der spontanen aseptischen Hämolyse unsere
Aufmerksamkeit ein wenig zuwenden, so erfahren wir, dafs schon
V. Limbeck (^) angibt, dafs normalerweise Blutkörperchen in
isotonischen Kochsalzlösungen nach längerer Zeit der Auflösung
anheimfallen: Nolf (^®j erwähnt die Autolyse der roten Blut-
körperchen.
Schur (1. c) hat sich mit dem Studium dieser Tatsache
experimentell eingehender befafst und nachgewiesen, dafs nach
einer mehrtägigen Frist Blutkörperchen des Kaninchens in ste-
rilen isotonischen Kochsalzlösungen sich lösen, dafs wir also mit
der Existenz einer »aseptischen spontanen Hämolysec zu rechnen
haben. Wir mufsten also auch untersuchen, inwieweit diese eben
erwähnten sozusagen physiologischen Eigenschaften der roten
Blutzellen unsere Versuchsanordnung tangieren könnten, und dies
war ja um so wichtiger, als die eben erwähnten Forscher die
Blutkörperchen in isotonischen Kochsalzlösungen beobachteten,
während bei unserer Untersuchungsmethode die Erythrozyten ja
in ihrem eigenen Serum aufbewahrt werden mufsten. Schur
190 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
hat des ferneren gezeigt, dafs bei der Spontanhämolyse die Tem-
peratur von grofsem Einflüsse sei. Bei niedriger Temperatur
konnte der genannte Autor nach fünf Tagen noch keine be-
deutende Lösung konstatieren. Es gaben da 8 Tropfen Kaninchen-
blut in 0,85% Kochsalzlösung (Bestimmung mit dem Hämometer
von Fl ei sohl) nur Werte < 10 Fleischlgrade, nach 8 Tagen erst
110 Fleischl. Wurden die Versuche bei einer Temperatur von
32° R angestellt, so ergaben sich, verglichen mit den bei Zimmer-
temperatur gehaltenen Proben, bedeutende Unterschiede hinsicht-
lich der Lösung zugunsten der höheren Temperatur. So erhielt
Schur bei Zimmertemperatur nach 3 Tagen Werte < 10, bei
32° R jedoch schon nach 24 Stunden eine Fleischlzahl < 35,
nach 2 Tagen von 70, nach 3 Tagen war schon vollstÄndige
Lösung eingetreten.
Für unsere Versuche war da zunächst zu ermitteln, inner-
halb welcher Zeit normale Blutarten eventuell so viel Hämoglobin
in das Serum austreten liefsen, dafs wir durch die aseptische
spontane Hämolyse (als Nachhämolyse) in der Auffassung patho-
logischer Effekte zu Irrtümern hätten geführt werden können.
Wir liefsen also normale Blutproben in unseren Kapillaren
lagern und verglichen von Zeit zu Zeit die Farbe des Serums
der nun erst zentrifugierten Röhrchen mit der Serumfarbe der-
jenigen, welche sofort nach der Entnahme zentrifugiert worden
waren. Man erhält da verschiedene Resultate, je nach der Tier-
spezies, aber auch individuelle Schwankungen kommen vor.
Vor allem mufs aber in technischer Hinsicht bei der Blut-
entnahme in äufserst vorsichtiger Weise vorgegangen werden,
will man sich nicht von vornherein eines Versuchsfehlers schuldig
machen. Nicht jeder Beobachter, der mit defibriniertem Blute
zu arbeiten hat, ist sich vielleicht dessen genügend bewufst, und
erst kürzlich hat Löwit(^^) wiederum darauf aufmerksam gemacht,
wie vorsichtig man beim Schütteln des geronnenen Blutes vor-
gehen mufs, will man das Serum möglichst frei von Blutfarbstoff
erhalten. Je nachdem wir das Defibrinieren mit mehr oder
weniger energischen Schüttelbewegungen vornehmen, können wir
konstatieren, dafs das Serum einen mehr oder minder rötlichen
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 191
Farbenton annimmt, da durch Traumen offenbar Erythrozyten der-
mafsen lädiert werden, dafs sie ihren Blutfarbstoff austreten
lassen. Starkes Quetschen u. dgl. kann auch bei unserer Technik
der Blutentnahme einen gleich unerwünschten Einflufs ausüben.
Wir eröffneten, meist an Kaninchen experimentierend, durch
einen senkrecht zur Längsachse des Kaninchenohres geführten,
das Ohr durchtrennenden 1 cm langen Schnitt die am Rande
verlaufenden Gefäfse. Für jede neue Blutentnahme wurde
parallel der alten Entnahmestelle ein neuer Einschnitt gemacht.
Beim Huhn entnahmen wir das Blut aus dem Kamme, bei der
Taube aus der Flügelvene. Hund und Katze geben beim Ein-
stich in das Ohr reichlich Blut; bei Meerschweinchen kann man
durch Abtrennen kleiner Randpartien der Ohren genügende Blut-
mengen erhalten, doch eignen sich diese Tiere wegen ihrer Klein-
heit und der geringen Angriffspunkte für die Blutentnahme nicht
zu Versuchen, die sich über ein paar Tage erstrecken und zahl-
reiche Abnahmen erfordern.
Manchmal, allerdings seltener, konnten wir, trotzdem wir
uns hinsichtlich unserer Behutsamkeit keinen Vorwurf zumachen
hatten, einen stärkeren Stich ins Rötliche bei einer Serumprobe
konstatieren, während andere gleichzeitig entnommene und mit
derselben zentrifugierte Proben farblos waren ; daran tragen viel-
leicht manche besonders empfindliche Erythrozyten die Schuld,
wir konnten wenigstens eine andere Erklärung hierfür nicht
finden. Aber diese Fälle sind doch so selten, zudem so leicht
als »Versuchsfehlerc zuerkennen, dafs sie nicht vermocht haben,
einen Grund gegen die Verläfslichkeit unserer Methode zu bilden.
Aufserdem schützt ja eine sogleich wiederholte Entnahme und
der Vergleich mehrerer Röhrchen genügend vor Irrtum. Am
besten verwendet man solche Tiere gar nicht, die bei der Blut-
kontrolle, welche unbedingt an jedem Tiere auszuführen ist, ehe
man es in den Versuch einstellt, in dem Beobachter das Gefühl der
Unsicherheit aufkommen lassen. Ebenso hat man Tiere, die bei
der Serumkontrolle eine von der Norm abweichende Farbe des
Serums zeigen, z. B. kanariengelb statt farblos beim Huhne oder
Kaninchen unbedingt auszuschliefsen.
192 Über Hämolyse im Reagensglas und im TierkOrper.
Aber nicht nur die Sera sind in ihrer normalen Farbe ver-
schieden, auch die Erythrozyten verschiedener Tiere dififerieren
in ihrem Verhalten bezüglich der normalen spontanen Hämolyse
im eigenen Serum.
Ein gutes Beispiel ist das normale Hundeblut. Läfst man
mit solchem Blute gefüllte Kapillaren bei Zimmertemperatur liegen,
so kann man oft schon nach wenigen, immer aber nach Verlauf
von 18 — 24 Stunden sehen, dafs das beim Zentrifugieren abge-
schiedene Serum dunkelbraun, braunrot, ja weinrot gefärbt ist,
Ausnahmen sind äufserst selten. Es ist also beim Hundeblut
schon zu einer Zeit die spontane aseptische Hämolyse eingetreten,
zu welcher die Sera anderer Tiere (Kaninchen, Katze, Huhn)
noch ohne nennenswerte Färbung sind.
Dieses Verhalten des normalen Hundeblutes schliefst seine
Verwertung, was die Nachhämolyse anbelangt, natürlich völlig aus.
Tabelle I zeigt das Verhalten normaler Sera, die zu ver-
schiedenen Zeiten nach der Entnahme zentrifugiert wurden.
(Siehe Tabelle I auf Seite 193.)
Wir bezeichnen in unseren Tabellen unter Anwendung der
Kapillarröhrchenmethode mit Hämolyse (H) die Lösung von
Blutkörperchen, welche in den nicht länger als 30 Minuten nach
der aus dem lebenden oder toten Tiere erfolgten Entnahme zen-
trifugierten Röhrchen konstatiert wurde. Als Nachhämolyse
(NH) bezeichnen wir demgemäfs jede Hämolyse, welche bei erst
später (über 30 Minuten) zentrifugierten Proben konstatiert wurde.
Hier wäre zu bemerken, dafs — besondere Fälle natürlich aus-
genommen — im allgemeinen die Blutproben zur Bestinmiung
der Hämolyse bis zu 30 Minuten bei Zimmertemperatur liegen
gelassen wurden, um den Gerinnungsprozefs ablaufen zu lassen.
Besonders bei den dem lebenden Tiere entnommenen Proben
ist dies von Vorteil. Zentrifugiert man unmittelbar ^ nach der
Entnahme, so gerinnt das Fibrin ober den abgesetzten Blutkörper-
chen zu einer trüben glasigen Masse, welche die Beurteilung der
Serumfarbe aufserordentlich erschwert. Die Zeit von 30 Minuten
ist meist (Ausnahmen bei Streptokokkeninfektionen) nicht lange
genug, um eine Nachhämolyse auch bei pathologischen Blut-
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim.
193
proben schou eintreten zu lassen, doch ist sie das Maximum an
Verzögerung bei Feststellung des Farbentones der frischen Sera.
Bei Sektionen wird man gut tun, Proben auch sofort zu zentri-
fugieren. Findet man bei am lebenden Tiere gemachten Ent-
nahmen nach 30 Minuten Rotfärbung des Serums, so ist es rat-
sam, sofort eine neue Probe zu entnehmen und sogleich zu zen-
trifugieren.
Tabelle I.
Farbe des Serums normaler Tiere zu verschiedenen Zeiten ^^aseptische
Spontanbftmolyse).
Die Blutprobe wurde lentri-
fuglert, nach der Entnahme
Stunden
ir
Sofort
Kontrolle
16 Stunden
24 Stunden
Kaninchen I . .
> II . .
in . .
Meerschweinchen I
U
ni
IV
Katze I, alt . .
» II, alt . .
Hund, 7 Wochen
> 3 Monate
1—2 Jahre
> 4 Jahre
Taube 1 . .
> II . .
» III . .
» IV . .
Huhn I . .
> n, atypisch
farblos
farblos
fast farblos
gelblich
gelblich
schwach gelblich
farblos
farblos
farblos
farblos
farblos
farblos
farblos
farblos
dunkelgelb
gelbbräunlich
gelbbräunlich
farblos
ölgelb
Stich ins
Bräunliche
fast farblos
farblos
I
wie bei 16*)
fast farblos
fast farblos
wenig stärker gelblich
als die Kontrolle
detto
wie die Kontrolle
ziemlich stark bräun-
lich
farblos
fast farblos
weinrot
braunrot
braunrot
braunrot
etwas dunkler als
die Kontrolle
wie die Kontrolle
wie die Kontrolle
fast farblos')
wie die Kontrolle
Der Gerinnungsprozefs wird durch Aufenthalt im Thermo-
staten (37 ° C) beschleunigt, doch möchten wir dieses Verfahren
nicht empfehlen.
1) Nach 40 Stunden rötlichbraun, nach 64 Stunden rotbraun.
2) Nach 40 Stunden leichter Stich ins Bräunliche, nach 72 Stunden
gelbbräunlicb.
194 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
Dafs natürlich darauf zu sehen ist, dafs Verunreinigungen
bei der Blutentnahme vermieden werden, bedarf kaum der Er-
wähnung. Wir haben aber, um die Gefahr möglicher Bakterien-
beimengung richtig einschätzen zu können, zu wiederholten Malen
normalen Kaninchen ohne Wahrung aseptischer Mafsnahmen mit
nicht sterilisierten Kapillaren Blut entnommen, auch Hautschup-
pen und Haare dem Blute zugesetzt, ohne einen Unterschied im
Vergleiche mit aseptischen Proben wahrnehmen zu können.
Nicht unerwähnt bleibe auch, dafs die verwendete Glassorte
sorgfältig auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen ist.
Unsere Beobachtungszeit der entnommenen Proben erstreckte
sich meist auf mehrere Tage, doch haben wir bei Konstatierung
unserer in den Tabellen verzeichneten Resultate — wenn nicht
ausdrücklich anders angegeben ist — für die Nachhämolyse nur
die Zeit von 24 Stunden in Betracht gezogen. Unsere Erfahrung
lehrte, dafs innerhalb dieser Zeit nennenswerte Grade von asep-
tischer Spontanhämolyse nicht aufzutreten pflegen, anderseits
aber dieser Zeitraum genügt, um das Eintreten oder Ausbleiben
der Nachhämolyse festzustellen. Normales Kaninchenserum zeigte
sich nach 24 Stunden meist ebenso farblos wie die Proben, welche
sofort nach der Entnahme zentrif ugiert wurden ; allerdings finden
wir, wie schon erwähnt, mitunter Tiere, deren Sera nach 24 Stun-
den einen leichten Stich ins Bräunliche zeigen, eine deutlich
bemerkbare Farbenschwankung, die wir wohl auf ausgetretenen
Blutfarbstoff zu beziehen haben werden. Es dürften ja normaler-
weise gewifs innerhalb von 24 Stunden Blutkörperchen spontan
zugrunde gehen, doch ist diese durch Austritt des Hämoglobins
bewirkte Färbung des Serums immerhin seltener und dann auch
relativ noch so mäfsig, dafs sie für unsere Beurteilung nicht von
Bedeutung sein kann, zumal ja alle Beobachtungen diesmal nur
mit unbewaffnetem Auge gemacht werden mufsten und vorsich-
tigerweise nur auffallend starke Verfärbungen des Serums ver-
wertet wurden. Bei einiger Erfahrung und Übung wird man
nicht leicht Gefahr laufen, innerhalb der Grenzen normaler
Schwankungen pathologische Prozesse zu sehen.
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 195
Als Grundsatz für unsere Untersuchungen wurde aufgestellt,
erst solche Farbentöne für pathologisch zu nehmen, die stärker
sind als der stärkste bei normalem Blute innerhalb von 24 Stun-
den jemals beobachtete Farbenton. Die Feststellung von Zahlen
hätte für uns da eine grofse Erleichterung bedeutet, leider steht
uns zurzeit kein Apparat, welcher uns in dieser Hinsicht hätte
von Nutzen sein können, zur Verfügung. Für unsere, ja nicht
in quantitativer, sondern nur rein prinzipieller Richtung ange-
stellten Untersuchungen erwies sich ein bald erreichtes Mafs von
Übung im Auseinanderhalten der Farbenintensitäten der Sera als
durchaus genügend, um so mehr, als das Übersehen einer aus-
gesprochenen Hämoglobinämie (Hämolyse) völlig unmöglich ist.
Viel eher ist schon ein Fehler nach unten hin, natürlich in
Hinsicht auf die Nachhämolyse möglich, insofern als wir viel-
leicht schon pathologische Farbentöne des Serums noch für nor-
malerweise mögliche ansehen konnten. Aber es kommt nicht
darauf an, gewissermafsen die Schwelle zwischen normaler und
pathologischer Nachhämolyse zu bestimmen, es ist in prinzipieller
Hinsicht vollständig interesselos, ob diese Schwelle tiefer oder
höher liegt ; der Fehler aber, einen schon schwach pathologischen
Effekt noch für normales Verhalten zu nehmen, wäre in unseren
Versuchen höchstens zeitlich ins Gewicht gefallen, da bei Ver-
kennung der einen Blutprobe die nächste Blutentnahme uns ja
deutlich genug orientieren konnte. Ein Auffassen von normal
möglichen Serumfärbungen als pathologisch aber hätte einen
tadelnswerten Fehler bezüglich der Deutung unserer Versuchs-
resultate bedingt.
Jedes Tier, das zur Blutuntersuchung nach erfolgter Infektion
dienen soll, ist zunächst daraufhin zu untersuchen, ob
1. die Farbe seines Serums der normalen Farbe seiner Tier-
spezies entspricht,
2. ob sein Blut bezüglich der spontanen aseptischen Hämolyse
sich so verhält, dafs das Serum nach 24 stündigem Lagern
der Blutprobe gegenüber der Farbe, die das Serum bei so-
fort nach erfolgter Entnahme ausgeführter Zentrifugierung
aufwies, keinen nennenswerten Farben unterschied zeigt.
196 Über Hämolyse im Reagenaglas and im Tierkörper.
Abweichen von der normalen Farbe kann durch Krankheits-
prozesse (z. B. Ikterus) bedingt sein, eine innerhalb von 24 Stun-
den auftretende stärkere Lösung der Blutkörperchen im Serum
etwa als Eigenschaft einer Spezies (Hund) kann hinsichtlich der
Nachhämolyse zu groben Irrtümern verleiten.
So haben wir einmal bei dieser Vorprüfung eines Kanin-
chens eine ziemlich starke Hämoglobinämie gefunden. Erhebungen
ergaben, dafs das Tier, am Versuchstage von auswärts zur Stadt
gebracht, einen mehrstündigen Aufenthalt in einem Korbe auf
offenem Schlitten bei einer Temperatur von — 19° R (in der Stadt)
hinter sich gehabt hatte. Am nächsten Tage war keine Hämo-
globinämie mehr zu konstatieren, das Tier verhielt sich durchaus
normal. Wir setzten dann ein anderes Kaninchen der herrschen-
den Temperatur von einigen Minusgraden durch 3—4 Stunden
aus, ohne jedoch eine Hämoglobinämie zu erzielen und verfolgten
dieses aufserhalb unseres Programmes liegende Thema nicht
weiter.
Zeigt sich bei der Vorprüfung das Tier brauchbar, so wird
es infiziert und dann zu verschiedenen Zeiten Blut entnommen
(vgl. oben). Das gew^onnene Blut wird aus dem blutenden Ge-
fäfse direkt in unsere sterilen U förmigen Kapillaren einfüefsen
gelassen, dann wird nach erfolgter Gerinnung der inzwischen
formierte Blutfaden ausgezogen und die Röhrchen zentrifugiert.
Wir entnehmen, wenn nicht besondere Umstände mehr er-
heischen, jedesmal 4 Kapillaren. Zwei werden sofort — bzw.
innerhalb von 30 Minuten — zentrifugiert, zwei werden gefüllt
liegen gelassen und nicht später als höchstens 24 Stunden nach
der Entnahme der Zentrifugierung unterworfen. Erstere Proben
zeigen nun eine etwa bestehende Hämoglobinämie (beim leben-
den oder eben verendeten Tiere) an, letztere dienen uns zum
Nachweise einer eventuellen Nachhämolyse.
Es ist hier wohl angezeigt, auf den Begriff der Hämoglobin-
ämie etwas näher einzugehen.
Nach den allgemein gültigen Anschauungen der Kliniker,
die ja praktisch zunächst interessant sind, verstehen wir unter
Hämoglobinämie das Auftreten von gelöstem Hämoglobin im
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 197
Blute. Die Methoden, welche von klinischer Seite (Vierordt,
V. Jaksch) zur Konstatierung dieser Krankheitserscheinung
angegeben werden, bestehen darin, dafs man das dem Kranken
mittels Schröpfkopfes entnommene Blut 24 Stunden im Eis-
schranke stehen läfst und das nach dieser Zeit abgesetzte Serum
rubinrot verfärbt findet. Wir sind, wie aus unseren in der Folge
mitgeteilten Protokollen ersichtlich sein wird, heutzutage nicht
mehr berechtigt, aus einer Beobachtung, die solange nach der
erfolgten Blutentnahme gemacht wird, einen sicheren Schlufs
darauf zu ziehen, dafs zur Zeit der Entnahme schon gelöstes
Hämoglobin im Blute gekreist hätte. Es kann der Fall sein,
aber es mufs durchaus nicht so sein. Die herkömmliche
Methode der Konstatierung einer Hämoglobinämie ist durchaus
zu verwerfen, wenn sie allgemeine Gültigkeit beanspruchen will,
sie mag in manchen Fällen vielleicht richtige Resultate ergeben,
bei Infektionskrankheiten ist sie nicht brauchbar, weil nach
unseren Untersuchungen Blutsera infizierter Tiere, die, sofort
nach der Entnahme zentrifugiert, normale Färbung zeigen, schon
nach wenigen Stunden rötlich, ja weinrot sein können. Es war da
also im lebenden Blute noch kein Hämoglobin in nennenswerten
Mengen ausgetreten und keine Hämoglobinämie vorhanden
gewesen; vielleicht war aber intra vitam eine Schädigung der
Blutkörperchen schon da, welche sich dann aufserhalb des leben-
den Körpers in der Lösung der Erythrozyten und Rotfärbung des
Serums manifestierte. Wir möchten also den Begriff Hämo-
globinämie fernerhin so aufgefafst wissen, dafs derselbe anzeigt,
dafs eine dem lebenden Individuum oder sofort nach dem Tode
entnommene, und möglichst sofort, längstens aber innerhalb von
30 Minuten zentrifugierte Blutprobe eine Rotfärbung des Serums
ergiebt. Finden wir also im Kadaver bei der etwa einige Stun-
den post mortem vorgenommenen Sektion »Hämoglobinämie«,
so müssen wir richtig sagen, es sei :&Hämolyse.« Haben wir
eine Probe sofort zentrifugiert und keine Lösung konstatiert,
finden aber bei gleichzeitig entnommenen aber erst später zentri-
fugierten Proben dann Hämolyse, so bezeichnen wir diesen Vor-
gang als Nachhämolyse, ebenso wenn sich in Parallelproben von
198 Über Hämolyse im Reagenaglaa and im Tierkörper.
iiolchen, die bei der Entnahme (z. B. sehr bald, aber nicht un-
mittelbar nach dem Tode) einen geringen Grad von Hämolyse
gezeigt hatten, eine deutliche Zunahme der Färbuugsintensität
nachweisen läfst.
Wir waren, um zu klaren Resultaten in unseren Versuchen
zu kommen, genötigt, den Tod der Versuchstiere abzuwarten und
unmittelbar nach erfolgtem Tode die Sektion der Tiere und so-
fort die Blutuntersuchung vorzunehmen. So fanden wir, dafs
bei sämtlichen Infektionsversuchen, mit Ausnahme der Milz-
brandinfektionen und gewissen Fällen von Staphylokokkeniufek-
tionen eine Hämoglobinämie (Hämolyse intra vitam) im allge-
meinen nicht bestanden hat, da wir bei den sofort nach dem
Tode entnommenen Blutproben das Serum normal fanden. Li
dieser Hinsicht ist in unserer seinerzeit über das gleiche Thema
erfolgten vorläufigen Mitteilung^ der in herkömmlicher Weise
angewendete Begriff Hämoglobinämie insbesondere dort in
Hämolyse zu korrigieren, wo wir (S. 1119) sagen »von anderen
Bakterienarten konnten wir konstatieren, dafs Hühnercholera-
bakterien beim Kaninchen (6 Fälle) durchaus Hämoglobinämie
vom Typus serum purpureum zu erzeugen imstande waren, c
Wir hatten ja bei den Sektionen der Tiere, die etwa in der
Nacht verendet waren, »Hämoglobinämie« konstatiert, aber das
Abwarten des Todes und die sofortige Untersuchung des Blutes,
ein Verfahren, das zur theoretischen ßegriffsfomiierung sich
als unerläfslich herausstellte, zeigte uns später, dafs diese »Hämo-
globinämie« nur als Hämolyse, genauer als Nachhämolyse auf-
gefafst werden darf.
Um nochmals kurz zusammenzufassen : Die intra vitam oder
sogleich nach dem Tode mit ein wandsfreier Methode sicher-
gestellte Hämolyse ist Hämoglobinämie, die einige Zeit nach
dem Tode erhobene »Hämoglobinämiec im bisher üblichen Sinne
ist absolut genommen als Hämolyse, bzw. wenn man dem Um-
stände Rechnung trägt, dafs zur Zeit des Eintrittes des Todes
keine oder eine quantitativ geringere Hämoglobinämie vorhanden
war, als Nachhämolyse aufzufassen.
1; Münchner med. Wochenschrift, 11H)3.
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 199
Wir wollen nicht behaupten, dals das in Lehrbüchern noch
stehengebliebene Verfahren zur Konstatierung von Hämoglobin-
ämie heute noch allgemein üblich sei, die moderne Zentrifuge
wird wohl damit aufgeräumt haben, aber die Methoden werden in
den Lehrbüchern weiter geführt und der alte Begriff der Hämo-
globinämie ist erhalten geblieben.
Der Kliniker und der pathologische Anatom werden wohl nur
selten in die Lage kommen, sofort nach dem Tode die Sektion
vornehmen zu können, es werden daher unsere Untersuchungen,
was die Befunde bei eben eingetretenem Tode anbelangt, am
Menschen schwer ausführbar sein. Doch wird man auch für
die menschliche Pathologie an dem Unterschiede zwischen
Hämoglobinämie und Nachhämolyse festhalten müssen. Viel-
leicht bringt uns auch die Zukunft eine feinere Methode, die
die Menge gelösten Blutfarbstoffes quantitativ zu bestimmen ge-
stattet.
Vor Besprechung der einzelnen Infektionen wäre noch über
einige Erfahrungen Mitteilung zu machen, die hinsichtUch all-
gemeiner Fragen aus dem Gebiete der Hämolyse nicht ohne
Interesse sein dürften.
I. Über die SehBdlgung der Erythrocyten Im TlerkOrper als
Folge der Einverleibung von in vitro erzeugtem Bakterio-
hSmolysln. Über Bindung von HBmolysin im Tierkörper und
Im Reagensglas.
Versuche mit Staphylolysin am Kaninchen.
Es ist ein strenges Postulat der Ehrlichschen Theorie, dafs
ein Bakteriohämolysin zur Entfaltung seiner Wirksamkeit an die
roten Blutzellen gebunden werde, dafs also die haptophore Gruppe
des Lysins die Verankerung an das Blutkörperchen bewerkstellige,
während dann nach Ablauf einer gewissen Zeit die toxophore
Gruppe durch Auflösen des Blutkörperchens bzw. nach Ehrlich
durch Erwirken der Durchlässigkeit der diffusionsverhinderuden
Membran — Diskoplasma Ehrlichs — ihre Wirksamkeit
äufsert.
200 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
Es war für uns natürlich wichtig, auch über diese Frage
experimentell am Tiere orientiert zu sein, einmal weil ja die
Reagensglasversuche, au denen diese Frage studiert; worden ist,
nicht auch unbedingte Gültigkeit für die komplizierten Verhält-
nisse im Tierkörper haben müssen, dann aber auch, weil diese
Frage von Wichtigkeit für die Auffassung unserer Injektions-
versuche ist, die Literatur aber eine genügende Orientierung nicht
zu bieten vermag.
Es hat zwar S c h u r (a. a. 0.), um ganz allgemein zu konstatieren,
ob die Injektion von Hämolysin bei Kaninchen eine die Erythro-
zyten schädigende Wirkung ausübe, einige Versuche in dieser
Richtung angestellt. Schur hat drei Kaninchen subkutan
Staphylolysin injiziert und die Tiere nach 1, 2 bzw. 4 Tagen
entblutet, von den Blutmengen sterile Aufschwemmungen in
isotonischen Kochsalzlösungen angelegt und die Versuchsröhrchen
neben den entsprechenden mit normalem Blute beschickten Kon-
trollen im Brutofen bei 30® aufbewahrt. Es zeigte nun nur das
Blut jenes Tieres, welches nach Ablauf von 2 Tagen entblutet
worden war, eine deutliche Lösung, während das Blut der beiden
anderen Tiere sich wie normales Blut verhielt. Die Lösung im
Reagensglas trat erst nach 2tägigem Verweilen im Brutschranke
in Erscheinung. Die Reaktion verlief also sehr langsam. Be-
züglich der beiden anderen negativ ausgefallenen Versuche kann
man zur Erklärung annehmen, dals vielleicht bei dem nach
24 Stunden getöteten Kaninchen die Wirkungszeit des Lysins
zu kurz bemessen gewesen sei, beim anderen (4 Tage) ist die
Möglichkeit vorhanden, dafs eine erfolgte Schädigung schon
wieder ausgeglichen worden war.
Wir benutzten deshalb zum Studium dieser Frage den Weg,
den Tieren das Lysin direkt in die Blutbahn zu injizieren.
Um deutliche Resultate zu erhalten, verwendeten wir auch
gröfsere Mengen Lysins (30 ccm) als Schur (0,5 ccm).
Wir injizierten einem Kaninchen 30 ccm eines Staphylolysins
von Titer Lo < 0,0125, Lc = 0,4 ccm, zentripetal in die rechte
Vena jugularis. 10 Minuten nach beendeter Operation wurde
das Tier aus der linken Art. carotis entblutet, das Blut vorsichtig
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim.
201
defibriniert, sodann in mehrere Röhrchen zu je 2 ccm 0,85 proz.
Kochsalzlösung je ein Tropfen des Blutes eingebracht, die
Röhrchen 2 Stunden bei 37® C gehalten, in der Kälte aufbe-
wahrt und nach 24 Stunden das Resultat notiert. Eine gleiche
Anzahl von Proben wurde ohne Brutofenaufenthalt von vorn-
herein in der Kälte gehalten, beiden Versuchen die entspre-
chenden Kontrollen beigegeben. Aufserdem wurde aktives und
inaktives Serum des injizierten Tieres auf seine eventuelle
Lösungsfähigkeit gegenüber Normalkaninchenblut geprüft. Tab. II
macht das Resultat ersichtlich.
Tabelle II.
I Erst 2h bei
370 C,
dann Kälte
Immer In der
Kalte
2 ccm 0,86 pro«. Na Cl-Lösung -j- 1 Tropfen Blut
(6 Röhrchen)
2 ccm 0,86 pro». Na Cl-Lösang -|- 1 Tropfen nor-
males Blat
2 ccm aktives Serum -{- ^ Tropfen normales Blut
2 ccm inaktives Serum -f- 1 Tropfen norm. Blut
Lösung
Lösung
ti
0
e
e
0
0
Dieser nur zur Orientierung angestellte Versuch zeigt uns
deutlich, dafs durch die Injektion von Staphylolysin im Gefäfs«
System eines Kaninchens die roten Blutzellen derart alteriert
waren, dafs sie der Auflösung anheimfallen.
Als wir kurz darauf denselben Versuch unter denselben
Bedingungen wiederholten, zeigte das Blut des »Lysinkaninchensc
in isotonischer Kochsalzlösung nach 24 Stunden noch keine
Lösung; erst nach weiteren 24 Stunden Aufenthalts bei Zimmer-
temperatur konnten wir in den Röhrchen deutliche Rotfärbung
der Flüssigkeit (»Kuppec) konstatieren. Das defibrinierte Blut
aber des Lysinkaninchens, das über Nacht in der Kälte aufbe-
wahrt worden war, zeigte eine intensive Hämolyse, das abge-
setzte Serum war purpurrot. Es war auffallend, dafs das ge-
schädigte Blut in seinem eigenen Serum schon nach relativ
kurzer Zeit selbst bei geringer Temperatur (ca. 10® C) der Auf-
Archiv fQr Hygiene. Bd. LIV. 14
V
204 Über Hämolyse im Reagenzglas und im Tierkörper.
Tabelle IV.
T^ösung des Lysinblutes in isotonischer Kochsalzlösung. Bestimmung mit
dem Hämometer nach Fleischl.
0,85 proz. Na Ol- ; Zugesetzte Tropfen-
Tiösung ccm |! zahl des Blutes
Hämometer-
zahlen
1 ! 932
3 ! 2344
2
2
2 5 4035
2 I 10 7780
2 3 Tropfen normales i keine Lösung
I Blut
Die Hämometerzahlen sind mg Hämoglobin in 1000 ccm.
Man könnte nun einwenden, dafa in Tabelle III eine Lösung
der normalen Kaninchenerythrozyten im Lysinserum deshalb
nicht erfolgt sei, weil das Lysin durch Mischung mit dem Blute
des Versuchstieres eine derartige Verdünnung erfahren habe, dafs
eine lytische Wirkung schon aus diesem Grunde ausgeblieben
wäre. Eine einfache Rechnung wird nun zeigen, dafs der Ein-
wand nichtig sei.
Das verwendete Kaninchen wog 1720 g. Nach den An-
gaben der Physiologie beträgt die Blutmenge des Kaninchens ^ji^
seines Körpergewichtes. Unser Versuchstier hatte also 90 g Blut
besessen. Zu diesen 90 g, die wir der Einfachheit halber gleich
90 ccm setzen wollen, kamen 30 ccm injiziertes Lysin vom Titre
Lc = 0,4 ccm. Wir hatten also eine Flüssigkeitsmenge von
120 ccm und wollen ganz davon absehen, dafs dieselbe gewifs
durch regulatorische Vorgänge von selten des Organismus ver-
mindert worden war. Die 120 ccm enthielten 30 ccm Lysin,
also im ccm 0,25 oder in 2 ccm der im Versuch verwendeten
Menge von Serum 0,5 ccm Lysin. Da nun der Titer unseres
Lysins L« ■^=^ 0,4 war, also 0,4 ccm unseres Lysins einen Tropfen
Kaninchenblutes komplett löste, so müfsten ja doch 2 ccm Serum
mit einem ausgerechneten Gehalte von 0,5 ccm Lysin, also noch
mehr als Lc gewifs eine lytische Wirkung gehabt haben, wenn
eben noch freies Lysin in der Mischung vorhanden gewesen wäre.
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 205
Wir können also mit Fug und Recht annehmen, dafs im Serum
kein freies Lysin vorhanden gewesen sei, ohne dafs eine Ver-
dünnung für die ausbleibende Lösung verantwortlich zu machen
gewesen wäre.
Als wir nun gesehen hatten, dafs im Tierkörper die voll-
ständige Bindung des Lysins in äufserst prompter Weise vor sich
gehe, wollten wir noch feststellen, wie sich denn die Bindungs-
verhältnisse in vitro stellen mögen, denn wir wissen ja seit den
Versuchen von Madsen mit dem Tetanolysin, dafs der Nachweis
einer solchen Bindung zu gelingen pflegt. Hier war gleichfalls
das theoretische Postulat aufrechtzuerhalten, dafs bei ent-
sprechender Bindung von selten der Blutkörperchen die nach
dem Zenlrifugieren abgesetzte Flüssigkeit, das Absorbat, keine
lösende Wirkung mehr auf rote Blutzellen ausüben dürfe. Be-
dient man sich bei solchen Bindungsversuchen nicht der Methode
von Sachs (^^), so ist es mitunter unvermeidlich, dafs infolge
bereits eingetretener Lyse eine Rotfärbung des Absorbats eintritt,
welche uns dann bei der Auswertung des Lösungsvermögens
natürlich hindernd in den Weg tritt. Um da die Lösungskraft
des Absorbates einwandsfrei feststellen zu können, sieht man sich
genötigt, zunächst die Hämometerzahlen des Absorbates in den
dem wirklichen Versuche entsprechenden Verdünnungen, natürlich
ohne Blutzusatz, festzustellen. Stellt man dann den Versuch mit
dem Absorbate und Blutkörperchen an (je ein Tropfen Blut in
jedes Röhrchen) und bestimmt nun die Hämometerzahlen der
einzelnen Röhrchen, so mufs ein Steigen der Zahlen im Absorbat-
versuch zugunsten eingetretener Lösung sprechen, uns also an-
zeigen, dafs unser Absorbat eben nicht frei von Lysin gewesen
ist. Differieren die Hämometerzahlen des Versuches nicht
wesentlich gegenüber den Zahlen des Absorbates, so kann man
annehmen, dafs eine vollständige Bindung des Lysins stattge-
funden habe. Schwankungen von 10 Graden beim Fleischlscheu
Hämometer liegen wohl innerhalb der möglichen Fehlergrenzen
und sind erst Differenzen über 10 von Bedeutung. Wir kamen
gar nicht in die Lage, diese Erfahrung praktisch verwerten zu
können, da in unseren Versuchen die geringste mefsbare Differenz
206
Über Hftmolyse im KeagODsglas und im Tierkörper.
zwischen Absorbatzahl und der im Versuche erhobenen Zahl 17
betrug.
Von Wichtigkeit ist, bei solchen Versuchen darauf zu sehen,
dals dem Lysin eine solche Blutmenge zugesetzt wird, dafs dem
Titer des Lysins entsprechend ein Überschufs an Blut vorhanden
sein mufe. Wenn wir z. B. (Tab. V Versuch I) 9 ccm eines
Lysins vom Titer 0,4 = Lc absättigen wollen, so müssen wir
g
theoretisch den Lösungswert der 9 ccm mit mindestens j-r- also 22,5
Tropfen berechnen, da ja 0,4 ccm des Lysins einen Tropfen
Blut komplett zu lösen vermögen. Wenn wir nun statt 22,5 etwa
50 — 60 Tropfen Kaninchenblut zusetzen, so können wir wohl
annehmen, dafs ein Überschufs von Blut vorhanden sei. Die
folgenden Tabellen registrieren die unter verschiedenen Bedin-
gungen angestellten drei Bindungsversuche.
Tabelle V. Versuch I.
9 ccm Staphylolysin vom Titer 0,4 = Lc + 2,8 ccm = 56 Tropfen Kaninchen*
blat werden bei Zimmertemperatur gemischt und 24 Std. bei 10^ C gehalten.
Absorbat dunkelrot. Gewöhnliche Technik der Auswertung eines Lysins.
Die Hämometerzahlen geben an wieviel mg Hämoglobin in 1000 ccm der
Blutlösung enthalten waren.
Absorbat-
0,85 pro«.
Hämometerzahlen
Zunahme des
menge in
Na Cl-Lösung
vor
nach 1
Hämoglobin-
2 ccm
in 2 ccm
1
dem V(
1
ersuche '
gehaltes in Vo
1,00
1,00
4425
4612
4
0,60
1,40
3000
3802
27
0,40
J,60
2112
2450
16
0,20
1,80
914
1612
76
0,10
1,90
537
759 '
41
0,05
1,95
259
422
62
0,0125
1,987
<96
' <96
1
(Siehe Tabelle VI und VH auf 8. 207.)
Wenn wir die Resultate der vorstehenden Versuche über-
blicken, so konstatieren wir als allen gemeinsam die Tatsache,
dafs in keinem derselben eine vollständige Bindung des Lysins
an die im Überschufs zugesetzten Blutmengen erfolgt war, nach-
dem ja immer das Absorbat auf Zusatz von 1 Tropfen Blut hin
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim.
207
Tabelle VI. Versuch ü.
20 ccm Staphylolysin vom Titer 0,4 = Lc werden mit 150 Tropfen = 7,5 ccm
Eaninchenblut gemischt und 30 Minuten bei 37^ C gehalten.
Absorbat purpurrot. Gewöhnliche Technik der Auswertung eines Lysins.
Absorbat-
0,85 proz.
Na Cl-Lösung
Hfimome
vor
1
terzahlen
Zunahme des
menge in
nach
Hämoglobin-
2 ccm
in 2 ccm
dem Versuche
1 _ '
gehaltes in Vo
0,8
1,2
3460
4770 1
37
0,6
1,4
3690
4192
13
0,4 i
i 1,6
2460
3285 '
33
0,2
1,8
951
2245
136
0,15
1,85
! 845
1
2385
182
0,10 1
1,90 !
691
1534
122
0,05
1,95
326
624
91
0,025
1,975
260
374
49
0,0125
1,9875 1
1
; <96
298
—
Tabelle Vn. Versuch III.
16 ccm Staphylolysin vom Titer 0,4 = Lc und 5 ccm = 100 Tropfen Kanin-
chenblut werden gesondert, IVs Std. bei 31^ C vorgewärmt, dann vereinigt
und weitere 3 Std. bei 37® C gehalten. Absorbat rubinrot. Flüssigkeit steril.
Absorbat- ,
0,85 proz.
Hämometerzahlen
Zunahme des
menge in
Na ClLösung
vor nach
Hämoglobin-
2 ccm
in 2 ccm
dem Versuche
gehaltes in 7o
2 j
0
2422
3114
28
1
1
1
1326 1956 1
47
0,8 1
1,2
1000 1384 !
38
0,6
1,4
615 920 1
49
0,4
1,6
471 1080 i
129
0,2
1,8
172 ' 711
313
0,1 i
1,9
' <96 615 1
0,05
1,95
< 96 259
0,025
1,975
< 96 < 96
0,0125 1
1,987
<96
<96 j
ansteigende Hämometerzahlen zeigt, also das Absorbat noch Bin-
dungs- und Lösungsvermögen besals. Wenn wir schon bei Versuch I
•
(Tab. V) a priori nicht angenommen hatten, dafs bei der niedrigen
Temperatur eine vollständige Bindung erfolgen werde, auch noch
zugeben wollen, dafs in Versuch II (Tab. VI) die Zeit von 30 Min.
nicht lange genug bemessen gewesen wäre, um den gewünschten
208 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
Effekt zu erzielen, so mulste uns doch in hohem Malse befrem-
den, dafs auch die in Versuch III (Tab. VII) angewandten Zeiten :
eineinhalbstündiges Vorwärmen, dann Verweilen der Mischung
durch 3 Stunden bei 37° C nicht genügt hatten, um eine voll-
ständige Bindung zu erzielen.
Ziehen wir nun in Betracht, dafs nach unseren weiter oben
mitgeteilten Erfahrungen im Tierkörper sicher 20 Minuten, ja auch
schon 10 Minuten nach vollendeter intravasaler Injektion des nicht
vorgewärmten Lysins die Bindung voUzogen war, so müssen wir
zugeben, dafs die Reagensglasversuche dem Tierversuch gegen-
über ein recht kümmerliches Surrogat bedeuten; wenn aber im
Tierkörper etwa noch andere Zellenelemente eine Affinität für
Bakteriolysine besitzen sollten, so würde dieser Umstand erst
recht einen Vergleich zwischen Reagensglas- und Tierversuch
verbieten müssen.
U. Über die TTirkung des Staphylolysins im TierkOrper bei
subkutaner, intraperitonealer oder intravenOser Einverleibung.
Im vorigen Abschnitte haben wir den Nachweis erbracht,
dafs man nach intravenöser Injektion von Staphylolysin eine
Lösung des Blutes des vergifteten Kaninchens sowohl in seinem
eigenen als auch im Serum der homologen Tierart beobachten
könne, sowie dafs eine Lösung zum Unterschiede von normalem
Kaninchenblut auch in isotouischer Kochsalzlösung erfolge. Wir
konnten zeigen, dafs die Bindung zwischen Lysin und Erythro-
zyten im Tierkörper in weitaus vollkommenerer Weise zu be-
wirken und nachzuweisen sei als im Reagensglasversuch. Aber
unsere Versuchsanordnung mufste es mit sich bringen, das ver-
giftete Tier zu entbluten, und somit wurde es uns unmöglich, den
zeitlichen Verlauf einer solchen Vergiftung in ihrer Einwirkung
auf das Blut zu studieren. Diese Lücke auszufüllen sind die
folgenden Versuche berufen.
Wir bedienten uns hierbei unserer Kapillarmethode, welche
sich aufs beste bewährte und vor allem in den Versuchen schön
zur Darstellung bringt, wie wichtig es ist, die Konstatierung der
Nachhämolyse zur Beobachtung heranzuziehen, da uns ohne
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
209
diesen Behelf mancher wertvolle Aufschlufs verborgen bleiben
würde (vgl. Nr. 178 u. 193).
Wir injizierten den Kaninchen das Staphylolysin zunächst
subkutan. Das Auftreten einer Hämoglobinämie wurde bei diesem
Vorgehen nicht beobachtet (vgl. Tab. VIII u. IX). Die Proben,
welche sofort nach der Entnahme zentrifugiert worden waren,
liefsen ausnahmslos eine Hämolyse vermissen, jedoch zeigten
viele Proben deutliche Nachhämolyse. Die Beeinflussung der
roten Blutzellen ist durch mehrere Tage hindurch deutlich wahr-
nehmbar, in Tabelle VIII ist am 4. Tage, in Tabelle IX am
7. Tage noch Nachhämolyse zu beobachten. Bei der zweiten
Injektion bei Nr. 178 wird keine Schädigung der Erythrozyten
mehr wahrnehmbar, das Tier ist offenbar bereits immun geworden.
Tabelle VIII.
Kaninchen Nr. 193. Subkutane Injektion von Staphylolysin.
7
Datum
Gewicht Zeit 1
der Entnahme
H
NH
15. III. 04
Injektion
12h 30'
16. m.
17. UI.
18. III.
19. m.
21.111.
1172
1087
995
1005
1045
1080
Kontrolle
4h
lOh 30'
11h 30'
12h 30'
11h 15'
11h 15'
lOh
+
+
+
- ,. +
Injektion von 10 ccm Staphylo-
lysin. Staph. 88 vom Titre
I-^ < 0,02, I^c zwischen 0,2
und 0,06. Infiltrat. Nekrose.
Schorf. Heilung.
(Siehe Tabelle IX auf Seite 210.)
Anders wiederum liegen die Verhältnisse bei intraperitonealer
Einverleibung des Lysins. Hier sehen wir in jedem der beiden
mitgeteilten Fälle überhaupt nur je einmal eine Schädigung der
Erythrozyten zum Ausdruck kommen und zwar als Nachhämo-
lyse wie bei der subkutanen Applikation. Die eine Beobachtung
(Nr. 194) ist einwandsfrei, bezüglich der anderen (Nr. 177) sagt
uns schon das Zeichen ±, dafs die Hämolyse durchaus nicht
von zweifelloser Intensität gewesen ist. Im Gegensatze zu den
subkutan injizierten Tieren trat hier das Manifestwerden der
Schädigung in beiden Fällen schon am Tage nach der Injektion
210
Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
auf. Dann aber konnte keine Lösung mehr beobachtet werden.
Bei Nr. 177 trat auf eine zweite Injektion hin der Tod ein. Bei
der Sektion fanden wir das Serum durch Hämoglobin gefärbt.
Diese Hämolyse, die in der Folge keine Verstärkung in ihrer
Intensität erfuhr, war quantitativ zur Zeit, als wir das Tier sezierten,
bereits abgelaufen.
Tabelle IX.
Kaninchen Nr. 178. Subkutane Injektion von Staphylolysin. Immunität.
Datum
Zeit
Gewicht
der Entnahme
H
NH
22.1.04 'Kontrolle
I. Injektion 12h 30*
12h 15'
23. I.
25. I.
26. I.
27. I.
29. I.
4h 30'
12h 15'
11h 30'
12h 30'
11h 15'
12h 15'
1575 i _ —
I
1505
1430
1375
1310
1144
+
+
+
I. Injektion 10 ccm Staphylo-
lysin. Staph. 88 vom Titre
Lo < 0,02, Lc zwischen 0,5
und Ol.
2 Tage nach der Injektion
beginnende Nekrose der
Injektionsstelle , Demarka-
tion, Schorf. Heilung.
11. m. 04
IL Injektion
Ih 15'
12. m.
13. III.
14. m.
15. III.
Kontrolle
1380
1
5h 15'
11
i;
11h 30*
1332
1 1
; 1
1
5h
1322
1
Uh
1382
1
i
1385
1
i
U. Injektion 7 ccm Staphylo-
lysin. Staph. 88. Titre Lo
< 0,02, Lc zwischen 0,2
und 0,06.
Keine Reaktion an der
Injektionsstelle. GeringeGe-
wichtsabnahme, die schon
am 3. Tage aasgeglichen
erscheint
Tabelle X.
Kaninchen Nr. 194. Intraperitoneale Injektion von Staphylolysin.
Datum
Zeit der
Entnahme
H
■ 1
NH
-1
1
1
14. HL 04
Injektion
12h
15. m.
16. m.
17. 111.
Kontrolle
12h 15'
Ih
6h 80'
11h 30'
12h 30'
12h
- - +
Anfangsgewicht 1360 g, erhält 10 ccm
Filtrat einer 11 Tage alten Boaillon-
kultur Stamm Staph. 88, Titre Lo
unter 0,02, Lc zwischen 0,2 und 0,06 ;
nimmt stetig ab und wird am 15. lY.
bei einem Gewicht von 905 g getötet
Von Dr. Oskar R. von Wnnschheim.
211
Tabelle XI.
Kaninchen Nr. 177. Intraperitoneale Injektion von Siaphylolysin. Tod.
Datum
Zeit der
Entnahme
H
NH
21. I. 04
I. Injektion
nm 12h
22. 1.
23. I.
I!
Kontrolle
12h 15'
5h
11h 30' Vm.
4h 30' Sm.
12h lO*
+ ?
I
Anfangsgewicht 975 g.
I. Injektion 10 ccm Filtrat einer 13 Tage
alten Boaillonknltor Stamm Staph. 88.
Titre Lo anter 0,02, Lc zwischen 0,5
and 0,1.
Gewicht sinkt bis zam 30. I. aaf 870 g,
steigt dann wieder an. Das Tier wiegt
am 11. m. 1107 g.
11. m. '!
II. Injektion |
Ih 15'
Kontrolle —
5h 15'
Sektion
+
II. Injektion 7 ccm Filtrat einer 11 Tage
alten Boaillonkaltar Stamm Staph. 88.
Titre Lo anter 0,02, Lc zwischen 0,2
and 0,06.
Tod in der Nacht zam 12. in. Sektion
am 13. ni. 7h p. m.
Im Baachraum hellrotes Seram, in der
Plearahöhle viel helles seröses Exsudat,
im Herzbeatel ebenfalls viel helles Exsa-
dat mit frischen fibrinös. Auflagerungen.
Kultur- Bauchexsadat
Pleuralexsudat
Herzblut
Leber
steril.
Gänzlich anders als bei der subkutanen oder intraperitonealen
Injektion gestaltet sich die intravenöse Einverleibung des Lysins.
Hier tritt entweder eine Hämoglobinämie oder wenigstens Nach-
hämolyse schon kurze Zeit nach der Injektion in Erscheinung.
So bei Nr. 192 schon zehn Minuten nach der Injektion Hämo-
globinämie, Nachhämolyse bei Nr. 182 nach 15 Minuten. In
beiden Fällen aber finden wir schon in sehr kurzer Zeit den
ganzen Prozefs abgelaufen, bei Nr. 182 schon nach 5 Stunden
das Blut ohne freies Hämoglobin, bei Nr. 192 ist dies sicher nach
7 Stunden der Fall. Da beide Male auch keine Nachhämolyse
nachweisbar ist, so können wir annehmen, dafs zu den an-
gegebenen Zeiten keine geschädigten Erythrozyten mehr kreisten.
Wie wir bei Nr. 182 sehen, hat das Tier auf die zweite intra-
venöse Injektion kaum mehr reagiert (± NH), nach der dritten In-
212
Über Uämolyse im Keagensglas und im Tierkörper.
jektion ist gar kein Eiuflufs auf die Erythrozyten mehr zu sehen,
es war Immunität eingetreten.
Tabelle XU.
Kaninchen Nr. 192. Intravenöse Injektion von Staphylolysin.
Datum
I Gewicht
Zeit der
Entnahme
H
NH
1
1
12. lU. 04
' 1650
Kontrolle
' Injektion von 7 ccm Staphylo-
Injektion
1
1
lysin Staph. 88. Titre Lo
12h 45'
< 0,02, JjC zwischen 0,2
i
12h 55'
+
—
und 0,06.
Ih 15'
+
+
4h 45'
+
1
1
7h
—
—
1
13. III.
1435
11h Siy
- -
1
14. m.
1465
11h 45'
Tabelle XIII.
ELaninchen Nr. 182. Intravenöse Injektion von Staphylolysin. Immunität.
Datum
Ge-
i wicht
Zeit der
Entnahme
1
H
1
NH
1
1
29. I. 04
, 1827
Kontrolle
—
' I. Injektion 10 ccm Staphylo-
I. Injektion
12h 05'
—
+
lysin Staph. 88. Titre Lo
11h 50'
12h 50'
4h 50'
< 0,02, Lc = 0,2.
30. I.
' 1820
11h 30'
1. n.
' 1805
11h 30'
- -
11. III.
' 1795
Kontrolle
—
II. Injektion 7 ccm Staphylo-
II. Injektion
11h 45'
—
+ ?
lysin Staph. 88. Titre Lo
11h 30'
12h 30'
—
+ ••'
< 0,02, Lc zwischen 0,2
5h 30'
—
und 0,06.
12. lU.
1772
11h 30'
—
—
13. m.
1800
Uh 30'
14. m.
1820
11h 15'
—
1
!•
'1
2. IV.
1790
Kontrolle
1 III. Injektion 10 ccm Staphylo-
III. Injektion
1
11h 08'
—
—
lysin Staph. 88. Titre Lo
10h 53'
11h 38'
—
-
j < 0,02, 1x5 0,1.
11h 53'
—
2h 53'
!
4h 53'
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim.
213
Es scheint uns hier nötig, daraufhinzuweisen, dafsNeifser
und Wechsberg (^^) in ihrer noch mehrfach zu zitierenden Arbeit
angeben, dafs ihnen die Erzeugung eines Antistaphylolysins am
besten bei subkutaner Einverleibung gelungen sei; die intra-
venöse Injektion hätte sich entschieden als unzuverlässiger ge-
zeigt als jene und nur in einem Falle ist es den Autoren gelungen,
durch intravenöse Injektion ein > Antitoxin mäfsiger Stärke c zu
erzeugen, die intraperitoneale Immunisierung aber hätte den
Autoren mehrfach versagt. Letztere Angabe konnten wir nicht
nachprüfen, da unsere intraperitoneal injizierten Tiere den ab-
sichtlich hoch bemessenen Dosen erlagen, während die mit
gleichen Dosen subkutan und intravenös vorbehandelten Kanin-
chen nur vorübergehend im Gewicht abfielen und eine voll-
kommene Immunität erlangten. Einen Unterschied aber in
der Stärke der auf dem einen oder anderen der beiden Wege
erlangten Immunsera konnten wir nicht beobachten, die intra-
venöse Immunisierung leistete nicht weniger als die subkutane,
wie die beiden folgenden Tabellen zeigen mögen. Die Immun-
sera wurden mit den Lysinmengen gemischt, eine Stunde bei
37^ C gehalten, sodann erst jedem Röhrchen ein Tropfen nor-
malen Kaninchenblutes zugefügt und nach üblicher Methode
beobachtet.
Tabelle XIV.
tistaphylolysi]
QS des Kaninchens Nr. 178
(subkutan
Staphylo-
Antitoxin
0,85 proz.
Lösang -f-
lysin
1
(Serum) i
1
NaCl-I^sunj?
kei
ine I^s. 0
0,5
1
0,5
1
0
0,5
0,4
1,1
0
0.5
0,3 '
1.2
t)
0,5
0,2
1.3
0
0,5
0,1
1,4
1
e
0,5
0.08 '
1,5
0
0,5
0,06
1,5
1
+
Kontrolle
0,5
1,5
0
Kontrolle
2
0
214
Über Hämolyse im Beagensglas und im Tierkörper.
Tabelle XV.
Titer des Antistaphylolysins des Kaninchens Nr. 182 (intravenöse Injektion).
Staphylo-
Antitoxin
0,85 pros.
LOBung -|-
lysin
(Semm)
Na Cl-LOsang
keine LOs. 0
0,5
! 0,6
1
0
0,5
0,4
1.1
0
0,5
; 0.3 i
1.2
! »
0,5
i 0,2
1,3
0
0,5
0,1
' 1,4
0
0,5
0,08
1.S
0
0,5
0,06
1,6
0
0,5
0,06
1,6
+
0,5
0,08
1,5
' +
0,5
0,01
1.6
, +
0,5
{ 0,006
1,5
+
Kontrolle
0,5
1,5
0
Kontrolle
^^
2
: 1
0
III. über die Resistenz nonnaler Kanlnehenerythroeyten
gegenüber Staphylolysln.
Das Vorhandensein von Antihämolysin in normalen Tier-
seris ist eine von allen Beobachtern, die über Hämolysine ge-
arbeitet haben, mit grolser Einhelligkeit berichtete Tatsache,
ebenso wird über grofse Schwankungen im Antihämolysin kon-
stant Mitteilung gemacht. Neisser und Wechsberg (1. c.) haben
gelegentlich ihrer Untersuchungen über das Staphylotoxin natürlich
auch das Verhalten normaler Erythrozyten (gewaschen und un-
gewaschen) dem Staphylolysin gegenüber geprüft. Sie fanden,
dafs die Empfindlichkeit der genuinen Kaninchenerythrozyten
sich nicht unterschied von der der gewaschenen. Diese Eigen-
schaft des normalen Kaninchenblutes, in seinem Senun keinen
Antikörper gegen das Staphylotoxin zu beherbergen, hatte es zur
Folge, dafs mit Staphylolysin arbeitende Untersucher mit Vor-
liebe Kaninchenblut benutzen, weil man der immerhin zeit-
raubenden Aufgabe, die roten Blutzellen vor der Verwendung
waschen und so vom Serum befreien zu müssen, gänzlich über-
hoben wird.
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 215
Eine zweite Versuchsreihe der genannten Forscher zeigte,
dafs bei Einstellung eines Toxins gegen Blutkörperchen ver-
schiedener Kaninchen bei gleichem Lc-Wert der Wert für Lo
sehr verschieden hegen kann. Neisser und Wechsberg er-
klären diese Tatsache damit, dafs ja nicht alle Erythrozyten
gleich empfindUch gegen das Staphylolysin zu sein brauchen,
dafs stets eine gewisse Menge von widerstandsfähigeren roten
Blutzellen vorhanden sei, welche den Wert Lc des Toxins be-
stimmen, dafs aber anderseits sehr empfindliche Erythrozyten,
von deren Lösung der Wert Lo abhängt, nicht immer vorhanden
sein müssen.
Als wir ein Staphylolysin, das zur Austitrierung eines Anti-
toxins bestimmt war, auf seine Lösungsfähigkeit prüften, bemerkten
wir, dafs in unserem Auswertungsversuch der Wert Lc überhaupt
nicht erreicht wurde, was uns umsomehr überraschte, als wir
unter Einhaltung der gleichen Kulturbedingungen mit dem be-
trefEenden Staphylokokkenstamme immer einen Wert von Lc
nicht über 0,2 erhalten hatten.
Da wir überhaupt den Verdacht hegten, es könne doch vielleicht
etwa als individuelle Eigenschaft mitunter im Serum der Kaninchen
ein Antikörper normalerweise vorhanden sein, so hatten wir, wie
immer bei wichtigeren Versuchen, so auch diesmal den Versuch
mit gewaschenen und ungewaschenen Erythrozyten vorgenommen.
Das absolut gleiche Verhalten beider bewies a priori, dafs es
sich hier hinsichtlich der äufserst geringen Wirkung des ver-
wendeten Lysins keineswegs um eine Herabsetzung der lytischen
Kraft desselben durch einen normalerweise im Serum vorhan-
denen Antikörper handeln könne, und wir vermuten eine ab-
norme Resistenz der Erythrozyten als Grund der mangelhaften
Lösung.
Das Experiment gab uns recht.
Wir stellten sofort einen zweiten Versuch mit gewaschenen
Erythrozyten eines zweiten Kaninchens und demselben Lysin an
und erhielten diesmal einen Wert von Lc < 0,06, während, wie
oben bemerkt, im anderen Versuche Lc überhaupt nicht erreicht
worden war.
216
Über Hämolyse im ReagensKlas und im Tierkörper.
Tabelle XVI.
Stapbylo-
lysin D
in 2 ccm
0,85 proz. Erythrozyten Kaninchen I '
NaClLös. ~ '
in 2 ccm
gewaschen
un-
{rewaschen
Kaninchen II
gewaschen
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0,1
0,08
0,06
0
1
1.6
1,8
1,9
1,92
1,94
tark rot, kleine Linse')
rot.
nicht agglat. Linse
do. 1
komplett
do.
do.
do.
do.
stark rot, grofse Linse
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
Dieses Resultat steht in gewaltigem Widerspruche zur Be-
hauptung von Neisser und Wechsberg, die sagen, dafs »die
Blutkörperchen verschiedener Kaninchen bezüglich der Grenze
komplette Lösung erhebliche Schwankungen in ihrer Empfind-
lichkeit nicht aufwiesen, c Der Abstand der Werte Lc < 0,06
bei Kaninchen II und Lc auch in 100 proz. Konzentration im
reinen unverdünnten Staphylolysin bei Kaninchen I überhaupt
nicht erreicht, ist wohl so grofs, dafs die Gültigkeit des Aus-
spruches von Neisser und Wechsberg fernerhin nicht mehr
aufrechterhalten werden kann.
Eine Erklärung für dieses ungleiche Verhalten des Blutes
zweier verschiedener Individuen derselben Spezies gegen ein und
dasselbe Lysin ist nicht so leicht zu geben. Wir können nur
sagen, dafs viele der Blutkörperchen des Kaninchens I eine
ganz besondere Resistenz besessen haben müssen, nach der
Ehrlichschen Theorie ausgedrückt, dafs vielen Erythrozyten
einfach das Vermögen abgegangen sein müsse, Lysin zu binden.
Den Chemismus dieser Erscheinung aber aufzuklären, wird späte-
ren Zeiten vorbehalten sein müssen.
1) Der Aasdruck Linse bezieht sich auf die am Boden in Linsenform
liegenden, meist agghitinierten Blutkörperchen.
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 217
IT. Über die Resistenz der Erythroeyten mit Staphylolysln
Immunisierter Kaninehen gegen Staphylolysln.
Die auffallende Resistenz, welche die normalen Blutkörper-
chen in Tabelle XVI gezeigt hatten, veranlafste uns, Unter-
suchungen darüber anzustellen, ob denn bei immunisierten Tieren
die Immunität gegen weitere Injektionen von Lysin lediglich als
Serum Wirkung aufzufassen sei, oder ob vielleicht neben der-
selben auch eine gesteigerte Resistenz der serumfreien Erythro-
eyten zu beobachten sein werde.
Injiziert man normalen Kaninchen Staphylotoxin in eine Vene,
so kommt es zur Hämolyse, die sich entweder als Hämoglobin-
ämie oder als Nachhämolyse äufsert. Wiederholt man nach
einiger Zeit solche Injektionen, so kommen wir zu dem Resul-
tate, dafs eine Lösung der Erythroeyten nicht mehr stattfindet,
das Tier ist immun geworden, was die Hämolysierung seines
Blutes anbelangt. Das Serum der Immuntiere ist in vitro im-
stande, die Wirkung von Staphylolysin auf Erythroeyten zu
paralysieren und so vor der Auflösung zu schützen. Solche Ver-
suche sind in genügender Anzahl gemacht worden, aber über
das Verhalten der Erythroeyten der immunisierten Tiere sind
uns Angaben in der Literatur bisher nicht vorgelegen.
Wir verwendeten zu den entsprechenden Versuchen das
Blut von zwei Kaninchen, die durch subkutane und durch in-
travenöse Einverleibung entsprechender Lysinmengen immuni-
siert worden waren. Der Antitoxingehalt der Sera dieser Tiere
war so grofs, dais die Einheit des Serums die Wirkung der zehn-
fachen Menge Staphylolysins aufzuheben imstande war. Das
defibrinierte Blut der Tiere, bzw. die gewaschenen Erythroeyten
wurden in der Weise geprüft, wie man einen Auswertungsversuch
mit einem zu untersuchenden Lysin anstellt, die erhaltenen
Resultate illustrieren die folgenden Tabellen.
(Siehe Tabelle XVH und XVIH auf 8. 218.)
Ein kurzer Blick genügt nun, um zu ersehen, dafs die Ery-
throeyten der Immuntiere durchaus keine Resistenz gegen die
Wirkung des Lysins aufzuweisen haben, in beiden Versuchen
ArohiT für Hygiene. Bd. LIV. 15
218
Über Hämolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
Tabelle XVH.
Kaninchen Nr. 178, darch sabkntane Injektion immunisiert
Lysin
in 2 ccm
0,85 proz.
Na Cl-Lösung
in 2 ccm
Erythrocyten
gewaschen
angewaschen
2
« i
komplett
komplett
1
1 !
do.
do.
0,8
1,2
do.
do.
0.6
1,4
do.
do.
0,4
Ifi
do.
fast komplett
0,2
1,8
do.
stark rot
0,1 ,
1,9
do.
do.
0,08 :
1,92 !
do.
rosenrot
0,06 ]
1,94
fast komplett
0
Die Wirksamkeit des Lysins auf Normalblut siehe Tabelle XVI.
Tabelle XVm.
Kaninchen Nr. 182, durch intravenöse Injektion immunisiert
0,85 proz. ,
. ^f *"" NaCl-Lösungl;
m 2 ccm . -. '.\
Erythrocyten
in 2 ccm
gewaschen
2
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0,1
0,08
0,06
1
1,2
1,4
1,6
1,8
1,9
1,92
1,94
ungewaschen
komplett
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
fast komplett
komplett
do.
do.
do.
do.
fast komplett
stark rot
schwach rot
rosenrot
Die Wirksamkeit des Lysins auf Normalblut ist in Tabelle XVI aufgezeichnet.
war Lc bei 0,08 (gewaschene Blutkörperchen) gelegen. Nur die
gewaschenen Blutkörperchen konnten ja für diesen Versuch aus-
schlaggebend erscheinen, denn die nicht gewaschenen hatten ja
naturgemäfs Immunserum anhaften. Diese schützende Wirkung
kommt auch bei letzteren in der Tabelle gut zur Darstellung,
nur ist es erstaunlich, eine wie grofse Wirkung hier so kleine
Mengen von Serum, wie sie auf den entsprechenden Anteil
eines Tropfens entfallen, auszuüben in der Lage sind. Bei
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 219
Kaninchen 178 geht der Wert von Lc = 0,08 auf 0,6 zurück,
bei Kaninchen 182 von ebenfalls 0,08 auf 0,4. Auch Mei nicke
(15) weist in einer eben erschienenen Arbeit darauf hin, welch
starke schützende Kraft die in einem Bluttropfen enthaltene
Menge spezifischen Serums zu entfalten vermag.
Aus den vorstehenden Versuchen geht klar hervor, dafs die
Erythrocyten von Kaninchen, deren Blut einen spezifischen Anti-
körper gegen das homologe Bakteriolysin besitzt, von diesem
Bakteriolysin ebenso gelöst werden, wie normale Erythrocyten ; die
schützende Kraft haftet am Serum der Immuntiere. Aus dem Be-
funde, dafs wir intravenös immunisierten Kaninchen-Lysinmengen
in die Blutbahn einspritzen können, ohne dafs eine Lösung er-
folgt, trotzdem ja doch ein inniger Kontakt zwischen der in-
jizierten Flüssigkeit und den roten Blutzellen des Tieres anzu-
nehmen ist, schliefsen wir, dafs der Antikörper im Serum des
Immuntieres eine gröfsere Avidität zum Lysin besitzen mufs,
als für dieses die Erythrocyten besitzen, dafs der avide Anti-
körper also alles Lysin rasch an sich reifst und neutralisiert, so
dafs die Erythrocyten nicht durch Bindung des Lysins geschädigt
werden können.
InfektionsYersnche.
I. Staphylococens pyogenes aureus.
Kraus und Clairmont (^^ fanden 1900, dafs es Stämme
von Aureus gibt, welche kein Bakteriolysin erzeugen, neben
solchen, denen Hämolysinbildung eigen ist.
Neisser und Wechsberg haben 1901 dann das Staphylo-
toxin in eingehender und genauer Weise studiert; ihre Technik
ist von den meisten Autoren akzeptiert worden, und ihre Arbeit
ist zurzeit so viel zitiert und so bekannt, dafs es überflüssig er-
scheint, auf dieselbe genauer einzugehen.
Bajardi (^^) hat im selben Jahre das hämolytische Ver-
mögen der Staphylokokken untersucht und berichtet, dafs Bouillon-
kulturen des Staph. aureus und albus auf die roten Blut-
körperchen des Kaninchens (gewaschen und ungewaschen) hämo-
15 ♦
220 Über Hämolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
lytisch wirken. Bajardi behauptet auch den Zusammenhang
zwischen hämolytischer und pyogener Eigenschaft.
Kraus und Ludwig haben Kaninchen subkutan Bouillon-
kulturen von Staphylococcus aureus injiziert, also gleichzeitig
Hämolysin und lebende Bakterien einverleibt; sie konnten kon-
statieren, dafs eine bedeutende Abnahme der roten Blutzellen
erfolgte. Die normale Zahl derselben war durch Kontrollen auf
5^/2 — 6^/2 Millionen im Kubikzentimeter festgestellt worden, und
nach der Injektion vorgenommene Zählungen zeigten, dafs Ab-
nahmen von 1, 2, ja bis 4 Millionen stattgefimden hatten. Dafs
wir heute schon ein Recht hätten^ solche Abnahmen ganz allein
durch die Hämolysinwirkung zu erklären — Kraus und Lud-
wig berühren diese Frage nicht — möchten wir sehr bezweifeln,
denn es ist ja durchaus nicht ausgeschlossen, dafs nicht im Ver-
laufe der Infektion durch ein Damiederliegen der Blutbildung
durch toxische nicht hämolytische Einflüsse ein Ersatz der durch
das Lysin zerstörten Blutzellen hintangehalten werde. Wenn wir
bedenken, dafs wir in unseren Versuchen bei der chronischen
Staphylokokkeninfektion mit Ausgang in multiple Abszefsbildung
Hämolyse niemals konstatieren konnten, während das Tier doch
zugrunde geht, so gewinnt vielleicht unsere Anschauung an Be-
rechtigung.
Die Arbeit von van Dur me (^®) ist im wesentlichen eine Nach-
prüfung und Bestätigung der Befunde von Ne isser und Wechs-
berg. Er neigt der Ansicht zu, die heute nicht von allen
Autoren geteilt wird, dafs ein enger Zusammenhang zwischen
Pathogenität und hämolytischem Vermögen der Traubenkokken
bestehe, gibt aber gleichzeitig zu, dafs die Akten über diese
Frage noch nicht geschlossen sind.
Kutscher imd Konrich(^^) haben das Verhältnis studiert,
in dem die Agglutinationsfähigkeit der Staphylokokken zur
Hämolysinbildung steht und gefunden, dafs zwischen beiden
gesetzmäfsige Beziehungen bestehen. Echte, eitererregende, durch
ein spezifisches Serum agglutinable Staphylokokken bildeten
ausnahmslos Hämolysin, eine Eigenschaft, welche sich nach der
Ansicht der Verfasser bei saprophytischen Kokken nicht finde
\
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 221
und zur Differenzierung pathogener und nicht pathogener Kokken
zu verwenden wäre.
Eine während der Abfassung des vorliegenden Berichtes von
Fränkel und Baumann(^) publizierte Arbeit zeigt sich nicht
in allen Punkten mit den Resultaten vonNeisser und Wechs-
berg einverstanden. So berichten Fränkel und Baumann,
dafs sie bei den meisten ihrer Kulturen die ersten Spuren der
blutlösenden Fähigkeit schon nach eintägigem Aufenthalte im
Brutschranke konstatieren konnten , während N e i s s e r und
Wechsberg erst nach 4 Tagen Hämolysinbildung beobachtet
haben. Auch betonen Fränkel und Baumann, dafs sie den
Höhepunkt der Lysinproduktion zwischen dem 6. und 10. gegen-
über dem 10. und 14. Tage von Neisser und Wechsberg
gefunden hätten.
Scheinen nun auch diese Unterschiede von untergeordneter
Bedeutung, so müssen wir doch ein Moment in der Methodik
hervorheben, das gewifs nicht gleichgültig sein kann.
Fränkel und Baumann arbeiteten mit nichtfiltrierten
Bouillonkulturen, Neisser und Wechsberg haben Filtrate
verwendet. Schon dieser Unterschied in der Technik schliefst
einen Vergleich der Resultate aus. Einmal könnte ja bei der
Verwendung von Bouillonkulturen die Wirkung der lebenden
Bakterienleiber, über deren Einflufs auf die Blutkörperchen nicht
viele Erfahrungen gesammelt sind, gewifs neben dem Einflüsse
der Stoffwechselprodukte in Betracht kommen, anderseits geben
Fränkel und Baumann ja selbst an, dafs sie fanden, dafs
durch den Filtrationsprozefs die hämolytische Kraft der Kulturen
vermindert zu werden scheine, eine Erfahrung, die auch wir ge-
macht haben. Kann da nicht in den Versuchen von Fränkel
und Bau mann eine additive Wirkung von Stoffwechsel produkt
und Bakterienleibern, und wenn es sich bezüglich letzterer auch
nur um katalytische Beeinflussung handeln sollte, einen stärkeren
hämolytischen Effekt erzielt haben gegenüber der durch die Fil-
tration vielleicht verminderten hämolytischen Kraft der Kulturen
von Neisser und Wechsberg?
222 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper^
Prinzipiell wichtiger ist eine andere Beobachtung, die Frän-
kel und Baumann gemacht haben. Sie betrifft die Thermo-
Stabilität des Staphylolysins. Neisser und Wechsberg er-
reichten eine Inaktivierung ihrer Kulturfiltrate durch 20 Minuten
langes Erwärmen bei 56 ^ Fränkel und Baumann erziel-
ten durch halbstündiges Erwärmthalten bei 60® nur eine Ab-
nahme der hämolytischen Kraft; ja zwei Filtrate wurden durch
Erhitzen auf 80 bzw. 100° nicht ihrer hämolytischen Fähigkeit
beraubt. Diese Hitzebeständigkeit hat Analoga im Typhus-, Koli-
und Pyocyaneus-Lysin.
Wir hatten zu wiederholten Malen Inaktivierungen von Staphylo-
lysin verschiedener Stämme vorzunehmen, aber bei unseren
Filtraten genügte stets ein halbstündiges Verweilen im Wasser-
bade von 65° C, um den gewünschten Zweck zu erreichen. Es
scheinen sich auch hierin nicht alle Staphylokokkenstämme gleich
zu verhalten, vielleicht auch beeinflufst die Kulturmethode die
Eigenschaften des Lysins.
Untersuchungen über Hämolyse bei mit Staph. pyog. aureus
infizierten Kaninchen.
Das Kaninchen stellt nach Neisser und Li pst ein P) das
klassische Versuchstier für Staphylokokkeninjektionen dar und
die klassische Applikation ist nach Ausspruch der beiden Autoren
die intravenöse Einspritzung. Es ist ja ein jedem Bakteriologen
bekannter Laboratoriumsversuch, die Injektion des Kaninchens
durch intravenöse Einverleibung von Kartoffelbrei mit Staphylo-
kokkenkultur vermischt vorzunehmen. Eine alte Erfahrung aber
im Laboratorium ist es, dafs die Staphylokokken in fast allen
ihren Eigenschaften eine grofse Unverlälslichkeit an den Tag
legen. Die Stämme schwanken sehr in ihrer Virulenz, auch die
Bildung von Hämolysin geht in vitro nicht immer Hand in Hand
mit der Virulenz; so berichten uns Neisser und Wechsberg
in einem Stamme, der bei erhaltener Virulenz die Fähigkeit der
Hämolysinproduktion gänzlich verloren hatte.
Tödlich verlaufende Infektionen kann man sowohl durch
intravenöse als auch durch intraperitoneale Einverleibung des
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 223
InfektioDsmaterials erzielen, wobei es ziemlich gleichgültig sein
dürfte, welchen Modus man wählt, wenn man nur bei der
intraperitonealen Einverleibung grofse Mengen von Kultur ein-
bringt, denn das Kaninchen gilt für die intraperitoneale Infektion
verhältnismäfsig weniger empfänglich.
Jedenfalls war für unseren Versuchsplan zunächst die intra-
venöse Infektion als die günstigere Chancen bietende heranzu-
ziehen, wenn wir auch später die intraperitoneale nicht aufser
acht lassen wollten. Die Infektionen nahmen wir immer nur
mit Agarkulturen vor. Die Einbringung von Bouillonkulturen
schliefst ja auch das Einverleiben von Giftmengen in sich, ein
Umstand, den wir lieber vermieden wissen wollten. Der chronische
Krankheitsverlauf mit multiplen Abscedierungen , der so oft
beobachteten Endo- und Pericarditis sollte ebenso für unsere Unter-
suchungen herangezogen werden, wie der durch hochvirulente
Kultur bedingte innerhalb weniger Stunden mitunter schon
tödlich verlaufende Prozefs.
Beide Typen des Verlaufes zeigen bezüglich der Hämolyse
ein durchaus verschiedenes Verhalten. Bei dem chronischen
Verlaufe (Tab. XIX) sehen wir intra vitam weder Hämolyse noch
Nachhämolyse auftreten, ja auch bei der Sektion ist weder
Hämolyse noch Nachhämolyse zu beobachten. Trotzdem Staphylo-
kokken im Blute zirkulieren, üben dieselben hier keine hämo-
lytische Wirkung aus. Gänzlich anders stehen die Dinge aber
bei jenem Falle, wo der Tod rasch nach der Injektion erfolgte
(Tab. XX). Da finden wir schon 1 Stunde nach der Einver-
leibung Hämolyse, hier Hämoglobinämie, ein Befund, der na-
türlich bei der sofort nach dem Tode (ca. 5 Std. nach der In-
jektion) vorgenommenen Sektion bestätigt wird.
(Siehe Tabelle XIX und XX auf S. 224.)
Besprechen wir nun die Resultate der intraperitonealen In-
fektionen (Tab. XXI und XXII), so sehen wir, dafs hier die
Verhältnisse ganz eigentümlich sich gestalten. Das eine Tier
(Nr. 90) reagiert auf die erste Infektion nur mit einer +^ NH. Nach
7 Tagen wird ihm eine zweite Kultur (1 Agarröhrchen) einge-
^4 Über HBmolyw im Reagen^l« and Im TÜMtkOtpw.
E
I
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 225
spritzt, das Tier geht innerhalb von 6 Stunden zugrunde, es
zeigt weder intra vitam noch bei der Sektion eine auf voraus-
gegangene Blutkörperchenlösung hinweisende Veränderung des
Serums. Wenn wir das Sektionsprotokoll genauer beachten, so
wird uns aber auffallen, dafs eine alte Peritonitis (noch von der
ersten Injektion verursacht) bestand und dafs wir in der Bauch-
wand Abszefsbildung konstatieren konnten. Wir haben es hier
also offenbar auch mit einem chronischen Prozefs zu tun (vgl.
Tab. XIX) und ebenso wie in dem Falle, auf welchen wir eben
verwiesen haben, kam auch hier eine Hämolyse in keiner Form
zur Beobachtung.
Anders im zweiten Falle (Tab. XXII). Dieses Tier erhielt
am 16. Juni 1903 eine Aufschwemmung von Staphylokokken (Agar-
kultur) intraperitoneal, es reagierte kaum, ja sein Gewicht über-
traf am 6. Tage nach der Infektion sein Anfangsgewicht. Am
7. Tage erhält das Tier zwei Agarröhrchen intraperitoneal injiziert.
Es zeigt uns ± NH am Tage darauf, nimmt ab, erholt sich rasch
und zeigt dann eine schwankende Gewichtskurve. Zirka 14 Tage
nach der zweiten Infektion erhält das Tier vier Röhrchen Agar-
kultur intraperitoneal. Es zeigt zirka 3^2 Stunden später
Hämoglobinämie, geht 4 Stunden nach der Infektion zugrunde,
die Sektion zeigt das Andauern der Hämoglobinämie, aber keine
Anhaltspunkte, dafs die beiden ersten Injektionen irgendwelche
Läsionen im Gefolge gehabt hätten.
Wir haben also bei unseren Staphylokokkeninfektionen
sowohl mit intravenöser wie auch mit intraperitonealer Infektion
zweierlei durchaus verschiedene Resultate erhalten.
Einmal jene Fälle (Nr. 86 und 90), in denen der Verlauf der
Krankheit ein langsamer war, wo es zur Ausbildung von. Abs-
zessen in den Nieren, zu entzündlichen Prozessen des Pericards,
zu schwartigen Verwachsungen gekommen ist, wo — bei intra-
peritonealer Einverleibung — eine fibrinöse Peritonitis und
Abscedierung der Bauchwand die Infektion bezeugen, bei denen
aber Hämolyse in keiner Form konstatiert werden konnte. Die
andere Gruppe ist jene (Nr. 88 und 206), wo die Tiere entweder
der ersten (intravenösen) Infektion in kürzester Zeit erlagen, oder,
226 Über Hämolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
ohne auf eine wiederholte (intraperitoneale) Infektion reagiert za
haben, infolge einer gröberen Dosis von Infektionsmaterial eben-
falls in kürzester Zeit starben. In beiden Fällen konstatieren
wir Hämolyse als Hämoglobinämie und Nachhämolyse.
Wir sehen da Hämolyse zunächst in den Fällen auftreten,
wo der Tod akutest eintritt (Nr. 88 imd 206). Hier werden wir
zur Erklärung des Auftretens der Hämolyse leicht mit der Aus-
kunft uns zufrieden geben, es seien die Kulturen hochvirulent ge-
wesen und dementsprechend eine tödliche und nach der Ansicht
vieler Autoren auch entsprechend stark hämolysierende Wirkung
erfolgt. Letztere kann man sich vorstellen, als durch direkte
Einwirkung der Bakterienleiber auf die roten Blutzellen bedingt,
insbesondere in jenen Fällen, wo ja durch intravenöse Injektion
die Staphylokokken direkt in die Blutbahn gelangen (Nr. 206),
für die intraperitoneale Einverleibung könnte auch noch der Auf-
fassung Rechnung getragen werden, dafs etwa durch die Peritoneal-
flQssigkeit Giftsubstanzen der Staphylokokken ausgelaugt und im
Wege des Kreislaufes rasch an die Erythrocyten gebracht würden.
Wie stehen wir aber Nr. 90 Tabelle XXI gegenüber?
Hier ist ebenfalls auf die intraperitoneale Einverleibung des
Bakterienmaterials hin in kurzer Zeit, innerhalb von 6 Stunden
der Tod erfolgt, aber wir konnten weder Hämolyse noch Nach-
hämolyse weder intra vitam noch bei der Sektion konstatieren.
Wohl aber fand sich, wie schon oben bemerkt, eine Peritonitis
älteren Datums und Abszefsbildung. Wir sind da vielleicht mit
unserer erneuten Injektion der Entwicklung eines kachektischen
Stadiums, das auch mit dem Tode geendet hätte, zuvorgekommen,
indem wir durch Einführung frischen, nicht als Hämolysin son-
dern als Endotoxin zu charakterisierenden Giftes den Prozefs zum
raschen letalen Ende brachten. Aber die Hämolyse blieb hier
aus, und für diese Erscheinung möchten wir uns bemühen, eine
Erklärung zu finden.
Es erscheint uns nicht unmöglich, dafs infolge der früheren
Injektion eine gewisse einseitige, nur das hämolytische Vermögen
der dann frisch eingebrachten Kulturmengen paralysierende
Immunität erreicht worden sei. Die Annahme dieser MögHchkeit
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
227
scheint uns wohl etwas gezwungen zu sein, insbesondere wenn
wir uns erinnern, dafs durch intraperitoneale Einverleibung von
Staphylolysin Neisser und Wechsberg eine Antikörperbildung
beim Kaninchen nicht gelungen ist. Auch wenn wir Ta-
belle XXII Nr. 88 in Betracht ziehen, steigen uns Bedenken auf.
Hier ist ja das Tier nach zwei erfolglosen Injektionen der dritten
binnen wenigen Stunden unter der Erscheinung von Hämoglobin-
ämie erlegen, ohne dafs die vorangehenden Infektionen eine
Immunität gegen Hämolyse erzeugt hätten. Aber da müssen wir
doch in Rechnung bringen, dafs die Immunitätslehre bei Staphylo-
kokkeninfektionen ein noch zu wenig bekanntes Gebiet darstellt,
um aus einigen nach anderer Richtung hin angestellten Ver-
suchen daraus Schlüsse für oder wider ziehen zu können.
Tabelle XXI.
StaphylococcQS pyogenes aareas. Intraperitoneale Injektion. Kanineben Nr. 90.
II
T'
r
Datum
jl Hämo- i Nach-
ij lyse j' hämolyse I
Bakteriologiscber
Befund
mikro-
skopiscb
Agaratrich
16. VI. 1903 ; Seramkontrolle
Cl^ p. m. Aufschwemmang von
Agarkoltnr intraperitoneal
17. VI. i! 12h 05'
18. VI. ' 12h 30'
19. VI. l 6h 45'
23. VI. 1 12h
nm 12h 05' i Röbrcb. Agarkaltur-
aufscbwemmung intraperitoneal
|j 4h 42'
Sektion li 5h 54'
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steril
steril
Staph. aar.
Am 17. VI. sebr krank. 18. VI. Zustand besser.
Am 20. VI. so munter, dafs von weiteren Entnahmen abgesehen wird.
Am 23. um 4h agonal. Tod innerhalb 6 Std. um 5h 54'. Sektion sofort.
Befand : Fibrinöse Peritonitis, Abszefsbildang in der Bauch wand. Im Abdomen
ca. 3 ccm trflbe Flüssigkeit.
Kultur: Leber 1 «* i. a ui * * -i
^ ^ , ^ ^ > Stapb. aur. Herzblut: stenl.
Bauchwandabszeis I
228
Über Hämolyse im Reagensglas and im TierkOrper.
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Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 229
Für die Staphylokokkeninjektionen des Kaninchens hätten
wir demnach hinsichtlich der Hämolyse den Grundsatz aufzu-
stellen: Die chronische Staphylomykose mit Ausgang in
multiple Abscedierung läfst uns während ihres ganzen
Verlaufes und nach erfolgtem Tode eine Hämolyse in
irgend einer Form nicht erkennen; die Anwesenheit
von Bakterien im strömenden Blute hatte hiebei keinen
hämolytischen Effekt zu bedingen vermocht.
Bei akutem Verlauf der Infektion ist jedoch
Hämolyse als Hämoglobinämie und Nachhämolyse zu
beobachten, gleichgültig ob die Einverleibung des
Bakterienmaterials intravenös oder intraperitoneal
erfolgt.
n. Streptokokken.
Gelegentlich der zahlreichen Untersuchungen, die man über
das Gift der Kettenkokken angestellt hat, wurde man auch
darauf aufmerksam, dafs dieselben unter Umständen blutlösende
Eigenschaften besäTsen.
Der erste, der einen solchen Befund verzeichnet, ist wohl
Bor de t P^), der im Jahre 1897 darauf hinweist, dafs man bei
der Sektion von Kaninchen, die Streptokokkeninfektionen erlegen
waren, Serum finde, welches durch Hämoglobin rot gefärbt sei.
Da wir uns im folgenden mit diesem Befunde Bordets zu be-
schäftigen haben werden, seien seine eigenen Worte hier wieder-
gegeben. Er sagt: >Au moment de la mort Texamen du sang
trahit des altärations manifestes des globules rouges. Ceux-ci
sont presque enti^rement disparu. Le coeur d'un lapin autopsiö
immddiatement apr^s la mort contient un caillot, assez volu-
mineux, rouge clair, imbibä d^un särum oü Thdmoglobine s'est
largement diSusäe.c
V. Lingelsheim(22) hat die Blutveränderungen bei Strepto-
kokkeninfektionen genau studiert. Er konstatierte als sehr
häufigen Befund bei Obduktionen von Tieren, die an solchen In-
fektionen zugrunde gegangen waren, eine lackfarbene Beschaffen-
heit der Blutflüssigkeit. V. Lingelsheim impfte dann mit dem
230 Über Hämolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
Blute solcher Tiere Röhrchen, die mit Blut derselben Tierart
beschickt waren, und konnte beobachten, dafs oft schon nach
3 — 4 Stunden Aufenthaltes im Thermostaten das Plasma anfing sich
rot zu färben, Hämoglobin also aus den roten Blutzellen ausgetreten
sein mufste. v. Lingelsheim versuchte nun festzustellen, ob
sich diese hämolytischen Veränderungen schon intra vitam zeigen,
und ob diesem Nachweise eine besondere Bedeutung für den
Krankheitsprozefs überhaupt beigemessen werden könne. Von
der Ansicht ausgehend, dafs die Anwesenheit von zahlreichen
Streptokokken im Blute Hand in Hand gehen werde mit der
Aufserung der blutlösenden Eigenschaft, versprach sich v. Lingels-
heim nicht viel für die Beurteilung des Krankheitsbildes, da ja
erfahrungsgemäfs die Überschwemmung des Blutes mit Strepto-
kokken erst spät, nach v. Lingelsheim in den allerletzten
Lebensstunden, einzutreten pflegt, v. Lingelsheim bediente
sich der Methode, das Blut der zu untersuchenden Tiere in eine
Lösung von zitronensaurem Natron (4 Teile Blut auf 1 Teil
5proz. zitrouensaures Natron und Kochsalz ana) einfliefsen zu
lassen. Das auf diese Weise vor dem Gerinnen geschützte Blut
wurde dann zentrifugiert. Bei dieser Methode fand v. Lingels-
heim erst etwa eine Stunde vor dem Tode auf Hämolyse deutende
Veränderungen, indem das Plasma rosenrot erschien. Mikro-
skopisch waren zu dieser Zeit zahlreiche Streptokokken im Blute
nachweisbar, v. Lingelsheim mifst nun aus dem Grunde,
weil ja die hämolytischen Veränderungen beim Streptokokken-
kaninchen erst zu einer Zeit aufzutreten pflegen, wo das Schicksal
des Tieres ohnehin »als besiegelt angesehen werden kannc, den-
selben für das Kaninchen keine Bedeutung bei. Beim Menschen
aber sieht er in der blutschädigendeu Wirkung, die gelegentlich
einer Streptokokkeninfektion die Mikroorganismen ausüben
können, leinen der Gründe für die schweren Anämien, die im
Anschlufsan septische Erkrankungen vielfach beobachtet werden, c
V. Lingelsheim gibt seiner Vermutung Ausdruck, dafs es
sich bei der blutlösenden Wirkung der Streptokokken um den
Einflufs von Stoffen handle, die Absonderungsprodukte sind. Da
es ihm nicht gelang, in den Filtraten von Streptokokkenkulturen
Von Dr. Oekar R. von Wunschheim. 231
hämolytisch wirkende Stoffe nachzuweisen, auch der Zusatz ab-
getöteter Streptokokken zu Blut vergeblich war, hält v. Lingels-
heim zum Zustandekommen der Hämolyse die Anwesenheit der
lebenden Bakterien für unbedingtes Erfordernis.
Nach einigen vergeblichen Versuchen ist es Besredka (^
gelungen, ein wirksames Filtrat von Streptokokkenkulturen zu
erlangen. Besredka züchtete seine Streptokokken in inaktiviertem
Kaninchenserum und filtrierte nach Verdünnung mit einer 0,75proz.
Na Cl- Lösung durch Chamberlandfilter. Auch Schaf serum, zu
einem Viertel mit Hasenserum versetzt, erwies sich als eine gute
Hämolysinproduktion gestattende Kulturflüssigkeit.
Wir möchten hier darauf aufmerksam machen, dafs
Schlesinger (^) in seinen i Untersuchungen über das Hämo-
lysin der Streptokokken« sagt, »Besredka fand im Gegensatz
zu Aronson in den Filtraten von Streptokokkenkulturen nie
Hämolysin. Er sah dies als Beweis an, dafs das Hämolysin in
den Bakterien selbst enthalten sei.c
Allerdings sagt Besredka (Annales de Tlnstitut Pasteur
Tome XV, 1901, pag. 881 et 882), den negativ ausgefalleneu
Versuch, durch Züchtung in Ascitesbouillon nach Marmorek
wirksame Filtrate zu erhalten, besprechend: »uous avons präparä
une culture en bouillon-ascite et 24 heures aprös quand eile a
6t6 d^jä trös abondante nous Tavons säpar^e des microbes ä la
bougie Chamberland dans l'espoir de d^couvrir dans le filtrat
rhdmolysine. Or ce filtrat essayä vis-ä vis de diffäreutes esp^ces
de globules rouges se montra aussi peu h^molytique que Test
le bouillon-ascite avant qu'il soit ensemenc^.c Dem aufmerk-
samen Leser der Besredkaschen Arbeit wird aber kaum ent-
gehen können, dafs nur wenige Zeilen unter obigen der Einleitung
angehörenden Worten zu lesen ist: »Sans nous d^courager de
ce räsultat n^gatif nous avons cherche ä varier les milieux de
culture; apr^s de nombreux tätonnements dont il särait inutile
d'entretenir le lecteur nous avons rdussi ä obtenir une Solution
d'hämolysine streptococcique, qui par Tintensitö de son action
ne c^de presque en rien ä celle de la culture enti^re de strepto-
coque vivant et virulent.*
23S Cher EEÜimiiTW im Bcatfefuigiai tmd iz. Ti«rkurp«r.
yatäriica miiifl auch gegen den zweiu&n Satz Ton Schlesinger
pmtestiert: werden. Denn ganz im Gegenteil hierza hac ^a Besredka
in meinen SchluläfoIgeTnngen Doch aosdräcklich hervorgehoben:
^Dans certainea conditiona bien d^rmin^es. le screptocoqae
f^crete ane »abstance de natore probablement diastasiqae.
«lai possede des propri^t^s h^moiytiqae« eres pronon-
ceeä.c Wir maCiten wohl auf Schlesingers Bemerkung ein-
gehen, am daa Weiterschleppen einer falschen Angabe in der
Literatur, wenn m^lich, zu verhindern.
Lubenau f^) teilt uns mit, dals er durch Kultivieren von
Streptokokken in einer >2'Vo Pepton enthaltenden EIxtraktbouillonc
wirksames Himolysin nachweisen konnte. Es ist seiner Arbeit
ans dem Zusammenhange zu entnehmen, daCs es sich um Filtrate
gehandelt hat,
Aronson P) ist es nicht gelungen, mit Filtraten von Strepto-
kokkenboaillonkulturen Hftmolyse zu erzielen, während die Kul-
turen vor dem Filtrieren hämolytische Kraft besessen hatten.
Meyer (^) bestätigt die Brauchbarkeit der Methode von Bes-
redka, mit welcher er gute Resultate erhalten hat.
Schlesinger (1. c.) beobachtete in Streptokokkenbouillon-
kultureu Blutlösung. Eine Arbeit von Breton (^ steht uns
leider nur im lief erat zur Verfügung. Breton soll in mit
Streptokokken injizierten Tieren schon 10 Stunden nach der In-
fektion eine Andeutung von Hämolyse konstatiert haben. Dieser
Erfahrung, welche weder den Befunden von v. Lingelsheim
noch den unsrigen zu entsprechen scheint, nachzugehen, ist uns
leider mangels der einschlägigen französischen Literatur derzeit
unmöglich gewesen.
Simon (^ hat eingehende Untersuchungen über die Gifte
der Streptokokken angestellt und ist bezüglich toxischer und
hämolytischer Wirkungen der Streptokokken zu höchst interes-
Muten Resultaten gelangt. Obwohl die Besprechung seiner
Versuche über die toxinbildende Fähigkeit der Kettenkokken
eigentlich nicht zu unserem Thema gehört, so können wir doch
nicht umhin, uns mit denselben zu befassen, da Simon Befunde
erhoben bat, die seiner Ansicht nach dafür sprechen, dafs
VoB I¥. <Mar R ivhi W«M(iai«UB. JSJt
xwiscbeii Toxialnldaiig and Lysinbildang bei Str^okokki^n <^ini^
gewisse RdmtioD — allerdings in negmUTem Sinne — b^lünde.
Der genannte Forscher hat tnnichsu um xo erfahren« ob
im Körper der mit Streptokokken inäxierten Tieie ein ge](\$tes
Toxin sich nachweisen lasse^ Kaninchen vor der Infektion
Alenronatanfschwemmnngen in die Pleurahöhle injiuert« dann
nach Verlauf Ton 6 — 34 Stunden eine tödliche Dosus virulenter
Streptokokken nachgespritxt Nach eingetretenem Tode wurde
das Exsudat gewonnen, filtriert und gesunden Kaninchen ein«
verleibt. Der Erfolg war verschieden; manche Tiere starben^
andere erioankten unter Gewichtsacnahme und xwei Verbuche
fielen n^ativ aus.
Diese Erfahrungen bewogen Simon« lu untersuchen« ob
sich nicht die Exsudate als Kulturboden für den Streptokokkus
eignen würden« ob es also gelingen würde, auf diesem \V<^^ im
Reagensglas wirksame Toxine danustellen. Die Kultivienmg
wurde im Buchnerröhrchen voi^euommen, entsprechend einer
Empfehlung von Manfredi und Traversa und im Sinne von
Roger. Diese Methode erwies sich als brauchbar« es gelang
Si mon, mit den Kulturfiltraten Kaninchen xu töten. Die Sektionen
dieser Tiere ließen stets eine lackfarbene Beschaftenheit des
Blutes vermissen, ebensowenig konnten blutig geerbte Er-
güsse im Pleuraserum oder Perikad konstatiert werden, wfthnnid
Simon bei an Streptokokkeninfektionen lugrunde gegangenen
Tieren allerdings nicht immer, so doch meist blutige Exsudate
in Pleuraraum und Perikard gefunden hatte.
Simon bemerkt nun bei dieser Gelegenheit, dtvTs er die
THämolvse in vivo, welche nach Marmore k (**) für die Staphylo-
kokkeninjektion pathognonomisch sein solle bei den Tieren, welche
mit lebenden Kulturen seiner drei virulenten Streptokokken-
stämme getötet wurden, nur in einer sehr kleinen Mindorziüd
der Fälle gesehen habe. Über die bei den letztgenannten Ver-
suchen angewendete Untersuchungsmethode, die ja, wie wir im
folgenden sehen werden, äufserst wichtig ist, fehlen ontsprochondo
Angaben, infolgedessen müssen wir uns hier kritischer Bemer-
kungen enthalten.
ArehiT für Uygien«. Bd. UV. U>
234 über H&molyse im Beagensglas und im Tiericörper.
Die mit den Filtraten, welche erwiesenermarsen ein Kaninchen
schädigendes Toxin enthalten hatten, augestellten Hftmolysever-
suche im Reagensglase fielen negativ aus. Da Simon die Schuld
an diesem Ausfall einem zu geringen hämolytischen Vermögen
seiner Streptokokkenstämme beimafis, suchte er durch Tierpassagen
dasselbe zu steigern. Ein Stamm wurde nacheinander durch
vier Tiere geschickt, indem jedes Tier direkt mit dem Herzblute
seines Vorgängers geimpft wurde, ohne dafs Kulturen auf künst-
lichem Nährboden eingeschaltet worden waren. Tier 2, 3 und 4
zeigten bei der Sektion lackfarbenes Blut Das fünfte Tier
wurde mit einer Bouillonkultur geimpft, welche aus dem Herz-
blut von Tier 4 gewonnen worden war. Simon bemerkt, dafs
»bei dessen Autopsie von einer Hämolyse in vivo nichts zu
sehen c war.
Nach Ansicht von Simon habe die einmalige Anwendung
der künstlichen Kultur die hämolytische Eigenschaft der Strepto-
kokken verschwinden lassen, während die erhaltene Virulenz
durch den Tod des Tieres zur Genüge bewiesen ist. Simon
will daher die Aufserung von Marmorek eingeschränkt haben
und wünscht, dieselbe solle lauten: Die Hämolyse in vivo wird
bei Tieren beobachtet, welche der Infektion mit dem Blut eines
Streptokokken-Tieres erliegen.
Wir kommen weiter unten auf diese Frage ausführlich zurück.
Bei den Untersuchungen Simons zeigte sich nun bezüglich
der toxischen und hämolytischen Wirkung zweier Filtrate, die
aus Exsudatbouillonkulturen gewonnen worden waren, eine eigen-
tümliche Divergenz der Wirkungen. Beide Exsudatbouillon-
kulturen waren mit dem gleichen Streptokokkus angelegt worden.
Das eine Filtrat erwies sich hämolytisch wirksam aber wenig
giftig, das andere ergab ein tödlich wirkendes Filtrat, aber die
hämolytische Eigenschaft fehlte gänzlich. Die Kulturen waren
ungefähr gleich alt gewesen, zeigten aber eine erhebliche Differenz
bezüglich ihres Wachstums. Simon konnte beobachten, dafs
diejenigen Filtrate den gröfsten Toxingehalt ergeben hatten,
welche aus Kulturen stammten, welche eine sichtbare Wachs-
tumshemmung durch, wie Simon meint, die bakteriziden Stoffe
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 235
des als Nährboden verwendeten Pleuraexsadates erlitten hatten,
und er konnte zeigen, dafs das toxische Vermögen seiner Filtrate
abnahm, ja gänzlich verschwand, wenn die Kultur zur üppigen
Entwicklung gelangte. Nach Simon also produzieren die
Streptokokken nur dann Toxine, wenn sie durch die bakteriziden
Säfte des Tierkörpers bis zu einem gewissen Grade in ihrem
Wachstum beeinträchtigt werden. Simon ist auch, jedoch mit
berechtigter Reserve, da er tiber zu wenig Versuche verfügt, der
Ansicht, dafs andererseits, nachdem in jenen Kulturen, welche
ofifenbar infolge einer geringen bakteriziden Energie den Strepto-
kokken gutes Wachstum gestatteten, reichliche Hämolysinbildung
zu beobachten war, Streptokokken nur dort Hämolysin erzeugen,
wo sie keinen grofsen antibakteriellen Widerständen ausgesetzt
sind. Mit Recht beruft er sich hierbei auf die Erfolge der Me-
thode von Besredka, der zur Hämolysingewinnung Kulturen in
inaktiviertem Kaninchenserum verwendete. Nach Simon also
sind die Bedingungen, unter denen Toxin und Hämolysin der
Streptokokken gebildet werden, gänzlich entgegengesetzte.
In neuester Zeit hat Kern er (31) über die Hämolyse der
Streptokokken Untersuchungen angestellt. Er konnte konstatieren,
dafs Bouillonkulturen hämolytisch wirkten; Filtrate von solchen
zeigten keine hämolytische Wirkung, jedoch erwiesen sich Filtrate
aus Kulturen in flüssigem Blutserum als blutlösend; auch hier
war eine durch den Filtrationsprozefs bedingte Abnahme der
hämolytischen Wirkung zu bemerken.
Unterauchungen Dber Hämolyae bei mit Streptoicokicen infizierten
Kaninclien.
Wir heben aus 14 Versuchen, die uns über die Hämolyse
bei infizierten Kaninchen orientiert haben, vier Versuche heraus.
V^or allem wäre aber zu bemerken, dafs von einer »Hämolyse in
vivo« bei der Streptokokkeninjektion insofern nicht die Rede
sein kann, als man die Beurteilung der sofort nach der Ent-
nahme zentrifugierten Probe in Betracht zieht. Aber auch die-
jenigen Proben, welche unmittelbar nach dem Tode entnommen
und sofort untersucht worden waren, liefsen eine Hämolyse
16*
236 Über Hämolyse im ReageDsglas oDd im Tierkörper.
(Hämoglobinämie) in keinem Falle erkennen. Zieht man jedoch
die Konstatierung der Nachhämolyse als verfeinerten Nachweis
heran, so sehen wir in allen Versuchen eine erfolgte Schädigung
der Erythrocyten deutlich ausgesprochen.
Die Frage nach der iHämolyse in vivoc oder der bei so-
fortiger Sektion (Bord et) gesehenen Blutlösung ist nicht ohne
Interesse, schon deshalb, weil wir, wie oben bereits angeführt,
Marmorek behauptet, erstere sei für die Streptokokkeninfektion
charakteristisch. Er sagt: iSeit Beginn unserer Versuche über die
Virulenzsteigerung des Streptokokkus haben wir konstatiert, dafs
das Blut von Kaninchen, welche uns zur Tierpassage dienen, sich
noch im Körper löst und eine klare durchsichtige Burgunderfarbe
annimmt. Diese Eigenschaft, die roten Blutkörperchen in den
Gefäfsen selbst aufzulösen, ist nicht blofs eine Fähigkeit, welche
den Streptokokken allein zukommt, sondern — und dies steigert
ganz besonders den Wert dieses unterscheidenden Merkmales —
sie wächst im geraden Verhältnis mit der Virulenz. Je viru-
lenter ein Streptokokkus ist, um so rascher und besser löst er
das Blut im Körper seines Wirtes.«
Wir haben da in erster Linie zu konstatieren, dafs vor un-
seren Untersuchungen die Methode auch die Nachhämolyse zur
Beurteilung des Verhaltens des Blutes infizierter Tiere zu ver-
wenden wohl nicht eingeführt gewesen ist, und dafs nur mit
Hilfe dieser Methodik auf eine eventuelle Schädigung »in vivo«
geschlossen werden kann, alle aber bei Streptokokkeniujektionen
dem lebenden Tiere oder dem eben verendeten sofort ent-
nommenen und untersuchten Proben ergaben uns ausnahmslos
das Fehlen einer Hämolyse. Das Verstreichenlassen aber einer
relativ geringen Zeit zwischen Tod und Zentrifugieren der sofort
nach dem Tode entnommenen Proben genügte, um wesentlich
andere Resultate sehen zu lassen. Das 12 Minuten vor dem
Tode entnommene Blut zeigte bei Kaninchen Nr. 81 Tabelle XXVI
farbloses Serum, das Serum des Sektionsblutes war gleichfalls
ohne Färbung, eine 3 Stunden später untersuchte Blutprobe
zeigte bereits purpurrotes Serum! Ja in einem zweiten Falle, wo
wir die Sektion nur wenig mehr als 30 Minuten nach dem
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
237
Exitus vornahmen, zeigte das Serum bereits einen starken Stich
ins Rötliche.
Dies wäre also als Nachhämolyse, nicht als Hämolyse »in
vivo« als Hämoglobinämie zu deuten. Diese konnten wir nie-
mals bei der Streptokokkeuinfektion beobachten, eine Schädigung
der roten Blutzellen im Verlaufe der Infektion ist jedoch sicher
und als NH in unseren Protokollen ausgewiesen.
Nicht nur der Angabe Marmoreks bezügUch der Hämolyse
in vivo begegnen unsere Zweifel, auch bezüglich des Zusammen-
hanges, den er zwischen Virulenz und Hämolyse konstruiert
hat, haben wir schwere Bedenken. Wie stimmt denn diese
Wechselbeziehung mit dem Versuche Simons (1. c), der in
fünfter Passage durch das Kaninchen von einer Hämolyse »in
vivoc bei der Sektion nichts bemerken konnte und wie stimmen
seine Angaben zu unseren Versuchsprotokollen?
Bezüglich der Hämolyse als Obduktionsbefund
haben wir genau zu unterscheiden, ob die Sektion
unmittelbar nach erfolgtem Tode vorgenommen wird
oder nicht. In ersterem Falle finden wir das Serum
ungefärbt, in letzterem ausnahmslos eine deutliche,
jedoch je nach der verstrichenen Zeit mehr oder
minder intensive Blutlösung eingetreten.
Tabelle XXHI.
Verhalten des Blutes von Streptokokken-Kaninchen je nach der Z^eit der Sektion.
Nr.
Sektion nach dem Tode
Hämolyse
77
Sofort
79
>
80
>
—
81
>
16
30—40 Minuten
+
78 1
1 V, Stunden
1 +
44 1
5 Stunden
: +
22
7 Stunden
! +
Auf diese Blutlösung als Sektionsbefund hat ja, wie schon
oben erwähnt, seinerzeit Bord et aufmerksam gemacht, nur
befremdet uns die zitierte Bemerkung des französischen Forschers
238 Über Hämolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
»autopsiä immödiatementc, da wir, wie gesagt, in allen unseren
Fällen, wo wir den Eintritt des Todes ad hoc abgewartet und
die Sektion sofort vorgenommen hatten, niemals eine Hämolyse
(Hämoglobinämie) konstatieren konnten. Vielleicht dürfen wir
das »immödiatementc nicht ganz wörtlich nehmen und soll da-
mit nur gemeint sein, dafs die Sektion sehr bald nach dem
Tode vorgenommen wurde. Dafür spricht auch der Umstand,
dafs Bord et selbst sagt »le coeur . . . contient un caillot assez
volumineux.c Wir haben unmittelbar nach dem Tode das Blut
stets flüssig gefunden.
Dals eine Verzögerung von 30—40 Minuten schon genügt,
um eine Nachhämolyse beobachten zu können, haben wir ja
oben gezeigt, und dafs es nötig ist, einen so scharfen Unterschied
zwischen Hämoglobinämie und Nachhämolyse zu machen, ist ja
erst ein Resultat der vorliegenden Untersuchungen. Auch auf
die Arbeit von v. Lingelsheim wäre noch einmal zurückzu-
kommen. V. Lingelsheim hat ja angegeben, dafs das in den
letzten Lebensstunden der Streptokokkentiere in 5 proz. Lösung von
zitronensaurem Natron und Kochsalz ana aufgefangene Blut
Hämolyse gezeigt habe.
Gegen diese Befunde läfst sich vor allem einwenden, dafs
die Flüssigkeit, in der sich die ja zweifellos schon geschä-
digten roten Blutzellen befanden, den Bedingungen der Jsotonie
nicht entsprach.
Es wurden 4 Teile Blut mit 1 Teil der Mischung versetzt,
was eine Kochsalzkonzentration von 1\ plus einer solchen von
1% zitronensaurem Natron entspricht. Nun ist ja bekanntlich
die isotonische Kochsalzlösung für Kaninchenblut 0,85 ^/g und
wir wissen, dafs geschädigte Erythroeyten auch nur geringe
Schwankungen des isotonischen Gleichgewichtes mit Hämoglobin-
austritt beantworten; es summiert sich hier zudem noch die
hyperisotonische Kochsalzkonzentration mit der Konzentration
des zitronensauren Natrons. Es dürfte also unserer Meinung
nach die Erklärung für die intra vitam beobachtete Lösung der
roten Blutzellen in den Versuchen von v. Lingelsheim ledig-
lich in der ungeeigneten Untersuchungsmethodik zu suchen sein.
Von Dr. Oskar R. von WanBchheim. 239
Wenn wir die in den folgenden Tabellen niedergelegten
Resultate betrachten, so können wir in dreien der Versuche
parallel gehend mit dem positiven bakteriologischen Nachweise
der Bakterien eine Schädigung des Blutes, Nachhämolyse, beob-
achten. Es könnte uns diese Konstatierung zu dem Schlüsse,
verleiten, dafs die Hämolyse unbedingt abhängig sei von dem
Auftreten der Bakterien im Blute. Dafs dies nicht zutreffen mufs,
zeigt uns Tabelle XXV Kaninchen Nr. 80. Hier konnten wir
am Tage nach der Infektion Bakterien im Blute mikroskopisch
nachweisen, letzteres wohl ein Zeichen, dafs sie in grofser Anzahl
kreisen mochten, aber eine Nachhämolyse ist zu dieser Zeit nicht
zu konstatieren. Noch am zweiten Tage nach der Infektion
kreisen Streptokokken, wie der kulturelle Nachweis ergibt; auch
diesmal finden wir weder Hämoglobinämie noch Nachhämolyse.
Ungefähr 9 Stunden später bleibt die Kultur steril und die
Untersuchung auf Hämolyse wie Nachhämolyse fällt negativ aus.
Vier Stunden vor dem Tode ist die Zahl der Bakterien im Blute
noch eine keineswegs sehr grofse, denn der mikroskopische
Nachweis ist nicht gelungen, die Kultur hingegen positiv ; gleich-
zeitig tritt Nachhämolyse in Erscheinung. Die sofort nach dem
Tode vorgenommene Sektion zeigt keine Hämoglobinämie, jedoch
Nachhämolyse.
Diese Befunde bestätigen durchaus die Ansicht von v.
Lingelsheim, dafs die Hämolyse erst eine Erscheinung der
letzten Lebensstunden des ohnedies dem Tode geweihten Tieres
sei, aber sie scheinen uns auch die Möglichkeit zu bieten, die
betreffs der Reagensglas versuche geäufserte Ansicht von Simon,
dafs die Streptokokken nur dann imstande seien, ein Hämolysin
zu bilden, wenn sie gute Wachstumsbedingungen finden, auf
den Tierversuch zu übertragen. Die bakteriziden Kräfte des
Tieres kämpften gegen die Streptokokkeninvasion, die produ-
zierten Toxine der Bakterien neutralisieren gleichsam nach und
nach die Widerstandsfähigkeit und siegen im Kampfe. Jetzt
kann eine Vermehrung der Streptokokken ungehindert erfolgen,
und da die Säfte des Tierkörpers nun einen guten Nährboden
für die Bakterien darstellen, sind im Sinne von Simon
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Von Dr. Oskar B. von WnDBcbheim.
Tabelle XXV.
Streptococcus pyogenee. Kaninchen 80. Intraperitoneal« Injektion i
2 ccm Tod noch ca. 4 Tagen.
Tabelle XXVI.
StreptococcQs pjrogenes. Kaninchen Nr. 81. Intraperitoneale Injektioc
20 ccm Tod nach ^ Stunden.
242
Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
Tabelle XXVH.
Streptococcus pyogenes. Kaninchen 82. Intraperitoneale Injektion von
1 Röhrchen 248tflndiger Agarknltur. Tod innerhalb 57 — 69 Stunden.
Datum
Zeit der
Ent-
nahme
Hämo-
lyse
Nach-
hämo-
lyse
BakterioloKischer
Befund
mikro-
skopisch
Agarstrich
1.VL1903
10h 55'
2. VL
8. VL
4. VL
Kontrolle
1 Infektion
11h 30'
12h 45'
Sektion
+ \
1
1
1
1
1 i
; + '
+ :
i
0
0
+
1
Steril
Strepto-
kokken
!Lebtam8.VL8h25'
! p.m., wird am 4. VI.
Früh tot gefund.
Sektion 11h 30'.
i Im Herzblut wenig,
; in der Milz und
' Leber massenhaft
1 viel Kokken. Kul-
' tur aus Herzblut,
Leber U.Milz ergibt
Streptokokken.
Bei den Streptokokkeninfektioneu des Kaninchens
zeigt sich eine Schädigung der Erythrocyten ledig-
lich in Form einer Naehhämolyse, eine Hämoglobin-
ämie ist nicht zu beobachtenl Der von Marmorek aus-
gesprochene Grundsatz betreffs der in vivo vor sich
gehenden Auflösung des Kaninchenblutes besitzt
keine allgemeine Gültigkeit, er ist auch in der von
Simon gewünschten Modifikation nicht haltbar. Bei
Kaninchen, welche einige Zeit nach dem Tode zur
Sektion gelangen, ist ausnahmslos Hämolyse zu
beobachten gewesen. Ob im Sinne der Reagensglas-
versuche Simons eine Relation zwischen Hämolysin-
produktion und erloschener oder herabgesetzter
Baktericidie auch im Tierkörper besteht, scheint
durch vorliegende Untersuchungen nicht ausge-
schlossen, doch mufs eine Klärung dieser Frage von
ausgedehnten, zu diesem Zwecke angestellten Ver-
suchen abhängig gemacht werden.
III. Milzbrand.
An Versuchen, das Gift des Milzbrandbazillus etwa in
Analogie zum Diphtherie- oder Tetanustoxin aufzufinden, fehlt
es nicht. Zahlreiche üntersucher sind bemüht gewesen, durch
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 243
mannigfache Variationen der Versuchs- und Kulturbedingungen
den Beweis zu erbringen, dafs auch der Milzbrandbazillus ein
eigentliches Toxin bebitze. Nachprüfungen aber haben Beobach-
tungen, die von einem Milzbrandtoxin berichten, nicht Stand
halten können und wir stehen noch heute auf dem Standpunkte,
dafs ein echtes Milzbrandtoxin nicht nachgewiesen erscheint.
Aus der umfangreichen Literatur sei hier nur die schöne Arbeit
von Conradi (^) zitiert, deren Einleitung uns einen historischen
Oberblick über die Frage des Milzbrandtoxines in erschöpfender
Weise bietet. Auch Conradi ist zu dem Resultate gekommen,
dafs der Anthraxbazillus ein extrazoUuläres lösliches oder ein intra-
zelluläres Gift im Organismus empfänglicher oder refraktärer
Tiere nicht bilde. Er ist ferner der Ansicht, dafs grofse Wahr-
scheinlichkeit bestehe, dafs der Milzbrand überhaupt keine gif-
tigen Substanzen im Tierkörper erzeuge, und dafs die Hypothese
von der Existenz eines Milzbrandgiftes zurückzuweisen sein werde.
Wir haben, als wir unsere Untersuchungen bei injizierten
Tieren auch auf die Milzbrandinfektion des Kaninchens aus-
dehnten, einen überraschenden Befund zu verzeichnen gehabt,
der geeignet sein dürfte, die Frage nach der Existenz des Milz-
brandtoxines nicht ruhen zu lassen.
Es war in unserer Untersuchungsmethode begründet, zu
trachten nicht nur von einem und demselben Versuchstiere
möglichst zahlreiche Blutproben untersuchen zu können, sondern
auch Proben zu erhalten, die möglichst kurz vor dem Tode ent-
nommen waren. Wir haben ja bei der Besprechung der Strepto-
kokkeninfektionen ganz im Sinne von v. Lingelsheim zeigen
können, dafs erst gegen das Lebensende des Tieres zu Verän>
derungen des Blutes vor sich gehen, welche uns meist als Nach«
hämolyse erkennbar wurden.
Es ist nun nicht leicht, bei der Milzbrandinjektion beiden
Postulaten gerecht zu werden, da wir gerade hier keinerlei An-
haltspunkte dafür besitzen, ob der Tod voraussichtlicli in längerer
oder kürzerer Zeit eintreten werde. Die individuelle Resistenz
der Kaninchen schwankt ja bezüglich des Todes auch bei gut
ausprobierten Milzbrandstämmen immerhin um mehrere Stunden
244 über Hämolyse im ReagensgUs und im Tierkörper.
und auB dem Wohlbefinden der Tiere IftCsi sich durchaus kein
Schlafs ziehen, da in den meisten FäUen das Tier noch einen
vollständig gesunden Eindruck macht, im nächsten Momente
aber schon anter starken Zuckungen apoplektiform zugrunde
gehen kann. Die erwähnten Schwankungen, welche in unseren Ver-
suchen zwischen 26 Stunden 45 Min. (frühester Tod) und 49 Stunden
45 Min. (spätester Tod) pendelten, also einen Zeitraum von 23 Stunden
beherrschten, liefern den Experimentator mehr minder dem Zu-
falle aus und nur eine grofse Reihe von Versuchen ermöglichte
es uns schliefslich, zu gut verwertbaren Resultaten zu gelangen.
Gleich der erste Versuch brachte uns prinzipiell die wich-
tigste Orientierung. Das eben vor unseren Augen plötzlich ver-
endete Tier wurde sofort geöffnet, aus dem Herzen rasch eine
Blutentnahme gemacht, zentrifugiert und wir fanden das Serum
puqiurrot gefärbt.
Zahlreiche andere Versuche haben dieses Resultat bestätigt,
wir hatten unter 24 Experimenten 8 mal Gelegenheit, die Sektion
unmittelbar nach dem Tode vorzunehmen und konnten immer
eine Hämolyse konstatieren. Da zwischen Tod und Blutent-
nahme gewifs nur ein Zeitraum von höchstens 5 Minuten ver-
strichen war, so werden wir wohl nicht fehlgehen, anzunehmen,
dafs diese hier konstatierte Hämolyse als Hämoglobinämie auf-
zufassen sein wird.
Diesen Befund bei der Milzbrandinjektion des Kaninchens
haben wir seinerzeit in einer vorläufigen Mitteilung (^^) beschrieben
und gelegentlich der Naturforscherversammlung in Kassel (^)
besprochen. Wir glauben, dals er geeignet sein dürfte, etwas
Licht über die Art und Weise der Giftwirkung bei der Milzbrand-
injektion zu verbreiten.
Wir sehen, wie gesagt, beim Milzbrandtode des Kaninchens
das Blutserum meist purpurrot verfärbt, nur in einem Falle war
eine braune Farbe an Stelle der purpurroten getreten. Aus der
Literatur wie aus eigenen Versuchen ist uns bekannt, dafs gewilse
Mikroorganismen die Eigenschaft besitzen, in vitro unter geeig-
neten Bedingungen Stoffwechselprodukte zu bilden, welche hämo-
lytisches Vermögen gegen die Erythrocyten der verschiedensten
Von Dr. Oskmr R von Wonschheim. 245
Tiere sowie des Menschen besitzen. Viele dieser Mikroorganismen,
aber durchaus nicht alle, sind Infektionserreger. Wir haben in
dieser Arbeit am Staphylolysin gezeigt, dalüs dasselbe — in vitro
prftformiert — Kaninchen in die Blutbahn eingespritzt, eine Auf-
lösung der roten Blutzellen zu bewerkstelligen imstande ist, welche
sich entweder als H&moglobinämie oder als Nachhämolyse doku*
mentiert. Wir konnten bei der Infektion mit Staphylokokken
ganz ähnliche Verhältnisse darlegen.
Wenn wir nun beobachten, dafs mitunter bei Infektions-
krankheiten, welche durch in vitro hämolysinbildende Erreger ver-
ursacht werden, eine Lösung der Erythrocyten auch im Tierkörper
stattfindet, so liegt der Schlufs ja nicht weit, anzunehmen, dafs
es sich bei der Milzbrandinfektion vielleicht um den Effekt einer
innerhalb des Tierkörpers erfolgten Lysinproduktion von selten der
Milzbrandbakterien handeln könne. Ob dieser Schlufs noch durch
den Nachweis einer hämolytischen Substanz in Milzbrandkulturen
gestützt wird oder nicht, ist vorläufig ja nicht von Belang, denn
es erscheint plausibel, dafs Bakterien im komplizierten Tierkörper
Stoffe bilden können, zu deren Aufbau in vitro die Bedingungen
vielleicht nicht günstig sind. So annehmbar nun auch diese
theoretische Erwägung scheint, so schwierig, vielleicht unmöglich
wird es sein, den direkten Nachweis des Lysins im Tierkörper
zu führen; er wird nur zu erbringen sein, indem wir die beob-
achtete Hämolyse als solche gelten lassen. Denn wie wir schon
eingangs auseinandersetzten, mub nach der Ehrl ich sehen
Theorie eine Bindung des Lysins durch die Zelle des Tierkörpers
(Erythrocyt) erfolgen und solange wir keine Methode besitzen,
um den direkten chemischen Nachweis dieser erfolgten Bindung
führen zu können, wird nur die Hämolyse als Folge der Ver-
ankerung das einzige Kriterium im Tierversuch bleiben müssen.
Ebenso wie wir also das Staphylolysin für die Schädigung
der Erythrocyten bei den Staphylokokkeninfektionen verantwort-
lich machen können, so ist es wohl auch erlaubt, hypothetisch
anzunehmen, dafs der Milzbrandbazillus im Tierkörper ein Lysin,
das Anthracolysin bilde, dieses an die Erythrocyten verankert
werde und in letzter Folge dann deren Auflösung bedinge und
246 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
damit vielleicht auch am Tode des Tieres Anteil habe. Unsere
Bemühungen, festzustellen, ob eine Hämolyse schon einige Zeit
vor dem Tode aufzutreten pflege, haben mit Ausnahme eines
klinisch ganz atypisch verlaufenen Falles (Tabelle XXIX, Nr. 47)
gezeigt, dafs bei Entnahmen, welche 1 Stunde 25 Min., 1 Stunde
45 Min. und 2 Stunden 22 Min. vor dem Tode gemacht worden
waren (Tabelle XXVIII, Nr. 1, 3, 68), Hämoglobinämie nicht zu
konstatieren war, dafs wir aber zu verschiedenen Zeiten in der
Lage waren, durch Verwertung der Nachhämolyse den Schlufs
auf eingetretene Schädigung der Erythrocyten zu ziehen. Die
oben dargelegten Schwierigkeiten verhinderten es, die zwischen
letzter Entnahme und Tod verstrichene Zeit unter 1 Stunde 25 Min.
herabzudrücken; dafs aber schon 1 Stunde 30 Min. und 2 Stunden
22 Min. vor dem Tode Blutkörperchen geschädigt sind, zeigt uns
die Nachhämolyse bei Nr. 68 und 74.
Also auch bei der Milzbrandinfektion tritt die Schädigung
der roten Blutzellen spät in Erscheinung, erst in den letzten
Stunden vor dem Tode; es besteht da, wie schon oben ange-
deutet, eine gewifse Ähnlichkeit mit den von v. Lingelsheim
für die Streptokokkeniufektiou gemachten Beobachtungen. Aber
während ja für die Streptokokken Gifte, die mit der Lysiuwirkung
sicher nichts zu tun haben, beschrieben sind, so fehlen uns beim
Milzbrande derartige einwandsfreie Beobachtungen gänzlich.
Sclavo berichtet in neuester Zeit über Lähmungen. Er (^)
hat Kaninchen mit einem vom Schafe stammenden Milzbrand-
serum geimpft, um passive Immunität gegen Milzbrand zu er-
reichen. Die Injektion des Serums wurde intravenös vorgenommen,
gleichzeitig das Tier subkutan mit Milzbiandbazillen injiziert.
Bei diesem Verfahren nun beobachtete Sclavo in 9 von 352
Fällen das Auftreten von sensiblen und motorischen Lähmungen
an den hinteren Extremitäten mit Ausgang in Tod. Die Läh-
mungen traten meist ziemlich spät, 16 bis 31 Tage nach der
Impfung auf. Sclavo meint, dafs durch die Einverleibungen
des Serums seine Kaninchen einen gewissen Schutz gegen die
Milzbrandinfektion erlangt hätten, welcher es verhinderte, dafs sie
in gewöhnlicher Weise akut zugrunde gingen, während die nun
Von Dr. 0«kar B. von Wanschheim. 247
gegebene längere Frist eine Erzeugung des lähmenden Giftes
gestatte.
Es scheint in der Tat ab und zu allerdings sehr selten und
wohl nur in jenen Fällen, welche klinisch atypisch verlaufen,
also solchen, bei denen eine längere Agonie dem Tode vorangeht,
zu nervösen Erscheinungen kommen zu können.
Wir sahen unter den Fällen, bei denen wir zur Zeit des
Exitus zugegen waren, zweimal einen abnormalen Verlauf der
Milzbrandinfektion. In dem einen Falle insofern, als der Tod
nicht plötzlich sondern erst nach einem deutlich ausgeprägten
längeren agonalen Stadium eintrat, während der zweite Fall mit
Lähmungserscheinungen einherging. Da es sich hier durchaus
um »neue« Tiere handelte, von denen mit Sicherheit auszu-
schliefsen war, dafs sie etwa schon einmal im Versuch gestanden
hätten, so gewinnt die Beobachtung der nervösen Symptome im
zweiten atypischen Falle vielleicht auch noch den Charakter des
Einwandes gegen die Auffassung von Sclavo, nachdem ja unsere
Tiere keineswegs immunisiert worden waren, sondern der ersten
Infektion erlagen. Es müssen da wohl uns noch gänzlich unbe-
kannte Vorgänge im Spiele sein.
Hinsichtlich der Hämolyse boten beide Tiere interessante
Befunde. Wir haben ja schon oben konstatiert, dafs bei nor-
malem Verlaufe der Milzbrandinfektion des Kaninchens zirka
2^/2 Stunden vor dem Tode eine Veränderung des Blutes niemals
nachzuweisen war, dafs das Tier plötzlich zugrunde geht, ohne
vorher wesentliche Krankheitserscheinungen dargeboten zu haben,
sowie dafs wir bei der sofort vorgenommenen Sektion in typischen
Fällen purpurrotes Serum vorfinden.
Anders verhielten sich die erwähnten Ausnahmen.
Nr. 67 (Tab. XXIX) zeigte schon zirka 3 Stunden vor dem
Tode Hämoglobinämie, während sonst ja Schädigungen der Blut-
körperchen vor dem Tode immer nur durch Konstatierung der
Nachhämolyse zu erkennen waren, und zudem war noch auf-
fallend, dafs dem Tode ein immerhin eine Zeitlang dauernder
Somnolenzzustand vorausging. Bei der Sektion zeigte das Serum
248 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
nicht den gewohnten purpurroten Farbenton, sondern eine gelb-
braune Färbung.
Nicht minder interessant gestaltete sich der Verlauf bei
Nr. 47, Tabelle XXIX. Hier begannen ungefähr 33 Stunden
nach erfolgter Infektion nervöse Symptome aufzutreten. Das
Tier sitzt zunächst mit gespreizten Vorderläufen da, beim Gehen
gleiten dieselben nach rechts und links aus. Dann stellen sich
Ruderbewegungen ein ; die Vorderläufe sind nun bei eingetretener
Ruhe senkrecht vom Leibe abgestreckt, die Hinterläufe ange-
zogen. Später nimmt das Tier eine Stellung ein, die der eines
sitzenden Frosches in der Haltung der Hinterläufe ähnelt, während
die vorderen Extremitäten starr und senkrecht zur Längsachse
des Körpers abgestreckt seitlich verharren. Nun verfällt das
Tier zusehends, wird so schwach, dafs es auf der Seite liegend
verharrt und wird dann, da ein Ende des agonalen Zustandes
nicht abzusehen war, getötet. Dieser Fall ist uns leider im An-
fange unserer Versuche zur Beobachtung gekommen, zu einer Zeit
also, wo wir den Wert der Nachhämolyse noch nicht schätzen
gelernt hatten. Später ist uns ein ähnlicher Fall nicht mehr
vorgekommen. Das eben erwähnte Tier zeigte bei künstlicher
Beleuchtung schwach rosenrotes Serum, das dann bei Tageslicht
betrachtet, gelb aussah. Bakterien im Blute wurden sehr früh-
zeitig nachgewiesen, kulturell schon 16^2 Stunden, mikroskopisch
(5 — 7 pro Gesichtsfeld) 6 Stunden vor der Tötung.
Wenn wir aber etwa glaubten, zwischen dem Auftreten der
Bakterien im Blute und der Schädigung der Erythrocyten ätio-
logische Schlüsse ziehen zu dürfen, wird ein Blick in Tab. XXVIH
uns überzeugen, dafs wir im Irrtume uns befänden. Bei Nr. 74
sind 10 Stunden vor dem Tode Bakterien im Blute beobachtet,
ohne dafs es zur Hämoglobinämie oder Nachhämolyse zu dieser
Zeit und in den nächsten Stunden gekommen wäre. Erst 1 Uhr
30 Min. vor dem Tode sehen wir Nachhämolyse auftreten. Erst
jetzt können wir die Bakterien nicht nur kulturell wie vorher,
sondern auch mikroskopisch feststellen, also als in gröfserer An-
zahl auftretend, konstatieren. Wollten wir nun beweisen, dafs
offenbar eine gröfsere Menge von Bakterien im Blute (mikro-
Von Dr. 'Oskar R von Wunschheim. 249
skopischer Nachweis) erst eine Alteration der Erythrozyten im
Gefolge habe, so könnten wir uns an Nr. 68 und 74 halten,
aber Nr. 63 würde uns sofort einsehen lassen, dafs die Richtigkeit
dieser Annahme nicht aufrecht zu erhalten wäre.
(Siehe Tabelle XXVIU und XXIX auf S. 250, 251 und 252.)
Wir möchten darauf hinweisen, dafs vielleicht auch bei der
Milzbrandinfektion erst nach erfolgter Aufserkraftsetzung des
leukozytären Apparates (Knochenmark) nach überwundener Bak-
terizidie eine Lysinproduktion stattfinde. Dafür scheint uns
sehr der Umstand zu sprechen, dafs wir die Schädigung der
roten Blutzellen erst in den letzten Stunden nachweisen können.
Für die Erklärung der tödlichen Wirkung kann man einmal die
Möglichkeit heranziehen, dafs durch die Lysinbindung die be-
troffenen Erythrozyten für die Respiration unbrauchbar geworden
sein können; aber auch noch ein zweiter Punkt verdient Be-
rücksichtigung.
Bei Vergiftungen mit Blutkörperchengiften findet man neben
der Auflösung der Erythrozyten meist, wie Kionka (^) meint,
vielleicht als Folgeerscheinung, die Gerinnungsfähigkeit des
Blutes gesteigert, so dafs es zu Gerinnungen im strömenden
Blute kommen kann. Dafs dann Embolien wichtiger Zentren
auch bei der Milzbrandinfektion eine Rolle spielen können, liegt
auf der Hand.
Bei der Milzbrandinfektion des Kaninchens finden
wir zur Zeit des Todes eine intensive Hämoglobinämie.
Eine Schädigung der Erythrozyten läfst sich schon
einige Zeit vor dem Tode als Nachhämolyse erkennen,
doch ist die Alteration der roten Blutzellen im all-
gemeinen erst ein Effekt der letzten Lebensstunden.
Erzeugt der Miizbrandbaziilu8 in kanatlichem Nährboden ein
Hämoiy8in7
Die Beantwortung dieser Frage mufste sich logischerweise
unseren im vorigen Kapitel dargestellten Untersuchungen an-
reihen. Die Literatur versagt bei dieser Frage. Nur bei
Sobernheim (^) finden wir eine kurze Bemerkung bezüglich
AiohiT für Hygi«ii«. Bd. LTV'. 17
240
Über Hämolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
günstige Bedingungen für die Lysinproduktion geschafEen. Zur
Zeit, als wir in Tabelle XXV bei Kaninchen 80 Streptokokken
im Blute nachwiesen, ohne dafs es zur Nachhämolyse kam, könnte
vielleicht das Blut noch widerstandsfähig genug gewesen sein,
es bot noch keinen guten Nährboden dar. In der Tat verschwinden
auch die Streptokokken wieder aus der Blutbahn. Die Toxine
belagern und schwächen den Organismus weiter, seine Bakterizidie
ist vielleicht überwunden, nun treten die Streptokokken neuer-
dings im Blute auf und diesmal kommt es — wenige Stunden
vor dem Tode — zur Schädigung der Erythrocyten.
In Tabelle XXVI bei Kaninchen Nr. 81 haben >^4r durch
Verwendung gröfserer Mengen von Bouillonkultur gleichzeitig
gröfsere Mengen von Toxin mit einverleibt und so vielleicht den
Verlauf des ganzen Prozesses beschleunigt.
Dafs aber bei Einverleibung von Agarkultur — abgesehen
von der Verlaufsdauer — ein Unterschied hinsichtlich der
Hämolyse gegenüber den Injektionen mit Bouillonkulturen nicht
zu bemerken ist, zeigt Nr. 82 in Tabelle XXVII. Hier verläuft
die Injektion langsamer, weil sich die Bakterien wohl erst ihren
Boden durch Toxinbildung im Körper erkämpfen müssen, während
ihnen im vorigen Falle die Einbringung schon präformierten
Toxines die Arbeit erleichtert hatte.
Tabelle XXIV.
Streptococcus pyogenes. Kaninchen 77. Intraperitoneale Injektion von
2 ccm Bouillon kultur. Tod nach 46 Stunden.
Datum
Zeit der
Ent-
nahme
Hämo-
lyse
Nach-
hämo-
lyse
Bakteriologischer
Befund
mikro-
skopisch
Agars trieb
25.V. 1903
6h SC p.m.
26. V.
27. V.
!f
Kontrolle
Infektion
7h
7ii30'
lOh
11h
4h 30'
11h 15'
Sektion
+
+
0
+
Strepto- 1
kokken i
Exitus am 27. V. um
4h 35'. Sektion so-
fort.
Befund: Mikrosko-
pisch in Herzblut
und Milz verein-
zelte, in der Leber
zahlreiche Diplo-
kokken. Kultur
aus Herzblut,
i Leber und Milz
Streptokokken.
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
241
Tabelle XXV.
Streptococcas pyogenes. Kaninchen 80. Intraperitoneale Injektion von
2 ccm BoaiUonkaltnr. Tod nach ca. 4 Tagen.
Datum
Zeit der
Ent-
nahme
Hämo-
lyse
Nach-
hämo-
lyse
Bakteriologischer
Befanfi
mikro-
Bkopixch
Agaratiich
27.V. 1903
&^ p. m.
28. V.
29. V.
30. V.
31. V.
Kontrolle
Infektion
12h 30'
10h 40^ , -
8h p.m.
Ilh30'
Sektion 1; —
+ ;;
+
Diplo-
kokken
0
+
Kultur
nicht
angelegt
Strepto-
kokken
steril
Strepto-
kokken
Exitus am 31. V. um
3h 28' Sektion so-
fort.
Mikroskopisch in
Herzblut, Milz und
Leber spärliche
ij Kokken, in der
M Kultur aus Herz-
" blut, Milz u. Leber
Streptokokken.
+
Tabelle XXVL
Streptococcus pyogenes. Kaninchen Nr. 81. Intraperitoneale Injektion von
20 ccm Bonillonkultur. Tod nach 25 Stunden.
Datum
Bakteriologisch er
Befund
mikro-
skopisch
Agars trich
27. V. 03
6h
28. V.
Kontrolle
Infektion
12h
7h 20' 1
Sektion
+
+
+
r
zahlreich.! Strepto-
Kokken kokken
do.
+
do.
+
Exitus am 28. V. um
7h 32' p. m. Sek-
tion sofort.
Peritonitis. Im
Bauchraum zirka
5 ccm nicht bluti-
ges Exsudat.
Eine 3 Std. nach der
Entnahme zentri-
f ugierteProbe zeigt
bereits purpur-
rotes Serum!
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I-
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
253
des Milzbrandbazillus »in Blutbouillon macht sich schwach
hämolytische Wirkung bemerkbare.
Zun&chst untersuchten wir, ob Blut, Bouillon kulturen zu-
gesetzt, gelöst werde. Das Resultat war ein höchst zweifelhaftes.
Der mit gewöhnlicher, schwach alkalischer Bouillon angestellte
Versuch liefs, in üblicher Weise ausgeführt, von hämolytischer
Wirkung der Milzbrandkulturen nicht viel erkennen ; erst als die
mit Blut beschickten Röhrchen neuerdings auf einige Stunden
in den Thermostaten gebracht worden waren, zeigte sich Lösung,
konstant in den jüngeren Kulturen bei gewaschenen Blutkörper-
chen (Kaninchen), aber nur in manchen derjenigen Röhrchen,
welchen Kaninchenblut zugesetzt worden war.
Tabelle XXX.
Hämolytisches yermögen von MiUbrandbouillonkaltaren.
(Kaninchenblatkörperchen.)
Alter der
Gewaschen
Nicht gewaschen
Kulturen
in Tagen
a
b
a
b
1
0
+
6
0
2
6
+
0
0
3
0
+
0
0
4
0
+
0
0
5
0
-h
0
0
6
0
6
0
+
7
0
0
0
0
8
0
0
0
+
9
0
6
6
0
10
0
0
6
6
11
0
0
0
0
12
0
0
0
0
a. Nach dem Blatznsatz 2^ bei 37 «* C, dann über Nacht in der Kälte gehalten.
b. Die a-Proben weitere 12 Standen bei 37 ^ C gehalten und dann das Reaaltal
notiert.
Der Möglichkeit Rechnung tragend, dafs auch beim Milz-
brand der Alkaligehalt der Bouillon von Einflufs auf die Lysin-
produktion sein könne, beschickten wir Kolben mit Fleischwasser
von verschiedener Alkaliuität, nach dem Vorbilde von Neisser
und Wechsberg (Vsi %i Vs) hergestellt mit Milzbrandbazillen,
254
Über Hämolyse im Reagensglas and im TierkOrper.
bewahrten dieselben bei 37® C auf und prüften nach ver-
schiedenen Zeiten die hämolytische Fähigkeit der Filtrate auf
Kaninchenblut (gewaschen). Das Arbeiten mit BouUlonkulturen
hatte Schwierigkeiten in der Beurteilung der Resultate ergeben.
Die Bouillonen vom Gehalte '/g ergaben ein negatives Resultat
(7, 14, 21 Tage). Der Kolben von a/, AlkaUnität, nach 8 Tagen
untersucht, liefs ebenfalls ein Hämolysin nicht erkennen. Das
nach 14täg]gem Wachstum aber gewonnene Filtrat zeigte blut-
lösende Kraft (Tab. XXXI). Ebenso Ueferte ein Filtrat von
Vs Alkalinität nach 7tägigem Wachstum der Kultur Hämolysin
(Tab. XXXII).
Tabelle XXXI.
Filtrat: 14 Tage alte Bouillonkultnr Anthrax 74, '/s alkalisch, gewaschene
Kaninchenblntkörperchen, die inaktiven Proben 1 Stunde bei 65° C gehalten.
Isotom. '
Filtrat
Kochsalz- i
Aktiv
Inaktiv
in 2 ccm
lösung
in 2 ccm
2 1
1
i
Flüssigkeit schwach rötlich,
rote Kuppe
1
0
1
1
Spur 1
0
0,8
1,2
Spur
0,6
1,4
0
0
0,2
1,8
0
0,06
1,94 i
0
0,02
1 1,98 1
i)
Tabelle XXXH.
Filtrat: 7 Tage alte Bouillonkultur Anthrax 74, Vg alkalisch, gewaschene
KaninchenblutkOrperchen, die inaktiven Proben 1 Stunde bei 65° C gehalten.
Filtrat
in 2 ccm
Isotom.
Kochsalz-
lösung
in 2 ccm
Inaktiv
2
1
0,8
0.2
0,06
0,02
Flüssigkeit rötlich, sehr starke Kuppe
1 Vs der Flüssigkeit stark rot
1,2 l' V^ der Flüssigkeit stark rot
1,8 I Spur
1,94 ' 0
1,98 jl 0
0
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 255
Um einen besseren Überblick über die Bedingungen zu er-
halten, unter denen der Milzbrandbazillus Hämolysin produziert,
wurde der in Tabelle XXXTTT ausgewiesene Versuch angestellt.
Aus technischen Gründen wurde der im Zusammenhange
dargestellte Versuch in zwei Etappen ausgeführt; in der ersten
Hälfte untersuchten wir die hämolytische Kraft innerhalb der
ersten 12 Tage, in der zweiten die zwischen dem 15. und
24. Tage produzierten Lysinmengen.
(Siehe Tabelle XXXUI u. XXXIV auf 8. 256 u. 257.)
Die Filtrate, welche aus ^/g und ^/j Bouillonkulturen gewonnen
worden waren, lassen jeglichen Einflufs auf die Erythrozyten des
Kaninchens vermissen, diese Grade von Alkalinität, die Extreme,
scheinen der Hämolysinproduktion des Milzbrandbazillus nicht
günstig zu sein. Anders verhält sich die Sache bei den Filtrateu
der 2/3 Bouillon. Hier fiel uns sofort nach dem Versetzen des
Filtrates mit dem Blutstropfen beim Umschütteln auf, dafs das
Blut in manchen Röhrchen (Tab. XXXHI in Stab 5, 6, 11, 12,
17 und 18 mit ß bezeichnet) Schokoladenfarbe zeigte. Von diesen
Röhrchen zeigten nach Ablauf des üblichen Aufenthaltes in
Wärme und Kälte einzelne (in der Tab. ß\) eine mehr oder min-
der starke braune Färbung der überstehenden Flüssigkeit. Diese
Erscheinung trat bei den gewaschenen Blutkörperchen noch bei
einer Verdünnung auf, wo sie bei den ungewaschenen ausblieb,
auch hatte das Inaktivieren der Proben keinen Einfiufs auf dieses
Phänomen gezeitigt. Da wir aus den füheren Versuchen
(Tab. XXXI und XXXII) wufsten, dafs das hämolytische Ver-
mögen der Filtrate durch Inaktivieren (1 Stunde bei 65® C) stets
aufgehoben worden war, so mufsten wir uns mit der Annahme,
dafs es sich hier keinesfalls um eine typische Hämolyse, sondern
vielleicht um eine Salzwirkung handeln könne, bescheiden.
Sichere Hämolyse jedoch erzielten wir mit dem Filtrat
15 Tage 2/3 (Stab 29 und 30 der Tab. XXXHI). Doch war die
hämolytische Wirkung äufserst schwach, sie äufserte sich in der
konzentrierten Lösung (2 ccm Lysin) in rötlicher Färbung, ohne
dafs der Tropfen komplett gelöst worden wäre, in den nächsten
256 Über HlmolyM im BMig«nig)u and im TSericOrper.
T »belle XXXin.
Hftmolftiacbe Wirknng von FIIInteD TeTBchiedon alter Milzbrmndbonillon-
kaltnren mit Terscbiedeoer Alkklioitlt.
Gewaschene (g) und nicht gewaachene (n) Kanin chenblaikörperchen.
^
^
p Chokoladen färbe den auf geschüttelten Blutes.
I Braunfärbung der FlQasitikeit.
-|- Botfärbuog d«r Flaasigkeit (typische HBmolyse).
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
257
Proben schwankte der Wert zwischen starker Kuppe und Spur;
0,1 hatte schon keine Wirkung mehr geäufsert. Das Verweilen
der Proben bei 65 ^ C durch eine Stunde (Stab 29 und 30) ver-
nichtete die hämolytische Fähigkeit.
Tabelle XXXIV.
Säaregrad der in Tabelle XXXIII verwendeten Filtrate.
Alter der Kultar
in Tagen
3
6
9
12
16
18
21
24
Alkaligehalt Vt )
Titre der Bouillon/
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
Titre des Filtrates
1,60
1,30
1,30
1,30
1,20
1,15
0,80
1.10
Differenz
+0,80
+0,50
+0,50
+0,60
+0,40
+0,35
0
+ 0,30
Alkaligebalt V, 1
Titre der Boaillon J
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
Titre des Filtrates
1,20
1,10
0,90
0,90
0,90
1,20
1,10
1.10
Differenz
+0,60
+0,60
+0,30
+0,30
+0,30
+0.60
+0,60
+0,60
Alkaligebalt >/, 1
Titre der Boaillon J
0,40
0,40
0,40
0,40
0,30
0,30
0,30
0,80
Titre des Filtrates
1,00
1,00
1,00
1,00
0,60
0.60
0,60
0,50
Differenz
+0,60
+0,60
+0,60
+0,60
-H>,30
+0,30
+0,30
+0,20
Die Zahlen geben an , wieviel Kubikzentimeter einer Vio ^ * l>ftuge zu 5 ccm
Boaillon bzw. Filtrat zugesetzt werdeo mufsten, am mit Phenolphthalein Rot-
färbung zu erhalten.
Auffallend ist in unserer Tabelle XXXIII verglichen mit
Tabelle XXXII, dafs, während wir in letzterer bei ^s Alkalinität
Hämolyse konstatiert hatten, hier mit ^/s Bouillon niemals ein
hämolytisch wirkendes Filtrat erzielt wurde, obwohl doch in allen
Versuchen ein und derselbe Stamm verwendet worden war. Auch
fällt uns auf, dafs die hämolytische Wirkung im allgemeinen
sich hinsichtlich ihrer Stärke innerhalb sehr bescheidener Gren-
zen bewegt. Verglichen mit den starken Graden von
Hämolyse, welcher wir im Tier bei der Milzbrand-
infektion begegnen, scheint die Aussicht bei dem
Milzbrandbazillus aus Bouillonkulturen wirksame
Filtrate zu erhalten, recht unsicher und quantitativ
wenig Ausbeute versprechend zu sein.
268 Über Hftmolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
Wie verhält sich der NaCI-Gehalt des Blutes bei der Milzbrand-
infelction des Kaninchens?
Zweck der folgenden Untersuchungen war, zu erfahren, ob
beim Verlaufe der Milzbrandinfektion eine nennenswerte Änderung
im Kochsalzgehalte des Blutes einzutreten pflege; eine solche
Änderung des osmotischen Druckes könnte ja durch Ansteigen
des Salzgehaltes (Hyperisotonie) oder durch Abfallen desselben
(Hypisotonie) die roten Blutzellen zum Austretenlassen ihres
Hämoglobins zwingen.
In erster Linie sollten uns einige Untersuchungen an nor-
malem Kanincheublut Aufschlufs über den Gehalt desselben an
Cl geben, welcher Wert dann als NaCl berechnet unseren Resul-
taten zugrunde liegt.
Nach Abderhalden pj finden sich in 1000 Gewichtsteilen
Blut 2,898 Teile Chlor. Auf NaCl berechnet entspricht diese
Zahl einem Gehalte von 4,775 NaCl für 1000 Teile, also 0,47 V
Wir haben in unseren Untersuchungen gewogene Blutmengen
verascht, die Asche gelöst, iin der Lösung den Cl-Gehalt nach
Mohr bestimmt und die Werte zusammen auf NaCl% um-
gerechnet. Tabelle XXXV gibt eine Übersicht über die gefun-
denen Werte. Nimmt man den Durchschnitt aus den sechs Be-
stimmungen, so erhalten wir einen Wert von 0,46 ®/o NaCl für
Kaninchenblut, also eine zu den Analysen von Abderhalden
(0,47%) durchaus gut stimmende Zahl.
Tabelle XXXV.
Cl-Gehalt normalen Kaninchenblutes als NaClVo berechnet.
Durchschnitt 0,46 V©.
Chlorgebalt des Blutes nach Abder-
halden auf Na Cl % berechnet
0,470 V
Gröfste Differenz normaler Zahlen
0,13.
Um den Gehalt des Blutserums an NaCl zu bestimmen,
niüfste man natürlich eine komplizierte Rechnung anstellen, um
den auf die Blutkörperchen selbst entfallenden Wert, für Cl zu
I
0,48
II ,
0,52
III
0,50
IV
0,45
V ,
0,39
VI
0.46
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
259
bestimmen, um welchen verringert die für das Blut gefundene
Zahl beim Serum Gültigkeit hätte.
Den mit Milzbrand infizierten Tieren wurden von Zeit zu
Zeit Blutentnahmen gemacht, der Cl-Gehalt des Blutes wie oben
bestimmt und auf NaCl% umgerechnet. Die Zahlen sind in
folgender Tabelle verzeichnet.
Tabelle XXXVI.
Cl-Gehalt des Blutes bei Milzbrandinfekt, des Kaninchens berechnet als Na Gl.
Nr.
Stunden nach
der Infektion
Stunden
vor
dem Tode
23
6
DiffereoK
zwischen
Kontrolle u.
Sektions-
blnt
62 1 Kontrolle
l| 24
41
I 47 (Sektion)
67 <j Kontrolle
II 24
|l 47V.
l! 50'/, (Sektion)
ii
68 ll Kontrolle
li 24
i! 47
!! 49V, (Seküon)
Gröfste Differenz unter normalen Bluten
0,39
26V,
0,43
3
0,48
0,46
0,46
25V,
0,40
2V',
0,60
0,57
0,01
0,07
0,11
0,13
Wie wir sehen, sind keine besonderen Differenzen zwischen
den Na Cl- Werten des Kontrollblutes (vor der Infektion) und den-
jenigen des Sektionsblutes zu verzeichnen. Die gröfste Differenz
beträgt 0,11. Sehen wir uns in Tabelle XXXV die gröfste
Differenz an, welche der Na Cl-Gehalt des Blutes bei normalen
Tieren aufweist, so finden wir eine gröfsere Zahl, nämlich 0,13.
Die Schwankungen dieser Zahlen unter normalen Tieren sind
also gröfser als die gröfste Differenz zwischen Normalblut und
Sektionsblut eines Milzbrandkaninchens gewesen. Wir glauben
also die Annahme einer Störung der Isotonie für die roten Blut-
zellen des Kaninchens, soweit der Na Cl-Gehalt in Betracht kommen
könnte und unsere wenigen Versuche ein Urteil gestatten, als
ätiologisches Moment für die Hämolyse bei der Milzbrand-
infektion als nicht genügend begründet zurückweisen zu müssen.
260 Über Hämolyse im Reagensglas und im TierkOrper.
Aber wir sind imstande, noch einen anderen Beweis dagegen
zu führen, dafs Störung der Isotonie bei der Milzbrandinfektion
für die Hämolyse verantworthch zu machen sei.
Wenn im Serum des milzbrandkranken Kaninchens zur
Zeit, wo wir eine Schädigung der Erythrozyten nachweisen
können, geänderte isotonische Verhältnisse Schuld tragen sollen
an der Auflösung, so mufs es uns ja gelingen, durch Einbringen
von normalen Blutkörperchen in das kranke Serum dieselben
zur Auflösung zu bringen. Dieses Experiment versagt gänzlich;
nebenbei sei erwähnt, dafs es mit grofsen Schwierigkeiten ver-
bunden ist, das zum Versuche geeignete Serum zu erhalten.
Wir haben schon oben darauf hingewiesen, dafs die Schädigung
der roten Blutzellen erst in den letzten Stunden vor dem Tode,
und zwar als Nachhämolyse, erkennbar zu werden pflegt. Dafs
eine Nachhämolyse eingetreten ist, können wir aber erst am
Tage nach der Entnahme konstatieren, und wir wissen zur Zeit
derselben noch nicht, ob wir Nachhämolyse beobachten werden;
dieser Umstand fordert einerseits möglichst viele Entnahmen,
anderseits aber wollen wir ja eine Entziehung gröfserer Blut-
mengen tunhchst vermeiden. Zu beachten ist auch noch der
Umstand, dafs das Serum des entnommenen Blutes nicht mit
demselben in Berührung bleiben darf, sondern sofort abgesondert
werden mufs, da wir ja im Falle einer Nachhämolyse auch in
der Probe, mit welcher wir dann den Versuch zu machen haben
werden, Färbung des Serums erhalten würde und eine kolori-
metrische Bestimmung dann nicht mehr gut durchführbar wäre.
Tabelle XXXVII und XXXVIII stellt die Resultate dar.
In Tabelle XXXVII haben wir zwei Versuche verzeichnet, welche
uns zunächst im Kopfe der Tabelle Aufschlufs über das Ver-
halten des Tieres geben. Wir sehen hier registriert, ob und
wann Hämolyse (H) oder Nachhämolyse (NH) aufgetreten sei,
wir finden auch angegeben, ob mikropisch (m) oder kulturell (k)
zu dieser Zeit Bakterien im Blute nachgewiesen worden seien.
Die Versuche wurden so angestellt, dafs die entsprechenden Sera
(aktiv und inaktiv) mit normalen gewaschenen Kaninchenerythro-
zyten gemischt und mit dem Gemisch 3 Kapillaren gefüllt wurden.
Von Dr. Oskar B. yon Wanschheim.
261
Eine dieser Kapillaren wurde sofort zentrifugiert und das ab-
gesetzte Serum neuerdings in eine Kapillare so umgefüllt, dafs
keine Blutkörperehen mehr zugegen waren. Dieses Röbrchen
diente als Vergleichsobjekt; die anderen Röhrchen blieben bis
zum nächsten Tage bei Zimmertemperatur liegen, wurden dann
zentrifugiert und mit dem Teströhrchen verglichen. Dieselbe
Technik wurde bei Tabelle XXXVIII geübt, nur wurde hier in
Stab 4, 5 und 6 Kochsalzlösung an Stelle des Serums verwendet.
In Tabelle XXXVII Nr. 67 kam nun der Umstand zugute,
dafs die schon intra vitam aufgetretene und weiter oben bereits
genügend gewürdigte Färbung des Serums nicht so intensiv war,
dafs es nicht noch möglich gewesen wäre, bei Blutkörperchen-
zusatz und eventueller Lösung eine Verstärkung des Farbentones
zu konstatieren. Auch hier trat keine Lösung der dem Serum
zugesetzten normalen Kaninchenerythrozyten ein.
Dafs aber eine Schädigung der Blutkörperchen des kranken
Tieres erfolgt war, zeigt uns auch der Versuch in Tabelle XXXVIII,
wo sich die Blutkörperchen, in Na Cl suspendiert, lösten, während
die mit normalen Blutkörperchen angesetzte Kontrolle keine
Lösung aufwies. Hier verhalten sich die Blutkörperchen genau
so wie die durch Staphylolysininjektion geschädigten Blutzellen,
und auch dadurch gewinnt der Schlufs, dafs es sich bei der
Milzbrandinfektion um die Bindung von Anthrakolysin, das im
Tierkörper erzeugt wird, handle, vielleicht an Wahrscheinlichkeit.
Tabelle XXXVII.
Einflafs des Serums milzbrandkranker Kaninchen auf normale Kaninchen-
erythrozyten.
H
^^^
^^^
H
'! +
+
NH
—
—
—
+
NH
- .i +
+
m
—
—
—
+
m
- \ +
+
k
—
—
+
k
1
+
-4-
vordem
Tode
Serum des
Tieres vor d.
Infektion
25h 42'
18h 22'
2h 42*
vordem
Tode
17h 45'
2h 58'
sofort
nachdem
Tode
Nr.
a
*
1
a
1
a! i
1 .
a 1
Nr. 1
a
•
1
a
•
1
a
•
1
68 1
0
6
0
0
0 ; 0
0
0
67
0
0
0
0
0
0
a =. aktives Serum, i = inaktives Serum.
262
Über Hämolyse im Keagensglas and im Tierkörper.
Tabelle XXXVm.
Einflafs des Serams milzbrandkranker Kaninchen auf normale Kaninchen-
erythrozyten. Nachlösnng der kranken Blutkörperchen in isotonischer Koch-
salzlösung.
H
NH
m
k
vor dem
Tode
ca. 20 Std.
+
+
ca. 3»/, Std.
+
+
ca. 3V, Std.
+
+
+
Sektion
Kontrolle
Nr. 73
Serum 73 +
normale
gewaschene
Erythrozyten
Serum 73 +
normale
gewaschene
Erythrozyten
Blutkörper-
chen 73
in 0,85 proz.
Na Cl-Lösung
Blutkörper-
chen 73
in 0,85 proz.
Na Cl-Lösung
NormaleBlut-
körperch«a
in 0,85 proz.
Na Cl-Lösung
keine Jjösung
2
keine Lösung Lösung
3 ; 4
Lösung |keine Lösung
5 6
Kreist bei der Miizbrandlnfelction des Kaninchens freies Lysin
im Serum?
Wir haben dieselbe Frage gelegentlich der Versuche mit
Staphylolysin für den Staphylokokkus verneint. Auch für den
Milzbrand stehen wir auf demselben Standpunkte, der theoretisch
wohl fundiert ist und oben bereits besprochen wurde. Als ex-
perimenteller Beweis hätte auch hier das durchaus negative
Verhalten der Serumproben in den oben zitierten Tabellen XXXVII
und XXXVIII bei Nr. 67, 68 und 73 zu gelten. Im Serum be-
findliches, freies, nicht verankertes Lysin hätte von den Erythro-
zyten gebunden werden müssen, welche dann der Lösung anlieim-
gefallen wären.
Warum sehen wir beim Milzbrandicaninchen icelne Hämoglobinurie?
Wir konnten bei der Milzbrandinfektion des Kaninchens
zeigen, dafs eine sehr intensive Hämoglobinämie bei unmittelbar
nach dem Tode vorgenommenen Sektionen bereits vorhanden ist.
Da wir ja heute über die Existenz eines Milzbrandtoxins so gut
wie nichts wissen, war der Gedanke nur selbstverständlich, den
Tod des Milzbrandkaninchens mit der intensiven Auflösung von
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 263
roten Blutkörperchen in Zusammenhang zu bringen. Nun wissen
wir, dab es eme ganze Menge von Krankheitsprozessen des
Mensehen gibt, bei denen Hämoglobinurie aufzutreten pflegt,
die ja eine Folge bestehender Hämoglobinämie ist, Hämoglo-
binurien, die eine Zeitlang anhalten, durchaus nicht immer
tödlich enden, sondern in vielen Fällen mit Genesung des
Patienten ablaufen. Wir wollen nur an die paroxysmale Hämo-
globinurie, an Fälle von Hämoglobinurie bei Scharlach (Heub-
ner) und anderen Infektionskrankheiten erinnern, auch des
Schwarzwasserfiebers nicht vergessen. Niemals aber haben wir
beim Milzbrandkaninchen Hämoglobinurie beobachten können,
obwohl die Intensität der Hämolyse zweifellos so grofs war
(purpurrotes Blutserum), dafs für das Zustandekommen einer
Hämoglobinurie, soweit es auf die Hämoglobinmenge im Blute
ankommt, sicherlich die nötigen Bedingungen gegeben gewesen
sein müfsten. Immerhin wollten wir Vergleichsmaterial unter-
suchen, um bei Vergiftungen mit Blutgiften nachzusehen, wie
sich einerseits Auftreten von freiem Hämoglobin im Serum zur
Hämoglobinurie verhalte, und wie sich andererseits wiedervun
die Intensität der Hämolyse zum Erlöschen der Lebensfunktion
stellen möge.
Es ist eine bekannte Tatsache, dafs bei subkutaner Einver-
leibung von Glyzerin beim Kaninchen Hämoglobinämie und
Hämoglobinurie sich einzustellen pflegt, während angeblich bei
intravenöser Einverleibung die Lösung der roten Blutzellen aus-
bleiben soll. Fi 1 ebne (^) erklärt auf Grund von experimentellen
Erfahrungen die Vorgänge folgen dermafseu : Bei der subkutanen
Injektion von Glyzerin treten die die Injektionsstelle passierenden
Erythrozyten in DifEusionsverkehr mit dem Glyzerin, verlieren
Wasser und die in diesem gelösten Salze, sie schrumpfen; ge-
langen nun solche Blutkörperchen in normales Blut oder nor-
males Serum, so quellen dieselben vermöge erfolgender Blut-
wasseraufnahme auf und nun diffundiert der Blutfarbstoff ins
normale Senmi, die Hämoglobinämie ist da. Bei intravenöser
Zuführung des Glyzerins hingegen ist nach Fi lehne den roten
Blutzellen wohl die Diffusionsmöglichkeit gegen das Glyzerin
264
über Hftmoljte im BeageiiBgUs and im Tierkörper.
gegeben, aber es sei hier kein Lösungsmittel und deshalb die
Bedingungen zum Austritte de^ Blutfarbstoffes nicht vorhanden.
Ohne weiter diese Ansicht von Filehne diskutieren zu wollen,
sei nur erwähnt, dafs wir durch intravenöse Injektion von Glyzerin
(10 ccm) beim Kaninchen intensive Hämoglobinämie auslösen
konnten. Diese Eigenschaft des Glyzerins nun verwendeten wir,
um aus der Intensität der Hämoglobinämie bei der Glyzerin-
vergiftung eventuelle Rückschlüsse auf den in respiratorischer
Hinsicht gewifs nicht zu unterschätzenden Ausfall an roten Blut-
zellen bei der Milzbrandinfektion ziehen zu können.
Die Versuche wurden mit subkutaner und intravenöser
Applikation des Glyzerins angestellt, der Einfachheit halber seien
nur erstere besprochen. Nach kurzer Zeit, schon 5 Minuten nach
beendeter Injektion des Glyzerins, bemerken wir beginnende
Hämoglobinämie, dieselbe ist nach 15 — 30 Minuten bereits so
deutlich erkennbar, dafs ein Zweifel ausgeschlossen erscheint.
Starke Grade wurden schon 1 Stunde 40 Minuten nach der Ein-
verleibung beobachtet und bei zwei Tieren, die 1,22% bzw.
1,37% ihres Körpergewichtes an Glyzerin injiziert erhalten hatten,
trat der Tod ein, ohne dafs es zur Hämoglobinurie gekommen
wäre.
(Siehe Tabelle XXXIX auf S. 265.)
Diese Fälle zeigen, dafs durchaus nicht immer eine Hämo-
globinämie auch von Hämoglobinurie begleitet oder gefolgt sein
müsse. Dies scheint erst dann der Fall zu sein, wenn die
Hämoglobinämie im Tierkörper durch längere Zeit perisistiert
und zwar vielleicht gerade in den Fällen, in welchen zunächst
durch einige Zeit nur mildere Grade von Hämoglobinämie be-
stehen. Wir haben in Tabelle 40 einen solchen Fall dargestellt.
Das Tier, welches eine viel gröfsere Prozentmenge von Glyzerin
erhalten hatte als die beiden vorerwähnten, von dem wir also
einen zu mindest ebenso raschen Tod annehmen konnten, erlag
der Vergiftung viel langsamer als die anderen. Hier kam es zur
Hämoglobinurie, die wir intra vitam und bei der Sektion kon-
statieren konnten.
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
265
Tabelle XXXTX.
Sabkutane Injektion von Glyxerin bei Kaninchen. Fehlen der Hämo-
globin urie bei starker HämoglobinAmie.
Kanin-
Blut-
Seit der
chen
, probe
Injektion
Farbe des Blutsemms
Nr.
1
; Nr.
verstrichen
61
1
Kontrolle
fast farblos
Erhält 1,37 Vo »eines
t
2
5 Min.
schwach rötlich
Körpergewichtes rei-
1 3
1
10 Min.
do.
! nes Glyserin sub-
> 4
20 Min.
do.
kutan.
5
30 Min.
st&rker rötlich als Nr. 4
Der Blaseninhalt seigt
1
!
6
45 Min.
stärker rötlich als Nr. 5
sich bei der Sektion
1
1
7
1 Std.
sehr stark rötlich
lichtgelb.
1
1
1
8
1 Std. 40 Min.
purpurrot
1
1
1
' 9
2 Std. 07 Min.
purpurrot
10
2 Std. 11 Min.
(Tod,Seklion)
purpurrot
60
1
Kontrolle
farblos
Erhält 1,22 »/o seines
1
2
15 Min.
rötlich
Körpergewichtes rei-
1
1 3
30 Min.
nes Glyzerin subkut.
1
1
4
50 Min.
snnehmende Intensität
Die 15 Min. vor dem
1
5
1 Std. 20 Min.
der Rotfärbung
Tode vorgenommene
1
6
1 Std 50 Min.
/
Blasenpunktion zeigt
1
1
7
2 Std. 50 Min.
hellgelb, nicht hämo-
1
Tod, Sektion
stark weinrot
1 globinurischen Harn.
Tabelle XL.
Kaninchen Nr. 302 erhält 33,8 g Glyzerin (2^/^ seines Körpergewichtes)
subkutan. Hämoglobinämie und Hämoglobinurie.
Seit
Nr.' der Injektion
verstrichen
Serumfarbe des
sofort zentri-
fugierten Blutes
Hämo-
tflobi*
nurie
1
2
3
4
5
6
7
8
9
lii
3
Kontrolle
7 Min.
15 Min.
30 Min.
45 Min.
60 Min.
St<i. 18 Min.
Std. 18 Min.
Std. 18 Min.
Sektion
fast farblos
leicht gelbl. Stich
gelber als Nr. 2
bräunlich
rötlichbraun
stärker als Nr. 5
wie Nr. 6
purpurrot
purpurrot
dunkelrot
- : +
Wurde abends 8^
30' kalt und starr
gefunden. Sek-
tion am Vormit-
tag des nächsten
Tages. Blase mit
dunkelrotem
Harn gefüllt
Archiv fOr Hygiene. Bd. LIV.
18
266 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
Sehen wir uns nun in unseren Tabellen das Verhalten der
Blutsera an, so sehen wir insbesondere bei Nr. 302 in klarer
Weise, dafs ein Tier mit einer beträchtlichen Hämoglobinämie
immerhin einige Zeit am Leben bleiben kann; im angezogenen
Falle war schon 45 Minuten nach der Injektion das Serum
rötlichbraun, 3 Stunden 18 Minuten nach derselben purpurrot;
diese Intensität hatte durch mindestens eine Stunde, ja wahr-
scheinlich noch länger bestanden. Noch eine weitere Beob-
achtung scheint uns von einiger Bedeutung. Betrachten wir
bei unseren Milzbrandkaninchen das Verhalten der Blutproben
bezüglich der Nachhämolyse, so sehen wir, dafs das Auftreten
derselben innerhalb der letzten Lebensstunden die Regel ist.
Vergleichen wir aber diesen Befund mit den Beobachtungen an
den Glyzerinkaninchen, wo eine Nachhämolyse durchaus zu
fehlen pflegt, wo niemals eine Verstärkung der Blutserumfarbe
bei 24 Stunden gelagerten Serumproben zu konstatieren war,
so werden wir einen Fingerzeig erhalten, wo der Schlüssel zu
diesen Vorgängen zu finden sei. Die Hämolyse bei der Glyzerin-
vergiftung ist wohl zweifellos auf eine Störung der isotonischen
Verhältnisse zurückzuführen, nicht aber auf eine Giftbindung,
wie wir sie etwa bei den Versuchen mit Kaninchen injiziertem
in vitro präformiertem Staphylolysin zeigen konnten. Bei der
Glyzeriuvergiftung scheinen die Dinge so zu liegen, dafs die
durch den Wechsel des osmotischen Druckes geschädigten
Erythrozyten im Blute äufserst rasch ihr Hämoglobin abgeben,
sonst würden wir ja eine Nachhämolyse regelmäfsig beobachten
müssen; bei der Giftbindung (Staphylolysinvei-such) mufs ja
erfahrungsgemäfs erst eine gewisse Zeit vergehen, ehe die ver-
gifteten Erythrozyten sich lösen. Nun haben wir aber ja bei
den Glyzerinversuchen gesehen, dafs eine starke Hämoglobinämie
(Serum in unserer Normalkapillare purpurrot) eine Zeitlang er-
tragen werden kann, ohne dafs der Tod rasch eintritt, wie dies
bei der Milzbrandinfektion meist der Fall ist. Das mag ganz
richtig sein, aber bei der Milzbrandinfektion sind ja gewifs noch
viel mehr Erythrozyten für die Respiration unbrauchbar ge-
worden, als der Hämoglobinmenge entspricht, welche den i)urpur-
Von Dr. Oekar E. von Wunschheim. 267
roten Ton des Serums erzeugt. Wir können dies ja aus der
Nacbhämolyse schliefsen, und so erscheint uns der rasche Tod
beim Milzbrandtier gut erklärlich. Dieses rasche Eintreten des
Todes (Erstickung?) erklärt auch das Ausbleiben der Hämo-
globinurie beim Milzbrandtier.
rv. Bacillus pyocyaneus.
C harr in (^) bat seinerzeit nachgewiesen, dafs Filtrate von
Pyocyaneuskulturen, Kaninchen und Meerschweinchen einverleibt,
dieselben Symptome hervorzurufen imstande seien, wie dies von
Seiten der lebenden Bakterien zu geschehen pflegt.
Wassermann (^) hat sich eingehend mit der Frage be-
schäftigt, ob der Bacillus pyocyaneus ein echtes, von den leben-
den Bakterien sezemiertes Toxin produziere, oder ob es sich bei
der Giftwirkung abgetöteter Pyocyaneuskulturen lediglich um
ein »ausgelaugtes Endotoxinc handle. Wohl mehr dem Stand-
punkte zuneigend, dafs es sich hauptsächlich um echtes sezer-
niertes Toxin handle, kommt Wassermann doch zu dem End-
ergebnis, dafs die Giftwirkung sterilisierter Pyocyaneusbouillon-
kulturen sich aus der Wirkung echten Toxins und ausgelaugter
Endotoxine zusammensetze. Es wird neben der giftigen Eigen-
schaft des Toxins demselben in neuerer Zeit auch eine blut-
lösende zugeschrieben, welche prinzipiell und funktionell von
demselben verschieden sein soll, etwa in Analogie zum Tetano-
spasmin und Tetanolysin. Diese hämolytische Eigenschaft der
Pyocyaneuskulturfiltrate, mit dem Namen Pyocyanolysin belegt,
ist Gegenstand mehrerer allerdings in ihren Resultaten recht
divergierender Untersuchungen geworden, die wir im folgenden
kurz anführen wollen.
Zuerst haben Bull och und Hunter (^^) angegeben, dafs
sich in Bouillonkulturen von Bact. pyocyaneum ein Körper be-
finde, das Pyocyanolysin, welches im Reagensglase die Erythro-
zyten des Ochsen, des Schafes, des Kaninchens und anderer
Tiere aufzulösen imstande sei. Dieses Gift variiere in verschiedenen
Kulturen, sei in jungen in geringerer Menge vorhanden als in
268 Über Hämolyse im Reagensglaa and im Tierkörper.
solchen vom Alter von 3 — 4 Wochen, Durch 15 Minuten
langes Kochen unfiltrierter Kulturen werde das hämolytische
Vermögen nicht beeinträchtigt, jedoch gehe dasselbe verloren,
wenn man Pyocyanolysin enthaltende Filtrate in gleicher Weise
behandle. Die beiden Autoren haben sich bei ihren Versuchen
einer 0,6proz. Kochsalzlösung bedient.
Weingeroff (^®) macht den Versuchen von Bull och und
Hunter den Einwand, dafs ihre Kochsalzlösung von 0,6% nicht
isotonisch gewesen sei und er wiederholt gesehen habe, dafs bei
dieser Salzkonzentration Erythrozyten sich ohne jeden anderen
Zusatz schon gelöst hätten. In der Tat ist ja die Verwendung
einer 0,85proz. NaCl-Lösung zu solchen Versuchen heute die all-
gemein übliche. Bezüglich der Hitzebeständigkeit der Kultur-
filtrate stellt sich Weingeroff in direkten Gegensatz zu Bulloch
und Hunter, indem er berichtet, dafs ein 30 Minuten währendes
Erhitzen auf 120° dem hämolytischen Vermögen seiner Filtrate
nicht geschadet hätte. Weingeroff tritt auch für eine prin-
zipielle Verschiedenheit von Toxin und Hämolysin ein.
L üben au P) steigen und wohl mit vollem Rechte, Zweifel
auf, ob denn wirklich die Wirkung hämolysierender Piocyaneus-
filtrate als iLysiiiwirkungc aufzufassen sei. Das Zusammen-
treffen der starken Lysinwirkung mit stark alkalischer Reaktion
der Filtrate ist ihm sehr verdächtig und Lubenau schon meint,
»dafs es möglicherweise relativ einfache chemische Bakterien-
produkte wie Ammoniak und dergleichen seien, welche das
Hämolysierungsvermögen der Bakterienkulturen, wenn auch nicht
ganz bedinge, so doch wenigstens einen wesentüchen Anteil daran
haben«. Diese Richtigkeit dieser Ansicht wird bedeutend unter-
stützt, wenn man bedenkt, dafs es Lubenau gelungen ist, durch
Neutralisieren der Filtrate auf den Lackmuspunkt eine Vermin-
derung der hämolytischen Wirkung nachzuweisen.
Margarethe Breymann (*^) widerlegt einige der Schlufs-
sätze von Bulloch und Hunter und steht auf demselben
Standpunkte wie Weinger off, nachdem es auch ihr nicht ge-
lungen ist, durch Erhitzen von Kulturen oder Filtraten von
Piocyaueus eine Inaktivierung zu erreichen.
Von Dr. Oskar R. von Wnnschheim. 269
Loew und Kozai (*2) behaupten ebenso wie Weingeroff
eine Verschiedenheit zwischen Pyocyaneustoxin und Pyocyaneus-
lysin.
Jordan (*^) aber scheint nun in der ganzen Frage, soweit
sie die Reagensglasversuche mit Bouillonkulturen oder Filtraten
anbelangt, das richtige Urteil gesprochen zu haben. Nach seinen
Versuchen kann man mit steigender oder fallender Alkaleszenz
der Filtrate von B. Pyocyaneus die hämolysierende Kraft in
gleichem Mafse zu Zu- oder Abnahme veranlassen, ja sie durch
Neutralisation zerstören. Mit diesem Befunde erhält die Theorie
von der Existenz des Pyocyanolysin in Filtraten einen argen
Stofs, jedenfalls aber werden kommende Untersucher gut daran
tun, eine Alkaliwirkung im Reagensglase erst sorgfältig auszu-
schliefsen, ehe sie die hämolysierende Wirkung von Pyocyaneus-
filtraten mit Recht einem Pyocyanolysin zuschreiben dürfen.
Untersuchungen Über Hämolyse bei mit Bacillus pyocyaneus
infizierten Kaninchen.
Wie liegen nun die Dinge bei der Einverleibung von Pyo-
cyaneusbazillen im Tierkörper? Das Meerschweinchen, welches
wohl seiner Empfänglichkeit wegen als bestes Testobjekt für
für unsere Untersuchungen in erster Linie hätte in Verwendung
kommen sollen, konnte aus schon oben ausgeführten Gründen
für systematische Versuchsreihen leider nicht in Betracht ge-
zogen werden. Aber die Blut Veränderungen am Kaninchen zu
studieren, bot auch manche Schwierigkeiten. Bei Einverleibung
kleiner Dosen gelingt die tödliche Infektion in vielen Fällen
nicht, nimmt man grofse Dosen, so tritt der Tod oft überaus
rasch ein und man verfügt nun nicht über eine genügende Zahl
von Blutproben; insbesondere bei intraperitonealer Infektion ist
dies meist der Fall. Die subkutane Infektion mit relativ grofsen
Dosen (etwa 1 Agarröhrchen) bot nun Gelegenheit, an einigen
Entnahmen die Verhältnisse gut studieren zu können, später
gaben wir gröfsere Dosen Agarkultur auch intraperitoneal, so
dafs innerhalb von 1 — 3 Stunden der Tod eintrat und wir leicht
imstande waren, denselben abzuwarten.
270 Über Hämolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
Bei der Sektion von Tieren, die akut zugrunde gegangen,
aber z. B. nachts gestorben, erst einige Stunden post mortem
zur Obduktion gelangten, fanden wir ausnahmslos das Serum von
rötlichbrauner, weinroter, purpurroter Farbe, also Befunde, die
mit Sicherheit auf Austritt von Hämoglobin im Serum schhefsen
lassen. Gelangten die Tiere sofort nach dem Tode zur Sektion,
so konnten wir konstatieren, dafs zu dieser Zeit eine Lösung
von Blutkörperchen im Serum noch nicht stattgefunden hatte,
wohl aber waren die Parallelproben, zur Untersuchung auf Nach-
hämolyse bestimmt, stets stark rot gefärbt. Auch bei Tieren,
welche der Infektion nicht erlagen, konnten wir durch den
Befund der Nachhämolyse eine stattgehabte Schädigung der
Erythrozyten beweisen. Wir heben hier einen interessanten
Befund in Tabelle XLI Nr. 157 hervor. Das Tier hatte ein
Röhrchen 48 Stunden alter Agarkultur subkutan erhalten. Zirka
24 Stunden nach der Infektion zeigte sich Nachhämolyse, welche
durch einen Zeitraum von mindestens drei Tagen anhaltend die
Beeinflussung der Erythrozyten erkennen liefs. Dasselbe Tier
erhielt dann später eine zweite Injektion von der doppelten
Dosis inzwischen in ihrer Virulenz gesteigerter Kultur, es zeigte
keinerlei Erscheinungen von Blutlösung mehr, ging aber dessen-
ungeachtet im Verlaufe von 20 Tagen marantisch zugrunde. Es
ist das einer von jenen Fällen, welche uns zur Untersuchung
anregen, ob man bei mit lebenden Reinkulturen vorbehandelten
Tieren eine gewisse Immunität der Blutkörperchen gegen hämo-
lytische Einflüsse, über die wir zurzeit ja noch wenig orientiert
sind, erzielen könne, natürlich ohne eine wirkliche Immunität
gegen den betreffenden Erreger zu erreichen. Diese derzeit aufser-
halb unseres Programmes gelegenen Untersuchungen sollen dem-
nächst in Betracht gezogen werden, da sie uns hinsichtlich des
Immunitätsproblemes nicht ohne Interesse zu sein scheinen.
Wir haben oben bei der Staphylokokkeninfektion auf einen Fall
aufmerksam gemacht, welcher ganz analog verlaufen ist. In
Tabelle XLII sehen wir drei Fälle verzeichnet, welche
während der ganzen Zeit von der erfolgten Infektion an genau
beobachtet wurden, aufserdem ist ein Fall ('^) augereiht, welcher
Von Dr. Oakar R. von Wnnschfaeim. 271
zeigen soll, wie rasch nach dem Tode innerhalb des Tierkörpers
Hämolyse eintreten kann. Während bei Nr. 314, 365 und 366
die sofort nach dem Tode entnommene Blutprobe ein Serum
zeigte, dessen Farbe sich nicht oder zumindest nicht wesentlich
von der der Kontrollprobe desselben Tieres unterschied, sehen wir
bei Nr. 304, dessen Sektion sicher nicht später als höchstens
3 Stunden nach dem Tode gemacht wurde, das Serum bereits
hämolytisch (rötUchbraun). Auch hier bei der Pyocyaneusinfektion
sehen wir also dieselbe Erscheinung, die wir schon bei der
Staphylokokken- und Streptokokkeuinfektion beobachten konnten,
dafs zur Zeit des Todes eine Hämoglobinämie nicht besteht, dals
wir aber die Läsion der Erythrozyten vermittelst der Unter-
suchung auf Nacbhämolyse nachzuweisen imstande sind.
Tabelle XLI.
PyocyaneuBinfektion. Kaninchen Nr. 15T. Subkutane Einverleibung.
272
Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
Tabelle XLH.
Pyocyaneusinfektlon. Kaninchen. Grofse Dosen intraperitoneal.
Nr.
Zeiten
H
NH
314
Kontrollle
1
1 s
6. n.
