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Full text of "Archiv für Hygiene"

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RBFBRBNCB  DEPARTMENT 


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Ulken  f rom  the 


. 

form  41* 

I     i 


ARCHIV  FÜR  HYGIE 

(BEGRÜNDKT  VON  MAX  t.  PETTENKOFEB. 


UNTER  MITWIRKUN(i 

VON 

Prof.  Dr.  O.  BOLLINGER,  München ;  Prof.  Dr.  BONHOFF.  Marburg  a.  L. ;  Prof  Dr.  It.  EMMEltlC  H, 
München ;  Prof.  Dr.  F.  ERI8MANN,  Zürich ;  Prof.  Dr.  HEIM,  Erlangen ;  Prof.  Dr.  F.  HUEPPE. 
Prag;  Prof.  Dr.  KABRHEL,  Prag;  Prof.  Dr.  F.  KRATSCHMER,  Wien;  Prof.  Dr.  K.  LEHMANN, 
Würzbiirg;  Prof.  Dr.  A.  LODE,  Innsbruck;  Prof.  Dr.  L.  PFEIFFER,  Rostock;  Prof.  Dr. 
W.  PRAU8NITZ,  Gra«;  Prof.  Dr.  F.  RENK,  Dresden;  Prof.  Dr.  SCH0TTEUU8,  Freiburg  i.  B.; 
Generaloberarzt  Dr.  A.  SCHUSTER,  München;   Prof!  Dr.  WERNICKE,  Posen 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


J.  FOBSTEB,    M.  QBUBEB,    FB.  HOFMAHN,    M.  BUBNEB, 

O.Ö.PKOnSSOREN  DRR  HYOIIMR  UND  DIKKKTORKN  llRK  HYU1KM8CHRN  INSTITUTE  AN  DEN  UNIVER8ITÄTKN  ZU 

STBAS8BURQ  MÜNCHEN  LBIPZIQ  BERLIN. 


VIEK-UNDFÜIVFZXOSTEI^    BA^V^iy. 


Mit  4  Abbildungen  und  2  Tafeln. 


MÜNCHEN  UND  BERLIN. 
DRUCK  UND  VERLAG  VON  R.  OLDENBOURG. 

1005. 


h-^\  y 


l 


Inhalt. 


^efte 

Spezifische  Sera  gegen  Infasorien.  Von  Privatdosent  Dr.  Robert 
Röfsle  in  Kiel.  (Aus  dem  Hygienischen  Institat  der  Universität 
Manchen) 1 

Studien  xur  relativen  Photometrie,  in.  Teil.  Vom  Dosenten  Dr.  8tan. 
R&iiSka.  (Aus  dem  k.  k.  Hygienischen  Institut  des  Prof  Dr. 
Gustav  Kabrhel  in  Prag) 32 

Wasserstoffsuperoxyd  als  Reinigungs-  und  Desinfektionsmittel  im 
Friseurgewerbe.  Von  Dr.  R.  Hilgermann.  (Aus  dem  Hygieni- 
schen Institut  der  Universität  Berlin.  Direktor:  Geh.  Med.-Rat 
Prof.  Dr.  Rubner) 40 

Bemerkungen    zur  Abhandlung   von   E.  Mettler   über  die  bakterizide 

Wirkung  des  Lichtes  auf  gefärbte  Nährböden.  Von  H.  v.  Tappeiner        49 

Weitere  Versuche  mit  photodynamischen ,  sensibilisierenden  Farb- 
stoffen. (Eosin,  Erjrthrosin.)  Prtlfung  der  Wirkung  des  Tages- 
lichtes auf  Lebensfähigkeit  und  Virulenz  von  Bakterien,  auf  Toxine 
und  Antitoxine  und  auf  das  Labferment  Von  Dr.  Hans  Huber. 
(Aus  der  bakteriologischen  Abteilung  des  Hygiene-Institutes  der 
Universität  Zürich.  Vorstand:  Privatdozent  Dr.  W.  Silber- 
schmidt) 58 

Vernichtung  von  Bakterien  im  Wasser  durch  Protozoen.    Von  Dr.  Otto 

Uuntemüller  aus  Hoya  a.  d.  Weser.    (Mit  Tafel  I)      .     .     .     .        <^9 

Über  den  Gewichtsverlust  des  Fischfleisches  beim  Dünsten  Von  Dr. 
Friedrich  Peters,  Assistenten  des  Institutes.  (Aus  den  Hygieni- 
schen Instituten  der  Universität  Berlin.  Direktor:  Geh.  Medizinalrat 
Prof.  Dr.  M.  Rubner) 101 

Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven.  Von  Dr.  Joseph  Belser, 
dipl.  Chemiker.  (Aus  dem  Hygienisch-bakteriologischen  Labora- 
torium des  Eidgen.  Polytechnikums.    Vorstand:  Prof.  Dr.  O.  Roth)       107 


IV  Inhalt. 

Seite 

Die  pchütxenden  Eigenpchaften  des  Blutes  von  aggressinimmunen 
Htthnercholeratieren.  Von  Dr.  Edmund  Weil,  Assistenten  des 
Institutes.  Ausgeführt  mit  Unterstützung  der  Gesellschaft  zur 
Forderung  deutscher  Wissen.ochaft,  Kunst  und  Literatur  in  Böhmen 
(Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  deutschen  Universität  in  Prag. 
Vorstand:  Prof.  Hueppe) 149 

Über  Hämolyse  im  Reagenzglas  und  im  Tierkörper.  Von  Dr.  Oskar 
R.  von  Wunschheim,  I.  Assistenten  am  Institute.  (Aus  detii 
Hygienischen  Institute  der  k.  k.  Universität  Innsbruck.  Vorstand : 
Prof.  A.  Lode) 185 

Weitere  Erfahrungen  über  Aggressinimmunität  gegen  den  Shiga-Kruse- 
Bchen  Dysenteriebazillus.  Von  Dr.  Yonetarö  K  i  k  n  c  h  i.  (Aus  dem 
Hygienischen  Institut  der  deutschen  Universität  in  Prag.  Vorstand: 
Prof.  Hueppe) 297 

Über  Bleivergiftungen  durch  eine  Wasserleitung.  Von  Inspektor  Dr. 
Paul  Fort n er.  (Ans  der  k.  k.  allg.  Untersuchungsanstalt  für 
Lebensmittel  der  deutschen  Universität  in  Prag.  Vorstand:  Prof. 
Hueppe) 326 

Die  Bakteriendurchlässigkeit  der  normalen  Magendarmschlei mhant  im 
Säuglingsalter.  Von  Dr.  med.  R.  Hilgermann.  (Aus  dem  Hygie- 
nischen Institut  der  Universität  Berlin.  Direktor:  Geh.  Med.-Rat 
Prof.  Dr.  M.  Rubner.)    (Mit  Tafel  U) 335 

Blntparasiten  imd  Erythrocytolyse.  Von  Dr.  A.  Nifsle.  (Aus  dem 
Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.  Direktor:  Geh.  Med.- 
Rat  Prof.  Dr.  M.  Rubner) 343 

Über  den  Einflufs  des  Hungers  auf  die  Bakteriendurchlässigkeit  des 
Intestinaltraktus.  Von  Prof.  M.  Ficker.  (Ans  dem  Hygieni- 
schen Institut  der  Universität  Berlin.  Direktor:  Geh.  Medizinalrat 
Prof.  Dr.  M.  Rubner) 354 

Über  das  Verhalten  der  aeroben  Keime  gegenüber  der  absoluten 
Sauerstoffentziehung.  Von  Dr.  Walther  Willi msky.  (Ans  dem 
Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.  Direktor:  Geh.  Med. - 
Rat  Prof.  Dr.  Rubner) 375 

Zum  Nachweis  fäkaler  Verunreinigung  von  Trinkwasser.  Von  Oberarzt 
Dr.  Christian.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität 
Berlin.     Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Rubner) 386 

Sind  bei  der  bakteriziden  Wirkung  des  Blutserums  osmotische  Vor- 
gänge im  Spiele?  Von  Dr.  Georg  Le  uchs.  (Ans  dem  Hygienischen 
Institut  der  Universität  München.     Vorstand:   Prof.  Max  Grub  er)      3% 


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I  . 


Spezifische  Sera  gegen  Infusorien. 

Von 

Privatdozent  Dr.  Robert  Böfsle 

in  Kiel. 
(AuB  dem  Hygienischen  Institute  der  Universität  München.) 

Die  vorliegende  Arbeit  ging  von  dem  Gedanken  aus,  zu 
versuchen,  ob  sich  unsere  Kenntnis  von  der  Morphologie  der 
spezifischen  Toxin-Wirkung  dadurch  fördern  liefse,  dafs  man 
statt  der  bisher  gewöhnlich  gebrauchten  Antigene  grofse  ein- 
zellige Lebewesen  aus  der  Klasse  der  Protozoen  als  Immunisierungs- 
material .verwendete.  Es  lag  dabei  zunächst  die  Absicht  zu- 
grunde, an  neuen  Versuchsobjekten  zu  prüfen,  ob  die  kürzlich 
von  mir  (^*)  beschriebenen  morphologischen  Veränderungen  von 
Erythrozyten  durch  das  inaktivierte  spezifisch  lytische  Serum 
der  Ausdruck  einer  allgemeinen  Gesetzmäfsigkeit  sind.  Erwies 
sich  die  Annahme,  dafs  sich  auch  mit  Protozoen  Antikörper 
lytischer  und  agglutinierender  Natur  gewinnen  liefsen,  was  nach 
dem  bisher  über  die  Immunitätsreaktionen  des  Warmblüter- 
Organismus  Bekannten  doch  grofse  Wahrscheinlichkeit  hatte, 
als  richtig,  so  sollte  die  Wirkungsweise  der  betreffenden  Stoffe 
auf  die  Protozoen  dann  auch  im  aktiven  Zustande  studiert  werden. 
In  zweifacher  Hinsicht,  gerade  vom  morphologischen  Standpunkte 
aus,  versprach  die  Immunisierung  mit  Protozoen  einen  Erfolg 
und  bestimmte  Vorteile  gegenüber  der  Verwendung  der  sonst 
gebräuchlichen  Antigene :  bei  den  Bakterien  hindert  die  Kleinheit 

ArcblY  fttr  Hygiene.   Bd.  UV.  1 


I    . 

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2  Spezifische  Sera  {regen  Infusorien. 

der  Zelle  und  die  mangelnde  Differenzierung  in  Kernapparat 
und  Zelleib  die  Beobachtung  der  durch  spezifisch  lytische  Stoffe 
erzeugten  feineren  morphologischen  Veränderungen  und  die  Ver- 
wertung der  Befunde  für  die  Erklärung  der  einschlägigen 
Störungen  im  höheren  Organismus;  bei  den  roten  Blutkörperchen 
anderseits  erwies  sich,  ein  so  günstiges  Versuchsobjekt  sie  in 
anderer  Hinsicht  sein  mögen,  ihre  fragliche  Zellnatur,  ihr  ganz 
eigentümlicher  Bau  und  die  Unmöglichkeit  zu  entscheiden,  ob 
man  im  gegebenen  Falle  überhaupt  lebende  oder  tote  Objekte 
vor  sich  hat,  als  mifslich.  Gegen  die  Brauchbarkeit  der  weifsen 
Blutzellen  zum  Zweck  des  Studiums  der  morphologischen  Seite 
der  Toxinwirkung  sprach  von  vornherein  die  Unmöglichkeit, 
die  Leukozyten  unter  vollkommen  natürlichen  Existenzbedingungen 
zu  beobachten,  sowie  die  verhältnismäfsig  kurze  Dauer  ihres 
Überlebens  aufserhalb  des  Organismus.  Alle  diese  Nachteile 
haften  den  freilebigen  Protozoen  nicht  an :  ihre  Gröfse  versprach 
zunächst  eine  bequemere  Beobachtung  der,  wie  ich  nach  Ana- 
logie der  bisherigen  Erfahrungen  annahm,  eintretenden  Auflösungs- 
erscheinungen, ihr  den  höheren  Zellen  wenigstens  ähnlicher  Bau 
liefs  hoffen,  dafs  man  vergleichende  Schlüsse  zur  menschlichen 
Pathologie  wagen  durfte  und  schliefslich  bestand  bei  ihnen  auch 
die  Möglichkeit,  die  Zellen  unter  natürlichen  Lebensverhältnissen 
der  Toxinwirkung  aussetzen  und  jederzeit  entscheiden  zu  können, 
ob  man  lebende  oder  tote  Objekte  vor  sich  habe.  Zur  Ver- 
wendung kamen  Infusorien  und  Flagellaten.  Es  soll  gleich  hier 
vorweggenommen  werden,  dafs  die  Annahme,  es  könnten  sich 
durch  Immunisierung  mittels  dieser  Antikörper  lytischer  Natur 
gewinnen  lassen,  als  irrtümlich  herausgestellt  hat.  Wenn  nun 
auch  die  Untersuchung  in  morphologischer  Richtung  bisher  kein 
Resultat  gehabt  hat,  so  sind  die  dabei  gemachten  Beobachtungen 
doch  in  anderen  Hinsichten  mitteilenswert. 

Der  Immunisierung  mit  Protozoen  stellten  sich  zunächst 
dadurch  Schwierigkeiten  entgegen,  dafs  es  jeweils  einer  müh- 
seligen Vorarbeit  bedurfte,  um  genügend  viel  und  genügend 
reines  Material  zur  Behandlung  zu  erhalten.  Was  die  Menge 
betrifft,  so  konnte  man  hoffen,  durch  Aufstellung  sehr  zahlreicher 


Von  Privatdozent  Dr.  Rol)ert  Röfele.  3 

Zuchtgläser  genügende  Quantitäten  zu  bekommen.  Als  Versuchs- 
objekt wurde  das  gewöhnlich  für  physiologische  Zwecke  ver- 
wendete und  deshalb  in  vielen  Eigenschaften  schon  wohlbekannte 
Paramäcium  caudatum  gewählt,  das  allerdings  in  den  Winter- 
monaten nicht  recht  zum  Gedeihen  zu  bringen  ist,  weshalb  die 
Immunisierung  oft  in  unregelmäfsigen  Zeitintervallen  vorgenommen 
werden  mufste.  Eine  Reinkultur  von  Paramäcien  und  Protozoen 
überhaupt  im  bakteriologischen  Sinne  war  ja  schon  von  vorn- 
herein ausgeschlossen,  da  sie  sich  ja  nicht  auf  osmotischem 
Wege  ernähren,  sondern  auf  körperhche  Nahrungsaufnahme  an 
gewiesen  sind.  Paramäcium  frifst,  ohne  in  bezug  auf  die  Arten 
wählerisch  zu  sein,  Bakterien.  Es  lieFs  sich  also  jedenfalls  die 
gleichzeitige  Einbringung  von  Bakterien  mit  den  Paramäcien  bei 
den  Injektionen  zur  Immunisierung  nicht  umgehen. 

Allein  alle  Versuche,  Paramäcien  zu  isolieren  und  in  iso- 
liertem Zustande  mit  bestimmten,  aus  den  Aufgüssen  gezüchteten 
Bakterien  zu  kultivieren,  mifslangen.  (Diese  Versuche  wurden 
gemacht,  um  Sicherheit  dagegen  zu  gewinnen,  dafs  wenigstens 
nicht  pathogene  Mikroorganismen  miteingespritzt  wurden.)  Da- 
gegen gelang  dies  ohne  viel  Schwierigkeiten  bei  einem  anderen 
Infusor,  dem  Glaukoma  scintillans  Ehrenbergi.  Dieses 
Infusor  verträgt  offenbar  höhere  Grade  der  Fäulnis  als  andere 
Protozoen,  so  dafs,  wenn  man  in  einem  Aufgufs,  in  dem  es  von 
allen  möglichen  Vertretern  aus  dem  Protistenreich  wimmelt, 
durch  Zusatz  von  Bouillon  die  Vermehrung  der  Fäulnisbakterien 
steigert,  das  Glaukoma  alle  anderen  Protozoen  überwuchert,  bis 
man  es  zuletzt  sogar  ausschliefslich  darin  findet.  Aus  solchen 
Infusionen  wurde  dann  das  Ausgangsmaterial  für  die  Reinzuchten^) 

1)  Da  äer  Aasdruck  »Kultur«  gewöhnlich  im  Sinne  von  »Reinkultur« 
gehraucht  wird  und  also  nur  für  Bakterien  verwendet  werden  kann,  so  wird 
im  folgenden  das  deutsche  Wort  »Zucht«  für  die  künstlich  gehaltenen  Pro- 
tozoen-Stämme gebraucht  und  das  Wort  »Reinzucht«  könnte  dann  für  die- 
jenigen Protozoen-Zuchten  reserviert  sein,  in  denen  die  betreffende  Infusorien- 
oder Flagellaten-  (oder  Amöben-)  Art  allein  vorhanden  ist,  gleichgültig,  ob 
sie  sich  dabei  von  einer  oder  von  vielen  Bakterienspezies  dabei  ernährt. 
Der  Ausdruck  »Reinzucht  von  Protozoen«  ist  für  denjenigen  nicht  mifsver- 
ständlich,  der  sich  bewufst  ist,  dafs  es  eine  solche  Keinzucht  ohne  Bakterien 
(resp.  anderes  körperliches  Material)  nicht  geben  kann. 


4  Spezifische  Sera  gegen  tnfaBorien. 

des  Glaukome  gewonnen,  indem  es  mit  Wasser  im  Sinn  einer 
Nägelischen  »Einzelkultur«  so  verdünnt  wurde,  dafs  man  mit 
einer  sterilisierten  Pipette  ein  einzelnes  Tier  herausfangen  und 
in  einen  sterilen  Erlenmay ersehen  Kolben  einbringen  konnte. 
Der  Kolben  war  bis  zu  einer  bestimmten  Marke  mit  stark  ver- 
dünnter steriler  Bouillon  gefüllt  (je  1  com  Bouillon  auf  50  com 
Leitungswasser).  Es  überwog  sehr  bald  eine  Bakterienart,  welche 
in  der  Vermehrung  dann  mit  dem  Glaukoma,  welches  so  reich- 
liche Nahrung  fand,  geradezu  wetteiferte.  Wurde  eine  solche 
Zucht  nun  wieder  stark  verdünnt  und  mit  einem  Glaukoma 
daraus  ein  neuer  Erlenmay  er -Kolben  beschickt,  so  erhielt 
man  eine  Reinzucht  von  Glaukoma  mit  einem  einheitlichen 
Futter,  einer  einzigen  Bakterienart.  Diejenige,  welche  ich  in 
meinen  Glaukomazuchten  hatte,  war  ein  kurzes,  plumpes  Stäbchen, 
welches  Gelatine  verflüssigte.  Ich  habe  es  nicht  weiter  bestimmt, 
weil  Glaukoma  sich  ebenso  sicher  mit  vielen  anderen  Bakterien- 
arten zusammen  züchten  läfst  und  deshalb  eine  Indentißzierung 
jenes  Bakteriums  keinen  Wert  hatte.  Die  Zuchten  wurden  auf 
folgende  Weise  weitergeführt.  Der  Höhepunkt  der  Glaukoma- 
vermehrung tritt  etwa  am  4.  und  5.  Tag  nach  der  Impfung  eines 
auf  die  angegebene  Weise  beschickten  Er lenmay er- Kolbens 
ein.  Ungefähr  um  diese  Zeit  tritt  aber,  offenbar  durch  die 
enorme  Gefräfsigkeit  der  Infusorien,  mehr  und  mehr  Bakterien - 
armut  und  dadurch  auch  bald  Nahrungsmangel  für  Glaukoma 
ein.  Sie  gehen  vom  6.  oder  7.  Tag  ab  an  Zahl  offenbar  zurück, 
vielleicht  gelangen  in  die  Flüssigkeiten  auch  schädliche  Stoff- 
wechselprodukte; kurz,  wenn  man  die  Zucht  am  Leben  erhalten 
will,  so  mufs  man  frische  verdünnte  Bouillon  zusetzen,  am  besten 
indem  man  einfach  die  alte  Zucht  bis  auf  Reste  abgiefst  und 
den  Kolben  mit  verdünnter  Bouillon  bis  zur  Marke  wieder  auf 
füllt.  Es  findet  dann  sofort  eine  starke  Vermehrung  der  Futter- 
bakterien und  des  Glaukoma  statt,  auch  wenn  die  Kultur  schon 
nahe  dem  Aussterben  war  (welches  allerdings  erst  nach  Wochen 
stattfindet).  Zu  Zwecken  der  Immunisierung  erwies  es  sich  am  vor- 
teilhaftesten, wenn  zu  dem  Zeitpunkte,  zu  welchem  die  stärkste 
Bevölkerung    der    Flüssigkeit    mit    Glaukoma    gefunden    wurde 


Von  Privatdozent  Dr.  Robert  Röfsle.  5 

etwa  am  5.  Tage),  die  Zucht  bis  auf  Reste  abgegossen  wurde, 
der  Abguls  zentrifugiert  und  das  Zentrifugat,  welches  die  aus- 
geschleuderten Infusorien  und  verhältnismäfsig  wenig  Bakterien 
enthielt,  injiziert  wurde,  während  mit  den  im  Kolben  zurück- 
gebliebenen Resten  die  Zucht  durch  Auffüllung  neuer  Nährflüssig- 
keit für  die  Bakterien  wieder  zum  Aufblühen  gebracht  wurde. 
Glaukoma  liels  sich  auch  in  Petrischalen  bequem  züchten.  Es 
ist  zweckmäfsig,  so  zu  verfahren,  dafs  man  ^2  Agarröhrchen  in 
der  Schale  schief  erstarren  läfst,  und  den  übrigen  Raum  mit 
Leitungswasser  so  ausfüllt,  dafs  der  Wasserspiegel  eben  noch 
den  Rand  der  Agarschichte  erreicht;  dies  hat  den  Vorteil, 
dafs  einerseits  die  des  Sauerstoffs  bedürftigen  Bakterien  noch 
auf  dem  Agar  wachsen  können,  anderseits  aber  den  frei  im 
Wasser  schwimmenden  Infusorien  zugänglich  sind.  Die  zu- 
nehmende Verdunstung  des  Wassers  legt  immer  nur  einen 
kleinen  Teil  der  Agarfläche  trocken.  In  dieser  W^eise  hielten 
sich  bei  Zimmertemperatur  Glaukoma-Reinzuchten  monatelang 
ohne  Erneuerung.  Erreicht  die  Verdunstung  des  Wassers  solche 
Grade,  dafs  die  Infusorien  nicht  mehr  frei  schwimmen  können, 
so  passen  sie  sich  in  merkwürdiger  Weise  den  veränderten 
Lebens-  und  Bewegungsbedingungen  an,  indem  ihr  Protoplasma 
flüssiger  zu  werden  scheint  und  sie  dadurch  befähigt,  in  einer 
an  die  Fortbewegung  der  Amöben  erinnernden  Art  den  Ort  zu 
verändern. 

Bei  der  Anlegung  von  Protozoen- Reinzuchten  kommt  es 
darauf  an,  Eigenschaften  ausfindig  zu  machen,  welche  nur  der 
betreffenden  Art,  die  man  züchten  will,  zukommen.  Gelang  die 
Reinzucht  von  Glaukoma  dadurch,  dafs  es  intensivere  Grade 
der  Fäulnis  (und  auch  höhere  molekulare  Konzentration  der 
Nährmedien)  aushält  als  andere  Protozoen,  so  fand  ich  später 
zufällig,  dafs  die  Paramäcien  in  anderer  Hinsicht  widerstands- 
fähiger sind  als  die  übrigen  Tiere,  welche  man  in  Infusionen  zu 
finden  pflegt:  während  nämlich  z.  B.  Glaukoma,  Stentor,  Col- 
pidium,  Stylonychia  u.  a.  bei  Erwärmung  der  Infusion  auf  37  ^ 
zugrunde  gehen,  überleben  die  Paramäcien  allein  diese  Prozedur. 
Es  ist  infolgedessen   höchst  einfach,   grofse  Mengen  Paramäcien 


6  Spezifische  Sera  gegen  Infusorien. 

in  Reiuzucht,  allerdings  mit  den  verschiedenartigsten  Bakterien 
zusammen,  zu  erhalten^),  und  es  gestaltete  sich  die  Gewinnung 
des  Materials  zur  Immunisierung  gegen  Paramäcien  auf  folgende 
Weise  : 

Ein  sterilisiertes,  hohes  Becherglas  wurde,  mit  Leitungswasser 
gefüllt  und  mit  einer  sauberen  Glasschale  bedeckt,  mehrere  Tage 
stehen  gelassen  (frisches  Leitungswasser  schädigt  die  Paramäcien), 
und  dann  mit  Salatblättem,  welche  in  heifses  Wasser  auf  kurze 
Zeit  getaucht  waren,  versehen.  Impft  man  nun  möglichst  sorg- 
fältig isolierte  Paramäcien  ein,  so  erhält  man  zu  günstiger  Jahres- 
zeit in  wenigen  Tagen  eine  üppige  Zucht.  Es  ist  zunächst  nicht 
unmer  zu  vermeiden,  dafs  sich  auch  andere  Protisten  entwickeln, 
aber  man  kann  sie  in  den  Gläsern  leicht  los  werden,  indem 
man  diese  auf  24  Stunden  in  den  Brutschrank  von  37"  bringt. 
Dies  hat  gleichzeitig  den  Vorteil,  dafs  durch  die  erhöhte  Tem- 
peratur den  Paramäcien  sehr  rasch  folgende  Teilungen  sozusagen 
aufgezwungen  werden,  so  dafs  man  in  dem  Brutschrank  gleich- 
zeitig ein  Mittel  hat,  um  sie  von  anderen  Protozoen  zu  isolieren 
und  sie  allein  zu  enormer  Vermehrung  zu  bringen.  Die  Teilungen 
wiederholen  sich  infolge  des  Einflusses  der  Wärme  so  schnell, 
dafs  die  Tiere  nach  der  Teilung  nicht  mehr  die  alte  Gröfse  er- 
reichen, und  man  erhält  durch  fortgesetzte  Züchtung  im  Brutofen 
Zuchten  von  wesentlich  kleineren  Tieren  als  die  Tiere  der  Aus- 
gangszuchten waren.  Diese  Tatsache  ist  aber  für  die  Zwecke  der 
Immunisierung,  bei  der  es  sich  zunächst  nur  um  die  Gewinnung 
möglichst  grofsen  und  möglichst  einheitlichen  Materiales  zur 
Vorbehandlung  handelt,  gleichgültig.  Wenn  das  faulende  Salat- 
wasser sehr  dicht  von  Paramäcien  erfüllt  schien,  so  wurde  der 
gröfsere  Teil  der  Zucht  zur  Zentrifugierung  abgegossen  und  das 
Glas  mit  abgestandenem,  steril  aufbewahrtem  Leitungswasser 
wieder  aufgefüllt.    Trat  Nahrungsmangel    ein,    was    an    der   zu- 


1)  Es  gibt  allerdings  eine  winzige  Flagellaten-Art,  Chilodon-Para* 
mäcium,  welche  sehr  gerne  mit  Paramäcium  caudatiim  vorzukommen 
pflegt,  und  welche  ihm  auch  darin  gleicht,  dafs  sie  die  Erwärmung  auf  37** 
manchmal  unter  Umständen,  die  mir  nicht  näher  bekannt  sind  (Gewöhnung  ?), 
(Ibersteht 


Von  rrivatdozeiit  Dr.  Robert  Röfslc.  7 

nehmenden  Magerkeit  der  Paramäcien  leicht  erkannt  werden 
kann,  so  wurden  wieder  Salatblätter  zugegeben  usf.  Auf  diese 
Weise  liels  sich  eine  üppige  Zucht  monatelang  in  denselben 
Gläsern  unterhalten.  Gerade  der  Wechsel  von  Hunger  und 
starker  Ernährung  liefert  die  gröfste  Vermehrung  und  scheint 
die  Zuchten  vor  den  Dei)ressionszuständen  zu  bewahren,  welche 
zuerst  von  Calkins  und  von  R.  Hertwig  beobachtet  wurden. 
Die  »Depression«  besteht  in  der  Unfähigkeit  zu  Assimilation  und 
Vermehrung  und  tritt  am  schnellsten  in  gleich-  und  übermäfsig 
gefütterten  Zuchten  auf. 

Das  Impfungsmaterial  wurde  aus  den  Abgüssen  der  Zucht- 
gläser durch  Zentrifugieren  gewonnen.  Diese  Arbeit  ist  um  so 
mühseliger,  als  es  sich  nicht  empfiehlt,  sie  sich  dadurch  zu  er- 
leichtern, dafs  man  die  Paramäcien  zuvor  abtötet  und  dadurch 
ihre  Eigenbewegung,  welche  von  schwachen  Zentrifugen  nicht 
wirksam  genug  unterdrückt  wird,  aufhebt.  Es  erschien  vielmehr 
notwendig,  die  unveränderte  Substanz  der  Paramäcien  zur  Injektion 
zu  gebrauchen.  Mittels  einer  kräftigen  Zentrifuge  kann  man 
bei  einiger  Übung  in  einer  halben  Stunde  ungefähr  aus  einem 
Liter  Zuchtflüssigkeit  die  Paramäcien  erhalten,  indem  man  je 
zwei  je  10  ccm  fassende  Röhrchen  füllt,  zehn  Sekunden  kräftig 
schleudert,  ziemlich  rasch  anhält  und  sofort  abgiefst,  mit  neuer 
ZuchtSüssigkeit  anfüllt  usf.  Die  zehn  Sekunden  genügen,  die 
schweren  Paramäcien  auszuschleudern,  und  je  kürzer  man  zentri- 
fugiert,  desto  weniger  Bakterien    wird    der  Bodensatz  enthalten. 

Zunächst  wurden  drei  Tiere  immunisiert:  erstens  zwei  Ka- 
ninchen, welche  subkutan  Paramäcien  erhielten,  und  ein  Meer- 
schweinchen, welches  ebenfalls  subkutan  die  Zentrifugate  der 
Reinzuchten  des  Glaukoma  scintillans  injiziert  bekam.  Dem 
Umstände,  dafs  mit  letzterem  nur  eine  und  zwar  offenbar  un- 
schädliche Bakterienart  einverleibt  wurde,  ist  es  wohl  zuzu- 
schreiben, dafs  das  Meerschweinchen  die  Behandlung  sehr  gut 
vertrug  und  nur  einmal  eine  harte  Infiltration  an  einer  In- 
jektionsstelle aufwies.  Dagegen  traten  bei  dem  einen  Para- 
mäcienkani neben  mehrmals  Abszesse  auf,  da  ja  mit  den  Para- 
mäcien  unkontrolliert   viele  und   verschiedene  Mikroorganismen 


8  Sperißsche  Sera  gegen  Infusorien. 

unter  die  Haut  gebracht  wurden.  Von  Protozoen  wurden  aufser 
den  Paramäcien  zuweilen  recht  zahlreiche  Vertreter  jener  schon 
erwähnten  winzigen  Flagellatenart,  des  Chilodon  paramäcium 
mit  eingespritzt,  weil  sie  sich  zuweilen  auch  durch  erhöhte  Tem- 
peratur nicht  aus  der  Gesellschaft  der  Paramäcien  vertreiben 
lassen.  Übrigens  war  dieser  Umstand  keineswegs  mifslich,  im 
Gegenteil,  es  wurde  auf  diese  Weise  von  demselben  Tiere  ein 
zweiter  Antikörper  gleichzeitig  gewonnen,  wie  aus  der  folgenden 
Schilderung  hervorgehen  wird.  Später  wurde  zur  Kontrolle  die 
Immunisierung  eines  weiteren  Kaninchens  gegen  Paramäcinen 
ausgeführt,  wobei  sich  die  jüngst  von  Löffler(®)  angegebene 
Methode  der  Antikörpergewinnung  sehr  bewährt  hat.  Es  standen 
also  im  ganzen  vier  Antiprotozoensera  zur  Verfügung,  über 
deren  Eigenschaften  und  Wirkungsweise  hier  berichtet  werden  soll. 

Semm  L 

Ein  janges  Kaninchen  erhält  innerhalb  eines  Zeitraums  von  mehreren 
Monaten  im  ganzen  4  subkutane  Injektionen  je  10  ccm  sehr  dichter  Auf- 
schwemmung von  Paramäcien  und  wird  10  Tage  nach  der  letzten  Ein- 
spritzung entblutet.    Es  vertrug  die  Injektionen  ohne  Störung. 

Semm  II. 

Ein  junges,  im  Wachstum  begriffenes  Kaninchen  (2750  g)  erhält  inner- 
halb von  27i  Monaten  im  ganzen  6  subkutane  Injektionen  von  Paramäcien 
(mit  Chilodon  paramäcium).  Das  Serum  war  schon  nach  der  dritten  Injektion 
wirksam.  Das  Tier  litt  während  der  Behandlung  an  häufiger  Abszefsbildung, 
ohne  aber  an  Gewicht  abzunehmen.  Die  Abszesse  wurden  eröffnet,  entleert 
und  heilten  gut.    Die  Blutproben  wurden  den  Ohrvenen  entnommen. 

Serum  I  und  II  werden,  weil  in  ihren  Eigenschaften  gleich, 
zusammen  besprochen. 

Da  die  Paramäcien  in  fauligem  Wasser  freilebende  Tiere  und 
gegenüber  höheren  Salzkonzentrationen  so  empfindlich  sind,  dafs 
sie  in  Konzentrationen,  welche  dem  Serum  entsprechen,  und  na- 
türlich auch  in  diesem  selbst  in  ganz  kurzer  Zeit  unter  Zer flies- 
sungserscheinungen  und  rascher  Gerinnung  ihres  Protoplasmas 
und  Kerns  absterben,  so  mufste  vor  allem  zunächst  diejenige 
schwächste  Verdünnung  von  normalem  Kaninchenserum  festge- 
stellt werden,    welche   für   die  Paramäcien    harmlos  ist  und  mit 


Von  Privatdozent  Dr.  Robert  Röfsle.  9 

dieser  indifferenten  Verdünnung  des  Normalserums  mufste  eine 
gleich  sehwache  Verdünnung  des  spezifischen  Serums  verglichen 
werden.  Verhielten  sich  in  dieser  die  Paramäcien  anders  als  in 
der  gleichen  Verdünnung  des  Normalserums  und  als  die  Kontroll- 
tiere aus  der  Zucht,  so  konnte  das  abweichende  Verhalten  auf 
besondere  Stoffe  des  spezifischen  Serums  bezogen  werden.  Um 
nicht  Irrtümern  durch  zufällige  Verunreinigungen  ausgesetzt  zu 
sein,  wurden  nur  sterile  Reagenzgläser  und  Pipetten  und  sehr 
sorgfältig  gereinigte  und  getrocknete  Uhrschälchen  verwendet; 
die  Mischungen  von  Serum  und  Paramäcien  wurden  in  Reagenz- 
gläsern angesetzt  und  gewöhnlich  sofort  nach  Mischung  die  Hälfte 
in  eine  Uhrschale  zur  Untersuchung  mit  schwachen  Vergröfserungen 
ausgegossen;  zur  genaueren  Beobachtung  wurden  einzelne  Tiere 
herausgefangen  und  unter  dem  mit  Wachsfüfschen  gestützten 
Deckglas,  seltener  im  Hohlobjektträger  beobachtet.  Die  Verdün- 
nungen des  Serums  wurden  durch  unmittelbare  Vermischung 
desselben  mit  der  die  Paramäcien  enthaltenden  Zuchtflüssigkeit 
hergestellt;  in  besonderen  Fällen  war  es  aber  erforderlich,  die 
Paramäcien  in  einem  anderen,  für  sie  vollkommen  indifferenten 
Medium  der  Toxinwirkung  auszusetzen;  als  dieses  erwies  sich 
abgestandenes  Leitungswasser  von  Zimmertemperatur. 

Der  Grundversuch  bestand  also,  wie  gesagt,  darin,  das  aktive 
Serum  eines  normalen  mit  dem  aktiven  Serum  des  mit  Paramäcien 
vorbehandelten  Kaninchens  zu  vergleichen  und  diejenige  Ver- 
dünnung festzustellen,  bei  welcher  einerseits  durch  das  erstere 
keinerlei  Störung  mehr  auftrat,  anderseits  zu  sehen,  ob  dieselbe 
Verdünnung  des  spezifischen  Serums  noch  eine  Wirkung  ausübte. 
Dies  war  der  Fall  bei  20facher  Verdünnung  beider  Sera;  hier 
trat  die  spezifische  Wirkung  deutlich  und  ausschliefslich  zutage. 
In  höheren  Konzentrationen  war  allerdings  auch  ein  durchgreifen- 
der Unterschied  vorhanden,  allein  die  spezifische  Schädigung  war 
kombiniert  und  dadurch  verwischt  mit  der  osmotischen,  und  des- 
halb wurde  in  den  meisten  der  folgenden  Versuche  zum  Studium 
der  reinen,  spezifischen  Wirkung  die  20-  und  die  40-fache  Ver- 
dünnung des  spezifischen  Serums  gebraucht.  Die  40-fache  des- 
halb, weil  es  sich  herausstellte,  dafs  das  ganz  frische  aktive  Nor- 


10  spezifische  Sera  gegen  InfuHorien. 

malserum  hie  und  da  noch  die  Beweglichkeit  der  Paramäeien  in 
20-facher  Verdünnung  stört;  die  Schädigung  wird  aber  im  Gegen- 
satze zu  der  spezifischen  sehr  schnell  überwunden. 

Es  besteht  nämlich  die  spezifische  toxische  Wir- 
kung in  einer  intensiven,  langdauernden  Lähmung 
der  Paramäeien,  und  zwar  beteiligen  sich  an  der 
Lähmung  zunächst  nur  die  Wimpern  der  Oberfläche, 
bei  höherem  Grade  auch  die  kontraktilen  Vakuolen 
und  sc hliefs lieh  auch  die  und ulierende  Membran  des 
Cytostoms,  also  die  Organe  der  Fortbewegung,  der 
Exkretion  (Atmung?)  und  der  Nahrungsaufnahme. 
Beschränkt  sich  die  Lähmung  auf  die  Cilien  der  Oberfläche,  so 
erholen  sich  die  Paramäeien  nach  3 — 5  Tagen.  Sie  vermögen 
unter  diesen  Umständen  im  Zustande  der  völligen  Fortbewegungs- 
Unfähigkeit  Nahrung  aufzunehmen  und  zu  verdauen,  ja  sie  sind 
sogar  imstande  Teilungen  auszuführen  und  begonnene  Teilungen 
zu  vollenden. 

Im  einzelnen  gestaltet  sich  der  Vorgang  der  spezifischen 
Wirkung  folgend ermafsen  :  Bringt  man  Paramäeien  in  eine  20-fache 
Verdünnung  von  Antiparamäcienserum,  so  tritt  zunächst  ein  bald 
nur  Bruchteile  einer  Minute,  bald  mehrere  Minuten  währendes 
Stadium  der  Erregung  ein,  welche  sich  in  lebhaft  hin-  und  her- 
schiefsenden  Vorwärtsbewegungen  äufsert.  Diese  werden  aber 
bald  nach  einem  Augenblick  des  Stillstandes  durch  kurze,  sehr 
heftige,  ruckweise  Vorstöfse  unterbrochen,  denen  zuerst  schnell 
vorübergehende,  dann  immer  länger  dauernde  rückwärts  gerich- 
tete Wirbelbewegungen  folgen.  Die  normale  Locomotion  der 
Paramäeien  beschreibt  eine  Schraube  mit  sehr  lang  gezogenen 
Windungen  nach  vorwärts,  die  pathologische  Drehbewegung  nach 
rückwärts  besteht  in  der  Ausführung  einer  Schraube  mit  mehr 
und  mehr  verschwindender  Höhe  der  Schraubengänge,  bis  schliefs- 
lich  eine  Drehung  am  Platze  eintritt,  welche  immer  mehr  sich 
verlangsamt.  Man  kann  in  diesem  und  in  dem  Stadium  an- 
scheinend vollkommener  Lähmung,  in  die  die  Drehung  ausläuft, 
durch  kalorische  und  mechanische  Reize  die  Paramäeien  zu  kur- 
zen,   sofort   nachlassenden    Vorwärtsbewegungen    oder    auch    zu 


Von  Privaldozent  Dr.  Robert  Röfale.  1 1 

Wirbeln  veranlassen,  wenn  nicht  unterdessen  eine  weitere  Er- 
scheinung eingetreten  ist,  die  auch  selbständig  vor  Eintritt  der 
Lähmung  Platz  greifen  kann;  es  ist  eine  Erscheinung,  welche 
an  die  Agglutination  der  Bakterien  erinnert  und  ihr  vielleicht 
analog  ist:  die  Verklebung  der  Paramäcien  mit  der  Oberfläche 
anderer  fester  Körper  in  ihrer  Umgebung,  vielleicht  durch  ein 
Klebrigwerden  ihrer  Cilien.  Merkwürdigerweise  bleiben  sie  nun 
nie  aneinander  hängen,  sondern  haften  immer  nur  am  Glase,  an 
Bakterienhaufen  oder  an  Exemplaren  jener  kleinen  Flagellaten- 
art,  die,  bei  der  Immunisation  mitverwendet,  ebenfalls  gelähmt 
wurde.  Wurden  andere,  zur  Immunisierung  nicht  verwendete 
Protozoen  der  Wirkung  des  Antiparamäcien-Serums  gleichzeitig 
ausgesetzt,  so  wurden  diese  niemals  in  ihrer  Bewegungsweise  ge- 
stört, nicht  gelähmt,  und  die  Paramäcien  blieben  nicht  an  ihnen 
hängen.  Dieser  Versuch  beweist  also  gleichzeitig  die  Spezifität 
des  gewonnenen  Serums.  Ja,  diese  Spezifität  des  Serums  ging 
soweit,  dafs  keine  andere  Paramäcienart,  sondern  nur  Paramäcium 
candatum  gelähmt  wurde.  Ob  übrigens  ein  bestimmtes  Paramä- 
cium infolge  von  Lähmung  oder  von  Agglutination  still  lag,  war 
leicht  zu  entscheiden,  denn  die  festgeklebten  Paramäcien  machen 
meist,  jedenfalls  immer  auf  Reize  (Erschütterung)  hin,  gewaltige 
und  manchmal  erfolgreiche  Anstrengungen,  wieder  loszukommen; 
bleiben  sie  haften,  so  sieht  man  deutlich,  an  welchen  Punkten 
sie  festkleben  und  in  welchen  Richtungen  ihre  Bewegungsmög- 
lichkeit beschränkt  ist;  gelähmte  Paramäcien  lassen  sich  durch 
Bewegung  der  Uhrschale  nach  Willkür  hin-  und  herschwenken; 
gelähmte  und  gleichzeitig  angeklebte  Tiere  pendeln  dabei  um 
ihren  Fixationspunkt.  Es  ist  bekannt,  dafs  gesunde  Paramäcien 
auTser  zur  Zeit  der  Konjugationsepidemien  die  gegenseitige  Be- 
rührung vermeiden,  jedenfalls  wenn  sie  sich  berühren,  schnell 
entfliehen.  Dies  ist  den  vom  spezifischen  Serum  beeinflufsten 
Tieren  nicht  möglich;  geraten  sie  aneinander,  so  haben  sie  oft 
Schwierigkeiten,  auseinanderzukommen;  trotzdem  sieht  man  nie- 
mals Paramäcien  dauernd  oder  zu  mehreren  verklebt,  auch  dann 
nicht,  wenn  man  Paramäcien  allein  in  Wasser  der  Serumwirkung 
aussetzt.     Selbst  gelähmte  Tiere  sah  ich  niemals  aneinander  fest- 


12  Spezifische  Sera  gegen  Infusorien. 

geheftet.  Es  ist  deshalb  vielleicht  nicht  richtig,  den  Ausdruck 
Agglutination  für  jene  Zustände  zu  gebrauchen,  da  man  darunter 
das  Zusammenkleben  gleichartiger  Zellen  untereinander  durch 
spezifisches  Serum  zu  verstehen  gewohnt  ist.  Vorgänge,  welche 
der  Bakteriolyse  analog  zu  setzen  gewesen  wären,  traten  nicht 
ein,  auch  nicht  bei  tagelanger  Beobachtung,  weder  bei  Zimmer- 
noch  bei  Brütofentemperatur  von  37°.  Selbst  im  schwach  und 
gar  nicht  verdünnten  Serum  kamen  keine  eindeutigen  Befunde 
zustande.  Es  wurde  die  Wirkung  von  5-  und  lOfachen  Verdün- 
nungen von  aktivem  normalen  und  spezifischen  Serum  verglichen. 
Mit  dem  Serum  I  ergab  sich  ein  ganz  deutlicher  Unterschied  in- 
sofern, als  die  10-fache  Verdünnung  des  aktiven  Normalserums 
die  Paramäcien  nicht  schädigte,  während  die  gleiche  Konzen- 
tration spezifischen  Serums  neben  der  Lähmung  eine  Verquellung 
der  Tiere  hervorrief,  die  bei  einer  Anzahl  innerhalb  24  Stunden 
zu  Zerfliefsungserscheinungen  führte ;  im  lOfach  verdünnten  Nor- 
malserum waren  die  Tiere  nach  24  Stunden  sämtlich  munter, 
gefräfsig  und  ihre  Zahl  war  vermehrt.  Ein  Vergleich  der  nur 
öfachen  Verdünnungen  ergab  für  das  Normalserum  zunächst 
eine  Lähmung  ohne  tiefgreifende  sichtbare  Gestaltveränderung, 
dagegen  für  das  spezifische  Serum  Zerfliefsungserscheinungen 
fast  aller  Individuen ;  nach  24  Stunden  waren  die  Paramäcien  in 
der  Lösung  des  Normalserums  unbeweglich  bis  auf  die  undulierende 
Membran  gequollen,  mit  enormen  aufgetriebenen  Vakuolen,  einige 
zerplatzt,  einige  von  normalem  Ansehen;  in  der  Lösung  des 
spezifischen  Serums  war  die  Mehrzahl  zerplatzt,  die  übrigen  un- 
beweglich mit  enormen  Vakuolen,  aber  mit  strudelndem  Peristom- 
feld,  einige  in  verschiedenen  Stadien  der  Teilung,  die  Teilungs- 
produkte hatten  ein  annähernd  normales  Aussehen.  Es  ergibt 
sich  also  im  Grunde  nur  ein  gradweiser  Unterschied  in  der  Wir- 
kung des  normalen  und  des  spezifischen  Serums:  die  Schä- 
digung, die  das  spezifische  Serum  noch  in  grofsen  Verdünnungen 
(s.  unten)  zu  bewirken  vermag,  erzeugt  in  konzentrierteren  Lösungen 
auch  das  Normalserum  (aufser  der  Agglutination).  Ob  die  be- 
schriebenen Erscheinungen  im  konzentrierten  Serum  in  Analogie 
zu  lytischen  Vorgängen  zu  setzen  sind,   bleibt  übrigens  fraglich. 


Von  Wvatdoaent  Dr.  Robert  Höfsle.  13 

Sicher  ist,  dafs  die  Zerfliefsungserscheinungen,  welche  etwas 
leichter  in  konzentrierteren  Mischungen  des  spezifischen  als  des 
uonnalen  Serums  eintreten,  in  bezug  auf  ihr  Aussehen  gegenüber 
den  durch  mechanische  und  chemische  Mittel  leicht  zu  bewirken- 
den Zerfliefsungserscheinungen  nicht  die  geringste  Eigentümlich- 
keit hatten.  Es  blieb  auch  zunächst  unerklärlich,  warum  fast 
nie  in  denjenigen  Verdünnungen,  wo  die  spezifische  Wirkung 
allein  sichtbar  wurde,  Zerfliefsungserscheinungen  an  den  Para- 
mäcien  auftraten,  es  sei  denn,  dafs  man  diesen  Umstand  auf 
Rechnung  des  geringen  lytischen  Wertes  des  Serums  zu  setzen 
hat.  Diese  Verhältnisse  sollen  in  den  Schlufsbetrachtungen  noch 
näher  berührt  werden.  Es  ist  nötig,  hier  einen  Punkt  zu  erwähnen, 
der  bei  den  Versuchen  mit  Paramäcien  immer  wieder  sich  be- 
merkbar machte,  das  ist  der  grofse  individuelle  Unterschied  im 
Verhalten  von  Paramäcien  derselben  Zucht  den  verschiedensten 
Eingriffen  und  Einflüssen  gegenüber;  er  macht  es  zur  unumgäng- 
lichen Notwendigkeit,  stets  mit  einer  beträchtUchen  Anzahl  von 
Individuen  zu  arbeiten,  weil  z.  B.  in  einem  Dutzend  immer  ein 
oder  zwei  Exemplare  sich  anders  verhalten  als  die  übrigen,  welche 
den  Durchschnitt  repräsentieren.  Da  es  sich  aber  immer  nur 
um  gradweise  Unterschiede  dabei  handelt,  d.  h.  um  erhöhte  oder 
herabgesetzte  Empfindlichkeit  gegenüber  den  experimentellen 
Reizen,  so  ist  der  individuelle  Unterschied  nicht  nur  nicht  mifs- 
lich,  sondern  von  Nutzen  und  in  häufigen  Fällen  ein  wertvoller 
Fingerzeig.  Hierfür  ein  Beispiel :  Mit  der  20-fachen  Verdünnung 
des  Serums  I  trat  bei  der  gröfsten  Mehrzahl  der  behandelten 
Paramäcien  nur  eine  einfache  Lähmung  der  Fortbewegung  ein; 
vereinzelte  Exemplare  blieben  aber  schwach  beweglich,  wieder 
andere  hingegen  erlitten  eine  tiefergreifende  Lähmung,  indem 
diese  sich  auf  die  kontraktilen  Vakuolen  verbreitete.  Mit  der 
Zeit  nahm  das  aufbewahrte  Serum  an  Wirksamkeit  ab  und  nach 
Wochen  war  keine  vollkommene  Lähmung  der  Bewegung  zu  er- 
zielen; der  Durchschnitt  der  Paramäcien  verhielt  sich  jetzt  wie 
die  mehr  empfindlichen  Exemplare  vor  mehreren  Wochen.  Mit 
dem  frischen  starken  Serum  II  waren  anderseits  nun  viel  zahl- 
reichere Lälimungen   höheren  Grades  zu   erzielen,  als  seinerzeit 


]4  Spezifische  Sera  gegen  Infusorien. 

mit  dem  Serum  I,  so  dafs  die  damals  als  Zufälligkeiten  erscheinenden 
Ausnahmen  zu  gesetzmäfsigen  Erscheinungen  gestempelt  wurden. 
Die  feineren  Vorgänge  bis  zum  Eintritt  tiefgreifender  Läh- 
mungen sind  folgende:  es  findet  zunächst  immer  zuerst  der  all- 
mähUche  Stillstand  der  Ortsveränderung  auf  die  oben  beschriebene 
Weise  statt ;  liegen  die  Tiere  still,  so  ist  die  weitere  Beobachtung 
natürlich  sehr  erleichtert ;  man  bemerkt  dann  auch  an  den  inneren 
Teilen  der  Paramäcien  zuerst  eine  Erregung:  die  Endoplasma- 
Strömung  (»Cyclosec)  ist  eine  sehr  lebhafte,  die  undulierende 
Membran  schlägt  aufserordentlich  schnell,  die  Nahrungsvakuolen 
füllen  sich  sehr  schnell  und  stofsen  sich  oft  ab,  die  kontraktilen 
Vakuolen  bleiben  zuerst  klein  und  pulsieren  mit  grofser  Frequenz, 
durchschnittlich  4  mal  in  1  Minute  (normale  Frequenz  der  Ent- 
leerung der  kontraktilen  Vakuolen  ist  alle  25  Sekunden  bei  16®  C). 
Der  Vorgang  der  Paralysierung  kann  auf  jeder  beschriebenen 
Stufe  stehen  bleiben ;  geht  er  nicht  weiter,  als  bisher  beschrieben, 
so  ist  es  nicht  zu  verwundem,  dafs  diejenigen  Tiere,  deren  Stoff- 
wechsel so  offenbar  gesteigert  ist,  sich  besonders  schnell  auch 
von  der  Lähmung  ihrer  Fortbewegungsorgane  erholen;  geht  er 
hingegen  weiter,  so  folgt  der  Erregung  eine  Verlangsamung  der 
inneren  Bewegungsvorgänge;  am  auffallendsten  ist  das  seltenere 
Schlagen  und  die  gleichzeitige  diastolische  Erweiterung  der  kon- 
traktilen Vakuolen,  welche  so  enorme  Grade  erreichen  kann,  dafs 
das  ganze  Tier  mifsgestaltet  erscheint,  indem  es  in  eine  von 
wenig  Plasma  umgebene  Blase  verwandelt  wird.  Dies  geschieht 
dadurch,  dafs  schliefsUch  überhaupt  keine  Entleerung  der  Vaku- 
olen mehr  erfolgt  und  die  normaliter  vorhandenen  zwei  Vakuolen 
in  eine  einzige  verschmelzen.  Sehr  häufig  ist  auch  der  Fall, 
dafs  sich  die  sogenannten  Bildungsvakuolen  nicht  mehr  in  die 
Haupt- Vakuolen  zu  entleeren  vermögen,  so  dafs  diese  letzteren 
von  einem  Kranz  scheinbar  neugebildeter  Hohlräume  umgeben 
werden.  Bemerkenswert  ist,  dafs  in  diesem  Stadium  noch  die 
Nahrungsaufnahme  ungehindert  vor  sich  gehen  kann,  und  dafs 
die  Paramäcien  in  diesem  aufgeblasenen  Zustande  tagelang  leben 
können.  Erst  die  höchsten  Grade  der  Lähmung  ergreifen  die 
undulierende  Membran  und  bedingen  den  Tod. 


Von  Privatdozent  Dr.  Robert  Röfsle.  15 

EHe  Hoffnung,  eine  anatomische  Grundlage  für  die  beschrie- 
benen Vorgänge  zu  finden  und  sie  dadurch  des  rein  funktionellen 
Charakters  zu  entkleiden,  hat  sich  nicht  erfüllt.  Es  gelang  auch 
mit  den  stärksten  Vergröfserungen  nicht,  Veränderungen  der 
Cilien  und  ihrer  Ansatzpunkte  zu  finden.  Zuweilen  schienen  sie 
verdickt  und  verkürzt  und  an  ihren  äufsersten  Enden  mit  An- 
schwellungen versehen.  Aber  die  Täuschung  ist  dadurch,  dafs 
Bakterien  und  feinste  Bröckel  unter  dem  Einflüsse  des  Serums 
an  ihnen  haften  bleiben  und  mit  verdickten  Enden  verwechselt 
werden  können,  sehr  leicht  möglich.  Ferner  erscheinen  die  Oi- 
lien-Enden,  wenn  sie  von  oben  gesehen  werden,  infolge  starker 
Lichtbrechung  als  Knöpfchen;  da  nun  die  Cilien  gelähmter  Pa- 
ramäcien  wirr  durcheinander  hegen,  so  können  solche  Knöpfchen 
bei  der  ungemeinen  Feinheit  des  Objekts  leicht  eine  pathologische 
Anschwellung  benachbarter  Cilien  vortäuschen.  Im  ganzen  hat 
man  den  Eindruck  einer  falschen  Innervation,  indem  die  Cilien 
an  den  verschiedenen  Stellen  der  Oberfläche  in  Gruppen  bald 
schnell,  bald  langsam,  und  oft  in  entgegengesetzten  Richtungen 
schlagen.  Die  Trichiten  werden  von  den  festklebenden  Tieren 
ausgeschleudert,  aber  sehr  häufig  nur  mangelhaft,  so  dafs  sie  von 
von  einem  Walde  starrer  Spiefse  umgeben  erscheinen ;  auch  bleiben 
sie  oft  an  ausgestofsenen  Trichiten  mit  den  Cilien  kleben. 

Auch  die  andere  Hoffnung,  es  würden  sich  vielleicht  bei  Behand- 
lung von  Paramäcienmitspezifischem  An  tiserum  Wirkungen  ergeben, 
welche  ausschliefslich  nur  durch  solches  zu  erzeugen  wären,  ist  nicht  in 
Erfüllung  gegangen.  Alle  genannten  pathologischen  Aufserungen 
des  Paramäcien-Organismus  lassen  sich  auch  durch  chemische 
Mittel  hervorrufen.  Es  liegen  eben  dieselben  Verhaltnisse  vor, 
wie  bei  der  Hämolyse,  welche  ebensogut  durch  chemische  und 
thermische  Mittel  als  durch  spezifische  Antikörper  bewerkstelligt 
werden  kann. 

Von  der  Annahme  ausgehend,  dafs  in  den  Eigenschaften  des 
Plasmas  gesunder  einerseits  und  durch  spezifisches  Serum 
gelähmter  Paramäcien  anderseits  Unterschiede  bestehen  müssen, 
unternahm  ich  färberische  und  andere  Versuche,  aber  ohne 
bisher  ein  verschiedenes  Verhalten  beider  zu  entdecken.     Gerade 


16  Spezifische  Sera  gegen  Infusorien. 

beim  Vergleich  der  Zerfliefsungserscheinungeu  gesunder  und  spe- 
zifisch gelähmter  Infusorien  hätte  man  am  ehesten  erwarten 
können,  Unterschiede  zu  finden,  weil  einerseits  die  Vorgänge  der 
»Zerfiielsungc  normaler  Infusorien  durch  die  treffliche  Arbeit 
Kölschs  (^)  wohlbekannt  sind  und  anderseits  das  Protoplasma 
hierbei  in  feineren  Beziehungen  beobachtet  werden  kann,  als  bei 
irgend  einem  anderen  Vorgang.  Bisher  haben  aber  meine  Ver- 
suche in  dieser  Bichtung  keinen  Erfolg  gehabt:  die  durch  Er- 
wärmung oder  durch  sanften  Druck  bewirkte  Zerfiiebung  spezi- 
fisch gelähmter  Paramäcien  glich  vollkommen  derjenigen  unter 
gleichen  Bedingungen  erfolgenden  normaler  Kontrolltiere.  Doch 
sollen  diese  Versuche  gerade  mit  Rücksicht  auf  die  osmotische 
Natur  der  dabei  sich  abspielenden  Veränderungen  gelegentlich 
wiederholt  werden. 

Ferner  seien  die  Ergebnisse  von  Vitalfärbungen  spezifisch  ge- 
lähmter Paramäcien  mitgeteilt.  Dieselben  wurden  zu  dem  gleichen 
Zwecke  unternommen  wie  die  Zerfliefsungs- Versuche,  nämlich 
um  etwaige  Unterschiede  im  Verhalten  von  spezifisch  beeinflufsten 
und  normalen  Paramäcien  gegenüber  dem  Neutralrot  festzustellen. 
Zu  gleichen  Mengen  Zuchtflüssigkeit  mit  gelähmten  Paramäcien 
einerseits  und  gesunden  anderseits  wurden  gleiche  Mengen  (ge- 
wöhnlich 3  Tropfen)  verschiedener  Verdünnungen  einer  konzen- 
rierten,  wäfsrigen  Neutralrotlösung  (100-,  5000-  und  10000-fache- 
Verdüunungen)  auf  Objektträger  gegeben,  gemischt  und  ein  mit 
tWachsfüIschen  versehenes  Deckglas  aufgesetzt.  Normale  Para 
mäcien  wurden  durch  diesen  Zusatz  von  100-fach  verdünntem 
Neutralrot  in  wenigen  Stunden,  meist  unter  Zuspitzung  des  Vor- 
derendes abgetötet,  nachdem  sie  eine  anfänglich  distinkte,  an 
bestimmte  Granula  gebundene,  dann  mehr  und  mehr  diffuse  Fär- 
bung angenommen  hatten.  Zuerst  stirbt  das  Vorderende  ab.  Das 
absterbende  Plasma  nimmt  im  Gegensatz  zu  dem  hochbordeaux- 
rot sich  färbenden  lebenden  mehr  und  mehr  eine  ziegelrote  bis 
braunrote  Farbe  an;  schliefslich  schwindet  überhaupt  jede  Fär- 
bung. Gleichzeitig  gehen  Zerfliefsungs-  und  Gerinnungserschei- 
nungen an  den  Körpern  der  Paramäcien  vor  sich.  Der  Zusatz 
einer  5000-fachen  Verdünnung  der  Neutralrotlösung  bewirkt  eben- 


Von  PrivatdozeDt  Dr.  Robert  Röfsle.  17 

falls  zunächst  eine  isolierte  Färbung  der  Nahrungsvakuolen- Wände 
und  gewisser  Granula  am  hinteren  Körperpol.  Je  mehr  mit  dem 
Fortgang  der  Verdauung  die  Nahrungsvakuolen  kleiner  werden, 
desto  intensiver  färbt  sich  der  Inhalt.  Allmählich  verbreitet  sich 
die  Granulafärbung  nach  vom  und  meist  tritt  auch  eine  Färbung 
der  warzenförmigen  Vorsprünge  der  Pellicula  zwischen  den  Cilien- 
ansätzen,  wahrscheinlich  durch  eine  rein  mechanisch  durch  die 
Wimperbewegung  bedingte  Ansammlung  des  Farbstoffs  ein.  Nach 
6  Stunden  liegen  die  Paramäcien  bei  Anwendung  der öOOOfachen 
Verdünnung  still,  nach  24  Stunden  sind  sie  sämtlich  darin  ab- 
gestorben. Der  Zusatz  von  10000-fach  verdünnter  Neutralrot- 
lösung hatte  eine  noch  gröfsere  Verlangsamung  der  Vitalfärbung 
zur  Folge,  so  dafs  noch  nach  24  Stunden  einzelne  distinkt  gefärbte 
Individuen  am  Leben  waren.  Diese  selben  Färbungen,  in  der- 
selben Konzentration  und  gleichzeitig  angewandt,  hatten  nun  bei 
spezifisch  gelähmten  Paramäcien  nicht  denselben  Erfolg.  Je  inten- 
siver nämlich  die  Tiere  gelähmt  waren,  desto  geringer  war  die 
eintretende  Färbung,  desto  langsamer  trat  sie  ein,  wenn  sie  über- 
haupt statt  hatte.  Der  Zusatz  von  100  facher  Verdünnung  des 
Neutralrots,  welcher  gesunde  Paramäcien  in  kurzer  Zeit  tötet, 
hatte  bei  gelähmten  nach  4  Stunden  lediglich  den  ersten  Grad 
der  FarbstofEwirkung  erzeugt,  nämlich  die  distinkte  Färbung  der 
Vakuolen-Wände  und  der  umliegenden  Granula  des  Hinterendes. 
Noch  nach  24  Stunden  befanden  sich  die  gelähmten  Paramäcien 
am  Leben,  jetzt  allerdings  diffus  gefärbt  und  gequollen.  Die 
10000-fache  Verdünnung  hatte  bei  gut  gelähmten  in  dieser  Zeit 
noch  keine  Färbung  zu  erzielen  vermocht.  Als  der  gleiche  Ver- 
such mit  solchen  Paramäcien  angestellt  wurde,  welche  z.  T.  bereits 
die  Lähmung  fast  überstanden  hatten,  ergab  sich  eine  geringere 
Verzögerung  der  Färbung  gegenüber  den  gelähmten  Paramäcien ; 
die  Erscheinung  war  ganz  konstant:  je  mehr  ein  Tier  die  Ver- 
giftung überwunden  und  je  mehr  es  beweglich  geworden  war, 
desto  mehr  glich  es  in  bezug  auf  seine  Färbbarkeit  mit  Neutral- 
rot den  gesunden  Paramäcien.  Ob  die  besonders  dunkelrote 
Färbung,  welche  einige  Male  bei  immun  gewordenen  Paramäcien 
auffiel,  auf  einer  Gesetzmäfsigkeit  beruht,  mufs  noch  dahingestellt 

Archiv  f.  Hygiene.    Bd.  UV.  - 


1^  Sjiezifiscr.e  Sera  Zf^n  Infuäonen. 

bleiben  und  soll  bei  Tielegenheit  weiter  untersucht  werden.  Wie 
die  obigen  Befunde  von  der  geringen  Farbstoffaufnahme  durch 
8I^zifi<ich  gelähmte  Paramäcien  zu  deuten  sind,  ist  nicht  klar. 
Jedenfalls  ist  sie,  wie  aus  einem  Kontrollversuche  hervorgeht, 
nicht  allein  auf  Rechnung  der  lähmenden  Substanz  im  spezifi- 
schen Serum  zu  setzen :  Denn  auch  inaktives  Xormal-Serum  vom 
Kaninchen,  welches  in  den  angewandten  Konzentrationen  absolut 
keine  sichtbare  Wirkung  auf  die  Paramäcien  auszuüben  scheint, 
verzögerte  die  Vitalfärbung  erheblich,  wenn  auch  nicht  in  dem 
Mafse  wie  das  spezifisch-toxische  Serum. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  bemerkt,  dafs  das  Antiparamäcien- 
Serum  ebenso  im  Dunklen  als  im  Hellen  auf  die  empfindlichen 
Tiere  lähmend  einwirkt. 


Die  lähmende  Wirkung  des  Antiparamäcien-Serums  läfst  sich 
mit  blofsem  Auge  verfolgen,  wie  sich  gleich  bei  einem  der 
ersten  Versuche  ergab,  der  den  Zweck  hatte,  die  Wirkungen  von 
aktivem  spezifischem,  inaktivem  spezifischem,  aktivem  normalem 
und  inaktivem  normalem  Kaninchenserum  auf  die  Paramäciken 
in  2<>facher  Verdünnung  zu  vergleichen.  Die  Proben  wurden  in 
Reagenzgläsern  angesetzt,  und  es  liefs  sich  mit  unbewaffnetem 
Auge  verfolgen,  wie  in  dem  aktiven  spezifischen  Serum  und  in 
dem  auf  53  ^  ^2  Stunde  lang  erhitzten  spezifischen  Serum  die 
Flüssigkeit  mehr  und  mehr  entvölkert  wurde  und  sich  klärte, 
indem  die  darin  befindlichen  Paramäcien  gelähmt  zu  Boden 
sanken  und  gleichzeitig  auch  die  Bakterien  zu  grofsen  Haufen 
agglutiniert  wurden,  die  sich  ebenfalls  in  der  untersten  Schichte 
ansammelten.  Im  aktiven  Normalserum  sanken  anfänglich  eben- 
falls die  meisten  Paramäcien  zu  Boden,  erholten  sich  aber  schnell 
und  kamen  wieder  empor.  Die  Probe  mit  inaktivem  Normal- 
serum dagegen  blieb  in  allen  Schichten  gleichmäfsig  bevölkert. 
Die  mikroskopische  Kontrolle  zeigte,  dafs  im  inaktiven  Normal- 
serum die  Paramäcien  nach  schnell  vorübergehenden  Wirbel- 
bewegungen, welche  wohl  durch  die  veränderten  osmotischen 
Verhältnisse  bedingt  sind,  sich  vollkommen  unbeeinfiufst  zeigen. 


Von  t^rivatdozent  Dr.  Robert  tlöfsle.  19 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dafs  die  halbstündige  Er- 
wärmung auf  53®  diesem  Serum  die  Fähigkeit,  zu  lähmen,  nicht 
geraubt  hatte.  Auch  die  einstündige  Erhitzung  auf  53®  ver- 
mochte dies  nicht,  wohl  aber  genügte  eine  darauffolgende  Er- 
hitzung auf  55 — 56®  (vergl.  die  einschlägigen  Angaben  bei 
Serum  III).  Merkwürdigerweise  liefs  sich  aber  das  einmal  inak- 
tivierte Serum  durch  Zusatz  von  aktivem  Normalserum  nicht 
wieder  aktivieren.  Ebenso  war  die  Wirksamkeit  durch  Alexin- 
Zusatz  nicht  wieder  herzustellen,  wenn  das  spezifische  Serum 
sie  nach  Monaten  spontan  eingebüfst  hatte. 

Die  Intensität  der  Wirkung  in  bezug  auf  die  Zahl  der  ge- 
lähmten Paramäcien  und  in  bezug  auf  den  Grad  der  Lähmung 
bei  den  einzelnen  war  der  Menge  des  jeweils  verwendeten  Serums 
proportional,  ebenso  die  Zeit,  in  welcher  die  Lähmung  eintrat. 
Durch  ganz  schwaches  Serum  wurden  nur  die  empfindlicheren 
Individuen  beeinflufst.  Je  intensiver  die  Lähmung  war,  desto 
länger  hielt  sie  an,  aber  noch  5  Tage  lang  gelähmte  Paramäcien 
waren  am  Leben  und  konnten  sich  erholen.  Sie  erholten  sich 
rascher,  wenn  sie  nach  Eintritt  der  Lähmung  von  dem  um- 
gebenden Serum  befreit,  d.  h.  in  Wasser  gebracht  wurden.  Doch 
hielt  auch  hier  die  Wirkung  tagelang  an,  was  wohl  dafür  spricht, 
dals  eine  Regeneration  wirklich  geschädigter  Teile  erst  notwendig 
war.  Bei  der  Temperatur  von  37  ®  trat  die  lähmende  Wirkung 
rascher  als  bei  Zimmertemperatur  ein,  anfänglich  konkurriert  hier 
aber  die  erregende  Wirkung  der  Wärme  mit  der  Wirkung  des 
Serums  in  der  Weise,  dafs  das  Exzitationsstadium  länger  an- 
dauert als  bei  den  Kontroll tieren  (Serum Wirkung  bei  16  ®  C),  aber 
dann  wird  die  Lähmung  um  so  schneller  vollkommen. 

Die  Paramäcien  verhielten  sich  dem  spezifischen  Serum 
gegenüber  negativ  chemotaktisch ;  diese  Tatsache  wurde  in  der 
Weise  festgestellt,  dafs  der  unter  einem  gestützten  Deckgläschen 
befindliche  Raum  zur  einen  Hälfte  mit  bestimmten  Verdünnungen 
des  spezifischen  Serums,  zur  anderen  Hälfte  mit  Paramäcienzucht 
gefüllt  wurde.  Die  Flucht  der  Tiere  an  den  dem  spezifischen 
Serum  entferntesten  Teil  des  zur  Verfügung  stehenden  Raumes 
bewies   die  negative  Chemotaxis.     Im  Gegensatz    dazu   trat   bei 


20  Spezifische  Sera  gegen  InfasorieD. 

Auffüllung  der  einen  Hälfte  mit  indifEerenten  Medien  sehr 
bald  gleichmäfsige  Verteilung  der  Paramäcien  in  den  beiden 
Deckglashälfteu  ein. 

Ein  Verbrauch  wirksamer  Substanz  war  bei  den  doch  ver- 
hältnismäfsig  geringen  Mengen  Paramäcien,  die  in  Berührung 
mit  dem  Serum  kamen,  nicht  festzustellen.  Wenigstens  wirkte 
der  Abgufs  nach  gelungenem  Lähmuugsversuch  anscheinend  un- 
geschwächt auf  mehrere  frische  Portionen  Paramäcien.  In  starken 
Verdünnungen  wirkten  die  Sera  erst  nach  Stunden  und  Tagen. 

So  trat  eine  Erlahmung  in  dem  100 fach  verdünnten  Serum 
Nr.  II  erst  nach  Stunden  ein,  und  nach  4  Tagen  fanden  sich 
sogar  im  400  fach  verdünnten  Serum  die  meisten  Paramäcien 
vollkommen  gelähmt  und  an  ihre  Nachbarschaft  festgeklebt.  Die 
gleichzeitig  angesetzten  Proben  mit  schwächeren  Verdünnungen 
(50 — 200 fach)  beherbergten  fast  nur  zerflossene  und  geronnene 
Paramäcien  nach  dieser  Zeit;  doch  ist  die  Deutung  dieses  Be- 
fundes im  Sinne  eines  mittlerweile  schon  eingetretenen  lytischen 
Prozesses  nicht  einwandfrei,  da  ja  die  aseptische  Vornahme 
dieser  Versuche  nicht  möglich  ist  und  durch  Zusammenbringen 
der  Paramäcienzucht  mit  den  verschiedenen  Serummischungen 
reichliche  Fäulnis  der  letzteren  eintritt,  so  dafs  das  Absterben  der 
Paramäcien  auf  diese  bezogen  werden  kann.  Noch  gröfsere 
Wahrscheinlichkeit  aber  hat  die  Annahme,  dafs  es  durch  die 
auf  die  Organe  der  Ernährung  übergreifende  Lähmung  bedingt  ist. 

Antiglaukoma-Serum. 

Ein  335  g  schweres  Meerschweinchen  erhielt  im  Zeitraum 
von  zwei  Monaten  acht  subkutane  Injektionen  zentrifugierter 
Reinzuchten  des  Glaukoma  scintillans  Ehbg. ;  es  befand  sich  in 
den  Reinzuchten  nur  eine  einzige  Bakterienart.  Das  Tier  ver- 
trug die  Injektionen  ohne  Abszefsbildung  und  behielt  sein  ur- 
sprüngliches Körpergewicht. 

Die  Schilderung  der  Wirkung  dieses  Serums  kann  kurz  ge- 
fafst  werden,  da  sich  den  AntiparamäcienSeris  vollkommen  analoge 
Beobachtungen     ergaben.      In     höheren     Konzentrationen     war 


Von  Privatdozeut  Dr.  Ko1)ert  Röfsle.  21 

zwischen  der  Wirkung  normalen  Meerschweinchen-Serums  und 
der  des  spezifischen  Serums  kein  deutlicher  Unterschied  zu  er- 
kennen. Erst  die  20  fache  Verdünnung  des  Normalserums  er- 
wies sich  unschädlich  für  Glaukoma  und  damit  begann  der 
Bereich  der  spezifischen  tonischen  Wirkung  beim  Serum  des 
behandelten  Tieres.  Die  höheren  Verdünnungen  des  spezifischen 
Serums  verhielten  sich  wie  folgt: 

20-fache  Verdünnung:  sofort  eintretende  Bewegangsstörangen, 
Rückwärtsrollen,  nach  8  Minuten  nur  noch  schwache  Beweglichkeit,  nach 
14  Minuten  Verklebung  mit  Bakterien  und  vollständiger  Stillstand,  nach 
25  Minuten  einseitige  (»Thränenform«)  oder  allgemeine  Abrundung  der  Gestalt 
Nach  24  Stunden  einzelne  zu  Kugeln  mit  deutlich  hervortretendem  Kern 
geronnen;  die  übrigen  liegen  in  vollkommener  Lähmung  still. 

40-facheVerdünnung:  sofortige  Bewegungsstörung,  nach  8  M  inuten 
nur  noch  schwache  Ortsveränderung,  nach  15  Minuten  fast  völliger,  nach 
45  Minuten  vollständiger  Stillstand  bei  normaler  Form.  Nach  24  Stunden 
merkwürdige  Gröfsen unterschiede  (allgemeine  Quell ung  oder  abnormes 
Wachstum?).    Vereinzelte  schwache  Bewegungen. 

80-fache  Verdünnung:  Fast  sofort  bewirkte  Drehbewegung;  nach 
10  Minuten  meist  Stillstand;  wenn  wieder  eintretende  Bewegung,  dann 
immer  Rückwärtsrotation,  nach  45  Minuten  Stillstand ;  die  meisten  erhalten 
»Thränenform«  (ein  Körperpol  zugespitzt,  der  andere  abgerundet).  Nach 
24  Stunden  wieder  eingetretene  Beweglichkeit;  die  meisten  aber  bleiben 
schwach  am  Boden  der  Gefäfse;  Gröfsen  unterschiede! 

160-fache  Verdünnung:  Nach  3  Minuten  die  erste  rollende  Be- 
wegung; nach  5  Minuten  schwache,  ruckweise  Bewegungen  fest  am  Platze; 
innerhalb  30  Minuten  sinken  sämtliche  Tiere  zu  Boden,  ohne  die  Fähigkeit 
der  Fortbewegung  ganz  zu  verlieren.  Nach  24  Stunden  normale  Beweglich- 
keit wieder  hergestellt;  keine  bedeutenden  Gröfsenunterschiede  zwischen 
den  einzelnen  Tieren. 

320  fache  Verdünnung:  Innerhalb  15  Minuten  keine  Bewegungs- 
störung, nur  allmähliches  Absinken  zu  Boden,  Ausführung  nur  kleiner  Be- 
wegungen.   Nach  24  Stunden  Tiere  vollkommen  unbeeinfluTst. 

Durch  halbstündiges  Erhitzen  auf  56  ®  verlor  das  Serum  die 
Fähigkeit,  Glaukoma  zu  lähmen,  nicht  aber  die  Fähigkeit  der 
»Agglutination  :c  Die  Glaukoma  blieben  allerorts  mit  ihren  Cilien 
kleben.  Die  sonstigen  feineren  Veränderungen  der  Tiere  durch 
das  aktive  Serum  (Cilienstillstand,  lebhafte  Körnchenströmung) 
glichen  vollkommen  den  Beobachtungen  bei  den  Paramäcien. 


22  Spezilische  Sera  gegen  Infusorien. 

Das  Meerschweinchen  ging  bei  einem  Versuche,  die  Ver- 
änderungen und  Schicksale  der  Glaukoma  in  der  Bauchhöhle 
des  immunisierten  Tieres  zu  studieren,  zugrunde. 


Antiparamäcien-Serum  Nr.  III. 

Von  den  bisherigen  Erfahnmgen  in  dieser  Untersuchungs- 
reihe schien  das  Fehlen  von  eigentlichen  lytischen  Stoffen  in  den 
spezifischen  Seris  die  auffallendste.  Es  war  nicht  unmöglich, 
diese  Tatsache  der  im  allgemeinen  weniger  wirksamen  subkutanen 
Injektion  zur  Last  zu  legen.  Allein  es  war  ja  wegen  der  Natur 
des  Injektionsmaterials  nicht  angängig,  die  intraperitoneale  Ein- 
spritzung zu  versuchen.  Deshalb  war  es  sehr  willkommen,  in 
dem  kürzlich  von  Löffler(*)  mitgeteilten  »neuen  Verfahren  zur 
Gewinnung  von  Antikörpern«  eine  Methode  kennen  zu  lernen, 
welche  die  Einbringung  der  Paramäcien  samt  den  ihnen  anhaf- 
tenden Bakterien  in  die  Bauchhöhle  ermöglichte.  Sie  besteht  in 
der  Erhitzung  des  sorgfältig  getrockneten  Antigens.  Für  die  Pa- 
ramäcien gestaltete  sich  die  Gewinnung  eines  wirksamen  und  bei 
intraperitonealer  Injektion  ungefährlichen  Materials  in  folgender 
Weise:  Möglichst  dichte  Reinzuchten  wurden  vollkommen  ab- 
zentrifugiert,  der  Brei  von  Paramäcien  in  sterilen  Petrischalen 
ausgestrichen  und  dann  im  Vakuum  oder  über  Schwefelsäure 
sorgfältig  getrocknet.  Man  erhielt  dann  an  den  dickeren  Stellen 
fettig  glänzende  graugelbe  Schüppchen,  bei  guter  Verteilung  in 
den  Schalen  nach  Ablösung  n)it  einem  Messer  ein  lockeres  feines 
Pulver.  Nun  wurde  im  Trockenschranke  ^2  Stunde  erhitzt;  nach 
dem  Abkühlen  wurde  das  so  sterilisierte  Material  mit  NaCl-Lösung 
versetzt,  wobei  es  sich  schlecht  benetzte,  und  dann  einem  Kanin- 
chen intraperitoneal  eingespritzt.  Das  Tier  erhielt  innerhalb  drei 
Wochen  acht  derartige  Injektionen,  wobei  sein  Gewicht  von 
3090  g  auf  2570  abnahm.  Die  jedesmalige  Dosis  an  Paramäcien- 
trockensubstanz  wurde  genau  gewogen,  zwecks  Orientierung  über 
die  aus  guten  Paramäcien-Zuchten  gewinnbaren  und  der  zur 
Immunisierung  erforderhchen  Mengen.  Im  ganzen  erhielt  das 
Tier  150  mg  Paramäcieu-(-f-  Bakterienj-Trockensubstanz.  In  1  Liter 


Von  Privatdozent  Dr.  Robert  Röfsle.  23 

dichter  Pararaäcienzucht  sind  höchstens  30  mg  Trockensubstanz 
an  Paramäcien  und  Bakterien).  6  Tage  nach  der  letzten  Injek- 
tion wurde  dem  Tiere  Blut  entzogen.  Das  Serum  erwies  sich 
als  wirksam,  obwohl  anscheinend  nicht  in  dem  Grade  als  die 
vorigen  Sera  (trotz  Verwendung  gröfseren  Impfmaterials).  Seine 
physiologischen  Wirkungen  waren  die  gleichen  wie  die  der 
anderen  Sera.  Dagegen  unterschied  es  sich  in  einer  höchst 
merkwürdigen  Weise  von  jenen  dadurch,  dals  es  sich  nicht  in- 
aktivieren liefs:  bei  halbstündiger  Erhitzung  auf  70^  wurde  es, 
wie  jedes  andere  Serum  trüb  opaleszierend,  büfste  aber  seine 
lähmende  Wirkung  nicht  ein.  Bei  weiterer  Erhitzung,  gegen  80°, 
gerann  es  allmählich. 

Auch  diesmal  wurde  die  Wirkung  des  unverdünnten  spezifi- 
schen Serums  verglichen  mit  der  des  unverdünnten  Normal- 
serums: die  Paramäcien  starben  in  beiden  innerhalb  derselben 
Zeit,  nämlich  in  VJ^ — 3  Minuten,  indem  Kern  und  Plasma  ge- 
rannen. Der  einzige  Unterschied,  der  bemerkt  wurde,  bestand 
darin,  dafs  im  spezifischen  Serum  nach  eingetretenem  Tode  an 
vielen  Individuen  nach  eine  Abhebung  der  Pellicula  von  dem 
Endosarke  zu  beiden  Seiten  des  Tieres  durch  eine  erst  postmortal 
eintretende  Flüssigkeitsansammlung  eintrat. 

Die  Wirkung  des  verdünnten  spezifischen  Serums  (gewöhn- 
lich wurde  die  40  fache  Verdünnung  verwendet)  hielt  meist  bei 
ausschliefslicher  Lähmung  der  Fortbewegungsorgane,  mehrere 
Tage  an ;  vom  dritten  Tage  an  mehrten  sich  die  wieder  beweglich 
gewordenen  Tiere  und  von  Tag  zu  Tag  konnte  man  ver- 
folgen, wie  die  Zahl  der  gelähmten  sank  und  diejenige  der  in 
den  oberen  Schichten  der  Flüssigkeit  frei  herumschwimmenden 
zunahm.  Dies  konnte  nicht  anders  erklärt  werden  als  dadurch, 
dafs  vermöge  des  während  der  äufseren  Lähmung  unbehindert 
vor  sich  gehenden  StofEwechsels  die  Vergiftung  überstanden  wird 
und  die  geschädigten  Teile  regeneriert  werden.  Damit  erhob  sich 
die  Frage,  ob  durch  ein  derartiges  Überstehen  der  Vergiftung 
gegenüber  einer  wiederholten  Vergiftung  ein  veränderter  Zustand 
geschaffen  wird,  also  vielleicht  Überempfindlichkeit  oder  Immunität 
eintritt.  Schon  der  erste  Versuch  bewies  eine  ganz  auffallende  Herab- 


24  Spezifische  Sera  gegen  Infusorien. 

Setzung  derEmpfindlicbkeitgegenüber  dem  spezifischen  Serum:  eine 
Reihe  Paramäcien,  welche  vor  3  Tagen  gelähmt  worden  waren,  und 
von  denen  sich  die  Hälfte  erholt  hatte,  während  die  andere  Hälfte  sich 
noch  in  gelähmtem  Zustande  befand,  wurden  mit  Wasser  vorsichtig 
von  Resten  des  alten  Serums  gewaschen  und  nach  dem  Zentrifu- 
gieren  in  eine  frische  Uhrschale  gesetzt,  in  der  die  gelähmten  sofort 
zu  Boden  sanken  unter  bald  aufhörenden,  ruckweisen  Versuchen 
zur  Fortbewegung,  während  die  gesundeten  Tiere  in  den  oberen 
Schichten  herumschössen.  Zur  Kontrolle  wurden  normale  Para- 
mäcien  auf  ganz  die  gleiche  Weise  behandelt  und  in  eine  zweite 
Uhrschale  gebracht.  Beide  Proben  wurden  nun  mit  der  gleichen 
Menge  spezifischen  Serums  versetzt,  sodafs  eine  40  fache  Ver- 
dünnung derselben  entstand,  durch  vorsichtige  Mischung 
mittels  steriler  Pipetten.  Während  die  normalen  Paramäcien 
binnen  wenigen  Minuten  der  lähmenden  Wirkung  unterlfiigen, 
blieben  diejenigen  Paramäcien,  die  sich  von  der  ersten  Vergiftung 
vollkommen  erholt  hatten,  ganz  munter,  und  erst  ungefähr  nach 
1  Stunde  sanken  einige  wenige  davon  nach  abwärts,  ohne  die 
wilden  Bewegungsstörungen  zu  zeigen,  mit  denen  bei  normalen 
Tieren  sonst  die  Serumwirkung  eingeleitet  wird.  Was  die  Para- 
mäcien dieser  Probe  betrifft,  welche  sich  noch  in  gelähmtem 
Zustande  befanden,  so  schien  die  zweite  Dosis  des  spezifischen 
Toxins  die  Vergiftung  eher  zu  verstärken,  indem  bei  einigen  die 
tiefer  greifende  Lähmung  der  Vakuolen  und  des  Peristomfeldes 
eintrat  Der  eben  beschriebene  Versuch  wurde  in  verschiedener 
Weise,  aber  immer  mit  demselben  Resultate  wiederholt ;  u.  a.  wurde 
gezeigt,  dafs  Paramäcien,  welche  eine  zweimaHge  Vergiftung 
überstanden  hatten,  auch  gegen  eine  erhöhte  Giftkonzentration 
nur  20 fache  Verdünnung  nach  zweimaliger  Behandlung  mit 
40  fachen  Verdünnungen)  ohne  Ausnahmen  ganz  unempfindlich 
geworden  waren. 

Zusammenfassung. 

Die  vorliegenden  Untersuchungen  waren  zum  Zwecke  morpho- 
logischer Studien  unternommen  worden.  Wenn  sie  nun  auch 
bisher  gerade  nach  dieser  Richtung  keine  Resultate  gehabt  haben, 


Von  Privatdozont  Dr.  Robert  Röfsle.  25 

SO  bieten  ihre  Ergebnisse  doch  vielleicht  in  bezog  auf  theoretische 
Fragen  der  Immunitätslehre  und  in  bezug  auf  die  Klinik  der  durch 
Protozoen  verursachten  Infektionskrankheiten  einige  interessante 
Hinweise.  Systematische  Versuche  über  Immunisierung  gegen 
Protozoen  liegen  bisher  nicht  vor.  Die  einzigen  Angaben, 
welche  über  die  Einwirkung  eines  spezifischen  Serums  auf  Pro- 
tozoen existieren,  stammen  von  Laveran  und  MesnilC^)  und 
sind  verzeichnet  in  ihren  Untersuchungen  über  die  Trypano- 
somiasis der  Ratten.  Auch  die  klinische  Seite  der  Frage  war  voll- 
kommen unbearbeitet  und  unsicher  bis  in  die  jüngste  Zeit; 
wufste  man  ja  nicht  einmal  für  die  seit  altersher  bekannte 
Malaria  gewifs,  ob  ihre  Überstehung  eine  Immunität  verschaffte, 
wie  viel  weniger  für  diejenigen  menschlichen  und  tierischen 
Seuchen,  welche  noch  nicht  lange  bekannt  sind  und  deren  Natur 
noch  später  als  die  der  Malaria  erkannt  worden  ist.  Bevor 
R.  Koch(')  im  Jahre  1900  an  einem  ein  wandsfreien  Kranken- 
material feststellte,  dafs  es  eine  erworbene  Immunität  nach 
Malariaerkrankung  gibt,  war  gerade  die  entgegengesetzte  Meinung 
die  herrschende,  dafs  nämlich  das  Überstehen  der  Malaria  gegen- 
über einer  Reinfektion  empfängUcher  mache.  Koch  hat  dann 
auch  in  Übereinstimmung  mit  Smith  und  Kilborne  die  Mit- 
teilung gemacht,  dafs  beim  Texasfieber  eine  Immunität  erworben 
wird  (zit.  nach  Ko8sel(*).  Es  besteht  zwischen  dieser  Proto- 
zoeninfektion und  der  Malaria  darin  noch  eine  besondere  Ähnlich- 
keit, dafs  gerade  die  Durchseuchung  in  früher  Jugend  einen  wirk- 
sameren Schutz  als  das  Überstehen  in  späterem  Lebensalter 
verleiht.  Seitdem  mehren  sich  die  Angaben  über  die  Möglichkeit 
der  Erwerbung  aktiver  Immunität  bei  Protozoen-Infektionskrank- 
heiten. Inwieweit  diese  Frage  durch  obige  Untersuchungen 
über  Immunisierung  gegen  Infusorien  und  Flagellaten  berührt 
wird,  darauf  soll  weiter  unten  eingegangen  werden. 

Schon  1899  haben  L.  Rabinowitsch  und  Kempner(") 
gelungene  Übertragungsversuche  von  Trypanosomen  grauer  Ratten 
auf  weifse  Ratten  ausgeführt  und  mitgeteilt,  dafs  die  weifsen  und 
gescheckten  Ratten,  welche  sich  niemals  spontan  mit  Trypano- 
soma  Lewisi  infizieren,  durch  die  einmalige  Impfung  eine  aktive 


26  Spezifische  Sera  gegen  lufusorien. 

Immunität  erwerben,  ferner  dafs  das  Serum  solcher  weifsen  Ratten 
anderen  bei  der  Infektion  Schutz  verleiht  (passive  Immunität.) 
Doch  konnten  Rabinowitsch  und  Kempncr  keine  für  die 
Parasiten  schädlichen  Wirkungen  des  ImmunSerums  erkennen: 
Weder  Agglutination  noch  Entwicklungshemmung.  Demgegenüber 
stellten  Laveran  undMesnil  (1.  c.)  fest,  dafs  das  Serum  von 
Ratten,  welche  eine  oder  mehrere  Injektionen  von  Trypanosomen 
erhalten  hatten,  eine  »Agglomerationc  der  Flagellaten  erzeugte. 
Gewöhnlich  trat  vor  der  Häufchenbildung  keine  Immobilisation 
ein.  Eine  lähmende  Wirkung  gewann  das  Serum  überhaupt  nur 
bei  langedauemder  und  forcierter  Immunisierung  mit  Trypauo- 
soma;  auch  dann  erschien  der  paralysierende  Erfolg  nur  bei  An- 
wendung stärkerer  Konzentrationen  (z.  B.:  eine  Ratte  hatte  in 
sieben  Monaten  13  Impfungen  erhalten;  ihr  Serum  lähmte  nur 
noch  in  lOfacher  Verdünnung).  Die  agglutinierten  Trypanosomen 
sind  in  den  Seris  von  gewöhnlicher  Stärke  ebenso  beweglich  wie 
die  isolierten  gesunden.  Indem  sie  mit  dem  geifsellosen  Hinter- 
ende verkleben,  bilden  sie,  oft  in  Dutzenden,  Rosetten,  an  deren 
Peripherie  die  Geifseln  lebhaft  schlagen.  Nie  sahen  sie  die  ge- 
ringste morphologische  Veränderung  an  den  agglomerierten  Try- 
panosomen. Diese  blieben  trotz  Agglutination  am  Leben  und 
infektiös.  Nie  vermochten  sie  eine  Auflösung  der  Flagellaten 
durch  das  Serum  zu  konstatieren. 

Vergleicht  man  mit  diesen  Angaben  die  obige  Schilderung 
der  Wirkung  meiner  Anti-Infusorien-  und  Anti-Flagellaten-Sera, 
so  ergibt  sich  eine  Übereinstimmung  in  der  Art  ihrer  Wir- 
kungen und  Unterschiede  nur  in  den  Graden  der  ver- 
schiedenen Wirkungsweisen.  Während  bei  meinen  Seris  sowohl 
für  die  Infusorien  (Paramäcium  caudatum  und  Glaukoma  scin- 
tillans)  wie  für  das  kleine  Flagellat,  Chilodon  paramäcium,  die 
lähmende  Wirkung  weit  überwog,  trat  in  jenem  Anti-Trypano- 
somen-Serum  die  agglutinierende  Wirkung  in  den  Vordergrund. 
Auch  war  die  Stärke  der  Sera  erheblich  verschieden:  diejenigen 
von  Laveran  und  Mesnil  agglutinierten  höchstens  noch  in 
öOfacher  Verdünnung  (lähmten  höchstens  noch  in  lOfacher  Ver- 
dünnung); ich  beobachtete  lähmende  Wirkung  noch  in  400facher 


Von  Privatdozent  Dr.  Robert  Röfele.  27 

Verdünnung.  Gemeinsam  ist  die  Feststellung,  dafs  es  unmöglich 
ist,  morphologische  Veränderungen  an  den  beeinflulsten  Proto- 
zoen ausfindig  zu  machen,  dafs  niemals  Auflösungserscheinungen 
zu  sehen  sind  (welche  an  die  Bildung  lytischer  Antikörper  denken 
lielsen),  und  dals  die  tatsächlich  gewonnenen  Antikörper  paraly- 
sierender und  agglutinierender  Natur  die  Protozoen  gar  nicht 
oder  kaum  schädigen.  Dies  ist  ein  neuer  Beweis  für  die  wichtige 
Tatsache,  dafs  wir  nicht  berechtigt  sind,  diese  Antikörper  als 
Schutzstoffe  zum  Zwecke  der  Überwindung  der  parasitären  Proto- 
zoen anzusehen;  es  verbietet  sich  also  die  teleologische  Auffassung 
der  Antikörperproduktion,  wenigstens  soweit  es  sich  um  die 
paralysierenden  und  agglutinierenden  Stoffe  handelt;  wenn,  wie 
Laveran  und  Mesnil  gesehen  haben,  die  Trypanosomen  in 
der  Bauchhöhle  des  immunen  Tieres  lange  am  Leben  bleiben, 
so  weist  dies  darauf  hin,  dafs  ihre  endgültige  Beseitigung  auf 
anderem  Wege  zustande  kommen  mufs  als  durch  die  schädigende 
Wirkung  der  Körpersäfte.  Tatsächlich  haben  die  französischen 
Autoren  beobachtet,  dafs  die  Vernichtung  der  Parasiten  allein 
durch  Phagocytose  bewerkstelligt  wird. 

Es  ist  fraglich,  ob  bei  der  natürlichen  Erwerbung  einer 
aktiven  Immunität  gegen  Protozoen  je  so  stark  wirksame  Sera 
zustande  kommen,  als  ich  sie  durch  künstliche  Immunisierung 
erhielt.  Wäre  dies  der  Fall,  so  wäre  ja  allerdings,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  die  Möglichkeit  gegeben,  dafs  die  Parasiten  infolge 
tiefergreifender  Lähmung  (Lähmung  der  exkretorischen  und  metri- 
torischen  Apparate)  durch  die  spezifische  Säftewirkung  absterben. 
Aber  es  mufs  auch  daran  erinnert  werden,  dafs  die  bisher  be- 
kannten parasitischen  Protozoen  fast  ohne  Ausnahme  sich  auf 
andere  Weise  ernähren  als  diejenigen,  die  ich  als  Antigene  be- 
nutzt habe,  so  dafs  ein  Analogie-Schlufs  von  Paramäcien  auf 
parasitische  Protozoen  nicht  ohne  weiteres  zulässig  ist. 

Auf  die  Besonderheit  der  » Agglutination c  durch  die  Anti- 
paramäcien-  und  AntiglaukomaSera  mufs  noch  mit  einigen  Worten 
eingegangen  werden.  Am  auffallendsten  war,  dafs  niemals  die 
spezifischen  Zellen  miteinander  verklebten,  sondern  immer  nur 
mit  den  Gefäfs- Wänden  oder  mit  den  anderen  zur  Immunisation 


28  Spezifische  Sera  gegen  InfuHtjrien. 

verwendeten  Zellen  (Bakterien,  Chilodon,  Paraniäcium).  Befanden 
sich  Lebewesen  in  der  Zucht,  die  nicht  als  Antigen  gedient 
hatten,  so  blieben  die  Paramäcien  oder  das  Cliilodon  niemals 
an  ihnen  haften.  Dies  erinnert  an  Beobachtungen  von  Bordet 
und  von  Kraus  (zit.  nach  Paltauf  (^'),  wonach  bei  Gemengen 
von  zweierlei  Blutkörperchenarten  Zusatz  von  für  die  eine  Art 
spezifischem  Serum  nur  eben  diese  miteinander  verkleben  liefs. 
Die  spezifisch  beeinflufsten  Blutkörperchen  blieben  niemals  an 
den  normalen  hängen. 

Obwohl  die  Paramäcien  meist  mit  einem  ihrer  Körperpole 
haften  blieben,  so  war  doch  keine  ausschlielsliche  Beteiligung 
bestimmter  Körperstellen  bei  der  Agglutination  zu  beobachten 
wie  etwa  bei  den  Trypanosomen.  Die  makroskopische  Be- 
obachtung der  Serumwirkung  gegenüber  den  Paramäcien  er- 
innerte sehr  au  den  englischen  Ausdruck  für  Agglutination: 
Sedimentation,  weil  im  Vordergrunde  der  sich  im  spezifischen 
Serum  abs[)ielenden  V^orgänge  die  Lähmung  und  hierdurch  be- 
dingte Absinken  der  Protozoen  stand.  Schon  den  ersten  Be- 
obachtern der  Agglutination  fiel  der  Verlust  der  Eigenbewegung 
als  stetes  Begleitsymptom  der  Häufchenbildung  auf  (Gruber 
und  Durham,  Bordet,  Metschnikoff). 

Das  Fehlen  von  lytischen  Stoffen  in  cytotoxischen  Seris  und 
das  Vortreten  von  paralysierenden  Eigenschaften  scheint  sehr 
oft  Hand  in  Hand  zu  gehen;  wenigstens  ist  dies  für  die  Sper- 
jnotoxine  durch  Landsheimer  (^),  Metschnikoff  (")  und 
Moxter(^2)^  fQr  Antisera  gegen  Flimmerepithelien  durch  v.  Dun- 
ger n  (^)  bekannt.  Es  trifft  also  nach  den  bisherigen  Erfahrungen 
auch  für  die  Antisera  gegen  Protozoen  zu.  Es  wäre  von  Interesse 
zu  sehen,  ob  man  durch  Immunisierung  gegen  Amöben,  welche 
keine  speziellen  Bewegungsorgane  besitzen,  weniger  lähmende 
und  dafür  ly tische  Antikörper  erhält.  Was  die  Leukozyten  be- 
trifft, so  habe  ich  keine  Angaben  darüber  finden  können,  ob 
durch  ein  Leukozytotoxin  (Metschnikoff  1.  c,  Funck,(-)  die 
Bewegungsfähigkeit  der  weifsen  Blutzellen  aufgehoben  wird.^)    Es 

1)  Nach  einer  Mitteilung  von  Prof.  G ruber  ist  dies  der  Fall. 


Von  Privatdozent  Dr.  Robert  Röfsle.  29 

sind  nur  Aufhellungen  und  Kernveränderungen  beschrieben.  Es 
ist  auffallend,  dafs  gerade  die  mit  kräftigen  Bewegungen  begabten 
Zellen,  zur  Immunisierung  verwendet,  die  Bildung  vorwiegend 
paralysierender  Antikörper  auslösen.  Eine  Erklärung  läfst  sieh 
dafür  nicht  geben.  (Doch  mag  daran  erinnert  werden,  dafs 
wenigstens  die  freilebigen  unter  ihnen  entsprechend  der  Fähigkeit 
der  schnellen  Fortbewegung  und  der  hohen  Ausbildung  der  Be- 
wegungsorgane eine  andere  Ernährungsweise  besitzen  als  z.  B. 
die  Bakterien,  von  welchen  man  Lysine  erhält.  Vielleicht  sind 
es  die  eigenartigen  Enzyme  der  Verdauung,  welche  als  Antigene 
in  besonderer  Weise  wirken.  Für  die  Paramäcien  ist  ein 
diastatisches  Ferment  von  Mesnil  und  Mouton  (^)  nachgewiesen 
worden). 

Negativ  wie  die  Versuche,  morphologische  Eigentümlich- 
keiten an  den  spezifisch  beeinflufsten  Zellen  zu  entdecken,  fielen 
die  Experimente  aus,  welche  den  Zweck  hatten,  zu  prüfen,  ob 
geringe  Dosen  des  paralysierenden  Serums  etwa  lediglich  eine 
stimulierende  Wirkung  besäfsen.  Dies  war  nicht  der  Fall.  Das 
gleiche  negative  Resultat  verzeichnet  übrigens  Metschnikoff 
(1.  c.)  für  die  gleichen  Versuche  mit  geringen  Dosen  von  spormo- 
toxischem  Serum.  In  beiden  Fällen  verlängerte  sich  mit  ab- 
nehmender Dosis  des  spezifischen  Giftes  nur  die  Zeit  bis  zum 
Eintritt  der  Lähmung. 

Was  die  merkwürdige  Beobachtung  betrifft,  dafs  das  Serum  III 
sich  der  paralysierenden  Wirkung  auch  durch  halbstündiges  Er- 
hitzen auf  über  70®  C  nicht  berauben  liefs,  so  steht  sie  meines 
Wissens  einzig  da.  Die  anderen  Antiparamäcien-Sera  liefsen  sich 
durch  einstündiges  Erhitzen  auf  56°  der  lähmenden  und  agglu- 
tinierenden Eigenschaften  berauben.  Worin  die  Verschiedenheit 
der  Sera  begründet  liegt,  ist  nicht  zu  sagen  (das  Material  für 
das  Serum  III  war  in  der  Wärme  gezüchtet  und  nach  der 
Löffl ersehen  Methode  behandelt  worden).  Dafs  übrigens  Sera 
mit  vorwiegend  paralysierenden  Eigenschaften  sich  der  Erhitzung 
gegenüber  anders  verhalten  als  die  gewöhnlichen  lytischen  Sera, 
geht  aus  Angaben  von  La  voran  und  Mesnil  (1.  c.)  hervor: 
Die  Erwärmung  des  Antitrypanosomenserums   auf  55®  zerstörte 


30  Spezifische  Sera  gegen  Infusorien. 

nur  halb  dessen  lähmende  Eigenschaften^  selbst  die  Erwärmung 
auf  64®  vermochte  dies  nicht  vollständig,  während  bei  64®  die 
Agglutinine  vollständig  zugrunde  gegangen  waren.  Moxter  (1.  c.) 
berichtet,  dafs  die  lähmende  Wirkung  seines  Spermotoxins  durch 
1^2 — 2  stündiges  Erhitzen  auf  58®  verschwand. 

So  viel  über  die  Wirkungen  und  die  Eigenschaften  der 
spezifischen,  gegen  Protozoen  gerichteten  Sera,  soweit  sie  bis 
jetzt  bekannt  sind.  Was  die  gegen  diese  Sera  von  selten  der 
Protozoen  erwerbbare  Immunität  betrifft,  so  ist  durch  meine 
obigen  Versuche  sichergestellt,  dafs  eine  solche,  wenigstens  bei 
den  Paramäcien,  sehr  leicht  eintritt.  Diese  Tatsache  dürfte,  wenn 
sie  in  gleicher  Weise  für  parasitische  Protozoen  konstatiert  wird, 
von  klinischer  Bedeutung  sein,  indem  es  bei  spontaner  Infektion 
mit  krankheitserregenden  Protozoen  für  den  Verlauf  der  Krank- 
heit mafsgebend  sein  wird,  welcher  von  den  beiden  Organismen 
sich  zuerst  eine  wirksame  Immunität  gegen  die  ihm  schädlichen 
Stoffe  des  anderen  verschafft.  Jedenfalls  darf  man  daran  denken, 
dafs  die  Chronizität  mancher  und  die  Unheilbarkeit  mancher 
Infektionskrankheiten,  insbesondere  der  durch  Protozoen  ver- 
ursachten, darauf  beruhen  kann,  dafs  die  pathogenen  Keime 
gerade  gegenüber  den  vom  Organismus  produzierten,  spezifisch 
gegen  sie  gerichteten  Säften  aktive  Immunität  erwerben  können. 


Von  Privatdozent  Dr.  Robert  Röfsle.  31 


Literatur. 

1.  V.  Dungern,  Immunserum   gegen  Epithel.    Münchener  med.  Wochen- 
schrift, 1899,  Bd.  38. 

2.  Funck,  Das  antileukozytäre  Serum.     Zentralbl.  f.  Bakt.,  1900,  Bd.  27. 

3.  R.  Koch,  Deutsche  med.  Wochenschrift,  1900,  Bd.  49  u.  50. 

4.  Kölsch,     Untersuchungen     über    die    Zerfliefsungserscheinungen     der 
ciliaten  Infusorien.    Zool.  Jahrbücher,  1902,  Bd.  16,  S.  273. 

5.  Kos  sei,  Die  Hämoglobinurie  der  Rinder.    Kolle  Wassermann,  Handbuch 
der  path.  Mikroorganismen,  Bd.  1. 

6.  Landsteiner,    Zur    Kenntnis    der    spezifischen    auf    Blutkörperchen 
wirkenden  Sera.     Zentralblatt  f.  Bakt.,  Bd.  25,  S.  547. 

7.  Laver  an  u.  Mesnil,  Recherche   sur  le  trypanosome  des   rats.    Ann. 
de  rinst.  Fast.,  1901,  Bd.  15,  S.  690. 

8.  Löffler,  Über  ein  neues  Verfahren  zur  Gewinnung  von  Antikörpern. 
Deutsche  med.  Wochenschrift,  1904,  30.  Jahrgang,  Nr.  52. 

9.  Mesnil  u.  Mouton,   Sur  une  diastase   prot^olytique   extraite   des  in- 
fusoires  cili^.     Compt.  rend.  Soc.  de  Biologie,  1903,  T.  55,  p.  1016. 

10.  Metschnikoff,  Etudes  sur  la  resorption  des  cellules.    Ann.  Inst.  Fast, 

1899,  Bd.  13,  8.  741. 
U.  Metschnikoff,  Immunitä,  1902. 

12.  Moxter,  Über  ein  spezifisches  Immunserum  gegen  Spermatozoon. 
Deutsche  med.  Wochenschrift,  1900,  14.< 

13.  Pal  tauf,  Agglutination.    In  KoUe-Wassermanns  Handbuch,  Bd.  4. 

14.  Rabinowitsch  u.  Kempner,  Z.  f.  Hygiene,  1899,  Bd.  30,  S.  251. 

15.  Röfsle,  Morphologische  Veränderungen  der  roten  Blutkörperchen  durch 
inaktiviertes,  spezifisch  lytisches  Blutserum.  Münchener  med.  Wochen- 
schrift, 1904,  Nr.  42. 


n1 


Studien  zur  relativen  Photometrie/) 

III.  Teü. 

Vom 

Dozenten  Dr.  Stan.  Räzicka. 

(Aus  dem  k.  k.  Hygienischen  Institate  des  Prof.  Dr.  Gustav  Kabrhel 

in  Prag.) 

Ich  habe  in  meiner  früheren  Arbeit  2)  gezeigt,  dafs  der  Lieht- 
charakter  einzelner  Arbeitsplätze  (z.  B.  in  der  Schule)  in  bezug 
aut  das  Taglicht  am  besten  in  der  folgenden  Art  für  hygienische 
Zwecke  fixiert  und  ausgedrückt  werden  kann:  Man  liest  an 
einem  nebligen  dunklen  Tage  —  bei  gleichmäfsig  diffus  leuch- 
tendem Himmelsgewölbe  —  gleichzeitig  die  Lichtintensität  des  zu 
beurteilenden  Arbeitsplatzes  und  des  Himmelsgewölbes  im  Zenit 
mittels  eines  Photometers  ab  und  berechnet  das  Verhältnis  dieser 
zwei  Intensitäten.  So  findet  man  z.  B.,  dafs  ein  Platz  nur  1% 
der  gleichzeitigen  Lichtiutensität  des  Himmelsgewölbes  aufweist, 
ein  anderer  2%,  ein  dritter  5%. 

Welchen  Wert  hat  eine  solche  Angabe  für  die  hygienische 
Beurteilung  des  betreffenden  Arbeitsplatzes  in  bezug  auf  seine 
Taglichtboleuchtung  ? 

Es  ist  nötig,  sich  zu  vergegenwärtigen,  dafs  das  Grund- 
erfordernis  der  Hygiene  in  bezug  auf  die  Taglichtbeleuchtung 


1)  Vorgelegt   der    Böhm.    Kaiser  Franz-.IosephH-Akademie    in    Prag    am 
7.  April  11H)5. 

2;  Diese«  Archiv,  Bd.  51. 


Vom  Dozenten  Dr.  Btan.  Rftibi6ka.  33 

SO  lautet,  dals  die  absolute  Lichtintensität  eiues  Arbeitsplatzes 
niemals  unter  eine  bestimmte  Minimalgröfse  sinken  darf,  als 
welche  im  allgemeinen  für  gewöhnliche  Schularbeiten  die  In- 
tensität von  etwa  20 — 25  Meterkerzen  angenommen  wird. 

Wir  wollen  uns  nun  vorstellen,  dafs  man  wüfste,  innerhalb 
welcher  Grenzen  sich  die  Lichtintensität  des  Himmelsgewölbes 
binnen  des  ungünstigsten  —  in  bezug  auf  die  Taglichtintensität  — 
Jahresteiles  während  der  Unterrichtsstunden  bewegt. 

Nehmen  wir  an,  dafs  die  Lichtintensität  des  Himmels- 
gewölbes an  den  dunkelsten  nebligen  Tagen  (aufser  der  aus- 
nahmsweise stark  dunklen  Tage)  nicht  unter  2000  Meter- 
kerzen sinken  würde. 

Es  ist  klar,  dals  dann  ein  Arbeitsplatz,  an  welchem  wir 
mittels  meiner  Methode  —  der  relativen  Photometrie  —  bei 
gleichmäfsig  di£Eus  leuchtendem  Himmelsgewölbe  den  Quotienten 
1%  gefunden  haben  (welcher  bedeutet,  dafs  am  Arbeitsplatze 
eine  hundertmal  kleinere  Lichtintensität  als  am  Himmelsgewölbe 
abgelesen  wurde),  bei  solcher  »minimalere  Tageslichthelligkeit 
(die  Intensität  des  Himmelsgewölbes  =  2000  Meterkerzen),  die 
Lichtintensität  von  20  Meterkerzeu,  also  die  noch  minimal  zu- 
lässige haben  wird.  Ferner  ist  es  klar,  dafs  Arbeitsplätze,  welche 
einen  kleineren  Quotienten  als  1%  aufweisen,  bei  obiger  mini- 
maler Tageshelligkeit  eine  geringere  als  die  minimal  noch  zu- 
lässige (=  20  Meterkerzen)  Lichtintensität  haben. 

Aus  dem  Angeführten  ergibt  sich,  dafs  man  im  Sinne  meiner 
Methode  —  der  relativen  Photometrie  —  das  hygienische  Er- 
fordernis in  bezug  auf  die  Taglichtbeleuchtung  eines  Arbeits- 
platzes einfach  in  der  Weise  formulieren  kann,  dafs  ein  Arbeits- 
platz für  gewöhnliche  Schularbeit  bei  nebligem  dunklem  Wetter, 
bei  gleichmäfsig  difEus  leuchtendem  Himmelsgewölbe  wenigstens 
1%  der  im  Zenit  am  Himmelsgewölbe  gleichzeitig  abgelesenen 
Lichtintensität  aufweisen  muls. 

Die  Frage  aber,  innerhalb  welcher  Grenzen  sich  die  Licht- 
intensität des  gleichmäfsig  bedeckten  Himmelsgewölbes  im  un- 
günstigsten Jahresteile  während  der  Unterrichtsstunden  bewegt, 
ist  noch  nicht  systematisch  bearbeitet  worden. 

ArahlT  für  Hygleiw.    Bd.  LIV.  3 


i 


34  Stadien  zur  relativen  Photometrie. 

Ich  mufste  also  selber  solche  systematische  Messungen  aus- 
führen, deren  Resultate  für  den  verlaufenen  Winter  im  folgenden 
mitgeteilt  werden. 

Die  Messungen  habe  ich  am  24.  November  1904  angefangen 
und  mit  einer  kleinen  Unterbrechung  kontinuierlich  bis  Ende 
Jänner  1905  fortgeführt.  Und  zwar  wurde  die  Lichtintensität  des 
Himmelsgewölbes  im  Zenit  mittels  eines  Web  ersehen  Photo- 
meters abgelesen.  Der  Apparat  war  unter  einem  Dachfenster 
des  Dachbodenraumes  im  Institute,  gegen  das  Himmelsgewölbe 
gerichtet,  dauernd  aufmontiert.  Zur  Ablesung  wurde  das  Fenster 
immer  geöfEnet.  Die  Lampe  des  Apparates  war  gründlich  von 
Vorhängen  umgeben,  um  Störungen  der  richtigen  Lage  der 
Benzinflamme  durch  Luftströmungen  zu  vermeiden. 

Die  Ablesung  wurde  immer  um  9  Uhr  vormittags  und  um 
3  Uhr  nachmittags  vorgenommen.  Diese  Ablesungszeitpunkte 
sind  aus  folgenden  Gründen  ausgewählt  worden:  Es  ist  nicht 
nötig,  zu  verlangen,  dafs  die  Lichtintensität  während  der  ganzen 
Unterrichtsdauer  des  Tages  —  von  8  Uhr  früh  bis  4  Uhr  nach- 
mittags —  der  oben  angeführten  hygienischen  Anforderung  ent- 
spräche. Denn  es  ist  möglich  für  den  ungünstigsten  Jahresteil 
auf  die  erste  und  letzte  Stunde  solche  Lektionen  zu  verlegen, 
welche  kein  Lesen,  Schreiben  und  ähnliche  die  Augen  besonders 
anstrengende  Arbeiten  erfordern. 

E^  genügt  also,  wenn  die  Beleuchtung  von  9  Uhr  vor- 
mittags bis  3  Uhr  nachmittags  den  Anforderungen  entspricht.  ^) 
Eventuell  mufs  man  sich  in  der  ersten  bezw.  letzten  Stunden 
durch  künstliche  Beleuchtung  aushelfen. 

Anfangs  habe  ich  die  Messungen  nur  bei  gleichmäfsiger 
oder  wenigstens  annähernd  gleichmäfsiger  Bedeckung  des  Himmels 
ausgeführt  (Ergebnisse  in  der  Tabelle  durch  fettgedruckte 
Zahlen  ausgedrückt),  später  aber  vergleichshalber  auch  bei  un- 
gleichmäfsiger  Bedeckung. 


1)  Natürlich  kommen  —  ausnahms weise  —   auch  nach  9  Uhr,  bzw.  vor 
3  Uhr  niedrigere  Intensitäten  vor  als  die  zu  diesen  Zeitpunkten  gemessenen. 


Vom  Dozenten  Dr.  Stan.  R&üika. 


35 


Die  Liehtintensitftt  des  HimmelsgrewSlbes  Im  Zenit  (in  Meterkerzen). 


Datum 

nm 
9  rhr 
vorm. 

Bedeckung  des  Uimmels 

um 

8  Uhr 

nachm. 

Bedeckung  des  Himmels 

November 

24. 

5446 

1209 

25. 

8916 

unbedeckt 

26. 
27. 

unbedeckt 

>   unbedeckt 

28. 

4707 

unbedeckt 

29. 

75o4 

5768 

30. 

8566 

8512 

Dezember 

1 

1. 

1879 

1240 

2. 

1148 

2448 

3. 

1860 

1106 

4. 
5. 

1188 

ungleicnmäbig  bedeckt 

1 

6. 

8896 

>   ungleicbmftfsig  bedeckt 

7. 

2126 

1 

8. 

8859 

2448 

9. 
10. 

2706 
4120 

, 

—— 

ungleicbmäfsig  bedeckt 

11. 

1824 

■ 

1620 

12. 

8896 

2158 

■ 

13. 

5648 

1 

1850 

14. 

2204 

30') 

16. 

1156 

ungleiclümäfsig  bedeckt 

16. 

ungleichmäfBig  bedeckt 

2022 

17. 

1277 

1889 

18. 

1824 

1680 

19. 

ungleicbmäfsig  bedeckt 

— 

ungleicbmäfsig  bedeckt 

20. 

8896 

• 

527 

21. 

3560 

etwas  ungleichmäfsiger 
bedeckt 

4572 

etwas  ungleicbmäfsiger 
bedeckt 

22. 

2278 

blauer  Himmel, 
wenige  Wolken 

1214 

blauer  Himmel 

23 

1680 

dito 

2926 

24. 

3776 

ungleicbmäfsig  bedeckt 

4572 

ungleicbmäfsig  bedeckt 

25.  Dezember  bis  3.  Januar  wegen  Krankbeit  nicht  gemessen. 


1)  Von    10  Uhr   angefangen    ein    ganz   an fserge wohnlich   dunkler   Tag 
(nm  11  Uhr  vormittags  153  Meterkerzen). 

3* 


36 


Studien  zur  relativen  Photometrie. 


Datum 

um 
9  Uhr 
vorm. 

Bedeckung  des  Himmels 

um 

3  ühr 

nachm. 

Bedeckung  des  Himmels 

Jan aar 

4. 

8006 

4282 

5. 

4147 

2572 

6. 

3896 

ziemlich  ungleicbmäfBig 
bedeckt 

8520 

7. 
8. 
9. 

2572 

4572 

2890 

blauer  Himmel 

2448 

blauer  Himmel 

10. 

2777 

ungleichmäfsig  bedeckt 

11. 

8859 

4282 

' 

12. 

6477 

4572 

>   ungleichmäfsig  bedeckt 

13. 

2448 

5353 

14. 

3779 

ungleicbrnftTsig  bedeckt 

8859 

klar,  bläulicher 
Himmel 

15. 

16. 

8175 

4282 

17. 

2448 

4019 

18. 
19. 

4572 

4959 

>   ungleichmäfsig  bedeckt 

5643 
2777 

ungleichmäfsig  bedeckt 
blauer  Himmel 

20. 

2448 

bläulicher  Himmel 

4572 

bläulicher  Himmel 

21. 

4282 

ungleichmäfsig  bedeckt 

2777 

blauer  Himmel 

22. 

23. 

2688 

bläulicher  Himmel 

24. 

3175 

4572 

blauer  Himmel 

25. 

8257 

5956 

26. 

4572 

ungleichmäfsig  bedeckt 

3667 

ungleichmäfsig  bedeckt 

27. 

4572 

dito 

4572 

dito 

28. 

1898 

1898 

29. 

2159 

2159 

30. 

2159 

2088 

31. 

8896 

7512 

Februar 

1. 

6478 

Die  Tabelle  zeigt,  dafs  —  mit  Ausnahme  des  ungünstigsten 
Monates:  Dezember  —  die  Intensität  des  Himmelsgewölbes  im 
Zenit  zwischen  der  9.  Stunde  vormittags  und  der  3.  Stunde  nach- 
mittags sich  fast  ausnahmslos  oberhalb  des  Wertes  von  1500  Meter- 
kerzen erhält,  ja  sogar  fast  ohne  Ausnahme  oberhalb  des  Wertes 


Vom  Dozenten  Dr.  Stan.  R(iii6ka.  37 

von  2000  Meterkerzen :  Unter  56  Messungen  ergaben  nur  3  (5,4%) 
Fälle  Intensitäten  unterhalb  2000  und  von  diesen  dreien  nur  ein 
Fall  (1,8%)  eine  Intensität  unterhalb  1500  Meterkerzen. 

Im  Dezember  ergaben  die  Messungen  viel  ungünstigere  Re- 
sultate: Unter  39  Messungen  wiesen  ganze  19  (=  48,7%)  eine 
niedrigere  Intensität  als  2000  Meterkerzeu,  von  diesen  19  sogar 
11  (28,2%)  Fälle  weniger  als  1500,  und  von  diesen  noch  3  (7,4%) 
weniger  als  1000  Meterkerzen. 

Kehren  wir  jetzt  zu  der  vorläufig  vorher  gemachten  Annahme, 
dafs  wir  im  Sinne  meiner  Lichtmessungsmethode  als  das  Minimum 
der  Taglichtintensität  an  einem  Arbeitsplatze  1%  der  im  Zenit 
des  Himmelsgewölbes  abgelesenen  Intensität  bezeichnen  würden. 
Wie  gestaltete  sich  die  Taglichtbeleuchtung  eines  solchen  Arbeits- 
platzes im  Verlaufe  der  verflossenen  Winterperiode? 

Im  Dezember  herrschte  unter  39  Fällen  19  mal  an  diesem 
Platze  um  9  Uhr  vormittags  bzw.  um  3  Uhr  nachmittags  eine 
geringere  Intensität  als  die  minimal  zugelassenen  20  Meterkerzen; 
sogar  11  mal  eine  geringere  als  15,  ja  3  mal  eine  geringere  als 
10  Meterkerzen. 

Es  ist  klar,  dafs  uns  auch  die  Minimalanforderung  1  %  für 
diese  ungünstigste  Jahreszeit  nicht  vor  einer  bedeutenden  Anzahl 
von  Fällen  schützt,  in  welchen  zwischen  9  Uhr  vormittags  und 
3  Uhr  nachmittags  an  den  am  schwächsten  beleuchteten  Arbeits- 
plätzen die  Belichtungsintensität  selbst  bedeutend  unter  das  zu- 
gelassene Minimum  sinken  würde. 

Natürlich  genügt  es  in  solchen  Fällen,  einfach,  die  künstliche 
Beleuchtung  anzuwenden.  Das  kostet  natürlich  Geld,  und  es  ist 
einfach  Sache  des  Kalküls,  bis  wieweit  es  vorteilhafter  ist,  die 
ungenügende  Taglichtbeleuchtung  der  Schulzimmer  mittels 
künstlicher  Beleuchtung  zu  ersetzen,  und  wieweit  man  wieder 
besser  auf  seine  Rechnung  kommt  durch  Erreichung  eines  reich- 
licheren Taglichtzutrittes  mittels  erhöhten  Bauaufwandes  inklusive 
der  Grundstückbeschaffung,  wodurch  man  einen  höheren  Minimal- 
quotienten für  die  Taglichtbeleuchtung   der   dunkelsten  Arbeits- 


38  Studien  zur  relativen  Photometrie. 

platze  als  1%  erreichen  kann.^)  Vom  rein  hygienischen  Stand- 
punkte mufs  man  natürHch  immer  dem  TagUcht  Vorzug  geben. 
Auf  Grundlage  obiger  Messungen  nehme  ich  vorläufig^)  als 
»minimale  Tageshelligkeitc  2000  Meterkerzen  (im  Zenit 
des  Himmelsgewölbes  gemessen)  au. 


Was  die  Frage  betrifft,  auf  welche  Art  es  möglich  ist  zu 
ermitteln,  wieviel  Prozente  von  der  Intensität  des  Himmelsgewölbes 
die  an  einem  bestimmten  Arbeitsplatze  herrschende  Intensität 
beträgt,  soll  folgendes  angefülirt  werden: 

1.  Bei  einem  fertigen  Gebäude  kann  man  die  von  mir  in 
meiner  oben  zitierten  Arbeit  angegebene  Methode  be- 
nutzen. (Gleichzeitige  Ablesung  der  Lichtintensität  am 
Himmelsgewölbe  und  am  betreffenden  Arbeitsplatze.) 

2.  Wenn  erst  nur  die  Pläne  eines  zu  bauenden  Gebäudes 
vorliegen,  so  ist  der  folgende  Weg  möglich : 

Es  wird  ein  teilweises  Modell  des  Gebäudes  angefertigt,  an 
welchem  alle  den  Zutritt  des  Taglichtes  beschränkenden  Wände, 
Dächer  usw.  genau  ausgeführt  wären  (dabei  sind  die  ungünstigsten 
durch  die  Bauordnung  zugelassenen  Verhältnisse  und  nicht  die 
gerade  vorhandenen  zu  berücksichtigen.)  Im  Modell  des  Ge- 
bäudes werden  nur  die  Parterreklassen  ausgeführt  und  in  diesen 
wieder  nur  die  dunkelsten  Arbeitsplätze ;  denn  es  genügt,  die  un- 
günstigsten Plätze  zu  berücksichtigen :  wenn  diese  den  An- 
forderungen entsprechen,  entsprechen  desto  besser  die  günstigeren. 
Auf  der  oberen  Fläche  der  Decke  des  eben  auszumessenden 
Raumes  wird  ein  Apparat  aufgestellt,  welcher  durch  einen  Spiegel 
das  Bild  des  Zenitteils  des  Himmelsgewölbes')  in  das  Auge  des 


1)  Bei  der  Erhöhung  der  Minimalforderung  auf  1,5  °/o  würden  von 
jenen  89  Fällen  nur  in  10  die  dunkelsten  Plätze  eine  geringere  Intensität 
als  20,  davon  nur  3  eine  geringere  Intensität  als  15  Meterkerzen  aufweisen. 

2)  Der  definitive  Wert  soll  erst  auf  Grundlage  eines  gröfseren  Materiales 
gewählt  werden. 

3)  Die  Messung  mufs  auf  einem  freien  Platze  unter  freiem  Himmel 
ausgeführt  werden. 


Vom  Dozenten  Dr.  Stan.  RiÜiöka.  39 

Beobachters  reflektiert;  ein  zweiter  Spiegel  reflektiert  ebenso  das 
Bild  eines  weifsen  Papierstückchens,  welches  auf  dem  zu  messenden 
Arbeitsplatze  liegt  (oberhalb  des  Arbeitsplatzes  mufs  zu  diesem 
Zwecke  in  der  Decke  eine  kleine  OfEnung  hergestellt  sein).  Dieses 
zweite  Bild  erscheint  dem  Auge  des  Beobachters  als  ein  Fleck 
auf  dem  Bilde  des  Himmelsgewölbes.  Mittels  eines  kalibrierten 
Rauchglaskeiles  wird  das  letztere  Bild  soweit  verdunkelt,  bis  es 
infolge  kongruenter  Intensität  mit  dem  Bilde  des  Arbeitsplatzes 
eben  genau  verschwimmt. 

Auf  der  Skala  wird  dann  direkt  abgelesen  —  nach  der  Ein- 
stellung des  Keiles  —  wieviel  Prozent  von  der  Intensität  des 
Himmelsgewölbes  diejenige  des  betreffenden  Arbeitsplatzes  beträgt. 

Die  ziemlich  schwierige  Konstruktion  dieses  Apparates  bildet 
den  Gegenstand  meiner  weiteren  Arbeit. 


Wasserstoffsaperoxyd  als  Beinigungs-  nnd  Desinfektions- 

mittel  im  Frisenrgewerbe. 

Von 

Dr.  B.  Hilgermann. 

(AuB  dem  Hygienischen  Institat  der  Universität  Berlin.     Direktor:  Geh. 

Med.-Rat  Prof.  Dr.  Rubner.) 

Bei  der  Fürsorge  zur  Verhütung  der  Übertragung  ansteckender 
Krankheiten  in  den  öffentlichen  Gewerben  hat  sich  in  dem 
letzten  Dezennium  die  Aufmerksamkeit  der  Gesundheitsbehörden 
auch  besonders  auf  das  Friseurgewerbe  erstreckt,  seitdem  wieder- 
holt darauf  hingewiesen  wurde,  wieviel  ansteckende  Krankheiten 
in  ihrer  Entstehung  und  Weiterverbreitung  diesem  Gewerbe  zu- 
zuschreiben seien.  Eine  gröfsere  Anzahl  von  Städten  hat  dem- 
entsprechende  Polizeiverordnungen  erhalten,  welche  den  Friseuren 
strengste  Reinlichkeit  und  sauberste  Reinigung,  vor  allem  Des- 
infektion der  dabei  in  Betracht  kommenden  Gerätschaften  vor- 
schreiben. Seitdem  die  Walze  und  zumeist  der  Rasierpinsel  in 
Wegfall  gekommen,  für  das  Messer  Reinigungsmittel  zur  Genüge 
verwendbar  waren,  fehlte  noch  stets  für  die  Bürste,  der  Haupt- 
trägerin vieler  Keime,  ein  genügendes  Desinfektionsmittel.  Die 
vorhandenen  und  erprobten  Verfahren  der  Desinfektion  mittels 
Formalin,  Alkohol  usf.  waren  teils  zu  teuer,  teils  zu  zeitraubend, 
teils  schädigten  sie  das  Bürstenmaterial.  Da  man  die  Unmöglichkeit 
einer  genügenden  und  billigen  Desinfektion  einsah,  wurden  zahl- 


Von  Dr.  R.  Hilgermann.  41 

reiche  Auswege  vorgeschlagen.  Jeder  Kunde  z.  B.  sollte  sein 
eigenes  Friseurbesteck  haben,  oder  für  besonders  desinfizierte 
Bürsten  sollte  ein  kleiner  Kostenaufschlag  erhoben  werden. 
Ersterer  Vorschlag  ist  wohl  für  die  sogenannte  Stammkundschaft 
anwendbar,  wie  verhält  es  sich  aber  mit  den  Fremden  imd  mit 
denjenigen,  die  infolge  ihres  Berufes  gezwungen  sind,  täglich 
ihren  Wohnort  zu  wechseln  ?  Der  zweite  Vorschlag  —  betreffend 
den  Kostenaufschlag  für  stets  vorrätig  zu  haltende  desinfizierte 
Bürsten  —  dürfte  gerade  durch  die  wenn  auch  geringe  Ver- 
teuerung  die  meisten  vor  dem  Gebrauch  einer  derartigen  Bürste 
abschrecken.  Und  doch  mufs  Publikum  wie  Gesundheitsbehörde 
strengste  Sauberkeit  und  Gefahrlosigkeit  verlangen  können, 
anderseits  ist  auch  den  Friseuren  bilUgerweise  nicht  zuzumuten, 
durch  AnschafEung  kostspieUger  Mittel  ihren  Verdienst  sich 
schmälern  zu  lassen. 

Bei  Beurteilung  dieser  Verhältnisse  und  der  diesbezüglichen 
vielfachen  Neuerungsvorschläge  schien  es  angebracht,  vor  allem 
einmal  zu  untersuchen,  was  für  Reinigungsmittel  der  Friseur 
selbst  verwendet,  um  den  an  die  Sauberkeit  seiner  Gerätschaften 
gestellten  Anforderungen  gerecht  zu  werden.  Mufste  doch  die 
Beantwortung  dieser  Fragen  im  positiven  oder  negativen  Sinne 
auch  für  die  weitere  Benutzung  derartiger  Mittel  von  ausschlag- 
gebender Bedeutung  sein.  Ergaben  sich  nämUch  bei  einer 
Prüfung  der  Leistungsfähigkeit  der  zurzeit  im  Friseurgewerbe 
üblichen  Reinigungsmethoden  befriedigende  Resultate,  so  fiel 
damit  auch  jeder  Grund,  die  Friseure  zum  Gebrauch  neuer 
Reinigungsmittel  anzuhalten,  fort,  und  würde  eine  genaue  Fest- 
setzung der  Anwendungsweise  der  einzelnen  Mittel  genügt  haben, 
um  einen  befriedigenden  Ausweg  zu  sichern. 

Im  entgegengesetzten  Falle  mufste  gerade  von  seiten  der 
Gesundheitsbehörde  die  Anwendung  von  Reinigungsmethoden 
untersagt  werden,  die  nutzlos,  höchstens  geeignet  sind,  eine  noch 
grölsere  Verschmutzung  und  Infektionsgefahr  herbeizuführen. 
In  bezug  auf  letzteren  Gesichtspunkt  war  Herr  Regierungs- 
medizinalrat Nesemann  so  gütig,  mir  die  am  meisten  in  Frage 
konmienden  Reinigungsverfahren  zugänglich  zu  machen. 


42       Wasserstoffsuperoxyd  als  Reinigmlgs-  u.  Dosinfektionsmittel  etc. 

Die  zurzeit  gebräuchlichsten  Methoden  bestehen  teils  in 
einer  trockenen  Reinigung,  teils  in  einer  Waschung  der  Bürsten. 
Von  ersterer  Art  wird  besonders  das  Ausklopfen  mit  Mehl  be- 
vorzugt, von  letzterer  das  Auswaschen  in  Soda-  und  Salmiakgeist- 
lösungen. 

Bei  einer  Nachprüfung  dieser  Methoden  ergab  sich,  dafs  sie 
wohl  eine  leidliche,  dem  Auge  sichtbare  Reinigung  der  Bürsten 
zu  erzielen  imstande  sind,  doch  ist  die  hierbei  erfolgte  etwaige 
Keimverminderung  eine  viel  zu  geringe,  als  dafs  sie  den  vom 
hygienischen  Standpunkte  aus  zu  stellenden  Anforderungen 
hätte  entsprechen  können. 

Noch  einen  anderen,  nicht  zu  gering  einzuschätzenden  Nachteil 
haben  diese  Reinigungsarten  insofern,  als  sie  sämtlich  ziemlich 
zeitraubend  und  umständlich  sind,  denn  nur  bei  einer  leicht  zu 
handhabenden  und  schnellen  Methode  wird  sich  der  Friseur  zu 
einer  öfteren  Reinigung  seiner  Bürsten  verstehen  wollen. 

Eine  wirklich  befriedigende  Lösung  dürfte  erst  dann  zu  er- 
warten sein,  sobald  dem  Friseur  ein  Mittel  zur  Verfügung  steht, 
das  für  ihn  nicht  nur  als  Desinfektions-,  sondern  auch  als  Reini- 
gungsmittel brauchbar,  gleichzeitig  billig,  völlig  geruchlos,  un- 
giftig ist  und  die  Bürsten  nicht  schädigt,  dabei  darf  das  Ver- 
fahren nicht  umständlich  und  zeitraubend  sein. 

Auf  Anregung  von  Herrn  Geheimrat  Rubner  habe  ich 
diesbezügliche  weitere  Untersuchungen  gemacht  und  glaube  nun- 
mehr in  dem  Wasserstoffsuperoxyd  ein  all  diesen  An- 
forderungen genügendes  Mittel  gefunden  zu  haben. 

Verwendung  fand  das  sog.  lOproz.  Wasserstoffsuperoxyd 
(Marke  Schering),  das  in  100  Gewichtsteilen  3  Gewichtsteile  Hg  Og 
enthält.  Auch  machte  ich  Versuche  mit  dem  neuerdings  von 
Merck  in  den  Handel  gebrachten  30proz.  Perhydrol.  Letzteres 
wirkte  natürlich  bedeutend  prompter,  doch  kann  dasselbe  seines 
hohen  Preises  wegen  kaum  in  Betracht  kommen.  Da  es  sich 
aber  bei  diesen  Versuchen  um  eine  allen  zugängliche  Verwertung 
handeln  sollte,  bezog  ich  sodann  aus  den  verschiedensten  Ge- 
schäften   das    nötige  Wasserstoffsuperoxyd,    um    gleichzeitig  die 


Von  Dr.  R  Hilgermann.  43 

Möglichkeit  einer  allgemeinen  Anwendung  in  ihren  Erfolgen 
kontrollieren  zu  können. 

Als  Versuchsmaterial  diente  mir  aufser  einer  grofsen  Anzahl 
in  Gebrauch  befindlicher  Friseurbürsten  noch  Bürsten,  die  ich 
mit  Staphylokokkenkulturen,  einmal  auch  mit  Tricho- 
phyton und  Favus  verunreinigte.  Diese  Verunreinigimgs- 
versuche  führte  ich  in  der  Weise  aus,  dafs  ich  die  Bürsten  mit 
2 — 3  24  Stunden  alten  Staphylokokkenbouillon-Kulturen  übergofs 
und  sodann  durch  mehrere  Stunden  im  Brutschrank  bei  37^ 
trocknete. 

Die  zu  reinigenden  Bürsten  wurden  zusammen  mit  einem 
im  Gebrauch  befindlichen  Kamme  für  wechselnde  Zeiten  in  ver- 
schieden starken  Lösungen  in  Standgefäfse  gestellt,  einige  Male 
gründlichst  durchgekämmt  und  sorgfältig  mit  sterilem  Wasser 
durchspült. 

Sowohl  vor  als  nach  der  Behandlung  der  Bürsten  mit  H2O2 
wurden  stets  ca.  fünf  Borsten  aus  den  verschiedensten  Stellen 
der  Bürsten  mit  steriler  Pinzette  herausgezogen,  auf  sterile  Petri- 
schalen gelegt  und  teils  mit  Gelatine,  teils  mit  Agar  übergössen, 
oder  die  Borsten  wurden  in  sterile  Bouillon  gebracht,  um  auf 
diese  Weise  die  besten  Wachstumsbedingungen  für  vorhandene 
Keime  zu  ermögUchen.  Gleichzeitig  wurden  stets  Kontrollplatten 
angelegt. 

Nach  zahlreichen  Vorversuchen  bin  ich  zu  '■■  dem  Resultat  ge- 
kommen, dafs  für  die  Zwecke  des  Friseurgewerbes  am  geeignetsten 
eine  5proz.  Lösung  ist,  d.  h.  die  im  Handel  e>rhältlich6  Stamm- 
lösung ist  zur  Hälfte  mit  Wasser  zu  verdünnen.  In  dieser  ver- 
bleiben die  Bürsten  30  Minuten  und  werden  sodann  mit  dem  be- 
treffenden Kamm  ausgebürstet.  Bei  diesem  Verfahren  blieben 
stets  die  nach  der  Reinigung  angelegten  Platten  steril  oder 
zeigten  höchstens  ausnahmsweise  vereinzelte  Kolonien,  während 
die  Platten  vor  der  Reinigung  massenhaft  Kolonien  aufwiesen. 
Am  besten  sind  die  Bürsten  in  Standgefäfse  zu  stellen,  eventuell 
gewöhnliche  Wassergläser,  während  Schalen  nicht  zu  empfehlen  sind. 

Au&er  den  Bürsten  werden  auf  diese  Weise .  gleichzeitig  die 
Känmie  gereinigt. 


44       Wasserstoffsuperoxyd  als  Reinigungs-  u.  Desinfektionsmittel  etc. 


Folgende  Tabelle  zeigt  die  Endergebnisse: 

Yersaeh  L 

Untersuchnngsmaterial :  5  in  tftglichem  Gebrauch  befindliche  Friseurbürsten. 


KoDzentra- 

Nummer 

tionderzur 

Einwir- 

IKTut. 

Bürste  vor  der 

Desinfelctionierfolg 

der 

Reinigung 
verwandten 

kungs- 

Nähr- 
boden 

Behandlung  mit 

nach  der  Behand- 
lung der  Bürste 

Bürste 

H,0,- 
I^sung 

zeit 

H,0, 

mit  H,  0, 

1. 

Steril 

2. 

> 

3. 

5proz. 

30  Min. 

Agar, 

Auf    den    Platten 

> 

4. 

Gelatine, 

zahlreichste   Eo- 

> 

5. 

9 

Bouillon 

lonienbildung , 
sowohl     entlang 
den  Borsten,  als 

» 

auch    im    freien 

Gesichtsfeld. 

Bouillon  stark  ge- 

trübt. 

Yersaeh  II. 

Infektionsmaterial :  Staphylokokken. 


Nummer 

der 

Bürste 

Konzentra- 
tion der  zur 
Reinigung 
verwandten 

H,Or 
Lösung 

Einwir- 
kungs- 
zeit 

Nähr- 
boden 

Bürste  vor  der 

Behandlung  mit 

H.O. 

Desinfektionserfolg 
nach  der  Behand- 
lung der  Bürste 
mit  H,  Ot 

1. 
2. 
3. 
4. 
5. 

5  proz. 

30  Min. 

Agar, 
Gelatine, 
Bouillon 

Auf    den    Platten 
reichlichste  Sta- 
phylokokken-Ko- 
lonien. 

Bouillon  stark  ge- 
trübt. 

Steril 

> 
> 
> 
> 

Bei  Versuch  I  und  II  wurde  jede  Bürste  für  sich  in  einer 
stets  neu  hergestellten  Lösung  gereinigt,  bei  dem  folgenden 
Versuch  III  hingegen  dieselbe  Lösung  zur  Reinigung  von  drei 
verschiedenen  Bürsten  benutzt.  Das  bei  diesem  Versuch  erzielte  Er- 
gebnis zeigt  für  die  Verwendung  im  Friseurgewerbe,  also  für  die 
allgemeine  Praxis,  dafs  in  derselben  Lösung  ohne  Beeinträchtigung 
des  Resultats  2— 3  Bürsten  gereinigt  werden  können.  Bedenkt  man 
aber,    dals   es   sich   bei   meinen  Versuchen   stets    um   arg    ver- 


Von  Dr.  E.  Hilgermann. 


45 


nachlAssigte  oder  absichtlich  mit  Infektionsmaterial  imprägnierte 
Bürsten  handelte,  so  würde  sich  bei  steter  Anwendung  des 
Mittels  und  dementsprechender  zunehmender  Sauberkeit  die 
Leistungsfähigkeit  derselben  Lösung  noch  erheblich  steigern 
lassen  und  hiermit  die  Auslagen  stetig  billigere  werden. 

Yersueh  ni« 

üntersuchungsmaterial :  3  in  tftglichem  Gebrauch  befindliche  Haarbürsten. 


Nummer 

der 

Bürste 

KonzeDtra- 
tionderzur 

yerwandten 

IfÖBUOg 

Einwir- 
kungs- 
zeit 

Nähr- 
boden 

Vor  der  Be- 
handlung mit 
H,0, 

Desinfektionserfolg 
nach  der  Behand- 
lung mit  H,0, 

1. 

2. 

3. 

'  5proi. 

30  Min. 

Agar, 
Gelatine, 
Bouillon 

135  K. 
90    > 

105    . 

Steril 
1  E. 

Haben  die  in  vorstehender  Tabelle  angeführten  Versuchs- 
reihen bewiesen,  dafs  bei  dieser  Art  der  Reinigung  eine  gute 
desinfizierende  Wirkung  erzielt  wird,  so  ergibt  Versuch  IV,  dafs 
die  bei  meinen  Versuchen  verwandte  Wasserstoffsuperoxydlösung 
vor  allem  auch  eine  prophylaktische  Wirkung  auszuüben  im- 
stande ist.  Mit  diesem  Nachweis  der  Prophylaxis  ist  aber  in 
der  Verhütung  der  Weiterverbreitung  ansteckender  Krankheiten 
in  den  öfEentlichen  Gewerben  ein  weiterer  Schritt  getan. 

Yersueh  IV. 

Üntersuchungsmaterial:  3  mit  H,0,  yorbehandelte  Bürsten. 
Infektionsmaterial :  Staphylokokken. 


Nummer ; 

der 
Bürste   : 

1 

Konzentra- 
tion der  zur 
Reinigung 
verwandten 
Lösung 

Einwir- 

kungs- 

seit 

Nähr- 
boden 

Vor  der  Behand- 
lung mit  HfOt. 
nach  der  Infek- 
tion mit  Bta- 
phylolcokken 

Nach  der  Be- 
handlung mit 

H,0, 
(DeslnfektionB- 

eifolg 

Eontroll- 
röhrchen 
u.  Platte 

1. 
2. 

3. 

5proz. 

30  Min. 

Agar, 
Gelatine, 
Bouillon 

Steril 

Steril 

> 

> 

+ 
+ 

+ 

46       WasBentoffsuperoxyd  als  Reihigungs-  n.  DeeiiifektionBmittel  etc. 

Um  die  Desinfektionswirküng  der  bei  obigen  Versuchen  be- 
nutzten Wasserstoffsuperoxydlösung  noch  eingehender  festzustellen 
und  zu  prüfen,  machte  ich  einen  Kontrollversuch  mit  Milz- 
brandsporenseidenfäden.  Es  zeigte  sich  hierbei,  dafs  die 
5proz.  Lösung  auch  zur  Abtötung  dieser  resistenten  Sporen  in 
verhältnismälsig  kurzer  Zeit  ausreichend  ist.  Seidenfäden,  die 
die  zur  Abtötung  der  Milzbrandsporen  drei  Minuten  strömendem 
Wasserdampf  und  24  Stunden  Sublimatlösung  (1 :  1000)  ausgesetzt 
werden  mufsten,  waren  nach  50  Minuten  langem  Verweilen  in  der 
Wasserstoffsuperoxydlösung  abgetötet. 

Wenn  auch  die  im  vorhergehenden  mitgeteilten  Resultate 
die  Möglichkeit  einer  vollkommenen  Sterilisierung  der  als  Ver- 
suchsmaterial benutzten  Friseurbürsten  erwiesen  haben,  so  mufs 
doch  das  Wasserstoffsuperoxyd  noch  andere  Eigenschaften  be- 
sitzen, die  den  Vorschlag  einer  eventuellen  Einführung  desselben 
in  die  Hygiene  der  Friseurstuben  nicht  nur  als  wünschenswert, 
sondern  vor  allem  auch  als  berechtigt  erscheinen  lassen.  Bei 
meinen  Versuchen  bin  ich  nun  zu  dem  Resultat  gekommen,  dafs 
neben  der  Keimabtötung  vor  allem  auch  gleichzeitig  eine  gute 
Reinigung,  selbst  der  verschmutztesten  Bürsten,  erzielt  wird, 
welch  letzteres  mir  auch  von  Fachleuten  bestätigt  wurde.  Bürsten, 
welche  vor  der  Reinigung  mit  Wasserstoffsuperoxyd  eine  dichte, 
verfilzte  Schmutzschicht  auf  dem  Bürstenboden  und  entlang  den 
Bürstenbündeln  zeigten,  waren  nach  der  Reinigung  vollständig 
von  diesen  gesäubert. 

Mit  dem  Moment  der  gleichzeitigen  Reinigung  und  Des- 
infektion in  kürzester  Zeit  fällt  aber  jeder  Einwand  der  Friseure 
von  einer  unnötigen  Überlastung  oder  Inanspruchnahme  in  sich 
zusammen,  und  kann  sodann  ein  Zwang  von  selten  der  Gesund- 
heitsbehörde nicht  mehr  als  unbillige  Forderung  angesehen 
werden.  Da  femer,  wie  ich  oben  beschrieben,  die  Reinigung 
nur  Bruchteile  von  Minuten  dauert,  würde  dieses  Verfahren 
vielleicht  schon  an  und  für  sich  allmählich  die  Indolenz  der 
Friseure  überwinden  können.  Dazu  kommt,  dafs  das  Wasser- 
stoffsuperoxyd sehr  billig,  völlig  geruchlos  ist  und  desodorierend 


Von  Dr.  B.  Hilgermann.  47 

wirkt.  Wie  bei  Versuch  III  (vgl.  Tabelle)  angegeben,  ist  dieselbe 
Lösung  für  mehrere  Bürsten  verwendbar,  auch  ist  sie  noch  nach 
mehreren  Tagen  völlig  brauchbar.  Das  Bürstenmaterial,  der 
Holzboden,  Lack  oder  die  Festigkeit  der  einzelnen  Borstenbündel 
hat,  abgesehen  von  ganz  minderwertigem  Material,  niemals  eine 
Schädigung  oder  eine  Verminderung  der  Leistungsfähigkeit  ge- 
zeigt. Die  Dehnbarkeit  und  Reifsbelastuug^)  der  Borsten  habe 
ich  sowohl  vor  als  nach  Anwendung  des  Wasserstoffsuperoxyds 
mit  dem  Präzisionsapparat  geprüft  und  keinerlei  Veränderung 
gefunden.  Zii  erwähnen  wäre,  dafs  allerdings  Bürsten  mit  gelblich- 
weifsen  Borsten  eine  allmähliche  Bleichung  erlitten,  jedoch  dürfte 
dieses  in  der  Praxis  der  Friseurstuben  eher  als  Vorteil  denn 
als  Nachteil  gelten. 

Infolgedessen  müfste  bei  seinen  vielen  einwandsfreien  Vor- 
zügen das  Wasserstoffsuperoxyd  sich  wohl  eignen,  die  Kalamität 
der  Friseurstuben  in  bezug  auf  Mangel  an  Reinlichkeit  und 
Ansteckungsgefahren  zu  beseitigen.  Eine  dementsprechende 
Verordnung  könnte  die  Friseure  dazu  anhalten,  täglich  zwei- 
bis  dreimal  die  im  Gebrauch  befindUchen  Bürsten  und  Kämme 
einige  Zeit  in  die  in  einem  gläsernen  StandgefäTs  oder  Wasser- 
glas bereitstehende  Lösung  zu  stellen,  oder  sie  wenigstens  bei 
Schlufs  des  Geschäftes  oder  mindestens  alle  zwei  bis  drei  Tage 
nach  den  oben  angegebenen  Vorschriften  gründlich  zu  säubern. 
Eine  Kontrolle  wäre  jederzeit  leicht  möglich. 

Nicht  blofs  für  das  Friseurgewerbe,  sondern  auch  für 
Krankenhäuser,  Anstalten  und  gröfsere  Betriebe  wäre  dieser 
Modus  der  Reinigung  wohl  ein  willkommener  Ausweg.  Denn 
nunmehr  würden  stets  vollständig  saubere  und  sterile  Bürsten  zur 
Verfügung  stehen,  gröfsere  Anschaffungsausgaben  und  Über- 
tragungsgefahren aber  in  Wegfall  kommen. 


1)  Weitere  Untersuchungen  zu  dem  in  §  2,1  der  Bekanntmachung  des 
Herrn  Beichskanzlers  vom  28.  Januar  1899  für  Rofshaarspinnereien  usw. 
Yorgeschriehenen  Desinfektionsverfahren  mittelst  Wasserdampf.  Arbeiten 
aus  dem  Kais.  Gesundheitsamt  1901,  von  Dr.  P.  M  u  s  e  h  o  1  d ,  Oberstabsarzt. 

Herrn  Regierungsrat  Dr.  Weber  vom  Kais.  Gesundheitsamt  für  die 
gütige  Erlaubnis  der  Benutzung  des  Präzisionsapparates  ergebenster  Dank. 


48       Wasserstoffsaperoxyd  als  BeinigongBinittel  etc.    Von  Dr.  R.  Hilgermann. 

Herrn  Geheimen  Medizinalrat  Dr.  Rubner  spreche  ich  für 
die  gütige  Anregung,  Herrn  Professor  Dr.  F  ick  er  für  seine 
Unterstützung  bei  Abfassung  der  Arbeit  meinen  ganz  ergebensten 
Dank  aus.  Herrn  Regierungsmedizinalrat  Dr.  Nesemann  und 
Herrn  Geheimen  Medizinalrat  Dr.  Granier  bin  ich  für  die 
gütige  Unterstützung  bei  BeschafiEung  des  erforderlichen  Materials 
zu  Dank  verpflichtet. 


Literatur. 

B  ruh  na,  Handbuch  d.  Hygiene  von  Dr.  Th.  Weyl.    H.  Supplementband, 

1902. 
Strafe  mann,  Hygienische  Rundschau,  1903,  Nr.  5. 
Berger,  Zentralblatt  f.  Bakteriologie,  1898,  Bd.  28. 
Lichtenstein,  Deutsche  med.  Wochenschrift,  1900,  Nr.  10. 
Blaschko,  Berl.  kl.  Wochenschrift,  1893,  Nr.  35. 
Rausch,  Zentralblatt  f.  Bakteriologie,  1902,  Bd.  31. 
Weichselbaum,  Münchener  med.  Wochenschrift,  1898,  Nr.  8. 
Musehold,  Arbeiten  aus  dem  Reichsgesundheitsamt,  1901. 
Kolle-Wassermann,  Handbuch  der pathogenen  Mikroorganismen,  1903, 

S.  31. 
Flu  egge,  Grundrifs  der  Hygiene,  1897,  S.  46. 
Behring,  Bekämpfung  der  Infektionskrankheiten,  1894,  S.  98. 
Therapeutische  Monatsberichte,  1905,  2.  Heft 


Bemerknngen  zur  Abhandlnng  yon  E.  Mettler  über  die 
bakterizide  Wirkung  des  Lichtes  auf  gefärbte  Nährböden. 

Von 

H.  V.  Tappeinen 

Die  Art  der  Besprechung  der  mit  dieser  Abhandlung^)  in 
Beziehung  stehenden  früheren  Arbeiten  veranlafst  mich  zu  folgen- 
den Bemerkungen: 

1.  In  der  Einleitung  wird  gesagt,  dafs  diese  Untersuchung 
durch  eine  Idee  von  Dreyer,  Gewebe  durch  Zusatz  ge- 
wisser Stoffe  zu  sensibilisieren,  veranlafst  worden  sei.  Es 
wird  hierbei  zu  erwähnen  unterlassen,  dafs  sämtliche  hier- 
für grundlegenden  Versuche  inklusive  dem  Hinweis  auf 
Sensibilisierung  bereits  von  anderer  Seite  1900  veröffent- 
licht wurden.^)  Da  ich  schon  einmal  genötigt  war,  gegen 
diese  historisch  unrichtige  Darstellung  Verwahrung  ein- 
zulegen und  dieselbe  von  verschiedensten  Seiten  Zustim- 
Tnxing  gefunden  hat,  genügt  es,  darauf  hinzuweisen. 

2.  In  der  am  Schlüsse  folgenden  Literaturzusammenstellung  ist 
die  von  mi r gemeinsam  mit  Jodlbauer  ausgeführte  Unter- 
suchung über  die  Wirkung  photodyuamischer(iluoreszieren- 

1)  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  53,  8.  79. 

2)  H.  ▼.  Tappeiner,  Über  die  Wirkung  fluoreszierender  Stoffe  auf 
Infusorien  nach  Versuchen  von  0.  Baab,  Münchener  med.  Wochenschrift, 
1900,  Nr.  1. 

3)  H.  y.  Tappeiner,  Zur  Kenntnis  der  lichtwirkenden  (fluoreszierenden) 
Stoffe.    Deutsche  med.  Wochenschrift,  1904,  Nr.  16. 

Archiv  f  Hygiene,  Bd.  LIV.  4 


50  Bemerkungen  lur  Abhandlung  von  £.  Mettler  etc. 

der)  StofEe  auf  Protozoen  und  Enzyme^)  zwar  zitiert,  im 
übrigen  aber  unberücksichtigt  geblieben.  Nur  so  ist  es 
zu  erklären,  dafs  Ansichten  und  Behauptungen  aufs  neue 
vorgebracht  werden,  welche  dort  experimentell  widerlegt 
wurden  und  fundamenteil  irrige  Sätze  Aufnahme  finden 
konnten,  wie  der  folgende:  i Das  Ery throsin  unterscheidet 
sich  vom  Eosin  durch  das  Fehlen  der  Fluoreszenz,  c 
3.  Die  Darstellung  der  Beziehungen  der  photodynamischen 
Erscheinung  zu  Fluoreszenz  und  Sensibilisierung  scheint 
mir  der  wirklichen  Sachlage  nicht  zu  entsprechen.  Da 
ähnliche  Auffassung  auch  bei  einzelnen  anderen  Bear- 
beitern dieses  Gebietes  sich  findet,  dürfte  es  angezeigt 
sein,  den  gegenwärtigen  Stand  der  Frage,  soweit  sie  Bak- 
terien betrifft,  in  Kürze  zu  präzisieren. 

Die  Frage,  ob  die  photodynamische  Erscheinung  und  die 
von  H.  W.  Vogel  an  Bromsilberplatten  entdeckte  optische  Sensi- 
bilisierung identische  Vorgänge  sind,  wurde  durch  die  von 
Jodlbauer  und  mir  angestellten  Versuche  insoferne  verneinend 
beantwortet,  als  erstere  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  nur 
durch  Stoffe  bewirkt  wird,  welche  die  Eigenschaft  haben  in 
wässeriger  Lösung  zu  fluoreszieren,  letztere  hingegen  auch  durch 
Stoffe  erfolgt,  welchen  diese  Fähigkeit  abgeht. 

Unentschieden  hingegen  ist  die  weitere  Frage,  ob  die  photo- 
dynamische Erscheinung  als  Sensibilisierung  aufzufassen  ist,  wenn 
man  darunter  ganz  allgemein  die  Steigerung  jedes  Prozesses 
versteht;  der  auch  durch  Licht  allein  verursacht  wird. 

Nun  wurde  durch  unsere  Untersuchungen  2)  ermittelt,  dafs 
Bacillus  prodigiosus,  Proteus  vulgaris  und  Bact.  acidi  lactici  durch 
verschiedene  fluoreszierende  Stoffe  (Eosin,  Erythrosin,  Rose  bengale, 
Phenosaframin,  Methylenblau)  bei  Gegenwart  von  zerstreutem  Tages- 
lichte zu  einer  Zeit  (je  nach  der  angewandten  Substanz  1 — 7  Tage) 
abgetötet  werden,   in  der  von  einer  Wirkung  des  Lichtes  allein 

1)  D.  Arch.  f.  klin.  Medizin,  Bd.  80,  S.  427—487. 

2)  A.  Jodlbauer  u.  H.  v.  Tapp  einer,  Über  die  Wirkung  photo- 
dynamischer (fluoreszierender)  Stoffe  auf  Bakterien.  Münchener  med. 
Wochenschrift,  1904,  Nr.  25. 


Von  H.  V.  Tappeiner.  61 

noch  nichts  zu  bemerken  ist.  Anderseits  steht  fest,  dafs  Licht 
allein,  insbesondere  ultraviolettes  Licht,  Bakterien  zu  töten  ver- 
mag, wenn  es  sehr  intensiv  ist.  Daraus  wird  von  melureren  Au- 
toren der  Schlufs  gezogen,  dafs  es  sich  bei  der  Wirkung  der 
fluoreszierenden  (photodynamischen)  Stoffe  um  eine  Steigerung 
der  einfachen  Lichtwirkung  handle  und  somit  die  Auffassung  des 
Vorganges  als  Sensibilisation  bewiesen  sei.  Ich  halte  diesen  Schlufs 
nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Untersuchungen  noch  nicht 
für  berechtigt.  Es  wird  dabei  aufser  acht  gelassen,  dafs  Tötung 
von  Bakterien  auf  verschiedene  Weise  bewirkt  werden  kann. 
Zwei  Vorgänge,  die  zu  demselben  Endeffekt  führen,  dürfen  nicht 
ohne  weiteres  als  identisch  betrachtet  werden.  Die  Berechtigung 
hierzu  ist  erst  mit  dem  Nachweise  gegeben,  dafs  dieser  End- 
effekt, also  die  Tötung  der  Bakterien,  in  beiden  Fällen  unter  den- 
selben Bedingungen  erfolgt.  Nun  ist  als  notwendige  Bedingung 
der  Abtötung  von  Bakterien  durch  fluoreszierende  Stoffe  die  An- 
wesenheit von  Sauerstoff  erkannt.^)  Die  Frage  hingegen,  ob 
diese  Bedingung  auch  für  die  Abtötung  der  Bakterien  durch 
Licht  allein  Geltung  hat,  ist  trotz  vieler  Untersuchungen  noch 
unentschieden.  Der  letzte  Bearbeiter  *'*)  derselben  verneint  dieselbe 
geradezu;  der  erste  Satz  imResümmee  des  Resultates  seiner  Ver- 
suche hat  folgenden  Wortlaut:  »Die  bakterizide  Wirkung  des 
Lichtes  ist  nicht  in  dem  Sinne  ein  Oxydationsprozefs,  dafs  das  Vor- 
handensein des  Sauerstoffs  eine  Bedingung  für  dieselbe  ist.  Das 
Licht  vermag  nämlich  Bakterien  zu  töten,  selbst  wenn  jede  Spur 
von  Sauerstoff  fehlt,  und  wenn  sich  während  der  Belichtung  kein 
neuer  Sauerstoff  durch  Dekomposition  chemischer  Stoffe  bilden 
kann.c 

Es  unterliegt  daher  keinem  Zweifel,  dafs  es  bei  diesem  gegen- 
wärtigen Stande  der  Untersuchung  nicht  zulässig  ist,  von  der 
Auffassung  der  photodynamischen  Erscheinung  als  Sensibilisierung 


1)  A.  Jodlbauer  u.  H.  v.  Tappeiner,  Die  Beteiligung  des  Sauer- 
stofiFs  bei  der  Wirkung  fluoreszierender  Stoffe.  D.  Arcb.  f.  klin.  Medizin, 
Bd.  82,  8.  520. 

2)  V.  Bie,  Ist  die  bakterizide  Wirkung  des  Licbtes  ein  Oxydations- 
prozefs.   Finsens  med.  Lichtinstitut,  1905,  Heft  9,  S.  73. 

4* 


52       Bemerkungen  z.  Abhandlung  v.  £.  Mettler.    Von  H.  v.  Tappeiner. 

wie  von  einer  erwiesenen  Tatsache  zu  sprechen,  und  ich  glaube, 
es  war  durchaus  gerechtfertigt,  die  im  Münchener  Pharmakolo- 
gischen Institute  entdeckte  Lichtwirkung  bis  zur  Klärung  ihrer 
Beziehungen  zu  Fluoreszenz  und  Sensibilisation  mit  dem  nichts 
präjudizierenden  Namen  photodynamische  Wirkung  zu  belegen. 

Wie  bereits  erwähnt,  gelten  diese  Bemerkungen  nur  für  Bakterien.  Für 
Enzyme  dflrfte  die  Frage  nach  Untersuchungen  von  Jodlbauer  und  mir, 
welche  an  anderer  Stelle  ausführlich  veröffentlicht  werden  sollen,  entschieden 
sein.    £b  sei  hier  nur  eine  Versuchsreihe  als  Beleg  angeführt. 

Gläserne  Gaswaschflaschen,  aus  einem  Stück  geblasen,  wurden  im 
Dunkelidmmer  zu  ca.  ^U  ^^^  klarer  Invertinlösung  gefüllt  und  der  überstehende 
Luftraum  nach  sorgfältiger  Evakuierung  durch  Wasserstoff,  resp.  Sauerstoff, 
ersetzt.  Nach  dem  Zuschmelzen  wurden  die  Flaschen  unter  guter  Kühlung 
durch  Leitungswasser,  bedeckt  von  einer  Glasplatte,  an  zwei  aufeinander- 
folgenden Tagen  von  VslO — 5  Uhr  dem  intensivsten  Sonnenlichte  (Juli)  aus- 
gesetzt Zur  Kontrolle  wurde  je  eine  Sauerstoff-  resp.  Wasserstoffflasche, 
mit  doppelter  Stanniollage  umhüllt,  daneben  gelegt.  Diese  Dunkelflaschen 
befanden  sich  also  unter  denselben  Bedingungen,  nur  der  Lichtzutritt  war 
vollständig  ausgeschlossen.  Aus  sämtlichen  Röhren  wurden  hierauf  je  5  ccm 
Fermentlösung  entnommen,  mit  5  ccm  15proz.  Rohrzucker  versetzt  und  die 
Invertierung  nach  4  Stunden  mit  einem  Halbschattenapparate  nach  Laurent 
polarimetrisch  bestimmt. 


Drehung 

<^tebildeter  Invertzucker, 

wenn  vollständige 

Invertleraug  =  100 

gesetzt  wird 

Wasserstoffflasche,  dunkel .     . 

(y>45' 

86,9  •/« 

Wasserstoffflascbe,  hell'.    .    . 

—  0'>  47' 

87,3  o/o 

Sauerstoffflasche,  dunkel     .     . 

—  0^48' 

87,6  •/„ 

Sauerstoffflasche,  hell     .    .    . 

+cy>34' 

66,7  •/. 

Der  Versuch  ergibt  folgendes :  Das  Ferment  wurde  in  Wasserstoffatmo- 
Sphäre  durch  Sonnenlicht  nicht  geschädigt,  denn  seine  invertierende  Wirkung 
ist  sogar  eine  Kleinigkeit  grOfser  wie  in  der  Dunkelröbre;  bei  Gegenwart 
von  Sauerstoff  hingegen  ist  die  Schädigung  unverkennbar,  denn  die  Inver- 
tierung blieb  um  mehr  als  einen  Grad  des  Polarimeters  zurück.  Hiermit 
ist  anscheinend  einwandfrei  der  Beweis  erbrach  t,  dafs  En- 
zyme durch  Licht  nur  bei  Gegenwart  von  Sauerstoff  merkbar 
geschädigt  werden,  also  unter  d  erselben  Bedingung  wie  bei 
Anwesenheit  von  fluoreszierenden  Stoffen.  Die  Wirkung  dieser 
Substanzen  besteht  daher  in  einer  Steigerung  dieser  Schädigung  und  kann 
als  Sensibilisierung  im  weiteren  Sinne  des  Wortes  bezeichnet  werden.  Die 
Steigerung  ist  allerdings  eine  sehr  grofse,  denn  bei  Zusatz  von  Eosin  unter 
denselben  Bedingungen  (Sauerstoffgegenwart  und  durch  Glas  und  Wasser 
flltriertes  Sonnenlicht)  war  das  Invertin  nach  V4  Stunde  nicht  blofs  deutlich 
geschädigt»  sondern  fast  vollständig  (zu  Ve)  vernichtet 


Weitere  Versuche  mit  photodynamischen,  sensibili- 
sierenden Farbstoffen.   (Eosin,  Erythrosin.) 

Prüfung  der  Wirkung  de8  Tageslichtes  auf  Lebensfähigiceit  und 
Virulenz  von  Bakterien,  auf  Toxine  und  Antitoxine  und  auf  das 

Labferment 

Von 

Dr.  HajiB  Huber. 

(Aas  der  bakteriologischen  Abteilang  des  Hygiene-Institutes  der  Universität 
Zürich.    Vorstand:  Privatdozent  Dr.  W.  Silberschmidt) 

In  neuerer  Zeit  hat  das  Licht  in  der  Medizin  immer  mehr 
an  Bedeutung  gewonnen.  Währenddem  klinische  Arbeiten  darüber 
schon  in  ziemlich  grofser  Zahl  vorliegen,  sind  die  experimentellen 
bis  jetzt  noch  ziemhch  spärlich. 

Met 1 1er  (^)  hat  im  hiesigen  Institute  Versuche  über  die 
bakterizide  Wirkung  des  Lichtes  auf  mit  Eosin,  Erythrosin  und 
Fluoreszein  gefärbten  Nährböden  vorgenommen.  Ich  habe  diese 
Versuche  fortgesetzt  und  erweitert;  neben  der  Prüfung  der  bak- 
teriziden Wirkung  verfolgten  meine  Untersuchungen  vor  allem 
den  Zweck,  den  Einflufs  des  Lichtes  auf  Virulenz  der  Bakterien, 
auf  Toxine  und  Antitoxine  und  auf  das  Labferment  eingehend 
zu  prüfen.  

Erster  Abschnitt. 

Wirkung  des  Liclites  auf  Lebensfälligkeit  und  Viruienz  patliogener 

Mikroorganismen. 

Wie  Mettler  in  seiner  Arbeit  näher  ausführt,  wurde  die 
bakterizide  Wirkung  des  Lichtes  schon  von  einigen  Forschem 
wie  Downes  und  Blunt(2),  Dieudonnö  (^),  Finsenf*)  und 
Andern  experimentell  untersucht.  Von  den  neueren  Autoren  haben 


54       Weitere  Versuche  mit  photodynamisch.,  sensibilisierend.  Farbstoffen  etc. 

namentlich  Tappeiner  (^)  und  seine  Schüler,  Dreyer(*)  und 
Bie  (^)  diese  Versuche  auf  Prüfung  der  Lichtwirkung  bei  Zusatz 
von  photodynamischen  oder  sensibilisierenden  Substanzen  ausge- 
dehnt. Mettler  hat  diese  Versuche  an  Choleravibrio,  Staphylo- 
kokkus pyogenes  aureus,  Bact.  Typhi  und  Bact.  coli  weitergeführt 
und  dabei  gefunden,  dafs  Eosin  oder  Erythrosin,  dem  Nährboden 
zugefügt,  sowohl  die  entwicklungshemmende  als  die  bakterien- 
tötende Wirkung  des  Lichtes  erhöhen.  Auch  über  die  Fähigkeit 
des  Lichtes,  die  Virulenz  der  pathogenen  Bakterien  herabzusetzen, 
ja  selbst  aufzuheben,  wurden  schon  zahlreiche  Versuche  gemacht. 
Arloing(®)  impfte  verschieden  lange  Zeit  am  Sonnenlicht  expo- 
niert gewesene  Anthraxkulturen  auf  Meerschweinchen.  Die  mit 
den  am  längsten  belichteten  Kulturen  geimpften  Meerschweinchen 
blieben  am  Leben,  wenn  auch  in  der  Bouillon  noch  Wachstum 
der  Bakterien  vorhanden  war. 

Duclaux(^),  Palermo  (^°)  und  Chemelewsky  (^^) zeigten 
die  Virulenzherabsetzung  an  verschiedenen  Mikrokokken  und 
pyogenen  Bakterien,  d'Arsonval  et  Charrin^)  an  Bac.  pyo- 
cyaneus. 

Von  Mo m ont  P)  wurde  nachgewiesen,  dafs  der  B.  anthracis 
die  durch  Exposition  an  der  Sonne  eingebüfste  Virulenz  wieder 
erhielt,  indem  die  exponiert  gewesenen  Bakterien  in  Bouillon 
weitergezüchtet  wurden  und  sich  beim  wiederholten  Tierexperiment 
als  virulent  erwiesen.  Die  Milzbrandbazillen  waren  nach  6^2  Stun- 
den Belichtung  abgetötet. 

Von  Santori  (")  wird  behauptet,  dafs  die  Milzbrandbazillen, 
ehe  sie  vom  Sonnenlicht  getötet  werden,  eine  ächte  Abschwächung 
erfahren. 

Yersuchsanordnung. 

Als  Lichtquelle  wurde  bei  unseren  Versuchen  ausschliefslich 
Sonnenlicht,  bzw.  das  diffuse  Tageslicht  benutzt.  Die  Kulturen 
und  Lösungen  wurden  zu  diesem  Zwecke  auf  dem  Dache  des 
hygienischen  Institutes  aufgestellt,  das  Licht  hatte  also  von  allen 
Seiten  freien,  ungehinderten  Zutritt. 

Die  meisten  Versuche  wurden  in  gewöhnlichen  Glasgefäfsen, 
Reagenzröhrchen  und  in  mit  Glasdeckel   versehenen  Schälchen 


Von  Dr.  Hans  Haber.  55 

ausgeführt.  Wir  wissen,  dafs  dadurch  ein  Teil  der  wirksamen 
Strahlen,  namentlich  die  ultravioletten,  zurückgehalten  werden; 
es  wurden  deshalb  auch  einige  vergleichende  Untersuchungen 
mit  zugedeckten  und  offenen  Schälchen  vorgenommen. 

In  einigen  Versuchen  wurde  die  Exposition  in  einem  Kasten 
aus  Rubinglas  und  unter  doppelwandigen  Glasglocken,  mit  ver- 
dünnten Eosin-  resp.  Erythrosinlösungen  und  mit  Alaunlösung  ge- 
füllt, wie  Mettler  die  betreffenden  Instrumenteinseiner  Arbeit  näher 
beschreibt,  ausgeführt.  Die  Versuche  hatten  den  Zweck,  die  Ein- 
wirkung des  Lichtes  zu  studieren,  nachdem  dasselbe  rotes  Glas 
passiert  hatte,  bzw.  durch  sensibilisierende  Farbstofflösungen 
unter  möglichster  Wärmeausschaltung  filtriert  worden  war.  Die 
Versuche  wurden  femer  zum  gröfsten  Teil  in  offenen,  der  Luft 
zugänglichen  Gefäfsen  ausgeführt,  daneben  wurden  aber  auch 
einige  vergleichende  Experimente  im  Vakuum,  d.  h.  in  zuge- 
schmolzenen Röhren  unter  Luftabschlufs  gemacht,  da  namentlich 
die  Untersuchungen  von  Bie(^^),  wie  auch  von  anderen,  die  Be- 
deutung des  Sauerstoffzutrittes  hervorgehoben  haben. 

Zur  Färbung  wurden  benutzt  Eosin  (Tetrabromfluoreszein)  und 
Erythrosin  (Tetrajodfluoreszein).  Die  Färbung  wurde  durchweg  vor- 
genommen im  Verhältnis  von  1 :  1000. 

1.  Wirkung  auf  Lebensfähigkeit  der  Bakterien. 

Während  Mettler  seine  Versuche  fast  nur  an  Gelatine  bzw. 
Agarnährböden  vornahm,  wurden  unsere  Versuche  mit  Bouillon- 
kulturen resp.  Aufschwemmungen  in  Bouillon  ausgeführt.  Im 
Gegensatz  zu  Bie  wurde  stets  mit  grofsen  Mengen  von  Mikro- 
organismen gearbeitet.  Wir  verwendeten  zu  unseren  Versuchen 
zwei  pathogene  Mikroorganismen  und  zwar  wählten  wir  einen  so- 
genannten infektiösen,  den  Streptococcus  pyogenes  und  einen 
toxisch  wirkenden,  den  Diphtheriebazillus.  Die  verwendete 
Kultur  des  Streptococcus  pyogenes  war  durch  eine  Anzahl  von  Tier- 
passagen von  Herrn  Dr.  Simon  in  ihrer  Virulenz  bedeutend  er- 
höht worden,  so  dafs  eine  Menge  von  0,0001  ccm  genügte,  um 
eine  Maus  zu  töten.  Der  Diphtheriebazillus  wurde  aus  einer 
Serumkultur  eines  Falles  von  Diphtherie  isoliert. 


56       Weitere  Versache  mit  photodynamisch.,  sensihilisiereiid.  FarhBto£fen  etc. 

Es  wurden  zu  jedem  Versuche  frische  Bouillonkulturen  einer 
Streptokokkenreinkultur  resp.  Blutserumkulturen  einer  Rein- 
kultur des  Diphtheriebazillus  verwendet.  Die  Streptokokken- 
bouillonkultur wurde  diiekt  im  Verhältnis  von  1 :  1000  mit  Eosin 
bzw.  Erythrosin  gefärbt,  von  der  Diphtherieblutserumkultur 
wurde  eine  Aufschwemmung  in  Bouillon  gemacht  und  dieselbe 
dann  auf  gleiche  Weise  gefärbt. 

Die  Exposition  im  Freien  wurde  in  kleinen,  sterilisierten 
Doppelschälchen  vorgenommen,  ebenso  wurden  Kulturen  in  Dop- 
pelschälchen  in  schwarzes  Papier  eingehüllt,  unter  Lichtabschlufs 
zu  Kontrollversuchen  exponiert. 

Nach  beendeter  Exposition  wurden  drei  Tropfen  der  betref- 
fenden Kultur  auf  Schrägagar  überimpft  und  die  Agarröhrchen 
im  Brutschrank  bei  36  ^  C  aufbewahrt.  Das  Wachstum  der  Agar- 
kulturen  wurde  sodann  mindestens  zwei  Tage  lang  beobachtet 
und  nur  deutliche  Unterschiede  notiert. 

Für  die  Intensität  des  Wachstums  wurden  bei  den  folgenden 
Versuchen  nachstehende  Bezeichnungen  gewählt: 

-|--|-4-  sehr  reichliches  Wachstum, 
+  -f"  reichliches  Wachstum, 
-f-  geringes  Wachstum, 
L  einzelne  Kolonien, 
0  kein  Wachstum. 


I.   Versuche  am  Tageslichte. 

1.  Yersnch  mit  Streptokokken. 

26.  I.    Streptokokkenbouillon  wird  ungefärbt,  mit  Eosin  bzw.  Erythrosin 
gefärbt  dunkel  und  am  Lichte  1,  3  und  6  Stunden  lang  exponiert 
LichtTorhältnisse :  hell,  keine  Sonne. 


Dauer  d.  Exposition 

1  Stunde    '    3  Stunden   i 

6  Stunden  ' 

;  Kontroll  nicht 
1        exponiert 

Wachstum  am    .     . 

I.Tag 

2.  Tag 

I.Tag 

2.Taß|  I.Tag 

2.  Tag 

1  I.Tag 

2  Tag 

Bouillon  ungefärbt 
Bouillon  mit  Eosin 
gefärbt  .... 
Bouillon    mit   Ery- 
throsin gefärbt  . 

+  + 

-f-r 

-1-4- 

-t-4--F 
0 
0 

0 
0 

+  +  -1- 
0 
0 

0 
0 

+  4-h 
-i-  +  -i- 

++  + 

+  +  + 

Von  Dr.  Hans  Haber. 


57 


2.  Yenaeh  mit  Bliihtherlebarilleii. 

27.  I.   Diphtheriebouillon   wird   angef&rbt,    mit  Eosin  bzw.  Erythrosin 
gefärbt  daokel  and  am  Lichte  1,  3  und  5  Standen  lang  exponiert 
LichtTerhältnisse :  Sonne,  seitweise  trübe. 


Daaer  d.  Exposition 

1  Stande 

8  Standen 

5  Standen 

Kontroll  Dicht 
exponiert 

Wachstam  am    .    . 

l.Tag 

2.  Tag 

l.Tag 

2.  Tag 

l.Tag 

2.  Tag 

l.Tag 

2.  Tag 

Boaillon  angefibrbt 

+ 

+  + 

+ 

-f+ 

0 

+ 

++-f 

++-I- 

Bouillon  mit  Eosin 

gefärbt  .... 

1     + 

+  + 

0     j     L 

0 

0 

+  +  + 

++  + 

Boaillon   mit  Ery- 

1 

throsin  gefärbt  . 

1     + 

+  + 

0 

L 

0 

0 

+++ 

-f++ 

II.  Vergleichende  Versuche  am  Tageslichte  und  unter 

dem  Rubinglaskasten. 

8.  Yersaeh  mit  IHphtheriebäzillen. 

2.  II.  Diphtherieboaillon  wird  angefärbt,  mit  Eosin  resp.  Erythrosin 
gefärbt,  direkt  am  Lichte  2,  3  and  4  Standen  lang  and  anter  Rabinglas- 
kasten  6,  12,  18  and  24  Standen  lang  exponiert 

Lichtverhältnisse:  Sonne,  zeitweise  trübe. 

a)  Exposition  am  Tageslicht. 


Dauer  d.  Exposition 

2  Stunden 

8  Stunden 

4  Stunden 

Kontroll 

Wachstam  am  .    . 

l.Tag 

2.  Tag 

l.Tag 

2,  Tag 

l.Tag 

2.  Tag 

l.Tag 

2.  Tag 

Boaillon  angefärbt 

+ 

+ 

L 

+ 

0 

+ 

+  + 

+++ 

Boaillon  mit  Eosin 

gefiLrbt  .... 

0 

L 

0           L 

0 

0 

-h-^ 

-r  +  + 

Boaillon    mit  Ery- 

1 

throsin  gefärbt  . 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

+  + 

+  +  + 

b)Ex] 

Position 

unter  Ru 

binglask 

asten. 

Dauer  d.  Exposition 

6  Std. 
1.  T. 

12  Std. 

18  Std. 

24  Std. 
1.  T. 

Kontroll 

Wachstam  am  .    . 

1.  T. 

1.  T. 

1.  T. 

Boaillon  angefärbt 
Boaillon  mit  Eosin 
gefärbt  .... 
Boaillon   mit  Ery- 
throsin gefärbt  . 

+  +  + 
+  +  + 
+  +  + 

+  +  + 
+  +  + 

+++ 

+  + 
+  + 

+ 

+  + 

+  + 
L 

+  +  + 

+++ 
+++ 

58       Weitare  Venache  mit  photody namisch .,  senBibilisierend.  Farbstoffen  etc. 


4.  Yenneli  mit  Stre|»tokokkeB. 

3.  II.  Streptokokkenbonillon  wird  angefärbt,  mit  Eosin  resp.  Erythrosin 
gefärbt,  direkt  am  Lichte  2,  4  ond  6  Standen  lang  and  anter  Rabinglas- 
kasten  6,  12,  18  and  24  Standen  lang  exponiert. 

Lichtverhältnisse:  Sonne,  zeitweise  trübe. 

a)  Exposition  am  Tageslicht. 


Daaer  d.  Exposition 

2  Standen 

4  Stunden 

6  Standen         Kontroll 

Wachstam  am  .    . 

I.Tag 

2.  Tag 

1.  Tag  2.  Tag 

I.Tag  2. Tag  I.Tag  12. Tag 

Boaillon  angefärbt 

^+-f-f 

-^+-f 

+ 

+  r-f 

+ 

-f-^   +■[-+  ++- 

Bouillon  mit  Eosin 

r 

gefärbt  .... 

,  + 

■h-h 

0 

0 

0 

0       -r+-l- 

-f-  +  + 

Boaillon    mit   Ery- 

, 

throsin  gefärbt  . 

■■     0 

1 

L 

0 

0 

0 

0       ■   r  H-  - 

-h-h-f 

b)  Exposition  anter  Rubinglaskasten. 


Dauer  d.  Exposition  ■■     6  Std. 

12  Std. 

18  Std. 

24  Std. 

Kontroll 

Wachstum  am  .    .         1.  T. 

1.  T. 

1.  T.            1.  T. 

1.  T 

Bouillon  angefärbt  i  -f-  H-  -f- 
Bouillon  mit  Eosin 

gefärbt  ....  1  +  +  + 
Bouillon    mit   Ery-  | 

throsin  gefärbt  .  !|    +  +  + 

+  +  + 
+  +  + 
+  +  + 

+  +  + 

++ 
+ 

+  + 

+ 
L 

+  +  + 
+  +  + 
+  +  + 

III.  Vergleichende  Versuche  bei  Luftzutritt  und  bei 

Luftabschlufs. 

5.  Yersueh  mit  Diphtheriebazilien. 

4.  II.  Diphtheriebouillon  wird  ungefärbt,  mit  Eosin  resp.  Erythrosin 
gefärbt,  bei  Luftzutritt  in  Doppelschälchen  und  bei  Luftabschlufs  in  ge- 
schlossenen Glaszylindern  nach  Absaugen  der  Luft  exponiert,  4  Stunden  lang. 

Lichtverhältnisse :  Sonne. 


Wachstum  bei 


Luftzutritt  am  ii  Luftabschlufs  am 


1  1.  Tag     2.  Tag      1.  Tag 


2.  Tag 


Bouillon  ungefärbt     .     .     .   '       L 

)  mit  Eosin  gefärbt  ,       0 

milEfythrosingef.  I       0 


ü 
0 


+  + 
+  + 
+ 


+  +  + 
+  4-  + 

+  +  + 


Von  Dr.  Hans  Haber. 


59 


6.  Yenneh  mit  Blphtheriebazillen. 

17.  n.  Diphtherieboaillon  wird  ungefärbt,  mit  Eosin  resp.  Erythrosin 
gefärbt,  unter  Laftzatritt  in  Doppelschälchen  und  unter  Luftabachlufs  in 
zugeschmolsenen  Pipetten  4  und  10  Stunden  lang  exponiert 

Lichtverhältnisse:  Sonne,  zeitweise  trübe. 


Dauer  der  Exposition  . 


Wachstum  am 


4  Stunden 


I.Tag 


10  Stunden 


2.  Tag     1.  Tag 


Kontroll 


2.  Tag     1.  Tag 


2.  Tag 


Bouillon  ungefärbt  bei 
Luftzutritt     .... 

Bouillon  mit  Eosin  ge- 
färbt bei  Luftzutritt  . 

Bouillon  mit  Er3rthro8in 
gefäibt  bei  Luftzutritt 

Bouillon  ungefärbt  bei 
LuftabschluXs    .    .    . 

Bouillon  mit  Eosin  gef. 
bei  Luftabschlufs  .    . 

Bouillon  mit  Erythrosin 
gef.  bei  LuftabschlulB 


+ 
L 

L 

+  + 

+ 
+ 


+  + 

+ 
+ 

+  + 
+ 


0 
0 


L 
L 


+     '■    +  + 


L 
L 

+ 
+ 
+ 


+  + 


+  +  + 
+++ 


+-■+ 


IV.  Vergleichende  Versuche  in  offenen undbedeckten 

Schälchen. 

7.  Yersuch  mit  Streptokokken. 

8.  n.   Streptokokkenbouillon  wird  ungefärbt,  mit  Eosin  resp.  Erythrosin 
gefärbt,  in  offenen  und  bedeckten  Schälchen  4  Stunden  lang  exponiert 
Lichtverhältnisse :  Sonne. 


Wachstum  in 


Bouillon  ungefärbt  .    .    . 

>  mit  Eosin  gefärbt 

>  mit    Erythrosin 
gefärbt 


offenen 
Schälchen 


1  Tg. 


+  + 
0 

0 


2  Tg. 


+  + 
L 


bedeckten 
Schälchen 


1  Tg. 


f+4 


2  Tg. 


+ 


+ 


8.  Yenaeh  mit  Streptokokkan. 

9.  II.   Streptokokkenbouillon  wird  ungefärbt,  mit  Eosin  reap.  Erythrosin 
gefärbt,  3  and  5  Standen  lang  in  offenen  und  bedeckten  Schalchen  exponiert. 
lichtverhftltniBse :  trüb,  etwas  Sonne. 


60       Weitere  Vereache  mit  photodynamisch.,  sensibilisiereiid.  Farbstoffen  etc. 


Daaer  der  Exposition   . 
Wachstum  am  .... 


3  Stunden 


I.Tag 


2.  Tag 


Kontroll 


I.Tag 


2.  Tag 


Bouillon    ungefärbt   in 

offenen  Schälchen 
Bouillon  mit  Eosin  gef. 

in  offenen  Schälchen 
Bouillon  mit  Erythrosin 

gef.  in  off.  Schälchen 
Bouillon    ungefärbt    in 

bedeckten    Schälchen 
Bouillon  mit  Eosin  gef.  in 

bedeckten  Schälchen . 
Bouillon  mit  Er3rthro8in 

gef.  in  bed.  Schälchen 


+  + 
+  + 


0 


+  + 
+  + 


+ 


++-f 


0 


+  + 


+ 


+ 


+  +       0 


0 


+ 


L 


+ 


0 

+  + 

+ 
L 


+  + 

]    +  + 

+  + 


+  + 

+  + 
+  + 


Resümee.  Unter  den  angegebenen  Versuchsbedingungen 
wurden  Streptokokken  und  Diphtheriebazillen  durch  das  Sonnen- 
licht bzw.  diffuse  Tageslicht  nach  etwa  5 — 6  Stunden  Belich- 
tung in  ihrer  Weiterentwicklung  gehemmt.  Wurde  die  Kultur 
mit  Eosin  oder  mit  Erythrosin  gefärbt,  so  erfolgte  die  Abtötung 
schon  nach  2 — 3  Stunden  Belichtung. 

Passieren  die  Lichtstrahlen  vor  ihrer  Einwirkung  auf  das 
Substrat  rotes  Glas,  so  tritt  die  bakterizide  Wirkung  des  Lichtes 
nicht  deutlich  ein,  d.  h.  es  läfst  sich  dann  selbst  nach  24  stün- 
diger Belichtung  an  den  ungefärbten  Kulturen  keine,  an  den  ge- 
färbten nur  eine  teilweise  Wachstumshemmung  konstatieren.  Ein 
Vergleich  mit  der  Wirkung  des  direkten  Lichtes  ist  nicht  mög- 
lich, da  eine  genaue  Messung  der  Lichtinteusität  unter  dem 
Rubinglaskasten  nicht  vorgenommen  worden  ist. 

Wie  frühere  Versuche  schon  ergeben  haben,  beweisen  auch 
unsere  Resultate,  dafs  der  Luftzutritt  die  bakterizide  Wirkung 
des  Lichtes  bedeutend  erhöht.  Wurde  der  Sauerstoff  der  Luft 
abgehalten,  so  blieb  auch  nach  länger  dauernder  Belichtung  die 
bakterizide  Wirkung  des  Lichtes  aus  oder  war  dieselbe  eine  sehr 
geringe. 


Von  Dr.  Hans  Haber.  61 

Die  Einwirkung  der  Wärme  war  bei  unseren  Versuchen 
jedenfalls  sehr  gering,  indem  dieselben  in  den  Monaten  Januar 
und  Februar  vorgenommen  wurden,  wo  ja  die  Wärmeproduktion 
des  Sonnenlichtes  bei  relativ  starker  Lichtintensität  noch  eine 
geringe  ist. 

2.  Wirkunsr  auf  Virulenz  der  Bakterien. 


Die  folgenden  Versuche  wurden  in  gleicher  Weise  wie  die 
vorher  beschriebenen  mit  Bouillonkulturen  bzw.  Aufschwem- 
mungen von  virulenten  Streptokokken  und  Diphtheriebazillen  vor- 
genommen. 

Mit  den  Streptokokkenkulturen  wurden  sodann  weifse  Mäuse 
subkutan  am  Rücken  injiziert,  die  Diphtheriebazillenaufschwem- 
mungen wurden  Meerschweinchen  subkutan  am  Bauche  einge- 
spritzt. Zugleich  mit  diesen  Injektionen  wurden  jeweils  drei 
Tropfen  der  betreffenden  Kultur  auf  Schrägagar  überimpft,  um 
die  Wirkung  des  Lichtes  auf  Entwicklungshemmung  und  auf 
Virulenzschwächung  nebeneinander  beobachten  zu  können.  Es 
wurden  auch  stets  Kontrollinjektionen,  wie  angegeben,  mit  nicht 
belichteten  Kulturen  vorgenommen. 

L  Versuche  mit  Diphtheriebazillen. 

»)  Exposition  am  Tageslicht. 

30.  I.  Diphtheriebazillenaufschwemmang  wird  angefärbt,  mit  Eoain 
bsw.  Eryihrosin  gefärbt  dunkel  and  1,  2Vs  und  4  Standen  am  Tageslicht 
exponiert.    Die  4  Standen  exponierte  Kultur  wird  zum  Tierversuch  benutzt 

LichtTerhältnisse :  trüb,  keine  Sonne. 

Tierversuch  abends  5  Uhr. 

Meerschweinchen  Nr.  1,  165  g  schwer. 

Subkutane  Injektion  von  2,0  ccm  Diphtheriebouillon,  ungefärbt,  nicht 
exponiert 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  2,  175  g  schwer. 

Subkutane  Injektion  von  2,0  ccm  Diphtheriebouillon  mit  Eosin  gefärbt, 
nicht  exponiert. 

Tod  nach  2  Tagen. 


62       Weitere  Versache  mit  photody namisch.,  senBibiliaierend.  Farbstoffen  etc. 

Meerschweinchen  Nr.  3,  180  g  schwer. 

Subkutane  Injektion  von  2,0  ccm  Diphtherieboaillon  mit  Erythrosin  ge- 
färbt, nicht  exponiert. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  4,  185  g  schwer. 

Sabkatane  Injektion  von  2,0  ccm  Diphtherieboaillon  angefärbt,  4  Stan- 
den exponiert. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  5,  175g  schwer. 

Subkutane  Injektion  von  2,0  ccm  Diphtherieboaillon  mit  Eosin  gefärbt, 

4  Stunden  exponiert 

Tod  nach  9  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  6,  175  g  schwer. 

Subkutane  Injektion  von  2,0  ccmDiphtheriebouillon  mit  Erythrosin  ge- 
färbt, 4  Stunden  exponiert. 

Bleibt  am  Leben. 

Bei  allen  gestorbenen  Tieren  werden  durch  Sektion  die  für  Diphtherie 
typischen  Veränderungen :  subkutanes  pseudomembranöses  ödem,  Rötung 
der  Nebennieren  und  kulturell  Diphtheriebazillen  nachgewiesen. 

b)  Exposition  am  Tageslicht  und  unter  Rubinglaskasten. 

16.  U.  Diphtheriebazillenaufschwemmung  wird  ungefärbt,  mit  Eosin 
bzw.  Erythrosin  gefärbt,  4  Stunden  direkt  am  Lichte,  7  und  14  Stunden 
unter  Rubinglaskasten  exponiert 

Lichtverhältnisse :  Sonne,  zeitweise  trübe. 

17.  U.  Tierversuch  abends  5  Uhr. 

Meerschweinchen  Nr.  7,  210 g  schwer. 

Subkutane  Injektion  von  2,0  ccm  mit  Erythrosin  gefärbter,  nicht  ex- 
ponierter Diphtheriebouillon-Kontroll. 

Tod  nach  2Vi  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  8,  215  g  schwer. 

Subkutane  Injektion  von  2,0  ccm  ungefärbter,  4  Stunden  direkt  ex- 
ponierter Diphtheriebouillon. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  9,  200  g  schwer. 

Subkutane  Injektion  von  2,0  ccm  mit  Eosin  gefärbter,  4  Stunden  direkt 
exponierter  Diphtheriebouillon. 

Bleibt  am  Leben. 


Von  Dr.  Hans  Haber. 


63 


Meerschweinchen  Nr.  10,  220g  schwer. 

Sabkutane  Injektion  von  2,0  ccm  mit  Erythrosin  gefärbter,  4  Standen 
direkt  exponierter  Diphtherieboaillon. 

Bleibt  am  Leben. 

Meerschweinchen  Nr.  11,  680g  schwer. 

Sabkatane    Injektion     von    2,0  ccm     ungefärbter    Diphtherieboaillon, 
14  Standen  anter  Rabinglaskasten  exponiert. 

Tod  nach  2Va  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  12,  570  g  schwer. 

Sabkatane  Injektion  von  2,0  cc  m  mit  Eosin  gefärbter  Diphtherieboaillon 
14  Standen  anter  Rabinglaskasten  exponiert 

Tod  nach  27,  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  13,  520  g  schwer. 

Saboktane  Injektion  von  2,0  ccm  mit  Erythrosin  gefärbter  Diphtherie- 
boaillon^ 14  Standen  anter  Rabinglaskasten  exponiert. 

Tod  nach  8  Tagen. 

Bei  allen  gestorbenen  Tieren  wird  darch  Sektion  and  kaltarellen  Ver- 
sach Diphtherie  als  Todesursache  nachgewiesen. 

Das  Wachstum  auf  Agar  gibt  folgende  Resultate: 

Yersueh  a. 


Dauer  d.  Ezpoeiüon 

1  Stunde 

2  V,  Stunden 

4  Stunden 

Kontroll 

Wachatam  am  .    . 

I.Tag 

2.  Tag 

I.Tag 

2.  Tag 

I.Tag 

2.  Tag 

ITag 

2.  Tag 

Bonillon  nngef&rbt 
Boaillon  mit  Eoein 
gef&rbt  .... 
Bouillon   mit   Ery- 
throsin gefftrbt  . 

+  + 
+  + 
+  + 

+  + 
+  + 
+  + 

+  + 

+ 
+ 

+  + 

+ 

+  + 
1    + 
0 

+  + 
+  + 

L 

+  + 
+  + 
+  + 

+  + 

+  + 
+  + 

Yersneh  b. 


Exposition  am  Tageslicht 

4  Stunden 

Kontroll 

Wachstum  am  .     .     . 

1.  Tag 

2.  Tag 

1.  Tag 

2.  Tag 

Bouillon  ungefärbt    . 

Bouillon  mit  Eosin 
gefärbt 

Bouillon  mit  Erythro- 
sin gefärbt    .     .     . 

+  + 
0 

0 

+  + 
0 

0 

1 

+  +  + 
+  +  + 
+  +  + 

+  +  + 
+  +  + 
+  +  + 

64       Weitere  Versnche  mit  photodynamisch.,  sensibilisierend.  Farbstoffen  etc. 


ExpoBitton  unter  Rubingl 
kästen      .... 


Wachstam  am 


7  Standen 


1.  Tag     2.  Tag 


14  Stunden 


1.  Tag     2.  Tag 


Kontvoll 


1.  Tag     2.  Tag 


Bonillon  angefärbt   .    . 

Bonillon  mit  Eosin  ge- 
färbt      

Bouillon  mit  Erythrocin 
gefärbt 


+  +   !   ++      +  + 
+  +      ++  'I     + 


+  ++I++  + 


+  + 


+++i++-f 


II.  Versuche  mit  Streptokokken. 

a)  Exposition  am  Tageslicht 

31.  I.  Streptokokkenbouillon  wird  ungefärbt,  mit  Eosin,  bsw.  Erythrosin 
gefärbt  dunkel  und  IVs«  3,  4</i  und  6  Stunden  am  Tageslicht  exponiert. 
Die  3  Stunden  exponierte  Kultur  wird  anm  Tierversuch  benutzt 
Lichtverhältnisse:  trüb,  zeitweise  etwas  Sonne. 
Tierversuch  abends  6  Uhr. 

Maus  Nr.  1. 

Subkutane     Injektion     von    0,1   ccm   ungefärbter,    nicht    exponierter 

Bouillon. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Maus  Nr   2. 

Subkutane  Injektion  von  0,1  ccm  mit  Eosin  gefärbter,  nicht  exponierter 

Bouillon. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Maus  Nr.  3. 

Subkutane  Injektion  von  0,1  ccm  mit  Erythrosin  gefärbter,  nicht  expo- 
nierter Bouillon. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Maus  Nr.  4. 

Snbkutane  Injektion  von  0,1  ccm    ungefärbter,    3  Stunden    exponierter 

Bouillon. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Maus  Nr.  5. 

Subkutane  Injektion  von  0,1  ccm  mit  Eosin  gefärbter,  3  Stunden  expo- 
nierter Bouillon. 

Bleibt  am  Leben. 

Maus  Nr.  6. 

Subkutane  Injektion  von  0,1  ccm   mit  Erythrosin  gefärbter,  3  Stunden 

exponierter  Bouillon. 

Bleibt  am  Leben. 

Bei  allen  gestorbenen  Mäusen  werden  durch  Überimpfung  des  Herz- 
blutes auf  Schrägagar  und  mikroskopische  Untersuchung  Streptokokken  nach- 
gewiesen. 


Von  Dr.  Uana  Haber. 


65 


b)  Exposition  anter  Rabinglaskasten. 

13.  n.     Streptokokkenbonillon   wird   angefärbt,   mit  Eosin    bzw.   Ery- 
throflin  gefärbt  7  and  14  Standen  unter  Rabinglaskasten  exponiert. 

LicbtTerhflItnisse :  Sonne,  zeitweise  trQbe. 

14.  n.   Tierversach  abends  4  Uhr. 

Maas  Nr.  7. 

Sabkatane  Injektion  von  0,1  ccm  angefärbter  nicht  exponierter  Boaillon- 

Kontroll. 

Tod  nach  1  Tag. 

Maas  Nr.  8. 

Sabkatane  Injektion  von   0,1  ccm   angefärbter   Boaillon,    14   Standen 
anter  Rabinglaskasten  exponiert 

Tod  nach  IV,  Tag. 
Maas  Nr.  9. 

Sabkatane  Injektion  von  0,1  ccm  mit  Eosin  gefärbter  Boaillon,  14  Stan- 
den anter  Rabinglaskasten  exponiert 

Tod  nach  1  Tag. 
Maas  Nr.  10. 

Sabkatane  Injektion   von  0,1   ccm  Boaillon,    mit  Erythrosin    gefärbt, 
14  Standen  anter  Rabinglaskasten  exponiert. 

Tod   nach  IV,  Tagen. 

Bei  allen  gestorbenen  Mänsen  werden   kaltarell   im   Herzblat  Strepto- 
kokken nachgewiesen. 

Das  Wachstam  aaf  Agar  ergab  folgende  Resultate: 

Yersneh  a. 


Dauer  d.  Exposition 

IVs  Stunden 

3  Standen 

Wachstam  am      .     . 

1.  Tag       2.  Tag 

1.  Tag 

2.  Tag 

Boaillon  angefärbt  . 

Bouillon  mit  Eosin 
gefärbt     .... 

Boaillon  mit  Erythro- 
sin gefärbt  .     .    . 

+  +  + 

1 

++ 

+  +  + 

+  + 
L 

+  +  + 

+ 
L 

+  +  + 

+ 

Dauer  der  Exposition 


Wachstam  am 


4V,  Standen 


1.  Tag     ±  Tag 


6  Stunden 


Kontroll 


1.  Tag     2.  Tag 


I.Tag 


2.  Tag 


Boaillon  angefärbt   .    . 

Boaillon  mit  Eosin  ge- 
färbt      

Boaillon  mit  Erythrosin 
gefärbt 


++ 
+ 

0 


ArehiT  rOr  Hygiene.    Bd.  UV. 


++• .;  L 


+ 


L 
0 


L      H-++J4++ 
5 


66       Weitere  Veraache  mit  photodynamiBch.,  sensibilisierend  Farbstoffen  etc. 


Tersaeh  b. 


Daaer  der  Exposition  . 

7  Stunden 

14  Stnnden 

Kontroll 

Wacbstom  am  ...    . 

I.Tag 

2.  Tag 

I.Tag 

2.  Tag 

I.Tag 

2.  Tag 

Bouillon  ungefärbt   .    . 

+  + 

+  + 

+  + 

+  + 

+  + 

+  + 

Bouillon  mit  Eosin  ge- 

färbt    ...... 

+  + 

+  + 

+  + 

+  + 

+  + 

+  + 

Bouillon  mit  Erythros! n 

i 

gefärbt 

+  + 

1 

+  + 

L 

L 

+  + 

+  + 

c)  Prüfung  der  Virulenz  von  exponierten  Streptokokkenkulturen. 

Diese  Versuche  wurden  unternommen,  um  festzustellen,  ob  ein  Strepto- 
kokkus, welcher  nach  Exposition  am  Lichte  Tiere  nicht  mehr  tötete,  obschon 
die  Kulturen  noch  Wachstum  ergaben,  dauernd  abgeschwächt  ist. 


1.  Tersaeh« 

12.  V.  Streptokokkenbouillon  wird  ungefärbt,  mit  Eosin  resp.  Erythrosin 
gefärbt  dunkel  und  am  Lichte  2,  4  und  6  Stunden  exponiert. 

Die  Exposition  wird,  um  die  Verdunstung  der  Kulturen  bei  der  ziem- 
lich intensiven  Sonne  zu  vermeiden,  statt  in  Doppelschälchen  wie  gewöhn- 
lich in  Reagenzröhrchen  vorgenommen,  wo  die  Wirkung  des  Lichtes  weniger 
deutlich  ist 

Lichtverhältnisse:  Sonne. 

18.  V.  Tierversuch  mittags  11  Uhr. 

Maus  Nr.  1. 

Subkutane  Lijektion  von  0,1  ccm  mit  Erythrosin  gefärbter,  nicht  expo- 
nierter Bouillon-Kontroll. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Maus  Nr.  2. 

Subkutane  Injektion  von  0,1  ccm  mit  ungefärbter,  6  Stunden  expo- 
nierter Bouillon. 

Tod  nach  4  Tagen. 

Maus  Nr.  8. 

Subkutane  Injektion  von  0,1  mit  Eosin  gefärbter,  6  Stunden  exponierter 

Bouillon. 

Bleibt  am  Leben. 

Maus  Nr.  4. 

Subkutane  Injektion  von  0,1  ccm   mit  Erythrosin  gefärbter,   6  Stnnden 

exponierter  Bouillon. 

Bleibt  am  Leben. 

Bei  den  gestorbenen  Mäusen  werden  durch  Sektion  und  kulturellen 
Versuch  im  Herzblute  Streptokokken  nachgewiesen. 


Von  Dr.  Hans  Haber. 


67 


Das  Wachstam  auf  Agar  ergab  folgendes  Resaltat: 


Daner  d.  Exposition 

2  Stunden 

4  Stunden 

6  Stunden 

Kontroll 

Wachstnm  am  .     . 

I.Tag 

2.  Tag 

I.Tag 

2.  Tag 

I.Tag 

2.  Tag 

I.Tag 

2.  Tag 

1 

Bonillon  ungefärbt 

+  + 

+  + 

+  + 

+  + 

+ 

: 
+     ■ 

Bouillon  mit  £k>8in 

1 

1 

gefärbt  .... 

+  + 

+  + 

+ 

+  + 

L 

+    , 

Bouillon    mit  Ery- 

! 

throsin  gefärbt  . 

+  + 

+  + 

L 

~f~ 

0 

0 

■I-4-  + 

+++ 

2.  Yersuch. 

15.  V.  Die  von  den  6  Stunden  exponiert  gewesenen  Streptokokken 
kulturen  aus  Versuch  1,  welche  für  die  damit  injizierten  Mäuse  nicht  mehr 
oder  abgeschwächt  virulent  waren,  angelegten  Agarkulturen  werden  zur 
Weiterzüchtung  auf  Bouillon  überimpft.  Die  von  der  ungefärbten  und  von 
der  mit  Eosin  gefärbten  exponierten  Kultur  herrührende  Bouillon  ist  stark 
getrübt,  die  von  der  mit  Er3rthrosin  gefärbten  exponierten  Kultur  herrührende 
zeigt  kein  Wachstum. 

16.  V.   Tierversuch  mittags  2  Uhr. 

Maus  Nr.  1. 

Subkutane  Injektion  von  0,1  ccm  Bouillon,  herrührend   von   ungefärbt 

exponiert  gewesener  Streptokokkenkultur. 

Tod  nach  2  Tagen. 
Maus  Nr.  2. 

Subkutane  Injektion  von  0,1  ccm  Bouillon,  herrührend  von  mit  Eosin 
gefärbt  exponiert  gewesenen  Streptokokkenkultur. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Bei  den  gestorbenen  Mäusen  werden  durch  kulturellen  Versuch  im 
Herzblut  Streptokokken  nachgewiesen. 

Resümee.  Der  Zusatz  von  sensibilisierenden  Farbstoffen 
hat  nicht  nur  auf  das  Wachstum,  sondern  auch  auf  die 
Virulenz  der  pathogenen  Mikroorganismen  einen  sehr  deut- 
lichen Einflufs.  Es  stellte  sich  heraus,  dafs  sehr  virulente  Strepto- 
kokkenkulturen, welche  in  Mengen  von  0,0001  ccm  Mäuse  eben 
noch  sicher  töteten,  selbst  in  einer  Menge  von  0,1  ccm  nicht 
mehr  den  Tod  der  Versuchstiere  hervorrufen,  wenn  sie,  mit  Eosin 
oder  mit  Erythrosin  vermengt,  3 — 4  Stunden  lang  am  Tageslicht 
exponiert  wurden,  während  die  ungefärbte  exponierte  Kultur  in 
der  Menge  von  0,1  ccm,  ähnlich  wie  die  nicht  exponierte,  unge- 
färbt und  gefärbte  wirkte,  also  rasch   den  Tod  der  Tiere  herbei- 


68       Weitere  Versacbe  mit  photodynamisch.,  sensibilisierend.  Farbstoffen  etc. 

führte.  Ähnliches  ergaben  die  Versuche  mit  Diphtheriebazilleu 
an  Meerschweinchen.  Während  eine  Bouillonauf  seh  wemmung 
einer  Serumkultur,  in  der  Menge  von  2,0  ccm  ungefärbt  dem 
Lichte  4  Stunden  exponiert,  das  Tier  innerhalb  2  Tagen  tötete, 
wirkte  die  exponierte  Kultur  nicht  mehr  tödtlich,  wenn  sie  vorher 
mit  Eosin  oder  Erythrosin  versetzt  worden  war. 

Bei  den  Versuchen  unter  dem  Rubinglaskasten  konnte  kon- 
statiert werden,  dafs  die  durch  rotes  Glas  filtrierten  Lichtstrahlen 
die  Virulenz  von  Bakterien  ebenso  wenig  abzuschwächen  ver- 
mögen als  ihre  Entwicklungsfähigkeit  und  zwar  selbst  bei  tage- 
langer Exposition. 

Wie  dies  schon  von  anderen  Autoren  beobachtet  worden  ist, 
haben  auch  unsere  Versuche  ergeben,  dafs  die  Abschwächung 
bzw.  das  Verlorengehen  der  Virulenz  früher  eintritt  als  die 
vöUige  Abtötung  der  Bakterien.  Einzelne  exponierte,  sensibili- 
sierte Kulturen  ergaben  noch  Wachstum,  währenddem  die  inji- 
zierten Tiere  am  Leben  blieben;  immerhin  beweisen  die  ange- 
führten Resultate,  dafs  Wachstumshemmung  und  Virulenzabnahme 
Hand  in  Hand  gehen. 

Sehr  interessant  ist  auch  das  Resultat  des  letzten  Versuches, 
dafs  nämlich  durch  Weiterzüchtung  einer  exponierten  Kultur  von 
virulenten  Streptokokken,  welche  die  damit  injizierte  Maus  nicht 
mehr  getötet  hatte,  eine  Kultur  erhalten  wurde,  die  sich  wieder 
als  voll  virulent  erwies;  wir  konnten  also  eine  dauernde  Ab- 
schwächung in  diesem  einen  Versuche  nicht  nachweisen. 


Zweiter  Abschnitt. 
Wirkung  des  Lichtes  auf  Toxine  und  Antitoxine. 

Kitasato  (^^)  hat  in  seinen  experimentellen  Untersuchungen 
über  Tetanusgift  die  Einwirkung  des  Lichtes  auf  dasselbe  durch 
zahlreiche  Tierversuche  genau  geprüft.  Er  fand,  dafs  das  Filtrat 
einer  Bouillonkultur  von  Tetanusbazillen  durch  Aufstellen  am 
Fenster  bei  zerstreutem  Tageslichte  allmählich  seine  Wirksamkeit 
verlor;  es  dauerte  aber  lange  Zeit,  bis  die  Giftwirkung  vollständig 


Von  Dr.  Hans  Huber.  69 

verschwand.  Durch  Aufstellen  direkt  an  Sonnenlicht  verlor  das 
Tetanusgift  erst  nach  15 — 18  Stunden  vollständig  seine  Wirksamkeit. 

Das  Diphtheriegift  erwies  sich  atmosphärischen  Einflüssen, 
also  auch  dem  Lichte  gegenüber,  widerstandsfähiger. 

Tizzoni  und  Cattani(^^)  fanden  ebenfalls,  dafs  Sonnen- 
licht imstande  ist,  das  Tetanustoxin  bald  unwirksam  zu  machen, 
namentlich  wenn  der  Zutritt  des  SauerstofEes  der  Luft  leicht 
möglich  war. 

Auch  Fermi  und  Celli  (^^)  konstatierten,  dafs  das  Tetanus- 
gift, dem  direkten  Sonnenlichte  ausgesetzt,  wobei  die  Temperatur 
zwischen  40 — 50®  schwankte,  nach  8  Stunden  zerstört  wurde. 
Bei  einer  Temperatur  von  nicht  mehr  als  37  ®  blieb  das  .Gift,  an 
der  Sonne  exponiert,  15  Stunden  lang  wirksam. 

Tappeiner  und  Jodlbauer  (^^)  haben  die  Wirkung  des 
Lichtes  auf  mit  fluoreszierenden  StofEen  gefärbtes  Diphtherietoxin 
und  Tetanustoxin  geprüft.  Bezüglich  der  Versuche  mit  Diph- 
therietoxin schreibt  Tappeiner:  »Man  sieht,  dafs  der  Zusatz 
von  Eosin  im  Dunkeln  auf  das  Toxin  nicht  ganz  ohne  Einflufs 
war,  in  gleicher  Weise  wie  der  Zutritt  des  Lichtes  im  Glas  ohne 
Eosin.  Die  Schädigung  ist  indes  in  beiden  Fällen  unbedeutend, 
nur  bei  der  einfachen  und  doppelten  letalen  Dosis  in  Form  einer 
Verzögerung  des  letalen  Ausganges  von  ^{2 — 1  Tag  bemerkbar. 
Wahrhaft  erstaunlich  aber  ist  die  Wirkung  auf  das  Toxin  durch 
Ek)sin  am  Lichte.  Sämtliche  Tiere  bis  inklusive  den  mit  der 
120 fachen  Dosis  letalis  injizierten  blieben  vollkommen  normal,  c 

Die  1 — lOfache  dosis  letalis  des  Tetanustoxins  wird  ertragen 
bis  auf  lokalen  Tetanus,  die  25  fache  Dosis  ist  letal. 

Eine  mit  Tetanusantitoxin  durchgeführte  gröfsere  Versuchs- 
reihe ergab  eine  analoge  Wirkung  auf  Antitoxine. 

Schon  früher  hatte  Tappeiner  P®)  gezeigt,  dafs  Rizin,  in 
Lösung  mit  etwas  Eosin,  14  Stunden  zerstreutem  Tageslicht  aus- 
gesetzt, sein  charakteristisches  Agglutinationsvermögen  für  rote 
Blutkörperchen  vollkommen  verloren  hatte,  während  eine  ebenso 
lang  exponierte,  einfache  Rizinlösung  und  eine  mit  Eosin  ver- 
setzte, im  Dunkeln  aufbewahrte  Lösung  unverändert  wirksam 
waren. 


70       Weitere  Versuche  mit  photodynamiscb.,  senBibiliBierend.  Farbstoffen  etc. 

In  den  folgenden  Versuchen  wurde  Diphtherie toxin  und 
Antitoxin,  das  wir  der  Freundlichkeit  des  Berner  Seruminstitutes 
verdanken,  benutzt,  femer  Tetanustoxin  und  Antitoxin,  das  wir 
von  den  Höchster  Farbwerken  bezogen. 

Das  Diphtherietoxin,  ohne  und  mit  Zusatz  von  Antitoxin, 
wurde  Meerschweinchen  von  durchschnittlich  150 — 200  g  Gewicht 
subkutan  am  Bauche  injiziert.  Da  die  Wertigkeit  der  Präparate 
nicht  angegeben  war,  wurde  dieselbe  experimentell  festgestellt 
und  dabei  gefunden,  dafs  0,05  ccm  Toxin  den  Tod  der  Ver- 
suchstiere in  ca.  48  Stunden  herbeifährte.  Wurde  0,5  ccm  Toxin 
einer  Menge  von  0,005  ccm  Antitoxin  beigefügt,  das  Gemisch  ca. 
1  Stunde  lang  aufbewahrt  und  dann  injiziert,  blieben  die  Tiere 
am  Leben ;  bekamen  sie  in  gleicher  Weise  0,5  ccm  Toxin  und 
0,001  ccm  Antitoxin,  starben  sie  nach  ca.  48  Stunden. 

Die  Wertigkeit  des  Höchster  Tetanustoxin  war  angegeben 
für  1,0  g  festes  Toxin  =  150000000+Ms,  die  des  flüssigen  Teta- 
nusantitoxins war  diejenige  eines  fünffachen  Normalserums,  also 
sollte  0,1  ccm  Antitoxin  0,15  g  Toxin  neutralisieren.  In  unseren 
Versuchen  waren  wir  genötigt,  mit  ziemlich  höheren  Dosen  von 
Toxin  und  etwas  kleineren  von  Antitoxin  zu  arbeiten. 

Die  Wirksamkeit  des  Tetanustoxins  wurde  an  Mäusen  und 
Meerschweinchen  erprobt  und  dabei  gefunden,  dafs  bei  Mäusen 
0,0000125  ccm  Toxin  innerhalb  zweimal  24  Stunden  den  Tod  an 
Tetanus  herbeiführte,  bei  Meerschweinchen  0,00025  ccm  inner- 
halb 36  Stunden.  Eine  mit  0,00125  ccm  Toxin  +  0,001  ccm  Anti- 
toxin injizierte  Maus  starb  nach  ca.  18  Stunden,  eine  mit  einem 
gleich  wie  oben  hergestellten  Gemenge  von  0,001  ccm  Toxin 
-|-  0,0005  ccm  Antitoxin  injizierte  blieb  am  Leben. 

Die  zu  injizierenden  Mengen  wurden  durch  Verdünnen  des 
Diphtherietoxins  und  Serums  mit  steriler  Bouillon,  die  des  Te- 
tanustoxins und  Serums  durch  Auflösen,  resp.  Verdünnen  mit 
sterilem  Wasser  hergestellt.  Die  Toxine  und  Antitoxine  wurden 
im  Freien  exponiert  und  zwar  teils  ungefärbt,  teils  mit  Eosin  I^/qq 
gefärbt,  daneben  wurden  immer  Kontroilösungen  direkt  exponiert. 
Die  Exposition  fand  teils  in  bedeckten,  gewöhnlich  in  unbedeckten 
Glasschälchen  statt. 


Von  Dt.  Hans  Haber.  71 

Die  Versuche  wurden  immer  mit  sehr  grofsen  Mengen  Toxin, 
bzw.  Toxin  und  Antitoxin  ausgeführt  behufs  Erlangung  un- 
zweideutiger Resultate. 

I.  Exposition  von  Toxinen  am  Tageslichte. 

L  Tersneh  mit  Dlphtherietoxiii. 

27.  IV.  Diphtherietozin  wird  ungefärbt  und  mit  Eosin  ge&rbt  dunkel 
und  am  Tageslichte  in  bedeckten  und  offenen  Doppelschälchen  4  Stunden 
exponiert 

Lichtverhältniase :  2  Stunden  Sonne,  2  Stden  trüb. 

Tierversuch.   Abends  4  Uhr. 

Meerschweinchen  Nr.  1. 

Subkutane  Injektion  von  0,05  ccm   Diphtherietoxin,   ungefib*bt,   nicht 

exponiert. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  2. 

Subkutane  Injektion  von  0,06  ccm  Diphtherietoxin,  mit  Eosin  gefärbt 

nicht  exponiert 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  8. 

Subkutane  Injektion  von  0,05  ccm  Diphtherietoxin,  ungefärbt,  in  be- 
deckter Schale  exponiert. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  4. 

Subkutane  Injektion  von  0,05  ccm  Diphtherietoxin,  mit  Eosin  gefärbt, 
in  bedeckter  Schale  exponiert 

Bleibt  am  Leben. 

Meerschweinchen  Nr.  5. 

Subkutane  Injektion  von  0,05  ccm  Diphtherietoxin,  unge&rbt,  in  offener 

Schale  exponiert 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  6. 

Subkutane  Injektion  von  0,05  ccm  Diphtherietoxin,  mit  Eosin  gefärbt, 
in  offener  Schale  exponiert. 

Bleibt  am  Leben. 

Bei  allen  gestorbenen  Tieren  werden  bei  der  Sektion  die  für  Diphtherie 
typischen  Veränderungen  gefunden. 


72       Weitere  Versuche  mit  photodynamiscb.,  seDBibilisierend.  FarbstoflFen  etc. 

2.  Tergueli  mit  Tetanustoxin. 

3.  V.  Tetanustoxin  wird  ungefärbt  und  mit  Eosin  gefärbt  dunkel  und 
am  Tageslichte  4  Stunden  exponiert. 

Lichtverhältnisse :  Sonne,  zeitweise  trüb. 

Tierversuch  abends  4  Uhr. 

Meerschweinchen  Nr.  1. 

Subkutane  Injektion  von  0,00025  ccni  Tetanustoxin,  ungefärbt,  nicht 

exponiert 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  2. 

Subkutane  Injektion  von  0,00025  ccm  Tetanustoxin,  mit  Eosin  gefärbt, 

nicht  exponiert. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  3. 

Subkutane  Injektion  von  0,00025  ccm  Tetanustoxin,  ungefärbt,  exponiert. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  4. 

Subkutane  Injektion  von  0,00025  ccm  Tetanustoxin,  mit  Eosin  gefärbt, 

exponiert. 

Bleibt  am  Leben. 

Der  Tod  aller  drei  gestorbenen  Tiere  trat  unter  deutlich  tetanischen 
Symptomen  ein. 

II.  Exposition  von  Antitoxinen  am  Tageslichte. 

3.  y ersuch  mit  Diphtherieantitoxin« 

10.  V.  Diphtherieantitoxin  wird  ungefärbt  und  mit  Eosin  gefärbt  dunkel 
und  am  Tageslichte  4  Stunden  exponiert.  Das  exponierte  Antitoxin  wird 
im  Dunkeln  aufbewahrt  gewesenem  Diphtherietoxin  beigemischt,  ca.  1  Stunde 
stehen  gelassen  und  dann  injiziert. 

Lichtverhältnisse :  Sonne. 

Tierversuch  abends  5Vs  Ubr. 

Meerschweinchen  Nr.  1. 

Subkutane  Injektion  von  0,0025  ccm  Antitoxin,  ungefärbt,  nicht  exponiert 

-{-0,25  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 

Meerschweinchen  Nr.  2. 

Subkutane  Injektion  von  0,0025  ccm  Antitoxin,  mit  Eosin  gefärbt, 
nicht  exponiert  -\-  0,25  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 


Von  Dr.  Hans  Huber.  73 

Meerschweinchen  Nr.  3. 

Sabkatane  Injektion  von  0,0025   ccm   Antitoxin,   angefärbt,  exponiert 

+  0,25  ccm  Toxin. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  4. 

Sabkatane  Injektion  von  0,0025  ccm  Antitoxin,  mit  Eosin  gefärbt, 
exponiert  -{-Oßb  ccm  Toxin. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Die  Krankheitssymptome  traten  bei  diesem  Tiere  etwas  früher  ein  als 
bei  Nr.  3. 

Die  Sektion  der  gestorbenen  Tiere  ergibt  die  für  Diphtherie  typischen 
Veränderangen. 

4.  Yersueh  mit  Tetaansantitoxin. 

10.  V.  Tetanusantitoxin  wird  angefärbt  und  mit  Eosin  gefärbt  dunkel 
und  am  Tageslichte  4  Stunden  exponiert.  Das  exponierte  Antitoxin  wird 
mit  im  Dunkeln  aufbewahrt  gewesenem  Tetanustoxin  vermischt,  ca.  1  Stande 
stehen  gelassen  und  dann  injiziert. 

Lichtverhältnisse:  Sonne. 

Tierversuch  abends  5  Uhr. 

Maas  Nr.  1. 

Subkutane  Injektion  von  0,0005  ccm  Antitoxin,  ungefärbt,  nicht  exponiert 

+  0,001  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 
Maas  Nr.  2. 

Subkutane  Injektion  von  0,0005  ccm  Antitoxin,  mit  Eosin  gefärbt»  nicht 

exponiert  -|-  0,001  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 
Maus  Nr.  3. 

Subkutane  Injektion  von  0,0005  ccm  Antitoxin,  nicht  gefärbt,  exponiert 

-f  0,001  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 

Die  Maus  xeigt  die  ersten  Tage  nach   der  Injektion  leichte  tetanische 

Symptome. 

Maus  Nr.  4. 

Subkutane  Injektion  von  0,0005  ccm  Antitoxin,  mit  Eosin  gefärbt, 
exponiert  -|-  0,001  ccm  Toxin. 

Tod  nach  3  Tagen. 

Der  Tod  des  gestorbenen  Tieres  erfolgte  anter  deutlichen  Erscheinungen 
von  Tetanus. 

in.   Exposition  von  Antitoxinen  am  Tageslichte  und 

unter  Rubinglaskasten. 

5.  Yersiieli  mit  Diphtherieantitoxin. 
17.  V.   Exposition   von  Diphtherieantitoxin,  ungefärbt  und  mit  Eosin 
gefärbt  unter  Rubinglaskasten  und  am  Tageslichte  4  Stunden.  Dem  exponierten 
Antitoxin  wird  nicht  exponiertes   Diphtherietoxin    zugefügt,  die  Mischung 
ca.  1  Stande  stehen  gelassen  and  dann  injisiert 


74       Weitere  Venache  mit  photod juamüch.,  aennbilisierend.  Farbstoffen  etc. 

LichtverhJÜtniflBe :  Sonne. 
Tlenrersoch  abends  4  Uhr. 
Meerschweinchen  Xr.  1. 

Babkatane  Injektion  von  0,0025  ccm  Antitoxin,  nngettrbt,  anter  Bnbin- 
glaskasten  exponiert  4~  ^i^  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 
Meerschweinchen  Xr.  8l 

Sabkatane  Injektion  von  0,0025  ccm  Antitoxin  mit  Eoein  gefftrbt,  anter 
Babinglaskasten  exponiert  -rO;25  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 

Meerschweinchen  Xr.  3. 

Babkatane  Injektion  von  0,0025  ccm  Antitoxin,  angefärbt,  direkt 
exponiert  -|-0,25  ccm  Toxin. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Meerschweinchen  Nr.  4. 

Babkatane  Injektion  von  0,0025  ccm  Antitoxin,  mit  Eoein  gefftrbt^  direkt 
exponiert  -)-  0,25  ccm  Toxin. 

Tod  nach  2  Tagen. 

Die  Sektion  der  gestorbenen  Here  ergab  die  fflr  Diphtherie  typischen 
Verftnderangen. 