Ih 2 Agarröhrchen 24^ Kultur
sl
intraperitoneal, 2^ (n. 1 Stunde)
-
: d ^
1
Exitus 3h 03'
Sektion sofort
1
+
iine, i
nach'
365
Kontrolle
2? ^
17. VI.
12h 20' 2 Röhrchen 24h Agar-
Serum gelblich
+
1 *» w
' - *® 'S
kultur intraperitoneal, Ih 45'
stärker als die
Exsudat 2h 28'
Kontrolle + ?
1 im He
iche Bü
.y Leber
Sektion Bofort
—
+ ■■
366
Kontrolle
1 2:2
17. VI.
Um 12h 20^ Infektion wie bei
'i'll
Nr. 365
Exitus Ih 19'
Sektion sofort
+
Mikrosk
mäfsig 2
r aus He
304
Kontrolle
^4 9^m ^^
1. IL
12h 15' Agarkultur intraperitoneal
Ih 15'
+
1 «s
CO
Lebte noch um 2h, f gefunden
3h 15'
Sektion 5h
+
• » Ö
Wir haben gesehen, dafs man bei subkutaner oder intra-
peritonealer Einverleibung entsprechender Mengen von Agar-
kulturen des Bazilluspyocyaneus beim Kaninehen eine Alteration
der Erythrozyten bewirken kann. Zur Erklärung des Zustande-
kommens der Blutschädigung können wir verschiedene Momente
heranziehen.
Konform dem allgemein theoretischen Grundsatz, den wir
im Laufe unserer Untersuchungen aufgestellt haben, könnten
wir auch hier annehmen, dafs von Seiten der Bakterien im Tier-
körper ein Lysin gebildet und von den Erythrozyten gebunden
wird. Aber wenn wir berücksichtigen, dafs in den auf Ta-
belle XLII verzeichneten Fällen der Tod (Toxinwirkung)
innerhalb von wenigen Stunden eintrat, so können wir uns der
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 273
Annahme nicht verschlielsen, dafs wohl auch ausgelaugte Endo-
toxine, mit hämolytischer Fähigkeit begabt, bezüglich der Hämo-
lyse eine Rolle spielen könnten.
Wir können dieses Kapitel nicht schliefsen, ohne auf einen
Einwand zu kommen, den man uns mit unseren eigenen Worten
vielleicht machen wollte. Da wir bei Besprechung der Reagens-
glasversuche mit Hinsicht auf die starke Alkalibildung in
Pyocyaneuskulturen kein grofses Vertrauen in die wirkliche
Existenz des Pyocyanolysins gesetzt haben, könnte es verwundern,
dafs wir von Lysinproduktion im Organismus reden. Wir halten
es aber durchaus nicht für ausgeschlossen, dafs
Bakteriohämolysine mit pathogenen Bakterien im
Reagensglas erzeugt werden können, während bei der
Infektion mit dem betreffenden zugehörigen Mikro-
organismus Hämolyse ausbleibt und umgekehrt. Auch
die bekannte Tatsache, dafs man mit nicht patho-
genen Bakterien Hämolysine erzeugen kann, spricht
dafür, dafs Reagensglasversuch und Tierinfektion
separat beurteilt werden müssen. Die weiter unten bei
Tetanus mitgeteilten Erfahrungen werden einen weiteren Beweis-
grund für die Richtigkeit dieser Ansicht bilden,
Y. Bazillus der HQhnercholera.
Pasteur hat im Jahre 1880 als Erster den Nachweis ge-
liefert, dafs Bakterien unter Umständen lösliche giftige Stoff-
wechselprodukte absondern und zwar gelang es ihm mit Filtraten
von Bouillonkulturen der Hühnercholera bei Hühnern einen Zu-
stand der Schlafsucht hervorzurufen.
Calamida (**) hat im vorigen Jahre die Bakterien der
Hühnercholera auf ihr hämolytisches Vermögen im Reagensglas-
versuch geprüft. Die Filtrate von Bouillonkulturen zeigten hämo-
lytische Wirkung auf die Blutkörperchen des Kaninchens, des
Meerschweinchens und des Huhnes. Die Tiere sind nach dem
Grade der Empfindlichkeit in absteigender Richtung angeführt.
Eine toxische Wirkung seines Hämolysins konnte Calamida
274 Über Himolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
nicht erweisen, ebensowenig fand sich ein Leukozidin in den
Kulturfiltraten vor.
Wir untersuchten zunächst die Maus auf ihr Verhaken bei
der Höhnercholerainfektion.
Eine subkutane Infektion mit einer Öse Agarkultur tütete
innerhalb von 17 Stunden. Die Sektion wurde 4 Stunden post
mortem vorgenommen. Das Serum zeigte sich rötlich. Eine
Wiederholung des Versuches ergab eine Bestätigung des ersten.
Wir können also von der Maus zumindest sagen, dafs bei der-
selben eine Nachhämolyse konstatiert wurde.
Als nächstes Versuchstier wählten wir das Huhn in der
Annahme, dafs dieses für die Infektion so empfängliche Tier ein
ausgezeichnetes Objekt für unsere Untersuchungen abgeben werde.
Unsere a priori wohl berechtigte Annahme erwies sich als
trügerisch. Die in den folgenden Tabellen niedergelegten Er-
fahrungen zeigen deutlich, dafs konstante Resultate beim Huhne
nicht zu erlangen waren.
Bisher gewohnt, bei unseren Untersuchungen einen strengen
Mafsstab anzulegen und prinzipiell nur solche Proben als hämo-
lytisch zu bezeichnen, welche einen ganz einwandsfreien Befund
hinsichtlich ihrer Serumfärbung darboten, kamen wir bei der
Beurteilung der Resultate beim Huhne mitunter in recht arge
Verlegenheit.
Betrachten wir zunächst Tabelle XLIII Nr. V. Das Tier er-
lag der Infektion innerhalb 24 Stunden, und wir konnten
im Momente des Verendens noch rasch eine Blutentnahme
machen. Das Serum erwies sich schwach weinrot, liefs also auf
eine Lösung von Erythrozyten bei der Hühnercholerainjektion
schlielsen, ein Resultat, das wir eigentlich von vornherein er-
wartet hatten. Wir liefsen das Tier bei Zimmertemperatur bis
zum nächsten Tage liegen und waren sehr verwundert, bei der
Sektion keineswegs eine Verstärkung des Farbentones zu finden.
Wir hatten doch annehmen zu müssen geglaubt, dafs eine Schä-
digung der Erythrozyten in reichem Mafse erfolgt sei und eine
intensive Färbung des Serums sich nun als Nachhämolyse
zeigen müsse.
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim.
275
Der zweite in derselben Tabelle verzeichnete Fall Nr. 289
ergab ein gänzlich anderes Resultat^). Hier sezierten wir, eine
Blutentnahme in extremis war nicht vorgenommen worden, das
Tier sofort nach dem Tode ; das Serum zeigte sich diesmal gelb,
von einem rötlichen Tone keine Spur. Die zur Konstatierung der
Nachhämolyse aber am nächsten Tage zentrifugierten Proben
zeigten uns purpurrotes Serum.
Tabelle XTJH.
Infektion mit Hühnercholera beim Huhne.
1
Datum
Zeiten
H
]■ Bakteriolog.
^i_f Befund
„' mikro-
,, skopisch
Agar-
Btrich
1. XTT.
Kontrolle
farblos
1
1
Infektion
&^ p. m.
1
j
2. XII.
lii 15'
Stich ins Gelbe
17h nach dem Tode i
4h
do.
untersuchte ''
ll
1
! 5h 45'
do.
Proben zeigen das i
6h
do.
Serum nicht '
Nr. V
6h 10'
\ do.
wesentlich röter J
, 1
t
6h 25'
; do.
1
als zur Zeit des ,|
; t 6h 28' !
1 ' 1
1
i schwach weinrot
Todes 1 +
1 II ^^
+
15. VII. '
1
Kontrolle ]
1 farblos !
, ,1
;i
Infektion 1
6h p. m. !
1
1
il
ll
16. VII.
t 10h 45'
1
1'
ll
Nr. 289
Sektion sofort
i gelb
purpurrot n +
ll
+
Zwischen diesen beiden Fällen, welche wir absichtlich als
Extreme aus unseren Protokollen zur Wiedergabe gewählt haben,
gibt es nun eine Menge von Zwischenstufen. Wir haben in
Tabelle XLIV eine Reihe von Befunden bei der Hühner-
cholera des Huhnes zusammengefafst. Die genaue Angabe der
Zeit der Infektion, die ungefähre Angabe des Eintrittes des
Todes sowie die Angabe der Zeit der Sektion sind wohl nötig,
um ein Urteil zu gewinnen, ob eine Nachlösung der Blut-
körperchen eingetreten oder ausgeblieben sei. Ein eigentlich in
jeder Hinsicht sowohl was Hämolyse als auch was Nachhämo-
Erst nach unserem Vortrag in Kassel 1903 beobachtet worden.
276 Über HAmolTie im ReafenepAff and im Ticrk4rp«r
lyae anbelangt, negativer Fall ist Nr. 1j*. Tn^tzdem hier die
Sektion mehrere .Standen nach dem Tode vorgenommen worden
war, hatte da« Serom nar eine leicht gelbliche Färbung, die wir
nicht recht als hämolytisch zu bezeichnen uns getraaen würden.
eine Kotfärbung war anch nach weiteren 24 Standen nicht zu
bemerken.
Tabelle XUV.
Hahn. Infektion
mit Hfthnercholen.
Xr.
Zeit
der lofektioD
Tod
Zeit
der Sektion
Farbe des
Seroms bei
der Sektion
Nach
weiteren
24 Standen
I
13, XI. 4h p. m.
i.d.ymchtzam 14.XI.
14. XI 4h 31/
p. m.
sehr schwach
rötlich
—
II
20. XL 12b
: ^ » 21 XL
21. XL 12h 30'
brftnnlich
III
27. XI. oh 45'
> > » » 29.XJ-
•29. XL 11h
rOtlichgelb
IV
1. XII. 6b p. m.
» > > » 3.XIL
3. XIL 12h 30*
schwach
weinrot
V
1. XII. ßh p. m.
2. XII. 6h 28'
3. XII 11h 30
rOtlichbrlLnn-
lich
—
132
3. Vin. 6b 30*
i.d.Nacht z. 7.VIII.
I.MIL 11h 30
gelbbrftnnL
gelbbrftanl.
133
do.
do.
7. VIIL 11h 45'
gelbbrftanl.
gelbbrftanl.
134
do.
5.VIILzw.7n 10h V.
5. Vin. 12h
rötlichbraan
rötlichbraan
148,: 20. VIII 12h i. d. Nacht 1.21. Vin. 21. MIL Ih 15' leicht gelbl. leicht gelbl.
289 1 15. Vn 6h p. m. 16. VIL 10h 45' j I6. VU. 10h 45' . gelb parpurrot
Angenommen, dafs die Blutkörperchen des Huhnes in den
Fällen, in welchen eine Färbung des Serums zweifellos kon-
statiert wurde, durch im Körper von Seiten der Höhnercholera-
bakterien produziertes Lysin geschädigt wurden, so wäre es nicht
uninteressant, die Frage zu studieren, ob der Grund des Aus-
bleibens dieses Phänomens darin zu suchen sei, dafs mitunter
vielleicht kein Lysin produziert wurde oder aber, ob nicht etwa
manchmal das Hühnerblut einen Antikörper enthält, welcher das
Lysin paralysiert. Eins aber scheint uns schon jetzt sicher, dafs
bei der tödliclien Hühnercholerainjektion des Huhnes die Schä-
digung der roten Blutzellen eine sehr geringe Rolle zu spielen
scheint, wenigstens insofern, als der Nachweis mit unserer
Methode möglich ist.
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
277
Unsere nun mit der Taube angestellten Versuche haben die-
selben, wenn nicht noch ungenauere Resultate ergeben. Das bei
der Sektion mitunter erst Stunden nach dem Tode gewonnene
Serum zeigte sich in zwei Fällen durchaus von gleicher Farbe,
wie die Kontrolle des normalen Tieres, liefs also durchaus keine
Lösung der Blutkörperchen erkennen, in einem Falle war ein
geringerer Grad von Nachhämolyse zu konstatieren.
Tabelle XLV.
Taube. Infektion mit Hühnercholera.
Nr.
Zeit
der Infektion |
Farbe des
normalen
Serums
'I
Tod
Zeit der
Sektion
Farbe des Serums
bei der
Sektion
24 Stunden
später
140 7. VIII. Ih 20^
143
144
18. VIII. 12h
20. VIII. 1211
dunkelgelb in d. Nacht l; 8. VIII. ' dunkel-
;| z.8.vm. ;, llhSO' ,! gelb»;
gelbbräun. '' 19. Vm. ', 19. VIII. i gelbbräun-
lich
gelbbräun-
|i lieb
7h p. m. ji 7h p. m. \\ lieh »)
ind.Narhtii 21. VIII. l! bräunlich-
z. 21. VIII. I 12h 45' i rot
dunkel-
gelb 0
gelbbräun-
lich »)
himbeerrot
Es scheinen sich die kernhaltigen Blutkörperchen der Vögel
durchaus anders zu verhalten als die kernlosen Erythrozyten der
Säuger, denn, wie wir im folgenden sehen werden, geben Meer-
schweinchen und Kaninchen bei der Hühnercholerainfektion
durchaus befriedigende und glatte Versuchsresultate.
Wir fanden bei Sektionen von Kaninchen, welche einige
Zeit nach dem Tode vorgenommen worden waren, immer das
Serum purpurrot gefärbt, also war Hämoglobin in beträchtlicher
Menge ausgetreten. Wenn wir aber die Sektion unmittelbar
nach eingetretenem Tode vornehmen, finden wir keine Färbung
des Serums beim Sektionsblute , also keine Hämoglobinämie,
wohl aber eine äufserst starke Nachhämolyse.
Ein Hase erhält um 1 Uhr mittags 2 ccm einer mitteldichten Auf-
schwemmung Agarkultur intraperitoneal. Nach wenigen Stunden erscheint
er schwer krank und geht um 5 Uhr 52 Min. zugrunde. Bei der sofort vor-
genommenen Sektion zeigt sich viel helles Exsudat im Pleuraräume. Mikro-
skopisch sind im Herzblut und Brustexsudat ziemlich zahlreiche, in der
1) Farbe genau wie die der Kontrolle.
278 Ober Hämolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
Leber massenhafte HQhnercholerabakterien nachweisbar. IMe Kultar ergibt
aoB Herzblut, Brastexsudat, Leber and Milz Reinkaltaren von Hühnercholera.
Das Serum ist fast farblos, die am nächsten Tage zentri-
fugierte Parallelprobe purpurrot.
Auch das Meerschweinehen zeigte bei der Hühnercholera-
infektion Hämolyse. Ein junges Tier, das innerhalb von
48 Stunden der Injektion erlegen war, zeigte bei der Sektion
— das Tier war in der Naclit gestorben und wurde Vormittag
seziert — himbeerfarbenes Serum, das nach weiteren 24 Stunden
purpurrot war. Ein zweites, altes Tier, das abends 6 Uhr subkutan
infiziert wurde, war am nächsten Morgen 8 Uhr 30 Min. noch
am Leben, starb zwischen 9 Uhr 30 Min. und 10 Uhr. Bei der
um 11 Uhr vorgenommenen Sektion zeigte sich das Serum bräun-
Uch, am nächsten Tage ziegelrot.
Bei Infektionen mit Hühnercholerabakterien
zeigten Mäuse und Meerschweinchen bei der einige
Zeit nach dem Tode vorgenommenen Sektion Hämo-
lyse. Kaninchen, sofort nach dem Tode untersucht,
lassen Hämolyse bzw. Hämoglobinämie nicht er-
kennen, doch tritt eine intensive Nachhämolyse auf.
Bei Tauben und Hühnern ist wohlHämolvse und Nach-
hämolyse beobachtet worden, doch ist eine Konstanz
dieser Erscheinungen keineswegs zu beobachten ge-
wesen; neben vereinzelten Fällen mit zweifellos po-
sitivem Resultate finden sich solche von ausge-
sprochen negativem, ein eindeutiger Befund ist also
bei Huhn und Taube nicht zu verzeichnen.
VI. Tetanus.
Ehrlich (^) hat 1898 in Kulturen des Tetanusbacillus einen
Körper gefunden, der imstande war, die roten Blutkörperchen
mancher Tiere im Reagensglas zu lösen. Er hat gleichzeitig
nachgewiesen, dafs das Tetanolysin prinzipiell verschieden sei
von der die Krämpfe bewirkenden Komponente des Tetanus-
giftes, von dem Tetanospasmin. Der Nachweis wurde erbracht
durch Bindungsversuche mit roten Blutzellen, bei denen das
Von Dr. Oskar R. von Wunschbeim. 279
Lysin an die Erythrozyten gebunden wurde. Die nun resen-
tierende Flüssigkeit hatte kein Lösungs vermögen mehr gegen-
über den Blutkörperchen, aber die toxische Wirkung war erhalten
geblieben. Aufserdem gelang es Ehrlich auch zu zeigen, dafs
man für jede der beiden Giftkoraponenten für das Lysin und
das Spasmin je ein spezifisches Antitoxin darstellen könne.
Man hat versucht, der Wirkung des Tetanolysins neben der
des Tetanospasmins bei der Tetanuserkrankung auch eine Rolle
zuzuschreiben, vor allem wollte man die Tetanuskachexie durch
den Einflufs des Tetanolysins erklären, doch hat diese Annahme
keine Freunde gefunden. In diesem negativen Sinne deutet
auch V. Lingelsheim die Versuche von Miy am oto^), welcher
imstande war, mit tetanolysinfreien Filtraten den Zustand der
Tetanuskachexie hervorzurufen.
Durch Blutuntersuchungen bei an Tetanus erkrankten
Kaninchen haben wir getrachtet, ein eigenes Urteil über diese
Frage zu gewinnen.
Wir haben zuerst ein Kaninchen durch Einverleibung von
tetauusbazillenhaltiger Gartenerde tetanisch gemacht , als sich
dann im Eiter der Infektionsstelle reichliche Tetanusbazillen
mikroskopisch nachweisen liefsen, mit dem Eiter kleine W^atte-
bäuschchen getränkt und diese als Infektionsmaterial für weitere
Versuche verwendet. Allerdings ist hierbei zu bedenken, dafs
wir es in diesen Fällen nicht mit einer reinen Infektion mit
Tetanusbazillon zu tun hatten, also die Möglichkeit zu beachten
war, dafs positive Ergebnisse (Hämolyse oder Nachhämolyse)
durch gleichzeitig eingebrachte Hilfsbakterien verursacht werden
konnten.
Bei dem mit Gartenerde infizierten Kaninchen (Tab. XLVI
Nr. 114) fanden wir vor Ausbruch der tetanischen Symptome
schon am Tage nach der Infektion Nachhämolyse, auch am
zweiten Tage dasselbe Symptom ; am dritten Tage konnten wir
nur mehr eine sehr zweifelhafte (±?) Nachhämolyse beobachten,
1) Zit. nach v. Lingelsheim, Tetanus im Handbuch von Kolle
and Wassermann.
280 Über Hftmolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
die Untersuchung des bei der Sektion gewonnenen Blutes liefs
jeden Anhaltspunkt für eine zu dieser Zeit bestehende Schädigung
der Erytlirozyteu vermissen. Die aus Herzblut, Leber und Milz-
saft angelegten aeroben Kulturen erwiesen sich als steril, eine
septikämische Infektion von aeroben Bakterien war also nicht er-
folgt. Wir nehmen an, dafs in dem erwähnten Falle irgend-
welche Bakterien aeroben Charakters im Anfange der Infektion
für die Schädigung der roten Blutkörperchen verantwortlich zu
machen sind, dafs sie aber am letzten Tage noch irgend eine
nennenswerte Rolle gespielt hätten, dafür liegt kein Grund vor.
Diese Verhältnisse werden nun noch viel klarer, wenn wir Fall
123 der gleichen Tabelle betrachten. Hier kam es kaum zu
einer sicher nachweisbaren Schädigung der Erythrozyten, wir
können nur eine zweifelhafte Nachhämolyse beobachten, die bald
gänzlich verschwindet. Die letzten Blutentnahmen vor dem
Tode und das Sektionsblut lassen wiederum Färbungen des
Blutserums vermissen, die aeroben Kulturen bleiben steril. Den
gleichen Verhältnissen begegnen wir in dem dritten mitgeteilten
Falle Nr. 124. Wir haben also keinen Grund bei der Tetanus-
infektion irgendwelche Schädigungen, die durch ein etwa im
Tierkörper gebildetes Tetanolysin hervorgerufen sein könnten,
anzunehmen, wenigstens insoweit unsere Methode uns ein Urteil
gestattet.
(Siehe Tabelle XLVI auf 8. 281.)
Um vor falschen Schlüssen hinsichtlich beobachteter Hämo-
lyse zu warnen, mag noch der in Tabelle XL VII verzeich-
nete Fall kurz besprochen werden. Hier sehen wir ganz ähn-
lich, wie in den anderen Fällen Nachhämolyse auftreten. Bei
der Sektion finden wir aber diesmal das Serum purpurrot gefärbt,
ein Befund, der uns leicht irreführen könnte, wenn w^ir nicht
imstande wären, durch den Ausfall der Kultur zu beweisen, dafs
hier offenbar ein septikämischer Erreger Hämolyse und Tod
herbeigeführt hatte. Das gefundene Stäbehen verhielt sich sehr
ähnlich einem von Kolb^) beschriebenen Bakterium.
1) Atlas von Lehmann und Neumann, 1896, S. 194.
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim.
281
Tabelle XLVI.
Tetanusinfektion beim Kaninchen (typisch).
■
1
1
1 ■'
H
1
NH
Kultur
aerob
anaerob
Nr. 114») 1
16. Vn. li Kontrolle
—
—
7b 30' V, g Tetanuserde
subkutan
17. VII. 1 5b 30'
18. VII. 1 10h 30'«)
—
+
+
Herzblut
Leber
> steril
Tetanus
1 5b 30*
1
+
Milz )
19. VII.
1
10b 30'
±?
Exitus
5b i(y
Sektion sofort
Nr. 123») jj
21. VII. ; Kontrolle
1
Hb 35' Tetanuseiterwatte-
1
1
bäuschchen subkutan
1
1
6b
—
22. VII.
Hb 30'
7b
.
+ ?
Herzblut ^ .,
_ , steril
Leber
Tetanus
23. vn.
Ihi)
—
±?
5b 30'
—
24. VIL
Hb 40'
—
—
Hb 48'
Exitus
Sektion sofort
—
—
Nr. 124
22. VIL
Kontrolle
—
—
6b 30* Infektion wie Nr. 123 1
1 «
23. vn.
24. VIL
4b 30'
6b 30'«)
—
+
Leber . .,
Herzblut
Tetanus
6b 50*
Exitus
Sektion t
lofort
1
Die tetanischen Symptome waren hier nicht zu vollständiger
Entwicklung gekommen; offenbar hatte das der Gruppe der
Bakterien der hämorrhagischen Septikämie angehörige Stäbchen
in seiner Wirkung den Tetanustod sozusagen überholt. Es mufs
also zum strengen Postulat für andere Untersucher gemacht
1) Typischer Tetanus.
2) VgL ▼. Sagasser und Posselt, Zur Frage der Serognostik des
Tetanus. Zeitschr. f. Heilkunde, 1905.
ArchlT Ar Hygiene. Bd. LIV. 19
282
Über HämolyHe im Reagensglas und im Tierkörper.
werden, stets auch durch Anlegen aerober Kulturen aus den Or-
ganen des Versuchstieres eine etwaige Wirkung anderer Bakterien
zu kontrollieren.
Tabelle XI.Vn.
Tetanusinfektion beim Kaninchen (atypisch).
1
1
NH
Mikroskopischer i
Kultur
!i
Befund
aerob
anaerob
20. VII.
Kontrolle
1
i
Uli Vm. Einbringen eines
mit Tetanuseiter getränkt.
Wattebauschchens subkut ;
1
1
21.VIL 11h 15'
+
Tetanusbaz. im Elter
1 der Infektionsatelle ,
6h
+
■ Zahlreiche Tetanus- '
bazillen
22. Vn. 11h»)
1
+
1
6h 45'
1
+
1
23. VII. Früh tot gefunden
1
'
Sektion
1
: +
i
i
Leber und Herz ein
; kurzes Stäbchen ähn-
lich dem Bact. haem.
Kolb.
1 Milz: steril.
Teta-
nus
Die Annahme, dafs vielleicht die bei der Mischinfektion,
und das ist ja wohl der Tetanus in der Mehrzahl der Fälle,
beteiligt gewesenen Bakterien eine Antikörperproduktion angeregt
hätten, als deren Folge eine Neutralisation des vom Tetanus-
bazillus gebildeten Lysins gedacht werden sollte, scheint uns
gezwungen, könnte aber eventuell mit unseren eigenen Versuchen
gestützt werden. Bei Mischinfektioneu kann nämlich Blutlösung
ausbleiben trotz Beteiligung solcher Bakterien, die allein im Tier-
körper verbreitet, Hämolyse hervorrufen (vgl. S. 287). Wir möchten
aber doch nicht ohne experimentelle Gegenbeweise unsere An-
sicht aufgeben, dafs bei der Tetanusinfektion des
Kaninchens das Tetanolysin keine Rolle spielt. Jeden-
falls sind die vorliegenden Versuche eine neuerliche Bestätigung
dafür, dafs ein Parallelismus zwischen Reagensglasversuchen und
Tierexperiment nur bedingungsweise und mit Vorsicht konstruiert
werden darf.
1) Das der Infektionsstelle zunächst gelegene linke Hinterbein steif
weggestreckt; allgemein tetanische Symptome nicht ausgesprochen.
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 283
yn. Bacterium typhi.
E. Levy und P. Levy haben in Filtraten von schwach
alkalischen Bouillonkulturen des Typhusbazillus ein Hämolysin
für Hundeblutkörperchen nachgewiesen. Dieses Hämolysin war
durch hohe Wärmegrade nicht inaktivierbar; es gehört also in
die Gruppe der hitzebeständigen Bakteriohämolysine. Die ge-
nannten Forscher bedienten sich der von Neisser und Wechs-
berg angegebenen Methodik.
Die Frage, ob der Typhusbazillus für Tiere pathogen sei,
wird uns gewöhnlich damit beantwortet, dafs wir bei Tieren wohl
nicht mit Infektionen zu rechnen haben, welche der des Menschen
etwa gleichwertig an die Seite gestellt werden könnten. Immer-
hin aber, und das ist für unsere Blutuntersuchungen das wich-
tigste, besteht die Ansicht zu Recht, dafs im Tierkörper eine
Vermehrung der eingebrachten Typhusbazillen, wenn auch im
beschränkten Mafse stattfinde; da bei der Typhusinfektion der
Tiere ebenso wie bei der des Menschen für das Zustandekommen
der eigentlichen Krankheitserscheinungen eine Resorption von
Giftstoffen im allgemeinen verantwortlich gemacht wird, so
gingen wir daran, auch bei Infektionen mit Typhusbazillen das
Verhalten des Blutes von Meerschweinchen und Kaninchen zu
studieren.
Fall I. Meerschweineben Nr. 210 erhält um 12 Uhr mittags ein halbes
Röhrchen 24 stündiger Agarkultur intraperitoneal. Am nächsten Tag 10 Uhr
15 Min. Exitus. Sektion sofort. Akute Peritonitis.
Mikroskopisch im Herzblute und Lebersaft keine Bakterien nachweis-
bar, im Bauchexsudat typhusähnliche Stäbchen in Reinkultur.. Die Kultur
ergab aus Herzblut, Lebersaft und Bauchexsudat nur Typhusbazillen.
Das sofort nach der Entnahme zentrifugierte Blut zeigte
keinerlei Färbung des Serums, da letzteres hier fast farblos
ebenso wie die Kontrolle gewesen war. Das Serum der nach
24 Stunden zentrifugierten Parallelproben unterschied sich in
keiner Weise von dem des Sektionsblutes.
Ein zweiter Fall, in welchem an Stelle der Agarkultur
Bouillonkultur verwendet wurde, verlief rascher, indem das Tier
schon 8 Stunden nach der Injektion starb. Auch hier war das
19*
284
Über Hämolyse im Reagensglas and im Tierkörper.
Serum bei der sofort vorgenommenen Sektion nicht gefärbt,
ebensowenig war eine Nachhämolyse zu konstatieren.
Beim Kaninchen scheinen die Verhältnisse anders zu liegen
als beim Meerschweinchen. In Tabelle XLVIII sehen wir
einen Fall verzeichnet, dessen Sektion wir unmittelbar nach dem
Tode machten. Hier konnten wir innerhalb von 7 Stunden nach
erfolgter Infektion beim lebenden Tiere weder Hämolyse noch
Nachhämolyse beobachten. Das Tier ging erst am 4. Tage zu-
grunde. Bei der Sektion fand sich eine ausgedehnte Peritonitis
mit viel aber nicht blutigem Exsudate in Bauchhöhle und
Pleuraraum. Mikroskopisch waren weder in den Exsudaten
noch in Leber oder Milzsaft Bakterien nachweisbar. Die Kultur
ergab Wachstum in dem vom Bauchexsudate angelegten Striche,
die Kultur am Herzblut blieb steril ; das mit Lebersaft beschickte
Agarröhrchen liefs nur zwei Kolonien Typhus angeben. Das
Serum des Sektionsblutes erwies sich als fast farblos, die am
nächsten Tage zentrifugierten Proben zeigten ziegelrotes Serum.
Tabelle XLVIIL
Typhusinfektion beim Kaninchen (Nr. 367).
1
1
1
H
NH
17. VI. 1 KontroUe
1
__
12h 25' 10 ccra Bouillonkultur
intraperitoneal
Ih 60' J
"
; 7b SO'
1
—
t 21. VI. ; 9b 30' 1
Sektion
sofort
—
+
Ein zweiter akutest verlaufener Fall sei noch kurz ange-
führt. Kaninchen Nr. 214 hatte um 11 Uhr 30 Minuten 10 ccm
Typhusbouillonkultur erhalten. Es wurde um 1 Uhr 15 Minuten
tot noch warm und ohne Totenstarre gefunden, um 4 Uhr
seziert. Hier zeigte sich das Serum braunrot gefärbt, eine Zu-
nahme der Färbungsintensität war nach weiteren 24 Stunden
nicht zu beobachten. In letzterem Falle ist es wohl zweifellos,
dafs die Einverleibung von StofiEwechselprodukten, also eine
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim. 285
direkte Toxinvergiftung, den Tod herbeigeführt hat. Es lag für
diesmal ja nicht in unserem Versuchsplane, zu konstatieren, in-
wieweit einverleibte Toxine eine Rolle bei der Hämolyse zu
spielen pflegen, wir wollten in unseren vorliegenden Unter-
suchungen ja nur erheben, ob und wann bei Einverleibung von
Infektionsmaterial Schädigungen der roten Blutzellen im Tier-
körper auftreten.
Bei der Infektion mit Typhusbazillen zeigt das
Meerschweinchen weder Hämo gl obinämie noch Nach-
hämolyse. Das Kaninchen lälst ebenfalls Hämo-
globinämie vermissen, zeigt jedoch intensive Nach-
hämolyse.
Yin. Bacterium eolL
Auch von diesem Mikroorganismus ist ein Stoffwechsel-
produkt bekannt, welches hämolytische Eigenschaft besitzt. Es
ist das Verdienst von Kays er (^^), das Kolilysin studiert und
beschrieben zu haben. Es gehört ebenso wie das Typhuslysin zu
den hitzebeständigen Lysinen, es verträgt Siedehitze, ohne an
Wirksamkeit einzubüfsen.
Bei Infektionen des Meerschweinchens mit Kolibazillen
konnten wir nur konstatieren, dafs bei Tieren, welche einige
Zeit nach dem Tode zur Autopsie gelangten, ausnahmslos das
Serum braun, bräunlichrötlich oder rötlich gefärbt war. Es ist
uns hier nicht gelungen, den Eintritt des Todes abzuwarten; die
Zeiten schwankten so sehr, dafs Zeitbestimmungen selbst mit
Opferung einer ganzen Nacht sich als trügerisch erwiesen und
uns niemals Gelegenheit gegeben war, die Sektion unmittelbar
nach erfolgtem Tode vorzunehmen.
Anders beim Kaninchen. Hier waren wir in der Lage,
einige Sektionen gleich nach dem Exitus auszuführen und die
Blutuntersuchung ergab, dafs das Serum zu dieser Zeit unge-
färbt, dafs Hämoglobin in demselben nicht gelöst ist. Die nach
24 Stunden untersuchten Parallelproben zeigten Nachhämolyse.
Tabelle XLIX verzeichnet zwei Fälle. Es gilt hier bezüglich
der Toxinwirkung dasselbe, was wir bei der Typhusinfektion
286
Über Hämolyse im Reagensglas und im TierkOrper.
erwähnt haben, nur fällt hier bei Nr. 361 auch noch die starke
Wirkung gröfserer Mengen intraperitoneal eingebrachter Agar-
kulturen auf.
Tabelle XLIX.
Koliinfektion beim Kaninchen.
H
NH
Nr. 361
17. VI. I! Kontrolle
—
—
12h 15' zwei Agarröbrchen
Kultur intraperitoneal
Ih 25'
i
t ! 5b 05'
Sektion Bofort
--
Nr. 363
i
1
17. VI.
Kontrolle
—
12h 15' 5 ccm 48 stund. Bouillon-
kultur
t :: Ih 13' !
Sektion
sofort
—
+
Mit Bacterium coli infizierte Meerschweinchen
zeigen bei der einige Zeit nach dem Tode vorgenom-
menen Sektion Hämolyse.
Kaninchen lassen zurZeit desTodes keineHämo-
globinämie erkennen, jedoch ist die Schädigung der
Erythrozyten in Form einer Nachhämolyse ausge-
sprochen.
IX. Dlplocoecus pneumoniae Frftnkel-Welehselbaum.
Wir haben bei der Tetanusinfektion zeigen können, dafs
eine Schädigung der Erythrozyten bei dieser Erkrankung keine
Rolle zu spielen pflegt, wenigstens insoweit der Tetanusbazillus
allein in Betracht kommt. In gröfserer Zahl pflegt es zur Ver-
breitung des genannten Mikroorganismus im Blute und in den
Organen im Sinne einer septikämischen Erkrankung nicht zu
kommen, wenn auch das Vorkommen in Milz, Herzblut, Gehini,
Muskel und ünterhautzellgewebe entfernt von der Impfstelle
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 287
nach den Untersuchungen von Tizzoni, Zumpe und v. Ot-
tinger sowie v. Hibler einwandfrei nachgewiesen erscheint^).
Im Diplococcus pneumoniae F. W. sehen wir nun
einen Typus von Bakterien repräsentiert, weichertrotz
septikämischer Verbreitung in Blut und Organen eine
Schädigung der roten Blutzellen nicht erkennen liefs.
Wir infizierten ein Kaninchen subkutan mit Sputum, welches
normalerweise die typischen Diplokokken zu beherbergen pflegte.
Das Tier starb am 3. Tage nach der Infektion und wurde sofort
seziert. Insbesondere zahlreich waren hier die Bakterien im
Herzblute zu finden. Blutproben, die aus dem Herzen und aus
der Leber entnommen wurden, liefsen, weder sogleich noch nach
24 Stunden zentrifugiert, eine Färbung des Serums erkennen.
Es ist also bei der Infektion des Kaninchens mit Diplokokkus
Fränkel und Weichselbaum eine Lösung der Erythrozyten
weder als Hämoglobinämie noch als Nachhämolyse konstatierbar
gewesen.
Über die Toxinbildung des Diplokokkus Fränkel-Weichsel-
bäum ist noch wenig Sicheres bekannt geworden; nach
Weichselbaum (^'^) neigt man der Ansicht zu, dafs das spezi-
fische Toxin an die lebende Bakterienzelle gebunden sei, also
in die Gruppe der Endotoxine gehöre. Wenn wir dieser Auf-
fassung Rechnung tragen, so wäre nach unseren Erfahrungen
noch hinzuzufügen, dafs dieses Endotoxin des Diplokokkus im
Verlaufe der Infektion beim Kaninchen keine hämolytische
Endotoxinkomponente zu äufsern scheint, da Hämolyse im Tier-
versuch nicht auftrat.
X. Über Hftmolysc bei Misehinfektionen.
Der Bericht über unsere Erfahrungen bei Infektionen, welche
durch einen einzigen Infektionserreger verursacht worden waren,
soll nicht abgeschlossen werden, ohne auf das schwierige und
noch so wenig geklärte Kapitel der Mischinfektionen ein wenig
Rücksicht genommen zu haben.
1) Zit. nach v. Lingelsheim, Tetanus im Handbach yon Kolle
und Wassermann.
288 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkdrper.
Wir hatten nicht die Absicht gehabt, den hier so kompliziert
liegenden Verhältnissen experimentell näher zu treten, aber im
Laufe der Untersuchungen haben sich ab und zu bei den Sek-
tionen interessante Befunde ergeben, von denen der eine oder der
andere noch in Kürze mitgeteilt werden soll.
Wir haben gelegentlich der Infektion mit Bazillenpyocyaneus
(Kaninchen) gesehen, dafs eine Schädigung der Erythrocyten
aufzutreten pflegt, welche wir stets als Nachhämolyse konstatieren
konnten. Gelegentlich dieser Versuchsreihen beobachteten wir
auch einen Fall (Tab. L) welcher — mit Pyocyaneus infiziert —
im Sektionsblute die Nachhämolyse vermissen liefs. Da wir
glücklicherweise gerade bei diesem Falle die einzelnen Ent-
nahmen sowohl mikroskopisch als kulturell genau auf ihren
Bakteriengehalt untersucht haben, so bot der Sektionsbefund mit
den während des Lebens gemachten Beobachtungen zusammen-
gehalten ein aufserordentlich instruktives Bild. Am Tage nach
der Infektion, auch noch am zweiten Tage nachher, sehen wir
Nachhämolyse auftreten — wohl als Folge der Pyocyaneus-
infektion — weiterhin hört diese Erscheinung auf und das Sektions-
blut zeigt nun ebenfalls einen hinsichtlich der Erythrocyten-
schädigung völlig negativen Befund. Die genaue bakteriologische
Untersuchung aber zeigt uns, dafs wir im Blute und den Or-
ganen des ja unmittelbar nach dem Tode sezierten Tieres nicht
weniger als dreierlei voneinander verschiedene Bakterienarten
vertreten finden Einmal im Herzblute kurze dicke, nicht weiter
bestimmte Stäbchen und Staphylokokken, in der Leber Bacillus
Pyocyaneus und die erwähnten kurzen Stäbchen, in der Milz
endlich wiederum das Stäbchen und aufserdem noch Staphylo-
kokken.
(Siehe Tabelle L auf S. 289.)
Das angeführte Beispiel dokumentiert uns wohl in eindring-
licher Weise, dafs bei derartigen Untersuchungen die ausgiebigste
Anwendung aller uns zur Verfügung stehenden bakteriologischen
Behelfe in den einzelnen Phasen der Infektion eine dringende
Notwendigkeit ist, um zunächst einwandsfreie Resultate zu er-
halten. Von diesen bis zum vollen Verständnis des Mechanismus
Von Dr. Oskar R. von Wanschheim.
289
der Mischinfektion liegt ja leider noch ein weiter und ver-
schlungener Weg. Hatten wir im eben beschriebenen Falle von
Haus aus die Wirkung unseres Erregers auf die roten Blut-
körperchen ja gekannt und die ausgebliebene vermifst, so lagen
in einem anderen Versuche die Verhältnisse umgekehrt.
Tabelle L.
Mischinfektion bei arsprünglicher Infektion mit Bacillas pyocyaneas
(Kaninchen Nr. 89/III).
H |! NH
Bakterioloßiscber Blutbefund
Agantrich
16. VI. IJKontrolle
5h30'Agarknltur
intraperitoneal
17. VI.
18. VI.
19. VI.
20. VI
t
11h 30^ !
1211 16' ;i
7h
6h 30'
11h 30'
12h 42^
+
+
li
0
0
0
0
Sektion sofort ' — i' —
Herz
Leber
Milz
0
2 Kolonien Pyocyaneus
steril
Pyocyaneus rein
1 Kolonie kurze dicke Stäbchen
Herz: Kurze dicke Stäbch. -{- Staph.
Leber: 2 Kolonien Pyocyaneus -|-
12 Kolon, kurze dicke Stäbchen
Milz: Kurze dicke Stäbch. -f- Staph.
Um bei einem Meerschweinchen Tetanus zu erzeugen, hatten
wir demselben ein mit Tetauuseiter getränktes Wattebäuschchen
subkutan eingebracht. Das Eiter war durch subkutane Impfung
mit tetanushaltiger Gartenerde von einem Kaninchen gewonnen
worden. Es war also natürlich, dafs dasselbe neben Tetanus-
bazillen auch noch andere Bakterien enthalten mufste. Das Tier
starb in der auf den Infektionstag folgenden Nacht, ohne te-
tonische Symptome dargeboten zu haben, da wohl die Zeit zur
Entwicklung derselben zu kurz gewesen war. Bei der Sektion
nun fand sich eine ausgedehnte mit difEusen Blutungen durch-
setzte ödematöse Infiltration der Brust- und Bauchmuskulatur, im
Anschlüsse an die Infektionsstelle sich ausbreitend. Mikro-
skopisch fanden sich an der Infektionsstelle die verschiedensten
Formen von Bakterien neben Tetanusbazillen auch ferner an die
290 Ober Hämolyse im Reagensglas und im Tiet'körper.
Bakterien des malignen Odems erinnernd, im Odem zahlreiche
kurze plumpe Stäbchen in Reinkultur.
Das Serum des Tieres zeigte weder bei der Sektion noch
nach weiteren 24 Stunden irgend eine Verfärbung, also war eine
Lösung der Erythrozyten mit Sicherheit auszuschliefsen.
Die bakteriologische Untersuchung des Odemsaftes sowie der
Organe wurde mit aeroben und anaeroben Kulturmethoden vor-
genommen. Die aerobe Kultivierung ergab das erwähnte plumpe
Stäbchen aus Odemflüssigkeit, Herzblut und Leber in Reinkultur,
während in den anaeroben von der Impfstelle und dem Muskel-
ödem angelegten Kulturen aufser Tetanusbazillen noch ver-
schiedene andere Bakterien wuchsen. Als wir nun eine Rein-
kultur des sonst nicht weiter bestimmten aeroben plumpen
Stäbchens, das seinem Verhalten nach in die Gruppe der Bak-
terien der hämorrhagischen Septikämie zu gehören schien, einem
zweiten Meerschweinchen inokulierten, erlag dasselbe der Infektion
innerhalb von 48 Stunden ; die Blutuntersuchung ergab deutliche
Hämolyse! Da nun ja diese Erscheinung bei dem anderen Meer-
schweinchen ausgeblieben war, so unterliegt es wohl keinem
Zweifel, dafs bei der Mischinfektion sich Vorgänge abgespielt
hatten, welche von der normalen Wirkung des in Reinkultur
applizierten Stäbchens wesentlich abwichen, indem Hämolyse
das eine Mal (Reinkultur) beobachtet, das andere Mal aber —
Mischinfektion — vermifst wurde.
Schiurswort.
Fassen wir die Resultate der vorstehenden Untersuchungen
kurz zusammen, so haben wir hinsichtlich der durch Bakterien-
infektionen (beim Kaninchen) bewirkten oder ausbleibenden
Blutlösung, wenn wir Hämoglobinämie und Nachhämolyse in
Betracht ziehen, drei grofse Gruppen zu unterscheiden. Eine,
bei der wir sofort nach dem Tode, also auch zur Zeit des Todes,
keine Lösung von Erj^throzyten, jedocli deren Schädigung als
Nachhämolyse konstatieren können, während wir bei der zweiten
unmittelbar nach dem Tode intensive Hämoglobinämie beob-
achten. Die dritte Gruppe umfafst jene Infektionen, bei denen
Von Dt. Oskar R. von Wunschheim. 291
zur Zeit des Todes weder eine Hämoglobinäraie noch auch Nach-
hämolyse nachzuweisen ist, bei denen also eine Schädigung der
roten Blutzellen keine besondere Rolle zu spielen scheint.
Zu Gruppe I gehören die Infektionen mit Streptokokken,
Bacillus pyocyaneus, Hühuercholera, Bacterium coli und Typhus-
bazillen. Gruppe II vertritt die Milzbrandinfektion. Gruppe III
repräsentieren der Diplokokkus pneumoniae Fränkel und
Weichsel bäum und die Tetanusinfektion.
Die Staphylokokkeninfektionen teilen sich je nach ihrem
Verlauf in Gruppe II oder III. In erstere gehören die hoch-
akuten, in letztere die chronischen Fälle mit multipler Absce-
dierung. Ziehen wir aber die Grenzen noch enger und basieren
wir die Einteilung nur auf Lösung oder Nichtlösung der Ery-
throzyten, ohne den Lösungsmodus zu spezialisieren, so können
wir zwei Typen der Infektionen aufstellen, solche, in derem Ver-
laufe eine Bakterienwirkung auf die roten Blutzellen auftritt:
bämolysiereude und solche, in denen keine Wirkung sich
äufsert, nichthämolysierende Infektionen.
Dem Wesen der Hämolyse seien noch einige Zeilen ge-
widmet.
Über die Konstitution jenes von Bakterien gelieferten Körpers,
der im Reagensglase Erythrozyten löst, sind wir zurzeit noch
völlig im Unklaren. Uns sagt die Bezeichnung Staphylolysin,
Tetanolysin usw. nichts anderes, als dafs gewisse Bakterien Stoffe
bilden, welche, in vitro präformiert, imstande sind, in vitro Erythro-
zyten zu lösen. Dafs manche dieser Stoffe, Tieren einverleibt,
dieselbe Wirkung ausüben, konnten wir für das Staphylolysin
zeigen, dafs aber durchaus nicht alle Bakterien, welche in vitro
ein Hämolysin erzeugen, auch bei Infektionen im Tiere Blut-
körperchen lösen, haben wir beim Tetanusbazillus gesehen. Be-
vor noch die moderne Forschung sich mit den Bakteriohämo-
lysinen befafste, hatte man die Eigenschaft mancher Sera,
heterogene Blutkörperchen zu lösen, studiert, aber trotz vieler
dieses Gebiet bearbeitenden Untersuchungen sind die Beobachter
heute noch über Wirkungsweise und Konstitution der Serum-
hämolysine nicht einig. Zwei Richtungen stehen sich gegenüber.
292 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
Buchner, Bordet, Ehrlich treten dafür ein, dafs rein
chemische Vorgänge als Gründe für die Hämolyse im hetero-
genen Serum aufzufassen seien, während in neuester Zeit ins-
besondere V. Baumgarten (*^) den Standpunkt vertritt, »dafs
osmotische Prozesse eine mafsgebende Rolle bei Hämolyse im
heterogenen resp. Immunserum spielen c
Wir haben dieses Gebiet in unserer Arbeit nicht betreten,
denn die wenigen Versuche, in denen es sich darum handelte,
nachzuweisen, ob z. B. Milzbrandkaninchenserum normale
Kaninchenerythrozyten löse, gehören ja nicht hierher, die Auf-
gabe, die wir uns gestellt hatten, ist ja eigentlich mit dem
Nachweise und der Aufstellung der grofsen Hauptgruppen »hämo-
lysierende und nicht hämolysierende Infektionen c gelöst, aber
die Gründe, die für und wider bei der Serumhämolyse geltend
gemacht werden, fallen ja möglicherweise auch bei der Bakterio-
hämolyse und den Bakteriohämolysinen ins Gewicht, und von
diesem Standpunkte aus möchten wir ein oder das andere Ver-
suchsresultat noch einmal Revue passieren lassen.
Der wohl interessanteste Befund bei sämtlichen Infektionen
ist die intensive Hämoglobinämie, die wir zur Zeit des Todes
beim Milzbrandkaninchen fanden. Schon einige Zeit vor dem
Tode zeigen uns Proben mit erfolgter Nachhämolyse an, dafs
eine Schädigung der Erythrozyten eingetreten sei.
Handelt es sich hier um Giftbindung oder um Anisotonie
des Mediums, in dem die roten Blutzellen sich befinden, also
des Serums?
Von dem Gedanken ausgehend, dafs vielleicht im Blute
durch die zirkulierenden Bakterien ein Abbau des Kochsalzes
erfolge und dadurch eine Hypotonie des Serums bedingt sein
könne, haben wir ja oben den Kochsalzgehalt in verschiedenen
Phasen der Infektion bestimmt, aber keine Verminderung des-
selben gefunden. Doch da wäre immer noch die Möglichkeit
gegebeil, dafs bei normalem Kochsalzgehalt der Gesamtsalzgehalt
des Blutes, das wir ja nicht bestimmt haben, verändert, herab-
gesetzt worden sein konnte, und trotz normalen NaCl-Gehaltes
eine Ilypo-, event. eine Hypertonie des Plasmas bestanden haben
Von Dr. Oskar R. von Wunschheim. 293
könne. Dagegen sprechen deutlich die Versuche mit Milzbrand-
kaninchenserum und normalen Erythrozyten, die hätten gelöst
werden müssen, wenn das Serum nicht isotonisch gewesen wäre.
Eine Anisotonie des Mediums hat also hier keine Rolle gespielt.
Wir wenden uns also der zweiten der herrschenden Ansichten
zu, der Theorie der Giftbindung. Direkte Beweise hierfür lassen
sich begreiflicherweise schwer geben, so lange wir keine Methoden
des chemischen Nachweises besitzen, wir werden immer nur auf
Analogieschlüsse angewiesen sein und auch negative Momente,
wie der Nachweis, dafs mangelnde Isotonie für eintretende Hämo-
lyse nicht verantwortlich zu machen gewesen sei, werden die
Gifttheorie zu stützen haben. Zur Ansicht Ehrlichs, dafs wir
uns die Giftwirkung im Erwirken der Durchlässigkeit der diffusions-
verhindernden Membran der Erythrozyten vorzustellen haben,
liefert Pascucci (^) in einer Arbeit aus dem Hofmeister-
sehen Institute einen instruktiven Beitrag. Er konnte zeigen,
dafs Blutgifte ganz verschiedenen Ursprungs und Charakters
(Saponin, Solanin, Kobragift und Tetanotoxin) Lecithin-Cholesterin-
membranen alterieren und permeabel machen. Dieser Vorgang
lief um so rascher ab, je geringer der Cholesteringehalt der Mem-
bran bemessen wurde. Nun tritt Pascucci auf Grund des
chemisch-physikalischen Verhaltens der Erythrozyten dafür ein,
dafs wir uns die Blutkörperchen nicht mit einem »schwammartig
aufgebauten protoplasmatischen Gerüste ausgestattet zu denken
haben, sondern als bläschenförmig gebaute Körper, deren Mem-
bran das Stroma bildet, vorstellen sollen. Nach den Ausfüh-
rungen desselben Beobachters besteht nahezu ein Drittel der
Trockensubstanz der Stromata aus Lecithin und Cholesterin, und
Pascucci wirft die Frage auf, ob es nicht unter den geschil-
derten Verhältnissen gestattet sei, anzunehmen, »dafs die Wir-
kung der blutscheibenlösenden Gifte nicht ganz oder doch in
erster Reihe durch chemische Einwirkung, auf die die Membran
zusammensetzenden Stoffe zustande kommt«. Die Ansicht hat
gewifs etwas Bestechendes. Ob sie für die Infektion im Tier-
körper geltend gemacht werden kann, mufs erst durch ent-
sprechende Versuche erwiesen werden, doch scheint uns die
294 Über Hämolyse im Reagensglas und im Tierkörper.
Auffassung Pascucci» mit unserer Ansicht vereinbar, dafs bei
Infektionen das die roten Blutzellen schädigende Agens, das
hypothetische Bakteriohämolysin (etwa nach Pascucci eine
Lecithin und Cholesterin lösende Substanz) von seiten der Bakterien
im Tierkörper produziert werde.
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34. Kionka, Blutgifte. Handbuch von Lubarsch <& Ostertag YU. 1900/1901.
35. Sobernheim, Milzbrand im Handbuch von Kolle und Wassermann.
36. Filehne, Weshalb erzeugt intravenöse Einbringung von Glyzerin weniger
sicher Hämoglobinurie als subkutane? Virchows Archiv, Bd. 117.
37. 0 harr in, La maladie pyocyanique. Paris 1889.
38. Wassermann, Bacillus pyocyaneus. Handbuch von Kolle und
Wassermann.
39. B u 1 1 o c h und H u n t e r , Über Pyocyanolysin, eine hämolytische Sub-
stanz in Kulturen des Bacterium pyocyaneum. Zentralblbl. f. Bakteriol.
Bd. 28.
40. Weingeroff, Zur Kenntnis des Hämolysins des Bacillus pyocyaneus.
Zentralbl. f. Bakteriol. Bd. 29.
41. Margarete Breymann, Über die Stoffwechselprodukte des Bacillus
pyocyaneus. Zentralbl. f. Bakteriol, Bd. 31. Literatur.
296 lltmoljte im Keagensglas on<l im Tierkörper. Von Dr. t. Wanschbeim.
42. Loew and Kozai, Über die Bildang dee Pyocranoljsins anter ver-
leb iedenen Bedin^ngen. Tokyo Imperial üniTenitv. Vol. IV, Ref. i.
ZentralbL f. Bakteriol.. Bd. 32.
43. Jordan, Üh>er die Xatar des Pyocyanolynns. Zentndbl. 1 Bakteriol,
&i. 33.
44. Calamida, Das HAmoIjsin des Bazillaa der Hähnercholera. Zentzalbl.
f. Bakteriol., Bd. 35.
45 E Levj and P. Levy, Über daa Hlmolysin des Typhosbazillns. Zen-
tralbl. t Bakteriol., Bd. 30.
46. Kayser, Üljer Bakterienhflmolysine , im Besonderen das Kolilysin.
Zeitschr f. Hyjriene, Bd. 42.
47. Weicbselbaam, Diplococcos pneamoniae im Handbuch von K o 1 1 e
and WasHermann.
48. Marmorek, Die Arteinheit der für den Menschen pathogenen Strepto-
kokken. Berliner klin. Wochenscbr. 1902.
4U. V. Baum garten, Ergebnisse der osmologiscben Forschung über Hänio-
lyse in Zikel: Osmologische Diagnostik und Therapie. Berlin 1905.
50. Olinto Fascucci, Die Zusammensetzung des Blutscheibenstromes
und die Hftmolyse. Hofmeisters Beiträge 1905, Bd. 6.
51. V. Wunsch heim, Über HAmoIyse bei experimentellen Infektionen.
Münchener med. Wochenscbr., 1903, Nr. 26.
52. Derselbe, Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und
Ärzte. Kassel 1903.
THE N ZV. . '^V
Weitere Erfahrnngen Aber Aggressinimmimilllt gegen den
Shiga-Emseschen DysenteriebazUlns.
Von
Dr. Yonetarö Kikuchi.
(Aus dem Hygienischen Institut der deatschen üniversitAt in Pirag.
Vorstand: Prof. Hueppe.)
In einer vorläufigen Mitteilung (> Wiener kl. Wochenscbriftc
1905, Nr. 17) wurde bereits über Versuche berichtet, vermittelst
der Aggressine des Shiga-Kruse sehen Dysenteriebazillus empfäng-
liche Tiere aktiv und passiv zu immunisieren. Die Versuche sind
seither weiter geführt worden, ohne noch mit völlig befriedigen-
den Resultaten abgeschlossen werden zu können. Da aber
äufsere Umstände zu einer langen Unterbrechung zwingen, mögen
die erzielten Ergebnisse hier mitgeteilt werden, besonders da sie
bereits erkennen lassen, welche Verhältnisse besonders bei der
Immunisierung gegen den Dysenteriebazillus und bei der even-
tuellen Herstellung eines Heilserums für den Menschen in Frage
kommen können.
Der Shiga-Krusesche Dysenteriebazillus gehört seiner
Wirkung im Tierversuche nach in die nächste Nähe des Cholera-
vibrio, Typhus- und Kolonbazillus. Es handelt sich um die Gruppe
der fakultativ invasiven oder Halbparasiten, deren Hauptkenn-
zeichen in ihrer sehr geringen Aggressivität besteht. Sie ver-
mögen erst in einer gewissen Anzahl von Individuen im Körper
(der Bauchhöhle) geeigneter Lebewesen so viel Aggressivität auf-
zubringen, um sich reichUch zu vermehren. Auch dann aber
ArohlT f. Hyfi«ii«. Bd. UV. ^
r .
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/ / ß .'•»'
r\
Von Dr. YonetarO Kikachi. 299
stattgefanden hat, der Phagozytose so gut wie nicht unterworfen^);
ebenso wie bei Milzbrand können bei geringer intraperitonealer
Infektion Leukozyten in beträchtlicher Zahl in die Bauchhöhle
übertreten, ohne dafs Phagozytose zu beobachten w&re. Diese
findet hingegen bei Halbparasiten stets statt, wenn nur nicht die
Infektion eine derartige war (grolse Bazillenmenge, gleichzeitige
Aggressineinspritzung), dafs Leukozyten ferngehalten wurden. Der
BegrifE der Virulenz hat mit diesem Verhältnisse wenig zu tun;
ob ein Typhus- oder Dysenteriebazillus mit Vöo ^^^^ ^ai^ 5 Ösen
tötet, stets findet bei Anwendung einfach oder wenig mehr-
fach tödlichen Dosen starke Hyperleukozytose und Phagozytose
statt, und bei Verwendung von vielfach tödlichen Mengen bleiben
Leukozyten bei den wenig wie bei den hochvirulenten aus; die
wenigen, meist am Netze abgelagerten Zellen zeigen dennoch
Phagozytose.
Es liegt also [diesem abweichenden Verhalten gegen die
Zellen wie gegen die Flüssigkeiten des Körpers eine vollkommene
gegensätzliche Organisation von Halbparasiten und echten Para-
siten zugrunde, und es ist klar, dafs diese Feststellungen auch
auf das Vorgehen bei der aktiven Immunisierung und der Her-
stellung von Immunserum nicht ohne Einfiufs bleiben können.
Wenn denselben im folgenden noch nicht überall Rechnung
getragen ist, so liegt die Ursache darin, dals diese Umstände
erst im Laufe der Immunisierungsversuche von Prof. Bail mit
Typhus und Cholera und der eigenen mit Dysenterie ermittelt
wurden.
Aus den eben erwähnten Darlegungen geht hervor, dafs für
die Erzielung einer aktiven Immunität zur Verhütung einer
drohenden und für die Herstellung eines Serums zur Heilung
einer bereits ausgebrochenen Krankheit verschiedene Wege ein-
geschlagen werden können.
Die aktive Immunisierung kann nach dem bisherigen Stande
der Kenntnisse eine zweifache sein und entweder Bakteriolyse
oder Antiaggressivität erzielen wollen. Mittels ersterer sollen
1) Vgl. Zilberberg und Zeliony, Annales de llnstitut Pasteor,
1901, S. 615.
20*
300 Aggrewriniinmanitat gegen den Bhiga-KroBeschen DyBenteriebaiillaB.
sollen die Infektionserreger abgetödet werden, noch ehe sie sich
im Körper in gefahrdrohender Weise vermehren können. Dafs
dieses Ziel bei der intraperitonealen Impfung von Meerschweinchen
verhältnismäfsig leicht und sicher erreicht werden kann, ist sicher
bewiesen. Ob das, was für einen intraperitonealen Versuch gilt,
auch auf die natürliche Menscheninfektion übertragen werden
darf, ist aber fraglich. Denn zunächst hat Bail zeigen können,
dafs die Abtötung von Typhusbazillen, die in der Meerschweinchen-
bauchöhle relativ glatt und rasch erfolgt, schon innerhalb der
Organe nicht in gleicher Weise sich sichtbar machen läfst; ob
durch die hak terioly tische Fähigkeit des Blutes innerhalb des
Darmlumens überhaupt eine Wirkung erzielt werden kann, muls
aber als sehr unsicher erscheinen. Die klinischen Erfahrungen
von Stern, Körte und Steinberg, Jürgens, wonach trotz
ausgebildeter, natürlich erworbener bakteriolytischer und agglu-
tinierender Fähigkeiten Typhusrezidive nicht verhütet werden,
sprechen nicht dafür. Da in neuerer Zeit durch Wright in
England, durch das Institut für Infektionskrankheiten ^) in Deutsch-
land Menschenimpfungen zur Erzielung aktiver Immunität gegen
Typhus angewendet worden sind, wird ihr Ergebnis abgewartet
werden müssen. Für die Choleraimpfungen nach Haffkin,
die DysenterieimpfuDg von Shiga u. a. gilt das Gleiche.
Inzwischen mufs aber angesichts der erwähnten Bedenken
das Bestreben berechtigt erscheinen, die zur Verfügung stehenden
Impfmethoden durch Einführung und Erprobung der Aggressin-
immunität zu vermehren. Ihr Prinzip weicht von der bakterio-
lytischen Immunisierung sehr beträchtlich ab.
Hier handelt es sich nicht so sehr um Abtötung der in den
Körper bereits eingedrungenen Bakterien, die mindestens bei
Typhus schon in den Organen und wohl ebenso im Darminhalt
schwer zu erreichen sein dürfte. Ein direkter Angriff auf die
Lebensfähigkeit der Infektionserreger wird hier gar nicht beab-
sichtigt, nur die Aggressivität derselben, d. h. die Ausschaltung
1) Klinisches Jahrbuch, Bd. XIV, Heft 2 (Gaffky,Kolle, Heisch
und Kutscher).
Von Dr. Tonetarö Kikuchi. 301
der natürlichen Schutzkrftfte des Organismus soll aufgehoben
werden.
B a i 1 hat diese Immunisierung bereits mit der antitoxischen
verglichen, welche sich ebenfalls nicht so sehr um die Erreger
als um ihr Gift, also das eigentlich krankmachende Agens
kümmert.
Für Halbparasiten nach Art des Dysenteriebazillus ist die
Aggressivität aber die unerläfsliche Voraussetzung der Krankheit:
denn nur die Ausbildung von Aggressinen ermöglicht es dem so
labilen Bazillus im normalen Tierkörper bis zur krankheits-
erzeugenden Menge heranzuwachsen.
Gelingt es, durch passive oder aktive Immunisierung einen
1 antiaggressiven Körperzustand c herzustellen, so bleiben die
Schutzkräfte des Organismus, die sonst gelähmt werden, tätig
und beseitigen früher oder später die Krankheitserreger.
So einleuchtend diese Vorstellungsweise ist, so bedarf sie
doch nach der Eigenart der halbparasitischen Dysenteriebazillen
und den inzwischen über Aggressinimmunität gemachten Er-
fahrungen mehrfacher Ergänzungen.^) Das Studium der Aggressin-
immunität gegen echte Parasiten hat nämlich das eigentümliche
Resultat gehabt, dals zwar, wie vorauszusehen war, eine rasche
Abtötung der Bazillen im Tiere nicht stattfindet, dafs aber ge-
legentlich auch eine sehr bedeutende Vermehrung im immunen
Organismus eintreten kann, ohne dafs diese von den geringsten
Krankheitserscheinungen begleitet ist. Namentlich die schönen
Versuche von Weil mit Hühnercholera und Schweineseuche im
Peritoneum aktiv und passiv immuner Meerschweinchen haben
dies deutlich gemacht.
Aber auch für Milzbrand fand B a i 1 im immunen Tiere lange
Zeit Bazillen. Sobernheim, dessen Milzbrandimmunität sicher
eine antiaggressive ist, fand sogar Vermehrung im kreisenden
Blute. Keine der gegenwärtig geltenden Anschauungen über
1) Ich bin Herrn Prof. Bail und Herrn Dr. Weil für die gütige Über-
laissang ihrer diesbezüglichen, ausführlich erst später zu veröffentlichenden
Erfahrungen zu groÜBem Danke verpflichtet
302 AggreBsinimmunität gegen den Shiga-EmseBchen DysenteriebazillaB.
Immunität vermag sich mit diesen Feststellungen abzufinden,
als die Aggressintheorie. Denn sobald nur die Aggressine durch
den Immunzustand paralysiert sind, hat die Vermehrung, die ja
doch nicht eine schrankenlose Durchwucherung bedeutet, keine
gröfsere Wichtigkeit als das Bakterienwachstum etwa in der
Mundhöhle. Schliefslich fallen die Bakterien doch den Körper-
schutzkräften zum Opfer. Die grofse Bedeutung der Unter-
scheidung von obligat invasiven Parasiten und Halbparasiten zeigt
sich also gerade hier wieder sehr deutlich.
Parasiten im natürlich virulenten Zustande unterliegen der
Auflösung durch die Eörpersäfte^ wie der Phagozytose so gut
wie gar nicht und wahrscheinlich deshalb wirken sie nicht un-
mittelbar vergiftend. Anders bei den Halbparasiten und unter
diesen ganz besonders bei Dysenteriebazillen.
Sie unterliegen der Phagozytose wie der Auflösung durch
Körpersäfte sehr leicht. Erstere stellt die unschädliche Beseiti-
gungsweise dar, denn dadurch wird das etwa freiwerdende Gift
sofort unschädlich gemacht. Letztere bedeutet die plötzliche
Resorption von Endotoxin. Denn es ist wohl kaum zu be-
zweifeln, dafs sowohl die Giftwirkung im Exsudate infizierter
Tiere als die in älteren Bouillonkulturen auf gelöste Endotoxine
zurückzuführen ist. Da man nun gezwungen ist, zur erfolg-
reichen Infektion eines Tieres mit Dysenteriebazillen grofse
Mengen zu injizieren, so kann auch trotz bestehender Anti-
aggressivität Vergiftung eintreten, wenn nicht, wie dies Regel
ist, Leukozyten das Gift paralysieren. Erfolgt aber im immunen
Tiere, so wie bei der Immunität Weils gegen Hühnercholera
Vermehrung so bedeutet das bei Halbparasiten eine Giftanhäufung,
der gegenüber auch die Leukozyten schliefslich versagen müssen.
Es ist also das, was bei einem Parasiten für den Tierkörper
ganz unschädlich ist, bei einem Halbparasiten gefährlich.
Aus diesen Darlegungen geht hervor, dafs die Immunität
gegen den Dysenteriebazillus eine ganze Reihe von Momenten
berücksichtigen mufs, unter denen aber dem gegen die Gift-
wirkung gerichteten unter allen Umständen eine sehr grofse Be-
deutung zukommt. Diese kann wieder in zweifacher Weise er-
Von Dr. TonetarO Kikachi.
303
folgen : durch Erzeugung einer direkten Antitoxinimmunität und
durch Steigerung der normalen Giftbindung durch die Leukozyten.
Dafs die Zellen dazu imstande sind, wurde bereits bewiesen^);
wenn solche rasch und reichlich zuströmen, so können sie durch
Phagozytose an der Zerstörung der Bazillen in ungefährlicher
Weise arbeiten und überdies das sonst entstandene Gift be-
seitigen. In der Tat sind aktiv aggressinimmune Tiere, wie
bereits angeführt wurde, dazu imstande. Aber solche werden
auch bis zu einem gewissen Grade antitoxisch immun sein, da das
zur Injektion verwendete Peritonealexsudat dysenterischer Meer-
schweinchen aufser Aggressin auch Gift enthält und dieses im
Blute vorbehandelter Tiere Antitoxin erzeugen kann. In der
Tat sind Meerschweiuchen nach zweimaliger Injektion sterilen, auch
von toten Bazillen so viel als möglich befreiten Aggressins völlig
immun, auch gegen schwere Infektion, die für Kontrolltiere in
kurzer Zeit tödlich ist. Aufser den bisher angeführten Bei-
spielen seien noch zwei Versuche hierüber angeführt:
Tabelle I.
Infektion I Tod
Bemerkungen
90 i! 12. XII.
I 1,0 ccm
I Agfrrensin
'subkutan
,1 28. I.
,| 1,5 ccm
,' Agfo'essin
li subkutan
153 1 Kontrolle
12. II.
2 Agar*
knltnren
1. perit.
wie 90
lebt
in der
Nacht
Nach 1 Std. merkt man viele Haufen von
Bazillen, vielfach um Leukozyten herum.
Nach 2 Std. hochgradige Haufenbildung
der Bazillen. Die Haufen liegen vielfach,
aber nicht sämtlich, um Leukozyten herum.
Nach 3 Std. sind sowohl die Haufen wie
die Phagozytose verschwunden. Freie Ba-
zillen fehlen in dem leukozytenreichen
Exsudate. Lebt.
Nach 1 Std. massenhaft Bazillen. Nach 2 Std.
deutliche, starke Vermehrung ; einige Leuko-
zyten. Nach 3 Std. keine Zunahme der
Leukozyten, von denen einige schwache
Phagozytose zeigen. Enorme Bazillen-
mengen. Die Sektion ergibt das Bild
schwerer Infektion.
1) Berliner klin. Wochonschr., 1905, Nr. 15.
304 Aggretsininimanität gegen den Bhiga-EniBeBcben Dysenteriebaallas.
Tabelle ü.
Nr.
Vorbe-
handlang
Infektion
Tod
Bemerkungen
91
158
12. XII.
1,0 ccm
Aggreesin
subkutan
38. L
1^ ccm
Aggressin
subkutan
13. n.
2,5 ccm
Exsudat
von T. 152
i. perit
lebt
Kontrolle
Wie 91
nacb
8 8td.
Nacb 1 Std. haben sich alle Bazillen zusam-
mengeballt Leukozyten, davon die poly-
nuklearen mit schwacher Phagozytose, be-
reits zahlreich. Nach 2 Std. haben die
Bazillen stark abgenommen, die Zahl der
Leukozyten ist sehr gestiegen. Hochgradige
Phagoz3rtose. Nach 3 Std. nur vereinzelte
Bazillen noch zu finden. Weitere Vermeh-
rung der Leukozyten, nur noch hie und
da mit Phagozytose. Nach 4 und 7 Std.
reiner Eiter ohne Bazillen. Das Tier sieht
krank aus, erholt sich am nächsten Tage.
Nach 1 Std. wenig Lymphozyten, massenhaft
Bazillen ohne Haufenbildung. Nach 2 Std. :
In dem von Bazillen dicht erfüllten Tropfen
finden sich vereinzelte polynukleäre Leuko-
zyten mit Phagozytose. Nach 3 Std. noch
weniger Leukozyten wie vorher. Ununter-
brochene Vermehrung der Bazillen. Nach
4 u. 7 Std. fast nur Bazillen im Exsudate.
Sektionsbefund der schwersten Infektion.
Durch eine einmalige Injektion von sterilem Aggressin konnte
bisher eine sichere und ausgiebige Immunität gegen grofse
Bazillenmengen nicht erzielt werden.
Tabelle HL
Nr.
Vorbe-
handlung
Infektion
Tod
Bemerkungen
214
215
216
0,5 ccm
steriles
Aggressin
subkutan
1,5 ccm
steriles
Aggressin
subkutan
Nach 15 Tg.
iVt Agai-
iniltar
i. peilt.
wie 214
Kontrolle
in der
Nacht
nach
24 Std.
wie 214
Inder
Nacht
Kein Unterschied gegen 216.
Nach Vt S^* trat undeutliche, nach 2 Std.
auffallend starke Haufenbildung ein. Nach
3 Std. erschienen viele polynukleäre Leuko-
zyten mit starker Phagozytose, und die
Zahl der Bazillen nahm ab. Nach 7 Std.
trat wieder Vermehrung der Bazillen ein,
trotz reichlichem Leukozytengehalt der
Bauchhöhle. Die Sektion lieferte das Bild
einer leichten Infektion mit dickem eitrigem
Exsudate und reichlichen Auflagerungen.
Bild schwerster Infektion mit progressiTer
Bazillenzunahme ohne Leukozytenzutritt
Von Dr. TonetarO Kikaehi. 305
Was die Immunisienmgsmethode betrifEt, so ist bisher aller-
dings eine einfache Injektion von 0,5 und 1,5 com Aggressin noch
nicht hinreichend gewesen, um vollständige Immunität gegen
grofse Bazillenmengen zu verleihen, was bei Typhus nach dem
Versuche von Bail leicht gelingt. Immerhin ist der Infektions-
verlauf bei Meerschweinchen 215 bereits ein weit leichterer als
der der anderen Tiere, so dafs die Wirkung der immunisierenden
Aggressininjektion bereits ganz klar hervortritt. Es ist dazu
weiter zu bemerken, dals es sehr auf die Stärke des verwendeten
Aggressins ankommt, worauf in den bisherigen Versuchen noch
nicht genügend geachtet worden war. Wenig wirksame Aggressine
hinterlassen, ebenso wie durch Erhitzen auf 60^ gröfstenteils zer-
störte, nur sehr geringe Immunitätsgrade, von denen es dazu
noch sehr unsicher ist, ob es nicht etwa Spuren von bakterizider
Immunität sind.
In allen Versuchen mit aktiver Aggressinimmunität tritt das
rasche und reichliche Erscheinen der Leukozyten deutlich her-
vor. Was das Verhalten der Bazillen betrifft, so wird über die
merkwürdige Haufenbildung im Tierkörper noch unten einiges
zu sagen sein. Wodurch die Bazillen selbst zugrundegehen, ist
mit aller Sicherheit bisher noch nicht festgestellt worden. Eine
typische Granulabildung wurde nur selten und stets nur in sehr
geringem Grade beobachtet; von den bakteriolytischen Lösungs-
erscheinungen, über die Kruse, Shiga und Lentz im Serum
berichten, war nichts zu finden. Phagozytose, manchmal sehr
hochgradig, fehlte zwar nie, aber der grölste Teil der Bazillen
war oft schon verschwunden, noch ehe die Zellen reichlich ein-
getreten waren. Es ist sehr wahrscheinlich, dafs die Dysenterie-
bazillen in kurzer Zeit förmlich ausgefällt wurden und sich an
die Wand der Bauchhöhle und namentlich am Netze nieder-
schlagen, wo Leukozyten sich ansammeln und als Phagozyten
wirken. Das ist dann im aggressinimmunen Tiere der gleiche
Verlauf, wie ich ihn in gemeinsamer Arbeit mit Herrn Dr. Weil*)
bei intraperitouealer Injektion von Pseudodiphtheriebazillen, welche
nicht imstande sind aggressiv zu wirken, beobachten konnte, so
1) ^ener klin. Wochenschr., 1905, Nr. 25.
306 AggreMinimmanität gegen den Shiga Kroseschen Dysenteriebazillns.
dafs die Dysenteriebazillen im aggressinimmunen Tiere sich ein-
fach wie reine Saprophyten verhalten. Ob dabei auch eine ge-
wisse Bakteriolyse mitwirkt, ist mit Sicherheit nicht auszu-
schliefsen, Hauptsache ist sie jedenfalls nicht.
Eine Vermehrung der Bazillen, wie sie bei der Aggressin-
immunität gegen Parasiten möglich ist, trat nicht ein, wo sie
schliefslich, wie z. B. bei Meerschweinchen 215 erfolgte, war sie
von Krankheit und Tod gefolgt. In der Tat bedeutet ja Ver-
mehrung der Bazillen bei Dysenterie gleichzeitig Giftanhäufung,
welcher die Immunität gewachsen sein müfste. Das rasche und
reichliche Erscheinen der Leukozyten hat jedenfalls die Gift-
und Aggressinbeseitigung zur Folge. In den erwähnten beiden
Versuchen ist Giftmenge (zwei Agarkulturen) und Aggressin-
menge (2,5 ccm Exsudat, vgl. den Infektionsverlauf beim Kontroll-
tiere) verhältnismäfsig eine ungeheuere, und dennoch hat die
Immunität standgehalten. Aber dennoch ist die Giftparalysierung
keine ganz vollständige gewesen. Denn abgesehen davon, dafs
die Immuntiere infolge der Peritonitis am Versuchstage krank
aussahen, folgte stets Abmagerung, die erst nach zwei und mehr
Wochen wieder der vollständigen Wiederherstellung wich, ein
Ereignis übrigens, das auch fast nach jedem Versuche mit grofsen
Dosen von Typhus und Cholera mit dem entsprechenden bakterio-
lytischen Immunserum eintritt. Marasmus ist aber das Kenn-
zeichen der chronisch gewordenen Vergiftung.
Wenngleich damit gezeigt ist, dafs die Giftbeseitigung nach
aktiver Aggressinimmunisierung noch einiges zu wünschen übrig
läfst, so kann doch das Ergebnis bei der Schwere der Infektion
mit und ohne Aggressin als ein günstiges bezeichnet werden.
Da die Vorbehandlung mit Aggressin mindestens für Meer-
schweinchen eine gänzlich ungefährliche ist, jedenfalls unschäd-
licher als die Injektion von Bazillen mit ihren schweren Re-
aktionen zur Erzeugung der bakteriziden Immunität^), so
dürfte ein Versuch am Menschen für die nächste Zeit gerecht-
fertigt sein, wobei zu bedenken ist, dafs der Eintritt der
1) Vgl. Leute, Handbuch von Kolle -Wassermann, Bd. 4, S. 900.
Von Dr. YonetarO Kikuchi. 307
Aggressinimmunität ein relativ später ist (bei Meerschweinchen
wenigstens 10, besser 14 Tage bis 3 Wochen), und dafs die be-
bandelten Individuen bis zur Erlangung derselben im hohen
Grade überempfindlich sind.
Kann so durch die bisherigen Versuche wenigstens das
Prinzip der aktiven Aggressinimmunisierung als anwendbar und
aussichtsreich bezeichnet werden, so ist die nächste Forderung
nach Herstellung eines, womöglich zur Behandlung der mensch-
lichen Krankheit geeigneten Immunserums viel schwerer zu er-
füllen. Shiga^) wie Kruse'^) gelang es, sehr hochwertige Sera
durch vorsichtige Vorbehandlung verschiedener Tiere mit den
Bazillen selbst zu gewinnen. Im bakterisiden Reagenzglasver-
suche erwiesen sich dieselben als bakterizide Immunsera, während
im TierkOrper selbst eine typische Auflösimg nur wenig be-
obachtet zu sein scheint.
Agglutination bewirken aber solche Sera sicher, und die
Literatur über die Dysenteriebazillenagglutination im Blute von
Kranken, Genesenen und immunisierten Tieren ist bereits eine
sehr ansehnliche. Da aber erfahrungsgemäfs agglutinierende
Bluteigenschaften nicht notwendig mit bakteriolytischen in Be-
ziehung stehen müssen, läfst sich über die Natur der Wirkung
der von verschiedenen Autoren (Shiga, Kruse, Lentz,
Rosenthal) hergestellten und angewendeten Sera nichts sicheres
aussagen, obwohl sie schon nach ihrer Entstehungsweise eine
bakterizide zu sein scheint. Auch die Versuche an Menschen,
die von Shiga, Kruse und Rosenthal mit Serum angestellt
sind, geben über die Natur der Senimwirkung keine Anhalts-
punkte, wenngleich die Resultate ermutigende sind.
Im wesentlichen gelten für die Gewinnung eines Immrm-
serums für kranke oder in kürzester Zeit passiv zu immunisierende
Menschen die gleichen Gesichtspunkte, wie sie oben für die aktive
Immunität besprochen wurden. Aber ob nun das eventuell ge-
wonnene Serum nur bakterizid oder nur antiaggressiv ist, seiner
1) Shiga, Deatsche medix. Wochenschr., 1903, Nr. 18. Zeitschrift f.
Hygiene, Bd. 41.
2) Kruse, Deatsche med. Wochenschr., 1901, Nr. 28, 24, 1908, Nr. 1 ff.
308 AggreBainimmonität gegen den Shiga-Enuieschen DyBenteriebaallaB.
giftDeutralisierenden Eigenschaft wird die gröfste Bedeutung zu-
erkannt werden müssen. Das geht bereits aus der Beobachtung
der Bazillen Wirkung im Tierversuche hervor: die imponierende
und relativ rasche Vergiftung von Kaninchen, die langdauemde
Abmagerung von Meerschweinchen nach Einführung von Bazillen-
mengen, die an sich noch gar nicht imstande sind, sich zu ver-
mehren, wirken sehr überzeugend. Giftwirkungen, die sämtlich
mit Sicherheit von den Leibessubstanzen der Bazillen hergeleitet
werden können, sind ohne Intervention von lebenden Kulturen
mehrfach beobachtet worden. Conradi^), sowie N e i f s e r und
Shiga^ gewannen Gifte aus Agarkulturen durch Autolyse und
Extraktion, in Bouillonkulturen verschiedener Zusammensetzung
wurden sie von Todd'), Rosenthal*) und Kraus^) und
Dörr aufgefunden. Rosenthal, Todd und Kraus berichten
auch in gelungenen Versuchen über Herstellung und Wirkungs-
weise antitoxischer Sera.
Wie bereits früher nachgewiesen, enthalten Exsudate dysen-
terischer Meerschweinchen neben Aggressin sehr wirksames Toxin,
das aber natürlich je nach der Infektion, welcher die betreffenden
Tiere erlagen, nach dem Zellgehalte der Flüssigkeit u. dgl. an
Intensität wechseln mufs. Es ist kaum zu bezweifeln, dafs auch
dieses Toxin als Endotoxin angesehen werden mufs, da in der
Meerschweinchenbauchhöhle die Bazillenauflösung schneller und
wohl auch ausgiebiger stattfindet als in der Bouillonkultur der
erwähnten Autoren. Bekanntlich hat A. Wolf®) der Frage der
Endotoxine und der Immunität besondere Aufmerksamkeit ge-
widmet und war dabei im wesentlichen zu dem Schlüsse gelangt,
dafs zur Erzeugung einer Anti Endotoxinimmunität wenig günstige
Aussichten vorhanden sind. Die V^ersuche mit Dysenteriebazillen
beweisen, dafs dies für gewisse Mikroorganismen doch gelingt,
1) Conradi, Deatsche med. Wochenschr., 1903, Nr. 2.
2) N elf 8 er und Shiga, Deutsche med. Wochenschr., 1903, Nr. 4.
3) Todd, zit. nach Leute, a. a. 0., S. 899. Journal of Hygiene, 1904,
Bd. IV.
4) Bosenthal, Deutsche med. Wochenschr., 1908 u. 1904.
5) Kraus und Dörr, Wiener kiin. Wochenschr., 1905, Nr. 7.
6) Wolf, Zentralbl. f. Bakteriol., 1904, Bd. XXXVII, 8. 890 ff.
Von Dr. TonetarG Eikuchi.
309
und auch jede Aggressinimmunität bei Dysenterie muls schoQ
ihrer Herkunft nach antitoxisch sein. Das ist ein sehr groCser
Vorteil der durch Aggressineinspritzung gewonnenen Sera, die
sich somit gegen die eigentliche Krankheitsursache, die Aggres-
sivität der Bazillen, wie gegen das Moment richten, welches die
Krankheitserscheinungen auslöst, das Gift.
Das Studium des Dysenteriegiftes im Meerschweinchenexsudate,
dessen immunisatorische Wirkung, die Beeinflussung des Giftes
durch das erzeugte Antitoxin, der Zusammenhang der dabei
selbstverständlich stets zu beobachtenden Präzipitation auf die
Giftbeseitigung und Antitoxinstärke^), bilden ebensoviele Probleme
von grofser Wichtigkeit, deren Studium hauptsächlich wegen des
öfter eintretenden Tiermangels noch nicht bewältigt werden
konnte, und die deshalb vorbehalten sein mögen. Es wird ihr
Ergebnis später mitgeteilt werden.
Jedenfalls gelingt die Herstellung antitoxischer Sera bei allen
Tieren vermittelst aggressinhaltiger Exsudate sicher und ver-
hältnismäfsig leicht, wobei allerdings niemals antitoxische Serum-
wirkungen von der Stärke etwa der Tetanussera beobachtet
werden konnten. Keines der bisher erhaltenen Kaninchen- und
Meerschweinchensera schützte bisher mit Leichtigkeit in der
Menge von 0,1 ccm Kaninchen. Auch das Serum eines lange
behandelten Schafes (s. unten) schützte nur in mäfsigem Grade.
Tabelle IV.
Seram yon Eaniachen 14, nach 7 maliger Injektion von im ganzen 1,08 ccm
Meerschweinchenaggressin binnen 3 Monaten. Als Toxin dient sterilisiertes
Ezsadat des dysenterischen Meerschweinchens 152.
Nr.
Serum
Toxin
Tod
Bemerkungen
67
2,0 ccm
Imman-
senim
sabkutan
Nach 1 St.
0,1 ccm
Toxin
subkutan
Am Abend des 3. Tages wurde schwache
Parese der Extremitäten beobachtet, die
ohne stärker zu werden, 2 Tage lang be-
stand, dann völlig zurückging.
1) Dehne and Hamburger, Wiener klin. Wochenschr., 1904, Nr. 29,
vgl. dazu die erst nach Fertigstellung dieser Versuche erschienenen Arbeiten
von Sacharoff und Kraus und Pribram, beide Zentralbl. f. Bakteriol.,
Bd. 39, Heft 1.
810 Aggrearinimmanitit gegen den Shiga-Kraseschen Dysenteriebasillas.
Nr. ü Serum
Toxin Tod
Bemerkungen
68
69
0,5 ccm
Immun-
Berum
subkutan
wie 67
wie 67
t Wurde am Morien des 4. Tages tot gefun-
den, ohne dafs Lähmung beobachtet wor-
den wäre.
Am 3. Tage typische Lähmung, die lunahm
und am 4. Tage zum Tode führte.
Tabelle V.
Serum von Kaninchen 28 (s. Tab. VII) und Meerschweinchen 89 (s. Tab. VII).
Als Toxin dient das sterile Exsudat des dysenterischen Meerschweinchens 180.
Nr.
Bemerkungen
88 1,0 ccm
Kaninchen-
immun-
serum i. V.
89 0,25 ccm
des gleichen
Serums i. v.
87 1,0 ccm
normales
Kaninchen-
serum i. V.
91 1,0 ccm
ji Meerschw.-
|| Immnn-
serum i. v.
92.: 0,25 ccm
; des gleichen
- Serums i. v.
90 '; 1,0 ccm
Normal-
Meerschw.-
Serum i. v.
Nach 2 St.
, 0,1 ccm
■Toxin i. v.
wie 88
> wie 88
Keinerlei Störung.
- wie 88
Keinerlei Störung.
„Am nächsten Tage bereits leichte Parese
i der Hinter! üfse und Vorderf üfse, die lang-
i| sam bis zum Tode nach 3 Tagen, lu-
'I nahm.
Keinerlei Störung.
wie 88
wie 88
Nach 1 Woche wurde das Tier tot gefun-
den, ohne dafs Lähmung beobachtet
wurde.
Die Lähmung trat erst am 6. Tage ein,
führte aber bereits am Morgen des nächsten
Tages zum Tode.
Zu den Giftversueben ist noch einiges zu bemerken. Sie
werden natürlicb am besten an Kaninchen angestellt, welche
rasch eintretende und sehr charakteristische Erscheinungen^)
darbieten. Meerschweinchen zeigen keine Lähmungen, wohl aber
Marasmus, dessen Stärke vielleicht sehr von individuellen Ver-
hältnissen abhängt. Es war nun sehr auffallend, dafs Meer-
1) Vgl. Archiv f. Hygiene, Bd. 62, S. 404.
Von Dr. Yonetar5 Kikachi.
311
schweinchen, die zur Prüfung der antiaggressiven Serumwirkung
Bazillen in grofser Menge intraperitoneal erhalten hatten, auch
nach vollständiger Beseitigung jeder Infektionsgefahr sehr oft
abmagerten, manchmal auch nach Wochen steril an Kachexie
zugrunde gingen. Überdies zeigten solche Tiere oft, trotz des
nach einigen Stunden eintretenden günstigen Bazillen- und Zell-
befundes in der Bauchhöhle, starke Krankheitserscheinungen, oft
ausgeprägter als die Kontrolltiere, deren Bauchhöhle von Bazillen
erfüllt war, und die kurze Zeit darauf starben. Gleichwohl war
von Bazillenauflösung, wie etwa bei Cholera, nichts zu bemerken,
und doch müssen diese Vergiftungserscheinungen auch auf die
Bazillen bezogen werden. Gegen sie scheint das im Kaninchen-
versuche so deutlich die Lähmungen verhindernde antitoxische
Serum nur sehr schlecht zu schützen. Auch bei Kaninchen
wurde nach Serum-Exsudatinjektion mehrfach beobachtet, dafs
die Tiere, ohne je die geringste Lähmung zu zeigen, nach Tagen
oder Wochen eingingen, und zwar meist, ohne dafs Marasmus
hohen Grades beobachtet worden wäre. Diese Verhältnisse,
welche vielleicht auf eine Mehrheit von Giftwirkungen hindeuten,
bedürfen noch sehr der Untersuchung, zu der die relativ leichte
und einfache Gewinnung des Dysenterietoxins im Meerschweinchen-
exsudate günstige Bedingungen bieten dürfte.
In bezug auf die Wirkung von durch Aggressinimmunisierung
gewonnenen Sera mögen zunächst einige Angaben folgen:
Tabelle VI.
Qualitativer Verench mit Serum von Kaninchen 14 (e. Tab. IV).
Tod
Bemerkungen
156
157
2,5 ccm Nachestd.
suDKUian, Exsudat
eines dysen-
! terischen
I Meerschw.
i. perlt.
— wie 156
lebt
ca.
16Std.
Schon nach Vs Std. finden sich weder Bazillen
noch Granula, wohl aber bereits kleine poly-
nukleare Leukozyten. Nach 1 Std. starke
Vermehrung von kleinen polynukleären
Zellen. Nach 2 Std. treten auch grofse poly-
nukleäre Leukozyten in dem eitrigen Ex-
sudate auf. Nach 3 Std. reiner £iter. Lebt.
Fortschreitende Vermehrung der Bazillen,
aber doch nur Sektionsbefund einer mittel-
schweren Infektion.
312
Tabelle VIL
Bernm von Meerechweincbeii 89, dae innerhalb 3 Monate 7^ ccm Meer-
Hchweinebenagn^eeein erhalten hatte and Ton Kaninchen 28, das in der
gleieben Zeit mit 0,96 ocm behandelt worden war.
Nr. Herum Infektion Tod
]78i 1,0 ccm Nach
' Meer- 15 Std.
„•chwein.- V\ Agar
' Imman- kaltar
semm i. perit.
flobkatan
lebt
179
1,0 ccm
Kanin-
chen-
Imman-
semm
fiabkatan
wie 178 i lebt
1801
wie 178
mner-
halb
208td.
Nach V, Stande sind bereite sehr viele Leoko-
zjten, aber keine Bazillen mehr in finden.
Einige zweifelhafte Granula worden be-
obachtet Weiterhin warde daa Ezsodat
rasch eitrig, ohne daA noch BaziUen zn
sehen waren.
Nach 7i 3^- groIiM Mengen Ton Bazillen,
wenig Leakozyten. Nach 1 Std. noch viele
Bazillen, aber weniger ala im Kontrolltiere ;
hie und da Zaeaiumenballang derselben,
meist nm Leukozyten hemm. Nach 2 Std.
vermehren sich die Leakozyten onter lang-
samer Bazillenabnahme. Nach 3 Std Leako-
zyten vermehren sich weiter, die Zahl der
Bazillen stark in Abnahme, doch finden
sich noch Haafen von Zellen hemm. Starke
Phagozytose. Nach 7 Std. sind in dem
eitrigen Ezsadate weder Bazillen, noch
Granula, noch Phagozytose zu finden.
Progressive Bazillen vermehmng. Nach 2 Std.
sind einige Leakozyten vorhanden, die anch
PhagozjTtose zeigen, sich aber nicht ver-
mehren. Befand der schwersten Infektion.
Alle Autoren, die sich mit DysenterieimmunisieruDg be-
schäftigen, betonen die Schwierigkeit der Immunisierung von
Kaninchen mit Bazillen, während die Behandlung mit Aggressin
bei einiger Vorsicht eine sehr leichte ist. Man mufs natürlich
nur »Sorge tragen, die erste Injektion wegen der grofsen Giftig-
keit der Exsudate sehr klein zu machen (0,005 — 0,01 ccm). Üble
Zufälle wurden bei vorsichtiger Steigerung nicht beobachtet,
(jewiclitHubnahmen gleichen sich schnell wieder aus.
Grofse Sorgfalt wurde auf die Behandlung eines Schafes mit
Dysenterieaggressin verwendet, um zu sehen, ob sich in grofsen
Mengen wirksames Serum gewinnen liefse. Im ganzen ist der
Krfolg der fast achtmonatlichen Bemühungen an diesem Tier
ein mäfsiger, wenngleich er im Prinzip vollständig den gehegten
Von Dr. ToneUurO Kikachi.
313
Erwartungen entspricht und dieselben bestAtigt. DaTs nicht bessere
Resultate erzielt wurden, liegt vielleicht an der untweckin&Tsigen
Wahl der Tierart. Mit Pferden (Shiga, Kruse), wohl auch
mit Ziegen (Lentz), dürften nach den bisherigen Erfahrungen
die Versuche leichter sein.
Das Schaf war zuerst mit geringen Dosen sterilen Meer-
schweinchenaggressins, die gut vertragen wurden, subkutan be-
handelt worden. Als die Dose hoher wurde, stellte sich starke
lokale Reaktion in Gestalt von lange bestehenden Infiltraten ein«
auch das Allgemeinbefinden war gestOrt Nach jeder Injektion
wurde eine grofse Pause eintreten gelassen, schon deshalb, weil
die Erfahrung bei allen Äggressinimmunisierungen gelehrt hat,
dafs die allzufrühe Entnahme von Blut leicht ein Serum liefert,
das statt zu schützen, die Infektion begünstigt, also aggressiv
ist, genau so wie bei aktiver Immunisierung eine gewisse, nicht
zu kurze Zeit verstreichen mufs, damit die Infektion nicht ein
überempfindliches Tier betre£fe. Bei der subkutanen Injektion
des Aggressins mufs darauf geachtet werden, dafs dieselbe im
lokalen Zellgewebe ausgeführt wird, wonach die entstehenden
Infiltrate nach kurzer Zeit zum grofsen Teil verschwinden, während
sie sonst sehr langsam resorbiert werden.
Nachdem das Tier im ganzen 17,5 ccm Aggressin in sieben
Injektionen erhalten hatte, wurde das Serum geprüft und zwar
mit sehr schlechtem Erfolge.
Tabelle VIII.
Schafsemm nach Injektion von im gansen 17,51 ccin Meerschweinchen-
aggressins innerhalb ca. 2Vs Monaten. Antiaggressive Wirkung.
Nr.
Semm
Infektion
1
Tod
Bemerkungen
137
138
2,0 ccm Immun-
serum subk.
2,0 ccm Normal-
Schafserum subk.
Nach 16 8td. 2 ccm
KxHudat eines
dysenterischen
Meerachw. 1. perit.
wie 137
in der
Nacht
in der
Nacht
Ohne Unterschied. Verlauf
und Befund schwerster In-
fektion.
ArohiT für Hygiene. Bd. UV.
21
314 Aggressinimmunität gegen den Shiga-Kruseschen DyBenteriebazillus.
Tabelle IX.
Das gleiche SchafBemm wie oben in Tabelle VIII. Antitoxische Wirkung an
Kaninchen von ca. 1000 f?.
Nr. 1: Serum
Toxin
j
Tod Bemerkungen
1
M
; 2,0 ccm Normal-
Schafserom subk.
Nach 1 Std.
0,1 ccm subkut.
5 Tage
Lähmung trat erst am Monren
des 4. Tages ein nnd wurde
rasch vollständig.
55
2,0 ccm Immnn-
serom subk.
wie 54
lebt
Dauernd gesund geblieben.
56
0,5 ccm Immon-
semm subk.
wie 54
4 Tage
Am 3. Tage bereits Lähmnng«
die langsam zunahm.
Damach erhielt das Schaf auf einmal 8,0 ccm Meerschweinchen-
aggressin subkutan und nach Verlauf von 3 Wochen wurde neuer-
lich Serum genommen.
Tabelle X
Tod
Bemerkungen
1,5 ccm
i Immun-
ji serum
'! subkutan
164 ohne
Serum
Nach
15 Std.
2 Agar-
kulturen
i. perit.
wie 163
in der
Nacht
I
in der
Nacht
Der einzige Unterschied gegen das Kontroll-
tier bestand in dem reichlichen Auftreten
von LieukoEyten während der Infektion und
dem Befunde eitriger Auflagerungen bei
der Sektion. Die Basillenvermehrung war
nicht beeinflufst.
Infolge dieses ungünstigen Ergebnisses wurde die intra-
venöse Injektion (8,0 ccm Meerschweinchenaggressins in zwei In-
jektionen) versucht. Darnach war das Serum deutlich wirksam.
Tabelle XI.
Nr.
Serum Infektion
Tod
II
Bemerkungen
183 i 2,0 ccm
Immun-
serum
subkutan
Nach
ca. 20 Std.
1 Agar-
kultur
i. perit.
lebt
Nach 1 Std. waren Leukozyten bereits auf-
getreten, daneben Bazillen. >ach 2 Std.
noch reichliche Bazillen. Schwache Phago-
zytose. Nach 3 Std. sind die Bazillen viel
spärlicher geworden, daneben Eiter mit
Makrophagen, grofsen und kleinen poly-
nukleären Leukozyten. Nach 6 Std. Kiter
fast ohne freie Bazillen mit schwacher
Phagozytose.
Von Dr. YonetarS Kikuchi.
315
1
Nr.
1
I
Serum
Infektion
i
Tod
Bemerkangen
1841
0,5 ccm
Immnn-
seram
subkatan
1
1
1
1
wie 183
lebt
Bereits nach Vi Std. ansehnliche Zahl von
Lenkotyten. Bazillen schon vermindert^
nehmen aber dann wieder sa. Nach 3 Std.
ist der Unterschied gegen das Kontrolltier
gering. Nach 6 8td. sind die Bazillen stark
vermindert und massenhaft Leukozyten
mit mäfsiger Phagozytose sind ai^getreten.
Das Tier war krank, erholte sich dann
aber wieder.
185
i
wie 183
ca.
20Std.
Beständig fortschreitende Bazillenvermeh-
rung und Befund der schweren Infektion.
Nach einer weiteren intravenösen Injektion von 7,0 ccm Meer^
schweinchenaggressins und einmonatlicher Pause ergab die Serum-
prüfung bei gleichzeitiger intraperitonealer Impfung:
Tabelle XII.
Nr.
Infektion
Bemerkungen
201
202
203
1,0 ccm Exsudat
eines dysen-
teriischen Meer-
schweinchens
-|- 0,75 ccm
Immunserum
i. perit.
1,0 ccm Exsudat
-f- 0,25 ccm
Immunserum
i. perit
Kontrolle
ohne Serum
lebt
nach
24 Std.
in der
Nacht
Nach ^4 Std. relativ spärliche Bazillen, zum
Teil in Haufen. Spärliche Leukozyten.
Nach Vs Std. wenige Bazillen, keine Granula.
Nach 1 Std. viele Leukozyten mit schwacher
Phagozytose. Spärliche Bazillen, hie und
da Granula. Nach 2 Std. im wesentlichen
gleich. Nach 3 Std. massenhaft Leukozyten,
von denen die grofsen polynukleären
Phagozytose zeigen Weder Bazillen noch
Granula.
Nach V« Std. sind die Bazillen zu grofsen
und kleinen Haufen zusammengeballt. Nach
Vs Stunde ungefähr ebenso, aber unter
fiazillenverminderung. Nach 1 Std. sind
erst wenig Leukozyten bei gleichem Ba-
zillenbefunde aufgetreten, ebenso nach 2 Std.
Nach 3 Std. nehmen die Leukozyten unter
energischer Phagoz3rto8e zu, aber auch die
Bazillen. Die Sektion ergibt wenig dickes
eitriges Exsudat mit grofsen und kleinen
polynukleären Leukozyten und starker
Phagozytose, daneben viele freie Bazillen.
Viele Auflagerungen.
Progressive ununterbrochene Bazillenver-
mehrung, ohne Leukozytenzutritt ,* schwerste
Infektion.
21*
316 Aggreflsinimmunität gegen den Shiga-Kruseschen DTsenteriebazillus.
Ein Vergleich der Wirkung von Kruses Serum und dem
erwähnten Schafserum unter schwerster Infektion zeigt:
Tabelle XIU.
Np.
Infektion
Bemerkungen
204
0,5 ccro
Kruses
Serum
0,5 ccm
Schaf-
serum
Gleich
danach
1,5 ccm
Exsudat
von
Nr. 203
lebt
Nach 74 Std. sind nur noch wenige Bacillen
mit viel Granulabildung vorhanden, keine
Haufenbildung, keine Zellen. Nach 1 Std.
ebenso. Nach 2 Std. wenige Granula und
Bazillen, keine Zellen. Nach 3 Std weder
Bazillen noch Granula, fast keine Zellen.
Erst nach 8 Std. finden sich reichliche
Leukozyten, einige zeigen Phagozytose.
Bleibt am Leben.
205 0,5 ccm wie 204 Nach V« Std. sind sämtliche Bazillen zu
Haufen vereint. Es finden sich bereits
ansehnliche Mengen von kleinen poly-
nuklearen Zellen mit intensiver Phagozy-
tose. Nach Vj Std. wie vorher, aber Ver-
minderung der Bazillen. Nach 1 Std. ist
die Zahl der Bazillen weiter gesunken. Die
Haufen sind klein, die Phagozytose wird
schwächer. Nach 2 Std weitere Bazillenver-
minderung und Leukozytenvermehrung.
Nach 3 Std. sind nur noch einige kleineHauf en
mit Mühe zu finden. Nach 8 Std. reiner Eiter
ohne Bazillen und Granula. Bleibt am Leben.
Beide Sera hätten also in der Menge von 0,5 ccm schützen
können ; die Verschiedenheit der Wirkungsweise, das Fehlen der
Agglutination und das spätere Eintreten der Leukozytose in Ver-
suchen mit Kruses Serum tritt deutlich hervor.
Trotz der auffallend gesteigerten Wirkung niufste die in-
travenöse Injektion des Aggressins wieder aufgegeben werden,
da dieselbe nur mit sichtlicher Lebensgefahr auszuführen war.
Bald nach der Injektion wurde das Schaf krank, die Atmung
frequent und dann röchelnd, kurz, das Tier bot die Symptome
eines akutesten Lungenödems. Dann erfolgte die Erholung
sehr rasch, das Tier war am nächsten Tage wieder gesund und
zeigte auch nur kurze Zeit hindurch Gewichtsabnahme. Ob diese
bedrohlichen Erscheinungen auf das Toxin des Exsudates zurück-
zuführen sind, oder einfach auf die artfremde Flüssigkeit^), ist
nicht entschieden, doch ist letzteres wahrscheinlicher.
1) Vgl. »Die Serumkrankheit« von y. Pirquet und Schick.
Von Dr. Yonetarö Kikacbi.
317
Es wurde dann noch Aggressin in grofsen Dosen je 10 und
20 com auf einmal in das lockere Gewebe der Schenkelfalte in-
jiziert, wonach die Infiltrationen rasch zurückgingen. Wesentlich
stärker war aber darnach die schützende Serumwirkung nicht
geworden.
Tabelle XIV.
Bemerknngen
218
0,5 ccm
Serum
IV, Agar-
kultnr
lebt
219
0,1 ccm
Serum
IV, Agar-
kultur
in der
Nacbt
Nach 10 Min. findet sich starke Haufenbil-
dung der injizierten Bazillen, meist um
polynnkleäre Leukozyten herum. Nach V,
Std. auffallende Abnahme der Bazillen,
ohne Granulabildung. Gleichzeitig sind
auch die Leukozyten fast verschwunden.
Nach 1 Std. nehmen die Leukozyten wieder
etwas zu, die Bazillen sind weniger ge-
worden, hie und da findet sich nnsichpre,
vereinzelte Granulabildung. Nach 2 Std.
haben sich die Bazillen gegen früher etwas,
aber immer unter Haufenbildung, vermehrt.
Gleichzeitig treten reichlich kleine, weniger
grofse polynukleäre Leukozyten auf mit
energischer Phagozytose. Nach 3 Std. Ab-
nahme der Bazillen, sonst wie vorher. Nach
7 Std. sind noch immer Bazillen in unge-
fähr gleicher Zahl, vorher neben massen-
haft I^ukozyten zu finden; die Phagozy-
tose hat an Intensität nachgelassen. Das
Tier war noch am nächsten Morgen krank
und wurde sehr marastisch.
Nach 10 Min. bilden viele Bazillen um kleine
polynukleäre Leukozyten kleine Häufchen«
Nach V, Std. ist die Haufenbildung der
Bazillen sehr ausgesprochen. Zellen wie
vorher. Nach 1 Std. haben sich die Bazillen
unter stärkster Haufenbildung etwas ver-
mindert. Zellen nicht auffällig vermehrt.
Nach 2 Std. ist die Haufenbildung gröfsten-
teils verschwunden, die Zahl der Bazillen
hat sich vergröfsert, aber auch die der
Zellen, welche stärkste Phagozytose zeigen.
Nach 3 Std. sind die Bazillen vermindert,
die Leukozyten aber nur wenig vermehrt.
Nach 7 Std. neben vielen, meist kleinen
polynukleären Leukozyten mit schwacher
Phatrozytose wieder sehr zahlreich freie
Bazillen vorhanden. Ln toten Tiere findet
sich eine starke Verunreinigung durch
grofse dicke Stäbchen.
318 Aggressinimmanität gegen den Shiga-RrnBeechen Dysenteriebazilliu.
Infektion
Bemerkungen
220
Kontrolle
221
0,5 com
Serum
i. perit.
222
Kontrolle
ohne
Serum
223; 0,4 ccm
Serum
224
0,1 ccm
Serum
225
Kontrolle
ohne
Sttrum
IV, Agar-
kultnr
gleich
darauf
0,75 ccm
frisches
Exsudat
von 220
i. perit.
wie 221
gleich
darauf
0,5 ccm
frisches
Exsudat
von 222
wie 223
wie 2l^3
in der I Die Bazillen vermehren sich ohne jede
Nacht HaufenbildunK ununterbrochen. Leukozyten
treten während der ganzen Beobachtung^
nur in sehr gerin)2:er Zahl in die Bauch-
höhle ein. Die Sektion ergibt den Befund
schwerster Infektion.
nach Nach V/^ Std. ist starke Haufenbildung bei
5 Tag. Anwesenheit weniger Leukozyten zu be-
obachten. Nach V, Std. sind die Bazillen
fant verschwunden. Nach 1 Std. ebenso, es
treten einige polynukleäre Zellen mit
schwacher Phagozytose auf. Nach 3 Std.
sind noch spärliche Bazillen, neben massen-
haften Zellen mit schwacher Phagozytose
zu finden. Das Tier wurde schwer krank,
erholte sich dann, ging aber nach 5 Tagen
marastisch ohne Bazillen zugrunde.
I
in der ; Fortschreitende Vermehrung der Bazillen,
Nacht |{ ohne Leukozytenübertritt, schwerste In-
fektion.
nach Nach Vs Stunde schöne Haufenbildung der
32 Std. Bazillen, wenig Leukozyten. Nach 1 Std.
vermindern sich die Bazillen sehr stark.
Nach 2 Std. treten massenhaft I.ieukozyten
mit Phagozytose in die Bauchhöhle über
ohne sichtliche Veränderung der Zahl der
freien Bazillen. Die Bazillenzahl bleibt im
wenentlichen trotz Eiters in der Bauch-
höhle gleich bis nach 8 Std., wo wieder
Vermehrung eintritt. Die Sektion ergab
ein dick eitriges Exsudat mit vielen Auf-
lagerungen auf I^her, Milz und Netz. Leuko-
zyten mit starker Phagozytose, daneben
reichliche freie Bazillen.
nach Nach V, Std. finden sich nur wenig Andeu-
24Std. I tungcn von Haufenbildunginder ungeheuren
I Menge der Bazillen. Keine Leukozyten.
Nach 1 Std. wie vorher. Nach 2 Std. treten
Leukozyten auf, aber viel weniger zahlreich
als bei 223. Das Bild bleibt unter bestän-
diger Zunahme der Bazillen und langsamer
Abnahme der Leukozyten so bis zum
nächsten Mort^en. Die Sektion ergibt ein
dickes eitriges Exsudat mit massenhaft Ba-
zillen und sehr vielen polynukleären Zellen
mit intensiver Phagozytose. Reich liehe eitrige
Auflagerungen.
nach Fortschreitende Bazillenvermebrung ohne
8*/, St.; Lenkozytenzutritt. Befund der schwersten
Infektion.
Von Dr. YonetarS Kikachi. 819.
Die Schutzkraft des Scbafserums kann also bei der ge-
wählten Infektionsart gegenwärtig mit 0,5 com für ein Meer-
schweinchen von 200—300 g angenommen werden. Das scheint
auf den ersten Blick sehr wenig im Vergleiche z. B. mit den
Kruseseben Seris, die in kleinen Bruchteilen eines Milligramms
noch schützten. Das Ergebnis wird aber ein anderes, wenn man die
Infektionsart berücksichtigt, die gewählt wurde und gewählt
werden mufste, um Infektion und Gift, oder auch Infektion,
Aggressin und Gift gleichzeitig zur Wirkung zu bringen. Leider
war es wegen empfindlichen Tiermangels nicht möglich, das
Serum, welches Herr Prof. Kruse in liebenswürdigster und
dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hatte, im Meer-
schweinchenversuch ausführlich vergleichend zu prüfen, wie es
für Agglutination und ßakteriolyse in vitro geschehen konnte.
Was den Schützwert des Schafserums gegen Toxinwirkung
beim Kaninchen betrifft, so wurde derselbe nur qualitativ geprüft;
0,6 ccm Schafserum schützte vollständig gegen 0,25 ccm Toxin
(mindestens fünffach tödliche Dosis), beides subkutan und örtlich
und zeitlich getrennt (das Antitoxin 8 Stunden vorher) angewendet.
Bei der Durchsicht der bei Zuführung der Wirkung des
Schafserums ausführlich wiedergegebenen Versuche fällt sofort
in Übereinstimmung mit den Ergebnissen bei der aktiven Aggressin-
immunisierung das rasche und reichliche Zuströmen der Leuko-
zyten auf, dem wohl hier dieselbe Bedeutung wie dort beigelegt
werden mufs. Es findet auch dann noch statt, wenn, wie bei
Nr. 224, beständig grolse Mengen von sich vermehrenden Bazillen
in der Bauchhöhle sind, und liefert das Sektionsbild der relativ
leichten Infektion, wo die Bauchhöhle des Kontrolltieres fast
leukozytenfrei bleibt.
In den Fällen, wo der Schutz deutlich ausgesprochen ist, er-
folgt aber auch mehr oder minder rasche Abnahme der in grofser
Menge eingespritzten Bakterien. Von einer sicheren Auflösung^
Quellung und Körnchenbildung war nur selten eine Spur zu
bemerken, obwohl sie nach den Versuchen von Lentz^) in der
Meerschweinchenbauchhöhle gut beobachtet werden kann.
1) Lentz, Handbuch von Kolle und Wassermann, Bd. 4, 8. 898.
320 AggreflHnimmanitftl ^egen den Shigm-KniBeschen
Im Reagenzglasversacbe fehlte jede Bedeutung von Immun-
körperwirkung so vollständig, dafs Zusatz des inaktivierten Serums
sogar eine Verschlechterung der als Komplement benutzten
Kaninchenseris herbeiführte.
Tabelle XV.
Schaf Mram, wie da« in Tabelle XII mit Heench weinchen 201, 202 benatste.
Sofort Nach 4 St.
1. 0,1 inakt Schafseram + 0,3 akt. Kanin.Seram -f 0,6 XaCK
2 0,05 » . +0,3 » . +065
3. 0,01 t , -1-0^ > . +0,69
4. 0,001 » . —0,3 > > +0,69
5. 0^ > > +0,7 » 0
6. 1 . 104
.88
einige
Taosend
Tabelle XVL
Schafeernm, wie da« in Tabelle XII mit Meerschweinchen 201, 202 benatate.
Sofort Nach 4 St.
1. 04 inakt. Schafsemm + 0,3 akt. Kanin.-Semm + 0,6 Na Gl
2. 0,05 » t
+ 0,3 .
+ 0.65 *
3. 0,01 > >
+ 0,3 1
+ 0,69 »
4. 0,1 Krose-Seram
+ 0,3 1
+ 0.6 ,
5. 0,05 >
+ 0,3 :
+ 0,65 »
6. 0,01
+ 0,3 :
+ 0,69 »
7.
0,3 1
-0,7 >
CO
ca.
30 000
ca.
10000
Sehr auffällig trat auch die Wirkung des Kruse sehen
Serums (dasselbe war ungefähr zwei Jahre alt) nicht her\'or, doch
bestand immerhin ein sehr deutlicher Unterschied gegen das
Schafserum. Die benutzte Kultur war die wenig virulente
Krusesche Stammkultur.
Während der Mangel von sichtbar zu machenden, bakteri-
ziden Eigenschaften nicht auffallend war, kam die Ausbildung
hoher agglutinierender Fähigkeiten im Tierkörper selbst über-
raschend, um so mehr als das Serum im Glase nur wenig agglu-
tinierte. Schon bei aktiv immunisierten, weit schöner aber bei
Serumtieren trat diese Eigentümlichkeit schon ganz kurze Zeit
nach der Bazilleneinführung auf. Die Haufen, die sich bildeten,
waren oft sehr grofs und unterschieden sich einigermafsen von
denen, wie sie aufserhalb des Tierkörpers durch z. B. das
Von Dr. YonetarCS Kikachi. 321
Kruse sehe Serum erzeugt wurden. Sie waren nämlich aufser^
ordentlich dicht und machten einen sehr kompakten Eindruck.
In sehr vielen Fällen gaben Leukozyten, die meist mit Bazillen
erfüllt waren, den Kern der Haufen ab, in anderen waren die
Leukozyten nur noch undeutlich zu sehen, öfters fehlten sie
ganz. Wie die oben mitgeteilten Versuchsauszüge erkennen
lassen, konnte auf die Haufenbildung vollständiges Verschwinden,
aber auch wieder Auseinandergehen der Bazillen und Vermehrung
erfolgen. Auch BaiP) hatte bei Typhusaggressinimmunität
Bazillenagglutination in der Bauchhölile von Meerschweinchen be-
obachtet, während aber seine Sera dabei auch aufserhalb der Tier-
körper agglutinierten, erwies sich das in dieser Richtung wiederholt
und sehr genau untersuchte Schafserum als dauernd sehr wenig
wirksam.
Tabelle XVH
Schafseram wie in den Versuchen mit Meerschweinchen 201, 202, 203 in
Tabelle XII. Agglutination 2 Stunden bei 37 « G.
Verdflnnung Kruses Serum Schafserum
1:50
Komplett,
1:100
1:&00
1:1000
1:2000
1 : 5000 Deutlich, aber unvollständig
klar geworden,
mit Satz
Keine Agglutination.
Tabelle XVm.
Die gleiche Sera wie in Tabelle XVII, 3 Tage später untersucht. Aggluti-
nationsprüfnng nach Weil bei 55 <^ C. Das Ergebnis ist nach halbstflndiger
Beobachtung bei dieser Temperatur notiert Auch später trat keine Ver-
änderung ein.
VerdOnnung Kruses Serum Schafserum
50 ^ Schwache Haufenbildung.
100 I TT 1 xi ündeutl. Beginn ohne Fortschreiten
600 [ Komplett
1000 J } Keine Agglutination.
5000 Deutlich
Tierische Bazillen aus dem Exsudate infizierter Tiere unter-
liegen der Agglutination durch das Kruse sehe Serum etwas
1
1
1
1
1
1) Wiener klin. Wochenschr., 1905, Nr. 17.
322 Aggreasimmmaiiität gegen den ShigA-Kmseschen D3r8enteriebarilla8.
schwächer als KultarbaziUen, ein Ergebnis, das mit Rücksicht
auf die Verhältnisse bei Typhus nicht ohne Bedeutung ist, das
Schafserum agglutinierte dieselbe überliaupt nicht.
Tabelle XIX.
Gewaschene Bazillen aus dem Exsadate eines der intraperitonealen Infek-
tion erlegenen Meerschweinchens. Anordnung wie in der vorigen Tabelle ;
4 Tage später angestellter Versuch.
Verdünnung Kruses Serum Schafserum
1
1
1
1
1
50
100 \ Komplett
500
1000 Schwache
5000 Keine
> Agglutination
Keine Agglutination.
Erst die letzte der bisher untersuchten Serumproben des
Schafes liefs eine deutliche Agglutination bei 55® bis zur Ver-
dünnung 1 : 100 erkennen.
Tabelle XX.
Schafserum wie das in Tabelle XIV, für die Meerschweinchen von 218 ff.
benutzt. Agglutination bei 55®.
Verdünnung Kruses Serum Schafperum
1 : 50 \ Nach 10 Min. beginnende, nach V/, Std.
I Nach 10 Min. komplette komplette
1 : 100 j Agglutination Nach 10 Min. keine, nach V» St. komplette
! ' ^^ ^ Nach Vj Std noch nicht ) ^ , ...... . , . ^
1 : lüOO \ deutlich, erst nach 4 Std. f ^^ch nach 4 Std. keine Agglutination
1:5000 I komplett J
Bessere Resultate in bezug auf Agglutination aufserhalb des
Tierkörpers lieferten Aggressinimmunisierungen an Kaninchen
und Meerschweinchen, doch waren auch hier die erzielten Werte
nicht bedeutend.
Tabelle XXI.
Serum von Kaninchen 28 und Meerschweinchen 89 (s. Tab. VII).
Agglutinations versuch bei b^°.
Verdünnung Kaninchenserum Meerschweinchenserum
1 : 50 Nach 7i ß^- keine, nach
1 Std. unvollständig
1:100
> Keine Agglutination
Nach v, Std. keine
Nach 1 Std. ziemlich komplette
1 : 500 / *''^*"« «gg.— .*«.v»>,.. Keine Agglutination
Dieses eigentümliche V^erhalten des Serums, das auch nach
seiner subkutanen Anwendung nach Bazilleninjektion in die
Von Dr. YonetarQ Kikachi. 328
Bauchhöhle auftrat, aufserhalb des Tieres aber bereits in relativ
starker Konzentration fehlte, aufzuklären, gelang nicht. Es er-
innert sofort an Versuche von ßaiP) bei Typhus in der Meer-
schweinchenbauchhöhle, wo eine getrennte Entstehung der hapto-
phoren Agglutiningruppe (des Agglutinophors) und der toxophoren
(des Hemiagglutinins) wahrscheinlich gemacht werden konnte.
Es sieht so aus, als ob dem Aggressinserum einer dieser
beiden Bestandteile fehlte und erst im Tiere selbst dazutreten
würde. Versuche aufserhalb des Tierkörpers, die »Ergänzung!
der fehlenden Bestandteile vorzunehmen, hatten bisher keinen
sicheren Erfolg. Da es aber in neuerer Zeit immer wahrscheinlicher
wird, dafs die Agglutination im wesentlichen auf physikalische
Zustandsänderungen in den Suspensierungsfiüssigkeiten beruht,
wird wohl auch eine andere Erklärung gesucht werden müssen.
Der unmittelbare Eindruck aber, den man bei Verfolgung
dieser merkwürdigen Haufenbildung über ihren Zweck erhält,
geht dahin, dafs es darauf ankommt, die Bazillen aus der freien
Bauchhöhle zu entfernen und sie am Netze u. dgl. niederzu-
schlagen, also in den unmittelbaren Wirkungsbereich der hier
besonders reichlich auftretenden grofsen polynukleären Leuko-
zyten und den Makrophagen zu bringen. Das müfste natürlich
durch die Haufenbildung sehr erleichtert werden.
Bei der in kurzer Zeit stattfindenden Bakteriolyse z. B. von
Choleravibrionen unter dem Einflüsse hochwertiger Sera, kann
das gar nicht erfolgen, der Mechanismus ist ein ganz anderer.
Sowie das Stadium der Aggressinimmunität bei Typhus und hier
bei Dysenterie zum ersten Male eine Haufenbildung in grofsem
Mafsstabe im Tierkörper hat auffinden lassen, würde sie jetzt
auch, teleologisch gesprochen, einen Zweck der sonst ganz un-
verständlichen Agglutination zu erkennen geben.
In kurzer Zusammenfassung lieferte die Untersuchung über
Aggressinimmunität bei Dysenterie bisher folgende Ergebnisse:
1. Es gelingt Meerschweinchen gegen schwere und schwerste
intraperitoneale Infektion mit Dysenteriebazillen durch
1) Archiv f. Hygiene, Bd. 42, S. 307.
324 Shiga-Krasescher Dysenteriebaiillas. Von Dr. Yonetarö Kikuchi.
zweimalige iDfektion sterilen aggressiven Meerschweinchen-
exsudats aktiv zu immunisieren.
2. Kaninchen können durch ähnliche, entsprechend kleinere
Injektionen gegen das Dysenterietoxin immunisiert werden.
3. Nach langer Vorbehandlung mit solchen Exsudaten
liefern Meerschweinchen, Kaninchen und Schafe ein
Serum, welches in Mengen von etwa 0,5 ccm Meer-
schweinchen von intraperitonealer Infektion, Kaninchen
vor Vergiftung zu schützen vermag.
4. In der Bauchhöhle aktiv und passiv immunisierter Meer-
schweinchen findet eine eigentümliche und starke Haufen-
bildung der injizierten Dysenteriebazillen statt, obwohl
die agglutinierenden Eigenschaften des Serums in vitro
nur sehr wenig ausgeprägte sind.
5. Das durch Aggressinbehandlung gewonnene Immunserum
zeigt in vitro nicht die bekannten Eigenschaften eines
bakteriolytischen Serums, im aktiv und passiv immuni-
sierten Meerschweinchen lassen sich, wenn überhaupt,
nur Spuren einer Bakteriolyse auffinden.
6. Die hier studierte Immunitätsform mufs daher, abgesehen
von ihrer antitoxischen Komponente, als eine neuartige,
antiaggressive bezeichnet werden.
Zum Schlüsse meines Aufenthaltes in Europa ist es mir Be-
dürfnis, Herrn Prof. Hueppe für die gewährte Arbeitsmöglichkeit
und das beständige Interesse an meiner Arbeit und Herrn Prof.
Bail für die tatkräftige Unterstützung bei der Ausführung
derselben meinen ergebensten Dank auszusprechen.
über Bleiyergiftnngen durch eine Wasserleitung.
Von
Inspektor Dr. Paul Portner.
(Aas der k. k. allg. Untersachangsanstalt für Lebensmittel der deutschen
Universit&t in Prag. Vorstand: Prof. Hueppe.)
In den folgenden Zeilen soll über eine Bleivergiftung be-
richtet werden, für deren Entstehung anfänglich unter Berück-
sichtigung der in der diesbezüglichen Literatur niedergelegten E2r-
fahrungen unter Vorbehalt eine Erklärung gegeben wurde, welche
namentlich auch im Hinblicke auf das vorliegende Protokoll nahe
lag, sich aber, wie spätere Versuche zeigten, nicht aufrecht er-
halten liefs. Es scheint vielmehr im vorliegenden Falle ein
einziger Faktor mafsgebend gewesen zu sein, die Bleilösung zu
bewirken bzw. zu fördern. Allerdings wirkte entschieden be-
günstigend die Länge der Bleiröhrenleitung.
Der Sachverhalt war folgender:
In einem isoliert stehenden, einer Betriebsunternehmung ge-
hörigen Gebäude, in welchem nur Arbeiterwohnungen imter-
gebracht waren, erkrankten im Dezember 1903 neun Inwohner
unter Symptomen von Bleivergiftung. Stuhlverstopfung, krampf-
artiges Zusammenziehen im Leibe, namentlich um die Nabel-
gegend, schiefergrauer oder blauschwarzer Saum am Zahnfleische,
326 Über Bleivergiftangen durch eine Wiaserleitiiiig.
allgemeine Blfisse, Appetitlosigkeitt übler Geschmack im Mande
und Erbrechen deuteten mit gröfster Wahrscheinlichkeit auf
schwere Bleivergiftungen. Die ganze Sachlage lieis gleichzeitig
einen gemeinsamen Herd vermuten, als welcher das von allen
Bewohnern in gleicher Weise genossene Trinkwasser angesehen
wurde. Eine an Ort und Stelle von den hierzu berufenen SanitAts-
Organen vorgenommene vorläufige Prüfung ergab die Anwesen-
heit von Blei, Salpetersäure und salpetriger Säure in dem Wasser.
Es wurden nun der Leitung zwei Liter Wasser entnommen und
dieselbe sodann gesperrt. Aufiser diesen zwei Litern Wasser wurden
noch weitere zwei Liter Wasser aus jenem Teil der Leitung
entnommen, welcher sich vor dem Anschlufs des Bleirohres
befand.
Die Leitung ist, wie das Protokoll anführt, eine seit 1896
bestehende Hochquellenleitung, von welcher ein Strang bis zu
einem der obenerwähnten Betriebsuntemehmung gehörigen Kohlen-
schachte führt. Von diesem Schachte aus liefs die Betriebsunter-
nehmung einen Bleirohrstrang bis zu dem Gebäude legen, in
welchem die Erkrankungen beobachtet worden waren. Diese Blei-
rohrleitung lag etwa 1,3 — 1,5 m tief knapp unter dem Kanal-
graben, welcher die heifsen Kondenswässer des Schachtes iührt
und stark durchlässig sein soll, und passierte endlich im Hofe
des Gebäudes die Nähe einer vollständig undichten Senkgrube,
deren umgebendes Terrain mit Senkgrubeninhalt durchsetzt sein
soll. Die ganze Bleirohrleituug ist 680 m lang und war seit
August 1903 in Betrieb. Die ersten Erkrankungen waren im
Oktober beobachtet worden und zur Zeit der Untersuchung waren
von den 27 in dem Hause wohnenden Leuten 17, d. i. 63%,
teils leichter, teils schwerer erkrankt und 2, d. i. 7,4%, ge-
storben. Die der ßleiintoxikation Erlegenen waren zwei Kinder
im Alter von 2 Jahren, bzw. 9 Monaten. Bemerkt sei noch, dals
die Zweigleitung am tiefsten Punkte der Hauptleitung ange-
schlossen war, und dafs sich häu6g Druckunregelmäfsigkeiten
einstellten.
Die chemische Analyse der beiden eingesendeten Wasser-
proben ergab folgendes Resultat (mit I ist das vor Anschlufs des
Von Inspektor Dr. Panl Fortner. 327
Bleirohres entnommene Wasser, mit II jenes aus der Bleirohr-
leitung bezeichnet):
Milligramm Milligramm
im Liter im Liter
i. n.
Gesamtrückstand bei 100^ C . . . 105,0 120,8
Kalk 14,4 14,8
Magnesia 7,7 7,3
Eisenoxyd + Tonerde 0,4 0,8
Ammoniak 0 0
Chlor 8,4 8,0
Salpetrige Säure 8 starke Reakt.
Salpetersäure Spur Spur
Schwefelsäure 24,4 21,3
Schwefelwasserstoff 0 8
Kaliumpermanganat- Verbrauch . . 7,8 10,3
Gesamthärte (in deutschen Graden) 2,5 2,5
Bleioxyd 8 17,5
Die chemische Analyse läfst also erkennen, dafs das Wasser
(II) der Zweigleitung stark bleihaltig ist und bestätigt so die aus-
gesprochene Vermutung der gemeinsamen Ursache der Ver-
giftungen.
Da leider nur zwei Liter des bleihaltigen Wassers zur Unter-
suchung eingesendet worden waren, konnte eine quantitative Be-
stimmung des Gehaltes an salpetriger Säure nicht mehr vor-
genommen werden. Eine nach drei Wochen nachgesendete Probe
aus der Bleirohrleitung, welche während dieser Zeit gesperrt
war, ergab eine anscheinend gleich starke, qualitative Reaktion
auf salpetrige Säure; die quantitative Bestimmung ergab einen
Gehalt von nur 2,0 mg salpetriger Säure im Liter. Dagegen war
der Bleigehalt von 17,5 mg auf 3,2 mg im Liter gesunken.
Dieses Sinken des Bleigehaltes legte die Vermutung nahe,
dafs der Gehalt an salpetriger Säure, welchen man in Zusammen-
hang mit dem gelösten Blei brachte, äufseren Ursachen zuzu-
schreiben sein dürfte, wenngleich logischerweise in diesem Falle
auch ein Ansteigen des Chlorgehaltes hätte erwartet werden sollen.
X»
Usuüi ii5r "Äiait ui irsaniacaia' Tuusanr irw zeac "-anomal
^n rCjuiiimnemangirag Ji lkz. Tiser itsr Z^^^^nemn^ IZ süss
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n isencxacTiC^^mir luer nes^ , •n-syamie ixni les ^irr^HmniT»»!!
hitf«Li>Kaii^ '^'.rxiiii^r i»t5 ^-iriftganien nenüeii "roicjüiai "Visos
uirÄnnitÄ ▼■■irien »in i^irm L iuris, üe siöiiiiiiii -.kn^ ty^'j 3x1
Ei*ir;r*r>MraiiÄ, 2. innh, de 2«5fi<iiiaäaiiieir ies "STiäiers 1:1 ^i*n
T'^n ^Tjir.rjTiCji*^: zuzizim^'Ziri^ FLcu-vlseni. üe \f.!»r-'-t»r j^^
.friÄL.ftr. ir^r.khar ir.ii .r.:':u»ie»eci -az, ZlniirLi^c t:ci Aii»ar
w*.«er. ii/fiATAr'iT. TTirie ta- :- iitisei: Az-iMc: i:ircii iez. i"^-
fcul.^r.r: -:**ii7r=r^ B-.ei^trLi.: i-rr ier ir»L "^iccen rfsr-rm g^
Kifidr.v^ri ron L«::?: :::ri'i Fr^icii"izi-T:i: toq a:iirii 'iie bl-riljäeadea
ÜThrA dÄ^<:g<!rri da^ Wasser in der Le::un^. s*:- tat ein
Diffundifrre:* vori nm^ehender Fenchrizkei: dirch den iai Irmem
dftr I^ritang herrsoaeriden Druck erscn-yer: iz-y. unmC-güch ge-
rriA/;ht, daher der geringere Bleig'rhal: der Wasäerprobe au3 der
3 W/y.'hen gesperrt ge-s^-eserien Leitung. Die im Protokoll er-
wÄhnten DnickücbwankuTigen in der Leimng liefsen sieh auch
ziemlich ungezwungen rnit L'ndichtigkeiten bzw. einer äufseren
V^irlelzung oder Korrosion des Bleirohres in Einklang bringen«
wiewohl Hie ja auch anderen Crsachen hätten zugesehrieben werden
kennen, und, nebenbei bemerkt, nach WolffhügeH* bei dem
Vorgänge der Bleiaufnahme eine mehr untergeordnete Rolle
Hfiielen.
]j Ar^Miiten a tl. Kmb, Gefl.-Amte, II (1807^, S. 509.
Von Inspektor Dr, PküI Forinet. 329
Auf jeden Fall wurde auf Entfernung der 680 m langen
Bleirohrleitung gedrungen und dieselbe bei der Beschaffenheit
des Wassers höchstens unter den üblichen Vorsichtsmafsregeln
für die Hauseinleitung als zulässig erklärt.
Da den ausgesprochenen Vermutungen, namentlich was die
Undichtigkeit der Leitung anbelangte, von der die Untersuchung
leitenden Behörde nicht widersprochen wurde, mufste schUefslich
angenommen werden, dafs dieselben den Tatsachen entsprechen,
wiewohl alledem der sich in beiden Wasserproben gleichbleibende
Chlorgehalt zu widersprechen schien.
Durch 1^/2 Jahre später ausgeführte Versuche wurde un-
zweideutig festgestellt, dals die Annahme der Undichtigkeit der
Röhren, um die Anwesenheit der salpetrigen Säure zu erklären,
gar nicht nötig war und sich die beobachteten Erscheinungen
auch sonst ebensogut, wenn nicht besser anders erklären lassen.
In einer von der grofsen Literatur, betreffend die Einwirkung von
Wasser auf Bleiröhren, bisher völlig unberücksichtigt gebliebenen
Abhandlung »Über Nitrifikation, III. Über die Umwandlung der
alkalischen Nitrate in Nitrite c hat Schönbein ^) schon im
Jahre 1861 darauf hingewiesen, dafs Blei wässerige Lösungen
von Alkalinitraten reduziert, indem Alkalinitrit gebildet wird und
Blei in Lösung geht. Er hat diese Einwirkung auch bei anderen
Metallen studiert und gefunden, dals Cd, Zn, K und Na ebenso
reduzierend wirken, Fe, Sn und AI dagegen nicht.
Ich habe zunächst diese Angaben hinsichtlich des Bleies
nachgeprüft und kann sie bestätigen. Sodann erweiterte ich
diese Nachprüfung hinsichtlich der für den Wasserleitungsbetrieb
hauptsächlich in Betracht kommenden Metalle: Zink, Eisen,
Kupfer, Zinn und der Legierung Messing, und kann für das Zink
Schönbeins Beobachtung bestätigen, für Eisen dagegen nicht
insoferne Eisen die anwesenden Nitrate auch, wenn auch in ge-
ringerem Orade reduziert als Zink. Kupier, Zinn und Messing
verhalten sich ganz indifferent. Die Versuchsanordnung war
folgende : Zirka 20 cm lange, 0,8 cm dicke zylindrische Stäbe mit
1) Joom. f. prakt Chemie, 84, 204.
ArehlT fflr HygtoM. Bd. UV. 22
330 Über BleiTCffgiffaiiigeii dordi eine Wa—erieitang.
blanker Oberflftche aus Zink, Elisen, Zinn, Kupfer und Messing
wurden in 22 cm hohe mit eingeriebenen Glasstopfen verschliefs-
bare Glaszylinder gestellt, in welchen sich nitrathaltiges Quell-
wasser (ungefähr 20 mg SalpetersAure im Ldter entsprechend)
befand. Die Zylinder wurden unter Vermeidung von Luft-
blasen verschlossen und zwölf Stunden im Dunkeln stehen ge-
lassen. Die Probe mit dem Zinkstabe war ganz milchig trübe,
mit weilsem Bodensatz; das Filtrat liels nach dem Ansäuern mit
verdünnter Schwefelsäure und Zufügen von Jodzinkstärkekleister
sofort durch Blaufärbung salpetrige Säure erkennen. Die Probe
mit dem Eisenstab hatte reichlich Flocken von Eisenoxydhydrat
abgeschieden; auch dieses Filtrat gab deuthch, wenngleich
schwächer, die Reaktion auf salpetrige Säure. Die Zylinder mit
den Kupfer-, Zinn- und Messingstäben enthielten ganz klare,
farblose Lösungen, welche frei von salpetriger Säure waren.
Die von Schönbein zuerst ausgesprochene Einwirkung
von Blei auf im Wasser gelöste Nitrate hat im vorliegenden
Falle entschieden die gröfste Bedeutung und ein direkter Ver-
such gab nun Aufklänmg über die Entstehung der salpetrigen
Säure in dem Wasser der Bleirohrleitung.
Von dem Wasser der Hauptleitung war noch eine zwei Liter
enthaltende, mit Pergament verbundene Flasche vorhanden. Eis
wurde zunächst die Bleifreiheit des Wassers konstatiert, sodann
auf Salpetersäure und salpetrige Säure geprüft. Die Reaktion
mit Diphenylamin-Schwefelsäure fiel auch diesmal, wievorl72J&hren
schwach positiv aus; es konnte nur auf Spuren geschlossen
werden, da die Reaktion äufserst langsam und nur ganz schwach
eintrat. Salpetrige Säure war keine vorhanden, wie die Reaktion
mit Jodzinkstärkekleister und verdünnter Schwefelsäure zeigte;
selbst nach 1^/2 stündigem Stehen trat keine Blaufärbung auf.
Nun wurde in einen der oben erwähnten Glaszylinder ein
ca. 10 cm langes, innen geschwefeltes Bleirohr ^) von 0,5 cm Dicke
und 1,3 cm lichter Weite gebracht, mit dem von salpetriger
]) Herrührend von der inkriminierten Leitung mit einem Grehalte von
99,92% BleL
Von tnspektor Dr. Paal Fortn^ir. ^^1
Säure freien Wasser der Hauptleitung vollgefüllt und unter Ver-
meidung von Luftblasen verschlossen 24 Stunden an einen
dunkeln Ort gestellt. Nach dieser Zeit war das Wasser im
Zylinder von weifsen Flocken erfüllt, am Boden selbst befand
sich ein weifser Niederschlag und im Wasser war Blei auf-
gelöst. Das durch Filtrieren von der Suspension getrennte, mit
verdünnter Schwefelsäure angesäuerte Wasser gab mit Jodzink-
stärkekleister sofort deutlich und bald stärker werdend die für
salpetrige Säure charakteristische Blaufärbung, so dals durch
diesen Versuch unzweideutig die Herkunft der salpetrigen Säure
im Wasser der Zweigleitung erwiesen erscheint.
Natürlich interessierte unter diesen Umständen auch der
Gehalt des Wassers der Hauptleitung an Salpetersäure, von
welcher die Diphenylamin-Schwefelsäure-Reaktion nur Spuren
angezeigt hatte. Die durchgeführte quantitative volumetrische
Bestimmung ergab einen Gehalt von 9,1 mg im Liter. Wiewohl
eine solche Menge nie einen Grund zur Beanstandung geboten
hätte, läfst der Versuch doch erkennen, dafs die qucditative
Salpetersäurreaktion mit Diphenylamin und konzentrierter Schwefel-
säure unter Umständen zu Täuschungen über die Menge der
wirklich vorhandenen Salpetersäure Anlafs geben kann; denn die
Reaktion trat erst nach mehreren Minuten und dann nur kaum
erkennbar ein, und als »Spure ist eine scheinbar so geringe Menge
wohl kaum zu bezeichnen. Die Reaktion auf salpetrige Säure
hingegen war sehr intensiv, so dafs man anfänglich ihr Vor-
handensein mit dem der Salpetersäure nicht in Zusammenhang
brachte. Erst die quantitativen Bestimmungen führten auf diesen
Gedanken. Der Versuch lehrt aber auch, wie geringe Mengen
von Nitraten genügen, eine Bleilösung herbeizuführen, wobei im
vorliegenden Falle die Länge der Bleirohrleitung allerdings als
wesentlich unterstützendes Moment in Betracht zu ziehen ist.
Ein wenn auch noch so geringer Nitratgelialt des Wassers dürfte
daher jedenfalls bei Bleirohrleitungen als ganz besonders gefähr-
lich anzusehen sein, ja sogar den Anlafs dazu bieten, bei einem
solchen von Bleirohrleitungen überhaupt abzusehen. Auf die
den Bleiangriff befördernde Fähigkeit der Nitrate hat auch neuer-
22*
332 Über BleivergiftaDgen darch eine Wasserleitang.
dings Ru2iöka^) in seinen »Systematischen Untersuchungen über
die Angreifbarkeit des Bleies durch das Wassere mit Recht hin-
gewiesen. Der YorUegende Fall bestätigt diese Tatsache ganz
eklatant. ^)
Die im ersten Gutachten auffallenden Umstände fallen nun-
mehr ohne weiteres fort, weil sie sich mit den später festgestellten
Tatsachen ganz gut in Einklang bringen lassen.
Es könnte aber jetzt, wo die Annahme einer Undichtigkeit
in den Röhren überflüssig ist, auf den ersten Blick befremdend
erscheinen, dafs, wie früher erwähnt, das Wasser, während es
gesperrt in der Leitung gestanden, also seine Einwirkungsdauer
auf die Bleiröhren eine gröfsere war, weniger Blei aufgelöst hatte
als bei beständigem oder doch normalem Gebrauch. Eine Er-
klärung, welche die gröfste Wahrscheinlichkeit für sich hat,
dürfte in der Überlegung gefunden werden, dafs die Einwirkungs-
dauer des Wassers nur scheinbar einen die Bleilösung begünsti-
genden Einflufs hat, der ja schon durch die vorhandene Nitrat-
menge begrenzt erscheint, in der Tat aber eigentlich einen
hemmenden Einflufs zeigen mufs. Ru^iöka^) stellt folgende
Reihe von Salzen in bezug auf ihre Fähigkeit, den Bleiangriff
zu beschränken, auf: Nitrat, Chlorid, Sulfat, Karbonat. Nitrate
greifen am stärksten an, werden also zunächst mit dem Blei in
Wechselwirkung treten, und es ist leicht denkbar, dafs bei ge-
ringen Mengen, wie sie z. B. hier vorliegen, die ganze verfüg-
bare Menge in Reaktion tritt. Es wird dann bei beständig
fliefsendem Wasser der hemmende Einflufs der Chloride, Sulfate
und Karbonate gar nicht zur Geltung kommen, weil die Bildung
der betreffenden Bleisalze, ihrer geringeren Löslichkeit ent-
sprechend, in der kurzen Zeit nicht statthaben kann. Steht da-
gegen das Wasser in der Leitung, so kommt dieser hemmende
1) Archiv f. Hygiene, 41 (1902), 8. 23.
2) Mit Ausnahme Kerstings (s. Wolffhügel, Arb. a. d. Kais. Ges.-
Amte, II (1887), S. 507), der diese Tatsache in Abrede stellt, weisen alle
Forscher, welche sich mit dem Stadium der Einwirkung der im Wasser ge-
lösten Nitrate auf Bleiröhren beschäftigt haben, auf die Fähigkeit derselben
hin, die lösende Wirkung des Wassers zu erhöhen.
3) Archiv f. Hygiene, 41, S. 31.
Von Inspektor Dr. Paal Fortner. 333
Einflufs sehr wohl zur Geltung, indem jetzt die Umsetzung mit
den Chloriden, Sulfaten und Karbonaten allmählich vor sich
gehen kann und so ein Teil des ursprünglich gebildeten löslichen
Bleisalz in unlösliches übergeht, also der Lösung entzogen wird
und durch Bildung einer Schichte an den Rohrwandungen einen
weiteren Bleiangriff wesentlich erschweren wird. Es kommt also
beim Stehen des Wassers in der Leitung namentlich der Über-
schufs der Chloride, Sulfate und Karbonate gegenüber den Ni-
traten in Betracht, und hiermit scheint die auf den ersten Blick
auffallende Erscheinung, dafs das stehende Wasser weniger Blei
aufgelöst hatte als das füefsende, ziemlich ungezwungen erklärt.
Es soll diese Erklärung nicht als die einzig mögUche hingestellt
und der Einflufs des Luftsauerstoffs, der ja immerhin im
fliefsenden Wasser mehr zur Geltung kommen könnte als im
stehenden, dadurch in Abrede gestellt werden.
Was die Erklärung des Bleiangriffs überhaupt anbelangt,
kann man der Anschauung, welche sich Ru^iöka^) hierüber
bildet, vollkommen beipflichten; nur hat man, wie ich glaube,
nicht notwendig, bei der Einwirkung des blofsen destillierten
Wassers auf Blei die Anwesenheit von gelöster Luft bzw. Sauer-
stoff anzunehmen^), da ja das destillierte Wasser selbst zu einem
(wenn auch geringen) Teile jonisiert ist und die Anwesenheit
von geringen Mengen von freien H- und OH-Jonen die Bildung
des Bleioxydhydrates auch im destillierten Wasser hinreichend
erklärt. Aus den Tabellen, welche Ru^iöka bei seinen Ex-
perimenten über den Einflufs der verschiedenen Salze auf die
Löslichkeit des Bleies in Wasser aufgestellt hat, geht ferner her-
vor, dafs dieser Einflufs durchwegs und zwar bei verhältnismäfsig
kleiner Konzentration der Lösungen ein Maximum erreicht,
welches sehr wahrscheinlich das Maximum der Jonisation des
betreffenden Salzes anzeigt, bei welchem der stärkste Bleiangriff
erfolgt. Bei zunehmender Konzentration erfolgt dann wieder
eine Abnahme der Bleilöslichkeit. Es scheint nicht unwichtig,
1) Archiv f. Hygiene, 41, S. 42.
2) R. sagt »destillierteB Wasser, welches angeblich Luft resp. Sauef-
stoff enthalten mnfs«.
334 Ober Bleivergiftnngen durch eine WaMerleitang. Von Dr. Pftol Fortner.
auf diese Tatsache hinzuweisen, wiewohl der obgenannte Autor
selbst es unterlassen hat, weil sie vollkommen in Einklang mit
den Jonisationsvorgängen steht.
Auch die Bildung der salpetrigen Säure ist auf diese Vor-
gänge zurückzuführen. Denn die im Wasser vorhandenen
H-Jonen (von der Jonisation des Wassers herstammend) und die
aus den Nitraten stammenden NOs-Jonen wirken bleilösend ; der
hierdurch disponibel werdende Wasserstoff hat nun Gelegenheit,
auf einen Teil der vorhandenen Nitrate reduzierend zu wirken
und dadurch die Bildung von salpetriger Säure bzw. Nitriten
zu veranlassen.
Bei allen diesen Lösungsvorgängen hat sich auch im vor-
liegenden Fall die Schwefelung der Bleirohre, welche auch in
Österreich durch einen Ministerial-Erlafs vom 27. November 1884
gefordert wird, ziemlich illusorisch erwiesen. Darauf haben
früher schon B^lohoubek, Hammon und Reichardt hin-
gewiesen. Die leichte und stets ungleich dichte oberflächliche
Schichte von Schwefelblei, welche sich bei der üblichen
Schwefelung bilden kann, bietet sicher den Angriffen der einzig
und allein bei einer Bleilösung in Betracht kommenden Säuren
der betreffenden Salze kein genügendes Hindernis. Im vor-
liegenden Falle ist das zum mindesten als er^nesen zu betrachten,
da der Bleiangriff erfolgte, trotzdem die Rohre geschwefelt waren.
Geschwefelte dürften daher ungeschwefelten Rohreu ziemlich
gleichzuhalten sein und zur Beurteilung, ob in einem konkreten
Falle Blei röhren überhaupt zuzulassen sind, lediglich das be-
treffende Wasser nach eingehenden Versuchen bezüglich seiner
Fähigkeit, Blei anzugreifen, zu gelten haben.
Die Bakteriendurchlässigkeit der normalen Magendarm-
schleimhaut im Säuglingsalter.
Von
Dr. med. B. Hilgermajin.
(Aas dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor : Geli. Med.-
Rat Prof. Dr. M. Rubner.)
(Mit Tafel EL)
In der kürzlich erschienenen Arbeit^) Kickers, in welcher
letzterer die Durchtrittsmöglichkeit von Bakterien durch die
normale Schleimhaut des Intestinaltraktus säugender Tiere
kulturell erwiesen hatte, deutete er bereits auf den Wert des
Studiums von Schnittpräparaten hin, um oben erwähnte Über-
trittsverhältnisse und das Verhalten des Schleimhautepithels noch
genauer prüfen und präzisieren zu können.
Auf Anregung von Herrn Geheimrat Rubner habe ich in
Gemeinschaft mit Herrn Professor Dr. Ficker, dem ich an
dieser Stelle für seine Unterstützung und Anleitung bei Abfassung
der Arbeit meinen herzlichsten Dank ausspreche, einige weitere
Fütterungsversuche an neugeborenen Tieren gemacht und deren
Ergebnisse vom pathologischanatomischen Gesichtspunkt aus
festzustellen versucht. Gemäfs der Versuchsanordnung Fickers
in seiner Arbeit wurde wiederum ein Bazillus aus der Gruppe
der säurefesten und zwar der unbewegliche Blindschleichen-
tuberkelbazillus gewählt, dessen Nachweis in der Darmwand oder
1) M. Ficker, Über die Keimdichte der normalen Schleimbant deß
Jntestinaltraktas. Archiy f. Hygiene, Bd. 52.
336 BakteriendarehllHigkeit der nonnalen MagendarmMfaleimhAot eic.
den Organen unschwer ist. Um aber den etwaigen Eünwnrf zu
entkräften, dafs es sieh hierbei doch immerhin am einen
infektiösen Keim handle, kam aufserdem ein nicht infektiöser
Bazillus aus der Gruppe der säurefesten, der iPetribazillusc, noch
zur Verwendung.
Tenaeh L
Einem 1 Tag alten Kaninchen wird aas der Pipette ca. 1 com einer
Anfachwemmnng von 2 Blindachleichentnberkaloee-Agarkaltaren in ca. 50 com
Milch aof die Zonge getr&afelt. Das Tier macht deatliche Schlack- and
Saagbewegnngen. Kach IV, Standen Tötang dorch Strangnlation and aofortige
Sektion. Magen, Milz, Leber and Nieren werden in toto in 6proz. FormAl-
dehjdlöflang gelegt, der Darm in kleinste, ca. ^.\ — Vi cm lange Stückchen
serschnitten and ebenfalls in Formalin gebracht Daranff olgende Paraffin-
einbettang teils nach dem Verfahren von Labarsch, teils gernftCs dem von
Henke*; angegebenen Azeton-Paraffinverfahren.
Von dem Magen- and Darmtraktna warde sodann in verschiedenen
Höhen mit lieracksichtigang der einzelnen Übeig&nge Serien in der Schnitt-
dicke von 5 — 10 /i gefertigt. Fftrbang mit Hämatoxylin^Earbolfachsin nach
der Ziehl-Nielsenschen Methode oder mit Karbolfnxin-Methylenblaa.
Yersaeh IL
Meerschweinchen, 1 Tag alt, wird mit der gleichen Saspension ge-
füttert. Weitere Veraachaanordnang wie bei Versach L
Tersneh IIL
Kaninchen, 1 Tag alt, erhält eine Anfschwemmang von 5 Ösen einer
48 Stunden alten Petribazillenaufschwemmung in 2 ccm sterilem Wasser anf
die Zunfc« geträufelt. Tötung nach IVs Standen durch Strangulation and
sofortige Süktion.
IMe Organe werden teils in 6proz. Formaldehydlösung, teils in
Zenk ersehe Lösung gelegt.
Paraffinbettang and Färbung wie bei Versach I.
Parallel mit diesen Verfütterungsversuchen wurden Kontroll-
prüfungsversuche angelegt behufs Feststellung der Fixations-
ffthigkoit der zur Anwendung gelangenden Lösungen. Es wurden
3 O.seii der verwandten Kulturen sowohl in Formalin als in
Zenk er scher L(^sung aufgeschwemmt und von dieser Auf-
schwemmung je 5 Ösen nach 5, 10, 15 und 20 Minuten in
Bouillon übertragen. Gleichzeitige Anlegung von Kontrollröhrchen,
1) Henke-Zeller, Aseton-Paraffin-Schnelleinbettung. Zentralbl. f.
allgeui. Pathologie u. patholog. Anatomie, Bd. XVJ, Nr. 1.
Von Dr. med. R. Hilgennann. 337
d. h. es wurden BouillonrOhrchen mit 1 Nadelspitze Kultar und
5 Ösen der verwandten Bixationsflüssigkeiten beschickt. Sämtliche
Röhreben wurden durch ca. 8 Tage beobachtet. Die Röhrchen
der Serie I blieben steril, die Kontrollröhrchen dagegen waren
stets positiv. Aulserdem wurden noch späterhin von sämtlichen
Röhrchen Agarplatten angelegt, die dasselbe Resultat wie oben
ergaben.
Postmortale Wachstums Vorgänge, bedingt durch ungenügendes
Abtöten der Kulturen innerhalb der verwendeten Fixationsflüssig-
keiten, sind also auszuschliefsen.
Die durch die Versuche I und III, also beim Kaninchen
gewonnenen Serienschnitte ergaben zunächst, dals die verfütterten
Bakterien im Magen einer Auflösung nicht anheimgefallen,
sondern dafs sie in den Darmkanal selbst gelangt waren.
In den oberen Partien des Dünndarmes liefsen sie sich am
reichlichsten nachweisen, um sodann gegen das Oebiet des Dick-
darmes hin und in diesem selbst allmählich an Intensität abzu-
nehmen. In der Lagerung der Bakterien innerhalb des Lumens
war eine gewisse Gruppierung insofern zu erkennen, als sie sich
im Magen und Dünndarm teils im freien Lumen selbst befanden,
teils in kleineren Häufchen der Höhe der Zotten angelagert
waren. Im Dickdarm hingegen fanden sich wohl im Anfangs-
gebiet spärliche Häufchen, weiterhin aber nur einzelne, ver-
sprengte Keime.
Aufser dieser Passage der Bakterien in den Darmtraktus
konnte ferner sowohl im Magen, als auch im Verlaufe
des ganzen Darmkanals ein Durchtritt in die
Schleimhaut selbst konstatiert werden. Abgesehen
von einzelnen, ohne besonderes Bindeglied übergetretenen Bazillen,
möchte ich gemäfs der Übereinstimmung der verschiedenen Bilder
eine Art etappenförmige Lagerung der Bakterien in der Schleim-
haut annehmen.
Betrachten wir uns im mikroskopischen Bilde die Magen-
schleimhaut, so sehen wir zunächst, wie bereits oben ange-
geben, Bakterien der Höhe der Zotten angelagert. Diese An-
lagerung einzelner Bakterien, vielleicht von dem übrigen, unge-
338 Bakteriendurchlässigkeit der normalen Magendarmschleimhant etc.
hindert passierenden Hauptteil passiv abgesondert, vielleicht auch
durch aktive Kräfte zur Resorption herangezogen, dürfte die
erste Stufe und gewissermafsen den Stützpunkt für den Eintritt
bilden. Läfst sich doch gerade an dieser Stelle das typisch-stufen-
förmige Vordringen der Bakterien studieren. Schon an diesen
Bakterienhäufchen selbst kann man eine losere und eine engere
Anlagerung an die Zotte erkennen. Etwas abgelöst von dem
eigentlichen Häufchen sieht man, wie ein vorgeschobener Bazillus
sich auf das innigste dem achsialsten Teil der Zelle anlagert, fast
als ob sein Durchgang in die Schleimhaut unmittelbar bevor-
stände. In einem zweiten Stadium ist ein anderer bereits im
Zustande des Übertritts zu erkennen, wie er gerade durch die
Schleimhautgrenze hindurchschlüpft. Besonders gut lälst sich
dieser Eintritt in die Schleimhaut studieren, wenn der Bazillus
noch halb im freien Lumen, halb in der Zellpartie gelagert an-
zutreffen ist. In den verschiedensten Richtungen vollzieht sich
der Übergang, bald sind die Bazillen direkt senkrecht, bald
schräg, bald horizontal gelagert. Immer aber handelt es sich,
um diesen Punkt noch einmal hervorzuheben, um vereinzelte
Bakterien, die in der Zahl ihres Übertritts in keinem Verhältnis
zu der des Lumeninhaltes stehen. Als Folge auf diesen im
Durchtritt begriffenen Bazillus kann man sodann einen anderen,
d. h. den nächst vorhergegangenen wohl, bereits völlig durch-
getreten sehen. Seinen Abschlufs findet also dieser Übertritt
mit der Lagerung des Bazillus in der Zelle selbst. In der Zelle
ist die Lagerung eine stets völlig gleichartige: in der Mitte des
Protoplasmas zwischen Kern und Grenze der Zelle (Fig. I).
Gemäfs den Difseschen^) Untersuchungen über die unvoll-
kommene Schleimbildung in jugendlichen Zellen wird diese
Lagerung mitten im Protoplasma verständlich. Geschlüpft durch
die Lücken des natürlichen Schutzwalles des vorerst noch aus
einzelnen zusammenhangslosen Kugeln bestehenden Schleimüber-
zuges, muTs der Bazillus, tritt er in die Zelle ein, an dieser Stelle
des Protoplasmas zu liegen kommen. Eine Kombination von
1) Difse, XJntersnchangen über die Durcbgängigkeit der jugendlichen
Magendarmwand für Taberkelbazillen. Berliner klin. Wocbenscbr., 1903, S. 4.
Von Dr. med. R. Hilgttinann. 339
Schleim- und Basillenftrbung, die wohl am ehesten in diese
Verhältnisse Klarheit bringen konnte, ist mir nicht gelungen.
Handelt es sich nun inrklich bei diesen Bildern um eine
Aufnahme seitens der Schleimhaut, nicht um ein Kunstprodukt
beim Einbetten oder Schneiden, so mufs man die Bakterien auch
weiterhin verfolgen kOnnen. Ist ja doch eine Verschleppung der
Bakterien, sind sie einmal in die Zelle gelangt, auf dem Wege
der Blut- oder Lymphbahn, leicht erklärbar. In der Tat folgte
auf die Lagerung in der Zelle — wie die mikroskopischen Bilder
zeigten — der Durchtritt in das Zottenlunien und schlielslich
in die inneren Organe, vor allem in die Milz. Letzteres habe
ich vorweggenommen, da ja diese Ergebnisse für den Magen
wie den Darm gleichbedeutend sind.
Was den Darm anbetrifft, so wurde sowohl der Dünndarm,
als der Dickdarm, besonders auch der proo. vermif. untersucht.
Hier zeigte sich ein wesentlicher Unterschied in der Anzahl der
durchgetretenen Keime im Verhältnis von Dünn- und Dickdarm.
Während im Dünndarm, zumal im oberen Drittel, ein reichlicher
Übertritt erfolgt war, nahm derselbe im Dickdarm bedeutend an
Stärke ab. Nur noch vereinzelte Bakterien wurden innerhalb
der Schleimhaut gefunden. Zieht man aber in Betracht, was
ich oben bereits über die geringe Anzahl der Bakterien im Lumen
des Dickdarmes sagte, so wird diese anscheinend verminderte
Schleimhau tdurchgängigkeit verständlich. Ist doch sicherlich
von der jedesmaligen Menge der Bakterien im Lumen die Durch-
trittsmOglichkeit durch die Schleimhaut abhängig.
Im allgemeinen boten die mikroskopischen Bilder des Darmes
Übereinstimmung mit denen des Magens, indem auch sie einen
allmählichen Übertritt der verfütterten Bakterien zeigten. Erst
wiederum die Anlagerung der Bakterien auf der Höhe der Zelle,
dann der Durchtritt und schliefslich ihre Lagerung im Proto-
plasma (Fig. II).
Im proc. vermif. waren die Übertrittsverhältnisse denen
im Dünndarm gleich zu achten, eine stärkere Beteiligung also
direkt nicht vorhanden. Bedenkt man aber, dafs die Knickung
des proc. vennil. eigentlich an und tiXr sich eine Passage für
340 Bakfeeriendorchlttssigkeit der normalen MmgendannBchleimhaat etc.
durchgehende Fremdkörper einschränken müfste, so kann man
in Erwägung der gleichen Übertrittsverhältnisse wie im Dünn-
darm immerhin von einer stärkeren Beteiligung sprechen. Da
femer der proc- vermif, gerade zu Entzündungen und Läsionen
geneigt ist, so ist er vielleicht doch als Prädilektionsstelle für
einen Übertritt von Bakterien in Betracht zu ziehen.
Die in Vorstehendem angegebenen Resultate beziehen sich
auf die Versuche I und III, also beim Kaninchen. Bei dem
Versuch II, bei dem das Meerschweinchen als Versuchstier
benutzt wurde, zeigten die Untersuchungsergebnisse, obwohl der
Versuch in derselben Weise wie beim Kaninchen ausgeführt
worden war, das Tier also die ungefähr gleiche Bakterienmenge
erhalten haben mufste, wesentliche Unterschiede gegenüber Ver-
such I und III. Fanden sich beim Kaninchen die verfütterten
Bakterien in reichlicher Menge im Lumen des Magen- und
Darmkanals wieder, so war beim Meerschweinchen ein bedeutend
geringeres Vorhandensein derselben zu konstatieren, insonderheit
zeigte das Lumen des Magens dieselben nur in spärlichen Resten.
Was die Eintrittsverhältnisse in die Schleimhaut selbst anbetri£Et,
so habe ich im Magen einen Übertritt nicht finden können. Im
Darm war ein Eintritt in die Schleimhaut wohl erfolgt, doch
waren nur ganz vereinzelte Bakterien übergetreten, auch diese
meist noch im Anfangsstadium des Übertritts. Der Schleim-
hautoberfläche eng angelagert, sah man öfters vereinzelte Bakterien,
ohne aber gleichzeitig einen Eintritt flnden zu können, fast ge-
wann man hierbei den Eindruck, als ob die Bakterien durch einen
natürlichen Wall den die Schleimhautoberfläche zu bilden schien,
nicht hindurchdringen könnten. Sicherlich waren die Durch-
tritts- und Eingangsverhältnisse in die Schleimhaut nicht mit
denen beim Kaninchen zu vergleichen. Während hier ein deut-
lich stufenförmiges Eintreten beobachtet werden konnte, das
unbehindert vor sich zu gehen schien, konnte beim Meer-
schweinchen nur von einem verein/.elten und mühsamen Ein-
dringen die Rede sein. Ob hierbei Rassenunterschiede, bzw.
besondere Schutzvorrichtungen der Schleimhaut mitsprachen,
kann zurzeit nicht entschieden werden.
Von Dr. med. R. Hilgennann. 341
Mit dem Beweis des Eintritts der Bakterien in die Schleim-
haut ergab sieh die weitere Frage, welche Faktoren diesen
Durchtritt ermöglicht haben konnten, und auf welchem Wege
derselbe erfolgt sein mochte. Zunächst lag gewifs der Gedanke
nahe, an einzelne, zufällig vorhandene Läsionsstellen zu
denken. Diese Annahme war aber auszuschliefsen, da sich
zeigte, dafs der Übertritt nicht an einzelnen Punkten, sondern
im Verlaufe der ganzen Länge des Magen- Darmkanals erfolgt
war. Ebensowenig konnte bei der immerhin grofsen Anzahl ver-
fütterter Keime von einem natürUchen Überfluten, von einer
durch Reizwirkung hervorgebrachten direkten EintrittsmögUchkeit
die Rede sein. Wäre dies wirklich der Fall gewesen, dann hätten
viel zahlreicher und nicht in so typisch-vereinzelter Anordnung
innerhalb der Zellen und Zotten die Bakterien durchtreten müssen.
Besteht ferner ein Unterschied zwischen Meerschweinchen und
Kaninchen in ihrer Aufnahmefähigkeit für Bakterien wirklich zu
recht, so würden gerade die beim Meerschweinchen gefundenen
Verhältnisse letztere Behauptung bestätigen, indem hier trotz
einer geringen Menge von Bakterien innerhalb des Darmlumens
doch Bakterien übergetreten waren. Auch wäre vom technischen
Standpunkt aus ein Durchtrittsnachweis einzelner verfütterter
Keime bei der grofsen Länge des Magen-Darmkanals unmöglich
gewesen.
Viel näher liegt wohl der Gedanke, zu glauben, dafs gemäfs
der Behauptung v. Behrings die Schleimhaut im jugendlichen
Alter der natürlichen Schutzstoffe entbehre, um einen Übertritt
durchwandernder Bakterien verhindern zu können.
Der Nachweis der verfütterten Keime in inneren Organen
dürfte femer den Einwurf entkräften, dafs es sich bei diesen
Lagerungsverhältnissen innerhalb der Schleimhäute vielleicht um
eine mechanische Einwirkung beim Einbetten oder beim Schneiden
handeln könnte. Gegen diese Annahme spricht auch der Um-
stand, dafs ich sowohl beim Magen wie beim Darmtraktus die
Bakterien innerhalb der Zotten auch an Stellen gefunden habe,
wo weder auf der Zottenhöhe noch in der sichtbaren Peripherie
des Lumens Bakterienhaufen vorhanden waren.
342 BakfrtonfiiiililiMighiir ete. Voa Dr. dmiL B. Hngennann.
£0 bleibt noch die Fra^ oUsa, an wdcher Stelle eigentlich
der Dorchtritt erfolgt sei. Ob nun. wie Difäe nacbgewieeea.
die mangelhafte ächleimbildnng im jugendlichen Alter wenigstens
für den Magen, oder ob die Interzellnlarräome- and Brücken
einen Durchtritt begünstigen, oder ob die Zelle aelbet aktive
Fonktionen übernimmt, entzieht sich der Beobachtung. Oremäb dem
oben beschriebenen stofenweiaen Elintreten möchte ich aber
glauben, dala ee sich am eine aktive Tätigkeit seitens der
Sohleimhaat handele. Bei dieser gewissermafsen sich aneinander
reibenden Lagerang der Bakterien ist wohl eine Tätigkeit der
2^11e selbst, event. ein Weiterschleppen darch dazu befähigte
Zellen, anzunehmen.
Mit dem Nachweis, dals Bakterien durch die noch unge-
schützte Magendarmwand aufgenommen werden können, darf
auch mit einer InfektionsmögÜchkeit im jugendlichen Alter ge-
rechnet werden. Denn ähnlich wie bei den Fütterungsversuchen,
bei denen eine gröfsere Menge Bakterien den Mageu-Darmtraktus
ül>erscljwemmt, liegen schliefshch auch die Verhältnisse bei einer
bakterienhaltigen Ernährung, bei der die stete Summation dem
augenblicklichen Reichtum an Bakterien der Fütterungsversuche
ziemlich gleichzusetzen ist.
Erklärung der Abbildungen.
KiKur ]. IjeUz: Okol. ]. Obj. V',, Ollmmersion. Tabuslänge 170 min. Tech-
nik: Paraffine! nbettong, Hämatozylin-Karbolf achsin. Das Bild zeigt
einen Durchschnitt darch die Schleinihaatoberfl&che des Kaninchen-
fnagens. Die Tuberkel bazillen sind teils im freien Lamen, teils bereits
in den Kpithelzellen selbst gelagert.
Figur II. J^its: Okul. I. Obj. Vn Öl-Immersion. Tubaslänge 170 mm. Tech-
nik: I'arafflneinbettung, Karbolfachsin- Methylenblau. Figur II gibt
einen QuerHchnitt und einen I^lngsschnitt einer Dünndarmzotte vom
Kaninchen wieder. Die Tuberkelbazillen sind sowohl im Begriffe des
Durchgangs durch die Schleimhautoberfläche als auch innerhalb der
Zellen.
Blutparasiten und Erythrocytolyse.
Von
Dr. A. Nitele.
(Aqb dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh.
Medinnalrat Prof. Dr. M. Babner.)
Am Schlüsse eines kürzlich in diesem Archiv erschienenen
Aufsatzes habe ich auf die engen Beziehungen hingewiesen, die
zwischen dem Verschwinden von Trypanosomen aus der Blut-
bahn eines infizierten Tieres und dem gleichzeitigen Auftreten
einer bisweilen erheblichen Anämie bestehen, mochte die Heilung
oder Remission eine spontane oder eine durch künstliche Mittel
herbeigeführte sein. Hierin zeigten auch alle drei mir zu Gebote
stehenden Trypanosomenarten , Tr. Brucei, Tr. equinum und
Tr. Lewisii keine prinzipiellen Unterschiede.
Diese Erscheinung tritt naturgemäfs um so deutlicher hervor,
je reichlicher Trypanosomen im Blut vorhanden sind und je
akuter sie daraus verschwinden; denn so wird es dem Blut-
regenerationsapparat unmöglich, für die gleichzeitig erfolgte Zer-
störung von roten Blutkörperchen auch nur mit minderwertigem
Material in der nächsten Zeit einen irgendwie erhebUchen Ersatz
zu schaffen. Dementsprechend liegen die Resultate der Blut-
körperchenzählung in diesen Fällen weit aufserhalb der Fehler-
grenzen; bei meinen Versuchen an kleinen Tieren betrugen die
Differenzen stets Millionen pro EubikmiUimeter.
344 Blatparasiten and Erythrocytolyse.
Von dem zeitlichen Zusammenfall der beiden Erscheinungen
kann man sich am besten in der Weise überzeugen, dafs man
Mäuse, die schon einigermafsen reichlich Cadärastrypanosomen
oder die von Martini aus einem Togohengst gewonnene Na-
ganaparasiten aufweisen, mit schwachen Trypanrotdosen , etwa
0,2 — 0,3 der Iproz. Lösung pro 15 g Maus, behandelt. Unter
diesen Bedingungen tritt häufig in 24 Stunden noch keine Heil-
wirkung ein, im Gegenteil haben sich die Trypanosomen in dieser
Zeit manchmal noch vermehrt und ebenso findet man die Zahl
der roten Blutkörperchen kaum oder doch nur wenig vermindert,
und erst am Tage darauf läfst sich das Verschwinden der Trypa-
nosomen und das gleichzeitige Einsetzen der oft recht erheb-
lichen Anämie mit Sicherheit konstatieren. Dieser Synchronismus
tritt aber auch bei den spontanen Remissionen, wie sie im
Verlauf einer Cadäras- oder Naganainfektion bei Meerschweinchen
häufig zn beobachten sind, sowie bei Ratten unmittelbar nach
der spontanen Heilung von einer Infektion mit Tr. Lewisii
deutlich hervor, vorausgesetzt, dafs Remission bzw. Heilung
einigermafsen akut verlaufen.
Es lag daher nahe, zu prüfen, ob Stoffe, die anerkannter-
mafsen Hämolyse hervorbringen, auch imstande sind, die Para-
siten zu beeinflussen. In der Tat ist es mit derartigen Sub-
stanzen — nach den bisherigen Versuchen besonders mittels
Toluylendiamin — gelungen, Trypanosomen selbst bei ziemlich
weit vorgeschrittenen Erkrankungen teils bis auf vereinzelte
Exemplare, teils vollständig, wenn auch nur zeitweise, zum Ver-
schwinden zu bringen. Von den Resultaten dieser Versuche
mag in diesem Aufsatz nur erwähnt werden, dafs auch hier
manchmal erst am zweiten Tage die Wirkung sich zeigte, und
dafs in solchen Fällen die Blutkörperchenzählung die gleichen
Veränderungen ergab, wie sie eben bei der Anwendung von
Trypanrot geschildert wurden. Reichte die Dosis nicht hin, eine
deutliche Hämolyse zu erzeugen, so war auch eine Verminderung
der Flagellaten nicht zu konstatieren.
All diese Beobachtungen waren geeignet, in mir immer
mehr die Überzeugung zu befestigen, dafs Vernichtung der Trypa-
Von Dr. A. Nifsle. 345
nosomen und Hämolyse die eug miteinander verbundenen
Funktionen einer Substanz darstellen. Da die Anhäufung dieser
Substanz bei Infektionen von Ratten mit Tr. Lewisii zu lang
dauernder Immunität führt, so halte ich auch in allen Fällen,
wo es zu einer spontanen Verminderung von Trypanosomen
unter gleichzeitiger Blutkörperchenzerstörung kommt, die An-
nahme für berechtigt, dafs das wirksame Prinzip von Körper-
Zellen erzeugt wird, die in dieser Weise auf die Schädigung re-
agieren, welche durch Einwirkung der im Blut enthaltenen Para-
siten entsteht.
Wenn nun auch die Schädigung, auf die eine chemische
Reaktion erfolgt, in letzter Linie selbst chemischer Natur sein
mufs, so dürfen doch wohl mechanische Momente, wie das Ein-
dringen von Trypanosomen in Erythrozyten und ihr Durch-
schlüpfen durch dieselben, auf die ich in meiner vorigen Arbeit
aufmerksam machte, als Vorbedingungen in Betracht gezogen
werden. Dafür spräche die Tatsache, dafs das Durchschlüpfen
durch die Blutkörperchen besonders häufig bei längerem Vor-
handensein zahlreicher Flagellaten im Blut, also auch kurz vor
den Remissionen beobachtet werden kann. Anderseits mag
auch allein schon eine Erklärung in dem Sinne ausreichend er-
scheinen, dafs die Trypanosomen als tierische Zellen in ihrer
chemischen Zusammensetzung eine relative Ähnlichkeit mit den
Erythrozyten besitzen und durch ihre Anhäufung deshalb auch
eine gegen diese gerichtete Reaktion auslösen ; denn vorläufig liegt
für mich kein Grund vor, die Blutkörperchenauflösung nur als
eine Nebenwirkung eines Zellimmuukörpers aufzufassen, wie sie
V. Dungern als solche bei seinen Versuchen über Epithel-
immunserum festgestellt hat, da doch sonst eine bisher wenigstens
als rein hämolytisch bekannte Substanz, wie das Toluylendiamin,
nicht gleichzeitig in solchem Mafse die Trypanosomen zerstören
könnte.
Auf die Tatsache, dafs die Beziehungen zwischen Trypa-
nosomen und roten Blutkörperchen enger sind als zuerst scheinen
mag, deuten aufser den in meinem letzten Aufsatz angeführten
Beobachtungen eine Anzahl wesentlicher Übereinstimmungen mit
ArchiT mr Hygiene. Bd. UV. 23
346 Blatparasiten und Erythrocytolyse.
dem Verlauf einer Blutkrankheit, bei der die endoglobuläre Lage
des Erregers von vornherein auf nähere Beziehungen zwischen
ihm und dem Erythrozyten schliefsen läfst, uämHch der mensch-
lichen Malaria und besonders des auf dieser Basis entstandenen
Schwarzwasserfiebers.
Ehe ich auf eine Untersuchung derselben eingehe, möchte
ich noch auf eine Erfahrung hinweisen, die ich an der Wirkungs-
weise von verschieden grofsen Dosen solcher Stoffe machen
konnte , welche Trypanosomeninfektionen günstig beeinflussen.
Der sichtbare Effekt steigt nämlich nicht gleichmäfsig proportional
der angewandten Menge des Mittels, sondern mehr sprungweise,
so dafs er graphisch als eine terrassenförmig ansteigende Linie,
deren erster Abschnitt in der Abszisse selbst verläuft, dargestellt
werden müfste. Bei manchen Stoffen mufs man sogar weit über
50 7o derjenigen Menge hinausgehen, die gerade zur vollkommenen
Beseitigung der Trypanosomen erforderlich ist, um überhaupt
einen, wenn auch meist gleich reichlichen Erfolg zu erzielen;
und das ist ja auch natürlich, da man doch wohl annehmen
mufs, dafs die Widerstandsfähigkeit eines grofsen Teils der
Parasiten ungefähr die gleiche ist. Deshalb ist es auch kaum
zu verwundem, wenn auch die spontanen Verringerungen der
Parasitenanzahl, mag es sich um Remission oder Heilung handeln,
sehr häufig ebenfalls deutlich sprungweise erfolgen; besonders
tritt dies bei der Infektion von Ratten mit Tr. Lewisii hervor.
Die Anhäufung von Antikörpern mufs eben erst einen gewissen
Grad erreicht haben, ehe ihre Wiikung manifest werden kann.
Wenn ich nun dazu übergehe, die menschliche Malaria zum
Vergleich mit den bei Trypanosomiasis gewonnenen Resultaten
heranzuziehen, so ist für die Auswahl dieser Bluterkrankung
aufser der endoglobulären Lage der Parasiten das Vorhandensein
der grofsen Menge von Literatur mafsgebend gewesen, die den
Mangel entsprechender, eigener Versuche bis zu einem gewissen
Grade zu erset/.en vermag.
Ich beginne mit dem Schwarzwasserfieber, da hier die
Hämolyse in den Vordergrund der Erscheinungen tritt und des-
halb am genauesten studiert worden ist.
Von Dr. A. Nifsle. 347
In der Mehrzahl der Fälle sind es zwei Momente, die bei
dieser Erkrankung konstatiert werden können, das Vorhandensein
von Malaria und eine dem Anfall kurz voraufgegangene Chinin-
gabe. Dazu ist zu bemerken, da[s für das Chinin auch manche
anderen Medikamente eintreten können wie Phenacetin, Salipyrin,
Methylenblau (F. Plehn, A.Plehn, Kleine, Pause), ferner Er-
kältungen, Überanstrengungen, Verletzungen (A. Plehn), dafs aber
auch sichere Fälle beobachtet worden sind, wo aufser der Malaria
keine weiteren Anhaltspunkte gefunden werden konnten (A.Plehn,
Daniels, Moffat); i . . . . und selbst ohne nachweisbare besondere
Veranlassung tritt der Blutzerfall zuweilen im Verlauf eines
Malariafiebers eint (A. Plehn).
Dagegen dürfte heutzutage die auf vielen Erfahrungen be-
ruhende Ansicht kaum mehr ernstlichen Zweifeln begegnen, dafs
Schwarz Wasserfieber nur bei Malariakranken vorkommt; daran
kann auch der ganz vereinzelt dastehende, von Krönig ver-
öffentlichte Fall einer Sepsis nichts ändern, bei dem auf 1 g
Phenacetin Ikterus, Hämoglobinurie und Temperatursteigerung
eingetreten war. Anderseits verursacht Chinin allein auch in
hohen Dosen niemals Hämoglobinurie.
R. Koch hat zuerst festgestellt, dafs Schwarzwasser nicht
nur bei Tropica, sondern auch bei Tertiana beobachtet werden
kann; Otto führt aufserdem einen Fall an, bei dem Quartana-
parasiten als Malariaerreger diagnostiziert worden waren.
Da das Schwarzwasser nur in bestimmten Bezirken heimisch
ist, so hat Koch ferner das Klima als disponierendes Moment
beschuldigt, doch kann auch diese Theorie keine absolute all-
gemeine Gültigkeit beanspruchen, da, wie der Ottosche Fall
beweist, die Disposition bisweilen auch in unsern Breiten er-
worben wird.
Die Beschränkung des Schwarzwasserfiebers auf bestimmte
Bezirke, die allerdings in Afrika nach F. Plehns Angaben
deutlich an Umfang gewinnen, sucht dieser Autor mit der
eventuellen Verbreitung bestimmter Arten der Malariamücken zu
erklären. Stephens nimmt eine höhere Virulenz der Parasiten
und eine Änderung der Konstitution der in Schwarzwassergegenden
28*
348 Blotparasiten und Erythrocytolyse.
lebenden Europäer an. A. Plehn glaubt, »dafs die Schwarz-
wasserdisposition auf einer zeitweisen funktionellen Erschöpfung
der blutbereitenden Organe beruht, und dafs diese Erschöpfung
infolge der übermäfsig gesteigerten Regenerationstätigkeit ein-
tritt, welche notwendig wird, um die durch latente und manifeste
Malaria fortgesetzt geschaffenen Verluste zu decken. c F. Plehn
führt die Disposition auf die gelegentliche Bildung eines Blut-
giftes durch die Malariaparasiten zurück, welches die Blut-
körperchen aufserordentlich geneigt zum Zerfall mache.
Dafür, dafs die Menge der Parasiten nicht in Betracht
kommt, sind besonders zwei von Koch beobachtete Fälle be-
weisend, die tödlich verliefen, aber, obgleich in dem einen 30,
in dem andern gar 80% der Erythrozyten infiziert waren, keine
Spur von Hämoglobinurie zeigten; im Gegensatz dazu berichtet
Koch über Schwarzwasserfälle, die vor Beginn der Hämoglobi-
nurie nur ganz spärliche Parasiten aufwiesen.
Nun ist bisher allen, die Schwarzwasserkranke zu beobachten
Gelegenheit hatten, aufgefallen, dafs bei der grofsen Mehrzahl
der Patienten mit dem Anfall die Parasiten verschwinden. Der
Zeit|:)unkt des Verschwindens hängt von der Schnelligkeit und
Ausdehnung des Blutzerfalles ab (A. Plehn); dieses selbst erfolgt
zweifellos rascher als bei einer unter Chininbehandlung normal
verlaufenden Malaria (Panse). Aufserdem deutet das relativ
häufigere und längere Ausbleiben von Rezidiven, auch wenn
kein Chinin weiter gegeben wurde, darauf hin, dafs die Chinin-
wirkung nicht unmittelbar mit dem Verschwinden der Parasiten
in Zusammenhang stehen kann.
Wollte man nun annehmen, dafs die mit Parasiten besetzten
Erythrozyten zuerst und mit diesen die Parasiten bei der Hämolyse
zerstört werden, so müfsten nach dem Anfall die Parasiten jedes-
mal vermifst werden.
Eine verhältnismäfsig einfache Erklärung findet diese Er-
scheinung erst, wenn man die Resultate, welche die Beob-
achtungen am try{)anosomenkranken Tieren ergeben haben,
heranzieht und auch hier annimmt, dafs während jeden Malaria-
anfalls mikrobizide Stoffe als Reaktion auf die Anwesenheit
Von Dr. A Nifsle. 349
bzw. Vermehrung der Parasiten von Zellen geschaffen und auf-
gespeichert werden, und dafs auch hier mit der mikrobiziden
Eigenschaft dieser Stoffe eine hämolytische eng verbunden
ist. Diese letztere tritt bei Schwarzwasserfieber in den Vordergrund
und zeigt an, dafs, wenn dieses spontan eingetreten ist, die
Konzentration der Antikörper einen Grad erreicht hat, bei dem
gleichzeitig mit der Parasitenvernichtung eine ausgedehnte
Hämolyse erfolgen mufs, also genau so, wie es die Beobachtungen
an trypanosomenkranken Tieren ergeben haben.