6.  Tenvfh  mit  TetannsaatitexiB. 

14.  V.  Exposition  von  Tetanosantitoxin,  angefärbt  and  mit  Eosin  gefftrbt, 
unter  Babinglaskasten  nnd  am  Tageslicht  4  Standen.  Das  exponiert  ge- 
wesene Antitoxin  wird  vermischt  mit  nicht  exponiertem  Tetanostoxin,  ca. 
1  Stande  stehen  gelassen  and  dann  injiziert. 

Lichtverhftltnisee :  Sonne. 
Tierversach  abends  47]  ühr. 

Maas  Nr.  1. 

Sabkutane  Injektion  von  0,0005  ccm   Antitoxin,  nicht  gefftrbt,  anter 

Babinglaskasten  exponiert  -f-  0,00125  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 
Maas  Nr.  2. 

Subkutane  Injektion  von  0,0005  ccm  Antitoxin,  mit  Eosin  gefiUbt,  unter 

Babinglaskasten  exponiert  -|-  0,00125  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 
Maus  Nr.  3. 

Subkutane  Injektion  von  0,0005  ccm  Antitoxin,  ungefftrbt^  direkt  exponiert 

4-  6,00125  ccm  Toxin. 

Bleibt  am  Leben. 
Maus  Xr.  4. 

Subkutane  Injektion  von  0,0005  ccm  Antitoxin,  mit  Eoein  gefftrbt,  direkt 
exponiert  -{-  0,00125  ccm  Toxin. 

Tod  nach  1  * ',  Tagen. 

Der  Tod  der  Maus  erfolgte  unter  deutlichen  tetamschen  Symptomen. 


Von  Dr.  Hans  Haber.  75 

Resümee.  Aus  den  mitgeteilten  Versuchen  erhellt,  dafs 
die  Wirksamkeit  von  Diphtherie-  und  Tetanustoxin  durch  eine 
Exposition  am  Tageslichte  von  4  Stunden  herabgesetzt  wird  und 
dafs  diese  Einwirkung  besonders  an  dem  mit  Eosin  gefärbten 
Toxin  gegenüber  dem  nicht  gefärbten  zutage  tritt,  so  dafs  eine 
für  das  betreffende  Tier  mindestens  100  fach  letale  Dosis  nicht 
mehr  tödlich  wirkt,  sondern  höchstens  noch  vorübergehende 
Vergiftungssymptome  bewirkt,  wie  dies  an  den  mit  Tetanus  in- 
jizierten Tieren  etwa  beobachtet  wurde. 

Auch  auf  die  Diphtherie-  und  Tetanusantitoxine  war  deut- 
lich der  schädigende  EinfluTs  des  Lichtes  mit  und  ohne  Zusatz 
eines  sensibilisierenden  Farbstoffes  zu  erkennen,  indem  die  mit 
nicht  exponiertem  Antitoxin  plus  Toxin  injizierten  Tiere  nicht 
erkrankten  und  am  Leben  blieben,  während  das  exponierte  Anti- 
toxin unter  denselben  Bedingungen  eine  Neutralisierung  des 
Toxins  nicht  mehr  herbeizuführen  im  stände  war. 

Im  Gegensatz  hierzu  vermochte  das  unter  dem  Rubinglas- 
kasten exponierte  Diphtherie-  und  Tetanusantitoxin  die  Wirkung 
seines  entsprechenden  Giftes  vollständig  zu  neutralisieren. 

IV.   Einwirkung  des  Lichtes  auf  die  hämolytische 

Wirkung  von  Tetanustoxin. 

M  a  d  s  e  n  (^^)  hat  interessante  Versuche  angestellt  über  die 
schädigende  Wirkung  des  Tetanustoxins,  bzw.  des  Tetanolysins 
auf  rote  Blutkörperchen,  wobei  er  fand,  dafs  diese  schädigende 
Wirkung  durch  Tetanusantitoxin  unter  gewissen  Versuchs- 
bedingungen aufgehoben  wurde.  Unsere  Versuche  bezweckten 
nun,  nachdem  die  zerstörende  Beeinflussung  des  Tetanustoxins 
und  Antitoxins  am  Lichte  an  Tierexperimenten  konstatiert  war, 
diese  Lichtwirkung  auch  noch  an  hämolytischen  Versuchen  zu 
erproben. 

1.  Yersueh. 

15.  V.  Tetanustoxin,  angefärbt  und  mit  Eosin  l^oo  gefärbt,  ebenso 
Antitoxin,  werden  teils  an  der  Sonne  4  Stunden,  teils  dunkel  exponiert. 

Tetanusantitoxin  wird  direkt  einem  halben  ccm  einer  ca.  5proK.  Kanin- 
chenblut- Aufschwemmung  beigefügt  and  dann  Toxin  zugesetzt,  so  dafs  zuerst 


76       Weitere  Veraache  mit  photodynamisch.,  sensibilisierend.  Farbstoffen  etc. 


Antitoxin  mit  dem  Blnte  ca.  12  Standen  im  Kontakt  gelassen,  nachher  mit 
physiologischer  Kochsalzlösung  ausgewaschen  und  dann  das  Toxin  beigegeben 
wird. 

Es  bedeutet: 

4"  +  +  starke  Hämolyse, 

-{--{-  mittelstarke  > 

-f-  schwache  > 

0  keine  > 

Das  Besultat  war  nach  12  Stunden  folgendes: 


Blutlösung  mit  0,01  ccm  Tetanustoxin  nicht  exponiert    .    .     . 

>  -|-  Eosin  nicht  exp. 

>  exponiert 

>  -{~  ^sin  exponiert .    . 
Tetanusantitoxin   nicht   exponiert 

Tetanustoxin 

Tetanusantitoxin  u.  Eosin  nicht  exp. 

Tetanustoxin 

Tetanusantitoxin  exponiert 

Tetanustoxin 

Tetanusantitoxin  -\-  Eosin  exponiert 
Tetanustoxin 

Kontroll  nicht  exponiert 

-{-  Eosin    >  >  

mit  Antitoxin  0,1  ccm  Kontroll 

»  >        0,1      >     -|-  Eosin  exponiert 


> 

0,01     * 

> 

0,01     * 

» 

O.Ol     > 

> 

0,1       > 

+ 

0,01     » 

mit  0,1      > 

+ 

0,01     » 

mit  0,1       > 

+ 

0,01     . 

mit  + 

0,1      . 

+ 

0,01     > 

+++ 

++ 

+ 

0 
0 

+ 
++ 

0 
0 
0 
0 


2.  Yersueh. 

17.  n.  Die  4  Stunden  am  Sonnenlicht  exponiert  gewesenen  Lösungen 
werden  heute  noch  2  Stunden  bei  wenig  Sonne  exponiert,  der  Versuch  dann 
in  gleicher  Weise  wiederholt 

Die  Resultate  nach  12  Stunden  waren  folgende: 


Blutlösung  mit  0,01  ccm  Tetanustoxin  nicht  exponiert    .     .     . 

>  4~  ^8in  nicht  exp. 
»  exponiert 

>  -|-  Eosin  exponiert .     . 
Tetanusantitoxin  nicht  exponiert 

Toxin 

Tetanusantitoxin  -f  Eosin  nicht  exp. 

Toxin 

Tetanusantitoxin  exponiert 

Toxin 

Tetanusantitoxin  4~  Eosin   exponiert 
Toxin 


»    0,01     » 

>    0,01     » 

»    0,01     » 

»    0,1       > 

+  0,01     > 

mit  0,1       » 

+  0.01     > 

mit  0,1       » 

+  0,01     . 

mit  0,1       > 

+  0,01     > 

I  +++ 
■+++ 

+ 

0 
0 

+ 


Von  Dr.  Hans  Haber.  77 

Resümee.  Die  wenigen  hier  angeführten  Versuche  er- 
geben, dals  die  hämolytischen,  bzw.  antihämolytischen  Eigen- 
schaften des  Tatanustoxins  und  Antitoxins  durch  Exposition 
am  Lichte  ähnUch  beeinflufst  werden  wie  die  rein  toxischen 
bzw.  antitoxischen  Eigenschaften.  Die  Wirksamkeit  der  be- 
treffenden Lösungen  wird  auch  hier  bei  Zusatz  von  sensibili- 
sierenden Farbstoffen  viel  stärker  abgeschwächt. 


Dritter  Abschnitt. 
Wirkung  des  Lichtes  auf  das  Labferment. 

Von  verschiedenen  Seiten  wurde  die  Lichtwirkung  auf 
Enzyme  untersucht  und  zwar  machten  schon  Downes  und 
Blunt(22)  Versuche  mit  Invertinlösungen,  welche  längere  Zeit 
dem  SonnenUchte  ausgesetzt  waren.  Dieselben  zeigten  nachher 
eine  erhebUch  geringere  Fähigkeit,  Rohrzucker  in  Traubenzucker 
umzuwandeln,  als  die  im  Dunkeln  aufbewahrten  KontroUproben. 

Fermi  und  Pernoni(^)  glaubten  ebenfalls  in  ihren 
Untersuchungen  gefunden  zu  haben,  dafs  Lösungen  von  Pepsin 
und  Trypsin  im  Sonnenlicht  mehr  abgeschwächt  werden  als  beim 
Aufbewahren  im  Dunkeln. 

Eine  sichere  Wirkung  des  Sonnenlichtes  auf  Chymosin  (Lab) 
und  Maltase  (Hefenextrakt)  beobachtete  Emmerling.  (^^) 

Tappeiner (2<*)  veröffentUchte  1903  und  in  Gemeinschaft 
mit  Jodlbauer(^)  1 904  interessante  Mitteilungen  über  die 
Wirkung  des  SonnenUchtes  auf  Enzyme  bei  Anwesenheit  fluores- 
zierender Stoffe.  Er  fand  regelmäfsig,  dafs  Eosin  die  Verzuckerung 
der  Stärke  in  bedeutendem  Mafse  hemmte,  wenn  die  betreffende 
Lösung  von  Diastase  dem  gewöhnlichen  Tageslicht  ausgesetzt  war. 

Im  Dunkeln  war  das  Eosin  ohne  jede  Einwirkung,  ebenso 
war  Tageslicht  für  sich  allein  ohne  Einflufs.  Die  Wirkung  trat 
nicht  ein  bei  Filtration  der  Lichtstrahlen,  indem  man  das  zu- 
tretende Licht  vorher  eine  Lösung  des  im  Versuch  stehenden 
fluoreszierenden  Stoffes  von  10  cm  Schichtdicke  passieren   läfst 


78       Weitere  Versacbe  mit  photod3mainl8ch.,  sensibiliBierend.  Farbstoffen  etc. 

Das  zweite  untersuchte  Enzym  war  das  Invertin,  das  sich 
ähnlich  wie  Diastase  verhält.  Auch  die  Wirkung  des  eiweifs- 
verdauenden  Papayotin  wurde  durch  Eosin  im  Lichte  gehenmit. 

Schmidt-Nielsen (2^  benutzte  zu  seinen  Versuchen  mit 
Chymosin  das  konzentrierte,  elektrische  Bogenlicht;  die  Belichtung 
geschah  in  Quarzkammem.  Er  hatte  nämlich  gefunden,  dafs 
das  Sonnenlicht  und  das  nicht  konzentrierte  Licht  von  elektrischen 
Bogenlampen  nur  von  schwacher  Wirkung  auf  Enzyme  war, 
femer  dafs  die  wirksamen  ultravioletten  Strahlen  nicht  durch- 
drangen, wenn  eine  klare  Glasplatte  vor  die  Versuchskammer 
eingeschoben  wurde.  Das  Chymosin  büfste  durch  Belichtung 
mit  konzentriertem,  elektrischem  Bogenlichte  an  Wirksamkeit 
ein.  Versuche  mit  Erythrosin  und  Belichtung  in  der  Quarz- 
kammer mit  durch  Glasfilter  filtriertem,  konzentriertem  Lichte 
waren  negativ. 

Zu  unseren  Versuchen  wurde  ebenfalls  das  leicht  erhältliche 
Labferment  (Chymosin)  benutzt.  Dasselbe  eignete  sich  für  die 
Versuche  auch  deshalb  besonders,  weil  man  in  der  Zeit  des 
EintrefiEens  der  Gerinnung  von  damit  versetzter  Milch  unter  den 
gewöhnlichen  Versuchsanordnungen  ziemlich  genaue  Werte  be- 
kam. Es  wurde  zu  den  beschriebenen  Versuchen  eine  1  proz.  Lab- 
lösung benutzt,  welche  mittels  Auflösen  einer  käuflichen  Lab- 
tablette in  100  ccm  gewöhnlichen  Wassers  erhalten  wurde.  Da 
die  Lösung  nicht  haltbar  ist,  wurde  zu  jedem  Versuche  eine 
frische  Lösung  hergestellt. 

Diese  Lablösung  wurde  nun  in  Reagenzröhrchen  teils  direkt, 
teils  mit  einer  P/qq  E}osin-  resp.  Erythrosinlösung  versetzt, 
im  Freien  exponiert.  Ebenso  wurden  die  betrefiEenden  Lösungen 
in  Reagenzröhrchen  mit  schwarzem  Papier  umhüllt,  also  unter 
Lichtabschlufs  zu  Kontrollversuchen  exponiert. 

Für  die  Prüfung  der  Gerinnungsfähigkeit  dieser  Lablösungen 
wurden  dieselben  frischer,  ungekochter  Milch  beigefügt  und  zwar 
1  ccm  Lablösung  auf  100  ccm  Milch. 

In  einigen  Versuchen  wurde  auch  Milch  der  Einwirkung 
des  Lichtes  ausgesetzt  und  nachher  mit  exponierten  und  nicht 


Von  Dr.  Hans  Haber. 


79 


exponierten  Lablösungeu  die  Gerinnungsfähigkeit  derselben  unter- 
sucht. Die  Milch  wurde  dazu  in  grofsen  Doppelschalen  un- 
gefärbt und  mit  I^Jqq  Eosin-  bzw.  Erythrosinlösung  versetzt 
exponiert.  Die  Prüfung  der  Milchgerinnung  durch  Lab  wurde 
teils  im  Schaf  f  er  scheu,  teils  in  einem  nach  diesem  konstruierten 
gröfseren  Apparate,  einem  viereckigen  Blechkasten  mit  20  Ö£E- 
nungen  für  Bechergläser  bei  einer  Temperatur  von  etwa  37  **  C 
vorgenommen. 

Es  wurde  bestinunt,  innerhalb  welcher  Zeit  bei  den  ver- 
schiedenen Gemischen  eine  deutliche  Gerinnung  der  Milch  ein- 
trat und  diese  Zeit  in  Minuten  notiert. 


L  Versuche  mit  Lab  und  Milch  ohne  und  mit  Zusatz 

von  Eosin. 

100  ccm  Milch  werden  mit  1  ccm  Lablösung  vermengt;  die  Zahlen 
geben  die  Minaten  an,  welche  zwischen  Labzusatz  and  Gerinnung  ver- 
streichen. In  den  folgenden  Tabellen  wird  die  Vorbehandlang  von  Milch 
und  von  Lab  (exponiert,  nicht  exponiert;  ungefärbt,  mit  Eosin  gefärbt)  mit- 
geteilt 

18.  I.  Lab,  ungefärbt  und  mit  Eosin  gefärbt,  Milch  ungefärbt  und  mit 
Eosin  gefärbt,  werden  dunkel  und  am  Lichte  6  Stunden  exponiert. 

Lichtverhältnisse:  trüb,  keine  Sonne. 


Milch 

TAb 

Lab 
exponiert 

Tiab  nicht  expon. 
(Kontroll) 

1.  nicht  exponiert    1 
ungefärbt              j 

ungefärbt     .... 
mit  Eosin  gefärbt    . 

6 

8 

6 

8 

2.  nicht  exponiert     \ 
mit  Eosin  gefärbt  ) 

ungefärbt     .... 
mit  Eosin  gefärbt    . 

16 
20 

12 
16 

3.  exponiert 

• 

ungefärbt              J 

ungefärbt     .... 
mit  Eosin  geerbt    . 

18 
26 

12 
24 

4.  exponiert               \ 

• 

mit  Eosin  gefärbt  ) 

ungefärbt    .... 
mit  Eosin  gefärbt    . 

55 
120 

55 
65 

80       Weitere  Versache  mit  photodynamiBch.,  senBibilisierend.  Farbstoffen  etc. 

IL  Versuche  mit  Lab  und   Milch,  ungefärbt  und  mit 

Zusatz  von  Erythrosin. 

19.  I.  Lab,  angefärbt  und  mit  Erytbrosin  gefärbt,  Afilch  angefärbt  and 
mit  Er3rthro8in  gefärbt,  werden  dankel  and  am  Lichte  6  Standen  exponiert 
LichtverhältniBBe:  trübe,  keine  Sonne. 


Milch 

TAb 

exponiert 

Lab 

nicht  expon. 

(Kontroll) 

1.  nicht  exponiert 

> 

angefärbt                   J 

1 

angefärbt     .... 
mit  Erytbrosin   gef. 

8 
65 

8 
10 

2.  nicht  exponiert         \ 
mit  Erythr.  gefärbt  [ 

angefärbt    .... 
mit   Erythrosin   gef. 

15 

nach  100  Min. 

keine 

Gerinnunir 

15 
20 

3.  exponiert 

• 

ungefärbt 

angefärbt    .... 
mit   Erythrosin   gef. 

18 
70 

18 
30 

4.  exponiert                   \ 
mit  Erythr.  gefärbt  [ 

angefärbt     .... 
mit   Erythrosin   gef. 

80 

nach  140  Min. 

keine 

(Jerinnung 

70 
110 

in.  Vergleichende  Versuche  mit  getrennt  und  mit 
gemeinsam  exponierten  Lab-  und  Farbstofflösungen. 

26.  I.  Exposition  von  1 7oo  I^blösang,  1  ^/^  Eosinlösang  getrennt  und 
1 7oo  Lablösung  gemeinsam  mit  1  ^oo  Eosinlösang  dankel  und  4  Standen  am 
Tageslichte. 

Lichtverhältnisse :  Sonne,  zeitweise  trübe. 


1 

Milch 

Lab 

TAb 
exponiert 

Lab 

nicht  expon. 

(Kontroll) 

nicht  exponiert 
ungefärbt 

1 

> 

ungefärbt      .... 
mit  Eosin  gefärbt     ) 
getrennt  exponiert    | 
mit  Eosin  gefärbt      1 
zusammen  exponiert ) 

14 
12 

120 

12 
12 

15 

20.  I.  Exposition  von  IVo  Lablösung,  l®/oo  Erythrosinlösang,  getrennt 
and  17o  Lablösung  gemeinsam  mit  1^«  Erythrosinlösang  dankel  und  am 
Tageslichte  6  Standen. 


Von  Dr.  Hans  Huber. 


81 


Lichtverhältnisse :  trüb,  keine  Sonne. 


Milch 

Lab 

Lab 
exponiert 

Lab 

nicht  expon. 

(Kontroll) 

nicht  exponiert 
ungefärbt 

L 

angefärbt 

mit  Kr3rtbroBin  gefärbt     1 
getrennt  exponiert           / 
mit  Erythrosin  gefärbt    1 
zusammen  exponiert        | 

12 
16 

75 

12 
15 

18 

IV.  Versuch  mit  12  Stunden  aufbewahrter  Lablösung. 

21.  L  Die  am  20.  I.  6  Stunden  exponierten  liösungen  werden  über 
Nacht,  ca.  12  Stunden,  im  Eisschrank  aufbewahrt  und  heute  nochmals  auf 
ihre  Wirksamkeit  geprüft. 


Milch 

Lab 

TAb 
exponiert 

Lab 

nicht  expon. 

(Kontroll) 

nicht  exponiert 
angefärbt 

ungefärbt 

mit  Erythrosin  gefärbt    1 
getrennt  aufbewahrt         J 
mit  Erjrthrosin  gefärbt     \ 
zusammen  aufbewahrt     / 

14 
18 

100 

12 
15 

22 

V.  Versuche  mit  Exposition  der  Lablösungen  bei 

Luftzutritt  und  Luftabschluls. 

3.  II.  Lab,  ungefärbt  und  mit  Eosiu  resp.  Erythrosin  gefärbt,  wird 
teils  in  Beagenzröhrchen  unter  Luftzutritt,  teils  unter  Laftabschlufs  in  ge- 
schlossenen Glaszylindern  nach  Absaugen  der  Luft  4  Stunden  exponiert. 

Lichtverhältnisse:  Sonne,  zeitweise  trübe. 
Nicht  exponierte  Milch  wird  versetzt  mit: 


Lab 

bei  Luftzutritt 
exponiert 

bei  Luftabschl. 
exponiert 

nicht  exponiert 

1 

ungefärbt 

mit  Eosin  gefärbt    .     . 

mit  Erythrosin  gefärbt 

10 

Nach  120  Min. 
1  keine  Gerinnung 

Nach  VJü)  Min. 
keine  Gerinnung 

10 
120 

120 

10 
12 

20 

6.  II.  Milch  ungefärbt  und  mit  Eosin  rosp.  Erythrosin  gefärbt,  wird 
teils  in  offenen  Glaszylindern  unter  Luftzutritt,  teils  unter  LuftabHchlufs  in 
geschlossenen  Glaszylindern   nach  Absaugen   der  Luft  4  Stunden  exponiert. 

Lichtverhältnisse :  Sonne. 
Archiv  für  Hygiene.    Bd    LIV.  6 


82       Weitere  Versuche  mit  photodynamiacb.,  sensibilisierend.  Farbstoffen  etc. 


Nicht  exponiertes  Lab  wird  zugefügt: 


Milch 

i 

bei  Luftzutritt 
exponiert 

bei  Luftabschl. 
exponiert 

nicht  exponiert 

ungefärbt 

mit  Eosin  gefärbt    .     . 
mit  Erythroain   gefärbt 

18 
60 
60 

15 
35 
35 

12 
30 
30 

VI.  Versuche  u nter  der  Eosin-resp.  Erythros! ng locke. 

30.  L  Lab  ungefärbt  und  mit  Eosin  bzw.  Erythrosin  gefärbt,  werden 
teils  unter  der  Eosin-  resp.  Erylhrosinglocke ,  teils  direkt  am  Tageslichte 
3  Stunden  exponiert. 

Lichtverhältnisse:  trüb,  keine  Sonne. 

Nicht  exponierte  Milch  wird  versetzt  mit: 


Lab 

unter  Eosin- 
Glocke  exp. 

unter  Erythr.- 
Glocke  exp. 

direkt  exp.      nicht  exp. 

ungefärbt    .... 
mit  Eosin  gefärbt    . 
mit  Erythrosin   gef. 

10 
15 

10 
15 

10 
40 
40 

8 
10 
10 

10.  IL    Wiederholung   des  obigen  Versuches  bei  Exposition  4  Stunden 
am  Sonnenlichte. 

Nicht  exponierte  Milch  wird  versetzt  mit: 


Lab 

unter  Eosin- 
Glocke  exp. 

unter  Ery  thr.- 
Glocke  exp. 

direkt  exp. 

nicht  exp. 

1 
ungefärbt    .... 

mit  Eosin  gefärbt   . 
mit  Erythrosin   gef. 

12 

Nach  120  Min. 
«Jorinnuiig  beg. 

14 

Nach  120  Min, 
(jerinnung  beg. 

14 

Nach  120  Min. 
k.  (ierinnung 

Nach  120  Min. 
k.  Gerinnung 

10 
10 

10 

Resümee.  Aus  den  mitgeteihen  Versuchen  ist  ersichtlich, 
dafs  die  Wirksamkeit  einer  Lablösung  durch  Exposition  am  Lichte, 
namentlich  bei  Zusatz  von  sensibilisierenden  Farbstoffen,  bedeutend 
abgeschwächt  wird.  Während  z.  B.  eine  bestimmte  Lablösung, 
im  Dunkeln  aufbewahrt,  die  Gerinnung  der  Milch  nach  8 — 10  Mi- 
nuten bewirkte,  war  die  Wirksamkeit  einer  am  Lichte  exponierten, 
mit  Eosin  oder  Erythrosin  gefärbten  Lösung  unter  denselben  Be- 
dingungen um  eine  bis  mehrere  Stunden  verzögert.  Der  Unterschied 
zwischen  nicht  gefärbter  und  sensibilisierter  Lösung  war  bei  der 
Exposition  auch  hier  sehr  deutlich,  noch  gröfser  als  zwischen  der 


Von  Dr.  Hans  Huber.  83 

nicht  exponierten  und  exponierten  farblosen  Lablösung,  während 
zwischen  der  im  Dunkeln  aufbewahrten  ungefärbten  und  der  ge- 
färbten Lösung  nur  ein   geringer  Unterschied  nachweisbar  war. 

Es  wurde  auch  Milch  der  Einwirkung  des  Lichtes  ausgesetzt, 
um  festzustellen,  ob  die  Gerinnungsfähigkeit  derselben  nach  dem 
Lichteinflufs  verändert  wird.  Auch  hier  stellte  sich  hieraus,  dafs, 
währenddem  die  nicht  exponierte  gefärbte  Milch  ungefähr  gleich 
rasch  zur  Gerinnung  gebracht  wurde  als  die  nicht  gefärbte,  die 
mit  Eosin  resp.  Erythrosin  gefärbte  Milch  nach  Exposition  viel 
langsamer  gerinnt  als  die  sensibilisierte,  nicht  exponierte. 

Weitere  Versuche  sollten  feststellen,  ob  durch  getrennte  Ex- 
position und  nachherige  Vermengung  von  Farbstoff  und  Lab- 
lösung der  Einflufs  ein  ähnlicher  war.  Es  stellte  sich  aber  heraus, 
dafs  die  exponierte  Eosinlösung  auch  hier  nur  dann  wirkt,  wenn 
sie  schon  während    der  Exposition    mit   dem  Lab   vermengt  ist. 

Wurde  die  exponierte  Lablösung  über  Nacht  aufbewahrt  und 
erst  etwa  12  Stunden  nach  der  Exposition  nochmals  auf  ihre 
Wirksamkeit  geprüft,  so  waren  die  Resultate  ähnlich  lautend  wie 
in  den  gleich  nach  der  Exposition  vorgenommenen  Untersuchungen, 
so  dafs  eine  nachträgliche  Zunahme  der  Wirksamkeit  einer  ab- 
geschwächten Lablösung  nicht  angenommen  werden  kann. 

Der  Einflufs  des  Luftzutrittes  bei  der  Abschwächung  der 
exponierten,  sensibilisierten  Lablösung  war  auch  hier  nachweisbar, 
obschon  nicht  so  deutlich  wie  bei  den  früher  beschriebenen  bak- 
teriziden Versuchen  und  bei  denjenigen  auf  Virulenzschwächung. 

Die  Versuche  unter  der  Eosin-  und  Erythrosinglocke  ergaben, 
dafs  ungefärbte  Lablösungen,  welche  durch  Eosin-  oder  Erythrosin- 
licht  belichtet  wurden,  nicht  stärker  verändert  werden  als  unge- 
färbte, dem  direkten  Lichte  ausgesetzte  Lösungen.  Die  unter 
Eosin-  resp.  Erythrosinglocke  exponierten,  sensibilisierten  Lab- 
lösungen verhielten  sich  ungefähr  wie  die  direkt  exponierten  ge- 
färbten. Entsprechend  der  etwas  schwächern  Lichtintensität  war 
auch  hier  die  Abschwächung  der  Wirksamkeit  eine  etwas  geringere. 


Aus  unseren  Versuchen  geht  hervor,  dafs  das  diffuse  Tages- 
licht, noch  mehr  aber  das  Sonnenlicht  von  schädigendem  Einflufs 


i 


84       Weitere  Versuche  mit  photodynamisch.,  sensibilisierend.  Farbstoffen  etc. 

auf  Wachstum  und  Virulenz  patliogeuer  Mikroorganismen  (Strepto- 
coccus pyogenes  und  Diphtheriebacillus) ,  auf  Tetanus-  und 
Diphtherietoxin  sowie  deren  Antitoxine  und  auf  Labferment  ist. 
Immerhin  mufs  hier  hervorgehoben  werden,  dafs  die  bakterizide 
und  die  giftzerstörende  Wirkung  des  Tages-  bzw.  Sonnenlichtes 
bei  der  von  uns  gewählten  Versuchsanordnung  keine  so  starke 
ist,  wie  häufig  angenommen  wird.  Wiederholt  konnten  wir  in 
unseren  in  den  Monaten  Januar,  Februar  und  Mai  ausgeführten 
Versuchen  nachweisen,  dafs  trotz  zweistündiger  Exposition  am 
Sonnenhchte  Diphtheriebazillen  und  Streptokokken,  Tetanus-  und 
Diphtlierietoxine  ihre  Virulenz  bzw.  Giftigkeit  noch  nicht  einge- 
büfst  hatten.  In  einigen  Fällen  konnte  selbst  nach  5 — 6  stündiger 
Exposition  am  Sonnenhcht  weder  die  bakterientötende  noch 
toxinzerstörende  Wirkung  desselben  nachgewiesen  werden.  Viel 
schneller  und  frappanter  tritt  diese  Wirkung  ein,  wenn  das  zu 
beHchtende  Medium  vorher  mit  einer  1  ^/qo  Eosin-  oder  Erythrosin- 
lösung,  also  einem  sogenannten  photodynamischen  oder  sensibi- 
lisierenden Farbstoffe  gefärbt  wird.  Wie  Mettler  gezeigt  hat, 
rufen  auch  geringere  Konzentrationen  dieser  Farbstoffe  diese 
Wirkung  hervor,  es  dürfen  aber  nicht  beliebige  Farbstoffe,  sondern 
eben  nur  sensibilisierende  sein. 

Aus  weiteren  Versuchen  geht  hervor,  dafs  Lichtstrahlen, 
welche  durch  Rubinglas  filtriert  werden,  also  »rotes  Lichte,  keine 
oder  nur  unbedeutende  Wirkung  auf  Wachstum  und  Virulenz 
pathogener  Bakterien  sowie  auf  Antitoxine  hatten  und  zwar  selbst 
nach  tagelanger  Belichtung.  Es  blieb  sich  dabei  ziemlich  gleich, 
ob  die  exponierte  Flüssigkeit  sensibilisiert  war  oder  nicht.  Die 
Versuche  erweitern  die  von  Mettler  angegebenen  Resultate,  in- 
dem trotz  stärkerer  Belichtung  und  längerer  Expositionszeit 
pathogene  Mikroorganismen  nicht  nur  nicht  abgetötet,  sondern 
auch  in  ihrer  Virulenz  in  keiner  Weise  verändert  wurden.  Wurde 
das  Licht  in  Versuchen  mit  Lab  durch  eine  sensibilisierende  Farb- 
stofflösung filtriert,  so  liofs  sich  in  der  Wirkung  gegenüber  dem 
direkten  Sonnenlicht  kein  deutlicher  Unterschied  konstatieren, 
auch  sensibilisierte  Lablösungen  wurden  dadurch  nicht  mehr  als 
gewöhnlich  beeinflufst. 


Von  Dr.  Hans  Uuber.  85 

Was  die  Erklärungen  der  Lichtwirkung  ohne  und  mit  Sen- 
sibilisation  durch  die  verschiedenen  Autoren  anbelangt,  so  sind 
dieselben  in  der  Arbeit  von  Mettler  berücksichtigt. 

Die  neuesten  Untersuchungen  von  B  i  e  (*^)  haben  in  Bestäti- 
gung der  Ansicht  von  Kruse  p)  ebenfalls  ergeben,  dafs  bei  der 
Lichtwirkung  neben  der  Schädigung  durch  gebildete  schädliche 
StofEe  wie  Wassersto£Esuperoxyd  die  Lichtstrahlen  an  und  für  sich 
schädlich  wirken.  Was  die  Wirkung  der  von  Tappeiner  als 
photodynamische  und  von  Dreyer  als  sensibilisierende  bezeich- 
neten Farbstoffe  betrifft,  so  ist  eine  befriedigende  Erklärung  bis 
jetzt  nicht  erbracht. 

Unsere  Untersuchungen  haben  die  Resultate  von  Mettler 
bestätigt,  und  wir  können  ebenfalls  die  Wirkung  von  £k)sin  und 
von  Erythrosin  mit  Busk(2*),  Tappeiner  und  andern  als  eine 
Verstärkung  der  gewöhnlichen  Lichtwirkung  auffassen.  In  allen 
unseren  Versuchen  konnten  wir  ebensowenig  wie  Met 1 1er  einen 
qualitativen  Unterschied  in  der  Wirkung  des  Lichtes  auf  sensi- 
bilisierte und  auf  nicht  sensibilisierte  Nährböden  konstatieren, 
sondern  nur  quantitative,  graduelle. 


Schiursfolgerungen. 

1.  Die  bakterizide  Wirkung  des  Tages-  bzw.  des  Sonnen- 
lichtes auf  Bouillonkulturen  oder  Aufschwemmungen  von 
Streptococcus  pyogenes  und  Diphtheriebazillen 
ist  eine  geringe.  Die  Wirkung  des  Lichtes  wird  aber 
bedeutend  erhöht,  wenn  den  Flüssigkeiten  geringe  Mengen 
(P/oo)  sensibihsierender  Farbstoffe,  Eosin  oder  Erythrosin 
zugesetzt  werden. 

2.  Das  Tageslicht  wirkt  nicht  nur  schädigend  auf  die 
Lebensfähigkeit,  sondern  auch  auf  die  Virulenz 
von  Bakterien.  Bei  unserer  Versuchsanordnung  war  auch 
diese  Wirkung  trotz  mehrstündiger  Expositionszeit  keine 
bedeutende.     Wurden  die  exponierten  Aufschwemmungen 


86       Weitere  Versuche  mit  photodynamisch.,  sensibilisierend.  Farbstoffen  etc. 

liingegen  vorher  mit  Eosin  oder  Erythrosin  gefärbt,  so 
war  die  virulenzschwächende  Wirkung  des  Lichtes  eine 
viel  stärkere. 

3.  Keimtötende  und  virulenzschwächende  Wirkung  des 
Lichtes  gehen  Hand  in  Hand ;  immerhin  konnte  wieder- 
holt beobachtet  werden,  dafs  exponierte,  sensibilisierte 
Kulturen  nicht  mehr  virulent  waren,  obschon  dieselben 
noch  entwicklungsfähige  Mikroorganismen  enthielten. 

4.  Ähnlich  wie  gegenüber  virulenten  Kulturen  war  die  gift- 
zerstörende Wirkung  des  Tageslichtes  gegenüber  unge- 
färbtem Diphtherie-  und  Tetanustoxin  eine  be- 
schränkte, währenddem  sensibilisierte  Giftlösungen  in 
ziemlicli  kurzer  Zeit  ihre  Giftigkeit  für  Versuchstiere  ein- 
büfsten.  Die  sensibihsierenden  Antitoxine  von  Diph- 
therie und  Tetanus  verloren  am  Lichte  ebenfalls  bald 
ihre  spezifischen  Eigenschaften. 

5.  Labferment  büfst  nach  mehrstündiger  Exposition  am 
Tageslicht  nur  wenig  von  seiner  milchgerinnenden  Eigen- 
schaft ein;  wird  die  Lablösung  mit  Ek)sin  oder  Ery- 
throsin versetzt,  so  tritt  nach  kurzer  Belichtung  eine 
deutliche  Verlangsamung  der  Gerinnung  ein. 

6.  Wird  das  Tageslicht  durch  Rubin  glas  filtriert,  so  ist 
die  bakterientötende  sowohl  wie  die  giftzerstörende  Wir- 
kung auch  bei  mehrtägiger  Exposition  kaum  nachweisbar; 
die  sensibilisierten  Lösungen  werden  ebenso  wenig  be- 
einflufst  als  die  nicht  gefärbten.  Die  geringen  Unter- 
schiede lassen  sich  wohl  auf  eine  auch  während  der 
Exposition  im  Dunkeln  wahrzunehmende  chemische  Ein- 
wirkung des  betreffenden  Farbstoffes  zurückführen.  Das 
von  uns  geprüfte  »Rote  Lichte  hat  also  weder  eine 
bakterizide  noch  eine  giftzerstörende  Wirkung  gezeigt. 

7.  Das  durch  verdünnte  Eosin-  bzw.  Erythros! nlösungen 
filtrierte  Licht  wirkt  auf  ungefärbte  und  auf  sensibili- 
sierte Flüssigkeiten  nicht  intensiver  als  das  Tageslicht; 
die    Wirkung  des  unveränderten  Tageslichtes 


Von  Dr.  Hans  Huber.  87 

war  vielmehr    stets    kräftiger    als    die    Wirkung   des 
durch  einen  sensibilisierenden  Farbstoff  filtrierten. 

8.  Die  schädigende  Wirkung  des  Lichtes  ist  viel  stärker 
bei  Luftzutritt  als  unter  Luftabschlufs.  Dies  gilt 
auch  für  die  mit  photodynamischen  Farbstoffen  gefärbten 
Lösungen ;  wurden  sensibilisierte  Aufschwemmungen  von 
Bakterien  oder  Lösungen  von  Labferment  bei  Luft- 
abschlufs am  Licht  exponiert,  so  war  die  Schädigung 
derselben  nicht  stärker  als  in  den  ähnlich  exponierten 
nicht  gefärbten  Lösungen. 

Zum  Schlüsse  sei  es  mir  gestattet,  Herrn  Privatdozent 
Dr.  W.  Silberschmidt,  Vorstand  der  bakteriologischen  Ab- 
teilung am  Hygiene  -  Institut  für  die  Anregung  zu  der  vor- 
liegenden Arbeit  und  für  die  Unterstützung  bei  der  Ausführung 
derselben  bestens  zu  danken. 


88        Weitere  Versuche  mit  Farbstoffen  etc.     Von  Dr.  Hans  Huber. 


Literatur, 

1.  Mettler,  Experimentelles  über  die  bakteriside  Wirkung  des  Lichtes 
auf  mit  Eosin,  Erythrosin  und  Fluoreszein  gefttrbte  Nfthrböden.  Disser- 
tation, Zürich,  1905.     Archiv  f.  Hygiene,  1905,  Bd.  63. 

2.  Downes  u.  Blunt,  Proceeding  of  the  Royal  Society  of  London,  1877, 
XXVI,  S.  488. 

3.  Dieudonn^,  Arbeiten  aus  dem  Kais.  Qesundheitsamte,  1894,  Bd.  9. 

4.  Finsen,  Om  Anvendelse  i  Medicinen  af  koncentrerede  kemiske  Lys* 
straaler.     Köbenhavn,  1896. 

5.  Tappeiner,  Münch.  Med.  Wochenschrift.  3.  Jan.  1900.  5.  Nov.  1901. 
Nr.  16,  1904.     Deutsche  Med.  Wochenschrift,  Nr.  16,  1904. 

6.  Dreyer,  Mitteilungen  aus  Finsens  med.  Lichtinstitut,  Heft  7,  1904. 

7.  Bie,  Om  Lisets  Virkuing  paa  Bakterier.    Köbenhavn,  1908. 

8.  Arloing,  Comptes  rendus,  1885,  Vol.  0— CL 

9.  Duclaux,  Comptes  rendus,  1885,  Vol.  C. 

10.  Palermo,  Ref.  im  Zentralblatt  für  Bakteriologie,  1895,  Bd.  18,  8.  665. 

11.  Chemeleswky,  Ref.  im  Zentralblatt  für  Bakteriologie,  1892,  Bd.  12. 

12.  d'Arsonval  et  Charrin,  Comptes  rendus.     Acad.  des  Sciences,  1894. 

13.  Momont,  Annales  de  Tlnstitut  Pasteur,  1892,  YL 

14.  Santori,  Annales  de  l'Inst.  hyg.  Roma,  1890. 

15.  Bio,  Mitteilungen  aus  Finsens  med.  Lichtinstitut,  Heft  L 

16.  Kitasat o,  Zeitschrift  f.  Hygiene,  Bd.  10,  1890. 

17.  Tlzzoni  u.  Cattani,  Archiv  f.  experiment.  Pathologie,  1890,  Bd.  27. 

18.  Fermi  u.  Celli,  Ref.  im  Zentralblatt  f.  Bakteriol.,  1892,  Bd.  12,  Nr.  18. 

19.  Tappeiner  u.  Jodlbauer,  Münch.  med.  Wochenschrift,  Nr.  17,  1904. 

20.  Tappeiner,   Berichte  der  d.  ehem.  Gesellschaft,   1903,  Bd.  36,  S.  3035. 

21.  Arrhenins  u.  Madsen,   Zeitschrift  f.  physik.  Chemie,    1903,    Bd.  44, 
lieft  1. 

22.  Downes   u.   Blunt,    Proceeding    of    the    Royal    Society    of    London, 
Vol.  28,  S.  205. 

23.  Fermi  u.  Pernoni,  Zeitschrift  f.  Hygiene  u.  Infekt.,  1894,  Bd.  18. 

24.  Emmerling,  Berichte  der  d.  ehem.  Gesellschaft,  1901,  Bd.  34. 

25.  Tappeiner  u.  Jodlbauer,  Deutsches  Archiv  f.  klin.  Medizin,  Bd.  80. 

26.  Schmidt-Nielsen,     Mitteilungen     aus     Finsens    med.     Lichtinstitut, 
Heft  9,  1904. 

27.  Kruse,  Zeitschrift  f.  Hygiene  u.  Infekt.,  Bd.  19,  S.  312. 

28.  Busk,  Mitteilungen  aus  Finsens  med.  Lichtinstitut,  Heft  8,  1904. 


'''"^'''^,7^ 


Vernichtimg  der  Bakterien  im  Wasser  dnrch  Protozoen. 

Von 

Dr.  Otto  Huntemüller 

aus  Hoya  a.  d.  Weser. 
(Mit  Tafel  I.) 

Professor  Emraerich  und  Dr.  Gern  und  hatten  die  Be- 
obachtung gemacht,  dafs  sich  Typhusbazillen,  die  in  grofser  An- 
zahl im  Mangfall-Leitungswasser  ausgesät  waren,  nach  einigen 
Tagen  darin  nicht  mehr  durch  die  Kultur  nachweisen  liefsen, 
während  der  Nachweis  in  sterilem  Wasser  noch  nach  längerer 
Zeit  gelang.  Da  die  chemische  Zusammensetzung  des  Wassers 
in  beiden  Fällen  so  ziemlich  die  gleiche  war,  konnte  hierdurch 
das  verschiedene  Verhalten  der  Bakterien  im  Wasser  nicht  er- 
klärt werden.  In  dem  nicht  sterilisierten  Wasser  fanden  sich 
nach  diesen  Versuchen  sehr  wenig  Keime,  nur  8  bis  10  pro  ccm, 
80  dafs  auch  diese  die  Vernichtung  der  Typhusbazillen  nicht 
verursacht  haben  konnten.  Dagegen  war  in  dem  nicht  sterilisierten 
Wasser  eine  grofse  Menge  Protozoen  nachweisbar,  während  das 
sterilisierte  natürlich  frei  davon  war. 

Aus  diesen  Beobachtungen  glaubte  Professor  Emmerich 
die  Abnahme  der  Typhusbakterien  im  Wasser  auf  die  Tätigkeit 
der  Protozoen  zurückführen  zu  dürfen.  Es  gelang  ihm  auch 
durch  die  von  Giemsa  für  die  Malariaplasmodien  vor- 
geschlagene Färbungsmethode  Bazillen  in  den  Protozoen,  und 
zwar  waren  letztere  Flagellaten,  nachzuweisen,  auch  konnte  er 
die  Bakterien  in  verschiedenen  Stadien  der  Auflösung  im 
Flagellatenkörper  sehen. 

ArchiT  fQr  Hygiene.    Bd.  UV.  7 


90  Vernichtung  der  Bakterien  im  Wasser  durch  Protozoen. 

Auf  seine  Veranlassung  und  unter  seiner  gütigen  Beiiiilfe 
befafste  ich  mich  näher  mit  diesen  Beobachtungen. 

Die  Versuche  wurden  mit  den  verschiedensten  Wässern  und, 
wenn  nicht  besonders  erwähnt,  in  diffusem  TagesUcht  bei  Zimmer- 
temperatur angestellt.  Die  Wasserentnahme  geschah  in  sterilem 
Glase,  das  halbgefüllt  etwa  100  ccm  fafste.  Zum  Vergleich 
wurde  meist  ein  Versuch  mit  sterilem  oder  keimfrei  filtriertem 
Wasser,  d.  h.  Wasser,  in  dem  keine  Flagellaten  waren,  gemacht. 

In  allen  Brunnen,  Flüssen  und  Quellen,  die  wir  untersuchten, 
ja  selbst  wenn  sie  erst  gerade  aus  dem  Boden  herauskamen, 
Uefsen  sich  Protozoen  nachweisen,  und  zwar  sind  es  in  den 
reinen  Wässern,  z.  B.  dem  Mangfallwasser  (dem  Münchener 
Trinkwasser)  Wasser  aus  einem  Brunnen  bei  Schäftlarn  etc.,  haupt- 
sächlich die  beiden  Flagellatenarten  Bodo  ovatus  und  Bodo 
saltans,   und  unter  diesen  wieder  besonders  der  erste. 

Mangfall  Wasser  am  6.  5.  04  zu  je  3,0,  2,0,  1,0  und  0,5  ccm 
in  sterilisiertem  Reagensglase  mit  einer  grofsen  Anzahl  Typhus- 
bazillen  versetzt,  enthielt  am  16.  5.  in  allen  Proben  reichlich 
diese  beiden  Arten.  Ja,  in  0,05  ccm  Mangfallwasser  liefsen  sich 
auf  diese  Weise  Flagellaten  nachweisen,  während  in  sterilem, 
auf  gleiche  Weise  beschicktem  Wasser  keine  Flagellaten  ent- 
halten waren,  so  dafs  also  in  0,05  ccm  Mangfallwasser  mindestens 
ein  Flagellat  oder  eine  Spore  vorhanden  sein  mufste.  Auf 
1  ccm  Mangfallwasser  treffen  somit  im  Sommer  wenigstens 
20  Flagellaten. 

Als  Bakterienmaterial  diente  meist  eine  frische,  24  Stunden 
bei  37®  auf  Agar  gewachsene  Typhuskultur,  doch  wurden  auch 
Versuche  mit  anderen  Bakterien  gemacht. 

Alle  diese  Versuche  ergaben  dasselbe  Resultat,  nach  2  bis 
3  mal  24  Stunden  waren  die  Typhusbazillen  aus  dem  Wasser 
nahezu  verschwunden,  wenigstens  so,  dafs  sie  sich  durch  das 
gewöhnliche  Gelatine-Plattenverfahren  nicht  mehr  nachweisen 
liefsen. 

Die  Zahl  der  Flagellaten  hatte  dagegen  ganz  bedeutend 
zugenommen. 


Von  Dr.  O.  HantemOller.  91 

Sehr  interessant  ist  auch  das  Verhalten  der  Wasserbakterien. 
Diese  nahmen,  solange  die  Flagellaten  an  den  eingesäten  Typhus- 
bazillen reichlich  Nahrung  fanden,  beständig  zu,  doch  vom  dritten 
Tage  an  wieder  stetig  ab  und  waren  am  vierten  Tage  bedeutend 
weniger  vorhanden  als  bei  Beginn  des  Versuchs,  da  sie  den 
stark  vermehrten  Flagellaten  jetzt  leichter  zur  Beute  fielen. 

Versuch  vom  6.  V.  1904. 

a)  Das  Wasser  aus  dem  Brannen  des  hygieDischen  Instituts  hatte  am 
6.  Y.  eine  Keimzahl  von  6930  pro  0,05  com  (gezählt  nach  48  Stunden),  also 
in  1  ccm  138  600  Wasserbakterien  und  eine  ziemliche  Menge  von  Flagellaten, 
Infusorien  und  anderen  Protozoen. 

Von  diesem  Wasser  werden  100  ccm  mit  einer  Öse  einer  frischen 
Typhusagarkultur  versetzt  und  wiederholt  umgeschüttelt,  um  das  Bakterien, 
material  gut  zu  verteilen.  Davon  wird  sofort  eine  Öse,  die  etwa  0,006  ccm 
faüst,  zu  einer  Gelatineplatte  ausgegossen.  Diese  Platte,  die  24  Stunden  bei 
22^  im  Wärmeschrank  gestanden  hat,  ergibt  am : 

7.  V.    .    .     .      176400  Kolonien  pro  Platte 
nach  24  Std.      20070         >  >        > 

>  2X24  >  360         >  >         > 

Unter  diesen  360  Kolonien  waren  nur  noch  einige  wenige,  welche 
typhusbazillenverdächtiges  Aussehen  hatten. 

b)  am  7.  V.  wird  der  Versuch  mit  Wasser  aus  dem  Brunnen  des 
hygienischen  Instituts  wiederholt,  nach  Zusatz  einer  Öse  einer  24  Stunden 
bei  36^  gewachsenen  Typhusagarkultur  und  kräftigem  Umschfltteln  werden 
drei  Ösen  des  infizierten  Wassers  zu  einer  Gelatineplatte  ausgegossen,  auf 
dieser  wachsen  in  24  Stunden  bei  22^  im 

Warmeschrank 214200  Kolonien 

aus  3  Ösen  nach  24  Std 20340       > 

>  5       >         >      48     > 7200       > 

Eine  Identifizierung  der  wenigen,  nach  48  Stunden  vorhandenen  typhus- 
bazillenähnlichen  Kolonien  wurde  nicht  ausgeführt. 

Versuch  vom  12.  V.  1904. 

Wasser  aus  einem  Brunnen  in  der  Nähe  des  Bavariadenkmals  enthält 
in  0,01  ccm  2700  Wasserbakterien.  Zu  100  ccm  werden  drei  Ösen  einer 
frischen  Typhusagarkultur  gesetzt  und  hiervon  nach  mehrmaligem  Um- 
schütteln  fünf  Ösen  ä  0,005  ccm  zu  einer  Gelatineplatte  ausgegossen.  Es 
wachsen  auf  der  wie  im  vorigen  Versuch 

behandelten  Platte       261000  Kolonien 

aus  5  Ösen  nach  20  Std 195300         > 

>  5       >         >      46     >        135000         > 

>  5       >         >      68     >        8280         > 

darunter  sehr  wenig  typhusbazillenähnliche  Kolonien. 

7* 


92  Vernichtung  der  Bakterien  im  Wasser  darch  Protozoen. 

Versuch  vom  19.  V.  1904. 

Mflnchener  Leitungswasser  (Mangfallwasser)  enthält  am  19.  V.  in 
1  ccm  4  Kolonien  des  Bac.  flaorescens  liqnefaciens.  Hiervon  werden  100  ccm 
mit  drei  Ösen  einer  frischen  Typhusagarkultar  versetzt  und  nach  gutem 
Umschattein  drei  Ösen  zu  einer  Platte  ausgegossen.    Es  ergeben  sich 

sofort 151200  Kolonien 

aus  3  Ösen  nach  24  Std. 56700         t 

>    3      >        >      48    >        16200         > 

Werden  von  diesen  letzteren  alle  verdächtigen  Kolonien  als  Typhus- 
bazillen gezählt,  so  ergeben  sich  2430  Typhusbazillenkolonien. 

Waren  in  einem  Wasser  schon  an  und  für  sich  viele  Flagel- 
laten  enthalten,  so  läfst  sich  schon  nach  einer  Stunde  eine  deut- 
liche Ahnahme  der  eingesäten  Typhusbazilleu  konstatieren,  während 
Typhusbazillen  im  sterilen  Wasser  nach  dieser  kurzen  Zeit  sogar 
öfters  etwas  zugenommen  hatten.  Dies  letztere  erklärt  sich 
daraus,  dals  viele  Bakterien  der  Agarkultur  in  Teilung  begriffen 
waren,  als  sie  ins  Wasser  verimpft  wurden,  in  welchem  sich 
alsdann  die  Teilung  in  der  ersten  Stunde  noch  vollständig  voll- 
zog. Stellte  man  nämlich  eine  starke  Suspension  von  Typhus- 
bazillen in  einigen  Kubikzentimetern  sterilen  Wassers  her,  liefs 
diese  etwa  1  Stunde  stehen  und  verimpfte  hiervon,  so  fand  keine 
Vermehrung  statt. 

Versuche  vom  20.  VL  1904. 

a)  Wasser  aus  dem  Brunnen  des  hygienischen  Instituts  wird  mit  einer 
Öse  einer  frischen  Typhusagarkultur  versetzt.  Die  aus  drei  Ösen  gegossene 
Platte  ergibt 

sofort 199350  Kolonien 

nach  1  Std 148680         > 

b)  Ein  am  selben  Tage  wiederholter  zweiter  Versuch  ergibt  aus  drei  Ösen 

sofort 124830  Kolonien 

nach  1  Std 81900         > 

Versuche  vom  21.  VI.  1904. 

a)  Wasser  aus  dem  Brunnen  des  hygienischen  Instituts,  auf  dieselbe 
Weise  wie  in  den  vorigen  Versuchen  mit  Typhuskeimen  versetzt,  ergibt 
aus  drei  Ösen 

sofort 241650  Kolonien 

nach  1  Std 140598         > 

pro  Platte. 


Von  Dr.  0.  Hantemüller.  93 

b)  Im  Btrömenden  Dampf  BteriliBiertes  Wasser  aus  dem  Bronnen 
des  Institats  wird  gleichfalls  mit  Typhusbaadllen  versetzt  nnd  enthält  in 
drei  Ösen 

sofort 134900  Typhnskeime 

nach  1  Std 201600  > 

Versuch  vom  22.  VL  1904. 

a)  100  ccm  Wasser  ans  dem  Instituts-Brunnen  wird  mit  fflnf  Ösen 
einer  Aufschwemmung  in  2  ccm  sterilem  Wassers  einer  frischen  Agartyphus- 
bazillenkaltar  versetzt^  die  eine  Stande  lang  gestanden  hat  Ans  drei  Ösen 
ergeben  sich 

sofort 64350  Kolonien 

nach  1  Std 43497         t 

b)  100  ccm  sterilisiertes  Wasser  aas  dem  Institatsbrunnen  wie  bei  a) 
behandelt  ergibt 

sofort 50103  Typhaskolonien 

nach    1  Std 52875  > 

>  48     > 11700  > 

>  11  X  24  Std 387 

Der  folgende  Versuch  zeigt,  dafs  auch  die  Wasserbakterien 
ebenso  schnell  wie  die  Typhusbazillen  von  den  Protozoen  ge- 
fressen werden. 

Am  22.  VI.  werden  zu  Wasser  aas  dem  Institatsbrunnen  drei  Ösen 
einer  frischen,  24  Stunden  bei  87  ^  auf  Agar  gewachsenen  Kultur  des  Bacillus 
fluorescens  liquefaciens  gesetzt  und  hiervon  drei  Ösen  zu  einer  Gelatine- 
platte ausgegossen;  man  erhält  auf  der  Platte 

sofort 352000  Kolonien 

nach    1  Std 264600         > 

>  24     > 11160         > 

Versuch  vom  29.  VI.  1904. 

Aus  dem  Institutsbrunnen  werden  drei  Ösen  in  ein  BouiUonrÖhrchen 
verimpft  und  dieses  24  Stunden  bei  Sl^  im  Wärmeschrank  stehen  lassen. 
Von  dieser  Bouillonkultur,  in  der  sich  die  Wasserbakterien  während  dieser 
Zeit  sehr  reichlich  vermehrt  hatten,  werden  drei  Ösen  zu  ca.  100  cbm 
Wasser  aus  dem  Brunnen  des  hygienischen  Instituts  gesetzt  Auf  der  sofort 
nach  der  Einsaat  aus  3  Ösen  gegossenen  Gelatineplatte  wachsen 

sofort 260380  Kolonien 

nach    1  Std 236394         > 

t      24     > 24930         > 

>  48    > 2160         > 

Die  Temperatur  spielt  bei  der  Vernichtung  der  Bakterien 
auch   eine    Rolle;    nach   meinen    bisherigen  Versuchen   scheint 


94 


Vernichtung  der  Bakterien  im  Wasser  durch  Protozoen. 


26— 30^  C  das  Optimum  für  die  Entwicklung  und  Frefs- 
tätigkeit  der  Protozoen  zu  sein.  Auch  das  Licht  scheint  einen 
Einflufs  hierbei  auszuüben,  doch  sind  die  Versuche  hierüber  noch 
nicht  abgeschlossen. 

Versuch  vom  24.  VI.  1904. 

a)  Wasser  aus  dem  Institutsbrunnen  wird  mit  einer  frischen  Typhus- 
kultur versetzt  und  bei  26^  C  im  Warmeschrank  gehalten. 

Aus  drei  Ösen  wachsen 

sofort 438400  Kolonien  ]  gezählt 

nach    1  Std 340000        >           l  nach 

>  24     >       79200        >           )  48  Std. 

nach  48  Stunden  Platte  fast  steril,  Typhusbazillen  nicht  mehr  nachweisbar. 

b)  Steriles  Wasser  aus  dem  Institutsbrunnen  wie,  bei  a  behandelt,  ergibt 
aus  drei  Ösen 

sofort 315000  Kolonien 

nach    1  Std 331794        >  gezählt 

>  24    >       235980        >  nach 

.   >       4  X  24  Std.    .    .    .      10846        >  48  Std. 

>  14  X  24    >      .    .    .  840        > 
nach  20  X  24  Stunden  Platte  steril. 

Während  die  Abnahme  der  Bakterien  nach  1  Stunde  sehr 
beträchtlich  ist,  ist  sie  nach  der  zweiten  Stunde  nur  gering.  Dies 
erklärt  sich  daraus,  dafs  die  Flagellaten  sich  in  der  ersten  Stunde 
vollgefressen  haben  und  in  der  zweiten  Stunde  verdauen,  wie  ich 
dies  wiederholt  unter  dem  Mikroskop  beobachten  konnte. 

Versuch  vom  26.  VI.  1904. 

a)  Mit  Typhuskeimen  versetztes  Wasser  aus  dem  Institutsbrunnen  wird 
bei  30^  C  im  Wärmeschrank  gehalten;  aus  drei  Ösen  wachsen 

sofort 153775  Kolonien 

nach    1  Std 102960        > 

>  2     >       104994        > 

4     .       87957        > 

>  24     > 33930        > 

nach  48  Stunden  Platte  bleibt  fast  steril. 

b)  Derselbe  Versuch  mit  sterilisiertem  Wasser  aus  dem  Institutsbrunnen 
aus  drei  Ösen 

195075  Kolonien 
203180 
128  180 
108420 
59580 
2970 


gezählt 

nach 
48  Std. 


sofort 

nach     1  Std.     .     . 

>  24     > 

>  2  X  24  Std. 
»      4  X  24     > 

>  13  X  24     > 


gezählt 

nach 

48  Std. 


Von  Dr.  0.  Huntemüller.  96 

nach  19  X  24  Stunden  Platte  fast  Bteril,  nach  28  X  24  Stunden  werden 
10  Ösen  in  Bouillon  übertragen;  bei  37<^  C  im  Wärmeschrank  entwickeln  sich 
Typhusbazillen. 

Verimpft  man  eine  geringere  Zahl  Typhuskeime  ins  Wasser, 
so  nehmen  auch  die  Flagellaten  nicht  in  dem  Mafse  zu,  als  wie 
bei  gröfserer  Aussaat,  auch  spielt  hierbei  die  Menge  der  schon 
vor  dem  Versuch  im  Wasser  befindlichen  Flagellaten  eine  Rolle ; 
da  die  Bazillen  bei  der  geringen  Anzahl  der  Flagellaten  den 
Nachstellungen  derselben  eher  entgehen,  so  können  sie  sich  auch 
länger  im  Wasser  erhalten. 

Am  7.  VII.  wird  zu  Mangfall wasser  eine  Ose  einer  Auf- 
schwemmung einer  frischen  Typhusbazillenkultur  in  steriles 
Wasser  gesetzt.  Auf  der  sofort  aus  3  Ösen  gegossenen  Gelatine- 
platte wachsen  45000  Kolonien.  Die  Anzahl  der  Flagellaten  ist 
nach  24  Stunden  nicht  sehr  beträchtlich  vermehrt.  Am  17.  VII. 
werden  10  Ösen  in  ein  Bouillonröhrchen  verimpft  und  dies 
14  Stunden  bei  37^  C  im  Wärmeschrank  gehalten.  Von  dieser 
Bouillonkultur  werden  3  Ösen  zu  3  Gelatineplatten  verarbeitet. 
Auf  Platte  3.  wachsen  neben  vielen  Wasserbakterien  auch  einige 
Typhuskolonien,  die  in  Bouillon  überimpft  und  nach  24  stündigem 
Wachstum  bei  37^  C  durch  die  Agglutination  als  Typhus  er- 
wiesen werden. 

Ebenso  liefsen  sich  in  einem  zweiten,  am  gleichen  Tage  mit 
Mangfall  wasser  angestellten  Versuch,  der  nach  der  Einsaat  35010 
Kolonien  in  3  Ösen  enthielt,  nach  10  Tagen  Typhusbazillen 
durch  die  Agglutination  nachweisen. 

Aus  zwei  anderen  Proben,  die  am  11.  VII.  mit  einer  grofsen 
Anzahl  Typhuskeime  versetzt  wurden,  und  von  denen  die  eine 
in  3  Ösen  sofort  nach  der  Aussaat  225000,  die  andere  405000 
Keime  enthielt,  liefsen  sich  auf  die  oben  angeführte  Weise  nach 
6  Tagen  Typhusbazillen  durch  die  Agglutination  nachweisen. 

Alle  diese  Versuche  geben  dasselbe  Resultat;  die  in  grofser 
Zahl  ins  Wasser  verimpften  Typhuskeime  werden  durch  die 
Protozoen  in  wenigen  Tagen  vernichtet  oder  wenigstens  so 
dezimiert,  dafs  sie  nur  noch  schwer  im  Wasser  nachzuweisen 
sind.      Die    Flagellaten    haben    sich    während    dieser   Zeit   ganz 


96  Vemichtang  der  Bakterien  im  Wasser  darch  Protozoen. 

bedeutend  vermehrt  und  nehmen  erst  albnählich  wieder  bis  auf 
ihren  früheren  Bestand  ab.  Über  ihre  Zahl  genaue  Angaben  zu 
machen,  ist  jedoch  nicht  möglich. 

Im  zweiten  Hefte  des  52.  Bandes  des  Archiv  für  Hygiene, 
S.  208,  veröffentlicht  Dr.  W.  Hoffmann  Untersuchungen  aus 
dem  hygienischen  Institut  zu  Berlin:  über  die  Lebensdauer  der 
Typhusbazillen  im  Aquariumwasser,  welche  im  wesentlichen  die- 
selben Resultate  ergaben  wie  die  meinigen. 

Am  10.  November  1904  hatte  er  eine  Typhusaufschwemmung 
in  ein  Aquarium  gegossen.  Gleich  nach  der  Aussaat  fanden  sich 
336416  Typhuskeime  pro  1  ccm  Aquariumwasser  mit  59  Ö90  Wasser- 
keimen. Am  13.  Mai,  also  nach  etwa  dreimal  24  Stunden,  wurden 
von  der  Oberfläche  des  Wassers  an  verschiedenen  Stellen  4  Ösen 
entnommen  und  auf  Drigalski-Conradi-Platten  ausgestrichen. 
Hieraus  wuchsen  bis  zum  nächsten  Tage  zwei  verdächtige  Kolo- 
nien, von  denen  nur  die  eine  durch  die  Agglutination  als  Typhus- 
kolonie festgestellt  wurde.  Nehmen  wir  an,  dafs  die  Öse,  wie 
die  unsere,  etwa  0,005  ccm  fafste,  so  fand  sich  also  in  0,02  ccm 
nach  dreimal  24  Stunden  ein  Keim,  in  1  ccm  50  Keime.  Also  hatten 
die  Typhusbazillen  nach  diesem  Versuche  innerhalb  dreimal 
24  Stunden  in  einem  Kubikzentimeter  von  336416  auf  50  abge- 
nommen. Am  18.  Mai,  also  nach  fünfmal  24  Stunden,  liefsen  sich 
auf  diese  Weise  keine  Typhuskeime  mehr  nachweisen.  Auch  die 
Wasserbakterien  hatten  am  31.  Mai  von  anfangs  59590  auf  900 
abgenommen  und  betrugen  am  11.  Juli  1518  pro  ccm.  Ein  Be- 
fund, der  mit  dem  meinen  gleichfalls  übereinstimmt. 

Hätte  Herr  Dr.  Hoffmann  auch  dem  Verhalten  der  Pro- 
tozoen Beachtung  geschenkt,  so  würde  er  ihre  Zahl  in  den  ersten 
Tagen,  solange  sie  reichlicheres  Futter  hatten,  bedeutend  vermehrt 
gefunden  haben,  alsdann  wären  sie  erst  allmählich  zu  ihrem 
alten  Bestände  bei  Beginn  des  Versuchs  wieder  herabgesunken. 
Er  würde  also  auch  in  diesem  Punkte  zu  demselben  Resultat 
gekommen  sein  wie  ich: 

Dafs  sich  durch  das  Anreicherungsverfahren  am  19.  Mai 
aus  45  ccm  Aquariumwasser  und  am  7.  Juni  aus  90  ccm  noch 
Typhusbazillen  nachweisen  liefsen,  ist  nichts  Ungewöhnliches  und 


Von  Dr.  0.  Huntemüller.  97 

stimmt  auch  mit  meinen  Beobachtungen  überein.  Siehe  Ver- 
suche vom  7.  und  11.  Juli. 

Ob  aber  die  Typhuskeime  in  dieser  Verdünnung  eine  In- 
fektion veranlassen  können,  das  erscheint  mir  sehr  zweifelhaft, 
zumal  auch  die  Selbstinfektions  versuche  von  v.  Pettenkofer 
und  Emmerich  dafür  sprechen,  dafs Infektionen  vom  Intestinal- 
traktus  aus  in  der  Regel  nur  durch  Zufuhr  gröfserer  Mengen 
pathogener  Bakterien  zustande  kommen. 

Wenn  aus  den  obigen  Versuchen  schon  hervorgeht,  dafs 
die  Abnahme  der  Typhuskeime  im  Wasser  durch  die  Tätigkeit 
der  Protozoen  bedingt  ist,  so  wird  dies  durch  die  mikroskopische 
Untersuchung  aufser  allen  Zweifel  gestellt. 

Da  bei  Trockenpräparaten  der  Protozoenkörper  nicht  intakt 
bleibt,  und  nicht  die  verschiedenen  Stadien  der  Bakterienaufnahme 
und  Verdauung  sich  verfolgen  lassen,  so  versuchte  ich,  die  Beob- 
achtungen an  lebenden  Protozoen  zu  machen.  Das  Präparat 
im  hängenden  Tropfen  war  hierzu  nicht  brauchbar,  da  die  tiefer 
liegenden  Schichten,  in  denen  sich  die  Protozoen  meist  aufhielten, 
unter  dem  Mikroskop  bei  starker  Vergröfserung  nicht  einzustellen 
waren  und  die  schnell  beweglichen  Protozoen  leicht  aus  der  ein- 
gestellten Ebene  verschwanden.  Ich  versah  daher  ein  Deck- 
gläschen an  den  vier  Ecken  mit  kleinen  Wachsfüfsen,  wie  es 
bei  zoologischen  Untersuchungen  üblich  ist,  deckte  dieses  über 
den  auf  dem  Objektträger  befindlichen  protozoenhaltigen  Wasser- 
tropfen und  konnte  durch  Abschmelzen  der  Wachsfüfschen  mit 
einem  erwärmten  Glasstabe  oder  einer  Platinöse  den  Tropfen  in 
einer  ganz  dünnen  Schicht  ausbreiten,  ohne  dafs  die  Protozoen 
hierdurch  beschädigt  wurden.  Sie  schwammen  sehr  lebhaft  im 
Präparat  umher  und  konnten  jetzt  auch  bei  starker  Vergröfserung 
unter  dem  Mikroskop  bequem  beobachtet  werden.  Z  e  i  fs^  homogene 

Immersion : 

Brennweite  3,0  mm 

Kompensationsokular    12      » 

Tubuslänge  160     » 

Diese  Methode  hatte  aber  noch  weitere  Vorteile.  Der  Sauer- 
stoff der  Luft  hatte   zum  Tropfen  stets  Zutritt,   das  verdunstete 


98  Vemicbtang  der  Bakterien  im  Wasser  durch  Protonoen. 

Wasser  l&Ist  sich  leicht  ersetzen,  und  der  Zusatz  der  Bakterien 
konnte  bequem  zu  jeder  Zeit  erfolgen,  so  dals  man  den  Vor- 
gang bei  ihrer  Vernichtung  durch  die  Protozoen  von  Anfang  an 
beobachten  konnte. 

Das  Protozoenmaterial  war  unschwer  zu  erhalten.  Zu  einigen 
Kubikzentimetern  eines  an  Protozoen  reichen  Wassers  setzte  ich 
im  Reagenzglase  so  viel  frische  Tvphuskeime,  bis  eine  deutliche 
Trübung  auftrat,  wartete  nun  einige  Tage,  bis  diese  Trübung 
wieder  verschwunden  war  und  hatte  jetzt  in  dem  Wasser 
eine  grofse  Zahl  von  Flagellaten  und  Infusorien.  Aus  Mang- 
fallwasser konnte  ich  auf  diese  Weise  nur  die  beiden  Flagel- 
latenarten,  Bodo  ovatus  und  Bodo  saltans  (bestimmt  von  Herrn 
Dr.  Doflein)  züchten.  Im  Wasser  aus  der  Ruhr,  das  acht 
Monate  lang  gestanden  hatte,  in  welchem  sich  mikroskopisch 
keine  Protozoen  mehr  auffinden  liefsen,  konnte  man  nach  Ein- 
saat von  Typhusbazillen  eine  reichliche  Menge  von  Protozoen 
nachweisen.  Beim  Wasser  aus  dem  Brunnen  des  hygienischen 
Instituts,  das  seit  dem  23.  Juli  1904  im  Dunkeln  gestanden  und 
in  dem  sich  die  Flagellaten  auf  Zusatz  von  Typhusbazillen 
reichlich  vermehrt  hatten,  fanden  sich  am  17.  Februar  dieses  Jahres 
bei  mikroskopischer  Untersuchung  keine  beweglichen  Flagellaten, 
dagegen  viele  Sporen,  die  sich  unter  dem  Mikroskop  auf  Zusatz 
von  Typhusbazillen  zu  Flagellaten  entwickelten. 

Nach  einigen  Tagen,  während  welcher  Zeit  die  Probe  am 
Lichte  gestanden  hatte,  liefsen  sich  in  dem  Wasser  auch  ohne 
Bakterienzusatz  Protozoen  nachweisen,  doch  waren  diese  sehr 
wenig  beweglich  und  nicht  gröfser  als  die  Sporen,  hatten  aber  deut- 
liche Geifseln  und  kontraktile  Vakuolen.  Auf  Zusatz  von  Typhus- 
bazillen wurden  die  Bewegungen  sofort  lebhafter  und  nach  einiger 
Zeit  hatten  sie  die  gewöhnliche  Gröfse  der  Flagellaten  erlangt. 

Da  die  Beobachtung  des  ungefärbten  Präparates  schwierig  war, 
obwohl  ich  schon  hier  sehen  konnte,  wie  die  Bakterien  von  den 
Flagellaten  aufgenommen  wurden,  so  suchte  ich  durch  verschiedene 
Färbungen  diese  Schwierigkeit  zu  heben,  doch  die  Protozoen  wurden 
durch  die  Farbstoffe,  selbst  in  geringer  Konzentration,  getötet.  Ich 
versuchte  daher,  die  Bakterien  zu  färben,  und  es  gelang  mir,  ein 


Von  Dr.  0.  Hantemüller.  99 

V^erfahren  zu  finden,  bei  welchem  die  Eigenbewegung  der  Bak* 
terien  nicht  beeinträchtigt  wurde.  Eine  Ose  Agarkultur  von 
Typhusbazillen  mit  lebhafter  Eigenbewegung  wird  auf  einen  Ob- 
jektträger gebracht,  und  hierzu,  ohne  das  Material  weiter  zu 
verreiben,  ein  Tropfen  einer  starken,  wäfsrigen  Methylenblau- 
lösung gesetzt.  Den  Farbstoff  lasse  ich  unter  leichtem  Er- 
wärmen über  der  Flamme  etwa  10  Minuten  einwirken;  damit 
die  Bazillen  nicht  eintrocknen,  setze  ich  mit  der  Platinöse  ein 
oder  zwei  Wassertropfen  hinzu  und  rühre  zugleich  gut  um. 
Daim  übertrage  ich  die  mit  gefärbtem  Bakterienmaterial  beladene 
Öse  in  einen  zweiten  Tropfen  und  von  da  in  einen  dritten  etc., 
bis  sich  der  letzte  Tropfen  nur  mehr  schwach  blau  färbt.  Dieser 
enthält  dann  noch  eine  genügend  grofse  Menge  Typhuskeime, 
die  man  ruhig  dem  die  Protozoen  enthaltenden  Präparat  zusetzen 
kann,  ohne  befürchten  zu  müssen,  dafs  diese  absterben.  Die 
Protozoen  verhalten  sich  beim  Ergreifen  der  Bakterien  verschieden. 
Einige  Arten,  wie  namentlich  Bodo  saltans,  erjagen  ihre  Beute 
im  Herumschwärmen  und  eignen  sich  daher  nicht  so  gut  zur 
Beobachtung.  Der  Bodo  ovatus  liegt  meist  während  der  Frefs- 
und  Verdauungsperiode  still,  und  man  kann  an  ihm  daher  diese 
Vorgänge  sehr  gut  und  fortdauernd  beobachten.  *  >'V:\ ;  .  \ 

Die  folgenden  Untersuchungen  sind  am  Bodo  ovatus  ge- 
macht, der  sich  in  jedem  von  uns  untersuchten  Wasser  fand 
und  auf  Bakterienzusatz  besonders  stark  vermehrte.  Gleich  nach 
dem  Zusatz  werden  die  nach  der  vorhin  angegebenen  Methode 
gefärbten  Typhusbazillen  durch  die  Geifseln  des  Flagellats  her- 
beigestrudelt. Nach  wenigen  Minuten  sieht  mau,  wie  ein  Ba- 
zillus von  dem  Protoplasma  umflossen  wird  und  sich  jetzt  am 
Rande  desselben  in  einer  Nahrungsvakuole  befindet.  Bald  folgt 
ihm  ein  zweiter  und  sofort.  Bei  reichlichem  Bakterienzusatz 
kann  man  nach  einer  halben  bis  ganzen  Stunde  den  Flagel- 
laten  mit  Bazillen  ganz  vollgefressen  sehen.  Dieser  hört  jetzt 
mit  der  Bakterienaufnahme  für  eine  längere  Zeit  auf  und  liegt 
ruhig,  er  verdaut.  Erst  nach  etwa  einer  halben  Stunde  kommt 
wieder  mehr  Bewegung  in  ihn,  er  streckt  sich  in  die  Länge,  um 
dann,    nachdem   er  seine  alte  Gestalt   wieder  angenommen   hat. 


100     Vernichtung  d.  Bakt.  im  Wasser  durch  Protozoen.  Von  Dr.  Hnntemflller. 

im  Wasser  umher  zu  schwimmen.  Von  da  ab  ist  die  weitere 
Beobachtung  schwierig. 

Den  Verdauungsvorgang  beobachtet  man  am  besten,  wenn 
man  eine  geringere  Bakterienzahl  zugesetzt  hat,  alsdann  kann 
man  die  verschiedenen  Stadien  von  der  Aufnahme  bis  zur 
völligen  Auflösung  der  Bakterien  verfolgen.  Zuerst  sieht  man 
den  Bazillus,  wie  schon  oben  gesagt,  am  Rande  des  Flagellaten- 
körpers  in  einer  Nahrungsvakuole  in  heftiger  Bewegung.  Er 
sucht  aus  dem  ihn  umschliefsenden  Protoplasma  wieder  los  zu 
kommen,  und  manchmal  gelingt  es  ihm  auch,  besonders  wenn 
die  Flagellaten  durch  längeres  Verweilen  im  Präparat  nicht  mehr 
so  lebensfähig  sind.  Meist  jedoch  rückt  die  Vakuole  mit  dem 
Bazillus  mehr  in  die  Mitte  des  Protoplasmas  vor  und  vereinigt 
sich  mit  anderen,  die  auch  noch  bewegUche  Bakterien  enthalten. 
Die  Bewegungen  derselben  dauern  noch  zehn  Minuten  an, 
werden  allmählich  schwächer  und  hören  dann  ganz  auf;  jetzt 
beginnen  die  eingeschlossenen  Bakterien  nach  und  nach  zu 
zerfallen,  die  Zerfallprodukte  fliefsen  zusammen  und  nach 
einiger  Zeit  sind  auch  die  letzten  Reste  von  ihnen  verschwunden. 
Auch  das  Methylenblau  scheint  chemisch  verändert  zu  werden, 
denn  die  Flagellaten,  die  mit  blaugefärbten  Bakterien  förmUch 
vollgepfropft  waren,  haben  nach  der  Verdauung  derselben  ihr 
ursprüngliches  Aussehen  wieder  bekommen  und  sind  nicht  blau 
gefärbt.  Diese  Beobachtungen  kann  man,  wenn  man  das  ver- 
dunstete Wasser  des  Präparats  von  Zeit  zu  Zeit  durch  frisches 
ersetzt,  längere  Zeit  ausdehnen  (man  setzt  am  besten  von  dem 
Protozoen  haltenden  Wasser  zu,  da  man  auf  diese  Weise  wieder 
neue  lebenskräftige  Individuen  im  Präparat  bekommt). 

Durch  diese  Versuche  und  mikroskopische  Befunde  ist  es 
wohl  über  allen  Zweifel  festgestellt,  dafs  die  Vernichtung  der 
Typhuskeime  im  Wasser  nicht  durch  das  Überwuchern  und  die 
Konkurrenz  der  Wasserbakterien,  sondern  hauptsächlich  auf  die 
Tätigkeit  der  Protozoen  zurückzuführen  ist. 

Ob  und  welchen  Einflufs  hierbei  Licht  und  Osmose  ausüben, 
soll  noch  näher  untersucht  werden. 


über  den  Gewichtsyerliist  des  Fischfleisches  beim 

Dttnsten. 

Von 

Dr.  Friedrich  Peters, 

Assistenten  des  Institutes. 

(Aas  den  Hygienischen  Instituten  der  Universitftt  Berlin.    Direktor:  Qeh. 

Medizinalrat  Prof.  Dr.  M.  Rabner.) 

Die  meisten  uns  vorliegenden  Analysen  von  Nahrungsmitteln 
betreffen  die  Zusammensetzung  der  Rohmaterialien.  Von  diesen 
Angaben  ausgehend,  schliefst  man  bei  diätetischen  Mafsnabmen 
und  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  Ernährungslehre  dann 
zumeist  auf  die  Zusammensetzung  und  den  Wert  der  zugeführten 
Nahrung.  Doch  genügt,  wieRubner  in  seiner  Physiologie  der 
Nahrung  und  Ernährung^)  betont,  die  Betrachtung  der  Roh- 
materialien nicht  als  Basis  für  die  Ernährungslehre,  denn  die 
Nahrungsmittel  werden  bei  ihrer  Zubereitung  mehr  oder  minder 
verändert.  Der  Faktor,  welcher  dabei  fast  stets  in  Anwendung 
kommt,  ist  das  Erwärmen;  den  Einäufs  desselben  hat  Rubner 
nach  verschiedenen  Richtungen  teils  selbst,  teils  durch  seine 
Schüler  untersucht.  So  fand  Nothwang^),  dafs  bei  der  durch 
die  Wärme  hervorgerufenen  Veränderung  aus  dem  Fleische  neben 
dem  Wasser  und  Salzen  Extraktivstoff  und  etwas  Eiweils  aus- 
tritt. Den  so  eintretenden  Eiweifsverlust  studierte  weiterhin  ein- 
gehender für  verschiedene  Fleischarten  von  Säugetieren  Ferrati^). 

1)  V.  Leyden,  Handbach,  2.  Aafl.,  I. 

2)  Dieses  Archiv,  Bd.  XVIH,  S.  80. 

3)  Dieses  Archiv,  Bd.  XIX,  S.  317. 


102        Über  den  Gewichtsverlust  des  Fiscbfleisches  beim  Dünsten. 

Da  nun  schon  nach  den  alltäglichen  Erfahrungen  in  der  Küche 

• 

Fischäeisch  sich  beim  Erwärmen  hinsichtlich  der  Gewichts- 
abnahme etwas  anders  zu  verhalten  scheint  als  RindSeisch  oder  das 
Fleisch  von  anderen  Säugetieren,  so  forderte  mein  hochverehrter 
Chef,  Herr  Geheim  rat  Rubn  er,  mich  auf,  die  Gewichtsabnahme 
von  Fischfleisch  zu  studieren.  Für  die  Anregung  zu  diesen  Unter- 
suchungen spreche  ich  ihm  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten 
Dank  aus. 


Die  Gewichtsabnahme  interessiert  uns  nicht  so  sehr  hin- 
sichtlich der  Qualität,  als  vielmehr  wegen  der  Quantität,  und  zwar 
aus  folgendem  Grunde:  Was  verloren  geht,  ist  grölstenteils 
Wasser,  welches  durch  die  bei  der  Koagulation  des  Eiweifses 
eintretende  Schrumpfung  unter  beträchtlichem  Drucke  ausgeprefst 
wird;  die  zurückbleibende  Masse  wird  also  reicher  an  Trocken- 
substanz. Je  reicher  so  das  Fleisch  an  Trockensubstanz  wird, 
desto  mehr  geronnenes  Eiweifs  wird  sich  in  dem  Fleische  finden 
und  desto  zahlreicher  die  in  einem  bestimmten  Volumen  ent- 
haltenen Muskelfibrillen  sein.  Sie  werden  enger  aneinander  ge- 
rückt sein  und  zugleich  zäher,  so  dafs  der  den  Kauwerkzeugen 
sich  entgegenstellende  Widerstand  erhöht  ist.  Die  Kaubarkeit 
hat  aber  auch  zweifellos  einen  bestimmenden  Einflufs  auf  die 
Schmackhaftigkeit  einer  Fleischsorte.  FreiUch  hängt  dieselbe 
noch  von  anderen  Faktoren  ab,  aber  die  Gewichtsabnahme  gibt 
uns  doch  einen  Mafsstab.  Und  auch  ein  zweiter  Punkt  ist  zu 
berücksichtigen.  Wir  können  wohl  annehmen,  dafs  Speisen,  die 
den  Kauwerkzeugen  keine  so  grofse  Arbeitsleistung  auferlegen, 
besser  zerkleinert  werden ;  es  wird  dalier  bei  ihnen  weniger  leicht 
die  Gefahr  eintreten ,  dafs  gröbere  Stücke  in  den  Darmkanal 
gelangen,  die  dann  nicht  verdaut  werden.  Also  auch  die  Aus- 
nutzung wird  in  Beziehung  treten  können  zu  der  Gewichtsab- 
nahme. Allerdings  ist  auch  die  Ausnutzbarkeit  wieder  von  so 
vielen  Verhältnissen^)  beeinflufst,  dafs  uns  die  Gewichtsabnahme 
nur  einen  Fingerzeig  geben  kann. 


1)  Bubner  in  v.  Leyden,  Handbucb,  2.  Aufl.,  I,  S.  118. 


Von  Dr.  Friedrich  Peters.  103 

Bei  meinen  Untersuchungen  ging  ich  in  folgender  Weise  vor: 

Die  Fische,  ausgenommen  der  Lachs,  wurden  lebend  ins 
Institut  gebracht,  getötet  und  sofort  verarbeitet.  Nachdem  sie 
zunächst  abgeschuppt  waren,  wurden  aus  dem  Rückenmuskel 
Stückchen  von  dem  in  der  Tabelle  angegebenen  Gewichte,  die  frei 
von  Gräten,  Schuppen  und  Muskelhaut  waren,  herausgeschnitten, 
zwischen  zwei  ührschalen  gewogen,  und  die  einen  sofort  getrocknet, 
die  anderen  gedünstet. 

Die  dazu  bestimmten  Stückchen  wurden  sofort  nach  dem 
Wägen  in  hohe  Bechergläser  gebracht,  welche  mit  einem  Kork 
luftdicht  verschlossen  waren.  Der  Kork  war  durchbohrt  von 
einem  Draht,  der  ausgebogen  war  in  einen  Haken,  an  dem  das 
Fleischstückchen  hing,  und  ein  kleines  korbartiges  Geüecht. 
Diese  Vorsicht  mufs  man  bei  Fischüeisch  gebrauchen,  da  es  bis- 
weilen durchschneidet.  Die  Gläser  mit  den  Fleischstücken  kamen 
in  den  Dampftopf  und  wurden  von  dem  Zeitpunkte,  wo  das 
Thermometer  98,5®  C  zeigte,  eine  Stunde  daringelassen.  Nach 
dem  Abkühlen  wurden  die  Stückchen  gewogen  und  ebenfalls 
getrocknet.  Die  Trockenbestimmung  des  Fleisches  geschah  in 
der  üblichen  Weise  im  Dampfwassertrockenschrank  bis  zur  Ge- 
wichtskonstauz. 

Bei  einer  Reihe  von  Fischstückchen  wurde  eine  Fettbestim- 
mung angeschlossen,  die  im  Soxhletschen  Extraktionsapparate 
vorgenommen  wurde.  Nach  einer  erstmaligen  Extraktion  wurde 
das  Material  weiter  zerkleinert  und  zerrieben  und  nochmals  ex- 
trahiert  bis  zur  Gewichtskonstanz  des  Atherextraktes.  Die  Be- 
stimmung des  Fettes  mufs  ausgeführt  werden,  denn  wir  müssen  an- 
nehmen, dafs  die  Gewichtsabnahme  von  der  Menge  des  koagulieren- 
den Eiweifses  abhängt;  ein  höherer  Fettgehalt  könnte  daher  durch 
das  relative  Zurückdrängen  des  Eiweifses  das  Endresultat  in  dem 
Sinne  beeinflussen,  dafs  fettes  Fleisch  im  Verhältnis  zu  seiner 
Masse  durch  die  Hitze  nur  wenig  an  Gewicht  verliert,  mageres 
aber  weit  mehr.  Weiterhin  ist  zu  berücksichtigen,  dafs  nach 
Rubners^)  Erfahrungen  fettes  Fleisch  die  Wärme  weniger  gut 


1)  V.  Leyden,  Handbuch,  2.  Aufl.,  I,  S.  88. 


104        Über  den  Gewichte  verlost  des  FiscbfleiBches  beim  Dflnsten. 


leitet;  dieselbe  könnte  in  fettes  Fleisch  also  weniger  durchdringen» 
so  dafs  zu  einer  bestimmten  Zeit  noch  nicht  alle  Eiweifsstoffe 
geronnen  wären,  denn,  wie  Milroy^)  im  hiesigen  Institute  ge- 
zeigt hat,  nimmt  die  Menge  des  koagulierten  Eiweifses  mit  der 
Temperatur  zu. 

Die  Resultate  meiner  Untersuchungen  habe  ich  in  folgender 
Tabelle  zusammengestellt : 


1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

10.      11. 

1 

1 

=  Gewicht  der 

Ver-       Trockensubstanz 

Äthereztrakt 

1 

1 

1 

1 

Fischsorte 

frisch. 
Sahst. 

g 

ge- 
dflnst 
Sahst. 

g 

last 
beim 
Dün- 
sten 

% 

Ge- 
wicht 

j 
1     g 

berecb 

frisch. 
Subst. 

0/ 

■'0 

in.  aaf 

g©-    i 
dünst 

Sahst. 

0/ 
'0 

wicht 
i     g 

berechnet 
auf 

frisch.    ?e- 

1 

Sommerkarpfen  I 

'  26,06 

18,49 

29,05  II   4,40 

16,88 

23,80' 

—, 

.^ 

^_ 

2 

> 

.  22.89 

16^ 

28,83  '   3,90 

17,04 

23,94' 

— 



— 

8 

> 

'  18,76 

— 

--     :   3,49 

18,60 

—    1 

1 

— 

4 

Sommerkarpfen  II 

=  20,47 

13,87 

84,69     3,36 

16,41 

25,11 ' 

— 

5 

> 

16,61 

10,93 

34,20-   2,77 

16,68 

25,34 

— 



— 

e; 

» 

22,10 

— 

•    4.09 

18,51 

1 
—    1 

— 

— 

7 

Karpfen  I 

17,33 

— 

—    :;   3,65 

21,06 

—    j 



8 

> 

'  26,00 

16,66 

35,92     4,89 

18,81 

29,35' 

— 



— 

9 

» 

;  23,66 

14,95 

36,81     4,66 

19,70 

31,17 ! 

— 

10 

Karpfen  n 

16,69 

— 

-        3,10 

18,57 

1 



11 

> 

15,75 

1      ' 

11,92 

24,32     2,68 

17,02 

22,48 

— 



— 

12 

> 

15,40 

11,76 

23,64     2,65 

17,21 

22,53 

— 

13 

Karpfen  III 

1  12,68 

-     i  2,48 

19,56 

0,085 

0,67 

14 

» 

1  14,64 

10,77 

26,43 

1   2,69 

18,37 

24,98 

0,032 

0,22 

0,30 

15 

Schlei 

12,17 

— 

2,32 

19,06 

1 

0,041 

0,34 

— 

16 

> 

12,84 

9,08 

29,28     2,27 

17,68 

25,0 

0,020 

0,16 

0,22 

17 

T^achs 

'  20,25 

— 

-        6,86 

33,88 

— 

2,622 

12,95 

18 

> 

!  31,84 

1 

22,65 

28,86 

1 

,10,34 

1 

32,48 

45,65 

4,281 

13,45 

18,90 

Aus  der  Tabelle  ersehen  wir,  dafs  der  Gewichtsverlust  beim 
Dünsten  ziemlich  beträchtliche  Schwankungen  aufweist,  nicht 
bei  den  einzelnen  Individuen,  wohl  aber  in  derselben  Art,  wie 
z.  B.  der  Vergleich  der  bei  Karpfen  I  und  Karpfen  II  erhaltenen 
Werte    zeigt.     Der  Durchsclmittswert   beträgt  30,18ö/o.     Dement- 


1)  Dieses  Archiv,  Bd.  XXV,  S.  156. 


Von  Dr.  Friedrich  Peters.  105 

sprechend  nimmt  der  Trockengehalt  zu,  wie  die  Betrachtung  des 
Stabes  8  einerseits,  der  Werte  für  die  nicht  gedünsteten  Fische 
aus  Stabe  7  anderseits  erkennen  Iftfst.  Was  zu  Verlust  geht, 
ist  hauptsächUch  Wasser,  denn  wenn  wir  die  Werte  aus  der 
Kolumne  7  ansehen,  zeigt  sich,  dafs  der  auf  die  Trockensubstanz 
entfallende  Anteil  an  dem  Verlust  die  Höhe  von  2%  nicht  er- 
reicht. Das,  was  von  der  Trockensubstanz  verloren  geht,  besteht 
zu  einem  Teil  aus  den  in  Äther  löshchen  Stoffen,  wie  wir  aus 
dem  Stabe  10  der  Tabelle  sehen :  so  bei  den  fettarmen  Fischen, 
während  bei  dem  Lachse  dies  nicht  der  Fall  ist. 

Einen  EinSuTs  des  Fettgehaltes  auf  die  Gröfse  der  Gewichts- 
abnahme lassen  unsere  Ergebnisse  ebensowenig  erkennen,  wie 
die  von  Ferrati^). 

Vergleichen  wir  nun  unseren  für  die  Gewichtsabnahme  von 
Fischfleisch  beim  Dünsten  erhaltenen  Durchschnittswert  von 
30,18%  mit  den  von  Ferrati  gewonnenen  Werten,  der  für  Rind- 
fleisch 47,3%,  für  Kalbfleisch  47,3%  und  für  Schweinefleisch 
43,1%  fand,  so  sehen  wir  unsere  ursprüngliche  Annahme  be- 
stätigt, dafs  das  Fischfleisch  sich  weniger  stark  zusammenzieht 
wie  das  Fleisch  von  Säugetieren. 

Betrachten  wir  nun  die  Vorteile,  welche  nach  unserer 
obigen  Auseinandersetzung  aus  der  geringeren  Gewichtsabnahme 
folgen,  so  sehen  wir,  dafs  die  Ausnutzbarkeit  unserer  Annahme 
nicht  widerspricht,  denn  Rubner-)  gibt  an,  dafs  von  der  Trocken- 
substanz nicht  resorbiert  werden  in  Prozenten  bei  gebratenem 
Fleisch  5,3,  bei  gekochtem  und  gebratenem  Fleisch  4,9  und  bei 
Schellfischfleisch  4,3.  Bei  der  Schmackhaftigkeit  liegt  die  Sache 
anders,  da  eben  das  Fischfleisch  weit  weniger  schmeckende  Be- 
standteile besitzt  wie  das  von  Säugetieren,  und  dadurch  der 
Vorzug  aus  der  leichteren  Kaubarkeit  verwischt  wird.  Jeden- 
falls aber  geben  uns  unsere  Resultate  das  Recht,  Fischfleisch  in 
allen  den  Fällen  zu  empfehlen,  wo  die  Kauwerkzeuge  möglichst 
geschont  werden  sollen,  so  bei  Rekonvaleszenten  u.  a.,  zumal 
hinsichtlich   des   Eiweifsgehaltes   das    Fischfleisch    sich    ähnlich 

1)  a.  a.  0. 

2)  V.  Leyden,  Handbuch,  2.  Aufl.,  I,  8.  119. 

ArehlT  ffkr  Hygiene.   Bd.  UV.  B 


106     Gewichtsverlust  d.  Fischfleisches  beim  Dflnsten.  Von  Dr.  Fr.  Peters. 

verhält  wie  das  Warmblüterfleisch  (Rubner^).  Auch  müssen  wir 
auf  Grund  unserer  Resultate  die  Bestrebungen  nur  biUigen,  die 
darauf  hinausgehen,  dem  Fischfleisch  als  Volksnahrungsmittel 
weiterhin  Eingang  zu  verschaffen. 

Ich  habe  zu  Anfang  bemerkt,  dafs  die  meisten  Nahrungs- 
mittelanalysen nur  auf  die  Rohmaterialien  Bezug  nehmen  und 
möchte  deshalb  auf  eine  Arbeit  von  Schwenkenbecher^) 
hinweisen,  der  in  derselben  die  bereits  vorhandenen  und  femer 
eigene  Analysen  tischfertiger  Speisen  zusammengestellt  hat. 


1)  Y.  Leyden,  Handbach,  2.  Aufl.,  I,  S.  87. 

2)  Inaag.-Dlssert.,  Marburg,  1900. 


Ans  dem  hTg^iaeh-bakteriolog.  Labontoriam  de«  Eidgen.  PolTtechnikomt. 

vToTsund:  Prof.  Dr.  O.  Roth.' 


Studien  über  Terdorbene  (remüsekonserYen. 

Von 

Dr.  Joseph  Belser» 

dipl.  Chemiker. 

Die  meisten  Gemüsearten  sind  bei  uns  nur  wälirend  einer 
verhältnismälsig  kurzen  Zeit  des  Jahres,  in  den  Sommermonaten, 
frisch  zu  erhalten.  Daher  ist  man  seit  frühester  Zeit  bemüht  ge- 
wesen, durch  geeignete  Konservierungs- Verfahren  diese  Ungleich- 
heit der  Produktion,  diesen  zeitlichen  ÜberfluCs  und  wieder- 
kehrenden  Mangel  zu  beheben.  Aus  wenig  bevölkerten  Gegenden 
lassen  sich  derart  Nahrungsmittel  in  dicht  bevölkerte  Kultur- 
staaten, namentlich  in  grolse  Städte  schaffen,  ohne  dafs  man  ein 
Verderben  derselben  zu  befürchten  hat.  Durch  die  Entwicklung 
der  Konservenindustrie  hat  die  gesamte  Ernährungsfrage  eine 
wichtige  Förderung  erfahren. 

Zum  Eintreten  von  Fäulnis  sind  drei  Bedingungen  er- 
forderlich, nämUch^): 

1.  Hinreichende  Feuchtigkeit. 

2.  Genügende  Wärme. 

3.  Gegenwart  von   Mikroben   oder   durch   solche   erzeugte 
Fermentkörper. 


1)  Heinzerling,  Ch.,  Die  Konservierung  der  Nahrungs-  nnd  Genufs* 
mittel,  1^^,  S.  283. 

König,  J.,  Die  Chemie  der  menschlichen  Nuhrungs-   und  GonufH- 
mittel,  IV.  Aufl.,  1904,  8.  612  u.  928. 

8* 


108  Studien  Aber  verdorbene  Gemflsekonserven. 

Die  Mittel  der  Konservierung  bestehen  nun  darin,  eine  oder 
mehrere  dieser  Bedingungen  aufzuheben,  aber  zugleich  dafür  zu 
sorgen,  dafs  das  betreffende  Nahrungs-  oder  Genufsmittel  bei  der 
Haltbarmachung  nicht  leidet. 

Eines  der  besten  und  zugleich  am  meisten  angewendeten 
Verfahren  ist  im  Jahre  1804  von  Appert  angegeben  worden. 
Im  Laufe  der  Zeit  hat  es  allerdings  eine  Reihe  von  Verbesse- 
rungen erfahren.  Es  beruht  auf  dem  Erhitzen  der  verschiedenen 
Nahrungsmittel  unter  Luftabschlufs.  Letzterer  wirkt  nur  insofern 
konservierend,  als  dadurch  Fäulnisbakterien  und  andere  Mikroben 
femgehalten  werden.  In  den  Fabriken  wird  gegenwärtig  wie  folgt 
gearbeitet:  Die  sorgfältig  gereinigten  und  einige  Minuten  vor- 
gekochten Gemüse  werden  mit  der  nötigen  Menge  Wasser  und 
Kochsalz  in  Blechdosen  hineingelegt,  diese  verschlossen  und  je 
nach  Art  und  Zusammensetzung  der  betreffenden  Sorte  15 — 25 
Minuten  im  Autoklaven  mit  gespanntem  Dampfe  bei  112^ — 117°^) 
sterilisiert,  rasch  herausgenommen  und  zur  Abkühlung  der  ganze 
Inhalt  in  kaltes  Wasser  getaucht. 

Das  Reichsgesetz 2)  von  1887,  welches  die  Innenverzinnung 
der  Konservendosen  auf  einen  maximalen  Bleigehalt  von  1% 
normierte  und  für  die  Verlötung  ein  Lot  von  höchstens  10%  vor- 
schrieb, hatte  neben  anderen  Vorteilen  auch  eine  gewaltige  Um- 
änderung in  der  Konstruktion  der  angewandten  Dosen  im  Gefolge. 
Da  die  Lötung  mit  dem  vorgeschriebenen  Lote  eine  schwierige  war, 
so  suchte  man  die  Zulötung  der  Dosen  so  viel  wie  möglich  zu 
umgehen,  und  dies  gab  die  Anregung  zur  Erfindung  der  so- 
genannten Falzdose.  Mit  dem  Konserveninhalt  kommt  derart 
nur  noch  eine  kleine,  schmale  Lötnat  in  Berührung,  entsprechend 
der  Höhe  der  Dose.  Zur  Erzielung  eines  hermetischen  Ab- 
schlusses am  Boden  und  Deckel  der  Falzdose  ist  das  Einlegen 
eines  Dichtungsringes  aus  Gummi  erforderlich. 


1)  Ad  er  hold,  R.,  Zentralbl.  f.  Bakt,  IL  Abt.,   1899,  S.  17—20.    Kon- 
■erven-Zeitang,  Jahrg.  1901,  S.  365. 

2)  Chemiker-Zeitung,  Jahrg.  1891,  S.  1109,   Reichsgesetz,  betr.  den  Ver- 
kehr mit  blei-  und  zinkhaltigen  Gegenständen  vom  25.  Juni  1887. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  109 

Da  die  durch  Kochen  konservierten  grünen  Gemüse  meist 
ihre  lebhafte,  natürliche  Farbe  verändern,  grau-  oder  braungrün- 
mifsf  arbig  werden,  so  sucht  man  dem  Wunsche  des  konsumierenden 
Publikums  gemäfs  das  ursprüngliche,  frische  Aussehen  dadurch 
wieder  herzustellen,  dals  man  dem  Wasser,  das  beim  Vorkochen 
angewendet  wird,  eine  geringe  Menge  Kupfersulfat  zusetzt;  so 
verwendet  man  nach  Tschirch^)  auf  60 — 70  kg  Gemüse 
30 — 70  g  Kupfersulfat  und  100  1  Wasser.  Nach  Lehmann^) 
geschieht  die  Grünfärbung  durch  kurzes,  3 — 8  Minuten  dauern- 
des Brühen  in  einem  Kupferkessel,  auf  30 — 40  kg  Gemüse  100  1 
Wasser  und  10 — 15  g  Kupfersulfat. 

Die  geringen  Mengen  von  Kupfer,  welche  nach  zahlreichen 
Untersuchungen  (Gautier'),  Lehmann,  Tschirch,  Nikitin*) 
bei  dieser  Gelegenheit  von  den  Gemüsen  aufgenommen  werden, 
haben  jedenfalls  keine  konservierende  Wirkung. 

Nach  Tschirch  bildet  sich  bei  Kupferanwesenheit  das 
brillantgrüne  Kupfersalz  der  bräunlichen  Phyllocyaninsäure 
(C24  H27  N2  04)2  Cu,  welches  hauptsächlich  die  Erhaltung  der  grünen 
Farbe  bedingt. 

Während  bis  vor  kurzer  Zeit  niemand  an  eine  organische 
Vergiftung  durch  derartig  hergestellte  Konserven  mit  Gemüse 
dachte,  trat  die  Möglichkeit  einer  solchen  durch  die  bedauerlichen 
Vorgänge  in  der  Darmstädter  Alicenkochschule  in  den  Vorder- 
grund, als  dort  im  Januar  des  vorigen  Jahres  durch  den  Genufs  von 
in  Salat  verwendeten  Bohnenkonserven  von  52  Personen  21  schwer 
erkrankten,  wovon  dann  11  ihr  Leben  einbüfsen  mufsten. 

Wie  die  angestellte  Untersuchung  ergab,  waren  die  be- 
treffenden Bohnen  in  der  Kochschule  selbst,  in  Büchsen  mit 
Gummiring,   Deckel  und  federndem  Bügel  verschlossen,  konser- 


1)  Tschirch«  A.,  Das  Kupfer.    Stattgart,  1893. 

2)  Lehmann,  K.  B.,  Hygienische  Studien  über  Kupfer.  Archiv  f. 
Hygiene,  Bd.  24,  1895,  S.  1. 

3)  Gautier,  E.  J.  Armand,  Le  Cuivre  et  le  Plomb  dans  l'alimen- 
tation  et  Tindastrie  au  point  de  vue  de  l'hygi^ne,  Paris,  1883. 

4)  Nikitin,  A.,  Das  Färben  der  grünen  Erbsen  mit  Kupfersalzen  und 
ihr  einfachster  Nachweis.  Zeitschr.  f.  Unters,  d.  Nahrungs-  u.  Genufsmittel, 
Jahrg.  1900,  S.  703. 


110  Studien  über  verdorbene  Gemdsekonserven. 

viert  worden.  Beim  Offnen  derselben  soll  nach  den  Angaben 
äufserlich  keine  stärkere  Zersetzung  aufgetreten  sein ;  nur  machte 
sich  ein  ungewöhnlicher  Geruch  geltend. 

Aus  den  seither  veröffentüchten  Berichten  und  den  geschil- 
derten Krankheitssymptomen  ist  zu  entnehmen,  dafs  es  sich  bei 
diesem  bedauerlichen  Unglücksfall  nicht  um  eine  Vergiftung  mit 
Metallen,  sondern  um  eine  solche  mit  Toxinen,  die  als  Stoff- 
wechselprodukte von  Bakterien  auftraten,  gehandelt  hat.  Dafs 
hierbei  nicht,  wie  in  verschiedenen  Tagesblättem  zurzeit  be- 
hauptet wurde,  ein  ungenügender  Kochsalzzusatz  in  Betracht 
kam,  ist  schon  von  anderer  Seite  ^)  genügend  betont  worden. 
Landmann ^)  gewann  aus  einem  Stückchen  Bohnensalat,  das 
er  noch  in  einem  Kohlenkasten  vorfand,  durch  Schütteln  mit 
5  com  physiologischer  Kochsalzlösung  und  nachheriges  keimfreies 
Filtrieren  ein  Gift,  von  dem  2  weifse  Mäuse  bei  subkutaner 
Injektion  von  0,5  ccm  nach  24  Stunden  starben.  Wurde  das 
erhaltene  Filtrat  kurze  Zeit  aufgekocht,  so  hatte  es  seine  toxische 
Wirkung  eingebüfst.  Hiermit  stimmt  auch  die  Tatsache  überein, 
dafs  diejenigen,  welche  von  dem  gleichen  Salat  genossen  hatten, 
der  kurze  Zeit  auf  dem  heifsen  Herde  gestanden  und  derart  durch 
Zufall  ins  Kochen  geraten  war,  absolut  keine  schädlichen  Wir- 
kungen verspürten. 

Nachdem  Landmann  derart  die  Anwesenheit  eines  starken, 
durch  Kochen  zerstörbaren  Giftes  im  Bohnensalate  nachgewiesen 
hatte,  suchte  er  auch  die  Herkunft  desselben  festzustellen  und 
fand  als  Ursache  der  Toxinbildung  einen  sporenbildenden,  an- 
aeroben Bazillus,  der  mit  dem  von  van  Ermengen  zuerst  in 
Schinken  gefundenen  Bacillus  botulinus  die  weitgehendste 
Ähnlichkeit  besafs.  Schon  öfter  war  derselbe  als  Ursache  von 
Fleischvergiftungen  erkannt  worden. 

G  af  f  ky '^j,  dem  neben  zwei  leeren  noch  eine  1^2  ^^g  wiegende 
uneröffnete,    mit   Bohnen  gefüllte   Weifsblechbüchse   zur    ünter- 

1)  Konserven-Zeitung,  Jahrg.  1904,  Nr.  8,  S.  80. 

3)  Land  mann.  Ct.,  Über  die  Ursache  der  Darmstädter  Bohnenvergif- 
tnng.    Hygienische  Rundschau,  XIV.  Jahrg.,  Nr.  10. 

3)  Gaffky,  Alice-Kochschule.  Darmstädter  >Täglicher  Anzeiger«  vom 
9.  Februar  1904. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  111 

suchung  übergeben  worden  war,  konnte  ebenfalls  ein  nur  bei  Luft- 
abschlufs  wachsendes,  Buttersäure  bildendes  Bakterium  isolieren, 
das  kräftig  wirkende  Toxine  bildete  und,  wie  er  sich  ausdrückt, 
mit  Bacillus  botuünus  »einige  Ähnlichkeitc  besafs. 

Auch  in  einigen  Artikeln  der  »Konserven-Zeitungc^]  wird 
entschieden  die  Ansicht  vertreten,  dafs  es  sich  bei  vorliegendem 
Unglücksfall  um  eine  Vergiftung  mit  Bakterien,  resp.  mit  Toxinen 
handelte,  daCs  aber  nicht  der  Bacillus  botulinus  in  Frage  komme, 
sondern  die  beiden  fakultativ  anaeroben  Proteusarten :  Bacillus 
proteus  mirabilis  und  Bacillus  proteus  vulgaris,  die 
ja  in  faulenden  Substanzen  öfters  anzutre£Een  sind. 

Der  tragische  Vorfall  in  Darmstadt  war  leicht  geeignet,  Be- 
ängstigungen hervorzurufen  und  gegen  die  Konservennahrung 
Mifstrauen  zu  erwecken ;  da  ja  auch  in  den  bestgeleiteten  Fabriken 
alljährlich  ein  gewisser  Prozentsatz  der  sterilisierten  Gemüse  zu- 
grunde geht,  was  sich  namentlich  durch  eine  kräftige  Gasbildung 
im  Innern  der  Dose  bemerkbar  macht.  Solche  Büchsen  werden 
in  Fachkreisen  ihrer  veränderten  Form  wegen  als  »bombierte 
bezeichnet. 

Trotz  einer  sorgfältig  ausgeübten  Kontrolle  seitens  der  Fabrik 
kommt  es  hin  und  wieder  vor,  dafs  solche  Konserven  in  die 
Hände  des  konsumierenden  Publikums  gelangen,  indem  sie 
etwa  erst  nachträglich  noch  bombieren  können. 

Es  schien  mir  daher  vom  hygienischen  Standpunkte  aus 
äufserst  wichtig,  derart  verdorbene  Gemüsekonserven  näher  zu 
untersuchen,  da  ja,  wie  auch  von  anderer  Seite  wiederholt  her- 
vorgehoben, anzunehmen  war,  dafs  sich  auch  hier  ähnliche 
toxische  Wirkungen  geltend  machen  könnten  wie  bei  denjenigen 
in  der  Alicen-Kochschule  und  vielleicht  bis  anhin  nur  deshalb 
noch  keinen  Schaden  bewirkt  hatten,  weil  sie  vor  dem  Genüsse 
gekocht  worden  waren. 

Der  Umstand,  dafs  über  die  biologischen  Eigenschaften  der 
Zerstörer  von  Gemüsekonserven  in   der  Literatur  bis  jetzt  nur 


1)  Konserven-Zeitang,  Jahrg.  1904,  Nr.  6,  7,  8.   Redaktear  G.  Brandau, 
Braonschweig. 


112  Stadien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

ganz  wenig  bekannt  ist,  wahrscheinlich  weil  solche  bombierte 
Dosen  im  Handel  nur  selten  anzutre£Een  sind  und  für  die  be- 
treffenden Forscher  nur  schwierig  zu  erhalten  waren,  liels  es 
gerechtfertigt  erscheinen,  diese  interessanten  Lebewesen,  die  ent- 
weder grofse  Widerstandsfähigkeit  gegen  hohe  Temperaturen 
haben  müssen  oder  vielleicht  erst  nachträglich  in  die  Büchsen 
gelangen,   näher  kennen  zu  lernen. 

Das  zu  meinen  Untersuchungen  nötige  Material  wurde  mir  in 
zuvorkommender  Weise  teils  von  Konserven-Handlungen,  zum 
gröfsten  Teile  aber  von  verschiedenen  Fabriken  zur  Verfügung 
gestellt  und  gab  man  mir,  meinem  Wunsche  gemäfs,  möglichst 
solche  Objekte,  bei  denen  man  glaubte,  dafs  die  Bombage  nicht 
auf  einen  Defekt  der  Dose,  sondern  auf  mangelhafte  Sterilisation 
zurückzuführen  sei. 

Wie  aus  der  Literatur  ersichtlich,  war  Aderhold ^)  der 
erste,  der  sich  mit  diesem  Gegenstande  etwas  eingehender  be- 
fafste.  Er  versuchte  aus  zehn  verschiedenen  bombierten  Gemüse- 
konserven die  Verderber  zu  züchten,  doch  gelang  es  ihm  trotz 
der  vielseitigsten  Bemühungen  nie,  in  den  hergestellten  Kulturen 
Wachstum  zu  erhalten,  nach  seiner  Meinung,  weil  die  betreffenden 
Organismen    »einfach  abgestorben  waren c. 

Wie  bereits  angedeutet,  ist  die  sachbezügliche  Literatur  zur- 
zeit noch  eine  recht  spärliche.  Neben  der  schon  zitierten  Arbeit 
von  Aderhold  kommt  noch  namentlich  diejenige  von 
K.  von  WahP)  in  Betracht. 

Wie  aus  den  kurzen  interessanten  Abhandlungen  ersichtlich 
ist,  hat  Verfasser  anfänglich  selbst  Konserven  eingemacht  und 
zu  diesem  Zwecke  Karotten,  Spargeln,  Erbsen  in  Gläsern  bei 
strömendem  Dampfe  sterilisiert.  Trotz  zweistündiger  Kochdauer 
verdarben  alle  und  es  konnten  als  Zerstörer  Endosporen  bildende 
Stäbchenbakterien  isoliert   werden,    die    aber  leider  sonst  nicht 


1)  Ader  hold,  R.,  Zentralbl.  f.  Bakt,  IL  Abt.,  1899,  Bd.  6,  S.  17—20. 

2)  K.  V.  Wahl,  Über  das  Verderben  der  Konserven.  Konserven-Zeitung, 
Jahrg.  1903,  Nr.  11  n.  12.  —  Untersuchungen  über  Konservenverderber. 
Berichte  der  Grofsherzoglich  Badischen  landwirtschaftlichen  Versuchsanstalt, 
Augustenberg,  1902,  S.  33—35    Bericht  1903,  S.  35—36. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  113 

näher  beschrieben  wurden.  Später  untersuchte  genannter  Autor 
auch  Fabrikkonserven,  und  konnte  hier  wieder  mehrere  Arten 
von  Mikroorganismen  isolieren,  die  zum  Teil  sehr  widerstands- 
fähige Sporen  zeigten,  welche  ein  zweistündiges  Kochen  über- 
dauerten. Höchst  interessant  ist  femer  die  Mitteilung,  dals  die 
Sporen  je  nach  dem  Nährsubstrat,  auf  dem  sie  sich  gebildet  und 
dem  Material,  auf  dem  sie  zur  Prüfung  angetrocknet  wurden,  an 
Lebensdauer  einbülsten  oder  gewannen.  Leider  gibt  K.  v.  Wahl 
in  beiden  Notizen  keine  näheren  biologischen  Eigenschaften  der 
gefundenen  Mikroben  an,  doch  stellt  er  eine  ausführliche  Dar- 
stellung seiner  Untersuchimgen  in  Aussicht. 

Aderhold ^)  glaubt,  dals  es  keine  für  eine  bestimmte  Ge- 
müseart spezifischen  Zerstörer  gebe,  und  wahrscheinlich  keine 
>8pezifi8chen  Gemüsezerstörer  überhaupt. c  K.  v.  Wahl  aber 
fand  in  gleichartigen  Konserven  verschiedener  Herkunft  oft  die 
gleichen  Verderber  und  in  Konserven  verschiedener  Sorte  nie- 
mals die  gleichen  Bakterien. 

Nach  letzterem  Forscher  würde  sich  somit  die  in  Fach- 
kreisen gehegte  Ansicht  bestätigen,  dafs  sich  verschiedene  Gemüse- 
arten, imter  den  gleichen  Bedingungen  konserviert,  verschieden 
lang  halten. 

Nach  einer  anderen  von  K.  Kroemer^)  erstatteten,  kurzen 
Notiz  ist  zu  ersehen,  dafs  man  sich  in  der  Versuchsanstalt 
Geisenheim  ebenfalls  mit  dem  gleichen  Gegenstand  befafst.  Doch 
war  bei  Abschlufs  meiner  Untersuchungen  eine  weitere  Publi- 
kation noch  nicht  erfolgt. 

Die  Redaktion  der  >Konserven-Zeitung€  hat  seit  einigen 
Jahren  in  Braunschweig  eine  Untersuchungsstation  errichtet, 
wo  die  Konservenfabriken  in  kürzester  Zeit  ihre  Produkte  auf 
Keimgehalt  untersuchen  lassen  können.  Diese  Einrichtung  soll 
sich  nach  Mitteilungen  der  Praxis  sehr  gut  bewährt  haben,  indem 
die  betreffenden  Fabriken   derart  eine  gewisse  Kontrolle  für  ge- 


1)  a.  a.  0.,  8.  6. 

2)  Untersachangen  über  die  Bakterien  der  Obst-  und  Gemüsekonserven. 
Bericht  der  Königl.  Lehranstalt  für  Wein-,  Obst-  und  Gartenbau  zu  Geisen- 
heim a.  Rh.,  1903,  S.  114—115.    (Berlin  bei  P.  Parey.) 


114  Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

nügende  Sterilisation  besitzen.  Will  also  ein  Fabrikant  die  Zeit- 
dauer und  die  Höhe  der  Temperatur,  die  notwendig  ist,  um  eine 
bestimmte  Konserve  sicher  steril  zu  bekommen,  genau  kennen, 
so  braucht  er  nur  eine  gewisse  Anzahl  verschieden  lang  und  bei 
verschiedenen  Drucken  hergestellter  Büchsen  zur  Untersuchung 
zu  senden  und  wird  die  gewünschten  Daten  erhalten. 

Die  Redaktion  obiger  Zeitschrift  berichtet  in  einem  Auf- 
sätze^), betitelt:  >Nochmals  die  Vergiftung  in  Darmstadtc  von 
Versuchen,  bei  denen  in  bombierten  Büchsen  einige  streng 
anaerobe  Buttersäurebazillen,  femer  solche  vom  Kolitypus  und 
einige  unbekannte  Mikroorganismen  gefunden  wurden. 

Bakteriologische  Untersuchungen. 

Die  von  mir  vorgenommenen  Untersuchungen  wurden  wie 
folgt  ausgeführt:  Unmittelbar  vor  der  Probeentnahme  aus  einer 
bombierten  Büchse  wurde  diese  tüchtig  geschüttelt,  nach  Ent- 
fernen der  Etiketten  mit  Bürste  und  Seife  gut  gereinigt  und 
der  Deckel  und  die  obersten  Partien  der  Wand  mittels  eines 
Bunsenbrenners  gut  abgebrannt,  bis  zum  Erkalten  mit  einem 
vorher  sterilisierten  GlasgefäTse  bedeckt,  alsdann  mit  einem 
spitzigen,  mehrere  Male  durch  die  Gasflamme  gezogenen,  langen 
Eisennagel  eine  Öffnung  in  die  Mitte  des  Deckels  gebohrt. 

Mit  einer  sterilen  Wasserpipette  wurde  nun  Flüssigkeit  aus 
dem  Innern  in  verschiedenen  Höhenlagen  herausgenommen  und 
jedesmal  folgende  Kulturen  damit  angesetzt: 

Je  1  hohe  Kultur  in  Traubenzuckeragar  mit  0,1  und  1  com 
Brühe,  bei  Temperaturen  von  37°  und  30®  gehalten. 

Je  2  Kulturen  in  Traubenzuckerbouillon  mit  0,1  und  1  ccm 
Brühe  bei  37 «,  30  <>  und  22 «. 

Um  einen  möglichst  passenden  Nährboden  zu  schaffen,  ver- 
wendete ich  jeweils  den  flüssigen  Inhalt  steril  gebliebener 
Büchsen  der  betreffenden  Gemüseart   und  gab  jedesmal  1  ccm 


1)  Konserven-Zeitung,   Nochmals  die  Vergiftung  in  Darmstadt,  Jahrg. 
1904,  Nr.  a 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  115 

der  zu  untersachenden  Brühe   in  solche  Röhrchen,   die  ich  bei 
370,  30^  uDd  22  0  beobachtete. 

Öfters  leistete  mir  auch  ein  Nährboden,  hergestellt  mit  der 
Flüssigkeit  einer  keimfreien  Dose  und  der  nötigen  Menge  Gelatine 
oder  Agar-Agar  versetzt,  gute  Dienste. 

Neben  obigen  Kulturen  wurden  noch  2  anaerobe  in  Trauben- 
zuckergelatine hergestellt  unter  Verwendung  von  0,5  ccm 
flüssigem  Büchseninhalt.  Überdies  machte  ich  jedesmal  mit 
einer  Platinöse  zwei  Strichkulturen  auf  schiefem  Agar  für  die 
Züchtung  bei  Bruttemperatur.  Schliefslich  gab  ich  noch  je 
1  ccm  in  zwei  verflüssigte  Traubenzuckergelatine  und  stellte 
damit  Platten  her. 

War  während  vier  Wochen  kein  Wachstum  auf  obigen 
Kulturen  zu  bemerken,   so  wurden  sie  zerstört. 

Kleine  Mengen  des  Büchseninhaltes  wurden  sowohl  im 
hängenden  Tropfen  als  auch  im  gefärbten  Präparate  jedesmal 
auf  Bakterien  mikroskopisch  untersucht. 

Eine  jedesmalige  Prüfung  der  betreffenden  Dose  auf 
Dichtigkeit  nahm  ich  in  der  Weise  vor,  dafs  im  Deckel  mit 
einer  Blechschere  eine  runde  OfEnung  gemacht  wurde,  der  Inhalt 
mit  Wasser  ausgespült  und  die  Büchse  durch  Auflötung  eines  mit 
einem  Rohrstutzen  versehenen  Bleches  wieder  verschlossen.  Die 
derartig  vorbereitete  Büchse  wurde  hierauf  in  eine  starke  Fluores- 
ceünlösung  gestellt,  der  Stutzen  durch  Schlauch  mit  einer  Wasser- 
strahlpumpe in  Verbindung  gesetzt  und  während  ca.  4  Stunden 
einem  Vakuum  von  15  mm  Hg.  ausgesetzt.  Nach  dieser  Zeit 
wurde  die  Büchse  herausgenommen,  möglichst  von  FarbstofE 
befreit,  gut  abgetrocknet  und  in  der  Mitte  ihrer  Höhe  durch- 
schnitten. Mit  Leichtigkeit  war  derart  ein  eventueller  Eintritt 
von  FarbstofElösung  bzw.  Undichtigkeit  zu  erkennen. 

Die  Tierversuche  wurden  in  Gegenwart  von  Herrn  Professor 
Dr.  O.  Roth  ausgeführt.  Als  Versuchstiere  verwendete  ich 
weifse  Mäuse,  denen  ich  in  den  weitaus  meisten  Fällen  etwas 
von  dem  unfiltrierten  Inhalt  bombierter  Büchsen  unter  die 
Rückenhaut  einspritzte.  Da  anfänglich  Toxine  in  den  ver- 
dorbenen Dosen  vermutet  wurden,   so  filtrierte  ich  in  Nr.  1,  2 


116  Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

und  3  die  Brühe  durch  Porzellanfilter  mit  der  Absicht,  sobald 
sich  schädliche  Wirkungen  bemerkbar  machen  sollten,  auch 
Tierversuche  mit  den  isolierten  Bakterien  vorzunehmen. 

Meistens  wurden  die  Versuchstiere  während  vier  Wochen 
beobachtet  und  dann  seziert. 

Ich  lasse  nun  die  Protokolle  meiner  Untersuchungen  folgen : 

Bttehse  Nr.  1. 

Inhalt  ca.  16  Monate  alte,  grüne  Erbsen,  äafserlich  sehr  kräftig  bombiert, 
daher  beim  öflfnen  eine  Menge  unangenehm  riechende  GkMe ;  Brühe  schäumt 
stark  auf,  getrübt,  unansehnliche,  gelbgraue  Farbe. 

Säureproduktion:    10  ccm    Brühe    erforderten    cur  Neutralisation 

4,25  ccm  ^  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  GroüBe  Zahl  etwa  5 — 6  mal  so  langer 
als  dicker  Stäbchen;  im  hängenden  Tropfen  stark  beweglich;  daneben  ver- 
einzelt lange,  fadenförmig  aneinandergelagerte  Stäbchen.  Zuweilen  findet 
man  grofse,  stark  lichtbrechende  Sporen. 

Bemerkungen:  Auf  den  wie  oben  angegeben  hergestellten  Kulturen 
erhielt  ich  nur  eine  Bakterien art,  die  nach  ihrem  morphologischen,  wie  auch 
biologischen  Verhalten  in  die  Gruppe  des  Bacillus  amylobacter  van 
Tieghem^)  Clostridium  bntyricum  Prazmowski  gehört. 

Tierversuche:  Traubenzuckerbonillon  mit  der  isolierten  Bakterienart 
eingeimpft^  wurde  nach  8  Tagen  filtriert,  mit  steriler,  physiologischer  Koch- 
salzlösung 1:4  verdünnt  und  zwei  Mäusen  subkutan  injiziert:  Maus  Nr.  1 
0,5  ccm.  Maus  Nr.  2  1  ccm.  Tiere  bleiben  gesund,  auch  Verfütterung  einer 
5  Tage  alten  unfiltrierten  Bouillonknltur  ergibt  ein  negatives  Resultat. 
Zwei  weitere  Mäuse  erhielten  von  einer  10  Tage  alten,  keimfrei  filtrierten 
Traubenzuckerbouillon :  Maus  Nr.  3  1  ccm.  Maus  Nr.  4  1  ccm ;  trotzdem  Tiere 
normal.    Auch  die  Sektion  aller  Tiere  zeigt  keine  Veränderungen. 

Dichtigkeit   der  Büchse:    Dicht. 

Bttehse  Nr.  2. 

Enthaltend  Vt  ^  Erbsen,  11  Monate  alt;  äufserlich  wenig  bombiert,  daher 
beim  öflfnen  nur  geringe  Mengen  Gas.  Geruch  und  Farbe  der  Büchse  normal, 
schwach  getrübt. 

Mikroskopischer  Befund:  Mehrere  grofse,  spindelförmige  Stäbchen, 
ähnlich  Bacillus  amylobakter;  vereinzelt  Fäden  von  grolsen,  dicken  Stäbchen 
an  Bacillus  megatherium  erinnernd;  im  ganzen  sind  viele  Kokken  vor- 
herrschend. 


1)  Matzusohita,  Bakteriolog.  Diagnostik,  1902,  S.  492. 
M  i  g  u  1  a ,  System  der  Bakterien,  II.  Bd.,  S.  53G. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  117 

Säureprodaktion:     10    ccm    Erbsenbrühe    verlangten    1,05    com 

Tierversnche:  Zwei  Mäuse  bekamen  subkutan  keimfrei  filtrierte 
Erbsenbrühe:  Maus  Nr.  5  0,6  ccm,  Maus  Nr.  6  0,4  ccm,  Befinden  normal. 

Bemerkungen:  Obschon  der  mikroskopische  Befund  auf  die  An- 
wesenheit einer  grolsen  Zahl  von  Bakterien  schliefsen  liefs,  konnte  trotz 
der  verschiedenen  Kulturen  nie  Wachstum  erhalten  werden. 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Dicht. 

Bttehse  Nr.  8« 

Inhalt  11  Monate  alte  grüne  Erbsen,  Boden  und  Deckel  stark  bombiert, 
beim  öffnen  neben  stark  aufschäumender  Flüssigkeit  nach  Buttersäure 
riechende  Gase.  Erbsenbrühe  stark  trübe,  schmutiig  graugrün.  Im  Innern 
der  Dose  an  vielen  Stellen  grauschwarze,  matte,  moir^artige  Flecken  von 
Zinnsulfid  >). 

Säuregrad:   10  ccm  Brühe  verlangten   2,90  ccm  ^k  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Qrofse  Zahl  Kokken  oder  Kurzstäbchen, 
vielfach  kettenförmig  aneinandergelagert. 

Tierversuche:  Zwei  Mäuse  erhielten  subkutan  keimfrei  filtrierte 
Erbsenbrühe:  Maus  Nr.  7  =  0,7  ccm;  Maus  Nr.  8  =  0,8  ccm:  Verhalten 
normal. 

Bemerkungen:  Leider  läCst  sich  hier  die  Frage,  durch  welche 
Bakterienart  die  Bombage  verursacht  wurde,  nicht  beantworten,  da  die  Kul- 
turen kein  Wachstum  zeigten. 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Undicht  an  der  Lötnatfalz. 

Bttehse  Nr.  4. 

Inhalt  Vt  i  Erbsen,  wenig  bombiert,  zeigt  Erscheinung  des  >Flattems«  ; 
deshalb  beim  öffnen  wenig  Gas,  Flüssigkeit  wenig  trübe,  von  graugrüner 
Farbe.    Innerlich  war  Zinnüberzug  stark  angegriffen  (> mattiert«.) 

Säuregrad:  10  ccm  Erbsenbrühe  entsprachen  3,62  ccm    r^rNaOH. 

Mikroskopischer  Befund:  Viele  kurze,  etwa  1,5 mal  so  lang  als 
breite  Stäbchen,  an  den  Enden  abgerundet ;  vereinzelt  kommen  noch  schwach 
bewegliche,  nach  Gram  färbbare,  grOfsere,  fadenförmig  aneinandergelagerte 
Stäbchen  vor.  Hefezellen  mit  deutlichen  Sprossungen  sind  vereinzelt  an- 
wesend. 

In  1  ccm  Brühe  sind  im  Mittel  300  Keime  enthalten. 


1)  Beckurts,  H.,  Bildung  von  Schwefelzinn  in  WeiTsblechbüchsen. 
Chemiker-Zeitung,  1889,  S.  1523. 

Reufs,  W.,  Zur  Chemie  der  Konservenfabrikation.  Chemiker- 
Zeitung,  1889,  S.  1428. 

Rössing,  A.,  Mitteilungen  über  das  Schwarzwerden  der  Gemüse- 
konserven  in  Weifsblechdosen.   Zeitschr.  f.  analyt.  Chemie,  1896,  Bd.  35,  S.  38. 


11g  Studien  über  verdorbene  GemOsekonBerven. 

Tierversache:  Zwei  M&use  bekamen  subkotan  direkt  entnommenen 
Büchfleninhalt :  Maas  Nr.  9  ^=  1  com;  Maus  Nr.  10  =  1  com,  ohne  StOrang 
im  Befinden. 

Bemerkungen:  Aus  den  verschiedenen  Kulturen  isolierte  ich  zwei 
Mikroorganismen,  nämlich:  Bacillus  subtilis  (Ehrenberg)  Cohn*)  und 
eine  Hefe,  die  trauben zuckerhaltige  N&hrbOden  rasch  und  krftftig  vergährte. 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Undicht,  wo,  war  nicht  mehr  zu  er- 
mitteln, da  zu  viel  FarbstoflflOsung  eingesaugt  worden  war. 

Büchse  Nr.  6. 

Inhalt  1 1  junge  Bohnen,  1  Jahr  alt,  Aufserlich  wenig  bombiert,  Geruch 
der  Flüssigkeit  normal,  Farbe  graugrün,  stark  trübe. 

Säureproduktion:   10  ccm  Bohnenbrühe  erforderten  3,1 8  j^  NaOH. 

Mikroskopischer  Befund:  Grolse,  etwa  achtmal  so  lange  als 
breite,  schlanke  Stäbchen ;  viele  sind  gekrümmt,  und  da  sie  sich  gerne  faden- 
förmig hintereinander  lagern,  so  erwecken  sie  den  Eindruck  eines  Spirillums  ; 
nach  Gram  nicht  färbbar. 

Auf  den  Gelatineplatten  zählte  ich  im  Mittel  pro  1  ccm  Brühe  15000 
Kolonien. 

Morphologie  der  Reinkultur:  Grofse,  etwa  achtmal  so  lange 
als  breite  Stäbchen,  bilden  gerne  die  genannten,  gekrümmten  Involutions- 
formen. 

Gelatineplatten:  Makroskopisch:  Oberflächenkolonien  bläulich- 
weifs,  durchsichtig ;  Wachstum  langsam.  Tiefenkolonien  erscheinen  als  gelbe 
Pünktchen.  Bei  schwacher  Vergröfserung  zarter,  dünner  Belag ;  Randabgren- 
zung unscharf;  die  ganze  Kolonie  ist  gleichmäfsig,  fein  gekörnt.  Die  tiefer 
liegenden  sind  meistens  rund,  auch  oval,  ebenfalls  schwach  gekörnt 

Gelatinestich:  Im  Stichkanal  nur  ganz  geringes  Wachstum,  der 
dünne,  zarte,  oberflächliche  Rand  zeigt  keine  Ausbuchtungen;  Verfltissigung 
tritt  nie  ein. 

Agarstrich:  Bei  30^  zarter,  glatter,  feuchtglänzender,  durchsichtiger 
Belag. 

Kartoffeln:  Zarter  Belag,  am  Rande  Ausbuchtungen. 

Milch:  Gallertartige,  gleichmäfsige  Gerinnung,  die  nach  8  Tagen 
klumpig  wird  mit  wässerigem  Serum. 

Traubenzuckerbouillon:  Trübung  nach  3  Tagen,  schwache 
Gasbildung. 

Temperaturverhältnisse:  W  ächst  bei  Zimmertemperatur  langsam. 

Luftbedürfnis:  Fakultativ  anaerob. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  11  =  0,6  ccm.  Maus  Nr.  12  =3 0,3  ccm  un- 
Ültrierte  Brühe  subkutan;  normal. 

Bemerkungen:  Nach  diesem  Befunde  war  mir  eine  Artbestimmung 
nicht  möglich. 

Dichtigkeit  der  Dose:  Undicht  am  Lötstellefalz. 


1)  MatzuBchita,  Diagn.,  1.  Aufl.,  S.  2. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  119 

Bichae  Nr.  6. 

1  Jahr  alte  Erbaen,  beidsdtig  stark  bombiert,  beim  Ofiben  Gerach  nach 
Batteniare:  Flflnigkeit  gelblichweiA,-  stark  trflbe. 

Aiiditit:  10  ccm  BrOhe  erforderten  4,7  ccm  j^  NaOH. 

Mikroskopischer  Befand:  Grofse,  dicke,  sporenhaltige,  manch- 
mal spindelfOnnig  angeschwollene  8tAbchen,  seigen  Granolosereaktion,  be- 
wegen sich  lebhaft 

Tierversuche:  Maas  Nr.  13  =  0,3  ccm,  Maus  Nr.  14  =  0,5  ccm  un- 
filtrierter  BrQhe,  subkutan,  ohne  Wirkung. 

Bemerkungen:  Diese  Bakterienart  stimmt  morphologisch,  wie  auch 
biologisch  mit  der  in  Büchse  Nr.  1  gefundenen  überein. 
Dichtigkeit  der  Dose:  Dicht. 

Biehse  Nr.  7. 

Inhalt  grüne  Bohnen,  1  Jahr  alt,  wenig  bombiert,  Flüssigkeit  schwach 
trübe,  Grerach  normal. 

S&ureproduktion:  Für  10  ccm  Brühe  waren  6,2  ccm  -^  NaOH  er- 
forderlich. 

1  ccm  Brühe  enthielt  im  Mittel  400  Keime. 

Mikroskopischer  Befund:  Kurse,  dicke,  2 — 3  mal  so  lang  als 
breite  Stäbchen  mit  abgerundeten  Enden,  nach  Gram  nicht  färbbar ;  sie  sind 
lebhaft  beweglich. 

Gelatineplatten:  Makroskopisch:  Nach  3  Tagen  gelblichweifse, 
punktförmige  Kolonien;  bei  schwacher  Vergröfserung  durchscheinende, 
kOmige  Struktur. 

Gelatinestich:  Wachstum  bis  in  die  Tiefe  des  Stichkanales,  ober- 
flächlich zarter,  gelblichweifser  Belag. 

Agarstrich:  Schwach  gelbliche,  feuchtglänzende  Auflagerung. 

Kartoffeln:  Feuchtglänzender,  zitronengelber  Belag. 

Traubensuckerbouillon:  Nach  48  Stunden  starke  Trübung; 
schwache  Gasentwicklung;  Nährböden  aus  Bohnen  werden  ebenfalls  schwach 
vergärt. 

Temperaturverhältnisse:  Wächst  bei  30^  am  besten. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  15=0,6  ccm,  Maus  Nr.  16  =  0,3  ccm  sub- 
kutan unfiltrierter  Bohnenbrühe;  keine  Wirkung. 

Bemerkungen:  Identifizierung  mit  einer  schon  beschriebenen 
Bakterienart  war  mir  nicht  möglich. 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Undicht,  an  Berührungsstelle  Lötnat 
und  Falz. 

Bttehse  Nr.  8. 

Inhalt  junge  Erbsen,  1  Jahr  alt^  stark  bombiert,  beim  Öffnen  widerlich 
riechende  Gase,  Flüssigkeit  schäumt  stark  auf,  trübe,  graugrün.  Innerlich 
zeigt  Büchse  vielerorts  Belag  von  Schwefelzinn. 


120  Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

Azidität:  10  ccoi  Erbsenbrühe  verlangten  4,73  ccmr^NaOH. 

Mikroskopischer  Befund:  Mittellange  dicke  Stäbchen  mit  abge- 
rundeten Enden,  neben  kurzen,  dicken,  die  sich  nach  Gram  färben. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  17=0,6  ccm  unfiltrierte  Brühe,  subkutan. 
Maus  Nr.  18  mit  ebensolcher  Brühe  gefüttert ;  Maus  Nr  19  =  0,3  ccm  keimfrei 
filtrierter  Erbsenbrühe  subkutan.    Befinden  aller  Tiere  normal. 

Bemerkungen:  Trotz  verschiedener  Kulturen,  auch  auf  solchen  mit 
Erbsen,  kein  Wachstum. 

Dichtigkeit  der  Dose:  Dicht. 

Bttchse  Nr.  9. 

Inhalt  Wacbsbohnen,  1  Jahr  alt,  wenig  bombiert,  daher  nur  wenig  Gas 
beim  öffnen;  Flüssigkeit  schwach  trübe,  sonst  normal. 

Säureproduktion:  10  ccm  Bohnenbrühe  erforderten  1,34  ccm 
^  Na  OH. 

MikroskopischerBefund:  Lange,  dünne,  schwachgebogene,  manch- 
mal spirillenförmig  angeordnete  Stäbchen,  wahrscheinlich  sind  es  Involutions- 
formen.    Daneben  vereinzelt  noch  kurze,  dicke  Stäbchen. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  20  ==0,2  ccm,  Maus  Nr.  21=0,7  ccm  un- 
filtrierter  Brühe  subkutan;  normal. 

Kulturversuche:  Sowohl  aerob  als  auch  anaerob  in  den  verschiedenen 
Nährböden  kein  Wachstum. 

Dichtigkeit  der  Dose:  Undicht,  wo,  war  nicht  zu  ermitteln. 

Bttchse  Nr.  10. 

1  Jahr  alte  Erbsen,   sehr  kräftig   bombiert,   beim   Offnen   heftige   Gas- 
entwicklung, Flüssigkeit  stark  trübe,  säuerlich. 

Azidität:  10  ccm  erforderten  zur  Neutralisation  5,52  ccm  ^tv  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Kurze,  etwa  2 — 4mal  so  lange  als  breite 
Stäbchen  in  grofser  Zahl,  an  den  Enden  abgerundet,  häufig  reihenförmig  an- 
geordnet; lebhaft  beweglich.  Es  scheint  sich  nur  um  eine  einzige  Art  zu 
handeln. 

Bemerkungen:  Alle  durch  die  Kulturen  erhaltenen  Merkmale,  auch 
die  Widerstandsfähigkeit  lassen  auf  Identität  dieser  Bakterienart  mit  Bacillus 
brassicae  acidae^)  schliefsen,  der  zuerst  von  Conrad  als  ein  Erreger  der 
Sauerkrautgärung  erkannt  worden  war. 

Tierversuche:  Subkutan  Maus  Nr.  28=0,5  ccm ;  Maus  Nr.  24=0,9  ccm 
direkt  entnommener  Brühe;  Verhalten  normal. 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Dicht. 


1)  Matzuschita,Diagn.  S.  318.  —  Migula,  System  d.  Bakt.  ü,  S.  737. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  121 

Bttchse  Nr.  11. 

Inhalt  13  Monate  alte  Erbsen,  anf  beiden  Seiten  kräftig  bombiert;  beim 
Offnen  eine  grofise  Menge  anangenehm  riechende  Gase  neben  schmatiig 
grangrüner  stark  aufschäumender  Brühe. 

Säure gr ad:  10  ccm  Brühe  erforderten  8,45  ccm  jz:  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Kurze,  dicke  Stäbchen  von  lebhafter  Be- 
weglichkeit, neben  vereinzelten  Ilefezellen  und  Langstäbchen,  die  an  Kar- 
toffelbazillen erinnern. 

Durch  die  Kultur  konnte  nur  eine  einzelne  Art  isoliert  werden,  die 
folgende  Eigenschaften  zeigt: 

Morphologisches. Verhalten:  Kurze,  2 — 4mal  so  lang  als  breite 
Stäbchen,  Gram  positiv. 

Gelatineplatten:  Nach  2  Tagen  oberflächliche  Kolonien  stark  ent- 
wickelt, einzelne  mit  gelber  Färbung.  Mikroskopisch  um  das  lichtere  Zentrum 
radiäre  Fasern,  nach  gekerbtem,  stark  glänzenden  Bande  zu  erkennen.  Früh 
zeigt  sich  um  die  Kolonie  herum  eine  verflüssigte  Zone  von  gelber  Farbe. 
Kleinere  Kolonien  haben  ein  gegen  gekerbten  Rand  verlaufendes  Ldnien- 
system.  Auf  Erbsengelatine  entwickeln  sich  Kolonien  in  gleicher  Weise, 
aber  langsamer. 

Gelatinestich:  Wachstum  bis  in  die  Tiefe  des  Impf  Stiches;  an  der 
Oberfläche  flach  ausgebreitete,  zitronengelbe  Auflagerung;  bald  beginnt  die 
Verflüssigung,  zuerst  schreitet  sie  gegen  die  Glaswand  vor  und  greift  dann 
erst  in  die  Tiefe ;  in  der  verflüssigten  Gelatine  entsteht  ein  gelber,  flockiger 
Niederschlag. 

A  garstrich:  Gelblich  weisse,  feuchtglänzende  Auflagerung  mit  feinen 
Einbuchtungen  am  Rande. 

Kartoffeln:  Gelbe,  glänzende  Auflagerung  mit  kräftigen  Ausbuchtungen 
am  Rande. 

Bouillon:  Nach  24  Stunden  Trübung;  später  bildet  sich  eine  gelblich 
gefärbte  Kahmhaut. 

Gasentwicklung:  Traubenzuckerhaltige  Nährboden  werden  rasch  und 
kräftig  vergärt;  solche  aus  Erbsen  weniger  rasch. 

Temperaturverhältnisse:  Wächst  bei  Zimmer-  und  Bruttemperatur. 

Schnelligkeit  des  Wachstums:  Wächst  rasch. 

Farbenproduktion:  Erzeugt  bei  Luftzutritt  einen  gelben   Farbstoff. 

Sporenbildung:  Bildet  mittelständige  Sporen,  die  aber  an  Seiden- 
fäden angetrocknet  20  Minuten  strömenden  Dampf  nicht  aushalten. 

Peptonwasser:  Trübt  sich  stark  und  gibt  die  Indolreaktion. 

Luftbedürf  nis:  Fakultativ  anaerob. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  25 = 0,6  ccm,  Maus  Nr.  26 = 0,8  ccm  subkutan, 
ohne  Störungen. 

Bemerkungen:   Eine  Artbestimmung  war  mir  nicht  möglich. 

Dichtigkeit  der  Büchse:   Dicht. 
ArchiT  für  Hygiene.   Bd.  LIV.  9 


122  Stadien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

Bttehse  Nr.  12. 

3  Monate  alte  grüne  Scbmalzbohnen,  nor  ganz  wenig  bombiert;  die 
Brühe  war  stark  trübe,  von  gelblich weiTser  Farbe,  sonst  normal.  Innerlich 
war  die  Büchse  an  sehr  vielen  Sti)llen  stark  angegriffen. 

Azidität:   10  ccm  Bohnenbrühe  verlangten  8,66  ccm  t^t  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Grofse  Zahl  langer,  schlanker  Stäbchen, 
neben  kürzeren,  dicken,  die  sich  nach  Gram  färben 

Tierversache:  Zwei  weifse  Mäuse  erhielten  subkutan  folgende 
Mengen  unfiltrierter  Bohnenbrühe: 

Maus  Nr.  27  =  0,5  ccm ,  Maus  Nr.  28  =:  1,0  ccm ;  trotzdem  keine  Ver- 
änderungen. 

Kulturversuche:  Alle  fielen  negativ  aus ;  auch  solche  auf  Bohnen- 
nährbOden,  was  wohl  zum  Schlüsse  berechtigt,  dafs  diese  Organismen  abge- 
storben waren. 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Undicht  am  Falze. 

Btlehse  Nr.  13. 

Enthaltend  ca.  4  Monate  alte,  gemischte  Gemüse,  wenig  bombiert: 
Flüssigkeit  nur  schwach  getrübt 

Säureproduktion:  10  ccm  Brühe  verlangten  1,79  ccm  rrr  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Kurze,  dicke,  an  den  Enden  abgerundete 
Stäbchen  von  lebhafter  Bewegung. 

In  1  ccm  Brühe  wurden  im  Mittel  14  Kolonien  gezählt. 

Gelatineplatte:  Makroskopisch :  Oberflächenkolonien  meistens  rund, 
mattweiTs,  glänzend,  mit  bläulichem  Schimmer,  gewöhnlich  zentralem  Kern, 
Rand  scharf  und  zeigt  eine  schon  makroskopisch  leicht  zu  erkennende 
Buchtung.  Mikroskopisch  sind  tiefer  liegende  Kolonien  gelblich,  scharf  um- 
grenzt; oberflächliche  haben  am  Rande  starke  Furchungen,  um  das  hell- 
gelbe Zentrum  verläuft  ein  System  konzentrischer  Kreise. 

Gelatinestich:   Wachstum  bis  in   die  Tiefe  des  Stichkanales,  ober- 
flächlich zarter,  ausgebuchteter  Belag. 

Agarstrich:  Weifse,  feucht  glänzende  Auflagerang,  am  Rande  schwach 
ausgebuchtet. 

Kartoffeln:  Feuchtglänzender,  bräunlichgelber  Belag. 

Traubenzuckerbouillon:  Starke  Trübung,  weifser  Bodensatz, 
Gasentwicklung  (auch  Nährboden  von  Erbsen),  Indolreaktion  positiv. 

Temperatur  Verhältnisse:  Wächst  rasch  und  Üppig  bei  Zimmer- 
temperatur, bei  37"  kümmerlich. 

Milch:  Wird  koaguliert. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  29  =  0,6  ccm,  Maus  Nr.  30  =  0,6  ccm 
direkter  Brühe,  subkutan,  normales  Verhalten. 

Bemerkungen:  Artbestimmungen  nicht  möglich.  Plattenwachstum 
erinnert  an  die  Koligruppe,  gegen  dieses  spricht  aber  mangelhaftes  Wachs- 
tum bei  37». 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Undicht  bei  Lötnatfalz. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  123 

Bttehse  Nr.  14. 

Inhalt  grOne  Erbsen  5  Monate  alt,  stark  bombiert,  daher  kam  beim 
Offnen  Flüssigkeit  unter  starkem  Aufsch&omen  hervor. 

Azidität:    10  com    Erbsenbrühe   verbrauchten  2^68  ccm  r^  NaOH. 

Bemerkungen:  Morphologisch  und  biologisches  Verhalten  genau 
gleich  wie  der  in  Nr.  13  beschriebene  Bazillus. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  31  =  0,2  ccm;  Maus  Nr.  32  =  0,5  ccm  sub- 
kutan, der  unfiltrierten  Brühe ;  normal. 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Undicht  an  Lötnat  und  Falz. 

Bliehse  Nr.  15. 

Inhalt  Schinalzbohnen,  stark  bombiert,  unangenehm  riechende  Gase  beim 
Offnen;  Flüssigkeit  stark  trübe,  mifsf arbig. 

8&ure Produktion:  10 ccm  Bohnenbrühe  verlangten  5,74  ccm  r^NaOH 

zur  Neutralisation. 

Mikroskopischer  Befund:  Zweimal  so  lange  als  breite  Stäbchen 
neben  vereinzelten  Hefezellen  und  Langstäbchen. 

1  ccm  Bohnenbrühe  enthielt  im  Mittel  3500  Keime. 

Aus  dieser  Büchse  konnte  nur  eine  Art  isoliert  werden: 

Morphologisches  Verhalten:  Kurze,  dicke,  an  den  Enden  ab- 
gerundete, nach  Gram  färbbare  Stäbchen,  träge  beweglich. 

Gelatineplatten:  Ohne  VergröfiBerung :  Die  oberflächlichen  Kolonien 
erreichen  nach  3  Tagen  einen  Durchmesser  von  1 — 2  nmi;  später  ver- 
grölsem  sie  sich  nur  noch  wenig,  sie  sind  rein  milchweifs  und  ragen  knopf- 
artig über  die  Gelatine  heraus.  Bei  schwacher  VergrOlserung  ist  nichts  be- 
sonderes zu  erkennen. 

Gelatinestich:  Wachstum  bis  in  die  Tiefe  des  Kanals;  der  Stich 
erscheint  am  Rande  fein  gezähnt,  oben  sind  nach  einer  Seite  kleine,  perl- 
mutterglänzende Ausläufer. 

Agars  trieb:  Zarter,  weiÜBer  Belag,  der  Länge  nach  gestreift. 

Kartoffeln:  Kein  Wachstum. 

Bouillon:  Wird  getrübt,  weifser  Bodensatz. 

Gasentwicklung:  Zuckerhaltige  Nährboden  werden  vergärt^  auch 
solche  mit  Bohnen  hergestellte. 

Temp erat  urVerhältnisse:  Wächst  gut  bei  Zimmertemperatur,  bei 
37*  gar  nicht 

Tierversuche:  Maus  Nr.  33  =  0,6  ccm;  Maus  Nr.  34  =  0,8  ccm 
direkter  Brühe,  subkutan;  normal. 

Bemerkungen:  Eine  Identifizierung  war  nicht  möglich. 

Dichtigkeit  der  Dose:  Dicht 

Büchse  Nr.  16. 

Inhalt  115  Monate  alte  Bohnen,  kräftig  bombiert,  beim  Offnen  nur 
wenig  Gas,  Flüssigkeit  stark  trübe. 

Azidität:  10 ccm  entsprachen  8,40  ccm  l-    NaOH. 


124  Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

Mikroskopischer  Befand:  Überwiegend  kurze,  dicke  Stäbchen, 
neben  vereinzelten  Langstäbchen;  erstere  gering  beweglich. 

Tierversuche:  Maus  35  und  36  wurde  0,5,  resp.  0,6  ccm  unfiltrierter 
BrQhe  injiziert;  letztere  wurde  später  noch  mit  ebensolcher  Brühe  gefüttert; 
beide  Tiere  bleiben  normal. 

Bemerkungen:  Die  erhaltene  Reinkultur  hatte  morphologisch,  wie 
auch  biologisch  die  gleichen  Eigenschaften  wie  diejenige  in  Büchse  Nr.  15 
vorgefundene. 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Undicht,  wo,  nicht  zu  ermitteln. 

Bttchse  Nr.  17. 

5  Monate  alte  Erbsen,  kräftig  bombiert;  beim  öffnen  unangenehm 
riechende  Gase;  Flüssigkeit  schäumt  stark  auf,  schmutzig,  graugrün. 

Säuregrad:  10  ccm  Erbsenflüssigkeit  erforderten  2,35  ccm  r^  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Nur  eine  Art  von  Bakterien  nachweis- 
bar, zwei  bis  vier  mal  so  lange  als  breite  Stäbchen,  Enden  abgerundet, 
Gram  positiv,  lebhaft  beweglich. 

In  Übereinstimmung  damit  könnte  nur  eine  Art  isoliert  werden. 

Gelatineplatten:  Die  oberflächlichen  Kolonien  sind  stark  erhaben. 
Mitte  Kern,  perlmutterglänzend,  weilsgrau.  Mikroskopisch  Rand  scharf, 
Kolonien  stark  gefurcht  durch  eine  Menge  radiärer  Strahlen,  gegen  Peri- 
pherie hin  sich  verästelnd;  ganze  Kolonie  schwach  gekörnt. 

Agarplatten:  Koliähnliche  Kolonien. 

Gelatinestich:  Wachstum  bis  in  die  Tiefe  des  Stichkanals,  Rand 
gezähnt^  oberflächlich  feucht  glänzende,  ausgebuchtete  Auflagerung. 

Agar  strich:  Kräftiger,  dicker,  gelblichweifser  Belag. 

Kartoffeln:  Dicke,  wurzelähnlich  verzweigte, gelbe  bis  grauweifse  Auf- 
lagerung. 

Traubenzuckerbouillon:  Starke  Trübung  mit  Häutchen,  Indol- 
reaktion  positiv;  kräftige  Gasentwicklung  (aus  erbsenhaltigen  Nährböden 
ebenfalls). 

Milch:  Wird  koaguliert,  keine  Serumabscheidung. 

Temperaturverhältnisse:  Wächst  bei  22 — 30^  rasch  und  am  besten. 

Sporenbildung:  Bildet  mittelständige  Sporen,  Stäbchen  schwellen 
hierbei  tonnenförmig  an. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  37  =  0,9  ccm;  Maus  Nr.  38  =  0,8  ccm  sub- 
kutan unfiltrierter  Brühe;  keine  Veränderungen. 

Bemerkungen:  Identifizierung  nicht  möglich,  scheint  in  die  Koli- 
gruppe  zu  gehören. 

Dichtigkeit   der  Büchse:    Undicht,    wahrscheinlich   durch    kräftige 

Bombage. 

Bttchse  Nr.  18. 

Inhalt  4  Monate  alte  Wachsbohnen,  stark  bombiert;  daher  kam  beim 
Offnen  Flüssigkeit  zum  Vorschein,  stark  getrübt. 

Azidität:  10  ccm  Bohnenbrühe  verlangten  6,17  ccm  r^  Na  OH. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  125 

Mikroskopischer  Befund:  Kurze,  dicke  Stäbchen  mit  abgerundeten 
Enden,  mft£Big  beweglich,  offenbar  derselben  Art  angehörend. 
In  1  ccm  Brühe  sind  im  Mittel  10000  Keime  enthalten. 

Gelatineplatten:  Makroskopisch:  Oberflächen kolonien  bilden  nach 
3  Tagen  gelblich weiTse  Punkte,  sich  mehr  und  mehr  verfärbend,  bis  sie 
schliefslich  goldgelb  werden.  Mikroskopisch  meistens  kreisrund,  Rand  scharf, 
Zentrum  etwas  dunkler,  ganze  Kolonie  gekörnt. 

Agarplatten:  Kleinen,  gelben  Kolonien  sind  grob  gekörnt,  in  der 
Mitte  etwas  dunkler;  Rand  unscharf. 

Gelatinestich:  Wachstum  bis  in  die  Tiefe  des  Stichkanals;  ober- 
flächlich leichter,  gelber  Belag  mit  schwachen  Furch ungen. 

Kartoffeln:  Kräftiger,  feuchtglänzender,  goldgelber  Belag ;  Rand  aus- 
gebuchtet, stellenweise  korallenartige  Ausläufer. 

Traubenzuckerbouillon:  Trübung,  gelbe  Haut;  später  wird  ganze 
Flüssigkeit  gelb,  Gasbildung;  Kulturen  in  Bohnenbrühe  entwickeln  ebenfalls 
Gas,  auch  gelbe  Haut. 

Dieses  Bakterium  greift  Bohnen  an,  indem  Epidermis  eine  Menge 
Blasen  zeigt 

Milch:  Koaguliert,  peptonisiert ;  Serum  färbt  sich  gelb. 

Temperaturverhältnisse:  Wächst  rasch  bei  22^30^  bei  37« 
nur  schlecht. 

Luftbedürfnis:  Fakultativ  anaerob;  bei  LuftabschluTs  kein  gelber 
Farbstoff. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  39  =  0,4  ccm;  Maus  Nr.  40  =  (i,8  ccm 
direkter  Brühe,  ohne  schädliche  Wirkung. 

Bemerkungen:  Einige  Merkmale  (Farbstoffbildung,  Morphologie, 
Pathogenität  für  Bohnen)  lassen  auf  Identität  mit  Bacillus  phaseoli, 
Smith,  Bchliefsen.  Leider  sind  die  Angaben  in  den  mir  zugänglichen 
Werken^)  nur  sehr  kurz  gehalten. 

Büchse  dicht 

Bttchse  Nr.  19. 

5  Monate  alte  Erbsen,  schwach  bombiert,  Flüssigkeit  wenig  trübe. 
Säureproduktion:  10  ccm  Brühe  entsprachen  5,5  ccm  -r^  NaOH. 

Mikroskopischer  Befund:  Viele  mittelgrofse,  dicke  Stäbchen, 
Eindruck  von  Involutionsformen. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  41  =  0,2  ccm;  Maus  Nr.  42  =  0,7  ccm 
unfiltriert,  subkutan;  normal. 

Bemerkungen:  Alle  Kulturversuche  negativ:  Artbestimmung  daher 
unmöglich. 

Dichtigkeit  der  Büchse:  Dicht. 


1)  Matz  Uschi  ta,  Diagnostik,  S.  348. 

Migula,  System  d.  Bakterien,  H.  Bd.,  S.  776. 


126  Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

Bttehse  Nr.  20. 

Vi  l  Bohnen,  4  Monate  alt,  sehr  stark  bombiert;  beim  öffnen  viel  Gas, 
Flüssigkeit  schäamt  stark  auf,  trübe. 

Säureproduktion:  10  ccm  erforderten  1,79  ccm  r^r  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Grofse  Zahl  Stäbchen  von  wechselnder 
Länge,  aber  gleicher  Dicke,    mäfsig  beweglich,  nach   Gram  nicht  färbbar. 
Im  Mittel  wurden  in  1  ccm  Brühe  350  Kolonien  gezählt. 

Gelatineplatten:  Nach  2  Tagen  erreichen  die  oberflächlichen 
Kolonien  eine  Gröüse  von  2 — 3  mm.  Dünner,  weifser,  durchsichtiger  Belag. 
Unter  dem  Mikroskop  grob  gekörnt^  Rand  scharf,  ausgebuchtet,  nach  einigen 
Tagen  am  Rande  schwache  Verflüssigung. 

Agarplatten:  Mikroskopische  Tiefenkolonien  am  Rande  Strahlen- 
kraus,  oberflächlicher,  weifser,  dünner,  durchsichtiger  Belag. 

Kartoffeln:  Kräftiger,  stark  erhabener,  anfänglich  gelbbrauner,  später 
fleischfarbener  Belag  mit  Ausbuchtungen. 

Traubenzuckerbouillon:  Stark  getrübt,  Häutchen,  lockeres 
Sediment,  Indolreaktion  -j- ;  starke  Gasentwicklung  (auch  Milchzuckerglyzerin, 
Erbsen-  und  Bohnennährböden). 

Sporenbildung:  Mittelständige  Sporen,  sporenhaltiges  Material  an 
Seidenfäden  hält  20  Minuten  Dampf  nicht  aus. 

Gelatinestich:  Leichter  Belag,  später  trichterförmige  Verflüssigung. 

Temperaturverhältnisse:  Wächst  bei  Zimmertemperatur  etwas 
langsamer,  bei  Bruttemperatur  hingegen  sehr  rasch. 

Milch:  Koaguliert,  peptonisiert,  aromatischer  Geruch. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  43  =  0,8  ccm;  Maus  Nr.  44  =  0,7  ccm 
subkutan,  direkte  Brühe;  keine  Veränderungen. 

Bemerkungen:  Identifizierung  nicht  möglich. 

Büchse  undicht;  scheint  durch  starken  Gasdruck  im  Innern  aufgerissen 
worden  zu  sein. 

Büchse  Nr.  21. 

5  Monate  alte  Bohnen,  sehr  wenig  bombiert ;  Flüssigkeit  schwach  trübe. 
Säureproduktion:  10  ccm  Brühe  erforderten  1,05  ccm  rpr  NaOU. 

Mikroskopischer  Befund:  Wenige,  lange,  schlanke  Stäbchen, 
vielfach  fadenförmig  angeordnet. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  45  =  0,2  ccm.  Maus  Nr.  46  =  0,4  ccm 
Brühe,  subkutan,  ohne  Wirkung. 

Bemerkungen:  Morphologie,  wie  auch  Biologie  der  gezüchteten 
Reinkultur  liefsen  auf  Identität   mit  Bacillus  mycoides  Flügge')  schliefsen. 

Büchse  dicht. 


1)  Matzuschita,  Diagnostik,  S.  150. 

Migula,  System  d.  Bakterien,  Bd.  U,  S.  527. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  127 

Bttehse  Nr.  22. 

6  Monate  alte  Erbsen,  kräftig  bombiert,  heftige  Gasentwicklung,  Flüssig- 
keit tritt  anter  starkem  Aufschäumen  heraus;  stark  trübe. 

Säureproduktion:  10  ccm  Brühe  verlangten  2,98  ccm  r^  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Viele  kurze,  dicke  Stäbchen,  an  den 
Enden  abgerundet,  gerne  fadenförmig  aneinander  gelagert,  Gram  negativ. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  47  =  0,6  ccm.  Maus  Nr.  48  =  0,3  ccm 
unfiltrierte  Brühe,  subkutan;  keine  Störungen  wahrzunehmen. 

Bemerkungen:  Aus  den  verschiedenen  Kulturen  ergab  sich  Identität 
mit  dem  in  Büchse  Nr.  10  schon  gefundenen  Bacillus  brassicae  addae. 
Büchse  dicht. 

Bttehse  Nr.  28. 

Inhalt  6  Monate  alte  Erbsen,  schwach  bombiert,  Flüssigkeit  wenig  getrübt. 

Säuregrad:  10  ccm  Brühe  erforderten  5,5  ccm  t^t  Na  OH. 

MikroskopischerBefnnd:  Grofse  Zahl  kurze,  dicke,  an  den  Enden 
abgerundete,  nach  Gram  schlecht  färbbare,  wenig  bewegliche  Stäbchen. 
Vereinzelt  kommen  noch  Langstäbchen  vor. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  49  =  0,2  ccm,  Maus  Nr.  50  =  0,8  ccm 
unfiltrierter  Flüssigkeit^  subkutan;  keine  Veränderungen. 

Bemerkungen:  Aus  allen  Kulturen  konnte  ich  nur  eine  Bakterienart 
isolieren,  die  ich  mit  Bacillus  acidi  lactici  Hueppe^)  identisch  erklären 
möchte. 

Büchse  dicht 

Bttehse  Nr.  24. 

Inhalt  Erbsen,  Alter  unbestimmt^  wenig  bombiert,  zeigt  > Flattern«. 
Brühegeruch  nach  Buttersäure,  graugrün,  trübe. 

Säureproduktion:  10  ccm  Brühe  erforderten  2,94  ccm  —  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Kurze,  dicke  Stäbchen  mit  abgerundeten 
Enden;  vereinzelt  auch  Hefezellen. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  51  =  0,8  ccm.  Maus  Nr.  52  =  0,2  ccm  un- 
filtrierter Brühe,  subkutan;  normaler  Befund. 

Bemerkungen:   Auf  allen  Kulturen  konnte   kein  Wachstum   kon- 
statiert werden. 
Büchse  dicht. 

Bttehse  Nr.  25. 

6  Monate  alte  Bohnen,  kräftig  bombiert ;  Flüssigkeit  schäumt  stark  auf, 
starke  trübe,  Geruch  normal. 

Sänregrad:  10  ccm  Brühe  entsprachen  1,57  ccm  j^  Na  OH. 


1^  Matznschita,  Diagnostik,  S.  370. 

Migula,  System  d.  Bakterien,  11.  Bd.,  S.  827. 


128  Stadien  über  verdory>ene  Gemüsekonserven. 

Mikroskopischer  Befund:  Grofse  Zahl  lange,  ziemlich  dicke,  an 
den  Enden  schwach  abgerundete,  etwa  4 — 8  mal  so  lang  als  breite  Stabeben, 
reihen  sich  gerne  fadenförmig  aneinander,  nach  Gram  nicht  oder  nur  schlecht 
färbbar;  zeigen  keine  Bewegung. 

Es  konnte  hier  nur  eine  einzelne  Art  isoliert  werden. 

Gelatineplatten:   Makroskopisch   und    mikroskopisch    colifthnlich- 

Gelatinestich:  Wachstum  bis  in  die  Tiefe,  oberflächlich  dflnne, 
zarte  Auflagerung,  Perlmutterglanz;  Verflüssigung  tritt  nie  ein. 

Agarst  rieh:  Feuchter,  weifser  Belag,  Rand  ausgebuchtet^  am  Rande 
dünner  und  heller,  in  der  Mitte  Querstreifung. 

Kartoffeln:  Coliähnliches  Wachstum. 

Traubenzuckerbouillon:  Lebhafte  Trübung  mit  Häutchen,  weifses 
Sediment;  Indolreaktion  -}-;  starke  Gasbildung  (auch  in  bobnenhaltigen 
Nährböden). 

Milch:  Koaguliert. 

Sporenbildung:  Endogene,  stark  lichtbrechende  Sporen;  sporen- 
haltiges  Material  hält  an  Seidenfäden  angetrocknet  10  Minuten  strömenden 
Dampf  nicht  mehr  aus. 

Temperaturverhältnisse:  Wächst  gut  bei  Zimmertemperatur;  bei 
37®  schon  nach  10  Stunden  kräftiger  Belag  auf  schiefem  Agar. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  53==0,5ccm;  Maus  Nr.  54  =  0,8ccm  sub- 
kutan, unfiltrierte  Brühe;  normales  Befinden. 

Bemerkungen:   Artbestimmung  nicht  möglich,  morphologisch  gleich 
wie  die  in  Büchse  Nr.  12  gefundene  Bakterienart. 
Büchse  dicht. 

Bttchse  Nr.  26. 

Spinat,  Alter  unbestimmt,  wenig  bombiert;  beim  öffnen  Buttersäure- 
geruch;  innerlich  Flecken  von  Schwefelzinn. 

Azidität:  10  ccm  Brühe  verlangten  3,66  ccm  :^—  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  Lange,  schlanke  Stäbchen,  4 — 8mal 
so  lang  als  breit,  scheinen  schwach  gekörnt,  zuweilen  fadenförmig  angeordnet; 
nach  Gram  teilweise  färbbar;  viele  gekrümmt,  wahrscheinlich  Involutions- 
formen,  einige  sind  mäfsig  beweglich;  daneben  kommen  noch  schlanke, 
6— lOmal  so  lang  als  breite  Stäbchen,  Grampositive,  ebenfalls  fadenförmig 
angeordnete  Stäbchen  vor. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  55  =  0,7  ccm ;  Maus  Nr.  56  =  0,4  ccm  direkt 
entnommene  Brühe,  subkutan,  normales  Verhalten. 

Bemerkungen:  Aus  den  erhaltenen  Kulturen  konnte  ich  zwei  Mikro- 
organismen isolieren,  nämlich  den  schon  in  Büchse  Nr.  25  gefundenen  und 
beschriebenen  coliähnlich  wachsenden  Bazillus  und  Bacillus  bntyricus*) 
Botkin.  Bei  letzterem  konnte  einzig  kein  Wachstum  auf  Kartoffeln  er- 
halten werden. 

Blechdose  dicht. 


1)  Matz  Uschi  ta,  Diagn.   S.  250. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  129 

Bttchse  Xr.  27. 

Gemischte  Gemüse,  wenig  bombiert,  zeigt  > Flattern c,  8  Monate  alt. 
FlflBsigkeit  stark  trübe. 

Azidität:  10  ccm  Brühe  verlangten  0,58  ccm  -^i  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befand:  Lange,  plampe  Stäbchen,  fadenförmig 
angeordnet. 

Tierversnche:  Maus  Nr.  57  =  0,2  ccm;  Maus  Nr.  58:=  0,4  ccm  sub- 
kutan direkter  Brühe;  normales  Verhalten. 

Bemerkungen:  Die  Kulturversuche  ergaben  zwei  Mikroorganismen; 
nämlich  Bacillus  mycoides  (Wurzel-  oder  Erdbazillus)  und  einen  Schimmel- 
pilz, zu  den  Penicilliumarten  gehörend. 

Büchse  undicht,  an  Lötnat  und  Falz. 

Bftchse  Nr.  28. 

Inhalt  Wachsbohnen,  nicht  bombiert,  zeigt  das  >Flatternc ;  Geruch  der 
Flüssigkeit  normal,  wenig  getrübt. 

Säureproduktion:  lOccm  Brühe  erforderten  3,66 ccm  :r^  NaOH. 

Mikroskopischer  Befund:  Grofse,  3 — 5 mal  so  lang  als  breite 
Stäbchen,  fadenförmig;  daneben  sind  vereinzelt  feine  dünne  Stäbchen  zu 
erkennen,  die  leicht  beweglich  sind. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  59  =  1,0  ccm;  Maus  Nr.  60  =  0,3  ccm  un- 
filtrierter  Brühe,  subkutan;  Befinden  normal. 

Bemerkungen:  Auf  den  wie  früher  angegebenen  Kulturen  konnte 
ich  hier  drei  Mikroorganismen  in  Reinkulturen  isolieren,  nämlich:  Bacillus 
fluorescens  liquefacieus,^)  Bacillus  subtilis  und  ein  zu  den  Penicilliumarten 
gehörender  Schimmelpilz. 

Büchse  stark  undicht,  wo«  war  nicht  zu  ermitteln. 

Bttchse  Nr.  29. 

IVs  Jahre  alte  Erbsen,  sehr  stark  bombiert;  beim  öffnen  neben  einer 
Menge  nach  Buttersäure  riechender  Gase«  heftig  aufschäumende  Flüssigkeit, 
miÜBfarbig,  trübe.    Innerlich  hat  Dose  viele  matte,  dunkelgraue  Flecken. 

Azidität:  10  ccm  Erbsenbrühe  erforderten  2,36  ccm  ^x  NaOH. 

Mikroskopischer  Befund:  Lebhaft  bewegliche,  stark  lichtbrechende 
Sporen  besitzende,  manchmal  spindelförmig  angeschwollene  5 — 6  mal  so  lang 
als  dicke  Stäbchen;  schlecht  färbbar,  besser,  wenn  sie  mit  Chloroform  be- 
handelt werden;  Bazillen  sind  gekörnt,  geben  sog.  Granulosereaktion. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  61  =0,6  ccm;  Maus  Nr.  62  =  0,7  ccm  direkt 
entnommene  Erbsenbrühe,  subkutan,  ohne  Wirkung, 

Bemerkungen:  Kulturen  ergaben  Identität  mit  dem  in  Büchse  Nr.  1 
schon  gefundenen  Bacillus  amylobacter. 

Büchse  war  dicht 


1)  Eisenberg,  Diagn.,ni.  Aufl.  S.  112.  — Matsuschita,  Diagn., S.  182. 


X30  Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

Bttehse  Nr.  30. 

Inhalt  18  Monate  alte  Erbsen,  stark  bombiert ;  heftige  Gasentwicklung, 
starkes  Aufschäumen  der  Flüssigkeit  beim  öffnen;  Brühe  gelbgrau,  mifs- 
farbig,  stark  trübe. 

Säureproduktion:  10  ccm  Erbsenbrühe  erforderten  5,85  ccm  r— NaOH. 

Mikroskopischer  Befund:  Kurse,  plumpe,  an  den  Enden  abge- 
rundete Stäbchen;  zu  zweien  oder  auch  su  vieren  fadenförmig  aneinander- 
gelagert;  nach  Gram  nicht  oder  nur  schlecht  färbbar;  lebhaft  beweglich. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  63  =  0,8  ccm;  Maus  Nr.  64  =  0,8  ccm  un- 
filtriert,  subkutan,  ohne  Störungen. 

Bemerkungen:  Morphologisch  und  biologisch  identisch  mit  dem  in 
Büchse  Nr.  23  schon  gefundenen  Bazillus 

Büchse  undicht ;  wahrscheinlich  wurde  durch  den  starken  Gasdruck  im 
Innern  diese  Undichtigkeit  erzeugt,  indem  Falz  wenig  aufgerissen  war. 

Bttchse  Nr.  31. 

17s  J&hre  alter  Rosenkohl,  sehr  stark  bombiert;  Flüssigkeit  säuerlich, 
stark  trübe;  Blechdose  im  Innern  an  vielen  Stellen  mit  grauschwarzen 
Flecken  bedeckt. 

In  1  ccm  Brühe  wurden  im  Mittel  52  Keime  gezählt 

Tierversuche:  Maus  Nr.  66  =  0,6  ccm;  Maus  Nr.  66  =  0,8  ccm  un- 
filtrierte  Brühe,  subkutan;  Verhalten  normal. 

Bemerkungen:  Der  mikroskopische  Befund,  wie  auch  die  angesetzten 
Kulturen,  ergaben  die  gleiche  Bakterienart  wie  die  in  Büchse  Nr.  28,  resp.  SO 
schon  gefundene. 

Dose  war  dicht. 

Bttchse  Nr.  32. 

7  Monate  alte  Bohnen,  äufserst  kräftig  bombiert;  Flüssigkeit  war  grau 
grün,  trübe;  Geruch  normal. 

Säuregrad:  10  ccm   Brühe  erforderten  2,71  ccm  j^  Na  OH. 

Mikroskopischer  Befund:  4 — 8mal  so  lange  als  breite  Stäbchen, 
Gramnegativ. 

Tierversuche:  Maus  Nr.  67  =  0,5  ccm ;  Maus  Nr.  68  =  0,5  ccm  sub- 
kutan, direkt  entnommene  Brühe ;  Befinden  normal. 

Bemerkungen:  Morphologische  und  biologische  Eig«^nschaf ten  (auf 
den  verschiedensten  Nährböden)  sprechen  für  Identität  mit  dem  in  Büchse 
Nr.  25  schon  beschriebenen  Mikroorganismus. 

Büchse  undicht,  doch,  wie  leicht  zu  erkennen  ist  Falz  durch  den  grofsen 
Gasdruck  im  Innern  aufgerissen  worden. 

Bttchse  Nr.  33. 

P>bsenp()ree,  8  Monate  alt,  sehr  kräftig  bombiert;  beim  öffnen  Geruch 
nach  Buttersäure. 

Tierversuche:  Gleiche  Mengen  Erbsenpüree  mit  Bouillon  geschüttelt, 
absetzen     gelassen     und    von    dieser    Flüssigkeit    zwei    Mäusen     folgende 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  131 

Mengen  injiziert:  Maas  Nr.  69=0,5  ccm;  Maus  Nr.  70  =  0,7  com;  keine 
pathogene  Wirkung. 

Bemerkungen:  Mikroskopischer  Befund  und  Verhalten  auf  den 
verschiedenen  Nährmedien  sprechen  fflr  Identität  mit  dem  in  Büchse  Nr.  1 
schon  gefundenen  Bacillus  amylobacter. 

Büchse  undicht;  auch  durch  grofsen  Gasdruck  im  Innern  am  Falz  auf- 
gerissen. 

Bttchse  Nr.  34. 

Bohnen,  7  Monate  alt,  sehr  stark  bombiert;  Flüssigkeit  stark  trübe. 
Säureproduktion:    10  ccm   Brühe   erforderten   im   Mittel  3,78  ccm 
^  Na  OH. 

Im  Mittel  sind  in  1  ccm  Brühe  3200  Keime  enthalten. 

Bemerkungen:  Im  mikroskopischen  Präparate  konnte  nur  eine 
einzelne  Bakterienart  konstatiert  werden,  was  sich  dann  später  in  den  Kulturen 
bestätigte.  Morphologisch  und  biologisch  ist  dieser  Mikroorganismus  identisch 
mit  denjenigen  in  Büchse  Nr.  25,  resp.  32  schon  gefundenen. 

Tierrersuche:  Maus  Nr.  71=0,7  ccm;  Maus  Nr.  72  =  0,7  ccm  un- 
filtrierte  BrQhe,  subkutan;  keine  Wirkung  zu  erkennen. 

Büchse  dicht. 

Anschliefseud  an  die  obigen  Untersuchungen  wurden  nach 
den  gleichen  Methoden  16  Stück  verschiedene  unver- 
dorbene Gemüsekonserven  auf  den  Keimgehalt  untersucht. 
Wenn  auch  im  Präparate  vereinzelt  hin  und  wieder  ein  Stäbchen 
angetroffen  wurde,  so  ergaben  die  Kulturen  doch  ein  negatives 
Resultat;  es  scheinen  also  diese  Konserven  frei  von  entwicklungs- 
fähigen Bakterien  gewesen  zu  sein. 

Fassen  wir  die  Resultate  der  vorstehend  34  untersuchten 
verdorbenen  Gemüsekonserven  kurz  zusammen,  so  ergeben  sich 
aus  deren  Befunde  folgende  Schlüsse  : 

1 .  Die  Bombagen  wurden  durch  Mikroorganismen  verursacht, 
was  sich  in  27  Fällen  direkt  durch  die  Kulturen,  in  7  Fällen 
aber  durch  den  mikroskopischen  Nachweis  einer  grolsen  Zahl 
von  Bakterien  in  den  betreffenden  Büchsen  beweisen  liefs;  in 
letzteren  waren  höchst  wahrscheinlich  die  Organismen  abge- 
storben. 

2.  Von  den  34  verdorbenen  Dosen  waren  16  undicht,  wovon 
5  (Nr.  17, 20,  30,  32,  33)  walirscheinlich  während  der  Aufbewahrung 
durch    den    kräftigen   Gasdruck   im  Innern  aufgerissen   wurden, 


132  Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

was  schon  äufserlich  leicht  erkannt  werden  konnte,  da  der  Falz 
zum  Teil  aufgesprengt  war. 

3.  Die  betreflEende  Undichtigkeit  ist  in  den  weitaus  meisten 
Fällen  an  der  Übergangsstelle  von  seitlicher  Lötnat  und  Falz 
zu  finden. 

4.  Aus  den  verschiedenen  Büchsen  gelang  es,  20  verschiedene 
Bakterienarten    zu   züchten,    wovon  ich  12  identifizieren  konnte. 

5.  In  9,  resp.  12,  der  18  dicht  befundenen  bombierten 
Büchsen,  wenn  der  in  3  Fällen  vorgefundene,  nach  Ansicht  von 
Hueppe^)  sporenbildende  Bacillus  acidi  lactici  Hueppe  noch 
dazu  genommen  wird,  gelang  es  mir,  mehr  oder  weniger  hitze- 
beständige Mikroben  als  Ursache  der  Bombage  aufzufinden,  die 
wohl  die  Sterilisation  in  irgend  einer  Weise  überdauert  hatten. 
In  4  Büchsen  waren  wohl  mikroskopisch  zahlreiche  Bakterien 
nachzuweisen,  während  in  den  Kulturen  keine  solchen  wuchsen. 
Die  Frage  der  Sporogenität  war  somit  nicht  zu  entscheiden. 

5.  Für  Erbsen  kommt  von  diesen  Dauerformen  bildenden 
Mikroben,  namentlich  Bacillus  amylobacter  (in  4  Büchsen 
gefunden)  in  Betracht.  Daneben  konnte  ich  noch  je  zweimal 
Bacillus  acidi  lactici  Hueppe  und  Bacillus  brassicae  acidae  neben 
einigen  unbekannten,  in  ihrem  Wachstum  coliähnlichen  Orga- 
nismen finden. 

6.  Der  unter  Nr.  25  beschriebene  und  wiederholt  vorgefundene 
Bazillus  scheint  namentlich  für  Bohnen  gefährlich  zu  sein. 

7.  Auffallend  ist  die  immer  vorhandene,  wenn  auch  zuweilen 
geringe  Steigerung  des  Säuregehaltes  in  bombierten  Gemüse- 
konserven. 

Während  ich  in  guten,  keimfreien  Bohnen-  und  Erbsenbüchsen 
für  10  ccm  der  betreffenden  Büchse  eine  Acidität  von  0/J5 — 1 ,30 

ccm   YTj  Na  OH  finden  konnte,  variierte  dieselbe  in  verdorbenen 

Büchsen  der  gleichen  Gemüseart  von  1,05 — 8,66  ccm  T^NaOH. 

Bemerkenswert  ist  die  stärkere  Säuerung  in  den  Büchsen  Nr.  12 
und  16. 


1)  Vgl.  Migula,  System  d.  Bakt.,  11,  8.  327. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  133 

8.  Die  jeweils  mit  der  Brühe  der  Büchsen  ausgeführten 
Tierversuche  an  Mäusen  verliefen  alle  resultatlos. 
Allerdings  müssen  wir  zugeben,  dafs  diese  Versuche  für  das 
Auffinden  von  Krankheitserregern  insofern  nicht  erschöpfend 
waren,  als  bei  denselben  nur  Mäuse  angewendet  wurden,  weil 
andere  Tiere  in  der  nötigen  Anzahl  nicht  zur  Disposition  standen. 
Aber  das  Eine  geht  aus  denselben  hervor,  dafs  in  den  Büchsen 
der  erwähnte,  für  Mäuse  stark  toxische  Bacillus  botulinus  nicht 
enthalten  war,  was  auch  mit  den  Kulturversuchen  übereinstimmt. 
Das  Gleiche  gilt  von  dem  ebenfalls  mäusepathogenen  Proteus, 
der,  wie  eingangs  erwähnt,  u.  a.  als  Ursache  von  Konservenver- 
giftung  angesehen  wurde. 

Folgende  Versuche  haben  den  Zweck,  die  Frage  zu  studieren, 
ob  genannte  Mikroben  in  den  in  Betracht  fallenden  Konserven 
überhaupt  zu  gedeihen  vermögen. 

Bacillus  botulinus  und  Proteus  in  Konservenbrülie. 

Der  als  Erreger  der  Darmstädter  Vergiftung  angenommene 
Bacillus  botulinus  wurde,  wie  früher  erwähnt,  wieder  angezweifelt^), 
indem  Proteusarten  als  Ursache  der  Toxinbildung  angesehen  wurden. 

Nach  den  bisherigen  Beobachtungen  ist  der  Bacillus  botulinus 
gegen  Säuren  sehr  empfindlich.  Es  mufste  deshalb  über- 
raschen, dafs  nach  G.  Landmann  genannter  Organismus  auch 
auf  Bohnenkonserven,  also  auf  entschieden  sauren  Nährböden, 
Toxine  bilde.  Um  diesen  Widerspruch  aufzuklären,  führte  ich 
folgende  Versuche  aus : 

Der  von  Kräl  bezogene  Bacillus  botulinus  zeigte  in  seinem 
ganzen  morphologischen  wie  auch  biologischen  Verhalten  die 
gleichen  Merkmale  wie  der  von  van  Erm engen  beschriebene 2) ; 
nur  hatte  der  Stamm,  wie  verschiedene  Tierversuche  gezeigt, 
die  Eigenschaft  verloren,  auf  glykosehaltigen  Nährböden  Toxine 
zu  bilden.  Da  mir  leider  keine  andere  Kultur  zur  V^erfügung 
stand,    mufste  ich  mich  auf  die  Frage   beschränken,    ob    dieser 


1)  Konserven-Zeitang,  Jahrg.  1904,  Nr.  8. 

2)  Kolle-Wassermann,  Handbuch  d.  pathogenen  MikroorganiBmen. 
9.  Q.  10.  Liefg.,  1903,  S.  637. 


134  Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

Bazillus  in  den  genannten  Substraten,  die  aus  keimfreien  Büchsen 
des  Handels  entnommen  wurden,  zu  gedeihen  vermag.  Bei 
wiederholten,  auch  bei  verschiedenen  Temperaturen  ausgeführten 
Versuchen  konnte  immer  in  Bouillon  mit  Traubenzucker,  ebenso 
in  Erbsenbrühe  bei  Einimpfung  von  Bacillus  botuliuus  starke 
Trübung  und  Gasentwicklung  mit  Buttersäuregeruch  konstatiert 
werden;  in  gleichzeitig  beimpfter  Bohnenbrühe  war  niemals 
Wachstum  zu  bemerken,  obschon  diese  unter  gleichen  Bedingungen 
gehalten  wurde.  Auch  im  mikroskopischen  Präparat  war  keine 
Vermehrung  zu  bemerken.  Der  allerdings  nicht  toxisch 
wirkende  Stamm  von  Bacillus  botulinus,  mit  dem 
diese  Versuche  gemacht,  wuchs  also  in  Bohnenbrühe 
nicht,  wohl  aber  in  Erbsenbrühe. 

Wie  erwähnt,  prüfte  ich  auch  das  Verhalten  von  Bacillus 
proteus  vulgaris  auf  diesen  Nährböden.  Die  Kulturen  wurden 
6  Tage  anaerob  bei  22®  gehalten. 

In  Traubenzuckerbouillon,  in  Erbsen-  und  Bohnenbrühe  war 
ein  üppiges  Wachstum  und  Gasentwicklung  zu  verzeichnen.  Auf 
all  diesen  Substraten  bildeten  sich  kräftig  wirkende  Toxine,  so 
dafs  weifse  Mäuse  nach  1 — 3  Tagen  daran  zugrunde  gingen  bei 
subkutaner  Injektion  von  0,6 — 0,7  ccm  der  keimfrei  filtrierten 
Flüssigkeit. 

Lebensdauer  der  Baktsrien,  welche  die  Bombage  verursachen. 

Aus  den  bakteriologischen  Untersuchungen  ist  ersichtlich, 
dafs  es  nur  bei  einzehien  bombierten  Konservenbüchsen,  trotz 
vielseitiger  Versuche,  nicht  gelang,  die  Verderber  zu  züchten, 
obschon  in  den  diesbezüglichen  mikroskopischen  Präparaten 
eine  Menge  solcher  nachweisbar  waren. 

Dies  konnte  ich  mir  kaum  anders  erklären,  als  dafs  die 
Organismen  abgestorben  waren.  Sie  haben  sich  wohl  anfänglich 
in  den  schwach  sauren  Gemüsekonserven  gut  entwickelt,  sind 
aber  später  mit  zunehmendem  Säuregrad  in  ihren  eigenen  Stoff- 
wechselprodukten zugrunde  gegangen. 

Um  dieser  Frage  näher  zu  treten,  stellte  ich  folgende  Ver- 
suche an:  Bohnen  oder  Erbsen  mit  Kochsalz  und  Wasser  in  dem 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  135 

in  den  Konserven  vorkommenden  Verhältnis  versetzt,  in  Glas- 
röhren in  drei  aufeinanderfolgenden  Tagen  je  eine  Stunde  im 
Dampftopf  sterilisiert  und  nachher  nach  den  bekannten  Me- 
thoden auf  Keimfreiheit  geprüft,  wurden  mit  einigen  aus  Kon- 
serven isolierten  Bakterien  beimpft,  die  Röhren  zugeschmolzen 
und  längere  Zeit  bei  Zimmertemperatur  im  Dunkeln  sich  selbst 
überlassen.  Schon  nach  kurzer  Zeit  war  in  den  erwähnten  Glas- 
röhren Wachstum  und  lebhafte  Gasentwicklung  im  Innern  zu 
bemerken. 

Organismen  aus  den  Büchsen  Nr.  13,  18,  28  in  der  er- 
wähnten Weise  in  Bohnen  eingeimpft  waren  trotz  kräftiger  Gas- 
und  Säurebildung  nach  fünf  Monaten  noch  lebensfähig;  zur 
Neutralisation  der  gebildeten  Säure  wurden  pro  10  ccm  Brühe: 

3,57 ;  0,79 ;  3,49  ccm  j^  Na  OH  verbraucht.     Die    ursprüngUche 

Säuerung  einer  gleich  lang,  ebenfalls   eingeschmolzenen   sterilen 

Probe  betrug  für  10  ccm  0,79  ccm  ^tJ  Na  OH. 

Eine  in  gleicher  Weise,  mit  dem  aus  Büchse  10  isolierten 
Organismen    eingeimpfte,    mit    Erbsen    beschickte    Probe    zeigte 

nach  neun  Monaten  bei  einer  Säuerung  von  9,82  ccm  ^j^  Na  0  H 

pro  10  ccm  Erbseubrühe  keine  entwicklungsfähigen  Bakterien 
mehr.  Doch  liefsen  sich  solche  in  grofser  Zahl  durch  das  mikro- 
skopische Präparat  nachweisen.  Versuche  mit  den  aus  Büchse 
Nr.  1  und  14  gefundenen  Bazillen  gaben  nach  acht  resp.  fünf 
Monaten  noch  Lebensfähigkeit. 

Wohl  möglich,  dafs  ich  zu  einem  anderen  Resultate  gelangt 
wäre,  wenn  ich  die  Röhren  noch  länger  sich  selbst  überlassen 
hätte,  was  mir  aus  äufseren  Gründen  nicht  möglich  war. 

Immerhin  ist  durch  den  einen  Versuch  erwiesen,  dafs 
Bakterien  auch  in  Konserven  in  ihren  eigenen  StoflEwechsel- 
produkten  zugrunde  gehen  können  Möglich  wäre  auch,  dafs 
diejenige  Bakterien,  welche  die  Sterilisation  in  irgend  welcher 
Art  überstanden  haben,  oder  solche,  welche  nachträglich  von 
aufsen  hineingelangt  sind,  sich  erst  dann  in  den  Büchsen  nicht 


136  Studien  Qber  verdorbene  Gemüsekonserven. 

mehr  entwickeln,  wenn  die  zu  ihrem  Lebensunterhalte  nötige 
Menge  Sauerstoff  aus  der  Luft,  die  doch  immer  in  kleinen 
Mengen  in  den  Dosen  vorkommt,  aufgezelnl  ist. 

Gasdruck  bombierter  Gemüsekonserven. 

Bei  meinen  Untersuchungen  fiel  mir  öfters  der  enorme  Druck 
im  Lmem  der  Dosen  auf,  und  ich  entschlofs  mich,  denselben 
durch  einige  Messungen  festzustellen. 

Um  den  Gasdruck  in  bombierten  Büchsen  zu  bestimmen, 
wurde  an  der  betreffenden  Dose  in  der  Mitte  des  Deckels  ein 
kurzes  Messingröhrchen  aufgelötet  und  darüber  ein  dickwandiges, 
möglichst  kurzes,  enges  Gummischlauchstück  (Vakuumschlauch) 
mittels  Drahtligaturen  gut  befestigt.  In  das  Rohr,  resp.  in  den 
Schlauch  wurde  nun  ein  scharf  zugespitzter,  kurzer,  oben  mit 
einem  Knopf  versehener  Stahlnagel  hineingelegt  und  der  ganze 
Schlauch  mit  Wasser  gefüllt.  Bei  den  ersten  Versuchen  wurde 
das  Schlauchende  mit  einem  Quetschhahn  verschlossen  und 
hierauf  der  Schlauch  wenig  umgebogen  und  mit  der  Hand  fest 
auf  den  Nagelknopf  gedrückt,  so  dafs  die  Spitze  in  die  Blech- 
dose eindrang  und  derart  eine  Verbindung  mit  dem  Innern  der 
Büchse  und  dem  Schlauche  herstellte.  Zuerst  wurde  zur  Druck- 
messung ein  U-förmig  gebogenes,  langes,  mit  Quecksilber  ge- 
fülltes Glasrohr  angesetzt  und  der  Quetschhahn  geöffnet;  sodann 
konnte  durch  Bestimmung  der  Niveaudiffereuz  der  beiden  Queck- 
silberkuppen der  Gasdruck  in  mm  Hg  abgelesen  werden.  Wie 
aus  untenstehender  Tabelle  ersichtlich,  war  der  Druck  manchmal 
so  grols,  dafs  diese  Vorrichtung  nicht  zu  gebrauchen  war,  daher  ver- 
wendete ich  in  der  Folge  anstatt  des  U-Rohres  ein  Metallmano- 
meter und  stellte  die  Verbindung  des  Doseninnein  mit  dem 
Manometer  in  gleicher  Weise  her. 

In  untenstehender  Zusammenstellung  sind  die  erhaltenen 
Resultate  in  Atmosphüren-Überdruck  angegeben. 

(Siehe  die  Tabelle  auf  S.  137.) 

Wie  aus  dieser  Tabelle  ersichtlich,  ist  der  Druck  in  den  ver- 
dorbenen Konserven  manclnnal  ein  enormer,  und  es  braucht  uns 


Von  Dr.  Joseph  fielser. 


1S7 


nicht   zu  verwundern,    wenn   ein   spontanes  Platzen   der  Dosen 
vorkommt,  wobei  der  Falz  gewöhnlich  aufgesprengt  werden  soll. 


GröÜBO 
der  Büchse 

Inhalt  der  Büchse 

Druck 
in  Atmosphären 

1  Liter 

Schwarzworzeln 

0,4  Atmosphären 

1       1 

Erbsen 

0,2 

1      j 

Erbsen 

0,3 

V.     ' 
1     1 

Karotten 
Bohnen 

0,7 
2,0 

V.     ' 
1     ^ 

Erbsen 
Erbsen 

8,5 

1.9 

1         : 
1         : 

Bohnen 
Erbsen 
Erbsen 

2,0 
2,2 
2,1 

Prflfung  des  BDchssnmatsriales  auf  Dichtigkeit. 

Aus  meinen  früher  erwähnten  Untersuchungen  ist  zu  entnehmen, 
daTs  ein  grofser  Teil  der  Bombagen  auf  Undichtigkeit  der  be- 
treffenden Dosen,  die  entweder  schlecht  gefalzt  oder  nachträglich 
gehtten,  zurückzuführen  ist.  Um  den  Orund  näher  kennen  zu 
lernen,  untersuchte  ich  30  Stück  leere,  beiderseitig  verschlossene, 
neue  Dosen  verschiedener  Gröfse  ohne  Inhalt,  die  mir  in  zuvor- 
kommender Weise  von  mehreren  Fabriken  übermittelt  worden 
waren,  nach  der  früher  erwähnten  Evakuierung  mit  einer 
Wasserstrahlpumpe.  Von  diesen  30  derartig  geprüften  Büchsen 
waren  vier  Stück  an  der  Übergangsstelle  von  Lötnat  und  Falz 
undicht. 

Woher  es  kommt,  daTs  ein  so  hoher  Prozentsatz  (13^8%) 
von  Dosen  undicht  war,  kann  ich  mir  nicht  genau  erklären, 
Vielleicht  ist  es  einem  Zufall  zu  verdanken,  oder,  was  wahr- 
scheinlicher ist  und  man  mir  auch  seitens  einer  Fabrik  nach- 
trägUch  mitgeteilt  hat,  dafs  mau  namentlich  solche  Büchsen 
vom  Lager  genommen  hatte,  bei  denen  am  ehesten  eine  Mög- 
lichkeit einer  späteren  Undichtigkeit  vermutet  wurde. 

Gestützt  auf  diesen  Befund  und  namentlich  auch  darauf, 
dafs  bei  den  bombierten  Büchsen  in  sehr  vielen  Fällen  die  Ur- 
sache   des    Zerstörens    auf    Undichtigkeit    zurückzuführen    ist, 

▲rehlT  Ar  Hygiene.  Bd.  UV.  10 


138 


Stadien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 


möchte  ich  die  Frage  aufwerfen,  ob  es  vom  ökonomischen  Stand- 
punkte aus  nicht  empfehlenswert  wäre,  die  maschinellen  Ein- 
richtungen für  das  Falzen  zu  verbessern  oder,  wenn  dies  nicht 
möglich,  diese  verdächtige  Stelle  noch  nach  dem  Falzen  zu 
verlöten  ? 

Chemische  Zusammensetzung  der  Gase. 

Diese  Frage  besitzt  zwar  kein  praktisches,  wohl  aber  wissen- 
schaftliches Interesse.  Daher  entschlofs  ich  mich,  eine  Reihe 
diesbezüglicher  Untersuchungen  zu  machen. 

Dazu  wurden  mehr  oder  weniger  stark  bombierte  Büchsen 
verwendet  und  die  Gase  nach  der  Methode  von  HempeP) 
untersucht.  Schwere  Kohlenwasserstoffe  und  Methan  konnten 
niemals  gefunden  werden.  Der  durch  die  Absorption  erhaltene 
Gasrest  wurde  in  der  Explosionspipette  verbrannt  und  die  Kon- 
traktion bestimmt. 


Znsammensetziiiiir  der  Gase  in  Prozenten. 


Inhalt  der  Büchse 

CO,in«/p 

0  in  ^0 

H  in  •/. 

N  in  V. 

Bohnen  ....      stark  bombiert 

38,1 

0,4 

21,5 

40,0 

Erbsen    ....     wenig         > 

69,8 

— 

30.2 

Erbsen    ....      stark         > 

81,8 

0.1 



18,1 

Bohnen   ....     wenig         » 

86,0 

0,6 

11,4 

52,1 

Erbsen  u.  Karotten,  stark         > 

72,6 

0,7 



26,7 

Erbsen    .     .     .     schwach          > 

70.8 

0,8 



28,4 

Erbsen    .    .    .  sehr  stark         > 

21,8 

0,3 

60,3 

18,1 

Erbsen     ....    kräftig         > 

68,6 

— 

21,2 

10,2 

Erbsen     ....    mfllsig         » 

87,4 

— 

12,6 

Erbsen    .    .    .  sehr  stark         > 

77,8 

0,2 

— 

22,0 

Bohnen   ....   mäfsig         > 

82,5 

0.7 

20,0 

46,8 

Karotten      .    .    .     wenig         > 

17,2 

6,7 

ri6,o 

20,1 

Bohnen   .     .    sehr  gering         > 

34,4 

0,6 

5,0 

60,1 

Bohnen  .     .     .     schwach          > 

21,7 

0,5 

5,3 

72,5 

Gemischte  Qemüse,  wenig         > 

16,2 



60,4 

24,4 

Spinat     .    .    .     schwach         > 

12,8 

0.8 

45,1 

41,3 

1)  Treadwell,  F.  P.,  Quantitative  chemische  Analyse,  I.  Aufl.,  S.  465. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  139 

Der  Sauerstoff  dürfte  der  bei  dem  Verschlufs  der  Büchsen 
zurückgebliebeDen  Luft  entstammen,  ebenso  ein  Teil  des  Stick- 
stoffs. Der  andere  Teil  des  letzteren  aber,  sowie  die  Kohlensäure 
und  der  Wasserstoff,  sind  als  Produkte  der  Bakterientätigkeit  auf- 
zufassen, durch  welche  auch  ein  Teil  des  ursprünglichen  Luft- 
sauerstoffs verbraucht  wurde. 

Maximaltemperatur  in  den  Gemüsekonserven  während  der 

Sterilisation  in  den  Autoiclaven. 

Zu  wiederholten  Malen  war  mir  die  zum  Teil  geringe  Hitze- 
beständigkeit einzelner  Mikroorganismen,  die  ich  in  bombierten, 
als  dicht  befundenen  Gemüsekonservenbüchsen  vorgefunden 
hatte,  aufgefallen,  und  es  stieg  in  mir  die  Vermutung  auf,  dafs 
unter  Umständen  die  Temperatur  in  den  Büchsen  während  der 
Sterilisation  im  Autoklaven  nicht  so  hoch  sei,  wie  man  vermuten 
konnte.  Um  darüber  klar  zu  werden,  führte  ich  einige  dies- 
bezügliche Temperaturmessungen  aus.  (Bei  diesen  Versuchen 
möchte  ich  noch  besonders  darauf  aufmerksam  machen,  dafs  ich 
allerdings  nur  die  Temperatur  der  die  Gemüse  umgebenden 
Flüssigkeit  ermitteln  konnte.  Wie  sich  die  Verhältnisse  im 
Innern  einer  Bohnenhülse  oder  Erbse,  wo  doch  auch  Bakterien 
hineingelangen  können,  gestalten,  konnte  ich  aus  naheliegenden 
Gründen  leider  nicht  ermitteln.) 

Zu  diesem  Zwecke  wurden  eine  Reihe  kleiner,  von  90 — 110^ 
bzw.  105 — 125^  eingeteilter  Maximalthermometer  benutzt.  Die- 
selben wurden  so  klein  wie  möglich  angefertigt  und  hatten  eine 
Länge  von  5,5  cm  und  einen  Durchmesser  von  4 — 5  mm.  Alle 
Thermometer  waren  vor  dem  Gebrauche  auf  ihre  Richtigkeit 
genau  geprüft  worden. 

Bei  den  Versuchen  im  Laboratorium  wurde  in  dem  Deckel 
der  Büchse  eine  kleine  Öffnung  gemacht,  das  an  einem  Drahte 
befestigte  Thermometer  möglichst  in  die  Mitte  des  Gemüses  ge- 
steckt und  das  Ganze  wieder  zugelötet. 

Während    der  Versuche    bestimmte  ich  jedesmal   auch  die 

die  Büchsen  umgebende  Maximaltemperatur  in  dem  Autoklaven 

während  der  Konservierung;    zum    Vergleiche  wurde   auch    der 

10* 


140 


StnoMii  flbcr  TCfdoriMiM  G^nflMkonMWciL 


Druck,  resp.  die  Tempeiatnr  am  Manometer  abgelesen  und  die 
Zeit  genau  eingebalten.  In  einem  kleinen  Amoklayen  des  Labo- 
ralorimns  worden  folgene  Zahlen  ertialtea,  wenn  die  Loft  voll- 
ständig durch  ausströmenden  Dampf  Terdrftngt  wurde: 

Dauer  20  Minuten;  Temperatur  an  der  Temperaturskala 
des  Manometers  117^,  Temperatur  am  Maximalthermometer  im 

Autoklaven  121^  ^ 

L  Vttl  BQchse  Bohnen  119,6<>  Mazimaitemperatur, 

%\       >        Erbsen   1209»  > 

1  1        f        Erbsen  119,2»  > 

V)l        >        Erbsen  119,6«  > 


überraschenden  Zahlen  waren  durch  die  Kleinheit  des 
Apparates  bedingt,  da,  wie  aus  Versuchen  hervorging,  die  Aus- 
strahlung der  groÜBen  Metallmasse  zu  sehr  in  Betracht  kam. 

Bei  den  folgenden  Messungen  wurde  ein  gröCserer  Autoklav, 
System  Lautenschlfiger  (innere  Tiefe  bis  zur  Wasseroberfläche 
300  mm;  innerer  Diameter  250  mm),  mit  Manometerregulator 
versehen,  benutzt.  Auch  hier  wurde  die  Luft  möglichst  voll- 
ständig entfernt. 

IL       20  Minuten  113»  (Temperaturskala  des  Manometers). 
1  1  Büchse  Erbsen  108,5»  Maximaltemperatur, 


in. 


11 

i           ] 

109,0» 

1 

4 

11 

109,1» 

1 

Val 

>           7 

111,0» 

i 

V2I 

>           ] 

110,5» 

^ 

21 

>             : 

106,0» 

i 

Maximaltemperatur  im  Autoklaven  112,5o. 

20 

Minuten  11£ 

t»  (Manometerablesung). 

1  I  Bflchae  Rrbaen 

J 1  .^7  »  AfATiTTiftltAmpAratur. 

11 

9      gemischte 

Gemüse 

1 13,20                » 

1  1 

>      Erbsen 

113,4»                1 

► 

21 

»            9 

110,8»                1 

► 

V.1 

%           9 

116,0»                I 

> 

% 

» 

1 

115,8» 

] 

> 

Von  Dr.  Joseph  Belser.  141 

Die  maximale  Temperatur  im  Autoklaven  betrug  während  des 
Prozesses,  au  zwei  verschiedenen  Stelleu  gemessen,  überein- 
stimmend 117,5  ^ 

IV.  15  Minuten  112^  (Manometerablesung). 


1 1  Büchse  Bohnen 

108,0**  Maximaltemperatur, 

11 

>       Wachsbohnen 

109,0»                 » 

11 

>       feine  Bohnen 

107,5«                 » 

11 

»       ganz  feine  Bohnen 

106,8» 

V«i 

>       grobe  Bohnen 

111,0»                 > 

11 

»       Erbsen 

109,6»                 » 

Maximaltemperatur  im  Autoklaven  112,5^ 

Diese  auffallenden  Verschiedenheiten  lassen  sich  vielleicht 
dadurch  erklären,  dals  die  Flüssigkeit  bei  den  gröfseren,  den 
groben  Bohnen,  wie  z.  B.  den  Wachsbohnen,  besser  zirkulieren 
kann  wie  bei  den  kleineren,  wo  die  Zwischenräume  viel  enger  sind. 

V.  15  Minuten  109^  (Manometerablesung). 

I  1  Büchse  Bohnen  105,0^  Maximaltemperatur, 

II  1  >         104,0°  t 
1  1        >      Karotten  106,0 »                 > 

V2I        »      Bohnen     107,0 »  > 

Maximaltemperatur  im  Autoklaven  109,5°. 

VI.  15  Minuten  115°  (Manometerablesung). 

I  1  Büchse  Bohnen  111,0°  Maximaltemperatur. 

II  1  >  109,9° 

1  1        >       gelbe  Rüben  112,2°  > 

V2I      •>       Bohnen  113,0°  > 

Maximaltemperatur  im  Innern  des  Apparates  115,4°. 

Durch  das  freundliche  Entgegenkommen  seitens  der  Direktion 
einer  Konservenfabrik  wurde  es  mir  auch  ermöglicht,  einige 
Messungen  in  den  von  der  Fabrik  selbst  benutzten  Autoklaven 
auszuführen. 

* 

An  den  Thermometern  wurde  oben  wieder  ein  Draht  be- 
festigt und  dieser  in  der  Mitte  des  Dosendeckels  derart  angelötet. 


142  Stadien  über  verdorbene  GremüBekonserven. 

dafs  der  Draht  und  damit  das  Thermometer  beim   nachherigen 
Falzen  durch  die  Maschine  in  die  Mitte  der  Büchse  zu  hegen  kam. 
Es  wurden  hier  folgende  Versuche  und  Ablesungen  an  den 
Maximalthermometern  gemacht: 

VII.  20  Minuten  105^  (Manometerablesung). 

I  1  Büchse  Tomatenpüree  102,8  ^  Maximaltemperatur  in  der  Büchse, 

I I  >       Konfitüre         102,2 »  > 

Maximaltemperatur  im  Autoklaven  110^. 

VIII.  25  Minuten  112®  (Manometerablesung). 

1  1  Büchse  rote  Kirschen  108  o. 
Maximaltemperatur  im  Autoklaven  113^. 

IX.  20  Minuten  115^  (Manometerablesung). 

1  1  Büchse  Schwarzwurzeln  113,9^. 
Maximal temperatur  im  Apparat  120,0^. 

X.  20  Minuten  117^  (Manometerablesung). 

1  1  Büchse  Bohnen  110,0^  Maximaltemperatur, 

1  1        f        Spinat    104,00 

1  1         »         Erbsen  112,0^  > 

Maximaltemperatur  im  Autoklaven  119,0^. 

Die  Temperaturen  im  Innern  des  Autoklaven  sind  hier  bei 
obigen  Versuchen  deshalb  höher,  wie  diejenigen,  welche  den- 
selben laut  Manometerablesung  entsprechen  sollten,  weil  bei  den 
Versuchen  der  betreflEende  Arbeiter  in  der  Fabrik  meinem  Wunsche 
gemäls  den  auf  etwa  7 — 8  Atmosphären  gespannten  Dampf 
derart  einströmen  liefs,  wie  es  gewöhnlich  geschieht.  Durch 
das  zu  rasche  Einströmenlassen  des  Dampfes  wurde  das  Thermo- 
meter im  Autoklaven  für  ganz  kurze  Zeit  einer  höheren  Tem- 
peratur ausgesetzt  als  diejenige ^  bei  der  in  Wirklichkeit  die 
Sterilisation  erfolgte. 

Bei  den  folgenden  Versuchen  liefs  ich  den  Dampf  vorsichtig 
einströmen. 

XI.  20  Minuten  125^  (Manometerablesung). 

2  1  Büchse  Sauerkraut  106,5  ^ 
Maximaltemperatur  im  Autoklaven  124,5^. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  143 

XII.  30  Minuten  105^  (Manometerablesung). 

5  1  Büchse  Tomatenpüree  105,0  ^  Maximaltemperatur, 
V2I        »  »  105,5«  » 

XIII.  60  Minuten  105«  (Manometer). 

5  1  Büchse  Äpfelmark  105,0  ^ 
21         »      Erbsen         106,0«, 
1/2 1        »       Äpfelmark  105,9«. 
Maximaltemperatur  im  Apparate  106,5«. 

XIV.  20  Minuten  117«  (Manometerablesung). 

1  1  Büchse  Kirschen  111,0«  Maximaltemperatur, 
1  1        »       Spinat       104,0« 
1  1        »       Erbsen       112,0«  ^ 

1  1        »       Bohnen     109,5«  » 

Maximaltemperatur  im  Autoklaven  117,9«. 

Bemerkenswert  sind  die  Zahlen  in  X,  XI,  XIV,  welche  uns 
zeigen,  dafs  Spinat  und  Sauerkraut  schwer  zu  sterilisieren  sind. 
Das  dichte,  kompakte  Material  verhindert  offenbar  einen  raschen 
Ausgleich  der  Temperatur.  Ich  will  noch  besonders  bemerken, 
dafs  diese  Temperaturen  nur  teilweise  im  Einklang  mit  den 
sonst  von  der  Fabrik  verwendeten  stehen. 

Von  gröfster  Wichtigkeit  ist  die  Kenntnis  der  Geschwindig- 
keit, mit  welcher  die  verschiedenen  Konserven  die  umgebende 
Dampftemperatur  im  Autoklaven  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
annehmen. 

Folgende  Bestimmungen  geben  uns  hierüber  AufschluTs: 

I  1  Büchse  Erbsen  gleicher  Qualität  erreichten  105,8  «  nach  5  Min. 
11»»  »  »  »  108,2«     »    10     » 

II  »  »  »  »  »         111,9«     »    15     » 
11»!             1              1  »  113,0«     »    20    » 

Die  Temperatur,  am  Manometer  entnommen,  betrug  bei 
diesen  Versuchen  115«;  diejenige  im  Innern  des  Autoklaven  115,5«. 

1  1  Büchse  Bohnen  erreichten  104,5«  nach    5  Min., 
11»  »  »  107,5«     »       10     » 

11»  )^  »  109,0«     »       15     » 


144  Stadien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

Die  Maximaltemperatur  am  Manometer  betrug  112^;  die- 
jenige im  Innern  des  Autoklaven  bei  allen  drei  Versuchen  112,0". 

Hey  den  reich  ^)  untersuchte  diese  Frage  beim  Wasser,  indem 
er,  in  mit  demselben  gefüllte  Glaskolben  verschiedener  Gröüse 
Maximalthermometer  legte  und  das  Ganze  in  den  Dampftopf 
brachte.  Nachher  verglich  er  die  Temperatur  des  in  dem  Deckel 
des  Dampftopfes  steckenden  Thermometers  mit  demjenigen  im 
Wasserkolben.     Er  fand: 

für  1200 

(Thermometer  des  Deckels  des  Dampfkessels) 

3^/4 1  Wasser  erreichten  120®  in  wenig  mehr  als  15  Min., 

2  1         >  >  120®  in  ca.  15     » 

11»  »  120"  zwischen  5—10     » 

V2 1         »  »  120*^  in  wenig  mehr  als    2     > 

für  110« 

1  1  Wasser  erreichte  110®  zwischen  5  und  10  Min., 

V2I        »  »  110®        »  2     »       5      » 

200  ccm     »  »  110®        »  2     >       5      » 

100  ccm     »  »  110®  in  ca.        2  » 

Auch  andere^)  haben  ähnliche  Versuche  angestellt. 

Wie  aus  diesen  Zahlen  ersichtlich,  nimmt  Wasser  in  einem 
offenen  Gefässe  die  Temperatur  des  umgebenden  Dampfes  ver- 
hältnismäTsig  sehr  rasch  an,  während  es  bei  den  in  Büchsen 
liegenden  Konserven  viel  länger  geht.  Es  kommt  offenbar  das 
schlechte  Wärmeleitungsvermögen  des  Gemüses  und  der  be- 
hinderte Ausgleich  durch  Strömung  der  Flüssigkeit  in  der  Büchse 
in  Betracht. 


1)  Heydenreich,  Sterilisation  mittels  des  Dampfkochtopfes  für  bak- 
teriologische Zwecke.  Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Mikroskopie  and  f.  mikro- 
skopische Technik.  Bd.  I,  Heft  1,  1884;  zit.  nach  Th.  Christen,  Dissert., 
Bern,  1895:  Untersachungen  über  die  Dauer  des  Sterilisationsproxesses  im 
gespannten  Dampfe  bei  gegebenen  fixen  Temperataren. 

2)  Koch,  Bob.,  Gaffky,  Löffler,  Versache  über  die  Verwertbarkeit 
helTser  Wasserdämpfe  zu  Desinfektionszwecken.  Mitteilangen  aas  dem  Kais. 
Gesandheitsamte,  1881,  Bd.  I,  S.  322. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  145 

Sehr  ungünstig  gestalten  sich  die  Verhältnisse,  wenn  man 
absichtlich  Luft  in  dem  Autoklaven  läfst.  Da  auch  dieser  Faktor 
bei  der  Konservierung  eine  grofse  Rolle  spielt,  so  führte  ich 
einige  diesbezügliche  Messungen  aus.  Die  Luft  wurde  nicht  aus 
den  Apparaten  entfernt. 

20  Minuten  114^  (Manometerablesung). 

1 1  Büchse  Erbsen  103,5^  Maximaltemperatur  in  der  Büchse, 
V2I        >  »        105,5<>  »  »     »  » 

1  1        1      Bohnen  103,0 «  »  »     »  » 

V2I        »  >        104,50  »  >     »  » 

1  1        »      Spinat    101,0«  »  »     »  » 

Die  Maximaltemperatur  im  Autoklaven  betrug  in  der  Nähe 
des  Deckels  gemessen  nur  100,0  ^  wohl  wegen  der  Anwesenheit 
von  Luft. 

Der  Einflufs  der  zurückgebliebenen  Luft  geht  auch  aus 
folgendem  Versuche  hervor,  bei  welchem  im  Innern  des  Apparates 
in  verschiedene  Höhenlagen  Maximalthermometer  angebracht 
wurden. 

15  Minuten  118«  (Manometerablesung). 

Thermometer  in  der  Nähe  des  Deckels        101,0«, 
>  »      »    Mitte  des  Autoklaven  105,5«, 

»  über  der  Wasseroberfläche      117,0«. 

Die  Einbufse,  welche  die  Fabrikanten  alljährlich  durch  das 
Verderben  der  Konserven  erleiden,  sind  bei  einem  geordneten 
Betriebe  gegenwärtig  bedeutend  zurückgedrängt,  während  man 
früher,  wo  die  Arbeitsmethoden  nicht  so  genau  ausprobiert  waren, 
mit  viel  gröfseren  Verlusten  rechnen  mufste.  Es  konnte  mitunter 
vorkommen,  dafs  ein  ganzer  Satz  verdarb. 

Als  die  hauptsächlichsten  Gründe,  die  Bombagen  von  Kon- 
serven bewirken  können,  möchte  ich,  gestützt  auf  vorhergehende 
Versuche,  resümierend  folgende  anführen^): 

1.    Die    Temperaturen    im   Innern   der   Büchsen    erreichen 
gelegentlich  nicht  die  notwendige  Höhe. 

1)  Vgl.  aach  v.  Wahl,  Konserven-Zeitung,  Jahrg.  1903,  Nr.  11. 


146  Stadien  über  verdorbene  Gemüsekonserven. 

Dies  kann  vorkommen: 

a)  Wenn  zu  wenig  lang  sterilisiert  wird, 

b)  durch  das  Zurückbleiben  von  Luft,   sowohl  in  dem 
Autoklaven  als  auch  in  den  Büchsen. 

Eis  ist  daher  dringend  notwendig,  die  Luft  aus  den 
Autoklaven  bei  der  Sterilisation  vollständig  ausströmen 
zu  lassen  und  die  Dosen  möglichst  mit  Wasser  zu  füllen ; 
denn  die  Luft  erwärmt  sich  viel  langsamer  als  Wasser- 
dampf. Wenn  sich  nur  an  einer  einzelnen  Stelle  der 
Büchse  im  Innern  eine  kühlere  Luftinsel  bildet,  in  der 
sich  zufällig  vereinzelte,  auch  nicht  sehr  hitzebeständige 
Sporen  finden,  so  können  sie  den  Sterilisationsprozers 
überdauern,  um  sich  dann  nachher  auf  dem  günstigen  Nähr- 
boden zu  vermehren  und  eine  Zersetzung  herbeizuführen. 

2.  Die  Verderber  können  durch  Undichtigkeit  der  Dosen 
von  aufsen  hereindringen,  indem  die  Büchse  schlecht  ge- 
falzt wurde  oder  nachträglich  aus  irgend  einem  Grunde 
gelitten  hat.^)  Solche  Büchsen  können  dann  trotz  einer 
ursprünglich  bestehenden  Verbindung  nach  aufsen  bom- 
bieren. Eine  Ausgleichung  des  Druckes  braucht  nicht 
stattzufinden,  indem  eine  winzig  kleine  ÖfiEnung,  welche 
den  Verderbem  als  Eingangspforte  gedient  hat,  nach- 
träglich durch  den  Gummiring  im  Falz  oder  durch  ein 
kleines  Partikelchen  des  Gemüses  ventilartig  wieder  ver- 
schlossen werden  kann.  Dafür  spricht  auch,  dafs  sehr 
häufig  aus  bombierten  Büchsen  kleine  Mengen  des  Ge- 
müseinhaltes aussickern.  Auch  ist  ein  nachträglicher 
Verschlufs  durch  Zurostung  der  Büchse  denkbar. 

Eine  solche  nachträgliche  Infektion  wird  bei  undichten 
Büchsen  u.  a.  dadurch  begünstigt,  dafs  die  den  Auto- 
klaven verlassenden  Konserven  zur  Abkühlung  in  Wasser 
untergetaucht  werden,  welches  wiederholt  zu  diesem  Zwecke 


1)  Vgl.  auch  Pfuhl,  £.,  Über  die  Entstehung,  Erkennung  und  Be- 
handlung undichter  Fleischkonservenbachsen.  Zeitschr.  f.  Hygiene  u.  In- 
fektionskrankheiten, Bd.  50,  Heft  2,  19.  Mai  1905,  S.  317. 


Von  Dr.  Joseph  Belser.  147 

gebraucht  wird  und  deshalb  eine  gröfsere  Zahl  von  Bak- 
terien beherbergt.  Undichte  Dosen  können  solches  ver- 
unreinigtes Wasser  aspirieren,  wodurch  dann  ebenfalls 
eine  Bombage  zustande  kommen  kann.  Hier  wird  es 
sich  wohl  meist  um  Saprophyten  handeln,  doch  ist  die 
Infektion  mit  pathogenen  Keimen  nicht  ausgeschlossen, 
namentlich  aber  können  Toxinbildner  auch  auf  diesem 
Wege  in  die  Konserven  gelangen. 

Es  ist  hier  zu  empfehlen,  möglichst  gutes,  einwand- 
freies Brunnenwasser  zur  Abkühlung  anzuwenden  und 
dasselbe  tunlichst  häufig  zu  wechseln,  wodurch  die  Gefahr 
einer  nachträglichen  Einwanderung  von  Mikroorganismen 
irgend  welcher  Art  herabgemindert  wird. 

3.  In  vielen  Fällen  spielt  sicherlich  auch  die  grofse  Wider- 
standsfähigkeit der  Mikroben  gegen  hohe  Temperaturen 
eine  Rolle.  Allerdings  konnten  von  anderen  und  auch  von 
mir  aus  verdorbenen  Gemüsekonserven  keine  Mikroben 
isoliert  werden,  die  die  oben  angeführten  Temperaturen 
aushalten. 

Es  ist  bekannt,  dafs  Erbsen  schwieriger  zu  konser- 
vieren sind  als  Bohnen.  Obschon  man  erstere  viel  höher 
und  länger  sterilisiert,  bombiert  ein  gröCserer  Prozentsatz. 
Diese  Verschiedenheit  ist  vielleicht  in  der  chemischen 
Zusammensetzung  der  betreffenden  Gemüse  zu  suchen. 
So  ist  es  beispielsweise  nicht  unmöglich,  dals  der  stärkere 
Säuregehalt  bei  Bohnen  auch  das  Sterilisieren  erleichtert 
oder  nachträglich  wachstumshemmend  wirkt.  Aufser  der 
Säure  kommen  in  den  Gemüsen  noch  andere  Bestand- 
teile in  Betracht,  die  einen  Einfiuls  auf  Organismen 
haben  können,  so  scheinen  z.  B.  Karotten  eine  solche 
entwicklungshemmende  Substanz  zu  enthalten,  da  sie 
leicht  steril  zu  erhalten  sind. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  darauf  aufmerksam  machen, 
dafs  es,  um  Vorgängen  wie  in  Darmstadt  tunlichst  entgegen- 
zutreten, ratsam  ist,   Konservennahrung  nur  nach   nochmaligem 


148     Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven.    Von  Dr.  Joseph  Belser. 

Aufkochen  zu  geniefsen  und  alle  solche  Büchsen,  welche  beim 
OfEnen  die  geringste  Spur  einer  Zersetzung  zeigen,  unschädlich 
zu  machen  mit  Rücksicht  darauf,  daCs  die  Möglichkeit  der  An- 
wesenheit von  Toxinen  oder  pathogenen  Keimen  nicht  ausge- 
schlossen ist. 

Bombierte  Büchsen  sind  auch  noch  aus  dem  Grunde  vom 
Handel  auszuschlielsen,  weil  bei  ihnen  gewöhnlich  eine  starke 
Säuerung  auftritt  und  nach  Lehmann^)  die  durch  die  Gärung 
gebildeten  Säuren  die  Lösung  des  Zinns  erleichtem  und  so  unter 
Umständen  zu  Zinnvergiftungen  führen  können. 


1)  Lehmann,  K.  B.,  Untersnchnngen  Ober  die  hygien.  Bedentnng  des 
Zinns,  insbesondere  in  Konserven.  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  45,  Jahig.  1902 
S.  88—116.  —  Praktische  Hygiene,  8.  ii5. 


(Aus  dem  Hygienischen  Institat  der  deatsehen  tJnivendtftt  in  Prag. 

Vorstand:  Prof.  H neppe.) 


Die  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  aggressin- 

immnnen  Hfihnercholeratieren. 

Von 

Dr.  Edmund  Weil, 

Assistenten  des  Institutes. 

Ausgeführt  mit  Unterstütxnng  der  Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher 
Wissenschaft,  Kunst  und  Literatur  in  Böhmen. 

Schon  die  Erzeugung  der  aktiven  Immunität  bei  den  Er- 
regem der  von  H  u  e  p  p  e  so  benannten  hämorrhagischen  Septikämie 
stieb  auf  greise  Schwierigkeiten.  Die  Pasteursche  Methode 
mit  abgeschwächten  Kulturen  (Vaccins)  war  sehr  mangelhaft. 
Voges,  der  in  der  bakteriziden  Aera  mit  toten  Bakterien  Im- 
munität zu  erzielen  suchte,  hatte  nur  Mifserfolge.  Bessere  Re- 
sultate hatte  Kitt,  worauf  schon  in  einer  früheren  Arbeit  hin- 
gewiesen wurde.  Daselbst  konnte  auch  gezeigt  werden,  auf 
welch  einfache  und  sichere  Weise  es  gelingt,  hohe  und  dauernde 
aktive  Immunität  beim  gefährlichsten  Erreger  der  hämorrhagischen 
Septikämie,  beim  Hühnercholerabazillus,  zu  erzeugen,  wenn  man 
die  Itumunisienmg  nach  einer  Methode  vornimmt,  die  auf  der 
Grundlage  der  Bai  Ischen  Aggressintheorie  basiert,  nämlich  durch 
Behandlung  mit  aggressinhaltigem  Exsudat.  Es  sei  hier  nach- 
getragen, dals  der  Schutz,  den  die  aktive  Immunität  verleiht, 
soweit  bisher  festgestellt  werden  konnte,  auf  mindestens  3  Monate 
anhält,   indem   ein  Kaninchen,   das   vor  dieser  Zeit   die   letzte 


150    ^io  schätzenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hflhnercholeratieren. 

Exsudatinjektion  erhalten  hatte,  die  enorme  Menge   von   1  com 
virulenter  Bouillonkultur  reaktionslos  vertrug*). 

Was  die  passive  Immunität  anlangt,  mit  der  sieh  die  nach- 
folgenden Untersuchungen  hauptsächlich  beschäftigen,  so  können 
wir  sagen,  dafs  ein  sicher  schützendes  Immunserum  bei  Hübner- 
cholera bisher  überhaupt  nicht  existiert.  Voges  konnte  bei 
seinen  Tieren  nie  eine  spezifische  Eigenschaft  im  Blute  auffinden ; 
die  Schutzwirkung,  die  er  mit  dem  Blute  seiner  behandelten 
Tiere  erzielte,  verlieh  auch  das  Serum  von  normalen  Tieren; 
aufserdem  bezog  sich  der  Schutz  auf  Meerschweinchen,  die 
gegen  die  Erreger  der  hämmorrhagischen  Septikämie  natürliche 
Resistenz  besitzen.  Seine  Uutersuchungsergebnisse  fafst  er 
folgendermafsen  zusammen:  »Mithin  ist  das  einzige  positive 
Resultat  dieser  unendlichen  Bemühungen  die  Erkenntnis  von 
der  Unmöglichkeit  spezifischer  Wirkung  der  Sera  von  Tieren, 
die  wir  mit  den  Bakterien  der  hämmorrhagischen  Septikämie 
zu  immunisieren  versucht  haben.« 

Die  in  neuerer  Zeit  hergestellten  Immunsera  von  Jefs  und 
Piorkowski,  von  Niebel  und  Hoffmann,  ferner  von 
Schreiber  verliehen,  wie  die  Nachprüfungen  ergeben  haben, 
keinen  genügenden  Schutz.  Die  nach  der  Kitts  eben  Methode 
immunisierten  Tiere  liefern,  wie  der  Autor  berichtet,  ein  Serum, 
welches  in  allerdings  hohen  Dosen  Schutz  verleiht.  Ligni^res 
konnte  ein  Serum  von  sicherer  Wirksamkeit  nicht  erzeugen. 
Leclainche  und  Nocard  konnten  bei  Mäusen  und  Kaninchen 
durch  Serumbehandlung  lediglich  eine  Lebensverläugerung  er- 
zielen, wirklicher  Schutz  trat  nicht  auf.  Wir  sehen,  dafs  die 
grofsen  Schwierigkeiten,  ein  wirksames  Serum  gegen  die  Erreger 
der  Hühnercholera  zu  erzielen,  bisher  nicht  überwunden  sind. 

Die  sicheren  Resultate,  welche  die  aktive  Immunisierung 
gegen  Hühnercholera  ergeben  hatte,  liefsen  erwarten,  dafs  das  Blut 
der  mit  aggressivem  Exsudat  behandelten  Tiere  Schutz  verleihende 
Stoffe  enthalten  würde.  Konnte  schon  Bail  bei  Milzbrand  durch 
Behandlung   mit   aggressinhaltigem    Ödem  ein   Serum  erlangen. 


1)  Siehe  Wiener  klin.  Wochenschr.,  1905,  Nr.  16. 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  151 

das  die  bisher  bekannten  an  Wirksamkeit  weit  übertrifEt,  so 
mulste  gewissermafsen  die  Hühnercholera,  bei  der  wir  über  ein 
sicher  wirkendes  Immunserum  überhaupt  nicht  verfügen,  einen 
Prüfstein  abgeben  für  den  Wert  dieser  neuen  Methode. 

Es  wurden,  da  sich  behufs  Serumgewinnung  an  gröfseren 
Tieren  vorläufig  äufsere  Schwierigkeiten  in  den  Weg  stellten, 
ausschliefslich  Kaninchen  verwendet.  Sterilisiertes  Exsudat  ver- 
trugen dieselben  selbst  in  gröfsten  Mengen  reaktionslos.  Infil- 
trate, welche  auftreten,  beruhen  stets  darauf,  dals  das  Exsudat 
noch  gröfsere  Mengen  toter  Bakterien  enthält  und  lassen  sich 
mit  Sicherheit  vermeiden,  wenn  dieselben  durch  Zentrifugieren 
entfernt  sind.  Die  Behandlung  mit  Exsudat  ist  sehr  einfach, 
und  die  Immunität  wird,  wie  aus  beifolgendem  Beispiele  zu  er- 
sehen ist,  auf  folgende  Weise  hochgetrieben. 

Kanlnehen  IT. 

20.  XI.    04.  7s  ccm  sterilisiertefl  Kaninchenexsadat  subkutan      .    .  1975  g 

27.  XI.    04.  IV,  ccm          »                 »              >             2050  » 

3.  Xn.  04.  3  ccm              >                 >              >             2115  > 

14.  XII.  04.  Via  ^Be  HOhnercholerabazillen  subkutan  (zur  Prüfung 

der  Immunität) 2140  > 

6.  I.       05.  5  ccm  sterilisiertes  Exsudat  subkutan 2150  > 

19.  I.       05.  Blutentnahme  aus  der  Jugularis  externa.    (Schützt  in 

Dosen  von  1  ccm  Kaninchen.) 

4.  II.     05.  8  ccm  sterilisiertes  Exsudat  subkutan 2150  > 

10.  II.      05.  10  ccm         >  >  >  2270  > 

7.  m.    05.  15  ccm         >  >  >  2350  > 

30.  m.    05.  20  ccm         >  >  >  2550  > 

17.  IV.    05.  Blutentnahme  von  25  ccm  aus  der  Jugularis  externa 

(Schützt  Mause  in  der  Dosis  von  Vio  ccm,  Kaninchen 

V,  ccm) 2450  » 

22.  IV.    05.  30  ccm  sterilisiertes  Exsudat  subkutan 2500  > 

10.  V.     05.  40  ccm  >  >  >  2400  > 

8.  VI.    05.  Entblutet  (mit  diesem  Serum  wurden  die  letzten  Ver- 

suche angestellt) 

Alle  hier  zur  Verwendung  gelangten  Immunsera  stammten 
von  Kaninchen,  zu  deren  Immunisierung  Exsudate  verwendet 
wurden,  welche  mit  dem  Stamm  »Präge  erzeugt  waren.  Wir 
verfügen  über  drei  Stämme  von  Hühnercholerabakterien:  den 
Stamm  i Präge,  der  durch  mehr  als  100  Kaninchenpassagen  eine 


154     I^ie  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hühnercholeratieren. 

Infektion  mit  Stamm  „Teplitz". 

Maus  a  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan;  nach 
16  Stunden  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger 
als  18  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  graues,  schmieriges  Infiltrat,  im 
Aufstrich  von  demselben  massenhaft  Bazillen.  Im  Herzblut  mikrosko^iisch 
massenhaft  Bazillen. 

Maus  b.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 

Maus  c.  Vs  cc^  Immunserum  subkutan:  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonknltur  subkutan.    Lebt. 

Maus  d.  Vio  cc^  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.     Jjebt. 

Infektion  mit  Stanun  „Münohen^^ 

Maus  a   (Kontrolle).    1    ccm   normales   Kaninchenserum   subkutan;     nach 

16  Stunden  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.    Stirbt  nach  24  Stunden. 

An  der  Infektionsstelle  im  Infiltrat  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen. 

Herzblut  wimmelnd  von  Bazillen. 
Maus  b.     1    ccm  Immunserum    subkutan;     nach    16  Stunden    7io  Tropfen 

Bouillonkultnr  subkutan.     Lebt. 
Maus  c.     V,  ccm  Immunserum   subkutan;     nach   16   Stunden   Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.     Lebt 
Maus  d.    Vio  ccm  Immunserum  subkutan;    nach    16   Stunden   Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.     Lebt. 

Das  Immunserum  zu  dem  folgenden  Versuche  stammte  von 
Kaninchen  VII,  welches  durch  acht  Injekti  onen  57  ccm  Exsudat 
erhalten  hatte. 

Infektion  mit  Stamm  „Prag^S 

Maus  a  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan;  nach 
16  Stunden  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger 
als  18  Stunden.  Im  Infiltrate  an  der  Infektionsstelle  und  im  Herzblute 
mikroskopisch  massenhaft  Bazillen. 

Maus  b.  ',\  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.     I^bt. 

Mause.  Vs  ccm  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.     Lebt. 

Maus  d.  Vio  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 

Infektion  mit  Stamm  „Teplitz". 

Maus  a  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan;  nacb 
16  Stunden  ';'io  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger 
als  18  Stunden.  Im  Herzblute  und  im  Infiltrate  mikroskopisch  massen- 
haft Bazillen. 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  155 

Maas  b.    */«  ^^  Immunserum  subkutan;    nach  16  Stunden   Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.  Lebt. 
Maus  c.    Vs  ccm  Immunserum  subkutan;    nach   16   Stunden   Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.  Lebt. 
Maus  d.    Vio  ^^^  Immunserum   subkutan;   nach   16  Stunden   Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.    Lebt 

Infektion  mit  Stamm  ,3^ünchen". 

Maus   a  (Kontrolle).    1   ccm   normales   Eaninchenserom    subkutan;    nach 

16  Stunden  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.    Stirbt  nach  22  Stunden. 

Im  Herzblute  und  im  Infiltrate  an  der  Infektionsstelle  mikroskopisch 

massenhaft  Bazillen. 
Maus  b.    V«  ccm   Immunserum   subkutan;     nach   16   Stunden   Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.    Lebt 

Maus  c.     Vs  cc™  Immunserum  subkutan;     nach   16   Stunden   Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.  Lebt. 
Maus  d.  Vio  ccm  Immunserum  subkutan;    nach   16  Stunden   Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.    (An  der  Schwanzwurzel  im  Glase  eingeklemmt 

in  der  Frühe  —  nach  weniger  als  18  Stunden  —  tot  aufgefunden.    Im 

Herzblute  und  im  Infiltrate  massenhaft  Bazillen). 

Die  Immunisierung  in  dem  folgenden  Versuche  wurde  mit 
dem  Blutserum  von  Kaninchen  VI  ausgeführt,  welches  durch 
sechs  Injektionen  49  ccm  Exsudat  erhalten  hatte. 

Infektion  mit  Stamm  „Prag**. 

Maus  a  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan:  nach 
14  Stunden  7io  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger 
als  18  Stunden.  Im  Infiltrate  der  Infektionsstelle  und  im  Henblute  mikro- 
skopisch massenhaft  Bazillen. 

Maus  b.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  14  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 

Maus  c.  Vt  <^c°>  Immunserum  subkutan;  nach  14  Stunden  ^,\q  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 

Maus  d.  Vio  ^c™  Immunserum  subkutan  i  nach  14  Stunden  Vio  ^^^  Bouillon- 
kultur subkutan.    Lebt. 


r« 


Infektion  mit  Stajnm  „Teplitz^ 

Maus  a  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan;  nach 
14  Stunden  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger 
als  18  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  und  im  Herzblute  mikroskopisch 
massenhaft  Bazillen. 

Maus  b.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  14  Stunden  ^\o  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.     Lebt. 

11» 


1 56     ^i®  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Htihnercholeratieren. 

Maas  c.     Vs  ^^^  Immnnserum   sahkutan;    nach   14  Stunden   Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 
Maus  d.     ^/lo  ccm  Immunserum   subkutan;   nach  14  Stunden  Vio  Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.     Lebt. 

Infektion  mit  Stamm  „München*'. 

Maus  a  (Kontrolle)  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan;  nach 
14  Stunden  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger 
als  18  Stunden.  Im  Herzblute  und  an  der  Infektionsstelle  mikroskopisch 
massenhaft  Bazillen. 

Maus  b.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  14  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.     Lebt. 

Maus  c.  Vs  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  14  Stunden  7io  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 

Maus  d.  Vio  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  14  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.     Lebt. 

Wir  entnehmen  aus  diesen  Versuchen  in  übereinstimmender 
Weise,  dafs  alle  hier  zur  Verwendung  gelangten  Immunsera  in 
Mengen  von  ^/jq  ccm  Mäuse  schützen  gegen  eine  die  Kontroll- 
tiere in  weniger  als  24  Stunden  tötende  Bakteriendosis.  Bei 
sämtlichen  Kontrolltieren  wurde  stets  die  dem  Immunserum  ent- 
sprechende Menge  normales  Serum  gegeben,  weil  Voges  gerade 
bei  den  Bakterien  der  hämorrhagischen  Septikämie  die  Beob- 
achtung gemacht  hatte,  dals  normale  Sera  von  verschiedenen 
Tieren  Resistenzerhöhung  verursachen.  Es  darf  jedoch  nicht 
übersehen  werden,  dafs  Voges  mit  Meerschweinchen  arbeitete, 
welche  gegen  die  hämorrhagische  Septikämie  natürliche  Resistenz 
besitzen,  worauf  auch  Kitt  hinweist,  ferner  dafs  Voges  als 
Infektionsort  die  Peritonealhöhle  wählte,  wo  eine  nicht  spezifische 
künstlich  erzeugte  Resistenz  stets  am  stärksten  ausgesprochen 
ist.  Bei  unseren  Versuchen,  weder  bei  Mäusen  noch  bei  Ka- 
ninchen und  Vögeln,  wo  bei  den  Kontrolltieren  stets  normales 
Serum  injiziert  wurde,  konnte  nie  eine  Spur  jener  Resistenz- 
erhöhung beobachtet  werden,  wie  aus  diesen  und  den  folgenden 
Versuchen  ersichtlich  ist.  Vielleicht  ist  dies  darauf  zurückzu- 
führen, dafs  als  Infektionsort  die  Subcutis  gewählt  wurde,  oder 
darauf,  dafs  die  hohe  Pathogenität  der  hier  verwendeten  Stämme 
oder  das  natürlich  empfängliche  Tier  dabei  eine  Rolle  spielt. 
Das  soll  jedoch  nicht  entschieden  werden. 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  157 

Nach  der  Infektion  zeigen  die  Mäuse  kurze  Zeit  —  einen 
Tag  -  geringe  Krankheitserscheinungen,  es  tritt  auch  manch- 
mal  an  der  Infektionsstelle  eine  geringe  Infiltration  auf,  welche 
jedoch  rasch  schwindet.  Alle  hier  verwendeten  Mäuse  wurden 
mindestens  drei  Wochen  beobachtet,  damit  sicher  festgestellt 
werden  konnte,  ob  der  Schutz  nicht  vielleicht  nur  in  einer 
Lebensverlängerung  besteht.  Auch  entnimmt  mau  aus  diesen 
Versuchen,  dafs  Unterschiede  im  Sinne  einer  Polyvalenz  nicht 
bestehen,  denn  in  bezug  auf  die  drei  hier  verwendeten  Stämme 
liefs  sich  eine  solche  nicht  feststellen,  und  es  ist  auch,  wie  wir  aus 
dem  folgenden   ersehen  werden,  eine  solche  nicht  anzunehmen. 

Nun  folgen  die  Immunisierungsversuche  mit  Kaninchen, 
auf  deren  hohe  Empfänglichkeit  schon  hingewiesen  wurde.  Zu 
den  folgenden  Versuchen  wurden  ausschliefslich  junge  bis  800  g 
schwere  Kaninchen  verwendet,  welche  den  höchsten  Grad  der 
Empfindlichkeit  darstellen.  Auch  bei  diesen  Versuchen  wurde 
die  Serumbehandlung  am  Abend  vor  der  Infektion  vorgenommen. 
Serum-  und  Bakterieneinspritzung  wurde  an  verschiedenen  Körper- 
stellen ausgeführt.  Zur  Immunitätsprüfung  wurden  die  Sera  der 
vier  gennannten  Kaninchen  verwendet  und  zur  Infektion  dienten 
die  drei  zur  Verfügung  stehenden  Stämme. 

Das  zu  den  folgenden  Versuchen  verwendete  Immunserum 
stammte  von  Kaninchen  VI. 

InfeküoD  mit  Stamm  „Prag". 

Kaninchen  I.  1  ccm Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  24  Stunden  haselnufsgrofses  Infiltrat. 
Nach  1  Woche  Infiltrat  nekrotisch.  Nach  14  Tagen  Infiltrat  verschwunden. 
Lebt 

K  a  n  i  n  c  h  e  n  n.  Vs  ccm  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultor  subkutan.  Nach  24  Stunden  flaches,  talergrofses  Infiltrat. 
Nach  6  Tagen  gestorben.  An  der  Infektionsstelle  ausgedehntes,  zum 
Teil  nekrotisches  Infiltrat,  am  Rand  desselben  frisches  Ödem.  Im  Herz- 
blut mikroskopisch  vereinzelte  Bazillen. 

Infektion  mit  Stamm  „Teplitz'^ 

Kaninchen  I.  1  ccm  Immunserum  subuktan;  nach  16  Stunden  V/^g  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Schon  am  Tage  der  Infektion  deutlich  krank. 
Nach  24  Stunden  erbsengrofses  Infiltrat  Stirbt  nach  3  Tagen.  Kitrige 
Pleuritis  und  Perikarditis  (Seuche). 


158     ^^  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hühnercholeratieren. 

K  a  n  i  n  c  h  e  n  IL  7s  ccm  Immnnserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  7io  Tropfen 
ßonillonknltnr,  subkutan.  Nach  24  Stunden  erbsengrofses  Infiltrat  Nach 
1  Woche  verflachtes,  hellergroDBes,  nekrotisches  Infiltrat  Nach  14  Tagen 
Infiltrat  verschwunden.    Lebt 

Infektion  mit  Stamm  „München". 

Kaninchen  I.  1  com  Immunserum  subkutan ;  nach  16 Stunden  ^/|o  Tropfen 
Bouillonknltur  subkutan.  Nach  24  Standen  haselnufsgrofses  Infiltrat. 
Nach  8  Tage  Infiltrat  nekrotisch.  Nach  2  Wochen  Infiltrat  verschwunden. 
Lebt. 

Kaninchen  n  Vs  ccm Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  7io Tropfen 
Bouillonknltur  subkutan.  Stirbt  nach  48  Stunden.  In  der  Bauchhöhle 
dicker  Eiter,  darin  mikroskopisch  Stäbchen,  Fäden  und  Hefen.  (Wahr- 
scheinlich intraperitoneal  infiziert  und  Darm  angestochen.  An  der  In- 
fektionsstelle  subkutan  keine  Erscheinungen. 

Die  sicher  schützende  Dosis  dieses  Immunserums  beträgt 
1  com.  ^/2  ccm  Immunserum  hat,  wie  aus  Kaninchen  II  »Präge 
zu  ersehen  ist,  lediglich  eine  sechstägige  Lebensverlängerung 
zur  Folge.  Kaninchen  I  »Teplitzc  erlag  der  Kaninchenseuche 
(chronische  Hühnercholera  in  der  Form  der  Pyämie  ist  hier 
sicher  auszuschliefsen),  welche  leider  das  ganze  Jahr  unter  den 
jungen  Kaninchen  in  unseren  Ställen  wütet,  und  gerade  zu  der 
Zeit,  als  diese  Versuche  ausgeführt  wurden,  im  Rückgange  war; 
sonst  wäre  ein  Arbeiten  mit  jungen  Kaninchen,  die  lange  Zeit  be- 
obachtet werden  mulsten,  überhaupt  unausführbar  gewesen.  Kanin- 
chen II  :» München  €  ist  wahrscheinlich   ein  unglücklicher  Zufall. 

Das  Immunserum  für  die  folgenden  Versuche  lieferte  Kanin- 
chen IV. 

Infektion  mit  Stamm  „Prag**. 

Kaninchen  I.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  7io  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  2  Tagen  starken  Nasenflnfs.  Stirbt 
nach  5  Tagen.  Eitrige  Rhinitis  (Seuche).  An  der  Infektionsstelle  scharf 
begrenztes,  zum  Teil  nekrotisches  Infiltrat.  Darin  mikroskopisch  Bazillen. 
Im  Herzblut  mikroskopisch  keine  Bazillen.    Herzblut  kulturell  steril. 

Kaninchen  II.  Vs  <^cm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  7io  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  2  Tagen  erbsengrofses  Infiltrat.  Nach 
4  Tagen  Infiltrat  talergrofs,  hart.  Nach  1  Woche  Infiltrat  nekrotisch. 
Nach  14  Tagen  Infiltrat  verschwunden.    Lebt. 

Infektion  mit  Stamm  „Teplitz**. 

Kaninchen  I.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  ^I^q  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.       Nach  2  Tagen   erbsengrofses  Infiltrat    Nach 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  159 

8  Tagen  Infiltrat  nekrotisch.    Nach   2  Wochen   Infiltrat  verschwunden. 

Lebt 

K  a  n  i  n  c  h  e  n  n.  Vs  ccm  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 

Bonillonknltur  subkutan.    Nach  48  Stunden  erbsengrofses  Infiltrat.   Nach 

1  Woche  Infiltrat  nekrotisch.    Nach   14  Tagen   Infiltrat   verschwunden. 

Lebt. 

Infektion  mit  Stamm  „München**. 

Kaninchen  I.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bonillonknltur  subkutan.  Nach  2  Tagen  haselnufsgrofses  Infiltrat.  Nach 
1  Woche  Infiltrat  nekrotisch.  Nach  2  Wochen  Infiltrat  verschwunden. 
Lebt 

Kaninchen  II.  V,  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  Vio'^op^^A 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  2  Tagen  Infiltrat  haselnufsgrofs.  Nach 
1  Woche  Infiltrat  nekrotisch.  Nach  2  Wochen  Infiltrat  verschwunden.  Lebt. 

Das  Immunserum  dieses  Kaninchens  schützt  sicher  in  der 
Dosis  von  ^/g  ccm.  Kaninchen  I  »Präge  hatte  die  Infektion 
mit  Hühnercholera  vollständig  überwunden,  wie  aus  dem  sterilen 
Herzblutbefund  hervorgeht,  und  wurde  ein  Opfer  der  Kaninchen  - 
seuche.  (Eitrige  Rhinitis.) 

Für  die  folgenden  Versuche  wurde  das  Immunserum  von 
Kaninchen  VII  verwendet. 

Infektion  mit  Stamm  „Prag*^ 

Kaninchen  III.  1  ccm  Immunseruro  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  2  Tagen  walnursgroDses  Infiltrat.  Nach 
1  Woche  Infiltrat  nekrotisch.  Nach  2  Wochen  Infiltrat  verschwunden. 
Lebt. 

K  a  n  i  n  c  h  e  n  n.  Vs  ^^^  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  2  Tagen  Infiltrat  walnuTsgrofs.  Nach 
5  Tagen  Infiltrat  verfiacht,  handtellergrofs.  Nach  10  Tagen  beginnt  es 
nekrotisch  zu  werden.  Nach  14  Tagen  vollständig  nekrotisch.  Nach 
3  Wochen  verschwunden.    Lebt. 

Infektion  mit  Stamm  „Teplitz''. 

Kaninchen  I.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  5  Tagen  erbsengroftfes  Infiltrat.  Nach 
1  Woche  vollständig   nekrotisch.    Nach    14  Tagen  verschwunden.    Lebt. 

Ka  n  i  n  c  h  e  n  n.  Vs  ccm  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  2  Tagen  erbsengrofses  Infiltrat.  Nach 
1  Woche  Infiltrat  nekrotisch.     Nach  14  Tagen  verschwunden.    Lebt. 

Infektion  mit  Stamm  „München*^ 

Kaninchen  I.  1  ccm  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
BouillonkultuT  subkutan.  Nach  5  Tagen  hellergrofses,  fiaches  Infiltrat. 
Nach  8  Tagen  Infiltrat  nekrotisch.    Nach  14  Tagen  verschwunden.    Lebt. 


160     Die  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hühnereholeratieren. 

K a ni n  c h  e  n  II.  Vs  ^^^  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  ^\q  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  5  Tagen  talergrofses  Infiltrat  Nach  8  Tagen 
Infiltrat  nekrotisch.    Nach  14  Tagen  Infiltrat  verschwunden.     Lebt. 

Da  die  vorangehenden  Kaninchen  versuche  gleichzeitig  aus- 
geführt wurden,  so  ergab  sich  nur  die  Notwendigkeit,  je  ein 
Kontrolltier  für  jeden  Stamm  zu  verwenden.  Kontrolltiere  wären 
jedoch  für  solche  Versuche  vollständig  überflüssig.  Die  Infektion 
wurde  hier  mit  der  halben  Bakterienmenge  vorgenommen. 

Infektion  mit  Stamm  „Prag''. 

Kaninchen  I  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan; 
nach  16  Stunden  7>o  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach 
12  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  geringes  ödem.  Mikroskopisch  im 
Aufstrich  von  demselben  massenhaft  Bazillen.  Im  Herzblut  mikroskopisch 
massenhaft  Bazillen.    In  der  Brusthöhle  klare  Flüssigkeit. 

Infektion  mit  Stanmi  „Teplitz*'. 

Kaninchen  II  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan ; 
nach  16  Stunden  Vso  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach 
weniger  als  20  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  geringes,  blutiges  ödem, 
darin  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen.  Im  Herzblut  mikroskopisch 
wimmelnd  von  Bazillen.  In  der  Pleura-  und  Peritonealhöhle  klare 
Flüssigkeit. 

Infektion  mit  Stamm  „München'*. 

Kaninchen  III  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan ; 
nach  16  Stunden  ^'^q  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach 
weniger  als  20  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  geringe  Reaktion, 
etwas  ödem,  darin  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen.  Im  Herzblut 
mikroskopisch  massenhaft  Bazillen.    In  der  Brusthöhle  klares  Transsudat. 

Das  Immunserum  zu  dem  folgenden  Versuche  lieferte  Kanin- 
chen VIII. 

Infektion  mit  Stanmi  „Prag''. 

Kaninchen  I  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Schafserum  subkutan;  nach 
16  Stunden  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  in  weniger  als 
16  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  diffusses  ödematöses  Infiltrat.  Darin 
und  im  Herzblute  mikroskopisch  enorme   Mengen  Bazillen. 

Kaninchen  II.  1  ccm  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  ^\o  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  24  Stunden  erbsengrofses  Infiltrat.  Nach 
2  Tagen  Infiltrat  haselnufsgrofs.  Nach  5  Tagen  Infiltrat  walnufsgrofs, 
verhärtet.  Nach  14  Tagen  Infiltrat  derb,  nekrotisch,  käsigen  Eiter  ent- 
leerend.    Nach  3  Wochen  Infiltrat  verschwunden.    Lebt. 

Kaninchen  III.  ^'^  ccm  Imniunserum  subkutan:  nach  16  Stunden  V,« 
Tropfen  Bouillonkultur  Rubkutan.  Nach  24  Stunden  erbsengrofses  Infiltrat 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  161 

Nach  2  Tagen  Infiltrat  vergrOlBert,  doch  scharf  von  der  Umgebung  ab- 
gegrenzt. Nach  8  Tagen  Infiltrat  von  der  Gröfse  eines  kindlichen  Hand- 
tellers, flach,  derb.  Nach  14  Tagen  Infiltrat  nekrotisch.  Nach  3  Wochen 
Infiltrat  verschwunden.    Lebt 

Infektion  mit  Stamm  „Teplitz^^ 

Kaninchen  I  (Kontrolle)  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan ;  nach 
16  Stunden  Vio  Tropfen  Bouilloukultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger 
als  16  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  fast  keine  Reaktion.  Im  Auf- 
strich von  der  Infektionsstelle  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen,  eben' 
falls  mikroskopisch  im  Herzblute. 

Kaninchen  II.  1  ccm  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  24  Stunden  erbsengrofses,  scharf  abge- 
grenztes Infiltrat  Nach  2  Tagen  Infiltrat  hart  Nach  8  Tagen  Infiltrat 
nekrotisch.    Nach  14  Tagen  Infiltrat  verschwunden.    Lebt 

Kaninchen  IIL  Vi  ccm  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  24  Stunden  Infiltrat  walnufsgrofs.  Nach 
8  Tagen  Infiltrat  nekrotisch.  Nach  2  Wochen  Infiltrat  verschwunden.  Lebt 

Infektion  mit  Stamm  „München*^ 

Kaninchen  I  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan; 
nach  16  Stunden  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach 
20  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  diffuses  ödem.  Darin  und  im 
Herzblute  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen.  In  der  Brusthöhle  klare 
Flüssigkeit 

Kaninchen  II.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  16  Stunden  V/j«  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  24  Stunden  erbsengrofses  Infiltrat  Nach 
48  Stunden  Infiltrat  walnuDsgrofs ;  beginnt  am  oberen  Ende  sich  zu 
verhärten.  Nach  8  Tagen  Infiltrat  ganz  hart,  beginnt  nekrotisch  zu 
werden.  Nach  14  Tagen  Infiltrat  nekrotisch.  Nach  3  Wochen  Infiltrat 
verschwunden.    Lebt. 

Kaninchen  III.  Vi  ccm  Immunserum  subkutan ;  nach  16  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  24  Stunden  bohnengrofses  Infiltrat.  Nach 
8  Tagen  Infiltrat  flach,  handtellergrofs,  derb,  hart.  Nach  14  Tagen 
Infiltrat  nekrotisch.    Nach  3  Wochen  Infiltrat  verschwunden.    Lebt. 

Wir  entnebmeu  aus  diesen  Versuchsprotokollen,  dafs  die 
hier  verwendeten  Immunsera  Kaninchen  in  der  Dosis  von  ^/a  ccm 
sicher  schützen,  gegen  eine  Bakterienmenge,  welche  die  Kontroll- 
tiere in  weniger  als  20  Stunden  tötet.  Die  immunisierten  Tiere 
reagieren  auf  die  Infektion  mit  der  Ausbildung  von  Infiltraten, 
die  sich  im  Laufe  der  ersten  Tage  vergrölsern,  dann  stationär 
bleiben,  sich  verhärten  und  schliefslich  nekrotisch  werden.  So- 
lange letzterer  Umstand  nicht  eingetreten  ist,  sind  die  Tiere  noch 


162     ^i®  schützeDden  Eigenscbaften  des  Blutes  von  HQhnercholeratieren. 

in  Gefahr,  das  Leben  zu  verlieren.  (Kaninchen  IE  iPragc.  S.  157.) 
Das  nekrotische  Infiltrat  jedoch  wird  rasch  resorbiert  und  die  Tiere, 
die  manchmal  unter  dem  Einflufs  der  Infiltrate  zu  leiden  haben, 
erholen  sich  dann  rasch.  Man  mufs,  um  von  der  sicheren 
Wirkung  des  Immunserums  überzeugt  zu  sein,  die  Tiere  so  lange 
in  Beobachtung  halten,  als  das  Infiltrat  nekrotisch  zu  werden 
beginnt.  Die  Kaninchen  dieser  Versuche  wurden  mindestens 
drei  Wochen  und  länger  beobachtet. 

Von  den  drei  Bakterienstämmen  setzt  die  geringsten  Verände- 
rungen der  Stamm  iTeplitz«.  Die  Infiltrate  bei  den  immunisierten 
Tieren  erreichen  nie  eine  nennenswerte  Gröfse  und  schwinden 
rasch.  Am  stärksten  sind  die  Infiltrate  auffallenderweise  beim 
Stamm  »Präge  ausgebildet,  gegen  den  die  Tiere  immunisiert 
waren.  Auch  dieser  Umstand  spricht  gegen  die  Wirkung  des 
Immunserums  im  Sinne  einer  Polyvalenz.  Der  Stamm  > München« 
hält  betreffs  der  Erscheinungen  an  der  Infektionsstelle  die  Mitte 
zwischen  beiden.  Es  hat  doch  den  Anschein,  dafs  die  Intensität 
der  Reaktionserscheinungen  am  Infektionsorte,  d.  i.  die  Aus- 
bildung der  Infiltrate,  mit  der  Stärke  der  Aggressivität  dieser  drei 
Stämme  in  Zusammenhang  gebracht  werden  mufs.  Wir  müssen 
uns  vorstellen,  dals  die  Wirkung  eines  Hühnercholera  -  Immun- 
serums gegen  die  Vermehrungsfähigkeit  der  Bakterien,  gegen 
ihre  Aggressivität,  gerichtet  sein  mufs.  Ein  stark  wirkendes 
Immunserum  wird  die  Vermehrungsfähigkeit  der  Bakterien  stark 
hemmen,  oder  umgekehrt,  wird  jener  Bakterienstamm  die  stärkste 
Aggressivität  aufw-eisen,  welcher  sich  trotz  des  Immunserums 
noch  an  der  Infektionsstelle  zu  vermehren  vermag.  Der  Ein- 
bruch und  die  Vermehrung  im  Blute  wird  ein  sicher  wirkendes 
Immunserum  stets  zu  verhindern  imstande  sein.  Wir  sind  nun 
aus  dem  Grunde  geneigt,  dem  Stamm  »Prag«  der  infolge  seiner 
Vermehrung  am  Infektionsorte  die  Ausbildung  der  Infiltrate  be- 
dingt, die  stärkste  Aggressivität  zuzuschreiben.  Der  fortwährende 
Aufenthalt  dieses  Stammes  im  Tier  wird  wohl  als  Grund  hierfür 
angesehen  werden  müssen.  Der  Virulenz  nach,  d.  h.  was  die 
Zahl  der  einzuführenden  Keime  betrifft,  um  ein  Tier  zu  töten, 
bestehen   in  bezug  auf  diese   drei  Stämme  keine  Unterschiede. 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  163 

Alle  drei  sind  imstande,  vielleicht  in  einem  Bakterienexemplar 
ein  Kaninchen  zu  töten,  die  Differenzen  dieser  drei  Bakterien- 
stAmme  beziehen  sich  nur  auf  ihre  Aggressivität. 

Um  eine  hohe  Immunität  zu  erzeugen,  ist  es  auch  not- 
wendig, mit  einem  mögUchst  aggressiven  Stamm  die  zur  Immuni* 
sierung  verwendeten  Exsudate  zu  gewinnen;  denn  von  der  Stärke 
der  Aggressivität  wird  hauptsächlich  der  antiaggressive  Zustand 
des  Tieres  abhängen.  Exsudate,  denen  durch  Erhitzen  die 
Aggressivität  genonmien  ist,  wirken  nur  schwach  oder  gar  nicht 
immunisatorisch,  wie  wir  aus  Versuchen  von  Bail  bei  Typhus- 
bazillen wissen.  Bei  den  hämorrhagischen  Septikämieerregern  die 
Virulenz  für  Kaninchen  zu  steigern,  wird  man  kaum  nötig  haben, 
anders  ist  es  aber  mit  der  Aggressivität,  wie  man  es  besonders 
schön  bei  Schweineseuche  beobachten  kann.  Man  sieht  im 
Laufe  der  Tierpassagen  das  Exsudat  gewissermafsen  aggressiv 
werden.  Die  anfangs  dicke,  zähe,  zellreiche  Flüssigkeit  wird 
dünn,  die  Zellen  schwinden,  Bakterien  finden  sich  in  Unmengen 
vor,  Phagocytose  ist  nie  zu  beobachten.  Derartige  Exsudate 
sind  für  die  Immunisierung  die  geeignetsten. 

Ober  den  Mechanismus  der  Aggressinimmunität  läfst  sich 
vorderhand  nichts  Bestimmtes  aussagen.  In  einer  früheren  Arbeit 
über  die  aktive  Immunität  bei  Hühnercholera  konnte  durch  die 
Aggressintheorie  die  Pasteurschelmmuuisierungsmethode  damit 
erklärt  werden,  dals  durch  geeignete  Ab  Schwächungsmethoden 
(Luftzutritt)  den  Hühnercholerabazillen  ein  Teil  ihrer  Aggressivität 
genommen  wird,  so  dafs  diese  Bakterien,  in  den  Tierkörper  ge- 
langt, nicht  mehr  so  viel  Aggressin  bilden,  als  zur  schranken- 
losen Vermehrung  ausreicht.  Infolge  dieses  Defektes  ihrer  Aggres- 
sivität verhalten  sich  diese  Bakterien  wie  Halbparasiten,  die  das 
Tier  nicht  mehr  unter  allen  Umständen  töten.  Das  durch  die 
Vermehrung  im  Infiltrate  gebildete  Aggressin  reicht  jedoch  aus, 
nach  der  Resorption  das  Tier  immun  zu  machen.  Haben  wir 
nun  ein  Tier  mit  Immunserum  behandelt  und  spritzen  darnach 
virulente  Bazillen  ein,  so  entstehen  ebenfalls  durch  die  einge- 
führten Bakterien  Infiltrate,  welche  vollständig  denen  durch  die 
Pasteurschen  Vaccins    entstandenen    entsprechen.      Das    dem 


164     I^ie  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hühnercholeratieren. 

Tier  einverleibte  Immunserum  übt  im  Tierkörper  dieselbe 
Wirkung  auf  die  Bakterien  aus,  die  Pasteur  extra  corpus  durch 
Abschwächungsmethoden  erzielt  hat,  es  nimmt  den  Bakterien 
ihre  unbegrenzte  Vermehrungsfähigkeit,  ihre  Aggressivität.  Aus 
dem  Grunde  wollen  wir  dieses  Immunserum  als  antiaggressives 
bezeichnen.  Dafs  das  Immunserum  nicht  bakteriolytische  Wirkung 
entfaltet,  zeigt  schon  der  Umstand,  dafs  sich  die  Bakterien  im 
Infiltrate  der  immunen  Tiere  vermehren  und  ihre  Virulenz  un- 
geschwächt beibehalten. 

Wir  müssen  auch  in  Erwägung  ziehen,  dafs  der  Schutzwert 
von  ^2  ^'Cm  Immunserum  schon  ein  sehr  hoher  ist.  Wir  dürfen 
denselben  selbstverständlich  nicht  mit  einem  bakteriziden  oder 
antitoxischen  Serum  in  Parallele  setzen,  wo  Bruchteile  von 
tausendstel  Kubikzentimeter  Schutz  verleihen.  Denn  dabei  ist  der 
Schutz  gegen  die  einfach  tödliche  Dosis  gerichtet.  In  unserem 
Falle  ist  aber  die  einfach  tödliche  Dosis  eine  Bakterienzelle. 
Es  sei  hier  auf  eine  Äufserung  von  Sobernheim  im  Handbuch 
von  Wassermann  und  KoUe  hingewiesen,  der  von  einem 
hochwertigen  Milzbrandimmunserum  folgendes  verlangt:  »Wenn 
z.  B.  von  sechs  Kaninchen,  die  mit  steigenden  Mengen  von 
1  —  6  ccm  Serum  intravenös  behandelt  und  kurz  darauf  mit 
Viooo  Os®  virulenter  Milzbrandkultur  subkutan  geimpft  werden, 
die  Hälfte  oder  gar  mehr  mit  dem  Leben  davonkommen,  auch  die 
übrigen  später  als  die  Kontrolltiere  sterben,  so  ist  dies  ein  Re- 
sultat, wie  es  nur  von  einem  hochwertigen  Serum  zu  erwarten 
ist.«  Wir  sehen,  dafs  die  Ansprüche,  die  man  an  ein  Immun- 
serum stellt,  das  gegen  septikämische ,  intensiv  vermehrungs- 
fähige Keime  gerichtet  ist,  recht  bescheidene  sind.  Immerhin 
sind  die  Resultate,  die  man  durch  Immunisierung  mit  aggressivem 
Exsudat  bekommt,  ungleich  bessere.  So  kann  Bail  durch  eine 
einmalige  Injektion  von  ^{2  ccm  antiaggressiven  Immunserums 
jedes  Kaninchen  sicher  gegen  virulenten  Milzbrand  schützen. 
Ebenso  verleiht,  wie  aus  den  vorhergehenden  Versuchen  er- 
sichtlich, V2  ccm  Immunserum  den  Kaninchen  sicheren  Schutz 
gegen  Hühnercholerabakterien,  welche,  was  Aggressivität  anlangt, 
den  Milzbrand  sicher  überragen. 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  165 

Es  erübrigt  noch,  auf  einen  Punkt  im  Anschlufs  an  die 
Kaninchenversuche  einzugehen.  Wir  wissen,  dafs  der  übertragene 
Schutz  nur  kurze  Zeit,  zwei  Wochen  wird  im  allgemeinen  an- 
genommen, andauert,  was  wohl  auch  beim  Hühnercholera-Immun- 
serum  der  Fall  sein  wird.  Nun  bleiben  aber  die  Bakterien 
noch  sehr  lange  im  Infiltrate  lebensfähig  und  virulent.  Man 
müfste  also  denken,  dafs  theoretisch  aus  dem  Grunde  eine  passive 
Immunisierung  unmöglich  wäre,  da  zu  einer  Zeit,  wo  der  passive 
Impfschutz  schon  geschwunden  ist,  die  noch  lebenden  Bazillen 
das  Tier  töten.  Die  praktische  Erfahrung  spricht  jedoch  dagegen. 
Dieser  Umstand  wird  sich  wohl  damit  erklären  lassen,  dafs  durch 
die  Aufsaugung  der  Infiltrate,  die  beim  passiv  immunisierten 
Tiere  entstehen,  die  Tiere  nachher  aktiv  immun  werden,  wie 
durch  Impfung  mit  Pas teur sehen  Vaccins. 

Was  die  Immunisierungsversuche  mit  Vögeln  anlangt,  so 
sind  dieselben  nicht  so  günstig.  Das  Kaninchenimmunserum 
schützt  zwar  Tauben,  —  andere  Vögel  wurden  bisher  nicht 
untersucht  — ,  doch  sind  die  Resultate  nicht  so  befriedigend 
wie  die  mit  Kaninchen  und  Mäusen. 

Das  hierzu  verwendete  Immunserum  stammte  von  Kanin- 
chen VI.     Die  Infektion  wurde  mit  Stamm  »Prag«  vorgenommen. 

Taabe  I  (Kontrolle).  2  ccm  nonnales  Kaninchenserum  subkutan;  nach 
14  Stunden  V/,o  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  21  Stunden. 
An  der  Infektionsstelle  harte  Schwellung  von  gelblichweiTser  Farbe, 
auf  die  Muskulatur  übergreifend.  Im  Infiltrate  mikroskopisch  enorme 
Mengen  von  Bazillen,  keine  Zellen.  Das  Herzblut  mikroskopisch 
wimmelnd  von  Bazillen. 

Tauben.  2  ccm  Immunserum  subkutan.  Nach  14  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  48  Stunden  bohnengrofse,  harte,  begrenzte 
Infiltration.  Nach  drei  Tagen  Infiltrat  unverändert.  Nach  8  Tagen  ge- 
storben. Im  Infiltrate  zahlreiche,  im  Herzblut  mikroskopisch  spärliche 
Bazillen. 

Taube  Ul.  1  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  14  Stunden  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  48  Stunden  wie  Taube  UI.  Nach 
3  Tagen  ebenso.  Stirbt  nach  5  Tagen.  Im  Infiltrate  an  der  Infektions- 
stelle zahlreiche  Bazillen,  im  Herzblute  mikroskopisch  sehr  spärliche 
Bazillen. 

Taube  IV.  0,25  ccm  Immunserum  subkutan;  nach  14  Stunden  ^/j^  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.     Nach  48  Stunden  mehr  diffuse,  weiche,  erbsen- 


156     Die  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hühnercholeratieren. 

grofse  Infiltration.    Nach  3  Tagen  Infiltration  derb,  hart.     Nach  5  Tagen 
ebenso.    Nach  14  Tagen  Infiltrat  verschwunden.    Lebt. 

Die  individuelle   Verschiedenheit  dieser  Taube  dürfte  der  Grund  für 
das  Überleben  sein. 


In  einer  früheren  Arbeit  konnte  gezeigt  werden,  dals  die 
aktive  Immunisierung  von  Hühnern  und  Tauben  mit  Kaninehen- 
exsudat  relativ  leicht  gelingt  und  eine  vollkommene  ist.  Wenn  nun 
die  passive  Immunität  mit  Kaninchenimmunserum  bei  Tauben  teil- 
weise versagt,  so  dürfte  die  Ursache  davon  in  dem  eigentümlichen 
Verhältnis  homologer  und  heterologer  Sera  begründet  sein.  Da- 
bei darf  nicht  vergessen  werden,  dafs  die  Heterologie  in  diesen 
Versuchen  eine  zweifache  ist,  indem  einerseits  das  Kaninchen- 
immunserum eine  Tauben  fremdartige  Flüssigkeit  ist,  anderseits 
die  Kaninchen  mit  Kaninchenexsudat  also  ebenfalls  einer  Tauben 
fremden  Flüssigkeit  behandelt  wurden.  Das  dürfte  nicht  ohne 
Einflufs  sein.  Das  Aggressin  mufs  ja,  auch  wenn  es  von  ver- 
schiedenen Tieren  stammt,  im  Prinzip  dasselbe  sein,  geringe, 
vielleicht  nur  quantitative  Differenzen  lassen  sich  wohl  je  nach 
der  verwendeten  Tierart  erwarten.  Bei  Mäusen,  und  wie  wir 
auch  sehen  werden  bei  Meerschweinchen  kommen  diese  Um- 
stände weniger  in  Betracht,  vielleicht  aus  dem  Grunde,  weil  sie 
als  Nager  dem  Kaninchen  verwandte  Tiere  sind.  Mit  Sicherheit 
läfst  sich  aber  über  diese  kompUzierten  Verhältnisse  nichts  aus- 
sagen. Doch  lätst  sich  erwarten,  dafs  ein  höherwertiges  Immun- 
serum, von  geeigneten  Tieren  gewonnen,  auch  bei  Vögeln  sichere 
Resultate  erzielen  wird. 

Alle  vorhergehenden  Versuche  wurden,  wie  schon  des  öfteren 
erwähnt  und  auch  aus  den  Versuchsprotokollen  ersichtlich  ist,  derart 
ausgeführt,  dafs  das  Immunserum  mehrere  Stunden  vor  den  Bak- 
terien gegeben  wurde.  Dieser  Infektionsmodus  wurde  teils  aus 
dem  Grunde  gewählt,  weil  für  eine  praktische  Anwendung  nur 
eine  solche  Immunisierungsart  in  Betracht  kommen  konnte,  teils 
auch  deshalb,  weil  wir  es  hier  nicht  mit  einem  bakteriziden  oder 
antitoxischeu  Serum  zu  tun  haben.  Der  Schutz,  den  ^in  bak- 
terizides   Immunserum    verleiht,,    ist    sofort    gegeben,    denn    die 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  167 

gleichzeitig  eingespritzten  Keime,  die  mit  Immunkörpern  beladen 
sind,  finden  im  Tierkörper  Komplement  vor  und  werden  aufge- 
löst, und  sind,  wenn  die  durch  die  Auflösung  freiwerdende  Gift- 
menge nicht  zu  grofs  ist,  um  von  den  Leukozyten  paralysiert 
zu  werden,  dem  Organismus  unschädUch.  Vorzeitig  einverleibt, 
wirkt  das  bakterizide  Immunserum,  wie  die  Erfahrung  ergibt, 
ungleich  schwächer.  Ebenso  wirkt  das  gleichzeitig  mit  dem 
Toxin  eingespritzte  antitoxische  Immunserum  sofort,  weil  es  ja 
schon  im  Glase  das  Gift  unwirksam  macht.  Andere  Verhältnisse 
liegen  jedoch  beim  antiaggressiven  Immunserum  vor,  da  die  ein- 
geführten Keime  nicht  abgetötet  werden,  sondern  nur  ihre  inten- 
sive Vermehrung  gehemmt  wird.  Wenn  wir  also  ein  antiaggres- 
sives Immunserum  gleichzeitig  mit  den  Bazillen  einspritzen,  so 
wird  vielleicht  schon  die  Zeit,  welche  verstreicht,  bis  das  Immun- 
serum resorbiert  ist  und  in  die  Gewebssäfte  übergeht,  während 
welcher  es  noch  keinen  Schutz  verleiht,  genügen,  dafs  sich  die 
Bakterien  schon  zu  sehr  vermehrt  haben;  denn  die  Vermehrung 
der  Hühnercholerabakterien  setzt  beim  Kaninchen  im  Gegensatz 
zum  Milzbrand  sofort  ein.  Das  Immunserum  wird  also  nach  dieser 
Zeit  aufserstande  sein,  gegen  die  zu  grofse  Bakterienmenge  zu 
schützen.  Denn  jede  Immunität,  und  besonders  die  passive,  ist 
begrenzt  und  kann  gebrochen  werden.  Immerhin  mulste  bei 
einem  hochwertigen  Immunserum  dieser  Umstand  in  Wegfall 
kommen.  Aus  dem  Grunde  wurde  Kaninchen  IV  höher  im- 
munisiert, und  mit  dem  Blutserum  dieses  Tieres  wurden  die 
nachfolgenden  Versuche  an  Kaninchen   und  Mäusen  ausgeführt. 

Das  hier  verwendete  Immunserum  stammte  von  Kanin- 
chen IV  ^),  welches  inzwischen  durch  zwei  neuerliche  Injektionen 
um  70  ccm  Exsudat  mehr  bekommen  hatte. 


1)  Siehe  8.  151.  Es  sei  hier  darauf  hingewiesen,  dafs  man  mit  dem 
Karholzasatz  behafs  Sterilisiening  der  Exsudate  —  dieselbe  wurde  in  der 
früheren  Publikation  über  Hühnercholera  genau  beschrieben  —  bei  Anwen- 
dung so  grofser  Exsudatmengen  wie  30  oder  40  ccm  heruntergehen  mufs, 
damit  die  Tiere  nicht  einer  Karbolvergiftung  erliegen.  Dieser  Umstand  ist 
oft  recht  schwierig,  hängt  zum  grofsen  Teile  von  der  Zahl  der  Keime  im 
Exsudate  ab  und  lassen  sich  da  leider  genaue  Vorschriften  nicht  geben. 


168     ^i^  Bchützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hühnercholeratieren. 

Infektion  mit  Stamm  „Prag*S 

Maus  I  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan;  gleich 
darauf  V^o  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger  als 
14  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  und  im  Herzblut  mikroskopisch 
massenhaft  Bazillen. 

Maus  II.  0,75  ccm  Immunserum  subkutan ;  gleich  darauf  Vio  Tropfen  Bonillon- 
kultur  subkutan.    I^bt. 

Maus  ni.  0,25  ccm  Immunserum  subkutan;  gleich  darauf  V/j,  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 

Infektion  mit  Stanun  „Teplitz**. 
Maus  I   (Kontrolle).    1  ccm    normales    Kaninchenserum    subkutan;    gleich 

darauf   Vio  Tropfen  Bouillonkultnr  subkutan.    Stirbt  nach  20  Stunden. 

An    der    Infektionsstelle    und    im    Herzblut   mikroskopisch    massenhaft 

Bazillen. 
Maus  II.    0,75   ccm   Immunserum   subkutan;    gleich    darauf    V^«   Tropfen 

Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 
Maus  ni.    0,25   ccm   Immunserum   subkutan;    gleich    darauf    Vio   Tropfen 

Bonillonkultur  subkutan.    Lebt. 

Infektion  mit  Stanun  „München*'. 

M  a  u  8  I  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan ;  gleich 
darnach  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger  als 
14  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  und  im  Herzblut  mikroskopisch 
massenhaft  Bazillen. 

Maus  II.  0,75  ccm  Immunsernm  subkutan;  gleich  darnach  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 

Maus  UI.  0,25  ccm  Immunserum  subkutan;  gleich  darauf  Vio  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.    Lebt. 

Immunserum  von  Kaninchen  IV. 

Infektion  mit  Stanun  „Prag**. 

Kaninchen  I  (Kontrolle).  1400  g  1  ccm  normales  Kaninchenserum,  auf 
der  einen  Seite  subkutan;  gleich  darnach  auf  der  anderen  Seite  subkutan 
Vio  Tropfen  Bouillonkultur.  Stirbt  nach  weniger  als  14  Stunden.  An 
der  Infektionsstelle  geringes  ödem,  darin  mikroskopisch  massenhaft 
Bazillen,  keine  Zellen.  Im  Herzblut  mikroskopisch  wimmelnd  von  Bazillen. 
In  der  Pleurahöhle  klare  Flüssigkeit. 

Kaninchen  H.  750  g  1  ccm  Immunserum  subkutan ;  gleich  darnach  auf 
der  anderen  Seite  V^^q  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Nach  48  Stunden 
an  der  Infektionsstelle  haselnuTsgrofses  derbes  Infiltrat.  Nach  8  Tagen 
Infiltrat  nekrotisch.    Nach  2  Wochen  Infiltrat  verschwunden.    Lebt. 

Infektion  mit  Stanmi  „TepUtz'S 

Kaninchen  I  (Kontrolle).  2000  g  I  ccm  normales  Kaninchenserum,  darin 
aufgeschwemmt  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Stirbt  nach  weniger 
als  18  Stunden.    An  der  Infektionsstelle  diffuses,  blutiges,  geringes  Odem 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  169 

Darin  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen,  keine  Zellen.  Im  Herzblute 
mikroskopisch  massenhaft  Bazillen.  In  der  Pleura-  und  Peritonealhöhle 
klare  Flüssigkeit. 
Kaninchen  II.  850  g  1  ccm  Immunsernm,  darin  aufgeschwemmt  ^/j^  Tropfen 
Bouillonkultur  subkutan.  Nach  24  Stunden  erbsengrofses,  begrenztes 
Infiltrat  Nach  5  Tagen  Infiltrat  derb.  Nach  1  Woche  Infiltrat  ver- 
schwunden.   Lebt. 

Infektion  mit  Stamm  „München'^ 

Kaninchenl  (Kontrolle).  1600  g  1  ccm  normales  Kaninchenserum  subkutan ; 
gleich  darnach  auf  der  anderen  Seite  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan. 
Stirbt  nach  weniger  als  14  Stunden.  An  der  Infektionsstelle  geringes 
blutiges  Odem;  darin  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen,  keine  Zellen. 
Im  Herzblute  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen.  In  der  Pleurahöhle 
klare  Flüssigkeit. 

Kaninchen  II.  820  g  1  ccm  Immunserum  subkutan;  gleichzeitig  auf  der 
anderen  Seite  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  subkutan.  Nach  48  Stunden 
erbsengrofses,  derbes  Infiltrat,  scharf  begrenzt.  Nach  8  Tagen  Infiltrat 
nekrotisch.     Nach  14  Tagen  Infiltrat  vollständig  verschwunden.     Lebt. 

Wir  entnehmen  daraus,  dals  ein  hochwertiges  Immunserum 
auch  bei  gleichzeitiger  Einverleibung  Mäusen  und  Kaninchen 
und,  wie  wir  später  sehen  werden,  Meerschweinchen  sicheren 
Schutz  verleiht.  Auch  geht  aus  diesen  Versuchen  hervor,  dafs 
trotz  gleichzeitiger  Einverleibung  die  Reaktionserscheinungen  an 
der  Infektionsstelle  bei  Kaninchen  viel  geringere  sind,  als  in  den 
früheren  Versuchen,  wo  das  Immunserum  noch  nicht  so  hoch- 
wertig war,  und  es  läfst  sich  erwarten,  dafs,  wenn  die  Immuni- 
tät noch  höher  getrieben  wird,  die  Infektion  bei  passiver  Im- 
munität ganz  reaktionslos  verlaufen  wird. 

Die  vollkommen  sicheren  Resultate,  welche  die  vorangehen- 
den Versuche  mit  gleichzeitiger  Einverleibung  des  Immunserums 
und  der  Bazillen  ergaben,  liefsen  auch  Erfolge  erwarten,  wenn 
man  ein  schon  infiziertes  Tier  mit  Immunserum  behandelt. 
Kaninchen  I  (Kontrolle),  820  g,  erhält  V20  Tropfen  Bouillonkultur 
Stamm  »Präge  und  stirbt  nach  acht  Stunden  typisch.  Kanin- 
chen II,  760  g,  erhält  %  Tropfen  Bouillonkultur  und  nach  zwei 
Stunden  2^/2  ccm  Immunserum  von  Kaninchen  IV.  An  der  In- 
fektionsstelle bildet  sich  ein  handtellergrofses  Infiltrat  aus,  das 
sich  verhärtet,  dadurch  eine  Kontraktur  des  einen  Hinterbeines 
bedingt.     Stirbt  nach  neun  Tagen. 

Archiv  für  Hygiene.    Bd.  LIV.  12 


170     ^io  schützenden  Eigenschaften  des  Blates  von  Hühuercholeratieren. 

Der  rasche  Tod  des  KontroUtieres  ist  darauf  zurückzuführen, 
dafs  zu  diesem  Versuche  ein  der  Gröfse  des  Immuntieres  ent- 
sprechendes gewählt  wurde.  Die  Kontrolltiere  in  den  früheren 
Versuchen,  wo  der  Tod  nach  12 — 20  Stunden  erfolgte,  waren 
stets  gröfsere  Tiere ;  als  Immuntiere  wurden  auch  dort,  wie  schon 
erwähnt,  nur  kleine  Tiere  gewählt.  Beim  Inmauntier  dieses  Ver- 
suches, welches  zwei  Stunden  nach  der  Infektion,  wo  sich  die 
Bakterien  schon  sehr  stark  vermehrt  hatten,  mit  Serum  behandelt 
wurde  und  nach  neun  Tagen  starb,  erfolgte  der  Tod  nicht  durch 
die  Infektion,  denn  das  Blut  enthielt  keine  Bakterien.  Den 
Tod  hatte  die  Ausbildung  des  starken  Infiltrates  an  der  Infek- 
tionsstelle durch  Marasmus  bedingt.  Letzteres  hatte  die  hier  an- 
gewendete Immunserummenge  nicht  zu  verhindern  vermocht; 
eine  gröfsere  Dosis  wäre  auch  hier  wirkungsvoll  gewesen.  Dies 
konnte  aus  dem  Grunde  nicht  durchgeführt  werden,  weil  zu  diesem 
Versuche  der  letzte  Rest  des  Immunserums  von  Kaninchen  IV 
aufgebraucht  wurde.  Jedenfalls  spricht  schon  dieser  Versuch  für 
die  ungemein  starke  und  sichere  Wirkung  des  Immunserums. 

Hatten  schon  die  Kaninchenimmunversuche  ein  vollständiges 
Fehlen  von  bakteriziden  Eigenschaften  des  Immunserums  ergeben, 
80  war  es  doch  noch  von  Interesse;  die  Vorgänge  in  der  Bauch- 
höhle von  passiv  immunisierten  Meerschweinchen  zu  verfolgen, 
um  auch  dabei  zu  beobachten,  welche  Rolle  die  Leukozyten 
spielen.  Betreffs  derselben  konnten  auch  im  immunen  Kaninchen 
nie  phagozytierende  Eigenschaften  beobachtet  werden;  im  Infil- 
trate der  immunen  Tiere  finden  sich  zwar  massenhaft  Leukozyten, 
aber  keine  Phagozytose,  und  selbst  wenn  das  Infiltrat  nekrotisch 
wird,  finden  sich  neben  Leukozytentrümmem  noch  immer  freie 
Bazillen.  Voges,  der  intraperitoneale  Meerschweinchenversuche 
mit  Schweineseuchebakterien  anstellte,  fand  bei  resistenten  Tieren, 
welche  die  Infektion  überstanden,  nie  Bakteriolyse,  auch  eine 
Tätigkeit  der  Leukozyten  als  Phagozyten  konnte  er  nicht  kon- 
statieren. Die  eingespritzten  Keime  wurden  immer  spärlicher, 
und  die  Bauchhöhle  war  gewöhnlich  nach  48 — 72  Stunden  steril. 
Bei  diesen  Versuchen  hatte  Voges  auch  die  Beobachtung  ge- 
macht, dafs  auf  gleiche  Weise  das  normale  Serum  von  verschie- 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  171 

denen  Tieren,  wie  das  Blutserum  von  Tieren,  die  mit  den 
Schweineseuchebakterien  vorbehandelt  waren,  den  Meerschwein- 
chen gegen  eine  intraperitoneale  Infektion  Schutz  verleiht,  wenn 
er  das  Serum  24  Stunden  vor  der  Infektion  einspritzt.  Auf 
gleiche  Weise  aber  blieb  sowohl  normales  Serum  als  auch  Serum 
von  behandelten  Tieren,  bei  gleichzeitiger  Einführung  oder  wenige 
Stunden  vor  der  Infektion  eingeführt,  wirkungslos.  Wir  konnten 
schon  mehrfach  darauf  hinweisen,  dafs  wir  bei  Mäusen,  Kanin- 
chen und  Tauben  bei  subkutaner  Infektion  mit  Hühnercholera- 
bakterien nie  eine  Spur  jener  Resistenz  beobachten  konnten; 
denn  die  Kontrolltiere,  die  stets  die  dem  Immunserum  entspre- 
chende Menge  normalen  Serums  bekommen,  zeigten  nie  eine  da- 
durch bewirkte  Lebensverlängerung  oder  atypischen  Befund. 
Voges  verlangt  von  der  spez.  Wirkung  eines  Immunserums, 
dafs  es,  gleichzeitig  mit  den  Bakterien  eingespritzt,  Schutz  ver- 
leiht. Es  werden  auch  beim  Meerschweinchen  in  bezug  auf  dij 
gleichzeitige  und  vorzeitige  Immunserumgabe  dieselben  Umstände 
in  Betracht  zu  ziehen  sein  wie  beim  Kaninchen.  Immerhin 
wurden  die  nachfolgenden  Versuche  mit  Meerschweinchen,  da 
wir  über  ein  ziemlich  hochwertiges  Immunserum  verfügten,  der- 
art angestellt,  dafs  Immunserum  und  Bazillen  gleichzeitig  intra- 
peritoneal eingespritzt  wurden. 

Das  Immunserum  zu  diesen  Versuchen  stammte  von  Kanin- 
chen  IV,    welches    auch    zu    den    letzten  Versuchen    verwendet 

wurde. 

Infektion  mit  Stamm  „Prag". 

Meerschweinchen  I  (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  intra- 
peritoneal; gleich  darnach  Vio  <^cm  Bouillon kultur  intraperitoneal. 

Nach  1  Stunde:  Vereinzelte  Bazillen,  vereinzelte  Leukozyten,  keine 
Phagozytose. 

Nach  2  Stunden:  Deutliche  Vermehrung  der  Bazillen,  zahlreiche  Leuko- 
zyten, keine  Phagozytose. 

Nach  6  Stunden :  Massenhaft  Bazillen,  spärliche  Leukozyten,  keine 
Phagozytose. 

Nach  7  Stunden :  Enorme  Mengen  von  Bazillen,  wenige  Leukozyten,  keine 
Phagozytose  (schwer  krank). 

Stirbt  nach  9  Stunden.  In  der  Bauchhöhle  2  ccm  dicken  trüben  Exsudates, 
darin  mikroskopisch  enorme  Mengen  von  Bazillen,  wenige  Zellen,  keine 
Phagozytose,  keine  Auflagerungen.  Im  Herzblute  mikroskopisch  Bazillen. 

r2» 


172     ^^0  schützenden  Eigenschaften  des  Blates  von  Hühnercholeratieren. 

Meerschweinchen  n.    Iccm  Immanserum  intraperitoneal ;  gleich  darauf 

Vio  ccm  Bouillonkaltur  intraperitoneal. 
Nach    1    Stunde:    Vereinzelte    Bazillen,    spärliche    Leukozjrten,    keine 

Phagozytose. 
Nach   2   Stunden:    Vereinzelte   Bazillen,   zahlreiche    Leukozyten,    keine 

Phagozytose. 
Nach    6   Stunden:    Spftrliche    Bazillen,    zahlreiche    Leukozyten,    keine 

Phagozytose. 
Nach  7  Stunden :  Spärliche  Bazillen,  sehr  zahlreiche  Leukozyten,  keine 

Phagozytose. 
Nach  9   Stunden:    Beginnende    Vermehrung    der    Bazillen,    massenhaft 

Leukozyten,  keine  Phagozytose. 
Nach  24  Stunden :  Massenhaft  Bazillen,  reiner  Eiter  (grofse  polynukleäre 

Leukozyten  und  Makrophagen),  keine  Phagozytose.    Tier  vollkommen 

munter. 
Nach   48  Stunden:   Noch    ungemein   zahlreiche   Bazillen,   dicker   Eiter, 

Phagozytose  nicht  sicher.    Tier  vollkommen  munter. 
Nach  72  Stunden :  Weniger  Bazillen,  zum  Teil  schlecht  gefärbt,  zum  Teil 

in  feine  Fädchen  oder  in  Kömchen  zerfallen,  zahlreiche  Leukozyten, 

Phagozytose  nicht  sicher. 
Nach  96  Stunden:    Vereinzelte   Bazillen,   zahlreiche  Leukozyten,   keine 

Phagozytose.    Lebt. 


Infektion  mit  Stamm  „Teplitz'*. 

Meerschweinchenl (Kontrolle).  1  ccm  normales  Kaninchenserum  intra- 
peritoneal; gleich  darnach  7io  ^^^  Bouillonkultur  intraperitoneal. 

Nach  1  Stunde:  Vereinzelte  Bazillen,  spärliche  Leukozyten,  keine 
Phagozytose. 

Nach  2  Stunden:  Vereinzelte  Bazillen,  zahlreiche  Leukozyten,  keine 
Phagozytose. 

Nach  5  .Stunden :  Sehr  zahlreiche  Bazillen,  wenige  Leukozyten,  keine 
Phagozytose. 

Nach  6  Stunden:  Massenhaft  Bazillen,  spärliche  Leukozyten,  keine 
Phagozytose  (schwer  krank). 

Nach  7  Stunden:  Enorme  Mengen  von  Bazillen,  einzelne  Leukozyten, 
keine  Phagozytose. 

Nach  9  Stunden  sterbend.  Stirbt  in  der  Nacht  In  der  Bauchhöhle 
dicktrübes  Exsudat,  darin  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen,  wenige 
Zellen,  keine  Phagozytose.  Peritoneum  des  Darmes  intensiv  gerötet 
(akute  Peritonitis).  Im  Herzblut  mikroskopisch  zahlreiche  Bazillen.  In 
der  Brusthöhle  klare  Flüssigkeit. 

Meerschweinchen  U,  255  g.     Iccm  Immunserum  intraperitoneal;  gleich 
darauf  7s  cc^^  Bouillonkultur  intraperitoneal. 
Nach   1   Stunde:    Vereinzelte    Bazillen,    spärliche    Leukozyten,    keine 
Phagozytose. 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  173 

Nach  2  Stunden:    Vereinzelte   Bazillen,    zahlreiche    Leukozyten,    keine 

Phagozytose. 
Nach  5  Stunden:  Einzelne  Bazillen,  sehr  zahlreiche  Leukozyten,  keine 

Phagozytose. 
Nach    6  Stunden:    Einzelne   Bazillen,    massenhaft    Leukozyten,    keine 

Phagozytose. 
Nach  7  Stunden :  Hie  und  da  ein  Bazillus,  reiner  Eiter,  keine  Phagozytose. 
Nach  24   Stunden:    Massenhaft   Bazillen,    reiner,    dicker    Eiter,    keine 

Phagozytose,  Tier  vollkommen  munter. 
Nach  48  Stunden:  Kapillarentnahme  wahrscheinlich  wegen  des  dicken 

Eiters  unmöglich.    Lebt. 

Infektion  mit  Stamm  „München'^ 

Meerschweinchen  I  (Kontrolle).    1  ccm  normales  Kaninchenserum  intra- 
peritoneal;  gleich  darnach  Vio  Tropfen  Bouillonkultur  intraperitoneal. 

Nach    1   Stunde:     Vereinzelte    Bazillen,    spärliche    Leukozyten,     keine 
Phagoz3rtose. 

Nach    2    Stunden:     Spärliche    Bazillen,    zahlreiche    Leukozyten,    keine 
Phagozytose. 

Nach  5  Stunden:  Sehr  zahlreiche  Bazillen,  spärliche  Leukozyten,  keine 
Phagozytose  (schwer  krank). 

Nach    6    Stunden:     Massenhaft    Bazillen,    wenige    Leukozyten,    keine 
Ptiagoz3rtose. 

Nach   7   Stunden:    Massenhaft    Bazillen,    spärliche   Leukozyten,    keine 
Phagozytose. 

Nach  9  Stunden  sterbend.  Stirbt  in  der  Nacht.  In  der  Bauchhöhle 
leicht  blutiges,  dicktrObes  Exsudat,  darin  mikroskopisch  enorme  Mengen 
von  Bazillen,  wenige  Zellen,  keine  Phagozytose.  Ungemein  starke 
Rötung  des  Darmperitoneums  und  Blutung  ins  Netz  (akute  Peritonitis). 
Im  Herzblut  mikroskopisch  zahlreiche  Bazillen. 
Meerschweinchen  II.  290  g.  1  ccm  Immuuserum  intraperitoneal;  gleich 
darauf  Vio  ^^^  Bouillonkultur  intraperitoneal. 

Nach   1   Stunde:     Vereinzelte    Bazillen,    spärliche    I^ukozyten,    keine 
Phagozytose. 

Nach  2  Stunden:  Vereinzelte    Bazillen,    zahlreiche    Leukozyten,    keine 
Phagozytose. 

Nach  5  Stunden:  Einzelne  Bazillen,  sehr  zahlreiche  Leukozyten,   keine 
Phagozytose. 

Nach  6  Stunden:  Hie  und  da  ein  Bazillus,  massenhaft  Leukozyten,  keine 
Phagozytose. 

Nach  7  Stunden:  Einzelne  Bazillen,  reiner  Eiter,  keine  Phagozytose. 

Nach  24  Stunden:  Spärliche  Bazillen,  dicker  Eiter,  keine  Phagozytose. 

Nach  48  Stunden :  Spärliche  Bazillen,  dicker  Eiter,  keine  Phagozytose.  Lebt. 

In  dem  folgenden  Versuche  wurde  das  Immuntier  mit  einer 
gröfseren  Menge  Bazillen  infiziert;  Immunserum  von  Kaninchen  IV. 
Infektion  mit  Stamm  » München  c. 


174     ^0  schOtzeuden  Eigenschaften  des  Blates  von  Hühnercholeratieren. 

Meerschweinchen  I  (Kontrolle).  1  ccrn  normales  Kaninchenserum  intra- 
peritoneal; gleich  darauf  Vio  ccm  Boaillonkaltur  intraperitoneal. 

Nach  1  Stunde:  Spärliche  Bazillen,  zahlreiche  Leukozyten,  keine 
Phagozytose. 

Nach  3  Stunden:  Ziemlich  zahlreiche  Bazillen,  zahlreiche  Leukozyten, 
keine  Phagozytose. 

Nach  6  Stunden:  Massenhaft  Bazillen.  Spärliche  Leukozyten,  keine 
Phagozytose.   (Tier  schwer  krank.) 

Nach  8  Stunden:  Massenhaft  Bazillen.  Vereinzelte  Leukozyten,  keine 
Phagozytose. 

Stirbt  nach  9^-,  Stunden.  In  der  Bauchhöhle  dicktrQbes  Exsudat,  darin 
spärliche  Zellen,  keine  Phagozjrtose,  massenhaft  Bazillen.  Im  Herz- 
blut mikroskopisch  Bazillen. 

Meerschweinchen  U.    1  ccm  Immunserum  intraperitoneal ;  gleich  darauf 

Vi  ccm  Bouillonkultur  intraperitoneal. 
Nach  1  Stunde :  Ziemlich  zahlreiche  Bazillen,  spärliche  Leukozyten,  keine 

Phagozytose. 
Nach  3  Stunden :  Ziemlich  zahlreiche  Bazillen,  sehr  zahlreiche  Leukozyten, 

keine  Phagozytose. 
Nach  6  Stunden:   Spärliche  Bazillen,  sehr  zahlreiche  Leukoz3rten,  keine 

Phagozytose. 
Nach  8  Stunden:   Spärliche  Bazillen,  sehr  zahlreiche  Leukozyten,  keine 

Phagozytose. 
Nach  10  Stunden:  Spärliche  Bazillen,  Eiter,  keine  Phagozytose. 
Nach  24  Stunden:  Vereinzelte  Bazillen,  dicker  Eiter,  keine  Phagozytose. 

Lebt. 

Die  Vorgänge  in  der  Bauchhöhle  spielen  sich  folgender- 
mafsen  ab.  In  den  ersten  zwei  Stunden  treten  zwischen  Kou- 
troll-  und  Immuntier  keine  Differenzen  auf.  Das  der  Bauch- 
höhle entnommene  Exsudat  weist  in  jedem  Gesichtsfeld  verein- 
zelte Keime  —  die  eingespritzten  Bazillen  —  auf  und  ziemlich 
zahlreiche  Leukozyten.  Letztere  sind  durch  den  Reiz,  welchen 
die  injizierte  Flüssigkeit  gesetzt  hat,  herbeigelockt,  da  nach 
dieser  Zeit  eine  wesentUche  Vermehrung  der  Bazillen  und  eine 
Beeinflussung  der  Leukozyten  (beim  Kontrolltier)  durch  dieselben 
noch  nicht  stattgefunden  hat.  Anders  gestaltet  sich  das  Bild 
nach  5  Stunden.  Beim  Kontrolltiere  merkt  man  nach  dieser 
Zeit  schon  eine  starke  Vermehrung  der  Bazillen,  während  die 
Leukozylenzahl  abnimmt,  beim  Immuntiere  hingegen  ist  die  Zahl 
der  Bazillen  nicht  vermehrt,  wohingegen  massenhaft  Leukozyten 
auftreten.     Phagozytose    konnte    weder    beim    Kontrolltier    noch 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  175 

beim  Immuntier  mit  Sicherheit  beobachtet  werden.  In  den 
folgenden  Stunden  spielen  sich  beim  Immuntier  und  Kontrolltier 
die  entgegengesetzten  Vorgänge  ab.  Während  bei  ersterem  die 
Zahl  der  Bazillen  sich  nicht  vermehrt  und  die  Leukozytenzahl 
ungemein  reichlich  bis  zur  dicken  Eiterbildung  zunimmt,  ver- 
ringern sich  bei  letzterem  die  Leukozyten,  die  Zahl  der  Bazillen 
hingegen  wächst  rapide  bis  zum  Tode  des  Tieres,  welcher  stets 
unter  starker  Abnahme  der  Temperatur  erfolgt. 

Auffallend  und  überraschend  ist  der  Befund  bei  den  Immun- 
tieren nach  24  Stunden.  Man  findet  nach  dieser  Zeit  eine 
starke,  fast  erschreckende  Vermehrung  der  Bazillen,  so  dafs  man 
nach  dem  Bauchhöhlenbefund  um  das  Leben  des  Tieres  fürchtet. 
In  unserem  Versuche  tritt  dies  besonders  beim  Stamm  »Präge 
und  iTeplitzc  hervor.  Die  Vermehrung  der  Bazillen  im  Immun- 
tiere ist  eine  so  intensive  wie  beim  Kontrolltiere  etwa  zwei 
Stunden  vor  dem  Tode,  dabei  befinden  sich  die  Tiere  voll- 
kommen munter  und  zeigen  nicht  die  geringsten  Krankheits- 
erscheinungen. Neben  den  massenhaften  Bazillen  finden  sich 
aber  grofse  Mengen  von  Leukozyten,  —  dicker  Eiter,  —  welche 
wohl  zum  gröfsten  Teile  die  Unschädlichkeit  der  Bakterien  be- 
wirken. Auffallenderweise  konnte  Phagozytose  nie  mit  Sicher- 
heit beobachtet  werden.  Wir  haben  also  bei  der  intraperitonealen 
Infektion  passiv  immuner  Meerschweinchen  in  der  Bauchhöhle  die- 
selben Vorgänge  wie  in  der  Subkutis  subkutan  infizierter  passiv  im- 
muner Kaninchen,  wo  sich  ebenfalls  die  Bakterien  im  Infiltrate  ver- 
mehren und  durch  Anlockung  der  Leukozyten  die  Infiltrate 
bilden.  Allerdings  können  wir  uns  vorstellen,  dafs  die  in  der 
Subkutis  angesammelten  Leukozyten  eher  einen  für  die  Bakterien 
schwer  zu  durchdringenden  Wall  abgeben,  so  dafs  eine  Durch- 
wachsung des  Körpers  unterbleibt,  als  in  der  freien  Bauchhöhle. 
Es  scheint  aber  auch  hier  den  Leukozyten,  wenn  auch  nicht 
als  Frefszellen,  eine  grofse  Bedeutung  zuzukommen.  Es  konnten 
nämlich  Bail  bei  Cholera  und  Kikuchi  bei  Dysentrie  den  Nach- 
weis erbringen,  dafs  das  Aggressin  unter  Leukozyteneinflufs  ge- 
schädigt  wird.  Ahnliche  Verhältnisse  könnten  auch  hier  vor- 
liegen,  indem   die  in   grofser  Menge  angesammelten  Leukozyten 


176     ^io  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hühnercholeratieren. 

die  Bakterien  ihrer  Aggressivität  beraubten,  demnach  die  inten- 
sive Durchwucherung  des  Körpers  ausbleibt,  und  selbst  eine 
Vermehrung  in  oer  Bauchhöhle  von  so  gefährlichen  Parasiten, 
denen  ihre  Aggressivität  genommen,  unschädlich  ist.  Wie  weit 
Entgiftungsverhältnisse  dabei  in  Betracht  kommen,  soll,  da 
wir  von  dem  Toxin  und  Eudotoxin  gerade  der  echten  Parasiten 
so  wenig  Sicheres  wissen,  unentschieden  bleiben.  Die  hinter- 
herige Vermehrung  tritt  jedoch,  wie  schon  Stamm  »Münchenc 
zeigt,  nicht  konstant  auf,  der  Grund  hierfür  wurde  nicht  ermittelt. 
Eine  analoge  Beobachtung  bei  Milzbrand  machte  Sobernheim, 
welcher  das  Blut  von  immunen  Tieren  voll  von  Milzbrand- 
bazillen fand.  Dals  auch  dieser  Befund  nicht  konstant  ist, 
zeigen  Versuche  von  Bail,  der  zwar  ebenfalls  noch  nach  Tagen 
bei  milzbrandimmunen  Tieren  die  Bazillen  lebend  im  Blut  und 
in  den  Organen  nachweisen  konnte,  aber  nur  in  geringer  Zahl. 
Die  nun  folgenden  Versuche  zeigen,  dafs  die  hinterherige 
Vermehrung  der  Bakterien  in  der  Bauchhöhle  auch  bei  aktiver 
Immunität  und  auch  bei  einem  anderen  Vertreter  aus  der  Gruppe 
der  Hüpp eschen  hämorrhagischen  Septikämie,  dem  Schweine- 
seuchebakterium,  auftritt.  Zur  Immunisierung  dieser  Meer- 
schweinchen wurde  ebenfalls  das  sterilisierte,  von  den  Bakterien 
befreite  Brusthöhlenexsudat  intrapleural  mit  Schweineseuche- 
bakterien  infizierter  Kaninchen  verwendet.  Zur  Infektion  wurde 
ein  frisch  aus  der  Lunge  eines  Schweines  gezüchteter  Stamm 
verwendet. 

Meerschweinchen  I.    240  g. 

Vi  com  sterilisiertes  Schweineseacheexsudat  subkutan. 

Nach  6  Tagen  1  ccm  sterilisiertes  Schweineseucbeexsudat  subkutan. 

Nach  5  Tagen:   IVa  ccm   sterilisiertes  Schweineseucheezsudat  subkutan. 

Nach  14  Tagen  mit  Vi  <^cm  Bouillonkultur  von  Schweineseuche  intra- 
peritoneal infiziert. 

Nach  1  Stunde:  Spärliche  Bazillen,  wenige  Leukozyten. 

Nach  2  Stunden :  Spärliche  Bazillen,  wenige  Leukozyten. 

Nach  5  Stunden :  Deutliche,  jedoch  nicht  starke  Vermehrung  der  Bazillen, 
sehr  zahlreiche  Leukozyten. 

Nach  24  Stunden :  Sehr  starke  Vermehrung  der  Bazillen,  sehr  zahlreiche 
I^ukozyten,  Phagojj-tose  nicht  sicher.     (Tier  munter.) 

Nach  48  Stunden :  Weniger  Bazillen,  zahlreiche  Leukozyten.  Lebt  und 
wurde  weiter  immunisiert. 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  177 

Meerschweinchen  11.   860  g.    (Kontrolle.) 

7s  com  Bonillonknltur  von  Schweineseuche  intraperitoneal. 

Nach  1  Stunde:  Spärliche  Bazillen,  wenige  Leukozyten. 

Nach  2  Stunden:  Wenige  Bazillen,  wenige  Leukozyten. 

Nach  5  Stunden:   ungemein  starke   Vermehrung  der  Bazillen,   wenige 

Leukozyten. 
Stirbt  nach  20   Stunden.    In    der   Bauchhöhle    1  ccm   Exsudat,    darin 

mikroskopisch   enorme   Mengen   von   Bazillen,   keine   Zellen.     Keine 

Auflagerungen.     In  der  Brusthöhle   1  ccm    bazillenreiches    Exsudat. 

Im  Herzblut  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen. 

Meerschweinchen  UI.    250  g. 

Vi  ccm  sterilisiertes  Schweineseucheexsudat  subkutan. 

Nach  6  Tagen:  1  ccm  sterilisiertes  Schweineseucheexsudat  subkutan. 

Nach  6  Tagen  1'',  ccm  sterilisiertes  Schweineseucheexsudat  subkutan. 

Nach  15  Tagen :  Vio  ^<^^  Exsudat  des  Kontrolltieres  des  vorigen  Versuches 
intraperitoneal. 

Nach  1  Stunde:  Spärliche  Bazillen,  vereinzelte  Zellen. 

Nach  2  Stunden:  Spärliche  Bazillen,  vereinzelte  Zellen. 

Nach  5  Stunden :  Spärliche  Bazillen,  zahlreiche  Leukozyten,  Phagozytose 
nicht  sicher. 

Nach  24  Stunden:  Zahlreiche  Bazillen,  zahlreiche  Leukozyten  (Tier 
munter). 

Nach  48  Stunden :  Abnahme  der  Bazillen,  jedoch  immer  noch  sehr  zahl- 
reich, zahlreiche  L.eukozyten.     Wurde  weiterimmunisiert. 

Meerschweinchen  IT.    (Kontrolle.)    280  gr 

Intraperitoneal  infiziert  mit  Vio  ^cm  Exsudat  wie  Meerschweinchen  IIL 

Nach  1  Stunde:  Spärliche  Bazillen,  vereinzelte  Zellen. 

Nach  2  Stunden:  Spärliche  Bazillen,  vereinzelte  Zellen. 

Nach  5  Stunden:   Starke  Vermehrung  der  Bazillen,  wenige  Leukozyten. 

Stirbt  nach  weniger  als  18  Stunden.  Subkutanes  Odem,  darin  mikro- 
skopisch 0.  In  der  Bauchhöhle  trübes  Exsudat,  mikroskopisch 
wimmelnd  von  Bazillen,  sehr  spärliche  Zellen.  Keine  Auflagerungen 
auf  Leber  und  Netz.  Darmperitoneum  intensiv  gerötet.  In  der  Brust- 
höhle trübes  Exsudat,  darin  mikroskopisch  zahlreiche  Bazillen.  Im 
Herzblut  mikroskopisch  massenhaft  Bazillen. 

Jedenfalls  zeigen  diese  Versuche  infolge  der  Erscheinung 
der  nachträglichen  Vermehrung  iu  der  Bauchhöhle,  dafs  weder 
die  Wirkung  des  Hühnercholera-Immunserums,  noch  das  Wesen 
der  aktiven  Aggressinimmunität  gegen  Schweineseuchebakterien 
auf  bakteriolytische  Eigenschaften  zurückzuführen  ist.  Bakterizide 
Reagenzglasversuche  anzustellen,  erschien  angesichts  der  Tier- 
versuche   überflüssig.      Was    die    agglutinierende    Wirkung    des 


178     ^1®  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hflhnercholeratieren. 

Immunserums  betrifft,  so  zeigt  dieselbe,  wie  aus  der  folgenden 
Tabelle  ersichtlich  ist,  einen  fast  negativen  Befund.  Wir  wissen 
ja,  dafs  die  Bedeutung  der  Agglutination  für  die  Immunität  eine 
sehr  problematische  ist. 

Immonsenim  Ton  Kaninehen  IT. 


Serum- 

Nach  1  Stunde 

Nach  24  Stunden 

verdünnung 

bei  60° 

bei  Zimmertemperatur 

1:10 

negativ 

etwas  Bodensatz,  überstehende 
Flüssigkeit  trüb 

1:50 

negativ 

negativ 

1:100 

negativ 

negativ 

1:1000 

negativ 

negativ 

Meerschweinchen  800  g.  Intraperitoneal  infiziert  mit  Vs  ccm  Bauch- 
höhlenezsudates  eines  passiv  immunisierten  und  infizierten  Meer- 
schweinchens ^). 

Nach  1  Stunde:  Zahlreiche  Zellen,  keine  Bazillen. 

Nach  2  Stunden:  Zahlreiche  Zellen,  keine  Bazillen. 

Nach  8  Stunden:  Massenhaft  Leukozyten,  keine  Bazillen. 

Nach  24  Stunden:  Zahlreiche  Bazillen,  spärliche  Leukozyten,  keine 
Phagozytose.     (Tier  krank.) 

Nach  25  Stunden:  Massenhaft  Bazillen,  spärliche  Leukozyten,  keine 
Phagozytose. 

Nach  27  Stunden:  Enorme  Mengen  von  Bazillen,  wenige  Leukozyten, 
keine  Phagozytose. 

Stirbt  nach  30  Stunden.  In  der  Bauchhöhle  trübes  Exsudat,  darin 
mikroskopisch  enorme  Mengen  von  Bazillen,  wenige  Zellen,  keine 
Phagozytose.  Nirgends  Auflagerungen.  In  der  Brusthöhle  klare 
Flüssigkeit    Im  Herzblut  mikroskopisch  Bazillen. 

Der  vorangehende  Versuch  wurde  ausgeführt,  um  zu  er- 
weisen, dafs  die  Bakterien  im  passiv  immunen  Meerschweinchen 
ihre  Virulenz  nicht  verlieren.  Das  Bauchhöhlenexsudat  wurde 
einem  Meerschweinchen  24  Stunden  nach  der  Infektion  ent- 
nommen, welches  nicht  die  nachträgliche  Vermehrung  der  Ba- 
zillen in  der  Bauchhöhle  gezeigt  hatte  und  demgemäfs  nur  sehr 
wenige  Keime,  in  dem  Exsudate  aber  ungemein  zahlreiche  Leu- 
kozyten aufwies.     Wie  der  vorhergehende  Versuch   zeigt,    waren 


1)  Meerschweinchen  II,  S.  174. 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  179 

durch  8  Stundeu  keine  Bazillen  in  der  Bauchhöhle  aufgetreten. 
Der  Grund  hierfür  kann  entweder  der  sein,  dals  die  Zahl  der 
eingespritzten  Keime  eine  sehr  geringe  war  oder  der,  dafs  die 
massenhaft  miteingespritzten  lebenden  Leukozyten,  die  aus  einem 
immunen  Tiere  stammten,  die  Vermehrung  der  Bakterien  für 
einige  Stunden  aufgehalten  haben.  Nach  24  Stunden  ändert 
sich  jedoch  der  Befund,  indem  sich  die  Bakterien  in  der  Bauch- 
höhle vermehren  und  die  Vermehrung  derselben  bis  zum  Tode 
des  Tieres  anhält.  Die  hinterherige  Vermehrung,  die  immunen 
Tiere  keinen  Schaden  bringt,  bedeutet  für  ein  normales  Tier 
den  Tod.  Diesem  Versuche  entnimmt  man  also,  dals  die  Bak- 
terien an  sich  im  immunen  Tier  keine  Veränderung  erleiden, 
denn  sie  sind  in  geringster  Menge  befähigt,  ein  normales  Tier 
zu  töten.  Nur  der  Zustand  des  aggressinimmunen  Tieres  mufs 
ein  anderer  geworden  sein,  um  sich  der  lebenden  Bakterien 
zu  erwehren.  Dieser  Umstand,  der  für  den  Mechanismus  der 
Aggressinimmunität  von  grofser  Bedeutung  zu  sein  scheint,  und 
weiterer  Untersuchungen  bedarf,  zeigt  auch,  dals  sich  die  Aggressin- 
immunität prinzipiell  von  der  bakteriziden  oder  antitoxischen 
Immunität  unterscheidet.  Bei  diesen  beiden  Arten  der  Immunität 
bedeutet  eine  Nichtzerstörung  der  Bakterien  oder  eine  Nicht- 
paralysierung  des  Giftes  ein  Verhängnis  für  das  Tier. 

Konnten  wir  durch  eine  frühere  Untersuchung  mit  dem 
Exsudate  infizierter  Tiere,  aus  dem  die  lebenden  Bakterien  voll- 
ständig und  zum  gröfsten  Teile  auch  die  toten  entfernt  sind, 
bei  flühnercholera  aktive  Immunität  erzielen,  so  zeigen  diese 
Untersuchungen,  dafs  es  gelang,  durch  Steigerung  derselben  im 
Blute  dieser  Tiere  spezifisch  wirkende  Schutzstoffe  aufzufinden. 
Drei  von  den  hier  verwendeten  Kaninchen,  von  denen  das 
Immunserum  stammt,  hatten,  um  ihre  aktive  Immunität  zu 
prüfen,  eine  Infektion  durchgemacht,  hatten  also  einmal  lebende 
Bazillen  bekommen.  Des  theoretischen  Interesses  halber  wurde 
Kaninchen  VII  nie  infiziert,  war  also  nur  mit  steriUsiertem 
Exsudat  behandelt  und  nie  mit  lebenden  Bazillen,  und  trotzdem 
wirkt  sein  Serum,  wie  ja  zu  erwarten  war,  in  demselben  Malse 
schützend.     Dasselbe   gilt   auch,   wie   noch  nicht  abgeschlossene 


180     ^io  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hühnercholeratieren. 

Untersuchungen  gezeigt  haben,  für  Schweineseuche.  Die  Mit- 
wirkung lebender  Bazillen  erscheint  also  für  diese  Immunität 
nicht  unbedingt  nötig.  Wir  kommen  noch  auf  diesen  Punkt 
zurück.  In  diesem  Jahre  erschien  von  Wassermann  und 
Citron  eine  Arbeit,  in  welcher  sich  die  Verfasser  mit  der  lo- 
kalen Immunität  der  Gewebe  befassen.  Dabei  erörtern  sie 
auch  die  Frage,  dafs  es  bei  vielen  Mikroorganismen  nicht  gelingt, 
durch  Behandlung  mit  toten  Bakterien,  welche  zur  Erzeugung 
der  bakteriziden  Immunität  hinreichen,  Immunität  zu  erzielen, 
und  dies  mifslingt,  wie  die  Autoren  meinen,  gerade  bei  jenen 
Mikroorganismen,  welche  die  Tiere  spontan  infizieren,  welche 
für  die  betreffende  Tierspezies  homolog  sind ;  hierzu  ist  unbedingt 
die  Einführung  lebender  Mikroorganismen  nötig,  selbst  auf  die 
schonendste  Weise  abgetötete  sind  vollkommen  wirkungslos. 

Tatsächlich  sind  die  Methoden,  welche  zur  Erzeugung  der 
bakteriziden  Immunität  führen,  allen  jenen  Bakterien  gegenüber 
machtlos,  welche  nicht  befähigt  sind,  im  Tierkörper  bakterizide 
Stoffe  zu  bilden.  Und  gerade  auf  Grund  der  Erkenntnis  von 
der  unzureichenden  Wirkung  der  bakteriziden  Immunität  ist  die 
Aggressintheorie  entstanden,  welche  die  Schwierigkeiten,  welche 
für  die  bakterizide  Immunität  unüberwindliche  waren,  über- 
wunden hat,  V  oges  war  der  erste,  der  bei  der  hämorrhagischen 
Septikämie  die  vollständige  Nutzlosigkeit  der  Behandlung  mit 
toten  Bakterien  einsehen  mufste,  obgleich  gerade  hier  von 
Pasteur  schon  der  richtige  Weg  gezeigt  war.  Sobernheim 
spricht  sich  bei  Milzbrand  dahin  aus,  dafs  es  bisher  nicht  ge- 
lungen ist,  durch  tote  Milzbrandbazillen  oder  durch  chemische 
Produkte  derselben  Immunität  zu  erzeugen,  und  Wassermann 
und  Citron  präzisieren  diesen  Standpunkt  dahin,  dafs  sie  meinen, 
dafs  gerade  jenen  Mikroorganismen  gegenüber,  welche  die  Tiere 
spontan  infizieren,  die  Methoden  der  bakteriziden  Immunität 
machtlos  sind.  Unserer  Ansicht  sind  das  alle  echte  Parasiten, 
wie  hämorrhagische  Septikämie  und  Milzbrand.  Wir  stimmen 
mit  Wassermann  und  Citron  vollkommen  darin  überein, 
dafs,  wenn  man  Immunität  mit  Bakterien  erzeugen  will,  man  sie 
lebend  einführen   mufs;   denn   diese   vermehren  sich   im  Tier- 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  181 

körper,  erzeugen  Aggressin,  welches  die  ImmuDität  bewirkt. 
Das  sind  tote  Bakterien  nie  imstande.  Der  Wert  der  Aggressin- 
tbeorie  liegt  darin,  dafs  sie  erkannt  hat,  dafs  Krankheit  und 
Tod  sowohl,  als  auch  Immunität,  an  gewisse  Eigenschaften  der 
Krankheitserreger,  an  die  aggressiven,  unbedingt  gebunden  sind, 
und  dafs  es  genügt,  diese  in  das  zu  immunisierende  Tier  hinein- 
zubringen. Und  der  grofse  Vorteü,  den  die  Aggressintheorie 
den  praktischen  Immunisierungsmethoden  gebracht  hat,  liegt 
darin,  dafs  sie  das  Aggressin  von  den  lebenden  Bakterien  trennt, 
so  dafs  die  Immunisierung  mit  einer  sterilen,  gröfstenteils,  wie 
bei  Hühnercholera,  Schweineseuche  und  Milzbrand  vollkommen 
ungiftigen  Flüssigkeit  vorgenommen  wird.  Die  Gefahr,  die  die 
Einführung  lebender  Bakterien  mit  sich  bringt,  wie  Impfverluste 
oder  Infektion  gesunder  Tiere,  ist  dabei  vollständig  ausgeschlossen. 
Die  dadurch  erzeugte  Immunität  ist  eine  hohe  und  dauernde  und 
trotzdem  lassen  die  Gewebssäfte  dieser  Tiere,  —  es  mufs  hier 
auf  alle  nach  der  Richtung  hin  publizierten  Arbeiten  verwiesen 
werden,  —  meistenteils  keine  bakteriziden  Eigenschaften  erkennen. 
Und  gerade  diejenigen  Mikroorganismen,  welche  die  Tiere  spontan 
infizieren,  wie  Hühnercholera  und  Milzbrand,  denen  gegenüber 
die  Methoden  der  bakteriziden  Immunität  versagen,  zeigen  in- 
folge ihrer  starken  Aggressivität  die  besten  Resultate.  Wir 
führen  zwar  nicht  lebende  Bakterien  ein,  sondern  das  Produkt, 
welches  das  Leben  der  Bakterien  im  Körper  anfacht,  das 
Aggressin,  und  den  allgemeinen  Gesetzen  folgend  bildet  der 
Organismus  einen  Gegenkörper,  welcher  die  Aggressivität  der 
Bakterien,  ihre  unbegrenzte  Vermehrungsfähigkeit  zunichte  macht, 
und  darin  besteht  das  Wesen  dieser  Immunität. 

Für  eine  hohe  und  dauernde  aktive  Immunität  reicht  die 
Behandlung  mit  sterilem  Exsudat  vollkommen  aus,  auch  erreicht 
das  Blutserum  dieser  Tiere  einen  starken  Schutz,  wenn  die 
Immunität  nur  mit  sterilem  Exsudat  hochgetrieben  ist.  Da  aber 
durch  die  Sterilisierung  des  Exsudates  die  Aggressivität  doch 
abgeschwächt  wird,  und  da,  wie  wir  aus  bereits  erwähnten  Ver- 
suchen wissen,  eine  Abschwächung  der  Aggressivität  auch  eine 
Abschwächung  der  Immunität   bedeutet,   so  wird  man,   um  ein 


182     ^^  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  Hühnercholeratieren. 

hochwertiges  Serum  zu  erlangen,  sehlielslich  den  Tieren  unver- 
ändertes Exsudat  einführen,  selbstverständlich  erst  dann,  wenn 
die  aktive  Immunität  eine  entsprechend  hohe  ist,  was  bei  Milz- 
brand von  Bail  schon  durchgeführt  wurde.  Bei  Hühnercholera 
wurde  des  theoretischen  Interesses  halber  davon  abgesehen,  und 
werden  diese  Umstände  er^t  bei  Schweineseuche,  worüber  in 
nächster  Zeit  berichtet  w^erden  wird,  in  Betracht  gezogen. 


Nach  Abschlufs  dieser  Arbeit  erschien  von  Wassermann  und  C i t r o n 
eine  Publikation  in  der  Deutschen  medizinischen  Wochenschrift,  in  welcher 
sich  die  beiden  Autoren  gegen  die  Bedeutung  resp.  Deutung  der  von  Bail 
entdeckten  Aggressine  wenden.  Von  der  den  Aggressinen  snpponierten 
Wirkung  greifen  die  Autoren  nur  eine  heraus,  nämlich  die  Infektions- 
befördernng  derselben.  Wenn  es  gelingt,  meinen  die  Verfasser,  im  Vereine 
mit  den  Bakterien  aufs  erhalb  des  lebenden  Körpers  Substanzen  zu  er- 
zeugen, welche  die  Infektion  begünstigen,  so  hätten  die  Aggressine  ihre 
Bedeutung  verloren.  Derartige  Substanzen  erzeugen  sie  aufserhalb  des  Tier- 
körpers durch  Behandlung  von  Flüssigkeiten  mit  Bakterien.  Auf  dieselbe 
Art  und  Weise  konnten  auch  Pfeiffer  und  Friedberger  im  normalen 
Serum  Stoffe  auffinden,  welche  die  Bakteiiolyse  in  der  Meerschweinchen- 
bauchhöhle aufheben.  Die  völlige  Bedeutungslosigkeit  letzterer  für  die 
Aggressine  konnte  aber  Bail  in  einer  im  Archiv  für  Hygiene  erschienenen 
Arbeit  nachweisen.  Abgesehen  davon,  daTs  nirgends  behauptet  wurde, 
dafs  die  Aggressine  ausschliefslich  im  Tierkörper  gebildet  werden,  dafs 
sich  im  Gegenteil  Bail  bemühte,  sie  auch  aufserhalb  des  Tierkörpers 
aufzufinden,  um  Sicherheit  zu  erlangen,  dafs  es  Sekretionsprodukte  der 
Bakterien  sind,  geht  aus  den  Versuchen  von  Wassermann  und  Citron 
nicht  mit  Bestimmtheit  hervor,  ob  die  Tiere  der  Infektion,  der  fortschreitenden 
Vermehrung  der  Bakterien  erlegen  sind.  Es  ist  aber  immerhin  möglich,  dafs 
verschiedene  Substanzen  eine  oder  die  andere  Wirkungsweise  gemeinsam 
haben  können.  Denn  andere  Eigenschaften  der  Aggressine  als  die  Infektions- 
begünstigung, wie  Labilität,  Leukozytenbeeinflussung,  die  sich,  wie  aus  noch 
nicht  veröffentlichten  Versuchen  mit  Subtilis,  sogar  in  der  Eprouvette  nach- 
weisen lassen  etc.  haben  die  Verfasser  nicht  in  den  Rahmen  ihrer  Unter- 
suchungen gezogen.  Übrigens  sind  zurzeit  ganz  analoge  Versuche  im  hiesigen 
Institute  im  Gange,  wie  die  Untersuchungen  über  aggressive  Eigenschaften 
junger  Bouillonkulturen  von  Bail  (siehe  Salus,  Wiener  klin.  Wochenschrift, 
1905,  Nr.  25),  und  nur  der  Beginn  der  Sommerferien  setzte  der  Vollendung 
derselben  ein  Ziel.  Was  jedoch  die  Aggressinimmunität  betrifft,  von  der 
Wassermann  und  Citron  behaupten,  dafs  dieselbe  auf  einfachere  und 
viel  billigere  Weise  durch  die  von  ihnen  hergestellten,  angeblich  den 
A};;j;re»8inen  analogen  Präparaten  erzielt  werden  kann,  so  mufs  daran  doch 
entschieden  gezweifelt  worden.  Abgesehen  davon,  dafs  die  Aggressinimmunität 


Von  Dr.  Edmund  Weil.  183 

nicht  auf  bakteriziden  Eigenschaften  der  Gewebssäfte  beruht,  worauf  immer 
hingewiesen  wurde,  was  aber  der  Fall  sein  mQfste,  wenn  Bakterienleibes- 
snbstanzen  die  Ursache  davon  wären,  so  wurde  mit  Aggressinen  gerade  bei 
den  Infektionserregern  Immunität  erzielt,  wo  die  Methoden  mit  toten  Bakterien 
oder  Bakterienleibesbestandteilen  unzureichend  sind.  So  bei  Milzbrand, 
Schweineseuche  und  Hühnercholera,  wo  gerade,  wie  in  dieser  Arbeit  schon 
erwähnt,  Wassermann  und  Citron  angeben,  dafs  mit  toten  Bakterien- 
demnach  wohl  ebensowenig  mit  den  von  ihnen  hergestellten  >künstlichen 
Aggressinen <  nichts  auszurichten  ist.  Vollkommen  sicher  gelingt  dies  jedoch, 
w^ie  auch  diese  Arbeit  beweist,  mit  Aggressinen,  die  aus  dem  lebenden 
Organismus  gewonnen  sind. 

Herr  Professor  Bail,  der  zurzeit  abwesend  ist,  wird  gelegentlich  selbst 
auf  die  Fragen,  die  Wassermann  und  Citron  berühren,  zurückkommen. 


184     ^^  schätzenden  Eigenschaften  des  Blutes  etc.  Von  Dr.  Edmund  Weil. 


Literatur. 


Ball,  Untersuchungen  Aber  natürliche  und  künstliche  Milzbrandiramunität. 

Zentralblatt  f.  Bakt,  Bd.  36,  Nr.  2  u.  3. 
Derselbe,  Untersuchungen  über  Tjrphus-  und  Choleraimmunität.    Archiv  f. 

Hygiene,  Bd.  52. 
Xikuchi,  Untersuchungen   über  das  Dysenterieaggressin.     Berliner  klin. 

Wochenschr.,  1905,  Nr.  15. 
Kitt,  Immunität  bei  Geflügelcholera.    Wassermann  und  Kolle,  Hand- 
buch d.  pathogenen  Mikroorganismen. 
Sobernheim,   Immunität  bei   Milzbrand.     Wassermann   und  Rolle, 

Handbuch  d.  pathogenen  Mikroorganismen. 
Yoges,  Untersuchungen  über  die  Erreger  der  hämorrhagischen  Septikämie. 

Zeitschrift  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankh.,  Bd.  23. 
Wassermann  und  Citron,  Die  lokale  Immunität  der  Gewebe  und  ihre 

praktische  Wichtigkeit.    Deutsche  med.  Wochenschr.,  1905,  Nr.  15. 
Weil,  Untersuchungen  über  Infektion  und  Immunität  bei  Hühnercholera. 

Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  52. 
Derselbe,  Die  passive  Aggressinimmunität  bei  Hühnercholera.    Wiener  klin. 

Wochenschr.,  1905,  Nr.  16. 


Arohiv  fttr  Hygiene.     B<L  LIY. 


Tafel  I. 


VeFBchiedene  Stadien  der  Anfiiahme  nnd  Yerdaanng  Yon  gefftrbtea  Typhusbanllen 

durch  Bodo  oyatim. 


Fit.  1. 


Fig.  2. 


V. 


Flf .  8. 


Fl«.  4. 


Vtf  .  6. 


Flf.  6. 


Pif.  7. 


Fl«.  8. 


Flf.  9. 


n' 


)} 


•ff 


Flf.  la 


Fig.  u. 


rif .  12. 


Flf.  13. 


ZeiDi,  Homogme  Immenion.    Brennweite  8,0  mm.    Tabaslflnge  160  mm.    (yompens. 

Okular  IS. 


^•fftf  Ton  R.  OMMbomf,  MttMteB  und  B«rtla. 


\A\\\.Y.^\^\^o\ai.'Vi^>wäc 


NL'vV   VOR 


V 


i"Li:  ;.::.RARY. 


^«^T^R.   LENOX  AND 
-  L     .  N  FoUNDATIONft. 


über  Hämolyse  im  Reagensglas  nnd  im  Tier 

Von 

Dr.  Oskar  B.  von  Wunschheim, 

I.  Asfliitenten  am  Institute. 

(Aus  dem  Hygienischen  Institute  der  k.  k.  Universität  Innsbruck.    V 

Prof.  A.  Lode.) 

Einleitung. 

Bis  vor  wenigen  Jahren  war  man  gewohnt,  den  Begriff  der 
Bakterientoxine  einfach  so  zu  fassen,  dafs  wir  unter  Toxin  ganz 
allgemein  eine  giftige  Substanz  verstanden,  welche  durch  ihre 
deletäre  Wirkung  auf  den  tierischen  Organismus  ausgezeichnet 
war.  Den  eingehenden  Arbeiten  derjenigen  Forscher,  welche 
sich  zur  Aufgabe  gemacht  hatten,  die  Wirkungen  der  Bakterien- 
toxine auf  einzelne  Elemente  des  tierischen  Körpers,  zunächst 
das  Blut,  zu  studieren,  haben  wir  die  Erkenntnis  zu  danken, 
dafs  in  den  Toxinen  mancher  Bakterien  Giftanteile  sich  nach- 
weisen lassen,  welche  eine  spezielle  Wirkung  auf  gewisse  geformte 
Teile  des  Blutes  ausüben,  so  sind  die  Bakteriohämolysine  jene 
Toxinkomponenten,  welche  die  Eigenschaft  besitzen,  Blutzellen 
in  vitro  zu  vernichten. 

Die  Mehrzahl  der  heute  vorliegenden  Arbeiten  befafst  sich 
mit  den  sowohl  von  pathogenen  als  auch  von  nicht  pathogenen 
Mikroorganismen  produzierten  Hämolysinen,  welche  Erythrozyten 
zu  lösen  pflegen.  Aufser  diesen  kennen  wir  auch  ein  Gift,  das 
imstande  ist,  Leukozyten  zu  vernichten,  das  »Leukozidin«. 

Arohiv  t  Uyffiena.    Bd.  UV.  1^ 


186  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  TierkOrper. 

Die  Ansiebt,  dafs  Bakterien  hämolytische  Eigenschaften 
haben  könnten,  hat  kein  Geringerer  als  Robert  Koch  (^)  im 
Jahre  1884  wohl  als  erster  ausgesprochen,  indem  er  sagt,  »dafs 
die  Kommabazillen  auf  die  Pormelemente  des  Blutes  höchstwahr- 
scheinlich auch  auf  andere  Zellen  einen  zerstörenden  Einflufs 
ausüben  können €. 

Zwei  Jahre  später  hat  Bitter  {^)  die  Blutauflösung  durch 
Choleravibrionen  studiert,  und  van  de  Velde  (^)  hat  1894  im 
Exsudate  von  Kaninchen,  die  er  durch  intrapleurale  Injektion 
von  Staph.  pyog.  aureus  getötet  hatte,  ein  Gift  gefunden  und 
beschrieben,  welches  lebende  Leukozyten  absterben  machte,  das 
oben  erwähnte  Leukozidin.  Bail  (*)  hat  später  darüber  weitere 
Mitteilungen  gemacht. 

Ehrlich  (^)  fand  in  Kulturen  des  Tetanusbazillus  ein  Gift, 
welches  vom  eigentlichen  Tetanusgifte,  dem  krampferregenden 
Tetanospasmin,  funktionell  verschieden  sich  durch  seine  hämo- 
lytischen Eigenschaften  auszeichnete,  das  Tetanolysin.  Diesen 
Körper  hat  Madsen  (^)  genauer  studiert,  und  mit  seinen  Unter- 
suchungen beginnt  die  Reihe  der  planmäfsigen  Arbeiten  über  die 
Wirkung  der  Bakteriohämolysine. 

Fast  alle  diese  Untersuchungen,  die  wir  bei  den  einschlägigen 
Kapiteln  unserer  Tierversuche  kurz  besprechen  wollen,  bezogen 
sich  auf  Reagensglasversuche.  Wenige  nur,  so  Kraus  und 
Ludwig  P)  sowie  Schur  (^)  haben  bisher  auch  den  Tierversuch 
etwas  berücksichtigt. 

Kraus  und  Ludwig  haben  Kaninchen  Bouillonkulturen 
(auch  Filtrate)  von  Staph.  aureus  und  eines  nicht  pathogenen 
Vibrio,  der  im  Reagensglas  hämolytisches  Vermögen  zeigte,  sub- 
kutan injiziert  und  durch  Zählung  der  Blutkörperchen  deren 
Abnalime  konstatiert.  Kontrollversuche,  welche  mit  Stämmen 
von  Typhusbakterien,  Bacterum  coli,  und  Choleravibrionen  an- 
gestellt waren,  die  von  Haus  aus  kein  oder  nur  geringes  hämo- 
lytisches Vermögen  hatten,  zeigten  keinen  nennenswerten  Einflufs 
der  genannten  Bakterien  auf  die  Zahl  der  P>ythrozyten  des 
Kaninchens. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  187 

Schur  konnte  bei  mit  Staphylolysin  vergifteten  Kaninchen 
keine  Hämoglobinämie  beobachten,  aber  nachweisen,  dafs  das 
in  isotonischer  Kochsalzlösung  suspendierte  Blut  dieser  Kaninchen 
gegenüber  dem  Kontrollblute  normaler  Tiere  deutliche  Lösung 
zeigte. 

Wir  wollen  in  unseren  Untersuchungen  der  Frage  näher- 
treten, wie  denn  bei  Infektionen  mit  pathogenen  Mikroorganismen 
im  Verlaufe  des  Prozesses  die  Erythrozyten  bezüglich  der  Hämo- 
lyse  sich  verhalten  und  nachsehen,  ob  ein  Parallelismus  zwischen 
Hämolyse  in  vitro  und  im  Tierkörper  bestehe. 

Methodik. 

Um  für  unsere  Fragestellung  verwertbare  Resultate  zu  er- 
halten, mufsten  wir  uns  zunächst  eine  geeignete  Untersuchungs- 
methode zurechtlegen. 

Für  die  Feststellung,  ob  bei  Infektionskrankheiten  Erythro- 
zyten zugrunde  gehen,  eine  klinisch  für  den  Menschen  ja  längst 
gezeigte  Tatsache,  ist  die  Methode  der  Blutkörperchenzählung 
bekanntlich  sehr  gut  brauchbar.  Für  uns  schien  dieses  Ver- 
fahren nicht  empfehlenswert.  Aus  zwei  Gründen:  einmal  weil 
es  ja  durchaus  nicht  bewiesen  war,  dafs  die  Abnahme  der 
Erythrozyten  auf  Lysinproduktion  von  seiten  der  infizierenden 
Bakterien  zurückzuführen  sei,  und  zweitens  weil  ja  in  sehr 
kurzen  Intervallen  Blutuntersuchungen  vorzunehmen  waren,  bei 
denen  die  Zählung  mit  der  Entnahme  nicht  gut  gleichen  Schritt 
hätte  halten  können. 

Noch   auf   andere  Punkte    war  Rücksicht   zu  nehmen.     So 

mufsten  wir,   da  wir  ja  eine  gröfsere  Zahl  von  Blutentnahmen 

in  Betracht  zogen,  darauf  bedacht  sein,  möglichst  kleine  Mengen 

von  Blut  bei  jeder  Entnahme   dem  Versuchstiere  zu   entziehen, 

da  wir  ja  durch  öfteres  Abzapfen  gröfserer  Mengen  unvermeidlich 

einen  Zustand  von  Anämie  hervorgerufen  und  so  möglicherweise 

den    normalen  Verlauf   der  Infektion    beeinflufst  hätten.     Dann 

war  noch  zu  bedenken,  dafs,  wie  eingangs  erwähnt,  Schur  darauf 

aufmerksam   gemacht  hat,   dafs  das  Blut  staphylolysinvergifteter 

Kaninchen  in  isotonischer  Kochsalzlösung  gegenüber  dem  Blute 

13  ♦ 


188  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

normaler  Tiere  starke  Tendenz  zur  Lösung  gezeigt  hatte.  Es 
war  ja  von  vornherein  durchaus  nicht  auszuschliefsen,  dafs  nicht 
vielleicht  beim  lebenden  infizierten  Tiere  während  des  Verlaufes 
des  Krankheitsprozesses  von  seiten  der  beteiligten  Mikroorganis- 
men Hämolysin  produziert  und  von  den  Erythrozyten  gebunden 
würde,  doch  war  ja  damit  keineswegs  gesagt,  dafs  auch  die 
Lösung  der  Blutzellen  sofort  erfolgen  müsse.  Wir  wissen  ja, 
dafs  im  Reagensglasversuch  nach  erfolgter  Bindung  des  Lysins 
durch  die  roten  Blutkörperchen  erst  eine  gewisse  Latenzzeit  ver- 
streicht, ehe  die  Blutkörperchen  ihr  Hämoglobin  abzugeben 
pflegen. 

ÄhnHche  Verhältnisse  waren  ja  auch  für  das  lebende  Tier 
als  möglich  anzunehmen ;  durch  Bakteriolysin  geschädigte  Erythro- 
zyten konnten  erst  nach  einiger  Zeit  in  Lösung  gehen  und  wir 
mufsten  also  bestrebt  sein,  eine  Versuchsanordnung  zu  treffen, 
welche  es  uns  ermöglicht,  gleichzeitig  entnommene  Blutproben 
zu  verschiedenen  Zeiten  auf  den  Austritt  von  Hämoglobin  ins 
Serum  zu  untersuchen,  um,  im  Sinne  von  Schur  gesprochen, 
eine  Nachlösung,  die  Nachhämolyse,  konstatieren  zu  können. 

Unter  Erfüllung  aller  dieser  Postulate  glauben  wir  eine 
möglichst  bequeme  und  auch  leicht  den  Regeln  aseptischen  Ar- 
beitens  entsprechende  Methodik  eingeschlagen  zu  haben.  Wir 
verwendeten  zu  den  periodischen  Blutentnahmen  möglichst  dünne, 
wenig  Blut  fassende  Glaskapillaren  in  U  form  in  einer  Länge  von 
ca.  8  cm  bei  einer  Lichte  von  1  mm.  Es  ist  wichtig,  darauf  zu 
sehen,  dafs  stets  Kapillaren  von  gleichem  Querschnitt  angefertigt 
werden.  Indem  wir  eine  Anzahl  dieser  Kapillaren  sofort  nach 
der  Entnahme  (vgl.  weiter  unten),  andere  erst  nach  beliebigen 
Zeiten  zentrifugierten,  erreichten  wir  unseren  Zweck  in  einfacher 
Weise,  indem  wir  in  den  sofort  zentrifugierten  Proben  eine  etwa 
bestehende  Hämoglobinämie  nachweisen,  in  den  gelagerten  Röhr- 
chen eine  etwa  später  erfolgte  Lösung,  die  Nachhämolyse,  kon- 
statieren konnten. 

Voruntersuchungen  an  normalen,  nicht  infizierten  Tieren 
sollten  uns  zunächst  eventuelle  Fehlerquellen  aufdecken. 

Da  kamen  zwei  Momente  in  Betracht. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  189 

Einmal  die  Frage  nach  der  normalen  Färbung  der  Blutsera 
der  verschiedenen  Tierspezies,  ferner  das  Verhalten  der  normalen 
Blute  mit  Hinsieht  auf  den  Begriff  der  spontanen  aseptischen 
Hämolyse  (v.  Limbeck,  Nolf,  Schur). 

Die  normalen  Sera  verschiedener  Tiere  verhalten  sich  auch 
verschieden,  was  ihre  Farbe  anbelangt,  eine  bekannte  Tatsache, 
welche  aber  bei  Heranziehung  der  Serumfarbe  zu  Schlufsfolge- 
rungen  aus  Farbenänderungen  neues  Interesse  gewinnen  mufste. 
Unter  Verwendung  unseres  Kapillarentyps  besitzen  das  Kanin- 
chen, der  Hund,  die  Katze  ein  fast  farbloses  Serum,  das  Meer- 
schweinchen zeigt  meist  einen  Stich  ins  Gelbe,  doch  kommen 
hier  auch  farblose  Sera  vor.  Beim  Huhne  fanden  wir  als  Regel 
farbloses  Serum,  nur  ein  einziges  Tier  zeigte  aus  nicht  festzu- 
stellender Ursache  eine  ölgelbe  Färbung  und  wurde  nicht  zum 
Versuche  verwendet.  Bei  der  Taube  zeigten  die  normalen  Sera 
ein  schwankendes  Verhalten.  Wir  sahen  solche,  die  fast  farblos 
waren,  neben  dunkelgelben  und  bräunlichgelben.  Altersunter- 
schiede schienen  uns  da  eine  Rolle  zu  spielen. 

Wenn  wir  nun  der  spontanen  aseptischen  Hämolyse  unsere 
Aufmerksamkeit  ein  wenig  zuwenden,  so  erfahren  wir,  dafs  schon 
V.  Limbeck  (^)  angibt,  dafs  normalerweise  Blutkörperchen  in 
isotonischen  Kochsalzlösungen  nach  längerer  Zeit  der  Auflösung 
anheimfallen:  Nolf  (^®j  erwähnt  die  Autolyse  der  roten  Blut- 
körperchen. 

Schur  (1.  c)  hat  sich  mit  dem  Studium  dieser  Tatsache 
experimentell  eingehender  befafst  und  nachgewiesen,  dafs  nach 
einer  mehrtägigen  Frist  Blutkörperchen  des  Kaninchens  in  ste- 
rilen isotonischen  Kochsalzlösungen  sich  lösen,  dafs  wir  also  mit 
der  Existenz  einer  »aseptischen  spontanen  Hämolysec  zu  rechnen 
haben.  Wir  mufsten  also  auch  untersuchen,  inwieweit  diese  eben 
erwähnten  sozusagen  physiologischen  Eigenschaften  der  roten 
Blutzellen  unsere  Versuchsanordnung  tangieren  könnten,  und  dies 
war  ja  um  so  wichtiger,  als  die  eben  erwähnten  Forscher  die 
Blutkörperchen  in  isotonischen  Kochsalzlösungen  beobachteten, 
während  bei  unserer  Untersuchungsmethode  die  Erythrozyten  ja 
in    ihrem    eigenen  Serum  aufbewahrt  werden   mufsten.     Schur 


190  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

hat  des  ferneren  gezeigt,  dafs  bei  der  Spontanhämolyse  die  Tem- 
peratur von  grofsem  Einflüsse  sei.  Bei  niedriger  Temperatur 
konnte  der  genannte  Autor  nach  fünf  Tagen  noch  keine  be- 
deutende Lösung  konstatieren.  Es  gaben  da  8  Tropfen  Kaninchen- 
blut in  0,85%  Kochsalzlösung  (Bestimmung  mit  dem  Hämometer 
von  Fl  ei  sohl)  nur  Werte  <  10  Fleischlgrade,  nach  8  Tagen  erst 
110  Fleischl.  Wurden  die  Versuche  bei  einer  Temperatur  von 
32°  R  angestellt,  so  ergaben  sich,  verglichen  mit  den  bei  Zimmer- 
temperatur gehaltenen  Proben,  bedeutende  Unterschiede  hinsicht- 
lich der  Lösung  zugunsten  der  höheren  Temperatur.  So  erhielt 
Schur  bei  Zimmertemperatur  nach  3  Tagen  Werte  <  10,  bei 
32°  R  jedoch  schon  nach  24  Stunden  eine  Fleischlzahl  <  35, 
nach  2  Tagen  von  70,  nach  3  Tagen  war  schon  vollstÄndige 
Lösung  eingetreten. 

Für  unsere  Versuche  war  da  zunächst  zu  ermitteln,  inner- 
halb welcher  Zeit  normale  Blutarten  eventuell  so  viel  Hämoglobin 
in  das  Serum  austreten  liefsen,  dafs  wir  durch  die  aseptische 
spontane  Hämolyse  (als  Nachhämolyse)  in  der  Auffassung  patho- 
logischer Effekte  zu  Irrtümern  hätten  geführt  werden  können. 

Wir  liefsen  also  normale  Blutproben  in  unseren  Kapillaren 
lagern  und  verglichen  von  Zeit  zu  Zeit  die  Farbe  des  Serums 
der  nun  erst  zentrifugierten  Röhrchen  mit  der  Serumfarbe  der- 
jenigen, welche  sofort  nach  der  Entnahme  zentrifugiert  worden 
waren.  Man  erhält  da  verschiedene  Resultate,  je  nach  der  Tier- 
spezies, aber  auch  individuelle  Schwankungen  kommen  vor. 

Vor  allem  mufs  aber  in  technischer  Hinsicht  bei  der  Blut- 
entnahme in  äufserst  vorsichtiger  Weise  vorgegangen  werden, 
will  man  sich  nicht  von  vornherein  eines  Versuchsfehlers  schuldig 
machen.  Nicht  jeder  Beobachter,  der  mit  defibriniertem  Blute 
zu  arbeiten  hat,  ist  sich  vielleicht  dessen  genügend  bewufst,  und 
erst  kürzlich  hat  Löwit(^^)  wiederum  darauf  aufmerksam  gemacht, 
wie  vorsichtig  man  beim  Schütteln  des  geronnenen  Blutes  vor- 
gehen mufs,  will  man  das  Serum  möglichst  frei  von  Blutfarbstoff 
erhalten.  Je  nachdem  wir  das  Defibrinieren  mit  mehr  oder 
weniger  energischen  Schüttelbewegungen  vornehmen,  können  wir 
konstatieren,   dafs  das  Serum  einen  mehr  oder  minder  rötlichen 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  191 

Farbenton  annimmt,  da  durch  Traumen  offenbar  Erythrozyten  der- 
mafsen  lädiert  werden,  dafs  sie  ihren  Blutfarbstoff  austreten 
lassen.  Starkes  Quetschen  u.  dgl.  kann  auch  bei  unserer  Technik 
der  Blutentnahme  einen  gleich  unerwünschten  Einflufs  ausüben. 

Wir  eröffneten,  meist  an  Kaninchen  experimentierend,  durch 
einen  senkrecht  zur  Längsachse  des  Kaninchenohres  geführten, 
das  Ohr  durchtrennenden  1  cm  langen  Schnitt  die  am  Rande 
verlaufenden  Gefäfse.  Für  jede  neue  Blutentnahme  wurde 
parallel  der  alten  Entnahmestelle  ein  neuer  Einschnitt  gemacht. 
Beim  Huhn  entnahmen  wir  das  Blut  aus  dem  Kamme,  bei  der 
Taube  aus  der  Flügelvene.  Hund  und  Katze  geben  beim  Ein- 
stich in  das  Ohr  reichlich  Blut;  bei  Meerschweinchen  kann  man 
durch  Abtrennen  kleiner  Randpartien  der  Ohren  genügende  Blut- 
mengen erhalten,  doch  eignen  sich  diese  Tiere  wegen  ihrer  Klein- 
heit und  der  geringen  Angriffspunkte  für  die  Blutentnahme  nicht 
zu  Versuchen,  die  sich  über  ein  paar  Tage  erstrecken  und  zahl- 
reiche Abnahmen  erfordern. 

Manchmal,  allerdings  seltener,  konnten  wir,  trotzdem  wir 
uns  hinsichtlich  unserer  Behutsamkeit  keinen  Vorwurf  zumachen 
hatten,  einen  stärkeren  Stich  ins  Rötliche  bei  einer  Serumprobe 
konstatieren,  während  andere  gleichzeitig  entnommene  und  mit 
derselben  zentrifugierte  Proben  farblos  waren ;  daran  tragen  viel- 
leicht manche  besonders  empfindliche  Erythrozyten  die  Schuld, 
wir  konnten  wenigstens  eine  andere  Erklärung  hierfür  nicht 
finden.  Aber  diese  Fälle  sind  doch  so  selten,  zudem  so  leicht 
als  »Versuchsfehlerc  zuerkennen,  dafs  sie  nicht  vermocht  haben, 
einen  Grund  gegen  die  Verläfslichkeit  unserer  Methode  zu  bilden. 
Aufserdem  schützt  ja  eine  sogleich  wiederholte  Entnahme  und 
der  Vergleich  mehrerer  Röhrchen  genügend  vor  Irrtum.  Am 
besten  verwendet  man  solche  Tiere  gar  nicht,  die  bei  der  Blut- 
kontrolle, welche  unbedingt  an  jedem  Tiere  auszuführen  ist,  ehe 
man  es  in  den  Versuch  einstellt,  in  dem  Beobachter  das  Gefühl  der 
Unsicherheit  aufkommen  lassen.  Ebenso  hat  man  Tiere,  die  bei 
der  Serumkontrolle  eine  von  der  Norm  abweichende  Farbe  des 
Serums  zeigen,  z.  B.  kanariengelb  statt  farblos  beim  Huhne  oder 
Kaninchen  unbedingt  auszuschliefsen. 


192  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  TierkOrper. 

Aber  nicht  nur  die  Sera  sind  in  ihrer  normalen  Farbe  ver- 
schieden, auch  die  Erythrozyten  verschiedener  Tiere  dififerieren 
in  ihrem  Verhalten  bezüglich  der  normalen  spontanen  Hämolyse 
im  eigenen  Serum. 

Ein  gutes  Beispiel  ist  das  normale  Hundeblut.  Läfst  man 
mit  solchem  Blute  gefüllte  Kapillaren  bei  Zimmertemperatur  liegen, 
so  kann  man  oft  schon  nach  wenigen,  immer  aber  nach  Verlauf 
von  18 — 24  Stunden  sehen,  dafs  das  beim  Zentrifugieren  abge- 
schiedene Serum  dunkelbraun,  braunrot,  ja  weinrot  gefärbt  ist, 
Ausnahmen  sind  äufserst  selten.  Es  ist  also  beim  Hundeblut 
schon  zu  einer  Zeit  die  spontane  aseptische  Hämolyse  eingetreten, 
zu  welcher  die  Sera  anderer  Tiere  (Kaninchen,  Katze,  Huhn) 
noch  ohne  nennenswerte  Färbung  sind. 

Dieses  Verhalten  des  normalen  Hundeblutes  schliefst  seine 
Verwertung,  was  die  Nachhämolyse  anbelangt,  natürlich  völlig  aus. 

Tabelle  I  zeigt  das  Verhalten  normaler  Sera,  die  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  nach  der  Entnahme  zentrifugiert  wurden. 

(Siehe  Tabelle  I  auf  Seite  193.) 

Wir  bezeichnen  in  unseren  Tabellen  unter  Anwendung  der 
Kapillarröhrchenmethode  mit  Hämolyse  (H)  die  Lösung  von 
Blutkörperchen,  welche  in  den  nicht  länger  als  30  Minuten  nach 
der  aus  dem  lebenden  oder  toten  Tiere  erfolgten  Entnahme  zen- 
trifugierten  Röhrchen  konstatiert  wurde.  Als  Nachhämolyse 
(NH)  bezeichnen  wir  demgemäfs  jede  Hämolyse,  welche  bei  erst 
später  (über  30  Minuten)  zentrifugierten  Proben  konstatiert  wurde. 
Hier  wäre  zu  bemerken,  dafs  —  besondere  Fälle  natürlich  aus- 
genommen —  im  allgemeinen  die  Blutproben  zur  Bestinmiung 
der  Hämolyse  bis  zu  30  Minuten  bei  Zimmertemperatur  liegen 
gelassen  wurden,  um  den  Gerinnungsprozefs  ablaufen  zu  lassen. 
Besonders  bei  den  dem  lebenden  Tiere  entnommenen  Proben 
ist  dies  von  Vorteil.  Zentrifugiert  man  unmittelbar  ^  nach  der 
Entnahme,  so  gerinnt  das  Fibrin  ober  den  abgesetzten  Blutkörper- 
chen zu  einer  trüben  glasigen  Masse,  welche  die  Beurteilung  der 
Serumfarbe  aufserordentlich  erschwert.  Die  Zeit  von  30  Minuten 
ist  meist  (Ausnahmen  bei  Streptokokkeninfektionen)  nicht  lange 
genug,    um    eine  Nachhämolyse   auch    bei   pathologischen  Blut- 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim. 


193 


proben  schou  eintreten  zu  lassen,  doch  ist  sie  das  Maximum  an 
Verzögerung  bei  Feststellung  des  Farbentones  der  frischen  Sera. 
Bei  Sektionen  wird  man  gut  tun,  Proben  auch  sofort  zu  zentri- 
fugieren.  Findet  man  bei  am  lebenden  Tiere  gemachten  Ent- 
nahmen nach  30  Minuten  Rotfärbung  des  Serums,  so  ist  es  rat- 
sam, sofort  eine  neue  Probe  zu  entnehmen  und  sogleich  zu  zen- 

trifugieren. 

Tabelle   I. 

Farbe  des  Serums  normaler  Tiere  zu  verschiedenen  Zeiten  ^^aseptische 

Spontanbftmolyse). 


Die  Blutprobe  wurde  lentri- 

fuglert,  nach  der  Entnahme 

Stunden 


ir 


Sofort 
Kontrolle 


16  Stunden 


24  Stunden 


Kaninchen  I        .  . 

>          II      .  . 

in    .  . 

Meerschweinchen  I 


U 

ni 

IV 


Katze  I,  alt    .    . 

»     II,  alt   .    . 

Hund,  7  Wochen 

>  3  Monate 
1—2  Jahre 

>  4  Jahre 
Taube  1       .     . 

>  II     .     . 

»      III    .     . 

»       IV    .     . 

Huhn  I       .     . 

>  n,  atypisch 


farblos 

farblos 

fast  farblos 

gelblich 

gelblich 

schwach  gelblich 

farblos 

farblos 
farblos 
farblos 
farblos 
farblos 
farblos 
farblos 
dunkelgelb 

gelbbräunlich 
gelbbräunlich 

farblos 

ölgelb 


Stich  ins 
Bräunliche 

fast  farblos 


farblos 


I 


wie  bei  16*) 

fast  farblos 

fast  farblos 

wenig  stärker  gelblich 
als  die  Kontrolle 

detto 

wie  die  Kontrolle 

ziemlich  stark  bräun- 
lich 

farblos 

fast  farblos 

weinrot 

braunrot 

braunrot 

braunrot 

etwas  dunkler  als 
die  Kontrolle 

wie  die  Kontrolle 

wie  die  Kontrolle 

fast  farblos') 

wie  die  Kontrolle 


Der  Gerinnungsprozefs  wird  durch  Aufenthalt  im  Thermo- 
staten (37  °  C)  beschleunigt,  doch  möchten  wir  dieses  Verfahren 
nicht  empfehlen. 

1)  Nach  40  Stunden  rötlichbraun,  nach  64  Stunden  rotbraun. 

2)  Nach  40  Stunden  leichter  Stich  ins  Bräunliche,  nach  72  Stunden 
gelbbräunlicb. 


194  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

Dafs  natürlich  darauf  zu  sehen  ist,  dafs  Verunreinigungen 
bei  der  Blutentnahme  vermieden  werden,  bedarf  kaum  der  Er- 
wähnung. Wir  haben  aber,  um  die  Gefahr  möglicher  Bakterien- 
beimengung richtig  einschätzen  zu  können,  zu  wiederholten  Malen 
normalen  Kaninchen  ohne  Wahrung  aseptischer  Mafsnahmen  mit 
nicht  sterilisierten  Kapillaren  Blut  entnommen,  auch  Hautschup- 
pen und  Haare  dem  Blute  zugesetzt,  ohne  einen  Unterschied  im 
Vergleiche  mit  aseptischen  Proben  wahrnehmen  zu  können. 

Nicht  unerwähnt  bleibe  auch,  dafs  die  verwendete  Glassorte 
sorgfältig  auf  ihre  Brauchbarkeit  zu  prüfen  ist. 

Unsere  Beobachtungszeit  der  entnommenen  Proben  erstreckte 
sich  meist  auf  mehrere  Tage,  doch  haben  wir  bei  Konstatierung 
unserer  in  den  Tabellen  verzeichneten  Resultate  —  wenn  nicht 
ausdrücklich  anders  angegeben  ist  —  für  die  Nachhämolyse  nur 
die  Zeit  von  24  Stunden  in  Betracht  gezogen.  Unsere  Erfahrung 
lehrte,  dafs  innerhalb  dieser  Zeit  nennenswerte  Grade  von  asep- 
tischer Spontanhämolyse  nicht  aufzutreten  pflegen,  anderseits 
aber  dieser  Zeitraum  genügt,  um  das  Eintreten  oder  Ausbleiben 
der  Nachhämolyse  festzustellen.  Normales  Kaninchenserum  zeigte 
sich  nach  24  Stunden  meist  ebenso  farblos  wie  die  Proben,  welche 
sofort  nach  der  Entnahme  zentrif ugiert  wurden ;  allerdings  finden 
wir,  wie  schon  erwähnt,  mitunter  Tiere,  deren  Sera  nach  24  Stun- 
den einen  leichten  Stich  ins  Bräunliche  zeigen,  eine  deutlich 
bemerkbare  Farbenschwankung,  die  wir  wohl  auf  ausgetretenen 
Blutfarbstoff  zu  beziehen  haben  werden.  Es  dürften  ja  normaler- 
weise gewifs  innerhalb  von  24  Stunden  Blutkörperchen  spontan 
zugrunde  gehen,  doch  ist  diese  durch  Austritt  des  Hämoglobins 
bewirkte  Färbung  des  Serums  immerhin  seltener  und  dann  auch 
relativ  noch  so  mäfsig,  dafs  sie  für  unsere  Beurteilung  nicht  von 
Bedeutung  sein  kann,  zumal  ja  alle  Beobachtungen  diesmal  nur 
mit  unbewaffnetem  Auge  gemacht  werden  mufsten  und  vorsich- 
tigerweise nur  auffallend  starke  Verfärbungen  des  Serums  ver- 
wertet wurden.  Bei  einiger  Erfahrung  und  Übung  wird  man 
nicht  leicht  Gefahr  laufen,  innerhalb  der  Grenzen  normaler 
Schwankungen  pathologische  Prozesse  zu  sehen. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  195 

Als  Grundsatz  für  unsere  Untersuchungen  wurde  aufgestellt, 
erst  solche  Farbentöne  für  pathologisch  zu  nehmen,  die  stärker 
sind  als  der  stärkste  bei  normalem  Blute  innerhalb  von  24  Stun- 
den jemals  beobachtete  Farbenton.  Die  Feststellung  von  Zahlen 
hätte  für  uns  da  eine  grofse  Erleichterung  bedeutet,  leider  steht 
uns  zurzeit  kein  Apparat,  welcher  uns  in  dieser  Hinsicht  hätte 
von  Nutzen  sein  können,  zur  Verfügung.  Für  unsere,  ja  nicht 
in  quantitativer,  sondern  nur  rein  prinzipieller  Richtung  ange- 
stellten Untersuchungen  erwies  sich  ein  bald  erreichtes  Mafs  von 
Übung  im  Auseinanderhalten  der  Farbenintensitäten  der  Sera  als 
durchaus  genügend,  um  so  mehr,  als  das  Übersehen  einer  aus- 
gesprochenen Hämoglobinämie  (Hämolyse)  völlig  unmöglich  ist. 

Viel  eher  ist  schon  ein  Fehler  nach  unten  hin,  natürlich  in 
Hinsicht  auf  die  Nachhämolyse  möglich,  insofern  als  wir  viel- 
leicht schon  pathologische  Farbentöne  des  Serums  noch  für  nor- 
malerweise mögliche  ansehen  konnten.  Aber  es  kommt  nicht 
darauf  an,  gewissermafsen  die  Schwelle  zwischen  normaler  und 
pathologischer  Nachhämolyse  zu  bestimmen,  es  ist  in  prinzipieller 
Hinsicht  vollständig  interesselos,  ob  diese  Schwelle  tiefer  oder 
höher  liegt ;  der  Fehler  aber,  einen  schon  schwach  pathologischen 
Effekt  noch  für  normales  Verhalten  zu  nehmen,  wäre  in  unseren 
Versuchen  höchstens  zeitlich  ins  Gewicht  gefallen,  da  bei  Ver- 
kennung der  einen  Blutprobe  die  nächste  Blutentnahme  uns  ja 
deutlich  genug  orientieren  konnte.  Ein  Auffassen  von  normal 
möglichen  Serumfärbungen  als  pathologisch  aber  hätte  einen 
tadelnswerten  Fehler  bezüglich  der  Deutung  unserer  Versuchs- 
resultate bedingt. 

Jedes  Tier,  das  zur  Blutuntersuchung  nach  erfolgter  Infektion 
dienen  soll,  ist  zunächst  daraufhin  zu  untersuchen,  ob 

1.  die  Farbe  seines  Serums  der  normalen  Farbe  seiner  Tier- 
spezies entspricht, 

2.  ob  sein  Blut  bezüglich  der  spontanen  aseptischen  Hämolyse 
sich  so  verhält,  dafs  das  Serum  nach  24  stündigem  Lagern 
der  Blutprobe  gegenüber  der  Farbe,  die  das  Serum  bei  so- 
fort nach  erfolgter  Entnahme  ausgeführter  Zentrifugierung 
aufwies,   keinen   nennenswerten  Farben  unterschied  zeigt. 


196  Über  Hämolyse  im  Reagenaglas  and  im  Tierkörper. 

Abweichen  von  der  normalen  Farbe  kann  durch  Krankheits- 
prozesse (z.  B.  Ikterus)  bedingt  sein,  eine  innerhalb  von  24  Stun- 
den auftretende  stärkere  Lösung  der  Blutkörperchen  im  Serum 
etwa  als  Eigenschaft  einer  Spezies  (Hund)  kann  hinsichtlich  der 
Nachhämolyse  zu  groben  Irrtümern  verleiten. 

So  haben  wir  einmal  bei  dieser  Vorprüfung  eines  Kanin- 
chens eine  ziemlich  starke  Hämoglobinämie  gefunden.  Erhebungen 
ergaben,  dafs  das  Tier,  am  Versuchstage  von  auswärts  zur  Stadt 
gebracht,  einen  mehrstündigen  Aufenthalt  in  einem  Korbe  auf 
offenem  Schlitten  bei  einer  Temperatur  von  — 19°  R  (in  der  Stadt) 
hinter  sich  gehabt  hatte.  Am  nächsten  Tage  war  keine  Hämo- 
globinämie mehr  zu  konstatieren,  das  Tier  verhielt  sich  durchaus 
normal.  Wir  setzten  dann  ein  anderes  Kaninchen  der  herrschen- 
den Temperatur  von  einigen  Minusgraden  durch  3—4  Stunden 
aus,  ohne  jedoch  eine  Hämoglobinämie  zu  erzielen  und  verfolgten 
dieses  aufserhalb  unseres  Programmes  liegende  Thema  nicht 
weiter. 

Zeigt  sich  bei  der  Vorprüfung  das  Tier  brauchbar,  so  wird 
es  infiziert  und  dann  zu  verschiedenen  Zeiten  Blut  entnommen 
(vgl.  oben).  Das  gew^onnene  Blut  wird  aus  dem  blutenden  Ge- 
fäfse  direkt  in  unsere  sterilen  U  förmigen  Kapillaren  einfüefsen 
gelassen,  dann  wird  nach  erfolgter  Gerinnung  der  inzwischen 
formierte  Blutfaden  ausgezogen   und   die  Röhrchen  zentrifugiert. 

Wir  entnehmen,  wenn  nicht  besondere  Umstände  mehr  er- 
heischen, jedesmal  4  Kapillaren.  Zwei  werden  sofort  —  bzw. 
innerhalb  von  30  Minuten  —  zentrifugiert,  zwei  werden  gefüllt 
liegen  gelassen  und  nicht  später  als  höchstens  24  Stunden  nach 
der  Entnahme  der  Zentrifugierung  unterworfen.  Erstere  Proben 
zeigen  nun  eine  etwa  bestehende  Hämoglobinämie  (beim  leben- 
den oder  eben  verendeten  Tiere)  an,  letztere  dienen  uns  zum 
Nachweise  einer  eventuellen  Nachhämolyse. 

Es  ist  hier  wohl  angezeigt,  auf  den  Begriff  der  Hämoglobin- 
ämie etwas  näher  einzugehen. 

Nach  den  allgemein  gültigen  Anschauungen  der  Kliniker, 
die  ja  praktisch  zunächst  interessant  sind,  verstehen  wir  unter 
Hämoglobinämie   das  Auftreten    von   gelöstem   Hämoglobin   im 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  197 

Blute.  Die  Methoden,  welche  von  klinischer  Seite  (Vierordt, 
V.  Jaksch)  zur  Konstatierung  dieser  Krankheitserscheinung 
angegeben  werden,  bestehen  darin,  dafs  man  das  dem  Kranken 
mittels  Schröpfkopfes  entnommene  Blut  24  Stunden  im  Eis- 
schranke stehen  läfst  und  das  nach  dieser  Zeit  abgesetzte  Serum 
rubinrot  verfärbt  findet.  Wir  sind,  wie  aus  unseren  in  der  Folge 
mitgeteilten  Protokollen  ersichtlich  sein  wird,  heutzutage  nicht 
mehr  berechtigt,  aus  einer  Beobachtung,  die  solange  nach  der 
erfolgten  Blutentnahme  gemacht  wird,  einen  sicheren  Schlufs 
darauf  zu  ziehen,  dafs  zur  Zeit  der  Entnahme  schon  gelöstes 
Hämoglobin  im  Blute  gekreist  hätte.  Es  kann  der  Fall  sein, 
aber  es  mufs  durchaus  nicht  so  sein.  Die  herkömmliche 
Methode  der  Konstatierung  einer  Hämoglobinämie  ist  durchaus 
zu  verwerfen,  wenn  sie  allgemeine  Gültigkeit  beanspruchen  will, 
sie  mag  in  manchen  Fällen  vielleicht  richtige  Resultate  ergeben, 
bei  Infektionskrankheiten  ist  sie  nicht  brauchbar,  weil  nach 
unseren  Untersuchungen  Blutsera  infizierter  Tiere,  die,  sofort 
nach  der  Entnahme  zentrifugiert,  normale  Färbung  zeigen,  schon 
nach  wenigen  Stunden  rötlich,  ja  weinrot  sein  können.  Es  war  da 
also  im  lebenden  Blute  noch  kein  Hämoglobin  in  nennenswerten 
Mengen  ausgetreten  und  keine  Hämoglobinämie  vorhanden 
gewesen;  vielleicht  war  aber  intra  vitam  eine  Schädigung  der 
Blutkörperchen  schon  da,  welche  sich  dann  aufserhalb  des  leben- 
den Körpers  in  der  Lösung  der  Erythrozyten  und  Rotfärbung  des 
Serums  manifestierte.  Wir  möchten  also  den  Begriff  Hämo- 
globinämie fernerhin  so  aufgefafst  wissen,  dafs  derselbe  anzeigt, 
dafs  eine  dem  lebenden  Individuum  oder  sofort  nach  dem  Tode 
entnommene,  und  möglichst  sofort,  längstens  aber  innerhalb  von 
30  Minuten  zentrifugierte  Blutprobe  eine  Rotfärbung  des  Serums 
ergiebt.  Finden  wir  also  im  Kadaver  bei  der  etwa  einige  Stun- 
den post  mortem  vorgenommenen  Sektion  »Hämoglobinämie«, 
so  müssen  wir  richtig  sagen,  es  sei  :&Hämolyse.«  Haben  wir 
eine  Probe  sofort  zentrifugiert  und  keine  Lösung  konstatiert, 
finden  aber  bei  gleichzeitig  entnommenen  aber  erst  später  zentri- 
fugierten  Proben  dann  Hämolyse,  so  bezeichnen  wir  diesen  Vor- 
gang als  Nachhämolyse,  ebenso  wenn  sich  in  Parallelproben  von 


198  Über  Hämolyse  im  Reagenaglaa  and  im  Tierkörper. 

iiolchen,  die  bei  der  Entnahme  (z.  B.  sehr  bald,  aber  nicht  un- 
mittelbar nach  dem  Tode)  einen  geringen  Grad  von  Hämolyse 
gezeigt  hatten,  eine  deutliche  Zunahme  der  Färbuugsintensität 
nachweisen  läfst. 

Wir  waren,  um  zu  klaren  Resultaten  in  unseren  Versuchen 
zu  kommen,  genötigt,  den  Tod  der  Versuchstiere  abzuwarten  und 
unmittelbar  nach  erfolgtem  Tode  die  Sektion  der  Tiere  und  so- 
fort die  Blutuntersuchung  vorzunehmen.  So  fanden  wir,  dafs 
bei  sämtlichen  Infektionsversuchen,  mit  Ausnahme  der  Milz- 
brandinfektionen und  gewissen  Fällen  von  Staphylokokkeniufek- 
tionen  eine  Hämoglobinämie  (Hämolyse  intra  vitam)  im  allge- 
meinen nicht  bestanden  hat,  da  wir  bei  den  sofort  nach  dem 
Tode  entnommenen  Blutproben  das  Serum  normal  fanden.  Li 
dieser  Hinsicht  ist  in  unserer  seinerzeit  über  das  gleiche  Thema 
erfolgten  vorläufigen  Mitteilung^  der  in  herkömmlicher  Weise 
angewendete  Begriff  Hämoglobinämie  insbesondere  dort  in 
Hämolyse  zu  korrigieren,  wo  wir  (S.  1119)  sagen  »von  anderen 
Bakterienarten  konnten  wir  konstatieren,  dafs  Hühnercholera- 
bakterien beim  Kaninchen  (6  Fälle)  durchaus  Hämoglobinämie 
vom  Typus  serum  purpureum  zu  erzeugen  imstande  waren,  c 
Wir  hatten  ja  bei  den  Sektionen  der  Tiere,  die  etwa  in  der 
Nacht  verendet  waren,  »Hämoglobinämie«  konstatiert,  aber  das 
Abwarten  des  Todes  und  die  sofortige  Untersuchung  des  Blutes, 
ein  Verfahren,  das  zur  theoretischen  ßegriffsfomiierung  sich 
als  unerläfslich  herausstellte,  zeigte  uns  später,  dafs  diese  »Hämo- 
globinämie« nur  als  Hämolyse,  genauer  als  Nachhämolyse  auf- 
gefafst  werden  darf. 

Um  nochmals  kurz  zusammenzufassen :  Die  intra  vitam  oder 
sogleich  nach  dem  Tode  mit  ein  wandsfreier  Methode  sicher- 
gestellte Hämolyse  ist  Hämoglobinämie,  die  einige  Zeit  nach 
dem  Tode  erhobene  »Hämoglobinämiec  im  bisher  üblichen  Sinne 
ist  absolut  genommen  als  Hämolyse,  bzw.  wenn  man  dem  Um- 
stände Rechnung  trägt,  dafs  zur  Zeit  des  Eintrittes  des  Todes 
keine  oder  eine  quantitativ  geringere  Hämoglobinämie  vorhanden 
war,  als  Nachhämolyse  aufzufassen. 

1;  Münchner  med.  Wochenschrift,  11H)3. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  199 

Wir  wollen  nicht  behaupten,  dals  das  in  Lehrbüchern  noch 
stehengebliebene  Verfahren  zur  Konstatierung  von  Hämoglobin- 
ämie  heute  noch  allgemein  üblich  sei,  die  moderne  Zentrifuge 
wird  wohl  damit  aufgeräumt  haben,  aber  die  Methoden  werden  in 
den  Lehrbüchern  weiter  geführt  und  der  alte  Begriff  der  Hämo- 
globinämie  ist  erhalten  geblieben. 

Der  Kliniker  und  der  pathologische  Anatom  werden  wohl  nur 
selten  in  die  Lage  kommen,  sofort  nach  dem  Tode  die  Sektion 
vornehmen  zu  können,  es  werden  daher  unsere  Untersuchungen, 
was  die  Befunde  bei  eben  eingetretenem  Tode  anbelangt,  am 
Menschen  schwer  ausführbar  sein.  Doch  wird  man  auch  für 
die  menschliche  Pathologie  an  dem  Unterschiede  zwischen 
Hämoglobinämie  und  Nachhämolyse  festhalten  müssen.  Viel- 
leicht bringt  uns  auch  die  Zukunft  eine  feinere  Methode,  die 
die  Menge  gelösten  Blutfarbstoffes  quantitativ  zu  bestimmen  ge- 
stattet. 

Vor  Besprechung  der  einzelnen  Infektionen  wäre  noch  über 
einige  Erfahrungen  Mitteilung  zu  machen,  die  hinsichtUch  all- 
gemeiner Fragen  aus  dem  Gebiete  der  Hämolyse  nicht  ohne 
Interesse  sein  dürften. 

I.  Über  die  SehBdlgung  der  Erythrocyten  Im  TlerkOrper  als 
Folge  der  Einverleibung  von  in  vitro  erzeugtem  Bakterio- 
hSmolysln.     Über  Bindung  von  HBmolysin  im  Tierkörper  und 

Im  Reagensglas. 

Versuche  mit  Staphylolysin  am  Kaninchen. 

Es  ist  ein  strenges  Postulat  der  Ehrlichschen  Theorie,  dafs 
ein  Bakteriohämolysin  zur  Entfaltung  seiner  Wirksamkeit  an  die 
roten  Blutzellen  gebunden  werde,  dafs  also  die  haptophore  Gruppe 
des  Lysins  die  Verankerung  an  das  Blutkörperchen  bewerkstellige, 
während  dann  nach  Ablauf  einer  gewissen  Zeit  die  toxophore 
Gruppe  durch  Auflösen  des  Blutkörperchens  bzw.  nach  Ehrlich 
durch  Erwirken  der  Durchlässigkeit  der  diffusionsverhinderuden 
Membran  —  Diskoplasma  Ehrlichs  —  ihre  Wirksamkeit 
äufsert. 


200  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

Es  war  für  uns  natürlich  wichtig,  auch  über  diese  Frage 
experimentell  am  Tiere  orientiert  zu  sein,  einmal  weil  ja  die 
Reagensglasversuche,  au  denen  diese  Frage  studiert;  worden  ist, 
nicht  auch  unbedingte  Gültigkeit  für  die  komplizierten  Verhält- 
nisse im  Tierkörper  haben  müssen,  dann  aber  auch,  weil  diese 
Frage  von  Wichtigkeit  für  die  Auffassung  unserer  Injektions- 
versuche ist,  die  Literatur  aber  eine  genügende  Orientierung  nicht 
zu  bieten  vermag. 

Es  hat  zwar  S  c  h  u  r  (a.  a.  0.),  um  ganz  allgemein  zu  konstatieren, 
ob  die  Injektion  von  Hämolysin  bei  Kaninchen  eine  die  Erythro- 
zyten schädigende  Wirkung  ausübe,  einige  Versuche  in  dieser 
Richtung  angestellt.  Schur  hat  drei  Kaninchen  subkutan 
Staphylolysin  injiziert  und  die  Tiere  nach  1,  2  bzw.  4  Tagen 
entblutet,  von  den  Blutmengen  sterile  Aufschwemmungen  in 
isotonischen  Kochsalzlösungen  angelegt  und  die  Versuchsröhrchen 
neben  den  entsprechenden  mit  normalem  Blute  beschickten  Kon- 
trollen im  Brutofen  bei  30®  aufbewahrt.  Es  zeigte  nun  nur  das 
Blut  jenes  Tieres,  welches  nach  Ablauf  von  2  Tagen  entblutet 
worden  war,  eine  deutliche  Lösung,  während  das  Blut  der  beiden 
anderen  Tiere  sich  wie  normales  Blut  verhielt.  Die  Lösung  im 
Reagensglas  trat  erst  nach  2tägigem  Verweilen  im  Brutschranke 
in  Erscheinung.  Die  Reaktion  verlief  also  sehr  langsam.  Be- 
züglich der  beiden  anderen  negativ  ausgefallenen  Versuche  kann 
man  zur  Erklärung  annehmen,  dals  vielleicht  bei  dem  nach 
24  Stunden  getöteten  Kaninchen  die  Wirkungszeit  des  Lysins 
zu  kurz  bemessen  gewesen  sei,  beim  anderen  (4  Tage)  ist  die 
Möglichkeit  vorhanden,  dafs  eine  erfolgte  Schädigung  schon 
wieder  ausgeglichen  worden  war. 

Wir  benutzten  deshalb  zum  Studium  dieser  Frage  den  Weg, 
den  Tieren  das  Lysin  direkt  in  die  Blutbahn  zu  injizieren. 
Um  deutliche  Resultate  zu  erhalten,  verwendeten  wir  auch 
gröfsere  Mengen  Lysins  (30  ccm)  als  Schur  (0,5  ccm). 

Wir  injizierten  einem  Kaninchen  30  ccm  eines  Staphylolysins 
von  Titer  Lo  <  0,0125,  Lc  =  0,4  ccm,  zentripetal  in  die  rechte 
Vena  jugularis.  10  Minuten  nach  beendeter  Operation  wurde 
das  Tier  aus  der  linken  Art.  carotis  entblutet,  das  Blut  vorsichtig 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim. 


201 


defibriniert,  sodann  in  mehrere  Röhrchen  zu  je  2  ccm  0,85  proz. 
Kochsalzlösung  je  ein  Tropfen  des  Blutes  eingebracht,  die 
Röhrchen  2  Stunden  bei  37®  C  gehalten,  in  der  Kälte  aufbe- 
wahrt und  nach  24  Stunden  das  Resultat  notiert.  Eine  gleiche 
Anzahl  von  Proben  wurde  ohne  Brutofenaufenthalt  von  vorn- 
herein in  der  Kälte  gehalten,  beiden  Versuchen  die  entspre- 
chenden Kontrollen  beigegeben.  Aufserdem  wurde  aktives  und 
inaktives  Serum  des  injizierten  Tieres  auf  seine  eventuelle 
Lösungsfähigkeit  gegenüber  Normalkaninchenblut  geprüft.  Tab.  II 
macht  das  Resultat  ersichtlich. 


Tabelle  II. 


I    Erst  2h  bei 
370  C, 
dann  Kälte 


Immer  In  der 
Kalte 


2  ccm  0,86  pro«.  Na  Cl-Lösung  -j-  1  Tropfen  Blut 
(6  Röhrchen) 

2  ccm  0,86  pro».  Na  Cl-Lösang  -|-  1  Tropfen  nor- 
males Blat 

2  ccm  aktives  Serum  -{-  ^  Tropfen  normales  Blut 

2  ccm  inaktives  Serum  -f-  1  Tropfen  norm.  Blut 


Lösung 


Lösung 


ti 

0 

e 

e 

0 

0 

Dieser  nur  zur  Orientierung  angestellte  Versuch  zeigt  uns 
deutlich,  dafs  durch  die  Injektion  von  Staphylolysin  im  Gefäfs« 
System  eines  Kaninchens  die  roten  Blutzellen  derart  alteriert 
waren,  dafs  sie  der  Auflösung  anheimfallen. 

Als  wir  kurz  darauf  denselben  Versuch  unter  denselben 
Bedingungen  wiederholten,  zeigte  das  Blut  des  »Lysinkaninchensc 
in  isotonischer  Kochsalzlösung  nach  24  Stunden  noch  keine 
Lösung;  erst  nach  weiteren  24  Stunden  Aufenthalts  bei  Zimmer- 
temperatur konnten  wir  in  den  Röhrchen  deutliche  Rotfärbung 
der  Flüssigkeit  (»Kuppec)  konstatieren.  Das  defibrinierte  Blut 
aber  des  Lysinkaninchens,  das  über  Nacht  in  der  Kälte  aufbe- 
wahrt worden  war,  zeigte  eine  intensive  Hämolyse,  das  abge- 
setzte Serum  war  purpurrot.  Es  war  auffallend,  dafs  das  ge- 
schädigte Blut  in  seinem  eigenen  Serum  schon  nach  relativ 
kurzer  Zeit  selbst  bei  geringer  Temperatur  (ca.  10®  C)  der  Auf- 
Archiv  fQr  Hygiene.  Bd.  LIV.  14 


V 


204  Über  Hämolyse  im  Reagenzglas  und  im  Tierkörper. 


Tabelle  IV. 

T^ösung   des  Lysinblutes  in   isotonischer   Kochsalzlösung.     Bestimmung  mit 

dem  Hämometer  nach  Fleischl. 


0,85  proz.  Na  Ol- ;  Zugesetzte  Tropfen- 
Tiösung  ccm   |!    zahl  des  Blutes 


Hämometer- 
zahlen 


1  !  932 

3  !  2344 


2 

2 

2  5  4035 

2  I  10  7780 

2  3  Tropfen  normales  i    keine  Lösung 

I  Blut 

Die  Hämometerzahlen  sind  mg  Hämoglobin  in  1000  ccm. 

Man  könnte  nun  einwenden,  dafa  in  Tabelle  III  eine  Lösung 
der  normalen  Kaninchenerythrozyten  im  Lysinserum  deshalb 
nicht  erfolgt  sei,  weil  das  Lysin  durch  Mischung  mit  dem  Blute 
des  Versuchstieres  eine  derartige  Verdünnung  erfahren  habe,  dafs 
eine  lytische  Wirkung  schon  aus  diesem  Grunde  ausgeblieben 
wäre.  Eine  einfache  Rechnung  wird  nun  zeigen,  dafs  der  Ein- 
wand nichtig  sei. 

Das  verwendete  Kaninchen  wog  1720  g.  Nach  den  An- 
gaben der  Physiologie  beträgt  die  Blutmenge  des  Kaninchens  ^ji^ 
seines  Körpergewichtes.  Unser  Versuchstier  hatte  also  90  g  Blut 
besessen.  Zu  diesen  90  g,  die  wir  der  Einfachheit  halber  gleich 
90  ccm  setzen  wollen,  kamen  30  ccm  injiziertes  Lysin  vom  Titre 
Lc  =  0,4  ccm.  Wir  hatten  also  eine  Flüssigkeitsmenge  von 
120  ccm  und  wollen  ganz  davon  absehen,  dafs  dieselbe  gewifs 
durch  regulatorische  Vorgänge  von  selten  des  Organismus  ver- 
mindert worden  war.  Die  120  ccm  enthielten  30  ccm  Lysin, 
also  im  ccm  0,25  oder  in  2  ccm  der  im  Versuch  verwendeten 
Menge  von  Serum  0,5  ccm  Lysin.  Da  nun  der  Titer  unseres 
Lysins  L«  ■^=^  0,4  war,  also  0,4  ccm  unseres  Lysins  einen  Tropfen 
Kaninchenblutes  komplett  löste,  so  müfsten  ja  doch  2  ccm  Serum 
mit  einem  ausgerechneten  Gehalte  von  0,5  ccm  Lysin,  also  noch 
mehr  als  Lc  gewifs  eine  lytische  Wirkung  gehabt  haben,  wenn 
eben  noch  freies  Lysin  in  der  Mischung  vorhanden  gewesen  wäre. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  205 

Wir  können  also  mit  Fug  und  Recht  annehmen,  dafs  im  Serum 
kein  freies  Lysin  vorhanden  gewesen  sei,  ohne  dafs  eine  Ver- 
dünnung für  die  ausbleibende  Lösung  verantwortlich  zu  machen 
gewesen  wäre. 

Als  wir  nun  gesehen  hatten,  dafs  im  Tierkörper  die  voll- 
ständige Bindung  des  Lysins  in  äufserst  prompter  Weise  vor  sich 
gehe,  wollten  wir  noch  feststellen,  wie  sich  denn  die  Bindungs- 
verhältnisse in  vitro  stellen  mögen,  denn  wir  wissen  ja  seit  den 
Versuchen  von  Madsen  mit  dem  Tetanolysin,  dafs  der  Nachweis 
einer  solchen  Bindung  zu  gelingen  pflegt.  Hier  war  gleichfalls 
das  theoretische  Postulat  aufrechtzuerhalten,  dafs  bei  ent- 
sprechender Bindung  von  selten  der  Blutkörperchen  die  nach 
dem  Zenlrifugieren  abgesetzte  Flüssigkeit,  das  Absorbat,  keine 
lösende  Wirkung  mehr  auf  rote  Blutzellen  ausüben  dürfe.  Be- 
dient man  sich  bei  solchen  Bindungsversuchen  nicht  der  Methode 
von  Sachs  (^^),  so  ist  es  mitunter  unvermeidlich,  dafs  infolge 
bereits  eingetretener  Lyse  eine  Rotfärbung  des  Absorbats  eintritt, 
welche  uns  dann  bei  der  Auswertung  des  Lösungsvermögens 
natürlich  hindernd  in  den  Weg  tritt.  Um  da  die  Lösungskraft 
des  Absorbates  einwandsfrei  feststellen  zu  können,  sieht  man  sich 
genötigt,  zunächst  die  Hämometerzahlen  des  Absorbates  in  den 
dem  wirklichen  Versuche  entsprechenden  Verdünnungen,  natürlich 
ohne  Blutzusatz,  festzustellen.  Stellt  man  dann  den  Versuch  mit 
dem  Absorbate  und  Blutkörperchen  an  (je  ein  Tropfen  Blut  in 
jedes  Röhrchen)  und  bestimmt  nun  die  Hämometerzahlen  der 
einzelnen  Röhrchen,  so  mufs  ein  Steigen  der  Zahlen  im  Absorbat- 
versuch  zugunsten  eingetretener  Lösung  sprechen,  uns  also  an- 
zeigen, dafs  unser  Absorbat  eben  nicht  frei  von  Lysin  gewesen 
ist.  Differieren  die  Hämometerzahlen  des  Versuches  nicht 
wesentlich  gegenüber  den  Zahlen  des  Absorbates,  so  kann  man 
annehmen,  dafs  eine  vollständige  Bindung  des  Lysins  stattge- 
funden habe.  Schwankungen  von  10  Graden  beim  Fleischlscheu 
Hämometer  liegen  wohl  innerhalb  der  möglichen  Fehlergrenzen 
und  sind  erst  Differenzen  über  10  von  Bedeutung.  Wir  kamen 
gar  nicht  in  die  Lage,  diese  Erfahrung  praktisch  verwerten  zu 
können,  da  in  unseren  Versuchen  die  geringste  mefsbare  Differenz 


206 


Über  Hftmolyse  im  KeagODsglas  und  im  Tierkörper. 


zwischen  Absorbatzahl  und  der  im  Versuche  erhobenen  Zahl  17 
betrug. 

Von  Wichtigkeit  ist,  bei  solchen  Versuchen  darauf  zu  sehen, 
dals  dem  Lysin  eine  solche  Blutmenge  zugesetzt  wird,  dafs  dem 
Titer  des  Lysins  entsprechend  ein  Überschufs  an  Blut  vorhanden 
sein  mufe.     Wenn   wir  z.  B.  (Tab.   V   Versuch  I)  9  ccm  eines 

Lysins  vom  Titer  0,4  =  Lc  absättigen  wollen,    so    müssen  wir 

g 
theoretisch  den  Lösungswert  der  9  ccm  mit  mindestens  j-r-  also  22,5 

Tropfen  berechnen,  da  ja  0,4  ccm  des  Lysins  einen  Tropfen 
Blut  komplett  zu  lösen  vermögen.  Wenn  wir  nun  statt  22,5  etwa 
50 — 60  Tropfen  Kaninchenblut  zusetzen,  so  können  wir  wohl 
annehmen,  dafs  ein  Überschufs  von  Blut  vorhanden  sei.  Die 
folgenden  Tabellen  registrieren  die  unter  verschiedenen  Bedin- 
gungen angestellten  drei  Bindungsversuche. 

Tabelle   V.     Versuch  I. 

9  ccm  Staphylolysin  vom  Titer  0,4  =  Lc  +  2,8  ccm  =  56  Tropfen  Kaninchen* 
blat  werden  bei  Zimmertemperatur  gemischt  und  24  Std.  bei  10^  C  gehalten. 
Absorbat  dunkelrot.  Gewöhnliche  Technik  der  Auswertung  eines  Lysins. 
Die   Hämometerzahlen  geben   an   wieviel  mg   Hämoglobin  in   1000  ccm  der 

Blutlösung  enthalten  waren. 


Absorbat- 

0,85 pro«. 

Hämometerzahlen 

Zunahme  des 

menge  in 

Na  Cl-Lösung 

vor 

nach        1 

Hämoglobin- 

2 ccm 

in  2  ccm 

1 

dem  V( 

1 
ersuche           ' 

gehaltes  in  Vo 

1,00 

1,00 

4425 

4612 

4 

0,60 

1,40 

3000 

3802 

27 

0,40 

J,60 

2112 

2450 

16 

0,20 

1,80 

914 

1612 

76 

0,10 

1,90 

537 

759        ' 

41 

0,05 

1,95 

259 

422 

62 

0,0125 

1,987 

<96 

'      <96 

1 

(Siehe  Tabelle  VI  und  VH  auf  8.  207.) 

Wenn  wir  die  Resultate  der  vorstehenden  Versuche  über- 
blicken, so  konstatieren  wir  als  allen  gemeinsam  die  Tatsache, 
dafs  in  keinem  derselben  eine  vollständige  Bindung  des  Lysins 
an  die  im  Überschufs  zugesetzten  Blutmengen  erfolgt  war,  nach- 
dem ja  immer  das  Absorbat  auf  Zusatz  von  1  Tropfen  Blut  hin 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim. 


207 


Tabelle  VI.     Versuch  ü. 

20  ccm  Staphylolysin  vom  Titer  0,4  =  Lc  werden  mit  150  Tropfen  =  7,5  ccm 

Eaninchenblut  gemischt  und  30  Minuten  bei  37^  C  gehalten. 

Absorbat  purpurrot.    Gewöhnliche  Technik  der  Auswertung  eines  Lysins. 


Absorbat- 

0,85 proz. 
Na  Cl-Lösung 

Hfimome 
vor 

1 

terzahlen 

Zunahme  des 

menge  in 

nach 

Hämoglobin- 

2 ccm 

in  2  ccm 

dem  Versuche 

1                      _                       ' 

gehaltes  in  Vo 

0,8 

1,2 

3460 

4770        1 

37 

0,6 

1,4 

3690 

4192 

13 

0,4            i 

i        1,6 

2460 

3285        ' 

33 

0,2 

1,8 

951 

2245 

136 

0,15 

1,85 

!          845 

1 

2385 

182 

0,10         1 

1,90        ! 

691 

1534 

122 

0,05 

1,95 

326 

624 

91 

0,025 

1,975 

260 

374 

49 

0,0125 

1,9875     1 

1 

;      <96 

298 

— 

Tabelle  Vn.    Versuch  III. 

16  ccm  Staphylolysin  vom  Titer  0,4  =  Lc  und  5  ccm  =  100  Tropfen  Kanin- 
chenblut werden  gesondert,  IVs  Std.  bei  31^  C  vorgewärmt,  dann  vereinigt 
und  weitere  3  Std.  bei  37®  C  gehalten.   Absorbat  rubinrot.    Flüssigkeit  steril. 


Absorbat-    , 

0,85  proz. 

Hämometerzahlen 

Zunahme  des 

menge  in 

Na  ClLösung 

vor                 nach 

Hämoglobin- 

2 ccm 

in  2  ccm 

dem  Versuche 

gehaltes  in  7o 

2         j 

0 

2422 

3114 

28 

1 

1 

1 

1326                 1956        1 

47 

0,8            1 

1,2 

1000                1384        ! 

38 

0,6 

1,4 

615                  920        1 

49 

0,4 

1,6 

471                1080        i 

129 

0,2 

1,8 

172        '          711 

313 

0,1            i 

1,9 

'      <96                  615        1 



0,05 

1,95 

<  96                  259 

0,025 

1,975 

<  96              <  96 

0,0125      1 

1,987 

<96 

<96        j 

ansteigende  Hämometerzahlen  zeigt,  also  das  Absorbat  noch  Bin- 
dungs-  und  Lösungsvermögen  besals.  Wenn  wir  schon  bei  Versuch  I 

• 

(Tab.  V)  a  priori  nicht  angenommen  hatten,  dafs  bei  der  niedrigen 
Temperatur  eine  vollständige  Bindung  erfolgen  werde,  auch  noch 
zugeben  wollen,  dafs  in  Versuch  II  (Tab.  VI)  die  Zeit  von  30  Min. 
nicht  lange  genug  bemessen  gewesen  wäre,  um  den  gewünschten 


208  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

Effekt  zu  erzielen,  so  mulste  uns  doch  in  hohem  Malse  befrem- 
den, dafs  auch  die  in  Versuch  III  (Tab.  VII)  angewandten  Zeiten : 
eineinhalbstündiges  Vorwärmen,  dann  Verweilen  der  Mischung 
durch  3  Stunden  bei  37°  C  nicht  genügt  hatten,  um  eine  voll- 
ständige Bindung  zu  erzielen. 

Ziehen  wir  nun  in  Betracht,  dafs  nach  unseren  weiter  oben 
mitgeteilten  Erfahrungen  im  Tierkörper  sicher  20  Minuten,  ja  auch 
schon  10  Minuten  nach  vollendeter  intravasaler  Injektion  des  nicht 
vorgewärmten  Lysins  die  Bindung  voUzogen  war,  so  müssen  wir 
zugeben,  dafs  die  Reagensglasversuche  dem  Tierversuch  gegen- 
über ein  recht  kümmerliches  Surrogat  bedeuten;  wenn  aber  im 
Tierkörper  etwa  noch  andere  Zellenelemente  eine  Affinität  für 
Bakteriolysine  besitzen  sollten,  so  würde  dieser  Umstand  erst 
recht  einen  Vergleich  zwischen  Reagensglas-  und  Tierversuch 
verbieten  müssen. 

U.  Über  die  TTirkung  des  Staphylolysins  im  TierkOrper  bei 
subkutaner,  intraperitonealer  oder  intravenOser  Einverleibung. 

Im  vorigen  Abschnitte  haben  wir  den  Nachweis  erbracht, 
dafs  man  nach  intravenöser  Injektion  von  Staphylolysin  eine 
Lösung  des  Blutes  des  vergifteten  Kaninchens  sowohl  in  seinem 
eigenen  als  auch  im  Serum  der  homologen  Tierart  beobachten 
könne,  sowie  dafs  eine  Lösung  zum  Unterschiede  von  normalem 
Kaninchenblut  auch  in  isotouischer  Kochsalzlösung  erfolge.  Wir 
konnten  zeigen,  dafs  die  Bindung  zwischen  Lysin  und  Erythro- 
zyten im  Tierkörper  in  weitaus  vollkommenerer  Weise  zu  be- 
wirken und  nachzuweisen  sei  als  im  Reagensglasversuch.  Aber 
unsere  Versuchsanordnung  mufste  es  mit  sich  bringen,  das  ver- 
giftete Tier  zu  entbluten,  und  somit  wurde  es  uns  unmöglich,  den 
zeitlichen  Verlauf  einer  solchen  Vergiftung  in  ihrer  Einwirkung 
auf  das  Blut  zu  studieren.  Diese  Lücke  auszufüllen  sind  die 
folgenden  Versuche  berufen. 

Wir  bedienten  uns  hierbei  unserer  Kapillarmethode,  welche 
sich  aufs  beste  bewährte  und  vor  allem  in  den  Versuchen  schön 
zur  Darstellung  bringt,  wie  wichtig  es  ist,  die  Konstatierung  der 
Nachhämolyse    zur    Beobachtung   heranzuziehen,    da    uns    ohne 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


209 


diesen  Behelf  mancher  wertvolle  Aufschlufs  verborgen   bleiben 
würde  (vgl.  Nr.  178  u.  193). 

Wir  injizierten  den  Kaninchen  das  Staphylolysin  zunächst 
subkutan.  Das  Auftreten  einer  Hämoglobinämie  wurde  bei  diesem 
Vorgehen  nicht  beobachtet  (vgl.  Tab.  VIII  u.  IX).  Die  Proben, 
welche  sofort  nach  der  Entnahme  zentrifugiert  worden  waren, 
liefsen  ausnahmslos  eine  Hämolyse  vermissen,  jedoch  zeigten 
viele  Proben  deutliche  Nachhämolyse.  Die  Beeinflussung  der 
roten  Blutzellen  ist  durch  mehrere  Tage  hindurch  deutlich  wahr- 
nehmbar, in  Tabelle  VIII  ist  am  4.  Tage,  in  Tabelle  IX  am 
7.  Tage  noch  Nachhämolyse  zu  beobachten.  Bei  der  zweiten 
Injektion  bei  Nr.  178  wird  keine  Schädigung  der  Erythrozyten 
mehr  wahrnehmbar,  das  Tier  ist  offenbar  bereits  immun  geworden. 

Tabelle  VIII. 
Kaninchen  Nr.  193.     Subkutane  Injektion  von  Staphylolysin. 


7 


Datum 


Gewicht         Zeit    1 


der  Entnahme 


H 


NH 


15.  III.  04 

Injektion 

12h  30' 

16.  m. 

17.  UI. 

18.  III. 

19.  m. 
21.111. 


1172 


1087 
995 

1005 
1045 
1080 


Kontrolle 
4h 

lOh  30' 

11h  30' 
12h  30' 

11h  15' 

11h  15' 

lOh 


+ 

+ 
+ 


-     ,.    + 


Injektion  von  10  ccm  Staphylo- 
lysin. Staph.  88  vom  Titre 
I-^  <  0,02,  I^c  zwischen  0,2 
und  0,06.  Infiltrat.  Nekrose. 
Schorf.    Heilung. 


(Siehe  Tabelle  IX  auf  Seite  210.) 


Anders  wiederum  liegen  die  Verhältnisse  bei  intraperitonealer 
Einverleibung  des  Lysins.  Hier  sehen  wir  in  jedem  der  beiden 
mitgeteilten  Fälle  überhaupt  nur  je  einmal  eine  Schädigung  der 
Erythrozyten  zum  Ausdruck  kommen  und  zwar  als  Nachhämo- 
lyse wie  bei  der  subkutanen  Applikation.  Die  eine  Beobachtung 
(Nr.  194)  ist  einwandsfrei,  bezüglich  der  anderen  (Nr.  177)  sagt 
uns  schon  das  Zeichen  ±,  dafs  die  Hämolyse  durchaus  nicht 
von  zweifelloser  Intensität  gewesen  ist.  Im  Gegensatze  zu  den 
subkutan  injizierten  Tieren  trat  hier  das  Manifestwerden  der 
Schädigung  in  beiden  Fällen  schon  am  Tage  nach  der  Injektion 


210 


Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 


auf.  Dann  aber  konnte  keine  Lösung  mehr  beobachtet  werden. 
Bei  Nr.  177  trat  auf  eine  zweite  Injektion  hin  der  Tod  ein.  Bei 
der  Sektion  fanden  wir  das  Serum  durch  Hämoglobin  gefärbt. 
Diese  Hämolyse,  die  in  der  Folge  keine  Verstärkung  in  ihrer 
Intensität  erfuhr,  war  quantitativ  zur  Zeit,  als  wir  das  Tier  sezierten, 
bereits  abgelaufen. 

Tabelle  IX. 
Kaninchen  Nr.  178.    Subkutane  Injektion  von  Staphylolysin.    Immunität. 


Datum 


Zeit 


Gewicht 


der  Entnahme 


H 


NH 


22.1.04     'Kontrolle 
I.  Injektion      12h  30* 


12h  15' 

23.  I. 

25.  I. 

26.  I. 

27.  I. 
29.  I. 


4h  30' 
12h  15' 
11h  30' 
12h  30' 
11h  15' 
12h  15' 


1575   i  _    — 


I 


1505 
1430 
1375 
1310 
1144 


+ 

+ 

+ 


I.  Injektion  10  ccm  Staphylo- 
lysin. Staph.  88  vom  Titre 
Lo  <  0,02,  Lc  zwischen  0,5 
und  Ol. 

2  Tage  nach  der  Injektion 
beginnende  Nekrose  der 
Injektionsstelle ,  Demarka- 
tion, Schorf.     Heilung. 


11.  m.  04 

IL  Injektion 

Ih  15' 

12.  m. 

13.  III. 

14.  m. 

15.  III. 


Kontrolle 

1380 

1 

5h  15' 

11 

i; 

11h  30* 

1332 

1            1 

;          1 

1 

5h 

1322 

1 

Uh 

1382 

1 

i 

1385 

1 
i 

U.  Injektion  7  ccm  Staphylo- 
lysin. Staph.  88.  Titre  Lo 
<  0,02,  Lc  zwischen  0,2 
und  0,06. 

Keine  Reaktion  an  der 
Injektionsstelle.  GeringeGe- 
wichtsabnahme,  die  schon 
am  3.  Tage  aasgeglichen 
erscheint 


Tabelle   X. 
Kaninchen  Nr.  194.    Intraperitoneale  Injektion  von  Staphylolysin. 


Datum 


Zeit  der 
Entnahme 


H 

■  1 
NH 

-1 

1 

1 

14.  HL  04 

Injektion 
12h 


15.  m. 

16.  m. 

17. 111. 


Kontrolle 

12h  15' 

Ih 
6h  80' 

11h  30' 

12h  30' 

12h 


-     -     + 


Anfangsgewicht  1360  g,  erhält  10  ccm 
Filtrat  einer  11  Tage  alten  Boaillon- 
kultur  Stamm  Staph.  88,  Titre  Lo 
unter  0,02,  Lc  zwischen  0,2  und  0,06  ; 
nimmt  stetig  ab  und  wird  am  15.  lY. 
bei  einem  Gewicht  von  905  g  getötet 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wnnschheim. 


211 


Tabelle  XI. 
Kaninchen  Nr.  177.    Intraperitoneale  Injektion  von  Siaphylolysin.   Tod. 


Datum 


Zeit  der 
Entnahme 


H 


NH 


21.  I.  04 

I.  Injektion 

nm  12h 


22.  1. 


23.  I. 


I! 


Kontrolle 


12h  15' 

5h 

11h  30'  Vm. 

4h  30'  Sm. 

12h  lO* 


+  ? 


I 


Anfangsgewicht  975  g. 

I.  Injektion  10  ccm  Filtrat  einer  13  Tage 

alten  Boaillonknltor  Stamm  Staph.  88. 

Titre  Lo   anter  0,02,  Lc  zwischen  0,5 

and  0,1. 

Gewicht  sinkt  bis  zam  30.  I.  aaf  870  g, 

steigt  dann  wieder  an.    Das  Tier  wiegt 

am  11.  m.  1107  g. 


11.  m.     '! 
II.  Injektion  | 
Ih  15' 


Kontrolle       — 


5h  15' 
Sektion 


+ 


II.  Injektion  7  ccm  Filtrat  einer  11  Tage 
alten  Boaillonkaltar  Stamm  Staph.  88. 
Titre  Lo  anter  0,02,  Lc  zwischen  0,2 
and  0,06. 

Tod  in  der  Nacht  zam  12.  in.  Sektion 
am  13.  ni.  7h  p.  m. 
Im  Baachraum  hellrotes  Seram,  in  der 
Plearahöhle  viel  helles  seröses  Exsudat, 
im  Herzbeatel  ebenfalls  viel  helles  Exsa- 
dat  mit  frischen  fibrinös.  Auflagerungen. 
Kultur-  Bauchexsadat 

Pleuralexsudat 

Herzblut 

Leber 


steril. 


Gänzlich  anders  als  bei  der  subkutanen  oder  intraperitonealen 
Injektion  gestaltet  sich  die  intravenöse  Einverleibung  des  Lysins. 
Hier  tritt  entweder  eine  Hämoglobinämie  oder  wenigstens  Nach- 
hämolyse  schon  kurze  Zeit  nach  der  Injektion  in  Erscheinung. 
So  bei  Nr.  192  schon  zehn  Minuten  nach  der  Injektion  Hämo- 
globinämie, Nachhämolyse  bei  Nr.  182  nach  15  Minuten.  In 
beiden  Fällen  aber  finden  wir  schon  in  sehr  kurzer  Zeit  den 
ganzen  Prozefs  abgelaufen,  bei  Nr.  182  schon  nach  5  Stunden 
das  Blut  ohne  freies  Hämoglobin,  bei  Nr.  192  ist  dies  sicher  nach 
7  Stunden  der  Fall.  Da  beide  Male  auch  keine  Nachhämolyse 
nachweisbar  ist,  so  können  wir  annehmen,  dafs  zu  den  an- 
gegebenen Zeiten  keine  geschädigten  Erythrozyten  mehr  kreisten. 

Wie  wir  bei  Nr.  182  sehen,  hat  das  Tier  auf  die  zweite  intra- 
venöse Injektion  kaum  mehr  reagiert  (±  NH),  nach  der  dritten  In- 


212 


Über  Uämolyse  im  Keagensglas  und  im  Tierkörper. 


jektion  ist  gar  kein  Eiuflufs  auf  die  Erythrozyten  mehr  zu  sehen, 
es  war  Immunität  eingetreten. 

Tabelle  XU. 
Kaninchen  Nr.  192.    Intravenöse  Injektion  von  Staphylolysin. 


Datum 

I  Gewicht 

Zeit  der 
Entnahme 

H 

NH 

1 

1 

12.  lU.  04 

'     1650 

Kontrolle 

'  Injektion  von  7  ccm  Staphylo- 

Injektion 

1 
1 

lysin   Staph.  88.    Titre  Lo 

12h  45' 

<  0,02,    JjC   zwischen   0,2 

i 

12h  55' 

+ 

— 

und  0,06. 

Ih  15' 

+ 

+ 

4h  45' 

+ 

1 

1 

7h 

— 

— 

1 

13.  III. 

1435 

11h  Siy 

-  - 

1 

14.  m. 

1465 

11h  45' 

Tabelle  XIII. 
ELaninchen  Nr.  182.    Intravenöse  Injektion   von   Staphylolysin.    Immunität. 


Datum 

Ge- 
i  wicht 

Zeit  der 
Entnahme 

1 
H 

1 
NH 

1 

1 

29.  I.  04 

,  1827 

Kontrolle 

— 

'  I.  Injektion  10  ccm  Staphylo- 

I. Injektion 

12h  05' 

— 

+ 

lysin  Staph.  88.    Titre   Lo 

11h  50' 

12h  50' 
4h  50' 



<  0,02,  Lc  =  0,2. 

30.  I. 

'  1820 

11h  30' 

1.  n. 

'  1805 

11h  30' 

-  - 



11.  III. 

'  1795 

Kontrolle 

— 



II.  Injektion  7  ccm  Staphylo- 

II. Injektion 

11h  45' 

— 

+   ? 

lysin   Staph.  88.    Titre  Lo 

11h  30' 

12h  30' 

— 

+   ••' 

<  0,02,    Lc   zwischen   0,2 

5h  30' 

— 

und  0,06. 

12.  lU. 

1772 

11h  30' 

— 

— 

13.  m. 

1800 

Uh  30' 

14.  m. 

1820 

11h  15' 

— 

1 

!• 
'1 

2.  IV. 

1790 

Kontrolle 

1  III.  Injektion  10  ccm  Staphylo- 

III. Injektion 

1 

11h  08' 

— 

— 

lysin   Staph.  88.    Titre  Lo 

10h  53' 

11h  38' 

— 

- 

j      <  0,02,  1x5  0,1. 

11h  53' 

— 

2h  53' 

! 

4h  53' 



Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim. 


213 


Es  scheint  uns  hier  nötig,  daraufhinzuweisen,  dafsNeifser 
und  Wechsberg  (^^)  in  ihrer  noch  mehrfach  zu  zitierenden  Arbeit 
angeben,  dafs  ihnen  die  Erzeugung  eines  Antistaphylolysins  am 
besten  bei  subkutaner  Einverleibung  gelungen  sei;  die  intra- 
venöse Injektion  hätte  sich  entschieden  als  unzuverlässiger  ge- 
zeigt als  jene  und  nur  in  einem  Falle  ist  es  den  Autoren  gelungen, 
durch  intravenöse  Injektion  ein  > Antitoxin  mäfsiger  Stärke c  zu 
erzeugen,  die  intraperitoneale  Immunisierung  aber  hätte  den 
Autoren  mehrfach  versagt.  Letztere  Angabe  konnten  wir  nicht 
nachprüfen,  da  unsere  intraperitoneal  injizierten  Tiere  den  ab- 
sichtlich hoch  bemessenen  Dosen  erlagen,  während  die  mit 
gleichen  Dosen  subkutan  und  intravenös  vorbehandelten  Kanin- 
chen nur  vorübergehend  im  Gewicht  abfielen  und  eine  voll- 
kommene Immunität  erlangten.  Einen  Unterschied  aber  in 
der  Stärke  der  auf  dem  einen  oder  anderen  der  beiden  Wege 
erlangten  Immunsera  konnten  wir  nicht  beobachten,  die  intra- 
venöse Immunisierung  leistete  nicht  weniger  als  die  subkutane, 
wie  die  beiden  folgenden  Tabellen  zeigen  mögen.  Die  Immun- 
sera wurden  mit  den  Lysinmengen  gemischt,  eine  Stunde  bei 
37^  C  gehalten,  sodann  erst  jedem  Röhrchen  ein  Tropfen  nor- 
malen Kaninchenblutes  zugefügt  und  nach  üblicher  Methode 
beobachtet. 


Tabelle   XIV. 

tistaphylolysi] 

QS   des  Kaninchens  Nr.  178 

(subkutan 

Staphylo- 

Antitoxin 

0,85  proz. 

Lösang  -f- 

lysin 

1 

(Serum)   i 

1 

NaCl-I^sunj? 

kei 

ine  I^s.  0 

0,5 

1 
0,5 

1 

0 

0,5 

0,4 

1,1 

0 

0.5 

0,3        ' 

1.2 

t) 

0,5 

0,2 

1.3 

0 

0,5 

0,1 

1,4 

1 

e 

0,5 

0.08      ' 

1,5 

0 

0,5 

0,06 

1,5 

1 

+ 

Kontrolle 

0,5 

1,5 

0 

Kontrolle 

2 

0 

214 


Über  Hämolyse  im  Beagensglas  und  im  Tierkörper. 


Tabelle  XV. 
Titer  des  Antistaphylolysins  des  Kaninchens  Nr.  182  (intravenöse  Injektion). 


Staphylo- 

Antitoxin 

0,85  pros. 

LOBung  -|- 

lysin 

(Semm) 

Na  Cl-LOsang 

keine  LOs.  0 

0,5 

!       0,6 

1 

0 

0,5 

0,4 

1.1 

0 

0,5 

;       0.3        i 

1.2 

!      » 

0,5 

i       0,2 

1,3 

0 

0,5 

0,1 

'          1,4 

0 

0,5 

0,08 

1.S 

0 

0,5 

0,06 

1,6 

0 

0,5 

0,06 

1,6 

+ 

0,5 

0,08 

1,5 

'            + 

0,5 

0,01 

1.6 

,            + 

0,5 

{       0,006 

1,5 

+ 

Kontrolle 

0,5 

1,5 

0 

Kontrolle 

^^ 

2 

:                        1 

0 

III.  über  die  Resistenz  nonnaler  Kanlnehenerythroeyten 

gegenüber  Staphylolysln. 

Das  Vorhandensein  von  Antihämolysin  in  normalen  Tier- 
seris  ist  eine  von  allen  Beobachtern,  die  über  Hämolysine  ge- 
arbeitet haben,  mit  grolser  Einhelligkeit  berichtete  Tatsache, 
ebenso  wird  über  grofse  Schwankungen  im  Antihämolysin  kon- 
stant Mitteilung  gemacht.  Neisser  und  Wechsberg  (1.  c.)  haben 
gelegentlich  ihrer  Untersuchungen  über  das  Staphylotoxin  natürlich 
auch  das  Verhalten  normaler  Erythrozyten  (gewaschen  und  un- 
gewaschen) dem  Staphylolysin  gegenüber  geprüft.  Sie  fanden, 
dafs  die  Empfindlichkeit  der  genuinen  Kaninchenerythrozyten 
sich  nicht  unterschied  von  der  der  gewaschenen.  Diese  Eigen- 
schaft des  normalen  Kaninchenblutes,  in  seinem  Senun  keinen 
Antikörper  gegen  das  Staphylotoxin  zu  beherbergen,  hatte  es  zur 
Folge,  dafs  mit  Staphylolysin  arbeitende  Untersucher  mit  Vor- 
liebe Kaninchenblut  benutzen,  weil  man  der  immerhin  zeit- 
raubenden Aufgabe,  die  roten  Blutzellen  vor  der  Verwendung 
waschen  und  so  vom  Serum  befreien  zu  müssen,  gänzlich  über- 
hoben wird. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  215 

Eine  zweite  Versuchsreihe  der  genannten  Forscher  zeigte, 
dafs  bei  Einstellung  eines  Toxins  gegen  Blutkörperchen  ver- 
schiedener Kaninchen  bei  gleichem  Lc-Wert  der  Wert  für  Lo 
sehr  verschieden  hegen  kann.  Neisser  und  Wechsberg  er- 
klären diese  Tatsache  damit,  dafs  ja  nicht  alle  Erythrozyten 
gleich  empfindUch  gegen  das  Staphylolysin  zu  sein  brauchen, 
dafs  stets  eine  gewisse  Menge  von  widerstandsfähigeren  roten 
Blutzellen  vorhanden  sei,  welche  den  Wert  Lc  des  Toxins  be- 
stimmen, dafs  aber  anderseits  sehr  empfindliche  Erythrozyten, 
von  deren  Lösung  der  Wert  Lo  abhängt,  nicht  immer  vorhanden 
sein  müssen. 

Als  wir  ein  Staphylolysin,  das  zur  Austitrierung  eines  Anti- 
toxins bestimmt  war,  auf  seine  Lösungsfähigkeit  prüften,  bemerkten 
wir,  dafs  in  unserem  Auswertungsversuch  der  Wert  Lc  überhaupt 
nicht  erreicht  wurde,  was  uns  umsomehr  überraschte,  als  wir 
unter  Einhaltung  der  gleichen  Kulturbedingungen  mit  dem  be- 
trefEenden  Staphylokokkenstamme  immer  einen  Wert  von  Lc 
nicht  über  0,2  erhalten  hatten. 

Da  wir  überhaupt  den  Verdacht  hegten,  es  könne  doch  vielleicht 
etwa  als  individuelle  Eigenschaft  mitunter  im  Serum  der  Kaninchen 
ein  Antikörper  normalerweise  vorhanden  sein,  so  hatten  wir,  wie 
immer  bei  wichtigeren  Versuchen,  so  auch  diesmal  den  Versuch 
mit  gewaschenen  und  ungewaschenen  Erythrozyten  vorgenommen. 
Das  absolut  gleiche  Verhalten  beider  bewies  a  priori,  dafs  es 
sich  hier  hinsichtlich  der  äufserst  geringen  Wirkung  des  ver- 
wendeten Lysins  keineswegs  um  eine  Herabsetzung  der  lytischen 
Kraft  desselben  durch  einen  normalerweise  im  Serum  vorhan- 
denen Antikörper  handeln  könne,  und  wir  vermuten  eine  ab- 
norme Resistenz  der  Erythrozyten  als  Grund  der  mangelhaften 
Lösung. 

Das  Experiment  gab  uns  recht. 

Wir  stellten  sofort  einen  zweiten  Versuch  mit  gewaschenen 
Erythrozyten  eines  zweiten  Kaninchens  und  demselben  Lysin  an 
und  erhielten  diesmal  einen  Wert  von  Lc  <  0,06,  während,  wie 
oben  bemerkt,  im  anderen  Versuche  Lc  überhaupt  nicht  erreicht 
worden  war. 


216 


Über  Hämolyse  im  ReagensKlas  und  im  Tierkörper. 


Tabelle   XVI. 


Stapbylo- 

lysin  D 

in  2  ccm 


0,85  proz.    Erythrozyten  Kaninchen  I ' 
NaClLös.  ~  ' 


in  2  ccm 


gewaschen 


un- 


{rewaschen 


Kaninchen  II 
gewaschen 


1 

0,8 

0,6 

0,4 

0,2 

0,1 

0,08 

0,06 


0 
1 

1.6 
1,8 

1,9 
1,92 

1,94 


tark  rot,  kleine  Linse') 

rot. 

nicht  agglat.  Linse 

do.                     1 

komplett 

do. 

do. 

do. 

do. 

stark  rot,  grofse  Linse 

do. 

do. 

do. 

do. 

do. 

do. 

do. 

do. 

do. 

Dieses  Resultat  steht  in  gewaltigem  Widerspruche  zur  Be- 
hauptung von  Neisser  und  Wechsberg,  die  sagen,  dafs  »die 
Blutkörperchen  verschiedener  Kaninchen  bezüglich  der  Grenze 
komplette  Lösung  erhebliche  Schwankungen  in  ihrer  Empfind- 
lichkeit nicht  aufwiesen,  c  Der  Abstand  der  Werte  Lc  <  0,06 
bei  Kaninchen  II  und  Lc  auch  in  100  proz.  Konzentration  im 
reinen  unverdünnten  Staphylolysin  bei  Kaninchen  I  überhaupt 
nicht  erreicht,  ist  wohl  so  grofs,  dafs  die  Gültigkeit  des  Aus- 
spruches von  Neisser  und  Wechsberg  fernerhin  nicht  mehr 
aufrechterhalten  werden  kann. 

Eine  Erklärung  für  dieses  ungleiche  Verhalten  des  Blutes 
zweier  verschiedener  Individuen  derselben  Spezies  gegen  ein  und 
dasselbe  Lysin  ist  nicht  so  leicht  zu  geben.  Wir  können  nur 
sagen,  dafs  viele  der  Blutkörperchen  des  Kaninchens  I  eine 
ganz  besondere  Resistenz  besessen  haben  müssen,  nach  der 
Ehrlichschen  Theorie  ausgedrückt,  dafs  vielen  Erythrozyten 
einfach  das  Vermögen  abgegangen  sein  müsse,  Lysin  zu  binden. 
Den  Chemismus  dieser  Erscheinung  aber  aufzuklären,  wird  späte- 
ren Zeiten  vorbehalten  sein  müssen. 


1)  Der  Aasdruck  Linse  bezieht  sich  auf  die  am  Boden  in  Linsenform 
liegenden,  meist  agghitinierten  Blutkörperchen. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  217 

IT.  Über  die  Resistenz  der  Erythroeyten  mit  Staphylolysln 
Immunisierter  Kaninehen  gegen  Staphylolysln. 

Die  auffallende  Resistenz,  welche  die  normalen  Blutkörper- 
chen in  Tabelle  XVI  gezeigt  hatten,  veranlafste  uns,  Unter- 
suchungen darüber  anzustellen,  ob  denn  bei  immunisierten  Tieren 
die  Immunität  gegen  weitere  Injektionen  von  Lysin  lediglich  als 
Serum  Wirkung  aufzufassen  sei,  oder  ob  vielleicht  neben  der- 
selben auch  eine  gesteigerte  Resistenz  der  serumfreien  Erythro- 
eyten zu  beobachten  sein  werde. 

Injiziert  man  normalen  Kaninchen  Staphylotoxin  in  eine  Vene, 
so  kommt  es  zur  Hämolyse,  die  sich  entweder  als  Hämoglobin- 
ämie  oder  als  Nachhämolyse  äufsert.  Wiederholt  man  nach 
einiger  Zeit  solche  Injektionen,  so  kommen  wir  zu  dem  Resul- 
tate, dafs  eine  Lösung  der  Erythroeyten  nicht  mehr  stattfindet, 
das  Tier  ist  immun  geworden,  was  die  Hämolysierung  seines 
Blutes  anbelangt.  Das  Serum  der  Immuntiere  ist  in  vitro  im- 
stande, die  Wirkung  von  Staphylolysin  auf  Erythroeyten  zu 
paralysieren  und  so  vor  der  Auflösung  zu  schützen.  Solche  Ver- 
suche sind  in  genügender  Anzahl  gemacht  worden,  aber  über 
das  Verhalten  der  Erythroeyten  der  immunisierten  Tiere  sind 
uns  Angaben  in  der  Literatur  bisher  nicht  vorgelegen. 

Wir  verwendeten  zu  den  entsprechenden  Versuchen  das 
Blut  von  zwei  Kaninchen,  die  durch  subkutane  und  durch  in- 
travenöse Einverleibung  entsprechender  Lysinmengen  immuni- 
siert worden  waren.  Der  Antitoxingehalt  der  Sera  dieser  Tiere 
war  so  grofs,  dais  die  Einheit  des  Serums  die  Wirkung  der  zehn- 
fachen Menge  Staphylolysins  aufzuheben  imstande  war.  Das 
defibrinierte  Blut  der  Tiere,  bzw.  die  gewaschenen  Erythroeyten 
wurden  in  der  Weise  geprüft,  wie  man  einen  Auswertungsversuch 
mit  einem  zu  untersuchenden  Lysin  anstellt,  die  erhaltenen 
Resultate  illustrieren  die  folgenden  Tabellen. 

(Siehe  Tabelle  XVH  und  XVIH  auf  8.  218.) 

Ein  kurzer  Blick  genügt  nun,  um  zu  ersehen,  dafs  die  Ery- 
throeyten der  Immuntiere  durchaus  keine  Resistenz  gegen  die 
Wirkung   des  Lysins  aufzuweisen  haben,   in    beiden  Versuchen 

ArohiT  für  Hygiene.  Bd.  LIV.  15 


218 


Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 


Tabelle  XVH. 
Kaninchen  Nr.  178,  darch  sabkntane  Injektion  immunisiert 


Lysin 
in  2  ccm 


0,85  proz. 

Na  Cl-Lösung 

in  2  ccm 


Erythrocyten 


gewaschen 


angewaschen 


2 

«           i 

komplett 

komplett 

1 

1          ! 

do. 

do. 

0,8 

1,2 

do. 

do. 

0.6 

1,4 

do. 

do. 

0,4 

Ifi 

do. 

fast  komplett 

0,2 

1,8 

do. 

stark  rot 

0,1        , 

1,9 

do. 

do. 

0,08     : 

1,92        ! 

do. 

rosenrot 

0,06     ] 

1,94 

fast  komplett 

0 

Die  Wirksamkeit  des  Lysins  auf  Normalblut  siehe  Tabelle  XVI. 

Tabelle  XVm. 
Kaninchen  Nr.  182,  durch  intravenöse  Injektion  immunisiert 


0,85  proz.     , 

.  ^f  *""       NaCl-Lösungl; 
m  2  ccm        .     -.  '.\ 


Erythrocyten 


in  2  ccm 


gewaschen 


2 

1 

0,8 

0,6 

0,4 

0,2 

0,1 

0,08 

0,06 


1 

1,2 
1,4 

1,6 

1,8 

1,9 

1,92 

1,94 


ungewaschen 


komplett 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
do. 
fast  komplett 


komplett 
do. 
do. 
do. 
do. 
fast  komplett 

stark  rot 

schwach  rot 

rosenrot 


Die  Wirksamkeit  des  Lysins  auf  Normalblut  ist  in  Tabelle  XVI  aufgezeichnet. 


war  Lc  bei  0,08  (gewaschene  Blutkörperchen)  gelegen.  Nur  die 
gewaschenen  Blutkörperchen  konnten  ja  für  diesen  Versuch  aus- 
schlaggebend erscheinen,  denn  die  nicht  gewaschenen  hatten  ja 
naturgemäfs  Immunserum  anhaften.  Diese  schützende  Wirkung 
kommt  auch  bei  letzteren  in  der  Tabelle  gut  zur  Darstellung, 
nur  ist  es  erstaunlich,  eine  wie  grofse  Wirkung  hier  so  kleine 
Mengen  von  Serum,  wie  sie  auf  den  entsprechenden  Anteil 
eines   Tropfens    entfallen,    auszuüben   in   der  Lage   sind.      Bei 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  219 

Kaninchen  178  geht  der  Wert  von  Lc  =  0,08  auf  0,6  zurück, 
bei  Kaninchen  182  von  ebenfalls  0,08  auf  0,4.  Auch  Mei nicke 
(15)  weist  in  einer  eben  erschienenen  Arbeit  darauf  hin,  welch 
starke  schützende  Kraft  die  in  einem  Bluttropfen  enthaltene 
Menge  spezifischen  Serums  zu  entfalten  vermag. 

Aus  den  vorstehenden  Versuchen  geht  klar  hervor,  dafs  die 
Erythrocyten  von  Kaninchen,  deren  Blut  einen  spezifischen  Anti- 
körper gegen  das  homologe  Bakteriolysin  besitzt,  von  diesem 
Bakteriolysin  ebenso  gelöst  werden,  wie  normale  Erythrocyten ;  die 
schützende  Kraft  haftet  am  Serum  der  Immuntiere.  Aus  dem  Be- 
funde, dafs  wir  intravenös  immunisierten  Kaninchen-Lysinmengen 
in  die  Blutbahn  einspritzen  können,  ohne  dafs  eine  Lösung  er- 
folgt, trotzdem  ja  doch  ein  inniger  Kontakt  zwischen  der  in- 
jizierten Flüssigkeit  und  den  roten  Blutzellen  des  Tieres  anzu- 
nehmen ist,  schliefsen  wir,  dafs  der  Antikörper  im  Serum  des 
Immuntieres  eine  gröfsere  Avidität  zum  Lysin  besitzen  mufs, 
als  für  dieses  die  Erythrocyten  besitzen,  dafs  der  avide  Anti- 
körper also  alles  Lysin  rasch  an  sich  reifst  und  neutralisiert,  so 
dafs  die  Erythrocyten  nicht  durch  Bindung  des  Lysins  geschädigt 
werden  können. 

InfektionsYersnche. 

I.  Staphylococens  pyogenes  aureus. 

Kraus  und  Clairmont  (^^  fanden  1900,  dafs  es  Stämme 
von  Aureus  gibt,  welche  kein  Bakteriolysin  erzeugen,  neben 
solchen,  denen  Hämolysinbildung  eigen  ist. 

Neisser  und  Wechsberg  haben  1901  dann  das  Staphylo- 
toxin  in  eingehender  und  genauer  Weise  studiert;  ihre  Technik 
ist  von  den  meisten  Autoren  akzeptiert  worden,  und  ihre  Arbeit 
ist  zurzeit  so  viel  zitiert  und  so  bekannt,  dafs  es  überflüssig  er- 
scheint, auf  dieselbe  genauer  einzugehen. 

Bajardi  (^^)  hat  im  selben  Jahre  das  hämolytische  Ver- 
mögen der  Staphylokokken  untersucht  und  berichtet,  dafs  Bouillon- 
kulturen des  Staph.  aureus  und  albus  auf  die  roten  Blut- 
körperchen des  Kaninchens  (gewaschen  und  ungewaschen)  hämo- 

15  ♦ 


220  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 

lytisch  wirken.     Bajardi  behauptet   auch   den  Zusammenhang 
zwischen  hämolytischer  und  pyogener  Eigenschaft. 

Kraus  und  Ludwig  haben  Kaninchen  subkutan  Bouillon- 
kulturen von  Staphylococcus  aureus  injiziert,  also  gleichzeitig 
Hämolysin  und  lebende  Bakterien  einverleibt;  sie  konnten  kon- 
statieren, dafs  eine  bedeutende  Abnahme  der  roten  Blutzellen 
erfolgte.  Die  normale  Zahl  derselben  war  durch  Kontrollen  auf 
5^/2 — 6^/2  Millionen  im  Kubikzentimeter  festgestellt  worden,  und 
nach  der  Injektion  vorgenommene  Zählungen  zeigten,  dafs  Ab- 
nahmen von  1,  2,  ja  bis  4  Millionen  stattgefimden  hatten.  Dafs 
wir  heute  schon  ein  Recht  hätten^  solche  Abnahmen  ganz  allein 
durch  die  Hämolysinwirkung  zu  erklären  —  Kraus  und  Lud- 
wig berühren  diese  Frage  nicht  —  möchten  wir  sehr  bezweifeln, 
denn  es  ist  ja  durchaus  nicht  ausgeschlossen,  dafs  nicht  im  Ver- 
laufe der  Infektion  durch  ein  Damiederliegen  der  Blutbildung 
durch  toxische  nicht  hämolytische  Einflüsse  ein  Ersatz  der  durch 
das  Lysin  zerstörten  Blutzellen  hintangehalten  werde.  Wenn  wir 
bedenken,  dafs  wir  in  unseren  Versuchen  bei  der  chronischen 
Staphylokokkeninfektion  mit  Ausgang  in  multiple  Abszefsbildung 
Hämolyse  niemals  konstatieren  konnten,  während  das  Tier  doch 
zugrunde  geht,  so  gewinnt  vielleicht  unsere  Anschauung  an  Be- 
rechtigung. 

Die  Arbeit  von  van  Dur me  (^®)  ist  im  wesentlichen  eine  Nach- 
prüfung und  Bestätigung  der  Befunde  von  Ne isser  und  Wechs- 
berg. Er  neigt  der  Ansicht  zu,  die  heute  nicht  von  allen 
Autoren  geteilt  wird,  dafs  ein  enger  Zusammenhang  zwischen 
Pathogenität  und  hämolytischem  Vermögen  der  Traubenkokken 
bestehe,  gibt  aber  gleichzeitig  zu,  dafs  die  Akten  über  diese 
Frage  noch  nicht  geschlossen  sind. 

Kutscher  imd  Konrich(^^)  haben  das  Verhältnis  studiert, 
in  dem  die  Agglutinationsfähigkeit  der  Staphylokokken  zur 
Hämolysinbildung  steht  und  gefunden,  dafs  zwischen  beiden 
gesetzmäfsige  Beziehungen  bestehen.  Echte,  eitererregende,  durch 
ein  spezifisches  Serum  agglutinable  Staphylokokken  bildeten 
ausnahmslos  Hämolysin,  eine  Eigenschaft,  welche  sich  nach  der 
Ansicht  der  Verfasser  bei  saprophytischen  Kokken  nicht  finde 


\ 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  221 

und  zur  Differenzierung  pathogener  und  nicht  pathogener  Kokken 
zu  verwenden  wäre. 

Eine  während  der  Abfassung  des  vorliegenden  Berichtes  von 
Fränkel  und  Baumann(^)  publizierte  Arbeit  zeigt  sich  nicht 
in  allen  Punkten  mit  den  Resultaten  vonNeisser  und  Wechs- 
berg einverstanden.  So  berichten  Fränkel  und  Baumann, 
dafs  sie  bei  den  meisten  ihrer  Kulturen  die  ersten  Spuren  der 
blutlösenden  Fähigkeit  schon  nach  eintägigem  Aufenthalte  im 
Brutschranke  konstatieren  konnten ,  während  N  e  i  s  s  e  r  und 
Wechsberg  erst  nach  4  Tagen  Hämolysinbildung  beobachtet 
haben.  Auch  betonen  Fränkel  und  Baumann,  dafs  sie  den 
Höhepunkt  der  Lysinproduktion  zwischen  dem  6.  und  10.  gegen- 
über dem  10.  und  14.  Tage  von  Neisser  und  Wechsberg 
gefunden  hätten. 

Scheinen  nun  auch  diese  Unterschiede  von  untergeordneter 
Bedeutung,  so  müssen  wir  doch  ein  Moment  in  der  Methodik 
hervorheben,  das  gewifs  nicht  gleichgültig  sein  kann. 

Fränkel  und  Baumann  arbeiteten  mit  nichtfiltrierten 
Bouillonkulturen,  Neisser  und  Wechsberg  haben  Filtrate 
verwendet.  Schon  dieser  Unterschied  in  der  Technik  schliefst 
einen  Vergleich  der  Resultate  aus.  Einmal  könnte  ja  bei  der 
Verwendung  von  Bouillonkulturen  die  Wirkung  der  lebenden 
Bakterienleiber,  über  deren  Einflufs  auf  die  Blutkörperchen  nicht 
viele  Erfahrungen  gesammelt  sind,  gewifs  neben  dem  Einflüsse 
der  Stoffwechselprodukte  in  Betracht  kommen,  anderseits  geben 
Fränkel  und  Baumann  ja  selbst  an,  dafs  sie  fanden,  dafs 
durch  den  Filtrationsprozefs  die  hämolytische  Kraft  der  Kulturen 
vermindert  zu  werden  scheine,  eine  Erfahrung,  die  auch  wir  ge- 
macht haben.  Kann  da  nicht  in  den  Versuchen  von  Fränkel 
und  Bau  mann  eine  additive  Wirkung  von  Stoffwechsel  produkt 
und  Bakterienleibern,  und  wenn  es  sich  bezüglich  letzterer  auch 
nur  um  katalytische  Beeinflussung  handeln  sollte,  einen  stärkeren 
hämolytischen  Effekt  erzielt  haben  gegenüber  der  durch  die  Fil- 
tration vielleicht  verminderten  hämolytischen  Kraft  der  Kulturen 
von  Neisser  und  Wechsberg? 


222  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper^ 

Prinzipiell  wichtiger  ist  eine  andere  Beobachtung,  die  Frän- 
kel  und  Baumann  gemacht  haben.  Sie  betrifft  die  Thermo- 
Stabilität  des  Staphylolysins.  Neisser  und  Wechsberg  er- 
reichten eine  Inaktivierung  ihrer  Kulturfiltrate  durch  20  Minuten 
langes  Erwärmen  bei  56 ^  Fränkel  und  Baumann  erziel- 
ten durch  halbstündiges  Erwärmthalten  bei  60®  nur  eine  Ab- 
nahme der  hämolytischen  Kraft;  ja  zwei  Filtrate  wurden  durch 
Erhitzen  auf  80  bzw.  100°  nicht  ihrer  hämolytischen  Fähigkeit 
beraubt.  Diese  Hitzebeständigkeit  hat  Analoga  im  Typhus-,  Koli- 
und  Pyocyaneus-Lysin. 

Wir  hatten  zu  wiederholten  Malen  Inaktivierungen  von  Staphylo- 
lysin  verschiedener  Stämme  vorzunehmen,  aber  bei  unseren 
Filtraten  genügte  stets  ein  halbstündiges  Verweilen  im  Wasser- 
bade von  65°  C,  um  den  gewünschten  Zweck  zu  erreichen.  Es 
scheinen  sich  auch  hierin  nicht  alle  Staphylokokkenstämme  gleich 
zu  verhalten,  vielleicht  auch  beeinflufst  die  Kulturmethode  die 
Eigenschaften  des  Lysins. 

Untersuchungen  über  Hämolyse  bei  mit  Staph.  pyog.  aureus 

infizierten  Kaninchen. 

Das  Kaninchen  stellt  nach  Neisser  und  Li  pst  ein  P)  das 
klassische  Versuchstier  für  Staphylokokkeninjektionen  dar  und 
die  klassische  Applikation  ist  nach  Ausspruch  der  beiden  Autoren 
die  intravenöse  Einspritzung.  Es  ist  ja  ein  jedem  Bakteriologen 
bekannter  Laboratoriumsversuch,  die  Injektion  des  Kaninchens 
durch  intravenöse  Einverleibung  von  Kartoffelbrei  mit  Staphylo- 
kokkenkultur  vermischt  vorzunehmen.  Eine  alte  Erfahrung  aber 
im  Laboratorium  ist  es,  dafs  die  Staphylokokken  in  fast  allen 
ihren  Eigenschaften  eine  grofse  Unverlälslichkeit  an  den  Tag 
legen.  Die  Stämme  schwanken  sehr  in  ihrer  Virulenz,  auch  die 
Bildung  von  Hämolysin  geht  in  vitro  nicht  immer  Hand  in  Hand 
mit  der  Virulenz;  so  berichten  uns  Neisser  und  Wechsberg 
in  einem  Stamme,  der  bei  erhaltener  Virulenz  die  Fähigkeit  der 
Hämolysinproduktion  gänzlich  verloren  hatte. 

Tödlich  verlaufende  Infektionen  kann  man  sowohl  durch 
intravenöse    als    auch   durch   intraperitoneale  Einverleibung   des 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  223 

InfektioDsmaterials  erzielen,  wobei  es  ziemlich  gleichgültig  sein 
dürfte,  welchen  Modus  man  wählt,  wenn  man  nur  bei  der 
intraperitonealen  Einverleibung  grofse  Mengen  von  Kultur  ein- 
bringt, denn  das  Kaninchen  gilt  für  die  intraperitoneale  Infektion 
verhältnismäfsig  weniger  empfänglich. 

Jedenfalls  war  für  unseren  Versuchsplan  zunächst  die  intra- 
venöse Infektion  als  die  günstigere  Chancen  bietende  heranzu- 
ziehen, wenn  wir  auch  später  die  intraperitoneale  nicht  aufser 
acht  lassen  wollten.  Die  Infektionen  nahmen  wir  immer  nur 
mit  Agarkulturen  vor.  Die  Einbringung  von  Bouillonkulturen 
schliefst  ja  auch  das  Einverleiben  von  Giftmengen  in  sich,  ein 
Umstand,  den  wir  lieber  vermieden  wissen  wollten.  Der  chronische 
Krankheitsverlauf  mit  multiplen  Abscedierungen ,  der  so  oft 
beobachteten  Endo-  und  Pericarditis  sollte  ebenso  für  unsere  Unter- 
suchungen herangezogen  werden,  wie  der  durch  hochvirulente 
Kultur  bedingte  innerhalb  weniger  Stunden  mitunter  schon 
tödlich  verlaufende  Prozefs. 

Beide  Typen  des  Verlaufes  zeigen  bezüglich  der  Hämolyse 
ein  durchaus  verschiedenes  Verhalten.  Bei  dem  chronischen 
Verlaufe  (Tab.  XIX)  sehen  wir  intra  vitam  weder  Hämolyse  noch 
Nachhämolyse  auftreten,  ja  auch  bei  der  Sektion  ist  weder 
Hämolyse  noch  Nachhämolyse  zu  beobachten.  Trotzdem  Staphylo- 
kokken im  Blute  zirkulieren,  üben  dieselben  hier  keine  hämo- 
lytische Wirkung  aus.  Gänzlich  anders  stehen  die  Dinge  aber 
bei  jenem  Falle,  wo  der  Tod  rasch  nach  der  Injektion  erfolgte 
(Tab.  XX).  Da  finden  wir  schon  1  Stunde  nach  der  Einver- 
leibung Hämolyse,  hier  Hämoglobinämie,  ein  Befund,  der  na- 
türlich bei  der  sofort  nach  dem  Tode  (ca.  5  Std.  nach  der  In- 
jektion) vorgenommenen  Sektion  bestätigt  wird. 

(Siehe  Tabelle  XIX  und  XX  auf  S.  224.) 

Besprechen  wir  nun  die  Resultate  der  intraperitonealen  In- 
fektionen (Tab.  XXI  und  XXII),  so  sehen  wir,  dafs  hier  die 
Verhältnisse  ganz  eigentümlich  sich  gestalten.  Das  eine  Tier 
(Nr.  90)  reagiert  auf  die  erste  Infektion  nur  mit  einer  +^  NH.  Nach 
7  Tagen   wird  ihm  eine  zweite   Kultur  (1  Agarröhrchen)  einge- 


^4  Über  HBmolyw  im  Reagen^l«  and  Im  TÜMtkOtpw. 


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I 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  225 

spritzt,  das  Tier  geht  innerhalb  von  6  Stunden  zugrunde,  es 
zeigt  weder  intra  vitam  noch  bei  der  Sektion  eine  auf  voraus- 
gegangene Blutkörperchenlösung  hinweisende  Veränderung  des 
Serums.  Wenn  wir  das  Sektionsprotokoll  genauer  beachten,  so 
wird  uns  aber  auffallen,  dafs  eine  alte  Peritonitis  (noch  von  der 
ersten  Injektion  verursacht)  bestand  und  dafs  wir  in  der  Bauch- 
wand Abszefsbildung  konstatieren  konnten.  Wir  haben  es  hier 
also  offenbar  auch  mit  einem  chronischen  Prozefs  zu  tun  (vgl. 
Tab.  XIX)  und  ebenso  wie  in  dem  Falle,  auf  welchen  wir  eben 
verwiesen  haben,  kam  auch  hier  eine  Hämolyse  in  keiner  Form 
zur  Beobachtung. 

Anders  im  zweiten  Falle  (Tab.  XXII).  Dieses  Tier  erhielt 
am  16.  Juni  1903  eine  Aufschwemmung  von  Staphylokokken  (Agar- 
kultur)  intraperitoneal,  es  reagierte  kaum,  ja  sein  Gewicht  über- 
traf am  6.  Tage  nach  der  Infektion  sein  Anfangsgewicht.  Am 
7.  Tage  erhält  das  Tier  zwei  Agarröhrchen  intraperitoneal  injiziert. 
Es  zeigt  uns  ±  NH  am  Tage  darauf,  nimmt  ab,  erholt  sich  rasch 
und  zeigt  dann  eine  schwankende  Gewichtskurve.  Zirka  14  Tage 
nach  der  zweiten  Infektion  erhält  das  Tier  vier  Röhrchen  Agar- 
kultur  intraperitoneal.  Es  zeigt  zirka  3^2  Stunden  später 
Hämoglobinämie,  geht  4  Stunden  nach  der  Infektion  zugrunde, 
die  Sektion  zeigt  das  Andauern  der  Hämoglobinämie,  aber  keine 
Anhaltspunkte,  dafs  die  beiden  ersten  Injektionen  irgendwelche 
Läsionen  im  Gefolge  gehabt  hätten. 

Wir  haben  also  bei  unseren  Staphylokokkeninfektionen 
sowohl  mit  intravenöser  wie  auch  mit  intraperitonealer  Infektion 
zweierlei  durchaus  verschiedene  Resultate  erhalten. 

Einmal  jene  Fälle  (Nr.  86  und  90),  in  denen  der  Verlauf  der 
Krankheit  ein  langsamer  war,  wo  es  zur  Ausbildung  von.  Abs- 
zessen in  den  Nieren,  zu  entzündlichen  Prozessen  des  Pericards, 
zu  schwartigen  Verwachsungen  gekommen  ist,  wo  —  bei  intra- 
peritonealer Einverleibung  —  eine  fibrinöse  Peritonitis  und 
Abscedierung  der  Bauchwand  die  Infektion  bezeugen,  bei  denen 
aber  Hämolyse  in  keiner  Form  konstatiert  werden  konnte.  Die 
andere  Gruppe  ist  jene  (Nr.  88  und  206),  wo  die  Tiere  entweder 
der  ersten  (intravenösen)  Infektion  in  kürzester  Zeit  erlagen,  oder, 


226  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 

ohne  auf  eine  wiederholte  (intraperitoneale)  Infektion  reagiert  za 
haben,  infolge  einer  gröberen  Dosis  von  Infektionsmaterial  eben- 
falls in  kürzester  Zeit  starben.  In  beiden  Fällen  konstatieren 
wir  Hämolyse  als  Hämoglobinämie  und  Nachhämolyse. 

Wir  sehen  da  Hämolyse  zunächst  in  den  Fällen  auftreten, 
wo  der  Tod  akutest  eintritt  (Nr.  88  imd  206).  Hier  werden  wir 
zur  Erklärung  des  Auftretens  der  Hämolyse  leicht  mit  der  Aus- 
kunft uns  zufrieden  geben,  es  seien  die  Kulturen  hochvirulent  ge- 
wesen und  dementsprechend  eine  tödliche  und  nach  der  Ansicht 
vieler  Autoren  auch  entsprechend  stark  hämolysierende  Wirkung 
erfolgt.  Letztere  kann  man  sich  vorstellen,  als  durch  direkte 
Einwirkung  der  Bakterienleiber  auf  die  roten  Blutzellen  bedingt, 
insbesondere  in  jenen  Fällen,  wo  ja  durch  intravenöse  Injektion 
die  Staphylokokken  direkt  in  die  Blutbahn  gelangen  (Nr.  206), 
für  die  intraperitoneale  Einverleibung  könnte  auch  noch  der  Auf- 
fassung Rechnung  getragen  werden,  dafs  etwa  durch  die  Peritoneal- 
flQssigkeit  Giftsubstanzen  der  Staphylokokken  ausgelaugt  und  im 
Wege  des  Kreislaufes  rasch  an  die  Erythrocyten  gebracht  würden. 

Wie  stehen  wir  aber  Nr.  90  Tabelle  XXI  gegenüber? 

Hier  ist  ebenfalls  auf  die  intraperitoneale  Einverleibung  des 
Bakterienmaterials  hin  in  kurzer  Zeit,  innerhalb  von  6  Stunden 
der  Tod  erfolgt,  aber  wir  konnten  weder  Hämolyse  noch  Nach- 
hämolyse weder  intra  vitam  noch  bei  der  Sektion  konstatieren. 
Wohl  aber  fand  sich,  wie  schon  oben  bemerkt,  eine  Peritonitis 
älteren  Datums  und  Abszefsbildung.  Wir  sind  da  vielleicht  mit 
unserer  erneuten  Injektion  der  Entwicklung  eines  kachektischen 
Stadiums,  das  auch  mit  dem  Tode  geendet  hätte,  zuvorgekommen, 
indem  wir  durch  Einführung  frischen,  nicht  als  Hämolysin  son- 
dern als  Endotoxin  zu  charakterisierenden  Giftes  den  Prozefs  zum 
raschen  letalen  Ende  brachten.  Aber  die  Hämolyse  blieb  hier 
aus,  und  für  diese  Erscheinung  möchten  wir  uns  bemühen,  eine 
Erklärung  zu  finden. 

Es  erscheint  uns  nicht  unmöglich,  dafs  infolge  der  früheren 
Injektion  eine  gewisse  einseitige,  nur  das  hämolytische  Vermögen 
der  dann  frisch  eingebrachten  Kulturmengen  paralysierende 
Immunität  erreicht  worden  sei.    Die  Annahme  dieser  MögHchkeit 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


227 


scheint  uns  wohl  etwas  gezwungen  zu  sein,  insbesondere  wenn 
wir  uns  erinnern,  dafs  durch  intraperitoneale  Einverleibung  von 
Staphylolysin  Neisser  und  Wechsberg  eine  Antikörperbildung 
beim  Kaninchen  nicht  gelungen  ist.  Auch  wenn  wir  Ta- 
belle XXII  Nr.  88  in  Betracht  ziehen,  steigen  uns  Bedenken  auf. 
Hier  ist  ja  das  Tier  nach  zwei  erfolglosen  Injektionen  der  dritten 
binnen  wenigen  Stunden  unter  der  Erscheinung  von  Hämoglobin- 
ämie  erlegen,  ohne  dafs  die  vorangehenden  Infektionen  eine 
Immunität  gegen  Hämolyse  erzeugt  hätten.  Aber  da  müssen  wir 
doch  in  Rechnung  bringen,  dafs  die  Immunitätslehre  bei  Staphylo- 
kokkeninfektionen  ein  noch  zu  wenig  bekanntes  Gebiet  darstellt, 
um  aus  einigen  nach  anderer  Richtung  hin  angestellten  Ver- 
suchen daraus  Schlüsse  für  oder  wider  ziehen  zu  können. 


Tabelle  XXI. 
StaphylococcQS  pyogenes  aareas.  Intraperitoneale  Injektion.  Kanineben  Nr.  90. 


II 


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Datum 


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Bakteriologiscber 
Befund 


mikro- 
skopiscb 


Agaratrich 


16.  VI.  1903  ;    Seramkontrolle 

Cl^  p.  m.  Aufschwemmang  von 
Agarkoltnr  intraperitoneal 

17.  VI.  i!  12h  05' 

18.  VI.  '  12h  30' 

19.  VI.  l  6h  45' 

23.  VI.  1  12h 

nm  12h  05'  i  Röbrcb.  Agarkaltur- 
aufscbwemmung   intraperitoneal 

|j  4h  42' 

Sektion      li  5h  54' 


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steril 

Staph.  aar. 


Am  17.  VI.  sebr  krank.     18.  VI.  Zustand  besser. 

Am  20.  VI.  so  munter,  dafs  von  weiteren  Entnahmen  abgesehen  wird. 

Am  23.  um  4h  agonal.    Tod  innerhalb  6  Std.  um  5h  54'.     Sektion  sofort. 

Befand :  Fibrinöse  Peritonitis,  Abszefsbildang  in  der  Bauch  wand.  Im  Abdomen 
ca.  3  ccm  trflbe  Flüssigkeit. 

Kultur:  Leber  1  «*     i.  a     ui  *      *    -i 

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Bauchwandabszeis  I 


228 


Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  TierkOrper. 


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Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  229 

Für  die  Staphylokokkeninjektionen  des  Kaninchens  hätten 
wir  demnach  hinsichtlich  der  Hämolyse  den  Grundsatz  aufzu- 
stellen: Die  chronische  Staphylomykose  mit  Ausgang  in 
multiple  Abscedierung  läfst  uns  während  ihres  ganzen 
Verlaufes  und  nach  erfolgtem  Tode  eine  Hämolyse  in 
irgend  einer  Form  nicht  erkennen;  die  Anwesenheit 
von  Bakterien  im  strömenden  Blute  hatte  hiebei  keinen 
hämolytischen  Effekt  zu  bedingen  vermocht. 

Bei  akutem  Verlauf  der  Infektion  ist  jedoch 
Hämolyse  als  Hämoglobinämie  und  Nachhämolyse  zu 
beobachten,  gleichgültig  ob  die  Einverleibung  des 
Bakterienmaterials  intravenös  oder  intraperitoneal 
erfolgt. 

n.  Streptokokken. 

Gelegentlich  der  zahlreichen  Untersuchungen,  die  man  über 
das  Gift  der  Kettenkokken  angestellt  hat,  wurde  man  auch 
darauf  aufmerksam,  dafs  dieselben  unter  Umständen  blutlösende 
Eigenschaften  besäTsen. 