In allen den Fällen, wo kurz nach Verabreichung von
Chinin oder ähnlichen Medikamenten Schwarzwasser entstanden
ist und mit ihm die Malariaparasiten ganz oder fast ganz ver-
schwunden sind, ist anzunehmen, dafs dieser Konzentrationsgrad
der reaktiven Stoffe, spontan wenigstens, bisher nicht erreicht
wurde, sondern dafs erst durch das Hinzutreten der in der
gleichen Richtung sich erstreckenden Chinin Wirkung die Be-
dingungen für das Entstehen der Hämoglobinurie erfüllt wurden.
Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dafs auch ohne das
Chinin, nur später, die Hämolyse mit derselben Heftigkeit
hätte eintreten müssen.
Wesentlich seltner sind die Fälle, bei denen mit dem Schwarz-
wasseranfall keine deutliche Verminderung der Parasiten Hand
in Hand geht, über diese Ausnahmefälle auf sichere Beobach-
tungen gestützte Erklärungen aufzufinden, ist mir bisher nicht
möglich gewesen. Doch scheint es, als ob in einem Teil die
besonders hochgradige Schwäche des Organismus eine normale
Anhäufung von Immunkörpern während der Malariaanfälle hat
vermissen lassen, da unter diesen Bedingungen ebenso wie die
andern Funktionen des Körpers auch die Fähigkeit gelitten haben
mufs, in ausreichendem Mafse Schutzstoffe gegen Kranheits-
erreger zu produzieren; anderseits zeigen Fälle wie der von
Schlayer veröffentlichte, dafs unter Umständen gleich nach
dem ersten Malariaanfall Schwarz Wasserfieber einsetzen kann,
also zu einer Zeit, in der man die Aufspeicherung antiparasitärer
Stoffe in irgendwie erheblicher Menge noch nicht zu vermuten
berechtigt ist (vorhergehender, längerer, das Fieber vollkommen
350 Blatparasiten und Erythrocytolyse.
hintanhaltender Chiningebrauch, nach Aussetzen erstes Fieber in
der Heimat, auf 0,75 Phenazetin Hämoglobinurie).
Bei der einfachen Malaria treten Hämolyse und Parasiten-
vemichtung nicht in dem Mafse hervor wie beim Schwarzwasser-
fieber; doch wissen wir, dafs mit jedem Anfall, dessen Beginn
bekanntlich mit der Schizogonie zeitlich zusammenfällt, eine mehr
oder minder weitgehende Zerstörung von roten Blutkörperchen
verbunden ist, und ferner, dafs dieselbe nicht von der Menge
der vorhandenen Parasiten abhängt, sondern eventuell bedeutende
Dimensionen annehmen kann, ohne dafs die Zahl der Parasiten
eine grofse sein braucht, und umgekehrt.
Nun ist allerdings mit dem Fieberanfall ein Verschwinden
der Parasiten meistens nicht verknüpft, und doch [müssen wir
annehmen, dafs ein grofser Teil derselben während der Hämolyse
zugrunde geht, da sonst nach der Schizogonie stets eine ganz
gewaltige Vermehrung der Parasiten erwartet werden müfste.
Wo eine stärkere Vermehrung der Parasiten angetroffen wird,
wie z. B. bei den beiden oben erwähnten Koch sehen Fällen,
ist dies nach meiner Ansicht in derselben Weise durch einen
abnorm schwachen Organismus zu erklären, wie es eben im
Anschlufs an die Besprechung des Schwarzwasserfiebers ge-
schehen ist.
Ich nehme also auch beim einfachen Malariaanfall die Bildung
eines zugleich antiparasitär und hämolytisch wirkenden Körpers
innerhalb von Zellen an, dessen Anhäufung während weiterer
Fieberanfälle allmählich zu einer immer mehr ausgesprochenen
Immunität den Parasiten gegenüber führen mufs.
Unter Berücksichtigung dieser Anschauung erscheint mir
deshalb der Malariaanfall von dem Sclnvarzwasseranfall nur
graduell verschieden, mag dieser spontan oder auf eine Chinin-
gabe hin eingetreten sein, sofern nur eine deutliche Verminderung
der Parasitenzahl zu konstatieren ist; denn der mäfsigen Para-
sitenzerstörung und gleichzeitigen mäfsigen Hämolyse des ersteren
entspricht hier die Kombination der gleichen nur weitergehenden
Reaktionen Es liegt daher für mich nahe, die Disposition für
Schwarzwasser mit einer höheren X'iriilenz der Parasiten in Ver-
Von Dr. A. Nifsle. 351
bindung zu bringen, wie es auch Stephens getan hat; mit
diesem wesentlichen Punkte würden sich auch leicht die
Hypothesen vom Einflufs des KUmas (Koch) und der Übertragung
durch bestimmte Mückenarten (F. Plehn), sowie die Änderung
der Konstitution der in Schwarzwasserbezirken lebenden Europäer
(Stephens) in einen kausalen Zusammenhang bringen lassen.
Was die Hämolyse anbetrifft, so ist auch Pause auf Grund
seiner Beobachtungen an 35 Schwarzwasserkranken über das
Verhältnis vom Schwarzwasser zur Malariainfektion zum gleichen
Resultat gelangt: »Sobald feststeht, dafs Erythrocytolyse mit
konsekutiver Hämoglobinämie zum Wesen der Malariainfektion
gehört, wäre demnach die Folgerung mögUch, dafs Schwarz-
wasserfieber nichts anderes zu sein braucht, als ein auf Grund
höherer Intensität der Infektion erreichter höherer Grad jener
Erythrocytolyse. Dann würden wir dem Chinin und anderen
Medikamenten, deren zweifellosen Einflufs keine Überlegung je
mehr aufser acht lassen darf, nur noch die Fähigkeit zuschreiben
dürfen, Steigerungen der iMalariahämocytolyse« zu unterstützen,
zu begünstigen, nicht aber die Fähigkeit, eine Hämocytolyse bei
Malaria überhaupt erst » hervorzurufen c, zu »veranlassen« oder
»auszulösen €.«
Es erübrigt noch auf die Beobachtungen einzugehen, die sich
mit der Diagnose der Disposition für Schwarz Wasserfieber
beschäftigen. Koch hat als Symptome dafür das Ansteigen
der Temperatur in den nächsten Stunden nach einer Chiningabe
auf 38° und darüber, auffallendes Dunklerwerden des Urins und
eine am nächsten Morgen sich zeigende ikterische Verfärbung
der Haut angegeben. Rüge konstatierte in einem Fall auf
0,3 Chinin subkutan eine bedeutende Vermehrung der poly-
chromatischen Erythrozyten und einige Tage später auf dieselbe
Dosis einen Schwarzwasseranfall; er hielt es deshalb für be-
rechtigt darauf hinzuweisen, dafs vielleicht durch derartige Blut-
befunde eine drohende Hämoglobinurie erkannt werden könnte.
Da die Polychromasie ebenso wie der Koch sehe Symptomen-
komplex stets ein Ausdruck dafür ist, dafs nicht unbeträchtliche
Mengen von roten Blutkörperchen zugrunde gegangen sein
352 Blutparaeiten und Erythrocytolyse.
müssen, da ferner eine Zählung der polychromatischen Erythro-
zyten nach meinen Erfahrungen am Blut mit Trypanosomen
infizierter Tiere insofern auf Schwierigkeiten stöfst, als die Färbung
nicht immer gleichmäfsig deutlich ausfällt, un(i bei einer gewissen
Menge von Blutscheiben nicht sicher entschieden w^erden kann,
ob sie zu den orthochromatischen oder zu den polychromatischen
zu rechnen sind, so möchte ich eine Modifizierung des Rugeschen
Vorschlags durch die einwandsfreiere Blutköri)erchenzählung
vor und nach der Chiningabe empfehlen. Vielleicht gelingt es so,
in der Praxis einen ungefähren Grenzwert der Differenzen
festzustellen, der die drohende Schwarzwassergefahr anzeigt und
damit die weitere V^erabreichung von Chinin, wenigstens in der-
selben Dosis, verbietet.
Es liegt nahe, nachdem sich in dem V^erhalten der Parasiten
zur Blutkörperchenzerstörung eine prinzipielle Übereinstimmung
zwischen Trypanosomiasis und Malaria ergeben hat, den Vergleich
auch auf die Piroplasmosen, die ja durch die häufig bei ihnen
auftretende Hämoglobinurie charakterisiert sind, auszudehnen.
Auch bei den Piroplasmosen, z. B. der Hämoglobinurie der
Rinder, verschwinden mit den Blutharnen meist ziemlich akut
die Parasiten vollständig oder bis auf vereinzelte Exemplare;
nur bedarf es dazu einer weit reichlicheren Ansammlung, von
Parasiten als bei der menschlichen Malaria. Der Verlauf der
Piroplasmose steht daher bis auf die bei Trypanosomeninfektionen
bisher nicht beobachtete Hämoglobinurie diesen näher als dem
Schwarzwasser xMalari akranker. Häufig tritt noch nach dem
Verschwinden der Piroplasnien dadurch, dafs die Hämolyse noch
weiter fortschreitet, der Tod ein. Diese hier spontane P>scheinung
erinnert lebhaft an Beobachtungen, die ich bisweilen an cad^ras-
oder naganakranken Mäusen, die mit Trypanrot behandelt waren,
machen konnte; die Tiere gingen noch nach der vollkommenen
Heilung von der Infektion an der weiter zunehmenden Anämie
ein. Derartige Befunde beweisen aber meines Erachtens, dafs
auch bei den Piroplasmosen die Erythrozytolyse im wesentlichen
nicht durch eine unmittelbare Einwirkung der Parasiten auf die
Blutkörperchen hervorgerufen wird, sondern dafs dieser Prozefs
Von Dr. A. Nifsle. 353
hier in der gleichen Weise einen indirekten Verlauf nimmt und
ebenso mit der Bildung von mikrobiziden Stoffen eng verknüpft
ist wie bei der Trypanosomiasis und der menschlichen Malaria bzw.
dem Schwarzwasserfieber bei menschlicher Malaria.
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über den Einflufs des Hangers anf die Bakterien-
dnrchlässigkeit des Intestinaltraktns.
Von
Prof. M. Picker.
(AuB dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh.
Medizinalrat Prof. Dr. M. Rubner.)
Wenn man berücksichtigt, mit wieviel Unbekannten wir bei
experimentellen Untersuchungen über die Entstehungsweise in-
testinaler Infektionen zu rechnen haben, so kann es nicht wunder-
nehmen, dafs unsere Kenntnisse über diese Frage heute noch
nicht weiter gediehen sind. Solange z. B. die Rolle der Darm-
s&fte oder der im Darme heimischen Mikroorganismen gegenüber
infektiösen Keimen nicht eingehender untersucht ist oder solange
wir über die Virulenzabschwächung und -Verstärkung, wie sie
unter natürlichen Verhältnissen erfolgt, nicht besser unterrichtet
sind oder solange wir den Begriff der Disposition, der so Ver-
schiedenartiges zusammenfafst und so oft herhalten mufs, um
Unbekanntes zu verbergen, mit spezieller Rücksichtnahme auf
die Infektion vom Darme aus nicht zergliedern und schärfer
präzisieren, wird es schwer fallen, Gesetze von allgemeinerer
Gültigkeit aufzustellen.
Um eine Gnmdlage für Untersuchungen in der in Rede
stehenden Richtung zu gewinnen, habe ich, wie früher mitgeteilt (^),
bei Innehaltung einer bestimmten Methodik das Verhalten des
normalen Darms von Tieren gegenüber einverleibten Saprophyten
Einflafs d. Haugers auf d. Bakteriendurchlässigkeit etc. Von Prof. Ficker. 355
und den normalen Darmkeimen geprüft. Da mir so bei einheit-
licher Versuchsanordnung die Verhältnisse bei bestimmten Tier-
gattungen bekannt waren, legte ich mir, um einen Schritt weiter
zu kommen, die Frage vor, ob an diesem normalen Verhalten
etwas geändert wird, wenn solche Einflüsse, wie sie bei der Ent-
wicklung von Darminfektionen in Betracht zu kommen scheinen,
auf die Versuchstiere einwirken würden: nach Variation dieser
Bedingungen könnte sich bei Prüfung des Blutes und der Organe
eines Versuchstieres auf verfütterte, leicht wieder erkennbare
Saprophyten oder auf Darmbakterien vielleicht beobachten
lassen, ob lediglich den geprüften Faktoren eine Bedeutung für
den Übertritt von Bakterien aus dem Darm beizumessen sei. Bei
solchen Versuchen würde der Vorteil gegeben sein, dafs aus der
Gleichung zunächst die komplizierende Frage der Infektion bzw.
Virulenz ausgeschaltet ist.
Es erschien in dieser Beziehung der Einflufs des Hungers
der Untersuchung wert.
I. Versuche.
Die Versuche erstreckten sich auf Kaninchen, Hunde, Katzen,
Mäuse und Ratten. Nur den Hunden wurde Wasser verabreicht,
die übrigen Tiere wurden unter kompletter Abstinenz gehalten.
Für Reinhaltung der Käfige wurde Sorge getragen, erfahrungs-
gemäfs wird z.B. bei Feuchtsitzen der Hunger sehr schlecht er-
tragen. — Die Versuchsanordnung war im übrigen dieselbe, wie
sie in dieser Zeitschrift Bd. 52, S. 180 ff. geschildert wurde.
Bei Versuch 1 — 4 wurden nur diejenigen Kulturröhrchen näher unter-
sucht, bei denen ein Kulturwachstnm an der Oberfläche in roter Farbe er-
folgte. Das Aufbewahren der Röhrchen geschah bei 27 ^ Diejenigen Gläser,
bei denen nach 14 Tagen anscheinend kein Wachstum oder eine farblose
Vegetation auftrat, wurden vernachlässigt. Bei den übrigen Versuchen wurden
alle getrübten Röhrchen und Kolben untersucht, die gefundene Stäbchenart,
sofern sie nicht der Heubazillengruppe angehörte, wurde weiter identifiziert.
Die klar gebliebenen Kulturgläser oder diejenigen, die Kokken, Sarcinen oder
Hefen enthielten, blieben aufser weiterer Beachtung. Versuche an Hunden,
bei denen Askariden gefunden wurden, sind nicht mitaufgeführt.
1. Kaninchen gelb, 2280 g, hungert 6 Tage. Darnach Verfütterung von
Rotem Kieler (Agarbelag einer Schale von 16 cm Durchmesser, 20 Stunden
bei 21^ gewachsen) mit Rüben. Nach 37« Stunden stranguliert. Roter Kieler
356 Einflafs d. Hangers auf d. Bakteriendurchlässigkeit d. Intestinaltraktus.
vorhanden in 2 Leberröhrchen, 1 Blntröhrchen, im DOnndarm bis zam Cöcam
reichlich, im Dickdarm sehr vereinzelt.
2. Kaninchen grau, 2230 g, hungert 4 Taee. Darnach Verfütterung von
Rotem Kieler (Agarbelag einer Schale von 16 cm Durchmesser, 16 Stunden
27*^) mit Kohlrabi. Nach 4 Stunden stranguliert. Roter Kieler nachweisbar
in 1 Leber, 1 Milz- und 1 Blutröhrchen, ebenso in der ganzen Länge des
Darmkanals.
3. Kaninchen grau, 1960 g, hungert 3 Tage, erhält vom Roten Kieler
1 Agarplattenbelag (16 cm Durchmesser, 16 Stunden 27^) mit Kohlrabi. Nach
4Vj Stunden stranguliert. Roter Kieler nachweinbar in 1 Leber-, 1 Milz- und
1 Mesenterialdrüsenröhrchen, ebenso in der ganzen Länge des Darmkanals.
4. Kaninchen grau, 1980 g, hungert 2 Tage, erhält 1 Agarplattenbelag
Roten Kieler zwischen Kohlrabi wie Tier 3. Nach 4Vs Stunden stranguliert.
Roter Kieler im ganzen Darmtraktus nachweisbar, sonst nirgends.
5. Kaninchen weifH, 2120 g, hungert 7 Tage, erhält mit Runkelrül)en
1 Platte Roten Kielei (9 cm Durchmesser, 1 Tag, 27®). Nach 4 Stunden
stranguliert. I. Kulturkolben mit 250 com Bouillon, a) Leber: von 4 Kolben
enthält 1 Roten Kieler, aufMerdem Proteus, b) Niere : 1 Kolben, enthält Roten
Kieler, c) Herzblut: 2 Kolben steril, 1 enthält Roten Kieler. IL Kultur-
röhrchen, a) I^ber: von ca. 60 Röhrchen enthalten 12 Roten Kieler, 1 fluo-
rescens liquefaciens, 15 Buct. coli, 6 Proteus, b) von 12 Nierenröhrchen ent-
halten 2 Roten Kieler, c) Mesenterialdrüsen : von 11 Röhrchen enthalten 3
Bact. coli, 1 Roten Kieler, d) Blut: 14 steril.
6. Kaninchen grau, 2510 g, hungert 6 Tagi*, erhält 1 Agarplatte (8,9 cm
Durchmesser, 1 Tag, 27°) Roten Kieler mit Rüben. Nach 3^1^ Stunden stran-
guliert. I. Kolben, a) Leber: 4 Kolben beschickt, davon enthalten 2 Bact.
coli, 1 Roten Kieler, 1 steril, b) Herzblut: 1 Kolben steril. 11. Röhrclien.
a) I^bcr: von 43 Röhrchen enthält 1 Bact. coli, b) Blut: von 29 Röhrchen
enthält 1 Roten Kieler, c) Nieren: alle 11 Röhrchen steril, d) Milz: von
9 Röhrchen enthält 1 Roten Kieler, c) Mesenterialdrüsen: von 14 Röhrchen
enthalten 2 Bact. coli.
7. Kaninchen gelb, 2640 g, hungert 6 Tage. Stranguliert ohne vorherige
Fütterung. I. Kolben. Leber: von 3 Kolben verbleiben 2 steril, 1 enthält
B. coli. II. Röhrchen, a) Leber: von 25 Röhrchen enthalten 3 B. coli,
b) Blut: 26 Röhrchen geimpft, sämtlich steril, c) Mesenterialdrüsen: 14 Röhr-
chen geimpft, 1 enthält B. coli, d) Milz: alle 0 Röhrchen steril, e) Nieren:
alle 15 Röhrchen steril.
8. Kaninchen weifs, 2890 g, hungert 8 Tage, darnach stranguliert ohne
vorherige Fütterung. I. Kolben. Leber: 3 Kolbon. Davon enthält Nr. 1
Proteus, Nr. 2 B. coli und Proteus, Nr. 3 steril. II. Röhrchen, a) Leber:
von 48 Röhrchen enthalten 5 B. coli, b) Blut: 16 Rölirchen, davon enthalten
3 Proteus, c) Mesenterialdrüsen: von 7 Röhrchen enthält 1 B. coli, d) Milz:
alle 8 Röhrchen steril, e) Nieren : alle 13 Röhrchen steril.
9. Hund, Fox, 8,5 kg, erhält nach 8 Tage langem Hungern 0,5 kg ge-
wiegtes Pfenletlcisch, vermischt mit 3 Agarplatten ;^9 cm Durchmesser, 1 Tag
27") Roten Kieler. Nach 8 Stunden mit Nikotin vei giftet. Starke ^Schaum-
Von Prof. M. Ficker. 357
bildang am Maal und wiederholte tiefe InBpirationen vor dem exitas. Re-
sultat: Alle Lungenröhrchen enthalten Roten Kieler, ebenno der Darm bis
zum Cöcum. In den Organen, im Blut und in Mesenterialdrüsen: 0 Roter
Kieler.
10. Hund gelb, »Fuchs«, 13,5 kg, hungert 12 Tage. Gewichtsabnahme
1,73 kg. Erhält mit 0,5 kg Hackfleisch 3 Agarplatten Roten Kieler (9 cm
Durchmesser, 1 Tag 27°). Nach 3Vt Stunden entblutet von rechter Karotis
aus. Resultat: a) Leber: beschickt 52 Röhrchen, davon enthält 1 B. coli,
1 Proteus, b) Blut: 21 Röhrchen, alle steril, c)Mi]z: 11 Röhrchen, alle steril,
d) Nieren : 19 Röhrchen, alle steril, e) Mesenterial drQsen : 14, davon in 2
B. coli. — In keinem Röhrchen Roter Kieler. Im Dünndarm reichliche Mengen,
im Cöcum und weiter nach abwärts etwa 4 — 5 °/o Kolonien von Rotem Kieler.
11. Teckel, 6,1 kg, braun, hungert 13 Tage. Erhält 0,5 kg Pferdefleisch
mit 2 Platten (9 cm Durchmesser, 1 Tag 27 °) Koten Kieler. Nach 4 Stunden
von rechter Karotis aus entblutet. Resultat: a) Leber: beschickt 76 Röhr-
chen, davon enthalten 3 B. coli, 4 Proteus, b) Milz: 6 Röhrchen, alle steril,
c) Nieren: 12 Röhrchen, davon 1 B.coli, d) Mesenterialdrüsen: 11 Röhrchen,
davon 2 B. coli, e) Blut: 23 Röhrchen, alle steril. — In keinem Röhrchen
Roter Kieler nachweisbar. Der Dünndarm enthält massenhaft Roten Kieler.
Vom Cöcum nach abwärts nur noch 5 — 10% neben den üblichen Darm-
bakterien.
12. Terrier, 9,2 kg, hungert 16 Tage. Erhält mit 0,5 kg Pferdefleisch
3 Platten Roten Kieler (Agar, 9 cm Durchmesser, 1 Tag 27 <>). Nach 4V4 Stunden
entblutet. Resultat: a) Leber: beschickt 70 Röhrchen, davon enthalten Roten
Kieler 3 Röhrchen, B. coli 5, Proteus 1, b) Milz : 5 Röhrchen, sämtlich steril,
c) Nieren : 8 Röhrchen, davon 1 Proteus, d) Mesenterialdrüsen : 10, davon 1
Roten Kieler, 2 B. coli, 1 Proteus, e) Blut: 34 Röhrchen, davon 1 Roten
Kieler. Im Dünndarm reichlich Roter Kieler, im Cöcum und weiter abwärts
ca. 5% Kolonien von Rotem Kieler unter Darmbakterien.
13. Spitz, 7,3 kg, hungert 17 Tat^e. Erhält mit 0,5 kg Pferdefleisch
3 Platten Roten Kieler wie 12. Nach 4Vt Stunden entblutet. Resultat:
a) Leber: beschickt ca. 60 Röhrchen, davon enthalten 4 Roten Kieler, 2 B.
coli, b) Milz: 6 Röhrchen, alle steril, c) Nieren: 7 Röhrchen, alle steril,
d) Mesenterialdrüsen : 13 Röhrchen, davon 2 Roten Kieler, 1 B. coli, 1 Pro-
teus, e) Blut: 37 Röhrchen, sämtlich steril. In der ganzen Länge des Darm-
kanals Roter Kieler, vom Cöcum abwärts ca. 5 — 10% neben Darmbakterien.
14. Katze, grau-weifs, 2300 g, hungert 3Vt Tage. Erhält darnach mit
V, Pfund Hackfleisch 2 Petrischalen (8,9 cm Durchmesser, 18 Stunden 27«)
Roten Kieler. Nach 3 Stunden entblutet von rechter Karotis aus. Resultat:
Roter Kieler in 2 Röhrchen von Leber, ebenfalls in 2 Röhrchen von Mesen-
terialdrüsen. B. coli in einem Röhrchen von Mesenterialdrüsen.
15. Katze, schwarz, 2400 g, hungert 5 Tage. Ohne vorherige Fütterung
von rechter Karotis ans entblutet. Resultat : a) Leber : geimpft 65 Röhrchen,
davon weisen 3 B. coli, 1 Proteus auf, b) Mesenterialdrüsen: 12 Röhrchen,
davon in 1 B. coli, c) Blut: 39 Röhrchen, alle steril.
358 Einflolfl d. Hangera auf d. BakteriendnrchllMigkeit d. Intestiiialtraktiia.
16. Katie, grma, 2160 g; hungert 6*', Tag. Ohne vorherige FOttemag
entblutet. Reeulut: a; Leber: 61 Rdhrchen, davon in 8 B. coli, in 2 B. coli
-|- Proteas^ b) Meeenteriaidrüflen . 6 Röhrchen, davon in 3 B. coli, inl B. coli
-|- Proteoa, c) Milz : 5 Röhrchen, davon in 1 B. coli, d) Nieren : 5 Röhrchen,
alle steril, e Biat : S4 Röhrchen, davon in 5 B. coli, in 2 B. coli -f- Proteiu.
17. Maas 1, hungert 3 Tage, darnach stranguliert. B. coli Ist enthalten
in 21 Röhrchen von Leber, in 4 von Mili, in 1 von Herzblut. Steril sind
19 Röhrchen von Leber, alle 6 von Nieren, 1 von Milz.
18. 5Iaus 2, hungert 30 Stunden. 3 Röhrchen von Leber enthjüten
K coli, 1 Proteus. Die ttbrigen 13 Röhrchen von Leber, 7 von Blut, 5 Ton
Niere, 3 von Milz, 4 von Lunge sind steril.
19. Maus 3, hungert 16 Standen, darnach stranguliert. Beschickt werden
16 Röhrehen mit Leber, 9 mit Nieren, 3 mit Milz, 3 mit Blut, 4 mit Lunge.
Sämtliche Röhrchen steril.
20. Mauä 4, hungert 30 Stunden. Damach Verffitterung von 5 Ösen
Roten Kielers ,20 Stunden alte Agarkultur, 27 ^„ vermischt mit SemmeL Nach
3*/« Stunden stranguliert. Roter Kieler in 2 I^ber- und 1 Blotröhrchen.
B. coli in 3 Lel^rröhrchen. Steril sind 8 Röhrchen von Leiter, 4 von Blut,
4 von Nieren, 2 von Milz, 3 von Lunge.
21. Ratte 1, weifs, 240 e, hungert 6^ , Taze, darnach stranguliert. B. coli
enthalten 14 Röhrchen von Leber, 5 von Nieren, 4 von Mesenterial drüsen.
Steril sind 7 von Blut, 15 von Lel>er, 3 von MesenterialdrQsen, 2 von Lunge,
4 von Bronchialdrüsen, -^ von Nieren, 5 von Milz.
22. Ratte 2, weifs, 265 {?, hundert 5 T^ge, darnach stranguliert. B. coli
enthalten 2 Röhrchen von Leber, 1 von Mesenterialdrü«en, 1 von Blut. Steril
sind 26 Röhrchen von Leber, 6 von Nieren, 4 von Milz, 4 von Mesenterial-
drOsen, 8 von Blut, 4 von Lunge.
23. Ratte 3, weifs, 255 ^, hungert 2 Tage, darnach stranguliert. Geimpft
werden 24 Röhrchen von Leber, 9 von Blut, 8 von Nieren, 5 von Milz, 4 von
MesenterialdrQsen, 5 von Lunge. In keinem Röhrchen sind Darmkeime nach-
zuweisen.
II.
Der Einflufs des Hungers trat mir zum ersten Male deutlich
zutage, als ich in früheren Versuchen jungen Kaninchen nicht
sofort nach der Herausnahme aus dem Nest die Keimaufschwem-
mung verabreichte, sondern die Tiere erst einige Zeit von der
Mutter absetzte, um nach dieser Hungerperiode eine vollständigere
Aufnahme der im Saugtiäschclien dargebotenen Kulturdosis zu
erreichen. Bei der kulturellen Untersuchung des Blutes und der
Organe der Hungertiere war stets in einer gröfseren Anzahl von
Röhrchen der verfütterte Keim nachzuweisen wie bei den Kon-
trollticren. Indessen sind die Resuhate dieser Versuche, die ja
Von Prof. M. Ficker. 359
dieser Fragestellung gar nicht dienen sollten, vielleicht im Zu-
sammenhange mit den anderen, hier mitzuteilenden verwertbar,
für eine exakte Klarlegung sind sie nicht ausreichend; es hätte
dazu einer quantitativ genauen Zerlegung des Organismus und
einer Verteilung auf entsprechende Nährbodenmengen zum Ge-
winnen vergleichbarer Ergebnisse bedurft. Bei der an und für
sich so hohen Empfindlichkeit des Magendarmtraktus jugendlicher
Kaninchen erschien es mir vielmehr richtiger, erwachsene
Kaninchen hungern zu lassen, um sie sodann mit Rotem Kieler
zu füttern und darnach Blut und Organe kulturell zu untersuchen.
Wie aus den Versuchen hervorgeht, konnten bei sämt-
lichen erwachsenen Kaninchen, die 3 — 7 Tage ge-
hungert hatten und dann mit dem Futter Roten
Kieler erhielten, die verfütterten Keime in Organen
oder im Blut nachgewiesen werden. Da bei nicht hun-
gernden Kaninchen unter Innehaltung der im übrigen gleichen
Versuchsanordnung nur in 35% der Fälle ein Übertritt ver-
fütterter Mikroorganismen beobachtet worden war(^), so kommt
hier schon zum Ausdruck, dafs die Schutzvorrichtungen gegen-
über dem Eindringen von per os aufgenommenen Keimen bei
Nahrungsentziehung in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.
Bei diesen Fütterungsversuchen am hungernden Kaninchen
fiel mir bald auf, dafs gegenüber den Befunden bei normalen
Kaninchen bei w^eitem mehr von denjenigen Röhrchen, in denen
nicht Roter Kieler angegangen war, fremde Keime enthielten ; die
nähere Untersuchung ergab, dafs es sich hierbei vor allem um
Bact. coli, B. lactis aörogenes, Proteus und Bazillen
aus der S üb tilis- Gruppe handelte. Es erschien mir daher für
weitere Versuche am Kaninchen nicht nur überflüssig, eine
Keimverfütterung vorzunehmen, sondern auch rätlich, die Keim-
zufuhr wegzulassen und vielmehr die Organe des Hungertieres
auf Darmkeime zu untersuchen. Gegen die Versuche mit
Keimverfütterung kann ja der Einwand erhoben werden, dafs
man damit, selbst w^enn man Saprophyten wählt, doch auch die
Stoff Wechselprodukte dieser Mikroorganismen, die nicht indifferent
sein könnten, einführt. Da man nun mit Hinblick auf die grofse
360 Einflufs (1. Hangers auf d. Bakteriendarchlässigkeit d. Intestinaltraktas.
Oberfläche, auf welche sich die verfütterten und in den Säfte-
kreislauf eindringenden Keime verteilen, kulturell einen Aus-
schlag nur erwarten darf, wenn man die Keimdosis nicht zu
gering bemifst, so besteht darin vielleicht die Gefahr, dafs die
Einfuhr solchen Materials direkt Schleimhautalterationen ver-
anlassen könnte. Man müfste freilich dann auch zugeben, dafs
ähnliche Alterationen schon durch viele unserer Nahrungsmittel
hervorgerufen werden müfsten, die massenhafte Bakterien und
deren StofEwechselprodukte enthalten, so Milch, Butter, Käse,
Hackfleisch, Wurst usf., gar nicht zu reden von den Bakterien-
massen, die das Tierfutter enthält.
Um alle Bedenken zu zerstreuen, habe ich in einer Anzahl
von Versuchen die Verfütterung von Reinkulturen aufgegeben
und eine kulturelle Untersuchung des hungernden
Organismus auf Darmkeime vorgenommen.
Um Darmbakterien in den Organen nachzuweisen, ist die
Kenntnis der Bakterienflora des Darmes und der Luft
des Untersuchungsraumes nötig. Die konstanten Bewohner des
Kaninchendarmes sind Bazillen aus der Koli-, Proteus- und Sub-
tilis-Gruppe. Zur Koli-Gruppe rechne ich im folgenden auch
den B. lactis aerogenes mit Verwandten. Die eingehenden Luft-
untersuchungen, die ich nun schon längere Zeit hindurch und
bei jedem Tierversuch aufs neue in dem Arbeitsraura durch
Exponieren von Luftplatten (vgl. diese Zeitschr. Bd. 52, S. 182)
vornehme, habe ich dahin erweitert, dafs ich mehrfach mitten im
Versuch oder am Anfang und Ende an Bouillonröhrchen Kontroll-
impfungen mit Rindsleber vornahm, die im Autoklaven bei 112^
1 Stunde sterilisiert und mit denselben Manipulationen wie die
Organe des Versuchstiers verarbeitet wurde. Aus allen Luft-
untersuchungen ergab sich, dafs Koli- und Proteus ähnliche
Keime nicht in der Luft, hingegen dann und wann Heubaziilen
oder ihm Nahestehende vorkamen. Es wurde daher das Augen-
merk zunächst nur auf B. coli und Proteus gerichtet.
Es ergeben nun die Versuche, dafs in der Tat bei erwach-
senen Kaninchen im Ilungerzustande Darmbakterien
in den Organen und im Blute zu finden sind.
Von Ihrof. M. Fickeif. 361
Ein zutreffendes Bild von der Verteilung der Darmbakterien
oder der verfütterten Keime auf die einzelnen Organe zu geben,
bin ich zunächst nicht imstande, da es unmöglich erschien, den
Gesamtorganismus kulturell abzusuchen. E^ kommt eben, wie
ich schon früher ausgeführt habe, für die Methodik der kulturellen
Untersuchung von Blut und Organen ganz besonders darauf an,
das Mengenverhältnis zwischen Organmasse bzw. Blut und Nähr-
boden zu berücksichtigen. Fernerhin mufs für ausreichende
Aufschliefsung des Organs gesorgt werden. Es ist ganz falsch
zu glauben, dafs vereinzelte mit Organstücken in Bouillon über-
tragene Keime unter allen Umständen hier nachgewiesen werden
können: so mufs das Kulturverfahreu auf den Nachweis der
toten Bakterien verzichten; da wir femer bei der Einsaat von
irgendwelchem Kulturmaterial in ein anderes Nährsubstrat einen
anfänglichen Rückgang der Keimzahl beobachten, so mufs an-
genommen werden, dafs, wenn vereinzelte, in abgeschwächter
Verfassung befindliche Mikroorganismen aus dem Organ in
Bouillon übertragen werden, solche überhaupt nicht zum Aus-
keimen zu kommen brauchen. Aber man mufs noch weiter
gehen: Die in ein Bouillonröhrchen gegebenen Organstücke
verfallen der Autolyse. Hierbei werden, wie ich in mehreren,
bei anderer Gelegenheit zu publizierenden Versuchen festgestellt
habe, nicht nur entwicklungshemmende Produkte frei, sondern
wir haben es dabei auch mit deutlich bakteriziden Stoffen zu
tun, deren Existenz schon H. Conrad i(^) feststellte. Die Be-
obachtung dieser Tatsache bei meinen Versuchen ist insofern
nicht ohne Wert, als hierbei die sonst bei autolytischen Ver-
suchen üblichen antiseptischen Zusätze niemals zur Anwendung
kamen. Auch nach meinen Erfahrungen ist von allen Organen
die Leber zum Studium der autolytischen Vorgänge am geeig-
netsten und zwar Kaninchen- und Hundeleber. Bei 37° war
oft nach 2 Tagen, bei 27° nach 3 — 5 Tagen in zahlreichen
Leberröhrchen eine intensive Schaumbildung wahzunehmen; die
vom Boden des Röhrchens aufsteigenden Bläschen rissen oft
ganze Leberstücke mit in die Höhe. In manchen Fällen war
die Gasbildung eine so starke, dals Leberstücke bis zum Watte-
AichiY rar Hygien«. Bd. UV. 24
362 EinfloXs d. Hungers auf d. Bakteriendorchlässigkeit d. Intestinaltraktaa.
stopfen hinaufgeschleudert wurden. Hierbei war sowohl im
direkten mikroskopischen Präparate als auch im Kulturversuch
mit kleineren und gröfseren Quantitäten der gärenden Flüssig-
keit oder der Organstückchen unter Variierung der Nährböden
(Bouillon, Gelatine, Agar, Kartoffel) in vielen Fällen Keimfreiheit,
sofern wir bei Anwendung der jetzt üblichen Methoden davon
sprechen dürfen, zu konstatieren. In allen diesen Röhrchen war
Schwefelwasserstoff nachweisbar. Die Stärke der in den sterilen
Bouillonröhrchen auftretenden Gasentwicklung hing von der
Menge der Einsaat von Lebermasse ab. Bei einzelnen Tieren
ergaben sich merkwürdige Verschiedenheiten, die ich nicht auf-
zuklären vermochte. Die geringste Gasbildung trat bei Leber
von Tieren ein, die längere Zeit hungerten. Es stimmt das mit
den Beobachtungen E. Schlesingers (') überein, der durch
Bestimmung der Zunahme des nicht koagulablen Stickstoffs die
Wirkungsintensität des autolytischen Ferments bei atrophischen
Kindern stark vermindert fand.
Wenn nun, wie erwiesen, bei den autolytischen Vorgängen
antiseptische oder bakterizide Stoffe die mit den Organpartikeln
übertragenen Keime in der Entwicklung ganz oder eine Zeitlang
hindern, so ergibt sich daraus für unsere Untersuchungstechnik
die Forderung, die Kulturgläser öfters und längere Zeit hindurch
zu beobachten, sowie möglichst wenig von dem Organmaterial
und dieses im aufgeschlossenen Zustande den Bouillonröhrchen
zu übergeben. Wollte man unter Berücksichtigung dieser Momente
den Gesamtorganismus von gröfseren Versuchstieren durch das
kultureile Verfahren auf Keime untersuchen, so würde man das
nur unter weitgehender Arbeitsteilung tun können, um in kurzer
Zeit die Impfungen zu vollziehen. Damit aber würde die Ver-
gleichbarkeit der Resultate wieder in Frage gestellt. Ich habe
mich daiier darauf beschränkt, bei Kaninchen etwa den sechsten,
bei Katzen und Hunden etwa den zehnten Teil der Organe auf
Nährböden auszusäen. Rechnet man das alles zusammen, so
mufs man die in den Versuchen erhaltenen positiven Resultate
als ein Minimum ansehen, in Wirklichkeit sind die verfütterten
Von Prof. M. locket, 563
Keime bzw. die Darmbakterien in den Organen in gröfserer Zahl
vorbanden gewesen.
Als ein nocb geeigneteres Versucbstier wie das Kaninchen
muls für das Studium der den Übertritt von Darmkeimen be-
günstigenden Faktoren der Hund erscheinen: selbst nach Ver-
fütterung grofser Quantitäten von saprophytischem Bakterien-
material konnte in meinen früheren Versuchen der verfütterte
Keim beim normalen Hund im Blut oder in den Organen nie*
mals nachgewiesen werden. Gelingt es, beim Hunde Bedingungen
zu schaffen, welche den im Darmlumen befindlichen Keimen ein
Eindringen in Blut- und Lymphbahnen und in die Organe er-
mögUchen, so müfste bei der hohen sonstigen Widerstandsfähig-
keit des Intestinaltraktus des Hundes einem solchen Moment in
der Tat eine gewichtige Rolle bei der Entstehung von Darm-
infektionen zuzuerkennen sein.
In den Hungerversuchen zeigte auch der Hund wieder, wie
ungleich besser als das Kaninchen er mit seinem Verdauungs-
kanal gestellt ist. Während beim Kaninchen schon ein
drei Tage langes Hungern genügte, um den ver-
fütterten Keimen die Wege vom Darmlumen ins
Körperinnere zu öffnen, mufste beim Hund die Hun-
gerperiode auf 16 Tage ausgedehnt werden, dann erst
waren die verfütterten Keime in Organen aufzufinden. Auf-
fallend aber mufs es erscheinen, dals nach der 12
und 13 Tage währenden Nahrungsentziehung statt
der gesuchten verfütterten Keime beim Hund in den
Organen Darmkeime beobachtet wurden. Vergleicht
man mit diesen Befunden die Ergebnisse der Organuntersuchungen
am normalen Hund, wie ich sie an der Hand derselben Methodik
früher mitteilte (1., 8. 186, 187), so ist der Einflufs des Hungers
unverkennbar.
Fafst man den Widerspruch ins Auge, der darin zu liegen
scheint, dafs bei Nahrungsentziehung obligate Darmbakterien
eher überzutreten vermögen als selbst in grofsen Mengen ver-
fütterte Keime, so könnte man in dieser Beobachtung einen Be-
weis dafür erblicken, dafs die Aufnahme nicht im Dünndarm
24»
364 Kinflars d. Hangers auf d. Bakteriendurchlässigkeit d. Intestinaltiukiafl.
sondern im Dickdarm erfolge ; denn die quantitative Prüfung des
Darminhaltes in allen Partien ergab, dafs gegenüber dem Befund
von reichliehen verfütterten Keimen im Dünndarm ihre Menge
im Dickdarm im Verhältnis zu den hier vorhandenen einheimi-
schen Darmbakterien eine spärliche, im Höchstfalle ca. 10 ^/o war.
Es ist hier aber auf eine Beobachtung aufmerksam zu machen,
die für die weitere Klärung der Frage vielleicht nicht unwichtig
erscheint: während bei normalen Kaninchen und Hunden der
Dünndarm auch in seinen unteren Partien relativ arm an
Darmbakterien zu finden ist, sind hier bei den Hungertieren
bei weitem gröfsere Keimmengen, insbesondere auch mehr B. coli
vorhanden. Während man sonst die Anwesenheit von Keimen
im Dünndarm mit dem Vorhandensein von Nahrungsbestandteilen
in Zusammenhang bringt, kommen bei den vorliegenden Ver-
suchen Ingesta nicht in Frage, vielmehr scheint im Hunger-
zustand ein Ascendieren von Dickdarmbakterien
nach dem Dünndarm regelmäfsig einzutreten. Es könnte
demnach als Ort des Übertritts auch der Dünndarm in Frage
kommen. Da drängt sich aber die Frage auf, warum denn die
verfütterten Keime, die sich hier doch auch reichlich fanden, zu-
nächst nicht auch zur Aufnahme kamen. Man könnte sich dann
vorstellen, dafs die bakterizide Fähigkeit der Darmsäfte oder der
Schleimhautzellen den einheimischen Darmbakterieuarten gegen-
über bei Nahrungsentziehung deshalb eher versagt, weil diese
Mikroorganismen doch durch die ständige Berührung mit diesen
Schutzkräften des Intestinaltraktus eine gewisse Widerstands-
fähigkeit erworben haben, während den verfütterten Saprophyten
gegenüber die Abwehrvorrichtungen zunächst noch ausreichen.
— Da nun aufserdem bei diesen letzten Versuchen (Vers. 12, 13)
das Verhältnis der verfütterten zu den einheimischen Darm-
bakterien im Dickdarm nicht ein anderes war wie bei den vor-
aufgehenden, in denen ein Übertritt des verabreichten Roten
Kielers nicht nachgewiesen werden konnte, so ist auch hierin
nicht ein Beweis dafür zu erblicken, dafs die Aufnahme nun
unter allen Umständen im Dickdarm vor sich gegangen sein
mufs.
Von Prof. M. Flcker. 365
Man könnte auch zur Erklärung der Tatsache, dafs beim
Hungerhund in den Organen viel frühzeitiger die Darmbewohner
anzutreffen sind als verfütterte Keime, auf die Vermutung kom-
men, dafs es sich bei dem ersteren Befunde um latente Keime
handelt, die bei früherer Gelegenheit übergetreten sind und nun
in dem hungernden Organismus an Vitalität gewinnen, so dafs
jetzt ihr Nachweis in der Kultur gelingt, der sonst wegen ihres
in der Latenz geschwächten Zustandes oder wegen der im Kultur-
glas vor sich gehenden Organautolyse auf Schwierigkeiten stiefs.
Nach meinen früheren Untersuchungen am normalen Hund,
bei denen schon eine weitgehende Aufschliefsung der Organe
erfolgte, ist mir eine so umfangreiche Latenz, wie sie hier vor-
gelegen haben müfste, sehr unwahrscheinlich.
Schliefslich möchte ich noch eine Beobachtung mitteilen,
die ich an allen Hungerhunden machen konnte. Das ist die
starke Schwellung der Mesenterialdrüsen. Es ist mir
nicht bekannt, dafs man bei der Sektion von Hungertieren hier-
auf aufmerksam geworden ist. Da mir aber durch die Unter-
suchungen an normalen Hunden Gelegenheit zu vergleichenden
Beobachtungen gegeben war, so möchte ich diesen Befund her-
vorheben, der ja mit den sonstigen Resultaten in Zusammenhang
zu bringen ist.
Die Versuche an den übrigen Tieren bedürfen keiner Er-
läuterung. Es ergibt sich aus allen Untersuchungen,
dafs bei Kaninchen, Hunden, Katzen, Mäusen und
Ratten durch Inanition sowohl für verfütterte sa-
prophytische Keime als auch für im Darm heimische
Bakterien Bedingungen für das Eindringen in die
Lymph- und Blutbahn sowie in die Organe geschaf-
fen werden.
Es ist unschwer, mit Hilfe dieser Tatsache die Entstehung
einer Reihe von infektiösen Krankheitsprozessen zu beleuchten
und klarer zu erkennen, als das bisher der Fall war. Da diese
Fragen indessen weiterer experimenteller Bearbeitung zugängig
sind, so begnüge ich mich vorläufig, hier noch Erörterungen über
den Einflufs des Hungers auf die Einverleibung von Mikr<>
366 P'"^*"^« d. Hangen aaf d. BakteriendarehliMifkefl d. IntMtinmltrmktiM.
Organismen anzoschlielaenf die das Hauptsächliche des Bekannten
berühren nnd einige eigene weitere Beobachtungen verwerten.
Schon Pastear brachte experimentell die Nahrungsentzie-
hnng in Beziehong zur Infektion : er liels Hühner nach der Imp-
fung mit Milzbrand 2 — 8 Tage hungern und stellte fest, daEs die
Hühner nicht an Milzbrand erkrankten. Hiermit widerlegte er
zugleich die Ansicht Colins, die dahin ging, dals die von Pa-
ste ur durch Abkühlung milzbrandempAnglich gemachten Hühner
nicht infolge der Abkühlung, sondern u. a. infolge der Inanition
ihre MilzbrandimmunitAt verloren hätten. In grö&eren Versuchs-
reihen prüften Canalis und Morpurgo(^) den Eanflufs des
Hungers auf die Milzbrandinfektion. Sie gingen von den Unter-
suchungen von Delafond und Bourguignon aus, die die
Empfänglichkeit der schlechtgenährten Schafe für Krätze gegen-
über der Unempfänglichkeit wohlgenährter Tiere erwiesen hatten.
Canalis und Morpurgo wählten als Versuchstiere die gegen
Milzbrand relativ resistenten Tauben, Hühner und Ratten. Sie
fanden, dafs Tauben konstant der Milzbrandinfektion erliegen,
wenn man sie gleichzeitig mit der Inokulation in den Hunger-
zustand versetzt; Tauben, welche vor der Impfung sechs Tage
lang gehungert hatten, widerstanden der Infektion, wenn sie un-
mittelbar nach der Impfung wieder gefüttert wurden. Dauerte
die voraufgehende Hungerperiode länger als sechs Tage, so gingen
sie in der Regel trotz der Fütterung zugrunde. — Bei der Mehr-
zahl der Hühner gelang es, die Infektion hervorzurufen, wenn
der Impfung eine Hungerperiode von 3 — 7 Tagen vorausging.
Liefs man die Hühner erst nach der Impfung hungern, so be-
hielten sie ihre Immunität. Weifse Ratten konnten durch Hunger
nicht empfänglich für Milzbrand gemacht werden. Canalis und
Morpurgo weisen noch nach, dafs bei hungernden Tauben der
Verlust der Milzbrandimmunität nicht auf die Temperaturemied-
rigung, welche den Hunger begleitet, bezogen werden kann, denn
die Infektion blieb aus, wenn bei geimpften niehthungemden
Tieren eine analoge Temperaturverminderung hervorgerufen wurde.
Die Beweiskraft dieser Versuche von Canalis und Morpurgo
zweifelt Baumgarten an, da bei Tauben an und für sich die
Von Prof. M. Ficker. 367
Empfänglichkeit für Milzbrand eine sehr ungleiche ist, ein Ein-
wand, den man auch gegen die Versuche von Bakunin und
Boccardi(^ machen muls. Doch läfst sich wohl bei den grofsen
Versuchsreihen, wie wir sie bei Canalis und Morpurgo finden,
ein Einfluls des Hungers nicht leugnen. Wenn die infektion-
begünstigende Rolle des Hungers im übrigen nicht eindeutig
zum Ausdruck kam, so liegt das wohl in der Wahl des infizieren-
den Keims und in der subkutanen Anwendungsweise, bei der
ja doch die Verhältnisse ganz anders liegen wie bei der unter
natürlichen Bedingungen erfolgenden Tierinfektion. Zudem ist
für den Tiermilzbrand es nicht erwiesen, dafs gerade der Hunger
ein Hilfsmoment für die Infektion bildet, es gibt sogar Stimmen
von Praktikern, die gerade die besternährten Tiere als am meisten
disponiert für Milzbrand halten [John G'errard(^), Oemler(^)].
— Andere systematische Infektionsversuche als die genannten
sind am hungernden Organismus nicht ausgeführt, wohl aber
hat man gelegentUch Tiere fasten lassen, um bei Verfütterung
infektiösen Materials eine raschere und reichlichere Aufnahme
zu erreichen, so liefs Harris(®) Mäuse 12 — 15 Stunden lang
fasten, um sie dann mit Milzbrandsporen zu füttern. Der Einflufs
des Fastens kam aber — oflEenbar der kurzen Frist wegen —
nicht zum Ausdruck, von 26 Mäusen starb nur eine an Milz-
brand. —
Einige Arbeiten befassen sich mit der Frage, ob auch der
als sicher angenommene, die Infektion begünstigende Einflufs
des Hungers ebenso wie die durch andere Momente verminderte
natürliche Immunität etwa in der Abnahme der bakteriziden
Fähigkeit des Blutes der Tiere seine Erklärung finde. So hatten
schon Bakunin und Boccardi bei hungernden Tauben eine
Verminderung der bakteriziden Serumwirkung gegenüber Milz-
brandbazillen gefunden. E. S. London(^<*) beobachtete, dafs
unter 13 Tauben, die er gänzlich oder teilweise fasten Uefs, nur
eine ein Serum lieferte, das noch bakterizides Vermögen gegen
Milzbrandbazillen besafs, bei den übrigen war das Vermögen
ganz oder teilweise zu Verlust gegangen. Zu anderen Ergeb-
nissen kam Rosatzin(^^) bei Kaninchen, er fand, dafs das
368 Einflols d. Hangen aaf d. Bakteriendnrchläasigkeit d. Intestmaltraktiu.
Serum dieser Tiere, wenn sie hungerten, nicht an Wirksamkeit
gegen Milzbrand- und Typhusbazillen sowie Choleravibrionen
einbülste. Für Typhusbazillen hatten Meltzer und Norris(*^
beim Hund dasselbe konstatiert. Diese differenten Beobachtungen
erklären sich vielleicht dadurch, dals man früher auf die bei der
Einsaat in Serum eintretende Agglutination oder auf das erfolgte
Fadenwachstum keine Rücksicht genommen hat, so dafs das
Plattenverfahren dann unsicheren Aufschlufs geben nmtste. Wert-
voller als diese Reagenzglasversuche dürften die am Kaninehen
angestellten Untersuchungen von Ferra nini(^') sein, der nor-
male und hungernde Tiere mit B. coli impfte und nachweisen
konnte, dafs der verimpfte Keim aus dem Blut des normalen
Tieres bald verschwindet, hingegen im Blute der Hungertiere
14 Tage lang persistierte. Was die Bakterien giftempfindlichkeit
fastender Tiere anlangt, so konnten T eis sie r und Guinard(")
durch Fasten Hunde gegen die Toxine des Diphtherie- und
Pueumoniebazillus sogar widerstandsfähiger machen.
Aus der jüngsten Zeit sind schliefslich noch die Versuche
F. Th. Müllers (^*) zu erwähnen, der hungernde Tauben mit
Bact. typhi, Pyocyaneus, B. dysenteriae, Proteus und V. Metsch-
nikoff behandelte, um dann den Agglutinationswert des Serums
zu vergleichen mit dem von nicht hungernden und in gleicher
Weise immunisatorisch vorbehandelten Tieren derselben Art. Bei
den mit B. typhi und Pyocyaneus behandelten Hungertauben
traten mehr, bei den gegen Dysenterie, Proteus und W Metsch-
nikofE immunisierten Hungertauben traten weniger Agglutinine
als bei den Kontrolltieren auf. Eine ebenfalls ungleiche Wirkung
des Einflusses des Hungers auf den Komplementgehalt des Blutes
geht auch aus den Untersuchungen von Bendivegna und
Carini(^*) hervor, die hämolytische Komplemente bald vermehrt,
bald vermindert fanden.
Meine eigenen Versuche sollten zunächst die Frage beant-
worten, ob im Serum hungernder Tiere eine Ab- oder Zunahme
der natürlicherweise gegenüber einer Reihe von Keimarten vor-
handenen Agglutinine erfolge; ob ferner ein hungerndes Tier
Agglutinine gegen die im Darm einheimischen Bakterien bildet;
Von Prof. M. Ftcker. 369
ob schlielelicb beim Hunger durch Verfütterung solcher Keime,
die, wie ich beobachtet hatte, vom Darm aofl in Organe ein-
dringen, eine spezifische ÄgglutiniubildaDg eingeleitet wird.
Versuchsanordnung: Erwacbaeoen Kaninchen wird vor der
Hungerperiode Blut zur Bestimmung des Agglutinlngehaltes ent-
nommen. Damach bungero die Tiere die angegebene Zeit und
werden sodann 1 Woche lang gefüttert, nun zweite Blutentnahme,
bei Kauincbeo 1 und 2 abermaliges Hungern, dann 1 Woche lang
Fütterung, zweite Blutentnahme. Beim erst- und zweitmatigen
Füttern nach der Hungerperiode wurden dem Futter je eine Platte
(Agar, Dorchmesser 16 cm, 1 Tag 27") Roten Kielers beigemengt.
Die A^latination wurde makroskopisch geprüft.
I. HaDgeiperiod« 3 Tafe
l
. HiiBr«rp«rio4e i Täte.
1:2
1:4
1 : 8 1 : 16
...
1:64
1:128
1:266
1. EaniDchen, scbwars.
a. Roter Kieler
vor Hnngem
nach I. Hungerperiode .
nach n. .
b. B. coli vom glichen Ka-
ninchen isoliert
vor Hangern
nach n.
c. TyphuB .Dr..
TOt Haogern
nach U.
d. Cholera .8.
vor Hungern
nach I. Hongerperiode
nach U.
S. Kaninchen, gelb.
a. Roter Kieler
vor Hungern
nach .
b. KoU desaelben Tieren
+
+
+
+
+
+
+
■ - -
S + ' -
+ +
^ I I
+ + +''
+
-
-
nach >
+ i +'l - i - i -
-
870 Einflofs d. Hangen aaf d. Bakteriendarchlftasigkeit d. Intestinaltraktas.
i!l:2
1:4
1:8
1:16
1:32
1:64
1:128
1:256
c. Typhus »Dr.<
▼or Hangern +
nach > -|-
d. Friedlftnd. fthnl. Darmkeim
vor Hangern +
nach > -f~
3. Kaninchen, gelb.
a. Roter Kieler
vor Hangern +
nach » -f-?
b. Koli desselben Tieres
vor Hungern Ii -|~
+
+
nach >
c. Typhus >Dr.<
vor Hangern
nach >
d. Cholera >S<
vor Hungern
nach >
+
+
+
I
+ 1-
+
+
4. Kaninchen, grau.
a. Roter Kieler
vor Hungern
nach >
b. Koli desselben Tieres
vor Hungern -f-
nach > -f~
5. Kaninchen, grau.
a. Roter Kieler
vor Hungern —
nach » —
b. Koli desselben Tieres
vor Hungern -|-
nach > -f"
c. Typhus »Dr.c
vor Hungern -|-
nach > -|-
d. Cholera >ä<
vor Hungern +14"
nach » + +
+
+
+
+
Tl;
+
+
+
+
+
+
+
+
+ ! - -
+ + - - -
+ +■> - - -
Aus diesen Versuchen geht hervor, dafs die Agglutinations-
werte des Kanincheuserums gegenüber Typhus und Cholera
Von Prof. M. Ficker. 371
durch Hungern weder eine erhebliche Verminderung noch Er-
höhung erfahren, sie blieben ungefähr auf gleicher Höhe. Auch
gegen den dem hungernden Tiere verabreichten Roten Kieler,
der, wie die voraufgehenden Versuche zeigten, bei der gleichen
Versuchsanordnung in die Blutbahn und in die Organe über-
tritt, wurden Agglutinine nicht gebildet. Um so auffallender
ist die Beobachtung, dafs bei drei von fünf Kaninchen
unter dem Einflüsse des Hungers der Agglutinations-
wert des Serums gegenüber dem aus dem Darm derselben
Tiere vor der Hungerperiode isolierten Bact. coli deut-
lich anstieg. Es liegt die Vermutung nahe, dafs diese Erhöhung
des Agglutinationstiters spezifischer Art ist und im Zusammen-
hange mit den oben wiedergegebenen Beobachtungen über den
Übertritt von Darmkeimen während des Hungers steht. Man
könnte hier einwenden, daCs ja dann auch gegenüber dem Roten
Kieler Agglutinine gebildet sein müfsten. Es steht dahin, ob
nicht bei Fortsetzung der Versuche und häufigerer Einführung
dieses Keimes mit der Nahrung nicht doch auch eine Agglutinin-
bildung angeregt werden kann. Man wird auch, um diese Diffe-
renz zu verstehen, an die verschiedenartige Qualität der geprüften
Keimarten denken müssen. So darf man vermuten, dals B. coli
eher dazu befähigt sein dürfte, im Organismus eine Gregenreaktion
anzuregen wie der saprophytische Kieler Wasserbazillus. Dafs die
Agglutininbildung gegenüber dem B. coli des gleichen Tiers in
einigen Fällen so prompt erfolgte, ja in einem Falle sogar ein
beträchtliches Emporschnellen zur Beobachtung kam, deutet viel-
leicht darauf hin, dafs beim Kaninchen öfters Gelegenheit zum
Eindringen von Darmkeimen gegeben ist; hierbei kann eine mehr
oder weniger starke Bildung von Agglutininen hervorgerufen
werden, die sich in der Folgezeit ganz oder teilweise verlieren. So
wie man nun aber bei der künstlichen Immunisierung bei Tieren,
die man nach Vorbehandlung mit spezifischen Keimen solange
in Ruhe lälst, bis die spezifischen Agglutinine aus dem Blute
verschwinden, durch eine erneute Verabreichung selbst kleiner,
an und für sich zu stärkerer Agglutininanregung nicht befähigter
Mengen des Inlektionsstoffes einen rapiden Anstieg des Aggluti-
372 EinflnXfl d. Hungers auf d. Bakteriendurchlässigkeit d. Intestinaltraktus.
nationswertes erzielen kann (Rufus J. Cole(^'^), so ist es auch
hier möglieh, dafs der Körper, der durch vorherige von Darm-
keimen aus erfolgende Invasionen schon Agglutinine gebildet
hatte, auf ein abermaliges späteres Eindringen, z. B. während des
Hungems, in intensiver Weise reagiert. Es würde damit auch
zu verstehen sein, dafs nicht in jedem Falle beim Hunger dieser
Anstieg kenntlich wird, und es würde sich der Widerspruch
lösen, dafs gegenüber den verfütterten Keimen zunächst eine
Erhöhung des Agglutinationswertes in den vorliegenden Ver-
suchen nicht eintrat. Man kann es mithin nicht in jedem Falle
einem Serum ansehen, ob der Rezeptorenapparat des Körpers
keine oder sogar eine intensivere Reaktionsfähigkeit besitzt:
in dem einen Falle zeigt das Fehlen der spezifischen Stoffe im
Serum in der Tat, dafs der Organismus auf eindringende fremde
Keime noch nicht eingestellt ist, im anderen Falle aber kann bei
einer geringsten Attacke der Rezeptorenapparat in eine Aktion
treten, die in keinem Verhältnis zu dem Angriff zu stehen
braucht, d. h. ein geringer Anlafs könnte eine sehr starke Gegen-
reaktion auslösen: in beiden Fällen kann der Serumbefund der-
selbe, der Ausgang aber ein total verschiedener sein.
Ganz kurz soll schliefsUch noch über Versuche berichtet
werden, die die Frage nach dem Verhalten der bakteriziden
Wirkung des Serums hungernder Tiere zum Gegenstande
hatten. Die oben angeführten, bisher bekannt gewordenen Ver-
suche in der gleichen Richtung widersprechen einander. Auch mir
ist es bis jetzt nicht gelungen, Gesetzmäfsigkeiten aufzufinden.
Die Versuche werden noch fortgesetzt und erweitert, hier soll nur
berichtet werden, dafs ich beim bakteriziden Reagensglasversuche,
entgegen der naheliegenden Annahme, das bakterizide Vermögen
des Blutes müsse im Inanitionszustande unbedingt heruntergehen,
in ebensoviel Fällen sogar eine Verstärkung der bakterieutötenden
Eigenschaften, in einigen Fällen ein Gleichbleiben konstatieren
konnte. Eine Verallgemeinerung der am einzelnen Tier erhal-
tenen Ergebnisse ist auch hier durchaus nicht am Platze, und eben-
sowenig mufs es richtig erscheinen, sich an die zur Gewohnheit
Von Prof. M. Fickor. 373
gewordene Identifizierung von Blutserum- und Körperbeschaffen-
heit zu binden.
Wenn wir so bei der Untersuchung des Blutes hungernder
Tiere keine Anhaltspunkte dafür gewinnen, dafs für den beim
Hunger erfolgenden Übertritt von Darmkeimen das ausschlag-
gebende Moment in dem Serumverhalten zu finden sei, so ist
es doch ebenso verfrüht, andere Veränderungen im Organismus,
wie sie bei Nahrungsentziehung sich einstellen, dafür verant-
wortlich zu machen. Rechnet man aber zunächst mit dem, was
wir wissen, so ist es doch wohl das Ungezwungenste, für die
weitere Betrachtung von der beim Hunger so offensichtlich ein-
tretenden Minderwertigkeit der Organe , von der Infirmität der
£inzelzelle auszugehen. Wir wissen, dafs bei der Inanition die
Funktion der Drüsen, insbesondere der Verdauungsdrüsen, aufs
schwerste alteriert wird, und dafs der Darm zu denjenigen
Organen gehört, die die relativ stärkste Gewichtsabnahme auf-
weisen; dafs ferner die Peristaltik damiederliegt und dafs, wie
der Hungerkot zeigt, das Schleimhautepithel einer starken
Abschilferung anheimfällt. Obwohl unsere Kenntnisse über die
Verteidigungskräfte des normalen Magendarmkanals gegenüber
Mikroorganismen noch sehr der Vertiefung bedürfen , so darf
man wohl heute schon annehmen, dafs gerade die Integrität der
Schleimhautdecke, die normale Quantität und Qualität der Ver-
dauungsdrüsensäfte und die geordnete Funktion der Peristaltik
wichtige Glieder in dem komplizierten Mechanismus der Schutz-
apparate des Intestinaltraktus sein dürften.
Die vorliegenden, sowie die in Bd. 52, S. 179 und Bd. 53,
S. 50 dieser Zeitschrift mitgeteilten Tierversuche sind mit Unter*
Stützung der Gräfin Bose-Stiftung ausgeführt. Dem Kuratorium
der Stiftung bin ich zu ergebenem Danke verpflichtet.
2l
S.
4
Caltn. Ramw] is sied, tsc^ r. a. 3«» HL ^. T4äL
CftiLAli«, P X B. X]rp:zrf j. F<:
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L'iiL-iaa, E. Si^ Campe, remi AaSiL , T 1±1 :?. IiT9.
ft<i4ji*xi3., Th. in Labaracn. Zur Lrär« rna ien. •:
X«lcz«r X Xirri«, Jiinrs. <if ^zp^ suii. ^jL 4. 5. UL
7ftrrma.:ai, Ref. a^irwiyi-^— « LiS<. S. TSSl
s. « *.
Xliler. P. Th^ Diam ZammrifL 3.L 3L 5. 3l9.
Bftai:T«r!LA x C&rio.:, La ^o^rmpncLe. Vji. 54. F;
Eifat, J'. CoL*, Zeiadir. t Ej^^ Bd. 4fk K 'S.
5, S. 4SQ.
über das Yerhalten der aeroben Keime gegenllber der
absoluten Sanerstoffentziehnng.
I
Von
Dr. Walther Willimsky.
(Ans dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh.
Med.-Rat Prof. Dr. Rabner.)
Während die Frage der Saaerstoffbedürftigkeit der sogenann-
ten Anaerobier zum extensiven Leben heute noch der definitiven
Beantwortung harrt, ist es bei den aeroben Keimen keinem
Zweifel unterworfen, dafs sie den Sauerstoff zur aktiven Lebens-
führung nötig haben. In der Oxydation der Nahrungsstoffe fin-
den sie ihre Lebensenergie. Fehlt der Sauerstoff, so tritt
Stillstand der Funktionen ein. Hesse(^) hat durch gasanaly-
tische Versuche gefunden, dafs bei absoluter Sauerstoffentzie-
hung eine Entwicklung der aeroben Keime auch nicht in Spuren
nachweisbar ist. Die Gröfse des Wachstums läuft proportional
mit der Gröfse der Sauerstoffaufnahme und der Kohlensäureaus-
scheidung. Eine andere Frage ist es, ob die schädigende Ein-
wirkung der Sauerstoffentziehung besonders bei längerer Dauer
so eingreifend ist, dafs das Leben völlig erlischt, oder ob die
Keime ein latentes, bei günstigen Bedingungen zu aktivem
Leben wieder erweckbares Dasein zu fristen vermögen. Da
Untersuchungen dieser interessanten Frage — systematischer Natur
wenigstens — nicht zu bestehen scheinen, so habe ich eine
Klärung dieser Verhältnisse herbeizuführen versucht.
376 Verhalten der aeroben Keime gegenüber der absol. Saaerstoffentziehong.
Zu meinen Untersuchungen verwandte ich aerobe Keime,
die keine Sporen bilden, und zwar die Institutsreinkulturen:
Cholera »Saratowc, Alcaligenes 11 und Fluoresceus non liquefa-
ciens. Bei der Versuchsanordnung ging ich aus von 20stüQdigen
Agarstrichkulturen, die im Brutschrank bei optimaler Temperatur
gewachsen waren, also Cholera und Alcaligenes bei 37 ^, Fluores-
ceus non liquefaciens bei 27^. Angelegt waren die Kulturen
so, dafs vorher aufgekochter Agar, immer in gleicher Menge
und von derselben Herkunft, auf Petrischalen gleichen Durch-
messers gegossen, und dann auf der festgewordenen Fläche mit
derselben sterilen Platinnadel die gleiche Menge Material einer
ebenfalls 20 Stunden bei optimaler Temperatur gewachsenen
Kultur in parallelen Strichen aufgetragen wurde.
Zur Erzielung der Anaerobiose wurde die Methode der Ver-
drängung der atmosphärischen Luft durch Wasserstoff gewählt,
unter Benutzung des von Bischoff^) zur Auaerobenzüchtung
angegebenen Apparates, eines mit Ab- und Zuflufsvorrichtung
versehenen und luftdicht abschhefsbaren Glaszylinders, der in
zweckmäfsiger Weise den exakten Gastausch gestattet. Der
Wasserstoff wurde nicht entwickelt, sondern einer fabrikmäfsig
hergestellten Wasserstoffbombe mit 15001 Inhalt entnommen. Er er-
wies sich bei der Prüfung als chemisch rein. Die Handhabung der
Technik war folgende : Nachdem in dem im Bischof f sehen Apparat
befindlichen Plattengestell die Kulturplatten so untergebracht
waren, dafs die Impffläche nach unten sah, wurde das unter
starkem Druck ausfliefsende Wasserstoffgas 15 — 20 Minuten
durch den Apparat geleitet. Um die womöglich noch zurück-
gebliebenen Spuren von Sauerstoff zu tilgen, wurde in die am
Boden des ZyUnders befindliche Glasschale mit Pyrogallussäure
lOproz. Kalilauge aspiriert, nachdem vorher mittels der Wasser-
strahlpumpe ein Vakuum erzeugt worden war. Alle diese Hand-
habungen w^urden mit äufserster Vorsicht ausgeführt und zum
Schlufs der Apparat überall da, wo er nicht in toto zusammen-
hing, mit Paraffin überzogen. Auf diese Weise wurde eine
sauerstofffreie Atmosphäre gewährleistet und dadurch demon-
striert, dafs auch nach mehreren Wochen die Pyrogallussäure
Von Dr. Walther Willimsky. dll
nicht den bekannten braunschwarzen Ton annahm, sondern eine
helle, leicht gelbliche Farbe behielt.
Wenn in der eben erschienenen Arbeit von Cl. Fermi und
Bassu('), die sich mit der Kritik der Technik der Anaerobiose
beschäftigt, die Unzulänglichkeit der Methode der Luftverdrän-
gung durch Wasserstoff aus der sofortigen Bräunung der Pyro-
gallussäure gefolgert werden konnte, so liegt das meiner Über-
zeugung nach daran, dafs das Durchleiten des unter gar keinem
oder nur sehr geringem Druck stehenden, auf gewöhnliche Art
entwickelten Gases nicht den Effekt hat wie der energische
Strahl des komprimierten Gases der Bombe, der die Luft vor
sich hinwegfegt und den Raum sozusagen auswäscht.
Auf die Frage der Sauerstoffreinheit des Nährbodens wird
noch zurückgekommen werden.
Um Fehlerquellen auszuschalten, wurde das Femhalten
sekundärer schädigender Momente nicht aufser acht gelassen.
Die Wirkung des Lichtes, dem im sauerstofffreien Raum eine
erhöhte bakterizide Wirkung zukommt, wurde ausgeschaltet, in-
dem die Zylinder in einem dunklen Raum untergebracht wurden.
Der Austrocknung des Nährbodens war nach Möglichkeit vor-
gebeugt, da der Apparat in seiner Anordnung an und für sich
eine feuchte Kammer darstellte. Was die Temperatur betrifft,
so wurden die Apparate bei Zimmertemperatur belassen, da nach
den Untersuchungen von Gotschlich und Weigang(*) bei
längerem als 20 stündigem Verweilen im Brutschrank ein rapides
Zugrundegehen der Keime stattfindet, so dals z. B. die bei 37 o
gehaltene Cholerakultur nach zwei Tagen nur noch 10%, nach
drei Tagen nur noch 1% der Individuen am Leben hat, wäh-
rend eine rechtzeitige Übertragung aus dem Brutschrank in
eine niedere Temperatur ein längeres Verweilen der Individuen-
zahl auf der ursprünglichen Höhe zur Folge hat.
Zum Vergleich ging parallel mit dieser anaeroben Anord-
nung eine aerobe, indem diesmal die Zylinder die Luftatmo-
sphäre behielten, im übrigen aber die Kulturen unter denselben
Bedingungen gehalten wurden.
AichlT f. Hygiene, Bd. LIV. 25
ä?8 Verhalten der aeroben Keime gegenflber der absol. SanerBtoffentsiehiing.
Nachdem die KultarplatteD yerschieden lange Zeit unter
ÄDaerobiose gehalten worden waren, wurde die Methode der
quantitativen Keimbestimmung angewandt, um zu ermitteln, ob
und wieviel Individuen beim Überführen in günstige Liebens-
bedingungen wieder zum Keimen gebracht werden können.
Von dem Kulturbelag wurde eine Pfeiffersche Normal-
öse (1 mg), — die, wie wir uns überzeugten, auch in unseren
Händen ein brauchbares Mafs abgab — ohne strikte Unter-
scheidung von Randpartien und Zentrum des Kulturrasens ab-
gehoben. Die nötige Verdünnung wurde erzielt durch Auf-
schwemmung dieser Einheitsmenge in indifferenter Aufschwem-
mungsflüssigkeit (Ficker(^) — Erlenmeierkölbchen mit 50 com —
und weitere Verteilung von 0,2 ccm dieser ersten Aufschwem-
mung in einem zweiten Kölbchen mit 50 ccm derselben Flüssig-
keit. Mit der mit 0,2 ccm dieser zweiten Aufschwemmung
innig vermischten Nährgelatine von immer der gleichen Menge
(8 ccm) wurden dann Platten gegossen und nach zweitägigem
Aufbewahren bei optimaler Temperatur die Kolonienzählung mit
dem Zählmikroskop vorgenommen.
Die Berechnung ergab die folgenden Zahlenwerte.
I. Cholera «ySaratow^.
Keimzahl der in 20 Standen bei 37^ gewachsenen Kultur im Darchschnitt :
1 Normalöse = 720000000.
Keimzahl der bei Zimmerteuiperatur
gehaltenen Kultur
in Luft
nach ! in VVasserstofif-
Tagen atmosphäre
796 109 OüO
723 759 000
689 375 OUO
458 326 000
372 532 000
256 938 000
160 240000
21 209 100
l
2
3
4
5
6
7
23
470 800 000
374 750 000
359 429 000
169 801 000
137 625 OUO
93 587 000
72 360 000
12 550000
Von t)r. Walther Willimaky.
379
II. llkallgenes IL
Keimzahl der in 20 Stunden bei Sl^
gewachsenen Kultur:
1 Normalöse = 475000 000.
Keimzahl der bei Zimmertemperatur
gehaltenen Kultur
in Luft
482 487 000
471754000
313 529 000
226841000
110 493000
nach
Tagen
1
3
4
5
6
in Wasserstoff-
atmosphäre
310 062 000
271143 000
227 598 000
184 485000
105 271000
III« Flnoreflcens non llqaefaelens.
Keimzahl der in 20 Stunden bei 27 <"
gewachsenen Kultur:
1 Normalöse = 1 175 000000.
Keimzahl der bei Zimmertemperatur
gehaltenen Kultur
in Luft
1 649 867 000
1 262 216 000
1155000000
751000000
493 587 000
nach I in Wasserstoff -
Tagen atmosphäre
1
2
3
5
6
696 840 000
408 745 000
376 500000
321 580 000
235 875 000
Am auffallendsten I. Cholera ,,8aratow«^
ist zunächst an diesen 2qstünd.f(ultur
Resultaten der Unter- 800\^^\^ \ ^
schied in der Keim- §
zahl der anaerobio- ?i 700
tisch und der aero- !^
biotisch gehaltenen |^^*^
Reihe» der am mar- :^
kantesten gleich am ^
1. Tage einsetzt. Dafs ^
dieser Unterschied ^
nicht blofs in dem
Wachstumsstillstand
der anaerob gehalte-
nen Kulturen einer-
seits und einer weite-
ren Vermehrung der
aerob gehaltenen an-
derseits besteht, zeigt
die Keimzahl der 20-
stündigen Kultur, von der jedesmal ausgegangen wurde, und
die sich in denselben engen Grenzen hielt. Wie schon Got-
schlich und W ei gang zeigten, ist nämlich das Maximum der
Entwicklung der bei Bruttemperatur gehaltenen Kulturen schon
26*
Kurven der aerohen Reihen.
Kurven der anaeroben Reihen.
38Ö Verhalten der aeroben Keime gegenüber der absol. Sanerstoffentxiehang.
in den ersten 12 bis 20 Stunden erreicht, und dann tritt der
Abfall ein, oder es erfolgt beim Versetzen in niedere Temperatur
höchstens noch ein kurzer Anstieg, der, wie in unseren Ver-
suchen, einen Zuwachs, am 1. Tage von 9,5% an Keimen bei
Cholera, 1,75% bei Alcaligenes und 40% bei Fluorescens non
liquefaciens in der Einheit darstellt.
Wenn wir bei der anaeroben Anordnung die Vermehrung als
durch Wachstumsstillstand aufgehoben betrachten — was, wie
wir noch sehen werden, nicht ganz den Tatsachen entspricht —
und beim zahlenmälsigen Vergleich von der Individuenmenge
n. Alkaligenes II.
20 stund. Kultur
500
uoo
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1
^300
^200
!00
der 20 stündigen Kultur ausgehen, so zeigt sich, dafs schon
nach eintägiger Einwirkung bei Cholera 35%, bei Alcaligenes 35%
und bei Fluorescens non liquefaciens 43% nicht mehr zum
Auskeimen gelangen. Dafs dieser Ausfall auf dem Absterben
der Keime und nicht blofs auf einem weiteren Verharren in
einem latenten Zustand beruht, erhellt daraus, dafs die opti-
malen Lebensbedingungen — freier Zutritt von Sauerstoff, günsti-
ger Nährboden, Bruttemperatur — selbst nach mehrtägiger Ein-
wirkung keinen anderen Erfolg hatten, eine weitere fortgesetzte
Beobachtung der Aussaatplatten keinen Zuwachs etwa sich er-
holender Kolonien konstatieren konnte, und dafs schliefslich
eine fortgesetzte Zählung der nach der Anaerobiose an die Luft
gebrachten Ausstrichplatten eine Zunahme der Keime nicht ergab.
Der andere ausgekeimte Teil hatte die Schädigung vertragen,
und es lag die Frage nahe, ob denn auch alle Keime der Kul-
Von Dr. Walther Willimsky. 381
tureD unter denselbea anaeroben BedinguDgen geatandeD batton.
Wie das schon von vornherein zu verneinen war, so ergab auch
eine andere Versuchsanordnung, dals dies nicht der Fall war.
Beideraufserordent- m. Finorweeiu lon Uqneradeni.
liehen Schwierigkeit
der technischen Auf-
gabe, absolut anae-
robe Verhältnisse im
strengsten Sinne zu
schaffen, war von vorn-
herein damit zu rech-
nen, dals, wenn schon
die Atmosphäre sauer-
stofffrei genannt wer-
den konnte , doch
Spuren am Glase und
vor allem im Nähr-
boden trotz der Erhit-
zung desselben zurück-
bleiben würden. Und
daraus war weiter zu
Bchliefsen, dafs bei der
beschriebenen Anord-
nung die Keime des
Kulturrasens, die dem
Nfthrboden am näch-
sten sind, ihm die
Spuren von Sauerstoff
begierig entziehen und
so ihr Leben fristen,
anfangs sogar eines
geringen Wachstums
f&hig sein könnten.
Dafs das tatsächhch der Fall war, hatte eine zweite Versuchs-
anordnuDg gezeigt. Hier wurden nicht, wie oben, die zu massigen
Bel&gen herangewachsenen Strichkulturen dem Versuch unter-
382 Verhalten der aeroben Keime gegenüber der absol. Saaerstoffentriehazig.
werfen, sondern es wurden auf einer Agarplatte 2 Tropfen einer
Aufschwemmung der 3 Keimarten in indifferenter Flüssigkeit
mit dem Glasspatel verrieben, und die so präparierten Petri-
schalen unter dieselbe anaerobiotische Anordnung wie oben ge-
bracht, nur dals die Zylinder gleich in den Brutschrank kaoien.
Hierbei zeigte sich nun schon nach einem Tage, dafs die Keime
keine Abnahme zeigten, sondern zu Kolonien herangewachsen
waren, die allerdings im Verhältnis zu den auf den aerob ge-
haltenen Koutrollplatteu verschwindend klein waren und sich
nicht weiter vergröfserten. Damit stimmt auch die Beobachtung
Hess es überein, wonach Choleraeiweifskulturen, die in Wasser-
sloffatmosphäre gehalten wurden, nur in den ersten Tagen ab-
nehmende Mengen von Kohlensäure produzierten, was sich nur
damit erklären läfst, dafs der Nährboden Spuren von Sauersto£f
enthielt, die eine Respiration und Vegetation gestatteten. Daraus
ergeben sich die Schlüsse:
Während in diesem Falle jeder Keim sozusagen seinen
eigenen Acker hatte, der ihm in den Zeiten der Not auch den
Sauerstoff lieferte und ihn der einsetzenden Schädigung nicht
ganz hilflos aussetzte, konnten bei der anderen Versuchsanordnung,
wo die Keime in grolsen dicken Massen zusammengelagert
waren, nur die zum Nährboden günstig postierten diesen Orts-
vorteil geniefsen, die anderen aber wurden, des Sauerstoffs der
Luft und des Bodens beraubt, tatsächlich unter absolut anaero-
biotische Verhältnisse gesetzt und mufsten, von der plötzlichen
SauerstoflEentziehung überrascht, ersticken.
Vergleichen wir den Erfolg dieser eintägigen Einwirkung
der Anaerobiose mit dem einer zunehmenden mehrtägigen
und denken uns zur besseren Anschaulichkeit die Zahlenwerte
graphisch dargestellt, so kommen wir unter Berücksichtigung
des Verhaltens der aerobiotisch gehaltenen Reihe noch zu fol-
genden weiteren Schlüssen:
Die Kurve der aerobiotisch gehaltenen Keime ist bei allen
3 Keimarten dadurch ausgezeichnet, dafs nach dem kurzen An-
stieg am ersten Tage ein kontinuierlicher Abfall folgt, und dafs
dieser Abstieg am 4. Tage am steilsten ist. Diese Erscheinung
Von Dr. Walther Willimsky.
383
des Absterbens mit den bekannten ursächlichen Faktoren wird
naturgemäfs auch bei der Beurteilung der Resultate der anaero-
biotisch gehaltenen Reihe Berücksichtigung finden müssen. Die
Zahlenkurve der anaerob belassenen Keime charakterisiert sich
durch einen steilen Abfall am ersten Tage, der aber an den
folgenden Tagen nicht in gleicher Weise anhält, sondern in
einen sanfter absteigenden Bogen übergeht. Mit der aeroben
Reihe vergUchen, sind die täglichen Differenzen der anaeroben
Zahlenwerte noch geringer, so dafs die beiden in demselben
Felde eingetragenen Kurven einander immer näher kommen,
mit anderen Worten: der Effekt der Sauerstoffeutziehung ist in
den ersten Stunden der Einwirkung weitaus am gröfsten; alle un-
günstig gelagerten und weniger widerstandsfähigen Keime gehen
bald zugrunde, die anderen günstiger postierten vermögen ihr
Leben auf die Spuren des Sauerstoffs im Nährboden einzustellen
und unter steter Auslese der passendsten dahin geführt zu wer-
den, mit immer geringeren Mengen von Sauerstoff auszukommen,
so dafs auf diese Weise wenigstens ein latentes Leben möglich
ist. Die im Verhältnis zur aeroben Reihe geringeren Differenzen
in der Abnahme der Keime sind damit zu erklären, dafs die
überlebenden Keime auf demselben Räume infolge ihrer gerin-
geren Anzahl nicht mit soviel Konkurrenten zu kämpfen haben
und jene Faktoren der Nährbodenerschöpfung und Stoffwechsel-
giftbildung infolgedessen in schwächerem Mafse einwirken.
Die Frage der allmählichen Anpassung, die hiermit
berührt wurde, wurde noch durch weitere Versuche zu beant-
worten gesucht. Ausgegangen
wurde diesmal von einer schon
8 Tage anaerobiotisch gehaltenen
Fluorescens non liquefaciens-Kul-
tur. In bekannter Weise folgte
dem Ausstrich dieser Kultur auf
eine neue Agarplatte ein 20stün-
diger Aufenthalt bei 27° im Brut-
schrank und dann die Anaerobiose
bei Zimmertemperatur.
Flnoreseens non liquefaciens.
n. GoDeration (I. Generation 8 Tage in
WasserstoffatmoHph&re gehalten).
208tündige bei 27 o gewachsene Kaltur:
700 000000 Keime (1 Normalöse).
Keimzahl in
Laft
809119 000
792 533 000
304 337 000
226 402000
91 928 000
nach
Tagen
1
2
4
5
7
Wasserstoff-
atmosphäre
499 860 000
384 407 000
219060000
173 041 000
56 663 00Q
384 Verhalten der aeroben Keime gegenüber der absol. Saaerstoffentsiehang.
5
.1
900
800
700
600
I
^ soo
I
Vergleichen wir die Zahlenwerte dieser zwei Generationen
hindurch anaerobiotisch gehaltenen Kultur mit jener nur eine
Generation unter Anaerobiose gestandenen, so ergibt sich, dals
die Zahlenkurven an und für sich im Prinzip gleich verlaufen.
Eine Verschiedenheit besteht aber darin, dafs in der zweiten
Generation eine durchgehende beträchtliche annähernd proper-
„ ^ . tionale Verminderung
Fluoreseeng non llquefaeieiiB« ^
der Keimzahl in der
Einheit zu konstatieren
ist, die, wie die Zahl
der 20 stündigen Kul-
tur zeigt, 33% aus-
macht. Die Wachs-
tumsintensität der
Keime hat also durch
die Stägige Anaero-
biose um ^/3 gelitten.
Ein weiterer Unter-
schied besteht in dem
Verhältnis der aeroben
und anaeroben Reihe.
Zwar ist auch hier der
Untergang der Keime
am ersten Tage am
bedeutendsten , doch
ist das Prozentverhält-
nis der lebengeblie-
benen Keime ein anderes. Während dort nach eintägiger An-
aerobiose nur 57% der Keime am Leben blieben, sind es bei
der 2. Generation schon 70%. Es scheint also, dafs durch die
achttägige Anaerobiose eine Auslese der geeignetsten Keime
stattgefunden hat, die, auf eine erneute Anaerobiose besser ge-
rüstet und angepafst, der einsetzenden Schädigung nicht mehr
so schnell erliegen. Man wird allerdings auch beachten müssen,
dafs bei der, wie oben hervorgehoben, eingetretenen Vermin-
derung der Keimzahl in der Einheit die Keime im ganzen besser
^00
300
ZOO
100
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2
3
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1^^ — ^^
V
Von Dr. Walther Willimsky. 385
gestellt sind, und dieser Umstand zur Verbesserung des Sterblich-
keitsverhältnisses beigetragen haben kann.
Weiterhin wurde in einem zweiten Versuch die Anaerobiose
durch 10 Generationen fortgesetzt. Ausgegangen wurde von
einer 23 Tage anaerobiotisch gehaltenen Choleraagarstrichkultur.
Von dieser wurden Keime in gleicher Menge auf neue Agar-
platten übertragen und der anaerobiotischen Anordnung mehrere
Tage unterworfen. Die zu kümmerlichen Kolonien ausgewach-
senen Keime der zweiten Generation wurden erneut auf Agar-
platten ausgestrichen und sofort wieder anaerobiotisch gehal-
ten, und dies so 10 Generationen hindurch fortgesetzt, wobei
jede 3 — 7 Tage unter anaerobiotischen Bedingungen stand. Eine
merkbare Anpassung, die sich durch schnelleres Wachstum oder
Zunahme in der Gröfse der Kolonien gezeigt hätte, konnte aber
nicht nachgewiesen werden.
Die Hauptergebnisse der Arbeit lassen sich kurz, wie folgt,
formulieren :
Die aeroben Keime vermögen ihr Leben auf minimale
Spuren von Sauerstoff einzustellen und zwar um so besser, je
langsamer die Sauerstoffentziehung erfolgt; bei absoluter Anaero-
biose aber sterben sie ab, und zwar um so schneller, je plötz-
licher diese herbeigeführt wird.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geh. Med.-Rat
Professor Dr. Rubner für die Anregung zu dieser Arbeit, Herrn
Professor Dr. Ficker für seine stets freundliche Unterstützung
meinen aufrichtigen Dank auszusprechen.
Literatur.
1. Hesse, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. XV, 8. 17.
2. Bischoff, Veröffentl. a. d. Gebiet d. MilitAr-Sanit- Wesens, Heft 28.
3. Cl. Permi u. Bas SU, Centralbl. f. BakterioL, Origin.-Mitt, I, Bd. XXXV.
4. GotBchlich u. Weigang, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. XX, 8. 376.
5. Ficker, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. XXIX.
Zum Nachweis fäkaler Verunreinigung von Trinkwasser.
Von
Oberarzt Dr. Ohristian.
(Ans dem hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-
Rat Prof. Dr. Rubner.)
unter Brauchbarkeit eines Trinkwassers versteht man eine
Summe von Eigenschaften, die schon seit längerer Zeit feststeht
und als Richtschnur für Begutachtungen dienen soll. Die An-
forderungen, welche zu stellen sind, unterliegen je nach den
Bedürfnissen der Konsumenten des Wassers in gewissem Grade
Schwankungen, welche im Einzelfalle sorgsam zu erwägen sind.
Für viele Bestandteile lassen sich unabänderliche Grenzwerte
gar nicht angeben, weil einzelne Vorkommnisse z. B. der Chloride,
des Ammoniaks, mit Rücksicht auf die Herkunft und Entstehung
des Wassers eine wechselnde gesundheitliche Bedeutung haben.
Je eingehender ein Wasser in seinen Eigenschaften studiert
wird, je mehr Merkmale desselben genau untersucht werden, um
so zuverlässiger wird auch die kritische Beurteilung werden.
Wenn von einigen Autoren die Beurteilung von Trinkwasser
und speziell der Brunnenwässer soweit eingeschränkt wird, dafs
man nur auf die örtliche Inaugenscheinnalime Wert legen soll,
so ist dieser Standpunkt in vielen Fällen geradezu ein Verzicht
auf jede wissenschaftlich exakte Beurteilung eines Wassers, und
mit Recht haben sich weite Kreise von Sachverständigen gegen
eine derartige oberflächliche Betrachtungsweise der vorstehenden
bedeutungsvollen Fragen ausgesprochen.
Chemische, physikalische und biologische Methoden liefern
uns wichtige Unterlagen für die Beurteilung des Trinkwassers,
Nachweis fäkaler Verunreinigung von Trinkwasser. Von Dr. Christian. 387
nur das fehlerhafte Bestreben, schematisch an der Hand von
wenigen Charakteren alle Trinkwässer beurteilen zu wollen, hat
zu ergebnislosen Prüfungsreihen geführt.
Die Beurteilung des Wassers ist eine schwierige Aufgabe,
und wer die Mittel zur fachmännischen Beurteilung nicht besitzt,
sollte auf gutachtliche Äufserungen verzichten ; diejenigen Kreise,
welche sich berufen fühlen, in Sachen der Trinkwässer mit zu
beraten, können nicht verlangen, dafs die Trinkwasserprüfung
mit Rücksicht auf mangelnde Vorkenntnisse tunlichst vereinfacht
werde, sondern haben ihre Ausbildung entsprechend den zu
lösenden Aufgaben zu vervollkommnen.
Es erscheint auch viel wichtiger, wenige Wässer genau als
zahllose Wasserproben nach unzureichender Methodik zu unter-
suchen.
Die weitere Ausbildung der Untersuchungsmethodik ist
dringend zu wünschen und jeder Fortschritt in der Möglichkeit,
weitere Merkmale des Trinkwassers mit Sicherheit zu bestimmen,
mit Genugtuung zu begrüfsen.
Die bakteriologische Untersuchung hat sich zumeist nur auf
Keimzählung erstreckt, eine Methode, die wohl für bekannte,
unter dauernder Kontrolle stehende Wässer einen feinen Indikator
für Verunreinigung darstellt, für erstmalige Untersuchungen aber
völlig unzureichend ist.
Hier liegt das Bedürfnis nach einer Methode vor, die Schäd-
lichkeit bzw. Gefährlichkeit eines Wassers oder dessen Unschäd-
lichkeit deutlich zu erweisen. In diesem Sinne sind schon eine
ganze Anzahl von Versuchen gemacht worden, die in verschiedene
Richtungen gegangen sind. Ich will nur einen Weg verfolgen,
der mir der aussichtsreichste zu sein scheint.
Fragen wir uns, woher die Gefabreu stammen, die im Trink-
wasser die Gesundheit des Menschen bedrohen, so kommen fast
ausschliefslich die menschlichen Ausscheidungen, und hierbei in
erster Linie der Kot, in Betracht. Bei Cholera und Dysenterie
scheinen die Fäces die einzige Infektionsquelle zu bilden, beim
Typhus kommt noch der Urin hinzu, aber erst in zweiter Reihe.
Hinter diesen beiden treten die übrigen Abf allstofEe , was die
388 Znm Nachweis fäkaler Veranreinigang von Trinkwaseer.
Trink Wasserinfektion anlangen könnte, ganz zurück. Abgesehen
davon werden wohl in der Mehrzahl der Fälle sämtliche meuscb-
liehe Ausscheidungen auf demselben Weg in das Wasser gelangen
können, oder wenigstens wo das eine möglich ist, kann das an-
dere nicht ausgeschlossen werden. Es ist also gerechtfertigt,
wenn man nur aus dem Vorhandensein einer Verunreinigung
durch Fäces auf die bedrohliche Nähe einer Infektionsquelle
schliefst. Zum Nachweis einer solchen fäkalen Verunreinigung
liegt es nahe, den im Kot so reichlich vorhandenen Kolibazillus
als Indikator zu wählen. Und das ist seit langem des öfteren
geschehen. Wie richtig man diese Überlegung angestellt hatte,
zeigt beispielsweise eine Filterprüfung, die Clark und M*Gage(^)
in der amerikanischen Stadt Lawrence ausgeführt haben. Nach
einer Reparatur des Filters war dasselbe undicht geworden. Im
filtrierten Wasser konnten Kolibakterien nachgewiesen werden.
Zugleich trat in der Stadt eine Typhusepidemie auf, die nach
3 Monaten wieder erlosch, zur selben Zeit, als im filtrierten
Wasser in je 1 ecm Bacterium coli nicht mehr gefunden werden
konnte. Hier steht es aufser Frage, dafs der Kolibazillus die
fäkale Verunreinigung und somit die Infektion des Wassers an-
zeigte. Kann man nun diese Schlufsfolgerungen , deren Be-
rechtigung in dem besonderen Falle aufser Zweifel steht, ver-
allgemeinern?
Zur Entscheidung dieser Frage mufs man auf den Begriff
»Bacterium colic näher eingehen. Wir verstehen unter diesem
Namen ein Stäbchen, das gewisse Eigenschaften besitzt und im
Darm vorkommt. Es gibt aber auch aufserhalb des Darms Bak-
terien, die sämtliche allgemein bekannten Eigenschaften des
Darmbewohners besitzen, ohne jemals selbst durch ihre Herkunft
oder vermöge ihrer Abstammung zu den Darmbewohnem zu
zählen. Nehmen wir nur einige dieser Eigenschaften zum Kriterium,
so fällt der Begriff »Bacterium colic so weit aus, dafs wir eine
ganze Gattung darunter rechnen müssen. Aus diesem Grunde
hält Krusep) das Bacterium coli für ganz ungeeignet zum Nach-
weis fäkaler Verunreinigung. Wenn er zum Nachweis die morpho-
logischen Verhältnisse, das Wachstum auf den gewöhnlichen
Von Oberarzt Dr. ChriBtian. 389
Nährböden, das Verhalten zu zuckerhaltigen Substraten und zu
Milch in Betracht zog, so glaubte er sie fast überall finden zu
können, »oft genug in Wässern, die nicht einmal anderen Ver-
unreinigungen, geschweige denn denen durch Fäkalien ausgesetzt
seienc. WeifsenfeldC) hat hierfür einen experimentellen Bei-
trag geliefert, indem er eine gröfsere Anzahl von Brunnenwässern
untersuchte. Er fand in jedem Falle Kolibazillen , freilich bei
den guten Wässern erst, wenn er 1 1 dem Anreicherungsverfahren
unterzog. In gleicher Weise fand v. Freudenreich (*) in den
meisten Wässern Kolibazillen, wenn er nur eine genügend grofse
Menge zur Untersuchung nahm; nur die »sehr gutenc Wässer
waren frei von ihnen.
Diesen Befunden, die für die übiquität der Kolibakterien zu
sprechen scheinen, wird durch andere Beobachtungen wider-
sprochen, und das hat seinen Grund in der Verschiedenheit der
Nachweismethoden. Je strenger man die Anforderungen zur
Identitätsbestimmung stellte, desto seltener wurden die ubiquitären
Kolibazillen. Weifsenfeld betrachtete alle diejenigen Mikro-
organismen als Kolibakterien, die mittelgrofse Bazillen darstellten,
auf Gelatine weinblattähnliche Kolonien und im Zuckeragar-
stich Gas bildeten, mehr oder weniger beweglich oder unbeweg-
lich waren und sich nicht nach Gram färbten. Er versuchte
zunächst ihr Wachstum bei 37 ^ in Bouillon oder Peptonkochsalz-
lösung mit Pariettischem Zusatz (Phenol und Salzsäure) zu er-
halten; kam er damit nicht zum Ziel, so liefs er den (Parietti-
schen) Zusatz weg.
V. Freudenreich benutzte die Pariettische oder die Vincent-
sche Methode (Peptonwasser, 0,07% Phenol, Bebrütung bei 42°)
oder auch die Milchzuckervergärungsprobe bei 35° und fand so
das Fehlen der Kolibakterien in den sehr guten Wässern.
Schardinger (^), der das Wasser mit Traubenzuckerbouillon
vermischte, bei 37 ° bebrütete und dann den Kolinachweis durch
Prüfung auf fäkulenten Geruch, auf Indol und Schwefelwasser-
stoff führte, fand die in Frage stehenden Bakterien nicht so
ungemein verbreitet, in vielen hundert Wasseruntersuchungen
nur ö Mal und niemals als zufällige Luftverunreinigung auf
390 2iim Nachweis fäkaler Veranreinigüng von Trinkwasaei'.
Platten. Abbe(^) benutzt eine Milchzuckerpeptonkochsalzlösung
zu seinen Versuchen, Houston ("^ anderseits legt Schüttelkulturen
in Zuckergelatine an und hält sie bei 20 ^ in der Absicht, sämt-
lichen vergärenden Keimen, auch denen, die höhere Temperaturen
nicht vertragen, das Wachstum zu gestatten.
Petruschky und Pusch(*) wieder legen Wert darauf, die
Kolibakterien bei 37 ^ in Bouillon anzureichern und glauben auf
diese Weise die Wasserkeime auszuschlielsen , die bei niederen
Temperaturen sich immer vorgedrängt und die Täuschung einer
Fäkalverunreinigung hervorgerufen hatten. Sie fügen den kenn-
zeichnenden Merkmalen noch die Säurebildung (Rötung der
Lackmusmolke) hinzu. Alle die zuletzt erwähnten Untersucher
finden in reinen Wässern keine Kolibakterien und stellen diesen
Mikroorganismen ein gutes Zeugnis für ihre Brauchbarkeit als
Indikatoren fäkaler Verunreinigung aus.
Es ist leicht zu sehen, dafs man in der Erkenntnis des
wahren Zusammenhanges weiter gekommen ist, je mehr man
den Begriff »Bakterium colic einschränkte. Auf die Methoden
hierzu im einzelnen kritisch einzugehen, ist nicht nötig; zweifel-
los beruhen sie auf sorgfältigem Studium der Lebensvorgänge
des Mikroben und bestehen zu recht. Nur möchte ich das
Phänomen der Indolbildung und die Fähigkeit derTierpathogenität,
das beispielsweise von Levy und Bruns(®) vorgeschlagen ist,
nicht für eben wertvoll anschlagen, da es echte Kolistämme gibt,
die diese beiden Forderungen nicht erfüllen.
Was nun aus der Erörterung der ganzen Frage hervorgeht,
ist die Tatsache, dafs der Nachweis des Bact. coli ein sehr
komplizierter ist, wenn man sicher sein \vill, das echte Bact. coli
vor sich zu haben. Alle erwähnten Methoden zusammen sind
aber noch nicht einmal einwandsfrei, weil der Beweis fehlt, dafs
die mit ihrer Hilfe identifizierten Bakterien nur aus dem mensch-
lichen Darm stammen können, vielmehr wird später gezeigt
werden, dafs dies sehr zweifelhaft ist. Dieser Beweis könnte er-
bracht werden, wenn man ein spezifisches Serum anzuwenden
in der Lage wäre, wie dies auch schon gefordert worden ist.
Allein hier läfst uns die Technik im Stich, da es ja schon sehr
Von ObeMnt Dr. Christian. 391
schwer ist, ein polyvalentes Koli-Serum zu erlangen, wird uns
ein omnivalentes kaum jemals gelingen. Auch ist ein solches
Verfahren für die Praxis viel zu umständlich.
Einen grofsen Fortschritt in der Frage des Koli-Nachweises
haben wir meines Erachtens Eijkmann(^^) zu verdanken, der die
Fähigkeit der Kolibazillen, noch bei 46^ üppig zu gedeihen, be-
tont und diese zusammen mit dem Zuckervergärungsvermögen als
Versuchsbasis benutzt hat. Vor ihm haben bereits Vincent (s. o.)
und V. Freudenreich (s. o.) eine Temperatur von 42^ angewandt.
Rodet(") hat für Typhusisolierung ein Verfahren angegeben,
das die Temperatur von 45 — 45,5 ^ erfordert, hat aber auch be-
reits darauf hingewiesen, dafs die Ermittelung des Temperatur-
maximums für alle Bakterien ein ausgezeichnetes Mittel zu
ihrer Identifizierung sei. Eijkmann setzt Gärungskölbcheu mit
dem zu untersuchenden Wasser an, dem er durch Zusatz einer
Vorratslösung einen Gehalt von ca. 1 % Traubenzucker, 1 % Pep-
ton und 0,5% Kochsalz verleiht, und bebrütet sie bei 46^. Bei
verunreinigtem Wasser findet er nach 24 Stunden Bact. coli in
Reinkultur, oder wenigstens in überwiegender Mehrheit, die ge-
samte Flüssigkeit diffus getrübt und mehr oder weniger, aber
stets deutliche Gasbildung. Bei reinem Wasser bleibt die Flüssig-
keit meist klar, um höchstens nach 2 mal 24 Stunden nur im
offenen Schenkel und dem daran grenzenden Teil des geschlos-
senen Schenkels eine leichte Trübung, aber keine Gasbildung
zu zeigen.
Das Verfahren hat den Vorzug, einfach und leicht ausführ-
bar zu sein; die Frage ist nur die: ist es hinreichend experi-
mentell gestützt, um von vornherein als einwandsfrei zu gelten.
Das ist nun zunächst nicht der Fall und zwar aus dem Grunde,
weil wir kein absolutes Kriterium für den echten Kolibazillus
haben. Es bleibt also nichts übrig, als die praktische Leistungs-
fähigkeit der Methode an einer mögUchst grofsen Anzahl von
Wässern zu erproben, deren Verhältnisse bekannt sind, und
einen Rückschlufs auf den Wert der Methode erlauben. In die-
sem Sinne hat uns Eijkmann bereits ein beachtenswertes
Material geliefert. In sämtlichen »unverdächtigen i Wassersorten
392 Zorn Nachweis fäkaler Verunreinigung von Trinkwaseei'.
wurde 46^ Gärung auch bei gröfseren Versuchsmengen (300 com)
niemals, bei > verdächtigen c auch in Bruchteilen eines Tropfens
stets gefunden. Ferner zeigten 2 Wässer, die vor Verunreini-
gung mit menschlichen Fäces geschützt waren, sonst aber so-
wohl offensichtlichen Schmutz (Entengrün, Laub, Insektenlarven)
als auch eine reiche mikroskopische Fauna und Flora erkennen
liefsen, in mehrfachen Untersuchungen negativen Ausfall der
Probe.
Von den Berliner Wässern, die ich mit dieser Methode oder
vielmehr mit denen ich die Methode prüfte, zeigten die ver-
unreinigten stets positiven Ausfall, meist noch, wenn ich dem
Versuch winzige Quantitäten unterzog. Ich stellte mir zu die-
sem Zweck » Verdünnungen c mit sterilem Wasser von 1 : 100,
1 : 1000, je nach Bedürfnis her und tat hiervon 0,01, 0,02 com
etc. zu der Zuckerbouillon je eines Gärungskölbchens. Dals die
Berliner Kanaljauche noch in riesigen Verdünnungen Gärung
geben würde, war von vornherein anzunehmen, und tatsächlich
konnte ich bei 0,000001 ccm noch stets das Phänomen be-
obachten. Aber auch das Rieselwasser, das bereits in den Riesel-
feldern filtriert ist, enthält noch bei 0,0001 ccm regelmäfsig
Kolibakterien. Ebenso geben 0,001 ccm Spreewasser und
0,0002 ccm Wasser der Panke stets einen positiven Ausfall der
Probe. Bei gröfseren Verdünnungen trat auch wohl noch hier
und da Gärung auf, doch nicht mehr regelmäfsig.
Unsere ein wandsfreien Wässer dagegen, das Berliner Leitungs-
wasser und mehrere gute Brunnen, gaben niemals 46^ Gärung
auch bei Verwendung gröfserer Mengen (bis 100 ccm und da-
rüber). Ich glaubte hierbei im allgemeinen von der Verwendung
gröfserer Versuchsmengen als 100 ccm absehen zu dürfen, da
dieselbe tatsächlich überflüssig ist. Ich bin sogar der Ansicht,
dafs für den praktischen Zweck ein Versucli mit 10—20 ccm
vollständig ausreichen würde, einmal deswegen, weil ich niemals
gesehen habe, dafs in einer gröfseren Zahl von Kubikzentimetern
noch Koliwachstum aufgetreten wäre, wenn in 1 ccm keines mehr
zu konstatieren war, und anderseits, weil obenerwähnte Unter-
suchung von Clark und M'Gage gezeigt hat, dafs mit dem
Von Oberant t)r. Christian. 3$3
Verschwinden der Kolibakterien aus 1 ccm Wasser — festgestellt
durch gewöhnliche Plattenuntersuchung — die Verunreinigung
aufgehört hatte. Das Bacterium coli entwickelt eben auch bei
niederer Temperatur und mäfsigen Nahrungsbedingungen noch
so viel Wachstumsenergie, dafs es in 1 ccm Wasser gefunden
werden mufs, wenn es nur in der den geringsten Grad der Ver-
unreinigung anzeigenden Menge vorhanden ist. Die lOOfache
Menge scheint mir Sicherheit genug zu verbürgen, und die Me-
thode hat sich als fein genug erwiesen, um jeden einzelnen
Kolibazillus abzufangen. Die Verwendung gröfserer Quantitäten
würde einen gröfseren Apparat erfordern, während man ca.
100 ccm nach Ei j km an ns Methode mit Pepton, Traubenzucker
und Kochsalz versetzt und auf ca. 10 Gärungskölbchen verteilt.
Beim positiven Ausfall des Versuchs fand ich stets nach
24 Stunden diffuse Trübung des gesamten Kolbeninhalts und
meist reichliche Gasbildung. Nur sehr selten war die Gasbil-
dung so gering, dafs eine Verwechslung mit der Luftblase,
welche von im Wasser absorbiert gewesenen Gasen stammt,
möglich gewesen wäre; doch löste eine zuckerlose Kontrolle
stets etwaigen Zweifel. In den bei weitem meisten Fällen fanden
sich im hängenden Tropfen mehr oder weniger schlecht be-
wegliche Stäbchen, die die Charakteristica des Bacterium coli
zeigten. Mitunter fanden sich auch einzelne wenige Diplo-,
Strepto- und Staphylokokken. Beim Ausstrich auf Agarplatten
wurden mäfsig viel Koli Kolonien, mitunter einige Staphylokok-
ken-Kolonien gefunden. Ein grofser Teil der Kolibakterien so-
wie manche Kokkenarten scheinen durch die Säurebildung ver-
giftet zu werden, wie dies Smithp) sowohl für KoUbazillen als
auch Staphylokokken als möglich nachgewiesen hat. Einen
Buttersäurebazillus habe ich niemals gefunden.
Bei negativem Ausfall bleibt die Flüssigkeit fast immer
steril; mitunter bildet sich nach 2 Tagen eine geringe Trübung
im offenen Schenkel des Gärungskölbchens, meist mit Kamhaut-
bildung; man findet dann gröfstenteils Heubazillen, mitunter
ein paar Kokkenarten.
Arohiy Ar HygieiM. Bd. LIV. ^
394 Znm Nachweis fftkaler Verunreinigung von tVinkwassei^.
um auch zweifelhafte Wässer zu prüfen, wählte ich einige
Brunnen in der Stadt, vor denen die Polizei durch die Auf-
schrift »Kein Trinkwasser« warnt. Aus welchem Grunde diese
Brunnen im einzelnen eine solche Aufschrift nötig gemacht
haben, konnte ich noch nicht feststellen ; wahrscheinlich ist dies
aber geschehen, weil ihr Wasser nicht sehr rein im physikali-
schen Sinne ist; es zeigt etwas Bodensatz und eine gelbliche
Trübung, ohne einen unangenehmen Geruch oder Geschmack
zu besitzen. Alle diese Wässer zeigten bei mehrfacher Unter-
suchung zu verschiedenen Zeiten niemals 46 ^ Gärung, besonders
auch nicht nach einem wolkenbruchartigen Regen und an einem
Regentage. Dagegen zeigten 2 dieser Wässer bei niederer Tem-
peratur starke Gärung.
Es ist dies dieselbe Beobachtung, die Eijkmann bei einer
grofsen Anzahl tatsächlich unverdächtiger Wassersorten, z. B. in
sterilem Fals aufgefangenem Regenwasser, gemacht hat, dafs
nämlich dieselben bei Zimmer- oder gewöhnlicher Bruttemperatur
(37®) Gärung geben, welche von Bakterien der weiteren Koli-
gruppe herrührt.
Wenn hier jemand einwenden wollte, auch diese Bakterien,
die bei 37® noch wachsen, bei 46® aber nicht mehr, seien wert-
voll als Anzeichen gefahrdrohender Verunreinigung, so mufs dem
widersprochen werden. Die im hiesigen Institut vorhandenen
Kolistämme, sowie eine Anzahl besonders aus Fäces von Erwach-
senen, Kindern, Kaninchen, Meerschweinchen, Kanarienvögeln etc.
isolierten Stämme gaben sämtlich 46® Gärung. Es scheint also,
dafs sämtliche Mikroben der Koligruppe, die aus dem Warm-
blüterorganismus stammen, bei 46® noch ausgezeichnet gedeihen
können, während z. B. die vom Frosch stammenden Darm-
bakterien bei 37® noch Traubenzucker vergären, bei 46® aber
nicht. Auch die des Fisches scheinen, wie Eijkmann unter
Zitierung einer Inaugiu'aldissertation (^^) erwähnt, bei höherer
Temperatur nicht mehr kultivierbar zu sein. Von sonstigen Bak-
terien, die eine Täuschung durch Vergärung bei 46 ® hervorrufen
könnten, kommt wohl keiner, auch der gewöhnliche Buttersäure-
bazillus nicht, in Betracht, da dieser in Zuckerbouillon erst
Von Oberarzt i)r. Christian. ^^5
nach 2 Tagen ganz spärlich im geschlossenen Schenkel zu wachsen
anfängt, wenn er überhaupt angeht. Ihn kann man ausschalten,
wenn man die Probe nur auf 24 Stunden ausdehnt, was nach
meiner Erfahrung vollständig ausreicht.
Versuche mit Vergärung des Milchzuckers bei sonst gleicher
Versuchsanordnung haben dasselbe Resultat wie Glykosegärung
gegeben, einen Vorteil eines der beiden Verfahren habe ich nicht
feststellen können.
Es besteht m. E. ein Vorzug der Gärungsprobe bei 46® darin,
dafs sie Verunreinigungen durch Kaltblüterfäces nicht anzeigt.
Man kann ein Wasser nicht immer vom Genuls ausschlief sen,
blofs weil Fische oder Frösche sich in ihm aufhalten. Wer einen
höheren Grad der Reinheit verlangt, kann ja weitere Unter-
suchungen anstellen, jedenfalls wird er vorher zu konstatieren
vermögen, dafs eine direkte Gefahr durch den Genulis nicht besteht.
Meinem hochverehrten Chef, Herrn Geheimrat Rubner,
erlaube ich mir für die Anregung zu der Arbeit und sein Interesse
an derselben meinen gehorsamsten Dank zu sagen.
Literatur.
1. Clark and M'Gage, Ref. Gentralbl. f. Bakteriol., 1900.
2. Kruse, Zeitschrift f. Hygiene u. Infektionskrankh., XVII.
3. Weifsenfeld, Zeitschrift f. Hygiene u. Infektionskrankh., XXXV.
4. V. Frendenreich, Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk., XVIU.
5. Schardinger, Centralbl. f. Bakteriol., XVI.
6. Abbe, Centralbl. f. Bakteriol, XIX.
7. Houston, 2nd Report of the Royal Comm. on sewage disposal (Wyman
et Sons, London 1902), zitiert nach Eijkinann.
8. Petruschky und Pusch, Zeitschrift f. Hygiene, XLUI.
9. Levy und Bruns, Archiv f. Hygiene, XXXVI.
10. Eijkmann, Centralbl. f. Bakteriol, XXXVU.
11. Rodet, Compt. rend. Acad. soc. de biologie. Ref. Centralbl. f. Bakt., VI.
12. Smith, Centralbl. f. Bakteriol., XVUI.
26
Sind bei der bakteriziden Wirkung des Blutserums
osmotische Vorgänge im Spiele?
Von
Dr. Georg Leuchs.
(Ans dem Hygienischen Institut der Universität München. Vorstand: Prof.
Max Grub er.)
Gegen die Lehre, dafs die bakterizide Wirkung des Blut-
serums auf die Anwesenheit besonderer bakterienfeindlicher Stoffe,
der Alexine, zurückzuführen sei, wurde seinerzeit der Einwand
erhoben, dafs der schroffe Wechsel des Mediums bei der Über-
tragung der Bakterien von dem künstlichen Nährboden in das
Serum eine Schädlichkeit sei, die für sich allein völlig genüge, den
Tod der Keime herbeizuführen. Einerseits der Hunger, andrer-
seits osmotische Vorgänge seien die Ursachen ihres Absterbens.
Dieser Einwand ist durch die Untersuchungen von Buch-
ner, Trommsdorff, Hegeler und v. Lingelsheim widerlegt
worden: Die Verschiedenheit des osmotischen Druckes von
Nährboden und Serum wie der Hunger spielen keine Rolle
bei der Abtötung der Bakterien durch frisches Serum; die An-
nahme besonderer, leicht zerstörbarer bakterizider Substanzen im
frischen Blutserum ist unvermeidlich.
Dagegen schien doch manches darauf hinzudeuten, dafs bei
der Abtötung der Bakterien durch frisches Immun serum os-
motische Vorgänge im Spiele seien. Die osmotische HüU-
schichte der Keime, welche in normalem Zustande als semi-
permeable Membran angesehen werden mufs, konnte möglicher-
weise durch die Präparatoren (Amboceptoren) der Immunsera
Bakterixide Wirkung des Blatseroms etc. Von Dr. Georg Leachs. 397
derartig verändert werden, dafs sie nun nicht mehr blofs Was-
ser, sondern auch andere wasserlösliche Substanzen durchtreten
Heise und so einerseits dem Alexin den Eintritt erleichterte,
andrerseits den Austritt von Salzen und anderen lebenswichtigen
Substanzen aus dem Innern der Zelle ermöglichte, was den Tod
der Bakterien zur Folge hätte. Gruber, der diese Ansicht
verfocht, führte dafür ins Feld, dafs die Vorgänge der Bakterio-
lyse, wie man sie z. B. beim Pfeif ferschen Versuch beobachten
kann, entschiedene Ähnlichkeit zeigen mit den Veränderungen
der Zellen bei Störungen der normalen Osmose, dafs ferner bei
der der Bakteriolyse analogen Hämolyse nichts anderes zu kon-
statieren sei als Diffusion des Hämoglobins aus dem Stroma
der Blutscheiben in die umgebende Flüssigkeit unter Zurück-
lassung der »Schattenc.
Auf die Richtigkeit dieser Ansicht liefs sich die Probe
machen: wenn die Immunkörper die Beschaffenheit der osmo-
tischen Membran verändern, so muTsten die damit behandelten
Zellen sich gegen Änderungen des osmotischen Druckes in
ihrem Medium anders verhalten als die normalen. Auf Veran-
lassung von Herrn Prof. Gruber habe ich daher zur selben Zeit,
als Röfsle seine in der »Münchner mediz. Wochenschriftc,
Jahrg. 1904, Nr. 42, veröffentlichten Untersuchungen über das
osmotische Verhalten der mit Immunkörpern behandelten Ery-
throcyten begann, Versuche über den Einfluls der Immunkörper
auf die Abtötung der Bakterien durch destilliertes Wasser be-
gonnen. Über einen Teil der Resultate dieser Versuche habe
ich bereits in der Sitzung der Gesellschaft für Morphologie und
Physiologie in München, am 22. November 1904, berichtet. Es
sei gestattet, das Wichtigste aus meinen Versuchsprotokollen hier
anzuführen.
Bevor das Verhalten der mit Immunserum vorbehandelten
Bakterien gegen destilliertes Wasser untersucht werden konnte,
mufste die Widerstandsfähigkeit der normalen Bakterien er-
mittelt werden. Da sich die gewöhnlichen Typhusbakterien als
sehr resistent gegen destilliertes Wasser erwiesen (selbst bei
schwacheq f)insaaten war das infizierte Wasser nach eineip
398 Si^cl bei d. bakt. Wirknng d. Blatsernms osmotische Vorgänge im Spiele?
Monat noch nicht steril), so wurden die Versuche mit Vibrio
Danubicus angestellt. Dabei zeigte sich, dafs bei der Über-
tragung der Keime aus einer 20 — 24 stündigen Agarkultur (Agar
mit dem gebräuchlichen Zusatz von Ofi% Kochsalz) Id destil-
liertes Wasser schon binnen 5 Minuten Massentod eintritt. 90
bis 95 ^/o der eingesäten Keime gehen fast sofort zugrunde und
nur 5 — 10% überleben. Auch 0,3 und 0,66 proz. Kochsalz-
lösungen schädigen die Danubicuskeime in hohem Mafse. Auch
in diesen Lösungen sterben etwa 50% der eingesäten Keime
binnen 5 Minuten. Ich will nur einen einschlägigen Versuch
mit allen Einzelheiten mitteilen:
Von einer 24 stündigen Agarkultur wurden 4 Ösen, deren
Füllung durch Wägung des Agarröhrchens vor und nach der
Entnahme der Ose festgestellt wurde , entnommen und in
50 ccm destilliertes Wasser, bzw. 0,3 proz. Kochsalzlösung,
0,66 proz. Kochsalzlösung, Bouillon verteilt. (Die Ösen wurden
vom Rande des Bakterienbelags entnommen, da anzunehmen
ist, dafs im Innern desselben sehr viele tote Keime vorhanden
sind. Das Agarröhrchen wurde in abgekühltem Zustand, mit
einer Kautschukkappe bedeckt, gewogen.) Aus diesen Aufschwem-
mungen wurde, ohne dafs sie filtriert worden wären, sofort (d. h.
nach weniger als 5 Minuten) 1 ccm übertragen in ein mit
50 ccm Peptonwasser (0,5% Kochsalz + 0,1% Pepton, s. u.) ge-
fülltes Verdünnungstropfgläschen ^), von welchem aus einerseits
je 1 Tropfen ausgesät wurde auf 3 Gelatineplatten (»grofse Aus-
saatc), andrerseits 4 Tropfen gegeben wurden in ein zweites, 50 ccm
Peptonwasser enthaltendes Verdünnungstropfgläschen, von dem
aus je 5 Tropfen auf 3 Gelatineplatten ausgesät wurden (»kleine
Aussaatc). Die Platten der grofsen Aussaat wurden mikroskopisch
(16 oder 32 Gesichtsfelder), die der kleinen Aussaat wurden
direkt gezählt. Dafs die Berechnung hier, wie bei den späteren
Versuchen, für die grofse Aussaat in der Regel eine geringere
1) Nach FickerH Vorgang (Zeitschr. f. Hyp., Bd. 29) benutzte ich, um
genau gleich grofse Quantitäten entnehmen zu können, Tropfgläschen. Die
Tropfengröfse jedes einzelnen Tropfgläschens für die benutzten Lösungen
(dest. Wasser, Peptonwasser, Bouillon, KochöiilzlösunK) bestimmte ich durch
wiederholtes Zählen der Tropfen, welche notwendig waren, um 10 ccm sa füllen.
Von Dr. Georg Leachs.
399
Keimzahl ergibt als für die kleine, erklärt sieh ohue weiteres
daraus, dafs in einer direkt besäten Platte viele Kolonien aus
zwei oder mehr Keimen entstehen.
Kolonienzahl, Mittel-
Keimzahl auf 1 mg Kultur
wert ans je
3 Platten
berechnet aus der
grofse
kleine ,
grofsen kleinen
Aassaat
Aussaat
Aussaat | Aussaat
1
Bouillon \
' 24 600
933
1 180000000 290000000
0,66 proz. Kochsalz . i
1 12311
722
68000000 147000000
0,3proz. Kochsalz . . |
1 14 711
1
466 ;
96000000 1 127000000
1
Destill. Wasser . . .
2 942
81
13400000 , 14500000
1 1
Jene Keime, welche den ersten Ansturm überstanden haben,
halten dann viel länger lebend aus. Es ist sehr wahrscheinlich,
dafs dies zum Teil darin begründet ist, dafs sie durch die in
Lösung gegangenen Leibesbestandteile ihrer unglücklicheren
Brüder eine gewisse Stärkung oder Schutz erhalten. Wenigstens
ist es sehr auffallend, wie grofs der Einflufs ist, welchen die
Zahl der eingesäten Bakterien auf die Schnelligkeit des Ab-
sterbens besitzt: Bringt man viele Bakterien in die schädigende
Flüssigkeit, so erfolgt das Absterben der Keime verhältnismäßig
viel langsamer, als wenn man nur wenige Bakterien einsät,
eine Tatsache, die bereits von zahlreichen Forschern konstatiert
worden ist. Zur Bestätigung des eben Gesagten sei daher nur
em Beispiel angeführt:
Ich schwemmte 5 Ösen einer 20 stündigen Agarkultur von
Vibrio Danubicus in 5 ccm destilliertem Wasser auf, filtrierte die
Aufschwemmung durch ein Leinwandfilter und stellte nun wie
bei der Agglutinationsprobe fünf verschiedene Verdünnungen
derart her, dafs je 1 ccm der verschiedenen Probeflüssigkeiten
den 40., 1600., 64000., 2560000., 102400000. Teil einer Kultur-
öse enthielt. Hiervon entnahm ich von Zeit zu Zeit Proben
und zwar, um zählbare (Gelatine-) Platten zu bekommen, von
dem letzten Tropfgläschen 12 Tropfen, von dem 3. und 4.
1 Tropfen und von den ersten beiden ^/^oo Tropfen, d. h. ich
verdünnte deu entnommenen Tropfen mit physiol. Kochsalj?^
400 Sind bei d. bakt. Wirkung d. Blutserums osmotische Vorgänge im Spiele?
lösiing auf das 500 fache und brachte erst von dieser Flüssig-
keit 1 Tropfen in die Gelatine.
a) Kolonienzahl (Mittelwert aus je zwei Platten):
Grad der Verdünnung
der Öse '
1
40
1/
/600
1600
1/
'MO
64000
1
2560000
.. _ .—
1
102 400000
Aussaat in die Gelatine,
Tropfen :
12
Nach weniger als 5 Min.
> 1 Stunde ....
> 3V» Stunden . . .
> 1 Tag
> 2 Tagen ....
> 17 > (12 Tropfen I)
' 5900
1 2350
2 950
12
23
0
100
45
17
0
1
0
780
5
0
0
0
0
16
1
0
0
0
0
9
2
0
0
0
0
b) Berechnung: 1 ccra der ProbeflQssigkeit enthielt Keime :
1
Grad der Verdünnung
der Ose
40
1600
1
64000
2560000'
102 400000
Nach weniger als 5 Min. |
1 33000000 570000
8 970
' 189
9
Nach 1 Stunde . . . . i
1 18 200 000 252 OüO
68
1 12
2
> 3V, Stunden . . .
16 500000
95 200
0
0
0
> 1 Tag ...
67 200
0
0
0
0
> 2 Tagen ....
128 800
5 700
0
0
0
> 17 » ....
1
0
1
0
ü
1 0
1
0
Es ist also wohl zu beachten, dafs nach dem Mitgeteilten
die folgenden Versuche über den Einflufs der Immunkörper nur
an den widerstandsfähigeren Individuen der verwendeten Kul-
turen angestellt werden konnten.
Nachdem ich mich durch den Versuch überzeugt hatte, dafs
die von mir verwendeten Sera (inaktiviertes Meerschweinchen-
Immunserum und -Normalserum) in 1 proz. Verdünnung die
Vermehrung der Keime in gleicher Weise beeiuflufsten , ging
ich dazu über, mittels der Plattenmethode zu prüfen, ob mit
Immunkörper beladene Bakterien in destilliertem Wasser schneller
zugrunde gehen als solche, welche nur mit inaktiviertem Normal-
serum oder gar nicht vorbehandelt waren.
Von einer 22 stündigen Agarkultur von Vibrio Danubicus
wurden 4 Ösen -.= 12,8 mg entnommen, und in 2i}() a-m 0,3proz.
Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Von dieser Aufschwemmung
Von Dr. Georg Leuchs.
401
wurden 49,5 ccm versetzt mit 0,5 ccm Meerschweinchen-Immun-
serum, welches bei Verdünnung 1 : 320 noch deutliche Aggluti-
nation zeigte, ferner 49,5 ccm mit 0,5 ccm inaktiviertem Meer-
schweinchen-Normalserum. Diese Mischungen nebst 50 ccm
der Originalaufschwemmung kamen für 1 Stunde in den Eis-
schrank, um die vollständige Bindung der Immunkörper herbei-
zuführen. Darauf wurde von den drei Flüssigkeiten nach kräf-
tigem Schütteln je ^/2 ccm entnommen und in Tropfgläschen ge-
bracht, welche mit 49,5 ccm destilliertem Wasser gefüllt waren.
Aus diesen wurde nun sofort und später nach bestimmten Zeiten
je ein Tropfen entnommen und in Gelatine gebracht (»grofse
Aussaatc), femer wurden vier Tropfen gegeben in ein mit 50 ccm
Pepton-Kochsalzlösung gefülltes Verdünnungstropfgläschen , aus
diesem wieder je fünf Tropfen in drei Gelatineröhrchen (»kleine
Aussaatc). Natürlich wurde vor jeder Entnahme von Tropfen
geschüttelt, um gleichmäfsige Verteilung der Keime zu bewirken.
(Als Verdünnungsflüssigkeit für die dem destillierten Wasser
entnommenen Proben wurde hier wie später eine Lösung von
O,lproz. Pepton und 0,3proz. Kochsalz in Wasser benutzt, eine
Flüssigkeit, welche höchstens nur eine ganz langsame Vermehrung
der eingesäten Danubicuskeime zulassen dürfte, und welche
anderseits, wie ich vorher durch einen besonderen Versuch fest-
gestellt hatte, diesen Keimen bei kurzer Einwirkungsdauer nicht
schädlich ist.) Das Resultat, berechnet auf 1 ccm des destil-
lierten Wassers, war folgendes:
1 ccm des destillierten Wassers enthielt Keime:
1
Berechnet aus der kleinen
Berechnet aus dei
' grofsen
1
Aussaat
Aussaat
Immun-
Normal-
Kochsalz-
Immun-
Normal-
Kochsalz-
1
serum
serum
lösung
sernm
serum
lösung
Sogleich . . .
136 000
115000
111000
88400
93 800
68 300
Nach 1 Stunde ;
78 000
91000
62000 ;
60300
56 300
39000
> 3 7, Std.
47 000
64000
23000 1
! 52300
32 500
> 1 Tag .
10900
2180
227 '
' 7300
1500
39
> 3 Tagen, i
1
1
i 2350
0
0
»6 > . ,
—
94
0
0
. 8 . .|
1
.
4
—
402 Suid bei <L Ymkt, Wirkung <L BlatBenuna onnodflcfae Voigftnge im
Die mit Nonnalsemm vorbehandelten Bakterien starben also
im destillierten Wasser nahezu ebenso schnell ab wie die nur
mit 0,3% Kochsalz vorbehandelten. Die geringe Differenz in der
Resistenz erklärt sich wohl aus dem Umstände, dais mit den
mit Serum vorbehandelten Bakterien gleichzeitig eine geringe
Menge (0.005 ccm) Normalserums in das destillierte Wasser ein-
getragen wurde, so dafs das Wasser eigentlich eine 0,01 proz.
Serumlösung darstellte. Dagegen starben die mit Immunsenuu
vorbehandelten Bakterien deutlich langsamer ab als die mit Nor-
malserum vorbehandelten. Dies muls jedoch nicht auf einer
tatsächlichen gröfseren Resistenz der ersteren beruhen, sondern
kann vorgetftuscht sein durch Agglutination, indem die in Agglu-
tinationshftufchen eingeschlossenen Bakterien lange Zeit vor dem
destillierten Wasser geschützt sein könnten Gegen letzteres spricht
nicht, dafs nach Bord et die Agglutinationshfiufchen im destil-
lierten Wasser durch Schütteln zerfallen, denn es handelt sich
hier, wie eben erwähnt, eigentlich nicht um destilUertes Wasser,
sondern um eine 0,01 proz. Serumlösung. Wohl aber spr&che da-
gegen der Umstand, dafs die Kolonienzahlen der Kontrollplatten
bei der > kleinen Aussaat c sehr gut zusammenstimmen.
Es wurde nun der Versuch wiederholt mit der Modifikation,
dafs nach erfolgter Bindung der Immunkörper das Serum durch
mehrmaliges Waschen der Bakterien mit 0.3 proz. Kochsalzlösung
entfernt wurde, um den Einflufs der Nährstoffe des Serums mög-
liehst auszuschalten. Um die Vermehrung der Keime während
des Zentrifugierens zu verhindern, wurde mit Eiskühlung zentri-
fugiert. Femer wurde die Serumwirkung verstärkt, indem eine
Serumverdünnung von 1 : 15 gewälilt wurde. Um den durch das
Waschen entstehenden Keimverlust auszugleichen, wurde eine
gröfsere Aussaat gemacht.
(Siehe die Tabelle auf S 403
Wie die Tabelle zeigt, sind die Differenzen in der Keimzahl
von Anfang an so grofs gewesen, dafs bestimmte Schlüsse unzu-
lässig wären. Da sich herausstellte, dafs die wesentlich schlechter
abzuzentrifugierenden Nonnalserumbakterien beim Waschen zum
gröfsten Teil weggeschüttet werden, so blieb nichts übrig, als
Von Dr. Georg Leache.
403
Keimzahl pro 1 ccm dest. Wassers (Mittelwerte, berechnet aas grofser und
kleiner Anssaat):
Immun-
serum
Normal-
serum
0,3 «/o
Kochsalz
Zahl der in das destill. Wasser eingetragenen
Bakterien pro 1 ccm desselben ....
Nach 2 — 5 Minuten
650000
486000
450000
300000
435000
57 000
5100
4100
925
19000
2000
1500
270
189
12
0
0
1000000
776 000
> 1 Stande
691000
> 3 Stunden i
227 000
,6 . '
209000
> 1 Tau
22000
*• •"■••o
» 2 Tagen
> 3 >
1500
339
> 4 * ' . . .
83
von vornherein eine bedeutend gröfsere Menge von Bakterien
für die Normalserumprüfung zu verwenden, sowie gründlicher zu
zentrifugieren. Dies ist im folgenden Versuch geschehen.
Von einer 22 stündigen Danubicusagarkultur wurden auf-
geschwemmt :
1 Öse in 7,0 ccm einer 0,3proz. Kochsalzlösung -\- Vi ccm Immunserum
5 Ösen > 7,0 > » > » + Vi » inakt. Normals.
1 Öse » 7,5 > > > >
Diese Aufschwemmungen kamen auf 1 Stunde in den Eis-
schrank, worauf die beiden Serumaufschwemmungen ^2 Stunde
mit Eiskühlung zentrifugiert wurden. Nun wurde die Flüssigkeit
vollständig abgegossen, das Sediment aufgerührt, 7 ccm 0,3 proz.
Kochsalzlösung zugegeben und mit dem Sediment verrührt. Nach
weiterem ^/4 stündigem Zentrifugieren wurde zum Bodensatz soviel
0,3 proz. Kochsalzlösung gegeben, dafs die Trübung in beiden
Gläschen ungefähr gleich stark schien, d. h. zu den Immunserum-
bakterien 10 ccm, zu den Normalserumbakterien 2 ccm. Um
gröfsere Agglutinationshäufchen zu entfernen, wurden beide Proben
durch ein Leinwandfilter filtriert in Tropfgläschen, hier stark ge-
schüttelt, und nun wurden von allen drei Aufschwemmungen
(die reine Kochsalzaufschwemmung war unterdessen im Eisschrank
gestanden) 7 Tropfen = ^/a ccm in 50 ccm destilhertes Wasser
gebracht. Von diesem wurde von Zeit zu Zeit je 1 Tropfen
direkt in zwei Gelatineröbrchen übertragen (»grolse Aussaatc),
404 Sind bei d. bakt. Wirkung d. Blutserunin OBmotiscbe Vorgänge im Spiele?
andrerseits 4 Tropfen in 50 ccm Peptonwasser und hieraus je
5 Tropfen in 2 Gelatineröhrchen (»kleine Aussaat«). Von der Ab-
nahme der Kultur bis zum ersten Plattengufs vergingen 2^2 Stunden.
Um den Keimgehalt der Aufschwemmungen im Moment der Mi-
schung mit dem destillierten Wasser zu bestimmen, wurden gleich-
grofse Proben statt in letzteres in Peptonwasser gegeben und in
ganz entsprechender Weise zu Platten verarbeitet.
Keimzabl pro 1 ccm des destillierten Wassers:
Berechnet aus der kleinen
Berechnet aus der
grofsen
Aussaat
Aussaat
Immun-
Normal-
0,3%
Immun-
Normal-
0,3 V.
serum
serum
Kpchsalz
serum
serum
Kochsals
Im Moment der
1
Eintragung .
t 56000
1
580000
2080000
40000
242000
unzählbar
Sogleich darnach
77 000
416000
718000
62000
122000
unz&hlbar
Nach 1 Stunde
72000
229 000
693000
61000
115000
258000
> 37, Std. .
17 600
210
12 600
22 300
72
10 600
> 6 > .
225
0
0 i
' 864
6
84
> ITag .
0
0
0,
0
0
0
> 2 Tagen .
0
0
0.
0
0
0
. 3 » .
—
~""^
—
0
0
0
Obwohl also hier von den Immunserumbakterien zehnmal
weniger in das Wasser eingetragen wurden als von den Normal-
serumbakterien und 40 mal weniger als von den unvorbehandelten
Bakterien, so erfolgte doch die Abnahme der Keimzahl bei
ersteren langsamer als bei den beiden letzteren. Dies mufs jedoch
keineswegs als Beweis für eine gröfsere Resistenz der Immun-
serumbakterien angesehen werden. Der Einflufs der Nährstoffe
ist zwar durch das Waschen ausgeschaltet, wie ja auch das gleiche
Verhalten der Normalserum- und der unvorbehandelten Bakterien
beweist; dagegen sprechen mehrere Momente düfür, dafs die lang-
samere Abtötung derlmraunserumbakterien doch auf die schützende
Wirkung kleiner Agglutinationshäufchen zurückzuführen ist:
Vergleicht man nämlich diesen Versuch mit dem vorher-
gehenden, so findet man, dafs im einen Falle, wo filtriert wurde,
also gröfsere Agglutinationshäufchen zurückgehalten wurden, schon
nach einem Tage in sämtlichen Proben SteriHtät eingetreten war;
im anderen Falle dagegen wurde nicht filtriert, hier waren noch
Von Ür. C^org Leachs. 405
nach vier Tagen viele Immunserumkeime entwicklungsfähig. Aufser
der Filtration aber bot die Ausführung beider Versuche keine prin-
zipiellen Unterschiede. Sind somit gröfsere Agglutinationshäufcben
imstande, die in ihrem Innern liegenden Bakterien tagelang vor der
tötenden Wirkung des destillierten Wassers zu bewahren, so darf
angenommen werden, dafs auch kleinere Häufchen, welche noch
durch ein Leinwandfilter hindurchgehen, eine gewisse schützende
Wirkung ausüben können, wenn auch nur für einige Stunden.
Dafs tatsächUch in der Immunserumaufschwemmung auch
nach der Filtration noch kleine Agglutinationshäufchen vorhanden
waren, und dafs sich diese teilweise nach dem Einbringen in das
Wasser wieder auflösten, dafür scheinen die beiden ersten Zahlen-
reihen der Tabelle zu sprechen : Bei den Normalserum- und den
unvorbehandelten Bakterien ist sofort nach der Eintragung in
das destillierte Wasser eine Abnahme der Keimzahl zu beobachten
(von 580000 auf 416000 und von 2000000 auf 718000), worin
sich die rapid einsetzende deletäre Wirkung des Wassers doku-
mentiert. Bei den Immunserumbakterien aber tritt sogar eine
Steigerung der Keimzahl ein, welche sich wohl nur dadurch er-
klären läfst, dafs ein Teil der Agglutinationshäufchen sich auf-
gelöst hat und zahlreiche Keime frei geworden sind.
Ist somit die scheinbar gröfsere Resistenz der mit Immun-
serum vorbehandelten Bakterien wohl nur auf den störenden
Einflufs der Agglutination zurückzuführen, so geht aus den Zahlen
der Tabelle doch auch soviel hervor, dafs die Widerstandsfähigkeit
dieser Bakterien gegen destilliertes Wasser keineswegs vermindert ist.
Das Ergebnis meiner Versuche ist somit ein negatives. Es
liefs sich keine gröfsere Hinfälligkeit der mit Im-
munkörpern präparierten Danubicuskeime gegen os-
motische Schädlichkeiten erweisen. Der Gedanke, dafs
Veränderungen in den osmotischen Verhältnissen das Entschei-
dende bei der Bakterizidie seien, mufs also wohl fallen gelassen
werden, wenn auch zugegeben werden mufs, dafs die Umstände
der Agglutination und des raschen Massentodes der empfindlichen
Keime bei der Übertragung der Kultur in die Aufschwemmungs-
medien für meine Versuche recht störend waren.
406 Sind bei d. bakt. Wirkang d. ^^latseramd oBmotische Vorgänge im Spielet
Röfsles Versuche au Erythrozyten haben bekanntlich für
diese das gleiche Resultat ergeben, dafs ihr osmotischer Zustand
durch die Immunkörper nicht merklich verändert wird.
Ich untersuchte auch mikroskopisch, ob mit Immunkörpern
beladene Bakterien in bezug auf Plasmolyse sich anders ver-
halten als un vorbehandelte Bakterien. Verwendet wurden hierzu:
Bacterium typhi, pyocyaneum und megatherium. Ich konnte
irgendeinen Unterschied in bezug auf den Eintritt und die Dauer
der Plasmolyse nicht beobachten, stiefs jedoch sehr bald auf jene
Erscheinung, die Alfred Fischer^) entdeckt und als tPlasmoptyse«
bezeichnet hat.
Fischer beobachtete nach gewissen Vorbereitungen im
hängenden Tropfen aufserhalb der Bakterienleiber eigentümliche
kugelartige Gebilde, stärker lichtbrechend als die Flüssigkeit des
Tropfens, im Inneren vollkommen homogen, von wechselnder
Gröfse, den Querdurchmesser der Bakterien meist weit über-
treffend. Ihr Kontur ist deutlich, aber zart, ihre Form ist nicht
immer kreisrund, sondern manchmal oval, birnförmig oder ganz
unregelmäfsig. Oft liegen die Kugeln der Seite der Bakterien an.
Sie finden sich in der Regel nicht von Anfang an im Hängetropfen
vor, sondern entstehen erst im Laufe von Minuten und Stunden.
Fischer fafste die Kugeln auf als Plasmateile der Bakterien,
welche von diesen ausgestofsen, ausgespieen sein sollten. Er
nannte den Vorgang des Ausspeiens Plasmoptyse und erklärte
ihn auf folgende Weise:
Werden Bakterien in 2proz. Kochsalzlösung gebracht, so
tritt infolge Steigerung des osmotischen Aufsendruckes Plasmo-
lyse ein, d. h. man beobachtet das Auftreten von stärker licht-
brechenden und stärker färbbaren Kügelehen, Bändern oder
Klümpchen innerhalb der Bakterienmembran. Um die Plasmo-
lyse der Bakterien zu verstehen, hat man sich nach Fischer
die Bakterienzelle ebenso gebaut vorzustellen, wie die Zelle der
höheren Pflanzen, also ausgestattet mit einer Membran, dem
Zellsaft und dem Protoplasma, welches letztere einen dünnen,
1) Zeitschrift f. Hygiene, 36. Bd.
Von Dr. Georg Lenchs. 407
den Zellsaft einschliefsenden Wandbelag bildet. Für Wasser sind
die Membran und das Protoplasma leicht durchgängig, für ge-
löste Stoffe, z. B. Salzmoleküle jedoch nur die Membran, während
der Protoplasmaschlauch mehr oder minder undurchgängig ist
(wenigstens bei den »plasmolysierbaren Bakterien c), das Protoplasma
ist also, wie der terminus technicus lautet, eine semipermeable
Membran. Solange die umgebende Flüssigkeit weniger osmotisch
wirksame Stoffe enthält als der Zellsaft, ist daher im Innern der
Zelle ein Überdruck vorhanden, welcher den Turgor der Zelle
aufrechterhält. Dieser Überdruck hört aber auf, sobald die um-
gebende Flüssigkeit eine stärkere Konzentration an osmotisch
wirksamen Substanzen enthält als der Zellsaft. Jetzt drücken
vielmehr die Salzmoleküle von aufsen auf den für sie undurch-
gängigen Protoplasmaschlauch, es wird Wasser ausgeprefst, das
Protoplasma wird entspannt, löst sich teilweise von der Zell-
membran ab und zieht sich zusammen, es tritt Plasmolyse ein.
Mit der Zeit aber dringt doch soviel Salz durch die Proto-
plasmahülle in den Zellsaft ein, dafs der Innendruck den Aufsen-
druck mehr oder minder kompensiert. Führt man nun diese salz-
beladenen und durch Hunger geschwächten Bakterien in eine
weniger konzentrierte Lösung, z. B. in Leitungswasser über, so
sollte man erwarten, dafs nun das Salz aus der Bakterieuzelle
wieder austritt, bis der Salzgehalt der Zelle und der dieselbe
umspülenden Flüssigkeit gleich ist. Dies geschieht jedoch nicht,
da infolge einer den Bakterien überhaupt anhaftenden oder erst
im Laufe des Versuches erworbenen Eigenschaft das Salz viel
langsamer exosmiert als es endosmiert ist; es bleibt vielmehr
der osmotische Innendruck bestehen, während der Aufsendruck
plötzlich rapid sinkt, die Membran ist dieser gewaltigen Druck-
differenz auf die Dauer nicht gewachsen, sie reifst an ihrer nach-
giebigsten Stelle, in der Regel dem Pol des Bakteriums, ein ; durch
den Rifs wird ein Teil des Protoplasmas hervorgeprefst, der sich
nun in Form einer Kugel, die bald gröfser und matter wird, dem
Bakterienpol anlegt, — es tritt Plasmoptyse ein.
Soweit wäre ja die Theorie der Plasmoptyse annehmbar.
Die Entstehung dieser Kugeln beobachtete aber Fischer nicht
408 ^11^^ boi ^' bakt Wirkung d. Blatserums osmoÜBche Vorgänge im Spiele?
nur unter den angegebenen Bedingungen, sondern auch unter
gerade entgegengesetzten Verhältnissen, d. h. wenn Bakterien von
einem 0,15% NaCl enthaltenden Medium, in 0,75 proz. oder in
2proz. Kochsalzlösung oder in eine der letzteren isotonische Flüssig-
keit, z. B. 5% Glyzerin übertragen werden. Die Erklärung, welche
Fischer für diese, wie er selbst sagt, scheinbar allen osmotischen
Gresetzen widersprechende Erscheinung gibt, ist zu kompliziert und
zu wenig verständlich, als dafs ich sie hier wiedergeben könnte.
Fischer verwertete die Plasmoptyse hauptsächlich gegen
die Alexiniehre. Beim Pfeifferschen Phänomen tritt bekaunt-
lich durch die Wirkung des aktiven Immunserums ein Aufquellen
des Bakteriums und schliefsUch Umwandlung seiner Protoplasma-
masse in eine kleine Kugel ein, welche allmählich abblafst und
verschwindet. Fischer hielt diese Kügelchen für identisch mit
seinen Plasmoptysekugeln und glaubte infolgedessen auch für
die einfache Alexinwirkung die Plasmoptyse als Ursache an-
sprechen zu müssen.
Durch die früher genannten Forscher ist bereits erwiesen
worden, dafs das Pfeiffersche Phänomen keinesfalls mit der
Plasmoptyse Fischers identifiziert werden könne; bei meinen
Kontrolluntersuchungen stellte sich weiter die überraschende Tat-
sache heraus, dafs eine Plasmoptyse der Bakterien
überhaupt gar nicht existiert, dafs die von Fischer be-
obachteten Kugeln gar keine Bakterienprodukte sind.
Ich will vorausschicken, dafs ich mehrere hundert hängende
Tropfen untersucht habe, jeden mehrmals und so gründlich als
möglich. Die Tropfen wurden unter verschiedenen Variationen
hergestellt, meist genau nach Fischers Vorschrift. Sie bestanden
aus destilliertem Wasser, Leitungswasser, 0,75 proz., 2 proz. oder
höherprozentiger Kochsalzlösung oder 5 proz. Glyzerin und ent-
hielten aufgeschwemmt Milzbrand-, Tyj)hus-, Koli-, Pyocyaneus-,
Prodigiosus-, Proteus-, Danubicus- oder Cholerabakterien. Die
Bakterien waren teils auf gewöhnlichem Agar mit und ohne den
gebräuchlichen 0,5 proz. Kochsalzzusatz, teils auf dem von Fi-
scher benutzten Nährboden gewachsen, das Alter der Kultur
wechselte von 16 Stunden bis zxx 4 Tagen.
Von Dr. Georg Lenchs. 409
Sehr auffällig war zunächst die aufserordentliche Inkonstanz,
welche die Kugeln in ihrer Grölse, in ihrem Auftreten nach Ort,
Zahl und Zeit zeigen. So wechselt die Gröfse etwa zwischen 0,5
bis 6 fi, die Zahl, ganz unabhängig von der eingesäten Bakterien-
menge, zwischen 0 — 50 Stück pro Gesichtsfeld. Meist findet man
sie nur im Randgebiet des Tropfens oder nur in einzelnen Teilen
desselben. Auch bilden sich die Kugeln durchaus nicht nur in
2proz. Lösungen, sondern ebenso auch in 0,75 prozentigen und
in Wasser, unabhängig davon, ob die Bakterien einem Konzen-
trationsunterschied ausgesetzt werden oder nicht. Beträchtliche
Schwankungen ergeben sich auch in bezug auf den Zeitpunkt,
an welchem die Kugeln zuerst sichtbar werden. Fischer be-
obachtete sie meist schon im Verlauf der ersten Stunde nach
Herstellung des Tropfens. Ich konnte sie selten so bald wahr-
nehmen, meist erst bei der zweiten Untersuchung, nach zwei,
drei, oft erst nach vier bis sechs Stunden oder nach einem Tage.
Femer konnte ich den Vorgang des Ausspeiens des Plasmas
— wie anscheinend auch Fischer selbst — niemals beobachten.
Dafs die Kugeln oft den Bakterien anliegen, kann man nicht
als Beweis ansehen dafür, dafs die Kugeln von den Bakterien
ausgestofsen worden sind. Durch die lebhafte Molekular- oder
Eigenbewegung der Bakterien können beide Elemente in Be-
rührung kommen, auch kann sich eine Kugel in nächster Nähe
einer Stelle bilden, wo sich ein Bakterium befindet. Die kugel-
tragenden Bakterien sehen auch ganz gesund aus, unterscheiden
sich nicht von ihren kugelfreien Genossen, zeigen eventuell wie
diese deutliche plasmolytische Schrumpfung und lebhaft zappelnde
Bewegung, wie wenn sie sich abmühten, von dem klebrigen Ding
wieder loszukommen; wiederholt beobachtete ich Keime, welche
mit einer Kugel belastet mit grolser Geschwindigkeit durch das
Gesichtsfeld sausten; man kann sich schwer vorstellen, dafs
Bakterien, welche einen grofsen Teil ihres Protoplasmas verloren
haben, sich noch so lebhaft sollen bewegen können.
Die Färbung der Kugeln mit basischen Anilinfarbstoffen,
welche doch möglich sein müfste, wenn es sich um plasmatische
Substanz handelte, gelang weder Fischer noch mir. Wieder-
AiolüT für 97gtoQ«. 9<1. LIV- S7
410 ^^^^ ^®i ^' bakt. Wirkung d. Blatserams osmotische Vorgänge im Spiele ?
holt gelang es mir, ein Gesichtsfeld mit zahlreichen Kugeln und
Bakterien, welches ich abgezeichnet hatte, nach der Eintrocknung
und Färbung des Tropfens wieder aufzufinden : Die mit Methylen-
blau gefärbten Milzbrandfäden, sowie einige Schmutzpartikel waren
vollzählig und in ihrer Lage fast unverändert erhalten geblieben,
während die Kugeln spurlos verschwunden waren. (Die Fixie-
rung der Deckgläschen war hierbei erreicht worden durch kon-
zentrierte Sublimatlösung, Waschen in Alkohol und Äther.)
Bedeutungsvoller noch ist die Tatsache, dafs sich die Kugeln
nur im hängenden Tropfen, nicht z. B. im Reagensglas bilden.
Schwemmt man im Reagensglas in einer 2proz. Kochsalzlösung
Bakterien auf und entnimmt zu beliebiger Zeit einen Hänge-
tropfen, so kann man bei sofortiger Beobachtung keine Kugeln
entdecken, trotzdem doch die Kochsalzlösung lange genug auf
die Bakterien hat einwirken können; die Kugeln entstehen erst
nach einiger Zeit. Auch Fischer hat dies beobachtet und
er hat auch hier eine Erklärung bereit: Die Bakterien, sagt er,
sinken in der Salzlösung sehr schnell zu Boden und nehmen
hier, dicht beieinander, soviel Salz auf, dafs die am Boden des
Probierröhrchens befindliche Salzlösung einen geringeren Pro-
zentgehalt bekommt, bevor noch die zur Plasmoptyse erforder-
liche Salzmenge in die Bakterien eingedrungen ist. Diese eigen-
tümliche Vorstellung kann man experimentell leicht widerlegen:
man braucht nur die Proben nicht vom Sediment, sondern von
der überstehenden Flüssigkeit, welche in den ersten Stunden
noch viele Bakterien enthält, zu nehmen, oder man kann eine
Sedimentierung verhindern, indem man die Röhrchen im Schüttel-
apparat aufbewahrt. Das Resultat ist immer das gleiche.
Die Plasmoptyse — darüber läfst Fischer keinen Zweifel —
kann sich nur an lebenden Bakterien abspielen. Brachte ich
nun in einen hängenden Tropfen Milzbrandfäden, welche durch
1 stündiges Erhitzen auf 70^ getötet waren, (drei damit besäte
Platten blieben steril), so traten trotzdem die Kugeln auf.
Schliefslich überzeugte ich mich, dafs zur Kugelbildung die
Anwesenheit von Bakterien überhaupt nicht erforderlich ist,
^^ondern dafs die Kugeln auch im bakterien freien Hänge-
Von Dr. Creorg Leuchs. 411
tropfen, bestehend aus Aq. dest., 0,75 proz., 2proz. oder lOproz.
Kochsalzlösung auftreten. War hierdurch erwiesen, dals die
Kugelbildung gänzlich unabhängig ist von den Bakterien, so
zeigte sich andrerseits, dafs sie aufs innigste zusanunenhängt
mit der Beschaffenheit des Deckglases. Benutzte ich
nämlich Deckgläser, welche durch Kochen mit Kaliumbichromat-
Schwefelsäurelösung, Waschen mit Wasser, Alkohol und Äther
gründlich gereinigt und bis zum Gebrauch vor der Berührung
mit verunreinigenden Gegenständen ängstlich behütet worden
waren, so traten die Kugeln nicht auf. Diese Tatsache konsta-
tierte ich an etwa 70 hängenden Tropfen. Die Plasmoptyse-
kugeln haben sonach ihre Entstehung zweifelsohne un-
genügend gereinigten Deckgläsern zu verdanken.
Welcher Art die Stoffe sind, aus welchen sich die Kugeln
bilden, darüber haben weitere Versuche kein sicheres Resultat
ergeben. Die Färbung mit Osmiumsäure oder Sudan III gelang
nicht in dem Grade, dafs man die Kugeln als Fett hätte be-
zeichnen können. Sicher ist, dafs das Vaselin oder das flüssige
Paraffin, welches zum Abschlufs des Deckglases dient, keine
Rolle spielt, denn die Resultate blieben die gleichen, wenn ich das
Deckglas mit Siegellack oder Paraffin von hohem Schmelzpunkt
(40^) abschlols. Wahrscheinlich handelt es sich um Kohlen-
wasserstoffe, welche sich bei der Fabrikation der Deckgläser auf
diesen aus der rauchenden Flamme kondensieren.
Erst einige Zeit nachdem ich diese Untersuchungen ab-
geschlossen und in der Gesellschaft für Morphologie und Physio-
logie in München darüber berichtet hatte, wurde ich darauf auf-
merksam gemacht, dafs Fischer in der zweiten Auflage seines
Lehrbuches »Vorlesungen über Bakterien« (erschienen 1903)
seine Ansichten über die Plasmoptyse modifiziert habe. In
der Tat findet sich in diesem Buche eine Anmerkung folgen-
den Inhalts: ». . . . Besonders wird man eine Beschreibung der
Plasmoptyse an dieser Stelle vermissen. Ich benutze gerne die
Gelegenheit, bereits hier, auf eine später zu veröffentlichende
Arbeit verweisend, hervorzuheben, dafs einige Irrtümer in meiner
27*
412 Bakteriside Wirkang des Blatsemms etc. Von Dr. Georg Lauchs.
früheren Arbeit sich eingeschh'chen haben, die zum Teil auf
einem ungeahnten Einflufs der Deckgläser beruhen c
Fischer hat sich also ohne Zweifel schon selbst davon
überzeugt, dals er durch die Unreinheit seiner Deckgl&ser ge-
täuscht worden ist. Da er es aber, soviel mir bekannt ist, bis-
her unterlassen hat, den Sachverhalt genauer darzulegen, hielt
ich mich für berechtigt, im vorstehenden über das Ergebnis
meiner Untersuchungen zu berichten, auch nachdem mir der
Widerruf Fischers bekannt geworden war.
Für Choleravibrionen will Fischer, wie aus der Darstel-
lung auf S. 48 seines Lehrbuches hervorgeht, die Plasmoptyse
auch jetzt noch retten, wenn er sie auch nicht mehr als osmo-
tische Erscheinung, sondern nur als Degenerationserscheinung
aufgefalst wissen will. Er schreibt: »Zwischen den schlanken
Vibrionen finden sich zahlreiche, genau kugelige Gebilde mit
mattem Inhalt, in dem oft ein glänzendes Körperchen schärfer
hervortritt. Diese Plasmoptysekugeln sind in 1 — 2 Tage alten
Kulturen zum Teil noch gut beweglich und tragen eine Geifsel,
wie der Choleravibrio. Wie die noch schlank gebliebenen Vibrio-
nen sind auch die Kugeln plasmolysierbar, sie haben eine be-
sondere Zell wand und protoplasmatischen Inhalt, c Diese Ge-
bilde, welche Fischer, wieder im Irrtum, jetzt für identisch
erklärt mit den Pfeifferschen Kügelchen, sind natürlich
scharf verschieden von den oben charakterisierten »Plasmoptyse-
kugeln. c Es ist wohl kein Zweifel, dafs diese Kugeln das-
selbe sind wie die Ferr an sehen Körperchen, welche auch
Firtsch in dem Laboratorium von Prof Gruber in Graz bei
Vibrio Proteus gefimden und beschrieben hat. Ob nun diese
Kugeln durch Aufquellung oder Aufblähung des Bakterienleibes
entstehen, oder ob sie, wie Fischer meint, ausgestofsenes Proto-
plasma darstellen, welches alsbald eine neue Zellmembran aus-
scheidet, möge dahingestellt bleiben.
■<JJ—
oliv fOr Hygiene. Bd. LW. Tafelll.
^^w
ARCHIV FÜR HYGIENE
(BEGRÜNDET VON MAX T. PETTENKOPER.)
UNTER MITWIRKUNG
VON
Prof. Dr. O. BOLLINGER, München ; I»rof. Dr. BON HOFF, Marburg a. L. ; Prof. Dp. R. EMMERICH,
München ; Prof. Dr. F. ERI8MANN, Zürich ; Prof. Dr. HELM, Erlangen ; Prof. Dr. F. HUEPPE,
I»rag; I>rof. Dr. KABRnEI., Prag; Prof. Dr. F. KR.VTSCHMER, Wien; Prof. Dr. K. LEHMANN,
Wünsburg; Prof. Dr. A. LODE, Innsbruck; Prof. Dr. L. PFEIFFER, Rostock; Prof. Dr.
W. PRAÜSNITZ, Graz; Prof. Dr. F. RENK, Dresden; Prof. Dr. SCH0TTELIÜ8, Freiburg I. B. ;
<"feneraloberarzt Dr. A. SCHUSTER, München; Prof Dr. WERNICKE, Posen.
HERAUSGEGEBEN
VON
J. FOBSTEB, M. QBUBEB, FB. HOFMAM, M. BUBNEB,
0. ö. PR0PC880RIN DIR HTOIRMB UND DIREKTORIN DIR HTOIBNISCBIN INSTITUT! AN DIN UNlTIRfllTlTBN ZO
STRASSBURa MÜNCHEN LEIPZIG BBRUN.
Mit 7 Abbildungen und 1 TafeL
MÜNCHEN UND BERLIN.
DRUCK UND VERTAG VON R OLDENBOURG.
1006.
• s
"^ I . . 0
Inhalt.
Seite
Experimentelle Stadien über die Durchgängigkeit der Wandungen des
Magendarm kanales neugeborener Tiere für Bakterien und genuine
Eiweifsstoffe. Von Dr. Albert Uffenheimer, Kinderarzt in
München. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität
München. Direktor: Obermedizinahat Prof. Dr. Gruber.) (Mit
Tafel 1) 1
Reagentien und Versuchsmethoden zum Studium der proteolytischen
und gelatinolytischen Enzyme. Von Prof. Claudio F e r m i. (Hygie-
nisches Institut der Kgl. Universität Sassari [Sardinien]) .... 140
Über die Feuchtigkeit verschiedener Mauerarten. Experimentelle Unter-
suchungen von Ing. Riccardo B i a n c h i n i. (Hygienisches Institut
der Kgl. Universität Turin. Direktor: Prof. Dr. L. Pagliani) . 206
Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile
tierischer Herkunft. Von Max Rubner 225
Über den Mäusetyphusbazillus und seine Verwandten. Von Dr. Richard
Trommsdorff, Assistenten des Institutes. (Aus dem Hygieni-
schen Institute der Universität München) 279
Die Tageskurve der Wasserdampfabgabe des Menschen. Von Prof.
Dr. med. H. Wolpert, Oberassistenten am Institut, und Dr. med.
F. Peters, früherem Assistenten am Institut. (Aus dem Hygieni-
schen Institut der Universität Berlin) 299
Über die Nachwirkung körperlicher Arbeit auf die Wasserdampf-
abgabe beim Menschen. Von Prof. Dr. med. H. Wolpert, Ober-
assistenten am Institut, und Dr. med. F. Peters, früherem
Assistenten am Institut. (Aus dem Hygienischen Institut der Uni-
versität BerUn) 309
Organeiweifs und Nahrungseiweifs. Von Dr. Ulrich Friedemaun,
Assistenten am Institut. (Aus dem Hygienischen Institut der Uni-
versität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rubner) . . 323
IV Inhalt.
Seite
Nene biologische Beziehungen zwischen Koli- und Typhusbakterien.
Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Aggressin. Von Dr. Gottlieb
Salus. (Aus dem Hygienischen Institut der deutschen Universität
in Prag. Vorstand: Prof. F. Hueppe) 335
Über die Fällungen von Eiweifs durch andere Kolloide und ihre
Beziehungen zu den ImmunkOrperreaktionen. Von Dr. Ulrich
Friedemann, Assistent am Hygienischen Institut der Uni-
versität Berlin. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität
Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner) . . . 361
Der Einflufs der Verankerung des lytischen Ambozeptors auf die Zelle.
(Bemerkung zu der von Leuchs in diesem Archiv, Bd. 54, Heft 4,
erschienenen Arbeit »Sind bei der bakteriziden Wirkung des Blut-
serums osmotische Vorgänge im Spiel?«) Von Privatdozent Dr.
E Friedberger, I. Assistenten am Institut. (Aus dem Kgl.
Hygienischen Institut der Universität Königsberg i. P. Direktor:
Prof. R. Pfeiffer) 390
Zusatz zu der vorstehenden Bemerkung Dr. Friedbergers. Von
Prof. Max Gruber 392
THE NEW \..
PUBLIC UßRÄiV.
TIL08N raUNOMkUOIIS.
Experimentelle Studien über die Durchgängigkeit der
Wandungen des Magendannkanales neugeborener Tiere
für Bakterien und genuine Eiweifsstoffe.
Von
Dr. Albert Uffenheimer,
Rinderarxt in .>ffinchen.
(AuH dem Hy^eniHchen Institut der Universität München. Direktor:
Obermedizinalrat Prof. Dr. Grub er.)
(Mit Tafel I.)
> Manuskript abgeschlossen Ende Juni 1900. <
Am 25. September 1903 hielt E. v. Behring auf der
75. Versammlung von Naturforschern und Ärzten in Kassel
einen Vortrag über iTuberkulosebekämpfungc Ausgehend
von seinen Experimenten der Immunisierung des Rindes gegen
die Tuberkulose kam er nach einer Reihe von Überlegungen,
speziell pathologisch-anatomischer und tiermedizinischer Art, dazu,
zu leugnen, dafs die Gelegenheit zur Infektion mit Tuberkel-
bazillen (wie sie in der Natur vorhanden ist) für erwachsene
Menschen allein für sich einen entscheidenden Faktor reprä-
sentiere für die Entstehung der Lungenschwindsucht. Er gestand
vielmehr ein Vorkommen tuberkulöser Lungenerkrankungen mit
schliefslichem Ausgang in Schwindsucht durch Infektionen er-
wachsener Menschen nur in dem Sinne zu, »dafs auf der
Grundlage infantiler Infektion eine Lungenschwind-
sucht durch die additionellen Infektionen erst zum
Ausbruch« gelange. Seine Meinung, wie diese infantile An-
steckung zustande komme, präzisierte er in dem überraschenden
Satz: »Die Säuglingsmilch ist die Hauptquelle für
die Schwindsuchtsentstehungc.
V. Behring ging dabei aus von den Befunden seines Mit-
arbeiters Römer, >dafs genuine Eiweifskörper die Intestinal-
schleimhaut neugeborener Fohlen, Kälber und kleinerer Laborap
Archiv för Hyiriene. Bd. LV. 1
2 Ezperim. Studien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
toriumstiere ebenso unverändert durchdringen und ebensolche
Wirkungen auf den Gesamtorganismus ausüben, wie wenn man
sie direkt in die Blutbahn hineinbringt, während erwachsene
Individuen aller Tierarten die genuinen Eiweifskörper erst ver-
dauen und in sog. Peptone umwandeln müssen, ehe sie die
Intestinalschleimhaut passieren können c
»Das Diphtherieheilserum und das Tetanusheilserum ent-
halten Heilkörper in Gestalt von genuinem Eiweils. Davon geht
nun keine Spur nach stomachaler Einverleibung in das Blut von
gesunden erwachsenen Tieren und Menschen über; bei Neu-
geborenen dagegen kann man nach stomachaler Einverleibung
fast quantitativ das unveränderte antitoxische Eiweifs experi-
mentell im Blute nachweisen. Diese Entdeckung besagt, dafs
die gröfsten Moleküle, welche wir kennen, die genuinen Eiweifs-
moleküle, durch die bei Erwachsenen als dialysierende Membranen
fungierenden Schleimhäute nicht unverändert hindurchgehen
können, während die Schleimhäute des Säuglings sich ihnen
gegenüber verhalten wie ein grofsporiges Filter, c
V. Behri ng dehnte konsequenterweise seine Nachforschungen
auch auf das Verhalten der Bakterien gegenüber dem Darm-
kanale des Säuglings aus und benutzte zu seinen Versuchen
Milzbrand- und Tuberkelbazillen.
Es wird in den folgenden Teilen genau einzugehen sein auf
die Einzelheiten dieser Untersuchungen, soweit die Protokolle
darüber bis heute vorliegen, hier seien nur kurz die Resultate
wiedergegeben, wie sie v. Behring in Kassel referierte.
Meerschweine im Alter bis zu 8 Tagen starben bei Fütterung
mit virulenten sporenfreien Milzbrandbazillen (mit Milch gegeben)
»ebenso schnell an Milzbrand, wie nach der sonst üblichen
Infektionsmethode € .
Nach Verfütterung abgeschwächter Milzbrandbazillen an neu-
geborene Meerschweine »wurde das Blut bazillenhaltig gefunden,
ohne dafs die Versuchstiere hinterher an Milzbrand zugrunde
gingen €. Bei der einmaligen Verfütterung von Tuberkelbazillen
in sehr geringer Menge zeigte es sich, dafs die neugeborenen
oder wenige Tage alten Tiere tuberkulös wurden. »Gab man
%
Von Dr» Albert Uffenbeimcr. 3
gröfsere Dosen, dann kam es vor, dals auch ältere Tiere tuberkulös
wurden. Bei neugeborenen Tieren fanden wir wenige Tage
später als Sektionsbefund submiliare Verdickungen im kleinen
und grofsen Netz mit Tuberkelbazilleu, sowie kleine Knötchen
an einer dem Blinddarm nahegelegeneu Stelle der Mesenterial-
Wurzel. Von besonderem Interesse ist der Entwicklungsgang der
alimentären Meerschweintuberkulose bei den am Leben gelassenen
Tieren. Immer kann man bei den mit positivem Erfolge ge-
fütterten Tieren, während ihr Allgemeinbefinden noch durchaus
normal ist, zuerst Halsdrüsentuberkulose feststellen, ein Erkran-
kungsmodus, welcher der menschlichen Skrofulöse am meisten
entsprechen dürfte. Später entwickelt sich nicht selten dasjenige
Bild der Meerschweintuberkulose, welches man bisher als den
Ausdruck einer Inhalationstuberkulose aufgefafst hat.c
lieh sehe in diesen Versuchsergebnissen eine experimentelle
Bestätigung meiner schon früher vertretenen Auffassung von der
Entstehung auch der epidemiologischen Lungentuberkulose des
Menschen und der epizootischen Lungentuberkulose des Rindes
durch primär-intestinale Infektion und zwar durch eine intestinale
Infektion in sehr jugendlichem Lebensalter, wobei ich unent-
schieden lasse, ob die intestinale Infektion durch Fütterung oder
durch Einatmung zustande kommt, c
V. Behring zog aus seinen experimentellen Feststellungen
noch die logische Konsequenz, dafs auch alle Milchbakterien die
Möglichkeit des Übergangs in die Blutbahn haben, und dafs die
zufällige Anwesenheit krankmachender Bakterien in der Säuglings-
milch eine verderbliche Wirkung auf den jugendlichen Kindes-
körper ausübe. Selbstverständlich suchte der Forscher auch nach
dem zwingenden Grund für diesen fundamentalen Unterschied
zwischen der Durchlässigkeit der intestinalen Schleimhäute im
jugendlichen und im späteren Alter und er konnte noch in
diesem Vortrage angeben, dafs neugeborene Individuen keine zu-
sammenhängende Epitheldecke auf ihren Schleimhäuten besitzen,
und dafs ihre fermentabsondernden Drüsenschläuche noch wenig
oder gar nicht entwickelt sind. Dies sind die Hauptgrundlagen
der neuen Lehre.
^ Ezperim. Studien über die Durch gängigkeit des Magendarmkanales etc.
Alsbald nach dem Kongrefs erhoben sich zahlreiche Stimmen,
die den Behringschen Anschauungen in mehr oder minder
scharfer Weise widersprachen. Glänzende Namen, wie Flügge,
Orth, Albrecht, B. Fränkel, A. Baginsky hielten es für
ihre Pflicht, einer grofsen Reihe von Ableitungen und Theorien
des Kasseler Vortrages und weiterer ergänzender Veröffent-
lichungen zu widersprechen. Aber ein Punkt war es, gegen
den sich bis zum Beginn meiner Arbeit nicht ein
Wort des Widerspruchs erhob, die behauptete Durch-
lässigkeit des Intestinaltraktes Neugeborener für
Bakterien und genuine Eiweifse.
Gerade hier jedoch mufste nach meiner Meinung eine genaue
experimentelle Prüfung erweisen, inwieweit die Behringsche Be-
hauptung generelle Bedeutung habe.
Bei diesem Punkt also setzt meine Arbeit ein. Das Ein-
gehen auf andere Details der Behringschen Veröffentlichungen,
so interessant es gerade für den Kliniker wäre, mufs ich mir an
dieser Stelle versagen, doch hoffe ich später noch Gelegenheit
zu finden, unter Benutzung meiner experimentellen Resultate das
gesamte Thema von einer höheren Warte aus zu betrachten. —
Die Möglichkeit, dafs sich der Magendarmkanal Neugeborener
anders verhält wie der Erwachsener, kann man nicht ablehnen,
weil gewisse Verschiedenheiten in den sekretorischen Funktionen
unzweifelhaft sind.
In bezug auf die Desinfektion des Inhalts ist nämlich
der Kinderniagen — wie wir durch Biedert wissen — wenig
leistungsfähig; nur die leicht verdauliche Muttermilch läfst in
gehörigen Zwischenräumen die bakterienfeindliche freie Salzsäure
aufkommen ; bei Kuhmilchnahrung bleibt diese unter Kasein und
Salzen gewöhnlich unterdrückt.
Aus der Langer mann sehen Arbeit über den gleichen
Gegenstand geht hervor, dafs das mehr oder minder starke Her-
vortreten von freier Salzsäure ganz allein die Höhe der Kolouien-
zahl des Mageninhaltes beoinflufst. Auch Hamburger fand
dementsi)rechend, dafs beim Vorhandensein von freier Salzsäure
im Mageninhalt keine Mikroben vorkommen. Ähnliche Ergebnisse
Von Dr. Albert Üffenbeimer. '
lernen wir für verschiedene Altersstufen aus Arbeiten von
Kijanowsky und Seiffert kennen. Die Keimfreiheit der von
Nahrungsbrei oder Fäces nicht berührten Darmschleimhaut
konnte Kohlbrugge nachweisen; für den leeren Dünndarm
hat erst kürzlich J und eil das Gleiche gefunden. Bei künstlich
ernährten Kindern traf Langermann nie freie Säure,
da der kindliche Magen an und für sich schon weniger HCl
sezerniert als der des Erwachsenen (van Puteren). Hierzu
kommt noch und nicht in letzter Linie die HCl bindende Kraft
des Kaseins und der Milchsalze (Leo und Es cherich, Heubner,
Müller). Besonders wichtig erscheint mir der Müll ersehe
Nachweis, dafs die Kuhmilch ca. dreimal soviel Salzsäure zu
binden imst^inde ist wie die Frauenmilch. Das sind also Ver-
hältnisse, die an eine mögliche Erleichterung, speziell des Bakterien-
übertritts aus dem kindlichen Magen in die Blutbahn denken
lassen müssen, und die bei der Feststellung der Versuchsan-
orduungen Berücksichtigung verdienen.
Ich habe die folgenden Untersuchungen am hygienischen
Institut der Universität München von November 1903 ab bis zum
Juni 1905 vorgenommen.
Die Versuche wurden zum gröfsten Teile an neugeborenen
Meerschweinchen angestellt. Einerseits waren die Experimente
so zahlreich und nach so verschiedenen Richtungen hin aus-
gedehnt, dafs nicht gut mehr als eine Tierart zur Verwendung
kommen konnte, anderseits liefsen äufsere Bedingungen (Stall-
Verhältnisse, relative Leichtigkeit genügend viel neugeborene
Meerschweinchen zu erhalten) im grofsen Ganzen eine Be-
schränkung der Arbeiten auf das Meerschweinchen für geraten
erscheinen. Schliefslich ergab sich aber doch die Notwendigkeit,
vergleichende Experimente an Kaninchen anzustellen. Einige
wenige Untersuchungen konnten auch am Menschen vor-
genommen werden.
Die Versuche gliedern sich naturgemäfs in solche der Ver-
fütterung von Bakterien und von genuinen Eiweifs-
körpern. An Bakterien habe ich den Mikrokokkus tetra-
genus zu einer Reihe von Vorversuchen verwendet, um dann,
g Experim. Stadien über die Durchgftogigkeit des Magendarmkanales etc.
gleich y. Behring, ausgedehnte Experimente mit dem Milz-
brand- und Tuberkelbazillus anzustellen. Sehr interessante
Wahrnehmungen konnte ich zuletzt noch bei der Verfütterung des
Bazillus prodigiosus machen. Von genuinen Eiwei&körpem
wurde eine gröfsere Anzahl zur Anwendung gezogen. Die
y. Behringsche Behauptung yon der Durchlässigkeit der Magen-
darmwand des Neugeborenen für dieselben stützt sich nur auf die
Rom ersehen Versuche mit Antitoxinen, die ja wahrscheinlich
an natiyes Eiweifs gebunden sind, vielleicht aber — sie rein dar-
zustellen ist sicher noch nicht gelungen — auch ohne solches
ihre Wirkungen entfalten können. Es galt also Eiweifskörper mit
heranzuziehen, die wir besser kennen. Als solche waren das
Kuhkasein und das Hühnereier-Ei weifs am geeignetsten.
Weiter habe ich noch Experimente angestellt mit einem hämo-
lytischen Serum, und yon Antitoxinen habe ich das der
Diphtherie und des Tetanus verwendet. Es lag nahe, auch
einige Versuche mit Toxinen vorzunehmen. Diese werden in
einem kurzen Anbange Berücksichtigung finden.
Nach den Behringschen Angaben von dem Fehlen einer
zusammenhängenden Epithelschicbt auf den Schleimhäuten des
Intestinums schienen auch anatomische (histologische) Unter-
suchungen in gröfserer Menge erforderlich. Ein besonderes
Augenmerk mufste hierbei auf den etwa mikroskopisch nachweis-
baren Übergang der Bakterien durch die Schleimhäute gerichtet
werden. Auch hierüber will ich in einem zweiten Anhang in
Kürze referieren.
Sämtliche Versuche sollten eine möglichst einfache Anordnung
haben, welche die im Leben vorhandenen Bedingungen, so weit
es anging, nachahmte.
Ganz besonders kam es bei jeder Art von Fütterung
darauf an, Verletzungen der Schleimhäute sicher zu ver-
meiden. Alle Experimente mufsten untereinander die gröfste
Übereinstimmung zeigen, um gut verglichen werden zu können.
Von Dr. Albert Uffenheimer. 7
Die Fütterungen mit flüssigen Medien wurden unter Zuhilfe-
nahme von Pipetten^) vorgenommen. Mit diesen gelingt es leicht,
die notwendigen Mengen zu verabreichen. Man nimmt die kleinen
Tierchen auf die hohle Hand, legt sie auf den Rücken und
schiebt (ohne dafs irgendeine Art von Knebel oder Mundsperre
verwendet zu werden braucht, wobei Verletzungen sich nicht
vermeiden lassen), das spitzige Ende der Pipette seitlich zwischen
die Zahnreihen. Hierauf läfst man das zu verfütternde Medium
tropfenweise dem Tier auf die Zunge fliefsen und wartet mit dem
neuen Tropfen, bis der letzte geschluckt ist^). Manchmal ist das
keine geringe Geduldprobe, speziell bei den Heilseris, deren Ein-
gabe die Tiere wegen des Carbolgeschmackes widerstreben. Es gibt
allerlei kleine Hilfsmittel, um das Hinunterschlucken zu befördern,
z. B. ein leichtes Hinabziehen des Unterkiefers von aufsen, ähn-
lich dem bei Narkosen üblichen englischen Handgriff usw.
Bei der notwendigen Übung und Geduld gelingt es
auf diese Weise, jegliches flüssige Medium quanti-
tativ zu verfüttern.
Für die Bakterien-Fütterungen fertigte ich mir eine Glas-
Öse an, die dem von Metschnikoff in seiner Arbeit >Recherches
sur le cholära et les vibrionsc beschriebenen Instrument ähnelte.
Es gelang mit dieser Ose leicht, den Milzbrandbazillen brei oder
die Tuberkelbazillenhäute den Tieren ohne jede Verletzung (seit^
lieh durch die Zahnreihen hindurch) in die Mundhöhle ein-
zuführen.
Jedenfalls scheint mir die von mir angewandte Methodik
besser, als wenn man Milch als Vehikel benutzt. Gegen die Ver-
fütterung mit Kuhmilch ist ganz besonders in Betracht zu
ziehen, dafs dieselbe ungefähr dreimal so viel Salzsäure bindet
wie beispielsweise Frauenmilch, es wird damit also dem Magen
1) Zu den ersten Fütterungen mit hämolytischem Serum und mit
Tnberkelbazillen dienten gewöhnliche kalibrierte Pipetten, alle Übrigen wurden
mit solchen von 2 ccm Inhalt, die an ihrem Ende einen derben Gummi-
ball trugen, vorgenommen.
2) Mehr als 2 ccm Flüssigkeit auf einmal zu geben, ist nicht rfttlich.
Der Magen eines 70 g schweren neugeborenen Meerschweinchens fauste —
wie ich mich durch Wägung überzeugte — 2,19 g Wasser.
^ Experim. Studien Qber die Durchgängigkeit des Magendariukanales etc.
ein gut Teil seines Denaturierungsvermogens genommen. Wes-
halb ich bei den Bakterien dazu gekommen bin, dieselben trocken
zu verabreichen, wird an späterer Stelle ausgeführt werden^).
Den Einwand, dafs die nicht in Flüssigkeiten aufgeschwemmten
Mikroben viel weniger Möglichkeit haben, mit der Magendarm-
wand in direkte Berührung zu treten und durch dieselbe durch-
zudringen, kann ich auf Grund von Beobachtungen mit dem
B. prodigiosus widerlegen. Es zeigte sich nämlich, wenn eine
Stunde nach der Fütterung die Sektion vorgenommen wurde,
gerade an den äufseren, der Schleimhaut naheliegenden Teilen
des Magens der Speisebrei rosarot gefärbt (zumeist bedeutend
stärker als in der Mitte), und die Untersuchung eben dieser Teile
ergab eine Unmasse von Prodigiosuskeimen. —
Über die Vorversuche der Verfütterung von Mikrokokkus
tetragenus gehe ich schnell hinweg, da sie mir in der Haupt-
sache nur zur Feststellung der geeigneten Fütterungs- und Unter-
suchungstechnik dienten. Der Tetragenus selbst war für das
Meerschweinchen wenig virulent, so dafs ein spontaner Tod der
Tiere überhaupt nicht zu erwarten war. V^on den 5 genau unter-
suchten Tieren konnte bei keinem in irgendeinem Organ noch
Mikrokokkus tetragenus aufgefunden werden.
Versuche mit dem Milzbrandbaztllus.
Über seine mit Much ausgeführten Milzbrandexperimente
gibt von Behring im 8. Heft seiner Beiträge Näheres an.
Darnach hat er abgewogene Mengen junger sporenfreier Agar-
kulturen, in gekochter Milch suspendiert, mittels einer Pipette an
die kleinen Tiere verfüttert. Während ausgewachsene Meer-
schweinchen die Fütterung mit solchen sporenfreien Milzbrand-
bazillen, welche für sie nach subkutaner Impfung sicher tödtlich
sind, ohne Schaden vertrugen, starben ganz junge Meerschwein-
chen, auf die gleiche Art gefüttert, an Milzbrand wie nach sub-
kutaner Injektion. Fünf Experimente führte von Behring des
Genaueren an. Es sei erlaubt, das Wichtigste von ihnen wieder-
1) Beim Kapitel »Taberkelbazillen«.
Von Dr. Albert Uffenheimer.
zugeben, denn sie müssen als Vergleichspunkte für meine eigenen
Versuche dienen. Die ersten vier sind mit einem Milzbrand-
bazillus angestellt, der für Meerschweinchen avirulent war.
Nr. 1 und 2 waren neugeborene l^ere, mit je 0,1 g einer
eintägigen Axb.^)-Agarkultur gefüttert. Bei Nr. 1 fanden sich
eine Stunde nach der Fütterung aufser im Darmkanal keine Axb
in den Organen. Bei Nr. 2 waren in der Magenschleimhaut und
zwar in der obersten Schicht, spärlich Axb. »Die inneren Organe
liefsen bei mikroskopischer Untei*suchung und bei der üblichen
kulturellen Untersuchung von kleinen Impfproben keine Bazillen
erkennen. Dagegen gingen aus 1,5 ccm Blut, die wir auf Agar
in einer Petri-Schale ausgössen, mehrere Axb-Kolonien an und
aus einem anderen Teil des in einem Bouillon-Reagenzglas auf-
gefangenen Blutes kam es gleichfalls zum Wachstum einer typischen
Milzbrandkultur. Die mikroskopische Untersuchung des frisch
aufgefangenen Blutes und die Überimpfung einer Platinöse voll
Blut auf Agar hatte ein negatives Ergebnis, c
Bei Nr. 3 wurden durch das Plattenkulturverfahren 6 Keime
pro 1 ccm Blut nachgewiesen. >Bei diesem Meerschweinchen
gelang auch der Axb-Nachweis für ein in der Nähe des Blind-
darms gelegenes Lymphknötchen in der Radix mesenterii.€
Nr. 4. » Von einem 8 Stunden alten Meerschweinchen wurde
20 Stunden nach der Fütterung 1 ccm Blut an der Art. femoralis
entleert und nach Zusatz von etwas Bouillon auf Petri-Schalen
ausgegossen. Es ging darnach nur 1 Axb-Kolonie an. 24 Stun-
den später wurde etwas Blut aus der Vena jugularis entnommen ;
in dieser Blutprobe konnten wir wieder mikroskopisch Axb nach-
weisen. 6 Stunden nach der zweiten Blutentnahme ging das
Tier (an Erschöpfung?) zugrunde. Wir konnten nach der Sektion
weder im Tubus alimentarius, noch im Blut und in den Organen
Axb auffinden, c
V. Behring glaubt darnach, dafs avirulente Milzbrand-
bazillen normalerweise die Wandung des Tubus alimentarius
durchdringen und in die Blutbahn gelangen können. Als Piä-
1) Die Abkürzung >Axb< = Anthrazbazillus übernehme ich ^von
Behring.
1 9
' ^ Experim. Studien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
vorher mit 10 ccm einer 5proz. Sodalösung neutralisiert war.
Verfütterte Axb Menge zwischen 0,0f) und 0,07 g. Die alten
Tiere blieben ebenfalls völlig gesund.
2. Reihe. 4. U. 1904.
Kontrolltier zwischen 30. und 45. Stunde nach der Impfung ge-
storben. Obduktion: Typischer Milzbrand. In Herzblut und Leber mafsige
Axb-Mengen, in Milz aufserordentlich reichliche Azl>Exemplare.
Die gefütterten Meerschweinchen waren iVa Tage alt, die 17 stündige
Kultur war sporenfrei.
5. Junges Y I, erhält 0,075 g Axb per os.
G. Junges Y II, erhält 0,052 g Axb per os.
Beide Tiere bleiben völlig gesund.
Drei gleichzeitig mit bedeutend höheren Axb-Mengen (0,1 bis
0,23 g) behandelte alte Meerschweinehen, z. T. wieder mit durch
Soda neutralisiertem Magensaft, blieben ebenfalls gesund.
In dem einem gefütterten Tier nach 3 Tagen entnommeneu
Kot gelaug es weder mikroskopisch noch durch Kultur oder
Tierversuch mehr, Axb nachzuweisen.
3. Reihe. 12. IL 1904.
Seit der zweiten Meerschweinchen passuge bildete der AxV) aufserordent-
lieh schnell (in 15 16 Stunden) reichliche freie Sporen. Schliefslich wunle
eine 6 Stunden alte Kultur völlig s porenfrei befunden.
Das Kontrolltier starb in weniger als 2 Tagen an typischem Milz-
brand.
7. Junges TI, 3 Tage alt, 125 g schwer, erhält stomachal 0,037 g Axb
einverleibt.
Das Tier bleibt völlig gesund.
In dem 17^2 Stunden nach der Fütterung abge-
drückten Kot liefsen sich weder mikroskopisch, noch
durch Kultur (Bouillon, Agar, Gelatine), noch auch
durch den Tierversuch Axb nachweisen.
4. Reihe. 17. H. 1004.
Die benutzte Agarkultur war spuren frei. Das geimpfte Kontroll -
tier ging nach 2 mal 24 Stunden an Milzbrand ein. Ein weiteres Kontroll-
tier, mit einer an der Platinspitze kaum mehr sichtbaren Axb-Menge infiziert,
starb nach 3 mal 24 Stunden an Milzbrand. Die Jungen waren bei der
Fütterung 2—3 Tage alt und 90 g schwer.
8. Junges al, erhält mittels Glasöse 0,045 g Axb.
Von Dr. Albert üffenheimer.
13
9. Junges a II erhält per ob 0,0725 g Azb.
Beide Tiere bleiben völlig gesund.
Sofort nach der Fütterung werden die beiden Tierchen in ein leeres
Glasgefäfs gebracht, wo 6 Stunden lang ihr Kot aufgefangen wird. Von
diesem werden 5 — 6 Ballen mit 1 ccm steriler physiologischer Kochsalzlösung
verrieben. Die hiervon angefertigten Präparate zeigen zahl-
reiche Stäbchen, die wie Axb aussehen. Ein Teil dieser Stäbchen
erweist sich als sporenhaltig (wobei die Frage o£fen gelassen werden kann,
ob die Sporen erst nach dem Gelangen des Kots an die Aufsenwelt sich
gebildet haben). Auf den verschiedensten Kulturmedien gehen reichlich
Milzbrandbazillen auf. Es werden mit der Kotverreibung eine Anzahl Agar-
platten hintereinander beschickt. Auf der vierten Platte wachsen überhaupt
nur Axb.
Einem älteren Meerschweinchen werden 5 Kotballen in eine Hauttasche
über dem Genitale gebracht. Das Tier wird am 9. Tag darnach tot auf-
gefunden. Die Obduktion ergibt ödem an den Inguinalbeugen, grofse Milz.
Im Herzblut wenig, in Leber mäfsig viel, in Milz aufiserordentlich viel Azb.
Kulturen aus den verschiedenen Organen zeigen Azb in Reinkultur.
Es ist also festgestellt, dafs der Milzbrandbazillus
aufserordentlich schnell den Intestinaltraktus wieder
verlälst. In dem in den ersten 6 Stunden nach der Füt-
terung entleerten Kot waren Axb in grofser Anzahl vor-
handen. Dagegen waren schon 17^2 Stunden nach der
V^erabreichung reichlicher Mengen auf keine Weise mehr
auch nur vereinzelte Exemplare zu finden.*) Durch das
Passieren des Darmes, vor allem des Magens, war der
Milzbrandbazillus seiner pathogenen Kraft nicht be-
raubt worden.^) Die Verlängerung der Frist bis zum Tode bei
dem geimpften Meerschweinchen ist wahrscheinlich nicht zu er-
klären aus einer Abschwächung der Pathogenität, sondern aus
der Schwierigkeit der Bazillen, aus dem umhüllenden Kot in die
Blutbahn zu gelangen.
1) Aus späteren Versuchen geht hervor, dafs im Magen und Darm sich
auch in der zweiten Hälfte des zweiten Tages nach der Fütterung noch
einzelne Azb nachweisen lassen.
2) Wenn die an erwachsenen Meerschweinchen erhaltenen
Resultate von Falck richtig sind, dafs der Magensaft die freien Axb tötet
und nur einen Teil der freien Sporen unversehrt läfst, so würde sich also
auch hieraus ein Unterschied zwischen der desinfizierenden Tätigkeit des
Magens neugeborener und erwachsener Meerschweinchen ergeben.
^^ Ezperim. Studien über die Durcbgängigkeit des Magendarmkanales etc.
5. Reihe. 26. IL 1004.
Dies ist der einzige Fütterungsversucb, wo aus augenblick-
lichem Mangel kein Meerschweinchen als Kontrolltier verwendet
wurde. Die geimpfte Maus starb erst nach 4 Tagen ; die benutzte
Kultur hatte also aus einem unkontrollierbaren Grund an Virulenz
abgenommen. Durch Züchtung aus dem Tierkörper war eine
starke Virulenzsteigerung wieder möglich, es wurden aber doch
die weiteren Experimente mit einem neuen Axb-Stamm vorgenom-
men. Der Vollständigkeit halber führe ich den Versuch hier an :
10. Junges ylf 105 g schwer, wenige Stunden alt, erhält stoinachai
0,019g sporenhaltiger Axb beigebracht. £s bleibt völlig gesund.
II. Versuche mit dem Wiener Axb-Stamm.
Dieser Stamm tötete zu Beginn der Versuche eine Maus
in 10 — 20 Stunden (über Nacht), ein Meerschweinchen in unge-
fähr einem Tag.
6. Reihe. 24. V. 1904.
Kultur 6 Stunden alt, völlig sporenfrei. Todeszeit des Kontroll-
tieres nicbt genau festzustellen, da es nacb etwas über 2 Tagen in stark
fauligem Zustand aufgefunden wird. Mikroskopiscbe und kulturelle Unter-
sucbung ergibt in Milz, Leber, Herzblut Axb und Bac. aerogenes.
Alter der gefütterten Tiere 24 Stunden.
11. Junges p I, 90 g schwer, erhält 0,333 g Axb per 08, also eine ganz
aufserordentlicbe Menge.
Nun wollte ich es mir nicht daran genügen lassen, einfach
zu beobachten, ob die Tiere sterben oder nicht, sondern in diesem
und dem folgenden Fall verfolgte ich die Absicht, kurze Zeit
nach der Fütterung, im Blut und in den Organen nachzusehen,
ob sich dort nicht einzelne Axb durch genaue bakteriologische
Untersuchung nachweisen liefsen. Hierbei war vor allem eine
Gefahr zu vermeiden, dafs nämlich die herauszunehmenden Or-
gane resp. die anzulegenden Kulturen durch Milzbrandbazillen,
die aus dem Kote stammten und mit diesem an den Körper-
haaren klebten, verunreinigt würden. Ich wandte deshalb die
im folgenden beschriebene Technik an : das auf das Operations-
brett aufgespannte Tier wurde so tief narkotisiert, dafs jegliche
Von Dr. Albert Uffenheimer. |5
Schmerzempfindung sicher geschwunden war.^) Dann wurde es
an Bauch-, Brust- und Halshaut rasiert, hierauf mit Seife, Alko-
hol, Äther und Sublimatalkohol sorgfältig desinfiziert. Nun wurde
die Brusthaut nach beiden Seiten hin abpräpariert und (mit immer
neuen Instrumenten) die Brusthöhle durch Abtragung der gesam-
ten vorderen Brustwand breit eröffnet. Der Herzbeutel wurde
aufgeschnitten und nun mit einer gutschliefsenden Pravazspritze
Blut direkt aus dem Herzen angesaugt. Wenn hierdurch keine
genügende Menge erhalten werden konnte, so war auch nach
dem Anschneiden des Herzens in die Brusthöhle ausgeflossenes
Blut leicht aufzusaugen und zur Untersuchung benutzbar.
Nach der Blutentnahme völlige Tötung des Tieres und nun,
unter stetigem Wechseln der Instrumente, Obduktion unter allen
Kautelen.
Im vorliegenden Fall, wo Blutentnahme und Obduktion nach
17^/4 Stunden vorgenommen wurden, waren Organ Veränderungen
nicht nachweisbar.
AusBtrichpräparate vom Mageninhalt ergaben: Charakte-
ristische Axb in geringer Anzahl (viele Gesichtsfelder frei), meist mehrere
Exemplare beisammen. Im Prozessus-Inhalt fanden sich noch ziem-
lich viele Axb, auch zumeist zu mehreren Exemplaren beisammenliegeud.
Quetschpräparate von MesenterialdrQse, Milz und Leber (mit dem
Pistill angefertigt) zeigten keine Axb.
Bouillonkulturen von den im Mörser zerquetschten Prozessus-
drüsen, von Milz, von Leber, sowie die von ihnen nach 3 Tagen gegossenen
Agarplatten ergaben keine Milzbrandbazilien.
3/4 ccm des aus dem Herzen gewonnenen Blutes wurden
mit gleich viel Bouillon vermischt, später wurde mit dieser ganzen Flüssig-
keit eine Agarplatte gegossen: sie blieb steril.
Agarplatten, direkt angelegt von Leberund Milz, zeigten eben-
falls völliges Freisein von Axb.
Platten, angelegt aus Magen- und Cöcalinhalt, ergaben zahlreiche resp.
mäfsig viele Axb-Kolonien.
Während also im Magen und Darm sowohl mikro-
skopisch wie kulturell noch Milzbrandbazillen sich
1) Der Versuch war mir sehr unangenehm. Indes fehlte dem Tier
sicher jede Empfindung, und es wurde sofort nach der Blutentnahme zu
Tode narkotisiert. Auf andere Weise war eine zweifelsfreie reichliche Blut-
entnahme nicht zu bewerkstelligen.
I /• Experim. Studien über die Durchgängigkeit des MagendarmkanaleB etc.
fanden, konnten im Blut, den inneren Organen und
Darmdrüsen bei reich lieh verarbeitete mMaterial keine
solchen nachgewiesen werden.
Ich versuchte nun, ob vielleicht ein Durchtreten oder Durch-
wachsen der Bazillen durch die Magen wand — wie von Behring
es beschreibt — durch histologische Untersuchung sich zeigen
lasse. Ein grofser Teil des Magens wurde in Serienschnitte
zerlegt.
Es konnte aber nirgends ein Durchtritt der Axb
beobachtet werden.
12. Junges n I, 100 g schwer, erhält per es 0,022 g Axb. Nach
4IV4 Stunden wird es auf dieselbe Weise getötet wie pl, die Organe werden
auf die gleiche Art verarbeitet.
Ausstrichpräparate aus dem Mageninhalt: Keine sichern Axb
Ausstrichpräparate aus dem Prozessusinhalt: Wenige
Exemplare von Axb.
Quetschpräparate aus Milz, Leber und Mesenterialdrüse:
Keine Axb.
Bouillonkuliuren von Prozessusdrüse (die ganze Drüse verarbeitet )
Leber {*!^ des ganzen Organs verwendet) und Milz (das halbe Organ ver-
wendet) zeigen bei tagelanger Beobachtung kein Wachstum von Axb, eben-
sowenig eine Reihe nach 4 Tagen von ihnen ausgesäter A garplatten.
Agarpl alten direkt angelegt aus 1 ccm Herzblut (mit Bouillon ver-
dünnt), I^bcr und Milz ergeben gleichfalls ein negatives Resultat.
Aus einer grofsen Ose vom Mageninhalt konnten auf Agnrplatten
noch zwei Axb-Kolonien gezüchtet werden, vom Cökalinhalt eine mäfsige
Anzahl von solchen.
Der ganze Magen wurde in 6 Teile zerlegt, und nach der Härtung in
Alkohol wurden dieselben zu Schnittserien verarbeitet. Ein Teil diente .wie
bei dem vorigen Tier) zur Dissefärbung 0, der andere Teil wunie auf Bak-
terien untersucht. Im ganzen waren es gegen 2000 Schnitte. Bei
sorgfältigstem Durchsuchen finden sich nur an einigen
Stellen mitten unter Resten von Gras oder Heu im TiUmen
des Magens einige Milzbrandbazillen. Schleimhaut, Sub-
mucosa und dem Magen anliegendes kleines Lymphknötchen
sind völlig frei von ihnen.
13. Junges n II, 110 g schwer, erhält per os 0,028 g Axb. Es bleibt
im weiteren Verlauf völlig gesund.
1) Vergl. Anhang II.
Von Dr. Albert Uffenheiiuer. 17
7. Reihe.
Von jetzt ab machte sicli bei dem Wiener Milzbrandbazillus
eine Erscheinung geltend, die bereits beim ersten nach einer
Reihe von Tierpassagen unangenehm aufgefallen war, nämUch
das ungemein rasche Auftreten freier Spore]). Wollte man zur
Verfütterung genügende Mengen Axb erlangen, so konnte man
nicht leicht unter 5 Stunden alte Agarkulturen benützen. Es
zeigten sich aber schon in dieser Zeit freie Sporen. Das Proto-
koll über die 7. Reihe sagt wörtlich^): »In einer grofsen Anzahl
von Fäden finden sich (nach ö Stunden) bereits die Sporen ge-
bildet, ja es liegt schon eine geringe Anzahl von Sporen einzeln
da, zum Teil mit einem geringen, noch färbbaren Mantel um-
geben, ein ganz kleiner Teil liegt schon völlig frei da. Trotzdem
wird ein Fütterungsversuch unternommen, c
1. VI. 1904.
Kontrulltier starb nach ca. 24 Standen. Typischer MiUbrand-
befand. Bei der Fütterang waren die Tiere sl and rl etwas über 1 Tag,
die Tiere Alt I, Alt 11, Alt III etwas ttber 3 Tage alt
14. Janges s I, 90 g schwer, erhält per os 0,01 g dieser schwach
sporenhaltigen Axb.
Es bleibt völlig gesund.
15. Junges »Alt I<, Gewicht 80 g, erhält per os 0,008 g Axb der
gleichen Kultur.
Am 3. VI., also 37 Standen nach der Fatterang, stirbt das
Tier.
Die Obduktion ergibt grofse, blutreiche, rotbraune Milz. In Milf aufser-
ordentlioh zahlreiche, in Leber viele, im Herzblut eine Anzahl Axb. Im
Mageninhalt keine, im Prozessusinhalt einige Axb. Der Magendarmkanal
ist frei von Veränderungen.
Hier also, bei einem mit sporenhaltigen Axb ge-
fütterten Tier, haben wir einen echten Milzbrandtod.
16. und 17. Junge > Alt II und IIIc, Geschwister des Vorigen, 90 und
100g schwer, mit je 0,01 g der gleichen Axb gefüttert, bleiben völlig
gesund.
1) Ich brauche wohl nicht zu versichern, dafs diese Befunde — für
die alle ich übrigens Testpräparate aufbewahrt habe — sofort nieder-
geschrieben wurden, also rein objektive Beobachtungen, unbeeinflnfst vom
Ausgang des Experimentes, darstellen.
Arohiv fttr Hygiene. Rd. LV. 2
1^ Experim. Stadien über die Darchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
18. Junges rl, 70 g schwer, erhält per os 3 Glasösen einer alten
i in Eisschrank aufbewahrten, stark yersporten Axb-Kaltnr
(eben von der, Ton welcher die f a den vorstehenden Fütterungen benntxten
Kaltaren angelegt waren). Während ein damit geimpftes Kontrolltier rasch
an Milzbrand starb, blieb dies Tierchen völlig gesund.
8. Reihe. 4. VI. 1904.
Diesmal waren die Axb-Kulturen nur 3^/2 Stunden bei 37^
gewachsen. Sie zeigten im Präparat »schön ausgebildete
Axb-Fäden, dazwischen liegend noch Sporen (von
den eingesäten), z. T. auskeimende Formen. In den
neuen Axb aber noch keinerlei Beginn der Sporen-
bildung,«*)
Das Kontrolltier starb nach etwas über 1 Tag (typischer Milz-
brandtod).
Die am ersten Lebenstage gefflttfrten Jungen erhielten jedes die Ober-
fläche von drei Schrägagarkaltaren. Eine Wägung der Mengen wurde nicht
vorgenommen.
>Bei der Fütterung sträuben sich beide Tiere stark, so daTs vielleicht
kleine Verletzungen mit der Giasöse vorgekommen sein können, besonders
beim Herausziehen, wo sie von den Zähnen festgehalten wurde. Keine
Blutung. < *)
19. Junges >Jung 11 , Gewicht 60g, bleibt nach der Fütterung
völlig gesund.
20. Junges >Jung III <, Gewicht 80 g, wird am 7. VI. morgens, nachdem
es am vorhergehenden Tag noch völlig mobil war, tot und völlig even-
teriert aufgefunden. Es ist nicht zu konstatieren, wann der
Tod eingetreten ist. In der Muskulatur finden sich spär-
liche Axb.
9. Reihe. 7. VI. 1004.
Die verwendete Kultur war 3'^/4 Stunden alt, enthielt
noch viele eingesäte, aber keine neuen Sporen. »Die
mit eingesäten Sporen finden sieh an den Stellen, wo das Impf-
material dick aufgetragen ist, so dafs dort weifsliche Massen vor-
handen sind, während Abstriche von den Stellen, auf denen nur
die zarten, frisch gewachsenen Bazillen zu sehen sind, auch keine
Sporen mehr enthalten, c
Dbü K(»ntrolltier starb nach weniger als 24 Stunden (typischer Axb-
Befund). Die gefütterten Tierchen waren IVt Tage alt, wogen 50, &0 und 70 g.
1) Vgl. die Fufsnote der 7. Reihe.
V'on Dr. Albert Uffenheiiner. 19
21., 22. und 23. Alle drei Tierchen (cU, cUI» dl) erhielten je 0,1 g
Axb per 08 nach 58tQ];idigem Hangern. Sie blieben yöllig
gesund.
10. Reihe. 7.VL 1904.
Gleichzeitig mit dem vorigen Versuch wurde eine Verfüt-
terung einerreichversportenüberSTage'im Eis seh rank
aufbewahrten Axb- Kultur vorgenommen.
Während das Kontrolltier in weniger als 24 Stunden starb, blieben
24.» 25. und 26. die Tierchen e I, e II und e III, 40, 50 und 56 g schwer,
IV, Tage alt, gefüttert mit je 0,083 g Axb, am Leben.
11. Reihe. 9.VL 1904.
Einen letzten Versuch nahm ich schliefslich mit einer 24 Stun-
den alten Agarkultur vor, welche von der Kultur stammte, mit
der die 9. Reihe behandelt wurde.
»Es sind schöne Fäden, die zum grofsen Teil ver-
sport sind. Ganz aufserordentlich viel freie Sporen. c
Ein Kontrollversuch ist hierbei nicht vorgenommen.
Die Tierchen waren wenige Stunden alt.
27. Junges tili, 60 g schwer, erhält 0,1 g dieser Kultur per os, bleibt
yöllig gesund.
28. Junges tIV, 65 g schwer, erhält 0,a3d g der gleichen Kultur, stirbt
nach 3 Tagen. Die Obduktion und mikroskopische Untersuchung
ergibt typischen Milzbrandbefund.
Ziehen wir in Kürze das Fazit aus diesen Milzbrandversuchen,
so sehen wir, dafs auch dieVerfütterung sehr grofser Mengen
des Axb ohne jeglichen Nachteil für das neugeborene
Meerschweinchen vorgenommen werden kann. Von den
28 gefütterten jungen Tieren sind 3 an typischem Milzbrand ge-
storben. Alle drei hatten sporenhaltige Kulturen er-
halten. Wie die Protokolle ergeben, waren bei Tier 15 und 28
neugebildete freie Sporen vorhanden, die für Fall 28 ver-
wendete Kultur zeigte sogar aufserordentlich zahlreiche Dauer-
formen, die 11. Reihe war nämlich direkt als Sporenfütte-
rung gedacht. Beim dritten Tier (20) waren bei der Fütterung
infolge des Sträubens vorgekommene Verletzungen wahrscheinlich,
die benutzte Kultur enthielt noch von den eingesäten Sporen.
20 Ezperim. Studien über die Dorchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
Selbst dieser sporenhaltige Axb konnte aber nicht bei allen
Versuchstieren den Tod herbeiführen, da selbst mit gröfseren
Mengen als die gestorbenen Tiere gefütterte Geschwister gesund
blieben — es waren vermutlich auch hier minimale Verlet-
zungen die Vorbedingung zum Eindringen der Sporen in den
Intestinaltrakt. Solche kleinste Wunden können ja leicht durch
scharfe Grashalme oder andere Bestandteile der Nahrung hervor-
gebracht werden.
Somit bietet der Tod dieser drei Versuchstiere
gar nichts Auffallendes. Ist uns ja doch aus einerreichen
Literatur bekannt, dafs auch alte Meerschweinchen sterben kön-
nen, wenn versporte Milzbrandbazillen an sie verfüttert werden. —
Wie die aufserordentlichen Differenzen zwischen den Behring-
Muchschen Resultaten und den meinigen zu erklären sind, will
ich dahingestellt sein lassen, auf einen Punkt möchte ich aber
doch hinweisen.
V. Behring schildert in Heft 8 seiner Beiträge die ange-
wandte Fütterungstechnik: »Bei zurückgebogener Kopfhaltung
lassen wir tropfenweise die Flüssigkeit in das weitgeöffnete Maul
auf die Zungen wurzel fallen.« Nach diesen Worten scheinen
die Autoren beim Öffnen des Maules ihrer Versuchstiere irgend
welche Gewalt gebraucht zu haben, da unter normalen Bedin-
gungen von einem »weit geöffneten Maul« nicht die Rede sein
kann. Hierbei sind wahrscheinlich kleine Verletzungen der Mund-
schleimhaut entstanden, durch welche dann die Infektion leicht
vor sich gehen konnte. Bei grofseu Tieren, die ein starkes und
resistentes Pilasterepithel der Mundhöhle haben, darf man solche
Manipulationen viel eher riskieren, ohne Verletzungen befürchten
zu müssen. —
Als ich die Ehre hatte, im Februar dieses Jahres Exzellenz
von Behring einen grofsen Teil meiner Resultate zu demon-
strieren, machte er mir den Einwand, meine Milzbrandbazillen
seien wohl für Meerschweinchen pathogen gewesen, ob aber für
Kaninchen, das sei zweifelhaft. Die von ihm benutzten Bazillen
seien teilweise auch Kauinchen-pathogen und ein Vergleich zwischen
unseren tStämmen ginge nicht au, da die Kauinchen-tötenden Axb
Von Dr. Albert XJffenheimer. 21
höhere Virulenz besäfsen wie die nur für Meerschweinchen pa-
thogenen. Ich nahm sofort mit meinem Wiener Milzbrandbazillus,
den ich noch zur Hand hatte, das entsprechende Experiment vor.
21. II. 1905. Kaninchen, 3500 g schwer, mit kleiner Ose
am Rücken infiziert. Tod nach 4^/2 Tagen. Obduktion ergibt
typischen Milzbrandbefund. In Leber und Milz massenhafte Axb,
im Herzblut auf serordentlich viele Bazillen. Aus allen Organen
werden Axb in Reinkultur gezüchtet.
Somit zeigte sich also auch dieser Stamm als ex-
quisiter Kaninchentöter.
Ich führte den Versuch, dem Wunsche von Exzellenz
V. Behring folgend, aus, ich mufs aber sagen, dafs für ein
Experiment am Meerschweinchen nach meiner Auffassung auch
ein solcher Bazillus genügt hätte, dessen Pathogenität eben für
dieses Tier nachgewiesen war. (Hierzu bitte ich den oben zitier-
ten Versuch 5 von Behring-Much nachzulesen.)
Nachschrift: Durch das gütige Entgegenkommen von Ex-
zellenz V. Behring konnte ich in letzter Zeit übrigens auch noch
eine Versuchsreihe mit einem seiner Kaninchen-pathogenen Axb-
Stämme (I) vornehmen. Ich verfütterte eine Kultur, die noch
keine freien Sporen enthielt, aber schon aufserordentlich viele
eben noch von schmalem Protoplasmasaum umgebene Sporen
(25 Stunden bei 22^ auf Agar gewachsen). Diese Kultur, in
Bouillon gebracht und bei 80^ über eine halbe Stunde im Wasserbad
gehalten, zeigte im Brutofen noch starkes Wachstum; es hatten
demnach die mit dem Protoplasmasaum umhülUen Sporen schon
eine aufserordentliche Resistenz. Das am 19. VI. 1905 mit klein-
ster Platinöse geimpfte Kontrolltier (qq I) starb nach 32 — 36 Stun-
den an Milzbrand. 6 neugeborene Meerschweinchen
(zwischen 70 und 85 g schwer, P/i — S^/j Tage alt), gleich-
zeitig mit je 0,1 g Axb, suspendiert in je 1 ccm Kuh-
milch [also ganz nach v. Behrings Anordnung] ge-
füttert, blieben völlig gesund.
22 Experim. Stadien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
Versuche mit TuberkelbaziUen.
Die folgenden Experimente gehören dem Gebiet der Füt-
terungstuberkulose an.
Ich kann hier aber um so eher absehen von einem histo-
rischen Überblick über die Literatur derselben, weil bei Neu-
geborenen Fütterungen mit dem Tuberkelbazillus oder Pro-
dukten der Tuberkulose aufser von v. Behring bisher nicht
vorgenommen wurden. Erwähnen will ich nur, dafs die ersten
positiven Füttern ngs versuche an erwachsenen Tieren schon 1868
publiziert sind (Chauveau ev. auch Klebs), und dals die In-
fektion des Meerschweinchens vom Darmkanal ausParrot
zum erstenmal gelungen ist.
Gute Zusammenstellungen über die Fütterungstuberkulose
findet man in den Arbeiten von Spina, Johne, Biedert,
Wesener und ganz neuerdings bei Nebelthau.
V. Behring selbst hat seine Versuche an neugeborenen
Tieren noch nicht ausführlich veröffentlicht, die bisher allein er-
schienene Übersicht über seine Ergebnisse habe ich in der Ein-
leitung angeführt. Meine eigenen Versuche, im ganzen 40,
wurden vorgenommen mit einem seit längerer Zeit im hygie-
nischen Institut fortgezüchteten, vom Menschen stammenden
Tuberkelbazillus.
Die Prüfung desselben geschah nach der von Kossei und
seinen Mitarbeitern im Reichsgesundheitsamt zur Unterschei-
dung zwischen Typus bovinus und humanus ausgearbeiteten
Methode (Trocknung der Bazillen auf sterilem Fliefspapier.
Wägung von 0,01 g Bazillen auf tariertem sterilisiertem Uhr-
schälchen. Verreiben mit 1,0 phys. Kochsalzlösung in sterilem
Mörser. Injektion ohne Verletzung der Fascie) an einem 2480 g
schweren Kaninchen. Als der Tod nach 1 1 Wochen an einer
interkurrenten Lungenerkrankung erfolgt war (auch mikroskopisch
als nicht tuberkulös identifiziert), zeigte sich an der Injektions-
stello im subkutanen Bindegewebe ein haselnufsgrofser Tumor,
der sich beim Aufschneiden als ein mit weifsgelblichem dickem
Von Dr. Albert Uffenbeimer. 23
rahmigem Eiter gefüllter Abszefs erwies. Sonst nirgends eine
Spur von Tuberkulose.
Nach intraperitonealer Injektion von ungefähr 0,01 g der
Bazillenreinkultur, aufgeschwemmt in Bouillon, starb ein 450 g
schweres Meerschweinchen rj nach 20 Tagen, ein 420 g schweres
Meerschweinchen & nach 27 Tagen. Die verfütterten Kulturen
waren stets zwischen 4 und 6 Wochen alt. Das Gewicht der
zur Fütterung benutzten Mengen wurde durch ^ie chemische
Wage bestimmt. Zu Anfang verrieb ich die abgewogenen Ba-
zillenhäute sorgfältig in Bouillon und nahm darnach die Ver-
fütterung mittels Pipette vor. Als sich aber herausstellte, dafs
bei einer Aufnahme der Tuberkelbazillen^) durch Vermittelung
von Flüssigkeit leicht eine Aspiration vorkommt, em Umstand,
der die Deutung der Experimente wesentlich erschweren kann,
so ging ich dazu über, die von der Glyzerinbouillon abgehobenen
Tb-Häute mittels meiner Glasöse den Meerschweinchen in das
Maul einzuführen. Mit beiden Methoden gelang es schnell, die
gewünschte Dosis den jungen Tieren beizubringen.
Von meinen 40 Versuchen sind 26 mit Bazillenaufschwem-
mung in Bouillon vorgenommen. Das erste Versuchstier (d I)
starb au Aspiration, 4 Meerschweinchen waren alte Muttertiere.
Somit enthält diese 1. Reihe 21 Verfütterungen an neugeborene
Meerschweinchen. Die 2. Reihe, in der die Tb den jungen
Tieren nur trocken beigebracht wurden, enthält demnach 14 Ver-
suche.
Ich begnügte mich nicht damit, die Tiere nach längerer
oder kürzerer Zeit zu obduzieren, sondern untersuchte jede nicht
ganz gewöhnUche Erscheinung histologisch und vor allem nah^i
ich bei den Organen, wo makroskopisch die Diagnose nicht mit
Sicherheit zu stellen war, genaue Untersuchungen fast ausnahms-
los an Serienschnitten vor.^) Frühzeitig nach der Fütterung war
1) leb werde fur Erleicbterong künftig bierfür die Bezeicbnang Tb ge-
braacben.
2) Für oftmalige Prüfungen meiner makro- and mikroakopiscben Befunde
will leb nicbt versäumen, meinem Mitarbeiter am Institut, Herrn Privat-
dozenten der Patbologie, Dr. Robert Röfsle aus Kiel, aucb an dieser Stelle
den berzlicbsten Dank auszusprechen.
24 Experim. Stadien über die Diirchgängigkeit des Magendannkanales etc.
es zumeist nicht möglich, in den Drüsen die Tb in Schnitten
resp. in Quetschpräparaten nachzuweisen. Ich überimpfte des-
halb eine grofse Reihe von Drüsen, auch Blut, an weitere Meer-
schweinchen. Diese Versuche haben so eigenartige und bemer-
kenswerte Resultate ergeben, dafs ihnen ein eigenes Kapitel
(»Die Knötchenlungec) gewidmet werden muTs.
In dem Folgenden gebe ich eine kurze Darstellung der
Fütterungsergebnisse. Die weite Ausdehnung meiner Arbeit ge-
stattet mir nicht, jedes einzelne Obduktionsprotokoll in extenso
abzudrucken; ich erwähne deshalb nur die wichtigen Befunde
und behalte mir eine ausführlichere Veröffentlichung vor, falls
sie aus irgend welchen Gründen noch nötig erscheint.
Zum Verständnis der Protokolle will ich bemerken, dafs unter
Halsdrüsen die submentalen und Halsdrüsen gemeint sind, und
dafs ich zwischen beiden nur ausdrücklich dann unterschieden
habe, wenn sie sich verschieden verhielten. Als Leberhilus-
drüse habe ich ein (oder mehrere) Drüschen bezeichnet, die nahe
dem Pylorus im Bindegewebe des Leberhilus liegen und sehr
häufig tuberkulöse Veränderungen zeigten. Als Prozessusdrüsen
ist jene Gruppe von ziemlich grofsen Drüsen angeführt, die einen
Teil der zuführenden Lymphgefäfse vom Prozessus vermiformis
aus beziehen. Sie stehen aber auch mit anderen Darmpartieu in
Verbindung. Cöcaldrüse ist die kleine Drüse genannt, die an
der Einmündungsstelle des Ileum in das Cöcum liegt. Alle
anderen Benennungen sind leicht verständlich. Die sehr häufig
vorgenommenen Wägungen der Tiere habe ich hier weg-
gelassen, da durch oftmalige Schwangerschaften (ich war ge-
zwungen, jegliches Tiermaterial zur Züchtung der für die Experi-
mente notwendigen Jungen zu benutzen) und Futterwechsel
ziemlich jähe Gewichtsschwankungen entstanden. Im übrigen
zeigten sich bedeutendere Gewichtsabnahmen nur bei sehr stark
fortgeschrittenen tuberkulösen Prozessen. Die einzelnen Tiere
sind in der Reihenfolge angeführt, die ihrer Lebenszeit nach der
Fütterung entspricht.
Von Dr. Albert TJfFenheimer.
25
I. Reihe. VerfUttenmg der Tb in Bouillon.
1. 30. IV. 1904. Junges r U, 50 g schwer, 22 Standen alt, erhält
0,0028 g Tb.>) Getötet nach 87 Tagen.
Obdaktion: Oberall normaler Befand. Nar die Prozessusdrasen etwas
gelblich verfärbt, vielleicht leicht getrübt. An der linken Tonsille eine ganz
kleine gelbliche Einlagerang.
Mikroskopisch: Prozessasdrüse enthält ganz kleine Epitheloid-
zellentuberkel, erst nach aafserordentlich langem Sachen gelingt der Nach-
weis weniger zweifelloser Tb in der Mitte eines solchen Taberkels.
Tonsille: Zwei Serien von nahezu 400 Schnitten ergeben keine
pathologischen Veränderungen.
Resultat: Isolierte Tuberkulose der Prozessasdrflsen.
2. 30. IV. 1904. Junges u II, 65 g schwer, 1 Tag 6 Stunden alt, erhält
0,0042 g Tb. Getötet nach 86 Tagen.
Obduktion: Nirgends eine Spur von Tuberkulose. Nur die Prozessus
drüsen erscheinen wenig vergröfsert (unterlinsengrofs), fast ganz durchsichtig
An einigen Stellen scheinen aber kleinste weifsliche Herdchen zu liegen.
Mikroskopisch (über 100 Schnitte): Die Prozessusdrflse zeigt
eine ganz auffallende Tätigkeit Neben den vorwiegenden völlig normalen
Stellen finden sich an manchen Orten Anhäufungen von grofisen aufgeblasenen,
völlig den epitheloiden gleichenden Zellen. Dabei sind deutlich Teilungs-
Vorgänge (grofse Mitosen) in geringer Zahl sichtbar. An manchen Stellen
sieht man schlechte Zellteilungen nach offenbar rasch erfolgten Kernteilungen
so dafs Bilder entstehen, die an Riesenzellen erinnern, denen aber deren
deutliche Protoplasma-Umgrenzung fehlt. Überhaupt sind an manchen
Stellen die Kern- und Zellgrenzen undeutlich. Nach sehr langem Suchen
gelingt die Entdeckung eines ganz zweifellosen Tuberkelbasillus.
Resultat: Isolierte Tuberkulose der Prozessusdrüsen.
3. 14. V. 1904. Junges q m. Gewicht 80 g, 2 Tage alt, erhält 0,021 g Tb
^in nur Va ccm Bouillon). Getötet nach 75 Tagen.
Obduktion: Zahlreiche graue Miliartuberkel in Leber und Milz. Eine
Leberhilosdrüse ist fast erbsengrofs, stark getrübt, aber noch ohne Spur
von Verkäsung. Eine der Prozessusdrüsen zeigt vielleicht eine geringe
Trübung, ist aber un vergröfsert. Drei Halsdrüsen sind stark ver-
gröfsert (über ErbsengröDM), sehr derb, en thalten im I nnern mit gel b-
lichem Käse erfüllte Höhlen. Die Trachealdrüaen sind um ein Ge-
ringes vergröfsert, schwach getrübt, zu beiden Seiten in der Clavicular-
gegend je eine vergröfserte Drüse. Besonders ist die rechtsseitige fast
erbsengrofs, stark getrübt, mit zahlreichen weifslichen Nekroseherdchen. Sie
liegt in der Gegend der Einmündung des Duct thoracicus in die V. sub-
clavia.
1) So kleine Tb-Mengen wurden nicht direkt abgewogen, sondern erst
nach der Aufschwemmung einer gröfseren Tb-Quantität in einem abge-
messenen Volumen Bouillon durch Wegnahme kleiner Bouillonmengen be-
stimmt.
0£*
^^ Ezperim. Studien über die Dorchgängigkeit des Magendannkanales etc.
In der Longe graa durchscheinende Tnljerkel, im rechten Oberlappen
gelatinOee Pneumonie.
Kesaltat: Jedenfalls gleichseitige Infektion der Hais-
and Leberhilusdrflsen. Einbruch in die Blutbahn durch den Dactus
thoracicuB.
4. 14. V. 1904. Junges o II, 80 g schwer, 2 Tage alt, erhält 0,021 g Tb
(in Va ccm Bonil1on\ Getötet nach 74 Tagen.
Obduktion: I^berhilnsdrüse stark Tergröfsert (= 2 Linsen), derb, stark
getrübt, mit kleinen Nekroseherdchen. Proiessus- und Cöcaldrüsen bis
haselnufskerngroriB, stark getrübt, die meisten enthalten mit einem kAaigen
Brei angefüllte Cavernen Die zu den übrigen Darmabechnitten gehörigen
Drüsen ebenfalls tuberkulös verändert Alles Übrige normal.
Resultat: Isolierte Tuberkulose der Lymphdrüsen des Darmes,
wahrscheinlich beginnend in den Prozessusdrüsen.
5. 7. V. 1904. Junges ti II, 80 g schwer, IVi Tage alt, erhält 0,028 g Tb.
Getötet nach 72 Tagen.
Obduktion: Halsdrüsen aufserordentlich stark vergröfsert, einzelne
mehr als zweimal erbsengrofs, verkäst, mit linsengrolsen Erweichnngsherden.
Eine Prozessusdrüse, nicht vergröfsert, möglicherweise leicht getrübt
Mikroskopisch: Prozessusdrüse zeigt sich frei von Tuberkulose.
Resultat: Isolierte Halsdrüsentuberkulose.
6. 17. III. 1904. Junges S II, 70 g schwer, 8 Stunden alt, erhält
0,105 g Tb. Spontan gestorben nach 50 Tagen. Vor dem Tod Lähmung der
Hinterbeine.
Obduktion: Sehr verbreitete Tuberkulose, am gröfsten die Lungen-
hilus- und Trachealdrüsen.
Resultat: Fütterungstuberkulose. Erster Inf ektionssi ts
nicht mehr festzustellen.
7. 21. III. 1904. Junges « 1, ILO g schwer, 2 Tage alt, erhält 0,273 g Tb
Getötet nach 49 Tagen.
Resultat: Das gleiche wie im vorigen Fall. Am gröCsten die
Halsdrüsen.
Bei diesem Tiere wurden UntersuchuDgen über die Aus-
scheidung der Tb mit dem Kot angestellt (Verarbeitung
wie in den entsprechenden Axb- Versuchen). Während am ersten
Tag aufserordentlich viel Tb sich fanden (Häufchen wie
Einzelexemplare), zeigten sieh schon zweimal 24 Stunden nach
der Fütterung nur noch ganz wenige Bazillen, die zumeist in
kleine Schleimflöckchen eingehüllt waren. Nach dreimal 24 Stun-
den konnte in zwei sorgfältig durchsuchten Präparaten nur noch
ein zweifelhafter Tb entdeckt werden. Demnach scheinen
die Bazillen am Ende des dritten Tages bereits fast
Von Dil Albert üffenheimer. 27
völlig aus dem Darm eliminiert su sein. Ein Versuch,
die Viru lenz der Tb nach der Passage des Intestinums
festzustellen, mifslang, da das geimpfte Tier an Sepsis zugrunde
ging.
6. 16. IV. 1904. Junges T III, 90 g schwer, IV, Tage alt, erhält 0,092 g Tb.
Getötet nach 35 Tagen.
Resaltat: Vorgeschrittene Taberkolose, am stärksten Pro-
zessos' and Halsdrflsen. Erster Infektionssitz nicht mehr fest-
zustellen.
9. 11. IV. 1904. Junges V II, 70 g schwer, zwischen 3 und 6 Standen
alt, erhält 0,188 g Tb. Getötet nach 32 Tagen.
Resultat: Weit vorgeschrittene Tuberkulose, am stärksten
die Trachealdrfisen befallen. Erster Infektionssits nicht mehr
festzustellen.
10. 11. IV. 1904. Junges V I, 60 g schwer, zwischen 3 und 6 Stunden
alt, erhält 0,171 g Tb. Getötet nach 30 Tagen.
Resultat: Hals-, Thorax-, und Abdominaldrüsen tuber-
kulös, weitaus am vorgeschrittensten die Ualsdrüsen. Ein
sicheres Urteil, wo der erste Infektionsort war, ist nicht mehr
möglich, doch scheint der nach dem Abdomen zu abnehmenden
Gröfse der Drüsen zufolge eine primäre Halsdrüseninfektion
nicht unwahrscheinlich.
11. 30. IV. 1904. Junges v I, 50 g schwer, 1 Tag alt, erhält 0,0024 g Tb
Getötet nach 28 Tagen.
Obduktion: Am Hals eine olivenkemgrofse Drüse mit zwei in Er-
weichung begriffenen Käseherden (subraental); weiterhin eine über linsen-
grofse Drüse mit einem Käseherd im Innern. Kleiner Herd im rechten
Unterlappen. Trachealdrüsen leicht vergröfsert, ganz wenig getrübt.
Die mikroskopische Untersuchung einiger zum Cöcum und Pro-
sessus gehöriger Lymphdrüsen, bei denen makroskopisch die Diagnose
zweifelhaft war, ergab Freisein von Tuberkulose.
Resultat: Primäre Halsdrüsentuberkulose.
12. 16. IV. 1904. Junges TU, 105 g schwer, IV, Tage alt, erhält
0,158 g Tb. Getötet nach 28 Tagen.
Obduktion: Ziemlich weit vorgeschrittene Tuberkulose. Am stärksten
befallen beide submentalen Drüsen (über erbsengrofs, mit Kavernen von der
Gröfse eines mittleren Schrotkornes). Die Prozessusdrüsen sind kleinerbsen-
grofs. Die übrigen Drüsen nehmen an Gröfse ihrer Entfernung von Sub-
mental- reBp. ProzesBusdrüse entsprechend ab. Frische Miliartuberkulose.
Einbrach in die Blutbahn vermutlich von der stark veränderten rechten
Claviculardrüse aus.
Mikroskopisch zeigt eine Prozessusdrüse sich durchsetzt von zahl-
reichen Tuberkeln, die reich an Riesenzellen sind, auch Tb enthalten. Eino
2^ Ezperim. Stadien über die Darchgängigkeit des MAgeDdarmkaDales etc.
Plaque des Prosessas Tennifonnis, in SerienBchnitte xerlegt, bietet keine
Veränderungen dar.
Resultat: Wegen des ziemlich vorgeschrittenen Proxesses ist
der erste Infektionsort nicht sicher feststellbar, es erscheint
aber nicht unwahrscheinlich, dafs gleichzeitige Infektion vom
Hals und vom Prozessus aus stattgefunden hat
13. 28. IV. 190t. Junges AI, 70 g schwer, 27, Tage alt, erhält 0,065 g Tb.
Getötet nach 18 Tagen.
Obduktion: Die Lunge zeigt zahlreiche miliare und etwas grOCsere
dorchscheinende graue Tuberkel. Zahlreiche alte Käseherde in beiden
Lnngen. Die Trachealdrüsen sind fast erbsengrols mit alten Verkäsungen-
Halsdrüsen wenig vergrößert, schwach getrflbt Cöcal-, Prozessus-, Leber-
hilusdrAsen schwach vergröfsert, leicht getrabt. Frische Miliartuberkulose.
Resultat: Hier scheint eine Infektion der Lunge resp.
Trachealdrüsen durch Aspiration bei der Fütterung wahrschein-
lich. Die Tuberkulose der im Abdomen befindlichen Drüsen
könnte vom Thorax aus fortgeleitet sein, könnte aber auch
einer Infektion vom Darme aus entstammen.
14. 30. IV. 1904. Junges /< I, 60 g schwer, 1 Tag 6 Stunden alt, erhält
0,0042 g Tb. Getötet nach 17 Tagen.
Obduktion: Peritoni ti scher Prozefs, ca. 3 Tage alt, fortgeleitet auf die
Pleura. Der rechte Mittellappen enthält an seiner Wurzel einen linsen-
grofsen, verkästen Herd, der gegen die Umgegend nicht völlig scharf ab-
gegrenzt ist, durch dessen Mitte ein Lumen geht, dessen Ränder ebenfalls
völlig verkäst sind. An der Trachea und um den rechten Hauptbronchus
herum je eine linsengrofse, getrübte, schwach gelbliche Drüse. In der
Thoraxapertur eine in gleichem Stadium befindliche, gleichgrofse Drüse. Am
Hals eine Anzahl kaum kleinerer Drüsen von gleichem Aussehen.
Prozessusdrüsen gut linsengrofs, schwach gelblich, getrübt. Die übrigen
zum Darm gehörigen Lymphdrüsen leicht vergröfsert und getrübt.
Mikroskopisch: Prozessus- wie Trachealdrüse zeigen deutliche Tu-
berkelbildung mit wenigen gut charakterisierten Tb. Die Tonsille ist völlig
normal.
Resultat: Die Tuberkulose der Lunge und der zugehörigen
Drüsen ist offenbar durch Aspiration bei der Fütterung ent-
standen; die Affektion der Prozessusdrüsen ist möglicherweise
gleichfalls direkter Infektion zu danken, nicht einer Fort-
leitung von der Brusthöhle aus (vgl. hierzu l. und 2).
15. 17. III. 1904. Junges S III, 70 g schwer, ca. 8 Stunden alt, erhält
0,159 g Tb. Spontanter Tod nach 15 Tagen.
Obduktion: nicht vorgenommen (da ich verreist war). Vgl. die
folgende Obduktion.
Bei diesem Meerschweinchen waren im Kote 20 Stunden
nach der Fütterung in geringer Menge einzelne Tb nachzuweisen,
aber keine Bazillenhäufchen mehr.
Von Dr. Albert Uffenheimer. 29
16. 16. IV. 1904. langes T IV, 95 g schwer, IV, Tage alt. erhält
0,143 g Tb. Spontaner Tod nach 12 Tagen.
Obduktion: Starke Miliartaberknlose. Alle Drüsen stark geschwellt
(Bild der Skrofnlose). Verkäsangen zeigen eine Mesenterialdrflse, sowie ein
kleines Knötchen am Dnctas thoracicns.
Resnltat: Der Tod 12 Tage nach der Fütterung (wie im vorigen
leider nicht obdasierten Falle 15 Tage darnach) ist ganz auffallend. Er
ist so schnell durch die schwere Miliartuberkulose herbeigeführt, die offen-
bar von dem am Ductus thoracicus sitzenden verkästen Knötchen aus ent-
standen ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach bildet die verkäste
Mesenterialdrüse den Sitz der ersten Infektion.
17—21. Die Jungen wurden in so frühem Stadium getötet, dafs eine
makroskopische Diagnose nicht möglich war. Ihre Verarbeitung wird an
späterer Stelle besprochen.
Überblicken wir kurz noch einmal die eben be-
schriebenen Versuche, so sehen wir regelroälsig bei
den neugeborenen Meerschweinchen, wenn sie lang
genug am Leben gelassen wurden, der einmaligen
Verfütterung von Tb eine Erkrankung an Tuber-
kulose folgen.
Am besten läfst sich die Wirkung der verfütterten Tb stu-
dieren, wenn man nur geringe Mengen (0,002 — 0,005 g) derselben
verabreicht. Dann ist es auch durchaus nicht notwendig, die
Tiere verhältnismäfsig schnell darnach zu töten, sondern man
kann sie Monate lang am Leben lassen. Die mit grofsen Tb-
Dosen gefütterten Meerschweinchen (0,1 g und darüber) zeigen
sehr bald eine vorgeschrittene Tuberkulose, die ein Urteil über
den ersten Sitz der Erkrankung unmöglich macht. Unter be-
sonders förderlichen Umständen verläuft die Tuberkulose ganz
rapid, und so haben wir in einem Fall schon den Tod
12 Tage nach der Fütterung eintreten sehen. Meines
Wissens ist ein so schneller Verlauf der Fütterungstuberkulose
bisher noch nicht beobachtet worden.*) Der Fall erscheint mir
deshalb von ganz besonderer Wichtigkeit, weil er einen
Fingerzeig dafür bietet, dafs nicht jede kurz nach der
1) Koch stellte fest, dafs der Tb ca. 14 Tage zu seinem Wachstum
und seiner Vermehrung braucht, Orth und Semmer gaben eine zwei-
monatliche Inkubationszeit bei der Pütterungstuberkulose an und Bollinger
notierte schon einen letalen Ausgang nach IVi — 2 Monaten.
r^Q Experim. Studien Ober die Durcbgängigkeit des Magendarmkanalee etc.
Geburt tödlich endende Tuberkulose des menschliehen
Säuglings als eine prägenital durch plazentare Über-
tragung entstandene aufzufassen ist. Frühzeitige Affektion
des Ductus thoracicus vermag eben durch das Ausstreuen grofser
Tb-Mengen in die Blutbahn überraschend schnell zum Tode zu
führen.
Bei der Verfütterung geringer Tb-Quantitäten (bis herab zu
0,0028 g) liefs sich die Infektionspforte an den Verdauungswegen
deutlich feststellen. Es darf aber unter Verdauungswegen nicht
allein der Magen und Darm verstanden werden, sondern auch
die Mundhöhle bietet sehr günstige Verhältnisse für das Ein-
dringen der Bazillen (eine Meinung, der nebenbei gesagt, B ol-
lin ger schon vor mehr als 30 Jahren Ausdruck gab). So haben
wir zahlreiche Fälle, wo vom Darm, zumeist vom Processus
vermiformis aus, die Erkrankung zustande gekommen ist. Die
starke Beteiligung der Leberhilusdrüse läfst sogar an gelegentliche
Infektion vom Magen aus denken; andere Fälle wieder weisen
auf die Tonsillen als Eintrittspforte hin. Bei einigen Tieren, be-
sonders wenn mittlere Tb-Quantitäten (0,02 g und darüber) ge-
geben wurden, hat eine gleichzeitige Infektion von der
Mundhöhle wie vom Darm aus stattgefunden.
Eine Verschleierung der Ergebnisse wurde bei mehreren Be-
obachtungen dadurch herbeigeführt, dafs offenbar bei der Fütterung
Flüssigkeitsmengen in die Lungen hinein aspiriert wurden, und
dort sogleich eine Erkrankung der Lungen selbst oder der zu-
nächst gelegenen Drüsen herbeigeführt haben (vielleicht an den
Stellen, die nach Abrikosoff bei der Inhalationstuberkulose
zuerst zu erkranken pflegen). Dafür, dafs der intestinalen Infektion
zunächst ein Krankheitsbild folge, vergleichbar der menschlichen
Skrofulöse, wie v. Behring es schildert, hat sich kein Anhalts-
punkt ergeben, vielmehr schien stets der erste Erkrankungsherd
bei der Obduktion auch der am weitesten vorgeschrit-
tene zu sein. Die isolierten Halsdrüsenerkrankungen, eingetreten
nach Aufnahme ganz geringer Tb-Mengen, sprechen sehr dafür,
dafs überall da, wo eine starke Affektion derselben zu finden ist,
welche die übrigen Drüsenerkrankungen an Mächtigkeit übertrifft,
Von Dr. Albert Uffenbeimer. .»1
auch wirklich die Halsdrüseu der erste Sitz der Erkrankung
gewesen sind. Keinesfalls dürfen wir annehmen, dafs sie erst
von den Lymphdrüsen der Bauchhöhle aus infiziert worden sind,
wo wir die beiden Gruppen erkrankt, aber die dazwischen liegen-
den Lymphdrüsen vollkommen intakt finden. Ich führe als
Kronzeugen dieser Anschauung Com et an, nach dessen an
Tausenden von Tieren festgestellten Befunden die Ausbreitung
der Tuberkulose schrittweise verfolgt werden kann, »indem die
Drüsen von der Infektionspforte aus eine Kette an Gröfse suk-
zessiv abnehmender kugeliger oder bohnenförmiger Gebilde dar-
stellen, deren Durchschnitte die Altersdifferenz des Prozesses
deutlich zu erkennen geben, c Für beinahe alle Ergebnisse unserer
Experimente lassen sich übrigens auch klinische und pathologisch-
anatomische Erfahrungen am Menschen beibringen.^)
n. Reihe. Verftltterung der Tb in trockenem Zustande.
Hier kommen 14 Versuche in Betracht, da aber bei 11
Tieren der Tod resp. die Tötung und Verarbeitung der Organe
so früh erfolgte, dafs makroskopisch noch keine Veränderungen
wahrnehmbar waren, habe ich zunächst nur vier Obduktionen zu
schildern.
22. 17. V. 1904. Junges f 11, 100 g schwer, Vs ^^^f^ ^^^» erhält 0,029 g Tb.
Getötet nach 73 Tagen.
Resultat: Sehr weit vorgeschrittene Tuberkulose, die
ein sicheres Urteil über den Primirsitz der Infektion nicht
mehr ermöglicht.
23. 26. V. 1904. Junges q II, 70 g schwer, 1 Tag alt, erhält 0,005 g Tb.
Getötet nach 68 Tagen.
Obduktion: Zwei ProzessusdrQsen, stark vergröfsert, die eine hasel-
nufskerngrofs, mit starken Erweichungsberden im Innern. Im Jejunum,
ganz besonders aber im Ileum, stark Ober das Schleimhautniveau promi-
nierende Plaques, von denen einige in ihrer Mitte kleine, Stecknadelknopf-
grofse Verkflsungen tragen. Leberhilus- und Cöcaldrüse leicht vergröfsert
und getrübt. Zwei Halsdrüsen über linsengro£s, mit kleinen käsigen Er-
weichungsherden im Innern Trachealdrüse ebenfalls ungefähr auf das
Doppelte vergröfsert, mit kleinem Erweichungsherd. Kleiner gelatinöser Herd
im rechten Oberlappen.
1) Für den letzten Punkt (Doppel-Infektion) hat Ribbert neuerdings
Material am Menschen gesammelt.
Qo £zp«rim. Stadien Aber die Darchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
Mikroskopisch zeigt sich die Schleimhautoberflttche der taberkulöseii
Darropartien völlig intakt Der Prosefis ist auf die Sabmucosa beschränkt
und hat hier sor Bildung wohl charakterisierter Epithelialtuberkel geführt,
die an einigen Stellen bereits zentral verkäsen. Tb nicht auffindbar.
Resultat: Primäre Tuberkulose der Prozessusdrüsen, viel-
leicht gleichzeitige Infektion der Halsdrüsen. Für die Genese der
Darmtuberkulose haben sich keine sicheren Anhaltspunkte ergeben. Von
der Oberfläche der Schleimhaut ist sie nicht ausgegangen, sie hat sich viel-
mehr im Lymphapparat (der Submucosa) gebildet. Es mufs deshalb an
einen retrograden Transport von den zuerst befallenen Lymph-
drüsen aus gedacht werden. Die lange Zeit bis zum Beginn der Darm-
affektion spricht wohl auch für diese indirekte Entstehung.
24. 24. V. 1904. Junges p III, 80 g schwer, erhält 0,005 g Tb.
Getötet nach 67 Tagen.
Resultat: Fast völlig der gleiche Befund wie im vorigen
Fall. Darmtuberkulose etwas weiter vorgeschritten, aber noch
ohne Ulcera, ganz wenige Tb in den verkästen Plaques.
25. 26. V. 1904. Junges N I, 80 g schwer, erhält 0,005 g Tb.
Getötet nach 16 Tagen.
Resultat: Isolierte Tuberkulose der Prozessusdrüsen.
Die Befunde an den mit trocken verabreichter Tb-
Kultur gefütterten Neugeborenen stimmen völlig über-
ein mit den bereits geschilderten. Aspiration in die
Lungen mit ihren Folgen war dabei ausgeschlossen, da-
gegen zeigte sich bei zwei sehr spät (67 und 68 Tage
nach der Fütterung) getöteten Tieren Darmtuberkulose.
Da in den untersuchten Plaques, die makroskopisch nicht tuberkulös
waren, weder in Quetschpräparaten noch in Schnitten Tb sich
fanden, auch sonst keine pathologischen Veränderungen nach-
gewiesen werden konnten, so gewinnt der oben ausgesprochene
Gedanke, nach welchem die Darmtuberkulose retrograd
von den affizierten Lymphdrüsen aus entstanden ist,
an Wahrscheinlichkeit.
Auf retrograde lymphogene Metastasen von Bakterien, Ge-
schwulstzellen usw. hat übrigens in letzter Zeit Tendeloo in
verschiedenen Veröffentlichungen aufmerksam gemacht. Butter-
sack ist für die retrograd entstehende Bildung von Darm-
geschwüren eingetreten und Ribbert hat sich ebenfalls vor
kurzem für den retrograden Transport der Tb durch den Lymph-
V^on Dr. Albert ÜfFenheimef.
33
Strom erklärt. Ich setze mich mit dieser Meinung in Wider-
spruch mit den experimentellen Ergebnissen Baumgartens
(dessen 40 Fütterungsversuchen ich aber die gleiche Anzahl ent-
gegensetzen kann), erfreue mich dagegen der Übereinstimmung
mit Orth, Wesener und Dobroklonsky.
Jedenfalls zeigen die immer wiederkehrenden Infektionen
der Prozessus- und anderer zum Darm gehöriger Drüsen, ohne
dafs der Darm selbst dabei erkrankt ist, dafs die Tb seine
Schleimhaut mit Leichtigkeit passieren können. Tchistovitch
hat dies beim Menschen früher auch schon mikroskopisch
festgestellt. Die Tonsillen des Meerschweinchens verhalten
sich in dieser Beziehung vollständig wie der Darm. Ich habe
eine grofse Anzahl von ihnen in Serienschnitten untersucht, ohne
auch nur einmal Tb oder irgend welche tuberkulöse Veränderungen
auffinden zu können. Hier mufs ich einschalten, dafs die Ton-
sille des Meerschweinchens sich anatomisch ganz anders verhält
wie die des Menschen. Zu meiner Verwunderung habe ich das
gesuchte Follikelgewebe an keiner Stelle in ihr finden können,
die Schnitte zeigen vielmehr kleine Drüsen, ganz ähnlich den
Speicheldrüsen. Als mir immer wieder diese Befunde vorkamen,
konnte ich nicht länger zweifeln, dafs sie für das Meerschweinchen
typisch sind. In dem Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen
Anatomie der Wirbeltiere von Oppel allein fand ich später
eine Bestätigung dieser Wahrnehmungen. Nach Oppel scheinen
die Beobachtungen von Schmidt aus früherer Zeit mit den
meinigen vollkommen übereinzustimmen. Drews allerdings will
auch in den Tonsillen des Meerschweinchens Mitosen-haltige
Noduli gesehen haben. Trotz ihres differenten Baues ist aber
offenbar der Meerschweinchen- und Menschentonsille doch die
Durchgängigkeit für den Tb gemeinsam. Über die Tonsille (und
den Pharynx) als Eingangspforte für die Tuberkulose beim Menschen
liegen ja auch schon zahlreiche Arbeiten vor, von denen ich
nur die letzten von Wassermann und Ito hier ausdrückhch
erwähnen möchte.
Noch eine weitere Stelle der Mundhöhle hat man gleichfalls
als Eintrittsstelle für die Tb beschuldigen wollen. Stare k,
Archiv für Hygiene. Bd. LV. 3
34 ßxperim. Studien über die Durchgängigkcit des Mageudarmkanalefl etc
Körner und Partsch betonen nämlich die grolse Rolle der
Zahncaries bei der Ätiologie der Halslymphome. Insbesondere
Starck meint, dafs in Anbetracht des Umstandes, dafs nicht nur
bei Phthisikern sondern auch bei sonst gesunden Leuten in
kariösen Zähnen Tb gefunden worden sind, die tuberkulösen
Halslymphome vielfach von kariösen Zähnen her entstehen. Das
positive Material, das die drei Autoren beibringen können, ist
aber sehr klein. Das junge Meerschweinchen hat keine
kariösen Zähne und doch erkranken seine Halslymph-
drüsen so leicht an der Tuberkulose. Ich glaube darnach
doch, dafs wir uns im allgemeinen lieber an die Durchgängig-
keit der Rachenschleimhaut, vor allem der Tonsille halten sollen.
Ganz besonders dürfen wir Kinderärzte aber Westenhöffer
nicht zugeben, dafs die Zahnung es ist, welche für die Tuber-
kuloseinfektion im pathologisch veränderten Zahnfleisch (von dem
man seit Kassowitz's vorzüglichem Buch nicht mehr sprechen
sollte) durch Eröffnung zahlreicher Lymphgefäfse im Munde den
Boden schafft. —
Ich lasse nunmehr die Protokolle der mit Bouillonauf-
schwemmungen gefütterten vier erwachsenen Tiere folgen.
Zwischen 380 und 500 g schwer, erhielten sie je 0,151 g Tb, also
eine Dosis, welche für die Neugeborenen bereits als eine sehr
grolse zu gelten hat.
26. 3. V. 1904. Altes Meerschweinchen o;, getötet nach 7 Monaten.
Obduktion: ProzessusdrUsen stark geschwellt, doppelerbsengrors,
aufserordentlich derb. Durchschnitt weifslich getrübt, in der Mitte gelb-
bräunlich. Keine Erweichung. In Leber und Milz ganz wenige graue miliare
Tuberkel. Halsdrüsen erbsongrofs, derb, weifslich, mit kleinen gelben
Nekroseherden auf dem Durchschnitt. Tracheal- und Bifurkationsdrüsen auf
dem Durchschnitt ebenso, aber nur linsengrofs. In der Lunge nur wenige
graue Miliartuberkel.
Resultat: Eine Doppelinfektion vom Hals und vom Pro-
zessus aus kann in diesem Fall kaum zweifelhaft sein, wenn
man die Gröfse und das Aussehen der einzelnen Drüsen als mafs-
gebend anerkennt.
27. 3. V. 11)04. Altes Meerschweinchen J), spontan gestorben nach
5 Monaten.
Obduktion: Tod erfolgt an fibrinös-eitriger Peritonitis, Pleuritis, Peri-
carditis.
Von Dr. Albert Üffenheimef. 35
Fünf Halsdrüsen stark vergröfsert, bis über Olivengröfse, mit allen
Stadien der Tuberkulose bis zur Erweichung. Tuberkulose der intrathora-
calen Drüsen. Lungenherdcben. Miliartuberkulose der Lunge, lieber, Milz.
Abdomen ganz frei.
Resultat: Unzweifelhafte primäre Halsdrüsentuberkulose.
28. 3. V. 1904. Altes Meerschweinchen % getötet nach 92 Tagen.
Obduktion: Prozessusdrüsen gelblich, etwas über erbsengrofs, schwach
getrübt. Eine Halsdrüse haselnufskerngrofs mit grofser Käsehöhle im Innern,
andere Halsdrüsen schwach vergröfsert. Trachealdrüse von normaler Gröfse,
kaum getrübt.
Mikroskopisch: Prozessusdrüse zeigt gut ausgebildete Epitheloid-
zellentuberkel mit zahlreichen Riesenzellen. Es gelingt nicht, Tb nach-
zuweisen. Die Tuberkel sind aufserordentlich deutlich gegenüber der nor-
malen Umgebung abgegrenzt.
Resultat: Gleichzeitigeinfektion vom Prozessusund Hals aus.
29. 3. V. 1904. Altes Meerschweinchen ;f, getötet nach 29 Tagen.
Obduktion: Processusdrüsen doppelt erbsengrofs, stark getrübt. Im
Innern weifslichgelbliche Herdchen. Beginn der Verkäsung. Die übrigen
zum Darm gehörigen Lymphdrüsen schwächer erkrankt. Halsdrüsen etwas
geschwellt, bis Linsengröfse, deutlich getrübt. Auf dem Durchschnitt kleine
weifsliche Herdchen. Trachealdrüsen unter liosengrofs, schwach getrübt.
Resultat: Wahrscheinlich gleichzeitige Infektion vom Pro-
zessus und Hals aus.
Diese au den vier Alten vorgenommenen Fütterungsversuche
ergeben eine aufserordentliche Übereinstimmung mit denen der
Neugeborenen. Die überaus langsam und gutartig verlaufenden
Erkrankungsformen machen es zur Gewifsheit, dafs die verfütterte
Dosis derjenigen nahekommt, mit welcher keine Infektion mehr
zu erzielen ist und lassen anderseits vollgültige Rückschlüsse
auf den Infektionsort zu. Auch hier sitzt wieder in einem Fall
der Primärherd in den Halsdrüsen, und in den drei übrigen
Fällen ist eine gleichzeitige Infektion von der Mundhöhle und
vom Processus vermiformis aus kaum zu bezweifeln. Der Tb
geht demnach ebensogut durch die Schleimhäute der
alten wie der jungen Meerschweinchen hindurch, es
handelt sich lediglich, dem verschiedenen Alter und
der verschiedenen Schwere der Tiere entsprechend,
um Unterschiede in der Gröfse der zur Infektion erforder-
lichen Dosen.
Es wird übrigens von Interesse sein, zu erfahren, dafs von
der Darmwand des erwachsenen Meerschweinchens vor 30 Jahren
3ß Experim. Studien über die Darchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
von Wesen er eine Ansicht ausgesprochen wurde, die dem von
Behring für die Neugeborenen aufgestellten Satz aufserordentlich
nahekommt. Wesener sagt: >Es ist jedoch nicht aufser acht
zu lassen, dafs wie den andern im Darmkanal enthaltenen zahl-
reichen Organismen, so auch den Tuberkelbazillen gegen-
über die Darmwand vielleicht als Filter wirkte Also
hier wie dort die Annahme, dafs der Darm den Bazillen gegen-
über ein Filter vorstelle. £ine andere Auffassung liegt aber viel-
leicht näher.
Man rufe sich nur ins Gedächtnis zurück, wie unregelmäfsig
in der Zeit vor der Entdeckung des Tb durch Robert Koch die
Fütterungsversuche ausfielen.^) Als jedoch 1884 Baumgarten
mit Tb (»aus gequetschten Tuberkelmassen c) versetzte Milch ver-
abreichte, gelang es ihm stets, vom Intestinaltrakt ausgehende
Tuberkulose zu erzielen. Es kommt also tatsächlich nur darauf
an, dafs virulente Tb in genügender Menge 2) verfüttert werden,
um regelmäfsig bei alten wie jungen Meerschweinchen Tuberkulose
zu erzielen. Bei diesem Sachverhalt scheint es vielmehr an-
gemessen, sich zu erinnern, dafs in der Skala der Empfindlich-
keit gegen den Tb diese Tierspezies obenan steht (v. Behring),
und es liegt somit vielleicht der Gedanke nahe, dafs die Darm-
wand des Meerschweinchens eben in besonderer Weise durch-
lässig ist für den Tb, oder, um das, was mir vorschwebt, klarer
auszudrücken: Je gröfser die natürliche Disposition')
1) Dabei waren, wie z. B. an Orths Experimenten nachgewiesen wurde,
gerade an den positiven Resultaten oft genug Fehler in der Versuchs-
anordnung schuld (Verletzungen beim Kauen der verkalkten Perlsocht-
massen).
2) Nach unten hin dürften wir — wie aus den Protokollen zn ersehen —
wie bei den erwachsenen, so auch bei den neugeborenen Meerschweinchen
der Menge nahe gekommen sein, die bei einmaliger Verf ütterung eben noch
zur Infektion führt.
3) Allgemein hat Grawitz 1901 ausgesprochen, das Eindringen der Tb
setze > Disposition« voraus, wie beispielsweise die Noma-Erreger besonders
bei schwächlichen Kindern, die Gangränerreger beim Diabetiker. Weiterhin
kann auf die von Perez gefundene wichtige Erscheinung hingewiesen
werden, dafs Bakterien aus den Drüsen weniger empfänglicher Tiere rascher
verschwinden als aus denjenigen der sehr empfänglichen Tiere.
Von Dr. Albert Üffenheimer. '^ •
einer Tierart für die Tuberkulose ist, desto weniger
Sehutzkraft vermag der Darm eben dieser Spezies
gegen das Eindringen des Tb auszuüben.
Die völlig differenten Ergebnisse unserer Milzbrand- und
Tuberkelbazillen- Versuche (die sicher nicht allein durch Resistenz-
unterschiede der Bakterien den Verdauungssäften gegenüber er-
klärt sind — Falck, Baumgarten, Fischer) weisen mit allem
Nachdruck auf ein solches Gesetz hin.
Nachdem durch die vorausgehenden Untersuchungen fest-
gestellt war:
1. dals sich Fütterungstuberkulose auch nach einmaliger
Verabreichung geringer Tb-Mengen regelmälsig erzielen lasse,
und nachdem
2. die gewöhnlichen Infektionspforten gefunden waren, galt
es, durch frühzeitige Tötung nach der Fütterung, Untersuchungs-
material zu sammeln über das Verhalten des frisch dem Magen-
darmschlauch einverleibten Tb den verschiedenen Geweben gegen-
über. Hierüber mulsten uns belehren : anatomische Untersuchungen
des Darmkanals selbst und der Tb-Nachweis im Blut und in den
verschiedenen Lymphdrüsen des Körpers. Wo derselbe weder
durch Quetsch- noch durch Schnittpräparate zu erzielen war, wurde
zur Weiterverimpfung auf den Meerschweinchenkörper gegriffen.
Gerade auf die Lymphdrüsen wandte ich deshalb mein Augen-
merk, weil sie ja erfahrungsgemäls in den Körper eingedrungene
xMikroben zurückhalten, und weil aus den vorausgehenden Unter-
suchungen hervorging, dafs sie zuerst von der Tuberkulose be-
fallen werden. Es lag sehr im Bereich der Wahrscheinlichkeit,
dafs einzelne Tb aufserordentlich schnell in das Blut und die
Lymphe übergehen könnten. Nicolas und Des cos haben
nämlich in 3 ganz kurzen Veröffentlichungen, denen leider keine
genaue Schilderung der Experimente beigegeben ist, festgestellt,
dafs sie schon 3 Stunden nach Verabreichung grofser Tb-Mengen
einzelne Exemplare durch Färbung wie durch den Tierversuch
im Ductus thoracicus nachweisen konnten. Es interes-
sierte mich also besonders die Frage, ob in den Drüsen früh-
zeitig Tb zu finden seien und wenn ja, ob die eingedrungenen
40
Experim. Stadien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
gehörigen Drüse fand ich ebenfalls keine Tb Auch in der Tonsille
liefsen sieh nirgends Tb erkennen. Von o II wurden 2 Meer-
schweinchen mit Blut und Mesenterialdrüse geimpft.
5. 29. III. 1904, Jnnges ^ I, 50 g schwer, 1 Tag alt, erhält 0,075 g Tb.
Getötet nach 37i Standen.
Im Magen des Tieres (Schnitte von den verschiedensten Ge-
genden) glaubte ich zuerst das Durchtreten zahlreicher Tb durch
die Schleimhaut bemerken zu können; es erwies sich aber bald,
dafs ich durch künstlich in die Schnitte hineingeschwemmte,
aus dem Magenhohlraum stammende Bazillen getäuscht worden
war.^)
An mehreren (sehr wenigen) Orten jedoch sah ich auch in
diesem Präparate Tb, die allem Anschein nach wirklich ins
Schleimhautepithel eingedrungen waren. So lag an einer Stelle
ein Bazillus direkt neben dem Kern im Protoplasma
einer Epithelzelle, beim Verschieben der Mikrometerschraube
genau in gleicher Höhe mit dem optischen Querschnitt des Kernes.
Auch im Dickdarm konnten mehrmals einzelne ins
Int er stitium zwischen 2 Epithelzellen eingedrungene
Tb wahrgenommen werden.
Schnitte durch die Cöcal- und Prozessusdrüsen ergaben
aber noch ein völliges Freisein derselben von Tb (stets Serien-
schnitte).
n. Reihe. Trockene VerfÜtterung der Tb.
6. 24. y. 1904. Junges q I, 60 g schwer, 1 Tag alt, erhält 0,005 g Tb.
Getötet nach 9 Tagen.
Drüsenverändernngen noch nicht charakteristisch.
Blut und Drüsen an 5 Meerschweinchen weiter verimpft.
7. 24. V. 1904. Junges p II, 80 g schwer, 30 Stunden alt, erhält
0,005 g Tb. Getötet nach 6V, Tagen.
1) Ich konnte nämlich deutlich beobachten, wie durch den Druck des
Immersions Objektivs auf das Deckglas — bei noch nicht erstarrtem Kanada-
baisam — Bazillenhäufchen und Einzelexemplare des Tb langsam aus dem
Lumen in den Schnitt selbst hineinschwammen. Um solche Zufälle zu ver-
meiden, habe ich später die Mägen und Därme gleich nach der Sektion für
kurze Zeit in kochendes Wasser geworfen (Erstarren der Lymphe), teils in
Celloidin eingebettet und die Untersuchung der Präparate erat nach dem
Trocken worden des Kanadabalsams vorgenommen.
41
Von Dr. Albert Uffenheimer.
Aasstrich Präparate aus Magen- und Darminhalt: keine Tb.
Quetschpräparate von Dünndarmdrüse: keine Tb.
Blut und Drüsen an 4 Meerschweinchen weiter verimpft.
8. 17. IX. 1904. Junges f IV, 80 g schwer, l»/* Tag alt, erhält sehr
grofse Mengen Tb (mindestens 0,3 g).
Getötet nach 5 Tagen.
In Quetschpräparaten einerLeber hilu 8- (Pylorus-)
Drüse gelingt der Nachweis eines sicheren Tb. In
Präparaten aus drei kleinen Netzdrüsen wird eben-
falls ein sicherer Tb nachgewiesen.
Hier ist der Ort, einzusehalten, dafs (wie ich mich durch
zahlreiche Untersuchungen an normalen Tieren überzeugt habe)
sowohl diese Drüschen am Netz wie auch die kleine Drüse am
Cöcura bei allen jungen Meerschweinchen vorhanden ist. Es
handelt sich nicht — wie man nach den Behringschen
Mitteilungen wohl annehmen mufs^) — um durch die
Tätigkeit des Tb hervorgerufene Neubildungen, Ich
habe auch von solchen Knötchen verschiedentlich
Serien angelegt und hierbei gesehen, dals sie völlig
wie Lymphdrüsen gebaut sind.
9. u. 10. 20. V. 1904. Junges b I und H, je 70 g schwer, V* Tag alt
erhalten 0,005 und 0,009 g Tb. Sie starben spontan an Sepsis*) nach
37i resp. 5 Vi Tagen.
1) > Wenige Tage später . . . submiliare Verdickungen im kleinen und
grofsen Netz, mit Tb, sowie kleine Knötchen an einer dem Blinddarm nahe-
gelegenen Stelle der Mesenterialwurzel.«
2) Die Mutter dieser beiden Tierchen starb am 24. V. 1904 an Sepsis
(Peritonitis mit jauchigem Exsudat. Starke Trübung des Leberparenchyms.
Riesige Infektionsmilz. Nephritis. Adhäsivpleuritis. Pneumonie). Da sich bei
den Obduktionen der Jungen (von denen das eine gleichzeitig mit der
Mutter starb, das andere 2 Tage später) ganz gleichartige Veränderungen
fanden, so untersuchte ich die drei Fälle darauf, ob etwa eine Infektion der
Neugeborenen durch die Säugung nachzuweisen war.
Es gelang mir aus verschiedenen Organen der drei Tiere ana6robe
Stäbchen rein zu züchten, die ich nicht näher bestimmen konnte, deren
Aussehen auf den Kulturen jedoch nicht völlig identisch war. Aufserdem
wuchsen aus den Organen der Jungen und Alten zur Coli-Gruppe gehörige
Stäbchen. Die Untersuchung der Milchdrüsen der Alten nach verschiedenen
Färbungsmethoden (auch Gram) ergab völliges Freisein der Drüse von M
kroben. Auch in den noch sehr viele Milchkügelchen enthaltenden Milch-
^^ Ezperiiu. Studien über die Durcbgängigkeit des Magendarmkanales etc.
Qaettfch Präparate aas verschiedeiien Organen, antersacbt auf Tb :
negativ.
11., 12., 13. 20. V. 1904. Jauge 1 I, 1 H. 1 UI, 65, 65 and 60 g schwer,
10 Standen alt, erbalten 0,014—0,0*27 and 0,025g Tb. Sie gingen spon-
tan ein und zwar 1 II kurz nacb der FQttemng an septiscber Pneumonie,
die beiden anderen 4 Tage später, wahrscbeinlicb an Lebensscbwäcbe. Denn
die Obduktionen ergaben nichts Pathologisches.
Die von den Drüsen angelegten Quetsch präparate enthielten bei allen
drei Tieren keine Tb. Im Mageninhalt von 1 II waren noch zahlreiche Tb,
dagegen noch keine solchen in dem Streptokokken haltigen Cöcum. Das
Tier mufs demnach sehr schnell nach der Fütterung (abends vorgenommen^
gestorben sein.
14. 17. IX. 1904. Junges f III, 80 g schwer, 1*/« Tage alt, erhält grofse
Mengen Tb (mindestens 0,3 g). Getötet nach 3 Tagen.
Quetsch präparate :
a) kleines Netzknötchen enthielt wenige sichere Tb.
b) Leberhilusdrüse: zwei sichere Tb.
c) DrüBchen im vom Leberbilus 'zum Zwerchfell hinaufführenden
Bindegewebe gelegen : keine Tb.
d) Halsdrüse: keine Tb.
e) Trachealdrüse : keine Tb.
f) Tonsille: vielerlei Mikroben, aber keine Tb.
g) Drüschen aus dem kleinen Netz: keine Tb.
15. 17. V. 1904. Junges f I, 100 g schwer. V, Tag alt, erhält 0,029 g Tb.
Getötet nach 3 Tagen.
Im Magen keine Tb mehr, in Processus vermiformis noch vereinzelte
Exemplare.
Quetschpräparate von Omentumdrüse : keine Tb.
Blut und Drüsen aus Meerschweinchen weiter verinipft
Die Ergebnisse dieser anatomischen Untersuchungen
sind: Bei Verfütterung sehr grolser Mengen von Tb
finden sich einzelne Exemplare schon nach wenigen
Tagen in Drüschen des Netzes und des Leberhilus. Bei
Aufnahme kleinerer Tb-Mengen in den Darm mils-
lingt aber in dieser Zeit der anatomische Nachweis
der Tb in den Drüsen. Der Durchgang der Tb durch
den Magendarmkanal geht wahrscheinlich sehr rasch
gangen waren nirgends Bakterien zu sehen. Eine Ansteckung der Jungen
durch die Säugung konnte also nicht nachgewiesen werden; eher liefse sich
hier an eine perkutane Infektion von der Nabelwunde aus denken, wie sie
von Gefsner und neuerdings (in einem Münchener Vortrag) auch von
Behring vertreten wird.
Von Dr. Albert Uffenheimer. ^3
nach der Fütterung vor sich. An einzelnen Stadien
des Durchgangs konnten, zumeist am Cöcum und
Processus vermiformis, festgestellt werden:
1. Einbettung der Tb in die obere Schleimschicht
des Epithels, vorhergehendes (?) Zurückweichen
der Schleimhaut vor dem Tb.
2. Aufnahme in Epithelzellen selbst oder in das
Interstitium nebeneinander liegender Zellen.
Weitere Stadien der Durchwauderung kamen nicht mehr zur
Beobachtung.
Eine Reizung der Darmschleimhaut durch die Tb selbst
habe ich nie gesehen. Die Art und Weise, wie Nebelthau
das Verhalten der Tb im Darm gröfserer Versuchstiere studierte,
entspricht gar nicht den natürlichen Verhältnissen. Durch die
zur Isolierung der Dünndarmschlingen notwendige Abklemmung
mittels Kautschukschläuchen wurden ganz abnorme Zirkulations-
bedingungen gesetzt, und es bezeugen auch manche Notizen von
Nebelthau selbst, dafs nach Ablauf gewisser Zeit arge patho-
logische Veränderungen, von der entzündlichen Hyperämie bis
zur nekrotischen Geschwürsbildung und diphtheritischen Belägen,
eingetreten sind (a. a. 0. S. 584/85).
Die „EnStchenlunge^^
Was ich bis jetzt berichten konnte, sind gesicherte Resultate,
der letzte Teil dieses Kapitels beschäftigt sich dagegen mit Be-
funden, die eine ganz zweifelsfreie Erklärung noch
nicht zulassen, die aber wegen ihrer Merkwürdig-
keit einer ausführlichen Erörterung wert sind.
Es sind Befunde, welche ich an denjenigen Meer-
schweinchen machte, die mit Blut und Drüsen vor kurzer
Zeit mit Tb gefütterter Neugeborner geimpft wurden.
Das Blut wurde mit all den bei den Milzbrandversuchen
Nr. 11 und 12 geschilderten Kautelen dem Herzen des narkoti-
sierten Tieres entnommen, darnach wurde das Tier getötet. Hierauf
schritt ich zur Ablösung der einzelnen Drüsen. Diese wurden
^ Experim. Studien aber die Darcbgängigkeit des MagendarmkanaleB etc.
dann gesunden Meerschweineben unter die Bauehhaut eingenäht,
das Blut wurde aus der Spritze, mit der es dem Herzen ent-
nommen war, subkutan unter die Bauehhaut injiziert.
Die ersten Obduktionen der so behandelten Tiere, die ich
vornahm, ergaben glatte Resorption an der Impfstelle und keine
Organveränderungen. Bald aber zeigten sich — wenn eine
längere Zeit nach der Impfung verstrichen war — eigenartige
Knötchen in den Lungen, die um so gröfser, resp. zahlreicher
wurden, je mehr Zeit zwischen Impfung und Tötung gelegen
war. Eine nochmalige Durchmusterung der früher obduzierten
Tiere, bei denen das ungeübte Auge damals noch alles normal
befunden hätte, zeigte dann bei dem noch vorhandenen Material
(z. B. bei Meerschweinchen 33t und 31) ebenfalls eine solche
Knötchenbildung im früheren Stadium. Ehe ich eine genaue
Beschreibung hiervon gebe, lasse ich eine Übersicht über die so
behandelten Tiere folgen. Ihre Aufzählung richtet sich nach
dem zwischen Impfung und Tötung vergangenen Zeitraum
(Rubrik 4 der Tabelle).
(Folgt Tabelle aaf S. 46—49.)
Wie aus den Obduktions- Protokollen hervorgeht, zeigten
sich in den anfänglichen Stadien ganz kleine an der Grenze der
Sichtbarkeit stehende runde Knötchen, die graudurchsichtig waren.
Mit dem weiteren Fortschreiten des Prozesses nahmen sie an Um-
fang zu, häufig wurden sie hirsekorngrofs, wuchsen gelegentlich
auch noch darüber hinaus. Bei solcher Entwicklung zeigten sie
ein graues Aussehen, überragten auf dem Durchschnitt die Schnitt-
fläche etwas und hatten einige Ähnlichkeit mit den grauen
Tuberkeln (vgl. Fig. 1), doch zeichneten sie sich durch eine
gröfsere Transparenz vor diesen aus.
Dafs diese Knötchen ^) tuberkulöser Natur sein könnten, war
von vorn herein anzuzweifeln, denn es fehlte regelmäfsig eine
lokale Erkrankung der Impfstelle, die im Experiment nie ver-
mifst wird.
1) Der Kürze halber spreche ich weiterhin nur von »Knötchen« nnd
» Knötcbenlunge« .
Von Dr. Albert Üflenheimer.
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Dennoch genügte natürlich dieser Umstand nicht zur Ab-
lehnung einer durch die Impfung entstandenen tuberkulösen Er-
krankung. Ich nahm deshalb zunächst histologische Unter-
suchungen der eigenartigen Gebilde vor. Für dieselben schnitt
ich diejenigen Lungenstückchen, welche die gröfsten Knötchen
enthielten, aus und verarbeitete sie zu Schnittserien. Auf Tb
färbte ich nach Ziehl-Neelsen, 24 Stunden lang im kalten
Karbolfuchsin, doch' wandte ich — um völlig sicher zu gehen
— allerlei Modifikationen an. Ich kann als Resultat der aufser-
ordenüich zahlreichen Untersuchungen (fast von jedem Tier ver-
arbeitete ich ein oder mehrere Lungenstückchen in Serien) sum-
marisch berichten, dafs sich niemals Tuberkelbazillen in
den Knötchen gefunden haben. Der histologische Aufbau,
von dem ich später spreche, führte ebenfalls zur Verwerfung
einer tuberkulösen Erkrankung.
Ich machte noch weiterhin den Versuch der Übertragung
knötchenhaltiger Teile auf neue Tiere. So impfte ich ein Meer-
schweinchen (69) mit vielen Knötchen der Lunge des Meer-
schweinchens U intraperitoneal. Nach 9 Monaten zeigte
das neugeimpfte Tier nirgends eine Spur von Tuber-
kulose, wohl aber zu meiner gröfsten Überraschung zahl-
reiche kleine Knötchen von genau der gleichen Art wie
die früher verimpften in seiner Lunge.
Lungenknötchen des Meerschweinchens S brachte ich in die
vordere Augenkammer eines neuen Meerschweinchens (107)und eines
Kaninchens hinein. Eine örtliche Tuberkulose ist auch
darnach nicht eingetreten. Die Tötung und Obduktion der
Tiere will ich erst in mehreren Monaten vornehmen, um mich
dann überzeugen zu können, ob auch bei ihnen Knötchen in
den Lungen entstanden sind. Aufserdem machte ich bei den
am längsten am Leben gelassenen Tieren, die im ganzen bei
der Obduktion die zahlreichsten und gröfsten Knötchen zeigten,
Tuberkulin- Injektionen.
Sowohl bei Meerschweinchen % wie bei S trat nach Einspritzung
von 0,3 ccm Neu-Tuberkulin nicht die geringste Reaktion ein,
Von Ür. Albert Üffenheimei'. 51
mit Ausnahme eiuer mäfsigen Gewichtsabnahme, die sich in
gleichem Mafse bei den Eontrolltieren zeigte. (30. I. 05.)
Ganz ebenso wenig reagierten die Tiere a I, er II und y I auf
die Injektion von 0,5 ccm Alt-Tuberkulin (am 14. II. 05) und
späterhin (am 28. II. 05) (7 1, a II und 93 auf die riesige Menge
von 2,5 resp. 3 ccm Alt-Tuberkulin. Nur bei y I und % wiesen bei
der Obduktion (nach Tötung mit Chloroform) einige der grauen
Knötchen einen roten Hof auf, entstanden durch Eapillar-
hyperämie. Nach all diesen Befunden darf wohl mit Sicher-
heit ausgesprochen werden, dafs die Knötchen keine
tuberkulösen Bildungen sind.
Nun ist uns zur Genüge bekannt, dafs auch tote Tuberkel-
bazillen Knötchenbildungen erzeugen können (Römer), nach
Marcantonio soll das Serum und das defibrinierte Blut mit
experimenteller akuter Miliartuberkulose behafteter Tiere auch
nach Filtration durch das Chamberlandsche Filter bei intraperi-
tonealer oder subkutaner Impfung in Lunge, Leber und Milz
tuberkuliforme Herde (ohne Bazillen und Riesenzellen) hervor-
bringen. Bei intraperitoneal geimpften Meerschweinchen soll es
typische Lebertuberkel hervorrufen können, ebenso erzeugen die
in Äther resp. Chloroform gelösten Bestandteile der Tb nach
dem gleichen Autor resp. nach Auclair gewisse Veränderungen,
wie wir sie bei Tuberkulose zu sehen gewohnt sind.
Allen diesen Veränderungen ist aber gemeinsam, dafs sie
denen der echten experimentell erzeugten oder unter den natür-
lichen Verhältnissen entstandenen Tuberkulose äufserst ähnlich
sind. Bei unseren Knötchen dagegen handelt es sich um ganz
differente Bildungen. Denn sie stellen histologisch nichts
anderes dar als aufserordentlich grofse Lymphknöt-
chen, die eine ganz auffallende Tätigkeit zeigen.
Wir finden nämlich (vgl. Fig. 7) bei gewöhnlich recht
weiten Kapillaren der Umgebung Anhäufung von Zellen, deren
Kerne zumeist grofs, hell, wie aufgeblasen, sehr chromatinarm
sind ; bei manchen Kernen sammelt sich das Chromatin am Rande
an; wir sehen ferner als etwas besonders Charakteristisches in
grofser Anzahl Kemteilungsfiguren in allen Stadien. Auch auf
4*
eine öftere Anweäenheii zahlreicher eotsiiioC'hiler Zeüen in solchen
Knj^tcben uzA den nahegelegenen BIuigefiJLisen bin ich aofmerk-
sam geworden — ob es sich aber cm eine konstante Begleic-
ersoheinong handelt, kann ich hente noch nicht sagen. Das
Knjjtchen vermag bei dieser reichen Tätigkeit, wie erwähnt, bis
über MilinmgrO&e anzuschwellen and in den exqoisiten Fällen
finden sich die Langen (am stärksten zumeist die Unieriappen)
wie übersät von den kleinen Knötchen • Fig. 3 and 5 im Gegen-
satz zu Fig. 2 und 4j. —
Als ich sicher zu sein Raubte, dals die Knötchen Ansamm-
langen von L^rmphelementen seien, stellte ich mir die Frage, ob
und in welcher Weise solche in der normalen Lunge verteilt
seien.
Ich habe deshalb bei zahlreichen Meerschweinchen Serien-
untersuchungen von Lungenstücken vorgenommen, bei ganz nor-
malen Tieren sowohl, wie bei solchen, die einer Infektion erlegen
waren oder eine solche überstanden hatten^). Ich fand in allen
untersuchten Lungen kleinste Ansammlungen von Lymphelementen
imd zwar ebensowohl bei jungen wie bei heranwachsenden und
alten Tieren. Bei den neugebomen sind sie ganz klein, schein-
bar auch spärlicher als bei älteren Tieren, mit dem fortschreiten-
den Wachstum tritt eine gewisse Vergrölserung und Vermehrung
ein. Dies adenoide Gewebe hat seine Prädilektionsorte direkt
unter der Pleura, im penbronchialen Gewebe und in der Scheide
kleiner Blutgefäfse. Sein enger Zusammenhang mit dem Gefäfs-
system geht auch daraus hervor, dafs man die Gebilde sehr häutig
von kleinen und kleinsten Arterien durchbohrt findet
Der mikroskopische Bau derselben ist gleich dem eines jeden
Lymphknötchens. Abbildung 6 zeigt sehr gut die Zusammen-
setzung eines sehr grofsen Konglomerates vom Lymphendothelien
aus einer normalen Meerschweinchenlunge. Man sieht dort stark
1) Ich nahm zar Untersachang stets solche StQcke, in denen dem ma-
kroskopischen Anblick zufolge sich die grOfsten Knötchen befanden. Darch
Übang brachte ich es so weit, noch allerkleinste »stecknadelspitsgrofsec
Knötchen za erkennen. Aaf Details darf ich hier nicht eingehen, hoffe
aber später in aasführlicher Weise dies Thema umfassen zo können.
Von Dr. Albert Uffenheinier. r^3
chromatinhaltige, gleichmäfsig aussehende Zellen, die kaum etwas
von einer gröfseren Tätigkeit erkennen lassen.
In den Lehrbüchern der Zoologie und der vergleichenden
Anatomie konnte ich wenig Bemerkenswertes über diese Lymph-
organe der Lunge finden.
Dennoch sind sie schon seit ziemlich langer Zeit beschrieben
worden. Über die mit der Bronchialwand in inniger Beziehung
stehendenLymphorganehabenBurdon-SandersonjC. A. Rüge,
Klein, Friedländer, Schottelius und Frankenhäuser
berichtet. Arnold und Lud er s machten vor allem auf das
subpleural liegende lymphatische Gewebe der Lunge aufmerksam,
und bei Ribbert, neuerdings beiSawada, bilden die Knötchen
einen wesentlichen Punkt bei der Entstehung der hämatogenen
Miliartuberkulose der Lunge.
Über die Deutung derselben ist man nicht immer einig ge-
wesen, sie sind ebenso als normale Bestandteile angesehen worden,
wie >als pathologische Produkte oder aber als mehr zufällige und
unwesentliche Gebilde, c
Heute können wir es als gesichert betrachten — und für das
Meerschweinchen bieten auch meine Untersuchungen eine Stütze
— dafs man die Anwesenheit der lymphatischen Elemente in der
Lunge als etwas ganz Normales ansprechen darf. Aber der be-
sonders durch Arnolds Arbeiten errungene Standpunkt, dafs
uicht nur bei den einzelnen Arten, sondern auch bei verschie-
denen Individuen derselben Art Differenzen in der Verteilung
und im Bau dieser lymphatischen Apparate sich finden, wird
wieder zu verlassen sein. Wenn auch Verschiedenheiten in engen
Grenzen zuzugeben sind, so bin ich nach meinen Untersuchungen
heute der Überzeugung, dafs im allgemeinen das, was für indi-
viduelle Abweichung angesehen wurde, ein pathologisches Produkt
ist, oder besser ausgedrückt, eine Reaktion des Kör-
pers gegen eingedrungene Noxen darstellt. Während
nämUch bei den normalen Tieren fast ausnahmslos Verhältnis-
mäfsig kleine, in grofser Ruhe befindliche Lymphorgane sich fanden
(wie oben beschrieben), war bei den in der Tabelle aufgeführten Meer-
schweinchen beinahe stets ein ganz anderes Verhalten zu bemerken.
54 Experim. Stadien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
Hier darf ich zur besseren Begründung meiner folgenden
Anschauungen einige Arbeiten von Bartel kurz einschalten.
Der Autor versuchte der Fütterungstuberkulose beim Kaninchen
durch Überimpfung von Drüsen, Tonsillen usw. auf Meerschwein-
chen zu folgen und konnte dabei wiederholt in Organen Tb nach-
weisen, wo makroskopisch keinerlei auf Tuberkulose deutende
Veränderung zu konstatieren war, in einem Falle fand er sogar
Latenz der Tuberkuloseerreger 104 Tage lang.
Mir ist im völligen Gegensatze hierzu — wie die Tabelle
zeigt — der Nachweis der Tb auf dem gleichen Wege nicht ge-
glückt. Da jedoch die im Vorhergehenden beschriebenen Ver-
suche eindeutig erwiesen hatten, dafs sich ganz regelmäfsig durch
die von mir verabreichten Tb-Quantitäten eine Fütterungstuber-
kulose erreichen lälst, so muls ganz sicher zum mindesten ein
Teil der durch Weiterverimpfung geprüften Organe Tb-haltig ge-
wesen sein. (Man erinnere sich nur, dafs bis zu 10^/2 Tagen
zwischen Fütterung und Tötung vergangen waren!). Einerseits
wird die Differenz zwischen Bartels und meinen bezüglichen
Versuchen sich erklären lassen aus einem verschiedenen Virulenz-
grade der verwandten Bazillen, anderseits macht das Fehlen
jeglicher tuberkulöser Erscheinungen bei meinen Impftieren und
der gerade bei ihnen immer wiederkehrende ^^Knötchenc-Befund
es aufserordentlich wahrscheinlich, dafs die Knötchen mit den
bei der Impfung in den neuen Tierkörper mit eingebrachten Tb
zusammenhängen.
Ich hatte, angeregt durch Nicolas und Descos (oben zi-
tiert) und durch meine anatomischen Untersuchungen die Vor-
stellung bekommen, dafs ganz schnell nach der Fütterung einzelne
Tb in Drüsen einwandern. Nun wird gewils nicht jede Drüse
deshalb gleich von Tuberkulose befallen, besonders die Bartel-
schen Untersuchungen kommen ja den B eh ringschen Anschau-
ungen von einer gewissen Latenz der Tb im tierischen Organis-
mus entgegen. Meine Fütterungsresultate (des I. Teils) hatten
gezeigt, dafs sehr häufig nur eine Drüsengruppe tuberkulös er-
krankt war, in einer Anzahl von Fällen waren aber zweifellos
verschiedene Gruppen gleichzeitig von der Tuberkulose ergriffen.
Von Dr. Albert Uffenheimer. 5«^
Es ging daraus für mich hervor, dafs wahrscheinlich die Infek-
tionsmöglichkeit für viele Drüsengruppen in allen Fällen gegeben
ist, dafs aber oft genug die Drüsen, in welche eine verhältnismäfsig
geringe Anzahl von Tb eingedrungen ist, der Infektion widerstehen
können. Nach meinen Resultaten sind dies sicher öfters die
Halsdrüsen als die Prozessusdrüsen.
Wird nun eine solche Drüse dem Organismus frühzeitig ent-
nommen, so muls sie gewifs noch die vielleicht schon unschädUch
gemachten oder doch bereits schwer geschädigten Tb enthalten.
Wird die Drüse weiter überimpft, so kann eine Tuberkulose natür-
lich nicht mehr entstehen, die wenigen, zum mindesten schwer
geschädigten Tb können auch nicht zu tuberkelähnUchen Bildungen
mehr führen. Ich weise hier auf die schon oben zitierte, wichtige
Arbeit von Perez hin. Dieser nimmt eine allmählich bis zum
völligen Virulenzverlust sich steigernde Abschwächung der in die
Lymphdrüsen eingedrungenen Bakterien an. Nach einer zwei-
bis dreimaligen Passage der Tb durch die Drüsen konnte er nur
noch eine milde Infektion bei Tieren erzeugen. Bei den ganz
geringen Mengen unseres schwach virulenten (Menschen-) Tb hat
gewifs die zweite Passage schon die völlige Abtötung derselben
herbeigeführt. Nun wird aber der zweite Tier-Organismus die
toten Tb nicht ohne weiteres liegen lassen oder einfach resorbieren.
Wenn ihnen auch die vitale Kraft genommen ist, so enthalten
sie noch immer dem tierischen Körper widrige Stoffe^). Gegen
diese wird er sich durch Bildung von Abwehrprodukten schützen
wollen, kurz es werden mit aller Wahrscheinlichkeit
Immunisierungsvorgänge eingeleitet werden.
1) Bartels, der durch nicht sicher za deutende Befunde an seinen
Impftieren ku Untersuchungen Über die Wirkung schwach virulenter Tb ver-
anlafst wurde» fand zusammen mit Stein, dafs schwach virulente abgetötete
Tb in den von ihnen veränderten Organen in natürlicher Verteilung einge-
schlossen, nicht imstande seien, am Impftiere Veränderungen spezifischer
Natur oder auch nur Marasmus zu erzeugen. Ich habe die Protokolle von
B. und S. genau studiert, konnte aber in ihnen Veränderungen nicht finden,
die in ihrem histologischen Bau meinen Lungenknötchen entsprochen hätten.
Leider haben die Autoren keine Untersuchungen der Lungen selbst unter-
nommen. Vielleicht besitzen sie noch das Obduktionsmaterial und vermögen
bei genauer Durchsicht die Knötchen wirklich zu entdecken.
5H
Experim. Stadien über die Durchgängigkeit des Magendannkanales etc.
Für einen Ausdruck solcher Vorgänge nun halte
ich meine Knötchen^). Da der Organismus sehr häufig in
die Lage kommt, sich gegen eingedrungene schädliche Stoffe
(Bakterien oder ihre Produkte) wehren zu müssen, so erschien es
möghch, dafs nicht nur die Tuberkelbazillen, sondern auch andere
belebte oder unbelebte Gifte das normale adenoide Gewebe der
Lunge in der beschriebenen Weise beeinflussen können.
Bei meinen Nachforschungen an anderen Lungen als denen
meiner Impftiere habe ich aber nur ganz selten ähnliche Ver-
änderungen gefunden, so bei einem Tier, das eine schwere Diph-
therietoxin-Infektion überstanden hatte, ein andermal bei einem
Fall spontaner septischer Erkrankung, einmal auch bei einem
alten schwangeren Muttertier.
Diese wenigen Beobachtungen vermöchten vielleicht gegen
eine Spezifizität des eigenartigen Prozessusin der Lunge zusprechen,
indessen könnte ja auch der Körper dieser Tiere in irgend einer
Weise mit geringen Dosen abgeschwächter Tb zu tun gehabt
haben ^). Natürlich sind mit dem Mitgeteilten meine Arbeiten
über diesen Punkt nicht abgeschlossen. Ich habe seit längerer
Zeit schon Tiere in Beobachtung, die mit Drüsen und Blut un-
behandelter neugeborener Junger geimpft sind. In den ersten
drei Monaten konnte ich bei ihnen eine stärkere Knötchen-Ent-
wicklung nicht feststellen. Weitere Stadien sind noch nicht
untersucht.
1) Ich erinnere daran, dafs Manfred! und Viola auf den Einflafs
der Lymphdrüsen bei der Erzeugung der Immunität gegen ansteckende
Krankheiten aufmerksam gemacht haben.
2) Ich kann hier eine Beobachtung anführen, wo ich bei einem nur mit
Drüsen eines unbehandelten neugeborenen Jungen geimpften Meerschwein-
chen (71) nach 2'/i Monaten eine typische Knötchenlunge fand. Die
Obduktion ergab >eine einzige kleinlinsengrofse Halsdrüse, sehr hart Beim
Durchschneiden zeigte sich an einer Stelle purulente Erweichung, sowie ein
kleiner Verkalkungsherd <. Die histologische Untersuchung bestätigte Tuberku-
lose dieser Drüse (mit aufserordentlich zahlreichen Riesenzellen und wenigen
Tb), offenbar handelte es sich in diesem Fülle um eine Stall Infektion.
Es wäre nicht unmöglich, dafs bei den oben genannten drei Beobachtungen
Stallinfektionen mit so abgeschwächten Tb stattgefunden hätten, dafs eine
pathologisch-anatomisch nachzuweisende Tuberkulose nicht mehr entstehen
konnte.
Von Dr. Albert üffenheimer. p^^
Ferner habe ich mit einem sehr stark virulenten, von Ex-
zellenz V. Behring mir gütigst zur Verfügung gestellten Rinder-
tuberkelbazillus Fütterungen vorgenommen und Drüsen wie Blut
der betreffenden l^ere frühzeitig weiter verimpft. Im Blut selbst
konnte ich kurz nach der Fütterung mittels der Joussetschen
Methode Tb nicht nachweisen ^). Das Ergebnis an den Impftieren
murs noch abgewartet werden.
Auch auf andere Bakterienarten und -Gifte will ich weiter-
hin meine Untersuchungen noch ausdehnen.
Für die vorliegende Arbeit möchte ich — da vorläufig noch
zu wenig ganz Sicheres gefunden ist — keine bindenden Schlüsse
ziehen, immerhin machen die Knötchen mir (wie aus meinen
vorausgehenden Deduktionen ja hervorgehen mufs) wahrscheinlich,
dafs der Tb durch die Fütterung rasch in die Organe der betr.
Tiere gelangen kann.
Noch eine Frage ist der Erwähnung wert, wie es wohl
kommen mag, dafs gerade in den Lymphorganen der Lunge
solche Vorgänge auftreten. Hierzu mufs ich bemerken, dafs die
Obduktion der Knötchentiere manchmal Vergröfserung der Milz
und besonders recht grofse Follikel in denselben ergeben hat, die
von weiten Kapillaren durchzogen waren — eine Erscheinung,
welche an die für die Lungen beschriebene erinnert, und dafs ich
mehrmals in den Lebern eigenartige Bildungen sah, die vielleicht
auch hiermit zusammenhängen. Möglicherweise aber ist es die
reiche Versorgung mit Sauerstoff (sowohl direkt aus der Luft,
wie durch die Äste der Arteria pulmonalis'^), die gerade die
Lunge am befähigtsten macht, den Körper in seinen Abwehr-
bestrebungen zu unterstützen. Ob die gleichen Vorgänge auch
bei anderen Tierarten, und insbesondere auch beim Menschen,
sich finden, vermag ich nach meinen Beobachtungen natürlich
nicht zu sagen, doch hat eine solche Meinung alle Wahrschein-
1) Diese von ihrem Entdecker sehr gepriesene Methode des Nachweises
der Tb nach Verdanang der sie einschliefsenden Gerinnsel, scheint nach
neaeren Berichten, z. B. von Beitzke, doch nicht absolut zuverlässig
za sein
2) Nach Prof. Zamsteins Versuchen (zitiert bei Sawada) werden
fast alle Lymphknötchen der Lunge von Zweigen der Lungenarterie versorgt.
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lichkeit für sich. Speziell beim Menschen wird aber ähnliches
wegen des starken Pigmentgehaltes der Lungen (und auch ihres
adenoiden Anteiles) nur zu leicht der Aufmerksamkeit entgehen
können.
Dafs so viele Monate nach der Infektion die Knötchen noch
eine so starke Tätigkeit zeigen, braucht dann nicht wunder zu
nehmen, wenn wir die Knötchen wirklich für den Ausdruck im
Körper vor sich gehender immunisatorischer Vorgänge halten.
Versuche mit hSmoIytlsehem Senim.
Die ersten Fütterungsversuche mit genuinem Eiweifs wurden
mit einem hämolytischen Immun-Serum vorgenommen. Wir
wissen zwar heute nichts über die chemische Konstitution der
spezifischen Körper in einem solchen Serum, dürfen aber wohl
annehmen, dafs sie in dieselbe Kategorie von Substanzen ge-
hören wie die übrigen Antikörper. (Man vergleiche hierzu die
Darlegungen Zanggers lÜber die Funktionen des Kolloid-
zustandes bei den Immunkörperreaktionen c.)
Es war daher naheliegend, ein hämolytisches Immun-Serum
zu verfüttern, da schon geringe Quantitäten desselben im Blute
des lebenden Tieres bedeutende und leicht nachweisbare Ver-
änderungen hervorzubringen vermögen.
Wenn wirklich alle genuinen Eiweifsstoffe »fast quantitativ«
durch den Magendarmkanal der Neugebornen ins Blut über-
gehen, so mufste ein mit genügenden Mengen eines spezifischen
hämolytischen Serums gefüttertes Meerschweinchen unter den-
selben Krankheitserscheinungen sterben, als ob ihm das Serum
direkt in die Blutbahn eingespritzt worden wäre, oder zum
mindesten doch an schwerer Hämoglobinurie erkranken.
Ehe ich meine Versuche schildere, möchte ich noch einer
Mitteilung Mötalnikoffs Erwähnung tun, die übrigens seither
in der Literatur keine Stütze gefunden hat. Es ist nämlich nach
seinen Angaben gelungen, auch durch Blutfütterung spezifische
Hämolysine zu erzeugen. Wenn dies allgemeine Geltung hätte,
wäre also fiin Übertritt unveränderten Blutes sogar durch den
Magendarmkanal erwachsener Tiere in deren Kreislauf erwiesen.
Von Dr. Albert Uffenheimer.
59
Ich stellte mir ein hämolytisches Serum dadurch her, dafs
ich mehreren Kaninchen wöchentlich je zweimal die wiederholt
aufs sorgfältigste ausgewaschenen Blutkörperchen eines Meer-
schweinchens (so viel aus einer Karotis zu erhalten waren) in
physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt, intraperitoneal
injizierte. Die am 9. und 10. XII. 1903 vorgenommene Prüfung
des Serums eines seit dem 21. XI. 1903 behandelten Kanin-
chens (y) ergab:
Menge
des spez. Serums.
1.
0,5 ccm
2.
0,25 :
3.
0,125 :
4.
0,06
5.
0,03 1
6.
0,015 3
7.
0,01
8.
0,005 :
9.
0,0025 1
10.
1
0,001 :
Kontrolle
Resultat nach 2h
0,1 ccm eines aus-
gewachsenen Meer-
schwein • Blutkörper-
chenbreies bei einem
Gesamtvolum von
2,0 ccm zusammen-
gebracht mit:
> komplette Lösung
)
}
mftljBige I/Ö8ung
geringe Lösung
nichts
Gleichzeitig zeigte das Serum starke blutkörperchenagglu-
tinierende Wirkung.
Das zur selben Zeit untersuchte Serum eines gleich lang' be-
handelten Kaninchens ß hatte eine nur ganz wenig schwächere
Wirkung.
Die folgenden zwei Versuche wurden mit einem Mischserum
(2 Teile Serum Kan. ft -\- 1 Teil Serum Kan. y) vorgenommen.
1. Ein 80 g schweres neugeborenes Meerschweinchen (J U, 2 Stunden
alt) wurde am 14. XII. 1903 mit 1 ccm des Mischserums am Bauch sub-
kutan injiziert. Am übernächsten Tag wurde stark hämoglobinhaltiger
Urin sezerniert und in der Nacht starb das Tier. (Obduktion unmöglich,
weil Eventeration durch die andern Käfiginsassen vorgenommen war.)
2. Gleichzeitig wurde ein 70 g schweres, gleichaltriges Meerschweinchen
J III mit 3 ccm des gleichen Mischserums mittels gewöhnlicher Pipette ge-
füttert. Das Tier wurde 10 Tage lang genau beobachtet. Damit eine ständige
Kontrolle des Urins ermöglicht war, wurde es während des Tages in ein
Glasgefäfs gesetzt, das mit weifsem Fliefspapier ausgelegt war.
Das Tierchen blieb völlig munter und nahm an Gewicht stetig zu, es
wurde niemals auch nur eine Spur von Hämoglobin mit dem Urin sezerniert.
(;() Experim. Stadien über die Durchgängigkeit des Magendannkanalea etc.
Irgendwie stärkere Hämoglobinurie müTste sich ja durch
eine rötUche Färbung des bei jungen Tieren hellen und klaren
IJrines kundgeben. Ich liefs mir aber daran nicht genügen,
sondern löste den auf dem Filtrierpapier eingetrockneten Urin in
physiologischer Kochsalzlösung und untersuchte mit dem Spektral-
apparat. Es gelang nicht, die bekannten Streifen des Hämoglobins
nachzuweisen.
3. Meerschweinchen L II, 70 g schwer, wenige Standen alt, bekam am
17. XU. 1903 mittels gewöhnlicher Pipette per ob im Laufe des ganzen Tages
6 Vi nnd am folgenden Morgen nochmals 1 ccm, zusammen also 7Vt com —
diesesmal inaktivierten — hämolytischen Serums vom Kaninchen y.
Es blieb völlig gesund, sezernierte nie hämoglobinhaltigen Urin (auch
spektroskopisch geprüft).
4. Das gleiche Resultat ergab die Yerfütterung von 87s ccm inaktiven
Serums des Kaninchens y an ein 90 g schweres Meerschweinchen M III am
ersten und dritten Lebenstage (31. XII. 03 und 2. 1. 04) und von SVs — 9 ccm
des gleichen Serums an sein 90 g schweres Geschwister M IV an den
gleichen Tagen.
Nachdem diese Versuche alle völlig negativ ausgefallen waren,
setzte ich die Untersuchung zunächst auf anderen Gebieten fort,
um erst im Juni 1904 wieder auf das hämolytische Serum zurück-
zukommen. Das frisch entnommene Serum des Kaninchens ß
hatte am 21. VI. 1904, nachdem das Tier ein halbes Jahr
nicht mehr behandelt worden war, bei der oben ge-
schilderten Versuchs- Anordnung noch starke hämolytische
Wirkung, ein Tierversuch (v IV, 70 g schwer) zeigte aber doch,
dafs eine weitere Steigerung noch von nöten sei. Es wurde
deshalb vom 27. VI. 04 an wieder die Injektion mit Erythro-
cythen vom Meerschweinchen vorgenommen. Am 19. VII. ergab
die Prüfung des Serums, genau nach der auch bei Sachs referier-
ten Ehrlich und Morgen rothschen Vorschrift vorgenommen:
Menge des hämol. Serums Resultat nach 2 h
1 ccm einer 5proz. Auf-
Hchwemmung reiner
Meerschwein - Blutkör-
perchen in 0,85 proz.
Na Gl - I^sung versetzt
mit
(Gesamtvolum der Flüs-
sigkeiten je 2 ccm)
0,2 ccm
0,1
0,06
0,026
0,01
0,006
Kontrolle
\ komplette Lösung
> fast kompl. l^sung
mäfsige Lösung
geringe Lösung
Von Dr. Albert tJffenheimer. 61
Ein 4 Tage altes, 70 g schweres Meerschweinchen y II bekam
am gleichen Tag 1 ccm dieses Serums subkutan unter die Bauch-
baut gespritzt. Es starb mit starker Hämoglobinurie nach
1^2 Tagen. Bei der Obduktion zeigte sich eine grofse blaurote
Milz, stark rotes z. T. wie von flüssigem Blute erfülltes Knochen-
mark der Oberschenkel, stark blutiger Urin in der Blase.
Mit diesem ausgezeichnet wirksamen Serum wurde nun der
folgende Versuch vorgenommen. Derselbe unterscheidet sich von
den vorausgehenden durch die aufserordentliche Menge des ver-
fütterten Serums. Weiterhin genügte mir hier nicht die einfache
Beobachtung des Tieres, sondern ich nahm häufige Blutkörperchen-
Zählungen vor, um eventuelle Veränderungen in der Zahl der
roten Blutkörperchen feststellen zu können, auch wenn kein
Hämoglobin durch die Nieren ausgeschieden würde. Durch
Cantacuzäne wissen wir ja, dafs geringste Mengen des hämo-
lytischen Immunserums eine Vermehrung, gröfsere Mengen erst
eine Auflösung und somit Verminderung der roten Blutkörperchen
beim lebenden Tier hervorzubringen vermögen.
Schliefslich dehnte ich dabei die Untersuchung noch auf
einen anderen Punkt aus, nach dem folgenden Gedankengang:
Wenn wirklich hämolytisches Serum durch den Magendarmkanal
des Neugebornen unverändert in seinen Kreislauf eindringen
könnte, so müfste bei länger fortgesetzter Fütterung mit solchem
Serum genau der gleiche Vorgang eintreten, wie wenn dasselbe
wiederholt in den Körper und somit m das Blut des Versuchs-
tieres eingespritzt würde, d. h. es müfste unter diesen Bedingungen
der Tierkörper nach allgemein gültigen Gesetzen mit der Bildung
spezifischer Antikörper reagieren, in diesem Falle also mit der
Bildung von Anti-Hämolysinen. Durch den Nachweis (oder
Nichtnachweis) dieser Stoffe müfste somit der vorUegende Ver-
such zum Experimentum crucis in dieser Frage werden.
Yersueh.
Meerschweinchen 8. I., 90 g schwer, in der Nacht geboren, wird mit
hämolytischem Serum von Kaninchen ß gefüttert.
Blutkörperchen Zählung vor Anstellung des Versuchs am ersten
I^benstag (25. VII. 1904 nachm. 7s ^ ^^0 ergibt mit Zeifsscher Kammer
bei Zählang von 64 Feldern: G 800 000.
^^ F.zp<r.n. '^.^^ii^t. tTAsr >i:e D-nrccAnfifkeic ic« Mafendannkanales etc.
Asi 25. and 26. VH v^r^ies is. g%nwer. xniaeli BAliptpeOe 16 ccm
aktiTM ::n'i 2 cem iiuLkSTes üerzm Ttrfliun.
'/i. vn VormircAx 'sni XacsTf^ag isi euiaen T ccm insktiTen Serum»
Terfdttctt. G««icht 110 f.
i^ vn. Voroi. 5 ecm iz:JLktiv«n, XAchm. 5 ccm aktiren .Senims rer-
faucrt. Gewicht 120 g.
Blatk^rperchenxlhlanz wie oben am Nachmittag: 6250000.
Urin, wiederholt am yachmiitag eelaMen, i^t völlig klar. Spektrr»-
•kopiflcb* kein H4mogiobin.
29. vn. Am Nachm. T ccm aktiren Seroma Terftttteit. Gewicht 120 je.
30. VIL Vom.. r> ccm aktiren Semma verfüttert. Gewicht 125 fr.
1. VIII. Gewicht 145 f. Blatk/^rperchenzAhlnng am Morgen aas-
nahmaweiae mit der Uftifte der gewöhnlichen Blatmenge vor-
genommen^ 4TÖ7500.
2 VIII. Gewicht 150 g.
?,. VIII. Gewicht 165 g Blatkörperchenzfthlang am Morgen .mit der
gewöhnlichen Blatmenge^: 5 968750.
6. VIII. ^ie wicht 15^i g. BlatkOrperchenzAhlong am Morgen wie ge-
wöhnlich,: 6rj66250.
Der Urin war bin da^iin ateta ohne Il&moglobinbeimengnng.
Mittags 11 Uhr: Entblatang dnrch HalaschnitL Bei der Obdaktion
zeigte sich in der Blase klarer Urin.
I>ie9 kleine Versuchstier bekam also in 6 Tagen naliezu
.V) ccm hämolytisches Serum per os verfüttert. Hierbei wurile
teils inaktives teils aktives Serum genommen, und zwar wurde
auch letzteres Vjenutzt, um einem eventuellen Einwand vor-
zubeugen, dafs das Blut des jungen Tieres zu wenig Alexin be-
Hitze, als dafs die hämolytische Eigenschaft resorbierten in-
aktivierten Serums zur Wirkung gelangen könne. Die Fütterungen
wurden teils bei gefülltem, teils bei durch mehrstündiges Hungern
leerem Magen vorgenommen, um die Magensaft-Sekretion unter
verschiedenen äufseren Verhältnissen zur Geltung zu bringen.
Während der ganzen Dauer des Versuches konnte
keine Hämoglobinurie beobachtet werden. Die Zählung
der rot(;n Blutkörperchen ergab vor Beginn der Füttenmg:
6800000, dann
aufeinanderfolgend die
Werte von 6 250000,
4 IHI 500,
5 968 750 und am Ende des Versuches
6 556 250.
Von Dr. Albert Uffenheimer. 63
Hierzu muTs bemerkt werden, dafs die Zählung der roten
Blutkörperchen bei so kleinen Tieren ziemliche Schwierigkeiten
macht. Ein Schnitt durch die Ohrhaut (Ohrvene) genügt oft
nicht, um das notwendige Blut zu erhalten, und man mufs in
diesem Falle zu kleinen Einschnitten in die Bauchhaut seine Zu-
flucht nehmen; auch da kommt es oft vor, dafs das Blut so lauge
braucht, um in genügender Menge auszufliefsen, dafs es schon in
der kleinen Saugpipette geronnen ist, ehe man dazu kommt, die
zur Verdünnung dienende physiologische Kochsalzlösung nach-
zusaugen. So bin ich manchmal überhaupt zu keiner Zählung
gekommen, und gerade am 1. VIII., wo das auffällige Resultat
eines Wertes von ca. 4% Millionen gefunden wurde, mufste ich
— um überhaupt eine solche ausführen zu können — mit der
Hälfte der sonst immer benutzten Blutkörperchenmenge mich
begnügen. Ich glaube wohl, dafs hierdurch eine Fehlerquelle
geschaffen wui*de, aber immerhin stehen die fünf aufeinander-
folgenden Blutkörperchen werte ihrer Gröfse nach in einem kon-
tinuierlichen Zusammenhang. Wenn auch nach Cantacuz&ne
durch Eindringen einer kleinen Menge des spezifisch hämo-
lytischen Serums in das Blut eine vorübergehende Zunahme der
Erythrozythen zu erwarten gewesen wäre, so lassen unsere Zählungen
vielleicht doch den Rückschlufs zu auf eine kurzdauernde Ab-
nahme der roten Blutkörperchen; mit dem Aussetzen der Fütterung
des hämolytischen Immunserums würde dann die Erythrozythen-
zahl rasch zur alten Höhe angestiegen sein. Das Fehlen jeglicher
Hämoglobinurie beweist aber auf jeden Fall, dafs es sich nicht
um eine umfangreichere Zerstörung der roten Blutkörperchen ge-
handelt haben kann; und wenn wir somit wirklich zu dem
Resultat gelangen würden, den Eintritt von verschwindend kleinen
Mengen des verfütterten Serums in das Blut anzunehmen, so
würden wir damit nur die Regel bestätigt finden, die sich schon
aus Versuchen von Ascoli, Uhlenhuth und Michaelis
und Oppenheimer ergeben hat. Es gelang diesen nämlich
bei erwachsenen Tieren nach wiederholt per os eingeführten
grofsen Eiweifsmengen später spezifische Präzipitine im Blute
nachzuweisen. Diese Befunde werden ja durch die plötzliche
^^ Experim. StndieQ über die Darchgiingigkeit des Magendannkanales etc.
Überschwemmung des Magens genügend erklftrt, die es für
den Augenblick nicht zu entsprechend grofser Verdauungssaft-
Absonderung kommen läfst.
Die Untersuchung des Serums der mit so gewaltigen
Mengen spezifisch hämolytischer Stoffe gefütterten
Jungen auf Anti-Hämolysingehalt ergab aber ein voll-
kommen negatives Resultat. Sie wurde zu wiederholten
Malen vorgenommen, wobei die Menge der auf Anti-Hämolysin-
gehalt geprüften Flüssigkeit verschieden grofs war. Es bedarf
kaum der Erwähnung, dafs erst in Vorversuchen die Kraft des
zu diesen Experimenten benutzten hämolytischen Serums genau
wieder* festgestellt war, und dafs den eigentlichen Versuchen stets
der reine Hämolyse- Versuch parallel ging.
Darnach bin ich doch der Meinung, dafs die gröfseren
Differenzen bei den Blutkörperchenzählungen nur durch die ge-
schilderte Fehlerquelle zu erklären sind.
Versuche mit Kasein.
Ich komme nun zur Schilderung der Versuche mit Verfüt-
terungvou Kuhmilch. Jegliche Milch enthält bekanntlich
ganz verschiedenartige genuine Ei weifskörper, als
deren wichtigste ich das Serumeiweifs und das Kasein
nenne.
Nun wäre es ja schon an und für sich interessant gewesen,
den Nachweis zu versuchen, ob auch diese beiden Stoffe durch
den Magendarmkanal des Neugebornen in seine Blutbahn
übergehen können, es lag aber eine ganz besondere Pflicht
zu diesen Untersuchungen vor infolge der Stellungnahme
V. Behrings gerade zur Resorption des Kaseins vom In-
testinaltrakt des Neugebomen aus. In einem zu Anfang 1904 in
der Woche erschienenen populären Aufsatz »Säuglingsmilchc
erklärt v. Behring, da[s der Säugling mit dem Serum-Eiweifs
eine zur Bluts- und Gewebsbildung unmittelbar geeignete Nahrung
in sich aufnimmt, während das Kasein »bei der direkten
Aufnahme in das Blut neugeborener Kinder geradezu
Von t)r. Albert Üffenbeimer. ^f^
wie ein Gifte wirke. Er sagt dann an späterer Stelle : Wäh-
rend gröfsere Kinder und erwachsene Mensehen die relativ grofsen
Kügelchen (Moleküle) von genuinem häraatogenem Eiweifs — ...
— durch ihre Schleimhäute nicht hindurch lassen, verhalten sich
dem gegenüber die intestinalen Schleimhäute der Säuglinge bis
zum Alter von drei bis vier Wochen wie feinporige Filter. Selbst-
verständlich gehen da aber nicht blofs die in der Milch enthal-
tenen Teilchen von hämatogenem Eiweifs, sondern auch die
eher noch etwas kleineren Käsestoffteilchen in die Blutbahn über.
Sie wirken daselbst wie Fremdkörper, deren sich das Blut wieder
entledigen mufs, und damit hängt ihre schädliche Wirkung zu-
sammen, c
Von den Bedenken, die sich gegen diese Annahme des Kasein-
Übertritts in das Blut sofort einstellten, will ich erst nach Schil-
derung meiner Versuche sprechen.
Selbstverständlich konnte sich der Nachweis des Kaseins —
nur nach diesem genuinen Eiweifs der Milch habe ich gefahndet,
und nur von ihm wird im folgenden die Rede sein — nicht auf
chemische Methoden stützen, aber wir haben ja in den letzten
Jahren durch die biologische Forschung Reagentien kennen ge*
lernt, die ungemein viel feiner und spezifischer arbeiten als die
chemischen und ein solches Reagenz besitzen wir für das Kasein in
dem Laktoserum.
Das Laktoserum wird in entsprechender Weise, wie das oben
für das hämolytische ImmunSerum geschildert wurde, dadurch
hergestellt, dafs man Tieren Kuhmilch in angemessenen Abstän-
den subkutan injiziert. Das Blutserum so behandelter Tiere
(Kaninchen) enthält nach einiger Zeit einen Stoff, der die Eigen-
schaft besitzt, jegliches Kuh-Kasein aus Flüssigkeiten auszufällen,
zu präzipitieren. Man kann durch diesen Präzipitations- Vorgang
in klaren Medien schon allerkleinste Spuren durch die bald auf-
tretende Trübung nachweisen.
Nachdem die Versuche, mittels Rohmilch ein Laktoserum
herzustellen, durch den frühzeitigen Tod der dazu benutzten
Tiere immer wieder vereitelt waren, entschlofs ich mich, von der-
▲rohlv fRr Hygiene. Rd. LV 6
*'('• Kz|>eriin. Stadien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
hoIIh)!!^) abzugehen und verwandte nun nach dem Forster-
(Vorhersehen Verfahren hergestellte Milch zu diesen Injektionen.
Dies Verfahren hat einerseits den Vorteil, die pathogenen
Bakterien der Milch abzutöten, anderseits verändert es das Kasein
in keiner Weise.
Mit dieser Milch (wöchentlich 2 malige Injektion von je 10 com)
kam ich sofort zum Ziel.
Am 6. und 7. VI. 1904 wurde den beiden seit 8^/2 Wochen
behandelten Kaninchen (t und x) Blut entnommen. Beider Serum
zeigte in abgerahmter Milch in der Verdünnung von 1 : 360 noch
deutliche Ausfällung und Niederschlagsbildung (siehe unten).
Ehe ich nun zur Schilderung meiner Milch-Fütterungs-Ver-
suche übergehe, will ich noch erwähnen, dafs von der vierten
Woche ab die beiden Kaninchen deutlich an Gewicht abzunehmen
begannen. Das eine wurde nach der letzten Injektion so hin-
fällig, dafs es zu Beginn der 6. Woche getötet werden mulste,
nachdem es im ganzen 7 mal 10 ccm Gerber-Milch eingespritzt
bekommen hatte. Die Prüfung des Serums ergab jetzt, dafs oiBEen-
bar unter der schweren Reaktion des Körpers gegen die letzten In-
jektionen fastjegliche präzipitierende Wirkung wieder
geschwunden war.
Ähnliche Vorgänge finden wir ja bei der isopathischen Immuni-
sierung der Pferde beim Tetanus, wo in der Reaktionszeit der
Immunisierungswert des Blutserums abnimmt, und — wie D i e u-
donnä angibt — die bis dahin im Harn nachweisbaren immu-
nisierenden Substanzen aus diesem verschwinden, ja sogar manch-
mal tetanusgifthaltigem Harn Platz machen.
Um nicht ein gleiches Mifsgeschick am andern Kaninchen
zu erleben, nahm ich seine Entblutuug vor. Das Serum verur-
sachte noch deutliche Präzipitation in abgerahmter Milch, 1 : 360
1) Ich hatte deshalb Rohmilch genommen, um jeglichem Einwand be-
gegnen zu können, der vielleicht gegen die Benutzung gekochter Milch zur
Herstellung eines brauchbaren Laktoserums hätte gemacht werden können.
Angaben der Literatur freilich erweisen, dafs durch Injektion gekochter
Milch (nach dem Bericht von Hippius sogar durch Einspritzung 1 Stande
lang bei 120 • im Autoklaven sterilisierter Milch) ein vollwirksames Lakto-
serum erhalten werden kann.
Von t)r. Albert Üffenheimer. 07
verdünnt, wenn man auch nur 1 Tropfen zu 2 com der Milch-
verdünnung zusetzte. Wie ad hoc angestellte Versuche zeigten,
wurde die Reaktion nicht gehemmt, wenn gröfsere Mengen des
Blutserums normaler Neugeborner den einzelnen Röhrchen bei-
gemischt waren. Mit Serum von obigem Tiere wurden alle die
folgenden Untersuchungen vorgenommen.
L Meerschweinchen m I, 80 g schwer, etwas über 1 Tag alt, bekommt
mittels Ballpipette per ob am
24. V. 1904 abends 6 Uhr 2 ccm Gerbermilch
25. V. morgens 9 Uhr 3 „ ., während des
" ■ Tages im
nachm. 4
11 ,. 2
26. V. morgens 9
„ V4II
12
i>
2
8
2 „
durch Halsschnitt entblutet
•' ^ übrigen
" ■ hungernd.
Bei der Untersuchung mit unserem Laktoserum auf etwaige
Kaseinbeimengung wurde stets so verfahren, dafs fallende Mengen
des zu untersuchenden Blutserums mit steriler physiologischer
Kochsalzlösung auf ein gewisses Volumen gebracht wurden. Dann
wurde jedem Röhrchen eine gröfsere Menge des wirksamen Lakto-
serums, in diesem Falle waren es je 10 Tropfen, zugesetzt.
Es zeigte sich hier nicht die geringste Präzipi-
tation.
Die verschieden starken Verdünnungen des auf Kaseingehalt
zu prüfenden Serums wurden deshalb vorgenommen, weil — wie
wir vor allem durch L. Michaelis und Rostoski wissen —
starke Eiweifskonzentration als solche die Präzipitinreaktion ver-
hindert (R.), und die Wirkung schwach wirksamer Präzipitine nur
dadurch sich zeigen läfst, dafs man viel Präzipitin mit wenig
präzipitabler Substanz mischt, da sonst infolge des Überschusses
an präzipitabler Substanz die Reaktion überhaupt nicht zustande
kommt (M.). Wir wissen ferner durch Michaelis, dafs der Regel
nach bei der Präzipitinreaktion der Niederschlag durch einen
Überschufs der präzipitablen Substanz wieder gelöst wird.
Um auch dieser Möglichkeit zu begegnen, wurde — nachdem
der obige Versuch negativ ausgefallen war — eine weitere Ver-
dünnung durch Zusatz abgemessener Mengen von physiologischer
Kochsalzlösung herbeigeführt, aber ohne dafs dadurch das
68 Experim. Stadien über die Darchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
negative Resultat des Versuchs eine Änderung er-
fahren hätte.
II. MeerBchweinchen m II, 80 g schwer, vom gleichen Warf wie dms
vorige, bekommt am 24. V. 1904 and am Morgen des 25. V. insgesamt 7 ccm
Milch. Entblatang am 25. V. mittags 12 Uhr.
Versachsanordnang and Ergebnis genaa wie bei L
in. Meerschweinchen 1 1, 70 g schwer, wenige Standen alt, bekommt mit
Ballpipette per os am 9. and 10. VL 1904 zusammen 12 ccm Milch. Am
10. VI. nachmittags Vi^ Uhr, also IV, Stunden nach der letsten FQtterang
Entblatang durch Halsschnitt
Gleichseitig wird nach Eröffnung des Peritoneums der Inhalt der
Blase steril aufgefangen.
Wir hatten in diesem Fall genügend Serum des Jungen,
am Mengen von 0,2 ccm abwärts zur Prüfung nehmen zu können.
Der Laktoserum-Zusatz betrug je 3 Tropfen. Selbstverständlich
wurden zahlreiche Kontrollen angestellt.
Das Blutserum enthielt kein Kasein.
Nun nahm ich in diesem Falle auch eine Untersuchung des
Blasen-Urins auf etwaige Kaseinbeimengungen vor.
Wir wissen ja aus der Physiologie, und ich stütze mich im
folgenden vor allem auf die Angabe Neumeisters, dafs die
Nieren die Aufgabe haben, die Zusammensetzung des Blutes zu
überwachen, indem sie alles Fremdartige und Überschüssige aus-
scheiden, und dafs sie diese Aufgabe so prompt erfüllen, »dafs
man zur Prüfung, ob ein EiweifsstoflE direkt resorbierbar ist, den-
selben nur in das Blut zu injizieren braucht, c
Es hat sich nun bei solchen Untersuchungen, wie sie in
grofser Anzahl vorgenommen worden sind, gezeigt, dafs von
Proteinsubstanzen nicht direkt assimilierbar sind: das genuine
Eieralbumin, das Kasein, der BlutfarbstofE und das Glutin.
Hier mag auch eine Arbeit von Gürber und Hai lau er aus
allerletzter Zeit Erwähnung finden, in der nach intravenöser In-
jektion von Kasein im Harn dieser StofiE unverändert nach-
gewiesen werden konnte.
Es müfste also nach diesen Gesetzen ein Teil des Kaseins,
falls solches in das Blut durch die Fütterung übergetreten wäre,
bereits wieder in den Harn ausgeschieden worden sein.
Von Dr. Albert Ufifenheimer. 6^
Die Untersuchung des Harns mit dem Laktoserum
ergab, dafs kein Kasein in demselben war.
Der Versuch war abends ^/g? Uhr angestellt, die Röhrchen
standen über Nacht im Eisschrank. Am folgenden Morgen fand
sich das Kontrollröhrchen völlig klar, das mit Laktoserum ver-
setzte Röhrchen dagegen zeigte deutliche, diffuse Trübung
ohne Bodensatz. Die mikroskopische Prüfung diese Sediments
(zur exakten Sedimentierung bediente ich mich stets der Wasser-
zentrifuge) zeigte lediglich eine grofse Menge charakteristischer
Kristalle von Oktaederform, die in Essigsäure nicht löslich waren
— es handelte sich offenbar um Oxalsäuren Kalk — und ich
habe davon die Vorstellung, dafs die Oxalsäure aus dem Grün-
futter stammen mufs (das sich schon am Tage der Geburt im
Magen jedes Meerschweinchens finden läfst), der Kalk dagegen
aus dem Laktoserum^).
IV. Meerschweinchen t II, 70 g schwer, vom gleichen Wurf.
Genau ebenso und gleichzeitig behandelt wie das vorige.
Kesultat in allen Punkten das gleiche negative (bei zwei-
maliger Prüfung).
V. — VIL Weiter führe ich einen Versuch mit 3 jungen
Meerschweinchen vom selben Wurf an, (R in, R IV, R V, 75 g,
75 g, 100 g schwer), die vom Tag der Geburt an mit roher Milch
gefüttert wurden. Sie bekamen am 13. und 14. VI. 1904 mittels
Ballpipette je 12 ccm Milch und wurden eine Stunde nach der
letzten Fütterung am Abend des 14. VI. entblutet.
Der Urin wurde aus den abgebundenen Blasen steril auf-
gefangen. Die Prüfung des Blutserums auf Kaseingehalt wurde
gemeinsam vorgenommen, gleichzeitig wurde zur Kontrolle das
Serum von 4 neugebornen unbehandelten Meerschweinchen (u I — IV)
in der nämlichen Weise geprüft.
Nach 5^/2 Stunden zeigten sich die sämtlichen
Röhrchen noch völlig klar.
1) Im Urin von Säuglingen liefe sich oxalsaurer Kalk bei wiederholten
Untersuchungen nicht nachweisen. Salkowski fafst übrigens den Oxal-
säuren Kalk im Urin als ein Abbauprodukt von Nukleinen, nicht nur von
Pflanzen auf.
' -' Experim. Studien über die Durcbgäiigigkeit des Magendarmkanales etc.
Erst über Nacht stellte sich eine Trübung ein, die in gleicher
Weise abgestuft — sowohl im Serum der milchgefütterten wie der
unbehandelten Tiere sich zeigte, soweit Laktoserum zugesetzt
war, nicht aber in den Kontrollröhrchen, die statt des Laktoseruins
nur physiologische Kochsalzlösung zugesetzt bekommen hatten.
Die mikroskopischen Präparate des zentrifugierten Sedimentes
ergaben nadeiförmige Kristalle, offenbar von neutralem phosphor-
saurem Kalk, am nächsten Tag auch unregelmäCsige Kömchen,
wohl ebenfalls phosphorsauren Kalks — Ca^ (^04)2-
Über Salzniederschläge bei Präzipitinversuchen hat schon
As coli im Jahre 1902 berichtet. Die eben niedergelegten Be-
obachtungen zeigen, wie wichtig es ist, jeden Niederschlag
bei Präzipitin-Reaktionen auch mikroskopisch zu
identifizieren.
Eine Beobachtung der angestellten Versuche, länger als die
ersten Stunden hindurch schien mir auf jeden Fall wünschens-
wert, und ich habe lieber mir die Mühe genommen, erst später
auftretende Niederschläge noch mikroskopisch zu untersuchen,
als dafs ich einen Versuch schon für negativ erklärte, bei dem
in den ersten Stunden die Flüssigkeiten ungetrübt geblieben
waren.
Um so gröfsere Beweiskraft müssen natürlich die vorliegen-
den Untersuchungen haben.
Mit dem Mi schür in der 3 R-Tiere angestellte Versuche
ergaben ebenfalls völliges Freisein vonKasein-Präzipitat,
aber wiederum Kristallniederschläge von der gleichen Art
wie in dem Blutserum. Es mag hinzugefügt werden, dafs ein
zur Kontrolle in derselben Zeit mit Laktoserum untersuchter
Blasenurin eines älteren Meerschweinchens ((D) den gleichen Kristall-
befund darbot, aber aufserdem noch harnsaure Salze enthielt.
VIIL — XIL Das Folgende stellt einen Versuch imGrofsen
dar. Er wurde gleichzeitig mit 5 Jungen unternommen (h I, h II,
i I, je 80 g schwer, 2 Tage alt, k I und kll, 80 g schwer, einige
Stunden alt). Sie erhielten ganz bedeutende Mengen Milch ver-
füttert, und der Zweck war, während des Lebens im Urin den
Kaseinnachweis zu versuchen, vor allem aber nach einem ahn-
Von Dr. Albert UfFenheimer. 71
liehen Gedankengang wie bei dem letzten Experiment mit
hämolytischem Serum — zu prüfen, ob durch die andauernde
Verfütterung der grofsen Kaseindosen vielleicht ein Lakto-
serum gewonnen werden könnte. Somit mufs also auch
dieser Versuch bei der Entscheidung der Kaseinfrage das Expe-
rimentum crucis darstellen.
Leider war es nicht möglich, den Urin der Tiere
während des Versuches so aufzufangen, dafs jede Be-
rührung mit den Fäces vermieden werden konnte. Eine
Entnahme des Harns mittels Katheter war natürlich bei den
kleinen Tieren ausgeschlossen.
Am 17. VI. 1904 wurde verfüttert:
vormittags 12 Uhr je 2 ccm Gerber-Milch
nachmittags 2 „ „2 „ ,,
„ Vi6 Uhr erste ürinentnahme.
Am 18. VI. 1904 erhielten die Tiere je 10 ccm Gerbermilch (um 9, 11,
2, 4 und 6 Uhr).
Am Abend wurden sie zur Mutter zurückgesetzt und blieben dort
während des 19. VI. (Sonntags).
20. VI. 04. Tagsüber bekam jedes Tier je 6 ccm Gerbennilch (2, 4
und 6 Uhr).
21. VI. Die Tiere bekamen im Laufe des Tages je 10 ccm Gerbermilch.
22. VI. Verfütterung von je 10 ccm Rohmilch.
23. VI. Verfütterung von je 12 ccm Gerbermilch.
24. VI. Die Tiere zur Mutter gesetzt (Feiertag).
25. VI. Verfütterung von je 12 ccm Bohmilch.
Gewicht von 3 Tieren noch je 80 g, von zweien je 100 g.
Stuhl stets geformt
26. VI. Die Tiere zur Mutter gesetzt (Sonntag).
27. VI. Verfütterung von je 8 ccm Gerbermilch.
28. VI. Verfütterung von je 12 ccm Gerbermilch. Der Urin von
diesem Tag wird nochmals zur Untersuchung benutzt
Am Abend kommen die Tiere zur Mutter zurück.
4. Vn. Die Tierchen haben, seit sie wieder an der Mutter saugten, an
Gewicht zugenommen (Gewicht von dreien je 100, von zweien je 120 g).
Am Abend wurden sie durch Halsschnitt entblutet, ihr Serum wurde ge-
meinsam verarbeitet.
Von einer Untersuchung des Serums auf Kasein konnte ab-
gesehen werden, da die letzte Kuhmilch 6 Tage vor der Tötung
i
72
Experim. Studien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
verfüttert war, also das dem Blut fremde Kasein sieher längst
aus demselben ausgestofsen sein mufste, selbst wenn welches ein-
gedrungen war.
Der Urin der fünf Tierchen vom ersten Fütterungstage
wurde mit je fünf Tropfen Laktoserum in der alten Anordnung
geprüft. Der Versuch wurde mittags angesetzt. Am Abend
zeigte sich in den mit Laktoserum versetzten, aber nicht in
den Kontroll-Röhrcheu, Trübungen und zwar, je nach der Kon-
zentration des Urins in fallenden Mengen. Die mikroskopische
Untersuchung des Zentrifugales ergab wiederum Kristalle, allein
Anscheine nach Oxalsäuren Kalks. Es fanden sich weiter
körnige Gebilde, die aber im Färbepräparat wie Diplo-
kokken aussahen.
Der Urin vom 28. VI. zeigte nach Anstellung der Lakto-
serum-Probe wiederum leichte Trübungen, deren Unter-
suchung sie mit Wahrscheinlichkeit als Kasein-Nieder-
schläge ansprechen liefs. (Gleichzeitig untersuchter Urin des
eben getöteten Laktoserum-Kaninchens zeigte diese Niederschläge
nicht.)
Wenn somit in diesem letzten Urin die Anwesenheit geringer
Kaseinmengen wahrscheinlich gemacht ist, so müssen wir folgen-
des überlegen:
Die eine Möglichkeit, die wir annehmen können, ist die, dafs
das in Spuren gefundene Kasein im Urin selbst enthalten war.
Dann müfste es wirklich durch die Nieren aus dem Blute ausge-
schieden worden sein, und wir würden in dem Falle die aufserordent-
liche Überladung des Magendarmkanales mit der Kuhmilch (jedes
einzelne Tierchen erhielt in der kurzen Zeit 88 ccm, also mehr als
sein Anfangsgewicht) für den Durchgang der geringen Mengen
des Kaseins verantw^ortlich machen müssen, es hätten eben —
wie dies ja bei den früher zitierten Versuchen mit erwachsenen
Tierchen von Ascoli, Uhlenhuth, Michaelis und Oppen-
heimer auch der Fall war — die Verdauungssäfte für den
Augenblick nicht in genügender Menge für die in überreichlichen
Portionen eingebrachten Kaseinmassen abgesondert werden können.
Die zweite Möghchkeit, an die ich eigen thch mehr noch denke als
Von Dr. Albert Uffenheimer. '3
an die erste, ist die, dafs die niedergeschlagenen Kaseinteilchen
gar nicht aus dem Urin selbst stammen, sondern aus den
Fäces, die trotz aller angewendeten Vorsichtsmalsregeln doch
nicht von der Berührung mit Urin ferngehalten werden konnten.
Bei der Beurteilung dieser Frage müssen wir aber der Befunde
von P. Th. Müller, Michaelis und Oppenheim er und
F. Hamburger gedenken, dafs nämlich die Eiweifskörper, wenn
sie von Pepsin-Salzsäure, in geringerem Grade, wenn sie von
Trypsin^) verdaut werden, soweit verändert werden, dafs sie durch
das entsprechende Immunserum nicht mehr gefällt werden können.
Ein solches Verdauungsgemisch ruft auch, subkutan injiziert,
nicht mehr die Bildung von Antikörpern hervor.
Es ist nun allerdings die Frage, ob solche Reagenzglas-
versuche sich ohne weiteres auf den tierischen Magendarmkanal
übertragen lassen. Ich mufs schon die Meinung aussprechen,
dafs bei der Fütterung mit so aufserordentlichen Mengen einer
nicht adäquaten Nahrung im Darmkanal sich auch nicht ge-
wöhnliche Vorgänge abspielen, und dafs da manche Bestandteile
der eingebrachten Nahrung eben doch den Verdauungssäften ent-
gehen können. Dafs die Kuhmilch in der Tat bei den fünf
Jungen nicht »die richtige, (d. h. adäquate, gut ausbeutbare)
Nahrunge war, geht am besten aus ihrer Gewichtskurve hervor,
die erst wesentliche Zunahme zeigte, als die Mutterbrust wieder
in ihre Rechte getreten war — eine Erfahrung, die wir in der
Kinderheilkunde jeden Tag machen.
Also, ohne hier mich durch eine endgültige Entscheidung zu
binden, möchte ich doch eher annehmen, dafs das Kasein in
1) Für die Milch ist dies (beim Trypsin) speziell von Müller und
Hamburger nachgewiesen. Allein Obermeyer und Pick haben bei
der Verdauung von Eiereiweifs merkwürdige Beobachtungen gemacht, die
den oben allgemein ausgesprochenen Satz bedeutend einschränken. Läfst
man nämlich Pepsinsalzsäure kurzeZeit auf Eiereiweifs einwirken, so gibt
das Produkt der Verdauung mit dem zugehörigen Immunsernm keine Reak-
tion mehr, ^*"^tzdem sich noch unveränderte EiweiTskOrper chemisch nach-
weisen lassen. Dagegen findet man nach Trypsinverdauung
noch die Präzipitation durch das Imm unserum, auch wenn
Eiweifs chemisch nicht mehr nachzuweisen ist.
74 Ezperim. Stadien über die DurchgäDgigkeit des Magendarmkanales etc.
diesem Falle der Pepsiu-Salzsäure und dem Trypsin, als dafs es
dem im Mageu befindlichen Labenzym entgangen ist. Hierüber
muls ich mich noch später des weiteren aussprechen.
Zunächst aber will ich nun noch das Resultat der wichtigsten
Prüfung berichten, ob nämlich durch die langdauernde Kuh-
Kasein-Fütterung ein Kuh-Laktoserum entstanden ist.
Ich machte die Prüfung nebeneinander zweimal, sowohl mit
roher wie mit Gerberscher Milch, indem ich je 3 ccm der ab-
gerahmten Milch in Verdünnungen von 1 : 10 bis 1 : 360 mit je
1 ccm des Serums versetzte. Es ergab sich ' selbst bei mehr-
tägiger Beobachtung nicht der geringste Niederschlag.
Das Serum der so übermäfsig mit Milch gefütterten
Jungen war also kein Laktoserum.
Dies stimmt überein mit den Untersuchungen von Moro
und Hamburger, die weder bei mit Kuhmilch ernährten Tieren
noch beim künstlich ernährten Säugling ein Laktoserum fanden.
Und dafs ein solches sich nicht finden kann, das beruht
eben offenbar auf dem Vorhandensein des Labfermentes
im Magen, das ja eine sofortige Gerinnung des Kaseins
veranlafst.
Pawlow gibt an, dafs die BeschafEenheit sämtlicher Ver-
dauungssekrete von der Art der eingeführten Nahrung abhängig
ist. Die für die Verdauung der natürlichen Nahrung notwendigen
Formente sind bereits beim neugebornen Kinde vorhanden
und die Ausscheidung der spezifischen Fermente ändert sich mit
der Änderung der Nahrung.
Diese Angaben sind es wohl in der Hauptsache, die von
Behring vorschwebten, wenn er sagt:
>Ich habe genügende experimentelle Anhaltspunkte für die
Annahme, dafs Kasein verdauende Fermente überhaupt erst unter
der Reiz Wirkung des Kaseinimports entstehen, genau so wie
Antikörper gegen andere Proteingifte bei systematisch ge-
steigerter Giftzufuhr im lebenden menschlichen und tierischen
Körper produziert werden, derart, dafs was ursprünglich ein Gift
war, hinterher zum Nahrungsmittel werden kann; und ich bin
der Meinung, dafs ich damit nicht blofs im Gleichnis rede, sondern
Von Dr. Albert Uffenheimer. 75
dafs wir es bei der Entstehung von Stoffen, die das Kasein un-
schädlich machen, mit einer Antikörperproduktion zu tun haben,
die im Prinzip genau nach den Regeln abläuft, wie die Anti-
körperproduktion nach der Aufnahme von Diphtheriegift und
Tetanusgift in das Blut von Versuchstieren. <
Diesem Gedankengang folgend, nimmt von Behring an,
dafs der fermentative Antikörper »für das Kasein in seiner Eigen-
schaft als ursprüngliches Toxoprotein — dem Menschen verloren
gehen kann, wenn er gänzlich aufhört, Milchnahrung zu sich zu
nehmen € und er schliefst weiter, dafs übermäfsige Kaseineinver-
leibung bei einem neugebomen Kinde, idas noch nicht vorher
durch kleinere Kaseindosen gewissermafsen immunisiert 'worden
ist, ebensogut eine akut verlaufende und zum Tode führende Ver-
giftung auslösen kann, wie eine zu grofse Diphtheriegiftdosis zu
Beginn der immunisierenden Vorbehandlungc.
Nun glaube ich doch, dafs es der Mühe wert ist, dieser An-
sicht in einigen Einzelheiten zu folgen und zu sehen, wie weit
ihre Voraussetzungen zutreffen.
Pawlow sagt, wie wir gesehen haben, die für die Verdauung
der natürlichen Nahrung notwendigen Fermente seien bereits
beim neugeborenen Kinde vorhanden. Dies ist aber
nicht der Fall bei den Antikörpern der bakteriellen Gifte, so-
weit sie nicht vererbt sind^). Sollten wir uns nun vor-
stellen, dafs das Labenzym in derselben Weise vererbt werden
kann wie das Diphtherie- Antitoxin? Und wenn wir wirklich uns
mit dieser Vorstellung abfinden könnten, wüfsten wir dann eine
Erklärung dafür, dafs ein, solcher vererbter Stoff nicht im Blut-
serum sich findet, sondern nur von der Magenschleimhaut ab-
geschieden wird, wenn Milch in den Magen gelangt?
Und nun mufs ich des weiteren darauf hinweisen, dafs das
Labenzym ja dasselbe ist für die Milch der Mutter wie für die
nicht adäquate Milch, in unseren Fällen also die Kuhmilch.
Die Muttermilch ist aber für den Säugling die
ideale Nahrung, das ist der oberste Lehrsatz in der
1) Hierttber verweise ich auf die später folgenden Versache mit dem
Diphterie-Antitoxin.
7(1 Experim. Studien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
Kiuderbeilkunde, und für die ideale Nahrung kann
gewifs kein Gegengift notwendig sein.
Man hat sieh deshalb auch eingehend in der Kinderheil-
kunde mit dem Labenzym beschäftigt. Über die chemischen
Prozesse, welche dasselbe hervorruft, herrscht jetzt völlige Klar-
heit, vor allem dank der Arbeiten von Hammarsten, Söldner,
Escherich, Courant und Arthus und Pages.
Hammarsten wies nach, dafs seine Wirkung darin be-
steht, dafs bei seiner Gegenwart Kasein so verändert wird, dals
es bei Anwesenheit von Kalksalzen gerinnt, wobei das Parakasein
und das Molkeneiweils entstehen.
Auch dieser Prozefs, glaube ich, ist ein anders verlaufender,
wie die Bindung von Toxin und Antitoxin^). Allein auf dies
ungemein komplizierte Thema kann ich hier nicht weiter ein-
gehen.
So gut wir aber auch über die chemischen Prozesse unter-
richtet sind, die das Labenzym hervorruft, so macht sich, wie
Czerny und Keller aussprechen, der Mangel an Untersuchungen
um so fühlbarer, welche die Bedeutung der Kaseifikation für die
Verwertung des Kaseins und der Kalksalze im Organismus auf-
klären.
Michaelis hat die Ansicht ausgesprochen, dafs die koa-
gulierende Einwirkung des Labes die vorzeitige Resorption des
Kaseins verhindere und auch Neumeister legt in seinem Lehr-
buch die physiologische Bedeutung der Labgerinnung dahin fest,
dafs sie »offenbar den Organismus vor einem Eindringen
unveränderten Kaseins unter allen Umständen schützen
wilh^)^ ohne dafs die auswählende Funktion der Darmepithelieu
in Anspruch genommen zu werden braucht.
1) Oppenheimer meint in seinem Ferment- Werk, die Ferment-
wirkungen auf dem Weg erklären zu können, den Ehrlich für die Toxine
mit 80 grofHem Erfolg gegangen ist, sei »nur als tastender Versuch, als Be-
friedigung des Kausalitäts- und Analogiebedürfnisses des Verstandes ....
bisher wenigstens, aufzufassen. c
2) Dafs diene Ansicht doch nicht allgemein in Fleisch und Blut Ober-
gegangen ist, ersehe ich aus einer Veröffentlichung von Schlofs mann aus
der letzten Zeit. Dieser Autor glaubt — ohne dafür allerdin^ in seineii
Von Dr. Albert üffenbeimer. 77
Albrecht meint, indem er sich auf die Untersuchungen von
Michaelis bezieht, für das Kasein sei, wenn M's. Annahme zu
Recht bestehe, auch das Neugeborene durch das Labferment
seines Magens bereits genügend »eingestellt«.
Indem ich mich nach meinen Versuchen vollkommen dieser
Anschauung anschliefse, begründe ich damit, weshalb ich bei der
Beurteilung des letzten Experiments den geringen, einmal nach-
gewiesenen Kaseingehalt des Urins auf die verunreinigenden
Fäces zurückzuführen geneigt bin.
Einen Punkt mufs ich noch erörtern: Es könnte der Ein-
wurf gemacht werden, der Titre unseres Laktoserums sei
nicht genügend grofs gewesen. Damit hätte wohl der Nach-
weis gröfserer Kaseinmengen glücken können, nicht aber der
kleinerer. Diesem Vorwurf möchte ich einerseits begegnen mit
dem Hinweis auf die folgenden Versuche mit Hühnereiweifs,
wozu ich ein Antiserum mit dem Titre 1:30000 mir herstellen
konnte. Anderseits möchte ich hier die Untersuchungen von
Obermeyer sowie Hamburger und Sperck anziehen, die be-
weisen, dafs kleine Eiweifsmengen wiederholt ins Blut gespritzt
(so klein, dafs sie dem Präzipitin-Nachweis entgehen), schon
starke Antisera erzeugen. Bei unserem prolongierten Fütterungs-
versuch mit Kasein müfste darnach auf jeden Fall ein Lakto-
serum erzeugt worden sein, wenn eben nicht das Lab-
enzym jegliches Kasein niedergeschlagen hätte.
Hier will ich noch eiiTige Versuche einschalten, die ich mit
menschlichen Körperflüssigkeiten vorgenommen habe.
Auf dem Hamburger Naturforscher- und Arzte-Kongrefs des
Jahres 1901 sagte Schlofsmann in der Diskussion zum Vor-
trage Moros: »Biologische Beziehungen zwischen Milch und
Serumc, die Bordetsche Fällung gelinge am besten und voll-
kommensten, wenn man zum Serum des kindlichen Blutes Milch
Krankengeschichten einen Beweis beibringen zu können (der doch experi-
mentell leicht möglich wäre) — dafs beim Abstillen usw. (also am Ende
der Säuglingsperiode noch) durch Eindringen von fremder Milch ins Blut
Vergiftungserscheinungen entstehen können.
7^ Kxperim. .Stmlien über die Dorchgängigkeit des Magendannkmnalcs eic
der eigenen Mutter hinzusetze. iHier zeigt sich deutlich
enge Band, das zwischen den Bluteigenschaften von Mutter und
Kind besteht. Bei meinen Demonstrationen üher diesen Gegen-
stand benutzte ich stets, um eine recht klare Fällung zu bekom-
men, Hydrocelenflüssigkeit eines Brustkindes, die ich mir durch
Punktion verschaffe, und der Milch [soll wohl heifsen : d i e )UIch*
der Mutter dieses Kindes. Ich kann dieses Verfahren allgemein
empfehlen. €
Diese Äulserung kann wohl nicht anders aufgefalst werden,
als dafs ßchlofsmann annahm, im Blutserum (Hydrocelen-
flüssigkeit) des SäugUngs sei — jedenfalls durch den Säugungs-
akt — ein Präzipitin gegen die Milch der eigenen Mutter gebildet,
eine Anschauung, die allen im vorhergehenden geschilderten
Versuchen widerspricht. Zur Prüfung dieser Behauptung nahm
ich die folgenden Versuche vor:
I. 21. VI. 1904. Kind Fl ein er (Poliklinik des y. Hannerschen Kinder-
Hpitals), 14 Tage alt, nie von der Mntter gesäugt wegen früherer
MaHtitis, künstlich ernährt, mit rechtsseitiger Hydrocele. Die Punk-
tion der Hydrocele ergab viel klare, bernsteingelbe Flüssigkeit Es gelang,
der Mntter noch eine geringe Menge sehr fettreicher gelblicher Milch aus
der Brust auszupressen. Die Milch wurde verdünnt (1 : 30, — 1 : 120, — 1 : 360;
und wie bei den früheren Versuchen das Laktoserum, so wurde hier Hydro-
celenflüssigkeit (1 ccm) zu den Milchverdünnungen (3 ccm) zugesetzt. 1 Stunde
nach Anstellung des Versuchs war noch keine Veränderung zu sehen, später
traten bei den Verdünnungen 1 : 30 und 1 : 120 eigenartige Elrscheinungen
auf. Sie bestanden darin, dafs sich in dem Röhrchen, es nach und nach
ganz durchsetzend, eine Art Gerinnsel bildete, das mit der PlatinOse heraus-
gefischt worden konnte und annähernd die Konsistenz des Glaskörpers hatte.
In dem gerinnselbefreiten Zentrifugat der Böhrchen fand sich mikroskopisch
nicht die Spur von Kasein-Niederschlag.
II. 22. VI. 1904. In der Poliklinik des von Ha uner sehen Kinder-
spitals punktierte ich dem 12 Wochen alten Kind Rosenberger, das
noch täglich 5 — 6 mal an der Mutter trank, dazu etwas Beinahrung
erhielt, die linksseitige Hydrocele testis et funiculi spermatici. Der Mutter
wurde reichlich etwas wässerig aussehende Milch abgedrückt Versuchs-
anordnung mit zentrifugierten Milchverdünnungen und Hydrocelenflüssigkeit
wie bei I.
Sämtliche Verdünnungen (bis 1 : 360) ergaben die gleiche Grerinnsel-
bildung wie sie in Versuch I wahrgenommen wurde. In den Kontroll-
versuchen mit physiol. Kochsalzlösung fehlte dieselbe.
Von Dr. Albert TTffenheimer. 7*J
in. 27. VI. 1904. Dem Kinde Fleiner (Vera. I) wnrde nochmals
HydrocelenflüsBigkeit entnommen und dieselbe warde in der gleichen Ver-
suchsanordnung wie früher, aber nur bei Milch Verdünnungen 1 : 10 zusammen-
gebracht
1. mit der Milch der eigenen Mutter, die das Kind nicht gesäugt hatte,
2. mit der Milch einer anderen sängenden Frau (Leppmeier),
3. mit Kuhmilch.
In den beiden ersten Milchen trat sehr schnell starke Gerinnung ein,
in der Kuhmilch zeigte sich die Gerinnung erst am folgenden Tag. Die
Gerinnsel glichen bei diesen drei Milchen genau den oben
beschriebenen.
IV. 30. VI. 1904. Mit Hydrocelenflüssigkeit des Brustkindes Kerbel
der gleiche Versuch mit Milch der eigenen und mit Milch einer fremden
säugenden Mutter.
Resultat: genau dasselbe (Eintritt mäfsiger Gerinnung sofort,
über Nacht völlige Gerinnung).
Es konnte nach diesen Versuchen kein Zweifel sein, dafs
diese Gerinnungserscheinung nichts Spezifisches im
Sinne der Laktoserumreaktion sei. Kaseinniederschläge
wurden nie im Sediment gefunden, die Gerinnsel hatten völlig
den Charakter der Fibringerinnsel, und bei der Betrachtung der-
selben (die ein dichtes Fadennetz darstellten) durch das Mikroskop
konnte man beim ersten ßhck mit Sicherheit ausschUefsen, dafs
der Prozefs mit dem Kasein der Milch irgend etwas zu tun habe.
In der Tat fand ich nach Abschlufs dieser Versuche in einer
Arbeit von Moro diese Meinung völlig bestätigt. Arbeiten von
Hamburger und Moro und von Bernheim-Karrer haben
sich eingehend mit dem Fibrinferment der Milch befafst.
Yersnehe mit Hflhnereler-Eiweiljs.
Die nachfolgenden Versuche mit der Verfütterung von Hühner-
Eier-Eiweifs schliefsen sich den vorausgehenden ungezwungen
an; ich möchte aber ausdrücklich betonen, dafs ich erst durch
das Erscheinen der Ganghof ner-Langerschen Arbeit zu ihnen
angeregt worden bin.
Diese beiden Autoren haben an neugebornen Hunden, Katzen,
Kaninchen und Zickeln und auch am menschlichen Säugling
Verfütterungsversuche mit Rinderserum und Eiereiweifs vorge-
nommen und hierbei gefunden, dafs die genannten körperfremden
gQ Experira. Studien über die Durchgftngigkeit des Magendarmkanales etc.
Eiweifsarten zum Teil unverändert resorbiert wurden. Diese Eigen-
tümlichkeit liefs sieh bei ihren Versuchstieren bis an das Ende
der ersten Lebenswoche nachweisen und wurde vom 8. Tage
an konstant vermifst. Auch beim menschlichen Säugling konnten
Ganghofner und Langer ein ähnliches Verhalten feststellen.
Der Magendarmkanal älterer Tiere liefs artfremdes Eiweifs bei
stomachaler Einverleibung unter normalen Verhältnissen nicht
durch. Jedoch bei übermälsiger Eiweifszufuhr oder anatomischer
bzw. funktioneller Schädigung des Magendarmepithels konnte auch
bei älteren Tieren ein Übertritt von unverändertem Eiweifs in
die Blutbahn konstatiert werden. In einem Fall (beim neugebornen
Zickel) führte die Resorption des unveränderten Eiweilses zur
Bildung von Antikörpern.
Aufser dieser Veröffentlichung liegt bis jetzt nur eine weitere
vor, die sich mit derartigen Versuchen bei Neugeborenen beschäf-
tigt, nämlich eine Arbeit von Hamburger und Sperk, die
zu völlig entgegengesetzten Resultaten kommt. Den
beiden Wiener Autoren gelang es weder bei Erwachsenen einen
Übergang des verfütterten Eiweifses ins Blut nachzuweisen, noch
auch bei Neugebornen (2 dreitägige Kälber, 4 menschliche
Säuglinge im Alter von 5 Tagen bis 13 Wochen). Bei einem
einzigen ihrer Versuche (Kalb II) bezeichnen sie das Resultat
als unsicher, insofern als das Blut des mit Pferdeserum gefütterten
Tieres schon vor der Nahrungsaufnahme eine reichliche Fällung
auf Anti-Pferdeserum gab. Quantitative Unterschiede der Serum-
proben vor und nach der Nahrungsaufnahme konnten aber nicht
nachgewiesen werden.
Es gelang mir durch Injektion von Eierklar, ein sehr gut
wirkendes Anti-Hühnereiweifs-Serum herzustellen. Ich verfuhr
ganz nach den Angaben von Uhleuhuth. Das sauber gereinigte
Ei wurde vorsichtig aufgeschlagen und das WeiTse in ein steriles
Becherglas eingebracht, in welchem es zusammen mit physiologischer
Kochsalzlösung eine Weile mit einem sterilen Glasstabe geschlagen
wurde. Jedesmal wurde das Weifse von 2 Hühnereiern einem
Kaninchen in die Bauchhöhle eingespritzt, bei einem Gesamtvolum
bis zu 100 ccm. Schon in der fünften Woche betrug der Titre
81
Von Dr. Albert tJffenlieinier.
des Blutserums der beiden so vorbehandelten Kanineben (u und v)
1:30000.
Die folgenden Versuche wurden (mit Ausnahme von Nr. I,
bei dem ein Antiserum mit dem Titre 1 : 1000 verwendet ist) mit
einem so hochwertigen Serum vorgenommen, das am Anfang der
6. Woche den Tieren entzogen wurde. ^)
I. 9. Xn. 1904. Meerschweinchen Dd III, 60 g schwer, etwas über
24 Standen alt, bekommt 3 ccm HflhnereiweiTs mittels Ballpipette per os.
Getötet dVt Standen nach der leisten Fütterang.
Die Prüfnng anf den Übergang des Eiweifses wurde gans analog den
Kasein- Versnchen vorgenommen.
Resultat: Keine Spur von Eiweifsübergang.
n. 10. xn. 1904. Meerschweinchen Dd V, 50 g schwer, 2 Tage alt, bekommt
3,5 ccm Hühnereiweifs. Getötet SV, Standen nach der letzten Ffltterung.
Resultat: völlig negativ.
III. 19. xn. 1904. Meerschweinchen LI I, 65 g schwer, IVi Tage alt,
bekommt am 19. und 20. XII. zusammen 10 ccm Eiweifs.*) Entblutet Vi Tag
nach der letzten Fütterung.
Resultat: völlig negativ.
IV. V. 19 XII. 1904. Meerschweinchen LI II und LI ID, 60 und 70 g
schwer, vom selben Wurf wie das vorige, genau ebenso behandelt Bei
beiden ist das Resultat: völlig negativ.
VI. 19. XII. 1904. Meerschweinchen Kk I. 80 g schwer, 5 Tage alt,
genau (und gleichzeitig) behandelt wie die vorigen drei Tiere.
Resultat: völlig negativ.
VII. 22. XII. 1904. Meerschweinchen Nn I, 75 g schwer, 24 Standen
alt, bekommt am 22. und 23. XII. insgesamt 10 ccm Hohnereiweifs per os.
Getötet 5Vi Stunden nach der letzten Ffltterang.
Resultat: völlig negativ.
1) Das eine vorbebandelte Kaninchen nahm von der 4. Woche an rasch
an Gewicht ab. In der 7. Woche vermochte es nicht mehr zu schlucken,
trotzdem es zu fressen versuchte. Es wurde getötet und dabei fand sich
der Magen von wässeriger Flüssigkeit erfüllt, ohne Futter, die
Schleimhaut desselben samtartig, teilweise gerötet, der Pylorus stark kon-
trahiert. Im Ösophagus kein Tumor. Starke Perisplenitis und
schwächere Perihepatitis. Sonst aufser einigen parasitttren Herden in
der Leber nichts Pathologisches. Ich erwähne diesen Befand hier eingehen-
der wegen seiner klinischen Übereinstimmung mit manchen Osophagus-Car-
cinomen beim Menschen, und kann hinzufügen, dafs unter dieser Erscheinung
des Nichtmehrfressenkönnens öfters Kaninchen sterben, die zur Herstellung
von Immunseris verwendet werden.
2) Wenn der Einfachheit halber in diesem Kapitel öfter Eiweifs gesagt
wird, so ist natürlich Hühnereier-Eiweifs darunter zu verstehen.
Archiv mr Hygiene. Bd. LV
G
^ £xperim. Stadien über die Durchgängigkeit des Magen dann kanalea etc.
VIII. 22. Xn. 1904. Meerschweinchen Nn II, 65 g schwer, 24 Stonden
alt, genau so behandelt wie das vorige.
Resultat; völlig negativ.
IX. 22. XII. 1904. Meerschweinchen Nn III, 55 g schwer, vom gleichen
Wurf wie die zwei vorigen, gleichzeitig und ebenso behandelt
Das Resultat in diesem Falle war ein schwach
positives^): Sowohl das unverdünnte Serum wie mit physiolo-
gischer Kochsalzlösung angelegte Verdünnungen ergaben mit
dem Antiserum Niederschläge, die am zweiten Tag noch etwas
umfangreicher waren wie am ersten Tag. Um eine — natürlich
nur ganz approximative — Bestimmung der ausgefällten Präzipä-
tatsmenge geben zu können, möchte ich bemerken, dafs ich mir
bei der Titration des Anti-Hühnereiweifsserums eine Skala auf-
gezeichnet hatte.
Damals war. 1 ccm der Hühnereiweirs- Verdünnungen (von
1 : 100 bis 1 : 30 000) mit je 5 Tropfen des Antiserums versetzt
worden. Die Reaktionen wurden in annähernd gleich grofsen
spitz zulaufenden Zentrifugiergläschen vorgenommen, und am
Ende des Versuchs wurden die in den Spitzen befindlichen Präzi-
pitatsmengen abgezeichnet, die entsprechend der Konzentration
der benutzten Eiweifslösung kontinuierlich abfielen. So ergab sich
jetzt ein ungefährer Mafsstab für die aus dem Serum der gefüt-
terten Tiere niedergeschlagene Eiweifsmenge.
Die bei Benutzung von 0,35 ccm des unverdünnten Serums
vom Jungen Nn in durch 5 Tropfen Antiserum erhaltene Prftzi-
pitatsmenge entsprach ungefähr derjenigen, welche sich bei obiger
Versuchsanordnung bei einer Ei weifsverdünnung 1 : 4000 bis 1 : 6000
gebildet hatte — nehmen wir also rund 1 : ÖOOO. Es würde dann
aus 1 ccm des Serums vom Jungen Nn III ungefähr so viel
niedergeschlagen worden sein wie aus einer Eiweifslösung 1 : 1700;
mit andern Worten 1 ccm dieses Serum hätte etwa ^/i7oo ccm
Hühnerei weifs enthalten. Das ganze Tier — 55 g schwer — hat
rund 2,1 ccm Blutserum, demnach würden in dem gesamten Blut
des mit 10 ccm Eiweifs gefütterten Tieres rund etwa ^soo ^^^^
1) Das Aussehen des flockigen Niederschlages war auch mikroskopisch
ein charakteristisches.
Von Dr. Albert Uffenheimer.
83
davon nachweisbar gewesen sein, was also dem 8000. Teil des
Verfütterten entspräche.
X. 22. XII. 1904. Meerschweinchen Nn IV, 57 g schwer, vom gleichen
Wurf wie das vorige, in gleicher Weise behandelt.
Das Resultat der Blatuntersuchung war wiederum ein
schwach positives. Am ersten Tag geringer, am zweiten etwas deut-
licherer Ausfall eines charakteristischen Präzipitates.
Nach der Menge desselben und der eben erläuterten Art der Berech-
nung würde etwa Vioooo ^^b verfütterten Eiweifses ins Blut übergegangen sein.
XI. 22. Xn. 1904 Meerschweinchen Nn V, 62 g schwer, vom gleichen
Wurf wie die vorigen, in gleicher Weise behandelt:
Auch hier war das Resultat ein schwach positives. Am
zweiten Tag erschien ein leichter Präzipitat-Niederschlag, der höchstens dem
Übergang des 10000. Teiles der verfütterten EiweiTsmenge ins gesamte Blut
entsprach.^)
XIL Nun habe ich wie bei den Verfütterungen der bereits abgehan-
delten genuinen Eiweilse auch beim Eiereiweifs einen prolongierten Versuch
mit grofsen Mengen vorgenommen.
10. XII. 1904. Meerschweinchen Dd IV, 55 g schwer, 2 Tage alt, erhält
vom 10. bis inkl. 17. XII. insgesamt 55 ccm Eiereiweifs, also eine Menge,
die seinem anfänglichen Körpergewicht entspricht, per osmit
Ballpipette verfüttert. Es nimmt dabei rapid an Gewicht zu'), hat
am 15. XII. schon 75 g, am 18. XII. 85 g, am 20. XU. 100 g und am 22. XII.
112 g. An diesem Tage wird es durch Halsschnitt entblutet.
Die auf Vorhandensein von Eiweifs im Blute vorgenommene
Präzipitinreaktion ergab negativen Befund, es war ja 5 Tage nach
der letzten Verfütterung auf keinen Fall mehr Anwesenheit von
Eiereiweifs im Blute zu erwarten, dagegen hätte etwa aufgenom-
menes Eiweifs Zeit genug gehabt, um ein Antiserum zu bilden ; ich
darf hier auf das bei dem Kasein- Versuch Gesagte hinweisen.
1) Im Urin dieser drei Tiere Nn III— V (es standen mir allerdings nur
wenige Tropfen zur VerfQgung) konnte ich Eiereiweiüs mittels der Präsipitin-
Reaktion nicht nachweisen.
2) Schon dieser klinische Befund legte es nahe, ein negatives Re-
sultat des Versuches zu erwarten. Wir wissen, dafs die Aufnahme von un-
verändertem Eiweifs ins Blut meist zu Erkrankung, immer zu Abmage-
rung, oft zum Tode führt (siehe Ganghofner und Langer) und aus
diesem Grunde schon konnte die stetige Gewichtszunahme während der
Dauer des ganzen Experimentes auf ein völlig normales Verbalten des
Magendarmkanales in jeglicher Beziehung schliefsen lassen.
^^ Experim. Stadien über die Darchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
Der Versuch wurde so vorgenommen, dafs zu Eiereiweifs-
lösungen von 1 : 10 an aufwärts bis 1 : 1000 das Serum des Jungen
Dd IV zu gleichen Teilen zugesetzt wurde (je 3 Tropfen^). Das
Ergebnis war ein völlig negatives — das Serum ent-
hielt keinen Hühnereiweifs-Antikörper.
Unsere Versuche haben also ergeben, dafs in der grüfseren
Mehrzahl der Fälle beim neugeborenen Meerschweinchen verfüttertes
Eiereiweifs die Magendarm wand nicht unverändert passiert. Nur
in dreien von zwölf Fällen liefsen sich ganz geringe Mengen ins
Blut übergetretenen Eierklars nachweisen. Wie gerade diese
Ausnahmen zu erklären sind, weifs ich nicht. Ich möchte aber
darauf aufmerksam machen, dafs diese 3 Tierchen alle von einem
Wurfe stammten. Man könnte also an eine gewisse hereditäre
Schwäche ihres Intestinaltraktes denken, und die Tatsache, dafs
es gerade die leichtesten Tiere des Wurfes waren, läTst wirklich
diesen Gedanken (der, wie ich wohl weifs, eine Umschreibung,
noch keine Erklärung bedeutet) einigermafsen plausibel erscheinen.
Die Mengen, welche die Tierchen verfüttert bekamen, waren aufser-
ordentliche, innerhalb 26^/2 Stunden 10 ccm, also ungefähr der
sechste Teil ihres Körpergewichtes, so dafs man mit gröfserer
Wahrscheinlichkeit annehmen kann, dafs hier eben eingetreten ist,
was Uhlenhuth, Ascoli und die anderen auch bei ihren er-
wachsenen Tieren erlebt haben, dafs nämlich die plötzliche
Überschwemmung des Magendarmkanales mit den fremden
Eiweifsstoffen es für den Augenblick nicht zu entsprechend grofser
Verdauungssaft- Absonderung kommen liefs, und so noch Spuren
unveränderten Eiweifses ins Blut abgeführt werden konnten.
Es mufs wirklich wundernehmen, dafs nicht auch bei den
übrigen mit so grofsen Eiereiweifsmengen gefütterten Tieren ein
Übertritt im Blut erfolgt ist, speziell dafs sich bei dem zuletzt
berichteten Versuch kein Antiserum gebildet hat, zumal wenn
wir uns an die schon oben erwähnten Versuche von Ham-
burger und Sperk erinnern, die nach Injektion von geringen.
1) Aach hier wurden, wie stets, ganz entsprechende KontroIlTerauche
mit Immunsemm gleichzeitig vorgenommen.
Von Dr. Albert Uffenheimer. 85
biologisch im Blut gar nicht nachweisbaren, Eiklarmengen ein
ausgezeichnetes Antiserum gewannen.
Über die Divergenz der Ganghof ner-Langerschen Resultate
einer-, der HamburgerSperkschen und der unsrigen ander-
seits wird an späterer Stelle zu sprechen sein, hier gehe ich auf
dieselben nur ein, soweit sich Differenzen in den Versuchen am
menschlichen Säugling ergeben haben.
Den vier negativen Versuchen von Hamburger-Sperk
stehen zwei positive von Ganghofner-Langer gegenüber.
Von diesen zwei Versuchen ist der eine, wobei reichlicher Über-
gang von Eiweifs ins Blut vermerkt wurde, an einem offenbar
nicht lebensfähigen Kinde vorgenommen (I Tag altes
Kind, Zwillingsfrucht, Gewicht 2100 g, Enkephalokele , erhielt
am 31. V. und 1. VI. bis abends 8 Uhr Hühnereifsweilösungen,
starb am gleichen Abend 10 ^/s Uhr. Blut 10 Stunden nach dem
Tode entnommen). Die eben zitierten Data gestatten mir wohl
ohne detailliertes Eingehen auf diesen Fall, auszusprechen, dafs
er für die Frage des Eiweifs-Überganges bei normalen Kindern
nicht verwertbar ist.
Der zweite Fall war ein 3 Wochen altes Kind, das wegen
Lymphangioma colli operiert wurde. Auch hier fand sich Über-
gang des per os gegebenen Eiweifses ins Blut. Zu dieser Be-
obachtung möchte ich bemerken, dals über den Zustand des
Magendarmkanales nichts angegeben ist, und dafs der positive
Ausfall bei einem gesunden 3 Wochen alten Kinde ja für
den menschlichen Säugling eine Durchlässigkeit des Intestinal-
traktes beweisen würde, die weit über das von Behring Be-
hauptete hinausginge und eine zeitlich bedeutend länger dauernde
wäre als bei allen geprüften Tierarten. Aus diesem Grunde,
glaube ich, kann der eine positive Fall dem anderen negativen
gegenüber nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.
Yersnehe mit Antitoxinen.
Wie bereits erwähnt, waren es Experimente seines Mitarbeiters
Römer gewesen, welche Behring zur Angabe führten, dafs ge-
nuine Eiweifskörper die Intestinalschleimhaut neugeborener Tiere
86 Experim. Studien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
ebenso unverändert durchdringen, als ob sie direkt in die Blut-
bahn hineingebracht würden.