Der  erste,  der  einen  solchen  Befund  verzeichnet,  ist  wohl 
Bor  de  t  P^),  der  im  Jahre  1897  darauf  hinweist,  dafs  man  bei 
der  Sektion  von  Kaninchen,  die  Streptokokkeninfektionen  erlegen 
waren,  Serum  finde,  welches  durch  Hämoglobin  rot  gefärbt  sei. 
Da  wir  uns  im  folgenden  mit  diesem  Befunde  Bordets  zu  be- 
schäftigen haben  werden,  seien  seine  eigenen  Worte  hier  wieder- 
gegeben. Er  sagt:  >Au  moment  de  la  mort  Texamen  du  sang 
trahit  des  altärations  manifestes  des  globules  rouges.  Ceux-ci 
sont  presque  enti^rement  disparu.  Le  coeur  d'un  lapin  autopsiö 
immddiatement  apr^s  la  mort  contient  un  caillot,  assez  volu- 
mineux,  rouge  clair,  imbibä  d^un  särum  oü  Thdmoglobine  s'est 
largement  diSusäe.c 

V.  Lingelsheim(22)  hat  die  Blutveränderungen  bei  Strepto- 
kokkeninfektionen genau  studiert.  Er  konstatierte  als  sehr 
häufigen  Befund  bei  Obduktionen  von  Tieren,  die  an  solchen  In- 
fektionen zugrunde  gegangen  waren,  eine  lackfarbene  Beschaffen- 
heit der  Blutflüssigkeit.    V.  Lingelsheim  impfte  dann  mit  dem 


230  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 

Blute  solcher  Tiere  Röhrchen,  die  mit  Blut  derselben  Tierart 
beschickt  waren,  und  konnte  beobachten,  dafs  oft  schon  nach 
3 — 4  Stunden  Aufenthaltes  im  Thermostaten  das  Plasma  anfing  sich 
rot  zu  färben,  Hämoglobin  also  aus  den  roten  Blutzellen  ausgetreten 
sein  mufste.  v.  Lingelsheim  versuchte  nun  festzustellen,  ob 
sich  diese  hämolytischen  Veränderungen  schon  intra  vitam  zeigen, 
und  ob  diesem  Nachweise  eine  besondere  Bedeutung  für  den 
Krankheitsprozefs  überhaupt  beigemessen  werden  könne.  Von 
der  Ansicht  ausgehend,  dafs  die  Anwesenheit  von  zahlreichen 
Streptokokken  im  Blute  Hand  in  Hand  gehen  werde  mit  der 
Aufserung  der  blutlösenden  Eigenschaft,  versprach  sich  v.  Lingels- 
heim nicht  viel  für  die  Beurteilung  des  Krankheitsbildes,  da  ja 
erfahrungsgemäfs  die  Überschwemmung  des  Blutes  mit  Strepto- 
kokken erst  spät,  nach  v.  Lingelsheim  in  den  allerletzten 
Lebensstunden,  einzutreten  pflegt,  v.  Lingelsheim  bediente 
sich  der  Methode,  das  Blut  der  zu  untersuchenden  Tiere  in  eine 
Lösung  von  zitronensaurem  Natron  (4  Teile  Blut  auf  1  Teil 
5proz.  zitrouensaures  Natron  und  Kochsalz  ana)  einfliefsen  zu 
lassen.  Das  auf  diese  Weise  vor  dem  Gerinnen  geschützte  Blut 
wurde  dann  zentrifugiert.  Bei  dieser  Methode  fand  v.  Lingels- 
heim erst  etwa  eine  Stunde  vor  dem  Tode  auf  Hämolyse  deutende 
Veränderungen,  indem  das  Plasma  rosenrot  erschien.  Mikro- 
skopisch waren  zu  dieser  Zeit  zahlreiche  Streptokokken  im  Blute 
nachweisbar,  v.  Lingelsheim  mifst  nun  aus  dem  Grunde, 
weil  ja  die  hämolytischen  Veränderungen  beim  Streptokokken- 
kaninchen erst  zu  einer  Zeit  aufzutreten  pflegen,  wo  das  Schicksal 
des  Tieres  ohnehin  »als  besiegelt  angesehen  werden  kannc,  den- 
selben für  das  Kaninchen  keine  Bedeutung  bei.  Beim  Menschen 
aber  sieht  er  in  der  blutschädigendeu  Wirkung,  die  gelegentlich 
einer  Streptokokkeninfektion  die  Mikroorganismen  ausüben 
können,  leinen  der  Gründe  für  die  schweren  Anämien,  die  im 
Anschlufsan  septische  Erkrankungen  vielfach  beobachtet  werden,  c 
V.  Lingelsheim  gibt  seiner  Vermutung  Ausdruck,  dafs  es 
sich  bei  der  blutlösenden  Wirkung  der  Streptokokken  um  den 
Einflufs  von  Stoffen  handle,  die  Absonderungsprodukte  sind.  Da 
es  ihm  nicht  gelang,  in  den  Filtraten  von  Streptokokkenkulturen 


Von  Dr.  Oekar  R.  von  Wunschheim.  231 

hämolytisch  wirkende  Stoffe  nachzuweisen,  auch  der  Zusatz  ab- 
getöteter Streptokokken  zu  Blut  vergeblich  war,  hält  v.  Lingels- 
heim  zum  Zustandekommen  der  Hämolyse  die  Anwesenheit  der 
lebenden  Bakterien  für  unbedingtes  Erfordernis. 

Nach  einigen  vergeblichen  Versuchen  ist  es  Besredka  (^ 
gelungen,  ein  wirksames  Filtrat  von  Streptokokkenkulturen  zu 
erlangen.  Besredka  züchtete  seine  Streptokokken  in  inaktiviertem 
Kaninchenserum  und  filtrierte  nach  Verdünnung  mit  einer  0,75proz. 
Na  Cl- Lösung  durch  Chamberlandfilter.  Auch  Schaf serum,  zu 
einem  Viertel  mit  Hasenserum  versetzt,  erwies  sich  als  eine  gute 
Hämolysinproduktion  gestattende  Kulturflüssigkeit. 

Wir  möchten  hier  darauf  aufmerksam  machen,  dafs 
Schlesinger  (^)  in  seinen  i Untersuchungen  über  das  Hämo- 
lysin der  Streptokokken«  sagt,  »Besredka  fand  im  Gegensatz 
zu  Aronson  in  den  Filtraten  von  Streptokokkenkulturen  nie 
Hämolysin.  Er  sah  dies  als  Beweis  an,  dafs  das  Hämolysin  in 
den  Bakterien  selbst  enthalten  sei.c 

Allerdings  sagt  Besredka  (Annales  de  Tlnstitut  Pasteur 
Tome  XV,  1901,  pag.  881  et  882),  den  negativ  ausgefalleneu 
Versuch,  durch  Züchtung  in  Ascitesbouillon  nach  Marmorek 
wirksame  Filtrate  zu  erhalten,  besprechend:  »uous  avons  präparä 
une  culture  en  bouillon-ascite  et  24  heures  aprös  quand  eile  a 
6t6  d^jä  trös  abondante  nous  Tavons  säpar^e  des  microbes  ä  la 
bougie  Chamberland  dans  l'espoir  de  d^couvrir  dans  le  filtrat 
rhdmolysine.  Or  ce  filtrat  essayä  vis-ä  vis  de  diffäreutes  esp^ces 
de  globules  rouges  se  montra  aussi  peu  h^molytique  que  Test 
le  bouillon-ascite  avant  qu'il  soit  ensemenc^.c  Dem  aufmerk- 
samen Leser  der  Besredkaschen  Arbeit  wird  aber  kaum  ent- 
gehen können,  dafs  nur  wenige  Zeilen  unter  obigen  der  Einleitung 
angehörenden  Worten  zu  lesen  ist:  »Sans  nous  d^courager  de 
ce  räsultat  n^gatif  nous  avons  cherche  ä  varier  les  milieux  de 
culture;  apr^s  de  nombreux  tätonnements  dont  il  särait  inutile 
d'entretenir  le  lecteur  nous  avons  rdussi  ä  obtenir  une  Solution 
d'hämolysine  streptococcique,  qui  par  Tintensitö  de  son  action 
ne  c^de  presque  en  rien  ä  celle  de  la  culture  enti^re  de  strepto- 
coque  vivant  et  virulent.* 


23S  Cher  EEÜimiiTW  im  Bcatfefuigiai  tmd  iz.  Ti«rkurp«r. 


yatäriica  miiifl  auch  gegen  den  zweiu&n  Satz  Ton  Schlesinger 
pmtestiert:  werden.  Denn  ganz  im  Gegenteil  hierza  hac  ^a  Besredka 
in  meinen  SchluläfoIgeTnngen  Doch  aosdräcklich  hervorgehoben: 
^Dans  certainea  conditiona  bien  d^rmin^es.  le  screptocoqae 
f^crete  ane  »abstance  de  natore  probablement  diastasiqae. 
«lai  possede  des  propri^t^s  h^moiytiqae«  eres  pronon- 
ceeä.c  Wir  maCiten  wohl  auf  Schlesingers  Bemerkung  ein- 
gehen, am  daa  Weiterschleppen  einer  falschen  Angabe  in  der 
Literatur,  wenn  m^lich,  zu  verhindern. 

Lubenau  f^)  teilt  uns  mit,  dals  er  durch  Kultivieren  von 
Streptokokken  in  einer  >2'Vo  Pepton  enthaltenden  EIxtraktbouillonc 
wirksames  Himolysin  nachweisen  konnte.  Es  ist  seiner  Arbeit 
ans  dem  Zusammenhange  zu  entnehmen,  daCs  es  sich  um  Filtrate 
gehandelt  hat, 

Aronson  P)  ist  es  nicht  gelungen,  mit  Filtraten  von  Strepto- 
kokkenboaillonkulturen  Hftmolyse  zu  erzielen,  während  die  Kul- 
turen vor  dem  Filtrieren  hämolytische  Kraft  besessen  hatten. 
Meyer  (^)  bestätigt  die  Brauchbarkeit  der  Methode  von  Bes- 
redka,  mit  welcher  er  gute  Resultate  erhalten  hat. 

Schlesinger  (1.  c.)  beobachtete  in  Streptokokkenbouillon- 
kultureu  Blutlösung.  Eine  Arbeit  von  Breton  (^  steht  uns 
leider  nur  im  lief  erat  zur  Verfügung.  Breton  soll  in  mit 
Streptokokken  injizierten  Tieren  schon  10  Stunden  nach  der  In- 
fektion eine  Andeutung  von  Hämolyse  konstatiert  haben.  Dieser 
Erfahrung,  welche  weder  den  Befunden  von  v.  Lingelsheim 
noch  den  unsrigen  zu  entsprechen  scheint,  nachzugehen,  ist  uns 
leider  mangels  der  einschlägigen  französischen  Literatur  derzeit 
unmöglich  gewesen. 

Simon  (^  hat  eingehende  Untersuchungen  über  die  Gifte 
der  Streptokokken  angestellt  und  ist  bezüglich  toxischer  und 
hämolytischer  Wirkungen  der  Streptokokken  zu  höchst  interes- 
Muten  Resultaten  gelangt.  Obwohl  die  Besprechung  seiner 
Versuche  über  die  toxinbildende  Fähigkeit  der  Kettenkokken 
eigentlich  nicht  zu  unserem  Thema  gehört,  so  können  wir  doch 
nicht  umhin,  uns  mit  denselben  zu  befassen,  da  Simon  Befunde 
erhoben   bat,    die    seiner    Ansicht    nach    dafür    sprechen,    dafs 


VoB  I¥.  <Mar  R  ivhi  W«M(iai«UB.  JSJt 


xwiscbeii  Toxialnldaiig  and  Lysinbildang  bei  Str^okokki^n  <^ini^ 
gewisse  RdmtioD  —  allerdings  in  negmUTem  Sinne  —  b^lünde. 

Der  genannte  Forscher  hat  tnnichsu  um  xo  erfahren«  ob 
im  Körper  der  mit  Streptokokken  inäxierten  Tieie  ein  ge](\$tes 
Toxin  sich  nachweisen  lasse^  Kaninchen  vor  der  Infektion 
Alenronatanfschwemmnngen  in  die  Pleurahöhle  injiuert«  dann 
nach  Verlauf  Ton  6 — 34  Stunden  eine  tödliche  Dosus  virulenter 
Streptokokken  nachgespritxt  Nach  eingetretenem  Tode  wurde 
das  Exsudat  gewonnen,  filtriert  und  gesunden  Kaninchen  ein« 
verleibt.  Der  Erfolg  war  verschieden;  manche  Tiere  starben^ 
andere  erioankten  unter  Gewichtsacnahme  und  xwei  Verbuche 
fielen  n^ativ  aus. 

Diese  Erfahrungen  bewogen  Simon«  lu  untersuchen«  ob 
sich  nicht  die  Exsudate  als  Kulturboden  für  den  Streptokokkus 
eignen  würden«  ob  es  also  gelingen  würde,  auf  diesem  \V<^^  im 
Reagensglas  wirksame  Toxine  danustellen.  Die  Kultivienmg 
wurde  im  Buchnerröhrchen  voi^euommen,  entsprechend  einer 
Empfehlung  von  Manfredi  und  Traversa  und  im  Sinne  von 
Roger.  Diese  Methode  erwies  sich  als  brauchbar«  es  gelang 
Si  mon,  mit  den  Kulturfiltraten  Kaninchen  xu  töten.  Die  Sektionen 
dieser  Tiere  ließen  stets  eine  lackfarbene  Beschaftenheit  des 
Blutes  vermissen,  ebensowenig  konnten  blutig  geerbte  Er- 
güsse im  Pleuraserum  oder  Perikad  konstatiert  werden,  wfthnnid 
Simon  bei  an  Streptokokkeninfektionen  lugrunde  gegangenen 
Tieren  allerdings  nicht  immer,  so  doch  meist  blutige  Exsudate 
in  Pleuraraum  und  Perikard  gefunden  hatte. 

Simon  bemerkt  nun  bei  dieser  Gelegenheit,  dtvTs  er  die 
THämolvse  in  vivo,  welche  nach  Marmore  k  (**)  für  die  Staphylo- 
kokkeninjektion  pathognonomisch  sein  solle  bei  den  Tieren,  welche 
mit  lebenden  Kulturen  seiner  drei  virulenten  Streptokokken- 
stämme getötet  wurden,  nur  in  einer  sehr  kleinen  Mindorziüd 
der  Fälle  gesehen  habe.  Über  die  bei  den  letztgenannten  Ver- 
suchen angewendete  Untersuchungsmethode,  die  ja,  wie  wir  im 
folgenden  sehen  werden,  äufserst  wichtig  ist,  fehlen  ontsprochondo 
Angaben,  infolgedessen  müssen  wir  uns  hier  kritischer  Bemer- 
kungen enthalten. 

ArehiT  für  Uygien«.    Bd.  UV.  U> 


234  über  H&molyse  im  Beagensglas  und  im  Tiericörper. 

Die  mit  den  Filtraten,  welche  erwiesenermarsen  ein  Kaninchen 
schädigendes  Toxin  enthalten  hatten,  augestellten  Hftmolysever- 
suche  im  Reagensglase  fielen  negativ  aus.  Da  Simon  die  Schuld 
an  diesem  Ausfall  einem  zu  geringen  hämolytischen  Vermögen 
seiner  Streptokokkenstämme  beimafis,  suchte  er  durch  Tierpassagen 
dasselbe  zu  steigern.  Ein  Stamm  wurde  nacheinander  durch 
vier  Tiere  geschickt,  indem  jedes  Tier  direkt  mit  dem  Herzblute 
seines  Vorgängers  geimpft  wurde,  ohne  dafs  Kulturen  auf  künst- 
lichem Nährboden  eingeschaltet  worden  waren.  Tier  2,  3  und  4 
zeigten  bei  der  Sektion  lackfarbenes  Blut  Das  fünfte  Tier 
wurde  mit  einer  Bouillonkultur  geimpft,  welche  aus  dem  Herz- 
blut von  Tier  4  gewonnen  worden  war.  Simon  bemerkt,  dafs 
»bei  dessen  Autopsie  von  einer  Hämolyse  in  vivo  nichts  zu 
sehen  c  war. 

Nach  Ansicht  von  Simon  habe  die  einmalige  Anwendung 
der  künstlichen  Kultur  die  hämolytische  Eigenschaft  der  Strepto- 
kokken verschwinden  lassen,  während  die  erhaltene  Virulenz 
durch  den  Tod  des  Tieres  zur  Genüge  bewiesen  ist.  Simon 
will  daher  die  Aufserung  von  Marmorek  eingeschränkt  haben 
und  wünscht,  dieselbe  solle  lauten:  Die  Hämolyse  in  vivo  wird 
bei  Tieren  beobachtet,  welche  der  Infektion  mit  dem  Blut  eines 
Streptokokken-Tieres  erliegen. 

Wir  kommen  weiter  unten  auf  diese  Frage  ausführlich  zurück. 

Bei  den  Untersuchungen  Simons  zeigte  sich  nun  bezüglich 
der  toxischen  und  hämolytischen  Wirkung  zweier  Filtrate,  die 
aus  Exsudatbouillonkulturen  gewonnen  worden  waren,  eine  eigen- 
tümliche Divergenz  der  Wirkungen.  Beide  Exsudatbouillon- 
kulturen waren  mit  dem  gleichen  Streptokokkus  angelegt  worden. 
Das  eine  Filtrat  erwies  sich  hämolytisch  wirksam  aber  wenig 
giftig,  das  andere  ergab  ein  tödlich  wirkendes  Filtrat,  aber  die 
hämolytische  Eigenschaft  fehlte  gänzlich.  Die  Kulturen  waren 
ungefähr  gleich  alt  gewesen,  zeigten  aber  eine  erhebliche  Differenz 
bezüglich  ihres  Wachstums.  Simon  konnte  beobachten,  dafs 
diejenigen  Filtrate  den  gröfsten  Toxingehalt  ergeben  hatten, 
welche  aus  Kulturen  stammten,  welche  eine  sichtbare  Wachs- 
tumshemmung durch,  wie  Simon  meint,  die  bakteriziden  Stoffe 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  235 

des  als  Nährboden  verwendeten  Pleuraexsadates  erlitten  hatten, 
und  er  konnte  zeigen,  dafs  das  toxische  Vermögen  seiner  Filtrate 
abnahm,  ja  gänzlich  verschwand,  wenn  die  Kultur  zur  üppigen 
Entwicklung  gelangte.  Nach  Simon  also  produzieren  die 
Streptokokken  nur  dann  Toxine,  wenn  sie  durch  die  bakteriziden 
Säfte  des  Tierkörpers  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in  ihrem 
Wachstum  beeinträchtigt  werden.  Simon  ist  auch,  jedoch  mit 
berechtigter  Reserve,  da  er  tiber  zu  wenig  Versuche  verfügt,  der 
Ansicht,  dafs  andererseits,  nachdem  in  jenen  Kulturen,  welche 
ofifenbar  infolge  einer  geringen  bakteriziden  Energie  den  Strepto- 
kokken gutes  Wachstum  gestatteten,  reichliche  Hämolysinbildung 
zu  beobachten  war,  Streptokokken  nur  dort  Hämolysin  erzeugen, 
wo  sie  keinen  grofsen  antibakteriellen  Widerständen  ausgesetzt 
sind.  Mit  Recht  beruft  er  sich  hierbei  auf  die  Erfolge  der  Me- 
thode von  Besredka,  der  zur  Hämolysingewinnung  Kulturen  in 
inaktiviertem  Kaninchenserum  verwendete.  Nach  Simon  also 
sind  die  Bedingungen,  unter  denen  Toxin  und  Hämolysin  der 
Streptokokken  gebildet  werden,  gänzlich  entgegengesetzte. 

In  neuester  Zeit  hat  Kern  er  (31)  über  die  Hämolyse  der 
Streptokokken  Untersuchungen  angestellt.  Er  konnte  konstatieren, 
dafs  Bouillonkulturen  hämolytisch  wirkten;  Filtrate  von  solchen 
zeigten  keine  hämolytische  Wirkung,  jedoch  erwiesen  sich  Filtrate 
aus  Kulturen  in  flüssigem  Blutserum  als  blutlösend;  auch  hier 
war  eine  durch  den  Filtrationsprozefs  bedingte  Abnahme  der 
hämolytischen  Wirkung  zu  bemerken. 

Unterauchungen  Dber  Hämolyae  bei  mit  Streptoicokicen  infizierten 

Kaninclien. 

Wir  heben  aus  14  Versuchen,  die  uns  über  die  Hämolyse 
bei  infizierten  Kaninchen  orientiert  haben,  vier  Versuche  heraus. 
V^or  allem  wäre  aber  zu  bemerken,  dafs  von  einer  »Hämolyse  in 
vivo«  bei  der  Streptokokkeninjektion  insofern  nicht  die  Rede 
sein  kann,  als  man  die  Beurteilung  der  sofort  nach  der  Ent- 
nahme zentrifugierten  Probe  in  Betracht  zieht.  Aber  auch  die- 
jenigen Proben,  welche  unmittelbar  nach  dem  Tode  entnommen 

und    sofort    untersucht   worden    waren,    liefsen    eine   Hämolyse 

16* 


236  Über  Hämolyse  im  ReageDsglas  oDd  im  Tierkörper. 

(Hämoglobinämie)  in  keinem  Falle  erkennen.  Zieht  man  jedoch 
die  Konstatierung  der  Nachhämolyse  als  verfeinerten  Nachweis 
heran,  so  sehen  wir  in  allen  Versuchen  eine  erfolgte  Schädigung 
der  Erythrocyten  deutlich  ausgesprochen. 

Die  Frage  nach  der  iHämolyse  in  vivoc  oder  der  bei  so- 
fortiger Sektion  (Bord et)  gesehenen  Blutlösung  ist  nicht  ohne 
Interesse,  schon  deshalb,  weil  wir,  wie  oben  bereits  angeführt, 
Marmorek  behauptet,  erstere  sei  für  die  Streptokokkeninfektion 
charakteristisch.  Er  sagt:  iSeit  Beginn  unserer  Versuche  über  die 
Virulenzsteigerung  des  Streptokokkus  haben  wir  konstatiert,  dafs 
das  Blut  von  Kaninchen,  welche  uns  zur  Tierpassage  dienen,  sich 
noch  im  Körper  löst  und  eine  klare  durchsichtige  Burgunderfarbe 
annimmt.  Diese  Eigenschaft,  die  roten  Blutkörperchen  in  den 
Gefäfsen  selbst  aufzulösen,  ist  nicht  blofs  eine  Fähigkeit,  welche 
den  Streptokokken  allein  zukommt,  sondern  —  und  dies  steigert 
ganz  besonders  den  Wert  dieses  unterscheidenden  Merkmales  — 
sie  wächst  im  geraden  Verhältnis  mit  der  Virulenz.  Je  viru- 
lenter ein  Streptokokkus  ist,  um  so  rascher  und  besser  löst  er 
das  Blut  im  Körper  seines  Wirtes.« 

Wir  haben  da  in  erster  Linie  zu  konstatieren,  dafs  vor  un- 
seren Untersuchungen  die  Methode  auch  die  Nachhämolyse  zur 
Beurteilung  des  Verhaltens  des  Blutes  infizierter  Tiere  zu  ver- 
wenden wohl  nicht  eingeführt  gewesen  ist,  und  dafs  nur  mit 
Hilfe  dieser  Methodik  auf  eine  eventuelle  Schädigung  »in  vivo« 
geschlossen  werden  kann,  alle  aber  bei  Streptokokkeniujektionen 
dem  lebenden  Tiere  oder  dem  eben  verendeten  sofort  ent- 
nommenen und  untersuchten  Proben  ergaben  uns  ausnahmslos 
das  Fehlen  einer  Hämolyse.  Das  Verstreichenlassen  aber  einer 
relativ  geringen  Zeit  zwischen  Tod  und  Zentrifugieren  der  sofort 
nach  dem  Tode  entnommenen  Proben  genügte,  um  wesentlich 
andere  Resultate  sehen  zu  lassen.  Das  12  Minuten  vor  dem 
Tode  entnommene  Blut  zeigte  bei  Kaninchen  Nr.  81  Tabelle  XXVI 
farbloses  Serum,  das  Serum  des  Sektionsblutes  war  gleichfalls 
ohne  Färbung,  eine  3  Stunden  später  untersuchte  Blutprobe 
zeigte  bereits  purpurrotes  Serum!  Ja  in  einem  zweiten  Falle,  wo 
wir   die  Sektion    nur    wenig   mehr   als   30  Minuten    nach    dem 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


237 


Exitus  vornahmen,  zeigte  das  Serum  bereits  einen  starken  Stich 
ins  Rötliche. 

Dies  wäre  also  als  Nachhämolyse,  nicht  als  Hämolyse  »in 
vivo«  als  Hämoglobinämie  zu  deuten.  Diese  konnten  wir  nie- 
mals bei  der  Streptokokkeuinfektion  beobachten,  eine  Schädigung 
der  roten  Blutzellen  im  Verlaufe  der  Infektion  ist  jedoch  sicher 
und  als  NH  in  unseren  Protokollen  ausgewiesen. 

Nicht  nur  der  Angabe  Marmoreks  bezügUch  der  Hämolyse 
in  vivo  begegnen  unsere  Zweifel,  auch  bezüglich  des  Zusammen- 
hanges, den  er  zwischen  Virulenz  und  Hämolyse  konstruiert 
hat,  haben  wir  schwere  Bedenken.  Wie  stimmt  denn  diese 
Wechselbeziehung  mit  dem  Versuche  Simons  (1.  c),  der  in 
fünfter  Passage  durch  das  Kaninchen  von  einer  Hämolyse  »in 
vivoc  bei  der  Sektion  nichts  bemerken  konnte  und  wie  stimmen 
seine  Angaben  zu  unseren  Versuchsprotokollen? 

Bezüglich  der  Hämolyse  als  Obduktionsbefund 
haben  wir  genau  zu  unterscheiden,  ob  die  Sektion 
unmittelbar  nach  erfolgtem  Tode  vorgenommen  wird 
oder  nicht.  In  ersterem  Falle  finden  wir  das  Serum 
ungefärbt,  in  letzterem  ausnahmslos  eine  deutliche, 
jedoch  je  nach  der  verstrichenen  Zeit  mehr  oder 
minder  intensive  Blutlösung  eingetreten. 

Tabelle  XXHI. 
Verhalten  des  Blutes  von  Streptokokken-Kaninchen  je  nach  der  Z^eit  der  Sektion. 


Nr. 

Sektion  nach  dem  Tode 

Hämolyse 

77 

Sofort 

79 

> 

80 

> 

— 

81 

> 

16 

30—40  Minuten 

+ 

78         1 

1  V,  Stunden 

1     + 

44         1 

5  Stunden 

:       + 

22 

7  Stunden 

!        + 

Auf  diese  Blutlösung  als  Sektionsbefund  hat  ja,  wie  schon 
oben  erwähnt,  seinerzeit  Bord  et  aufmerksam  gemacht,  nur 
befremdet  uns  die  zitierte  Bemerkung  des  französischen  Forschers 


238  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 

»autopsiä  immödiatementc,  da  wir,  wie  gesagt,  in  allen  unseren 
Fällen,  wo  wir  den  Eintritt  des  Todes  ad  hoc  abgewartet  und 
die  Sektion  sofort  vorgenommen  hatten,  niemals  eine  Hämolyse 
(Hämoglobinämie)  konstatieren  konnten.  Vielleicht  dürfen  wir 
das  »immödiatementc  nicht  ganz  wörtlich  nehmen  und  soll  da- 
mit nur  gemeint  sein,  dafs  die  Sektion  sehr  bald  nach  dem 
Tode  vorgenommen  wurde.  Dafür  spricht  auch  der  Umstand, 
dafs  Bord  et  selbst  sagt  »le  coeur  .  .  .  contient  un  caillot  assez 
volumineux.c  Wir  haben  unmittelbar  nach  dem  Tode  das  Blut 
stets  flüssig  gefunden. 

Dals  eine  Verzögerung  von  30—40  Minuten  schon  genügt, 
um  eine  Nachhämolyse  beobachten  zu  können,  haben  wir  ja 
oben  gezeigt,  und  dafs  es  nötig  ist,  einen  so  scharfen  Unterschied 
zwischen  Hämoglobinämie  und  Nachhämolyse  zu  machen,  ist  ja 
erst  ein  Resultat  der  vorliegenden  Untersuchungen.  Auch  auf 
die  Arbeit  von  v.  Lingelsheim  wäre  noch  einmal  zurückzu- 
kommen. V.  Lingelsheim  hat  ja  angegeben,  dafs  das  in  den 
letzten  Lebensstunden  der  Streptokokkentiere  in  5  proz.  Lösung  von 
zitronensaurem  Natron  und  Kochsalz  ana  aufgefangene  Blut 
Hämolyse  gezeigt  habe. 

Gegen  diese  Befunde  läfst  sich  vor  allem  einwenden,  dafs 
die  Flüssigkeit,  in  der  sich  die  ja  zweifellos  schon  geschä- 
digten roten  Blutzellen  befanden,  den  Bedingungen  der  Jsotonie 
nicht  entsprach. 

Es  wurden  4  Teile  Blut  mit  1  Teil  der  Mischung  versetzt, 
was  eine  Kochsalzkonzentration  von  1\  plus  einer  solchen  von 
1%  zitronensaurem  Natron  entspricht.  Nun  ist  ja  bekanntlich 
die  isotonische  Kochsalzlösung  für  Kaninchenblut  0,85  ^/g  und 
wir  wissen,  dafs  geschädigte  Erythroeyten  auch  nur  geringe 
Schwankungen  des  isotonischen  Gleichgewichtes  mit  Hämoglobin- 
austritt beantworten;  es  summiert  sich  hier  zudem  noch  die 
hyperisotonische  Kochsalzkonzentration  mit  der  Konzentration 
des  zitronensauren  Natrons.  Es  dürfte  also  unserer  Meinung 
nach  die  Erklärung  für  die  intra  vitam  beobachtete  Lösung  der 
roten  Blutzellen  in  den  Versuchen  von  v.  Lingelsheim  ledig- 
lich in  der  ungeeigneten  Untersuchungsmethodik  zu  suchen  sein. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  WanBchheim.  239 

Wenn  wir  die  in  den  folgenden  Tabellen  niedergelegten 
Resultate  betrachten,  so  können  wir  in  dreien  der  Versuche 
parallel  gehend  mit  dem  positiven  bakteriologischen  Nachweise 
der  Bakterien  eine  Schädigung  des  Blutes,  Nachhämolyse,  beob- 
achten. Es  könnte  uns  diese  Konstatierung  zu  dem  Schlüsse, 
verleiten,  dafs  die  Hämolyse  unbedingt  abhängig  sei  von  dem 
Auftreten  der  Bakterien  im  Blute.  Dafs  dies  nicht  zutreffen  mufs, 
zeigt  uns  Tabelle  XXV  Kaninchen  Nr.  80.  Hier  konnten  wir 
am  Tage  nach  der  Infektion  Bakterien  im  Blute  mikroskopisch 
nachweisen,  letzteres  wohl  ein  Zeichen,  dafs  sie  in  grofser  Anzahl 
kreisen  mochten,  aber  eine  Nachhämolyse  ist  zu  dieser  Zeit  nicht 
zu  konstatieren.  Noch  am  zweiten  Tage  nach  der  Infektion 
kreisen  Streptokokken,  wie  der  kulturelle  Nachweis  ergibt;  auch 
diesmal  finden  wir  weder  Hämoglobinämie  noch  Nachhämolyse. 
Ungefähr  9  Stunden  später  bleibt  die  Kultur  steril  und  die 
Untersuchung  auf  Hämolyse  wie  Nachhämolyse  fällt  negativ  aus. 
Vier  Stunden  vor  dem  Tode  ist  die  Zahl  der  Bakterien  im  Blute 
noch  eine  keineswegs  sehr  grofse,  denn  der  mikroskopische 
Nachweis  ist  nicht  gelungen,  die  Kultur  hingegen  positiv ;  gleich- 
zeitig  tritt  Nachhämolyse  in  Erscheinung.  Die  sofort  nach  dem 
Tode  vorgenommene  Sektion  zeigt  keine  Hämoglobinämie,  jedoch 
Nachhämolyse. 

Diese  Befunde  bestätigen  durchaus  die  Ansicht  von  v. 
Lingelsheim,  dafs  die  Hämolyse  erst  eine  Erscheinung  der 
letzten  Lebensstunden  des  ohnedies  dem  Tode  geweihten  Tieres 
sei,  aber  sie  scheinen  uns  auch  die  Möglichkeit  zu  bieten,  die 
betreffs  der  Reagensglas  versuche  geäufserte  Ansicht  von  Simon, 
dafs  die  Streptokokken  nur  dann  imstande  seien,  ein  Hämolysin 
zu  bilden,  wenn  sie  gute  Wachstumsbedingungen  finden,  auf 
den  Tierversuch  zu  übertragen.  Die  bakteriziden  Kräfte  des 
Tieres  kämpften  gegen  die  Streptokokkeninvasion,  die  produ- 
zierten Toxine  der  Bakterien  neutralisieren  gleichsam  nach  und 
nach  die  Widerstandsfähigkeit  und  siegen  im  Kampfe.  Jetzt 
kann  eine  Vermehrung  der  Streptokokken  ungehindert  erfolgen, 
und  da  die  Säfte  des  Tierkörpers  nun  einen  guten  Nährboden 
für   die    Bakterien    darstellen,     sind     im    Sinne     von    Simon 


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Von  Dr.  Oskar  B.  von  WnDBcbheim. 


Tabelle   XXV. 


Streptococcus  pyogenee.    Kaninchen  80.    Intraperitoneal«  Injektion  i 
2  ccm  Tod  noch  ca.  4  Tagen. 


Tabelle  XXVI. 

StreptococcQs  pjrogenes.    Kaninchen  Nr.  81.    Intraperitoneale  Injektioc 
20  ccm  Tod  nach  ^  Stunden. 


242 


Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 


Tabelle  XXVH. 

Streptococcus  pyogenes.    Kaninchen  82.    Intraperitoneale  Injektion  von 

1  Röhrchen  248tflndiger  Agarknltur.    Tod  innerhalb  57 — 69  Stunden. 


Datum 

Zeit  der 
Ent- 
nahme 

Hämo- 
lyse 

Nach- 
hämo- 
lyse 

BakterioloKischer 
Befund 

mikro- 
skopisch 

Agarstrich 

1.VL1903 
10h  55' 
2.  VL 
8.  VL 

4.  VL 

Kontrolle 
1  Infektion 
11h  30' 
12h  45' 

Sektion 

+  \ 

1 
1 

1 

1 
1            i 

;  +  ' 

+   : 

i 

0 
0 

+ 

1 

Steril 

Strepto- 
kokken 

!Lebtam8.VL8h25' 
!   p.m.,  wird  am  4.  VI. 

Früh   tot  gefund. 

Sektion  11h  30'. 
i  Im  Herzblut  wenig, 
;   in    der   Milz   und 
'   Leber  massenhaft 
1   viel  Kokken.  Kul- 
'   tur  aus  Herzblut, 

Leber  U.Milz  ergibt 

Streptokokken. 

Bei  den  Streptokokkeninfektioneu  des  Kaninchens 
zeigt  sich  eine  Schädigung  der  Erythrocyten  ledig- 
lich in  Form  einer  Naehhämolyse,  eine  Hämoglobin- 
ämie  ist  nicht  zu  beobachtenl  Der  von  Marmorek  aus- 
gesprochene Grundsatz  betreffs  der  in  vivo  vor  sich 
gehenden  Auflösung  des  Kaninchenblutes  besitzt 
keine  allgemeine  Gültigkeit,  er  ist  auch  in  der  von 
Simon  gewünschten  Modifikation  nicht  haltbar.  Bei 
Kaninchen,  welche  einige  Zeit  nach  dem  Tode  zur 
Sektion  gelangen,  ist  ausnahmslos  Hämolyse  zu 
beobachten  gewesen.  Ob  im  Sinne  der  Reagensglas- 
versuche Simons  eine  Relation  zwischen  Hämolysin- 
produktion  und  erloschener  oder  herabgesetzter 
Baktericidie  auch  im  Tierkörper  besteht,  scheint 
durch  vorliegende  Untersuchungen  nicht  ausge- 
schlossen, doch  mufs  eine  Klärung  dieser  Frage  von 
ausgedehnten,  zu  diesem  Zwecke  angestellten  Ver- 
suchen abhängig  gemacht  werden. 

III.  Milzbrand. 

An  Versuchen,  das  Gift  des  Milzbrandbazillus  etwa  in 
Analogie  zum  Diphtherie-  oder  Tetanustoxin  aufzufinden,  fehlt 
es  nicht.     Zahlreiche   üntersucher  sind  bemüht  gewesen,   durch 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  243 

mannigfache  Variationen  der  Versuchs-  und  Kulturbedingungen 
den  Beweis  zu  erbringen,  dafs  auch  der  Milzbrandbazillus  ein 
eigentliches  Toxin  bebitze.  Nachprüfungen  aber  haben  Beobach- 
tungen, die  von  einem  Milzbrandtoxin  berichten,  nicht  Stand 
halten  können  und  wir  stehen  noch  heute  auf  dem  Standpunkte, 
dafs  ein  echtes  Milzbrandtoxin  nicht  nachgewiesen  erscheint. 
Aus  der  umfangreichen  Literatur  sei  hier  nur  die  schöne  Arbeit 
von  Conradi  (^)  zitiert,  deren  Einleitung  uns  einen  historischen 
Oberblick  über  die  Frage  des  Milzbrandtoxines  in  erschöpfender 
Weise  bietet.  Auch  Conradi  ist  zu  dem  Resultate  gekommen, 
dafs  der  Anthraxbazillus  ein  extrazoUuläres  lösliches  oder  ein  intra- 
zelluläres Gift  im  Organismus  empfänglicher  oder  refraktärer 
Tiere  nicht  bilde.  Er  ist  ferner  der  Ansicht,  dafs  grofse  Wahr- 
scheinlichkeit bestehe,  dafs  der  Milzbrand  überhaupt  keine  gif- 
tigen Substanzen  im  Tierkörper  erzeuge,  und  dafs  die  Hypothese 
von  der  Existenz  eines  Milzbrandgiftes  zurückzuweisen  sein  werde. 

Wir  haben,  als  wir  unsere  Untersuchungen  bei  injizierten 
Tieren  auch  auf  die  Milzbrandinfektion  des  Kaninchens  aus- 
dehnten, einen  überraschenden  Befund  zu  verzeichnen  gehabt, 
der  geeignet  sein  dürfte,  die  Frage  nach  der  Existenz  des  Milz- 
brandtoxines nicht  ruhen  zu  lassen. 

Es  war  in  unserer  Untersuchungsmethode  begründet,  zu 
trachten  nicht  nur  von  einem  und  demselben  Versuchstiere 
möglichst  zahlreiche  Blutproben  untersuchen  zu  können,  sondern 
auch  Proben  zu  erhalten,  die  möglichst  kurz  vor  dem  Tode  ent- 
nommen waren.  Wir  haben  ja  bei  der  Besprechung  der  Strepto- 
kokkeninfektionen ganz  im  Sinne  von  v.  Lingelsheim  zeigen 
können,  dafs  erst  gegen  das  Lebensende  des  Tieres  zu  Verän> 
derungen  des  Blutes  vor  sich  gehen,  welche  uns  meist  als  Nach« 
hämolyse  erkennbar  wurden. 

Es  ist  nun  nicht  leicht,  bei  der  Milzbrandinjektion  beiden 
Postulaten  gerecht  zu  werden,  da  wir  gerade  hier  keinerlei  An- 
haltspunkte dafür  besitzen,  ob  der  Tod  voraussichtlicli  in  längerer 
oder  kürzerer  Zeit  eintreten  werde.  Die  individuelle  Resistenz 
der  Kaninchen  schwankt  ja  bezüglich  des  Todes  auch  bei  gut 
ausprobierten  Milzbrandstämmen  immerhin  um  mehrere  Stunden 


244  über  Hämolyse  im  ReagensgUs  und  im  Tierkörper. 

und  auB  dem  Wohlbefinden  der  Tiere  IftCsi  sich  durchaus  kein 
Schlafs  ziehen,  da  in  den  meisten  FäUen  das  Tier  noch  einen 
vollständig  gesunden  Eindruck  macht,  im  nächsten  Momente 
aber  schon  anter  starken  Zuckungen  apoplektiform  zugrunde 
gehen  kann.  Die  erwähnten  Schwankungen,  welche  in  unseren  Ver- 
suchen zwischen  26  Stunden  45  Min.  (frühester  Tod)  und  49  Stunden 
45  Min.  (spätester  Tod)  pendelten,  also  einen  Zeitraum  von  23  Stunden 
beherrschten,  liefern  den  Experimentator  mehr  minder  dem  Zu- 
falle aus  und  nur  eine  grofse  Reihe  von  Versuchen  ermöglichte 
es  uns  schliefslich,  zu  gut  verwertbaren  Resultaten  zu  gelangen. 

Gleich  der  erste  Versuch  brachte  uns  prinzipiell  die  wich- 
tigste Orientierung.  Das  eben  vor  unseren  Augen  plötzlich  ver- 
endete Tier  wurde  sofort  geöffnet,  aus  dem  Herzen  rasch  eine 
Blutentnahme  gemacht,  zentrifugiert  und  wir  fanden  das  Serum 
puqiurrot  gefärbt. 

Zahlreiche  andere  Versuche  haben  dieses  Resultat  bestätigt, 
wir  hatten  unter  24  Experimenten  8  mal  Gelegenheit,  die  Sektion 
unmittelbar  nach  dem  Tode  vorzunehmen  und  konnten  immer 
eine  Hämolyse  konstatieren.  Da  zwischen  Tod  und  Blutent- 
nahme gewifs  nur  ein  Zeitraum  von  höchstens  5  Minuten  ver- 
strichen war,  so  werden  wir  wohl  nicht  fehlgehen,  anzunehmen, 
dafs  diese  hier  konstatierte  Hämolyse  als  Hämoglobinämie  auf- 
zufassen sein  wird. 

Diesen  Befund  bei  der  Milzbrandinjektion  des  Kaninchens 
haben  wir  seinerzeit  in  einer  vorläufigen  Mitteilung  (^^)  beschrieben 
und  gelegentlich  der  Naturforscherversammlung  in  Kassel  (^) 
besprochen.  Wir  glauben,  dals  er  geeignet  sein  dürfte,  etwas 
Licht  über  die  Art  und  Weise  der  Giftwirkung  bei  der  Milzbrand- 
injektion zu  verbreiten. 

Wir  sehen,  wie  gesagt,  beim  Milzbrandtode  des  Kaninchens 
das  Blutserum  meist  purpurrot  verfärbt,  nur  in  einem  Falle  war 
eine  braune  Farbe  an  Stelle  der  purpurroten  getreten.  Aus  der 
Literatur  wie  aus  eigenen  Versuchen  ist  uns  bekannt,  dafs  gewilse 
Mikroorganismen  die  Eigenschaft  besitzen,  in  vitro  unter  geeig- 
neten Bedingungen  Stoffwechselprodukte  zu  bilden,  welche  hämo- 
lytisches Vermögen  gegen  die  Erythrocyten  der  verschiedensten 


Von  Dr.  Oskmr  R  von  Wonschheim.  245 

Tiere  sowie  des  Menschen  besitzen.  Viele  dieser  Mikroorganismen, 
aber  durchaus  nicht  alle,  sind  Infektionserreger.  Wir  haben  in 
dieser  Arbeit  am  Staphylolysin  gezeigt,  dalüs  dasselbe  —  in  vitro 
prftformiert  —  Kaninchen  in  die  Blutbahn  eingespritzt,  eine  Auf- 
lösung der  roten  Blutzellen  zu  bewerkstelligen  imstande  ist,  welche 
sich  entweder  als  H&moglobinämie  oder  als  Nachhämolyse  doku* 
mentiert.  Wir  konnten  bei  der  Infektion  mit  Staphylokokken 
ganz  ähnliche  Verhältnisse  darlegen. 

Wenn  wir  nun  beobachten,  dafs  mitunter  bei  Infektions- 
krankheiten, welche  durch  in  vitro  hämolysinbildende  Erreger  ver- 
ursacht werden,  eine  Lösung  der  Erythrocyten  auch  im  Tierkörper 
stattfindet,  so  liegt  der  Schlufs  ja  nicht  weit,  anzunehmen,  dafs 
es  sich  bei  der  Milzbrandinfektion  vielleicht  um  den  Effekt  einer 
innerhalb  des  Tierkörpers  erfolgten  Lysinproduktion  von  selten  der 
Milzbrandbakterien  handeln  könne.  Ob  dieser  Schlufs  noch  durch 
den  Nachweis  einer  hämolytischen  Substanz  in  Milzbrandkulturen 
gestützt  wird  oder  nicht,  ist  vorläufig  ja  nicht  von  Belang,  denn 
es  erscheint  plausibel,  dafs  Bakterien  im  komplizierten  Tierkörper 
Stoffe  bilden  können,  zu  deren  Aufbau  in  vitro  die  Bedingungen 
vielleicht  nicht  günstig  sind.  So  annehmbar  nun  auch  diese 
theoretische  Erwägung  scheint,  so  schwierig,  vielleicht  unmöglich 
wird  es  sein,  den  direkten  Nachweis  des  Lysins  im  Tierkörper 
zu  führen;  er  wird  nur  zu  erbringen  sein,  indem  wir  die  beob- 
achtete Hämolyse  als  solche  gelten  lassen.  Denn  wie  wir  schon 
eingangs  auseinandersetzten,  mub  nach  der  Ehrl  ich  sehen 
Theorie  eine  Bindung  des  Lysins  durch  die  Zelle  des  Tierkörpers 
(Erythrocyt)  erfolgen  und  solange  wir  keine  Methode  besitzen, 
um  den  direkten  chemischen  Nachweis  dieser  erfolgten  Bindung 
führen  zu  können,  wird  nur  die  Hämolyse  als  Folge  der  Ver- 
ankerung das  einzige  Kriterium  im  Tierversuch  bleiben  müssen. 

Ebenso  wie  wir  also  das  Staphylolysin  für  die  Schädigung 
der  Erythrocyten  bei  den  Staphylokokkeninfektionen  verantwort- 
lich machen  können,  so  ist  es  wohl  auch  erlaubt,  hypothetisch 
anzunehmen,  dafs  der  Milzbrandbazillus  im  Tierkörper  ein  Lysin, 
das  Anthracolysin  bilde,  dieses  an  die  Erythrocyten  verankert 
werde   und   in  letzter  Folge  dann  deren  Auflösung  bedinge  und 


246  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

damit  vielleicht  auch  am  Tode  des  Tieres  Anteil  habe.  Unsere 
Bemühungen,  festzustellen,  ob  eine  Hämolyse  schon  einige  Zeit 
vor  dem  Tode  aufzutreten  pflege,  haben  mit  Ausnahme  eines 
klinisch  ganz  atypisch  verlaufenen  Falles  (Tabelle  XXIX,  Nr.  47) 
gezeigt,  dafs  bei  Entnahmen,  welche  1  Stunde  25  Min.,  1  Stunde 
45  Min.  und  2  Stunden  22  Min.  vor  dem  Tode  gemacht  worden 
waren  (Tabelle  XXVIII,  Nr.  1,  3,  68),  Hämoglobinämie  nicht  zu 
konstatieren  war,  dafs  wir  aber  zu  verschiedenen  Zeiten  in  der 
Lage  waren,  durch  Verwertung  der  Nachhämolyse  den  Schlufs 
auf  eingetretene  Schädigung  der  Erythrocyten  zu  ziehen.  Die 
oben  dargelegten  Schwierigkeiten  verhinderten  es,  die  zwischen 
letzter  Entnahme  und  Tod  verstrichene  Zeit  unter  1  Stunde  25  Min. 
herabzudrücken;  dafs  aber  schon  1  Stunde  30  Min.  und  2  Stunden 
22  Min.  vor  dem  Tode  Blutkörperchen  geschädigt  sind,  zeigt  uns 
die  Nachhämolyse  bei  Nr.  68  und  74. 

Also  auch  bei  der  Milzbrandinfektion  tritt  die  Schädigung 
der  roten  Blutzellen  spät  in  Erscheinung,  erst  in  den  letzten 
Stunden  vor  dem  Tode;  es  besteht  da,  wie  schon  oben  ange- 
deutet, eine  gewifse  Ähnlichkeit  mit  den  von  v.  Lingelsheim 
für  die  Streptokokkeniufektiou  gemachten  Beobachtungen.  Aber 
während  ja  für  die  Streptokokken  Gifte,  die  mit  der  Lysiuwirkung 
sicher  nichts  zu  tun  haben,  beschrieben  sind,  so  fehlen  uns  beim 
Milzbrande     derartige     einwandsfreie    Beobachtungen     gänzlich. 

Sclavo  berichtet  in  neuester  Zeit  über  Lähmungen.  Er  (^) 
hat  Kaninchen  mit  einem  vom  Schafe  stammenden  Milzbrand- 
serum geimpft,  um  passive  Immunität  gegen  Milzbrand  zu  er- 
reichen. Die  Injektion  des  Serums  wurde  intravenös  vorgenommen, 
gleichzeitig  das  Tier  subkutan  mit  Milzbiandbazillen  injiziert. 
Bei  diesem  Verfahren  nun  beobachtete  Sclavo  in  9  von  352 
Fällen  das  Auftreten  von  sensiblen  und  motorischen  Lähmungen 
an  den  hinteren  Extremitäten  mit  Ausgang  in  Tod.  Die  Läh- 
mungen traten  meist  ziemlich  spät,  16  bis  31  Tage  nach  der 
Impfung  auf.  Sclavo  meint,  dafs  durch  die  Einverleibungen 
des  Serums  seine  Kaninchen  einen  gewissen  Schutz  gegen  die 
Milzbrandinfektion  erlangt  hätten,  welcher  es  verhinderte,  dafs  sie 
in  gewöhnlicher  Weise  akut  zugrunde  gingen,  während  die  nun 


Von  Dr.  0«kar  B.  von  Wanschheim.  247 

gegebene  längere  Frist  eine  Erzeugung  des  lähmenden  Giftes 
gestatte. 

Es  scheint  in  der  Tat  ab  und  zu  allerdings  sehr  selten  und 
wohl  nur  in  jenen  Fällen,  welche  klinisch  atypisch  verlaufen, 
also  solchen,  bei  denen  eine  längere  Agonie  dem  Tode  vorangeht, 
zu  nervösen  Erscheinungen  kommen  zu  können. 

Wir  sahen  unter  den  Fällen,  bei  denen  wir  zur  Zeit  des 
Exitus  zugegen  waren,  zweimal  einen  abnormalen  Verlauf  der 
Milzbrandinfektion.  In  dem  einen  Falle  insofern,  als  der  Tod 
nicht  plötzlich  sondern  erst  nach  einem  deutlich  ausgeprägten 
längeren  agonalen  Stadium  eintrat,  während  der  zweite  Fall  mit 
Lähmungserscheinungen  einherging.  Da  es  sich  hier  durchaus 
um  »neue«  Tiere  handelte,  von  denen  mit  Sicherheit  auszu- 
schliefsen  war,  dafs  sie  etwa  schon  einmal  im  Versuch  gestanden 
hätten,  so  gewinnt  die  Beobachtung  der  nervösen  Symptome  im 
zweiten  atypischen  Falle  vielleicht  auch  noch  den  Charakter  des 
Einwandes  gegen  die  Auffassung  von  Sclavo,  nachdem  ja  unsere 
Tiere  keineswegs  immunisiert  worden  waren,  sondern  der  ersten 
Infektion  erlagen.  Es  müssen  da  wohl  uns  noch  gänzlich  unbe- 
kannte Vorgänge  im  Spiele  sein. 

Hinsichtlich  der  Hämolyse  boten  beide  Tiere  interessante 
Befunde.  Wir  haben  ja  schon  oben  konstatiert,  dafs  bei  nor- 
malem Verlaufe  der  Milzbrandinfektion  des  Kaninchens  zirka 
2^/2  Stunden  vor  dem  Tode  eine  Veränderung  des  Blutes  niemals 
nachzuweisen  war,  dafs  das  Tier  plötzlich  zugrunde  geht,  ohne 
vorher  wesentliche  Krankheitserscheinungen  dargeboten  zu  haben, 
sowie  dafs  wir  bei  der  sofort  vorgenommenen  Sektion  in  typischen 
Fällen  purpurrotes  Serum  vorfinden. 

Anders  verhielten  sich  die  erwähnten  Ausnahmen. 

Nr.  67  (Tab.  XXIX)  zeigte  schon  zirka  3  Stunden  vor  dem 
Tode  Hämoglobinämie,  während  sonst  ja  Schädigungen  der  Blut- 
körperchen vor  dem  Tode  immer  nur  durch  Konstatierung  der 
Nachhämolyse  zu  erkennen  waren,  und  zudem  war  noch  auf- 
fallend, dafs  dem  Tode  ein  immerhin  eine  Zeitlang  dauernder 
Somnolenzzustand  vorausging.     Bei  der  Sektion  zeigte  das  Serum 


248  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

nicht  den  gewohnten  purpurroten  Farbenton,  sondern  eine  gelb- 
braune Färbung. 

Nicht  minder  interessant  gestaltete  sich  der  Verlauf  bei 
Nr.  47,  Tabelle  XXIX.  Hier  begannen  ungefähr  33  Stunden 
nach  erfolgter  Infektion  nervöse  Symptome  aufzutreten.  Das 
Tier  sitzt  zunächst  mit  gespreizten  Vorderläufen  da,  beim  Gehen 
gleiten  dieselben  nach  rechts  und  links  aus.  Dann  stellen  sich 
Ruderbewegungen  ein ;  die  Vorderläufe  sind  nun  bei  eingetretener 
Ruhe  senkrecht  vom  Leibe  abgestreckt,  die  Hinterläufe  ange- 
zogen. Später  nimmt  das  Tier  eine  Stellung  ein,  die  der  eines 
sitzenden  Frosches  in  der  Haltung  der  Hinterläufe  ähnelt,  während 
die  vorderen  Extremitäten  starr  und  senkrecht  zur  Längsachse 
des  Körpers  abgestreckt  seitlich  verharren.  Nun  verfällt  das 
Tier  zusehends,  wird  so  schwach,  dafs  es  auf  der  Seite  liegend 
verharrt  und  wird  dann,  da  ein  Ende  des  agonalen  Zustandes 
nicht  abzusehen  war,  getötet.  Dieser  Fall  ist  uns  leider  im  An- 
fange unserer  Versuche  zur  Beobachtung  gekommen,  zu  einer  Zeit 
also,  wo  wir  den  Wert  der  Nachhämolyse  noch  nicht  schätzen 
gelernt  hatten.  Später  ist  uns  ein  ähnlicher  Fall  nicht  mehr 
vorgekommen.  Das  eben  erwähnte  Tier  zeigte  bei  künstlicher 
Beleuchtung  schwach  rosenrotes  Serum,  das  dann  bei  Tageslicht 
betrachtet,  gelb  aussah.  Bakterien  im  Blute  wurden  sehr  früh- 
zeitig nachgewiesen,  kulturell  schon  16^2  Stunden,  mikroskopisch 
(5 — 7  pro  Gesichtsfeld)  6  Stunden  vor  der  Tötung. 

Wenn  wir  aber  etwa  glaubten,  zwischen  dem  Auftreten  der 
Bakterien  im  Blute  und  der  Schädigung  der  Erythrocyten  ätio- 
logische Schlüsse  ziehen  zu  dürfen,  wird  ein  Blick  in  Tab.  XXVIH 
uns  überzeugen,  dafs  wir  im  Irrtume  uns  befänden.  Bei  Nr.  74 
sind  10  Stunden  vor  dem  Tode  Bakterien  im  Blute  beobachtet, 
ohne  dafs  es  zur  Hämoglobinämie  oder  Nachhämolyse  zu  dieser 
Zeit  und  in  den  nächsten  Stunden  gekommen  wäre.  Erst  1  Uhr 
30  Min.  vor  dem  Tode  sehen  wir  Nachhämolyse  auftreten.  Erst 
jetzt  können  wir  die  Bakterien  nicht  nur  kulturell  wie  vorher, 
sondern  auch  mikroskopisch  feststellen,  also  als  in  gröfserer  An- 
zahl auftretend,  konstatieren.  Wollten  wir  nun  beweisen,  dafs 
offenbar   eine   gröfsere  Menge    von  Bakterien  im    Blute   (mikro- 


Von  Dr. 'Oskar  R  von  Wunschheim.  249 

skopischer  Nachweis)  erst  eine  Alteration  der  Erythrozyten  im 
Gefolge  habe,  so  könnten  wir  uns  an  Nr.  68  und  74  halten, 
aber  Nr.  63  würde  uns  sofort  einsehen  lassen,  dafs  die  Richtigkeit 
dieser  Annahme  nicht  aufrecht  zu  erhalten  wäre. 

(Siehe  Tabelle  XXVIU  und  XXIX  auf  S.  250,  251  und  252.) 

Wir  möchten  darauf  hinweisen,  dafs  vielleicht  auch  bei  der 
Milzbrandinfektion  erst  nach  erfolgter  Aufserkraftsetzung  des 
leukozytären  Apparates  (Knochenmark)  nach  überwundener  Bak- 
terizidie  eine  Lysinproduktion  stattfinde.  Dafür  scheint  uns 
sehr  der  Umstand  zu  sprechen,  dafs  wir  die  Schädigung  der 
roten  Blutzellen  erst  in  den  letzten  Stunden  nachweisen  können. 
Für  die  Erklärung  der  tödlichen  Wirkung  kann  man  einmal  die 
Möglichkeit  heranziehen,  dafs  durch  die  Lysinbindung  die  be- 
troffenen Erythrozyten  für  die  Respiration  unbrauchbar  geworden 
sein  können;  aber  auch  noch  ein  zweiter  Punkt  verdient  Be- 
rücksichtigung. 

Bei  Vergiftungen  mit  Blutkörperchengiften  findet  man  neben 
der  Auflösung  der  Erythrozyten  meist,  wie  Kionka  (^)  meint, 
vielleicht  als  Folgeerscheinung,  die  Gerinnungsfähigkeit  des 
Blutes  gesteigert,  so  dafs  es  zu  Gerinnungen  im  strömenden 
Blute  kommen  kann.  Dafs  dann  Embolien  wichtiger  Zentren 
auch  bei  der  Milzbrandinfektion  eine  Rolle  spielen  können,  liegt 
auf  der  Hand. 

Bei  der  Milzbrandinfektion  des  Kaninchens  finden 
wir  zur  Zeit  des  Todes  eine  intensive  Hämoglobinämie. 
Eine  Schädigung  der  Erythrozyten  läfst  sich  schon 
einige  Zeit  vor  dem  Tode  als  Nachhämolyse  erkennen, 
doch  ist  die  Alteration  der  roten  Blutzellen  im  all- 
gemeinen erst  ein  Effekt  der  letzten  Lebensstunden. 

Erzeugt  der  Miizbrandbaziilu8  in  kanatlichem  Nährboden  ein 

Hämoiy8in7 

Die  Beantwortung  dieser  Frage  mufste  sich  logischerweise 
unseren  im  vorigen  Kapitel  dargestellten  Untersuchungen  an- 
reihen. Die  Literatur  versagt  bei  dieser  Frage.  Nur  bei 
Sobernheim  (^)  finden   wir  eine  kurze  Bemerkung  bezüglich 

AiohiT  für  Hygi«ii«.   Bd.  LTV'.  17 


240 


Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 


günstige  Bedingungen  für  die  Lysinproduktion  geschafEen.  Zur 
Zeit,  als  wir  in  Tabelle  XXV  bei  Kaninchen  80  Streptokokken 
im  Blute  nachwiesen,  ohne  dafs  es  zur  Nachhämolyse  kam,  könnte 
vielleicht  das  Blut  noch  widerstandsfähig  genug  gewesen  sein, 
es  bot  noch  keinen  guten  Nährboden  dar.  In  der  Tat  verschwinden 
auch  die  Streptokokken  wieder  aus  der  Blutbahn.  Die  Toxine 
belagern  und  schwächen  den  Organismus  weiter,  seine  Bakterizidie 
ist  vielleicht  überwunden,  nun  treten  die  Streptokokken  neuer- 
dings im  Blute  auf  und  diesmal  kommt  es  —  wenige  Stunden 
vor  dem  Tode  —  zur  Schädigung  der  Erythrocyten. 

In  Tabelle  XXVI  bei  Kaninchen  Nr.  81  haben  >^4r  durch 
Verwendung  gröfserer  Mengen  von  Bouillonkultur  gleichzeitig 
gröfsere  Mengen  von  Toxin  mit  einverleibt  und  so  vielleicht  den 
Verlauf  des  ganzen  Prozesses  beschleunigt. 

Dafs  aber  bei  Einverleibung  von  Agarkultur  —  abgesehen 
von  der  Verlaufsdauer  —  ein  Unterschied  hinsichtlich  der 
Hämolyse  gegenüber  den  Injektionen  mit  Bouillonkulturen  nicht 
zu  bemerken  ist,  zeigt  Nr.  82  in  Tabelle  XXVII.  Hier  verläuft 
die  Injektion  langsamer,  weil  sich  die  Bakterien  wohl  erst  ihren 
Boden  durch  Toxinbildung  im  Körper  erkämpfen  müssen,  während 
ihnen  im  vorigen  Falle  die  Einbringung  schon  präformierten 
Toxines  die  Arbeit  erleichtert  hatte. 

Tabelle  XXIV. 
Streptococcus  pyogenes.    Kaninchen  77.    Intraperitoneale  Injektion  von 

2  ccm  Bouillon kultur.    Tod  nach  46  Stunden. 


Datum 


Zeit  der 

Ent- 
nahme 


Hämo- 
lyse 


Nach- 
hämo- 
lyse 


Bakteriologischer 
Befund 


mikro- 
skopisch 


Agars  trieb 


25.V.  1903 
6h  SC  p.m. 


26.  V. 


27.  V. 


!f 


Kontrolle 

Infektion 

7h 

7ii30' 

lOh 

11h 

4h  30' 

11h  15' 

Sektion 


+ 
+ 


0 

+ 


Strepto-  1 
kokken   i 


Exitus  am  27.  V.  um 
4h  35'.  Sektion  so- 
fort. 

Befund:  Mikrosko- 
pisch in  Herzblut 
und  Milz  verein- 
zelte, in  der  Leber 
zahlreiche  Diplo- 
kokken. Kultur 
aus      Herzblut, 

i  Leber  und  Milz 
Streptokokken. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


241 


Tabelle   XXV. 

Streptococcas  pyogenes.    Kaninchen  80.    Intraperitoneale  Injektion  von 

2  ccm  BoaiUonkaltnr.    Tod  nach  ca.  4  Tagen. 


Datum 


Zeit  der 

Ent- 
nahme 


Hämo- 
lyse 


Nach- 
hämo- 

lyse 


Bakteriologischer 
Befanfi 


mikro- 
Bkopixch 


Agaratiich 


27.V.  1903 

&^  p.  m. 

28.  V. 


29.  V. 


30.  V. 

31.  V. 


Kontrolle 

Infektion 

12h  30' 


10h  40^     ,     - 
8h  p.m. 

Ilh30' 
Sektion    1;     — 


+  ;; 
+ 


Diplo- 
kokken 

0 

+ 


Kultur 

nicht 

angelegt 

Strepto- 
kokken 

steril 


Strepto- 
kokken 


Exitus  am  31.  V.  um 
3h  28'  Sektion  so- 
fort. 

Mikroskopisch      in 

Herzblut,  Milz  und 

Leber      spärliche 

ij   Kokken,    in    der 

M   Kultur  aus  Herz- 

"   blut,  Milz  u.  Leber 


Streptokokken. 


+ 


Tabelle  XXVL 

Streptococcus  pyogenes.    Kaninchen  Nr.  81.    Intraperitoneale  Injektion  von 

20  ccm  Bonillonkultur.    Tod  nach  25  Stunden. 


Datum 


Bakteriologisch  er 
Befund 


mikro- 
skopisch 


Agars  trich 


27.  V.  03 

6h 

28.  V. 


Kontrolle 

Infektion 

12h 

7h  20'     1 
Sektion 


+ 

+ 
+ 


r 

zahlreich.!  Strepto- 
Kokken     kokken 


do. 

+ 


do. 

+ 


Exitus  am  28. V.  um 
7h  32'  p.  m.  Sek- 
tion sofort. 

Peritonitis.      Im 
Bauchraum    zirka 
5  ccm  nicht  bluti- 
ges Exsudat. 

Eine  3  Std.  nach  der 
Entnahme  zentri- 
f  ugierteProbe  zeigt 
bereits  purpur- 
rotes Serum! 


:xn 


Ulli  jh  ^ 


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I- 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


253 


des    Milzbrandbazillus    »in    Blutbouillon    macht    sich    schwach 
hämolytische  Wirkung  bemerkbare. 

Zun&chst  untersuchten  wir,  ob  Blut,  Bouillon kulturen  zu- 
gesetzt, gelöst  werde.  Das  Resultat  war  ein  höchst  zweifelhaftes. 
Der  mit  gewöhnlicher,  schwach  alkalischer  Bouillon  angestellte 
Versuch  liefs,  in  üblicher  Weise  ausgeführt,  von  hämolytischer 
Wirkung  der  Milzbrandkulturen  nicht  viel  erkennen ;  erst  als  die 
mit  Blut  beschickten  Röhrchen  neuerdings  auf  einige  Stunden 
in  den  Thermostaten  gebracht  worden  waren,  zeigte  sich  Lösung, 
konstant  in  den  jüngeren  Kulturen  bei  gewaschenen  Blutkörper- 
chen (Kaninchen),  aber  nur  in  manchen  derjenigen  Röhrchen, 
welchen  Kaninchenblut  zugesetzt  worden  war. 

Tabelle  XXX. 

Hämolytisches  yermögen  von  MiUbrandbouillonkaltaren. 

(Kaninchenblatkörperchen.) 


Alter  der 

Gewaschen 

Nicht  gewaschen 

Kulturen 

in  Tagen 

a 

b 

a 

b 

1 

0 

+ 

6 

0 

2 

6 

+ 

0 

0 

3 

0 

+ 

0 

0 

4 

0 

+ 

0 

0 

5 

0 

-h 

0 

0 

6 

0 

6 

0 

+ 

7 

0 

0 

0 

0 

8 

0 

0 

0 

+ 

9 

0 

6 

6 

0 

10 

0 

0 

6 

6 

11 

0 

0 

0 

0 

12 

0 

0 

0 

0 

a.  Nach  dem  Blatznsatz  2^  bei  37  «*  C,  dann  über  Nacht  in  der  Kälte  gehalten. 

b.  Die  a-Proben  weitere  12  Standen  bei  37  ^  C  gehalten  und  dann  das  Reaaltal 
notiert. 


Der  Möglichkeit  Rechnung  tragend,  dafs  auch  beim  Milz- 
brand der  Alkaligehalt  der  Bouillon  von  Einflufs  auf  die  Lysin- 
produktion  sein  könne,  beschickten  wir  Kolben  mit  Fleischwasser 
von  verschiedener  Alkaliuität,  nach  dem  Vorbilde  von  Neisser 
und  Wechsberg  (Vsi  %i  Vs)  hergestellt  mit    Milzbrandbazillen, 


254 


Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  TierkOrper. 


bewahrten  dieselben  bei  37®  C  auf  und  prüften  nach  ver- 
schiedenen Zeiten  die  hämolytische  Fähigkeit  der  Filtrate  auf 
Kaninchenblut  (gewaschen).  Das  Arbeiten  mit  BouUlonkulturen 
hatte  Schwierigkeiten  in  der  Beurteilung  der  Resultate  ergeben. 
Die  Bouillonen  vom  Gehalte  '/g  ergaben  ein  negatives  Resultat 
(7,  14,  21  Tage).  Der  Kolben  von  a/,  AlkaUnität,  nach  8  Tagen 
untersucht,  liefs  ebenfalls  ein  Hämolysin  nicht  erkennen.  Das 
nach  14täg]gem  Wachstum  aber  gewonnene  Filtrat  zeigte  blut- 
lösende Kraft  (Tab.  XXXI).  Ebenso  Ueferte  ein  Filtrat  von 
Vs  Alkalinität  nach  7tägigem  Wachstum  der  Kultur  Hämolysin 
(Tab.  XXXII). 

Tabelle  XXXI. 

Filtrat:  14  Tage  alte  Bouillonkultnr  Anthrax  74,  '/s  alkalisch,  gewaschene 
Kaninchenblntkörperchen,  die  inaktiven  Proben  1  Stunde  bei  65°  C  gehalten. 


Isotom.  ' 

Filtrat 

Kochsalz-  i 

Aktiv 

Inaktiv 

in  2  ccm 

lösung 
in  2  ccm 

2        1 

1 
i 

Flüssigkeit  schwach  rötlich, 
rote  Kuppe 

1 

0 

1 

1 

Spur                      1 

0 

0,8 

1,2 

Spur 

0,6 

1,4 

0 

0 

0,2 

1,8 

0 

0,06 

1,94     i 

0 

0,02 

1      1,98     1 

i) 

Tabelle  XXXH. 

Filtrat:    7  Tage  alte  Bouillonkultur  Anthrax   74,   Vg  alkalisch,  gewaschene 
KaninchenblutkOrperchen,  die  inaktiven  Proben  1  Stunde  bei  65°  C  gehalten. 


Filtrat 
in  2  ccm 


Isotom. 

Kochsalz- 
lösung 

in  2  ccm 


Inaktiv 


2 

1 
0,8 
0.2 
0,06 
0,02 


Flüssigkeit  rötlich,  sehr  starke  Kuppe 
1  Vs  der  Flüssigkeit  stark  rot 

1,2       l'  V^  der  Flüssigkeit  stark  rot 

1,8        I  Spur 

1,94     '  0 

1,98     jl  0 


0 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  255 

Um  einen  besseren  Überblick  über  die  Bedingungen  zu  er- 
halten, unter  denen  der  Milzbrandbazillus  Hämolysin  produziert, 
wurde  der  in  Tabelle  XXXTTT  ausgewiesene  Versuch  angestellt. 

Aus  technischen  Gründen  wurde  der  im  Zusammenhange 
dargestellte  Versuch  in  zwei  Etappen  ausgeführt;  in  der  ersten 
Hälfte  untersuchten  wir  die  hämolytische  Kraft  innerhalb  der 
ersten  12  Tage,  in  der  zweiten  die  zwischen  dem  15.  und 
24.  Tage  produzierten  Lysinmengen. 

(Siehe  Tabelle  XXXUI  u.  XXXIV  auf  8.  256  u.  257.) 

Die  Filtrate,  welche  aus  ^/g  und  ^/j  Bouillonkulturen  gewonnen 
worden  waren,  lassen  jeglichen  Einflufs  auf  die  Erythrozyten  des 
Kaninchens  vermissen,  diese  Grade  von  Alkalinität,  die  Extreme, 
scheinen  der  Hämolysinproduktion  des  Milzbrandbazillus  nicht 
günstig  zu  sein.  Anders  verhält  sich  die  Sache  bei  den  Filtrateu 
der  2/3  Bouillon.  Hier  fiel  uns  sofort  nach  dem  Versetzen  des 
Filtrates  mit  dem  Blutstropfen  beim  Umschütteln  auf,  dafs  das 
Blut  in  manchen  Röhrchen  (Tab.  XXXHI  in  Stab  5,  6,  11,  12, 
17  und  18  mit  ß  bezeichnet)  Schokoladenfarbe  zeigte.  Von  diesen 
Röhrchen  zeigten  nach  Ablauf  des  üblichen  Aufenthaltes  in 
Wärme  und  Kälte  einzelne  (in  der  Tab.  ß\)  eine  mehr  oder  min- 
der starke  braune  Färbung  der  überstehenden  Flüssigkeit.  Diese 
Erscheinung  trat  bei  den  gewaschenen  Blutkörperchen  noch  bei 
einer  Verdünnung  auf,  wo  sie  bei  den  ungewaschenen  ausblieb, 
auch  hatte  das  Inaktivieren  der  Proben  keinen  Einfiufs  auf  dieses 
Phänomen  gezeitigt.  Da  wir  aus  den  füheren  Versuchen 
(Tab.  XXXI  und  XXXII)  wufsten,  dafs  das  hämolytische  Ver- 
mögen der  Filtrate  durch  Inaktivieren  (1  Stunde  bei  65®  C)  stets 
aufgehoben  worden  war,  so  mufsten  wir  uns  mit  der  Annahme, 
dafs  es  sich  hier  keinesfalls  um  eine  typische  Hämolyse,  sondern 
vielleicht  um  eine  Salzwirkung  handeln  könne,  bescheiden. 

Sichere  Hämolyse  jedoch  erzielten  wir  mit  dem  Filtrat 
15  Tage  2/3  (Stab  29  und  30  der  Tab.  XXXHI).  Doch  war  die 
hämolytische  Wirkung  äufserst  schwach,  sie  äufserte  sich  in  der 
konzentrierten  Lösung  (2  ccm  Lysin)  in  rötlicher  Färbung,  ohne 
dafs  der  Tropfen  komplett  gelöst  worden  wäre,  in  den  nächsten 


256  Über  HlmolyM  im  BMig«nig)u  and  im  TSericOrper. 

T »belle  XXXin. 

Hftmolftiacbe  Wirknng  von  FIIInteD  TeTBchiedon  alter  Milzbrmndbonillon- 

kaltnren  mit  Terscbiedeoer  Alkklioitlt. 

Gewaschene  (g)  und  nicht  gewaachene  (n)  Kanin chenblaikörperchen. 


^ 
^ 


p   Chokoladen  färbe  den  auf  geschüttelten  Blutes. 
I    Braunfärbung  der  FlQasitikeit. 
-|-  Botfärbuog  d«r  Flaasigkeit  (typische  HBmolyse). 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


257 


Proben  schwankte  der  Wert  zwischen  starker  Kuppe  und  Spur; 
0,1  hatte  schon  keine  Wirkung  mehr  geäufsert.  Das  Verweilen 
der  Proben  bei  65  ^  C  durch  eine  Stunde  (Stab  29  und  30)  ver- 
nichtete die  hämolytische  Fähigkeit. 

Tabelle  XXXIV. 
Säaregrad  der  in  Tabelle  XXXIII  verwendeten  Filtrate. 


Alter  der  Kultar 
in  Tagen 

3 

6 

9 

12 

16 

18 

21 

24 

Alkaligehalt  Vt     ) 
Titre  der  Bouillon/ 

0,80 

0,80 

0,80 

0,80 

0,80 

0,80 

0,80 

0,80 

Titre  des  Filtrates 

1,60 

1,30 

1,30 

1,30 

1,20 

1,15 

0,80 

1.10 

Differenz 

+0,80 

+0,50 

+0,50 

+0,60 

+0,40 

+0,35 

0 

+  0,30 

Alkaligebalt  V,    1 
Titre  der  Boaillon  J 

0,60 

0,60 

0,60 

0,60 

0,60 

0,60 

0,60 

0,60 

Titre  des  Filtrates 

1,20 

1,10 

0,90 

0,90 

0,90 

1,20 

1,10 

1.10 

Differenz 

+0,60 

+0,60 

+0,30 

+0,30 

+0,30 

+0.60 

+0,60 

+0,60 

Alkaligebalt  >/,    1 
Titre  der  Boaillon  J 

0,40 

0,40 

0,40 

0,40 

0,30 

0,30 

0,30 

0,80 

Titre  des  Filtrates 

1,00 

1,00 

1,00 

1,00 

0,60 

0.60 

0,60 

0,50 

Differenz 

+0,60 

+0,60 

+0,60 

+0,60 

-H>,30 

+0,30 

+0,30 

+0,20 

Die  Zahlen  geben  an ,  wieviel  Kubikzentimeter  einer  Vio  ^  *  l>ftuge  zu  5  ccm 
Boaillon  bzw.  Filtrat  zugesetzt  werdeo  mufsten,  am  mit  Phenolphthalein  Rot- 
färbung zu  erhalten. 

Auffallend  ist  in  unserer  Tabelle  XXXIII  verglichen  mit 
Tabelle  XXXII,  dafs,  während  wir  in  letzterer  bei  ^s  Alkalinität 
Hämolyse  konstatiert  hatten,  hier  mit  ^/s  Bouillon  niemals  ein 
hämolytisch  wirkendes  Filtrat  erzielt  wurde,  obwohl  doch  in  allen 
Versuchen  ein  und  derselbe  Stamm  verwendet  worden  war.  Auch 
fällt  uns  auf,  dafs  die  hämolytische  Wirkung  im  allgemeinen 
sich  hinsichtlich  ihrer  Stärke  innerhalb  sehr  bescheidener  Gren- 
zen bewegt.  Verglichen  mit  den  starken  Graden  von 
Hämolyse,  welcher  wir  im  Tier  bei  der  Milzbrand- 
infektion begegnen,  scheint  die  Aussicht  bei  dem 
Milzbrandbazillus  aus  Bouillonkulturen  wirksame 
Filtrate  zu  erhalten,  recht  unsicher  und  quantitativ 
wenig  Ausbeute  versprechend  zu  sein. 


268  Über  Hftmolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 

Wie  verhält  sich  der  NaCI-Gehalt  des  Blutes  bei  der  Milzbrand- 

infelction  des  Kaninchens? 

Zweck  der  folgenden  Untersuchungen  war,  zu  erfahren,  ob 
beim  Verlaufe  der  Milzbrandinfektion  eine  nennenswerte  Änderung 
im  Kochsalzgehalte  des  Blutes  einzutreten  pflege;  eine  solche 
Änderung  des  osmotischen  Druckes  könnte  ja  durch  Ansteigen 
des  Salzgehaltes  (Hyperisotonie)  oder  durch  Abfallen  desselben 
(Hypisotonie)  die  roten  Blutzellen  zum  Austretenlassen  ihres 
Hämoglobins  zwingen. 

In  erster  Linie  sollten  uns  einige  Untersuchungen  an  nor- 
malem Kanincheublut  Aufschlufs  über  den  Gehalt  desselben  an 
Cl  geben,  welcher  Wert  dann  als  NaCl  berechnet  unseren  Resul- 
taten zugrunde  liegt. 

Nach  Abderhalden  pj  finden  sich  in  1000  Gewichtsteilen 
Blut  2,898  Teile  Chlor.  Auf  NaCl  berechnet  entspricht  diese 
Zahl  einem  Gehalte  von  4,775  NaCl  für  1000  Teile,  also  0,47  V 
Wir  haben  in  unseren  Untersuchungen  gewogene  Blutmengen 
verascht,  die  Asche  gelöst,  iin  der  Lösung  den  Cl-Gehalt  nach 
Mohr  bestimmt  und  die  Werte  zusammen  auf  NaCl%  um- 
gerechnet. Tabelle  XXXV  gibt  eine  Übersicht  über  die  gefun- 
denen Werte.  Nimmt  man  den  Durchschnitt  aus  den  sechs  Be- 
stimmungen, so  erhalten  wir  einen  Wert  von  0,46 ®/o  NaCl  für 
Kaninchenblut,  also  eine  zu  den  Analysen  von  Abderhalden 
(0,47%)  durchaus  gut  stimmende  Zahl. 

Tabelle  XXXV. 
Cl-Gehalt  normalen  Kaninchenblutes  als  NaClVo  berechnet. 


Durchschnitt  0,46  V©. 

Chlorgebalt  des  Blutes  nach  Abder- 
halden auf  Na  Cl  %  berechnet 
0,470  V 

Gröfste  Differenz  normaler  Zahlen 
0,13. 


Um  den  Gehalt  des  Blutserums  an  NaCl  zu  bestimmen, 
niüfste  man  natürlich  eine  komplizierte  Rechnung  anstellen,  um 
den   auf  die  Blutkörperchen  selbst  entfallenden  Wert,  für  Cl  zu 


I 

0,48 

II   , 

0,52 

III 

0,50 

IV 

0,45 

V     , 

0,39 

VI 

0.46 

Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


259 


bestimmen,  um  welchen   verringert  die  für  das  Blut  gefundene 

Zahl  beim  Serum  Gültigkeit  hätte. 

Den  mit  Milzbrand  infizierten  Tieren   wurden  von  Zeit  zu 

Zeit  Blutentnahmen  gemacht,  der  Cl-Gehalt  des  Blutes  wie  oben 

bestimmt   und  auf  NaCl%   umgerechnet.     Die   Zahlen   sind  in 

folgender  Tabelle  verzeichnet. 

Tabelle  XXXVI. 
Cl-Gehalt  des  Blutes  bei  Milzbrandinfekt,  des  Kaninchens  berechnet  als  Na  Gl. 


Nr. 


Stunden  nach 
der  Infektion 


Stunden 

vor 
dem  Tode 


23 
6 


DiffereoK 

zwischen 

Kontrolle  u. 

Sektions- 

blnt 


62 1       Kontrolle 
l|  24 

41 

I  47  (Sektion) 

67  <j       Kontrolle 

II  24 

|l  47V. 

l!  50'/,  (Sektion) 

ii 

68  ll       Kontrolle 
li  24 
i!  47 
!!  49V,  (Seküon) 

Gröfste  Differenz  unter  normalen  Bluten 


0,39 

26V, 

0,43 

3 

0,48 

0,46 

0,46 

25V, 

0,40 

2V', 

0,60 

0,57 

0,01 


0,07 


0,11 


0,13 


Wie  wir  sehen,  sind  keine  besonderen  Differenzen  zwischen 
den  Na  Cl- Werten  des  Kontrollblutes  (vor  der  Infektion)  und  den- 
jenigen des  Sektionsblutes  zu  verzeichnen.  Die  gröfste  Differenz 
beträgt  0,11.  Sehen  wir  uns  in  Tabelle  XXXV  die  gröfste 
Differenz  an,  welche  der  Na  Cl-Gehalt  des  Blutes  bei  normalen 
Tieren  aufweist,  so  finden  wir  eine  gröfsere  Zahl,  nämlich  0,13. 
Die  Schwankungen  dieser  Zahlen  unter  normalen  Tieren  sind 
also  gröfser  als  die  gröfste  Differenz  zwischen  Normalblut  und 
Sektionsblut  eines  Milzbrandkaninchens  gewesen.  Wir  glauben 
also  die  Annahme  einer  Störung  der  Isotonie  für  die  roten  Blut- 
zellen des  Kaninchens,  soweit  der  Na  Cl-Gehalt  in  Betracht  kommen 
könnte  und  unsere  wenigen  Versuche  ein  Urteil  gestatten,  als 
ätiologisches  Moment  für  die  Hämolyse  bei  der  Milzbrand- 
infektion als  nicht  genügend  begründet  zurückweisen  zu  müssen. 


260  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  TierkOrper. 

Aber  wir  sind  imstande,  noch  einen  anderen  Beweis  dagegen 
zu  führen,  dafs  Störung  der  Isotonie  bei  der  Milzbrandinfektion 
für  die  Hämolyse  verantworthch  zu  machen  sei. 

Wenn  im  Serum  des  milzbrandkranken  Kaninchens  zur 
Zeit,  wo  wir  eine  Schädigung  der  Erythrozyten  nachweisen 
können,  geänderte  isotonische  Verhältnisse  Schuld  tragen  sollen 
an  der  Auflösung,  so  mufs  es  uns  ja  gelingen,  durch  Einbringen 
von  normalen  Blutkörperchen  in  das  kranke  Serum  dieselben 
zur  Auflösung  zu  bringen.  Dieses  Experiment  versagt  gänzlich; 
nebenbei  sei  erwähnt,  dafs  es  mit  grofsen  Schwierigkeiten  ver- 
bunden ist,  das  zum  Versuche  geeignete  Serum  zu  erhalten. 
Wir  haben  schon  oben  darauf  hingewiesen,  dafs  die  Schädigung 
der  roten  Blutzellen  erst  in  den  letzten  Stunden  vor  dem  Tode, 
und  zwar  als  Nachhämolyse,  erkennbar  zu  werden  pflegt.  Dafs 
eine  Nachhämolyse  eingetreten  ist,  können  wir  aber  erst  am 
Tage  nach  der  Entnahme  konstatieren,  und  wir  wissen  zur  Zeit 
derselben  noch  nicht,  ob  wir  Nachhämolyse  beobachten  werden; 
dieser  Umstand  fordert  einerseits  möglichst  viele  Entnahmen, 
anderseits  aber  wollen  wir  ja  eine  Entziehung  gröfserer  Blut- 
mengen tunhchst  vermeiden.  Zu  beachten  ist  auch  noch  der 
Umstand,  dafs  das  Serum  des  entnommenen  Blutes  nicht  mit 
demselben  in  Berührung  bleiben  darf,  sondern  sofort  abgesondert 
werden  mufs,  da  wir  ja  im  Falle  einer  Nachhämolyse  auch  in 
der  Probe,  mit  welcher  wir  dann  den  Versuch  zu  machen  haben 
werden,  Färbung  des  Serums  erhalten  würde  und  eine  kolori- 
metrische  Bestimmung  dann  nicht  mehr  gut  durchführbar  wäre. 

Tabelle  XXXVII  und  XXXVIII  stellt  die  Resultate  dar. 
In  Tabelle  XXXVII  haben  wir  zwei  Versuche  verzeichnet,  welche 
uns  zunächst  im  Kopfe  der  Tabelle  Aufschlufs  über  das  Ver- 
halten des  Tieres  geben.  Wir  sehen  hier  registriert,  ob  und 
wann  Hämolyse  (H)  oder  Nachhämolyse  (NH)  aufgetreten  sei, 
wir  finden  auch  angegeben,  ob  mikropisch  (m)  oder  kulturell  (k) 
zu  dieser  Zeit  Bakterien  im  Blute  nachgewiesen  worden  seien. 
Die  Versuche  wurden  so  angestellt,  dafs  die  entsprechenden  Sera 
(aktiv  und  inaktiv)  mit  normalen  gewaschenen  Kaninchenerythro- 
zyten  gemischt  und  mit  dem  Gemisch  3  Kapillaren  gefüllt  wurden. 


Von  Dr.  Oskar  B.  yon  Wanschheim. 


261 


Eine  dieser  Kapillaren  wurde  sofort  zentrifugiert  und  das  ab- 
gesetzte Serum  neuerdings  in  eine  Kapillare  so  umgefüllt,  dafs 
keine  Blutkörperehen  mehr  zugegen  waren.  Dieses  Röbrchen 
diente  als  Vergleichsobjekt;  die  anderen  Röhrchen  blieben  bis 
zum  nächsten  Tage  bei  Zimmertemperatur  liegen,  wurden  dann 
zentrifugiert  und  mit  dem  Teströhrchen  verglichen.  Dieselbe 
Technik  wurde  bei  Tabelle  XXXVIII  geübt,  nur  wurde  hier  in 
Stab  4,  5  und  6  Kochsalzlösung  an  Stelle  des  Serums  verwendet. 

In  Tabelle  XXXVII  Nr.  67  kam  nun  der  Umstand  zugute, 
dafs  die  schon  intra  vitam  aufgetretene  und  weiter  oben  bereits 
genügend  gewürdigte  Färbung  des  Serums  nicht  so  intensiv  war, 
dafs  es  nicht  noch  möglich  gewesen  wäre,  bei  Blutkörperchen- 
zusatz und  eventueller  Lösung  eine  Verstärkung  des  Farbentones 
zu  konstatieren.  Auch  hier  trat  keine  Lösung  der  dem  Serum 
zugesetzten  normalen  Kaninchenerythrozyten  ein. 

Dafs  aber  eine  Schädigung  der  Blutkörperchen  des  kranken 
Tieres  erfolgt  war,  zeigt  uns  auch  der  Versuch  in  Tabelle  XXXVIII, 
wo  sich  die  Blutkörperchen,  in  Na  Cl  suspendiert,  lösten,  während 
die  mit  normalen  Blutkörperchen  angesetzte  Kontrolle  keine 
Lösung  aufwies.  Hier  verhalten  sich  die  Blutkörperchen  genau 
so  wie  die  durch  Staphylolysininjektion  geschädigten  Blutzellen, 
und  auch  dadurch  gewinnt  der  Schlufs,  dafs  es  sich  bei  der 
Milzbrandinfektion  um  die  Bindung  von  Anthrakolysin,  das  im 
Tierkörper  erzeugt  wird,  handle,  vielleicht  an  Wahrscheinlichkeit. 

Tabelle  XXXVII. 

Einflafs  des  Serums  milzbrandkranker  Kaninchen  auf  normale  Kaninchen- 
erythrozyten. 


H 

^^^ 

^^^ 

H 

'!  + 

+ 

NH 

— 

— 

— 

+ 

NH 

-  .i  + 

+ 

m 

— 

— 

— 

+ 

m 

-  \  + 

+ 

k 

— 

— 

+ 

k 

1 

+ 

-4- 

vordem 
Tode 

Serum  des 

Tieres  vor  d. 

Infektion 

25h  42' 

18h  22' 

2h  42* 

vordem 
Tode 

17h  45' 

2h  58' 

sofort 

nachdem 

Tode 

Nr. 

a 

* 
1 

a 

1 

a!  i 

1   . 
a     1 

Nr.     1 

a 

• 

1 

a 

• 

1 

a 

• 

1 

68     1 

0 

6 

0 

0 

0 ;  0 

0 

0 

67 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

a  =.  aktives  Serum,    i  =  inaktives  Serum. 


262 


Über  Hämolyse  im  Keagensglas  and  im  Tierkörper. 


Tabelle  XXXVm. 

Einflafs  des  Serams  milzbrandkranker  Kaninchen  auf  normale  Kaninchen- 
erythrozyten.    Nachlösnng  der  kranken  Blutkörperchen  in  isotonischer  Koch- 
salzlösung. 


H 

NH 

m 

k 

vor  dem 

Tode 


ca.  20  Std. 


+ 

+ 
ca.  3»/,  Std. 


+ 

+ 
ca.  3V,  Std. 


+ 

+ 
+ 

Sektion 


Kontrolle 


Nr.  73 


Serum  73  + 

normale 
gewaschene 
Erythrozyten 


Serum  73  + 

normale 

gewaschene 

Erythrozyten 


Blutkörper- 
chen 73 
in  0,85  proz. 
Na  Cl-Lösung 


Blutkörper- 
chen 73 
in  0,85  proz. 
Na  Cl-Lösung 


NormaleBlut- 
körperch«a 
in  0,85  proz. 

Na  Cl-Lösung 


keine  Jjösung 
2 


keine  Lösung      Lösung 

3      ;      4 


Lösung      |keine  Lösung 
5  6 


Kreist  bei  der  Miizbrandlnfelction  des  Kaninchens  freies  Lysin 

im  Serum? 

Wir  haben  dieselbe  Frage  gelegentlich  der  Versuche  mit 
Staphylolysin  für  den  Staphylokokkus  verneint.  Auch  für  den 
Milzbrand  stehen  wir  auf  demselben  Standpunkte,  der  theoretisch 
wohl  fundiert  ist  und  oben  bereits  besprochen  wurde.  Als  ex- 
perimenteller Beweis  hätte  auch  hier  das  durchaus  negative 
Verhalten  der  Serumproben  in  den  oben  zitierten  Tabellen  XXXVII 
und  XXXVIII  bei  Nr.  67,  68  und  73  zu  gelten.  Im  Serum  be- 
findliches, freies,  nicht  verankertes  Lysin  hätte  von  den  Erythro- 
zyten gebunden  werden  müssen,  welche  dann  der  Lösung  anlieim- 
gefallen  wären. 

Warum  sehen  wir  beim  Milzbrandicaninchen  icelne  Hämoglobinurie? 

Wir  konnten  bei  der  Milzbrandinfektion  des  Kaninchens 
zeigen,  dafs  eine  sehr  intensive  Hämoglobinämie  bei  unmittelbar 
nach  dem  Tode  vorgenommenen  Sektionen  bereits  vorhanden  ist. 
Da  wir  ja  heute  über  die  Existenz  eines  Milzbrandtoxins  so  gut 
wie  nichts  wissen,  war  der  Gedanke  nur  selbstverständlich,  den 
Tod  des  Milzbrandkaninchens  mit  der  intensiven  Auflösung  von 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  263 

roten  Blutkörperchen  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Nun  wissen 
wir,  dab  es  eme  ganze  Menge  von  Krankheitsprozessen  des 
Mensehen  gibt,  bei  denen  Hämoglobinurie  aufzutreten  pflegt, 
die  ja  eine  Folge  bestehender  Hämoglobinämie  ist,  Hämoglo- 
binurien, die  eine  Zeitlang  anhalten,  durchaus  nicht  immer 
tödlich  enden,  sondern  in  vielen  Fällen  mit  Genesung  des 
Patienten  ablaufen.  Wir  wollen  nur  an  die  paroxysmale  Hämo- 
globinurie, an  Fälle  von  Hämoglobinurie  bei  Scharlach  (Heub- 
ner)  und  anderen  Infektionskrankheiten  erinnern,  auch  des 
Schwarzwasserfiebers  nicht  vergessen.  Niemals  aber  haben  wir 
beim  Milzbrandkaninchen  Hämoglobinurie  beobachten  können, 
obwohl  die  Intensität  der  Hämolyse  zweifellos  so  grofs  war 
(purpurrotes  Blutserum),  dafs  für  das  Zustandekommen  einer 
Hämoglobinurie,  soweit  es  auf  die  Hämoglobinmenge  im  Blute 
ankommt,  sicherlich  die  nötigen  Bedingungen  gegeben  gewesen 
sein  müfsten.  Immerhin  wollten  wir  Vergleichsmaterial  unter- 
suchen, um  bei  Vergiftungen  mit  Blutgiften  nachzusehen,  wie 
sich  einerseits  Auftreten  von  freiem  Hämoglobin  im  Serum  zur 
Hämoglobinurie  verhalte,  und  wie  sich  andererseits  wiedervun 
die  Intensität  der  Hämolyse  zum  Erlöschen  der  Lebensfunktion 
stellen  möge. 

Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  dafs  bei  subkutaner  Einver- 
leibung von  Glyzerin  beim  Kaninchen  Hämoglobinämie  und 
Hämoglobinurie  sich  einzustellen  pflegt,  während  angeblich  bei 
intravenöser  Einverleibung  die  Lösung  der  roten  Blutzellen  aus- 
bleiben soll.  Fi  1  ebne  (^)  erklärt  auf  Grund  von  experimentellen 
Erfahrungen  die  Vorgänge  folgen dermafseu :  Bei  der  subkutanen 
Injektion  von  Glyzerin  treten  die  die  Injektionsstelle  passierenden 
Erythrozyten  in  DifEusionsverkehr  mit  dem  Glyzerin,  verlieren 
Wasser  und  die  in  diesem  gelösten  Salze,  sie  schrumpfen;  ge- 
langen nun  solche  Blutkörperchen  in  normales  Blut  oder  nor- 
males Serum,  so  quellen  dieselben  vermöge  erfolgender  Blut- 
wasseraufnahme auf  und  nun  diffundiert  der  Blutfarbstoff  ins 
normale  Senmi,  die  Hämoglobinämie  ist  da.  Bei  intravenöser 
Zuführung  des  Glyzerins  hingegen  ist  nach  Fi  lehne  den  roten 
Blutzellen    wohl    die   Diffusionsmöglichkeit   gegen    das   Glyzerin 


264 


über  Hftmoljte  im  BeageiiBgUs  and  im  Tierkörper. 


gegeben,  aber  es  sei  hier  kein  Lösungsmittel  und  deshalb  die 
Bedingungen  zum  Austritte  de^  Blutfarbstoffes  nicht  vorhanden. 
Ohne  weiter  diese  Ansicht  von  Filehne  diskutieren  zu  wollen, 
sei  nur  erwähnt,  dafs  wir  durch  intravenöse  Injektion  von  Glyzerin 
(10  ccm)  beim  Kaninchen  intensive  Hämoglobinämie  auslösen 
konnten.  Diese  Eigenschaft  des  Glyzerins  nun  verwendeten  wir, 
um  aus  der  Intensität  der  Hämoglobinämie  bei  der  Glyzerin- 
vergiftung eventuelle  Rückschlüsse  auf  den  in  respiratorischer 
Hinsicht  gewifs  nicht  zu  unterschätzenden  Ausfall  an  roten  Blut- 
zellen bei  der  Milzbrandinfektion  ziehen  zu  können. 

Die  Versuche  wurden  mit  subkutaner  und  intravenöser 
Applikation  des  Glyzerins  angestellt,  der  Einfachheit  halber  seien 
nur  erstere  besprochen.  Nach  kurzer  Zeit,  schon  5  Minuten  nach 
beendeter  Injektion  des  Glyzerins,  bemerken  wir  beginnende 
Hämoglobinämie,  dieselbe  ist  nach  15 — 30  Minuten  bereits  so 
deutlich  erkennbar,  dafs  ein  Zweifel  ausgeschlossen  erscheint. 
Starke  Grade  wurden  schon  1  Stunde  40  Minuten  nach  der  Ein- 
verleibung beobachtet  und  bei  zwei  Tieren,  die  1,22%  bzw. 
1,37%  ihres  Körpergewichtes  an  Glyzerin  injiziert  erhalten  hatten, 
trat  der  Tod  ein,  ohne  dafs  es  zur  Hämoglobinurie  gekommen 
wäre. 

(Siehe  Tabelle  XXXIX  auf  S.  265.) 

Diese  Fälle  zeigen,  dafs  durchaus  nicht  immer  eine  Hämo- 
globinämie auch  von  Hämoglobinurie  begleitet  oder  gefolgt  sein 
müsse.  Dies  scheint  erst  dann  der  Fall  zu  sein,  wenn  die 
Hämoglobinämie  im  Tierkörper  durch  längere  Zeit  perisistiert 
und  zwar  vielleicht  gerade  in  den  Fällen,  in  welchen  zunächst 
durch  einige  Zeit  nur  mildere  Grade  von  Hämoglobinämie  be- 
stehen. Wir  haben  in  Tabelle  40  einen  solchen  Fall  dargestellt. 
Das  Tier,  welches  eine  viel  gröfsere  Prozentmenge  von  Glyzerin 
erhalten  hatte  als  die  beiden  vorerwähnten,  von  dem  wir  also 
einen  zu  mindest  ebenso  raschen  Tod  annehmen  konnten,  erlag 
der  Vergiftung  viel  langsamer  als  die  anderen.  Hier  kam  es  zur 
Hämoglobinurie,  die  wir  intra  vitam  und  bei  der  Sektion  kon- 
statieren konnten. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


265 


Tabelle  XXXTX. 

Sabkutane  Injektion  von  Glyxerin  bei  Kaninchen.    Fehlen  der  Hämo- 
globin urie  bei  starker  HämoglobinAmie. 


Kanin- 

Blut- 

Seit  der 

chen 

,  probe 

Injektion 

Farbe  des  Blutsemms 

Nr. 

1 

;    Nr. 

verstrichen 

61 

1 

Kontrolle 

fast  farblos 

Erhält  1,37  Vo  »eines 

t 

2 

5  Min. 

schwach  rötlich 

Körpergewichtes  rei- 

1      3 

1 

10  Min. 

do. 

!   nes     Glyserin    sub- 

>     4 

20  Min. 

do. 

kutan. 

5 

30  Min. 

st&rker  rötlich  als  Nr.  4 

Der  Blaseninhalt  seigt 

1 

! 

6 

45  Min. 

stärker  rötlich  als  Nr.  5 

sich  bei  der  Sektion 

1 
1 

7 

1  Std. 

sehr  stark  rötlich 

lichtgelb. 

1 

1 

1 

8 

1  Std.  40  Min. 

purpurrot 

1 

1 

1 

'      9 

2  Std.  07  Min. 

purpurrot 

10 

2  Std.  11  Min. 
(Tod,Seklion) 

purpurrot 

60 

1 

Kontrolle 

farblos 

Erhält   1,22  »/o  seines 

1 

2 

15  Min. 

rötlich 

Körpergewichtes  rei- 

1 

1      3 

30  Min. 

nes  Glyzerin  subkut. 

1 
1 

4 

50  Min. 

snnehmende  Intensität 

Die  15  Min.  vor  dem 

1 

5 

1  Std.  20  Min. 

der  Rotfärbung 

Tode  vorgenommene 

1 

6 

1  Std  50  Min. 

/ 

Blasenpunktion  zeigt 

1 

1 

7 

2  Std.  50  Min. 

hellgelb,  nicht  hämo- 

1 

Tod,  Sektion 

stark  weinrot 

1   globinurischen  Harn. 

Tabelle  XL. 

Kaninchen  Nr.  302  erhält  33,8  g  Glyzerin  (2^/^  seines  Körpergewichtes) 
subkutan.     Hämoglobinämie  und  Hämoglobinurie. 


Seit 
Nr.'  der  Injektion 
verstrichen 


Serumfarbe  des 

sofort  zentri- 
fugierten  Blutes 


Hämo- 
tflobi* 
nurie 


1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 


lii 

3 


Kontrolle 
7  Min. 

15  Min. 

30  Min. 

45  Min. 

60  Min. 
St<i.  18  Min. 
Std.  18  Min. 
Std.  18  Min. 

Sektion 


fast  farblos 

leicht  gelbl.  Stich 

gelber  als  Nr.  2 

bräunlich 

rötlichbraun 

stärker  als  Nr.  5 

wie  Nr.  6 

purpurrot 

purpurrot 

dunkelrot 


-  :  + 


Wurde  abends  8^ 
30' kalt  und  starr 
gefunden.  Sek- 
tion am  Vormit- 
tag des  nächsten 
Tages.  Blase  mit 

dunkelrotem 
Harn  gefüllt 


Archiv  fOr  Hygiene.   Bd.  LIV. 


18 


266  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

Sehen  wir  uns  nun  in  unseren  Tabellen  das  Verhalten  der 
Blutsera  an,  so  sehen  wir  insbesondere  bei  Nr.  302  in  klarer 
Weise,  dafs  ein  Tier  mit  einer  beträchtlichen  Hämoglobinämie 
immerhin  einige  Zeit  am  Leben  bleiben  kann;  im  angezogenen 
Falle  war  schon  45  Minuten  nach  der  Injektion  das  Serum 
rötlichbraun,  3  Stunden  18  Minuten  nach  derselben  purpurrot; 
diese  Intensität  hatte  durch  mindestens  eine  Stunde,  ja  wahr- 
scheinlich noch  länger  bestanden.  Noch  eine  weitere  Beob- 
achtung scheint  uns  von  einiger  Bedeutung.  Betrachten  wir 
bei  unseren  Milzbrandkaninchen  das  Verhalten  der  Blutproben 
bezüglich  der  Nachhämolyse,  so  sehen  wir,  dafs  das  Auftreten 
derselben  innerhalb  der  letzten  Lebensstunden  die  Regel  ist. 
Vergleichen  wir  aber  diesen  Befund  mit  den  Beobachtungen  an 
den  Glyzerinkaninchen,  wo  eine  Nachhämolyse  durchaus  zu 
fehlen  pflegt,  wo  niemals  eine  Verstärkung  der  Blutserumfarbe 
bei  24  Stunden  gelagerten  Serumproben  zu  konstatieren  war, 
so  werden  wir  einen  Fingerzeig  erhalten,  wo  der  Schlüssel  zu 
diesen  Vorgängen  zu  finden  sei.  Die  Hämolyse  bei  der  Glyzerin- 
vergiftung  ist  wohl  zweifellos  auf  eine  Störung  der  isotonischen 
Verhältnisse  zurückzuführen,  nicht  aber  auf  eine  Giftbindung, 
wie  wir  sie  etwa  bei  den  Versuchen  mit  Kaninchen  injiziertem 
in  vitro  präformiertem  Staphylolysin  zeigen  konnten.  Bei  der 
Glyzeriuvergiftung  scheinen  die  Dinge  so  zu  liegen,  dafs  die 
durch  den  Wechsel  des  osmotischen  Druckes  geschädigten 
Erythrozyten  im  Blute  äufserst  rasch  ihr  Hämoglobin  abgeben, 
sonst  würden  wir  ja  eine  Nachhämolyse  regelmäfsig  beobachten 
müssen;  bei  der  Giftbindung  (Staphylolysinvei-such)  mufs  ja 
erfahrungsgemäfs  erst  eine  gewisse  Zeit  vergehen,  ehe  die  ver- 
gifteten Erythrozyten  sich  lösen.  Nun  haben  wir  aber  ja  bei 
den  Glyzerinversuchen  gesehen,  dafs  eine  starke  Hämoglobinämie 
(Serum  in  unserer  Normalkapillare  purpurrot)  eine  Zeitlang  er- 
tragen werden  kann,  ohne  dafs  der  Tod  rasch  eintritt,  wie  dies 
bei  der  Milzbrandinfektion  meist  der  Fall  ist.  Das  mag  ganz 
richtig  sein,  aber  bei  der  Milzbrandinfektion  sind  ja  gewifs  noch 
viel  mehr  Erythrozyten  für  die  Respiration  unbrauchbar  ge- 
worden, als  der  Hämoglobinmenge  entspricht,  welche  den  i)urpur- 


Von  Dr.  Oekar  E.  von  Wunschheim.  267 

roten  Ton  des  Serums  erzeugt.  Wir  können  dies  ja  aus  der 
Nacbhämolyse  schliefsen,  und  so  erscheint  uns  der  rasche  Tod 
beim  Milzbrandtier  gut  erklärlich.  Dieses  rasche  Eintreten  des 
Todes  (Erstickung?)  erklärt  auch  das  Ausbleiben  der  Hämo- 
globinurie beim  Milzbrandtier. 

rv.  Bacillus  pyocyaneus. 

C  harr  in  (^)  bat  seinerzeit  nachgewiesen,  dafs  Filtrate  von 
Pyocyaneuskulturen,  Kaninchen  und  Meerschweinchen  einverleibt, 
dieselben  Symptome  hervorzurufen  imstande  seien,  wie  dies  von 
Seiten  der  lebenden  Bakterien  zu  geschehen  pflegt. 

Wassermann  (^)  hat  sich  eingehend  mit  der  Frage  be- 
schäftigt, ob  der  Bacillus  pyocyaneus  ein  echtes,  von  den  leben- 
den Bakterien  sezemiertes  Toxin  produziere,  oder  ob  es  sich  bei 
der  Giftwirkung  abgetöteter  Pyocyaneuskulturen  lediglich  um 
ein  »ausgelaugtes  Endotoxinc  handle.  Wohl  mehr  dem  Stand- 
punkte zuneigend,  dafs  es  sich  hauptsächlich  um  echtes  sezer- 
niertes  Toxin  handle,  kommt  Wassermann  doch  zu  dem  End- 
ergebnis, dafs  die  Giftwirkung  sterilisierter  Pyocyaneusbouillon- 
kulturen  sich  aus  der  Wirkung  echten  Toxins  und  ausgelaugter 
Endotoxine  zusammensetze.  Es  wird  neben  der  giftigen  Eigen- 
schaft des  Toxins  demselben  in  neuerer  Zeit  auch  eine  blut- 
lösende zugeschrieben,  welche  prinzipiell  und  funktionell  von 
demselben  verschieden  sein  soll,  etwa  in  Analogie  zum  Tetano- 
spasmin  und  Tetanolysin.  Diese  hämolytische  Eigenschaft  der 
Pyocyaneuskulturfiltrate,  mit  dem  Namen  Pyocyanolysin  belegt, 
ist  Gegenstand  mehrerer  allerdings  in  ihren  Resultaten  recht 
divergierender  Untersuchungen  geworden,  die  wir  im  folgenden 
kurz  anführen  wollen. 

Zuerst  haben  Bull  och  und  Hunter  (^^)  angegeben,  dafs 
sich  in  Bouillonkulturen  von  Bact.  pyocyaneum  ein  Körper  be- 
finde, das  Pyocyanolysin,  welches  im  Reagensglase  die  Erythro- 
zyten des  Ochsen,  des  Schafes,  des  Kaninchens  und  anderer 
Tiere  aufzulösen  imstande  sei.  Dieses  Gift  variiere  in  verschiedenen 
Kulturen,   sei   in  jungen   in  geringerer  Menge  vorhanden  als  in 


268  Über  Hämolyse  im  Reagensglaa  and  im  Tierkörper. 

solchen  vom  Alter  von  3 — 4  Wochen,  Durch  15  Minuten 
langes  Kochen  unfiltrierter  Kulturen  werde  das  hämolytische 
Vermögen  nicht  beeinträchtigt,  jedoch  gehe  dasselbe  verloren, 
wenn  man  Pyocyanolysin  enthaltende  Filtrate  in  gleicher  Weise 
behandle.  Die  beiden  Autoren  haben  sich  bei  ihren  Versuchen 
einer  0,6proz.  Kochsalzlösung  bedient. 

Weingeroff  (^®)  macht  den  Versuchen  von  Bull  och  und 
Hunter  den  Einwand,  dafs  ihre  Kochsalzlösung  von  0,6%  nicht 
isotonisch  gewesen  sei  und  er  wiederholt  gesehen  habe,  dafs  bei 
dieser  Salzkonzentration  Erythrozyten  sich  ohne  jeden  anderen 
Zusatz  schon  gelöst  hätten.  In  der  Tat  ist  ja  die  Verwendung 
einer  0,85proz.  NaCl-Lösung  zu  solchen  Versuchen  heute  die  all- 
gemein übliche.  Bezüglich  der  Hitzebeständigkeit  der  Kultur- 
filtrate  stellt  sich  Weingeroff  in  direkten  Gegensatz  zu  Bulloch 
und  Hunter,  indem  er  berichtet,  dafs  ein  30  Minuten  währendes 
Erhitzen  auf  120°  dem  hämolytischen  Vermögen  seiner  Filtrate 
nicht  geschadet  hätte.  Weingeroff  tritt  auch  für  eine  prin- 
zipielle Verschiedenheit  von  Toxin  und  Hämolysin  ein. 

L  üben  au  P)  steigen  und  wohl  mit  vollem  Rechte,  Zweifel 
auf,  ob  denn  wirklich  die  Wirkung  hämolysierender  Piocyaneus- 
filtrate  als  iLysiiiwirkungc  aufzufassen  sei.  Das  Zusammen- 
treffen der  starken  Lysinwirkung  mit  stark  alkalischer  Reaktion 
der  Filtrate  ist  ihm  sehr  verdächtig  und  Lubenau  schon  meint, 
»dafs  es  möglicherweise  relativ  einfache  chemische  Bakterien- 
produkte wie  Ammoniak  und  dergleichen  seien,  welche  das 
Hämolysierungsvermögen  der  Bakterienkulturen,  wenn  auch  nicht 
ganz  bedinge,  so  doch  wenigstens  einen  wesentüchen  Anteil  daran 
haben«.  Diese  Richtigkeit  dieser  Ansicht  wird  bedeutend  unter- 
stützt, wenn  man  bedenkt,  dafs  es  Lubenau  gelungen  ist,  durch 
Neutralisieren  der  Filtrate  auf  den  Lackmuspunkt  eine  Vermin- 
derung der  hämolytischen  Wirkung  nachzuweisen. 

Margarethe  Breymann  (*^)  widerlegt  einige  der  Schlufs- 
sätze  von  Bulloch  und  Hunter  und  steht  auf  demselben 
Standpunkte  wie  Weinger  off,  nachdem  es  auch  ihr  nicht  ge- 
lungen ist,  durch  Erhitzen  von  Kulturen  oder  Filtraten  von 
Piocyaueus  eine  Inaktivierung  zu  erreichen. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wnnschheim.  269 

Loew  und  Kozai  (*2)  behaupten  ebenso  wie  Weingeroff 
eine  Verschiedenheit  zwischen  Pyocyaneustoxin  und  Pyocyaneus- 
lysin. 

Jordan  (*^)  aber  scheint  nun  in  der  ganzen  Frage,  soweit 
sie  die  Reagensglasversuche  mit  Bouillonkulturen  oder  Filtraten 
anbelangt,  das  richtige  Urteil  gesprochen  zu  haben.  Nach  seinen 
Versuchen  kann  man  mit  steigender  oder  fallender  Alkaleszenz 
der  Filtrate  von  B.  Pyocyaneus  die  hämolysierende  Kraft  in 
gleichem  Mafse  zu  Zu-  oder  Abnahme  veranlassen,  ja  sie  durch 
Neutralisation  zerstören.  Mit  diesem  Befunde  erhält  die  Theorie 
von  der  Existenz  des  Pyocyanolysin  in  Filtraten  einen  argen 
Stofs,  jedenfalls  aber  werden  kommende  Untersucher  gut  daran 
tun,  eine  Alkaliwirkung  im  Reagensglase  erst  sorgfältig  auszu- 
schliefsen,  ehe  sie  die  hämolysierende  Wirkung  von  Pyocyaneus- 
filtraten  mit  Recht  einem  Pyocyanolysin  zuschreiben  dürfen. 

Untersuchungen  Über  Hämolyse  bei  mit  Bacillus  pyocyaneus 

infizierten  Kaninchen. 

Wie  liegen  nun  die  Dinge  bei  der  Einverleibung  von  Pyo- 
cyaneusbazillen  im  Tierkörper?  Das  Meerschweinchen,  welches 
wohl  seiner  Empfänglichkeit  wegen  als  bestes  Testobjekt  für 
für  unsere  Untersuchungen  in  erster  Linie  hätte  in  Verwendung 
kommen  sollen,  konnte  aus  schon  oben  ausgeführten  Gründen 
für  systematische  Versuchsreihen  leider  nicht  in  Betracht  ge- 
zogen werden.  Aber  die  Blut  Veränderungen  am  Kaninchen  zu 
studieren,  bot  auch  manche  Schwierigkeiten.  Bei  Einverleibung 
kleiner  Dosen  gelingt  die  tödliche  Infektion  in  vielen  Fällen 
nicht,  nimmt  man  grofse  Dosen,  so  tritt  der  Tod  oft  überaus 
rasch  ein  und  man  verfügt  nun  nicht  über  eine  genügende  Zahl 
von  Blutproben;  insbesondere  bei  intraperitonealer  Infektion  ist 
dies  meist  der  Fall.  Die  subkutane  Infektion  mit  relativ  grofsen 
Dosen  (etwa  1  Agarröhrchen)  bot  nun  Gelegenheit,  an  einigen 
Entnahmen  die  Verhältnisse  gut  studieren  zu  können,  später 
gaben  wir  gröfsere  Dosen  Agarkultur  auch  intraperitoneal,  so 
dafs  innerhalb  von  1 — 3  Stunden  der  Tod  eintrat  und  wir  leicht 
imstande  waren,  denselben  abzuwarten. 


270  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 

Bei  der  Sektion  von  Tieren,  die  akut  zugrunde  gegangen, 
aber  z.  B.  nachts  gestorben,  erst  einige  Stunden  post  mortem 
zur  Obduktion  gelangten,  fanden  wir  ausnahmslos  das  Serum  von 
rötlichbrauner,  weinroter,  purpurroter  Farbe,  also  Befunde,  die 
mit  Sicherheit  auf  Austritt  von  Hämoglobin  im  Serum  schhefsen 
lassen.  Gelangten  die  Tiere  sofort  nach  dem  Tode  zur  Sektion, 
so  konnten  wir  konstatieren,  dafs  zu  dieser  Zeit  eine  Lösung 
von  Blutkörperchen  im  Serum  noch  nicht  stattgefunden  hatte, 
wohl  aber  waren  die  Parallelproben,  zur  Untersuchung  auf  Nach- 
hämolyse  bestimmt,  stets  stark  rot  gefärbt.  Auch  bei  Tieren, 
welche  der  Infektion  nicht  erlagen,  konnten  wir  durch  den 
Befund  der  Nachhämolyse  eine  stattgehabte  Schädigung  der 
Erythrozyten  beweisen.  Wir  heben  hier  einen  interessanten 
Befund  in  Tabelle  XLI  Nr.  157  hervor.  Das  Tier  hatte  ein 
Röhrchen  48  Stunden  alter  Agarkultur  subkutan  erhalten.  Zirka 
24  Stunden  nach  der  Infektion  zeigte  sich  Nachhämolyse,  welche 
durch  einen  Zeitraum  von  mindestens  drei  Tagen  anhaltend  die 
Beeinflussung  der  Erythrozyten  erkennen  liefs.  Dasselbe  Tier 
erhielt  dann  später  eine  zweite  Injektion  von  der  doppelten 
Dosis  inzwischen  in  ihrer  Virulenz  gesteigerter  Kultur,  es  zeigte 
keinerlei  Erscheinungen  von  Blutlösung  mehr,  ging  aber  dessen- 
ungeachtet im  Verlaufe  von  20  Tagen  marantisch  zugrunde.  Es 
ist  das  einer  von  jenen  Fällen,  welche  uns  zur  Untersuchung 
anregen,  ob  man  bei  mit  lebenden  Reinkulturen  vorbehandelten 
Tieren  eine  gewisse  Immunität  der  Blutkörperchen  gegen  hämo- 
lytische Einflüsse,  über  die  wir  zurzeit  ja  noch  wenig  orientiert 
sind,  erzielen  könne,  natürlich  ohne  eine  wirkliche  Immunität 
gegen  den  betreffenden  Erreger  zu  erreichen.  Diese  derzeit  aufser- 
halb  unseres  Programmes  gelegenen  Untersuchungen  sollen  dem- 
nächst in  Betracht  gezogen  werden,  da  sie  uns  hinsichtlich  des 
Immunitätsproblemes  nicht  ohne  Interesse  zu  sein  scheinen. 
Wir  haben  oben  bei  der  Staphylokokkeninfektion  auf  einen  Fall 
aufmerksam  gemacht,  welcher  ganz  analog  verlaufen  ist.  In 
Tabelle  XLII  sehen  wir  drei  Fälle  verzeichnet,  welche 
während  der  ganzen  Zeit  von  der  erfolgten  Infektion  an  genau 
beobachtet  wurden,  aufserdem  ist  ein  Fall  ('^)  augereiht,  welcher 


Von  Dr.  Oakar  R.  von  Wnnschfaeim.  271 

zeigen  soll,  wie  rasch  nach  dem  Tode  innerhalb  des  Tierkörpers 
Hämolyse  eintreten  kann.  Während  bei  Nr.  314,  365  und  366 
die  sofort  nach  dem  Tode  entnommene  Blutprobe  ein  Serum 
zeigte,  dessen  Farbe  sich  nicht  oder  zumindest  nicht  wesentlich 
von  der  der  Kontrollprobe  desselben  Tieres  unterschied,  sehen  wir 
bei  Nr.  304,  dessen  Sektion  sicher  nicht  später  als  höchstens 
3  Stunden  nach  dem  Tode  gemacht  wurde,  das  Serum  bereits 
hämolytisch  (rötUchbraun).  Auch  hier  bei  der  Pyocyaneusinfektion 
sehen  wir  also  dieselbe  Erscheinung,  die  wir  schon  bei  der 
Staphylokokken-  und  Streptokokkeuinfektion  beobachten  konnten, 
dafs  zur  Zeit  des  Todes  eine  Hämoglobinämie  nicht  besteht,  dals 
wir  aber  die  Läsion  der  Erythrozyten  vermittelst  der  Unter- 
suchung auf  Nacbhämolyse  nachzuweisen  imstande  sind. 

Tabelle   XLI. 
PyocyaneuBinfektion.    Kaninchen  Nr.  15T.    Subkutane  Einverleibung. 


272 


Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 


Tabelle  XLH. 
Pyocyaneusinfektlon.    Kaninchen.    Grofse  Dosen  intraperitoneal. 


Nr. 

Zeiten 

H 

NH 

314 

Kontrollle 

1 

1  s 

6.  n. 

Ih  2  Agarröhrchen  24^  Kultur 

sl 

intraperitoneal,   2^  (n.   1  Stunde) 

- 

:  d  ^ 

1 

Exitus  3h  03' 
Sektion  sofort 

1 

+ 

iine,  i 
nach' 

365 

Kontrolle 

2?        ^ 

17.  VI. 

12h  20'   2  Röhrchen   24h  Agar- 

Serum  gelblich 

+ 

1   *»   w 

'  -  *®  'S 

kultur  intraperitoneal,  Ih  45' 

stärker  als  die 

Exsudat  2h  28' 

Kontrolle  +  ? 

1  im  He 
iche    Bü 
.y  Leber 

Sektion  Bofort 

— 

+    ■■ 

366 

Kontrolle 

1 2:2 

17.  VI. 

Um  12h  20^  Infektion  wie  bei 

'i'll 

Nr.  365 
Exitus  Ih  19' 
Sektion  sofort 

+ 

Mikrosk 
mäfsig    2 
r  aus  He 

304 

Kontrolle 

^4      9^m      ^^ 

1.  IL 

12h  15'  Agarkultur  intraperitoneal 

Ih  15' 

+ 

1        «s 

CO 

Lebte  noch  um  2h,  f  gefunden 

3h  15' 

Sektion  5h 

+ 

•   »    Ö 

Wir  haben  gesehen,  dafs  man  bei  subkutaner  oder  intra- 
peritonealer Einverleibung  entsprechender  Mengen  von  Agar- 
kulturen  des  Bazilluspyocyaneus  beim  Kaninehen  eine  Alteration 
der  Erythrozyten  bewirken  kann.  Zur  Erklärung  des  Zustande- 
kommens der  Blutschädigung  können  wir  verschiedene  Momente 
heranziehen. 

Konform  dem  allgemein  theoretischen  Grundsatz,  den  wir 
im  Laufe  unserer  Untersuchungen  aufgestellt  haben,  könnten 
wir  auch  hier  annehmen,  dafs  von  Seiten  der  Bakterien  im  Tier- 
körper ein  Lysin  gebildet  und  von  den  Erythrozyten  gebunden 
wird.  Aber  wenn  wir  berücksichtigen,  dafs  in  den  auf  Ta- 
belle XLII  verzeichneten  Fällen  der  Tod  (Toxinwirkung) 
innerhalb  von  wenigen  Stunden  eintrat,  so  können  wir  uns  der 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  273 

Annahme  nicht  verschlielsen,  dafs  wohl  auch  ausgelaugte  Endo- 
toxine,  mit  hämolytischer  Fähigkeit  begabt,  bezüglich  der  Hämo- 
lyse  eine  Rolle  spielen  könnten. 

Wir  können  dieses  Kapitel  nicht  schliefsen,  ohne  auf  einen 
Einwand  zu  kommen,  den  man  uns  mit  unseren  eigenen  Worten 
vielleicht  machen  wollte.  Da  wir  bei  Besprechung  der  Reagens- 
glasversuche mit  Hinsicht  auf  die  starke  Alkalibildung  in 
Pyocyaneuskulturen  kein  grofses  Vertrauen  in  die  wirkliche 
Existenz  des  Pyocyanolysins  gesetzt  haben,  könnte  es  verwundern, 
dafs  wir  von  Lysinproduktion  im  Organismus  reden.  Wir  halten 
es  aber  durchaus  nicht  für  ausgeschlossen,  dafs 
Bakteriohämolysine  mit  pathogenen  Bakterien  im 
Reagensglas  erzeugt  werden  können,  während  bei  der 
Infektion  mit  dem  betreffenden  zugehörigen  Mikro- 
organismus Hämolyse  ausbleibt  und  umgekehrt.  Auch 
die  bekannte  Tatsache,  dafs  man  mit  nicht  patho- 
genen Bakterien  Hämolysine  erzeugen  kann,  spricht 
dafür,  dafs  Reagensglasversuch  und  Tierinfektion 
separat  beurteilt  werden  müssen.  Die  weiter  unten  bei 
Tetanus  mitgeteilten  Erfahrungen  werden  einen  weiteren  Beweis- 
grund für  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht  bilden, 

Y.  Bazillus  der  HQhnercholera. 

Pasteur  hat  im  Jahre  1880  als  Erster  den  Nachweis  ge- 
liefert, dafs  Bakterien  unter  Umständen  lösliche  giftige  Stoff- 
wechselprodukte absondern  und  zwar  gelang  es  ihm  mit  Filtraten 
von  Bouillonkulturen  der  Hühnercholera  bei  Hühnern  einen  Zu- 
stand der  Schlafsucht  hervorzurufen. 

Calamida  (**)  hat  im  vorigen  Jahre  die  Bakterien  der 
Hühnercholera  auf  ihr  hämolytisches  Vermögen  im  Reagensglas- 
versuch geprüft.  Die  Filtrate  von  Bouillonkulturen  zeigten  hämo- 
lytische Wirkung  auf  die  Blutkörperchen  des  Kaninchens,  des 
Meerschweinchens  und  des  Huhnes.  Die  Tiere  sind  nach  dem 
Grade  der  Empfindlichkeit  in  absteigender  Richtung  angeführt. 
Eine  toxische  Wirkung  seines  Hämolysins   konnte  Calamida 


274  Über  Himolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

nicht  erweisen,  ebensowenig  fand  sich  ein  Leukozidin  in  den 
Kulturfiltraten  vor. 

Wir  untersuchten  zunächst  die  Maus  auf  ihr  Verhaken  bei 
der  Höhnercholerainfektion. 

Eine  subkutane  Infektion  mit  einer  Öse  Agarkultur  tütete 
innerhalb  von  17  Stunden.  Die  Sektion  wurde  4  Stunden  post 
mortem  vorgenommen.  Das  Serum  zeigte  sich  rötlich.  Eine 
Wiederholung  des  Versuches  ergab  eine  Bestätigung  des  ersten. 
Wir  können  also  von  der  Maus  zumindest  sagen,  dafs  bei  der- 
selben eine  Nachhämolyse  konstatiert  wurde. 

Als  nächstes  Versuchstier  wählten  wir  das  Huhn  in  der 
Annahme,  dafs  dieses  für  die  Infektion  so  empfängliche  Tier  ein 
ausgezeichnetes  Objekt  für  unsere  Untersuchungen  abgeben  werde. 
Unsere  a  priori  wohl  berechtigte  Annahme  erwies  sich  als 
trügerisch.  Die  in  den  folgenden  Tabellen  niedergelegten  Er- 
fahrungen zeigen  deutlich,  dafs  konstante  Resultate  beim  Huhne 
nicht  zu  erlangen  waren. 

Bisher  gewohnt,  bei  unseren  Untersuchungen  einen  strengen 
Mafsstab  anzulegen  und  prinzipiell  nur  solche  Proben  als  hämo- 
lytisch zu  bezeichnen,  welche  einen  ganz  einwandsfreien  Befund 
hinsichtlich  ihrer  Serumfärbung  darboten,  kamen  wir  bei  der 
Beurteilung  der  Resultate  beim  Huhne  mitunter  in  recht  arge 
Verlegenheit. 

Betrachten  wir  zunächst  Tabelle  XLIII  Nr.  V.  Das  Tier  er- 
lag der  Infektion  innerhalb  24  Stunden,  und  wir  konnten 
im  Momente  des  Verendens  noch  rasch  eine  Blutentnahme 
machen.  Das  Serum  erwies  sich  schwach  weinrot,  liefs  also  auf 
eine  Lösung  von  Erythrozyten  bei  der  Hühnercholerainjektion 
schlielsen,  ein  Resultat,  das  wir  eigentlich  von  vornherein  er- 
wartet hatten.  Wir  liefsen  das  Tier  bei  Zimmertemperatur  bis 
zum  nächsten  Tage  liegen  und  waren  sehr  verwundert,  bei  der 
Sektion  keineswegs  eine  Verstärkung  des  Farbentones  zu  finden. 
Wir  hatten  doch  annehmen  zu  müssen  geglaubt,  dafs  eine  Schä- 
digung der  Erythrozyten  in  reichem  Mafse  erfolgt  sei  und  eine 
intensive  Färbung  des  Serums  sich  nun  als  Nachhämolyse 
zeigen  müsse. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim. 


275 


Der  zweite  in  derselben  Tabelle  verzeichnete  Fall  Nr.  289 
ergab  ein  gänzlich  anderes  Resultat^).  Hier  sezierten  wir,  eine 
Blutentnahme  in  extremis  war  nicht  vorgenommen  worden,  das 
Tier  sofort  nach  dem  Tode ;  das  Serum  zeigte  sich  diesmal  gelb, 
von  einem  rötlichen  Tone  keine  Spur.  Die  zur  Konstatierung  der 
Nachhämolyse  aber  am  nächsten  Tage  zentrifugierten  Proben 
zeigten  uns  purpurrotes  Serum. 

Tabelle  XTJH. 
Infektion  mit  Hühnercholera  beim  Huhne. 


1 
Datum 

Zeiten 

H 

]■  Bakteriolog. 
^i_f                     Befund 

„'  mikro- 
,,  skopisch 

Agar- 
Btrich 

1.  XTT. 

Kontrolle 

farblos 

1 

1 

Infektion 

&^  p.  m. 

1 

j 

2.  XII. 

lii  15' 

Stich  ins  Gelbe 

17h  nach  dem  Tode  i 

4h 

do. 

untersuchte       '' 

ll 

1 

!          5h  45' 

do. 

Proben  zeigen  das  i 

6h 

do. 

Serum  nicht       ' 

Nr.  V 

6h  10' 

\            do. 

wesentlich  röter    J 

,  1 

t 

6h  25' 

;            do. 

1 

als  zur  Zeit  des    ,| 

;      t  6h  28'         ! 

1       '                      1 

1 

i  schwach  weinrot 

Todes             1     + 

1                                 II     ^^ 

+ 

15.  VII.  ' 

1 

Kontrolle       ] 

1         farblos         ! 

,                                 ,1 

;i 

Infektion  1 

6h  p.  m.        ! 

1 
1 

il 
ll 

16.  VII. 

t  10h  45' 

1 

1' 
ll 

Nr.  289 

Sektion  sofort 

i           gelb 

purpurrot         n     + 

ll 

+ 

Zwischen  diesen  beiden  Fällen,  welche  wir  absichtlich  als 
Extreme  aus  unseren  Protokollen  zur  Wiedergabe  gewählt  haben, 
gibt  es  nun  eine  Menge  von  Zwischenstufen.  Wir  haben  in 
Tabelle  XLIV  eine  Reihe  von  Befunden  bei  der  Hühner- 
cholera des  Huhnes  zusammengefafst.  Die  genaue  Angabe  der 
Zeit  der  Infektion,  die  ungefähre  Angabe  des  Eintrittes  des 
Todes  sowie  die  Angabe  der  Zeit  der  Sektion  sind  wohl  nötig, 
um  ein  Urteil  zu  gewinnen,  ob  eine  Nachlösung  der  Blut- 
körperchen eingetreten  oder  ausgeblieben  sei.  Ein  eigentlich  in 
jeder  Hinsicht  sowohl  was  Hämolyse  als  auch   was  Nachhämo- 


Erst  nach  unserem  Vortrag  in  Kassel  1903  beobachtet  worden. 


276  Über  HAmolTie  im  ReafenepAff  and  im  Ticrk4rp«r 

lyae  anbelangt,  negativer  Fall  ist  Nr.  1j*.  Tn^tzdem  hier  die 
Sektion  mehrere  .Standen  nach  dem  Tode  vorgenommen  worden 
war,  hatte  da«  Serom  nar  eine  leicht  gelbliche  Färbung,  die  wir 
nicht  recht  als  hämolytisch  zu  bezeichnen  uns  getraaen  würden. 
eine  Kotfärbung  war  anch  nach  weiteren  24  Standen  nicht  zu 
bemerken. 


Tabelle   XUV. 

Hahn.    Infektion 

mit  Hfthnercholen. 

Xr. 

Zeit 
der  lofektioD 

Tod 

Zeit 

der  Sektion 

Farbe  des 
Seroms  bei 
der  Sektion 

Nach 

weiteren 

24  Standen 

I 

13,  XI.  4h  p.  m. 

i.d.ymchtzam  14.XI. 

14.  XI   4h  31/ 
p.  m. 

sehr  schwach 
rötlich 

— 

II 

20.  XL  12b 

:  ^       »             21  XL 

21.  XL  12h  30' 

brftnnlich 

III 

27.  XI.  oh  45' 

>  >      »        »   29.XJ- 

•29.  XL  11h 

rOtlichgelb 

IV 

1.  XII.  6b  p.  m. 

»  >      >        »     3.XIL 

3.  XIL  12h  30* 

schwach 
weinrot 

V 

1.  XII.  ßh  p.  m. 

2.  XII.  6h  28' 

3.  XII    11h  30 

rOtlichbrlLnn- 
lich 

— 

132 

3.  Vin.  6b  30* 

i.d.Nacht  z.  7.VIII. 

I.MIL  11h  30 

gelbbrftnnL 

gelbbrftanl. 

133 

do. 

do. 

7.  VIIL  11h  45' 

gelbbrftanl. 

gelbbrftanl. 

134 

do. 

5.VIILzw.7n  10h  V. 

5.  Vin.  12h 

rötlichbraan 

rötlichbraan 

148,:    20.  VIII    12h     i.  d.  Nacht  1.21. Vin.  21.  MIL  Ih  15'    leicht  gelbl.    leicht  gelbl. 
289 1  15.  Vn  6h  p.  m.       16.  VIL  10h  45'     j  I6.  VU.  10h  45'  .        gelb  parpurrot 


Angenommen,  dafs  die  Blutkörperchen  des  Huhnes  in  den 
Fällen,  in  welchen  eine  Färbung  des  Serums  zweifellos  kon- 
statiert wurde,  durch  im  Körper  von  Seiten  der  Höhnercholera- 
bakterien  produziertes  Lysin  geschädigt  wurden,  so  wäre  es  nicht 
uninteressant,  die  Frage  zu  studieren,  ob  der  Grund  des  Aus- 
bleibens dieses  Phänomens  darin  zu  suchen  sei,  dafs  mitunter 
vielleicht  kein  Lysin  produziert  wurde  oder  aber,  ob  nicht  etwa 
manchmal  das  Hühnerblut  einen  Antikörper  enthält,  welcher  das 
Lysin  paralysiert.  Eins  aber  scheint  uns  schon  jetzt  sicher,  dafs 
bei  der  tödliclien  Hühnercholerainjektion  des  Huhnes  die  Schä- 
digung der  roten  Blutzellen  eine  sehr  geringe  Rolle  zu  spielen 
scheint,  wenigstens  insofern,  als  der  Nachweis  mit  unserer 
Methode  möglich  ist. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


277 


Unsere  nun  mit  der  Taube  angestellten  Versuche  haben  die- 
selben, wenn  nicht  noch  ungenauere  Resultate  ergeben.  Das  bei 
der  Sektion  mitunter  erst  Stunden  nach  dem  Tode  gewonnene 
Serum  zeigte  sich  in  zwei  Fällen  durchaus  von  gleicher  Farbe, 
wie  die  Kontrolle  des  normalen  Tieres,  liefs  also  durchaus  keine 
Lösung  der  Blutkörperchen  erkennen,  in  einem  Falle  war  ein 
geringerer  Grad  von  Nachhämolyse  zu  konstatieren. 

Tabelle  XLV. 
Taube.    Infektion  mit  Hühnercholera. 


Nr. 


Zeit 
der  Infektion  | 


Farbe  des 

normalen 

Serums 


'I 


Tod 


Zeit  der 
Sektion 


Farbe  des  Serums 


bei  der 
Sektion 


24  Stunden 
später 


140      7.  VIII.  Ih  20^ 


143 


144 


18.  VIII.  12h 


20.  VIII.  1211 


dunkelgelb  in d. Nacht l;  8.  VIII.  '     dunkel- 
;|  z.8.vm.  ;,   llhSO'   ,!     gelb»; 

gelbbräun. ''  19.  Vm.    ',  19.  VIII.  i  gelbbräun- 


lich 

gelbbräun- 
|i        lieb 


7h  p.  m.  ji  7h  p.  m.  \\     lieh  ») 

ind.Narhtii  21.  VIII.  l!  bräunlich- 
z.  21.  VIII.  I    12h  45'    i        rot 


dunkel- 
gelb  0 

gelbbräun- 
lich ») 

himbeerrot 


Es  scheinen  sich  die  kernhaltigen  Blutkörperchen  der  Vögel 
durchaus  anders  zu  verhalten  als  die  kernlosen  Erythrozyten  der 
Säuger,  denn,  wie  wir  im  folgenden  sehen  werden,  geben  Meer- 
schweinchen und  Kaninchen  bei  der  Hühnercholerainfektion 
durchaus  befriedigende  und  glatte  Versuchsresultate. 

Wir  fanden  bei  Sektionen  von  Kaninchen,  welche  einige 
Zeit  nach  dem  Tode  vorgenommen  worden  waren,  immer  das 
Serum  purpurrot  gefärbt,  also  war  Hämoglobin  in  beträchtlicher 
Menge  ausgetreten.  Wenn  wir  aber  die  Sektion  unmittelbar 
nach  eingetretenem  Tode  vornehmen,  finden  wir  keine  Färbung 
des  Serums  beim  Sektionsblute ,  also  keine  Hämoglobinämie, 
wohl  aber  eine  äufserst  starke  Nachhämolyse. 

Ein  Hase  erhält  um  1  Uhr  mittags  2  ccm  einer  mitteldichten  Auf- 
schwemmung Agarkultur  intraperitoneal.  Nach  wenigen  Stunden  erscheint 
er  schwer  krank  und  geht  um  5  Uhr  52  Min.  zugrunde.  Bei  der  sofort  vor- 
genommenen Sektion  zeigt  sich  viel  helles  Exsudat  im  Pleuraräume.  Mikro- 
skopisch  sind   im  Herzblut   und   Brustexsudat  ziemlich   zahlreiche,   in   der 


1)  Farbe  genau  wie  die  der  Kontrolle. 


278  Ober  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 

Leber  massenhafte  HQhnercholerabakterien   nachweisbar.    IMe  Kultar  ergibt 
aoB  Herzblut,  Brastexsudat,  Leber  and  Milz  Reinkaltaren  von  Hühnercholera. 

Das  Serum  ist  fast  farblos,  die  am  nächsten  Tage  zentri- 
fugierte  Parallelprobe  purpurrot. 

Auch  das  Meerschweinehen  zeigte  bei  der  Hühnercholera- 
infektion Hämolyse.  Ein  junges  Tier,  das  innerhalb  von 
48  Stunden  der  Injektion  erlegen  war,  zeigte  bei  der  Sektion 
—  das  Tier  war  in  der  Naclit  gestorben  und  wurde  Vormittag 
seziert  —  himbeerfarbenes  Serum,  das  nach  weiteren  24  Stunden 
purpurrot  war.  Ein  zweites,  altes  Tier,  das  abends  6  Uhr  subkutan 
infiziert  wurde,  war  am  nächsten  Morgen  8  Uhr  30  Min.  noch 
am  Leben,  starb  zwischen  9  Uhr  30  Min.  und  10  Uhr.  Bei  der 
um  11  Uhr  vorgenommenen  Sektion  zeigte  sich  das  Serum  bräun- 
Uch,  am  nächsten  Tage  ziegelrot. 

Bei  Infektionen  mit  Hühnercholerabakterien 
zeigten  Mäuse  und  Meerschweinchen  bei  der  einige 
Zeit  nach  dem  Tode  vorgenommenen  Sektion  Hämo- 
lyse. Kaninchen,  sofort  nach  dem  Tode  untersucht, 
lassen  Hämolyse  bzw.  Hämoglobinämie  nicht  er- 
kennen, doch  tritt  eine  intensive  Nachhämolyse  auf. 
Bei  Tauben  und  Hühnern  ist  wohlHämolvse  und  Nach- 
hämolyse  beobachtet  worden,  doch  ist  eine  Konstanz 
dieser  Erscheinungen  keineswegs  zu  beobachten  ge- 
wesen; neben  vereinzelten  Fällen  mit  zweifellos  po- 
sitivem Resultate  finden  sich  solche  von  ausge- 
sprochen negativem,  ein  eindeutiger  Befund  ist  also 
bei  Huhn  und  Taube  nicht  zu  verzeichnen. 

VI.  Tetanus. 

Ehrlich  (^)  hat  1898  in  Kulturen  des  Tetanusbacillus  einen 
Körper  gefunden,  der  imstande  war,  die  roten  Blutkörperchen 
mancher  Tiere  im  Reagensglas  zu  lösen.  Er  hat  gleichzeitig 
nachgewiesen,  dafs  das  Tetanolysin  prinzipiell  verschieden  sei 
von  der  die  Krämpfe  bewirkenden  Komponente  des  Tetanus- 
giftes, von  dem  Tetanospasmin.  Der  Nachweis  wurde  erbracht 
durch    Bindungsversuche    mit    roten    Blutzellen,    bei    denen    das 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschbeim.  279 

Lysin  an  die  Erythrozyten  gebunden  wurde.  Die  nun  resen- 
tierende  Flüssigkeit  hatte  kein  Lösungs vermögen  mehr  gegen- 
über den  Blutkörperchen,  aber  die  toxische  Wirkung  war  erhalten 
geblieben.  Aufserdem  gelang  es  Ehrlich  auch  zu  zeigen,  dafs 
man  für  jede  der  beiden  Giftkoraponenten  für  das  Lysin  und 
das  Spasmin  je  ein  spezifisches  Antitoxin  darstellen  könne. 

Man  hat  versucht,  der  Wirkung  des  Tetanolysins  neben  der 
des  Tetanospasmins  bei  der  Tetanuserkrankung  auch  eine  Rolle 
zuzuschreiben,  vor  allem  wollte  man  die  Tetanuskachexie  durch 
den  Einflufs  des  Tetanolysins  erklären,  doch  hat  diese  Annahme 
keine  Freunde  gefunden.  In  diesem  negativen  Sinne  deutet 
auch  V.  Lingelsheim  die  Versuche  von  Miy am oto^),  welcher 
imstande  war,  mit  tetanolysinfreien  Filtraten  den  Zustand  der 
Tetanuskachexie  hervorzurufen. 

Durch  Blutuntersuchungen  bei  an  Tetanus  erkrankten 
Kaninchen  haben  wir  getrachtet,  ein  eigenes  Urteil  über  diese 
Frage  zu  gewinnen. 

Wir  haben  zuerst  ein  Kaninchen  durch  Einverleibung  von 
tetauusbazillenhaltiger  Gartenerde  tetanisch  gemacht ,  als  sich 
dann  im  Eiter  der  Infektionsstelle  reichliche  Tetanusbazillen 
mikroskopisch  nachweisen  liefsen,  mit  dem  Eiter  kleine  W^atte- 
bäuschchen  getränkt  und  diese  als  Infektionsmaterial  für  weitere 
Versuche  verwendet.  Allerdings  ist  hierbei  zu  bedenken,  dafs 
wir  es  in  diesen  Fällen  nicht  mit  einer  reinen  Infektion  mit 
Tetanusbazillon  zu  tun  hatten,  also  die  Möglichkeit  zu  beachten 
war,  dafs  positive  Ergebnisse  (Hämolyse  oder  Nachhämolyse) 
durch  gleichzeitig  eingebrachte  Hilfsbakterien  verursacht  werden 
konnten. 

Bei  dem  mit  Gartenerde  infizierten  Kaninchen  (Tab.  XLVI 
Nr.  114)  fanden  wir  vor  Ausbruch  der  tetanischen  Symptome 
schon  am  Tage  nach  der  Infektion  Nachhämolyse,  auch  am 
zweiten  Tage  dasselbe  Symptom ;  am  dritten  Tage  konnten  wir 
nur  mehr  eine  sehr  zweifelhafte  (±?)  Nachhämolyse  beobachten, 


1)  Zit.   nach   v.  Lingelsheim,  Tetanus   im   Handbuch   von   Kolle 
and  Wassermann. 


280  Über  Hftmolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 

die  Untersuchung  des  bei  der  Sektion  gewonnenen  Blutes  liefs 
jeden  Anhaltspunkt  für  eine  zu  dieser  Zeit  bestehende  Schädigung 
der  Erytlirozyteu  vermissen.  Die  aus  Herzblut,  Leber  und  Milz- 
saft angelegten  aeroben  Kulturen  erwiesen  sich  als  steril,  eine 
septikämische  Infektion  von  aeroben  Bakterien  war  also  nicht  er- 
folgt. Wir  nehmen  an,  dafs  in  dem  erwähnten  Falle  irgend- 
welche Bakterien  aeroben  Charakters  im  Anfange  der  Infektion 
für  die  Schädigung  der  roten  Blutkörperchen  verantwortlich  zu 
machen  sind,  dafs  sie  aber  am  letzten  Tage  noch  irgend  eine 
nennenswerte  Rolle  gespielt  hätten,  dafür  liegt  kein  Grund  vor. 
Diese  Verhältnisse  werden  nun  noch  viel  klarer,  wenn  wir  Fall 
123  der  gleichen  Tabelle  betrachten.  Hier  kam  es  kaum  zu 
einer  sicher  nachweisbaren  Schädigung  der  Erythrozyten,  wir 
können  nur  eine  zweifelhafte  Nachhämolyse  beobachten,  die  bald 
gänzlich  verschwindet.  Die  letzten  Blutentnahmen  vor  dem 
Tode  und  das  Sektionsblut  lassen  wiederum  Färbungen  des 
Blutserums  vermissen,  die  aeroben  Kulturen  bleiben  steril.  Den 
gleichen  Verhältnissen  begegnen  wir  in  dem  dritten  mitgeteilten 
Falle  Nr.  124.  Wir  haben  also  keinen  Grund  bei  der  Tetanus- 
infektion irgendwelche  Schädigungen,  die  durch  ein  etwa  im 
Tierkörper  gebildetes  Tetanolysin  hervorgerufen  sein  könnten, 
anzunehmen,  wenigstens  insoweit  unsere  Methode  uns  ein  Urteil 
gestattet. 

(Siehe  Tabelle  XLVI  auf  8.  281.) 

Um  vor  falschen  Schlüssen  hinsichtlich  beobachteter  Hämo- 
lyse  zu  warnen,  mag  noch  der  in  Tabelle  XL VII  verzeich- 
nete Fall  kurz  besprochen  werden.  Hier  sehen  wir  ganz  ähn- 
lich, wie  in  den  anderen  Fällen  Nachhämolyse  auftreten.  Bei 
der  Sektion  finden  wir  aber  diesmal  das  Serum  purpurrot  gefärbt, 
ein  Befund,  der  uns  leicht  irreführen  könnte,  wenn  w^ir  nicht 
imstande  wären,  durch  den  Ausfall  der  Kultur  zu  beweisen,  dafs 
hier  offenbar  ein  septikämischer  Erreger  Hämolyse  und  Tod 
herbeigeführt  hatte.  Das  gefundene  Stäbehen  verhielt  sich  sehr 
ähnlich  einem  von  Kolb^)  beschriebenen  Bakterium. 

1)  Atlas  von  Lehmann  und  Neumann,  1896,  S.  194. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim. 


281 


Tabelle  XLVI. 
Tetanusinfektion  beim  Kaninchen  (typisch). 


■ 

1 

1 

1  ■' 
H 

1 
NH 

Kultur 

aerob 

anaerob 

Nr.  114»)      1 

16.  Vn.        li    Kontrolle 

— 

— 

7b  30'  V,  g  Tetanuserde 

subkutan 

17.  VII.        1       5b  30' 

18.  VII.        1      10h  30'«) 

— 

+ 
+ 

Herzblut 
Leber 

>  steril 

Tetanus 

1       5b  30* 

1 

+ 

Milz             ) 

19.  VII. 

1 

10b  30' 

±? 

Exitus 

5b  i(y 

Sektion  sofort 

Nr.  123»)      jj 

21.  VII.         ;    Kontrolle 

1 

Hb  35'  Tetanuseiterwatte- 

1 

1 

bäuschchen  subkutan 

1 
1 

6b 

— 

22.  VII. 

Hb  30' 

7b 

. 

+  ? 

Herzblut        ^    ., 
_   ,                steril 
Leber 

Tetanus 

23.  vn. 

Ihi) 

— 

±? 

5b  30' 

— 

24.  VIL 

Hb  40' 

— 

— 

Hb  48' 

Exitus 

Sektion  sofort 

— 

— 

Nr.  124 

22.  VIL 

Kontrolle 

— 

— 

6b  30*  Infektion  wie  Nr.  123 1 

1       « 

23.  vn. 

24.  VIL 

4b  30' 
6b  30'«) 

— 

+ 

Leber             .    ., 
Herzblut 

Tetanus 

6b  50* 

Exitus 

Sektion  t 

lofort 

1 

Die  tetanischen  Symptome  waren  hier  nicht  zu  vollständiger 
Entwicklung  gekommen;  offenbar  hatte  das  der  Gruppe  der 
Bakterien  der  hämorrhagischen  Septikämie  angehörige  Stäbchen 
in  seiner  Wirkung  den  Tetanustod  sozusagen  überholt.  Es  mufs 
also   zum   strengen  Postulat    für    andere    Untersucher    gemacht 

1)  Typischer  Tetanus. 

2)  VgL  ▼.  Sagasser  und  Posselt,  Zur  Frage  der  Serognostik  des 
Tetanus.    Zeitschr.  f.  Heilkunde,  1905. 

ArchlT  Ar  Hygiene.    Bd.  LIV.  19 


282 


Über  HämolyHe  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 


werden,  stets  auch  durch  Anlegen  aerober  Kulturen  aus  den  Or- 
ganen des  Versuchstieres  eine  etwaige  Wirkung  anderer  Bakterien 

zu  kontrollieren. 

Tabelle  XI.Vn. 
Tetanusinfektion  beim  Kaninchen  (atypisch). 


1 

1 

NH 

Mikroskopischer  i 

Kultur 

!i 

Befund 

aerob 

anaerob 

20.  VII. 

Kontrolle 

1 

i 

Uli  Vm.  Einbringen  eines 
mit  Tetanuseiter  getränkt. 
Wattebauschchens  subkut ; 

1 

1 

21.VIL  11h  15' 

+ 

Tetanusbaz.  im  Elter 
1  der  Infektionsatelle  , 

6h 

+ 

■  Zahlreiche  Tetanus-  ' 
bazillen 

22.  Vn.  11h») 

1 

+ 

1 

6h  45' 

1 

+ 

1 

23.  VII.  Früh  tot  gefunden 

1 

' 

Sektion 

1 

:    + 

i 

i 

Leber  und  Herz  ein 
;  kurzes  Stäbchen  ähn- 
lich dem  Bact.  haem. 

Kolb. 
1         Milz:  steril. 

Teta- 
nus 

Die  Annahme,  dafs  vielleicht  die  bei  der  Mischinfektion, 
und  das  ist  ja  wohl  der  Tetanus  in  der  Mehrzahl  der  Fälle, 
beteiligt  gewesenen  Bakterien  eine  Antikörperproduktion  angeregt 
hätten,  als  deren  Folge  eine  Neutralisation  des  vom  Tetanus- 
bazillus gebildeten  Lysins  gedacht  werden  sollte,  scheint  uns 
gezwungen,  könnte  aber  eventuell  mit  unseren  eigenen  Versuchen 
gestützt  werden.  Bei  Mischinfektioneu  kann  nämlich  Blutlösung 
ausbleiben  trotz  Beteiligung  solcher  Bakterien,  die  allein  im  Tier- 
körper verbreitet,  Hämolyse  hervorrufen  (vgl.  S.  287).  Wir  möchten 
aber  doch  nicht  ohne  experimentelle  Gegenbeweise  unsere  An- 
sicht aufgeben,  dafs  bei  der  Tetanusinfektion  des 
Kaninchens  das  Tetanolysin  keine  Rolle  spielt.  Jeden- 
falls sind  die  vorliegenden  Versuche  eine  neuerliche  Bestätigung 
dafür,  dafs  ein  Parallelismus  zwischen  Reagensglasversuchen  und 
Tierexperiment  nur  bedingungsweise  und  mit  Vorsicht  konstruiert 
werden  darf. 


1)  Das  der  Infektionsstelle  zunächst  gelegene   linke   Hinterbein   steif 
weggestreckt;  allgemein  tetanische  Symptome  nicht  ausgesprochen. 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  283 

yn.  Bacterium  typhi. 

E.  Levy  und  P.  Levy  haben  in  Filtraten  von  schwach 
alkalischen  Bouillonkulturen  des  Typhusbazillus  ein  Hämolysin 
für  Hundeblutkörperchen  nachgewiesen.  Dieses  Hämolysin  war 
durch  hohe  Wärmegrade  nicht  inaktivierbar;  es  gehört  also  in 
die  Gruppe  der  hitzebeständigen  Bakteriohämolysine.  Die  ge- 
nannten Forscher  bedienten  sich  der  von  Neisser  und  Wechs- 
berg  angegebenen  Methodik. 

Die  Frage,  ob  der  Typhusbazillus  für  Tiere  pathogen  sei, 
wird  uns  gewöhnlich  damit  beantwortet,  dafs  wir  bei  Tieren  wohl 
nicht  mit  Infektionen  zu  rechnen  haben,  welche  der  des  Menschen 
etwa  gleichwertig  an  die  Seite  gestellt  werden  könnten.  Immer- 
hin aber,  und  das  ist  für  unsere  Blutuntersuchungen  das  wich- 
tigste, besteht  die  Ansicht  zu  Recht,  dafs  im  Tierkörper  eine 
Vermehrung  der  eingebrachten  Typhusbazillen,  wenn  auch  im 
beschränkten  Mafse  stattfinde;  da  bei  der  Typhusinfektion  der 
Tiere  ebenso  wie  bei  der  des  Menschen  für  das  Zustandekommen 
der  eigentlichen  Krankheitserscheinungen  eine  Resorption  von 
Giftstoffen  im  allgemeinen  verantwortlich  gemacht  wird,  so 
gingen  wir  daran,  auch  bei  Infektionen  mit  Typhusbazillen  das 
Verhalten  des  Blutes  von  Meerschweinchen  und  Kaninchen  zu 
studieren. 

Fall  I.  Meerschweineben  Nr.  210  erhält  um  12  Uhr  mittags  ein  halbes 
Röhrchen  24  stündiger  Agarkultur  intraperitoneal.  Am  nächsten  Tag  10  Uhr 
15  Min.  Exitus.     Sektion  sofort.    Akute  Peritonitis. 

Mikroskopisch  im  Herzblute  und  Lebersaft  keine  Bakterien  nachweis- 
bar, im  Bauchexsudat  typhusähnliche  Stäbchen  in  Reinkultur..  Die  Kultur 
ergab  aus  Herzblut,  Lebersaft  und  Bauchexsudat  nur  Typhusbazillen. 

Das  sofort  nach  der  Entnahme  zentrifugierte  Blut  zeigte 
keinerlei  Färbung  des  Serums,  da  letzteres  hier  fast  farblos 
ebenso  wie  die  Kontrolle  gewesen  war.  Das  Serum  der  nach 
24  Stunden  zentrifugierten  Parallelproben  unterschied  sich  in 
keiner  Weise  von  dem  des  Sektionsblutes. 

Ein    zweiter  Fall,    in    welchem    an    Stelle    der    Agarkultur 

Bouillonkultur  verwendet  wurde,  verlief  rascher,  indem  das  Tier 

schon  8  Stunden   nach  der  Injektion  starb.     Auch  hier  war  das 

19* 


284 


Über  Hämolyse  im  Reagensglas  and  im  Tierkörper. 


Serum   bei    der    sofort   vorgenommenen    Sektion    nicht   gefärbt, 
ebensowenig  war  eine  Nachhämolyse  zu  konstatieren. 

Beim  Kaninchen  scheinen  die  Verhältnisse  anders  zu  liegen 
als  beim  Meerschweinchen.  In  Tabelle  XLVIII  sehen  wir 
einen  Fall  verzeichnet,  dessen  Sektion  wir  unmittelbar  nach  dem 
Tode  machten.  Hier  konnten  wir  innerhalb  von  7  Stunden  nach 
erfolgter  Infektion  beim  lebenden  Tiere  weder  Hämolyse  noch 
Nachhämolyse  beobachten.  Das  Tier  ging  erst  am  4.  Tage  zu- 
grunde. Bei  der  Sektion  fand  sich  eine  ausgedehnte  Peritonitis 
mit  viel  aber  nicht  blutigem  Exsudate  in  Bauchhöhle  und 
Pleuraraum.  Mikroskopisch  waren  weder  in  den  Exsudaten 
noch  in  Leber  oder  Milzsaft  Bakterien  nachweisbar.  Die  Kultur 
ergab  Wachstum  in  dem  vom  Bauchexsudate  angelegten  Striche, 
die  Kultur  am  Herzblut  blieb  steril ;  das  mit  Lebersaft  beschickte 
Agarröhrchen  liefs  nur  zwei  Kolonien  Typhus  angeben.  Das 
Serum  des  Sektionsblutes  erwies  sich  als  fast  farblos,  die  am 
nächsten  Tage  zentrifugierten  Proben  zeigten  ziegelrotes  Serum. 

Tabelle  XLVIIL 
Typhusinfektion  beim  Kaninchen  (Nr.  367). 


1 

1 

1 
H 

NH 

17.  VI.          1      KontroUe 

1 

__ 

12h  25'  10  ccra  Bouillonkultur 

intraperitoneal 

Ih  60'          J 

" 

;          7b  SO' 

1 

— 

t  21.  VI.        ;          9b  30'         1 

Sektion 

sofort 

— 

+ 

Ein  zweiter  akutest  verlaufener  Fall  sei  noch  kurz  ange- 
führt. Kaninchen  Nr.  214  hatte  um  11  Uhr  30  Minuten  10  ccm 
Typhusbouillonkultur  erhalten.  Es  wurde  um  1  Uhr  15  Minuten 
tot  noch  warm  und  ohne  Totenstarre  gefunden,  um  4  Uhr 
seziert.  Hier  zeigte  sich  das  Serum  braunrot  gefärbt,  eine  Zu- 
nahme der  Färbungsintensität  war  nach  weiteren  24  Stunden 
nicht  zu  beobachten.  In  letzterem  Falle  ist  es  wohl  zweifellos, 
dafs    die    Einverleibung    von    StofiEwechselprodukten,    also    eine 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim.  285 

direkte  Toxinvergiftung,  den  Tod  herbeigeführt  hat.  Es  lag  für 
diesmal  ja  nicht  in  unserem  Versuchsplane,  zu  konstatieren,  in- 
wieweit einverleibte  Toxine  eine  Rolle  bei  der  Hämolyse  zu 
spielen  pflegen,  wir  wollten  in  unseren  vorliegenden  Unter- 
suchungen ja  nur  erheben,  ob  und  wann  bei  Einverleibung  von 
Infektionsmaterial  Schädigungen  der  roten  Blutzellen  im  Tier- 
körper auftreten. 

Bei  der  Infektion  mit  Typhusbazillen  zeigt  das 
Meerschweinchen  weder  Hämo  gl  obinämie  noch  Nach- 
hämolyse.  Das  Kaninchen  lälst  ebenfalls  Hämo- 
globinämie  vermissen,  zeigt  jedoch  intensive  Nach- 
hämolyse. 

Yin.  Bacterium  eolL 

Auch  von  diesem  Mikroorganismus  ist  ein  Stoffwechsel- 
produkt bekannt,  welches  hämolytische  Eigenschaft  besitzt.  Es 
ist  das  Verdienst  von  Kays  er  (^^),  das  Kolilysin  studiert  und 
beschrieben  zu  haben.  Es  gehört  ebenso  wie  das  Typhuslysin  zu 
den  hitzebeständigen  Lysinen,  es  verträgt  Siedehitze,  ohne  an 
Wirksamkeit  einzubüfsen. 

Bei  Infektionen  des  Meerschweinchens  mit  Kolibazillen 
konnten  wir  nur  konstatieren,  dafs  bei  Tieren,  welche  einige 
Zeit  nach  dem  Tode  zur  Autopsie  gelangten,  ausnahmslos  das 
Serum  braun,  bräunlichrötlich  oder  rötlich  gefärbt  war.  Es  ist 
uns  hier  nicht  gelungen,  den  Eintritt  des  Todes  abzuwarten;  die 
Zeiten  schwankten  so  sehr,  dafs  Zeitbestimmungen  selbst  mit 
Opferung  einer  ganzen  Nacht  sich  als  trügerisch  erwiesen  und 
uns  niemals  Gelegenheit  gegeben  war,  die  Sektion  unmittelbar 
nach  erfolgtem  Tode  vorzunehmen. 

Anders  beim  Kaninchen.  Hier  waren  wir  in  der  Lage, 
einige  Sektionen  gleich  nach  dem  Exitus  auszuführen  und  die 
Blutuntersuchung  ergab,  dafs  das  Serum  zu  dieser  Zeit  unge- 
färbt, dafs  Hämoglobin  in  demselben  nicht  gelöst  ist.  Die  nach 
24  Stunden  untersuchten  Parallelproben  zeigten  Nachhämolyse. 
Tabelle  XLIX  verzeichnet  zwei  Fälle.  Es  gilt  hier  bezüglich 
der   Toxinwirkung    dasselbe,    was    wir   bei    der  Typhusinfektion 


286 


Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  TierkOrper. 


erwähnt  haben,  nur  fällt  hier  bei  Nr.  361  auch  noch  die  starke 
Wirkung  gröfserer  Mengen  intraperitoneal  eingebrachter  Agar- 
kulturen  auf. 

Tabelle  XLIX. 
Koliinfektion  beim  Kaninchen. 


H 

NH 

Nr.  361 

17.  VI.         I!      Kontrolle 

— 

— 

12h  15'  zwei  Agarröbrchen 
Kultur  intraperitoneal 

Ih  25' 

i 

t              !          5b  05' 

Sektion  Bofort 

-- 

Nr.  363 

i 

1 

17.  VI. 

Kontrolle 

— 

12h  15'  5  ccm  48  stund.  Bouillon- 
kultur 

t            ::         Ih  13'        ! 

Sektion 

sofort 

— 

+ 

Mit  Bacterium  coli  infizierte  Meerschweinchen 
zeigen  bei  der  einige  Zeit  nach  dem  Tode  vorgenom- 
menen Sektion  Hämolyse. 

Kaninchen  lassen  zurZeit  desTodes  keineHämo- 
globinämie  erkennen,  jedoch  ist  die  Schädigung  der 
Erythrozyten  in  Form  einer  Nachhämolyse  ausge- 
sprochen. 

IX.  Dlplocoecus  pneumoniae  Frftnkel-Welehselbaum. 

Wir  haben  bei  der  Tetanusinfektion  zeigen  können,  dafs 
eine  Schädigung  der  Erythrozyten  bei  dieser  Erkrankung  keine 
Rolle  zu  spielen  pflegt,  wenigstens  insoweit  der  Tetanusbazillus 
allein  in  Betracht  kommt.  In  gröfserer  Zahl  pflegt  es  zur  Ver- 
breitung des  genannten  Mikroorganismus  im  Blute  und  in  den 
Organen  im  Sinne  einer  septikämischen  Erkrankung  nicht  zu 
kommen,  wenn  auch  das  Vorkommen  in  Milz,  Herzblut,  Gehini, 
Muskel   und    ünterhautzellgewebe    entfernt   von   der   Impfstelle 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  287 

nach  den  Untersuchungen  von  Tizzoni,  Zumpe  und  v.  Ot- 
tinger  sowie  v.  Hibler  einwandfrei   nachgewiesen  erscheint^). 

Im  Diplococcus  pneumoniae  F.  W.  sehen  wir  nun 
einen  Typus  von  Bakterien  repräsentiert,  weichertrotz 
septikämischer  Verbreitung  in  Blut  und  Organen  eine 
Schädigung  der  roten  Blutzellen  nicht   erkennen  liefs. 

Wir  infizierten  ein  Kaninchen  subkutan  mit  Sputum,  welches 
normalerweise  die  typischen  Diplokokken  zu  beherbergen  pflegte. 
Das  Tier  starb  am  3.  Tage  nach  der  Infektion  und  wurde  sofort 
seziert.  Insbesondere  zahlreich  waren  hier  die  Bakterien  im 
Herzblute  zu  finden.  Blutproben,  die  aus  dem  Herzen  und  aus 
der  Leber  entnommen  wurden,  liefsen,  weder  sogleich  noch  nach 
24  Stunden  zentrifugiert,  eine  Färbung  des  Serums  erkennen. 
Es  ist  also  bei  der  Infektion  des  Kaninchens  mit  Diplokokkus 
Fränkel  und  Weichselbaum  eine  Lösung  der  Erythrozyten 
weder  als  Hämoglobinämie  noch  als  Nachhämolyse  konstatierbar 
gewesen. 

Über  die  Toxinbildung  des  Diplokokkus  Fränkel-Weichsel- 
bäum  ist  noch  wenig  Sicheres  bekannt  geworden;  nach 
Weichselbaum  (^'^)  neigt  man  der  Ansicht  zu,  dafs  das  spezi- 
fische Toxin  an  die  lebende  Bakterienzelle  gebunden  sei,  also 
in  die  Gruppe  der  Endotoxine  gehöre.  Wenn  wir  dieser  Auf- 
fassung Rechnung  tragen,  so  wäre  nach  unseren  Erfahrungen 
noch  hinzuzufügen,  dafs  dieses  Endotoxin  des  Diplokokkus  im 
Verlaufe  der  Infektion  beim  Kaninchen  keine  hämolytische 
Endotoxinkomponente  zu  äufsern  scheint,  da  Hämolyse  im  Tier- 
versuch nicht  auftrat. 

X.  Über  Hftmolysc  bei  Misehinfektionen. 

Der  Bericht  über  unsere  Erfahrungen  bei  Infektionen,  welche 
durch  einen  einzigen  Infektionserreger  verursacht  worden  waren, 
soll  nicht  abgeschlossen  werden,  ohne  auf  das  schwierige  und 
noch  so  wenig  geklärte  Kapitel  der  Mischinfektionen  ein  wenig 
Rücksicht  genommen  zu  haben. 

1)  Zit.  nach  v.  Lingelsheim,  Tetanus  im  Handbach  yon  Kolle 
und  Wassermann. 


288  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkdrper. 

Wir  hatten  nicht  die  Absicht  gehabt,  den  hier  so  kompliziert 
liegenden  Verhältnissen  experimentell  näher  zu  treten,  aber  im 
Laufe  der  Untersuchungen  haben  sich  ab  und  zu  bei  den  Sek- 
tionen interessante  Befunde  ergeben,  von  denen  der  eine  oder  der 
andere  noch  in  Kürze  mitgeteilt  werden  soll. 

Wir  haben  gelegentlich  der  Infektion  mit  Bazillenpyocyaneus 
(Kaninchen)  gesehen,  dafs  eine  Schädigung  der  Erythrocyten 
aufzutreten  pflegt,  welche  wir  stets  als  Nachhämolyse  konstatieren 
konnten.  Gelegentlich  dieser  Versuchsreihen  beobachteten  wir 
auch  einen  Fall  (Tab.  L)  welcher  —  mit  Pyocyaneus  infiziert  — 
im  Sektionsblute  die  Nachhämolyse  vermissen  liefs.  Da  wir 
glücklicherweise  gerade  bei  diesem  Falle  die  einzelnen  Ent- 
nahmen sowohl  mikroskopisch  als  kulturell  genau  auf  ihren 
Bakteriengehalt  untersucht  haben,  so  bot  der  Sektionsbefund  mit 
den  während  des  Lebens  gemachten  Beobachtungen  zusammen- 
gehalten ein  aufserordentlich  instruktives  Bild.  Am  Tage  nach 
der  Infektion,  auch  noch  am  zweiten  Tage  nachher,  sehen  wir 
Nachhämolyse  auftreten  —  wohl  als  Folge  der  Pyocyaneus- 
infektion  —  weiterhin  hört  diese  Erscheinung  auf  und  das  Sektions- 
blut zeigt  nun  ebenfalls  einen  hinsichtlich  der  Erythrocyten- 
schädigung  völlig  negativen  Befund.  Die  genaue  bakteriologische 
Untersuchung  aber  zeigt  uns,  dafs  wir  im  Blute  und  den  Or- 
ganen des  ja  unmittelbar  nach  dem  Tode  sezierten  Tieres  nicht 
weniger  als  dreierlei  voneinander  verschiedene  Bakterienarten 
vertreten  finden  Einmal  im  Herzblute  kurze  dicke,  nicht  weiter 
bestimmte  Stäbchen  und  Staphylokokken,  in  der  Leber  Bacillus 
Pyocyaneus  und  die  erwähnten  kurzen  Stäbchen,  in  der  Milz 
endlich  wiederum  das  Stäbchen  und  aufserdem  noch  Staphylo- 
kokken. 

(Siehe  Tabelle  L  auf  S.  289.) 

Das  angeführte  Beispiel  dokumentiert  uns  wohl  in  eindring- 
licher Weise,  dafs  bei  derartigen  Untersuchungen  die  ausgiebigste 
Anwendung  aller  uns  zur  Verfügung  stehenden  bakteriologischen 
Behelfe  in  den  einzelnen  Phasen  der  Infektion  eine  dringende 
Notwendigkeit  ist,  um  zunächst  einwandsfreie  Resultate  zu  er- 
halten.    Von  diesen  bis  zum  vollen  Verständnis  des  Mechanismus 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wanschheim. 


289 


der  Mischinfektion  liegt  ja  leider  noch  ein  weiter  und  ver- 
schlungener Weg.  Hatten  wir  im  eben  beschriebenen  Falle  von 
Haus  aus  die  Wirkung  unseres  Erregers  auf  die  roten  Blut- 
körperchen ja  gekannt  und  die  ausgebliebene  vermifst,  so  lagen 
in  einem  anderen  Versuche  die  Verhältnisse  umgekehrt. 

Tabelle  L. 
Mischinfektion  bei  arsprünglicher  Infektion  mit  Bacillas  pyocyaneas 

(Kaninchen  Nr.  89/III). 


H     |!   NH 


Bakterioloßiscber  Blutbefund 


Agantrich 


16.  VI.  IJKontrolle 

5h30'Agarknltur 
intraperitoneal 


17.  VI. 

18.  VI. 

19.  VI. 

20.  VI 

t 


11h  30^    ! 

1211 16'  ;i 

7h 

6h  30' 
11h  30' 
12h  42^ 


+ 

+ 


li 


0 

0 

0 
0 


Sektion  sofort    '     —    i'    — 


Herz 

Leber 

Milz 


0 


2  Kolonien  Pyocyaneus 
steril 

Pyocyaneus  rein 
1  Kolonie  kurze  dicke  Stäbchen 

Herz:  Kurze  dicke  Stäbch.  -{-  Staph. 
Leber:  2  Kolonien  Pyocyaneus  -|- 

12  Kolon,  kurze  dicke  Stäbchen 
Milz:  Kurze  dicke  Stäbch.  -f-  Staph. 


Um  bei  einem  Meerschweinchen  Tetanus  zu  erzeugen,  hatten 
wir  demselben  ein  mit  Tetauuseiter  getränktes  Wattebäuschchen 
subkutan  eingebracht.  Das  Eiter  war  durch  subkutane  Impfung 
mit  tetanushaltiger  Gartenerde  von  einem  Kaninchen  gewonnen 
worden.  Es  war  also  natürlich,  dafs  dasselbe  neben  Tetanus- 
bazillen auch  noch  andere  Bakterien  enthalten  mufste.  Das  Tier 
starb  in  der  auf  den  Infektionstag  folgenden  Nacht,  ohne  te- 
tonische  Symptome  dargeboten  zu  haben,  da  wohl  die  Zeit  zur 
Entwicklung  derselben  zu  kurz  gewesen  war.  Bei  der  Sektion 
nun  fand  sich  eine  ausgedehnte  mit  difEusen  Blutungen  durch- 
setzte ödematöse  Infiltration  der  Brust-  und  Bauchmuskulatur,  im 
Anschlüsse  an  die  Infektionsstelle  sich  ausbreitend.  Mikro- 
skopisch fanden  sich  an  der  Infektionsstelle  die  verschiedensten 
Formen  von  Bakterien  neben  Tetanusbazillen  auch  ferner  an  die 


290  Ober  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tiet'körper. 

Bakterien  des  malignen  Odems  erinnernd,  im  Odem  zahlreiche 
kurze  plumpe  Stäbchen  in  Reinkultur. 

Das  Serum  des  Tieres  zeigte  weder  bei  der  Sektion  noch 
nach  weiteren  24  Stunden  irgend  eine  Verfärbung,  also  war  eine 
Lösung  der  Erythrozyten  mit  Sicherheit  auszuschliefsen. 

Die  bakteriologische  Untersuchung  des  Odemsaftes  sowie  der 
Organe  wurde  mit  aeroben  und  anaeroben  Kulturmethoden  vor- 
genommen. Die  aerobe  Kultivierung  ergab  das  erwähnte  plumpe 
Stäbchen  aus  Odemflüssigkeit,  Herzblut  und  Leber  in  Reinkultur, 
während  in  den  anaeroben  von  der  Impfstelle  und  dem  Muskel- 
ödem angelegten  Kulturen  aufser  Tetanusbazillen  noch  ver- 
schiedene andere  Bakterien  wuchsen.  Als  wir  nun  eine  Rein- 
kultur des  sonst  nicht  weiter  bestimmten  aeroben  plumpen 
Stäbchens,  das  seinem  Verhalten  nach  in  die  Gruppe  der  Bak- 
terien der  hämorrhagischen  Septikämie  zu  gehören  schien,  einem 
zweiten  Meerschweinchen  inokulierten,  erlag  dasselbe  der  Infektion 
innerhalb  von  48  Stunden ;  die  Blutuntersuchung  ergab  deutliche 
Hämolyse!  Da  nun  ja  diese  Erscheinung  bei  dem  anderen  Meer- 
schweinchen ausgeblieben  war,  so  unterliegt  es  wohl  keinem 
Zweifel,  dafs  bei  der  Mischinfektion  sich  Vorgänge  abgespielt 
hatten,  welche  von  der  normalen  Wirkung  des  in  Reinkultur 
applizierten  Stäbchens  wesentlich  abwichen,  indem  Hämolyse 
das  eine  Mal  (Reinkultur)  beobachtet,  das  andere  Mal  aber  — 
Mischinfektion  —  vermifst  wurde. 

Schiurswort. 

Fassen  wir  die  Resultate  der  vorstehenden  Untersuchungen 
kurz  zusammen,  so  haben  wir  hinsichtlich  der  durch  Bakterien- 
infektionen (beim  Kaninchen)  bewirkten  oder  ausbleibenden 
Blutlösung,  wenn  wir  Hämoglobinämie  und  Nachhämolyse  in 
Betracht  ziehen,  drei  grofse  Gruppen  zu  unterscheiden.  Eine, 
bei  der  wir  sofort  nach  dem  Tode,  also  auch  zur  Zeit  des  Todes, 
keine  Lösung  von  Erj^throzyten,  jedocli  deren  Schädigung  als 
Nachhämolyse  konstatieren  können,  während  wir  bei  der  zweiten 
unmittelbar  nach  dem  Tode  intensive  Hämoglobinämie  beob- 
achten.    Die  dritte  Gruppe   umfafst  jene  Infektionen,  bei  denen 


Von  Dt.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  291 

zur  Zeit  des  Todes  weder  eine  Hämoglobinäraie  noch  auch  Nach- 
hämolyse  nachzuweisen  ist,  bei  denen  also  eine  Schädigung  der 
roten  Blutzellen  keine  besondere  Rolle  zu  spielen  scheint. 

Zu  Gruppe  I  gehören  die  Infektionen  mit  Streptokokken, 
Bacillus  pyocyaneus,  Hühuercholera,  Bacterium  coli  und  Typhus- 
bazillen. Gruppe  II  vertritt  die  Milzbrandinfektion.  Gruppe  III 
repräsentieren  der  Diplokokkus  pneumoniae  Fränkel  und 
Weichsel  bäum  und  die  Tetanusinfektion. 

Die  Staphylokokkeninfektionen  teilen  sich  je  nach  ihrem 
Verlauf  in  Gruppe  II  oder  III.  In  erstere  gehören  die  hoch- 
akuten, in  letztere  die  chronischen  Fälle  mit  multipler  Absce- 
dierung.  Ziehen  wir  aber  die  Grenzen  noch  enger  und  basieren 
wir  die  Einteilung  nur  auf  Lösung  oder  Nichtlösung  der  Ery- 
throzyten, ohne  den  Lösungsmodus  zu  spezialisieren,  so  können 
wir  zwei  Typen  der  Infektionen  aufstellen,  solche,  in  derem  Ver- 
laufe eine  Bakterienwirkung  auf  die  roten  Blutzellen  auftritt: 
bämolysiereude  und  solche,  in  denen  keine  Wirkung  sich 
äufsert,  nichthämolysierende  Infektionen. 

Dem  Wesen  der  Hämolyse  seien  noch  einige  Zeilen  ge- 
widmet. 

Über  die  Konstitution  jenes  von  Bakterien  gelieferten  Körpers, 
der  im  Reagensglase  Erythrozyten  löst,  sind  wir  zurzeit  noch 
völlig  im  Unklaren.  Uns  sagt  die  Bezeichnung  Staphylolysin, 
Tetanolysin  usw.  nichts  anderes,  als  dafs  gewisse  Bakterien  Stoffe 
bilden,  welche,  in  vitro  präformiert,  imstande  sind,  in  vitro  Erythro- 
zyten zu  lösen.  Dafs  manche  dieser  Stoffe,  Tieren  einverleibt, 
dieselbe  Wirkung  ausüben,  konnten  wir  für  das  Staphylolysin 
zeigen,  dafs  aber  durchaus  nicht  alle  Bakterien,  welche  in  vitro 
ein  Hämolysin  erzeugen,  auch  bei  Infektionen  im  Tiere  Blut- 
körperchen lösen,  haben  wir  beim  Tetanusbazillus  gesehen.  Be- 
vor noch  die  moderne  Forschung  sich  mit  den  Bakteriohämo- 
lysinen  befafste,  hatte  man  die  Eigenschaft  mancher  Sera, 
heterogene  Blutkörperchen  zu  lösen,  studiert,  aber  trotz  vieler 
dieses  Gebiet  bearbeitenden  Untersuchungen  sind  die  Beobachter 
heute  noch  über  Wirkungsweise  und  Konstitution  der  Serum- 
hämolysine  nicht  einig.    Zwei  Richtungen  stehen  sich  gegenüber. 


292  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

Buchner,  Bordet,  Ehrlich  treten  dafür  ein,  dafs  rein 
chemische  Vorgänge  als  Gründe  für  die  Hämolyse  im  hetero- 
genen Serum  aufzufassen  seien,  während  in  neuester  Zeit  ins- 
besondere V.  Baumgarten  (*^)  den  Standpunkt  vertritt,  »dafs 
osmotische  Prozesse  eine  mafsgebende  Rolle  bei  Hämolyse  im 
heterogenen  resp.  Immunserum  spielen  c 

Wir  haben  dieses  Gebiet  in  unserer  Arbeit  nicht  betreten, 
denn  die  wenigen  Versuche,  in  denen  es  sich  darum  handelte, 
nachzuweisen,  ob  z.  B.  Milzbrandkaninchenserum  normale 
Kaninchenerythrozyten  löse,  gehören  ja  nicht  hierher,  die  Auf- 
gabe, die  wir  uns  gestellt  hatten,  ist  ja  eigentlich  mit  dem 
Nachweise  und  der  Aufstellung  der  grofsen  Hauptgruppen  »hämo- 
lysierende  und  nicht  hämolysierende  Infektionen c  gelöst,  aber 
die  Gründe,  die  für  und  wider  bei  der  Serumhämolyse  geltend 
gemacht  werden,  fallen  ja  möglicherweise  auch  bei  der  Bakterio- 
hämolyse  und  den  Bakteriohämolysinen  ins  Gewicht,  und  von 
diesem  Standpunkte  aus  möchten  wir  ein  oder  das  andere  Ver- 
suchsresultat noch  einmal  Revue  passieren  lassen. 

Der  wohl  interessanteste  Befund  bei  sämtlichen  Infektionen 
ist  die  intensive  Hämoglobinämie,  die  wir  zur  Zeit  des  Todes 
beim  Milzbrandkaninchen  fanden.  Schon  einige  Zeit  vor  dem 
Tode  zeigen  uns  Proben  mit  erfolgter  Nachhämolyse  an,  dafs 
eine  Schädigung  der  Erythrozyten  eingetreten  sei. 

Handelt  es  sich  hier  um  Giftbindung  oder  um  Anisotonie 
des  Mediums,  in  dem  die  roten  Blutzellen  sich  befinden,  also 
des  Serums? 

Von  dem  Gedanken  ausgehend,  dafs  vielleicht  im  Blute 
durch  die  zirkulierenden  Bakterien  ein  Abbau  des  Kochsalzes 
erfolge  und  dadurch  eine  Hypotonie  des  Serums  bedingt  sein 
könne,  haben  wir  ja  oben  den  Kochsalzgehalt  in  verschiedenen 
Phasen  der  Infektion  bestimmt,  aber  keine  Verminderung  des- 
selben gefunden.  Doch  da  wäre  immer  noch  die  Möglichkeit 
gegebeil,  dafs  bei  normalem  Kochsalzgehalt  der  Gesamtsalzgehalt 
des  Blutes,  das  wir  ja  nicht  bestimmt  haben,  verändert,  herab- 
gesetzt worden  sein  konnte,  und  trotz  normalen  NaCl-Gehaltes 
eine  Ilypo-,  event.  eine  Hypertonie  des  Plasmas  bestanden  haben 


Von  Dr.  Oskar  R.  von  Wunschheim.  293 

könne.  Dagegen  sprechen  deutlich  die  Versuche  mit  Milzbrand- 
kaninchenserum und  normalen  Erythrozyten,  die  hätten  gelöst 
werden  müssen,  wenn  das  Serum  nicht  isotonisch  gewesen  wäre. 
Eine  Anisotonie  des  Mediums  hat  also  hier  keine  Rolle  gespielt. 
Wir  wenden  uns  also  der  zweiten  der  herrschenden  Ansichten 
zu,  der  Theorie  der  Giftbindung.  Direkte  Beweise  hierfür  lassen 
sich  begreiflicherweise  schwer  geben,  so  lange  wir  keine  Methoden 
des  chemischen  Nachweises  besitzen,  wir  werden  immer  nur  auf 
Analogieschlüsse  angewiesen  sein  und  auch  negative  Momente, 
wie  der  Nachweis,  dafs  mangelnde  Isotonie  für  eintretende  Hämo- 
lyse  nicht  verantwortlich  zu  machen  gewesen  sei,  werden  die 
Gifttheorie  zu  stützen  haben.  Zur  Ansicht  Ehrlichs,  dafs  wir 
uns  die  Giftwirkung  im  Erwirken  der  Durchlässigkeit  der  diffusions- 
verhindernden  Membran  der  Erythrozyten  vorzustellen  haben, 
liefert  Pascucci  (^)  in  einer  Arbeit  aus  dem  Hofmeister- 
sehen  Institute  einen  instruktiven  Beitrag.  Er  konnte  zeigen, 
dafs  Blutgifte  ganz  verschiedenen  Ursprungs  und  Charakters 
(Saponin,  Solanin,  Kobragift  und  Tetanotoxin)  Lecithin-Cholesterin- 
membranen  alterieren  und  permeabel  machen.  Dieser  Vorgang 
lief  um  so  rascher  ab,  je  geringer  der  Cholesteringehalt  der  Mem- 
bran bemessen  wurde.  Nun  tritt  Pascucci  auf  Grund  des 
chemisch-physikalischen  Verhaltens  der  Erythrozyten  dafür  ein, 
dafs  wir  uns  die  Blutkörperchen  nicht  mit  einem  »schwammartig 
aufgebauten  protoplasmatischen  Gerüste  ausgestattet  zu  denken 
haben,  sondern  als  bläschenförmig  gebaute  Körper,  deren  Mem- 
bran das  Stroma  bildet,  vorstellen  sollen.  Nach  den  Ausfüh- 
rungen desselben  Beobachters  besteht  nahezu  ein  Drittel  der 
Trockensubstanz  der  Stromata  aus  Lecithin  und  Cholesterin,  und 
Pascucci  wirft  die  Frage  auf,  ob  es  nicht  unter  den  geschil- 
derten Verhältnissen  gestattet  sei,  anzunehmen,  »dafs  die  Wir- 
kung der  blutscheibenlösenden  Gifte  nicht  ganz  oder  doch  in 
erster  Reihe  durch  chemische  Einwirkung,  auf  die  die  Membran 
zusammensetzenden  Stoffe  zustande  kommt«.  Die  Ansicht  hat 
gewifs  etwas  Bestechendes.  Ob  sie  für  die  Infektion  im  Tier- 
körper geltend  gemacht  werden  kann,  mufs  erst  durch  ent- 
sprechende  Versuche    erwiesen    werden,    doch   scheint    uns    die 


294  Über  Hämolyse  im  Reagensglas  und  im  Tierkörper. 

Auffassung  Pascucci»  mit  unserer  Ansicht  vereinbar,  dafs  bei 
Infektionen  das  die  roten  Blutzellen  schädigende  Agens,  das 
hypothetische  Bakteriohämolysin  (etwa  nach  Pascucci  eine 
Lecithin  und  Cholesterin  lösende  Substanz)  von  seiten  der  Bakterien 
im  Tierkörper  produziert  werde. 


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lyse  in  Zikel:  Osmologische  Diagnostik  und  Therapie.    Berlin  1905. 

50.  Olinto  Fascucci,  Die  Zusammensetzung  des  Blutscheibenstromes 
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51.  V.  Wunsch  heim,  Über  HAmoIyse  bei  experimentellen  Infektionen. 
Münchener  med.  Wochenscbr.,  1903,  Nr.  26. 

52.  Derselbe,  Verhandlungen  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und 
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THE  N  ZV.    .    '^V 


Weitere  Erfahrnngen  Aber  Aggressinimmimilllt  gegen  den 
Shiga-Emseschen  DysenteriebazUlns. 

Von 

Dr.  Yonetarö  Kikuchi. 

(Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  deatschen  üniversitAt  in  Pirag. 

Vorstand:  Prof.  Hueppe.) 

In  einer  vorläufigen  Mitteilung  (>  Wiener  kl.  Wochenscbriftc 
1905,  Nr.  17)  wurde  bereits  über  Versuche  berichtet,  vermittelst 
der  Aggressine  des  Shiga-Kruse  sehen  Dysenteriebazillus  empfäng- 
liche Tiere  aktiv  und  passiv  zu  immunisieren.  Die  Versuche  sind 
seither  weiter  geführt  worden,  ohne  noch  mit  völlig  befriedigen- 
den Resultaten  abgeschlossen  werden  zu  können.  Da  aber 
äufsere  Umstände  zu  einer  langen  Unterbrechung  zwingen,  mögen 
die  erzielten  Ergebnisse  hier  mitgeteilt  werden,  besonders  da  sie 
bereits  erkennen  lassen,  welche  Verhältnisse  besonders  bei  der 
Immunisierung  gegen  den  Dysenteriebazillus  und  bei  der  even- 
tuellen Herstellung  eines  Heilserums  für  den  Menschen  in  Frage 
kommen  können. 

Der  Shiga-Krusesche  Dysenteriebazillus  gehört  seiner 
Wirkung  im  Tierversuche  nach  in  die  nächste  Nähe  des  Cholera- 
vibrio, Typhus-  und  Kolonbazillus.  Es  handelt  sich  um  die  Gruppe 
der  fakultativ  invasiven  oder  Halbparasiten,  deren  Hauptkenn- 
zeichen in  ihrer  sehr  geringen  Aggressivität  besteht.  Sie  ver- 
mögen erst  in  einer  gewissen  Anzahl  von  Individuen  im  Körper 
(der  Bauchhöhle)  geeigneter  Lebewesen  so  viel  Aggressivität  auf- 
zubringen, um  sich  reichUch  zu   vermehren.     Auch  dann  aber 

ArohlT  f.  Hyfi«ii«.  Bd.  UV.  ^ 


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Von  Dr.  YonetarO  Kikachi.  299 

stattgefanden  hat,  der  Phagozytose  so  gut  wie  nicht  unterworfen^); 
ebenso  wie  bei  Milzbrand  können  bei  geringer  intraperitonealer 
Infektion  Leukozyten  in  beträchtlicher  Zahl  in  die  Bauchhöhle 
übertreten,  ohne  dafs  Phagozytose  zu  beobachten  w&re.  Diese 
findet  hingegen  bei  Halbparasiten  stets  statt,  wenn  nur  nicht  die 
Infektion  eine  derartige  war  (grolse  Bazillenmenge,  gleichzeitige 
Aggressineinspritzung),  dafs  Leukozyten  ferngehalten  wurden.  Der 
BegrifE  der  Virulenz  hat  mit  diesem  Verhältnisse  wenig  zu  tun; 
ob  ein  Typhus-  oder  Dysenteriebazillus  mit  Vöo  ^^^^  ^ai^  5  Ösen 
tötet,  stets  findet  bei  Anwendung  einfach  oder  wenig  mehr- 
fach tödlichen  Dosen  starke  Hyperleukozytose  und  Phagozytose 
statt,  und  bei  Verwendung  von  vielfach  tödlichen  Mengen  bleiben 
Leukozyten  bei  den  wenig  wie  bei  den  hochvirulenten  aus;  die 
wenigen,  meist  am  Netze  abgelagerten  Zellen  zeigen  dennoch 
Phagozytose. 

Es  liegt  also  [diesem  abweichenden  Verhalten  gegen  die 
Zellen  wie  gegen  die  Flüssigkeiten  des  Körpers  eine  vollkommene 
gegensätzliche  Organisation  von  Halbparasiten  und  echten  Para- 
siten zugrunde,  und  es  ist  klar,  dafs  diese  Feststellungen  auch 
auf  das  Vorgehen  bei  der  aktiven  Immunisierung  und  der  Her- 
stellung von  Immunserum  nicht  ohne  Einfiufs  bleiben  können. 

Wenn  denselben  im  folgenden  noch  nicht  überall  Rechnung 
getragen  ist,  so  liegt  die  Ursache  darin,  dals  diese  Umstände 
erst  im  Laufe  der  Immunisierungsversuche  von  Prof.  Bail  mit 
Typhus  und  Cholera  und  der  eigenen  mit  Dysenterie  ermittelt 
wurden. 

Aus  den  eben  erwähnten  Darlegungen  geht  hervor,  dafs  für 
die  Erzielung  einer  aktiven  Immunität  zur  Verhütung  einer 
drohenden  und  für  die  Herstellung  eines  Serums  zur  Heilung 
einer  bereits  ausgebrochenen  Krankheit  verschiedene  Wege  ein- 
geschlagen werden  können. 

Die  aktive  Immunisierung  kann  nach  dem  bisherigen  Stande 
der  Kenntnisse  eine  zweifache  sein  und  entweder  Bakteriolyse 
oder  Antiaggressivität  erzielen    wollen.      Mittels  ersterer   sollen 

1)  Vgl.  Zilberberg  und  Zeliony,  Annales  de  llnstitut  Pasteor, 
1901,  S.  615. 

20* 


300    Aggrewriniinmanitat  gegen  den  Bhiga-KroBeschen  DyBenteriebaiillaB. 

sollen  die  Infektionserreger  abgetödet  werden,  noch  ehe  sie  sich 
im  Körper  in  gefahrdrohender  Weise  vermehren  können.  Dafs 
dieses  Ziel  bei  der  intraperitonealen  Impfung  von  Meerschweinchen 
verhältnismäfsig  leicht  und  sicher  erreicht  werden  kann,  ist  sicher 
bewiesen.  Ob  das,  was  für  einen  intraperitonealen  Versuch  gilt, 
auch  auf  die  natürliche  Menscheninfektion  übertragen  werden 
darf,  ist  aber  fraglich.  Denn  zunächst  hat  Bail  zeigen  können, 
dafs  die  Abtötung  von  Typhusbazillen,  die  in  der  Meerschweinchen- 
bauchöhle  relativ  glatt  und  rasch  erfolgt,  schon  innerhalb  der 
Organe  nicht  in  gleicher  Weise  sich  sichtbar  machen  läfst;  ob 
durch  die  hak terioly tische  Fähigkeit  des  Blutes  innerhalb  des 
Darmlumens  überhaupt  eine  Wirkung  erzielt  werden  kann,  muls 
aber  als  sehr  unsicher  erscheinen.  Die  klinischen  Erfahrungen 
von  Stern,  Körte  und  Steinberg,  Jürgens,  wonach  trotz 
ausgebildeter,  natürlich  erworbener  bakteriolytischer  und  agglu- 
tinierender Fähigkeiten  Typhusrezidive  nicht  verhütet  werden, 
sprechen  nicht  dafür.  Da  in  neuerer  Zeit  durch  Wright  in 
England,  durch  das  Institut  für  Infektionskrankheiten  ^)  in  Deutsch- 
land Menschenimpfungen  zur  Erzielung  aktiver  Immunität  gegen 
Typhus  angewendet  worden  sind,  wird  ihr  Ergebnis  abgewartet 
werden  müssen.  Für  die  Choleraimpfungen  nach  Haffkin, 
die  DysenterieimpfuDg  von  Shiga  u.  a.  gilt  das  Gleiche. 

Inzwischen  mufs  aber  angesichts  der  erwähnten  Bedenken 
das  Bestreben  berechtigt  erscheinen,  die  zur  Verfügung  stehenden 
Impfmethoden  durch  Einführung  und  Erprobung  der  Aggressin- 
immunität  zu  vermehren.  Ihr  Prinzip  weicht  von  der  bakterio- 
lytischen  Immunisierung  sehr  beträchtlich  ab. 

Hier  handelt  es  sich  nicht  so  sehr  um  Abtötung  der  in  den 
Körper  bereits  eingedrungenen  Bakterien,  die  mindestens  bei 
Typhus  schon  in  den  Organen  und  wohl  ebenso  im  Darminhalt 
schwer  zu  erreichen  sein  dürfte.  Ein  direkter  Angriff  auf  die 
Lebensfähigkeit  der  Infektionserreger  wird  hier  gar  nicht  beab- 
sichtigt, nur  die  Aggressivität  derselben,  d.  h.  die  Ausschaltung 

1)  Klinisches  Jahrbuch,  Bd.  XIV,  Heft  2  (Gaffky,Kolle,  Heisch 
und  Kutscher). 


Von  Dr.  Tonetarö  Kikuchi.  301 

der  natürlichen  Schutzkrftfte  des  Organismus  soll  aufgehoben 
werden. 

B  a  i  1  hat  diese  Immunisierung  bereits  mit  der  antitoxischen 
verglichen,  welche  sich  ebenfalls  nicht  so  sehr  um  die  Erreger 
als  um  ihr  Gift,  also  das  eigentlich  krankmachende  Agens 
kümmert. 

Für  Halbparasiten  nach  Art  des  Dysenteriebazillus  ist  die 
Aggressivität  aber  die  unerläfsliche  Voraussetzung  der  Krankheit: 
denn  nur  die  Ausbildung  von  Aggressinen  ermöglicht  es  dem  so 
labilen  Bazillus  im  normalen  Tierkörper  bis  zur  krankheits- 
erzeugenden  Menge  heranzuwachsen. 

Gelingt  es,  durch  passive  oder  aktive  Immunisierung  einen 
1  antiaggressiven  Körperzustand c  herzustellen,  so  bleiben  die 
Schutzkräfte  des  Organismus,  die  sonst  gelähmt  werden,  tätig 
und  beseitigen  früher  oder  später  die  Krankheitserreger. 

So  einleuchtend  diese  Vorstellungsweise  ist,  so  bedarf  sie 
doch  nach  der  Eigenart  der  halbparasitischen  Dysenteriebazillen 
und  den  inzwischen  über  Aggressinimmunität  gemachten  Er- 
fahrungen mehrfacher  Ergänzungen.^)  Das  Studium  der  Aggressin- 
immunität gegen  echte  Parasiten  hat  nämlich  das  eigentümliche 
Resultat  gehabt,  dals  zwar,  wie  vorauszusehen  war,  eine  rasche 
Abtötung  der  Bazillen  im  Tiere  nicht  stattfindet,  dafs  aber  ge- 
legentlich auch  eine  sehr  bedeutende  Vermehrung  im  immunen 
Organismus  eintreten  kann,  ohne  dafs  diese  von  den  geringsten 
Krankheitserscheinungen  begleitet  ist.  Namentlich  die  schönen 
Versuche  von  Weil  mit  Hühnercholera  und  Schweineseuche  im 
Peritoneum  aktiv  und  passiv  immuner  Meerschweinchen  haben 
dies  deutlich  gemacht. 

Aber  auch  für  Milzbrand  fand  B  a  i  1  im  immunen  Tiere  lange 
Zeit  Bazillen.  Sobernheim,  dessen  Milzbrandimmunität  sicher 
eine  antiaggressive  ist,  fand  sogar  Vermehrung  im  kreisenden 
Blute.     Keine  der   gegenwärtig   geltenden  Anschauungen    über 

1)  Ich  bin  Herrn  Prof.  Bail  und  Herrn  Dr.  Weil  für  die  gütige  Über- 
laissang  ihrer  diesbezüglichen,  ausführlich  erst  später  zu  veröffentlichenden 
Erfahrungen  zu  groÜBem  Danke  verpflichtet 


302     AggreBsinimmunität  gegen  den  Shiga-EmseBchen  DysenteriebazillaB. 

Immunität  vermag  sich  mit  diesen  Feststellungen  abzufinden, 
als  die  Aggressintheorie.  Denn  sobald  nur  die  Aggressine  durch 
den  Immunzustand  paralysiert  sind,  hat  die  Vermehrung,  die  ja 
doch  nicht  eine  schrankenlose  Durchwucherung  bedeutet,  keine 
gröfsere  Wichtigkeit  als  das  Bakterienwachstum  etwa  in  der 
Mundhöhle.  Schliefslich  fallen  die  Bakterien  doch  den  Körper- 
schutzkräften zum  Opfer.  Die  grofse  Bedeutung  der  Unter- 
scheidung von  obligat  invasiven  Parasiten  und  Halbparasiten  zeigt 
sich  also  gerade  hier  wieder  sehr  deutlich. 

Parasiten  im  natürlich  virulenten  Zustande  unterliegen  der 
Auflösung  durch  die  Eörpersäfte^  wie  der  Phagozytose  so  gut 
wie  gar  nicht  und  wahrscheinlich  deshalb  wirken  sie  nicht  un- 
mittelbar  vergiftend.  Anders  bei  den  Halbparasiten  und  unter 
diesen  ganz  besonders  bei  Dysenteriebazillen. 

Sie  unterliegen  der  Phagozytose  wie  der  Auflösung  durch 
Körpersäfte  sehr  leicht.  Erstere  stellt  die  unschädliche  Beseiti- 
gungsweise dar,  denn  dadurch  wird  das  etwa  freiwerdende  Gift 
sofort  unschädlich  gemacht.  Letztere  bedeutet  die  plötzliche 
Resorption  von  Endotoxin.  Denn  es  ist  wohl  kaum  zu  be- 
zweifeln, dafs  sowohl  die  Giftwirkung  im  Exsudate  infizierter 
Tiere  als  die  in  älteren  Bouillonkulturen  auf  gelöste  Endotoxine 
zurückzuführen  ist.  Da  man  nun  gezwungen  ist,  zur  erfolg- 
reichen Infektion  eines  Tieres  mit  Dysenteriebazillen  grofse 
Mengen  zu  injizieren,  so  kann  auch  trotz  bestehender  Anti- 
aggressivität  Vergiftung  eintreten,  wenn  nicht,  wie  dies  Regel 
ist,  Leukozyten  das  Gift  paralysieren.  Erfolgt  aber  im  immunen 
Tiere,  so  wie  bei  der  Immunität  Weils  gegen  Hühnercholera 
Vermehrung  so  bedeutet  das  bei  Halbparasiten  eine  Giftanhäufung, 
der  gegenüber  auch  die  Leukozyten  schliefslich  versagen  müssen. 
Es  ist  also  das,  was  bei  einem  Parasiten  für  den  Tierkörper 
ganz  unschädlich  ist,  bei  einem  Halbparasiten  gefährlich. 

Aus  diesen  Darlegungen  geht  hervor,  dafs  die  Immunität 
gegen  den  Dysenteriebazillus  eine  ganze  Reihe  von  Momenten 
berücksichtigen  mufs,  unter  denen  aber  dem  gegen  die  Gift- 
wirkung gerichteten  unter  allen  Umständen  eine  sehr  grofse  Be- 
deutung zukommt.     Diese  kann  wieder  in   zweifacher  Weise  er- 


Von  Dr.  TonetarO  Kikachi. 


303 


folgen :  durch  Erzeugung  einer  direkten  Antitoxinimmunität  und 
durch  Steigerung  der  normalen  Giftbindung  durch  die  Leukozyten. 
Dafs  die  Zellen  dazu  imstande  sind,  wurde  bereits  bewiesen^); 
wenn  solche  rasch  und  reichlich  zuströmen,  so  können  sie  durch 
Phagozytose  an  der  Zerstörung  der  Bazillen  in  ungefährlicher 
Weise  arbeiten  und  überdies  das  sonst  entstandene  Gift  be- 
seitigen. In  der  Tat  sind  aktiv  aggressinimmune  Tiere,  wie 
bereits  angeführt  wurde,  dazu  imstande.  Aber  solche  werden 
auch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  antitoxisch  immun  sein,  da  das 
zur  Injektion  verwendete  Peritonealexsudat  dysenterischer  Meer- 
schweinchen aufser  Aggressin  auch  Gift  enthält  und  dieses  im 
Blute  vorbehandelter  Tiere  Antitoxin  erzeugen  kann.  In  der 
Tat  sind  Meerschweiuchen  nach  zweimaliger  Injektion  sterilen,  auch 
von  toten  Bazillen  so  viel  als  möglich  befreiten  Aggressins  völlig 
immun,  auch  gegen  schwere  Infektion,  die  für  Kontrolltiere  in 
kurzer  Zeit  tödlich  ist.  Aufser  den  bisher  angeführten  Bei- 
spielen seien  noch  zwei  Versuche  hierüber  angeführt: 


Tabelle   I. 


Infektion  I   Tod 


Bemerkungen 


90  i!  12.  XII. 
I  1,0  ccm 
I  Agfrrensin 
'subkutan 
,1    28.  I. 
,|  1,5  ccm 
,'  Agfo'essin 
li  subkutan 


153 1  Kontrolle 


12.  II. 
2  Agar* 
knltnren 
1.  perit. 


wie  90 


lebt 


in  der 
Nacht 


Nach  1  Std.  merkt  man  viele  Haufen  von 
Bazillen,  vielfach  um  Leukozyten  herum. 
Nach  2  Std.  hochgradige  Haufenbildung 
der  Bazillen.  Die  Haufen  liegen  vielfach, 
aber  nicht  sämtlich,  um  Leukozyten  herum. 
Nach  3  Std.  sind  sowohl  die  Haufen  wie 
die  Phagozytose  verschwunden.  Freie  Ba- 
zillen fehlen  in  dem  leukozytenreichen 
Exsudate.    Lebt. 

Nach  1  Std.  massenhaft  Bazillen.  Nach  2  Std. 
deutliche,  starke  Vermehrung ;  einige  Leuko- 
zyten. Nach  3  Std.  keine  Zunahme  der 
Leukozyten,  von  denen  einige  schwache 
Phagozytose  zeigen.  Enorme  Bazillen- 
mengen. Die  Sektion  ergibt  das  Bild 
schwerer  Infektion. 


1)  Berliner  klin.  Wochonschr.,  1905,  Nr.  15. 


304     Aggretsininimanität  gegen  den  Bhiga-EniBeBcben  Dysenteriebaallas. 

Tabelle  ü. 


Nr. 


Vorbe- 
handlang 


Infektion 


Tod 


Bemerkungen 


91 


158 


12.  XII. 

1,0  ccm 

Aggreesin 

subkutan 

38.  L 

1^  ccm 
Aggressin 
subkutan 


13.  n. 

2,5  ccm 

Exsudat 

von  T.  152 

i.  perit 


lebt 


Kontrolle 


Wie  91 


nacb 
8  8td. 


Nacb  1  Std.  haben  sich  alle  Bazillen  zusam- 
mengeballt Leukozyten,  davon  die  poly- 
nuklearen  mit  schwacher  Phagozytose,  be- 
reits zahlreich.  Nach  2  Std.  haben  die 
Bazillen  stark  abgenommen,  die  Zahl  der 
Leukozyten  ist  sehr  gestiegen.  Hochgradige 
Phagoz3rtose.  Nach  3  Std.  nur  vereinzelte 
Bazillen  noch  zu  finden.  Weitere  Vermeh- 
rung der  Leukozyten,  nur  noch  hie  und 
da  mit  Phagozytose.  Nach  4  und  7  Std. 
reiner  Eiter  ohne  Bazillen.  Das  Tier  sieht 
krank  aus,  erholt  sich  am  nächsten  Tage. 

Nach  1  Std.  wenig  Lymphozyten,  massenhaft 
Bazillen  ohne  Haufenbildung.  Nach  2  Std. : 
In  dem  von  Bazillen  dicht  erfüllten  Tropfen 
finden  sich  vereinzelte  polynukleäre  Leuko- 
zyten mit  Phagozytose.  Nach  3  Std.  noch 
weniger  Leukozyten  wie  vorher.  Ununter- 
brochene Vermehrung  der  Bazillen.  Nach 
4  u.  7  Std.  fast  nur  Bazillen  im  Exsudate. 
Sektionsbefund  der  schwersten  Infektion. 


Durch  eine  einmalige  Injektion  von  sterilem  Aggressin  konnte 
bisher  eine  sichere  und  ausgiebige  Immunität  gegen  grofse 
Bazillenmengen  nicht  erzielt  werden. 


Tabelle  HL 


Nr. 


Vorbe- 
handlung 


Infektion 


Tod 


Bemerkungen 


214 


215 


216 


0,5  ccm 

steriles 

Aggressin 

subkutan 

1,5  ccm 

steriles 

Aggressin 

subkutan 


Nach  15  Tg. 

iVt  Agai- 

iniltar 

i.  peilt. 


wie  214 


Kontrolle 


in  der 
Nacht 


nach 
24  Std. 


wie  214 


Inder 
Nacht 


Kein  Unterschied  gegen  216. 


Nach  Vt  S^*  trat  undeutliche,  nach  2  Std. 
auffallend  starke  Haufenbildung  ein.  Nach 
3  Std.  erschienen  viele  polynukleäre  Leuko- 
zyten mit  starker  Phagozytose,  und  die 
Zahl  der  Bazillen  nahm  ab.  Nach  7  Std. 
trat  wieder  Vermehrung  der  Bazillen  ein, 
trotz  reichlichem  Leukozytengehalt  der 
Bauchhöhle.  Die  Sektion  lieferte  das  Bild 
einer  leichten  Infektion  mit  dickem  eitrigem 
Exsudate  und  reichlichen  Auflagerungen. 

Bild  schwerster  Infektion  mit  progressiTer 
Bazillenzunahme   ohne   Leukozytenzutritt 


Von  Dr.  TonetarO  Kikaehi.  305 

Was  die  Immunisienmgsmethode  betrifEt,  so  ist  bisher  aller- 
dings eine  einfache  Injektion  von  0,5  und  1,5  com  Aggressin  noch 
nicht  hinreichend  gewesen,  um  vollständige  Immunität  gegen 
grofse  Bazillenmengen  zu  verleihen,  was  bei  Typhus  nach  dem 
Versuche  von  Bail  leicht  gelingt.  Immerhin  ist  der  Infektions- 
verlauf bei  Meerschweinchen  215  bereits  ein  weit  leichterer  als 
der  der  anderen  Tiere,  so  dafs  die  Wirkung  der  immunisierenden 
Aggressininjektion  bereits  ganz  klar  hervortritt.  Es  ist  dazu 
weiter  zu  bemerken,  dals  es  sehr  auf  die  Stärke  des  verwendeten 
Aggressins  ankommt,  worauf  in  den  bisherigen  Versuchen  noch 
nicht  genügend  geachtet  worden  war.  Wenig  wirksame  Aggressine 
hinterlassen,  ebenso  wie  durch  Erhitzen  auf  60^  gröfstenteils  zer- 
störte, nur  sehr  geringe  Immunitätsgrade,  von  denen  es  dazu 
noch  sehr  unsicher  ist,  ob  es  nicht  etwa  Spuren  von  bakterizider 
Immunität  sind. 

In  allen  Versuchen  mit  aktiver  Aggressinimmunität  tritt  das 
rasche  und  reichliche  Erscheinen  der  Leukozyten  deutlich  her- 
vor. Was  das  Verhalten  der  Bazillen  betrifft,  so  wird  über  die 
merkwürdige  Haufenbildung  im  Tierkörper  noch  unten  einiges 
zu  sagen  sein.  Wodurch  die  Bazillen  selbst  zugrundegehen,  ist 
mit  aller  Sicherheit  bisher  noch  nicht  festgestellt  worden.  Eine 
typische  Granulabildung  wurde  nur  selten  und  stets  nur  in  sehr 
geringem  Grade  beobachtet;  von  den  bakteriolytischen  Lösungs- 
erscheinungen, über  die  Kruse,  Shiga  und  Lentz  im  Serum 
berichten,  war  nichts  zu  finden.  Phagozytose,  manchmal  sehr 
hochgradig,  fehlte  zwar  nie,  aber  der  grölste  Teil  der  Bazillen 
war  oft  schon  verschwunden,  noch  ehe  die  Zellen  reichlich  ein- 
getreten waren.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dafs  die  Dysenterie- 
bazillen in  kurzer  Zeit  förmlich  ausgefällt  wurden  und  sich  an 
die  Wand  der  Bauchhöhle  und  namentlich  am  Netze  nieder- 
schlagen, wo  Leukozyten  sich  ansammeln  und  als  Phagozyten 
wirken.  Das  ist  dann  im  aggressinimmunen  Tiere  der  gleiche 
Verlauf,  wie  ich  ihn  in  gemeinsamer  Arbeit  mit  Herrn  Dr.  Weil*) 
bei  intraperitouealer  Injektion  von  Pseudodiphtheriebazillen,  welche 
nicht  imstande  sind  aggressiv  zu  wirken,  beobachten  konnte,   so 

1)  ^ener  klin.  Wochenschr.,  1905,  Nr.  25. 


306     AggreMinimmanität  gegen  den  Shiga  Kroseschen  Dysenteriebazillns. 

dafs  die  Dysenteriebazillen  im  aggressinimmunen  Tiere  sich  ein- 
fach wie  reine  Saprophyten  verhalten.  Ob  dabei  auch  eine  ge- 
wisse Bakteriolyse  mitwirkt,  ist  mit  Sicherheit  nicht  auszu- 
schliefsen,  Hauptsache  ist  sie  jedenfalls  nicht. 

Eine  Vermehrung  der  Bazillen,  wie  sie  bei  der  Aggressin- 
immunität  gegen  Parasiten  möglich  ist,  trat  nicht  ein,  wo  sie 
schliefslich,  wie  z.  B.  bei  Meerschweinchen  215  erfolgte,  war  sie 
von  Krankheit  und  Tod  gefolgt.  In  der  Tat  bedeutet  ja  Ver- 
mehrung der  Bazillen  bei  Dysenterie  gleichzeitig  Giftanhäufung, 
welcher  die  Immunität  gewachsen  sein  müfste.  Das  rasche  und 
reichliche  Erscheinen  der  Leukozyten  hat  jedenfalls  die  Gift- 
und  Aggressinbeseitigung  zur  Folge.  In  den  erwähnten  beiden 
Versuchen  ist  Giftmenge  (zwei  Agarkulturen)  und  Aggressin- 
menge  (2,5  ccm  Exsudat,  vgl.  den  Infektionsverlauf  beim  Kontroll- 
tiere) verhältnismäfsig  eine  ungeheuere,  und  dennoch  hat  die 
Immunität  standgehalten.  Aber  dennoch  ist  die  Giftparalysierung 
keine  ganz  vollständige  gewesen.  Denn  abgesehen  davon,  dafs 
die  Immuntiere  infolge  der  Peritonitis  am  Versuchstage  krank 
aussahen,  folgte  stets  Abmagerung,  die  erst  nach  zwei  und  mehr 
Wochen  wieder  der  vollständigen  Wiederherstellung  wich,  ein 
Ereignis  übrigens,  das  auch  fast  nach  jedem  Versuche  mit  grofsen 
Dosen  von  Typhus  und  Cholera  mit  dem  entsprechenden  bakterio- 
lytischen  Immunserum  eintritt.  Marasmus  ist  aber  das  Kenn- 
zeichen der  chronisch  gewordenen  Vergiftung. 

Wenngleich  damit  gezeigt  ist,  dafs  die  Giftbeseitigung  nach 
aktiver  Aggressinimmunisierung  noch  einiges  zu  wünschen  übrig 
läfst,  so  kann  doch  das  Ergebnis  bei  der  Schwere  der  Infektion 
mit  und  ohne  Aggressin  als  ein  günstiges  bezeichnet  werden. 
Da  die  Vorbehandlung  mit  Aggressin  mindestens  für  Meer- 
schweinchen eine  gänzlich  ungefährliche  ist,  jedenfalls  unschäd- 
licher als  die  Injektion  von  Bazillen  mit  ihren  schweren  Re- 
aktionen zur  Erzeugung  der  bakteriziden  Immunität^),  so 
dürfte  ein  Versuch  am  Menschen  für  die  nächste  Zeit  gerecht- 
fertigt   sein,    wobei    zu    bedenken    ist,    dafs    der    Eintritt    der 

1)  Vgl.  Leute,  Handbuch  von  Kolle -Wassermann,  Bd.  4,  S.  900. 


Von  Dr.  YonetarO  Kikuchi.  307 

Aggressinimmunität  ein  relativ  später  ist  (bei  Meerschweinchen 
wenigstens  10,  besser  14  Tage  bis  3  Wochen),  und  dafs  die  be- 
bandelten Individuen  bis  zur  Erlangung  derselben  im  hohen 
Grade  überempfindlich  sind. 

Kann  so  durch  die  bisherigen  Versuche  wenigstens  das 
Prinzip  der  aktiven  Aggressinimmunisierung  als  anwendbar  und 
aussichtsreich  bezeichnet  werden,  so  ist  die  nächste  Forderung 
nach  Herstellung  eines,  womöglich  zur  Behandlung  der  mensch- 
lichen Krankheit  geeigneten  Immunserums  viel  schwerer  zu  er- 
füllen. Shiga^)  wie  Kruse'^)  gelang  es,  sehr  hochwertige  Sera 
durch  vorsichtige  Vorbehandlung  verschiedener  Tiere  mit  den 
Bazillen  selbst  zu  gewinnen.  Im  bakterisiden  Reagenzglasver- 
suche erwiesen  sich  dieselben  als  bakterizide  Immunsera,  während 
im  TierkOrper  selbst  eine  typische  Auflösimg  nur  wenig  be- 
obachtet zu  sein  scheint. 

Agglutination  bewirken  aber  solche  Sera  sicher,  und  die 
Literatur  über  die  Dysenteriebazillenagglutination  im  Blute  von 
Kranken,  Genesenen  und  immunisierten  Tieren  ist  bereits  eine 
sehr  ansehnliche.  Da  aber  erfahrungsgemäfs  agglutinierende 
Bluteigenschaften  nicht  notwendig  mit  bakteriolytischen  in  Be- 
ziehung stehen  müssen,  läfst  sich  über  die  Natur  der  Wirkung 
der  von  verschiedenen  Autoren  (Shiga,  Kruse,  Lentz, 
Rosenthal)  hergestellten  und  angewendeten  Sera  nichts  sicheres 
aussagen,  obwohl  sie  schon  nach  ihrer  Entstehungsweise  eine 
bakterizide  zu  sein  scheint.  Auch  die  Versuche  an  Menschen, 
die  von  Shiga,  Kruse  und  Rosenthal  mit  Serum  angestellt 
sind,  geben  über  die  Natur  der  Senimwirkung  keine  Anhalts- 
punkte, wenngleich  die  Resultate  ermutigende  sind. 

Im  wesentlichen  gelten  für  die  Gewinnung  eines  Immrm- 
serums  für  kranke  oder  in  kürzester  Zeit  passiv  zu  immunisierende 
Menschen  die  gleichen  Gesichtspunkte,  wie  sie  oben  für  die  aktive 
Immunität  besprochen  wurden.  Aber  ob  nun  das  eventuell  ge- 
wonnene Serum  nur  bakterizid  oder  nur  antiaggressiv  ist,  seiner 


1)  Shiga,  Deatsche  medix.  Wochenschr.,  1903,  Nr.  18.    Zeitschrift  f. 
Hygiene,  Bd.  41. 

2)  Kruse,  Deatsche  med.  Wochenschr.,  1901,  Nr.  28,  24,  1908,  Nr.  1  ff. 


308     AggreBainimmonität  gegen  den  Shiga-Enuieschen  DyBenteriebaallaB. 

giftDeutralisierenden  Eigenschaft  wird  die  gröfste  Bedeutung  zu- 
erkannt werden  müssen.  Das  geht  bereits  aus  der  Beobachtung 
der  Bazillen  Wirkung  im  Tierversuche  hervor:  die  imponierende 
und  relativ  rasche  Vergiftung  von  Kaninchen,  die  langdauemde 
Abmagerung  von  Meerschweinchen  nach  Einführung  von  Bazillen- 
mengen, die  an  sich  noch  gar  nicht  imstande  sind,  sich  zu  ver- 
mehren, wirken  sehr  überzeugend.  Giftwirkungen,  die  sämtlich 
mit  Sicherheit  von  den  Leibessubstanzen  der  Bazillen  hergeleitet 
werden  können,  sind  ohne  Intervention  von  lebenden  Kulturen 
mehrfach  beobachtet  worden.  Conradi^),  sowie  N e i f s e r  und 
Shiga^  gewannen  Gifte  aus  Agarkulturen  durch  Autolyse  und 
Extraktion,  in  Bouillonkulturen  verschiedener  Zusammensetzung 
wurden  sie  von  Todd'),  Rosenthal*)  und  Kraus^)  und 
Dörr  aufgefunden.  Rosenthal,  Todd  und  Kraus  berichten 
auch  in  gelungenen  Versuchen  über  Herstellung  und  Wirkungs- 
weise antitoxischer  Sera. 

Wie  bereits  früher  nachgewiesen,  enthalten  Exsudate  dysen- 
terischer Meerschweinchen  neben  Aggressin  sehr  wirksames  Toxin, 
das  aber  natürlich  je  nach  der  Infektion,  welcher  die  betreffenden 
Tiere  erlagen,  nach  dem  Zellgehalte  der  Flüssigkeit  u.  dgl.  an 
Intensität  wechseln  mufs.  Es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dafs  auch 
dieses  Toxin  als  Endotoxin  angesehen  werden  mufs,  da  in  der 
Meerschweinchenbauchhöhle  die  Bazillenauflösung  schneller  und 
wohl  auch  ausgiebiger  stattfindet  als  in  der  Bouillonkultur  der 
erwähnten  Autoren.  Bekanntlich  hat  A.  Wolf®)  der  Frage  der 
Endotoxine  und  der  Immunität  besondere  Aufmerksamkeit  ge- 
widmet und  war  dabei  im  wesentlichen  zu  dem  Schlüsse  gelangt, 
dafs  zur  Erzeugung  einer  Anti  Endotoxinimmunität  wenig  günstige 
Aussichten  vorhanden  sind.  Die  V^ersuche  mit  Dysenteriebazillen 
beweisen,   dafs  dies  für  gewisse  Mikroorganismen   doch  gelingt, 

1)  Conradi,  Deatsche  med.  Wochenschr.,  1903,  Nr.  2. 

2)  N elf 8 er  und  Shiga,  Deutsche  med.  Wochenschr.,  1903,  Nr.  4. 

3)  Todd,  zit.  nach  Leute,  a.  a.  0.,  S.  899.  Journal  of  Hygiene,  1904, 
Bd.  IV. 

4)  Bosenthal,  Deutsche  med.  Wochenschr.,  1908  u.  1904. 

5)  Kraus  und  Dörr,  Wiener  kiin.  Wochenschr.,  1905,  Nr.  7. 

6)  Wolf,  Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  1904,  Bd.  XXXVII,  8.  890  ff. 


Von  Dr.  TonetarG  Eikuchi. 


309 


und  auch  jede  Aggressinimmunität  bei  Dysenterie  muls  schoQ 
ihrer  Herkunft  nach  antitoxisch  sein.  Das  ist  ein  sehr  groCser 
Vorteil  der  durch  Aggressineinspritzung  gewonnenen  Sera,  die 
sich  somit  gegen  die  eigentliche  Krankheitsursache,  die  Aggres- 
sivität der  Bazillen,  wie  gegen  das  Moment  richten,  welches  die 
Krankheitserscheinungen  auslöst,  das  Gift. 

Das  Studium  des  Dysenteriegiftes  im  Meerschweinchenexsudate, 
dessen  immunisatorische  Wirkung,  die  Beeinflussung  des  Giftes 
durch  das  erzeugte  Antitoxin,  der  Zusammenhang  der  dabei 
selbstverständlich  stets  zu  beobachtenden  Präzipitation  auf  die 
Giftbeseitigung  und  Antitoxinstärke^),  bilden  ebensoviele  Probleme 
von  grofser  Wichtigkeit,  deren  Studium  hauptsächlich  wegen  des 
öfter  eintretenden  Tiermangels  noch  nicht  bewältigt  werden 
konnte,  und  die  deshalb  vorbehalten  sein  mögen.  Es  wird  ihr 
Ergebnis  später  mitgeteilt  werden. 

Jedenfalls  gelingt  die  Herstellung  antitoxischer  Sera  bei  allen 
Tieren  vermittelst  aggressinhaltiger  Exsudate  sicher  und  ver- 
hältnismäfsig  leicht,  wobei  allerdings  niemals  antitoxische  Serum- 
wirkungen von  der  Stärke  etwa  der  Tetanussera  beobachtet 
werden  konnten.  Keines  der  bisher  erhaltenen  Kaninchen-  und 
Meerschweinchensera  schützte  bisher  mit  Leichtigkeit  in  der 
Menge  von  0,1  ccm  Kaninchen.  Auch  das  Serum  eines  lange 
behandelten  Schafes  (s.  unten)  schützte  nur  in  mäfsigem  Grade. 

Tabelle  IV. 

Seram  yon  Eaniachen  14,  nach  7  maliger  Injektion  von  im  ganzen  1,08  ccm 

Meerschweinchenaggressin  binnen  3  Monaten.    Als  Toxin  dient  sterilisiertes 

Ezsadat  des  dysenterischen  Meerschweinchens  152. 


Nr. 

Serum 

Toxin 

Tod 

Bemerkungen 

67 

2,0  ccm 

Imman- 

senim 

sabkutan 

Nach  1  St. 

0,1  ccm 

Toxin 

subkutan 

Am  Abend  des  3.  Tages  wurde  schwache 
Parese  der  Extremitäten  beobachtet,  die 
ohne  stärker  zu  werden,  2  Tage  lang  be- 
stand, dann  völlig  zurückging. 

1)  Dehne  and  Hamburger,  Wiener  klin.  Wochenschr.,  1904,  Nr.  29, 
vgl.  dazu  die  erst  nach  Fertigstellung  dieser  Versuche  erschienenen  Arbeiten 
von  Sacharoff  und  Kraus  und  Pribram,  beide  Zentralbl.  f.  Bakteriol., 
Bd.  39,  Heft  1. 


810    Aggrearinimmanitit  gegen  den  Shiga-Kraseschen  Dysenteriebasillas. 


Nr.  ü       Serum 


Toxin       Tod 


Bemerkungen 


68 


69 


0,5  ccm 
Immun- 

Berum 
subkutan 


wie  67 


wie  67 


t  Wurde  am  Morien  des  4.  Tages  tot  gefun- 
den, ohne  dafs  Lähmung  beobachtet  wor- 
den wäre. 


Am  3.  Tage  typische  Lähmung,  die  lunahm 
und  am  4.  Tage  zum  Tode  führte. 


Tabelle  V. 
Serum  von  Kaninchen  28  (s.  Tab.  VII)  und  Meerschweinchen  89  (s.  Tab.  VII). 
Als  Toxin  dient  das  sterile  Exsudat  des  dysenterischen  Meerschweinchens  180. 


Nr. 


Bemerkungen 


88  1,0  ccm 
Kaninchen- 
immun- 
serum i.  V. 

89  0,25  ccm 
des  gleichen 
Serums  i.  v. 

87        1,0  ccm 
normales 
Kaninchen- 
serum i.  V. 