Römer ging aus von einem durch Ransom mitgeteiUen Fall,
wo ein lange mit Tetanus- Antitoxin vorbehandeltes Pferd ein Fohlen
warf, welches bei der Geburt 2^/2 A. E. pro 1 ccm Blutserum auf-
wies. Die Milch des Mutterpferdes enthielt gleichfalls Antitoxin. Im
weiteren Verlaufe der Beobachtung sank dann der Antitoxingehalt
im Blutserum und in der Milch der Mutter ebenso, wie im Blutserum
des Fohlens. Römer meinte nun mit Behring, dafs nur »unter
Umständen« durch Vermittelung der Plazentargefäfse Antitoxin auf
den Fötus übergehen könne ^) und glaubte diese Ausnahme so er-
klären zu können, dafs im Ransomschen Falle unter dem Einflufs
der Tetanusgift- Wirkung Hämorrhagien in der Plazenta ent-
standen seien, die vorübergehend eine Kommunikation von mütter-
lichem und fötalem Blut hergestellt hatten. Aus diesem Grunde
vermied Römer bei seinem Pferd mit Eintritt der Gravidität jede
Giftbehandlung.
Er immunisierte eine Stute während der Schwangerschaft
gegen Diphtherie und fand das Fohlenblut am Tage der Geburt
ohneAntitoxin; nachdem das Junge von der Stute 4 Tage gesäugt
worden war, enthielt sein Blutserum pro 1 ccm bereits % A. E.
Der Antitoxingehalt stieg rapid weiter an, bis am 12. Tage nach der
Geburt ein Höhepunkt mit 5 A E. pro ccm Blutserum erreicht war.
Ein ähnliches Resultat wurde mit einem trächtigen Kaninchen
erzielt, welches mit Tetanus -Antitoxin behandelt worden war.
Es warf fünf Junge. Zwei von ihnen wurden sofort entblutet
— ihr Serum war frei von Antitoxin. Das eines dritten Jungen
enthielt schon am 4. Tage ^/sooo A. E.
1) Ich gehe auf diese Versuche, die nicht strikt zum Thema »Darch-
gängigkeit des Magendarmkanales« gehören, zum Teil darum ein, weil auch
ich einige einschlägige Experimente vorgenommen habe, in der Hauptsache
aber deswegen, weil aus den inzwischen fortgesetzten Versuchen Römers,
den Arbeiten von Polano usw. sich eine Regel über die Durchgängigkeit
der Placentarwand ableiten licfs, welche grundsätzliche Differenzen bei
den verscliiedenen Tierspezies feststellte. Dieser Regel wird eine zweite an
die »Seite zu setzen sein, welche bozilglich der DurchläSHigkeit des Magen-
dar Ulkanales bei den verschiedenen Arten sich aus meinen Versuchen
ergeben hat
Von Dr. Albert Uffenheimer. 87
Aus der weiteren Schilderung des Fohlenversuches geht her-
vor, dafs vom Anfang der dritten Woche an eine Verminderung
des Antitoxingehaltes im Fohlenblute eintrat. Diese Abnahme
könnte nach Römer aus dem — ebenfalls nachgewiesenen —
Rückgang des Antitoxingehaltes der Muttermilch allein erklärt
werden, zumal wenn die Gewichtszunahme des Tieres in Betracht
gezogen wird. Jedoch das auffallende Sinken des Antitoxin-
gehaltes liefs doch daran denken, ob nicht im Darmkanal des
Fohlens sich Veränderungen eingestellt hätten, die eine weitere
Aufnahme des Antitoxins in das Blut verhinderten.
An dieser Stelle erwähnt Römer die gescheiterten Versuche,
die menschliche Diphtherie durch intestinale Verabreichung von
Heilserum zu bekämpfen als Beweis, dafs bei älteren Individuen
eine Resorption von Antitoxin im Intestinaltrakt nicht stattfindet.
Er stellte nun selber vier einschlägige Experimente an.
Ein Pferd wurde mit Diphtherie-Antitoxin gefüttert, indem
es in fünf hintereinanderfolgenden Tagen zusammen 42500 A. E.
erhielt, — sein Blijt blieb antitoxinfrei. Das gleiche Resultat
wurde erzielt an einem Schaf, welches an 9 Tagen je 1300 A. E.
erhielt. Auch bei dem oben erwähnten Fohlen trat, trotzdem es
zu Anfang seiner vierten Lebenswoche an vier Tagen je 2,5—5 g
Diphtherie-Heilserum Nr. IV. erhielt, in dieser Zeit eine weitere
Abnahme des Antitoxingehaltes des Blutserums ein. Schlielslich
zeigte noch ein Kaninchen, welches mit 20 ccm antitoxischer
Pferdemilch (ca. vierfach normal) gefüttert wurde, nicht die ge-
ringste Antitoxin-Resorption. Drei Versuche, die vorgenommen
wurden zur Entscheidung der Frage, ob mit einer intestinalen
Antitoxin-Denaturierung in nennenswertem Grade zu rechnen sei,
reichten zur Entscheidung dieser Frage nach Römers eigener
Ansicht nicht aus. Pol an o hat 1904 in seiner Würzburger
Habilitationsschrift die Rom ersehen Versuche des intrauterinen
Übergangs der Antitoxine wieder aufgenommen und zwar am
Menschen. Ein erster Versuch mit Diphtherie- Antitoxin mifs-
lang — es war aus unbekannten Gründen nicht einmal im mütter-
lichen Blute Antitoxin nachweisbar.
Foiano ging dann zum Tetanui-AncitoxiD über and erhielt
da b«i äiHnen zvei ersten Versuchen kaom brandibare Resultate,
in f-inem driuen Versuch, wo er einer Primigravida 2 Wochen
and dann einen Tag ror der Gebart je 100 A. E. t. Behring-
sehen HeiUerumä eingespritzt hatte, konnte er aber einwand-
frei den C'bergang von Antitoxin von der Matter auf das
Kind nachweisen.
So war der Stand der Antitoxinfrage, als ich meine Ver-
suche begann.
Efl war mir darum zu tun. möglichst geringe Mengen etwa
übergehenden Antitoxins im Blut der Jungen nachweisen zu
können. Beim Tetanus-Antitoxin war dies mit den bisherigen
Methoden gut durchzuführen, für das Diphtherie-Antitoxin jedoch
reichten dieselben nicht aus; denn die geringste mit ihrer Hilfe
feststellbare Antitoxinmenge waren ungefähr 0.1 Immunisierungs-
Einheiten. Ich begrüfste deshalb mit grofser Freude die Marxsche
Verr^ffentlichung. die mir die notwendigen Hilfsmittel für so feine
Antitoxinbestimmungen in die Hand gab.
Die neue Methode beruht darauf, dals zur Titration der ge-
suchten Antitoxinmenge nicht mehr eine vielfach tödliche Toxin-
dosis neutralisiert zu werden braucht, sondern dafs eine einzige
Komponente der Diphtheriegiftwirkung, nämlich die Ver-
ursachung eines lokalen Odems, als Indikator benutzt
werden kann.
Da irgend eine Bestätigung der auf den 11. internationalen
Kongrefs für Hygiene und Demographie zu Brüssel und dann im
Centralblatt für Bakteriologie nochmals kurz beschriebenen Marx-
schen Befunde bis dahin nicht bekannt geworden war, unternahm
ich es zunächst, die Methode nachzuprüfen.
Durch die Liehienswürdigkeit des Herrn Prof. Paltauf stand
mir ein flü.ssiges, im Kaiserl. Königl. Seruminstitut zu Wien genau
auHtitriertes Gift zur Verfügung. Seine Dosis letalis für Meer-
schweinchen von 260 g war 0.02, der L + Wert 0,45.
Die Nachprüfung ergab ein mit dem Berichteten überein-
stimmende« Resultat,
Von Dr. Albert Uffenbeimer. ^9
Eine Anzahl von Versuchen ergab nun, dafs % ^^^ absohit
tödlichen Dosis beim Meerschweinchen von 250 g unter die Haut
eingespritzt, nach zweimal 24 Stunden noch ein sehr starkes
Üdem^) mit vielen Hämorrhagien bewirkte, während bei-
spielsweise ^/i5 tödlicher Dosis nur »ziemliche* starkes Ödem ver-
ursachte. Im allgemeinen ergab die Obduktion dieser Ödemtiere
keine irgendwie erhebliche Giftwirkung auf innere Organe, da
ich aber doch bei einigen Sektionen solche in geringerem Grade
konstatieren konnte, sah ich bei sämtlichen Serumbestimmungen
davon ab, nach Marx'ens Vorachlag ein Tier an zwei entgegen-
gesetzten Körperstellen mit zwei verschiedenen zu prüfenden
Flüssigkeiten zu injizieren und habe stets nur eine einzige sub-
kutane Einspritzung unter die Bauchhaut vorgenommen. Ich mufs
auch offen gestehen, dafs ich es mir gar nicht vorstellen kann, dafs
die injizierte nicht tödliche Giftdosis, abgesehen von ihrer heftigen
lokalen Wirkung, den übrigen Körper unangetastet lassen könnte.
Um deshalb nicht vorauszusehenden und unberechenbaren Fehlern
zum Opfer zu fallen, wird es sich auch künftig für jeden, der
die Marx sehe Methodik anwendet, empfehlen, an einem und dem-
selben Tier nur eine FltLssigkeit zu prüfen.
Ich liefs nun auf die Giftmenge, welche das »sehr starke
Odemc verursachte, Verdünnungen eines 200fachen, ebenfalls
von Herrn Prof. Pal tauf gütigstzur Verfügung gestellten Diphtherie-
Antitoxins in Abstufungen 24 Stunden lang2) einwirken und stellte
durch Meerschw^einchen- Versuche fest, dafs bei ^/^oo J. E. noch
ein sehr starkes Odem unverändert sich zeigte, während bei
^/soo J. E. ein ziemlich starkes Odem,
Veoo J* ^- mäfsiges Odem,
V400 J- E- sehr geringes Odem,
^/goo J. E. eben noch nachweisbare Spur von Ödem
1) Ich zog es vor, bei meinen Versuchen diese noch sehr starke Odem-
ansammlang zum Ausgangspunkt der Titration zu nehmen, während Salge
eine Giftdosis benatzte, welche »eben noch ein deutliches Odem« erregte.
2) Wie Marx es vorschlug, 2 Stunden lang im Bratschrank, dann
22 Stunden im Eisschrank.
qQ Experim. Stadien über die Darchgängigkeit des Magendannkanales etc.
sich fand, so dafs also Vüoo J- ^- ^^^ Menge war, welche die ödem-
machende Wirkung von Vio tödlicher Dosis aufhob, während
7)^)0 J- E. keinen giftwirkungshemmenden Einfiufs mehr ausübte.
Durch ein solches Austitrieren läTät sich also tatsächlich, auch
wenn der »Glatt wert* noch nicht erreicht ist, empirisch
ungefähr bestimmen, wie viel Immunisierungseinheiten eine zu
untersuchende Flüssigkeit enthält. Die Methodik ist — wie oft
wiederholte Versuche mir zeigten — eine ungemein genaue und
verlässige, und rein theoretische Einwände, wie sie von Siegert
gegen dieselbe erhoben worden sind, entbehren jeglicher Begrün-
dung.
Zur Injektion verwandte ich stets 0,6 ccm Gesamtflüssigkeit;
dies Volum wurde nur ausnahmsweise dann überschritten, wenn
ein Serum in der Menge von 0,4 ccm noch nicht zur Bestimmung ge-
nügendeantitoxische Wirkung gezeigthatte. Mehrais 0,8ccm Gesamt-
volum habe ich aber nie eingespritzt.
Zunächst prüfte ich das Blutserum neugeborener und wenige
Tage alter unbehandelter Meerschweinchen verschiedener Würfe
(3 Geschwister €, 2 Geschwister SS) auf etwaigen angeborenen
Diphtberie-Antitoxingehalt. Es fand sich regelmäfsig das
Blut ganz frei von Antitoxin. (Auf die Wiedergabe der
betreibenden Protokolle kann ich deshalb verzichten).
Nun versuchte ich den von Römer geleugneten plazentaren
Übergang des Antitoxins von der Mutter auf das Junge
festzustellen.
21. IV. 1904. Meerschweinchen L, nie behandelt, ca. 600 g Gewicht,
hochschwanger. Die Geburt ist in den nächsten Tagen zu erwarten.
Vormittags 11 Uhr wird ihm vom Höchster Diphtherie-Heilsernm VID
Op. S80 C. Nr. 70G .... 6 ccm subkutan unter die Bauchhaut injiziert (500 fach
= 3000 J. E.).
23. IV. Bis heute (Samstag) Abend ist die Geburt noch nicht ein-
getreten. Da bereits Schwellung der Vulva vorhanden ist, also wahrschein-
lich die Geburt nehr bald erfolgen würde, wird der Kaiserschnitt vor-
genommen, um zu vermeiden, dafs die nachts oder Sonntags geborenen
Jungen an der Alten (die ja sicher antitoxinhaltige Milch hat) taugen
können.
Von Dr. Albert Uffenheimer.
91
Kaiserschnitt abends 6 Uhr, also 2 Tage and 7 Stunden nach Injektion
des Heilserums. Sofortige Entblutung der drei Jungen (LI — 111) durch
Halsschnitt.
Gleichzeitige Entblutung der Alten.
Für die Bestimmung der im Blute der Alten befindlichen
Antitoxinmenge benutzte ich die alteEhrlich-Kossel-Wasser-
m an n sehe Gift- Serum- Misch ungsmethode(10-fache Menge
der tödlichen minimalen Giftdosis + zu untersuchendes Serum
in abgestuften Mengen; nach der Mischung erst 2 Stunden Brut-
schrank, dann 2^/2 Stunden Eisschrank):
\\ 0,2 ccm Diphtheriegift Paltanf =
II lüfach tödl. Dosis Termischt mit
Versuchstier
Verlauf des Versuchs
23. VI.
04.
0.1 ccm Serum Alte L
0,03 ccm Serum Alte L
0,02 ccm Serum Alte L
0,01 ccm Serum Alte L
0,005 ccm Serum Alte L
Meerschw. 10,
Gew. 290 g.
Meerschw. 11,
Gew. 290 g.
Meerschw. 12,
Gew. 260 g.
Meerschw. 13,
Gew. 260 g.
Meerschw. 14,
Gew. 255 sr.
24. ganz munter, ohne
ödem.
25. kein ödem. Gew. 300 g.
Nachm. 310 g.
27. Gew. 320 g
30. Gew. 330 g
24. ganz munter, ohne
ödem.
25. kein ödem. Gew.300g.
Nachm. Gew. 310 g.
Tier blieb
völlig go-
sund.
Tier blieb
völlig ge-
sund.
27. Gew. 320 g
30. Gew. 340 g
24. reichl. ödem, geringe
Motilit&t
25. Morgens tot aufgefun-
den. Gew. 240 g. Ob-
dnkt Typischer Diph-
theriegiftbefund.
24. Ausgedehntes ödem.
Tier schwer krank.
25. Morgens tot aufgefun-
den. Gew. 240 g. Ob-
dukt. Typ. Diphtherie-
giftbefund.
Verlauf genau wie bei
Meerschw. 13.
qn Ezperim. Studien über die Dorchgängigkeit des MagendarmkanaJes etc.
Zur genaueren Bestimmung setzte ich diesen Versuch weiter
fort und fand:
0,2 ccm Diphtheriegift Paltaiif =
10 fach tödl. [losis vonniFCht mit
Versuchstier
Verlauf des Versuchs
16. VII.
04.
0,03 ccm Serum Alte L
Meerschw. 27,
Gew. 250 g.
0,0275 ccm Serum Alte L
Meerschw. 28,
Gew. 240 g.
0,025 ccm Serum Alte L
Meerschw. 29,
Gew. 245 g.
0,0225 ccm Serum Alte L
Meerschw. 30,
Gew. 250 g.
19. Gew. 240 g. Sehr mo-
bil, kein ödem mehr.
Von hier ab ständige
Zunahme.
17. Gew. 240 g.
18. Gew. 235 g. Mäfsiges
ödem. Mobil.
19. Gew. 245 g. Von da
ab schnelle Abnahme
des Ödems und stän-
dige Zunahme an Ge-
wicht.
17. Gew. 285 g.
18. Gew. 225 g. Sehr stor-
kes ödem. Mobilität
beeinträchtigt.
19. Tier tot aufgefunden.
Gew. 200 g. Obdakt :
Typ. Di-Giftbefund.
Darnach war etwa 0,03 ccm Serum der Alten die Dosis der
ghitten Resorption oder es schützte 0,0.'} des Serums vor 0,2 ccm
Diphtheriegift Paltauf; da das zur Prüfung benutzte Gift aber
^/o normal war (Dosis letalis für Meerschweinchen von 250 g . . . 0,02
oder nach v. Behrings Ausdrucks weise :
1 ccm = + 12 500 M), hätte
0,03 des Serums der Alten vor 0,1 ccm Normalgift geschützt,
17. Gew. 245 g.
18. Gew. 250 g. Fraglich,
ob Spur ödem. Tier
sehr mobil.
19. Gew. 255 g. Kein
Odem. Tier sehr mo-
bil. Von hier ab stän-
dige Zunahme.
17. Gew. 230 g.
18. Gew. 285 g.
leichtes ödem.
Ganz
Von Dr. Albert Uffenheimer.
1)3
somit 0,3 ccm des Serums vor 1,0 ccm Normalgift. Nun bezeich-
net man als Antitoxin- oder Immunisierungseinheit ^) diejenige
Menge von Antitoxin, welche gerade ausreicht, um eine Toxin-
Einheit (= 1 ccm Normalgift) zu neutralisieren; somit erwies sich
das Serum der Alten über 3-fach normal, d. h. es enthielt in 1 ccm
mehr als 3 J. E. Antitoxin. Berechnen wir dies auf die Gesamt-
serummenge (= V26 d®8 Körpergewichts, hier also rund = 23 ccm),
so stellt sich heraus, dafs im Serum der Alten noch un-
gefähr 75 J. E. des eingespritzten Antitoxins nachweis-
bar waren.
Die Prüfung des vermischten Serums der 3 Jungen L I — III
nach der Marx sehen Methode ergab 2)
Vio tödliche Giftdosis vermischt
mit
Versuchstier
Befund bei der Tötung nach
2X24 Stunden
1. 0,2 ccm Serum Junge L
I-lII
2. 0,3 ccm Serum Junge L
I— m
3. 0,4 ccm Serum Junge L
I— III
4. 0,6 ccm Serum Junge L
I— m
Meerftchw.l5;
Gew. 290 g.
Meerschw. 26
Gew. 230 g.
Meerschw. 16
Gew. 300 g.
Meerschw. 24
Gew. 250 g.
Gew. 300 g, geringes ödem,
etwas vermehrte Peritoneal-
flüXsigkeit.
Gew. 180 g, sehr starkes
Odem.
Gew. 390 g, Spur ödem.
Gew. 230 g, völlig glatt.
(Wir sehen hier wieder die Genauigkeit der meisbaren Ab-
stufungen; die etwas stärkere Affektion des zweiten Tieres wird
durch sein im Verhältnis zu den anderen geringes Gewicht
erklärt.)
Somit zeigte sich bei 0,6 ccm Serum der Jungen glatte Re-
sorption. Dies entspricht nach den mit dem Pal tauf sehen Anti-
toxin gefundenen Resultaten etwa V200 J* ^-
1) Ich folge hier den Angaben des in Buchform vorliegenden Berichtes
der Farbwerke Meister Lucius und Brüning (1903). In anderen Büchern
(z. B. bei Dieudonnä) wird man andere Angaben finden.
2) Ich brauche wohl kaum hervorzuheben, dafs die einzelnen Prüfungen
stets durch Injektionen der Vio tödlichen Dosis ohne Zusatz bei einem Meer-
schweinchen kontrolliert wurden.
^ Kzperim. Atadien über die DnrcbgftDgigkeit des Magen*ianiikanmles ecci
Wenn in 0,6 ccm also ^^^ J. £. nachweisbar waren, so enthielt
1 ccm dieses Serums etwa ^i^) J. £. oder das Gesamtblut
eines solchen Tieres etwa V..^ J. £. Diphtherie- Antitoxin.
Dieser Versach bildete für das Meerschweinchen eine Be>
flüLtigung dessen, was Polano beim Menschen bezüglich des
Tetanus-Antitoxins gefunden hatte, nämlich plazentaren €■ ber-
gang des Antitoxins von der Mutter auf das Junge auch
bei antitoxischer Immunisierung.
Nach dieser Feststellung war ich begierig zu sehen, ob etwa
die Jungen eines Tieres, das vor einiger Zeit eine starke Diphtherie-
giftdosis erhalten hatte, aber überlebend gebUeben war, in ihrem
Blute Antitoxin hätten.
2 Junge des auf solche Weise behandelten Meerschweinchens ^
wurden am Tage der Geburt entblutet.
Es zeigte sich nicht der geringste Antitoxingehalt
im Blute der Jungen. Dies stimmt überein mit der Erfahrung,
dafs Meerschweinchen sich aktiv gegen Diphtherie kaum immu-
nisieren lassen.
Nun ging ich daran, den Übergang des Antitoxins
im Blute vom Darmkanal aus zu prüfen.
I. Meerschweinchen v I and v II, vom Tag der Gebart ab mit Diph-
therie-Antitoxin mittelfl Ballpipette gefüttert. Gewicht (erst am 3. Lebens-
taK notiert: 90 und 100g).
Vom IH. VI. bis 21. VI. 1904 bekamen sie zusammen 18,75 ccm eines
4(K)fachen Höchster $erams=7&00 J. £., also rund 40 J. £. pro Gramm
Körpergewicht.
Am 22. VI. vormittags werden sie beide in gemeinsames Gef&fs ent-
blutet.
>/„ tö<ll. caftdosis vermischt Versuchstier
mit
Befund bei der Tötung nach
2 X 24 Stunden
0,1 ccm Serum Junges vi u. II MeerBchw.23;
<4ew. 250 g.
0,2 rem Serum Junges vi u. II Meer8chw.37;
Gew. 260 g.
0,3 ccm Serum Junges vi u. II j Meerschw.SS;
Gew. 250 g.
Gew. 200 g; mäfsig starkes
ödem, mäfsig Hämorrhagien.
Gew. 260 g; wenig ödem mit
geringen Hämorrhagien.
Gew. 250 g; sehr geringes
Ödem.
0,4 rem Serum Junges vi u. II Meerschw.lS; > (Jew. 240 g; glatt
Gew. 240 g:. |
Von Dr. Albert Uffenheimer.
1>5
Resultat: 0,4 ccm ergaben glatte Resorption, d. b. sie hatten
die Wirkung von ^/goo J. E. oder: 1 com des Serums der beiden
Tiere v I und II enthielt ungefähr ^j^ J. E. Diphtherie-Antitoxin,
mit anderen Worten : ins Gesamtblut der beiden Tierchen
war durch die Fütterung rund Vio J« E. Antitoxin über-
gegangen.
II. 22. VII. 1904. Junges Meerschweinchen H VII, 40 g schwer, erhält
am Tag der Geburt und am folgenden zusammen 1,8 ccm Höchster Diph-
therie* Heilserum (400 fach = 720 J. E.) mittels Ballpipette verfüttert. Es
kommen also auf lg Körpergewicht 18 J. E.
Leichte Aspiration bei der Verfütterung. Entblatung 6 Standen nach
der letzten Fütterung
Die erhaltenen 0,4 ccm Serum werden zu einer einzigen
Prüfung verwendet:
Versuchstier
Befund bei der Tötung nach 2X^4 Stunden
Meerschw. 47; Gew. 250 g
Gew. 280 g. Völlig glatte Resorption.
Resultat: Deutlicher Übergang von Antitoxin ins Blut; da
nur der eine V^ersuch gemacht werden konnte, läfst sich der
Antitoxingehalt des Serums nicht genau feststellen, es enthielt
aber mindestens 1 ccm Serum des Jungen H VII . . . .
^If^J.E. Diphtherie-Antitoxin; der Mindestgehalt seines
Gesamtblutes war demnach ungefähr ^50 J. E.
III. 25. VII. 1904. Junges Meerschweinchen 3 II, 80 g schwer, erhält
am Tage der Gebart per os 2,88 ccm Höchster Diphtherie- Heilserum (500 fach
= 1440 J. E.), also auf das Gramm Körpergewicht gerechnet 18 J. E.
Am folgenden Morgen durch Halsschnitt entblutet
Die Prüfung ergab:
ViQ tötl. Giftdosis
vermischt mit
Versuchstier
Befund bei der Tötung nach
2 X 24 Stunden
0,1 ccm Serum Sil
0,2 ccm Serum 311
0,4 ccm Serum 311
Meerschw. 48;
Gew. 250 g
Meerschw. 49;
Gew. 240 g
Meerschw. 50;
Gew. 230 pr
1
Gew. 245 g; völlig glatte Resorption
Gew. 245 g; völlig glatte Resorption
Gew. 235 g; völlig glatte Resorption
96
Ez|*erim. Stadien über die DarcfagAngigkeit des MagendaimkanmleR etc.
Resultat: Schon 0,1 ccni Serums yerursachte völlig glatte
Resorption der ^/iq tödlichen Giftdosis, enthielt also zum mindesten
\'2oo J- E. oder 1 ccm des Serums vom Jungen 311 enthielt
zum wenigsten \^ J. £. Diphtherie- Antitoxin, das üe-
samtserum des Tieres also zum wenigsten ^/j J. E.
IV. 25 VII 1904. Jonges MeerschweiDchen 4 I, 60 g schwer, erhalt
am Tage der Gebart per os
2,1 ccm Höchster DIpbtberic-Heilsenim 400 fach = 840 J. R
0,48,, „ „ „ 500fach = 240 J. E.
zaaammen 1080 J. E.,
entaprechend 18 J. £. pro Gramm des Körpergewichts.
Entblutung am folgenden Morgen. Die Prüfung nach Marx
ergab :
'/,. tö<ll. Giftdosis Versuchstier
vermiscbt mit ^ ersucnsiier
Befand bei der Tötung nach
2 X 24 Standen
0,4 ccm Seram 41 J Meerschw. 51;
1 Gew. 250 g
Gew. 265 g; völlig glatte Resorption
Resultat: Bereits 0,4 ccm des Serums verursachte völlig glatte
Resorption, enthielt also zum mindesten V^oo ^- ^•
Mindestgehalt von 1 ccm Serum des Jungen 4 I . . . ^so J- ^•
Mindestgehalt des Gesamtserums des Jungen 41 . . . ^85 J- E-
V. 25. VII. 1904. Junges Meerschweinchen 4 II, 60 g schwer, erhält
am Tage der Geburt per os 2,16 ccm Höchster Diphtherie-Heilsemm (500 fach
= 1080 J. K.), also wiederum 18 J. £. aufs Gramm Körpergewicht gerechnet.
Entblutung am nächsten Morgen.
Die Prüfung ergab:
7,0 t<idl. Dosis ver-
iriiHcht mit
Versuchstier
Befund bei der Tötung nach
2 X 24 Stunden
0,lf)crm Serum 411
0,3 ccm Serum 411
Meerschw. 52;
(few. 240 g
Meerschw. 58;
Gew. 230 K
Gew. 245 g; völlig glatte Resorption
Gew. 225 g; völlig glatte ResorpUon
lies ul tat: Mindestgell alt von leeinSerumdesJungen41I
'/xo J. E., Miiidestgelialt des (lesanitserums des Jungen 4 II
*/i:, J. K. Diphtherie-Antitoxin.
Von Dr. Albert Uffenbeimer.
97
VT. 26. VII. 1904. Junges Meerscbweincben f ni, 85 g schwer, erhält
am Tag der Gebort per os 8,06 ccm Höchster Diphtherie -Heilserum (500 fach
= 1530 J. £), wiederum 18 J. K auf das Gramm Körpergewicht gerechnet
Entblutnng am folgenden Vormittag.
Die Prüfung ergab:
Vio tödl. Giftdosis
vermischt mit
Versuchstier
Befund bei der Tötung nach
2 X 24 Stunden
0,1 ccm Serum f IH
0,2 ccm Serum f HI
0,4 ccm Serum flu
Meerschw. 56;
Gew. 240 g
Meerschw. 54;
Gew. 230 g
Meerschw. 55;
Gew. 270 g
Gew. 220 g. Aufserordentlich starkes
ödem mit starken Httmorrhagien.
Gew. 225 g. Mälsig starkes Odem;
starke H&morrhagien.
Gew. 255 g. Mäfsig starkes ödem;
starke Hftmorrhagien.
Ich bin bei diesem Versuch also nicht bis zur Erzielung des
iGlattwertesc gekommen. Doch während 0,1 ccm Serum noch
keinerlei Einwirkung auf die Giftdosis zeigt (Befund genau wie
bei dem Kontrolltier), läfst sich eine solche bereits bei 0,2 und
0,4 ccm Serum-Zusatz erkennen. Es würde das »mäfsig starke
Odemc etwa entsprechen ^j^qq J. E. unserer empirischen Tabelle.
Ich unterlasse hier eine Ausrechnung auf Grund dieser Zahl.
Der Obertritt einer kleinen Menge von Diphtherie-Anti-
toxin ins Blut ist aber beim Jungen flll sichergestellt
Vn. 26. VU. 1904. Junges Meerschweinchen fi HI, 80 g schwer, erhält
am Tag der Geburt per os 2,88 ccm Höchster Diphtherie-Heilserum (SOOfach
= 1440 J. E.), auch wieder aufs Gramm Körpergewicht 18 J. E. gerechnet
Entblntung am folgenden Morgen. Bei der Prüfung ergaben 0,88 ccm
des Serums mit Vio tödlicher Giftdosis zusammengebracht, völlig glatte
Resorption nach zweimal 24 Stunden.
Das Resultat istalso auch hier wieder deutlich positiv.
Nachdem sich so als gesetzmäfsige Erscheinung der Übergang
eines Teiles des als Heilserum verfütterten Diphtherie-Antitoxins
durch den Magendarmkanal der neugeborenen Meerschweinchen ins
Blut gezeigt hatte, blieb noch die Frage übrig, ob alte Tiere sich
ebenso verhielten. Ich nahm deshalb folgenden Versuch vor:
12. VII. 1904. Muttertier d. Gewicht 570 g, bekommt aus der R. Karotis
ca. 3 ccm Blot entzogen.
Archiv mr Hygiene. Bd. LV 7
c^g Ezperim. Stadien Über die Darchgängigkeit des Magen dannkanales etc.
Darnach Fütterung mit Ballpipette. Vom 12. bis 15. Vn. erhält das
Tier im ganzen 22 500 J. E. Diphtherie-Antitoziu in Form von Höchster Heil-
seram (400 und 600 fach) verfüttert
Es war in diesem Falle also auf jedes Gramm Körpergewicht
etwa 40 J. E. gerechnet. Am Nachmittag des 15. VII. wurde dem
Tier 8 ccm Blut aus der linken Carotis entnommen.
Die Prüfung des Blutserums dieses alten Tieres
vor der Fütterung ergab:
Viotödl.Giftdosis
vermischt mit
Versuchstier
Befund bei der Tötung nach
2 X 24 Stunden
Gew. 220 g. Sehr starke Ödembil-
dung mit reichl. Uftmorrhagien.
Gew. 210 g. Ebenso.
Gew. 210 g. Ebenso.
Gew. 210 g. Ebenso.
0,1 ccm Serum d
0,2 ccm Serum d
0,4 ccm Serum d
0,6 ccm Serum d
Meerschw. 36; Gew. 245 g
Meerschw. 32; Gew. 230 g
Meerschw. 33; Gew. 230 g
Meerschw. 35; Gew. 230 g
Resultat: Das Serum des Tieres d enthielt vor der
Fütterung kein Diphtherie-Antitoxin.
Die Prüfung desselben Serums nach der Fütterung mit
dieser riesigen Antitoxin-Dosis ergab:
Viotödl.Giftdosis
vermischt mit
Versuchstier
Befund bei der Tötung nach
2 X 24 Stunden
0,1 ccm Serum d Meerschw. 40; Gew. 260 g
0,2 ccm Serum d Meerschw. 41 ; Gew. 260 g
0,3 ccm Serum d Meerschw. 42; Gew. 250 g
0,4 ccm Serum d Meerschw. 43; Gew. 240 g
0,5 ccm Serum d Meerschw. 44; Gew. 250 g
0,6 ccm Serum d • Meerschw. 45; Gew. 240 g
Gew. 240 g. Aufserordentl. starkes
ödem mitreichl.Hämorrhagien.
Gew. 255 g. Ebenso.
Gew. 225 g. Ebenso.
Gew. 235 g. Ebenso.
Gew. 235 g. Ebenso.
Gew. 215 g. Ebenso.
Resultat: Es war nicht die Spur nachweisbaren Anti-
toxins ins Blut der Alten übergegangen.
Eine Wiederholung dieses Versuches verbot sich durch seine
aufserordentliche Kostspieligkeit; er stimmt aber völlig zu all
Von Dr. Albert Uffenheimeif. 09
den von Römer erhaltenen Resultaten bei den Alten der ver*
schiedensten Tiergattungen.
Hier ist der Ort, einen Versuch am neugebornen
Menschen einzufügen. Ich hätte gern an einer gröfseren An*
zahl von Kindern solche Antitoxinfütterungen vorgenommen,
allein — da nur durch einen Aderlafs genügende Mengen Blutes
erhalten werden konnten — scheute ich mich, zu solchen nicht
notwendigen Operationen zu schreiten, und kann deshalb nur
über ein einziges Experiment berichten : Das Kind, Wolfgang B.,
wurde gleich nach der Geburt wegen schwerer inoperabler Spina
bifida und Klumpfüfsen in das von Hau n ersehe Kinderspital
aufgenommen. Die Verdauung funktionierte — wie die Beob-
achtung in den ersten Lebenstagen zeigte — gut; ich glaubte,
bei diesem Candidatus mortis einen Aderlafs wagen zu dürfen.
Als das Kind 3 Tage alt war, entzog ich ihm aus der linken
Vena mediana Blut. Dann verfütterte ich auf einmal mittels
Magensonde 15000 J. E. Diphtherie- Antitoxin, Am folgenden
Tag, nach 15^/2 Stunden, machte ich eine Blutentziehung aus
der Vena mediana. •>'"^*^ '
Die Prüfung des kindlichen Serums nach Marx vor der
Fütterung ergab bis 0,05 ccm herunter glatte Resorption. Leider
konnte ich nicht mit geringeren Serummengen eine ergänzende
Prüfung vornehmen, da zum ersten Versuch alles verbraucht
war. Das Serum nach der Fütterung ergab bei den entsprechen-
den Werten gleichfalls glatte Resorption. So ist also durch
dieses Experiment für unsere Frage nichts bewiesen, wohl aber
wiederum festgestellt, dafs sich im Serum des nicht ge-
säugten neugebornen Menschen gröfsere Diphtherie
Antitoxinmengen vorfinden können.
Nachdem die Durchlässigkeit des Magendarmkanales neu-
geborner Meerschweinchen für das Diphtherie- Antitoxin einwand-
frei gezeigt war, galt es, das Tetanus- Antitoxin unter gleichen
Verhältnissen zu prüfen. Aber über den nun folgenden Unter-
suchungen schwebte von Anfang an ein böser Stern. Durch die
entgegenkommende Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Paltauf
verfügte ich über ein festes Tetanustoxin und über ein flüssiges
100
Ezperim. Stadien fiber die Darchgftngigkeit des Magendannkanmles etc.
Antitoxin. In dem von Herrn Dozenten Dr. Kraus, dem ich für
seine Bemühungen den herzlichsten Dank ausspreche, gezeichneten
Begleitschreiben zur Sendung dieser Agentien hieüs es: les lag
an der Labilität des Toxins, wodurch wir an der Bewertung ver-
hindert wurdenc. Leider zeigte sich diese Labilität auch während
unserer Versuche in ganz aufserordentlicher Weise, so dafs von
nahezu 200 Tierversuchen nur eine verhältnismäfsig kleine An-
zahl verwertet werden kann. Es ist selbstverständlich, dafs ich
keine Versuchsreihe ohne erneute Kontrolle angestellt habe. Über-
all, wo das Kontrolltier nicht unter den typischen Tetanus-
Erscheinungen starb, konnte die ganze Reihe der gleichzeitig
angestellten Tierexperimente nicht berücksichtigt werden.
Nach den Feststellungen des Kaiserl. Kgl. serotherapeutischen
Institutes in Wien tötete 0,00002 ccm von einer Lösung 1 g
Tetanustoxin -f- 9 g physiologische Kochsalzlösung eine Maus. Von
dem antitoxischen Serum neutralisierte 0,00001 ccm die letale
Mausdosis.
Die von mir angestellten, mit verschiedenen neugefertigten
Lösungen des Trockentoxins vorgenommenen Prüfungen ergaben,
dafs die angegebene einfach letale Dosis eine Maus nicht vor
dem 4. Tage tötete. Von der Verwendung des Antitoxins mufste
ich Abstand nehmen, da die damit injizierten Mäuse alle schnell
unter schweren Vergiftungserscheinungen starben. Eine bakterielle
Noxe konnte ich aber in dem Serum nicht finden.
Ich verschaffte mir daher ein Behringsches Tetanusheil-
serum (61a) von der Firma Dr. Siebert und Dr. Ziegenbein,
das sechsfach normal war.
Da nach der Behringschen Berechnungs weise 0,1 ccm eines
Normalserums = —4500000 Ms ist, d. h. die für 4500000 g
Mausgewicht tödliche Giftdosis neutralisiert, so war 1 ccm dieses
Serums = —270000000 Ms. Von diesem Serum stellte ich
mir eine Lösung her, von der 0,05 ccm = — 13,5 Ms waren,
also eine Maus von mittlerem Gewicht vor der tödhchen Gift-
dosis schützten. Versuche bestätigten die berechnete Wirkung
dieses Antitoxins. Der Nachweis desselben in dem Blute der
damit gefütterten Meerschweinchen mufste natürlich an dem für
Von Dr. Albert Uffenheimer.
101
das Tetanusgift so empfindlichen Mauskörper versucht werden^).
Hier war der i Glattwert« durch die Serummenge dargestellt, die
eine mit der tödlichen Giftdosis injizierte Maus vollkommen vor
Erkrankung schützte. Geringere Mengen liefsen sich noch da-
durch nachweisen, dafs der Tod der tetanusvergifteten Mäuse um
einige Zeit aufgehalten wurde, oder dafs nur leichte, nicht zum
Exitus führende tetanische Erscheinungen auftraten.
Ich habe an 19 junge und ein altes Meerschweinchen bis
zur Zeit der Niederschrift das Tetanus-Antitoxin verfüttert.
Im Blute von vier aus verschiedenen Würfen
stammenden unbehandelten neugebornen und einem
alten Meerschweinchen fand sich kein Tetanus-Anti-
toxin.
I. 5. XII. 1904. Junges Meerschweinchen Cc in, 55 g schwer, erhielt
mittels Ball pipette am ersten Lebenstage 3 ccm des Behringschen Te-
tanusheilserums 61a — 6 fach normal — verfüttert. Da nach der Beh-
ringschen Berechnungsweise 0,1 ccm Normalserums = — 4500000 Ms*), so
ist 1 ccm eines 6 fach normalen Antitoxins = — 270000000 Ms zu setzen und
es wurde somit an das Meerschweinchen eine Dosis verfüttert,
die eine für 710 Millionen Gramm Mäuse tödliche Dosis
paralysierte.
Das Tier wurde 5 Stunden nach der letzten Fütterung entblutet.
Die Prüfung ergab:
Einfach tMl.
Giftdosis ver-
mischt mit
Versuchstier
Verlauf
10.
XU.
04.
0,02 ccm
SemniCcIII
Ms 88, Gew. 15 g
11. xn. mobil
12. XTl. Deutl. tetan. (RH»)
13. xn. Schwerer Streckkrampf
14. XII. Morgens tot aufgefunden.
1) Ich bediente mich stets der gleichen Technik, spritzte die Flüssig-
keiten hinten über dem rechten oder linken Oberschenkel ein, liefs Toxin
und zu prüfendes Serum mehrere Stunden (zumeist über Mittag) vor der
Injektion aufeinander einwirken und rundete auf ein Gesamtvolum von
0,4 ccm auf, soweit nicht gröfsere zu prüfende Serummengen ein Hinaus
gehen über dies Volumen erforderten.
2) d. h. also nach der oben gegebenen Erklärung: es neutralisiert die
für 4500000 g Mäusegewicht tödliche Giftdosis.
3) Mit diesen Abkürzungen ist bezeichnet: RH: Rechtes Hinterbein-
LH: Linkes Hinterbein.
Ezperim. Stadien Ober die Dluchgtkngigkeit des Magendumkftiialea etc.
Einfach IMI.
; GUIdodl «fr-
VerUnf
i mlKht roll
10. 0,03 ccm
Mb 89, Gew. 12 g
11. Xn. mobil
XII. Serum Ccin
04
13. XII. schwach teUn (LH.)
13. xn. LH acbwerer Streckkr&inpf
14.XIL|
15. XIL } schwer teUn.
16. xn. )
0,06 ccm
Hb 90, Gew. fi g
11. xn. mobil
8«romC!cIIl
1
13. xn. mobil
13. xn. Morgena tot anfgefunden.
. 0,1 ccm
Ma 91, Gew. 15 g
11. xn. mobil
Serum Celli
12. XU. RH starker Streckkr«mpf
0,8 ccm
Mb 93, Gew. 15 g
11. xn. mobil
Serum Cc III
12. xn. LH beeintrtchtigt
13. xn. LH dentl. beeintrlchügt
15. xn. tetan.
16. xn. Abend« tot
Kontrolle 1
Hfi 94, Gew. 15 g
11. XU. mobil
(nur Gift-
lOeong}
13. xn schwer. Streckkrampf
14. xn. sehr schwer tetan.
Kontrolle II
Ma 95, Gew. lö g
U. XU. mobil
13. XII. LH Streckkrampt
14. XIL sehr schwer tetan.
15. XU. Morgens tot angefunden.
Kontrolle 111
Ma 96, Gew. 15 g
IL XU mobil
12. XU. sehr schwer teUn. Beider».
H achwere Streckkrimpfe
Resultat: Der Verlauf bei Ma 90 ist nicht typisch. Be-
rücksichtigen wir diese nicht, so sehen wir bei den drei KontroU-
iiiftusen Tod am 3. bis 5. Tag. Über diese Zeit hinaus blieben
am Leben die mit 0,03 und mit 0,3 com Serum injizierte Maus.
Es ergibt sich somit keine Todeszeit der einselneQ Tiere, die
Von Dr. Albert UffeDheimer.
103
mit den ansteigenden Serummengen parallel läuft, indessen hat
OS den Anschein, als ob der Tod durch die Serum-
beimischung etwas hinausgeschoben wurde, also
geringere Antitoxinmengen ins Serum wirklich über-
gegangen wären.
II. 5. XII. Junges Meerschweinchen Gc IV, 45 g schwer, vom gleichen
Wurf wie das vorige, erhält gleichzeitig 8,5 ccm des 6fachen Tetanns-
Antitoxins = — 845 Millionen Ms.
Tötang wie beim vorigen.
Die Prüfung ergab:
Einiach tödl.
(iiftdosis ver-
mi8cbt mit
Versuchstier
Verlauf
10.
XII.
04.
0,25 ccm
Serum Cc IV
Kontrolltiere
Ms 93, Gew. 15 g
Ms 94-%
11. XU. mobil
12.— 22. XU. stets mobil geblieben
wie beim vorigen Versuch.
Resultat: DerÜbergang vonTetanus-Antitoxin durch
die Fütterung ins Serum des neugebornen Meerschwein-
chens ist durch diesen Versuch sichergestellt.
Die folgenden beiden Experimente können vielleicht noch
verwertet werden, alle anderen führe ich aber gar nicht an,
weil stets wieder die Kontrolltiere zeigten, dafs das Gift weiter
an Wirkung abgenommen hatte*).
UI. 9. XU. 1904. Meerschweinchen Dd I, 70 g schwer, erhält per os
am Tag der Geburt 3 ccm des Siebert-Ziegenbein sehen 6 fachen Te-
tanus-Antitoxins = — 710000000 Ms.
Entblutung 3Vs Stunden nach der letzten Fütterung.
Prüfung zusammen mit dem folgenden Tier.
1) Trotzdem ich schlierslich Mengen nahm gleich der ursprünglich
4 fachen Giftdosis, gelang es mir nicht mehr, bei den KontroUtieren einen
regelmäfsig verlaufenden Tetanus herbeizuführen. Oft hatten noch wenige
Tage zuvor die Versuche mit frisch hergestellten Giftlösungen ein deutliches
Resultat ergeben, wenn ich aber dann, sobald diese Versuche beendigt
waren, zur Prüfung der Gift-Serummischungen schritt, war in dieser Zeit
der Toxingehalt wieder so weit verringert, dafii die Kontrolltiere keinen
regulären Tetanus mehr zeigten.
In einigen Versuchen beobachtete ich sogar die paradoxe Erscheinung,
dafs alle mit dem Serum gespritzten Tiere noch vor den Kontrollmftusen
starben. So opferte ich eine Menge Zeit und Versuchstiere umsonst.
1 04 Experim. Stadien Über die DurcbgAogigkeit des Magendarmkanales etc.
IV. 10. Xn. 1904. Meeracbweinchen Dd II, 70 g schwer, erhält am
2. LebenBtag 3,5 ccm des Si e b er t*Ziegenb ein sehen 6 fachen Tetanus-
Antitoxins = — 845 Millionen Ms. Entblatang 3", Standen nach der
letsten Fütterang.
Die Prüfung des Serums der beiden Meerschweinchen ergab:
A
, Kinfach tMl.
I GiftdoHis ver-
mischt mit
Versuchstier
Verlaaf
13. 0,02 ccm
xn. Serum Ddl
0,03 ccm
Serum Ddl
0,05 ccm
Serum Ddl
0,1 ccm
Serum Ddl
0,2 ccm
Serum Ddl
i Ms 97, Gew. 15 g 14. XU Morgens tot
0,02 ccm
Serum Ddll
Ms98,Gew.l5g"l4.Xn.
15. xn.
II
Ms 99, Gew. 15g || 14. XH.
i' 15. XIL
16. XII.
Ziemlich mobil
RH deutl. Streckkrampf
i:i6.XII. Abends tot
mobil
RH Streckkrampf
Abends tot.
Ms 100, Gew. 15 g! 14. XU.
ii 15. XIL
Ms 101, Gew. 15 g'; 14. xn.
ii 15. xn.
mobil
Morgens tot aufgefunden.
mobil
LH deutl. Streckkrampf
16. XIL LH schwer tetan.
'17. XII. Morgens tot.
Ms 102, Gew. 15 gj! 14. xn. mobil
sehr mobil, etwas hochbeinig
sehr mobil
0,03 ccm I Ms 103, Gew.l5 g
Serum Ddll
0,05 ccm
Serum DdH
Ms 104, Gew. 15 g
0,1 ccm
Serum Ddll
Msl05,Gew.l5g
I 15. XII.
[i 16. xn.
!|17.Xn.
Ii 18. XU.
19.— 21.
14. xn.
15. XU.
16. xn.
17. xn.
14. xn.
15. xn.
16. xn.
17. xn.
14. xn.
15. xn.
16. XIL
17. XU.
1
mobil, etwas hochbeinig
xn. vollkommen mobil.
mobil
schwer krank, aber nicht tetan.
etwas erholt, keine Streckkrämpfe
Morgens tot aufgefunden.
mobil
genau wie Ms 103
Abends wieder sehr mobil
Morgens tot aufgefunden.
mobil
genau wie Ms 103
Abends wieder sehr mobil
Morgens tot aufgefunden.
Von Dr. Albert Uffenheimer.
lOo
Kinfach tödl.
(iiftdosis ver-
mischt mit
Versuchstier
Verlauf
13.
XU.
0,2 ccm
Serum Ddll
0,25 ccm
Serum Ddll
nur Gift
li (Kontrolle)
M8l06,Gew.l5g
M8l07,Gew.l7g
Msl08,Gew.l5g
' 14. XII. mobil
I
bis 22. XII. vollkommen mobil; nicht
weiter beobachtet.
14. XII. mobil
bis 22. Xn. vollkommen mobil; nicht
weiter beobachtet.
14. xn. mobil
15. u. 16. xn. vollkommen mobil
17. XII. LH beg. Streckkrampf
18. XII. Morgens tot aufgefunden.
Resultat: Will man die bei der Kontrollmaus 108 notierten
Krankheits-Erscheinungen als richtigen Verlauf einer Tetanus-
vergiftung anerkennen (und man kann sicher anderer Meinung sein),
so fällt immer noch an einer Anzahl der übrigen Versuchstiere ein
atypisches Verhalten auf, das nicht auf Rechnung des Tetanus-
toxins zu setzen ist. So sind gewifs die drei im selben Käfig
gewesenen Mäuse 103 — 105 einer anderen Ursache erlegen^).
Auch der Tod der Mäuse 97 und 100 ist wohl nicht durch das
Tetanusgift erfolgt. Sehen wir aber von diesen Tieren völlig
ab, was die grofse Anzahl der mit den zwei Seris behandelten
Mäuse gestattet, so scheint aus diesem Versuche hervorzugehen,
dafs in das Serum Ddl kein Antitoxin übergetreten ist,
während sich solches in dem Serum von Dd II nach-
weisen liefs.
Hiermit schliefse ich den Bericht über diese Versuchsreihe.
Wegen der vielen, nicht verwendbaren Resultate verwarf ich
schliefslich das so labile Paltaufsche Gift. Die Güte von Exzellenz
von Behring setzte mich in den Besitz eines anderen trockenen
Tetanustoxins Nr. VIII und eines Tetanus-Heilserums Nr. IV a.
1) Die bakteriologische Untersuchung hatte negativen Erfolg. Ich habe
es aber öfter erlebt, dafo in einem sauber gehaltenen Käfig Mäuse ohne
erweisbare Ursache eingingen.
l()n Experim. Studien über die Dorchgängigkeit des MagendarmkanaleB etc.
Die Titrierung dieses Giftes, das nach den von Herrn Privat-
dozenten Dr. Römer freundlichst zur Verfügung gestellten Daten
vor einem Jalir die Werte hatte:
1 g = 10000000 + Ms
= 40000000 + ms
= 60000000 + M,
nahm ich auf folgende Weise vor:
Ich ging aus von einer frischen 5proz. Lösung des Trocken-
giftes und stellte von der klar über dem Bodensatz stehenden
Flüssigkeit die notwendigen Verdünnungen her. Jede Maus be-
kam 0,4 ccm Flüssigkeit RH eingespritzt, es wurde bei der Be-
stimmung des direkten Giftwertes das Gewicht der Tiere genauestens
berücksichtigt, die Mischungen für die einzelnen Injektionen wurden
stets in 10 — 25-facher Menge hergestellt, um auch kleinste Fehler
auszuschliefsen.
Die Prüfung des direkten Giftwertes ergab (von der Wieder-
gabe der notwendigen Berechnungen mufs ich an dieser Stelle
absehen) :
1 g des Trockengiftes geprüft auf
20 Millionen + Ms = Spur von Beeinträchtigung,
nichts deutlich Tetanisches
10 Millionen + Ms = leicht krank (tetanisch), erholt sich
5 Millionen -|- Ms = mÄfsig krank, erholt sich
4 Millionen -f- Ms = mäfsig krank, erholt sich
tS Millionen + Ms = schwerkrank, tot innerhalb v. 4 Tagen
2 Millionen + Ms =: schwerkrank, totinnerhalbv.4Tagen
1 Million + Ms =: tot innerhalb von 24 Stunden.
1 g des Giftes demnach = 3 Millionen -f" Ms.
Die Prüfung des indirekten Giftwertes (Toxin und Anti-
toxin wirkten hierbei vor der Einspritzung 4 Stunden aufeinander
ein) ergab:
80 Millionen -f ms = gesund
40 Millionen -j- ms ~=^ schwer krank, totinnerhalbv. 3 Tagen
30 Millionen + ms = tot innerhalb von 2 mal 24 Stunden
Von Dr. Albert Uffenheimer.
107
25 Millionen + ms = tot innerhalb von 30 — 36 Stunden
20 Millionen + nc^s = 1
15 Millionen + nis = '
10 Millionen + "^s = 1 , ,, ^ o. ,
- ,-.,,. , f tot innerhalb von 24 Stunden
5 Millionen + dqs = i
1 g des Giftes demnach sieher + 40 Millionen = ms.
Mit diesem Tetanustoxin wurden nun die weiteren Versuche
vorgenommen.
V. 13. V. 1905. Meerschweinchen oo I, l'/j Tage alt, 75 g schwer,
erhält während des ganzen Tages mittels Ballpipette 10 ccm Tetanus-Anti-
toxin 64 (a) — 8fach von Siebert and Ziegenbein, d.h. es wurde
eine Dosis verfüttert, die eine für 3600 Millionen Gramm
Mäuse tödliche Dosis paralysierte.
Entblntung am folgenden Morgen, 12 Stunden nach der letzten Füt-
terung.
Die Prüfung ergab:
' Einfach tödl.
1 GiftdOBis ver-
I mischt mit
Versuchstier
Verlauf
30.V.
05.
0,1 ccm
Serum ool
Ms 262, Gew. 10g
0,3 ccm
Serum ool
nur Gift
(3Kontrollen)
Ms 263, Gew. 10 g
Ms264,Gew.l0g|
Ms 265, Gew. 10 g
Ms 266, Gew. 10 g
31. V. gesund
1. VI. leicht krank
2. VI. deutlich tetan.
3. VI. stark tetan.
4. VI. morgens tot
Bei wochenlanger Beobachtung völlig
gesund geblieben.
Verlauf genau wie bei Ms 262, nur
bei Ms 266 tritt der Tod erst am
6. VI. ein, trotzdem auch bei ihr
schon am 3. VI. schwerer Tetanus
vorhanden ist.
Resultat: Der ÜbergangvonTetanus -Antitoxin durch
die Fütterung ins Blut ist bei diesem Tier siehergestellt.
Doch ist es gegenüber der riesigen verfütterten Dosis nur eine
ganz verschwindende Menge, da 0,1 ccm des Serums die einfach
tödliche Giftdosis nicht in der geringsten Weise beeinflufste.
VI. 26. V. 1905. Meerschweinchen nn II, 55 g schwer, wenige Stunden
alt, erhält am 26. und 27. V. 1905 zusammen 7 ccm Sfaches Siebert-
Ziege nbeinsches Antitoxin per os -- einer Dosis, welche 2520 Milli-
onen Gramm Mäuse vor dertödlichen Giftdosis schützt
^ ^o Experiin. Studien über die Dorchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
EntblutuDg 5 Stunden nach der letzten Fütterung.
Die Prüfung ergab:
Einfach tödl.
CiiftdoBis ver-
mischt mit
Versuchstier
Verlauf
30. V.
05.
0,05 ccm
Serum ttttII
Ms 258, Gew. 10g
während wochenlanger Beobachtung^
völlig gesund geblieben.
0,1 ccm
Serum ttttII
Ms 259, Gew. 10 g
ebenso
0,2 ccm
Serum tittII
Ms 260, Gew. 10 g
ebenso
0,5 ccm
Serum ttttII
Ms 261, Gew. 10g
ebenso
nur Gift
(3Eontrollen)
Ms 264—266
vgl. den vorigen Versuch.
Resultat: Deutlicher Übergang von Antitoxin ins
Blut. Auch die geringste geprüfte Serumdosis von 0,05 ccm
paralysierte bereits die einfach tötliche Giftdosis.
VII. 7. VI. 1905. Eine letzt« Prüfung nahm ich noch mit 5 Seren
von neugeborenen Meerschweinchen (Qq I und 11, Ss I, II und III) vor, die
vor 5 Monaten mit je 2 resp. 3 ccm eines 8 fachen Tetanus- Antitoxins ge-
füttert waren. Ich berichte hierüber nur summarisch, weil auch jetxt wieder
die Giftlösung sich als äufserst labil erwies.
Am 5. VI. frisch hergestellt, tötete die einfach tödliche Dosis eine
Maus in ca. 27, Tagen. Die 17» fache tödtliche Dosis vormochte aber bei
den noch nicht 2 Tage später angestellten Versuchen gleichschwere Kon-
trollmäuse erst am 10. Tage nach einem sehr chronisch verlaufenen Tetanus
zu töten.
Die Sera der Tiere Qq I und Qq II waren vor 5 Monaten mit gleichen
Teilen physiol. Kochsalzlösung gemischt worden, seit dieser Zeit hatte sich
das Volumen der Flüssigkeit stark verringert. Bei der PrQfung konnte ein
Antitoxingehalt der Mischflüssigkeit nicht nachgewiesen werden.
Die Sera der Tiere Ss I, II und III dagegen gleich lange
Zeit ohne Zusatz aufbewahrt, zeigten deutliche antitoxische
Wirksamkeit. Bei allen dreien schützte schon die geringste
geprüfte Serumdosis (0,1—0,1 und 0,3 ccm) die Mäuse vor jeg-
licher tetanischer Erkrankung.
Wir haben somit einen regeimäfsigen Übergang ver-
fütterten Diphtherie-Antitoxins ins Blut bei den neuge-
borenen Meerschweinchen festgestellt. Auch für das
Tetanus-Antitoxin zeigte in fast allen Fällen der Magen-
109
Von Dr. Albert ÜfPenheimer.
darmkanal Durchlässigkeit; bei Qq I und Qq II mag der
negative Ausfall der Antitoxin-Prüfung auf die Vermischung mit
Kochsalzlösung 5 Monate vor der Präfung vielleicht zurückgeführt
werden — nur bei Dd I scheint wirklich kein Antitoxin
in das Blut übergegangen zu sein. Dies ist nicht allzu
erstaunlich, wenn man bedenkt, wie gering^) überhaupt
die durchschnittlich ins Blut eingedrungenen Antitoxin-
mengen gewesen sind.
Seit ich die Antitoxinversuche begonnen habe, sind noch
zwei Veröffentlichungen von Römer, eine weitere von Polano
und zwei Arbeiten von Salge erschienen, die sich mit intra-
resp. extrauteriner Antitoxin-Übertragung beschäftigen. Ich mufs
etwas ausführlicher auf sie eingehen, da ein Teil meiner folgen-
den Darlegungen ständig auf sie Bezug nimmt.
Die erste Römersche Publikation, kurz gehalten, fafste den
von Polano beim Menschen gefundenen plazentaren Antitoxin-
übergang (wie er fürs Pferd einmal vorher bereits von Ransom
beschrieben war) gemäfs den früher zitierten Behringschen An-
schauungen als eine pathologische Erscheinung auf und glaubte,
das heterologe Pferdeserum als Ursache für die Durch-
lässigkeit des Plazentar Überzuges ansehen zu sollen. Römer
führte zur Unterstützung dieser Meinung die beim Menschen nach
Heilseruminjektionen auftretenden Exantheme an, deren Zusammen-
hang mit einer Reizwirkung auf die Blutgefäfse bzw. auf die vaso-
motorischen Nerven nicht bezweifelt werden könne, und erinnerte
an einige Meerschweinchen- Versuche, wo nach Injektion von 2 ccm
normalen Pferdeserums nach wenigen Stunden der Tod erfolgte,
1) Ich habe bei den TetanasAntitozin-Fütterungen eine approximative
zahlenmäfsige Bestimmnng des ins Blot übergegangenen Antitoxins unterlassen,
vor allem deshalb, weil ich bei den meisten Seris infolge der so geringen zur,
Verfügung stehenden Mengen nicht bis zur untersten Grenze gehen konnte
d. h. nicht bis zu derjenigen geringsten Serumdosis, welche die Maus gegen
jegliche Erkrankung schützte, wenn sie zusammen mit der einfach tödlichen
Giftdosis gegeben wurde. Wie aber ans dem Versuch V hervorgeht, wo
Oyl ccm Serum noch keine Beeinflussung der Giftwirkung erkennen liefs,
sind es offenbar aufserordentlich geringe Dosen (Millionstel des Verfütterten),
welche ins Blut übergehen.
1 [0 Experim. Stadien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
wobei die Sektion ausgedehnte Transsudate in den serösen Körper-
höhlen und Hämorrhagien in verschiedenen Organen ergab.
P o 1 a n 0 , der diese Anschauung nicht teilen mochte, stellte weitere
Experimente an und fand nochmals in zwei Fällen, wo er der
Mutter 10 resp. 19 Tage vor der Niederkunft Tetanus- Antitoxin
eingespritzt hatte, Übergang desselben ins Blut des Kindes. Von
seinen 3 Fällen, bei denen er den Übergang des Diphtherie-
Antitoxins nachzuweisen suchte, erscheint nur einer brauchbar,
weil allein bei diesem das Blut der Mutter vor der Injektion ge-
prüft wurde und sich als antitoxinfrei erwies.
Von der Überlegung ausgehend, dafs, wenn die plazentare
Antitoxinübertragung ein physiologischer Akt sei, alle die Kinder
diphtherie-antitoxinhaltiges Blut haben müfsten, deren Mütter
(infolge vorausgegangener Erkrankung) dies aufwiesen, stellte
P o 1 a n o entsprechende Versuchsreihen an. Er kommt zum Schlüsse :
>In allen Fällen, in denen das mütterliche Blut antitoxinhaltig
befunden wurde, läfst sich einwandsfrei ein Gehalt des Fötalserums
an Antitoxinen feststellen ; fehlen aber die Antitoxine bei der Mutter,
so sind auch beim Fötus keine vorhanden. c Hat Polano mit
diesem Satze recht, so ist die Behring-Röm ersehe Meinung
von der Rolle des heterologen Serums beim Antitoxinübertritt
hinfällig. Leider gibt aber Polano gerade von diesen Protokollen,
da sie für die einzelnen Gruppen gleich lauten, nicht alle an
(4 von 7), und in diesen 4 finden sich einige Angaben, die mich
stutzig machen. Die angeregte Frage ist so wichtig, dafs ein
kurzes Eingehen auf die Protokolle wohl erlaubt ist.
Im Protokoll la (S. 11 des Separatabdruckes) geht das Kon-
trolltier nach Injektion von 0,015 Diphtherietoxin nach 6 Tagen
zugrunde und zeigt > Nebennierenveränderungen c; andere typische
Diphtheriegiftveränderungen (lokales Odem, Pleura-Ergufs etc.)
werden nicht erwähnt. In einem andern Fall (Ib) stirbt das
Kontrolltier bei Injektion einer gleichen Dosis schon nach
2 Tagen. Die mit dem Blut der Mutter resp. des Kindes und
der Giftdosis behandelten Tiere sterben nach 2, 3, 5 und 9 Tagen.
Dies Protokoll dient zum Beweis, dafs weder das Blut der Mutter
noch das des Kindes antitoxinhaltig war.
Von Dr. Albert Üffenheioner. \ \ i
Ich mufs gestehen, dafs mich die Aufzeichnungen daran
denken lassen, das Diphtheriegift Polanos habe nicht völlig
seine Schuldigkeit getan, und ich bin der Meinung, dafs wir die
Frage der plazentaren Antitoxinübertragung nach aktiver Immu-
nisierung der Mutter als durch die Polanoschen Versuche
vorläufig nicht entschieden erklären müssen. Es wäre
deshalb sehr dankenswert, wenn Pol an o seine diesbezüglichen
Experimente und die Obduktionsprotokolle in extenso veröffent-
lichen würde. —
In einer dritten Arbeit hat nun Römer nochmals das Thema
aufgenommen und zahlreiche Versuche am Menschen, an gröfseren
Tieren und an Meerschweinchen und Kaninchen veröffentlicht.
Er fand (in Bestätigung der Polanoschen Arbeiten) regel-
mäfsigen Übergang von Antitoxin beim Menschen, bei
Kaninchen beobachtete er ihn in manchen, bei Meer-
schweinchen in den meisten Fällen, bei Schafen und
Rindern nie.
> Betrachten wir dies Gesamtergebnis — sagt er — so fällt
auf, dafs wir Übergang von Antitoxin um so eher zu erwarten
haben, je weiter im phylogenetischen Sinne die betreffende Tier-
art von dem Pferde, mittels dessen Serum die Immunisierung
erfolgte, entfernt ist. Der Mensch steht phylogenetisch dem
Pferd ferner als die Nagetiere und diese wiederum ferner als die
mit den Pferden in die Klasse der Huftiere zusammengehörigen
Schafe und Rinder. Somit erkläre ich mir den Übergang von
Antitoxin durch die Plazenta hindurch auf den Fötus im Vergleich
zu den Fällen, wo derselbe ausbleibt, aus einer gröfseren Durch-
lässigkeit derselben für das heterogene Bluteiweifs.c Also
wiederum ein Zurückkommen auf die frühere Annahme von einer
Schädigung der Gefäfswände, d. h. Auffassung des Antitoxin-
übertritts als eine pathologische Erscheinung.
Im zweiten Teil der gleichen Arbeit publiziert Römer neue
Antitoxin-Fütterungsversuche, an Rindern und Schafen vor-
genommen mit der Milch der passiv immunisierten Mutter. Auch
diese zeigen wieder Antitoxinübergang durch den Magendarmkanal
innerhalb der ersten Lebenswoche.
1 1 9
^^^ Ezperim. Stadien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
Die beiden S algeschen ^) Veröffentlichungen ergaben beim
Menschen keinerlei Resorption des Antitoxins durch den Magen-
darmkanal, wenn es als Heilserum oder als Ziegen-Immunmilch
gegeben, aber wirkliche Resorption, wenn es als Ingrediens der
Menschenmilch verfüttert wurde. Salge meint demnach, dafs
nur durch Vermittelung homologer, d. h. artgleicher Eiweifsstoffe
Antitoxine die Magendarm wand des Säuglings passieren können.
Sehen wir zunächst also von der intrauterinen Antitoxin-
übertragung ab, so stehen sich gegenüber:
1. Römer, der in der ersten Lebenswoche stets positive
Resultate hatte (Pferd, Schaf, Rind);
2. Salge, der bei Verfütterung des Antitoxins in Form
von Pferdeserum oder Ziegenimmunmilch negative, in
Form von Menschenmilch positive Resultate hatte (Mensch);
3. meine Versuche mit (einen einzigen Fall — Ddl — aus-
genommen) stets positiven Resultaten (Meerschweinchen).
Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, dafs
V. B e hri n g - R ö m er meine Befunde als vollkommene Bestätigung
für ihre Ansichten ansehen werden, besonders nachdem sie (resp.
Römer) den negativen Ausfall der Sa Ige sehen Serumfütterungs-
Versuche dadurch erklären, dafs die von diesem eingeführten
Antitoxinmengen an zu geringe £iweirs(iuantitäten geknüpft waren,
die der zerstörenden Tätigkeit schon ausgebildeter proteolytischer
Fermente nicht entgingen. Aber in Wirklichkeit ist der
Sachverhalt kein so einfacher.
Von den Salge sehen Experimenten lassen sich für unsere
Frage überhaupt nur ganz vereinzelte verwenden, weil sie fast
alle an Kindern vorgenommen wurden, welche die erste Lebens-
woche hinter sich, zumeist längst hinter sich hatten (Kinder bis
zu 6 Monaten 2).
1) Salge hat anch die Marx pche Methodik angewandt ; ich lege Wert
darauf, zu betonen (und aus dem Datum der einschlägigen Protokolle geht
dies auch deutlich hervor), dafs ich ganz unabhängig von ihm die Wichtig-
keit der Methode gerade für die vorliegenden Versuche erkannte.
2) Damit sei der Salge sehen VernuchHunordnung kein Vorwarf ge-
macht. Denn dem Autor kam es weniger auf eine Kntscheidang der
Von Dr. Albert Uffenheimei'. 113
Die im besten Falle verwendbaren Beobachtungen der ersten
S algeschen Arbeit (6 und 7) zeigen zwar Resorption von
Antitoxin, wenn es als Bestandteil der Menschenmilch, jedoch
nicht, wenn es als Pferdeserum verfüttert war. Aber Römer
wies die Salgesche Erklärung, dafs es sich dabei um Unter-
schiede handle, die sich durch die Begriffe heterolog und homolog
ausdrücken lassen, zurück unter Anführung von Tierexperimenten
des Marburger Institutes, die bewiesen, dafs im Pferdeserum ent-
haltene Antitoxine, auch wenn sie durch die Blutbahn eines
anderen Tieres (z. B. des Meerschweinchens) geschickt worden
sind, genau dieselben Eigenschaften behielten, die sie vorher
hatten. Mit anderen Worten, ein solches Passage- Antitoxin war
seinem ganzen Verhalten nach noch immer an Pferdeeiweifs,
nicht an Meerschweincheneiweifs gebunden.
In der zweiten Arbeit hat nun Salge Versuche veröffentlicht,
wo die Milch gegen Diphtherie^) immunisierter Ziegen an Kinder
verfüttert wurde, und wo wiederum keine Antitoxin-Re-
sorption zu konstatieren war. Da hier die äuTseren Be-
dingungen dieselben günstigen waren wie bei der Ernährung mit
antitoxischer Menschenmilch, nämlich Verteilung des Antitoxins
über eine bedeutendere Eiweifsmenge und daher gröfere Möglich-
keit, dafs ein Teil desselben der Zerstörung durch die proteo-
lytischen Fermente entginge, so sprechen die Versuche scheinbar
gegen die Rom ersehen Einwände. Aber leider wird hier die
Beurteilung wieder enorm erschwert durch die Eigenart der
Salge sehen Versuchsanordnung,
Fall 2 (luetisches Kind) hält Salge selbst nicht für ver-
wertbar.
wisaenschaftlichen Frage von der Darchgängigkeit des Magendarmkanals
der Neugebornen an, als auf eine Unterflachung, ob sich eine etwaige Durch-
gängigkeit des IntestinaltraktuB bei jüngeren Kindern praktisch durch
Verfütterung von Immunmilch verwerten lasse.
1) Die Versuche mit Ziegenmilch, die Typhus-Immunkörper enthielt,
bespreche ich nicht, da sie an zwei 9 Wochen alten Kindern vorgenommen
wurden.
Archiv mr Hygiene. Bd. LV
1 14 Ezperim. StxvSen Ober <fie DunLfAagifkeu dm
Fall 3 war zo Beginn des Versocfa« bereits 23 Tage alt.
kann also aach keinen Ansprach aof Beracksichtigiing mjurhen.
Es bliebe also nor Fall 1 übrig, wo es sich am ein 4 Tage altes
Kind handele Bei diesem Kinde wurde aber eine Untersuchung
auf Zunahme de^ Antitoxingehaltes (die negativ aosäelt erst in
der vierten Lebenswoche Torgenommen. Hier ist also immer
die Möglichkeit o£Fen, ja wahrscheinlich, dafs aach aas der Zi^en*
milch Antitoxin resorbiert wurde, dals es aber — weil an art-
fremdes Eiweils gebunden — in der vierten Woche, d. h. zn eiuer
Zeit, wo des Alters halber eine Neu- Resorption nicht mehr vor
sich ging, wieder aas dem Blute aosgestolsen war.
•Somit kann auch die neue Salgesche Arbeit nicht beweisend
sein für seine Ansicht, dafs zur Resorption des Antitoxins seine
Bindung an homologes Eiweifs nötig ist
I>em Anscheine nach also besteht der Ausspruch Römers
darnach noch zu Recht, mit dem er seine letzte Arbeit schliefst:
>I>ie praktisch wie theoretisch so bedeutungsvolle, von mir
zuerst behauptete Tatsache, dals sich der Magendarmkanal neu-
geborener Individuen hinsichtlich der Resorption von genuinem
Eiweifs und damit auch unverändertem Antitoxin anders verhält,
als der älterer und ausgewachsener Indinduen, kann jedenfalls
von jetzt ab als feststehend betrachtet werden. c
Allein in dieser allgemeinen Fassung kann dieser
Satz nicht mehr aufrecht erhalten werden. Römer hat,
weil er die Resorption von Antitoxin sah, das, allen Erfahrungen
nach, stets an genuines Eiweifs geknüpft ist, geglaubt, von irgend-
wie umfänglicheren Mengen von genuinem Eiweifs würden stets
gewisse Teile vom Intestinal trakt des Neugeborenen unver-
ändert resorbiert. Als die (an früherer Stelle zitierte) Arbeit*)
von Oan^hofner und Laug er erschien, fafste er sie »als eine
wertvolle Stütze seiner Angaben c auf.
1) Sie and die Hambarger-Sperk sehe Arbeit Bind bisher Qberhaapt
die einzigen gewesen, die den Übergang genuinen Eiweifses beim Nea-
gebornen planniälsig verfolgten. Denn bei den Antitozinvermdien war ja
•tetfl nur das Antitoxin, niemals das Eiweifs, an das es vermutlich
gebunden ist, nachgewiesen worden.
Von Dr. Albert üffenheimer. 116
Sehen wir aber nun einmal die Ergebnisse meiner
Untersuchungen an:
1. der spezifische Antikörper des hämolytischen
Serums wurde nie resorbiert,
2. Kasein wurde nie resorbiert,
3. Hühnereier-Eiweils wurde nur ausnahmsweise,
bei 3 schwächlichen Tieren eines Wurfes, sonst
nie resorbiert,
4. Diphtherie- und Tetanus-Antitoxin wurden (mit
einer einzigen Ausnahme) stets resorbiert.
Am all erauffälligsten ist die Divergenz der Ganghofner-
L an ger sehen und unserer Resultate bei der Verfütterung von
Eiereiweifs. Zwar dachte ich zuerst, es seien vielleicht durch die
von Ganghofner-Langer verwandte Fütterungsmethodik
(mittelst Tubensonden) ihre Resultate beeinflufst worden, und am
jungen Meerschweinchen wenigstens setzte diese Methode immer
Verletzungen, sogar ziemlich grober Art (von Ganghofner und
Laug er auch für das junge Kaninchen angegeben). Um ein
sicheres Urteil gewinnen zu können, schien es mir aber
doch angebracht, einige Fütterungsversuche mit Eiklar
mittels meiner Methodik an einer auch von Ganghofner
und Langer gebrauchten Tierart vorzunehmen — ich
benutzte hiezu das neugeborene Kaninchen.
20. III. 1905. 2 zweitägige Kaninchen n 1, 120 g schwer und n II, 110 g
schwer, werden den Vormittag über mit 7 bzw. 6 g Eiklar gefüttert. Sie
nehmen dasselbe sehr ungern (im Gegensatz zu den Meerschweinchen),
aspirieren*) infolge des Sträubens hie und da eine Kleinigkeit in den
Kehlkopf, erholen sich aber sofort wieder. Etwa 5 Stunden nach der letzten
Fütterung £ntblutung der Tierchen.*) Die Obduktion ergab ganz normale
Verhältnisse. In den Mägen befanden sich noch reichliche coagalierte
Massen weiCsen klebrigen Inhaltes. Sehr starke Verdünnungen von ihnen,
1) Es ist nicht unwichtig dies zu bemerken, weil die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen ist, dafs das in den Kehlkopf und tiefer Aspirierte leicht
resorbiert werden kann. (Vgl. Jacobs Tuberkulin versuche etc.)
2) Vorhergehende Desinfektion mit reichlich heifsem Wasser zur Ent-
fernung etwa kleben gebliebener Kiweifsreste, dann Äther, Alkohol, Sublimat-
AULohol.
I lg Ezperim. Stadien über die Darchgtngigkeit de« MagendArmkanales etc.
mit Eiklar-Antiseram Tenetst, ergaben sehr amfftngliche cbarakteristiache
NiederBcblilge. Es war demnach offenbar noch eine Menge des verfOtterten
Eiklars im Magen der llere selbst zorückgeblieben.
Von .T I konnte bei der Obduktion auch Blasenurin ent-
nommmen werden, der mit dem Antiserum keinerlei Reak-
tion gab.
Die Untersuchung des Serums mit Eiklar-Antiserum (1 : 30000)
ergab bei beiden Kaninchen Präzipitate in fallenden Mengen, bei
7t II weniger als bei rt I. Wenn ich die früher angegebene Be-
rechnungsart zugrunde lege, würde das Tierchen /r I ungefähr
^250 ccm Eiklar in seinem Gesamtblut gehabt haben, /r II etwas
weniger. Wenn wir diese Zahl vergleichen mit denen, die bei
den positiven Meerschweinchen- Versuchen gefunden wurden, so
sehen wir trotz Verfütterung von bedeutend weniger Eiweifs (auch
im Magen war sicher noch eine grofse Menge desselben zurück-
gehalten) beim Kaninchen eine viel stärkere Resorption als selbst
bei den positiven Meerschweinchen- Versuchen.
Wir finden damit also beim Kaninchen sofort eine
Bestätigung der Befunde von Ganghofner und Langer.
Um die Zeit herum, wo durch die eben geschilderten Ver-
suche die Ursache der bisher unerklärlichen Differenzpunkte in
meinen Befunden und denen anderer Autoren sich aufzuklären
begann, war gerade die interessante Arbeit von Ficker: >Über
die Keimdichte der normalen Schleimhaut des Intestinal traktus«
erschienen. Ficker schilderte in derselben zahlreiche Versuche,
in denen er leicht nachweisbare Bakterien (B. prodigiosus, roter
Kieler B.) verfütterte, und bei jungen Tieren ganz kurze Zeit
nach der Verfütterung im Blut und fast allen Organen nachweisen
konnte. Die Untersuchungen waren so peinlich imd exakt vor-
genommen, dafs die Herkunft der gefundenen Bazillen aus den
verarbeiteten Organen wohl sicher gestellt schien. Da die
F ick ersehen Experimente meinen Bakterien- Fütterungsversuchen
(mit Micrococcus tetragenus und mit Milzbrandbazillen ^) direkt
1) Die Sonderstellung der Toberkel-Bazillen in dieser Hinsieht habe
ich ja an früherer Stelle betont.
Von Dr. Albert Uifenheimer.
117
widersprachen, unternahm ich, auch sie nachzuprüfen. Ich lasse
die Versuche hier folgen:
I. 28. n. 1905. Meerschweinchen Ww I, 60 g schwer, IV, Tage alt,
wird mit zwei dichtgewachsenen 24 stündigen Prodigiosus-Agar-Oberflächen
mittels Glasöse gefüttert.
Während der Fütterung ist es in ein Leinentuch so einge-
fatscht, dafs es mit den Pfoten die an der Schnauze noch hän-
genden Prodigiosuskeirae nicht an den Körper bringen kann.
In diesem Tuche bleibt es bis zur Tötung, die eine Stunde
nach der Füttening durch Strangulation schnell erfolgt, um
Aspiration von Prodigiosus in die Lunge zu verhindern. Nach
der Tötung wird die Schnauze in der Flamme völlig verkohlt,
dann das ganze Tier nach vorherigem Abrasieren und Desinfizieren
der Brust- und Bauchhaut mit sterilen Instrumenten vom Diener
völlig abgebalgt. Hierauf wird es mit Lysollösung übergössen
und auf ein steriles Brett aufgenagelt. Die Fütterung des Tieres,
die Tötung und Abbalgung und Verarbeitung der Organe werden
zur sicheren Vermeidung der Luft infektion in drei Laboratorien
in drei verschiedenen Stockwerken vorgenommen. Zur Ver-
arbeitung selbst werden eine grofse Anzahl trocken sterilisierter^)
Instrumente benutzt, für jedes Organ neue. Die Organe selbst
werden erst zerschnitten und dann in sterilen Mörsern (zunächst
ohne Bouillonzusatz) verrieben. Es werden die kleinen Organe
zur Impfung der Bouillonröhrchen völlig verbraucht, von den
^rofsen verschieden umfängliche Stücke. Die Bouillonröhrchen
werden 10 Tage lang bei einer Temperatur von 22° beobachtet,
überall, wo Bakterien- Wachstum zu sehen ist, wird auf Platten
weiter geimpft. Zu jedem Versuch wird 1 — 1^/2 1 Bouillon
benutzt. — Das Ergebnis dieses ersten Meerschweinchen-
Experimentes war ein absolut negatives. Während der
Bacillus prodigiosus bis tief hinunter in den Dickdarm nachweisbar
war, enthielten 28 Bouillonröhrchen und 8 Bouillonkölbchen von
beiden Nieren, beiden Lungen, Leber, Milz, Mesenterialdrüse,
Herzblut, keine Prodigiosuskeime.
1) Nar beim ersten Meerschweinchenversach aasgekochter
118 Ezperim. Studien über die Durchgängigkeit des Magendarmkanalea etc.
II. 7. III. 1905. Meerschweinchen Xx I, 46 g schwer, unter 2 Tage alt,
mit zwei dichtgewachsenen 24 stündigen Prodigiosus-Agaroberflächen ge-
füttert. Tötung nach 1 Stunde.
Die Versuchsanordnung war genau die gleiche.
21 Bouillon röhrcheu und 8 Bouillonkölbchen aus beiden
Lungen, Leber, beiden Nieren, Mesenterialdrüse, Herzblut und
Milz und zahlreiche von diesen angelegte Agarkulturen, zeigten
nirgends Prodigiosuskeime, während dieselben reichlich bis
in die tiefsten Darmabschnitte hinunter nachweisbar waren. —
Es ergab sich also ein absoluter Gegensatz zu den
Fickerschen Untersuchungen. Da Ficker keine Meer-
schweinchen benutzt hatte, und nachdem ich eben durch
die positiven Eiweifs-Fütterungs-Experimente beim
Kaninchen überrascht worden war, nahm ich nun die
gleichen Versuche mit Prodigiosus mit genau gleicher
Versuchsanordnung an Kaninchen vor.
III. 28. III. 1905. Junges Kaninchen (»I, 43g schwer, wenige Stun-
den alt, wird mit zwei gut gewachsenen 24 Stunden alten Prodigiosus -Agar-
Oberflächen gefüttert. Nach 1 Stunde Tötung durch Strangulation.
Mit dem Blut und den verschiedenen Organen werden 9 Bouillon-
kölbchen und 18 Bouillonröhrchen beschickt, von diesen wird noch auf
Agarplatten weitergeimpft.
Resultat: Es gelingt, in Leber, rechter Niere, rechter
und linker Lunge, sowie Herzblut Prodigiosus nach-
zuweisen, ebenso im Darminhalt bis nahe dem After.
IV. Junges Kaninchen (» II, 45 g schwer, Geschwister des vorigen,
7i Tag alt, wird mit zwei gutgewachsenen Prodigiosus-Agaroberflächen ge-
füttert.
Nach 1 Stunde Strangulation.
Mit dem Blut und Organen werden 10 Bouillonkölbchen und 22 Bouil-
lonröhrchen beschickt. Weiterimpfung auf Agarplatten.
Resultat: Es gelingt, im Herzblut, beiden Nieren und
beiden Lungen Prodigiosus nachzuweisen, ebenso im
Darminhalt bis nahe dem After.
Ks zeigten also die an Kaninchen vorgenommenen
Fütterungsversuche mit dem B. prodigiosus (im Gegen-
satz zu den Meerschweinchen-Versuchen) ebenso positive
Von Dr. Albert Uffenheimer. 119
Resultate wie die kurz vorher vorgenommene Ver-
fütterung vom Eiklar.
Hierdurch ist einerseits eine vollständige Bestätigung der
Befunde von Ficker wie von Ganghofner und Langer ge-
geben und anderseits der exakte Beweis geliefert, dals der
Magendarmkanal desneugebornen Meerschweinchens sich
sowohl den genuinen Eiweifskörpern wie den Bakterien
gegenüber anders verhält wie der des nahe verwandten
Kaninchens^) und der anderer entfernter stehender Tier-
arten.
Damit ist also die Anschauung der Marburger Schule
widerlegt, dafs jegliches neugeborne Individuum (Säuge-
tier ist wohl bei dem oben zitierten Rom ersehen Satz gemeint)
einen für Eiweifsstofle [und Bakterien] durchgängigen
Magendarmkanal hat. Nun wäre aber nach all den negativen
Versuchen mit den geprüften nativen Eiweifskörpern zu erwarten
gewesen, dafs auch die Antitoxine nicht vom Intestinal trakt des
Meerschweinchens durchgelassen würden — insoferne man die
bis jetzt fast allgemeine Ansicht teilt, dafs sie an natives Eiweifs
untrennbar gebunden sind.
Das Passieren dieser Stoffe durch die Plazentar wand
hält Römer für eine pathologische Erscheinung, die er durch
die irritierende Wirkung des heterologen Serums erklärt. Ohne
diese Ansicht, dafs gerade das heterologe Serum es ist, was
die pathologischen Erscheinungen hier auslöst, damit unbedingt
zu teilen, stelle ich nun die Frage: Sollte nicht auch der
Durchgang der nativen Eiweifsstoffe durch die Magen-
1) Ich mache übrigens darauf aafmerkeiaru, dafs aach der Intestiiialtrakt
des älteren Kaninchens offenbar eine gewisse Neigung hat, Bakterien
durchtreten zu lassen (Ficker^ Klimenko u. a.). Tiere, bei denen im
Experiment eine solche Durchlässigkeit des Darmes konstatiert wurde,
mufsten nach dem Obduktionsbefund z. T. als ganz normal bezeichnet
werden ; und es blieb den Autoren weiter nichts übrig, als an mikroskopische
Läsionen im Darm derselben zu glauben, wenn auch für das Kaninchen der
Satz Geltung behalten sollte, dafs bei vollkommen gesunden erwachsenen
Tieren die unverletzte Darmwand für Mikroorganisn^en stets undurch-
gängig ist
120 Ezperim. Stadien Ober die Durchgängigkeit des MagendarmkanaleB etc.
darmwaud des Meerschweinchens eine pathologische Er-
scheinung sein?^)
Wenn ja, haben wir Anhaltspunkte, irgend einen StofiE für
die Ursache eines [solchen pathologischen Vorganges halten zu
können? Da muls ich auf gewisse Erscheinungen aufmerksam
machen, die mir bei den Fütterungen mit den verschiedenen
Heilseris aufserordentlich auffielen.
Während das hämoljrtische Serum, die Milch, das Eierklar
von den jungen Meerschweinchen gerne und ohne vieles Sträuben
geschluckt wurde, nahmen sie gerade die Heilsera mit grofsem
Widerwillen. Ich gelie sicherlich nicht fehl, wenn ich als Ur-
sache den zur Konservierung zugesetzten Karbolsäuregehalt
beschuldige. Dennoch blieb den Tierchen nichts anderes übrig,
als die ins Maul getropfte Flüssigkeit zu schlucken. Ein Würgen
oder Erbrechen findet ja, wie auch kürzlich Emmerich betont
hat, beim Meerschweinchen nicht statt. Ich erlebte nun regel-
mäfsig (und habe nie versäumt, meinen Mitarbeitern am Institut
dies zu demonstrieren) nach der Verfütterung der karbolsäure-
haltigen Sera eine eigenartige Krankheitserscheinung bei den
gefütterten Tierchen. Wenige Minuten nach der Eingabe des
Serums legten sie sich platt auf den Bauch und machten eigen-
tümliche scharrende Bewegungen mit den Hinterbeinen (es waren
nicht etwa klonische Krämpfe): man hatte völlig den Eindruck,
als ob die Tiere an Koliken litten, und durch diese Bewegungen
sich Erleichterung schaffen wollten. Dabei hatten die Tierchen
öfters kühle Ohren, also Zustände, die etwas an Kollaps erinnern.
Dafs es sich nicht um Aspirationserscheinungen gehandelt haben
kann, geht daraus hervor, dafs ich bei den regelmäfsig vor-
genommenen Obduktionen oft gar keine Veränderung in den
Lungen sah; wenn ich pneumonische Herdchen fand, so waren
sie nicht zahlreicher und umfangreicher als bei Verfütterung
1) Diese Frage gewinnt am so mehr Berechtigung, wenn man — wie
Pol an o -' aus der Ähnlichkeit des placentaren Zotten- and Darmepithels
Ähnlichkeiten in ihrem physiologischen (und natflrlich auch pathologischen)
Verhalten schliefst.
Von Dr. Albert üffenheimer. 121
anderer Körper, i) Auch erholten sich die Tiere ziemlich rasch
wieder. Wenn ich die Tötung verhältnismäfsig schnell nach
der Verfütterung vornahm, so zeigten sich die Mägen noch prall
angefüllt von Flüssigkeit, also waren sicher Störungen in der
motorischen Funktion des Organs vorhanden. Bei Ver-
fütterung anderer Flüssigkeiten dagegen war die Entleerung des
Magens eine viel schnellere. Dafs ich Kontrollversuche anstellte
mit Normalserum allein und mit Normalserum, dem eine ent-
sprechende Karbolsäuremenge beigemengt war, ist wohl selbst-
verständlich. Es zeigte sich, dafs wirklich die Karbolsäure es war,
welche die geschilderten klinischen Erscheinungen verursachte.
Ich glaubte zunächst, vielleicht auch ein pathologisches Sub-
strat derselben durch die anatomische Untersuchung der Mägen
finden zu können. Makroskopisch zeigte sich nichts, bei der
mikroskopischen Durchforschung vieler Serien meinte ich in der
Tat anfangs Epithelveränderungen zu sehen. Als ich aber die
empfindlichen Mägen vor der Fixierung auf Kork aufspannte und
dadurch jede Berührung mit der Glaswand vermied, konnte ich
keine Unterschiede mehr finden zwischen denen, die karbolsäure-
haltige Medien enthalten hatten und den anderen.
Ich bin nach dem Dargelegten überzeugt, dals die Karbol-
säure vorübergehende Vergiftungserscheinungen bei den jungen 2)
mit Heilseris gefütterten Meerschweinchen erregt. Es liegt nahe,
daran zu denken, dafs durch diese Erscheinungen Veränderungen
gesetzt werden, die den Durchtritt des Antitoxins durch die Magen-
darmwand begünstigen. Behaupten möchte ich es nicht, denn
es fehlt an den sicheren Beweisen ; aber ich mufs gestehen, dafs
ich Versuche mit antitoxischen Seris, denen kein Konservierungs-
mittel beigesetzt ist, für recht wünschenswert hielte. (Dafs auch
1) Absolut lassen sieb bei dem Einfliefseii in das Maul gelegentlicbe
Aspirationsberdcben nicbt vermeiden. Diese kleine Fehlerquelle (vgl. hierzu
Fickers zweite Arbeit), welche meine Technik mit sich bringt, ist aber
gewifs annehmbarer als diejenige, welche bei jeder anderen Art von Fütte-
rung (durch Sonde beispielsweise) infolge der nicht zu umgehenden Epithel-
verletzungen entstehen.
2) Meinen Versuchen am alten Meerschweinchen nach treten bei diesen
die genannten Vergiftungserscheinungen nicht auf.
122 Experim. Stadien über die Dnrchgängigkeit des Magendarmkanales etc.
die anderen Autoren gleich mir mit konservierten Seris gearbeitet
haben, hat alle Wahrscheinlichkeit für sich.)
Die besondere Ausnahmestellung, die der Antitoxiuübergang
bei dem für die nativen Eiweifskörper sonst undurchlässigen
Meerschweinchen-Intestinum einnimmt, verdiente gewifs der Auf-
klärung. Bei den anderen Tieren, den Hunden, Kaninchen,
Kätzchen, Zickeln usw. scheinen nach den öfters zitierten Unter-
suchungen geänderte physiologische Verhältnisse vor-
zuliegen. Diese können kaum in anderen vitalen Vor-
gängen zu suchen sein als in denen der Magen- und Darm-
saftsekretion^).
Besonders Gmelin hat in zwei Arbeiten gezeigt, dafs bei
jungen Hunden der Magensaft in den ersten Wochen noch eine
recht ungenügende Zusammensetzung hat. Gegenüber Cohnheim
und Soetbeer, die psychischen Magensaft von saurer Reaktion
fanden, betont er neuerdings, dafs diese Autoren dadurch getäuscht
worden seien, dafs sie den Magensaft mit N^laton- und Gummi-
kathetern aspirierten, diese Katheter aber eine Säure enthalten,
welche die Günzburgsche Probe positiv verlaufen läfst. Gmelin
hält nach seinen erneuten Versuchen daran fest, dafs in den
ersten Wochen sich Milchsäure im Magen des Hundes finde,
aber keine Salzsäure^). Seiffert betont in seinem Milchwerk
das Fehlen der Pepsinbildung beim Neugeborenen. Dafs bei
so ungenügenden Sekretionsverhältnissen kleine Mengen einge-
führter Eiweifskörper der Denaturierung entgehen und somit un-
verändert zur Resorption gelangen können, ist leicht verständlich.
Ob aber die Gmelinschen und die anderen Unter-
suchungen für das Meerschweinchen zutreffen, mag
füglich bezweifelt werden. Das Meerschweinchen verhält
sich in seinen ersten Lebenstagen ganz anders wie unsere übrigen
Laboratoriumstiere. Es ist bereits reich behaart, selbständig, frifst
1) Auf etwaige anatomiBche Gründe, die bei den Neugebornen den
Eiweifs- und Bakterienübertritt verursachen könnten (Diese), komme ich
im Anbang II zurück.
2) über die Salzsäure-Sekretion beim Menschen habe ich bereits
in der Einleitung ausführlicher gesprochen.
Von Dr. Albert TJffenheimer. 123
vom ersten Lebenstag an Gras, Heu und Rüben, wie ich mich
bei vielen Sektionen überzeugen konnte, und es vermag, ganz früh
von der Mutter getrennt, ohne deren wärmeverleihenden Schutz
und ohne die Muttermilch zu gedeihen. Wie anders beispiels-
weise die Maus oder das Kaninchen. Sie sind blind, fast unbe-
haart, völlig hilflos und bleiben nur, wenn sie an der Mutter
saugen können, am Leben.
Die Ausnahmestellung, die ich für das Meerschwein-
chen bezüglich seines lutestinaltraktus nachgewiesen
habe, ist mit dem eben Gesagten auch wohl begründet.
Aber diese Ausnahmestellung lehrt uns auch, wie sehr vor-
sichtig wir sein müssen, wenn wir von unseren Tierexperimenten
auf den Menschen zurückschliefsen wollen. —
Aus allen unseren Versuchen am Corpus vile des Tieres
wollen wir ja in letzter Instanz nur Lehren ziehen für das Ver-
ständnis physiologischer und pathologischer Vorgänge beim
Menschen.
Was lehren nun die vorliegenden Untersuchungen
für den Menschen? Ein absolutes Urteil, inwieweit die am
Meerschweinchen erzielten Resultate auf den Menschen übertragen
werden können, wird sich nicht fällen lassen. Denn nachdem
sich bei zwei verwandtschaftlich so nahestehenden Tieren wie
Meerschweinchen und Kaninchen so differente Verhältnisse des
Intestinaltraktes ergeben haben, wird man eigentlich der Ansicht
sein müssen, dafs Rückschlüsse auf den phylogenetisch so weit
entfernten Menschen überhaupt unmöglich sind. Jedenfalls liegt
der Sachverhalt nicht so einfach, wie Römer es für den plazen-
taren Antitoxinübergang annimmt, dafs dieser um so eher zu er-
warten sei, je weiter ein Tier stammesgeschichtlich von dem
antitoxinliefernden Individuum entfernt ist. Der Beweis hierfür
ist eben der tiefgreifende Unterschied zwischen Meerschweinchen
und Kaninchen. Es werden andere Verhältnisse in Betracht
kommen, und zwar wird es wohl hauptsächlich die Selb-
ständigkeit des Magendarmkanals sein, welche ausschlag-
gebend ist für Resorptionsmöglichkeit oder -Unmöglichkeit der
nativen Ei weif se«
124 Experim. Stndien über die Dorcbgttngigkeit des Magendannkanales etc.
Der menschliche Säugling gedeiht — wie ja gerade wir
Kinderärzte immer wieder betonen müssen — am besten an der
Mutterbrust, aber wir sehen nicht selten, dafs bei der künstlichen
Ernährung mit Kuhmilch, ja sogar bei einer ganz unzweckmäfsigen
Ernährung, welche derjenigen der Erwachsenen ähnelt, Kinder vor-
wärts kommen und nicht erkranken. Dies beruht offenbar darauf,
dafs eben dem Magen des menschlichen Säuglings schon eine
gewisse Stärke in der zur Assimilation notwendigen Denaturierung
des artfremden Eiweifses zukommt. Aus diesem Grunde neige ich da-
zu, anzunehmen, dafs die Verhältnisse des Intestinal traktes beim Men-
schen mehr denen des bei derGeburt unabhängigen Meerschweinchens
ähneln als denen des hilflosen Kaninchens. Eine gewisse Stütze findet
diese Anschauung auch durch die Übereinstimmung der experimen-
tellen Resultate beim Meerschweinchen und Menschen, soweit Ver-
suche der intra-und extrauterinen Antitoxin-Übertragung vorliegen.
Ich will mich indes nicht mit zu grofser Bestimmtheit hier-
über aussprechen. Meine Versuche, die eine solche Spezial-
steilung unseres bevorzugtesten Laboratoriumstieres
ergeben haben, mahnen vielmehr zur Vorsicht und zu
weiser Beschränkung bei der Verallgemeinerung der am
Tierkörper erhaltenen Resultate.
Einen einzigen Punkt der Behringschen Anschauungen
mufs ich noch kurz berühren, nämlich die rein physikalische
Vorstellung, dafs die Schleimhäute der Erwachseneu als dialy-
sierende Membranen fungieren, die der Jungen hingegen wie
grofsporige Filter sich verhalten.
Schon Brücke hat betont, und nach ihm haben Voit und
Bauer es wiederum ausgesprochen, dafs die Aufnahme der Stoffe
in den Darm nicht ausschliefslich, ja nicht einmal vorzüglich
durch Osmose bewirkt wird, sonst könnten Magen und Dünn-
darm nicht nacheinander Stunden leer sein, sondern würden
schliefslich eine Flüssigkeit von der Zusammensetzung des Blut-
serums enthalten, die dann regelmäfsig mit dem Kot abgehen
müfste. Auch Neumeister konstatiert in seinem Lehrbuch der
phys. Chemie, dafs die physikalische Auffassung der Resorption
als einer einfachen Diffusionserscheinung gänzlich verlassen
Von Dr. Albert Üffenheimer. 125
wurde. »Die Aufuahme der Nahrungsstoffe seitens der Dann-
wand scheint vielmehr in der Hauptsache durch eigentümliche
vitale Vorgänge in den Zellen der Darmschleimhaut zu ge-
schehen (Hoppe-Seyler), welche in letzter Instanz auf chemische
Affinitäten zurückgeführt werden müssen (R. Heidenhain).«
iDals bei der Resorption die Osmose nicht das Wesentliche ist«
geht schon daraus hervor, dafs sogar ungelöste Substanzen, wie
die Fetttröpfchen, zur Aufsaugung gelangen. Ferner ist durch
eingehende Versuche festgestellt, dafs nicht einmal das Wasser,
sowie die Salze bei ihrem Verschwinden aus dem Darmkanale
den DifEusionsgesetzen folgen, t
Diesen Anschauungen der Physiologen, die uns freilich auch
nicht völlig befriedigen können, da sie eine letzte Erklärung des
»Wie und Was« der vitalen Vorgänge in den Zellen nicht geben
— verleihen unsere Befunde am Intestinaltrakt neugeborener
Meerschweinchen eine wertvolle Stütze. Obwohl grob anatomisch
und mikroskopisch von gleichem Bau wie der Magendarmkanal
anderer Tiere, unterscheidet er sich in seinem Verhalten den
genuinen Eiweifskörpern und Bakterien gegenüber so aufser-
ordentlich von diesem. Da kann also von physikalischen Gründen
keine Rede sein, wir müssen vielmehr nach solchen physiologi-
scher Natur suchen, und diese werden wir vermutlich ebenso
in Verschiedenheiten des Sekretes der Magendarmdrüsen
und in Unterschieden ihrer vitalen Zelltätigkeit bei den
verschiedenen Spezies finden, wie sie für das neugebo-
rene resp. ältere Tier sich bereits ergeben haben,
Anhang I.
ToxinverfDtterung.
Bei den vielen Fütterungsversuchen mit Antitoxinen
lag es nahe, auch die Toxine selbst zum gleichen Zweck mit
heranzuziehen, wenngleich sie wohl keine genuinen Eiweifs-
körper sind.
Oppenheimer fafst den Stand unserer heutigen Kennt-
nisse über sie zusammen, indem er sie als hochmolekulare Körper
126 Ezperim. Stadien Ober die Darchsängigkeit des Magendarmkanales etc.
bezeichnet, den Eiweifsstoffen wahrscheinlich verwandt, mit ihnen
in gewissen Eigenschaften korrespondierend, besonders nahe-
stehend aber den ebenfalls in ihrer Konstitution noch völlig
rätselhaften Fermenten. Den letzteren sind sie auch in - ihrer
Diffusibilität nahe ven^^andt. Insbesondere ist für sie charakteri-
stisch, dafs sie leicht durch Dünndarm hindurch diffundieren
(Chassin und Moussu).
Aus diesen Gründen gebe ich die Versuche nur anhangsweise.
Zwei Experimente mit dem Paltaufschen Diphtheriegift
(Dos. let. 0,02; L + 0,45) verliefen völlig negativ. Das eine Neu-
geborene (H IX, 120 g schwer, 1^2 Tag alt) erhielt 0,75 ccm, das
zweite (Jil, 60 g schwer, S^/j Tag alt) 3,75 ccm des Giftes, also
Dosen, welche bei der Einspritzung ca. 40 resp. 190 Meerschwein-
chen von 250 g getötet hätten. Sie blieben ganz gesund. Die Ob-
duktion am 4. resp. 6. Tag nach der Fütterung ergab vollkommen
normale Verhältnisse. Wegen Mangels an Gift habe ich diese
Versuche nicht fortsetzen können.
Mit dem Paltaufschen Tetanus-Toxin, von dem 1 g bei der
ersten Prüfung 7 500000 g Mausgewicht tötete, sind die folgenden
Fütterungen angestellt.
Bei neugeborenen Mäusen erhielt ich kein Resultat. Es ge-
lang wohl, ihnen einen Tropfen einer konzentrierten Giftlösung
ins Maul zu bringen, aber die Mausmutter frafs die berührten
Jungen kurz darnach auf.
Von 8 Fütterungsversuchen an neugeborenen Meerschwein-
chen hatten 7 entweder ein negatives oder ein zweideutiges Re-
sultat. Bei einigen Versuchsreihen traten nämlich bei den mit dem
zu prüfenden Meerschweinchen-Serum injizierten Mäusen vorüber-
gehende Erkrankungen, ja einzelne Todesfälle auf — aber nie waren
irgendwie ausgeprägte Krampferscheinungen zu beobachten.
Beiden! achten mit Tetanustoxin gefütterten Jungen
dagegen liefs sich ein Übertritt des Giftes ins Blut
nachweisen.
If). XII. 1904. JunReB Ggll, 65 g schwer, 1»/, Tage alt, erhält per os
f) ccm einer wenige Tage alten TctanusgiftlöBimg, demnach eine Dosis, die
bei der Injektion für 275000 g Mausgewicht tödlich war.
Von Dr. Albert Uffenheimer.
RntblatuDg 3 Standen nach der letiten Fütterung.
Prüfung (17. XII. 04):
Ml 119 15 g
1
Mb 120 ': lö g
Ms 121 !■ 17 g
0,03 ccm
JerumUgU
0,OS ccm
Serum Gg II
Ms 122 I 15 g
Ma 123 )| 15 g
li
IS. XII. aehr mobil ; ble 26. XII. stets
mobil geblieben. An Uieaem Tag Be
obscbtung nbgeb rochen.
bis 25. XII. stets mobil geblieben. An
diesem Tag Beobachtung abgebrochen.
18. XII. I ,
19 XII I ™obil
20 XII. Ei em lieh mobil
31. XU. MobiliUt etwas beeinträchtigt
22. XII, Eben eitbeinlg
^- XII. Streckkrampf
angedeutet
24. XII. Ebeiiflo
2&. XII. ber wieder
26. XII.
Bis 15. 1. 06
nach und nach lang
gangen.
18. XII. I .
19. XII. I "■" "°'»'l
20. XII. Ziemlich mobil
21. XII. Geht mit sehr breiten Hinter-
beinen
22. XII. Linkes Hinlerbein eeigt schwa-
chen Streckt rampf
23. XU. Mtfaiger Streckkrampf
2*. XII. Ebenso Maas kann sich, auf
den Rücken gelegt, nurschwer
nmdrehen
25. XII. Wieder beweglicher
26. XII. Ziemlich beweglich
Bis 15. 1. 05 heobacbtet. Bis dahin
alle Erscheinungen langsam turQck-
gegangen.
aetir mobil
IS. XII.
19. XII.
20. XII, liemlich mobil
21. XU. Geht mit breiten Hinterbeinen
22. XII. Linkes Hinterbein zeigt etwas
Streck krampf
23. XU. ehr deutlich.
Mobilität
24. XII. Miltags sterbend. Die Hinter-
beine in starkem Streckkrampf
Ubduktion : Sehr grofse Milz.
]^28 ^xperim. Stadien Ober die Dnrchgftngigkeit des MagendarmkanAles etc.
Ich glaube nicht, daCs man hier daran zweifeln kann, dals
die Erkrankung resp. Tod der Versuchstiere durch Tetanusgift
hervorgerufen wurde. Diese Feststellung ist deshalb interessant,
weil man bisher annahm, dafs Toxine vom normalen Intestinal-
traktus nicht resorbiert werden können.
Nencki und Schoumow-Simanowski fanden an erwach-
senen Tieren, dafs nur bei Verfütterung von mehr als lOOOOOfach
letalen Dosen schliefslich Vergiftungserscheinungen auftreten.
Während Ransom annahm, dafs das aufgenommene Te-
tanustoxin sich unverändert im Kote wiederfinde, glauben Nencki
und seine Mitarbeiter, sowie Repin und Carri^re, dals die
Bakteriengifte schnell nach der Einführung in den Magendarm-
kanal zerstört werden, wobei die peptischen und tryptischen
Fermente scheinbar eine viel bedeutendere Rolle spielen als
die Säure.
Von grofsem Interesse ist die kürzlich durch Aladär Schütz
an der Breslauer Kinderklinik gemachte Feststellung, dafs die
Eigenschaft des Magensaftes, Diphtherietoxin zu entgiften, bei
Säuglingen individuell verschieden und unabhängig von
Alter, Ernährung und Ernährungszustand des Kindes ist. Solche
individuelle Verschiedenheiten geben vielleicht auch die Er-
klärung, weshalb nur ein sicher positiver Fütterungsversuch den
übrigen negativen resp. zweifelhaften gegenüber steht.
In neuerer Zeit hat auch Schmidlechner den Übergang
der Toxine von der Mutter auf die Frucht experimentell fest-
gestellt. Ich glaube aber, dafs gerade bei den Bakteriengiften ein
Vergleich zwischen plazentarem und intestinalem Übergang nicht
angebracht sein dürfte, weil eben die Toxine (ich erinnere hier
an V. Behrings Deutung des Rausomschen Fohlenversuches)
wie die übrigen Organe so auch die Plazenta des vergifteten
Muttertieres schädigen werden.
Von Dr. Albert Uffenheimer. 129
Anhang n.
Anatomische Untersuchungen der Mägen Neugeborener nach der
Disseschen Methode.
von Behring hat die generell von ihm behauptete Durch-
lässigkeit des Magendarmkanales Neugebomer für genuine Ei-
weifse und Bakterien anfänglich zurückgeführt auf Unterbrechungen
der Schleimschicht im Magen derselben. Er stützte sich dabei
auf eine Veröffentlichung des Marburger Anatomen Disse aus
dem Jahre 1903 und stellte, als diese, insbesondere von Ben da
angegriffen wurde, im 5. Heft seiner Beiträge zehn neuerdings
von Prof. Disse redigierte Sätze auf, die im wesentlichen darin
gipfelten, dafs bei neugeborenen Tieren (mit Ausnahme des
Kaninchens) und Menschen keine ununterbrochene Schleimschicht
der Magenepithehen vorhanden ist. Paul Reyher hat nach
Untersuchungen aus der Berliner Universitätskinderklinik für den
Menschen neuerdings im vollen Gegensatz zu Disse »eine
lückenlose, das Grewebe vollständig vom Magenlumen trennende
Schleimlage« nachweisen können, und zwar nicht nur für den
Neugeborenen, sondern schon für den älteren Fötus. Er findet
sich dabei in voller Übereinstimmung mit Benda, Toldt,
Fischl, Schmidt und Sacerdotti.^) Es dürfte deshalb
vielleicht überflüssig erscheinen, meine Befunde am Meer-
schweinchen noch aufzuführen, um so mehr, als die letzten
Veröffentlichungen der Marburger Schule von diesen ana-
tomischen Unterschieden der Mägen neugeborener und älterer
Individuen nicht mehr viel sprechen. Da ich aber eine sehr
grofse Anzahl mikroskopischer Schnitte untersucht habe, und
da ja aufserdem meine Experimente weitgehende Differenzen
in der Durchlässigkeit des Intestinaltraktus Neugebomer bei ver-
schiedenen Spezies ergeben haben, ist eine kurze Wiedergabe
meiner Befunde wohl gerechtfertigt.
Ich habe den Disseschen Anforderungen gemäfs »viele
gröfsere Schleimhautstücke an Schnittreihen« untersucht und
habe mich in der Technik (Konservierung in Zenker scher
1) Bezüglich der Literatur kann ich auf die eingehende Reyh ersehe
Arbeit selbst verweisen.
Archiv für Hygiene. Bd. LV. 9
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3f^?y,^Ar.*m H4*vr^ft:.;^'r. 7*r^rzr -vir rLer «*!!:■* s«* seil alt:-
) t/,^^mäi f0tfHU^ $^ut^^ ««/<rr. .T.it I>:pr.*.her>'Acä^idii fcfinen vonlcn.
Von Dr. Albert Ufifenheimer. 131
Literaturrerzeichnis ^).
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wertscbe Verlagsbacbhandlung. 1903.
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B. 38, 1901, Nr. 46.
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Nr. 8, S. 269.
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Deutsche med. W., Nr. 6, S. 226.
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der einschlägigen Arbeiten im Text entspricht.
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Pathol. g^n^r. 1902, T. 4, Nr. 5, p. 910.
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dans Ich chyliferes etc. Comptes rend. de la Soc. de Biol. 1902, Nr. 26,
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IL Aufl. (in. Aufl. lf)03 unter d. Titel > Immunität, Schutzimpfung und
Serumtherapie).
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Ml \ U . . » ^^< \ ....... ^ ^ . ■ \ w \ s \\. \\\\\ \ \.\ \, \\\^.\\ \ \s w
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34. Koch, Die Ätiologie der Tuberkulose. Berl. kl. W., 1882, Nr. 15.
35. 0 rth , Experimentelle Untersuchungen über Füttorungstuberkulose. Virch.
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Von Dr. Albert Uffenheimer. 133
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37. Bollinger, Über Impf- und FütteningstaberkaloBe. Arch. f. exp.
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155b. Carriere, Soc. Biol., 1899, Bd. 51, S. 179, beide zitiert nach Oppen-
heimer.
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epithelien des Menschen vor und nach der Geburt. Jahrb. f. Kinderheilk.,
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160. Ben da, Diskussionsbemerkung zum Vortrag Westenhöffers (55). Ref.
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kanales. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., 1894, Bd. 11, S. 501.
Krklftmng der anf der Tafel befindlichen Figuren:
Fig. 1. Typische Knötchenin nge Meerschweinchen). Gröfse Vi
Kayserling-Präparat.
Fig. 2. Schnitt durch eine normale Lunge. Lupen vergröfserung 5 : 1.
Fig. 4. Der gleiche Schnitt. Stärkere Vergröfserung (I^eitz Obj. 8, abgeschr.
Okul. 1, gezeichnet in Objekttischhöhe).
Fig. 3. Schnitt durch eine Knötchenlunge. Lupen vergröfserung 7:1.
Fig. 5. Der gleiche Schnitt. Stärkere Vergröfserung (genau wie Fig. 4).
Fig. 6. Sehr grofses Lymphknötchen aus einer normalen Lunge. (T^eitz,
Öl-Immers. Okul. 1. T. 16. Bod.)
Fig. 7. Teil eines Knötchens aus einer typischen »Knötchenlunge«
(gleiche Vergröfserung wie Fig. 6). Die Gröfse des ganzen Knöt-
chens geht aus der beigegebenen Skizze hervor, in die der Aus-
schnitt mit Strichen eingezeichnet ist.
Lebhafte Kernteilungen; viele gröfse, chromatinarme >aufge-
blasene« Zellen.
Reagentien und Yersachsmethoden zum Stadium der
proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
Von
Prof. Claudio Fermi.
(Hygienisches Inntitut der kgl. Universität Sassari [Sardinien].)
Übersicht der Arbeit.
I. Einleitung.
II. Methode der festen Gelatineröhrchen.
A. Einflafo der Konsentration der Gelatine anf die Empfindlichkeit
der Gelatine selbst den Enzymen gegenüber.
B. Einflufs der Alkalien und der Temperatur.
C. Über die Mittel, um den Kontakt des Ensymes mit der Gelatine
za begünstigen.
D. Einflufs der Entfernung der sich nach und nach verflüssigenden
Gelatine auf die Geschwindigkeit der Gelatinolyse.
E. Einflufs der Kontaktemeuerung zwischen Enzym und Gelatine
auf den Verlauf der Gelatinolyse.
F. Aufserordentliche, mittels der Methode der festen GelatinerOh rohen,
erlangte Empfindsamkeit.
G. Über die schnelle Zerstörung der Tätigkeit des Trypsins in stark
verdünnten Lösungen.
H. Über die von Mette und Linossier vorgenommene Abänderang
meiner Methode der festen Gelatine.
III. Methode der festen Gelatineplatten.
IV. Methode der Fixierung und Extraktion der proteolyt. Enzyme mittels
Fibrin.
V. Methode der flüssigen Gelatineröhrchen.
VI. Methode der alkaliHchen Albnminate als neue Reagentia der proteo-
lytischen Enzyme.
Vil. Die Empfindsamkeit der gleichzeitig studierten Gelatine, des Fibrins,
des einfachen oder verdünnten oder mit Ammoniak bereiteten Blut-
serums, des Kaseins, des Eiereiweifses.
Vm. Über die Möglichkeit der quantitativen Bestimmung derproteolyt Enzyme.
Studiam d. proteol3rt n. gelatinolyt. Enzyme. Von Prof. Claudio Permi. 141
I. Einleitung.
Das Fibrin^) als Reagens im Aufsuchen der proteolytischen
Enzyme lälst in bezug auf die Empfindlichkeit und die Gewifs-
heit viel zu wünschen übrig. Wenn dasselbe auch dienen kann
zur Konstatierung energischer Enzyme, welche besonders in der
Anwesenheit von Säuren tätig sind, wie z. B. das Pepsin, so ist
dies doch nicht der Fall bei den schwachen proteolytischen
Enzymen, die ihre Tätigkeit besonders bei alkalischer Reaktion
bekunden. Der gröfste Teil der sowohl im Tierreiche wie im
Pflanzenreiche so stark verbreiteten gelatinolytischen Enzyme
kann nicht immer mit Hilfe des Fibrins mit Gewifsheit nach-
gewiesen werden. Dasselbe kann man vom Trypsin selbst sagen,
wenn es sich nur in Spuren befindet oder wenn seine Tätigkeit
bedeutend geschwächt ist. Die beiden Kriterien, aus denen
man schliefsen kann, ob ein proteolytisches Enzym auf das
Fibrin eingewirkt hat, sind bekanntlich die Auflösung desselben
und seine Verwandlung in Pepton. Nun geschieht es aber
häufig, dafs einerseits das der Wirkung dieses Fermentes unter-
worfene Fibrin sich ganz und gar nicht auflöst oder nur höchst
unvollständig und anderseits, dafs die Probe keine glaubwürdige
Reaktion gibt.
Dafs das Fibrin kein sehr sicheres Reagens ist, geht übrigens
auch deutlich aus den Ungewifsheiten und Widersprüchen her-
vor, auf die man in den zahlreichen Bearbeitungen dieser Frage
stöfst, was ich selbst Gelegenheit hatte festzustellen. Von den
übrigen Reagentien der Enzyme, wie vom gesottenen Eier-Ei weite
(Methode Mette), Kasein, Milch, Blutserum zu sprechen, halte
ich für überflüssig; diese stehen, wie wir sehen werden, dem
Fibrin selbst nach. Die Gelatine bildet hingegen ein aufser-
gewöhnlich empfindliches und sicheres Reagens, weil sie in
Berührung mit einem gelatinolytischen Enzjrme sich verflüssigt,
wenn sie fest ist, und, wenn sie flüssig ist, nicht mehr erstarrt. ^)
1) La Gelatina come reagente m. Arch. per le scieDse med. Vol. XVI,
N. 8, 1892.
142 Stadium der proteolytischen and g^elatinolytischen Enzyme.
Obwohl meine drei alten Methoden, die proteolytischen
Enzyme aufzusuchen, an Empfindlichkeit alle bisher bekannten
übersteigen und zwar so, dafs man in der Lage ist, mit jener
der festen Gelatineröhrchen mit Sicherheit das bis auf 1 : 40000
verdünnte Trypsin nachzuweisen und somit achtmal die Empfind-
lichkeit des Fibrins übertrifft, versuchte ich dennoch, sie zu
verbessern und neue aufzusuchen.
II. Methode der festen Gelatineröhrchen.
a) Zubereitung der Gelatine. Man löst warm 2, 5,
10 oder 20 g^) reiner Gelatine (sog. goldene Gelatine) in 100 ccm
einer wässerigen P/qq Thymol- oder 5®/oq Karbolsäurelösung auf.
Ein besonders anhaltendes Kochen der Gelatine ist stets zu
vermeiden, da dieses die Erstarrungsfähigkeit derselben schwächt.
Man erhält eine neutrale Gelatine, indem man sie neutralisiert,
eine alkalische beim Hinzufügen von Soda (1 — 2®/qo) und eine
saure, indem man Mineralsäuren zu 1 — 5®/oo oder organische
Säuren (5 — lO^/oo) hinzufügt.
b) Zubereitung und Gebrauch der Gelatineröhrchen.
In kleinen Röhrchen von 5 — 6 mm Durchmesser verteilt man
die Gelatine im Verhältnis von 1 ccm pro Röhrchen; man bringt
sie in eine genaue vertikale Lage, innerhalb eines mit kaltem
Wasser angefüllten Behälters, damit die Gelatine regelmäfsig er-
starrt. Man bewahrt dann diese Röhrchen, umgekehrt, in einem
Wasser enthaltenden Gefäfse, um das Austrocknen der Gelatine
zu vermeiden.
Um eine Forschung anzustellen, verfahre man wie folgt:
1. Man nimmt aus dem Gefäfse die nötige Anzahl von Röhrchen.
2. Trocknet dieselben ab.
3. Versieht sie der Länge nach mit einem Papierstreifen,
der genau die freie Oberfläche der Gelatine anzeigend, bis zum
Boden des Röhrchens reicht. Dieser Streifen dient zum Auf-
zeichnen mit einer Feder und in regelmäfsigen Zwischenräumen,
z. B. alle 24 Stunden der aufgelösten Gelatineschicht, wie auch
des Datums und anderer notwendigen Bemerkungen.
1) Je nach der Temperatur, bei welcher man arbeitet.
Von Prof. Claudio Fermi. 143
4. Man giefst 0,5 — 1 ccm von der zu untersuchenden
Flüssigkeit, die b% Karbolsäure oder 1% Thyraol enthält, in
die Röhrchen, um zu vermeiden, dafs die Verflüssigung der
Gelatine infolge der proteolytischen Enssyme, die sich aus den
während des Versuches entwickelten Keimen absondern, vor
sich gehe.
ö. Die Proben hält man in einer gleichmäfsigen Temperatur,
indem man sie in einen Thermostat auf 20 — 22^ bringt, jedoch
darf die Gelatinekonzentration nicht unter 2% sein. Ist die
Zimmertemperatur nicht unter 12^ und glaubt man, dafs die
täglichen Wechsel den Verlauf der Forschungen nicht stören
können, so kann man sie auch aufserhalb des Thermostaten
lassen. Sowohl in dem einen Falle wie im anderen vermeide
man natürlich die Temperaturen, die den Verflüssigungspunkt
der Gelatine in der gebrauchten Konzentration übersteigen.
6. Weder der zu untersuchenden Gelatine noch den Flüssig-
keiten dürfen jene Substanzen (antiseptische oder andere) hinzu-
gefügt werden, welche von selbst die Gelatine auflösen könnten,
wie z. B. die Säuren und die Alkalien in gewissen Konzentrationen.
7. Man vermeide auch jene Substanzen, welche die Emp-
findlichkeit der Gelatine vermindern könnten, wie z. B. aus
meinen Versuchen sich die Phosphorwolframsäure, das Sublimat,
das Zinkchlorür, das Cadmiumchlorür, das Eisenchlorür, das Blei-
acetat, das Kupferacetat, das Kupfersulfat, das Zinksulfat, das
Alaun, das salpetersaure Wismuth, das hypermangansaure Kali,
das Tannin, das Glyzerin usw. ergeben haben.
8. Es ist ratsam, die Flüssigkeiten, in denen man das
Enzym aufsuchen will, zu filtrieren, wenn es möglich ist und sie
nicht darunter leiden, denn die schwebenden Substanzen können,
wenn sie auf die Gelatine präzipitieren, die Verflüssigung weniger
regelmäfsig vor sich gehen lassen,
Die eingeführten Änderungen, um die Empfindlichkeit dieser
Methode aufs äufserste zu treiben, beruhen auf:
A. Einflufs der Gelatinekonzentration,
B. Einflufs der Alkahen und der Temperatur,
144 Stodiam der proteolytischen and gelatinolytischen Eniyme.
C. Einflufs der Steigerung des Kontaktes des Enzyms uiit
der Gelatine,
D. Einflufs der Entfernung von Verdauungsprodukten, d. h.
der verflüssigten Gelatine,
E. Einflufs des Ruhezustandes oder der Bewegung der
Enzyme enthaltenden Flüssigkeit.
A. "Filnflu Cb der Qelatinekonzentration.
Um den Einflufs der Gelatinekonzentration auf die Emp-
öndlichkeit derselben zu studieren, gofs ich 1 ccm P/qq Merksches
Trypsin in Röhrchen, welche 3, 5, 10, 20, 30®/o Gelatine und
2% Natronkarbonat enthielten, und brachte die Probe in eine
Temperatur von 20®.
Die erhaltenen Resultate befinden sich in folgender Tabelle :
Konzentration der
1 ' .
h
ITag
Verflüssigte Geiatineschicht in
Gelatine
2 Tg.
3 Tg.
34 Tg.
37 Tk.
44 Tg.
46 Tg.
47 Tg.
' mm
■
mm
mm
mm
mm mm
mm
mm
Gelatine B^lo .
Gelatine ö^/o •
Gelatine IO^/q .
Gelatine 20 7o .
Gelatine 30 Vo •
3
1
0
0
. ' 0
6
3
2
0
0
10
5
4
2
0
29
20
12
5
32
22
13
6
36
25V,
7
38
27'/,
157,
8
41
29
17
9
Resultat: Dieser Tabelle entnimmt man also:
1. Die Sproz. Gelatine zeigt sich in diesem Ver-
suche zehnmal empfindlicher als die SOproz., dreimal
empfindlicher als die 20proz. und zweimal empfind-
licher als die öproz.
2. Die lOproz. Gelatine zeigt sich zehnmal emp-
findlicher als die SOproz. und fast zweimal als die 20proz.
3. Die Empfindlichkeit der 20proz. Gelatine ist fast
doppelt so stark als jene der SOproz.
Von Prof. Claudio Fermi. 145
Der hieraus folgende Schlufs ist, dafs die Empfind-
lichkeit der Gelatine in entgegengesetztem Verhält-
nisse zu ihrer Konzentration steht.
4. Aus diesem Versuche ergibt sich ebenfalls, dafs,
bevor man das Vorhandensein eines gelatinolytischen
Enzymes bei der Anwendung von 10 — 20 oder 30proz.
Gelatine ausschliefst, man wohl tut, einige Tage abzu-
warten. In der Tat zeigt diese Tabelle, dafs, während
die 3proz. Gelatine innerhalb 24 Stunden schon 3 mm
aufgelöst hatte, die lOproz. in derselben Zeit ein
negatives Resultat gegeben, die 20proz. noch keine
Spur von Verflüssigung nach 48 Stunden und die
30proz. nach 3 Tagen aufgewiesen hatten.
5. Die SOproz. Gelatine ist äufserst wenig emp-
findlich und ist daher von ähnlichen Forschungen aus-
zuschliefsen; die lOproz. wie auch jene 20proz. kann
man anwenden, wenn die Temperatur 25® übersteigt.
6. Die 5proz. und die 3proz. Gelatine sind hingegen
die empfindlichsten unter den in diesen Versuchen an-
gewendeten Konzentrationen.
B. EinfluCs der Alkalien und der Temperatur.
Um die Empfindlichkeit der Gelatine in den Forschungen
nach den gelatinolytischen Enzymen, d. h. um die Verflüssigungs-
fähigkeit zu vermehren, versuchte ich mehrere Substanzen, von
denen am besten die Alkalien und besonders das kohlensaure
Natron entsprachen.
Ich führe hier einige in dieser Beziehung angestellte Ver-
suche an.
a) Kohlensaures Natron.
Versuch I.
Röhrchen von einem Kaliber von 6 mm, welche 1 ccm 5 prox. flüssiger
Gelatine enthielten, fügte ich verschiedene Quantitäten einer 20proz. kohlen-
saueren Natronlösong hinzu, um einen verschiedenen Prozentsatz zu
haben; ich schüttelte die Röhrchen, liefs die Gelatine sich erstarren und
gols in dieselben 0,25 ccm lV«o Trypsin.
ArchiT für Hygiene. Bd. LV. ^^
146 Studium der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
Da? erhaltene Resultat war:
Kohlensaueres Natron
ii Verflüssigte Schicht
in Tagen
" 1
(1
2 !
8
1,818 0/,
3.333 o/„
4,615 o/o
5,714 0/,
Kontrolle ohne
Natron
1 mm
!' 1
2
2
; 1.5
' 0
mm
3
4
4
mm
35
50
65
65
17
Versuch II.
Ich wiederholte den Versuch und erhielt folgende Resultate
1 Verflüssigte Schicht nach Tagen
Kohlensaueres Natron
1 ! 2
3
12' j 36
! mm
mm
mm ' mm i mm
0,96 o/o
1 0,5
2 3 8 20
1,818 »/„
1 1
2,5 3.5 9
21,5
3,333 •/,
1 0,75
2.5 3,5 9
20
4,615 •/.
0,5
2 3 9
26,5
5,714 o/o
1 ü
2,75 1 3,5 9,5
20
6.666 »/,
1 0
2,5 3,5 ; 9
20
Kontrolle ohne Natron
i 0
0,ri
1.5
6,5
19
Resultat: Aus diesen zwei Versuchen ergibt sich,
dals die Gelatine, welche das kohlensaure Natron
im Verhältnisse von 1 — 7®/q besitzt, etwa drei- bis fünf-
mal so empfindlich ist als die Neutrale. Der Unter-
schied ist bedeutender am Anfange des Versuches
(1. und 2. Tag) als in der Folge.
Versuch III.
b) Die Konzentration, der Alkaligehalt und die Tempe-
raturhöhe, gleichzeitig an der Empfindlichkeit der
Gelatine studiert.
Um den vorhergehenden Versuch zu wiederholen, und um
gleichzeitig die verschiedenen Bedingungen zu studieren, die auf
die Verflüssigungsfähigkeit der Gelatine einwirken, unternahm
ich den Versuch auf folgende Weise.
Ich nahm Röhrchen von 30 cm Länge und von einem Ka-
liber von 6 mm, füllte sie mit Gelatine von verschiedener Kon-
zentration und verschiedenem Alkaligehalt, nachdem diese erstarrt
waren gofs ich in sämtliche Röhrchen 1 ccm Trypsin Merk zu !%>.
Von Prof. Claudio Permi. 147
Hierauf brachte ich einen Teil der ROhrehen in 30", einen an-
deren Teil in 20°, einen dritten Teil liefe ich in der Zimmer-
temperatur, welche zwischen 12 — 16" achwankte. Um sowohl
das Verfliegen der Trypsinlösung als auch das Vertrocknen der
Gelatine zu verhindern, verschlofs ich sämtliche Röhrchen mit
Paraffin. Der luftdichte Verschlufs bietet noch den Vorteil, die
Röhrchen notwendigenfalls ohne Gefahr umstürzen zu können.
Man stürzt manchmal dieselben um, damit man besser die Grenze
der aufgelösten Gelatineschicht wahrnehmen kann.
Alle sieben Tage die aufgelöste Gelatineschicbt messend, er-
hielt ich die Resultate, die ich in nachfolgender Tabelle wiedergebe.
Hl Kl ^
a
148 8tadiam der proteolytischen and geUuinolTtiachen Emyme.
Dieser Tabelle eutnehmen wir der Bequemlichkeit halber
folgende Übersichtstabelle:
Konientration
alkalisch
neutral
-
der Gelatine
20*
14*
20*/.)
Imal
Imal 9V,ma]
15 mal
'11 »•'.
. 3 »
3 »
8 :
9 1
► ;io
>
25 >
30/J
4 >
12 .
► '28
>
73 »
10 V. \
IV, >
1 >
5»/. '20V.
1 >
IV,'
5 >
3V. )
. 1 >
3V,'
' ■. ^
>
4 >
3% / ^" •
9 '
1
'• 1
>
>
2 >
1* = >
GeUtiBekolueBtratloB.
Temperatur
30«/o
20»/o
f
3-/.
alkalisch
neutral
alkalisc
h neutral
alkalisch
neutral
Von 30» 20«>
IV4 mal
14 mal '
1
1
30«
12 »
149 »
1
20«
! 3 >
9 »
1 V4 nia
1 3»/,
1
mal
Imal
3V, mal
Resultat: Aus der vorstehendeu Tabelle geht
folgendes hervor:
1. Die Verflüssigungsfäbigkeit der Gelatine steht
in einem entgegengesetzten Verhältnisse zu ihrer
Konzentration.
2. Die Verschiedenheit in der Verflüssigungs-
fähigkeit der verschiedenen Gelatinekonzentratio-
nen sind gröfser bei der neutralen Gelatine als bei
der alkalischen, ebenso beim Aufbewahren der
Proben in einer Temperatur von 14° als in jener
von 20°. Mit einem Worte, die in Rede stehende Ver-
schiedenheit steigt mit der Verminderung der der
Verflüssigungsfähigkeit der Gelatine günstigen Be-
dingungen.
Dieses zeigen deutlich folgende Aufgaben:
a) Die Verflüssigungsfähigkeit der Gelatine zu
20% ist doppelt so stark als die zu 30% bei der alkali*
Von Prof. Claudio Fermi. 149
sehen Gelatine, während bei der neutralen Gelatine
der Unterschied 9^2 ist bei 20» und 20mal bei 14^.
b) Die lOproz. Gelatine übertrifft die SOproz., und
zwar dreimal bei 20^ und achtmal bei 14^, wenn sie
alkalisch ist; zehnmal hingegen bei 20^, und 25mal
bei 14®, wenn sie neutral ist.
c) Die öproz. Gelatine tibertrifft jene zu 30% bei
einer Temperatur von 20®, um dann auf 9 zu steigen
bei 14® (alkalische Gelatine).
d) Die 3proz. Gelatine übertrifft jene zu 30®/©,
wenn sie alkalisch ist, 4mal bei 20®, und 12mal bei
14®; ist sie neutral, 28mal bei 20® und 73mal bei 14®.
e) Die lOproz. Gelatine übertrifft jene zu 20®/©,
wenn sie alkalisch ist Imal bei 20® und P/abei 14®, um
dann mit der neutralen auf 5mal zu steigen bei 14® usw.
Wer den Unterschied in der Verflüssigungsfähig-
keit in bezug auf die übrigen Konzentrationen sehen
will, braucht nur die obenstehende Übersichtsta belle
zu sehen.
3. Was den Eiuflufs der Temperatur auf die Ver-
flüssigungsfähigkeit der Gelatine in den verschiede-
nen Konzentrationen betrifft, so ergibt sich fol-
gendes:
a) Der Unterschied in der Verflüssigungsfähig-
keit bei 30®— 20® ist l^j^me^] für die 30proz. alkalische
Gelatine, und 14mal für die neutrale bei 30® — 14®; er
steigt hingegen bis auf 12mal bei der alkalischen
und auf 149mal bei der neutralen.
b) Von 20®— 14® ist er für die 30proz. alkalische
Gelatine 3mal und für die neutrale 9mal; bei der
30proz. Gelatine ist er l^/4mal für die alkalische und
3^/2mal für die neutrale; bei ersterer bei 3®/o ist er
Imal für die alkalische und 3V4nial für die neutrale.
4. Aufserdem führen wir an, dafs die in Rede
stehenden Unterschiede regelmäfsig abnehmen^ je
mehr sie sich vom Anfang des Versuches entfernen.
152 Stadiuro der proteolytischen und gelatinolytischen Ensyme.
Resultat :
1. Die höchste Fluidifikation erlaugte mau in Gegenwart
folgender Substanzen : Magnesiaoxyd, Knochenkohle, Magnesiumkar-
bonat, EiseDOxydhydrat, Schwefel, Ammoniumsulphat und Eiweifs.
2. Die geringste Fluidifikation ergab sich beim Vorhanden-
sein von Zinkoxyd, Zink und Eisen.
3. Gewöhnlich zeigte sich die höchste Fluidifikation mit
0,05 ccm der verschiedenen Substanzen und die niedrigste mit
0,15 ccm, eine Mittelfluidifikation hatte man mit 0,1 ccm. Unter
den verschiedenen versuchten Substanzen ist also die Kohle eine
der geeignetsten, um das vorgesteckte Ziel erreichen zu können,
d. h. um den Kontakt des Trypsin mit der Gelatine zu be-
günstigen und gleichzeitig die niedrigste Grenze der gelösten
Gelatineschicht anzuzeigen.
Um die Wirksamkeit der Knochenkohle zu zeigen, lafse ich
einige mit dieser Substanz unternommene Versuche folgen.
I. Yersueh.
In zwei Röhrchen, welche 2% Natroogelatine enthalten, giefee ich
1 ccm Trypsin Merk 1 : 300 000. Einem derselben nur f flgte ich 1 mg fein
pulverisierte Kohle bei und brachte die Probe in eine Temperatur von 20*.
Die Messungen der aufgelösten Gelatineßchicht ergaben die in folgender
Tabelle wiedergegebenen Resultate:
Gelatine
Aufgelöste
Schicht in
6 Tagen
9 Tagen
32 Tagen
46 Tag
mm
mm
1
mm mm
1
3
37. , 4
0
ü
0 0
0
0
0
0
Mit Kohle . . .
Ohne Kohle . . .
Kohle ohne Trypsin
II. Tersuch.
Ich wiederholte den Versuch mit Trypsin 1 : 300 000, indem ich nor
die Gelatine wechselte und eine zu 2 7sVo anwendete.
Nachstehende Tabelle bringt die erhaltenen Resultate:
Gelatine
Aufgelöste Schicht in
8 Tg.
,11 Tg. 28 Tg.
mm
1
mm
mm
3
7
11",
0
0 0
0
ü
0
34 Tg.
37 Tg.
45 Tg.
Mit Kohle ...
Ohne Kohle . .
Kohle ohne Trypsin
mm ' mm mm
lOV, 17 17
0 Q 0
0 0 0
Von Prof. Olaadio Fermi.
153
ni. Yersueh.
Ich wiederholte den Versach mit 2VtVo Gelatine mit 1% Natronzusats
und mit einer Trypsinlösang za 1:500000 und erzielte folgende Resultate:
Gelatine
Mit Kohle . . .
Ohne Kohle . .
Kohle ohne Trypsin
1
Verflüssigte Schicht
in
11 Tagen
45 Tasen
mm
1
0
0
mm
0
0
IV. Versuch.
Ich wiederholte den Versuch mit 2 ^/^ Gelatine zu 1 Vo Natron und mit
Trypsin zu 1 : 400 000 und erlangte als Resultat :
Gelatine
Mit Kohle . . .
Ohne Kohle . . .
Kohle ohne Trypsin
Verflüssigte Schicht in
i 8 Tagen 11 Tagen 45 Tagen
mm
2V,
0
0
mm
0
0
mm
2V,
0
0
V. Versueh.
Ich wiederholte zum letzten Male den Versuch mit Trypsin 1:500000,
3proz. Gelatine mit 4^0 Natron, der Erfolg ist:
Gelatine
Verflüssigte Schicht in
35 Tagen
20 Tagen 31 Tagen
46 Tagen
Mit Kohle . . .
Ohne Kohle . .
Kohle ohne Trypsin
mm
1
0
0
mm
0
0
mm
2
0
0
mm
5
0
0
Resultat: Aus diesen fünf Versuchen geht deut-
lich hervor, dafs die Gegenwart des Kohlenpulvers
die Empfindlichkeit der Methode sehr vermehrt. In
der Tat gelang es mir mit demselben das Trypsin in
Auflösungen von aufsergewöhnlicher Verdünnung
nachzuweisen, was man bisher nicht nur nicht er-
reicht, ja nicht einmal gehofft hatte. Vielleicht her-
vorzuheben ist noch die beständige Tatsache, dafs
154 Studium der proteolytischen und gelatinoly tischen Enzyme.
wenn die Gelatine in den Röhrchen sich nicht ver-
flüssigt, sie wieder aufschwillt und ihr Niveau um
einige Millimeter zunimmt.
Endlich ist noch zu bemerken, dafs man oft
wahrnehmen kann, wie in den mit sehr verdünnten
Trypsinlösungen, wie z. B. von 1:300000 bis 1:500000
angestellten Versuchen die Verflüssigung nach 30— 45
Tagen vollständig aufhört.
Der Gedanke, dafs der Einflufs des Kohlenpulvers bedeutend
weniger klar wäre, wenn die Versuche mit starken Trypsin-
lösungen vorgenommen würden, lag auf der Hand. Die folgenden,
obwohl wenig verschiedenen Versuche bestätigten diesen Verdacht.
I. Yersueh.
In 100 g Gelatine zu b^U fügte ich 0,5 g Tierkohle, schüttelte das Ganze
gut und verteilte es im Verhältnis zu 1 ccm in 5 mm weite Prouvetten, die
schnell zur Erstarrung gebracht wurden, gofs in eine jede derselben 0,% ccm
Trypsin zu l^/oo".
Nach 24 Stunden wurde die verflüssigte Gelatineschicht gemessen und
folgendes Resultat erlangt:
Gelatine mit Kohle 3,5 mm
Gelatine ohne Kohle 2 >
II. Yersueh.
Gelatine
Verflüssigte Schicht in
2 Tilgen 4 Tagen 5 Tagen
t
TD in
in in
mm
Mit Kohle 7 9,5 11
Kontrolle ohne Kohle ... 5 9 11
Resultat:' Aus diesen* Tabellen ergibt sich, dafs
man wohl im Anfange der ersten 24 — 48 Stunden eine
gröfsere Geschwindigkeit in der Verflüssigung der
Kohlegelatine hat, vom 4. Tage an aber der Unter-
schied immer geringer wird, bis er endlich gänzlich
verschwindet.
Von Prof. Claudio Permi.
15^
D. Pilnflnrs des Bntfemens der allmählich flüssig werdenden
Gelatine auf die Geschwindigkeit der Gelatinolyse.
Um wenigstens ein teilweises Entfernen und eine Beseitigung
der aufgelösten Gelatineschicht, welche die nachfolgende Ver-
flüssigung hindern könnte, zu erlangen, verfuhr ich wie folgt:
Anstatt die Röhrchen mit der festen Gelatine und der
Trypsinlösung in natürlicher Stellung aufrecht zu halten, kehrte
ich dieselben um.
Dieses tat ich auf zwei verschiedene Weisen.
I. Yersueh.
Röhrchen, die ganz genau bis an den Rand mit fester Gelatine zu
3 — 5—10 — 20 — 30% angefüllt waren, wurden zusammen in einem kleinen
graduierten Zylinder, der 5 ccm Trypsin Merk 1 ^/^ enthielt, umgekehrt, so-
dafs die Gelatine in direkte Berührung mit dem Tr3rp8in selbst kam.
Andere, ähnliche Röhrchen, die nur 1 ccm feste Gelatine und 1 ccm
derselben Trypsinlösung Merk zu l^/'oo enthielten, wurden gerade aufrecht
gehalten. Alle einzelnen Proben wurden in einer Temperatur von 20® ge-
halten.
Die Resultate befinden sich in nachstehender Tabelle:
Gelatinekonzentration
Verflüssigte Schicht nach
gerade Röhrchen
24 Std.
48 Std. 72 Std.
96 Std.
umgekehrte
Röhrchen
96 Std.
Gelatine zu 3 7o
» 5 Vo
> 10 o/o
» 20«/o
> 30°/«
3
0
0
0
6
3
2
0
0
9V,
5
4
1
0
14
8
2
0
33
13
7
4
V.
Resultat; Die Geschwindigkeit der Gelatinever-
flüssigung ist somit zweimal grölser in den umge-
kehrten Röhrchen als in jenen geraden.
Die in der beschriebenen Weise umgekehrten
Röhrchen bieten aufserdem den Übelstand, dafs man
sie nur einmal und zwar nur am Schlüsse des Ver-
suches messen kann; denn beim Herausziehen aus der
Flüssigkeit, in der sie sich befinden, füllen sie sich mit
Luft an, was, wenn man sie wieder in dieselbe hinein-
156 Studium der proteolytischen und gelatinolytischen Enxyme.
legen will, den Kontakt zwischen Gelatine und Trypsin
lösung hindert.
Aus diesem Grunde stellte ich diesen zweiten Versuch an.
II. Yenaeh.
Nachdem ich, more solito, die Gelati neröhrchen zubereitet^ goüs ich
in dieselben, und gerade auf TrypsinlOsung, flassiges Paraffin.
Nachdem letzteres erstarrt war, brachte ich die Röhrchen, teils gerade,
teils umgekehrt in eine Temperatur von 20^, nachdem ich mich versichert
hatte, daÜB keine Luftbläschen in den Röhreben seien, und daCs der Kontakt
zwischen Gelatine und Trypsinlösung aufs vollständigste erhalten sei,
nicht sehr leicht zu erlangen ist für die ganze Dauer des Versuches.
Lage der Röhrchen
Anfirelöste Schicht in
3Tjr.
Gelatine j gerade
2% l umgekehrt
Gelatine f gerade
10 »o l umgekehrt
Gelatine f gerade
30^0 \ umgekehrt
5
8
3
3
ü
1/.
6 Tg. 9Tg.,12Tg. l5Tg.;i8Tg.
•26Tg.
29Tg.|32Tg.
9
12
5
7",
0
2'.'
11 13 16»/,. 18V,i 22
15 18 20 i 23 33
17
30
77, 9», 10'/,i 13
12 27
0 0
37, 5
20
0
6
24
2
18 237,
I
i 34
3 4
8 10
Resultat: Die gröfsere Schnelligkeit der Verflüs-
sigung der Gelatine in den umgekehrten Röhrchen
schwankt derjenigen der geraden gegenüber vom ^4 t)is
zum Zehnfachen.
E. Über den EinfluTs der Erneuerung des Kontaktes zwisohen
Enzym und Gelatine im Verlaufe der Glatinolyse.
Duclaux im IL Bd. (S. 619) seines Traktates schreibt in
einer Kritik meiner Methode : >La plus grave des imperfections
est que les deux milieux qui doivent agir Tun sur Tautre ne
soient mis en contact que par une surface sur laquelle rien
n^assure le renouvellement continuä de l'action.«
Dieser Einwand, wenn er dem Anscheine nach von einer
gewissen Bedeutung ist, fällt angesichts folgender Tatsachen und
folgender Betrachtungen :
Von Prof. Claudio Fermi. 15T
1. Besäfse der Mangel der angedeuteten Erneuerung de&
Kontaktes die ihm vonDuclaux zugeschriebene Bedeutung, so-
müfste die Gelatinolyse nicht nur unregelmälsig vor sich gehen,
sondern nach kurzer Zeit sogar vollständig aufhören. Dies ge-
schieht aber nicht.
Die Verflüssigung kann, wie wir tatsächlich in den zahl-
reichen vorhergehenden Versuchen gesehen haben, mit regel-
raäfsigen Schichten, auch 6 — 10 Monate fortdauern, was ein
äufserst langer Zeitraum ist; denn bekanntlich verlieren die-
Enzyme in Gegenwart des Wassers sehr schnell ihre Fähigkeit.
2. Die Methode Mette (eine Abänderung der meinigen), die
ebenfalls denselben Übelstand aufweisen sollte, wird allgemein
beim Studium des Pepsins angewandt und dies, weil der oben-
erwähnte Übelstand von höchst geringer Bedeutung ist, da ea
sich immer darum handelt, vergleichende und unter denselben
Bedingungen angestellte Proben vorzunehmen, nicht aber, um
die absolute Menge des Albumins anzugeben, welches von einer
gegebenen Enzymemenge verdaut werden kann. Anderseits
ist vielleicht die Erneuerung des Kontaktes in einer gewöhn-
lichen künstlichen Verdauung vollständig garantiert, wo die
Fibrinflocke, der Eiweilswürfel, das Muskelstück unbeweglich
auf dem Boden der Flüssigkeit liegen, welche das Enzym ent-
hält?
Welcher Unterschied besteht zwischen dem Eiweifswürfel auf
dem Boden der besagten Flüssigkeit und dem Gelatinezylinder
aufser einer gröfseren Kontaktoberfläche, welche der Eiweifs-
würfel dem Enzyme bietet? Übrigens hatte ich nicht schon
viele Jahre vor Duclaux auf diesen Einwand über die Erneue-
rung des Kontaktes hingewiesen und in dieser Hinsicht folgende
Forschungen angestellt?
Versuch.
Man bereitet zwei Gelatineröhrchen, deren jedes 10 com einer Trypsin*
lösung von 1 : 1000 enthält, eines derselben wird in Rohe gelassen, durch
die in dem anderen enthaltene Flüssigkeit wird ein Luftstroro geleitet.
158 Studium der proteolytischen und gelatinolytischen Eoxyme.
Als Kontrolle wurde ein gleicher Luftstrom durch ein anderes Gelatine-
röhrchen, welches 10 ccm Karbolsäurelösung zu 1 7o enthielt, geleitet. Nach
48 Standen war das Resultat folgendes: Auteelösto
Gelatineschicht
Gelati neröhrchen mit 10 ccm Trypsin zu 1 : 1000, I
in Ruhe gelassen I
Gelftti neröhrchen mit 10 ccm Trypsin zu 1 : 1000, \ ne.
durch welches ein Luftstrom geleitet worden war ) '
Gelatineröhrchen mit 10 ccm destilliertem Wasser, 1 ^
durch welches ein Luftstrom geleitet wurde |
Man erreicht denselben Zweck, wenn mau, anstatt die Luft durch die
Flüssigkeit zu leiten, letztere durch häufiges Schütteln in Bewegung hält
Resultat: Beim Bewegen der Flüssigkeit, welche
die Enzyme enthält, kommen die Moleküle der En-
zyme besser in Berührung mit der Gelatine und die
Schnelligkeit der Gelatinolyse steigt.
F. Maximum der mit der Methode der festen Gelatineröhrohen
erlangten Empfindlichkeit.
Im Besitze einer Reihe von Mitteln, die geeignet sind, die
Empfindlichkeit der Gelatine in wirksamer Weise zu vermehren,
•durch Verminderung der Konzentration oder durch Empfindlich-
machen derselben mittels kohlensauren Natrons oder durch
Konzentrierung der Trypsinspuren auf ihrer Oberfläche wie auch
durch Entfernung der aufgelösten Schicht, indem man die
Röhrchen umkehrt usw., wollte ich nun feststellen, bis zu welcher
Verdünnung das Trypsin noch nachweisbar sei.
Zu diesem Zwecke arbeitete ich mit dem Trypsin Grübler,
(welches viel kräftiger ist als das von Merk) und zwar in Ver-
dünnungen von 1 : 600 000—1 : 1000 000 und mit Gelatine zu
3proz. mit 2proz. Natron.
Dieser Versuch, welcher in derselben Weise wie die vorigen
vorgenommen wurde, führte mich zu folgendem Resultate:
Grub l ersehe
1 VerflüsR.
Schicht in
Trypsin lös ung
11 Tagen
14 Tagen
1: ÜOOOOO
11
16
: 700000
5
10
800 000
3
8
900000
2
6
: 1000000
1
5
Von Prof. Claudio Fermi.
159
Resultat: Diese Tabelle zeigt, wie man mit der
oben angegebenen Methode eine aufsergewöhnliche
Empfindlichkeit erlangen kann, so dals man in der
Lage ist, ein sehr tätiges Trypsin in einer Verdün-
nung bis zu 1:1000000 nachweisen zu können.
Ebenfalls gelang es mir, eine höhere Empfindlichkeit mit
Gelatine zu 1% und Soda 1^/q zu erhalten, indem ich bis
1 : 1400000 kam, wie nachstehender Versuch es beweisen wird^).
In Gelatineröhrchon zu 1% und Soda zu 1% gofs ich 1 ccm
einer Lösung Grub 1er sehen Trypsins von 1 : 1000000 bis zu
1:400000 in destilliertem Wasser. Als Resultat ergab sich:
Grüblersche
TrypsinlOsung
1
1
1
1
1
lüOOOOO
1100000
1200000
1300 000
1400000
8 Tage
G
5
SV,
3
1
Wenn man bedenkt, dafs das Trypsin bei 1 : 1200000
selbst beim Gebrauch von 1 ccm genannter Lösung
nachweisbar ist, so wird es wohl keine Übertreibung
sein, wenn man sagt, dafs die Empfindlichkeit der
Methode eine aufsergewöhnliche ist, und dafs die
nachweisbare Fermentmenge eine unwägbare und
geradezu eine unfafsbare ist.
Q. Über die schnelle Zerstörung der Tr3rpsintätigkeit in sehr
verdünnten Lösungen.
In diesen sehr delikaten Forschungen ist es unumgängUch,
stets mit frisch bereiteten Trypsinlösungen zu arbeiten, da das
Trypsin in sehr verdünnten Lösungen, besonders in destilliertem
Wasser sich abschwächt und sich schnell zerstört. Unternimmt
man heute eine Untersuchung mit einer Trypsinlösung verdünnt
1) Die Gelatine zu 1 Vo kann nur angewandt werden, wenn die Zimmer-
temperatur 12 — 14* nicht übersteigt.
160 Studium der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
z. B. zu 1:1000000 und man wiederholt den Versuch mit der-
selben Lösung, auch nur nach 2 — 3 Tagen, so erlangt man ein
total negatives Resultat.
Alles dies kann man, aufser in den andern von mir ange-
stellten Versuchen, auch aus den folgenden wahrnehmen:
Man giefst in Röhrchen, welche 1 ccm 2% Gelatine und
Natron 2% enthalten, 1 ccm von einer verdünnten frischen oder
5 Tage alten Trypsinlösung.
Nach 8 Tagen wurde die aufgelöste Gelatineschicht ge-
messen und das Resultat war:
Losung von „ Verflü^igte Schicht
GrQbler Trypsin
1:1000 000
frische I 6 Tajre alte
5 I 0
1:1100000 > 4V, , 0
1:1200000 ' 3V, 0
1:1300(100 2V- 0
1:1400000 , l j 0
Resultat: Wie man sieht, war die Tätigkeit der
Trypsinlösung von 1:1000000—1:1400000 völlig zerstört.
H. Kritik der von Mette und Linoesier eingeführten AbänderuDg^zi
meiner Böhrchenmethode.
Mette war der Erste, der in meine ursprüngHche Röhrcheu-
methoden Modifikationen einführte, ihm folgte Linossier. Diese
Modifikationen finden in folgender Weise statt. Anstatt das
Enzym in Gelatine, Serum oder Eiweifsröhrchen zu giefsen, wie
ich es tue, kehren sie das Verfahren um und tauchen die
Röhrchen in die Enzymlösungen.
Linossier verfuhr mit Gelatineröhrchen folgendermafsen :
Kapillarröhrchen, 2 cm lang, welche gefärbte, feste Gelatine ent-
hielten, werden in die Enzymlösung gebracht, nach einer gewissen
Zeit wird die gelöste Gelatineschicht gemessen, indem das Röhrchen
an ein in Millimeter geteiltes Mafs gebracht wird, auf dem man
mit Hilfe des Mikroskopes die Mafse liest.
Von Prof. Claudio Fermi. 161
Mir gelang es nicht, die Änderung anzuwenden, und zwar
folgender Umstände halber:
1. Vor allem ist diese Methode viel komplizierter als die
meiuige, da aufser den Prouvetten auch noch KapillarrOhrchen
notwendig sind, und anstatt direkt zu messen, mufs man die
Röhrchen mit Pinzetten herausnehmen und abtrocknen, auf den
MaTsstab befestigen und sie unter das Mikroskop bringen. Nehmen
wir an, dafs wir alle 12 — 24 Stunden einige 20 Proben messen
müssen, wie dies nicht selten vorkommt, was für eine Mühe und
einen Zeitverlust würde diese Arbeit mit sich bringen I
2. Nicht immer unbedeutende Verluste der Enzymelösung,
in welcher die Röhrchen sich befinden, während des wieder-
holten Herausnehmens derselben, um sie unter das Mikroskop
zu bringen.
3. Da die Kapillaren vollständig in die Flüssigkeit getaucht
werden müssen, so ist für jede Probe ein aufserordentlicher Ver-
brauch an Flüssigkeit notwendig, was zur Folge haben kann,,
dafs die Anzahl der Versuche wegen Mangels an Material ver-
mindert werden mufs.
Während meine Methode in der Tat nur 0,2 — 0,5 ccm
Flüssigkeit pro Probe erfordert, verlangt jene Mette-Linossiers
mindestens 3 — ö ccm, angenommen, dafs man die Methode noch
komplizierter machen wolle, indem man die gewöhnlichen Prou-
vetten durch andere mit kleinerem Kaliber (4 — 5 mm) ersetzen
wolle, die eigens bestellt werden müfsten.
4. Ein anderer Übelstand, auf den ich gestofsen bin, ist,
dafs oft, auch selbst wenn die Gelatine gefärbt ist, man nicht
einmal mit dem Mikroskop die Grenze zwischen der erstarrten
Gelatine und der Flüssigkeit sieht, und eine genaue Messung
der aufgelösten Schicht nicht stattfinden kann.
5. Ein anderer Übelstand kann endlich noch auf folgende
Art auftreten : es geschieht oft, dafs beim Schütteln der Kapillaren,
sei es um die Grenzen der beiden Schichten zu sehen, sei es
durch ZufaJl oder beim Abtrocknen der Kapillaren selbst, ein wenig
Flüssigkeit aus letzteren herausfliefst und dieselbe durch kleine
Archiv für Hygiene. Bd. LV. 11
162 Stadium der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
Luftbläschen ersetzt wird ; die Folge hiervon ist, dafs beim ueueu
Eintauehen der Kapillaren in die Flüssigkeit diese Bläschen den
Kontakt der Enzyme mit der Gelatine verhindern und auf diese
Weise den Versuch unterbrechen.
Ich habe mit dieser Methode verschiedene Versuche an-
gestellt, ohne aber, entweder wegen Mängel derselben, oder aus
eigener Unerf ahrenheit , etwas erreichen zu können. Welche
Vorteile kann man übrigens aus dem Eintauchen des Röhrchens
ins Enzym, oder hingegen aus dem Eingiefsen des Enzyms in
die Röhrchen ziehen?
Vielleicht kann man eine grölsere Empfindlichkeit, eine
gröfsere Schnelligkeit in der Verflüssigung erzielen? Dies ist
zu bezweifeln, denn die Schnelligkeit der Verflüssigung vermehrt
nicht, sondern vermindert die Kontaktoberfläche der Gelatine
mit dem Enzym. Zu welchem Zwecke soll man sich also der
Kapillarröhrchen bedienen, die aufser den angedeuteten Mifs-
ständen noch des Mikroskopes bedürfen, um die aufgelöste Schicht
messen zu können?
Ich führe einen dieser Versuche an.
Am 20. April füllte ich Kapillarröhrchen, wie solche zum
Tupfen dienen, von einem Durchmesser von 1 — 2 mm mit teil-
weiser ungefärbter und teilweise mit Methylenblau oder mit sehr
feinem Pulver von Tierkohle gefärbter Karbolgelatine. Stücke
dieser Röhrchen von 1 — 2 — 3 — 4 cm Länge setzte ich senkrecht
in Prouvetten von 6 mm Durchmesser, welche 1 — 2 — 3 ccm
Trypsin zu I^/qo enthielten, und hielt die Prouvetten in einer
Temperatur von 20^ C. Nach 24 Stunden ergab sich folgendes
Resultat :
Es gelang weder in den Kapillarröhrchen, die einfache Ge-
latine enthielten, noch in jenen, in denen sich mit Methylenblau
gefärbte befand, die aufgelöste Gelatineschicht zu sehen.
Nur nachdem die Röhrchen herausgenommen und die flüssige
Gelatine mittels Pipette oder Löschpapier aufgesaugt worden
war, gelang es mir, eine Schicht flüssiger Gelatine von 5 mm
zu messen. Ganz anders verhält es sich mit den Röhrchen,
welche Kohlegelatino enthalten, da beim Verflüssigen dieser
Von Prof. Claudio Fermi. 163
Gelatine die Kohle sich auf die Oberfläche der festen Gelatine-
schicht absetzt, und genau die Grenze der verflüssigten Schicht
anzeigt. Hierzu kam, dafs infolge des neuen Eintauchens der
Kapillaren in das Trypsin die aus dem Röhrchen geflossene
Flüssigkeit durch Luftbläschen ersetzt war, welche den Kontakt
des Trypsins und der Gelatine verhinderte und den Versuch
verdarb.
Man konnte den beständigen Prozefs der Verflüssigung
wahrnehmen, ohne jedoch in jenen Röhrchen mit Kohlegela-
tine, die nicht vollkommen aus der Trypsinlösung entfernt wor-
den waren, die verflüssigte Schicht genau messen zu können.
Bei einer anderen ähnlichen Probe konnte ich, aber nie genau,
und dies aus oben erwähnten Gründen, folgende Messungen
vornehmen : nach 2 Tagen unterhalb 10 mm Verflüssigung, nach
3 Tagen 14 mm unterhalb und 4,5 mm oberhalb; am 4. Tage
17 mm unterhalb und 6 mm oberhalb; nach 5 Tagen mafs ich
unerwarteterweise 20 mm oben und 20 mm unten. Man sieht
äIso, dafs auch mit dieser Methode die Verflüssigung keinen
regelmäfsigen Verlauf gezeigt hätte. Angesichts aller dieser
Übelstände, wiederhole ich, hielt ich es nicht für angebracht,
mich der Methode Linossiers zu bedienen. Die aufgelöste
Schicht ist hingegen sichtbar, wenn man mit den Eiweifs- (Me-
thode Mette) oder den Serumröhrchen arbeitet.
III. Methode der festen Gelatineplatten.
Will man das Vorhandensein proteolytischer Enzyme direkt
in Tier- und Pflanzenorganen aufsuchen und verfügt man nur
über ganz wenig Material, so kann man die zu untersuchenden
Teilchen direkt in Kontakt mit fester Gelatine bringen.
Dies kann der folgenden Methode gemäfs geschehen.^)
1) In meiner schon angeführten Arbeit >La gelatine come reagente etc.c,
die vor ca. 15 Jahren veröffentlicht wurde, beschrieb ich diese Methode in
folgender Weise :
>Will man das gelatinoly tische Enzym direkt aaf festem Pflanzen- oder
Tiermaterial aufsuchen, so verfahre man wie folgt: Man schneide das Ma-
terial sehr fein, lasse es 1 2 — 24 Stunden in einer Karbolsäurelösung zu 17o>
11*
164 Studium der proteolytischen und gelatinoly tischen Enxyme.
1. Mau giefst eine Schicht von ungefähr 2 — 3 mm more
solito zubereiteter Gelatine auf eine Glasscheibe, oder besser Id
eine Petrische Schale.
2. Nach Erstarrung der Gelatine bringe man auf die Ober-
fläche derselben die zu untersuchenden Teilchen von der Gröfse
eines Getreidekomes, wenigstens mit 1 cm Entfernung voneman-
der. Verfügt man über genügendes Material, so ist es gut, auf
die Gelatine mehrere Teilchen der gleichen Substanz zu bringen,
anstatt einer einzigen. Bisweilen geschieht es in der Tat, dafe
eines dieser Teilchen, entweder seitens des Tieres oder des Or-
ganes, dem es entnommen, oder auch je nach der Seite, mit
welcher es mit der Gelatine in Kontakt gebracht wird, wie dies
der Fall ist, wenn ein Stück Darm auf die seröse Seite anstatt
auf die Schleimhautseite gelegt wird, die Gelatine nicht verflüssigt.
Auf diese Weise gelangt man nicht nur zu sicheren Resul>
taten, sondern man verkürzt auch die Arbeit, da man sozusagen
denselben Versuch mehrmals wiederholt.
dann nehme man es heraus und giefse es in eine Petrische Schale, die
10 ccm flüssige Karbol Säuregelatine enthält, schüttle dieselbe so, dafs die
Teilchen so gleichmäfeig als möglich in der Kapsel selbst verteilt werden»
man lasse dann die Gelatine gerinnen, bringe hierauf die Kapsel in eine
Temperatur von 20—25^ oder man halte sie bei Zimmertemperatur, je
nach deren Höhe und nach der Art des Versuches. Enthält das za unter-
suchende Material ein gelatinolytisches Enzym, so wird man nach einer
bestimmten Zeit (5 — 48 Stunden) ringsum die Teilchen und unter den-
selben die Gelatine flüssig finden. Ein anderer älterer, in dieser Beziehanipr
angestellter Versuch war folgender^):
Reine Kulturen in Gelatine des Bac. Anthracis, des Kochschen Vibrio
und des Vibrio von F. Prior wurden in geeigneter Weise sterilisiert. Man
nahm drei Röhrchen Gelatine, gofs in jedes derselben einen Tropfen yon
einer der erwähnten Kulturen und bereitete ebensoviele Platten. Nach
3 Tagen sah man mit blofsem Auge, dafs sie vollständig steril waren. Nur
nach genauer Untersuchung der Platte, welche den Kochschen Vibrio ent-
hielt, zeigten sich 56—60 Stellen der Gelatine aufgelöst wie verflüssigende
Kolonien, denen jedoch die charakteristische Trübung fehlte, und nach einer
Untersuchung bewiesen sie sich als vollkommen steril.
Nach 10 Tagen waren die Punkte der flüssigen Gelatine auf der Platte
mit dem Kochschen Vibrio auf ungefähr Hundert gestiegen, ohne dafs die
alten sich sichtlich erweitert hätten.
*) Claudio Permi. Die leim- und fibrinlösenden etc. Fermente der
Mikroorganismen. Archiv f. Hyg. Bd. X, 1890, S. 5.
Von Prof. Claudio Fermi. 165
3. Verfügt mau über ein reichhaltiges Material, genügt aber , •
nicht die Anzahl der Schalen, wie dies oft geschieht, so kann
dieselbe Schale zur Untersuchung von 10 — 20 verschiedenen
Substanzen dienen, je nach der Gröfse der Schale. In diesem
Falle schreibt man genau die zahlreichen Aufzeichnungen auf
Papierstreifen von einer Breite von 1 — 2 cm und von einer
Länge, welche den Durchmesser der Kapsel oder die Breite der
Platte nicht übersteigt, dieselben klebe man parallel in Zwischen-
räumen von 1 cm auf die äufsere Seite des Bodens der Schale.
Auf diese Weise werden die Angaben durch die Gelatine hin-
durch sichtbar sein. Man klebt sie nicht auf den Deckel, da
dieser beweglich ist und die Angaben infolge des Verschiebens
desselben nicht mehr entsprechen würden.
4. Um das Eintrocknen der Gelatine zu vermeiden, schliefst
man die Schalen in feuchte Tyn dal Ische Glocken, und gegen
allzu hohe oder allzu niedrige Temperaturen schützt man sie,
indem man sie in einem Thermostat bei 20 — 22® aufbewahrt.
5. Um das Gedeihen von Keimen in den Teilchen zu ver-
meiden, die eigener gelatinolytischen Enzyme wegen zu Irrtümern
füluren könnten, können die Teilchen vorher selbst in eine
Lösung von 0,5 — Iproz. Karbolsäure getaucht werden, oder man
giefse einen Tropfen einer glyzerinierten (lOproz.) Lösung auf
dieselben.
In der Praxis ist dies nicht immer notwendig. Ich war
gezwungen, besonders das Material beim Untersuchen der Wurzel
mit gesäuerter Gelatine zu desinfizieren, und zwar wegen der
üppigen Entwicklung der gelatinolytischen Hyphomyzeten.
Die Schalen werden alle 5 — 24 Stunden untersucht. Die
ßesnitate kann man in wenigen Stunden, wie auch nach zwei
oder drei Tagen erlangen, je nach der Energie des Enzyms und
der Zimmertemperatur.
Hat man nach Verlauf von 5 — 6 Tagen keine Spuren von
einer Verflüssigung wahrgenommen, so kann man auf das Nicht-
vorhandensein des nachgesuchten Enzyms schliefsen.
166 Studium der proteolytischen und gelatinoly tischen Enzyme.
Antwort gegen die Professoren Hankin und Wesbrook in bezug^
auf die Priorität der Plattenmethode und auf einige ihrer kritischen
Bemerkungen.
Diese beiden Autoren schienen meine Röhrchenmethode au»
dem Wege räumen zu wollen, ohne dieselbe zu kenneu, da sie
nicht einmal wufsten, dafs das von mir gebrauchte Reagens die
Gelatine und nicht das Fibrin war, und schlugen eine eigene vor.
UnglückUcherweise jedoch, ohne es zu ahnen, gerieten sie
in eine andere von mir beschriebene Methode hinein, indem sie
dieselbe ohne groisen Vorteil umänderten. Die beiden genannten
Autoren schrieben:
»Quelles sont les diastases produites par le bacille du char-
bon? Fermi a fait des recherches sur les diastases secretöes
par les microbes. Bien qu'il ait trouv^, que beaucoup d^esptees
diffärentes poss^dent le pouvoir de produire une diastase proteo-
lytique il n'a pas trouvä qu'il en soit de meme pour le charbon (!).
II nous parait que s'il a obtenu un semblable resultat, c'est pas
ce qu'il n'a pas employe des moyens assez dälicats.
Nous alloDs döcrire une dont nous sommes servis dans ce travail.
Si Ton prend une plaque de verre enduite d'ime couche
mince d'une Solution alcaline de gälatine ä 5% et si Ion place
sur celle-ci deux gouttes des memes 5 volumes Tune d'eau, et
Tautre d'une Solution de trypsine, les gouttes conservent la m6me
apparence et se comportent de mome, tout (jue la plaque est
laissee dans une position horizontale. Si au contraire la plaque
es inclinäe l^görement, une diffdrence se manifeste. La goutte de
la Solution de trypsine au contraire, coramence ä s'^tendre en
bas, gräce ä son pouvoir de liquefier la gdlatine et aprös quelques
heures un petit sillon se forme. La largeur de ce sillon depend
du temps pendant lequel la plaque a 6i6 dans une position
L) Es ist durchaus nicht notwendig, die Platte zu beugen, um unter-
scheiden zu können, ob ein Tropfen Trypsin oder ein Stückchen des auf
die Oberfläche der Gelatine gelegten Materials sich verflüssigt habe oder
nicht. In den vielen Jahren meiner Praxis habe ich es nie für notwendig
befunden , zq diesem Mittel zu greifen , welches die einzige Abänderang
meiner Methode darstellt.
Von Prof. Claudio Fermi. 167
inclin^e, de la grosseur de la goutte et aussi du pouvoir dia-
stasique que exerce la trypsine sur la gälatine.
Sur ce principe on peut baser une möthode tr^s dälicate
pour növifier la prösence de diastases qui liquefient la gölatine.
Le microbe du cbarbon produit-il une diastase proteolytique ?
Fermi Ta ni^ (!). II a placö un morceau de fibrine (I) dans
le liquide qui a servi ä epuiser une culture sur milieu solide. De
ce que le morceau de fibrine ne disparait pas il n'a conclus qu'it
n*existe pas de diastase protöolytique. Cette diastase, comme
nous verrons bientöt dans son action sur les mati^res protöiques
produit du peptone (biuret) et des albuminoses ^).
In diesen wenigen Zeilen der Kritik Hankins und
Wesbrook mufs ich drei grofse Ungenauigkeiten hervorheben.
Die erste besteht darin, dafs die beiden Autoren eine meiner
alten, oben angeführten Methoden, die sie ein wenig umgeändert
haben, als ihre eigene beschriebene haben.
Der Unterschied aber zwischen dieser Methode und jener
der von mir gewöhnlich angewandten festen Gelatineröhrchen, be-
steht nur darin, dafs man nach einer dieser Methoden das
Euzyme enthaltende Material auf irgend einen gewissen Punkt
der Oberfläche einer Gelatineplatte bringt, während man nach
der anderen das Material in Kontakt mit einer durch das
Röhrchen selbst gut begrenzten Gelatineoberfläche bringt. Die
Röhrchenmethode bietet den grotsen Vorteil, die Tätigkeit der
Enzyme zu messen und in Millimetern der gelösten Gelatine aus-
zudrücken; sie eignet sich auch zu quantitativen und Vergleichs-
forschuugen. Die Plattenmethode, dank ihrer ausgedehnten
Oberfläche, hat nur den Vorteil, auf ein und derselben Platte der
qualitativen Forschung auf gelatinolytische Enzyme eines reich-
licheren und verschiedentlicheren Studienmaterials vornehmen zu
können.
Die zweite wirklich unbegreifliche Ungenauigkeit besteht
darin, dafs Hankin und Wesbrook behaupten, meine Forschungs
methode basiere auf dem Fibrin I Sie beweisen hiermit deutlich,
nicht eine einzige meiner Arbeiten über diese Frage gelesen, ja
1) Annales Pastenr. Vol. VI, p. 636, 1892.
168 Studio rit iJer prourolrtiacbec and «eiannolTtijwhen EosTme-
nicht einioal aus den Zeitscbrifteu vemommmen zu haben, dnis
meine Forschungsmethode in Ijezug auf die gelaänoh-tischra
Enzvme sich auf die Gelatine und nicht auf das Fibrin basiert.
Die dritte und gröbste Ungenauigkeit besteht endlich darin,
dafs sie behaupten, ich habe dem Bacillus anthraeia ein pro-
teolytisches Enzym abgesprochen, gerade infolge der Benntrong
von Fibrin.
Nun genügt es aber, auch nur einen oberflftchUchen Blick
auf meine erste Arbeit zu werfen (Seite 3 I. Versuch, Seite 4
IL Versuch. Seite 5 II. und IV. Versuch, Seite 7 VIL und VIIL
Versuch, Seite 11 XII. Versuch, Seite 12X111. Versuch, Seite 14
XV. Versuch), um wiederholt den Beweis der Existenz der
proteolytischen Enz^^me des Bacillus Anthracis zu finden.
Das Sonderbarste jedoch ist, dafs das Enzym des Bacillus
anthracis an der Spitze der verschiedenen Tabellen erscheint.
Ohne hier diese Tabellen wieder anzuführen, weise ich auf
meine Arbeit: »Die leim- und fibrinlösenden etc. *) Fermente der
Mikroben« Seite 4, 5. 7, 11, 12, 13 sowie auf den Anfang dieser
Veröffentlichung hin, wo jene Forschungen zum Teile wieder-
gegeben sind. Ich beschränke mich hier auf die Wiedergabe
einer Stelle jener Arbeit, die auf Seite 13 zu finden ist:
> Alles zusammenfassend ist mittels der angestellten For-
schungen ein die Gelatine verflüssigendes Ferment für folgende
Mikroorganismen bewiesen und notiert worden :
1. Bac. anthracis, 7. B. pyocyaneus,
2. Vibrio Koch, 8. V. Milleri,
y. Vibrio F. Prior, 9. V. Deneke,
4. Bact. prodigiosus, 10. B. subtilis,
5. Bact. ascoformis, 11. Megaterium,
6. bac. ramosus, 12. Trichophyton tonsurans.«
Man sieht also hier, dafs ein proteolytisches Enzyme des
Bacillus anthracis nicht nur wiederholt nachgewiesen wurde,
sondern dafs es auch der Gegenstand ganz besonderer For-
schungen war, und dafs er immer den ersten Platz in den Ver-
suchen gehabt hat.
>; Archiv f. Ilyg. Hd. X, 1890.
Von Prof. Claudio Fenni. 169
Ich richtete in dieser Hinsicht einige Zeilen an Duclaux,
der, obwohl ungern, sich der Sache annahm und mir einige Zeit
darauf mitteilte, dafs er den Auszug der von Haukin und Wes-
brook diesbezüglichen Berichtigung veröffentlicht habe.
In der Tat erschien folgende Berichtigung in den Annales
de rinstitut Pasteur vol. IV. S. 853. Rectification. Nous
recevons de M. Hankin une lettre, disant que c'est par erreur
que, dans la memoire de M. Hankin et Wesbrook ins^rä a
page 633 de ce Volume, M. Fermi est cit^ comme ayant döniö
au bacille du carbon, la facultfe de s^cr^tes une diastase pro-
täolytique. M. Fermi a dömontr^ le contraire dans TArchiv
für Hygiene XX.
Diese Berichtigung braucht keine Erläuterung 1
IV. Methode der Fixierung und Extraiction der proteolytischen
Enzyme mittels Fibrin.
Die Tatsache, dafs es Stoffe gibt, welche die Eigenschaft
besitzen, die Enzyme zu fixieren, brachte mich auf den Ge-
danken, eine andere Versuchsmethode zu finden.
Zu diesem Zwecke untersuchte ich aufser dem Fibrin, dessen
1^'ixierungskraft schon bekannt war, in bezug auf das Trypsin,
auch andere Stoffe wie z. B. Serum, Eiweifs, Kasein etc.
Tersueli I.
leb V)ereitete nach und nach stets verdflnntere Trypsinlösungen bis
1 : 200 000, versuchte dann die Tätigkeit mittels fester Grelatineplatten. Die
Gelatine wurde zu 5^/^ alkalisch (l^o kohlensaures Natron) wie neutral angewandt.
Zu diesem Zwecke bereitete ich zwei alkalische Gelatineplatten und
zwei neutrale, sowie eine Anzahl runder Scheiben Filtrierpapiers yon 4 mm
Durchmesser und kleine Fibrinstückchen von ungefähr derselben Gröfse.
Mit einer feinen Pinzette nahm ich nun eines dieser Papierschei beben
und ein Stückchen Fibrin und brachte sie leicht mit der Oberfläche einer
der TrypsinKVsungen in Berührung. Ich begann mit am meisten konzen-
trierten Jjösungen; hierauf legte ich das getränkte Papier auf die Gelatine-
])latte. So fuhr ich nach und nach fort mit anderen TrypsinlOsungen, bis
zu den verdünn testen.
Die gleiche Operation wurde mit der neutralen Gelatineplatte wieder-
holt. Die mit Trypsin getränkten Papier- und Fibrinstücke worden in die
Mitte von 1 qcm grofser Quadrate, in welche die Platten vorher eingeteilt
worden waren, um die Papierscheiben in gleiche Entfernungen voneinander
zu bringen, niedergelegt. Die Platten wurden unter Tyndallschen Glocken
aufbewahrt.
170 Studium der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
Nach 4 Tagen erhielt ich folgendes Resultat:
Fibrin |
1 Pap»«'
Trypsin-
lösung
Fibrin \
.2 -^
Papier
1 ■
1
alisch.
latine
utrale |
1
latine
alisch.
latine
utrale
latine
alisch.
latine
1 Trypsin-
1 löaung
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: 19182
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1: 7 667
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23 222
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' 0
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1:11000
+
ü
0
1 -t ,
26000
+
1 0
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1:11626
+
0
0
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29 571
+
i 0
+ /
1 :12in
0
0
0
I
34333
+ ,
' 0
1
1
0
1 : 12 765
0
0
0
. 67 667
+
0
0 !
1:13 500
0
0
<
101000
4-
0
0 ,'
1:14 333
0
0
1
201000
+
1 0
0 1
1 : 15 286
il
1
Ich wiederholte den Versuch iu bezug auf die Fixierkraft
verschiedener anderer Stoffe wie: Serum, geronnenes Biweils,
Kasein, Holzstoffe, Kohlen usw. und erlangte folgende Resultate.
Aus diesen Versuchen ergibt sich:
1. Dals mittels dieser Methode bis zu 1:12111 ein
sicherer Nachweis zu führen ist.
2. Dafs die Alkaligelatine unvergleichlich emp-
findlicher ist als die neutrale, so dafs mit dieser nicht
einmal mit Sicherheit die Lösung von 1:1000 nach-
zuweisen war.
3. Dafs das Fibrin die Kraft besitzt, eine gröfsere-
Menge Trypsin zu fixieren und der Gelatine zu über-
lassen, als das Filtrierpapier, so dafs ich mit dem
Fibrintrypsin bis zu einer Lösung von 1:21000 bis
29571 wahrnehmen konnte. Papierscheiben von 4 nam
Durchmesserund 1mm Stärke von Holz verschiedener
Pflanzen, Kork, Kohle, Serum, geronnenem Eiweifs,
Kasein standen dem Fibrin nach.
4. Dafs meine andere, ältere Methode mit festen
Gelatineröhrchen bei der Untersuchung der proteo-
Von Prof. Claudio Fermi.
171
lytischen Enzyme ohne weiters einfacher, empfind-
licher und sicherer als diese ist.
Nachdem ich einmal festgestellt hatte, dafs unter den von
mir untersuchten Substanzen das Fibrin sich am besten zur
Fixierung und Extraktion des Trypsins eignete, wollte ich sehen,,
wie weit ich die Empfindlichkeit dieser Methode treiben konnte.
Tersuch II.
In 20 Proavetten, die 20 verschiedene Merk Trypsinlösungen enthielten
(von 1 : 20000 bis 1 : 200000), legte ich zehn Fibrinstttckchen von der Gröfse
eines Getreidekornes und brachte dann die Prouvetten in den Ofen auf 20^.
Unterdessen bereitete ich die Petrischen Schalen, die eine feste Gelatine-
schicht zu 3 — 5% und Natron zu 2'/^ enthielten, auf einem Papierstreifen
von gleicher Gröfse als die Schale, bezeichnete ich die 20 Trypsinlösungen^
Ic lebte sie dann mit der Seite, welche die Aufschrift trug, auf die äulsere
Oberfläche des Bodens der Schale, so daTs die Aufzeichnung durch die
Gelatineschicht hindurch sichtbar war.
Nachdem dies geschehen war, zog ich nach 24 Stunden aus jeder dieser
Prouvetten zwei Stückchen Fibrin und legte sie auf die Schale mit der
Gelatine zu 5%, eines neben das andere, der diesbezüglichen Aufzeichnung
nach geordnet.
Ich wiederholte dasselbe Verfahren, indem ich 40 andere Fibrinstück-
chen auf die andere Schale zerstreute, welche die Gelatine zu 3% enthielt^
und brachte dann die beiden Kapseln in den Ofen auf 20 ^
Um auch den Einflufs der Kontaktdauer zwischen Fibrin und Trypsin
zu studieren, wiederholte ich den Versuch, indem ich die gewöhnlichen
Fibrinstückchen herauszog und zerstreute, nachdem sie länger als 5 Tag»
(im ganzen 6 Tage) in der Trypsinlösung zugebracht hatten.
Beim Untersuchen der Kapseln eines joden ersten und vierten Tages
erlangte ich folgendes Resultat:
Dauer der Immersion
1
1 Tag 1 6 Tage
Trypsinlösung |
Gelatine 3% li Gelatine 5% | Gelatii
Platten beobachtet
le 3 7o ! Gelatii
le 6 o/o
nach
1
1
2T^.
4 T^. , 2 Tk.
4 Tjjr. !! 2 Tg. 4 Tg. i 2 Tg. ; 4 Tg.
1 : 201 000
00
00 1
1
00 00
+ +' 00
+ 4-
101000
00
00
00 00
+ +l| 00
+ +
67 667
00
00 1
00 00
+ +;! 00
+ +
51000 1
00
00 !
1
00 • 00 ++ ++ 00
+ +
41000
1
00
00 '
00 ' 00 , ++ 4"+ i 00 + +
34 333
00
0 0
00
00 + +
+ + 00
+ +
172 .Stadiom der proteolTÜ?<€hen ond gelaünolTtiecbeii Enzyme.
Daaer der Immersion
1 '
rag
6 Tage
Tryi»fliDl<Vsang
Gelati 1
De 30/,
Gelatine 5*/^
Geistii
ae ZV.
Gelatine 5 • .
Platten beobachtet nach
2Tir.
4Tir.
2Tir.
4 T«.
2Te.
ATft.
2 Tur.
4Tit.
1 29571
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00
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1 1
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+ +
1 f
TT
-r-r
13 500
00
1
00
1
+ +
+ +
.+T
+ +
12 765
00
-+
00
+ +
+ +
+ +
+ ^
+ +
12111
00
-r +
0 0
+ +
+ +
+ +
+ -h
+ +
1 1 526
00
- +
00
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
llOOO
++
+ +
0 0
1
1 r
1
1
+ +.
+ -!-
-I- +
Resultat. — Diese Tabelle zeigt:
1. Dafs bei längerer Immersion des Fibrins als
nur zwei Tage und beim Gebrauch einer 3proz. Gela>
tine (Soda 2%) man das Trypsin bis zu 1:23000 nach-
weisen konnte.
2. Bei Verlängerung der Immersion auf 6 Tage,
und bei Verwendung 3proz. Gelatine konnte man
deutlich das Trypsin bis zur Verdünnung von 1: 67000
ungefähr nachweisen, und nach 4 Tagen auch jene
zu 1 : 200000.
Die Gelatine zu 5% war nach 2 Tagen nur in der
Lösung von ungefähr 1:23000 aufgelöst, aber nach
4 Tagen wurde sie vollständig aufgelöst. Man kann
daher den Schlufs ziehen, dafs beim Verlängern der
Immersion des Fibrins in der Trypsinlösung während
6 Tage, und bei sorgfältiger Untersuchung der bei
20® aufbewahrten Kapseln nach 6 — 8 Tagen man das
Trypsin bis 1 : 200000 nachweisen kann.
Von Prof. Claudio Fermi. 173
V. Methode der flüssigen Gelatineröhrchen.^)
Diese Methode, obwohl sie, wie wir sehen werden, jener der
festen Gelatineröhrchen bei weitem nachsteht, kann jedoch dazu
dienen, nicht nur die blofse Anwesenheit eines Enzymes nach-
i^uweisen, sondern auch für quantitative Untersuchung oder
wenigstens für Vergleichsuntersuchungen, die geeignet sind, die
verschiedentliche gelatinolytische Energie der verschiedenen En-
zyme, der verschiedenen Lösungen der Enzyme selbst festzu-
stellen usw.
Eine wirkliche und eigene quantitative Bestimmung ist, wie
ich bereits in einer andern Arbeit schrieb und wie wir weiter unten
sehen werden, noch nicht möglich.
Die Methode der flüssigen Gelatine kann in drei Verfahren
geteilt werden. Die Methode ist weniger sicher als jene der
Röhrchen, die Resultate sind oft kontradiktorisch, was eine
Wiederholung der Versuche benötigt.
Das erste Verfahren besteht darin, das Quantitätsminimum
des Enzyms festzustellen, welches eine gegebene Menge Gelatine
in einer gegebenen Zeit und bei einer gegebenen Temperatur
unerstarrbar machen kann.
1) Schon 1890, also vor fast 15 Jahren, veröffentlichte ich eine solche
Methode der flüssigen Gelatine. Da nun aber Malfitano La Proteolyse
chez rAspergillns niger. Ann. Pastear XIV 60 1900 unter der Leitung
D u c 1 a u X ' diese Methode als seine eigene veröffentlichte, ohne sie auch
nur zu erwähnen, was jedem zustofsen kann, und der den Irrtum nicht
einsehen wollte, was auch sehr häufig geschehen kann, so sehe ich mich
gezwungen, hier folgende Stelle meiner früheren Arbeit: >I fermenti peptici
e diastatici dei microorganismi S. 20c anzuführen :
> Versuch XXUI. Wirkung des Enzyms des V. Finkler-Prior, des Trypsin
und des Papains auf die Gelatine. Die Wirkung des V. Finkler- Prior, des
Trypsin and des Papains, bei einer Temperatur von 50^ C, wurde auch auf
Gelatine versucht. Ich nahm zwei Thymolgelatine - Röhrchen, gofs in ein
jedes 1 ccm Kultur des Priorseben Vibrions, in zwei andere 1 ccm einer
Trypsinlösung 1 : 500 und in noch zwei andere dieselbe Menge einer Papain-
]ö8ung. Zwei Gelatineröhrchen mit Thymollösung ohne Enzym dienten zum
Vergleiche. Hierauf brachte ich die acht Röhrchen in den Ofen auf 50^0
und nach Verlauf von 24 Stunden liefs ich sie abkühlen. Die Gelatine,,
welche sich in den Röhrchen mit Enzym befand, blieb flüssig, die der beiden
anderen, ohne Enzym, erstarrte.
174 Stadium der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
Beschreibung. In 6 mm weite Röhrchen mit Gelatine
zu 2 — 3 — 5°/o giefst man verschiedene, regelmäfsig zunehmende
Mengen der Enzymlösung. Die Proben wurden auf 30^ gebracht;
nach einem oder auch nach 15 oder 30 Tagen, je Dachdem,
nimmt man die Röhrchen aus dem Ofen und läTst sie 24 Stun-
den lang bei 10® C. Der feste oder flüssige Zustand der Gela-
tine in den verschiedenen Röhrchen läfst die kleinste Dosis des
Enzyms erkennen, die noch fähig ist, der Gelatine die Erstarrungs-
fähigkeit zu nehmen.
Tersueli I.
In Röhrchen, welche Vs ^^^ Gelatine su 2^/o, mit Soda zu 2®/^ ent-
hielten , gofs ich 0,05—0,3 ccm Trypsin Grübler zu 1 : 800 000 , 1 : 900 000
bis 1:1000000 und so fort bis 1:1400 000. Die Proben warden in den
Ofen gebracht and nach 3 Tagen, nachdem die Röhrchen zur AbkQhlang
gebracht wurden (24 Stunden lang bei 10 <^), erhielt ich folgendes Resultat:
Menge der
Trypsin- i,
Trypsinlösnngen
lösung ii 1 : 800 000
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
0,8
, I'
0
0
0
+
0
0
I
-r
1 : 900 000
0
0
0
0
I
+
+
+
+
+
0
0
0
0
0
0
+
+
+
+
+
0
0
0
0
0
0
1:1000000
4-
+
+
0
0
0
+
+
+
-f
1 : 1 100 000
1 : 1 200 000
+
I
• i-
-4-
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
+
-f
0
0
0
+
+
+
0
0
0
1 : 1 800 000
+
+
4-
- -4--
I
+
+
+
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
1 : 1 400 000
0
0
0
+
+
0
0
0
0
0
0
ü
0
0
0
4-
4-
Diese Tabelle zeigt:
1. Dafs man auch mit dieser Methode der flüssigen
Gelati neröhrchen Verdünnungen bis 1 : 1 400000 nach-
weisen kann, dafs aber die Methode bedeutend weniger
sicher ist als die der Röhrchen mit fester Gelatine.
Von Prof. Claudio Fermi.
175
Tenaeb n.
In Röhrchen, welche 1 ccm flüssige Gelatine su 3% und Natriam zu
l*^/o enthielten, wurden verschiedene Quantitäten einer frischen, mit 57oo
Karbolsäure bereiteten Trypsinlösung (Grübler) von 1 . 1 000000 bis 1 : 1 600000
gegossen. Die Proben wurden dann in eine Temperatur von 30® gebracht.
Nach 48 Stunden wurden die Proben aus den Ofen genommen und in
ein Wasserbad von 10° getaucht.
Nach 15 Stunden wurde folgendes Resultat erzielt:
Trypsinlösune
r
; 0,1 <
^- - - , .
ccm 0,2 ccm 0,3 ccm
0,4 ccm
0,5 ccm
(Grübler)
1
1
1 !■
2 i 1 i 2 „ 1
2
1
i
2
1 2
1 Probe
1
Probe
I»robe
Probe , Probe
Probe
Probe
Probe
ITobe
Probe
1 : 1000 000
' 0
0
• + + ;^ +
+
+
+
+
+
1 : 1200 000
' 0
0 ; 0 0 1 +
+
+
+
+
+
1:1400 000
: 0
0 +
+ ' + : +
+ + 1
+
+
1 : 1600000
0
0 +
+ + ■ +
' + +
+
+
Kon troll probe :
1
i
: 1
■
Karbolsäure-
1
lösung 1%,
: 1
1
ohne Trjrpsin
0
1
« 1
0
0 : 0
1
0
1 +
+ ■
i +
+
Resultat: 1. Der Zusatz von 0,4 und 0,5 ccm einer
einfachen Karbolsäurelösung zu 1% verhinderte der
allzugrofsen Verdünnung halber die Erstarrung der
Gelatine.
2. Infolge dieser Tatsache lassen wir natürlich
die mit 0,4 und 0,5 ccm der verschiedenen Trypsin-
lösungen erhaltenen Resultate, wo der Verlust der
Erstarrungskraft der Gelatine der aufs erordentlichen
Verdünnung derselben zuzuschreiben ist.
Infolgedessen kommen wir in diesem Falle zu
demSchlufs, dafs die Methode der flüssigen Gelatine
die Empfindlichkeit von 1.1400000, sowie auch die
von 1:1600000 erreichte.
3. Nachdem sämtliche Röhrchen sogleich wieder in
den Ofen bei 30® gebracht worden waren, fand man sie
alle nach 9 Tagen verflüssigt, mit Ausnahme der Kon-
trollröhrchen, welche 0,1 ccm Karbolsäure enthielten.
In diesem Falle ist der Verlust der Erstarrungs-
kraft der Gelatine der verlängerten Temperatureinwir-
kung zuzuschreiben.
176 Stadium der proteolytischen und gelatinolytiBchen Enzyme.
Wenn man also mit schwachen Gelatinelösungen
von 1 — 3% experimentiert, kann der Verlust der Er-
starrungskraft einfach von der verlängerten Temperatur-
einwirkung herrühren.
Es ist demnach ratsam, die Proben nicht länger als
24—48 Stunden in einer Temperatur von 30® zu halten,
die Kontrollproben nicht zu vergessen und stets zwei-
oder dreimal soviel Proben zu machen, ohne mit der
Zahl der Röhrchen zu sparen.
Übelstände:
1. Ist es notwendig, oft eine überaus grofse Anzahl von
Röhrchen zur Verfügung zu haben. Da es sich in der Tat
darum handelt, die aktive minimale Quantität vieler Enzyme
gleichzeitig festzustellen (wie dies häufig geschieht, indem man
die Wirkung zahlreicher physisch-chemischer Faktoren auf die-
selben studiert), würden mehrere Hunderte von Röhrchen, d. h.
eine weit gröfsere Zahl als jene, welche meine feste Gelatine-
Röhrchen-Methode erfordert, notwendig sein.
2. Anstatt die Resultate innerhalb 3 — 6 Tagen zu erlangen,
wie dies mit dieser Methode der Fall ist, müfste man oft wochen-
lang warten, denn kleine Mengen oder sehr schwache Enzyme
erfordern diese Zeit.
3. Anderseits verlieren die wochenlang bei 30® erhaltenen
Enzyme ihre Kraft. Hingegen kann weder die Menge noch die
Konzentration über eine gewisse Grenze hinaus vermindert wer-
den, weil sie nicht mehr erstarrt.
4. Die Methode ist weniger sicher als jene der festen Gela-
tineröhrchen, die Resultate widersprechen sich oft, was die Wieder-
holung der verschiedenen Versuche bedingt.
n. Verfahren. Man stellt fest, wieviel Gelatine von einer
gegebenen Menge Enzyme in einer bestimmten Zeit und bei
einer bestimmten Temperatur unerstiirrbar machen können.
Beschreibung. In ROhrchen von verschiedenen, stets
zunehmenden Mengen Gelatine von 1 — 20 ccm giefst man
0,1 — 1 ccm Enzynilösung und bringt sie in den Ofen. Nach
Von Prof. Claudio Permi. 177
einer gewissen Zeit (5 — 10 — 30 Tage) werden sie 24 Stunden
lang in 10 — 11® warmes Wasser gebracht und dann entnimmt
man die Resultate.
Übelstände: Es sind dies dieselben wie bei der vorigen
Methode, a) allzulange Dauer des Versuchs, b) Schwächung der
Enzyme, c) Notw^endigkeit zahlreicher Röhrchen.
III. Verfahren. Dasselbe besteht im Feststellen der zum
Verlust der Erstarrungskraft einer gegebenen Menge Gelatine
durch eine bestimmte Menge Enzym notwendigen Zeit.
Beschreibung. In Röhrchen, die 1 ccm Gelatine zu
2 — 3 — 5% enthielten, giefst man 0,1 — 0,5 der enzymhaltigeu
Flüssigkeit und bringt sie in eine Temperatur von 30®.
Jede halbe Stunde werden sie aus dem Ofen genommen,
und in Wasser zu 10® getaucht. Erstarrt die Gelatine, so
wird das Röhrchen wieder in den Ofen und dann wieder
nach einer halben Stunde in Wasser zu 10® gebracht. So fährt
man fort, bis die Gelatine die Eigenschaft, zu erstarren, ver-
loren hat. (*)
Tersnch.
In Röhrchen, die Vi ccm neutrale Gelatine zu 30 ^/q flüssig enthielten,
gofs ich verschiedene Quantitäten Merksches Trypsin 1 : 5000, schüttelte sie
gleichmäfsig , indem ich ganz genau 10 mal die Röhrchen umstürzte und
brachte sie sodann in den Thermostaten zu 30*^. Anfangs beobachtete ich
alle 5 Stunden, dann alle 24 Stunden, ob die Gelatine ihre Erstarrungskraft
verloren oder behalten hat, indem ich die ROhrchen 5 — 24 Stunden lang in
10^ warmes Wasser tauchte. Der Aufenthalt der Röhrchen im Wasser zu
10° nur während 74 öder Vi Stunde, wie dies Duclauz tat, führt leicht zu
irrtümlichen Resultaten, denn oft erstarrt die Gelatine nur nach 5—10, ja
selbst 24 Stunden. Dies, wiederhole ich, ist ein grofser Übelstand dieser
Methode. Die erhaltenen Resultate sind :
Trypsin 1 : 5000 Verflüssigung
ccm in Tagen
0,05 0 mm
0,1 0 .
0,15 0 .
0,2 0 .
0.25 20 »
1) Beim Gebrauch gewöhnlicher Prouvetten wird die Gelatinemenge
auf 5 — 10 ccm gebracht und auch dementsprechend die Menge der Enzym-
lösung.
Archiv für Hygiene. Bd. LV. 12
Trypsin 1 :
ccm
5000
Verflüssigung
in Tagen
0,3
— mm
0,35
16 >
0,4
20 >
0,45
28 «^
0,5
28 >
178 Studium der proteolytinchen und jjelatiuolytischen Enzyme.
Aus dieser Tafel geht hervor:
1. Dafs selbst nach 28 Tagen 0,2 ccm Trypsin nicht
fähig waren, ^/accm Gelatine zu 30% die Erstarrungs-
fähigkeit zu rauben.
2. Dafs hingegen 0,25 zu 0,15 ccm in 20 — 28 Tagen
aufgelöst haben.
Aufserdem ist es nicht leicht zu erklären, wie
Quantitäten Trypsin von 0,25 — 0,4, schneller ver-
fltissigt haben, als gröfsere Quantitäten (0,41 — 0,5)-
Diese Unregelmäfsigkeit bildet natürlich einen
grofsen Mangel dieser Methode.
Ohne die anderen Versuche mit lOproz. Gelatine anzuführen,
teile ich sogleich die Resultate mit.
1. Alkalische Gelatine zu 10%, 0,05 — 1 ccm, wird
in 24 Stunden durch 0,05 ccm Merksches Trypsin
1 :5000 aufgelöst.
2. Gelatine zu 10%, sowohl neutrale als alkalisclie,
0,05 — 1 ccm, wird durch 0,05 ccm Merksches Trypsin
l°/oo aufgelöst in 10—21 Tagen.
3. lOproz. Sodagelatine wird durch 0,05 ccm einer
36 Tage vorher zubereiteten Trypsinlösung in 7 Tagen
bis 0,7 ccm und in 19 Tagen bis 1 ccm aufgelöst.
4. 1 ccm neutraler Gelatine zu 10% wird in 3 — 5
Tagen durch 0,1 ccm Merksches Trypsin 1% aufgelöst.
5. 1 ccm neutraler Gelatine zu 10% wird unter 0,7
(0,1—0,7) durch eine Lösung Grübler-Trypsin 1 : 200000
in 22 Tagen aufgelöst, über 0,5 (0,5 — 1 ccm) hingegen
in 24 Stunden.
6. 1 ccm Gelatine 5%, Natron 2% wird in 4 Tagen
durch 1 ccm Merksches Trypsin 1 : 200000 und in der
selben Zeit durch % ccm einer Lösung zu 1:100000
aufgelöst.
7. 0,1 Merksches Trypsin zu 1:200000 löst 1 ccm
neutraler Gelatine zu 5% in 11 Tagen auf, während
es durch dieselbe Quantität (0,1) einer Trypsinlösung
zu 1:400000 nicht aufgelöst wird.
Von Prof. Claudio Fermi. 179
8. % ccm Gelatine zu 3%, Natron 2%, wird durch
über 0,3 einer Merkschen Trypsinlösung zu 1:400000
in 3 Tagen aufgelöst und von 0,1 — 0,6 in ungefähr
10 Tagen.
Die gleiche Quantität Gelatine zu 2% wird hin-
gegen durch 0,5 — 1 ccm auch in 3 Tagen aufgelöst.
Das dritte Verfahren, das das schlechteste von allen drei ist,
wurde von Malfitano unter Duclaux Leitung angewandt.
Malfitano verfährt folgenderweise:
1. Er mischt 10 ccm Kultur mit 5 ccm Gelatine zu 20% (I)
welche 2% kristaUisiertes Thymol enthält.
2. Schmilzt bei niedriger Temperatur, schüttelt und bewahrt
die Proben bei 35®. Nach 10 — 20 Stunden bringt er sie zur
Erstarrung bei 15® während 15 — 30' und so wiederholt er den
Versuch von Zeit zu Zeit bis die Gelatine beständig flüssig
bleibt.
Der Grund, aus welchem ich besonders das dritte Verfahren
aufgab, war:
1. Wollte man mit einer gewissen Genauigkeit den Augen-
blick angeben, in welchem die Gelatine die Erstarrungsfähigkeit
verliert, so müfste man die Proben aus dem Ofen herausnehmen
und sie bei 10® — 15® abkühlen lassen.
Hierzu wäre es unumgänglich notwendig, stets einen Thermo-
staten von 35® und ein Bad zu 10 — 11® bereit zu haben, was
natürlich nicht zugunsten einer gröfseren Einfachheit dieser
Methode spricht, wie Malfitano es möchte.
2. Der Experimentierende würde sich grofsen Opfern unter-
ziehen müssen, um die Röhrchen, Tag und Nacht, wenigstens
jede Stunde aus dem Ofen ins Bad zu bringen. Abgesehen von
der schwierigen Arbeit, die auch die Anzahl der Versuche ver-
mindert, begreift man leicht, wie man vergessen kann, die Proben
zur richtigen Zeit zu behandeln und wie man sich somit grofsen
Irrtümern aussetzt.
3. Nun verliert aber die Gelatine bei dem verschiedenen
Wechseln immer etwas von der Erstarrungsfähigkeit, was auch
folgender Versuch beweist:
12 •
180 Studium der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
Verminderung der Erstamingsfähigkeit der Gelatine infolgre
wiederholten Überganges aus dem festen in den flüssigen ZustajiGL
Prouvetten, von gleichem Durchmesser (10,5 mm) welche
Gelatine zu 10% mit Karbolsäure zu 0,5% enthalten, werden
nach und nach, in eine Temperatur von 37® und 15° gebracht,
um abwechselnd die Gelatine zum Erstarren oder zum Verflüs-
sigen zu bringen, und dies 50mal, nämlich 10 mal im Tage.
Eine gewisse Anzahl Prouvetten, welche dieselbe Gelatine ent-
halten, werden indessen mittels Stöpsel mit luftdichtem Verschlufs
gegen das Auftrocknen geschützt.
Nachher gofs ich 1 — 2 ccm von einer Trypsinlösung zu 1 \
sowohl in die Prouvetten, welche die 50 mal flüssig gewordene
Gelatine enthielt, als in jene, die zur Kontrolle dienten.
Nach je dreitägigem Messen der aufgelösten Gelatineschicht
erhielt ich folgendes Resultat.
I Nach 3 Tairen
I 1 ccm ! o _ -„
Nach ß Tagen
1 ccm
2 ccm
Nach 9 Tagen
il ccm
2 ccm
Mehreremal (50) verflOßHigte
Gelatine :
1. Probe
2. Probe
Kontrolle :
1. Probe
2. Probe
f)
9
6
, 10
15
17
5
9
«
10
15
17
3
7,25 1
4
8
12
13
3
8 i
4
8
12
13
Resultat: Aus diesem Versuche ersieht man. dafs
die wiederholt verflüssigte Gelatine viel leichter ver-
flüssigungsfähig ist als die Kontrollproben, so dafs
nach drei Tagen das Verhältnis gleich 5 zu 3 ist.
Nach einer gewissen Zeit, wenn das Enzym nicht mehr
auf die Gelatine wirkt und wenn diese zum grofsen Teile die
Erstarrungskraft verloren hat, geschieht es, dafs dieselbe bei
15® nicht mehr in wenigen Minuten erstarrt, wie Malfitano
es möchte, sondern erst nach 10 — 24 Stunden. Dies zeigt sich
besonders, wenn es sich um wenig tätige Enzyme handelt, oder
wenn kleine Quantitäten derselben im Verhältnis zur Gelatine
angewandt wurden, wie dies meistens geschieht.
Von Prof. Claudio Fermi. 181
In diesen Fällen kommt es dann vor, wie man leicht be-
greift, dafs, wenn zur Erstarrung der Gelatine 10 — 24 Stunden
notwendig sind, die genaue Berechnung der Stunden, in welchen
-die Fluidifikation stattgefunden hat, unmöglich ist.
Duclaux und Malfitano mufsten nicht weniger als 24 — 36
Tage auf die Resultate ihrer Forschungen warten. Und diese
Autoren betrachteten als besonderen Vorzug dieser Methode (so
<lars sie dieselbe jener der feste Gelatine-Röhrchen-Methode vor-
zogen) die SchnelUgkeit, mit welcher man die Resultate erlangt I
Ich hingegen kann in wenigen Stunden, höchstens in 2 — 3
Tagen das Resultat erkennen, und jedermann kann wahr-
nehmen, auch beim blofsen Durchlesen meiner Arbeiten, dafs die
Aktivität des Enzjrms monatelang fortdauert.
Die Autoren wollen einen grofsen Übelstand in meiner
festen Gelatinmethode gefunden haben, weil man mit derselben
die Proben bei Zimmertemperatur halten mufs, die aber unbe-
ständig ist.
Hätten sie meine Arbeiten etwas aufmerksamer durchgelesen,
«0 würden sie sich diesen Irrtum erspart haben, denn ich schrieb,
dafs wenn man lange und delikate Versuche anstellen will, man
die Proben in einem Thermostaten von 20 — 22° aufbewahren mufs.
Aufserdem wiederhole ich noch, dafs das Aufbewahren der Proben
bei 35 ^ besonders bei der von den Verfassern erfundenen Methode
gefährlich ist, da hierdurch die Enzyme geschwächt werden.
Ich komme daher zu dem Schlüsse, dafs meiner Ansicht
nach die Verfasser keine neue Methode erfunden haben, sondern
dafs sie nur die Geschicklichkeit gehabt haben, die schlechteste
meiner drei Methoden, die ich bereits verworfen hatte, zu re-
habilitieren.
In dieser Hinsicht auch, obwohl etwas geheim und anstatt
Duclaux zu erinnern, dafs das Bekritteln der Arbeiten anderer,
ohne sie mit der nötigen Aufmerksamkeit gelesen zu haben, nicht
ratsam ist, begnügte ich mich, ihm nur eine Stelle meiner Arbeit
zu übersenden und ihm in höflichster Weise mitzuteilen, dafs ich
schon vor vielen Jahren auch die Methode der flüssigen Gelatine
beschrieben habe, und dafs ich eine Berichtigung wünsche.
182 Studium der proteolytiechen und gelatinolytischen EniL^me.
Das Verlangen einer zweiten Berichtigung scheint den geist-
reichen Kritiker gelangweilt zu haben, denn anstatt direkt zu
antworten, wie er es früher getan, benutzte er sein Traktat
und vielleicht auch seinen Namen, um seine irrtümliche Kritik
wieder aufzunehmen, indem er in reichlicher und traurigster
Weise die grölste Ignoranz in bezug auf die angegriffene Arbeit
und eine Heftigkeit dem Verfasser gegenüber bewies.
In diesem Traktat drückt Duclaux sich folgendermafsen aus:
iComme M. Fermi a constamment tabld sur leur identitä,
comme il a en outre souvent nägligd de faire ses essais en double
(sie), Tun sur le lic^uide diastasifere, Tautre sur le meme liquide
bouilli, de fa9on a voir si l'action observee etait ou non une
action diastasique, il est difficile de faire, dans la science une
place a ses resultats!
Wirklich halte ich es für überflüssig zu beweisen, dafs so-
wohl die erste wie auch die zweite dieser Behauptungen voll-
ständig falsch sind, und dafs auf den lächerlichen Schlufs, in
welchem Duclaux in zu kindischer Weise die Repressalien
durchschauen läfst, verschiedene Verfasser, die über die Fermente
geschrieben, schon geantwortet haben.
In bezug auf die beiden Vorwürfe, die Duclaux mir macht,
erwidere ich nur, dafs es falsch ist, dafs ich die Identität der ge-
latinolytischen Enzyme mit dem Trypsin beständig behauptet habe,
denn absichtlich habe ich mich nie mit dieser Frage beschäftigt,
ebenso falsch ist es, wenn er sagt, ich habe die Kontrollproben
vernachlässigt, denn wenn irgend etwas in meinen Forschungen
in die Augen springt, so glaube ich, sind es gerade die Kontroll-
versuche, auf die ich stets und ich glaube, fast pedantisch ge-
sehen habe. Es genügt, nur einen Blick auf meine erste Arbeit
über die Fermente (die peptischen und diastatischen Fermente
der Mikroorganismen Giornale della R. A. di med. di Torino
1890. Heft 1 — 2) zu werfen, um die Behauptung Duclaux be-
urteilen zu können.
Schon auf den ersten Seiten wird man in der Tat finden,
dafs ich nicht nur das Kochen angewandt habe, wie Duclaux
mir anratet, um die Keime zu entfernen und so das Vorhanden-
Von Prof. Claudio Fermi. 183
sein der Enzyme zu beweisen , sondern dafs ich auch zu ver-
schiedenen anderen Mitteln meine Zuflucht genommen habe,
was übrigens aus den blofsen Titeln der verschiedenen Versuche
hervorgeht, wie z. B.
a) Versuch 1 (Seite 3) Vernichtung der direkten Tätigkeit
der Mikroben mittels Sublimat.
b) Versuch 2. (Seite 4) Vernichtung der direkten Tätigkeit
der Bakterien mittels Karbol und Salicylsäure.
c) Versuch 3 (Seite 5) Vernichtung der direkten Tätigkeit
der Mikroben mittels Chlorwasserstoff säure.
d) Versuch 7 (Seite 7) Vernichtung der Tätigkeit der Bak-
terien mittels fraktionierter Sterilisierung.
e) Versuch 15 (Seite 14) Wirkung verschiedener Tempe-
raturen auf die Fermente (50—60—70—1400).
Hätte Duclaux noch darauf geachtet, dafs die von mir
angewandte Gelatine antiseptisch war durch Hinzufügung von
Karbolsäure, Thymol etc., so würde er einen besseren Punkt ge-
wählt haben, mich anzugreifen.
VI. Die Alkalialbuminate als neue Reagentlen der proteolytischen
Enzyme.
Es war von grofser Wichtigkeit, ein der höchsten Serie dieser
Substanzen angehörendes Albuminoid zu finden, welches erstarrt
und, der Wirkung des zu studierenden Enzyms unterworfen, uns
erlauben würde, die Proben in einer Temperatur über 30® zu
bewahren.
Um zu diesem Ziele zu gelangen, hätte ich natürlich ein
flüssiges und erstarrungsfähiges Albuminoid, wie z. B. das Blut-
serum oder das Eiereiweifs wählen müssen ; diese beiden Substan-
zen liefern, wie sie sind, kein empfindliches Reagens um das
Vorhandensein sehr schwacher, proteolytischer Enzyme, wie man
sie sowohl im Pflanzen- wie im Tierreiche sehr verbreitet findet,
zu beweisen. Das von mir, glaube ich, zum ersten Male in der
Röhrchenmethode angewandte erstarrte Blutserum bildet trotz
seiner Fähigkeit, durch verschiedene mikrobische Enzyme ver-
flüssigt zu werden, immerhin ein Reagens, das viel weniger
184 Studium der proteolytischen und gelatinoly tischen Enzyme.
empfindlich ist (über 1000 Mal) als die Gelatine; ohne von
dem geronnenen Eiereiweifs zu sprechen, welches, wie man
weifs und wie auch ich wiederholt bewiesen habe, wenn es als
Pepsinreagens (Methode Mette) und als Trypsinreagens dienen
kann, vorausgesetzt, dafs es sehr tätig ist, gar nicht oder un-
genügend auf die Tätigkeit der zahlreichen Serie der oben
erwähnten schwachen Enzyme einwirkt.
Ich kam daher auf den Gedanken, einige Abänderungen vor-
zunehmen, besonders in bezug auf das Eiereiweifs, Abänderungen,
welche dem mir vorgesteckten Ziele entsprechen würden. Auf
diese Weise kam ich auf die alkalischen Albuminate und ver-
sucht mit Anunoniak, kohlensaurem Natron und mit Atzkali.
Die in dieser Hinsicht angestellten Versuche waren sehr ver-
schiedenartig und zalilreich, wie man aus dem nachstehenden
Überblick wahrnehmen kann.
1. Versuche mit Eiereiweifs, welches mit Ammoniak, kohlen-
saurem Natron und Kali behandelt war.
2. Versuche mit Blutserum vom Ochsen und vom Schweine.
3. Versuche in bezug auf den Einflufs, der auf das Alkali-
albuminat ausgeübt wird, wenn es eine gewisse Zeit (24 Stunden
lang) in einer Temperatur von 30® bleibt, bevor es zur Gerinnung
gebracht wird.
4. Versuche, um die passende Temperatur und die Dauer
derselben zu bestimmen, um die beste Erstarrung zu erlangen.
5. Versuche, die geeignet sind, den Einflufs festzustellen,
welchen das Schütteln oder Nichtschütteln des Eiweifses und die
Mischungen des Eiweifs oder des Serums mit den Alkalien auf
die Erstarrung der Albumine ausübt.
Anstatt die Resultate eines jeden Versuches zu wiederholen,
führen wir dieselben zusammen am Schlüsse dieses Kapitels.
Versuche mit Eiereiweifs.
y ersuch 1.
Gut geschlagenes und dekantiertes Eiereiweifs, welchem 0,5 7o Karbol-
päure zugefügt wurde, verteilte ich in Prouvetten von einem Kaliber von
10,5 mm in der Menge von 5 ccm pro Stück.
Hierauf fügte ich in vier dieser Prouvetten, welche das Eiweifs ent-
liielten, 1-2- -3 — 4 ccm Ammoniak, bei anderen vier die gleichen Proper-
Von Prof. Claudio Fermi.
185
tionen einer kohlensauren Natronlösung zu 207,, wfthrend ich vier anderen
0,5—1 — 1,5 — 2 ccm einer Lösung Ätzkali zu 10 Vo beifügte.
Die zwölf Prouvetten wurden dann mit vier KontroUprouvetten, welche
anstatt des Alkali nur 1 — 2 — 3 — 4 ccm Wasser enthielten, 30 Minuten lang
in ein Wasserbad zu 70*^ gebracht.
Ammoniak konz.
Kohlensaures Natron 20"/«
Ätzkali 10%
1 ccm
2 ccm
3 ccm
4 ccm
1 ccm
2 ccm
3 ccm
4 ccm
0,5 ccm
1 ccm
1.6
ccm
2
com
iUeht
und
durch-
sichtig
dicht
und
durch-
sichtig
weich
und
durch-
sichtig
flüssig
und
durch-
sichtig
dicht
und un-
durch-
sichtig
dicht
und un-
durch-
sichtig
dicht
und
durch-
sichtig
1
dicht 1
und
durch- 1
sichtig 1
!
1 dicht
1 und
1 durch-
' sichtig
dicht
und
durch-
sichtig
1
•s
Bmpfindlichikeit der erlangten Eäereiweifs-Albuminate dem
Trypsin gegenüber.
Jetzt blieb uns noch übrig, zu versuchen, ob wir mit den
erhaltenen Albuminateu ein Reagens zur Verfügung hatten,
welches für die Forschungen in bezug auf die proteolytischen
Enzyme geeignet wäre. In einem ersten Experimente versuchte
ich demnach mit einer Trypsinlösung zu 5®/qq. Am 25. Mai
gofs ich in die Prouvetten, welche die festen und durchsichtigen
Albuminate erhielten, 1 ccm einer Trypsinlösung zu 5®/ooi
brachte sie dann jn einen Ofen zu 30® und mafs von Zeit zu
Zeit die Schicht des aufgelösten Albuminats.
Das Resultat war:
Zahl der
Ammoniak
1 Kohlensaures Natron 20%
1 Ätzkali 10 7o
Tage
1 ccm
2 ccm
1 1 ccm
2 ccm
3 ccm 4 ccm
1
0,5 ccm
1 ccm
2
4 mm 15 mm
4 mm
5 mm
7 mm
r
6,5 mm 6 mm
5 mm
3
6,5 > 1 18 » i
' 1
8 >
11 >
10 >
11 > 8,5 »
8 >
5
,10 > 1 24 » 1
11 > 9 >
11 >
13 >
17 >
30 >
6
12,5 >
29 >
16 > 13 >
15 »
13,5 >
22 >
11
17 >
32 >
1
24 >
18 >
20 >
30 >
1
30 >
Versuche mit Blutserum.
Versuch 1.
Blutserum mit 5—10 — 15— 20— 25°/o Ammoniak wurde in Röhrchen
verteilt. Diese wurden, nachdem sie 24 Stunden lang bei 35° gehalten waren,
30 Minuten lang in ein Wasserbad zu 70*^ gebracht Hierauf wurde die Emp-
findlichkeit probiert, indem man 1 ccm Merksches Trypsin 1 ^/^ in dieselben
gofs; dann wurden sie in den Ofen auf 35° gebracht.
186 Studium der proteolytiEchen und gelatiDolytischen Enzyme.
Beim Messen der allmählich aufgelösten Gelatineschicht ergab sich
folgendes Resultat:
Am-
Verflüssigte
Schicht
in
moniak
8 Tajren
lOTaeen
12Ta8:en
34 Tatzen
1
mm
mm
mm
1 mm
oVo '
7
7
1
10 >
vu
9
iiV,
: 18
15 >
11
13
15
24
20 .
22
26
30
41
25 »
0
0
0
i 0
Tersneh 2.
Nach Wiederholung des Versuchs ergah sich folgendes Resultat .
Ammoniak
3
' 15"
18
19
20
22
1
30
84
,1
mm
Dim
mm
mm
mm
mm i
nun
nun
5 % '
0
0
0
0 '
0
0
0
0
10 >
5
13V.
15
17
9
11
26
--
15 .
3'/,
~'
13
—
18
2i}
20
3
8
9
10
12
17
21
-
25 .
6
23
25
27
30
31»,
37
43
Yersaeh 3.
I)er8en)e Versuch wurde wiederholt, indem ich anstatt des Ammoniaks
Ätzkali zu 0,5 — 1,5% anwendete.
Folgende Tabelle gibt die Resultate :
mm
0,5 7o
4
1 >
3
1,5 >
2 .
—
2,5 >
—
mm I mm
12 ' 17
10
15» 'j
mm
mm
22
24
'^
11
18»,
20
mm
27
mm ' mm mm ■ mm
30 32 34»/,. 37
00
24
26
28»/, 30
Ycrsneh 4.
Das folgende Experiment beweist, dafs, wie ich bereits in bezug auf
das Fibrin ») bewiesen habe, sich das Blutserum des Ochsen und jenes des
Schweines beständig sehr verschiedentlich verhalten, so dafs beide von-
einander unterschieden werden können. Auf gewöhnliche Weise zubereitete
Mischungen von Ochsenserum und Ammoniak in bekannter Proportion
wurden in Mengen von 1 ccm in Röhrchen gegossen. Dieselben wurden
1) Claudio Fermi , Die Auflösung des Fibrins durch Salze etc. Zeitschr.
f. Biol., Vol. XXVIIT.
Von Prof. Claudio Fermi.
187
dann zur VerdicbtUDg gebracht und ich gofs 1 ccm Merksches Trypsin 1 : lOOO
darauf. Nach 12 Tagen wurde die flQssige Schicht gemessen.
Als Resultat ergab sich:
1
1
1
1
Ochsenserum
Schweineserum
Eiereiweifs
Ammoniak i
Er-
Verflüs-
Er- ! Verflüs-
Er
Verflüs-
starroDg
sigung
starrung | sigung
starrung
sigung
5Vo
+
1
!
+ i 5 1
+
0
10 >
+ 9 ;
+ ' 11 :
1 +
0
15 >
+ : 14
0
0
1 +
2
20 . '
+ ' 26 '
0
0
+
6
25 >
+
26
0
0
+
0
Tersnch 5.
Ochsenblutserum wurde mit einer Lösung Karbolsäure (0,5%) im Ver-
hältnis SU 20 — 40% verdünnt und mit der optima Dosis von Ammoniak,
dieses zu 4Vu> alkalisiert und in Röhrchen verteilt. Diese, 30 Minuten
lang auf 70° erwärmt, erstarrten ganz und gar nicht.
Empfindlichkeit des alkalisohen Oohseir- und SohweineblutBerums.
Nach diesen Versuchen war es von Interesse, die ver-
schiedene Empfindlichkeit dieser drei AlkaUalbuminate den En-
zymen gegenüber festzustellen.
Zu diesem Zwecke gofs ich 1 ccm von einer Lösung
Trypsin (Merk) in verschiedene Konzentrationen in Röhrchen,
die 1 ccm der drei erstarrten Alkalialbumine enthielten. Die
erhaltenen Resultate folgen in nachstehender Tabelle:
Albuminate
Verflüssigung durch Trypsin
^
1 : 1000 1 : 3000 1 : 5000 1 : 6000 1 : 7000
Blutserum v. Ochsenblut-f- Ammoniak 20%
Blutserum V. Schweineblut -f- Ammoniak 6°/o
Eiereiweifs 20%
+
+
+
+
+
0
+ 0
+ 0
0
0
0
0
0
0
BiDfluTs der Aufbewahrung der Alkalialbumine 24 Stunden lang
bei 30 0 Wärme, bevor es zur Koagulation gebracht wird.
Um diese Frage zu lösen, machte ich die beiden folgenden
Versuche.
y ersuch 1.
Ich bereitete eine Mischung von Serum und Ammoniak, sowie eine
von Serum und Ätzkali in den schon versuchten Proportionen und verteilte
188 Studium der proteolytischen and gelatinolytischen Ensyme.
«ie zu je 1 ccm in ROhrchen. Einen Teil derselben brachte ich sofoct
zur Erstarrung in einem Wasserbade von 70^, 30 Minaten lang, den
anderen Teil erst, nachdem sie 24 Standen lang in einem Ofen bei 80*
gewesen waren.
Hierauf gofs ich 1 ccm Trypsin Merk zu 1 7oo ^^ ^^® erstarrten Rohrchen.
Nach 7 Tagen ergab sich folgendes Resultat:
Am-
Geronnen nach i
24 Standen
i
!
' Sogleich
geronnen
moniak
1
1
1 Erstarrung
VerflüSHig. '
1
Erstarrung
1
VerflüMig.
||
mm
mm
5V.
; +
7
+
25
10 .
+
7,6
0
15 >
. +
11
0
20 »
1. _^
1, "^
22
0
25 >
1 +
26
0
Yersaeh 2.
Das Experiment wurde wiederholt wie oben, indem anstatt des Am-
moniaks Kalilauge angewendet wurde.
Das nach 4 Tagen erlangte Resultat war:
Kalilauge
Zur Erstarrung nach ! Zur Erstarrung
24 Std. gebracht sofort gebracht
Erstarrung
Verflüssig. Krstarrung , Verflüssig.
0,5 «/o !
1 »
1,5 ^ '
2 .
2,5 >
+
+
+
0
0
4
3
5
+
unregel-
miTHig
+
unregel-
mftrsig
0
ü
0
4
unregel-
mäfliig
Betreff der Alkalialbuminate erhaltene Ergebnisse.
Eiereiweifs: 1. Die Ammoniakalbumiuate zu 20 uud
40% NH'* zeigten sich sehr durchsichtig und fest, so dafs
sie vollständig dem Zwecke entsprechen, während die
zu 60% stets zu weich blieben und für uns unbrauchbar
waren, obwohl sie immer ein durchsichtiges, bern-
steinfarbiges Albuminat bildeten.
Von Prof. Claudio Fermi. 189
2. Kohlensaures Natron 20®/o. Die Versuche mit
1 — 2 ccm Soda 20% zu 5 com Eiereiweils gaben stets ein
festes aber undurchsichtiges Albuminat. Hingegen
entsprachen besser die mit 3 und 4 ccm. Diese gaben
ein festes und durchsichtiges Albuminat, welches aber
stets dem mittels Ammoniak und Kalilauge erzielten
nachstand.
3. Atzkali. Ein gutes, festes und durchsichtiges,,
schön bernsteinfarbiges Albuminat erzielten wir mit
0,5 — 1 ccm Kalilauge zu 6 ccm Eiereiweils, während jenea
mit 1,5 zu weich und jenes mit 2 ccm fast flüssig war.
Die besten Resultate in bezug auf die physischen
Merkmale, d. h. der Durchsichtigkeit und der Festig-
keit erhielten wir mit 1 — 2 ccm Ammoniak resp. 20 bia
40% und mit der Kalilauge von 0,5 — 1%.
Starr, aber weniger durchsichtig war hingegen
das Albuminat, welches wir mittels kohlensauren
Natrons erlangten.
4. Diebesten Resultate, nicht nur in Hinsicht auf
die Empfindlichkeit des Reagens, d. h. die Schnellig-
keit, mit welcher es durch das Trypsin aufgelöst wird>
sondern auch in bezug auf die fortschreitende Regel-
mäfsigkeit der Auflösungsschicht erzielten wir mit dem
Ammoniak. Dieses im Verhältnis von 40% (2 ccm auf
5 Eiweifs) hat an Schnelligkeit im Auflösen anfang&
dreimal und dann zweimal jenes mit 20% Ammoniak
(1 ccm auf 5 Eiweifs) übertroffen.
5. In Hinsicht auf die Regelmäfsigkeit derFluidi-
fikation haben die erwähnten Ammoniakalbuminate
die durch kohlensaures Natron und Atzkali erhaltenen
übertroffen; in den mit kohlensaurem Natron bemerkte
man nach 10 — 11 Tagen eine sehr unregelmäfsige Ver-
flüssigung und zwar in allen Proben, und das Kalialbumi-
nat (0,5 ccm auf 5 Eiweifs) gerann sonderbarerweise am
11. Tage und das, zu 1 ccm auf 5 Eiweifs, hatte sich
schon nach 3 Tagen ganz aufgelöst.
190 Studiam der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
6. Was die Schnelligkeit der Verflüssigung der Albu-
minate mit kohlensaurem Natron betrifft, so fand man
weder einen bedeutenden noch beständigen Unterschied,
mochte dasselbe in Proportionen von 1 oder 2, 3, 4 ccm
«iner 20proz. Lösung auf 5 ccm Eiweifs zubereitet werden.
7. Dasselbe zeigte sich bei den zwei Albuminateu
mit Atzkali (0,5 — 1 ccm einer lOproz. Lösung auf 5 ccm
Eiweifs) in den ersten zwei Tagen wenigstens, denn am
3. Tage war das Albuminat von 1 ccm auf 5 ccm, wie
schon gesagt, gänzlich aufgelöst.
8. Demnach wäre das empfindbarste Albuminat,
d. h. das, welches am schnellsten zur Verflüssigung ge-
bracht werden kann, jenes, welches mit 20proz. Am-
moniak zubereitet wird.
BlutBeruxn. 1. Der Zusatz des Ammoniak zum Serum,
im Verhältnis von 5%, vermehrt um etwas die Empfind-
lichkeit dem Trypsin gegenüber.
2. Das Maximum der Empfindlichkeit erzielt man
mit 25%, doch kommt es bisweilen vor, dafs das Serum
nicht erstarrt, oder nur ungenügend und uuregelmäfsig.
3. Der Prozentsatz des Ammoniak, der das Serum
empfindlich macht, indem es demselben zu einer durch-
sichtigen Gelatine zu erstarren erlaubt, ist jener von
15—20%.
4. Auch der Verlauf der Verflüssigung vollzieht sich
ziemlich regelmäfsig, einen Monat hindurch. Die Kali-
lauge gibt wie das Ammoniak eine feste und durch-
sichtige Gelatine, die dem Trypsin gegenüber bedeutend
empfindlicher ist als das natürliche Serum, aber nur
im Verhältnis von 0,5 — 1,5%, d. h. in [einem zehnmal
geringeren Verhältnis als das Ammoniak.
5. Das Schweineblutserum verliert die Erstarrunga-
fähigkeit mit einer 4— 5mal geringeren Menge Ammoniak»
als jene ist, die noch die Erstarrung des Ochsenserum
Von Prof. Claudio Fermi. 191
erlaubt. Aufserdem erstarrt es aus noch unbekannter
Ursache bisweilen nur mit einem Ammoniakgehalt
zu 10 und auch zu lb%, doch seltener, zu 20 — 26%
aber nie.
6. Anderseits ist das Schweineserum mit 5% Am-
moniakgehalt, d. h. mit jener Menge, die ihm noch er-
laubt zu erstarren, weniger empfindlich als das Ochsen-
serum, welches dieselbe Menge Ammoniak enthält.
Das Albumin, welches dieselbe Menge Ammoniak
als das Ochsenserum enthält, erstarrt vollständig wie
dieses, doch ist es dem Trypsin gegenüber weniger
empfindlich.
7. Das Ochsenserum mit 20®/o Ammoniak, der Dosis
optima entsprechend, ist stets empfindlich einerTrypsin-
(Merk)lösung 1:3000 gegenüber.
Bald positive, bald negative Resultate gab eine
gröfsere Verdünnung des Trypsins von 1:5000 und 1:6000,
während man fast beständig negative Resultate mit
einer gröfseren Verdünnung des Trypsins erhielt.
8. Das Schweineblutserum, welches b% Ammoniak
enthielt, die einzige Dosis, die manchmal ein positives
Resultat erzielte, gab meistens negative Resultate. Mit
gröfseren Trypsinverdünnungen waren die Resultate
beständig negative.
9. Das Eiweifs gab stets negative Resultate, selbst
mit einer Trypsinlösung von 1:3000.
10. Die drei nicht alkalisierten Albuminate, auch von
l^/oo, gaben beständig negative Resultate.
Das Ammoniakserum erstarrt und verflüssigt sich
viel schneller und regelmäfsiger, wenn die Mischung vor
dem Gerinnen 24 Stunden lang in einem Ofen bei 30^
bleibt.
11. Das Schütteln oder Nichtschütteln des Eiweifses
vor dem Hinzufügen des Alkali ist fast ohne Bedeutung,
da man ebenfalls ohne Schütteln ein festes und durch-
sichtiges Albuminat erhält.
192 Studium der proteolytischen und gelatinoly tischen Knsyme.
12. Von grofser Wichtigkeit hingegen ist das gute
Schütteln der Mischung. Denn während man beim tüch-
tigen Schütteln ein gleichmäfsig festes und durchsich-
tiges Albuminat erhält, so ist das, welches nicht ge-
schüttelt wird, unregelmäfsig fest oder sogarganz flüssig,
wenn man nur einmal die Prouvette umkehrt.
13. Läfst man die Mischu^g 30' lang bei 70^ so erhält
man ein gutes Albuminat, hingegen ist dies nicht der
Fall, wenn sie nur 15' in derselben Temperatur bleibt.
Diese Albuminate können sowohl bei den Röhrchen-
wie auch bei den Schalenmethoden angewandt werden.
In letzterem Fall giefst man eine Schicht von 1 ccm
flüssigen Albuminates in eine Schale, bringt dieselbe in
eine Temperatur von 70®, zu welchem Zwecke man den
Kochschen Apparat zur Erstarrung des Blutserums an-
wendet, welcher genau wagrecht gesetzt wird. Sodann
sät man auf die Oberfläche des erstarrten Albuminates
die Materialstückchen, in denen man das Enzym sucht
und zwar in geordneter Weise und den gleichmäfsig
nebeneinander auf den Boden der Schalen geklebten
Angaben entsprechend.
Vn. Die Empfindlichkeit der Gelatine, des Fibrins, des einfachen^
verdünnten und anunoniakalischen Blutserums, des Kaseins und
des Eiweifses in vergleichender Weise studiert.
Um die Empfindlichkeit der Gelatine hervorzuheben und
dieselbe besser beurteilen zu können, wollte ich sie mit dem
Fibrin, dem Blutserum, dem Eiweifs und dem Kasein vergleichen.
Ich stellte daher folgende Versuche an:
A. Empfindlichkeit des Fibrins.
Yersneh !•
Ich lasse hier die Tabelle folgen, welche die Resultate eines meiner
vor vielen Jahren angestellten Versuche wiederbringt.
Von Prof. Olaadio Fenni.
193
;' Schicht der
Trypsinlösuns |i aufgelösten
II Gelatine
Fibrin Vi g pro Probe
1000 1
2000
4000
8000
16000
32000
6 mm
6 >
4,5»
4,5»
4 >
4
3
3
2
2
0,5
0,6
gänzlich aufgelöst
gänzlich aafgelOst
gänzlich aofgelOst
gänzlich aafgelOat
gänzlich aufgelöst
unvollständig aufgelöst
nicht aufgelöst
unvollständig aufgelöst
nicht aufgelöst
nicht aufgelöst
nicht aufgelöst
nicht aufgelöst
Resultat: Die Gelatine war also in diesem Falle acht-
mal empfindlicher als das Fibrin.
Yersneh 2.
In Prouvetten, welche 5 ccm Merksches Trypsin in verschiedenen Ver-
dünnungen (1:100 000,50 000,33 000,25 000,20000, 16000, 14000, 12 000,
11000, 10000) enthielten, wurden frische Fibrinflöckchen von Ochsenbint
gelegt. Diese Prouvetten wurden dann in einem Ofen bei 30^ aufbewahrt.
Nach 6 Tagen war das Fibrin noch unverändert.
Ich wiederholte dasselbe Experiment mit Ochsenfibriu,
welches in Glyzerin aufbewahrt war (und was fast immer empfind-
licher ist) und erhielt dasselbe Resultat.
Dieses Experiment wiederholte ich, indem ich Fibrin vom
Schweine anwandte, das, wie aus meinen anderen Versuchen
hervorgeht, bedeutend empfindlicher ist als jenes des Ochsen,
und auch als jenes des Pferdes und des Schafes, doch blieb das
Resultat das gleiche. Das Trypsin 1:1000 hält sich un-
versehrt auch 6 Tage lang.
Yersneh 8.
Ich wiederholte denselben Versuch mit einer Trypsinlöeung von 1 : 10000
bis 1 : 5000 und erlangte nach 8 Tagen ein gänzlich positives Resultat.
Wir kommen daher zu dem Schlüsse, dafs sowohl
das Ochsenfibrin, wie jenes vom Schweine in der Lösung
von circa 1:8000 dem Trypsin gegenüber am empfindlichsten ist.
Archiv fftr Hygiene. Bd. LV. 13
194 Stadinm der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
Auch wenn die Empfindlichkeit des Fibrins in Gregenwart von
noch energischeren Trypsinpräparaten die oben angegebene Grenze
übersteigen und dieses Enzym auch bei 1:15000, einer Grenze
der Empfindlichkeit; die ich nie erreicht habe, noch zu entdecken
wäre, so würde die Empfindlichkeit doch immer 70 mal geringer
sein als die der Gelatine zu 2 — 3**/o, Natron zu 1 — 2®/q, da diese,
wie wir bewiesen haben, bis zu einer Lösung von 1 : 1 400 000
empfindlich ist.
Auch die folgenden Betrachtungen sprechen gegen das Fibrin
und zugunsten der Gelatine.
2. Um die Anwesenheit eines proteolytischen Enzyms mittels
Fibrin nachzuweisen, sind wenigstens 10 — 20 ccm Flüssigkeit
zu den Untersuchungen erforderlich, während hingegen 1 ccm, ja
sogar auch ^/2 ccm mit der Gelatine hinreicht.
2. Mit der Gelatine kann man ganz genau die Wirkung des
Enzyms beobachten und messen.
3. Selbst bei langer, monatelang andauernder Wirkung der
Enzyme auf die Gelatine kann man den Verlauf beobachten.
Dieses ist nicht möglich bei dem Fibrin, die Fermente bei 30^
bis 40" verlieren schnell ihre Kraft und haben auf dasselbe
keine Wirkung mehr.
4. Mit der Gelatine kann man viel leichter die aktiven,
physisch-chemischen Agentien auf die Enzyme studieren als mit
dem Fibrin. Dies ist mit dem Fibrin nicht möglich, da diese
Substanzen einerseits das Fibrin zusammenziehen und es
weniger löslich machen, anderseits die Enzyme so schwächen,
dafs sie nicht mehr auf das Fibrin wirken.
Mit der Gelatine genügt zum Unterschiede von dem, was
mit dem Fibrin geschieht, das einlache Kriterium der Verflüs-
sigung, da Spuren von Verflüssigung hinreichend sind, mit Ge-
wifsheit die Anwesenheit eines Enzyms nachzuweisen.
5. Anderseits können die Gelatineröhrchen tage-, ja sogar
monatelang mit allerlei organischen Flüssigkeiten wie Urin, Milch,
bakterische Massen usw., welche Antiseptica enthalten und auf
100** erwärmt sind, erhalten werden, ohne dafs nur eine Spur
von Verflüssigung wahrzunehmen sei.
Von ftrof. Claudio Fenni. 195
Das Fibrin hingegen löst sich auch mit verschiedentlicher
Schnelligkeit auf, je nach der Gattung des Tieres dem es an-
gehört, und zwar in sauren Flüssigkeiten wie auch in alkalischen
und neutralen. Deutschmann (^) fand, dafs das Atzkali, 5^/oodas
Fibrin der Ratte in 30', das des Meerschweinchens, des Huhnes,
des Lammes, der Ente, der Gans, der Taube in 45 — 60' auflöst,
während jenes des Hundes, der Katze, des Schweines, des
Ochsen, des Menschen, mehrere Stunden erfordert.
Green^) konstatiert, dafs das Fibrin des Schafes sich im
Natriumchlorid zu 10% auflöst.
Gautier^) und Hammarsten^) weisen die Lösbarkeit des
Fibrins in den Salzen nach.
Auch ich^) fand beim Studium der Solubiütät des Fibrins
in den Säuren, dafs das Fibrin vom Schweine sich in HCl 5<*/oo,
in wenigen Stunden auflöst. Weniger auflösbar ist das vom
Schafe und vom Pferde, noch weniger aber das vom Ochsen.
Auch diese Unterschiede der Solubiütät des Fibrins, welche
nicht nur von Tier zu Tier verschieden sind, sondern sogar
wechseln, je nachdem sie vom Arterienblute oder vom Venen-
blute, von dem oberen Teile oder von dem unteren des Gerinnsels
herstammen, sprechen nicht zugunsten der Sicherheit dieses
Reagens im Forschen nach den proteolytischen Enzymen.
B. Empfindlichkeit des Blutserums.
Ich untersuchte die Sensibilität des Blutserums, vom Ochsen
und vom Schweine. Zu diesem Zwecke verteilte ich das Serum
in Mengen von je 1 ccm pro Röhrchen und brachte es zur Er-
starrung ^/2 Stunde lang in ein Wasserbad von 70®. Nachdem
die obere Grenze des Serums angezeichnet war, gofs ich 1 ccm
1) Beiträge zar Kenntnis des Blatfaseratoffes.
2) Natriamchlorid bei der Lösnng von Fibrin. Jahresber. d. Tierchemie,
XVm, 76, 1888.
3) LöslicheB Albumin durch die Spaltung des Fibrins. Compt. rend.,
27. Juni 1874.
4) Faserstoffgerinnung. Jahresber. d. Tierchemie, 25, 1875.
5) Zeitschr. f. Biologie, XXVIQ. Die Auflösung des Fibrins durch
Salze und verdünnte Säuren.
13*
196 Studiam der proteolytischen und gelatinolytischen Ensyme.
Trypsin in der Verdünnung von 1 : 1000—2000—3000 — 4000—5000
in die Röhrchen; nach 10 Tagen wurde die aufgelöste Serumschicht
gemessen und man fand nur Spuren einer Verflüssigung in
den Röhrchen mit Trypsin von 1:1000 und zwar ^/g mm
und 1 mm.
C. Empfindlichkeit des verdünnten Blutserums.
Da man, um die Empfindlichkeit der Gelatine zu steigern,
dieselbe in verschiedenen Konzentrationen (8 — 5 — 10%) zubereiten
kann, wollte ich sehen, ob es mögUch wäre, die Empfindbarkeit
des Serums und des Eiweifses zu vermehren, durch verschieden-
gradige Verdünnungen, ohne dafs sie ihre Erstarrungskraft ein-
hülsten.
Yersneh 1.
Ich bereitete verschiedene VerdQnnungen von Serum und Eiweifs in
Proavetten, verteilte sie in Röhrchen and brachte diese sodann zur Er-
starrung 30 Minuten lang in ein Wasserbad von 70* Hierauf gofs ich in
die geronnenen Röhrchen 1 ccm Trypsin Merk zu 1 °/oe tind liefs sie 14 Tage
lang bei 30* stehen. Das Resultat war:
VerdQnnungen
Er-
starrung
Verflassi-
gung
Serum 4 ccm -\- Karbol säurelösg. 1 ccm
> 3 > -f- * 1 >
> 2 » + » 1 >
> 1 > + » 1 >
1 » 4- » 1 >
+
+
+
+
+
0
0
0
0
0
Das bis zum Zweifachen seines Volumens verdünnte
Serum gerann noch, nahm aber nicht sichtlich an
Empfindlichkeit zu.
Yersneh 2.
Ich wiederholte dasselbe Experiment, indem ich das Serum mit Glyserin
in den gleichen Proportionen anstatt mit Karbolsäurelösung verdQnnte und
erhielt das folgende Resultat:
Resultat: Keines der Röhrchen gerann nachdem
sie in das Wasserbad gebracht worden waren. Das Gly-
zerin ist also nicht geeignet zu diesem Zwecke.
Von Prof. Cliudio Permi. 197
D. Empfindlichkeit des Eiweifses.
Da das geronnene Eiweifs bedeutend empfindlicher ist dem
Trypsin als dem Fibrin gegenüber, so verglich ich mit bedeutend
konzentrierteren Trypsinlösungen und zwar zu 1:5000 — 1:4000 —
1 : 3000—1 : 2000—1 : 1000.
In diesem Zwecke legte ich in eine jede dieser Prouvetten,
welche 5 ccm benannter Lösung enthielten , einen Würfel von
geronnenem Eiweifs, der 5 mm pro Seite mafs, sowie ein vier-
eckiges Stück, dessen Seiten 5 mm und die Höhe nur 1 mm
mafsen und brachte die Proben in eine Temperatur von 30 ^
Selbst nach 15 Tagen erzielte ich ein fast vollständig negatives
oder unregelmäfsiges Resultat, denn während in fast allen Proben
die Würfel sich vollständig unversehrt erhalten hatten, war das
dünnere Stück aufgelöst, doch konnte man dem keinen Wert
zuschreiben, da die Auflösung in unregelmäfsiger Weise vor sich
ging ohne zu einem Schlufs zu führen ; so hatte man z. B. eine
Auflösung bei 1:2000, während sie ausblieb bei 1:1000 und
1:600.
Man kann deswegen hieraus schlielsen, dafs das Eiweifs, auch
angenommen, dafs es dem Trypsin gegenüber in der Lösung von
1:500 empfindlich sei, ungefähr 2800mal schwächer wirkt als die
Gelatine, deren Empfindlichkeit, wie wir gesehen haben, bis auf
1:1400000 kommen kann.
E. Empfindlichkeit des Kaseins.
Ich vollzog dieses Experiment in derselben Weise wie die
vorigen, indem ich die Eiweifswürfel und Stückchen durch Würfel
und Parallelepipedons von Schweizerkäse ersetzte, der infolge
früher von mir vorgenommener Versuche sich als für ähnliche
Versuche als am geeignetesten gezeigt hatte, da er sich am
leichtesten zerschneiden läfst und sich nicht in einer unwirksamen
Flüssigkeit (Wasser) auflöst, wie das bei dem Fontinakäse ge-
schieht, während er dem Trypsin und dem Pepsin gegenüber
einer der empfindlichsten ist.
198 Stadinm der proteoljrtischen and gelatinolytischen Enzyme
Resultat: Die Prouvetten wurden alle 5 Tage unter-
sucht, und ich konnte feststellen, wie dies auch beim
Eiweifs der Fall war, dafs die Auflösung einiger der
dünneren Stücke unvollständig vor sich ging bei einer
Lösung von 1:5000 bis 1:2000, dafs die Auflösung nur
vollständig wurde in jener von 1 : 1000.
Demnach ist hieraus zu schliefsen, dafs die Empfind-
lichkeit des versuchten Kaseins ungefähr 1400 mal ge-
ringer ist als jene der Gelatine.
Ich wiederholte den Versuch mit Ricotta (Molkenkäse), und
sah, dafs dieser bedeutend empfindlicher ist als der Schweizer-
käse, und zwar so, dafs er sich auch in einer Trypsinlösunp
von ungefähr 1 : 5000 auflöst. Demnach wäre die Ricotta
280 mal weniger empfindlich als Gelatine.
F. Empfindlichkeit der Muskeln.
Ich wiederholte den Versuch mit Muskelstückchen von gleicher
Gröfse als jene, die ich für das Eiweifs anwandte. Noch nach
4 Tagen waren die Muskelstückchen unversehrt; die
Empfindlichkeit der Muskeln dem versuchten Trypsin
gegenüber ist also geringer bei 1 : 1000.
G. Emi)findlichkeit der Mischung verschiedener
Albuminate.
Ebenfalls wollte ich sehen, ob beim Mischen verschiedener
Albuminate, z. B. Serum mit Eiweifsserum -)- Gelatine zu 20%,
in verschiedenen Proportionen, sich die Erstarrungsfähigkeit dieser
Mischungen bei der Hitze erhalte und ob ihre Empfindlichkeit
den proteolytischen Enzymen (Trypsin) gegenüber zu- oder ab-
nehme.
Yersneh 1.
Ich mischte verschiedene Proportionen der drei oben genannten Eiweils-
stoffe in Pronvetten, verteilte die Mischung in Röhrchen in Mengen von je
1 com, unterHachte dann die Erstarrang in der Wärme und ihre Empfindlich-
keit den Enzymen gegenüber, indem ich in die Röhrchen, in denen die
Erstarrung stattgefunden hatte, 1 com Trypsin Merk zu 1 ^/^ tat und brachte
sie in eine Temperatur von 30^.
!\
Von Prof. Claudio Fermi.
Nach 4 Tagen erhielt ich folgendes Resnltat :
199
Er-
Verflüssi-
starrang
gung
EiweiÜB p. 1 ccm -f- Semm p. 4 ccm
+
0
y >l>-j- > >3>
+
0
y , 1 , -|_ > > 2 >
+
0
> »1>-|- > >1>
+
Versneh 2.
Der Versach wurde wiederholt, indem ich Serum mit Oelatine mischte ;
das Resultat war:
Er-
Verflüssi-
starrung
gung
Serum 4 ccm -{~ Gelatine 0,5 ccm
+
0
> 3 > + > 0,5 »
+
0
> 2 > + > 0,5 >
+
0
> 1 > + > 0,5 .
+
0
Resultat: Diese beiden Experimente zeigen, dals
die Mischungen von Serum und Eiweils (auch von 1:4),
von Serum und Gelatine (1 : 1^/2) noch regelmäfsig er-
starrten, aber dafs die Empfindlichkeit den Enzymen
gegenüber nicht zunimmt.
Vergleichende Tabelle der Empfindlichkeit der verschiedenen
Beagentien älterer und neuerer Methoden den proteolytisohen
Enz3nnen gegenüber.
Die folgende Tabelle gibt die ungefähre Maximalgrenze der Emp-
ßndhchkeit der verschiedenen Methoden und Verfahren bei den
Untersuchungen des Trypsins an.
Reagentien
Empfindlichkeit
Superioritftt der
Gelatine von
1. Gelatine 2— 3Vo, Natron 2%:
a) Röhrchenmethode
b) Methode der flüssigen Gelatine . .
c) Methode der Extraktion mittels Fibrin
2. Ochsenfibrin
1 : 1 400 000
1:1000000
1:200000
1:8000
120 mal
200 Stndium der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
Saperiorität der
Gelatine von
Reagentien " Empfindlichkeit
3. Ochsenserum mit Ammoniak .... 1 : 5000
4. EiweiTs mit Ammoniak 1 : 800
f). Kasein 1:1000—5000
6. Ochsenserum (einfach) 1 : 1000
7. Ochsenseram verdünnt 1 : 1000
8. Serumgelatine 1 : 1000
9. Kaninchenmußkel 1 : 1000
10. Eiweifs 1 : 500
11. Mischung von Serum und Eiweifs . . 1 : 500—800 2800— 1750 mal
280 mal
1750 y
1400—280 mal
1400 mal
1400 >
1400 >
1400 »
2800 >
Zusammenfassung.
1. Mit der Methode der festen Gelatineröhrchen
kann die Empfindlichkeit der Gelatine bis 1:1400000
gelangen, mit jener der flüssigen Gelatineröhrchen bis
1:1000000, während sie mittels der Extraktionsmethode,
mittels Fibrin und mittels der Gelatineplattenmethode
ein Maximum von 1:200000 erreichen kann.
2. Die Empfindlichkeit der so zubereiteten Gelatine
übertrifft 120mal jene des Ochsenfibrins, 280mal jene des
Ochsenserums mit Ammoniak (NH» 20o/o); 280— 1400mal
jene des Kaseins (je nach der Sorte) 1400mal das Ochsen-
serum und die Muskeln (von Kaninchen) und endlich
2800mal das geronnene Eiweifs.^)
3. Das Fibrin übertrifft ungefähr 2mal das Blutserum
des Ochsen, mit Ammoniak (NH^ 20%); 2 — 14 mal das
Kasein, (je nach der Sorte); 14mal die Muskeln von
Kaninchen und 24 mal das Eiweifs.
4. Das versuchte Kasein (je nach der Sorte) erwies
sich als 1 — 7 mal geringer als das Ammoniakserum, und
gleich bzw. 4 mal besser als das einfache oder verdünnte
Ochsenblutserum, die Serumgelatine und die Muskeln
und 1 — 9 mal besser als das einfache Eiweifs.
1) Das geronnene EiereiweiXs (Me tische Methode) ist daher mm Nach-
weis des Trypsins nicht zu empfehlen.
Von Prof. Claudio Fermi. 201
5. Das Ochsenserum mit Ammoniak zeigte sich 7 mal
besser als das einfache oder verdünnte Ochsenserum, die
Serumgelatine und die Kaninchenmuskeln, und ungefähr
15mal besser als das Eiweifs, einfach oder mit Blutserum
vermischt.
6. Die Verdünnungdes Serums oder des Eiweifses ver-
mehrt die Empfindbarkeit den Enzymen gegenüber nicht,
wie dies hingegen bei der Gelatine sich zeigt.
VIII. Über die Möglichkeit der quantitativen Bestimmung der
proteolytischen Enzyme.
Da die Gelatine ein so empfindliches und sicheres Reagens
ist, um die Anwesenheit eines Enzyms zu beweisen, könnte man
glauben, dafs sie auch zu einer quantitativen Bestimmung dienen
könnte. Doch ist dies, wie wir sehen werden, nicht der Fall.
Eine wirkliche quantitative Bestimmung ist gegenwärtig noch
unmöglich.
Das einzige, was man erreichen könnte, wäre eine quanti-
tative Bestimmung der gelatinolytischen Wirkung einer enzym-
haltigen Flüssigkeit im Verhältnis zu jener eines bekannten
Enzymes, wie z. B. eines bestimmten Trypsinpräparates.
Solange wir nicht imstande sind, die Schwächung zu
kennen, welcher die Enzyme ausgesetzt sind, können wir von
keiner Methode in bezug auf die quantitative Bestimmung der-
selben reden.
An welche Methode könnten wir in der Tat denken, um
quantitativ ein proteolytisches Enzym nachzuweisen?
Es würden deren nur zwei sein : die erste wäre, das Ferment
aus der Flüssigkeit zu präzipitieren, die dasselbe enthält, es zu
isolieren und dann zu wiegen.
Doch sind wir noch nicht in der Lage, die Fermente voll-
ständig zu isolieren, und wenn dies auch möglich wäre, so
würden die unausbleiblichen Verluste, die den langen Opera-
tionen folgen, die Resultate fast allen Wertes berauben.
Die zweite Methode wäre, die Aktivität einer gegebenen
gelatinolytischen Flüssigkeit auszudrücken, indem man sich auf
202 Stadinm der proteolytischen und gelatinolytischen Enzyme.
die der Lösung eines bekannten Enzvmes bezieht, z. B. eines
gegebenen Trypsinpräparates. Man müfste hierzu eine Tabelle
herstellen, welche die Quantitäten oder die in einer bestimmten
Zeit, in einer bestimmten Temperatur durch eine gegebene
Quantität einer Reihe von Lösungen der obengenannten Enzyme
aufgelösten Gelatineschichten darstellen. Will man die Wirkung
einer gegebenen gelatinolytischen Flüssigkeit feststellen, so
müfste man denselben Versuch mit derselben wiederholen und
so könnte man sagen : die gegebene Flüssigkeit hat eine Aktivität,
die der der Trjrpsinlösung gleich ist, z. B. zu 1:10000 etc.
Diese Methode wäre einfach und sicher, wenn man mit sehr
reinen Enzymen arbeiten oder wenn man quantitativ und quali-
tativ die Unreinlichkeit der verschiedenen Präparate kennen
könnte, also ihren Inhalt an einem reinen Enzyme. Leider
können MÖr aber nur mit Mischungen von qualitativ und quan-
titativ unbekannten Substanzen arbeiten. Es ist daher unmöglich,
in Rede stehende Trypsiulösungen von einer genauen, bestimmten
Konzentration bereiten zu können.
Der Wechsel der Aktivität des Trypsins von Tier zu Tier,
vom Individuum zu Individuum, von Präparat zu Präparat trägt
noch dazu bei, die Schwierigkeiten der Frage zu vermehren.
Infolgedessen ist es nicht möglich von einer genauen Methode
in bezug auf die quantitative Bestimmung der proteolytischen
Enzyme zu reden. Wir müssen uns mit der ungefähren Be-
stimmung der proteolytischen Wirkung einer gewissen Quantität
einer Enzym enthaltenden Flüssigkeit mit der eines bekannten
Enzyms verglichen, begnügen.
Beschreibung der Methode.
Vor allem ist es notwendig, eine Tabelle zusammenzustellen,
auf welcher man sehen kann, wieviel Millimeter Gelatine (Gelatine
f) — 10%) in Röhrchen von 5 — 6 mm Durchmesser von einer be-
stimmten Quantität der verschiedenen gelatinolytischen Enzyme
in einer gegebenen Zeit (2 — 5 Tage) aufgelöst werden können.
Will man nun ungefähr die gelatinolytische Tätigkeit einer ge-
gebenen Flüssigkeit wissen, so hat man nur 1 ccm derselben in
Von Prof. Glaadio Fermi.
203
ein Röhrchen von gleichem Durchmesser zu giefsen, nach einer
bestimmten Zeit die aufgelöste Gelatineschicht zu messen und
dann zu sehen, welche Lösung auf der Tabelle der Zahl der gefun-
denen Millimeter entspricht.
Als Beispiel solcher Tabelle dienen folgende:
Yersneh 1.
Man bereitete TrypsinlOsangen von 1 : 1000, 1 : 2000, 1 : 4000 und gofs
sodann von jeder derselben 5 ccm in ein Röhreben; von jeder Lösung
wurden iwei Proben gemacht Nach 8 Tagen wurde die aufgelöste Gelatine-
schiebt gemessen und es ergab sich folgendes Resultat:
Trypsinlösung Nach 8 Tagen
mm
Trypsinlösung
Nach 8 Tagen
1:500
( 10 mm
i 10 »
1:1000
6 >
6 >
1:2000
4,5»
4,5»
1:4000
1:8000
1:16000
I
3
8
2,5
2,5
Resultat: Wie man sieht, entsprechen sich die beiden
Proben in befriedigender Weise.
Yersneh 2.
Ein anderer Versuch einer solchen Tabelle wäre:
Trypsinlösung Nach 8 Tagen Nach 16 Tagen
11 20
8 15
4 8
2 4.
1:1000
1:2000
1:5000
1 : 10000
Yersneh 3.
In Röhrchen von 6 mm Durchmesser, welche 1 ccm Gelatine zu 5 ^/^
enthielten, gofs ich 1 ccm von den verschiedenen Trypsinlösungen und mafs
dann von Zeit zn Zeit die aufgelöste Gelatineschicht.
Die Resultate befinden sich in nachstehender Tabelle.
Merksche
Schicht der aufgelösten Gelatine nach
Trypsinlösg.
4T(r.
8 Tjj.
12TJJ.
21 Tg.
25 Tg. 27 Tg. 30 Tg.
35 Tg.
40 Tg.
1: 5000
7,5
10 14
17,5
20
38
40
41
43
6000
6,5
9,5 : 12,5
17,5
19
28 37
39
84,5
7 667
6
9 11.5
16,5 18
27 '
30.5 32
33,5
11000
5
8 10
14,5
16
22
29 30
36.5
: 11 526
4,5
7
9
14
15
21,5
28
29
82,5
204 Studium der proteolytischen und gelatinoly tischen Enzyme.
Merksche
Schicht der aufgelösten
Gelatine nach
TrypsinlOsg.
4Tk.
8 Tg.
12 Tg.
21 Tg.
25 Tg.
27 Tg. '
30 Tg.
35Tsr.
'40Tg.
1:12111 !
; 4
6,5
8,5
12,5
13,5
19,5 i
22
21^
25,5
: 12 765 '
4
6,3
8
11,5
12,5
^^ i
20
22
23.5
.13 500
4
6,2
8
11,5
12,5
18 '
19,5
21
22
14338
8.6
6
7,5
11
12,5
17
19
20,5
21
; 15 286
5,5
7,2
10,5
12
16
18
19
19,5
16 384
3,25
5
7
10
10
15
17.5
18
19
17 667
3,15
5
7
10
10
14
16,5
17
19
19182
2,75
4
—
8
9
1
14
15,5
16,5
18.5
21000
2,5
4
6,5
8
8
13
15
16
17,5
23222
2,5
4
6,25
8
8
12 !
14.5
15,6
17
26000
2,2
3
5,25
7
7,5
12 ,
14
15
17
29571
2
3
4.5
6
7,6
12
14
15
17
34338
2
3
4
6
7,5
11,5
13,5
15
16,5
.41000
1
1,25
3
4
6
7,5
11
13
15
16
Resultat: 1. Auch dieser Versuch beweist die Möglichkeit,
eine Tabelle zusammenzustellen, welche die Wirkungsgröfsen
der verschiedenen Trypsinlösungen enthält, auf der man den
Energiegrad der Lösung eines anderen Enzymes vergleichen und
ausdrücken kann.
2. Auch aus dieser Tabelle geht hervor, wie der Verlauf
der Gelatinefluidifikation mittels Trypsin mit einer gewissen
Regelmäfsigkeit vor sich gegangen ist, sowohl in bezug auf die
verschiedenen Verdünnungen als auch in bezug auf die Dauer
der Tätigkeit.
3. Nicht weniger interessant ist die Tatsache, dafs die
Fluidifikation auch Monate hindurch fortdauert, ohne dafs die
Erneuerung des Eontaktes bewirkt wird, was Duclaux für not-
wendig hielt.
Bei Anwendung dieser Methode wäre es nötig:
1. Röhrchen vom gleichen Kaliber zu benutzen, die zur
selben Zeit mit derselben Gelatinelösung gefüllt und die zu-
sammen unter gleichen Bedingungen erhalten werden.
2. Stets untereinander gleiche Quantitäten der Lösungen zu
vergleichen.
Von Prot Claudio Fermi 205
3. Die zu untersuchende Flüssigkeit vor dem Experiment
zu filtrieren.
4. Den Proben stets die gleiche Quantität derselben Anti-
septika und nötigenfalls die gleiche Quantität färbende oder
präzipitierende Substanz (Kohle etc.) hinzuzufügen.
5. Die Proben immer bei gleicher Temperatur zu halten.
6. Die Proben nicht zu schütteln oder in gleicher Weise
und bei gleicher Dauer zu schütteln.
7. Für jede Probe bereite ich gewöhnlich 3 — 5 Röhrchen
und ziehe das Endresultat aus dem Mittel der 3 oder 5 partiellen
Resultate. Ein einziges Röhrchen für jede Probe kann oft zu
unbrauchbare Ergebnisse führen.
:T^r ÄCCartil ^tfc>f "^gtim
Uf x«c. .3Lr'
biföeiminf rir tu* H^xtsitt jt aar jfiasi Tf°r ^anip^t'nt* ^
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F^üllif^HIl iLlIiH!:il4ir L3-:»rT!I&" -tS^SHS^ia. HlHIlliS ^
Äiiüitü T^u L-^JiZLiZi yiJfiJiurL ^li-T^ti. ^-ta.":!.-**
Thrrr'gg- ^th Häs«! J ESCaJäS. riOTTai iiliis^aSC gOTg^lUg*
über die Feacbtigkeit Tenchied. Maaenurten. Von Bioeardo BimnchinL 207
Temperatarverhfiltnissen (Lehmann, Nulsbaum) sowie in Be-
ziehung zu verschiedener Aussetzung und verschiedener Höhe
vom Erdboden (Gläfsgen) oder in ganz besonderen klimato-
logischen Verhältnissen (Bentier) gestaltet. Alle diese Forscher
zogen jedoch die Mauer nur ganz im allgemeinen in Betracht,
ohne bei ihren Untersuchungen auch Rücksicht auf die ver-
schiedenen Materialien der Mauer selbst zu nehmen.
Von der Überzeugung ausgehend, dafs eine Untersuchung,
die es sich zum Ziele setzt, die Austrocknung nicht gleichartig
beschaffener Mauermassen in mögUchst gleichen Raum-, Zeit- und
Stärkeverhältnissen und in möglichst gleichen Beziehungen zu
den äufseren Ursachen einem eingehenden Studium zu unter-
werfen, ein nicht unbedeutendes Interesse haben kann, liefs ich
in einem im KeHergeschoCs des Hygienischen Instituts von Turin
gelegenen Zimmer vier m 2X2X0,6 = m ' 2,40 messende
Mauern erbauen. Der Boden des Zimmers war vollständig mit
Asphalt belegt und dieser letztere in gutem Zustande. Die Tempe-
ratur hielt sich, wie ich während der langen, den Untersuchungen
gewidmeten Beobachtungszeit zu konstatieren Gelegenheit hatte,
sowohl infolge der Lage des Zimmers wie auch infolge der
Dicke der Umfassungsmauern in den verschiedenen Jahreszeiten
ungefähr auf derselben Höhe. Da das Zimmer überdies fast
stets geschlossen blieb, wies auch der hygrometrische Stand des-
selben nur äufserst geringe Schwankungen auf.
Unter solchen Verhältnissen konnten also die Mauern weder
Wasser aufsaugen noch solches an den Boden abgeben. Sie
konnten also in dieser Weise als herausgeschnittene Mauerblöcke
der Hauptmauer einer gewöhnlichen Fabrik gelten.
Die vier Mauern bestanden aus Backsteinen, Steinmasse mit
Backsteinbändem, gelochten Backsteinen und Beton. Die aus
Backsteinen bestehenden Mauern waren mit gutem Mörtel er-
baut worden, der sorgfältigst mit Kalk, Sand und Wasser
erhalten worden war, und dessen Proportionen für alle Mauern
dieselben waren. Die verwendeten Backsteine waren guter Qualität,
wohl gebrannt und vor Verwendung stets bis zur Aufnahme-
verweigerung gebadet. Für die gemischte Mauer diente eine
208 Über die Feuchtigkeit verschiedener Mauerarten.
Steinmasse aus Gneis, der zuerst getrocknet worden war, um
jedem möglichen Einflüsse des Steinbruchwassers auf die Ver-
suchsbestiramungen aus dem Wege zu gehen.
Die Mauern wurden nicht beworfen, sondern blofs gelassen,
damit ich mir ein Urteil bilden konnte, wie sich eine der Luft
ausgesetzte Mauer verhält ohne den Bewurf, welcher die Be-
dingungen des Versuchs geändert hätte. In Bezug auf die
andern Versuchsbedingungen war ich bestrebt, jede störende
Ursache auf ihr Minimum zu reduzieren, oder, soweit es möglich
war, ganz auszuscheiden.
Alle 15 Tage nahm ich aus den Mauern eine Probe ab,
wobei ich darauf bedacht war, dies bei allen vier Mauern nicht
nur am selben Tage, sondern möglichst auch in derselben Stunde
vorzunehmen, damit das Versuchsbild wirklich als ein in gleichen
Raumverhältnissen gewonnenes gelten konnte.
Zur Bestimmung der Feuchtigkeit der Mauern bediente ich
mich der Methode Pagliani^), die mich stets zu guten und ge-
nauen Ergebnissen führte. Diese Methode empfiehlt sich be-
sonders durch ihre leichte Technik und die Einfachheit der ver-
schiedenen Operationen. Mufste ich Hydratwasser bestimmen,
so nahm ich die Methode Gläfsgen zu Hilfe. Nur erhitzte ich
1) Nachstehend die Methode Paglianis: Es wird eine 20 — 30 jt
wiegende Probe auf ein Soxhletsches Filter gegeben, das in einem passen-
den Filtriergefäfs ruht und zuvor mit ihm gewogen wird. Hierauf wird das
Gewicht des Filters, den Filtriergefäfses und des aufgenommenen Materials
festgestellt, um aus dem Unterschiede das genaue Gewicht des aufgenom-
menen, cum Versuch dienenden Materials zu erfahren. Nun wird das
Material in einen Mörser gegeben, eine bestimmte Quantität absoluten
Alkohols beigefügt und gut zerrieben, aber immer so, dafs das Material
unter Alkohol verbleibt. Dann kommt das zerriebene Material mit dem
Alkohol in ein Fingerhutfilter, der Mörser selbst wird vorsichtig mit an-
derem Alkohol gewaschen und auch dieser letztere auf dasselbe Filter ge-
bracht — das dann auf einem passenden Filterträger ruht und im unteren
Teile einen Hahn besitzt — und filtriert. Sodann wird das Filter mit dem
Backstandsmaterial in einen Exsiccator gebracht und so lange dort belassen,
bis der kleine Rest Alkohol, der dort verblieben sein kann, ausgeschieden
ist. Schlielslich wird ein letztes Mal Filtergef&fs, Filter und Material gewogen.
Der Gtowichtsonterschied , der sich nun zwischen erster und zweiter Ab-
wAgung ergiebt, kann nur von dem durch den Alkohol hervorgerofenen
Wasserverlast des Materials herrühren.
Von Ing. Riccardo Bianchini. 209
dabei die Liebigscbe £nte uicbt über einer Gasflamme, sonderD
setzte sie in einen gewöhnlichen Trockenofen und brachte an
den beiden Enden der Ente je 1 längere Glasröhre derart an,
dafs sie aus den Wänden des Ofens hervorstanden.
Die aufserhalb des Ofens hervorgerufene C02-Strömung wird
nun* mit Hilfe einer der beiden Röhrchen mit dem Versuchs-
material in Verbindung gebracht, das andere Röhrchen diente
zum Ausflufs. Nachdem nun der Ofen erhitzt, las ich die
Temperatur an einem Thermometer ab. Auf diese Weise konnte
ich mit hohen Temperaturen arbeiten, ohne das Gefäfs einem
Springen auszusetzen, was leicht vorkommt, wenn ihm die Flamme
direkt zugeleitet wird. Damit dann während des Erkältens keine
Feuchtigkeit von dem Versuchsmaterial aus dem Wasserdampf
der Luft eingesaugt werde, schlofs ich die Ausflufsröhre für CO2
luftdicht ab. Bei einem solchen Vorgehen konnte das Abwiegen
auch an einem der nachfolgenden Tage vorgenommen werden,
ohne dafs dadurch Fehler entstanden, was mir eine Reihe sorg-
fältigst durchgeführter Versuche bewies.
Die Versuchsprobe, auf die sich Fig. I bezieht, wurden stets
in einer Tiefe von 20 cm, von der Aufsenfläche der Mauer ab-
gerechnet, herausgenommen. Über die Wahl gerade dieser Tiefe
werde ich mich in einem andern Teil dieser Arbeit näher aus-
lassen.
Da aber infolge der zu grofsen Tiefe, in der ich arbeiten muTste,
zur Herausnahme dieser Proben der Tursinische Mauerbohrer
seine Dienste versagte, verwendete ich einen röhrenförmigen
Meifsel aus härtestem Stahle. An einem Ende ist der Diameter
besagter Röhre auf einer Länge von 10 cm bedeutend geringer,
sie selbst läuft in einen äufserst scharfen Rand aus.
Ein volles Stäbchen aus weichem Eisen mit ringförmigem
Schnitt und einem Aufsendurchmesser, der dem Lmendurch-
messer des engeren Teiles der Röhre gleichkommt, konnte in
letzterer mit leichter Reibung laufen. Hatte ich sodann mit
einem gewöhnUchen Meifsel die vorerwähnte Tiefe fast herge-
stellt, so führte ich an seiner Stelle den ringförmigen Meilsel
ein und liefs ihn dann mit einigen Hammerschlägen in die ge-
AzchiT für Hygiene. Bd. LV. 14
210 Über die feachtigkeit yerschiedener Mauerarten.
wünschte Tiefe gelangen. Zog ich dann den Meifsel zurück, so ent>
hielt dieser in seiner verengten Innenhöhlung eine gewisse
Quantität Material, die mit Hilfe des Eisenstäbchens in das Filter
im B'iltergefäCs gestolsen wurde. Um äulserst genau vorzugehen,
liefs ich jedoch vor Eingabe des Materials in das Filter zuerst
eine kleine Quantität ausfallen, die ich wegwarf, wonach somit
nur die Zentralpartien des Zylinders in das Filter gelangten, da
ich überdies darauf bedacht war, auch den mit dem Eisenstäb-
chen in Berührung gekommenen Teil nicht zu verwenden. So
kam also das Material mit der Atmosphäre nicht in Berührung,
und unterlag die darin enthaltene EEsO-Quantität keiner Ver-
änderung.
Tabelle I. gibt die Ergebnisse wieder, die auf Grund
systematischer Beobachtungen mit den in vorerwähnter Weise alle
14 Tage herausgenommenen Proben der 4 Mauern in 2^2 Jahren
erhalten wurden.
Aus der Fig. I kann man also zu den nachfolgenden Schlüssen
gelangen:
I. Dafs die Biegungen der Kurven in der ersten Daseins-
periode eines Mauerwerks viel ausgeprägter sind, und dafs dies
für alle Mauertypen gilt.
U. Dafs die Feuchtigkeit des Raumes nur dann auf die
Feuchtigkeit der Mauer einwirkt, wenn die Mauer eine gewisse
Trockenheit erlangt hat, und auch dann nur auf die Oberflächen-
schicht.
III. Dafs jeder Mauertypus auch bei gleichen Raumverhält-
nissen seine besondere minimale Feuchtigkeit besitzt, die man
den eigenen Feuchtigkeitsgrad eines Mauerwerks nennen
könnte.
IV. Dafs die Jahreszeiten wenig EinfluTs auf den Trocknungs-
vorgang einer Mauer haben, wenn diese den Sonnenstrahlen
entzogen ist, wie dies bei meinem Versuche der Fall war.
V. Dafs unter den im Versuche benutzten Mauertypen
die Austrocknung zeitlich in nachfolgender Reihenfolge vor sich
ging: Zuerst gelochte Backsteine, dann gemischtes Mauerwerk,
gewöhnliches Mauerwerk und zuletzt Beton.
Von Ing. Siccardo Bianchinl. 211
Das erhaltene und io der I. Konklusion zUBammengefafste
Ergebnis Ifttst sich leicht aus der bedeutenden zwischen Hygro-
meterstaod der Mauermasa« und dem der Luft bestehenden
Differenz erklären. Mit andereu Worten trat da eine E^cheiuung
auf, die dem Wärmeaustausch zwischen zwei Eorpem gleicht.
Diese Erklftnmg rechtfertigt auch das Ei^ebnis der
n. KonUosion.
Nicht ganz so einfach ist eine Erklärung für die III. Eon-
klasion. Da es sich bei meinen Bestimmungen immer um den
Dlagmuune des FeDekti^keitsTcrlftiih In den Tenehiedeneii Sehlchten der
Tier TeneUedeaea Manerart«!!.
Freiwassei^ebalt des Materials handelte , so läfst sich die Er-
scheinung wohl mit der gröfseren oder geringeren Adbftaion er*
klären, die ein Material dem Wasser gegenüber besitzt. Zur
Bestätigung dieser Konklusion entnahm ich dem Zentralteil der
Backsteinbänder der Gemischten Mauer Proben, die mir genau
dieselben Ergebnisse lieferten wie die Proben aus der vollen
Backsteinmauer.
Die IV. Konklusion rechtfertigt sich in einfacher Weise,
wenn man in Betracht zieht, dafs, was ich schon eingangs be-
merkt habe, die Temperatur im Versuchsraum fast stets dieselbe
212 Über die Feuchtigkeit veracbiedener Mauerarten.
war. War also die Wasserdampfquantität des Raumes (haupt-
sächlich bedingt durch die Mauern) in den verschiedenen Zeiten
ganz oder fast konstant (wie auf der Tafel die Kurve des Ober-
flächenhygrometerstandes besagt), so konnte auch die Spannungs-
differenz des Dampfes in den verschiedenen Jahreszeiten nur
gering sein.
Es konnte somit auf Grund dessen, was ich schon in Kon-
klusion I und II gesagt habe, auch in verschiedenen Jahres-
zeiten im besonderen Fall der künstlichen Bedingungen meiner
Versuche, die Differenz zwischen der Wasserdampfspannung des
Raumes und der der Mauer für fast oder ganz konstant gehalten
werden, und so machte sich also der Verlust von H2O in der
Mauer auch in den warmen Jahreszeiten nicht in grölserem
Mafse fühlbar.
Diese Erscheinung tritt nun freilich nicht ein, wenn eine
Mauer den freien Luftströmungen ausgesetzt ist oder noch
weniger, wenn sie direkt von den Sonnenstrahlen getroffen wird.
Es soll jedoch hier nicht aufser acht gelassen werden, dafs sich
unter den Verhältnissen meiner Versuchsmauern alle Innen-
mauern eines Gebäudes befinden, für die der Einflufs der Winde
oder der Sonnenstrahlen immer äufserst gering und sicherlich
sehr partiell ist. Aus diesem Grunde glaube ich wohl behaupten
zu dürfen, dafs die erhaltenen Ergebnisse von Bedeutung sind,
indem sie vor allem ein Urteil abgeben über die hauptsächlichsten
Bedingungen nicht nur des "Mauerteils einer Fabrik, sondern
auch über die Verhältnisse, die den Forscher am meisten in-
teressieren, insofern als ein Zimmer meist nur eine direkt den
Sonnenstrahlen und den Winden ausgesetzte Wand hat und die
Wirkung der Feuchtigkeit der Mauern, will man zu einem
praktischen Ergebnis gelangen, stets in ihrer Beziehung zum
Zimmer studiert werden mufs.
Deshalb glaubte ich keinen Fehler zu begehen, wenn ich
die IV. Konklusion auf Mauern von im Freien konstruierten
Gebäuden ausdehnte.
In der V. Konklusion ist die Reihenfolge gegeben, in der
die verschiedenen Versuchsmauern zeitlich austrockneten. Pröft
Von Ing. Riccardo Bianchini. 213
man den Verlauf der verschiedenen Kurven und vergleicht man
sie untereinander, so wird man gewahr, dafs die Betonmauer im
Anfange eine raschere Austrocknung aufweist als die andere,
während dann die Kurve nicht nur auf derselben Höhe stehen
bleibt, sondern immer höher liegt als die der anderen Mauern.
Auf den ersten Augenblick scheinen sich die beiden £}rschei-
nungen zu widersprechen, sind aber in jeder Weise gerechtfertigt.
Tatsächlich enthält nun die Betonmauer zu Anfang mehr Wasser
als die andern, doch ist das Wasser bei ihr gleichmäßiger ver-
teilt. Die Differenz zwischen der Wasserdampfspannung des
Raumes und der der Mauer ist gröfser, der Austausch aktiver
und die Kurve bietet eine stärker ausgesprochene Biegung. Über-
dies tritt die Erscheinung infolge der Beschaffenheit des Materials
an der Oberfläche rascher zutage, und es wird infolge der
Kapillarität aus dem ganzen homogenen Block Wasser heran-
gesaugt, und so geht die Kurve unter die der anderen Mauern.
Gleichzeitig aber bildet sich an der Oberfläche durch Ein-
wirkung des CO2 der Luft auch eine Schicht Kalziumkarbonat,
die die innere Feuchtigkeit nicht mehr so leicht passieren läfst,
und so bleibt die Kurve, nachdem diese chemische Wirkung
zustande gekommen ist, hoch und höher als die der andern. Ihr
Niedergang findet nur ganz langsam statt. Der eigene Feuchtig-
keitsgrad dieses Mauertypus ist also höher als der der anderen
Versuchsmauem .
Demgegenüber trocknet die aus gelochten Backsteinen ge-
baute Mauer rascher. Dieser leicht erklärliche Vorgang steht in
Verbindung mit der gröfseren Menge Luft, die im Innern dieser
Mauer zirkuliert, womit gleichzeitig eine bedeutende Erhöhung
der Verdunstungsoberfläche einhergeht. Vergleicht man dann die
Kurve der gemischten Mauer mit der Kurve der nur aus Back-
steinen bestehenden Mauer, so bleibt noch Folgendes zu be-
merken übrig. So gut nämlich auch die gemischte Mauer gebaut
sein mag, so wird sie doch immer eine gröfsere Anzahl leerer
Räume zwischen Material und Material enthalten als die gewöhn-
liche Fabrikmauer. Es ist also auch in diesem Falle eine gröfsere
mit der Luft in Berührung stehende Fläche gegeben und so
214 Über die Feachtigkeit verachiedener Maaerarten.
nimmt dann auch die Trocknung einen schnelleren Verlauf. Die
Kurve bleibt also beständig niedriger als die der gewöhnlichen
Fabrikmauer und ebenso steht es mit dem eigenen Feuchtigkeits-
grad. Im übrigen wird bei Konstruktion der gemischten Mauer
eine geringere Menge Wassers verwendet als bei den andern.
Es findet sich also in ihr natürlich stets weniger Wasser als in
den anderen ähnlichen Mauerarten, die sich nicht, wie die Mauer
mit gelochten Backsteinen, in besonderen Verhältnissen befinden.
Aufser den zu meinen Untersuchungen dienenden und wie
vorerwähnt ausgehobenen Versuchsproben entnahm ich mit Hilfe
genannter Methoden jeder der vier Mauern einige andere aus
verschiedener Tiefe. Ich suchte damit vor allem festzustellen,
wie die Trocknung einer Mauermasse in ihren verschiedenen
Schichten stattfindet, und dann das Gesetz des Vorgangs aufzu-
stellen und zu studieren.
Natürlich wurden auch diesmal die Proben zur gleichen
Zeit ausgehoben und möglichst auch unter gleichen Verhältnissen,
und zwar an der Oberfläche der Mauer, sowie 5, 10, 16, 20 und
25 cm tief. Zur Vermeidung jeder Verschiedenheit oder Ver-
änderung in den Versuchsbedingungen verfuhr ich in folgender
Weise: Ich schabte die Mauer leicht ab und warf das Geschähe
weg. Ein zweites Geschähe dagegen brachte ich direkt auf ein
Filtergefäls. Nach Verschlufs desselben erhielt das aufgelegte
Produkt einen Buchstaben. Mit einem gewöhnUchen Meifsel
brachte ich dann an derselben Mauerstelle ein 3 cm tiefes Loch
an, das denselben Durchmesser hatte wie der schon beschrie-
bene kreisförmige Meifsel. Daraufhin führte ich ebendiesen mit
einigen Hammerschlägen bis auf 5 cm Tiefe und brachte das
betreffende Material wie vorbeschrieben in ein anderes Filter-
gefäfs, das dann geschlossen wurde und einen anderen Buchstaben
erhielt.
Wie bereits erwähnt, lud ich in das Filtergefäfs nur einen
Teil des Materials ab und zwar den unteren Teil des im Zylinder
steckenden Materials, eben von der Ansicht ausgehend, dafs der
Von lug. Biccardo Biuchlni. . 215
obere Teil infolge Berührung mit der Luft ein fehlerhaftes Er-
gebnis abwerfen konnte, und da die geringe Quantit&t dea vor-
handenen Materials eine weitere Kürzung nicht erlaubte. Auf
diese Weise vorgehend, war ich zam mindesten sicher, die Probe
ohne grobe Fehler aufzunehmen. Der Gebrauch des Meifsela
erwies sich auch bei ziemlich dichten Mauern als sehr praktisch.
Das Herausholen der Proben aus grofserer Tiefe geschah
immer in gleichmAfsiger systematischer Weise. Die Begel-
mälBigkeit der erhaltenen Ergebnisse veraolasaen mich, dieses
IMaffranme dn FenehtlrkeltaTerlanfB la den nraehledeneB SeUehteii
einer nnr mit Baekstelnea erbastai Haser.
Verfahren als nützliches Supplement zor Paghanischen Methode
zu empfehlen. Dies um so mehr, als auch die Methode P^lianis
alle nachfolgenden Operationen bei Äuaschlofs der Luft vor>
nimmt, wodurch die mit anderen Metboden leicht eintretenden
Fehler vermieden werden.
Auf Fig. 2 finden sich die Kurven des aus verschiedenen
Tiefen kommenden Materials einer reinen Backsteinmaner.
Aus den Kurven ist ersichtlich:
1. Dals derTrocknnngavoi^ang in den verschiedenen Schichten
mit einer gewissen Begelmäfsigkeit abläuft.
316 Über die Feuchtigkeit veracbi edener Mftuerarten.
2. Dafs die Schicht bis zu einer gewissen Tiefe deu Kinflufs
des hygrometrischen Standes des Raumes verspürt.
3. Dafs von 15 cm Tiefe an die Kurve ganz regelma[sig
ohne zu fühlbare Schwankungen verläuft, und somit die
charakteristische Kurve der Mauerfeuchtigkett genannt
werden könnte.
Bei einer mit Backsteinen und Steinmassen gebauten Mauer
verlaufen die Kurven, wie aus Fig. 3 ersichtlich, in den oberen
Schichten unregelmäfsig, werden aber in den tieferen Schichten
(15 cm) regelmäfsiger.
Mftiramme des FenehtlKkeltsrerUittb In iltn Tersehledenen 8«hlvhtrn einer
mit BaekBtclnen and StcInmaweB erbanteB Haner (geinlMkt« Maaer).
Diese Erscheinung findet ihre Erklärung, wenn man sich
vergegenwärtigt, dafs die Mauer weniger dicht ist, also der aus
dem Räume kommende EinSufs in den oberen Schichten stärker
verspürt wird, während dieser EinSufe in einer angemessenen
TSefe ausfällt. Man befindet sich da also in einer Schicht, in
der ein konstanter Feuchtigkeitsaustausch stattfindet.
Fs sei hier auch darauf hingewiesen, dars die Kurven für
die über 10 cm Tiefe liegenden Schichten zwar einen regel-
mäfsigen Verlauf haben, aber in dieser Mauer weniger starke
Biegungen bieten als in der anderu. Da.« beweist nun, dafs in
Von Ing. Riccardo BiaDcliini. 217
diesem Kalle unter gleichen VerliältDisaeo die Austrockuung lang-
äsmer erfolgte, was also das, was ich über die Kurven der ver-
schiedenen in Prüfung genommenen Mauern im Vergleich zu
einander aussagte, bestätigt.
Auch bei diesem Mauertypus läge also die charakteristische
Feucbtigkeitskurve in einer Tiefe von ca. 15 cm, während
die Feuchtigkeitskurven grOfserer Tiefen fast mit dieser parallel
verlaufen, mit einer langsamen konstanten Äunäherang, die von
den Schwankungen der Kurven der oberen Schichten nicht ge-
Magramme des Fenehtlf keitsrerlanh in den TeraeUedenen SeUehten «Iner
mit fewShnllcheii, ^eloehteii Baekatelneii erbanten Maoer.
»out« TII111St7>11135;!)IIi:iS
J»hrt 10«!- —- 0» Ul ■ 06
Tig. 4.
stOrt wird. Diese Ännftherungserscheinung hat meines Erachtens
eine gewisse Bedeutung, über die ich sp&terhin noch sprechen
werde.
Fig. IV. gibt dagegen die Kurven, die mit den aus einer
Mauer von durchlochten Backsteinen gehobenen Proben er-
halten wurden. Die Natur der Mauer stellte in diesem Falle
dem Ausheben der Proben grOrsere Schwierigkeiten entg^en,
doch gelang es mir mit etwas Ausdauer mit dem vorbeachriebenen
Meifsel brauchbare Proben auszuheben. Dieser Umstand mufa
bei der Erkl&rung der Kurven, die nicht so regelmäfsig sind, in
Rechnung gestellt werden. Auf jeden Fall kann man aber bei
218 über die Feuchtigkeit Terachiedener IlMterarten.
auhnerkBamer Beobachtung zum Schlüsse gelangen, dafs auch
bei dieser Mauerart die Kurven der oberen Schichten von dem
Feuchtigkeitszuatand des Raumes abhängen, sowie dafs man, bei
einer gewissen Tiefe angelangt (20 cm), diejenige Schicht er-
reicht, welche die charakteristische Feuchtigkeitskurve
aufweist.
Man versteht sofort den Grund, weshalb man erst bei
gröfaerer Tiefe auf die charakteristische Feuchtigkeits-
kurve stöfst, wenn man sich klarlegt, dafs bei dieser Mauerart
IS
infolge des zu ihrem Bau verwendeten Materials, eine gi^fsere
Fläche in Berührung bleibt mit dem Räume, und so der Feuch-
tigkeitsaustausch erleichtert bleibt, wahrend aus demselben Grunde
der regelmäfsige Ablauf in der Feuchtigkeitsabgabe in den ver-
schiedenen Schichten gestört wird.
Alle Kurven dieser Mauer bieten dann im Anfange staik
ausgepr>e Biegungen, wonach der Radius stets gröfser und die
Unie fast zu einer Geraden wird. Der Grund hierfür liegt in
dem grofsen Anfangsunterachiede zwischen Feuchtigkeitsgrad der
Mauer und des Raumes infolge der grofsen von der Luft be-
rührten Oberfläche, wodurch in der ersten Zeit ein äufiaetst
Von Ing. Biccardo Bianchini. 219
aktives Austreten von Feuchtigkeit aus der Mauer zustande-
kommt.
Ist dieser starke Unterschied verringert, so fällt auch die
Feuchtigkeitsabgabe, und die Feuchtigkeitsverluste der Mauer
werden sehr klein. Wie aus der Figur deutlich hervorgeht,
ist auch in diesem Falle die Kurve der tieferen Schichten fast
parallel zur charakteristischen Feuchtigkeitskurve der
Mauer und nähert sich ihr langsam.
Diese bedeutsame Erscheinung besagt, dafs auch diese Mauer,
wenn auch unter besonderen Bedingungen, sobald die anderen
Verhältnisse dieselben sind, nur mit einem geringen Tiefenunter-
schied eine Schicht besitzt, die, was die Austrocknung der Mauer
anbetrifft, demselben Gesetze folgt wie die übrigen Mauern.
Unterzieht man schliefslich Fig. 5, die die verschiedenen
Feuchtigkeitskurven einer in Beton gebauten Mauer wiedergibt,
einer genauen Prüfung, so beobachtet man 1., dafs die Kurve
der bei 5 cm Tiefe entnonmienen Proben im Anfang eine
stark ausgeprägte Biegung darbietet, die dann ziemlich rasch
abnimmt und sich der Oberflächenfeuchtigkeitskurve nähert, mit
der sie sich fast parallel hält, 2. dafs die Kurven der tieferen
Schichten (15 — 20 cm) einen ziemlich regelmäfsigen und unter
sich fast gleichen Verlauf haben, der jedoch im Vergleich mit
der Fundamentallinie immer noch hoch ist; 3. dafs die Kurven
der tiefen Schichten vor allem eine grofse Regelmäfsigkeit und
dann auch eine sehr kleine Differenz des Feuchtigkeitsstandes
des zentralen Mauerkernes aufweisen, 4. dafs die charakte-
ristische Feuchtigkeitslinie der Mauer in diesem Falle sich
in einer ca. 10 cm tiefen Schicht befindet.
Diese Schlüsse führen nun zu praktischen Erörterungen.
Prüft man nämUch den ersten, so wird man gewahr, dafs die
Zementmauer die Feuchtigkeit rasch in der Oberflächenschicht
verliert, auf welche Weise also eine Art undurchdringlicher Hülle
entsteht, auch weil die Schicht sich rascher als in anderen
Mauern in kohle nsauem Kalk umwandelt, der das Entweichen
der Feuchtigkeit vom Zentralkern aus verhindert, weshalb also
auch die Kurven desselben nicht nur einen gleichen Verlauf,
220 Über die Feuchtigkeit verschiedener Maoerarten.
sondern auch fast gleiche Werte haben. Überdies begreift man,
dafs der Prozentsatz des Wassers des inneren Zentralteils der
Mauer bedeutend sein mufs.
Aus demselben Grunde leuchtet es ein, dafs die charakte-
ristische Feuchtigkeitskurve in einer relativ wenig tiefen
Schicht liegen mufs. Wie aus dem Vorhergesagten hervorgeht,
mufs diese Linie sich sofort an der Grenze der Mauerwandschicht
finden, die nicht mehr direkt dem Einflüsse des Raumes unter-
steht, sondern seinen Einfiufs nur noch durch Reflex verspürt
und zwar durch eine Mauerschicht, die schon einen fast kon-
stanten Feuchtigkeitsaustausch besitzt.
Ordnet man nun und vergleicht man, was ich in den vorigen
Kapiteln auseinandergesetzt habe, so kann man daran festhalten,
dafs jede Mauer unter sonst gleichen Verhältnissen bezüglich
des Wassers, das in ihr mechanisch festgehalten wird, ein ganz
besonderes stark ausgeprägtes Verhalten an den Tag legt. Dieser
Tatsache, die als eine Zusammenfassung vieler oben untersuchter
Erscheinungen angesehen wird, mufs jedoch stark Rechnung
getragen werden, wenn, sei es nun zu wissenschaftUchen oder
praktischen Zwecken, Bestimmungen gemacht werden sollen.
LäTst man dieses Gesetz aufser acht, so kann man derart in
grobe Fehler verfallen, dafs durch sie der Experimentator zu voll-
auf irrtümlichen Schlüssen geführt wird. Dieser Fall könnte
z. B. eintreten, wenn man zur Berechnung der zur Austrocknung
einer Mauer aus gelöcherten Backsteinen nötigen Zeit sich ein-
fach des bei einer anderen Mauerart erhaltenen Resultats be-
dienen wollte oder umgekehrt.
Wie verschieden sind nicht die vielen Schlüsse, zu denen
bei Feststellung des Feuchtigkeitskoeffizienten sog. trockener
Mauern nicht wenige, als geschickte Experimentatoren bekannte
Forscher gelangt sind?
In Abhängigkeit hiervon mufs man bei Festsetzung der ge-
statteten Grenze auch die örtlichen Verhältnisse in Rechnung
ziehen, denn es steht aufser Zweifel, dafs eine Mauer unter
gleichen Bedingungen nicht nur von Ort zu Ort den ihr eigenen
Von Ing. Biccardo BUnchini. 221
Feuchtigkeitsgrad verändert, sondern auch an demselben
Orte, je nachdem die Mauer stärkerer oder schwächerer Be-
strahlung ausgesetzt ist, — EIrscheinungen, die jedenfalls dem
mittleren Feuchtigkeitsgrad, der mittleren Temperatur der Luft
und vielleicht auch der Stärke und der Richtung der herrschenden
Winde zuzuschreiben sind.
Der ganze Vorgang ist somit sehr verwickelt, steht aber
immer in ganz bestimmter Beziehung zu den verschiedenen
Materialien, die einen Mauerkörper ausmachen. Es ist dies eine
für die Folgerungen in der Praxis ganz bedeutende Tatsache,
denn nur so ist es möglich, die gestellte Aufgabe zu lösen.
Wie ich bei zahlreichen Versuchen, die mit schon erbauten
Mauern verschiedenen Alters angestellt worden waren, ersehen
konnte, ist dieses besondere Verhalten eng verknüpft mit den
Eigenschaften, die ich »eigenen Feuchtigkeitsgrade und
»charakteristische Feuchtigkeitskurvec der Mauer genannt
habe. Hat man also eine dieser Quantitäten bestimmt, so hat
man auch den hygroskopischen Grad einer Mauer festgestellt.
Diese beiden Quantitäten haben dann ihrerseits eine gewisse Be-
ziehung untereinander, denn unter besonderen Verhältnissen kann
die Kurve des eigenen Feuchtigkeitsgrades mit der charak-
teristischen Feuchtigkeitskurve zusanmienfallen und um-
gekehrt. Im allgemeinen mufs man die Kurve des eigenen
Feuchtigkeitsgrades als Grenze (in mathematischem Sinne)
der charakteristischen Feuchtigkeitskurve ansehen. Mit
anderen Worten: Wenn die beiden Kurven zusammenfallen, so
mufs die Mauer für vollständig ausgetrocknet angesehen werden.
In der Praxis hat man diesen Punkt erreicht, wenn die
charakteristische Feuchtigkeitskurve fast konstante Ordi-
naten schneidet. Alsdann hat, von ganz besonderen künstlichen
Verhältnissen abgesehen , der Feuchtigkeitsaustausch zwischen
Mauer und Raum aufgehört. Mit anderen Worten ausgedrückt,
kann die Mauer im Verhältnis zu dem sie umgebenden Räume für
trocken angesehen werden, insofern, als sie keinen Wasserdampf
mehr abgibt.
222 Über die Feuchtigkeit verschiedener Hauerarten.
Wie wir bereits gesehen haben, wechselt der eigene
Feuchtigkeitsgrad je nach den Raumverhältnissen von Ort
zu Ort. Da stellt sich nun von selbst die Frage ein, ob er
unter gleichen Raum Verhältnissen , jedoch bei verschiedener
Stärke der Mauer auch verschieden ist. Für diese Frage besitze
ich keine experimentellen Belege, doch glaube ich auf Grund
der in den verschiedenen Tabellen vermerkten Ergebnisse mit
grofser an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behaupten
zu können, dafs der eigene Feuchtigkeitsgrad auch dann
nicht verschieden ist, insofern als er absolut von den Raum-
verhältnissen abhängen mufs; da auch die tiefsten Kerne einer
älteren Mauer nicht mehr Feuchtigkeit enthalten als diejenige,
die sich in der Schicht der charakteristischen Feuchtig-
keitskurve findet.
Nur bei relativ dünnen Mauern wird das Feuchtigkeits-
gleichgewicht rascher erreicht, wie sich dies aus der Versuchs-
reihe mit der Mauer aus gelochten Backsteinen ersehen läfst,
die eben wegen der grofsen Luftmenge, welche mit ihr in Be-
rührung kommt, meiner Ansicht nach dieselben Verhältnisse
bieten mufs wie eine relativ dünne aber dichte Mauer.
Es besteht demnach zweifellos eine enge und stete Beziehung
zwischen der Feuchtigkeit der Mauer und der Feuchtigkeit der
Atmosphäre. Solange man somit, auf jede andere Betrachtung
verzichtend, nicht den eigenen Feuchtigkeitsgrad in der
Mauer erreicht hat, mufs man, will man ein genaues Urteil
über die Gesundheitsverhältnisse eines Hauses in Bezug auf
Feuchtigkeit abgeben, fortfahren, genaue Bestimmungen über
den Grad der Trockenheit der Mauern vorzunehmen. Diese
Bestimmungen müssen jedoch unter gleichen Bedingungen einige
Male und zwar mit einem Abstand von verschiedenen Tagen
unter verschiedenen atmosphärischen Bedingungen wiederholt
werden, damit ein Urteil gewonnen werden kann über den Gang
der Mauerfeuchtigkeit. Denn, wenn die Mauer trocken ist, so
darf ihr Feuchtigkeitszustand auch bei den verschiedensten
atmosphärischen Verhältnissen keine bedeutenden Veränderungen
erfahren.
Von tng. tticcardo Bianchini. 223
Bezüglich Abnahme der Proben wird es immerhin ratsam
sein, bei dichten Mauern dieselben nicht unter 15 cm Tiefe und
bei Mauern aus porösem Material nicht unter 20 cm Tiefe aus-
zuheben. In noch weiter nach oben hegenden Schichten wird
der Einfluüs des Raumes noch stark empfunden. Wie jedoch
schon oben erwähnt, muls bei Herausnahme der neuen Probe der
hygrometrische Stand des Baumes verschieden sein, wenn ein
brauchbares Urteil gewonnen werden soll.
Auf Grund der ausgeführten Versuche kam ich also zu
folgenden Endschlüssen:
1. Die Beschaffenheit des Materials einer Mauer übt nur
eine bestimmte Zeit lang einen Einfluls auf den Raum
aus und zwar so lange, bis die Mauer den eigenen
Feuchtigkeitsgrad erreicht hat.
2. Will man ein genaues Urteil haben über die Bewohn-
barkeit eines Hauses, so mufs man, auch wenn andere
Versuche positives Ergebnis geUefert haben, zu direkter
Bestimmung der Mauern schreiten.
3. Das Ausziehen der Proben muls mehrmals wiederholt
werden, und zwar möghchst in mehr als 10 cm von der
Oberfläche entfernt liegenden Tiefen. Überdies werden
die Proben stets unter möghchst gleichen Verhältnissen
in Bezug zur Mauer, dagegen mit einem Abstand von
verschiedenen Tagen und unter stark verschiedenen atmo-
sphärischen Verhältnissen herausgenommen.
4. Zur Beurteilung der Feuchtigkeit einer Mauer kommt
es nicht darauf an, ob die Probe aus reinem Mörtel,
nur aus Backsteinen oder aus gemischtem Material be-
steht, die Hauptsache ist dabei, dals man bei Wieder-
holung des Versuchs zur Feststellung eines definitiven
Faktums immer in derselben Weise bezüghch Technik
und Wahl der bezüghch der Mauer in Betracht kommen-
den Verhältnisse vorgeht.
ö. Die Mauer aus gelochten Backsteinen bietet, was schnelle
Austrocknung anbelangt, ohne Zweifel die meisten Vor
teile. Abgesehen von sehr kleinen Unterschieden haben
224 t^er die Feuchtigkeit verschied. Mauerarten. Von Riccardo Bianchini.
jedoch alle andern der Prüfung unterzogenen Mauerarten
das gleiche Feuchtigkeitsvermögen.
6. Will man das Trocknen einer Mauer erleichtem, so maus
man sie mehrere Monate lang ohne jeden Bewurf lassen
und sie reichlicher Lüftung aussetzen.
7. Das künstliche Austrocknen (mit CO 2) ist nur wenig
ratsam und soll nur in Ausnahmefällen angewandt werden,
und auch nur dann, wenn die Mauer relativ dünn ist.
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THE KEV/ VORK |
PUBLIC LIJ5RAKY.
Mten, LEMQX ANO
TILD6N F?Ü«ÜATIOIia
Über das Eindringeii der Wärme in feste Objekte nnd
Organteile tierischer Herknnft.
Von
Max Rubner.
Einleitung.
Die Fälle, in welchen man bei hygienischen Fragen Genaueres
über das Eindringen der Wärme in nicht poröse Körper oder in
poröse Körper, deren Poren einem gasförmigen Medium oder
Wärmeträger nicht zugänglich sind, wissen möchte, sind durchaus
nicht selten. Viele Probleme des Wärmeschutzes, Aufgaben der
Desinfektion, Akte der Nahrungsbereitung, zählen hierzu.
Auffallenderweise ist über derartige Vorgänge aber nicht
viel Zahlenmäfsiges bekannt. Über den Erwärmungsvorgang
poröser Objekte durch Dampf haben wir dagegen recht zutreffende
Vorstellungen gewonnen. Ich habe vor einigen Jahren die dabei
in Betracht kommenden Vorgänge eingehend nach Experimenten
dargestellt. ^)
Die Erwärmuugsvorgänge fester oder halbfester Körper sind
schon von dem Standpunkt einer wissenschaftlichen Erklärung
des Desinfektionsprozesses unbedingt der Klarlegung bedürftig,
aber auch von praktischen Gesichtspunkten aus.
Warum dieses Feld experimenteller Untersuchung so ganz
unbeackert blieb, mag vielleicht einmal in der weitverbreiteten
laienhaften Vorstellung liegen, daTs hier nichts zu erläutern und
1) Hygien. Rundschan, Bd. Vm, S. 721 fp. u. Bd. IX, S. 321.
ArchiT für Hygiene. Bd. LV. 15
226 t)ber das Eindringen der Wärme in feste Objekte and Organteile etc.
ZU klären wäre wegen der Einfachheit des Prozesses, es mag aber
auch in anderen Fällen gerade das Moment von der Weiter-
bearbeitimg abgehalten haben, dafs man sich mit Hilfe der all-
gemeinen elementaren Untersuchungsmethoden bald an eine Grenze
gebracht findet, die einem tieferen Verständnis entgegensteht.
Nicht um einen physikalischen Vorgang handelt es sich
dabei, sondern um Komplikationen, die sich aus der Natur der
organisierten Substanz erklären und die Schwierigkeiten in hohem
Malse steigern.
Der Anstofs zu den vorUegenden Untersuchungen wurde mir
seinerzeit durch eine praktische Aufgabe, nämlich die Prüfung
der Sterilisation für Fleisch gegeben, ich mufste aber nur zu
bald erkennen, dafs für solche Begutachtungen jede wissenschaft-
hche Grundlage, ohne die man zu einem brauchbaren Resultat
eben nicht gelangen kann, fehlte.
Man sagt in der Regel bei dem Akte der Wärmeverbreitung,
den wir hier erforschen wollen, handle es sich um die Wärme-
leitung. Tatsächlich ist dies, wenigstens für poröses Material,
gar nicht richtig, weil hier in den Hohlräumen auch Strahlungs-
vorgänge eintreten, aber auch sonst häufig unzutreffend, weil
eine ganze Reihe von Faktoren auf den Wärmegang einwirken.
Sehr häufig bedingt die Organisation eine sehr ungleiche
Verteilung der Stoffe mit physikalisch sehr ungleichen Eigen-
schaften.
Je nach der Natur der Objekte findet sich ein mehr oder
minder grofser Widerstand für die Ausbreitung der Wärme. Am
wechselvollsten ist die Wärmedurchdringuug bei solchen Objekten
mit ungleichem Feuchtigkeitsgehalt, wobei sowohl Kristallwasser
als hygroskopisches Wasser oder das kapillare und zwischen-
gelagerte Wasser in Betracht kommen kann.^)
Die Feuchtigkeit und die Trockenheit in Gegen-
ständen bedingen nicht nur Verschiedenheiten der
Wärmeleitung, sondern der biologischen Wirkung
der Wärme. Wir haben in den Objekten zwar häufig, doch
1) Archiv f. Hygiene, Bd. XXV, S. 34.
Von Max Rubner. 227
nicht immer »trockene Wärme c sondern auch feuchte Wärme,
selbst Dampf in verschiedenen Eigenschaften ; darauf möchte ich,
ohne Einzelfälle zu untersuchen, noch etwas eingehen.
Die in den Stoffen weiterbewegte Wärme kann an sich oder
zusammen mit Feuchtigkeit wirken, beides Vorkommnisse, die
in der mannigfaltigsten Weise abgestuft werden können und in
ihren Wirkungen grofse Verschiedenheiten aufweisen müssen.
Feuchtigkeit und Wärme gewinnt für chemische Umsetzungen
eine ganz andere Bedeutung als Wärme allein; Gerinnungs-
erscheinungen, Quellungsvorgänge, Lösungsprozesse, Zersetzungen
können ausgelöst und in ihrem Ablauf beeinflufst werden.
Gerade mit Bezug auf die Lebewesen und Desinfektions-
praxis liegt in der Anwesenheit oder dem Fehlen der Feuchtig-
keit ein wichtiges Moment.
Die Wärme ist an sich ein Mittel zur Desinfektion und
zur Vernichtung von Lebewesen; durch sie kann ohne jede
weitere Beihilfe ein organisches System erschüttert und zerstört
werden. Auch im luftleeren Raum findet bei bestimmten Tem-
peraturgrenzen, die unter der Vergasungstemperatur liegen, die
Tötung statt.
Im praktischen Leben kommen aber auch Fälle vor, bei
welchen Körper, welche benetzt oder halbbenetzt sind oder nur
hygroskopisches oder anderweitig gebundenes Wasser enthalten,
erwärmt werden. Diese verschiedenen Vorkommnisse sind bis-
her überhaupt nicht beachtet oder als differente Erscheinungen
gewürdigt worden ; es wird aber wohl nötig sein, experimentell
wie theoretisch ihnen mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Findet die eindringende Wärme freies Wasser, so ist die
Dampfbildung oder die einfache Erwärmung genügend, um einen
hohen desinfektorischen Einflufs zu äufsem. Bei Anwesenheit
von hygroskopischem Wasser wird es auf dessen Menge
und auf die Möglichkeit des Absinkens der relativen Feuchtig-
keit in den sich erwärmenden Hohlräumen ankommen, ob schnell,
langsam oder gar nicht eine Desinfektion sich erzielen läfst.
Ob Wasserbindungen wie in Kolloiden auf des-
infektorische Wirkungen einen Einflufs üben ist bislang nicht
15*
228 t^r das Eindringen der Wftrme in feste Objekte and OrgAnteile etc.
bekannt. Die volle Trockenheit aber ist der grOlSste Feind jeg-
lichen rasch erfolgreichen Desinfektionsverfahrens. Die Elrgebnis-
losigkeit mancher Desinfektionsakte erklärt sich aus diesem an-
gleichen Feuchtigkeits vorkommen.
Aus diesen Tatsachen läfst sich auch folgern, wie notwendig
ein Verständnis des Wesens der Desinfektion für die praktische
Durchführung sein muts. Die Vielheit der Bedingungen, die
zum Gelingen gehören, war in früheren Jahren nicht genügend
bekannt, und soweit sie bekannt war, nicht genügend gewürdigt
worden. Sie bedarf zum Teil auch heute noch eines ernsten
Studiums.
Auch in den Objekten selbst haben wir es nach
dem Gesagten mit biologisch verschiedenen Wärme-
zuständen zu tun. Die Grade ihrer Wirksamkeit sind schon
aus früheren Untersuchungen bekannt.^) Hier an dieser Stelle
war nur der Hinweis am Platze, dafs die Zustände im Innern
fester Körper mannigfaltige sind.
Ich lasse mir es genügen, auf diesen Umstand der Ungleich-
artigkeit der Erwärmung in ihren Beziehungen zur Tötung von
Lebewesen hingewiesen zu haben und will nochmals betonen, wie
wichtig die Kenntnis von der Natur der zu desinfizierenden
Objekte für den erstrebten Enderfolg sein kann.
Ein Gegenstand, dem aber besondere Aufmerksamkeit gewid-
met werden mufs, ist die Wärmedurchdringung als ein-
facher physikalischer Vorgang. Dies Problem völlig lösen zu
können, mute ich mir nicht zu, es wird aber, wie ich meine,
in vielen Richtungen ein Fortschritt, eine Klärung und Förde-
rung für die praktischen Ziele gewonnen werden können, wenn
man, gedrängt von dem praktischen Bedürfnis, wenigstens ver-
sucht, diesen Fragen näher zu treten.
I.
Viele Objekte des täglichen Lebens, die wir als Kälteschutz-
mittel gebrauchen, wie die Kleidung, erreichen dieses Ziel, wie
ich gezeigt habe, in einer ganz vorzüglichen Weise und bedeuten
1) Hygien. Randschau, a. a. O., Bd. IX.
Von Max Rabner. 229
in der Ökonomie unserer Kultur einen enormen Fortschritt; sie
sind stationäre Mittel, unnötige Wärmeverluste einzuschränken.
Solche und ähnliche Körper haben auch die Fähigkeit, dem
Eindringen der Wärme selbst bei grofsen Temperaturunterschieden
stundenlang Widerstand zu leisten. Schon vor längerem habe
ich an der Hand einiger Berechnungen auch diesen Vorgang
des fortschreitenden Eindringens der Wärme in die Schichten
einer schlechtleitenden Masse kurz erörtert.^)
Das Vordringen der Wärme in Objekte hängt natürlich in
einer Beziehung von der Temperaturdifferenz zwischen dem
Zentrum und den Begrenzungsfiächen ab. Sie hängt weiter ab
von dem Leitungsvermögen ^Ä^ der Substanz, das durch geeig-
nete Versuche zu bestimmen sein wird oder für welches sich auch
schon Konstanten finden. Bekanntlich versteht man darunter
die Menge der Wärme, welche ausgedrückt in Wärmeeinheiten
durch eine bestimmte Fläche, bestimmte Dicke, bei einer ge-
wissen Temperaturdifferenz in der Zeiteinheit hindurchgeht. Die
für k gewählten Einheiten sind nicht gleich benannt bei allen
Autoren. Ich halte an folgenden Zahlen zur Konstantenbestim-
mung fest: qcm, 1 cm Dicke, 1® Temperaturdifferenz, 1", gKal.
Das Vordringen der Wärme hängt auch von dem Wasser-
wert der Substanz ab. Je mehr in einem Raumteil an
Wärme aufgespeichert bleibt, um so langsamer dringt sie vor.
Der Wasserwert ergibt sich aus Dichte (spez. Gew.) und spezi-
fischer Wärme.
Herr Dr. Ziegel hat vor Jahren auf meine Anregung hin
eine Ableitung des Wärmeganges in Objekten unter den hier in
Frage kommenden Verhältnissen ausgeführt und dabei folgendes
gefunden :
Die Bewegung der Wärme in einer homogenen Kugel wird
gegeben durch die Gleichung
Hierin bedeuten u die Temperatur, h die gemeinsame Anfangs-
temperatur im Inneren der Kugel, c die konstante Oberfiächeu-
1) a. a. 0. Hygien. Randschaa, Bd. YIII.
230 Über du Eindnugeii der Wirme in feste Objekte und Orgmnteile etc.
temperator, i die Zeit, h die Wftrmeleitungsfi&higkeit^ q die Dichtig-
keit, C die spez. W&nne, R den Radius der Engel und r den
variablen Radiosvektor.
Im Mittelpunkte der Kugel ist r = 0; für diesen Punkt geht
die Gleichung über in
7t
n—\
^/ i;^'—{x^
a^c — 2(c — h)^[r-\) t
, a=^
«— 1
c — a = 2 (c — h)^
Q C
9t
e — tt
.-'(i)'_,-'(i)",.-(T)-
+
9t
2(c-b) ,..(^)', ,..(^)-« • ,.(^)-,
Wir setzen nun, um einen angenäherten Wert für t zu erhalten,
c — tt
1
(0
tt
IP lognat
t =
2(c — b)
c — tt
a^7t^
Die Temperatur nach der hierdurch bestimmten Zeit t he-
trägt nicht genau «, sondern
^' ^ C
-^'■'-H^^;-^)'
+ ^?(c-b)) ■■■■
= c — (c — u)-\-
(c — u)*
(c-u)
9
[2 (e - 1)\* (2 (c - h)f
I • • • •
"" "^ [2^0 — 6;]» [2(c — b)]^ "^
fC ttJ*
Dieser Wert ist gröfser als tt und kleiner als w + 7^77 —?• •
[2(c — h)]*
Man erhält also nach der berechneten Zeit t eine Temperatur,
die sich um höchstens T^-y tvit von u unterscheidet.
[2 (c — h)Y
Von Max Rabner. 231
Auf Grund dieser Werte ist daher die Frage leicht zu beant-
worten : Wann erreicht ein in der Mitte einer homogenen Kugel
befindliches Thermometer die Temperatur w = 990?
Beispiel: Kugelradius ü = 5 cm.
1) 6 = 20«, c = 100o
* = 0,0001523, 9 = 0,420, C = 0,50
,_ k 0,0001523
* ~ Q'C~ 0,21
Dann ist
_ 25 • lognat 160 • 0,21 _ 5,25 6,07517
0,0001523 n;!» ~ 0,0001523- tt«
< = 17 726 Sek. = 4 Stunden 55 Min. 26 Sek.
2) 6 = 20«, c = 100«
* = 0,000065, p = 0,105, 0=0,56
o« =
* 0,000065
Q • C 0,0588
Dann ist
_ 26 • lognat 160 • 0,0588 _ 1,47-6,07517
"~ 0,000065 • ?r-«" ~ 0,000065 • /r«
^=11630 Sek. = 3 Stunden 13 Min. 60 Sek.
3) 6 = 200, c = 1000
k = 0,0000811, Q = 0,105, C = 0,56
o2 =
k 0,000081 1 0,000081 1
Q ■ G 0,105 . 0,56 0,0588
Dann ist
_ 25 •lognatl60- 0,0588 J^7 -5,075 17
~ 0,000081 1 • 7r2 ~ Ü.OOOÖSrr n^
t = 9320,75 Sek. = 2 Stunden 35 Min. 20»/4 Sek.
Man kann sich also für einen Spezialfall eine gute Vorstellung
von der Geschwindigkeit des Wärmeeiudringens machen.
Für ein paar Fälle ist nachstehend die Rechnung für eine
Kugel von verschiedenem Radius durchgeführt. Ich wählte als
Beispiele die Wärmeleitung in Kleidern und Wäsche, als Grund-
lagen dienen Zahlen für erstere die glatt gewebten Stoffe, als Typus
232 ^'^f^r da« Eindriniren der Wärme in feste Objekte and Ori^viteile etc.
für die Oberkleidong der Wollflanell, and zwar in zwei ZostAnden.
völlig trocken und gesättigt mit hygroskopischem Wasser.^) Die
Durchdringungszeiten für die W&rme sind;
Radios : 5 cm 25 cm 50 cm
Glatte Baumwolle 4 Std. 56' 123 Std. 492 Std.
WollflaneU. . . 3 > 13' 80 > 323 »
Feuchter Flanell 2 > 35' 64 ? 258 >
Ehe Zahlenergebnisse zeigen, wie langsam ein Temperatur-
ausgleieh gewonnen wurde, und dals die Zunahme der Dichte
für die Verlangsamung des Wftrmestroms weit wichtiger sein
kann als die Förderung der Wärmebewegung durch gleichzeitige
Zunahme des Leitungsvermögens.
Die Zahlengrundlagen für obige Berechnung waren :
I.Dichte = 0,420, spez. Wärme [ 0,50 LeitungsvermögenO.OOO 152
2. 0,105 der Grund- 1 0,56 ^ 0,000065
3. 0,105 Substanz [o,56 i 0,000081
Das Leitungsvermögen der Substanz in 1. war demnach fast
doppelt so grofs als bei 3. und trotzdem beeinfluTst die Dichte
das Resultat so sehr, dafs die Elrwärmungszeiten in 3 die von 1
ganz erheblich überschreiten.
Wenn man die aufserordentlich langen Zeiten für den Tem-
peraturaustausch im Gedächtnis hat, begreift man, wie oft bei
einer nicht sachgemäfs geleiteten Desinfektionsweise ein Versagen
der Wärme- und Dampfdesinfektion eintreten mufs. Die richtige
Auswahl und Anordnung des zu desinfizierenden Objekts ist bei
der Desinfektion weit wichtiger als manche andere Nebenumstände,
auf die man bisher das Augenmerk zu konzentrieren pflegte.
Ob der Dampf absolut gesättigt oder etwas unter dem Sättigungs-
punkt ist, ob er durch Überdruck etwas über 100® temperiert ist
oder etwas unter 100® usw., ist alles nicht so wichtig, als die
richtige Anwendung und Vorbereitung des Objekts.
Die so oft versuchte Warenballendesinfektion ist ein Unter-
nehmen, welches man im Grunde genommen am besten von den
1) ArchiT f. Hygiene, 1898, Nr. 15.
Von Max Rabner. 233
Desinfektiousauf gaben überhaupt streichen sollte. Die Natur
grofser Objekte und noch dazu zugeschlossener Ballen, deren nähere
BeschafEenheit man gar nicht kennt, sollte von vorneherein es
verbieten, eine für diese Zwecke anwendbare Versuchstechnik aus-
arbeiten zu wollen. Was man nicht sehen und richtig anordnen
kann, eignet sich niemals für die Desinfektion.
Zahlenmaterial für die oben entwickelte Formel des Wärme-
durchtritts findet sich in ziemlichem Umfange, ich glaube aber, das-
selbe wird nicht allen modernen Anforderungen an Grenauigkeit ent-
sprechen. Ältere Angaben finden sich bei Päclet (Traitä de la
chaleur T. I p. 602 ff, IV äd. Paris 1878) und bei Glan (Poggen-
dorfs Annal. 1896, Heft 4 u. 5).
Für Objekte, wie sie zum Wärmeschutz des Menschen und
daher auch in der Desinfektionspraxis Anwendung finden, habe
ich selbst die umfangreichsten Messungen ausgeführt. (Archiv
für Hygiene XXIV, S. 300.)
Für die kompakte Baumwolle fand ich 0,495 spez. Wärme
deutsche Wolle 0,560 » »
Seide 0,645 » »
Einige Zahlen über Dichte und Leitungsvermögen von Stoffen
mögen noch angeführt sein.^)
Spes. Gewicht Konstante k
Wollflanell 0,105 0,000065
WoUtrikot 0,179 0,000068
Seidetrikot 0,219 0,000092
Lementrikot 0,302 0,000118
Baumwolltrikot .... 0,199 0,000100
Wolle — Winterkammgam 0,238 0,000073
Glatte Wolle 0,364 0,000074
» Baumwolle. . . . 0,350 0,000090
. Seide 0,302 0,000072
» Leinen 0,642 0,000120
1) Die Einheiten sind g-Kal., 1* Differenz der begrensenden Fläche,
1 qcm Fl&che, 1 cm Abstand der Fliehen für den W&rmedorchgang.
.• /"l
*^ « •
- . . - 0.T2T 'J-OGO+ie
iJtmh &t B«Cj«czi2Dg EÜ Feccfiiigkät viid djw Lerome«-
▼«mWJgeo ipirtetgert- bis aefali^frhch bei PorecsdiliifB jj^ Waaeer
4i« 40MxmaeratAt SubsUua «inl^
Die Vt^i^Iseniiigder LehongBkoosujitedii^^
Wmmt becrftgt bei Wolle — 1«>9^%. bei Seide -h -i«j.6^. bei
Bmm wolle 4- l^dV
Bei beDeuten .Stoffen enreicfat die Gr&&e fr Werte, die
zvinchen 0,00129 and 0,000147 je nacb Art der Gmndsabnanxen
nchwanken. ')
IL
Für eine ganze Reibe wichtiger Substanzen von «Jrganteilen
des Körper» fehlt es an zayerUssigen zahlenm&bigen Angaben.
Ober die Wftrmeleitnng und man behilft sich mit mehr oder minder
angenaaen Schatrangen.
Die Anwendung der Wärme auf Substanzen, die im natür-
lichen Zustande wasserhaltig sind, interessiert namentlich im
Hinblick auf die Speisenbereitnng. Genau betrachtet, hat schlieCs-
lieh letztere auch Bedeutung als Desinfektionsvorgang, weil der
Kochakt auch zugleich eine Vernichtung von Keimen herbeiführt.
Die Anwendung der Wärme auf Substanzen kann hierbei
eine sehr mannigfache sein, teils heiüse Luft, teils diese in Kom-
bination mit strahlender Wärme, kochendes Wasser, Dampf in
gespannter oder uugespannter Form.
Soweit tierische Nahrungsmittel, Fleisch, Eier, Organe in
P>age stehen, sind Eiweils, Wasser, Fett (neben Salzen und
Glykogen) die quantitav in Betracht kommenden Bestandteile.
1; Hpitta, Archiv f. Hygiene, Bd. XXXII, S. 286.
2) Archiv f. Hygiene, Bd. XXV, S. 39 u. 40.
3) Dasselbe, &. 61.
Von Max Rubner. 235
Das Leitungsvermögen von Wasser ist wahrscheinlich
= 0,001, das der Fette und Öle nur 0,000396—0,000452, in
runder Summe also etwa Vs — V2 ^^^ LeitungsvermOgens des Was-
sers. Für die eiweifsartigen Stoffe können wir annehmen, dafs ihre
Leitung denen der keratinartigen Substanzen z. B. der Wolle sehr
nahe kommt, oder mit Bezug auf praktische Lösungen von hier
interessierenden Fragen, wohl geradezu als gleichwertig zu er-
achten ist.
Für die Wollhaare der verschiedensten Herkunft habe ich An-
gaben nach absolutem Mafse gemacht, nach denen ersichtlich ist, dafs
feste Keratinsubstanzen eine Leitungskonstante von rund 0,0005
besitzen, d. h. das Leitungsvermögen ist rund ^2 ^^ grofs wie
jenes des Wassers.
Mehr als eine ungefähre Vorstellung über die Gröfsen-
ordnung des Wärmeleitungsvermögens kann man aus solchen
Angaben über das Leitungsvermögen der Bestandteile der Organe
nicht ableiten. Im allgemeinen dürfte es sich um relativ gute
Leiter der Wärme handeln, deren Eigenschaften in dieser Hin-
sicht um so mehr absinken, je reicher sie an Eiweifs und Fett-
stoff werden. Eine direkte Untersuchung ist aber, so grofse
Schwierigkeiten sie bietet, nicht zu entbehren.
Von allen Nahrungsmitteln, welche in gröfseren Teilen
oder in umfangreicherem Mafse der Erwärmung unterworfen
werden, nehmen die fleischartigen Teile das gröfste Interesse
für sich in Anspruch. Was sonst Verwendung findet, läfst sich
ohne Schaden für Genufszwecke zerkleinem und der Wärme
den Weg kürzen. Mit Rücksicht hierauf wollen wir zunächst
dem Muskelfleisch und den fettartigen Materien das Augenmerk
zuwenden.
Nach Adamkiewicz soll Muskelsubstanz halb so gut leiten
wie Wasser, was eine recht ungefähre Angabe sein mag. Die
spez. Wärme wird zu 0,7692 nach A., zu 0,825 nach Rosen thal
aufgeführt. Ich finde für mageres Fleisch nach eigener Messung
0,828. Als Dichte gibt Gl an 1,07; dies stimmt aber nicht ganz,
der Wert ist zu hoch für den Durchschnitt.
236 ther 'im ELDAtintsea. der WAraDe in fesce «»bjekte siti OrpsBiciie ecf
Aach die Ricfatimg des Eindringeiis der Winne kaon Ver-
schiedenbeiteD der Wirmeleitiing bedingen.
Zaerüt bai man bei Kristallen ond Hölzern beobachte. da£«
die Wärme mit verschiedener Schnelligkeit in den Terschiedenen
Richtungen fortgepflanzt wird. Von Greifs'; sind dann solche
Experimente auch mit tierischen Substanzen aasgeführt und
diese Untersuchungen namentlich durch Klug weiter ausgedehnt
worden.
In der Epidermis breitet sich die Wärme nach allen Riebtangen
hin g^eiehmäfsig aus, in den Zellen wird die Wärme besser der
Lftngsaze nach geleitet als quer zu denselben.
In anderen Fällen, wie bei manchen v^etabiliscben Nahrungs-
mitteln, den Knollengewächsen, fehlt eine bestimmte Anordnung
der Substanzen und dfirfte daher auch eine allseitig gleich-
mäfsige Leitung der Wärme sich finden.
Zur direkten Messung der Wärmeleitung des Fleisches und
ähnlicher Substanzen bediente ich mich des Stefan sehen Kalori-
meters, dessen Gebrauch ich an anderer Stelle ausführlich be-
schrieben habe.
Zur Aufnahme der Substanz dient der zwischen zwei Zylin-
dern aus Metall verbleibende Hohlraum. Es wurde jedesmal so
viel Substanz eingefüllt, dafs der nach Kubikzentimeter genau
bekannte Inhalt des Kalorimeters mit Sicherheit ganz ausgefüllt,
also die Luft beseitigt war. Fleischsubstanz wurde mittels
Mikrotommesser in gewünschter Dicke geschnitten, Fett ge-
schmolzen eingefüllt.
Die Leitungsfähigkeit wurde geprüft sowohl mit sehr kleinem
Abstand der Begrenzungsflächen als auch mit etwas gröfserem
Abstände. Die Messung geschieht, wie ich an anderer Stelle auf
Grund von Angaben von Stefan, WüUner und Winkelmann
und Plank auseinandergesetzt habe, nach der Formel
* (Leitungsvermögen) = ^^^3^ 'ß'l9e[l+ ^-]
1) Poggendorf Ann., CXXXDC.
2) Zeitachr. f. Biologie, Bd. X, S. 73.
8) Gl an, Poggend. Annalen, LVni, 8. 131.
4) Archiv f. Hygiene, Bd. XXIV, 8. 295, 298, 300.
Von Max Rabner. 237
wovon Pc den Wasserwert der Metallteile des Kalorimeters, F
die mittlere Oberfläche aus Innenzylinder und innerer Fläche
des AuTsenzylinders, ßlge die Erkaltungsgeschwindigkeit, J den
Abstand der beiden Zylinder, W den Wasserwert der Füllung
bezeichnet.
Das Kalorimeter fafste, je nach Abstand der Zylinder, zwischen
8,5 und 21 — 22 g Fleisch oder Fett, beides genau entsprechend
dem berechneten und mit Wasserfüllung kontrollierten Hohlraum
zwischen den Zylindern.
Die Untersuchungen machte ich mit Kalorimetern von 1,1 mm
und 2,6 Abstand der Zylinderflächen; die Einwirkungen auf das
Resultat waren bei dem einen oder andern Ausmafs sehr gering,
wenn ich mit derselben Substanz vergleichende Versuche machte.
Für Flüssigkeiten nahm ich meist nur 1,1 mm Abstand.
Zunächst fällt beim Experimentieren der Mangel von einheit-
lichen Abkühlungswerten [ßlge) auf, sie fallen konstant mehr
oder minder schnell. Es ist dies schon bekannt und von Fielet
auf das Anhaften einer warm bleibenden Wasserschicht an der
Aufsenseite des Apparates zurückgeführt worden. Winkelmann
ist gleichfalls dieser Ansicht. Ich liefs mir eine ringförmige Bürste
anfertigen und bürstete die Abkühlungsfläche mit dem zu er-
wartenden Erfolg eines gleichmäfsigen Abkühlungsganges. Ohne
diesen Kunstgriff erhält man ganz unbrauchbare Resultate und
um so ungenauere, je schneller die Erkaltung erfolgt. Bei Wasser
ungünstigere Werte als bei Ol etc.
Die Werte, die ich erhalten habe, weichen insofern von
der zu erwartenden Gröfse etwas ab, als sie alle kleiner waren
als die für die gleichen Materien von Weber angenommenen
Zahlen.
Ich gebe die für die Mittelwerte berechneten Zahlen für i,
unter der Annahme, als Leitungskonstante für OUvenöl sei
0,000391 gefunden:
Olivenöl . . . 0,000391
Schweinefett . . 0,000426
Rindsfett . . . 0,000418
Butter .... 0,000842.
238 Über das Eindriogen der Wärme in feste Objekte und Organteile etc.
Für die fleischigen Teile:
Längsleitung der Muskelsubstanz . . 0,000632
Querleitung » » . . 0,000615
für gekochtes Rindfleisch 0,000547
» Schweinebraten 0,000440
» Magenschleimhaut 0,000647
» Luft 0,000053.
Die Verschiedenheiten bei Längs- und Querleitung wären
sonach nur gering, kaum 3^/o, die Magenschleimhaut hätte die
gleichen Werte wie Muskelfleisch im mageren Zustande.
Das gekochte Fleisch zeigt, wie der Saftverlust es wahr-
scheinlich macht, eine Minderung von k um 13,1%. Schweine-
braten hat durch seinen hohen Fettgehalt eine geringere Wärme-
leitung. Das Fett übt überhaupt den wesentlichsten EinfluTs auf
auf die Verschiedenheiten der Wärmeleitung gegenüber dem so-
gar der EinfluTs des Kochens zurücksteht.
Bei den Veränderungen des Wärmeleitungsvermögens durch
das Kochen handelt es sich übrigens um einen komplizierten
Vorgang, indem hier Dichtigkeitsveränderung neben der Verände-
rung durch die Leitung in Frage kommen.
Die frischen Fleischproben hatten im Durchschnitt 27,0
Trockensubstanz und 73,0 Wasser bei der frischen Substanz.
Ich habe noch das Experiment ausgeführt und Hühnereiweifs
roh untersucht, und ohne etwas zu ändern, dann das Kalori-
meter in kochendes Wasser getaucht, das Eiweiüs koaguliert und
wieder das Leitungsvermögen geprüft. Es muTs ganz frisches
Hühnereiweifs angewandt werden. Im Mittel von vier Versuchen
verhielt sich das Leitungsvermögen des rohen Eiweilses
zum geronnenen wie 100:81,9. Der feste Körper hatte also
um 19,1% weniger Wänneleitung als das halbflüssige Eäweifs.
Bei dem Hühnereiweifs findet im allgemeinen keinerlei
Änderung der Dichte statt, bei dem Fleische aber wird das ge-
kochte Material reicher an Eiweifs, einem schlechten Wärmeleiter.
Die obige Zahl für die Abnahme der Wärmeleitung an gekoch-
tem Fleisch gewinnt daher an Wahrscheinlichkeit.
Von Max Rabner. 239
Die spez. W&rme der Fette kann zu 0,45, das spez. Gewicht
derselben zu 0,91, also P- C= 0,409 angenommen werden. Für
Fettgewebe gibt Rosenthal 0,712 spez. Wärme, ich halte die
Zahl 0,53 für zutreffender. Frisches Fleisch hat nach meinen
Untersuchungen 1054 spez. Gewicht (nach Gl an 1070), nach
Rosenthal soll die spez. Wärme = 0,825 ausmachen. Ich finde
bei direkter Bestimmung 0,828. P (7= 0,869. Bei gekochtem
Fleisch fand ich 1085 spez. Gewicht (für obiges frisches Fleisch),
die spez. Wärme läfst sich berechnen:
Wenn 100 Teile frisches Fleisch = 50,0 Braten geben, so
gehen zu Verlust 50 Teile Flüssigkeit mit etwa 2 — 3 g Substanz,
Wenn 0,825 das spez. Gewicht, so haben 100 g
Fleisch an Wasserwert 82,5 (s. o.)
es gehen zu Verlust 50 Teile Flüssigkeit mit rund
3 g Extraktivstoffen.^) Eine 6proz. Extrakt-
lösung hat nach meinen Versuchen 1022 spez.
Gewicht und 0,916 spez. Wärme, also 47 X 0,916 45,8
Wasserwert pro 50 g Rest .37,7
Also spez. Gewicht des Restes 75,4 pro 100. C = 0,754,
Wasserwert für 1 Volumen = 0,818.
Greifen wir auf die oben S. 230 gegebene Formel
, lPlognat.160 qC ^,, _^ , ^ ,
t = 2_^ ^ zurück , 80 würde , wenn man von R ab-
sieht, die Erwärmungszeit des gekochten und ungekochten Fleisches
von dem Quotient ^ abhängen. Für diese Zahlen haben wir
jetzt Unterlagen, nämlich ^ = nnofi^9 ^^^ frisches Fleisch = 1375
und für gekochtes ^ JL- ., = 1495.
0,UUUo41
Die Zeiten werden in letzterem Falle rascher wachsen als
im ersteren Falle (von ca. 9%); d. h. der Wärmedurchtritt un-
günstiger sein.
1) £b gehen bis 60 o/^ aller Extraktivstoffe über.
240 Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte nnd Organteile etc.
Wir werden später sehen, dafs die GrOfse R weit va*
riabler ist.
Abgesehen von meinen Versuchen über die Wärmeleitung habe
ich noch folgende Experimente ausführen lassen.
In dünne Kupferbiechzylinder wurden je 400 g fein zerteilte
Fleisch- oder Speckmasse gebracht und in der Mitte der Masse
ein Thermometer eingesetzt. Die Durchmesser der Zylinder
waren 7 cm und die Höhe 12 cm.
Die Wärmequelle war ein Wasserbad, in das die Zylinder
eingetaucht waren. Den Wärmegang von 10 zu 10 Minuten
gibt nachstehende Tabelle.
Tabelle I.
il
Zeit
Min.
Zylinder I
Temp.-
Ableflong
I Temp.-
j Plus gegen
Zeit 0
Temp.-Plua
gegen yoraus-
gehende
Beobacht.
Zylinder II
Temp.-
Ablesung
Temp.-
Plna gegen
Zeit 0
Temp -Plus
gegen Tomu-
gehende
Beobacht
ja
s
A
0
10
20
30
12,8»
13,2«
14,2«
15,4*
Speck
± 0
+ 0.4
+ 1,4
+ 2,6
± 0
+ 0,4
-h 1,0
+ 1,2
13,2«
18,4«
14,2«
15,4«
Speck
± 0
+ 0^
+ 1,0
+ 2,2
± 0
+ 0,2
+ 0,8
+ 1,2
40
37
1; 34
ji 32
j
B
i
i
Fleisch
Speck
1
0
11.60
+ 0
+ 0
11,80
+ 0
+ 0 !
; *2
10
12,4*
+ 0,8
+ 0,8
11,80
+ 0
+ 0
20
18,0»
+ 6,*
+ 6,6
18,1»
+ 1,8
+ 1,8
38
30
22,6«
+ 11.0
+ 4,6
14,90
+ 8.1
+ 1.8
1
1
40
25,8»
+ 14,2
+ 8,2
17,10
+ 5,3
+ 2,2 ,
. 28
50
27,1»
+ 16,5
+ 1.3
18,70
+ 6,9
+ 1,6
28
60
27,5«
+ 15,9
+ 0,4
19,90
+ 8,1
+ 1.2
' 27
C
Speck
Fleisch
0
11,9«
—
11,80
—
42
10
12,10
+ 0.2
+ 0,2
13,20
+ M
+ M
86
20
13,4»
+ 1.5
+ 1,8
19,30
+ 7,6
+ 6.1
38
30
15,20
+ 3,8
+ 1,8
23.90
+ 12,1
+ 4.6
—
40
17,40
+ 5,ö
+ 2,2
26,60
+ 14,8
+ 2,7 '
1 28
50
, 19,20
+ 7,3
+ 1.8
27,60
+ 16,8
+ 1,0
27
60
20,5»
•
+ 8.6
+ 1,3
. 27,80
+ 16.0
+ 0,2
28
Von Max Rabner. 241
Reihe A diente als Kontrollversucb, in B und C wurde Fleisch
und Fett geprüft und die Vertauschung der Zylinder vorgenommen,
um kleine Fehler noch auszuschliefsen. In 30 Minuten nahm
der Speck um 2,8® im Mittel zu, das magere Fleisch 11,5®; in
der 50sten Minute war bei Fleisch der Wärmeausgleich fast voll-
endet mit 15,6® Temperaturzuwachs, während Fett erst 7,1 ^ mehr
an Wärme gewonnen hatte.
Bildet man für die Zahlen der ersten 20 Minuten den Quo-
tienten der Differenzen der Logarithmen der Temperaturdifferenz
zwischen Aufsenwärme und Wärme im Innern der betreffenden
Objekte durch die Zeit, so ßndet sich für beide Reihen über-
einstimmend :
Für Fleisch: 0,0164; für Fett: 0,00894
Die Geschwindigkeit des Wärmeeindringens ist bei Fleisch also
1,82 mal grölser als bei dem Speck gewesen.
III.
Wenn es sich auch verhältnismäTsig einfach gestaltet, für
die Wärmebewegung einen annähernden Ausdruck zu finden, so-
lange es sich um Objekte bei gewöhnlicher Temperatur handelt,
begegnen wir den allergröfsten Schwierigkeiten bei Anwendung
hoher Temperaturen, welche der Siedehitze nahekommen oder sie
überschreiten.
Von Versuchen wissenschaftlicher Art die Materie zu be-
arbeiten, ist nichts zu berichten ; das einzige Objekt, welches über-
haupt gelegentlich geprüft wurde, ist noch das Muskelfleisch.
Elementare Angaben über das Eindringen der Wärme in dickere
Schichten von Fleisch finden sich mehrfach.
Als man die Fleischparasiten entdeckte und in der Wärme
ein Mittel erkannte sie zu beseitigen, hat man angefangen, ein-
zelne Messungen zu machen über die Zeit, welche zum Durch-
dringen grofser Fleischmassen notwendig war. Man bestätigte,
was übrigens aus der Küchenerfahrung heraus kaum bezweifelt
wurde, das langsame Eindringen der Wärme.
Ahnliche Fragen tauchten dann später wieder auf, als neue
Krankheitserreger bakterieUer Natur im Fleische nachgewiesen
Archiv für Hygiene. Bd. LV. 16
242 Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte and Organteile etc.
worden waren und es sich um deren Vernichtung durch Wärme
handelte wie bei Milzbrand, Tuberkulose und ähnlichen Krank-
keiten. Dann kamen Fragen über die Haltbarkeit der Konserven
und die hierzu nötigen Temperaturen auf die Tagesordnung.
Das schlechte Leitungsvermögen der hier in Betracht kommenden
Substanzen, die Notwendigkeit, zwischen flüssigem Wasser und
dem in den Zellen fixiertem Wasser bei der Wärmeübertragung zu
unterscheiden, hatte schon Rumf ord beobachtet, indem er auf die
langanhaltende Wärme des Apfelbreies und der schnell sinkenden
Temperatur der Suppen hinwies, populär ausgedrückte Wahrheiten,
die immer wieder vergessen werden.
Die Art und Weise, in der man sich über die Wärmeleitungs-
fähigkeit des Muskelfleisches für unterrichtet hielt, mag durch
einige Angaben erläutert werden.
So finde ich bei Fjord (1867) erwähnt, dafs gering gesalzenes
Fleisch in Stücken von 31/4 Pfd. bei 2^2 Zoll Länge und 7 Zoll
Querschnitt 22 Minuten nach dem Anfeuern in der Mitte (statt 9^)
IV zeigt, nach 30 Minuten 43 ^ nach 105 Minuten 62». Auch
für den Bratakt finden sich Angaben. Valiin (1881) erwähnt,
dafs ein Stück Rindfleisch von 3 Kilo 4 Stunden im Kochen
bleiben mufs, ehe die Temperatur 90 — 100® erzielt wird. In
1 Stunde steigt die Wärme nur bis 50®.^)
Dann hat man gelegentlich der Untersuchung von Fleisch-
dampfapparaten oder bei der Konservierung von Büchsenfleisch
einige Messungen gemacht, die aber für eine systematische Er-
kenntnis und Erklärung des Wärmedurchgangs im Fleisch nicht
zu verwerten sind, eine solche auch nicht zum Ziele hatten.
So zahlreich also auch Messungen über den Temperatur-
anstieg im Innern eines Fleischstückes sind, weifs man über
die wissenschaftliche Seite dieses Vorgangs doch gar nichts.
Die Annahmen über das Leitungsvermögen des Fleisches usw.
1) Für Kochzwecke findet sich auch sonst manche hierher ^hörige An-
gabe, auf die ich aber nicht weiter eingehen kann. S. auch Abel, Zeitschr.
f. Hygiene, Bd. XXX, 8. 382.
2) Abel, Archiv f. Hygiene, Bd. XXX.
3) Biflchoff u. Wintgen, Bd. XXXIV, 8. 499.
Von Max Rubner. 243
sind rein willkürliche. Allen Beobachtern ist die grofse Unregel-
mäfsigkeit der Durchwärmung aufgefallen, man hat aber nicht
getrennt zwischen Fehlern der Methodik, die offenbar für manche
Verfahren ganz aufserordentlich grofse sind, und zwischen Diffe-
renzen, die in der eigentUchen Beschaffenheit der Fleischsubstanz
liegen.
An den regellosen und anscheinend unentwirrbaren Ergeb-
nissen tragen zweifellos die technischen UnvoUkommenheiten der
Methodik einen Anteil. Zur Temperaturmessung genügt das Ein-
schieben von Thermometern zwischen die Muskelbündel keines-
wegs; ein sicherer Abschlufs läfst sich kaum erzielen, es treten
Spalten auf und Flüssigkeit gelangt nur zu leicht direkt in die Tiefe
des Fleischstückes Die Art der Trennung, ob mit Querdurch-
schneidung des Muskels oder parallel zu den Fasern, kommt auch
mit in Betracht.
Meine Methodik war folgende : In der Mitte der Fleischstücke
war ein Thermoelement gut isoliert bis auf die eigentliche
Lötstelle angebracht, ein zweites Element befand sich in einem
Gläschen mit Wasser, in dem neben dem Element ein Thermo-
meter sich befand. Ein Galvanometer stand auf 0, wenn beide
Lötstellen gleiche Temperatur hatten. Der Weg der thermo-
elektrischen Messung ist zu bekannt, als dafs ich weiteres anzu-
geben nötig hätte.
Das Wasser, in welches das Fleisch getaucht wurde, hatte
20^ und wurde dann, nachdem das Fleischstück sicher mit dem
Thermoelement befestigt war, rasch angewärmt
Ich bemerke weiter, dafs die mit möglichst reinem Muskel-
fleisch angestellten Versuche natürlich nicht auf Fleisch mit
massigen Fetteinlagerungen und knochenhaltiges Fleisch über-
tragbar sind.
Innegehalten wurde bei den Experimenten auch eine gleich-
artige Schnittweise des Fleisches. Die Messungen, über
welche ich berichten kann, liegen viele Jahre zurück.
Schon vor etwa 10 — 12 Jahren hat Professor Bonhoff
eine Zahl von Untersuchungen über Wärmedurchgängigkeit des
Fleisches in meinem Institut ausgeführt.
16 •
244 tiher das Eindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile etc.
In nachstehender Tabelle ist die Qualität des Fleisches,
die natürlich nicht immer den Wünschen entsprechen konnte,
angegeben.
+ bedeutet ein schlechtes Stück aus kleinen Muskeln,
also mit viel Sehnen und Bindegewebe durchsetzt.
-| — f- ein mittelgutes Stück aus zwei grofsen Muskelmassen,
-\ — I — f- ein tadelloses Stück aus einer einzigen grofsen Muskel-
masse.
Unter Wassertemperatur im Reagensglas vor dem Kochen
ist zu verstehen die Temperatur, welche das mit dem zweiten
Thermoelement in einem mit Wasser gefüllten Reagensglas ver-
einigte Thermometer im Moment des Einwerfens des Fleisch-
stückes in das Wasser zeigt.
Die Erwärmungszeiten sind in Minuten angegeben, gerechnet
von dem Moment des Einlegens des Fleischstückes bis zu dem
Moment, in welchem das Galvanometer 0 Ausschlag gibt, und
das Wassergläschen mit dem einen Thermoelement die angegebene
Temperatur am Thermometer ablesen liefs.
(Siehe Tabelle H auf S. 245 and 246.)
Die Ergebnisse zeigen Schwankungen, die, was die erste
Zeit nach dem Erwärmen anlangt, von der Temperatur, die das
Fleisch vor dem Experiment hatte, abhängig sind. Diese Tem-
peratur kann man schätzen nach dem Stande der Nadel des
Galvanometers beim Einstechen des Elementes. 1^ negativer
Ausschlag war rund 0,4®.
Genauer als auf 0,2® werden die Angaben im allgemeinen
nicht sein. Es genügt dies für die vorliegende Aufgabe. Den
Praktiker wird zunächst die Frage interessieren, wie lauge es
dauert, bis ein bestimmter Temperaturgrad erreicht wird. Der
einfachste Fall ist das Garwerden des Fleisches bei der Tem-
peratur von 100®. Dann haben alle Teile die gleiche Wärme an-
genommen.
Die einfachste Art der Betrachtung ist die, dafs wir die
Endzeiten für den erreichten Gleichgewichtszustand ins Auge
VoD Max Rubner.
> -
:,i' '
ISSSSSSJI ;
S a
4 f h
:,!'-
S S i S 3 S S 1 1 s
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1 S 8 S E S S J 1 ai
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S22SSS3 "ils
1
1
1 1 1
o
s
il k
1 1 .8«
|l is
' 1 |l
246 Ober das Eindringen der Wftrme in feste Objekte und Organteile etc.
Von Max Rubner.
247
fassen. Wie man aus den Tabellen sieht, liegen trotz der sorg-
fältigen Auswahl an Material doch nicht unerhebliche Differenzen
vor, die in der Natur der Substanz begründet sein mögen. Die
Mittelwerte gleichen die gröberen Schwankungen genügend ab,
um mit den Zahlen weiter operieren zu können.
Tabelle XU.
Minatenzahl fttr die erreiehten Temperatnreii wttrfein^miisrer Stücke Ton
naehfolsrenden SeitenlÜDsreD.
Temp.
im
Fleisch
6
8
11
11
gekocht
Nr. 10, 11,
12. 13.
20
7.3
.^
_
30
15,0
20,5
2,5
40
3,5
21,3
32,5
9,7
50
6,6
29,0
44,5
20.5
60
8,7
36,3
55,4
30,7
70
12,8
43,3
70,9
39.5
80
17.5
53,8
78,0
48,7
90
25,5
73.3
98,2
65,2
100
44,2
93,3
136,2
98,5
Die Durchdringungszeiten sind für grofse Stücke von denen
der kleineren wesentlich verschieden, was zunächst einer weiteren
Begründung nicht bedarf. Die ersten Erwärmungsgrade werden
verhältnismäfsig schnell durchlaufen. Die definitive Einstellung
läfst aber lange auf sich warten, ein Umstand, der in der Ab-
nahme der Triebkräfte für die Wärme nämlich der Differenz
zwischen Kerntemperatur und Oberfläche vorläufig seine Erklä-
rung finden mag. Ich bemerke aber, dafs sich aus den hier roh
vorUegenden Zahlen ein sicheres Urteil über die Schnelligkeit der
Erwärmung keineswegs gewinnen läfst. Wir kommen darauf aus-
führlicher zurück.
Fassen wir zunächst den Endeffekt der Erwärmung in Be-
tracht, so wurde die Endtemperatur von 100® erreicht
bei 6 ccm in 44,2 Min.
> 8 » » 93,3 »
(s. Tabelle II) » 10 » > 126,7 >
» 11 » > 136,3 »
248 Über das EindriDgen der Wärme in feste Objekte und Organteile etc.
Daraus folgt, dafs die Zeiten sich umgekehrt proportional
dem Quadrat des halben Durchmessers der Fleischstücke ver-
halten. Denn
6«:
82
: 10» :
112
— 36 :
64
;100 :
121
= 1 :
1,77
; 2.8:
3,36
1 iU9-
93,3
126.7
136,3
a b c d
gibt 44,2 : 52,6 : 45,2 : 40,5.
Dazu ist zu bemerken, dals die Anfangstemperaturen waren bei
a=16o im Mittel
b = 11,30 ,
c= 5,20 , ^
d = 20,30 1 1
Zwischen 6 — 11 cm Durchmesser (0,22 — 1,33 kg) kann man
also annehmen, dals die obenbenannte 6esetzmlU*sigkeit besteht.
Denn die gefundenen Abweichungen sind bei einem Objekt,
das einer feineren Beobachtung solche Schwierigkeiten ent-
gegenstellt wie der Muskel, ziemlich belanglos. Zum Teil erklärt
sich die Abweichung von b und c durch die niedrigere Anfangs-
temperatur.
Über die Anwendung des Satzes, dafs die Zeiten gleicher
Temperatur von der Gröfse der Stücke abhängig sei, auf alle
Zwischenstufen zwischen 20 — 100 0 kann man sich an dieser Stelle
noch nicht aussprechen. Für 70^ besteht die Gesetzmäfsig-
keit für die gröfseren Fleischstücke, für das kleinste aber nicht.
Es sind die Zeiten für lO«
bei 6 cm Seitenlg. 12,8 Min., während die Rechnung zeigt 21,2 Min.,
* 8 » > 43,3 y> » » » » 37,3 »
» 10 » » 56,2 > » » V » 59,0 >
» 11 > y> 70,9 » » > » » 70,9 >
wenn man von dem Werte für 12 cm ausgehend die übrigen
ableitet.
Von Max Rabner. 249
Die bisherigen Beobachter, deren Zahlenergebnisse für die
Erwärmung des Fleisches so aulserordentlich schwankend gewesen
sind, haben als Hauptgrund immer nur die ungleiche Zusammen-
setzung der Stücke (Fettgehalt, Knochen) angesehen; ein solcher
Einflufs soll nicht in Abrede gestellt werden. Er ist aber noch
nicht das punctum saliens in der Sache.
Der Hauptfehler, warum man bisher die allermannigfachsten
Resultate gefunden hat, lag in der ungenügenden Kenntnis von
den Veränderungen des Fleisches in der Hitze. Durch die Arbei-
ten meines Laboratoriums sind diese eigenartigen Vorgänge im
einzelnen aufgeklärt, die Ergebnisse aber zu wenig beachtet
worden.
Von Nothwang^) wurde festgestellt, wie sich bei der Siede-
temperatur unter verschiedenen Umständen der Gehalt an Wasser,
Salzen, Extraktivstoffen ändert, sei es, dafs die Fleischsorten in
Berührung mit Wasser oder Dampf erwärmt waren. Ferrati^)
hat festgestellt, welche Änderungen bei sehr verschiedener Tem-
peratur und bei verschiedenen als »Fleische im weiteren Sinne
bezeichneten Organen vor sich gehen; es hat sich dabei die
wichtige Tatsache ergeben, dafs die Festigkeit, Zähigkeit
und Derbheit des Fleisches mit steigender Tempera-
tur immer zunimmt. Die zu Sterilisationszwecken für Fleisch
vorgeschlagene Temperatur über 100^ ist vom Ernährungsstand-
punkte aus betrachtet nicht ohne Bedenken.
F. W. Milroy') hat die chemischen Veränderungen des
Fleisches bei verschiedener Temperatur näher verfolgt und dar-
tun können, dafs die Unsitte, fast rohes oder halbgares Fleisch
zu geniefsen, in der Annahme, im halbgaren Fleisch fänden sich
noch sehr viel unkoagulierte Eiweifsstoffe, durch das JEiXperiment
widerlegt werde.
Als einen Ausdruck der Volumänderung können wir die
Gewichtsverluste des Fleisches in der Wärme betrachten. Von
1) Archiv f. Hygiene, Bd. XVIÜ, 8. 80.
2) Dasselbe, Bd. XIX, 8. 317.
8) Dasselbe, Bd. XXV, S. 154.
250 Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile etc.
Ferrati wurden darüber systematische Versuche angestellt; ich
gebe nachstehend unter Umrechnung der Originalzahlen ^n, um
wie viele Prozente Gewichtsverlust das Fleisch bei gewissen
Temperaturintervallen sich ändert:^)
bei 15® 0,04% (= autolytische Vorgänge)
15— 45» 3,57%
45—560 7,21%
56—660 15,83%
66—750 10,650/0
75—860 8,300/0
86—950 1,730/0.
Darüber hinaus schreitet die Schrumpfung des Fleisches
weiter, sie interessiert uns hier zunächst nicht.
Läfst man das Fleisch länger als zur Erreichung des Wärme-
gleichgewichtes nötig ist, in der Wärme, so findet nochmals eine
Zusammenziehung statt, die ja nicht so umfangreich ist als die
erste, aber doch mehrere Prozent betragen kann.
Ein Fleisch, das (500 g) eine Stunde im Dampfkochtopf ge-
halten wird, gab in dieser Zeit 170 g Saft ab,
in der zweiten Stunde noch . 12 g,
in der dritten Stunde . . . 2,5 g.
Meist werden die in der zweiten und dritten Stunde erhaltenen
Werte sogar etwas gröfser sein.
Die oben nach Ferrati berechneten Werte gelten nur für
den Fall des Gleichgewichtszustandes ; richtet man sich nur nach
der Kerntemperatur einer in steigender Erwärmung befindlichen
Fleischmasse, so ist die Aulsentemperatur nicht gleich dem Kern,
sondern gleich dem umgebenden Medium. Die Schrumpfung des
Fleisches macht sich also dann, weil ^ höher
als die Kemtemperatur selbst, schon früher geltend, als nach
obigen Zahlen sich ergäbe.
Im Anschlüsse hieran möchte ich noch folgendes bemerken.
Bei der Einwirkung der 'Wärme auf Fleisch zieht sich dieses
1) Archiv f. Hygiene, Bd. XIX, 8. 319.
Von Max Rabner. 251
nicht gleichmäfsig zusammen, sondern die Längskontraktion der
Faser ist die erheblichste.
Bei einem mageren Fleisch, das beim Dünsten in Dampf
von 100 Gewichtsteilen auf 50,4 zurückgegangen war, war die
Kontraktionsverkürzung 100 : 47,5,
die Verändenmg der Seitenlänge des Querschnittes . 100 : 84,8
und die der mittleren Querschnittfläche 100 : 92,8.
Die Deformation nimmt an Stücken mit wechselnder Faser-
richtung die allerabenteuerlichsten Formen an ; ein unregelmälsig
geformtes Stück kann zur Kugel werden, der Würfel plattet sich
ab, Spitzen und Zacken entstehen. Die Längskontraktion kann
sich frei entwickeln oder gehemmt sein. Je nach dem ana-
tomischen Bau und der Schnittführung kann man also die alier-
mannigfaltigsten Ergebnisse erzielen.
Nachstehend (S. S. 252) folgt die graphische Darstellung des
fortschreitenden Gewichtsverlustes^) des Muskelfleisches beim
Erwärmen, und die Retraktion der Längsfasem (punktierte Linien)
(Ordinaten links), so wie die Veränderung der Werte für PC bei
Muskelfleisch (Ordinaten rechts). Der Abszisse gibt die Tempe-
raturen.
Manche Fleischarten, wie z. B. das Fleisch der Fische, wird
in der Hitze ganz anders beeinflufst als das der Säugetiere, es
nimmt weniger an Gewicht und Volumen beim Erhitzen ab.
Mit der Gerinnung der Eiweifsstoffe ist nur in bestimmten
Organen eine Änderung der Form und Verkleinerung des
Raumes verknüpft, viele EiweilsstoSe gerinnen unter Gleich-
erhaltung von Form und Masse, z. B. das Hühnereiweils, der
Dotter, das Serum und Blut.
Mit der Volum Verkleinerung des Fleisches ändert sich für
den Einstrom der Weg für das Eindringen der Wärme.
Die Berührung mit den umgebenden Medien wird zugleich inniger,
weil ja die Oberfläche im Verhältnis zur Masse gleich-
falls mit abnehmender Gröfse des Stückes wächst, wie die nach-
stehenden Zahlen zeigen.
1) Die Summen bis su einer bestimmten erreichten Temperatur.
252 tJboT das EiDdringen d« Wftnne in feste Objekte und OrgajitaUa etc.
Tftbslle IV.
Seitenl&nge
die Gewichte der
ätDcke iiüd
die Oberflftctie
Mf 1 Kilo tril«
Oberfllclie
6 cm
226 g
144
637
8 >
639 .
266
477
10 .
1054 >
400
383
11 .
1403 .
484
344
GewiektBAbnthra« dea HiukelflelsefaM bei der ErwInnoBr.
100 Teile verliereD Oramm ').
Wenn die Wärme in das frische Fleisch eindringt und dieses
zur Kontraktion zwingt, mufs eine Wärme aufgewandt werden, die
der Erwärmung der ganzen Fleischmasse auf die Endtemperatur
entspricht, denn der ausgepreCate Saft nimmt und mufs
seinen Weg durch die warme Aufsenscbicht nehmen;
er strömt mit seinem dem Fleisch entnommenen Wärmevorrat ab.
Ein Fleischstück von 11 cm Seitenlange hat 1,403X0,825
= 1157 g Kai. Wasserwert.
Für die Erhöhung von 20—100 " müssen eintreten 92,56 kg Kai.
Dabei ist es aber allmählich zusammengeschrumpft, so dafs sein
End wasserwert statt 1157 nur mehr 544 g Kai. ausmacht. Erwärme
ich diese Substanz wieder, so braucht sie nur mehr 43,62 Kilo Kai.
1) Der LftogenTerliut ist grofser; die reBtieieode lAnge ^= 0^1 X <lem
verbleibenden Gewicht
Von Max Rabner. 253
aufzunehmen, um 100^ zu erreichen. Die Aufnahme bei zweit'
maliger Erwärmung wird erleichtert durch die geringe Weg-
strecke und die gesteigerte relative Oberfläche, gehemmt
durch die Abnahme des Leitungsvermögens ( — 13,1%).
Damit dürften die ersten elementaren Fragen, die man aus
dem Experimente beantworten will, erledigt sein.
Bei den bis jetzt bekannt gewordenen Versuchen ist man
über die Feststellung der Erwärmungszeit nicht hinausgekommen,
noch weniger hat man es unternommen, weitere gesetzmäfsige
Beziehungen abzuleiten.
IV.
Will man nicht sich mit der allgemeinen Tatsache, dafs
eben die Wärme ungleich ins Fleisch eindringt, genügen lassen,
sondern weitere Schlüsse ziehen, so mufs man einen besonderen
Weg der Rechnung einschlagen.
Ich wünschte einen Ausdruck zu erhalten dafür, ob in ein-
zelnen Zeitperioden das Eindringen der Wärme gleichartig
oder ungleichartig sei. Zu diesem Behuf e habe ich zuerst die
einzelnen Serien zu Mittelwerten für je eine Dicke des Fleisches
zusammengelegt (s. S. 247).
Sodann wurde berechnet, wie grofs jeweils das Temperatur-
intervall zwischen Zentrum des Fleisches und der äulseren Be-
grenzung war (also bei 20 ^ = 80, bei 30® = 70), und ähnlich
war für das Erkaltungsgesetz die Konstante berechnet worden
durch Division mit der Zeit in die Differenzen der Logarithmen
der eben genannten Temperatur werte. ^)
1) Zwei Beispiele der Berechnung mOgen genügen.
Fall I. 6 cm Darchmesser.
Temperatur-
Zeitdauer der
Differenz der
Differenz
Erwärmung
Zeit in jedem
aiiDMü n. Kern
in Minuten
Intervall
50«
M
+ 3.0
40»
7.4
+ 4,2
30»
11.2
+ 4,4
20«
15,6
+ 9,8
10»
26,4
+ 18.8
0«
44,2
Minuten
254 Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile etc.
Diese gesetzmälsige Beziehung gilt freilich als ganz genau
nur, wenn das Intervall etwa 40^ nicht überschreitet; aber es
kommt hier auch darauf an, wie grofs diese Differenzen sind.
Fall 11. 8 cm Durchmesser, J
Seieicbnung ebenso.
80« 7,3
70« 16,0
60« 21,3
60« 29,0
40« 36,3
SO« 43,3
20« 63,8
10« 73.3
0« 93,3
+ 7,7
+ 6,3
+ 8,3
+ 7,3
+ 10,0
+ 10.6
+ 19,5
+ 20,6
Minuten
weiter für Fall I
lg
60 — 2^40
3,0 Minuten
1,6989700
1,6020600 0,0969100 ^^ ^^ , 0,0323
= = 0,0323 oder —
0,0969100 3 60
f. d. Sek
1,6020600
1,4771213
0.1249387
0,1249387 ^^^^
4,2 - ^'^'
1.4771213
1,3010300
0,1760913
0,1^^60913 ^ ^^^^
1.3010300
1,0000000
0,3010800
0.3010300 = 0,0307
1,0000000 —
1,0000000 ^^^
18,8 -^'^^-
Für Fall II: 0,0075
0,0126
0,0106
0,0167
0,0096
0,0164
0,0133
0,0600
Von Max Rubner. 255
Als ich die in folgenden Versuchen benutzte leere, d. h. mit
Luft gefüllte Metallkugel in einem Wasserbad von 25^ erkalten
liefs, waren die Werte ^)
T—\
5
65
40
0,0024
0,0031
60
35
0,0028
0,0031
55
30
0,0027
0,0030
50
25
0,0082
0,0031
45
20
0,0031
0,0031
40
15
0,0031
10
5
0
0,0031
0,0031
0,0031
0,0023
Ahnlich für den umgekehrten Vorgang, der Erwärmung.
Hierbei differierten die anfängUchen Werte nicht unerheblich,
bis sich ein Gleichgewicht hergestellt hatte. Dann entsprachen
die Zahlen den obigen
0,0030
0,0030
0,0029
0,0028
0,0031
0,0025.
Der letzte Wert schwankt, weil hier der Punkt des scharfen
Erreichens wegen der Langsamkeit des Temperaturanstiegs beim
Ablesen Schwierigkeiten macht.
Diese Zahlen der Tabelle V sind ein Ausdruck für die Ge-
schwindigkeit des Erwärmens des Fleisches. Das Resultat zeigt
in jeder Reihe eine Zunahme der Werte mit dem Unter-
schiede, dafs speziell bei niedrigen Temperaturen zwischen den
einzelnen Proben grofse Differenzen sich finden. In der ersten
Zeit dauert es selbstredend bei sehr dicken Schichten am längsten,
1) Dies sind natQrlich keine Werte far das Leitangsyermög^ der Luft 1
256 t)ber das Eindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile etc.
bis Überhaupt ^in nennenswerter Wännezuwachs eintritt. Die
Zunahme der Erwärmungsgeschwindigkeit entspricht also gerade
dem Gegenteil von dem, was man aus einer oberflächlichen Be-
trachtung der Zahlen hätte herauslesen können. Die Geschwindig-
keit der Erwärmung ist mit Zunahme der Temperatur nicht
abnehmend, sondern wachsend.
Tabelle V.
Werte für
log e» — e,
sec.
T
Seitenlänge der Fleischstücke
30
40
50
60
70
80
90
100
70
eo
50
40
30
20
10
0
0,00054
0,00049
0,00067
0,00051
0,00086
0,00018
0,00016
0,00021
0,00021
0,00028
0,00026
0,00083
0,00013
0,00016
0,00017
0,00030
0,00026
0,00031
0,00033
Gewichts-
verlust nach
Ferrati
0,00010
0,00010
0,00016
0,00021
0,00027
0,00028
0,00042
7,21
15,8
10,6
8,3
>
»
>
Das kann nicht in einer leichteren Durchdringung auf Grund
des geänderten Leitungsvermögens begründet sein, sondern es ist
der Ausdruck für die stetige Abnahme des V^olumens, der Ab-
nahme der Wegstrecke für die Weiterbewegung der Wärme.
Ob aber die Volumänderung den einzigen wesentlichen Grund
für den eigenartigen Wärmeanstieg darstellt, ist nicht entschieden;
sind doch die Wirkungen der Erwärmung organisierter Massen
keineswegs genau genug bekannt. Ich habe mich daher zu unter-
richten versucht, ob nicht auch die Veränderungen beim Fest-
werden der eiweifsartigen StofiFe, die Prozesse der Gerinnung,
Momente von einiger Bedeutung seien.
Ehe wir zu weiteren Schlüssen kommen, will ich eine Reihe
von Messungen an Ei weifs Sorten betrachten. In drei ganz
gleich grofsen kugligen Kolben von r = 4 wurde Eiweifs, Dotter
und Blut gefüllt und im Wasserbad von 99,6® die Temperatur
verfolgt, das Thermometer wurde scharf in den Mittelpunkt der
Von Max Rabner.