91       1,0  ccm 
ji  Meerschw.- 
||     Immnn- 
serum  i.  v. 

92.:     0,25  ccm 
;  des  gleichen 
-  Serums  i.  v. 

90 ';      1,0  ccm 
Normal- 
Meerschw.- 
Serum  i.  v. 


Nach  2  St. 
,  0,1  ccm 
■Toxin  i.  v. 


wie  88 


>   wie  88 


Keinerlei  Störung. 


-   wie  88 


Keinerlei  Störung. 


„Am  nächsten  Tage  bereits  leichte  Parese 
i  der  Hinter! üfse  und  Vorderf  üfse,  die  lang- 
i|  sam  bis  zum  Tode  nach  3  Tagen,  lu- 
'I    nahm. 

Keinerlei  Störung. 


wie  88 


wie  88 


Nach  1  Woche  wurde  das  Tier  tot  gefun- 
den, ohne  dafs  Lähmung  beobachtet 
wurde. 

Die  Lähmung  trat  erst  am  6.  Tage  ein, 
führte  aber  bereits  am  Morgen  des  nächsten 
Tages  zum  Tode. 


Zu  den  Giftversueben  ist  noch  einiges  zu  bemerken.  Sie 
werden  natürlicb  am  besten  an  Kaninchen  angestellt,  welche 
rasch  eintretende  und  sehr  charakteristische  Erscheinungen^) 
darbieten.  Meerschweinchen  zeigen  keine  Lähmungen,  wohl  aber 
Marasmus,  dessen  Stärke  vielleicht  sehr  von  individuellen  Ver- 
hältnissen abhängt.     Es    war   nun   sehr  auffallend,    dafs   Meer- 

1)  Vgl.  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  62,  S.  404. 


Von  Dr.  Yonetar5  Kikachi. 


311 


schweinchen,  die  zur  Prüfung  der  antiaggressiven  Serumwirkung 
Bazillen  in  grofser  Menge  intraperitoneal  erhalten  hatten,  auch 
nach  vollständiger  Beseitigung  jeder  Infektionsgefahr  sehr  oft 
abmagerten,  manchmal  auch  nach  Wochen  steril  an  Kachexie 
zugrunde  gingen.  Überdies  zeigten  solche  Tiere  oft,  trotz  des 
nach  einigen  Stunden  eintretenden  günstigen  Bazillen-  und  Zell- 
befundes in  der  Bauchhöhle,  starke  Krankheitserscheinungen,  oft 
ausgeprägter  als  die  Kontrolltiere,  deren  Bauchhöhle  von  Bazillen 
erfüllt  war,  und  die  kurze  Zeit  darauf  starben.  Gleichwohl  war 
von  Bazillenauflösung,  wie  etwa  bei  Cholera,  nichts  zu  bemerken, 
und  doch  müssen  diese  Vergiftungserscheinungen  auch  auf  die 
Bazillen  bezogen  werden.  Gegen  sie  scheint  das  im  Kaninchen- 
versuche so  deutlich  die  Lähmungen  verhindernde  antitoxische 
Serum  nur  sehr  schlecht  zu  schützen.  Auch  bei  Kaninchen 
wurde  nach  Serum-Exsudatinjektion  mehrfach  beobachtet,  dafs 
die  Tiere,  ohne  je  die  geringste  Lähmung  zu  zeigen,  nach  Tagen 
oder  Wochen  eingingen,  und  zwar  meist,  ohne  dafs  Marasmus 
hohen  Grades  beobachtet  worden  wäre.  Diese  Verhältnisse, 
welche  vielleicht  auf  eine  Mehrheit  von  Giftwirkungen  hindeuten, 
bedürfen  noch  sehr  der  Untersuchung,  zu  der  die  relativ  leichte 
und  einfache  Gewinnung  des  Dysenterietoxins  im  Meerschweinchen- 
exsudate günstige  Bedingungen  bieten  dürfte. 

In  bezug  auf  die  Wirkung  von  durch  Aggressinimmunisierung 
gewonnenen  Sera  mögen  zunächst  einige  Angaben  folgen: 

Tabelle  VI. 
Qualitativer  Verench  mit  Serum  von  Kaninchen  14  (e.  Tab.  IV). 


Tod 


Bemerkungen 


156 


157 


2,5  ccm     Nachestd. 

suDKUian,   Exsudat 
eines  dysen- 
!  terischen 
I  Meerschw. 
i.  perlt. 


—  wie  156 


lebt 


ca. 
16Std. 


Schon  nach  Vs  Std.  finden  sich  weder  Bazillen 
noch  Granula,  wohl  aber  bereits  kleine  poly- 
nukleare  Leukozyten.  Nach  1  Std.  starke 
Vermehrung  von  kleinen  polynukleären 
Zellen.  Nach  2  Std.  treten  auch  grofse  poly- 
nukleäre  Leukozyten  in  dem  eitrigen  Ex- 
sudate auf.  Nach  3  Std.  reiner  £iter.  Lebt. 

Fortschreitende  Vermehrung  der  Bazillen, 
aber  doch  nur  Sektionsbefund  einer  mittel- 
schweren Infektion. 


312 


Tabelle  VIL 

Bernm    von    Meerechweincbeii  89,  dae   innerhalb  3  Monate  7^  ccm  Meer- 

Hchweinebenagn^eeein   erhalten   hatte   and   Ton  Kaninchen  28,   das  in  der 

gleieben  Zeit  mit  0,96  ocm  behandelt  worden  war. 


Nr.      Herum     Infektion    Tod 


]78i   1,0  ccm        Nach 
'    Meer-       15  Std. 
„•chwein.-  V\  Agar 
'  Imman-       kaltar 
semm       i.  perit. 
flobkatan 


lebt 


179 


1,0  ccm 
Kanin- 
chen- 
Imman- 
semm 
fiabkatan 


wie  178  i   lebt 


1801 


wie  178 


mner- 

halb 

208td. 


Nach  V,  Stande  sind  bereite  sehr  viele  Leoko- 
zjten,  aber  keine  Bazillen  mehr  in  finden. 
Einige  zweifelhafte  Granula  worden  be- 
obachtet Weiterhin  warde  daa  Ezsodat 
rasch  eitrig,  ohne  daA  noch  BaziUen  zn 
sehen  waren. 

Nach  7i  3^-  groIiM  Mengen  Ton  Bazillen, 
wenig  Leakozyten.  Nach  1  Std.  noch  viele 
Bazillen,  aber  weniger  ala  im  Kontrolltiere  ; 
hie  und  da  Zaeaiumenballang  derselben, 
meist  nm  Leukozyten  hemm.  Nach  2  Std. 
vermehren  sich  die  Leakozyten  onter  lang- 
samer Bazillenabnahme.  Nach  3  Std  Leako- 
zyten vermehren  sich  weiter,  die  Zahl  der 
Bazillen  stark  in  Abnahme,  doch  finden 
sich  noch  Haafen  von  Zellen  hemm.  Starke 
Phagozytose.  Nach  7  Std.  sind  in  dem 
eitrigen  Ezsadate  weder  Bazillen,  noch 
Granula,  noch  Phagozytose  zu  finden. 

Progressive  Bazillen vermehmng.  Nach  2  Std. 
sind  einige  Leakozyten  vorhanden,  die  anch 
PhagozjTtose  zeigen,  sich  aber  nicht  ver- 
mehren. Befand  der  schwersten  Infektion. 


Alle  Autoren,  die  sich  mit  DysenterieimmunisieruDg  be- 
schäftigen, betonen  die  Schwierigkeit  der  Immunisierung  von 
Kaninchen  mit  Bazillen,  während  die  Behandlung  mit  Aggressin 
bei  einiger  Vorsicht  eine  sehr  leichte  ist.  Man  mufs  natürlich 
nur  »Sorge  tragen,  die  erste  Injektion  wegen  der  grofsen  Giftig- 
keit der  Exsudate  sehr  klein  zu  machen  (0,005 — 0,01  ccm).  Üble 
Zufälle  wurden  bei  vorsichtiger  Steigerung  nicht  beobachtet, 
(jewiclitHubnahmen  gleichen  sich  schnell  wieder  aus. 

Grofse  Sorgfalt  wurde  auf  die  Behandlung  eines  Schafes  mit 
Dysenterieaggressin  verwendet,  um  zu  sehen,  ob  sich  in  grofsen 
Mengen  wirksames  Serum  gewinnen  liefse.  Im  ganzen  ist  der 
Krfolg  der  fast  achtmonatlichen  Bemühungen  an  diesem  Tier 
ein  mäfsiger,  wenngleich  er  im  Prinzip  vollständig  den  gehegten 


Von  Dr.  ToneUurO  Kikachi. 


313 


Erwartungen  entspricht  und  dieselben  bestAtigt.  DaTs  nicht  bessere 
Resultate  erzielt  wurden,  liegt  vielleicht  an  der  untweckin&Tsigen 
Wahl  der  Tierart.  Mit  Pferden  (Shiga,  Kruse),  wohl  auch 
mit  Ziegen  (Lentz),  dürften  nach  den  bisherigen  Erfahrungen 
die  Versuche  leichter  sein. 

Das  Schaf  war  zuerst  mit  geringen  Dosen  sterilen  Meer- 
schweinchenaggressins,  die  gut  vertragen  wurden,  subkutan  be- 
handelt worden.  Als  die  Dose  hoher  wurde,  stellte  sich  starke 
lokale  Reaktion  in  Gestalt  von  lange  bestehenden  Infiltraten  ein« 
auch  das  Allgemeinbefinden  war  gestOrt  Nach  jeder  Injektion 
wurde  eine  grofse  Pause  eintreten  gelassen,  schon  deshalb,  weil 
die  Erfahrung  bei  allen  Äggressinimmunisierungen  gelehrt  hat, 
dafs  die  allzufrühe  Entnahme  von  Blut  leicht  ein  Serum  liefert, 
das  statt  zu  schützen,  die  Infektion  begünstigt,  also  aggressiv 
ist,  genau  so  wie  bei  aktiver  Immunisierung  eine  gewisse,  nicht 
zu  kurze  Zeit  verstreichen  mufs,  damit  die  Infektion  nicht  ein 
überempfindliches  Tier  betre£fe.  Bei  der  subkutanen  Injektion 
des  Aggressins  mufs  darauf  geachtet  werden,  dafs  dieselbe  im 
lokalen  Zellgewebe  ausgeführt  wird,  wonach  die  entstehenden 
Infiltrate  nach  kurzer  Zeit  zum  grofsen  Teil  verschwinden,  während 
sie  sonst  sehr  langsam  resorbiert  werden. 

Nachdem  das  Tier  im  ganzen  17,5  ccm  Aggressin  in  sieben 
Injektionen  erhalten  hatte,  wurde  das  Serum  geprüft  und  zwar 
mit  sehr  schlechtem  Erfolge. 


Tabelle  VIII. 

Schafsemm  nach  Injektion  von  im  gansen  17,51  ccin  Meerschweinchen- 
aggressins  innerhalb  ca.  2Vs  Monaten.    Antiaggressive  Wirkung. 


Nr. 

Semm 

Infektion 

1 

Tod 

Bemerkungen 

137 
138 

2,0  ccm  Immun- 
serum subk. 

2,0  ccm  Normal- 
Schafserum  subk. 

Nach  16  8td.  2  ccm 
KxHudat  eines 
dysenterischen 

Meerachw.  1.  perit. 

wie  137 

in  der 
Nacht 

in  der 
Nacht 

Ohne  Unterschied.     Verlauf 
und   Befund    schwerster    In- 
fektion. 

ArohiT  für  Hygiene.    Bd.  UV. 


21 


314     Aggressinimmunität  gegen  den  Shiga-Kruseschen  DyBenteriebazillus. 


Tabelle  IX. 
Das  gleiche  SchafBemm  wie  oben  in  Tabelle  VIII.    Antitoxische  Wirkung  an 

Kaninchen  von  ca.  1000  f?. 


Nr.  1:           Serum 

Toxin 

j 

Tod                    Bemerkungen 

1 

M 

;  2,0  ccm  Normal- 
Schafserom  subk. 

Nach  1  Std. 
0,1  ccm  subkut. 

5  Tage 

Lähmung  trat  erst  am  Monren 
des  4.  Tages  ein  nnd  wurde 
rasch  vollständig. 

55 

2,0  ccm  Immnn- 
serom  subk. 

wie  54 

lebt 

Dauernd  gesund  geblieben. 

56 

0,5  ccm  Immon- 
semm  subk. 

wie  54 

4  Tage 

Am  3.  Tage  bereits  Lähmnng« 
die  langsam  zunahm. 

Damach  erhielt  das  Schaf  auf  einmal  8,0  ccm  Meerschweinchen- 
aggressin  subkutan  und  nach  Verlauf  von  3  Wochen  wurde  neuer- 
lich Serum  genommen. 

Tabelle  X 


Tod 


Bemerkungen 


1,5  ccm 
i  Immun- 
ji    serum 
'!  subkutan 


164       ohne 
Serum 


Nach 

15  Std. 

2  Agar- 

kulturen 

i.  perit. 

wie  163 


in  der 
Nacht 


I 


in  der 
Nacht 


Der  einzige  Unterschied  gegen  das  Kontroll- 
tier bestand  in  dem  reichlichen  Auftreten 
von  LieukoEyten  während  der  Infektion  und 
dem  Befunde  eitriger  Auflagerungen  bei 
der  Sektion.  Die  Basillenvermehrung  war 
nicht  beeinflufst. 


Infolge  dieses  ungünstigen  Ergebnisses  wurde  die  intra- 
venöse Injektion  (8,0  ccm  Meerschweinchenaggressins  in  zwei  In- 
jektionen) versucht.     Darnach  war  das  Serum  deutlich  wirksam. 


Tabelle  XI. 


Nr. 


Serum     Infektion 


Tod 


II 


Bemerkungen 


183  i   2,0  ccm 
Immun- 
serum 
subkutan 


Nach 

ca.  20  Std. 

1  Agar- 

kultur 

i.  perit. 


lebt 


Nach  1  Std.  waren  Leukozyten  bereits  auf- 
getreten, daneben  Bazillen.  >ach  2  Std. 
noch  reichliche  Bazillen.  Schwache  Phago- 
zytose. Nach  3  Std.  sind  die  Bazillen  viel 
spärlicher  geworden,  daneben  Eiter  mit 
Makrophagen,  grofsen  und  kleinen  poly- 
nukleären  Leukozyten.  Nach  6  Std.  Kiter 
fast  ohne  freie  Bazillen  mit  schwacher 
Phagozytose. 


Von  Dr.  YonetarS  Kikuchi. 


315 


1 
Nr. 

1 

I 
Serum 

Infektion 

i 
Tod 

Bemerkangen 

1841 

0,5  ccm 
Immnn- 

seram 
subkatan 

1 
1 

1 

1 

wie  183 

lebt 

Bereits  nach  Vi  Std.  ansehnliche  Zahl  von 
Lenkotyten.  Bazillen  schon  vermindert^ 
nehmen  aber  dann  wieder  sa.  Nach  3  Std. 
ist  der  Unterschied  gegen  das  Kontrolltier 
gering.  Nach  6  8td.  sind  die  Bazillen  stark 
vermindert  und  massenhaft  Leukozyten 
mit  mäfsiger  Phagozytose  sind  ai^getreten. 
Das  Tier  war  krank,  erholte  sich  dann 
aber  wieder. 

185 

i          

wie  183 

ca. 
20Std. 

Beständig  fortschreitende  Bazillenvermeh- 
rung und  Befund  der  schweren  Infektion. 

Nach  einer  weiteren  intravenösen  Injektion  von  7,0  ccm  Meer^ 
schweinchenaggressins  und  einmonatlicher  Pause  ergab  die  Serum- 
prüfung bei  gleichzeitiger  intraperitonealer  Impfung: 


Tabelle  XII. 


Nr. 


Infektion 


Bemerkungen 


201 


202 


203 


1,0  ccm  Exsudat 
eines  dysen- 

teriischen  Meer- 
schweinchens 
-|-  0,75  ccm 
Immunserum 
i.  perit. 


1,0  ccm  Exsudat 

-f-  0,25  ccm 

Immunserum 

i.  perit 


Kontrolle 
ohne  Serum 


lebt 


nach 
24  Std. 


in  der 
Nacht 


Nach  ^4  Std.  relativ  spärliche  Bazillen,  zum 
Teil  in  Haufen.  Spärliche  Leukozyten. 
Nach  Vs  Std.  wenige  Bazillen,  keine  Granula. 
Nach  1  Std.  viele  Leukozyten  mit  schwacher 
Phagozytose.  Spärliche  Bazillen,  hie  und 
da  Granula.  Nach  2  Std.  im  wesentlichen 
gleich.  Nach  3  Std.  massenhaft  Leukozyten, 
von  denen  die  grofsen  polynukleären 
Phagozytose  zeigen  Weder  Bazillen  noch 
Granula. 

Nach  V«  Std.  sind  die  Bazillen  zu  grofsen 
und  kleinen  Haufen  zusammengeballt.  Nach 
Vs  Stunde  ungefähr  ebenso,  aber  unter 
fiazillenverminderung.  Nach  1  Std.  sind 
erst  wenig  Leukozyten  bei  gleichem  Ba- 
zillenbefunde aufgetreten,  ebenso  nach  2  Std. 
Nach  3  Std.  nehmen  die  Leukozyten  unter 
energischer  Phagoz3rto8e  zu,  aber  auch  die 
Bazillen.  Die  Sektion  ergibt  wenig  dickes 
eitriges  Exsudat  mit  grofsen  und  kleinen 
polynukleären  Leukozyten  und  starker 
Phagozytose,  daneben  viele  freie  Bazillen. 
Viele  Auflagerungen. 

Progressive  ununterbrochene  Bazillenver- 
mehrung, ohne  Leukozytenzutritt  ,*  schwerste 
Infektion. 


21* 


316     Aggreflsinimmunität  gegen  den  Shiga-Kruseschen  DTsenteriebazillus. 


Ein  Vergleich  der  Wirkung  von  Kruses  Serum  und  dem 
erwähnten  Schafserum  unter  schwerster  Infektion  zeigt: 

Tabelle   XIU. 


Np. 


Infektion 


Bemerkungen 


204 


0,5  ccro 
Kruses 
Serum 


0,5  ccm 
Schaf- 
serum 


Gleich 
danach 
1,5  ccm 
Exsudat 

von 
Nr.  203 


lebt 


Nach  74  Std.  sind  nur  noch  wenige  Bacillen 
mit  viel  Granulabildung  vorhanden,  keine 
Haufenbildung,  keine  Zellen.  Nach  1  Std. 
ebenso.  Nach  2  Std.  wenige  Granula  und 
Bazillen,  keine  Zellen.  Nach  3  Std  weder 
Bazillen  noch  Granula,  fast  keine  Zellen. 
Erst  nach  8  Std.  finden  sich  reichliche 
Leukozyten,  einige  zeigen  Phagozytose. 
Bleibt  am  Leben. 

205    0,5  ccm     wie  204  Nach    V«   Std.    sind    sämtliche    Bazillen    zu 

Haufen  vereint.  Es  finden  sich  bereits 
ansehnliche  Mengen  von  kleinen  poly- 
nuklearen  Zellen  mit  intensiver  Phagozy- 
tose. Nach  Vj  Std.  wie  vorher,  aber  Ver- 
minderung der  Bazillen.  Nach  1  Std.  ist 
die  Zahl  der  Bazillen  weiter  gesunken.  Die 
Haufen  sind  klein,  die  Phagozytose  wird 
schwächer.  Nach  2  Std  weitere  Bazillenver- 
minderung und  Leukozytenvermehrung. 
Nach  3  Std.  sind  nur  noch  einige  kleineHauf en 
mit  Mühe  zu  finden.  Nach  8  Std.  reiner  Eiter 
ohne  Bazillen  und  Granula.  Bleibt  am  Leben. 

Beide  Sera  hätten  also  in  der  Menge  von  0,5  ccm  schützen 
können ;  die  Verschiedenheit  der  Wirkungsweise,  das  Fehlen  der 
Agglutination  und  das  spätere  Eintreten  der  Leukozytose  in  Ver- 
suchen mit  Kruses  Serum  tritt  deutlich  hervor. 

Trotz  der  auffallend  gesteigerten  Wirkung  niufste  die  in- 
travenöse Injektion  des  Aggressins  wieder  aufgegeben  werden, 
da  dieselbe  nur  mit  sichtlicher  Lebensgefahr  auszuführen  war. 
Bald  nach  der  Injektion  wurde  das  Schaf  krank,  die  Atmung 
frequent  und  dann  röchelnd,  kurz,  das  Tier  bot  die  Symptome 
eines  akutesten  Lungenödems.  Dann  erfolgte  die  Erholung 
sehr  rasch,  das  Tier  war  am  nächsten  Tage  wieder  gesund  und 
zeigte  auch  nur  kurze  Zeit  hindurch  Gewichtsabnahme.  Ob  diese 
bedrohlichen  Erscheinungen  auf  das  Toxin  des  Exsudates  zurück- 
zuführen sind,  oder  einfach  auf  die  artfremde  Flüssigkeit^),  ist 
nicht  entschieden,  doch  ist  letzteres  wahrscheinlicher. 


1)  Vgl.  »Die  Serumkrankheit«  von  y.  Pirquet  und  Schick. 


Von  Dr.  Yonetarö  Kikacbi. 


317 


Es  wurde  dann  noch  Aggressin  in  grofsen  Dosen  je  10  und 
20  com  auf  einmal  in  das  lockere  Gewebe  der  Schenkelfalte  in- 
jiziert, wonach  die  Infiltrationen  rasch  zurückgingen.  Wesentlich 
stärker  war  aber  darnach  die  schützende  Serumwirkung  nicht 
geworden. 

Tabelle  XIV. 


Bemerknngen 


218 


0,5  ccm 
Serum 


IV,  Agar- 
kultnr 


lebt 


219 


0,1  ccm 
Serum 


IV,  Agar- 
kultur 


in  der 
Nacbt 


Nach  10  Min.  findet  sich  starke  Haufenbil- 
dung der  injizierten  Bazillen,  meist  um 
polynnkleäre  Leukozyten  herum.  Nach  V, 
Std.  auffallende  Abnahme  der  Bazillen, 
ohne  Granulabildung.  Gleichzeitig  sind 
auch  die  Leukozyten  fast  verschwunden. 
Nach  1  Std.  nehmen  die  Leukozyten  wieder 
etwas  zu,  die  Bazillen  sind  weniger  ge- 
worden, hie  und  da  findet  sich  nnsichpre, 
vereinzelte  Granulabildung.  Nach  2  Std. 
haben  sich  die  Bazillen  gegen  früher  etwas, 
aber  immer  unter  Haufenbildung,  vermehrt. 
Gleichzeitig  treten  reichlich  kleine,  weniger 
grofse  polynukleäre  Leukozyten  auf  mit 
energischer  Phagozytose.  Nach  3  Std.  Ab- 
nahme der  Bazillen,  sonst  wie  vorher.  Nach 
7  Std.  sind  noch  immer  Bazillen  in  unge- 
fähr gleicher  Zahl,  vorher  neben  massen- 
haft I^ukozyten  zu  finden;  die  Phagozy- 
tose hat  an  Intensität  nachgelassen.  Das 
Tier  war  noch  am  nächsten  Morgen  krank 
und  wurde  sehr  marastisch. 

Nach  10  Min.  bilden  viele  Bazillen  um  kleine 
polynukleäre  Leukozyten  kleine  Häufchen« 
Nach  V,  Std.  ist  die  Haufenbildung  der 
Bazillen  sehr  ausgesprochen.  Zellen  wie 
vorher.  Nach  1  Std.  haben  sich  die  Bazillen 
unter  stärkster  Haufenbildung  etwas  ver- 
mindert. Zellen  nicht  auffällig  vermehrt. 
Nach  2  Std.  ist  die  Haufenbildung  gröfsten- 
teils  verschwunden,  die  Zahl  der  Bazillen 
hat  sich  vergröfsert,  aber  auch  die  der 
Zellen,  welche  stärkste  Phagozytose  zeigen. 
Nach  3  Std.  sind  die  Bazillen  vermindert, 
die  Leukozyten  aber  nur  wenig  vermehrt. 
Nach  7  Std.  neben  vielen,  meist  kleinen 
polynukleären  Leukozyten  mit  schwacher 
Phatrozytose  wieder  sehr  zahlreich  freie 
Bazillen  vorhanden.  Ln  toten  Tiere  findet 
sich  eine  starke  Verunreinigung  durch 
grofse  dicke  Stäbchen. 


318     Aggressinimmanität  gegen  den  Shiga-RrnBeechen  Dysenteriebazilliu. 


Infektion 


Bemerkungen 


220 


Kontrolle 


221 


0,5  com 

Serum 

i.  perit. 


222 


Kontrolle 

ohne 

Serum 


223;  0,4  ccm 
Serum 


224 


0,1  ccm 
Serum 


225 


Kontrolle 

ohne 

Sttrum 


IV,  Agar- 
kultnr 


gleich 
darauf 
0,75  ccm 
frisches 
Exsudat 
von  220 
i.  perit. 


wie  221 


gleich 
darauf 
0,5  ccm 
frisches 
Exsudat 
von  222 


wie  223 


wie  2l^3 


in  der  I  Die  Bazillen  vermehren  sich  ohne  jede 
Nacht  HaufenbildunK  ununterbrochen.  Leukozyten 
treten  während  der  ganzen  Beobachtung^ 
nur  in  sehr  gerin)2:er  Zahl  in  die  Bauch- 
höhle ein.  Die  Sektion  ergibt  den  Befund 
schwerster  Infektion. 

nach  Nach  V/^  Std.  ist  starke  Haufenbildung  bei 
5  Tag.  Anwesenheit  weniger  Leukozyten  zu  be- 
obachten. Nach  V,  Std.  sind  die  Bazillen 
fant  verschwunden.  Nach  1  Std.  ebenso,  es 
treten  einige  polynukleäre  Zellen  mit 
schwacher  Phagozytose  auf.  Nach  3  Std. 
sind  noch  spärliche  Bazillen,  neben  massen- 
haften Zellen  mit  schwacher  Phagozytose 
zu  finden.  Das  Tier  wurde  schwer  krank, 
erholte  sich  dann,  ging  aber  nach  5  Tagen 
marastisch  ohne  Bazillen  zugrunde. 

I 

in  der  ;  Fortschreitende    Vermehrung    der    Bazillen, 
Nacht  |{    ohne     Leukozytenübertritt,     schwerste    In- 
fektion. 

nach  Nach  Vs  Stunde  schöne  Haufenbildung  der 
32  Std.  Bazillen,  wenig  Leukozyten.  Nach  1  Std. 
vermindern  sich  die  Bazillen  sehr  stark. 
Nach  2  Std.  treten  massenhaft  I.ieukozyten 
mit  Phagozytose  in  die  Bauchhöhle  über 
ohne  sichtliche  Veränderung  der  Zahl  der 
freien  Bazillen.  Die  Bazillenzahl  bleibt  im 
wenentlichen  trotz  Eiters  in  der  Bauch- 
höhle gleich  bis  nach  8  Std.,  wo  wieder 
Vermehrung  eintritt.  Die  Sektion  ergab 
ein  dick  eitriges  Exsudat  mit  vielen  Auf- 
lagerungen auf  I^her,  Milz  und  Netz.  Leuko- 
zyten mit  starker  Phagozytose,  daneben 
reichliche  freie  Bazillen. 

nach  Nach  V,  Std.  finden  sich  nur  wenig  Andeu- 
24Std.  I  tungcn  von  Haufenbildunginder  ungeheuren 
I  Menge  der  Bazillen.  Keine  Leukozyten. 
Nach  1  Std.  wie  vorher.  Nach  2  Std.  treten 
Leukozyten  auf,  aber  viel  weniger  zahlreich 
als  bei  223.  Das  Bild  bleibt  unter  bestän- 
diger Zunahme  der  Bazillen  und  langsamer 
Abnahme  der  Leukozyten  so  bis  zum 
nächsten  Mort^en.  Die  Sektion  ergibt  ein 
dickes  eitriges  Exsudat  mit  massenhaft  Ba- 
zillen und  sehr  vielen  polynukleären  Zellen 
mit  intensiver  Phagozytose.  Reich  liehe  eitrige 
Auflagerungen. 

nach    Fortschreitende     Bazillenvermebrung     ohne 
8*/, St.;     Lenkozytenzutritt.     Befund  der  schwersten 
Infektion. 


Von  Dr.  YonetarS  Kikachi.  819. 

Die  Schutzkraft  des  Scbafserums  kann  also  bei  der  ge- 
wählten Infektionsart  gegenwärtig  mit  0,5  com  für  ein  Meer- 
schweinchen von  200—300  g  angenommen  werden.  Das  scheint 
auf  den  ersten  Blick  sehr  wenig  im  Vergleiche  z.  B.  mit  den 
Kruseseben  Seris,  die  in  kleinen  Bruchteilen  eines  Milligramms 
noch  schützten.  Das  Ergebnis  wird  aber  ein  anderes,  wenn  man  die 
Infektionsart  berücksichtigt,  die  gewählt  wurde  und  gewählt 
werden  mufste,  um  Infektion  und  Gift,  oder  auch  Infektion, 
Aggressin  und  Gift  gleichzeitig  zur  Wirkung  zu  bringen.  Leider 
war  es  wegen  empfindlichen  Tiermangels  nicht  möglich,  das 
Serum,  welches  Herr  Prof.  Kruse  in  liebenswürdigster  und 
dankenswerter  Weise  zur  Verfügung  gestellt  hatte,  im  Meer- 
schweinchenversuch ausführlich  vergleichend  zu  prüfen,  wie  es 
für  Agglutination  und  ßakteriolyse  in  vitro  geschehen  konnte. 

Was  den  Schützwert  des  Schafserums  gegen  Toxinwirkung 
beim  Kaninchen  betrifft,  so  wurde  derselbe  nur  qualitativ  geprüft; 
0,6  ccm  Schafserum  schützte  vollständig  gegen  0,25  ccm  Toxin 
(mindestens  fünffach  tödliche  Dosis),  beides  subkutan  und  örtlich 
und  zeitlich  getrennt  (das  Antitoxin  8  Stunden  vorher)  angewendet. 

Bei  der  Durchsicht  der  bei  Zuführung  der  Wirkung  des 
Schafserums  ausführlich  wiedergegebenen  Versuche  fällt  sofort 
in  Übereinstimmung  mit  den  Ergebnissen  bei  der  aktiven  Aggressin- 
immunisierung  das  rasche  und  reichliche  Zuströmen  der  Leuko- 
zyten auf,  dem  wohl  hier  dieselbe  Bedeutung  wie  dort  beigelegt 
werden  mufs.  Es  findet  auch  dann  noch  statt,  wenn,  wie  bei 
Nr.  224,  beständig  grolse  Mengen  von  sich  vermehrenden  Bazillen 
in  der  Bauchhöhle  sind,  und  liefert  das  Sektionsbild  der  relativ 
leichten  Infektion,  wo  die  Bauchhöhle  des  Kontrolltieres  fast 
leukozytenfrei  bleibt. 

In  den  Fällen,  wo  der  Schutz  deutlich  ausgesprochen  ist,  er- 
folgt aber  auch  mehr  oder  minder  rasche  Abnahme  der  in  grofser 
Menge  eingespritzten  Bakterien.  Von  einer  sicheren  Auflösung^ 
Quellung  und  Körnchenbildung  war  nur  selten  eine  Spur  zu 
bemerken,  obwohl  sie  nach  den  Versuchen  von  Lentz^)  in  der 
Meerschweinchenbauchhöhle  gut  beobachtet  werden  kann. 

1)  Lentz,  Handbuch  von  Kolle  und  Wassermann,  Bd.  4,  8.  898. 


320     AggreflHnimmanitftl  ^egen  den  Shigm-KniBeschen 


Im  Reagenzglasversacbe  fehlte  jede  Bedeutung  von  Immun- 
körperwirkung  so  vollständig,  dafs  Zusatz  des  inaktivierten  Serums 
sogar  eine  Verschlechterung  der  als  Komplement  benutzten 
Kaninchenseris  herbeiführte. 

Tabelle  XV. 
Schaf Mram,  wie  da«  in  Tabelle  XII  mit  Heench weinchen  201,  202  benatste. 

Sofort    Nach  4  St. 

1.  0,1  inakt  Schafseram  +  0,3 akt.  Kanin.Seram  -f  0,6  XaCK 

2  0,05     »  .  +0,3    »  .  +065 

3.  0,01     t  ,  -1-0^    >  .  +0,69 

4.  0,001  »  .  —0,3    >  >  +0,69 

5.  0^    >  >  +0,7       »  0 

6.  1         .  104 


.88 


einige 
Taosend 


Tabelle  XVL 
Schafeernm,  wie  da«  in  Tabelle  XII  mit  Meerschweinchen  201,  202  benatate. 

Sofort  Nach  4  St. 


1.   04  inakt.  Schafsemm  +  0,3  akt.  Kanin.-Semm  +  0,6  Na  Gl 


2.   0,05     »               t 

+  0,3    . 

+  0.65     * 

3.   0,01     >               > 

+  0,3    1 

+  0,69     » 

4.   0,1    Krose-Seram 

+  0,3    1 

+  0.6      , 

5.   0,05              > 

+  0,3     : 

+  0,65     » 

6.   0,01 

+  0,3      : 

+  0,69     » 

7. 

0,3    1 

-0,7       > 

CO 


ca. 
30  000 


ca. 
10000 


Sehr  auffällig  trat  auch  die  Wirkung  des  Kruse  sehen 
Serums  (dasselbe  war  ungefähr  zwei  Jahre  alt)  nicht  her\'or,  doch 
bestand  immerhin  ein  sehr  deutlicher  Unterschied  gegen  das 
Schafserum.  Die  benutzte  Kultur  war  die  wenig  virulente 
Krusesche  Stammkultur. 

Während  der  Mangel  von  sichtbar  zu  machenden,  bakteri- 
ziden Eigenschaften  nicht  auffallend  war,  kam  die  Ausbildung 
hoher  agglutinierender  Fähigkeiten  im  Tierkörper  selbst  über- 
raschend, um  so  mehr  als  das  Serum  im  Glase  nur  wenig  agglu- 
tinierte.  Schon  bei  aktiv  immunisierten,  weit  schöner  aber  bei 
Serumtieren  trat  diese  Eigentümlichkeit  schon  ganz  kurze  Zeit 
nach  der  Bazilleneinführung  auf.  Die  Haufen,  die  sich  bildeten, 
waren  oft  sehr  grofs  und  unterschieden  sich  einigermafsen  von 
denen,    wie    sie    aufserhalb    des    Tierkörpers    durch    z.    B.    das 


Von  Dr.  YonetarCS  Kikachi.  321 

Kruse  sehe  Serum  erzeugt  wurden.  Sie  waren  nämlich  aufser^ 
ordentlich  dicht  und  machten  einen  sehr  kompakten  Eindruck. 
In  sehr  vielen  Fällen  gaben  Leukozyten,  die  meist  mit  Bazillen 
erfüllt  waren,  den  Kern  der  Haufen  ab,  in  anderen  waren  die 
Leukozyten  nur  noch  undeutlich  zu  sehen,  öfters  fehlten  sie 
ganz.  Wie  die  oben  mitgeteilten  Versuchsauszüge  erkennen 
lassen,  konnte  auf  die  Haufenbildung  vollständiges  Verschwinden, 
aber  auch  wieder  Auseinandergehen  der  Bazillen  und  Vermehrung 
erfolgen.  Auch  BaiP)  hatte  bei  Typhusaggressinimmunität 
Bazillenagglutination  in  der  Bauchhölile  von  Meerschweinchen  be- 
obachtet, während  aber  seine  Sera  dabei  auch  aufserhalb  der  Tier- 
körper agglutinierten,  erwies  sich  das  in  dieser  Richtung  wiederholt 
und  sehr  genau  untersuchte  Schafserum  als  dauernd  sehr  wenig 
wirksam. 

Tabelle  XVH 

Schafseram   wie  in  den  Versuchen  mit  Meerschweinchen  201,  202,  203  in 
Tabelle  XII.    Agglutination  2  Stunden  bei  37 «  G. 

Verdflnnung  Kruses  Serum  Schafserum 

1:50 

Komplett, 


1:100 

1:&00 

1:1000 

1:2000 

1 :  5000  Deutlich,  aber  unvollständig 


klar  geworden, 
mit  Satz 


Keine  Agglutination. 


Tabelle  XVm. 

Die  gleiche  Sera  wie  in  Tabelle  XVII,  3  Tage  später   untersucht.     Aggluti- 
nationsprüfnng  nach  Weil  bei  55 <^  C.    Das  Ergebnis  ist  nach  halbstflndiger 
Beobachtung  bei  dieser  Temperatur  notiert     Auch  später  trat  keine  Ver- 
änderung ein. 

VerdOnnung  Kruses  Serum  Schafserum 

50  ^  Schwache  Haufenbildung. 

100  I  TT        1  xi  ündeutl.  Beginn  ohne  Fortschreiten 

600  [  Komplett 

1000         J  }  Keine  Agglutination. 

5000  Deutlich 

Tierische  Bazillen  aus  dem  Exsudate   infizierter  Tiere  unter- 
liegen   der  Agglutination    durch    das  Kruse  sehe  Serum    etwas 


1 
1 
1 
1 
1 


1)  Wiener  klin.  Wochenschr.,  1905,  Nr.  17. 


322    Aggreasimmmaiiität  gegen  den  ShigA-Kmseschen  D3r8enteriebarilla8. 

schwächer  als  KultarbaziUen,  ein  Ergebnis,  das  mit  Rücksicht 
auf  die  Verhältnisse  bei  Typhus  nicht  ohne  Bedeutung  ist,  das 
Schafserum  agglutinierte  dieselbe  überliaupt  nicht. 

Tabelle  XIX. 
Gewaschene  Bazillen  aus  dem  Exsadate  eines  der  intraperitonealen  Infek- 
tion erlegenen  Meerschweinchens.    Anordnung  wie  in  der  vorigen  Tabelle ; 

4  Tage  später  angestellter  Versuch. 
Verdünnung  Kruses  Serum  Schafserum 


1 
1 
1 
1 
1 


50 

100  \  Komplett 

500 

1000  Schwache 

5000  Keine 


>  Agglutination 


Keine  Agglutination. 


Erst  die  letzte  der  bisher  untersuchten  Serumproben  des 
Schafes  liefs  eine  deutliche  Agglutination  bei  55®  bis  zur  Ver- 
dünnung 1  :  100  erkennen. 

Tabelle  XX. 
Schafserum  wie  das  in  Tabelle  XIV,  für  die  Meerschweinchen  von  218  ff. 

benutzt.     Agglutination  bei  55®. 

Verdünnung           Kruses  Serum  Schafperum 

1 :  50       \  Nach  10  Min.  beginnende,  nach  V/,  Std. 

I  Nach  10  Min.  komplette  komplette 

1 :  100      j           Agglutination  Nach  10  Min.  keine,  nach  V»  St.  komplette 

! '  ^^  ^  Nach  Vj  Std   noch  nicht      )  ^      ,         ......       .     ,    .     ^ 

1 :  lüOO    \  deutlich,  erst  nach  4  Std.       f  ^^ch  nach  4  Std.  keine  Agglutination 

1:5000    I  komplett  J 

Bessere  Resultate  in  bezug  auf  Agglutination  aufserhalb  des 
Tierkörpers  lieferten  Aggressinimmunisierungen  an  Kaninchen 
und  Meerschweinchen,  doch  waren  auch  hier  die  erzielten  Werte 
nicht  bedeutend. 

Tabelle   XXI. 
Serum  von  Kaninchen  28  und  Meerschweinchen  89  (s.  Tab.  VII). 

Agglutinations versuch  bei  b^°. 
Verdünnung  Kaninchenserum  Meerschweinchenserum 


1 :  50  Nach  7i  ß^-  keine,  nach 

1  Std.  unvollständig 
1:100 


>       Keine  Agglutination 


Nach  v,  Std.  keine 

Nach  1  Std.  ziemlich  komplette 
1 :  500        /        *''^*"«  «gg.— .*«.v»>,..  Keine  Agglutination 

Dieses  eigentümliche  V^erhalten  des  Serums,  das  auch  nach 
seiner   subkutanen    Anwendung    nach    Bazilleninjektion    in    die 


Von  Dr.  YonetarQ  Kikachi.  328 

Bauchhöhle  auftrat,  aufserhalb  des  Tieres  aber  bereits  in  relativ 
starker  Konzentration  fehlte,  aufzuklären,  gelang  nicht.  Es  er- 
innert sofort  an  Versuche  von  ßaiP)  bei  Typhus  in  der  Meer- 
schweinchenbauchhöhle, wo  eine  getrennte  Entstehung  der  hapto- 
phoren  Agglutiningruppe  (des  Agglutinophors)  und  der  toxophoren 
(des  Hemiagglutinins)  wahrscheinlich  gemacht  werden  konnte. 

Es  sieht  so  aus,  als  ob  dem  Aggressinserum  einer  dieser 
beiden  Bestandteile  fehlte  und  erst  im  Tiere  selbst  dazutreten 
würde.  Versuche  aufserhalb  des  Tierkörpers,  die  »Ergänzung! 
der  fehlenden  Bestandteile  vorzunehmen,  hatten  bisher  keinen 
sicheren  Erfolg.  Da  es  aber  in  neuerer  Zeit  immer  wahrscheinlicher 
wird,  dafs  die  Agglutination  im  wesentlichen  auf  physikalische 
Zustandsänderungen  in  den  Suspensierungsfiüssigkeiten  beruht, 
wird  wohl  auch  eine  andere  Erklärung  gesucht  werden    müssen. 

Der  unmittelbare  Eindruck  aber,  den  man  bei  Verfolgung 
dieser  merkwürdigen  Haufenbildung  über  ihren  Zweck  erhält, 
geht  dahin,  dafs  es  darauf  ankommt,  die  Bazillen  aus  der  freien 
Bauchhöhle  zu  entfernen  und  sie  am  Netze  u.  dgl.  niederzu- 
schlagen, also  in  den  unmittelbaren  Wirkungsbereich  der  hier 
besonders  reichlich  auftretenden  grofsen  polynukleären  Leuko- 
zyten und  den  Makrophagen  zu  bringen.  Das  müfste  natürlich 
durch  die  Haufenbildung  sehr  erleichtert  werden. 

Bei  der  in  kurzer  Zeit  stattfindenden  Bakteriolyse  z.  B.  von 
Choleravibrionen  unter  dem  Einflüsse  hochwertiger  Sera,  kann 
das  gar  nicht  erfolgen,  der  Mechanismus  ist  ein  ganz  anderer. 
Sowie  das  Stadium  der  Aggressinimmunität  bei  Typhus  und  hier 
bei  Dysenterie  zum  ersten  Male  eine  Haufenbildung  in  grofsem 
Mafsstabe  im  Tierkörper  hat  auffinden  lassen,  würde  sie  jetzt 
auch,  teleologisch  gesprochen,  einen  Zweck  der  sonst  ganz  un- 
verständlichen Agglutination  zu  erkennen  geben. 

In  kurzer  Zusammenfassung  lieferte  die  Untersuchung  über 
Aggressinimmunität   bei  Dysenterie  bisher  folgende  Ergebnisse: 

1.  Es  gelingt  Meerschweinchen  gegen  schwere  und  schwerste 
intraperitoneale  Infektion    mit    Dysenteriebazillen    durch 


1)  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  42,  S.  307. 


324     Shiga-Krasescher  Dysenteriebaiillas.    Von  Dr.  Yonetarö  Kikuchi. 

zweimalige  iDfektion  sterilen  aggressiven  Meerschweinchen- 
exsudats  aktiv  zu  immunisieren. 

2.  Kaninchen  können  durch  ähnliche,  entsprechend  kleinere 
Injektionen  gegen  das  Dysenterietoxin  immunisiert  werden. 

3.  Nach  langer  Vorbehandlung  mit  solchen  Exsudaten 
liefern  Meerschweinchen,  Kaninchen  und  Schafe  ein 
Serum,  welches  in  Mengen  von  etwa  0,5  ccm  Meer- 
schweinchen von  intraperitonealer  Infektion,  Kaninchen 
vor  Vergiftung  zu  schützen  vermag. 

4.  In  der  Bauchhöhle  aktiv  und  passiv  immunisierter  Meer- 
schweinchen findet  eine  eigentümliche  und  starke  Haufen- 
bildung der  injizierten  Dysenteriebazillen  statt,  obwohl 
die  agglutinierenden  Eigenschaften  des  Serums  in  vitro 
nur  sehr  wenig  ausgeprägte  sind. 

5.  Das  durch  Aggressinbehandlung  gewonnene  Immunserum 
zeigt  in  vitro  nicht  die  bekannten  Eigenschaften  eines 
bakteriolytischen  Serums,  im  aktiv  und  passiv  immuni- 
sierten Meerschweinchen  lassen  sich,  wenn  überhaupt, 
nur  Spuren  einer  Bakteriolyse  auffinden. 

6.  Die  hier  studierte  Immunitätsform  mufs  daher,  abgesehen 
von  ihrer  antitoxischen  Komponente,  als  eine  neuartige, 
antiaggressive  bezeichnet  werden. 

Zum  Schlüsse  meines  Aufenthaltes  in  Europa  ist  es  mir  Be- 
dürfnis, Herrn  Prof.  Hueppe  für  die  gewährte  Arbeitsmöglichkeit 
und  das  beständige  Interesse  an  meiner  Arbeit  und  Herrn  Prof. 
Bail  für  die  tatkräftige  Unterstützung  bei  der  Ausführung 
derselben  meinen  ergebensten  Dank  auszusprechen. 


über  Bleiyergiftnngen  durch  eine  Wasserleitung. 

Von 

Inspektor  Dr.  Paul  Portner. 

(Aas  der  k.  k.  allg.  Untersachangsanstalt  für  Lebensmittel  der  deutschen 
Universit&t  in  Prag.    Vorstand:  Prof.  Hueppe.) 

In  den  folgenden  Zeilen  soll  über  eine  Bleivergiftung  be- 
richtet werden,  für  deren  Entstehung  anfänglich  unter  Berück- 
sichtigung der  in  der  diesbezüglichen  Literatur  niedergelegten  E2r- 
fahrungen  unter  Vorbehalt  eine  Erklärung  gegeben  wurde,  welche 
namentlich  auch  im  Hinblicke  auf  das  vorliegende  Protokoll  nahe 
lag,  sich  aber,  wie  spätere  Versuche  zeigten,  nicht  aufrecht  er- 
halten liefs.  Es  scheint  vielmehr  im  vorliegenden  Falle  ein 
einziger  Faktor  mafsgebend  gewesen  zu  sein,  die  Bleilösung  zu 
bewirken  bzw.  zu  fördern.  Allerdings  wirkte  entschieden  be- 
günstigend die  Länge  der  Bleiröhrenleitung. 

Der  Sachverhalt  war  folgender: 

In  einem  isoliert  stehenden,  einer  Betriebsunternehmung  ge- 
hörigen Gebäude,  in  welchem  nur  Arbeiterwohnungen  imter- 
gebracht  waren,  erkrankten  im  Dezember  1903  neun  Inwohner 
unter  Symptomen  von  Bleivergiftung.  Stuhlverstopfung,  krampf- 
artiges Zusammenziehen  im  Leibe,  namentlich  um  die  Nabel- 
gegend, schiefergrauer  oder  blauschwarzer  Saum  am  Zahnfleische, 


326  Über  Bleivergiftangen  durch  eine  Wiaserleitiiiig. 


allgemeine  Blfisse,  Appetitlosigkeitt  übler  Geschmack  im  Mande 
und  Erbrechen  deuteten  mit  gröfster  Wahrscheinlichkeit  auf 
schwere  Bleivergiftungen.  Die  ganze  Sachlage  lieis  gleichzeitig 
einen  gemeinsamen  Herd  vermuten,  als  welcher  das  von  allen 
Bewohnern  in  gleicher  Weise  genossene  Trinkwasser  angesehen 
wurde.  Eine  an  Ort  und  Stelle  von  den  hierzu  berufenen  SanitAts- 
Organen  vorgenommene  vorläufige  Prüfung  ergab  die  Anwesen- 
heit von  Blei,  Salpetersäure  und  salpetriger  Säure  in  dem  Wasser. 
Es  wurden  nun  der  Leitung  zwei  Liter  Wasser  entnommen  und 
dieselbe  sodann  gesperrt.  Aufiser  diesen  zwei  Litern  Wasser  wurden 
noch  weitere  zwei  Liter  Wasser  aus  jenem  Teil  der  Leitung 
entnommen,  welcher  sich  vor  dem  Anschlufs  des  Bleirohres 
befand. 

Die  Leitung  ist,  wie  das  Protokoll  anführt,  eine  seit  1896 
bestehende  Hochquellenleitung,  von  welcher  ein  Strang  bis  zu 
einem  der  obenerwähnten  Betriebsuntemehmung  gehörigen  Kohlen- 
schachte  führt.  Von  diesem  Schachte  aus  liefs  die  Betriebsunter- 
nehmung  einen  Bleirohrstrang  bis  zu  dem  Gebäude  legen,  in 
welchem  die  Erkrankungen  beobachtet  worden  waren.  Diese  Blei- 
rohrleitung lag  etwa  1,3 — 1,5  m  tief  knapp  unter  dem  Kanal- 
graben, welcher  die  heifsen  Kondenswässer  des  Schachtes  iührt 
und  stark  durchlässig  sein  soll,  und  passierte  endlich  im  Hofe 
des  Gebäudes  die  Nähe  einer  vollständig  undichten  Senkgrube, 
deren  umgebendes  Terrain  mit  Senkgrubeninhalt  durchsetzt  sein 
soll.  Die  ganze  Bleirohrleituug  ist  680  m  lang  und  war  seit 
August  1903  in  Betrieb.  Die  ersten  Erkrankungen  waren  im 
Oktober  beobachtet  worden  und  zur  Zeit  der  Untersuchung  waren 
von  den  27  in  dem  Hause  wohnenden  Leuten  17,  d.  i.  63%, 
teils  leichter,  teils  schwerer  erkrankt  und  2,  d.  i.  7,4%,  ge- 
storben. Die  der  ßleiintoxikation  Erlegenen  waren  zwei  Kinder 
im  Alter  von  2  Jahren,  bzw.  9  Monaten.  Bemerkt  sei  noch,  dals 
die  Zweigleitung  am  tiefsten  Punkte  der  Hauptleitung  ange- 
schlossen war,  und  dafs  sich  häu6g  Druckunregelmäfsigkeiten 
einstellten. 

Die  chemische  Analyse  der  beiden  eingesendeten  Wasser- 
proben ergab  folgendes  Resultat  (mit  I  ist  das  vor  Anschlufs  des 


Von  Inspektor  Dr.  Panl  Fortner.  327 

Bleirohres  entnommene  Wasser,  mit  II  jenes  aus  der  Bleirohr- 
leitung bezeichnet): 

Milligramm    Milligramm 
im  Liter        im  Liter 

i.  n. 

Gesamtrückstand  bei  100^  C  .     .     .  105,0  120,8 

Kalk 14,4  14,8 

Magnesia 7,7  7,3 

Eisenoxyd + Tonerde 0,4  0,8 

Ammoniak 0  0 

Chlor 8,4  8,0 

Salpetrige  Säure 8      starke  Reakt. 

Salpetersäure Spur  Spur 

Schwefelsäure 24,4  21,3 

Schwefelwasserstoff 0  8 

Kaliumpermanganat- Verbrauch    .     .  7,8  10,3 

Gesamthärte  (in  deutschen  Graden)  2,5  2,5 

Bleioxyd 8  17,5 

Die  chemische  Analyse  läfst  also  erkennen,  dafs  das  Wasser 
(II)  der  Zweigleitung  stark  bleihaltig  ist  und  bestätigt  so  die  aus- 
gesprochene Vermutung  der  gemeinsamen  Ursache  der  Ver- 
giftungen. 

Da  leider  nur  zwei  Liter  des  bleihaltigen  Wassers  zur  Unter- 
suchung eingesendet  worden  waren,  konnte  eine  quantitative  Be- 
stimmung des  Gehaltes  an  salpetriger  Säure  nicht  mehr  vor- 
genommen werden.  Eine  nach  drei  Wochen  nachgesendete  Probe 
aus  der  Bleirohrleitung,  welche  während  dieser  Zeit  gesperrt 
war,  ergab  eine  anscheinend  gleich  starke,  qualitative  Reaktion 
auf  salpetrige  Säure;  die  quantitative  Bestimmung  ergab  einen 
Gehalt  von  nur  2,0  mg  salpetriger  Säure  im  Liter.  Dagegen  war 
der  Bleigehalt  von  17,5  mg  auf  3,2  mg  im  Liter  gesunken. 

Dieses  Sinken  des  Bleigehaltes  legte  die  Vermutung  nahe, 
dafs  der  Gehalt  an  salpetriger  Säure,  welchen  man  in  Zusammen- 
hang mit  dem  gelösten  Blei  brachte,  äufseren  Ursachen  zuzu- 
schreiben sein  dürfte,  wenngleich  logischerweise  in  diesem  Falle 
auch  ein  Ansteigen  des  Chlorgehaltes  hätte  erwartet  werden  sollen. 


X» 


Usuüi    ii5r  "Äiait   ui    irsaniacaia'  Tuusanr   irw     zeac  "-anomal 
^n  rCjuiiimnemangirag  Ji  lkz.  Tiser  itsr  Z^^^^nemn^  IZ  süss 


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n  isencxacTiC^^mir  luer  nes^   ,  •n-syamie  ixni  les  ^irr^HmniT»»!! 


hitf«Li>Kaii^  '^'.rxiiii^r  i»t5  ^-iriftganien  nenüeii  "roicjüiai  "Visos 
uirÄnnitÄ  ▼■■irien  »in  i^irm  L  iuris,  üe  siöiiiiiiii  -.kn^  ty^'j  3x1 
Ei*ir;r*r>MraiiÄ,  2.    innh,   de  2«5fi<iiiaäaiiieir  ies  "STiäiers  1:1  ^i*n 

T'^n  ^Tjir.rjTiCji*^:    zuzizim^'Ziri^  FLcu-vlseni.    üe  \f.!»r-'-t»r  j^^ 

.friÄL.ftr.  ir^r.khar  ir.ii  .r.:':u»ie»eci  -az,  ZlniirLi^c  t:ci  Aii»ar 
w*.«er.  ii/fiATAr'iT.  TTirie  ta-  :-  iitisei:  Az-iMc:  i:ircii  iez.  i"^- 
fcul.^r.r:    -:**ii7r=r^    B-.ei^trLi.:    i-rr    ier    ir»L   "^iccen   rfsr-rm   g^ 

Kifidr.v^ri  ron  L«::?:  :::ri'i  Fr^icii"izi-T:i:  toq  a:iirii  'iie  bl-riljäeadea 

ÜThrA  dÄ^<:g<!rri  da^  Wasser  in  der  Le::un^.  s*:-  tat  ein 
Diffundifrre:*  vori  nm^ehender  Fenchrizkei:  dirch  den  iai  Irmem 
dftr  I^ritang  herrsoaeriden  Druck  erscn-yer:  iz-y.  unmC-güch  ge- 
rriA/;ht,  daher  der  geringere  Bleig'rhal:  der  Wasäerprobe  au3  der 
3  W/y.'hen  gesperrt  ge-s^-eserien  Leitung.  Die  im  Protokoll  er- 
wÄhnten  DnickücbwankuTigen  in  der  Leimng  liefsen  sieh  auch 
ziemlich  ungezwungen  rnit  L'ndichtigkeiten  bzw.  einer  äufseren 
V^irlelzung  oder  Korrosion  des  Bleirohres  in  Einklang  bringen« 
wiewohl  Hie  ja  auch  anderen  Crsachen  hätten  zugesehrieben  werden 
kennen,  und,  nebenbei  bemerkt,  nach  WolffhügeH*  bei  dem 
Vorgänge  der  Bleiaufnahme  eine  mehr  untergeordnete  Rolle 
Hfiielen. 

]j  Ar^Miiten  a   tl.  Kmb,  Gefl.-Amte,  II  (1807^,  S.  509. 


Von  Inspektor  Dr,  PküI  Forinet.  329 

Auf  jeden  Fall  wurde  auf  Entfernung  der  680  m  langen 
Bleirohrleitung  gedrungen  und  dieselbe  bei  der  Beschaffenheit 
des  Wassers  höchstens  unter  den  üblichen  Vorsichtsmafsregeln 
für  die  Hauseinleitung  als  zulässig  erklärt. 

Da  den  ausgesprochenen  Vermutungen,  namentlich  was  die 
Undichtigkeit  der  Leitung  anbelangte,  von  der  die  Untersuchung 
leitenden  Behörde  nicht  widersprochen  wurde,  mufste  schUefslich 
angenommen  werden,  dafs  dieselben  den  Tatsachen  entsprechen, 
wiewohl  alledem  der  sich  in  beiden  Wasserproben  gleichbleibende 
Chlorgehalt  zu  widersprechen  schien. 

Durch  1^/2  Jahre  später  ausgeführte  Versuche  wurde  un- 
zweideutig festgestellt,  dals  die  Annahme  der  Undichtigkeit  der 
Röhren,  um  die  Anwesenheit  der  salpetrigen  Säure  zu  erklären, 
gar  nicht  nötig  war  und  sich  die  beobachteten  Erscheinungen 
auch  sonst  ebensogut,  wenn  nicht  besser  anders  erklären  lassen. 
In  einer  von  der  grofsen  Literatur,  betreffend  die  Einwirkung  von 
Wasser  auf  Bleiröhren,  bisher  völlig  unberücksichtigt  gebliebenen 
Abhandlung  »Über  Nitrifikation,  III.  Über  die  Umwandlung  der 
alkalischen  Nitrate  in  Nitrite c  hat  Schönbein ^)  schon  im 
Jahre  1861  darauf  hingewiesen,  dafs  Blei  wässerige  Lösungen 
von  Alkalinitraten  reduziert,  indem  Alkalinitrit  gebildet  wird  und 
Blei  in  Lösung  geht.  Er  hat  diese  Einwirkung  auch  bei  anderen 
Metallen  studiert  und  gefunden,  dals  Cd,  Zn,  K  und  Na  ebenso 
reduzierend  wirken,  Fe,  Sn  und  AI  dagegen  nicht. 

Ich  habe  zunächst  diese  Angaben  hinsichtlich  des  Bleies 
nachgeprüft  und  kann  sie  bestätigen.  Sodann  erweiterte  ich 
diese  Nachprüfung  hinsichtlich  der  für  den  Wasserleitungsbetrieb 
hauptsächlich  in  Betracht  kommenden  Metalle:  Zink,  Eisen, 
Kupfer,  Zinn  und  der  Legierung  Messing,  und  kann  für  das  Zink 
Schönbeins  Beobachtung  bestätigen,  für  Eisen  dagegen  nicht 
insoferne  Eisen  die  anwesenden  Nitrate  auch,  wenn  auch  in  ge- 
ringerem Orade  reduziert  als  Zink.  Kupier,  Zinn  und  Messing 
verhalten  sich  ganz  indifferent.  Die  Versuchsanordnung  war 
folgende :  Zirka  20  cm  lange,  0,8  cm  dicke  zylindrische  Stäbe  mit 


1)  Joom.  f.  prakt  Chemie,  84,  204. 
ArehlT  fflr  HygtoM.  Bd.  UV.  22 


330  Über  BleiTCffgiffaiiigeii  dordi  eine  Wa—erieitang. 

blanker  Oberflftche  aus  Zink,  Elisen,  Zinn,  Kupfer  und  Messing 
wurden  in  22  cm  hohe  mit  eingeriebenen  Glasstopfen  verschliefs- 
bare  Glaszylinder  gestellt,  in  welchen  sich  nitrathaltiges  Quell- 
wasser (ungefähr  20  mg  SalpetersAure  im  Ldter  entsprechend) 
befand.  Die  Zylinder  wurden  unter  Vermeidung  von  Luft- 
blasen verschlossen  und  zwölf  Stunden  im  Dunkeln  stehen  ge- 
lassen. Die  Probe  mit  dem  Zinkstabe  war  ganz  milchig  trübe, 
mit  weilsem  Bodensatz;  das  Filtrat  liels  nach  dem  Ansäuern  mit 
verdünnter  Schwefelsäure  und  Zufügen  von  Jodzinkstärkekleister 
sofort  durch  Blaufärbung  salpetrige  Säure  erkennen.  Die  Probe 
mit  dem  Eisenstab  hatte  reichlich  Flocken  von  Eisenoxydhydrat 
abgeschieden;  auch  dieses  Filtrat  gab  deuthch,  wenngleich 
schwächer,  die  Reaktion  auf  salpetrige  Säure.  Die  Zylinder  mit 
den  Kupfer-,  Zinn-  und  Messingstäben  enthielten  ganz  klare, 
farblose  Lösungen,  welche  frei  von  salpetriger  Säure  waren. 

Die  von  Schönbein  zuerst  ausgesprochene  Einwirkung 
von  Blei  auf  im  Wasser  gelöste  Nitrate  hat  im  vorliegenden 
Falle  entschieden  die  gröfste  Bedeutung  und  ein  direkter  Ver- 
such gab  nun  Aufklänmg  über  die  Entstehung  der  salpetrigen 
Säure  in  dem  Wasser  der  Bleirohrleitung. 

Von  dem  Wasser  der  Hauptleitung  war  noch  eine  zwei  Liter 
enthaltende,  mit  Pergament  verbundene  Flasche  vorhanden.  Eis 
wurde  zunächst  die  Bleifreiheit  des  Wassers  konstatiert,  sodann 
auf  Salpetersäure  und  salpetrige  Säure  geprüft.  Die  Reaktion 
mit  Diphenylamin-Schwefelsäure  fiel  auch  diesmal,  wievorl72J&hren 
schwach  positiv  aus;  es  konnte  nur  auf  Spuren  geschlossen 
werden,  da  die  Reaktion  äufserst  langsam  und  nur  ganz  schwach 
eintrat.  Salpetrige  Säure  war  keine  vorhanden,  wie  die  Reaktion 
mit  Jodzinkstärkekleister  und  verdünnter  Schwefelsäure  zeigte; 
selbst  nach  1^/2  stündigem  Stehen  trat  keine  Blaufärbung  auf. 
Nun  wurde  in  einen  der  oben  erwähnten  Glaszylinder  ein 
ca.  10  cm  langes,  innen  geschwefeltes  Bleirohr  ^)  von  0,5  cm  Dicke 
und   1,3  cm    lichter  Weite  gebracht,    mit   dem  von    salpetriger 


])  Herrührend  von  der  inkriminierten  Leitung  mit  einem  Grehalte  von 
99,92%  BleL 


Von  tnspektor  Dr.  Paal  Fortn^ir.  ^^1 

Säure  freien  Wasser  der  Hauptleitung  vollgefüllt  und  unter  Ver- 
meidung von  Luftblasen  verschlossen  24  Stunden  an  einen 
dunkeln  Ort  gestellt.  Nach  dieser  Zeit  war  das  Wasser  im 
Zylinder  von  weifsen  Flocken  erfüllt,  am  Boden  selbst  befand 
sich  ein  weifser  Niederschlag  und  im  Wasser  war  Blei  auf- 
gelöst. Das  durch  Filtrieren  von  der  Suspension  getrennte,  mit 
verdünnter  Schwefelsäure  angesäuerte  Wasser  gab  mit  Jodzink- 
stärkekleister sofort  deutlich  und  bald  stärker  werdend  die  für 
salpetrige  Säure  charakteristische  Blaufärbung,  so  dals  durch 
diesen  Versuch  unzweideutig  die  Herkunft  der  salpetrigen  Säure 
im  Wasser  der  Zweigleitung  erwiesen  erscheint. 

Natürlich  interessierte  unter  diesen  Umständen  auch  der 
Gehalt  des  Wassers  der  Hauptleitung  an  Salpetersäure,  von 
welcher  die  Diphenylamin-Schwefelsäure-Reaktion  nur  Spuren 
angezeigt  hatte.  Die  durchgeführte  quantitative  volumetrische 
Bestimmung  ergab  einen  Gehalt  von  9,1  mg  im  Liter.  Wiewohl 
eine  solche  Menge  nie  einen  Grund  zur  Beanstandung  geboten 
hätte,  läfst  der  Versuch  doch  erkennen,  dafs  die  qucditative 
Salpetersäurreaktion  mit  Diphenylamin  und  konzentrierter  Schwefel- 
säure unter  Umständen  zu  Täuschungen  über  die  Menge  der 
wirklich  vorhandenen  Salpetersäure  Anlafs  geben  kann;  denn  die 
Reaktion  trat  erst  nach  mehreren  Minuten  und  dann  nur  kaum 
erkennbar  ein,  und  als  »Spure  ist  eine  scheinbar  so  geringe  Menge 
wohl  kaum  zu  bezeichnen.  Die  Reaktion  auf  salpetrige  Säure 
hingegen  war  sehr  intensiv,  so  dafs  man  anfänglich  ihr  Vor- 
handensein mit  dem  der  Salpetersäure  nicht  in  Zusammenhang 
brachte.  Erst  die  quantitativen  Bestimmungen  führten  auf  diesen 
Gedanken.  Der  Versuch  lehrt  aber  auch,  wie  geringe  Mengen 
von  Nitraten  genügen,  eine  Bleilösung  herbeizuführen,  wobei  im 
vorliegenden  Falle  die  Länge  der  Bleirohrleitung  allerdings  als 
wesentlich  unterstützendes  Moment  in  Betracht  zu  ziehen  ist. 
Ein  wenn  auch  noch  so  geringer  Nitratgelialt  des  Wassers  dürfte 
daher  jedenfalls  bei  Bleirohrleitungen  als  ganz  besonders  gefähr- 
lich anzusehen  sein,  ja  sogar  den  Anlafs  dazu  bieten,  bei  einem 
solchen    von   Bleirohrleitungen   überhaupt   abzusehen.     Auf   die 

den  Bleiangriff  befördernde  Fähigkeit  der  Nitrate  hat  auch  neuer- 

22* 


332  Über  BleivergiftaDgen  darch  eine  Wasserleitang. 

dings  Ru2iöka^)  in  seinen  »Systematischen  Untersuchungen  über 
die  Angreifbarkeit  des  Bleies  durch  das  Wassere  mit  Recht  hin- 
gewiesen. Der  YorUegende  Fall  bestätigt  diese  Tatsache  ganz 
eklatant.  ^) 

Die  im  ersten  Gutachten  auffallenden  Umstände  fallen  nun- 
mehr ohne  weiteres  fort,  weil  sie  sich  mit  den  später  festgestellten 
Tatsachen  ganz  gut  in  Einklang  bringen  lassen. 

Es  könnte  aber  jetzt,  wo  die  Annahme  einer  Undichtigkeit 
in  den  Röhren  überflüssig  ist,  auf  den  ersten  Blick  befremdend 
erscheinen,  dafs,  wie  früher  erwähnt,  das  Wasser,  während  es 
gesperrt  in  der  Leitung  gestanden,  also  seine  Einwirkungsdauer 
auf  die  Bleiröhren  eine  gröfsere  war,  weniger  Blei  aufgelöst  hatte 
als  bei  beständigem  oder  doch  normalem  Gebrauch.  Eine  Er- 
klärung, welche  die  gröfste  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat, 
dürfte  in  der  Überlegung  gefunden  werden,  dafs  die  Einwirkungs- 
dauer des  Wassers  nur  scheinbar  einen  die  Bleilösung  begünsti- 
genden Einflufs  hat,  der  ja  schon  durch  die  vorhandene  Nitrat- 
menge begrenzt  erscheint,  in  der  Tat  aber  eigentlich  einen 
hemmenden  Einflufs  zeigen  mufs.  Ru^iöka^)  stellt  folgende 
Reihe  von  Salzen  in  bezug  auf  ihre  Fähigkeit,  den  Bleiangriff 
zu  beschränken,  auf:  Nitrat,  Chlorid,  Sulfat,  Karbonat.  Nitrate 
greifen  am  stärksten  an,  werden  also  zunächst  mit  dem  Blei  in 
Wechselwirkung  treten,  und  es  ist  leicht  denkbar,  dafs  bei  ge- 
ringen Mengen,  wie  sie  z.  B.  hier  vorliegen,  die  ganze  verfüg- 
bare Menge  in  Reaktion  tritt.  Es  wird  dann  bei  beständig 
fliefsendem  Wasser  der  hemmende  Einflufs  der  Chloride,  Sulfate 
und  Karbonate  gar  nicht  zur  Geltung  kommen,  weil  die  Bildung 
der  betreffenden  Bleisalze,  ihrer  geringeren  Löslichkeit  ent- 
sprechend, in  der  kurzen  Zeit  nicht  statthaben  kann.  Steht  da- 
gegen das  Wasser  in  der  Leitung,  so  kommt  dieser  hemmende 

1)  Archiv  f.  Hygiene,  41  (1902),  8.  23. 

2)  Mit  Ausnahme  Kerstings  (s.  Wolffhügel,  Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.- 
Amte,  II  (1887),  S.  507),  der  diese  Tatsache  in  Abrede  stellt,  weisen  alle 
Forscher,  welche  sich  mit  dem  Stadium  der  Einwirkung  der  im  Wasser  ge- 
lösten Nitrate  auf  Bleiröhren  beschäftigt  haben,  auf  die  Fähigkeit  derselben 
hin,  die  lösende  Wirkung  des  Wassers  zu  erhöhen. 

3)  Archiv  f.  Hygiene,  41,  S.  31. 


Von  Inspektor  Dr.  Paal  Fortner.  333 

Einflufs  sehr  wohl  zur  Geltung,  indem  jetzt  die  Umsetzung  mit 
den  Chloriden,  Sulfaten  und  Karbonaten  allmählich  vor  sich 
gehen  kann  und  so  ein  Teil  des  ursprünglich  gebildeten  löslichen 
Bleisalz  in  unlösliches  übergeht,  also  der  Lösung  entzogen  wird 
und  durch  Bildung  einer  Schichte  an  den  Rohrwandungen  einen 
weiteren  Bleiangriff  wesentlich  erschweren  wird.  Es  kommt  also 
beim  Stehen  des  Wassers  in  der  Leitung  namentlich  der  Über- 
schufs  der  Chloride,  Sulfate  und  Karbonate  gegenüber  den  Ni- 
traten in  Betracht,  und  hiermit  scheint  die  auf  den  ersten  Blick 
auffallende  Erscheinung,  dafs  das  stehende  Wasser  weniger  Blei 
aufgelöst  hatte  als  das  füefsende,  ziemlich  ungezwungen  erklärt. 
Es  soll  diese  Erklärung  nicht  als  die  einzig  mögUche  hingestellt 
und  der  Einflufs  des  Luftsauerstoffs,  der  ja  immerhin  im 
fliefsenden  Wasser  mehr  zur  Geltung  kommen  könnte  als  im 
stehenden,  dadurch  in  Abrede  gestellt  werden. 

Was  die  Erklärung  des  Bleiangriffs  überhaupt  anbelangt, 
kann  man  der  Anschauung,  welche  sich  Ru^iöka^)  hierüber 
bildet,  vollkommen  beipflichten;  nur  hat  man,  wie  ich  glaube, 
nicht  notwendig,  bei  der  Einwirkung  des  blofsen  destillierten 
Wassers  auf  Blei  die  Anwesenheit  von  gelöster  Luft  bzw.  Sauer- 
stoff anzunehmen^),  da  ja  das  destillierte  Wasser  selbst  zu  einem 
(wenn  auch  geringen)  Teile  jonisiert  ist  und  die  Anwesenheit 
von  geringen  Mengen  von  freien  H-  und  OH-Jonen  die  Bildung 
des  Bleioxydhydrates  auch  im  destillierten  Wasser  hinreichend 
erklärt.  Aus  den  Tabellen,  welche  Ru^iöka  bei  seinen  Ex- 
perimenten über  den  Einflufs  der  verschiedenen  Salze  auf  die 
Löslichkeit  des  Bleies  in  Wasser  aufgestellt  hat,  geht  ferner  her- 
vor, dafs  dieser  Einflufs  durchwegs  und  zwar  bei  verhältnismäfsig 
kleiner  Konzentration  der  Lösungen  ein  Maximum  erreicht, 
welches  sehr  wahrscheinlich  das  Maximum  der  Jonisation  des 
betreffenden  Salzes  anzeigt,  bei  welchem  der  stärkste  Bleiangriff 
erfolgt.  Bei  zunehmender  Konzentration  erfolgt  dann  wieder 
eine  Abnahme  der  Bleilöslichkeit.     Es   scheint   nicht  unwichtig, 


1)  Archiv  f.  Hygiene,  41,  S.  42. 

2)  R.  sagt   »destillierteB  Wasser,   welches  angeblich  Luft  resp.   Sauef- 
stoff  enthalten  mnfs«. 


334     Ober  Bleivergiftnngen  durch  eine  WaMerleitang.    Von  Dr.  Pftol  Fortner. 

auf  diese  Tatsache  hinzuweisen,  wiewohl  der  obgenannte  Autor 
selbst  es  unterlassen  hat,  weil  sie  vollkommen  in  Einklang  mit 
den  Jonisationsvorgängen  steht. 

Auch  die  Bildung  der  salpetrigen  Säure  ist  auf  diese  Vor- 
gänge zurückzuführen.  Denn  die  im  Wasser  vorhandenen 
H-Jonen  (von  der  Jonisation  des  Wassers  herstammend)  und  die 
aus  den  Nitraten  stammenden  NOs-Jonen  wirken  bleilösend ;  der 
hierdurch  disponibel  werdende  Wasserstoff  hat  nun  Gelegenheit, 
auf  einen  Teil  der  vorhandenen  Nitrate  reduzierend  zu  wirken 
und  dadurch  die  Bildung  von  salpetriger  Säure  bzw.  Nitriten 
zu  veranlassen. 

Bei  allen  diesen  Lösungsvorgängen  hat  sich  auch  im  vor- 
liegenden Fall  die  Schwefelung  der  Bleirohre,  welche  auch  in 
Österreich  durch  einen  Ministerial-Erlafs  vom  27.  November  1884 
gefordert  wird,  ziemlich  illusorisch  erwiesen.  Darauf  haben 
früher  schon  B^lohoubek,  Hammon  und  Reichardt  hin- 
gewiesen. Die  leichte  und  stets  ungleich  dichte  oberflächliche 
Schichte  von  Schwefelblei,  welche  sich  bei  der  üblichen 
Schwefelung  bilden  kann,  bietet  sicher  den  Angriffen  der  einzig 
und  allein  bei  einer  Bleilösung  in  Betracht  kommenden  Säuren 
der  betreffenden  Salze  kein  genügendes  Hindernis.  Im  vor- 
liegenden Falle  ist  das  zum  mindesten  als  er^nesen  zu  betrachten, 
da  der  Bleiangriff  erfolgte,  trotzdem  die  Rohre  geschwefelt  waren. 
Geschwefelte  dürften  daher  ungeschwefelten  Rohreu  ziemlich 
gleichzuhalten  sein  und  zur  Beurteilung,  ob  in  einem  konkreten 
Falle  Blei  röhren  überhaupt  zuzulassen  sind,  lediglich  das  be- 
treffende Wasser  nach  eingehenden  Versuchen  bezüglich  seiner 
Fähigkeit,  Blei  anzugreifen,  zu  gelten  haben. 


Die  Bakteriendurchlässigkeit  der  normalen  Magendarm- 

schleimhaut  im  Säuglingsalter. 

Von 

Dr.  med.  B.  Hilgermajin. 

(Aas  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.    Direktor :  Geli.  Med.- 

Rat  Prof.  Dr.  M.  Rubner.) 

(Mit  Tafel  EL) 

In  der  kürzlich  erschienenen  Arbeit^)  Kickers,  in  welcher 
letzterer  die  Durchtrittsmöglichkeit  von  Bakterien  durch  die 
normale  Schleimhaut  des  Intestinaltraktus  säugender  Tiere 
kulturell  erwiesen  hatte,  deutete  er  bereits  auf  den  Wert  des 
Studiums  von  Schnittpräparaten  hin,  um  oben  erwähnte  Über- 
trittsverhältnisse und  das  Verhalten  des  Schleimhautepithels  noch 
genauer  prüfen  und  präzisieren  zu  können. 

Auf  Anregung  von  Herrn  Geheimrat  Rubner  habe  ich  in 
Gemeinschaft  mit  Herrn  Professor  Dr.  Ficker,  dem  ich  an 
dieser  Stelle  für  seine  Unterstützung  und  Anleitung  bei  Abfassung 
der  Arbeit  meinen  herzlichsten  Dank  ausspreche,  einige  weitere 
Fütterungsversuche  an  neugeborenen  Tieren  gemacht  und  deren 
Ergebnisse  vom  pathologischanatomischen  Gesichtspunkt  aus 
festzustellen  versucht.  Gemäfs  der  Versuchsanordnung  Fickers 
in  seiner  Arbeit  wurde  wiederum  ein  Bazillus  aus  der  Gruppe 
der  säurefesten  und  zwar  der  unbewegliche  Blindschleichen- 
tuberkelbazillus  gewählt,  dessen  Nachweis  in  der  Darmwand  oder 

1)  M.  Ficker,  Über  die  Keimdichte  der  normalen  Schleimbant  deß 
Jntestinaltraktas.    Archiy  f.  Hygiene,  Bd.  52. 


336     BakteriendarehllHigkeit  der  nonnalen  MagendarmMfaleimhAot  eic. 

den  Organen  unschwer  ist.     Um  aber  den  etwaigen  Eünwnrf  zu 

entkräften,     dafs    es    sieh   hierbei    doch    immerhin     am    einen 

infektiösen    Keim   handle,   kam  aufserdem   ein  nicht  infektiöser 

Bazillus  aus  der  Gruppe  der  säurefesten,  der  iPetribazillusc,  noch 

zur  Verwendung. 

Tenaeh  L 

Einem  1  Tag  alten  Kaninchen  wird  aas  der  Pipette  ca.  1  com  einer 
Anfachwemmnng  von  2  Blindachleichentnberkaloee-Agarkaltaren  in  ca.  50  com 
Milch  aof  die  Zonge  getr&afelt.  Das  Tier  macht  deatliche  Schlack-  and 
Saagbewegnngen.  Kach  IV,  Standen  Tötang  dorch  Strangnlation  and  aofortige 
Sektion.  Magen,  Milz,  Leber  and  Nieren  werden  in  toto  in  6proz.  FormAl- 
dehjdlöflang  gelegt,  der  Darm  in  kleinste,  ca.  ^.\ — Vi  cm  lange  Stückchen 
serschnitten  and  ebenfalls  in  Formalin  gebracht  Daranff olgende  Paraffin- 
einbettang  teils  nach  dem  Verfahren  von  Labarsch,  teils  gernftCs  dem  von 
Henke*;  angegebenen  Azeton-Paraffinverfahren. 

Von  dem  Magen-  and  Darmtraktna  warde  sodann  in  verschiedenen 
Höhen  mit  lieracksichtigang  der  einzelnen  Übeig&nge  Serien  in  der  Schnitt- 
dicke von  5 — 10  /i  gefertigt.  Fftrbang  mit  Hämatoxylin^Earbolfachsin  nach 
der  Ziehl-Nielsenschen  Methode  oder  mit  Karbolfnxin-Methylenblaa. 

Yersaeh  IL 

Meerschweinchen,  1  Tag  alt,  wird  mit  der  gleichen  Saspension  ge- 
füttert.    Weitere  Veraachaanordnang  wie  bei  Versach  L 

Tersneh  IIL 

Kaninchen,  1  Tag  alt,  erhält  eine  Anfschwemmang  von  5  Ösen  einer 
48  Stunden  alten  Petribazillenaufschwemmung  in  2  ccm  sterilem  Wasser  anf 
die  Zunfc«  geträufelt.  Tötung  nach  IVs  Standen  durch  Strangulation  and 
sofortige  Süktion. 

IMe  Organe  werden  teils  in  6proz.  Formaldehydlösung,  teils  in 
Zenk ersehe  Lösung  gelegt. 

Paraffinbettang  and  Färbung  wie  bei  Versach  I. 

Parallel  mit  diesen  Verfütterungsversuchen  wurden  Kontroll- 
prüfungsversuche angelegt  behufs  Feststellung  der  Fixations- 
ffthigkoit  der  zur  Anwendung  gelangenden  Lösungen.  Es  wurden 
3  O.seii  der  verwandten  Kulturen  sowohl  in  Formalin  als  in 
Zenk  er  scher  L(^sung  aufgeschwemmt  und  von  dieser  Auf- 
schwemmung je  5  Ösen  nach  5,  10,  15  und  20  Minuten  in 
Bouillon  übertragen.  Gleichzeitige  Anlegung  von  Kontrollröhrchen, 

1)  Henke-Zeller,  Aseton-Paraffin-Schnelleinbettung.  Zentralbl.  f. 
allgeui.  Pathologie  u.  patholog.  Anatomie,  Bd.  XVJ,  Nr.  1. 


Von  Dr.  med.  R.  Hilgennann.  337 

d.  h.  es  wurden  BouillonrOhrchen  mit  1  Nadelspitze  Kultar  und 
5  Ösen  der  verwandten  Bixationsflüssigkeiten  beschickt.  Sämtliche 
Röhreben  wurden  durch  ca.  8  Tage  beobachtet.  Die  Röhrchen 
der  Serie  I  blieben  steril,  die  Kontrollröhrchen  dagegen  waren 
stets  positiv.  Aulserdem  wurden  noch  späterhin  von  sämtlichen 
Röhrchen  Agarplatten  angelegt,  die  dasselbe  Resultat  wie  oben 
ergaben. 

Postmortale  Wachstums  Vorgänge,  bedingt  durch  ungenügendes 
Abtöten  der  Kulturen  innerhalb  der  verwendeten  Fixationsflüssig- 
keiten,  sind  also  auszuschliefsen. 

Die  durch  die  Versuche  I  und  III,  also  beim  Kaninchen 
gewonnenen  Serienschnitte  ergaben  zunächst,  dals  die  verfütterten 
Bakterien  im  Magen  einer  Auflösung  nicht  anheimgefallen, 
sondern  dafs  sie  in  den  Darmkanal  selbst  gelangt  waren. 

In  den  oberen  Partien  des  Dünndarmes  liefsen  sie  sich  am 
reichlichsten  nachweisen,  um  sodann  gegen  das  Oebiet  des  Dick- 
darmes hin  und  in  diesem  selbst  allmählich  an  Intensität  abzu- 
nehmen. In  der  Lagerung  der  Bakterien  innerhalb  des  Lumens 
war  eine  gewisse  Gruppierung  insofern  zu  erkennen,  als  sie  sich 
im  Magen  und  Dünndarm  teils  im  freien  Lumen  selbst  befanden, 
teils  in  kleineren  Häufchen  der  Höhe  der  Zotten  angelagert 
waren.  Im  Dickdarm  hingegen  fanden  sich  wohl  im  Anfangs- 
gebiet  spärliche  Häufchen,  weiterhin  aber  nur  einzelne,  ver- 
sprengte Keime. 

Aufser  dieser  Passage  der  Bakterien  in  den  Darmtraktus 
konnte  ferner  sowohl  im  Magen,  als  auch  im  Verlaufe 
des  ganzen  Darmkanals  ein  Durchtritt  in  die 
Schleimhaut  selbst  konstatiert  werden.  Abgesehen 
von  einzelnen,  ohne  besonderes  Bindeglied  übergetretenen  Bazillen, 
möchte  ich  gemäfs  der  Übereinstimmung  der  verschiedenen  Bilder 
eine  Art  etappenförmige  Lagerung  der  Bakterien  in  der  Schleim- 
haut annehmen. 

Betrachten  wir  uns  im  mikroskopischen  Bilde  die  Magen- 
schleimhaut, so  sehen  wir  zunächst,  wie  bereits  oben  ange- 
geben, Bakterien  der  Höhe  der  Zotten  angelagert.  Diese  An- 
lagerung einzelner  Bakterien,  vielleicht  von  dem  übrigen,  unge- 


338     Bakteriendurchlässigkeit  der  normalen  Magendarmschleimhant  etc. 

hindert  passierenden  Hauptteil  passiv  abgesondert,  vielleicht  auch 
durch  aktive  Kräfte  zur  Resorption  herangezogen,  dürfte  die 
erste  Stufe  und  gewissermafsen  den  Stützpunkt  für  den  Eintritt 
bilden.  Läfst  sich  doch  gerade  an  dieser  Stelle  das  typisch-stufen- 
förmige  Vordringen  der  Bakterien  studieren.  Schon  an  diesen 
Bakterienhäufchen  selbst  kann  man  eine  losere  und  eine  engere 
Anlagerung  an  die  Zotte  erkennen.  Etwas  abgelöst  von  dem 
eigentlichen  Häufchen  sieht  man,  wie  ein  vorgeschobener  Bazillus 
sich  auf  das  innigste  dem  achsialsten  Teil  der  Zelle  anlagert,  fast 
als  ob  sein  Durchgang  in  die  Schleimhaut  unmittelbar  bevor- 
stände. In  einem  zweiten  Stadium  ist  ein  anderer  bereits  im 
Zustande  des  Übertritts  zu  erkennen,  wie  er  gerade  durch  die 
Schleimhautgrenze  hindurchschlüpft.  Besonders  gut  lälst  sich 
dieser  Eintritt  in  die  Schleimhaut  studieren,  wenn  der  Bazillus 
noch  halb  im  freien  Lumen,  halb  in  der  Zellpartie  gelagert  an- 
zutreffen ist.  In  den  verschiedensten  Richtungen  vollzieht  sich 
der  Übergang,  bald  sind  die  Bazillen  direkt  senkrecht,  bald 
schräg,  bald  horizontal  gelagert.  Immer  aber  handelt  es  sich, 
um  diesen  Punkt  noch  einmal  hervorzuheben,  um  vereinzelte 
Bakterien,  die  in  der  Zahl  ihres  Übertritts  in  keinem  Verhältnis 
zu  der  des  Lumeninhaltes  stehen.  Als  Folge  auf  diesen  im 
Durchtritt  begriffenen  Bazillus  kann  man  sodann  einen  anderen, 
d.  h.  den  nächst  vorhergegangenen  wohl,  bereits  völlig  durch- 
getreten sehen.  Seinen  Abschlufs  findet  also  dieser  Übertritt 
mit  der  Lagerung  des  Bazillus  in  der  Zelle  selbst.  In  der  Zelle 
ist  die  Lagerung  eine  stets  völlig  gleichartige:  in  der  Mitte  des 
Protoplasmas  zwischen  Kern  und  Grenze  der  Zelle  (Fig.  I). 

Gemäfs  den  Difseschen^)  Untersuchungen  über  die  unvoll- 
kommene Schleimbildung  in  jugendlichen  Zellen  wird  diese 
Lagerung  mitten  im  Protoplasma  verständlich.  Geschlüpft  durch 
die  Lücken  des  natürlichen  Schutzwalles  des  vorerst  noch  aus 
einzelnen  zusammenhangslosen  Kugeln  bestehenden  Schleimüber- 
zuges, muTs  der  Bazillus,  tritt  er  in  die  Zelle  ein,  an  dieser  Stelle 
des   Protoplasmas    zu    liegen   kommen.     Eine   Kombination    von 

1)  Difse,  XJntersnchangen  über  die  Durcbgängigkeit  der  jugendlichen 
Magendarmwand  für  Taberkelbazillen.    Berliner  klin.  Wocbenscbr.,  1903,  S.  4. 


Von  Dr.  med.  R.  Hilgttinann.  339 

Schleim-  und  Basillenftrbung,  die  wohl  am  ehesten  in  diese 
Verhältnisse  Klarheit  bringen  konnte,  ist  mir  nicht  gelungen. 

Handelt  es  sich  nun  inrklich  bei  diesen  Bildern  um  eine 
Aufnahme  seitens  der  Schleimhaut,  nicht  um  ein  Kunstprodukt 
beim  Einbetten  oder  Schneiden,  so  mufs  man  die  Bakterien  auch 
weiterhin  verfolgen  kOnnen.  Ist  ja  doch  eine  Verschleppung  der 
Bakterien,  sind  sie  einmal  in  die  Zelle  gelangt,  auf  dem  Wege 
der  Blut-  oder  Lymphbahn,  leicht  erklärbar.  In  der  Tat  folgte 
auf  die  Lagerung  in  der  Zelle  —  wie  die  mikroskopischen  Bilder 
zeigten  —  der  Durchtritt  in  das  Zottenlunien  und  schlielslich 
in  die  inneren  Organe,  vor  allem  in  die  Milz.  Letzteres  habe 
ich  vorweggenommen,  da  ja  diese  Ergebnisse  für  den  Magen 
wie  den  Darm  gleichbedeutend  sind. 

Was  den  Darm  anbetrifft,  so  wurde  sowohl  der  Dünndarm, 
als  der  Dickdarm,  besonders  auch  der  proo.  vermif.  untersucht. 
Hier  zeigte  sich  ein  wesentlicher  Unterschied  in  der  Anzahl  der 
durchgetretenen  Keime  im  Verhältnis  von  Dünn-  und  Dickdarm. 
Während  im  Dünndarm,  zumal  im  oberen  Drittel,  ein  reichlicher 
Übertritt  erfolgt  war,  nahm  derselbe  im  Dickdarm  bedeutend  an 
Stärke  ab.  Nur  noch  vereinzelte  Bakterien  wurden  innerhalb 
der  Schleimhaut  gefunden.  Zieht  man  aber  in  Betracht,  was 
ich  oben  bereits  über  die  geringe  Anzahl  der  Bakterien  im  Lumen 
des  Dickdarmes  sagte,  so  wird  diese  anscheinend  verminderte 
Schleimhau tdurchgängigkeit  verständlich.  Ist  doch  sicherlich 
von  der  jedesmaligen  Menge  der  Bakterien  im  Lumen  die  Durch- 
trittsmOglichkeit  durch  die  Schleimhaut  abhängig. 

Im  allgemeinen  boten  die  mikroskopischen  Bilder  des  Darmes 
Übereinstimmung  mit  denen  des  Magens,  indem  auch  sie  einen 
allmählichen  Übertritt  der  verfütterten  Bakterien  zeigten.  Erst 
wiederum  die  Anlagerung  der  Bakterien  auf  der  Höhe  der  Zelle, 
dann  der  Durchtritt  und  schliefslich  ihre  Lagerung  im  Proto- 
plasma (Fig.  II). 

Im  proc.  vermif.  waren  die  Übertrittsverhältnisse  denen 
im  Dünndarm  gleich  zu  achten,  eine  stärkere  Beteiligung  also 
direkt  nicht  vorhanden.  Bedenkt  man  aber,  dafs  die  Knickung 
des  proc.  vennil.  eigentlich  an   und  tiXr  sich  eine  Passage  für 


340     Bakfeeriendorchlttssigkeit  der  normalen  MmgendannBchleimhaat  etc. 

durchgehende  Fremdkörper  einschränken  müfste,  so  kann  man 
in  Erwägung  der  gleichen  Übertrittsverhältnisse  wie  im  Dünn- 
darm immerhin  von  einer  stärkeren  Beteiligung  sprechen.  Da 
femer  der  proc-  vermif,  gerade  zu  Entzündungen  und  Läsionen 
geneigt  ist,  so  ist  er  vielleicht  doch  als  Prädilektionsstelle  für 
einen  Übertritt  von  Bakterien  in  Betracht  zu  ziehen. 

Die  in  Vorstehendem  angegebenen  Resultate  beziehen  sich 
auf  die  Versuche  I  und  III,  also  beim  Kaninchen.  Bei  dem 
Versuch  II,  bei  dem  das  Meerschweinchen  als  Versuchstier 
benutzt  wurde,  zeigten  die  Untersuchungsergebnisse,  obwohl  der 
Versuch  in  derselben  Weise  wie  beim  Kaninchen  ausgeführt 
worden  war,  das  Tier  also  die  ungefähr  gleiche  Bakterienmenge 
erhalten  haben  mufste,  wesentliche  Unterschiede  gegenüber  Ver- 
such I  und  III.  Fanden  sich  beim  Kaninchen  die  verfütterten 
Bakterien  in  reichlicher  Menge  im  Lumen  des  Magen-  und 
Darmkanals  wieder,  so  war  beim  Meerschweinchen  ein  bedeutend 
geringeres  Vorhandensein  derselben  zu  konstatieren,  insonderheit 
zeigte  das  Lumen  des  Magens  dieselben  nur  in  spärlichen  Resten. 
Was  die  Eintrittsverhältnisse  in  die  Schleimhaut  selbst  anbetri£Et, 
so  habe  ich  im  Magen  einen  Übertritt  nicht  finden  können.  Im 
Darm  war  ein  Eintritt  in  die  Schleimhaut  wohl  erfolgt,  doch 
waren  nur  ganz  vereinzelte  Bakterien  übergetreten,  auch  diese 
meist  noch  im  Anfangsstadium  des  Übertritts.  Der  Schleim- 
hautoberfläche eng  angelagert,  sah  man  öfters  vereinzelte  Bakterien, 
ohne  aber  gleichzeitig  einen  Eintritt  flnden  zu  können,  fast  ge- 
wann man  hierbei  den  Eindruck,  als  ob  die  Bakterien  durch  einen 
natürlichen  Wall  den  die  Schleimhautoberfläche  zu  bilden  schien, 
nicht  hindurchdringen  könnten.  Sicherlich  waren  die  Durch- 
tritts- und  Eingangsverhältnisse  in  die  Schleimhaut  nicht  mit 
denen  beim  Kaninchen  zu  vergleichen.  Während  hier  ein  deut- 
lich stufenförmiges  Eintreten  beobachtet  werden  konnte,  das 
unbehindert  vor  sich  zu  gehen  schien,  konnte  beim  Meer- 
schweinchen nur  von  einem  verein/.elten  und  mühsamen  Ein- 
dringen die  Rede  sein.  Ob  hierbei  Rassenunterschiede,  bzw. 
besondere  Schutzvorrichtungen  der  Schleimhaut  mitsprachen, 
kann  zurzeit  nicht  entschieden  werden. 


Von  Dr.  med.  R.  Hilgennann.  341 

Mit  dem  Beweis  des  Eintritts  der  Bakterien  in  die  Schleim- 
haut ergab  sieh  die  weitere  Frage,  welche  Faktoren  diesen 
Durchtritt  ermöglicht  haben  konnten,  und  auf  welchem  Wege 
derselbe  erfolgt  sein  mochte.  Zunächst  lag  gewifs  der  Gedanke 
nahe,  an  einzelne,  zufällig  vorhandene  Läsionsstellen  zu 
denken.  Diese  Annahme  war  aber  auszuschliefsen,  da  sich 
zeigte,  dafs  der  Übertritt  nicht  an  einzelnen  Punkten,  sondern 
im  Verlaufe  der  ganzen  Länge  des  Magen- Darmkanals  erfolgt 
war.  Ebensowenig  konnte  bei  der  immerhin  grofsen  Anzahl  ver- 
fütterter Keime  von  einem  natürUchen  Überfluten,  von  einer 
durch  Reizwirkung  hervorgebrachten  direkten  EintrittsmögUchkeit 
die  Rede  sein.  Wäre  dies  wirklich  der  Fall  gewesen,  dann  hätten 
viel  zahlreicher  und  nicht  in  so  typisch-vereinzelter  Anordnung 
innerhalb  der  Zellen  und  Zotten  die  Bakterien  durchtreten  müssen. 
Besteht  ferner  ein  Unterschied  zwischen  Meerschweinchen  und 
Kaninchen  in  ihrer  Aufnahmefähigkeit  für  Bakterien  wirklich  zu 
recht,  so  würden  gerade  die  beim  Meerschweinchen  gefundenen 
Verhältnisse  letztere  Behauptung  bestätigen,  indem  hier  trotz 
einer  geringen  Menge  von  Bakterien  innerhalb  des  Darmlumens 
doch  Bakterien  übergetreten  waren.  Auch  wäre  vom  technischen 
Standpunkt  aus  ein  Durchtrittsnachweis  einzelner  verfütterter 
Keime  bei  der  grofsen  Länge  des  Magen-Darmkanals  unmöglich 
gewesen. 

Viel  näher  liegt  wohl  der  Gedanke,  zu  glauben,  dafs  gemäfs 
der  Behauptung  v.  Behrings  die  Schleimhaut  im  jugendlichen 
Alter  der  natürlichen  Schutzstoffe  entbehre,  um  einen  Übertritt 
durchwandernder  Bakterien  verhindern  zu  können. 

Der  Nachweis  der  verfütterten  Keime  in  inneren  Organen 
dürfte  femer  den  Einwurf  entkräften,  dafs  es  sich  bei  diesen 
Lagerungsverhältnissen  innerhalb  der  Schleimhäute  vielleicht  um 
eine  mechanische  Einwirkung  beim  Einbetten  oder  beim  Schneiden 
handeln  könnte.  Gegen  diese  Annahme  spricht  auch  der  Um- 
stand, dafs  ich  sowohl  beim  Magen  wie  beim  Darmtraktus  die 
Bakterien  innerhalb  der  Zotten  auch  an  Stellen  gefunden  habe, 
wo  weder  auf  der  Zottenhöhe  noch  in  der  sichtbaren  Peripherie 
des  Lumens  Bakterienhaufen  vorhanden  waren. 


342       BakfrtonfiiiililiMighiir  ete.     Voa  Dr.  dmiL  B.  Hngennann. 

£0  bleibt  noch  die  Fra^  oUsa,  an  wdcher  Stelle  eigentlich 
der  Dorchtritt  erfolgt  sei.  Ob  nun.  wie  Difäe  nacbgewieeea. 
die  mangelhafte  ächleimbildnng  im  jugendlichen  Alter  wenigstens 
für  den  Magen,  oder  ob  die  Interzellnlarräome-  and  Brücken 
einen  Durchtritt  begünstigen,  oder  ob  die  Zelle  aelbet  aktive 
Fonktionen  übernimmt,  entzieht  sich  der  Beobachtung.  Oremäb  dem 
oben  beschriebenen  stofenweiaen  Elintreten  möchte  ich  aber 
glauben,  dala  ee  sich  am  eine  aktive  Tätigkeit  seitens  der 
Sohleimhaat  handele.  Bei  dieser  gewissermafsen  sich  aneinander 
reibenden  Lagerang  der  Bakterien  ist  wohl  eine  Tätigkeit  der 
2^11e  selbst,  event.  ein  Weiterschleppen  darch  dazu  befähigte 
Zellen,  anzunehmen. 

Mit  dem  Nachweis,  dals  Bakterien  durch  die  noch  unge- 
schützte Magendarmwand  aufgenommen  werden  können,  darf 
auch  mit  einer  InfektionsmögÜchkeit  im  jugendlichen  Alter  ge- 
rechnet werden.  Denn  ähnlich  wie  bei  den  Fütterungsversuchen, 
bei  denen  eine  gröfsere  Menge  Bakterien  den  Mageu-Darmtraktus 
ül>erscljwemmt,  liegen  schliefshch  auch  die  Verhältnisse  bei  einer 
bakterienhaltigen  Ernährung,  bei  der  die  stete  Summation  dem 
augenblicklichen  Reichtum  an  Bakterien  der  Fütterungsversuche 
ziemlich  gleichzusetzen  ist. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

KiKur  ].  IjeUz:  Okol.  ].  Obj.  V',,  Ollmmersion.  Tabuslänge  170  min.  Tech- 
nik: Paraffine! nbettong,  Hämatozylin-Karbolf achsin.  Das  Bild  zeigt 
einen  Durchschnitt  darch  die  Schleinihaatoberfl&che  des  Kaninchen- 
fnagens.  Die  Tuberkel bazillen  sind  teils  im  freien  Lamen,  teils  bereits 
in  den  Kpithelzellen  selbst  gelagert. 

Figur  II.  J^its:  Okul.  I.  Obj.  Vn  Öl-Immersion.  Tubaslänge  170  mm.  Tech- 
nik: I'arafflneinbettung,  Karbolfachsin- Methylenblau.  Figur  II  gibt 
einen  QuerHchnitt  und  einen  I^lngsschnitt  einer  Dünndarmzotte  vom 
Kaninchen  wieder.  Die  Tuberkelbazillen  sind  sowohl  im  Begriffe  des 
Durchgangs  durch  die  Schleimhautoberfläche  als  auch  innerhalb  der 
Zellen. 


Blutparasiten  und  Erythrocytolyse. 

Von 

Dr.  A.  Nitele. 

(Aqb  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.    Direktor:  Geh. 

Medinnalrat  Prof.  Dr.  M.  Babner.) 

Am  Schlüsse  eines  kürzlich  in  diesem  Archiv  erschienenen 
Aufsatzes  habe  ich  auf  die  engen  Beziehungen  hingewiesen,  die 
zwischen  dem  Verschwinden  von  Trypanosomen  aus  der  Blut- 
bahn eines  infizierten  Tieres  und  dem  gleichzeitigen  Auftreten 
einer  bisweilen  erheblichen  Anämie  bestehen,  mochte  die  Heilung 
oder  Remission  eine  spontane  oder  eine  durch  künstliche  Mittel 
herbeigeführte  sein.  Hierin  zeigten  auch  alle  drei  mir  zu  Gebote 
stehenden  Trypanosomenarten ,  Tr.  Brucei,  Tr.  equinum  und 
Tr.  Lewisii  keine  prinzipiellen  Unterschiede. 

Diese  Erscheinung  tritt  naturgemäfs  um  so  deutlicher  hervor, 
je  reichlicher  Trypanosomen  im  Blut  vorhanden  sind  und  je 
akuter  sie  daraus  verschwinden;  denn  so  wird  es  dem  Blut- 
regenerationsapparat unmöglich,  für  die  gleichzeitig  erfolgte  Zer- 
störung von  roten  Blutkörperchen  auch  nur  mit  minderwertigem 
Material  in  der  nächsten  Zeit  einen  irgendwie  erhebUchen  Ersatz 
zu  schaffen.  Dementsprechend  liegen  die  Resultate  der  Blut- 
körperchenzählung in  diesen  Fällen  weit  aufserhalb  der  Fehler- 
grenzen; bei  meinen  Versuchen  an  kleinen  Tieren  betrugen  die 
Differenzen  stets  Millionen  pro  EubikmiUimeter. 


344  Blatparasiten  and  Erythrocytolyse. 

Von  dem  zeitlichen  Zusammenfall  der  beiden  Erscheinungen 
kann  man  sich  am  besten  in  der  Weise  überzeugen,  dafs  man 
Mäuse,  die  schon  einigermafsen  reichlich  Cadärastrypanosomen 
oder  die  von  Martini  aus  einem  Togohengst  gewonnene  Na- 
ganaparasiten aufweisen,  mit  schwachen  Trypanrotdosen ,  etwa 
0,2 — 0,3  der  Iproz.  Lösung  pro  15  g  Maus,  behandelt.  Unter 
diesen  Bedingungen  tritt  häufig  in  24  Stunden  noch  keine  Heil- 
wirkung ein,  im  Gegenteil  haben  sich  die  Trypanosomen  in  dieser 
Zeit  manchmal  noch  vermehrt  und  ebenso  findet  man  die  Zahl 
der  roten  Blutkörperchen  kaum  oder  doch  nur  wenig  vermindert, 
und  erst  am  Tage  darauf  läfst  sich  das  Verschwinden  der  Trypa- 
nosomen und  das  gleichzeitige  Einsetzen  der  oft  recht  erheb- 
lichen Anämie  mit  Sicherheit  konstatieren.  Dieser  Synchronismus 
tritt  aber  auch  bei  den  spontanen  Remissionen,  wie  sie  im 
Verlauf  einer  Cadäras-  oder  Naganainfektion  bei  Meerschweinchen 
häufig  zn  beobachten  sind,  sowie  bei  Ratten  unmittelbar  nach 
der  spontanen  Heilung  von  einer  Infektion  mit  Tr.  Lewisii 
deutlich  hervor,  vorausgesetzt,  dafs  Remission  bzw.  Heilung 
einigermafsen  akut  verlaufen. 

Es  lag  daher  nahe,  zu  prüfen,  ob  Stoffe,  die  anerkannter- 
mafsen  Hämolyse  hervorbringen,  auch  imstande  sind,  die  Para- 
siten zu  beeinflussen.  In  der  Tat  ist  es  mit  derartigen  Sub- 
stanzen —  nach  den  bisherigen  Versuchen  besonders  mittels 
Toluylendiamin  —  gelungen,  Trypanosomen  selbst  bei  ziemlich 
weit  vorgeschrittenen  Erkrankungen  teils  bis  auf  vereinzelte 
Exemplare,  teils  vollständig,  wenn  auch  nur  zeitweise,  zum  Ver- 
schwinden zu  bringen.  Von  den  Resultaten  dieser  Versuche 
mag  in  diesem  Aufsatz  nur  erwähnt  werden,  dafs  auch  hier 
manchmal  erst  am  zweiten  Tage  die  Wirkung  sich  zeigte,  und 
dafs  in  solchen  Fällen  die  Blutkörperchenzählung  die  gleichen 
Veränderungen  ergab,  wie  sie  eben  bei  der  Anwendung  von 
Trypanrot  geschildert  wurden.  Reichte  die  Dosis  nicht  hin,  eine 
deutliche  Hämolyse  zu  erzeugen,  so  war  auch  eine  Verminderung 
der  Flagellaten  nicht  zu  konstatieren. 

All  diese  Beobachtungen  waren  geeignet,  in  mir  immer 
mehr  die  Überzeugung  zu  befestigen,  dafs  Vernichtung  der  Trypa- 


Von  Dr.  A.  Nifsle.  345 

nosomen  und  Hämolyse  die  eug  miteinander  verbundenen 
Funktionen  einer  Substanz  darstellen.  Da  die  Anhäufung  dieser 
Substanz  bei  Infektionen  von  Ratten  mit  Tr.  Lewisii  zu  lang 
dauernder  Immunität  führt,  so  halte  ich  auch  in  allen  Fällen, 
wo  es  zu  einer  spontanen  Verminderung  von  Trypanosomen 
unter  gleichzeitiger  Blutkörperchenzerstörung  kommt,  die  An- 
nahme für  berechtigt,  dafs  das  wirksame  Prinzip  von  Körper- 
Zellen  erzeugt  wird,  die  in  dieser  Weise  auf  die  Schädigung  re- 
agieren, welche  durch  Einwirkung  der  im  Blut  enthaltenen  Para- 
siten entsteht. 

Wenn  nun  auch  die  Schädigung,  auf  die  eine  chemische 
Reaktion  erfolgt,  in  letzter  Linie  selbst  chemischer  Natur  sein 
mufs,  so  dürfen  doch  wohl  mechanische  Momente,  wie  das  Ein- 
dringen von  Trypanosomen  in  Erythrozyten  und  ihr  Durch- 
schlüpfen durch  dieselben,  auf  die  ich  in  meiner  vorigen  Arbeit 
aufmerksam  machte,  als  Vorbedingungen  in  Betracht  gezogen 
werden.  Dafür  spräche  die  Tatsache,  dafs  das  Durchschlüpfen 
durch  die  Blutkörperchen  besonders  häufig  bei  längerem  Vor- 
handensein zahlreicher  Flagellaten  im  Blut,  also  auch  kurz  vor 
den  Remissionen  beobachtet  werden  kann.  Anderseits  mag 
auch  allein  schon  eine  Erklärung  in  dem  Sinne  ausreichend  er- 
scheinen, dafs  die  Trypanosomen  als  tierische  Zellen  in  ihrer 
chemischen  Zusammensetzung  eine  relative  Ähnlichkeit  mit  den 
Erythrozyten  besitzen  und  durch  ihre  Anhäufung  deshalb  auch 
eine  gegen  diese  gerichtete  Reaktion  auslösen ;  denn  vorläufig  liegt 
für  mich  kein  Grund  vor,  die  Blutkörperchenauflösung  nur  als 
eine  Nebenwirkung  eines  Zellimmuukörpers  aufzufassen,  wie  sie 
V.  Dungern  als  solche  bei  seinen  Versuchen  über  Epithel- 
immunserum festgestellt  hat,  da  doch  sonst  eine  bisher  wenigstens 
als  rein  hämolytisch  bekannte  Substanz,  wie  das  Toluylendiamin, 
nicht  gleichzeitig  in  solchem  Mafse  die  Trypanosomen  zerstören 
könnte. 

Auf  die  Tatsache,  dafs  die  Beziehungen  zwischen  Trypa- 
nosomen und  roten  Blutkörperchen  enger  sind  als  zuerst  scheinen 
mag,  deuten  aufser  den  in  meinem  letzten  Aufsatz  angeführten 
Beobachtungen  eine  Anzahl  wesentlicher  Übereinstimmungen  mit 

ArchiT  mr  Hygiene.    Bd.  UV.  23 


346  Blatparasiten  und  Erythrocytolyse. 

dem  Verlauf  einer  Blutkrankheit,  bei  der  die  endoglobuläre  Lage 
des  Erregers  von  vornherein  auf  nähere  Beziehungen  zwischen 
ihm  und  dem  Erythrozyten  schliefsen  läfst,  uämHch  der  mensch- 
lichen Malaria  und  besonders  des  auf  dieser  Basis  entstandenen 
Schwarzwasserfiebers. 

Ehe  ich  auf  eine  Untersuchung  derselben  eingehe,  möchte 
ich  noch  auf  eine  Erfahrung  hinweisen,  die  ich  an  der  Wirkungs- 
weise von  verschieden  grofsen  Dosen  solcher  Stoffe  machen 
konnte ,  welche  Trypanosomeninfektionen  günstig  beeinflussen. 
Der  sichtbare  Effekt  steigt  nämlich  nicht  gleichmäfsig  proportional 
der  angewandten  Menge  des  Mittels,  sondern  mehr  sprungweise, 
so  dafs  er  graphisch  als  eine  terrassenförmig  ansteigende  Linie, 
deren  erster  Abschnitt  in  der  Abszisse  selbst  verläuft,  dargestellt 
werden  müfste.  Bei  manchen  Stoffen  mufs  man  sogar  weit  über 
50  7o  derjenigen  Menge  hinausgehen,  die  gerade  zur  vollkommenen 
Beseitigung  der  Trypanosomen  erforderlich  ist,  um  überhaupt 
einen,  wenn  auch  meist  gleich  reichlichen  Erfolg  zu  erzielen; 
und  das  ist  ja  auch  natürlich,  da  man  doch  wohl  annehmen 
mufs,  dafs  die  Widerstandsfähigkeit  eines  grofsen  Teils  der 
Parasiten  ungefähr  die  gleiche  ist.  Deshalb  ist  es  auch  kaum 
zu  verwundem,  wenn  auch  die  spontanen  Verringerungen  der 
Parasitenanzahl,  mag  es  sich  um  Remission  oder  Heilung  handeln, 
sehr  häufig  ebenfalls  deutlich  sprungweise  erfolgen;  besonders 
tritt  dies  bei  der  Infektion  von  Ratten  mit  Tr.  Lewisii  hervor. 
Die  Anhäufung  von  Antikörpern  mufs  eben  erst  einen  gewissen 
Grad  erreicht  haben,   ehe  ihre  Wiikung  manifest   werden   kann. 

Wenn  ich  nun  dazu  übergehe,  die  menschliche  Malaria  zum 
Vergleich  mit  den  bei  Trypanosomiasis  gewonnenen  Resultaten 
heranzuziehen,  so  ist  für  die  Auswahl  dieser  Bluterkrankung 
aufser  der  endoglobulären  Lage  der  Parasiten  das  Vorhandensein 
der  grofsen  Menge  von  Literatur  mafsgebend  gewesen,  die  den 
Mangel  entsprechender,  eigener  Versuche  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  zu  erset/.en  vermag. 

Ich  beginne  mit  dem  Schwarzwasserfieber,  da  hier  die 
Hämolyse  in  den  Vordergrund  der  Erscheinungen  tritt  und  des- 
halb am  genauesten  studiert  worden  ist. 


Von  Dr.  A.  Nifsle.  347 

In  der  Mehrzahl  der  Fälle  sind  es  zwei  Momente,  die  bei 
dieser  Erkrankung  konstatiert  werden  können,  das  Vorhandensein 
von  Malaria  und  eine  dem  Anfall  kurz  voraufgegangene  Chinin- 
gabe. Dazu  ist  zu  bemerken,  da[s  für  das  Chinin  auch  manche 
anderen  Medikamente  eintreten  können  wie  Phenacetin,  Salipyrin, 
Methylenblau  (F.  Plehn,  A.Plehn,  Kleine,  Pause),  ferner  Er- 
kältungen, Überanstrengungen,  Verletzungen  (A.  Plehn),  dafs  aber 
auch  sichere  Fälle  beobachtet  worden  sind,  wo  aufser  der  Malaria 
keine  weiteren  Anhaltspunkte  gefunden  werden  konnten  (A.Plehn, 
Daniels,  Moffat);  i . . . .  und  selbst  ohne  nachweisbare  besondere 
Veranlassung  tritt  der  Blutzerfall  zuweilen  im  Verlauf  eines 
Malariafiebers  eint  (A.  Plehn). 

Dagegen  dürfte  heutzutage  die  auf  vielen  Erfahrungen  be- 
ruhende Ansicht  kaum  mehr  ernstlichen  Zweifeln  begegnen,  dafs 
Schwarz  Wasserfieber  nur  bei  Malariakranken  vorkommt;  daran 
kann  auch  der  ganz  vereinzelt  dastehende,  von  Krönig  ver- 
öffentlichte Fall  einer  Sepsis  nichts  ändern,  bei  dem  auf  1  g 
Phenacetin  Ikterus,  Hämoglobinurie  und  Temperatursteigerung 
eingetreten  war.  Anderseits  verursacht  Chinin  allein  auch  in 
hohen  Dosen  niemals  Hämoglobinurie. 

R.  Koch  hat  zuerst  festgestellt,  dafs  Schwarzwasser  nicht 
nur  bei  Tropica,  sondern  auch  bei  Tertiana  beobachtet  werden 
kann;  Otto  führt  aufserdem  einen  Fall  an,  bei  dem  Quartana- 
parasiten als  Malariaerreger  diagnostiziert  worden  waren. 

Da  das  Schwarzwasser  nur  in  bestimmten  Bezirken  heimisch 
ist,  so  hat  Koch  ferner  das  Klima  als  disponierendes  Moment 
beschuldigt,  doch  kann  auch  diese  Theorie  keine  absolute  all- 
gemeine Gültigkeit  beanspruchen,  da,  wie  der  Ottosche  Fall 
beweist,  die  Disposition  bisweilen  auch  in  unsern  Breiten  er- 
worben wird. 

Die  Beschränkung  des  Schwarzwasserfiebers    auf    bestimmte 

Bezirke,    die    allerdings    in    Afrika    nach    F.   Plehns   Angaben 

deutlich    an    Umfang    gewinnen,    sucht    dieser   Autor   mit   der 

eventuellen  Verbreitung  bestimmter  Arten  der  Malariamücken  zu 

erklären.     Stephens  nimmt  eine  höhere  Virulenz  der  Parasiten 

und  eine  Änderung  der  Konstitution  der  in  Schwarzwassergegenden 

28* 


348  Blotparasiten  und  Erythrocytolyse. 

lebenden  Europäer  an.  A.  Plehn  glaubt,  »dafs  die  Schwarz- 
wasserdisposition auf  einer  zeitweisen  funktionellen  Erschöpfung 
der  blutbereitenden  Organe  beruht,  und  dafs  diese  Erschöpfung 
infolge  der  übermäfsig  gesteigerten  Regenerationstätigkeit  ein- 
tritt, welche  notwendig  wird,  um  die  durch  latente  und  manifeste 
Malaria  fortgesetzt  geschaffenen  Verluste  zu  decken. c  F.  Plehn 
führt  die  Disposition  auf  die  gelegentliche  Bildung  eines  Blut- 
giftes durch  die  Malariaparasiten  zurück,  welches  die  Blut- 
körperchen aufserordentlich  geneigt  zum  Zerfall  mache. 

Dafür,  dafs  die  Menge  der  Parasiten  nicht  in  Betracht 
kommt,  sind  besonders  zwei  von  Koch  beobachtete  Fälle  be- 
weisend, die  tödlich  verliefen,  aber,  obgleich  in  dem  einen  30, 
in  dem  andern  gar  80%  der  Erythrozyten  infiziert  waren,  keine 
Spur  von  Hämoglobinurie  zeigten;  im  Gegensatz  dazu  berichtet 
Koch  über  Schwarzwasserfälle,  die  vor  Beginn  der  Hämoglobi- 
nurie nur  ganz  spärliche  Parasiten  aufwiesen. 

Nun  ist  bisher  allen,  die  Schwarzwasserkranke  zu  beobachten 
Gelegenheit  hatten,  aufgefallen,  dafs  bei  der  grofsen  Mehrzahl 
der  Patienten  mit  dem  Anfall  die  Parasiten  verschwinden.  Der 
Zeit|:)unkt  des  Verschwindens  hängt  von  der  Schnelligkeit  und 
Ausdehnung  des  Blutzerfalles  ab  (A.  Plehn);  dieses  selbst  erfolgt 
zweifellos  rascher  als  bei  einer  unter  Chininbehandlung  normal 
verlaufenden  Malaria  (Panse).  Aufserdem  deutet  das  relativ 
häufigere  und  längere  Ausbleiben  von  Rezidiven,  auch  wenn 
kein  Chinin  weiter  gegeben  wurde,  darauf  hin,  dafs  die  Chinin- 
wirkung nicht  unmittelbar  mit  dem  Verschwinden  der  Parasiten 
in  Zusammenhang  stehen  kann. 

Wollte  man  nun  annehmen,  dafs  die  mit  Parasiten  besetzten 
Erythrozyten  zuerst  und  mit  diesen  die  Parasiten  bei  der  Hämolyse 
zerstört  werden,  so  müfsten  nach  dem  Anfall  die  Parasiten  jedes- 
mal vermifst  werden. 

Eine  verhältnismäfsig  einfache  Erklärung  findet  diese  Er- 
scheinung erst,  wenn  man  die  Resultate,  welche  die  Beob- 
achtungen am  try{)anosomenkranken  Tieren  ergeben  haben, 
heranzieht  und  auch  hier  annimmt,  dafs  während  jeden  Malaria- 
anfalls  mikrobizide  Stoffe   als  Reaktion   auf  die  Anwesenheit 


Von  Dr.  A    Nifsle.  349 

bzw.  Vermehrung  der  Parasiten  von  Zellen  geschaffen  und  auf- 
gespeichert werden,  und  dafs  auch  hier  mit  der  mikrobiziden 
Eigenschaft  dieser  Stoffe  eine  hämolytische  eng  verbunden 
ist.  Diese  letztere  tritt  bei  Schwarzwasserfieber  in  den  Vordergrund 
und  zeigt  an,  dafs,  wenn  dieses  spontan  eingetreten  ist,  die 
Konzentration  der  Antikörper  einen  Grad  erreicht  hat,  bei  dem 
gleichzeitig  mit  der  Parasitenvernichtung  eine  ausgedehnte 
Hämolyse  erfolgen  mufs,  also  genau  so,  wie  es  die  Beobachtungen 
an  trypanosomenkranken  Tieren  ergeben  haben. 

In  allen  den  Fällen,  wo  kurz  nach  Verabreichung  von 
Chinin  oder  ähnlichen  Medikamenten  Schwarzwasser  entstanden 
ist  und  mit  ihm  die  Malariaparasiten  ganz  oder  fast  ganz  ver- 
schwunden sind,  ist  anzunehmen,  dafs  dieser  Konzentrationsgrad 
der  reaktiven  Stoffe,  spontan  wenigstens,  bisher  nicht  erreicht 
wurde,  sondern  dafs  erst  durch  das  Hinzutreten  der  in  der 
gleichen  Richtung  sich  erstreckenden  Chinin  Wirkung  die  Be- 
dingungen für  das  Entstehen  der  Hämoglobinurie  erfüllt  wurden. 
Damit  soll  natürlich  nicht  gesagt  sein,  dafs  auch  ohne  das 
Chinin,  nur  später,  die  Hämolyse  mit  derselben  Heftigkeit 
hätte  eintreten  müssen. 

Wesentlich  seltner  sind  die  Fälle,  bei  denen  mit  dem  Schwarz- 
wasseranfall keine  deutliche  Verminderung  der  Parasiten  Hand 
in  Hand  geht,  über  diese  Ausnahmefälle  auf  sichere  Beobach- 
tungen gestützte  Erklärungen  aufzufinden,  ist  mir  bisher  nicht 
möglich  gewesen.  Doch  scheint  es,  als  ob  in  einem  Teil  die 
besonders  hochgradige  Schwäche  des  Organismus  eine  normale 
Anhäufung  von  Immunkörpern  während  der  Malariaanfälle  hat 
vermissen  lassen,  da  unter  diesen  Bedingungen  ebenso  wie  die 
andern  Funktionen  des  Körpers  auch  die  Fähigkeit  gelitten  haben 
mufs,  in  ausreichendem  Mafse  Schutzstoffe  gegen  Kranheits- 
erreger zu  produzieren;  anderseits  zeigen  Fälle  wie  der  von 
Schlayer  veröffentlichte,  dafs  unter  Umständen  gleich  nach 
dem  ersten  Malariaanfall  Schwarz  Wasserfieber  einsetzen  kann, 
also  zu  einer  Zeit,  in  der  man  die  Aufspeicherung  antiparasitärer 
Stoffe  in  irgendwie  erheblicher  Menge  noch  nicht  zu  vermuten 
berechtigt  ist  (vorhergehender,  längerer,  das  Fieber  vollkommen 


350  Blatparasiten  und  Erythrocytolyse. 

hintanhaltender  Chiningebrauch,  nach  Aussetzen  erstes  Fieber  in 
der  Heimat,  auf  0,75  Phenazetin  Hämoglobinurie). 

Bei  der  einfachen  Malaria  treten  Hämolyse  und  Parasiten- 
vemichtung  nicht  in  dem  Mafse  hervor  wie  beim  Schwarzwasser- 
fieber; doch  wissen  wir,  dafs  mit  jedem  Anfall,  dessen  Beginn 
bekanntlich  mit  der  Schizogonie  zeitlich  zusammenfällt,  eine  mehr 
oder  minder  weitgehende  Zerstörung  von  roten  Blutkörperchen 
verbunden  ist,  und  ferner,  dafs  dieselbe  nicht  von  der  Menge 
der  vorhandenen  Parasiten  abhängt,  sondern  eventuell  bedeutende 
Dimensionen  annehmen  kann,  ohne  dafs  die  Zahl  der  Parasiten 
eine  grofse  sein  braucht,  und  umgekehrt. 

Nun  ist  allerdings  mit  dem  Fieberanfall  ein  Verschwinden 
der  Parasiten  meistens  nicht  verknüpft,  und  doch  [müssen  wir 
annehmen,  dafs  ein  grofser  Teil  derselben  während  der  Hämolyse 
zugrunde  geht,  da  sonst  nach  der  Schizogonie  stets  eine  ganz 
gewaltige  Vermehrung  der  Parasiten  erwartet  werden  müfste. 
Wo  eine  stärkere  Vermehrung  der  Parasiten  angetroffen  wird, 
wie  z.  B.  bei  den  beiden  oben  erwähnten  Koch  sehen  Fällen, 
ist  dies  nach  meiner  Ansicht  in  derselben  Weise  durch  einen 
abnorm  schwachen  Organismus  zu  erklären,  wie  es  eben  im 
Anschlufs  an  die  Besprechung  des  Schwarzwasserfiebers  ge- 
schehen ist. 

Ich  nehme  also  auch  beim  einfachen  Malariaanfall  die  Bildung 
eines  zugleich  antiparasitär  und  hämolytisch  wirkenden  Körpers 
innerhalb  von  Zellen  an,  dessen  Anhäufung  während  weiterer 
Fieberanfälle  allmählich  zu  einer  immer  mehr  ausgesprochenen 
Immunität  den  Parasiten  gegenüber  führen  mufs. 

Unter  Berücksichtigung  dieser  Anschauung  erscheint  mir 
deshalb  der  Malariaanfall  von  dem  Sclnvarzwasseranfall  nur 
graduell  verschieden,  mag  dieser  spontan  oder  auf  eine  Chinin- 
gabe hin  eingetreten  sein,  sofern  nur  eine  deutliche  Verminderung 
der  Parasitenzahl  zu  konstatieren  ist;  denn  der  mäfsigen  Para- 
sitenzerstörung und  gleichzeitigen  mäfsigen  Hämolyse  des  ersteren 
entspricht  hier  die  Kombination  der  gleichen  nur  weitergehenden 
Reaktionen  Es  liegt  daher  für  mich  nahe,  die  Disposition  für 
Schwarzwasser  mit  einer  höheren  X'iriilenz  der  Parasiten  in  Ver- 


Von  Dr.  A.  Nifsle.  351 

bindung  zu  bringen,  wie  es  auch  Stephens  getan  hat;  mit 
diesem  wesentlichen  Punkte  würden  sich  auch  leicht  die 
Hypothesen  vom  Einflufs  des  KUmas  (Koch)  und  der  Übertragung 
durch  bestimmte  Mückenarten  (F.  Plehn),  sowie  die  Änderung 
der  Konstitution  der  in  Schwarzwasserbezirken  lebenden  Europäer 
(Stephens)  in  einen   kausalen  Zusammenhang  bringen   lassen. 

Was  die  Hämolyse  anbetrifft,  so  ist  auch  Pause  auf  Grund 
seiner  Beobachtungen  an  35  Schwarzwasserkranken  über  das 
Verhältnis  vom  Schwarzwasser  zur  Malariainfektion  zum  gleichen 
Resultat  gelangt:  »Sobald  feststeht,  dafs  Erythrocytolyse  mit 
konsekutiver  Hämoglobinämie  zum  Wesen  der  Malariainfektion 
gehört,  wäre  demnach  die  Folgerung  mögUch,  dafs  Schwarz- 
wasserfieber nichts  anderes  zu  sein  braucht,  als  ein  auf  Grund 
höherer  Intensität  der  Infektion  erreichter  höherer  Grad  jener 
Erythrocytolyse.  Dann  würden  wir  dem  Chinin  und  anderen 
Medikamenten,  deren  zweifellosen  Einflufs  keine  Überlegung  je 
mehr  aufser  acht  lassen  darf,  nur  noch  die  Fähigkeit  zuschreiben 
dürfen,  Steigerungen  der  iMalariahämocytolyse«  zu  unterstützen, 
zu  begünstigen,  nicht  aber  die  Fähigkeit,  eine  Hämocytolyse  bei 
Malaria  überhaupt  erst  » hervorzurufen c,  zu  »veranlassen«  oder 
»auszulösen  €.« 

Es  erübrigt  noch  auf  die  Beobachtungen  einzugehen,  die  sich 
mit  der  Diagnose  der  Disposition  für  Schwarz  Wasserfieber 
beschäftigen.  Koch  hat  als  Symptome  dafür  das  Ansteigen 
der  Temperatur  in  den  nächsten  Stunden  nach  einer  Chiningabe 
auf  38°  und  darüber,  auffallendes  Dunklerwerden  des  Urins  und 
eine  am  nächsten  Morgen  sich  zeigende  ikterische  Verfärbung 
der  Haut  angegeben.  Rüge  konstatierte  in  einem  Fall  auf 
0,3  Chinin  subkutan  eine  bedeutende  Vermehrung  der  poly- 
chromatischen Erythrozyten  und  einige  Tage  später  auf  dieselbe 
Dosis  einen  Schwarzwasseranfall;  er  hielt  es  deshalb  für  be- 
rechtigt darauf  hinzuweisen,  dafs  vielleicht  durch  derartige  Blut- 
befunde eine  drohende  Hämoglobinurie  erkannt  werden  könnte. 
Da  die  Polychromasie  ebenso  wie  der  Koch  sehe  Symptomen- 
komplex stets  ein  Ausdruck  dafür  ist,  dafs  nicht  unbeträchtliche 
Mengen    von    roten    Blutkörperchen    zugrunde    gegangen    sein 


352  Blutparaeiten  und  Erythrocytolyse. 

müssen,  da  ferner  eine  Zählung  der  polychromatischen  Erythro- 
zyten nach  meinen  Erfahrungen  am  Blut  mit  Trypanosomen 
infizierter  Tiere  insofern  auf  Schwierigkeiten  stöfst,  als  die  Färbung 
nicht  immer  gleichmäfsig  deutlich  ausfällt,  un(i  bei  einer  gewissen 
Menge  von  Blutscheiben  nicht  sicher  entschieden  w^erden  kann, 
ob  sie  zu  den  orthochromatischen  oder  zu  den  polychromatischen 
zu  rechnen  sind,  so  möchte  ich  eine  Modifizierung  des  Rugeschen 
Vorschlags  durch  die  einwandsfreiere  Blutköri)erchenzählung 
vor  und  nach  der  Chiningabe  empfehlen.  Vielleicht  gelingt  es  so, 
in  der  Praxis  einen  ungefähren  Grenzwert  der  Differenzen 
festzustellen,  der  die  drohende  Schwarzwassergefahr  anzeigt  und 
damit  die  weitere  V^erabreichung  von  Chinin,  wenigstens  in  der- 
selben Dosis,  verbietet. 

Es  liegt  nahe,  nachdem  sich  in  dem  V^erhalten  der  Parasiten 
zur  Blutkörperchenzerstörung  eine  prinzipielle  Übereinstimmung 
zwischen  Trypanosomiasis  und  Malaria  ergeben  hat,  den  Vergleich 
auch  auf  die  Piroplasmosen,  die  ja  durch  die  häufig  bei  ihnen 
auftretende  Hämoglobinurie  charakterisiert  sind,  auszudehnen. 

Auch  bei  den  Piroplasmosen,  z.  B.  der  Hämoglobinurie  der 
Rinder,  verschwinden  mit  den  Blutharnen  meist  ziemlich  akut 
die  Parasiten  vollständig  oder  bis  auf  vereinzelte  Exemplare; 
nur  bedarf  es  dazu  einer  weit  reichlicheren  Ansammlung,  von 
Parasiten  als  bei  der  menschlichen  Malaria.  Der  Verlauf  der 
Piroplasmose  steht  daher  bis  auf  die  bei  Trypanosomeninfektionen 
bisher  nicht  beobachtete  Hämoglobinurie  diesen  näher  als  dem 
Schwarzwasser  xMalari akranker.  Häufig  tritt  noch  nach  dem 
Verschwinden  der  Piroplasnien  dadurch,  dafs  die  Hämolyse  noch 
weiter  fortschreitet,  der  Tod  ein.  Diese  hier  spontane  P>scheinung 
erinnert  lebhaft  an  Beobachtungen,  die  ich  bisweilen  an  cad^ras- 
oder  naganakranken  Mäusen,  die  mit  Trypanrot  behandelt  waren, 
machen  konnte;  die  Tiere  gingen  noch  nach  der  vollkommenen 
Heilung  von  der  Infektion  an  der  weiter  zunehmenden  Anämie 
ein.  Derartige  Befunde  beweisen  aber  meines  Erachtens,  dafs 
auch  bei  den  Piroplasmosen  die  Erythrozytolyse  im  wesentlichen 
nicht  durch  eine  unmittelbare  Einwirkung  der  Parasiten  auf  die 
Blutkörperchen  hervorgerufen  wird,  sondern   dafs   dieser  Prozefs 


Von  Dr.  A.  Nifsle.  353 

hier  in  der  gleichen  Weise  einen  indirekten  Verlauf  nimmt  und 
ebenso  mit  der  Bildung  von  mikrobiziden  Stoffen  eng  verknüpft 
ist  wie  bei  der  Trypanosomiasis  und  der  menschlichen  Malaria  bzw. 
dem  Schwarzwasserfieber  bei  menschlicher  Malaria. 


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Quartana.     Deutsche  med.  Wochenschr.,  1902. 
Pause,  Schwarzwasserfieber.     Zeitschrift  f.   Hygiene   und  Infektionskrank- 
heiten, Bd.  42,  1903. 
Plehn,  A.,  Ätiologie  und  Pathogenese  des  Schwarzwasserfiebers.    Virchows 

Archiv,  Bd.  174,  1903  und  Deutsche  med.  Wochenschr.,  1903. 
Plehn,  F.,   Über  die  praktischen  Ergebnisse  der  neueren  Malariaforschung 

und  einige  weitere  Aufgaben  derselben.  Deutsche  med.  Wochenschr ,  1901. 
Rüge,  Einführung  in  das  Stadium  der  Malariakrankheiten,  1901. 
Rüge,  Ein  Beitrag  zur  Ätiologie  des  Schwarzwasserfiebers.     Deutsche  med. 

Wochenschr.,  1902. 
Schlayer,  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Malaria  und  des  Schwarzwasserfiebers. 

Deutsche  med.  Wochenschr.,  1902. 
Stephens,  Blackwater  fever.    Thompson  Yates  and  Johnston  laboratories 

report.    Vol.  V,  1903,  Nr.  1.    (Ref.  Zentralblatt  f.  Bakteriologie,  1904). 


über  den  Einflufs  des  Hangers  anf  die  Bakterien- 
dnrchlässigkeit  des  Intestinaltraktns. 

Von 

Prof.  M.  Picker. 

(AuB  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.     Direktor:  Geh. 

Medizinalrat  Prof.  Dr.  M.  Rubner.) 

Wenn  man  berücksichtigt,  mit  wieviel  Unbekannten  wir  bei 
experimentellen  Untersuchungen  über  die  Entstehungsweise  in- 
testinaler Infektionen  zu  rechnen  haben,  so  kann  es  nicht  wunder- 
nehmen, dafs  unsere  Kenntnisse  über  diese  Frage  heute  noch 
nicht  weiter  gediehen  sind.  Solange  z.  B.  die  Rolle  der  Darm- 
s&fte  oder  der  im  Darme  heimischen  Mikroorganismen  gegenüber 
infektiösen  Keimen  nicht  eingehender  untersucht  ist  oder  solange 
wir  über  die  Virulenzabschwächung  und  -Verstärkung,  wie  sie 
unter  natürlichen  Verhältnissen  erfolgt,  nicht  besser  unterrichtet 
sind  oder  solange  wir  den  Begriff  der  Disposition,  der  so  Ver- 
schiedenartiges zusammenfafst  und  so  oft  herhalten  mufs,  um 
Unbekanntes  zu  verbergen,  mit  spezieller  Rücksichtnahme  auf 
die  Infektion  vom  Darme  aus  nicht  zergliedern  und  schärfer 
präzisieren,  wird  es  schwer  fallen,  Gesetze  von  allgemeinerer 
Gültigkeit  aufzustellen. 

Um  eine  Gnmdlage  für  Untersuchungen  in  der  in  Rede 
stehenden  Richtung  zu  gewinnen,  habe  ich,  wie  früher  mitgeteilt  (^), 
bei  Innehaltung  einer  bestimmten  Methodik  das  Verhalten  des 
normalen  Darms  von  Tieren  gegenüber  einverleibten  Saprophyten 


Einflafs  d.  Haugers  auf  d.  Bakteriendurchlässigkeit  etc.  Von  Prof.  Ficker.     355 

und  den  normalen  Darmkeimen  geprüft.  Da  mir  so  bei  einheit- 
licher Versuchsanordnung  die  Verhältnisse  bei  bestimmten  Tier- 
gattungen bekannt  waren,  legte  ich  mir,  um  einen  Schritt  weiter 
zu  kommen,  die  Frage  vor,  ob  an  diesem  normalen  Verhalten 
etwas  geändert  wird,  wenn  solche  Einflüsse,  wie  sie  bei  der  Ent- 
wicklung von  Darminfektionen  in  Betracht  zu  kommen  scheinen, 
auf  die  Versuchstiere  einwirken  würden:  nach  Variation  dieser 
Bedingungen  könnte  sich  bei  Prüfung  des  Blutes  und  der  Organe 
eines  Versuchstieres  auf  verfütterte,  leicht  wieder  erkennbare 
Saprophyten  oder  auf  Darmbakterien  vielleicht  beobachten 
lassen,  ob  lediglich  den  geprüften  Faktoren  eine  Bedeutung  für 
den  Übertritt  von  Bakterien  aus  dem  Darm  beizumessen  sei.  Bei 
solchen  Versuchen  würde  der  Vorteil  gegeben  sein,  dafs  aus  der 
Gleichung  zunächst  die  komplizierende  Frage  der  Infektion  bzw. 
Virulenz  ausgeschaltet  ist. 

Es  erschien  in  dieser  Beziehung  der  Einflufs  des  Hungers 
der  Untersuchung  wert. 

I.  Versuche. 

Die  Versuche  erstreckten  sich  auf  Kaninchen,  Hunde,  Katzen, 
Mäuse  und  Ratten.  Nur  den  Hunden  wurde  Wasser  verabreicht, 
die  übrigen  Tiere  wurden  unter  kompletter  Abstinenz  gehalten. 
Für  Reinhaltung  der  Käfige  wurde  Sorge  getragen,  erfahrungs- 
gemäfs  wird  z.B.  bei  Feuchtsitzen  der  Hunger  sehr  schlecht  er- 
tragen. —  Die  Versuchsanordnung  war  im  übrigen  dieselbe,  wie 
sie  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  52,  S.  180  ff.  geschildert  wurde. 

Bei  Versuch  1 — 4  wurden  nur  diejenigen  Kulturröhrchen  näher  unter- 
sucht, bei  denen  ein  Kulturwachstnm  an  der  Oberfläche  in  roter  Farbe  er- 
folgte. Das  Aufbewahren  der  Röhrchen  geschah  bei  27  ^  Diejenigen  Gläser, 
bei  denen  nach  14  Tagen  anscheinend  kein  Wachstum  oder  eine  farblose 
Vegetation  auftrat,  wurden  vernachlässigt.  Bei  den  übrigen  Versuchen  wurden 
alle  getrübten  Röhrchen  und  Kolben  untersucht,  die  gefundene  Stäbchenart, 
sofern  sie  nicht  der  Heubazillengruppe  angehörte,  wurde  weiter  identifiziert. 
Die  klar  gebliebenen  Kulturgläser  oder  diejenigen,  die  Kokken,  Sarcinen  oder 
Hefen  enthielten,  blieben  aufser  weiterer  Beachtung.  Versuche  an  Hunden, 
bei  denen  Askariden  gefunden  wurden,  sind  nicht  mitaufgeführt. 

1.  Kaninchen  gelb,  2280  g,  hungert  6  Tage.  Darnach  Verfütterung  von 
Rotem  Kieler  (Agarbelag  einer  Schale  von  16  cm  Durchmesser,  20  Stunden 
bei  21^  gewachsen)  mit  Rüben.  Nach  37«  Stunden  stranguliert.    Roter  Kieler 


356     Einflafs  d.  Hangers  auf  d.  Bakteriendurchlässigkeit  d.  Intestinaltraktus. 

vorhanden  in  2  Leberröhrchen,  1  Blntröhrchen,  im  DOnndarm  bis  zam  Cöcam 
reichlich,  im  Dickdarm  sehr  vereinzelt. 

2.  Kaninchen  grau,  2230  g,  hungert  4  Taee.  Darnach  Verfütterung  von 
Rotem  Kieler  (Agarbelag  einer  Schale  von  16  cm  Durchmesser,  16  Stunden 
27*^)  mit  Kohlrabi.  Nach  4  Stunden  stranguliert.  Roter  Kieler  nachweisbar 
in  1  Leber,  1  Milz-  und  1  Blutröhrchen,  ebenso  in  der  ganzen  Länge  des 
Darmkanals. 

3.  Kaninchen  grau,  1960  g,  hungert  3  Tage,  erhält  vom  Roten  Kieler 
1  Agarplattenbelag  (16  cm  Durchmesser,  16  Stunden  27^)  mit  Kohlrabi.  Nach 
4Vj  Stunden  stranguliert.  Roter  Kieler  nachweinbar  in  1  Leber-,  1  Milz-  und 
1  Mesenterialdrüsenröhrchen,   ebenso  in  der  ganzen  Länge  des  Darmkanals. 

4.  Kaninchen  grau,  1980  g,  hungert  2  Tage,  erhält  1  Agarplattenbelag 
Roten  Kieler  zwischen  Kohlrabi  wie  Tier  3.  Nach  4Vs  Stunden  stranguliert. 
Roter  Kieler  im  ganzen  Darmtraktus  nachweisbar,  sonst  nirgends. 

5.  Kaninchen  weifH,  2120  g,  hungert  7  Tage,  erhält  mit  Runkelrül)en 
1  Platte  Roten  Kielei  (9  cm  Durchmesser,  1  Tag,  27®).  Nach  4  Stunden 
stranguliert.  I.  Kulturkolben  mit  250  com  Bouillon,  a)  Leber:  von  4  Kolben 
enthält  1  Roten  Kieler,  aufMerdem  Proteus,  b)  Niere :  1  Kolben,  enthält  Roten 
Kieler,  c)  Herzblut:  2  Kolben  steril,  1  enthält  Roten  Kieler.  IL  Kultur- 
röhrchen,  a)  I^ber:  von  ca.  60  Röhrchen  enthalten  12  Roten  Kieler,  1  fluo- 
rescens  liquefaciens,  15  Buct.  coli,  6  Proteus,  b)  von  12  Nierenröhrchen  ent- 
halten 2  Roten  Kieler,  c)  Mesenterialdrüsen :  von  11  Röhrchen  enthalten  3 
Bact.  coli,  1  Roten  Kieler,    d)  Blut:  14  steril. 

6.  Kaninchen  grau,  2510  g,  hungert  6  Tagi*,  erhält  1  Agarplatte  (8,9  cm 
Durchmesser,  1  Tag,  27°)  Roten  Kieler  mit  Rüben.  Nach  3^1^  Stunden  stran- 
guliert. I.  Kolben,  a)  Leber:  4  Kolben  beschickt,  davon  enthalten  2  Bact. 
coli,  1  Roten  Kieler,    1  steril,    b)  Herzblut:    1  Kolben  steril.     11.    Röhrclien. 

a)  I^bcr:  von  43  Röhrchen  enthält  1  Bact.  coli,  b)  Blut:  von  29  Röhrchen 
enthält  1  Roten  Kieler,  c)  Nieren:  alle  11  Röhrchen  steril,  d)  Milz:  von 
9  Röhrchen  enthält  1  Roten  Kieler,  c)  Mesenterialdrüsen:  von  14  Röhrchen 
enthalten  2  Bact.  coli. 

7.  Kaninchen  gelb,  2640  g,  hungert  6  Tage.  Stranguliert  ohne  vorherige 
Fütterung.  I.  Kolben.  Leber:  von  3  Kolben  verbleiben  2  steril,  1  enthält 
B.  coli.     II.    Röhrchen,     a)    Leber:    von    25  Röhrchen    enthalten   3    B.  coli, 

b)  Blut:  26  Röhrchen  geimpft,  sämtlich  steril,  c)  Mesenterialdrüsen:  14  Röhr- 
chen geimpft,  1  enthält  B.  coli,  d)  Milz:  alle  0  Röhrchen  steril,  e)  Nieren: 
alle  15  Röhrchen  steril. 

8.  Kaninchen  weifs,  2890  g,  hungert  8  Tage,  darnach  stranguliert  ohne 
vorherige  Fütterung.  I.  Kolben.  Leber:  3  Kolbon.  Davon  enthält  Nr.  1 
Proteus,  Nr.  2  B.  coli  und  Proteus,  Nr.  3  steril.  II.  Röhrchen,  a)  Leber: 
von  48  Röhrchen  enthalten  5  B. coli,  b)  Blut:  16  Rölirchen,  davon  enthalten 
3  Proteus,  c)  Mesenterialdrüsen:  von  7  Röhrchen  enthält  1  B.  coli,  d)  Milz: 
alle  8  Röhrchen  steril,  e)  Nieren :  alle  13  Röhrchen  steril. 

9.  Hund,  Fox,  8,5  kg,  erhält  nach  8  Tage  langem  Hungern  0,5  kg  ge- 
wiegtes Pfenletlcisch,  vermischt  mit  3  Agarplatten  ;^9  cm  Durchmesser,  1  Tag 
27")  Roten  Kieler.     Nach  8  Stunden  mit  Nikotin  vei giftet.     Starke  ^Schaum- 


Von  Prof.  M.  Ficker.  357 

bildang  am  Maal  und  wiederholte  tiefe  InBpirationen  vor  dem  exitas.  Re- 
sultat: Alle  Lungenröhrchen  enthalten  Roten  Kieler,  ebenno  der  Darm  bis 
zum  Cöcum.  In  den  Organen,  im  Blut  und  in  Mesenterialdrüsen:  0  Roter 
Kieler. 

10.  Hund  gelb,  »Fuchs«,  13,5  kg,  hungert  12  Tage.  Gewichtsabnahme 
1,73  kg.  Erhält  mit  0,5  kg  Hackfleisch  3  Agarplatten  Roten  Kieler  (9  cm 
Durchmesser,  1  Tag  27°).  Nach  3Vt  Stunden  entblutet  von  rechter  Karotis 
aus.  Resultat:  a)  Leber:  beschickt  52  Röhrchen,  davon  enthält  1  B.  coli, 
1  Proteus,  b)  Blut:  21  Röhrchen,  alle  steril,  c)Mi]z:  11  Röhrchen,  alle  steril, 
d)  Nieren :  19  Röhrchen,  alle  steril,  e)  Mesenterial drQsen :  14,  davon  in  2 
B.  coli.  —  In  keinem  Röhrchen  Roter  Kieler.  Im  Dünndarm  reichliche  Mengen, 
im  Cöcum  und  weiter  nach  abwärts  etwa  4 — 5  °/o  Kolonien  von  Rotem  Kieler. 

11.  Teckel,  6,1  kg,  braun,  hungert  13  Tage.  Erhält  0,5  kg  Pferdefleisch 
mit  2  Platten  (9  cm  Durchmesser,  1  Tag  27  °)  Koten  Kieler.  Nach  4  Stunden 
von  rechter  Karotis  aus  entblutet.  Resultat:  a)  Leber:  beschickt  76  Röhr- 
chen, davon  enthalten  3  B.  coli,  4  Proteus,  b)  Milz:  6  Röhrchen,  alle  steril, 
c)  Nieren:  12  Röhrchen,  davon  1  B.coli,  d)  Mesenterialdrüsen:  11  Röhrchen, 
davon  2  B.  coli,  e)  Blut:  23  Röhrchen,  alle  steril.  —  In  keinem  Röhrchen 
Roter  Kieler  nachweisbar.  Der  Dünndarm  enthält  massenhaft  Roten  Kieler. 
Vom  Cöcum  nach  abwärts  nur  noch  5 — 10%  neben  den  üblichen  Darm- 
bakterien. 

12.  Terrier,  9,2  kg,  hungert  16  Tage.  Erhält  mit  0,5  kg  Pferdefleisch 
3  Platten  Roten  Kieler  (Agar,  9  cm  Durchmesser,  1  Tag  27  <>).  Nach  4V4  Stunden 
entblutet.  Resultat:  a)  Leber:  beschickt  70  Röhrchen,  davon  enthalten  Roten 
Kieler  3  Röhrchen,  B.  coli  5,  Proteus  1,  b)  Milz :  5  Röhrchen,  sämtlich  steril, 

c)  Nieren :  8  Röhrchen,  davon  1  Proteus,  d)  Mesenterialdrüsen :  10,  davon  1 
Roten  Kieler,  2  B.  coli,  1  Proteus,  e)  Blut:  34  Röhrchen,  davon  1  Roten 
Kieler.  Im  Dünndarm  reichlich  Roter  Kieler,  im  Cöcum  und  weiter  abwärts 
ca.  5%  Kolonien  von  Rotem  Kieler  unter  Darmbakterien. 

13.  Spitz,  7,3  kg,  hungert  17  Tat^e.  Erhält  mit  0,5  kg  Pferdefleisch 
3  Platten  Roten  Kieler  wie  12.  Nach  4Vt  Stunden  entblutet.  Resultat: 
a)  Leber:  beschickt  ca.  60  Röhrchen,  davon  enthalten  4  Roten  Kieler,  2  B. 
coli,    b)  Milz:  6  Röhrchen,   alle   steril,    c)  Nieren:   7  Röhrchen,   alle   steril, 

d)  Mesenterialdrüsen :  13  Röhrchen,  davon  2  Roten  Kieler,  1  B.  coli,  1  Pro- 
teus, e)  Blut:  37  Röhrchen,  sämtlich  steril.  In  der  ganzen  Länge  des  Darm- 
kanals Roter  Kieler,  vom  Cöcum  abwärts  ca.  5 — 10%  neben  Darmbakterien. 

14.  Katze,  grau-weifs,  2300  g,  hungert  3Vt  Tage.  Erhält  darnach  mit 
V,  Pfund  Hackfleisch  2  Petrischalen  (8,9  cm  Durchmesser,  18  Stunden  27«) 
Roten  Kieler.  Nach  3  Stunden  entblutet  von  rechter  Karotis  aus.  Resultat: 
Roter  Kieler  in  2  Röhrchen  von  Leber,  ebenfalls  in  2  Röhrchen  von  Mesen- 
terialdrüsen.   B.  coli  in  einem  Röhrchen  von  Mesenterialdrüsen. 

15.  Katze,  schwarz,  2400  g,  hungert  5  Tage.  Ohne  vorherige  Fütterung 
von  rechter  Karotis  ans  entblutet.  Resultat :  a)  Leber :  geimpft  65  Röhrchen, 
davon  weisen  3  B.  coli,  1  Proteus  auf,  b)  Mesenterialdrüsen:  12  Röhrchen, 
davon  in  1  B.  coli,  c)  Blut:  39  Röhrchen,  alle  steril. 


358     Einflolfl  d.  Hangera  auf  d.  BakteriendnrchllMigkeit  d.  Intestiiialtraktiia. 

16.  Katie,  grma,  2160  g;  hungert  6*',  Tag.  Ohne  vorherige  FOttemag 
entblutet.  Reeulut:  a;  Leber:  61  Rdhrchen,  davon  in  8  B.  coli,  in  2  B.  coli 
-|-  Proteas^  b)  Meeenteriaidrüflen .  6  Röhrchen,  davon  in  3  B.  coli,  inl  B.  coli 
-|-  Proteoa,  c)  Milz :  5  Röhrchen,  davon  in  1  B.  coli,  d)  Nieren :  5  Röhrchen, 
alle  steril,  e   Biat :  S4  Röhrchen,  davon  in  5  B.  coli,  in  2  B.  coli  -f-  Proteiu. 

17.  Maas  1,  hungert  3  Tage,  darnach  stranguliert.  B.  coli  Ist  enthalten 
in  21  Röhrchen  von  Leber,  in  4  von  Mili,  in  1  von  Herzblut.  Steril  sind 
19  Röhrchen  von  Leber,  alle  6  von  Nieren,  1  von  Milz. 

18.  5Iaus  2,  hungert  30  Stunden.  3  Röhrchen  von  Leber  enthjüten 
K  coli,  1  Proteus.  Die  ttbrigen  13  Röhrchen  von  Leber,  7  von  Blut,  5  Ton 
Niere,  3  von  Milz,  4  von  Lunge  sind  steril. 

19.  Maus  3,  hungert  16  Standen,  darnach  stranguliert.  Beschickt  werden 
16  Röhrehen  mit  Leber,  9  mit  Nieren,  3  mit  Milz,  3  mit  Blut,  4  mit  Lunge. 
Sämtliche  Röhrchen  steril. 

20.  Mauä  4,  hungert  30  Stunden.  Damach  Verffitterung  von  5  Ösen 
Roten  Kielers  ,20  Stunden  alte  Agarkultur,  27  ^„  vermischt  mit  SemmeL  Nach 
3*/«  Stunden  stranguliert.  Roter  Kieler  in  2  I^ber-  und  1  Blotröhrchen. 
B.  coli  in  3  Lel^rröhrchen.  Steril  sind  8  Röhrchen  von  Leiter,  4  von  Blut, 
4  von  Nieren,  2  von  Milz,  3  von  Lunge. 

21.  Ratte  1,  weifs,  240  e,  hungert  6^  ,  Taze,  darnach  stranguliert.  B.  coli 
enthalten  14  Röhrchen  von  Leber,  5  von  Nieren,  4  von  Mesenterial drüsen. 
Steril  sind  7  von  Blut,  15  von  Lel>er,  3  von  MesenterialdrQsen,  2  von  Lunge, 
4  von  Bronchialdrüsen,  -^  von  Nieren,  5  von  Milz. 

22.  Ratte  2,  weifs,  265  {?,  hundert  5  T^ge,  darnach  stranguliert.  B.  coli 
enthalten  2  Röhrchen  von  Leber,  1  von  Mesenterialdrü«en,  1  von  Blut.  Steril 
sind  26  Röhrchen  von  Leber,  6  von  Nieren,  4  von  Milz,  4  von  Mesenterial- 
drOsen,  8  von  Blut,  4  von  Lunge. 

23.  Ratte  3,  weifs,  255  ^,  hungert  2  Tage,  darnach  stranguliert.  Geimpft 
werden  24  Röhrchen  von  Leber,  9  von  Blut,  8  von  Nieren,  5  von  Milz,  4  von 
MesenterialdrQsen,  5  von  Lunge.  In  keinem  Röhrchen  sind  Darmkeime  nach- 
zuweisen. 

II. 

Der  Einflufs  des  Hungers  trat  mir  zum  ersten  Male  deutlich 
zutage,  als  ich  in  früheren  Versuchen  jungen  Kaninchen  nicht 
sofort  nach  der  Herausnahme  aus  dem  Nest  die  Keimaufschwem- 
mung verabreichte,  sondern  die  Tiere  erst  einige  Zeit  von  der 
Mutter  absetzte,  um  nach  dieser  Hungerperiode  eine  vollständigere 
Aufnahme  der  im  Saugtiäschclien  dargebotenen  Kulturdosis  zu 
erreichen.  Bei  der  kulturellen  Untersuchung  des  Blutes  und  der 
Organe  der  Hungertiere  war  stets  in  einer  gröfseren  Anzahl  von 
Röhrchen  der  verfütterte  Keim  nachzuweisen  wie  bei  den  Kon- 
trollticren.     Indessen  sind  die  Resuhate  dieser  Versuche,   die  ja 


Von  Prof.  M.  Ficker.  359 

dieser  Fragestellung  gar  nicht  dienen  sollten,  vielleicht  im  Zu- 
sammenhange mit  den  anderen,  hier  mitzuteilenden  verwertbar, 
für  eine  exakte  Klarlegung  sind  sie  nicht  ausreichend;  es  hätte 
dazu  einer  quantitativ  genauen  Zerlegung  des  Organismus  und 
einer  Verteilung  auf  entsprechende  Nährbodenmengen  zum  Ge- 
winnen vergleichbarer  Ergebnisse  bedurft.  Bei  der  an  und  für 
sich  so  hohen  Empfindlichkeit  des  Magendarmtraktus  jugendlicher 
Kaninchen  erschien  es  mir  vielmehr  richtiger,  erwachsene 
Kaninchen  hungern  zu  lassen,  um  sie  sodann  mit  Rotem  Kieler 
zu  füttern  und  darnach  Blut  und  Organe  kulturell  zu  untersuchen. 

Wie  aus  den  Versuchen  hervorgeht,  konnten  bei  sämt- 
lichen erwachsenen  Kaninchen,  die  3  —  7  Tage  ge- 
hungert hatten  und  dann  mit  dem  Futter  Roten 
Kieler  erhielten,  die  verfütterten  Keime  in  Organen 
oder  im  Blut  nachgewiesen  werden.  Da  bei  nicht  hun- 
gernden Kaninchen  unter  Innehaltung  der  im  übrigen  gleichen 
Versuchsanordnung  nur  in  35%  der  Fälle  ein  Übertritt  ver- 
fütterter Mikroorganismen  beobachtet  worden  war(^),  so  kommt 
hier  schon  zum  Ausdruck,  dafs  die  Schutzvorrichtungen  gegen- 
über dem  Eindringen  von  per  os  aufgenommenen  Keimen  bei 
Nahrungsentziehung  in  ihrer  Funktion  beeinträchtigt  werden. 

Bei  diesen  Fütterungsversuchen  am  hungernden  Kaninchen 
fiel  mir  bald  auf,  dafs  gegenüber  den  Befunden  bei  normalen 
Kaninchen  bei  w^eitem  mehr  von  denjenigen  Röhrchen,  in  denen 
nicht  Roter  Kieler  angegangen  war,  fremde  Keime  enthielten ;  die 
nähere  Untersuchung  ergab,  dafs  es  sich  hierbei  vor  allem  um 
Bact.  coli,  B.  lactis  aörogenes,  Proteus  und  Bazillen 
aus  der  S üb tilis- Gruppe  handelte.  Es  erschien  mir  daher  für 
weitere  Versuche  am  Kaninchen  nicht  nur  überflüssig,  eine 
Keimverfütterung  vorzunehmen,  sondern  auch  rätlich,  die  Keim- 
zufuhr wegzulassen  und  vielmehr  die  Organe  des  Hungertieres 
auf  Darmkeime  zu  untersuchen.  Gegen  die  Versuche  mit 
Keimverfütterung  kann  ja  der  Einwand  erhoben  werden,  dafs 
man  damit,  selbst  w^enn  man  Saprophyten  wählt,  doch  auch  die 
Stoff  Wechselprodukte  dieser  Mikroorganismen,  die  nicht  indifferent 
sein  könnten,  einführt.     Da  man  nun  mit  Hinblick  auf  die  grofse 


360     Einflufs  (1.  Hangers  auf  d.  Bakteriendarchlässigkeit  d.  Intestinaltraktas. 

Oberfläche,  auf  welche  sich  die  verfütterten  und  in  den  Säfte- 
kreislauf eindringenden  Keime  verteilen,  kulturell  einen  Aus- 
schlag nur  erwarten  darf,  wenn  man  die  Keimdosis  nicht  zu 
gering  bemifst,  so  besteht  darin  vielleicht  die  Gefahr,  dafs  die 
Einfuhr  solchen  Materials  direkt  Schleimhautalterationen  ver- 
anlassen könnte.  Man  müfste  freilich  dann  auch  zugeben,  dafs 
ähnliche  Alterationen  schon  durch  viele  unserer  Nahrungsmittel 
hervorgerufen  werden  müfsten,  die  massenhafte  Bakterien  und 
deren  StofEwechselprodukte  enthalten,  so  Milch,  Butter,  Käse, 
Hackfleisch,  Wurst  usf.,  gar  nicht  zu  reden  von  den  Bakterien- 
massen, die  das  Tierfutter  enthält. 

Um  alle  Bedenken  zu  zerstreuen,  habe  ich  in  einer  Anzahl 
von  Versuchen  die  Verfütterung  von  Reinkulturen  aufgegeben 
und  eine  kulturelle  Untersuchung  des  hungernden 
Organismus  auf  Darmkeime  vorgenommen. 

Um  Darmbakterien  in  den  Organen  nachzuweisen,  ist  die 
Kenntnis  der  Bakterienflora  des  Darmes  und  der  Luft 
des  Untersuchungsraumes  nötig.  Die  konstanten  Bewohner  des 
Kaninchendarmes  sind  Bazillen  aus  der  Koli-,  Proteus-  und  Sub- 
tilis-Gruppe.  Zur  Koli-Gruppe  rechne  ich  im  folgenden  auch 
den  B.  lactis  aerogenes  mit  Verwandten.  Die  eingehenden  Luft- 
untersuchungen, die  ich  nun  schon  längere  Zeit  hindurch  und 
bei  jedem  Tierversuch  aufs  neue  in  dem  Arbeitsraura  durch 
Exponieren  von  Luftplatten  (vgl.  diese  Zeitschr.  Bd.  52,  S.  182) 
vornehme,  habe  ich  dahin  erweitert,  dafs  ich  mehrfach  mitten  im 
Versuch  oder  am  Anfang  und  Ende  an  Bouillonröhrchen  Kontroll- 
impfungen mit  Rindsleber  vornahm,  die  im  Autoklaven  bei  112^ 
1  Stunde  sterilisiert  und  mit  denselben  Manipulationen  wie  die 
Organe  des  Versuchstiers  verarbeitet  wurde.  Aus  allen  Luft- 
untersuchungen ergab  sich,  dafs  Koli-  und  Proteus  ähnliche 
Keime  nicht  in  der  Luft,  hingegen  dann  und  wann  Heubaziilen 
oder  ihm  Nahestehende  vorkamen.  Es  wurde  daher  das  Augen- 
merk zunächst  nur  auf  B.  coli  und  Proteus  gerichtet. 

Es  ergeben  nun  die  Versuche,  dafs  in  der  Tat  bei  erwach- 
senen Kaninchen  im  Ilungerzustande  Darmbakterien 
in  den  Organen  und  im  Blute  zu  finden  sind. 


Von  Ihrof.  M.  Fickeif.  361 

Ein  zutreffendes  Bild  von  der  Verteilung  der  Darmbakterien 
oder  der  verfütterten  Keime  auf  die  einzelnen  Organe  zu  geben, 
bin  ich  zunächst  nicht  imstande,  da  es  unmöglich  erschien,  den 
Gesamtorganismus  kulturell  abzusuchen.  E^  kommt  eben,  wie 
ich  schon  früher  ausgeführt  habe,  für  die  Methodik  der  kulturellen 
Untersuchung  von  Blut  und  Organen  ganz  besonders  darauf  an, 
das  Mengenverhältnis  zwischen  Organmasse  bzw.  Blut  und  Nähr- 
boden zu  berücksichtigen.  Fernerhin  mufs  für  ausreichende 
Aufschliefsung  des  Organs  gesorgt  werden.  Es  ist  ganz  falsch 
zu  glauben,  dafs  vereinzelte  mit  Organstücken  in  Bouillon  über- 
tragene Keime  unter  allen  Umständen  hier  nachgewiesen  werden 
können:  so  mufs  das  Kulturverfahreu  auf  den  Nachweis  der 
toten  Bakterien  verzichten;  da  wir  femer  bei  der  Einsaat  von 
irgendwelchem  Kulturmaterial  in  ein  anderes  Nährsubstrat  einen 
anfänglichen  Rückgang  der  Keimzahl  beobachten,  so  mufs  an- 
genommen werden,  dafs,  wenn  vereinzelte,  in  abgeschwächter 
Verfassung  befindliche  Mikroorganismen  aus  dem  Organ  in 
Bouillon  übertragen  werden,  solche  überhaupt  nicht  zum  Aus- 
keimen zu  kommen  brauchen.  Aber  man  mufs  noch  weiter 
gehen:  Die  in  ein  Bouillonröhrchen  gegebenen  Organstücke 
verfallen  der  Autolyse.  Hierbei  werden,  wie  ich  in  mehreren, 
bei  anderer  Gelegenheit  zu  publizierenden  Versuchen  festgestellt 
habe,  nicht  nur  entwicklungshemmende  Produkte  frei,  sondern 
wir  haben  es  dabei  auch  mit  deutlich  bakteriziden  Stoffen  zu 
tun,  deren  Existenz  schon  H.  Conrad i(^)  feststellte.  Die  Be- 
obachtung dieser  Tatsache  bei  meinen  Versuchen  ist  insofern 
nicht  ohne  Wert,  als  hierbei  die  sonst  bei  autolytischen  Ver- 
suchen üblichen  antiseptischen  Zusätze  niemals  zur  Anwendung 
kamen.  Auch  nach  meinen  Erfahrungen  ist  von  allen  Organen 
die  Leber  zum  Studium  der  autolytischen  Vorgänge  am  geeig- 
netsten und  zwar  Kaninchen-  und  Hundeleber.  Bei  37°  war 
oft  nach  2  Tagen,  bei  27°  nach  3 — 5  Tagen  in  zahlreichen 
Leberröhrchen  eine  intensive  Schaumbildung  wahzunehmen;  die 
vom  Boden  des  Röhrchens  aufsteigenden  Bläschen  rissen  oft 
ganze  Leberstücke  mit  in  die  Höhe.  In  manchen  Fällen  war 
die  Gasbildung  eine  so  starke,  dals  Leberstücke  bis  zum  Watte- 

AichiY  rar  Hygien«.    Bd.  UV.  24 


362     EinfloXs  d.  Hungers  auf  d.  Bakteriendorchlässigkeit  d.  Intestinaltraktaa. 

stopfen  hinaufgeschleudert  wurden.  Hierbei  war  sowohl  im 
direkten  mikroskopischen  Präparate  als  auch  im  Kulturversuch 
mit  kleineren  und  gröfseren  Quantitäten  der  gärenden  Flüssig- 
keit oder  der  Organstückchen  unter  Variierung  der  Nährböden 
(Bouillon,  Gelatine,  Agar,  Kartoffel)  in  vielen  Fällen  Keimfreiheit, 
sofern  wir  bei  Anwendung  der  jetzt  üblichen  Methoden  davon 
sprechen  dürfen,  zu  konstatieren.  In  allen  diesen  Röhrchen  war 
Schwefelwasserstoff  nachweisbar.  Die  Stärke  der  in  den  sterilen 
Bouillonröhrchen  auftretenden  Gasentwicklung  hing  von  der 
Menge  der  Einsaat  von  Lebermasse  ab.  Bei  einzelnen  Tieren 
ergaben  sich  merkwürdige  Verschiedenheiten,  die  ich  nicht  auf- 
zuklären vermochte.  Die  geringste  Gasbildung  trat  bei  Leber 
von  Tieren  ein,  die  längere  Zeit  hungerten.  Es  stimmt  das  mit 
den  Beobachtungen  E.  Schlesingers (')  überein,  der  durch 
Bestimmung  der  Zunahme  des  nicht  koagulablen  Stickstoffs  die 
Wirkungsintensität  des  autolytischen  Ferments  bei  atrophischen 
Kindern  stark  vermindert  fand. 

Wenn  nun,  wie  erwiesen,  bei  den  autolytischen  Vorgängen 
antiseptische  oder  bakterizide  Stoffe  die  mit  den  Organpartikeln 
übertragenen  Keime  in  der  Entwicklung  ganz  oder  eine  Zeitlang 
hindern,  so  ergibt  sich  daraus  für  unsere  Untersuchungstechnik 
die  Forderung,  die  Kulturgläser  öfters  und  längere  Zeit  hindurch 
zu  beobachten,  sowie  möglichst  wenig  von  dem  Organmaterial 
und  dieses  im  aufgeschlossenen  Zustande  den  Bouillonröhrchen 
zu  übergeben.  Wollte  man  unter  Berücksichtigung  dieser  Momente 
den  Gesamtorganismus  von  gröfseren  Versuchstieren  durch  das 
kultureile  Verfahren  auf  Keime  untersuchen,  so  würde  man  das 
nur  unter  weitgehender  Arbeitsteilung  tun  können,  um  in  kurzer 
Zeit  die  Impfungen  zu  vollziehen.  Damit  aber  würde  die  Ver- 
gleichbarkeit der  Resultate  wieder  in  Frage  gestellt.  Ich  habe 
mich  daiier  darauf  beschränkt,  bei  Kaninchen  etwa  den  sechsten, 
bei  Katzen  und  Hunden  etwa  den  zehnten  Teil  der  Organe  auf 
Nährböden  auszusäen.  Rechnet  man  das  alles  zusammen,  so 
mufs  man  die  in  den  Versuchen  erhaltenen  positiven  Resultate 
als  ein  Minimum  ansehen,  in  Wirklichkeit  sind  die  verfütterten 


Von  Prof.  M.  locket,  563 

Keime  bzw.  die  Darmbakterien  in  den  Organen  in  gröfserer  Zahl 
vorbanden  gewesen. 

Als  ein  nocb  geeigneteres  Versucbstier  wie  das  Kaninchen 
muls  für  das  Studium  der  den  Übertritt  von  Darmkeimen  be- 
günstigenden Faktoren  der  Hund  erscheinen:  selbst  nach  Ver- 
fütterung  grofser  Quantitäten  von  saprophytischem  Bakterien- 
material konnte  in  meinen  früheren  Versuchen  der  verfütterte 
Keim  beim  normalen  Hund  im  Blut  oder  in  den  Organen  nie* 
mals  nachgewiesen  werden.  Gelingt  es,  beim  Hunde  Bedingungen 
zu  schaffen,  welche  den  im  Darmlumen  befindlichen  Keimen  ein 
Eindringen  in  Blut-  und  Lymphbahnen  und  in  die  Organe  er- 
mögUchen,  so  müfste  bei  der  hohen  sonstigen  Widerstandsfähig- 
keit des  Intestinaltraktus  des  Hundes  einem  solchen  Moment  in 
der  Tat  eine  gewichtige  Rolle  bei  der  Entstehung  von  Darm- 
infektionen zuzuerkennen  sein. 

In  den  Hungerversuchen  zeigte  auch  der  Hund  wieder,  wie 
ungleich  besser  als  das  Kaninchen  er  mit  seinem  Verdauungs- 
kanal gestellt  ist.  Während  beim  Kaninchen  schon  ein 
drei  Tage  langes  Hungern  genügte,  um  den  ver- 
fütterten Keimen  die  Wege  vom  Darmlumen  ins 
Körperinnere  zu  öffnen,  mufste  beim  Hund  die  Hun- 
gerperiode auf  16  Tage  ausgedehnt  werden,  dann  erst 
waren  die  verfütterten  Keime  in  Organen  aufzufinden.  Auf- 
fallend aber  mufs  es  erscheinen,  dals  nach  der  12 
und  13  Tage  währenden  Nahrungsentziehung  statt 
der  gesuchten  verfütterten  Keime  beim  Hund  in  den 
Organen  Darmkeime  beobachtet  wurden.  Vergleicht 
man  mit  diesen  Befunden  die  Ergebnisse  der  Organuntersuchungen 
am  normalen  Hund,  wie  ich  sie  an  der  Hand  derselben  Methodik 
früher  mitteilte  (1.,  8.  186,  187),  so  ist  der  Einflufs  des  Hungers 
unverkennbar. 

Fafst  man  den  Widerspruch  ins  Auge,  der  darin  zu  liegen 
scheint,  dafs  bei  Nahrungsentziehung  obligate  Darmbakterien 
eher  überzutreten  vermögen  als  selbst  in  grofsen  Mengen  ver- 
fütterte Keime,  so  könnte  man  in  dieser  Beobachtung  einen  Be- 
weis   dafür  erblicken,    dafs    die  Aufnahme    nicht   im  Dünndarm 

24» 


364     Kinflars  d.  Hangers  auf  d.  Bakteriendurchlässigkeit  d.  Intestinaltiukiafl. 

sondern  im  Dickdarm  erfolge ;  denn  die  quantitative  Prüfung  des 
Darminhaltes  in  allen  Partien  ergab,  dafs  gegenüber  dem  Befund 
von  reichliehen  verfütterten  Keimen  im  Dünndarm  ihre  Menge 
im  Dickdarm  im  Verhältnis  zu  den  hier  vorhandenen  einheimi- 
schen Darmbakterien  eine  spärliche,  im  Höchstfalle  ca.  10  ^/o  war. 
Es  ist  hier  aber  auf  eine  Beobachtung  aufmerksam  zu  machen, 
die  für  die  weitere  Klärung  der  Frage  vielleicht  nicht  unwichtig 
erscheint:  während  bei  normalen  Kaninchen  und  Hunden  der 
Dünndarm    auch    in   seinen    unteren  Partien    relativ  arm    an 
Darmbakterien  zu  finden  ist,   sind  hier  bei   den  Hungertieren 
bei  weitem  gröfsere  Keimmengen,  insbesondere  auch  mehr  B.  coli 
vorhanden.     Während  man  sonst  die  Anwesenheit  von  Keimen 
im  Dünndarm  mit  dem  Vorhandensein  von  Nahrungsbestandteilen 
in  Zusammenhang  bringt,    kommen    bei    den  vorliegenden  Ver- 
suchen Ingesta  nicht  in  Frage,  vielmehr  scheint  im  Hunger- 
zustand    ein    Ascendieren     von     Dickdarmbakterien 
nach    dem   Dünndarm    regelmäfsig    einzutreten.     Es    könnte 
demnach   als  Ort   des  Übertritts  auch   der  Dünndarm   in  Frage 
kommen.     Da  drängt  sich  aber  die  Frage  auf,   warum  denn  die 
verfütterten  Keime,  die  sich  hier  doch  auch  reichlich  fanden,  zu- 
nächst nicht  auch  zur  Aufnahme  kamen.    Man  könnte  sich  dann 
vorstellen,  dafs  die  bakterizide  Fähigkeit  der  Darmsäfte  oder  der 
Schleimhautzellen  den  einheimischen  Darmbakterieuarten  gegen- 
über bei  Nahrungsentziehung  deshalb   eher  versagt,    weil  diese 
Mikroorganismen  doch  durch  die  ständige  Berührung  mit  diesen 
Schutzkräften    des    Intestinaltraktus    eine    gewisse   Widerstands- 
fähigkeit erworben  haben,  während  den  verfütterten  Saprophyten 
gegenüber  die  Abwehrvorrichtungen   zunächst   noch    ausreichen. 
—  Da  nun  aufserdem  bei  diesen  letzten  Versuchen  (Vers.  12, 13) 
das   Verhältnis    der   verfütterten    zu    den    einheimischen    Darm- 
bakterien im  Dickdarm  nicht  ein  anderes  war  wie  bei  den  vor- 
aufgehenden,   in  denen   ein   Übertritt   des   verabreichten    Roten 
Kielers  nicht  nachgewiesen  werden   konnte,   so  ist  auch  hierin 
nicht  ein  Beweis   dafür  zu  erblicken,    dafs   die  Aufnahme  nun 
unter   allen    Umständen    im   Dickdarm   vor   sich   gegangen   sein 
mufs. 


Von  Prof.  M.  Flcker.  365 

Man  könnte  auch  zur  Erklärung  der  Tatsache,  dafs  beim 
Hungerhund  in  den  Organen  viel  frühzeitiger  die  Darmbewohner 
anzutreffen  sind  als  verfütterte  Keime,  auf  die  Vermutung  kom- 
men, dafs  es  sich  bei  dem  ersteren  Befunde  um  latente  Keime 
handelt,  die  bei  früherer  Gelegenheit  übergetreten  sind  und  nun 
in  dem  hungernden  Organismus  an  Vitalität  gewinnen,  so  dafs 
jetzt  ihr  Nachweis  in  der  Kultur  gelingt,  der  sonst  wegen  ihres 
in  der  Latenz  geschwächten  Zustandes  oder  wegen  der  im  Kultur- 
glas vor  sich  gehenden  Organautolyse  auf  Schwierigkeiten  stiefs. 
Nach  meinen  früheren  Untersuchungen  am  normalen  Hund, 
bei  denen  schon  eine  weitgehende  Aufschliefsung  der  Organe 
erfolgte,  ist  mir  eine  so  umfangreiche  Latenz,  wie  sie  hier  vor- 
gelegen haben  müfste,  sehr  unwahrscheinlich. 

Schliefslich  möchte  ich  noch  eine  Beobachtung  mitteilen, 
die  ich  an  allen  Hungerhunden  machen  konnte.  Das  ist  die 
starke  Schwellung  der  Mesenterialdrüsen.  Es  ist  mir 
nicht  bekannt,  dafs  man  bei  der  Sektion  von  Hungertieren  hier- 
auf aufmerksam  geworden  ist.  Da  mir  aber  durch  die  Unter- 
suchungen an  normalen  Hunden  Gelegenheit  zu  vergleichenden 
Beobachtungen  gegeben  war,  so  möchte  ich  diesen  Befund  her- 
vorheben, der  ja  mit  den  sonstigen  Resultaten  in  Zusammenhang 
zu  bringen  ist. 

Die  Versuche  an  den  übrigen  Tieren  bedürfen  keiner  Er- 
läuterung. Es  ergibt  sich  aus  allen  Untersuchungen, 
dafs  bei  Kaninchen,  Hunden,  Katzen,  Mäusen  und 
Ratten  durch  Inanition  sowohl  für  verfütterte  sa- 
prophytische  Keime  als  auch  für  im  Darm  heimische 
Bakterien  Bedingungen  für  das  Eindringen  in  die 
Lymph-  und  Blutbahn  sowie  in  die  Organe  geschaf- 
fen werden. 

Es  ist  unschwer,  mit  Hilfe  dieser  Tatsache  die  Entstehung 
einer  Reihe  von  infektiösen  Krankheitsprozessen  zu  beleuchten 
und  klarer  zu  erkennen,  als  das  bisher  der  Fall  war.  Da  diese 
Fragen  indessen  weiterer  experimenteller  Bearbeitung  zugängig 
sind,  so  begnüge  ich  mich  vorläufig,  hier  noch  Erörterungen  über 
den   Einflufs    des   Hungers   auf   die  Einverleibung   von    Mikr<> 


366     P'"^*"^«  d.  Hangen  aaf  d.  BakteriendarehliMifkefl  d.  IntMtinmltrmktiM. 

Organismen  anzoschlielaenf  die  das  Hauptsächliche  des  Bekannten 
berühren  nnd  einige  eigene  weitere  Beobachtungen  verwerten. 

Schon  Pastear  brachte  experimentell  die  Nahrungsentzie- 
hnng  in  Beziehong  zur  Infektion :  er  liels  Hühner  nach  der  Imp- 
fung mit  Milzbrand  2 — 8  Tage  hungern  und  stellte  fest,  daEs  die 
Hühner  nicht  an  Milzbrand  erkrankten.     Hiermit   widerlegte    er 
zugleich  die  Ansicht  Colins,  die  dahin  ging,  dals  die  von  Pa- 
ste ur  durch  Abkühlung  milzbrandempAnglich  gemachten  Hühner 
nicht  infolge  der  Abkühlung,  sondern  u.  a.  infolge  der  Inanition 
ihre  MilzbrandimmunitAt  verloren  hätten.   In  grö&eren  Versuchs- 
reihen   prüften   Canalis  und  Morpurgo(^)   den   Eanflufs    des 
Hungers  auf  die  Milzbrandinfektion.    Sie  gingen  von  den  Unter- 
suchungen   von   Delafond  und  Bourguignon    aus,    die    die 
Empfänglichkeit  der  schlechtgenährten  Schafe  für  Krätze  gegen- 
über der  Unempfänglichkeit  wohlgenährter  Tiere  erwiesen  hatten. 
Canalis  und  Morpurgo   wählten  als  Versuchstiere  die  gegen 
Milzbrand    relativ    resistenten  Tauben,  Hühner  und  Ratten.     Sie 
fanden,   dafs  Tauben  konstant  der  Milzbrandinfektion  erliegen, 
wenn  man   sie  gleichzeitig  mit  der  Inokulation   in  den  Hunger- 
zustand versetzt;    Tauben,   welche   vor  der  Impfung  sechs  Tage 
lang  gehungert  hatten,  widerstanden  der  Infektion,  wenn  sie  un- 
mittelbar nach   der  Impfung   wieder   gefüttert  wurden.     Dauerte 
die  voraufgehende  Hungerperiode  länger  als  sechs  Tage,  so  gingen 
sie  in  der  Regel  trotz  der  Fütterung  zugrunde.  —  Bei  der  Mehr- 
zahl der  Hühner  gelang  es,  die  Infektion  hervorzurufen,  wenn 
der  Impfung   eine  Hungerperiode    von  3 — 7  Tagen    vorausging. 
Liefs   man   die  Hühner  erst  nach  der  Impfung  hungern,   so  be- 
hielten sie  ihre  Immunität.   Weifse  Ratten  konnten  durch  Hunger 
nicht  empfänglich  für  Milzbrand  gemacht  werden.    Canalis  und 
Morpurgo  weisen  noch  nach,  dafs  bei  hungernden  Tauben  der 
Verlust  der  Milzbrandimmunität  nicht  auf  die  Temperaturemied- 
rigung,  welche  den  Hunger  begleitet,  bezogen  werden  kann,  denn 
die  Infektion  blieb   aus,    wenn    bei    geimpften   niehthungemden 
Tieren  eine  analoge  Temperaturverminderung  hervorgerufen  wurde. 
Die  Beweiskraft  dieser  Versuche  von  Canalis  und  Morpurgo 
zweifelt  Baumgarten  an,   da  bei  Tauben  an  und  für  sich  die 


Von  Prof.  M.  Ficker.  367 

Empfänglichkeit  für  Milzbrand  eine  sehr  ungleiche  ist,  ein  Ein- 
wand, den  man  auch  gegen  die  Versuche  von  Bakunin  und 
Boccardi(^  machen  muls.  Doch  läfst  sich  wohl  bei  den  grofsen 
Versuchsreihen,  wie  wir  sie  bei  Canalis  und  Morpurgo  finden, 
ein  Einfluls  des  Hungers  nicht  leugnen.  Wenn  die  infektion- 
begünstigende Rolle  des  Hungers  im  übrigen  nicht  eindeutig 
zum  Ausdruck  kam,  so  liegt  das  wohl  in  der  Wahl  des  infizieren- 
den Keims  und  in  der  subkutanen  Anwendungsweise,  bei  der 
ja  doch  die  Verhältnisse  ganz  anders  liegen  wie  bei  der  unter 
natürlichen  Bedingungen  erfolgenden  Tierinfektion.  Zudem  ist 
für  den  Tiermilzbrand  es  nicht  erwiesen,  dafs  gerade  der  Hunger 
ein  Hilfsmoment  für  die  Infektion  bildet,  es  gibt  sogar  Stimmen 
von  Praktikern,  die  gerade  die  besternährten  Tiere  als  am  meisten 
disponiert  für  Milzbrand  halten  [John  G'errard(^),  Oemler(^)]. 
—  Andere  systematische  Infektionsversuche  als  die  genannten 
sind  am  hungernden  Organismus  nicht  ausgeführt,  wohl  aber 
hat  man  gelegentUch  Tiere  fasten  lassen,  um  bei  Verfütterung 
infektiösen  Materials  eine  raschere  und  reichlichere  Aufnahme 
zu  erreichen,  so  liefs  Harris(®)  Mäuse  12 — 15  Stunden  lang 
fasten,  um  sie  dann  mit  Milzbrandsporen  zu  füttern.  Der  Einflufs 
des  Fastens  kam  aber  —  oflEenbar  der  kurzen  Frist  wegen  — 
nicht  zum  Ausdruck,  von  26  Mäusen  starb  nur  eine  an  Milz- 
brand. — 

Einige  Arbeiten  befassen  sich  mit  der  Frage,  ob  auch  der 
als  sicher  angenommene,  die  Infektion  begünstigende  Einflufs 
des  Hungers  ebenso  wie  die  durch  andere  Momente  verminderte 
natürliche  Immunität  etwa  in  der  Abnahme  der  bakteriziden 
Fähigkeit  des  Blutes  der  Tiere  seine  Erklärung  finde.  So  hatten 
schon  Bakunin  und  Boccardi  bei  hungernden  Tauben  eine 
Verminderung  der  bakteriziden  Serumwirkung  gegenüber  Milz- 
brandbazillen gefunden.  E.  S.  London(^<*)  beobachtete,  dafs 
unter  13  Tauben,  die  er  gänzlich  oder  teilweise  fasten  Uefs,  nur 
eine  ein  Serum  lieferte,  das  noch  bakterizides  Vermögen  gegen 
Milzbrandbazillen  besafs,  bei  den  übrigen  war  das  Vermögen 
ganz  oder  teilweise  zu  Verlust  gegangen.  Zu  anderen  Ergeb- 
nissen  kam   Rosatzin(^^)   bei    Kaninchen,    er  fand,   dafs  das 


368     Einflols  d.  Hangen  aaf  d.  Bakteriendnrchläasigkeit  d.  Intestmaltraktiu. 

Serum  dieser  Tiere,  wenn  sie  hungerten,  nicht  an  Wirksamkeit 
gegen  Milzbrand-  und  Typhusbazillen  sowie  Choleravibrionen 
einbülste.  Für  Typhusbazillen  hatten  Meltzer  und  Norris(*^ 
beim  Hund  dasselbe  konstatiert.  Diese  differenten  Beobachtungen 
erklären  sich  vielleicht  dadurch,  dals  man  früher  auf  die  bei  der 
Einsaat  in  Serum  eintretende  Agglutination  oder  auf  das  erfolgte 
Fadenwachstum  keine  Rücksicht  genommen  hat,  so  dafs  das 
Plattenverfahren  dann  unsicheren  Aufschlufs  geben  nmtste.  Wert- 
voller als  diese  Reagenzglasversuche  dürften  die  am  Kaninehen 
angestellten  Untersuchungen  von  Ferra nini(^')  sein,  der  nor- 
male und  hungernde  Tiere  mit  B.  coli  impfte  und  nachweisen 
konnte,  dafs  der  verimpfte  Keim  aus  dem  Blut  des  normalen 
Tieres  bald  verschwindet,  hingegen  im  Blute  der  Hungertiere 
14  Tage  lang  persistierte.  Was  die  Bakterien giftempfindlichkeit 
fastender  Tiere  anlangt,  so  konnten  T  eis  sie  r  und  Guinard(") 
durch  Fasten  Hunde  gegen  die  Toxine  des  Diphtherie-  und 
Pueumoniebazillus  sogar  widerstandsfähiger  machen. 

Aus  der  jüngsten  Zeit  sind  schliefslich  noch  die  Versuche 
F.  Th.  Müllers (^*)  zu  erwähnen,  der  hungernde  Tauben  mit 
Bact.  typhi,  Pyocyaneus,  B.  dysenteriae,  Proteus  und  V.  Metsch- 
nikoff  behandelte,  um  dann  den  Agglutinationswert  des  Serums 
zu  vergleichen  mit  dem  von  nicht  hungernden  und  in  gleicher 
Weise  immunisatorisch  vorbehandelten  Tieren  derselben  Art.  Bei 
den  mit  B.  typhi  und  Pyocyaneus  behandelten  Hungertauben 
traten  mehr,  bei  den  gegen  Dysenterie,  Proteus  und  W  Metsch- 
nikofE  immunisierten  Hungertauben  traten  weniger  Agglutinine 
als  bei  den  Kontrolltieren  auf.  Eine  ebenfalls  ungleiche  Wirkung 
des  Einflusses  des  Hungers  auf  den  Komplementgehalt  des  Blutes 
geht  auch  aus  den  Untersuchungen  von  Bendivegna  und 
Carini(^*)  hervor,  die  hämolytische  Komplemente  bald  vermehrt, 
bald  vermindert  fanden. 

Meine  eigenen  Versuche  sollten  zunächst  die  Frage  beant- 
worten, ob  im  Serum  hungernder  Tiere  eine  Ab-  oder  Zunahme 
der  natürlicherweise  gegenüber  einer  Reihe  von  Keimarten  vor- 
handenen Agglutinine  erfolge;  ob  ferner  ein  hungerndes  Tier 
Agglutinine  gegen  die  im  Darm  einheimischen  Bakterien  bildet; 


Von  Prof.  M.  Ftcker.  369 

ob  schlielelicb  beim  Hunger  durch  Verfütterung  solcher  Keime, 
die,  wie  ich  beobachtet  hatte,  vom  Darm  aofl  in  Organe  ein- 
dringen, eine  spezifische  ÄgglutiniubildaDg  eingeleitet  wird. 

Versuchsanordnung:  Erwacbaeoen  Kaninchen  wird  vor  der 
Hungerperiode  Blut  zur  Bestimmung  des  Agglutinlngehaltes  ent- 
nommen. Damach  bungero  die  Tiere  die  angegebene  Zeit  und 
werden  sodann  1  Woche  lang  gefüttert,  nun  zweite  Blutentnahme, 
bei  Kauincbeo  1  und  2  abermaliges  Hungern,  dann  1  Woche  lang 
Fütterung,  zweite  Blutentnahme.  Beim  erst-  und  zweitmatigen 
Füttern  nach  der  Hungerperiode  wurden  dem  Futter  je  eine  Platte 
(Agar,  Dorchmesser  16  cm,  1  Tag  27")  Roten  Kielers  beigemengt. 

Die  A^latination  wurde  makroskopisch  geprüft. 


I.  HaDgeiperiod«  3  Tafe 

l 

.  HiiBr«rp«rio4e  i  Täte. 

1:2 

1:4 

1  :  8    1 : 16 

... 

1:64 

1:128 

1:266 

1.  EaniDchen,  scbwars. 

a.  Roter  Kieler 

vor  Hnngem 

nach  I.  Hungerperiode     . 
nach  n.             . 

b.  B.  coli  vom  glichen  Ka- 

ninchen isoliert 
vor  Hangern 

nach  n. 

c.  TyphuB  .Dr.. 

TOt  Haogern 

nach  U. 

d.  Cholera  .8. 

vor  Hungern 

nach  I.  Hongerperiode 

nach  U. 

S.  Kaninchen,  gelb. 

a.  Roter  Kieler 

vor  Hungern 

nach      .           

b.  KoU  desaelben  Tieren 

+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

■        -    - 

S    +  '  - 

+    + 

^  I  I 

+    +     +'' 

+ 

- 

- 

nach       >           

+  i  +'l  -  i  -  i  - 

- 

870     Einflofs  d.  Hangen  aaf  d.  Bakteriendarchlftasigkeit  d.  Intestinaltraktas. 


i!l:2 


1:4 


1:8 


1:16 


1:32 


1:64 


1:128 


1:256 


c.  Typhus  »Dr.< 

▼or  Hangern + 

nach      >  -|- 

d.  Friedlftnd.  fthnl.  Darmkeim 

vor  Hangern + 

nach      >  -f~ 

3.  Kaninchen,  gelb. 

a.  Roter  Kieler 

vor  Hangern + 

nach      »  -f-? 

b.  Koli  desselben  Tieres 

vor  Hungern Ii  -|~ 


+ 
+ 


nach      > 

c.  Typhus  >Dr.< 
vor  Hangern 
nach      > 

d.  Cholera  >S< 
vor  Hungern 
nach        > 


+ 


+ 

+ 


I  

+  1- 


+ 
+ 


4.  Kaninchen,  grau. 

a.  Roter  Kieler 

vor  Hungern 

nach       >  

b.  Koli  desselben  Tieres 

vor  Hungern -f- 

nach       >  -f~ 

5.  Kaninchen,  grau. 

a.  Roter  Kieler 

vor  Hungern — 

nach       »  — 

b.  Koli  desselben  Tieres 

vor  Hungern -|- 

nach       >  -f" 

c.  Typhus  »Dr.c 

vor  Hungern -|- 

nach       >  -|- 

d.  Cholera  >ä< 

vor  Hungern +14" 

nach       »  +      + 


+ 
+ 

+ 

+ 


Tl; 


+ 
+ 


+ 
+ 


+ 
+ 


+ 


+ 


+  !  -      - 


+     +     -      -      - 

+     +■>    -     -      - 


Aus  diesen  Versuchen  geht  hervor,  dafs  die  Agglutinations- 
werte    des   Kanincheuserums    gegenüber   Typhus    und   Cholera 


Von  Prof.  M.  Ficker.  371 

durch  Hungern  weder  eine  erhebliche  Verminderung  noch  Er- 
höhung erfahren,  sie  blieben  ungefähr  auf  gleicher  Höhe.  Auch 
gegen  den  dem  hungernden  Tiere  verabreichten  Roten  Kieler, 
der,  wie  die  voraufgehenden  Versuche  zeigten,  bei  der  gleichen 
Versuchsanordnung  in  die  Blutbahn  und  in  die  Organe  über- 
tritt, wurden  Agglutinine  nicht  gebildet.  Um  so  auffallender 
ist  die  Beobachtung,  dafs  bei  drei  von  fünf  Kaninchen 
unter  dem  Einflüsse  des  Hungers  der  Agglutinations- 
wert des  Serums  gegenüber  dem  aus  dem  Darm  derselben 
Tiere  vor  der  Hungerperiode  isolierten  Bact.  coli  deut- 
lich anstieg.  Es  liegt  die  Vermutung  nahe,  dafs  diese  Erhöhung 
des  Agglutinationstiters  spezifischer  Art  ist  und  im  Zusammen- 
hange mit  den  oben  wiedergegebenen  Beobachtungen  über  den 
Übertritt  von  Darmkeimen  während  des  Hungers  steht.  Man 
könnte  hier  einwenden,  daCs  ja  dann  auch  gegenüber  dem  Roten 
Kieler  Agglutinine  gebildet  sein  müfsten.  Es  steht  dahin,  ob 
nicht  bei  Fortsetzung  der  Versuche  und  häufigerer  Einführung 
dieses  Keimes  mit  der  Nahrung  nicht  doch  auch  eine  Agglutinin- 
bildung  angeregt  werden  kann.  Man  wird  auch,  um  diese  Diffe- 
renz zu  verstehen,  an  die  verschiedenartige  Qualität  der  geprüften 
Keimarten  denken  müssen.  So  darf  man  vermuten,  dals  B.  coli 
eher  dazu  befähigt  sein  dürfte,  im  Organismus  eine  Gregenreaktion 
anzuregen  wie  der  saprophytische  Kieler  Wasserbazillus.  Dafs  die 
Agglutininbildung  gegenüber  dem  B.  coli  des  gleichen  Tiers  in 
einigen  Fällen  so  prompt  erfolgte,  ja  in  einem  Falle  sogar  ein 
beträchtliches  Emporschnellen  zur  Beobachtung  kam,  deutet  viel- 
leicht darauf  hin,  dafs  beim  Kaninchen  öfters  Gelegenheit  zum 
Eindringen  von  Darmkeimen  gegeben  ist;  hierbei  kann  eine  mehr 
oder  weniger  starke  Bildung  von  Agglutininen  hervorgerufen 
werden,  die  sich  in  der  Folgezeit  ganz  oder  teilweise  verlieren.  So 
wie  man  nun  aber  bei  der  künstlichen  Immunisierung  bei  Tieren, 
die  man  nach  Vorbehandlung  mit  spezifischen  Keimen  solange 
in  Ruhe  lälst,  bis  die  spezifischen  Agglutinine  aus  dem  Blute 
verschwinden,  durch  eine  erneute  Verabreichung  selbst  kleiner, 
an  und  für  sich  zu  stärkerer  Agglutininanregung  nicht  befähigter 
Mengen  des  Inlektionsstoffes  einen  rapiden  Anstieg  des  Aggluti- 


372     EinflnXfl  d.  Hungers  auf  d.  Bakteriendurchlässigkeit  d.  Intestinaltraktus. 

nationswertes  erzielen  kann  (Rufus  J.  Cole(^'^),  so  ist  es  auch 
hier  möglieh,   dafs  der  Körper,   der  durch  vorherige  von  Darm- 
keimen   aus   erfolgende  Invasionen   schon  Agglutinine   gebildet 
hatte,  auf  ein  abermaliges  späteres  Eindringen,  z.  B.  während  des 
Hungems,  in  intensiver  Weise  reagiert.     Es  würde  damit  auch 
zu  verstehen  sein,  dafs  nicht  in  jedem  Falle  beim  Hunger  dieser 
Anstieg  kenntlich   wird,    und   es  würde    sich   der  Widerspruch 
lösen,    dafs   gegenüber   den  verfütterten  Keimen  zunächst  eine 
Erhöhung   des    Agglutinationswertes   in    den   vorliegenden    Ver- 
suchen nicht  eintrat.     Man  kann  es  mithin  nicht  in  jedem  Falle 
einem  Serum  ansehen,   ob  der  Rezeptorenapparat  des  Körpers 
keine  oder  sogar  eine  intensivere  Reaktionsfähigkeit  besitzt: 
in  dem  einen  Falle  zeigt  das  Fehlen  der  spezifischen  Stoffe  im 
Serum  in  der  Tat,  dafs  der  Organismus  auf  eindringende  fremde 
Keime  noch  nicht  eingestellt  ist,  im  anderen  Falle  aber  kann  bei 
einer  geringsten  Attacke  der  Rezeptorenapparat  in  eine  Aktion 
treten,    die   in   keinem  Verhältnis    zu   dem   Angriff  zu   stehen 
braucht,  d.  h.  ein  geringer  Anlafs  könnte  eine  sehr  starke  Gegen- 
reaktion auslösen:  in  beiden  Fällen  kann  der  Serumbefund  der- 
selbe, der  Ausgang  aber  ein  total  verschiedener  sein. 

Ganz  kurz  soll  schliefsUch  noch  über  Versuche  berichtet 
werden,  die  die  Frage  nach  dem  Verhalten  der  bakteriziden 
Wirkung  des  Serums  hungernder  Tiere  zum  Gegenstande 
hatten.  Die  oben  angeführten,  bisher  bekannt  gewordenen  Ver- 
suche in  der  gleichen  Richtung  widersprechen  einander.  Auch  mir 
ist  es  bis  jetzt  nicht  gelungen,  Gesetzmäfsigkeiten  aufzufinden. 
Die  Versuche  werden  noch  fortgesetzt  und  erweitert,  hier  soll  nur 
berichtet  werden,  dafs  ich  beim  bakteriziden  Reagensglasversuche, 
entgegen  der  naheliegenden  Annahme,  das  bakterizide  Vermögen 
des  Blutes  müsse  im  Inanitionszustande  unbedingt  heruntergehen, 
in  ebensoviel  Fällen  sogar  eine  Verstärkung  der  bakterieutötenden 
Eigenschaften,  in  einigen  Fällen  ein  Gleichbleiben  konstatieren 
konnte.  Eine  Verallgemeinerung  der  am  einzelnen  Tier  erhal- 
tenen Ergebnisse  ist  auch  hier  durchaus  nicht  am  Platze,  und  eben- 
sowenig mufs  es  richtig  erscheinen,  sich  an  die  zur  Gewohnheit 


Von  Prof.  M.  Fickor.  373 

gewordene  Identifizierung  von  Blutserum-  und  Körperbeschaffen- 
heit zu  binden. 

Wenn  wir  so  bei  der  Untersuchung  des  Blutes  hungernder 
Tiere  keine  Anhaltspunkte  dafür  gewinnen,  dafs  für  den  beim 
Hunger  erfolgenden  Übertritt  von  Darmkeimen  das  ausschlag- 
gebende Moment  in  dem  Serumverhalten  zu  finden  sei,  so  ist 
es  doch  ebenso  verfrüht,  andere  Veränderungen  im  Organismus, 
wie  sie  bei  Nahrungsentziehung  sich  einstellen,  dafür  verant- 
wortlich zu  machen.  Rechnet  man  aber  zunächst  mit  dem,  was 
wir  wissen,  so  ist  es  doch  wohl  das  Ungezwungenste,  für  die 
weitere  Betrachtung  von  der  beim  Hunger  so  offensichtlich  ein- 
tretenden Minderwertigkeit  der  Organe ,  von  der  Infirmität  der 
£inzelzelle  auszugehen.  Wir  wissen,  dafs  bei  der  Inanition  die 
Funktion  der  Drüsen,  insbesondere  der  Verdauungsdrüsen,  aufs 
schwerste  alteriert  wird,  und  dafs  der  Darm  zu  denjenigen 
Organen  gehört,  die  die  relativ  stärkste  Gewichtsabnahme  auf- 
weisen; dafs  ferner  die  Peristaltik  damiederliegt  und  dafs,  wie 
der  Hungerkot  zeigt,  das  Schleimhautepithel  einer  starken 
Abschilferung  anheimfällt.  Obwohl  unsere  Kenntnisse  über  die 
Verteidigungskräfte  des  normalen  Magendarmkanals  gegenüber 
Mikroorganismen  noch  sehr  der  Vertiefung  bedürfen ,  so  darf 
man  wohl  heute  schon  annehmen,  dafs  gerade  die  Integrität  der 
Schleimhautdecke,  die  normale  Quantität  und  Qualität  der  Ver- 
dauungsdrüsensäfte und  die  geordnete  Funktion  der  Peristaltik 
wichtige  Glieder  in  dem  komplizierten  Mechanismus  der  Schutz- 
apparate des  Intestinaltraktus  sein  dürften. 

Die  vorliegenden,  sowie  die  in  Bd.  52,  S.  179  und  Bd.  53, 
S.  50  dieser  Zeitschrift  mitgeteilten  Tierversuche  sind  mit  Unter* 
Stützung  der  Gräfin  Bose-Stiftung  ausgeführt.  Dem  Kuratorium 
der  Stiftung  bin  ich  zu  ergebenem  Danke  verpflichtet. 


2l 

S. 

4 


Caltn.  Ramw]   is  sied,  tsc^  r.  a.  3«»  HL  ^.  T4äL 


CftiLAli«,  P    X   B.  X]rp:zrf  j.   F<: 


ModobL  JU.  dL  s.  «SSl 


t  0«inl«r,  B«rL 


!*7h-.  ?. 


x.cr 


». 


II. 

li 

11. 

Xä. 
I«. 
IT. 


HmrriB,  13.    *wwtfi  ä«D«irs  «&:.     Bd£.  Banm^stEiL.  L^SO«  s>.  5M. 
L'iiL-iaa,  E.  Si^  Campe,  remi    AaSiL  ,  T  1±1  :?.  IiT9. 
ft<i4ji*xi3.,   Th.   in  Labaracn.    Zur  Lrär«  rna  ien.  •: 
X«lcz«r  X  Xirri«,  Jiinrs.  <if  ^zp^   suii.  ^jL  4.  5.  UL 
7ftrrma.:ai,  Ref.  a^irwiyi-^— «    LiS<.  S.  TSSl 


s.   « *. 


Xliler.  P.  Th^  Diam  ZammrifL  3.L  3L  5.  3l9. 


Bftai:T«r!LA  x  C&rio.:,  La  ^o^rmpncLe.  Vji.  54.  F; 
Eifat,  J'.  CoL*,  Zeiadir.  t  Ej^^  Bd.  4fk  K  'S. 


5,  S.  4SQ. 


über  das  Yerhalten  der  aeroben  Keime  gegenllber  der 

absoluten  Sanerstoffentziehnng. 

I 

Von 

Dr.  Walther  Willimsky. 

(Ans  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.    Direktor:  Geh. 

Med.-Rat  Prof.  Dr.  Rabner.) 

Während  die  Frage  der  Saaerstoffbedürftigkeit  der  sogenann- 
ten Anaerobier  zum  extensiven  Leben  heute  noch  der  definitiven 
Beantwortung  harrt,  ist  es  bei  den  aeroben  Keimen  keinem 
Zweifel  unterworfen,  dafs  sie  den  Sauerstoff  zur  aktiven  Lebens- 
führung nötig  haben.  In  der  Oxydation  der  Nahrungsstoffe  fin- 
den sie  ihre  Lebensenergie.  Fehlt  der  Sauerstoff,  so  tritt 
Stillstand  der  Funktionen  ein.  Hesse(^)  hat  durch  gasanaly- 
tische Versuche  gefunden,  dafs  bei  absoluter  Sauerstoffentzie- 
hung eine  Entwicklung  der  aeroben  Keime  auch  nicht  in  Spuren 
nachweisbar  ist.  Die  Gröfse  des  Wachstums  läuft  proportional 
mit  der  Gröfse  der  Sauerstoffaufnahme  und  der  Kohlensäureaus- 
scheidung. Eine  andere  Frage  ist  es,  ob  die  schädigende  Ein- 
wirkung der  Sauerstoffentziehung  besonders  bei  längerer  Dauer 
so  eingreifend  ist,  dafs  das  Leben  völlig  erlischt,  oder  ob  die 
Keime  ein  latentes,  bei  günstigen  Bedingungen  zu  aktivem 
Leben  wieder  erweckbares  Dasein  zu  fristen  vermögen.  Da 
Untersuchungen  dieser  interessanten  Frage  —  systematischer  Natur 
wenigstens  —  nicht  zu  bestehen  scheinen,  so  habe  ich  eine 
Klärung  dieser  Verhältnisse  herbeizuführen  versucht. 


376     Verhalten  der  aeroben  Keime  gegenüber  der  absol.  Saaerstoffentziehong. 

Zu  meinen  Untersuchungen  verwandte  ich  aerobe  Keime, 
die  keine  Sporen  bilden,  und  zwar  die  Institutsreinkulturen: 
Cholera  »Saratowc,  Alcaligenes  11  und  Fluoresceus  non  liquefa- 
ciens.  Bei  der  Versuchsanordnung  ging  ich  aus  von  20stüQdigen 
Agarstrichkulturen,  die  im  Brutschrank  bei  optimaler  Temperatur 
gewachsen  waren,  also  Cholera  und  Alcaligenes  bei  37  ^,  Fluores- 
ceus non  liquefaciens  bei  27^.  Angelegt  waren  die  Kulturen 
so,  dafs  vorher  aufgekochter  Agar,  immer  in  gleicher  Menge 
und  von  derselben  Herkunft,  auf  Petrischalen  gleichen  Durch- 
messers gegossen,  und  dann  auf  der  festgewordenen  Fläche  mit 
derselben  sterilen  Platinnadel  die  gleiche  Menge  Material  einer 
ebenfalls  20  Stunden  bei  optimaler  Temperatur  gewachsenen 
Kultur  in  parallelen  Strichen  aufgetragen  wurde. 

Zur  Erzielung  der  Anaerobiose  wurde  die  Methode  der  Ver- 
drängung der  atmosphärischen  Luft  durch  Wasserstoff  gewählt, 
unter  Benutzung  des  von  Bischoff^)  zur  Auaerobenzüchtung 
angegebenen  Apparates,  eines  mit  Ab-  und  Zuflufsvorrichtung 
versehenen  und  luftdicht  abschhefsbaren  Glaszylinders,  der  in 
zweckmäfsiger  Weise  den  exakten  Gastausch  gestattet.  Der 
Wasserstoff  wurde  nicht  entwickelt,  sondern  einer  fabrikmäfsig 
hergestellten  Wasserstoffbombe  mit  15001  Inhalt  entnommen.  Er  er- 
wies sich  bei  der  Prüfung  als  chemisch  rein.  Die  Handhabung  der 
Technik  war  folgende :  Nachdem  in  dem  im  Bischof  f  sehen  Apparat 
befindlichen  Plattengestell  die  Kulturplatten  so  untergebracht 
waren,  dafs  die  Impffläche  nach  unten  sah,  wurde  das  unter 
starkem  Druck  ausfliefsende  Wasserstoffgas  15 — 20  Minuten 
durch  den  Apparat  geleitet.  Um  die  womöglich  noch  zurück- 
gebliebenen Spuren  von  Sauerstoff  zu  tilgen,  wurde  in  die  am 
Boden  des  ZyUnders  befindliche  Glasschale  mit  Pyrogallussäure 
lOproz.  Kalilauge  aspiriert,  nachdem  vorher  mittels  der  Wasser- 
strahlpumpe ein  Vakuum  erzeugt  worden  war.  Alle  diese  Hand- 
habungen w^urden  mit  äufserster  Vorsicht  ausgeführt  und  zum 
Schlufs  der  Apparat  überall  da,  wo  er  nicht  in  toto  zusammen- 
hing, mit  Paraffin  überzogen.  Auf  diese  Weise  wurde  eine 
sauerstofffreie  Atmosphäre  gewährleistet  und  dadurch  demon- 
striert,   dafs    auch    nach    mehreren  Wochen   die  Pyrogallussäure 


Von  Dr.  Walther  Willimsky.  dll 

nicht  den  bekannten  braunschwarzen  Ton  annahm,  sondern  eine 
helle,  leicht  gelbliche  Farbe  behielt. 

Wenn  in  der  eben  erschienenen  Arbeit  von  Cl.  Fermi  und 
Bassu('),  die  sich  mit  der  Kritik  der  Technik  der  Anaerobiose 
beschäftigt,  die  Unzulänglichkeit  der  Methode  der  Luftverdrän- 
gung durch  Wasserstoff  aus  der  sofortigen  Bräunung  der  Pyro- 
gallussäure  gefolgert  werden  konnte,  so  liegt  das  meiner  Über- 
zeugung nach  daran,  dafs  das  Durchleiten  des  unter  gar  keinem 
oder  nur  sehr  geringem  Druck  stehenden,  auf  gewöhnliche  Art 
entwickelten  Gases  nicht  den  Effekt  hat  wie  der  energische 
Strahl  des  komprimierten  Gases  der  Bombe,  der  die  Luft  vor 
sich  hinwegfegt  und  den  Raum  sozusagen  auswäscht. 

Auf  die  Frage  der  Sauerstoffreinheit  des  Nährbodens  wird 
noch  zurückgekommen  werden. 

Um  Fehlerquellen  auszuschalten,  wurde  das  Femhalten 
sekundärer  schädigender  Momente  nicht  aufser  acht  gelassen. 
Die  Wirkung  des  Lichtes,  dem  im  sauerstofffreien  Raum  eine 
erhöhte  bakterizide  Wirkung  zukommt,  wurde  ausgeschaltet,  in- 
dem die  Zylinder  in  einem  dunklen  Raum  untergebracht  wurden. 
Der  Austrocknung  des  Nährbodens  war  nach  Möglichkeit  vor- 
gebeugt, da  der  Apparat  in  seiner  Anordnung  an  und  für  sich 
eine  feuchte  Kammer  darstellte.  Was  die  Temperatur  betrifft, 
so  wurden  die  Apparate  bei  Zimmertemperatur  belassen,  da  nach 
den  Untersuchungen  von  Gotschlich  und  Weigang(*)  bei 
längerem  als  20  stündigem  Verweilen  im  Brutschrank  ein  rapides 
Zugrundegehen  der  Keime  stattfindet,  so  dals  z.  B.  die  bei  37  o 
gehaltene  Cholerakultur  nach  zwei  Tagen  nur  noch  10%,  nach 
drei  Tagen  nur  noch  1%  der  Individuen  am  Leben  hat,  wäh- 
rend eine  rechtzeitige  Übertragung  aus  dem  Brutschrank  in 
eine  niedere  Temperatur  ein  längeres  Verweilen  der  Individuen- 
zahl auf  der  ursprünglichen  Höhe  zur  Folge  hat. 

Zum  Vergleich  ging  parallel  mit  dieser  anaeroben  Anord- 
nung eine  aerobe,  indem  diesmal  die  Zylinder  die  Luftatmo- 
sphäre behielten,  im  übrigen  aber  die  Kulturen  unter  denselben 
Bedingungen  gehalten  wurden. 

AichlT  f.  Hygiene,  Bd.  LIV.  25 


ä?8     Verhalten  der  aeroben  Keime  gegenflber  der  absol.  SanerBtoffentsiehiing. 

Nachdem  die  KultarplatteD  yerschieden  lange  Zeit  unter 
ÄDaerobiose  gehalten  worden  waren,  wurde  die  Methode  der 
quantitativen  Keimbestimmung  angewandt,  um  zu  ermitteln,  ob 
und  wieviel  Individuen  beim  Überführen  in  günstige  Liebens- 
bedingungen  wieder  zum  Keimen  gebracht  werden  können. 

Von  dem  Kulturbelag  wurde  eine  Pfeiffersche  Normal- 
öse (1  mg),  —  die,  wie  wir  uns  überzeugten,  auch  in  unseren 
Händen  ein  brauchbares  Mafs  abgab  —  ohne  strikte  Unter- 
scheidung von  Randpartien  und  Zentrum  des  Kulturrasens  ab- 
gehoben. Die  nötige  Verdünnung  wurde  erzielt  durch  Auf- 
schwemmung dieser  Einheitsmenge  in  indifferenter  Aufschwem- 
mungsflüssigkeit  (Ficker(^)  —  Erlenmeierkölbchen  mit  50  com  — 
und  weitere  Verteilung  von  0,2  ccm  dieser  ersten  Aufschwem- 
mung in  einem  zweiten  Kölbchen  mit  50  ccm  derselben  Flüssig- 
keit. Mit  der  mit  0,2  ccm  dieser  zweiten  Aufschwemmung 
innig  vermischten  Nährgelatine  von  immer  der  gleichen  Menge 
(8  ccm)  wurden  dann  Platten  gegossen  und  nach  zweitägigem 
Aufbewahren  bei  optimaler  Temperatur  die  Kolonienzählung  mit 
dem  Zählmikroskop  vorgenommen. 

Die  Berechnung  ergab  die  folgenden  Zahlenwerte. 


I.  Cholera  «ySaratow^. 

Keimzahl  der  in  20  Standen  bei  37^  gewachsenen  Kultur  im  Darchschnitt : 

1  Normalöse  =  720000000. 


Keimzahl  der  bei  Zimmerteuiperatur 
gehaltenen  Kultur 


in  Luft 


nach  !  in  VVasserstofif- 
Tagen   atmosphäre 


796  109  OüO 
723  759  000 
689  375  OUO 
458  326  000 
372  532  000 
256  938  000 
160  240000 
21  209  100 


l 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
23 


470  800  000 

374  750  000 

359  429  000 

169  801 000 

137  625  OUO 

93  587  000 

72  360  000 

12  550000 


Von  t)r.  Walther  Willimaky. 


379 


II.  llkallgenes  IL 

Keimzahl  der  in  20  Stunden  bei  Sl^ 

gewachsenen  Kultur: 

1  Normalöse  =  475000  000. 


Keimzahl  der  bei  Zimmertemperatur 
gehaltenen  Kultur 


in  Luft 


482  487  000 
471754000 
313  529  000 
226841000 
110  493000 


nach 
Tagen 


1 
3 
4 
5 
6 


in  Wasserstoff- 
atmosphäre 


310  062  000 
271143  000 
227  598  000 
184  485000 
105  271000 


III«  Flnoreflcens  non  llqaefaelens. 

Keimzahl  der  in  20  Stunden  bei  27  <" 

gewachsenen  Kultur: 

1  Normalöse  =  1  175  000000. 

Keimzahl   der  bei  Zimmertemperatur 
gehaltenen  Kultur 


in  Luft 


1  649  867  000 

1  262  216  000 

1155000000 

751000000 

493  587  000 


nach  I  in  Wasserstoff - 
Tagen      atmosphäre 


1 
2 
3 
5 
6 


696  840  000 
408  745  000 
376  500000 
321  580  000 
235  875  000 


Am  auffallendsten  I.  Cholera  ,,8aratow«^ 

ist  zunächst  an  diesen  2qstünd.f(ultur 

Resultaten  der  Unter-      800\^^\^    \   ^ 
schied  in  der  Keim-  § 
zahl    der    anaerobio-  ?i  700 


tisch    und   der    aero-  !^ 
biotisch      gehaltenen   |^^*^ 
Reihe»    der  am  mar-  :^ 
kantesten   gleich   am  ^ 


1.  Tage  einsetzt.  Dafs  ^ 
dieser  Unterschied  ^ 
nicht  blofs  in  dem 
Wachstumsstillstand 
der  anaerob  gehalte- 
nen Kulturen  einer- 
seits und  einer  weite- 
ren Vermehrung  der 
aerob  gehaltenen  an- 
derseits besteht,  zeigt 
die  Keimzahl  der  20- 

stündigen  Kultur,  von  der  jedesmal  ausgegangen  wurde,  und 
die  sich  in  denselben  engen  Grenzen  hielt.  Wie  schon  Got- 
schlich  und  W  ei  gang  zeigten,  ist  nämlich  das  Maximum  der 

Entwicklung  der  bei  Bruttemperatur  gehaltenen  Kulturen  schon 

26* 


Kurven  der  aerohen  Reihen. 
Kurven  der  anaeroben  Reihen. 


38Ö    Verhalten  der  aeroben  Keime  gegenüber  der  absol.  Sanerstoffentxiehang. 


in  den  ersten  12  bis  20  Stunden  erreicht,  und  dann  tritt  der 
Abfall  ein,  oder  es  erfolgt  beim  Versetzen  in  niedere  Temperatur 
höchstens  noch  ein  kurzer  Anstieg,  der,  wie  in  unseren  Ver- 
suchen, einen  Zuwachs,  am  1.  Tage  von  9,5%  an  Keimen  bei 
Cholera,  1,75%  bei  Alcaligenes  und  40%  bei  Fluorescens  non 
liquefaciens  in  der  Einheit  darstellt. 

Wenn  wir  bei  der  anaeroben  Anordnung  die  Vermehrung  als 
durch  Wachstumsstillstand  aufgehoben  betrachten  —  was,  wie 
wir  noch  sehen  werden,  nicht  ganz  den  Tatsachen  entspricht  — 
und  beim  zahlenmälsigen   Vergleich  von   der  Individuenmenge 


n.  Alkaligenes  II. 


20  stund. Kultur 


500 


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der  20  stündigen  Kultur  ausgehen,  so  zeigt  sich,  dafs  schon 
nach  eintägiger  Einwirkung  bei  Cholera  35%,  bei  Alcaligenes  35% 
und  bei  Fluorescens  non  liquefaciens  43%  nicht  mehr  zum 
Auskeimen  gelangen.  Dafs  dieser  Ausfall  auf  dem  Absterben 
der  Keime  und  nicht  blofs  auf  einem  weiteren  Verharren  in 
einem  latenten  Zustand  beruht,  erhellt  daraus,  dafs  die  opti- 
malen Lebensbedingungen  —  freier  Zutritt  von  Sauerstoff,  günsti- 
ger Nährboden,  Bruttemperatur  —  selbst  nach  mehrtägiger  Ein- 
wirkung keinen  anderen  Erfolg  hatten,  eine  weitere  fortgesetzte 
Beobachtung  der  Aussaatplatten  keinen  Zuwachs  etwa  sich  er- 
holender Kolonien  konstatieren  konnte,  und  dafs  schliefslich 
eine  fortgesetzte  Zählung  der  nach  der  Anaerobiose  an  die  Luft 
gebrachten  Ausstrichplatten  eine  Zunahme  der  Keime  nicht  ergab. 
Der  andere  ausgekeimte  Teil  hatte  die  Schädigung  vertragen, 
und  es  lag  die  Frage  nahe,   ob  denn  auch  alle  Keime  der  Kul- 


Von  Dr.  Walther  Willimsky.  381 

tureD  unter  denselbea  anaeroben  BedinguDgen  geatandeD  batton. 
Wie  das  schon  von  vornherein  zu  verneinen  war,  so  ergab  auch 
eine  andere  Versuchsanordnung,  dals  dies  nicht  der  Fall  war. 

Beideraufserordent-  m.  Finorweeiu  lon  Uqneradeni. 

liehen  Schwierigkeit 
der  technischen  Auf- 
gabe, absolut  anae- 
robe Verhältnisse  im 
strengsten  Sinne  zu 
schaffen,  war  von  vorn- 
herein damit  zu  rech- 
nen, dals,  wenn  schon 
die  Atmosphäre  sauer- 
stofffrei genannt  wer- 
den konnte ,  doch 
Spuren  am  Glase  und 
vor  allem  im  Nähr- 
boden trotz  der  Erhit- 
zung desselben  zurück- 
bleiben würden.  Und 
daraus  war  weiter  zu 
Bchliefsen,  dafs  bei  der 
beschriebenen  Anord- 
nung die  Keime  des 
Kulturrasens,  die  dem 
Nfthrboden  am  näch- 
sten sind,  ihm  die 
Spuren  von  Sauerstoff 
begierig  entziehen  und 
so  ihr  Leben  fristen, 
anfangs  sogar  eines 
geringen  Wachstums 
f&hig     sein     könnten. 

Dafs  das  tatsächhch  der  Fall  war,  hatte  eine  zweite  Versuchs- 
anordnuDg  gezeigt.  Hier  wurden  nicht,  wie  oben,  die  zu  massigen 
Bel&gen  herangewachsenen  Strichkulturen  dem   Versuch  unter- 


382     Verhalten  der  aeroben  Keime  gegenüber  der  absol.  Saaerstoffentriehazig. 

werfen,  sondern  es  wurden  auf  einer  Agarplatte  2  Tropfen  einer 
Aufschwemmung  der  3  Keimarten  in  indifferenter  Flüssigkeit 
mit  dem  Glasspatel  verrieben,  und  die  so  präparierten  Petri- 
schalen unter  dieselbe  anaerobiotische  Anordnung  wie  oben  ge- 
bracht, nur  dals  die  Zylinder  gleich  in  den  Brutschrank  kaoien. 
Hierbei  zeigte  sich  nun  schon  nach  einem  Tage,  dafs  die  Keime 
keine  Abnahme  zeigten,  sondern  zu  Kolonien  herangewachsen 
waren,  die  allerdings  im  Verhältnis  zu  den  auf  den  aerob  ge- 
haltenen Koutrollplatteu  verschwindend  klein  waren  und  sich 
nicht  weiter  vergröfserten.  Damit  stimmt  auch  die  Beobachtung 
Hess  es  überein,  wonach  Choleraeiweifskulturen,  die  in  Wasser- 
sloffatmosphäre  gehalten  wurden,  nur  in  den  ersten  Tagen  ab- 
nehmende Mengen  von  Kohlensäure  produzierten,  was  sich  nur 
damit  erklären  läfst,  dafs  der  Nährboden  Spuren  von  Sauersto£f 
enthielt,  die  eine  Respiration  und  Vegetation  gestatteten.  Daraus 
ergeben  sich  die  Schlüsse: 

Während  in  diesem  Falle  jeder  Keim  sozusagen  seinen 
eigenen  Acker  hatte,  der  ihm  in  den  Zeiten  der  Not  auch  den 
Sauerstoff  lieferte  und  ihn  der  einsetzenden  Schädigung  nicht 
ganz  hilflos  aussetzte,  konnten  bei  der  anderen  Versuchsanordnung, 
wo  die  Keime  in  grolsen  dicken  Massen  zusammengelagert 
waren,  nur  die  zum  Nährboden  günstig  postierten  diesen  Orts- 
vorteil geniefsen,  die  anderen  aber  wurden,  des  Sauerstoffs  der 
Luft  und  des  Bodens  beraubt,  tatsächlich  unter  absolut  anaero- 
biotische Verhältnisse  gesetzt  und  mufsten,  von  der  plötzlichen 
SauerstoflEentziehung  überrascht,  ersticken. 

Vergleichen  wir  den  Erfolg  dieser  eintägigen  Einwirkung 
der  Anaerobiose  mit  dem  einer  zunehmenden  mehrtägigen 
und  denken  uns  zur  besseren  Anschaulichkeit  die  Zahlenwerte 
graphisch  dargestellt,  so  kommen  wir  unter  Berücksichtigung 
des  Verhaltens  der  aerobiotisch  gehaltenen  Reihe  noch  zu  fol- 
genden weiteren  Schlüssen: 

Die  Kurve  der  aerobiotisch  gehaltenen  Keime  ist  bei  allen 
3  Keimarten  dadurch  ausgezeichnet,  dafs  nach  dem  kurzen  An- 
stieg am  ersten  Tage  ein  kontinuierlicher  Abfall  folgt,  und  dafs 
dieser  Abstieg  am  4.  Tage  am  steilsten  ist.     Diese  Erscheinung 


Von  Dr.  Walther  Willimsky. 


383 


des  Absterbens  mit  den  bekannten  ursächlichen  Faktoren  wird 
naturgemäfs  auch  bei  der  Beurteilung  der  Resultate  der  anaero- 
biotisch  gehaltenen  Reihe  Berücksichtigung  finden  müssen.  Die 
Zahlenkurve  der  anaerob  belassenen  Keime  charakterisiert  sich 
durch  einen  steilen  Abfall  am  ersten  Tage,  der  aber  an  den 
folgenden  Tagen  nicht  in  gleicher  Weise  anhält,  sondern  in 
einen  sanfter  absteigenden  Bogen  übergeht.  Mit  der  aeroben 
Reihe  vergUchen,  sind  die  täglichen  Differenzen  der  anaeroben 
Zahlenwerte  noch  geringer,  so  dafs  die  beiden  in  demselben 
Felde  eingetragenen  Kurven  einander  immer  näher  kommen, 
mit  anderen  Worten:  der  Effekt  der  Sauerstoffeutziehung  ist  in 
den  ersten  Stunden  der  Einwirkung  weitaus  am  gröfsten;  alle  un- 
günstig gelagerten  und  weniger  widerstandsfähigen  Keime  gehen 
bald  zugrunde,  die  anderen  günstiger  postierten  vermögen  ihr 
Leben  auf  die  Spuren  des  Sauerstoffs  im  Nährboden  einzustellen 
und  unter  steter  Auslese  der  passendsten  dahin  geführt  zu  wer- 
den, mit  immer  geringeren  Mengen  von  Sauerstoff  auszukommen, 
so  dafs  auf  diese  Weise  wenigstens  ein  latentes  Leben  möglich 
ist.  Die  im  Verhältnis  zur  aeroben  Reihe  geringeren  Differenzen 
in  der  Abnahme  der  Keime  sind  damit  zu  erklären,  dafs  die 
überlebenden  Keime  auf  demselben  Räume  infolge  ihrer  gerin- 
geren Anzahl  nicht  mit  soviel  Konkurrenten  zu  kämpfen  haben 
und  jene  Faktoren  der  Nährbodenerschöpfung  und  Stoffwechsel- 
giftbildung infolgedessen  in  schwächerem  Mafse  einwirken. 

Die  Frage  der  allmählichen  Anpassung,  die  hiermit 
berührt  wurde,  wurde  noch  durch  weitere  Versuche  zu  beant- 
worten gesucht.  Ausgegangen 
wurde  diesmal  von  einer  schon 
8  Tage  anaerobiotisch  gehaltenen 
Fluorescens  non  liquefaciens-Kul- 
tur.  In  bekannter  Weise  folgte 
dem  Ausstrich  dieser  Kultur  auf 
eine  neue  Agarplatte  ein  20stün- 
diger  Aufenthalt  bei  27°  im  Brut- 
schrank und  dann  die  Anaerobiose 
bei  Zimmertemperatur. 


Flnoreseens  non  liquefaciens. 

n.  GoDeration  (I.  Generation  8  Tage  in 
WasserstoffatmoHph&re  gehalten). 

208tündige  bei  27  o  gewachsene  Kaltur: 
700  000000  Keime  (1  Normalöse). 


Keimzahl  in 


Laft 


809119  000 
792  533  000 
304  337  000 
226  402000 
91  928  000 


nach 
Tagen 


1 
2 
4 
5 

7 


Wasserstoff- 
atmosphäre 


499  860  000 
384  407  000 
219060000 
173  041  000 
56  663  00Q 


384     Verhalten  der  aeroben  Keime  gegenüber  der  absol.  Saaerstoffentsiehang. 


5 

.1 


900 


800 


700 


600 


I 

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I 


Vergleichen   wir  die  Zahlenwerte  dieser  zwei   Generationen 

hindurch  anaerobiotisch  gehaltenen  Kultur  mit  jener   nur    eine 

Generation  unter  Anaerobiose  gestandenen,   so  ergibt  sich,    dals 

die  Zahlenkurven   an   und  für  sich  im  Prinzip  gleich  verlaufen. 

Eine  Verschiedenheit  besteht   aber   darin,    dafs   in  der   zweiten 

Generation   eine   durchgehende  beträchtliche   annähernd    proper- 

„      ^   .  tionale  Verminderung 

Fluoreseeng  non  llquefaeieiiB«  ^ 

der  Keimzahl    in    der 
Einheit  zu  konstatieren 
ist,   die,  wie  die  Zahl 
der  20  stündigen  Kul- 
tur   zeigt,    33%    aus- 
macht.     Die    Wachs- 
tumsintensität der 
Keime  hat  also  durch 
die     Stägige     Anaero- 
biose  um  ^/3  gelitten. 
Ein     weiterer     Unter- 
schied besteht  in  dem 
Verhältnis  der  aeroben 
und  anaeroben  Reihe. 
Zwar  ist  auch  hier  der 
Untergang  der  Keime 
am    ersten    Tage    am 
bedeutendsten ,     doch 
ist  das  Prozentverhält- 
nis    der     lebengeblie- 
benen Keime   ein  anderes.     Während  dort   nach  eintägiger  An- 
aerobiose nur  57%  der  Keime  am  Leben   blieben,   sind   es   bei 
der  2.  Generation  schon  70%.     Es  scheint  also,   dafs  durch  die 
achttägige   Anaerobiose    eine   Auslese    der    geeignetsten    Keime 
stattgefunden  hat,    die,  auf  eine  erneute  Anaerobiose  besser  ge- 
rüstet und   angepafst,   der  einsetzenden  Schädigung   nicht  mehr 
so  schnell  erliegen.     Man  wird  allerdings  auch  beachten  müssen, 
dafs    bei    der,    wie    oben   hervorgehoben,    eingetretenen  Vermin- 
derung  der  Keimzahl  in  der  Einheit  die  Keime  im  ganzen  besser 


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Von  Dr.  Walther  Willimsky.  385 

gestellt  sind,  und  dieser  Umstand  zur  Verbesserung  des  Sterblich- 
keitsverhältnisses beigetragen  haben  kann. 

Weiterhin  wurde  in  einem  zweiten  Versuch  die  Anaerobiose 
durch  10  Generationen  fortgesetzt.  Ausgegangen  wurde  von 
einer  23  Tage  anaerobiotisch  gehaltenen  Choleraagarstrichkultur. 
Von  dieser  wurden  Keime  in  gleicher  Menge  auf  neue  Agar- 
platten  übertragen  und  der  anaerobiotischen  Anordnung  mehrere 
Tage  unterworfen.  Die  zu  kümmerlichen  Kolonien  ausgewach- 
senen Keime  der  zweiten  Generation  wurden  erneut  auf  Agar- 
platten  ausgestrichen  und  sofort  wieder  anaerobiotisch  gehal- 
ten, und  dies  so  10  Generationen  hindurch  fortgesetzt,  wobei 
jede  3 — 7  Tage  unter  anaerobiotischen  Bedingungen  stand.  Eine 
merkbare  Anpassung,  die  sich  durch  schnelleres  Wachstum  oder 
Zunahme  in  der  Gröfse  der  Kolonien  gezeigt  hätte,  konnte  aber 
nicht  nachgewiesen  werden. 

Die  Hauptergebnisse  der  Arbeit  lassen  sich  kurz,  wie  folgt, 
formulieren : 

Die  aeroben  Keime  vermögen  ihr  Leben  auf  minimale 
Spuren  von  Sauerstoff  einzustellen  und  zwar  um  so  besser,  je 
langsamer  die  Sauerstoffentziehung  erfolgt;  bei  absoluter  Anaero- 
biose aber  sterben  sie  ab,  und  zwar  um  so  schneller,  je  plötz- 
licher diese  herbeigeführt  wird. 

Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  Herrn  Geh.  Med.-Rat 
Professor  Dr.  Rubner  für  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit,  Herrn 
Professor  Dr.  Ficker  für  seine  stets  freundliche  Unterstützung 
meinen  aufrichtigen  Dank  auszusprechen. 


Literatur. 

1.  Hesse,  Zeitschr.  f.  Hygiene,  Bd.  XV,  8.  17. 

2.  Bischoff,  Veröffentl.  a.  d.  Gebiet  d.  MilitAr-Sanit- Wesens,  Heft  28. 

3.  Cl.  Permi  u.  Bas  SU,  Centralbl.  f.  BakterioL,  Origin.-Mitt,  I,  Bd.  XXXV. 

4.  GotBchlich  u.  Weigang,  Zeitschr.  f.  Hygiene,  Bd.  XX,  8.  376. 

5.  Ficker,  Zeitschr.  f.  Hygiene,  Bd.  XXIX. 


Zum  Nachweis  fäkaler  Verunreinigung  von  Trinkwasser. 

Von 

Oberarzt  Dr.  Ohristian. 

(Ans  dem  hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.    Direktor:  Geh.  Med.- 

Rat  Prof.  Dr.  Rubner.) 

unter  Brauchbarkeit  eines  Trinkwassers  versteht  man  eine 
Summe  von  Eigenschaften,  die  schon  seit  längerer  Zeit  feststeht 
und  als  Richtschnur  für  Begutachtungen  dienen  soll.  Die  An- 
forderungen, welche  zu  stellen  sind,  unterliegen  je  nach  den 
Bedürfnissen  der  Konsumenten  des  Wassers  in  gewissem  Grade 
Schwankungen,  welche  im  Einzelfalle  sorgsam  zu  erwägen  sind. 
Für  viele  Bestandteile  lassen  sich  unabänderliche  Grenzwerte 
gar  nicht  angeben,  weil  einzelne  Vorkommnisse  z.  B.  der  Chloride, 
des  Ammoniaks,  mit  Rücksicht  auf  die  Herkunft  und  Entstehung 
des  Wassers  eine  wechselnde  gesundheitliche  Bedeutung  haben. 

Je  eingehender  ein  Wasser  in  seinen  Eigenschaften  studiert 
wird,  je  mehr  Merkmale  desselben  genau  untersucht  werden,  um 
so  zuverlässiger  wird  auch  die  kritische  Beurteilung  werden. 

Wenn  von  einigen  Autoren  die  Beurteilung  von  Trinkwasser 
und  speziell  der  Brunnenwässer  soweit  eingeschränkt  wird,  dafs 
man  nur  auf  die  örtliche  Inaugenscheinnalime  Wert  legen  soll, 
so  ist  dieser  Standpunkt  in  vielen  Fällen  geradezu  ein  Verzicht 
auf  jede  wissenschaftlich  exakte  Beurteilung  eines  Wassers,  und 
mit  Recht  haben  sich  weite  Kreise  von  Sachverständigen  gegen 
eine  derartige  oberflächliche  Betrachtungsweise  der  vorstehenden 
bedeutungsvollen  Fragen  ausgesprochen. 

Chemische,  physikalische  und  biologische  Methoden  liefern 
uns  wichtige  Unterlagen  für  die   Beurteilung  des  Trinkwassers, 


Nachweis  fäkaler  Verunreinigung  von  Trinkwasser.  Von  Dr.  Christian.     387 

nur  das  fehlerhafte  Bestreben,  schematisch  an  der  Hand  von 
wenigen  Charakteren  alle  Trinkwässer  beurteilen  zu  wollen,  hat 
zu  ergebnislosen  Prüfungsreihen  geführt. 

Die  Beurteilung  des  Wassers  ist  eine  schwierige  Aufgabe, 
und  wer  die  Mittel  zur  fachmännischen  Beurteilung  nicht  besitzt, 
sollte  auf  gutachtliche  Äufserungen  verzichten ;  diejenigen  Kreise, 
welche  sich  berufen  fühlen,  in  Sachen  der  Trinkwässer  mit  zu 
beraten,  können  nicht  verlangen,  dafs  die  Trinkwasserprüfung 
mit  Rücksicht  auf  mangelnde  Vorkenntnisse  tunlichst  vereinfacht 
werde,  sondern  haben  ihre  Ausbildung  entsprechend  den  zu 
lösenden  Aufgaben  zu  vervollkommnen. 

Es  erscheint  auch  viel  wichtiger,  wenige  Wässer  genau  als 
zahllose  Wasserproben  nach  unzureichender  Methodik  zu  unter- 
suchen. 

Die  weitere  Ausbildung  der  Untersuchungsmethodik  ist 
dringend  zu  wünschen  und  jeder  Fortschritt  in  der  Möglichkeit, 
weitere  Merkmale  des  Trinkwassers  mit  Sicherheit  zu  bestimmen, 
mit  Genugtuung  zu  begrüfsen. 

Die  bakteriologische  Untersuchung  hat  sich  zumeist  nur  auf 
Keimzählung  erstreckt,  eine  Methode,  die  wohl  für  bekannte, 
unter  dauernder  Kontrolle  stehende  Wässer  einen  feinen  Indikator 
für  Verunreinigung  darstellt,  für  erstmalige  Untersuchungen  aber 
völlig  unzureichend  ist. 

Hier  liegt  das  Bedürfnis  nach  einer  Methode  vor,  die  Schäd- 
lichkeit bzw.  Gefährlichkeit  eines  Wassers  oder  dessen  Unschäd- 
lichkeit deutlich  zu  erweisen.  In  diesem  Sinne  sind  schon  eine 
ganze  Anzahl  von  Versuchen  gemacht  worden,  die  in  verschiedene 
Richtungen  gegangen  sind.  Ich  will  nur  einen  Weg  verfolgen, 
der  mir  der  aussichtsreichste  zu  sein  scheint. 

Fragen  wir  uns,  woher  die  Gefabreu  stammen,  die  im  Trink- 
wasser die  Gesundheit  des  Menschen  bedrohen,  so  kommen  fast 
ausschliefslich  die  menschlichen  Ausscheidungen,  und  hierbei  in 
erster  Linie  der  Kot,  in  Betracht.  Bei  Cholera  und  Dysenterie 
scheinen  die  Fäces  die  einzige  Infektionsquelle  zu  bilden,  beim 
Typhus  kommt  noch  der  Urin  hinzu,  aber  erst  in  zweiter  Reihe. 
Hinter  diesen  beiden  treten   die  übrigen  Abf allstofEe ,   was   die 


388  Znm  Nachweis  fäkaler  Veranreinigang  von  Trinkwaseer. 

Trink  Wasserinfektion  anlangen  könnte,  ganz  zurück.    Abgesehen 
davon  werden  wohl  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  sämtliche  meuscb- 
liehe  Ausscheidungen  auf  demselben  Weg  in  das  Wasser  gelangen 
können,  oder  wenigstens  wo  das  eine  möglich  ist,  kann  das  an- 
dere nicht  ausgeschlossen   werden.      Es  ist   also   gerechtfertigt, 
wenn   man    nur   aus  dem  Vorhandensein  einer  Verunreinigung 
durch   Fäces   auf   die   bedrohliche  Nähe    einer   Infektionsquelle 
schliefst.     Zum  Nachweis  einer  solchen  fäkalen  Verunreinigung 
liegt  es  nahe,  den  im  Kot  so  reichlich  vorhandenen  Kolibazillus 
als  Indikator  zu  wählen.     Und  das  ist  seit  langem   des  öfteren 
geschehen.     Wie  richtig  man  diese  Überlegung  angestellt  hatte, 
zeigt  beispielsweise  eine  Filterprüfung,  die  Clark  und  M*Gage(^) 
in  der  amerikanischen  Stadt  Lawrence  ausgeführt  haben.     Nach 
einer  Reparatur  des  Filters  war  dasselbe  undicht  geworden.    Im 
filtrierten  Wasser   konnten  Kolibakterien   nachgewiesen  werden. 
Zugleich  trat  in  der  Stadt  eine  Typhusepidemie   auf,   die  nach 
3  Monaten  wieder  erlosch,    zur  selben   Zeit,    als  im   filtrierten 
Wasser  in  je  1  ecm  Bacterium  coli  nicht  mehr  gefunden  werden 
konnte.     Hier  steht  es  aufser  Frage,   dafs  der  Kolibazillus   die 
fäkale  Verunreinigung  und  somit  die  Infektion  des  Wassers  an- 
zeigte.     Kann    man   nun   diese    Schlufsfolgerungen ,    deren   Be- 
rechtigung in  dem  besonderen  Falle  aufser  Zweifel  steht,   ver- 
allgemeinern? 

Zur  Entscheidung  dieser  Frage  mufs  man  auf  den  Begriff 
»Bacterium  colic  näher  eingehen.  Wir  verstehen  unter  diesem 
Namen  ein  Stäbchen,  das  gewisse  Eigenschaften  besitzt  und  im 
Darm  vorkommt.  Es  gibt  aber  auch  aufserhalb  des  Darms  Bak- 
terien, die  sämtliche  allgemein  bekannten  Eigenschaften  des 
Darmbewohners  besitzen,  ohne  jemals  selbst  durch  ihre  Herkunft 
oder  vermöge  ihrer  Abstammung  zu  den  Darmbewohnem  zu 
zählen.  Nehmen  wir  nur  einige  dieser  Eigenschaften  zum  Kriterium, 
so  fällt  der  Begriff  »Bacterium  colic  so  weit  aus,  dafs  wir  eine 
ganze  Gattung  darunter  rechnen  müssen.  Aus  diesem  Grunde 
hält  Krusep)  das  Bacterium  coli  für  ganz  ungeeignet  zum  Nach- 
weis fäkaler  Verunreinigung.  Wenn  er  zum  Nachweis  die  morpho- 
logischen Verhältnisse,    das  Wachstum   auf   den    gewöhnlichen 


Von  Oberarzt  Dr.  ChriBtian.  389 

Nährböden,  das  Verhalten  zu  zuckerhaltigen  Substraten  und  zu 
Milch  in  Betracht  zog,  so  glaubte  er  sie  fast  überall  finden  zu 
können,  »oft  genug  in  Wässern,  die  nicht  einmal  anderen  Ver- 
unreinigungen, geschweige  denn  denen  durch  Fäkalien  ausgesetzt 
seienc.  WeifsenfeldC)  hat  hierfür  einen  experimentellen  Bei- 
trag geliefert,  indem  er  eine  gröfsere  Anzahl  von  Brunnenwässern 
untersuchte.  Er  fand  in  jedem  Falle  Kolibazillen ,  freilich  bei 
den  guten  Wässern  erst,  wenn  er  1  1  dem  Anreicherungsverfahren 
unterzog.  In  gleicher  Weise  fand  v.  Freudenreich (*)  in  den 
meisten  Wässern  Kolibazillen,  wenn  er  nur  eine  genügend  grofse 
Menge  zur  Untersuchung  nahm;  nur  die  »sehr  gutenc  Wässer 
waren  frei  von  ihnen. 

Diesen  Befunden,  die  für  die  übiquität  der  Kolibakterien  zu 
sprechen  scheinen,  wird  durch  andere  Beobachtungen  wider- 
sprochen, und  das  hat  seinen  Grund  in  der  Verschiedenheit  der 
Nachweismethoden.  Je  strenger  man  die  Anforderungen  zur 
Identitätsbestimmung  stellte,  desto  seltener  wurden  die  ubiquitären 
Kolibazillen.  Weifsenfeld  betrachtete  alle  diejenigen  Mikro- 
organismen als  Kolibakterien,  die  mittelgrofse  Bazillen  darstellten, 
auf  Gelatine  weinblattähnliche  Kolonien  und  im  Zuckeragar- 
stich  Gas  bildeten,  mehr  oder  weniger  beweglich  oder  unbeweg- 
lich waren  und  sich  nicht  nach  Gram  färbten.  Er  versuchte 
zunächst  ihr  Wachstum  bei  37  ^  in  Bouillon  oder  Peptonkochsalz- 
lösung  mit  Pariettischem  Zusatz  (Phenol  und  Salzsäure)  zu  er- 
halten; kam  er  damit  nicht  zum  Ziel,  so  liefs  er  den  (Parietti- 
schen)  Zusatz  weg. 

V.  Freudenreich  benutzte  die Pariettische  oder  die  Vincent- 
sche  Methode  (Peptonwasser,  0,07%  Phenol,  Bebrütung  bei  42°) 
oder  auch  die  Milchzuckervergärungsprobe  bei  35°  und  fand  so 
das  Fehlen  der  Kolibakterien  in  den  sehr  guten  Wässern. 

Schardinger (^),  der  das  Wasser  mit  Traubenzuckerbouillon 
vermischte,  bei  37  °  bebrütete  und  dann  den  Kolinachweis  durch 
Prüfung  auf  fäkulenten  Geruch,  auf  Indol  und  Schwefelwasser- 
stoff führte,  fand  die  in  Frage  stehenden  Bakterien  nicht  so 
ungemein  verbreitet,  in  vielen  hundert  Wasseruntersuchungen 
nur   ö  Mal   und   niemals   als   zufällige    Luftverunreinigung   auf 


390  2iim  Nachweis  fäkaler  Veranreinigüng  von  Trinkwasaei'. 

Platten.  Abbe(^)  benutzt  eine  Milchzuckerpeptonkochsalzlösung 
zu  seinen  Versuchen,  Houston ("^  anderseits  legt  Schüttelkulturen 
in  Zuckergelatine  an  und  hält  sie  bei  20  ^  in  der  Absicht,  sämt- 
lichen vergärenden  Keimen,  auch  denen,  die  höhere  Temperaturen 
nicht  vertragen,  das  Wachstum  zu  gestatten. 

Petruschky  und  Pusch(*)  wieder  legen  Wert  darauf,  die 
Kolibakterien  bei  37  ^  in  Bouillon  anzureichern  und  glauben  auf 
diese  Weise  die  Wasserkeime  auszuschlielsen ,  die  bei  niederen 
Temperaturen  sich  immer  vorgedrängt  und  die  Täuschung  einer 
Fäkalverunreinigung  hervorgerufen  hatten.  Sie  fügen  den  kenn- 
zeichnenden Merkmalen  noch  die  Säurebildung  (Rötung  der 
Lackmusmolke)  hinzu.  Alle  die  zuletzt  erwähnten  Untersucher 
finden  in  reinen  Wässern  keine  Kolibakterien  und  stellen  diesen 
Mikroorganismen  ein  gutes  Zeugnis  für  ihre  Brauchbarkeit  als 
Indikatoren  fäkaler  Verunreinigung  aus. 

Es  ist  leicht  zu  sehen,  dafs  man  in  der  Erkenntnis  des 
wahren  Zusammenhanges  weiter  gekommen  ist,  je  mehr  man 
den  Begriff  »Bakterium  colic  einschränkte.  Auf  die  Methoden 
hierzu  im  einzelnen  kritisch  einzugehen,  ist  nicht  nötig;  zweifel- 
los beruhen  sie  auf  sorgfältigem  Studium  der  Lebensvorgänge 
des  Mikroben  und  bestehen  zu  recht.  Nur  möchte  ich  das 
Phänomen  der  Indolbildung  und  die  Fähigkeit  derTierpathogenität, 
das  beispielsweise  von  Levy  und  Bruns(®)  vorgeschlagen  ist, 
nicht  für  eben  wertvoll  anschlagen,  da  es  echte  Kolistämme  gibt, 
die  diese  beiden  Forderungen  nicht  erfüllen. 

Was  nun  aus  der  Erörterung  der  ganzen  Frage  hervorgeht, 
ist  die  Tatsache,  dafs  der  Nachweis  des  Bact.  coli  ein  sehr 
komplizierter  ist,  wenn  man  sicher  sein  \vill,  das  echte  Bact.  coli 
vor  sich  zu  haben.  Alle  erwähnten  Methoden  zusammen  sind 
aber  noch  nicht  einmal  einwandsfrei,  weil  der  Beweis  fehlt,  dafs 
die  mit  ihrer  Hilfe  identifizierten  Bakterien  nur  aus  dem  mensch- 
lichen Darm  stammen  können,  vielmehr  wird  später  gezeigt 
werden,  dafs  dies  sehr  zweifelhaft  ist.  Dieser  Beweis  könnte  er- 
bracht werden,  wenn  man  ein  spezifisches  Serum  anzuwenden 
in  der  Lage  wäre,  wie  dies  auch  schon  gefordert  worden  ist. 
Allein  hier  läfst  uns  die  Technik  im  Stich,  da  es  ja  schon  sehr 


Von  ObeMnt  Dr.  Christian.  391 

schwer  ist,  ein  polyvalentes  Koli-Serum  zu  erlangen,  wird  uns 
ein  omnivalentes  kaum  jemals  gelingen.  Auch  ist  ein  solches 
Verfahren  für  die  Praxis  viel  zu  umständlich. 

Einen  grofsen  Fortschritt  in  der  Frage  des  Koli-Nachweises 
haben  wir  meines  Erachtens  Eijkmann(^^)  zu  verdanken,  der  die 
Fähigkeit  der  Kolibazillen,  noch  bei  46^  üppig  zu  gedeihen,  be- 
tont und  diese  zusammen  mit  dem  Zuckervergärungsvermögen  als 
Versuchsbasis  benutzt  hat.  Vor  ihm  haben  bereits  Vincent  (s.  o.) 
und  V.  Freudenreich  (s.  o.)  eine  Temperatur  von  42^  angewandt. 
Rodet(")  hat  für  Typhusisolierung  ein  Verfahren  angegeben, 
das  die  Temperatur  von  45 — 45,5  ^  erfordert,  hat  aber  auch  be- 
reits darauf  hingewiesen,  dafs  die  Ermittelung  des  Temperatur- 
maximums für  alle  Bakterien  ein  ausgezeichnetes  Mittel  zu 
ihrer  Identifizierung  sei.  Eijkmann  setzt  Gärungskölbcheu  mit 
dem  zu  untersuchenden  Wasser  an,  dem  er  durch  Zusatz  einer 
Vorratslösung  einen  Gehalt  von  ca.  1  %  Traubenzucker,  1  %  Pep- 
ton und  0,5%  Kochsalz  verleiht,  und  bebrütet  sie  bei  46^.  Bei 
verunreinigtem  Wasser  findet  er  nach  24  Stunden  Bact.  coli  in 
Reinkultur,  oder  wenigstens  in  überwiegender  Mehrheit,  die  ge- 
samte Flüssigkeit  diffus  getrübt  und  mehr  oder  weniger,  aber 
stets  deutliche  Gasbildung.  Bei  reinem  Wasser  bleibt  die  Flüssig- 
keit meist  klar,  um  höchstens  nach  2  mal  24  Stunden  nur  im 
offenen  Schenkel  und  dem  daran  grenzenden  Teil  des  geschlos- 
senen Schenkels  eine  leichte  Trübung,  aber  keine  Gasbildung 
zu  zeigen. 

Das  Verfahren  hat  den  Vorzug,  einfach  und  leicht  ausführ- 
bar zu  sein;  die  Frage  ist  nur  die:  ist  es  hinreichend  experi- 
mentell gestützt,  um  von  vornherein  als  einwandsfrei  zu  gelten. 
Das  ist  nun  zunächst  nicht  der  Fall  und  zwar  aus  dem  Grunde, 
weil  wir  kein  absolutes  Kriterium  für  den  echten  Kolibazillus 
haben.  Es  bleibt  also  nichts  übrig,  als  die  praktische  Leistungs- 
fähigkeit der  Methode  an  einer  mögUchst  grofsen  Anzahl  von 
Wässern  zu  erproben,  deren  Verhältnisse  bekannt  sind,  und 
einen  Rückschlufs  auf  den  Wert  der  Methode  erlauben.  In  die- 
sem Sinne  hat  uns  Eijkmann  bereits  ein  beachtenswertes 
Material  geliefert.    In  sämtlichen  »unverdächtigen  i  Wassersorten 


392  Zorn  Nachweis  fäkaler  Verunreinigung  von  Trinkwaseei'. 

wurde  46^  Gärung  auch  bei  gröfseren  Versuchsmengen  (300  com) 
niemals,  bei  > verdächtigen  c  auch  in  Bruchteilen  eines  Tropfens 
stets  gefunden.  Ferner  zeigten  2  Wässer,  die  vor  Verunreini- 
gung mit  menschlichen  Fäces  geschützt  waren,  sonst  aber  so- 
wohl offensichtlichen  Schmutz  (Entengrün,  Laub,  Insektenlarven) 
als  auch  eine  reiche  mikroskopische  Fauna  und  Flora  erkennen 
liefsen,  in  mehrfachen  Untersuchungen  negativen  Ausfall  der 
Probe. 

Von  den  Berliner  Wässern,  die  ich  mit  dieser  Methode  oder 
vielmehr  mit  denen  ich  die  Methode  prüfte,  zeigten  die  ver- 
unreinigten stets  positiven  Ausfall,  meist  noch,  wenn  ich  dem 
Versuch  winzige  Quantitäten  unterzog.  Ich  stellte  mir  zu  die- 
sem Zweck  » Verdünnungen  c  mit  sterilem  Wasser  von  1 :  100, 
1 :  1000,  je  nach  Bedürfnis  her  und  tat  hiervon  0,01,  0,02  com 
etc.  zu  der  Zuckerbouillon  je  eines  Gärungskölbchens.  Dals  die 
Berliner  Kanaljauche  noch  in  riesigen  Verdünnungen  Gärung 
geben  würde,  war  von  vornherein  anzunehmen,  und  tatsächlich 
konnte  ich  bei  0,000001  ccm  noch  stets  das  Phänomen  be- 
obachten. Aber  auch  das  Rieselwasser,  das  bereits  in  den  Riesel- 
feldern filtriert  ist,  enthält  noch  bei  0,0001  ccm  regelmäfsig 
Kolibakterien.  Ebenso  geben  0,001  ccm  Spreewasser  und 
0,0002  ccm  Wasser  der  Panke  stets  einen  positiven  Ausfall  der 
Probe.  Bei  gröfseren  Verdünnungen  trat  auch  wohl  noch  hier 
und  da  Gärung  auf,  doch  nicht  mehr  regelmäfsig. 

Unsere  ein  wandsfreien  Wässer  dagegen,  das  Berliner  Leitungs- 
wasser und  mehrere  gute  Brunnen,  gaben  niemals  46^  Gärung 
auch  bei  Verwendung  gröfserer  Mengen  (bis  100  ccm  und  da- 
rüber). Ich  glaubte  hierbei  im  allgemeinen  von  der  Verwendung 
gröfserer  Versuchsmengen  als  100  ccm  absehen  zu  dürfen,  da 
dieselbe  tatsächlich  überflüssig  ist.  Ich  bin  sogar  der  Ansicht, 
dafs  für  den  praktischen  Zweck  ein  Versucli  mit  10—20  ccm 
vollständig  ausreichen  würde,  einmal  deswegen,  weil  ich  niemals 
gesehen  habe,  dafs  in  einer  gröfseren  Zahl  von  Kubikzentimetern 
noch  Koliwachstum  aufgetreten  wäre,  wenn  in  1  ccm  keines  mehr 
zu  konstatieren  war,  und  anderseits,  weil  obenerwähnte  Unter- 
suchung von  Clark  und  M'Gage  gezeigt  hat,   dafs  mit  dem 


Von  Oberant  t)r.  Christian.  3$3 

Verschwinden  der  Kolibakterien  aus  1  ccm  Wasser  —  festgestellt 
durch  gewöhnliche  Plattenuntersuchung  —  die  Verunreinigung 
aufgehört  hatte.  Das  Bacterium  coli  entwickelt  eben  auch  bei 
niederer  Temperatur  und  mäfsigen  Nahrungsbedingungen  noch 
so  viel  Wachstumsenergie,  dafs  es  in  1  ccm  Wasser  gefunden 
werden  mufs,  wenn  es  nur  in  der  den  geringsten  Grad  der  Ver- 
unreinigung anzeigenden  Menge  vorhanden  ist.  Die  lOOfache 
Menge  scheint  mir  Sicherheit  genug  zu  verbürgen,  und  die  Me- 
thode hat  sich  als  fein  genug  erwiesen,  um  jeden  einzelnen 
Kolibazillus  abzufangen.  Die  Verwendung  gröfserer  Quantitäten 
würde  einen  gröfseren  Apparat  erfordern,  während  man  ca. 
100  ccm  nach  Ei  j  km  an  ns  Methode  mit  Pepton,  Traubenzucker 
und  Kochsalz  versetzt  und  auf  ca.  10  Gärungskölbchen  verteilt. 

Beim  positiven  Ausfall  des  Versuchs  fand  ich  stets  nach 
24  Stunden  diffuse  Trübung  des  gesamten  Kolbeninhalts  und 
meist  reichliche  Gasbildung.  Nur  sehr  selten  war  die  Gasbil- 
dung so  gering,  dafs  eine  Verwechslung  mit  der  Luftblase, 
welche  von  im  Wasser  absorbiert  gewesenen  Gasen  stammt, 
möglich  gewesen  wäre;  doch  löste  eine  zuckerlose  Kontrolle 
stets  etwaigen  Zweifel.  In  den  bei  weitem  meisten  Fällen  fanden 
sich  im  hängenden  Tropfen  mehr  oder  weniger  schlecht  be- 
wegliche Stäbchen,  die  die  Charakteristica  des  Bacterium  coli 
zeigten.  Mitunter  fanden  sich  auch  einzelne  wenige  Diplo-, 
Strepto-  und  Staphylokokken.  Beim  Ausstrich  auf  Agarplatten 
wurden  mäfsig  viel  Koli  Kolonien,  mitunter  einige  Staphylokok- 
ken-Kolonien  gefunden.  Ein  grofser  Teil  der  Kolibakterien  so- 
wie manche  Kokkenarten  scheinen  durch  die  Säurebildung  ver- 
giftet zu  werden,  wie  dies  Smithp)  sowohl  für  KoUbazillen  als 
auch  Staphylokokken  als  möglich  nachgewiesen  hat.  Einen 
Buttersäurebazillus  habe  ich  niemals  gefunden. 

Bei  negativem  Ausfall  bleibt  die  Flüssigkeit  fast  immer 
steril;  mitunter  bildet  sich  nach  2  Tagen  eine  geringe  Trübung 
im  offenen  Schenkel  des  Gärungskölbchens,  meist  mit  Kamhaut- 
bildung; man  findet  dann  gröfstenteils  Heubazillen,  mitunter 
ein  paar  Kokkenarten. 

Arohiy  Ar  HygieiM.    Bd.  LIV.  ^ 


394  Znm  Nachweis  fftkaler  Verunreinigung  von  tVinkwassei^. 

um  auch  zweifelhafte  Wässer  zu  prüfen,  wählte  ich  einige 
Brunnen  in  der  Stadt,  vor  denen  die  Polizei  durch  die  Auf- 
schrift »Kein  Trinkwasser«  warnt.  Aus  welchem  Grunde  diese 
Brunnen  im  einzelnen  eine  solche  Aufschrift  nötig  gemacht 
haben,  konnte  ich  noch  nicht  feststellen ;  wahrscheinlich  ist  dies 
aber  geschehen,  weil  ihr  Wasser  nicht  sehr  rein  im  physikali- 
schen Sinne  ist;  es  zeigt  etwas  Bodensatz  und  eine  gelbliche 
Trübung,  ohne  einen  unangenehmen  Geruch  oder  Geschmack 
zu  besitzen.  Alle  diese  Wässer  zeigten  bei  mehrfacher  Unter- 
suchung zu  verschiedenen  Zeiten  niemals  46  ^  Gärung,  besonders 
auch  nicht  nach  einem  wolkenbruchartigen  Regen  und  an  einem 
Regentage.  Dagegen  zeigten  2  dieser  Wässer  bei  niederer  Tem- 
peratur starke  Gärung. 

Es  ist  dies  dieselbe  Beobachtung,  die  Eijkmann  bei  einer 
grofsen  Anzahl  tatsächlich  unverdächtiger  Wassersorten,  z.  B.  in 
sterilem  Fals  aufgefangenem  Regenwasser,  gemacht  hat,  dafs 
nämlich  dieselben  bei  Zimmer-  oder  gewöhnlicher  Bruttemperatur 
(37®)  Gärung  geben,  welche  von  Bakterien  der  weiteren  Koli- 
gruppe  herrührt. 

Wenn  hier  jemand  einwenden  wollte,  auch  diese  Bakterien, 
die  bei  37®  noch  wachsen,  bei  46®  aber  nicht  mehr,  seien  wert- 
voll als  Anzeichen  gefahrdrohender  Verunreinigung,  so  mufs  dem 
widersprochen  werden.  Die  im  hiesigen  Institut  vorhandenen 
Kolistämme,  sowie  eine  Anzahl  besonders  aus  Fäces  von  Erwach- 
senen, Kindern,  Kaninchen,  Meerschweinchen,  Kanarienvögeln  etc. 
isolierten  Stämme  gaben  sämtlich  46®  Gärung.  Es  scheint  also, 
dafs  sämtliche  Mikroben  der  Koligruppe,  die  aus  dem  Warm- 
blüterorganismus stammen,  bei  46®  noch  ausgezeichnet  gedeihen 
können,  während  z.  B.  die  vom  Frosch  stammenden  Darm- 
bakterien bei  37®  noch  Traubenzucker  vergären,  bei  46®  aber 
nicht.  Auch  die  des  Fisches  scheinen,  wie  Eijkmann  unter 
Zitierung  einer  Inaugiu'aldissertation (^^)  erwähnt,  bei  höherer 
Temperatur  nicht  mehr  kultivierbar  zu  sein.  Von  sonstigen  Bak- 
terien, die  eine  Täuschung  durch  Vergärung  bei  46  ®  hervorrufen 
könnten,  kommt  wohl  keiner,  auch  der  gewöhnliche  Buttersäure- 
bazillus nicht,    in   Betracht,    da    dieser   in    Zuckerbouillon    erst 


Von  Oberarzt  i)r.  Christian.  ^^5 

nach  2  Tagen  ganz  spärlich  im  geschlossenen  Schenkel  zu  wachsen 
anfängt,  wenn  er  überhaupt  angeht.  Ihn  kann  man  ausschalten, 
wenn  man  die  Probe  nur  auf  24  Stunden  ausdehnt,  was  nach 
meiner  Erfahrung  vollständig  ausreicht. 

Versuche  mit  Vergärung  des  Milchzuckers  bei  sonst  gleicher 
Versuchsanordnung  haben  dasselbe  Resultat  wie  Glykosegärung 
gegeben,  einen  Vorteil  eines  der  beiden  Verfahren  habe  ich  nicht 
feststellen  können. 

Es  besteht  m.  E.  ein  Vorzug  der  Gärungsprobe  bei  46®  darin, 
dafs  sie  Verunreinigungen  durch  Kaltblüterfäces  nicht  anzeigt. 
Man  kann  ein  Wasser  nicht  immer  vom  Genuls  ausschlief sen, 
blofs  weil  Fische  oder  Frösche  sich  in  ihm  aufhalten.  Wer  einen 
höheren  Grad  der  Reinheit  verlangt,  kann  ja  weitere  Unter- 
suchungen anstellen,  jedenfalls  wird  er  vorher  zu  konstatieren 
vermögen,  dafs  eine  direkte  Gefahr  durch  den  Genulis  nicht  besteht. 

Meinem  hochverehrten  Chef,  Herrn  Geheimrat  Rubner, 
erlaube  ich  mir  für  die  Anregung  zu  der  Arbeit  und  sein  Interesse 
an  derselben  meinen  gehorsamsten  Dank  zu  sagen. 


Literatur. 

1.  Clark  and  M'Gage,  Ref.  Gentralbl.  f.  Bakteriol.,  1900. 

2.  Kruse,  Zeitschrift  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankh.,  XVII. 

3.  Weifsenfeld,  Zeitschrift  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankh.,  XXXV. 

4.  V.  Frendenreich,  Centralbl.  f.  Bakteriol.  u.  Parasitenk.,  XVIU. 

5.  Schardinger,  Centralbl.  f.  Bakteriol.,  XVI. 

6.  Abbe,  Centralbl.  f.  Bakteriol,  XIX. 

7.  Houston,  2nd  Report  of  the  Royal  Comm.  on  sewage  disposal  (Wyman 
et  Sons,  London  1902),  zitiert  nach  Eijkinann. 

8.  Petruschky  und  Pusch,  Zeitschrift  f.  Hygiene,  XLUI. 

9.  Levy  und  Bruns,  Archiv  f.  Hygiene,  XXXVI. 

10.  Eijkmann,  Centralbl.  f.  Bakteriol,  XXXVU. 

11.  Rodet,  Compt.  rend.  Acad.  soc.  de  biologie.    Ref.  Centralbl.  f.  Bakt.,  VI. 

12.  Smith,  Centralbl.  f.  Bakteriol.,  XVUI. 


26 


Sind  bei  der  bakteriziden  Wirkung  des  Blutserums 

osmotische  Vorgänge  im  Spiele? 

Von 

Dr.  Georg  Leuchs. 

(Ans  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  München.    Vorstand:   Prof. 

Max  Grub  er.) 

Gegen  die  Lehre,  dafs  die  bakterizide  Wirkung  des  Blut- 
serums auf  die  Anwesenheit  besonderer  bakterienfeindlicher  Stoffe, 
der  Alexine,  zurückzuführen  sei,  wurde  seinerzeit  der  Einwand 
erhoben,  dafs  der  schroffe  Wechsel  des  Mediums  bei  der  Über- 
tragung der  Bakterien  von  dem  künstlichen  Nährboden  in  das 
Serum  eine  Schädlichkeit  sei,  die  für  sich  allein  völlig  genüge,  den 
Tod  der  Keime  herbeizuführen.  Einerseits  der  Hunger,  andrer- 
seits osmotische  Vorgänge  seien  die  Ursachen  ihres  Absterbens. 

Dieser  Einwand  ist  durch  die  Untersuchungen  von  Buch- 
ner, Trommsdorff,  Hegeler  und  v.  Lingelsheim  widerlegt 
worden:  Die  Verschiedenheit  des  osmotischen  Druckes  von 
Nährboden  und  Serum  wie  der  Hunger  spielen  keine  Rolle 
bei  der  Abtötung  der  Bakterien  durch  frisches  Serum;  die  An- 
nahme besonderer,  leicht  zerstörbarer  bakterizider  Substanzen  im 
frischen  Blutserum  ist  unvermeidlich. 

Dagegen  schien  doch  manches  darauf  hinzudeuten,  dafs  bei 
der  Abtötung  der  Bakterien  durch  frisches  Immun serum  os- 
motische Vorgänge  im  Spiele  seien.  Die  osmotische  HüU- 
schichte  der  Keime,  welche  in  normalem  Zustande  als  semi- 
permeable Membran  angesehen  werden  mufs,  konnte  möglicher- 
weise   durch    die  Präparatoren   (Amboceptoren)    der    Immunsera 


Bakterixide  Wirkung  des  Blatseroms  etc.    Von  Dr.  Georg  Leachs.     397 

derartig  verändert  werden,  dafs  sie  nun  nicht  mehr  blofs  Was- 
ser, sondern  auch  andere  wasserlösliche  Substanzen  durchtreten 
Heise  und  so  einerseits  dem  Alexin  den  Eintritt  erleichterte, 
andrerseits  den  Austritt  von  Salzen  und  anderen  lebenswichtigen 
Substanzen  aus  dem  Innern  der  Zelle  ermöglichte,  was  den  Tod 
der  Bakterien  zur  Folge  hätte.  Gruber,  der  diese  Ansicht 
verfocht,  führte  dafür  ins  Feld,  dafs  die  Vorgänge  der  Bakterio- 
lyse,  wie  man  sie  z.  B.  beim  Pfeif  ferschen  Versuch  beobachten 
kann,  entschiedene  Ähnlichkeit  zeigen  mit  den  Veränderungen 
der  Zellen  bei  Störungen  der  normalen  Osmose,  dafs  ferner  bei 
der  der  Bakteriolyse  analogen  Hämolyse  nichts  anderes  zu  kon- 
statieren sei  als  Diffusion  des  Hämoglobins  aus  dem  Stroma 
der  Blutscheiben  in  die  umgebende  Flüssigkeit  unter  Zurück- 
lassung der  »Schattenc. 

Auf  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht  liefs  sich  die  Probe 
machen:  wenn  die  Immunkörper  die  Beschaffenheit  der  osmo- 
tischen Membran  verändern,  so  muTsten  die  damit  behandelten 
Zellen  sich  gegen  Änderungen  des  osmotischen  Druckes  in 
ihrem  Medium  anders  verhalten  als  die  normalen.  Auf  Veran- 
lassung von  Herrn  Prof.  Gruber  habe  ich  daher  zur  selben  Zeit, 
als  Röfsle  seine  in  der  »Münchner  mediz.  Wochenschriftc, 
Jahrg.  1904,  Nr.  42,  veröffentlichten  Untersuchungen  über  das 
osmotische  Verhalten  der  mit  Immunkörpern  behandelten  Ery- 
throcyten  begann,  Versuche  über  den  Einfluls  der  Immunkörper 
auf  die  Abtötung  der  Bakterien  durch  destilliertes  Wasser  be- 
gonnen. Über  einen  Teil  der  Resultate  dieser  Versuche  habe 
ich  bereits  in  der  Sitzung  der  Gesellschaft  für  Morphologie  und 
Physiologie  in  München,  am  22.  November  1904,  berichtet.  Es 
sei  gestattet,  das  Wichtigste  aus  meinen  Versuchsprotokollen  hier 
anzuführen. 

Bevor  das  Verhalten  der  mit  Immunserum  vorbehandelten 
Bakterien  gegen  destilliertes  Wasser  untersucht  werden  konnte, 
mufste  die  Widerstandsfähigkeit  der  normalen  Bakterien  er- 
mittelt werden.  Da  sich  die  gewöhnlichen  Typhusbakterien  als 
sehr  resistent  gegen  destilliertes  Wasser  erwiesen  (selbst  bei 
schwacheq   f)insaaten    war    das    infizierte   Wasser   nach   eineip 


398     Si^cl  bei  d.  bakt.  Wirknng  d.  Blatsernms  osmotische  Vorgänge  im  Spiele? 

Monat  noch  nicht  steril),  so  wurden  die  Versuche  mit  Vibrio 
Danubicus  angestellt.  Dabei  zeigte  sich,  dafs  bei  der  Über- 
tragung der  Keime  aus  einer  20 — 24  stündigen  Agarkultur  (Agar 
mit  dem  gebräuchlichen  Zusatz  von  Ofi%  Kochsalz)  Id  destil- 
liertes Wasser  schon  binnen  5  Minuten  Massentod  eintritt.  90 
bis  95  ^/o  der  eingesäten  Keime  gehen  fast  sofort  zugrunde  und 
nur  5 — 10%  überleben.  Auch  0,3  und  0,66  proz.  Kochsalz- 
lösungen schädigen  die  Danubicuskeime  in  hohem  Mafse.  Auch 
in  diesen  Lösungen  sterben  etwa  50%  der  eingesäten  Keime 
binnen  5  Minuten.  Ich  will  nur  einen  einschlägigen  Versuch 
mit  allen  Einzelheiten  mitteilen: 

Von  einer  24  stündigen  Agarkultur  wurden  4  Ösen,  deren 
Füllung  durch  Wägung  des  Agarröhrchens  vor  und  nach  der 
Entnahme  der  Ose  festgestellt  wurde ,  entnommen  und  in 
50  ccm  destilliertes  Wasser,  bzw.  0,3  proz.  Kochsalzlösung, 
0,66  proz.  Kochsalzlösung,  Bouillon  verteilt.  (Die  Ösen  wurden 
vom  Rande  des  Bakterienbelags  entnommen,  da  anzunehmen 
ist,  dafs  im  Innern  desselben  sehr  viele  tote  Keime  vorhanden 
sind.  Das  Agarröhrchen  wurde  in  abgekühltem  Zustand,  mit 
einer  Kautschukkappe  bedeckt,  gewogen.)  Aus  diesen  Aufschwem- 
mungen wurde,  ohne  dafs  sie  filtriert  worden  wären,  sofort  (d.  h. 
nach  weniger  als  5  Minuten)  1  ccm  übertragen  in  ein  mit 
50  ccm  Peptonwasser  (0,5%  Kochsalz  +  0,1%  Pepton,  s.  u.)  ge- 
fülltes Verdünnungstropfgläschen  ^),  von  welchem  aus  einerseits 
je  1  Tropfen  ausgesät  wurde  auf  3  Gelatineplatten  (»grofse  Aus- 
saatc),  andrerseits  4  Tropfen  gegeben  wurden  in  ein  zweites,  50  ccm 
Peptonwasser  enthaltendes  Verdünnungstropfgläschen,  von  dem 
aus  je  5  Tropfen  auf  3  Gelatineplatten  ausgesät  wurden  (»kleine 
Aussaatc).  Die  Platten  der  grofsen  Aussaat  wurden  mikroskopisch 
(16  oder  32  Gesichtsfelder),  die  der  kleinen  Aussaat  wurden 
direkt  gezählt.  Dafs  die  Berechnung  hier,  wie  bei  den  späteren 
Versuchen,   für  die  grofse  Aussaat  in   der  Regel  eine  geringere 

1)  Nach  FickerH  Vorgang  (Zeitschr.  f.  Hyp.,  Bd.  29)  benutzte  ich,  um 
genau  gleich  grofse  Quantitäten  entnehmen  zu  können,  Tropfgläschen.  Die 
Tropfengröfse  jedes  einzelnen  Tropfgläschens  für  die  benutzten  Lösungen 
(dest.  Wasser,  Peptonwasser,  Bouillon,  KochöiilzlösunK)  bestimmte  ich  durch 
wiederholtes  Zählen  der  Tropfen,  welche  notwendig  waren,  um  10  ccm  sa  füllen. 


Von  Dr.  Georg  Leachs. 


399 


Keimzahl  ergibt  als  für  die  kleine,  erklärt  sieh  ohue  weiteres 
daraus,  dafs  in  einer  direkt  besäten  Platte  viele  Kolonien  aus 
zwei  oder  mehr  Keimen  entstehen. 


Kolonienzahl,  Mittel- 

Keimzahl auf  1  mg  Kultur 

wert  ans  je 

3  Platten 

berechnet  aus  der 

grofse 

kleine    , 

grofsen             kleinen 

Aassaat 

Aussaat 

Aussaat      |      Aussaat 

1 

Bouillon \ 

'       24  600 

933 

1  180000000       290000000 

0,66  proz.  Kochsalz      .    i 

1       12311 

722 

68000000       147000000 

0,3proz.  Kochsalz  .    .   | 

1       14  711 

1 

466      ; 

96000000   1    127000000 

1 

Destill.  Wasser  .    .    . 

2  942 

81 

13400000   ,      14500000 

1                                               1 

Jene  Keime,  welche  den  ersten  Ansturm  überstanden  haben, 
halten  dann  viel  länger  lebend  aus.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
dafs  dies  zum  Teil  darin  begründet  ist,  dafs  sie  durch  die  in 
Lösung  gegangenen  Leibesbestandteile  ihrer  unglücklicheren 
Brüder  eine  gewisse  Stärkung  oder  Schutz  erhalten.  Wenigstens 
ist  es  sehr  auffallend,  wie  grofs  der  Einflufs  ist,  welchen  die 
Zahl  der  eingesäten  Bakterien  auf  die  Schnelligkeit  des  Ab- 
sterbens  besitzt:  Bringt  man  viele  Bakterien  in  die  schädigende 
Flüssigkeit,  so  erfolgt  das  Absterben  der  Keime  verhältnismäßig 
viel  langsamer,  als  wenn  man  nur  wenige  Bakterien  einsät, 
eine  Tatsache,  die  bereits  von  zahlreichen  Forschern  konstatiert 
worden  ist.  Zur  Bestätigung  des  eben  Gesagten  sei  daher  nur 
em  Beispiel  angeführt: 

Ich  schwemmte  5  Ösen  einer  20  stündigen  Agarkultur  von 
Vibrio  Danubicus  in  5  ccm  destilliertem  Wasser  auf,  filtrierte  die 
Aufschwemmung  durch  ein  Leinwandfilter  und  stellte  nun  wie 
bei  der  Agglutinationsprobe  fünf  verschiedene  Verdünnungen 
derart  her,  dafs  je  1  ccm  der  verschiedenen  Probeflüssigkeiten 
den  40.,  1600.,  64000.,  2560000.,  102400000.  Teil  einer  Kultur- 
öse enthielt.  Hiervon  entnahm  ich  von  Zeit  zu  Zeit  Proben 
und  zwar,  um  zählbare  (Gelatine-)  Platten  zu  bekommen,  von 
dem  letzten  Tropfgläschen  12  Tropfen,  von  dem  3.  und  4. 
1  Tropfen  und  von  den  ersten  beiden  ^/^oo  Tropfen,  d.  h.  ich 
verdünnte   deu    entnommenen    Tropfen    mit   physiol.    Kochsalj?^ 


400     Sind  bei  d.  bakt.  Wirkung  d.  Blutserums  osmotische  Vorgänge  im  Spiele? 


lösiing  auf  das  500  fache   und  brachte  erst  von  dieser  Flüssig- 
keit 1  Tropfen  in  die  Gelatine. 

a)  Kolonienzahl  (Mittelwert  aus  je  zwei  Platten): 


Grad  der  Verdünnung 

der  Öse                 ' 

1 

40 

1/ 

/600 

1600 

1/ 

'MO 

64000 

1 

2560000 

..  _ .— 

1 

102  400000 

Aussaat  in  die  Gelatine, 
Tropfen : 

12 

Nach  weniger  als  5  Min. 

>  1  Stunde    .... 

>  3V»  Stunden  .     .     . 

>  1  Tag 

>  2  Tagen     .... 

>  17       >  (12  Tropfen  I) 

'     5900 

1     2350 

2  950 

12 

23 

0 

100 

45 

17 

0 

1 

0 

780 
5 
0 
0 
0 
0 

16 
1 
0 
0 
0 
0 

9 
2 

0 
0 
0 
0 

b)  Berechnung:  1  ccra  der  ProbeflQssigkeit  enthielt  Keime : 


1 

Grad  der  Verdünnung 
der  Ose 

40 

1600 

1 

64000 

2560000' 

102  400000 

Nach  weniger  als  5  Min.  | 

1 33000000  570000 

8  970 

'      189 

9 

Nach  1  Stunde    .     .     .     .  i 

1 18  200  000  252  OüO 

68 

1        12 

2 

>      3V,  Stunden  .     .     . 

16  500000 

95  200 

0 

0 

0 

>      1  Tag     ... 

67  200 

0 

0 

0 

0 

>      2  Tagen     .... 

128  800 

5  700 

0 

0 

0 

>    17        »         .... 

1 

0 

1 

0 

ü 

1           0 

1 

0 

Es  ist  also  wohl  zu  beachten,  dafs  nach  dem  Mitgeteilten 
die  folgenden  Versuche  über  den  Einflufs  der  Immunkörper  nur 
an  den  widerstandsfähigeren  Individuen  der  verwendeten  Kul- 
turen angestellt  werden  konnten. 

Nachdem  ich  mich  durch  den  Versuch  überzeugt  hatte,  dafs 
die  von  mir  verwendeten  Sera  (inaktiviertes  Meerschweinchen- 
Immunserum  und  -Normalserum)  in  1  proz.  Verdünnung  die 
Vermehrung  der  Keime  in  gleicher  Weise  beeiuflufsten ,  ging 
ich  dazu  über,  mittels  der  Plattenmethode  zu  prüfen,  ob  mit 
Immunkörper  beladene  Bakterien  in  destilliertem  Wasser  schneller 
zugrunde  gehen  als  solche,  welche  nur  mit  inaktiviertem  Normal- 
serum oder  gar  nicht  vorbehandelt  waren. 

Von  einer  22  stündigen  Agarkultur  von  Vibrio  Danubicus 
wurden  4  Ösen  -.=  12,8  mg  entnommen,  und  in  2i}()  a-m  0,3proz. 
Kochsalzlösung    aufgeschwemmt.     Von    dieser  Aufschwemmung 


Von  Dr.  Georg  Leuchs. 


401 


wurden  49,5  ccm  versetzt  mit  0,5  ccm  Meerschweinchen-Immun- 
serum, welches  bei  Verdünnung  1  :  320  noch  deutliche  Aggluti- 
nation zeigte,  ferner  49,5  ccm  mit  0,5  ccm  inaktiviertem  Meer- 
schweinchen-Normalserum. Diese  Mischungen  nebst  50  ccm 
der  Originalaufschwemmung  kamen  für  1  Stunde  in  den  Eis- 
schrank, um  die  vollständige  Bindung  der  Immunkörper  herbei- 
zuführen. Darauf  wurde  von  den  drei  Flüssigkeiten  nach  kräf- 
tigem Schütteln  je  ^/2  ccm  entnommen  und  in  Tropfgläschen  ge- 
bracht, welche  mit  49,5  ccm  destilliertem  Wasser  gefüllt  waren. 
Aus  diesen  wurde  nun  sofort  und  später  nach  bestimmten  Zeiten 
je  ein  Tropfen  entnommen  und  in  Gelatine  gebracht  (»grofse 
Aussaatc),  femer  wurden  vier  Tropfen  gegeben  in  ein  mit  50  ccm 
Pepton-Kochsalzlösung  gefülltes  Verdünnungstropfgläschen ,  aus 
diesem  wieder  je  fünf  Tropfen  in  drei  Gelatineröhrchen  (»kleine 
Aussaatc).  Natürlich  wurde  vor  jeder  Entnahme  von  Tropfen 
geschüttelt,  um  gleichmäfsige  Verteilung  der  Keime  zu  bewirken. 
(Als  Verdünnungsflüssigkeit  für  die  dem  destillierten  Wasser 
entnommenen  Proben  wurde  hier  wie  später  eine  Lösung  von 
O,lproz.  Pepton  und  0,3proz.  Kochsalz  in  Wasser  benutzt,  eine 
Flüssigkeit,  welche  höchstens  nur  eine  ganz  langsame  Vermehrung 
der  eingesäten  Danubicuskeime  zulassen  dürfte,  und  welche 
anderseits,  wie  ich  vorher  durch  einen  besonderen  Versuch  fest- 
gestellt hatte,  diesen  Keimen  bei  kurzer  Einwirkungsdauer  nicht 
schädlich  ist.)  Das  Resultat,  berechnet  auf  1  ccm  des  destil- 
lierten Wassers,  war  folgendes: 

1  ccm  des  destillierten  Wassers  enthielt  Keime: 


1 

Berechnet  aus  der  kleinen 

Berechnet  aus  dei 

'  grofsen 

1 

Aussaat 

Aussaat 

Immun- 

Normal- 

Kochsalz- 

Immun- 

Normal- 

Kochsalz- 

1 

serum 

serum 

lösung 

sernm 

serum 

lösung 

Sogleich  .    .    . 

136  000 

115000 

111000 

88400 

93  800 

68  300 

Nach  1  Stunde  ; 

78  000 

91000 

62000  ; 

60300 

56  300 

39000 

>      3  7,  Std. 

47  000 

64000 

23000   1 

!   52300 

32  500 

>      1  Tag     . 

10900 

2180 

227    ' 

'     7300 

1500 

39 

>      3  Tagen,  i 

1 

1 

i     2350 

0 

0 

»6       >     .  , 

— 

94 

0 

0 

.      8       .     .| 

1 

. 

4 

— 

402     Suid  bei  <L  Ymkt,  Wirkung  <L  BlatBenuna  onnodflcfae  Voigftnge  im 

Die  mit  Nonnalsemm  vorbehandelten  Bakterien  starben  also 
im  destillierten  Wasser  nahezu  ebenso  schnell  ab  wie    die    nur 
mit  0,3%  Kochsalz  vorbehandelten.    Die  geringe  Differenz  in  der 
Resistenz  erklärt  sich   wohl  aus  dem  Umstände,  dais   mit   den 
mit  Serum    vorbehandelten  Bakterien    gleichzeitig   eine    geringe 
Menge  (0.005  ccm)  Normalserums  in  das  destillierte  Wasser  ein- 
getragen  wurde,    so  dafs  das  Wasser  eigentlich   eine  0,01  proz. 
Serumlösung  darstellte.     Dagegen   starben   die  mit  Immunsenuu 
vorbehandelten  Bakterien  deutlich  langsamer  ab  als  die  mit  Nor- 
malserum  vorbehandelten.     Dies   muls  jedoch   nicht   auf    einer 
tatsächlichen  gröfseren  Resistenz  der  ersteren  beruhen,   sondern 
kann  vorgetftuscht  sein  durch  Agglutination,  indem  die  in  Agglu- 
tinationshftufchen  eingeschlossenen  Bakterien  lange  Zeit  vor  dem 
destillierten  Wasser  geschützt  sein  könnten    Gegen  letzteres  spricht 
nicht,   dafs  nach  Bord  et  die  Agglutinationshfiufchen  im  destil- 
lierten Wasser  durch  Schütteln  zerfallen,    denn   es  handelt   sich 
hier,  wie  eben  erwähnt,  eigentlich  nicht  um  destilUertes  Wasser, 
sondern  um  eine  0,01  proz.  Serumlösung.    Wohl  aber  spr&che  da- 
gegen der  Umstand,  dafs  die  Kolonienzahlen  der  Kontrollplatten 
bei  der  >  kleinen  Aussaat c  sehr  gut  zusammenstimmen. 

Es  wurde  nun  der  Versuch  wiederholt  mit  der  Modifikation, 
dafs  nach  erfolgter  Bindung  der  Immunkörper  das  Serum  durch 
mehrmaliges  Waschen  der  Bakterien  mit  0.3  proz.  Kochsalzlösung 
entfernt  wurde,  um  den  Einflufs  der  Nährstoffe  des  Serums  mög- 
liehst auszuschalten.  Um  die  Vermehrung  der  Keime  während 
des  Zentrifugierens  zu  verhindern,  wurde  mit  Eiskühlung  zentri- 
fugiert.  Femer  wurde  die  Serumwirkung  verstärkt,  indem  eine 
Serumverdünnung  von  1  :  15  gewälilt  wurde.  Um  den  durch  das 
Waschen  entstehenden  Keimverlust  auszugleichen,  wurde  eine 
gröfsere  Aussaat  gemacht. 

(Siehe  die  Tabelle  auf  S    403 

Wie  die  Tabelle  zeigt,  sind  die  Differenzen  in  der  Keimzahl 
von  Anfang  an  so  grofs  gewesen,  dafs  bestimmte  Schlüsse  unzu- 
lässig wären.  Da  sich  herausstellte,  dafs  die  wesentlich  schlechter 
abzuzentrifugierenden  Nonnalserumbakterien  beim  Waschen  zum 
gröfsten  Teil   weggeschüttet  werden,   so   blieb   nichts   übrig,    als 


Von  Dr.  Georg  Leache. 


403 


Keimzahl  pro  1  ccm  dest.  Wassers  (Mittelwerte,  berechnet  aas  grofser  und 

kleiner  Anssaat): 


Immun- 
serum 

Normal- 
serum 

0,3  «/o 
Kochsalz 

Zahl  der  in  das  destill.  Wasser  eingetragenen 

Bakterien  pro  1  ccm  desselben  .... 

Nach  2 — 5  Minuten 

650000 

486000 

450000 

300000 

435000 

57  000 

5100 

4100 

925 

19000 

2000 

1500 

270 

189 

12 

0 

0 

1000000 
776  000 

>      1  Stande 

691000 

>      3  Stunden i 

227  000 

,6         .          ' 

209000 

>      1  Tau       

22000 

*•     •"■••o 

»      2  Tagen 

>      3       >       

1500 
339 

>      4       *       '  .     .    . 

83 

von  vornherein  eine  bedeutend  gröfsere  Menge  von  Bakterien 
für  die  Normalserumprüfung  zu  verwenden,  sowie  gründlicher  zu 
zentrifugieren.     Dies  ist  im  folgenden  Versuch  geschehen. 

Von  einer  22  stündigen  Danubicusagarkultur  wurden  auf- 
geschwemmt : 

1  Öse    in  7,0  ccm  einer  0,3proz.  Kochsalzlösung  -\-  Vi  ccm  Immunserum 
5  Ösen  >    7,0     >         »  >  »  +  Vi     »     inakt.  Normals. 

1  Öse     »    7,5     >         >  >  > 

Diese  Aufschwemmungen  kamen  auf  1  Stunde  in  den  Eis- 
schrank, worauf  die  beiden  Serumaufschwemmungen  ^2  Stunde 
mit  Eiskühlung  zentrifugiert  wurden.  Nun  wurde  die  Flüssigkeit 
vollständig  abgegossen,  das  Sediment  aufgerührt,  7  ccm  0,3  proz. 
Kochsalzlösung  zugegeben  und  mit  dem  Sediment  verrührt.  Nach 
weiterem  ^/4  stündigem  Zentrifugieren  wurde  zum  Bodensatz  soviel 
0,3 proz.  Kochsalzlösung  gegeben,  dafs  die  Trübung  in  beiden 
Gläschen  ungefähr  gleich  stark  schien,  d.  h.  zu  den  Immunserum- 
bakterien 10  ccm,  zu  den  Normalserumbakterien  2  ccm.  Um 
gröfsere  Agglutinationshäufchen  zu  entfernen,  wurden  beide  Proben 
durch  ein  Leinwandfilter  filtriert  in  Tropfgläschen,  hier  stark  ge- 
schüttelt, und  nun  wurden  von  allen  drei  Aufschwemmungen 
(die  reine  Kochsalzaufschwemmung  war  unterdessen  im  Eisschrank 
gestanden)  7  Tropfen  =  ^/a  ccm  in  50  ccm  destilhertes  Wasser 
gebracht.  Von  diesem  wurde  von  Zeit  zu  Zeit  je  1  Tropfen 
direkt  in   zwei  Gelatineröbrchen   übertragen   (»grolse  Aussaatc), 


404     Sind  bei  d.  bakt.  Wirkung  d.  Blutserunin  OBmotiscbe  Vorgänge  im  Spiele? 

andrerseits  4  Tropfen  in  50  ccm  Peptonwasser  und  hieraus  je 
5  Tropfen  in  2  Gelatineröhrchen  (»kleine  Aussaat«).  Von  der  Ab- 
nahme der  Kultur  bis  zum  ersten  Plattengufs  vergingen  2^2  Stunden. 
Um  den  Keimgehalt  der  Aufschwemmungen  im  Moment  der  Mi- 
schung mit  dem  destillierten  Wasser  zu  bestimmen,  wurden  gleich- 
grofse  Proben  statt  in  letzteres  in  Peptonwasser  gegeben  und  in 
ganz  entsprechender  Weise  zu  Platten  verarbeitet. 

Keimzabl  pro  1  ccm  des  destillierten  Wassers: 


Berechnet  aus  der  kleinen 

Berechnet  aus  der 

grofsen 

Aussaat 

Aussaat 

Immun- 

Normal- 

0,3% 

Immun- 

Normal- 

0,3 V. 

serum 

serum 

Kpchsalz 

serum 

serum 

Kochsals 

Im  Moment  der 

1 

Eintragung   . 

t   56000 

1 

580000 

2080000 

40000 

242000 

unzählbar 

Sogleich  darnach 

77  000 

416000 

718000 

62000 

122000 

unz&hlbar 

Nach  1  Stunde 

72000 

229  000 

693000 

61000 

115000 

258000 

>      37,  Std. . 

17  600 

210 

12  600 

22  300 

72 

10  600 

>      6        >    . 

225 

0 

0  i 

'        864 

6 

84 

>      ITag     . 

0 

0 

0, 

0 

0 

0 

>      2  Tagen . 

0 

0 

0. 

0 

0 

0 

.      3       »      . 

— 

~""^ 

— 

0 

0 

0 

Obwohl  also  hier  von  den  Immunserumbakterien  zehnmal 
weniger  in  das  Wasser  eingetragen  wurden  als  von  den  Normal- 
serumbakterien und  40  mal  weniger  als  von  den  unvorbehandelten 
Bakterien,  so  erfolgte  doch  die  Abnahme  der  Keimzahl  bei 
ersteren  langsamer  als  bei  den  beiden  letzteren.  Dies  mufs  jedoch 
keineswegs  als  Beweis  für  eine  gröfsere  Resistenz  der  Immun- 
serumbakterien angesehen  werden.  Der  Einflufs  der  Nährstoffe 
ist  zwar  durch  das  Waschen  ausgeschaltet,  wie  ja  auch  das  gleiche 
Verhalten  der  Normalserum-  und  der  unvorbehandelten  Bakterien 
beweist;  dagegen  sprechen  mehrere  Momente  düfür,  dafs  die  lang- 
samere Abtötung  derlmraunserumbakterien  doch  auf  die  schützende 
Wirkung  kleiner  Agglutinationshäufchen  zurückzuführen  ist: 

Vergleicht  man  nämlich  diesen  Versuch  mit  dem  vorher- 
gehenden, so  findet  man,  dafs  im  einen  Falle,  wo  filtriert  wurde, 
also  gröfsere  Agglutinationshäufchen  zurückgehalten  wurden,  schon 
nach  einem  Tage  in  sämtlichen  Proben  SteriHtät  eingetreten  war; 
im  anderen  Falle  dagegen  wurde  nicht  filtriert,  hier  waren  noch 


Von  Ür.  C^org  Leachs.  405 

nach  vier  Tagen  viele  Immunserumkeime  entwicklungsfähig.  Aufser 
der  Filtration  aber  bot  die  Ausführung  beider  Versuche  keine  prin- 
zipiellen Unterschiede.  Sind  somit  gröfsere  Agglutinationshäufcben 
imstande,  die  in  ihrem  Innern  liegenden  Bakterien  tagelang  vor  der 
tötenden  Wirkung  des  destillierten  Wassers  zu  bewahren,  so  darf 
angenommen  werden,  dafs  auch  kleinere  Häufchen,  welche  noch 
durch  ein  Leinwandfilter  hindurchgehen,  eine  gewisse  schützende 
Wirkung  ausüben  können,  wenn  auch  nur  für  einige  Stunden. 

Dafs  tatsächUch  in  der  Immunserumaufschwemmung  auch 
nach  der  Filtration  noch  kleine  Agglutinationshäufchen  vorhanden 
waren,  und  dafs  sich  diese  teilweise  nach  dem  Einbringen  in  das 
Wasser  wieder  auflösten,  dafür  scheinen  die  beiden  ersten  Zahlen- 
reihen der  Tabelle  zu  sprechen :  Bei  den  Normalserum-  und  den 
unvorbehandelten  Bakterien  ist  sofort  nach  der  Eintragung  in 
das  destillierte  Wasser  eine  Abnahme  der  Keimzahl  zu  beobachten 
(von  580000  auf  416000  und  von  2000000  auf  718000),  worin 
sich  die  rapid  einsetzende  deletäre  Wirkung  des  Wassers  doku- 
mentiert. Bei  den  Immunserumbakterien  aber  tritt  sogar  eine 
Steigerung  der  Keimzahl  ein,  welche  sich  wohl  nur  dadurch  er- 
klären läfst,  dafs  ein  Teil  der  Agglutinationshäufchen  sich  auf- 
gelöst hat  und  zahlreiche  Keime  frei  geworden  sind. 

Ist  somit  die  scheinbar  gröfsere  Resistenz  der  mit  Immun- 
serum vorbehandelten  Bakterien  wohl  nur  auf  den  störenden 
Einflufs  der  Agglutination  zurückzuführen,  so  geht  aus  den  Zahlen 
der  Tabelle  doch  auch  soviel  hervor,  dafs  die  Widerstandsfähigkeit 
dieser  Bakterien  gegen  destilliertes  Wasser  keineswegs  vermindert  ist. 

Das  Ergebnis  meiner  Versuche  ist  somit  ein  negatives.  Es 
liefs  sich  keine  gröfsere  Hinfälligkeit  der  mit  Im- 
munkörpern präparierten  Danubicuskeime  gegen  os- 
motische Schädlichkeiten  erweisen.  Der  Gedanke,  dafs 
Veränderungen  in  den  osmotischen  Verhältnissen  das  Entschei- 
dende bei  der  Bakterizidie  seien,  mufs  also  wohl  fallen  gelassen 
werden,  wenn  auch  zugegeben  werden  mufs,  dafs  die  Umstände 
der  Agglutination  und  des  raschen  Massentodes  der  empfindlichen 
Keime  bei  der  Übertragung  der  Kultur  in  die  Aufschwemmungs- 
medien für  meine  Versuche  recht  störend  waren. 


406     Sind  bei  d.  bakt.  Wirkang  d.  ^^latseramd  oBmotische  Vorgänge  im  Spielet 

Röfsles  Versuche  au  Erythrozyten  haben  bekanntlich  für 
diese  das  gleiche  Resultat  ergeben,  dafs  ihr  osmotischer  Zustand 
durch  die  Immunkörper  nicht  merklich  verändert  wird. 

Ich  untersuchte  auch  mikroskopisch,  ob  mit  Immunkörpern 
beladene  Bakterien  in  bezug  auf  Plasmolyse  sich  anders  ver- 
halten als  un vorbehandelte  Bakterien.  Verwendet  wurden  hierzu: 
Bacterium  typhi,  pyocyaneum  und  megatherium.  Ich  konnte 
irgendeinen  Unterschied  in  bezug  auf  den  Eintritt  und  die  Dauer 
der  Plasmolyse  nicht  beobachten,  stiefs  jedoch  sehr  bald  auf  jene 
Erscheinung,  die  Alfred  Fischer^)  entdeckt  und  als  tPlasmoptyse« 
bezeichnet  hat. 

Fischer  beobachtete  nach  gewissen  Vorbereitungen  im 
hängenden  Tropfen  aufserhalb  der  Bakterienleiber  eigentümliche 
kugelartige  Gebilde,  stärker  lichtbrechend  als  die  Flüssigkeit  des 
Tropfens,  im  Inneren  vollkommen  homogen,  von  wechselnder 
Gröfse,  den  Querdurchmesser  der  Bakterien  meist  weit  über- 
treffend. Ihr  Kontur  ist  deutlich,  aber  zart,  ihre  Form  ist  nicht 
immer  kreisrund,  sondern  manchmal  oval,  birnförmig  oder  ganz 
unregelmäfsig.  Oft  liegen  die  Kugeln  der  Seite  der  Bakterien  an. 
Sie  finden  sich  in  der  Regel  nicht  von  Anfang  an  im  Hängetropfen 
vor,  sondern  entstehen  erst  im  Laufe  von  Minuten  und  Stunden. 

Fischer  fafste  die  Kugeln  auf  als  Plasmateile  der  Bakterien, 
welche  von  diesen  ausgestofsen,  ausgespieen  sein  sollten.  Er 
nannte  den  Vorgang  des  Ausspeiens  Plasmoptyse  und  erklärte 
ihn  auf  folgende  Weise: 

Werden  Bakterien  in  2proz.  Kochsalzlösung  gebracht,  so 
tritt  infolge  Steigerung  des  osmotischen  Aufsendruckes  Plasmo- 
lyse ein,  d.  h.  man  beobachtet  das  Auftreten  von  stärker  licht- 
brechenden und  stärker  färbbaren  Kügelehen,  Bändern  oder 
Klümpchen  innerhalb  der  Bakterienmembran.  Um  die  Plasmo- 
lyse der  Bakterien  zu  verstehen,  hat  man  sich  nach  Fischer 
die  Bakterienzelle  ebenso  gebaut  vorzustellen,  wie  die  Zelle  der 
höheren  Pflanzen,  also  ausgestattet  mit  einer  Membran,  dem 
Zellsaft  und   dem  Protoplasma,   welches   letztere  einen  dünnen, 

1)  Zeitschrift  f.  Hygiene,  36.  Bd. 


Von  Dr.  Georg  Lenchs.  407 

den  Zellsaft  einschliefsenden  Wandbelag  bildet.  Für  Wasser  sind 
die  Membran  und  das  Protoplasma  leicht  durchgängig,  für  ge- 
löste Stoffe,  z.  B.  Salzmoleküle  jedoch  nur  die  Membran,  während 
der  Protoplasmaschlauch  mehr  oder  minder  undurchgängig  ist 
(wenigstens  bei  den  »plasmolysierbaren  Bakterien  c),  das  Protoplasma 
ist  also,  wie  der  terminus  technicus  lautet,  eine  semipermeable 
Membran.  Solange  die  umgebende  Flüssigkeit  weniger  osmotisch 
wirksame  Stoffe  enthält  als  der  Zellsaft,  ist  daher  im  Innern  der 
Zelle  ein  Überdruck  vorhanden,  welcher  den  Turgor  der  Zelle 
aufrechterhält.  Dieser  Überdruck  hört  aber  auf,  sobald  die  um- 
gebende Flüssigkeit  eine  stärkere  Konzentration  an  osmotisch 
wirksamen  Substanzen  enthält  als  der  Zellsaft.  Jetzt  drücken 
vielmehr  die  Salzmoleküle  von  aufsen  auf  den  für  sie  undurch- 
gängigen Protoplasmaschlauch,  es  wird  Wasser  ausgeprefst,  das 
Protoplasma  wird  entspannt,  löst  sich  teilweise  von  der  Zell- 
membran ab  und  zieht  sich  zusammen,   es  tritt  Plasmolyse  ein. 

Mit  der  Zeit  aber  dringt  doch  soviel  Salz  durch  die  Proto- 
plasmahülle in  den  Zellsaft  ein,  dafs  der  Innendruck  den  Aufsen- 
druck  mehr  oder  minder  kompensiert.  Führt  man  nun  diese  salz- 
beladenen  und  durch  Hunger  geschwächten  Bakterien  in  eine 
weniger  konzentrierte  Lösung,  z.  B.  in  Leitungswasser  über,  so 
sollte  man  erwarten,  dafs  nun  das  Salz  aus  der  Bakterieuzelle 
wieder  austritt,  bis  der  Salzgehalt  der  Zelle  und  der  dieselbe 
umspülenden  Flüssigkeit  gleich  ist.  Dies  geschieht  jedoch  nicht, 
da  infolge  einer  den  Bakterien  überhaupt  anhaftenden  oder  erst 
im  Laufe  des  Versuches  erworbenen  Eigenschaft  das  Salz  viel 
langsamer  exosmiert  als  es  endosmiert  ist;  es  bleibt  vielmehr 
der  osmotische  Innendruck  bestehen,  während  der  Aufsendruck 
plötzlich  rapid  sinkt,  die  Membran  ist  dieser  gewaltigen  Druck- 
differenz auf  die  Dauer  nicht  gewachsen,  sie  reifst  an  ihrer  nach- 
giebigsten Stelle,  in  der  Regel  dem  Pol  des  Bakteriums,  ein ;  durch 
den  Rifs  wird  ein  Teil  des  Protoplasmas  hervorgeprefst,  der  sich 
nun  in  Form  einer  Kugel,  die  bald  gröfser  und  matter  wird,  dem 
Bakterienpol  anlegt,  —  es  tritt  Plasmoptyse  ein. 

Soweit  wäre  ja  die  Theorie  der  Plasmoptyse  annehmbar. 
Die  Entstehung  dieser  Kugeln  beobachtete  aber  Fischer  nicht 


408     ^11^^  boi  ^'  bakt  Wirkung  d.  Blatserums  osmoÜBche  Vorgänge  im  Spiele? 

nur  unter  den  angegebenen  Bedingungen,  sondern  auch  unter 
gerade  entgegengesetzten  Verhältnissen,  d.  h.  wenn  Bakterien  von 
einem  0,15%  NaCl  enthaltenden  Medium,  in  0,75 proz.  oder  in 
2proz.  Kochsalzlösung  oder  in  eine  der  letzteren  isotonische  Flüssig- 
keit, z.  B.  5%  Glyzerin  übertragen  werden.  Die  Erklärung,  welche 
Fischer  für  diese,  wie  er  selbst  sagt,  scheinbar  allen  osmotischen 
Gresetzen  widersprechende  Erscheinung  gibt,  ist  zu  kompliziert  und 
zu  wenig  verständlich,  als  dafs  ich  sie  hier  wiedergeben  könnte. 

Fischer  verwertete  die  Plasmoptyse  hauptsächlich  gegen 
die  Alexiniehre.  Beim  Pfeifferschen  Phänomen  tritt  bekaunt- 
lich  durch  die  Wirkung  des  aktiven  Immunserums  ein  Aufquellen 
des  Bakteriums  und  schliefsUch  Umwandlung  seiner  Protoplasma- 
masse in  eine  kleine  Kugel  ein,  welche  allmählich  abblafst  und 
verschwindet.  Fischer  hielt  diese  Kügelchen  für  identisch  mit 
seinen  Plasmoptysekugeln  und  glaubte  infolgedessen  auch  für 
die  einfache  Alexinwirkung  die  Plasmoptyse  als  Ursache  an- 
sprechen zu  müssen. 

Durch  die  früher  genannten  Forscher  ist  bereits  erwiesen 
worden,  dafs  das  Pfeiffersche  Phänomen  keinesfalls  mit  der 
Plasmoptyse  Fischers  identifiziert  werden  könne;  bei  meinen 
Kontrolluntersuchungen  stellte  sich  weiter  die  überraschende  Tat- 
sache heraus,  dafs  eine  Plasmoptyse  der  Bakterien 
überhaupt  gar  nicht  existiert,  dafs  die  von  Fischer  be- 
obachteten Kugeln  gar  keine  Bakterienprodukte  sind. 

Ich  will  vorausschicken,  dafs  ich  mehrere  hundert  hängende 
Tropfen  untersucht  habe,  jeden  mehrmals  und  so  gründlich  als 
möglich.  Die  Tropfen  wurden  unter  verschiedenen  Variationen 
hergestellt,  meist  genau  nach  Fischers  Vorschrift.  Sie  bestanden 
aus  destilliertem  Wasser,  Leitungswasser,  0,75 proz.,  2 proz.  oder 
höherprozentiger  Kochsalzlösung  oder  5  proz.  Glyzerin  und  ent- 
hielten aufgeschwemmt  Milzbrand-,  Tyj)hus-,  Koli-,  Pyocyaneus-, 
Prodigiosus-,  Proteus-,  Danubicus-  oder  Cholerabakterien.  Die 
Bakterien  waren  teils  auf  gewöhnlichem  Agar  mit  und  ohne  den 
gebräuchlichen  0,5 proz.  Kochsalzzusatz,  teils  auf  dem  von  Fi- 
scher  benutzten  Nährboden  gewachsen,  das  Alter  der  Kultur 
wechselte  von  16  Stunden  bis  zxx  4  Tagen. 


Von  Dr.  Georg  Lenchs.  409 

Sehr  auffällig  war  zunächst  die  aufserordentliche  Inkonstanz, 
welche  die  Kugeln  in  ihrer  Grölse,  in  ihrem  Auftreten  nach  Ort, 
Zahl  und  Zeit  zeigen.  So  wechselt  die  Gröfse  etwa  zwischen  0,5 
bis  6  fi,  die  Zahl,  ganz  unabhängig  von  der  eingesäten  Bakterien- 
menge, zwischen  0 — 50  Stück  pro  Gesichtsfeld.  Meist  findet  man 
sie  nur  im  Randgebiet  des  Tropfens  oder  nur  in  einzelnen  Teilen 
desselben.  Auch  bilden  sich  die  Kugeln  durchaus  nicht  nur  in 
2proz.  Lösungen,  sondern  ebenso  auch  in  0,75  prozentigen  und 
in  Wasser,  unabhängig  davon,  ob  die  Bakterien  einem  Konzen- 
trationsunterschied ausgesetzt  werden  oder  nicht.  Beträchtliche 
Schwankungen  ergeben  sich  auch  in  bezug  auf  den  Zeitpunkt, 
an  welchem  die  Kugeln  zuerst  sichtbar  werden.  Fischer  be- 
obachtete sie  meist  schon  im  Verlauf  der  ersten  Stunde  nach 
Herstellung  des  Tropfens.  Ich  konnte  sie  selten  so  bald  wahr- 
nehmen, meist  erst  bei  der  zweiten  Untersuchung,  nach  zwei, 
drei,  oft  erst  nach  vier  bis  sechs  Stunden  oder  nach  einem  Tage. 

Femer  konnte  ich  den  Vorgang  des  Ausspeiens  des  Plasmas 
—  wie  anscheinend  auch  Fischer  selbst  —  niemals  beobachten. 
Dafs  die  Kugeln  oft  den  Bakterien  anliegen,  kann  man  nicht 
als  Beweis  ansehen  dafür,  dafs  die  Kugeln  von  den  Bakterien 
ausgestofsen  worden  sind.  Durch  die  lebhafte  Molekular-  oder 
Eigenbewegung  der  Bakterien  können  beide  Elemente  in  Be- 
rührung kommen,  auch  kann  sich  eine  Kugel  in  nächster  Nähe 
einer  Stelle  bilden,  wo  sich  ein  Bakterium  befindet.  Die  kugel- 
tragenden Bakterien  sehen  auch  ganz  gesund  aus,  unterscheiden 
sich  nicht  von  ihren  kugelfreien  Genossen,  zeigen  eventuell  wie 
diese  deutliche  plasmolytische  Schrumpfung  und  lebhaft  zappelnde 
Bewegung,  wie  wenn  sie  sich  abmühten,  von  dem  klebrigen  Ding 
wieder  loszukommen;  wiederholt  beobachtete  ich  Keime,  welche 
mit  einer  Kugel  belastet  mit  grolser  Geschwindigkeit  durch  das 
Gesichtsfeld  sausten;  man  kann  sich  schwer  vorstellen,  dafs 
Bakterien,  welche  einen  grofsen  Teil  ihres  Protoplasmas  verloren 
haben,  sich  noch  so  lebhaft  sollen  bewegen  können. 

Die  Färbung  der  Kugeln  mit  basischen  Anilinfarbstoffen, 
welche  doch  möglich  sein  müfste,  wenn  es  sich  um  plasmatische 
Substanz  handelte,  gelang  weder  Fischer  noch  mir.     Wieder- 

AiolüT  für  97gtoQ«.  9<1.  LIV-  S7 


410     ^^^^  ^®i  ^'  bakt.  Wirkung  d.  Blatserams  osmotische  Vorgänge  im  Spiele  ? 

holt  gelang  es  mir,  ein  Gesichtsfeld  mit  zahlreichen  Kugeln  und 
Bakterien,  welches  ich  abgezeichnet  hatte,  nach  der  Eintrocknung 
und  Färbung  des  Tropfens  wieder  aufzufinden :  Die  mit  Methylen- 
blau gefärbten  Milzbrandfäden,  sowie  einige  Schmutzpartikel  waren 
vollzählig  und  in  ihrer  Lage  fast  unverändert  erhalten  geblieben, 
während  die  Kugeln  spurlos  verschwunden  waren.  (Die  Fixie- 
rung der  Deckgläschen  war  hierbei  erreicht  worden  durch  kon- 
zentrierte  Sublimatlösung,  Waschen  in  Alkohol  und  Äther.) 

Bedeutungsvoller  noch  ist  die  Tatsache,  dafs  sich  die  Kugeln 
nur  im  hängenden  Tropfen,  nicht  z.  B.  im  Reagensglas  bilden. 
Schwemmt  man  im  Reagensglas  in  einer  2proz.  Kochsalzlösung 
Bakterien  auf  und  entnimmt  zu  beliebiger  Zeit  einen  Hänge- 
tropfen, so  kann  man  bei  sofortiger  Beobachtung  keine  Kugeln 
entdecken,  trotzdem  doch  die  Kochsalzlösung  lange  genug  auf 
die  Bakterien  hat  einwirken  können;  die  Kugeln  entstehen  erst 
nach  einiger  Zeit.  Auch  Fischer  hat  dies  beobachtet  und 
er  hat  auch  hier  eine  Erklärung  bereit:  Die  Bakterien,  sagt  er, 
sinken  in  der  Salzlösung  sehr  schnell  zu  Boden  und  nehmen 
hier,  dicht  beieinander,  soviel  Salz  auf,  dafs  die  am  Boden  des 
Probierröhrchens  befindliche  Salzlösung  einen  geringeren  Pro- 
zentgehalt bekommt,  bevor  noch  die  zur  Plasmoptyse  erforder- 
liche Salzmenge  in  die  Bakterien  eingedrungen  ist.  Diese  eigen- 
tümliche Vorstellung  kann  man  experimentell  leicht  widerlegen: 
man  braucht  nur  die  Proben  nicht  vom  Sediment,  sondern  von 
der  überstehenden  Flüssigkeit,  welche  in  den  ersten  Stunden 
noch  viele  Bakterien  enthält,  zu  nehmen,  oder  man  kann  eine 
Sedimentierung  verhindern,  indem  man  die  Röhrchen  im  Schüttel- 
apparat aufbewahrt.     Das  Resultat  ist  immer  das  gleiche. 

Die  Plasmoptyse  —  darüber  läfst  Fischer  keinen  Zweifel  — 
kann  sich  nur  an  lebenden  Bakterien  abspielen.  Brachte  ich 
nun  in  einen  hängenden  Tropfen  Milzbrandfäden,  welche  durch 
1  stündiges  Erhitzen  auf  70^  getötet  waren,  (drei  damit  besäte 
Platten  blieben  steril),  so  traten  trotzdem  die  Kugeln  auf. 

Schliefslich  überzeugte  ich  mich,  dafs  zur  Kugelbildung  die 
Anwesenheit  von  Bakterien  überhaupt  nicht  erforderlich  ist, 
^^ondern  dafs  die  Kugeln  auch  im  bakterien freien  Hänge- 


Von  Dr.  Creorg  Leuchs.  411 

tropfen,  bestehend  aus  Aq.  dest.,  0,75 proz.,  2proz.  oder  lOproz. 
Kochsalzlösung  auftreten.  War  hierdurch  erwiesen,  dals  die 
Kugelbildung  gänzlich  unabhängig  ist  von  den  Bakterien,  so 
zeigte  sich  andrerseits,  dafs  sie  aufs  innigste  zusanunenhängt 
mit  der  Beschaffenheit  des  Deckglases.  Benutzte  ich 
nämlich  Deckgläser,  welche  durch  Kochen  mit  Kaliumbichromat- 
Schwefelsäurelösung,  Waschen  mit  Wasser,  Alkohol  und  Äther 
gründlich  gereinigt  und  bis  zum  Gebrauch  vor  der  Berührung 
mit  verunreinigenden  Gegenständen  ängstlich  behütet  worden 
waren,  so  traten  die  Kugeln  nicht  auf.  Diese  Tatsache  konsta- 
tierte ich  an  etwa  70  hängenden  Tropfen.  Die  Plasmoptyse- 
kugeln  haben  sonach  ihre  Entstehung  zweifelsohne  un- 
genügend gereinigten  Deckgläsern  zu  verdanken. 

Welcher  Art  die  Stoffe  sind,  aus  welchen  sich  die  Kugeln 
bilden,  darüber  haben  weitere  Versuche  kein  sicheres  Resultat 
ergeben.  Die  Färbung  mit  Osmiumsäure  oder  Sudan  III  gelang 
nicht  in  dem  Grade,  dafs  man  die  Kugeln  als  Fett  hätte  be- 
zeichnen können.  Sicher  ist,  dafs  das  Vaselin  oder  das  flüssige 
Paraffin,  welches  zum  Abschlufs  des  Deckglases  dient,  keine 
Rolle  spielt,  denn  die  Resultate  blieben  die  gleichen,  wenn  ich  das 
Deckglas  mit  Siegellack  oder  Paraffin  von  hohem  Schmelzpunkt 
(40^)  abschlols.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  um  Kohlen- 
wasserstoffe, welche  sich  bei  der  Fabrikation  der  Deckgläser  auf 
diesen  aus  der  rauchenden  Flamme  kondensieren. 

Erst  einige  Zeit  nachdem  ich  diese  Untersuchungen  ab- 
geschlossen und  in  der  Gesellschaft  für  Morphologie  und  Physio- 
logie in  München  darüber  berichtet  hatte,  wurde  ich  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dafs  Fischer  in  der  zweiten  Auflage  seines 
Lehrbuches  »Vorlesungen  über  Bakterien«  (erschienen  1903) 
seine  Ansichten  über  die  Plasmoptyse  modifiziert  habe.  In 
der  Tat  findet  sich  in  diesem  Buche  eine  Anmerkung  folgen- 
den Inhalts:  ».  .  .  .  Besonders  wird  man  eine  Beschreibung  der 
Plasmoptyse  an  dieser  Stelle  vermissen.  Ich  benutze  gerne  die 
Gelegenheit,   bereits  hier,    auf   eine    später  zu  veröffentlichende 

Arbeit  verweisend,  hervorzuheben,  dafs  einige  Irrtümer  in  meiner 

27* 


412    Bakteriside  Wirkang  des  Blatsemms  etc.    Von  Dr.  Georg  Lauchs. 

früheren  Arbeit    sich  eingeschh'chen   haben,    die  zum  Teil   auf 
einem  ungeahnten  Einflufs  der  Deckgläser  beruhen c 

Fischer  hat  sich  also  ohne  Zweifel  schon  selbst  davon 
überzeugt,  dals  er  durch  die  Unreinheit  seiner  Deckgl&ser  ge- 
täuscht worden  ist.  Da  er  es  aber,  soviel  mir  bekannt  ist,  bis- 
her unterlassen  hat,  den  Sachverhalt  genauer  darzulegen,  hielt 
ich  mich  für  berechtigt,  im  vorstehenden  über  das  Ergebnis 
meiner  Untersuchungen  zu  berichten,  auch  nachdem  mir  der 
Widerruf  Fischers  bekannt  geworden  war. 

Für  Choleravibrionen  will  Fischer,  wie  aus  der  Darstel- 
lung auf  S.  48  seines  Lehrbuches  hervorgeht,  die  Plasmoptyse 
auch  jetzt  noch  retten,  wenn  er  sie  auch  nicht  mehr  als  osmo- 
tische Erscheinung,  sondern  nur  als  Degenerationserscheinung 
aufgefalst  wissen  will.  Er  schreibt:  »Zwischen  den  schlanken 
Vibrionen  finden  sich  zahlreiche,  genau  kugelige  Gebilde  mit 
mattem  Inhalt,  in  dem  oft  ein  glänzendes  Körperchen  schärfer 
hervortritt.  Diese  Plasmoptysekugeln  sind  in  1 — 2  Tage  alten 
Kulturen  zum  Teil  noch  gut  beweglich  und  tragen  eine  Geifsel, 
wie  der  Choleravibrio.  Wie  die  noch  schlank  gebliebenen  Vibrio- 
nen sind  auch  die  Kugeln  plasmolysierbar,  sie  haben  eine  be- 
sondere Zell  wand  und  protoplasmatischen  Inhalt,  c  Diese  Ge- 
bilde, welche  Fischer,  wieder  im  Irrtum,  jetzt  für  identisch 
erklärt  mit  den  Pfeifferschen  Kügelchen,  sind  natürlich 
scharf  verschieden  von  den  oben  charakterisierten  »Plasmoptyse- 
kugeln. c  Es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dafs  diese  Kugeln  das- 
selbe sind  wie  die  Ferr  an  sehen  Körperchen,  welche  auch 
Firtsch  in  dem  Laboratorium  von  Prof  Gruber  in  Graz  bei 
Vibrio  Proteus  gefimden  und  beschrieben  hat.  Ob  nun  diese 
Kugeln  durch  Aufquellung  oder  Aufblähung  des  Bakterienleibes 
entstehen,  oder  ob  sie,  wie  Fischer  meint,  ausgestofsenes  Proto- 
plasma darstellen,  welches  alsbald  eine  neue  Zellmembran  aus- 
scheidet, möge  dahingestellt  bleiben. 


■<JJ— 


oliv  fOr  Hygiene.  Bd.  LW.  Tafelll. 


^^w 


ARCHIV  FÜR  HYGIENE 

(BEGRÜNDET  VON  MAX  T.  PETTENKOPER.) 


UNTER  MITWIRKUNG 

VON 

Prof.  Dr.  O.  BOLLINGER,  München ;  I»rof.  Dr.  BON  HOFF,  Marburg  a.  L. ;  Prof.  Dp.  R.  EMMERICH, 
München ;  Prof.  Dr.  F.  ERI8MANN,  Zürich ;  Prof.  Dr.  HELM,  Erlangen ;  Prof.  Dr.  F.  HUEPPE, 
I»rag;  I>rof.  Dr.  KABRnEI.,  Prag;  Prof.  Dr.  F.  KR.VTSCHMER,  Wien;  Prof.  Dr.  K.  LEHMANN, 
Wünsburg;  Prof.  Dr.  A.  LODE,  Innsbruck;  Prof.  Dr.  L.  PFEIFFER,  Rostock;  Prof.  Dr. 
W.  PRAÜSNITZ,  Graz;  Prof.  Dr.  F.  RENK,  Dresden;  Prof.  Dr.  SCH0TTELIÜ8,  Freiburg  I.  B. ; 
<"feneraloberarzt  Dr.  A.  SCHUSTER,  München;  Prof  Dr.  WERNICKE,  Posen. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

J.  FOBSTEB,    M.  QBUBEB,    FB.  HOFMAM,    M.  BUBNEB, 

0.  ö.  PR0PC880RIN  DIR  HTOIRMB  UND  DIREKTORIN  DIR  HTOIBNISCBIN  INSTITUT!  AN  DIN  UNlTIRfllTlTBN  ZO 

STRASSBURa  MÜNCHEN  LEIPZIG  BBRUN. 


Mit  7  Abbildungen  und  1  TafeL 


MÜNCHEN  UND  BERLIN. 
DRUCK   UND  VERTAG  VON   R  OLDENBOURG. 

1006. 


•   s 


"^  I       .      .  0 


Inhalt. 


Seite 

Experimentelle  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  der  Wandungen  des 
Magendarm kanales  neugeborener  Tiere  für  Bakterien  und  genuine 
Eiweifsstoffe.  Von  Dr.  Albert  Uffenheimer,  Kinderarzt  in 
München.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität 
München.  Direktor:  Obermedizinahat  Prof.  Dr.  Gruber.)  (Mit 
Tafel  1) 1 

Reagentien  und  Versuchsmethoden  zum  Studium  der  proteolytischen 
und  gelatinolytischen  Enzyme.  Von  Prof.  Claudio  F  e  r  m  i.  (Hygie- 
nisches Institut  der  Kgl.  Universität  Sassari  [Sardinien])  ....      140 

Über  die  Feuchtigkeit  verschiedener  Mauerarten.  Experimentelle  Unter- 
suchungen von  Ing.  Riccardo  B  i  a  n  c  h  i  n  i.  (Hygienisches  Institut 
der  Kgl.  Universität  Turin.    Direktor:  Prof.  Dr.  L.  Pagliani)     .      206 

Über  das   Eindringen  der   Wärme   in    feste   Objekte    und   Organteile 

tierischer  Herkunft.    Von  Max  Rubner 225 

Über  den  Mäusetyphusbazillus  und  seine  Verwandten.  Von  Dr.  Richard 
Trommsdorff,  Assistenten  des  Institutes.  (Aus  dem  Hygieni- 
schen Institute  der  Universität  München) 279 

Die  Tageskurve  der  Wasserdampfabgabe  des  Menschen.  Von  Prof. 
Dr.  med.  H.  Wolpert,  Oberassistenten  am  Institut,  und  Dr.  med. 
F.  Peters,  früherem  Assistenten  am  Institut.  (Aus  dem  Hygieni- 
schen Institut  der  Universität  Berlin) 299 

Über  die  Nachwirkung  körperlicher  Arbeit  auf  die  Wasserdampf- 
abgabe beim  Menschen.  Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert,  Ober- 
assistenten am  Institut,  und  Dr.  med.  F.  Peters,  früherem 
Assistenten  am  Institut.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Uni- 
versität BerUn) 309 

Organeiweifs  und  Nahrungseiweifs.  Von  Dr.  Ulrich  Friedemaun, 
Assistenten  am  Institut.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Uni- 
versität Berlin.    Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Rubner)  .     .      323 


IV  Inhalt. 

Seite 

Nene  biologische  Beziehungen  zwischen  Koli-  und  Typhusbakterien. 
Zugleich  ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  Aggressin.  Von  Dr.  Gottlieb 
Salus.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  deutschen  Universität 
in  Prag.    Vorstand:  Prof.  F.  Hueppe) 335 

Über  die  Fällungen  von  Eiweifs  durch  andere  Kolloide  und  ihre 
Beziehungen  zu  den  ImmunkOrperreaktionen.  Von  Dr.  Ulrich 
Friedemann,  Assistent  am  Hygienischen  Institut  der  Uni- 
versität Berlin.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität 
Berlin.     Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  M.  Rubner)      .     .     .      361 

Der  Einflufs  der  Verankerung  des  lytischen  Ambozeptors  auf  die  Zelle. 
(Bemerkung  zu  der  von  Leuchs  in  diesem  Archiv,  Bd.  54,  Heft  4, 
erschienenen  Arbeit  »Sind  bei  der  bakteriziden  Wirkung  des  Blut- 
serums osmotische  Vorgänge  im  Spiel?«)  Von  Privatdozent  Dr. 
E  Friedberger,  I.  Assistenten  am  Institut.  (Aus  dem  Kgl. 
Hygienischen  Institut  der  Universität  Königsberg  i.  P.  Direktor: 
Prof.  R.  Pfeiffer) 390 

Zusatz  zu   der  vorstehenden   Bemerkung   Dr.  Friedbergers.     Von 

Prof.  Max  Gruber 392 


THE  NEW  \.. 

PUBLIC  UßRÄiV. 


TIL08N  raUNOMkUOIIS. 


Experimentelle  Studien  über  die  Durchgängigkeit  der 

Wandungen  des  Magendannkanales  neugeborener  Tiere 

für  Bakterien  und  genuine  Eiweifsstoffe. 

Von 

Dr.  Albert  Uffenheimer, 

Rinderarxt  in  .>ffinchen. 

(AuH  dem  Hy^eniHchen  Institut  der  Universität  München.     Direktor: 

Obermedizinalrat  Prof.  Dr.  Grub  er.) 

(Mit  Tafel  I.) 

>  Manuskript  abgeschlossen  Ende  Juni  1900.  < 

Am  25.  September  1903  hielt  E.  v.  Behring  auf  der 
75.  Versammlung  von  Naturforschern  und  Ärzten  in  Kassel 
einen  Vortrag  über  iTuberkulosebekämpfungc  Ausgehend 
von  seinen  Experimenten  der  Immunisierung  des  Rindes  gegen 
die  Tuberkulose  kam  er  nach  einer  Reihe  von  Überlegungen, 
speziell  pathologisch-anatomischer  und  tiermedizinischer  Art,  dazu, 
zu  leugnen,  dafs  die  Gelegenheit  zur  Infektion  mit  Tuberkel- 
bazillen (wie  sie  in  der  Natur  vorhanden  ist)  für  erwachsene 
Menschen  allein  für  sich  einen  entscheidenden  Faktor  reprä- 
sentiere für  die  Entstehung  der  Lungenschwindsucht.  Er  gestand 
vielmehr  ein  Vorkommen  tuberkulöser  Lungenerkrankungen  mit 
schliefslichem  Ausgang  in  Schwindsucht  durch  Infektionen  er- 
wachsener Menschen  nur  in  dem  Sinne  zu,  »dafs  auf  der 
Grundlage  infantiler  Infektion  eine  Lungenschwind- 
sucht durch  die  additionellen  Infektionen  erst  zum 
Ausbruch«  gelange.  Seine  Meinung,  wie  diese  infantile  An- 
steckung zustande  komme,  präzisierte  er  in  dem  überraschenden 
Satz:  »Die  Säuglingsmilch  ist  die  Hauptquelle  für 
die  Schwindsuchtsentstehungc. 

V.  Behring  ging  dabei  aus  von  den  Befunden  seines  Mit- 
arbeiters Römer,  >dafs  genuine  Eiweifskörper  die  Intestinal- 
schleimhaut  neugeborener  Fohlen,  Kälber  und  kleinerer  Laborap 

Archiv  för  Hyiriene.    Bd.  LV.  1 


2        Ezperim.  Studien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

toriumstiere  ebenso  unverändert  durchdringen  und  ebensolche 
Wirkungen  auf  den  Gesamtorganismus  ausüben,  wie  wenn  man 
sie  direkt  in  die  Blutbahn  hineinbringt,  während  erwachsene 
Individuen  aller  Tierarten  die  genuinen  Eiweifskörper  erst  ver- 
dauen und  in  sog.  Peptone  umwandeln  müssen,  ehe  sie  die 
Intestinalschleimhaut  passieren  können  c 

»Das  Diphtherieheilserum  und  das  Tetanusheilserum  ent- 
halten Heilkörper  in  Gestalt  von  genuinem  Eiweils.  Davon  geht 
nun  keine  Spur  nach  stomachaler  Einverleibung  in  das  Blut  von 
gesunden  erwachsenen  Tieren  und  Menschen  über;  bei  Neu- 
geborenen dagegen  kann  man  nach  stomachaler  Einverleibung 
fast  quantitativ  das  unveränderte  antitoxische  Eiweifs  experi- 
mentell im  Blute  nachweisen.  Diese  Entdeckung  besagt,  dafs 
die  gröfsten  Moleküle,  welche  wir  kennen,  die  genuinen  Eiweifs- 
moleküle,  durch  die  bei  Erwachsenen  als  dialysierende  Membranen 
fungierenden  Schleimhäute  nicht  unverändert  hindurchgehen 
können,  während  die  Schleimhäute  des  Säuglings  sich  ihnen 
gegenüber  verhalten  wie  ein  grofsporiges  Filter,  c 

V.  Behri  ng  dehnte  konsequenterweise  seine  Nachforschungen 
auch  auf  das  Verhalten  der  Bakterien  gegenüber  dem  Darm- 
kanale  des  Säuglings  aus  und  benutzte  zu  seinen  Versuchen 
Milzbrand-  und  Tuberkelbazillen. 

Es  wird  in  den  folgenden  Teilen  genau  einzugehen  sein  auf 
die  Einzelheiten  dieser  Untersuchungen,  soweit  die  Protokolle 
darüber  bis  heute  vorliegen,  hier  seien  nur  kurz  die  Resultate 
wiedergegeben,  wie  sie  v.  Behring  in  Kassel  referierte. 

Meerschweine  im  Alter  bis  zu  8  Tagen  starben  bei  Fütterung 
mit  virulenten  sporenfreien  Milzbrandbazillen  (mit  Milch  gegeben) 
»ebenso  schnell  an  Milzbrand,  wie  nach  der  sonst  üblichen 
Infektionsmethode  € . 

Nach  Verfütterung  abgeschwächter  Milzbrandbazillen  an  neu- 
geborene Meerschweine  »wurde  das  Blut  bazillenhaltig  gefunden, 
ohne  dafs  die  Versuchstiere  hinterher  an  Milzbrand  zugrunde 
gingen €.  Bei  der  einmaligen  Verfütterung  von  Tuberkelbazillen 
in  sehr  geringer  Menge  zeigte  es  sich,  dafs  die  neugeborenen 
oder  wenige   Tage  alten  Tiere  tuberkulös  wurden.      »Gab  man 


% 


Von  Dr»  Albert  Uffenbeimcr.  3 

gröfsere  Dosen,  dann  kam  es  vor,  dals  auch  ältere  Tiere  tuberkulös 
wurden.  Bei  neugeborenen  Tieren  fanden  wir  wenige  Tage 
später  als  Sektionsbefund  submiliare  Verdickungen  im  kleinen 
und  grofsen  Netz  mit  Tuberkelbazilleu,  sowie  kleine  Knötchen 
an  einer  dem  Blinddarm  nahegelegeneu  Stelle  der  Mesenterial- 
Wurzel.  Von  besonderem  Interesse  ist  der  Entwicklungsgang  der 
alimentären  Meerschweintuberkulose  bei  den  am  Leben  gelassenen 
Tieren.  Immer  kann  man  bei  den  mit  positivem  Erfolge  ge- 
fütterten  Tieren,  während  ihr  Allgemeinbefinden  noch  durchaus 
normal  ist,  zuerst  Halsdrüsentuberkulose  feststellen,  ein  Erkran- 
kungsmodus, welcher  der  menschlichen  Skrofulöse  am  meisten 
entsprechen  dürfte.  Später  entwickelt  sich  nicht  selten  dasjenige 
Bild  der  Meerschweintuberkulose,  welches  man  bisher  als  den 
Ausdruck  einer  Inhalationstuberkulose  aufgefafst  hat.c 

lieh  sehe  in  diesen  Versuchsergebnissen  eine  experimentelle 
Bestätigung  meiner  schon  früher  vertretenen  Auffassung  von  der 
Entstehung  auch  der  epidemiologischen  Lungentuberkulose  des 
Menschen  und  der  epizootischen  Lungentuberkulose  des  Rindes 
durch  primär-intestinale  Infektion  und  zwar  durch  eine  intestinale 
Infektion  in  sehr  jugendlichem  Lebensalter,  wobei  ich  unent- 
schieden lasse,  ob  die  intestinale  Infektion  durch  Fütterung  oder 
durch  Einatmung  zustande  kommt,  c 

V.  Behring  zog  aus  seinen  experimentellen  Feststellungen 
noch  die  logische  Konsequenz,  dafs  auch  alle  Milchbakterien  die 
Möglichkeit  des  Übergangs  in  die  Blutbahn  haben,  und  dafs  die 
zufällige  Anwesenheit  krankmachender  Bakterien  in  der  Säuglings- 
milch eine  verderbliche  Wirkung  auf  den  jugendlichen  Kindes- 
körper ausübe.  Selbstverständlich  suchte  der  Forscher  auch  nach 
dem  zwingenden  Grund  für  diesen  fundamentalen  Unterschied 
zwischen  der  Durchlässigkeit  der  intestinalen  Schleimhäute  im 
jugendlichen  und  im  späteren  Alter  und  er  konnte  noch  in 
diesem  Vortrage  angeben,  dafs  neugeborene  Individuen  keine  zu- 
sammenhängende Epitheldecke  auf  ihren  Schleimhäuten  besitzen, 
und  dafs  ihre  fermentabsondernden  Drüsenschläuche  noch  wenig 
oder  gar  nicht  entwickelt  sind.  Dies  sind  die  Hauptgrundlagen 
der  neuen  Lehre. 


^  Ezperim.  Studien  über  die  Durch gängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Alsbald  nach  dem  Kongrefs  erhoben  sich  zahlreiche  Stimmen, 
die  den  Behringschen  Anschauungen  in  mehr  oder  minder 
scharfer  Weise  widersprachen.  Glänzende  Namen,  wie  Flügge, 
Orth,  Albrecht,  B.  Fränkel,  A.  Baginsky  hielten  es  für 
ihre  Pflicht,  einer  grofsen  Reihe  von  Ableitungen  und  Theorien 
des  Kasseler  Vortrages  und  weiterer  ergänzender  Veröffent- 
lichungen zu  widersprechen.  Aber  ein  Punkt  war  es,  gegen 
den  sich  bis  zum  Beginn  meiner  Arbeit  nicht  ein 
Wort  des  Widerspruchs  erhob,  die  behauptete  Durch- 
lässigkeit des  Intestinaltraktes  Neugeborener  für 
Bakterien  und  genuine  Eiweifse. 

Gerade  hier  jedoch  mufste  nach  meiner  Meinung  eine  genaue 
experimentelle  Prüfung  erweisen,  inwieweit  die  Behringsche  Be- 
hauptung generelle  Bedeutung  habe. 

Bei  diesem  Punkt  also  setzt  meine  Arbeit  ein.  Das  Ein- 
gehen auf  andere  Details  der  Behringschen  Veröffentlichungen, 
so  interessant  es  gerade  für  den  Kliniker  wäre,  mufs  ich  mir  an 
dieser  Stelle  versagen,  doch  hoffe  ich  später  noch  Gelegenheit 
zu  finden,  unter  Benutzung  meiner  experimentellen  Resultate  das 
gesamte  Thema  von  einer  höheren  Warte  aus  zu  betrachten.  — 

Die  Möglichkeit,  dafs  sich  der  Magendarmkanal  Neugeborener 
anders  verhält  wie  der  Erwachsener,  kann  man  nicht  ablehnen, 
weil  gewisse  Verschiedenheiten  in  den  sekretorischen  Funktionen 
unzweifelhaft  sind. 

In  bezug  auf  die  Desinfektion  des  Inhalts  ist  nämlich 
der  Kinderniagen  —  wie  wir  durch  Biedert  wissen  —  wenig 
leistungsfähig;  nur  die  leicht  verdauliche  Muttermilch  läfst  in 
gehörigen  Zwischenräumen  die  bakterienfeindliche  freie  Salzsäure 
aufkommen ;  bei  Kuhmilchnahrung  bleibt  diese  unter  Kasein  und 
Salzen  gewöhnlich  unterdrückt. 

Aus  der  Langer  mann  sehen  Arbeit  über  den  gleichen 
Gegenstand  geht  hervor,  dafs  das  mehr  oder  minder  starke  Her- 
vortreten von  freier  Salzsäure  ganz  allein  die  Höhe  der  Kolouien- 
zahl  des  Mageninhaltes  beoinflufst.  Auch  Hamburger  fand 
dementsi)rechend,  dafs  beim  Vorhandensein  von  freier  Salzsäure 
im  Mageninhalt  keine  Mikroben  vorkommen.   Ähnliche  Ergebnisse 


Von  Dr.  Albert  Üffenbeimer.  ' 

lernen  wir  für  verschiedene  Altersstufen  aus  Arbeiten  von 
Kijanowsky  und  Seiffert  kennen.  Die  Keimfreiheit  der  von 
Nahrungsbrei  oder  Fäces  nicht  berührten  Darmschleimhaut 
konnte  Kohlbrugge  nachweisen;  für  den  leeren  Dünndarm 
hat  erst  kürzlich  J und  eil  das  Gleiche  gefunden.  Bei  künstlich 
ernährten  Kindern  traf  Langermann  nie  freie  Säure, 
da  der  kindliche  Magen  an  und  für  sich  schon  weniger  HCl 
sezerniert  als  der  des  Erwachsenen  (van  Puteren).  Hierzu 
kommt  noch  und  nicht  in  letzter  Linie  die  HCl  bindende  Kraft 
des  Kaseins  und  der  Milchsalze  (Leo  und  Es  cherich,  Heubner, 
Müller).  Besonders  wichtig  erscheint  mir  der  Müll  ersehe 
Nachweis,  dafs  die  Kuhmilch  ca.  dreimal  soviel  Salzsäure  zu 
binden  imst^inde  ist  wie  die  Frauenmilch.  Das  sind  also  Ver- 
hältnisse, die  an  eine  mögliche  Erleichterung,  speziell  des  Bakterien- 
übertritts aus  dem  kindlichen  Magen  in  die  Blutbahn  denken 
lassen  müssen,  und  die  bei  der  Feststellung  der  Versuchsan- 
orduungen  Berücksichtigung  verdienen. 

Ich  habe  die  folgenden  Untersuchungen  am  hygienischen 
Institut  der  Universität  München  von  November  1903  ab  bis  zum 
Juni  1905  vorgenommen. 

Die  Versuche  wurden  zum  gröfsten  Teile  an  neugeborenen 
Meerschweinchen  angestellt.  Einerseits  waren  die  Experimente 
so  zahlreich  und  nach  so  verschiedenen  Richtungen  hin  aus- 
gedehnt, dafs  nicht  gut  mehr  als  eine  Tierart  zur  Verwendung 
kommen  konnte,  anderseits  liefsen  äufsere  Bedingungen  (Stall- 
Verhältnisse,  relative  Leichtigkeit  genügend  viel  neugeborene 
Meerschweinchen  zu  erhalten)  im  grofsen  Ganzen  eine  Be- 
schränkung der  Arbeiten  auf  das  Meerschweinchen  für  geraten 
erscheinen.  Schliefslich  ergab  sich  aber  doch  die  Notwendigkeit, 
vergleichende  Experimente  an  Kaninchen  anzustellen.  Einige 
wenige  Untersuchungen  konnten  auch  am  Menschen  vor- 
genommen werden. 

Die  Versuche  gliedern  sich  naturgemäfs  in  solche  der  Ver- 
fütterung  von  Bakterien  und  von  genuinen  Eiweifs- 
körpern.  An  Bakterien  habe  ich  den  Mikrokokkus  tetra- 
genus  zu  einer  Reihe  von  Vorversuchen  verwendet,   um  dann, 


g         Experim.  Stadien  über  die  Durchgftogigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

gleich  y.  Behring,  ausgedehnte  Experimente  mit  dem  Milz- 
brand- und  Tuberkelbazillus  anzustellen.  Sehr  interessante 
Wahrnehmungen  konnte  ich  zuletzt  noch  bei  der  Verfütterung  des 
Bazillus  prodigiosus  machen.  Von  genuinen  Eiwei&körpem 
wurde  eine  gröfsere  Anzahl  zur  Anwendung  gezogen.  Die 
y.  Behringsche  Behauptung  yon  der  Durchlässigkeit  der  Magen- 
darmwand des  Neugeborenen  für  dieselben  stützt  sich  nur  auf  die 
Rom  ersehen  Versuche  mit  Antitoxinen,  die  ja  wahrscheinlich 
an  natiyes  Eiweifs  gebunden  sind,  vielleicht  aber  —  sie  rein  dar- 
zustellen ist  sicher  noch  nicht  gelungen  —  auch  ohne  solches 
ihre  Wirkungen  entfalten  können.  Es  galt  also  Eiweifskörper  mit 
heranzuziehen,  die  wir  besser  kennen.  Als  solche  waren  das 
Kuhkasein  und  das  Hühnereier-Ei  weifs  am  geeignetsten. 
Weiter  habe  ich  noch  Experimente  angestellt  mit  einem  hämo- 
lytischen Serum,  und  yon  Antitoxinen  habe  ich  das  der 
Diphtherie  und  des  Tetanus  verwendet.  Es  lag  nahe,  auch 
einige  Versuche  mit  Toxinen  vorzunehmen.  Diese  werden  in 
einem  kurzen  Anbange  Berücksichtigung  finden. 

Nach  den  Behringschen  Angaben  von  dem  Fehlen  einer 
zusammenhängenden  Epithelschicbt  auf  den  Schleimhäuten  des 
Intestinums  schienen  auch  anatomische  (histologische)  Unter- 
suchungen in  gröfserer  Menge  erforderlich.  Ein  besonderes 
Augenmerk  mufste  hierbei  auf  den  etwa  mikroskopisch  nachweis- 
baren Übergang  der  Bakterien  durch  die  Schleimhäute  gerichtet 
werden.  Auch  hierüber  will  ich  in  einem  zweiten  Anhang  in 
Kürze  referieren. 


Sämtliche  Versuche  sollten  eine  möglichst  einfache  Anordnung 
haben,  welche  die  im  Leben  vorhandenen  Bedingungen,  so  weit 
es  anging,  nachahmte. 

Ganz  besonders  kam  es  bei  jeder  Art  von  Fütterung 
darauf  an,  Verletzungen  der  Schleimhäute  sicher  zu  ver- 
meiden. Alle  Experimente  mufsten  untereinander  die  gröfste 
Übereinstimmung  zeigen,  um  gut  verglichen  werden  zu  können. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  7 

Die  Fütterungen  mit  flüssigen  Medien  wurden  unter  Zuhilfe- 
nahme von  Pipetten^)  vorgenommen.  Mit  diesen  gelingt  es  leicht, 
die  notwendigen  Mengen  zu  verabreichen.  Man  nimmt  die  kleinen 
Tierchen  auf  die  hohle  Hand,  legt  sie  auf  den  Rücken  und 
schiebt  (ohne  dafs  irgendeine  Art  von  Knebel  oder  Mundsperre 
verwendet  zu  werden  braucht,  wobei  Verletzungen  sich  nicht 
vermeiden  lassen),  das  spitzige  Ende  der  Pipette  seitlich  zwischen 
die  Zahnreihen.  Hierauf  läfst  man  das  zu  verfütternde  Medium 
tropfenweise  dem  Tier  auf  die  Zunge  fliefsen  und  wartet  mit  dem 
neuen  Tropfen,  bis  der  letzte  geschluckt  ist^).  Manchmal  ist  das 
keine  geringe  Geduldprobe,  speziell  bei  den  Heilseris,  deren  Ein- 
gabe die  Tiere  wegen  des  Carbolgeschmackes  widerstreben.  Es  gibt 
allerlei  kleine  Hilfsmittel,  um  das  Hinunterschlucken  zu  befördern, 
z.  B.  ein  leichtes  Hinabziehen  des  Unterkiefers  von  aufsen,  ähn- 
lich dem  bei  Narkosen  üblichen  englischen  Handgriff  usw. 

Bei  der  notwendigen  Übung  und  Geduld  gelingt  es 
auf  diese  Weise,  jegliches  flüssige  Medium  quanti- 
tativ zu  verfüttern. 

Für  die  Bakterien-Fütterungen  fertigte  ich  mir  eine  Glas- 
Öse  an,  die  dem  von  Metschnikoff  in  seiner  Arbeit  >Recherches 
sur  le  cholära  et  les  vibrionsc  beschriebenen  Instrument  ähnelte. 
Es  gelang  mit  dieser  Ose  leicht,  den  Milzbrandbazillen brei  oder 
die  Tuberkelbazillenhäute  den  Tieren  ohne  jede  Verletzung  (seit^ 
lieh  durch  die  Zahnreihen  hindurch)  in  die  Mundhöhle  ein- 
zuführen. 

Jedenfalls  scheint  mir  die  von  mir  angewandte  Methodik 
besser,  als  wenn  man  Milch  als  Vehikel  benutzt.  Gegen  die  Ver- 
fütterung  mit  Kuhmilch  ist  ganz  besonders  in  Betracht  zu 
ziehen,  dafs  dieselbe  ungefähr  dreimal  so  viel  Salzsäure  bindet 
wie  beispielsweise  Frauenmilch,   es   wird  damit  also  dem  Magen 

1)  Zu  den  ersten  Fütterungen  mit  hämolytischem  Serum  und  mit 
Tnberkelbazillen  dienten  gewöhnliche  kalibrierte  Pipetten,  alle  Übrigen  wurden 
mit  solchen  von  2  ccm  Inhalt,  die  an  ihrem  Ende  einen  derben  Gummi- 
ball trugen,  vorgenommen. 

2)  Mehr  als  2  ccm  Flüssigkeit  auf  einmal  zu  geben,  ist  nicht  rfttlich. 
Der  Magen  eines  70  g  schweren  neugeborenen  Meerschweinchens  fauste  — 
wie  ich  mich  durch  Wägung  überzeugte  —  2,19  g  Wasser. 


^       Experim.  Studien  Qber  die  Durchgängigkeit  des  Magendariukanales  etc. 

ein  gut  Teil  seines  Denaturierungsvermogens  genommen.  Wes- 
halb ich  bei  den  Bakterien  dazu  gekommen  bin,  dieselben  trocken 
zu  verabreichen,  wird  an  späterer  Stelle  ausgeführt  werden^). 
Den  Einwand,  dafs  die  nicht  in  Flüssigkeiten  aufgeschwemmten 
Mikroben  viel  weniger  Möglichkeit  haben,  mit  der  Magendarm- 
wand in  direkte  Berührung  zu  treten  und  durch  dieselbe  durch- 
zudringen, kann  ich  auf  Grund  von  Beobachtungen  mit  dem 
B.  prodigiosus  widerlegen.  Es  zeigte  sich  nämlich,  wenn  eine 
Stunde  nach  der  Fütterung  die  Sektion  vorgenommen  wurde, 
gerade  an  den  äufseren,  der  Schleimhaut  naheliegenden  Teilen 
des  Magens  der  Speisebrei  rosarot  gefärbt  (zumeist  bedeutend 
stärker  als  in  der  Mitte),  und  die  Untersuchung  eben  dieser  Teile 
ergab  eine  Unmasse  von  Prodigiosuskeimen.  — 

Über  die  Vorversuche  der  Verfütterung  von  Mikrokokkus 
tetragenus  gehe  ich  schnell  hinweg,  da  sie  mir  in  der  Haupt- 
sache nur  zur  Feststellung  der  geeigneten  Fütterungs-  und  Unter- 
suchungstechnik dienten.  Der  Tetragenus  selbst  war  für  das 
Meerschweinchen  wenig  virulent,  so  dafs  ein  spontaner  Tod  der 
Tiere  überhaupt  nicht  zu  erwarten  war.  V^on  den  5  genau  unter- 
suchten Tieren  konnte  bei  keinem  in  irgendeinem  Organ  noch 
Mikrokokkus  tetragenus  aufgefunden  werden. 

Versuche  mit  dem  Milzbrandbaztllus. 

Über  seine  mit  Much  ausgeführten  Milzbrandexperimente 
gibt  von  Behring  im  8.  Heft  seiner  Beiträge  Näheres  an. 
Darnach  hat  er  abgewogene  Mengen  junger  sporenfreier  Agar- 
kulturen,  in  gekochter  Milch  suspendiert,  mittels  einer  Pipette  an 
die  kleinen  Tiere  verfüttert.  Während  ausgewachsene  Meer- 
schweinchen die  Fütterung  mit  solchen  sporenfreien  Milzbrand- 
bazillen, welche  für  sie  nach  subkutaner  Impfung  sicher  tödtlich 
sind,  ohne  Schaden  vertrugen,  starben  ganz  junge  Meerschwein- 
chen, auf  die  gleiche  Art  gefüttert,  an  Milzbrand  wie  nach  sub- 
kutaner Injektion.  Fünf  Experimente  führte  von  Behring  des 
Genaueren  an.  Es  sei  erlaubt,  das  Wichtigste  von  ihnen  wieder- 


1)  Beim  Kapitel  »Taberkelbazillen«. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 

zugeben,  denn  sie  müssen  als  Vergleichspunkte  für  meine  eigenen 
Versuche  dienen.  Die  ersten  vier  sind  mit  einem  Milzbrand- 
bazillus angestellt,  der  für  Meerschweinchen  avirulent  war. 

Nr.  1  und  2  waren  neugeborene  l^ere,  mit  je  0,1  g  einer 
eintägigen  Axb.^)-Agarkultur  gefüttert.  Bei  Nr.  1  fanden  sich 
eine  Stunde  nach  der  Fütterung  aufser  im  Darmkanal  keine  Axb 
in  den  Organen.  Bei  Nr.  2  waren  in  der  Magenschleimhaut  und 
zwar  in  der  obersten  Schicht,  spärlich  Axb.  »Die  inneren  Organe 
liefsen  bei  mikroskopischer  Untei*suchung  und  bei  der  üblichen 
kulturellen  Untersuchung  von  kleinen  Impfproben  keine  Bazillen 
erkennen.  Dagegen  gingen  aus  1,5  ccm  Blut,  die  wir  auf  Agar 
in  einer  Petri-Schale  ausgössen,  mehrere  Axb-Kolonien  an  und 
aus  einem  anderen  Teil  des  in  einem  Bouillon-Reagenzglas  auf- 
gefangenen Blutes  kam  es  gleichfalls  zum  Wachstum  einer  typischen 
Milzbrandkultur.  Die  mikroskopische  Untersuchung  des  frisch 
aufgefangenen  Blutes  und  die  Überimpfung  einer  Platinöse  voll 
Blut  auf  Agar  hatte  ein  negatives  Ergebnis,  c 

Bei  Nr.  3  wurden  durch  das  Plattenkulturverfahren  6  Keime 
pro  1  ccm  Blut  nachgewiesen.  >Bei  diesem  Meerschweinchen 
gelang  auch  der  Axb-Nachweis  für  ein  in  der  Nähe  des  Blind- 
darms gelegenes  Lymphknötchen  in  der  Radix  mesenterii.€ 

Nr.  4.  » Von  einem  8  Stunden  alten  Meerschweinchen  wurde 
20  Stunden  nach  der  Fütterung  1  ccm  Blut  an  der  Art.  femoralis 
entleert  und  nach  Zusatz  von  etwas  Bouillon  auf  Petri-Schalen 
ausgegossen.  Es  ging  darnach  nur  1  Axb-Kolonie  an.  24  Stun- 
den später  wurde  etwas  Blut  aus  der  Vena  jugularis  entnommen ; 
in  dieser  Blutprobe  konnten  wir  wieder  mikroskopisch  Axb  nach- 
weisen. 6  Stunden  nach  der  zweiten  Blutentnahme  ging  das 
Tier  (an  Erschöpfung?)  zugrunde.  Wir  konnten  nach  der  Sektion 
weder  im  Tubus  alimentarius,  noch  im  Blut  und  in  den  Organen 
Axb  auffinden,  c 

V.  Behring  glaubt  darnach,  dafs  avirulente  Milzbrand- 
bazillen normalerweise  die  Wandung  des  Tubus  alimentarius 
durchdringen  und   in  die  Blutbahn  gelangen  können.     Als  Piä- 

1)  Die  Abkürzung  >Axb<  =  Anthrazbazillus  übernehme  ich  ^von 
Behring. 


1 9 

'  ^     Experim.  Studien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

vorher  mit  10  ccm  einer  5proz.  Sodalösung  neutralisiert  war. 
Verfütterte  Axb  Menge  zwischen  0,0f)  und  0,07  g.  Die  alten 
Tiere  blieben  ebenfalls  völlig  gesund. 

2.  Reihe.   4.  U.  1904. 

Kontrolltier  zwischen  30.  und  45.  Stunde  nach  der  Impfung  ge- 
storben. Obduktion:  Typischer  Milzbrand.  In  Herzblut  und  Leber  mafsige 
Axb-Mengen,  in  Milz  aufserordentlich  reichliche  Azl>Exemplare. 

Die  gefütterten  Meerschweinchen  waren  iVa  Tage  alt,  die  17  stündige 
Kultur  war  sporenfrei. 

5.   Junges  Y I,  erhält  0,075  g  Axb  per  os. 

G.   Junges  Y  II,  erhält  0,052  g  Axb  per  os. 

Beide  Tiere  bleiben  völlig  gesund. 

Drei  gleichzeitig  mit  bedeutend  höheren  Axb-Mengen  (0,1  bis 
0,23  g)  behandelte  alte  Meerschweinehen,  z.  T.  wieder  mit  durch 
Soda  neutralisiertem  Magensaft,  blieben  ebenfalls  gesund. 

In  dem  einem  gefütterten  Tier  nach  3  Tagen  entnommeneu 
Kot  gelaug  es  weder  mikroskopisch  noch  durch  Kultur  oder 
Tierversuch  mehr,  Axb  nachzuweisen. 

3.  Reihe.    12.  IL  1904. 

Seit  der  zweiten  Meerschweinchen passuge  bildete  der  AxV)  aufserordent- 
lieh  schnell  (in  15  16  Stunden)  reichliche  freie  Sporen.  Schliefslich  wunle 
eine  6  Stunden  alte  Kultur  völlig  s porenfrei  befunden. 

Das  Kontrolltier  starb  in  weniger  als  2  Tagen  an  typischem  Milz- 
brand. 

7.  Junges  TI,  3  Tage  alt,  125  g  schwer,  erhält  stomachal  0,037  g  Axb 
einverleibt. 

Das  Tier  bleibt  völlig  gesund. 

In  dem  17^2  Stunden  nach  der  Fütterung  abge- 
drückten Kot  liefsen  sich  weder  mikroskopisch,  noch 
durch  Kultur  (Bouillon,  Agar,  Gelatine),  noch  auch 
durch  den  Tierversuch  Axb  nachweisen. 

4.  Reihe.    17.  H.  1004. 

Die  benutzte  Agarkultur  war  spuren  frei.  Das  geimpfte  Kontroll - 
tier  ging  nach  2  mal  24  Stunden  an  Milzbrand  ein.  Ein  weiteres  Kontroll- 
tier, mit  einer  an  der  Platinspitze  kaum  mehr  sichtbaren  Axb-Menge  infiziert, 
starb  nach  3  mal  24  Stunden  an  Milzbrand.  Die  Jungen  waren  bei  der 
Fütterung  2—3  Tage  alt  und  90  g  schwer. 

8.  Junges  al,  erhält  mittels  Glasöse  0,045  g  Axb. 


Von  Dr.  Albert  üffenheimer. 


13 


9.   Junges  a  II  erhält  per  ob  0,0725  g  Azb. 
Beide  Tiere  bleiben  völlig  gesund. 

Sofort  nach  der  Fütterung  werden  die  beiden  Tierchen  in  ein  leeres 
Glasgefäfs  gebracht,  wo  6  Stunden  lang  ihr  Kot  aufgefangen  wird.  Von 
diesem  werden  5 — 6  Ballen  mit  1  ccm  steriler  physiologischer  Kochsalzlösung 
verrieben.  Die  hiervon  angefertigten  Präparate  zeigen  zahl- 
reiche Stäbchen,  die  wie  Axb  aussehen.  Ein  Teil  dieser  Stäbchen 
erweist  sich  als  sporenhaltig  (wobei  die  Frage  o£fen  gelassen  werden  kann, 
ob  die  Sporen  erst  nach  dem  Gelangen  des  Kots  an  die  Aufsenwelt  sich 
gebildet  haben).  Auf  den  verschiedensten  Kulturmedien  gehen  reichlich 
Milzbrandbazillen  auf.  Es  werden  mit  der  Kotverreibung  eine  Anzahl  Agar- 
platten  hintereinander  beschickt.  Auf  der  vierten  Platte  wachsen  überhaupt 
nur  Axb. 

Einem  älteren  Meerschweinchen  werden  5  Kotballen  in  eine  Hauttasche 
über  dem  Genitale  gebracht.  Das  Tier  wird  am  9.  Tag  darnach  tot  auf- 
gefunden. Die  Obduktion  ergibt  ödem  an  den  Inguinalbeugen,  grofse  Milz. 
Im  Herzblut  wenig,  in  Leber  mäfsig  viel,  in  Milz  aufiserordentlich  viel  Azb. 
Kulturen  aus  den  verschiedenen  Organen  zeigen  Azb  in  Reinkultur. 

Es  ist  also  festgestellt,  dafs  der  Milzbrandbazillus 
aufserordentlich  schnell  den  Intestinaltraktus  wieder 
verlälst.  In  dem  in  den  ersten  6  Stunden  nach  der  Füt- 
terung entleerten  Kot  waren  Axb  in  grofser  Anzahl  vor- 
handen. Dagegen  waren  schon  17^2  Stunden  nach  der 
V^erabreichung  reichlicher  Mengen  auf  keine  Weise  mehr 
auch  nur  vereinzelte  Exemplare  zu  finden.*)  Durch  das 
Passieren  des  Darmes,  vor  allem  des  Magens,  war  der 
Milzbrandbazillus  seiner  pathogenen  Kraft  nicht  be- 
raubt worden.^)  Die  Verlängerung  der  Frist  bis  zum  Tode  bei 
dem  geimpften  Meerschweinchen  ist  wahrscheinlich  nicht  zu  er- 
klären aus  einer  Abschwächung  der  Pathogenität,  sondern  aus 
der  Schwierigkeit  der  Bazillen,  aus  dem  umhüllenden  Kot  in  die 
Blutbahn  zu  gelangen. 


1)  Aus  späteren  Versuchen  geht  hervor,  dafs  im  Magen  und  Darm  sich 
auch  in  der  zweiten  Hälfte  des  zweiten  Tages  nach  der  Fütterung  noch 
einzelne  Azb  nachweisen  lassen. 

2)  Wenn  die  an  erwachsenen  Meerschweinchen  erhaltenen 
Resultate  von  Falck  richtig  sind,  dafs  der  Magensaft  die  freien  Axb  tötet 
und  nur  einen  Teil  der  freien  Sporen  unversehrt  läfst,  so  würde  sich  also 
auch  hieraus  ein  Unterschied  zwischen  der  desinfizierenden  Tätigkeit  des 
Magens  neugeborener  und  erwachsener  Meerschweinchen  ergeben. 


^^       Ezperim.  Studien  über  die  Durcbgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

5.  Reihe.   26.  IL  1004. 

Dies  ist  der  einzige  Fütterungsversucb,  wo  aus  augenblick- 
lichem Mangel  kein  Meerschweinchen  als  Kontrolltier  verwendet 
wurde.  Die  geimpfte  Maus  starb  erst  nach  4  Tagen ;  die  benutzte 
Kultur  hatte  also  aus  einem  unkontrollierbaren  Grund  an  Virulenz 
abgenommen.  Durch  Züchtung  aus  dem  Tierkörper  war  eine 
starke  Virulenzsteigerung  wieder  möglich,  es  wurden  aber  doch 
die  weiteren  Experimente  mit  einem  neuen  Axb-Stamm  vorgenom- 
men.    Der  Vollständigkeit  halber  führe  ich  den  Versuch  hier  an : 

10.  Junges  ylf  105  g  schwer,  wenige  Stunden  alt,  erhält  stoinachai 
0,019g  sporenhaltiger  Axb  beigebracht.    £s  bleibt  völlig  gesund. 

II.  Versuche  mit  dem  Wiener  Axb-Stamm. 

Dieser  Stamm  tötete  zu  Beginn  der  Versuche  eine  Maus 
in  10 — 20  Stunden  (über  Nacht),  ein  Meerschweinchen  in  unge- 
fähr einem  Tag. 

6.  Reihe.    24.  V.  1904. 

Kultur  6  Stunden  alt,  völlig  sporenfrei.  Todeszeit  des  Kontroll- 
tieres nicbt  genau  festzustellen,  da  es  nacb  etwas  über  2  Tagen  in  stark 
fauligem  Zustand  aufgefunden  wird.  Mikroskopiscbe  und  kulturelle  Unter- 
sucbung  ergibt  in  Milz,  Leber,  Herzblut  Axb  und  Bac.  aerogenes. 

Alter  der  gefütterten  Tiere  24  Stunden. 

11.  Junges  p  I,  90  g  schwer,  erhält  0,333  g  Axb  per  08,  also  eine  ganz 
aufserordentlicbe  Menge. 

Nun  wollte  ich  es  mir  nicht  daran  genügen  lassen,  einfach 
zu  beobachten,  ob  die  Tiere  sterben  oder  nicht,  sondern  in  diesem 
und  dem  folgenden  Fall  verfolgte  ich  die  Absicht,  kurze  Zeit 
nach  der  Fütterung,  im  Blut  und  in  den  Organen  nachzusehen, 
ob  sich  dort  nicht  einzelne  Axb  durch  genaue  bakteriologische 
Untersuchung  nachweisen  liefsen.  Hierbei  war  vor  allem  eine 
Gefahr  zu  vermeiden,  dafs  nämlich  die  herauszunehmenden  Or- 
gane resp.  die  anzulegenden  Kulturen  durch  Milzbrandbazillen, 
die  aus  dem  Kote  stammten  und  mit  diesem  an  den  Körper- 
haaren klebten,  verunreinigt  würden.  Ich  wandte  deshalb  die 
im  folgenden  beschriebene  Technik  an :  das  auf  das  Operations- 
brett aufgespannte  Tier  wurde  so  tief  narkotisiert,   dafs  jegliche 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  |5 

Schmerzempfindung  sicher  geschwunden  war.^)  Dann  wurde  es 
an  Bauch-,  Brust-  und  Halshaut  rasiert,  hierauf  mit  Seife,  Alko- 
hol,  Äther  und  Sublimatalkohol  sorgfältig  desinfiziert.  Nun  wurde 
die  Brusthaut  nach  beiden  Seiten  hin  abpräpariert  und  (mit  immer 
neuen  Instrumenten)  die  Brusthöhle  durch  Abtragung  der  gesam- 
ten vorderen  Brustwand  breit  eröffnet.  Der  Herzbeutel  wurde 
aufgeschnitten  und  nun  mit  einer  gutschliefsenden  Pravazspritze 
Blut  direkt  aus  dem  Herzen  angesaugt.  Wenn  hierdurch  keine 
genügende  Menge  erhalten  werden  konnte,  so  war  auch  nach 
dem  Anschneiden  des  Herzens  in  die  Brusthöhle  ausgeflossenes 
Blut  leicht  aufzusaugen  und  zur  Untersuchung  benutzbar. 

Nach  der  Blutentnahme  völlige  Tötung  des  Tieres  und  nun, 
unter  stetigem  Wechseln  der  Instrumente,  Obduktion  unter  allen 
Kautelen. 

Im  vorliegenden  Fall,  wo  Blutentnahme  und  Obduktion  nach 
17^/4  Stunden  vorgenommen  wurden,  waren  Organ  Veränderungen 
nicht  nachweisbar. 

AusBtrichpräparate  vom  Mageninhalt  ergaben:  Charakte- 
ristische Axb  in  geringer  Anzahl  (viele  Gesichtsfelder  frei),  meist  mehrere 
Exemplare  beisammen.  Im  Prozessus-Inhalt  fanden  sich  noch  ziem- 
lich viele  Axb,  auch   zumeist  zu   mehreren  Exemplaren   beisammenliegeud. 

Quetschpräparate  von  MesenterialdrQse,  Milz  und  Leber  (mit  dem 
Pistill  angefertigt)  zeigten  keine  Axb. 

Bouillonkulturen  von  den  im  Mörser  zerquetschten  Prozessus- 
drüsen,  von  Milz,  von  Leber,  sowie  die  von  ihnen  nach  3  Tagen  gegossenen 
Agarplatten  ergaben  keine  Milzbrandbazilien. 

3/4  ccm  des  aus  dem  Herzen  gewonnenen  Blutes  wurden 
mit  gleich  viel  Bouillon  vermischt,  später  wurde  mit  dieser  ganzen  Flüssig- 
keit eine  Agarplatte  gegossen:  sie  blieb  steril. 

Agarplatten,  direkt  angelegt  von  Leberund  Milz,  zeigten  eben- 
falls völliges  Freisein  von  Axb. 

Platten,  angelegt  aus  Magen-  und  Cöcalinhalt,  ergaben  zahlreiche  resp. 
mäfsig  viele  Axb-Kolonien. 

Während  also  im  Magen  und  Darm  sowohl  mikro- 
skopisch  wie   kulturell   noch  Milzbrandbazillen  sich 


1)  Der  Versuch  war  mir  sehr  unangenehm.  Indes  fehlte  dem  Tier 
sicher  jede  Empfindung,  und  es  wurde  sofort  nach  der  Blutentnahme  zu 
Tode  narkotisiert.  Auf  andere  Weise  war  eine  zweifelsfreie  reichliche  Blut- 
entnahme nicht  zu  bewerkstelligen. 


I  /•  Experim.  Studien  über  die  Durchgängigkeit  des  MagendarmkanaleB  etc. 

fanden,  konnten  im  Blut,  den  inneren  Organen  und 
Darmdrüsen  bei  reich  lieh  verarbeitete  mMaterial  keine 
solchen  nachgewiesen  werden. 

Ich  versuchte  nun,  ob  vielleicht  ein  Durchtreten  oder  Durch- 
wachsen der  Bazillen  durch  die  Magen  wand  —  wie  von  Behring 
es  beschreibt  —  durch  histologische  Untersuchung  sich  zeigen 
lasse.  Ein  grofser  Teil  des  Magens  wurde  in  Serienschnitte 
zerlegt. 

Es  konnte  aber  nirgends  ein  Durchtritt  der  Axb 
beobachtet  werden. 

12.  Junges  n  I,  100  g  schwer,  erhält  per  es  0,022  g  Axb.  Nach 
4IV4  Stunden  wird  es  auf  dieselbe  Weise  getötet  wie  pl,  die  Organe  werden 
auf  die  gleiche  Art  verarbeitet. 

Ausstrichpräparate  aus  dem  Mageninhalt:  Keine  sichern  Axb 

Ausstrichpräparate  aus  dem  Prozessusinhalt:  Wenige 
Exemplare  von  Axb. 

Quetschpräparate  aus  Milz,  Leber  und  Mesenterialdrüse: 
Keine  Axb. 

Bouillonkuliuren  von  Prozessusdrüse  (die  ganze  Drüse  verarbeitet ) 
Leber  {*!^  des  ganzen  Organs  verwendet)  und  Milz  (das  halbe  Organ  ver- 
wendet) zeigen  bei  tagelanger  Beobachtung  kein  Wachstum  von  Axb,  eben- 
sowenig eine  Reihe  nach  4  Tagen  von  ihnen  ausgesäter  A garplatten. 

Agarpl alten  direkt  angelegt  aus  1  ccm  Herzblut  (mit  Bouillon  ver- 
dünnt), I^bcr  und  Milz  ergeben  gleichfalls  ein  negatives  Resultat. 

Aus  einer  grofsen  Ose  vom  Mageninhalt  konnten  auf  Agnrplatten 
noch  zwei  Axb-Kolonien  gezüchtet  werden,  vom  Cökalinhalt  eine  mäfsige 
Anzahl  von  solchen. 

Der  ganze  Magen  wurde  in  6  Teile  zerlegt,  und  nach  der  Härtung  in 
Alkohol  wurden  dieselben  zu  Schnittserien  verarbeitet.  Ein  Teil  diente  .wie 
bei  dem  vorigen  Tier)  zur  Dissefärbung  0,  der  andere  Teil  wunie  auf  Bak- 
terien untersucht.  Im  ganzen  waren  es  gegen  2000  Schnitte.  Bei 
sorgfältigstem  Durchsuchen  finden  sich  nur  an  einigen 
Stellen  mitten  unter  Resten  von  Gras  oder  Heu  im  TiUmen 
des  Magens  einige  Milzbrandbazillen.  Schleimhaut,  Sub- 
mucosa  und  dem  Magen  anliegendes  kleines  Lymphknötchen 
sind  völlig  frei  von  ihnen. 

13.  Junges  n  II,  110  g  schwer,  erhält  per  os  0,028  g  Axb.  Es  bleibt 
im  weiteren  Verlauf  völlig  gesund. 

1)  Vergl.  Anhang  II. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheiiuer.  17 

7.  Reihe. 

Von  jetzt  ab  machte  sicli  bei  dem  Wiener  Milzbrandbazillus 
eine  Erscheinung  geltend,  die  bereits  beim  ersten  nach  einer 
Reihe  von  Tierpassagen  unangenehm  aufgefallen  war,  nämUch 
das  ungemein  rasche  Auftreten  freier  Spore]).  Wollte  man  zur 
Verfütterung  genügende  Mengen  Axb  erlangen,  so  konnte  man 
nicht  leicht  unter  5  Stunden  alte  Agarkulturen  benützen.  Es 
zeigten  sich  aber  schon  in  dieser  Zeit  freie  Sporen.  Das  Proto- 
koll über  die  7.  Reihe  sagt  wörtlich^):  »In  einer  grofsen  Anzahl 
von  Fäden  finden  sich  (nach  ö  Stunden)  bereits  die  Sporen  ge- 
bildet, ja  es  liegt  schon  eine  geringe  Anzahl  von  Sporen  einzeln 
da,  zum  Teil  mit  einem  geringen,  noch  färbbaren  Mantel  um- 
geben, ein  ganz  kleiner  Teil  liegt  schon  völlig  frei  da.  Trotzdem 
wird  ein  Fütterungsversuch  unternommen,  c 

1.  VI.  1904. 

Kontrulltier  starb  nach  ca.  24  Standen.  Typischer  MiUbrand- 
befand.  Bei  der  Fütterang  waren  die  Tiere  sl  and  rl  etwas  über  1  Tag, 
die  Tiere  Alt  I,  Alt  11,  Alt  III  etwas  ttber  3  Tage  alt 

14.  Janges  s I,  90  g  schwer,  erhält  per  os  0,01  g  dieser  schwach 
sporenhaltigen  Axb. 

Es  bleibt  völlig  gesund. 

15.  Junges  »Alt  I<,  Gewicht  80  g,  erhält  per  os  0,008  g  Axb  der 
gleichen  Kultur. 

Am  3.  VI.,  also  37  Standen  nach  der  Fatterang,  stirbt  das 
Tier. 

Die  Obduktion  ergibt  grofse,  blutreiche,  rotbraune  Milz.  In  Milf  aufser- 
ordentlioh  zahlreiche,  in  Leber  viele,  im  Herzblut  eine  Anzahl  Axb.  Im 
Mageninhalt  keine,  im  Prozessusinhalt  einige  Axb.  Der  Magendarmkanal 
ist  frei  von  Veränderungen. 

Hier  also,  bei  einem  mit  sporenhaltigen  Axb  ge- 
fütterten Tier,  haben  wir  einen  echten  Milzbrandtod. 

16.  und  17.  Junge  >  Alt  II  und  IIIc,  Geschwister  des  Vorigen,  90  und 
100g  schwer,  mit  je  0,01  g  der  gleichen  Axb  gefüttert,  bleiben  völlig 
gesund. 


1)  Ich  brauche  wohl  nicht  zu  versichern,  dafs  diese  Befunde  —  für 
die  alle  ich  übrigens  Testpräparate  aufbewahrt  habe  —  sofort  nieder- 
geschrieben wurden,  also  rein  objektive  Beobachtungen,  unbeeinflnfst  vom 
Ausgang  des  Experimentes,  darstellen. 

Arohiv  fttr  Hygiene.    Rd.  LV.  2 


1^       Experim.  Stadien  über  die  Darchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

18.  Junges  rl,  70  g  schwer,  erhält  per  os  3  Glasösen  einer  alten 
i  in  Eisschrank  aufbewahrten,  stark  yersporten  Axb-Kaltnr 
(eben  von  der,  Ton  welcher  die  f  a  den  vorstehenden  Fütterungen  benntxten 
Kaltaren  angelegt  waren).  Während  ein  damit  geimpftes  Kontrolltier  rasch 
an  Milzbrand  starb,  blieb  dies  Tierchen  völlig  gesund. 

8.  Reihe.   4.  VI.  1904. 

Diesmal  waren  die  Axb-Kulturen  nur  3^/2  Stunden  bei  37^ 
gewachsen.  Sie  zeigten  im  Präparat  »schön  ausgebildete 
Axb-Fäden,  dazwischen  liegend  noch  Sporen  (von 
den  eingesäten),  z.  T.  auskeimende  Formen.  In  den 
neuen  Axb  aber  noch  keinerlei  Beginn  der  Sporen- 
bildung,«*) 

Das  Kontrolltier  starb  nach  etwas  über  1  Tag  (typischer  Milz- 
brandtod). 

Die  am  ersten  Lebenstage  gefflttfrten  Jungen  erhielten  jedes  die  Ober- 
fläche von  drei  Schrägagarkaltaren.  Eine  Wägung  der  Mengen  wurde  nicht 
vorgenommen. 

>Bei  der  Fütterung  sträuben  sich  beide  Tiere  stark,  so  daTs  vielleicht 
kleine  Verletzungen  mit  der  Giasöse  vorgekommen  sein  können,  besonders 
beim  Herausziehen,  wo  sie  von  den  Zähnen  festgehalten  wurde.  Keine 
Blutung.  <  *) 

19.  Junges  >Jung  11  ,  Gewicht  60g,  bleibt  nach  der  Fütterung 
völlig  gesund. 

20.  Junges  >Jung  III <,  Gewicht  80  g,  wird  am  7.  VI.  morgens,  nachdem 
es  am  vorhergehenden  Tag  noch  völlig  mobil  war,  tot  und  völlig  even- 
teriert  aufgefunden.  Es  ist  nicht  zu  konstatieren,  wann  der 
Tod  eingetreten  ist.  In  der  Muskulatur  finden  sich  spär- 
liche Axb. 

9.  Reihe.    7.  VI.  1004. 

Die  verwendete  Kultur  war  3'^/4  Stunden  alt,  enthielt 
noch  viele  eingesäte,  aber  keine  neuen  Sporen.  »Die 
mit  eingesäten  Sporen  finden  sieh  an  den  Stellen,  wo  das  Impf- 
material  dick  aufgetragen  ist,  so  dafs  dort  weifsliche  Massen  vor- 
handen sind,  während  Abstriche  von  den  Stellen,  auf  denen  nur 
die  zarten,  frisch  gewachsenen  Bazillen  zu  sehen  sind,  auch  keine 
Sporen  mehr  enthalten,  c 

Dbü  K(»ntrolltier  starb  nach  weniger  als  24  Stunden  (typischer  Axb- 
Befund).    Die  gefütterten  Tierchen  waren  IVt  Tage  alt,  wogen  50,  &0  und  70  g. 

1)  Vgl.  die  Fufsnote  der  7.  Reihe. 


V'on  Dr.  Albert  Uffenheiiner.  19 

21.,  22.  und  23.  Alle  drei  Tierchen  (cU,  cUI»  dl)  erhielten  je  0,1  g 
Axb  per  08  nach  58tQ];idigem  Hangern.  Sie  blieben  yöllig 
gesund. 

10.  Reihe.   7.VL  1904. 


Gleichzeitig  mit  dem  vorigen  Versuch  wurde  eine  Verfüt- 
terung  einerreichversportenüberSTage'im  Eis  seh  rank 
aufbewahrten  Axb- Kultur  vorgenommen. 

Während  das  Kontrolltier  in  weniger  als  24  Stunden  starb,  blieben 

24.»  25.  und  26.  die  Tierchen  e  I,  e  II  und  e  III,  40,  50  und  56  g  schwer, 
IV,  Tage  alt,  gefüttert  mit  je  0,083  g  Axb,  am  Leben. 

11.  Reihe.   9.VL  1904. 

Einen  letzten  Versuch  nahm  ich  schliefslich  mit  einer  24  Stun- 
den alten  Agarkultur  vor,  welche  von  der  Kultur  stammte,  mit 
der  die  9.  Reihe  behandelt  wurde. 

»Es  sind  schöne  Fäden,  die  zum  grofsen  Teil  ver- 
sport  sind.    Ganz  aufserordentlich  viel  freie  Sporen. c 

Ein  Kontrollversuch  ist  hierbei  nicht  vorgenommen. 

Die  Tierchen  waren  wenige  Stunden  alt. 

27.  Junges  tili,  60  g  schwer,  erhält  0,1  g  dieser  Kultur  per  os,  bleibt 
yöllig  gesund. 

28.  Junges  tIV,  65  g  schwer,  erhält  0,a3d  g  der  gleichen  Kultur,  stirbt 
nach  3  Tagen.  Die  Obduktion  und  mikroskopische  Untersuchung 
ergibt  typischen  Milzbrandbefund. 

Ziehen  wir  in  Kürze  das  Fazit  aus  diesen  Milzbrandversuchen, 
so  sehen  wir,  dafs  auch  dieVerfütterung  sehr  grofser  Mengen 
des  Axb  ohne  jeglichen  Nachteil  für  das  neugeborene 
Meerschweinchen  vorgenommen  werden  kann.  Von  den 
28  gefütterten  jungen  Tieren  sind  3  an  typischem  Milzbrand  ge- 
storben. Alle  drei  hatten  sporenhaltige  Kulturen  er- 
halten. Wie  die  Protokolle  ergeben,  waren  bei  Tier  15  und  28 
neugebildete  freie  Sporen  vorhanden,  die  für  Fall  28  ver- 
wendete Kultur  zeigte  sogar  aufserordentlich  zahlreiche  Dauer- 
formen, die  11.  Reihe  war  nämlich  direkt  als  Sporenfütte- 
rung gedacht.  Beim  dritten  Tier  (20)  waren  bei  der  Fütterung 
infolge  des  Sträubens  vorgekommene  Verletzungen  wahrscheinlich, 
die  benutzte  Kultur  enthielt  noch  von  den  eingesäten  Sporen. 


20      Ezperim.  Studien  über  die  Dorchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Selbst  dieser  sporenhaltige  Axb  konnte  aber  nicht  bei  allen 
Versuchstieren  den  Tod  herbeiführen,  da  selbst  mit  gröfseren 
Mengen  als  die  gestorbenen  Tiere  gefütterte  Geschwister  gesund 
blieben  —  es  waren  vermutlich  auch  hier  minimale  Verlet- 
zungen die  Vorbedingung  zum  Eindringen  der  Sporen  in  den 
Intestinaltrakt.  Solche  kleinste  Wunden  können  ja  leicht  durch 
scharfe  Grashalme  oder  andere  Bestandteile  der  Nahrung  hervor- 
gebracht werden. 

Somit  bietet  der  Tod  dieser  drei  Versuchstiere 
gar  nichts  Auffallendes.  Ist  uns  ja  doch  aus  einerreichen 
Literatur  bekannt,  dafs  auch  alte  Meerschweinchen  sterben  kön- 
nen, wenn  versporte  Milzbrandbazillen  an  sie  verfüttert  werden.  — 

Wie  die  aufserordentlichen  Differenzen  zwischen  den  Behring- 
Muchschen  Resultaten  und  den  meinigen  zu  erklären  sind,  will 
ich  dahingestellt  sein  lassen,  auf  einen  Punkt  möchte  ich  aber 
doch  hinweisen. 

V.  Behring  schildert  in  Heft  8  seiner  Beiträge  die  ange- 
wandte Fütterungstechnik:  »Bei  zurückgebogener  Kopfhaltung 
lassen  wir  tropfenweise  die  Flüssigkeit  in  das  weitgeöffnete  Maul 
auf  die  Zungen wurzel  fallen.«  Nach  diesen  Worten  scheinen 
die  Autoren  beim  Öffnen  des  Maules  ihrer  Versuchstiere  irgend 
welche  Gewalt  gebraucht  zu  haben,  da  unter  normalen  Bedin- 
gungen von  einem  »weit  geöffneten  Maul«  nicht  die  Rede  sein 
kann.  Hierbei  sind  wahrscheinlich  kleine  Verletzungen  der  Mund- 
schleimhaut entstanden,  durch  welche  dann  die  Infektion  leicht 
vor  sich  gehen  konnte.  Bei  grofseu  Tieren,  die  ein  starkes  und 
resistentes  Pilasterepithel  der  Mundhöhle  haben,  darf  man  solche 
Manipulationen  viel  eher  riskieren,  ohne  Verletzungen  befürchten 
zu  müssen.  — 

Als  ich  die  Ehre  hatte,  im  Februar  dieses  Jahres  Exzellenz 
von  Behring  einen  grofsen  Teil  meiner  Resultate  zu  demon- 
strieren, machte  er  mir  den  Einwand,  meine  Milzbrandbazillen 
seien  wohl  für  Meerschweinchen  pathogen  gewesen,  ob  aber  für 
Kaninchen,  das  sei  zweifelhaft.  Die  von  ihm  benutzten  Bazillen 
seien  teilweise  auch  Kauinchen-pathogen  und  ein  Vergleich  zwischen 
unseren  tStämmen  ginge  nicht  au,  da  die  Kauinchen-tötenden  Axb 


Von  Dr.  Albert  XJffenheimer.  21 

höhere  Virulenz  besäfsen  wie  die  nur  für  Meerschweinchen  pa- 
thogenen.  Ich  nahm  sofort  mit  meinem  Wiener  Milzbrandbazillus, 
den  ich  noch  zur  Hand  hatte,  das  entsprechende  Experiment  vor. 

21.  II.  1905.  Kaninchen,  3500  g  schwer,  mit  kleiner  Ose 
am  Rücken  infiziert.  Tod  nach  4^/2  Tagen.  Obduktion  ergibt 
typischen  Milzbrandbefund.  In  Leber  und  Milz  massenhafte  Axb, 
im  Herzblut  auf  serordentlich  viele  Bazillen.  Aus  allen  Organen 
werden  Axb  in  Reinkultur  gezüchtet. 

Somit  zeigte  sich  also  auch  dieser  Stamm  als  ex- 
quisiter Kaninchentöter. 

Ich  führte  den  Versuch,  dem  Wunsche  von  Exzellenz 
V.  Behring  folgend,  aus,  ich  mufs  aber  sagen,  dafs  für  ein 
Experiment  am  Meerschweinchen  nach  meiner  Auffassung  auch 
ein  solcher  Bazillus  genügt  hätte,  dessen  Pathogenität  eben  für 
dieses  Tier  nachgewiesen  war.  (Hierzu  bitte  ich  den  oben  zitier- 
ten Versuch  5  von  Behring-Much  nachzulesen.) 

Nachschrift:  Durch  das  gütige  Entgegenkommen  von  Ex- 
zellenz V.  Behring  konnte  ich  in  letzter  Zeit  übrigens  auch  noch 
eine  Versuchsreihe  mit  einem  seiner  Kaninchen-pathogenen  Axb- 
Stämme  (I)  vornehmen.  Ich  verfütterte  eine  Kultur,  die  noch 
keine  freien  Sporen  enthielt,  aber  schon  aufserordentlich  viele 
eben  noch  von  schmalem  Protoplasmasaum  umgebene  Sporen 
(25  Stunden  bei  22^  auf  Agar  gewachsen).  Diese  Kultur,  in 
Bouillon  gebracht  und  bei  80^  über  eine  halbe  Stunde  im  Wasserbad 
gehalten,  zeigte  im  Brutofen  noch  starkes  Wachstum;  es  hatten 
demnach  die  mit  dem  Protoplasmasaum  umhülUen  Sporen  schon 
eine  aufserordentliche  Resistenz.  Das  am  19.  VI.  1905  mit  klein- 
ster Platinöse  geimpfte  Kontrolltier  (qq  I)  starb  nach  32 — 36  Stun- 
den an  Milzbrand.  6  neugeborene  Meerschweinchen 
(zwischen  70  und  85  g  schwer,  P/i — S^/j  Tage  alt),  gleich- 
zeitig mit  je  0,1  g  Axb,  suspendiert  in  je  1  ccm  Kuh- 
milch [also  ganz  nach  v.  Behrings  Anordnung]  ge- 
füttert, blieben  völlig  gesund. 


22       Experim.  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 


Versuche  mit  TuberkelbaziUen. 

Die  folgenden  Experimente  gehören  dem  Gebiet  der  Füt- 
terungstuberkulose an. 

Ich  kann  hier  aber  um  so  eher  absehen  von  einem  histo- 
rischen Überblick  über  die  Literatur  derselben,  weil  bei  Neu- 
geborenen Fütterungen  mit  dem  Tuberkelbazillus  oder  Pro- 
dukten der  Tuberkulose  aufser  von  v.  Behring  bisher  nicht 
vorgenommen  wurden.  Erwähnen  will  ich  nur,  dafs  die  ersten 
positiven  Füttern ngs versuche  an  erwachsenen  Tieren  schon  1868 
publiziert  sind  (Chauveau  ev.  auch  Klebs),  und  dals  die  In- 
fektion des  Meerschweinchens  vom  Darmkanal  ausParrot 
zum  erstenmal  gelungen  ist. 

Gute  Zusammenstellungen  über  die  Fütterungstuberkulose 
findet  man  in  den  Arbeiten  von  Spina,  Johne,  Biedert, 
Wesener  und  ganz  neuerdings  bei  Nebelthau. 

V.  Behring  selbst  hat  seine  Versuche  an  neugeborenen 
Tieren  noch  nicht  ausführlich  veröffentlicht,  die  bisher  allein  er- 
schienene  Übersicht  über  seine  Ergebnisse  habe  ich  in  der  Ein- 
leitung angeführt.  Meine  eigenen  Versuche,  im  ganzen  40, 
wurden  vorgenommen  mit  einem  seit  längerer  Zeit  im  hygie- 
nischen Institut  fortgezüchteten,  vom  Menschen  stammenden 
Tuberkelbazillus. 

Die  Prüfung  desselben  geschah  nach  der  von  Kossei  und 
seinen  Mitarbeitern  im  Reichsgesundheitsamt  zur  Unterschei- 
dung zwischen  Typus  bovinus  und  humanus  ausgearbeiteten 
Methode  (Trocknung  der  Bazillen  auf  sterilem  Fliefspapier. 
Wägung  von  0,01  g  Bazillen  auf  tariertem  sterilisiertem  Uhr- 
schälchen.  Verreiben  mit  1,0  phys.  Kochsalzlösung  in  sterilem 
Mörser.  Injektion  ohne  Verletzung  der  Fascie)  an  einem  2480  g 
schweren  Kaninchen.  Als  der  Tod  nach  1 1  Wochen  an  einer 
interkurrenten  Lungenerkrankung  erfolgt  war  (auch  mikroskopisch 
als  nicht  tuberkulös  identifiziert),  zeigte  sich  an  der  Injektions- 
stello  im  subkutanen  Bindegewebe  ein  haselnufsgrofser  Tumor, 
der  sich  beim  Aufschneiden  als  ein  mit  weifsgelblichem  dickem 


Von  Dr.  Albert  Uffenbeimer.  23 

rahmigem  Eiter  gefüllter  Abszefs  erwies.  Sonst  nirgends  eine 
Spur  von  Tuberkulose. 

Nach  intraperitonealer  Injektion  von  ungefähr  0,01  g  der 
Bazillenreinkultur,  aufgeschwemmt  in  Bouillon,  starb  ein  450  g 
schweres  Meerschweinchen  rj  nach  20  Tagen,  ein  420  g  schweres 
Meerschweinchen  &  nach  27  Tagen.  Die  verfütterten  Kulturen 
waren  stets  zwischen  4  und  6  Wochen  alt.  Das  Gewicht  der 
zur  Fütterung  benutzten  Mengen  wurde  durch  ^ie  chemische 
Wage  bestimmt.  Zu  Anfang  verrieb  ich  die  abgewogenen  Ba- 
zillenhäute sorgfältig  in  Bouillon  und  nahm  darnach  die  Ver- 
fütterung  mittels  Pipette  vor.  Als  sich  aber  herausstellte,  dafs 
bei  einer  Aufnahme  der  Tuberkelbazillen^)  durch  Vermittelung 
von  Flüssigkeit  leicht  eine  Aspiration  vorkommt,  em  Umstand, 
der  die  Deutung  der  Experimente  wesentlich  erschweren  kann, 
so  ging  ich  dazu  über,  die  von  der  Glyzerinbouillon  abgehobenen 
Tb-Häute  mittels  meiner  Glasöse  den  Meerschweinchen  in  das 
Maul  einzuführen.  Mit  beiden  Methoden  gelang  es  schnell,  die 
gewünschte  Dosis  den  jungen  Tieren  beizubringen. 

Von  meinen  40  Versuchen  sind  26  mit  Bazillenaufschwem- 
mung in  Bouillon  vorgenommen.  Das  erste  Versuchstier  (d  I) 
starb  au  Aspiration,  4  Meerschweinchen  waren  alte  Muttertiere. 
Somit  enthält  diese  1.  Reihe  21  Verfütterungen  an  neugeborene 
Meerschweinchen.  Die  2.  Reihe,  in  der  die  Tb  den  jungen 
Tieren  nur  trocken  beigebracht  wurden,  enthält  demnach  14  Ver- 
suche. 

Ich  begnügte  mich  nicht  damit,  die  Tiere  nach  längerer 
oder  kürzerer  Zeit  zu  obduzieren,  sondern  untersuchte  jede  nicht 
ganz  gewöhnUche  Erscheinung  histologisch  und  vor  allem  nah^i 
ich  bei  den  Organen,  wo  makroskopisch  die  Diagnose  nicht  mit 
Sicherheit  zu  stellen  war,  genaue  Untersuchungen  fast  ausnahms- 
los an  Serienschnitten  vor.^)    Frühzeitig  nach  der  Fütterung  war 

1)  leb  werde  fur  Erleicbterong  künftig  bierfür  die  Bezeicbnang  Tb  ge- 
braacben. 

2)  Für  oftmalige  Prüfungen  meiner  makro-  and  mikroakopiscben  Befunde 
will  leb  nicbt  versäumen,  meinem  Mitarbeiter  am  Institut,  Herrn  Privat- 
dozenten der  Patbologie,  Dr.  Robert  Röfsle  aus  Kiel,  aucb  an  dieser  Stelle 
den  berzlicbsten  Dank  auszusprechen. 


24       Experim.  Stadien  über  die  Diirchgängigkeit  des  Magendannkanales  etc. 

es  zumeist  nicht  möglich,  in  den  Drüsen  die  Tb  in  Schnitten 
resp.  in  Quetschpräparaten  nachzuweisen.  Ich  überimpfte  des- 
halb eine  grofse  Reihe  von  Drüsen,  auch  Blut,  an  weitere  Meer- 
schweinchen. Diese  Versuche  haben  so  eigenartige  und  bemer- 
kenswerte Resultate  ergeben,  dafs  ihnen  ein  eigenes  Kapitel 
(»Die  Knötchenlungec)  gewidmet  werden  muTs. 

In  dem  Folgenden  gebe  ich  eine  kurze  Darstellung  der 
Fütterungsergebnisse.  Die  weite  Ausdehnung  meiner  Arbeit  ge- 
stattet mir  nicht,  jedes  einzelne  Obduktionsprotokoll  in  extenso 
abzudrucken;  ich  erwähne  deshalb  nur  die  wichtigen  Befunde 
und  behalte  mir  eine  ausführlichere  Veröffentlichung  vor,  falls 
sie  aus  irgend  welchen  Gründen  noch  nötig  erscheint. 

Zum  Verständnis  der  Protokolle  will  ich  bemerken,  dafs  unter 
Halsdrüsen  die  submentalen  und  Halsdrüsen  gemeint  sind,  und 
dafs  ich  zwischen  beiden  nur  ausdrücklich  dann  unterschieden 
habe,  wenn  sie  sich  verschieden  verhielten.  Als  Leberhilus- 
drüse  habe  ich  ein  (oder  mehrere)  Drüschen  bezeichnet,  die  nahe 
dem  Pylorus  im  Bindegewebe  des  Leberhilus  liegen  und  sehr 
häufig  tuberkulöse  Veränderungen  zeigten.  Als  Prozessusdrüsen 
ist  jene  Gruppe  von  ziemlich  grofsen  Drüsen  angeführt,  die  einen 
Teil  der  zuführenden  Lymphgefäfse  vom  Prozessus  vermiformis 
aus  beziehen.  Sie  stehen  aber  auch  mit  anderen  Darmpartieu  in 
Verbindung.  Cöcaldrüse  ist  die  kleine  Drüse  genannt,  die  an 
der  Einmündungsstelle  des  Ileum  in  das  Cöcum  liegt.  Alle 
anderen  Benennungen  sind  leicht  verständlich.  Die  sehr  häufig 
vorgenommenen  Wägungen  der  Tiere  habe  ich  hier  weg- 
gelassen, da  durch  oftmalige  Schwangerschaften  (ich  war  ge- 
zwungen, jegliches  Tiermaterial  zur  Züchtung  der  für  die  Experi- 
mente notwendigen  Jungen  zu  benutzen)  und  Futterwechsel 
ziemlich  jähe  Gewichtsschwankungen  entstanden.  Im  übrigen 
zeigten  sich  bedeutendere  Gewichtsabnahmen  nur  bei  sehr  stark 
fortgeschrittenen  tuberkulösen  Prozessen.  Die  einzelnen  Tiere 
sind  in  der  Reihenfolge  angeführt,  die  ihrer  Lebenszeit  nach  der 
Fütterung  entspricht. 


Von  Dr.  Albert  TJfFenheimer. 


25 


I.  Reihe.   VerfUttenmg  der  Tb  in  Bouillon. 

1.  30.  IV.  1904.  Junges  r  U,  50  g  schwer,  22  Standen  alt,  erhält 
0,0028  g  Tb.>)    Getötet  nach  87  Tagen. 

Obdaktion:  Oberall  normaler  Befand.  Nar  die  Prozessusdrasen  etwas 
gelblich  verfärbt,  vielleicht  leicht  getrübt.  An  der  linken  Tonsille  eine  ganz 
kleine  gelbliche  Einlagerang. 

Mikroskopisch:  Prozessasdrüse  enthält  ganz  kleine  Epitheloid- 
zellentuberkel,  erst  nach  aafserordentlich  langem  Sachen  gelingt  der  Nach- 
weis weniger  zweifelloser  Tb  in  der  Mitte  eines  solchen  Taberkels. 

Tonsille:  Zwei  Serien  von  nahezu  400  Schnitten  ergeben  keine 
pathologischen  Veränderungen. 

Resultat:  Isolierte  Tuberkulose  der  Prozessasdrflsen. 

2.  30.  IV.  1904.  Junges  u  II,  65  g  schwer,  1  Tag  6  Stunden  alt,  erhält 
0,0042  g  Tb.    Getötet  nach  86  Tagen. 

Obduktion:  Nirgends  eine  Spur  von  Tuberkulose.  Nur  die  Prozessus 
drüsen  erscheinen  wenig  vergröfsert  (unterlinsengrofs),  fast  ganz  durchsichtig 
An  einigen  Stellen  scheinen  aber  kleinste  weifsliche  Herdchen  zu  liegen. 

Mikroskopisch  (über  100  Schnitte):  Die  Prozessusdrflse  zeigt 
eine  ganz  auffallende  Tätigkeit  Neben  den  vorwiegenden  völlig  normalen 
Stellen  finden  sich  an  manchen  Orten  Anhäufungen  von  grofisen  aufgeblasenen, 
völlig  den  epitheloiden  gleichenden  Zellen.  Dabei  sind  deutlich  Teilungs- 
Vorgänge  (grofse  Mitosen)  in  geringer  Zahl  sichtbar.  An  manchen  Stellen 
sieht  man  schlechte  Zellteilungen  nach  offenbar  rasch  erfolgten  Kernteilungen 
so  dafs  Bilder  entstehen,  die  an  Riesenzellen  erinnern,  denen  aber  deren 
deutliche  Protoplasma-Umgrenzung  fehlt.  Überhaupt  sind  an  manchen 
Stellen  die  Kern-  und  Zellgrenzen  undeutlich.  Nach  sehr  langem  Suchen 
gelingt  die  Entdeckung  eines  ganz  zweifellosen  Tuberkelbasillus. 

Resultat:  Isolierte  Tuberkulose  der  Prozessusdrüsen. 

3.  14.  V.  1904.  Junges  q  m.  Gewicht  80  g,  2  Tage  alt,  erhält  0,021  g  Tb 
^in  nur  Va  ccm  Bouillon).    Getötet  nach  75  Tagen. 

Obduktion:  Zahlreiche  graue  Miliartuberkel  in  Leber  und  Milz.  Eine 
Leberhilosdrüse  ist  fast  erbsengrofs,  stark  getrübt,  aber  noch  ohne  Spur 
von  Verkäsung.  Eine  der  Prozessusdrüsen  zeigt  vielleicht  eine  geringe 
Trübung,  ist  aber  un vergröfsert.  Drei  Halsdrüsen  sind  stark  ver- 
gröfsert (über  ErbsengröDM),  sehr  derb,  en  thalten  im  I  nnern  mit  gel  b- 
lichem  Käse  erfüllte  Höhlen.  Die  Trachealdrüaen  sind  um  ein  Ge- 
ringes vergröfsert,  schwach  getrübt,  zu  beiden  Seiten  in  der  Clavicular- 
gegend  je  eine  vergröfserte  Drüse.  Besonders  ist  die  rechtsseitige  fast 
erbsengrofs,  stark  getrübt,  mit  zahlreichen  weifslichen  Nekroseherdchen.  Sie 
liegt  in  der  Gegend  der  Einmündung  des  Duct  thoracicus  in  die  V.  sub- 
clavia. 


1)  So  kleine  Tb-Mengen  wurden  nicht  direkt  abgewogen,  sondern  erst 
nach  der  Aufschwemmung  einer  gröfseren  Tb-Quantität  in  einem  abge- 
messenen Volumen  Bouillon  durch  Wegnahme  kleiner  Bouillonmengen  be- 
stimmt. 


0£* 

^^       Ezperim.  Studien  über  die  Dorchgängigkeit  des  Magendannkanales  etc. 

In  der  Longe  graa  durchscheinende  Tnljerkel,  im  rechten  Oberlappen 
gelatinOee  Pneumonie. 

Kesaltat:  Jedenfalls  gleichseitige  Infektion  der  Hais- 
and Leberhilusdrflsen.  Einbruch  in  die  Blutbahn  durch  den  Dactus 
thoracicuB. 

4.  14.  V.  1904.  Junges  o  II,  80  g  schwer,  2  Tage  alt,  erhält  0,021  g  Tb 
(in  Va  ccm  Bonil1on\    Getötet  nach  74  Tagen. 

Obduktion:  I^berhilnsdrüse  stark  Tergröfsert  (=  2  Linsen),  derb,  stark 
getrübt,  mit  kleinen  Nekroseherdchen.  Proiessus-  und  Cöcaldrüsen  bis 
haselnufskerngroriB,  stark  getrübt,  die  meisten  enthalten  mit  einem  kAaigen 
Brei  angefüllte  Cavernen  Die  zu  den  übrigen  Darmabechnitten  gehörigen 
Drüsen  ebenfalls  tuberkulös  verändert    Alles  Übrige  normal. 

Resultat:  Isolierte  Tuberkulose  der  Lymphdrüsen  des  Darmes, 
wahrscheinlich  beginnend  in  den  Prozessusdrüsen. 

5.  7.  V.  1904.  Junges  ti  II,  80  g  schwer,  IVi  Tage  alt,  erhält  0,028  g  Tb. 
Getötet  nach  72  Tagen. 

Obduktion:  Halsdrüsen  aufserordentlich  stark  vergröfsert,  einzelne 
mehr  als  zweimal  erbsengrofs,  verkäst,  mit  linsengrolsen  Erweichnngsherden. 
Eine  Prozessusdrüse,  nicht  vergröfsert,  möglicherweise  leicht  getrübt 

Mikroskopisch:  Prozessusdrüse  zeigt  sich  frei  von  Tuberkulose. 

Resultat:  Isolierte  Halsdrüsentuberkulose. 

6.  17.  III.  1904.  Junges  S  II,  70  g  schwer,  8  Stunden  alt,  erhält 
0,105  g  Tb.  Spontan  gestorben  nach  50  Tagen.  Vor  dem  Tod  Lähmung  der 
Hinterbeine. 

Obduktion:  Sehr  verbreitete  Tuberkulose,  am  gröfsten  die  Lungen- 
hilus-  und  Trachealdrüsen. 

Resultat:  Fütterungstuberkulose.  Erster  Inf  ektionssi  ts 
nicht  mehr  festzustellen. 

7.  21.  III.  1904.  Junges  «  1,  ILO  g  schwer,  2  Tage  alt,  erhält  0,273  g  Tb 
Getötet  nach  49  Tagen. 

Resultat:  Das  gleiche  wie  im  vorigen  Fall.  Am  gröCsten  die 
Halsdrüsen. 

Bei  diesem  Tiere  wurden  UntersuchuDgen  über  die  Aus- 
scheidung der  Tb  mit  dem  Kot  angestellt  (Verarbeitung 
wie  in  den  entsprechenden  Axb- Versuchen).  Während  am  ersten 
Tag  aufserordentlich  viel  Tb  sich  fanden  (Häufchen  wie 
Einzelexemplare),  zeigten  sieh  schon  zweimal  24  Stunden  nach 
der  Fütterung  nur  noch  ganz  wenige  Bazillen,  die  zumeist  in 
kleine  Schleimflöckchen  eingehüllt  waren.  Nach  dreimal  24  Stun- 
den konnte  in  zwei  sorgfältig  durchsuchten  Präparaten  nur  noch 
ein  zweifelhafter  Tb  entdeckt  werden.  Demnach  scheinen 
die  Bazillen  am  Ende  des  dritten  Tages  bereits  fast 


Von  Dil  Albert  üffenheimer.  27 

völlig  aus  dem  Darm  eliminiert  su  sein.  Ein  Versuch, 
die  Viru  lenz  der  Tb  nach  der  Passage  des  Intestinums 
festzustellen,  mifslang,  da  das  geimpfte  Tier  an  Sepsis  zugrunde 
ging. 

6.  16.  IV.  1904.  Junges  T  III,  90  g  schwer,  IV,  Tage  alt,  erhält  0,092  g  Tb. 
Getötet  nach  35  Tagen. 

Resaltat:  Vorgeschrittene  Taberkolose,  am  stärksten  Pro- 
zessos'  and  Halsdrflsen.  Erster  Infektionssitz  nicht  mehr  fest- 
zustellen. 

9.  11.  IV.  1904.  Junges  V  II,  70  g  schwer,  zwischen  3  und  6  Standen 
alt,  erhält  0,188  g  Tb.    Getötet  nach  32  Tagen. 

Resultat:  Weit  vorgeschrittene  Tuberkulose,  am  stärksten 
die  Trachealdrfisen  befallen.  Erster  Infektionssits  nicht  mehr 
festzustellen. 

10.  11.  IV.  1904.  Junges  V  I,  60  g  schwer,  zwischen  3  und  6  Stunden 
alt,  erhält  0,171  g  Tb.    Getötet  nach  30  Tagen. 

Resultat:  Hals-,  Thorax-,  und  Abdominaldrüsen  tuber- 
kulös, weitaus  am  vorgeschrittensten  die  Ualsdrüsen.  Ein 
sicheres  Urteil,  wo  der  erste  Infektionsort  war,  ist  nicht  mehr 
möglich,  doch  scheint  der  nach  dem  Abdomen  zu  abnehmenden 
Gröfse  der  Drüsen  zufolge  eine  primäre  Halsdrüseninfektion 
nicht  unwahrscheinlich. 

11.  30.  IV.  1904.  Junges  v  I,  50  g  schwer,  1  Tag  alt,  erhält  0,0024  g  Tb 
Getötet  nach  28  Tagen. 

Obduktion:  Am  Hals  eine  olivenkemgrofse  Drüse  mit  zwei  in  Er- 
weichung begriffenen  Käseherden  (subraental);  weiterhin  eine  über  linsen- 
grofse  Drüse  mit  einem  Käseherd  im  Innern.  Kleiner  Herd  im  rechten 
Unterlappen.    Trachealdrüsen  leicht  vergröfsert,  ganz  wenig  getrübt. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  einiger  zum  Cöcum  und  Pro- 
sessus  gehöriger  Lymphdrüsen,  bei  denen  makroskopisch  die  Diagnose 
zweifelhaft  war,  ergab  Freisein  von  Tuberkulose. 

Resultat:  Primäre  Halsdrüsentuberkulose. 

12.  16.  IV.  1904.  Junges  TU,  105  g  schwer,  IV,  Tage  alt,  erhält 
0,158  g  Tb.    Getötet  nach  28  Tagen. 

Obduktion:  Ziemlich  weit  vorgeschrittene  Tuberkulose.  Am  stärksten 
befallen  beide  submentalen  Drüsen  (über  erbsengrofs,  mit  Kavernen  von  der 
Gröfse  eines  mittleren  Schrotkornes).  Die  Prozessusdrüsen  sind  kleinerbsen- 
grofs.  Die  übrigen  Drüsen  nehmen  an  Gröfse  ihrer  Entfernung  von  Sub- 
mental- reBp.  ProzesBusdrüse  entsprechend  ab.  Frische  Miliartuberkulose. 
Einbrach  in  die  Blutbahn  vermutlich  von  der  stark  veränderten  rechten 
Claviculardrüse  aus. 

Mikroskopisch  zeigt  eine  Prozessusdrüse  sich  durchsetzt  von  zahl- 
reichen Tuberkeln,  die  reich  an  Riesenzellen  sind,  auch  Tb  enthalten.    Eino 


2^        Ezperim.  Stadien  über  die  Darchgängigkeit  des  MAgeDdarmkaDales  etc. 

Plaque  des  Prosessas   Tennifonnis,  in  SerienBchnitte  xerlegt,   bietet  keine 
Veränderungen  dar. 

Resultat:  Wegen  des  ziemlich  vorgeschrittenen  Proxesses  ist 
der  erste  Infektionsort  nicht  sicher  feststellbar,  es  erscheint 
aber  nicht  unwahrscheinlich,  dafs  gleichzeitige  Infektion  vom 
Hals  und  vom  Prozessus  aus  stattgefunden  hat 

13.  28.  IV.  190t.  Junges  AI,  70  g  schwer,  27,  Tage  alt,  erhält 0,065  g Tb. 
Getötet  nach  18  Tagen. 

Obduktion:  Die  Lunge  zeigt  zahlreiche  miliare  und  etwas  grOCsere 
dorchscheinende  graue  Tuberkel.  Zahlreiche  alte  Käseherde  in  beiden 
Lnngen.  Die  Trachealdrüsen  sind  fast  erbsengrols  mit  alten  Verkäsungen- 
Halsdrüsen  wenig  vergrößert,  schwach  getrflbt  Cöcal-,  Prozessus-,  Leber- 
hilusdrAsen  schwach  vergröfsert,  leicht  getrabt.     Frische  Miliartuberkulose. 

Resultat:  Hier  scheint  eine  Infektion  der  Lunge  resp. 
Trachealdrüsen  durch  Aspiration  bei  der  Fütterung  wahrschein- 
lich. Die  Tuberkulose  der  im  Abdomen  befindlichen  Drüsen 
könnte  vom  Thorax  aus  fortgeleitet  sein,  könnte  aber  auch 
einer  Infektion  vom  Darme  aus  entstammen. 

14.  30.  IV.  1904.  Junges  /<  I,  60  g  schwer,  1  Tag  6  Stunden  alt,  erhält 
0,0042  g  Tb.    Getötet  nach  17  Tagen. 

Obduktion:  Peritoni ti scher  Prozefs,  ca.  3  Tage  alt,  fortgeleitet  auf  die 
Pleura.  Der  rechte  Mittellappen  enthält  an  seiner  Wurzel  einen  linsen- 
grofsen,  verkästen  Herd,  der  gegen  die  Umgegend  nicht  völlig  scharf  ab- 
gegrenzt ist,  durch  dessen  Mitte  ein  Lumen  geht,  dessen  Ränder  ebenfalls 
völlig  verkäst  sind.  An  der  Trachea  und  um  den  rechten  Hauptbronchus 
herum  je  eine  linsengrofse,  getrübte,  schwach  gelbliche  Drüse.  In  der 
Thoraxapertur  eine  in  gleichem  Stadium  befindliche,  gleichgrofse  Drüse.  Am 
Hals  eine  Anzahl  kaum  kleinerer  Drüsen  von  gleichem  Aussehen. 

Prozessusdrüsen  gut  linsengrofs,  schwach  gelblich,  getrübt.  Die  übrigen 
zum  Darm  gehörigen  Lymphdrüsen  leicht  vergröfsert  und  getrübt. 

Mikroskopisch:  Prozessus-  wie  Trachealdrüse  zeigen  deutliche  Tu- 
berkelbildung mit  wenigen  gut  charakterisierten  Tb.  Die  Tonsille  ist  völlig 
normal. 

Resultat:  Die  Tuberkulose  der  Lunge  und  der  zugehörigen 
Drüsen  ist  offenbar  durch  Aspiration  bei  der  Fütterung  ent- 
standen; die  Affektion  der  Prozessusdrüsen  ist  möglicherweise 
gleichfalls  direkter  Infektion  zu  danken,  nicht  einer  Fort- 
leitung von  der  Brusthöhle  aus  (vgl.  hierzu  l.  und  2). 

15.  17.  III.  1904.  Junges  S  III,  70  g  schwer,  ca.  8  Stunden  alt,  erhält 
0,159  g  Tb.    Spontanter  Tod  nach  15  Tagen. 

Obduktion:  nicht  vorgenommen  (da  ich  verreist  war).  Vgl.  die 
folgende  Obduktion. 

Bei  diesem  Meerschweinchen  waren  im  Kote  20  Stunden 
nach  der  Fütterung  in  geringer  Menge  einzelne  Tb  nachzuweisen, 
aber  keine  Bazillenhäufchen  mehr. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  29 

16.  16.  IV.  1904.  langes  T  IV,  95  g  schwer,  IV,  Tage  alt.  erhält 
0,143  g  Tb.    Spontaner  Tod  nach  12  Tagen. 

Obduktion:  Starke  Miliartaberknlose.  Alle  Drüsen  stark  geschwellt 
(Bild  der  Skrofnlose).  Verkäsangen  zeigen  eine  Mesenterialdrflse,  sowie  ein 
kleines  Knötchen  am  Dnctas  thoracicns. 

Resnltat:  Der  Tod  12  Tage  nach  der  Fütterung  (wie  im  vorigen 
leider  nicht  obdasierten  Falle  15  Tage  darnach)  ist  ganz  auffallend.  Er 
ist  so  schnell  durch  die  schwere  Miliartuberkulose  herbeigeführt,  die  offen- 
bar von  dem  am  Ductus  thoracicus  sitzenden  verkästen  Knötchen  aus  ent- 
standen ist.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bildet  die  verkäste 
Mesenterialdrüse  den  Sitz  der  ersten  Infektion. 

17—21.  Die  Jungen  wurden  in  so  frühem  Stadium  getötet,  dafs  eine 
makroskopische  Diagnose  nicht  möglich  war.  Ihre  Verarbeitung  wird  an 
späterer  Stelle  besprochen. 

Überblicken  wir  kurz  noch  einmal  die  eben  be- 
schriebenen Versuche,  so  sehen  wir  regelroälsig  bei 
den  neugeborenen  Meerschweinchen,  wenn  sie  lang 
genug  am  Leben  gelassen  wurden,  der  einmaligen 
Verfütterung  von  Tb  eine  Erkrankung  an  Tuber- 
kulose folgen. 

Am  besten  läfst  sich  die  Wirkung  der  verfütterten  Tb  stu- 
dieren, wenn  man  nur  geringe  Mengen  (0,002 — 0,005  g)  derselben 
verabreicht.  Dann  ist  es  auch  durchaus  nicht  notwendig,  die 
Tiere  verhältnismäfsig  schnell  darnach  zu  töten,  sondern  man 
kann  sie  Monate  lang  am  Leben  lassen.  Die  mit  grofsen  Tb- 
Dosen  gefütterten  Meerschweinchen  (0,1  g  und  darüber)  zeigen 
sehr  bald  eine  vorgeschrittene  Tuberkulose,  die  ein  Urteil  über 
den  ersten  Sitz  der  Erkrankung  unmöglich  macht.  Unter  be- 
sonders förderlichen  Umständen  verläuft  die  Tuberkulose  ganz 
rapid,  und  so  haben  wir  in  einem  Fall  schon  den  Tod 
12  Tage  nach  der  Fütterung  eintreten  sehen.  Meines 
Wissens  ist  ein  so  schneller  Verlauf  der  Fütterungstuberkulose 
bisher  noch  nicht  beobachtet  worden.*)  Der  Fall  erscheint  mir 
deshalb  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit,  weil  er  einen 
Fingerzeig   dafür  bietet,    dafs   nicht  jede  kurz  nach  der 


1)  Koch  stellte  fest,  dafs  der  Tb  ca.  14  Tage  zu  seinem  Wachstum 
und  seiner  Vermehrung  braucht,  Orth  und  Semmer  gaben  eine  zwei- 
monatliche Inkubationszeit  bei  der  Pütterungstuberkulose  an  und  Bollinger 
notierte  schon  einen  letalen  Ausgang  nach  IVi — 2  Monaten. 


r^Q       Experim.  Studien  Ober  die  Durcbgängigkeit  des  Magendarmkanalee  etc. 

Geburt  tödlich  endende  Tuberkulose  des  menschliehen 
Säuglings  als  eine  prägenital  durch  plazentare  Über- 
tragung entstandene  aufzufassen  ist.  Frühzeitige  Affektion 
des  Ductus  thoracicus  vermag  eben  durch  das  Ausstreuen  grofser 
Tb-Mengen  in  die  Blutbahn  überraschend  schnell  zum  Tode  zu 
führen. 

Bei  der  Verfütterung  geringer  Tb-Quantitäten  (bis  herab  zu 
0,0028  g)  liefs  sich  die  Infektionspforte  an  den  Verdauungswegen 
deutlich  feststellen.  Es  darf  aber  unter  Verdauungswegen  nicht 
allein  der  Magen  und  Darm  verstanden  werden,  sondern  auch 
die  Mundhöhle  bietet  sehr  günstige  Verhältnisse  für  das  Ein- 
dringen der  Bazillen  (eine  Meinung,  der  nebenbei  gesagt,  B ol- 
lin ger  schon  vor  mehr  als  30  Jahren  Ausdruck  gab).  So  haben 
wir  zahlreiche  Fälle,  wo  vom  Darm,  zumeist  vom  Processus 
vermiformis  aus,  die  Erkrankung  zustande  gekommen  ist.  Die 
starke  Beteiligung  der  Leberhilusdrüse  läfst  sogar  an  gelegentliche 
Infektion  vom  Magen  aus  denken;  andere  Fälle  wieder  weisen 
auf  die  Tonsillen  als  Eintrittspforte  hin.  Bei  einigen  Tieren,  be- 
sonders wenn  mittlere  Tb-Quantitäten  (0,02  g  und  darüber)  ge- 
geben wurden,  hat  eine  gleichzeitige  Infektion  von  der 
Mundhöhle  wie  vom  Darm  aus  stattgefunden. 

Eine  Verschleierung  der  Ergebnisse  wurde  bei  mehreren  Be- 
obachtungen dadurch  herbeigeführt,  dafs  offenbar  bei  der  Fütterung 
Flüssigkeitsmengen  in  die  Lungen  hinein  aspiriert  wurden,  und 
dort  sogleich  eine  Erkrankung  der  Lungen  selbst  oder  der  zu- 
nächst gelegenen  Drüsen  herbeigeführt  haben  (vielleicht  an  den 
Stellen,  die  nach  Abrikosoff  bei  der  Inhalationstuberkulose 
zuerst  zu  erkranken  pflegen).  Dafür,  dafs  der  intestinalen  Infektion 
zunächst  ein  Krankheitsbild  folge,  vergleichbar  der  menschlichen 
Skrofulöse,  wie  v.  Behring  es  schildert,  hat  sich  kein  Anhalts- 
punkt ergeben,  vielmehr  schien  stets  der  erste  Erkrankungsherd 
bei  der  Obduktion  auch  der  am  weitesten  vorgeschrit- 
tene zu  sein.  Die  isolierten  Halsdrüsenerkrankungen,  eingetreten 
nach  Aufnahme  ganz  geringer  Tb-Mengen,  sprechen  sehr  dafür, 
dafs  überall  da,  wo  eine  starke  Affektion  derselben  zu  finden  ist, 
welche  die  übrigen  Drüsenerkrankungen  an  Mächtigkeit  übertrifft, 


Von  Dr.  Albert  Uffenbeimer.  .»1 

auch  wirklich  die  Halsdrüseu  der  erste  Sitz  der  Erkrankung 
gewesen  sind.  Keinesfalls  dürfen  wir  annehmen,  dafs  sie  erst 
von  den  Lymphdrüsen  der  Bauchhöhle  aus  infiziert  worden  sind, 
wo  wir  die  beiden  Gruppen  erkrankt,  aber  die  dazwischen  liegen- 
den Lymphdrüsen  vollkommen  intakt  finden.  Ich  führe  als 
Kronzeugen  dieser  Anschauung  Com  et  an,  nach  dessen  an 
Tausenden  von  Tieren  festgestellten  Befunden  die  Ausbreitung 
der  Tuberkulose  schrittweise  verfolgt  werden  kann,  »indem  die 
Drüsen  von  der  Infektionspforte  aus  eine  Kette  an  Gröfse  suk- 
zessiv abnehmender  kugeliger  oder  bohnenförmiger  Gebilde  dar- 
stellen, deren  Durchschnitte  die  Altersdifferenz  des  Prozesses 
deutlich  zu  erkennen  geben,  c  Für  beinahe  alle  Ergebnisse  unserer 
Experimente  lassen  sich  übrigens  auch  klinische  und  pathologisch- 
anatomische Erfahrungen  am  Menschen  beibringen.^) 

n.  Reihe.   Verftltterung  der  Tb  in  trockenem  Zustande. 

Hier  kommen  14  Versuche  in  Betracht,  da  aber  bei  11 
Tieren  der  Tod  resp.  die  Tötung  und  Verarbeitung  der  Organe 
so  früh  erfolgte,  dafs  makroskopisch  noch  keine  Veränderungen 
wahrnehmbar  waren,  habe  ich  zunächst  nur  vier  Obduktionen  zu 
schildern. 

22.  17.  V.  1904.    Junges  f  11,  100  g  schwer,  Vs  ^^^f^  ^^^»  erhält  0,029  g  Tb. 
Getötet  nach  73  Tagen. 

Resultat:  Sehr  weit  vorgeschrittene  Tuberkulose,  die 
ein  sicheres  Urteil  über  den  Primirsitz  der  Infektion  nicht 
mehr  ermöglicht. 

23.  26.  V.  1904.    Junges  q  II,  70  g  schwer,  1  Tag  alt,  erhält  0,005  g  Tb. 
Getötet  nach  68  Tagen. 

Obduktion:  Zwei  ProzessusdrQsen,  stark  vergröfsert,  die  eine  hasel- 
nufskerngrofs,  mit  starken  Erweichungsberden  im  Innern.  Im  Jejunum, 
ganz  besonders  aber  im  Ileum,  stark  Ober  das  Schleimhautniveau  promi- 
nierende  Plaques,  von  denen  einige  in  ihrer  Mitte  kleine,  Stecknadelknopf- 
grofse  Verkflsungen  tragen.  Leberhilus-  und  Cöcaldrüse  leicht  vergröfsert 
und  getrübt.  Zwei  Halsdrüsen  über  linsengro£s,  mit  kleinen  käsigen  Er- 
weichungsherden im  Innern  Trachealdrüse  ebenfalls  ungefähr  auf  das 
Doppelte  vergröfsert,  mit  kleinem  Erweichungsherd.  Kleiner  gelatinöser  Herd 
im  rechten  Oberlappen. 


1)  Für  den  letzten   Punkt  (Doppel-Infektion)  hat  Ribbert  neuerdings 
Material  am  Menschen  gesammelt. 


Qo      £zp«rim.  Stadien  Aber  die  Darchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Mikroskopisch  zeigt  sich  die  Schleimhautoberflttche  der  taberkulöseii 
Darropartien  völlig  intakt  Der  Prosefis  ist  auf  die  Sabmucosa  beschränkt 
und  hat  hier  sor  Bildung  wohl  charakterisierter  Epithelialtuberkel  geführt, 
die  an  einigen  Stellen  bereits  zentral  verkäsen.    Tb  nicht  auffindbar. 

Resultat:  Primäre  Tuberkulose  der  Prozessusdrüsen,  viel- 
leicht gleichzeitige  Infektion  der  Halsdrüsen.  Für  die  Genese  der 
Darmtuberkulose  haben  sich  keine  sicheren  Anhaltspunkte  ergeben.  Von 
der  Oberfläche  der  Schleimhaut  ist  sie  nicht  ausgegangen,  sie  hat  sich  viel- 
mehr im  Lymphapparat  (der  Submucosa)  gebildet.  Es  mufs  deshalb  an 
einen  retrograden  Transport  von  den  zuerst  befallenen  Lymph- 
drüsen aus  gedacht  werden.  Die  lange  Zeit  bis  zum  Beginn  der  Darm- 
affektion  spricht  wohl  auch  für  diese  indirekte  Entstehung. 

24.  24.  V.  1904.    Junges  p  III,  80  g  schwer,  erhält  0,005  g  Tb. 
Getötet  nach  67  Tagen. 

Resultat:  Fast  völlig  der  gleiche  Befund  wie  im  vorigen 
Fall.  Darmtuberkulose  etwas  weiter  vorgeschritten,  aber  noch 
ohne  Ulcera,  ganz  wenige  Tb  in  den  verkästen  Plaques. 

25.  26.  V.  1904.    Junges  N  I,  80  g  schwer,  erhält  0,005  g  Tb. 
Getötet  nach  16  Tagen. 

Resultat:  Isolierte  Tuberkulose  der  Prozessusdrüsen. 

Die  Befunde  an  den  mit  trocken  verabreichter  Tb- 
Kultur  gefütterten  Neugeborenen  stimmen  völlig  über- 
ein mit  den  bereits  geschilderten.  Aspiration  in  die 
Lungen  mit  ihren  Folgen  war  dabei  ausgeschlossen,  da- 
gegen zeigte  sich  bei  zwei  sehr  spät  (67  und  68  Tage 
nach  der  Fütterung)  getöteten  Tieren  Darmtuberkulose. 
Da  in  den  untersuchten  Plaques,  die  makroskopisch  nicht  tuberkulös 
waren,  weder  in  Quetschpräparaten  noch  in  Schnitten  Tb  sich 
fanden,  auch  sonst  keine  pathologischen  Veränderungen  nach- 
gewiesen werden  konnten,  so  gewinnt  der  oben  ausgesprochene 
Gedanke,  nach  welchem  die  Darmtuberkulose  retrograd 
von  den  affizierten  Lymphdrüsen  aus  entstanden  ist, 
an  Wahrscheinlichkeit. 

Auf  retrograde  lymphogene  Metastasen  von  Bakterien,  Ge- 
schwulstzellen usw.  hat  übrigens  in  letzter  Zeit  Tendeloo  in 
verschiedenen  Veröffentlichungen  aufmerksam  gemacht.  Butter- 
sack ist  für  die  retrograd  entstehende  Bildung  von  Darm- 
geschwüren eingetreten  und  Ribbert  hat  sich  ebenfalls  vor 
kurzem  für  den  retrograden  Transport  der  Tb  durch  den  Lymph- 


V^on  Dr.  Albert  ÜfFenheimef. 

33 

Strom  erklärt.  Ich  setze  mich  mit  dieser  Meinung  in  Wider- 
spruch mit  den  experimentellen  Ergebnissen  Baumgartens 
(dessen  40  Fütterungsversuchen  ich  aber  die  gleiche  Anzahl  ent- 
gegensetzen kann),  erfreue  mich  dagegen  der  Übereinstimmung 
mit  Orth,  Wesener  und  Dobroklonsky. 

Jedenfalls  zeigen  die  immer  wiederkehrenden  Infektionen 
der  Prozessus-  und  anderer  zum  Darm  gehöriger  Drüsen,  ohne 
dafs  der  Darm  selbst  dabei  erkrankt  ist,  dafs  die  Tb  seine 
Schleimhaut  mit  Leichtigkeit  passieren  können.  Tchistovitch 
hat  dies  beim  Menschen  früher  auch  schon  mikroskopisch 
festgestellt.  Die  Tonsillen  des  Meerschweinchens  verhalten 
sich  in  dieser  Beziehung  vollständig  wie  der  Darm.  Ich  habe 
eine  grofse  Anzahl  von  ihnen  in  Serienschnitten  untersucht,  ohne 
auch  nur  einmal  Tb  oder  irgend  welche  tuberkulöse  Veränderungen 
auffinden  zu  können.  Hier  mufs  ich  einschalten,  dafs  die  Ton- 
sille des  Meerschweinchens  sich  anatomisch  ganz  anders  verhält 
wie  die  des  Menschen.  Zu  meiner  Verwunderung  habe  ich  das 
gesuchte  Follikelgewebe  an  keiner  Stelle  in  ihr  finden  können, 
die  Schnitte  zeigen  vielmehr  kleine  Drüsen,  ganz  ähnlich  den 
Speicheldrüsen.  Als  mir  immer  wieder  diese  Befunde  vorkamen, 
konnte  ich  nicht  länger  zweifeln,  dafs  sie  für  das  Meerschweinchen 
typisch  sind.  In  dem  Lehrbuch  der  vergleichenden  mikroskopischen 
Anatomie  der  Wirbeltiere  von  Oppel  allein  fand  ich  später 
eine  Bestätigung  dieser  Wahrnehmungen.  Nach  Oppel  scheinen 
die  Beobachtungen  von  Schmidt  aus  früherer  Zeit  mit  den 
meinigen  vollkommen  übereinzustimmen.  Drews  allerdings  will 
auch  in  den  Tonsillen  des  Meerschweinchens  Mitosen-haltige 
Noduli  gesehen  haben.  Trotz  ihres  differenten  Baues  ist  aber 
offenbar  der  Meerschweinchen-  und  Menschentonsille  doch  die 
Durchgängigkeit  für  den  Tb  gemeinsam.  Über  die  Tonsille  (und 
den  Pharynx)  als  Eingangspforte  für  die  Tuberkulose  beim  Menschen 
liegen  ja  auch  schon  zahlreiche  Arbeiten  vor,  von  denen  ich 
nur  die  letzten  von  Wassermann  und  Ito  hier  ausdrückhch 
erwähnen  möchte. 

Noch  eine  weitere  Stelle  der  Mundhöhle  hat  man  gleichfalls 
als    Eintrittsstelle   für    die   Tb   beschuldigen    wollen.      Stare k, 

Archiv  für  Hygiene.    Bd.  LV.  3 


34      ßxperim.  Studien  über  die  Durchgängigkcit  des  Mageudarmkanalefl  etc 

Körner  und  Partsch  betonen  nämlich  die  grolse  Rolle  der 
Zahncaries  bei  der  Ätiologie  der  Halslymphome.  Insbesondere 
Starck  meint,  dafs  in  Anbetracht  des  Umstandes,  dafs  nicht  nur 
bei  Phthisikern  sondern  auch  bei  sonst  gesunden  Leuten  in 
kariösen  Zähnen  Tb  gefunden  worden  sind,  die  tuberkulösen 
Halslymphome  vielfach  von  kariösen  Zähnen  her  entstehen.  Das 
positive  Material,  das  die  drei  Autoren  beibringen  können,  ist 
aber  sehr  klein.  Das  junge  Meerschweinchen  hat  keine 
kariösen  Zähne  und  doch  erkranken  seine  Halslymph- 
drüsen so  leicht  an  der  Tuberkulose.  Ich  glaube  darnach 
doch,  dafs  wir  uns  im  allgemeinen  lieber  an  die  Durchgängig- 
keit der  Rachenschleimhaut,  vor  allem  der  Tonsille  halten  sollen. 
Ganz  besonders  dürfen  wir  Kinderärzte  aber  Westenhöffer 
nicht  zugeben,  dafs  die  Zahnung  es  ist,  welche  für  die  Tuber- 
kuloseinfektion im  pathologisch  veränderten  Zahnfleisch  (von  dem 
man  seit  Kassowitz's  vorzüglichem  Buch  nicht  mehr  sprechen 
sollte)  durch  Eröffnung  zahlreicher  Lymphgefäfse  im  Munde  den 
Boden  schafft.  — 

Ich  lasse  nunmehr  die  Protokolle  der  mit  Bouillonauf- 
schwemmungen gefütterten  vier  erwachsenen  Tiere  folgen. 
Zwischen  380  und  500  g  schwer,  erhielten  sie  je  0,151  g  Tb,  also 
eine  Dosis,  welche  für  die  Neugeborenen  bereits  als  eine  sehr 
grolse  zu  gelten  hat. 

26.  3.  V.  1904.    Altes  Meerschweinchen  o;,  getötet  nach  7  Monaten. 
Obduktion:     ProzessusdrUsen    stark    geschwellt,    doppelerbsengrors, 

aufserordentlich  derb.  Durchschnitt  weifslich  getrübt,  in  der  Mitte  gelb- 
bräunlich. Keine  Erweichung.  In  Leber  und  Milz  ganz  wenige  graue  miliare 
Tuberkel.  Halsdrüsen  erbsongrofs,  derb,  weifslich,  mit  kleinen  gelben 
Nekroseherden  auf  dem  Durchschnitt.  Tracheal-  und  Bifurkationsdrüsen  auf 
dem  Durchschnitt  ebenso,  aber  nur  linsengrofs.  In  der  Lunge  nur  wenige 
graue  Miliartuberkel. 

Resultat:  Eine  Doppelinfektion  vom  Hals  und  vom  Pro- 
zessus  aus  kann  in  diesem  Fall  kaum  zweifelhaft  sein,  wenn 
man  die  Gröfse  und  das  Aussehen  der  einzelnen  Drüsen  als  mafs- 
gebend  anerkennt. 

27.  3.  V.  11)04.  Altes  Meerschweinchen  J),  spontan  gestorben  nach 
5  Monaten. 

Obduktion:  Tod  erfolgt  an  fibrinös-eitriger  Peritonitis,  Pleuritis,  Peri- 
carditis. 


Von  Dr.  Albert  Üffenheimef.  35 

Fünf  Halsdrüsen  stark  vergröfsert,  bis  über  Olivengröfse,  mit  allen 
Stadien  der  Tuberkulose  bis  zur  Erweichung.  Tuberkulose  der  intrathora- 
calen  Drüsen.  Lungenherdcben.  Miliartuberkulose  der  Lunge,  lieber,  Milz. 
Abdomen  ganz  frei. 

Resultat:  Unzweifelhafte  primäre  Halsdrüsentuberkulose. 

28.  3.  V.  1904.     Altes  Meerschweinchen  %  getötet  nach  92  Tagen. 
Obduktion:  Prozessusdrüsen  gelblich,  etwas  über  erbsengrofs,  schwach 

getrübt.  Eine  Halsdrüse  haselnufskerngrofs  mit  grofser  Käsehöhle  im  Innern, 
andere  Halsdrüsen  schwach  vergröfsert.  Trachealdrüse  von  normaler  Gröfse, 
kaum  getrübt. 

Mikroskopisch:  Prozessusdrüse  zeigt  gut  ausgebildete  Epitheloid- 
zellentuberkel  mit  zahlreichen  Riesenzellen.  Es  gelingt  nicht,  Tb  nach- 
zuweisen. Die  Tuberkel  sind  aufserordentlich  deutlich  gegenüber  der  nor- 
malen Umgebung  abgegrenzt. 

Resultat:  Gleichzeitigeinfektion  vom  Prozessusund  Hals  aus. 

29.  3.  V.  1904.    Altes  Meerschweinchen  ;f,  getötet  nach  29  Tagen. 
Obduktion:   Processusdrüsen  doppelt  erbsengrofs,  stark   getrübt.     Im 

Innern  weifslichgelbliche  Herdchen.  Beginn  der  Verkäsung.  Die  übrigen 
zum  Darm  gehörigen  Lymphdrüsen  schwächer  erkrankt.  Halsdrüsen  etwas 
geschwellt,  bis  Linsengröfse,  deutlich  getrübt.  Auf  dem  Durchschnitt  kleine 
weifsliche  Herdchen.     Trachealdrüsen  unter  liosengrofs,  schwach  getrübt. 

Resultat:  Wahrscheinlich  gleichzeitige  Infektion  vom  Pro- 
zessus  und  Hals  aus. 

Diese  au  den  vier  Alten  vorgenommenen  Fütterungsversuche 
ergeben  eine  aufserordentliche  Übereinstimmung  mit  denen  der 
Neugeborenen.  Die  überaus  langsam  und  gutartig  verlaufenden 
Erkrankungsformen  machen  es  zur  Gewifsheit,  dafs  die  verfütterte 
Dosis  derjenigen  nahekommt,  mit  welcher  keine  Infektion  mehr 
zu  erzielen  ist  und  lassen  anderseits  vollgültige  Rückschlüsse 
auf  den  Infektionsort  zu.  Auch  hier  sitzt  wieder  in  einem  Fall 
der  Primärherd  in  den  Halsdrüsen,  und  in  den  drei  übrigen 
Fällen  ist  eine  gleichzeitige  Infektion  von  der  Mundhöhle  und 
vom  Processus  vermiformis  aus  kaum  zu  bezweifeln.  Der  Tb 
geht  demnach  ebensogut  durch  die  Schleimhäute  der 
alten  wie  der  jungen  Meerschweinchen  hindurch,  es 
handelt  sich  lediglich,  dem  verschiedenen  Alter  und 
der  verschiedenen  Schwere  der  Tiere  entsprechend, 
um  Unterschiede  in  der  Gröfse  der  zur  Infektion  erforder- 
lichen Dosen. 

Es  wird  übrigens  von  Interesse  sein,  zu  erfahren,  dafs  von 
der  Darmwand  des  erwachsenen  Meerschweinchens  vor  30  Jahren 


3ß       Experim.  Studien  über  die  Darchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

von  Wesen  er  eine  Ansicht  ausgesprochen  wurde,  die  dem  von 
Behring  für  die  Neugeborenen  aufgestellten  Satz  aufserordentlich 
nahekommt.  Wesener  sagt:  >Es  ist  jedoch  nicht  aufser  acht 
zu  lassen,  dafs  wie  den  andern  im  Darmkanal  enthaltenen  zahl- 
reichen Organismen,  so  auch  den  Tuberkelbazillen  gegen- 
über die  Darmwand  vielleicht  als  Filter  wirkte  Also 
hier  wie  dort  die  Annahme,  dafs  der  Darm  den  Bazillen  gegen- 
über ein  Filter  vorstelle.  £ine  andere  Auffassung  liegt  aber  viel- 
leicht näher. 

Man  rufe  sich  nur  ins  Gedächtnis  zurück,  wie  unregelmäfsig 
in  der  Zeit  vor  der  Entdeckung  des  Tb  durch  Robert  Koch  die 
Fütterungsversuche  ausfielen.^)  Als  jedoch  1884  Baumgarten 
mit  Tb  (»aus  gequetschten  Tuberkelmassen c)  versetzte  Milch  ver- 
abreichte, gelang  es  ihm  stets,  vom  Intestinaltrakt  ausgehende 
Tuberkulose  zu  erzielen.  Es  kommt  also  tatsächlich  nur  darauf 
an,  dafs  virulente  Tb  in  genügender  Menge 2)  verfüttert  werden, 
um  regelmäfsig  bei  alten  wie  jungen  Meerschweinchen  Tuberkulose 
zu  erzielen.  Bei  diesem  Sachverhalt  scheint  es  vielmehr  an- 
gemessen, sich  zu  erinnern,  dafs  in  der  Skala  der  Empfindlich- 
keit gegen  den  Tb  diese  Tierspezies  obenan  steht  (v.  Behring), 
und  es  liegt  somit  vielleicht  der  Gedanke  nahe,  dafs  die  Darm- 
wand des  Meerschweinchens  eben  in  besonderer  Weise  durch- 
lässig ist  für  den  Tb,  oder,  um  das,  was  mir  vorschwebt,  klarer 
auszudrücken:    Je   gröfser   die   natürliche    Disposition') 


1)  Dabei  waren,  wie  z.  B.  an  Orths  Experimenten  nachgewiesen  wurde, 
gerade  an  den  positiven  Resultaten  oft  genug  Fehler  in  der  Versuchs- 
anordnung  schuld  (Verletzungen  beim  Kauen  der  verkalkten  Perlsocht- 
massen). 

2)  Nach  unten  hin  dürften  wir  —  wie  aus  den  Protokollen  zn  ersehen  — 
wie  bei  den  erwachsenen,  so  auch  bei  den  neugeborenen  Meerschweinchen 
der  Menge  nahe  gekommen  sein,  die  bei  einmaliger  Verf  ütterung  eben  noch 
zur  Infektion  führt. 

3)  Allgemein  hat  Grawitz  1901  ausgesprochen,  das  Eindringen  der  Tb 
setze  > Disposition«  voraus,  wie  beispielsweise  die  Noma-Erreger  besonders 
bei  schwächlichen  Kindern,  die  Gangränerreger  beim  Diabetiker.  Weiterhin 
kann  auf  die  von  Perez  gefundene  wichtige  Erscheinung  hingewiesen 
werden,  dafs  Bakterien  aus  den  Drüsen  weniger  empfänglicher  Tiere  rascher 
verschwinden  als  aus  denjenigen  der  sehr  empfänglichen  Tiere. 


Von  Dr.  Albert  Üffenheimer.  '^  • 

einer  Tierart  für  die  Tuberkulose  ist,  desto  weniger 
Sehutzkraft  vermag  der  Darm  eben  dieser  Spezies 
gegen  das  Eindringen  des  Tb  auszuüben. 

Die  völlig  differenten  Ergebnisse  unserer  Milzbrand-  und 
Tuberkelbazillen- Versuche  (die  sicher  nicht  allein  durch  Resistenz- 
unterschiede der  Bakterien  den  Verdauungssäften  gegenüber  er- 
klärt sind  —  Falck,  Baumgarten,  Fischer)  weisen  mit  allem 
Nachdruck  auf  ein  solches  Gesetz  hin. 

Nachdem  durch  die  vorausgehenden  Untersuchungen  fest- 
gestellt war: 

1.  dals  sich  Fütterungstuberkulose  auch  nach  einmaliger 
Verabreichung  geringer  Tb-Mengen  regelmälsig  erzielen  lasse, 
und  nachdem 

2.  die  gewöhnlichen  Infektionspforten  gefunden  waren,  galt 
es,  durch  frühzeitige  Tötung  nach  der  Fütterung,  Untersuchungs- 
material zu  sammeln  über  das  Verhalten  des  frisch  dem  Magen- 
darmschlauch einverleibten  Tb  den  verschiedenen  Geweben  gegen- 
über. Hierüber  mulsten  uns  belehren :  anatomische  Untersuchungen 
des  Darmkanals  selbst  und  der  Tb-Nachweis  im  Blut  und  in  den 
verschiedenen  Lymphdrüsen  des  Körpers.  Wo  derselbe  weder 
durch  Quetsch-  noch  durch  Schnittpräparate  zu  erzielen  war,  wurde 
zur  Weiterverimpfung  auf  den  Meerschweinchenkörper  gegriffen. 
Gerade  auf  die  Lymphdrüsen  wandte  ich  deshalb  mein  Augen- 
merk, weil  sie  ja  erfahrungsgemäls  in  den  Körper  eingedrungene 
xMikroben  zurückhalten,  und  weil  aus  den  vorausgehenden  Unter- 
suchungen  hervorging,  dafs  sie  zuerst  von  der  Tuberkulose  be- 
fallen werden.  Es  lag  sehr  im  Bereich  der  Wahrscheinlichkeit, 
dafs  einzelne  Tb  aufserordentlich  schnell  in  das  Blut  und  die 
Lymphe  übergehen  könnten.  Nicolas  und  Des  cos  haben 
nämlich  in  3  ganz  kurzen  Veröffentlichungen,  denen  leider  keine 
genaue  Schilderung  der  Experimente  beigegeben  ist,  festgestellt, 
dafs  sie  schon  3  Stunden  nach  Verabreichung  grofser  Tb-Mengen 
einzelne  Exemplare  durch  Färbung  wie  durch  den  Tierversuch 
im  Ductus  thoracicus  nachweisen  konnten.  Es  interes- 
sierte mich  also  besonders  die  Frage,  ob  in  den  Drüsen  früh- 
zeitig Tb  zu  finden  seien  und  wenn  ja,   ob  die  eingedrungenen 


40 

Experim.  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

gehörigen  Drüse  fand  ich  ebenfalls  keine  Tb  Auch  in  der  Tonsille 
liefsen  sieh  nirgends  Tb  erkennen.  Von  o  II  wurden  2  Meer- 
schweinchen mit  Blut  und  Mesenterialdrüse  geimpft. 

5.  29.  III.  1904,  Jnnges  ^  I,  50  g  schwer,  1  Tag  alt,  erhält  0,075  g  Tb. 
Getötet  nach  37i  Standen. 

Im  Magen  des  Tieres  (Schnitte  von  den  verschiedensten  Ge- 
genden) glaubte  ich  zuerst  das  Durchtreten  zahlreicher  Tb  durch 
die  Schleimhaut  bemerken  zu  können;  es  erwies  sich  aber  bald, 
dafs  ich  durch  künstlich  in  die  Schnitte  hineingeschwemmte, 
aus  dem  Magenhohlraum  stammende  Bazillen  getäuscht  worden 
war.^) 

An  mehreren  (sehr  wenigen)  Orten  jedoch  sah  ich  auch  in 
diesem  Präparate  Tb,  die  allem  Anschein  nach  wirklich  ins 
Schleimhautepithel  eingedrungen  waren.  So  lag  an  einer  Stelle 
ein  Bazillus  direkt  neben  dem  Kern  im  Protoplasma 
einer  Epithelzelle,  beim  Verschieben  der  Mikrometerschraube 
genau  in  gleicher  Höhe  mit  dem  optischen  Querschnitt  des  Kernes. 
Auch  im  Dickdarm  konnten  mehrmals  einzelne  ins 
Int  er  stitium  zwischen  2  Epithelzellen  eingedrungene 
Tb  wahrgenommen  werden. 

Schnitte  durch  die  Cöcal-  und  Prozessusdrüsen  ergaben 
aber  noch  ein  völliges  Freisein  derselben  von  Tb  (stets  Serien- 
schnitte). 

n.  Reihe.   Trockene  VerfÜtterung  der  Tb. 

6.  24.  y.  1904.  Junges  q  I,  60  g  schwer,  1  Tag  alt,  erhält  0,005  g  Tb. 
Getötet  nach  9  Tagen. 

Drüsenverändernngen  noch  nicht  charakteristisch. 

Blut  und  Drüsen  an  5  Meerschweinchen  weiter  verimpft. 

7.  24.  V.  1904.  Junges  p  II,  80  g  schwer,  30  Stunden  alt,  erhält 
0,005  g  Tb.    Getötet  nach  6V,  Tagen. 


1)  Ich  konnte  nämlich  deutlich  beobachten,  wie  durch  den  Druck  des 
Immersions  Objektivs  auf  das  Deckglas  —  bei  noch  nicht  erstarrtem  Kanada- 
baisam  —  Bazillenhäufchen  und  Einzelexemplare  des  Tb  langsam  aus  dem 
Lumen  in  den  Schnitt  selbst  hineinschwammen.  Um  solche  Zufälle  zu  ver- 
meiden, habe  ich  später  die  Mägen  und  Därme  gleich  nach  der  Sektion  für 
kurze  Zeit  in  kochendes  Wasser  geworfen  (Erstarren  der  Lymphe),  teils  in 
Celloidin  eingebettet  und  die  Untersuchung  der  Präparate  erat  nach  dem 
Trocken  worden  des  Kanadabalsams  vorgenommen. 


41 
Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 

Aasstrich  Präparate  aus  Magen-  und  Darminhalt:  keine  Tb. 

Quetschpräparate  von  Dünndarmdrüse:  keine  Tb. 

Blut  und  Drüsen  an  4  Meerschweinchen  weiter  verimpft. 

8.  17.  IX.   1904.    Junges   f  IV,   80  g  schwer,    l»/*  Tag  alt,    erhält   sehr 
grofse  Mengen  Tb  (mindestens  0,3  g). 
Getötet  nach  5  Tagen. 

In  Quetschpräparaten  einerLeber hilu 8- (Pylorus-) 
Drüse  gelingt  der  Nachweis  eines  sicheren  Tb.  In 
Präparaten  aus  drei  kleinen  Netzdrüsen  wird  eben- 
falls ein  sicherer  Tb  nachgewiesen. 

Hier  ist  der  Ort,  einzusehalten,  dafs  (wie  ich  mich  durch 
zahlreiche  Untersuchungen  an  normalen  Tieren  überzeugt  habe) 
sowohl  diese  Drüschen  am  Netz  wie  auch  die  kleine  Drüse  am 
Cöcura  bei  allen  jungen  Meerschweinchen  vorhanden  ist.  Es 
handelt  sich  nicht  —  wie  man  nach  den  Behringschen 
Mitteilungen  wohl  annehmen  mufs^)  —  um  durch  die 
Tätigkeit  des  Tb  hervorgerufene  Neubildungen,  Ich 
habe  auch  von  solchen  Knötchen  verschiedentlich 
Serien  angelegt  und  hierbei  gesehen,  dals  sie  völlig 
wie  Lymphdrüsen  gebaut  sind. 

9.  u.  10.  20.  V.  1904.  Junges  b  I  und  H,  je  70  g  schwer,  V*  Tag  alt 
erhalten  0,005  und  0,009  g  Tb.  Sie  starben  spontan  an  Sepsis*)  nach 
37i  resp.  5 Vi  Tagen. 


1)  >  Wenige  Tage  später  . . .  submiliare  Verdickungen  im  kleinen  und 
grofsen  Netz,  mit  Tb,  sowie  kleine  Knötchen  an  einer  dem  Blinddarm  nahe- 
gelegenen Stelle  der  Mesenterialwurzel.« 

2)  Die  Mutter  dieser  beiden  Tierchen  starb  am  24.  V.  1904  an  Sepsis 
(Peritonitis  mit  jauchigem  Exsudat.  Starke  Trübung  des  Leberparenchyms. 
Riesige  Infektionsmilz.  Nephritis.  Adhäsivpleuritis.  Pneumonie).  Da  sich  bei 
den  Obduktionen  der  Jungen  (von  denen  das  eine  gleichzeitig  mit  der 
Mutter  starb,  das  andere  2  Tage  später)  ganz  gleichartige  Veränderungen 
fanden,  so  untersuchte  ich  die  drei  Fälle  darauf,  ob  etwa  eine  Infektion  der 
Neugeborenen  durch  die  Säugung  nachzuweisen  war. 

Es  gelang  mir  aus  verschiedenen  Organen  der  drei  Tiere  ana6robe 
Stäbchen  rein  zu  züchten,  die  ich  nicht  näher  bestimmen  konnte,  deren 
Aussehen  auf  den  Kulturen  jedoch  nicht  völlig  identisch  war.  Aufserdem 
wuchsen  aus  den  Organen  der  Jungen  und  Alten  zur  Coli-Gruppe  gehörige 
Stäbchen.  Die  Untersuchung  der  Milchdrüsen  der  Alten  nach  verschiedenen 
Färbungsmethoden  (auch  Gram)  ergab  völliges  Freisein  der  Drüse  von  M 
kroben.     Auch  in  den  noch   sehr  viele  Milchkügelchen  enthaltenden  Milch- 


^^        Ezperiiu.  Studien  über  die  Durcbgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Qaettfch Präparate  aas  verschiedeiien  Organen,  antersacbt  auf  Tb : 
negativ. 

11.,  12.,  13.  20.  V.  1904.  Jauge  1  I,  1  H.  1  UI,  65,  65  and  60  g  schwer, 
10  Standen  alt,  erbalten  0,014—0,0*27  and  0,025g  Tb.  Sie  gingen  spon- 
tan ein  und  zwar  1  II  kurz  nacb  der  FQttemng  an  septiscber  Pneumonie, 
die  beiden  anderen  4  Tage  später,  wahrscbeinlicb  an  Lebensscbwäcbe.  Denn 
die  Obduktionen  ergaben  nichts  Pathologisches. 

Die  von  den  Drüsen  angelegten  Quetsch präparate  enthielten  bei  allen 
drei  Tieren  keine  Tb.  Im  Mageninhalt  von  1 II  waren  noch  zahlreiche  Tb, 
dagegen  noch  keine  solchen  in  dem  Streptokokken  haltigen  Cöcum.  Das 
Tier  mufs  demnach  sehr  schnell  nach  der  Fütterung  (abends  vorgenommen^ 
gestorben  sein. 

14.  17.  IX.  1904.  Junges  f  III,  80  g  schwer,  1*/«  Tage  alt,  erhält  grofse 
Mengen  Tb  (mindestens  0,3  g).    Getötet  nach  3  Tagen. 

Quetsch  präparate : 

a)  kleines  Netzknötchen  enthielt  wenige  sichere  Tb. 

b)  Leberhilusdrüse:  zwei  sichere  Tb. 

c)  DrüBchen  im  vom  Leberbilus  'zum  Zwerchfell  hinaufführenden 
Bindegewebe  gelegen :  keine  Tb. 

d)  Halsdrüse:  keine  Tb. 

e)  Trachealdrüse :  keine  Tb. 

f)  Tonsille:  vielerlei  Mikroben,  aber  keine  Tb. 

g)  Drüschen  aus  dem  kleinen  Netz:  keine  Tb. 