257
Kugel gebracht. Aus den Originalablesungen wurden in oben
gesagter Weise die Werte für die Erwärmungsgeschwindigkeit
pro 1 Sekunde abgeleitet und in folgende Tabelle eingetragen.
Tabelle VI.
log t^ — f,
r = 4,0 cm
Sekunden
T—t
55
50
44
40
34
80
24
20
15
10
5
0
Eiweifs
0,00055
0,00055
Dotter
Blut
0,00032
0,00032
0,00038 1
0.000381
0,00035
0,00035
0,00039
0,00089
0,00046
0,00043
0,00044
0,00045 I
0,00045
0,00061
0,00061
0,00061
0,00037
0,00033 I
0,00059
0,00059
0,00040
0,00044
0,00032
Man erkennt ohne weiteres eine sehr weitgehende Überein-
stimmung in den einzelnen Werten, eine weit bessere als bei dem
Fleisch erhalten worden ist. Zwischen 65 — 90° erwärmt sich
Dotter am schnellsten, Eiweifs weniger schnell und Blut nimmt
eine mittlere Stellung ein, gleichartig scheint die Erwärmung
bei allen dreien nicht, eher erst abfallend, dann wieder steigend.
Die Versuche wurden mit Hühnereiweifs genauer wiederholt.
Aus vielen Versuchen gebe ich nur die in Tabelle VII auf
Seite 258 angegebenen Beispiele.
Der Verlauf des Wärmeganges ist ein ganz eigenartiger. Nach
einem raschen Eindringen der Wärme nimmt die Erwärmungs-
geschwindigkeit allmählich ab bis zu einem Minimum bei 55°
oder 60°, sodann erhebt sich die Leitungsgrölse, um bei 70°
und weiter annähernd konstant zn bleiben. Um Zufälligkeiten
kann es sich dabei nicht handeln. Ich habe das Experiment
wiederholen lassen. Der Erwärmungsgang blieb derselbe. Das
Minimum zeigt sich bei 60° Temperatur.
Archiv mr Hygien«. Bd. LIV. 17
258 ^her da« Eindringen derWftrme in feste Objekte and Organteile etr.
Tabelle Vn.
T—t
roh
[
gekocht
n
Mittel
Wirkl.
roh
gekocht
roh
gekocht
Temp.
71
0,00130
0,00022
0,00220
0,00017
0,00170
0.00022
30
66
0,00140
0,00027
. 0,00220
0,00018
0,00180
0,00022
35
61
0,00060
0,00027
0,00090
0,00023
0,00076
0,00025
40
66
0,00012
0,00032
0,00050
0,00025
o,ooasi
0,00028 '
45
51
0,00017
0,00034
0,00031
0,00026
0.00024
0,00030
50
46 .
1
0,00018
0,00019
0,00023
0,00036
0,00032
0,00038
, 0,00036
0,00009
0,00023
0,00034 !
0,00027 1
0,00032
0.00027
0,00035
0,00029
0,00036
55
41
0,00014
60
36
0,00023
ÖT)
31 ii
II
0,00025
0,00038
0,00023
0,00032
0,00024
o,ooa%
70
26 '
0,00022
0,00033
0,00025
0,00028
0,00024
0,00031
75
21
0,00028
0,00038
0,00030
0,00032
0,00029
0,00036
80
k;
0,00027
0,00037
. 0,00031
0,00029
0,00029
0,00033
85
" 1,
0,00024
0,00034
0,00031
0,00026 ;
1
0,00027
0,00028
90
ö ,i
1
1 —
1
""
Darunter und darüber ist die Wärmeleitung grölser, und
zwar besonders grofs bei niedrigen Temperaturen, bei denen gerade
die Wärmebewegung im Fleisch so sehr gering gewesen ist.
Der Ursache für den so merkwürdigen Gang der Erwärmung
kann man durch den Versuch näher treten, wenn wir das Ei-
weifs ein zweites Mal erwärmen. Die vorstehende Tabelle
enthält unter der Bezeichnung Mittel eigentlich drei Versuche,
indem in der einen Reihe das Eiweils dreimal erwärmt wurde
(einmal roh, zweimal gekocht). Da hierbei bei den vorher gekoch-
ten Proben sich Abweichungen nicht ergaben, wurde auf weitere
Wiederholungen verzichtet. Die Erwärmungszahlen geben zwar
keine eigentliche Konstante, aber bis 40^ sind die Abweichungen
nicht erheblich, und liegen unter dem späteren Mittel. Beim koa-
gulierten Eiweifs ist nach meinen Zahlen die Erwärmung also sehr
gleichmäfsig. Wie ist aber die Abweichung des rohen Eiweifses
zu erklären?
Die Betrachtung führt uns zu folgenden Ergebnissen. Die
erste Steigerung der Temperatur des einer warmen Umgebung
ausgesetzten Eiweifses führt zu einem lebhaften Wärmedurch-
gang, an einem solchen sind Strömungen der Flüssigkeit
Von Max Rabner. 259
beteiligt. Doch habe ich absichtlich, um solche zu verhindern,
das Eiweils so genommen, wie man es direkt beim Offnen des
Eies erhält, also nicht etwa in der mehr flüssigen Form, wie es
nach dem Schlagen zu Eiweifsschnee sich sammelt.
Bei einer wirklich flüssigen Masse ist der Wärmegang auch ein
weit rascherer, z. B. bei Milch, wo sich als Erwärmungswert fand :
71
0,00317
66
56
51
46
41
0,00356
0,00369
0,00320
0,00312
Man versteht, dafs diese Bewegung des Eiweifses abnimmt
mit der Gerinnung der äufseren, der Metallkugeloberfläche an-
liegenden Schichten und der Zunahme der Zähigkeit, die der
Gerinnung vorausgeht. Aber auffallend bleibt der Temperatur-
abfall bei der Gerinnung in dem Zentrum des Eies. Ich dachte,
dafs zum Teil die Entwicklung von Gasen, die ich manchmal
beobachtet habe, einen Einflufs ausübe.
Wenn man Hühnereiweifs erwärmt, so wird es für ein kurzes
Temperaturintervall dünnflüssiger. Dann verliert sich diese Eigen-
schaft und zwischen 50 — 60° beginnt schon die partielle Gerin-
nung, die dann immer weiter fortschreitet. Achtet man genauer
auf die Vorgänge, so findet man manchmal eine mehr oder minder
starke Volumvermehrung, eine Blähung der Masse, und unver-
kennbar das Auftreten von Luftbläschen oder Flüssigkeitsbläschen
in der Masse. Es richtet sich dies aber, wie ich finde, nach der
Natur der Eier, indem frische Eier diese Tendenz zur Blähung
nicht besitzen, wohl aber die alte Ware.
Erhitzt man Hühnereiweifs langsam und ohne Blasenbildung,
so kommt keine Volumzunahme zustande. Ich verwendete
Eiweils von 1042,1 sp. Gew. und brachte etwas davon in ein
17 •
260 Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile etc.
Pyknometer, und liefs es dann durch Erwärmen im warmen
Wasserbade gerinnen, wobei es etwas an Wasser verlor.
Frisch . . 17,476 g = 16,769 ccm
geronnen 17,452 » — 0,025 >
— 0,024 g = 16,744 ccm.
Das Pyknometer nahm noch 5,092 ccm Wasser auf, nach-
dem das Eiweifs geronnen und wieder abgekühlt war. Der ganze
Kubikinhalt war
21,878 ccm
ab 5,092 »
16,786 ccm.
Das Eiweifs müfste also nach dem Erhitzen diesen Raum ein-
genommen haben, es mafs vor dem Erhitzen
16,769 ccm
Ausdehnung 0,017 ccm = + 0,1%.
Hat man aber alte Eier und erhitzt auf höhern Grad als
zur eigentUchen Koagulation nötig ist, so kann die Volumzunahme
in der Wärme 21 — 23% ausmachen. Schichtet man Ol über
das Eiweifs, so zeigen sich deutlich die aufsteigenden Gas-
bläschen, und zwar sind sie, wie man beim Evakuieren
unter der Luftpumpe sieht, in der ganzen Masse verteilt. Nach
dem Abkühlen sinkt die Eiweifsmasse in sich zusammen, aber
nicht mehr ganz.
In solchen Fällen konnte etwas Wärme durch die Ver-
flüchtigung von Gasen verloren gehen. Die Gasentwicklung
beim Erhitzen mancher Nahrungsmittel habe ich schon vor langer
Zeit näher untersuchen lassen mit dem Resultate, dafs unter allen
Umständen dabei CO2 auftritt i), daneben manchmal SHj und
seltener Merkaptan.
Die Eier entwickeln, auf 500 g frisches Material gerechnet,
0,149 g = 0,298 g pro Kilo an CO2,
oder in ccm gerechnet 149 ccm > »
_ 14,9 pro 100 g Substanz.
1) Archiv f. Hygiene, Bd. XIX, S. 133.
Von Max Rubner. 2t) 1
Denkt man sich die Gasmasse auch noch bei Siedetempe-
ratur ausgedehnt, so reicht sie hin, die beobachteten Erscheinungen
zu erklären.
Diese Gasentwicklung erfordert selbstverständlich eine gewisse
Wärmemenge, die zunächst der Umgebung entnommen werden
mufs.
Den eigentlichen Vorgang der CO2- Abspaltung kennen wir
nicht, und es läfst sich daher auch nur approximativ schätzen, welche
Wärmemenge etwa durch den Akt des Entstehens der genannten
C02-Mengen gebunden wird. Die Kugel war gefüllt mit 372 g
Eiweifs. Die absolute Gröfse der C 02- Bildung kann demnach
0 149
0,108 g betragen haben (372 • -^kq- = 0,108 g). Durch den ein-
fachen Übergang von flüssiger zu gasförmiger CO2 wird pro Mole-
kül 5600 g-Kal. frei = 127 Kai. pro 1 g CO2 und 13,7 g-Kal. für
die Füllung meiner Kugel, eine Menge, die gegenüber dem Wärme-
strom von etwa 23 840 g-Kal., welche zur Erwärmung der ganzen
Masse nötig waren, verschwindend ist. Wenn die Zersetzung
etwa so erfolgt, wie durch Spaltung einer salzartigen Verbindung,
z. B. 2 NaHCOg =Na2C08 + H2O (flüssig) + CO.^ (Gas), dann
sind 19960 gKal, notwendig, die Reaktion zu vollenden =461
pro 1 g CO2 = 48,7 g-Kal. pro 0,108 g CO2.
Manchmal mögen die genannten Erscheinungen der Gas-
bildung gewifs an dem Wärmegang beteiligt sein. In meinem
Experimente kann dies aber nicht in nennenswertem Grade
geschehen sein. Der Beweis hegt noch, abgesehen von vor-
stehender Rechnung, im folgenden.
Um die MögUchkeit der Entwicklung von Gasblasen zu
hemmen, setzte ich dem Eiweifs (372 ccm) 3 ccm 28proz. Kali-
lauge zu, was mehr als ausreichend ist, Kohlensäuremengen,
wie sie hierbei entstehen könnten, zu binden. An den Zahlen
hat diese Versuchsänderung (s. Tab. VIII) so gut wie nichts ge-
ändert. Das Minimum liegt an derselben Stelle (60 — 65®) wie in
dem Mittel der Tabelle S. 258, im übrigen erhielt ich fast bis
zur fünften Dezimale dasselbe Resultat.
262 Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile etc.
Tabelle Vm.
Eiweifs -j- 3 eem konz. Kalllaiige.
T—t
71
66
61
56
51
46
41
36
31
26
21
16
11
6
Frisches
Eiweifs
0,00173
0,00173
0,00123
0,00185
0,00099
0,00031
Das vorige
nochmals er-
wärmt
0.(K)010
0,00021
0,00023
0,00028
0,00027
0,00029
0,00028
0,00017
0,00023
0,00024
0,00027
0,00028
0,00029
0,00030
0,00034
0,00034
0,00037
0,00030
0,00034
0,00035
Das Eiweifs war geronnen^), so dafs sich eine nochmalige
Erwärmung ausführen liefs. In dieser Reihe mit geronnenem Ei-
weifs fehlt das anfänglich rasche Steigen der Wärme, wie dies
auch früher entgegengetreten war. Die Übereinstimmung der Ex-
perimente ist eine ganz vorzügliche; das Resultat beweist, dafs
die Beweglichkeit des Eiweifses der Hauptgrund für den eigen-
artigen ersten Erwärmungsgang des rohen Eiweifses ist. Wenn
weiter, wie bewiesen, die Wärme durch Strömung im Eiweifs
verteilt wird, so ist das Temperaturgefälle, in den Radien der
Kugel betrachtet, offenbar ein ganz anderes, als wenn sich die
Wärme wie im geronnenen Eiweifs in einem festen Körper aus-
breiten mufs. Von dem Moment ab, in welchem der Eiweils-
strom durch Koagulation zur Ruhe kommt, mufs sich die Wärme-
verteilung den neuen Verhältnissen anpassen. Die Zeit der Ge-
rinnung läfst sich aber für das Innere der Kugel nachweisen.
Solange Flüssigkeit zirkuliert, sind etwa alle Teile derselben von
ähnlicher Temperatur; wenn in einem Momente dieser Strom
1) Das EiwelTs war absolut gleichmftfsig fest geronnen, ondardisiehtig
und ohne die kleinste Luftblase.
Von Max Rubner. 263
gehemmt wird, dann beginnt die starke Verlangsamung der
Wärmebewegung, Vorgänge, die sieh in den Erwärmungszahlen
für das Eiweifs in der Tabelle ganz charakteristisch ausprägen.
Das Absinken unter die spätere wieder sich steigernde Er-
wärmungsgeschwindigkeit, also ein förmlicher Stillstand in der
Wärmebewegung bei T — ^ == 41 ®, drängt aber doch den Ge-
danken auf, es möchten mit der Periode des Gerinnens des Ei-
weifses noch besondere Wärmeprozesse verknüpft sein.
V.
Die Depression der Wärmeströmung ist bei 60® so konstant
ausgesprochen, dafs wir für diesen Punkt nochmals versuchen
müssen eine Erklärung zu geben. Nachdem eine Reihe von
Hilfsursachen als zweifellos nebensächlich erwiesen worden sind,
wollen wir den Koagulationsvorgängen, den Ände-
rungen der Struktur Aufmerksamkeit schenken. Ich
begebe mich dabei allerdings auf ein sehr schwieriges, manchem
Zweifel unterworfenes Gebiet.
Die Gerinnungsperiode scheint mit einem Verbrauch an
Wärme einherzugehen.
Über die Vorgänge bei der Eiweifsgerinnung ist bisher
nicht viel bekannt geworden. Man kann es wohl als eine der
landläufigsten Annahmen ansehen, dafs bei der Gerinnung, d. h.
dem Ausscheiden eines festen Körpers an Stelle der vorherigen
Wasserlöslichkeit Wärme frei wird. Aber es wäre dies doch ein
voreiliger Schlufs. Wir wollen als hierher gehörig die Frage der
Quellung etwas näher betrachten.
Wir haben zu berücksichtigen, dafs alle hier in Frage kom-
menden gerinnungsfähigen Körper solche sind, deren Natur
weniger einer Lösung als einer hochgradigen Quellung am zu-
gänglichsten ist, und welche auch zweifellos in gequollenem Zu-
stande in der Natur vorkommen.
Bei der Quellung und Imbibition werden bedeutende Wärme-
mengen frei, Eiweifs und Muskelsubstanz sind quellfähige Körper^),
1) S. auch Rabner, Gesetze des Energieverbrauchs, 8. 28.
264 f^fXT 4mm ¥jc4ringittL dfr Wime in f teste Obj^kze an*! Orex&teil« «Cf-
freilich exakt gemes^n sind diese Wärmegrö&en noch nicht, aber
genügende Anhaltspunkte liegen vor.
Wird die Qaellang rückgÄngig. d. h. ächrompft der Körper
wieder auf die alte Gröfse. «o mufs eine äquivalente Wärmemenge
für die innere Arbeit verbraucht werden- Der entsprechende
Versuch wäre die Rückführung des Eiweilses vom gequollenen Zu-
stand in den lufttrockenen.
Ist die Gerinnung aber überhaupt gleich der Rückkehr zu
zu dem getrockneten Zustand? Räumlich kann es der Fall sein.
Ein Eiweilsgerinn.sel kann einen ebenso kleinen Raum einnehmen
wie das getrocknete Ei weifs. Aber sie weisen doch wesentliche Unter-
schiede auf. Man nimmt an, dals koaguliertes Eiweifs und das ge-
trocknete optisch verschieden seien, denn ersteres ist weifs-undurch-
sichtig, letzteres bernsteingelb -durchscheinend. Aber diese An-
nahme ist gar nicht einmal richtig. Geronnenes und getrocknetes
Eiweifs können optisch ganz die gleichen äufseren Erscheinungen
zeigen, wie ich zuerst nachgewiesen habe.^ Wenn man die Koa-
gulation von Eiweils im Dampf an getrocknetem Eiweifs vor-
nimmt, bleibt es durchsichtig wie normales Eiweifs.
Geronnenes und getrocknetes Eiweifs unterscheiden sich nur
durch die Quellbarkeit des letzteren und die völlige Wasserunlös-
lichkeit des ersteren. Die Anziehungskraft für Wasser
wird durch die Hitze verändert oder genommen.
Da Eiweifs im geronnenen Zustande fest zusammenhängt,
so muis das rohe Gefüge ein Maschennetz sein mit einer gewissen
Starrheit der Mizellverbände und systematischen Verbindung der-
selben untereinander. Zu dieser Koagulation gehört, wie ich
gezeigt habe, wenig Wasser, nur so viel, als aus einer noch
nicht einmal mit Wasserdampf gesättigten Atmosphäre angezogen
werden kann.
Die Koagulation besteht danach sehr wahrscheinlich in einem
Festwerden, wobei sehr wenig Wasser fixiert zu werden braucht
und in dem Ausstofsen des übrigen Wassers, was unter
Umständen in sehr sichtbarer Weise geschieht. Gerinnt Eiweifs,
1) Hygien. Rundschan, Bd. IX, a. a. O.
Von Max Rabner. 265
SO findet sämtliches Wasser seinen Platz in deofi Maschen-
ge füge. Verdünnt man mit Wasser, so kommt ein Punkt, von
dem ab die Eiweifsverbände das Wasser nicht umspannen können
und voneinander sich losreifsen und dann in Flocken umher-
schwimmen. Eine gewisse innere Zugkraft des gerinnenden
Eiweifses kann vielleicht allgemein angenommen werden und
braucht nicht, wie L. Herrmann meint, nur auf das in Fasern
geordnete Eiweifs beschränkt zu sein.
Auch aus anderen Beobachtungen folgt, dals zur Gerinnung
dieselbe Wassermenge wie zur Quellung offenbar nicht notwendig
ist, ein Teil des Wassers kann sogar abgestofsen werden wie
der Muskel beweist und auch andere Organe zeigen. Eine nam-
hafte Menge von Wasser tritt aus. Nehmen wir für frisches
Fleisch 3,4 N bei 77% Wasser, so trifft auf 1 N 22,6 Teile
Wasser; in einem gekochten Fleisch (mit 41,7% Trockensubstanz
zu 15,0% N) auf 6,25 dagegen nur 58,3 Wasser oder auf 1 N
9,32, im geronnenen Fleisch also nur 44 % von der Wassermenge»
die zur frischen Muskelsubstanz nötig ist.
Ich fasse also die Gerinnung etwa als eine Umkehr der
Quellung auf; von diesem Gesichtspunkte ausgehend müfste
Gerinnung mit Wärmeverbrauch einhergehen.
Da beide Vorgänge noch wenig messend verfolgt sind, will
ich versuchen, zahlenmäfsige Angaben zu erhalten.
Am genauesten ist die Quellung für das Stärkemehl untersucht;
man fand, dafs, wenn 1 g sich mit Wasser benetzt, 23,6 g-Kal.
frei werden, eine sehr kleine, aber immerhin doch beachtens-
werte Gröfse. Viel mehr läfst sich zurzeit über diese Vorgänge
kaum sagen. Messungen sind sehr schwierig, weil es sich bei
den » Quell ungen« meist um gar keine einfachen Prozesse handelt.
Man kann mit Laminaria zwar zeigen, dafs bei der Quellung
Wärme gebunden wird, aber nur, wenn die Laminaria durch
Auswaschen von den Salzen befreit ist, weil sionst die negative
Lösungswärme der Salze ganz die Wärmeerzeugung der Quellung
deckt und aufbraucht.^)
1) Pfeffer, Pflanzenphysiol, I, 8. 26, 1881.
266 Über das Eindringen der Wirme in feete Objekte and OrgmnteUe etc.
Experimente über die Qaellang leiden alle an groGseD Mängeln,
weil die Langsamkeit des Verlaufs dieses Prozesses bei der Klein-
heit der Wärmemengen grobe Unsicherheiten mit sich bringt.^)
Eine Reaktion, die Umwandlung von EiweiTs in Alkali-
albuminat, ist ein Vorstadium der Lösung und offenbar eine
Quellung. Das in dem Eiweils vorhandene Wasser wird aUes
aufgesaugt und die Masse geradezu klebrig und widerstandsfähig.
In ein feines (unten näher angegebenes) Kalorimeter brachte
ich Eiweifs (100 ccm) und daneben in einem Reagensrohr
10 ccm einer 28,57 proz. Kalilauge ; in diesem Rohr wie nebenbei
im Eiweifs steckte ein Thermometer (0,001 ® ablesbar) und aufser-
dem war ein Mischer vorhanden. Ich wartete den Temperatur-
ausgleich ab, zertrümmerte das Gläschen mit Kali durch den Stofs
mittels des Thermometers. Vorversuche ergaben, dafs 5 ccm Kali
nicht genügend waren, alles Eiweifs in AlkaUalbuminat zu ver-
wandeln, wohl aber 10 ccm.
Aufserdem wurde die Wärme gemessen, welche je 5 und je
10 ccm Kalilauge obiger Konzentration mit Wasser verdünnt liefern.
5 ccm KaUlauge lieferten dabei 11,55 g-Kal., 10 ccm 25,30 g-Kal.
100 ccm Eiweifs + 10 ccm Kalilauge 77,72 g-Kal. I -^ ^^
75,40 f'^'^^
Der Versuch hat zu beachten, dafs die Kalilauge, auch wenn sie
1 — 2 proz. ist, Kohlensäure anzieht und sich stetig erwärmt 1
Auf Eiweifs trifft also Wärmeentwicklung
76,56
— 25,30
51,26 g-Kal.
oder für 1 g Trockensubstanz = 3,93 g-Kal. Ich glaube, man wird
den ganzen Vorgang als Quellung auffassen dürfen. Freilich ist
im Ei schon ohnedies ein Teil des Wassers mit Eiweifs ver-
bunden. Wieviel dies ist, weifs man leider nicht, bei Kalilauge-
zugabe wird nur ein Teil des Wassers anderweitig gebunden.
1) Ich habe mit Eiweifs von Hühnern niemals genügende, d. h. be«
triedigende Resultate erhalten.
Von Max Rubner. 267
Leider gibt es keine Methode, die Menge des freien Wassers von
der des gebundenen zu unterscheiden.
Die hier entwickelte Menge von Wärme ist nicht bedeutend,
müfste sich aber erhöhen, wenn man die Wärmeentwicklung für
die Auflösung von 13 g Eiweifs : 100 Flüssigkeit hinzuaddierte.
Gerade die ersten Anteile der Wasserbindung sind übrigens die
stärkeren Wärmequellen, wie Nägel i zuerst an der Stärke bei
Benetzung nachgewiesen hat. Für Gelatine finde ich eine Angabe
bei E. Wiedemann und Lüdeking^). 1 g Gelatine, bei ge-
wöhnlicher Temperatur quellend, entwickelt 5,7 g-Kal. Das nach-
herige Lösen der Gelatine in mehr Wasser bindet 3,7 g-Kal.
Als 100 g lufttrockenes Hühnereiweifs in 100 Teilen Wasser
quollen, erhielt ich nicht mehr als 196 g-Kal. = rund 2 g-Kal. pro
1 g Substanz. Die Quellung war aber ersichtlich keine voll-
kommene.
Den reziproken Vorgang der Quellung, die Eiweifsausschei-
dung selbst in ihrer Wärmetönung zu verfolgen, ist viel schwie-
riger und mir auch nur unter besonderen Verhältnissen geglückt.
Ich habe eine ganze Reihe von Versuchen angestellt, um
über die Wärmebildung beim Ausfällen von Eiweifskörpern ins
Klare zu kommen. Bei Experimenten über die Milchsäure-
gärung habe ich gefunden, dafs der Akt der Milchgerinnung
anscheinend mit einer starken Wärmebildung verknüpft
ist. Als die eigentliche Ursache dieses Vorgangs zeigte sich die
Milchsäurebildung, während die aus dem Stoffumsatz der Bakterien
herrührende Wärme nur gering ist. Die Milchsäure fällt das
Kasein, die Wärmeentwicklung stammt aber nicht aus
derEiweifsfällung, sondern wie direkt darauf gerichtete Ex-
perimente mir ergaben, aus der Basenverdrängung durch die Milch-
säure. Das Unlöslichwerden des Kaseins an sich kann
mit einer Wärmeentwicklung nicht verbunden ge-
wesen sein.
Noch einfachere Beweise hierfür zeigten sich bei der Lab-
gerinnung; wenn man diese auch in grofsen Milchmengen
1) Poggendorffß Annalen, XXV, N. F., 8. 147, 1885.
268 t}ber das Eindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile etc.
einleitet, kann man von einer Wärmezanahme nicht das
Geringste nachweisen.
Mögen nun auch Milchgerinnung und Labfällung in ihren
einzelnen inneren Vorgängen von dem Unlöslichwerden des Ei-
weifses in der Wärme verschieden sein, so ist doch in höchstem
Mafse unwahrscheinlich, dafs prinzipielle Unterschiede vorliegen,
dagegen wahrscheinlich, dafs nur quantitative Differenzen ge-
geben sind.
Ich habe noch die Fällung von Hühnereiweifs mit
Gerbsäure untersucht, dabei war von irgendwelcher Wärme-
tönung nichts zu finden ; entweder ist der Prozefs überhaupt ein
eigenartiger oder es ist die Wärmebindung der Ausfüllung gerade
durch die Bindung der Gerbsäure und dabei frei werdende Wärme
gedeckt worden.
Ich habe die Wärme verglichen, welche beim Mischen
von Alkohol und Wasser sowie von Alkohol und Eiweifs
entsteht, zum Zwecke der Feststellung, ob mit der Ausscheidung
des Eiweifses eine Wärmebindung einhergeht.
Das Ostwaldsche Mischungskalorimeter wurde einmal beschickt
mit 13 g trockenem Hühnereiweifs -|- 100 ccm 96proz. Alkohol,
und das zweite Gefäfs mit 85 ccm ^) Wasser. In einem gegebenen
Moment beide gemischt. (Vers. A.)
Der Gegenversuch bestand in der Mischung von 100 ccm
Hühnereiweils frisch (== 13,0 g trocken) und 100 ccm Alkohol.
(Versuche B.)
Erhalten wurde Zuwachs mit Korrektur + 5,93** A
und + 6,00°
= 5,960 im Mittel.
und für B ein Zuwachs von + 5,83 ^
5,650
= 5,74 0 im Mittel.
Die Fällung des Eiweifses gab um 0,22 ^ weniger Erwärmung.
1) Es war aus Irrtum statt 87 ccm WaBser nur 85 ccm genommen, der
Alkoholgehalt der Mischung wird statt 46,4 dann 46,6, was keine weitere
Bedeutung für die Versuche hat.
Von Max Rabner. 269
Für den Wasserwert der Füllung des Kalorimeters kann
man berechnen
160,8i)g Wasser
wozu 6,6 » für Eiweifs (13 • 0,56 •)
12,4 » (Kalorimeter, Thermometer + Mischer 10,4).
179,8 g im ganzen • 0,22
= 39,5 g-Kal.
für die Koagulation von 13 g Eiweifs = 3,0 g-Kal. pro 1 g
trockenes Eiweifs.
100g Wasser, mit 80,6 g (= 100 ccm) 96proz. Alkohol gemischt,
entwickeln im Kalorimeter
7,32 ö
7,15«
= 7,23<^ Wärme.
Der Wasserwert des Gemenges 2)
174,3
4- 12,4 für Thermometer etc.
186,7
also . . . 186,7 . 7,23 = 1349,8 g-Kal.
pro 1 g Mischung . . = 7,442 g-Kal.
Für eine Mischung von Wasser und Alkohol, wobei 45®/o
Alkohol entsteht, wird in der Literatur für 5 g Mischung die
Wärmeentwicklung zu 38,81 g-Kal. angegeben. (Naumann, 1. c.
S. 34 f.) Hier fände ich bei 43% Alkohol f ür 5 g 37,3 g-Kal.,
demnach fast ebensoviel. Da nur eine relative Messung gemacht
werden sollte, brauche ich nicht weiter auf die Sache einzugehen.
Für die Ausfällung von 1 g Eiweifs (trocken) wurden sonach
3,0 g-Kal. gebunden (wahrscheinlich ein Weniges mehr), also
eine nur kleine Menge, auch im Verhältnis zu der immerhin nicht
unbeträchthchen Quellungswärme dieser StofEe.
1) Mischung = 87 Wasser 1 Gehalt 46,4^0 <^er Mischung, spez.
80,6 Alkohol (g) / Wärme 0,96.
2) 100 Wasser 1 ^/q Gehalt des Gemisches, 43,0 spez. Wftrme (siehe
80,6 Alkohol J Naumann, Thermoch., S. 281), spez. Wftrme 0,%6.
270 Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte and Organteile etc.
Die Reaktion zwischen Alkohol und Eiweifs ist natürlich
keine einfache, denn es ist nicht nur Eiweifs gefällt, sondern
auch etwas an Salzen, und möglicherweise sind auch Stoffe, die
halb gelöst waren, in Lösung übergetreten. Wir wissen auch
nicht, ob die Alkoholf&llung identisch mit der Hitzefällung ist.
Nur die äufsere Erscheinung ist vielleicht die gleiche.
Das wichtigste Bedenken besteht darin, dafs man zweifellos
nicht alles Wasser vom Eiweifs losreifsen kann. Nicht einmal, wenn
mit der zehnfachen Menge des angewandten Eiweifses an Alkohol
gefällt wird, ist man sicher, sofort ein völlig koaguliertes, wasser-
unlösliches Eiweifs zu erhalten. Der vorliegende Wert kann also
nur ein Minimalwert sein. Ich glaube, man hat die Berechtigung
die Wärmebindung bei der Gerinnung wesentlich höher zu
nehmen.
Die gefundenen Werte für die Ausfällung sind klein. Wenn
man sich aber vorstellt, dafs für 1 g Eiweifs 3,0 g-Kal. geliefert
und bei starker Quellung, wie beim Alkalialbumin, ca. 3,9 ab-
gegeben werden, also beim Rückgängigwerden der Reaktion
wieder gebunden werden, dann kämen an 3 + 3,9 = 6,9 Kai. pro
1 g Eiweifs als mögliche Wärmeaufnahme in Betracht, ein Wert,
der immerhin periodenweise, z. B. bei bestimmter Temperatur,
den Verlauf des Erwärmungsganges merkbar beeinflussen könnte.
Für den Akt der Wärmebindung bei der Gerinnung
bzw. der Entquellung kann zum Verständnis noch die Verschieden-
artigkeit des Widerstandes, der sich der Zusammenziehung ent-
gegenstellt, mit in Frage kommen, auf den wir weiter unten noch
eingehen.
Was die Eigenart der Erwärmung von Fleischstücken
ausmacht, läfst sich jetzt leicht durch den Vergleich mit dem
Eiweifs dartun.
(Siehe Tabelle IX auf 8. 271 )
Fleischstücke zeigen für -^-^ —- steigende Werte, beson-
ders in dem letzten Zeitintervall. Die Werte nehmen schon von
70® Wärme rascher zu. Im rohen Hühnereiweifs bedingen die
Flüssigkeitsströmungen einen zehnmal so grofsen Wärmestroui
Von Max Rabner.
271
wie beim Fleisch, kommen dann zur Ruhe. Der Wärmegang
strebt von 70^ ab (T — f = 50) einheitUcher Erwärmung zu. Das
geronnene Eiweifs hat einige Ähnlichkeit mit dem Fleisch, jedoch
sind bei letzterem die Erwärmungsverhältnisse nach einem Vor-
stadium des Anstrebens eines Gleichgewichtszustandes nicht
gleichartig.
Tabelle IX.
Werte für
Sek.
Fleisch 4 cm
Eiweifs
Eiweifs
T—t
V, Seiten-
roh
gekocht
länge
4,4 = r
4,4 = r
70
0,00018
0,00173
0,00022
60
0,00016
0,00123
0,00025
&0
0,00021
0.00099
0,00030
40
0,00021
0,00010
0,00029
30
0,00028
0,00023
0,00036
20
0,00026
0,00027
0,00036
10
0,00083
0,00028
0,00028
0
^—
~~^
"
Wenn ein Grund für das Ansteigen der Erwärmungswerte
frischer Fleischstücke in der allmählichen Änderung des
Volums liegt, so läfst sich dieses auch im Experiment zur An-
schauung bringen.
Ich stellte Fleischbrei her und mengte dazu etwa 10 ccm
Hühnereiweifs, füllte die sonst benutzte Messingkugel
und evakuierte mehrmals, um dichten Schlufs der Fleischmasse
zu erhalten. Das Eiweifs hat die Aufgabe, sich mit dem Fleisch-
saft zu mischen und gemeinsam zu koagulieren. Es konnte dann
keine Trennung zwischen Fleisch und Fleischextrakt, wie es sonst
unvermeidlich ist, eintreten. Der EMolg war ganz tadellos. Nach
dem Erhitzen stellt die Fleischmasse, zerteilt, ein trockenes,
pulveriges Material dar. Einmal wurde das Fleisch frisch erwärmt,
dann ohne etwas zu ändern, abkühlen gelassen und ein zweites
Mal erhitzt.
272 Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte and
e etc.
Tabelle X.
Werte für ^ ** '"
z
<!
1
Fleisch friech
Gehacktes
1 ^
^^
Das vorige
Gewicuts-
4 cm
Fleisch in der
1
' Fleisch noch-
verlost nach
1
\
V, Seitenlange
Kngel
mals erhitzt
Ferrati
1
Würfelform
von 4,4 cm r
1
1
71
0,00018
0,00012
0,00016
V
66
0,00020
0,00023
►
3,6 \
65
0,00016
0,00023
0,00029
56
0,00026
0,00031
1
7,21 »
51
0,00021
0,00026
0,00032
46
0,00029
0,00034
l
15.8 >
41
, 0,00021
0/)0029
i 0,00036
s
36
31
0,00028
0,00029
0,00034
j 0,00038
0,00039
\
f
10,6 ^
26
21
1
0,00026
0,00038
0,00038
0,00035
0,00089
}
8,3 '.
16
0,00038
0,00039
1
1,7 >
11 i
0,00063
0,000i0
0,00036
6
Das Fleisch, dessen Umfang sich nicht ändert,
verhält sich also ganz anders als ein freies Stück.
Die Erwärmungsgeschwindigkeit des Fleisches bei konstantem
Volum strebt schnell höheren, aber bald gleichbleibenden Werten
zu. Anfänglich etwa von 50 — 70® stehen diese Gröfsen nicht
unwesentlich unter jenen von 70 — 90®. Das Absinken der Tem-
peratur wie bei dem flüssigen Eüweils bei 60® fehlt überhaupt.
Das Fleisch in Stücken zeigt einen viel unregelmäCsigeren
Gang der Erwärmung, indem es mehr sprungweise in seiner
Temperatur vorgeht und gerade dort innerhalb jener Temperatur-
grade, wo das in der Metallkugel bei gleicher Oberfläche gehaltene
Fleisch einen stationären Zustand schon genommen hat.
Die zweitmalige Erwärmung läfst den Wärmegang
rascher werden, bei 50® werden bei der Erwärmungsgeschwin-
digkeit schon die Endwerte erreicht. In der Periode 50 — 70®
stehen sie höher als die entsprechenden Zahlen werte bei dem
rohen Fleisch. Da hierbei weder die spezifische Wärme eine
Von Max Riibner. 273
Rolle Spielen kann, wenn Masse und Umfang des zu erwärmenden
Objekts dieselben sind, und das Ijeitungsvermögen sogar in dem
Sinne einer besseren Leitung im rohen Fleisch zu bewerten ist,
auch Strömungen keine Rolle spielen, so bleibt nur die Annahme
von Zustandsänderungen, bei welchen Wärme ver-
braucht wird.
Wir kommen also zu dem Schlufs, dafs die Hauptursache
des irregulären Ganges der Fleischerwärmung in der Kontraktion
der Zellen zu suchen ist, die in zweierlei Weise von Wichtig-
keit ist. Einmal als rückläufiger Akt der Quellung,
zweitens gewissermafsen durch die Organisation als
Fleisch oder Eiweilsfaser verstärkt, als ein Akt des
Auspressens grofser Flüssigkeitsmassen.
Wie wir schon mehrfach gezeigt haben, ist diese Kontraktion
ein Vorgang von besonderer Merkwürdigkeit. Man hat die aller-
gröfsten Schwierigkeiten, aus dem frischen Fleisch Saft auszu-
pressen, nur unter sehr hohem Druck gelingt dies.
Was hier nur schwere Arbeit zu leisten vermag, macht die
Erwännung in einfachster Weise. Es ist aber unabweislich, dafs
die für dieses Auspressen des Saftes entnommene Kraft keine
andere Quelle als die einströmende Wärme haben kann, wodurch
ein zeitweises Absinken und Mindern des Wärmestroms
sich ausbilden mufs.
Da dieses Moment der Kontraktion eine sehr wechselnde
Gröfse, durch die wechselnde Art des Widerstandes, der
in einzelnen Stücken verschieden sein kann, darstellt, ergibt sich
aus ihm ein an sich und im voraus unabschätzbarer Einäufs.
Die Kontraktion und das Auspressen von Wasser
kann übrigens auch in Fällen geschehen, wo man
solches nach aufsen hin nicht bemerkt, also z. B. bei dem
gehackten Fleisch, wie es in der Messingkugel eingeschlossen
war, nur dafs eben die Gesamtpressung nicht die hohen Werte
wie in einem ganzen Fleischstück erreichen kann. Aber auch
bei dem Eiereiweifs tritt der gleiche Vorgang in Tätigkeit, denn
hier schiebt das sich kontrahierende Eiweifs das Wasser in die
ArchlT für liyKieue. Bd. LV. 18
274 Über das Eindringen der Wftrme in feste Objekte and Organteile etc.
Maschenräume. Die Kontraktionsfähigkeit des Eiweifses sieht
man erst in der bei Verdünnang eintretenden Flockenbildung
zutage treten.
Ein ähnliches, sich in kontrahierenden Strängen ausscheidendes
Eiweifs stellt das Kasein dar; wenn man Milch im zugeschmolzeueu
Rohre auf Temperaturen über 100^ erwärmt, so scheidet sich Kasein
fest als ein sich mehr und mehr zusammenziehendes Gerinnsel ab.
Bei zweitmaliger Erwärmung kann diese gleiche Ursache der
Kontraktion bei Eiweilsstoffen und dem Fleisch nochmals mit-
spielen, denn wie ich oben angab, kann bei Wiederholung der
Erwärmung eine Volumverminderung auftreten. Die Zusammen-
stellung in nachfolgender Tabelle erläutert dies.
Tabelle XL
Werte von
Sek.
^ ' Roh = 11 cm
'\ Seitenlänge
T
Dieselben
Proben noch-
mals erhitzt
60
0,00016
0,00012
&0
0,00015
0,00012
40
0,00014
0,00028
80
0,00046
0,00032
20
0,00060
0,00082
10
0
0,00044
0,00060
Die Geschwindigkeit des Erwärmens ist, so lange nur 40 — 50 •
im Innern erreicht werden, im gekochten Fleisch nicht rascher
als im rohen, da aber das rohe Fleisch fast doppelt so grofsen
Durchmesser hat, ist offenbar das Erwärmungsvermögen ge-
kochten Fleisches viel kleiner als das von rohem
Fleisch, wie ja auch die direkten Messungen ergeben haben.
RohesFleisch erwärmt sich trotz ungleicher Dicke, nament-
lich wenn es die Temperatur 70^ im Innern einmal er-
reicht hat, viel schneller als gekochtes Fleisch.
Im frischen Fleisch ist das Temperaturgefälle natürlich von
der Oberfläche zum Kern ein anderes als im gekochten. Im ersten
1) S. auch Nothwang, Archiv f. Hygiene, Bd. XVIII, S. 87.
Von Max Rubner. 275
sind die äufseren Schichten von Anfang an schon sehr warm;
beginnt die Kontraktion, so wird der leicht bewegliche Saft des
Kerns den nachdringenden Schichten weichen müssen und preist
sich auf geeigneten Spaltwegen weiter. Die Temperatur steigt
mit der Kontraktion rascher als in dem bereits in der Kontraktions-
fähigkeit erschöpften abgekochten Fleisch.
VI.
Ich habe durch die vorliegenden Untersuchungen gezeigt,
wie ungemein schwierig und kompliziert ein für das tägliche Leben
so einfach erscheinendes Problem, wie die Durchwärmung organi-
sierter Substanzen ist; wir haben es dabei nicht mit gleichbleibenden,
sondern mit zwar gesetzmäfsig, aber stets wechselnden, von der
inneren Struktur abhängigen Eigenschaften zu tun.
Die Berechnung des Durchwärmungsaktes organisierter,
namentlich eiweifsartiger Substanzen kann sich auf die Kenntnis
einer auf üblichem Wege gefundenen Konstante für das
Leitungsvermögen nicht stützen. Dagegen würde es
möglich sein, aus dem Gang der Erwärmung der in einer Metall-
kugel eingeschlossenen Substanz einen mittleren Wert tilr k
abzuleiten. Dazu mufs namentlich eine gute Fixation des Ther-
mometers und eine solches mit kleiner Kugel gewählt werden.
Es bleibt noch die Frage zu untersuchen, ob wir die bei der
Durchwärmmig eines halbfesten, wärmekoagulablen Körpers in
Betracht zu ziehenden Bedingungen so weit kennen, dafs wir uns
ein zutreffendes Bild dieses Vorgangs auf dem Wege der Rech-
nung bilden können. Das vorliegende Material wird nur an-
nähernd für unsere Betrachtungen als Unterlage dienen, weil da-
mals bei den Untersuchungen alle Nebenumstände, auf welche bei
solchen Experimenten zu achten wäre, noch nicht bekannt waren.
Man würde sie jetzt, wenn ein Bedürfnis sich ergeben sollte, eine
gröfsere Genauigkeit zu erzielen, leicht modifizieren können, weil
die wesentlichen Gesichtspunkte klar liegen.
Wir haben gesehen, wie wechselnd die Bedingungen des
Wärmedurchganges wegen des schwankenden Leitungsvermögens
und der Kontraktion des Gewebes mit allen ihren sekundären
18*
276 ^'>-^r i»* Esir-^:: :-sr Xfra* in fcace Objefc» tä-s •>■?»=-•«:* -r^
Kofimtf\n^äVtu — Verririgfrrung d4?r Wegstrecken. reUiiver Ober-
flicbenirergroCKrang — sind. Ea würde aber prakuäcbec £r-
irigaogen geviCs nicbi anvillkommen sein, eine Annlhenmg &::
die wahren DarchwinnongszeiieD zu erbalten.
Die Seite 230 ao^eetellte Formel laatec
2yc — h
^=Ä*-iognÄl.
c — u g C
k ist anbekaunt und jedenfalls nicht ganz exakt abxuleiten.
9C wechselt aber innerhalb sehr bescheidener Grenzen, so dals
man hierfür einen mittleren Wert einsetzen kann. Dies als zulässig
angenommen, lielse sich aus den EIxperimenten mit den Fleiacb-
stOcken versuchen, einen mittleren Wert für k zu finden, da ja t
in diesen Fällen direkt bestimmt ist.
k = T würde sein :
_ g + 2,3 log. 160 0,843
Die Temperatur der Umgebung war 100, die Anfangstemperatur
etwa 20*.
Berechnet werden mufs zunächst jB^ ich nehme dafür —
indem ich statt des Fleischwürfels die Kugel zugrunde lege —
für den Anfangsstand R = die halbe Seitenlänge (A) und für
den Endstand die Verkürzung der Längsfasem (B), weil hier das
Vordringen der Wärme ausschlaggebend beeinflufst wird.
Für die 4 Fälle hat man dann:
(Tror««
von R
Sakanden fOr die
A
B
Mittel
Erreichung t. 100*
A
+ 1.4
2,2
2652
4
+ 1,9
2,95
5700
5
+ 2,4
3,70
7640
5,5
+ 2,6
4,00
8172.
Die Lösung
der Gleichung gibt für x ( — k)
(
[),0U0838
0,000813
(
[),00()700
0,000879.
Von Max Rabner. 277
Der zweite Wert bezieht sich auf nur drei Experimente, ist
also unsicherer als die andern. Das Mittel aus allen ist 0,00081,
eine Zahl, die höher ist als der Leitungswert für rohes
Fleisch, was nicht wundernehmen kann, da ja der Wärme-
gang nicht von der Leitung allein, sondern der Art der Kontrak-
tion, einer sehr variablen Gröfse, mit abhängig ist.
Somit würde die zu suchende Zeit
^^ iP-h 2,3 » lg. 2(c — fe)» 0,843
~ " 0,00081 -TT«
Die Abweichungen werden von den wirklich zu messenden
offenbar keine praktisch bedeutungsvollen sein, wenn man die bis-
herige absolute Unsicherheit aller Erkenntnis auf diesem Gebiete
in Betracht zieht.
Man kann mit neuen, anzustellenden Versuchsreihen von
gröfserer Zahl und namentlich wenn man auf die Untersuchung
allzukleiner Stücke unter 10 cm Seitenlänge Verzicht leistet,
sicherlich einen sehr weitgehenden Grad der Genauigkeit erzielen,
vorausgesetzt, dafs mau auch die Kontraktionsgrölsen einer direkten
Messung unterzieht. Mir genügt es, den Weg gezeigt zu haben, wie
man zur Lösung des Problems gelangt ist, das ja nicht nur für das
eben hier behandelte Objekt, das Muskeläeisch, allein gilt.
Um darzutun, in welcher Weise sich bei den noch mehrfach
etwas schwankenden Grundlagen Rechnung und Beobachtung
deckt, möchte ich ein paar Fälle noch anfügen.
Als Beispiele seien die Versuche mit 11 cm und 6 cm grolsen
Fleischstücken berechnet, natürlich bieten die letzteren eine erheb-
liche Unsicherheit. Ich leite die Werte weiter ab für 100 «, 70 o,
50 0 und erhalte für t:
GrOfse 11 cm
berechnet
Sek.
beobachtet
Sek.
Temperatur
im Innern
8550
8160
1000
4070
4254
70»
2250
2670
500
GrOfae 6 cm
2580
2652
100«
889
732
70»
684
330 (?)i)
50«
1) Diese Beobachtung gehorcht auch nicht dem Geaetie der Darch-
dringungszeit von dem Qnadrate des DorchmeMers. 8. o. S. 347.
278 Eindringen d. Wärme in feste Objekte u. Organ teile etc. Von M. Robner.
Die Ubereinstimmuug ist nicht unbefriedigeud, wenn man in
Erwägung zieht, dafs es sich doch um recht verwickelte Verhält-
nisse handelt, nur die Werte der letzten Zeile difiFerieren erheb-
lich, was vielleicht in der frühzeitigen stärkeren Zusammensetzung
so kleiner Fleischstücke seine Erklärung findet.
Für einige Angaben über die Erwärmung von Fleischproben
auf 52^, die ich der Literatur entnehme, habe ich auch nach
meiner Rechnungsweise die zu erwartenden Temperaturen auf-
gesucht und erhalten :
beobachtet berechnet
Zeit in Sekunden
für 4 Kilo schwere Stücke 8220 8670
5 > 11600 12960
7 » 15060 14520
8 > 22600 15290.
Die Kern temperaturen sind mit Thermometer gemessen worden,
also mit einigen Fehlern behaftet. Die Abweichungen zwischen
Rechnung und Messung sind nicht grofs, bis auf die letzte Zeile,
wo es sich offenbar bei der direkten Beobachtung wohl um einen
technischen Fehler gehandelt haben mufs.
In vorstehenden Untersuchungen habe ich dartun können,
dafs die Erwärmung von porösen, nichtporösen, festen, halbfesten,
konstant und wechselnd zusammengesetzten Objekten im einzelnen
nicht schematisch zu behandeln ist, dafs wir die nötigen Voraus-
setzungen für ein Verständnis dieses Prozesses bislang nicht be-
sessen haben, aber nunmehr in der Lage sind, diese auch
für praktische Aufgaben wichtige Prozesse genauer zu
übersehen. Nicht rein physikalische Erscheinungen, sondern
physiologische Vorgänge kommen in Betracht und ändern fort-
während die Versuchsbedingungen und erschweren dadurch die
experimentelle Verfolgung.
über den MäusetyphusbazUliis und seine Verwandten*).
Von
Dr. Richard Trommsdorff,
AMiBtenten des Instltotefl.
(Aus dem Hygienischen Institute der Universität Mönchen.)
lu einer zuerst 1903 dem InternaüoDalen Hygienekongrefs
zu Brüssel übermittelten Veröffentlichung^) berichtete ich über
höchst interessante Darmerkrankungen bei einer Anzahl von
Leuten, die mit der Verteilung von Mäusetyphuskulturen zu tun
hatten, sowie bei einzelnen Personen ihrer Umgebung. Es handelte
sich klinisch um das Bild der sog. Cholera nostras: Erbrechen
und heftige Durchfälle. Die Erkrankungen waren meist leichter
Natur, nur einzelne mittelschwere Fälle mit einem Todesfall.
Ich erhielt damals die Stuhlgänge zweier der Erkrankten
und es gelang, aus beiden Bakterien zu züchten, die nach ihrem
Gesamtverhalten als völlig übereinstimmend mit Löffler-
schen Mäusetyphusbazillen bezeichnet werden mufsten.
Und zwar nicht nur wegen ihrer morphologischen, biologischen
und typischen pathogenen Eigenschaften bei Verfütterung an
Mäuse, sondern vor allem auch auf Grund von Agglutinations-
versuchen. Es agglutinierteu :
1. von Meerschweinchen durch Injektion mit den gezüch-
teten Bazillen gewonnene Sera echte Mäusetyphusbazillen ;
*) Nach einem Vortrag, gehalten auf der Naturforscherversammlung
zu Heran (Sektion Hygiene etc.) am 25. September 1906.
2. Tranien «üi? fraglicher. B«ki«T«i diir»*h vor. Hecrü * jeiieuii-
rat L^ffler ziir g^^ipt üt«rrLaiöfieiien >[la2«tjpciaaBemizi
in. 4er.3errjen Verdünc::ng%n irie ier rar H«*r5tetl:iü^ üese*
F<^m^r wirde d-L* Biaiäeniixi der Erkrankten einige Wocher.
na/^h AbU:if der Erkrankai^en anf aggictinierende Exgeo^chaffien
getrenüber Xäa^etjphoäbazillen antersueiiL Es ömd äct in 60%
der Fälle eine DO^iinve. ram Teil *iarke Reaktion, während der
Aoafall der Proben bei fünf 2esiinden Personen — als Konmlle —
dfirefaaoa oegatiT war.
Unter Berücksichägnng der übrigen Umstände konnte «iamal«
aoä den Untersnc+iongssergebnLjsen ein Schln& anf anbedingte
PathK>genität des Miasetjphnsbaxilhis für den Menschen nicht
gezogen werden. Immerhin aber war die Tatsache, dals sich der
Mäa^etTphoabazillus im Darm des Mensehen anxnsiedeln nnd
üppig zu Termehren Termoehte. festgestellt, and man maiVte
jedenfalL« für die Zakanft zar Vorsicht and Überwachong bei
Verwendong von Mftasetyphnsbazillen bei der Mftosevertilgang
aaffordem.
In der Diskossion za dieser Mitteilung bemerkte Herr Geheim-
rat Löffler a. a., dafs aach ihm einige wenige Male über angeb-
liche leichte Darmstönmgen bei Personen berichtet worden sei.
die mit dem Legen von Mäusetyphosbazillen za tan gehabt hätten.
Bakteriologische Untersachangen sind jedoch in den betreffenden
F&llen nicht angestellt worden.
Fast zar gleichen Zeit, einige Wochen nach dem Brüsseler
Kongrefs, doch ohne Kenntnis meiner dortigen Mitteilang, be-
richtete dann Prof. Bon h off 'i aas Marbarg aaf der Kasseler
Natarforscherversammlcmg von vergleichenden ex|>erimen teilen
Untersuchungen an dem Löff lerschen Mftusetyphasbazil-
lu8 und dem Paratyphusbazillus des Typus B, die ihm
die völlige Identität dieser beiden Bakterienarten bei
Prüfung ihres morphologischen, biologischen und tierpathogenen
Verhaltens, sowie bei agglutinatorischen und spezifisch bakterio-
lytischeu Serumversuchen (Pfeifferscher Versuch) ergeben hatten.
Ausschliefslich auf Grund dieser Laboratoriumsversache hatte
Von Dr. Richard TrommsdorfP. 281
Bonhoff, falls seine Versuche von anderer Seite Bestätigung
finden sollten, die Bekämpfung der Feldmausplage mit Löffler-
schen Bazillen behördlicherseits zu verbieten gefordert.
Kurz darauf erschien eine Arbeit Trautmanns'), der im
Anschlufs an den bakteriologischen Befund bei einer Fleisch-
vergiftung in Düsseldorf eine grofse Zahl von Originalstämmen
früherer Fleischvergiftungsbakterien (Bacterium enteri-
tidis und seine Verwandten) sowie die Paratyphusbazillen
vergleichend untersuchte. Es gelang ihm, diese morpho-
logisch und biologisch sonst nicht voneinander zu
unterscheidenden Arten auf Grund sorgfältig aus-
geführter Agglutinationsversuche zu differenzieren.
Er fafst die Fleisch vergiftungs- und Paratyphusbazillen unter dem
gemeinsamen Namen Bacillus paratyphosus zusammen und
unterscheidet dann in dieser Gruppe fünf Untergruppen, die da-
diwch gekennzeichnet sind, dafs die Sera jeder der Untergruppen
die Bakterien der anderen Gruppen nicht so stark als die ihrer
eigenen, aber doch auch mehr oder minder stark agglutinieren.
Von diesen fünf Gruppen sind die beiden ersten den zuerst von Schott-
müller differenzierten beiden Paratyphusbazillen-Typen ent-
sprechend, die dritte hat den Bacillus enteritidis Gärtner zum Ver-
treter, die vierte ist einer von de Nobele (siehe weiter unten) aufgestellten
Gruppe gleichwertig und als fünfte wird der Bacillus morbificans
bovis von Basenau abgeschieden.
Zu einem im wesentlichen mit Bonhoffs Ergebnissen
übereinstimmenden Resultat gelangte dann Schott-
müll er**). Er isolierte bei drei durchaus voneinander unab-
hängigen Fällen von Cholera nostras Reinkulturen ein und der-
selben Bakterienart, die sich völlig wie das Bakt. enteritidis ver-
hielten, auch hinsichtlich der Hitzebeständigkeit der von ihnen
gebildeten Toxine, auf welche Eigenschaft der Enteritidisbazillen
Gärtner besonderes Gewicht legte.
Schottmüller fand ebenso wie Bonhoff weifse Mäuse
bei Fütterung empfänglich für den Bac. enteritidis wie für den
Bac. Paratyphi des Typus B. Ich möchte gleich hier bemerken, dafs
auch meine Versuche dies bestätigen. Es liegen somit jetzt von
drei Seiten Erfahrungen vor, die Kurths Angaben widersprechen.
282 Über den MäiisetyphaBbazilluB und seine Verwandten.
Aolserdem fand Schottmüller eine gleichhohe Aggluti-
nationskraft des Serums von Kranken, aus deren Stuhl bzw.
Blut Paratyphusbazillen des Typus B gezüchtet waren, gegenüber
den Paratyphus- wie den Enteritidisbazillen.
Seine Ansichten faCst dann Schottmüller in sehr inter-
essanten Erörterungen dahin zusammen, da(s er annimmt, der
Bac. paratyphosus alkalifaciens, welchen Namen er für
die seiner Ansicht nach identischen, bis dahin als Bac.
Paratyphi des Typus B und Bac. enteritidis bezeichneten Bak-
terien vorschlägt, »rufe beim Menschen zweierlei Krankheits-
bilder hervor, entweder das der akuten Gastroenteritis (Intoxi-
kation) oder das des Typhus (Infektion im engeren Sinne) c
Bonhoff ^) hat dann in Fortsetzung seiner früheren Ver-
suche weitere vergleichende Untersuchungen der sog. coli-ähn-
lichen Bakterien unternommen. Er gelangte, im allgemeinen in
Bestätigung seiner vorhin wiedergegebenen Ergebnisse, zu dem
Schlufs, dals der Mäusetyphusbazillus, der Bac. Para-
typhi des Typus B und auch der Bac. enteritidis
weder durch biologische, Agglutinations- oder bak-
teriolytische Untersuchungsmethoden zu differen-
zieren seien.
Für eine völlige Identität der drei Arten eutschloCs er sich
jedoch nicht, sich auszusprechen, da sich ihm bei seinen letzten
Versuchen gewisse Unterschiede der tierpathogenen Eigenschaften
des Löfflerschen und des Gärtnerschen Bazillus, im Gegensatz
zu seinen früheren in Kassel berichteten Versuchen, gezeigt
hatten.
Falls diese Unterschiede in Zukunft als zu geringfügig für
Aufstellung zweier Varietäten erscheinen sollten, gebühre seines
Erachtens nach der dem Bac. paratyphi des Typus B nach dem
Gesetz der Nomenklaturen zukommende Name Bac. enteritidis
auch dem Löfflerschen Mäusetyphusbazillus.
Im übrigen verspricht er sich namentlich von einer Agglu-
tinationsprüfung mit Blutserum von Kranken, bei denen Para-
typhus des Typus B festgestellt ist, entscheidende Resultate über
diese Identitätsfrage.
Von Dr. Richard Trommsdorff. 283
Auf Anregung und mit Unterstützung von Max Neifser ist
nun weiter die besprochene Bakteriengruppe von Smi dt*) unter-
sucht worden. Er zog vor allem aufser den bisher genannten
Bakterien noch den in seineu Kultureigenschaften mit diesen
völlig übereinstimmenden Bazillus der Hogcholera, den
Bac. cholerae suum oder nach Kruse Bac. suipestifer
(Schweinepestbazillus) in das Bereich seiner Versuche, die
ebenfalls wesentlich serodiagnostische waren.
Smidt kommt zu dem Resultat:
1. den Bac. enteritidis entschieden von dem Mäuse-
typhusbazillus zu trennen — eine gewisse Ana-
logie der Ergebnisse Trautmanns, die jedoch zu denen
Bonhoffs und Schottmüllers in direktem Wider-
spruch steht;
2. aber ergab sich Smidt eine völlige Übereinstim-
mung des Mäusetyphus, des Bac. paratyphi des
Typus B. und des Bac. suipestifer.; nach ihm »lassen
die gebräuchlichen Untersuchuugsmethoden einschliefslich
der Agglutinationsprüfung nur die Entscheidung zu, ob
der betreffende Stamm überhaupt zu der grofsen und
für die menschliche Pathologie nicht unwichtigen Gruppe
der Hogcholera (Th. Smith) gehört.c — iZu einer
Namensänderung der beiden Paratyphusbazillen und des
Mäusetyphusbazillusc sieht er jedoch solange keine Ver-
anlassung vorliegen, »als nicht für die ganze Gruppe
ein neuer Name geschaffen oder aber die Differenzierung
der einzelnen Stämme untereinander ermöglicht wird.c
An Agglutinationsversuchen seien ferner noch diejenigen
de Nobeles^) aus etwas älterer Zeit, sowie die von Drigalskis^)
erwähnt. *)
*) Femer sei hier auf eine grOfsere Zahl von Arbeiten hingewiesen,
die sich speziell auf Fleischvergiftungsbakterien beziehen, Aber die van
Ermengen in seiner Abhandlung Ȇber die pathogenen Bakterien der
Fleisch Vergiftungen < im Handbuch von KoUe-Wassermann eingehend
berichtet hat.
284 Über den Mäusetyphusbazillus und seine Verwandten.
DeNobele schied eine grofse Anzahl von Fleisch vergiftungs-
bakterien mittels hoch wirksamen agglutinierenden Serie in zwei
Hauptgruppen: Typus I: Bacillusenteritidis und Typus II:
Bacillus Aerthryk.
V. Drigalski hat im Anschlufs an den bakteriologischen
Befund einer durch Genufs von Pferdefleisch veranlafsten Ver-
giftung in Neunkirchen, bei einer Prüfung mit verschiedenen
agglutinierenden Seris unserer Bakteriengruppe, nicht ganz ein-
deutige Resultate zur Differenzierung dieser erzielt. Immer-
hin konnte er die von ihm isolierten Stäbchen als sicher
»vollständig identisch mit Gärtners Enteritidis-Ba-
Zilien und wahrscheinlich auch mit dem Stamme Aerthryk
(trotz einer kulturellen Abweichung dieses in Maltoseagar], als
diesen sehr nahestehend den Bazillus der Hogcholera und als
dieser Bakteriengruppe verwandt den Typhoid-Bazillus (i.e.
Paratyphusbazillus des Typus B) erweisen.
Obwohl die beiden zuletzt genanntenAutoren zum
grofsen Teil dieselben Bakterienstämme benutzten,
weichen die Ergebnisse ihrer Untersuchungen, wie
bereits v. Drigalski hervorhebt, erheblich voneinander
ab. So erklärt V. Drigalski den Bac. enteritidis Gärtner
und den Bac. breslaviensis (Kaensche) auf Grund seiner
Agglutinationsversuche für »vollständig identisch. c De Ne-
bele stellt dagegen auf Grund ebensolcher Versuche gerade diese
beiden Bakterien als Vertreter zweier zu differenzieren-
den Gruppen auf. Auch nach Trautmann waren gerade
diese beiden Bakterien agglutinativ entschieden zu
trennen.
Überblicken wir die Resultate der verschiedenen Autoren, die
sich bemühten, durch ihre Untersuchungen, speziell mittels
Agglutinationsmethoden, Klarheit in die Gruppe des Mäusetyphus*
bazillus und seiner Verwandten zu bringen, so sehen wir, dafs
wir leider nicht in der Lage sind, diese Resultate auch nur
einigermafsen befriedigend zu vereinigen. Im Gegenteil: nam-
hafte Autoren, an deren exaktem Arbeiten und einwandfreiem
Von Dr. Richard Trommsdorff. 285
Beobachteu jedenfalls nicht zu zweifeln ist, sind zu teilweise völlig
widersprechenden Ergebnissen gekommen.
Es hat nun die Mehrzahl der genannten Forscher meist nur
mit einem oder wenigstens nur wenigen Stämmen der einzelnen
verschiedenen Bakterienspezies gearbeitet : es waren trotzdem meist
höchst umfangreiche Arbeiten.
Ich glaubte daher, wenn ich meinerseits an die Frage der
Identität oder Nichtidentität der zur Diskussion stehenden Bak-
terien herantreten wollte, ich nur durch vergleichende agglutina-
torische Untersuchungen möglichst vieler verschiedener
Stämme derselben Arten vielleicht das erstrebte Ziel erreichen
könnte.
So versuchte ich mir von folgenden Bakterien: Mäuse-
typhus, Enteritidis, Paratyphus B und Suipestifer
eine gröfsere Anzahl verschiedener Stämme zu verschaffen und
bin in dieser Beziehung den Herren Proff. Bonhoff, Dieu-
donnä, Gärtner, Kitt und Max Neisser, die mir sämtlich
auf mein Ersuchen eine oder mehrere Arten zur Verfügung
stellten, zu grofsem Danke verpflichtet.
Aufserdem hatte ich eine Zahl Stämme der genannten Bak-
terien aus der Sammlung des Hygienischen Institutes zu
München zur Verfügung, ferner die beiden von mir seinerzeit
aus menschlichen Stuhlgängen gezüchteten Mäusetyphusbazillen
(Pf. I und Pf. II), einige von Kräl bezogene Arten und einen
Mäusetyphusstamm der Firma Schwarzlose in Berlin, die be-
kanntermafsen Mäusetyphuskulturen unter Aufsicht des Herrn
Geheimrats Löffler verbreitet. Dazu kommt der Fleisch-
vergifter Aerthryk und eine Psittacosis-Kultur aus dem
Besitz des Herrn Prof. M. Neisser.
Sämtliche Bakterien zeigten in ihren morpholo-
gischen und biologischen Eigenschaften keine wesent-
lichen Unterschiede: coliähnliche, gram-negative Stäbchen
mit mehr oder weniger lebhafter Eigenbewegung ; Wachstum auf
Gelatine, meist typhusähnlich zart, in einzelnen Fällen dicker,
mehr coliartig: ähnliches Verhalten auf Kartoffeln; Bouillon stark
getrübt undHäutchenbildung im Verlauf einiger Tage; keine
286 über den MAoBetyphusbazilliw and seine Verwandten.
Indolbildung; Zersetzung des Traubenzuckers, aber
nicht des Milchzuckers: daher keine Gerinnung der Milch
— aber allmähUche Aufhellung durch Alkalibildung — und Bil-
dung blauer Kolonien auf Conradi-Drigalski-Agar und farbloses
Wachstum auf Agar nach Endo. Fluoreszenz von Neutralrot,
endlich in Lackmusmolke (reichliche Einsaat l) anfangs meist ge-
ringe Säuerung, doch bald oder später auftretende geringe A 1 kali -
bildung.
Ich möchte hier darauf hinweisen, dafs, wie von den übrigen
Autoren, auch meinerseits zunächst versucht wurde, in den morpho-
logischen oder biologischen Eigenschaften der Bakterienarten durch-
greifende Unterschiede zu finden. Das Ergebnis war aber negativ,
und ich will daher auch die geringen, jedenfalls nicht be-
deutungsvollen Differenzen der verschiedenen Arten hier nicht
weiter erwähnen.
Ich habe nun meine V^ersuche damit begonnen, durch Injektion
abgetöteter Agarkulturen agglutinierende Sera zu gewinnen.
Dazu verwandte ich zum gröfsten Teile Meerschweinchen, aber
auch einzelne Kaninchen. (Es ist dies in der Tabelle extra an-
gegeben.) Zu erwähnen ist ein auffallend grofser 'Herverlust
trotz vorsichtigster Immunisierung; Beginn der Immunisierung
mit teilweise sehr kleinen Dosen (Vio Ose usw.). Das Ausgangs-
material der ersten Agarkulturen waren stets isolierte Kolonien
auf Gelatineplatten, so dafs ich mich des Materials von Rein-
kulturen versicherte (auch die biologischen Prüfungen waren von
solchem Ausgangsmaterial aus vorgenommen). Die Abtötung er-
folgte nach Aufschwemmung in Bouillon durch Erhitzung auf
56 bis 60° während ca. 1 bis 2 Stunden. Die Agglutinations-
prüfuug geschah nach der Pros che rschen Blockschälchen-
Methode (2 Stunden bei 37 ^ makroskopisch), wobei in der Tabelle
die ± (Grenz)- Werte eingeklammert sind. Die anderen Zahlen
bedeuten die noch stark positiven Werte. Die zur Agglutination
benutzten Bakterien waren ebenfalls genau nach Pros eher
gleichmäfsig in gröfseren Mengen hergestellte, durch Formalin
abgetötete Kulturen, die im Eisschrank aufgehoben wurden. In
Von Dr. Richard Trommedorff. 287
dieser Beziehung war also das Beobachtungsmaterial gleichmäfsig.
Vielfach sind die Proben doppelt oder mit einer neuen Bouillon-
kultur angestellt. Differenzen der einmal erhaltenen Werte wurden
dabei nicht beobachtet. Jedes Serum wurde bis zur Verdünnung
von 40000 austitriert. (Regelmäfsige Kontrollen: Bakterien +
Na Gl- Lösung). Dafs die Tabelle einige Lücken aufweist, lag in
äufseren Umständen. Es fehlte die Zeit, die Agglutinations-
prüfungen vollkommen durchzuführen.
Die Ergebnisse meiner Versuche sind in der Tabelle S. 288
und 289 zusammengestellt.
In der Tabelle finden sich zunächst die Agglutinationswerte für
unsere Bakteriengruppe. Die Rubriken: Paratyphus A, Typhus, Coli,
Fäcalis alkaligenes können gewissermafsen als Kontrolle aufge-
fafst werden : hier sind nur ganz vereinzelte höhere Agglutinations-
werte zu verzeichnen gewesen (Typhusserum gegenüber Paratyphus
B, Mäusetyphus Kitt Kan. A-Serum gegenüber Paratyphus A,
Enteritidis-BonhofE-Serum gegenüber Typhus). Bei einer Anzahl
von Normalseris, die gegenüber sämtlichen Bakterien geprüft
wurden, waren nur ganz vereinzelte Agglutinationen bis 1 : 20 zu
beobachten; diese Werte sind nicht mehr der Tabelle eingefügt
worden.
Als sehr merkwürdig wurden die Werte der letzten Rubrik
notiert. Der mit »Xc bezeichnete Bazillus fand sich in der
Sammlung des hygienischen Institutes zu München unter der
Bezeichnung »Enteritidisc. Die morphologische und biologische
Prüfung ergab aber keine Spur einer solchen. Er verhielt sich
in allem wie Typhus: nur das Gelatinewachstum weicht ziem-
lich stark ab, auch wird er durch Typhusserum beeinflulst, während
sein Serum Typhusbazillen nicht agglutiniert. Höchst auffallend
sind aber die Agglutinationswerte bei Mäusetyphus-, Schweine-
pest- und Paratyphus. B.Serum und umgekehrt die Wirkung des
iXc-Serums auf diese Bakterien wie die Enteritidis-Stämme.
288
Über den Mftasetyphiishanllafl and seine Verwandten.
Sera
Hlasctjphu
Bazillen
Knnlnrhen
A U
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Meerschweinchen
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K'iO
Von Dr. Iticbard TrommsdorS.
Arehl* IBr Hyt^eat. HJ. LV.
290 Über den MäoBetjrphuBbasillas und seine Verwandten.
Im übrigen glaube ich hier auf eine eingehende Erkl&rung
der Tabelle verzichten zu dürfen; es seien nur einzelne Punkte
hervorgehoben :
Die Mäusetyphus sera agglutinieren alle Mäusetyphus-
Stämme, nicht die Entritidisstämrae, bis auf einige Ausnahmen
beim Serum Kan. A Pf. I, dagegen grölatenteils den Stamm Aer-
thryk. Das Gleiche gilt für Schweinepest- und Paratyphus- B-Bazillen
wie für die Psittacosis.
Die Gnteritidissera agglutinieren alle Enteritidisstänmie ;
in den übrigen Bakteriengruppen sind hier nur wenige hohe
Titer zu verzeichnen (am meisten gegenüber Suipestifer).
Das Suipestifer-Kräl-Serum agglutiniert die Sehweine-
peststämme (Ausnahme Stamm Dieudonn^, die Mäusetyphus- und
Paratyphus-B-Stämme (Ausnahme Stamm Saarbrücken), den Bac.
Aerthryk) dagegen nur gering die Psittacosiskultur und gar nicht
die Enteritidisstämme.
Das Suipestifer Dieudonn^-Serum zeigt sich dagegen
völlig abweichend.
Das Paratyphus-B-Serum agglutiniert nur einen Para-
typhus B- und einen Suipestiferstamm hoch.
Und umgekehrt:
Mäusetyphusbazillen wurden von allen Mäusetyphus-
seris, einzelne Stämme von einzelnen Enten tidisserum und einem
Suipestiferserum hoch agglutiniert.
Enteritidisbazillen wurden im allgemeinen nur von Enteri
tidisseris (einige Ausnahmen bei Mäusetyphus-Serum Pf. I Kan. A)
agglutiniert,
dagegen der Bazillus Aerthryk im allgemeinen nicht
von Enteritidisseris , jedoch von Mäusetyphusseris und dem
Schweinepestserum Kral.
Die Suipestiferstamm e (abweichend der Stamm Dieu-
donnä) wurden sämtlich von dem Suipestifer-Kräl-Serum, von Mäuse-
typhusseris, z. T. von einigen Enteritidisseris, dagegen durch das
Paratyphusserum nur ein Stamm hoch agglutiniert.
Von Dr. Richard Trommsdorff. 291
Die Paratyphusstämme Schottmüller und Neifser werden
im allgemeinen durch Mäusetyphusseris agglutiniert, dagegen
ebenso wie der Stamm Saarbrücken (der nur durch 2 (3) Mäuse-
typhussera agglutiniert wird) nicht von Enteritidisseris (zwei Aus-
nahmen). Auch durch Suipestifer- (Ausnahme das Dieudonnö-
serum) und Paratyphussera die Mehrzahl der Werte positiv.
Die Psittacosis kultur endlich wird durch alle Mäusetyphus-
sera hoch agglutiniert, auch durch zwei Enteritidisseris, aber
nur schwach vom Schweinepest- und Paratyphusserum.
Welche Schlüsse sind nun aus den hier mitgeteilten
Agglutinationsversuchen unter Berücksichtigung der
Resultate der bisherigen Forschungen auf diesem Ge-
biete zu ziehen?
Da erscheint am wichtigsten die zwar vom Standpunkt
des Bakteriologen aus sehr bedauerliche, aber wohl nicht weg-
zuleugnende Tatsache, dafs die AgglutinationsprQfung, wenigstens
in ilirer Jetzigen Metliodik, beliufs Differenzierung der Bakterien-
gruppe: Mäusetyplius, Fieisclivergifter Typ. enteritidis, suipestifer
Paratyplius Typ. B , Psittacosis liöclist unsicliere Resuitate iiefert.
Dies geht einmal aus den sich zum Teil direkt wider-
sprechenden Angaben der Literatur über Versuche mit teilweise
denselben Bakterienstämmen hervor. Entscheidend sind aber,
wie ich glaube, die hier vorliegenden Versuche.
In ihnen finden sich zwar in einigen Fällen unter den Agglu-
tinationswerten der verschiedenen Sera einer Bakteriengruppe
gegenüber sämtlichen Stämmen dieser Gruppe keine wesent-
lichen Unterschiede, z. B. bei den Mäusetyphus-Seris gegenüber
den Mäusetyphusbazillen oder bei den Enteritidis-Seris gegenüber
den Enteritidisbazillen. Sehr vielfach aber agglutinieren die mit
einem Bakterienstamm bei verschiedenen Tieren hergestellten
Sera ein und denselben Stamm einer anderen Gruppe (a),
oder ein und dasselbe Serum die verschiedenen Stämme
einer anderen Gruppe verschieden hoch (b).
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on^i \9tU9ii\. glanbe :eh troudem. d^Es man atss den Reeüuec
meirMT Vennebe gevisie spezielle Schlüsse zzebea darf.
Wir halten die Aateellimg gewisser Gruppen toq Bakterien,
die ficfa Mfist Diefat düEerenxieren laaseiu aoMcfaiiefäieii auf
Grand agglotinalorisefa Tölfig diffierenten Verhaltens für bnecb-
tigt irie wir es z, B, auch kürzlich bei dem Bac fiteaÜs alcali-
gene5>i getan haben.^ Diese Berechtigung liegt nun b^ unseren
Venucheu darin, dals gewisse Ag^utinationswerte^'wenigatens in
der überwiegenden Mehrzahl, in einem Sinne ausfielen.
Man kann daher diese Werte als die RegeL die abweichenden
Ergebnisse als Ausnahmen betraditen. Eben diese Ausnahmen,
die aber vorkommen und mit Sicherheit vorkommen« sind der
Grund, dals wir die Agglutination als DifEerenzierungsmoment
in unserer Gruppe nicht sehr hoch einschätzen können. Denn
praktisch wird man kaum je in der Lage sein, mit einer groÜBen
Zalil Sera und einer groben Zahl Bakterien, wie bei den vor-
liegenden Untersuchungen, zu arbeiten.
Auf Grund meiner Versuche glaube ich nun, dals wir fol-
gende« Spezielle sagen dürfen:
L Der Bac. enteritidis ist von den übrigen Bakterien
abzutrennen.
Dafür spricht:
u) dafs keiner der Stämme desselben, bis auf 3 Ausnahmen bei
dem Kaninchen A des Stammes Pf. I., von Mäusetyphus-
serum agglutiniert wird, und umgekehrt auch im allgemei-
nen — hier sind allerdings bedeutend mehr Ausnahmen —
lOuteritidis-Sera Mäusetyphusbazillen nicht agglutiuieren ;
Von Dr. Richard Trommsdorff. 293
b) dafs sowohl Schweinepest wie Paratyphus - B-Serum den-
selben nicht beeinflussen;
c) wohl auch, dafs der Stamm X-Sammlung, der sonst von
fast sämtlichen Seris mehr oder minder agglutiniert wird,
von keinem der Enteritidis-Sera agglutiniert wird.
II. Sowohl unter denParatyphus-B-, wie denSchweine-
pest-Bazillen gibt es verschiedene Gruppen.
Hierfür spricht beim Paratyphus B das abweichende Ver-
halten des Stammes Saarbrücken gegenüber der Mehrzahl sämt-
licher Sera und unter den von mir untersuchten Schweiuepest-
stämmen ist entschieden der Stamm Dieudonnö atypisch.
Es entsteht nun noch die Frage, wodurch sind die merk-
würdigen Differenzen zu erklären, die wir bei den ver-
schiedenen Seris gegenüber denselben Bakterienstämmen
bzw. beim gleichen Serum gegenüber den verschiedenen
Bakterienstämmen feststellten, und auch die differenten Ergeb-
nisse der früheren Autoren? Man wird vielleicht bei der Be-
trachtung meiner grofsen Tabelle denken: Sollte da nicht bei
der grofsen Zahl von Tieren und Bakterien gelegentlich bei den
Injektionen ein Irrtum vorgekommen sein? Ich kann aber ver-
sichern, dafs ich in dieser Beziehung das beste Gewissen habet
Dafs wesentliche Unterschiede in den zur Agglutination ver-
wendeten Formalinkulturen vorlagen, glaube ich, bei meinen
Versuchen wenigstens, so gut wie sicher verneinen zu dürfen.
So bleiben eigentlich nur Unterschiede in der Gewinnung
der Sera zu betrachten.
Bonhoff hat bei seinen Versuchen mit Mäusetyphusserum
eine gleich hohe Agglutination wie für den Mäusetyphus-
bazillus für seinen Enteritidis-Stamm erhalten. Ich kam,
unter Einhaltung derselben Technik, mit denselben Stämmen zu
dem entgegengesetzten Resultat. Woran kann das liegen?
Der eine Unterschied^ den ich hier sehen kann, ist, daCs Bon-
hoff ein Kaninchen zur Immunisierung benutzte, während
ich ein Meerschweinchen verwendete. Doch kann wohl die
Tierspezies nicht ausschlaggebend sein, da bei meinen Ver-
2^4 tyi0>T 'imi Xibuwrrpiiaiihflailliis and seiae ViKwuifim.
üochen mit d^a Sitaarnea SfäOMCCyphQ» PL I and KixL, w^o jeiies-
mal je 2 fCanixkchen and je 3 Me«r9diw«neiieii zur Immaniae-
rung benutzt wnrdeii. .^ich dann doeh wokl juich derartige DtSe-
renzen hätten zeigen mäseen. Und aoeh die Tenciueden hohe
Wertigkeit anderer Serm kann nieht got zor ErkUning hermn-
gezogeri werden, da Bonhoff nur bis zur Verdannaz^ I : lOQi'
wirksames Mladetjphas-^serum hacte^ wahrend mein S^nm Tiel
hochwertiger t40000faehj war; diese« aber den Enteritidisbazülns
nieht agglatinierte, Ea war vielmehr das Umgekehrte der Fall :
da« Bon ho ff. «che «schwächere Serum agj^ntinierte beide Arten.
Es erscheint mir «omit das Wahrscheinlichste^ anzunehmen.
daf.% sich bei verschiedenen HeriadhrMsM eine verschie-
dene Reaktion in bezug auf die Bildung von Aggluti-
ninen findet Weiteren Untersuchungen wird es vorbehalten
bleiben, in diesen Punkten Aufklarung zu schaffen. Man wird
vielleicht zunächst sein Augenmerk darauf richten muaaen, wie
das Serum der zu immunisierenden Tiere vor der ersten Injek-
tion die einzelnen verschiedenen Bakterienstänmie beeinfloist.
Auch den geringsten Unterschieden durfte da schon Wert bei-
zulegen sein. F'emer wird man bei der Abtötung der für die
Immunisierung dienenden Kulturen auf die Höhe der AbtiHoogs-
temperatur und die genaue Zeit der Einwirkung dieser achten
müssen und auf ähnliches mehr.
Wir sind auf Grund der Agglutinationsversuche
zu einer Differenzierung der Bazillen des Mäuse-
typhus, der Schweinepest, des Paratyphus B, der
Psittacosis und des Fleischvergifters Aerthryk nicht
gekommen. Für eine Identität dieser sämtlichen Bakterien
mich auszusprechen, würde ich mich aber trotzdem nicht für
berechtigt halten. Denn hier müssen wir, m. E., doch noch —
rieben vielleicht mehreren anderen Punkten (Toxinbildung, Hitze-
beständigkeit der Toxine etc.) — auch die tierpathogenen Eigen-
schaften mit berücksichtigen. Es haben sich nun bei meinen
wenigen diesbezüglichen Untersuchungen Differenzen gezeigt.
Ich erwähnte bereits, dafs Bon hoff gewisse Unterschiede der
Von Dr. Richard Tromnisdorff. 295
Pathogenität der von ihm untersuchten Stämme fand. Meine
V^ersuche haben einen auffallenden Unterschied des Verhaltens
der Paratyphus-B-Bazillen ergeben; Bei Verfütterung an
weilse Mäuse wirkten sämtliche aufgeführten Stämme von
Mäusetyphus, Enteritidis, Schweinepest, Paratyphus B, der Stamm
Aerthryk und die Psittacosis tödlich. Bei allen Tieren,
mit Ausnahme der mit dem Paratyphus des Typus B
gefütterten, war der Sektionsbefund übereinstimmend:
genau das Bild, wie es seinerzeit Löffler für die Mäusetyphus-
bazillose angab : fast alle Organe im Zustand der Stauung, dunkel-
blaurot; entzündliche Erscheinungen am Darm und bakteriologisch
allgemeine Septikämie.
Bei den mit den drei Paratyphus -B- Stämmen gefütterten
Tieren aber war das Bild ein wesentlich anderes. Ich denke
an anderer Stelle des Näheren auf diese Befunde zurückzukommen.
Sollten wir nicht auch vielleicht, bei den Schweinepest-
bazillen z. B., bei anderen Versuchstieren einen ähnlichen durch-
greifenden Unterschied finden können? Merkwürdig ist doch
der Umstand, dafs scheinbar noch niemals Erkrankungen au
Schweinepest beobachtet wurden, zu Zeiten, wo gegen die Feld-
mäuse mit virulenten Mäusetyphusbazillen gearbeitet wurde!
Bei einer Identität beider Arten, sollte man glauben, hätte dies
— bei der hohen Infektiosität der Schweinepest — wenigstens
gelegentlich einmal vorkommen müssen.
Aber auf der anderen Seite bin ich weit entfernt, etwa aus
Unterschieden der Pathogenität oder der Intensität der Gift-
bildung für eine Abtrennung von Arten einzutreten. Dafs da
die gröfsten Differenzen auch bei sicher identischen Stämmen,
z. B. bedingt durch Züchtung auf verschiedenartigen Nährböden,
vorkommen, ist nur zu bekannt. Ich möchte in der Beziehung
nur auf die neuen Untersuchungen von Schattenfroh und
Grafsberger^ö) über den Rauschbrandbazillus bzw. die
grofsen Differenzen der Virulenz und der Intensität der Gift-
bildung bei den verschiedenen Arten dieses aufmerksam machen.
Smidt empfiehlt, auf Grund seiner Erfahrungen mit poly-
valentem Schweinepestserum, dieses als vorzüglich geeignet zur
296 ÜJber den Mäusetyphasbaullus und seine Verwandten.
Erkennung, ob ein Bakterium überhaupt zur Gruppe der Hog-
cholera gehöre, wie er unsere Bakteriengruppe mit Th. Smith
zusammenfassend nennt. Wir würden aber auch bei Verwendung
von solchem m. E. nach durchaus noch keine Garantien entschei-
dender Resultate haben. Äufserdem geht die Anwendung solchen
polyvalenten Serums bereits von der unbedingten Zusammen-
gehörigkeit der verschiedenen in Frage stehenden Bakterien zu
einer Gruppe aus.
Dieselben Einwände sprechen gegen Benutzung von Misch-
bakterienkulturen, wie sie zur Seradiagnostik beim Menschen für
Typhus und Paratyphus vorgeschlagen sind.
Absorptionsversuche zur Bindung der Agglutinine stellten
bereits Bonhoff und Smidt (1. c.) an, ohne zu eindeutigen
Resultaten zu kommen. Auf die Wiedergabe meiner diesbezüg-
lichen Versuche möchte ich vorläufig verzichten, da auch sie
bisher nicht gestatten, irgendwelche sicheren Schlüsse zu ziehen.
Endlich möchte ich noch auf eine ganz neu erschienene
Arbeit Bahrs^^) hinweisen. Jensen hatte versucht, die Para-
typhusbazillengruppe durch Prüfung ihrer Gärfähigkeit gegenüber
verschiedenen organischen Körpern, vor allem Zuckerarten, zu
differenzieren; Bahr hat den schon von Jensen ausgesprochenen
Gedanken, hierzu organische Säuren zu benutzen, durch-
geführt, und es scheint ihm in der Tat so eine Differenzierung
gelungen zu sein. Es geht jedoch aus seiner Veröffentlichung
nicht hervor, ob er bei seinen Prüfungen stets mehrere oder nur
einen Stamm der verschiedenen Arten prüfte. Man wird also
bis auf Nachprüfungen dieser Arbeit mit seinem Urteil zurQok-
halten müssen.
Ich glaube somit empfehlen zu sollen, vorläufig ruhig die
verschiedenen Namen für die nicht difEerenzierbaren Arten bei-
zubehalten.
Immerhin aber sei man sich bei der Verwendung
sämtlicher besprochener Bakterien der möglichen
Gefährlichkeit derselben auch für den Menschen
bewufst.
Von Dr. Richard Trommsdorff.
297
In bezug auf die Mäusetyphusbazillen ist bereits in Preufsen,
veranlafst durch den seinerzeit von mir mitgeteilten Befund von
Mäusetyphusbazillen beim Menschen, ein Erlafs mit Vorsichts-
mafsrege]n erschienen, der auch in Abschrift z. B. den von der
Finna Schwarzlose in den Handel gebrachten Mäusetyphuskulturen
beigegeben wird.
Ein Verbot der Verwendung von Mäusetyphuskulturen zur
Vertilgung von Feldmäusen scheint mir jedoch zunächst nicht
berechtigt.
Nach Abschlufs dieser Arbeit ging mir durch Herrn Prof.
Neuser der Druckbogen (Zeitschr. f.Hyg.*) einer Arbeit Böhmes
zu, deren experimentelle Ergebnisse, soweit seine Versuche metho-
disch den hier mitgeteilten entsprechen, durchaus mit den meinigen
in Einklang stehen.
Nachtrag bei der Korrektur.
Eine Reihe von Nachprüfungen der Gärversuche Bahrs
(a. a. 0.) haben mich zu der Überzeugung gebracht, dafs den
Ergebnissen Bahrs eine allgemeine Bedeutung zur
Differenzierung unserer Bakteriengruppe nicht zu-
kommt. Als Beleg sei die folgende Tabelle mitgeteilt. (Die
Versuche wurden natürlich genau nach den Vorschriften
Bahrs angestellt; das Wachstum der eingesäten Bakterien war
stets üppig.)
Bahre Vereache
Zitronen-
■iure
Traaben- 1
s&ure
Eigene Versuche
;, Zitronen-
s&ure
Trauben-
s&ure
MänsetyphuB .
+
{■ Stamm Kral
+ ' > Pf. 1
+
0
8
0
Schweinepest
+
+
Kral . .
Dieadonn^
Neilser
+
e
+
e
+
0
Enteritidis . .
+
+
G. . . .
Bonhoff .
0
0
Paratyphns B
+
0
NeiXaer .
SchottmtQler
Saarhrficken
+
0
0
0
0
0
Pflittacose . .
0
+
0
*) Nachtrag hei der Korrektor : einstweilen erschienen Bd. 52 Heft 1.
Die Tageskarve der Wasserdampfabgabe des Menschen.
Von
Prof. Dr. med. H. Wolpert, und Dr. med. P. Peters,
Oberassistenten am Institut. früherem Assistenten am Institut.
(Aus dem Hy^enischen Institut der Universität Berlin.)
Vierundzwauzigstüudige Versuche über die Wasserdampfab-
gabe des Meuschen, bisher nur spärlich ausgeführt, haben be-
kanntlich zur Aufstellung eines Mittels von rd. 1 kg Wasser pro
die = 42 g Wasser pro Stunde, das sind 42 X Ofi oder 25 Ka-
lorien pro Stunde geführt. Wie aber die Wasserdampf abgäbe
über den Tag sich verteilt, darüber sind uns überhaupt keine
Versuche bekannt geworden.
Wenn wir daher eine Tageskurve für die Wasserdampf-
abgabe des Menschen zu finden suchten, indem wir den 24 stün-
digen Tag in eine gewisse Anzahl von Perioden zerlegten, so
war es erfreulich, dafs wir gleichzeitig einen Beitrag zur Frage,
der Gröfse des Tagesmittels erhielten.
Die Versuche unternahmen wir am Pettenko ferschen Re-
spirationsapparat, wobei die Wasserabgabe in üblicher Weise als
Differenz von Zustrom und Abstrom bestimmt wurde; von hier
wie dort entführte dem Hauptstrom ein Teilstrom Parallelproben
nach je zwei Voitschen Kölbchen, die, mit Schwefelsäurebimsstein
beschickt, vor Beginn und nach Ablauf der einzelnen Perioden
gewogen und zu diesem Behufe am Schlüsse jeder Periode aus-
gewechselt wurden. Wir teilten den Tag in sechs vierstün-
dige Perioden. Wünschenswert wäre ja eine kürzere Versuchs-
STjO in« TafBskrxrre der
daner, mögjicfast tod eifiirirven Samden. gewesen. Aber £c-
spinuioiiSTefsciefae onter vier eigentfieh aeciisf Sumden I^sKn
sich ja, wie man annimmt, nach dem Pettenkof erschien Prinaip
nicht mit genügender Sicherheit ansfahrm, and die Versocfas-
peftOD hätte immeno Slltaimgen in ihrer Nachtrahe, weldie
dorcbaos zweckwidrig gewesen wären, erleiden mäasen. Denn
ohne Entkleiden and Wägen der Eleidong jedesmal nach Ab*
laof einer Periode geht es nicht ab, wenn man genan«' Wasser-
zahlen sicher sein wilL
Der Angewöhnung am den Apparat and einer ^eich-
mäüngeren Berechnong halber lieben ?rir dem zweiten and
dritten Versach eine 1 ständige Vorperiode vorai^ehen.
während dereo der Apparat ganz wie nachher sich in Gang
befand, ein Teilstrom zar Analyse jedoch noch nicht dardi die
KOlbcben geschickt wurde. Am letzten der drei Versochstage
antersochten wir sieben yierstöndige Perioden, wddie sich
unmittelbar folgten, um eine Periode mit Deckung« also die
Abschlulsperiode nochmals zu gleicher Tageszeit wie die Anfangs-
fieriode zu bekommen.
Die Versuchsdauer, während deren der Apparat nnunter-
brochen in Betrieb war und die Versuchsperson den Kasteo
nicht verliels, betrug:
24 Stunden am ersten Versuchstag
25 € -. zweiten i
29 c € dritten <
Den greisen Unbequemlichkeiten, welche das Sichheigeben
als Versuchsobjekt zu solchen übernächtigen Kastenversuchen
mit sich bringt, unterzog sich der eine von uns (Dr. Peters),
während der andere den experimentellen Arbeitsteil besorgte.
Über verschiedene Nebenumstände, wie VentilationsgröCse des
Kastens, auch Nahrungsaufnahme u. dgl. gibt die General-
tabelle (s. S. 306) näheren AufschluTs. Geschlafen wurde auf
einer Matratze, welche die ganze Versuchszeit Ober sich im Kasten
befand. Matratze plus Kleidung wurden alle vier Stunden ge-
wogen und die Gewichtsänderung bei Berechnung der Wasser*
Von Prof. Dr. med. H. Wolpert und Dr. med. F. Peters. 301
dampfabgabe der Versuchsperson in Berücksichtigung gezogen.
Durch eine Öffnung im Respirationskasten konnten unbedenklich
Gegenstände hinein- und herausgereicht werden, indem ein kleiner
Kasten aus Blech mit doppeltem, das heifst innen und aufsen
zu betätigendem Ttirverschlufs luftdicht angesetzt war.
In nachstehendem finden sich die Versuchsresultate nebst
den Angaben über die Temperatur und den Feuchtigkeitsgehalt
der Kastenluft aus der Generaltabelle zusammengefafst. Bemerkt
sei, dafs die Angaben über Luftfeuchtigkeit nicht aus Ablesungen
eines Hygrometers, sondern aus Messungen nach der Absorptions-
und Wägemethode sich herleiten und zwar die Mittelbaus den
Messungen im Zu- und Abstrom bedeuten.
Zunächst stellten wir durch einen blinden Vorversuch
fest, wie grofs die Übereinstimmung der Kölbchen- Gewichtszu-
nahmen unter sich war, wenn gleiche Luftmengen durchgeleitet
wurden, ohne dafs eine Person sich im Kasten aufhielt.
Alle vier Leitungen, das heifst der Doppel -Teilstrom vom Zu-
und Abstrom, mit je zwei Absorptionskölbchen, mufsten dann
den gleichen Wasserdampfgehalt der Luft ergeben, was auch
mit grofser Annäherung zutraf: Die Kölbchen der Leitung I
wurden um 109 mg durch 10 1 Luft schwerer, und ent-
sprechend Leitung 11 um 110, Leitung III um 109, Leitung IV
um 108 mg.
In einem zweiten Vorversuch, in welchem Dr. Peters
an den Aufenthalt im Apparat sich gewöhnen wollte, ergaben
die Parallelproben 12,06 und 12,00 mg pro Liter Luft für den
Abstrom, dagegen 10,83 und 10,61 mg für den Zustrom. Hieraus
berechnete sich als Abgabe 45 g Wasser pro Stunde des Versuchs,
welcher nur drei Stunden gedauert hatte. Wir durften um-
somehr bei Wahl von vierstündigen Perioden, wie in der
Folge geschehen, einwandfreie Zahlen zu erhalten hoffen.
Yersiieh Nr. 1.
Mittwoch den 21. bis Donnerstag den 22. Juni 1906. Dauer des Ver-
sachs: 6X4Standen von Mittwoch um 4 Uhr nachmittags ab.
302
Die Tageskurve der Wasserdampfabgabe des Menschen.
Wasserdampf abgäbe stündlich in den 6 Perioden:
Bei
und
H,0 =--
I
(4-8)
22,8
64
48
48
n m i IV
(8-12) 1(12—4); (4-8)
23,6 23,8 ' 28,2
V VI
(8—12) ' (12—4)
23,0 28,2
62
110
71
61
69
59
71
56
60
81
76
50
49
69
Grad Lafttemperat,
Mittel 23,3»
^/n rel. Feuchtigkeit,
Mittel 59**«
g mit Korrektur,
Mittel ^^g
g ohne Korrektur,
Mittel 65 g
In anderer Ordnung, von 8 Uhr vormittags ab gerechnet bi«
wiederum 8 Uhr vormittags :
I
n
lU
IV
V
VI
, (8-12)
(12-4)
(4-8) (8-12)
(12-4) ,
(4-8)
H,0 — si
1
^
48
110
54*
71
g mit Korrektur,
Mittel e9g
> — ' 76
69
48 71
69 i
56
g ohne Korrektur,
Mittel 65 g
bei
28,0
23,2
22,8
28,6
23,8 '
23,2
Grad I^ufttemperat.,
Mittel 23,3^
und
60
50
64
62
, 61
59
Vo rel. Feuchtigkeit,
Mittel 59'/«
Resultat:
Die Wasserdampfabgabe betrug : (81 -f 49 + 48 + 110 -f- 54 + 71) X 4
= 1652 g als Tageswert und 1652:24==68g als mittlerer Stunden-
wert bei 23,3" Lufttemperatur und 59% relativer Feuchtigkeit.
Aus den unkorrigierten Abgaben^) würde man erhalten: (76 -|- 69 -f- 4H
+ 71 + 69 + 56) X 4 = 1556 g als Tages wert und 1556 : 24 = 65 g als mittleren
Stundenwert.
Ein Minimum bestand des Nachts (54 g/8t. 12 — 4 Uhr, obwohl
t^ Mittel), ein zweites Minimum vielleicht des Nachmittags (49g/8t. 12—4 Uhr):
letzteres wäre merkwürdig, da in dieser Periode zwar die Lufttemperatur deiu
Mittel entsprach, die relative Feuchtigkeit aber ungewöhnlich niedrig war und
man danach eine erhöhte Abgabe erwarten sollte. Ein Einflufs der Nahrungs-
aufnahme liefH sich anscheinend nicht erweisen.
1) Die > unkorrigierten Abgaben c werden stets nebenher angeführt, weil
man hieraus die Gröfse der Korrektur, welche die Berücksichtigung der
.Änderungen des Kleidergewichts zum Zweck hat, entnehmen kann.
Vou Prof. Dr. med. H. Wolpert und Dr. med. F. Peters.
303
Auf die niedrige Abgabe in der zeitlich ersten Periode (48 g/St. 4—8 Uhr)
dürfte wegen des Fehlens der Vorperiode ein besonderes Grewicht nicht zu
legen sein.
Yersneh Nr. 2.
Montag den 26. bis Dienstag den 27. Juni 1905. Dauer des Versuchs :
1 -f~ 6 X ^ Stunden, von Montag um 6 bzw. 6 Uhr nachmittags ab.
Wasserdampfabgabe stündlich in den 6Perioden:
(6-10)
Bei I 23,2
und ' 72
H,0-
> ^r-
84
84
II m
(10-2)
23,0
71
55* 78
62 i 63
IV V VI
(L>- 6> («-10)ia0-2)|(2-6)
22,5 ' 22,6 ; 23,0 1 28,1 i Grad Lufttemperatur, Mittel 22,9''
70 70 ' 68 61 ;7o rel. Feuchtigkeit, Mittel 69 Vo
80 66 39 \g mit Korrektur, Mittel 67 g
75 64 49 g ohne Korrektur, Mittel 66 g
In anderer Ordnung, von 6 Uhr vormittags ab gerechnet bis
wietlerum 6 Uhr vormittags :
> rr-:
bei
und
I
(6-10)
80
75
n
(10-2;
66
64
22,6 ' 23,0
70 68
III
(2-6)
49
23,1
61
IV V VI i
(6-10) (10— 2)i (2-6>
84 55* 78 g mit Korrektur, Mittel 67 g
84 I 62 63 g ohne Korrektur, Mittel 66 g
23,2 23,0 22,5 Grad Lufttemperatur, MiUel 22,9*"
72 71 70 Vo rel. Feuchtigkeit, Mittel 69%
Resultat:
Die Wasserdampfabgabe betrug : (80 + 66 -}- 39 + 84 + 56 + 78) X 4
= 1608 g als Tages wert und 1608: 24 = 67 g als mittlerer Stunden-
wert bei 22,9^ Lufttemperatur und 69% relativer Feuchtigkeit.
Aus den unkorrigierten Abgaben würde man finden : (75 -|- 64 -|- 49 -f- 84
+ 62 -f- 63) X 4 = 1588 g als Tageswert und 1588 : 24 = 66 g als mittleren
Stundenwert.
Ein Minimum bestand wiederum des Nachts (55 g/St.
10 — 2 Uhr), ein zweites Minimum möglicherweise des Nachmittags (39 g/St.
2—6 Uhr); die niedrige Nachmittagszahl kann durch das Abgespanntsein und
Schlafen während dieser Periode (s. General tabelle) bedingt sein. Die Nah-
rungsaufnahme schien keinen EinfluIiB auf die Wasserdampf abgäbe auszuüben.
Bei dem folgenden Versuch gelang es, in jeder Hinsicht
überaus gleichmäfsige Versuchsbedingungen zu erreichen. Das
Schlafen des Nachmittags wurde vermieden, und so blieb auch
das Nachmittags - Minimum der Wasserdampfabgabe aus.
304 tHe Tageskurve der Wasserdampf abgäbe des Menschen.
Yersueh Nr. 3.
Freitag den 30. Jnni bis Sonnabend den 1. Joli 1906. Dauer des Ver
suchs: 1 -|- 7 X ^ Stnnden, von Freitag nm 3 bzw. 4 Ühr nachmittags ab.
Wasserdampf abgäbe stündlich in den 7Perioden:
I n m IV V VI vn
(4—8) (8-12; (12-4) : (4-8) (8-12) (12-4 (4-8)
Bei 216 26,0 26,0 ' 24,9 25,2 25,6 26J Grad Lnfttemp., Mittel 26,P
und 63 68 65 67 69 67 68 "« rel. Feuchtigk., Mittel 66»^,
H^0= 66 66 68 45* 89 76 83 g mit Korrektur, Mittel 70 g
> = 63 68 66 46 77 78 72 g ohne Korrektur, Mittel 66 g
In anderer Ordnung, von 8 Uhr vormittags ab gerechnet bis
wiederum 8 Uhr vormittags, wobei für die doppelt vorkommende Periode,
das ist für 4 — 8 Uhr nachmittags, der Mittelwert eingesetst ist :
I II I m IV V VI
(8— 12)' (12— 4) (4—8) .(8-12) (12-4^ (4—8)
H, O = 89 76 76 ! 66 68 45* g mit Korrektor, Mittel 70 g
>= 77 78 68 63 66 46 g ohne Korrektur, Mittefee g
bei i 25,2 %,5 26,1 26,0 26,0 24,9 Grad Lufttemperatur, Mittel 25,1«
und I 69 67 66 63 66 67 <> o rel. Feuchtigkeit, Mittel 66«"/,.
Resultat:
Die Wasserdampf abgäbe betrug : (80 + 76 + 75 + 66 + 68 + 45) X 4
= 1676 g als Tages wert und 1676: 24 = 70 g als mittlerer Stunden-
wert bei 25,1« Lufttemperatur und 66«/, relativer Feuchtigkeit').
Aus den unkorrigierten Abgaben würde man bekommen : (77 -(- 78 -f- ^
-f 63 -|- 66 -|- 46) X 4 = 1592 g als Tages wert und 1592 : 24 = 66 g als mittleren
Stunden wert.
Ein Minimum besteht des Nachts (46 g/St. 4— 8 Uhr); etwas
Weiteres läfst sich nicht erweisen. Nach Versuch Nr. 8 hat es allerdingB
den Anschein, als ob die Wasserdampf abgäbe gleich morgens nach dem Auf-
stehen am gröfsten sei und ziemlich regelmlüsig von Stunde su Stunde bis
zum Abend langsam sinke, um in der Nacht weiter stark heruntenngehen
(s. Fig. auf nächster Seite, Kurve). Aber im Mittel der drei Versuche findet
sich dieses Verhalten nicht bestätigt.
1) Die Lufttemperatur schwankte in den 28 Stunden nur zwischen 24,9
bis 25,0° und die relative Feuchtigkeit zwischen 63— 69V».
Von Prof. Dr. med. H. Wolpert and Dr. med. F. Peters. 305
Aus den drei Versuchen betrügt das Geaamtmjttel =
1645 g Wasaer täglich oder 1645 : 24 =^ 69 g Wasser
stündlich') bei rund 24" Lufttemperatur und 6b°jg relativer
Feuchtigkeit.
TagcsknTTe.
Versuch Nr. 8 = ; Mittel der drei Vorsnelie =
An den einzelnen Versuchstagen wurde abgegeben :
Am 1. Versuchstag = 1652 g H2O bei 23,3" u. bQ% rel Feucht.
f 2. < = 1608 < ( < 22,90 . 69 < • <
t 3. c =1676 * t € 25,1" . 66 « « »
Im Mittel also 4936:3= 1645 g < « 23,8° ( 65 < c <
1] AuB den ankorrigierten Abgaben wflrde ale Geeamtmittel berror-
geheo (1666 + 1&8B + 1592} : 8 =^ 1679 g W«SHr Uglicb oder 1679 : 24 = 66 g
Wueer BtOudlich.
AiohiT Ar HrtfaiM. Bd. LV. 20
806
Die Tageskurve der Wasserdampf abgäbe des Menschen.
Diese mittlere Tagesabgabe von 1645 g Wasserdampf im
Hochsommer darf nicht vorbehaltslos auf das tägliche Leben
übernommen werden. Die erzwungene Ruhe in dem engen
Kasten wird zwar die Abgabe herunterdrücken und auch die
höhere Luftfeuchtigkeit der Kastenluft wird im gleichen
Sinne wirken, aber durch die andauernde Windstille wird
anderseits die Abgabe grötser^), als sie in der Norm, bei zeit-
weiligem Aufenthalt im Freien, unter hochsommerlichen Bedin-
gungen gewöhnlich ist. Die Zahl 1645 darf wohl als unterer
Mittelwert unter ähnlichen hochsonunerlichen Verhältnissen
gelten.
Das Gesamtergebnis der vorstehenden Versuche ist somit
folgendes :
1. Die Tageskurve der Wasserdampfabgabe wird
im allgemeinen nicht durch die Tageszeit als solche be-
einflufst. Doch pflegt während der späteren Nachtstunden,
und gegebenenfalls auch am Tage während des Schlafens
die Abgabe ein Minimum aufzuweisen. Die Nahrungs-
aufnahme liefs keinen BinfluDs auf die Abgabe erkennen.
2. Das Tagesmittel der Wasserdampfabgabe betrug
in unserem Falle rund 1650 g, das Stundenmittel somit
rund 70 g, bei 24® C, 65% relativer Luftfeuchtigkeit
und Windstille.
Generaltabelle.
y ersuch I. 21./22. VI. 1905.
Zeit
Temp. des i,^rs
'S t«
Ein- Ab-
Rtrom Strom
33 "^
H,0- Abgabe
ohne
Korrektur
0)
— » —^ CS ■ JS; o ■^
Bemerkungen
p.m.
4h
22,0
22,6
8h : 22,2
24,2 1, 180,0
191,8:4
48
12,99
; 12,99
64%
3^ zu Mittag gegessen. Gelesen
(leichte Lektüre, wie aach in
der Folge).
830—920 Abendbrot gegessen
u. Tee getrunken. Grelesen.
1) Dieses Archiv, Bd. 38, S. 219.
Von Prot. Dr. med. H. Wolpert nad Dr. uiftd. F. Petera. 307
FortseUnng ta Versuch I.
T,mp. a„
i|2 'n,0-Abg«h«
ii!
lis
""fän-
iMrom
Ah-
l|i
ohns
Korrektup
II:
11^
282,3:4 =
Auf (lerNUtraUe gelegen und
12h l22,7
a,i
188.8
71
277,1 : i =
13,15
62«/.
4h
22,7
24,8
130,1
69
225.2:4 =
18.09
61 •
G^en 420
71' Jer
Matratae
oh
21,?
2S,6
130,2
66
302.6 : 4 =
18,16
69.
UDd
FrOhBtttck gegeaaen. Gelesen.
12h
2S,2
24,4
128.8
76
276,8:4 =
13,165
60>
IM awei Brötchen gegessen.
Gelesen.
4b
21,9
84.0
181.3
69
13,09
50.
Tcnmeh IL 26./27. VI. 1906.
Qb j|21,8
6h ||22,2
lO' 1I21,»
2l> ||21,7 :
Ii
6i> 21,6 :
.[
lOb |{22,0 :
2l> 22,2 :
6b l|22,3 !
23,8
Vorpe
riode
34.2! -
14,430
_
333.6:4 =
24,6
130.8
84
249.6 : 4 =
14,480
72»/ Jl
il
28,8
182,1
62
262,8 ; 4 =
14.400
71.1
i
2-2.8
181,0
63
299.8:4 =
14,460
70.1
24,1
131,6
76
264,9:4 =
U,4«0
70.
24,0
182,8
64
14,490
66.
1
196.6:4 =
24,0
182,0
49
14,450
61 >
Mittag gegessen.
4M Kaffee getmnken. Gelesen.
10b— 1030 Abendbrot gegessen.
Ilh_i4e geschlafen.
21G hingelegt, bald einge-
Bchlalea.
31B aufgewacht, teile geschlafen.
745_9h Kaffee getrunken und
FrQbstOck gegessen. Gelesen.
Gelesen.
20—630 auf der Matratze ge-
legen n. bisweilen geschlafen.
308 TagAskarve der Wasserdampfabgabe etc. Von Prof. Wolpert u. Dr. Peters.
Yersiieli m. 30 '
n.ll. VII. 1905.
Temp. des |
i|| H.a-Abgabe;,:||
sSm 1
Zeit
1
Ein-
Rtrom
Ab-;
Strom
1
.^IZ: ohne \
I ^ g c Korrektur '
5S-- jl
■sl-
Mittler
Feuch
in 4 i
Bemerkungen
3h
23,4
25,0
Vorperiode
1
2h zu Mittag gegessen.
4h
23,6
25,0
—
—
18,776
'-
Gelesen and geschrieben.
252:4 —
1
1
8h
23,8
25,6
1
131,0
1
63
13,795
1 63Vo
8 — 9h Abendbrot gegessen und
Tee (40") getrunken. Ge-
253:4 —
lesen.
12h
24,0
26,6
132,0
63 ;13,805J63>
12ifi— 8h auf der Matratxe ge-
264:4 =
i 1
i|
legen, aber fast gar nicht ge-
schlafen.
4h
28,9
25,6
182,0
66
13,815 |i 65 >
410 hingelegt, sehr bald ein-
geschlafen.
185:4 —
780 aufgewacht
8h
24,1
25,8
132,0
46
307:4 =
13,810
1
67 .
816—980 Kaffee getranken und
FrühstQck gegessen. Gelesen.
12h
24,6
26,6
131,0
77
318:4=1
13,860
69 >
116 ein Brötchen gegessen.
Gelesen.
4h
24,7
26,6
132,0
78
289:4 =
18,850
67»
Gelesen.
8h
1
25.0
26,6
182,0
72
18,895
i68>
über die Nachwirkung korperUcher Arbeit anf die
Wasserdampfabgabe beim Menschen.
Von
Prof. Dr. med. H. Wolpert, und Dr. med. P. Peters,
OberasslBtenten am Institut. früherem AMlstenten am Institut.
(Aus dem Hy^enischen Institut der Universität Berlin.)
Die Wasserdampfabgabe des Menschen wird bekanntlich
während körperhcher Arbeit normalerweise erhöht und darf wohl
insoweit als hinlänglich studiert gelten. Wie sich jedoch der
Organismus nach geleisteter Arbeit verhält, ob vielleicht fürs
erste kompensatorisch eine Einschränkung der Wasserabgabe unter
die Norm statthat, oder ob vielleicht ganz im Gegenteil zunächst
die Steigerung noch anhält — darüber ist nichts bekannt und
sind nicht einmal Hypothesen laut geworden.
Das Nächstliegende wäre vielleicht, der Vermutung Raum
zu geben, es möchte das für die Körpertemperatur gültige Gesetz
der Kompensationen auf die Wasserdampfabgabe übertragbar
sein und dies um so mehr, als letztere ja, wie die grundlegenden
Versuche von Rubner und die Versuche des einen von uns (W.)
über die Wasserdampfabgabe im Wind') dargetan haben, ein
biologischer Vorgang ist. Jedenfalls ist diese Annahme nicht
von der Hand zu weisen ; aber es wäre erst zu beweisen, ob sie
zutrifft. Möglich ist doch auch, dafs die Steigerung der Ver-
dampfung, einmal eingeleitet und in flottem Betrieb, auch nach
1) Dieses Archiv, Bd. 33, S. 206.
310 Nachwirkung körperl. Arbeit auf d. Wasserdampfabgabe beim Menschen.
Aufhören der eigentlichen Ursache noch längere Zeit bestehen
bleibt, indem die Haut in gleicher Aktivität beharrt.
Da die Frage uns theoretisch wie praktisch von einigem
Interesse zu sein schien, haben wir uns deren Beantwortung
durch einige Versuche am Pettenkoferschen Respirationskasten
zum Ziel gesetzt.
In sämtlichen sieben Versuchsreihen hatten wir uns der
dankenswerten Mitwirkung zweier sachverständiger Kollegen zu
erfreuen, indem in vier langwierigen Versuchen (Nr. 1 — 4) Herr
cand. med. Schmidt, und in weiteren drei Versuchen (Nr. 5 — 7)
Herr Dr. Brunner sich als Versuchspersonen hergaben. Die
Versuche wurden im Anschlufs an eine andere Versuchsreihe,
bei welcher der eine von uns (Dr. Peters) als Versuchsperson
fungierte^), vorgenommen. Das hier zu erwähnende Resultat
jener 24 stündigen Versuche war, dafs die Tageskurve der
Wasserdampfabgabe nicht durch Nahrungsaufnahme beeinflufst
wird und auch nicht durch die Tageszeit als solche, dafs aber
allerdings während der späteren Nachtstunden die Abgabe niedriger
als am Tage zu sein pflegt. Dieser Nachweis bildete den Aus-
gangspunkt für die hier in Rede stehenden Versuche.
Wir besprechen zunächst das Arrangement und die Resultate
der Versuche mit Herrn Schmidt und Herrn Dr. Brunner,
die Tabellen folgen am Schlufs.
Die Versuche wurden nach zwei wesentlich verschiedenen
Prinzipien vorgenommen, denen selbstverständlich eines gemein-
sam war: Ein Vergleich der Abgaben in je einer Ruheperiode,
vor Beginn und nach Ablauf einer gewissen Arbeitsleistung. Es
waren also eine Vorperiode, eine Arbeitsperiode und eine
Nachperiode zu trennen.
Nach Prinzip I wurde der Respirationskasten ventiliert,
und der Unterschied im Wassergehalt von Zustrom und Abstrom,
nebst Kenntnis der Ventilationsgröfse, ermöglichte einen Rück-
schlufs auf die Abgabe. Prinzip II dagegen beruhte darauf, den
1) Wolpert und Peters, Die Tageskurve der Wasserdampfabgabe.
Dieses Archiv.
Von Prof. Dr. med. H. Wolpert und Dr. med. F. Peters. 311.
Kasten nicht zu ventilieren und aus der Steigerung der Luft-
feuchtigkeit des abgesperrten Volums, nebst Kastengröfse,
die Abgabe zu berechnen.
I. Versuche Nr. 1—4.
„Der BespirationBkasten wird ventiliert.**
Jeder Versuch besteht aus drei 4 stündigen Perioden.
Herr Schmidt ruht zunächst 4 Stunden im Kasten (Vor-
periode), arbeitet dann 4 Stunden ebenda oder auch, in Ver-
such Nr. 4, aufserhalb des Kastens (Arbeitsperiode) — um
schliefslich nochmals 4 Stunden im Kasten zu ruhen (Nach-
periode).
Die Versuche wurden alle vier am Bekleideten vorge-
nommen.
Zwischen den einzelnen Perioden macht sich zum Zwecke
der Auswechslung der Absorptionsapparate u. dgl. eine Zwischen-
zeit von mindestens etwa ^/a — 1 Stunde erforderlich. Diese Zeit
verbringt Herr Schmidt aufserhalb des Apparats, jedoch im
Respirationszimmer.
Im Zustrom und Abstrom wird der Wasserdampf, nebenher
auch die Kohlensäure bestimmt. Der Unterschied von Zustrom
und Abstrom ermöglicht einen Rückschlufs auf die Abgabe. Ver-
glichen wird die Abgabe der Nachperiode mit jener der Vor-
periode.
Yersnch Nr. 1.
Freitag den 7. Jali 1905.
a) Vorperiode, im Kasten 11,00 — 3,00 Uhr mittags.
Körpertemperatar in recto 87,5^ nm 11 Uhr,
36,9^ > 3 > .
11^15 Uhr hingelegt ; 1 Kakes gegessen *).
11,55—12,30 Uhr geschlafen.
Matratze -f- Kleidung wurden 15 g leichter*).
1) Nach dem Ausfall unserer 24 stündigen Versuche hatten wir gegen
geringe Nahrungsaufnahmen, die protokolliert wurden, nichts einzuwenden.
2) Matratze 4~ Kleidung mufsten vor und nach den einzelnen Versuchs-
perioden selbstverständlich gewogen und die Gewichtsänderungen bei Berech-^
nung der Wasserdampfabgabe der Versuchsperson berücksichtigt werden.
312 Nachwirkung kOrperl. Arbeit aaf d. Wasserdampfabgabe l)eim Menschen.
b) Arbeitsperiode, im Kasten 3,35 — 7,35 Uhr nachmittags. Arbeits-
leistang 32000mkg in 4 St., also 8000 mkg/St
Körpertemperatur 37,4® um 7,35 Uhr.
1 Kakes gegessen um 5,20 Uhr.
Matratze -f- Kleidung wurden 175 g schwerer.
c) Nachperiode, im Kasten 8,35— 12,35 Uhr abends.
Die Arbeit ist seit 1 St 20 Min. (seit 7,15 Uhr) beendet
Körpertemperatur 37,1 * um 8,35 Uhr,
86,5 • » 12,35 » .
1 Kakes gegessen um 8,40 Uhr.
9,20—11,30 Uhr geschlafen, während dieser Zeit die elektrische Glüh-
lampe im Kasten ausgeschaltet
Matratze -{- Kleidung wurden 60 g leichter.
Resultat:
Die Wasserdampfabgabe ist in der Vorperiode mit 35,5 und Nachperiode
mit 36,2 g stündlich kaum verschieden ^). Da jedoch in der Nachperiode die
relative Feuchtigkeit der Kastenluft etwa 5 7o höher war, bei gleich-
bleibender Lufttemperatur'), und dessenungeachtet kein Abfall sich
zeigte, so dürfte dieser Umstand entschieden für eine Steigerung der Ab-
gabe, ceteris paribus, infolge der Nachwirkung aus der Arbeit sprechen und
dies um so entschiedener, als Herr Schmidt nach der Arbeit so sehr er-
müdet war, dafs er in der Nachperiode über 2 Stunden schlief. Nach dem
Ausfall unserer 24 stündigen Versuche ist freilich nicht anzunehmen, dafs die
Depression der Wasserdampfabgabe, welche durch einen Schlaf von nur
etwa 2 Stunden veranlafst wird, eine sehr erhebliche sei.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dars aus äulseren Gründen*)
die 4 stündige Nachperiode erst etwa 1^/4 Stunden nach geleisteter
Arbeit begann, und während dieser nicht untersuchten Zwischen-
zeit der Hauptteil einer Nachwirkung aus der Arbeit sich geltend
machen konnte. Im nächsten Versuch ist daher auf eine tun-
lichste Beschränkung dieser Zwischenzeit hingearbeitet worden.
Die Kohlensäureabgabe war in der Nachperiode gegen die
Vorperiode etwas erhöht.
In der Arbeitsperiode, mit 8000 mkg stündlicher Leistung,
waren HgO und CO2, wie zu erwarten, bedeutend gesteigert,
1) Die Zahlenangaben sind den untenstehenden Tabellen entnommen.
2) Die Temperatur im Zustrom ist mafsgeblicher als jene im Abstrom,
da auf letztere unter Umständen (abends) die näher beim Abstrom befindliche
elektrische Glühbirne einwirkt.
3) Die Vorbereitung des neuen Versuchs erforderte so lange Zeit.
Von Prof. Dr. med. H. Wolpert und Dr. med. F. Peters. 313
nämlich HjO von 36 auf fast 200 und CO2 von etwa 28 auf
82 g stündlich, H2O also um ca. 160 und CO2 um ca. 54 g. In
früheren Selbst versuchen des emen von uns (W.) war, durch
15000 mkg stündliche Arbeitsleistung, die Wasserdampfabgabe
im Mittel um 77 (von 42 auf 119) und die Kohlensäureabgabe
um 52 (von 34 auf 86 g/St.) in die Höhe gegangen. ^)
Tenncli Kr. 2.
Donnerstag den 13. Juli 1905.
a) Vorperiode, im Kasten 8,30 — 12,80 ühr vormittags.
Körpertemperatur 37,2 » um 8,30 Uhr,
36,9 • » 12,30 » .
10,55—11,25 Uhr geschlafen.
Ca. 40 g Schokolade gegessen, nichts getrunken.
Matratze -f- Kleidung wurden 15 g schwerer.
b) Arbeitsperiode, im Kasten 1,00 — 5,00 Uhr nachmittags. Arbeits-
leistung 16000 mkg in 4 St., also 4000 mkg/St.
Körpertemperatur 37,1 • um 1,00 Uhr,
37,5° » 5,00 » .
1,25 Uhr Glas Wasser getrunken und 2 Stullen gegessen, 3,35 Uhr Glas
Wasser getrunken.
Im ganzen etwa 80 g Schokolade gegessen.
Matratze -f- Kleidung wurden 95 g schwerer.
Um 4,45 Uhr war die Arbeit beendet
c) Nachperiode, im Kasten 5,35—9,35 Uhr nachmittags.
Körpertemperatur 37,5® um 5,35 Uhr,
37,1« . 9,35 > .
6,35—7,40 Uhr geschlafen.
Matratze -|- Kleidung wurden 35 g leichter.
Die Nachperiode hatte 50 Minuten nach Beendigung der Arbeit begonnen.
Resultat:
Die Wasserdampf abgäbe ist in der Nachperiode gegen die Vorperiode
deutlich gesteigert, nämlich bei Gleichbleiben der Lufttemperatur und
Luftfeuchtigkeit von rund 46 auf 54 g/St. ; die entsprechenden Kohlensäure-
abgaben zeigen keine Verschiedenheit.
Wegen der geringeren (halben) I^istung waren in der Arbeitsperiode
die Wasserdampf- und Kohlensäureabgabe weniger als im ersten Versuch
aufgehöht, nämlich die Wasserdampfabgabe von 46 auf 90 = um 44 und die
Kohlensäureabgabe von 32 auf 59 = um 27 g standlich durch 4000 mkg
Leistung.
1) Dieses Archiv, Bd. 26, 8. 32.
314 Nachwirkung körperl. Arbeit aaf d. Wanserdampfabgabe beim Menechen.
Temeh Xr. S.
Freitag den 21. Joli 1906.
a) Vorperiode, im Kasten 8,00 — 12,00 Uhr vor mittags.
Körpertemperatur 87^* am 8,00 Uhr,
36.8 • > 12,00 > .
11,00 Uhr Glas Wasser getrunken.
11,10—12,10 Uhr geMshlafen:
Im ganzen etwa 60 g Schokolade gegessen.
Matratze -|- Kleidnng wurden 45 g scliwerer.
b) Arbeitsperiode, im Kasten 12,35— 4,35 Uhr nachmittags.
Arbeitsleistung 20000 mkg in 4 St., also 5000 mkg/St.
Körpertemperatur 37,3* um 12,35 Uhr,
37.9 • > 4,35 > .
2,30 Uhr Glas Wasser getrunken, 2 Stullen gegessen.
4,00 Uhr nochmals Glas Wasser getrunken.
Im ganzen ca 60 g Schokolade gegessen.
Matratze -|- Kleidung wurden 205 g schwerer.
c) Nachperiode, im Kasten 5,10 — 9,10 Uhr abends.
Körpertemperatur 37,5" um 5,10 Uhr.
5,30 Uhr zwei Schinkenstullen gegessen.
Matratze -|- Kleidung wurden 125 g leichter.
Resultat:
Ähnlich wie im zweiten Versuch, wenn auch in etwas geringerem Mafse,
ist auch hier die Wasserdampf abgäbe der Nachperiode (mit 50) gegen die Vor-
periode (mit 45 g/St.) unzweifelhaft gesteigert
Gleichzeitig läfst die Kohlensäureabgabe in der Nachperiode ein starkes
Anwachsen (von 33 auf 40 g/St.) erkennen, welches aber auf Nahrungsaufnahme
zurückzuführen sein dürfte. Um hierüber ins klare zu kommen, soll während
eines vierten Versuchs überhaupt keine Nahrungsaufnahme erfolgen and die
Arbeit aufserhalb des Kastens geleistet werden, so dafs sich die Nach-
periode ohne gröfsere Zwischenzeit an die Arbeitsperiode anschliefsen kann.
Die Arbeitsperiode brachte eine Steigerung der Wasserdampf abgäbe von
45 auf 172 = um 127 und der Kohlensäureabgabe von 33 auf 80 = um 47 g
stündlich durch 5000 mkg Leistung.
Tergneh Nr. 4.
Montag den 31. Juli 1905.
a) Vorperiode, im Kasten 10,30— 2,30 Uhr mittags.
Herr Schmidt hat früh 8 Uhr Kaffee getrunken und ifst eine belegte
Stulle um 10 Uhr. Von da ab bis 8 Uhr abends unterbleibt jegliche
Nahrungsaufnahme.
b) Arbeitsperiode, aufserhalb des Kastens 2,35 — 3,35 Uhr.
Arbeitsleistung in dieser Stunde 28 750 mkg.
Von Prof. Dr. med. H. Wolpert und Dr. med. F. Peters. 315
c) Nachperiode, im Kasten 3,48 — 7,48 Uhr abends»
Die Nachperiode hatte 13 Minuten nach Beendigung der Arbeit begonnen.
Resultat:
Die Wasserdampfabgabe in der Nachperiode istwiederumgesteigert
gegen die Vorperiode, nämlich von rund 37 auf 44 g/St., und es kann daher
diese Steigerung wohl als gesetsmftfsige Nachwirkung der Arbeit angesprochen
werden.
Die Kohlensäureabgabe war in den beiden Ruheperioden diesmal nicht
verschieden, weshalb wohl der im dritten Versuch konstatierte höhere Wert
der Nachperiode auf Zufälligkeiten fufst.
In den folgenden Versuchsreihen wurde von yornherein auf Erhebung
der Kohlensäureabgabe verzichtet.
II. Versuche Nr. 5—7.
„Der Bespirationskasten wird nioht ventiliert."
Jeder Versuch besteht aus drei einstündigen Perioden.
•Herr Dr. Brunner ruht zunächst 1 Stunde im Kasten
(Vorperiode) — arbeitet dann eine Stunde ebenda oder auch,
in Versuch Nr. 6 und 7, aufserhalb des Kastens (Arbeits-
periode, Leistung durchweg 14000 mkg) — , um schliefslich
nochmals 1 Stunde im Kasten zu ruhen (Nachperiode). Die
Versuche wurden durchweg am Nackten vorgenommen^), die
Arbeitsleistung führte daher nie zu Schweifsbildung.
In der Zwischenzeit zwischen je zwei Perioden, welche
auf etwa 10 Minuten bemessen wird, bleibt der Kasten nach
dem Heraustreten Dr. Brunners geöffnet, um mittels eines
elektrischen Ventilators energisch gelüftet zu werden, damit die
Feuchtigkeit der Kasteuluft tunlichst wieder auf ihren Anfangs-
stand sinke.
Verglichen werden die Steigerungen der Luftfeuchtigkeit des
im Kasten abgesperrten Luftvolums bzw. die hieraus zu berech-
nenden Abgaben in der Vor- und Nachperiode.
1) Die Vornahme der Vemache geschah am deswillen am Nackten,
um die Wägungen der Kleider vor und nach den Versuchen und die hier-
durch veranlafsten, etwas unsicheren Korrekturen der Abgabe zu umgehen.
In diesen Versuchen mufste geheist werden, nioht nur der Kasten (durch
elektrische FuTisbodenheizung), sondern, wie sich herausstellte, am besten
das ganze Zimmer.
316 Nachwirkang körperl. Arbeit auf d. Wasserdampf abgäbe beim Menschen.
Yennoh Kr. 5*
Dienstag den 18. Juli 1905.
Der Kasten wurde elektrisch, durch Fafsbodenheizung, das Zimmer im
flbrigen nicht geheizt. Während der ganzen Versuchszeit lief im Kasten ein
elektrischer Ventilator als Luftmischer und war so aufgestellt, dafs Herr
Dr. Brunn er möglichst wenig durch Zug belastigt wurde. Die Ablesungen
der Luftfeuchtigkeit geschahen an einem gut justierten Kopp eschen
Instrument
Bei gleicher Temperatur und Feuchtigkeit der Kastenluft zeigt sich auch
hier wieder die Ruhe nach getaner Arbeit durch eine höhere Wasser-
iah l gekennzeichnet. In der einstündigen Vorperiode wurden rund 35, in
der einstündigen Nachperiode aber 41 g Wasserdampf abgegeben. Die
Zahl 105 für die einstündige Arbeitsperiode ist unsicher (zu niedrig) wegen
Kondensation.
Die Viertelstundenwerte der Abgabe waren für die drei Perioden
folgende :
Vorperiode = 9,5 + 9,1 + 7,7 + 8,4 = 34,7 g Wasserdampf,
Nachperiode = 13,7 4- 10,5 + 8,4+ 8,4 = 41,0 g
Arbeit = 15,8 + 21,0 + 31,5 +36,4 (?)= 104,7 (?)g
Es hat hiernach den Anschein, als ob die Nachwirkung
'/4 Stunden dauerte, aber sich hauptsächlich auf die erste Viertel-
stunde konzentrierte.
Da die Wasserdampfabgabe während der Arbeit nicht in
Untersuchung stand, wurde in der Folge die Arbeit aufserhalb
des Kastens geleistet und so jegliche Kondensation von den
Kasten Wandungen femgehalten.
Yersnoh Nr« 6.
Donnerstag den 20. Juli 1905.
Die elektrische Fafsbodenheizung des Kastens ist aufser Betrieb, dafür
wird das ganze Zimmer geheizt (Aatostat-Gasheizung) Der Ventilator ist wie
beim vorigen Versuch in Tätigkeit. Die Luftfeuchtigkeit im Kasten wird
aufser mittels eines Kopp eschen Hygrometers noch mit Hilfe eines
Afsm an n sehen Aspirationspsychrom eters gemessen.
Die Viertelstundenwerte der Abgabe waren fflr die Voi^ und Nach-
Periode :
1. Nach Mafsgabe des Kopp eschen Instruments:
Vorperiode = 13,3 + 18,9 + 12,6 + 15,4 = 60,2 g H,0,
Nachperiode = 29,4 + 15,4 + 11,2 + 7,7 = 63,7 g H,0.
2. Nach Mafsgabe des Afsmannschen Instruments:
Vorperiode = 17,5 + 15,4 + 11,2 + 9,1 = 53,2 g H,0,
Nachperiode = 29,4 + 11,2 + 12,6 + 9,1 = 62,8 g H,0.
Von Prof. Dr. med. H. Wolpert and Dr. med. F. Peters. 317
Also auch hier wieder ergibt sich, besonders bei Anwendung
des zuverlässigeren (Afs mann sehen) Instruments, eine wesent-
liche Steigerung der Abgabe zugunsten der Nachperiode.
Das Plus wäre vermutlich noch bedeutender bei gleichmäfsiger
gestalteten Vorbedingungen. Aber es ist natürlich, dafs das ab-
gesperrte Luftvolum in der Nachperiode durch die vermehrte Ab-
gabe eine vermehrte Steigerung seiner Feuchtigkeit erfuhr, welche
ihrerseits wiederum retardierend auf die weitere Abgabe wirken
mufste. Die Lufttemperaturen konnten in beiden Fällen ja so
gut wie gleich gehalten werden (30,1^ und 30,0^ im Mittel), aber
im zweiten Fall mufste die Luftfeuchtigkeit alsbald ansteigen
und am Schlufs einen erheblich höheren Wert repräsentieren.
Die Luftfeuchtigkeit betrug nach Koppe:
Vorperiode: Anfang 35, Ende 61, Mittel 47%,
Nachperiode: » 37, > 66, » 54%,
und nach Afs mann:
Vorperiode: Anfang 44, Ende 67, Mittel 66 %,
Nachperiode: » 44, » 72, » 60%.
Daher läfst sich auch nicht behaupten, die Nachwirkung
müsse sich hier auf die erste Viertelstunde beschränkt haben,
obwohl die obigen Zahlen dies nahezulegen scheinen. Denn
bereits nach der ersten Viertelstunde war die relative Luftfeuch-
tigkeit während der Nachperiode erheblich, d. h. um 5 — 10% über
den entsprechenden Wert der Vorperiode hinausgegangen, und
zwar eben infolge der starken Nachwirkung aus der Arbeit auf
die Abgabe. Gerade hierdurch wird deutlich, dafs der
Ruhende nach getaner Arbeit den Feuchtigkeits-
gehalt derZimmerluft mehr als der dauernd Untätige
in die Höhe treibt.
Eine letzte Wiederholung des Versuchs führte zu keinem
anderen Resultat.
318 Xa^ebwirlKiuif kOipcr!. Arbeil mal <L Wi—rdimpt«bf»be bcua
TcmA Kr. T.
DonncnUg den 27. Juli 19Q6l
Die Art der Heixong war die gleidie wie beim Totanyegmngenen Verso^L
Aorii wurde wiedemm towobi K o p p e s HTgrometer wie das A f • m a n n
loatraiDent beobacbtei. Der VentUator war dieiwiial nicbt beatlndig in Be-
trieb, sondern jedesmal nnr etwa 10 Sekunden vor einer Ablesong. Hietduich
sollte vermieden werden, dals Herrn Dr. Brnnner des Öfteren ein Loftsof
belistigte. Die SCeigemng der Wasserdampfabgabe wird bier nnr beim ersten
Viertelstondenwert deatlieb (11 Jb gegen 7,1 nacb Afsmann and 16,1 gegen
12,6 g/8t. nacb Koppe), im ganxen aber Terwiscbt, was wobl in der onge»
nfigenden Laftmisdrang begründet ist
Wie lange die SteigeniDg der Abgabe anhäli, lälst sich aus
den zuletzt mitgeteilten Versuchen schwer mit Sicherheit ermessen,
weil nach dem Prinzip, welches diesen Versuchen zugrunde lag, die
relative Feuchtigkeit der Kastenluft gröOser wurde und so eine
Depression der Abgabe herbeiführte, die um so gröfser ausfiel
und um so rascher eintrat, je grölser die fragUche Nachwirkung
war. Hiemach möchte anzunehmen sein, die Nachwirkung sei
nach längstens ^j^ Stunden vorüber gewesen.
In den ersten Versuchsreihen waren die Bedingungen für die
Vor- und Nachperiode jedoch gleichmäfsiger gestaltbar, und da
zeigte es sich, deSs die Nachwirkung auf mehrere Stunden
sich erstrecken kann. Denn in jenen Versuchen begann die
Nachperiode erst eine halbe bis mehr als eine ganze Stunde nach
dem Abschlufs der Arbeit in einem Falle sogar erst 1 Stunde
und 20 Minuten nachher, und dauerte 4 Stunden; gleichwohl aber
war eine Nachwirkung der Arbeit im positiven Sinne in keinem
Falle zu verkennen.
Aus den mitgeteilten Versuchen ist somit zu schlieüsen:
Die Wasserdampfabgabe des Menschen, welche
während körperlicher Arbeit bekanntlich gesteigert
zu sein pflegt, bleibt auch nach geleisteter Arbeit
noch eine Zeitlang, bis zu mehreren Stunden, erhöht
(Folgen die Tabellen S. 819—322.)
Von Prof. Dr. med. H. Wolpert und Dr. med. F. Peters.
319
18. TU. 05. Dr. Bronner. Yergnch L
Kasten
Zeit , Hei. F.
Temp.
(Hygr.)
II H,0-
lAbgabe He-
il in g j, merkuDgen
pro 15'
H,0- Abgabe für die
Stunde
84,7
1
Kasten i
. H.Ü. (
Zeit
1
'Abgabe ' Be-
Temp.
Rel. F.
(Hygr.)
1
in g ' morkungen
pro 15'
1
1110
1
i
48
i Arbelt:
14000 mkg
1115
(25)
(48)
1125
25,9
52
: 15,8
.
1140
26
64
21,0 '
1165
26,4
81
31.6
1210
26,7
100 i
: 36,4 1, 12« Fenster
' , beschlagen
H,0 Abgabe für die i,'
Stunde ; 104,7
Kasten :
H,0- !
1
Zelt
Temp.
1
Rel F. 1
(Hygr.)
Abgabe
! ing
t)ro 16' ,
Be-
merkungen
12»
46
1
1
Robe
1226
(26,6)
(46)
—
12»
26
50
18,7
1260
26
56
10,R
16
26
61
8,4
120
26^
65
8,4
H,OAbgabe fOr die
Stunde 41,0 '
20. TU. Venueli II. Dr. Brünier.
Kasten
Zeit Thermomet. jipgyehr. ^^l- Feucht.
trocken feucht i| ^^^' ■ Psychrom. I Ilygrom. Psychrom.
HjO-Abgabe in g 'j
pro 15' i B«™«>*.
kangen
Hygrom. i
1016
1020
lü2-'i
1030
la'^
1040
1046
1060
1066
11h
116
1110
1116
29,2 1 20,4 ! 8,8
30,0 22,3 i 7,7
30,3 23,7 , 6,6
30,6
30,3
24,7 5,9
44,5
51,2
57,6
61,8
25,3
5 ; 66,9
35
(37)
(38)
40
(42)
(45)
48
(50)
(52)
53
(56)
(58)
61
17,6
15.4
ii;^
9,1
13,3
18,9
12,6
15,4
U,0- Abgabe für die Stunde || 63,2
60,2
320 Nachwirkung körperl. Arbeit auf d. Wasserdampfabgabe beim Menseben.
Fortsetsang zu Versuch n.
1
■
Kasten
H,0-Abgabe in g
pro 16'
1
Zeit
Therm omet. |
1
spychr.'
Diff.
Rel. Feucht.
Bemer-
kungen
trocken
feucht
Psychrom.
Hygrom.
Psychrom.
Hygrom. j
1216
29,5
20,5
•
i 9
43,8
87
1220
(43)
1226
(46)
1280
29,9
23,2
6.7
56,7
60
29,4
29,4
1286
(68)
1240
(66)
1246
30
24,2
6,8
61,9
67
11,2
15,4
1250
(-)
1266
(59)
Ib
30,7
25,4
6,8
65,3
60
12,6
11,2
16
(61)
110
(64)
116
80
25,9
4,1
72,2
66
9,1
7,7
E
[,0-Abg
abe für di
e Stunde
62,8
63,7
1
1
27. TU. 05. Yorgncli HI. Br. Brauner.
Kasten
HjOAbgbe in g
-v^
Zeit
Thermomet.
spychr.
Rel. Feucht.
pro 15' j
Bemer-
kungen
trocken
feucht
DJn.
Pgychrom.
Hygrom.
Psychrom.
Hygrom.
1
lOli
26,7
21,3
6,4
61,9
48
1
105
(50)
1010
(51)
1016
27,4
22,2
5.2
63,7
53
7,7
12,6
1020
1
1
(Ö5)
1025
(56)
1030
28,3
23,2
6.1
65,0
56
8,4
10,5
1035
1
1
(57)
1040
1
(58)
1045
28,5
23,9
4.6 ;
68,3
59
7.7
7,0
1050
1
1
(61)
1055
(64)
11h
28,6
24,7
3,9
72,8
66
9,1
14,0
»
fO-Abg
abe fQr di
e Stunde
, 32,9
44,1
Von Prof. Dr. med. H. Wolpert und Dr. med. F. PeterQ.
321
Fort«eUaz^ zn Versuch III.
Zeit
Kasten
Thermomet. pgychr. :
feucht j ^^^' I
trocken
Hei. Feucht.
H,0-Abgabe in g
pro 15'
Fsychrom.
HygTom. Piychrom.
HyKTom.
Bemer-
kungen
2B,4 20,« 5,6
12h
12 "
1210
121Ö
1220
122Ö
123Ü
12.'^
1240
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12i"»o'l .- . ,
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Ih
27,3 -.^2,6 4,7
27,5 I 23,2 4,3
4,8
4.2
60,4
66,9
69,6
67,3
70,9
54
(57)
(58)
60
(61)
(62)
63
(63)
(63)
63
.(63)
(63)
65
1
17,5
6,3
5,6
5,6
16,1
7,0
^,1
2,8
Zimmer-
te mpi
27.0» C
Zlmmer-
temp.
27,8«»0
Zimmer-
temp.
29,26 C
HjC Abgabe für die Stunde
35,0
35,0
Yersache 1—4. Cand. med. Schmidt. (48tilnd. Perioden.)
Ventilation
j^^j^ Temp. des
Einstr.
Ausstr.
Relat.
Ventil.- ^'eucht.i
(iröfMe im
cbm 'Mittel
n,o- Jco,-
Abgabe
in g
pro Std.
Bemerkungen
T
11h I 20,7
3b !j 21,0
3'tö 21,2
T'^^ \\ 20,6
83Ö 21,0
1255 ' 21.1
21,2
2:>,4
23,0
23,0
23,0
23,2
142,6 ,1 59,57 197,0
Versuch 1. 7. VII.
141,6' 49,95 35,5 27,5 I
— 1 Arbeit (32000 mkg in 4 Std.)
81,5 i Intervall: 60'.
143,41 54,9 36,2 29,3
8.W |! 20,6 I 22,0
1230 ;
Ih
Versuch 2. 13. VIT.
21,1 22,6 142 67,00 45,9 I 32,4
20,8 I 23,0
5h 21,1 23,1
5'«ö ,| 21,1 23,0
9»."» 20,7 i 23,0
--!—'— — I Arbeit (16000 mkg in 4 Std.)
144,2 ; 75,53 , 89,5 58,6 Intervall : 35'.
146,7 66,56 54,3 32,7
ArchiT für Hygiene. Bd. LV.
21
^22 S^scbwirim^ kfcpcriiciMr Aibcif cCcl Vob PkiiC Wol^efl v. D^.
Veiiti]flte_ : M^ H/>- O0t|- {
-I
. A
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8fc I«gO 15,7 - — — — Vcnocii 3. n. VIL
1» I9fi 21^ 1^ 68^ 46^ 38^
12» 19^ 21,7 _ . — — — Arbeit 20000 mk^ in 4 Sei
4» 20^ 22/* 144 - 71^ 171,7 80,4 Intertmll : 3^.
SM ; 20^ 2S;2 — I - - —
9M ' 2D^ 22,0 146 ' »,14 50^ 40J^
lOM I 19JB 21;8 — — . — - Vemicli 4. 31 YIL
2» 204 22,3 142,7 > 6232« 37,3 31,"$
3« I 9D^ fi,l — — It — — Arbeit AaÜMikalb 4. KmttM
74A } ȧ 23,0 144,9 60,42 43,6 j 31,9 in 1 Stunde: 28750 mk^
Intemfl: einige Minuten.
TMKinnrYcSri
pufiuciwai
iii— I
Organeiweifs und Nahrimgseiweifs.
Von
Dr. Ulrich Friedemann,
Assistenten am Institut.
(Aas dem Hygienischen Institat der Universit&t Berlin. Direktor: Geh. Med.-
Rat Prof. Dr. Rabner.)
Dio spezifischen biologischen Reaktionen, welche die Forschung
auf dem Immunitätsgebiet aufdeckte, gestatten bekanntlich StoCFe
zu differenzieren, die den chemischen Methoden gegenüber sich
durchaus gleichartig verhalten. Gelingt es doch, nicht nur Unter-
schiede zwischen den Eiweifskörpern verschiedener Arten, sondern
auch bei der gleichen Spezies individuelle Differenzen in der
Zusammensetzung gewisser Zellen und Stoffe nachzuweisen.
So verhalten sich die roten Blutzellen verschiedener Ziegen
gegenüber einem durch Injektion von Ziegenblut bei Tieren der
gleichen Spezies erzeugten Isolysinserum durchaus ungleichartig.
(Ehrlich und Morgenroth.)^) Landsteiner^) beobachtete
beim Menschen normale Isoagglutinine und Weichardt') konnte
auch die Sera verschiedener menschlicher Individuen durch die
erzeugten Präzipitine differenzieren. Aber auch die aus ver-
schiedenen Organen desselben Organismus stammenden Mweifs*
körper weisen gewisse Verschiedenheiten bei der Immunisierung auf •
1) Berliner Klin. Wochenschr., 1900, Nr. 21.
2) Zentralbl. f. Bakt. 1900. — Wiener Klin. Wochenschr., 1901, Nr. iß.
3) Hygien. Randschau, 1903, S. 756.
Archiv für Hyi^ene. Bd. LV. 22
324 Orgaiietweilli and XahnmgjMiwcifii.
Es konnte bei dieser grolsen Feinheit der biologiscbai Reak-
tionen aoanditsToll erscheinen, aach Veiftndeningmi der Sähe
des Körpers, welche anter bestimmten Bedingongen eintreten,
mit Hufe der Prizipitinreaktion zu studieren, und Herr G^eimrat
Bahn er gab mir daher die Anregung, das Serom Ton hongem*
den und fressenden Händen mit der bi<d(^;isdien Methode zn
Tergleichen.
Dieser Versuch knüpft an eine alte Streitfrage an, welche in
der Lehre von der Ejnfthmng nnd Tom Stoffwechsel eine groise
Rolle gespielt hat und aoch heute noch nicht entsdiiedai ist.
Liebig Tertrat bekanntlich die Ansicht, daCs das EliweiCs d^ Nah-
rung dazu diene, die bei der Muskelarbeit zerfallenden Zellen des
Organismus zu regenerieren, und dals der Stoffwechsel nur durch
den Zerfall und Wiederaufbau organisierter Substanz zu erklären
sei. Nachdem dieser Theorie vor allem durch die experimentellen
Arbeiten C. Voits der Boden entzogen war, wurde ihr Kern-
punkt in veränderter Form von Pflüger wieder zum Mittelpunkt
seiner bekannten Theorie des Stoffwechsels gemacht. Nicht die
Zellen selbst zerfallen bei den Stoffwechselvorgftngen, sondern
das Molekül der lebenden Substanz, welches aufserordentlich
labil ist und sich fortwährend zersetzt und wieder aufbaut. Dem-
gegenüber hatte C. Voit schon längere Zeit vorher die Ansicht
ausgesprochen, dals der Zerfall der lebendigen Substanz durch
die Nahrungszufuhr nicht gesteigert werden könne, und dals daher
beim Stoffwechsel das Nahrungsei wei(s nicht erst in Organetweifs
umgewandelt, sondern direkt unter dem EinfluDs der Zellen ver-
brannt würde. C. Voit stützte seine Meinung vor allem auf die
Tatsache, dafs das in der Nahrung zugeführte EliweiTs vom
Organismus so aufserordentlich leicht verbrannt wird, während
im Hunger das Tier seinen Eiweilsbestand nach MögUchkeit zu
erhalten bestrebt ist. Einen exakten Ausdruck für dieses Ver-
halten gab aber erst die energetische Betrachtungsweise Rubners.
Die fundamentale Tatsache, dafs beim hungernden Hunde durch
eine nicht zu reichliche Eiweilsmahlzeit die Wärmeproduktion
nicht gesteigert wird, kann nur unter der Annahme erklärt werden,
dalis der hungernde Hund seinen Energiebedarf in erster Linie
Von Dr. Ulrich Friedemann. 325
durch Verbrennung des Fettes deckt, während der mit Eiweils
gefütterte Hund zunächst dieses angreift. Es folgt daraus, dafs
das Eiweils des hungernden Organismus schwerer, das des ge-
fütterten aber leichter verbrennlich als Fett ist, und es unterliegt
keinem Zweifel, dafs diese Tatsache mit der Voit sehen Unter-
scheidung vom zirkulierenden Nahrungseiweifs und dem Organ-
^weifs gut zu vereinen ist. Auch Erehl^) nimmt neuerdings
an, dafs die Eiweifsspaltungsprodukte in der Darmwaud zunächst
zu leicht verbrenulichen Verbindungen zusammengesetzt werden.
Immerhin sind die vorliegenden Tatsachen auch anderer Deutung
fähig, und es erschien daher angezeigt, die Frage des zirkulierenden
Eiweifses mit einer neuen Methode zu studieren.
Man kann annehmen, dafs am Ende der Hungerzeit das
Nahrungseiweifs aus der Blutbahn verschwunden ist und der
Hund, sobald er sein Fett verloren hat, vorwiegend von seinem
Organeiweifs zehrt. Besteht also ein Unterschied zwischen zir-
kulierendem Eiweifs und Organeiweifs, so konnte möglicherweise
das Serum des gut gefütterten Hundes und das eines Tieres im
•extremen Hunger gewisse Differenzen aufweisen.
Um individuelle Unterschiede auszuschliefsen , wurde zu
allen diesen Versuchen derselbe Hund benutzt, welcher abwechselnd
längeren Hungerperioden (gewöhnlich drei Wochen) ausgesetzt
und inzwischen reichlich mit Pferdefleisch ernährt wurde. Am
Ende jeder Periode wurde dem Versuchstier Blut entnommen,
mit dessen Serum Kaninchen in steigenden Dosen immunisiert
wurden. Die resultierenden Immunsera wurden sodann in ihren
Reaktionen auf die Sera des fressenden und hungernden Hundes
geprüft.
Da natürlich in allen Fällen präzipitierende Sera für Hunde-
serum zu erwarten waren, so konnten Aufschlüsse nur von der
Anwendung der von Ehrlich und Morgenroth in die Immu-
nitätslehre eingeführten spezifischen Absorptionsmethode erwartet
werden. In der Ausdrucksweise der Ehrlich sehen Seitenketten-
theorie mufste sicherlich das Serum des Hundes bei Nahrung
1) Pathologische Physiologie, 3. Auflage, S. 372.
22
326 OrgaDeiweifs und NuhrungseiweiTs.
und im Hunger eine grofse Zahl von Rezeptoren gemeinsam
haben, während den verschiedenen Zuständen gewisse Partial-
rezeptoren eigentümlich sein konnten. Alle diese Eezeptoren
können bei der Immunisierung bestimmte, auf sie eingestellte
Präzipitine erzeugen. Es wurden daher die Immunsera mit den>
Hundeserum versetzt, die entstehenden Niederschläge abzentri-
fugiert und nun geprüft, ob der Präzipitingehalt dabei für das
Serum des hungernden und gefütterten Hundes in gleicher Weise
abnimmt.
I. Yersueh.
Einem Terrier vom Gewicht 6,7 kg wird, nachdem er seine gewöhnliche
Kost genossen, Blut abgelassen nnd das Seram (a) snr Immonisiemng eines-
Kaninchens A verwandt.*) Dasselbe erhält am:
3. IV. 05 1 ccm intravenös,
5. IV. 05 2 . *
8. IV. 05 3 .
11. IV. 05 5 > .
15. IV. 05 4 . *
Am 22. IV. wird das Kaninchen entblutet.
Kaninchen B wird mit dem Serum b desselben Hundes gespritzt, nach-
dem derselbe 14 Tage gehungert hat. Es erhftlt am :
17. IV. 05 1 ccm intravenös,
19. IV. 06 2 .
22. IV. 05 3 »
25. IV. 05 5 »
29. IV. 05 4 .
Am 5. V. Entblutung.
Die Austitrierung der Sera ergab als Fällungsgrenze :
1. Serum A
1 ccm (1 : 82)
1 ccm (1 : 64)
2. Serum B
1:16
1:32
-f- 1 ccm Serum a (1 : 100)
deutliches Prftaipitat
schwaches Präzipitat
-f 1 ccm Serum a (1 : 100)
deutlich
schwach
-f- 1 ccm Serum b (1 : 100)
deutliches Präxipitat
schwaches Präzipitat
+ 1 ccm Serum b (1 : 100)
deutlich
schwach
Serum B ist also etwas schwächer als Serum A. Beide weisen aber
keine Di£Ferenzen gegenüber Serum a und b auf)
1) Die Hundesera wurden zur Konsenrierung mit 0,25 ^/g Karbol yenetit.
2) Die Röhrchen kamen für 3 Stunden in den Brutschrank und standen
dann bis zum folgenden Tag im Eisschrank.
Von Dr. Ulrich Friedemann.
327
Der AbBorpüonsversuch wurde nan in folgender Weise angestellt:
I. Serum A:
1. 1 ccm Semm A + 4 ccm Semm a (1 : 10) + 3 ccm NaCl 0,8öVo>
2. 1 » > I +* » » ba:10) + 3 . * 0,85Vo,
8. 1 » » » +7 » NaCl 0,86 Vo.
II. Serum B:
1. 1 ccm Serum B + 4 ccm Serum a (1 : 10) + 8 ccm NaCl 0,857p,
2. 1 . . » +4 » » b(l:10) + 3 t » 0,86Vo,
8. 1 > » » +7 » Naa 0,86 Vp.
3 Stunden bei 37®, dann im Eisschrank. Die Niederschläge werden
abzentrff ugiert und die klaren Zentrifugale nunmehr austitriert. Die Lösungen 3
«ind Kontrollen.
I. Serum A.
1. Nach Absorption mit a:
Serum
Serum a 0,025 ccm
Serum b 0,026 ccm
1 :16
1:32
1:64
leichte Trübung leichte Trübung
0 0
0 0
Volum : 2 ccm.
2. Nach Absorption mit b:
Serum
Serum a 0,025 ccm
Serum b 0,025 ccm
1:16
1:82
1:64
ganz feine Trübung
0
0
3. Kontrolle:
ganz feine Trübung
0
0
Serum
Serum a 0,025 ccm
Serum b 0,025 ccm
1:16
1:32
1 :64
+ + +
+ + +
0
+++
+++
0
II. Seram B.
1. Nach Absorption mit a:
Serum
Serum a 0,026 ccm
Serum b 0,026 ccm .
1: 16
1:32
1 :64
ganz feine Trübung
0
0
ganz feine Trübung
0
0
328
OrganeiwelfB und NahrnngseiweiTs.
2. Nach Absorption mit b
Serum
Serum a 0,025 ccm
Serum b 0,025 ccm
1: 16
1:32
1 :64
ganx feine Trübung
0
0
3. Kontrolle:
ganz feine Trübung
0
0
Serum
Serum a 0,025 ccm
Serum b 0,025 ccm
1 :16
1:32
1:64
+++
0
1
+++
0
Dieser Versuch hat auch bei Anwendung der Absorptions-
methode keinen Unterschied zwischen dem Serum des hungernden
und des fressenden Hundes ergeben. Allerdings mufs berück-
sichtigt werden, dafs möglicherweise die Dauer der Hungerperiode
(14 Tage) nicht ausreichte, um einen Wechsel in der Zusammen-
setzung des Serums zu erzeugen. Femer wäre es möglich»
dafs die ziemlich hochgetriebene Immunisierung etwaige Diffe-
renzen verdecken könnte. Um bei der Absorption eine stärkere
Abnahme des Präzipitingehaltes zu erzielen, ist es nämlich not-
wendig, die hochwertigen Sera ziemlich stark zu verdünnen, und
es wäre möglich, dafs dadurch etwaige in geringer Menge vor-
handene Partialpräzipitine dem Nachweis entgehen können. In-
folgedessen wurde in einigen weiteren Versuchen die Methodik
in der Weise abgeändert, dafs die unverdünnten Sera durch
mehrmalige Absorption mit einem Serum (a oder b) von ihren
Präzipitinen befreit imd nunmehr auf Fällung gegenüber dem
andern Serum untersucht wurden. Da sich jedoch auf diesem
Wege irgend eine Differenz nicht ergab, so sei von der aus-
führlichen Mitteilung dieser Versuche abgesehen.
Nun haben aber Falta und Nöggerath^) und neuerdings
Friedberger und Moreschi^) beobachtet, dafs die Differenzen»
welche agglutinierende Sera gegenüber verschiedenen Typhus-
1) Deutsches Archiv f. klin. Medizin, Bd. 83.
2) Berliner klin. Wochenschr. 1905, Nr. 45.
Von Dr. Ulrich Friedemann. 329
Stämmen aufwiesen, nur im Beginn der Immunisierung bestanden
und sich mit dem Fortschreiten derselben verwischten. £s war
daher möglich, dals auch für den vorliegenden Zweck nieder-
wertige Sera brauchbarere Verhältnisse bieten würden als höher-
wertige. Aus diesen Gesichtspimkten wurden die folgenden Ver-
suche unternommen.
Versuch II.
Der Hund erhält 3 Tag^ lang je 500 g Pferdefleisch. Dann Blutentnahme
(Serum a^.
Kaninchen A*) erhält am:
29. V. 05 1 ccm Serum a, intrayenös,
31. V. 05 2 > * > t
2. VI. 05 3 » » » >
5. VI. 05 3 » » » >
Am 13. VI. Entblutung.
Der Hund hungert nunmehr 3 Wochen ; dann Blutentnahme (Serum b,).
Kaninchen B erhält am:
22. VI. 05 1 ccm Serum b^ intravenös^
24. VI. 06 2 > » >
26. VI. 05 3 » . » » .
Am 3. VII. Blutentnahme.
Titer der Sera:
Serum A fällt die Sera a und b in der Verdünnung 1 : 6 stark, in stär-
keren Verdünnungen nicht mehr.
Serum B, fällt Serum b, etwas stärker als a,, nämlich in
der Verdünnung 1:9, während es a nur bis 1:6 fällt.
£s folgt nunmehr der Absorptionsversuch:
I. Serum A,:
1. 3 ccm Serum A, -f-3 ccm Serum a, (1 : 10),
2. 3 . > A, + 3 . . b, (1:10).
3. 3 » » A,4-3 » NaCl 0,85%.
U. Serum B, :
1. 3 ccm Serum B, -f* ^ ^^^ Serum a, (1 : 10),
2. 3 > » B, -H 3 > » b, (1 : 10),
3. 3 . . B,-i-3 » NaCl O^Vo-
3 Stunden bei 37 <*, 24 Stunden Eisschrank. Dann wird sentrif ugiert und
austitriert.
1) Es wurden selbstverständlich stets frische Kaninchen benutzt Die
Buchstaben A, a und B, b deuten nur den Ernährungszustand des Hundes an.
330
Organeiweifs und Nahrnnfcseiweifs.
I. Senun Aj*
1. Nach AbHorpüon mit a,:
Sernm
Serum a, 0,025 ccm
8emm b, 0,025 ccm
1 : 4
1 : 6
1 : 9
0?
0
0
0?
0
0
2. Nach Absorption mit b, :
Serum
Serum a, 0,025 ccm
Serum b, 0,025 ccm
1 : 4
1 : 6
1 : 9
geringer, aber deut-
licher Niederschlag
0
0
0
0
0
3. Kontrolle:
Serum
Serum a, 0,025 ccm
Seram b, 0,026 ccm
1 : 4
1 : 6
1 : 9
+++
+++
0
+ + +
+ + +
0
II. Semm B.
1. Nach Absorption mit a:
Serum
Serum a, 0,025 ccm
Serum b, 0,025 ccm
1 : 4
1 . 6
1 : 9
j Trübung
0?
0
Trübung
Trübung
0?
2. Nach Absorption mit b:
Serum
Serum b, 0,025 ccm
1 : 4
1 : 6
1 : 9
1 : 13,5
Trübung
Trübung
Trübung
0
Von Dr. Ulrich Friedemann.
8. Kontrolle:
331
8erum
Serum a, 0,025 com
Serum b, 0,025 ccm
1 : 6
1 : 9
1 : 18,5
1 : 20
+ + +
+ ?
0
0
+++
+++
0
Dieser Versuch hat in der Tat eine gewisse DifEerenz in dem
Serum a des fressenden und dem Serum b des hungernden
Hundes ergeben. Zunächst wurde Serum b von seinem homo-
logen Serum B stärker gefällt als a. Da sich jedoch mit der
Absorptionsmethode Partialpräzipitine für b nicht nachweisen
liefsen, so mufs dieser Unterschied wohl auf eine durch irgend-
welche Einflüsse verringerte Fällbarkeit des Serums b bezogen
werden.
Wichtiger ist dagegen, dafs im Serum A sich nach Absorp-
tion mit Serum b ein Partialpräzipitin für a nachweisen liefs.
Dies läfst allerdings die Deutung zu, dafs im Serum a des fressenden
Hundes gewisse Sto£Ee enthalten sind, die dem Serum des hun-
gernden Hundes fehlen, und es fragte sich nun, ob diese DifEe-
renz wirklich mit der Nahrung zusammenhängt.
Zunächst war daran zu denken, dafs möglicherweise Pferd-
eiweifs aus der Nahrung unverändert den Darm passiert haben
könnte , wie dies ja bei überreichlicher Ernährung beobachtet
worden ist. In der Tat gab 1 ccm des Serums des Kaninchens
A mit Perdeserum (1 : 100) ein deutliches Präzipitat, während
Serum B mit Pferdeserum nicht reagierte. Um nun diese An-
nahme zu prüfen, wurde der Hund reichlich mit Pferdefleisch
gefüttert, und mit einem gegen Pferdeserum spezifischen Kaninchen-
serum sein Blutserum auf die Anwesenheit von Pferdeeiweifs
geprüft. Es stellte sich dabei jedoch kein Niederschlag ein.
Wir müssen also schliefsen, dafs entweder aus zufälligen Gründen
bei dem ersten Versuch Pferdeeiweifs den Darm unverändert
passierte, oder aber, dafs es sich beim Serum A um eine Mit-
präzipitation handelte, wie sie ja nicht selten beobachtet wird.
332
OrgmneiweilB mid Nmhmngiehreiüi.
SchlieCslich wäre es nicht unmöglich, daüs das Nahmngs-
eiweils die Darm wand in einer Formpassiert, in der ee zwar nicdit
mehr präzipitabel , aber noch zur Erzeugung von Antikörpern
befähigt, also präzipitogen ist. Eine sichere Ebitscheidong dar-
über lälist sich auf Grund dieser Versuche nicht fällen.
Der folgende Versuch zeigt jedoch, dalSs höchstwahrschein-
lich die gefundenen Differenzen nicht auf den Ernährungszu-
stand des Hundes bezogen werden können.
Tenaeh in.
Der Hand hungert xanlchst 3 Wochen, darnach wird Blat entnommen
and das Serom b einem Kaninchen B injiziert.
Am 29. IX. 06 1 ccm Serom b intrayenOe,
* 2. X. 06 2 . * b »
>4.X.05d> > b >
Am 13. X. Blatentnahme.
Der Hund erhllt nanmehr mehrere Tage 500 g Pferdefleisch tiglich.
Das Blutserom a wird sodann einem Kaninchen A eingeepritst, and zwar am:
5. X. 05 1 ccm Serom a intravenös,
7. X. 05 2 > » a
9. X. 05 3 > > a >
Am 18. X. Blatentnahme.
Serom B fällt 0,025 ccm der Sera a ond b (Volomen 2 ccm) in der Yer-
dflnnong 1:4 deotlich. Zor Absorption werden angesetzt:
1. 6 ccm Serom B -f- 1 ccm Serom a (1 : 3),
2. 6 » » B + 1 > » a (1:3),
3. 6 » * B + l » NaCl 0,85 V..
Nach Abzentrifogieren des Niederschlags ergibt die Aostitrierong :
Semm B.
1. Nach Absorption mit a:
i
Serom
Hondeserom
a
b
1:2 :
1:3 i
1 : 4,5
0,05 ccm
0,05 »
0,05 »
0
0
0
0
0
0
2. Nach Absorption mit b
1
Serom !
1
Hondeserum
a
b
1:2
1:3
1 : 4,5
0,05 ccm
0,05 >
0,05 >
deotlich
0
0
0
0
0
Von Dr. Ulrich Friedein ann.
333
3. Kontrolle:
Serum
Handeserum
a
b
1 : 2
0,05 ccm
deutlich
deutlich
1 : 3
0,05 .
deutlich
deutlich
1 : 4,5
0,05 *
deutlich
etwas weniger deutlich
1 : 6,75
0,05 »
etwas weniger deutlich
undeutlich
1 : 10
0,05 »
0
0
Auch bei diesem Versuch ergab sich, eine gewisse Differenz
zwischen beiden Seris. Doch enthielt in diesem Falle das Serum
des Kaninchens, welches mit dem Serum des hungernden Hundes
immunisiert wurde, ein Partialpräzipitin für das Serum des ge-
nährten Hundes, also für das nicht zur Immunisierung benutzte
Serum.
Ist dieses Resultat sehr schwer zu verstehen, so zeigten sich
noch merkwürdigere Ergebnisse bei der Untersuchung des Ka-
ninchenserums A. Es ergab sich nämlich die eigentümliche
Tatsache, dals nach Absorption mit dem homologen Serum b
das Präzipitin für dieses in weit geringerem Grade geschwunden
war als für a. Ahnliche Beobachtungen wurden schon früher
bisweilen bei der Bakterienagglutination gemacht^) und in neuester
Zeit ausführlich von Friedberger und Moreschi beschrieben.
Wurde ein Kaninchen mit einem bestimmten Typhusstämm im-
munisiert, so lieferte es ein Serum, welches nach der Absorption
mit dem homologen Stamme seinen Agglutiningehalt für einen
andern Stamm in stärkerem Grade eingebüfst hatte, als für den
zur Absorption benutzten. Friedberger und Moreschi 2)
knüpfen daran die Auffassung, dafs antigene und bindende Gruppen
nicht identisch zu sein brauchten. Ohne auf die theoretische
Seite dieser Frage hier eingehen zu können, sei nur bemerkt,
dafs derartige Beobachtungen die aus den Absorptionsversuchen
gezogenen Schlüsse sehr erschweren.
Das Resultat dieser Untersuchungen läfst sich dahin zu-
sammenfassen, dafs höherwertige Immunsera irgendeine Differenz
1) Vgl. Pal tauf. Die Agglutination bei Ko 11 e- Wassermann, Bd. 4, 1.
2) 1. c.
334 Organeiweifs and Nahrungseiweifs. Von Dr. Ulrich Friedemann.
zwischen dem Serum des hungernden und des genährten Hundes
nicht erkennen lassen. Wird die Immunisierung nicht so hoch
getrieben, so verhalten sich die resultierenden Kaninchenimmun-
sera allerdings den Hundeseris gegenüber verschieden. Irgend
eine klar übersehbare Beziehung zwischen der Konstitution der
Immunsera und dem Ernährungszustand des Hundes, dessen
Serum sie erzeugt hatte, liefs sich jedoch nicht feststellen.
Es mufs überhaupt zweifelhaft erscheinen, ob die geringen
Differenzen auf wirkliche Schwankungen in der Zusammensetzung
der Säftemasse des Hundes schUefsen lassen; denn es ist sehr
wohl mögUch, dafs auch nach der Blutentnahme eintretende Um-
stände Unterschiede sie bedingen können. So hat Klein^)
kürzlich nachgewiesen, dafs auch gegen Hämoglobin Präzipitine
erzeugt werden können, die mit den Serumpräzipitinen nicht
identisch sind, und es ist daher möglich, dafs schon geringe
Schwankungen im Hämoglobingehalt der Sera, der gerade bei
Hunden sich nicht immer völUg vermeiden läfst, die präzipi-
togenen Eigenschaften des Hundeserums in qualitativer Hinsicht
verändern kann.
Herrn Geheimen Medizinalrat Prof. Dr. Ruh n er erlaube ich
mir, für die Anregung zu dieser Arbeit und das derselben ent-
gegengebrachte Interesse meinen ergebensten Dank auszusprechen.
1) Zentralblatt f. Bakter. 39, Bd. 3 und 4.
Nene biologische Beziehungen zwischen Koli- und
Typhnsbakterien.
Zugleich ein Beitrag zur Lehre Yom Aggressin.
Von
Dr. aottlieb Salus.
(Aus dem Hygienischen Institut der deutschen Universität in Prag.
Vorstand: Prof. F. Haeppe.)
Nahezu zwei Jahrzehnte sind seit Esche richs^) grund-
legenden Arbeiten über die Darmbakterien verstrichen; während
dieser langen Zeit wurden dem Kohbazillus zahllose Versuche
gewidmet und die aus diesen Studien hervorgegangene Literatur
ist kaum mehr zu übersehen. Nichtsdestoweniger sind gerade
jene Fragen, welche den Pathologen in erster Reihe interessieren
müssen, auch heute noch offen, ob nämlich der Kolibazillus
überhaupt ein Krankheitserreger sei und die weitere
nach seinen Beziehungen zumTyphusbakterium, ob er
mit diesem, wie schon in den neunziger Jahren Rodet, G. Roux^)
und die LyonerSchule wollten, identisch oder ihm verwandt
oder gar von ihm total verschieden sei. Wenn es auch
zu keiner Zeit an Antworten, bejahenden wie verneinenden,
gefehlt hat, so blieb man doch nach keiner Richtung genügend
1) Escherich: Die Dannbakterien des Säuglings und ihre Besiehungen
zur Physiologie der Verdauung. 1886, Stuttgart.
2) Roux et Rodet: Identit^ du bacille d'Eberth et du bacterium coli
commune. Lyon, m^d., 1891.
fikßtsneagi, wie hemmdfoa üjs rrfryrOTiif Än&Moäkexk der lies-
iititif mge bevem. Ucd ioaaicr irääer nr es die «igwifiLrge
\erwMüdiMidiidt mit don TjpiuBbftiillaB, veLch» dms Cotfbu>
teriom di« ihm gevidiiKte usocMiae AnfinaHfaMniirm xa Ter
ÖMoktn hatte«
Wenden wir uns nndeh^ der Fnige nach den patho-
genen Fibigkeiten des Kolibazilln« zu.
Diaie wurden zoem in ebeuo emwandfe«« als Torschtzger
Weise Ton Hueppe^; im Zosammenbange mit einem Falle toh
Cholera nostras benrorgriioben ; die Ansoren. wdcfae ibm nach-
folgten, lie(sen jedoch diese Vocscfat anisa' acht, ond es gab
bald kaum ein KmnkheüslHld mehr aOgemeiDer Natur, das man
nicht auf diesen Spaltpilz geübte beziehen za können; man
stfitzte 0ich dabei auf sein oft alleiniges Vorkommen in den
Krankheitsherden, besonders bei Leiehenbefnnden. Es waren
eben noch die Gefahren nicht gewürdigt, weldie dem Beobachter
drohen, wenn er einen soweit Terbrnteten ond auf den übHchen
Nährböden so überaus leicht züchtbaren Darmsaprophyten mit
einer Affektion glaubt in Beziehung bringen zu müssen. Erst
sfiäter lernte man die postmortale Einwanderung, den
Nosoparasitismus und das Überwuchertwerden anderer
ätiologisch bedeutsamerer, aber den gewöhnlichen
Nährsubstraten weniger angepafster Bakterien kennen.^)
Die durch Erkenntnis dieser Tatsachen immer sorgfältiger ge-
wordene Kritik hat dann den grölsten Teil der nach Gilberts')
Vorgang als iKolibazillosenc bezeichneten Affektionen wieder
gestrichen. Heute ist man von jener Überschätzung weit entfernt
und anerkennt nur mehr einzelne Affektionen als durch Koli-
Infektion bedingt namentlich gewisse Erkrankungen der Hamwege
(Bakteriurie, ein Teil der »sauren Zystitidenc, Pyelitisfälle),
dann die seltenen Koliseptikämien des frühesten Kindesalters
1) Huepi>e, Berliner klin. Wochenschr., 1887.
2) Literatur in G. Salns: Über Bacterium coli. Sammelreferat
Prager med. Wochenschrift, 1899.
Escherich, Zar Ätiologie d. Dysenterie, Zentralbl. f. Bakt, Bd. 26, 1899.
8) G i 1 b e r t, La coli-bacillose Trait^ de m^d. et th^rapentiqae, Tom 1, 1895.
Von Dr. Gottlieb Salas. 337
(Winckelsche Krankheit von Kamen^) Kowalewsky und
Moro^), die ebenfalls sehr seltenen Septikämien durch Eoli von den
Harn- oder Gallenwegen ans und jene ruhrartigen Erkrankungen,
welche Escherich^) als »colicolitisc bezeichnete und deren Be-
ziehungen zur echten ßuhr und ihrem Erreger, dem
Kruse- Shigaschen Bazillus, noch der Klärung bedürfen. Aber
auch heute noch gibt es Skeptiker, die überhaupt die Existenz
von Kolibazillosen zu leugnen geneigt sind, und man mufs zu-
gestehen, dafs das meist recht vage Krankheitsbild nebst dem
Vorkommen der Bazillen in den Krankheitsherden als ätiologi-
sches Beweismaterial nicht mehr befriedigt, und man der Diagnose
der Koliinfekte nur den Wert der Wahrscheinlichkeitsrechnung
zubilligen könne. Deshalb versuchte Pfaundler^) 1898 die
Agglutination als exaktes Beweismittel in die Diagnostik der
Coliinfekte, speziell jener der Hamwege und der ruhrartigen
Erkrankungen des Kindesalters einzuführen. Hiervon sagt Esche-
rich: »Er zeigte, dafs die Bouillonkulturen der aus Harn ge-
züchteten Bazillen, mit dem Serum der betreffenden Patienten
gemischt, noch in erheblicher Verdünnung die von Grub er ex-
perimentell bei Koliinfekten nachgewiesene Agglutination geben.
Durch diese Tatsache war der überzeugende Nachweis erbracht, dafs
die Kolibazillen des Harnes nicht, wie von Rovsing, Maxwell
und Clarke behauptet wurde, bedeutungslose Nosoparasiten
oder sekundäre Ansiedler sind, welche an die Stelle der eigent-
lichen Krankheitserreger getreten, sondern dafs die von ihnen
gebildeten Toxine in den Körper eingedrungen sind
und eine spezifische Reaktion desselben hervor-
gerufen haben. Es war damit zum ersten Male in der Patho-
logie des Menschen auch auf diesem Wege der Nachweis erbracht,
dafs das Bact. coli für den Menschen pathogene Bedeutung
1) Kamen, Die Ätiologie der Winckelschen Krankheit, Zieglers Bei-
träge zur pathol. Anat, Bd. 14, 1896.
2) Kowalevsky and M o r o , Klin.-therapeat. VITochenschr. 1901, Nr. 50.
3) Escheiich und Pfaundler, Bacterium coli commune in K o 1 1 e -
Wassermann, Handbuch der pathog. Mikroorganismen, Bd. ü, S. 443.
4) Pfaundler, M. Zur Serodiagnostik im Kindesalter etc. Jahrbuch
far Kinderheilkunde, Bd. 50, 1899.
338 Nene biologische Beziehungen zwischen Koli- and Typhasbakterien etc.
gewinnen kann und zugleich die praktische Verwertung der
später 80 erfolgreichen Serodiagnostik der Kolibazillose erö£Enetc
Aber dieser Auffassung von der Bedeutung der Agglutinine
im Blutserum der Kranken kann man deshalb nicht beistimmen,
weil sie mit den Toxinen, überhaupt mit der Infektion direkt in
keinem Zusammenhange stehen, wie sie bekannthch auch zur
Immunität keine direkten Beziehungen haben. Die Entstehung
der Agglutinine ist vielmehr lediglich der Ausdruck der Auf-
lösung und Resorption von Leibesbestandteilen (vielleicht
von Bestandteilen der Leibeshülle) der Bakterien einer ge-
wissen Art. Dafs bei diesem biochemischen Vorgange direkte
Beziehungen zur Infektion fehlen, geht zur Genüge daraus hervor,
dafs man die höchsten Agglutinationswerte durch die
Einverleibung abgetöteter Bazillen erhält; dafs man die Bazillen
nach Pal tauf ^) auf beliebigem Wege auch stomachal einbringen
kann, um Agglutininbildung zu erzielen, was bekannthch für die In-
fektion nicht gilt. Auffallend wäre es auch, dafs die Agglutinations-
werte für Typhus gerade beim kranken Menschen gegenüber
den mit toten Bazillen behandelten Tieren meist verhältnismälsig
niedrige sind, während doch der Abdominaltyphus eine exquisite
Menschenkrankheit ist. Sehr beredt sprechen auch für unsere
Auffassung die schönen Versuche von Stäubli^), nach denen bei
stärkerer initialer Infektion der Versuchstiere eine derartige Be-
einträchtigung des Organismus erfolgt, dafs dieser Agglutinine
gar nicht oder nur in geringem Malse zu bilden vermag, während
bei kleinen Anfangsgaben, die ohne Störung im Wohlbefinden
vertragen wurden, ein rasches Einsetzen der biologischen Re-
aktion beobachtet werden konnte. Man hat es immer bedauert,
dafs es nicht gehngen wollte, gesetzmäfsige Beziehungen zwischen
der Schwere der Infektion und der Höhe der Agglutination auf-
zufinden; diese Erwartung mufs man überhaupt aufgeben, da
die eingetretene Infektion (d. h. die bis zu sichtlicher
1) Pal tauf, Agglutination im Handbach von Eolle und Wasser-
mann, Bd. IV.
2) Stäubli, Über die Bildung des Typhasagglatinins. Zentralbl. für
Bakt , 1904, I. Bd. XXXVI., Nr. 2.
Von Dr. Gottlieb Salus. 339
Schädigung des Organismus gediehene Invasion) für den bio-
logischen Vorgang der Agglutininbildung geradezu
ein Hemmnis bedeutet. Wenn überhaupt Beziehungen
bestünden, so könnten Höhe der Agglutination und Schwere der
Infektion nur in umgekehrtem Verhältnis zueinander
stehen.
Immerhin bleibt die diagnostische Bedeutung des Phänomens
indirekt insofern erhalten, als körperfremde Bazillen in der
Regel nur bei gleichzeitiger Infektion zur Auflösung in den
Geweben gelangen werden; aber ohne Ausnahme wird auch
diese Regel nicht sein, und wenn man schon in Epidemiezeiten
in den Fäces Gesunder und gesund Bleibender lebende Typhus-
bazillen gefunden hat, so wird der Schritt nicht allzuweit
sein zu dem Zugeständnisse, dafs gelegentlich auch bei einem
erfolglosen Infektionsversuche Bakterien in den Ge-
weben^zur Auflösung gelangen können. Und schon
geringe Mengen aufgelöster und resorbierter Bakteriensubstanz
reichen aus, um diese überaus empfindliche Reaktion im Blute
auszulösen. Vielleicht lassen sich aus diesem Verhalten manche,
aus positivem Ausfall der Gruber-Widalschen Reaktion her-
geleitete Fehldiagnosen erklären. Vollends bei einem weit ver-
breiteten Darmbewohner, der — wie der Kolibazillus — das Be-
streben zeigt, in alle abgestorbenen oder auch nur geschwächten
Gewebspartien einzudringen, wird man sich auf die Agglutination
um so weniger stützen können , als begreiflicherweise schon das
Serum des nicht nachweislich an Koliinfekten kranken Menschen
in mehr als der Hälfte der Fälle für Kolibazillen beträchthche^
Agglutinationswerte zeigt. Denn hier ist an Gelegenheiten zum.
Bakterienzerfall und zur Resorption gelöster Bakterien kein
Mangel. In der Tat gibt gerade Pfaundler neuerdings zu,,
»dafs eine praktische Serodiagnostik, etwa jener bei
Abdominaltyphus vergleichbar, noch nicht geschaffen
istc, und dafs man hier mit vielen Fehlerquellen zu rechnen habe.
Wer zwischen den Zeilen zu lesen vermag, dem wird die
Unsicherheit gegenüber der Stellung des Kolibazillus als patho-
genen Keimes in der Literatur nicht entgangen sein. So reden
Archiv für Hygiene. Bd. LV. 23
340 Neue biologische Beziehangen swischen Koli- und Typhasbakterien etc.
zwar Escherich und Pfaundler^) den Kolibazillosen recht eifrig
das Wort, trennen den Bazillus aber doch von den > eigentlichen
Krankheitserregern €, womit wohl gesagt sein soll, daüs sein eigent-
liches Wesen im Saprophytismus liege und er nur gelegentlich,
mehr zufällig, sich unter die pathogenen Mikroorganismen verirre.
Andere weisen wieder, in der Absicht, die pathogenen Fähigkeiten
unseres Mikroben plausibler zu machen, auf seine nahe Verwandt-
schaft mit dem Bact. typhi hin, wie man etwa nahen Verwandten
eines notorischen Missetäters auch eher alles Böse zutraut.
Waren sonach in der Menschen pathoIogie ausreichende Beweise
für die Pathogenität des Bact. coli nicht zu finden, so hatte sich
dafür ein wichtiger Hinweis aus den Tierexperimenten ergeben,
welche zeigten, dafs die Virulenz des Kolibazillus eine
hohe sei, ja dafs sie in der Regel jene der Typhus-
bazillen übertrifft; so tötete beispielsweise bei Löffle r und
AbeP) der virulenteste Typhusstamm (Typhus Koch) Meerschwein-
chen von 200 — 300 g in der Dosis von Vßo Ose einer 24 stündigen
Agarkultur, während vom Kolistamm Wenzel unter gleichen Be-
dingungen ^/goo Ose, sogar in kürzerer Zeit, tötete (bei Pfeiffer
und Kolle') haben die virulentesten, frisch aus der Milz gezüchteten
T^phuskulturen eine Virulenz von % — ^50 Ose 20 stündiger Agar-
kultur). Aber der Begriff der Virulenz ist ein unklarer, er zieht
nur den Endeffekt, den Tod des Tieres in Rechnung, ohne die
Art zu berücksichtigen, wie Krankheit und Tod zustande kommen.
Wie Verschiedenes im einzelnen Falle die »Virulenzc bedeutet,
geht aus folgender Betrachtung hervor : In mehr als 30 Versuchen
an Kaninchen und Meerschweinchen mit intrapleuraler resp.
intraperitonealer Einverleibung grofser Mengen von 4 Stämmen
angehöriger Diphtheriebazillen vermochte ich niemals eine Ver-
mehrung der Bazillen im Tierkörper zu erzielen. Die Tiere gingen
1) Pfaundler: Immunität gegen Bact. coli im Handbache von K o 1 1 e
und Wassermann.
2) L ö f f 1 e r und Abel, Über die spezifilBchen Eigenschaften der SchaU-
körper im Blute typhus- und coli- immuner Tiere. Zentralbl. f. Bakt., 1896
L, 19, S. 61 fif.
3) Pfeiffer und K o 1 1 e , Zeitschr. f. Hyg. u. Inf ektionskrankh., Bd. 21,
8. 208, 1896.
Von Dr. Gottlieb Salus. 341
bei gröfseren Mengen (bis 10 Kulturen auf Löfflerserum) rascher
zugrunde, frühestens nach 9 Stunden, aber stets unter dem be-
kannten Bilde des Toxintodes. Hier ist also Virulenz vom Virus
herzuleiten. Bei der Hueppeschen hämorrhagischen Septikämie
wiederum ist von einer Giftwirkung gar nichts wahrnehmbar, viel-
mehr erfolgt der Tod infolge der schrankenlosen Vermehrung
der Bazillen und des Einbruchs derselben in die Blutbahn, Da
bedeutet Virulenz soviel wie unbegrenzte Vermehrungsfähigkeit.
Beim Typhus wiederum mufs zunächst eine beträchtliche, aber
nicht unbeschränkte, lokale Vermehrung erfolgen, ehe dann die
Oiftwirkung den Tod der Tiere bewirkt. Da treten zum Begriffe
-der Virulenz Vermehrungsmöglichkeit und Gift Wirkung zusammen.^)
Es schien dem Verfasser daher aus dem Grunde die Bai Ische
Aggressintheorie besonders geeignet, den Ausgangspunkt experi-
menteller Untersuchungen über die Pathogenität zu bilden, weil
sie den Virulenzbegriff in seine Faktoren zerlegt und
die Giftwirkungen, welche uns noch recht wenig klar sind, beiseite
jassend, uns in der Fähigkeit, im Tierkörper zu haften
und sich dort zu vermehren, einen festen Mafsstab in die
Hand gibt. Wenn wir von den, offenbar nicht zahlreichen Krank-
heitserregern absehen, welche, wie der Diphtheriebazillus, ein sehr
heftiges Gift bilden, das schon bei Resorption von minimalen
Mengen von der Oberfläche her tödlich wirkt, Bazillen, die einer
Haftung im Tierkörper überhaupt nicht bedürfen, deren Wirkung
•eher als Intoxikation denn als Infektion zu bezeichnen ist, so
bilden alle anderen pathogenen Keime Aggressin. Was unter
-diesem Namen zu verstehen ist, geht aus den Arbeiten von BaiP),
1) Interessanterweise fanden viele Aatoren (Cesaris De mal and Orl andi,
Gabritschevsky, Pfaundler a. a.), daTs anmittelbar aas ihrem saprophyti-
«eben Leben beraos gez&cbtete Kolistämme eine geringere Viralenz haben and
die Giftwirkung in den Vordergrund tritt, die sich somit als eine saprophy tische
Eigenschaft kundgibt. Auch durch gröfsere Mengen abgetöteter Baiillen
kann man den Tod herbeiführen. Die aus dem kranken Körper gezüchteten
Bazillen haben eine gröfsere Virulenz, sie töten in Bruchteilen einer Öse.
Die ersteren sind als Halbsaprophyten, die letzteren als Halbparasiten zu
bezeichnen.
2) B a i 1 0. , Untersuchungen über Typhus- und Choleraimmunität, Archiv
1 Hyg., Bd. LH. — Über das Aggressin des TaberkelbazillnB. Wiener klin.
23»
342 Neue biologische Beziehungen zwischen Koli- und Typhasbakterien etc.
WeiP) und Kikuchi^) zur Genüge hervor. Die untersuchten
Bakterien (Milzbrand, Hühnercholera; Cholera, Typhus, Dysen-
terie) vermehren sich im Tierkörper unter Bildung von Flüssig-
keiten (Exsudaten, Ödemen), welche — von den Bakterien be-
freit — an sich meist imschädlich sind, aber die Fähigkeit be-
sitzen, das Haften und die Vermehrung der homologen Bakterien
im Tiere zu befördern. Es kann in einem derartigen Exsudate
neben dem > Aggressinc auch ein Toxin vorkommen, doch geschieht
dies nur ausnahmsweise (z. B. bei Dysenterie nach Kikuchi);
es kann geschehen, dafs ein Stamm (vide ibidem) zunächst nur
in gölseren Mengen haftet, doch wird die Menge immer kleiner,
je wirksamer sein Aggressin durch Tierpassagen geworden ist.
Auch Saprophyten kann man, wie Weil wenigstens am Subtilis
zeigte, zur Aggressinbildung zwingen, aber mit der ersten Über-
impfung auf einen künstlichen Nährboden ist diese Fähigkeit
wieder in Verlust geraten. Von diesen Gesichtspunkten aus wurde
der Kolibazillus auf seine pathogenen Fähigkeiten geprüft.
Eigene Versuche.
Der von mir verwendete Kolistamm ist ein typisches bac-
terium coli commune, das unter der Bezeichnung iKoli Präge
seit langem im Institute fortgezüchtet wird. Es ist recht lebhaft
beweglich, vergärt Zuckerarten, koaguliert Milch, bildet Indol,
wächst auf Drigalski-Conradi -Nährboden rot. Seine Virulenz,
welche sich recht konstant erwies, beträgt für ein Meerschwein-
chen von 200 g bei Verwendung einer 20 stündigen Agarkultur
Wochenschr., 1905, Nr. 21. — Untersuchungen über die AggressivitAt des
Choleravibrio. Archiv f. Hyg., Bd. LUX. — Überempfilndlichkeit bei taber-
kulOsen Tieren. Wiener klin. Wochenschr., 1905, Nr. 30.
1) E. Weil , Untersuchungen über Infektion und Immunit&t bei HQhner-
Cholera. Archiv f. Hyg., Bd. LH. — Die passive AggressinimmunitAt bei
Hühnercholera. Wiener klin. Wochenschr., 1905, Nr. 16. — Über die Wachs-
tumsmOglicbkeit des Heubazillus im TierkOrper. Wiener klin. Wochenschr.,
1905, Nr. 25. — Die schützenden Eigenschaften des Blutes von aggressin-
immunen Hübnercholeratieren. Archiv f. Hyg., Bd. LIV.
2) Kikuchi Y., Untersuchungen über den Shiga-Kruseschen Dysen-
teriebazillus. Archiv f. Hyg., Bd. LU.
Von Dr. Gottlieb Salas. 343
^/4o Ose. Über 24 Stunden alte Kulturen enthalten schon so viele
tote Bazillen, dals die Virulenz sinkt und inkonstant wird, wes-
halb stets junge Kulturen Verwendung fanden. Da sich auch
der in den weiteren Versuchen verwendete Typhusstamm »Ty-
phus Dobrzanc als recht virulent (tödliche Dosis für ein M 200 g
= V25 Öse) und konstant erwies, wurde von Serienimpfungen Ab-
stand genommen, und es sind die Versuche ausschlielslich mit
stets neuen Kulturen, die von Kulturbazillen stammen, ausgeführt.
Um wirksames Aggressin zu gewinnen, wurden später grofse
Meerschweinchen, von ca. 600 g'mit grofsen Bazillenmengen (Agar-
kultur, in junger Bouillonkultur aufgeschwemmt) intraperitoneal
geimpft. Das unter allen aseptischen Kautelen gewonnene Peri-
touealexsudat wurde durch mehrere Stunden sorgfältig zentri-
fugiert, bis es zell- und bakterienfrei erschien. Dann wurde die
klare, gelbliche fadenziehende Flüssigkeit mit Toluol versetzt und
in den Eisschrank gestellt. Von Zeit zu Zeit impft man davon
in Bouillon ab, und wenn zwei aufeinander folgende Impfungen
ein negatives Resultat ergeben haben, dann ist das Exsudat ge-
brauchsfertig. Darüber verstreichen gewöhnlich 2 — 3 Tage.
Das Aggressin erwies sich bei subkutaner und intraperito-
nealer Injection in Mengen von 1, 2, 2,5 ccm bei Meerschwein-
chen unschädlich ; eine Kaninchen vertrug ohne Gewichtsabnahme
3 Injektionen von 2, 3 und 6 ccm; nachdem es durch mehrere
Blutentnahmen geschwächt worden war, trat eine passagere Ge-
wichtsabnahme auf die Injektion von 10 ccm eines Aggressins
ein, nach welchem auch die injizierten Meerschweinchen durch
3—4 Tage einen Stillstand des Gewichtes zeigten. Der Verlust
eines Tieres durch Aggressininjektion ist niemals
vorgekommen.
1) Dörr (Wiener klin. Wochenschr., Nr. 42) erwähnt die Möglichkeit,
dafs eine ähnliche Wirkung wie die der Aggressine entstehen kann, wenn
man das Toluol zu verdunsten vergiÜBt Abgesehen davon^ daTis Immunität
nicht zu erzielen wäre, ist man in hier nicht aufgenommenen Versuchen oft
genug in der Lage gewesen, durch sorgfältiges Abzentrifugieren jede Sterili-
sierung, also auch den Toluolzusatz zu ersparen. Auch könnte das Toluol
nur lokal reizen, während man Aggressin und Bazillen an verschiedener Stelle
einbringen kann, z. B. Aggressin subkutan, Bazillen intraperitoneal.
344 ^^ott hkAo^xht Beä^jsmgen zwisäkcn Kofi- und TTphosbAktencn
M. 290g 18. V. 1 ccm Afp. fobkiiL, kOB InfiltnL 13. VL Gevichs 365 b
lL33&gl&VL 2 » » > » » 19. VL > 350?;
M. 180 g & Vm. 1^ • » . 6. EL 2€cm Agsr. 14 DL Gewi^u
M. 195 g 27. DL 2^ > > > 29. IX. kern Infihnt 195 g; 17. X. Ge-
wicht 295 g,
M.210g27.IX. 2 » » » 29.DL > » 205^17. X.G«-
vicbt285g^
3L195g 27.IX. 2 > > > 29.1X. > > 196g;5.X.Gc-
widit 2S5g,
Kaa. 835 g 19. VL 2 > > > 27. VL 1090 g, 3 ccm Aggr., 3L VIL
UlOg; Geciii Aggr., 27. CL 2066«.
nach lOecm Aggr. Torübergebend abgcnoimcn.
Unter den Ton B a i I festgestellten Eigenschaften der Aggres-
sine wurden folgende in onseren Versuchen herangezogen:
1. Die Verwandlung untertödlicher Mengen Ton Koli in
tödliche
2. Die Umwandlung des Befundes der leichteren Infektion,
wie er sonst durch die einfach tödliche Doös oder niedere
Multipla derselben bedingt wird, in das anatomische Bild
der schweren Infektion
3. Die Erzeugung aktiver Immunität mit dem blolsen,
sterilen Aggressin.
Zunächst wurde geprüft, ob sich durch Mitinjektion des
sterilisierten Elxsudats mit Bazillen überhaupt ein Unterschied
ergebe.
M. I von 210 g bekommt 1 Ose Koli intraperitoneal : stirbt nach 21 SuL;
liefert 3^/, ccm Exsudat. Exsodmt zentrifdgiert, mit 'Tolnol steriKaieft.
M. II, 230 g, bekommt 2 ccm dieses Exsudats -f- '/m f^ ^eli intrmpen-
toneal, stirbt nach 12 8td.; minimale Aoilagerangen am Leb^raad» daria
qrfiriiche LeakozjTten, sehr zahlreiche Bazillen. 7 ccm trabes, fMat aellfreies
Exsudat mit zahllosen Bazillen.
Kontrolltier M. XU, 210 g, bekommt >/,« Ose Koü iatraperitoneal ; stirbt
nach 22 8td. mit leichlichen Aofli^gerongea aof Leber, Milz und Ne^ wekha
Tiele Lenkosyten and namentlich Tiele Fbagosyten seigen. ZeUfSiebes^ raadk
gerinnendes Exsodat Ziemlich Tiete Bazillen
Es ist also das Kontrolltier, obwohl kleiner, um 10 Stunden
später und unter minder schwerem Befunde gestorben.
Von Dr. Gottlieb Salus. 345
II. Yersneh (Aggressin Ton M IT). ^)
M. V., 260 g, V40 ^Be Koli intraperitoneal in 3 ccm pbysiol. Kochsali-
lösang.')
Kapillarontnabmen: Nacb 3 Std. : Viele Leukozyten, Bazillen gans ver-
einzelt.
Nacb 5Std. : Der Tropfen toII Leukozyten, einzelne Bazillen erst in
vielen Gesicbtsfeldem.
Nach 7 Std. : Bazillen verschwunden, Leukozyten in Abnahme, bleibt
dauernd gesund.
M. VI, 290 g, bekommt V«o ^^ ^^^^ ^ ^ ^^^^ sterilen Aggressins intra-
peritoneal.
Kapillar entnahmen: Nach 3 Std.: Sehr wenige Leukozyten, ziemlich
viele Bazillen.
Nach 5 Std. : Sehr wenige Leukozyten, sehr viele Bazillen.
Nach 7 Std. : Sehr wenige Leukozyten, sehr zahlreiche Bazillen. Tier
sehr krank. Stirbt 12 Stunden nach der Infektion mit 5 ccm zell-
armen, mit Bazillen angefQllten Peritonealezsudats und spärlichen,
bazillenreichen Auflagerungen.
in. Yersneh (Aggressin von MYII).
M. VIII von 160 g Gewicht bekommt V«o Öse Koli in 4 ccm Kochsalz-
lösung intraperitoneal.
Kapillarentnahme nach 3 Std.: Viele Leukozyten, Bazillen vor-
handen.
Stirbt nach 26 Std. mit vielen Auflagerungen und wenigen Tropfen Ex-
sudats. Mälsiger Bazillengehalt, viele Phagozyten.
M. IX, von 160 g, bekommt V40 Öse Koli in 4 ccm Aggressin intrapeiitoneal.
Kapillarentnahme nach 3 Std.: Tier sehr krank. Massenhafte
Bazillen, im Tropfen ein einziges Leukozytenklümpchen.
Stirbt nach 13 Std. mit 3 ccm £xsudat, darin massenhafte Bazillen,
wenige Leukozyten.
Auch hier überlebt das Eon troll tier um 13 Stunden und geht
unter den Erscheinungen der leichteren Infektion zugrunde als
das Aggressintier. Aber es stirbt schliefsUch auch das Kontroll-
tier, weil die angewandte Dosis für das kleine Tier nicht mehr
untertödlich ist.
IT. Yersneh (Aggressin Ton MX).
M. XI, 135 g, bekommt Veo ^^e Koli in 4 ccm Kochsalzlösung intra-
peritoneal.
1) £in Teil der Versuche ist in der Wiener klin. Wochenschrift^ 1905,
Nr. 25, mitgeteilt.
2) Die Verteilung der Bazillen für die Kontrolltiere in normalem
Serum ändert nichts an den Resultaten.
346 Neue biologische Beziehungen zwischen Koli- und Typhusbakterien etc.
Kapillarentnahme nach 4 Std. : Massenhafte Leukozyten, keine
Bazillen; dauernd gesund.
M. XII, 150 g, bekommt Veo ^^^ ^^^^ ^^ ^Vt ccm Aggressin -f- ^Vi ccm
Kochsalzlösung.
Kapillarentnahme nach 4 Std.: Wenige Leukozyten, spärliche
Bazillen.
Stirbt nach 15 Std. mit subkutanem ödem ; massenhafte Bazillen in dem
IVt ccm Perl tonealexsudat und den wenigen Auflagerungen.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dafs dem Kolibazillus
in hohem Mafse die Fähigkeit zukommt, sein Haften im Tier-
körper durch Aggressinproduktiou zu erzwingen; dabei werden
untertödUche Mengen zu tödlichen und der Befund der leichteren
Infektion zu dem der schweren. Ein Eindringen in die Blutbahn
erfolgt nicht, vielmehr reiht sich der Kolibazillus den Halbpara-
siten im Sinne Bails an, die sich nur bis zu einem gewissen
Grade lokal vermehren und dann augenscheinlich durch Gift
töten. Auch ist bei ihnen nicht wie bei den Parasiten die In-
fektionsstelle gleichgültig. Erwähnt sei hier, dafs sich die intra-
peritoneale Infektion der hier genannten Mengen des blofsen
Aggressins für Tiere gleicher Gröfse unschädlich erwies.
Es war nun zu prüfen, ob man die Tiere mit dem blofsen
Aggressin auch immunisieren könne, zunächst aktiv. Zu diesem
Zwecke wurden kleine Meerschweinchen mit sterilem Aggressin
einmal oder mehrmals und dann in steigenden Dosen und ent-
sprechenden Intervallen subkutan injiziert. Zunächst ergab sich,
dafs es notwendig sei, mindestens 14 Tage, besser noch 3 Wochen
nach der letzten Injektion zu warten, ehe man die Tiere infizierte.
Nach 10 Tagen war mitunter bereits ein genügender Schutz
vorhanden, doch gingen mehrere Tiere nach der Infektion höherer
Multipla der tödlichen Dosis zugrunde, offenbar weil noch nicht
alles Aggressin verarbeitet war. Wurde jedoch 3 Wochen lang
gewartet, dann erwies sich die einmalige Injektion von 2 bis
2,5 ccm völlig ausreichend, um gegen 20— 40 fache tödliche Dosen
der Kulturbazillen sicher zu schützen. In den so aktiv immunen
Tieren ist den Bakterien durch den antiaggressiven Zustand jede
Vermehrungsfähigkeit benommen, und die injizierten Mengen
liefern nicht genug Gift, um die Tiere zu töten, die mitunter
Von Dr. Gottlieb Salus. 349
bazillus. Nach Entdeckung des letzteren zeigte sich die Un-
möglichkeit, die beiden nach morphologischen Merk-
malen auseinander zu halten. Hätte Gaffky nicht das
differente Wachstum auf der Kartoffel hervorgehoben, dann wüIsten
wir heute nicht, ob er Typhus- oder Kolibakterien in der Hand
gehabt habe. Man sah sich genötigt, auf eine botanische Son-
derung der beiden und einiger ähnlichen Bakterien zu verzichten
und sie Ueber, da aus ätiologischen Gründen die Trennung wün-
schenswert erschien, auf Grund physiologischer Unterscheidungs-
merkmale zu » gruppieren c. Als solche Unterscheidungsmerkmale
wurde die Vergärung von Zuckerarten, die Milchkoagulation, über-
haupt die Säuerung kohlehydrathaltiger Substrate und die Indol-
bildung in proteinhaltigen Nährlösungen verwendet, dann das
üppigere Wachstum auf der Kartoffel. Alle diese Eigenschaften
fanden sich im positiven Sinne beim Kolibazillus vor, nur die
BewegUchkeit soll beim Typhusbakterium eine gröfsere sein,
eine Angabe, welcher die Messungen der Geschwindigkeit beider
Mikroben durch Gabritschevsky widersprechen.
Schon zu Anfang der neunziger Jahre trat die Lyoner Schule,
mit Rodet und G. Roux^) an der Spitze, für die Identität des
Bact. typhi und des Kolibazillus ein. Sie wiesen darauf hin, dafs
man in typhusverdächtigem Wasser nur äufserst selten Typhus-,
dagegen sehr oft KoUbazillen vorfinde; nach Vallet^) sollte die
1 Viruleszierungc des Koli durch den Aufenthalt in Kloakenjauche
so weit gehen, dafs es dann befähigt werden sollte, beim Menschen
Typhus zu erzeugen. Sie betonten weiter, dafs die Artbestimmung
in der Bakteriologie sehr schwer sei, weil es inneriialb einer Art
die mannigfachsten Variationen im chemischen und biologischen
Verhalten gebe. So seien Typhus- und Kolibazillus in bezug
1) G. Roax et Rodet: Colibacille et bacille d'Eberth (Le balletln
möd. 18d2, Nr. 39. — Rodet A. et Roax G.: Bacille d'Eberth et badllas coli.
Exp^riences comparativee aar qaelqaee eifets pathogänes. Arch. de möd. exp^r.
et anat pathol., T. IV. Nr. 3. — R o d e t A. : De la variabilit^ dans les micro-
bes aa point de vae, morphologiqae et physiologiqae, 1895 (Zentrmlbl. f.
Bakt. 18, 8. 498 fP.).
2) Vallet, Le bac. d'Eberth et l'^tiologie de la flöyre tjrphoide. Th^se
de Lyon, 1890.
350 Neue biologische BeziehuDgen zwischen Koli- und Typhasbakterien etc.
•
auf die experimentelle Infektion nicht scharf zu trennen ; vor allem
aber glaubten die französischen Autoren ihren Standpunkt damit
begründen zu können, dafs es ihnen gelungen sei, den Kolibazillus
»eberthiformc zu machen, d. h. durch Alter, Erwärmen, Zusatz
von Antisepticis zu den Kulturen eine Anzahl intermediärer
Formen zu erzeugen, welche z. B. Milchzucker nicht zu ver-
gären vermochten und die aktiven Kolieigenschaften in so ab-
geschwächter Weise darboten, dafs sie sich den Typhusbazillen
erheblich näherten.
Diesen Anschauungen, welche auch von Arloing^) auf dem
VII. internationalen Kongrefs zu London vertreten wurden, kann
man zwar mit Vi Hinge r 2) entgegenhalten, dafs es sich nur um
eine Verkümmerung der aktiven Kolieigenschaften durch künst-
liche Mittel gehandelt habe; aber seither hat die Natur vielfach
die Arbeiten der Lyoner wieder in Erinnerung gebracht, indem eine
nahezu lückenlose Reihe erkannt wurde, an deren beiden Enden
das typische Typhus- und Kolibakterium stehen, und bei denen
man wohl nicht an eine Verkümmerung denken kann. So stehen
die Paratyphusbazillen sicher dem Typhusbakterium näher als dem
Kolibazillus, wenigstens in bezug auf ihre Pathogenität, denn
klinisch und anatomisch erzeugen sie denn doch nur Abdominal-
typhus; sie vergären aber Traubenzucker, und damit ist der Wert
dieses Unterscheidungsmittels für die pathologische Mykologie
erheblich gesunken. Und so geht es mit den anderen Unter-
scheidungsmerkmalen auch, wir kennen Kolistämme (Lembke,
Matzuschita)^) die keinlndol bilden, und dem Typhus sehr nahe
stehende Bazillen (Dysenterie), die unbeweglich sind; die Coli-
bazillen färben den Drigalski-Conradi-Agar rot, die Typbus-
bazillen lassen ihn blau, während sich nach H. Kays er*) meh-
rere, der Koligruppe angehörige intermediäre Stämme zur Säuerung
1) Arloing, Zentralbl. f. Bakt, 11, S. 120, 121. Vn. internat. KongrelB
zu London.
2) Villinger, Über die Veränderung einiger Lebenseigenschaften des
B. coli commune durch äufsere Einflüsse. Archiv f. Hyg., 1894, Bd. 21, 8. 101 ff.
3) Matzuschita, Archiv f. Hyg., 41, 3.
4) H. Kayser, Zentralbl. f. Bakt., 1902, L Abt., Bd. 31, Nr. 9.
Von Dr. Gottlieb Salus. 351
dieses Substrates genau so verhalten wie der Typhusbazillus. Immer
gröfser wird der Apparat, den wir in Bewegung setzen müssen,
wenn wir eine Entscheidung treffen sollen, ob ein vorliegender
Mikrobe als Typhuserreger anzusprechen sei und diese Ängstlich-
keit, dieses nicht Genugtuenkönnen an Differenzierungsmitteln
ist an sich schon ein beredtes Zeugnis dafür, wie wenig wir im
Innern von der totalen Verschiedenheit beider Organismen über-
zeugt sind. Treffend hat neuerlich E. Krencker^) seine Resultate,
wie folgt, zusammengefafst : Es zeigt sich, dals wir gerade in dem
Bestreben, durch Prüfung des Wachstums auf verschiedenen Nähr-
böden, durch neue Reaktionen etc. tiefere Unterscheidungsmerk-
male zu finden und so die einzelnen Arten strenger voneinander
zu trennen, zu dem entgegengesetzten Resultate gelangt
sin de. Am weitesten geht Tar che tti^), der die Anschauungen
der Lyoner Schule wieder aufleben läfst und die Identität der
beiden Organismen proklamiert. Nach ihm sollen sich die beiden
Mikrobien, wenn sie gezwungen werden, durch längere Zeit auf
gleichartigen Nährböden zu wachsen, in ihren sonst differenten
Merkmalen auszugleichen streben, und im Tierkörper könne man
differenzierte Formen in solche von intermediärem Charakter über-
führen. Es seien nur zartere und weniger entwickelte Koliformen
mit mehr negativem Charakter, die man in einer bestimmten
Krankheitsperiode durch besondere Methoden aus dem typhus-
kranken Menschen züchten kann und als bact. typhi bezeichnet,
wobei zu dem besonderen Kulturverfahren die modifizierende
Wirkung des erkrankten Organismus hinzukomme. > Dieses
proteusartige Gebilde, welches in normalen Verhältnissen als
harmloser Gast im Darme vegetiert, kann unter besonderen Be-
dingungen verminderter organischer Resistenz oder von gesteigerter
Virulenz eine sowohl anatomisch als klinisch mannigfache Reihe
von Krankheitszuständen hervorrufen und darunter auch das
Typhusfieber c. Tarchettis Gedankengang würde so mancher
Bakteriologe gern teilen, wenn ihn nicht die Möglichkeit der
1) E. Krencker, Zur Biologie der Typhus-Koligrappe. Zentralbl. für
Bakt., 1905, H. 1, S. 14 fif.
2) Tarchetti C, Autoreferat. Zentralbl. f. Bakt, 1905, S. 307.
352 Neue biologische Beziehungen zwischen Koli- und Typhasbakterien etc.
endogenen Typhusinfektion als logischer Schlufsfordening
davon abhalten würde; nur um die bewährten prophylaktischen
Mafsnahmen nicht zu gefährden, hält man solange als möglich
an der Unterscheidung fest, aber viele Bakteriologen werden zu-
geben, dals die Trennungsbestrebungen die Annäherung nur be-
fördern.^) Die ganze Literatur, welche man hierfür heranziehen
könnte, zu erwähnen, würde viel zu weit führen.
Besonderes Interesse für die folgenden Untersuchungsresultate
bietet der Streit um die sog. »biologische Aquivalenzc. Um
das Jahr 1893 hatten fast gleichzeitig Sanarelli^), Cesaris
Demel und Orlandi und Agro gefunden, dafs man Meer-
schweinchen, die gegen Kolibakterien immunisiert waren, tödliche
Mengen von Typhusbakterien einimpfen könne, ohne die Tiere
wesentlich zu gefälirden und auch umgekehrt. Sonach bestehe
eine Äquivalenz der > Stoffwechsel- und Reaktionsprodukte c beider
Bakterien. Sie hatten nur die einfach tödlichen Dosen verwendet.
Ihnen widersprach Neisser'), dessen Versuche an Mäusen lehrten,
dafs die gegen die 10 bis 20 fache tödliche Dosis von Typhus-
bazillen immunisierten Tiere nicht geschützt erscheinen gegen
die 2 bis 4 fache tödliche Kolidosis und meist auch umgekehrt.
In gröfserem Mafsstabe und unter Benutzung der passiven
Immunität haben Löff 1er und Abel*) diese Versuche wieder
aufgenommen ; sie immunisierten Hunde gegen Typhus und Koli
und schützten mit diesem Serum Meerschweinchen, wobei sie
folgende Resultate bekamen: Die Sera zeigten eine spezifische
1) P o r c i 1 e (Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., 1903, Bd. 50) und Z u p n i k (Zeitschr.
f. Hyg. u. Inf., 1905, Bd. 49) nahmen in der spezifischen Agglutination ein
Trennungsmittel für die zum Typhus- oder Kolibazillus zugehörigen Bakterien
an. Letzterer, der diese Anschauung auf Grund ausgedehnter Untersuchungen
verficht, will bei den > Grenzarten« lieber die differente Indolbildung, Säuerung
etc., als untergeordnete, nicht spezifische Unterschiede ansehen.
2) Sanarelli, lätudes sur la fi^vre typhoide expörimentale. Ajinales
Pasteur, 1894, Bd. VIII, p. 224.
3) E. Neisser, Untersuchungen über den Typhusbazillus und das
Bact. coli commune. Zeitschr. f. klin. Mediz., 1893, p. 93.
4) F. Löff 1er und R. Abel, tjber die spezifischen Eigenschaften der
Schutzkörper im Blute typhus- und koliimmuner Tiere. Zentralbl. f. fiakt,
1896, I, 19, S. 51—70.
Von Dr. Gottlieb Salas. 353
Schutzwirkung nur gegenüber derjenigen Bakterienart, welcher
sie ihre Entstehung verdankten. Gewöhnliches Seram nicht vor-
behandelter Tiere zeigt eine schützende Wirkung gegen die tödlichen
Dosen von Typhus und Kolibakterien und auch gegen niedrige
Multipla derselben. Das Typhusserum schützte gegen eine etwas
höhere Dosis von Kolibakterien, wie normales Serum, und ebenso
das Koliserum gegen eine etwas höhere Dosis von Typhusbakterien,
wie normales Serum. In dem etwas erhöhten Schutz kommt
gewissermaßen die Familienverwandtschaft beider Bakterienarten
zum Ausdruck. Auf die Angaben von Löffler und Abel beruft
sich auch Zupnik (1. c.) bei Aufstellung der i Antitoxine c als
spezifischer Familienreaktion ; während aber L. u. A. ausdrücklich
aus ihren Versuchen auf das Fehlen eines spezifischen Schutzes
der Typhussera gegen Koli und umgekehrt schliefsen (das kon-
ventionelle Mals spezifischen Schutzes offenbar in der 10 fach
tödhchen Dosis erblickend), deutet Zupnik ihre Versuche dahin,
dafs eine spezifische, wenn auch geringe Schutz Wirkung
bestehe. — So bleibt die Frage der biologischen Äquivalenz der
bakteriziden Immunsera noch immer strittig.
Eigene Versuche.
I. Reziprozität der Aggressine.
M., 260 g, bekommt V40 ^^^ Typhus in 3 ccm KochsalzlOsang intra-
peritoneal.
Entnahme nach 3 Std. : Reichliche Leukosyten, fast keine Bazillen.
9 >5> > > >> >
> > 7 > Leukozyten in Abnahme, nur ganz vereinz.Bazillen.
Bleibt dauernd gesund.
M., 285 g, bekommt V40 ^"^ '^yP^^B in 3 ccm Koliaggressin intra-
peritoneal.
Entnahme nach 3 Std. : Mäfsiger Leukozytengehalt, ziemlich viele Bazillen.
> f 5 > Ziemlich viele Leukozyten, ziemlich viele Bazillen.
> » 7 > Viele Leukozyten, ziemlich viele Bazillen.
Stirbt ca. 30 Std. post infect. mit beträchtlichen, aus vielen Bazillen und
wenigen Zellen bestehenden Auflagerungen. Wenige Tropfen bazillenreichen
Exsudats mit mäfsigem Leukozytengehalt
U. Yersneh.
M., 150 g, bekommt V40 Öse Typhus in 4 ccm physiol. Kochsalzlösung
intraperitoneaL
354 Neae biologische Beziehangen swischen Koli- und Typhasbrnkterien etc.
Nach 3 Std. : Reichliche Leukozyten, wenige Bazillen.
Bleibt daaemd gesund.
M., 150 g, bekommt Vm ^^ Typhus in 4 ccm aggressiven Koli-
exsudats intraperitoneal.
Nach 3 Std. : Recht m&üngen Leukozyten- und BaztUengehalt.
Stirbt nach 40 Std. : Im Exsudat viele Bazillen, doch auch ziemlich viele
Leukozyten.
ni. Yersneh.
M., 165 g, V40 ^8® Typhus in 4 ccm Kochsalzlösung intraperitoneaL
Nach 4 Std. : Viele Leukozyten, wenige Bazillen.
Bleibt dauernd gesund.
M., 180 g, V«o Os® Typhus in 2% ccm K o 1 i aggressin (mit Kochsalz-
lösung auf 4 ccm ergänzt).
Nach 4 Std. : MADsige Leukozyten, wenig Bazillen.
> 17 > Sehr krank, im Kapillartropfen zahllose Bazillen.
Stirbt nach 24 Std. mit 3 ccm bazillenreichen Exsudats und vielen Auf-
lagerungen.
Da die obigen 3 Versuche übereinstimmend gezeigt hatten,
dafs das KoUaggressin auch dem Typhusbazillus das Festsetzen
und Auswachsen im Tierkörper zur tödlichen Dosis ermögliche,
wurde nunmehr der umgekehrte Versuch gemacht.
IT. Yersneh.
M., 600 g, bekommt intraperitoneal eine Typhusagarkultur und 1 Bouillon-
kultur. Stirbt mit 7 ccm zellarmen, bazillenreichen Exsudats.
Exsudat zentrifugiert, sterilisiert mit Toluol.
M. 175 g bek.
V^p Öse Typhus
in 2Va ccm
Kochsalzlösung
M. 190 K bek.
V40 Öse Typhus
in 2Vt ccm
Typhusaggressin
M. 175 g bek.
Veo Öse Koli
in 2Vi ccm
Kochsalzlösung
(12 V, Uhr mittags)
M. 180 g bek.
Veo Öse Koli
in 2*/, ccm
Typhusaggreesin
Nach
Std.
Reichlich
Leukozyten,
nur ganz ver-
einzelte Baz.
Viele Leukozyten,
viele Bazillen.
Krank
Reichlich
Leukozyten,
nur ganz ver-
einzelte Baz.
Wenige verklumpte
Leukozyten, reich-
liche Bazillen.
Sehr krank
Nach
18
Std.
Dauernd
gesund
Über Nacht ge-
storben. Im Exsu-
dat fast nichts als
Bazillen. Nahezu
keine Auflagerun-
gen
Dauernd
gesund
Über Nacht ge-
storben. Im EIxsudat
fast nur Bazillen.
Nahezu keine Auf-
lagerungen. Ex-
sudat auf Drigalski-
nährboden geprüft^
nur Koli auf-
gegangen.
Yq» Dr. QoUlieb ftftjiifl* ,r 35&:
Während Typliusaggreasiii für Chaleravibrionen,
CHoleraäggressin für Dyeenterlöba'ifilleri unwirksam
ist, besteht in dieser Hinsicht zwischen Typhuä und^
K oll eine TÖllstftndige Reziprozität.
> t t ■-, • . r '.
4 .• . • 1 .
IL Schutzwirkung, ini^ Koliai^gressin gegen, l^jpphiu. erlangt
Wie wir bereits gesehen haben,/^elingt es, Tiere, durc ein-
malige Injektion von 5^, 2^2 ^^ sl^ril^n Koliaggressins <gegen
multipla bis zur 40 fachen tödlichen Kolidosia zu schützen. Es
wurde nun geprüft, wie sich derartige Tiere gegen die Typhus^
infektion verhielten.^
I. Yersneh.
M., 560 g, vorbebandelt durch , zw^imillige Inj.ektipQ.- yon ^oliag|gre98in.
(1, and 2 cqai subkutan), bekommt 1 Öse Typhua inti^aperitoneal (m^tM^j-
Nach 8 Std. : Reichlich Leukozyten, keine Bacillen.
Bleibt dauernd gesund.
M., 415 g, (KontrQlle) (bekommt 1 Öse«. Typhus. intraperitone^l. '
Nach 3 Std. : Keine ]>iakozyten, maaseinbafte Ba^illßn^
> 7 > Bazillen sehr zahlreich.
Ist tTiXji tot Ziemlich viele, mAfsig zisUbaltige« «ehr bazillenteicfafis Auf-
lagernngen. :;::,!
Während also bei dem kleineren Immui\tiere die schwere Infektion
bereits nach 3 Std. abgelaufen war, ging das gröfsere Kontrolltier daran untier
den Zeichen siemtich schwerer Infektion- Zugrunde (in max. 20 Std.). ' ' "
H. Yennch.
M., 285 g, einmal vorbehandelt mit 2,5 ccm if oliaggressin, bekommt
^^/e Ösen Typhus intraperitoneal. : r
Nach 3 Std. : Kapillare voll Leukozyten^ keine BazUlen. Das l^ek^ bleibt
dfioernd gesund.
M., 255 g, bekommt »/e Ösen Typhus.
Nach 3 Std.: Massenhafte Bazillen, wefnige Leukozyten. ^ ^ -
t 8 > Moribund. Früh tot. / > - :
m. Yersneh.
M., 285 g, einmal mit 2 ccm Kollaggrässin subkutan immunisiert^
bekommt 0,75 Ösen Typhus intraperitoneal.
Nach 10 Min. Viele Bazillen, I^mphozyten.
> 30 > Leukozyten vereinzelt, Bazillen sehr spärlich.
> 40 > Beginnendes Zuströmen von Leukozyten, keine Otandia,'.
einzelne Bazillen nur mit Mühe auffindbar. Das Tier wird'g^tötet (siehe iq»ttter).
1) Die Versuche sind mit Kulturbazillen, nicht mit tierischen BakiÜen
angestellt^ da praktische Ziele nicht; verfolgt wurden.
Archiv für Hygiene. Bd. LV. 24
) I .
366 Neae biologische Beziehungen swischen Eoli- and Taberkelbazillen etc.
M., 200 g, (Kontroll) bekommt 0,875 Ösen Typboa intrapeiitoneaL
Nach 46 Min. : Sehr viele Banllen, sehr viele, sa Klumpen geballte
Lenkosyten. Früh tot
Aus diesen Versuchen erhellt, dals der Schutz, welchen
aktiv mit Koliaggressin immunisierte Tiere gegen Typhusbakterien
besitzen, ihrem Schutze gegen Kolünfektion nichts nachgibt.
Bezüglich des passiven Schutzes ist dasselbe zu sagen wie
beim Kolibazillus. Der Schutz ist ein mäfsiger, langt bei tags
zuvor erfolgter Injektion von 1 ccm Kaninchenserum annähernd
gegen die 10 — 12 fach tödliche Typhusdosis aus.
Zam Beispiel:
M., 120 g, bekommt 1 ccm Kaninchensemm snbkatan. Tags darauf,
6 Uhr abends, </, Öse Typhns intraperitoneal.
Nach 2 Std.: Bauchhöhle voll Eiter, sehr wenige Bacillen. Bleibt
daaernd gesund.
M., 135 g, (Kontroll) bekommt 7t 0^® Typhus intraperitoneal.
Nach 2 Std. : M&Dsige BaziUen, nur einzelne Leukozyten.
Früh tot^ ohne Eiter in der Bauchhohle mit bazillenreichem Exsudat.
Aber die Versuche waren nicht zahlreich genug und die
Immunisierung nicht hoch genug beim Kaninchen getrieben;
auch war, wie erwähnt, die Schutzkraft des Eaninchenserums
nach einer aus äulseren Gründen eingetretenen längeren Pause
in der Immunisierung sehr gesunken, so dals wir vorläufig nur
das eine sichere Resultat verzeichnen wollen, dafs es viel schwerer
erscheint, mit Koliaggressin wirksame passive als aktive Immunität
zu erzielen. Erwähnt sei noch, dafs ein Versuch mit normalem
Kaninchenserum, tags zuvor in der Menge von 1 ccm einverleibt,
keinen Einfiufs auf den tödlichen Ablauf der Infektion eines
Meerschweinchens mit 0,5 Ösen Typhus hatte.
Zum Wesen der Aggressinimmunität
Sehr wünschenswert erschien es, einen Einblick in das
Wesen dieser eigenartigen Immunität zu erlangen, zumal bei
den Kapillarentnahmen niemals etwas von Granulis in der freien
Peritonealfiüssigkeit zu sehen war, die doch im Falle einer
bakteriziden Immunität nicht hätten fehlen dürfen. Es war sehr
interessant zu beobachten, dafs man manchmal bereits bei der
Von Dr. Gottlieb Salus.
367
ersten Entnahme aus der Bauchhöhle des aktiv immunen Tieres
den Tropfen voll Leukozyten fand und die Bazillen bereits ver-
schwunden waren. Man mufste sich sagen, dafs man da zur
Beobachtung des ganzen Vorgangs schon zu spät gekonunen sei.
Wo aber waren die Bazillen hingekommen ? War eine so rapide
Bakteriolyse erfolgt, dafs schon nach 10 Minuten alle Spuren
der aufgelösten Bakterien verschwunden waren? Dem wider-
sprachen die negativen Befunde bei den protrahierteren Fällen.
Eine günstige Gelegenheit bot der bei Typhus erwähnte Ver-
such III. Das Tier, welches bereits mit Sicherheit als gerettet
gelten konnte, wurde in dem Momente getötet, als die Bazillen
so gut wie vollständig aus der freien Flüssigkeit im Peritoneal-
sack verschwunden waren, während die Leukozyten erst zuzu-
strömen begannen. Es fand sich in der Bauchhöhle 1 ccm
einer leicht hämorrhagischen Flüssigkeit, in welcher man mikro-
skopisch nur bei langem Suchen einzelne Bazillen nachweisen
konnte, in Organausstrichen, namentlich im Milzausstrich, keine
Bazillen. Dagegen war das Netz mit einem leicht erhabenen
grauweifsen, unebenen Überzuge bedeckt, der ausgestrichen und
gefärbt, aus einer grofsen Zahl von Phagozyten bestand, welche
mit Bazillen und Granulis vollgestopft waren und in deren
Zwischenräumen überall zahlreiche Bazillen lagen. Li diesem
Stadium waren also die Bazillen nicht verschwunden, man konnte
ruhig sagen, dals sie alle am Netze wiedergefunden wurden.
Es konnte also durch den Augenschein der Vorgang nachge-
wiesen werden, den Kikuchi (1. c.) in ähnlicher Weise
bereits vermutet hatte. So, wie sich bei intraperitonealer Injektion
das Netz verhält, dürften sich bei Injektionen an anderem Orte
die lokalen serösen Häute verhalten.
Es wurde weiterhin das Blutserum dieses Tieres in bezug
auf seinen Gehalt an Bacteriolysinen und Agglutininen geprüft.
Agglutination für Typhas: 1:25
1:50
1:100
1:500
1:1000
-, für Koli .
24 •
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3^ Neue biologische Beziet^OQg^.a B«;ificb«n l^^H' ^'^^ Tuberkelbazillen etc.
, ,...^ ,.; ?i.8i^»t i^ P*. W.OOO Oqli,, ^ , .. , r,v ,;.Nacfc48tdj
0,75 Peptonkoch8.-Lö8. + 0,?5 norm- Kan.-Ser. .'. ^.^ . . .
0,65 ' 'i ^ '-fb,(k)bllmmun8er:m0.lkbc^^^
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0,75 Pe^tonkochB,-X>ö8« -:^ 0^25 nfpn. Eyan.-Ser. u j ,,. , ..,..,,•]. . - . . op
0)65,- > '+ 0,6001 Immuns^r. in Ö,xkochaV+ 0,25 norm.
■' ^--^ ■■■' ■ • ■'■ • •' ■■■■^^ '■ ^-'■'■^ •■' ••■••■•^^■- KÄi.-S6r. :•■. ci^
0,65 - "> 4^(^001 i ■%'■ . Ojt * • :4-Ö,^ / • . ;. Ob^
^6^1 \.v>> ;- tfO,01,, ;.. , v^O,l. ^, +Q,25 .^^> .. . (?c>.
0,65 -» +0,0^ r . 6,05 » +0^25 ». . . op^
0,G6 . +0,1 .' .'V. . . +0,08 i /. . «'
Dks Serum des Tiöreä, T^elcheö ge^en Typhtis (und aieber
auch gegen KöliJ hohen Schutz besafs , zeigte' ilso für beiäe^
. . ' • • '
Mikroben weder eine Spur von Baktönzidie, ' noch Ton AggUi-*
tination:' - ■ • "' ■'''•^- •■'■■ ^' --^
Interessant war auch das Verhalten des Kaninchenöeriims
in bezug auf die Agglutination zu ein^r Zeit, wo es passiven
Schutz ^egen die 10— 12fach tötliche Dosis von Koli resp. Typhus
(in der Menge von 1 com) geboten hatte.
Für Koli:
1:10 . . . . 4-+
i::20 . ;. - + +
1:50 . . . . + +
1 : 100 ... . H-
1:500 . . . . i
(nach mehreren Stand., jnkomp].)
' Fflf T^phtlB:
1 :10 r . . J V
1:20 . w . . .
1:50
1:100
1:500
. ,« .. •
:|
k 1
1 i
Das Serum, welches gegen beide Mikrbbiön den gTeichea
Schutz verleibt, zeigt mäfsige Agglutinationswerte nur für, den
einen, mit dem es erzeugt ist. Es ist also weder die Agglutination
in einem konstanten, noch anscheinend die Bakterizidie in irgend-
einem Verhältnisse zur antiaggressiven Immunität.
\
• '■■'' Von Dr. Qottli^ Salus. 359
B^kianntiich haben WassBrmaötii und Ciiron^) mit Bak-
feriehextrakieri, welche aus Massenkultuifen durch eiii eingreifen-
des Verfahren gewonnen waren, eine ähnliche, wenn auch an-
^heinehd tninder intensive Beförderung dei: Infektiomtät zu er-
iiölen f ennoohit.^ Sie hennen daher ihre Extrakte »Künstliche
Aggressinec und glauben, dafs man der kostsi^ieligen, natürlichen
Aggressine bei der Immunisierung sicher entbehren könne.
Aber jetzt fechon sprechen unsere obigen Versuche gegen die
Identität der »Künstlichen Aggressinec mit den
hatürlichen. Denn erstere sollen nach Wassermann und
Citroii die Schutzkräftei (also wohl die bakteriziden) des Organis-
faius binden. Dann niurs die Immunität darin bestehen, dafs
<liese Bindung Aufgehoben wird und die Schutdcräf te wieder frei
Werdeü. In dish obigen 'Versuchen sah man nie Granulabildung;
y^as Serani des letzterwähnten Tieres zeijgte keine Spur von
Bakterizidie, und niaü fand alle Bazilleb am Netze wieder, in
sdier Gewalt ' der Phagozyten.
. •' '
/: SchluTssätze.
1. Die sterilen, an sich ungiftigen Exsudate von
durch Kolibazillen getöteten Tieren enthalten
■ ^ ein speeif isGi^hesAggr essin, welches, mit unter-
J tödlichen QabiBn der Kdlibazillen injiziert,
dieselben In tödliche verwandelt und — nach
- dem Sekliionsb^funde — die leichtere Infek-
'^- tion in eine schwerere umändert.
•2. Das Aggressin dea Kolibazillus vel*hilft in
V 1 gleichem Mafse auch dem Typhus bäaillus zur
J ' ' Vermehrung im Tierkörper.
' 8. Au^h daö Typhusaggreasiü schützt nicht nur
^en Typhuebazillus, sondern in gleicher Weise
auch den Kolibazillus vor der Vernichtung
durch die Abwehrkräfte des Organismus.
I j
V \-
1) WasBermann and Gitron, Zar Frage der Bildang von bakte*
liellen Angriffsstoffen im lebenden Organismas. Deatscbe med. Wocbenschr.,
1905, S. 1101.
^m aSiiiiMi^ jMHumtBi smesi. 2b&
• •n ^1
3i(**r*j'a'3r*ia'5a*a Tia mittlerer GrlTf* -s«»!
^:a*r 'Fatr^e-xeL;: Taa 2 — 3 Woehea ge^ea iii*
ICtItL^Ia 4«r uü^liekea EoLidosis aktix s<eklix<ea
S. Diete ImsLaaLt^u ^It la der gleieliea E-32.e
ziL^/cL ^^egea dea TjpIiasbaxiLIas. nicht gegea
CiL^IerftTibriaaeri aad Streptokokken. Wie
^«^nitelL die Spexifit&t des Aggreesins des Koli-
baiiilas beim T^cknsbazillas anfhdrCr ebenso
Terhält et sieb mit der aktiren, antiaggressiTem
fmmtinit&iw Dedaidi wird die nmbe Verwandt-
tebaft der beiden Mikroben darch nene bio-
logisebeBexiebangen in ein besonders scharfes
Lieht gestellt. Denn hier handelt es sich am
die IdentiUlt der Waffe, mit der sie die Haftnng
nnd Vermehrang im Tierkörper erxwingen.
9. Aoeb ein, aUerding» bisher mi&iger, passiTer Schutz
war m kooscatieren.
7. fiie Aggressinimmnnitftt beim Kolibaxillos ist
weder Ton konstanter Aggintininbildnng, noch
Ton bakterixiden Fähigkeiten des Blutserums
begleitet Sie ist irielmehr insofern eigen-
artig, als der antiaggressiire Zustand eine
Vermehrang der eingebrachten Baxillen im
Tierkdrper irerhindert Die Bazillen selbst
werden im besonderen Falle der intraperi-
tonealen Injektion rasch aus der Flüssigkeit
aasgefällt and gelangen an das Netz, wo sie
der phagozytären Tätigkeit der Leukozyten
anheimfallen.
über die FaUnngen yon EiweiTs dHich andere Kolloide
Hnd ilire Beziehnngen zn den ImmnnkSrperreaktionen.
Von
Dr. Ulrich Friedemann,
Assistent am Hygienischen Institut der UnlTenitAt Berlin.
( Aas dem Hygienischen Institut der XJniversitIt Berlin. Direktor : Geh. Med.
Rat Prof. Dr. M. Rubner.)
Das Studium der Kolloide hat bereits vielfache Aufschlüsse
über die physikalisch-chemischen Vorgänge bei den Immunitäts-
reaktionen gegeben. Die Verbindungen der Immunkörper wurden
mit den Adsorptionsverbindungen der Kolloide verglichen [Bor-
det^), Landsteiner und Jagic^), Biltz'), Zangger ^), Biltz,
Much und Siebert^), Pauli], während sich eine bemerkens-
werte Ähnlichkeit zwischen den Fällungsreaktionen der Immun-
körper (Agglutination und Präzipitation) und den Gelbildungen
und Präzipitationserscheinungen in kolloidalen Lösungen und
feinen Suspensionen herausstellte. (Bordet^), Bechhold,
1) Annales de Tlnsütat Pasteor, 1899, 1900. 1901.
2) Münchener med. Wochenschrift, 1903, Nr. 18.
3) Zeitechr. f. physik. Chemie, 48, 8. 615.
4) Zentralblatt f. Bakt , Bd. 34, S. 428, Bd. 36, 8. 161 u. 225. Korresp.-
Blatt f. Schweizer Ärzte 1904, Nr. 3, pag. 5.
5) Behrings Beitr. z. ezperim. Therapie, 1905, Heft 10.
6) a. a. O.
360 Biolog. Bexiehangen zwisch. Koli v
4. Durch einmalige ' ..ner und
ungiftigen m
M e e r 8 c h w ♦ : ^ieichenden Unter-
e i n e r W a r . ^^.^^ Schwierigkeiten,
M^'^H>1|^ '■ ..ektrolytö sehr empfind-
(30—40 f ' .cigeRoUe, welche die Salze
0. Diese ^^^^ keinen genügenden Auf-
^^^ .e waren daher schon in früheren
^^°' <er und Verfasser, Bechhold«)
^^^^ . .i:eu Kolloide mit in den Kreis der
" ^, und es hatten sich namentlich bei
^ ■ Mastixemulsionen und Eiweifs (resp.
;: Ähnlichkeiten mit der Bakterienagglu-
■ allungen zwischen anorganischen KoUoideu
::oht in so eingehender Weise untersucht
.. anorganischen Kolloide untereinander und
c?rschiedenen Autoren auf diesem Gebiete wider-
so habe ich im folgenden diese Reaktionen einer
Untersuchung unterzogen, wobei vor allem auf
>alze geachtet wurde. Zum Schlufs wurde sodann
.'iitalten der Immunitätsreaktionen in dieser Hinsicht
.. riialigen Untersuchung unterworfen; doch glaube
. i,:oh, abgesehen von diesem Zusammenhang, die Unter-
^ J.or KolloideiweifsfäUungen für das theoretische Studium
V \:Ade eine Ergänzung des bisher Bekannten liefert.
' ViTsamml. deutscher Xaturf. u. Ärzte, Kassel, 1903. — Müncbener
^^ Wooherischr., 1904, Nr. 11 o. 19. — Zeitschr. f. phjre. Chemie 48, S. 385.
-»^ J*.ericht d. d. ehem. Gesellsch. (1904), 3138.
:^ Wiener klin. Wochenschr., 1904, Nr. 3. — Münchener med. Wochen-
..luiH. 1004, Nr. 27.
4) Suc. fran^. de phys., 1904, 210. — Compt rend. Soc. Biol., 1903, pap.
ua:». M. 5(i, pag. 866, 931, 933, 935, 93G, Bd. 57, pag. 33, 35, 38, 65, Bd. 57.
\H\^. vSG6, 931, 933, 935, 936.
5) Annaleö de rinstitut Pasteur 1904.
6) a. i\. O.
X
Von Dr. Ulrich Friedemann. 363
I. Kolloideiweirsfällung.
a) Versuche.
ijngt^liender haben sich wohl zuerst Landsteiner und
:-ic^i mit der Kolioideiweirsföllung beschäftigt, welche fanden,
iai's kolloidale Kieselsäure Eiweifs fällt, aber, wie sie meinten,
nur in salzhaltiger Lösung. In weiteren Versuchen kamen sie
dann zu dem Resultat, dafs positive und negative Kolloide Ei-
weifs fällen können, sofern sie als oxydartige Verbindungen saurer
oder basischer Radikale aufgefafst werden können. Ferner be-
schäftigten sich Bilz, Much und Sichert^ mit dieser Frage
tmd gelangten zu dem Schlufs, dafs positive Kolloide Eiweifs
durchweg fällen, negative dagegen mit Ausnahme der Zinnsäure
fast völlig versagten. Im Gegensatz dazu behauptet nun neuer-
dings Billitzer'), dafs Gelatine mit Arsentrisulfid (— ) und Anti-
montrisulfid ( — ), nicht dagegen mit Eisenhydroxyd (+) Träbungen
gibt. Bei meinen Untersuchungen diente als Eiweifs Blutserum
oder Eieralbumin (Merk.), die durch mehrtägige Dialyse in fiiefsen-
dem Wasser salzfrei gemacht wurden. Um auszuschliefsen, dafs
etwa noch ausfallende Globuline Störungen verursachen könnten,
habe ich bei einem Teil der Versuche die Globuline durch Halb-
sättigung mit Ammonsulfat entfernt und dann dialysiert. Die
Resultate waren im wesentlichen die gleichen. Von anorganischen
Kolloiden kamen folgende zur Untersuchung: Zwei kolloidale
Metalle, Platin (nach Bredig) ( — ) und Silber* nach Carey Lea
(— ), zwei Sulfide, das Arsen- und Antimontrisulfid ( — ), zwei saurö
Oxyde, Kieselsäure ( — ) und Molybdänsäure ( — ). zwei basische
Oxyde, Eisenoxyd (+) und Chromoxyd (+).
Das Resultat dieser Untersuchungen*) wat, dafs die von mir
untersuchten Eiweifskörper (Serum und Eiereiweifs)
von allen zur Untersuchung herangezogenen anorga-
1) a. a. O.
2) a. ä. 0.
8) Zeitschr. f. pbyeik. Chemie, Bd. 45 u. 51. Sitzung d. Kais. Akad. der
WiMensch. in Wien vom 28. April 1904.
4) Das Drgebnis dieser Versuche wurde z. T. bereits in einem Vortrag
itt'der Berl. Physiolog. GesellBchaft am 8. Dezember 1905 in Gemeinschaft
mit Herrn Dr. Friedenthal mitgeteilt
362 Über die Fällangen von Eiweifs darch andere Kolloide etc.
M. Neifser und Verfasser^), Biltz^), Landsteiner und
Jagic^), Henri und Mitarbeiter*), Gengon^).
Für eine weitere Durchführung dieser vergleichenden Unter-
suchungen bietet jedoch der Umstand grofse Schwierigkeiten,
dafs die anorganischen Kolloide gegen Elektrolyte sehr empfind-
lich sind und daher gerade über die wichtige Rolle, welche die Salze
bei den Immunitätsreaktionen spielen, keinen genügenden Auf-
schlufs geben. Aus diesem Grunde waren daher schon in früheren
Untersuchungen von M. Neifser und Verfasser, Bechhold^)
auch die stabileren eiweilsartigen Kolloide mit i|i den Kreia der
Betrachtung gezogen worden, und es hatten sich namentlich bei
dön Fällungen • zwisöhen Mastixemulsionen und Eiweifs (röisp.
Gelatine) bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit der Bakterienagglu-
tination gezeigt. Da die Fällungen zwischen anorganischen Kolloiden
und Eiweifs bisher nicht in so eingehender Weise untersucht
wurden, wie die der anorganischen Kolloide untereinander und
die Resultate der verschiedenen Autoren auf diesem Gebiete wider-
sprechende sind, so habe ich im folgenden diese Reaktionen einer
systematischen Untersuchung unterzogen, wobei vor allem auf
die Rolle der Salze geächtet wurde. Zum Schlufs wurde sodann
"auch das Verhalten der Immunitätsreaktiönen in dieser Hinsicht
einer nochmaligen Untersuchung unterworfen; doch glaube
ich, dafs auch, abgesehen von diesem Zusammenhang, die Unter-
suchütig der KöUoideiweifsfällungen für das theoretische Studium
der Kolloide eine Ergänzung des bisher Bekannten liefert.
1) Versamml. deutscher Naturf. u. Ärzte, Kassel, 1903. — MüDchener
med. Wocherischr., 1904, Nr. 11 o. 19. — Zeitschr. f. phys. Chemie 48, 8. 385.
2) ßericbt d. d. ehem. Gesellsch. (1904), 3138.
3) Wiener klin. Wochenschr., 1904, Nr. 3. — Münchener med. Wochen-
schrift, 1904, Nr. 27. .
4) Soc. fran^. de phys., 1904, 210. — Oompt rend. Söc. Blol., 1903, pag.
1613, Bd. 56, pag. 866, 931, 933, 935, 936, Bd.ö7, pag,33, 35, 88, 65, Bd. 57.
pag. 866, 931, 933, 935, 936.
5) Annales de Tlnstitut Pasteur 1904.
6) a. a. O. •
» . Von Dr. Ulrich Friedemanui;- ... . . : . .'1 383
l KblloideiWeinaifälluiigi ^
Eingehender haben sich wohl zuerst Landsteiner und
Jagic^) mit der KolloideiweifsttUüng beschäftigt, welche fände«,
daft kolloidale Kiesielsfture Eiweifs fällt, aber, wie sie ' meinten',
nur in salzhaltiger Lösung. In 'weiteren Versuchen kamen siö
dann zu dem Resultat, da^s positive und negative Kolloide Ei-
weifs fällen können; sofern sie als o^ydartige' Verbindungen saurer
odet basischer Radikale aufgefäfst werden können. Ferner be^-
schäftigten sich Bilz, Much \irid Siebert^ mit diee^ Frage
iind gelangten zu dem Schlüls, dafs positive Kolloidlö Eiweife
durchweg fällen, negfative dagegen mit Ausnahme*' der Ziiiiisäure
fast völlig versagten. Im Gegensatz dazu behauptet nun neuer-
dings B i 1 1 i tz e r') , dafs Gelatine mit Arsehtrisulfid (— ) nrid Anti-
montrisuIfid( — ), nicht dagegen rnit Eisönhydroxyd (-f*) Trübungen
gibt. Bei meinen Unteröuchungieh tJiente als Eiweifs felütseruni
oder Eieralbumin (Merk.), die durch mehrtägige Dialyse in fliefseii-
dem Wasser salzfrei gemacht wurden: Um auszuschliefsen, dafs
etwa noch ausfallende Globuline Störungen verursachen könnten-,
habe ich bei einem Teil der Versuche die Globuline durch Halb-
Sättigung mit Ardmonsulfat entfernt und dann dialysiert. Die
Resultate waren im Wesentlichen die gleichen. Von anorganisdien
Kolloiden kamen folgende zut Untersuchung: Zwei kolloidale
Metalle, Platin (nach B red ig) (^ undSilber'nach Carey Leä
(^-^), zwei Sulfide, das Arsen- und Antimontrisulfi^d (-^), zwei saürö
Oxyde, Kieselsäure ( — ) und Molybdänsäure ( — ). zwei basische
Oxyde, Eisenoxyd (4-) und Chromoxyd (+). - '
Das Resultat dieser Untersuchungen*) wal", dafs tJie von mir
untersuchten Ei weifskörpü'r (Serum uhd Eiereiweifs)
von allen zur tThtersuchung herangezogenen anorgä-
^ . ... . ■'.''■
1) a. a. O.
2) a.a.O. ' ^
^ Zeitscbr. f. pbyeik^Chemle/Bd. 45u.6l. Sltzting d. Eäis. Akad. der
Vise^nscb, in Wien YOii> 28. April IWH. ..!
4) Das Drgebnis dieser Versache warde z. T. bereits in einem Vortrag
in^ der Berl. Physiologe. G^ellscbaft ^am 8. I>ezember 1905 iii "Gectieinscbaft
mit Herrn Dr. Friedenthal mitgeteilt.
364 Über die FftHungen yon EiweUs durch andere Kolloide etc.
nischen Kolloiden» mögen dieselben elektropositiven
oder elektro negativen Charakters sein, gefällt werden.
Es zeigte sich aber, dafs auch organische Kolloide, wie
Histon, Nuklein, Nukleinsäure, Nukleohiston^), wie ja auch
bereits von anderen Autoren beobachtet wurde, mit Eiweils Fäl-
limgen gaben, so dafs man wohl ganz allgemein sagen kann, dals
Eiweifs mit allen Kolloiden sauren oder basischen Charakters fällt
Die Differenz mit den Ergebnissen der anderen Forscher
erklärt sich, wie ich glaube, daraus, data erstens auf eine
Mischung in den richtigen Mengenverhältnissen nicht genügend
Rücksicht genommen, femer aber der Salzgehalt der Flüssigkeiten
zu wenig beachtet wurde. Beide Faktoren sind aber von aus-
schlaggebender Bedeutung für den Ausfall des Versuches«
Denn in der Tat kann es aufserordentlich leicht vorkommen,
dals eine Fällung übersehen wird, da das Fällungsoptimum, wie
die Tabellen zeigen, bei den verschiedenen Kolloiden bei ganz
verschiedenen Mischungsverhältnissen liegt.
Ebenso wichtig ist es aber, mit salzfreien EäweifslOsungen zu
arbeiten. Über den EinfluTs der Salze auf die KoUoideiweifs-
fällung bestehen auch bereits einige Angaben. So meinten Land-
Steiner und Jagic, dals die Fällung von Serum durch kol-
loide Kieselsäure nur in Kochsalzlösung eintrete. Biltz, Much
und Siebert machten keine Beobachtungen über die eigentliche
Fällung in salzhaltiger Lösung, stellten aber fest, dafs Salzzusats
die Adsorption der Eiweifskörper durch anorganische Kolloide
verhindere.
In Wirklichkeit liegen nun die Verhältnisse komplizierter,
als die genannten Autoren annehmen. Es zeigte sich näm-
lich bei fast allen Kolloiden, dafs Salzzusatz die Ei-
weifsfällung sowohl befördern als auch hemmen kann.
Der Erfolg hängt von den Mengenverhältnissen ab, in denen das
Eiweifs und das anorganische Kolloid gemischt werden. Wie
bei den Fällungen der anorganischen Kolloide untereinander,
findet nämlich auch bei den KoUoideiweifsfällungen die Präzi-
1) In Versachen, die Herr Dr. Friedenthal und Verf. aosgefahrt
haben, und die a. a. O. publiziert werden.
Von Dr. Ulrich Friedemann.
365
pitation nur bei einem ganz bestimmten Mischungsverhältnis
statt. Sobald eine der Komponenten im Überschufs zugegen ist,
bleibt die Fällung aus. Setzt man nun die gleiche Reihe unter
Salzzusatz an (zu den Versuchen diente stets Na Cl), so beobachtet
man, dafs die Fällungszone in salzfreier Lösung verschwindet,
imd dafs nunmehr an Stelle der bisherigen Hemmimgszone
Fällung eintritt.
In weiteren Versuchen habe ich auch die Salzmengen vari-
iert, bin jedoch dabei nicht auf durchgehende Gesetzmäfsigkeiten
gestofsen. Beim Chromhydroxyd (abfallende Mengen Chromoxyd
bei konstanter Eiweifsmenge) beobachtete ich bei steigendem
Salzzusatz ein Heraufrücken der Fällungszone, beim Eisenoxyd
brachte aber eine weitere Erhöhung der Salzmenge keine Ände-
rung hervor.
Ob dabei prinzipielle Unterschiede zwischen den einzelnen
Kolloiden vorUegen, oder ob hier nur quantitative Verschieden-
heiten bestehen, darüber müssen weitere Versuche entscheiden.
Es folgen nunmehr die Tabellen, welche die Versuchsresultate
illustrieren.
I. Chromliydroxyd.
Die ben atzte etwa 8 proz. EiereiweiÜEilOsang (in 100 ccm 0,5 g N) warde»
wie in den flbrigen Versuchen, mehrere Tage dialysiert.
Tabelle I.
Abfallende Mengen Ohromhydroxyd.
Chrom-
Eiweiffl
+ 2 Tropfen
hydroxyd
Juil WdXD
NaCl lOo/o
1
1 ccm
0
+ + +
0,5
++
+ + +
0.25
+++
+ +
0,1
+++
0
0,05
. ++T
0
0,025 ;
ü
0
0,01 1
0
0
0,005 1
0
0
0,0025
ü
0
Kontrolle : Chrombydroxyd ist bei den angegebenen Salxkonzentrationen
stabil.
366 Über die Fällungen von Eiweife durch andere Kolloide etc.
Tabelle ir.
Abfallende Mengen Eiweifft.
->. .11.
Eiweifs
1
0,5
0,25
0,1
0,05
0,025
0,01
0,005
0/)025
Chrom-
hydroxyd
0,1 ccm,
»
»
• >
•■.'" *':
> ■ .■•
+ + +
+ + +
Trübung
0
0
Ö
0
0
+ 2 Tropfen
Na a 10*/o
0
b
0
Trübuxig
Trübung
Trübung
0
0
0
Resultat: Im Überschuls von Chromhydrozyd bleibt die Fällung aas.
EiweirsüberschufB wurde nicht beobachtet
Durch ßalz wird die Fällung aufgehoben. ^ Bei Überschufa von- Ohrom-
hydix)xyd wird doj^ 8alz Fällung: hervörgsbrufeix. .Beeondere Yereoche, von
4eren ausführlicher Wiedergabe hier abgesehen, .aei, . ergaben,, daüs die Ver-
Schiebung der Fällungskurve mit steigendem Salzzusatz zunimmt
II. Eisenhjrdro^y^
Es kommt eine etwa 3proZv(in 100 ccm Q^g.N) dialyajierte EiereiweiTs
lösung in Anwendung.
Tajbelle m.
Abfallende EiwelC^meagfUi. . .
EiweiTs
' Eisen-
hydroxyd
p ' • ■ ■
+ 2T^ö^feriNaCllO«/o
1
0,5
0,25
0,1
0,01
ccm
+ + +• .
+ + +
Trübung
0
0
0
0
0^
0,05
0
0
0,025
1
0
';0
0,01
0,005
0,0025
+ + +'
0
0
Trübung
+ + +* V sofortige
+ +>). Fällung
" -Ein' Kontrdll versuch mit 0,01 ccm £lftöahydr6xyd-in KochsalslOflaog
allein ergibt erst nach etwa 24 Std. Fällung.
ypn. Dr. . Ulrich-. ^E^iiedemanxi«
m
Tabelle IV.
Abfallende I^BeQhydtoatydinengen.
Die in di^m Y^^f^)^' I)f«;^ii4i8^, BiweüUOaoni^^ist etwa C^@5P/0, (in 100 ccm
£i0,^n^
-' KiweifB
-— •« ■«. * ^A.
+ 1 Tropfen
bydfoxy^
/
4 I
NaCl lÖVo
•' ; • i ■ i c ■■ ■ '
i ccm^
-
0
+ .
0,5
V .. _.
0 .
+ + 0
0,25
M
0
+ +.+ ;
0.1 . t
1
0
+ +-1..,
0,05
J
0
++.4t)
0,025
1
Trübung
trübttng ,
O.Ol
i —
Trübung
, 0;-n
0,00^
1
Trübung
' 0 :,
0,0025
* ' i
Trübung
■ 0^..)
Eontrolle : Die konzentrierteren Eisenhydrozydlösungen werden bei dem
angegebenen Salzgehalt während der Dauer des VerBuchs noch nicht gefällt
Resultat: Im Überschufs von EiweiTs und von Eisenhydroxyd unter-
bleibt die Fällung, ünregelmäfiglge Reihen.
Die Fällung wird durch Salz aufgehoben, im Überschuis von Eisen-
oxyd tritt FÄlung ein, im 1}bei«chul8 von EfweiüB nichi '
! in. Kieselsäure.
Tabelle V,
Abfallende Eiweilsmengen. E&ereiweiXslösung ca. 5 ^/^ (in 100 ccm 0,8 g N).
Kiesel-
Eiweifs
säure
;
+ 4 Tropf en NaCl W/o
1
0,025 ccm
+ + + 1 Starker,
-f- + + J aber nicht
Trübung
0,5
>
Trübui^g
flockiger Niederschlag
0,25
Trübung
Trübung
0,1
Trübung
flockiger Niederschlag
0,05
t
0
' 't ■•■ : •»• '
0,025
0
: > ». .
0,01
0
* >
0,005
. . . >
: . 0 ; :
0
0,0025
-» "
0
0
. •(
Kontrolle: Di^ Kieselsämue ist stabil inj fler angpwfuqidt^n Salzlösung.
368 t^r die Fällangen Ton Eiweifs durch andere Kolloide etc.
Tabelle VI.
Abfallende Kieeeleänremengen. EiereiweifiilOeimg ca. 0,8%
(in 100 ccm 0,05 g N).
Kiesel-
EiweiTs
+ 4 Tropfen
sAore
NaCl lOVt
1
1 ccm
0
Trübong
0,5
+ + +
+ + +
0,25
0
+ + +
0,1
0
+ + +
0,05
0
+ + +
(^025
0
+ + +
0.01
0
0
0,005
0
0
0,0025
0
0
Tabelle VH.
Abfallende Kiesela&nremengen bei konzentrierterer EiweilelOBang.
EiereiweifBlOsang ca. 8% (in 100 ccm 0,5 g N).
Eieeel-
Eiweiffl
-f- 4 Tropfen
säure
Na Ol lOVt
1
1 ccm
Trflbnng
4-+ +
0,5
Trübung
+ + +
0,25
Trübung
+ + +
0,1
Spur
+ + +
0,05
Spur
Spur
0,025
0
0
0,01
0
0
0,005
0
0
0,0025
0
0
Resultat: Konxentrierte EiweiüslOsungen ((eben mit ebenfalls nicht
zu dünnen Kieselsäurelösungen Fällungen.
Die hemmenden Wirkungen des Salses sind bei der Kieeelsäure sehr
wenig ausgesprochen. Die fftllungsbefOrdemde Wirkung der Salze tritt bei
konzentrierteren EiweiüBlOsungen weniger henror als bei yerdünnten. Mög-
licherweise machen sich in den konzentrierten EiweiAlOsungen noch Salz-
spuren bemerkbar, die durch Dialyse nur schwer zu entfernen sind.
Von Dr. Ulrich Friedemann.
369
IT. MolybdlBiIire.
Tabelle vm.
Abfallende EiwelXsmengen. EiereiweiTslOsang ca. 5Vo (^^ ^^O ccm 0^ g N).
EiwAirn
Molybdän-
+ 4 Tropfen
säore
NaCl 107o
1
0,01 ccm
+ + +
0
Ofi
+ + +
0
0,25
+ + +
0
0,1
Trübung
Trübnng
0,05
0
+ + +
0,025
0
+ + +
0,01
0
+ + +
0,005
0
+ + -h
0,0025
0
+ + +
Die Kontrolle ergibt, dafs die Molybdänsäore in der Salzlösung allein
stabil ist
Tabelle DC
Abfallende Molybdänsäuremengen. EiereiweiliBlOBung ca. 8Vo
(in 100 ccm 0,5 g N).
Molybdän-
säure
Eiweils
-}- 4 Tropfen
NaCl 10"/,
1
1 ccm
+++
+ + +
0,5
+++
+ + +
0,25
0
+ + +
0,1
0
+ + +
0,05
0
+ + +
0,025
+++
0
0,01
+++
0
0,005
++-+++
0
0,0025
++-+++
0
Besultat: In salzfreier Lösung unregelmäOBige Reihen. Salnusatz
entfaltet gleichzeitig hemmende und fällende Wirkungen.
ym t^ber die FäUangen vod' EiweilB dorchr andere Kolloide etc.
y. Antimontrisiilfld.
Abfallende Eiweifsmengen. £Ldt«i;OirQiJQilö0aQg ca. 3 % (V^ 100 com 0^ g N).
/-'
.0
RiwAiTa
ÄüHinbiitH-
'^s. ■ ;'v
-^"frTtöüJfen
JulWClio
. 4Ullfid. ~.
• J . .« * M>- ^R» • ■■
Uaiajfl?/,...
X'--" .')
,1 0,1 ccm
TT^'^.
-0,6
.... » .
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0,25'
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1
0 -■■■■
0,05
^ 1
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0,020
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■ H-++
Tf-f-T-
0,01
4-++
T + T-
0,005 ,
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T-H+-'
0,0025
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H-++
r|- + + ^^
0,001
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+ •
TH
h+'
0,0006
i »
0
TH
\-+-'
0,00025
1
0
'++ +
t ,
ni
vi
■.r ' >
■r
V. ;:ir.»:'
Kontrolle : Antimontrisalfit fällt in der benatzten KochsalilOsang.
Tabelle XI.
Abfallende Eiweifsmengen bei läiza^idhender Salsmenge. EiereiweilalOsang
. ca. 30/0 <?n 100 ccm 0,5 g HQ.
EiweiTs
t. \
1
0,5
0,25
0,1
0,05
0,025
0,01
0,005
0,0025
0,001
0,0005
0,00025
Antimontri*
snlfid
> , I
1 c^m
<
>
>
»
j
1
!.'.!!; . :
+ + +
, + +
+
+ +
+ + +
: TT
+ i
0 :
) t
0
1
0
.'■:■■■ '.jit r . n ,
+ 1 Tropfen
5«/» NaCl
+ + +
+
+
+ + '
+ + +■
+ + + "
+4- ■
++
+
Kontrolle : AntimctntrtaalAt Jm 8alfllQ»»ng filM Atollt.^
Von Dr. Ulrich Friedemann.
371
Tabelle XU.
Abfallende Antimontriflulfidmengen. EiereiweiÜBlösung ca. 5"/o
(in 100 ccm 0,8 g N).
Antimontri-
1
Eiweifs
2 Tropfen
salfid
NaCl 10 7o
1 " Iccm + + +
TrübuDg
0,5 ; »
+ + +
Trübung
0,25
+ + +
0
0,1
+ + +
0
0,05
+ + +
0
0,025
+ + +
0
0,01
1
0
0
0,005
0
0
0,0025
0
0
R e 8 a 1 1 a t : Eiweifs ergibt mit Antimontrisnlfid Fällung und Andeatang
von unregelmäTsigen Reihen.
Tabelle X demonstriert die hemmende Wirkung der Salze und gleich-
zeitig die des Eiweifses.
Tabelle XI zeigt, dafs Eiweifs wie Salz die Fällung begünstigen.
Aus Tabelle XII ist zu ersehen, dafs bei steigenden Antimontrisulfid-
mengen der Eiweifsscbutz nicht ausreicht.
Tl. Arsentrisulfld.
Tabelle XIU.
Abfallende Eiweifsmengen. EiereiweiÜBlOsung (in 1(X) ccm 0,27 g N).
Arsentri-
Eiweifs
sulfid
1
1 ccm
+++
0,5
0
0,25
0
0,1
+++
0,05
+++
0,025
+++
0,01
++
0,005
++
0,0025
++
0,001
0
0,0005
0
0,00025
0
Resultat: Eiweils ergibt mit Arsentrisulfld unregelmäfsige FäUnngs-
reihen. Versuche in salzhaltiger Lösung wurden nicht angestellt
ArchiT für Hyulene. Bd. LV. 25
372 Über die Fällangen von EiweiTs durch andere Kolloide etc.
TU. Silber nach Carejr Lea.
Tabelle XIV.
Abfallende Eiweifsmengen. EiereiweifslöBang ca. 5 ^^ (in 100 ccm 0,8 g N).
Eiweifs
1
Silber
-{- 2 Tropfen
Na Ol 10«/o
1
0,04 ccm
+ + +
0
0,5
+ + +
0
0,25
'
+ + +
0
oa
0
0
0,05
0
0
0,025
I
0
0
0,01
i
0
0
0,005
0
+?
0,0025
i «
1 1
0
+?
Kontrolle : —
1
0
+ + +
Tabelle XV.
Abfallende Silbermengen. EiereiweiTslösung ca. 5 Vo (üi 100 ccm 0,8 g N^v
Silber
Eiweifs
+ 2 Tropfen
Na Ol 10 o/o
0,5
0,25
0,1
0,05
0,025
1 ccm
>
>
»
»
0
+ + +
+ + +
+ + +
0
0
0
0
0
Resultat: Silber und Eiweifs fallen nur, wenn EiweiÜB konientriert,
Silber verdünnt ist.
Salz hebt die Fällung auf. Ebenso wird Silber gegen Eiweifs durch Sals
geschützt. Ein fällungsbefördemder Einfiufis der Salze ist nicht in erkennen.
Till. Platin nach Bredi|r-
Tabelle XVI.
Ziegenserum (4 Tage gegen fliefsendes Wasser dialysiert).
Serum
Platinsol
1
1
1 ccm
1
+ +1
Der Niederschlag be-
0,5 !
1
+ +
steht zum gröfseren
0,25
1
+ +1
Teil aus Platin
0,1
! >
0
0,05
!
0
0,025
0
0,01
0
Resultat: Gröfsere Serummengen fallen das kolloidale Platin,
salzhaltiger Lösung wurden keine Versuche vorgenommen.
In
Anmerkung während der Korrektur : In einer während der Dmcklegang
dieser Arbeit erschienenen Mitteilung (Hofmeisters Beitr., Bd, VU, H.12)
Von Dr. Ulrich Friedemann. 373
b) Bespreohung der VerBuchsergebnisse.
Die Fällung der Eiweifskörper durch anorganische Kolloide
ist einer theoretischen Betrachtung nicht so leicht zugänglich
wie die der anorganischen Kolloide untereinander. Bestehen doch
schon über die Ursachen der Stabilität von Eiweifslösungen ver-
schiedene Anschauungen. Hardy^) nahm an, dafs das Eiweifs
nur durch seine elektrische Ladung in Lösung gehalten werde,
die je nach der Reaktion der Flüssigkeit eine positive oder nega-
tive ist, dafs es im isoelektrischen Punkt also instabil sei, während
Billitzer^) diese Ansicht nur für koaguliertes Eiweifs zuläfst,
•die Stabilität nativer Eiweifslösungen dagegen auf die Kleinheit
ihrer Teilchen zurückführt und somit im isolelektrischen Punkt
•die grölste Unempfindlichkeit nativer Eiweifslösungen gegenüber
Elektrolyten annimmt.
Die Fällung zwischen anorganischen Kolloiden wird bekannt-
lich auf eine Neutralisierung ihrer elektrischen Ladungen zurückge-
führt. Fassen wir die Eiweifskörper als elektroamphotere Elektro-
lyte resp. Zwitterionen auf, so ist die Vorstellung einer Entladung
•durch ein einsinnig geladenes Kolloid schwer durchführbar, da
auf dem Komplex stets eine freie Ladung zurückbleiben mufs.
Billitzer hat nun in seinen umfassenden und für die
Theorie der Kolloide sehr wichtigen Arbeiten die Vorstellungen
über die Fällung der anorganischen Kolloide untereinander auch
auf die Fällungen der eiweifsartigen Stoffe auszudehnen gesucht,
indem er die Annahme macht, dafs diese nur dann andere Kol-
berichtet Pauli, dafs Eiweifs, welches 6 — 8 Wochen lang dialysiert worden
ist, weder mit positiven noch mit negativen Kolloiden Fällungen gibt Pauli
benutzt dabei allerdings nicht die reinen Kolloide, sondern die Salze der Schwer-
metalle, deren FäUungsvermögen er auf ihren Gehalt an kolloidalem Metall-
hydroxyd zurückfahrt. Da aber in den Salzen stets auch Jonen vorhanden
flind, welche der Fällung entgegenwirken können, auch die Fällung zwischen
Kolloiden und Eiweifs an ganz bestimmte Mengenverhältnisse gebunden ist,
•dürfte die Schwermetallsalzfällung über die Fällbarkeit durch Kolloide keinen
sicheren Aufschlufs geben. Im übrigen ist es natürlich durchaus möglich, dafs
solange dialysiertes Serum sich gegen Kolloide anders verhält als das in meinen
Versuchen benutzte, und es wäre theoretisch ein solcher Unterschied sicher-
lich von grofsem Interesse.
1) Jonrn. of physiol. 24 (1899). — Zeitschr. f. physik. Chemie 33 (1901).
2) a.a.O. 25*
374 Über die Fällungen von Eiweifs durch andere Kolloide etc.
loide fällen, wenn sie durch die Reaktion der Flüssigkeit eine
diesen entgegengesetzte Ladung angenommen haben. Gelatine
ist stets schwach sauer und elektropositiv. Sie gibt daher mit
negativen Kolloiden Trübung, nicht mit positiven. . Auch auf
den negativen Mastix wirkt sie ein, indem sie seine Fällbarkeit
durch Salze erhöht (Bechhold, M. Neifser und Verfasser*).
In alkalischer Lösung, in der die Gelatine negativ ist, treten
diese Wirkungen nicht ein.
Diese Anschauung Billitzersist meiner Ansicht nach nicht
haltbar, so wichtig auch die Entdeckung ist, dafs Kolloide durch
geringe Reaktionsänderungen umgeladen werden. Um bei den
Versuchen mit Mastix zu bleiben, so dürfte wohl bei einer Gelatine-
konzentration von 1 : 2000000, wie sie in den erwähnten Ver-
suchen zur Anwendung kam^ kaum noch von einer sauren Reak-
tion gesprochen werden. Bei Blutserum, Blutegelextrakt etc., die
ganz in der gleichen Weise wirken, ist vollends eine saure Re-
aktion nicht zu beobachten, und schliefslich zeigten ja diese Ver-
suche, dafs dieselbe Eiweifslösung sowohl mit positiven wie mit
negativen Kolloiden Fällungen gibt.
Durch Versuche mittels der elektrischen Kata-
phorese konnte ich nun feststellen, dafs der Ladungs-
sinn derEiweifskörper gegen Wasser für ihr Fällungs-
vermögen auf anorganische Kolloide überhaupt nicht
ausschlaggebend ist. Hardys koaguliertes Eiweifs,
welches zur Anode wandert, gibt trotzdem mit allen
untersuchten anorganischen negativen Kolloiden,
(Arsen-, Antimontrisulfid, Kieselsäure, Molybdän-
säure) starke Fällungen.
Wollte man an der Billitzerschen Anschauung festhalten, so
müfste man annehmen, dafs die negativen Kolloide stets sauer,
die positiven basisch reagierten. Diese Annahme ist aber sehr
unwahrscheinlich, da die Arsentrisulfidlösung z. B. sich kaum
Monate lang gehalten haben würde, wenn sie so sauer reagiert
hätte, um Eiweifs momentan umzuladen.
1) a. a. 0.
Von Dr. Ulrich FriedemaDn. 375
Weit eher wäre schon daran zu denken, ob nicht das Eiweils
durch ein negatives Kolloid selbst eine positive Ladung annehmen
könne. Verhalten sich doch auch schwache Basen (z. B. Alu-
miniumhydroxyd) starken Basen (Natriumhydroxyd) gegenüber
wie Säuren. Ob allerdings eine Beeinflussung eines Kolloids
durch das andere vermittelst gleicher Jonen (H-Jonen), welche
Landsteiner und Jagic^) annehmen, hier in Betracht kommen
kann, muls mindestens zweifelhaft erscheinen, da die H-Jonen
Konzentration einer negativen Kolloidlösung wohl kaum grofs
genug sein dürfte, um Eiweifs umzuladen. Zudem ist ja die An-
nahme, dafs H- resp. OH-Jonen abdissociiert werden, vorläufig
wohl nur für die oxydartig gebauten Kolloide zulässig, und würde
daher die Fällung von Eiweils durch die kolloidalen Sulfide
nicht erklären.
Bei dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse ist es
daher wohl das einfachste, anzunehmen, dafs das anorganische
Kolloid (+ oder — ) sich an die eine freie Ladung des Zwitterions-
Eiweils (bzw. amphoteren Kolloids) anlagert und so zur Entstehung
gröfserer Komplexe Anlafs gibt, welche sodann ausfallen.
Eine Konsequenz dieser Anschauung ist, dafs die ausfallen-
den Kolloideiweifsmischungen stets noch eine freie elektrische
Ladung tragen^), und damit erklärt sich vielleicht der grofse
Einflufs, welchen die Gegenwart von Salzen auf die Kolloideiweifs.
fäUungen ausübt, vor allem auch die lösende Wirkung, welche
die Salze auf die entstehenden Niederschläge zeigen. Denn nach
den wichtigen Untersuchungen Paulis 2) gibt es ja Jonen, welche
auf die Eiweifsfällungen einen hemmenden Einflufs besitzen,
offenbar also die Ladung des Eiweifses vergröfsern. Auch an
eine Beeinflussung der Ladung der Eiweifskörper durch Salze
wäre zu denken^); konnte doch Pauli beobachten, dafs in Gegen-
wart von H-Jonen die Reihenfolge im Fällungsvermögen der
1) a. a. 0.
2) Hofmeisters Beitr., Bd. 2, H. 1, Bd. 3, H. 4—6, Bd. 5, H. 1 u. 2.
3) fixperimentell liefs sich eine solche nicht nachweisen, da Hardys
koaguliertes Eiweifs bei 220 Volt und Stromstärken bis zu 1,5 Ampere in
salzhaltiger Lösung gar keine Wanderung zeigte, o£fenbar infolge des zu
geringen Widerstandes der Lösung.
376 Über die Fällangen von Eiweils durch andere Kolloide etc.
Alkalisalze sich umkehrt. Aus diesen Gesichtspunkten dürfte die
fast völlige Umkehr der Fällungskurve zwischen Eiweifs und
Kolloiden in salzhaltiger Lösung, die Hemmung in ausfallenden
Gemischen, die Fällung übemeutralisierter Mischungen verständ-
lich werden. Eine genauere Analyse der Beobachtungen dürfte
aber wohl erst mögUch sein, wenn die Wirkung der einzelnen
Jonen bei diesen Vorgängen genauer studiert würde.
II. Schutzkolloide.
Die erwähnten Versuche über die Kolloideiweifsfällungen
stehen in naher Beziehung zu den Wirkungen der sog. »Schutz-
koUoidec^) und dürften diese in einem ganz anderen Licht er-
scheinen lassen. Da die Eiweifskörper mit denselben Kolloiden,^
welche sie gegen Salze schützen, in salzfreier Lösung bei be-
stimmten Mengenverhältnissen Fällungen geben, so ist es über-
haupt fraglich, ob die Trennung in » Schutzkolloide c und »Fällungs-
kolloidec prinzipiellen Unterschieden entspricht. 2) Vielmehr
scheinen fällende (oder wenigstens fällungsbefördemde) und
hemmende Wirkungen stets miteinander verknüpft zu sein.
Sodann ist aber zu beachten, dafs instabile anorganische
Kolloide durch Eiweifs allerdings vor der Ausflockung durch
Salze geschützt werden, dafs umgekehrt aber auch die Aus-
flockung der Eiweifskörper durch stabilere anorganische Kolloide
in Gegenwart von Salzen gehemmt wird.
Die Schutzwirkung der Eiweifskörper erscheint
somit nur als ein Ausschnitt der Fällungskurve
zwischen Eiweifs und Kolloid in salzhaltiger Lösung.
Auf eine Ansicht, welche Billitzer^j über die Wirkung
der Schutzkolloide entwickelt hat, sei hier noch kurz eingegangen.
Da dieser Autor fand, dafs Gelatine auch dann schützende
1) Schul« und Zsymondy, Zeitechr. f. analyt. Chemie, 40, S. 697.
— Hofmeisters Beitr., Bd. 3, S. 137.
2) Allerdings mufs bemerkt werden, dafs Gelatine s. B. in salzfreier
Lösung mit Mastix keine Fallung ergibt. Möglicherweise sind aber die ent-
stehenden Komplexe, wie Billitzer annimmt, nur zu klein, um auszufallen.
Auch dürfte der Einflufs verschiedener Temperaturen dabei noch zu weni^
studiert sein.
3) Zeitschr. f. physik. Chemie, Bd. 61, S. 162.
Von Dr. Ulrich Friedemann. 377
Eigenschaften für Kolloide zeigt, wenn sie durch die Reaktion
der Lösung eine diesen gleiche Ladung trägt, so nimmt er bei
diesem Vorgang eine direkte Einwirkung des Eiweifses auf die
Kolloide überhaupt nicht an, glaubt vielmehr, dafs die Gelatine,
resp. das Eiweifs das Salz gleichsam für sich in Beschlag nimmt und
so von dem instabileren Kolloid ablenkt. Demgegenüber muCs
jedoch betont werden, dafs die schützende Gelatinemenge dann
der Salzmenge proportional sein müfste, während in den Ver-
suchen von Bechhold, M. Neifser und Verfasser^) das Gegen-
teil nachgewiesen wurde, nämlich gänzliche Unabhängigkeit der
Schutzgrenze vom Salzgehalt, welche vielmehr von der Menge
des zu schützenden Kolloids lediglich abhängig ist.
Hingegen werden die Befunde Billitzers unter der An-
nahme, dafs anorganische Kolloide auch durch gleichsinnig ge-
ladenes Eiweifs beeinflufst werden können, leicht verständlich.
III. Theoretische Bemerkungen zu den Kolloidfällungen.
Da es sich bei den vorliegenden Versuchen um die Ein-
wirkung von Salzen auf anorganische und organische Kolloide
handelt, so mögen einige Bemerkungen über die Theorien der
Kolloidfällungen durch Elektrolyte hier Platz finden.
Die Anschauungen über die Fällungen der anorganischen
Kolloide und der Eiweifskörper bewegten sich auf verschiedenen
Wegen. Die einfachen Beziehungen zwischen den Ladungen der
anorganischen Kolloide und dem Fällungsvermögen der Jonen
liefsen die elektrischen Theorien entstehen (Hardy^), Bredig^),
Billitzer^), während bei der Aussalzung der Eiweifskörper mehr
an einen Kampf der Salze mit dem Eiweifs um das Lösungs-
mittel gedacht wurde (Hofmeister^), Spiro*). Ursprünglich
glaubte man sogar die Wirkung der Leichtmetalle bei der Aus-
setzung als »Neutralsalzwirkungc von der eigentlichen »Jonen-
1) a. a. 0.
2) a. a. 0.
3) Anorganische Fermente, Leipzig^ 1901.
4) a. a. O.
5) Archiv f. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 25, 27 u. 28.
6) Hofmeisters Beitr., Bd. 4, S. 300.
378 Über die Fällungen von Eiweifs durch andere Kolloide etc.
wirkungc bei den Schwermetallsalzen und den Fällungen der
anorganischen Kolloide prinzipiell scheiden zu müssen. Wenn
nun auch diese Trennung nach dem Nachweise Paulis^), daCs
auch die Wirkung der Alkalisalze auf Eiweifs sich additiv aus
den Jonenwirkungen ergibt, nicht mehr aufrechtzuerhalten ist,
80 mufs doch bemerkt werden, dafs die Entziehungstheorie
(Hofmeister) einige Tatsachen gut erklärt, welche von den
elektrischen Theorien unberührt gelassen werden. Vor allem
wäre die wichtige Entdeckung Hofmeisters^ zu erwähnen,
dafs die Salze in derselben Reihenfolge, in welcher sie sich
nach ihrem EiweifsfäUungsvermögen ordnen, auch die Quellung
von Gelatinescheiben verhindern, gleichsam als ob ihr Fällungs-
vermögen mit einer gewissen Anziehung auf das Lösungsmittel
im Zusammenhang stünde.
Im folgenden sei nun auf einige, wie mir scheint, bisher
nicht beachtete, selw auffallende Beziehungen zwischen Wasser
anziehenden Kräften der Jonen und einigen Eigenschaften, die
auch bei der Fällung der Kolloide eine Rolle spielen, hinge-
wiesen, die möglicherweise eine Verbindung zwischen den elek
trischen Theorien und den Entziehungstheorien anbahnen könnten.
Dafs die hier in Betracht kommenden Anziehungskräfte auf das
Wasser nichts mit den osmotischen Kräften zu tun haben, wie
man ursprünglich annahm, erhellt schon daraus, dafs diese rein
kolligative Eigenschaften der Molekeln darstellen, überdies bei
Niciltelektrolyten in der gleichen Weise vorhanden sind.
Dagegen offenbaren die Jonen ein Anziehungs-
vermögen für Wasser in der Kontraktion, welche
beim Auflösen von Salzen zu beobachten ist. In ihrer
Theorie der Elektrostriktion führten Drude und Kernst*) aus,
dafs diese Volumverminderung durch das elektrostatische Feld
der Jonen bedingt wird, indem m diesem das Dielektrikum
Wasser sich zusammenzieht. Da die Kontraktion in unmittel-
barer Nähe der Jonen am stärksten ist, so kann man aber auch
1) a. a. 0.
2) a. a. 0.
3) Zeitschr. f. physik. Chemie, Bd. 15.
Von Dr. Ulricii Friedemann.
379
von einer dielektrischen Anziehung der Jonen auf das Lösungs-
mittel sprechen.
Die Gröfse dieser Kontraktion wurde nun durch Kohlrausch
und Hellwachs*) und Valson^) bei den verschiedenen Elektro-
lyten gemessen. Besonders der letztere Autor stellte bei einer
grolsen Reihe von Salzen vergleichende Untersuchungen an und
gelangte zu dem ¥richtigen Resultat, dafs die Volumkontraktion
eine additive Eigenschaft der Jonen ist (¥rie die KoUoidfällungy,
und dafs jedes Jon einen bestimmten Modul besitzt Sehr
interessant ist es nun, dafs die Jonen sich nach der
Gröfse der durch sie bewirkten Kontraktion in die-
selbe Reihe ordnen lassen wie nach ihrem Fällungs-
vermögen für Eiweifs.
So fand Valson die Kontraktion in Normallösungen der
betreffenden Sake (C. r. Bd. 77 S. 803):
Na, BA — 34,4
NH,B,0, —
34,4
K, SO, = 13,2
Na, CO, — 21
(NH,),CO,-
21
KFI —12,8
Na,SO, — 16,7
(NHJ.SO,
10,1
KCl — 8,8
Na Fl — 9,7
NH.Fl —
3,5
KNO, — 9,6
NaCl — 9
NH^CI —
-2,1
KBr —11,1
NaNO, — 8,5
NH.NO, —
0,1
KJ - 9,2
NaBr — 8
NH^Br —
— 3,6
NaJ — 5,4
NH,J —
-5,1
Bei den Natriumsalzen fällt die Reihenfolge der
Anionen vollkommen mit der von Hofmeister und
Pauli festgestellten für die Eiweilsf ällung zusammen.
Bei den Kalium- und Ammoniumsalzen finden sich an einzelnen
Stellen kleine Abweichungen, doch ist im ganzen auch hier die
Übereinstimmung eine sehr gute, zumal wenn man erwägt, dafs
die Methode Valsons wohl kleine Fehlerquellen in sich schliefst
und vor allem die elektrolytische Dissoziation der Salze dabei
nicht berücksichtigt wurde.
1) Wied. Ann. 53 (1894) und 56 (1895}.
2) Compt. rend. d. sciences de l'Acad. des scienc, Bd. 73, S. 441, 1376.
— Valson et Favre, ibidem, Bd. 73, S. 1144, Bd. 77, S. 577, 802, 907; vgl.
aach N ernst, Lehrbuch d. theoret. Chemie, 4. Aufl., S. 383.
380 Über die FälluDgen von Eiweifs durch andere Kolloide etc.
Es ergibt sich somit, dafs ein Salz um so stärker eiweifs-
fallend wirkt, je grölser die durch sein Anion hervorgerufene
Volumkontraktion ist. Wie die Tabellen zeigen, ist das additive
Verhalten nicht genau erfüllt, vielmehr zeigen die Borate und
Karbonate, dafs der Einflufs des Kations um so geringer wird,
je stärker das Anion wirkt. Ganz ähnlichen Verhältnissen be-
gegnet man auch bei der Kolloidfällung.
Bei den Kationen ist die Übereinstimmung zwischen der
Volumkontraktion und der EiweifsfäUung keine so vollkommene;
doch finden sich die allgemeinen Gesetzmäfsigkeiten auch hier
wieder. So stehen nach steigender Kontraktion geordnet zuerst
NH4 und sodann K und Na, weiterhin die Erdalkalien, während
die Schwermetalljonen im allgemeinen eine sehr starke Volum-
verminderung verursachen. Wie also die Kationen mit niedriger
Entladungsspannung im allgemeinen Eiweifs und anorganische
Kolloide am stärksten fällen, so zeigen sie auch die grOfste
dielektrische Anziehung auf Wasser.
Schliefslich sei darauf hingewiesen, dafs auch die Grölse
der Ladung eines Jons die Stärke der Elektrostriktion quantitativ
in ähnlicher Weise bestimmt wie das Fällungsvermögen für Salze.
Schulze^) machte schon vor längerer Zeit darauf aufmerksam,
dafs die Fällkraft eines Jons stark mit seiner Wertigkeit wächst.
Auch die Gröfse der Elektrostriktion mufs nach der Theorie von
N ernst und Drude mit der Ladung der Jonen steigen. 2)
Es mufs bemerkt werden, dafs die Volumkontraktionen, die
sich in obigen Tabellen finden, streng genommen nicht allein
von der Elektrostriktion abhängen, da Valson wasserfreie Salze
benutzte. Von der Volumverminderung ist also eigentlich die-
jenige abzuziehen, die bei der Aufnahme des Kristallwassers ein-
1) Joam. f. prakt. Chemie, Bd. 25, S. 431.
2) Von S p i r o (a. a. 0.) wurde in der erwähnten Arbeit auf Beziehungen
zwischen dem Fällungsvermögen der Jonen, ihrem Einflufs auf die Katalyse
durch H und OH-Jonen, auf die Ausflufsgeschwindigkeit des Wassers, ihrer
Neigung, übersättigte Lösungen zu bilden, und verschiedenen Eigenschaften,
die der Verf. mit der inneren Reibung der Salzlösungen in Zusammenhang
bringt, hingewiesen. Höchst wahrscheinlich ist auch diese eine Funktion
der Elektrostriktion.
Von Dr. Ulrich Friedemann. 381
tritt. Aber auch dann bleibt die Gesetzmäfsigkeit im allgemeinen
erhalten, wie die folgende Tabelle zeigt:
Na, = 13,5
Na,CO,= 7,2
Na, 8O4 = 10,9
Na Fl = 9,7
NaCl = 9
Na NO, = 8,5
NaBr = 4
NaJ = 4,4.
Möglicherweise steht auch die Bindung des Kristallwassers
mit den elektrostatischen Kräften, welche die dielektrische An-
ziehung bedingen, im Zusammenhang; denn es ist auffallend^
dafs die Salze, welche die stärkste Volumkontraktion hervor-
rufen, auch kristall wasserhaltiger sind^).
Es mag noch auf einige Möglichkeiten hingewiesen werden,
den Zusammenhang zwischen Fällungsvermögen der Salze und
der durch sie bewirkten Volumkontraktion zu erklären. Der
älteren Hofmeister'schen Entziehungstheorie nähert sich die
Theorie von Wetham und Wright, welche dielektrischen Kräften
der Jonen ebenfalls Rechnung trägt. Diese Theorie, welche von
der Annahme ausgeht, dafs das Wasser infolge seiner gröfseren
Dielektrizitätskonstante in das elektrische Feld der Jonen hin-
eingezogen würde und so die Kolloidteilchen gewissermafsen aus-
preist, leidet jedoch an dem Übelstand, dafs sie nicht zu er-
klären vermag, warum stets das dem Kolloid entgegengesetzt
geladene Jon bei dem Fällungsvorgang eine so mafsgebende
Rolle spielt.
Dagegen liefse sich vielleicht durch eine Modifikation der
Billitzerschen Theorie eine Auffassung gewinnen, die eine
einheitliche Erklärung der beobachteten Tatsachen gestatten
würde. Billitzer vergleicht die Jonen bei der Fällung der
Kolloide mit Kondensationskemen, welche die Kolloidteilchen
sammeln; bei dieser Anziehung nimmt Billitzer offenbar ein
Aufeinanderwirken elektrischer Ladungen an; denn er ist der
Meinung, dafs die ausfallenden Koagula elektrisch neutral seien.
Grofse Schwierigkeiten erwachsen nun aber daraus, dafs Billitzer
1) Auch hierbei haben die Anionen einen stärkeren Einflufs als die
Kationen.
382 Über die Fällungen von Eiweifs darch andere Kolloide etc.
dann natürlich annehmen mufs, dafs die Ladung eines Kolloid
teilchens sehr viel kleiner als die eines Jons sei, während doch
anderseits nach seiner Theorie die auf den Kolloidteilchen
durch Abdissociieren von Jonen zurückbleibende Ladung min-
destens einer Jonenladung äquivalent sein müCste.
Diese Schwierigkeit liefse sich vielleicht umgehen, wenn man
den Vergleich mit den Kondensationskernen weiter durchführt.
Bei der Kondensation übersättigten Wasserdampfes durch Luft-
jonen findet ja, wie die berühmten Untersuchungen Thompsons
gezeigt haben, eine Anziehung der Jonen auf die elektrisch neu-
tralen Wasserteilchen statt, und diese Anziehung wird auf dielek-
trische Kräfte zurückgeführt (N ernst). Es wäre wohl denkbar,
dafs auch bei der Fällung der Kolloide derartige Kräfte neben
den Ladungen der Kolloidteilchen eine Rolle spielen. Jeden-
falls wäre unter dieser Annahme der Parallelismus zwischen dem
Fällungsvermögen der Jonen und ihrer dielektrischen Anziehung
auf das Wasser wohl verständlich.
IV. Immunkörperreaktionen.
a) Präzipitine.
Bei den spezifischen Präzipitinreaktionen wurden von M.
Neifser^) sehr ähnliche Beobachtungen gemacht, wie sie soeben
bei den KolloideiweifsfäUungen berichtet wurden.
Mischt man ein präzipitierendes Serum mit seinem homo-
logen Eiweifskörper in 0,85 proz. Kochsalzlösung in geeigneten
Mengenverhältnissen , so erfolgt bekanntlich eine Fällung.
Dialysiert man nun vorher beide Flüssigkeiten mehrere Tage
und mischt sie dann, so fällt der Niederschlag viel mächtiger aus,
und diese Fällung löst sich wieder, sobald man Kochsalz hin-
zufügt. Das gleiche Resultat erhält man, wenn man vorher die
Sera mit destilliertem Wasser verdünnt und einen Strom von
Kohlensäure hindurchleitet, wobei die Globuline zmn grofsen
Teil ausfallen. Wir finden also auch bei den Präzipitinen bei
1) Hygien. Rundschau, 1903, S. 1261.
Von Dr. Ulrich Friedemann. 333
gewissen Mischungsverhältnissen eine Fällung in salzfreier, bei
andern eine solche in salzhaltiger Lösung.
Die Ähnlichkeit mit dem Verhalten der KoUoideiweifsfäl-
lungen läfst vermuten, dafs die eigentümliche Rolle, welche die
Salze bei der spezifischen Präzipitation spielen, darauf zurück«
zuführen ist, dafs dabei ein amphoteres Kolloid mit einem sauren
oder basischen reagiert, und es ist nicht ausgeschlossen, dafs eine
weitere Aufklärung dieser Verhältnisse auch Anhaltspunkte für
die Erforschung der chemischen Natur der Immunkörper liefern
wird.
Es mufs allerdings bemerkt werden, dafs die Annahme nicht
ausgeschlossen ist, dafs es zwei verschiedene Präzipitine gibt,
von. denen das eine in salzhaltiger, das andere in salzfreier
Lösung wirkt. Diese müfsten beide spezifische Reaktionspror
dukte sein. Weitere Versuche müssen hierüber entscheiden;
doch liegt bei der auffallenden Analogie zu den Fällungen von
Eiweils durch Kolloide (auch Histon) vorläufig kein Grund vor,
von der einfacheren Vorstellung abzugehen, dafs beide iden-
tisch sind.
b) Agglutinine.
In Anlehnung an die Verhältnisse bei derPräzi-
pitation gelang es mir, den Nachweis zu führen, dnfs
auch eine Bakterienagglutination in salzfreier Lö-
sung existiert und zwar bis zu nicht unerheblichen
Verdünnungen (1:1000). Allerdings wich ich bei diesen
Versuchen von der Versuchsanordnung Bordets^) ab, welcher
bekanntlich durch seine Versuche dartat, dafs die Salze für den
Vorgang der Ausflockung notwendig sind. Während Bordet
die Bakterien bei einer bestimmten Konzentration mit aggluti-
nierendem Serum behandelte, mehrmals wusch und die abzentri-
fugierten Bakterien sodann in destilliertem Wasser, resp. Koch-
salzlösung aufschwemmte, dialysierte ich das Serum mehrere
Tage und liefs es dann auf salzfreie, durch 1% Formalin abge-
1) a. a. 0., vgl. auch Friedberger, Zentralbl. f. Bakt., Bd. 31, und
Joos, J. f. Hygiene Bd. 36 und 40.
384 Über die Fällungen von EiweidB durch andere Kolloide etc.
tötete BakterienaofschwemmungeD einwirken. Stets beobachtete
ich auch in salzfreier Lösung eine ihrem Aussehen nach typische
Bakterienagglutination. Die Verdünnungen, in denen diese noch
eintrat, waren ziemlich wechselnde, und zwar scheint das Alter
des Serums eine gewisse Rolle zu spielen. Wenigstens geben
alte getrocknete Pferdesera stets nur eine mäfsige Agglutination
in salzfreier Lösung, indem dieselbe häufig sehr spät eintrat und
erst nach einigen Tagen komplett wurde. Frische Sera agglu-
tinierten rasch (Kaninchen-, Ziegen-, Rinderserum), doch sehwankte
auch ihr Titer nicht unerheblich. Meist lag er zwischen 1:200
und 1 : 1000, doch kamen auch Sera zur Beobachtung, die in
weit geringerem Grade in salzfreier Lösung wirkten.
Die weitere Verfolgung dieser Beobachtung zeigte jedoch, wie
aufserordentlich vorsichtig man in der Deutung von Vorgängen
sein mufs, die sich in einer so kompliziert zusammengesetzten
Flüssigkeit, wie sie das Blutserum ist, abspielen, und wie häufig
verwickeitere Vorstellungen an Stelle der einfacheren Erklärungs-
möglichkeiten treten müssen.
Es zeigte sich nämlich, dafs die Höhe, in der ein Serum in
salzfreier Lösung agglutiniert, von seinem Titer in salzhaltiger
Lösung unabhängig ist, und dafs Normalsera sich in dieser Be-
ziehung den Lnmunseris durchaus gleich verhalten. So gab
auch ein normales Kaninchenserum noch in der Verdünnung
1 : 1000 in salzfreier Lösung deutliche Agglutination, während es
in salzhaltiger Lösung fast gar nicht wirkte^) (s. Tabelle). Das
Gleiche beobachtete ich bei den Seris anderer Spezies (Ziege,
Rind). Will man nicht die Annahme machen, dafs die Spezifität
der Agglutinationsreaktion nur in salzhaltiger Lösung in die Er-
scheinung tritt (Henri^), Zaugger*), so spricht diese Fest-
stellung wohl sehr dafür, dafs die Substanzen, welche in salz-
freier Lösung wirken, mit den spezifischen Agglutininen nicht
1) Damit ist auch der Einwand widerlegt, dafs angenügende Entfemong
der Salze die Agglutination in >8alzfreier< Lösung bedingen könne.
2) a. a. O.
3) a. a. 0.
Von Dr. Ulrich Friedemann.
385
identisch sind, eine Vermutung, für die noch weitere Beweise
erbracht werden.
Tabelle I.
Typhuskaninchensenim wird 4 Tage gegen fliefsendes Wasser dialysiert
and filtriert.
j
Serum
Dünne Bakterien-
In reinem Wasser
+ 8 Tropfen Na Ol
aufschwemmang
lO»/,
1 : 2
1 Tropfen
+++
+ ■+ +
4
+++
+ + +
8
+++
+ + +
16
+++
+ + +
82
+++
+ + +
: 64
i
+++
+ + +
128
+++
+ + +
. 256
+++
+ + +
: 512
0
+ + +
: 1024
1 '
+++
+ + +
: 2048
0
+ + +
: 4096
1
1
1
0
+ + +
Beobachtung nach 2^ bei 37^, 20^ bei Zimmertemperatur.
Tabelle IT.
Normales Kaninchenserum wird in der gleichen Weise behandelt
Serum
Dünne Bakterien-
In reinem Wasser
+ 3 Tropfen NaCl
1
aufschwemmung
10 Vo
1 : 2
1 Tropfen
+ + +
+ + +
: 4
+ + +
0
: 8
+ + +
0
16
+ + +
0
: 32
+ + +
0
: 64
+ + -f-
0
. 128
+ +
0
: 256
+ +
0
: 512
+ + +
0
: 1024
+ +-f-
0
: 2048
0
0
: 4096
0
0
Sehr merkwürdige Resultate erhielt ich bei dem Versuch, beide
Substanzen mit Hilfe der Ehrlichschen Absorptionsmethode
zu trennen. Es stellte sich nämlich wiederholentlich heraus,
386 Über die Fallangen von Eiweifs durch andere Kolloide etc.
dafs nach Einbringung von Bakterien in die salzfreie Lösung
der Agglutinationstiter ganz erheblich zugenommen hatte. Ganz
dasselbe beobachtete ich, wenn ich mit einer Bakterienart (Typhus,
Koli, Vibrio Metschnikoff) absorbierte und nunmehr untersuchte,
ob das Agglutinin für diese verschwunden, für die anderen Bak-
terienarten aber erhalten war. Auch bei diesen Versuchen stieg
häufig das Agglutinationsvermögen erheblich und zwar bisweilen
nicht nur für die gleiche Art, sondern auch für eine der
andern.
Im ganzen waren die Resultate so wechselnde und wider-
sprechende, dafs ich auf diesem Wege zu einer Entscheidung
der Frage, ob Agglutinin (Aqua dest.) und Agglutinin (NaCl)
identisch sind, nicht gelangen konnte.
Worauf die soeben beschriebene paradoxe Tatsache beruht,
kann ich nicht mit Sicherheit angeben, konnte jedoch feststellen,
dafs gewisse physikalische Faktoren auf das Agglutinationsver-
mögen der salzfreien Sera von grofsem Einflufs sind. Ein und
dasselbe Serum zeigte nämlich, zu verschiedenen Zeiten untersucht,
ganz schwankende Agglutinationswerte und vor allem erwies
sich die Temperatur, bei der die Sera vor Anstellung des Ver-
suches aufgehoben wurden (Eisschrank oder Zimmertemperatur),
nicht ohne Einflufs auf das Agglutinationsvermögen. Ich neige
der Ansicht zu, dafs die durch Dialyse nie ganz zu entfernenden
Globuline bei der Agglutination der salzfreien Sera eine Rolle
spielt, wozu mich folgende Beobachtung veranlaüät. Setzt man
die Verdünnungen des Serums an und stellt die Röhrchen für
24 Stunden in den Eisschrank, so bildet sich ein ziemlich mas-
siger Niederschlag (der bei Zimmertemperatur ziemlich gering
ausfällt), und nach dessen Entfernung war das Agglutinations-
vermögen in einem grofsen Teil der Röhrchen verschwunden.
Allerdings geben auch reine Serumalbuninlösungen mit Bakterien
Fällungen, aber nur in höheren Konzentrationen.
So interessant vielleicht eine Fortführung dieser Untersu-
chungen wäre, so habe ich doch davon Abstand genommen, da
sie nicht im Rahmen dieser Arbeit liegen, zumal auf anderem
Von Dr. Ulrich Friedemann. 387
Wege der Nachweis erbracht werden konnte, dafs die spezifischen
Agglutinine in salzfreier Lösung nicht wirken.
Benutzt man nämlich wieder die Bordetsche Versuchs-
anordnnng, aber mit der Abänderung, dafs man das aggluti-
nierende Serum in allen möglichen Verdünnungen auf die Bak-
terien einwirken läfst, so lälst sich auch bei den stärksten Serum-
kouzentrationen eine Reagglutination in salzfreier Lösung nicht
beobachten. Allerdings ist es dabei nötig, die agglutinierten
Bakterien aufserordentlich stark zu zerschütteln, da sonst auch
nach mehrmaligem Waschen stets wieder Reagglutination auch
in Abwesenheit von Salzen erfolgt. Je mehr Agglutinin ge-
bunden ist, um so schwieriger wird es, die Bakterien wieder
völlig homogen zu verteilen, ein Beweis dafür, dafs das Agglu-
tinin auch ohne Salze bereits eine nachweisbare Änderung in
der OberflächenbeschafEeuheit der Bakterien herbeiführt.
Das Resultat dieser Untersuchungen ist, dafs die spezifischen
Agglutinine in salzfreier Lösung unwirksam sind, und dafs die
Ähnlichkeit mit der Präzipitinreaktion und den KoUoideiweifs-
fällungen in dieser Hinsicht eine nur äufserliche ist.
Ein Kolloid, welches nur in salzhaltiger Lösung von Eiweifs
gefällt wird, liefs sich nicht auffinden, doch sei darauf hinge-
wiesen, dafs Suspensionen (z. B. Mastix) das gleiche Verhalten
wie Bakterien aufweisen (Bechhold, M. Neifser und Verf.^),
so dafs möglicherweise der Suspensionscharakter eine Rolle bei
dem Phänomen der Bakterienagglutination spielt. Es sei aber eine
andere Erklärungsmöglichkeit erwähnt. Bechhold, M. Neifser
und Verf. sehen sich auf Grund ihrer Versuche bereits zu der
Annahme genötigt, dafs die Bakterien neben den fällbaren auch
hemmende Stoffe enthalten, eine Ansicht, welche durch die ex-
perimentellen Arbeiten von Porges und Weil durchaus bestätigt
wurde und dafs die Wirkung des spezifischen Agglutinins auf
eine Ausschaltung dieses hemmenden Faktors zurückzuführen ist.
Machen wir nun die Annahme, dafs die Bakterien Eiweifs und
elektronegative Kolloide (Nukleine) in einer Mischung enthalten,
1) a. a. 0.
Archiv für Hygiene. Bd. LV. 26
388 FälluDgen von Eiweifs durch andere Kolloide etc. Von Dr. Friedem&nn.
die in salzfreier Lösung stabil, durch Salze gefällt wird, so bleibt
die Analogie zu den KoUoideiweifsfällungen gewahrt und gleich-
zeitig wird es verständlich, dafs das Agglutinin bei keiner Kon-
zentration die Bakterien in salzfreier Lösung fällt. Diese An-
nähme ist natürlich zunächst rein hypothetischer Natur, es sei
aber darauf hingewiesen, dafs Friedenthal und Verf.^) auf
Grund anderer Tatsachen zu einer ganz ähnlichen Vorstellung
über den Vorgang der spezifischen Präzipitation geführt wurden.
Auch dort wurde die Annahme gemacht, dafs das präzipitierende
Serum bereits die beiden Komponenten des Niederschlags (Eiweifs
und einen histonartigen [?] Körper) enthält und dafs durch die
präzipitable Substanz nur gewisse hemmende Einflüsse beseitigt
werden. Es ergäbe sich so eine bemerkenswerte Übereinstimmung
zwischen dem Vorgang der Präzipitation und der Agglutination,
nur mit dem Unterschied, dafs bei den Präzipitaten die gefällte
Substanz dem Lnmunserum, bei den Bakterien dem Antigen
entstammt.
Zusammenfassung der Resultate.
1. Salzfreies Eiweifs fällt mit allen untersuchten basischen
und sauren Kolloiden.
2. Bei derselben Kolloideiweifsmischung hat Salzzusatz
gleichzeitig einen hemmenden und fäUungsbefördernden
Einflufs. Der Erfolg hängt von dem Mengenverhältnis
ab, in dem Kolloid und Eiweifs gemischt werden.
3. Die Schutzwirkung der Eiweifskörper stellt sich als ein
Teil der Fällungskurve zwischen Eiweifs und Kolloid in
salzhaltiger Lösung dar.
4. Anorganische Kolloide fällen auch elektrisch gleichsinnig
geladenes Eiweifs.
5. Das Fällungsvermögen der Jonen ist eine Funktion ihrer
dielektrischen Anziehung auf das Wasser.
1) Zeitschr. f. experiiu. Pathologie u. Therapie, Bd. III, S. 84.
Von Dr. Ulrich Friedemann. 389
6. Die Rolle der Salze bei der Präzipitinreaktion ist der
bei der KoUoideiweifsfäUung ähnlich.
7. Bakterien (Typhus, Koli, V. Metschnikoff) werden durch
salzfreies Serum agglutiniert (bis 1 : 1000).
8. Es besteht in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen
Normal- und Immunseris.
Herrn Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Rubner erlaube ich mir
für das dieser Arbeit entgegengebrachte fördernde Interesse
meinen ergebensten Dank auszusprechen.
26
Der Einflufs der Verankerang des lytischen Ambozeptors
aaf die Zelle.
(Bemerkung zu der von Leuchs in diesem Archiv, Bd. 54, Heft 4,
erschienenen Arbeit „Sind bei der bakteriziden Wirkung des Blut-
serums osmotische Vorgänge im Spiel?")
Von
Privatdozent Dr. E. Friedberger,
J. Assistenten am Institut.
(Aus dem Kgl. Hygienischen Institut der Universität Königsberg i. P.
Direktor: Prof. R Pfeiffer.)
Im ersten Teil dieser aus dem Münchener hygienischen
Institut hervorgegangenen Veröffentlichung berichtet G. Leuchs
über den Einflufs osmotischer Schädlichkeiten auf mit Immun-
körper beladene Bakterien im Vergleich zu Normalbakterien.
Die Arbeit, die »keine gröfsere Hinfälligkeit der mit Immun-
körper präparierten Danubikuskeime gegen osmotische Schädlich-
keiten erwies«, schliefst sich an eine frühere gleichfalls aus dem
Münchener hygienischen Institut erschienene Publikation von
Röfsle^) an, der bei analogen Untersuchungen mit roten Blut-
körperchen zu denselben Resultaten wie Leuchs gekommen war.
In der Arbeit von Leuchs ist nicht erwähnt, dafs ich in
einer im Jahre 1904 im Zentralblutt für Bakteriologie, Abt. I,
Bd. 37 Heft 1 erschienenen Arbeit »Ein Beitrag zur Wirkungs-
weise lytischer Immunkörper (Ambozeptoren)c bereits vor Röf sie
derartige Versuche an mit Immunkörpern beladenen Blutkörperchen
1) Münchner med. Wochenschr., 1904, Nr. 42.
Einflufs d. VerankeruDg d. lytipchen Ambozeptors. Von Dr. Friedberger. 3^1
als auch namentlich an Bakterien angestellt habe. Nur habe ich
nicht wie die beiden Autoren mich darauf beschränkt, aus-
schliefslich osmotische Schädigungen zu untersuchen, sondern
habe, wenigstens für die Bakterien, auch schädigende Einflüsse
anderer Art in den Kreis meiner Untersuchungen einbezogen.
Meine Resultate stimmen mit den späteren von Röfsle
sowie Leuchs vollkommen überein, wie sich aus den folgenden
Zitaten meiner Arbeit ergibt, die zugleich über die Art meiner
Versuche genügend Aufschlufs gewähren:
>War diese Ehrlich-Pfeif fer sehe Anschauung richtig, so dürfte
ein Bakterium, das sich mit spezifischem Ambozeptor beladen hatte, gegen-
über Schädigung chemischer oder physikalischer Natur sich nicht anders
verhalten wie ein ambozeptorfreies. Anders ist es nach der Auffassung
Baumgartens, Grubers und auch Bordets. Nach ihnen bedeutet
die Verankerung des Ambozeptors an das Bakterium bereits eine Schädigung
seiner vitalen Energie, und es war zu erwarten, dafs darnach mit Ambozeptor
beladene Bakterien gegenüber chemisch and physikalisch schädigenden
Einflüssen weniger resistent, gewissermafsen minderwertiger sich erwiesen»
im Vergleich zu normalen.
Um diese Frage zu entscheiden, habe ich gleiche Mengen normaler
und mit inaktiviertem Immunserum beladener Gholerabakterien der Eihr
Wirkung des Sublimates hoher Temperatur und verschieden prozentiger
Kochsalzlösung unter sonst absolut gleichen Bedingungen ausgesetzt.
Die Sublimatversuche sollten als Prototyp für den Einflufs einer rein
chemischen Schädigung, die Versuche mit erhöhter Temperatur als solcher
einer rein physikalischen, die Kochsalzversuche endlich als Prototyp einer
osmotischen Schädigung dienen.« (1* <^- P* ^^^O
»erschienen die Erythrozyten als ein Demonstrationsobjekt par
excellence, wo es sich darum handelte, Differenzen in dem Einflufs osmotisch
wirkender Schädlichkeiten auf beladene und unbeladene Zellen zu studieren.
Es wurden deshalb die Versuche mit Blutkörperchen ausschliefslich in
dieser Richtung hin unternommen.« (1. c. p. 130.)
>Es zeigte sich keine Differenz zwischen den mit Immunserum be-
handelten und den anderen Erythrozyten bezüglich der Einwirkung hyper-
tonischer und hypotonischer Salzlösungen.« (ibid.)
»Meine Versuche dürften dazu geeignet sein, die Anschauung von der
Schädigung eines Bakteriums bzw. einer Zelle durch die blofse Verankerung
eines spezifischen Ambozeptors zu widerlegen.« (1. c. p. 127.)
Königsberg i. Pr., den 27. Dezember 1905.
Zusatz zu der vorstehenden Bemerkung Dr. Friedbei^ers.
Von
Prof. Max Oruber.
Die Versuche von Dr. Leuchs wurden zu gleicher Zeit
mit den Versuchen Dr. Röfsles im Jahre 1904 angestellt; vor
dem Erscheinen der Arbeit Fried bergers. Trotzdem ist der
Prioritätsanspruch Dr. Friedbergers vollkommen berechtigt und
es ist nur durch ein unliebsames Versehen geschehen, dafs die
Abhandlung Friedbergers von Dr. Leuchs nicht zitiert wurde.
-ÖDS-
/'
ARCHIV FÜR HYGIENE.
(HE(iUrNDKT VON MAX T. PETTKXKOFER.;.
TJNTEU MITWIRKUNO
VON
Vn\\. Dr. (>. U()T.TJNi;i:R. Münrhcn : Pri»f. T>r. «DNIIOKF, MarburK a. L.; Prof Dr. K. KMMKRrfH,
Müiiclu'ii; Pnif. I>r. F. KKISMANN, Zürich; Prof. Hr. HKl.M. Erlunifeu; Prof. Hr. F. HITEPPE,
PniK; I»ior. Dr. KARRIIEL, Pnij?; Prof. Dr F. KK\TSCHMER. Wien; Prüf. Dr. K. I-EHMAXX,
Würzburg; I»n»f. I>r. A. LoDE. TnusbnK^k ; Prof. Dr. L. PFKIFFEK, Rostock; (lencralarrt
Dr. .1. PORT. Würzbiirg; Pn.f. Dr. \V. PKAI-SNITZ, (im/,; Pnif. Dr. F. RENK, Dresden; Prof.
Dr. SCirO'lTKI.l r.<, Frt-iburg i. JJ. ; «Ji'iHriibilH'rKrzt Dr. A. .S<Hi:STKR, Mönelien; Prof. Dr.
WKRNirKK. Pow^n
HERAUSGEGEBEN
V(»N
J. FOESTEB, M. GEUBEE, FE. HOFMAM, M. EUBNEE,
o.Ö.PKüFKfiauKISN DKR HYClKNE UND lUKRKTOKRK I>EK HYUIRNIHCHEM I.V8TITUTK A.V DEN UNITCKSITJLTKN ZU
STRASSBURG MÜNCHEN LEIPZIG BERLIN.
VIERUXDF('NFZIG8TEIi RAM). 1. HEFT.
MÜNCHEN IND BERLIN.
DRl'CK INI) VERI..\G VON R. OLDENHOliRG.
I905.
/"
...
y
Inhalt.
Seite
SpeziÜBche Sera gegen Infusorien. Von Privatdozent Dr. Robert Röfsle in
Kiel. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität München) .... 1
Studien zur relativen Photometrie. III. Teil. Vom Dozenten Dr. Stan. Rfiiicka.
(Aus dem k. k. Hygienischen Institut des Prof. Dr. Gustav Eabrhel in
Prag) 32
Wasserstoffsuperoxyd als Reinigungs- und Desinfektionsmittel im Friseurgewerbe.
Von Dr. R. Hilgermaun. (Aus dem Hygienischen Institut der Univertnt&t
Beriin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rubner) 40
Bemerkungen zur Abhandlung von E. Mettler über die bakterizide Wirkung des
Lichtes auf gefärbte Nährböden. Von H. v. Tappeiner 49
Weitere Versuche mit photodynamischen, sensibilisierenden Farbstoffen. (Eosin,
Erythrosin.) Prüfung der Wirkung des Tageslichtes auf Lebensfähigkeit und
Virulenz von Bakterien, auf Toxine und Antitoxine und auf das Labferment.
Von Dr. Hans H u b e r. (Ans der bakteriologischen Abteilung des Hygiene-
Institutes der Universität Zürich. Vorstand: Privatdozent Dr. W. Silber-
schmidt) 53
NA(^nDRl(:K VERBOTEN.
In dem nächsten Hefte folgen:
Vernichtung von Bakterien im Wasser durch Protozoen. Von Dr. Otto Huntemüller
aus Hoya a. d. Weser. (Mit Tafel I.)
Über den Gewichtsveriust des Fischfleisches beim Dünsten. Von Dr. Friedrich Peters,
Assistenten des Institutes. (Aus den Hygienischen Instituten der Universität
Berlin. Direktor: Geh. Medizinalrat Prof. Dr. M. Rubner.)
Studien über verdorbene Gemüsekonserven. Von Dr. Joseph Heiser, dipl. Chemiker.
(Aus dem Hygienisch-bakteriologischen Laboratorium des Eidgen. Polytechnikams.
Vorstand: Prof. Dr. 0. Roth.)
Die schützenden Eigenschaften des Blutes von aggressinimmunen Hühnercholeratieren.
Von Dr. Edmund Weil, Assistenten des Institutes. Ausgeführt mit Unterstützung
der GesellHchaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in
Böhmen. (Aus dem Hygienischen Institut der deutschen Universität in Prag.
Vorstand : Prof. H u e p p e.)
Einsendungen beliehe man an Prof. Rubner, Berlin C, Klosterstr. 36, zu richttfix.
Verlag von R. Oldenbonrg, Mttnchen und Berlin.
fiygienifcbes aus
Stadt und Land.
Von
Geh. Med.-Kat Trof. Dr. M. Kubner,
Direktor d^r liy^den. Institute zu licvlin.
Nach einem am 10. Januar 1898 su Berlin
gehaltenen Vortrage.
48 Seiten 8°. Geh. Preis M. 1.-.
Verlag Ton R. Oldenboug, Mflnehea ud Boiii.
Ober
Luft und Lüftung der Wohnung
nd verwandte Fragen.
Von
^Climcke, Rogierungs-ßaumt a. D.
Preis 60 Pf.
Verlag von R. Oldenbourg, München und Berlin W. 10.
Soeben erschien:
Die Gerichtsverhandlungen
über die
Gelsenkirchener
Typhusepidemie
im Jahre 1901.
Von E. GRAHNy Zivilingenieur.
Mit einem Anhang:
Die Bedeutung des Jahres 1901 für die
Wasserwerke.
Sonderabdruck aus dem „Journal für Gasbeleuchtung und
Wasserversorgung**.
79 Seiten, 4^ mit Textabbildungen. Preis M. 3, — .
Aus dem Inhaltsverzeichnis:
1. Aus der Zeit der Voruntersuchung.
II. Das Epidemiegebiet und seine Wasserversorgung.
III. Tatsächliche Ermittlungen vor und in den Gerichtsverhand-
lungen.
IV. Aus den Gerichtsverhandlungen.
Ö
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Derlag Don R. Oldenbourg in mund^en und Oerlin.
Glätter für DolUsgefundlieitspflegc.
(ßemciTiDcrftänMidje ^citfdjrtft.
Organ bcB Dcutfcbcn Dercfne für Dolfiebsdtenc.
I^crausgeher: präft^ent Dr. USbltex, Dr. <0raf Douglas, <ßeb.*Hat
prof. Dr. V. tc^bcn, (Sebyllai prof. Dr. Kulbtter.
Scbriftlcituiig: Dr. med. X. 3JcertPaI6, ^Irst, Berlin, prof. Dr. ^idter
Dom l^Ygicn. 3nftitiit, Berlin. Dr. jur. ®. 8au%, (Setj.'Hcg.-Hat, Berlin.
ITTonatltd? 2 tiefte A \6 Seiten in <2?uartformat. Die geüfd^rifi fofM jSI?rI. ITL 4.80.
OerötTcntlüDungen
brs
Deutf(jt)en Dercins für Dolbsl)p0ltnc
f^erans^egeben von
Dr. Ä. ^ccvwalbf Berlin.
Von biefen l^erdffentlid^nngen bes Deutfd^en Vereins ffir Dolfsiiygiene, beffen
fegensreidjes IPirfen trog ber Kär3e feines Befief^ens fd^on bie tpeiteile änerfennun^
o^unben Ijot, foUen jfil^rlid; ^—6 l^efte 3um Preife pon je ca, 30 — ^o -^ erfdyetnen.
X)ie Peroffentlid^ungen [xnb von IRinif^erien unb pielen t}ot)ett Bet}drben amtltd?
empfot^Ien unb follen mit UnterfHi^nng btefer, fovie t^umanitär gesinnter Privat*
perfonen, Unternel^mer' unb anberen Perbänben, Teretnen 2C. bnrd; maffenperbreitnng
^ufflärung über 9efunbl}eitlid|e nnb ^fgienifd^e fragen in aüt Kreife bes Dclfes
tragen, befonbers in bte Kreife ber nanbroerfer unb 2(rbeiter. ZTtit Hficfrid)t auf
biefen ^^td ftnb bie preife, namentlid; für grdgere Partiebe5fl9e, fefjr niebrig fcflgtfe^t.
«Eifdiienrii finb:
l)cft \: VetfiHtung bev tiubcvfuloU (5dmMnbfiu-i?t). rortrui) von Arb.'Kat prof. Dr. €. Don
Cffbrn, arbalteri im ^Ar^rrfaal ^(5 Kathuuffft .^n Berlin. Ullt tintm (Eitrlbilb Hn^ 4 (Trrt
fi^iirrn. p'rris 50 ^|. Pott rot^ £r. nb 2;") ^, von 200 ^r. ab Zu J^, von 500 €r. ab \8 -S^,
noji nwo €r. flb Ut 'St von 2(KW €'r. ob \2 ^.
r^cft 2: Seruf^wa^t unb (Srperltdie Unlagtn, 3tti ^(uftraije brs Tereins fflr Pairsf^v^irnr in
nitinrf?en unter Ulitarbetf i>oti Dr.Dr. 21aboIccptY, €&. £jirt. H, 5*netber, .ir. Can^e
unb t). Iicutnafer beruusijeijeben iton pro^effor Dr. 01. iSa!?n, iniindien. 9 Crnnjuren.
preis 40 ii. Ton lüO €r. <ib 3.0 ^, von 2iX) €r. ab 30 .Öi, pon 500 €r. ab 2.5 5^,' opn'tOUO €r.
ab 3) -Sj. POn 20f)0 €r. üb 18 -i*j. '
ßeft 3: ilot^ilfe b<l t>€rlel}un0<n. Pon Dr. 3«I. 5e^Ier, piipolboient an ber llniperfttat inänd«en.
fpreiic ivi* bei l^tft I.)
r^eft 4: <»efun5I}eit unb 2IIfoI}oI. Portnig, gehalten im i.^arjerfaol bes Hatbaufes lu ^^rrlin Dor
ber (.Hrti^ruppp bes Pereins für Polfsbyijicne, von Prof. Dr. *£url «fraenfrl aus t)aVit a. 5,
(Preife wit bei lieft l.)
iSefr A: X^U fiäu»lidt< PfU^e bei an^edenbcn Xranfljeitett, ln3bticnbevt bei anflctfmben
Rln5crfranr^citen. Drei Portrage uon Dr. K. PoII in Karlsrube. (prelle n^ie bei fteft 2.)
beft 6: Die t>crl}Utun^ ber <0efd)l<d)t«franf^dt<n. Pon Dr. med. Heuber^er, :Xätnbrrj.
(preife loti' bei ISett i.)
l'vff 7: Xilc <S5cfunM}«it5pfIes)e auf bem tanbt. Von "KieisatH Dr. IticfeL perleber^. (Prrtfe n*it
bei lieft 2.)
f»eft s: Di« ^ebeutung bcv Saftcricn für 5i< <0(funb^(it*pfl<0(. Pon profrffor Dr. 21. U? äff er •
miinn, Berlin (preife ipie bei tSeft \.)
lieft 'i: £^Vi9i^*t< bcs i^er^cns. Pon v^Sebfitnrut prof. Dr. <Po Ibf d?eiber, Berlin. Cpreiie a^if bei
^n Potbereitun9 jlnb :
irol)nun0*l}Vdi^ne von (Pel^eimmt prof. Dr. Ilubner. Berlin.
I^äu5ltd?« 0cfunM}eit5pfIe0C >.beb«tnbelt aU ^ortfe^ung su Ivft I, bie Dispontion) von prof. Dr.
ip i u tv it^ Berlin.
3ur fi^^icne bcs ^d^ulfinbcs uon «J^ebeimrat prof. Dr. lioffa, Berlin, priuatbojcnt Dr. Reifen.
ftra^buri} i. €.. unb Dr. €ubl{n«>rt, Berlin.
Die pflege bes tttn^es im crften Cebeit^ia^re pon prof. Dr. t^d^Io^mann, Bcrsbrn.
Uber bie £rnJif}run0fftI}erapie. Pon prof. Dr. €. u. Ceyben. Berlin.
Die Kuitft dlt 3U wexbtn. Pon <Peb. inebi5inalrat Prof. Dr. «ipatb, Berlin.
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ARCHIV FÜR HYGIENE.
/BEdUrNDKT V(^X MAX t. PKTTKXKOFER»
- r vt
ITNTKU MITWIRKUNG
VON
Prof.l»r.O. )M)MJN«;K.II. Mrnu-ln»n; Prof. l)r. ItONIlOKK, Murhur^' a. L. : Prof Dr. K. EMMKRH^H,
Mi'uHhi'n; rrnf. I»r K. KHISMANN. Zürich; Fi»f. Dr. HKIM, Krl«TiKCii ; l'rof. Dr. F. HIKPFP:,
rrajr; Pn>f. T>r. K\HRIIKL. FTm^'; TTof. Dr. V. Klt.VTS('llMKIt. Wirr»; IT..!. I>r. K. LKHMANN.
WurzburR; l'rcf. l>r. A. L<>r»K, IinislifiK-k ; Prof. Dr. I.. PKK.IFKKl:. liu^tock ; r.vntmliirzt
Dr. .1. PORT. WürzJjiirjf; Pnif. Dr. W. I'RArSNITZ, «;niz. Prof. I»r. F. RKNK, Un'sdpii; Prof.
Jir SClIoTTKI.irs. Frl•ibur^' i. B. ; ^JfniTiil.OM'nirzt Hr. \. .--«.iHI.'.STER. Miinchon ; Prof. Dr.
WKFiNlrKK. P.iscn
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Vt »N
J. FOBSTEB, M. ÜBUBEE, FB. HOFMAM, M. BUBNEB,
(».«'».PROriLSSOKhN MCR llUilKNF. UNO I'lUF.KTUltKN HRK HY(;iKMSCilRN I.N^TITL'n. AN ÜK.V UNIVERSITÄfliX ZI.
STRASSBÜRG MÜNCHEN LEIPZIG BERLIN.
VIKRlIXDFl'NFZIUSTKR BAND. 2. HEFT.
Olit Tafel I.)
MÜNCHEN INF. BERLIN.
burciv r\i» vKUi.Ac. vo.\ k. omhinikm kg.
I905.
Oerlag Don R. Oldenbourg in mttnd^en und Berlin.
Blätter für OolUsgefunillieitspllegt*
(ßcinciiiDcrftäiiMtcbc ^cit^dizi^,
Or^an Des Dcutfcben Vctcine t&c Voilieb^Qicnc.
l^rausgcbcr: präftbcnt Dr. S56iler, Dr. <0raf Douglas^ ißcb.'Hat
prof. Dr. V. £c^ben, (ßcby^ai prof. Dr. Htubncv.
Schriftleitung: Dr. med. K. BcertPalö, ^Irst, Berlin, prof. Dr. ^iifer
i>om I]vgicu. 3"ft>tut, l^crlin. Dr. jur. <B. ^an% (ßcl].^Äe^.'l\at, Berlin.
IHotiatlid^ 2 l7efte ä ^6 Seiten tu O^iuirtformat. Die §eitfd}rift foftet jät^rL ITI. 4.S0.
\)tx6Ucaüi0nngtn
bes
Deutf(jt)en Vereins für OolUslipottne
{{erausgegeben von
Dr. Jß. ^cCTWalb, Berlin.
Die Peröffentltd^ungen ftnb von IRinifierien unb Dielen i}ot}en Bet^örben amtltc^
empfot}Ien nnb foUen mit Unterilügung btefer foipie tiumanttär geßnnter privah
perfonen, Untemel^mer' nnb anberen Terbfinben, Dereinen 2c. bnrd; Illaffenperbreitnng
2lnffl5run9 über gefnnbt^eitltd^e uiib t^ygienifd^e fragen in alle Krcife bes VolH§
traaen.
<£rf(bifnrii f1n^:
ftr^r I Z><rf}fituit0 5<r tLuh«ttulc\€ tSd>ivu\i>iuditi. Vottxaii von (Srh.'Kdt ^vol Dr. C. von
CcY^en. ^rbaltrn im l^ärgrrfiial b(5 Hutttiuifes \u Berlin. Xtlit rinem Citribifb nnb 4 (Crrt'
nijuren. preis 30 -li. Don lo«i €r. ab 25 i*\, noii 2fNl Cr. «b 20 J^, pon r>iiO Cr. ah 18 i^.
Don l(V>0 Cr. <ib IR'^. pom 20<h» Cr. ab 12^.
\-vf: : 9cruf*lPa(l Ult6 förperlid}« Uhla^tn. 3ni ^luftra^e be» Drreins fdr PolFsbr^jimr in
ITliinrbrn unter tllirarbrit uoit Dr.Dr ^laboIer^nT. Cb. ^irt. H. SdMieiber. .^r. Cangr
unti IV 2Triimaycr beraii »gegeben pon profeifor Dr. 211. l)al?n, müncbrn. 4 ^ertii^uren
prei* M» *'j. Pon KH) €r. ab .1". 5j. pon 2iiO Cr. ab 50 i\. von 500 Cr. ab 20 ^, non IiMXtCi.
ab 20 l\, von 2IXK» Cr. ab IH i^. ^
brtt .-. : Uoti}iIfe bei PctUHiin^cn. Von Dr. 3ii(. jefiler, pcipatbojent an bcr llnipcrruät mancbfn.
(preiie wie bei l'^eft I.)
r^c*t i <DCfunM}<it unb Ziltofnol. L^ortra^, gcl^alten im Si^nrgerfaal be? ^latbaufes .)u Z^rlin oot
^cr ("rtägrnppc br& l>i'rcin* für 'JoIfsl'Tgicne, Pon Prof. Dr. £arl .^raenfel ans Ralle a. S.
(Prfife ivie bei lieft {.)
>'r*t .'. Die f}äu*lid)< Pflege bei an^tcdtnbtn Kranffieiten, in*befon5<r< bei anftcdoi^cti
ftinöerfranf Reiten. Prei l^ortrdge uon Dr. K. PoII in Karlsrube. (preii'e wie bei Vftftl.)
>n*ft (. ; Die Z>er^ütung bct (Befd}led)tcfranrf}eiten. Von Dr. med. Iteuberger, Ztnrnbrrg
preiie irie bei IhcU \.)
i^p't 7: tiie ^cfunM}eit*)>fIe0e auf bem Can5e. Pon Krei^arit Dr. nitfel, perleberg. (preifr trie
hi'i Ivft 2 )
!>eft K : Die Sebeututtg 5er Bafterien fiir Me <f$efuitM}eit*i^fU0e. Von profrffor Dr. 21. ZTaff er«
mann, yrrlin. iprci'r nüe bei T^eft U)
i^e*: 'r t^Vjjieite b€S l^ttyn*. Von (Pebfimrat pror. Dr. jBo Ibf d^elber, Berlin. Cpreiie rote hei
l^cU \ ^
iM*t ii» Die Kunft alt ju tperöen. Von v^eb. ITIeMsinalrat prof. Dr. Cn^alb, Berlin, (prtife
nne bei iTfl ' i
\-f*' 1 1 : <0runöfäi)e 5er Crnäljrung für <Refuitbe unb Kranfe. Von (Pebeimiat prof. Dr. C Pon
t'cv^''"- '.pri'i'<* nnc bei V>eU l ;
3ti roiboreitung tl^^:
iroi>nungsi)i^i)iene :>on \.^fbrtmrat pio^ Ür. 2tubner, Berlin.
i^än3liöie Äefunbl^eitffpflcge lbl*ban^eIt ah .^ortfenung 5u Oeft !> Me Pispofition) Pon prof. Dr.
v^rauMfi. Betlin.
3ur ^^Qtcnt be* Sd^ulfinbes pon <5^ebeimrat prof. Dr. boffn, Berlin, priuatbosent Dr. 3'f^^"-
Strasburg i. C. nnb Dr. Cublin^fi. Berlin.
Die Pflege bes kinbe« itn erften €eben*iaf}re pon prof. Dr. f cblo^mann, Bresben.
Hierzu eine Heilage von fWi Wv\c\i\\«lti^\v\tv«, ^\v^\«^ li^^k.» Ci.iii. h. H., Lelfiir-
ARCHIV FÜR HYGIENE.
.BKi^Kt'NDKT VON MAX v. PKrrENKOPER.
UNTKU MITWIRKUNG
V« »N
I'rof. Dr. «). UOUJN'JKK, Miiii.lirii ; Prof. Hr. HONIIOIT. Miirbiir;;' «. l.. ; I'nif Dr. IX. KMMKRICII,
München; l*rof. Dr. K. KKISM.VNN, Zürich: Frof. Dr. HKIM. Erlangeu; Prof. Dr. F. IIIKPPK,
Vnfg-, Prof. Dr. KAIJKIIKI.. l'ruikf: Prof. Dr. I\ KKATs^ClIMElt, Wien; Prof. Dr. K. LKIIMANN,
Würzbur^'; Pn.f. jDr. A. I.ODK. Innsbruck; Prof. Dr. L. PKETFFKR. Uostock; Prt.f. T>r.
W. PRArSNTT/,. ';ruz, Pn»i. Dr. F. KKNK, Dri'.s«U»n ; Prof. Dr. SLH<nTKLIl'S, h'rniburg i. B.;
<ienor»ilulM?nirzt Dr. A. .»^«'HFSTKIt, .MünHi.'u ; Pn)f. IM". WKK.VK'KK, Posen
HKKAUSGltlGEBEiN
V(»N
J. FOBSTEB, M. GBÜBEB, FR. HOFMAM, M. BUBNEB,
il.Ü.FKOriCHSOKKN HKK IIYiilKNK UNI» UlKKKTnUK.N UKK HTaiKN'lMHBN I.NSTITI IK A> l/KS L'NI VEK8ITÄTKN ZI'
STRASSBURG
MÜNCHEN
LEIPZIG
BERLIN.
VIERI NDFIjNFZIGSTER BAND. 4. HEPr.
(.Mit Tafel 11.)
MÜNCHEN INI) BERLIN.
DlilCK l'XI) VERl.AG VON K. OLDKNr.orUG.
1906.
Inhalt.
Weitere Erfahrangen über Aggressinimmnnität gegen den Shiga-Kru Besehen
I)y8eutericba%illu8. V^on Dt. Yoneturü Kikuchi. (Aus dem Hygienischen
Institut der doatscheu Univernität in Prag. Vorstand: Prof. H neppe) . 2
t'l)cr Bloiverjriftungen durch eine Wasserleitung. Von Inspektor Dr. Paul
Fortner. (Aus der k. k. allg. Untersachungsanstalt für Lebensmittel der
<leutBchcn Universität in Prag. Vorstand: Prof. Hueppe) 3
Die Bakteriendurchlässigkeit der normalen Magendarmschleimhant im Säuglinge-
alter. Von Dr. med. R. Hilgormann. (Aus dem Hygienischen Institut
der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rabner.)
(Mit Tafel II) S
Blutparasitcn und Erythrocytolyse. Von Dr. A. Nif sie. (Aus dem Hygieni-
schen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med. -Rat Prof. Dr.
M. Rnbner) 2
Über den Einflufs dos Hungers auf die Bakterien durchlässigkeit des Intestinal-
traktus. Von Prof. M. F ick er. (Aus dem Hygienischen Insütnt der Uni-
versität Berlin. Direktor: Geh. Medizinalrat Prof. Dr. M. Rubner) . . . S
Über das Verhalten der aeroben Keime gegenüber der absoluten Sauerstoff-
entziehung. Von Dr. Walther Willimsky. (Aus dem Hygienischen Institut
der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rubner) . . 5
Zum Nachweis fäkaler Verunreinigung von Trinkwasser. Von Oberarzt Dr.
Christian. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität Berlin.
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rubner) 3
Sind bei der bakteriziden Wirkung des Blutserums osmotische Vorgänge im
Spiele? Von Dr. Georg Leuchs. (Aus dem Hygienischen Institut der
Universität München. Vorstand: Prof. Max Gruber) 3
NA(?ni)Rr(:K vkrboten.
In dem nächsten Hefte folgen:
Roagentien und Versuchsmethoden zum Studium der proteolytischen und gelatinoly
sehen Enzyme. Von Prof. Claudio Fermi. (Hygienisches Institut der Kgl. U
veraitilt Sassari [Sardinion].*
Über di(' reuchtigkoit verschiedener Mauerarten. Experimentelle Untersuchungen v
Ing. Riccanlo Bianchini. (Hygienisches Institut der Kgl. Universität Tur
Direktor: Prof. Dr. L. Pagliani.)
Einsendungim heliehc man an Geheimrai Professor Dr. Rubner, Berlin M. 4,
Hessischestr. 3-4, zu richten.
Verlag von R. Oldenbourg in München und Berlin W. 10.
Hygienisches aus Stadt und Land.
Von
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner,
Direktor der Hygienischen Institnte /ii Berlin.
Nach einem am lO. Januar 1898 zu Berhn gehaltenen Vortrag
48 Seiten 8^ Preis geheftet M. 1.— .
Verlag von R. Oldenbourg, München und Berlin.
Leitfaden der Hygiene
fUr Techniker, Yerwaltongsbeamte D.$taillerende dieser Fächer.
Professor H. Chr. Nussbaum in Hannover,
ra. 40 Bogen mit zahlreiclien Ahhiklungen. Preis eleg. gcli. M. 16. — .
AiLS dem Inhalts-Verzeichnis:
. iüe l.iifl.
II. Die LilftiiDg iler Aiif-
enthallsrSume.
in. Die Wärme.
IV. Die ileiztint;.
V. Die Kleidung.
VI. Das T-icht.
VIT. Die Tiigesbeleiiohtung. XV. Das Geßngnit.
Vlir. Die klln»ll. »elfuchlg.
IX. Der IMcn.
X. l^r Städtebau.
XI. Das WohnhaiK.
XII. Die Schule.
XIII. Das Krankenhau^j.
XIV. Die Kaserne.
XVI.DieWasscrverJorgunR.
XVn.DieUeseiöpinetler
AhwiLiaer und Alihll-
stofTe.
XVlII.DieLeicbenbestattunj;.
XIX. Die GewcrblhSrigkeit.
XX. liakteriolt^e.
XXr. Die EmähnuiR.
Einige Urteile der Presse;
. . . Dur Inhalt dieses Ituches erscheint uns
Erlaubnis de.-i Verfaisurs Gelegenheit nuhnicn wci
Ober besondert aktuelle Kraben unseren l^sem
laRlhren. Wir können <lic .\nM:hafrung ilieüc.-' inl
den i^bililetcn Laien [[ut veniSndlich geschrietiei
) wertvoll, daäs wir vielleicht mit
in, kurie AuHiÜge aiLi demselben
1 der iTecliniächen Woche« vor-
issanlen Baches, welches auch fUr
St. durchaus empfehlen.
(TKkmi.hf Wf(Mc.)
^ seiner .Art iat, sollte in keiner
. . . Jeder Kachmann, um
P'reude haben und wird in der
der Anregnni; und Helehrunn i
der e» werden will, inu^s an dem lluche seine helle
klaren. lichtvollen und leicht fisslichcn .VusfUhningen
ieht ermangeln. . . .
(Zätickrijl für roliui- und V<n„allunssbtiimU.)
. . . Alles in allem : der Leitfaden t^t ein vnllendetes Werk, das nicht nur dem
Kachmanne Teiche IJelchrun); bringt und nir(;ends im Stiche läkHl, .andern auch dem
Laien ein I'rtcil tlber die hygienischen Verhältnisse seiner näheren und n-eiCeren Um-
pbnng emiüKliclil. f.VüucAiur Allgemäni ZeituH);.}
. . . Das Buch bedeutet mehr als ein wertvolle« Handbuch. e>, ist flir den Tech-
nilfer ein wichtiges Rllstieug, insafeni es ihn bcfShigcn soll viele l-'n^en. deren He-
aatwortung bisher anderen Faktoren überlassen blieb, selbst zu lösen. Es ist deshalb
fbr alle diejenigen, die als Verwaltungsbeainte oder in ülTenIlichcr Arbeit stehen, un-
entbehrlich, und der Verfasser darf das Verdienst in Ansiinich nehtnen, mit seinem
Werke der deutschen Technikerschaft ein wertvolle* Geschenk gemacht t.a haben.
(DtHltAc Rauhütlf.J
Perlag pon R. Oldcnbourg in münden und Perlin»
Blätter für Oolfesgcfuntlöcitspflcgc»
(ßcnicinpcrftänbliAo J^^itf^^if*-
Or^an öcd Dcutfcben DcxcUxs tut l)oIlidbt>dicne.
X7crau5acbcr: präftbont Dr. BöMfer, Dr. <0raf Z^ouglas, vßob. 2?at
Prof. Dr. V. €cygbtn, (Reby^at prof. Dr. Httbner.
5d>riftloitinia: Dr.med.lC.8ccr«>aI*, :Jlr5t, i3crlin. prof. Dr. ^ider
pom bvcjicn. 3"ftitut; i^orlin. Dr. jur. <5. Rani^, (Rcb.llcg.-llat, Berlin.
inoiiatltit 2 r>efte ä i6 Seiten tu O^iiartformat. Vit gettfd^rtft foftct jäbrl. 111. 4.80.
Oeröflrtntli(t)ungm
Dcutfrjt)cn öercim für Oolfesöpgictic
bcrausoiearben ton
Dr. Ä. Sc€nt>aI6^ i^orli».
Die reröjfentltd^uiigeii fnib oon llltniftericii utib vielen t^ol^en 3et{dröen amtlid^
empfot{len uiib foUeri mit Unterfüt^ung tiefer fomte t^umanttar geiitintcr prtoat*
perfonen, Unternet^mer' unb anberen Derbänbeti, Pereineti ic. burd; maffetirerbreitnti^
Unftläxunq über gefunbt^ettltcbe unb bVdi^tf^^ (fragen in alle Kreife ^ts Polfts
tracien.
«Erfditencn ftnb :
r^rft l: X><rl}ütun0 bcx ILuberluloic iffiMvinMiidit';. Portrad i>on <Sel;.<^iit prof. [)r. <f. von
€rY^fn, ^rbalten im S^üracrfuol ^^9 ilotbiüifcä ^ii Serhn. OTit einem (Chrlbilb und 4 Irrt.
ft^uren. preis 3» 5). Pon uwi <2r üb 25 5j, mm 2iX) €r. ob 20 J^, pon öi»0 €r. ob is ^,
Pon UioO £r. ob 13 '^. uon 2(>0t) sEr. üb 12 ^Si. . '
l)tft 2: 3tfTufsiPa^l unb törpcrUd}c Zlnlagen. ^m ^luftroije bes Perein? fär PoIfrhT^irne in
müncben unter lUitarbeit Pon Dr.Dr. Iiobolecjny, €&. £Sirt. 2?. 5*neiber Sv- Conje
unlt l) II e um UV er beruu&ijearben pon proteffor Dr. 131. Pubn. inündien. »» ^ertü^nren.
preis" -M) ;•,. l»on UM» «Er. (\b V» ^. Pon 200 <2r. ab 30 ^. von äiHi »Er. ab :.". Si, vvn <Oo»i €r.
üb 2«» -l-j. Pon 20(Ki »Er. ab 1.8 *>».
(Seft 3: tlotIfUfc bti VexUHÜngen. Pon Dr. 3ul. ^ebl^r, priuatbosent An ber llnipertität Hluni'hen.
(preifc ipie bei l^eft \.}
r^ft 4 : 9<ftlllMKit unb 21ieoI)Ol. Purtra^. Debatten im I^ürgerfuol bes ^^arboiifes jii 9rrIiH por
ber iPrtäijrnppe bes Pereins für PolPsbygicne, pon Prof. Dr. <EinI .^raenfel an^» KtUe a. ?.
(Pccife wie bri IVH l.)
r?eft ö: DU I^ausUc^e Pflege h<i anfttdtnbtn UtanlfitiUn, In^btionbttt bti anftedcnbcn
ftin5erfranfli<itcn. Drei Porträge pom Dr. 1(. Doli in Karlsruhe, ^prriie wir bei r^eTr2..-
iSeft r. : Hie X>cri}ütnng ber <0<fd^U<4tsfräntfhrtt<n. Pon Dr. med. rtenbrrger. Itiirnbrr^.
iPrrijr ivie bei ISeft i.)
befi 7: uie <Refun^^c{t5pflc0e auf bem fanbt. Pon 'Jirei&orjt Dr. littfeL perlrber^. (Preiie irie
bei iSefi 2 )
iSeft »: Hie 3e&eiitttni) ^er Safterien für bie ^tiunbl^eit^pflcge. Pon profeffor Dr. 21. ll'^ah'rc'
mann, 2*erlin, (prei'e ipic bei £>eft l.)
l?eft ';: tiy^itne bc» ^etjen». Pon «J^ebiimrot pro», br. *Pü Ibfrfjeiöer, öcrlin. (preiic tvn htt
iVft «0: Hie Kunft alt 3U werben. Pon *.^cb. Hlebt^inalrat prof. Dr. Ciralb, Berlin. Ipreiie
U'ie bei l>e»t i.)
r^ert M : 0run5fAt(e ber 4itnälirung für <Bcfiinbe unb KranC«. Pon (Brt^cimrat pro«. Dr. «E. von
Ceyben. 'prrife tric bei l'^ett {.)
3n Porbereitun j unb :
U>oi)nttngsl}VdUtie Pon (S^rbrimrat prof Dr. Iiubner. l^erlin.
l)äu»lidit ^efun^fjeitspflcg« ibet^anbelt al« .iortfet^ung ju l'^eft I, bit Di»rotlHoni pon prof. Dr.
«P r .MP iti . i^erlin.
^ut i^i^^tene be» fdfulfinfres Pon (^ebeimnit prof. Dr. l'-^offa, Berlin, ptipoibojent Dr. 3ri»fn.
5tTi)Hbura i. ^. unb Dr. €ublin»ri, Berlin.
Hie Pflege bes iüTtbes im erften Ccbensial^re pon prof. Dr. 5i1>Ioftmann. Pre^ben.
teixiGiW«.| !rw...J
ARCHIV FÜR HYGIENE.
!iK<ilirNl>KT V(»N MAX v. PETrKXKitFKB.
IJNTKlt MITWJliKUNci
l'rul. tw. '>. mil.I.rM.Ei:. MrinHn-u : IThI. Hr. IIKMKIPK. >lurl.iirB », I, : ITot. Ii
Mflni'hfii: Prüf. i'r. V. KKWMAXV, üiiri.-h : ITgf. I>r. HKHI, Kriiiiigi-!i : Prot.
ITbb; ITul. lir. KAunirM., llnj.'; 1T..(. J'r. K, KK.VIH lIMEli, Wien; ITol. I)
■.VQrübiii)!; IT..I lir. A. l.oliK. InriHl.nick : ITkiI. Lir. I.. PKKlh-KEK. ito-
\V. l'KAIriSlTK, liral; i'n-f. [if. f. KKNK. [m>«.l«ii; iTof. Ur, SflimTJXll*
';eii.Ta1i.0nrnrv,t lir A, si-fir.-!TKU, Mlintlien; l'wF. Hr. WEKMi'KE.
HKUAUöUHtiKBEN
J. FOBSTEB, M. aBDBEB, FB. HOFMAM, M. BITBHEB,
STRASSBDRG MÜNCHEN LEIPZIQ
Fr>FrXllFl'>FZlOSTKK BAND. 13. HKPT.
[Mit Tafel 1.)
MTJNCHEN ISü BERLIN.
DÜLCK i:X[i VEBI-AG VON R. OLFIPINniHRG.
leoe.
Inhalt.
feirc
Kx]>(:nrf.*:r.*«-;!e .Studien iiiier 'iie l^iirr^h^^ingi/keit -ier Wand an 12 eu 'les Magen-
dürmkanaie.-* iieujfe^-Tfrner Tiere fr:r Rakterien f:r.'i senaine Eiweifratoffe.
Von l)T. A ibert Uffenheimer. Kinderarzt in München Ans dem Hy^eni*
"chen Institut der Universität München. Direktor Oberme«iizinalnt
Prof.Iir. Oruber., Mit Tafel i; 1
K^Hf^entien und Ver^nchsmethoden zum Stadium der proteolytischen und gelatino-
Iytii<chen Enzyme. Von Prof. Claudio Permi. Hygienischem Institnt der
K)^l. Universität .Sa^Bari 'Sardinien') 140
tl'ber die Kenchtiekeit vergeh i edener Manerarten. Experimentelle Untersach an g;en
von Int;. Kiccardo Bianchini. fHyfsieniBchei* Institut der Kgi. Universität
Turin, i^irektor. Prof. Dr. L Pagliani, 206
NACHDRUCK VFülBOTEN.
In (lein nächsten Hefte folgen:
Cher dufl Kindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile tierischer Herkunft
Von Max Ku bner.
r'l>er den MänsetyphusbazilluB und seine Verwandten. Von Dr. Richard Tromms*
dorf, ÄHsistenten des Institutes. CAus dem Hygienischen Institute der Uni-
versität München.;
l.)ie Tageskurve der Wasserdanipf abgäbe des Menschen. Von Prof. Dr. med. H. Wolpert
und Dr. med. F. l'eters, früheren Assistenten am Institut. '.Aus dem hygieni-
schen Institut der Universität Berlin.
über die Nachwirkung k/irperlichor Arbeit auf die Wasserdampfabgabe beim Menschen.
Von Prof. l)r. med. H. Wolpert und Dr. med. F. Peteri*, früheren Assistenten
am luHtitut. fAus dem Hygienischen Institut der Universität Berlin.;
Eiyisendunyeii hel'whe man an Geheimrat Professor Dr. Ruhner, Berlin M. 4.
Hessischestr. 3-4, zii richten.
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\\H)ii erscheint <ler 43. Jahr^an«;.
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Geh. M«d.-Kat Prof. Dr. Ewald un<i Prof.
Dr. POBBtr. .1)
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Verlag von Angasj; Ilirschwald in Berlin.
1006 erscheint der XVI. Jahrgang :
Hygienische Rnndschan.
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Prof. <1. Ilytritine in Halle. Prof. d. Hygiene in Berlin.
Dr. G. aUnther.
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zur mikroskopischen Untersuchung der Gewebe und Organe der
Wirbeltiere und des Menschen
unter Berücksichtij^iin^j der embryolo^ischen Technik.
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Dr. Alexander BOhm »nd Dr. Albert Oppel.
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Mit einem Beitrag (Rekonstruktionsmethoden) von Professor Dr. G. BORN.
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und die Trinkwassertheorie.
Eine kritische Studie
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Dr. Auerbach,
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UmfanjT 68 Seiten 8^ iMil Textabbildungen. Preis M. 1.50.
L
Aus dem Inhaltsverzeidinis.
Statistik. Sterblichkeit. Verlauf der Epidemie. Die Kurve. Die Milch.
Die Badeanstalt. Die Wasserversorgung. Die Häuser ohne städtische Wasser-
versorgung. Die lürstlichen Häuser. Das Quellgebiet. Ansteigen der Keim-
zahl im November. Die Typhusfälle in Johannaberg. Berlebeck bleibt
typhusfrei. Typhusbazillen im Wasser. Typhusbazillenbefund im November.
Der Verlauf der Epidemie. Schlußfolgerungen. Anmerkung.
Leitfaden der Hygiene
fDr Techniker, Verwaltungsbeamte o. Studierende dieser Fächer.
Von
Professor H. Chr. Nussbaum in Hannover,
ca. 40 Bogen mit zahlreichen Abbildungen. Preis eleg. geb. M. 16. — .
Au.s dem Inhalts -Verzeichnis:
r. Die Luft.
Tl. Die Lüftung der Auf-
enthaltsräume.
IIL Die Wanne.
IV. Die fleizung.
V. Die Kleidung.
VT. Das Licht.
Vli. Die Tagesbeleuchtunij.
VII r. Die künstl. IJeleuchtg.
TX. Der Hoden.
X. Der Städtel^au.
XL Das Wohnhaus.
Xri. Die Schule.
XIII. Das Krankenhaus.
XIV. Die Kaserne.
XV. Das Gefängnis.
X V I. Die Wasserversorgung.
XVTl. Die Beseitigung der
Abwässer und Ahfall-
stotfe.
XV IIL Diel .eichenbestattung.
XIX. Die Gcwerbthätigkeit.
XX. Bakteriologie.
XXL Die Krnähnmg.
Einige Urteile der Presse:
. . . Der Inhalt dieses I^uches erscheint uns so wertvoll, dass wir vielleicht mit
Erlaubnis des Verfa-ssers Gelegenheit nehmen werden, kurze Auszüge aus demselben
über besonders aktuelle Fragen unseren Lesern in der »Technischen Wochec vor-
zuflihren. Wir können die Anschaffung dieses interessanten Buches, welches auch für
den gebildeten Laien gut verständlich geschrieben ist, durchaus empfehlen.
(Teckmsche IVpche.)
. . . Das Werk, das unseres Wissei;s einzig in seiner Art ist. sollte in keiner
städtischen oder überhaupt konnnuiinlLMi Bibliothek fehlen. ( Gemeinde- V'erwcUtungsblatt.)
. . . Jeder Fachmann, und der es werden will, muss an dem Buche seine helle
Freude haiien und wini in den klaren, lichtvollen und leicht fasslichen Ausführungen
der Anregung und Belehrung nicht ermangeln. . . .
(Zeitschrift für PoHui- und Venvaltun^sbeümte.)
. . . Alles in allem: der Leitfaden ist ein vallendeies Werk, das nicht nur dem
Fachnjanne reiche Belehrung bringt und nirgends im Stiche lässt, sondern auch dem
Laien ein l'rteil über die hygienischen Verhältnisse seiner näheren und weiteren Um-
gebung ermöglicht. fA/ünchter Allgemeine Zeitung,}
. . . Das Buch bedeutet mehr als ein wertvolles Handbuch, es ist für den Tech-
niker ein wichtiges Rüstzeug, insofern es ihn befähigen soll, viele Fragen, deren Be-
antwortung bisher anderen Faktoren überlas.sen blieb, selbst zu lösen. Es ist deshalb
für alle diejenigen, die als Verwaltungsbeamte oder in öffentlicher Arbeit stehen, un-
entbehrlich. uHil «ler Verfasser darf das Verdienst in Anspruch nehmen, mit seinem
Werke der deutschen Technikerschaft ein wertvolles Geschenk gemacht zu haben.
(Deutsche Bauhütte.)
Jlior/ii eine r>oi\i\uci n'ot;\ iVei A\\\v\\\\\\w<V\\\w^ VV'^^X.vi \w\. \w VM^A^,
D
ARCHIV FÜR HYGIENE.
BKl4Ri;.VI)ET VON ÄiX t. PBTTENKOFGR.
UNTER MITWIRKUNG
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llOl.Dr.O. B0LLIM;KK, München; I'rol. liMlUNHOKf . Slnrbiiix a. L.; fror.llr II. KMMEKICH.
MÜDOhenL Pror. Dr. f. EMSMA^iS, KDriih; l>rut. Di. IIKIM. Kriuiiicii: llol. Dr. F. HL'KPPK,
Pn«; Prol. Dr. KABRIIKI.. Fan : ITof. |ir. F. KBATSC'IIMKH, Wien ; ITol. Dr, K. LKHMANN,
WDnbnr«; l>n>t. Dr. A. l.(il>K, lDii9t>nirk: Prot. Ur. L. fFKlFFEK, UoalOCk; Prur. Dr.
W. PKACSNrrZ. i.m: ITgl. I>r. ¥. KENK, lirnidaii i ProT. Ui. c>CIIOTTElJl~r:. FnibiirK I. B.;
r.BDenlubennt lir. A. ^CBUÜT&K, »Unrhan ; Prof. Dr. MKKNIl'KE. Puaeti.
HERAUSGEGEBEN
J. FORSTEB, M. GEDBER, FE. HOFMANN, M. ETOHEE,
i\li.nonttunti dir hiuiekk ukd dihrktoiien dih HTanviBUHiM ikrtitutb in den UNiitHsnlicN lu
STRASBBURQ HÜNCHBN LEIPZIO BBKUN.
FfNFl NDPPNPZIHSTBR BANl». 3. UBPT.
MÖNCHEN i!NU BERLIN.
UUrC'K INII VKRI,AG VON R. Ol.DKXÜi'l'HU.
leoe.
Inhalt.
Tber da« Eindringen der Wärme in feste Objekte nnd Organ teile tierischer
Herkunft. Von Max Rnbner
Clier den Mäufletyphaebazillns und seine Verwandten. Von Dr. Richard T r o m m 9 •
dorff, Assistenten des Institutes. ^\us dem Hygienischen Institnte der
Universität München^ 279
I>ie Tageskurve der Wasserdampfabgabe des Menschen. Von Prof. Dr. med.
H. Wolpert, Oberassistenten am Institut, und Dr. med. F. Peters, froherem
Assistenten am Institut. 'A us dem Hygienischen Institut der Univeraitftt Berlin'
über die Nachwirkung körperlicher Arbeit auf die Wasserdampfabgabe beim
Menschen. Von Prof. Dr. med. H. Wolpert, Oberassistenten am Institut,
nnd Dr. med. F. Peters, früherem Assistenten am Institut. (Aus dem
Hygienischen Institut der Universität Berlin
NACHDRUCK VERBOTEN.
In dem nächsten Hefte folgen :
Organeiweifs und Nahningseiweirs. Von Dr. Ulrich Friedemann, Assistenten am
luHtitut. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh.
Med. -Rat Prof. Dr. Rubner.)
Neue biologische Beziehungen 7.wi8chon Koli- und Typhusbakterien. Zugleich sin
Beitrflg zur liOlire vom Aggrehsnin. Von Dr. Gottlieb Salus. TAus dem Hygieni-
schen Institut der deutschen Universität in Prag. Vorstand: Prof. F. Hueppe.)
Tbor die Fällungen von Eiweifs durch andere Kolloide und ihre Besiehungen zu den
Immunkörperreaktionen. Von Dr. Ulrich Friedemann, Assistent am Hygieni*
sehen Institut der Univernität Berlin. (Aus dem Hygienischen Institut der Uni-
versität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner.)
Der Einflufs der Verankerung des lytischen Aml>ozeptor8 auf die Zelle. (Bemerknng
zu der von Leuchs in diesem Archiv, Bd. 54, Heft 4, erschienenen Arbeit »Sind
bei <ler bakteriziden Wirkung des Blutserums osmotische Vorgänge im Spiel?«)
Von Privatdozent Dr. R. Fried berger, L Assistenten am Institut (Aus dem Kgl.
Hygienischen Institut der Universität Königsberg i. P. Direktor: Prof. R. Pfeiffer.)
Zusatz zu der vorstehenden Bemerkung Dr. Friedbergers. Von Prof. Max Gruber.
Einsendungen beliebe man an Geheimrat Professor Dr. Rubner, BeHin /K 4,
Hessischestr. 3-4, zu richten.
Verlag von R. Oldenbourg in München und Berlin W. 10.
Hygienisches aus Stadt und Land.
Von
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner,
Direktor der Hygienischen Institute zu Berlin.
Nach einem am 10. Januar 1898 zu Berlin gehaltenen Vortrags.
48 SeUeu 8^ Pveis geheftet M. 1.— .
Verlag von R. Oldenbourg in München und Berlin.
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Oerötfentlidtiungen
Dcutfdticn ücrcim für üolfesöpgicnc
i^erausgegebeii pon
Dr. a. Beerxoalb, Berlin.
Die Derojfentltd^ungm ftnb von nttnifierten unb oteleti t)ot{eit Bet{drbfn amtltd^
empfot)Ien unb foQen mit Uttterfifi^ung btefer fovte t{iimatittSr geftnnter Prioat*
perfonen, Untemetimer* nnb anbeten DerbSnben, Dereineu ic, buvdf nXaffenoerbrettnng
2(nffldrun9 über gefunbt^ettltc^e unb t;Y9tenifc^e fragen in aOe Kreife bes Dolfes
tragen.
Crfcbienen flnb:
ßrft l: Vttttütnn^ bcr Cuberfulofc (5<^llMn^flld«t). rortraa von ^tb.'llKil prof. Dr. C. uon
CeT&rn. jebdltrn im {.^ftr^erfadl bcs Itntbdufrs fii Srcitn. mit rinrm Citrlbilb unb 4 fLtrt'
figtirrn. prrii 30 -&|. Ton iiiO Cr. ab 2r> ^, von 2n<) <£r. iib 2n ^. pon .'><iO Cr. ab ><=( <^,
von 1(100 Cr. ab (5 A» vom 2(N» Cr. ab 12 'J^.
tStft 2: 3entfsiDal|I nnb (9rpcrl{d}< 21nldgcn. 3>" «luftraar b«? Terpins fär rolf&bTairne in
ntöncfcen untre mitarbeii von Dr.Dr. 27aboIrcjnr. Cb? £Strt. II, SdMiribrr. .^r. Canijr
unb €t 2Trum airer ^rrausjr^rbrn pon profeffor Dr. XSl. ßabn^ Illiind^cn. V (Trrtfigurrn.
prei* 40 5|. t>on IOi.i'Cr. ab "j5 5|. von 200 Cr. ab 30 0{. von 5<M» Cr. ab 2'» ^. »im lOOi» Cr.
ab 20 <S). von 20U0 Cr. ab l» S\.
^th 3: notffilfc bei PerUlluiigeti. Von Dr. 3"i- j'blci^« priputbo^rnt an brr llniorriität inunci^tn.
(prfiff luie bei lieft l.)
Qeft 4: OcfunMfCit un6 2Il(ci}0l. Dortro^, ^ebaltrn im 2.^iir9rrfiuil br-> 2latt^uit>& sn Berlin vor
bfr UVtsijrnppr be* Drrrinä fflr rolPsby^iiMir, von Prof. Dr. Carl .^rarnPf l au* Ixillr a. 5.
(Prrifr wie bri t^cft l.)
Qffi A: 1>ie 4Au9lid}< PfUge bei anfttdtnbtn KrdttCfKitcn, insbefonbcre bei anftedenben
ainfrerfranf Reiten. Drei Oortrdije i'^on Dr. K. DoK in Karl?rubc. (prrifc luie bei hrrt2.i
QeU ft: VU Vtvltütting bet dl(fd}Ud}t9franfI)tfit<n. Von Dr. med. ' nruherger, ITürnbrrg.
(preife wie bei Reff U
tieft 7: Di< <BeftlftM)eit*pfU0< auf bcm Can5<. Ton Krrisarst Dr. riicfel. prrlebrri}. (preiie loie
bei bef t 2 i
^eft 8: Die 3<6«titttn0 5«r 3aftcri(n für bie <Refunbi}<it5pfI($<. Von profrfior Dr. 31. IPuifer^
mann. Berlin, (preiir ipic bei iVft I.)
l^eft ^: tiiigitne bes ^crjeti». Don «ffebrimrat pro». Dr. ©o Ibfd' eiber . yrrhii. ipreiu* nne bei
6eft l'
ßeft 10: t>i( Knnft alt .^u werben. l>on <S^rb. Ulrbiünalrat prof. Dr. Ciuolb, Berlin, (preife
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^AuflidK 9e\unblie\t3pfl€^e bebonbett als .forifet^ung su ^eft I, bie Piäpofition) von prof. Dr.
<Sraipitl. Berlin.
Suv S^Yai<n< 5c« Sdiultinbts von «Sebeimrat prof. Dr. l^offa, Berlin priputboirnt Dr. ^enen,
Strasburg t. C.. unb Dr. Cubltnöfi, Berlin.
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i»KH'K l Nl» VKRL.V^J VON U. OI.UKMU »llHi.
1906.
Inhalt.
( )rganeiweirn und NahrungHei weifs. Von Dr. Ulrich Friedemann, Assistenten
am TnHtitiit. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor :
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rubner) 333
Nene biologische Beziehungen zwi8chen Koli- und Typhusbakterien. Zug:1eich
ein Beitrag zur Lehre vom Aggressin. Von Dr. Gottlieb S a 1 u s. (Ans dem
Hygienischen Institut der deutschen Universität in Prag. Vorstand : Prof.
F. Hueppe) 335
Über die Fällungen von Eiweifs durch andere Kolloide und ihre Beziehungen
zu den Immunkörperreaktionen. Von Dr. Ulrich Fri ede man n, Assistent
am Hygienischen Institut der Universität Berlin. (Aus dem Hygienischen
Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner) :^1
Der Einflufs der Verankerung des lytischen Ambozeptors auf die Zelle. (Be-
merkung zu der von Leuch s in diesem Archiv, Bd. 54, Heft 4, erschienenen
Arbeit >Sind bei der bakteriziden Wirkung des Blutserums osmotische Vor-
gänge im $pier?<) Von Privatdozent Dr. E. Friedb erger, I. AsBistenteii
am Institut. (Aus dem Kgl. Hygienischen Institut der Universität Königs-
berg i. P. Direktor: Prof. R. Pfeiffer) 090
Zusatz zu der vorstehenden Bemerkung Dr. Fried berger p. Von Prof.
Max (früher 392
NACHDRUCK VERBOTEN.
In dem nächsten Hefte folgen:
Sozialhygienische und bakteriologische Studien über die Sterblichkeit der Säuglinge
an Magendarinerkrankungen und ihre Bekämpfung. Von H. Hammerl, K. Helle,
M. Kaiser^ P.Th. Müller und W. Prausnitz. (Aus dem Hygienischen Institut
der Universität und der staatlichen UnterHuchungsanstalt für I^benHinittel in Graz.)
I. Kinleitung. Von W. Prausnitz.
II. Weitere statistische Erhebungen über die .Sterblichkeit der Säuglinge an Magen-
darnikrankheiten. Von mag. pharm. K. Helle, Adjunkt an der staatl. Unter-
suchungsanstalt für Lebensmittel in Graz.
III. Be(»bacl)tung(m über die Temperatur Verhältnisse in Arbeiterwohnungen während
der hoifsen Jahreszeit. Von Privatdozent Dr. Hans Hammerl. (Ans dem
Hygienischen Institut der k. k. Universität Graz.)
IV. Über die Kühlhaltung der Milch im Hause. Von Dr. M. Kaiser, Assistent,
(Aus dem Hygienischen Institut <ier Universität Graz.)
V. Über die Häufigkeit des Streptokokkenbefundes in der Milch. Von Dr. M. Kaiser,
Assistent. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität Graz.)
VI. Ü]>er dio Streptokokken der Milch. Von Dr. Paul Th. Müller, Privatiluzent
und Assistent am Hygien. Institut.
Vll. Die ReduktionsproVie, ein Mittel zur Beurteilung des Frischezustandes der Milch.
Von Dr. Paul Tli. Müller, Privatdozenl. und Assistent am Hygien. Cnstitut.
VJII. Ülxr den Kinflufs der Milchkontrolle auf die Beschaffenheit der .Milch in Graz.
Vuu I\. Hell e.
Einsnuhtnf^en hpüche man f.nt Gehe/mrat Professor Dr. Rubner, Berlin M. 4,
//essi'scfiestr. 5-4, ^n richten.
Verlagsbuchhandlung
MÜNCHEN und
R. OLDENBOURQ
BERLIN W. 10.
?5^^^S!2?2r^^.^???
Die Gerichtsverhandlungen
über die
Gelsenkirchener Typhusepidemie
im Jahre 1901.
V^on E. Grahn, Zivilinj^enicur.
Mit einem Anhang:
Die Bedeutung des Jahres 1901 für die Wasserwerke.
Soiiderahdnick ans dem «Journal für Oasbeleuchtunii; und Wasscrversor^iiiiv;".
IV und 79 Seiten, 4", mit Texlabbildiinjnrcn. Preis M. 3.—.
Aus dem Inhaltsverzeichnis:
I. Aus der Zeit der Voruntersuchung.
II. Das Kpidemiefj;ebiet und seine Wasserversorj^ung.
III. Tatsächliche Krmittlunjrcn vor und in den (jerichtsverhandlunircn.
IV. Aus den Gericiitsverhandlungen.
Die Typhusepidemie in Detmold
und die Trinkwassertheorie.
l:ine kritische Studie
Von
Dr. Auerbach,
Arzt in r)t:tinol«!.
l'rniani,' i»M Seiten S^
I'reis .M. i. .=>•».