15.  17.  V.  1904.  Junges  f  I,  100  g  schwer.  V,  Tag  alt,  erhält  0,029  g  Tb. 
Getötet  nach  3  Tagen. 

Im  Magen  keine  Tb  mehr,  in  Processus  vermiformis  noch  vereinzelte 
Exemplare. 

Quetschpräparate  von  Omentumdrüse :  keine  Tb. 

Blut  und  Drüsen  aus  Meerschweinchen  weiter  verinipft 

Die  Ergebnisse  dieser  anatomischen  Untersuchungen 
sind:  Bei  Verfütterung  sehr  grolser  Mengen  von  Tb 
finden  sich  einzelne  Exemplare  schon  nach  wenigen 
Tagen  in  Drüschen  des  Netzes  und  des  Leberhilus.  Bei 
Aufnahme  kleinerer  Tb-Mengen  in  den  Darm  mils- 
lingt  aber  in  dieser  Zeit  der  anatomische  Nachweis 
der  Tb  in  den  Drüsen.  Der  Durchgang  der  Tb  durch 
den  Magendarmkanal  geht  wahrscheinlich  sehr  rasch 

gangen  waren  nirgends  Bakterien  zu  sehen.  Eine  Ansteckung  der  Jungen 
durch  die  Säugung  konnte  also  nicht  nachgewiesen  werden;  eher  liefse  sich 
hier  an  eine  perkutane  Infektion  von  der  Nabelwunde  aus  denken,  wie  sie 
von  Gefsner  und  neuerdings  (in  einem  Münchener  Vortrag)  auch  von 
Behring  vertreten  wird. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  ^3 

nach  der  Fütterung  vor  sich.  An  einzelnen  Stadien 
des  Durchgangs  konnten,  zumeist  am  Cöcum  und 
Processus  vermiformis,  festgestellt  werden: 

1.  Einbettung  der  Tb  in  die  obere  Schleimschicht 
des  Epithels,  vorhergehendes  (?)  Zurückweichen 
der  Schleimhaut  vor  dem  Tb. 

2.  Aufnahme  in  Epithelzellen  selbst  oder  in  das 
Interstitium  nebeneinander  liegender  Zellen. 

Weitere  Stadien  der  Durchwauderung  kamen  nicht  mehr  zur 
Beobachtung. 

Eine  Reizung  der  Darmschleimhaut  durch  die  Tb  selbst 
habe  ich  nie  gesehen.  Die  Art  und  Weise,  wie  Nebelthau 
das  Verhalten  der  Tb  im  Darm  gröfserer  Versuchstiere  studierte, 
entspricht  gar  nicht  den  natürlichen  Verhältnissen.  Durch  die 
zur  Isolierung  der  Dünndarmschlingen  notwendige  Abklemmung 
mittels  Kautschukschläuchen  wurden  ganz  abnorme  Zirkulations- 
bedingungen gesetzt,  und  es  bezeugen  auch  manche  Notizen  von 
Nebelthau  selbst,  dafs  nach  Ablauf  gewisser  Zeit  arge  patho- 
logische Veränderungen,  von  der  entzündlichen  Hyperämie  bis 
zur  nekrotischen  Geschwürsbildung  und  diphtheritischen  Belägen, 
eingetreten  sind  (a.  a.  0.  S.  584/85). 

Die  „EnStchenlunge^^ 

Was  ich  bis  jetzt  berichten  konnte,  sind  gesicherte  Resultate, 
der  letzte  Teil  dieses  Kapitels  beschäftigt  sich  dagegen  mit  Be- 
funden, die  eine  ganz  zweifelsfreie  Erklärung  noch 
nicht  zulassen,  die  aber  wegen  ihrer  Merkwürdig- 
keit einer  ausführlichen  Erörterung  wert  sind. 

Es  sind  Befunde,  welche  ich  an  denjenigen  Meer- 
schweinchen machte,  die  mit  Blut  und  Drüsen  vor  kurzer 
Zeit   mit  Tb   gefütterter   Neugeborner  geimpft    wurden. 

Das  Blut  wurde  mit  all  den  bei  den  Milzbrandversuchen 
Nr.  11  und  12  geschilderten  Kautelen  dem  Herzen  des  narkoti- 
sierten Tieres  entnommen,  darnach  wurde  das  Tier  getötet.  Hierauf 
schritt  ich  zur  Ablösung  der  einzelnen  Drüsen.     Diese  wurden 


^      Experim.  Studien  aber  die  Darcbgängigkeit  des  MagendarmkanaleB  etc. 

dann  gesunden  Meerschweineben  unter  die  Bauehhaut  eingenäht, 
das  Blut  wurde  aus  der  Spritze,  mit  der  es  dem  Herzen  ent- 
nommen war,  subkutan  unter  die  Bauehhaut  injiziert. 

Die  ersten  Obduktionen  der  so  behandelten  Tiere,  die  ich 
vornahm,  ergaben  glatte  Resorption  an  der  Impfstelle  und  keine 
Organveränderungen.  Bald  aber  zeigten  sich  —  wenn  eine 
längere  Zeit  nach  der  Impfung  verstrichen  war  —  eigenartige 
Knötchen  in  den  Lungen,  die  um  so  gröfser,  resp.  zahlreicher 
wurden,  je  mehr  Zeit  zwischen  Impfung  und  Tötung  gelegen 
war.  Eine  nochmalige  Durchmusterung  der  früher  obduzierten 
Tiere,  bei  denen  das  ungeübte  Auge  damals  noch  alles  normal 
befunden  hätte,  zeigte  dann  bei  dem  noch  vorhandenen  Material 
(z.  B.  bei  Meerschweinchen  33t  und  31)  ebenfalls  eine  solche 
Knötchenbildung  im  früheren  Stadium.  Ehe  ich  eine  genaue 
Beschreibung  hiervon  gebe,  lasse  ich  eine  Übersicht  über  die  so 
behandelten  Tiere  folgen.  Ihre  Aufzählung  richtet  sich  nach 
dem  zwischen  Impfung  und  Tötung  vergangenen  Zeitraum 
(Rubrik  4  der  Tabelle). 

(Folgt  Tabelle  aaf  S.  46—49.) 

Wie  aus  den  Obduktions- Protokollen  hervorgeht,  zeigten 
sich  in  den  anfänglichen  Stadien  ganz  kleine  an  der  Grenze  der 
Sichtbarkeit  stehende  runde  Knötchen,  die  graudurchsichtig  waren. 
Mit  dem  weiteren  Fortschreiten  des  Prozesses  nahmen  sie  an  Um- 
fang zu,  häufig  wurden  sie  hirsekorngrofs,  wuchsen  gelegentlich 
auch  noch  darüber  hinaus.  Bei  solcher  Entwicklung  zeigten  sie 
ein  graues  Aussehen,  überragten  auf  dem  Durchschnitt  die  Schnitt- 
fläche  etwas  und  hatten  einige  Ähnlichkeit  mit  den  grauen 
Tuberkeln  (vgl.  Fig.  1),  doch  zeichneten  sie  sich  durch  eine 
gröfsere  Transparenz  vor  diesen  aus. 

Dafs  diese  Knötchen  ^)  tuberkulöser  Natur  sein  könnten,  war 
von  vorn  herein  anzuzweifeln,  denn  es  fehlte  regelmäfsig  eine 
lokale  Erkrankung  der  Impfstelle,  die  im  Experiment  nie  ver- 
mifst  wird. 


1)  Der  Kürze  halber  spreche  ich  weiterhin   nur  von  »Knötchen«  nnd 
» Knötcbenlunge« . 


Von  Dr.  Albert  Üflenheimer. 


4t>        Kxperim.  Studien  über  (He  Durch gän^igkeit  deR  Magendarmkanales  etc. 


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Dennoch  genügte  natürlich  dieser  Umstand  nicht  zur  Ab- 
lehnung einer  durch  die  Impfung  entstandenen  tuberkulösen  Er- 
krankung. Ich  nahm  deshalb  zunächst  histologische  Unter- 
suchungen der  eigenartigen  Gebilde  vor.  Für  dieselben  schnitt 
ich  diejenigen  Lungenstückchen,  welche  die  gröfsten  Knötchen 
enthielten,  aus  und  verarbeitete  sie  zu  Schnittserien.  Auf  Tb 
färbte  ich  nach  Ziehl-Neelsen,  24  Stunden  lang  im  kalten 
Karbolfuchsin,  doch' wandte  ich  —  um  völlig  sicher  zu  gehen 
—  allerlei  Modifikationen  an.  Ich  kann  als  Resultat  der  aufser- 
ordenüich  zahlreichen  Untersuchungen  (fast  von  jedem  Tier  ver- 
arbeitete ich  ein  oder  mehrere  Lungenstückchen  in  Serien)  sum- 
marisch berichten,  dafs  sich  niemals  Tuberkelbazillen  in 
den  Knötchen  gefunden  haben.  Der  histologische  Aufbau, 
von  dem  ich  später  spreche,  führte  ebenfalls  zur  Verwerfung 
einer  tuberkulösen  Erkrankung. 

Ich  machte  noch  weiterhin  den  Versuch  der  Übertragung 
knötchenhaltiger  Teile  auf  neue  Tiere.  So  impfte  ich  ein  Meer- 
schweinchen (69)  mit  vielen  Knötchen  der  Lunge  des  Meer- 
schweinchens U  intraperitoneal.  Nach  9  Monaten  zeigte 
das  neugeimpfte  Tier  nirgends  eine  Spur  von  Tuber- 
kulose, wohl  aber  zu  meiner  gröfsten  Überraschung  zahl- 
reiche kleine  Knötchen  von  genau  der  gleichen  Art  wie 
die  früher  verimpften  in  seiner  Lunge. 

Lungenknötchen  des  Meerschweinchens  S  brachte  ich  in  die 
vordere  Augenkammer  eines  neuen  Meerschweinchens  (107)und  eines 
Kaninchens  hinein.  Eine  örtliche  Tuberkulose  ist  auch 
darnach  nicht  eingetreten.  Die  Tötung  und  Obduktion  der 
Tiere  will  ich  erst  in  mehreren  Monaten  vornehmen,  um  mich 
dann  überzeugen  zu  können,  ob  auch  bei  ihnen  Knötchen  in 
den  Lungen  entstanden  sind.  Aufserdem  machte  ich  bei  den 
am  längsten  am  Leben  gelassenen  Tieren,  die  im  ganzen  bei 
der  Obduktion  die  zahlreichsten  und  gröfsten  Knötchen  zeigten, 
Tuberkulin- Injektionen. 

Sowohl  bei  Meerschweinchen  %  wie  bei  S  trat  nach  Einspritzung 
von  0,3  ccm  Neu-Tuberkulin  nicht  die   geringste  Reaktion  ein, 


Von  Ür.  Albert  Üffenheimei'.  51 

mit  Ausnahme  eiuer  mäfsigen  Gewichtsabnahme,  die  sich  in 
gleichem  Mafse  bei  den  Eontrolltieren  zeigte.  (30.  I.  05.) 

Ganz  ebenso  wenig  reagierten  die  Tiere  a  I,  er  II  und  y  I  auf 
die  Injektion  von  0,5  ccm  Alt-Tuberkulin  (am  14.  II.  05)  und 
späterhin  (am  28.  II.  05)  (7 1,  a  II  und  93  auf  die  riesige  Menge 
von  2,5  resp.  3  ccm  Alt-Tuberkulin.  Nur  bei  y  I  und  %  wiesen  bei 
der  Obduktion  (nach  Tötung  mit  Chloroform)  einige  der  grauen 
Knötchen  einen  roten  Hof  auf,  entstanden  durch  Eapillar- 
hyperämie.  Nach  all  diesen  Befunden  darf  wohl  mit  Sicher- 
heit ausgesprochen  werden,  dafs  die  Knötchen  keine 
tuberkulösen  Bildungen  sind. 

Nun  ist  uns  zur  Genüge  bekannt,  dafs  auch  tote  Tuberkel- 
bazillen Knötchenbildungen  erzeugen  können  (Römer),  nach 
Marcantonio  soll  das  Serum  und  das  defibrinierte  Blut  mit 
experimenteller  akuter  Miliartuberkulose  behafteter  Tiere  auch 
nach  Filtration  durch  das  Chamberlandsche  Filter  bei  intraperi- 
tonealer oder  subkutaner  Impfung  in  Lunge,  Leber  und  Milz 
tuberkuliforme  Herde  (ohne  Bazillen  und  Riesenzellen)  hervor- 
bringen. Bei  intraperitoneal  geimpften  Meerschweinchen  soll  es 
typische  Lebertuberkel  hervorrufen  können,  ebenso  erzeugen  die 
in  Äther  resp.  Chloroform  gelösten  Bestandteile  der  Tb  nach 
dem  gleichen  Autor  resp.  nach  Auclair  gewisse  Veränderungen, 
wie  wir  sie  bei  Tuberkulose  zu  sehen  gewohnt  sind. 

Allen  diesen  Veränderungen  ist  aber  gemeinsam,  dafs  sie 
denen  der  echten  experimentell  erzeugten  oder  unter  den  natür- 
lichen Verhältnissen  entstandenen  Tuberkulose  äufserst  ähnlich 
sind.  Bei  unseren  Knötchen  dagegen  handelt  es  sich  um  ganz 
differente  Bildungen.  Denn  sie  stellen  histologisch  nichts 
anderes  dar  als  aufserordentlich  grofse  Lymphknöt- 
chen,  die  eine  ganz  auffallende  Tätigkeit  zeigen. 

Wir   finden    nämlich    (vgl.    Fig.    7)    bei    gewöhnlich    recht 

weiten  Kapillaren  der  Umgebung  Anhäufung  von  Zellen,   deren 

Kerne   zumeist  grofs,   hell,  wie  aufgeblasen,   sehr  chromatinarm 

sind ;  bei  manchen  Kernen  sammelt  sich  das  Chromatin  am  Rande 

an;    wir   sehen    ferner  als  etwas  besonders  Charakteristisches  in 

grofser  Anzahl  Kemteilungsfiguren    in  allen  Stadien.     Auch  auf 

4* 


eine  öftere  Anweäenheii  zahlreicher  eotsiiioC'hiler  Zeüen  in  solchen 
Knj^tcben  uzA  den  nahegelegenen  BIuigefiJLisen  bin  ich  aofmerk- 
sam  geworden  —  ob  es  sich  aber  cm  eine  konstante  Begleic- 
ersoheinong  handelt,  kann  ich  hente  noch  nicht  sagen.  Das 
Knjjtchen  vermag  bei  dieser  reichen  Tätigkeit,  wie  erwähnt,  bis 
über  MilinmgrO&e  anzuschwellen  and  in  den  exqoisiten  Fällen 
finden  sich  die  Langen  (am  stärksten  zumeist  die  Unieriappen) 
wie  übersät  von  den  kleinen  Knötchen  •  Fig.  3  and  5  im  Gegen- 
satz zu  Fig.  2  und  4j.  — 

Als  ich  sicher  zu  sein  Raubte,  dals  die  Knötchen  Ansamm- 
langen  von  L^rmphelementen  seien,  stellte  ich  mir  die  Frage,  ob 
und  in  welcher  Weise  solche  in  der  normalen  Lunge  verteilt 
seien. 

Ich  habe  deshalb  bei  zahlreichen  Meerschweinchen  Serien- 
untersuchungen von  Lungenstücken  vorgenommen,  bei  ganz  nor- 
malen Tieren  sowohl,  wie  bei  solchen,  die  einer  Infektion  erlegen 
waren  oder  eine  solche  überstanden  hatten^).  Ich  fand  in  allen 
untersuchten  Lungen  kleinste  Ansammlungen  von  Lymphelementen 
imd  zwar  ebensowohl  bei  jungen  wie  bei  heranwachsenden  und 
alten  Tieren.  Bei  den  neugebomen  sind  sie  ganz  klein,  schein- 
bar auch  spärlicher  als  bei  älteren  Tieren,  mit  dem  fortschreiten- 
den Wachstum  tritt  eine  gewisse  Vergrölserung  und  Vermehrung 
ein.  Dies  adenoide  Gewebe  hat  seine  Prädilektionsorte  direkt 
unter  der  Pleura,  im  penbronchialen  Gewebe  und  in  der  Scheide 
kleiner  Blutgefäfse.  Sein  enger  Zusammenhang  mit  dem  Gefäfs- 
system  geht  auch  daraus  hervor,  dafs  man  die  Gebilde  sehr  häutig 
von  kleinen  und  kleinsten  Arterien  durchbohrt  findet 

Der  mikroskopische  Bau  derselben  ist  gleich  dem  eines  jeden 
Lymphknötchens.  Abbildung  6  zeigt  sehr  gut  die  Zusammen- 
setzung eines  sehr  grofsen  Konglomerates  vom  Lymphendothelien 
aus  einer  normalen  Meerschweinchenlunge.     Man  sieht  dort  stark 


1)  Ich  nahm  zar  Untersachang  stets  solche  StQcke,  in  denen  dem  ma- 
kroskopischen Anblick  zufolge  sich  die  grOfsten  Knötchen  befanden.  Darch 
Übang  brachte  ich  es  so  weit,  noch  allerkleinste  »stecknadelspitsgrofsec 
Knötchen  za  erkennen.  Aaf  Details  darf  ich  hier  nicht  eingehen,  hoffe 
aber  später  in  aasführlicher  Weise  dies  Thema  umfassen  zo  können. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheinier.  r^3 

chromatinhaltige,  gleichmäfsig  aussehende  Zellen,  die  kaum  etwas 
von  einer  gröfseren  Tätigkeit  erkennen  lassen. 

In  den  Lehrbüchern  der  Zoologie  und  der  vergleichenden 
Anatomie  konnte  ich  wenig  Bemerkenswertes  über  diese  Lymph- 
organe der  Lunge  finden. 

Dennoch  sind  sie  schon  seit  ziemlich  langer  Zeit  beschrieben 
worden.  Über  die  mit  der  Bronchialwand  in  inniger  Beziehung 
stehendenLymphorganehabenBurdon-SandersonjC.  A.  Rüge, 
Klein,  Friedländer,  Schottelius  und  Frankenhäuser 
berichtet.  Arnold  und  Lud  er  s  machten  vor  allem  auf  das 
subpleural  liegende  lymphatische  Gewebe  der  Lunge  aufmerksam, 
und  bei  Ribbert,  neuerdings  beiSawada,  bilden  die  Knötchen 
einen  wesentlichen  Punkt  bei  der  Entstehung  der  hämatogenen 
Miliartuberkulose  der  Lunge. 

Über  die  Deutung  derselben  ist  man  nicht  immer  einig  ge- 
wesen, sie  sind  ebenso  als  normale  Bestandteile  angesehen  worden, 
wie  >als  pathologische  Produkte  oder  aber  als  mehr  zufällige  und 
unwesentliche  Gebilde,  c 

Heute  können  wir  es  als  gesichert  betrachten  —  und  für  das 
Meerschweinchen  bieten  auch  meine  Untersuchungen  eine  Stütze 
—  dafs  man  die  Anwesenheit  der  lymphatischen  Elemente  in  der 
Lunge  als  etwas  ganz  Normales  ansprechen  darf.  Aber  der  be- 
sonders durch  Arnolds  Arbeiten  errungene  Standpunkt,  dafs 
uicht  nur  bei  den  einzelnen  Arten,  sondern  auch  bei  verschie- 
denen Individuen  derselben  Art  Differenzen  in  der  Verteilung 
und  im  Bau  dieser  lymphatischen  Apparate  sich  finden,  wird 
wieder  zu  verlassen  sein.  Wenn  auch  Verschiedenheiten  in  engen 
Grenzen  zuzugeben  sind,  so  bin  ich  nach  meinen  Untersuchungen 
heute  der  Überzeugung,  dafs  im  allgemeinen  das,  was  für  indi- 
viduelle Abweichung  angesehen  wurde,  ein  pathologisches  Produkt 
ist,  oder  besser  ausgedrückt,  eine  Reaktion  des  Kör- 
pers gegen  eingedrungene  Noxen  darstellt.  Während 
nämUch  bei  den  normalen  Tieren  fast  ausnahmslos  Verhältnis- 
mäfsig  kleine,  in  grofser  Ruhe  befindliche  Lymphorgane  sich  fanden 
(wie  oben  beschrieben),  war  bei  den  in  der  Tabelle  aufgeführten  Meer- 
schweinchen beinahe  stets  ein  ganz  anderes  Verhalten  zu  bemerken. 


54      Experim.  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Hier  darf  ich  zur  besseren  Begründung  meiner  folgenden 
Anschauungen  einige  Arbeiten  von  Bartel  kurz  einschalten. 
Der  Autor  versuchte  der  Fütterungstuberkulose  beim  Kaninchen 
durch  Überimpfung  von  Drüsen,  Tonsillen  usw.  auf  Meerschwein- 
chen zu  folgen  und  konnte  dabei  wiederholt  in  Organen  Tb  nach- 
weisen, wo  makroskopisch  keinerlei  auf  Tuberkulose  deutende 
Veränderung  zu  konstatieren  war,  in  einem  Falle  fand  er  sogar 
Latenz  der  Tuberkuloseerreger  104  Tage  lang. 

Mir  ist  im  völligen  Gegensatze  hierzu  —  wie  die  Tabelle 
zeigt  —  der  Nachweis  der  Tb  auf  dem  gleichen  Wege  nicht  ge- 
glückt. Da  jedoch  die  im  Vorhergehenden  beschriebenen  Ver- 
suche eindeutig  erwiesen  hatten,  dafs  sich  ganz  regelmäfsig  durch 
die  von  mir  verabreichten  Tb-Quantitäten  eine  Fütterungstuber- 
kulose erreichen  lälst,  so  muls  ganz  sicher  zum  mindesten  ein 
Teil  der  durch  Weiterverimpfung  geprüften  Organe  Tb-haltig  ge- 
wesen sein.  (Man  erinnere  sich  nur,  dafs  bis  zu  10^/2  Tagen 
zwischen  Fütterung  und  Tötung  vergangen  waren!).  Einerseits 
wird  die  Differenz  zwischen  Bartels  und  meinen  bezüglichen 
Versuchen  sich  erklären  lassen  aus  einem  verschiedenen  Virulenz- 
grade der  verwandten  Bazillen,  anderseits  macht  das  Fehlen 
jeglicher  tuberkulöser  Erscheinungen  bei  meinen  Impftieren  und 
der  gerade  bei  ihnen  immer  wiederkehrende  ^^Knötchenc-Befund 
es  aufserordentlich  wahrscheinlich,  dafs  die  Knötchen  mit  den 
bei  der  Impfung  in  den  neuen  Tierkörper  mit  eingebrachten  Tb 
zusammenhängen. 

Ich  hatte,  angeregt  durch  Nicolas  und  Descos  (oben  zi- 
tiert) und  durch  meine  anatomischen  Untersuchungen  die  Vor- 
stellung bekommen,  dafs  ganz  schnell  nach  der  Fütterung  einzelne 
Tb  in  Drüsen  einwandern.  Nun  wird  gewils  nicht  jede  Drüse 
deshalb  gleich  von  Tuberkulose  befallen,  besonders  die  Bartel- 
schen Untersuchungen  kommen  ja  den  B eh ringschen  Anschau- 
ungen von  einer  gewissen  Latenz  der  Tb  im  tierischen  Organis- 
mus entgegen.  Meine  Fütterungsresultate  (des  I.  Teils)  hatten 
gezeigt,  dafs  sehr  häufig  nur  eine  Drüsengruppe  tuberkulös  er- 
krankt war,  in  einer  Anzahl  von  Fällen  waren  aber  zweifellos 
verschiedene  Gruppen  gleichzeitig  von  der  Tuberkulose  ergriffen. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  5«^ 

Es  ging  daraus  für  mich  hervor,  dafs  wahrscheinlich  die  Infek- 
tionsmöglichkeit für  viele  Drüsengruppen  in  allen  Fällen  gegeben 
ist,  dafs  aber  oft  genug  die  Drüsen,  in  welche  eine  verhältnismäfsig 
geringe  Anzahl  von  Tb  eingedrungen  ist,  der  Infektion  widerstehen 
können.  Nach  meinen  Resultaten  sind  dies  sicher  öfters  die 
Halsdrüsen  als  die  Prozessusdrüsen. 

Wird  nun  eine  solche  Drüse  dem  Organismus  frühzeitig  ent- 
nommen, so  muls  sie  gewifs  noch  die  vielleicht  schon  unschädUch 
gemachten  oder  doch  bereits  schwer  geschädigten  Tb  enthalten. 
Wird  die  Drüse  weiter  überimpft,  so  kann  eine  Tuberkulose  natür- 
lich nicht  mehr  entstehen,  die  wenigen,  zum  mindesten  schwer 
geschädigten  Tb  können  auch  nicht  zu  tuberkelähnUchen  Bildungen 
mehr  führen.  Ich  weise  hier  auf  die  schon  oben  zitierte,  wichtige 
Arbeit  von  Perez  hin.  Dieser  nimmt  eine  allmählich  bis  zum 
völligen  Virulenzverlust  sich  steigernde  Abschwächung  der  in  die 
Lymphdrüsen  eingedrungenen  Bakterien  an.  Nach  einer  zwei- 
bis  dreimaligen  Passage  der  Tb  durch  die  Drüsen  konnte  er  nur 
noch  eine  milde  Infektion  bei  Tieren  erzeugen.  Bei  den  ganz 
geringen  Mengen  unseres  schwach  virulenten  (Menschen-)  Tb  hat 
gewifs  die  zweite  Passage  schon  die  völlige  Abtötung  derselben 
herbeigeführt.  Nun  wird  aber  der  zweite  Tier-Organismus  die 
toten  Tb  nicht  ohne  weiteres  liegen  lassen  oder  einfach  resorbieren. 
Wenn  ihnen  auch  die  vitale  Kraft  genommen  ist,  so  enthalten 
sie  noch  immer  dem  tierischen  Körper  widrige  Stoffe^).  Gegen 
diese  wird  er  sich  durch  Bildung  von  Abwehrprodukten  schützen 
wollen,  kurz  es  werden  mit  aller  Wahrscheinlichkeit 
Immunisierungsvorgänge  eingeleitet  werden. 

1)  Bartels,  der  durch  nicht  sicher  za  deutende  Befunde  an  seinen 
Impftieren  ku  Untersuchungen  Über  die  Wirkung  schwach  virulenter  Tb  ver- 
anlafst  wurde»  fand  zusammen  mit  Stein,  dafs  schwach  virulente  abgetötete 
Tb  in  den  von  ihnen  veränderten  Organen  in  natürlicher  Verteilung  einge- 
schlossen, nicht  imstande  seien,  am  Impftiere  Veränderungen  spezifischer 
Natur  oder  auch  nur  Marasmus  zu  erzeugen.  Ich  habe  die  Protokolle  von 
B.  und  S.  genau  studiert,  konnte  aber  in  ihnen  Veränderungen  nicht  finden, 
die  in  ihrem  histologischen  Bau  meinen  Lungenknötchen  entsprochen  hätten. 
Leider  haben  die  Autoren  keine  Untersuchungen  der  Lungen  selbst  unter- 
nommen. Vielleicht  besitzen  sie  noch  das  Obduktionsmaterial  und  vermögen 
bei  genauer  Durchsicht  die  Knötchen  wirklich  zu  entdecken. 


5H 

Experim.  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendannkanales  etc. 

Für  einen  Ausdruck  solcher  Vorgänge  nun  halte 
ich  meine  Knötchen^).  Da  der  Organismus  sehr  häufig  in 
die  Lage  kommt,  sich  gegen  eingedrungene  schädliche  Stoffe 
(Bakterien  oder  ihre  Produkte)  wehren  zu  müssen,  so  erschien  es 
möghch,  dafs  nicht  nur  die  Tuberkelbazillen,  sondern  auch  andere 
belebte  oder  unbelebte  Gifte  das  normale  adenoide  Gewebe  der 
Lunge  in  der  beschriebenen  Weise  beeinflussen  können. 

Bei  meinen  Nachforschungen  an  anderen  Lungen  als  denen 
meiner  Impftiere  habe  ich  aber  nur  ganz  selten  ähnliche  Ver- 
änderungen gefunden,  so  bei  einem  Tier,  das  eine  schwere  Diph- 
therietoxin-Infektion  überstanden  hatte,  ein  andermal  bei  einem 
Fall  spontaner  septischer  Erkrankung,  einmal  auch  bei  einem 
alten  schwangeren  Muttertier. 

Diese  wenigen  Beobachtungen  vermöchten  vielleicht  gegen 
eine  Spezifizität  des  eigenartigen  Prozessusin  der  Lunge  zusprechen, 
indessen  könnte  ja  auch  der  Körper  dieser  Tiere  in  irgend  einer 
Weise  mit  geringen  Dosen  abgeschwächter  Tb  zu  tun  gehabt 
haben  ^).  Natürlich  sind  mit  dem  Mitgeteilten  meine  Arbeiten 
über  diesen  Punkt  nicht  abgeschlossen.  Ich  habe  seit  längerer 
Zeit  schon  Tiere  in  Beobachtung,  die  mit  Drüsen  und  Blut  un- 
behandelter neugeborener  Junger  geimpft  sind.  In  den  ersten 
drei  Monaten  konnte  ich  bei  ihnen  eine  stärkere  Knötchen-Ent- 
wicklung  nicht  feststellen.  Weitere  Stadien  sind  noch  nicht 
untersucht. 


1)  Ich  erinnere  daran,  dafs  Manfred!  und  Viola  auf  den  Einflafs 
der  Lymphdrüsen  bei  der  Erzeugung  der  Immunität  gegen  ansteckende 
Krankheiten  aufmerksam  gemacht  haben. 

2)  Ich  kann  hier  eine  Beobachtung  anführen,  wo  ich  bei  einem  nur  mit 
Drüsen  eines  unbehandelten  neugeborenen  Jungen  geimpften  Meerschwein- 
chen (71)  nach  2'/i  Monaten  eine  typische  Knötchenlunge  fand.  Die 
Obduktion  ergab  >eine  einzige  kleinlinsengrofse  Halsdrüse,  sehr  hart  Beim 
Durchschneiden  zeigte  sich  an  einer  Stelle  purulente  Erweichung,  sowie  ein 
kleiner  Verkalkungsherd <.  Die  histologische  Untersuchung  bestätigte  Tuberku- 
lose dieser  Drüse  (mit  aufserordentlich  zahlreichen  Riesenzellen  und  wenigen 
Tb),  offenbar  handelte  es  sich  in  diesem  Fülle  um  eine  Stall  Infektion. 
Es  wäre  nicht  unmöglich,  dafs  bei  den  oben  genannten  drei  Beobachtungen 
Stallinfektionen  mit  so  abgeschwächten  Tb  stattgefunden  hätten,  dafs  eine 
pathologisch-anatomisch  nachzuweisende  Tuberkulose  nicht  mehr  entstehen 
konnte. 


Von  Dr.  Albert  üffenheimer.  p^^ 

Ferner  habe  ich  mit  einem  sehr  stark  virulenten,  von  Ex- 
zellenz V.  Behring  mir  gütigst  zur  Verfügung  gestellten  Rinder- 
tuberkelbazillus Fütterungen  vorgenommen  und  Drüsen  wie  Blut 
der  betreffenden  l^ere  frühzeitig  weiter  verimpft.  Im  Blut  selbst 
konnte  ich  kurz  nach  der  Fütterung  mittels  der  Joussetschen 
Methode  Tb  nicht  nachweisen  ^).  Das  Ergebnis  an  den  Impftieren 
murs  noch  abgewartet  werden. 

Auch  auf  andere  Bakterienarten  und  -Gifte  will  ich  weiter- 
hin meine  Untersuchungen  noch  ausdehnen. 

Für  die  vorliegende  Arbeit  möchte  ich  —  da  vorläufig  noch 
zu  wenig  ganz  Sicheres  gefunden  ist  —  keine  bindenden  Schlüsse 
ziehen,  immerhin  machen  die  Knötchen  mir  (wie  aus  meinen 
vorausgehenden  Deduktionen  ja  hervorgehen  mufs)  wahrscheinlich, 
dafs  der  Tb  durch  die  Fütterung  rasch  in  die  Organe  der  betr. 
Tiere  gelangen  kann. 

Noch  eine  Frage  ist  der  Erwähnung  wert,  wie  es  wohl 
kommen  mag,  dafs  gerade  in  den  Lymphorganen  der  Lunge 
solche  Vorgänge  auftreten.  Hierzu  mufs  ich  bemerken,  dafs  die 
Obduktion  der  Knötchentiere  manchmal  Vergröfserung  der  Milz 
und  besonders  recht  grofse  Follikel  in  denselben  ergeben  hat,  die 
von  weiten  Kapillaren  durchzogen  waren  —  eine  Erscheinung, 
welche  an  die  für  die  Lungen  beschriebene  erinnert,  und  dafs  ich 
mehrmals  in  den  Lebern  eigenartige  Bildungen  sah,  die  vielleicht 
auch  hiermit  zusammenhängen.  Möglicherweise  aber  ist  es  die 
reiche  Versorgung  mit  Sauerstoff  (sowohl  direkt  aus  der  Luft, 
wie  durch  die  Äste  der  Arteria  pulmonalis'^),  die  gerade  die 
Lunge  am  befähigtsten  macht,  den  Körper  in  seinen  Abwehr- 
bestrebungen zu  unterstützen.  Ob  die  gleichen  Vorgänge  auch 
bei  anderen  Tierarten,  und  insbesondere  auch  beim  Menschen, 
sich  finden,  vermag  ich  nach  meinen  Beobachtungen  natürlich 
nicht  zu  sagen,  doch  hat  eine  solche  Meinung  alle  Wahrschein- 

1)  Diese  von  ihrem  Entdecker  sehr  gepriesene  Methode  des  Nachweises 
der  Tb  nach  Verdanang  der  sie  einschliefsenden  Gerinnsel,  scheint  nach 
neaeren  Berichten,  z.  B.  von  Beitzke,  doch  nicht  absolut  zuverlässig 
za  sein 

2)  Nach  Prof.  Zamsteins  Versuchen  (zitiert  bei  Sawada)  werden 
fast  alle  Lymphknötchen  der  Lunge  von  Zweigen  der  Lungenarterie  versorgt. 


:}H        Rxperim.  .Stadien  ül>er  die  Durchgftngigkeit  des  Magendmnnkanmlee  etc. 

lichkeit  für  sich.  Speziell  beim  Menschen  wird  aber  ähnliches 
wegen  des  starken  Pigmentgehaltes  der  Lungen  (und  auch  ihres 
adenoiden  Anteiles)  nur  zu  leicht  der  Aufmerksamkeit  entgehen 
können. 

Dafs  so  viele  Monate  nach  der  Infektion  die  Knötchen  noch 
eine  so  starke  Tätigkeit  zeigen,  braucht  dann  nicht  wunder  zu 
nehmen,  wenn  wir  die  Knötchen  wirklich  für  den  Ausdruck  im 
Körper   vor   sich  gehender  immunisatorischer  Vorgänge  halten. 

Versuche  mit  hSmoIytlsehem  Senim. 

Die  ersten  Fütterungsversuche  mit  genuinem  Eiweifs  wurden 
mit  einem  hämolytischen  Immun-Serum  vorgenommen.  Wir 
wissen  zwar  heute  nichts  über  die  chemische  Konstitution  der 
spezifischen  Körper  in  einem  solchen  Serum,  dürfen  aber  wohl 
annehmen,  dafs  sie  in  dieselbe  Kategorie  von  Substanzen  ge- 
hören wie  die  übrigen  Antikörper.  (Man  vergleiche  hierzu  die 
Darlegungen  Zanggers  lÜber  die  Funktionen  des  Kolloid- 
zustandes bei  den  Immunkörperreaktionen c.) 

Es  war  daher  naheliegend,  ein  hämolytisches  Immun-Serum 
zu  verfüttern,  da  schon  geringe  Quantitäten  desselben  im  Blute 
des  lebenden  Tieres  bedeutende  und  leicht  nachweisbare  Ver- 
änderungen hervorzubringen  vermögen. 

Wenn  wirklich  alle  genuinen  Eiweifsstoffe  »fast  quantitativ« 
durch  den  Magendarmkanal  der  Neugebornen  ins  Blut  über- 
gehen, so  mufste  ein  mit  genügenden  Mengen  eines  spezifischen 
hämolytischen  Serums  gefüttertes  Meerschweinchen  unter  den- 
selben Krankheitserscheinungen  sterben,  als  ob  ihm  das  Serum 
direkt  in  die  Blutbahn  eingespritzt  worden  wäre,  oder  zum 
mindesten  doch  an  schwerer  Hämoglobinurie  erkranken. 

Ehe  ich  meine  Versuche  schildere,  möchte  ich  noch  einer 
Mitteilung  Mötalnikoffs  Erwähnung  tun,  die  übrigens  seither 
in  der  Literatur  keine  Stütze  gefunden  hat.  Es  ist  nämlich  nach 
seinen  Angaben  gelungen,  auch  durch  Blutfütterung  spezifische 
Hämolysine  zu  erzeugen.  Wenn  dies  allgemeine  Geltung  hätte, 
wäre  also  fiin  Übertritt  unveränderten  Blutes  sogar  durch  den 
Magendarmkanal  erwachsener  Tiere  in  deren  Kreislauf  erwiesen. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 


59 


Ich  stellte  mir  ein  hämolytisches  Serum  dadurch  her,  dafs 
ich  mehreren  Kaninchen  wöchentlich  je  zweimal  die  wiederholt 
aufs  sorgfältigste  ausgewaschenen  Blutkörperchen  eines  Meer- 
schweinchens (so  viel  aus  einer  Karotis  zu  erhalten  waren)  in 
physiologischer  Kochsalzlösung  aufgeschwemmt,  intraperitoneal 
injizierte.  Die  am  9.  und  10.  XII.  1903  vorgenommene  Prüfung 
des  Serums  eines  seit  dem  21.  XI.  1903  behandelten  Kanin- 
chens (y)  ergab: 


Menge 

des  spez.  Serums. 

1. 

0,5        ccm 

2. 

0,25           : 

3. 

0,125         : 

4. 

0,06 

5. 

0,03         1 

6. 

0,015       3 

7. 

0,01 

8. 

0,005         : 

9. 

0,0025     1 

10. 

1 

0,001          : 

Kontrolle 

Resultat  nach  2h 


0,1  ccm  eines  aus- 
gewachsenen Meer- 
schwein •  Blutkörper- 
chenbreies bei  einem 

Gesamtvolum  von 
2,0    ccm    zusammen- 
gebracht mit: 


>  komplette  Lösung 


) 
} 


mftljBige  I/Ö8ung 

geringe  Lösung 

nichts 


Gleichzeitig  zeigte  das  Serum  starke  blutkörperchenagglu- 
tinierende Wirkung. 

Das  zur  selben  Zeit  untersuchte  Serum  eines  gleich  lang'  be- 
handelten Kaninchens  ß  hatte  eine  nur  ganz  wenig  schwächere 
Wirkung. 

Die  folgenden  zwei  Versuche  wurden  mit  einem  Mischserum 
(2  Teile  Serum  Kan.  ft  -\-  1  Teil  Serum  Kan.  y)   vorgenommen. 

1.  Ein  80  g  schweres  neugeborenes  Meerschweinchen  (J  U,  2  Stunden 
alt)  wurde  am  14.  XII.  1903  mit  1  ccm  des  Mischserums  am  Bauch  sub- 
kutan injiziert.  Am  übernächsten  Tag  wurde  stark  hämoglobinhaltiger 
Urin  sezerniert  und  in  der  Nacht  starb  das  Tier.  (Obduktion  unmöglich, 
weil  Eventeration  durch  die  andern  Käfiginsassen  vorgenommen  war.) 

2.  Gleichzeitig  wurde  ein  70  g  schweres,  gleichaltriges  Meerschweinchen 
J  III  mit  3  ccm  des  gleichen  Mischserums  mittels  gewöhnlicher  Pipette  ge- 
füttert. Das  Tier  wurde  10  Tage  lang  genau  beobachtet.  Damit  eine  ständige 
Kontrolle  des  Urins  ermöglicht  war,  wurde  es  während  des  Tages  in  ein 
Glasgefäfs  gesetzt,  das  mit  weifsem  Fliefspapier  ausgelegt  war. 

Das  Tierchen  blieb  völlig  munter  und  nahm  an  Gewicht  stetig  zu,  es 
wurde  niemals  auch  nur  eine  Spur  von  Hämoglobin  mit  dem  Urin  sezerniert. 


(;()        Experim.  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendannkanalea  etc. 


Irgendwie  stärkere  Hämoglobinurie  müTste  sich  ja  durch 
eine  rötUche  Färbung  des  bei  jungen  Tieren  hellen  und  klaren 
IJrines  kundgeben.  Ich  liefs  mir  aber  daran  nicht  genügen, 
sondern  löste  den  auf  dem  Filtrierpapier  eingetrockneten  Urin  in 
physiologischer  Kochsalzlösung  und  untersuchte  mit  dem  Spektral- 
apparat. Es  gelang  nicht,  die  bekannten  Streifen  des  Hämoglobins 
nachzuweisen. 

3.  Meerschweinchen  L  II,  70  g  schwer,  wenige  Standen  alt,  bekam  am 
17.  XU.  1903  mittels  gewöhnlicher  Pipette  per  ob  im  Laufe  des  ganzen  Tages 
6 Vi  nnd  am  folgenden  Morgen  nochmals  1  ccm,  zusammen  also  7Vt  com  — 
diesesmal  inaktivierten  —  hämolytischen  Serums  vom  Kaninchen  y. 

Es  blieb  völlig  gesund,  sezernierte  nie  hämoglobinhaltigen  Urin  (auch 
spektroskopisch  geprüft). 

4.  Das  gleiche  Resultat  ergab  die  Yerfütterung  von  87s  ccm  inaktiven 
Serums  des  Kaninchens  y  an  ein  90  g  schweres  Meerschweinchen  M III  am 
ersten  und  dritten  Lebenstage  (31.  XII.  03  und  2. 1.  04)  und  von  SVs — 9  ccm 
des  gleichen  Serums  an  sein  90  g  schweres  Geschwister  M  IV  an  den 
gleichen  Tagen. 

Nachdem  diese  Versuche  alle  völlig  negativ  ausgefallen  waren, 
setzte  ich  die  Untersuchung  zunächst  auf  anderen  Gebieten  fort, 
um  erst  im  Juni  1904  wieder  auf  das  hämolytische  Serum  zurück- 
zukommen. Das  frisch  entnommene  Serum  des  Kaninchens  ß 
hatte  am  21.  VI.  1904,  nachdem  das  Tier  ein  halbes  Jahr 
nicht  mehr  behandelt  worden  war,  bei  der  oben  ge- 
schilderten Versuchs- Anordnung  noch  starke  hämolytische 
Wirkung,  ein  Tierversuch  (v  IV,  70  g  schwer)  zeigte  aber  doch, 
dafs  eine  weitere  Steigerung  noch  von  nöten  sei.  Es  wurde 
deshalb  vom  27.  VI.  04  an  wieder  die  Injektion  mit  Erythro- 
cythen  vom  Meerschweinchen  vorgenommen.  Am  19.  VII.  ergab 
die  Prüfung  des  Serums,  genau  nach  der  auch  bei  Sachs  referier- 
ten Ehrlich  und  Morgen rothschen  Vorschrift  vorgenommen: 


Menge  des  hämol.  Serums      Resultat  nach  2  h 


1  ccm  einer  5proz.  Auf- 

Hchwemmung  reiner 
Meerschwein  -  Blutkör- 
perchen   in    0,85  proz. 
Na  Gl  -  I^sung   versetzt 

mit 

(Gesamtvolum  der  Flüs- 
sigkeiten je  2  ccm) 


0,2      ccm 

0,1 

0,06 

0,026 

0,01 

0,006 

Kontrolle 


\  komplette  Lösung 

>  fast  kompl.  l^sung 

mäfsige  Lösung 
geringe  Lösung 


Von  Dr.  Albert  tJffenheimer.  61 

Ein  4  Tage  altes,  70  g  schweres  Meerschweinchen  y  II  bekam 
am  gleichen  Tag  1  ccm  dieses  Serums  subkutan  unter  die  Bauch- 
baut gespritzt.  Es  starb  mit  starker  Hämoglobinurie  nach 
1^2  Tagen.  Bei  der  Obduktion  zeigte  sich  eine  grofse  blaurote 
Milz,  stark  rotes  z.  T.  wie  von  flüssigem  Blute  erfülltes  Knochen- 
mark der  Oberschenkel,  stark  blutiger  Urin  in  der  Blase. 

Mit  diesem  ausgezeichnet  wirksamen  Serum  wurde  nun  der 
folgende  Versuch  vorgenommen.  Derselbe  unterscheidet  sich  von 
den  vorausgehenden  durch  die  aufserordentliche  Menge  des  ver- 
fütterten Serums.  Weiterhin  genügte  mir  hier  nicht  die  einfache 
Beobachtung  des  Tieres,  sondern  ich  nahm  häufige  Blutkörperchen- 
Zählungen  vor,  um  eventuelle  Veränderungen  in  der  Zahl  der 
roten  Blutkörperchen  feststellen  zu  können,  auch  wenn  kein 
Hämoglobin  durch  die  Nieren  ausgeschieden  würde.  Durch 
Cantacuzäne  wissen  wir  ja,  dafs  geringste  Mengen  des  hämo- 
lytischen Immunserums  eine  Vermehrung,  gröfsere  Mengen  erst 
eine  Auflösung  und  somit  Verminderung  der  roten  Blutkörperchen 
beim  lebenden  Tier  hervorzubringen  vermögen. 

Schliefslich  dehnte  ich  dabei  die  Untersuchung  noch  auf 
einen  anderen  Punkt  aus,  nach  dem  folgenden  Gedankengang: 
Wenn  wirklich  hämolytisches  Serum  durch  den  Magendarmkanal 
des  Neugebornen  unverändert  in  seinen  Kreislauf  eindringen 
könnte,  so  müfste  bei  länger  fortgesetzter  Fütterung  mit  solchem 
Serum  genau  der  gleiche  Vorgang  eintreten,  wie  wenn  dasselbe 
wiederholt  in  den  Körper  und  somit  m  das  Blut  des  Versuchs- 
tieres eingespritzt  würde,  d.  h.  es  müfste  unter  diesen  Bedingungen 
der  Tierkörper  nach  allgemein  gültigen  Gesetzen  mit  der  Bildung 
spezifischer  Antikörper  reagieren,  in  diesem  Falle  also  mit  der 
Bildung  von  Anti-Hämolysinen.  Durch  den  Nachweis  (oder 
Nichtnachweis)  dieser  Stoffe  müfste  somit  der  vorUegende  Ver- 
such zum  Experimentum  crucis  in  dieser  Frage  werden. 

Yersueh. 

Meerschweinchen  8.  I.,  90  g  schwer,  in  der  Nacht  geboren,  wird  mit 
hämolytischem  Serum  von  Kaninchen  ß  gefüttert. 

Blutkörperchen  Zählung  vor  Anstellung  des  Versuchs  am  ersten 
I^benstag  (25.  VII.  1904  nachm.  7s ^  ^^0  ergibt  mit  Zeifsscher  Kammer 
bei  Zählang  von  64  Feldern:  G 800 000. 


^^       F.zp<r.n.  '^.^^ii^t.  tTAsr  >i:e  D-nrccAnfifkeic  ic«  Mafendannkanales  etc. 


Asi  25.  and  26.  VH  v^r^ies  is.  g%nwer.  xniaeli  BAliptpeOe  16  ccm 
aktiTM  ::n'i  2  cem  iiuLkSTes  üerzm  Ttrfliun. 

'/i.  vn    VormircAx  'sni  XacsTf^ag   isi  euiaen  T  ccm  insktiTen  Serum» 
Terfdttctt.    G««icht  110  f. 

i^  vn.  Voroi.  5  ecm  iz:JLktiv«n,  XAchm.  5  ccm  aktiren  .Senims  rer- 
faucrt.    Gewicht  120  g. 

Blatk^rperchenxlhlanz   wie  oben    am  Nachmittag:  6250000. 

Urin,  wiederholt  am  yachmiitag  eelaMen,  i^t  völlig  klar.  Spektrr»- 
•kopiflcb*  kein  H4mogiobin. 

29.  vn.  Am  Nachm.  T  ccm  aktiren  Seroma  Terftttteit.     Gewicht  120  je. 

30.  VIL  Vom..  r>  ccm  aktiren  Semma  verfüttert.     Gewicht  125  fr. 

1.  VIII.  Gewicht  145  f.  Blatk/^rperchenzAhlnng  am  Morgen  aas- 
nahmaweiae  mit  der  Uftifte  der  gewöhnlichen  Blatmenge  vor- 
genommen^ 4TÖ7500. 

2   VIII.  Gewicht  150  g. 

?,.  VIII.  Gewicht  165  g  Blatkörperchenzfthlang  am  Morgen  .mit  der 
gewöhnlichen  Blatmenge^:  5  968750. 

6.  VIII.  ^ie wicht  15^i  g.  BlatkOrperchenzAhlong  am  Morgen  wie  ge- 
wöhnlich,: 6rj66250. 

Der  Urin  war  bin  da^iin  ateta  ohne  Il&moglobinbeimengnng. 

Mittags  11  Uhr:  Entblatang  dnrch  HalaschnitL  Bei  der  Obdaktion 
zeigte  sich  in  der  Blase  klarer  Urin. 

I>ie9  kleine  Versuchstier  bekam  also  in  6  Tagen  naliezu 
.V)  ccm  hämolytisches  Serum  per  os  verfüttert.  Hierbei  wurile 
teils  inaktives  teils  aktives  Serum  genommen,  und  zwar  wurde 
auch  letzteres  Vjenutzt,  um  einem  eventuellen  Einwand  vor- 
zubeugen, dafs  das  Blut  des  jungen  Tieres  zu  wenig  Alexin  be- 
Hitze,  als  dafs  die  hämolytische  Eigenschaft  resorbierten  in- 
aktivierten Serums  zur  Wirkung  gelangen  könne.  Die  Fütterungen 
wurden  teils  bei  gefülltem,  teils  bei  durch  mehrstündiges  Hungern 
leerem  Magen  vorgenommen,  um  die  Magensaft-Sekretion  unter 
verschiedenen   äufseren    Verhältnissen    zur  Geltung  zu   bringen. 

Während  der  ganzen  Dauer  des  Versuches  konnte 
keine  Hämoglobinurie  beobachtet  werden.  Die  Zählung 
der  rot(;n  Blutkörperchen  ergab  vor  Beginn  der  Füttenmg: 

6800000,  dann 
aufeinanderfolgend  die 
Werte  von  6  250000, 

4 IHI  500, 

5  968  750  und  am   Ende  des  Versuches 

6  556  250. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  63 

Hierzu  muTs  bemerkt  werden,  dafs  die  Zählung  der  roten 
Blutkörperchen  bei  so  kleinen  Tieren  ziemliche  Schwierigkeiten 
macht.  Ein  Schnitt  durch  die  Ohrhaut  (Ohrvene)  genügt  oft 
nicht,  um  das  notwendige  Blut  zu  erhalten,  und  man  mufs  in 
diesem  Falle  zu  kleinen  Einschnitten  in  die  Bauchhaut  seine  Zu- 
flucht nehmen;  auch  da  kommt  es  oft  vor,  dafs  das  Blut  so  lauge 
braucht,  um  in  genügender  Menge  auszufliefsen,  dafs  es  schon  in 
der  kleinen  Saugpipette  geronnen  ist,  ehe  man  dazu  kommt,  die 
zur  Verdünnung  dienende  physiologische  Kochsalzlösung  nach- 
zusaugen.  So  bin  ich  manchmal  überhaupt  zu  keiner  Zählung 
gekommen,  und  gerade  am  1.  VIII.,  wo  das  auffällige  Resultat 
eines  Wertes  von  ca.  4%  Millionen  gefunden  wurde,  mufste  ich 
—  um  überhaupt  eine  solche  ausführen  zu  können  —  mit  der 
Hälfte  der  sonst  immer  benutzten  Blutkörperchenmenge  mich 
begnügen.  Ich  glaube  wohl,  dafs  hierdurch  eine  Fehlerquelle 
geschaffen  wui*de,  aber  immerhin  stehen  die  fünf  aufeinander- 
folgenden Blutkörperchen  werte  ihrer  Gröfse  nach  in  einem  kon- 
tinuierlichen Zusammenhang.  Wenn  auch  nach  Cantacuz&ne 
durch  Eindringen  einer  kleinen  Menge  des  spezifisch  hämo- 
lytischen Serums  in  das  Blut  eine  vorübergehende  Zunahme  der 
Erythrozythen  zu  erwarten  gewesen  wäre,  so  lassen  unsere  Zählungen 
vielleicht  doch  den  Rückschlufs  zu  auf  eine  kurzdauernde  Ab- 
nahme der  roten  Blutkörperchen;  mit  dem  Aussetzen  der  Fütterung 
des  hämolytischen  Immunserums  würde  dann  die  Erythrozythen- 
zahl  rasch  zur  alten  Höhe  angestiegen  sein.  Das  Fehlen  jeglicher 
Hämoglobinurie  beweist  aber  auf  jeden  Fall,  dafs  es  sich  nicht 
um  eine  umfangreichere  Zerstörung  der  roten  Blutkörperchen  ge- 
handelt haben  kann;  und  wenn  wir  somit  wirklich  zu  dem 
Resultat  gelangen  würden,  den  Eintritt  von  verschwindend  kleinen 
Mengen  des  verfütterten  Serums  in  das  Blut  anzunehmen,  so 
würden  wir  damit  nur  die  Regel  bestätigt  finden,  die  sich  schon 
aus  Versuchen  von  Ascoli,  Uhlenhuth  und  Michaelis 
und  Oppenheimer  ergeben  hat.  Es  gelang  diesen  nämlich 
bei  erwachsenen  Tieren  nach  wiederholt  per  os  eingeführten 
grofsen  Eiweifsmengen  später  spezifische  Präzipitine  im  Blute 
nachzuweisen.     Diese  Befunde  werden  ja  durch  die  plötzliche 


^^       Experim.  StndieQ  über  die  Darchgiingigkeit  des  Magendannkanales  etc. 

Überschwemmung  des  Magens  genügend  erklftrt,  die  es  für 
den  Augenblick  nicht  zu  entsprechend  grofser  Verdauungssaft- 
Absonderung  kommen  läfst. 

Die  Untersuchung  des  Serums  der  mit  so  gewaltigen 
Mengen  spezifisch  hämolytischer  Stoffe  gefütterten 
Jungen  auf  Anti-Hämolysingehalt  ergab  aber  ein  voll- 
kommen negatives  Resultat.  Sie  wurde  zu  wiederholten 
Malen  vorgenommen,  wobei  die  Menge  der  auf  Anti-Hämolysin- 
gehalt geprüften  Flüssigkeit  verschieden  grofs  war.  Es  bedarf 
kaum  der  Erwähnung,  dafs  erst  in  Vorversuchen  die  Kraft  des 
zu  diesen  Experimenten  benutzten  hämolytischen  Serums  genau 
wieder* festgestellt  war,  und  dafs  den  eigentlichen  Versuchen  stets 
der  reine  Hämolyse- Versuch  parallel  ging. 

Darnach  bin  ich  doch  der  Meinung,  dafs  die  gröfseren 
Differenzen  bei  den  Blutkörperchenzählungen  nur  durch  die  ge- 
schilderte Fehlerquelle  zu  erklären  sind. 

Versuche  mit  Kasein. 

Ich  komme  nun  zur  Schilderung  der  Versuche  mit  Verfüt- 
terungvou  Kuhmilch.  Jegliche  Milch  enthält  bekanntlich 
ganz  verschiedenartige  genuine  Ei weifskörper,  als 
deren  wichtigste  ich  das  Serumeiweifs  und  das  Kasein 
nenne. 

Nun  wäre  es  ja  schon  an  und  für  sich  interessant  gewesen, 
den  Nachweis  zu  versuchen,  ob  auch  diese  beiden  Stoffe  durch 
den  Magendarmkanal  des  Neugebornen  in  seine  Blutbahn 
übergehen  können,  es  lag  aber  eine  ganz  besondere  Pflicht 
zu  diesen  Untersuchungen  vor  infolge  der  Stellungnahme 
V.  Behrings  gerade  zur  Resorption  des  Kaseins  vom  In- 
testinaltrakt  des  Neugebomen  aus.  In  einem  zu  Anfang  1904  in 
der  Woche  erschienenen  populären  Aufsatz  »Säuglingsmilchc 
erklärt  v.  Behring,  da[s  der  Säugling  mit  dem  Serum-Eiweifs 
eine  zur  Bluts-  und  Gewebsbildung  unmittelbar  geeignete  Nahrung 
in  sich  aufnimmt,  während  das  Kasein  »bei  der  direkten 
Aufnahme  in  das  Blut  neugeborener  Kinder  geradezu 


Von  t)r.  Albert  Üffenbeimer.  ^f^ 

wie  ein  Gifte  wirke.  Er  sagt  dann  an  späterer  Stelle :  Wäh- 
rend gröfsere  Kinder  und  erwachsene  Mensehen  die  relativ  grofsen 
Kügelchen  (Moleküle)  von  genuinem  häraatogenem  Eiweifs  — ... 
—  durch  ihre  Schleimhäute  nicht  hindurch  lassen,  verhalten  sich 
dem  gegenüber  die  intestinalen  Schleimhäute  der  Säuglinge  bis 
zum  Alter  von  drei  bis  vier  Wochen  wie  feinporige  Filter.  Selbst- 
verständlich gehen  da  aber  nicht  blofs  die  in  der  Milch  enthal- 
tenen Teilchen  von  hämatogenem  Eiweifs,  sondern  auch  die 
eher  noch  etwas  kleineren  Käsestoffteilchen  in  die  Blutbahn  über. 
Sie  wirken  daselbst  wie  Fremdkörper,  deren  sich  das  Blut  wieder 
entledigen  mufs,  und  damit  hängt  ihre  schädliche  Wirkung  zu- 
sammen, c 

Von  den  Bedenken,  die  sich  gegen  diese  Annahme  des  Kasein- 
Übertritts  in  das  Blut  sofort  einstellten,  will  ich  erst  nach  Schil- 
derung meiner  Versuche  sprechen. 

Selbstverständlich  konnte  sich  der  Nachweis  des  Kaseins  — 
nur  nach  diesem  genuinen  Eiweifs  der  Milch  habe  ich  gefahndet, 
und  nur  von  ihm  wird  im  folgenden  die  Rede  sein  —  nicht  auf 
chemische  Methoden  stützen,  aber  wir  haben  ja  in  den  letzten 
Jahren  durch  die  biologische  Forschung  Reagentien  kennen  ge* 
lernt,  die  ungemein  viel  feiner  und  spezifischer  arbeiten  als  die 
chemischen  und  ein  solches  Reagenz  besitzen  wir  für  das  Kasein  in 
dem  Laktoserum. 

Das  Laktoserum  wird  in  entsprechender  Weise,  wie  das  oben 
für  das  hämolytische  ImmunSerum  geschildert  wurde,  dadurch 
hergestellt,  dafs  man  Tieren  Kuhmilch  in  angemessenen  Abstän- 
den subkutan  injiziert.  Das  Blutserum  so  behandelter  Tiere 
(Kaninchen)  enthält  nach  einiger  Zeit  einen  Stoff,  der  die  Eigen- 
schaft besitzt,  jegliches  Kuh-Kasein  aus  Flüssigkeiten  auszufällen, 
zu  präzipitieren.  Man  kann  durch  diesen  Präzipitations- Vorgang 
in  klaren  Medien  schon  allerkleinste  Spuren  durch  die  bald  auf- 
tretende Trübung  nachweisen. 

Nachdem  die  Versuche,  mittels  Rohmilch  ein  Laktoserum 
herzustellen,  durch  den  frühzeitigen  Tod  der  dazu  benutzten 
Tiere  immer  wieder  vereitelt  waren,  entschlofs  ich  mich,  von  der- 

▲rohlv  fRr  Hygiene.    Rd.  LV  6 


*'('•       Kz|>eriin.  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

hoIIh)!!^)   abzugehen    und    verwandte    nun    nach   dem  Forster- 
(Vorhersehen  Verfahren  hergestellte  Milch  zu  diesen  Injektionen. 

Dies  Verfahren  hat  einerseits  den  Vorteil,  die  pathogenen 
Bakterien  der  Milch  abzutöten,  anderseits  verändert  es  das  Kasein 
in  keiner  Weise. 

Mit  dieser  Milch  (wöchentlich  2  malige  Injektion  von  je  10  com) 
kam  ich  sofort  zum  Ziel. 

Am  6.  und  7.  VI.  1904  wurde  den  beiden  seit  8^/2  Wochen 
behandelten  Kaninchen  (t  und  x)  Blut  entnommen.  Beider  Serum 
zeigte  in  abgerahmter  Milch  in  der  Verdünnung  von  1 :  360  noch 
deutliche  Ausfällung  und  Niederschlagsbildung  (siehe  unten). 

Ehe  ich  nun  zur  Schilderung  meiner  Milch-Fütterungs-Ver- 
suche übergehe,  will  ich  noch  erwähnen,  dafs  von  der  vierten 
Woche  ab  die  beiden  Kaninchen  deutlich  an  Gewicht  abzunehmen 
begannen.  Das  eine  wurde  nach  der  letzten  Injektion  so  hin- 
fällig, dafs  es  zu  Beginn  der  6.  Woche  getötet  werden  mulste, 
nachdem  es  im  ganzen  7  mal  10  ccm  Gerber-Milch  eingespritzt 
bekommen  hatte.  Die  Prüfung  des  Serums  ergab  jetzt,  dafs  oiBEen- 
bar  unter  der  schweren  Reaktion  des  Körpers  gegen  die  letzten  In- 
jektionen fastjegliche  präzipitierende  Wirkung  wieder 
geschwunden  war. 

Ähnliche  Vorgänge  finden  wir  ja  bei  der  isopathischen  Immuni- 
sierung der  Pferde  beim  Tetanus,  wo  in  der  Reaktionszeit  der 
Immunisierungswert  des  Blutserums  abnimmt,  und  —  wie  D  i  e  u- 
donnä  angibt  —  die  bis  dahin  im  Harn  nachweisbaren  immu- 
nisierenden Substanzen  aus  diesem  verschwinden,  ja  sogar  manch- 
mal tetanusgifthaltigem  Harn  Platz  machen. 

Um  nicht  ein  gleiches  Mifsgeschick  am  andern  Kaninchen 
zu  erleben,  nahm  ich  seine  Entblutuug  vor.  Das  Serum  verur- 
sachte noch  deutliche  Präzipitation  in  abgerahmter  Milch,  1  :  360 

1)  Ich  hatte  deshalb  Rohmilch  genommen,  um  jeglichem  Einwand  be- 
gegnen zu  können,  der  vielleicht  gegen  die  Benutzung  gekochter  Milch  zur 
Herstellung  eines  brauchbaren  Laktoserums  hätte  gemacht  werden  können. 
Angaben  der  Literatur  freilich  erweisen,  dafs  durch  Injektion  gekochter 
Milch  (nach  dem  Bericht  von  Hippius  sogar  durch  Einspritzung  1  Stande 
lang  bei  120  •  im  Autoklaven  sterilisierter  Milch)  ein  vollwirksames  Lakto- 
serum erhalten  werden  kann. 


Von  t)r.  Albert  Üffenheimer.  07 

verdünnt,  wenn  man  auch  nur  1  Tropfen  zu  2  com  der  Milch- 
verdünnung zusetzte.  Wie  ad  hoc  angestellte  Versuche  zeigten, 
wurde  die  Reaktion  nicht  gehemmt,  wenn  gröfsere  Mengen  des 
Blutserums  normaler  Neugeborner  den  einzelnen  Röhrchen  bei- 
gemischt waren.  Mit  Serum  von  obigem  Tiere  wurden  alle  die 
folgenden  Untersuchungen  vorgenommen. 

L  Meerschweinchen  m  I,  80  g  schwer,  etwas  über  1  Tag  alt,  bekommt 
mittels  Ballpipette  per  ob  am 

24.  V.  1904  abends  6  Uhr    2  ccm  Gerbermilch 

25.  V.  morgens  9  Uhr  3    „  .,  während  des 

"  ■       Tages  im 


nachm.    4 


11    ,.    2 


26.  V.  morgens  9 

„   V4II 
12 


i> 


2 
8 

2    „ 

durch  Halsschnitt  entblutet 


•'  ^       übrigen 

"  ■     hungernd. 


Bei  der  Untersuchung  mit  unserem  Laktoserum  auf  etwaige 
Kaseinbeimengung  wurde  stets  so  verfahren,  dafs  fallende  Mengen 
des  zu  untersuchenden  Blutserums  mit  steriler  physiologischer 
Kochsalzlösung  auf  ein  gewisses  Volumen  gebracht  wurden.  Dann 
wurde  jedem  Röhrchen  eine  gröfsere  Menge  des  wirksamen  Lakto- 
serums, in  diesem  Falle  waren  es  je  10  Tropfen,  zugesetzt. 

Es  zeigte  sich  hier  nicht  die  geringste  Präzipi- 
tation. 

Die  verschieden  starken  Verdünnungen  des  auf  Kaseingehalt 
zu  prüfenden  Serums  wurden  deshalb  vorgenommen,  weil  —  wie 
wir  vor  allem  durch  L.  Michaelis  und  Rostoski  wissen  — 
starke  Eiweifskonzentration  als  solche  die  Präzipitinreaktion  ver- 
hindert (R.),  und  die  Wirkung  schwach  wirksamer  Präzipitine  nur 
dadurch  sich  zeigen  läfst,  dafs  man  viel  Präzipitin  mit  wenig 
präzipitabler  Substanz  mischt,  da  sonst  infolge  des  Überschusses 
an  präzipitabler  Substanz  die  Reaktion  überhaupt  nicht  zustande 
kommt  (M.).  Wir  wissen  ferner  durch  Michaelis,  dafs  der  Regel 
nach  bei  der  Präzipitinreaktion  der  Niederschlag  durch  einen 
Überschufs  der  präzipitablen  Substanz  wieder  gelöst  wird. 

Um  auch  dieser  Möglichkeit  zu  begegnen,  wurde  —  nachdem 
der  obige  Versuch  negativ  ausgefallen  war  —  eine  weitere  Ver- 
dünnung durch  Zusatz  abgemessener  Mengen  von  physiologischer 
Kochsalzlösung  herbeigeführt,   aber  ohne  dafs  dadurch  das 


68        Experim.  Stadien  über  die  Darchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

negative   Resultat    des  Versuchs    eine  Änderung  er- 
fahren hätte. 

II.  MeerBchweinchen  m  II,  80  g  schwer,  vom  gleichen  Warf  wie  dms 
vorige,  bekommt  am  24.  V.  1904  and  am  Morgen  des  25.  V.  insgesamt  7  ccm 
Milch.    Entblatang  am  25.  V.  mittags  12  Uhr. 

Versachsanordnang  and  Ergebnis  genaa  wie  bei  L 

in.  Meerschweinchen  1 1,  70  g  schwer,  wenige  Standen  alt,  bekommt  mit 
Ballpipette  per  os  am  9.  and  10.  VL  1904  zusammen  12  ccm  Milch.  Am 
10.  VI.  nachmittags  Vi^  Uhr,  also  IV,  Stunden  nach  der  letsten  FQtterang 
Entblatang  durch  Halsschnitt 

Gleichseitig  wird  nach  Eröffnung  des  Peritoneums  der  Inhalt  der 
Blase  steril  aufgefangen. 

Wir  hatten  in  diesem  Fall  genügend  Serum  des  Jungen, 
am  Mengen  von  0,2  ccm  abwärts  zur  Prüfung  nehmen  zu  können. 
Der  Laktoserum-Zusatz  betrug  je  3  Tropfen.  Selbstverständlich 
wurden  zahlreiche  Kontrollen  angestellt. 

Das  Blutserum  enthielt  kein  Kasein. 

Nun  nahm  ich  in  diesem  Falle  auch  eine  Untersuchung  des 
Blasen-Urins  auf  etwaige  Kaseinbeimengungen  vor. 

Wir  wissen  ja  aus  der  Physiologie,  und  ich  stütze  mich  im 
folgenden  vor  allem  auf  die  Angabe  Neumeisters,  dafs  die 
Nieren  die  Aufgabe  haben,  die  Zusammensetzung  des  Blutes  zu 
überwachen,  indem  sie  alles  Fremdartige  und  Überschüssige  aus- 
scheiden, und  dafs  sie  diese  Aufgabe  so  prompt  erfüllen,  »dafs 
man  zur  Prüfung,  ob  ein  EiweifsstoflE  direkt  resorbierbar  ist,  den- 
selben nur  in  das  Blut  zu  injizieren  braucht,  c 

Es  hat  sich  nun  bei  solchen  Untersuchungen,  wie  sie  in 
grofser  Anzahl  vorgenommen  worden  sind,  gezeigt,  dafs  von 
Proteinsubstanzen  nicht  direkt  assimilierbar  sind:  das  genuine 
Eieralbumin,  das  Kasein,  der  BlutfarbstofE  und  das  Glutin. 
Hier  mag  auch  eine  Arbeit  von  Gürber  und  Hai  lau  er  aus 
allerletzter  Zeit  Erwähnung  finden,  in  der  nach  intravenöser  In- 
jektion von  Kasein  im  Harn  dieser  StofiE  unverändert  nach- 
gewiesen werden  konnte. 

Es  müfste  also  nach  diesen  Gesetzen  ein  Teil  des  Kaseins, 
falls  solches  in  das  Blut  durch  die  Fütterung  übergetreten  wäre, 
bereits  wieder  in  den  Harn  ausgeschieden  worden  sein. 


Von  Dr.  Albert  Ufifenheimer.  6^ 

Die  Untersuchung  des  Harns  mit  dem  Laktoserum 
ergab,  dafs  kein  Kasein  in  demselben  war. 

Der  Versuch  war  abends  ^/g?  Uhr  angestellt,  die  Röhrchen 
standen  über  Nacht  im  Eisschrank.  Am  folgenden  Morgen  fand 
sich  das  Kontrollröhrchen  völlig  klar,  das  mit  Laktoserum  ver- 
setzte Röhrchen  dagegen  zeigte  deutliche,  diffuse  Trübung 
ohne  Bodensatz.  Die  mikroskopische  Prüfung  diese  Sediments 
(zur  exakten  Sedimentierung  bediente  ich  mich  stets  der  Wasser- 
zentrifuge) zeigte  lediglich  eine  grofse  Menge  charakteristischer 
Kristalle  von  Oktaederform,  die  in  Essigsäure  nicht  löslich  waren 
—  es  handelte  sich  offenbar  um  Oxalsäuren  Kalk  — und  ich 
habe  davon  die  Vorstellung,  dafs  die  Oxalsäure  aus  dem  Grün- 
futter stammen  mufs  (das  sich  schon  am  Tage  der  Geburt  im 
Magen  jedes  Meerschweinchens  finden  läfst),  der  Kalk  dagegen 
aus  dem  Laktoserum^). 

IV.  Meerschweinchen  t  II,  70  g  schwer,  vom  gleichen  Wurf. 

Genau  ebenso  und  gleichzeitig  behandelt  wie  das  vorige. 

Kesultat  in  allen  Punkten  das  gleiche  negative  (bei  zwei- 
maliger Prüfung). 

V. — VIL  Weiter  führe  ich  einen  Versuch  mit  3  jungen 
Meerschweinchen  vom  selben  Wurf  an,  (R  in,  R  IV,  R  V,  75  g, 
75  g,  100  g  schwer),  die  vom  Tag  der  Geburt  an  mit  roher  Milch 
gefüttert  wurden.  Sie  bekamen  am  13.  und  14.  VI.  1904  mittels 
Ballpipette  je  12  ccm  Milch  und  wurden  eine  Stunde  nach  der 
letzten  Fütterung  am  Abend  des  14.  VI.  entblutet. 

Der  Urin  wurde  aus  den  abgebundenen  Blasen  steril  auf- 
gefangen. Die  Prüfung  des  Blutserums  auf  Kaseingehalt  wurde 
gemeinsam  vorgenommen,  gleichzeitig  wurde  zur  Kontrolle  das 
Serum  von  4  neugebornen  unbehandelten  Meerschweinchen  (u  I — IV) 
in  der  nämlichen  Weise  geprüft. 

Nach  5^/2  Stunden  zeigten  sich  die  sämtlichen 
Röhrchen  noch  völlig  klar. 


1)  Im  Urin  von  Säuglingen  liefe  sich  oxalsaurer  Kalk  bei  wiederholten 
Untersuchungen  nicht  nachweisen.  Salkowski  fafst  übrigens  den  Oxal- 
säuren Kalk  im  Urin  als  ein  Abbauprodukt  von  Nukleinen,  nicht  nur  von 
Pflanzen  auf. 


' -'       Experim.  Studien  über  die  Durcbgäiigigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Erst  über  Nacht  stellte  sich  eine  Trübung  ein,  die  in  gleicher 
Weise  abgestuft  —  sowohl  im  Serum  der  milchgefütterten  wie  der 
unbehandelten  Tiere  sich  zeigte,  soweit  Laktoserum  zugesetzt 
war,  nicht  aber  in  den  Kontrollröhrchen,  die  statt  des  Laktoseruins 
nur  physiologische   Kochsalzlösung   zugesetzt  bekommen  hatten. 

Die  mikroskopischen  Präparate  des  zentrifugierten  Sedimentes 
ergaben  nadeiförmige  Kristalle,  offenbar  von  neutralem  phosphor- 
saurem  Kalk,  am  nächsten  Tag  auch  unregelmäCsige  Kömchen, 
wohl  ebenfalls  phosphorsauren  Kalks  —  Ca^  (^04)2- 

Über  Salzniederschläge  bei  Präzipitinversuchen  hat  schon 
As  coli  im  Jahre  1902  berichtet.  Die  eben  niedergelegten  Be- 
obachtungen zeigen,  wie  wichtig  es  ist,  jeden  Niederschlag 
bei  Präzipitin-Reaktionen  auch  mikroskopisch  zu 
identifizieren. 

Eine  Beobachtung  der  angestellten  Versuche,  länger  als  die 
ersten  Stunden  hindurch  schien  mir  auf  jeden  Fall  wünschens- 
wert, und  ich  habe  lieber  mir  die  Mühe  genommen,  erst  später 
auftretende  Niederschläge  noch  mikroskopisch  zu  untersuchen, 
als  dafs  ich  einen  Versuch  schon  für  negativ  erklärte,  bei  dem 
in  den  ersten  Stunden  die  Flüssigkeiten  ungetrübt  geblieben 
waren. 

Um  so  gröfsere  Beweiskraft  müssen  natürlich  die  vorliegen- 
den Untersuchungen  haben. 

Mit  dem  Mi  schür  in  der  3  R-Tiere  angestellte  Versuche 
ergaben  ebenfalls  völliges  Freisein  vonKasein-Präzipitat, 
aber  wiederum  Kristallniederschläge  von  der  gleichen  Art 
wie  in  dem  Blutserum.  Es  mag  hinzugefügt  werden,  dafs  ein 
zur  Kontrolle  in  derselben  Zeit  mit  Laktoserum  untersuchter 
Blasenurin  eines  älteren  Meerschweinchens  ((D)  den  gleichen  Kristall- 
befund darbot,  aber  aufserdem  noch  harnsaure  Salze  enthielt. 

VIIL — XIL  Das  Folgende  stellt  einen  Versuch  imGrofsen 
dar.  Er  wurde  gleichzeitig  mit  5  Jungen  unternommen  (h  I,  h  II, 
i  I,  je  80  g  schwer,  2  Tage  alt,  k  I  und  kll,  80  g  schwer,  einige 
Stunden  alt).  Sie  erhielten  ganz  bedeutende  Mengen  Milch  ver- 
füttert, und  der  Zweck  war,  während  des  Lebens  im  Urin  den 
Kaseinnachweis   zu  versuchen,   vor  allem  aber  nach  einem  ahn- 


Von  Dr.  Albert  UfFenheimer.  71 

liehen  Gedankengang  wie  bei  dem  letzten  Experiment  mit 
hämolytischem  Serum  —  zu  prüfen,  ob  durch  die  andauernde 
Verfütterung  der  grofsen  Kaseindosen  vielleicht  ein  Lakto- 
serum gewonnen  werden  könnte.  Somit  mufs  also  auch 
dieser  Versuch  bei  der  Entscheidung  der  Kaseinfrage  das  Expe- 
rimentum  crucis  darstellen. 

Leider  war  es  nicht  möglich,  den  Urin  der  Tiere 
während  des  Versuches  so  aufzufangen,  dafs  jede  Be- 
rührung mit  den  Fäces  vermieden  werden  konnte.  Eine 
Entnahme  des  Harns  mittels  Katheter  war  natürlich  bei  den 
kleinen  Tieren  ausgeschlossen. 

Am  17.  VI.  1904  wurde  verfüttert: 

vormittags  12  Uhr    je  2  ccm  Gerber-Milch 
nachmittags  2    „        „2    „  ,, 

„        Vi6  Uhr  erste  ürinentnahme. 

Am  18.  VI.  1904  erhielten  die  Tiere  je  10  ccm  Gerbermilch  (um  9,  11, 
2,  4  und  6  Uhr). 

Am  Abend  wurden  sie  zur  Mutter  zurückgesetzt  und  blieben  dort 
während  des  19.  VI.  (Sonntags). 

20.  VI.  04.  Tagsüber  bekam  jedes  Tier  je  6  ccm  Gerbennilch  (2,  4 
und  6  Uhr). 

21.  VI.  Die  Tiere  bekamen  im  Laufe  des  Tages  je  10  ccm  Gerbermilch. 

22.  VI.  Verfütterung  von  je  10  ccm  Rohmilch. 

23.  VI.  Verfütterung  von  je  12  ccm  Gerbermilch. 

24.  VI.  Die  Tiere  zur  Mutter  gesetzt  (Feiertag). 

25.  VI.  Verfütterung  von  je  12  ccm  Bohmilch. 

Gewicht  von  3  Tieren  noch  je  80  g,  von  zweien  je  100  g. 
Stuhl  stets  geformt 

26.  VI.    Die  Tiere  zur  Mutter  gesetzt  (Sonntag). 

27.  VI.     Verfütterung  von  je  8  ccm  Gerbermilch. 

28.  VI.  Verfütterung  von  je  12  ccm  Gerbermilch.  Der  Urin  von 
diesem  Tag  wird  nochmals  zur  Untersuchung  benutzt 

Am  Abend  kommen  die  Tiere  zur  Mutter  zurück. 

4.  Vn.  Die  Tierchen  haben,  seit  sie  wieder  an  der  Mutter  saugten,  an 
Gewicht  zugenommen  (Gewicht  von  dreien  je  100,  von  zweien  je  120  g). 
Am  Abend  wurden  sie  durch  Halsschnitt  entblutet,  ihr  Serum  wurde  ge- 
meinsam verarbeitet. 

Von  einer  Untersuchung  des  Serums  auf  Kasein  konnte  ab- 
gesehen werden,  da  die  letzte  Kuhmilch  6  Tage  vor  der  Tötung 


i 


72 

Experim.  Studien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

verfüttert  war,  also  das  dem  Blut  fremde  Kasein  sieher  längst 
aus  demselben  ausgestofsen  sein  mufste,  selbst  wenn  welches  ein- 
gedrungen war. 

Der  Urin  der  fünf  Tierchen  vom  ersten  Fütterungstage 
wurde  mit  je  fünf  Tropfen  Laktoserum  in  der  alten  Anordnung 
geprüft.  Der  Versuch  wurde  mittags  angesetzt.  Am  Abend 
zeigte  sich  in  den  mit  Laktoserum  versetzten,  aber  nicht  in 
den  Kontroll-Röhrcheu,  Trübungen  und  zwar,  je  nach  der  Kon- 
zentration des  Urins  in  fallenden  Mengen.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  des  Zentrifugales  ergab  wiederum  Kristalle,  allein 
Anscheine  nach  Oxalsäuren  Kalks.  Es  fanden  sich  weiter 
körnige  Gebilde,  die  aber  im  Färbepräparat  wie  Diplo- 
kokken aussahen. 

Der  Urin  vom  28.  VI.  zeigte  nach  Anstellung  der  Lakto- 
serum-Probe wiederum  leichte  Trübungen,  deren  Unter- 
suchung sie  mit  Wahrscheinlichkeit  als  Kasein-Nieder- 
schläge ansprechen  liefs.  (Gleichzeitig  untersuchter  Urin  des 
eben  getöteten  Laktoserum-Kaninchens  zeigte  diese  Niederschläge 
nicht.) 

Wenn  somit  in  diesem  letzten  Urin  die  Anwesenheit  geringer 
Kaseinmengen  wahrscheinlich  gemacht  ist,  so  müssen  wir  folgen- 
des überlegen: 

Die  eine  Möglichkeit,  die  wir  annehmen  können,  ist  die,  dafs 
das  in  Spuren  gefundene  Kasein  im  Urin  selbst  enthalten  war. 
Dann  müfste  es  wirklich  durch  die  Nieren  aus  dem  Blute  ausge- 
schieden worden  sein,  und  wir  würden  in  dem  Falle  die  aufserordent- 
liche  Überladung  des  Magendarmkanales  mit  der  Kuhmilch  (jedes 
einzelne  Tierchen  erhielt  in  der  kurzen  Zeit  88  ccm,  also  mehr  als 
sein  Anfangsgewicht)  für  den  Durchgang  der  geringen  Mengen 
des  Kaseins  verantw^ortlich  machen  müssen,  es  hätten  eben  — 
wie  dies  ja  bei  den  früher  zitierten  Versuchen  mit  erwachsenen 
Tierchen  von  Ascoli,  Uhlenhuth,  Michaelis  und  Oppen- 
heimer auch  der  Fall  war  —  die  Verdauungssäfte  für  den 
Augenblick  nicht  in  genügender  Menge  für  die  in  überreichlichen 
Portionen  eingebrachten  Kaseinmassen  abgesondert  werden  können. 
Die  zweite  Möghchkeit,  an  die  ich  eigen thch  mehr  noch  denke  als 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  '3 

an  die  erste,  ist  die,  dafs  die  niedergeschlagenen  Kaseinteilchen 
gar  nicht  aus  dem  Urin  selbst  stammen,  sondern  aus  den 
Fäces,  die  trotz  aller  angewendeten  Vorsichtsmalsregeln  doch 
nicht  von  der  Berührung  mit  Urin  ferngehalten  werden  konnten. 
Bei  der  Beurteilung  dieser  Frage  müssen  wir  aber  der  Befunde 
von  P.  Th.  Müller,  Michaelis  und  Oppenheim  er  und 
F.  Hamburger  gedenken,  dafs  nämlich  die  Eiweifskörper,  wenn 
sie  von  Pepsin-Salzsäure,  in  geringerem  Grade,  wenn  sie  von 
Trypsin^)  verdaut  werden,  soweit  verändert  werden,  dafs  sie  durch 
das  entsprechende  Immunserum  nicht  mehr  gefällt  werden  können. 
Ein  solches  Verdauungsgemisch  ruft  auch,  subkutan  injiziert, 
nicht  mehr  die  Bildung  von  Antikörpern  hervor. 

Es  ist  nun  allerdings  die  Frage,  ob  solche  Reagenzglas- 
versuche sich  ohne  weiteres  auf  den  tierischen  Magendarmkanal 
übertragen  lassen.  Ich  mufs  schon  die  Meinung  aussprechen, 
dafs  bei  der  Fütterung  mit  so  aufserordentlichen  Mengen  einer 
nicht  adäquaten  Nahrung  im  Darmkanal  sich  auch  nicht  ge- 
wöhnliche Vorgänge  abspielen,  und  dafs  da  manche  Bestandteile 
der  eingebrachten  Nahrung  eben  doch  den  Verdauungssäften  ent- 
gehen können.  Dafs  die  Kuhmilch  in  der  Tat  bei  den  fünf 
Jungen  nicht  »die  richtige,  (d.  h.  adäquate,  gut  ausbeutbare) 
Nahrunge  war,  geht  am  besten  aus  ihrer  Gewichtskurve  hervor, 
die  erst  wesentliche  Zunahme  zeigte,  als  die  Mutterbrust  wieder 
in  ihre  Rechte  getreten  war  —  eine  Erfahrung,  die  wir  in  der 
Kinderheilkunde  jeden  Tag  machen. 

Also,  ohne  hier  mich  durch  eine  endgültige  Entscheidung  zu 
binden,   möchte   ich   doch   eher  annehmen,   dafs   das  Kasein  in 


1)  Für  die  Milch  ist  dies  (beim  Trypsin)  speziell  von  Müller  und 
Hamburger  nachgewiesen.  Allein  Obermeyer  und  Pick  haben  bei 
der  Verdauung  von  Eiereiweifs  merkwürdige  Beobachtungen  gemacht,  die 
den  oben  allgemein  ausgesprochenen  Satz  bedeutend  einschränken.  Läfst 
man  nämlich  Pepsinsalzsäure  kurzeZeit  auf  Eiereiweifs  einwirken,  so  gibt 
das  Produkt  der  Verdauung  mit  dem  zugehörigen  Immunsernm  keine  Reak- 
tion mehr,  ^*"^tzdem  sich  noch  unveränderte  EiweiTskOrper  chemisch  nach- 
weisen lassen.  Dagegen  findet  man  nach  Trypsinverdauung 
noch  die  Präzipitation  durch  das  Imm  unserum,  auch  wenn 
Eiweifs  chemisch  nicht  mehr  nachzuweisen  ist. 


74       Ezperim.  Stadien  über  die  DurchgäDgigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

diesem  Falle  der  Pepsiu-Salzsäure  und  dem  Trypsin,  als  dafs  es 
dem  im  Mageu  befindlichen  Labenzym  entgangen  ist.  Hierüber 
muls  ich  mich  noch  später  des  weiteren  aussprechen. 

Zunächst  aber  will  ich  nun  noch  das  Resultat  der  wichtigsten 
Prüfung  berichten,  ob  nämlich  durch  die  langdauernde  Kuh- 
Kasein-Fütterung  ein  Kuh-Laktoserum  entstanden  ist. 

Ich  machte  die  Prüfung  nebeneinander  zweimal,  sowohl  mit 
roher  wie  mit  Gerberscher  Milch,  indem  ich  je  3  ccm  der  ab- 
gerahmten Milch  in  Verdünnungen  von  1 :  10  bis  1 :  360  mit  je 
1  ccm  des  Serums  versetzte.  Es  ergab  sich '  selbst  bei  mehr- 
tägiger Beobachtung  nicht  der  geringste  Niederschlag. 

Das  Serum  der  so  übermäfsig  mit  Milch  gefütterten 
Jungen  war  also  kein  Laktoserum. 

Dies  stimmt  überein  mit  den  Untersuchungen  von  Moro 
und  Hamburger,  die  weder  bei  mit  Kuhmilch  ernährten  Tieren 
noch  beim  künstlich  ernährten  Säugling  ein  Laktoserum  fanden. 

Und  dafs  ein  solches  sich  nicht  finden  kann,  das  beruht 
eben  offenbar  auf  dem  Vorhandensein  des  Labfermentes 
im  Magen,  das  ja  eine  sofortige  Gerinnung  des  Kaseins 
veranlafst. 

Pawlow  gibt  an,  dafs  die  BeschafEenheit  sämtlicher  Ver- 
dauungssekrete von  der  Art  der  eingeführten  Nahrung  abhängig 
ist.  Die  für  die  Verdauung  der  natürlichen  Nahrung  notwendigen 
Formente  sind  bereits  beim  neugebornen  Kinde  vorhanden 
und  die  Ausscheidung  der  spezifischen  Fermente  ändert  sich  mit 
der  Änderung  der  Nahrung. 

Diese  Angaben  sind  es  wohl  in  der  Hauptsache,  die  von 
Behring  vorschwebten,  wenn  er  sagt: 

>Ich  habe  genügende  experimentelle  Anhaltspunkte  für  die 
Annahme,  dafs  Kasein  verdauende  Fermente  überhaupt  erst  unter 
der  Reiz  Wirkung  des  Kaseinimports  entstehen,  genau  so  wie 
Antikörper  gegen  andere  Proteingifte  bei  systematisch  ge- 
steigerter Giftzufuhr  im  lebenden  menschlichen  und  tierischen 
Körper  produziert  werden,  derart,  dafs  was  ursprünglich  ein  Gift 
war,  hinterher  zum  Nahrungsmittel  werden  kann;  und  ich  bin 
der  Meinung,  dafs  ich  damit  nicht  blofs  im  Gleichnis  rede,  sondern 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  75 

dafs  wir  es  bei  der  Entstehung  von  Stoffen,  die  das  Kasein  un- 
schädlich machen,  mit  einer  Antikörperproduktion  zu  tun  haben, 
die  im  Prinzip  genau  nach  den  Regeln  abläuft,  wie  die  Anti- 
körperproduktion nach  der  Aufnahme  von  Diphtheriegift  und 
Tetanusgift  in  das  Blut  von  Versuchstieren.  < 

Diesem  Gedankengang  folgend,  nimmt  von  Behring  an, 
dafs  der  fermentative  Antikörper  »für  das  Kasein  in  seiner  Eigen- 
schaft als  ursprüngliches  Toxoprotein  —  dem  Menschen  verloren 
gehen  kann,  wenn  er  gänzlich  aufhört,  Milchnahrung  zu  sich  zu 
nehmen  €  und  er  schliefst  weiter,  dafs  übermäfsige  Kaseineinver- 
leibung bei  einem  neugebomen  Kinde,  idas  noch  nicht  vorher 
durch  kleinere  Kaseindosen  gewissermafsen  immunisiert  'worden 
ist,  ebensogut  eine  akut  verlaufende  und  zum  Tode  führende  Ver- 
giftung auslösen  kann,  wie  eine  zu  grofse  Diphtheriegiftdosis  zu 
Beginn  der  immunisierenden  Vorbehandlungc. 

Nun  glaube  ich  doch,  dafs  es  der  Mühe  wert  ist,  dieser  An- 
sicht in  einigen  Einzelheiten  zu  folgen  und  zu  sehen,  wie  weit 
ihre  Voraussetzungen  zutreffen. 

Pawlow  sagt,  wie  wir  gesehen  haben,  die  für  die  Verdauung 
der  natürlichen  Nahrung  notwendigen  Fermente  seien  bereits 
beim  neugeborenen  Kinde  vorhanden.  Dies  ist  aber 
nicht  der  Fall  bei  den  Antikörpern  der  bakteriellen  Gifte,  so- 
weit sie  nicht  vererbt  sind^).  Sollten  wir  uns  nun  vor- 
stellen, dafs  das  Labenzym  in  derselben  Weise  vererbt  werden 
kann  wie  das  Diphtherie- Antitoxin?  Und  wenn  wir  wirklich  uns 
mit  dieser  Vorstellung  abfinden  könnten,  wüfsten  wir  dann  eine 
Erklärung  dafür,  dafs  ein,  solcher  vererbter  Stoff  nicht  im  Blut- 
serum sich  findet,  sondern  nur  von  der  Magenschleimhaut  ab- 
geschieden wird,  wenn  Milch  in  den  Magen  gelangt? 

Und  nun  mufs  ich  des  weiteren  darauf  hinweisen,  dafs  das 
Labenzym  ja  dasselbe  ist  für  die  Milch  der  Mutter  wie  für  die 
nicht  adäquate  Milch,  in  unseren  Fällen  also  die  Kuhmilch. 

Die  Muttermilch  ist  aber  für  den  Säugling  die 
ideale  Nahrung,   das  ist  der  oberste  Lehrsatz  in  der 

1)  Hierttber  verweise  ich  auf  die  später  folgenden  Versache  mit  dem 
Diphterie-Antitoxin. 


7(1      Experim.  Studien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Kiuderbeilkunde,  und  für  die  ideale  Nahrung  kann 
gewifs  kein  Gegengift  notwendig  sein. 

Man  hat  sieh  deshalb  auch  eingehend  in  der  Kinderheil- 
kunde mit  dem  Labenzym  beschäftigt.  Über  die  chemischen 
Prozesse,  welche  dasselbe  hervorruft,  herrscht  jetzt  völlige  Klar- 
heit, vor  allem  dank  der  Arbeiten  von  Hammarsten,  Söldner, 
Escherich,  Courant  und  Arthus  und  Pages. 

Hammarsten  wies  nach,  dafs  seine  Wirkung  darin  be- 
steht, dafs  bei  seiner  Gegenwart  Kasein  so  verändert  wird,  dals 
es  bei  Anwesenheit  von  Kalksalzen  gerinnt,  wobei  das  Parakasein 
und  das  Molkeneiweils  entstehen. 

Auch  dieser  Prozefs,  glaube  ich,  ist  ein  anders  verlaufender, 
wie  die  Bindung  von  Toxin  und  Antitoxin^).  Allein  auf  dies 
ungemein  komplizierte  Thema  kann  ich  hier  nicht  weiter  ein- 
gehen. 

So  gut  wir  aber  auch  über  die  chemischen  Prozesse  unter- 
richtet sind,  die  das  Labenzym  hervorruft,  so  macht  sich,  wie 
Czerny  und  Keller  aussprechen,  der  Mangel  an  Untersuchungen 
um  so  fühlbarer,  welche  die  Bedeutung  der  Kaseifikation  für  die 
Verwertung  des  Kaseins  und  der  Kalksalze  im  Organismus  auf- 
klären. 

Michaelis  hat  die  Ansicht  ausgesprochen,  dafs  die  koa- 
gulierende Einwirkung  des  Labes  die  vorzeitige  Resorption  des 
Kaseins  verhindere  und  auch  Neumeister  legt  in  seinem  Lehr- 
buch die  physiologische  Bedeutung  der  Labgerinnung  dahin  fest, 
dafs  sie  »offenbar  den  Organismus  vor  einem  Eindringen 
unveränderten  Kaseins  unter  allen  Umständen  schützen 
wilh^)^  ohne  dafs  die  auswählende  Funktion  der  Darmepithelieu 
in  Anspruch  genommen  zu  werden  braucht. 

1)  Oppenheimer  meint  in  seinem  Ferment- Werk,  die  Ferment- 
wirkungen auf  dem  Weg  erklären  zu  können,  den  Ehrlich  für  die  Toxine 
mit  80  grofHem  Erfolg  gegangen  ist,  sei  »nur  als  tastender  Versuch,  als  Be- 
friedigung des  Kausalitäts-  und  Analogiebedürfnisses  des  Verstandes  .... 
bisher  wenigstens,  aufzufassen. c 

2)  Dafs  diene  Ansicht  doch  nicht  allgemein  in  Fleisch  und  Blut  Ober- 
gegangen ist,  ersehe  ich  aus  einer  Veröffentlichung  von  Schlofs mann  aus 
der  letzten  Zeit.    Dieser  Autor  glaubt  —   ohne  dafür  allerdin^  in   seineii 


Von  Dr.  Albert  üffenbeimer.  77 

Albrecht  meint,  indem  er  sich  auf  die  Untersuchungen  von 
Michaelis  bezieht,  für  das  Kasein  sei,  wenn  M's.  Annahme  zu 
Recht  bestehe,  auch  das  Neugeborene  durch  das  Labferment 
seines  Magens  bereits  genügend  »eingestellt«. 

Indem  ich  mich  nach  meinen  Versuchen  vollkommen  dieser 
Anschauung  anschliefse,  begründe  ich  damit,  weshalb  ich  bei  der 
Beurteilung  des  letzten  Experiments  den  geringen,  einmal  nach- 
gewiesenen Kaseingehalt  des  Urins  auf  die  verunreinigenden 
Fäces  zurückzuführen  geneigt  bin. 

Einen  Punkt  mufs  ich  noch  erörtern:  Es  könnte  der  Ein- 
wurf gemacht  werden,  der  Titre  unseres  Laktoserums  sei 
nicht  genügend  grofs  gewesen.  Damit  hätte  wohl  der  Nach- 
weis gröfserer  Kaseinmengen  glücken  können,  nicht  aber  der 
kleinerer.  Diesem  Vorwurf  möchte  ich  einerseits  begegnen  mit 
dem  Hinweis  auf  die  folgenden  Versuche  mit  Hühnereiweifs, 
wozu  ich  ein  Antiserum  mit  dem  Titre  1:30000  mir  herstellen 
konnte.  Anderseits  möchte  ich  hier  die  Untersuchungen  von 
Obermeyer  sowie  Hamburger  und  Sperck  anziehen,  die  be- 
weisen, dafs  kleine  Eiweifsmengen  wiederholt  ins  Blut  gespritzt 
(so  klein,  dafs  sie  dem  Präzipitin-Nachweis  entgehen),  schon 
starke  Antisera  erzeugen.  Bei  unserem  prolongierten  Fütterungs- 
versuch mit  Kasein  müfste  darnach  auf  jeden  Fall  ein  Lakto- 
serum erzeugt  worden  sein,  wenn  eben  nicht  das  Lab- 
enzym jegliches  Kasein  niedergeschlagen  hätte. 

Hier  will  ich  noch  eiiTige  Versuche  einschalten,  die  ich  mit 
menschlichen  Körperflüssigkeiten    vorgenommen   habe. 

Auf  dem  Hamburger  Naturforscher-  und  Arzte-Kongrefs  des 
Jahres  1901  sagte  Schlofsmann  in  der  Diskussion  zum  Vor- 
trage Moros:  »Biologische  Beziehungen  zwischen  Milch  und 
Serumc,  die  Bordetsche  Fällung  gelinge  am  besten  und  voll- 
kommensten, wenn  man  zum  Serum  des  kindlichen  Blutes  Milch 


Krankengeschichten  einen  Beweis  beibringen  zu  können  (der  doch  experi- 
mentell leicht  möglich  wäre)  —  dafs  beim  Abstillen  usw.  (also  am  Ende 
der  Säuglingsperiode  noch)  durch  Eindringen  von  fremder  Milch  ins  Blut 
Vergiftungserscheinungen  entstehen  können. 


7^       Kxperim.  .Stmlien  über  die  Dorchgängigkeit  des  Magendannkmnalcs  eic 


der  eigenen  Mutter  hinzusetze.  iHier  zeigt  sich  deutlich 
enge  Band,  das  zwischen  den  Bluteigenschaften  von  Mutter  und 
Kind  besteht.  Bei  meinen  Demonstrationen  üher  diesen  Gegen- 
stand benutzte  ich  stets,  um  eine  recht  klare  Fällung  zu  bekom- 
men, Hydrocelenflüssigkeit  eines  Brustkindes,  die  ich  mir  durch 
Punktion  verschaffe,  und  der  Milch  [soll  wohl  heifsen :  d  i  e  )UIch* 
der  Mutter  dieses  Kindes.  Ich  kann  dieses  Verfahren  allgemein 
empfehlen.  € 

Diese  Äulserung  kann  wohl  nicht  anders  aufgefalst  werden, 
als  dafs  ßchlofsmann  annahm,  im  Blutserum  (Hydrocelen- 
flüssigkeit) des  SäugUngs  sei  —  jedenfalls  durch  den  Säugungs- 
akt  —  ein  Präzipitin  gegen  die  Milch  der  eigenen  Mutter  gebildet, 
eine  Anschauung,  die  allen  im  vorhergehenden  geschilderten 
Versuchen  widerspricht.  Zur  Prüfung  dieser  Behauptung  nahm 
ich  die  folgenden  Versuche  vor: 

I.  21.  VI.  1904.  Kind  Fl  ein  er  (Poliklinik  des  y.  Hannerschen  Kinder- 
Hpitals),  14  Tage  alt,  nie  von  der  Mntter  gesäugt  wegen  früherer 
MaHtitis,  künstlich  ernährt,  mit  rechtsseitiger  Hydrocele.  Die  Punk- 
tion der  Hydrocele  ergab  viel  klare,  bernsteingelbe  Flüssigkeit  Es  gelang, 
der  Mntter  noch  eine  geringe  Menge  sehr  fettreicher  gelblicher  Milch  aus 
der  Brust  auszupressen.  Die  Milch  wurde  verdünnt  (1 :  30, — 1 :  120, — 1 :  360; 
und  wie  bei  den  früheren  Versuchen  das  Laktoserum,  so  wurde  hier  Hydro- 
celenflüssigkeit (1  ccm)  zu  den  Milchverdünnungen  (3  ccm)  zugesetzt.  1  Stunde 
nach  Anstellung  des  Versuchs  war  noch  keine  Veränderung  zu  sehen,  später 
traten  bei  den  Verdünnungen  1  :  30  und  1 :  120  eigenartige  Elrscheinungen 
auf.  Sie  bestanden  darin,  dafs  sich  in  dem  Röhrchen,  es  nach  und  nach 
ganz  durchsetzend,  eine  Art  Gerinnsel  bildete,  das  mit  der  PlatinOse  heraus- 
gefischt worden  konnte  und  annähernd  die  Konsistenz  des  Glaskörpers  hatte. 
In  dem  gerinnselbefreiten  Zentrifugat  der  Böhrchen  fand  sich  mikroskopisch 
nicht  die  Spur  von  Kasein-Niederschlag. 

II.  22.  VI.  1904.  In  der  Poliklinik  des  von  Ha uner sehen  Kinder- 
spitals punktierte  ich  dem  12  Wochen  alten  Kind  Rosenberger,  das 
noch  täglich  5 — 6 mal  an  der  Mutter  trank,  dazu  etwas  Beinahrung 
erhielt,  die  linksseitige  Hydrocele  testis  et  funiculi  spermatici.  Der  Mutter 
wurde  reichlich  etwas  wässerig  aussehende  Milch  abgedrückt  Versuchs- 
anordnung mit  zentrifugierten  Milchverdünnungen  und  Hydrocelenflüssigkeit 
wie  bei  I. 

Sämtliche  Verdünnungen  (bis  1 :  360)  ergaben  die  gleiche  Grerinnsel- 
bildung  wie  sie  in  Versuch  I  wahrgenommen  wurde.  In  den  Kontroll- 
versuchen mit  physiol.  Kochsalzlösung  fehlte  dieselbe. 


Von  Dr.  Albert  TTffenheimer.  7*J 

in.  27.  VI.  1904.  Dem  Kinde  Fleiner  (Vera.  I)  wnrde  nochmals 
HydrocelenflüsBigkeit  entnommen  und  dieselbe  warde  in  der  gleichen  Ver- 
suchsanordnung  wie  früher,  aber  nur  bei  Milch  Verdünnungen  1 :  10  zusammen- 
gebracht 

1.  mit  der  Milch  der  eigenen  Mutter,  die  das  Kind  nicht  gesäugt  hatte, 

2.  mit  der  Milch  einer  anderen  sängenden  Frau  (Leppmeier), 

3.  mit  Kuhmilch. 

In  den  beiden  ersten  Milchen  trat  sehr  schnell  starke  Gerinnung  ein, 
in  der  Kuhmilch  zeigte  sich  die  Gerinnung  erst  am  folgenden  Tag.  Die 
Gerinnsel  glichen  bei  diesen  drei  Milchen  genau  den  oben 
beschriebenen. 

IV.  30.  VI.  1904.  Mit  Hydrocelenflüssigkeit  des  Brustkindes  Kerbel 
der  gleiche  Versuch  mit  Milch  der  eigenen  und  mit  Milch  einer  fremden 
säugenden  Mutter. 

Resultat:  genau  dasselbe  (Eintritt  mäfsiger  Gerinnung  sofort, 
über  Nacht  völlige  Gerinnung). 

Es  konnte  nach  diesen  Versuchen  kein  Zweifel  sein,  dafs 
diese  Gerinnungserscheinung  nichts  Spezifisches  im 
Sinne  der  Laktoserumreaktion  sei.  Kaseinniederschläge 
wurden  nie  im  Sediment  gefunden,  die  Gerinnsel  hatten  völlig 
den  Charakter  der  Fibringerinnsel,  und  bei  der  Betrachtung  der- 
selben (die  ein  dichtes  Fadennetz  darstellten)  durch  das  Mikroskop 
konnte  man  beim  ersten  ßhck  mit  Sicherheit  ausschUefsen,  dafs 
der  Prozefs  mit  dem  Kasein  der  Milch  irgend  etwas  zu  tun  habe. 

In  der  Tat  fand  ich  nach  Abschlufs  dieser  Versuche  in  einer 
Arbeit  von  Moro  diese  Meinung  völlig  bestätigt.  Arbeiten  von 
Hamburger  und  Moro  und  von  Bernheim-Karrer  haben 
sich  eingehend  mit  dem  Fibrinferment  der  Milch  befafst. 

Yersnehe  mit  Hflhnereler-Eiweiljs. 

Die  nachfolgenden  Versuche  mit  der  Verfütterung  von  Hühner- 
Eier-Eiweifs  schliefsen  sich  den  vorausgehenden  ungezwungen 
an;  ich  möchte  aber  ausdrücklich  betonen,  dafs  ich  erst  durch 
das  Erscheinen  der  Ganghof  ner-Langerschen  Arbeit  zu  ihnen 
angeregt  worden  bin. 

Diese  beiden  Autoren  haben  an  neugebornen  Hunden,  Katzen, 
Kaninchen  und  Zickeln  und  auch  am  menschlichen  Säugling 
Verfütterungsversuche  mit  Rinderserum  und  Eiereiweifs  vorge- 
nommen und  hierbei  gefunden,  dafs  die  genannten  körperfremden 


gQ        Experira.  Studien  über  die  Durchgftngigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Eiweifsarten  zum  Teil  unverändert  resorbiert  wurden.  Diese  Eigen- 
tümlichkeit liefs  sieh  bei  ihren  Versuchstieren  bis  an  das  Ende 
der  ersten  Lebenswoche  nachweisen  und  wurde  vom  8.  Tage 
an  konstant  vermifst.  Auch  beim  menschlichen  Säugling  konnten 
Ganghofner  und  Langer  ein  ähnliches  Verhalten  feststellen. 
Der  Magendarmkanal  älterer  Tiere  liefs  artfremdes  Eiweifs  bei 
stomachaler  Einverleibung  unter  normalen  Verhältnissen  nicht 
durch.  Jedoch  bei  übermälsiger  Eiweifszufuhr  oder  anatomischer 
bzw.  funktioneller  Schädigung  des  Magendarmepithels  konnte  auch 
bei  älteren  Tieren  ein  Übertritt  von  unverändertem  Eiweifs  in 
die  Blutbahn  konstatiert  werden.  In  einem  Fall  (beim  neugebornen 
Zickel)  führte  die  Resorption  des  unveränderten  Eiweilses  zur 
Bildung  von  Antikörpern. 

Aufser  dieser  Veröffentlichung  liegt  bis  jetzt  nur  eine  weitere 
vor,  die  sich  mit  derartigen  Versuchen  bei  Neugeborenen  beschäf- 
tigt, nämlich  eine  Arbeit  von  Hamburger  und  Sperk,  die 
zu  völlig  entgegengesetzten  Resultaten  kommt.  Den 
beiden  Wiener  Autoren  gelang  es  weder  bei  Erwachsenen  einen 
Übergang  des  verfütterten  Eiweifses  ins  Blut  nachzuweisen,  noch 
auch  bei  Neugebornen  (2  dreitägige  Kälber,  4  menschliche 
Säuglinge  im  Alter  von  5  Tagen  bis  13  Wochen).  Bei  einem 
einzigen  ihrer  Versuche  (Kalb  II)  bezeichnen  sie  das  Resultat 
als  unsicher,  insofern  als  das  Blut  des  mit  Pferdeserum  gefütterten 
Tieres  schon  vor  der  Nahrungsaufnahme  eine  reichliche  Fällung 
auf  Anti-Pferdeserum  gab.  Quantitative  Unterschiede  der  Serum- 
proben vor  und  nach  der  Nahrungsaufnahme  konnten  aber  nicht 
nachgewiesen  werden. 

Es  gelang  mir  durch  Injektion  von  Eierklar,  ein  sehr  gut 
wirkendes  Anti-Hühnereiweifs-Serum  herzustellen.  Ich  verfuhr 
ganz  nach  den  Angaben  von  Uhleuhuth.  Das  sauber  gereinigte 
Ei  wurde  vorsichtig  aufgeschlagen  und  das  WeiTse  in  ein  steriles 
Becherglas  eingebracht,  in  welchem  es  zusammen  mit  physiologischer 
Kochsalzlösung  eine  Weile  mit  einem  sterilen  Glasstabe  geschlagen 
wurde.  Jedesmal  wurde  das  Weifse  von  2  Hühnereiern  einem 
Kaninchen  in  die  Bauchhöhle  eingespritzt,  bei  einem  Gesamtvolum 
bis  zu  100  ccm.     Schon  in  der  fünften  Woche  betrug  der  Titre 


81 
Von  Dr.  Albert  tJffenlieinier. 

des  Blutserums  der  beiden  so  vorbehandelten  Kanineben  (u  und  v) 

1:30000. 

Die  folgenden  Versuche  wurden  (mit  Ausnahme  von  Nr.  I, 
bei  dem  ein  Antiserum  mit  dem  Titre  1 :  1000  verwendet  ist)  mit 
einem  so  hochwertigen  Serum  vorgenommen,  das  am  Anfang  der 
6.  Woche  den  Tieren  entzogen  wurde.  ^) 

I.  9.  Xn.  1904.  Meerschweinchen  Dd  III,  60  g  schwer,  etwas  über 
24  Standen  alt,  bekommt  3  ccm  HflhnereiweiTs  mittels  Ballpipette  per  os. 
Getötet  dVt  Standen  nach  der  leisten  Fütterang. 

Die  Prüfnng  anf  den  Übergang  des  Eiweifses  wurde  gans  analog  den 
Kasein- Versnchen  vorgenommen. 

Resultat:  Keine  Spur  von  Eiweifsübergang. 

n.  10.  xn.  1904.  Meerschweinchen  Dd  V,  50  g  schwer,  2  Tage  alt,  bekommt 
3,5  ccm  Hühnereiweifs.    Getötet  SV,  Standen  nach  der  letzten  Ffltterung. 
Resultat:  völlig  negativ. 

III.  19.  xn.  1904.  Meerschweinchen  LI  I,  65  g  schwer,  IVi  Tage  alt, 
bekommt  am  19.  und  20.  XII.  zusammen  10  ccm  Eiweifs.*)  Entblutet  Vi  Tag 
nach  der  letzten  Fütterung. 

Resultat:  völlig  negativ. 

IV.  V.  19  XII.  1904.  Meerschweinchen  LI  II  und  LI  ID,  60  und  70  g 
schwer,  vom  selben  Wurf  wie  das  vorige,  genau  ebenso  behandelt  Bei 
beiden  ist  das  Resultat:  völlig  negativ. 

VI.  19.  XII.  1904.  Meerschweinchen  Kk  I.  80  g  schwer,  5  Tage  alt, 
genau  (und  gleichzeitig)  behandelt  wie  die  vorigen  drei  Tiere. 

Resultat:  völlig  negativ. 

VII.  22.  XII.  1904.  Meerschweinchen  Nn  I,  75  g  schwer,  24  Standen 
alt,  bekommt  am  22.  und  23.  XII.  insgesamt  10  ccm  Hohnereiweifs  per  os. 
Getötet  5Vi  Stunden  nach  der  letzten  Ffltterang. 

Resultat:  völlig  negativ. 

1)  Das  eine  vorbebandelte  Kaninchen  nahm  von  der  4.  Woche  an  rasch 
an  Gewicht  ab.  In  der  7.  Woche  vermochte  es  nicht  mehr  zu  schlucken, 
trotzdem  es  zu  fressen  versuchte.  Es  wurde  getötet  und  dabei  fand  sich 
der  Magen  von  wässeriger  Flüssigkeit  erfüllt,  ohne  Futter,  die 
Schleimhaut  desselben  samtartig,  teilweise  gerötet,  der  Pylorus  stark  kon- 
trahiert. Im  Ösophagus  kein  Tumor.  Starke  Perisplenitis  und 
schwächere  Perihepatitis.  Sonst  aufser  einigen  parasitttren  Herden  in 
der  Leber  nichts  Pathologisches.  Ich  erwähne  diesen  Befand  hier  eingehen- 
der wegen  seiner  klinischen  Übereinstimmung  mit  manchen  Osophagus-Car- 
cinomen  beim  Menschen,  und  kann  hinzufügen,  dafs  unter  dieser  Erscheinung 
des  Nichtmehrfressenkönnens  öfters  Kaninchen  sterben,  die  zur  Herstellung 
von  Immunseris  verwendet  werden. 

2)  Wenn  der  Einfachheit  halber  in  diesem  Kapitel  öfter  Eiweifs  gesagt 
wird,  so  ist  natürlich  Hühnereier-Eiweifs  darunter  zu  verstehen. 


Archiv  mr  Hygiene.     Bd.  LV 


G 


^      £xperim.  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magen  dann  kanalea  etc. 

VIII.  22.  Xn.  1904.  Meerschweinchen  Nn  II,  65  g  schwer,  24  Stonden 
alt,  genau  so  behandelt  wie  das  vorige. 

Resultat;  völlig  negativ. 

IX.  22.  XII.  1904.  Meerschweinchen  Nn  III,  55  g  schwer,  vom  gleichen 
Wurf  wie  die  zwei  vorigen,  gleichzeitig  und  ebenso  behandelt 

Das  Resultat  in  diesem  Falle  war  ein  schwach 
positives^):  Sowohl  das  unverdünnte  Serum  wie  mit  physiolo- 
gischer Kochsalzlösung  angelegte  Verdünnungen  ergaben  mit 
dem  Antiserum  Niederschläge,  die  am  zweiten  Tag  noch  etwas 
umfangreicher  waren  wie  am  ersten  Tag.  Um  eine  —  natürlich 
nur  ganz  approximative  —  Bestimmung  der  ausgefällten  Präzipä- 
tatsmenge  geben  zu  können,  möchte  ich  bemerken,  dafs  ich  mir 
bei  der  Titration  des  Anti-Hühnereiweifsserums  eine  Skala  auf- 
gezeichnet hatte. 

Damals  war.  1  ccm  der  Hühnereiweirs- Verdünnungen  (von 
1  :  100  bis  1  :  30  000)  mit  je  5  Tropfen  des  Antiserums  versetzt 
worden.  Die  Reaktionen  wurden  in  annähernd  gleich  grofsen 
spitz  zulaufenden  Zentrifugiergläschen  vorgenommen,  und  am 
Ende  des  Versuchs  wurden  die  in  den  Spitzen  befindlichen  Präzi- 
pitatsmengen  abgezeichnet,  die  entsprechend  der  Konzentration 
der  benutzten  Eiweifslösung  kontinuierlich  abfielen.  So  ergab  sich 
jetzt  ein  ungefährer  Mafsstab  für  die  aus  dem  Serum  der  gefüt- 
terten Tiere  niedergeschlagene  Eiweifsmenge. 

Die  bei  Benutzung  von  0,35  ccm  des  unverdünnten  Serums 
vom  Jungen  Nn  in  durch  5  Tropfen  Antiserum  erhaltene  Prftzi- 
pitatsmenge  entsprach  ungefähr  derjenigen,  welche  sich  bei  obiger 
Versuchsanordnung  bei  einer  Ei  weifsverdünnung  1 :  4000  bis  1 :  6000 
gebildet  hatte  —  nehmen  wir  also  rund  1 :  ÖOOO.  Es  würde  dann 
aus  1  ccm  des  Serums  vom  Jungen  Nn  III  ungefähr  so  viel 
niedergeschlagen  worden  sein  wie  aus  einer  Eiweifslösung  1 :  1700; 
mit  andern  Worten  1  ccm  dieses  Serum  hätte  etwa  ^/i7oo  ccm 
Hühnerei weifs  enthalten.  Das  ganze  Tier  —  55  g  schwer  —  hat 
rund  2,1  ccm  Blutserum,  demnach  würden  in  dem  gesamten  Blut 
des  mit  10  ccm  Eiweifs  gefütterten  Tieres  rund  etwa  ^soo  ^^^^ 


1)  Das  Aussehen  des  flockigen  Niederschlages  war  auch  mikroskopisch 
ein  charakteristisches. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 


83 


davon   nachweisbar  gewesen   sein,   was  also  dem  8000.  Teil  des 
Verfütterten  entspräche. 

X.  22.  XII.  1904.  Meerschweinchen  Nn  IV,  57  g  schwer,  vom  gleichen 
Wurf  wie  das  vorige,  in  gleicher  Weise  behandelt. 

Das  Resultat  der  Blatuntersuchung  war  wiederum  ein 
schwach  positives.  Am  ersten  Tag  geringer,  am  zweiten  etwas  deut- 
licherer Ausfall  eines  charakteristischen  Präzipitates. 

Nach  der  Menge  desselben  und  der  eben  erläuterten  Art  der  Berech- 
nung würde  etwa  Vioooo  ^^b  verfütterten  Eiweifses  ins  Blut  übergegangen  sein. 

XI.  22.  Xn.  1904  Meerschweinchen  Nn  V,  62  g  schwer,  vom  gleichen 
Wurf  wie  die  vorigen,  in  gleicher  Weise  behandelt: 

Auch  hier  war  das  Resultat  ein  schwach  positives.  Am 
zweiten  Tag  erschien  ein  leichter  Präzipitat-Niederschlag,  der  höchstens  dem 
Übergang  des  10000.  Teiles  der  verfütterten  EiweiTsmenge  ins  gesamte  Blut 
entsprach.^) 

XIL  Nun  habe  ich  wie  bei  den  Verfütterungen  der  bereits  abgehan- 
delten genuinen  Eiweilse  auch  beim  Eiereiweifs  einen  prolongierten  Versuch 
mit  grofsen  Mengen  vorgenommen. 

10.  XII.  1904.  Meerschweinchen  Dd  IV,  55  g  schwer,  2  Tage  alt,  erhält 
vom  10.  bis  inkl.  17.  XII.  insgesamt  55  ccm  Eiereiweifs,  also  eine  Menge, 
die  seinem  anfänglichen  Körpergewicht  entspricht,  per  osmit 
Ballpipette  verfüttert.  Es  nimmt  dabei  rapid  an  Gewicht  zu'),  hat 
am  15.  XII.  schon  75  g,  am  18.  XII.  85  g,  am  20.  XU.  100  g  und  am  22.  XII. 
112  g.     An  diesem  Tage  wird  es  durch  Halsschnitt  entblutet. 

Die  auf  Vorhandensein  von  Eiweifs  im  Blute  vorgenommene 
Präzipitinreaktion  ergab  negativen  Befund,  es  war  ja  5  Tage  nach 
der  letzten  Verfütterung  auf  keinen  Fall  mehr  Anwesenheit  von 
Eiereiweifs  im  Blute  zu  erwarten,  dagegen  hätte  etwa  aufgenom- 
menes Eiweifs  Zeit  genug  gehabt,  um  ein  Antiserum  zu  bilden ;  ich 
darf  hier  auf  das  bei  dem  Kasein- Versuch  Gesagte  hinweisen. 


1)  Im  Urin  dieser  drei  Tiere  Nn  III— V  (es  standen  mir  allerdings  nur 
wenige  Tropfen  zur  VerfQgung)  konnte  ich  Eiereiweiüs  mittels  der  Präsipitin- 
Reaktion  nicht  nachweisen. 

2)  Schon  dieser  klinische  Befund  legte  es  nahe,  ein  negatives  Re- 
sultat des  Versuches  zu  erwarten.  Wir  wissen,  dafs  die  Aufnahme  von  un- 
verändertem Eiweifs  ins  Blut  meist  zu  Erkrankung,  immer  zu  Abmage- 
rung, oft  zum  Tode  führt  (siehe  Ganghofner  und  Langer)  und  aus 
diesem  Grunde  schon  konnte  die  stetige  Gewichtszunahme  während  der 
Dauer  des  ganzen  Experimentes  auf  ein  völlig  normales  Verbalten  des 
Magendarmkanales  in  jeglicher  Beziehung  schliefsen  lassen. 


^^        Experim.  Stadien  über  die  Darchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Der  Versuch  wurde  so  vorgenommen,  dafs  zu  Eiereiweifs- 
lösungen  von  1 :  10  an  aufwärts  bis  1 :  1000  das  Serum  des  Jungen 
Dd  IV  zu  gleichen  Teilen  zugesetzt  wurde  (je  3  Tropfen^).  Das 
Ergebnis  war  ein  völlig  negatives  —  das  Serum  ent- 
hielt keinen  Hühnereiweifs-Antikörper. 

Unsere  Versuche  haben  also  ergeben,  dafs  in  der  grüfseren 
Mehrzahl  der  Fälle  beim  neugeborenen  Meerschweinchen  verfüttertes 
Eiereiweifs  die  Magendarm  wand  nicht  unverändert  passiert.  Nur 
in  dreien  von  zwölf  Fällen  liefsen  sich  ganz  geringe  Mengen  ins 
Blut  übergetretenen  Eierklars  nachweisen.  Wie  gerade  diese 
Ausnahmen  zu  erklären  sind,  weifs  ich  nicht.  Ich  möchte  aber 
darauf  aufmerksam  machen,  dafs  diese  3  Tierchen  alle  von  einem 
Wurfe  stammten.  Man  könnte  also  an  eine  gewisse  hereditäre 
Schwäche  ihres  Intestinaltraktes  denken,  und  die  Tatsache,  dafs 
es  gerade  die  leichtesten  Tiere  des  Wurfes  waren,  läTst  wirklich 
diesen  Gedanken  (der,  wie  ich  wohl  weifs,  eine  Umschreibung, 
noch  keine  Erklärung  bedeutet)  einigermafsen  plausibel  erscheinen. 
Die  Mengen,  welche  die  Tierchen  verfüttert  bekamen,  waren  aufser- 
ordentliche,  innerhalb  26^/2  Stunden  10  ccm,  also  ungefähr  der 
sechste  Teil  ihres  Körpergewichtes,  so  dafs  man  mit  gröfserer 
Wahrscheinlichkeit  annehmen  kann,  dafs  hier  eben  eingetreten  ist, 
was  Uhlenhuth,  Ascoli  und  die  anderen  auch  bei  ihren  er- 
wachsenen Tieren  erlebt  haben,  dafs  nämlich  die  plötzliche 
Überschwemmung  des  Magendarmkanales  mit  den  fremden 
Eiweifsstoffen  es  für  den  Augenblick  nicht  zu  entsprechend  grofser 
Verdauungssaft- Absonderung  kommen  liefs,  und  so  noch  Spuren 
unveränderten  Eiweifses  ins  Blut  abgeführt  werden  konnten. 

Es  mufs  wirklich  wundernehmen,  dafs  nicht  auch  bei  den 
übrigen  mit  so  grofsen  Eiereiweifsmengen  gefütterten  Tieren  ein 
Übertritt  im  Blut  erfolgt  ist,  speziell  dafs  sich  bei  dem  zuletzt 
berichteten  Versuch  kein  Antiserum  gebildet  hat,  zumal  wenn 
wir  uns  an  die  schon  oben  erwähnten  Versuche  von  Ham- 
burger und  Sperk  erinnern,  die  nach  Injektion  von  geringen. 


1)  Aach  hier  wurden,  wie  stets,  ganz  entsprechende  KontroIlTerauche 
mit  Immunsemm  gleichzeitig  vorgenommen. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  85 

biologisch  im  Blut  gar  nicht  nachweisbaren,  Eiklarmengen  ein 
ausgezeichnetes  Antiserum  gewannen. 

Über  die  Divergenz  der  Ganghof  ner-Langerschen  Resultate 
einer-,  der  HamburgerSperkschen  und  der  unsrigen  ander- 
seits wird  an  späterer  Stelle  zu  sprechen  sein,  hier  gehe  ich  auf 
dieselben  nur  ein,  soweit  sich  Differenzen  in  den  Versuchen  am 
menschlichen  Säugling  ergeben  haben. 

Den  vier  negativen  Versuchen  von  Hamburger-Sperk 
stehen  zwei  positive  von  Ganghofner-Langer  gegenüber. 
Von  diesen  zwei  Versuchen  ist  der  eine,  wobei  reichlicher  Über- 
gang von  Eiweifs  ins  Blut  vermerkt  wurde,  an  einem  offenbar 
nicht  lebensfähigen  Kinde  vorgenommen  (I  Tag  altes 
Kind,  Zwillingsfrucht,  Gewicht  2100  g,  Enkephalokele ,  erhielt 
am  31.  V.  und  1.  VI.  bis  abends  8  Uhr  Hühnereifsweilösungen, 
starb  am  gleichen  Abend  10  ^/s  Uhr.  Blut  10  Stunden  nach  dem 
Tode  entnommen).  Die  eben  zitierten  Data  gestatten  mir  wohl 
ohne  detailliertes  Eingehen  auf  diesen  Fall,  auszusprechen,  dafs 
er  für  die  Frage  des  Eiweifs-Überganges  bei  normalen  Kindern 
nicht  verwertbar  ist. 

Der  zweite  Fall  war  ein  3  Wochen  altes  Kind,  das  wegen 
Lymphangioma  colli  operiert  wurde.  Auch  hier  fand  sich  Über- 
gang des  per  os  gegebenen  Eiweifses  ins  Blut.  Zu  dieser  Be- 
obachtung möchte  ich  bemerken,  dals  über  den  Zustand  des 
Magendarmkanales  nichts  angegeben  ist,  und  dafs  der  positive 
Ausfall  bei  einem  gesunden  3  Wochen  alten  Kinde  ja  für 
den  menschlichen  Säugling  eine  Durchlässigkeit  des  Intestinal- 
traktes  beweisen  würde,  die  weit  über  das  von  Behring  Be- 
hauptete hinausginge  und  eine  zeitlich  bedeutend  länger  dauernde 
wäre  als  bei  allen  geprüften  Tierarten.  Aus  diesem  Grunde, 
glaube  ich,  kann  der  eine  positive  Fall  dem  anderen  negativen 
gegenüber  nicht  allzu  schwer  ins  Gewicht  fallen. 

Yersnehe  mit  Antitoxinen. 

Wie  bereits  erwähnt,  waren  es  Experimente  seines  Mitarbeiters 
Römer  gewesen,  welche  Behring  zur  Angabe  führten,  dafs  ge- 
nuine Eiweifskörper  die  Intestinalschleimhaut  neugeborener  Tiere 


86       Experim.  Studien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

ebenso  unverändert  durchdringen,  als  ob  sie  direkt  in  die  Blut- 
bahn hineingebracht  würden. 

Römer  ging  aus  von  einem  durch  Ransom  mitgeteiUen  Fall, 
wo  ein  lange  mit  Tetanus- Antitoxin  vorbehandeltes  Pferd  ein  Fohlen 
warf,  welches  bei  der  Geburt  2^/2  A.  E.  pro  1  ccm  Blutserum  auf- 
wies. Die  Milch  des  Mutterpferdes  enthielt  gleichfalls  Antitoxin.  Im 
weiteren  Verlaufe  der  Beobachtung  sank  dann  der  Antitoxingehalt 
im  Blutserum  und  in  der  Milch  der  Mutter  ebenso,  wie  im  Blutserum 
des  Fohlens.  Römer  meinte  nun  mit  Behring,  dafs  nur  »unter 
Umständen«  durch  Vermittelung  der  Plazentargefäfse  Antitoxin  auf 
den  Fötus  übergehen  könne  ^)  und  glaubte  diese  Ausnahme  so  er- 
klären zu  können,  dafs  im  Ransomschen  Falle  unter  dem  Einflufs 
der  Tetanusgift- Wirkung  Hämorrhagien  in  der  Plazenta  ent- 
standen seien,  die  vorübergehend  eine  Kommunikation  von  mütter- 
lichem und  fötalem  Blut  hergestellt  hatten.  Aus  diesem  Grunde 
vermied  Römer  bei  seinem  Pferd  mit  Eintritt  der  Gravidität  jede 
Giftbehandlung. 

Er  immunisierte  eine  Stute  während  der  Schwangerschaft 
gegen  Diphtherie  und  fand  das  Fohlenblut  am  Tage  der  Geburt 
ohneAntitoxin;  nachdem  das  Junge  von  der  Stute  4  Tage  gesäugt 
worden  war,  enthielt  sein  Blutserum  pro  1  ccm  bereits  %  A.  E. 
Der  Antitoxingehalt  stieg  rapid  weiter  an,  bis  am  12.  Tage  nach  der 
Geburt  ein  Höhepunkt  mit  5  A  E.  pro  ccm  Blutserum  erreicht  war. 

Ein  ähnliches  Resultat  wurde  mit  einem  trächtigen  Kaninchen 
erzielt,  welches  mit  Tetanus -Antitoxin  behandelt  worden  war. 
Es  warf  fünf  Junge.  Zwei  von  ihnen  wurden  sofort  entblutet 
—  ihr  Serum  war  frei  von  Antitoxin.  Das  eines  dritten  Jungen 
enthielt  schon  am  4.  Tage  ^/sooo  A.  E. 

1)  Ich  gehe  auf  diese  Versuche,  die  nicht  strikt  zum  Thema  »Darch- 
gängigkeit  des  Magendarmkanales«  gehören,  zum  Teil  darum  ein,  weil  auch 
ich  einige  einschlägige  Experimente  vorgenommen  habe,  in  der  Hauptsache 
aber  deswegen,  weil  aus  den  inzwischen  fortgesetzten  Versuchen  Römers, 
den  Arbeiten  von  Polano  usw.  sich  eine  Regel  über  die  Durchgängigkeit 
der  Placentarwand  ableiten  licfs,  welche  grundsätzliche  Differenzen  bei 
den  verscliiedenen  Tierspezies  feststellte.  Dieser  Regel  wird  eine  zweite  an 
die  »Seite  zu  setzen  sein,  welche  bozilglich  der  DurchläSHigkeit  des  Magen- 
dar Ulkanales  bei  den  verschiedenen  Arten  sich  aus  meinen  Versuchen 
ergeben  hat 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  87 

Aus  der  weiteren  Schilderung  des  Fohlenversuches  geht  her- 
vor, dafs  vom  Anfang  der  dritten  Woche  an  eine  Verminderung 
des  Antitoxingehaltes  im  Fohlenblute  eintrat.  Diese  Abnahme 
könnte  nach  Römer  aus  dem  —  ebenfalls  nachgewiesenen  — 
Rückgang  des  Antitoxingehaltes  der  Muttermilch  allein  erklärt 
werden,  zumal  wenn  die  Gewichtszunahme  des  Tieres  in  Betracht 
gezogen  wird.  Jedoch  das  auffallende  Sinken  des  Antitoxin- 
gehaltes liefs  doch  daran  denken,  ob  nicht  im  Darmkanal  des 
Fohlens  sich  Veränderungen  eingestellt  hätten,  die  eine  weitere 
Aufnahme  des  Antitoxins  in  das  Blut  verhinderten. 

An  dieser  Stelle  erwähnt  Römer  die  gescheiterten  Versuche, 
die  menschliche  Diphtherie  durch  intestinale  Verabreichung  von 
Heilserum  zu  bekämpfen  als  Beweis,  dafs  bei  älteren  Individuen 
eine  Resorption  von  Antitoxin  im  Intestinaltrakt  nicht  stattfindet. 
Er  stellte  nun  selber  vier  einschlägige  Experimente  an. 

Ein  Pferd  wurde  mit  Diphtherie-Antitoxin  gefüttert,  indem 
es  in  fünf  hintereinanderfolgenden  Tagen  zusammen  42500  A.  E. 
erhielt,  —  sein  Blijt  blieb  antitoxinfrei.  Das  gleiche  Resultat 
wurde  erzielt  an  einem  Schaf,  welches  an  9  Tagen  je  1300  A.  E. 
erhielt.  Auch  bei  dem  oben  erwähnten  Fohlen  trat,  trotzdem  es 
zu  Anfang  seiner  vierten  Lebenswoche  an  vier  Tagen  je  2,5—5  g 
Diphtherie-Heilserum  Nr.  IV.  erhielt,  in  dieser  Zeit  eine  weitere 
Abnahme  des  Antitoxingehaltes  des  Blutserums  ein.  Schlielslich 
zeigte  noch  ein  Kaninchen,  welches  mit  20  ccm  antitoxischer 
Pferdemilch  (ca.  vierfach  normal)  gefüttert  wurde,  nicht  die  ge- 
ringste Antitoxin-Resorption.  Drei  Versuche,  die  vorgenommen 
wurden  zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  mit  einer  intestinalen 
Antitoxin-Denaturierung  in  nennenswertem  Grade  zu  rechnen  sei, 
reichten  zur  Entscheidung  dieser  Frage  nach  Römers  eigener 
Ansicht  nicht  aus.  Pol  an  o  hat  1904  in  seiner  Würzburger 
Habilitationsschrift  die  Rom  ersehen  Versuche  des  intrauterinen 
Übergangs  der  Antitoxine  wieder  aufgenommen  und  zwar  am 
Menschen.  Ein  erster  Versuch  mit  Diphtherie- Antitoxin  mifs- 
lang  —  es  war  aus  unbekannten  Gründen  nicht  einmal  im  mütter- 
lichen Blute  Antitoxin  nachweisbar. 


Foiano  ging  dann  zum  Tetanui-AncitoxiD  über  and  erhielt 
da  b«i  äiHnen  zvei  ersten  Versuchen  kaom  brandibare  Resultate, 
in  f-inem  driuen  Versuch,  wo  er  einer  Primigravida  2  Wochen 
and  dann  einen  Tag  ror  der  Gebart  je  100  A.  E.  t.  Behring- 
sehen  HeiUerumä  eingespritzt  hatte,  konnte  er  aber  einwand- 
frei den  C'bergang  von  Antitoxin  von  der  Matter  auf  das 
Kind  nachweisen. 

So  war  der  Stand  der  Antitoxinfrage,  als  ich  meine  Ver- 
suche begann. 

Efl  war  mir  darum  zu  tun.  möglichst  geringe  Mengen  etwa 
übergehenden  Antitoxins  im  Blut  der  Jungen  nachweisen  zu 
können.  Beim  Tetanus-Antitoxin  war  dies  mit  den  bisherigen 
Methoden  gut  durchzuführen,  für  das  Diphtherie-Antitoxin  jedoch 
reichten  dieselben  nicht  aus;  denn  die  geringste  mit  ihrer  Hilfe 
feststellbare  Antitoxinmenge  waren  ungefähr  0.1  Immunisierungs- 
Einheiten.  Ich  begrüfste  deshalb  mit  grofser  Freude  die  Marxsche 
Verr^ffentlichung.  die  mir  die  notwendigen  Hilfsmittel  für  so  feine 
Antitoxinbestimmungen  in  die  Hand  gab. 

Die  neue  Methode  beruht  darauf,  dals  zur  Titration  der  ge- 
suchten Antitoxinmenge  nicht  mehr  eine  vielfach  tödliche  Toxin- 
dosis  neutralisiert  zu  werden  braucht,  sondern  dafs  eine  einzige 
Komponente  der  Diphtheriegiftwirkung,  nämlich  die  Ver- 
ursachung  eines  lokalen  Odems,  als  Indikator  benutzt 
werden  kann. 

Da  irgend  eine  Bestätigung  der  auf  den  11.  internationalen 
Kongrefs  für  Hygiene  und  Demographie  zu  Brüssel  und  dann  im 
Centralblatt  für  Bakteriologie  nochmals  kurz  beschriebenen  Marx- 
schen  Befunde  bis  dahin  nicht  bekannt  geworden  war,  unternahm 
ich  es  zunächst,  die  Methode  nachzuprüfen. 

Durch  die  Liehienswürdigkeit  des  Herrn  Prof.  Paltauf  stand 
mir  ein  flü.ssiges,  im  Kaiserl.  Königl.  Seruminstitut  zu  Wien  genau 
auHtitriertes  Gift  zur  Verfügung.  Seine  Dosis  letalis  für  Meer- 
schweinchen von  260  g  war  0.02,  der  L  +  Wert  0,45. 

Die  Nachprüfung  ergab  ein  mit  dem  Berichteten  überein- 
stimmende« Resultat, 


Von  Dr.  Albert  Uffenbeimer.  ^9 

Eine  Anzahl  von  Versuchen  ergab  nun,  dafs  %  ^^^  absohit 
tödlichen  Dosis  beim  Meerschweinchen  von  250  g  unter  die  Haut 
eingespritzt,  nach  zweimal  24  Stunden  noch  ein  sehr  starkes 
Üdem^)  mit  vielen  Hämorrhagien  bewirkte,  während  bei- 
spielsweise ^/i5  tödlicher  Dosis  nur  »ziemliche* starkes  Ödem  ver- 
ursachte. Im  allgemeinen  ergab  die  Obduktion  dieser  Ödemtiere 
keine  irgendwie  erhebliche  Giftwirkung  auf  innere  Organe,  da 
ich  aber  doch  bei  einigen  Sektionen  solche  in  geringerem  Grade 
konstatieren  konnte,  sah  ich  bei  sämtlichen  Serumbestimmungen 
davon  ab,  nach  Marx'ens  Vorachlag  ein  Tier  an  zwei  entgegen- 
gesetzten Körperstellen  mit  zwei  verschiedenen  zu  prüfenden 
Flüssigkeiten  zu  injizieren  und  habe  stets  nur  eine  einzige  sub- 
kutane Einspritzung  unter  die  Bauchhaut  vorgenommen.  Ich  mufs 
auch  offen  gestehen,  dafs  ich  es  mir  gar  nicht  vorstellen  kann,  dafs 
die  injizierte  nicht  tödliche  Giftdosis,  abgesehen  von  ihrer  heftigen 
lokalen  Wirkung,  den  übrigen  Körper  unangetastet  lassen  könnte. 
Um  deshalb  nicht  vorauszusehenden  und  unberechenbaren  Fehlern 
zum  Opfer  zu  fallen,  wird  es  sich  auch  künftig  für  jeden,  der 
die  Marx  sehe  Methodik  anwendet,  empfehlen,  an  einem  und  dem- 
selben Tier  nur  eine  FltLssigkeit  zu  prüfen. 

Ich  liefs  nun  auf  die  Giftmenge,  welche  das  »sehr  starke 
Odemc  verursachte,  Verdünnungen  eines  200fachen,  ebenfalls 
von  Herrn  Prof.  Pal  tauf  gütigstzur  Verfügung  gestellten  Diphtherie- 
Antitoxins  in  Abstufungen  24  Stunden  lang2)  einwirken  und  stellte 
durch  Meerschw^einchen- Versuche  fest,  dafs  bei  ^/^oo  J.  E.  noch 
ein  sehr  starkes  Odem  unverändert  sich  zeigte,  während  bei 

^/soo  J.  E.  ein  ziemlich  starkes  Odem, 

Veoo  J*  ^-  mäfsiges  Odem, 

V400  J-  E-  sehr  geringes  Odem, 

^/goo  J.  E.  eben  noch  nachweisbare  Spur  von  Ödem 


1)  Ich  zog  es  vor,  bei  meinen  Versuchen  diese  noch  sehr  starke  Odem- 
ansammlang  zum  Ausgangspunkt  der  Titration  zu  nehmen,  während  Salge 
eine  Giftdosis  benatzte,  welche   »eben   noch   ein  deutliches  Odem«  erregte. 

2)  Wie  Marx  es  vorschlug,  2  Stunden  lang  im  Bratschrank,  dann 
22  Stunden  im  Eisschrank. 


qQ        Experim.  Stadien  über  die  Darchgängigkeit  des  Magendannkanales  etc. 

sich  fand,  so  dafs  also  Vüoo  J-  ^-  ^^^  Menge  war,  welche  die  ödem- 
machende  Wirkung  von  Vio  tödlicher  Dosis  aufhob,  während 
7)^)0  J-  E.  keinen  giftwirkungshemmenden  Einfiufs  mehr  ausübte. 
Durch  ein  solches  Austitrieren  läTät  sich  also  tatsächlich,  auch 
wenn  der  »Glatt wert*  noch  nicht  erreicht  ist,  empirisch 
ungefähr  bestimmen,  wie  viel  Immunisierungseinheiten  eine  zu 
untersuchende  Flüssigkeit  enthält.  Die  Methodik  ist  —  wie  oft 
wiederholte  Versuche  mir  zeigten  —  eine  ungemein  genaue  und 
verlässige,  und  rein  theoretische  Einwände,  wie  sie  von  Siegert 
gegen  dieselbe  erhoben  worden  sind,  entbehren  jeglicher  Begrün- 
dung. 

Zur  Injektion  verwandte  ich  stets  0,6  ccm  Gesamtflüssigkeit; 
dies  Volum  wurde  nur  ausnahmsweise  dann  überschritten,  wenn 
ein  Serum  in  der  Menge  von  0,4  ccm  noch  nicht  zur  Bestimmung  ge- 
nügendeantitoxische  Wirkung gezeigthatte.  Mehrais  0,8ccm  Gesamt- 
volum  habe  ich  aber  nie  eingespritzt. 

Zunächst  prüfte  ich  das  Blutserum  neugeborener  und  wenige 
Tage  alter  unbehandelter  Meerschweinchen  verschiedener  Würfe 
(3  Geschwister  €,  2  Geschwister  SS)  auf  etwaigen  angeborenen 
Diphtberie-Antitoxingehalt.  Es  fand  sich  regelmäfsig  das 
Blut  ganz  frei  von  Antitoxin.  (Auf  die  Wiedergabe  der 
betreibenden  Protokolle  kann  ich  deshalb  verzichten). 

Nun  versuchte  ich  den  von  Römer  geleugneten  plazentaren 
Übergang  des  Antitoxins  von  der  Mutter  auf  das  Junge 
festzustellen. 


21.  IV.  1904.  Meerschweinchen  L,  nie  behandelt,  ca.  600  g  Gewicht, 
hochschwanger.     Die  Geburt  ist  in  den  nächsten  Tagen  zu  erwarten. 

Vormittags  11  Uhr  wird  ihm  vom  Höchster  Diphtherie-Heilsernm  VID 
Op.  S80  C.  Nr.  70G  ....  6  ccm  subkutan  unter  die  Bauchhaut  injiziert  (500  fach 
=  3000  J.  E.). 

23.  IV.  Bis  heute  (Samstag)  Abend  ist  die  Geburt  noch  nicht  ein- 
getreten. Da  bereits  Schwellung  der  Vulva  vorhanden  ist,  also  wahrschein- 
lich die  Geburt  nehr  bald  erfolgen  würde,  wird  der  Kaiserschnitt  vor- 
genommen, um  zu  vermeiden,  dafs  die  nachts  oder  Sonntags  geborenen 
Jungen  an  der  Alten  (die  ja  sicher  antitoxinhaltige  Milch  hat)  taugen 
können. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 


91 


Kaiserschnitt  abends  6  Uhr,  also  2  Tage  and  7  Stunden  nach  Injektion 
des  Heilserums.  Sofortige  Entblutung  der  drei  Jungen  (LI  — 111)  durch 
Halsschnitt. 

Gleichzeitige  Entblutung  der  Alten. 

Für  die  Bestimmung  der  im  Blute  der  Alten  befindlichen 
Antitoxinmenge  benutzte  ich  die alteEhrlich-Kossel-Wasser- 
m an n sehe  Gift- Serum- Misch ungsmethode(10-fache Menge 
der  tödlichen  minimalen  Giftdosis  +  zu  untersuchendes  Serum 
in  abgestuften  Mengen;  nach  der  Mischung  erst  2  Stunden  Brut- 
schrank, dann  2^/2  Stunden  Eisschrank): 


\\  0,2  ccm  Diphtheriegift  Paltanf  = 
II  lüfach  tödl.  Dosis  Termischt  mit 


Versuchstier 


Verlauf  des  Versuchs 


23.  VI. 
04. 


0.1  ccm  Serum  Alte  L 


0,03  ccm  Serum  Alte  L 


0,02  ccm  Serum  Alte  L 


0,01  ccm  Serum  Alte  L 


0,005  ccm  Serum  Alte  L 


Meerschw.  10, 
Gew.  290  g. 


Meerschw.  11, 
Gew.  290  g. 


Meerschw.  12, 
Gew.  260  g. 


Meerschw.  13, 
Gew.  260  g. 


Meerschw.  14, 
Gew.  255  sr. 


24.  ganz    munter,    ohne 
ödem. 

25.  kein  ödem.  Gew.  300  g. 
Nachm.  310  g. 

27.   Gew.  320  g 

30.   Gew.  330  g 

24.  ganz    munter,    ohne 
ödem. 

25.  kein  ödem.  Gew.300g. 
Nachm.  Gew.  310  g. 


Tier  blieb 

völlig  go- 

sund. 


Tier  blieb 
völlig  ge- 
sund. 


27.   Gew.  320  g 
30.   Gew.  340  g 

24.  reichl.  ödem,  geringe 
Motilit&t 

25.  Morgens  tot  aufgefun- 
den. Gew.  240  g.  Ob- 
dnkt  Typischer  Diph- 
theriegiftbefund. 

24.  Ausgedehntes  ödem. 
Tier  schwer  krank. 

25.  Morgens  tot  aufgefun- 
den. Gew.  240  g.  Ob- 
dukt.  Typ.  Diphtherie- 
giftbefund. 

Verlauf  genau  wie  bei 
Meerschw.  13. 


qn      Ezperim.  Studien  über  die  Dorchgängigkeit  des  MagendarmkanaJes  etc. 

Zur  genaueren  Bestimmung  setzte  ich  diesen  Versuch  weiter 
fort  und  fand: 


0,2  ccm  Diphtheriegift  Paltaiif  = 
10 fach  tödl.  [losis  vonniFCht  mit 


Versuchstier 


Verlauf  des  Versuchs 


16.  VII. 
04. 


0,03  ccm  Serum  Alte  L 


Meerschw.  27, 
Gew.  250  g. 


0,0275  ccm  Serum  Alte  L 


Meerschw.  28, 
Gew.  240  g. 


0,025  ccm  Serum  Alte  L 


Meerschw.  29, 
Gew.  245  g. 


0,0225  ccm  Serum  Alte  L 


Meerschw.  30, 
Gew.  250  g. 


19.  Gew.  240  g.  Sehr  mo- 
bil, kein  ödem  mehr. 
Von  hier  ab  ständige 
Zunahme. 

17.  Gew.  240  g. 

18.  Gew.  235  g.  Mäfsiges 
ödem.  Mobil. 

19.  Gew.  245  g.  Von  da 
ab  schnelle  Abnahme 
des  Ödems  und  stän- 
dige Zunahme  an  Ge- 
wicht. 

17.  Gew.  285  g. 

18.  Gew.  225  g.  Sehr  stor- 
kes  ödem.  Mobilität 
beeinträchtigt. 

19.  Tier  tot  aufgefunden. 
Gew.  200  g.  Obdakt : 
Typ.  Di-Giftbefund. 


Darnach  war  etwa  0,03  ccm  Serum  der  Alten  die  Dosis  der 
ghitten  Resorption  oder  es  schützte  0,0.'}  des  Serums  vor  0,2  ccm 
Diphtheriegift  Paltauf;  da  das  zur  Prüfung  benutzte  Gift  aber 
^/o  normal  war  (Dosis  letalis  für  Meerschweinchen  von  250  g  . . .  0,02 
oder  nach  v.  Behrings  Ausdrucks  weise : 

1  ccm  =  +  12  500  M),  hätte 
0,03  des  Serums    der  Alten    vor  0,1  ccm    Normalgift   geschützt, 


17.  Gew.  245  g. 

18.  Gew.  250  g.  Fraglich, 
ob  Spur  ödem.  Tier 
sehr  mobil. 

19.  Gew.  255  g.  Kein 
Odem.  Tier  sehr  mo- 
bil. Von  hier  ab  stän- 
dige Zunahme. 


17.  Gew.  230  g. 

18.  Gew.    285    g. 
leichtes  ödem. 


Ganz 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 


1)3 


somit  0,3  ccm  des  Serums  vor  1,0  ccm  Normalgift.  Nun  bezeich- 
net man  als  Antitoxin-  oder  Immunisierungseinheit ^)  diejenige 
Menge  von  Antitoxin,  welche  gerade  ausreicht,  um  eine  Toxin- 
Einheit  (=  1  ccm  Normalgift)  zu  neutralisieren;  somit  erwies  sich 
das  Serum  der  Alten  über  3-fach  normal,  d.  h.  es  enthielt  in  1  ccm 
mehr  als  3  J.  E.  Antitoxin.  Berechnen  wir  dies  auf  die  Gesamt- 
serummenge (=  V26  d®8  Körpergewichts,  hier  also  rund  =  23  ccm), 
so  stellt  sich  heraus,  dafs  im  Serum  der  Alten  noch  un- 
gefähr 75  J.  E.  des  eingespritzten  Antitoxins  nachweis- 
bar waren. 

Die  Prüfung  des  vermischten  Serums  der  3  Jungen   L  I — III 
nach  der  Marx  sehen  Methode  ergab  2) 


Vio  tödliche  Giftdosis  vermischt 

mit 


Versuchstier 


Befund  bei  der  Tötung  nach 
2X24  Stunden 


1.   0,2  ccm  Serum  Junge  L 
I-lII 


2.  0,3  ccm  Serum  Junge  L 
I— m 

3.  0,4  ccm  Serum  Junge  L 
I— III 

4.  0,6  ccm  Serum  Junge  L 
I— m 


Meerftchw.l5; 
Gew.  290  g. 

Meerschw.  26 
Gew.  230  g. 

Meerschw.  16 
Gew.  300  g. 

Meerschw.  24 
Gew.  250  g. 


Gew.  300  g,  geringes  ödem, 
etwas  vermehrte  Peritoneal- 
flüXsigkeit. 

Gew.  180  g,  sehr  starkes 
Odem. 

Gew.  390  g,  Spur  ödem. 
Gew.  230  g,  völlig  glatt. 


(Wir  sehen  hier  wieder  die  Genauigkeit  der  meisbaren  Ab- 
stufungen; die  etwas  stärkere  Affektion  des  zweiten  Tieres  wird 
durch  sein  im  Verhältnis  zu  den  anderen  geringes  Gewicht 
erklärt.) 

Somit  zeigte  sich  bei  0,6  ccm  Serum  der  Jungen  glatte  Re- 
sorption. Dies  entspricht  nach  den  mit  dem  Pal  tauf  sehen  Anti- 
toxin gefundenen  Resultaten  etwa  V200  J*  ^- 


1)  Ich  folge  hier  den  Angaben  des  in  Buchform  vorliegenden  Berichtes 
der  Farbwerke  Meister  Lucius  und  Brüning  (1903).  In  anderen  Büchern 
(z.  B.  bei  Dieudonnä)  wird  man  andere  Angaben  finden. 

2)  Ich  brauche  wohl  kaum  hervorzuheben,  dafs  die  einzelnen  Prüfungen 
stets  durch  Injektionen  der  Vio  tödlichen  Dosis  ohne  Zusatz  bei  einem  Meer- 
schweinchen kontrolliert  wurden. 


^       Kzperim.  Atadien  über  die  DnrcbgftDgigkeit  des  Magen*ianiikanmles  ecci 

Wenn  in  0,6  ccm  also  ^^^  J.  £.  nachweisbar  waren,  so  enthielt 
1  ccm  dieses  Serums  etwa  ^i^)  J.  £.  oder  das  Gesamtblut 
eines  solchen  Tieres  etwa  V..^  J.  £.  Diphtherie- Antitoxin. 

Dieser  Versach  bildete  für  das  Meerschweinchen  eine  Be> 
flüLtigung  dessen,  was  Polano  beim  Menschen  bezüglich  des 
Tetanus-Antitoxins  gefunden  hatte,  nämlich  plazentaren  €■  ber- 
gang  des  Antitoxins  von  der  Mutter  auf  das  Junge  auch 
bei  antitoxischer  Immunisierung. 

Nach  dieser  Feststellung  war  ich  begierig  zu  sehen,  ob  etwa 
die  Jungen  eines  Tieres,  das  vor  einiger  Zeit  eine  starke  Diphtherie- 
giftdosis erhalten  hatte,  aber  überlebend  gebUeben  war,  in  ihrem 
Blute  Antitoxin  hätten. 

2  Junge  des  auf  solche  Weise  behandelten  Meerschweinchens  ^ 
wurden  am  Tage  der  Geburt  entblutet. 

Es  zeigte  sich  nicht  der  geringste  Antitoxingehalt 
im  Blute  der  Jungen.  Dies  stimmt  überein  mit  der  Erfahrung, 
dafs  Meerschweinchen  sich  aktiv  gegen  Diphtherie  kaum  immu- 
nisieren lassen. 

Nun  ging  ich  daran,  den  Übergang  des  Antitoxins 
im  Blute  vom  Darmkanal  aus  zu  prüfen. 

I.  Meerschweinchen  v  I  and  v  II,  vom  Tag  der  Gebart  ab  mit  Diph- 
therie-Antitoxin mittelfl  Ballpipette  gefüttert.  Gewicht  (erst  am  3.  Lebens- 
taK  notiert:  90  und  100g). 

Vom  IH.  VI.  bis  21.  VI.  1904  bekamen  sie  zusammen  18,75  ccm  eines 
4(K)fachen  Höchster  $erams=7&00  J.  £.,  also  rund  40  J.  £.  pro  Gramm 
Körpergewicht. 

Am  22.  VI.  vormittags  werden  sie  beide  in  gemeinsames  Gef&fs  ent- 
blutet. 


>/„  tö<ll.  caftdosis  vermischt        Versuchstier 
mit 


Befund  bei  der  Tötung  nach 
2  X  24  Stunden 


0,1  ccm  Serum  Junges  vi  u.  II     MeerBchw.23; 

<4ew.  250  g. 

0,2  rem  Serum  Junges  vi  u.  II    Meer8chw.37; 

Gew.  260  g. 

0,3  ccm  Serum  Junges  vi  u.  II  j  Meerschw.SS; 

Gew.  250  g. 


Gew.  200  g;  mäfsig  starkes 
ödem,  mäfsig  Hämorrhagien. 

Gew.  260  g;  wenig  ödem  mit 
geringen  Hämorrhagien. 

Gew.  250  g;    sehr  geringes 
Ödem. 


0,4  rem  Serum  Junges  vi  u.  II     Meerschw.lS;  >  (Jew.  240  g;  glatt 

Gew.  240  g:.    | 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 


1>5 


Resultat:  0,4  ccm  ergaben  glatte  Resorption,  d.  b.  sie  hatten 
die  Wirkung  von  ^/goo  J.  E.  oder:  1  com  des  Serums  der  beiden 
Tiere  v  I  und  II  enthielt  ungefähr  ^j^  J.  E.  Diphtherie-Antitoxin, 
mit  anderen  Worten :  ins  Gesamtblut  der  beiden  Tierchen 
war  durch  die  Fütterung  rund  Vio  J«  E.  Antitoxin  über- 
gegangen. 

II.  22.  VII.  1904.  Junges  Meerschweinchen  H  VII,  40  g  schwer,  erhält 
am  Tag  der  Geburt  und  am  folgenden  zusammen  1,8  ccm  Höchster  Diph- 
therie* Heilserum  (400 fach  =  720  J.  E.)  mittels  Ballpipette  verfüttert.  Es 
kommen  also  auf  lg  Körpergewicht  18  J.  E. 

Leichte  Aspiration  bei  der  Verfütterung.  Entblatung  6  Standen  nach 
der  letzten  Fütterung 

Die  erhaltenen  0,4  ccm  Serum  werden  zu  einer  einzigen 
Prüfung  verwendet: 


Versuchstier 


Befund  bei  der  Tötung  nach  2X^4  Stunden 


Meerschw.  47;  Gew.  250  g 


Gew.  280  g.  Völlig  glatte  Resorption. 


Resultat:  Deutlicher  Übergang  von  Antitoxin  ins  Blut;  da 
nur  der  eine  V^ersuch  gemacht  werden  konnte,  läfst  sich  der 
Antitoxingehalt  des  Serums  nicht  genau  feststellen,  es  enthielt 
aber  mindestens  1  ccm  Serum  des  Jungen  H  VII  .  .  .  . 
^If^J.E.  Diphtherie-Antitoxin;  der  Mindestgehalt  seines 
Gesamtblutes  war  demnach  ungefähr  ^50  J.  E. 

III.  25.  VII.  1904.  Junges  Meerschweinchen  3  II,  80  g  schwer,  erhält 
am  Tage  der  Gebart  per  os  2,88  ccm  Höchster  Diphtherie- Heilserum  (500  fach 
=  1440  J.  E.),  also  auf  das  Gramm  Körpergewicht  gerechnet  18  J.  E. 

Am  folgenden  Morgen  durch  Halsschnitt  entblutet 


Die  Prüfung  ergab: 

ViQ  tötl.  Giftdosis 
vermischt  mit 

Versuchstier 

Befund  bei  der  Tötung  nach 
2  X  24  Stunden 

0,1  ccm  Serum  Sil 
0,2  ccm  Serum  311 
0,4  ccm  Serum  311 

Meerschw.  48; 
Gew.  250  g 

Meerschw.  49; 
Gew.  240  g 

Meerschw.  50; 
Gew.  230  pr 

1 

Gew.  245  g;  völlig  glatte  Resorption 
Gew.  245  g;  völlig  glatte  Resorption 
Gew.  235  g;  völlig  glatte  Resorption 

96 


Ez|*erim.  Stadien  über  die  DarcfagAngigkeit  des  MagendaimkanmleR  etc. 


Resultat:  Schon  0,1  ccni  Serums  yerursachte  völlig  glatte 
Resorption  der  ^/iq  tödlichen  Giftdosis,  enthielt  also  zum  mindesten 
\'2oo  J-  E.  oder  1  ccm  des  Serums  vom  Jungen  311  enthielt 
zum  wenigsten  \^  J.  £.  Diphtherie- Antitoxin,  das  üe- 
samtserum  des  Tieres  also  zum  wenigsten  ^/j  J.  E. 

IV.  25  VII  1904.  Jonges  MeerschweiDchen  4  I,  60  g  schwer,  erhalt 
am  Tage  der  Gebart  per  os 

2,1  ccm  Höchster  DIpbtberic-Heilsenim  400  fach  =  840  J.  R 
0,48,,  „  „  „  500fach  =  240  J.  E. 

zaaammen  1080  J.  E., 
entaprechend  18  J.  £.  pro  Gramm  des  Körpergewichts. 

Entblutung  am  folgenden  Morgen.  Die  Prüfung  nach  Marx 
ergab  : 


'/,.  tö<ll.  Giftdosis        Versuchstier 
vermiscbt  mit  ^  ersucnsiier 


Befand  bei  der  Tötung  nach 
2  X  24  Standen 


0,4  ccm  Seram  41  J    Meerschw.  51; 

1       Gew.  250  g 


Gew.  265  g;  völlig  glatte  Resorption 


Resultat:  Bereits  0,4  ccm  des  Serums  verursachte  völlig  glatte 
Resorption,  enthielt  also  zum  mindesten  V^oo  ^-  ^• 
Mindestgehalt  von  1  ccm  Serum  des  Jungen  4  I . . .  ^so  J-  ^• 
Mindestgehalt  des  Gesamtserums  des  Jungen  41 . . .  ^85  J-  E- 

V.  25.  VII.  1904.  Junges  Meerschweinchen  4  II,  60  g  schwer,  erhält 
am  Tage  der  Geburt  per  os  2,16  ccm  Höchster  Diphtherie-Heilsemm  (500 fach 
=  1080  J.  K.),  also  wiederum  18  J.  £.  aufs  Gramm  Körpergewicht  gerechnet. 

Entblutung  am  nächsten  Morgen. 

Die  Prüfung  ergab: 


7,0  t<idl.  Dosis  ver- 
iriiHcht  mit 


Versuchstier 


Befund  bei  der  Tötung  nach 
2  X  24  Stunden 


0,lf)crm  Serum  411 


0,3  ccm  Serum  411 


Meerschw.  52; 
(few.  240  g 

Meerschw.  58; 
Gew.  230  K 


Gew.  245  g;  völlig  glatte  Resorption 


Gew.  225  g;  völlig  glatte  ResorpUon 


lies  ul  tat:  Mindestgell  alt  von  leeinSerumdesJungen41I 
'/xo  J.  E.,  Miiidestgelialt  des  (lesanitserums  des  Jungen  4  II 
*/i:,  J.  K.  Diphtherie-Antitoxin. 


Von  Dr.  Albert  Uffenbeimer. 


97 


VT.  26.  VII.  1904.  Junges  Meerscbweincben  f  ni,  85  g  schwer,  erhält 
am  Tag  der  Gebort  per  os  8,06  ccm  Höchster  Diphtherie -Heilserum  (500  fach 
=  1530  J.  £),  wiederum  18  J.  K  auf  das  Gramm  Körpergewicht  gerechnet 

Entblutnng  am  folgenden  Vormittag. 

Die  Prüfung  ergab: 


Vio  tödl.  Giftdosis 
vermischt  mit 


Versuchstier 


Befund  bei  der  Tötung  nach 
2  X  24  Stunden 


0,1  ccm  Serum  f  IH 


0,2  ccm  Serum  f  HI 


0,4  ccm  Serum  flu 


Meerschw.  56; 
Gew.  240  g 

Meerschw.  54; 
Gew.  230  g 

Meerschw.  55; 
Gew.  270  g 


Gew.  220  g.  Aufserordentlich  starkes 
ödem  mit  starken  Httmorrhagien. 

Gew.  225  g.    Mälsig  starkes  Odem; 
starke  H&morrhagien. 

Gew.  255  g.    Mäfsig  starkes  ödem; 
starke  Hftmorrhagien. 


Ich  bin  bei  diesem  Versuch  also  nicht  bis  zur  Erzielung  des 
iGlattwertesc  gekommen.  Doch  während  0,1  ccm  Serum  noch 
keinerlei  Einwirkung  auf  die  Giftdosis  zeigt  (Befund  genau  wie 
bei  dem  Kontrolltier),  läfst  sich  eine  solche  bereits  bei  0,2  und 
0,4  ccm  Serum-Zusatz  erkennen.  Es  würde  das  »mäfsig  starke 
Odemc  etwa  entsprechen  ^j^qq  J.  E.  unserer  empirischen  Tabelle. 
Ich  unterlasse  hier  eine  Ausrechnung  auf  Grund  dieser  Zahl. 
Der  Obertritt  einer  kleinen  Menge  von  Diphtherie-Anti- 
toxin ins  Blut   ist  aber  beim  Jungen  flll  sichergestellt 

Vn.  26.  VU.  1904.  Junges  Meerschweinchen  fi  HI,  80  g  schwer,  erhält 
am  Tag  der  Geburt  per  os  2,88  ccm  Höchster  Diphtherie-Heilserum  (SOOfach 
=  1440  J.  E.),  auch  wieder  aufs  Gramm  Körpergewicht  18  J.  E.  gerechnet 

Entblntung  am  folgenden  Morgen.  Bei  der  Prüfung  ergaben  0,88  ccm 
des  Serums  mit  Vio  tödlicher  Giftdosis  zusammengebracht,  völlig  glatte 
Resorption  nach  zweimal  24  Stunden. 

Das  Resultat  istalso  auch  hier  wieder  deutlich  positiv. 

Nachdem  sich  so  als  gesetzmäfsige  Erscheinung  der  Übergang 
eines  Teiles  des  als  Heilserum  verfütterten  Diphtherie-Antitoxins 
durch  den  Magendarmkanal  der  neugeborenen  Meerschweinchen  ins 
Blut  gezeigt  hatte,  blieb  noch  die  Frage  übrig,  ob  alte  Tiere  sich 
ebenso   verhielten.     Ich   nahm  deshalb   folgenden  Versuch   vor: 

12.  VII.  1904.  Muttertier  d.  Gewicht  570  g,  bekommt  aus  der  R.  Karotis 
ca.  3  ccm  Blot  entzogen. 

Archiv  mr  Hygiene.    Bd.  LV  7 


c^g      Ezperim.  Stadien  Über  die  Darchgängigkeit  des  Magen dannkanales  etc. 

Darnach  Fütterung  mit  Ballpipette.  Vom  12.  bis  15.  Vn.  erhält  das 
Tier  im  ganzen  22  500  J.  E.  Diphtherie-Antitoziu  in  Form  von  Höchster  Heil- 
seram  (400  und  600  fach)  verfüttert 

Es  war  in  diesem  Falle  also  auf  jedes  Gramm  Körpergewicht 
etwa  40  J.  E.  gerechnet.  Am  Nachmittag  des  15.  VII.  wurde  dem 
Tier  8  ccm  Blut  aus  der  linken  Carotis  entnommen. 

Die  Prüfung  des  Blutserums  dieses  alten  Tieres 
vor  der  Fütterung  ergab: 


Viotödl.Giftdosis 
vermischt  mit 


Versuchstier 


Befund  bei  der  Tötung  nach 
2  X  24  Stunden 


Gew.  220  g.  Sehr  starke  Ödembil- 
dung mit  reichl.  Uftmorrhagien. 

Gew.  210  g.    Ebenso. 

Gew.  210  g.     Ebenso. 

Gew.  210  g.    Ebenso. 


0,1  ccm  Serum  d 

0,2  ccm  Serum  d 
0,4  ccm  Serum  d 
0,6  ccm  Serum  d 


Meerschw.  36;  Gew.  245  g 

Meerschw.  32;  Gew.  230  g 
Meerschw.  33;  Gew.  230  g 
Meerschw.  35;  Gew.  230  g 


Resultat:   Das  Serum  des  Tieres  d  enthielt   vor  der 
Fütterung  kein  Diphtherie-Antitoxin. 

Die  Prüfung  desselben  Serums  nach  der   Fütterung   mit 
dieser  riesigen  Antitoxin-Dosis  ergab: 


Viotödl.Giftdosis 
vermischt  mit 


Versuchstier 


Befund  bei  der  Tötung  nach 
2  X  24  Stunden 


0,1  ccm  Serum  d    Meerschw.  40;  Gew.  260  g 

0,2  ccm  Serum  d  Meerschw.  41 ;  Gew.  260  g 
0,3  ccm  Serum  d  Meerschw.  42;  Gew.  250  g 
0,4  ccm  Serum  d  Meerschw.  43;  Gew.  240  g 
0,5  ccm  Serum  d  Meerschw.  44;  Gew.  250  g 
0,6  ccm  Serum  d  •  Meerschw.  45;  Gew.  240  g 


Gew.  240  g.  Aufserordentl.  starkes 
ödem  mitreichl.Hämorrhagien. 

Gew.  255  g.  Ebenso. 

Gew.  225  g.  Ebenso. 

Gew.  235  g.  Ebenso. 

Gew.  235  g.  Ebenso. 

Gew.  215  g.  Ebenso. 


Resultat:  Es  war  nicht  die  Spur  nachweisbaren  Anti- 
toxins ins  Blut  der  Alten  übergegangen. 

Eine  Wiederholung  dieses  Versuches  verbot  sich  durch  seine 
aufserordentliche   Kostspieligkeit;    er  stimmt  aber  völlig  zu   all 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimeif.  09 

den  von  Römer  erhaltenen  Resultaten   bei   den  Alten  der  ver* 
schiedensten  Tiergattungen. 

Hier  ist  der  Ort,  einen  Versuch  am  neugebornen 
Menschen  einzufügen.  Ich  hätte  gern  an  einer  gröfseren  An* 
zahl  von  Kindern  solche  Antitoxinfütterungen  vorgenommen, 
allein  —  da  nur  durch  einen  Aderlafs  genügende  Mengen  Blutes 
erhalten  werden  konnten  —  scheute  ich  mich,  zu  solchen  nicht 
notwendigen  Operationen  zu  schreiten,  und  kann  deshalb  nur 
über  ein  einziges  Experiment  berichten :  Das  Kind,  Wolfgang  B., 
wurde  gleich  nach  der  Geburt  wegen  schwerer  inoperabler  Spina 
bifida  und  Klumpfüfsen  in  das  von  Hau n ersehe  Kinderspital 
aufgenommen.  Die  Verdauung  funktionierte  —  wie  die  Beob- 
achtung in  den  ersten  Lebenstagen  zeigte  —  gut;  ich  glaubte, 
bei  diesem  Candidatus  mortis  einen  Aderlafs  wagen  zu  dürfen. 
Als  das  Kind  3  Tage  alt  war,  entzog  ich  ihm  aus  der  linken 
Vena  mediana  Blut.  Dann  verfütterte  ich  auf  einmal  mittels 
Magensonde  15000  J.  E.  Diphtherie- Antitoxin,  Am  folgenden 
Tag,  nach  15^/2  Stunden,  machte  ich  eine  Blutentziehung  aus 
der  Vena  mediana.  •>'"^*^  ' 

Die  Prüfung  des  kindlichen  Serums  nach  Marx  vor  der 
Fütterung  ergab  bis  0,05  ccm  herunter  glatte  Resorption.  Leider 
konnte  ich  nicht  mit  geringeren  Serummengen  eine  ergänzende 
Prüfung  vornehmen,  da  zum  ersten  Versuch  alles  verbraucht 
war.  Das  Serum  nach  der  Fütterung  ergab  bei  den  entsprechen- 
den Werten  gleichfalls  glatte  Resorption.  So  ist  also  durch 
dieses  Experiment  für  unsere  Frage  nichts  bewiesen,  wohl  aber 
wiederum  festgestellt,  dafs  sich  im  Serum  des  nicht  ge- 
säugten neugebornen  Menschen  gröfsere  Diphtherie 
Antitoxinmengen  vorfinden  können. 

Nachdem  die  Durchlässigkeit  des  Magendarmkanales  neu- 
geborner  Meerschweinchen  für  das  Diphtherie- Antitoxin  einwand- 
frei gezeigt  war,  galt  es,  das  Tetanus- Antitoxin  unter  gleichen 
Verhältnissen  zu  prüfen.  Aber  über  den  nun  folgenden  Unter- 
suchungen schwebte  von  Anfang  an  ein  böser  Stern.  Durch  die 
entgegenkommende  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Prof.  Paltauf 
verfügte  ich  über  ein  festes  Tetanustoxin  und  über  ein  flüssiges 


100 


Ezperim.  Stadien  fiber  die  Darchgftngigkeit  des  Magendannkanmles  etc. 


Antitoxin.  In  dem  von  Herrn  Dozenten  Dr.  Kraus,  dem  ich  für 
seine  Bemühungen  den  herzlichsten  Dank  ausspreche,  gezeichneten 
Begleitschreiben  zur  Sendung  dieser  Agentien  hieüs  es:  les  lag 
an  der  Labilität  des  Toxins,  wodurch  wir  an  der  Bewertung  ver- 
hindert wurdenc.  Leider  zeigte  sich  diese  Labilität  auch  während 
unserer  Versuche  in  ganz  aufserordentlicher  Weise,  so  dafs  von 
nahezu  200  Tierversuchen  nur  eine  verhältnismäfsig  kleine  An- 
zahl verwertet  werden  kann.  Es  ist  selbstverständlich,  dafs  ich 
keine  Versuchsreihe  ohne  erneute  Kontrolle  angestellt  habe.  Über- 
all, wo  das  Kontrolltier  nicht  unter  den  typischen  Tetanus- 
Erscheinungen  starb,  konnte  die  ganze  Reihe  der  gleichzeitig 
angestellten  Tierexperimente  nicht  berücksichtigt  werden. 

Nach  den  Feststellungen  des  Kaiserl.  Kgl.  serotherapeutischen 
Institutes  in  Wien  tötete  0,00002  ccm  von  einer  Lösung  1  g 
Tetanustoxin -f- 9  g  physiologische  Kochsalzlösung  eine  Maus.  Von 
dem  antitoxischen  Serum  neutralisierte  0,00001  ccm  die  letale 
Mausdosis. 

Die  von  mir  angestellten,  mit  verschiedenen  neugefertigten 
Lösungen  des  Trockentoxins  vorgenommenen  Prüfungen  ergaben, 
dafs  die  angegebene  einfach  letale  Dosis  eine  Maus  nicht  vor 
dem  4.  Tage  tötete.  Von  der  Verwendung  des  Antitoxins  mufste 
ich  Abstand  nehmen,  da  die  damit  injizierten  Mäuse  alle  schnell 
unter  schweren  Vergiftungserscheinungen  starben.  Eine  bakterielle 
Noxe  konnte  ich  aber  in  dem  Serum  nicht  finden. 

Ich  verschaffte  mir  daher  ein  Behringsches  Tetanusheil- 
serum (61a)  von  der  Firma  Dr.  Siebert  und  Dr.  Ziegenbein, 
das  sechsfach  normal  war. 

Da  nach  der  Behringschen  Berechnungs weise  0,1  ccm  eines 
Normalserums  =  —4500000  Ms  ist,  d.  h.  die  für  4500000  g 
Mausgewicht  tödliche  Giftdosis  neutralisiert,  so  war  1  ccm  dieses 
Serums  =  —270000000  Ms.  Von  diesem  Serum  stellte  ich 
mir  eine  Lösung  her,  von  der  0,05  ccm  =  — 13,5  Ms  waren, 
also  eine  Maus  von  mittlerem  Gewicht  vor  der  tödhchen  Gift- 
dosis schützten.  Versuche  bestätigten  die  berechnete  Wirkung 
dieses  Antitoxins.  Der  Nachweis  desselben  in  dem  Blute  der 
damit  gefütterten  Meerschweinchen  mufste  natürlich  an  dem  für 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 


101 


das  Tetanusgift  so  empfindlichen  Mauskörper  versucht  werden^). 
Hier  war  der  i  Glattwert«  durch  die  Serummenge  dargestellt,  die 
eine  mit  der  tödlichen  Giftdosis  injizierte  Maus  vollkommen  vor 
Erkrankung  schützte.  Geringere  Mengen  liefsen  sich  noch  da- 
durch nachweisen,  dafs  der  Tod  der  tetanusvergifteten  Mäuse  um 
einige  Zeit  aufgehalten  wurde,  oder  dafs  nur  leichte,  nicht  zum 
Exitus  führende  tetanische  Erscheinungen  auftraten. 

Ich  habe  an  19  junge  und  ein  altes  Meerschweinchen  bis 
zur  Zeit  der  Niederschrift  das  Tetanus-Antitoxin  verfüttert. 

Im  Blute  von  vier  aus  verschiedenen  Würfen 
stammenden  unbehandelten  neugebornen  und  einem 
alten  Meerschweinchen  fand  sich  kein  Tetanus-Anti- 
toxin. 

I.  5.  XII.  1904.  Junges  Meerschweinchen  Cc  in,  55  g  schwer,  erhielt 
mittels  Ball pipette  am  ersten  Lebenstage  3  ccm  des  Behringschen  Te- 
tanusheilserums 61a  —  6 fach  normal  —  verfüttert.  Da  nach  der  Beh- 
ringschen  Berechnungsweise  0,1  ccm  Normalserums  =  —  4500000  Ms*),  so 
ist  1  ccm  eines  6 fach  normalen  Antitoxins  =  — 270000000  Ms  zu  setzen  und 
es  wurde  somit  an  das  Meerschweinchen  eine  Dosis  verfüttert, 
die  eine  für  710  Millionen  Gramm  Mäuse  tödliche  Dosis 
paralysierte. 

Das  Tier  wurde  5  Stunden  nach  der  letzten  Fütterung  entblutet. 

Die  Prüfung  ergab: 


Einfach  tMl. 
Giftdosis  ver- 
mischt mit 

Versuchstier 

Verlauf 

10. 

XU. 

04. 

0,02  ccm 
SemniCcIII 

Ms  88,  Gew.  15  g 

11.  xn.  mobil 

12.  XTl.  Deutl.  tetan.  (RH») 

13.  xn.  Schwerer  Streckkrampf 

14.  XII.  Morgens  tot  aufgefunden. 

1)  Ich  bediente  mich  stets  der  gleichen  Technik,  spritzte  die  Flüssig- 
keiten hinten  über  dem  rechten  oder  linken  Oberschenkel  ein,  liefs  Toxin 
und  zu  prüfendes  Serum  mehrere  Stunden  (zumeist  über  Mittag)  vor  der 
Injektion  aufeinander  einwirken  und  rundete  auf  ein  Gesamtvolum  von 
0,4  ccm  auf,  soweit  nicht  gröfsere  zu  prüfende  Serummengen  ein  Hinaus 
gehen  über  dies  Volumen  erforderten. 

2)  d.  h.  also  nach  der  oben  gegebenen  Erklärung:  es  neutralisiert  die 
für  4500000  g  Mäusegewicht  tödliche  Giftdosis. 

3)  Mit  diesen  Abkürzungen  ist  bezeichnet:  RH:  Rechtes  Hinterbein- 
LH:  Linkes  Hinterbein. 


Ezperim.  Stadien  Ober  die  Dluchgtkngigkeit  des  Magendumkftiialea  etc. 


Einfach  IMI. 

;  GUIdodl  «fr- 

VerUnf 

i    mlKht  roll 

10.         0,03  ccm 

Mb  89,  Gew.  12  g 

11.  Xn.  mobil 

XII.      Serum  Ccin 
04 

13.  XII.  schwach  teUn  (LH.) 

13.  xn.  LH  acbwerer  Streckkr&inpf 

14.XIL| 

15.  XIL  }  schwer  teUn. 

16.  xn. ) 

0,06  ccm 

Hb  90,  Gew.  fi  g 

11.  xn.  mobil 

8«romC!cIIl 

1 

13.  xn.  mobil 

13.  xn.  Morgena  tot  anfgefunden. 

.     0,1  ccm 

Ma  91,  Gew.  15  g 

11.  xn.  mobil 

Serum  Celli 

12.  XU.  RH  starker  Streckkr«mpf 

0,8  ccm 

Mb  93,  Gew.  15  g 

11.  xn.  mobil 

Serum  Cc  III 

12.  xn.  LH  beeintrtchtigt 

13.  xn.  LH  dentl.  beeintrlchügt 

15.  xn.                         tetan. 

16.  xn.  Abend«  tot 

Kontrolle  1 

Hfi  94,  Gew.  15  g 

11.  XU.  mobil 

(nur  Gift- 
lOeong} 

13.  xn  schwer.  Streckkrampf 

14.  xn.  sehr  schwer  tetan. 

Kontrolle  II 

Ma  95,  Gew.  lö  g 

U.  XU.  mobil 

13.  XII.  LH  Streckkrampt 

14.  XIL  sehr  schwer  tetan. 

15.  XU.  Morgens  tot  angefunden. 

Kontrolle  111 

Ma  96,  Gew.  15  g 

IL  XU  mobil 

12.  XU.  sehr  schwer  teUn.  Beider». 
H  achwere  Streckkrimpfe 

Resultat:  Der  Verlauf  bei  Ma  90  ist  nicht  typisch.  Be- 
rücksichtigen wir  diese  nicht,  so  sehen  wir  bei  den  drei  KontroU- 
iiiftusen  Tod  am  3.  bis  5.  Tag.  Über  diese  Zeit  hinaus  blieben 
am  Leben  die  mit  0,03  und  mit  0,3  com  Serum  injizierte  Maus. 
Es  ergibt  sich  somit  keine  Todeszeit  der  einselneQ  Tiere,  die 


Von  Dr.  Albert  UffeDheimer. 


103 


mit  den  ansteigenden  Serummengen  parallel  läuft,  indessen  hat 
OS  den  Anschein,  als  ob  der  Tod  durch  die  Serum- 
beimischung etwas  hinausgeschoben  wurde,  also 
geringere  Antitoxinmengen  ins  Serum  wirklich  über- 
gegangen wären. 

II.  5.  XII.  Junges  Meerschweinchen  Gc  IV,  45  g  schwer,  vom  gleichen 
Wurf  wie  das  vorige,  erhält  gleichzeitig  8,5  ccm  des  6fachen  Tetanns- 
Antitoxins  =  — 845  Millionen  Ms. 

Tötang  wie  beim  vorigen. 

Die  Prüfung  ergab: 


Einiach  tödl. 

(iiftdosis  ver- 

mi8cbt  mit 


Versuchstier 


Verlauf 


10. 

XII. 

04. 


0,25  ccm 
Serum  Cc  IV 

Kontrolltiere 


Ms  93,  Gew.  15  g 


Ms  94-% 


11.  XU.  mobil 

12.— 22.  XU.  stets  mobil  geblieben 
wie  beim  vorigen  Versuch. 


Resultat:  DerÜbergang  vonTetanus-Antitoxin  durch 
die  Fütterung  ins  Serum  des  neugebornen  Meerschwein- 
chens ist  durch  diesen  Versuch  sichergestellt. 

Die  folgenden  beiden  Experimente  können  vielleicht  noch 
verwertet  werden,  alle  anderen  führe  ich  aber  gar  nicht  an, 
weil  stets  wieder  die  Kontrolltiere  zeigten,  dafs  das  Gift  weiter 
an  Wirkung  abgenommen  hatte*). 

UI.  9.  XU.  1904.  Meerschweinchen  Dd  I,  70  g  schwer,  erhält  per  os 
am  Tag  der  Geburt  3  ccm  des  Siebert-Ziegenbein  sehen  6  fachen  Te- 
tanus-Antitoxins =  —  710000000  Ms. 

Entblutung  3Vs  Stunden  nach  der  letzten  Fütterung. 

Prüfung  zusammen  mit  dem  folgenden  Tier. 


1)  Trotzdem  ich  schlierslich  Mengen  nahm  gleich  der  ursprünglich 
4  fachen  Giftdosis,  gelang  es  mir  nicht  mehr,  bei  den  KontroUtieren  einen 
regelmäfsig  verlaufenden  Tetanus  herbeizuführen.  Oft  hatten  noch  wenige 
Tage  zuvor  die  Versuche  mit  frisch  hergestellten  Giftlösungen  ein  deutliches 
Resultat  ergeben,  wenn  ich  aber  dann,  sobald  diese  Versuche  beendigt 
waren,  zur  Prüfung  der  Gift-Serummischungen  schritt,  war  in  dieser  Zeit 
der  Toxingehalt  wieder  so  weit  verringert,  dafii  die  Kontrolltiere  keinen 
regulären  Tetanus  mehr  zeigten. 

In  einigen  Versuchen  beobachtete  ich  sogar  die  paradoxe  Erscheinung, 
dafs  alle  mit  dem  Serum  gespritzten  Tiere  noch  vor  den  Kontrollmftusen 
starben.    So  opferte  ich  eine  Menge  Zeit  und  Versuchstiere  umsonst. 


1 04  Experim.  Stadien  Über  die  DurcbgAogigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

IV.  10.  Xn.  1904.  Meeracbweinchen  Dd  II,  70  g  schwer,  erhält  am 
2.  LebenBtag  3,5  ccm  des  Si  e  b  er  t*Ziegenb  ein  sehen  6  fachen  Tetanus- 
Antitoxins  =  —  845  Millionen  Ms.  Entblatang  3",  Standen  nach  der 
letsten  Fütterang. 


Die  Prüfung  des  Serums  der  beiden  Meerschweinchen  ergab: 


A 


,  Kinfach  tMl. 
I  GiftdoHis  ver- 
mischt mit 


Versuchstier 


Verlaaf 


13.        0,02  ccm 
xn.     Serum  Ddl 

0,03  ccm 
Serum  Ddl 


0,05  ccm 
Serum  Ddl 


0,1  ccm 
Serum  Ddl 

0,2  ccm 
Serum  Ddl 


i  Ms  97,  Gew.  15  g  14.  XU  Morgens  tot 


0,02  ccm 
Serum  Ddll 


Ms98,Gew.l5g"l4.Xn. 

15.  xn. 


II 

Ms  99,  Gew.  15g  ||  14.  XH. 

i'  15.  XIL 
16.  XII. 


Ziemlich  mobil 
RH  deutl.  Streckkrampf 
i:i6.XII.  Abends  tot 


mobil 

RH  Streckkrampf 

Abends  tot. 


Ms  100,  Gew.  15  g!  14.  XU. 

ii  15.  XIL 


Ms  101,  Gew.  15  g';  14.  xn. 

ii  15.  xn. 


mobil 

Morgens  tot  aufgefunden. 

mobil 

LH  deutl.  Streckkrampf 
16.  XIL  LH  schwer  tetan. 
'17.  XII.  Morgens  tot. 

Ms  102, Gew.  15 gj!  14.  xn.  mobil 

sehr  mobil,  etwas  hochbeinig 

sehr  mobil 


0,03  ccm     I  Ms  103,  Gew.l5  g 
Serum  Ddll 


0,05  ccm 
Serum  DdH 


Ms  104,  Gew.  15  g 


0,1  ccm 
Serum  Ddll 


Msl05,Gew.l5g 


I  15.  XII. 

[i  16.  xn. 

!|17.Xn. 
Ii  18.  XU. 
19.— 21. 

14.  xn. 

15.  XU. 

16.  xn. 

17.  xn. 

14.  xn. 

15.  xn. 

16.  xn. 

17.  xn. 

14.  xn. 

15.  xn. 

16.  XIL 

17.  XU. 


1 


mobil,  etwas  hochbeinig 
xn.  vollkommen  mobil. 

mobil 

schwer  krank,  aber  nicht  tetan. 
etwas  erholt,  keine  Streckkrämpfe 
Morgens  tot  aufgefunden. 

mobil 

genau  wie  Ms  103 
Abends  wieder  sehr  mobil 
Morgens  tot  aufgefunden. 

mobil 

genau  wie  Ms  103 
Abends  wieder  sehr  mobil 
Morgens  tot  aufgefunden. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 


lOo 


Kinfach  tödl. 
(iiftdosis  ver- 
mischt mit 


Versuchstier 


Verlauf 


13. 
XU. 


0,2  ccm 
Serum  Ddll 


0,25  ccm 
Serum  Ddll 


nur  Gift 
li  (Kontrolle) 


M8l06,Gew.l5g 


M8l07,Gew.l7g 


Msl08,Gew.l5g 


'  14.  XII.  mobil 

I 

bis  22.  XII.   vollkommen   mobil;    nicht 
weiter  beobachtet. 

14.  XII.  mobil 

bis  22.  Xn.   vollkommen    mobil;    nicht 
weiter  beobachtet. 

14.  xn.  mobil 

15.  u.  16.  xn.  vollkommen  mobil 

17.  XII.  LH  beg.  Streckkrampf 

18.  XII.  Morgens  tot  aufgefunden. 


Resultat:  Will  man  die  bei  der  Kontrollmaus  108  notierten 
Krankheits-Erscheinungen  als  richtigen  Verlauf  einer  Tetanus- 
vergiftung anerkennen  (und  man  kann  sicher  anderer  Meinung  sein), 
so  fällt  immer  noch  an  einer  Anzahl  der  übrigen  Versuchstiere  ein 
atypisches  Verhalten  auf,  das  nicht  auf  Rechnung  des  Tetanus- 
toxins  zu  setzen  ist.  So  sind  gewifs  die  drei  im  selben  Käfig 
gewesenen  Mäuse  103 — 105  einer  anderen  Ursache  erlegen^). 
Auch  der  Tod  der  Mäuse  97  und  100  ist  wohl  nicht  durch  das 
Tetanusgift  erfolgt.  Sehen  wir  aber  von  diesen  Tieren  völlig 
ab,  was  die  grofse  Anzahl  der  mit  den  zwei  Seris  behandelten 
Mäuse  gestattet,  so  scheint  aus  diesem  Versuche  hervorzugehen, 
dafs  in  das  Serum  Ddl  kein  Antitoxin  übergetreten  ist, 
während  sich  solches  in  dem  Serum  von  Dd  II  nach- 
weisen liefs. 


Hiermit  schliefse  ich  den  Bericht  über  diese  Versuchsreihe. 
Wegen  der  vielen,  nicht  verwendbaren  Resultate  verwarf  ich 
schliefslich  das  so  labile  Paltaufsche  Gift.  Die  Güte  von  Exzellenz 
von  Behring  setzte  mich  in  den  Besitz  eines  anderen  trockenen 
Tetanustoxins  Nr.  VIII   und  eines  Tetanus-Heilserums  Nr.  IV  a. 


1)  Die  bakteriologische  Untersuchung  hatte  negativen  Erfolg.  Ich  habe 
es  aber  öfter  erlebt,  dafo  in  einem  sauber  gehaltenen  Käfig  Mäuse  ohne 
erweisbare  Ursache  eingingen. 


l()n     Experim.  Studien  über  die  Dorchgängigkeit  des  MagendarmkanaleB  etc. 

Die  Titrierung  dieses  Giftes,  das  nach  den  von  Herrn  Privat- 
dozenten Dr.  Römer  freundlichst  zur  Verfügung  gestellten  Daten 
vor  einem  Jalir  die  Werte  hatte: 

1  g  =  10000000  +  Ms 
=  40000000  +  ms 
=  60000000  +  M, 

nahm  ich  auf  folgende  Weise  vor: 

Ich  ging  aus  von  einer  frischen  5proz.  Lösung  des  Trocken- 
giftes  und  stellte  von  der  klar  über  dem  Bodensatz  stehenden 
Flüssigkeit  die  notwendigen  Verdünnungen  her.  Jede  Maus  be- 
kam 0,4  ccm  Flüssigkeit  RH  eingespritzt,  es  wurde  bei  der  Be- 
stimmung des  direkten  Giftwertes  das  Gewicht  der  Tiere  genauestens 
berücksichtigt,  die  Mischungen  für  die  einzelnen  Injektionen  wurden 
stets  in  10 — 25-facher  Menge  hergestellt,  um  auch  kleinste  Fehler 
auszuschliefsen. 

Die  Prüfung  des  direkten  Giftwertes  ergab  (von  der  Wieder- 
gabe der  notwendigen  Berechnungen  mufs  ich  an  dieser  Stelle 
absehen) : 

1  g  des  Trockengiftes  geprüft  auf 
20  Millionen  +  Ms  =  Spur  von  Beeinträchtigung, 

nichts  deutlich  Tetanisches 
10  Millionen  +  Ms  =  leicht  krank  (tetanisch),  erholt  sich 
5  Millionen  -|-  Ms  =  mÄfsig  krank,  erholt  sich 
4  Millionen  -f-  Ms  =  mäfsig  krank,  erholt  sich 
tS  Millionen  +  Ms  =  schwerkrank,  tot  innerhalb  v.  4  Tagen 
2  Millionen  +  Ms  =:  schwerkrank,  totinnerhalbv.4Tagen 
1  Million       +  Ms  =:  tot  innerhalb  von  24  Stunden. 

1  g  des  Giftes  demnach  =  3  Millionen  -f"  Ms. 

Die  Prüfung  des  indirekten  Giftwertes  (Toxin  und  Anti- 
toxin wirkten  hierbei  vor  der  Einspritzung  4  Stunden  aufeinander 
ein)  ergab: 

80  Millionen  -f  ms  =  gesund 

40  Millionen  -j-  ms  ~=^  schwer  krank,  totinnerhalbv.  3  Tagen 

30  Millionen  +  ms  =  tot  innerhalb  von  2  mal  24  Stunden 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 


107 


25  Millionen  +  ms  =  tot  innerhalb  von  30 — 36  Stunden 

20  Millionen  +  nc^s  =  1 

15  Millionen  +  nis  =  ' 

10  Millionen  +  "^s  =  1  ,    ,,  ^     o.       , 

-  ,-.,,.  ,  f    tot  innerhalb  von  24  Stunden 

5  Millionen  +  dqs  =  i 

1  g  des  Giftes  demnach  sieher  +  40  Millionen  =  ms. 

Mit  diesem  Tetanustoxin  wurden  nun  die  weiteren  Versuche 
vorgenommen. 

V.  13.  V.  1905.  Meerschweinchen  oo  I,  l'/j  Tage  alt,  75  g  schwer, 
erhält  während  des  ganzen  Tages  mittels  Ballpipette  10  ccm  Tetanus-Anti- 
toxin 64  (a) —  8fach  von  Siebert  and  Ziegenbein,  d.h.  es  wurde 
eine  Dosis  verfüttert,  die  eine  für  3600  Millionen  Gramm 
Mäuse  tödliche  Dosis  paralysierte. 

Entblntung  am  folgenden  Morgen,  12  Stunden  nach  der  letzten  Füt- 
terung. 

Die  Prüfung  ergab: 


'  Einfach  tödl. 
1  GiftdOBis  ver- 
I     mischt  mit 


Versuchstier 


Verlauf 


30.V. 
05. 


0,1  ccm 
Serum  ool 


Ms  262,  Gew.  10g 


0,3  ccm 
Serum  ool 


nur  Gift 
(3Kontrollen) 


Ms  263,  Gew.  10  g 

Ms264,Gew.l0g| 
Ms  265,  Gew.  10  g 
Ms  266,  Gew.  10  g 


31.    V.  gesund 

1.  VI.  leicht  krank 

2.  VI.  deutlich  tetan. 

3.  VI.  stark  tetan. 

4.  VI.  morgens  tot 

Bei  wochenlanger  Beobachtung  völlig 
gesund  geblieben. 

Verlauf  genau  wie  bei  Ms  262,  nur 
bei  Ms  266  tritt  der  Tod  erst  am 
6.  VI.  ein,  trotzdem  auch  bei  ihr 
schon  am  3.  VI.  schwerer  Tetanus 
vorhanden  ist. 


Resultat:  Der  ÜbergangvonTetanus -Antitoxin  durch 
die  Fütterung  ins  Blut  ist  bei  diesem  Tier  siehergestellt. 
Doch  ist  es  gegenüber  der  riesigen  verfütterten  Dosis  nur  eine 
ganz  verschwindende  Menge,  da  0,1  ccm  des  Serums  die  einfach 
tödliche  Giftdosis  nicht  in  der  geringsten  Weise  beeinflufste. 

VI.  26.  V.  1905.  Meerschweinchen  nn  II,  55  g  schwer,  wenige  Stunden 
alt,  erhält  am  26.  und  27.  V.  1905  zusammen  7  ccm  Sfaches  Siebert- 
Ziege nbeinsches  Antitoxin  per  os  --  einer  Dosis,  welche  2520  Milli- 
onen Gramm  Mäuse  vor  dertödlichen  Giftdosis  schützt 


^  ^o    Experiin.  Studien  über  die  Dorchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 
EntblutuDg  5  Stunden  nach  der  letzten  Fütterung. 

Die  Prüfung  ergab: 


Einfach  tödl. 
CiiftdoBis  ver- 
mischt mit 

Versuchstier 

Verlauf 

30.  V. 
05. 

0,05  ccm 
Serum  ttttII 

Ms  258,  Gew.  10g 

während  wochenlanger  Beobachtung^ 
völlig  gesund  geblieben. 

0,1  ccm 
Serum  ttttII 

Ms  259,  Gew.  10  g 

ebenso 

0,2  ccm 
Serum  tittII 

Ms  260,  Gew.  10  g 

ebenso 

0,5  ccm 
Serum  ttttII 

Ms  261,  Gew.  10g 

ebenso 

nur  Gift 
(3Eontrollen) 

Ms  264—266 

vgl.  den  vorigen  Versuch. 

Resultat:  Deutlicher  Übergang  von  Antitoxin  ins 
Blut.  Auch  die  geringste  geprüfte  Serumdosis  von  0,05  ccm 
paralysierte  bereits  die  einfach  tötliche  Giftdosis. 

VII.  7.  VI.  1905.  Eine  letzt«  Prüfung  nahm  ich  noch  mit  5  Seren 
von  neugeborenen  Meerschweinchen  (Qq  I  und  11,  Ss  I,  II  und  III)  vor,  die 
vor  5  Monaten  mit  je  2  resp.  3  ccm  eines  8  fachen  Tetanus- Antitoxins  ge- 
füttert waren.  Ich  berichte  hierüber  nur  summarisch,  weil  auch  jetxt  wieder 
die  Giftlösung  sich  als  äufserst  labil  erwies. 

Am  5.  VI.  frisch  hergestellt,  tötete  die  einfach  tödliche  Dosis  eine 
Maus  in  ca.  27,  Tagen.  Die  17»  fache  tödtliche  Dosis  vormochte  aber  bei 
den  noch  nicht  2  Tage  später  angestellten  Versuchen  gleichschwere  Kon- 
trollmäuse erst  am  10.  Tage  nach  einem  sehr  chronisch  verlaufenen  Tetanus 
zu  töten. 

Die  Sera  der  Tiere  Qq  I  und  Qq  II  waren  vor  5  Monaten  mit  gleichen 
Teilen  physiol.  Kochsalzlösung  gemischt  worden,  seit  dieser  Zeit  hatte  sich 
das  Volumen  der  Flüssigkeit  stark  verringert.  Bei  der  PrQfung  konnte  ein 
Antitoxingehalt  der  Mischflüssigkeit  nicht  nachgewiesen  werden. 

Die  Sera  der  Tiere  Ss  I,  II  und  III  dagegen  gleich  lange 
Zeit  ohne  Zusatz  aufbewahrt,  zeigten  deutliche  antitoxische 
Wirksamkeit.  Bei  allen  dreien  schützte  schon  die  geringste 
geprüfte  Serumdosis  (0,1—0,1  und  0,3  ccm)  die  Mäuse  vor  jeg- 
licher tetanischer  Erkrankung. 

Wir  haben  somit  einen  regeimäfsigen  Übergang  ver- 
fütterten Diphtherie-Antitoxins  ins  Blut  bei  den  neuge- 
borenen Meerschweinchen  festgestellt.  Auch  für  das 
Tetanus-Antitoxin  zeigte  in  fast  allen  Fällen  der  Magen- 


109 
Von  Dr.  Albert  ÜfPenheimer. 

darmkanal  Durchlässigkeit;  bei  Qq  I  und  Qq  II  mag  der 
negative  Ausfall  der  Antitoxin-Prüfung  auf  die  Vermischung  mit 
Kochsalzlösung  5  Monate  vor  der  Präfung  vielleicht  zurückgeführt 
werden  —  nur  bei  Dd  I  scheint  wirklich  kein  Antitoxin 
in  das  Blut  übergegangen  zu  sein.  Dies  ist  nicht  allzu 
erstaunlich,  wenn  man  bedenkt,  wie  gering^)  überhaupt 
die  durchschnittlich  ins  Blut  eingedrungenen  Antitoxin- 
mengen gewesen  sind. 

Seit  ich  die  Antitoxinversuche  begonnen  habe,  sind  noch 
zwei  Veröffentlichungen  von  Römer,  eine  weitere  von  Polano 
und  zwei  Arbeiten  von  Salge  erschienen,  die  sich  mit  intra- 
resp.  extrauteriner  Antitoxin-Übertragung  beschäftigen.  Ich  mufs 
etwas  ausführlicher  auf  sie  eingehen,  da  ein  Teil  meiner  folgen- 
den Darlegungen  ständig  auf  sie  Bezug  nimmt. 

Die  erste  Römersche  Publikation,  kurz  gehalten,  fafste  den 
von  Polano  beim  Menschen  gefundenen  plazentaren  Antitoxin- 
übergang (wie  er  fürs  Pferd  einmal  vorher  bereits  von  Ransom 
beschrieben  war)  gemäfs  den  früher  zitierten  Behringschen  An- 
schauungen als  eine  pathologische  Erscheinung  auf  und  glaubte, 
das  heterologe  Pferdeserum  als  Ursache  für  die  Durch- 
lässigkeit des  Plazentar  Überzuges  ansehen  zu  sollen.  Römer 
führte  zur  Unterstützung  dieser  Meinung  die  beim  Menschen  nach 
Heilseruminjektionen  auftretenden  Exantheme  an,  deren  Zusammen- 
hang mit  einer  Reizwirkung  auf  die  Blutgefäfse  bzw.  auf  die  vaso- 
motorischen Nerven  nicht  bezweifelt  werden  könne,  und  erinnerte 
an  einige  Meerschweinchen- Versuche,  wo  nach  Injektion  von  2  ccm 
normalen  Pferdeserums  nach  wenigen  Stunden  der  Tod  erfolgte, 


1)  Ich  habe  bei  den  TetanasAntitozin-Fütterungen  eine  approximative 
zahlenmäfsige  Bestimmnng  des  ins  Blot  übergegangenen  Antitoxins  unterlassen, 
vor  allem  deshalb,  weil  ich  bei  den  meisten  Seris  infolge  der  so  geringen  zur, 
Verfügung  stehenden  Mengen  nicht  bis  zur  untersten  Grenze  gehen  konnte 
d.  h.  nicht  bis  zu  derjenigen  geringsten  Serumdosis,  welche  die  Maus  gegen 
jegliche  Erkrankung  schützte,  wenn  sie  zusammen  mit  der  einfach  tödlichen 
Giftdosis  gegeben  wurde.  Wie  aber  ans  dem  Versuch  V  hervorgeht,  wo 
Oyl  ccm  Serum  noch  keine  Beeinflussung  der  Giftwirkung  erkennen  liefs, 
sind  es  offenbar  aufserordentlich  geringe  Dosen  (Millionstel  des  Verfütterten), 
welche  ins  Blut  übergehen. 


1  [0      Experim.  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

wobei  die  Sektion  ausgedehnte  Transsudate  in  den  serösen  Körper- 
höhlen und  Hämorrhagien  in  verschiedenen  Organen  ergab. 
P  o  1  a  n  0 ,  der  diese  Anschauung  nicht  teilen  mochte,  stellte  weitere 
Experimente  an  und  fand  nochmals  in  zwei  Fällen,  wo  er  der 
Mutter  10  resp.  19  Tage  vor  der  Niederkunft  Tetanus- Antitoxin 
eingespritzt  hatte,  Übergang  desselben  ins  Blut  des  Kindes.  Von 
seinen  3  Fällen,  bei  denen  er  den  Übergang  des  Diphtherie- 
Antitoxins  nachzuweisen  suchte,  erscheint  nur  einer  brauchbar, 
weil  allein  bei  diesem  das  Blut  der  Mutter  vor  der  Injektion  ge- 
prüft wurde  und  sich  als  antitoxinfrei  erwies. 

Von  der  Überlegung  ausgehend,  dafs,  wenn  die  plazentare 
Antitoxinübertragung  ein  physiologischer  Akt  sei,  alle  die  Kinder 
diphtherie-antitoxinhaltiges  Blut  haben  müfsten,  deren  Mütter 
(infolge  vorausgegangener  Erkrankung)  dies  aufwiesen,  stellte 
P  o  1  a  n  o  entsprechende  Versuchsreihen  an.  Er  kommt  zum  Schlüsse : 
>In  allen  Fällen,  in  denen  das  mütterliche  Blut  antitoxinhaltig 
befunden  wurde,  läfst  sich  einwandsfrei  ein  Gehalt  des  Fötalserums 
an  Antitoxinen  feststellen ;  fehlen  aber  die  Antitoxine  bei  der  Mutter, 
so  sind  auch  beim  Fötus  keine  vorhanden. c  Hat  Polano  mit 
diesem  Satze  recht,  so  ist  die  Behring-Röm ersehe  Meinung 
von  der  Rolle  des  heterologen  Serums  beim  Antitoxinübertritt 
hinfällig.  Leider  gibt  aber  Polano  gerade  von  diesen  Protokollen, 
da  sie  für  die  einzelnen  Gruppen  gleich  lauten,  nicht  alle  an 
(4  von  7),  und  in  diesen  4  finden  sich  einige  Angaben,  die  mich 
stutzig  machen.  Die  angeregte  Frage  ist  so  wichtig,  dafs  ein 
kurzes  Eingehen  auf  die  Protokolle  wohl  erlaubt  ist. 

Im  Protokoll  la  (S.  11  des  Separatabdruckes)  geht  das  Kon- 
trolltier nach  Injektion  von  0,015  Diphtherietoxin  nach  6  Tagen 
zugrunde  und  zeigt  > Nebennierenveränderungen  c;  andere  typische 
Diphtheriegiftveränderungen  (lokales  Odem,  Pleura-Ergufs  etc.) 
werden  nicht  erwähnt.  In  einem  andern  Fall  (Ib)  stirbt  das 
Kontrolltier  bei  Injektion  einer  gleichen  Dosis  schon  nach 

2  Tagen.  Die  mit  dem  Blut  der  Mutter  resp.  des  Kindes  und 
der  Giftdosis  behandelten  Tiere  sterben  nach  2,  3,  5  und  9  Tagen. 
Dies  Protokoll  dient  zum  Beweis,  dafs  weder  das  Blut  der  Mutter 
noch  das  des  Kindes  antitoxinhaltig  war. 


Von  Dr.  Albert  Üffenheioner.  \  \  i 

Ich  mufs  gestehen,  dafs  mich  die  Aufzeichnungen  daran 
denken  lassen,  das  Diphtheriegift  Polanos  habe  nicht  völlig 
seine  Schuldigkeit  getan,  und  ich  bin  der  Meinung,  dafs  wir  die 
Frage  der  plazentaren  Antitoxinübertragung  nach  aktiver  Immu- 
nisierung der  Mutter  als  durch  die  Polanoschen  Versuche 
vorläufig  nicht  entschieden  erklären  müssen.  Es  wäre 
deshalb  sehr  dankenswert,  wenn  Pol  an o  seine  diesbezüglichen 
Experimente  und  die  Obduktionsprotokolle  in  extenso  veröffent- 
lichen würde.  — 

In  einer  dritten  Arbeit  hat  nun  Römer  nochmals  das  Thema 
aufgenommen  und  zahlreiche  Versuche  am  Menschen,  an  gröfseren 
Tieren  und  an  Meerschweinchen  und  Kaninchen  veröffentlicht. 
Er  fand  (in  Bestätigung  der  Polanoschen  Arbeiten)  regel- 
mäfsigen  Übergang  von  Antitoxin  beim  Menschen,  bei 
Kaninchen  beobachtete  er  ihn  in  manchen,  bei  Meer- 
schweinchen in  den  meisten  Fällen,  bei  Schafen  und 
Rindern  nie. 

>  Betrachten  wir  dies  Gesamtergebnis  —  sagt  er  —  so  fällt 
auf,  dafs  wir  Übergang  von  Antitoxin  um  so  eher  zu  erwarten 
haben,  je  weiter  im  phylogenetischen  Sinne  die  betreffende  Tier- 
art von  dem  Pferde,  mittels  dessen  Serum  die  Immunisierung 
erfolgte,  entfernt  ist.  Der  Mensch  steht  phylogenetisch  dem 
Pferd  ferner  als  die  Nagetiere  und  diese  wiederum  ferner  als  die 
mit  den  Pferden  in  die  Klasse  der  Huftiere  zusammengehörigen 
Schafe  und  Rinder.  Somit  erkläre  ich  mir  den  Übergang  von 
Antitoxin  durch  die  Plazenta  hindurch  auf  den  Fötus  im  Vergleich 
zu  den  Fällen,  wo  derselbe  ausbleibt,  aus  einer  gröfseren  Durch- 
lässigkeit derselben  für  das  heterogene  Bluteiweifs.c  Also 
wiederum  ein  Zurückkommen  auf  die  frühere  Annahme  von  einer 
Schädigung  der  Gefäfswände,  d.  h.  Auffassung  des  Antitoxin- 
übertritts als  eine  pathologische  Erscheinung. 

Im  zweiten  Teil  der  gleichen  Arbeit  publiziert  Römer  neue 
Antitoxin-Fütterungsversuche,  an  Rindern  und  Schafen  vor- 
genommen mit  der  Milch  der  passiv  immunisierten  Mutter.  Auch 
diese  zeigen  wieder  Antitoxinübergang  durch  den  Magendarmkanal 
innerhalb  der  ersten  Lebenswoche. 


1  1  9 

^^^       Ezperim.  Stadien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

Die  beiden  S algeschen ^)  Veröffentlichungen  ergaben  beim 
Menschen  keinerlei  Resorption  des  Antitoxins  durch  den  Magen- 
darmkanal, wenn  es  als  Heilserum  oder  als  Ziegen-Immunmilch 
gegeben,  aber  wirkliche  Resorption,  wenn  es  als  Ingrediens  der 
Menschenmilch  verfüttert  wurde.  Salge  meint  demnach,  dafs 
nur  durch  Vermittelung  homologer,  d.  h.  artgleicher  Eiweifsstoffe 
Antitoxine  die  Magendarm  wand  des  Säuglings  passieren  können. 

Sehen  wir  zunächst  also  von  der  intrauterinen  Antitoxin- 
übertragung ab,  so  stehen  sich  gegenüber: 

1.  Römer,  der  in  der  ersten  Lebenswoche  stets  positive 
Resultate  hatte  (Pferd,  Schaf,  Rind); 

2.  Salge,  der  bei  Verfütterung  des  Antitoxins  in  Form 
von  Pferdeserum  oder  Ziegenimmunmilch  negative,  in 
Form  von  Menschenmilch  positive  Resultate  hatte  (Mensch); 

3.  meine  Versuche  mit  (einen  einzigen  Fall  —  Ddl  —  aus- 
genommen) stets  positiven  Resultaten  (Meerschweinchen). 

Ich  glaube  nicht  fehlzugehen,  wenn  ich  annehme,  dafs 
V.  B e  hri  n  g -  R ö  m  er  meine  Befunde  als  vollkommene  Bestätigung 
für  ihre  Ansichten  ansehen  werden,  besonders  nachdem  sie  (resp. 
Römer)  den  negativen  Ausfall  der  Sa  Ige  sehen  Serumfütterungs- 
Versuche  dadurch  erklären,  dafs  die  von  diesem  eingeführten 
Antitoxinmengen  an  zu  geringe  £iweirs(iuantitäten  geknüpft  waren, 
die  der  zerstörenden  Tätigkeit  schon  ausgebildeter  proteolytischer 
Fermente  nicht  entgingen.  Aber  in  Wirklichkeit  ist  der 
Sachverhalt  kein  so  einfacher. 

Von  den  Salge  sehen  Experimenten  lassen  sich  für  unsere 
Frage  überhaupt  nur  ganz  vereinzelte  verwenden,  weil  sie  fast 
alle  an  Kindern  vorgenommen  wurden,  welche  die  erste  Lebens- 
woche hinter  sich,  zumeist  längst  hinter  sich  hatten  (Kinder  bis 
zu  6  Monaten  2). 

1)  Salge  hat  anch  die  Marx  pche  Methodik  angewandt ;  ich  lege  Wert 
darauf,  zu  betonen  (und  aus  dem  Datum  der  einschlägigen  Protokolle  geht 
dies  auch  deutlich  hervor),  dafs  ich  ganz  unabhängig  von  ihm  die  Wichtig- 
keit der  Methode  gerade  für  die  vorliegenden  Versuche  erkannte. 

2)  Damit  sei  der  Salge  sehen  VernuchHunordnung  kein  Vorwarf  ge- 
macht.     Denn    dem    Autor    kam    es   weniger   auf   eine   Kntscheidang    der 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimei'.  113 

Die  im  besten  Falle  verwendbaren  Beobachtungen  der  ersten 
S algeschen  Arbeit  (6  und  7)  zeigen  zwar  Resorption  von 
Antitoxin,  wenn  es  als  Bestandteil  der  Menschenmilch,  jedoch 
nicht,  wenn  es  als  Pferdeserum  verfüttert  war.  Aber  Römer 
wies  die  Salgesche  Erklärung,  dafs  es  sich  dabei  um  Unter- 
schiede handle,  die  sich  durch  die  Begriffe  heterolog  und  homolog 
ausdrücken  lassen,  zurück  unter  Anführung  von  Tierexperimenten 
des  Marburger  Institutes,  die  bewiesen,  dafs  im  Pferdeserum  ent- 
haltene Antitoxine,  auch  wenn  sie  durch  die  Blutbahn  eines 
anderen  Tieres  (z.  B.  des  Meerschweinchens)  geschickt  worden 
sind,  genau  dieselben  Eigenschaften  behielten,  die  sie  vorher 
hatten.  Mit  anderen  Worten,  ein  solches  Passage- Antitoxin  war 
seinem  ganzen  Verhalten  nach  noch  immer  an  Pferdeeiweifs, 
nicht  an  Meerschweincheneiweifs  gebunden. 

In  der  zweiten  Arbeit  hat  nun  Salge  Versuche  veröffentlicht, 
wo  die  Milch  gegen  Diphtherie^)  immunisierter  Ziegen  an  Kinder 
verfüttert  wurde,  und  wo  wiederum  keine  Antitoxin-Re- 
sorption zu  konstatieren  war.  Da  hier  die  äuTseren  Be- 
dingungen dieselben  günstigen  waren  wie  bei  der  Ernährung  mit 
antitoxischer  Menschenmilch,  nämlich  Verteilung  des  Antitoxins 
über  eine  bedeutendere  Eiweifsmenge  und  daher  gröfere  Möglich- 
keit, dafs  ein  Teil  desselben  der  Zerstörung  durch  die  proteo- 
lytischen Fermente  entginge,  so  sprechen  die  Versuche  scheinbar 
gegen  die  Rom  ersehen  Einwände.  Aber  leider  wird  hier  die 
Beurteilung  wieder  enorm  erschwert  durch  die  Eigenart  der 
Salge  sehen  Versuchsanordnung, 

Fall  2  (luetisches  Kind)  hält  Salge  selbst  nicht  für  ver- 
wertbar. 


wisaenschaftlichen  Frage  von  der  Darchgängigkeit  des  Magendarmkanals 
der  Neugebornen  an,  als  auf  eine  Unterflachung,  ob  sich  eine  etwaige  Durch- 
gängigkeit des  IntestinaltraktuB  bei  jüngeren  Kindern  praktisch  durch 
Verfütterung  von  Immunmilch  verwerten  lasse. 

1)  Die  Versuche  mit  Ziegenmilch,  die  Typhus-Immunkörper  enthielt, 
bespreche  ich  nicht,  da  sie  an  zwei  9  Wochen  alten  Kindern  vorgenommen 
wurden. 

Archiv  mr  Hygiene.    Bd.  LV 


1 14     Ezperim.  StxvSen  Ober  <fie  DunLfAagifkeu  dm 


Fall  3  war  zo  Beginn  des  Versocfa«  bereits  23  Tage  alt. 
kann  also  aach  keinen  Ansprach  aof  Beracksichtigiing  mjurhen. 
Es  bliebe  also  nor  Fall  1  übrig,  wo  es  sich  am  ein  4  Tage  altes 
Kind  handele  Bei  diesem  Kinde  wurde  aber  eine  Untersuchung 
auf  Zunahme  de^  Antitoxingehaltes  (die  negativ  aosäelt  erst  in 
der  vierten  Lebenswoche  Torgenommen.  Hier  ist  also  immer 
die  Möglichkeit  o£Fen,  ja  wahrscheinlich,  dafs  aach  aas  der  Zi^en* 
milch  Antitoxin  resorbiert  wurde,  dals  es  aber  —  weil  an  art- 
fremdes Eiweils  gebunden  —  in  der  vierten  Woche,  d.  h.  zn  eiuer 
Zeit,  wo  des  Alters  halber  eine  Neu- Resorption  nicht  mehr  vor 
sich  ging,  wieder  aas  dem  Blute  aosgestolsen  war. 

•Somit  kann  auch  die  neue  Salgesche  Arbeit  nicht  beweisend 
sein  für  seine  Ansicht,  dafs  zur  Resorption  des  Antitoxins  seine 
Bindung  an  homologes  Eiweifs  nötig  ist 

I>em  Anscheine  nach  also  besteht  der  Ausspruch  Römers 
darnach  noch  zu  Recht,  mit  dem  er  seine  letzte  Arbeit  schliefst: 

>I>ie  praktisch  wie  theoretisch  so  bedeutungsvolle,  von  mir 
zuerst  behauptete  Tatsache,  dals  sich  der  Magendarmkanal  neu- 
geborener Individuen  hinsichtlich  der  Resorption  von  genuinem 
Eiweifs  und  damit  auch  unverändertem  Antitoxin  anders  verhält, 
als  der  älterer  und  ausgewachsener  Indinduen,  kann  jedenfalls 
von  jetzt  ab  als  feststehend  betrachtet  werden. c 

Allein  in  dieser  allgemeinen  Fassung  kann  dieser 
Satz  nicht  mehr  aufrecht  erhalten  werden.  Römer  hat, 
weil  er  die  Resorption  von  Antitoxin  sah,  das,  allen  Erfahrungen 
nach,  stets  an  genuines  Eiweifs  geknüpft  ist,  geglaubt,  von  irgend- 
wie umfänglicheren  Mengen  von  genuinem  Eiweifs  würden  stets 
gewisse  Teile  vom  Intestinal trakt  des  Neugeborenen  unver- 
ändert resorbiert.  Als  die  (an  früherer  Stelle  zitierte)  Arbeit*) 
von  Oan^hofner  und  Laug  er  erschien,  fafste  er  sie  »als  eine 
wertvolle  Stütze  seiner  Angaben  c  auf. 


1)  Sie  and  die  Hambarger-Sperk sehe  Arbeit  Bind  bisher  Qberhaapt 
die  einzigen  gewesen,  die  den  Übergang  genuinen  Eiweifses  beim  Nea- 
gebornen  planniälsig  verfolgten.  Denn  bei  den  Antitozinvermdien  war  ja 
•tetfl  nur  das  Antitoxin,  niemals  das  Eiweifs,  an  das  es  vermutlich 
gebunden  ist,  nachgewiesen  worden. 


Von  Dr.  Albert  üffenheimer.  116 

Sehen  wir  aber  nun  einmal  die  Ergebnisse  meiner 
Untersuchungen  an: 

1.  der  spezifische  Antikörper  des  hämolytischen 
Serums  wurde  nie  resorbiert, 

2.  Kasein  wurde  nie  resorbiert, 

3.  Hühnereier-Eiweils  wurde  nur  ausnahmsweise, 
bei  3  schwächlichen  Tieren  eines  Wurfes,  sonst 
nie  resorbiert, 

4.  Diphtherie-  und  Tetanus-Antitoxin  wurden  (mit 
einer  einzigen  Ausnahme)  stets  resorbiert. 

Am  all  erauffälligsten  ist  die  Divergenz  der  Ganghofner- 
L an ger sehen  und  unserer  Resultate  bei  der  Verfütterung  von 
Eiereiweifs.  Zwar  dachte  ich  zuerst,  es  seien  vielleicht  durch  die 
von  Ganghofner-Langer  verwandte  Fütterungsmethodik 
(mittelst  Tubensonden)  ihre  Resultate  beeinflufst  worden,  und  am 
jungen  Meerschweinchen  wenigstens  setzte  diese  Methode  immer 
Verletzungen,  sogar  ziemlich  grober  Art  (von  Ganghofner  und 
Laug  er  auch  für  das  junge  Kaninchen  angegeben).  Um  ein 
sicheres  Urteil  gewinnen  zu  können,  schien  es  mir  aber 
doch  angebracht,  einige  Fütterungsversuche  mit  Eiklar 
mittels  meiner  Methodik  an  einer  auch  von  Ganghofner 
und  Langer  gebrauchten  Tierart  vorzunehmen  —  ich 
benutzte  hiezu  das  neugeborene  Kaninchen. 

20.  III.  1905.  2  zweitägige  Kaninchen  n  1,  120  g  schwer  und  n  II,  110  g 
schwer,  werden  den  Vormittag  über  mit  7  bzw.  6  g  Eiklar  gefüttert.  Sie 
nehmen  dasselbe  sehr  ungern  (im  Gegensatz  zu  den  Meerschweinchen), 
aspirieren*)  infolge  des  Sträubens  hie  und  da  eine  Kleinigkeit  in  den 
Kehlkopf,  erholen  sich  aber  sofort  wieder.  Etwa  5  Stunden  nach  der  letzten 
Fütterung  £ntblutung  der  Tierchen.*)  Die  Obduktion  ergab  ganz  normale 
Verhältnisse.  In  den  Mägen  befanden  sich  noch  reichliche  coagalierte 
Massen  weiCsen   klebrigen  Inhaltes.    Sehr  starke  Verdünnungen  von  ihnen, 


1)  Es  ist  nicht  unwichtig  dies  zu  bemerken,  weil  die  Möglichkeit  nicht 
ausgeschlossen  ist,  dafs  das  in  den  Kehlkopf  und  tiefer  Aspirierte  leicht 
resorbiert  werden  kann.    (Vgl.  Jacobs  Tuberkulin  versuche  etc.) 

2)  Vorhergehende  Desinfektion  mit  reichlich  heifsem  Wasser  zur  Ent- 
fernung etwa  kleben  gebliebener  Kiweifsreste,  dann  Äther,  Alkohol,  Sublimat- 
AULohol. 


I  lg      Ezperim.  Stadien  über  die  Darchgtngigkeit  de«  MagendArmkanales  etc. 

mit  Eiklar-Antiseram  Tenetst,  ergaben  sehr  amfftngliche  cbarakteristiache 
NiederBcblilge.  Es  war  demnach  offenbar  noch  eine  Menge  des  verfOtterten 
Eiklars  im  Magen  der  llere  selbst  zorückgeblieben. 

Von  .T  I  konnte  bei  der  Obduktion  auch  Blasenurin  ent- 
nommmen  werden,  der  mit  dem  Antiserum  keinerlei  Reak- 
tion gab. 

Die  Untersuchung  des  Serums  mit  Eiklar-Antiserum  (1 :  30000) 
ergab  bei  beiden  Kaninchen  Präzipitate  in  fallenden  Mengen,  bei 
7t  II  weniger  als  bei  rt  I.  Wenn  ich  die  früher  angegebene  Be- 
rechnungsart  zugrunde  lege,  würde  das  Tierchen  /r  I  ungefähr 
^250  ccm  Eiklar  in  seinem  Gesamtblut  gehabt  haben,  /r  II  etwas 
weniger.  Wenn  wir  diese  Zahl  vergleichen  mit  denen,  die  bei 
den  positiven  Meerschweinchen- Versuchen  gefunden  wurden,  so 
sehen  wir  trotz  Verfütterung  von  bedeutend  weniger  Eiweifs  (auch 
im  Magen  war  sicher  noch  eine  grofse  Menge  desselben  zurück- 
gehalten) beim  Kaninchen  eine  viel  stärkere  Resorption  als  selbst 
bei  den  positiven  Meerschweinchen- Versuchen. 

Wir  finden  damit  also  beim  Kaninchen  sofort  eine 
Bestätigung  der  Befunde   von  Ganghofner  und  Langer. 

Um  die  Zeit  herum,  wo  durch  die  eben  geschilderten  Ver- 
suche die  Ursache  der  bisher  unerklärlichen  Differenzpunkte  in 
meinen  Befunden  und  denen  anderer  Autoren  sich  aufzuklären 
begann,  war  gerade  die  interessante  Arbeit  von  Ficker:  >Über 
die  Keimdichte  der  normalen  Schleimhaut  des  Intestinal traktus« 
erschienen.  Ficker  schilderte  in  derselben  zahlreiche  Versuche, 
in  denen  er  leicht  nachweisbare  Bakterien  (B.  prodigiosus,  roter 
Kieler  B.)  verfütterte,  und  bei  jungen  Tieren  ganz  kurze  Zeit 
nach  der  Verfütterung  im  Blut  und  fast  allen  Organen  nachweisen 
konnte.  Die  Untersuchungen  waren  so  peinlich  imd  exakt  vor- 
genommen, dafs  die  Herkunft  der  gefundenen  Bazillen  aus  den 
verarbeiteten  Organen  wohl  sicher  gestellt  schien.  Da  die 
F  ick  ersehen  Experimente  meinen  Bakterien- Fütterungsversuchen 
(mit  Micrococcus   tetragenus   und  mit  Milzbrandbazillen  ^)  direkt 

1)  Die  Sonderstellung  der  Toberkel-Bazillen  in  dieser  Hinsieht  habe 
ich  ja  an  früherer  Stelle  betont. 


Von  Dr.  Albert  Uifenheimer. 


117 


widersprachen,  unternahm  ich,  auch  sie  nachzuprüfen.    Ich  lasse 
die  Versuche  hier  folgen: 

I.  28.  n.  1905.  Meerschweinchen  Ww  I,  60  g  schwer,  IV,  Tage  alt, 
wird  mit  zwei  dichtgewachsenen  24  stündigen  Prodigiosus-Agar-Oberflächen 
mittels  Glasöse  gefüttert. 

Während  der  Fütterung  ist  es  in  ein  Leinentuch  so  einge- 
fatscht,  dafs  es  mit  den  Pfoten  die  an  der  Schnauze  noch  hän- 
genden Prodigiosuskeirae  nicht  an  den  Körper  bringen  kann. 

In  diesem  Tuche  bleibt  es  bis  zur  Tötung,  die  eine  Stunde 
nach  der  Füttening  durch  Strangulation  schnell  erfolgt,  um 
Aspiration  von  Prodigiosus  in  die  Lunge  zu  verhindern.  Nach 
der  Tötung  wird  die  Schnauze  in  der  Flamme  völlig  verkohlt, 
dann  das  ganze  Tier  nach  vorherigem  Abrasieren  und  Desinfizieren 
der  Brust-  und  Bauchhaut  mit  sterilen  Instrumenten  vom  Diener 
völlig  abgebalgt.  Hierauf  wird  es  mit  Lysollösung  übergössen 
und  auf  ein  steriles  Brett  aufgenagelt.  Die  Fütterung  des  Tieres, 
die  Tötung  und  Abbalgung  und  Verarbeitung  der  Organe  werden 
zur  sicheren  Vermeidung  der  Luft  infektion  in  drei  Laboratorien 
in  drei  verschiedenen  Stockwerken  vorgenommen.  Zur  Ver- 
arbeitung selbst  werden  eine  grofse  Anzahl  trocken  sterilisierter^) 
Instrumente  benutzt,  für  jedes  Organ  neue.  Die  Organe  selbst 
werden  erst  zerschnitten  und  dann  in  sterilen  Mörsern  (zunächst 
ohne  Bouillonzusatz)  verrieben.  Es  werden  die  kleinen  Organe 
zur  Impfung  der  Bouillonröhrchen  völlig  verbraucht,  von  den 
^rofsen  verschieden  umfängliche  Stücke.  Die  Bouillonröhrchen 
werden  10  Tage  lang  bei  einer  Temperatur  von  22°  beobachtet, 
überall,  wo  Bakterien- Wachstum  zu  sehen  ist,  wird  auf  Platten 
weiter  geimpft.  Zu  jedem  Versuch  wird  1 — 1^/2  1  Bouillon 
benutzt.  —  Das  Ergebnis  dieses  ersten  Meerschweinchen- 
Experimentes  war  ein  absolut  negatives.  Während  der 
Bacillus  prodigiosus  bis  tief  hinunter  in  den  Dickdarm  nachweisbar 
war,  enthielten  28  Bouillonröhrchen  und  8  Bouillonkölbchen  von 
beiden  Nieren,  beiden  Lungen,  Leber,  Milz,  Mesenterialdrüse, 
Herzblut,  keine  Prodigiosuskeime. 


1)  Nar  beim  ersten  Meerschweinchenversach  aasgekochter 


118      Ezperim.  Studien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanalea  etc. 

II.  7.  III.  1905.  Meerschweinchen  Xx  I,  46  g  schwer,  unter  2  Tage  alt, 
mit  zwei  dichtgewachsenen  24  stündigen  Prodigiosus-Agaroberflächen  ge- 
füttert.   Tötung  nach  1  Stunde. 

Die  Versuchsanordnung  war  genau  die  gleiche. 

21  Bouillon röhrcheu  und  8  Bouillonkölbchen  aus  beiden 
Lungen,  Leber,  beiden  Nieren,  Mesenterialdrüse,  Herzblut  und 
Milz  und  zahlreiche  von  diesen  angelegte  Agarkulturen,  zeigten 
nirgends  Prodigiosuskeime,  während  dieselben  reichlich  bis 
in  die   tiefsten  Darmabschnitte  hinunter  nachweisbar  waren.   — 

Es  ergab  sich  also  ein  absoluter  Gegensatz  zu  den 
Fickerschen  Untersuchungen.  Da  Ficker  keine  Meer- 
schweinchen benutzt  hatte,  und  nachdem  ich  eben  durch 
die  positiven  Eiweifs-Fütterungs-Experimente  beim 
Kaninchen  überrascht  worden  war,  nahm  ich  nun  die 
gleichen  Versuche  mit  Prodigiosus  mit  genau  gleicher 
Versuchsanordnung  an  Kaninchen  vor. 

III.  28.  III.  1905.  Junges  Kaninchen  (»I,  43g  schwer,  wenige  Stun- 
den alt,  wird  mit  zwei  gut  gewachsenen  24  Stunden  alten  Prodigiosus -Agar- 
Oberflächen  gefüttert.    Nach  1  Stunde  Tötung  durch  Strangulation. 

Mit  dem  Blut  und  den  verschiedenen  Organen  werden  9  Bouillon- 
kölbchen und  18  Bouillonröhrchen  beschickt,  von  diesen  wird  noch  auf 
Agarplatten  weitergeimpft. 

Resultat:  Es  gelingt,  in  Leber,  rechter  Niere,  rechter 
und  linker  Lunge,  sowie  Herzblut  Prodigiosus  nach- 
zuweisen,   ebenso    im   Darminhalt   bis   nahe   dem   After. 

IV.  Junges  Kaninchen  (»  II,  45  g  schwer,  Geschwister  des  vorigen, 
7i  Tag  alt,  wird  mit  zwei  gutgewachsenen  Prodigiosus-Agaroberflächen  ge- 
füttert. 

Nach  1  Stunde  Strangulation. 

Mit  dem  Blut  und  Organen  werden  10  Bouillonkölbchen  und  22  Bouil- 
lonröhrchen beschickt.    Weiterimpfung  auf  Agarplatten. 

Resultat:  Es  gelingt,  im  Herzblut,  beiden  Nieren  und 
beiden  Lungen  Prodigiosus  nachzuweisen,  ebenso  im 
Darminhalt  bis  nahe  dem  After. 

Ks  zeigten  also  die  an  Kaninchen  vorgenommenen 
Fütterungsversuche  mit  dem  B.  prodigiosus  (im  Gegen- 
satz zu  den  Meerschweinchen-Versuchen)  ebenso  positive 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  119 

Resultate  wie  die  kurz  vorher  vorgenommene  Ver- 
fütterung  vom  Eiklar. 

Hierdurch  ist  einerseits  eine  vollständige  Bestätigung  der 
Befunde  von  Ficker  wie  von  Ganghofner  und  Langer  ge- 
geben und  anderseits  der  exakte  Beweis  geliefert,  dals  der 
Magendarmkanal  desneugebornen  Meerschweinchens  sich 
sowohl  den  genuinen  Eiweifskörpern  wie  den  Bakterien 
gegenüber  anders  verhält  wie  der  des  nahe  verwandten 
Kaninchens^)  und  der  anderer  entfernter  stehender  Tier- 
arten. 

Damit  ist  also  die  Anschauung  der  Marburger  Schule 
widerlegt,  dafs  jegliches  neugeborne  Individuum  (Säuge- 
tier ist  wohl  bei  dem  oben  zitierten  Rom  ersehen  Satz  gemeint) 
einen  für  Eiweifsstofle  [und  Bakterien]  durchgängigen 
Magendarmkanal  hat.  Nun  wäre  aber  nach  all  den  negativen 
Versuchen  mit  den  geprüften  nativen  Eiweifskörpern  zu  erwarten 
gewesen,  dafs  auch  die  Antitoxine  nicht  vom  Intestinal trakt  des 
Meerschweinchens  durchgelassen  würden  —  insoferne  man  die 
bis  jetzt  fast  allgemeine  Ansicht  teilt,  dafs  sie  an  natives  Eiweifs 
untrennbar  gebunden  sind. 

Das  Passieren  dieser  Stoffe  durch  die  Plazentar  wand 
hält  Römer  für  eine  pathologische  Erscheinung,  die  er  durch 
die  irritierende  Wirkung  des  heterologen  Serums  erklärt.  Ohne 
diese  Ansicht,  dafs  gerade  das  heterologe  Serum  es  ist,  was 
die  pathologischen  Erscheinungen  hier  auslöst,  damit  unbedingt 
zu  teilen,  stelle  ich  nun  die  Frage:  Sollte  nicht  auch  der 
Durchgang  der  nativen  Eiweifsstoffe   durch  die  Magen- 


1)  Ich  mache  übrigens  darauf  aafmerkeiaru,  dafs  aach  der  Intestiiialtrakt 
des  älteren  Kaninchens  offenbar  eine  gewisse  Neigung  hat,  Bakterien 
durchtreten  zu  lassen  (Ficker^  Klimenko  u.  a.).  Tiere,  bei  denen  im 
Experiment  eine  solche  Durchlässigkeit  des  Darmes  konstatiert  wurde, 
mufsten  nach  dem  Obduktionsbefund  z.  T.  als  ganz  normal  bezeichnet 
werden ;  und  es  blieb  den  Autoren  weiter  nichts  übrig,  als  an  mikroskopische 
Läsionen  im  Darm  derselben  zu  glauben,  wenn  auch  für  das  Kaninchen  der 
Satz  Geltung  behalten  sollte,  dafs  bei  vollkommen  gesunden  erwachsenen 
Tieren  die  unverletzte  Darmwand  für  Mikroorganisn^en  stets  undurch- 
gängig ist 


120    Ezperim.  Stadien  Ober  die  Durchgängigkeit  des  MagendarmkanaleB  etc. 

darmwaud  des  Meerschweinchens  eine  pathologische  Er- 
scheinung sein?^) 

Wenn  ja,  haben  wir  Anhaltspunkte,  irgend  einen  StofiE  für 
die  Ursache  eines  [solchen  pathologischen  Vorganges  halten  zu 
können?  Da  muls  ich  auf  gewisse  Erscheinungen  aufmerksam 
machen,  die  mir  bei  den  Fütterungen  mit  den  verschiedenen 
Heilseris  aufserordentlich  auffielen. 

Während  das  hämoljrtische  Serum,  die  Milch,  das  Eierklar 
von  den  jungen  Meerschweinchen  gerne  und  ohne  vieles  Sträuben 
geschluckt  wurde,  nahmen  sie  gerade  die  Heilsera  mit  grofsem 
Widerwillen.  Ich  gelie  sicherlich  nicht  fehl,  wenn  ich  als  Ur- 
sache den  zur  Konservierung  zugesetzten  Karbolsäuregehalt 
beschuldige.  Dennoch  blieb  den  Tierchen  nichts  anderes  übrig, 
als  die  ins  Maul  getropfte  Flüssigkeit  zu  schlucken.  Ein  Würgen 
oder  Erbrechen  findet  ja,  wie  auch  kürzlich  Emmerich  betont 
hat,  beim  Meerschweinchen  nicht  statt.  Ich  erlebte  nun  regel- 
mäfsig  (und  habe  nie  versäumt,  meinen  Mitarbeitern  am  Institut 
dies  zu  demonstrieren)  nach  der  Verfütterung  der  karbolsäure- 
haltigen Sera  eine  eigenartige  Krankheitserscheinung  bei  den 
gefütterten  Tierchen.  Wenige  Minuten  nach  der  Eingabe  des 
Serums  legten  sie  sich  platt  auf  den  Bauch  und  machten  eigen- 
tümliche scharrende  Bewegungen  mit  den  Hinterbeinen  (es  waren 
nicht  etwa  klonische  Krämpfe):  man  hatte  völlig  den  Eindruck, 
als  ob  die  Tiere  an  Koliken  litten,  und  durch  diese  Bewegungen 
sich  Erleichterung  schaffen  wollten.  Dabei  hatten  die  Tierchen 
öfters  kühle  Ohren,  also  Zustände,  die  etwas  an  Kollaps  erinnern. 
Dafs  es  sich  nicht  um  Aspirationserscheinungen  gehandelt  haben 
kann,  geht  daraus  hervor,  dafs  ich  bei  den  regelmäfsig  vor- 
genommenen Obduktionen  oft  gar  keine  Veränderung  in  den 
Lungen  sah;  wenn  ich  pneumonische  Herdchen  fand,  so  waren 
sie    nicht   zahlreicher   und  umfangreicher  als  bei   Verfütterung 


1)  Diese  Frage  gewinnt  am  so  mehr  Berechtigung,  wenn  man  —  wie 
Pol  an  o  -'  aus  der  Ähnlichkeit  des  placentaren  Zotten-  and  Darmepithels 
Ähnlichkeiten  in  ihrem  physiologischen  (und  natflrlich  auch  pathologischen) 
Verhalten  schliefst. 


Von  Dr.  Albert  üffenheimer.  121 

anderer  Körper,  i)  Auch  erholten  sich  die  Tiere  ziemlich  rasch 
wieder.  Wenn  ich  die  Tötung  verhältnismäfsig  schnell  nach 
der  Verfütterung  vornahm,  so  zeigten  sich  die  Mägen  noch  prall 
angefüllt  von  Flüssigkeit,  also  waren  sicher  Störungen  in  der 
motorischen  Funktion  des  Organs  vorhanden.  Bei  Ver- 
fütterung anderer  Flüssigkeiten  dagegen  war  die  Entleerung  des 
Magens  eine  viel  schnellere.  Dafs  ich  Kontrollversuche  anstellte 
mit  Normalserum  allein  und  mit  Normalserum,  dem  eine  ent- 
sprechende Karbolsäuremenge  beigemengt  war,  ist  wohl  selbst- 
verständlich. Es  zeigte  sich,  dafs  wirklich  die  Karbolsäure  es  war, 
welche  die  geschilderten  klinischen  Erscheinungen  verursachte. 
Ich  glaubte  zunächst,  vielleicht  auch  ein  pathologisches  Sub- 
strat derselben  durch  die  anatomische  Untersuchung  der  Mägen 
finden  zu  können.  Makroskopisch  zeigte  sich  nichts,  bei  der 
mikroskopischen  Durchforschung  vieler  Serien  meinte  ich  in  der 
Tat  anfangs  Epithelveränderungen  zu  sehen.  Als  ich  aber  die 
empfindlichen  Mägen  vor  der  Fixierung  auf  Kork  aufspannte  und 
dadurch  jede  Berührung  mit  der  Glaswand  vermied,  konnte  ich 
keine  Unterschiede  mehr  finden  zwischen  denen,  die  karbolsäure- 
haltige Medien  enthalten  hatten  und  den  anderen. 

Ich  bin  nach  dem  Dargelegten  überzeugt,  dals  die  Karbol- 
säure vorübergehende  Vergiftungserscheinungen  bei  den  jungen  2) 
mit  Heilseris  gefütterten  Meerschweinchen  erregt.  Es  liegt  nahe, 
daran  zu  denken,  dafs  durch  diese  Erscheinungen  Veränderungen 
gesetzt  werden,  die  den  Durchtritt  des  Antitoxins  durch  die  Magen- 
darmwand begünstigen.  Behaupten  möchte  ich  es  nicht,  denn 
es  fehlt  an  den  sicheren  Beweisen ;  aber  ich  mufs  gestehen,  dafs 
ich  Versuche  mit  antitoxischen  Seris,  denen  kein  Konservierungs- 
mittel beigesetzt  ist,  für  recht  wünschenswert  hielte.     (Dafs  auch 


1)  Absolut  lassen  sieb  bei  dem  Einfliefseii  in  das  Maul  gelegentlicbe 
Aspirationsberdcben  nicbt  vermeiden.  Diese  kleine  Fehlerquelle  (vgl.  hierzu 
Fickers  zweite  Arbeit),  welche  meine  Technik  mit  sich  bringt,  ist  aber 
gewifs  annehmbarer  als  diejenige,  welche  bei  jeder  anderen  Art  von  Fütte- 
rung (durch  Sonde  beispielsweise)  infolge  der  nicht  zu  umgehenden  Epithel- 
verletzungen  entstehen. 

2)  Meinen  Versuchen  am  alten  Meerschweinchen  nach  treten  bei  diesen 
die  genannten  Vergiftungserscheinungen  nicht  auf. 


122      Experim.  Stadien  über  die  Dnrchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

die  anderen  Autoren  gleich  mir  mit  konservierten  Seris  gearbeitet 
haben,  hat  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich.) 

Die  besondere  Ausnahmestellung,  die  der  Antitoxiuübergang 
bei  dem  für  die  nativen  Eiweifskörper  sonst  undurchlässigen 
Meerschweinchen-Intestinum  einnimmt,  verdiente  gewifs  der  Auf- 
klärung. Bei  den  anderen  Tieren,  den  Hunden,  Kaninchen, 
Kätzchen,  Zickeln  usw.  scheinen  nach  den  öfters  zitierten  Unter- 
suchungen geänderte  physiologische  Verhältnisse  vor- 
zuliegen. Diese  können  kaum  in  anderen  vitalen  Vor- 
gängen zu  suchen  sein  als  in  denen  der  Magen-  und  Darm- 
saftsekretion^). 

Besonders  Gmelin  hat  in  zwei  Arbeiten  gezeigt,  dafs  bei 
jungen  Hunden  der  Magensaft  in  den  ersten  Wochen  noch  eine 
recht  ungenügende  Zusammensetzung  hat.  Gegenüber  Cohnheim 
und  Soetbeer,  die  psychischen  Magensaft  von  saurer  Reaktion 
fanden,  betont  er  neuerdings,  dafs  diese  Autoren  dadurch  getäuscht 
worden  seien,  dafs  sie  den  Magensaft  mit  N^laton-  und  Gummi- 
kathetern aspirierten,  diese  Katheter  aber  eine  Säure  enthalten, 
welche  die  Günzburgsche  Probe  positiv  verlaufen  läfst.  Gmelin 
hält  nach  seinen  erneuten  Versuchen  daran  fest,  dafs  in  den 
ersten  Wochen  sich  Milchsäure  im  Magen  des  Hundes  finde, 
aber  keine  Salzsäure^).  Seiffert  betont  in  seinem  Milchwerk 
das  Fehlen  der  Pepsinbildung  beim  Neugeborenen.  Dafs  bei 
so  ungenügenden  Sekretionsverhältnissen  kleine  Mengen  einge- 
führter Eiweifskörper  der  Denaturierung  entgehen  und  somit  un- 
verändert zur  Resorption  gelangen  können,  ist  leicht  verständlich. 

Ob  aber  die  Gmelinschen  und  die  anderen  Unter- 
suchungen für  das  Meerschweinchen  zutreffen,  mag 
füglich  bezweifelt  werden.  Das  Meerschweinchen  verhält 
sich  in  seinen  ersten  Lebenstagen  ganz  anders  wie  unsere  übrigen 
Laboratoriumstiere.   Es  ist  bereits  reich  behaart,  selbständig,  frifst 


1)  Auf  etwaige  anatomiBche  Gründe,  die  bei  den  Neugebornen  den 
Eiweifs-  und  Bakterienübertritt  verursachen  könnten  (Diese),  komme  ich 
im  Anbang  II  zurück. 

2)  über  die  Salzsäure-Sekretion  beim  Menschen  habe  ich  bereits 
in  der  Einleitung  ausführlicher  gesprochen. 


Von  Dr.  Albert  TJffenheimer.  123 

vom  ersten  Lebenstag  an  Gras,  Heu  und  Rüben,  wie  ich  mich 
bei  vielen  Sektionen  überzeugen  konnte,  und  es  vermag,  ganz  früh 
von  der  Mutter  getrennt,  ohne  deren  wärmeverleihenden  Schutz 
und  ohne  die  Muttermilch  zu  gedeihen.  Wie  anders  beispiels- 
weise die  Maus  oder  das  Kaninchen.  Sie  sind  blind,  fast  unbe- 
haart, völlig  hilflos  und  bleiben  nur,  wenn  sie  an  der  Mutter 
saugen  können,  am  Leben. 

Die  Ausnahmestellung,  die  ich  für  das  Meerschwein- 
chen bezüglich  seines  lutestinaltraktus  nachgewiesen 
habe,  ist  mit  dem  eben  Gesagten  auch  wohl  begründet. 

Aber  diese  Ausnahmestellung  lehrt  uns  auch,  wie  sehr  vor- 
sichtig wir  sein  müssen,  wenn  wir  von  unseren  Tierexperimenten 
auf  den  Menschen  zurückschliefsen  wollen.  — 

Aus  allen  unseren  Versuchen  am  Corpus  vile  des  Tieres 
wollen  wir  ja  in  letzter  Instanz  nur  Lehren  ziehen  für  das  Ver- 
ständnis physiologischer  und  pathologischer  Vorgänge  beim 
Menschen. 

Was  lehren  nun  die  vorliegenden  Untersuchungen 
für  den  Menschen?  Ein  absolutes  Urteil,  inwieweit  die  am 
Meerschweinchen  erzielten  Resultate  auf  den  Menschen  übertragen 
werden  können,  wird  sich  nicht  fällen  lassen.  Denn  nachdem 
sich  bei  zwei  verwandtschaftlich  so  nahestehenden  Tieren  wie 
Meerschweinchen  und  Kaninchen  so  differente  Verhältnisse  des 
Intestinaltraktes  ergeben  haben,  wird  man  eigentlich  der  Ansicht 
sein  müssen,  dafs  Rückschlüsse  auf  den  phylogenetisch  so  weit 
entfernten  Menschen  überhaupt  unmöglich  sind.  Jedenfalls  liegt 
der  Sachverhalt  nicht  so  einfach,  wie  Römer  es  für  den  plazen- 
taren Antitoxinübergang  annimmt,  dafs  dieser  um  so  eher  zu  er- 
warten sei,  je  weiter  ein  Tier  stammesgeschichtlich  von  dem 
antitoxinliefernden  Individuum  entfernt  ist.  Der  Beweis  hierfür 
ist  eben  der  tiefgreifende  Unterschied  zwischen  Meerschweinchen 
und  Kaninchen.  Es  werden  andere  Verhältnisse  in  Betracht 
kommen,  und  zwar  wird  es  wohl  hauptsächlich  die  Selb- 
ständigkeit des  Magendarmkanals  sein,  welche  ausschlag- 
gebend ist  für  Resorptionsmöglichkeit  oder  -Unmöglichkeit  der 
nativen  Ei  weif se« 


124    Experim.  Stndien  über  die  Dorcbgttngigkeit  des  Magendannkanales  etc. 

Der  menschliche  Säugling  gedeiht  —  wie  ja  gerade  wir 
Kinderärzte  immer  wieder  betonen  müssen  —  am  besten  an  der 
Mutterbrust,  aber  wir  sehen  nicht  selten,  dafs  bei  der  künstlichen 
Ernährung  mit  Kuhmilch,  ja  sogar  bei  einer  ganz  unzweckmäfsigen 
Ernährung,  welche  derjenigen  der  Erwachsenen  ähnelt,  Kinder  vor- 
wärts kommen  und  nicht  erkranken.  Dies  beruht  offenbar  darauf, 
dafs  eben  dem  Magen  des  menschlichen  Säuglings  schon  eine 
gewisse  Stärke  in  der  zur  Assimilation  notwendigen  Denaturierung 
des  artfremden  Eiweifses  zukommt.  Aus  diesem  Grunde  neige  ich  da- 
zu, anzunehmen,  dafs  die  Verhältnisse  des  Intestinal traktes  beim  Men- 
schen mehr  denen  des  bei  derGeburt  unabhängigen  Meerschweinchens 
ähneln  als  denen  des  hilflosen  Kaninchens.  Eine  gewisse  Stütze  findet 
diese  Anschauung  auch  durch  die  Übereinstimmung  der  experimen- 
tellen Resultate  beim  Meerschweinchen  und  Menschen,  soweit  Ver- 
suche der  intra-und  extrauterinen  Antitoxin-Übertragung  vorliegen. 

Ich  will  mich  indes  nicht  mit  zu  grofser  Bestimmtheit  hier- 
über aussprechen.  Meine  Versuche,  die  eine  solche  Spezial- 
steilung unseres  bevorzugtesten  Laboratoriumstieres 
ergeben  haben,  mahnen  vielmehr  zur  Vorsicht  und  zu 
weiser  Beschränkung  bei  der  Verallgemeinerung  der  am 
Tierkörper  erhaltenen  Resultate. 

Einen  einzigen  Punkt  der  Behringschen  Anschauungen 
mufs  ich  noch  kurz  berühren,  nämlich  die  rein  physikalische 
Vorstellung,  dafs  die  Schleimhäute  der  Erwachseneu  als  dialy- 
sierende  Membranen  fungieren,  die  der  Jungen  hingegen  wie 
grofsporige  Filter  sich  verhalten. 

Schon  Brücke  hat  betont,  und  nach  ihm  haben  Voit  und 
Bauer  es  wiederum  ausgesprochen,  dafs  die  Aufnahme  der  Stoffe 
in  den  Darm  nicht  ausschliefslich,  ja  nicht  einmal  vorzüglich 
durch  Osmose  bewirkt  wird,  sonst  könnten  Magen  und  Dünn- 
darm nicht  nacheinander  Stunden  leer  sein,  sondern  würden 
schliefslich  eine  Flüssigkeit  von  der  Zusammensetzung  des  Blut- 
serums enthalten,  die  dann  regelmäfsig  mit  dem  Kot  abgehen 
müfste.  Auch  Neumeister  konstatiert  in  seinem  Lehrbuch  der 
phys.  Chemie,  dafs  die  physikalische  Auffassung  der  Resorption 
als    einer    einfachen    Diffusionserscheinung    gänzlich    verlassen 


Von  Dr.  Albert  Üffenheimer.  125 

wurde.  »Die  Aufuahme  der  Nahrungsstoffe  seitens  der  Dann- 
wand  scheint  vielmehr  in  der  Hauptsache  durch  eigentümliche 
vitale  Vorgänge  in  den  Zellen  der  Darmschleimhaut  zu  ge- 
schehen (Hoppe-Seyler),  welche  in  letzter  Instanz  auf  chemische 
Affinitäten  zurückgeführt  werden  müssen  (R.  Heidenhain).« 
iDals  bei  der  Resorption  die  Osmose  nicht  das  Wesentliche  ist« 
geht  schon  daraus  hervor,  dafs  sogar  ungelöste  Substanzen,  wie 
die  Fetttröpfchen,  zur  Aufsaugung  gelangen.  Ferner  ist  durch 
eingehende  Versuche  festgestellt,  dafs  nicht  einmal  das  Wasser, 
sowie  die  Salze  bei  ihrem  Verschwinden  aus  dem  Darmkanale 
den  DifEusionsgesetzen  folgen,  t 

Diesen  Anschauungen  der  Physiologen,  die  uns  freilich  auch 
nicht  völlig  befriedigen  können,  da  sie  eine  letzte  Erklärung  des 
»Wie  und  Was«  der  vitalen  Vorgänge  in  den  Zellen  nicht  geben 
—  verleihen  unsere  Befunde  am  Intestinaltrakt  neugeborener 
Meerschweinchen  eine  wertvolle  Stütze.  Obwohl  grob  anatomisch 
und  mikroskopisch  von  gleichem  Bau  wie  der  Magendarmkanal 
anderer  Tiere,  unterscheidet  er  sich  in  seinem  Verhalten  den 
genuinen  Eiweifskörpern  und  Bakterien  gegenüber  so  aufser- 
ordentlich  von  diesem.  Da  kann  also  von  physikalischen  Gründen 
keine  Rede  sein,  wir  müssen  vielmehr  nach  solchen  physiologi- 
scher Natur  suchen,  und  diese  werden  wir  vermutlich  ebenso 
in  Verschiedenheiten  des  Sekretes  der  Magendarmdrüsen 
und  in  Unterschieden  ihrer  vitalen  Zelltätigkeit  bei  den 
verschiedenen  Spezies  finden,  wie  sie  für  das  neugebo- 
rene resp.  ältere  Tier  sich  bereits  ergeben  haben, 

Anhang  I. 
ToxinverfDtterung. 

Bei  den  vielen  Fütterungsversuchen  mit  Antitoxinen 
lag  es  nahe,  auch  die  Toxine  selbst  zum  gleichen  Zweck  mit 
heranzuziehen,  wenngleich  sie  wohl  keine  genuinen  Eiweifs- 
körper  sind. 

Oppenheimer  fafst  den  Stand  unserer  heutigen  Kennt- 
nisse über  sie  zusammen,  indem  er  sie  als  hochmolekulare  Körper 


126    Ezperim.  Stadien  Ober  die  Darchsängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

bezeichnet,  den  Eiweifsstoffen  wahrscheinlich  verwandt,  mit  ihnen 
in  gewissen  Eigenschaften  korrespondierend,  besonders  nahe- 
stehend aber  den  ebenfalls  in  ihrer  Konstitution  noch  völlig 
rätselhaften  Fermenten.  Den  letzteren  sind  sie  auch  in  -  ihrer 
Diffusibilität  nahe  ven^^andt.  Insbesondere  ist  für  sie  charakteri- 
stisch, dafs  sie  leicht  durch  Dünndarm  hindurch  diffundieren 
(Chassin  und  Moussu). 

Aus  diesen  Gründen  gebe  ich  die  Versuche  nur  anhangsweise. 

Zwei  Experimente  mit  dem  Paltaufschen  Diphtheriegift 
(Dos.  let.  0,02;  L  +  0,45)  verliefen  völlig  negativ.  Das  eine  Neu- 
geborene (H IX,  120  g  schwer,  1^2  Tag  alt)  erhielt  0,75  ccm,  das 
zweite  (Jil,  60  g  schwer,  S^/j  Tag  alt)  3,75  ccm  des  Giftes,  also 
Dosen,  welche  bei  der  Einspritzung  ca.  40  resp.  190  Meerschwein- 
chen von  250  g  getötet  hätten.  Sie  blieben  ganz  gesund.  Die  Ob- 
duktion am  4.  resp.  6.  Tag  nach  der  Fütterung  ergab  vollkommen 
normale  Verhältnisse.  Wegen  Mangels  an  Gift  habe  ich  diese 
Versuche  nicht  fortsetzen  können. 

Mit  dem  Paltaufschen  Tetanus-Toxin,  von  dem  1  g  bei  der 
ersten  Prüfung  7  500000  g  Mausgewicht  tötete,  sind  die  folgenden 
Fütterungen  angestellt. 

Bei  neugeborenen  Mäusen  erhielt  ich  kein  Resultat.  Es  ge- 
lang wohl,  ihnen  einen  Tropfen  einer  konzentrierten  Giftlösung 
ins  Maul  zu  bringen,  aber  die  Mausmutter  frafs  die  berührten 
Jungen  kurz  darnach  auf. 

Von  8  Fütterungsversuchen  an  neugeborenen  Meerschwein- 
chen hatten  7  entweder  ein  negatives  oder  ein  zweideutiges  Re- 
sultat. Bei  einigen  Versuchsreihen  traten  nämlich  bei  den  mit  dem 
zu  prüfenden  Meerschweinchen-Serum  injizierten  Mäusen  vorüber- 
gehende Erkrankungen,  ja  einzelne  Todesfälle  auf  —  aber  nie  waren 
irgendwie  ausgeprägte  Krampferscheinungen  zu  beobachten. 

Beiden!  achten  mit  Tetanustoxin  gefütterten  Jungen 
dagegen  liefs  sich  ein  Übertritt  des  Giftes  ins  Blut 
nachweisen. 

If).  XII.  1904.  JunReB  Ggll,  65  g  schwer,  1»/,  Tage  alt,  erhält  per  os 
f)  ccm  einer  wenige  Tage  alten  TctanusgiftlöBimg,  demnach  eine  Dosis,  die 
bei  der  Injektion  für  275000  g  Mausgewicht  tödlich  war. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer. 
RntblatuDg  3  Standen  nach  der  letiten  Fütterung. 
Prüfung  (17.  XII.  04): 


Ml  119  15  g 

1 

Mb  120     ':  lö  g 

Ms  121     !■  17  g 


0,03  ccm 
JerumUgU 


0,OS  ccm 
Serum  Gg  II 


Ms  122     I      15  g 


Ma  123     )|      15  g 

li 


IS.  XII.  aehr  mobil ;  ble  26.  XII.  stets 
mobil  geblieben.  An  Uieaem  Tag  Be 
obscbtung  nbgeb rochen. 

bis  25.  XII.  stets  mobil  geblieben.  An 
diesem  Tag  Beobachtung  abgebrochen. 

18.  XII.  I      , 

19  XII    I  ™obil 

20  XII.  Ei em lieh  mobil 

31.  XU.  MobiliUt  etwas  beeinträchtigt 
22.  XII,  Eben  eitbeinlg 

^-  XII.  Streckkrampf 

angedeutet 

24.  XII.  Ebeiiflo 

2&.  XII.  ber  wieder 

26.  XII. 
Bis  15. 1. 06 
nach    und    nach    lang 

gangen. 

18.  XII.  I      . 

19.  XII.  I  "■"  "°'»'l 

20.  XII.  Ziemlich  mobil 

21.  XII.  Geht  mit  sehr  breiten  Hinter- 

beinen 

22.  XII.  Linkes  Hinlerbein  eeigt  schwa- 

chen Streckt  rampf 

23.  XU.  Mtfaiger  Streckkrampf 

2*.  XII.  Ebenso  Maas  kann  sich,  auf 
den  Rücken  gelegt,  nurschwer 
nmdrehen 

25.  XII.  Wieder  beweglicher 

26.  XII.  Ziemlich  beweglich 

Bis  15.  1.  05  heobacbtet.  Bis  dahin 
alle  Erscheinungen  langsam  turQck- 
gegangen. 


aetir  mobil 


IS.  XII. 

19.  XII. 

20.  XII,  liemlich  mobil 

21.  XU.  Geht  mit  breiten  Hinterbeinen 

22.  XII.  Linkes  Hinterbein  zeigt  etwas 

Streck  krampf 

23.  XU.  ehr    deutlich. 

Mobilität 

24.  XII.  Miltags  sterbend.    Die  Hinter- 

beine in  starkem  Streckkrampf 
Ubduktion :  Sehr  grofse  Milz. 


]^28      ^xperim.  Stadien  Ober  die  Dnrchgftngigkeit  des  MagendarmkanAles  etc. 

Ich  glaube  nicht,  daCs  man  hier  daran  zweifeln  kann,  dals 
die  Erkrankung  resp.  Tod  der  Versuchstiere  durch  Tetanusgift 
hervorgerufen  wurde.  Diese  Feststellung  ist  deshalb  interessant, 
weil  man  bisher  annahm,  dafs  Toxine  vom  normalen  Intestinal- 
traktus  nicht  resorbiert  werden  können. 

Nencki  und  Schoumow-Simanowski  fanden  an  erwach- 
senen Tieren,  dafs  nur  bei  Verfütterung  von  mehr  als  lOOOOOfach 
letalen  Dosen  schliefslich  Vergiftungserscheinungen  auftreten. 

Während  Ransom  annahm,  dafs  das  aufgenommene  Te- 
tanustoxin  sich  unverändert  im  Kote  wiederfinde,  glauben  Nencki 
und  seine  Mitarbeiter,  sowie  Repin  und  Carri^re,  dals  die 
Bakteriengifte  schnell  nach  der  Einführung  in  den  Magendarm- 
kanal zerstört  werden,  wobei  die  peptischen  und  tryptischen 
Fermente  scheinbar  eine  viel  bedeutendere  Rolle  spielen  als 
die  Säure. 

Von  grofsem  Interesse  ist  die  kürzlich  durch  Aladär  Schütz 
an  der  Breslauer  Kinderklinik  gemachte  Feststellung,  dafs  die 
Eigenschaft  des  Magensaftes,  Diphtherietoxin  zu  entgiften,  bei 
Säuglingen  individuell  verschieden  und  unabhängig  von 
Alter,  Ernährung  und  Ernährungszustand  des  Kindes  ist.  Solche 
individuelle  Verschiedenheiten  geben  vielleicht  auch  die  Er- 
klärung, weshalb  nur  ein  sicher  positiver  Fütterungsversuch  den 
übrigen  negativen  resp.  zweifelhaften  gegenüber  steht. 

In  neuerer  Zeit  hat  auch  Schmidlechner  den  Übergang 
der  Toxine  von  der  Mutter  auf  die  Frucht  experimentell  fest- 
gestellt. Ich  glaube  aber,  dafs  gerade  bei  den  Bakteriengiften  ein 
Vergleich  zwischen  plazentarem  und  intestinalem  Übergang  nicht 
angebracht  sein  dürfte,  weil  eben  die  Toxine  (ich  erinnere  hier 
an  V.  Behrings  Deutung  des  Rausomschen  Fohlenversuches) 
wie  die  übrigen  Organe  so  auch  die  Plazenta  des  vergifteten 
Muttertieres  schädigen  werden. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  129 

Anhang  n. 

Anatomische  Untersuchungen  der  Mägen  Neugeborener  nach  der 

Disseschen  Methode. 

von  Behring  hat  die  generell  von  ihm  behauptete  Durch- 
lässigkeit des  Magendarmkanales  Neugebomer  für  genuine  Ei- 
weifse  und  Bakterien  anfänglich  zurückgeführt  auf  Unterbrechungen 
der  Schleimschicht  im  Magen  derselben.     Er  stützte  sich   dabei 
auf  eine  Veröffentlichung  des  Marburger  Anatomen  Disse  aus 
dem  Jahre  1903  und  stellte,  als  diese,  insbesondere  von  Ben  da 
angegriffen  wurde,   im  5.  Heft  seiner  Beiträge   zehn  neuerdings 
von  Prof.  Disse  redigierte  Sätze  auf,  die  im  wesentlichen  darin 
gipfelten,    dafs    bei    neugeborenen    Tieren    (mit   Ausnahme    des 
Kaninchens)  und  Menschen  keine  ununterbrochene  Schleimschicht 
der  Magenepithehen  vorhanden   ist.     Paul  Reyher  hat  nach 
Untersuchungen  aus  der  Berliner  Universitätskinderklinik  für  den 
Menschen    neuerdings    im    vollen    Gegensatz   zu    Disse    »eine 
lückenlose,  das  Grewebe  vollständig  vom  Magenlumen  trennende 
Schleimlage«  nachweisen  können,   und  zwar  nicht  nur  für  den 
Neugeborenen,  sondern  schon  für  den  älteren  Fötus.     Er  findet 
sich    dabei    in    voller   Übereinstimmung    mit    Benda,    Toldt, 
Fischl,    Schmidt    und    Sacerdotti.^)      Es    dürfte   deshalb 
vielleicht    überflüssig   erscheinen,    meine    Befunde    am    Meer- 
schweinchen noch  aufzuführen,  um  so  mehr,   als  die  letzten 
Veröffentlichungen    der    Marburger    Schule    von    diesen    ana- 
tomischen Unterschieden  der  Mägen  neugeborener  und  älterer 
Individuen   nicht  mehr  viel  sprechen.     Da  ich  aber  eine  sehr 
grofse  Anzahl  mikroskopischer  Schnitte    untersucht  habe,   und 
da   ja   aufserdem    meine    Experimente    weitgehende    Differenzen 
in  der  Durchlässigkeit  des  Intestinaltraktus  Neugebomer  bei  ver- 
schiedenen  Spezies  ergeben   haben,   ist  eine  kurze   Wiedergabe 
meiner  Befunde  wohl  gerechtfertigt. 

Ich  habe  den  Disseschen  Anforderungen  gemäfs  »viele 
gröfsere  Schleimhautstücke  an  Schnittreihen«  untersucht  und 
habe    mich    in    der   Technik   (Konservierung   in   Zenker  scher 

1)  Bezüglich  der  Literatur  kann  ich  auf  die  eingehende  Reyh ersehe 
Arbeit  selbst  verweisen. 

Archiv  für  Hygiene.   Bd.  LV.  9 


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3f^?y,^Ar.*m    H4*vr^ft:.;^'r.  7*r^rzr  -vir      rLer  «*!!:■*  s«*  seil  alt:- 


)    t/,^^mäi  f0tfHU^  $^ut^^  ««/<rr.  .T.it  I>:pr.*.her>'Acä^idii  fcfinen  vonlcn. 


Von  Dr.  Albert  Ufifenheimer.  131 


Literaturrerzeichnis  ^). 

1.  von  Behring,  TuberkaloHebekämpfang.  Vortrag  usw.  Marbarg,  £1- 
wertscbe  Verlagsbacbhandlung.     1903. 

2.  Römer,  Untersnchungen  über  die  intrauterine  und  extrauterine  Anti- 
toxinübertragung von  der  Mutter  auf  ihre  Deszendenten.  Berl.  kl.  W., 
B.  38,  1901,  Nr.  46. 

3.  Flügge.  Zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose.  Dtsch.  med.  W.,  1904, 
Nr.  8,  S.  269. 

4.  Orth,  Über  einige  Zeit-  und  Streitfragen  aus  dem  Gebiete  der  Tuber- 
kulose.   Borl.  kl.  W.,  1904,  S.  256,  301,  355. 

5.  Albrecht,  Über  Tuberkulose-Infektion.  Wochenschr.  f.  Tierheilkunde 
und  Viehzucht,  1903,  Nr.  40—42. 

6.  B.  Fränkel,  Diskussion  zu  von  Behrings  Vortrag  (8).  Ref.  in 
Deutsche  med.  W.,  Nr.  6,  S.  226. 

7.  A.  Baginsky,  Diskussion,  ebenda. 

8.  von  Behring,  Phthisiogenese  und  Tuberkulosebekämpfung.  Dtsch.  med. 
W.,  1904,  Nr.  6,  »S.  193. 

9.  von  Behring,  Leitsätze  betreffend  die  Phthisiogenese  etc.  Berl.  kl. 
W.,  1904,  Nr.  6. 

10.  von  Behring,  über  alimentäre  Tuberkuloseinfektionen  im  Säuglings- 
alter.    Brauers  Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.     Bd.  3,  H.  2,  S.  88. 

11.  Biedert,  Ernährungstherapie  bei  Krankheiten  der  Kinder.  S.-A.  aus 
dem  Handbuch  der  Ernährungstherapie  und  Diätetik  von  Leyden- 
Klemperer,  I^ipzig.     Thieme. 

12.  Langermann,  Untersuchungen  über  den  Bakteriengehalt  von  auf  ver- 
schiedene Art  und  Weise  zur  Kinderernährung  sterilisierter  und  ver- 
schiedentlich aufbewahrter  Nahrung,  zugleich  mit  den  Ergebnissen  über 
ihr  Verhalten  im  Magen  selbst.  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  35,  1893, 
Seite  88. 

13.  Hamburger,  Über  die  Wirkung  des  Magensaftes  auf  pathogene  Bak- 
terien.    Zentralbl.  f.  klin.  Mediz.,  1890,  Nr.  24,  S.  425. 

14.  Kijanowsky,  Zur  Frage  über  die  antimikrobischen  Eigenschaften  des 
Magensaftes.     Wratsch,  1890,   Nr.  40,  S.  917  (zit.  n.  Langermann). 

1)   Die  Autoren  sind  in  der  Reihenfolge  angeführt,  die  der  Erwähnung 
der  einschlägigen  Arbeiten  im  Text  entspricht. 


]  32     Ez|>eriin.  Studien  Ober  die  Darchgftogigkeit  des  MagendAnnkmiudes  etc. 

15.  Seiffert,  Zur  Ätiologie  der  akuten  Verdauungsstörungen  der  SAhit- 
linge.    Jahrb.  f.  Kinderheilk.  1891,  Bd.  32,  H.  4. 

IG.  Kohlbrugge,  Die  AntoeterlÜHation  des  Dünndannefl  und  die  Bedeatnng- 
des  Cöcum.    Zentralbl.  f.  Bakt  1901,  Bd.  29,  S.  571. 

17.  Jundell,  Das  Vorkommen  von  Mikroorganismen  im  Dünndarm  des 
Menschen.     Arch.  f.  klin.  Chir.,  Bd*  73,  H.  4. 

18.  van  Puteren,  Über  die  Verdauung  der  Säugekinder  in  den  ersten 
zwei  Lebensmonaten.    Arb.  d.  Ges.  der  Kinderärzte  in  St  Petersbui^g. 

19.  Leo  und  £scherich,  Beiträge  zur  Pathogenese  der  bakteriellen. 
Magen-  und  Darmerkrank.  Vortrag,  Heidelberger  Naturforscher  ond 
Ärzte- Versammlung  1889. 

20.  Heubner,  Über  das  Verhalten  der  Säuren  während  der  Magen  Ver- 
dauung des  Säuglings.    Jahrb.  L  Kinderheilk.,  1891,  Bd.  32,  H.  4. 

21.  Müller,  Zur  Kenntnis  des  Verhaltens  von  Milch  und  Kasein  zur  Salz- 
säure.   Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  1892,  Bd.  .34,  H.  4. 

22.  Metschnikoff,  Recherches  sur  le  choMra  et  les  vibrions.  Annales 
de  rinst.  Pasteur,  1894,  T.  VDI,  p.  257  u.  529. 

28.  von  Behring,  Tnberkuloseeutstehung,  Tuberkulosebekämpfung  und 
Säuglingsemährung.  Beiträge  zur  oxp.  Therapie,  H.  8,  Berlin  1904. 
Hirschwald. 

24.  Falck,  Über  das  Verhalten  von  Infektionsstoffen  im  Vcrdanungskanale. 
Virch.  Arch.,  Bd.  93,  1883,  8.  177. 

25.  Chauveau,  Application  de  la  connaissauce  de  l'infection  a  l'etude  de 
la  contagion  de  la  phthise  pulmonaire  etc.  Bulletin  de  Tacad.  de  m^. 
1868,  T.  33,  Nr.  22. 

26.  Klebs,  Über  die  Entstehung  der  Tuberkulose  und  ihre  Verbreitung  im 
Körper.     Virch.  Arch.,  Bd.  44,  1868,  S.  278. 

27.  Parrot,  Vortrag  in  der  Societe  mäd.  des  höpitiiux.  Ref.  in  Guzette 
hebdom.  de  m^d.  et  de  chir.  1869,  Nr.  16,  p.  252  u.  Nr.  23,  p.  368. 

28.  Spina,  Studien  über  Tuberkulose.     Wien  1883. 

29.  Johne,  Die  Geschichte  der  Tuberkulose  etc.  D.  Zeitschr.  f.  Tiermed. 
u.  vgl.  Path.,  Bd.  9,  1883,  S.  1. 

30.  Biedert,  Die  Tuberkulose  dos  Darms  und  des  lymphatischen  Apparats. 
Vortrag,  .gehalten  auf  der  Naturforscherversauimlung  zu  Freiburg  und 
seither  ausgearbeitet.    Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  N.  F.,  Bd.  21,  S.  158. 

81.  Wesen  er.  Kritische  und  experimentelle  Beiträge  zur  I^ehre  von  der 
Fütterungstuberkulose.     Habilit. -Schrift.  Freiburg  1885. 

32.  Nobelthau,  Beiträge  zur  Entstehung  der  Tuberkulose  vom  Dann  aus. 
Kl.  Jahrb.,  Bd.  11,  H.  4,  1903,  S.  533. 

33.  Kossei,  Weber  undHeufs,  Vergleichende  Untersuchungen  über 
Tuberkelbazillen  verschiedener  Herkunft.  Tuberkulose- Arbeiten  aus  dem 
Kaiserl.  Gesundheitsamte  Berlin  1904,  Springer. 

34.  Koch,  Die  Ätiologie  der  Tuberkulose.     Beri.  kl.  W.,   1882,  Nr.  15. 

35.  O  rth ,  Experimentelle  Untersuchungen  üher  Fütteningstuberkulose.  Virch. 
Arch.  1879,  Bd.  76,  S.  217. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  133 

36  Semmer,  Über  Übertragangsversuche  der  Taberknlone.  Dorpater  med. 
Zeitschr.,  Bd.  6,  1877,  S.  346,  zit.  nach  Wesener. 

37.  Bollinger,  Über  Impf-  und  Fütteriingstuberkalose.  Arch.  f.  exp. 
Path.  u.  Pharm.,  Bd.  1,  S.  380,  1873. 

38.  Abrikosoff,  Über  die  erflten  anatomischen  Veränderungen  bei  Langen - 
phthyse.     Virch.  Arch.,  Bd.  178,  H.  2,  8.  173. 

-39.  Cornet,  >Die  Tuberkulose <  in  Nothnagels  spezieller  Pathologie  und 
Therapie.     Wien  1899,  Holder. 

40.  Ribbert,  Über  gleichzeitige  primäre  tuberkulöse  Infektion  durch  Darm 
und  Lunge.     Dtsch.  med.  W.,  1904,  Nr.  28,  8.  1017. 

41.  Tendeloo,  Lymphogen e  retrograde  Metastasen  von  Bakterien  etc. 
Münchn.  med.  W.  1904,  Nr.  35,  S.  1537. 

42.  Tendeloo,  Lymphogene  retrograde  Tuberkulose  einiger  Bauchorgano. 
Münchn.  med.  W.,  1905,  Nr.  21,  S   988. 

43.  Buttersack,  Wie  erfolgt  die  Infektion  des  Darmes?  Ztschr.  f.  Tuberk. 
Bd.  1,  1900,  S.  297  u.  388. 

44.  Baumgarten,  Jahrbuch  der  patholog.  Mykologie.  Braunschweig  1890, 
Bruhn. 

45.  Dobroklonsky,  De  la  Penetration  des  bacilles  tuberculeux  dann  l'or- 
ganisme  a  travers  la  muquense  intestinale.  A.  de  möd.  exp.  etc.  1890. 
p.  253. 

4G.  Tchistovitsch,  Gontribution  ä  l'etude  de  la  tuberculose  intestinale 
chez  l'homme.    Annales  de  l'Inst.  Pasteur,  1889,  Nr.  5,  p.  209. 

47.  Oppel,  Lehrbuch  der  vergl.  mikr.  Anatomie  der  Wirbeltiere.  Jena, 
Gustav  Fischer,  lU.  Teil,  1900. 

48.  Schmidt,  F.  Th.,  Das  follikuläre  Drüsengewebe  der  Schleimhaut  der 
Mundhöhle  und  des  Schlundes  bei  dem  Menschen  und  den  Säugetieren. 
Zeitschrift  f.  wiss.  Zoologie  1863,  Bd.  13,  8.  221. 

49.  Drews,  Zell  Vermehrung  in  der  Tonsilla  palatina  beim  Erwachsenen. 
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Serumtherapie). 


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132     Experim.  Htudien  über  die  Darchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

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Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  133 

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134     Ezperim.  Studien  über  die  Durchgängigkeit  des  Magendarmkanales  etc. 

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Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  }3Ö 

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110.  Moro,  zitiert  nach  Hamburger  (111  \ 

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118.    Hammarsten,   Zeitschr.  f.  phys.  Chemie,   Bd.  7,  S.  227;    zitiert  nach 
Czerny-Keller(119). 

114.  Söldner,  T>ie  Salze  der  Milch.     Inaug.-Diss.,  Erlangen  1888. 

115.  Escherich,  Beiträge  zur  Frage  der  künstlichen  Ernährung.  Jahrb.  f. 
Kinderheilk.,  1891,  Bd.  32,  S.  1. 

116.  Courant,  Über  die  Keaktion  der  Kuh-  und  Frauenmilch.  Inaug.-Diss., 
Breslau  1891. 

117.  Arthur  und  Pages,  Arch.  de  physiol.,  1890,  Bd.  2,  p.  331;  zitiert  ii. 
Czerny-Keller(119). 

118.  Oppenheimer,  Die  Fermente.     Leipzig  1900.    Vogel. 

119.  Czerny  und  Keller,  Des  Kindes  Ernährung.  Ernährungsstörungen 
und  Ernährungstherapie.    Leipzig  u.  Wien  1901  u.  folg.  Jahre.    Deuticke. 

120.  Schlofsmann,  Über  die  Giftwirkung  des  artfremden  Eiweifses  in  der 
Milch  etc.     Arch.  f.  Kinderheilk.,  1905,  Bd.  41,  H.  1—2,  S.  99. 

121.  Hamburger  und  Sperk,  Biologische  Untersuchungen  über  Eiweifs- 
resorption  vom  Darm  aus.    Wiener  klin.  W.,  1904,  Nr.  23. 

122.  Moro,  Biologische  Beziehungen  zwischen  Milch  und  Serum.  Vortrag. 
Hamburger  Naturforscher-  u.  Ärzteversammlung  1901.  (Verhandl.  der 
Ges.  f.  Kinderheilkunde,  Wiesbaden.    Bergmann,  1902.) 

123.  Schlofsmann,  Diskussion  zu  obigem  Vortrag. 

124.  Moro,  Über  <lie  Fermente  der  Milch.  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  1902, 
Bd.  56,  S.  391. 

125.  Hamburger  und  Moro,  Über  eine  neue  Reaktion  der  Menschenmilch. 
AViener  klin.  W.,  1902,  Nr.  5,  S.  121. 

126.  Bernheim-Karrer,  Untersuchungen  über  das  Fibrinferment  der 
Milch.     Zentralbl.  f.  Bakt.,  M.  31,  1902,  Nr.  9. 


Von  Dr.  Albert  Uffenheimer.  137 

127.  Ganghofner  und  Langer,  Über  die  Resorption  genuiner  EiweiTs- 
körper  im  Magendarmkanal  neugeborener  Tiere  und  Säuglinge.  Münchn. 
med.  W.,  1904,  Nr.  34,  S.  1497. 

128.  R  a  n  8  o  m ,  Beschreibung  des  Fohlen  Versuchs  durch  v.  Behring,  zitiert 
bei  Römer(2). 

129.  Pol  an o,  Experim.  Beiträge  zur  Biologie  der  Schwangerschaft.  Habil.- 
Schrift,  Würzburg  1904,  Stürtz. 

130.  Marx,  Die  Bestimmung  kleinster  Mengen  Diphtherie -Antitoxins. 
Zentralbl.  f.  Bakt.,  Bd.  36,  S.  141. 

131.  Siegert,  Referat  der  Salgeschen  Arbeit  (136)  im  Münchn.  med.  W., 
1904. 

132.  Pharmazeutische  Produkte  der  Farbwerke  vorm.  Meister  Lucius  & 
Brüning,  1903. 

133.  Römer,  Zur  Frage  des  physiol.  Stoffaustausches  zwischen  Mutter  und 
Fötus.    Zeitschr.  f.  diätet.  u.  physik.  Therapie,  Bd.  8,  H.  2,  S.  97. 

134.  Polano,  Der  Antitoxinübergang  von  der  Mutter  auf  das  Kind.  Ein 
Beitrag  zur  Physiologie  der  Placenta.  Zeitschr.  f.  Gebnrtsh.  u.  Gynäkol., 
Bd.  53,  H.  3. 

135.  Römer,  Weitere  Studien  zur  Frage  der  intrauterinen  und  extrauterinen 
Antitoxinübertragung  von  der  Mutter  auf  ihre  Nachkommen.  Behrings 
Beiträge  etc.,  H.  8.   Hhrschwald,  1905. 

136.  Salge,  Über  den  Durchtritt  von  Antitoxin  durch  die  Darmwand  des 
menschlichen  Säuglings.   Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  III.  F.,  Bd.  10, 1904,  H.  1. 

137.  Salge,  Immunisierung  durch  Milch.  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  III.  F., 
Bd.  11,  1906,  H.  3. 

138.  Jakob,  Über  die  Bedeutung  der  Lungeninfusionen  für  die  Diagnose 
und  Therapie  der  Lungentuberkulose.  Dtsch.  med.  W.,  1904,  Nr.  26, 
S.  945  etc. 

189.  Ficker,  Über  die  Keimdichte  der  normalen  Schleimhaut  des  Intestinal- 
traktus.     Arch.  f.  Hyg.,  1905,  Bd.  52,  S.  179. 

140.  Klimenko,  Durchgängigkeit  der  Darmwand  für  Mikroorganismen. 
Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infektionskr.,  B.  48,  S.  67. 

141.  Emmerich  und  Gemünd,  Beiträge  zur  experim.  Begründung  der 
Pettenkof ersehen  lokalistischen  Cholera-  und  Typhuslehre.  Münchn. 
med.  W.,  1904,  Nr.  25,  S.  1089. 

142.  Ficker,  Über  die  Aufnahme  von  Bakterien  durch  den  Respirations- 
apparat.    Arch.  f.  Hyg.,  1905,  Bd.  53,  H.  1,  S.  50. 

148.  Gmelin,  Untersuchungen  über  die  Magen  Verdauung  neugeborener 
Hunde.     Pflüg.  Arch.,  Bd.  90,  8.  591. 

144.  Gmelin,  Zur  Magensaftsekretion  neugeborener  Hunde.  Pflüg.  Arch., 
Bd.  103,  S.  618. 

145.  Cohnheim  und  Soetbecr,  Die  Magensaftsekretion  des  Neugeborenen. 
Zeitschr.  f.  phys.  Chem.,  Bd.  37,  S.  467. 

146.  Seif  fort,  Die  Versorgung  der  grofsen  Städte  mit  Kindermilch.  I.  Teil, 
Leipzig  1904.    Weigol  (S.  84). 


138     Durchgängigkeit  des  Magendarinkanales  etc.    Von  Dr.  Uffenheimer. 

147.  Voit  lind  Bauer,  Über  die  Aufsaugung  im  Dick-  und  DQnndanne. 
Zeitachr.  f.  Biol.,  1869,  Bd.  5,  S.  536. 

148.  Hoppe- Seyler,  Physiologische  Chemie,  1877,  Bd.  1,  S.  348. 

149.  Heidenhain,  Beiträge  zur  Histologie  und  Physiologie  der  Dünn- 
darmschleimhaut.     Pflügers  Arch.,  1888,  Bd.  43,  Suppl.,  S.  63. 

150.  Heidenhain,  Neue  Versuche  über  die  Aufsaugung  im  Dünndarm. 
Pflügers  Arch.,  1894,  Bd.  56,  S.  584. 

151.  Oppenheimer,  Toxine  und  Antitoxine.     Jena  1904.    Fischer. 

152.  Chassin  et  Moussu,  Influence  de  la  dialyse  etc.  Soc.  Biol.,  1900, 
Bd.  52,  p.  694;  zit.  nach  Oppenheimer. 

153.  N e n c k i  und  Schoumow-Simanowski,  Die  Entgiftung  der  Toxine 
durch  die  Verdauungssäfte.     Zentralbl.  f.  Bakt.,  1898,  Bd.  23,  S.  840. 

154.  Ran  so  m.  Das  Schicksal  des  Tetanusgiftes  nach  seiner  intestinalen 
Einverleibung.     Dtsch.  med.  W.,  1898,  S.  117. 

155a.  R e p i n ,  Annales  de  linst.  Pasteur,  1895,  Bd.  9,  S.  517. 
155b.  Carriere,  Soc.  Biol.,  1899,  Bd.  51,  S.  179,  beide  zitiert  nach  Oppen- 
heimer. 

156.  Schütz,  Zur  Kenntnis  der  natürlichen  Immunität  des  Kindes  im 
ersten  Lebensjahre.    Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  HI.  F.,  Bd.  11,  S.  122. 

157.  Schmidlechner,  Übergang  der  Toxine  von  der  Mutter  auf  die 
Frucht.     Ztschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäk.,  Bd.  52,  H.  8. 

158.  Disse,  Untersuchungen  über  die  Dnrchgängigkeit  der  jugendl.  Darm- 
wand für  Tuberkelbazillen.     Berl.  kl.  W.,  1903,  Bd.  40,  S.  4. 

159.  Reyher,  Über  die  Ausdehnung  der  Schleimbildung  in  den  Magen- 
epithelien  des  Menschen  vor  und  nach  der  Geburt.  Jahrb.  f.  Kinderheilk., 
in.  F.,  Bd.  10,  H.  1,  8.  16. 

160.  Ben  da,  Diskussionsbemerkung  zum  Vortrag  Westenhöffers  (55).  Ref. 
Berl.  kl.  W.,  1904,  Nr.  9,  S.  232. 

161.  Toi  dt.  Die  Entwicklung  und  Ausbildung  der  Drüsen  des  Magens. 
Sitzungsber.  der  k.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  math.-naturw.  Kl.,  Bd.  82, 
S.  57. 

162.  Fischl,  Beiträge  zur  normalen  und  pathologischen  Histologie  des 
Säuglingsmagens.    Zeitschr.  f.  Heilkunde,  1891,  Bd.  12. 

163.  Schmidt,  A.,  Unters,  über  das  menschl.  Magenepithel  unter  normalen 
und  pathol.  Verhältnissen.     Virch.  Arch.,  1896,  Bd.  143,  8.  483. 

164.  Sacerdotti,  Über  die  Entwicklung  der  Schleimzellen  des  Magendarm- 
kanales.     Intern.  Monatsschr.  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1894,  Bd.  11,  S.  501. 


Krklftmng  der  anf  der  Tafel  befindlichen  Figuren: 

Fig.  1.    Typische    Knötchenin nge     Meerschweinchen).       Gröfse    Vi 
Kayserling-Präparat. 

Fig.  2.     Schnitt  durch  eine  normale  Lunge.     Lupen vergröfserung  5  :  1. 

Fig.  4.  Der  gleiche  Schnitt.  Stärkere  Vergröfserung  (I^eitz  Obj.  8,  abgeschr. 
Okul.  1,  gezeichnet  in  Objekttischhöhe). 

Fig.  3.     Schnitt  durch   eine  Knötchenlunge.     Lupen  vergröfserung  7:1. 

Fig.  5.     Der  gleiche  Schnitt.     Stärkere  Vergröfserung  (genau  wie  Fig.  4). 

Fig.  6.  Sehr  grofses  Lymphknötchen  aus  einer  normalen  Lunge.  (T^eitz, 
Öl-Immers.    Okul.  1.    T.  16.    Bod.) 

Fig.  7.  Teil  eines  Knötchens  aus  einer  typischen  »Knötchenlunge« 
(gleiche  Vergröfserung  wie  Fig.  6).  Die  Gröfse  des  ganzen  Knöt- 
chens geht  aus  der  beigegebenen  Skizze  hervor,  in  die  der  Aus- 
schnitt mit  Strichen  eingezeichnet  ist. 

Lebhafte   Kernteilungen;    viele   gröfse,   chromatinarme    >aufge- 
blasene«  Zellen. 


Reagentien  und  Yersachsmethoden  zum  Stadium  der 
proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 

Von 

Prof.  Claudio  Fermi. 

(Hygienisches  Inntitut  der  kgl.  Universität  Sassari  [Sardinien].) 

Übersicht  der  Arbeit. 

I.  Einleitung. 

II.  Methode  der  festen  Gelatineröhrchen. 

A.  Einflafo  der  Konsentration  der  Gelatine   anf    die  Empfindlichkeit 
der  Gelatine  selbst  den  Enzymen  gegenüber. 

B.  Einflufs  der  Alkalien  und  der  Temperatur. 

C.  Über  die  Mittel,   um   den  Kontakt  des  Ensymes   mit  der  Gelatine 
za  begünstigen. 

D.  Einflufs   der  Entfernung   der  sich  nach  und    nach  verflüssigenden 
Gelatine  auf  die  Geschwindigkeit  der  Gelatinolyse. 

E.  Einflufs   der   Kontaktemeuerung    zwischen  Enzym    und   Gelatine 
auf  den  Verlauf  der  Gelatinolyse. 

F.  Aufserordentliche,  mittels  der  Methode  der  festen  GelatinerOh rohen, 
erlangte  Empfindsamkeit. 

G.  Über  die   schnelle  Zerstörung  der  Tätigkeit  des  Trypsins  in  stark 
verdünnten  Lösungen. 

H.   Über  die   von    Mette   und    Linossier   vorgenommene  Abänderang 
meiner  Methode  der  festen  Gelatine. 

III.  Methode  der  festen  Gelatineplatten. 

IV.  Methode  der   Fixierung  und  Extraktion  der  proteolyt.  Enzyme  mittels 
Fibrin. 

V.    Methode  der  flüssigen  Gelatineröhrchen. 
VI.    Methode   der  alkaliHchen  Albnminate  als   neue  Reagentia  der  proteo- 
lytischen Enzyme. 
Vil.    Die  Empfindsamkeit  der   gleichzeitig  studierten  Gelatine,  des  Fibrins, 
des  einfachen  oder    verdünnten  oder  mit  Ammoniak   bereiteten  Blut- 
serums, des  Kaseins,  des  Eiereiweifses. 
Vm.    Über  die  Möglichkeit  der  quantitativen  Bestimmung  derproteolyt  Enzyme. 


Studiam  d.  proteol3rt  n.  gelatinolyt.  Enzyme.    Von  Prof.  Claudio  Permi.     141 


I.   Einleitung. 

Das  Fibrin^)  als  Reagens  im  Aufsuchen  der  proteolytischen 
Enzyme  lälst  in  bezug  auf  die  Empfindlichkeit  und  die  Gewifs- 
heit  viel  zu  wünschen  übrig.  Wenn  dasselbe  auch  dienen  kann 
zur  Konstatierung  energischer  Enzyme,  welche  besonders  in  der 
Anwesenheit  von  Säuren  tätig  sind,  wie  z.  B.  das  Pepsin,  so  ist 
dies  doch  nicht  der  Fall  bei  den  schwachen  proteolytischen 
Enzymen,  die  ihre  Tätigkeit  besonders  bei  alkalischer  Reaktion 
bekunden.  Der  gröfste  Teil  der  sowohl  im  Tierreiche  wie  im 
Pflanzenreiche  so  stark  verbreiteten  gelatinolytischen  Enzyme 
kann  nicht  immer  mit  Hilfe  des  Fibrins  mit  Gewifsheit  nach- 
gewiesen werden.  Dasselbe  kann  man  vom  Trypsin  selbst  sagen, 
wenn  es  sich  nur  in  Spuren  befindet  oder  wenn  seine  Tätigkeit 
bedeutend  geschwächt  ist.  Die  beiden  Kriterien,  aus  denen 
man  schliefsen  kann,  ob  ein  proteolytisches  Enzym  auf  das 
Fibrin  eingewirkt  hat,  sind  bekanntlich  die  Auflösung  desselben 
und  seine  Verwandlung  in  Pepton.  Nun  geschieht  es  aber 
häufig,  dafs  einerseits  das  der  Wirkung  dieses  Fermentes  unter- 
worfene Fibrin  sich  ganz  und  gar  nicht  auflöst  oder  nur  höchst 
unvollständig  und  anderseits,  dafs  die  Probe  keine  glaubwürdige 
Reaktion  gibt. 

Dafs  das  Fibrin  kein  sehr  sicheres  Reagens  ist,  geht  übrigens 
auch  deutlich  aus  den  Ungewifsheiten  und  Widersprüchen  her- 
vor, auf  die  man  in  den  zahlreichen  Bearbeitungen  dieser  Frage 
stöfst,  was  ich  selbst  Gelegenheit  hatte  festzustellen.  Von  den 
übrigen  Reagentien  der  Enzyme,  wie  vom  gesottenen  Eier-Ei  weite 
(Methode  Mette),  Kasein,  Milch,  Blutserum  zu  sprechen,  halte 
ich  für  überflüssig;  diese  stehen,  wie  wir  sehen  werden,  dem 
Fibrin  selbst  nach.  Die  Gelatine  bildet  hingegen  ein  aufser- 
gewöhnlich  empfindliches  und  sicheres  Reagens,  weil  sie  in 
Berührung  mit  einem  gelatinolytischen  Enzjrme  sich  verflüssigt, 
wenn  sie  fest  ist,  und,  wenn  sie  flüssig  ist,  nicht  mehr  erstarrt.  ^) 

1)  La  Gelatina  come  reagente  m.  Arch.  per  le  scieDse  med.  Vol.  XVI, 
N.  8,  1892. 


142         Stadium  der  proteolytischen  and  g^elatinolytischen  Enzyme. 

Obwohl  meine  drei  alten  Methoden,  die  proteolytischen 
Enzyme  aufzusuchen,  an  Empfindlichkeit  alle  bisher  bekannten 
übersteigen  und  zwar  so,  dafs  man  in  der  Lage  ist,  mit  jener 
der  festen  Gelatineröhrchen  mit  Sicherheit  das  bis  auf  1 :  40000 
verdünnte  Trypsin  nachzuweisen  und  somit  achtmal  die  Empfind- 
lichkeit des  Fibrins  übertrifft,  versuchte  ich  dennoch,  sie  zu 
verbessern  und  neue  aufzusuchen. 

II.  Methode  der  festen  Gelatineröhrchen. 

a)  Zubereitung  der  Gelatine.  Man  löst  warm  2,  5, 
10  oder  20  g^)  reiner  Gelatine  (sog.  goldene  Gelatine)  in  100  ccm 
einer  wässerigen  P/qq  Thymol-  oder  5®/oq  Karbolsäurelösung  auf. 

Ein  besonders  anhaltendes  Kochen  der  Gelatine  ist  stets  zu 
vermeiden,  da  dieses  die  Erstarrungsfähigkeit  derselben  schwächt. 
Man  erhält  eine  neutrale  Gelatine,  indem  man  sie  neutralisiert, 
eine  alkalische  beim  Hinzufügen  von  Soda  (1 — 2®/qo)  und  eine 
saure,  indem  man  Mineralsäuren  zu  1 — 5®/oo  oder  organische 
Säuren  (5 — lO^/oo)  hinzufügt. 

b)  Zubereitung  und  Gebrauch  der  Gelatineröhrchen. 
In  kleinen  Röhrchen  von  5 — 6  mm  Durchmesser  verteilt  man 
die  Gelatine  im  Verhältnis  von  1  ccm  pro  Röhrchen;  man  bringt 
sie  in  eine  genaue  vertikale  Lage,  innerhalb  eines  mit  kaltem 
Wasser  angefüllten  Behälters,  damit  die  Gelatine  regelmäfsig  er- 
starrt. Man  bewahrt  dann  diese  Röhrchen,  umgekehrt,  in  einem 
Wasser  enthaltenden  Gefäfse,  um  das  Austrocknen  der  Gelatine 
zu  vermeiden. 

Um    eine  Forschung   anzustellen,    verfahre  man  wie   folgt: 

1.  Man  nimmt  aus  dem  Gefäfse  die  nötige  Anzahl  von  Röhrchen. 

2.  Trocknet  dieselben  ab. 

3.  Versieht  sie  der  Länge  nach  mit  einem  Papierstreifen, 
der  genau  die  freie  Oberfläche  der  Gelatine  anzeigend,  bis  zum 
Boden  des  Röhrchens  reicht.  Dieser  Streifen  dient  zum  Auf- 
zeichnen mit  einer  Feder  und  in  regelmäfsigen  Zwischenräumen, 
z.  B.  alle  24  Stunden  der  aufgelösten  Gelatineschicht,  wie  auch 
des  Datums  und  anderer  notwendigen  Bemerkungen. 

1)  Je  nach  der  Temperatur,  bei  welcher  man  arbeitet. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  143 

4.  Man  giefst  0,5 — 1  ccm  von  der  zu  untersuchenden 
Flüssigkeit,  die  b%  Karbolsäure  oder  1%  Thyraol  enthält,  in 
die  Röhrchen,  um  zu  vermeiden,  dafs  die  Verflüssigung  der 
Gelatine  infolge  der  proteolytischen  Enssyme,  die  sich  aus  den 
während  des  Versuches  entwickelten  Keimen  absondern,  vor 
sich  gehe. 

ö.  Die  Proben  hält  man  in  einer  gleichmäfsigen  Temperatur, 
indem  man  sie  in  einen  Thermostat  auf  20 — 22^  bringt,  jedoch 
darf  die  Gelatinekonzentration  nicht  unter  2%  sein.  Ist  die 
Zimmertemperatur  nicht  unter  12^  und  glaubt  man,  dafs  die 
täglichen  Wechsel  den  Verlauf  der  Forschungen  nicht  stören 
können,  so  kann  man  sie  auch  aufserhalb  des  Thermostaten 
lassen.  Sowohl  in  dem  einen  Falle  wie  im  anderen  vermeide 
man  natürlich  die  Temperaturen,  die  den  Verflüssigungspunkt 
der  Gelatine  in  der  gebrauchten  Konzentration  übersteigen. 

6.  Weder  der  zu  untersuchenden  Gelatine  noch  den  Flüssig- 
keiten dürfen  jene  Substanzen  (antiseptische  oder  andere)  hinzu- 
gefügt werden,  welche  von  selbst  die  Gelatine  auflösen  könnten, 
wie  z.  B.  die  Säuren  und  die  Alkalien  in  gewissen  Konzentrationen. 

7.  Man  vermeide  auch  jene  Substanzen,  welche  die  Emp- 
findlichkeit der  Gelatine  vermindern  könnten,  wie  z.  B.  aus 
meinen  Versuchen  sich  die  Phosphorwolframsäure,  das  Sublimat, 
das  Zinkchlorür,  das  Cadmiumchlorür,  das  Eisenchlorür,  das  Blei- 
acetat,  das  Kupferacetat,  das  Kupfersulfat,  das  Zinksulfat,  das 
Alaun,  das  salpetersaure  Wismuth,  das  hypermangansaure  Kali, 
das  Tannin,  das  Glyzerin  usw.  ergeben  haben. 

8.  Es  ist  ratsam,  die  Flüssigkeiten,  in  denen  man  das 
Enzym  aufsuchen  will,  zu  filtrieren,  wenn  es  möglich  ist  und  sie 
nicht  darunter  leiden,  denn  die  schwebenden  Substanzen  können, 
wenn  sie  auf  die  Gelatine  präzipitieren,  die  Verflüssigung  weniger 
regelmäfsig  vor  sich  gehen  lassen, 

Die  eingeführten  Änderungen,  um  die  Empfindlichkeit  dieser 
Methode  aufs  äufserste  zu  treiben,  beruhen  auf: 

A.  Einflufs  der  Gelatinekonzentration, 

B.  Einflufs  der  Alkahen  und  der  Temperatur, 


144        Stodiam  der  proteolytischen  and  gelatinolytischen  Eniyme. 

C.  Einflufs  der  Steigerung  des  Kontaktes  des  Enzyms  uiit 
der  Gelatine, 

D.  Einflufs  der  Entfernung  von  Verdauungsprodukten,  d.  h. 
der  verflüssigten  Gelatine, 

E.  Einflufs   des    Ruhezustandes    oder    der    Bewegung     der 
Enzyme  enthaltenden  Flüssigkeit. 


A.   "Filnflu  Cb  der  Qelatinekonzentration. 

Um  den  Einflufs  der  Gelatinekonzentration  auf  die  Emp- 
öndlichkeit  derselben  zu  studieren,  gofs  ich  1  ccm  P/qq  Merksches 
Trypsin  in  Röhrchen,  welche  3,  5,  10,  20,  30®/o  Gelatine  und 
2%  Natronkarbonat  enthielten,  und  brachte  die  Probe  in  eine 
Temperatur  von  20®. 

Die  erhaltenen  Resultate  befinden  sich  in  folgender  Tabelle : 


Konzentration  der 

1 '    . 

h 

ITag 

Verflüssigte  Geiatineschicht  in 

Gelatine 

2  Tg. 

3  Tg. 

34  Tg. 

37  Tk. 

44  Tg. 

46  Tg. 

47  Tg. 

'    mm 

■ 

mm 

mm 

mm 

mm         mm 

mm 

mm 

Gelatine  B^lo    . 
Gelatine  ö^/o    • 
Gelatine  IO^/q  . 
Gelatine  20  7o  . 
Gelatine  30  Vo  • 

3 

1 

0 

0 

.   '     0 

6 
3 

2 

0 
0 

10 

5 

4 

2 
0 

29 

20 

12 

5 

32 

22 

13 

6 

36 

25V, 

7 

38 
27'/, 
157, 

8 

41 
29 
17 

9 

Resultat:   Dieser  Tabelle  entnimmt  man  also: 

1.  Die  Sproz.  Gelatine  zeigt  sich  in  diesem  Ver- 
suche zehnmal  empfindlicher  als  die  SOproz.,  dreimal 
empfindlicher  als  die  20proz.  und  zweimal  empfind- 
licher als  die  öproz. 

2.  Die  lOproz.  Gelatine  zeigt  sich  zehnmal  emp- 
findlicher als  die  SOproz.  und  fast  zweimal  als  die  20proz. 

3.  Die  Empfindlichkeit  der  20proz.  Gelatine  ist  fast 
doppelt  so  stark  als  jene  der  SOproz. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  145 

Der  hieraus  folgende  Schlufs  ist,  dafs  die  Empfind- 
lichkeit der  Gelatine  in  entgegengesetztem  Verhält- 
nisse zu  ihrer  Konzentration  steht. 

4.  Aus  diesem  Versuche  ergibt  sich  ebenfalls,  dafs, 
bevor  man  das  Vorhandensein  eines  gelatinolytischen 
Enzymes  bei  der  Anwendung  von  10 — 20  oder  30proz. 
Gelatine  ausschliefst,  man  wohl  tut,  einige  Tage  abzu- 
warten. In  der  Tat  zeigt  diese  Tabelle,  dafs,  während 
die  3proz.  Gelatine  innerhalb  24  Stunden  schon  3  mm 
aufgelöst  hatte,  die  lOproz.  in  derselben  Zeit  ein 
negatives  Resultat  gegeben,  die  20proz.  noch  keine 
Spur  von  Verflüssigung  nach  48  Stunden  und  die 
30proz.  nach  3  Tagen  aufgewiesen  hatten. 

5.  Die  SOproz.  Gelatine  ist  äufserst  wenig  emp- 
findlich und  ist  daher  von  ähnlichen  Forschungen  aus- 
zuschliefsen;  die  lOproz.  wie  auch  jene  20proz.  kann 
man   anwenden,    wenn    die    Temperatur   25®    übersteigt. 

6.  Die  5proz.  und  die  3proz.  Gelatine  sind  hingegen 
die  empfindlichsten  unter  den  in  diesen  Versuchen  an- 
gewendeten Konzentrationen. 

B.   EinfluCs  der  Alkalien  und  der  Temperatur. 

Um  die  Empfindlichkeit  der  Gelatine  in  den  Forschungen 
nach  den  gelatinolytischen  Enzymen,  d.  h.  um  die  Verflüssigungs- 
fähigkeit zu  vermehren,  versuchte  ich  mehrere  Substanzen,  von 
denen  am  besten  die  Alkalien  und  besonders  das  kohlensaure 
Natron  entsprachen. 

Ich  führe  hier  einige  in  dieser  Beziehung  angestellte  Ver- 
suche an. 

a)  Kohlensaures  Natron. 
Versuch  I. 

Röhrchen  von  einem  Kaliber  von  6  mm,  welche  1  ccm  5  prox.  flüssiger 
Gelatine  enthielten,  fügte  ich  verschiedene  Quantitäten  einer  20proz.  kohlen- 
saueren Natronlösong  hinzu,  um  einen  verschiedenen  Prozentsatz  zu 
haben;  ich  schüttelte  die  Röhrchen,  liefs  die  Gelatine  sich  erstarren  und 
gols  in  dieselben  0,25  ccm  lV«o  Trypsin. 

ArchiT  für  Hygiene.    Bd.  LV.  ^^ 


146         Studium  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 


Da?  erhaltene  Resultat  war: 


Kohlensaueres  Natron 

ii  Verflüssigte  Schicht 

in  Tagen 

"        1 

(1 

2        ! 

8 

1,818  0/, 

3.333  o/„ 

4,615  o/o 
5,714  0/, 

Kontrolle  ohne 

Natron 

1        mm 

!'  1 
2 
2 

;    1.5 

'       0 

mm 
3 
4 
4 

mm 
35 
50 
65 
65 
17 

Versuch  II. 

Ich  wiederholte  den  Versuch  und  erhielt  folgende  Resultate 


1  Verflüssigte  Schicht  nach  Tagen 

Kohlensaueres  Natron 

1      !      2 

3 

12'  j     36 

!    mm 

mm 

mm    '     mm    i     mm 

0,96  o/o 

1   0,5 

2            3           8           20 

1,818  »/„ 

1    1 

2,5         3.5        9 

21,5 

3,333  •/, 

1   0,75 

2.5         3,5        9 

20 

4,615  •/. 

0,5 

2            3           9 

26,5 

5,714  o/o 

1   ü 

2,75  1     3,5        9,5 

20 

6.666  »/, 

1   0 

2,5         3,5    ;     9 

20 

Kontrolle  ohne  Natron 

i  0 

0,ri 

1.5 

6,5 

19 

Resultat:  Aus  diesen  zwei  Versuchen  ergibt  sich, 
dals  die  Gelatine,  welche  das  kohlensaure  Natron 
im  Verhältnisse  von  1 — 7®/q  besitzt,  etwa  drei-  bis  fünf- 
mal so  empfindlich  ist  als  die  Neutrale.  Der  Unter- 
schied ist  bedeutender  am  Anfange  des  Versuches 
(1.  und  2.  Tag)  als  in  der  Folge. 

Versuch  III. 

b)  Die  Konzentration,  der  Alkaligehalt  und   die  Tempe- 
raturhöhe,   gleichzeitig    an    der    Empfindlichkeit    der 

Gelatine  studiert. 

Um  den  vorhergehenden  Versuch  zu  wiederholen,  und  um 
gleichzeitig  die  verschiedenen  Bedingungen  zu  studieren,  die  auf 
die  Verflüssigungsfähigkeit  der  Gelatine  einwirken,  unternahm 
ich  den  Versuch  auf  folgende  Weise. 

Ich  nahm  Röhrchen  von  30  cm  Länge  und  von  einem  Ka- 
liber von  6  mm,  füllte  sie  mit  Gelatine  von  verschiedener  Kon- 
zentration und  verschiedenem  Alkaligehalt,  nachdem  diese  erstarrt 
waren  gofs  ich  in  sämtliche  Röhrchen  1  ccm  Trypsin  Merk  zu  !%>. 


Von  Prof.  Claudio  Permi.  147 

Hierauf  brachte  ich  einen  Teil  der  ROhrehen  in  30",  einen  an- 
deren Teil  in  20°,  einen  dritten  Teil  liefe  ich  in  der  Zimmer- 
temperatur, welche  zwischen  12 — 16"  achwankte.  Um  sowohl 
das  Verfliegen  der  Trypsinlösung  als  auch  das  Vertrocknen  der 
Gelatine  zu  verhindern,  verschlofs  ich  sämtliche  Röhrchen  mit 
Paraffin.  Der  luftdichte  Verschlufs  bietet  noch  den  Vorteil,  die 
Röhrchen  notwendigenfalls  ohne  Gefahr  umstürzen  zu  können. 
Man  stürzt  manchmal  dieselben  um,  damit  man  besser  die  Grenze 
der  aufgelösten  Gelatineschicht  wahrnehmen  kann. 

Alle  sieben  Tage  die  aufgelöste  Gelatineschicbt  messend,  er- 
hielt ich  die  Resultate,  die  ich  in  nachfolgender  Tabelle  wiedergebe. 


Hl      Kl     ^ 


a 


148         8tadiam  der  proteolytischen  and  geUuinolTtiachen  Emyme. 

Dieser  Tabelle   eutnehmen    wir  der  Bequemlichkeit    halber 
folgende  Übersichtstabelle: 


Konientration 

alkalisch 

neutral 

- 

der  Gelatine 

20* 

14* 

20*/.) 

Imal 

Imal       9V,ma] 

15  mal 

'11  »•'. 

.     3    » 
3    » 

8       : 

9     1 

►   ;io 

> 

25     > 

30/J 

4    > 

12      . 

►     '28 

> 

73     » 

10  V.  \ 

IV,  > 

1      > 

5»/.    '20V. 

1    > 

IV,' 

5      > 

3V.  ) 

.      1    > 

3V,' 

'     ■.   ^ 

> 

4      > 

3%  /  ^"    • 

9  ' 

1 

'•    1 

> 
> 

2     > 

1*  =  > 

GeUtiBekolueBtratloB. 

Temperatur 

30«/o 

20»/o 

f 

3-/. 

alkalisch 

neutral 

alkalisc 

h     neutral 

alkalisch 

neutral 

Von  30»    20«> 

IV4  mal 

14  mal  ' 

1 

1 

30« 

12       » 

149    » 

1 

20« 

!   3       > 

9    » 

1 V4  nia 

1      3»/, 

1 

mal 

Imal 

3V,  mal 

Resultat:  Aus  der  vorstehendeu  Tabelle  geht 
folgendes  hervor: 

1.  Die  Verflüssigungsfäbigkeit  der  Gelatine  steht 
in  einem  entgegengesetzten  Verhältnisse  zu  ihrer 
Konzentration. 

2.  Die  Verschiedenheit  in  der  Verflüssigungs- 
fähigkeit der  verschiedenen  Gelatinekonzentratio- 
nen sind  gröfser  bei  der  neutralen  Gelatine  als  bei 
der  alkalischen,  ebenso  beim  Aufbewahren  der 
Proben  in  einer  Temperatur  von  14°  als  in  jener 
von  20°.  Mit  einem  Worte,  die  in  Rede  stehende  Ver- 
schiedenheit steigt  mit  der  Verminderung  der  der 
Verflüssigungsfähigkeit  der  Gelatine  günstigen  Be- 
dingungen. 

Dieses  zeigen  deutlich  folgende  Aufgaben: 
a)  Die    Verflüssigungsfähigkeit   der   Gelatine   zu 
20%  ist  doppelt  so  stark  als  die  zu  30%  bei  der  alkali* 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  149 

sehen  Gelatine,  während  bei  der  neutralen  Gelatine 
der  Unterschied  9^2  ist  bei  20»  und  20mal  bei  14^. 

b)  Die  lOproz.  Gelatine  übertrifft  die  SOproz.,  und 
zwar  dreimal  bei  20^  und  achtmal  bei  14^,  wenn  sie 
alkalisch  ist;  zehnmal  hingegen  bei  20^,  und  25mal 
bei  14®,  wenn  sie  neutral  ist. 

c)  Die  öproz.  Gelatine  tibertrifft  jene  zu  30%  bei 
einer  Temperatur  von  20®,  um  dann  auf  9  zu  steigen 
bei  14®  (alkalische  Gelatine). 

d)  Die  3proz.  Gelatine  übertrifft  jene  zu  30®/©, 
wenn  sie  alkalisch  ist,  4mal  bei  20®,  und  12mal  bei 
14®;   ist  sie  neutral,   28mal   bei  20®  und  73mal  bei  14®. 

e)  Die  lOproz.  Gelatine  übertrifft  jene  zu  20®/©, 
wenn  sie  alkalisch  ist  Imal  bei  20®  und  P/abei  14®,  um 
dann  mit  der  neutralen  auf  5mal  zu  steigen  bei  14®  usw. 

Wer  den  Unterschied  in  der  Verflüssigungsfähig- 
keit in  bezug  auf  die  übrigen  Konzentrationen  sehen 
will,  braucht  nur  die  obenstehende  Übersichtsta belle 
zu  sehen. 

3.  Was  den  Eiuflufs  der  Temperatur  auf  die  Ver- 
flüssigungsfähigkeit der  Gelatine  in  den  verschiede- 
nen Konzentrationen  betrifft,  so  ergibt  sich  fol- 
gendes: 

a)  Der  Unterschied  in  der  Verflüssigungsfähig- 
keit bei  30®— 20®  ist  l^j^me^]  für  die  30proz.  alkalische 
Gelatine,  und  14mal  für  die  neutrale  bei  30® — 14®;  er 
steigt  hingegen  bis  auf  12mal  bei  der  alkalischen 
und  auf  149mal  bei  der  neutralen. 

b)  Von  20®— 14®  ist  er  für  die  30proz.  alkalische 
Gelatine  3mal  und  für  die  neutrale  9mal;  bei  der 
30proz.  Gelatine  ist  er  l^/4mal  für  die  alkalische  und 
3^/2mal  für  die  neutrale;  bei  ersterer  bei  3®/o  ist  er 
Imal  für  die   alkalische  und  3V4nial  für  die  neutrale. 

4.  Aufserdem  führen  wir  an,  dafs  die  in  Rede 
stehenden  Unterschiede  regelmäfsig  abnehmen^  je 
mehr  sie  sich  vom  Anfang  des  Versuches  entfernen. 


152         Stadiuro  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Ensyme. 


Resultat : 

1.  Die  höchste  Fluidifikation  erlaugte  mau  in  Gegenwart 
folgender  Substanzen :  Magnesiaoxyd,  Knochenkohle,  Magnesiumkar- 
bonat, EiseDOxydhydrat,  Schwefel,  Ammoniumsulphat  und  Eiweifs. 

2.  Die  geringste  Fluidifikation  ergab  sich  beim  Vorhanden- 
sein von  Zinkoxyd,  Zink  und  Eisen. 

3.  Gewöhnlich  zeigte  sich  die  höchste  Fluidifikation  mit 
0,05  ccm  der  verschiedenen  Substanzen  und  die  niedrigste  mit 
0,15  ccm,  eine  Mittelfluidifikation  hatte  man  mit  0,1  ccm.  Unter 
den  verschiedenen  versuchten  Substanzen  ist  also  die  Kohle  eine 
der  geeignetsten,  um  das  vorgesteckte  Ziel  erreichen  zu  können, 
d.  h.  um  den  Kontakt  des  Trypsin  mit  der  Gelatine  zu  be- 
günstigen und  gleichzeitig  die  niedrigste  Grenze  der  gelösten 
Gelatineschicht  anzuzeigen. 

Um  die  Wirksamkeit  der  Knochenkohle  zu  zeigen,  lafse  ich 
einige  mit  dieser  Substanz  unternommene  Versuche  folgen. 

I.  Yersueh. 

In  zwei  Röhrchen,  welche  2%  Natroogelatine  enthalten,  giefee  ich 
1  ccm  Trypsin  Merk  1 :  300  000.  Einem  derselben  nur  f flgte  ich  1  mg  fein 
pulverisierte  Kohle  bei  und  brachte  die  Probe  in  eine  Temperatur  von  20*. 
Die  Messungen  der  aufgelösten  Gelatineßchicht  ergaben  die  in  folgender 
Tabelle  wiedergegebenen  Resultate: 


Gelatine 


Aufgelöste 

Schicht  in 

6  Tagen 

9  Tagen 

32  Tagen 

46  Tag 

mm 

mm 

1 
mm                mm 

1 

3 

37.       ,         4 

0 

ü 

0                0 

0 

0 

0 

0 

Mit  Kohle  .  .  . 
Ohne  Kohle  .  .  . 
Kohle  ohne  Trypsin 


II.  Tersuch. 

Ich  wiederholte   den  Versuch   mit  Trypsin  1 :  300  000,  indem   ich    nor 
die  Gelatine  wechselte  und  eine  zu  2  7sVo  anwendete. 

Nachstehende  Tabelle  bringt  die  erhaltenen  Resultate: 


Gelatine 


Aufgelöste  Schicht  in 


8  Tg. 

,11  Tg.  28  Tg. 

mm 

1 

mm 

mm 

3 

7 

11", 

0 

0             0 

0 

ü 

0 

34  Tg. 


37  Tg. 


45  Tg. 


Mit  Kohle  ... 
Ohne  Kohle  .  . 
Kohle  ohne  Trypsin 


mm    '  mm  mm 

lOV,  17  17 

0  Q  0 

0  0  0 


Von  Prof.  Olaadio  Fermi. 


153 


ni.  Yersueh. 

Ich  wiederholte  den  Versach  mit  2VtVo  Gelatine  mit  1%  Natronzusats 
und  mit  einer  Trypsinlösang  za  1:500000   und  erzielte  folgende  Resultate: 


Gelatine 


Mit  Kohle  .  .  . 
Ohne  Kohle  .  . 
Kohle  ohne  Trypsin 


1 


Verflüssigte  Schicht 


in 


11  Tagen 


45  Tasen 


mm 

1 
0 
0 


mm 

0 
0 


IV.  Versuch. 

Ich  wiederholte  den  Versuch  mit  2  ^/^  Gelatine  zu  1  Vo  Natron  und  mit 
Trypsin  zu  1 :  400  000  und  erlangte  als  Resultat : 


Gelatine 


Mit  Kohle  .  .  . 
Ohne  Kohle  .  .  . 
Kohle  ohne  Trypsin 


Verflüssigte  Schicht  in 


i  8  Tagen     11  Tagen    45  Tagen 


mm 

2V, 
0 
0 


mm 

0 
0 


mm 

2V, 
0 

0 


V.  Versueh. 

Ich  wiederholte  zum  letzten  Male  den  Versuch  mit  Trypsin  1:500000, 
3proz.  Gelatine  mit  4^0  Natron,  der  Erfolg  ist: 


Gelatine 


Verflüssigte  Schicht  in 
35  Tagen 


20  Tagen   31  Tagen 


46  Tagen 


Mit  Kohle       .     .     . 
Ohne  Kohle  .     . 
Kohle  ohne  Trypsin 


mm 

1 
0 
0 


mm 

0 
0 


mm 
2 
0 
0 


mm 

5 
0 
0 


Resultat:  Aus  diesen  fünf  Versuchen  geht  deut- 
lich hervor,  dafs  die  Gegenwart  des  Kohlenpulvers 
die  Empfindlichkeit  der  Methode  sehr  vermehrt.  In 
der  Tat  gelang  es  mir  mit  demselben  das  Trypsin  in 
Auflösungen  von  aufsergewöhnlicher  Verdünnung 
nachzuweisen,  was  man  bisher  nicht  nur  nicht  er- 
reicht, ja  nicht  einmal  gehofft  hatte.  Vielleicht  her- 
vorzuheben  ist  noch   die   beständige  Tatsache,    dafs 


154         Studium  der  proteolytischen  und  gelatinoly tischen  Enzyme. 

wenn  die  Gelatine  in  den  Röhrchen  sich  nicht  ver- 
flüssigt, sie  wieder  aufschwillt  und  ihr  Niveau  um 
einige  Millimeter  zunimmt. 

Endlich  ist  noch  zu  bemerken,  dafs  man  oft 
wahrnehmen  kann,  wie  in  den  mit  sehr  verdünnten 
Trypsinlösungen,  wie  z.  B.  von  1:300000  bis  1:500000 
angestellten  Versuchen  die  Verflüssigung  nach  30— 45 
Tagen  vollständig  aufhört. 

Der  Gedanke,  dafs  der  Einflufs  des  Kohlenpulvers  bedeutend 
weniger  klar  wäre,  wenn  die  Versuche  mit  starken  Trypsin- 
lösungen vorgenommen  würden,  lag  auf  der  Hand.  Die  folgenden, 
obwohl  wenig  verschiedenen  Versuche  bestätigten  diesen  Verdacht. 

I.  Yersueh. 

In  100  g  Gelatine  zu  b^U  fügte  ich  0,5  g  Tierkohle,  schüttelte  das  Ganze 
gut  und  verteilte  es  im  Verhältnis  zu  1  ccm  in  5  mm  weite  Prouvetten,  die 
schnell  zur  Erstarrung  gebracht  wurden,  gofs  in  eine  jede  derselben  0,%  ccm 
Trypsin  zu  l^/oo". 

Nach  24  Stunden  wurde  die  verflüssigte  Gelatineschicht  gemessen  und 
folgendes  Resultat  erlangt: 

Gelatine  mit  Kohle  3,5  mm 

Gelatine  ohne  Kohle        2       > 

II.  Yersueh. 


Gelatine 


Verflüssigte  Schicht  in 
2  Tilgen     4  Tagen     5  Tagen 


t 


TD  in 


in  in 


mm 


Mit  Kohle 7  9,5  11 

Kontrolle  ohne  Kohle    ...  5  9  11 


Resultat:'  Aus  diesen*  Tabellen  ergibt  sich,  dafs 
man  wohl  im  Anfange  der  ersten  24 — 48  Stunden  eine 
gröfsere  Geschwindigkeit  in  der  Verflüssigung  der 
Kohlegelatine  hat,  vom  4.  Tage  an  aber  der  Unter- 
schied immer  geringer  wird,  bis  er  endlich  gänzlich 
verschwindet. 


Von  Prof.  Claudio  Permi. 


15^ 


D.    Pilnflnrs  des  Bntfemens  der  allmählich  flüssig  werdenden 
Gelatine  auf  die  Geschwindigkeit  der  Gelatinolyse. 

Um  wenigstens  ein  teilweises  Entfernen  und  eine  Beseitigung 
der  aufgelösten  Gelatineschicht,  welche  die  nachfolgende  Ver- 
flüssigung hindern  könnte,   zu  erlangen,  verfuhr  ich   wie  folgt: 

Anstatt  die  Röhrchen  mit  der  festen  Gelatine  und  der 
Trypsinlösung  in  natürlicher  Stellung  aufrecht  zu  halten,  kehrte 
ich  dieselben  um. 

Dieses  tat  ich  auf  zwei  verschiedene  Weisen. 

I.  Yersueh. 

Röhrchen,  die  ganz  genau  bis  an  den  Rand  mit  fester  Gelatine  zu 
3 — 5—10 — 20 — 30%  angefüllt  waren,  wurden  zusammen  in  einem  kleinen 
graduierten  Zylinder,  der  5  ccm  Trypsin  Merk  1  ^/^  enthielt,  umgekehrt,  so- 
dafs  die  Gelatine  in  direkte  Berührung  mit  dem  Tr3rp8in  selbst  kam. 

Andere,  ähnliche  Röhrchen,  die  nur  1  ccm  feste  Gelatine  und  1  ccm 
derselben  Trypsinlösung  Merk  zu  l^/'oo  enthielten,  wurden  gerade  aufrecht 
gehalten.  Alle  einzelnen  Proben  wurden  in  einer  Temperatur  von  20®  ge- 
halten. 

Die  Resultate  befinden  sich  in  nachstehender  Tabelle: 


Gelatinekonzentration 


Verflüssigte  Schicht  nach 
gerade  Röhrchen 


24  Std. 


48  Std.       72  Std. 


96  Std. 


umgekehrte 
Röhrchen 


96  Std. 


Gelatine  zu    3  7o 
»      5  Vo 

>  10  o/o 
»    20«/o 

>  30°/« 


3 

0 
0 
0 


6 
3 
2 
0 
0 


9V, 
5 

4 

1 

0 


14 

8 

2 

0 


33 

13 

7 

4 

V. 


Resultat;  Die  Geschwindigkeit  der  Gelatinever- 
flüssigung ist  somit  zweimal  grölser  in  den  umge- 
kehrten Röhrchen  als  in  jenen  geraden. 

Die  in  der  beschriebenen  Weise  umgekehrten 
Röhrchen  bieten  aufserdem  den  Übelstand,  dafs  man 
sie  nur  einmal  und  zwar  nur  am  Schlüsse  des  Ver- 
suches messen  kann;  denn  beim  Herausziehen  aus  der 
Flüssigkeit,  in  der  sie  sich  befinden,  füllen  sie  sich  mit 
Luft  an,   was,    wenn   man  sie  wieder  in  dieselbe  hinein- 


156        Studium  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enxyme. 

legen  will,  den  Kontakt  zwischen  Gelatine  und  Trypsin 
lösung  hindert. 

Aus   diesem  Grunde   stellte  ich  diesen  zweiten  Versuch  an. 


II.  Yenaeh. 

Nachdem  ich,  more  solito,  die  Gelati neröhrchen  zubereitet^  goüs  ich 
in  dieselben,  und  gerade  auf  TrypsinlOsung,  flassiges  Paraffin. 

Nachdem  letzteres  erstarrt  war,  brachte  ich  die  Röhrchen,  teils  gerade, 
teils  umgekehrt  in  eine  Temperatur  von  20^,  nachdem  ich  mich  versichert 
hatte,  daÜB  keine  Luftbläschen  in  den  Röhreben  seien,  und  daCs  der  Kontakt 
zwischen  Gelatine  und  Trypsinlösung  aufs  vollständigste  erhalten  sei, 
nicht  sehr  leicht  zu  erlangen  ist  für  die  ganze  Dauer  des  Versuches. 


Lage  der  Röhrchen 


Anfirelöste  Schicht  in 


3Tjr. 


Gelatine  j      gerade 

2%      l  umgekehrt 

Gelatine  f      gerade 

10  »o     l  umgekehrt 

Gelatine  f      gerade 

30^0     \  umgekehrt 


5 
8 
3 
3 

ü 

1/. 


6 Tg.  9Tg.,12Tg.  l5Tg.;i8Tg. 


•26Tg. 


29Tg.|32Tg. 


9 

12 

5 

7", 

0 

2'.' 


11       13       16»/,.  18V,i    22 
15       18       20    i  23        33 

17 
30 


77,     9»,    10'/,i  13 


12  27 
0  0 
37,     5 


20 
0 
6 


24 
2 


18      237, 

I 

i  34 
3  4 
8       10 


Resultat:  Die  gröfsere  Schnelligkeit  der  Verflüs- 
sigung der  Gelatine  in  den  umgekehrten  Röhrchen 
schwankt  derjenigen  der  geraden  gegenüber  vom  ^4  t)is 
zum  Zehnfachen. 


E.   Über  den  EinfluTs  der  Erneuerung  des  Kontaktes  zwisohen 
Enzym  und  Gelatine  im  Verlaufe  der  Glatinolyse. 

Duclaux  im  IL  Bd.  (S.  619)  seines  Traktates  schreibt  in 
einer  Kritik  meiner  Methode :  >La  plus  grave  des  imperfections 
est  que  les  deux  milieux  qui  doivent  agir  Tun  sur  Tautre  ne 
soient  mis  en  contact  que  par  une  surface  sur  laquelle  rien 
n^assure  le  renouvellement  continuä  de  l'action.« 

Dieser  Einwand,  wenn  er  dem  Anscheine  nach  von  einer 
gewissen  Bedeutung  ist,  fällt  angesichts  folgender  Tatsachen  und 
folgender  Betrachtungen : 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  15T 

1.  Besäfse  der  Mangel  der  angedeuteten  Erneuerung  de& 
Kontaktes  die  ihm  vonDuclaux  zugeschriebene  Bedeutung,  so- 
müfste  die  Gelatinolyse  nicht  nur  unregelmälsig  vor  sich  gehen, 
sondern  nach  kurzer  Zeit  sogar  vollständig  aufhören.  Dies  ge- 
schieht aber  nicht. 

Die  Verflüssigung  kann,  wie  wir  tatsächlich  in  den  zahl- 
reichen vorhergehenden  Versuchen  gesehen  haben,  mit  regel- 
raäfsigen  Schichten,  auch  6 — 10  Monate  fortdauern,  was  ein 
äufserst  langer  Zeitraum  ist;  denn  bekanntlich  verlieren  die- 
Enzyme  in  Gegenwart  des  Wassers  sehr  schnell  ihre  Fähigkeit. 

2.  Die  Methode  Mette  (eine  Abänderung  der  meinigen),  die 
ebenfalls  denselben  Übelstand  aufweisen  sollte,  wird  allgemein 
beim  Studium  des  Pepsins  angewandt  und  dies,  weil  der  oben- 
erwähnte Übelstand  von  höchst  geringer  Bedeutung  ist,  da  ea 
sich  immer  darum  handelt,  vergleichende  und  unter  denselben 
Bedingungen  angestellte  Proben  vorzunehmen,  nicht  aber,  um 
die  absolute  Menge  des  Albumins  anzugeben,  welches  von  einer 
gegebenen  Enzymemenge  verdaut  werden  kann.  Anderseits 
ist  vielleicht  die  Erneuerung  des  Kontaktes  in  einer  gewöhn- 
lichen künstlichen  Verdauung  vollständig  garantiert,  wo  die 
Fibrinflocke,  der  Eiweilswürfel,  das  Muskelstück  unbeweglich 
auf  dem  Boden  der  Flüssigkeit  liegen,  welche  das  Enzym  ent- 
hält? 

Welcher  Unterschied  besteht  zwischen  dem  Eiweifswürfel  auf 
dem  Boden  der  besagten  Flüssigkeit  und  dem  Gelatinezylinder 
aufser  einer  gröfseren  Kontaktoberfläche,  welche  der  Eiweifs- 
würfel dem  Enzyme  bietet?  Übrigens  hatte  ich  nicht  schon 
viele  Jahre  vor  Duclaux  auf  diesen  Einwand  über  die  Erneue- 
rung des  Kontaktes  hingewiesen  und  in  dieser  Hinsicht  folgende 
Forschungen  angestellt? 

Versuch. 

Man  bereitet  zwei  Gelatineröhrchen,  deren  jedes  10  com  einer  Trypsin* 
lösung  von  1 :  1000  enthält,  eines  derselben  wird  in  Rohe  gelassen,  durch 
die  in  dem  anderen  enthaltene  Flüssigkeit  wird  ein  Luftstroro  geleitet. 


158        Studium  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Eoxyme. 

Als  Kontrolle  wurde  ein  gleicher  Luftstrom  durch  ein  anderes  Gelatine- 
röhrchen,  welches  10  ccm  Karbolsäurelösung  zu  1 7o  enthielt,  geleitet.     Nach 

48  Standen  war  das  Resultat  folgendes:  Auteelösto 

Gelatineschicht 
Gelati neröhrchen   mit   10  ccm   Trypsin   zu   1 :  1000,   I 

in  Ruhe  gelassen  I 

Gelftti neröhrchen   mit  10  ccm  Trypsin  zu   1 :  1000,  \  ne. 
durch   welches  ein   Luftstrom   geleitet  worden   war  )     ' 

Gelatineröhrchen   mit  10  ccm  destilliertem  Wasser,  1        ^ 
durch  welches  ein  Luftstrom  geleitet  wurde         | 

Man  erreicht  denselben  Zweck,  wenn  mau,  anstatt  die  Luft  durch  die 
Flüssigkeit  zu  leiten,   letztere  durch   häufiges  Schütteln   in  Bewegung  hält 

Resultat:  Beim  Bewegen  der  Flüssigkeit,  welche 
die  Enzyme  enthält,  kommen  die  Moleküle  der  En- 
zyme besser  in  Berührung  mit  der  Gelatine  und  die 
Schnelligkeit  der  Gelatinolyse  steigt. 

F.  Maximum  der  mit  der  Methode  der  festen  Gelatineröhrohen 

erlangten  Empfindlichkeit. 

Im  Besitze  einer  Reihe  von  Mitteln,  die  geeignet  sind,  die 
Empfindlichkeit  der  Gelatine  in  wirksamer  Weise  zu  vermehren, 
•durch  Verminderung  der  Konzentration  oder  durch  Empfindlich- 
machen derselben  mittels  kohlensauren  Natrons  oder  durch 
Konzentrierung  der  Trypsinspuren  auf  ihrer  Oberfläche  wie  auch 
durch  Entfernung  der  aufgelösten  Schicht,  indem  man  die 
Röhrchen  umkehrt  usw.,  wollte  ich  nun  feststellen,  bis  zu  welcher 
Verdünnung  das  Trypsin  noch  nachweisbar  sei. 

Zu  diesem  Zwecke  arbeitete  ich  mit  dem  Trypsin  Grübler, 
(welches  viel  kräftiger  ist  als  das  von  Merk)  und  zwar  in  Ver- 
dünnungen von  1  :  600  000—1  :  1000  000  und  mit  Gelatine  zu 
3proz.  mit  2proz.  Natron. 

Dieser  Versuch,  welcher  in  derselben  Weise  wie  die  vorigen 
vorgenommen  wurde,  führte  mich  zu  folgendem  Resultate: 


Grub  l  ersehe 

1  VerflüsR. 

Schicht  in 

Trypsin  lös  ung 

11  Tagen 

14  Tagen 

1:    ÜOOOOO 

11 

16 

:    700000 

5 

10 

800  000 

3 

8 

900000 

2 

6 

:  1000000 

1 

5 

Von  Prof.  Claudio  Fermi. 


159 


Resultat:  Diese  Tabelle  zeigt,  wie  man  mit  der 
oben  angegebenen  Methode  eine  aufsergewöhnliche 
Empfindlichkeit  erlangen  kann,  so  dals  man  in  der 
Lage  ist,  ein  sehr  tätiges  Trypsin  in  einer  Verdün- 
nung bis  zu  1:1000000  nachweisen  zu  können. 

Ebenfalls  gelang  es  mir,  eine  höhere  Empfindlichkeit  mit 
Gelatine  zu  1%  und  Soda  1^/q  zu  erhalten,  indem  ich  bis 
1  :  1400000  kam,  wie  nachstehender  Versuch  es  beweisen  wird^). 

In  Gelatineröhrchon  zu  1%  und  Soda  zu  1%  gofs  ich  1  ccm 
einer  Lösung  Grub  1er sehen  Trypsins  von  1 :  1000000  bis  zu 
1:400000  in  destilliertem  Wasser.     Als  Resultat  ergab  sich: 


Grüblersche 
TrypsinlOsung 


1 
1 
1 
1 
1 


lüOOOOO 
1100000 
1200000 
1300  000 
1400000 


8  Tage 


G 

5 

SV, 

3 

1 


Wenn  man  bedenkt,  dafs  das  Trypsin  bei  1 :  1200000 
selbst  beim  Gebrauch  von  1  ccm  genannter  Lösung 
nachweisbar  ist,  so  wird  es  wohl  keine  Übertreibung 
sein,  wenn  man  sagt,  dafs  die  Empfindlichkeit  der 
Methode  eine  aufsergewöhnliche  ist,  und  dafs  die 
nachweisbare  Fermentmenge  eine  unwägbare  und 
geradezu  eine  unfafsbare  ist. 


Q.  Über  die  schnelle  Zerstörung  der  Tr3rpsintätigkeit  in  sehr 

verdünnten  Lösungen. 

In  diesen  sehr  delikaten  Forschungen  ist  es  unumgängUch, 
stets  mit  frisch  bereiteten  Trypsinlösungen  zu  arbeiten,  da  das 
Trypsin  in  sehr  verdünnten  Lösungen,  besonders  in  destilliertem 
Wasser  sich  abschwächt  und  sich  schnell  zerstört.  Unternimmt 
man  heute  eine  Untersuchung  mit  einer  Trypsinlösung  verdünnt 


1)  Die  Gelatine  zu  1  Vo  kann  nur  angewandt  werden,  wenn  die  Zimmer- 
temperatur 12 — 14*  nicht  übersteigt. 


160        Studium  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 

z.  B.  zu  1:1000000  und  man  wiederholt  den  Versuch  mit  der- 
selben Lösung,  auch  nur  nach  2 — 3  Tagen,  so  erlangt  man  ein 
total  negatives  Resultat. 

Alles  dies  kann  man,  aufser  in  den  andern  von  mir  ange- 
stellten Versuchen,  auch  aus  den  folgenden  wahrnehmen: 

Man  giefst  in  Röhrchen,  welche  1  ccm  2%  Gelatine  und 
Natron  2%  enthalten,  1  ccm  von  einer  verdünnten  frischen  oder 
5  Tage  alten  Trypsinlösung. 

Nach  8  Tagen  wurde  die  aufgelöste  Gelatineschicht  ge- 
messen und  das  Resultat  war: 


Losung  von      „  Verflü^igte  Schicht 


GrQbler  Trypsin 


1:1000  000 


frische     I  6  Tajre  alte 


5  I  0 


1:1100000        >        4V,       ,  0 

1:1200000       '       3V,  0 

1:1300(100  2V-  0 

1:1400000       ,        l  j        0 

Resultat:  Wie  man  sieht,  war  die  Tätigkeit  der 
Trypsinlösung  von  1:1000000—1:1400000  völlig  zerstört. 

H.  Kritik  der  von  Mette  und  Linoesier  eingeführten  AbänderuDg^zi 

meiner  Böhrchenmethode. 

Mette  war  der  Erste,  der  in  meine  ursprüngHche  Röhrcheu- 
methoden  Modifikationen  einführte,  ihm  folgte  Linossier.  Diese 
Modifikationen  finden  in  folgender  Weise  statt.  Anstatt  das 
Enzym  in  Gelatine,  Serum  oder  Eiweifsröhrchen  zu  giefsen,  wie 
ich  es  tue,  kehren  sie  das  Verfahren  um  und  tauchen  die 
Röhrchen  in  die  Enzymlösungen. 

Linossier  verfuhr  mit  Gelatineröhrchen  folgendermafsen : 
Kapillarröhrchen,  2  cm  lang,  welche  gefärbte,  feste  Gelatine  ent- 
hielten, werden  in  die  Enzymlösung  gebracht,  nach  einer  gewissen 
Zeit  wird  die  gelöste  Gelatineschicht  gemessen,  indem  das  Röhrchen 
an  ein  in  Millimeter  geteiltes  Mafs  gebracht  wird,  auf  dem  man 
mit  Hilfe  des  Mikroskopes  die  Mafse  liest. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  161 

Mir  gelang  es  nicht,  die  Änderung  anzuwenden,  und  zwar 
folgender  Umstände  halber: 

1.  Vor  allem  ist  diese  Methode  viel  komplizierter  als  die 
meiuige,  da  aufser  den  Prouvetten  auch  noch  KapillarrOhrchen 
notwendig  sind,  und  anstatt  direkt  zu  messen,  mufs  man  die 
Röhrchen  mit  Pinzetten  herausnehmen  und  abtrocknen,  auf  den 
MaTsstab  befestigen  und  sie  unter  das  Mikroskop  bringen.  Nehmen 
wir  an,  dafs  wir  alle  12 — 24  Stunden  einige  20  Proben  messen 
müssen,  wie  dies  nicht  selten  vorkommt,  was  für  eine  Mühe  und 
einen  Zeitverlust  würde  diese  Arbeit  mit  sich  bringen  I 

2.  Nicht  immer  unbedeutende  Verluste  der  Enzymelösung, 
in  welcher  die  Röhrchen  sich  befinden,  während  des  wieder- 
holten Herausnehmens  derselben,  um  sie  unter  das  Mikroskop 
zu  bringen. 

3.  Da  die  Kapillaren  vollständig  in  die  Flüssigkeit  getaucht 
werden  müssen,  so  ist  für  jede  Probe  ein  aufserordentlicher  Ver- 
brauch an  Flüssigkeit  notwendig,  was  zur  Folge  haben  kann,, 
dafs  die  Anzahl  der  Versuche  wegen  Mangels  an  Material  ver- 
mindert werden  mufs. 

Während  meine  Methode  in  der  Tat  nur  0,2 — 0,5  ccm 
Flüssigkeit  pro  Probe  erfordert,  verlangt  jene  Mette-Linossiers 
mindestens  3 — ö  ccm,  angenommen,  dafs  man  die  Methode  noch 
komplizierter  machen  wolle,  indem  man  die  gewöhnlichen  Prou- 
vetten durch  andere  mit  kleinerem  Kaliber  (4 — 5  mm)  ersetzen 
wolle,  die  eigens  bestellt  werden  müfsten. 

4.  Ein  anderer  Übelstand,  auf  den  ich  gestofsen  bin,  ist, 
dafs  oft,  auch  selbst  wenn  die  Gelatine  gefärbt  ist,  man  nicht 
einmal  mit  dem  Mikroskop  die  Grenze  zwischen  der  erstarrten 
Gelatine  und  der  Flüssigkeit  sieht,  und  eine  genaue  Messung 
der  aufgelösten  Schicht  nicht  stattfinden  kann. 

5.  Ein  anderer  Übelstand  kann  endlich  noch  auf  folgende 
Art  auftreten :  es  geschieht  oft,  dafs  beim  Schütteln  der  Kapillaren, 
sei  es  um  die  Grenzen  der  beiden  Schichten  zu  sehen,  sei  es 
durch  ZufaJl  oder  beim  Abtrocknen  der  Kapillaren  selbst,  ein  wenig 
Flüssigkeit  aus  letzteren  herausfliefst  und  dieselbe  durch  kleine 

Archiv  für  Hygiene.    Bd.  LV.  11 


162         Stadium  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 

Luftbläschen  ersetzt  wird ;  die  Folge  hiervon  ist,  dafs  beim  ueueu 
Eintauehen  der  Kapillaren  in  die  Flüssigkeit  diese  Bläschen  den 
Kontakt  der  Enzyme  mit  der  Gelatine  verhindern  und  auf  diese 
Weise  den  Versuch  unterbrechen. 

Ich  habe  mit  dieser  Methode  verschiedene  Versuche  an- 
gestellt, ohne  aber,  entweder  wegen  Mängel  derselben,  oder  aus 
eigener  Unerf ahrenheit ,  etwas  erreichen  zu  können.  Welche 
Vorteile  kann  man  übrigens  aus  dem  Eintauchen  des  Röhrchens 
ins  Enzym,  oder  hingegen  aus  dem  Eingiefsen  des  Enzyms  in 
die  Röhrchen  ziehen? 

Vielleicht  kann  man  eine  grölsere  Empfindlichkeit,  eine 
gröfsere  Schnelligkeit  in  der  Verflüssigung  erzielen?  Dies  ist 
zu  bezweifeln,  denn  die  Schnelligkeit  der  Verflüssigung  vermehrt 
nicht,  sondern  vermindert  die  Kontaktoberfläche  der  Gelatine 
mit  dem  Enzym.  Zu  welchem  Zwecke  soll  man  sich  also  der 
Kapillarröhrchen  bedienen,  die  aufser  den  angedeuteten  Mifs- 
ständen  noch  des  Mikroskopes  bedürfen,  um  die  aufgelöste  Schicht 
messen  zu  können? 

Ich  führe  einen  dieser  Versuche  an. 

Am  20.  April  füllte  ich  Kapillarröhrchen,  wie  solche  zum 
Tupfen  dienen,  von  einem  Durchmesser  von  1 — 2  mm  mit  teil- 
weiser ungefärbter  und  teilweise  mit  Methylenblau  oder  mit  sehr 
feinem  Pulver  von  Tierkohle  gefärbter  Karbolgelatine.  Stücke 
dieser  Röhrchen  von  1 — 2 — 3 — 4  cm  Länge  setzte  ich  senkrecht 
in  Prouvetten  von  6  mm  Durchmesser,  welche  1 — 2 — 3  ccm 
Trypsin  zu  I^/qo  enthielten,  und  hielt  die  Prouvetten  in  einer 
Temperatur  von  20^  C.  Nach  24  Stunden  ergab  sich  folgendes 
Resultat : 

Es  gelang  weder  in  den  Kapillarröhrchen,  die  einfache  Ge- 
latine enthielten,  noch  in  jenen,  in  denen  sich  mit  Methylenblau 
gefärbte  befand,  die  aufgelöste  Gelatineschicht  zu  sehen. 

Nur  nachdem  die  Röhrchen  herausgenommen  und  die  flüssige 
Gelatine  mittels  Pipette  oder  Löschpapier  aufgesaugt  worden 
war,  gelang  es  mir,  eine  Schicht  flüssiger  Gelatine  von  5  mm 
zu  messen.  Ganz  anders  verhält  es  sich  mit  den  Röhrchen, 
welche   Kohlegelatino    enthalten,     da    beim   Verflüssigen    dieser 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  163 

Gelatine  die  Kohle  sich  auf  die  Oberfläche  der  festen  Gelatine- 
schicht absetzt,  und  genau  die  Grenze  der  verflüssigten  Schicht 
anzeigt.  Hierzu  kam,  dafs  infolge  des  neuen  Eintauchens  der 
Kapillaren  in  das  Trypsin  die  aus  dem  Röhrchen  geflossene 
Flüssigkeit  durch  Luftbläschen  ersetzt  war,  welche  den  Kontakt 
des  Trypsins  und  der  Gelatine  verhinderte  und  den  Versuch 
verdarb. 

Man  konnte  den  beständigen  Prozefs  der  Verflüssigung 
wahrnehmen,  ohne  jedoch  in  jenen  Röhrchen  mit  Kohlegela- 
tine, die  nicht  vollkommen  aus  der  Trypsinlösung  entfernt  wor- 
den waren,  die  verflüssigte  Schicht  genau  messen  zu  können. 
Bei  einer  anderen  ähnlichen  Probe  konnte  ich,  aber  nie  genau, 
und  dies  aus  oben  erwähnten  Gründen,  folgende  Messungen 
vornehmen :  nach  2  Tagen  unterhalb  10  mm  Verflüssigung,  nach 
3  Tagen  14  mm  unterhalb  und  4,5  mm  oberhalb;  am  4.  Tage 
17  mm  unterhalb  und  6  mm  oberhalb;  nach  5  Tagen  mafs  ich 
unerwarteterweise  20  mm  oben  und  20  mm  unten.  Man  sieht 
äIso,  dafs  auch  mit  dieser  Methode  die  Verflüssigung  keinen 
regelmäfsigen  Verlauf  gezeigt  hätte.  Angesichts  aller  dieser 
Übelstände,  wiederhole  ich,  hielt  ich  es  nicht  für  angebracht, 
mich  der  Methode  Linossiers  zu  bedienen.  Die  aufgelöste 
Schicht  ist  hingegen  sichtbar,  wenn  man  mit  den  Eiweifs-  (Me- 
thode Mette)  oder  den  Serumröhrchen  arbeitet. 

III.  Methode  der  festen  Gelatineplatten. 

Will  man  das  Vorhandensein  proteolytischer  Enzyme  direkt 
in  Tier-  und  Pflanzenorganen  aufsuchen  und  verfügt  man  nur 
über  ganz  wenig  Material,  so  kann  man  die  zu  untersuchenden 
Teilchen  direkt  in  Kontakt  mit  fester  Gelatine  bringen. 

Dies  kann  der  folgenden  Methode  gemäfs  geschehen.^) 

1)  In  meiner  schon  angeführten  Arbeit  >La  gelatine  come  reagente  etc.c, 
die  vor  ca.  15  Jahren  veröffentlicht  wurde,  beschrieb  ich  diese  Methode  in 
folgender  Weise : 

>Will  man  das  gelatinoly tische  Enzym  direkt  aaf  festem  Pflanzen-  oder 
Tiermaterial  aufsuchen,  so  verfahre  man  wie  folgt:  Man  schneide  das  Ma- 
terial sehr  fein,  lasse  es  1 2 — 24  Stunden  in  einer  Karbolsäurelösung  zu  17o> 

11* 


164         Studium  der  proteolytischen  und  gelatinoly tischen  Enxyme. 

1.  Mau  giefst  eine  Schicht  von  ungefähr  2 — 3  mm  more 
solito  zubereiteter  Gelatine  auf  eine  Glasscheibe,  oder  besser  Id 
eine  Petrische  Schale. 

2.  Nach  Erstarrung  der  Gelatine  bringe  man  auf  die   Ober- 
fläche derselben  die  zu  untersuchenden  Teilchen  von  der  Gröfse 
eines  Getreidekomes,  wenigstens  mit  1  cm  Entfernung  voneman- 
der.     Verfügt  man  über  genügendes  Material,   so  ist  es  gut,    auf 
die  Gelatine  mehrere  Teilchen  der  gleichen  Substanz  zu  bringen, 
anstatt  einer  einzigen.     Bisweilen  geschieht  es  in  der  Tat,    dafe 
eines  dieser  Teilchen,   entweder  seitens  des  Tieres  oder  des  Or- 
ganes,   dem   es   entnommen,    oder  auch  je   nach  der  Seite,    mit 
welcher  es  mit  der  Gelatine  in  Kontakt  gebracht  wird,   wie  dies 
der  Fall  ist,  wenn  ein  Stück  Darm  auf  die   seröse  Seite   anstatt 
auf  die  Schleimhautseite  gelegt  wird,  die  Gelatine  nicht  verflüssigt. 

Auf  diese  Weise  gelangt  man  nicht  nur  zu  sicheren  Resul> 
taten,  sondern  man  verkürzt  auch  die  Arbeit,  da  man  sozusagen 
denselben  Versuch  mehrmals  wiederholt. 

dann  nehme  man  es  heraus  und  giefse  es  in  eine  Petrische  Schale,  die 
10  ccm  flüssige  Karbol  Säuregelatine  enthält,  schüttle  dieselbe  so,  dafs  die 
Teilchen  so  gleichmäfeig  als  möglich  in  der  Kapsel  selbst  verteilt  werden» 
man  lasse  dann  die  Gelatine  gerinnen,  bringe  hierauf  die  Kapsel  in  eine 
Temperatur  von  20—25^  oder  man  halte  sie  bei  Zimmertemperatur,  je 
nach  deren  Höhe  und  nach  der  Art  des  Versuches.  Enthält  das  za  unter- 
suchende Material  ein  gelatinolytisches  Enzym,  so  wird  man  nach  einer 
bestimmten  Zeit  (5 — 48  Stunden)  ringsum  die  Teilchen  und  unter  den- 
selben die  Gelatine  flüssig  finden.  Ein  anderer  älterer,  in  dieser  Beziehanipr 
angestellter  Versuch  war  folgender^): 

Reine  Kulturen  in  Gelatine  des  Bac.  Anthracis,  des  Kochschen  Vibrio 
und  des  Vibrio  von  F.  Prior  wurden  in  geeigneter  Weise  sterilisiert.  Man 
nahm  drei  Röhrchen  Gelatine,  gofs  in  jedes  derselben  einen  Tropfen  yon 
einer  der  erwähnten  Kulturen  und  bereitete  ebensoviele  Platten.  Nach 
3  Tagen  sah  man  mit  blofsem  Auge,  dafs  sie  vollständig  steril  waren.  Nur 
nach  genauer  Untersuchung  der  Platte,  welche  den  Kochschen  Vibrio  ent- 
hielt, zeigten  sich  56—60  Stellen  der  Gelatine  aufgelöst  wie  verflüssigende 
Kolonien,  denen  jedoch  die  charakteristische  Trübung  fehlte,  und  nach  einer 
Untersuchung  bewiesen  sie  sich  als  vollkommen  steril. 

Nach  10  Tagen  waren  die  Punkte  der  flüssigen  Gelatine  auf  der  Platte 
mit  dem  Kochschen  Vibrio  auf  ungefähr  Hundert  gestiegen,  ohne  dafs  die 
alten  sich  sichtlich  erweitert  hätten. 

*)  Claudio  Permi.  Die  leim-  und  fibrinlösenden  etc.  Fermente  der 
Mikroorganismen.     Archiv  f.  Hyg.  Bd.  X,  1890,  S.  5. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  165 

3.  Verfügt  mau  über  ein  reichhaltiges  Material,  genügt  aber  ,  • 
nicht  die  Anzahl  der  Schalen,  wie  dies  oft  geschieht,  so  kann 
dieselbe  Schale  zur  Untersuchung  von  10 — 20  verschiedenen 
Substanzen  dienen,  je  nach  der  Gröfse  der  Schale.  In  diesem 
Falle  schreibt  man  genau  die  zahlreichen  Aufzeichnungen  auf 
Papierstreifen  von  einer  Breite  von  1 — 2  cm  und  von  einer 
Länge,  welche  den  Durchmesser  der  Kapsel  oder  die  Breite  der 
Platte  nicht  übersteigt,  dieselben  klebe  man  parallel  in  Zwischen- 
räumen von  1  cm  auf  die  äufsere  Seite  des  Bodens  der  Schale. 
Auf  diese  Weise  werden  die  Angaben  durch  die  Gelatine  hin- 
durch sichtbar  sein.  Man  klebt  sie  nicht  auf  den  Deckel,  da 
dieser  beweglich  ist  und  die  Angaben  infolge  des  Verschiebens 
desselben  nicht  mehr  entsprechen  würden. 

4.  Um  das  Eintrocknen  der  Gelatine  zu  vermeiden,  schliefst 
man  die  Schalen  in  feuchte  Tyn  dal  Ische  Glocken,  und  gegen 
allzu  hohe  oder  allzu  niedrige  Temperaturen  schützt  man  sie, 
indem  man  sie  in  einem  Thermostat  bei  20 — 22®  aufbewahrt. 

5.  Um  das  Gedeihen  von  Keimen  in  den  Teilchen  zu  ver- 
meiden, die  eigener  gelatinolytischen  Enzyme  wegen  zu  Irrtümern 
füluren  könnten,  können  die  Teilchen  vorher  selbst  in  eine 
Lösung  von  0,5 — Iproz.  Karbolsäure  getaucht  werden,  oder  man 
giefse  einen  Tropfen  einer  glyzerinierten  (lOproz.)  Lösung  auf 
dieselben. 

In  der  Praxis  ist  dies  nicht  immer  notwendig.  Ich  war 
gezwungen,  besonders  das  Material  beim  Untersuchen  der  Wurzel 
mit  gesäuerter  Gelatine  zu  desinfizieren,  und  zwar  wegen  der 
üppigen  Entwicklung  der  gelatinolytischen  Hyphomyzeten. 

Die  Schalen  werden  alle  5 — 24  Stunden  untersucht.  Die 
ßesnitate  kann  man  in  wenigen  Stunden,  wie  auch  nach  zwei 
oder  drei  Tagen  erlangen,  je  nach  der  Energie  des  Enzyms  und 
der  Zimmertemperatur. 

Hat  man  nach  Verlauf  von  5 — 6  Tagen  keine  Spuren  von 
einer  Verflüssigung  wahrgenommen,  so  kann  man  auf  das  Nicht- 
vorhandensein des  nachgesuchten  Enzyms  schliefsen. 


166         Studium  der  proteolytischen  und  gelatinoly tischen  Enzyme. 

Antwort  gegen  die  Professoren  Hankin  und  Wesbrook  in  bezug^ 
auf  die  Priorität  der  Plattenmethode  und  auf  einige  ihrer  kritischen 

Bemerkungen. 

Diese  beiden  Autoren  schienen  meine  Röhrchenmethode  au» 
dem  Wege  räumen  zu  wollen,  ohne  dieselbe  zu  kenneu,  da  sie 
nicht  einmal  wufsten,  dafs  das  von  mir  gebrauchte  Reagens  die 
Gelatine  und  nicht  das  Fibrin  war,  und  schlugen  eine  eigene  vor. 

UnglückUcherweise  jedoch,  ohne  es  zu  ahnen,  gerieten  sie 
in  eine  andere  von  mir  beschriebene  Methode  hinein,  indem  sie 
dieselbe  ohne  groisen  Vorteil  umänderten.  Die  beiden  genannten 
Autoren  schrieben: 

»Quelles  sont  les  diastases  produites  par  le  bacille  du  char- 
bon?  Fermi  a  fait  des  recherches  sur  les  diastases  secretöes 
par  les  microbes.  Bien  qu'il  ait  trouv^,  que  beaucoup  d^esptees 
diffärentes  poss^dent  le  pouvoir  de  produire  une  diastase  proteo- 
lytique  il  n'a  pas  trouvä  qu'il  en  soit  de  meme  pour  le  charbon  (!). 
II  nous  parait  que  s'il  a  obtenu  un  semblable  resultat,  c'est  pas 
ce  qu'il  n'a  pas  employe  des  moyens  assez  dälicats. 
Nous  alloDs  döcrire  une  dont  nous  sommes  servis  dans  ce  travail. 

Si  Ton  prend  une  plaque  de  verre  enduite  d'ime  couche 
mince  d'une  Solution  alcaline  de  gälatine  ä  5%  et  si  Ion  place 
sur  celle-ci  deux  gouttes  des  memes  5  volumes  Tune  d'eau,  et 
Tautre  d'une  Solution  de  trypsine,  les  gouttes  conservent  la  m6me 
apparence  et  se  comportent  de  mome,  tout  (jue  la  plaque  est 
laissee  dans  une  position  horizontale.  Si  au  contraire  la  plaque 
es  inclinäe  l^görement,  une  diffdrence  se  manifeste.  La  goutte  de 
la  Solution  de  trypsine  au  contraire,  coramence  ä  s'^tendre  en 
bas,  gräce  ä  son  pouvoir  de  liquefier  la  gdlatine  et  aprös  quelques 
heures  un  petit  sillon  se  forme.  La  largeur  de  ce  sillon  depend 
du    temps    pendant  lequel  la   plaque   a  6i6  dans    une    position 

L)  Es  ist  durchaus  nicht  notwendig,  die  Platte  zu  beugen,  um  unter- 
scheiden zu  können,  ob  ein  Tropfen  Trypsin  oder  ein  Stückchen  des  auf 
die  Oberfläche  der  Gelatine  gelegten  Materials  sich  verflüssigt  habe  oder 
nicht.  In  den  vielen  Jahren  meiner  Praxis  habe  ich  es  nie  für  notwendig 
befunden ,  zq  diesem  Mittel  zu  greifen ,  welches  die  einzige  Abänderang 
meiner  Methode  darstellt. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  167 

inclin^e,   de  la  grosseur  de   la  goutte  et  aussi   du  pouvoir   dia- 
stasique  que  exerce  la  trypsine  sur  la  gälatine. 

Sur  ce  principe  on  peut  baser  une  möthode  tr^s  dälicate 
pour  növifier  la  prösence   de  diastases  qui   liquefient  la  gölatine. 

Le  microbe  du  cbarbon  produit-il  une  diastase  proteolytique  ? 
Fermi  Ta  ni^  (!).  II  a  placö  un  morceau  de  fibrine  (I)  dans 
le  liquide  qui  a  servi  ä  epuiser  une  culture  sur  milieu  solide.  De 
ce  que  le  morceau  de  fibrine  ne  disparait  pas  il  n'a  conclus  qu'it 
n*existe  pas  de  diastase  protöolytique.  Cette  diastase,  comme 
nous  verrons  bientöt  dans  son  action  sur  les  mati^res  protöiques 
produit  du  peptone  (biuret)  et  des  albuminoses  ^). 

In  diesen  wenigen  Zeilen  der  Kritik  Hankins  und 
Wesbrook   mufs  ich  drei  grofse  Ungenauigkeiten  hervorheben. 

Die  erste  besteht  darin,  dafs  die  beiden  Autoren  eine  meiner 
alten,  oben  angeführten  Methoden,  die  sie  ein  wenig  umgeändert 
haben,  als  ihre  eigene  beschriebene  haben. 

Der  Unterschied  aber  zwischen  dieser  Methode  und  jener 
der  von  mir  gewöhnlich  angewandten  festen  Gelatineröhrchen,  be- 
steht nur  darin,  dafs  man  nach  einer  dieser  Methoden  das 
Euzyme  enthaltende  Material  auf  irgend  einen  gewissen  Punkt 
der  Oberfläche  einer  Gelatineplatte  bringt,  während  man  nach 
der  anderen  das  Material  in  Kontakt  mit  einer  durch  das 
Röhrchen  selbst  gut  begrenzten  Gelatineoberfläche  bringt.  Die 
Röhrchenmethode  bietet  den  grotsen  Vorteil,  die  Tätigkeit  der 
Enzyme  zu  messen  und  in  Millimetern  der  gelösten  Gelatine  aus- 
zudrücken; sie  eignet  sich  auch  zu  quantitativen  und  Vergleichs- 
forschuugen.  Die  Plattenmethode,  dank  ihrer  ausgedehnten 
Oberfläche,  hat  nur  den  Vorteil,  auf  ein  und  derselben  Platte  der 
qualitativen  Forschung  auf  gelatinolytische  Enzyme  eines  reich- 
licheren und  verschiedentlicheren  Studienmaterials  vornehmen  zu 
können. 

Die    zweite    wirklich    unbegreifliche    Ungenauigkeit    besteht 
darin,  dafs  Hankin  und  Wesbrook  behaupten,  meine  Forschungs 
methode  basiere  auf  dem  Fibrin  I     Sie  beweisen  hiermit  deutlich, 
nicht  eine  einzige  meiner  Arbeiten  über  diese  Frage  gelesen,  ja 

1)  Annales  Pastenr.    Vol.  VI,  p.  636,  1892. 


168         Studio rit  iJer  prourolrtiacbec  and  «eiannolTtijwhen  EosTme- 

nicht  einioal  aus  den  Zeitscbrifteu  vemommmen  zu  haben,  dnis 
meine  Forschungsmethode  in  Ijezug  auf  die  gelaänoh-tischra 
Enzvme  sich  auf  die  Gelatine  und  nicht  auf  das  Fibrin  basiert. 

Die  dritte  und  gröbste  Ungenauigkeit  besteht  endlich  darin, 
dafs  sie  behaupten,  ich  habe  dem  Bacillus  anthraeia  ein  pro- 
teolytisches Enzym  abgesprochen,  gerade  infolge  der  Benntrong 
von  Fibrin. 

Nun  genügt  es  aber,  auch  nur  einen  oberflftchUchen  Blick 
auf  meine  erste  Arbeit  zu  werfen  (Seite  3  I.  Versuch,  Seite  4 
IL  Versuch.  Seite  5  II.  und  IV.  Versuch,  Seite  7  VIL  und  VIIL 
Versuch,  Seite  11  XII.  Versuch,  Seite  12X111.  Versuch,  Seite  14 
XV.  Versuch),  um  wiederholt  den  Beweis  der  Existenz  der 
proteolytischen  Enz^^me  des  Bacillus  Anthracis  zu  finden. 

Das  Sonderbarste  jedoch  ist,  dafs  das  Enzym  des  Bacillus 
anthracis  an  der  Spitze  der  verschiedenen  Tabellen  erscheint. 

Ohne  hier  diese  Tabellen  wieder  anzuführen,  weise  ich  auf 
meine  Arbeit:  »Die  leim-  und  fibrinlösenden  etc. *)  Fermente  der 
Mikroben«  Seite  4,  5.  7,  11,  12,  13  sowie  auf  den  Anfang  dieser 
Veröffentlichung  hin,  wo  jene  Forschungen  zum  Teile  wieder- 
gegeben sind.  Ich  beschränke  mich  hier  auf  die  Wiedergabe 
einer  Stelle  jener  Arbeit,  die  auf  Seite  13  zu  finden  ist: 

> Alles  zusammenfassend  ist  mittels  der  angestellten  For- 
schungen ein  die  Gelatine  verflüssigendes  Ferment  für  folgende 
Mikroorganismen  bewiesen  und  notiert  worden : 

1.  Bac.  anthracis,  7.  B.  pyocyaneus, 

2.  Vibrio  Koch,  8.  V.  Milleri, 
y.  Vibrio  F.  Prior,  9.  V.  Deneke, 

4.  Bact.  prodigiosus,  10.  B.  subtilis, 

5.  Bact.  ascoformis,  11.  Megaterium, 

6.  bac.  ramosus,  12.  Trichophyton  tonsurans.« 
Man  sieht  also    hier,   dafs  ein   proteolytisches   Enzyme   des 

Bacillus  anthracis  nicht  nur  wiederholt  nachgewiesen  wurde, 
sondern  dafs  es  auch  der  Gegenstand  ganz  besonderer  For- 
schungen war,  und  dafs  er  immer  den  ersten  Platz  in  den  Ver- 
suchen gehabt  hat. 

>;  Archiv  f.  Ilyg.     Hd.  X,  1890. 


Von  Prof.  Claudio  Fenni.  169 

Ich  richtete  in  dieser  Hinsicht  einige  Zeilen  an  Duclaux, 
der,  obwohl  ungern,  sich  der  Sache  annahm  und  mir  einige  Zeit 
darauf  mitteilte,  dafs  er  den  Auszug  der  von  Haukin  und  Wes- 
brook  diesbezüglichen  Berichtigung  veröffentlicht  habe. 

In  der  Tat  erschien  folgende  Berichtigung  in  den  Annales 
de  rinstitut  Pasteur  vol.  IV.  S.  853.  Rectification.  Nous 
recevons  de  M.  Hankin  une  lettre,  disant  que  c'est  par  erreur 
que,  dans  la  memoire  de  M.  Hankin  et  Wesbrook  ins^rä  a 
page  633  de  ce  Volume,  M.  Fermi  est  cit^  comme  ayant  döniö 
au  bacille  du  carbon,  la  facultfe  de  s^cr^tes  une  diastase  pro- 
täolytique.  M.  Fermi  a  dömontr^  le  contraire  dans  TArchiv 
für  Hygiene  XX. 

Diese  Berichtigung  braucht  keine  Erläuterung  1 

IV.  Methode  der  Fixierung  und  Extraiction  der  proteolytischen 

Enzyme  mittels  Fibrin. 

Die  Tatsache,   dafs  es  Stoffe  gibt,    welche  die  Eigenschaft 

besitzen,    die  Enzyme    zu    fixieren,    brachte    mich    auf   den   Ge- 
danken, eine  andere  Versuchsmethode  zu  finden. 

Zu  diesem  Zwecke  untersuchte  ich  aufser  dem  Fibrin,  dessen 
1^'ixierungskraft  schon  bekannt  war,  in  bezug  auf  das  Trypsin, 
auch  andere  Stoffe  wie  z.  B.  Serum,  Eiweifs,  Kasein  etc. 

Tersueli  I. 

leb  V)ereitete  nach  und  nach  stets  verdflnntere  Trypsinlösungen  bis 
1  :  200  000,  versuchte  dann  die  Tätigkeit  mittels  fester  Grelatineplatten.  Die 
Gelatine  wurde  zu  5^/^  alkalisch (l^o  kohlensaures  Natron)  wie  neutral  angewandt. 

Zu  diesem  Zwecke  bereitete  ich  zwei  alkalische  Gelatineplatten  und 
zwei  neutrale,  sowie  eine  Anzahl  runder  Scheiben  Filtrierpapiers  yon  4  mm 
Durchmesser  und  kleine  Fibrinstückchen  von  ungefähr  derselben  Gröfse. 

Mit  einer  feinen  Pinzette  nahm  ich  nun  eines  dieser  Papierschei beben 
und  ein  Stückchen  Fibrin  und  brachte  sie  leicht  mit  der  Oberfläche  einer 
der  TrypsinKVsungen  in  Berührung.  Ich  begann  mit  am  meisten  konzen- 
trierten Jjösungen;  hierauf  legte  ich  das  getränkte  Papier  auf  die  Gelatine- 
])latte.  So  fuhr  ich  nach  und  nach  fort  mit  anderen  TrypsinlOsungen,  bis 
zu  den  verdünn  testen. 

Die  gleiche  Operation  wurde  mit  der  neutralen  Gelatineplatte  wieder- 
holt. Die  mit  Trypsin  getränkten  Papier-  und  Fibrinstücke  worden  in  die 
Mitte  von  1  qcm  grofser  Quadrate,  in  welche  die  Platten  vorher  eingeteilt 
worden  waren,  um  die  Papierscheiben  in  gleiche  Entfernungen  voneinander 
zu  bringen,  niedergelegt.  Die  Platten  wurden  unter  Tyndallschen  Glocken 
aufbewahrt. 


170         Studium  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 


Nach  4  Tagen  erhielt  ich  folgendes  Resultat: 


Fibrin    | 

1       Pap»«' 

Trypsin- 
lösung 

Fibrin    \ 

.2  -^ 

Papier 

1  ■ 

1 

alisch. 
latine 

utrale  | 

1 

latine 

alisch. 
latine 

utrale 
latine 

alisch. 
latine 

1     Trypsin- 
1       löaung 

M     O 

9     9 

M    a>  ,, 

M     t> 

Q)    a> 

M    » 

<C) 

Ä    O 

<0|, 

5ö    . 

5?5  Ü 

50 

,1 

+     ' 

!  + 

1 

1 

+  • 

+  ;; 

1:    5000 

1 
-t-     1 

+ 

0 
0 

0 
0 

1 

i 
1 

! 

'      1 

:    16  384 
:    17  667 

+ 
+ 

1 
i     0 

+  1 

1:    6000 

+     ' 

■ 

+ 

0 
0 

0 
0 

'      1 
1      j 

:    19182 
21000 

+ 

i     0 

+  :i 

1:    7  667 

+          ■ 

0 

0 

1 ; 

23  222 

■+- 

'      0 

+  :■ 

1:11000 

+ 

ü 

0 

1    -t  , 

26000 

+ 

1     0 

+  '1 

1:11626 

+ 

0 

0 

i    , 

29  571 

+ 

i     0 

+  / 

1  :12in 

0 

0 

0 

I 

34333 

+     , 

'     0 

1 

1 

0 

1 :  12  765 

0 

0 

0 

.    67  667 

+ 

0 

0    ! 

1:13  500 

0 

0 

< 

101000 

4- 

0 

0     ,' 

1:14  333 

0 

0 

1 

201000 

+ 

1     0 

0     1 

1 :  15  286 

il 

1 

Ich  wiederholte  den  Versuch  iu  bezug  auf  die  Fixierkraft 
verschiedener  anderer  Stoffe  wie:  Serum,  geronnenes  Biweils, 
Kasein,  Holzstoffe,  Kohlen  usw.  und  erlangte  folgende  Resultate. 

Aus  diesen  Versuchen  ergibt  sich: 

1.  Dals  mittels  dieser  Methode  bis  zu  1:12111  ein 
sicherer  Nachweis  zu  führen  ist. 

2.  Dafs  die  Alkaligelatine  unvergleichlich  emp- 
findlicher ist  als  die  neutrale,  so  dafs  mit  dieser  nicht 
einmal  mit  Sicherheit  die  Lösung  von  1:1000  nach- 
zuweisen war. 

3.  Dafs  das  Fibrin  die  Kraft  besitzt,  eine  gröfsere- 
Menge  Trypsin  zu  fixieren  und  der  Gelatine  zu  über- 
lassen, als  das  Filtrierpapier,  so  dafs  ich  mit  dem 
Fibrintrypsin  bis  zu  einer  Lösung  von  1:21000  bis 
29571  wahrnehmen  konnte.  Papierscheiben  von  4  nam 
Durchmesserund  1mm  Stärke  von  Holz  verschiedener 
Pflanzen,  Kork,  Kohle,  Serum,  geronnenem  Eiweifs, 
Kasein  standen  dem  Fibrin  nach. 

4.  Dafs  meine  andere,  ältere  Methode  mit  festen 
Gelatineröhrchen    bei    der  Untersuchung  der  proteo- 


Von  Prof.  Claudio  Fermi. 


171 


lytischen   Enzyme  ohne   weiters   einfacher,  empfind- 
licher und  sicherer  als  diese  ist. 

Nachdem  ich  einmal  festgestellt  hatte,  dafs  unter  den  von 
mir  untersuchten  Substanzen  das  Fibrin  sich  am  besten  zur 
Fixierung  und  Extraktion  des  Trypsins  eignete,  wollte  ich  sehen,, 
wie  weit  ich  die  Empfindlichkeit  dieser  Methode  treiben  konnte. 


Tersuch  II. 

In  20  Proavetten,  die  20  verschiedene  Merk  Trypsinlösungen  enthielten 
(von  1 :  20000  bis  1 :  200000),  legte  ich  zehn  Fibrinstttckchen  von  der  Gröfse 
eines  Getreidekornes  und  brachte  dann  die  Prouvetten  in  den  Ofen  auf  20^. 

Unterdessen  bereitete  ich  die  Petrischen  Schalen,  die  eine  feste  Gelatine- 
schicht zu  3 — 5%  und  Natron  zu  2'/^  enthielten,  auf  einem  Papierstreifen 
von  gleicher  Gröfse  als  die  Schale,  bezeichnete  ich  die  20  Trypsinlösungen^ 
Ic lebte  sie  dann  mit  der  Seite,  welche  die  Aufschrift  trug,  auf  die  äulsere 
Oberfläche  des  Bodens  der  Schale,  so  daTs  die  Aufzeichnung  durch  die 
Gelatineschicht  hindurch  sichtbar  war. 

Nachdem  dies  geschehen  war,  zog  ich  nach  24  Stunden  aus  jeder  dieser 
Prouvetten  zwei  Stückchen  Fibrin  und  legte  sie  auf  die  Schale  mit  der 
Gelatine  zu  5%,  eines  neben  das  andere,  der  diesbezüglichen  Aufzeichnung 
nach  geordnet. 

Ich  wiederholte  dasselbe  Verfahren,  indem  ich  40  andere  Fibrinstück- 
chen auf  die  andere  Schale  zerstreute,  welche  die  Gelatine  zu  3%  enthielt^ 
und  brachte  dann  die  beiden  Kapseln  in  den  Ofen  auf  20  ^ 

Um  auch  den  Einflufs  der  Kontaktdauer  zwischen  Fibrin  und  Trypsin 
zu  studieren,  wiederholte  ich  den  Versuch,  indem  ich  die  gewöhnlichen 
Fibrinstückchen  herauszog  und  zerstreute,  nachdem  sie  länger  als  5  Tag» 
(im  ganzen  6  Tage)  in  der  Trypsinlösung  zugebracht  hatten. 

Beim  Untersuchen  der  Kapseln  eines  joden  ersten  und  vierten  Tages 
erlangte  ich  folgendes  Resultat: 


Dauer  der  Immersion 

1 

1  Tag                      1                     6  Tage 

Trypsinlösung  | 

Gelatine  3%  li  Gelatine  5%  |  Gelatii 

Platten  beobachtet 

le  3  7o  !  Gelatii 

le  6  o/o 

nach 

1 
1 

2T^. 

4  T^.  ,   2  Tk. 

4  Tjjr.  !!  2  Tg.    4  Tg.  i   2  Tg.  ;  4  Tg. 

1  :  201  000 

00 

00    1 

1 
00         00 

+  +'     00 

+  4- 

101000 

00 

00 

00         00 

+  +l|    00 

+  + 

67  667 

00 

00    1 

00         00       

+  +;!    00 

+  + 

51000        1 

00 

00    ! 

1 

00     •     00       ++     ++       00 

+  + 

41000 

1 

00 

00     ' 

00     '    00     ,  ++     4"+  i    00       +  + 

34  333 

00 

0  0 

00 

00       +  + 

+  +       00 

+  + 

172         .Stadiom  der  proteolTÜ?<€hen  ond  gelaünolTtiecbeii  Enzyme. 


Daaer  der  Immersion 

1  ' 

rag 

6  Tage 

Tryi»fliDl<Vsang 

Gelati  1 

De  30/, 

Gelatine  5*/^ 

Geistii 

ae  ZV. 

Gelatine  5  •  . 

Platten  beobachtet  nach 

2Tir. 

4Tir. 

2Tir. 

4  T«. 

2Te. 

ATft. 

2  Tur. 

4Tit. 

1    29571 

00 

00 

00 

00 

-L4- 

r 

1 

00 

+  -f- 

26001» 

00 

00 

00 

00 

-r  + 

+  -^ 

00 

+  + 

23222 

00 

—  — 

00 

++ 

+  -!- 

++ 

00 

+  -I- 

21000 

■4- 

• 

r 

-TT 

00 

-r  + 

+  -r 

+  + 

-r  + 

f 

TT 

:  19  182 

"T 

+  -r 

00 

-r  + 

+  -r 

+  + 

1 

+  -i- 

.17  667 

00 

■                1 

00 

-U-i- 

1    1 

-;--4- 

■         1 

+  + 

^+ 

-*-  -r 

16584 

00 

-t--^- 

00 

++ 

+  + 

+  + 

•    1 

4--f- 

.  15  286 

00 

-  + 

00 

1    1 

-^T 

+  + 

+  -^ 

-h-r 

14  333 

00 

1 

*    ~T" 

00 

+  -r 

1 

-p-r 

+  + 

1      f 
TT 

-r-r 

13  500 

00 

1 

00 

1 

+  + 

+  + 

.+T 

+  + 

12  765 

00 

-+ 

00 

+  + 

+  + 

+  + 

+  ^ 

+  + 

12111 

00 

-r  + 

0  0 

+  + 

+  + 

+  + 

+  -h 

+  + 

1 1  526 

00 

-  + 

00 

+  + 

+  + 

+  + 

+  + 

+  + 

llOOO 

++ 

+  + 

0  0 

1 

1       r 
1 

1 

+  +. 

+  -!- 

-I-  + 

Resultat.  —  Diese  Tabelle  zeigt: 

1.  Dafs  bei  längerer  Immersion  des  Fibrins  als 
nur  zwei  Tage  und  beim  Gebrauch  einer  3proz.  Gela> 
tine  (Soda  2%)  man  das  Trypsin  bis  zu  1:23000  nach- 
weisen konnte. 

2.  Bei  Verlängerung  der  Immersion  auf  6  Tage, 
und  bei  Verwendung  3proz.  Gelatine  konnte  man 
deutlich  das  Trypsin  bis  zur  Verdünnung  von  1:  67000 
ungefähr  nachweisen,  und  nach  4  Tagen  auch  jene 
zu  1  :  200000. 

Die  Gelatine  zu  5%  war  nach  2  Tagen  nur  in  der 
Lösung  von  ungefähr  1:23000  aufgelöst,  aber  nach 
4  Tagen  wurde  sie  vollständig  aufgelöst.  Man  kann 
daher  den  Schlufs  ziehen,  dafs  beim  Verlängern  der 
Immersion  des  Fibrins  in  der  Trypsinlösung  während 
6  Tage,  und  bei  sorgfältiger  Untersuchung  der  bei 
20®  aufbewahrten  Kapseln  nach  6 — 8  Tagen  man  das 
Trypsin  bis  1  :  200000  nachweisen  kann. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  173 

V.  Methode  der  flüssigen  Gelatineröhrchen.^) 

Diese  Methode,  obwohl  sie,  wie  wir  sehen  werden,  jener  der 
festen  Gelatineröhrchen  bei  weitem  nachsteht,  kann  jedoch  dazu 
dienen,  nicht  nur  die  blofse  Anwesenheit  eines  Enzymes  nach- 
i^uweisen,  sondern  auch  für  quantitative  Untersuchung  oder 
wenigstens  für  Vergleichsuntersuchungen,  die  geeignet  sind,  die 
verschiedentliche  gelatinolytische  Energie  der  verschiedenen  En- 
zyme, der  verschiedenen  Lösungen  der  Enzyme  selbst  festzu- 
stellen usw. 

Eine  wirkliche  und  eigene  quantitative  Bestimmung  ist,  wie 
ich  bereits  in  einer  andern  Arbeit  schrieb  und  wie  wir  weiter  unten 
sehen  werden,  noch  nicht  möglich. 

Die  Methode  der  flüssigen  Gelatine  kann  in  drei  Verfahren 
geteilt  werden.  Die  Methode  ist  weniger  sicher  als  jene  der 
Röhrchen,  die  Resultate  sind  oft  kontradiktorisch,  was  eine 
Wiederholung  der  Versuche  benötigt. 

Das  erste  Verfahren  besteht  darin,  das  Quantitätsminimum 
des  Enzyms  festzustellen,  welches  eine  gegebene  Menge  Gelatine 
in  einer  gegebenen  Zeit  und  bei  einer  gegebenen  Temperatur 
unerstarrbar  machen  kann. 


1)  Schon  1890,  also  vor  fast  15  Jahren,  veröffentlichte  ich  eine  solche 
Methode  der  flüssigen  Gelatine.  Da  nun  aber  Malfitano  La  Proteolyse 
chez  rAspergillns  niger.  Ann.  Pastear  XIV  60  1900  unter  der  Leitung 
D  u  c  1  a  u  X '  diese  Methode  als  seine  eigene  veröffentlichte,  ohne  sie  auch 
nur  zu  erwähnen,  was  jedem  zustofsen  kann,  und  der  den  Irrtum  nicht 
einsehen  wollte,  was  auch  sehr  häufig  geschehen  kann,  so  sehe  ich  mich 
gezwungen,  hier  folgende  Stelle  meiner  früheren  Arbeit:  >I  fermenti  peptici 
e  diastatici  dei  microorganismi  S.  20c  anzuführen : 

>  Versuch  XXUI.  Wirkung  des  Enzyms  des  V.  Finkler-Prior,  des  Trypsin 
und  des  Papains  auf  die  Gelatine.  Die  Wirkung  des  V.  Finkler- Prior,  des 
Trypsin  and  des  Papains,  bei  einer  Temperatur  von  50^  C,  wurde  auch  auf 
Gelatine  versucht.  Ich  nahm  zwei  Thymolgelatine  -  Röhrchen,  gofs  in  ein 
jedes  1  ccm  Kultur  des  Priorseben  Vibrions,  in  zwei  andere  1  ccm  einer 
Trypsinlösung  1 :  500  und  in  noch  zwei  andere  dieselbe  Menge  einer  Papain- 
]ö8ung.  Zwei  Gelatineröhrchen  mit  Thymollösung  ohne  Enzym  dienten  zum 
Vergleiche.  Hierauf  brachte  ich  die  acht  Röhrchen  in  den  Ofen  auf  50^0 
und  nach  Verlauf  von  24  Stunden  liefs  ich  sie  abkühlen.  Die  Gelatine,, 
welche  sich  in  den  Röhrchen  mit  Enzym  befand,  blieb  flüssig,  die  der  beiden 
anderen,  ohne  Enzym,  erstarrte. 


174        Stadium  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 


Beschreibung.  In  6  mm  weite  Röhrchen  mit  Gelatine 
zu  2 — 3 — 5°/o  giefst  man  verschiedene,  regelmäfsig  zunehmende 
Mengen  der  Enzymlösung.  Die  Proben  wurden  auf  30^  gebracht; 
nach  einem  oder  auch  nach  15  oder  30  Tagen,  je  Dachdem, 
nimmt  man  die  Röhrchen  aus  dem  Ofen  und  läTst  sie  24  Stun- 
den lang  bei  10®  C.  Der  feste  oder  flüssige  Zustand  der  Gela- 
tine in  den  verschiedenen  Röhrchen  läfst  die  kleinste  Dosis  des 
Enzyms  erkennen,  die  noch  fähig  ist,  der  Gelatine  die  Erstarrungs- 
fähigkeit zu  nehmen. 

Tersueli  I. 

In  Röhrchen,  welche  Vs  ^^^  Gelatine  su  2^/o,  mit  Soda  zu  2®/^  ent- 
hielten ,  gofs  ich  0,05—0,3  ccm  Trypsin  Grübler  zu  1 :  800  000 ,  1  :  900  000 
bis  1:1000000  und  so  fort  bis  1:1400  000.  Die  Proben  warden  in  den 
Ofen  gebracht  and  nach  3  Tagen,  nachdem  die  Röhrchen  zur  AbkQhlang 
gebracht  wurden  (24  Stunden  lang  bei  10 <^),  erhielt  ich  folgendes  Resultat: 


Menge  der 
Trypsin-    i, 


Trypsinlösnngen 


lösung      ii  1  :  800  000 


0,05 


0,1 


0,15 


0,2 


0,25 


0,8 


,  I' 


0 
0 
0 

+ 

0 
0 

I 

-r 


1  :  900  000 


0 
0 
0 
0 

I 

+ 

+ 

+ 
+ 
+ 


0 
0 
0 
0 
0 
0 

+ 

+ 

+ 
+ 
+ 

0 
0 
0 
0 
0 
0 


1:1000000 


4- 

+ 

+ 
0 
0 
0 

+ 

+ 
+ 
-f 


1  : 1 100  000 


1  :  1  200  000 


+ 

I 
•  i- 

-4- 
0 
0 
0 


0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 

+ 

-f 

0 
0 
0 

+ 

+ 
+ 


0 
0 
0 


1  : 1  800  000 


+ 


+ 
4- 

-  -4-- 

I 


+ 
+ 
+ 


0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 


1 :  1  400  000 


0 
0 
0 

+ 

+ 

0 
0 
0 
0 
0 
0 

ü 

0 
0 
0 

4- 

4- 


Diese  Tabelle  zeigt: 

1.  Dafs  man  auch  mit  dieser  Methode  der  flüssigen 
Gelati neröhrchen  Verdünnungen  bis  1  :  1  400000  nach- 
weisen kann,  dafs  aber  die  Methode  bedeutend  weniger 
sicher   ist  als   die   der  Röhrchen  mit  fester  Gelatine. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi. 


175 


Tenaeb  n. 

In  Röhrchen,  welche  1  ccm  flüssige  Gelatine  su  3%  und  Natriam  zu 
l*^/o  enthielten,  wurden  verschiedene  Quantitäten  einer  frischen,  mit  57oo 
Karbolsäure  bereiteten  Trypsinlösung  (Grübler)  von  1  . 1 000000  bis  1 : 1 600000 
gegossen.    Die  Proben  wurden  dann  in   eine  Temperatur  von  30®  gebracht. 

Nach  48  Stunden  wurden  die  Proben  aus  den  Ofen  genommen  und  in 
ein  Wasserbad  von  10°  getaucht. 

Nach  15  Stunden  wurde  folgendes  Resultat  erzielt: 


Trypsinlösune 

r 

;  0,1  < 

^-            -   -  , . 

ccm        0,2  ccm         0,3  ccm 

0,4  ccm 

0,5  ccm 

(Grübler) 

1 

1 

1                    !■ 

2       i      1       i       2      „       1 

2 

1 

i 

2 

1            2 

1  Probe 

1 

Probe 

I»robe 

Probe ,  Probe 

Probe 

Probe 

Probe 

ITobe 

Probe 

1  :  1000  000 

'    0 

0 

•  +    +  ;^  + 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

1  :  1200  000 

'    0 

0  ;  0      0  1  + 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

1:1400  000 

:    0 

0       + 

+    '    +    :    + 

+    +  1 

+ 

+ 

1  :  1600000 

0 

0        + 

+        +    ■    + 

'  +    + 

+ 

+ 

Kon  troll  probe : 

1 
i 

:            1 

■ 

Karbolsäure- 

1 

lösung  1%, 

:            1 
1 

ohne  Trjrpsin 

0 

1 

«  1 

0 

0    :   0 

1 

0 

1  + 

+  ■ 

i  + 

+ 

Resultat:  1.  Der  Zusatz  von  0,4  und  0,5  ccm  einer 
einfachen  Karbolsäurelösung  zu  1%  verhinderte  der 
allzugrofsen  Verdünnung  halber  die  Erstarrung  der 
Gelatine. 

2.  Infolge  dieser  Tatsache  lassen  wir  natürlich 
die  mit  0,4  und  0,5  ccm  der  verschiedenen  Trypsin- 
lösungen  erhaltenen  Resultate,  wo  der  Verlust  der 
Erstarrungskraft  der  Gelatine  der  aufs  erordentlichen 
Verdünnung  derselben  zuzuschreiben  ist. 

Infolgedessen  kommen  wir  in  diesem  Falle  zu 
demSchlufs,  dafs  die  Methode  der  flüssigen  Gelatine 
die  Empfindlichkeit  von  1.1400000,  sowie  auch  die 
von  1:1600000  erreichte. 

3.  Nachdem  sämtliche  Röhrchen  sogleich  wieder  in 
den  Ofen  bei  30®  gebracht  worden  waren,  fand  man  sie 
alle  nach  9  Tagen  verflüssigt,  mit  Ausnahme  der  Kon- 
trollröhrchen,  welche  0,1  ccm  Karbolsäure  enthielten. 

In  diesem  Falle  ist  der  Verlust  der  Erstarrungs- 
kraft der  Gelatine  der  verlängerten  Temperatureinwir- 
kung zuzuschreiben. 


176         Stadium  der  proteolytischen  und  gelatinolytiBchen  Enzyme. 

Wenn  man  also  mit  schwachen  Gelatinelösungen 
von  1 — 3%  experimentiert,  kann  der  Verlust  der  Er- 
starrungskraft einfach  von  der  verlängerten  Temperatur- 
einwirkung herrühren. 

Es  ist  demnach  ratsam,  die  Proben  nicht  länger  als 
24—48  Stunden  in  einer  Temperatur  von  30®  zu  halten, 
die  Kontrollproben  nicht  zu  vergessen  und  stets  zwei- 
oder  dreimal  soviel  Proben  zu  machen,  ohne  mit  der 
Zahl  der  Röhrchen  zu  sparen. 

Übelstände: 

1.  Ist  es  notwendig,  oft  eine  überaus  grofse  Anzahl  von 
Röhrchen  zur  Verfügung  zu  haben.  Da  es  sich  in  der  Tat 
darum  handelt,  die  aktive  minimale  Quantität  vieler  Enzyme 
gleichzeitig  festzustellen  (wie  dies  häufig  geschieht,  indem  man 
die  Wirkung  zahlreicher  physisch-chemischer  Faktoren  auf  die- 
selben studiert),  würden  mehrere  Hunderte  von  Röhrchen,  d.  h. 
eine  weit  gröfsere  Zahl  als  jene,  welche  meine  feste  Gelatine- 
Röhrchen-Methode  erfordert,  notwendig  sein. 

2.  Anstatt  die  Resultate  innerhalb  3 — 6  Tagen  zu  erlangen, 
wie  dies  mit  dieser  Methode  der  Fall  ist,  müfste  man  oft  wochen- 
lang warten,  denn  kleine  Mengen  oder  sehr  schwache  Enzyme 
erfordern  diese  Zeit. 

3.  Anderseits  verlieren  die  wochenlang  bei  30®  erhaltenen 
Enzyme  ihre  Kraft.  Hingegen  kann  weder  die  Menge  noch  die 
Konzentration  über  eine  gewisse  Grenze  hinaus  vermindert  wer- 
den, weil  sie  nicht  mehr  erstarrt. 

4.  Die  Methode  ist  weniger  sicher  als  jene  der  festen  Gela- 
tineröhrchen,  die  Resultate  widersprechen  sich  oft,  was  die  Wieder- 
holung der  verschiedenen  Versuche  bedingt. 

n.  Verfahren.  Man  stellt  fest,  wieviel  Gelatine  von  einer 
gegebenen  Menge  Enzyme  in  einer  bestimmten  Zeit  und  bei 
einer  bestimmten  Temperatur  unerstiirrbar  machen  können. 

Beschreibung.  In  ROhrchen  von  verschiedenen,  stets 
zunehmenden  Mengen  Gelatine  von  1 — 20  ccm  giefst  man 
0,1 — 1  ccm   Enzynilösung   und   bringt   sie   in    den    Ofen.     Nach 


Von  Prof.  Claudio  Permi.  177 

einer  gewissen  Zeit  (5 — 10 — 30  Tage)  werden  sie  24  Stunden 
lang  in  10 — 11®  warmes  Wasser  gebracht  und  dann  entnimmt 
man  die  Resultate. 

Übelstände:  Es  sind  dies  dieselben  wie  bei  der  vorigen 
Methode,  a)  allzulange  Dauer  des  Versuchs,  b)  Schwächung  der 
Enzyme,  c)  Notw^endigkeit  zahlreicher  Röhrchen. 

III.  Verfahren.  Dasselbe  besteht  im  Feststellen  der  zum 
Verlust  der  Erstarrungskraft  einer  gegebenen  Menge  Gelatine 
durch  eine  bestimmte  Menge  Enzym  notwendigen  Zeit. 

Beschreibung.  In  Röhrchen,  die  1  ccm  Gelatine  zu 
2 — 3 — 5%  enthielten,  giefst  man  0,1 — 0,5  der  enzymhaltigeu 
Flüssigkeit  und  bringt  sie  in  eine  Temperatur  von  30®. 

Jede  halbe  Stunde  werden  sie  aus  dem  Ofen  genommen, 
und  in  Wasser  zu  10®  getaucht.  Erstarrt  die  Gelatine,  so 
wird  das  Röhrchen  wieder  in  den  Ofen  und  dann  wieder 
nach  einer  halben  Stunde  in  Wasser  zu  10®  gebracht.  So  fährt 
man  fort,  bis  die  Gelatine  die  Eigenschaft,  zu  erstarren,  ver- 
loren hat.  (*) 

Tersnch. 

In  Röhrchen,  die  Vi  ccm  neutrale  Gelatine  zu  30  ^/q  flüssig  enthielten, 
gofs  ich  verschiedene  Quantitäten  Merksches  Trypsin  1 :  5000,  schüttelte  sie 
gleichmäfsig ,  indem  ich  ganz  genau  10  mal  die  Röhrchen  umstürzte  und 
brachte  sie  sodann  in  den  Thermostaten  zu  30*^.  Anfangs  beobachtete  ich 
alle  5  Stunden,  dann  alle  24  Stunden,  ob  die  Gelatine  ihre  Erstarrungskraft 
verloren  oder  behalten  hat,  indem  ich  die  ROhrchen  5 — 24  Stunden  lang  in 
10^  warmes  Wasser  tauchte.  Der  Aufenthalt  der  Röhrchen  im  Wasser  zu 
10°  nur  während  74  öder  Vi  Stunde,  wie  dies  Duclauz  tat,  führt  leicht  zu 
irrtümlichen  Resultaten,  denn  oft  erstarrt  die  Gelatine  nur  nach  5—10,  ja 
selbst  24  Stunden.  Dies,  wiederhole  ich,  ist  ein  grofser  Übelstand  dieser 
Methode.    Die  erhaltenen  Resultate  sind : 

Trypsin  1 :  5000         Verflüssigung 
ccm  in  Tagen 

0,05  0  mm 

0,1  0     . 

0,15  0     . 

0,2  0     . 

0.25  20     » 

1)  Beim  Gebrauch  gewöhnlicher  Prouvetten  wird  die  Gelatinemenge 
auf  5 — 10  ccm  gebracht  und  auch  dementsprechend  die  Menge  der  Enzym- 
lösung. 

Archiv  für  Hygiene.    Bd.  LV.  12 


Trypsin  1 : 
ccm 

5000 

Verflüssigung 
in  Tagen 

0,3 

—  mm 

0,35 

16    > 

0,4 

20    > 

0,45 

28    «^ 

0,5 

28    > 

178         Studium  der  proteolytinchen  und  jjelatiuolytischen  Enzyme. 

Aus  dieser  Tafel  geht  hervor: 

1.  Dafs  selbst  nach  28  Tagen  0,2  ccm  Trypsin  nicht 
fähig  waren,  ^/accm  Gelatine  zu  30%  die  Erstarrungs- 
fähigkeit  zu  rauben. 

2.  Dafs  hingegen  0,25  zu  0,15  ccm  in  20 — 28  Tagen 
aufgelöst  haben. 

Aufserdem  ist  es  nicht  leicht  zu  erklären,  wie 
Quantitäten  Trypsin  von  0,25  —  0,4,  schneller  ver- 
fltissigt  haben,  als  gröfsere  Quantitäten  (0,41 — 0,5)- 
Diese  Unregelmäfsigkeit  bildet  natürlich  einen 
grofsen  Mangel  dieser  Methode. 

Ohne  die  anderen  Versuche  mit  lOproz.  Gelatine  anzuführen, 
teile  ich  sogleich  die  Resultate  mit. 

1.  Alkalische  Gelatine  zu  10%,  0,05 — 1  ccm,  wird 
in  24  Stunden  durch  0,05  ccm  Merksches  Trypsin 
1  :5000  aufgelöst. 

2.  Gelatine  zu  10%,  sowohl  neutrale  als  alkalisclie, 
0,05 — 1  ccm,  wird  durch  0,05  ccm  Merksches  Trypsin 
l°/oo  aufgelöst  in  10—21  Tagen. 

3.  lOproz.  Sodagelatine  wird  durch  0,05  ccm  einer 
36  Tage  vorher  zubereiteten  Trypsinlösung  in  7  Tagen 
bis  0,7  ccm   und  in  19  Tagen  bis  1  ccm  aufgelöst. 

4.  1  ccm  neutraler  Gelatine  zu  10%  wird  in  3 — 5 
Tagen   durch  0,1  ccm  Merksches  Trypsin  1%  aufgelöst. 

5.  1  ccm  neutraler  Gelatine  zu  10%  wird  unter  0,7 
(0,1—0,7)  durch  eine  Lösung  Grübler-Trypsin  1  :  200000 
in  22  Tagen  aufgelöst,  über  0,5  (0,5 — 1  ccm)  hingegen 
in  24  Stunden. 

6.  1  ccm  Gelatine  5%,  Natron  2%  wird  in  4  Tagen 
durch  1  ccm  Merksches  Trypsin  1  :  200000  und  in  der 
selben  Zeit  durch  %  ccm  einer  Lösung  zu  1:100000 
aufgelöst. 

7.  0,1  Merksches  Trypsin  zu  1:200000  löst  1  ccm 
neutraler  Gelatine  zu  5%  in  11  Tagen  auf,  während 
es  durch  dieselbe  Quantität  (0,1)  einer  Trypsinlösung 
zu  1:400000  nicht  aufgelöst  wird. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  179 

8.  %  ccm  Gelatine  zu  3%,  Natron  2%,  wird  durch 
über  0,3  einer  Merkschen  Trypsinlösung  zu  1:400000 
in  3  Tagen  aufgelöst  und  von  0,1 — 0,6  in  ungefähr 
10  Tagen. 

Die  gleiche  Quantität  Gelatine  zu  2%  wird  hin- 
gegen durch  0,5 — 1  ccm  auch  in  3  Tagen  aufgelöst. 

Das  dritte  Verfahren,  das  das  schlechteste  von  allen  drei  ist, 
wurde  von  Malfitano  unter  Duclaux  Leitung  angewandt. 

Malfitano  verfährt  folgenderweise: 

1.  Er  mischt  10  ccm  Kultur  mit  5  ccm  Gelatine  zu  20%  (I) 
welche  2%  kristaUisiertes  Thymol  enthält. 

2.  Schmilzt  bei  niedriger  Temperatur,  schüttelt  und  bewahrt 
die  Proben  bei  35®.  Nach  10 — 20  Stunden  bringt  er  sie  zur 
Erstarrung  bei  15®  während  15 — 30'  und  so  wiederholt  er  den 
Versuch  von  Zeit  zu  Zeit  bis  die  Gelatine  beständig  flüssig 
bleibt. 

Der  Grund,  aus  welchem  ich  besonders  das  dritte  Verfahren 
aufgab,  war: 

1.  Wollte  man  mit  einer  gewissen  Genauigkeit  den  Augen- 
blick angeben,  in  welchem  die  Gelatine  die  Erstarrungsfähigkeit 
verliert,  so  müfste  man  die  Proben  aus  dem  Ofen  herausnehmen 
und  sie  bei  10® — 15®  abkühlen  lassen. 

Hierzu  wäre  es  unumgänglich  notwendig,  stets  einen  Thermo- 
staten von  35®  und  ein  Bad  zu  10 — 11®  bereit  zu  haben,  was 
natürlich  nicht  zugunsten  einer  gröfseren  Einfachheit  dieser 
Methode  spricht,  wie  Malfitano  es  möchte. 

2.  Der  Experimentierende  würde  sich  grofsen  Opfern  unter- 
ziehen müssen,  um  die  Röhrchen,  Tag  und  Nacht,  wenigstens 
jede  Stunde  aus  dem  Ofen  ins  Bad  zu  bringen.  Abgesehen  von 
der  schwierigen  Arbeit,  die  auch  die  Anzahl  der  Versuche  ver- 
mindert, begreift  man  leicht,  wie  man  vergessen  kann,  die  Proben 
zur  richtigen  Zeit  zu  behandeln  und  wie  man  sich  somit  grofsen 
Irrtümern  aussetzt. 

3.  Nun    verliert   aber   die  Gelatine    bei    dem  verschiedenen 

Wechseln  immer  etwas  von  der  Erstarrungsfähigkeit,    was   auch 

folgender  Versuch  beweist: 

12  • 


180        Studium  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 


Verminderung  der  Erstamingsfähigkeit  der  Gelatine  infolgre 
wiederholten  Überganges  aus  dem  festen  in  den  flüssigen  ZustajiGL 

Prouvetten,  von  gleichem  Durchmesser  (10,5  mm)  welche 
Gelatine  zu  10%  mit  Karbolsäure  zu  0,5%  enthalten,  werden 
nach  und  nach,  in  eine  Temperatur  von  37®  und  15°  gebracht, 
um  abwechselnd  die  Gelatine  zum  Erstarren  oder  zum  Verflüs- 
sigen zu  bringen,  und  dies  50mal,  nämlich  10 mal  im  Tage. 
Eine  gewisse  Anzahl  Prouvetten,  welche  dieselbe  Gelatine  ent- 
halten, werden  indessen  mittels  Stöpsel  mit  luftdichtem  Verschlufs 
gegen  das  Auftrocknen  geschützt. 

Nachher  gofs  ich  1 — 2  ccm  von  einer  Trypsinlösung  zu  1  \ 
sowohl  in  die  Prouvetten,  welche  die  50 mal  flüssig  gewordene 
Gelatine  enthielt,  als  in  jene,  die  zur  Kontrolle  dienten. 

Nach  je  dreitägigem  Messen  der  aufgelösten  Gelatineschicht 
erhielt  ich  folgendes  Resultat. 


I    Nach  3  Tairen 
I     1  ccm      !  o  _ -„ 


Nach  ß  Tagen 


1  ccm 


2  ccm 


Nach  9  Tagen 


il  ccm 


2  ccm 


Mehreremal  (50)    verflOßHigte 
Gelatine : 

1.  Probe 

2.  Probe 

Kontrolle : 

1.  Probe 

2.  Probe 


f) 

9 

6 

,     10 

15 

17 

5 

9 

« 

10 

15 

17 

3 

7,25  1 

4 

8 

12 

13 

3 

8      i 

4 

8 

12 

13 

Resultat:  Aus  diesem  Versuche  ersieht  man.  dafs 
die  wiederholt  verflüssigte  Gelatine  viel  leichter  ver- 
flüssigungsfähig ist  als  die  Kontrollproben,  so  dafs 
nach  drei  Tagen  das  Verhältnis  gleich  5  zu  3  ist. 

Nach  einer  gewissen  Zeit,  wenn  das  Enzym  nicht  mehr 
auf  die  Gelatine  wirkt  und  wenn  diese  zum  grofsen  Teile  die 
Erstarrungskraft  verloren  hat,  geschieht  es,  dafs  dieselbe  bei 
15®  nicht  mehr  in  wenigen  Minuten  erstarrt,  wie  Malfitano 
es  möchte,  sondern  erst  nach  10 — 24  Stunden.  Dies  zeigt  sich 
besonders,  wenn  es  sich  um  wenig  tätige  Enzyme  handelt,  oder 
wenn  kleine  Quantitäten  derselben  im  Verhältnis  zur  Gelatine 
angewandt  wurden,  wie  dies  meistens  geschieht. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  181 

In  diesen  Fällen  kommt  es  dann  vor,  wie  man  leicht  be- 
greift, dafs,  wenn  zur  Erstarrung  der  Gelatine  10 — 24  Stunden 
notwendig  sind,  die  genaue  Berechnung  der  Stunden,  in  welchen 
-die  Fluidifikation  stattgefunden  hat,  unmöglich  ist. 

Duclaux  und  Malfitano  mufsten  nicht  weniger  als  24 — 36 
Tage  auf  die  Resultate  ihrer  Forschungen  warten.  Und  diese 
Autoren  betrachteten  als  besonderen  Vorzug  dieser  Methode  (so 
<lars  sie  dieselbe  jener  der  feste  Gelatine-Röhrchen-Methode  vor- 
zogen) die  SchnelUgkeit,  mit  welcher  man  die  Resultate  erlangt  I 

Ich  hingegen  kann  in  wenigen  Stunden,  höchstens  in  2 — 3 
Tagen  das  Resultat  erkennen,  und  jedermann  kann  wahr- 
nehmen, auch  beim  blofsen  Durchlesen  meiner  Arbeiten,  dafs  die 
Aktivität  des  Enzjrms  monatelang  fortdauert. 

Die  Autoren  wollen  einen  grofsen  Übelstand  in  meiner 
festen  Gelatinmethode  gefunden  haben,  weil  man  mit  derselben 
die  Proben  bei  Zimmertemperatur  halten  mufs,  die  aber  unbe- 
ständig ist. 

Hätten  sie  meine  Arbeiten  etwas  aufmerksamer  durchgelesen, 
«0  würden  sie  sich  diesen  Irrtum  erspart  haben,  denn  ich  schrieb, 
dafs  wenn  man  lange  und  delikate  Versuche  anstellen  will,  man 
die  Proben  in  einem  Thermostaten  von  20 — 22°  aufbewahren  mufs. 
Aufserdem  wiederhole  ich  noch,  dafs  das  Aufbewahren  der  Proben 
bei  35  ^  besonders  bei  der  von  den  Verfassern  erfundenen  Methode 
gefährlich  ist,  da  hierdurch  die  Enzyme  geschwächt  werden. 

Ich  komme  daher  zu  dem  Schlüsse,  dafs  meiner  Ansicht 
nach  die  Verfasser  keine  neue  Methode  erfunden  haben,  sondern 
dafs  sie  nur  die  Geschicklichkeit  gehabt  haben,  die  schlechteste 
meiner  drei  Methoden,  die  ich  bereits  verworfen  hatte,  zu  re- 
habilitieren. 

In  dieser  Hinsicht  auch,  obwohl  etwas  geheim  und  anstatt 
Duclaux  zu  erinnern,  dafs  das  Bekritteln  der  Arbeiten  anderer, 
ohne  sie  mit  der  nötigen  Aufmerksamkeit  gelesen  zu  haben,  nicht 
ratsam  ist,  begnügte  ich  mich,  ihm  nur  eine  Stelle  meiner  Arbeit 
zu  übersenden  und  ihm  in  höflichster  Weise  mitzuteilen,  dafs  ich 
schon  vor  vielen  Jahren  auch  die  Methode  der  flüssigen  Gelatine 
beschrieben  habe,  und  dafs  ich  eine  Berichtigung  wünsche. 


182         Studium  der  proteolytiechen  und  gelatinolytischen  EniL^me. 

Das  Verlangen  einer  zweiten  Berichtigung  scheint  den  geist- 
reichen Kritiker  gelangweilt  zu  haben,  denn  anstatt  direkt  zu 
antworten,  wie  er  es  früher  getan,  benutzte  er  sein  Traktat 
und  vielleicht  auch  seinen  Namen,  um  seine  irrtümliche  Kritik 
wieder  aufzunehmen,  indem  er  in  reichlicher  und  traurigster 
Weise  die  grölste  Ignoranz  in  bezug  auf  die  angegriffene  Arbeit 
und  eine  Heftigkeit  dem  Verfasser  gegenüber  bewies. 

In  diesem  Traktat  drückt  Duclaux  sich  folgendermafsen  aus: 

iComme  M.  Fermi  a  constamment  tabld  sur  leur  identitä, 
comme  il  a  en  outre  souvent  nägligd  de  faire  ses  essais  en  double 
(sie),  Tun  sur  le  lic^uide  diastasifere,  Tautre  sur  le  meme  liquide 
bouilli,  de  fa9on  a  voir  si  l'action  observee  etait  ou  non  une 
action  diastasique,  il  est  difficile  de  faire,  dans  la  science  une 
place  a  ses  resultats! 

Wirklich  halte  ich  es  für  überflüssig  zu  beweisen,  dafs  so- 
wohl die  erste  wie  auch  die  zweite  dieser  Behauptungen  voll- 
ständig falsch  sind,  und  dafs  auf  den  lächerlichen  Schlufs,  in 
welchem  Duclaux  in  zu  kindischer  Weise  die  Repressalien 
durchschauen  läfst,  verschiedene  Verfasser,  die  über  die  Fermente 
geschrieben,  schon  geantwortet  haben. 

In  bezug  auf  die  beiden  Vorwürfe,  die  Duclaux  mir  macht, 
erwidere  ich  nur,  dafs  es  falsch  ist,  dafs  ich  die  Identität  der  ge- 
latinolytischen Enzyme  mit  dem  Trypsin  beständig  behauptet  habe, 
denn  absichtlich  habe  ich  mich  nie  mit  dieser  Frage  beschäftigt, 
ebenso  falsch  ist  es,  wenn  er  sagt,  ich  habe  die  Kontrollproben 
vernachlässigt,  denn  wenn  irgend  etwas  in  meinen  Forschungen 
in  die  Augen  springt,  so  glaube  ich,  sind  es  gerade  die  Kontroll- 
versuche, auf  die  ich  stets  und  ich  glaube,  fast  pedantisch  ge- 
sehen habe.  Es  genügt,  nur  einen  Blick  auf  meine  erste  Arbeit 
über  die  Fermente  (die  peptischen  und  diastatischen  Fermente 
der  Mikroorganismen  Giornale  della  R.  A.  di  med.  di  Torino 
1890.  Heft  1 — 2)  zu  werfen,  um  die  Behauptung  Duclaux  be- 
urteilen zu  können. 

Schon  auf  den  ersten  Seiten  wird  man  in  der  Tat  finden, 
dafs  ich  nicht  nur  das  Kochen  angewandt  habe,  wie  Duclaux 
mir  anratet,  um  die  Keime  zu  entfernen  und  so  das  Vorhanden- 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  183 

sein  der  Enzyme  zu  beweisen ,  sondern  dafs  ich  auch  zu  ver- 
schiedenen anderen  Mitteln  meine  Zuflucht  genommen  habe, 
was  übrigens  aus  den  blofsen  Titeln  der  verschiedenen  Versuche 
hervorgeht,  wie  z.  B. 

a)  Versuch  1  (Seite  3)  Vernichtung  der  direkten  Tätigkeit 
der  Mikroben  mittels  Sublimat. 

b)  Versuch  2.  (Seite  4)  Vernichtung  der  direkten  Tätigkeit 
der  Bakterien  mittels  Karbol  und  Salicylsäure. 

c)  Versuch  3  (Seite  5)  Vernichtung  der  direkten  Tätigkeit 
der  Mikroben  mittels  Chlorwasserstoff  säure. 

d)  Versuch  7  (Seite  7)  Vernichtung  der  Tätigkeit  der  Bak- 
terien mittels  fraktionierter  Sterilisierung. 

e)  Versuch  15  (Seite  14)  Wirkung  verschiedener  Tempe- 
raturen auf  die  Fermente  (50—60—70—1400). 

Hätte  Duclaux  noch  darauf  geachtet,  dafs  die  von  mir 
angewandte  Gelatine  antiseptisch  war  durch  Hinzufügung  von 
Karbolsäure,  Thymol  etc.,  so  würde  er  einen  besseren  Punkt  ge- 
wählt haben,  mich  anzugreifen. 

VI.  Die  Alkalialbuminate  als  neue  Reagentlen  der  proteolytischen 

Enzyme. 

Es  war  von  grofser  Wichtigkeit,  ein  der  höchsten  Serie  dieser 
Substanzen  angehörendes  Albuminoid  zu  finden,  welches  erstarrt 
und,  der  Wirkung  des  zu  studierenden  Enzyms  unterworfen,  uns 
erlauben  würde,  die  Proben  in  einer  Temperatur  über  30®  zu 
bewahren. 

Um  zu  diesem  Ziele  zu  gelangen,  hätte  ich  natürlich  ein 
flüssiges  und  erstarrungsfähiges  Albuminoid,  wie  z.  B.  das  Blut- 
serum oder  das  Eiereiweifs  wählen  müssen ;  diese  beiden  Substan- 
zen liefern,  wie  sie  sind,  kein  empfindliches  Reagens  um  das 
Vorhandensein  sehr  schwacher,  proteolytischer  Enzyme,  wie  man 
sie  sowohl  im  Pflanzen-  wie  im  Tierreiche  sehr  verbreitet  findet, 
zu  beweisen.  Das  von  mir,  glaube  ich,  zum  ersten  Male  in  der 
Röhrchenmethode  angewandte  erstarrte  Blutserum  bildet  trotz 
seiner  Fähigkeit,  durch  verschiedene  mikrobische  Enzyme  ver- 
flüssigt   zu    werden,    immerhin    ein    Reagens,    das  viel  weniger 


184         Studium  der  proteolytischen  und  gelatinoly tischen  Enzyme. 

empfindlich  ist  (über  1000  Mal)  als  die  Gelatine;  ohne  von 
dem  geronnenen  Eiereiweifs  zu  sprechen,  welches,  wie  man 
weifs  und  wie  auch  ich  wiederholt  bewiesen  habe,  wenn  es  als 
Pepsinreagens  (Methode  Mette)  und  als  Trypsinreagens  dienen 
kann,  vorausgesetzt,  dafs  es  sehr  tätig  ist,  gar  nicht  oder  un- 
genügend auf  die  Tätigkeit  der  zahlreichen  Serie  der  oben 
erwähnten  schwachen  Enzyme  einwirkt. 

Ich  kam  daher  auf  den  Gedanken,  einige  Abänderungen  vor- 
zunehmen, besonders  in  bezug  auf  das  Eiereiweifs,  Abänderungen, 
welche  dem  mir  vorgesteckten  Ziele  entsprechen  würden.  Auf 
diese  Weise  kam  ich  auf  die  alkalischen  Albuminate  und  ver- 
sucht mit  Anunoniak,  kohlensaurem  Natron  und  mit  Atzkali. 
Die  in  dieser  Hinsicht  angestellten  Versuche  waren  sehr  ver- 
schiedenartig und  zalilreich,  wie  man  aus  dem  nachstehenden 
Überblick  wahrnehmen  kann. 

1.  Versuche  mit  Eiereiweifs,  welches  mit  Ammoniak,  kohlen- 
saurem Natron  und  Kali  behandelt  war. 

2.  Versuche  mit  Blutserum  vom  Ochsen  und  vom  Schweine. 

3.  Versuche  in  bezug  auf  den  Einflufs,  der  auf  das  Alkali- 
albuminat  ausgeübt  wird,  wenn  es  eine  gewisse  Zeit  (24  Stunden 
lang)  in  einer  Temperatur  von  30®  bleibt,  bevor  es  zur  Gerinnung 
gebracht  wird. 

4.  Versuche,  um  die  passende  Temperatur  und  die  Dauer 
derselben  zu  bestimmen,   um   die  beste  Erstarrung  zu  erlangen. 

5.  Versuche,  die  geeignet  sind,  den  Einflufs  festzustellen, 
welchen  das  Schütteln  oder  Nichtschütteln  des  Eiweifses  und  die 
Mischungen  des  Eiweifs  oder  des  Serums  mit  den  Alkalien  auf 
die  Erstarrung  der  Albumine  ausübt. 

Anstatt  die  Resultate  eines  jeden  Versuches  zu  wiederholen, 
führen  wir  dieselben  zusammen  am  Schlüsse  dieses  Kapitels. 

Versuche  mit  Eiereiweifs. 
y  ersuch  1. 

Gut  geschlagenes  und  dekantiertes  Eiereiweifs,  welchem  0,5 7o  Karbol- 
päure  zugefügt  wurde,  verteilte  ich  in  Prouvetten  von  einem  Kaliber  von 
10,5  mm  in  der  Menge  von  5  ccm  pro  Stück. 

Hierauf  fügte  ich  in  vier  dieser  Prouvetten,  welche  das  Eiweifs  ent- 
liielten,   1-2-  -3 — 4  ccm  Ammoniak,   bei   anderen    vier   die  gleichen  Proper- 


Von  Prof.  Claudio  Fermi. 


185 


tionen  einer  kohlensauren  Natronlösung  zu  207,,  wfthrend  ich  vier  anderen 
0,5—1 — 1,5 — 2  ccm  einer  Lösung  Ätzkali  zu  10  Vo  beifügte. 

Die  zwölf  Prouvetten  wurden  dann  mit  vier  KontroUprouvetten,  welche 
anstatt  des  Alkali  nur  1 — 2 — 3 — 4  ccm  Wasser  enthielten,  30  Minuten  lang 
in  ein  Wasserbad  zu  70*^  gebracht. 


Ammoniak  konz. 

Kohlensaures  Natron  20"/« 

Ätzkali   10% 

1  ccm 

2  ccm 

3  ccm 

4  ccm 

1  ccm 

2  ccm 

3  ccm 

4  ccm 

0,5  ccm 

1  ccm 

1.6 
ccm 

2 
com 

iUeht 
und 
durch- 
sichtig 

dicht 
und 
durch- 
sichtig 

weich 
und 
durch- 
sichtig 

flüssig 
und 
durch- 
sichtig 

dicht 
und  un- 
durch- 
sichtig 

dicht 
und  un- 
durch- 
sichtig 

dicht 
und 
durch- 
sichtig 

1 

dicht  1 

und 
durch- 1 
sichtig  1 

! 

1  dicht 
1    und 
1  durch- 
'  sichtig 

dicht 
und 
durch- 
sichtig 

1 

•s 

Bmpfindlichikeit  der  erlangten  Eäereiweifs-Albuminate  dem 

Trypsin  gegenüber. 

Jetzt  blieb  uns  noch  übrig,  zu  versuchen,  ob  wir  mit  den 
erhaltenen  Albuminateu  ein  Reagens  zur  Verfügung  hatten, 
welches  für  die  Forschungen  in  bezug  auf  die  proteolytischen 
Enzyme  geeignet  wäre.  In  einem  ersten  Experimente  versuchte 
ich  demnach  mit  einer  Trypsinlösung  zu  5®/qq.  Am  25.  Mai 
gofs  ich  in  die  Prouvetten,  welche  die  festen  und  durchsichtigen 
Albuminate  erhielten,  1  ccm  einer  Trypsinlösung  zu  5®/ooi 
brachte  sie  dann  jn  einen  Ofen  zu  30®  und  mafs  von  Zeit  zu 
Zeit  die  Schicht  des  aufgelösten  Albuminats. 

Das  Resultat  war: 


Zahl  der 

Ammoniak 

1       Kohlensaures  Natron  20% 

1     Ätzkali  10  7o 

Tage 

1  ccm 

2  ccm 

1  1  ccm 

2  ccm 

3  ccm      4  ccm 

1 

0,5  ccm 

1  ccm 

2 

4  mm      15  mm 

4  mm 

5  mm 

7  mm 

r 

6,5  mm     6  mm 

5  mm 

3 

6,5  >     1  18    »     i 

'                               1 

8    > 

11    > 

10    > 

11     >         8,5 » 

8    > 

5 

,10     >     1  24    »     1 

11    >          9    > 

11    > 

13     > 

17     > 

30    > 

6 

12,5  > 

29    > 

16    >        13    > 

15    » 

13,5  > 

22     > 

11 

17     > 

32    > 

1 

24    > 

18    > 

20    > 

30     > 

1 

30     > 

Versuche  mit  Blutserum. 

Versuch  1. 

Blutserum  mit  5—10 — 15— 20— 25°/o  Ammoniak  wurde  in  Röhrchen 
verteilt.  Diese  wurden,  nachdem  sie  24  Stunden  lang  bei  35°  gehalten  waren, 
30  Minuten  lang  in  ein  Wasserbad  zu  70*^  gebracht  Hierauf  wurde  die  Emp- 
findlichkeit probiert,  indem  man  1  ccm  Merksches  Trypsin  1  ^/^  in  dieselben 
gofs;  dann  wurden  sie  in  den  Ofen  auf  35°  gebracht. 


186         Studium  der  proteolytiEchen  und  gelatiDolytischen  Enzyme. 


Beim   Messen    der   allmählich   aufgelösten    Gelatineschicht    ergab    sich 
folgendes  Resultat: 


Am- 

Verflüssigte 

Schicht 

in 

moniak 

8  Tajren 

lOTaeen 

12Ta8:en 

34  Tatzen 

1 

mm 

mm 

mm 

1        mm 

oVo     ' 

7 

7 

1 

10  > 

vu 

9 

iiV, 

:   18 

15  > 

11 

13 

15 

24 

20  . 

22 

26 

30 

41 

25  » 

0 

0 

0 

i         0 

Tersneh  2. 

Nach  Wiederholung  des  Versuchs  ergah  sich  folgendes  Resultat . 


Ammoniak 

3 

'      15" 

18 

19 

20 

22 

1 

30 

84 

,1 

mm 

Dim 

mm 

mm 

mm 

mm      i 

nun 

nun 

5  %        ' 

0 

0 

0 

0     ' 

0 

0 

0 

0 

10  > 

5 

13V. 

15 

17 

9 

11 

26 

-- 

15  . 

3'/, 

~' 

13 

— 

18 

2i} 

20 

3 

8 

9 

10 

12 

17 

21 

- 

25  . 

6 

23 

25 

27 

30 

31», 

37 

43 

Yersaeh  3. 

I)er8en)e  Versuch  wurde  wiederholt,  indem  ich  anstatt  des  Ammoniaks 
Ätzkali  zu  0,5 — 1,5%  anwendete. 

Folgende  Tabelle  gibt  die  Resultate : 


mm 

0,5  7o 

4 

1    > 

3 

1,5  > 

2      . 

— 

2,5  > 

— 

mm     I     mm 
12      '      17 


10 


15» 'j 


mm 

mm 

22 

24 

'^ 

11 

18», 

20 

mm 
27 


mm     '    mm         mm     ■     mm 
30         32         34»/,.     37 


00 


24 


26 


28»/,      30 


Ycrsneh  4. 

Das  folgende  Experiment  beweist,  dafs,  wie  ich  bereits  in  bezug  auf 
das  Fibrin »)  bewiesen  habe,  sich  das  Blutserum  des  Ochsen  und  jenes  des 
Schweines  beständig  sehr  verschiedentlich  verhalten,  so  dafs  beide  von- 
einander unterschieden  werden  können.  Auf  gewöhnliche  Weise  zubereitete 
Mischungen  von  Ochsenserum  und  Ammoniak  in  bekannter  Proportion 
wurden  in  Mengen   von    1  ccm   in   Röhrchen   gegossen.     Dieselben   wurden 

1)  Claudio  Fermi ,  Die  Auflösung  des  Fibrins  durch  Salze  etc.  Zeitschr. 
f.  Biol.,  Vol.  XXVIIT. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi. 


187 


dann  zur  VerdicbtUDg  gebracht  und  ich  gofs  1  ccm  Merksches  Trypsin  1 :  lOOO 
darauf.    Nach  12  Tagen  wurde  die  flQssige  Schicht  gemessen. 
Als  Resultat  ergab  sich: 


1 

1 

1 

1 
Ochsenserum 

Schweineserum 

Eiereiweifs 

Ammoniak     i 

Er- 

Verflüs- 

Er-      !  Verflüs- 

Er 

Verflüs- 

starroDg 

sigung 

starrung  |    sigung 

starrung 

sigung 

5Vo 

+ 

1 

! 

+      i      5      1 

+ 

0 

10  > 

+           9      ; 

+      '     11      : 

1       + 

0 

15  > 

+     :     14 

0 

0 

1       + 

2 

20  .            ' 

+       '      26        ' 

0 

0 

+ 

6 

25  > 

+ 

26 

0 

0 

+ 

0 

Tersnch  5. 

Ochsenblutserum  wurde  mit  einer  Lösung  Karbolsäure  (0,5%)  im  Ver- 
hältnis SU  20 — 40%  verdünnt  und  mit  der  optima  Dosis  von  Ammoniak, 
dieses  zu  4Vu>  alkalisiert  und  in  Röhrchen  verteilt.  Diese,  30  Minuten 
lang  auf  70°  erwärmt,  erstarrten  ganz  und  gar  nicht. 

Empfindlichkeit  des  alkalisohen  Oohseir-  und  SohweineblutBerums. 

Nach  diesen  Versuchen  war  es  von  Interesse,  die  ver- 
schiedene Empfindlichkeit  dieser  drei  AlkaUalbuminate  den  En- 
zymen gegenüber  festzustellen. 

Zu  diesem  Zwecke  gofs  ich  1  ccm  von  einer  Lösung 
Trypsin  (Merk)  in  verschiedene  Konzentrationen  in  Röhrchen, 
die  1  ccm  der  drei  erstarrten  Alkalialbumine  enthielten.  Die 
erhaltenen  Resultate  folgen  in  nachstehender  Tabelle: 


Albuminate 


Verflüssigung  durch  Trypsin 


^ 


1  :  1000  1  :  3000  1 :  5000  1  :  6000  1  :  7000 


Blutserum  v.  Ochsenblut-f- Ammoniak  20% 

Blutserum  V.  Schweineblut -f- Ammoniak  6°/o 
Eiereiweifs  20% 


+ 
+ 
+ 


+ 

+ 
0 


+  0 

+  0 
0 


0 
0 


0 
0 
0 


BiDfluTs  der  Aufbewahrung  der  Alkalialbumine  24  Stunden  lang 
bei  30  0  Wärme,  bevor  es  zur  Koagulation  gebracht  wird. 

Um  diese  Frage  zu  lösen,  machte  ich  die  beiden  folgenden 

Versuche. 

y  ersuch  1. 

Ich   bereitete   eine  Mischung   von  Serum   und  Ammoniak,  sowie   eine 
von  Serum  und  Ätzkali  in  den  schon  versuchten  Proportionen  und  verteilte 


188        Studium  der  proteolytischen  and  gelatinolytischen  Ensyme. 

«ie  zu  je  1  ccm  in  ROhrchen.  Einen  Teil  derselben  brachte  ich  sofoct 
zur  Erstarrung  in  einem  Wasserbade  von  70^,  30  Minaten  lang,  den 
anderen  Teil  erst,  nachdem  sie  24  Standen  lang  in  einem  Ofen  bei  80* 
gewesen  waren. 

Hierauf  gofs  ich  1  ccm  Trypsin  Merk  zu  1 7oo  ^^  ^^®  erstarrten  Rohrchen. 
Nach  7  Tagen  ergab  sich  folgendes  Resultat: 


Am- 

Geronnen  nach    i 
24  Standen 

i 

! 

'  Sogleich 

geronnen 

moniak 

1 

1 

1  Erstarrung 

VerflüSHig.  ' 

1 

Erstarrung 

1 

VerflüMig. 

|| 

mm 

mm 

5V. 

;         + 

7 

+ 

25 

10  . 

+ 

7,6 

0 

15  > 

.        + 

11 

0 

20  » 

1.                 _^ 
1,                 "^ 

22 

0 

25  > 

1                  + 

26 

0 

Yersaeh  2. 

Das   Experiment  wurde   wiederholt  wie   oben,   indem   anstatt  des  Am- 
moniaks Kalilauge  angewendet  wurde. 

Das  nach  4  Tagen  erlangte  Resultat  war: 


Kalilauge 


Zur  Erstarrung  nach !      Zur  Erstarrung 
24  Std.  gebracht  sofort  gebracht 


Erstarrung 


Verflüssig.    Krstarrung  ,  Verflüssig. 


0,5  «/o    ! 

1    » 

1,5  ^     ' 
2      . 
2,5  > 


+ 
+ 

+ 
0 

0 


4 
3 
5 


+ 
unregel- 

miTHig 

+ 

unregel- 
mftrsig 

0 

ü 

0 


4 

unregel- 
mäfliig 


Betreff  der  Alkalialbuminate  erhaltene  Ergebnisse. 

Eiereiweifs:  1.  Die  Ammoniakalbumiuate  zu  20  uud 
40%  NH'*  zeigten  sich  sehr  durchsichtig  und  fest,  so  dafs 
sie  vollständig  dem  Zwecke  entsprechen,  während  die 
zu  60%  stets  zu  weich  blieben  und  für  uns  unbrauchbar 
waren,  obwohl  sie  immer  ein  durchsichtiges,  bern- 
steinfarbiges Albuminat  bildeten. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  189 

2.  Kohlensaures  Natron  20®/o.  Die  Versuche  mit 
1 — 2  ccm  Soda  20%  zu  5  com  Eiereiweils  gaben  stets  ein 
festes  aber  undurchsichtiges  Albuminat.  Hingegen 
entsprachen  besser  die  mit  3  und  4  ccm.  Diese  gaben 
ein  festes  und  durchsichtiges  Albuminat,  welches  aber 
stets  dem  mittels  Ammoniak  und  Kalilauge  erzielten 
nachstand. 

3.  Atzkali.  Ein  gutes,  festes  und  durchsichtiges,, 
schön  bernsteinfarbiges  Albuminat  erzielten  wir  mit 
0,5 — 1  ccm  Kalilauge  zu  6  ccm  Eiereiweils,  während  jenea 
mit  1,5  zu  weich  und  jenes  mit  2  ccm  fast  flüssig  war. 

Die  besten  Resultate  in  bezug  auf  die  physischen 
Merkmale,  d.  h.  der  Durchsichtigkeit  und  der  Festig- 
keit erhielten  wir  mit  1 — 2  ccm  Ammoniak  resp.  20  bia 
40%  und  mit  der  Kalilauge  von  0,5 — 1%. 

Starr,  aber  weniger  durchsichtig  war  hingegen 
das  Albuminat,  welches  wir  mittels  kohlensauren 
Natrons  erlangten. 

4.  Diebesten  Resultate,  nicht  nur  in  Hinsicht  auf 
die  Empfindlichkeit  des  Reagens,  d.  h.  die  Schnellig- 
keit, mit  welcher  es  durch  das  Trypsin  aufgelöst  wird> 
sondern  auch  in  bezug  auf  die  fortschreitende  Regel- 
mäfsigkeit  der  Auflösungsschicht  erzielten  wir  mit  dem 
Ammoniak.  Dieses  im  Verhältnis  von  40%  (2  ccm  auf 
5  Eiweifs)  hat  an  Schnelligkeit  im  Auflösen  anfang& 
dreimal  und  dann  zweimal  jenes  mit  20%  Ammoniak 
(1  ccm  auf  5  Eiweifs)  übertroffen. 

5.  In  Hinsicht  auf  die  Regelmäfsigkeit  derFluidi- 
fikation  haben  die  erwähnten  Ammoniakalbuminate 
die  durch  kohlensaures  Natron  und  Atzkali  erhaltenen 
übertroffen;  in  den  mit  kohlensaurem  Natron  bemerkte 
man  nach  10 — 11  Tagen  eine  sehr  unregelmäfsige  Ver- 
flüssigung und  zwar  in  allen  Proben,  und  das  Kalialbumi- 
nat  (0,5  ccm  auf  5  Eiweifs)  gerann  sonderbarerweise  am 
11.  Tage  und  das,  zu  1  ccm  auf  5  Eiweifs,  hatte  sich 
schon  nach  3  Tagen  ganz  aufgelöst. 


190        Studiam  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 

6.  Was  die  Schnelligkeit  der  Verflüssigung  der  Albu- 
minate  mit  kohlensaurem  Natron  betrifft,  so  fand  man 
weder  einen  bedeutenden  noch  beständigen  Unterschied, 
mochte  dasselbe  in  Proportionen  von  1  oder  2,  3,  4  ccm 
«iner  20proz.  Lösung  auf  5  ccm  Eiweifs  zubereitet  werden. 

7.  Dasselbe  zeigte  sich  bei  den  zwei  Albuminateu 
mit  Atzkali  (0,5 — 1  ccm  einer  lOproz.  Lösung  auf  5  ccm 
Eiweifs)  in  den  ersten  zwei  Tagen  wenigstens,  denn  am 
3.  Tage  war  das  Albuminat  von  1  ccm  auf  5  ccm,  wie 
schon  gesagt,  gänzlich  aufgelöst. 

8.  Demnach  wäre  das  empfindbarste  Albuminat, 
d.  h.  das,  welches  am  schnellsten  zur  Verflüssigung  ge- 
bracht werden  kann,  jenes,  welches  mit  20proz.  Am- 
moniak zubereitet  wird. 

BlutBeruxn.  1.  Der  Zusatz  des  Ammoniak  zum  Serum, 
im  Verhältnis  von  5%,  vermehrt  um  etwas  die  Empfind- 
lichkeit dem  Trypsin  gegenüber. 

2.  Das  Maximum  der  Empfindlichkeit  erzielt  man 
mit  25%,  doch  kommt  es  bisweilen  vor,  dafs  das  Serum 
nicht  erstarrt,  oder  nur  ungenügend  und  uuregelmäfsig. 

3.  Der  Prozentsatz  des  Ammoniak,  der  das  Serum 
empfindlich  macht,  indem  es  demselben  zu  einer  durch- 
sichtigen  Gelatine   zu   erstarren    erlaubt,    ist   jener    von 

15—20%. 

4.  Auch  der  Verlauf  der  Verflüssigung  vollzieht  sich 
ziemlich  regelmäfsig,  einen  Monat  hindurch.  Die  Kali- 
lauge gibt  wie  das  Ammoniak  eine  feste  und  durch- 
sichtige Gelatine,  die  dem  Trypsin  gegenüber  bedeutend 
empfindlicher  ist  als  das  natürliche  Serum,  aber  nur 
im  Verhältnis  von  0,5 — 1,5%,  d.  h.  in  [einem  zehnmal 
geringeren  Verhältnis  als  das  Ammoniak. 

5.  Das  Schweineblutserum  verliert  die  Erstarrunga- 
fähigkeit  mit  einer  4— 5mal  geringeren  Menge  Ammoniak» 
als  jene  ist,  die  noch    die  Erstarrung    des   Ochsenserum 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  191 

erlaubt.  Aufserdem  erstarrt  es  aus  noch  unbekannter 
Ursache  bisweilen  nur  mit  einem  Ammoniakgehalt 
zu  10  und  auch  zu  lb%,  doch  seltener,  zu  20 — 26% 
aber  nie. 

6.  Anderseits  ist  das  Schweineserum  mit  5%  Am- 
moniakgehalt, d.  h.  mit  jener  Menge,  die  ihm  noch  er- 
laubt zu  erstarren,  weniger  empfindlich  als  das  Ochsen- 
serum, welches  dieselbe  Menge  Ammoniak  enthält. 

Das  Albumin,  welches  dieselbe  Menge  Ammoniak 
als  das  Ochsenserum  enthält,  erstarrt  vollständig  wie 
dieses,  doch  ist  es  dem  Trypsin  gegenüber  weniger 
empfindlich. 

7.  Das  Ochsenserum  mit  20®/o  Ammoniak,  der  Dosis 
optima  entsprechend,  ist  stets  empfindlich  einerTrypsin- 
(Merk)lösung  1:3000  gegenüber. 

Bald  positive,  bald  negative  Resultate  gab  eine 
gröfsere  Verdünnung  des  Trypsins  von  1:5000  und  1:6000, 
während  man  fast  beständig  negative  Resultate  mit 
einer  gröfseren  Verdünnung  des  Trypsins  erhielt. 

8.  Das  Schweineblutserum,  welches  b%  Ammoniak 
enthielt,  die  einzige  Dosis,  die  manchmal  ein  positives 
Resultat  erzielte,  gab  meistens  negative  Resultate.  Mit 
gröfseren  Trypsinverdünnungen  waren  die  Resultate 
beständig  negative. 

9.  Das  Eiweifs  gab  stets  negative  Resultate,  selbst 
mit  einer  Trypsinlösung  von  1:3000. 

10.  Die  drei  nicht  alkalisierten  Albuminate,  auch  von 
l^/oo,  gaben  beständig  negative  Resultate. 

Das  Ammoniakserum  erstarrt  und  verflüssigt  sich 
viel  schneller  und  regelmäfsiger,  wenn  die  Mischung  vor 
dem  Gerinnen  24  Stunden  lang  in  einem  Ofen  bei  30^ 
bleibt. 

11.  Das  Schütteln  oder  Nichtschütteln  des  Eiweifses 
vor  dem  Hinzufügen  des  Alkali  ist  fast  ohne  Bedeutung, 
da  man  ebenfalls  ohne  Schütteln  ein  festes  und  durch- 
sichtiges Albuminat  erhält. 


192        Studium  der  proteolytischen  und  gelatinoly tischen  Knsyme. 

12.  Von  grofser  Wichtigkeit  hingegen  ist  das  gute 
Schütteln  der  Mischung.  Denn  während  man  beim  tüch- 
tigen Schütteln  ein  gleichmäfsig  festes  und  durchsich- 
tiges Albuminat  erhält,  so  ist  das,  welches  nicht  ge- 
schüttelt wird,  unregelmäfsig  fest  oder  sogarganz  flüssig, 
wenn  man  nur  einmal  die  Prouvette  umkehrt. 

13.  Läfst  man  die  Mischu^g  30'  lang  bei  70^  so  erhält 
man  ein  gutes  Albuminat,  hingegen  ist  dies  nicht  der 
Fall,   wenn   sie   nur  15'   in  derselben  Temperatur  bleibt. 

Diese  Albuminate  können  sowohl  bei  den  Röhrchen- 
wie  auch  bei  den  Schalenmethoden  angewandt  werden. 
In  letzterem  Fall  giefst  man  eine  Schicht  von  1  ccm 
flüssigen  Albuminates  in  eine  Schale,  bringt  dieselbe  in 
eine  Temperatur  von  70®,  zu  welchem  Zwecke  man  den 
Kochschen  Apparat  zur  Erstarrung  des  Blutserums  an- 
wendet, welcher  genau  wagrecht  gesetzt  wird.  Sodann 
sät  man  auf  die  Oberfläche  des  erstarrten  Albuminates 
die  Materialstückchen,  in  denen  man  das  Enzym  sucht 
und  zwar  in  geordneter  Weise  und  den  gleichmäfsig 
nebeneinander  auf  den  Boden  der  Schalen  geklebten 
Angaben  entsprechend. 

Vn.  Die  Empfindlichkeit  der  Gelatine,  des  Fibrins,  des  einfachen^ 

verdünnten  und  anunoniakalischen  Blutserums,  des  Kaseins  und 

des  Eiweifses  in  vergleichender  Weise  studiert. 

Um  die  Empfindlichkeit  der  Gelatine  hervorzuheben  und 
dieselbe  besser  beurteilen  zu  können,  wollte  ich  sie  mit  dem 
Fibrin,  dem  Blutserum,  dem  Eiweifs  und  dem  Kasein  vergleichen. 

Ich  stellte  daher  folgende  Versuche  an: 

A.  Empfindlichkeit  des  Fibrins. 

Yersneh  !• 

Ich  lasse  hier  die  Tabelle  folgen,  welche  die  Resultate  eines  meiner 
vor  vielen  Jahren  angestellten  Versuche  wiederbringt. 


Von  Prof.  Olaadio  Fenni. 


193 


;'  Schicht  der 
Trypsinlösuns  |i  aufgelösten 

II     Gelatine 


Fibrin  Vi  g  pro  Probe 


1000    1 

2000 

4000 

8000 

16000 

32000 

6  mm 

6    > 

4,5» 

4,5» 

4    > 

4 

3 

3 

2 

2 

0,5 

0,6 


gänzlich  aufgelöst 
gänzlich  aafgelOst 
gänzlich  aofgelOst 
gänzlich  aafgelOat 
gänzlich  aufgelöst 
unvollständig  aufgelöst 

nicht  aufgelöst 
unvollständig  aufgelöst 
nicht  aufgelöst 
nicht  aufgelöst 
nicht  aufgelöst 
nicht  aufgelöst 


Resultat:  Die  Gelatine  war  also  in  diesem  Falle  acht- 
mal empfindlicher  als  das  Fibrin. 

Yersneh  2. 

In  Prouvetten,  welche  5  ccm  Merksches  Trypsin  in  verschiedenen  Ver- 
dünnungen (1:100  000,50  000,33  000,25  000,20000,  16000,  14000,  12  000, 
11000,  10000)  enthielten,  wurden  frische  Fibrinflöckchen  von  Ochsenbint 
gelegt.  Diese  Prouvetten  wurden  dann  in  einem  Ofen  bei  30^  aufbewahrt. 
Nach  6  Tagen  war  das  Fibrin  noch  unverändert. 

Ich  wiederholte  dasselbe  Experiment  mit  Ochsenfibriu, 
welches  in  Glyzerin  aufbewahrt  war  (und  was  fast  immer  empfind- 
licher ist)  und  erhielt  dasselbe  Resultat. 

Dieses  Experiment  wiederholte  ich,  indem  ich  Fibrin  vom 
Schweine  anwandte,  das,  wie  aus  meinen  anderen  Versuchen 
hervorgeht,  bedeutend  empfindlicher  ist  als  jenes  des  Ochsen, 
und  auch  als  jenes  des  Pferdes  und  des  Schafes,  doch  blieb  das 
Resultat  das  gleiche.  Das  Trypsin  1:1000  hält  sich  un- 
versehrt auch  6  Tage  lang. 

Yersneh  8. 

Ich  wiederholte  denselben  Versuch  mit  einer  Trypsinlöeung  von  1 :  10000 
bis  1 :  5000  und  erlangte  nach  8  Tagen  ein  gänzlich  positives  Resultat. 

Wir  kommen  daher  zu  dem  Schlüsse,  dafs  sowohl 
das  Ochsenfibrin,  wie  jenes  vom  Schweine  in  der  Lösung 
von  circa  1:8000  dem  Trypsin  gegenüber  am  empfindlichsten  ist. 

Archiv  fftr  Hygiene.    Bd.  LV.  13 


194         Stadinm  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 

Auch  wenn  die  Empfindlichkeit  des  Fibrins  in  Gregenwart  von 
noch  energischeren  Trypsinpräparaten  die  oben  angegebene  Grenze 
übersteigen  und  dieses  Enzym  auch  bei  1:15000,  einer  Grenze 
der  Empfindlichkeit;  die  ich  nie  erreicht  habe,  noch  zu  entdecken 
wäre,  so  würde  die  Empfindlichkeit  doch  immer  70  mal  geringer 
sein  als  die  der  Gelatine  zu  2 — 3**/o,  Natron  zu  1 — 2®/q,  da  diese, 
wie  wir  bewiesen  haben,  bis  zu  einer  Lösung  von  1 : 1 400  000 
empfindlich  ist. 

Auch  die  folgenden  Betrachtungen  sprechen  gegen  das  Fibrin 
und  zugunsten  der  Gelatine. 

2.  Um  die  Anwesenheit  eines  proteolytischen  Enzyms  mittels 
Fibrin  nachzuweisen,  sind  wenigstens  10 — 20  ccm  Flüssigkeit 
zu  den  Untersuchungen  erforderlich,  während  hingegen  1  ccm,  ja 
sogar  auch  ^/2  ccm  mit  der  Gelatine  hinreicht. 

2.  Mit  der  Gelatine  kann  man  ganz  genau  die  Wirkung  des 
Enzyms  beobachten  und  messen. 

3.  Selbst  bei  langer,  monatelang  andauernder  Wirkung  der 
Enzyme  auf  die  Gelatine  kann  man  den  Verlauf  beobachten. 
Dieses  ist  nicht  möglich  bei  dem  Fibrin,  die  Fermente  bei  30^ 
bis  40"  verlieren  schnell  ihre  Kraft  und  haben  auf  dasselbe 
keine  Wirkung  mehr. 

4.  Mit  der  Gelatine  kann  man  viel  leichter  die  aktiven, 
physisch-chemischen  Agentien  auf  die  Enzyme  studieren  als  mit 
dem  Fibrin.  Dies  ist  mit  dem  Fibrin  nicht  möglich,  da  diese 
Substanzen  einerseits  das  Fibrin  zusammenziehen  und  es 
weniger  löslich  machen,  anderseits  die  Enzyme  so  schwächen, 
dafs  sie  nicht  mehr  auf  das  Fibrin  wirken. 

Mit  der  Gelatine  genügt  zum  Unterschiede  von  dem,  was 
mit  dem  Fibrin  geschieht,  das  einlache  Kriterium  der  Verflüs- 
sigung, da  Spuren  von  Verflüssigung  hinreichend  sind,  mit  Ge- 
wifsheit  die  Anwesenheit  eines  Enzyms  nachzuweisen. 

5.  Anderseits  können  die  Gelatineröhrchen  tage-,  ja  sogar 
monatelang  mit  allerlei  organischen  Flüssigkeiten  wie  Urin,  Milch, 
bakterische  Massen  usw.,  welche  Antiseptica  enthalten  und  auf 
100**  erwärmt  sind,  erhalten  werden,  ohne  dafs  nur  eine  Spur 
von  Verflüssigung  wahrzunehmen  sei. 


Von  ftrof.  Claudio  Fenni.  195 

Das  Fibrin  hingegen  löst  sich  auch  mit  verschiedentlicher 
Schnelligkeit  auf,  je  nach  der  Gattung  des  Tieres  dem  es  an- 
gehört, und  zwar  in  sauren  Flüssigkeiten  wie  auch  in  alkalischen 
und  neutralen.  Deutschmann  (^)  fand,  dafs  das  Atzkali,  5^/oodas 
Fibrin  der  Ratte  in  30',  das  des  Meerschweinchens,  des  Huhnes, 
des  Lammes,  der  Ente,  der  Gans,  der  Taube  in  45 — 60'  auflöst, 
während  jenes  des  Hundes,  der  Katze,  des  Schweines,  des 
Ochsen,  des  Menschen,  mehrere  Stunden  erfordert. 

Green^)  konstatiert,  dafs  das  Fibrin  des  Schafes  sich  im 
Natriumchlorid  zu  10%  auflöst. 

Gautier^)  und  Hammarsten^)  weisen  die  Lösbarkeit  des 
Fibrins  in  den  Salzen  nach. 

Auch  ich^)  fand  beim  Studium  der  Solubiütät  des  Fibrins 
in  den  Säuren,  dafs  das  Fibrin  vom  Schweine  sich  in  HCl  5<*/oo, 
in  wenigen  Stunden  auflöst.  Weniger  auflösbar  ist  das  vom 
Schafe  und  vom  Pferde,  noch  weniger  aber  das  vom  Ochsen. 

Auch  diese  Unterschiede  der  Solubiütät  des  Fibrins,  welche 
nicht  nur  von  Tier  zu  Tier  verschieden  sind,  sondern  sogar 
wechseln,  je  nachdem  sie  vom  Arterienblute  oder  vom  Venen- 
blute,  von  dem  oberen  Teile  oder  von  dem  unteren  des  Gerinnsels 
herstammen,  sprechen  nicht  zugunsten  der  Sicherheit  dieses 
Reagens  im  Forschen  nach  den  proteolytischen  Enzymen. 

B.  Empfindlichkeit  des  Blutserums. 

Ich  untersuchte  die  Sensibilität  des  Blutserums,  vom  Ochsen 
und  vom  Schweine.  Zu  diesem  Zwecke  verteilte  ich  das  Serum 
in  Mengen  von  je  1  ccm  pro  Röhrchen  und  brachte  es  zur  Er- 
starrung ^/2  Stunde  lang  in  ein  Wasserbad  von  70®.  Nachdem 
die  obere  Grenze  des  Serums  angezeichnet  war,   gofs  ich  1  ccm 


1)  Beiträge  zar  Kenntnis  des  Blatfaseratoffes. 

2)  Natriamchlorid  bei  der  Lösnng  von  Fibrin.    Jahresber.  d.  Tierchemie, 
XVm,  76,  1888. 

3)  LöslicheB  Albumin   durch   die   Spaltung  des  Fibrins.     Compt.  rend., 
27.  Juni  1874. 

4)  Faserstoffgerinnung.    Jahresber.  d.  Tierchemie,  25,  1875. 

5)  Zeitschr.  f.  Biologie,    XXVIQ.      Die   Auflösung   des   Fibrins   durch 
Salze  und  verdünnte  Säuren. 

13* 


196        Studiam  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Ensyme. 

Trypsin  in  der  Verdünnung  von  1 :  1000—2000—3000 — 4000—5000 
in  die  Röhrchen;  nach  10  Tagen  wurde  die  aufgelöste  Serumschicht 
gemessen  und  man  fand  nur  Spuren  einer  Verflüssigung  in 
den  Röhrchen  mit  Trypsin  von  1:1000  und  zwar  ^/g  mm 
und  1  mm. 


C.  Empfindlichkeit  des  verdünnten  Blutserums. 

Da  man,  um  die  Empfindlichkeit  der  Gelatine  zu  steigern, 
dieselbe  in  verschiedenen  Konzentrationen  (8 — 5 — 10%)  zubereiten 
kann,  wollte  ich  sehen,  ob  es  mögUch  wäre,  die  Empfindbarkeit 
des  Serums  und  des  Eiweifses  zu  vermehren,  durch  verschieden- 
gradige  Verdünnungen,  ohne  dafs  sie  ihre  Erstarrungskraft  ein- 
hülsten. 

Yersneh  1. 

Ich  bereitete  verschiedene  VerdQnnungen  von  Serum  und  Eiweifs  in 
Proavetten,  verteilte  sie  in  Röhrchen  and  brachte  diese  sodann  zur  Er- 
starrung 30  Minuten  lang  in  ein  Wasserbad  von  70*  Hierauf  gofs  ich  in 
die  geronnenen  Röhrchen  1  ccm  Trypsin  Merk  zu  1  °/oe  tind  liefs  sie  14  Tage 
lang  bei  30*  stehen.     Das  Resultat  war: 


VerdQnnungen 


Er- 
starrung 


Verflassi- 
gung 


Serum  4  ccm  -\-  Karbol  säurelösg.  1  ccm 

>  3     >      -f-  *  1     > 

>  2     »     +  »  1     > 

>  1     >     +  »  1     > 

1  »  4-  »      1  > 


+ 
+ 
+ 
+ 
+ 


0 
0 
0 
0 
0 


Das  bis  zum  Zweifachen  seines  Volumens  verdünnte 
Serum  gerann  noch,  nahm  aber  nicht  sichtlich  an 
Empfindlichkeit  zu. 

Yersneh  2. 

Ich  wiederholte  dasselbe  Experiment,  indem  ich  das  Serum  mit  Glyserin 
in  den  gleichen  Proportionen  anstatt  mit  Karbolsäurelösung  verdQnnte  und 
erhielt  das  folgende  Resultat: 

Resultat:  Keines  der  Röhrchen  gerann  nachdem 
sie  in  das  Wasserbad  gebracht  worden  waren.  Das  Gly- 
zerin ist  also  nicht  geeignet  zu  diesem  Zwecke. 


Von  Prof.  Cliudio  Permi.  197 

D.  Empfindlichkeit  des  Eiweifses. 

Da  das  geronnene  Eiweifs  bedeutend  empfindlicher  ist  dem 
Trypsin  als  dem  Fibrin  gegenüber,  so  verglich  ich  mit  bedeutend 
konzentrierteren  Trypsinlösungen  und  zwar  zu  1:5000 — 1:4000 — 
1 :  3000—1 :  2000—1 :  1000. 

In  diesem  Zwecke  legte  ich  in  eine  jede  dieser  Prouvetten, 
welche  5  ccm  benannter  Lösung  enthielten ,  einen  Würfel  von 
geronnenem  Eiweifs,  der  5  mm  pro  Seite  mafs,  sowie  ein  vier- 
eckiges Stück,  dessen  Seiten  5  mm  und  die  Höhe  nur  1  mm 
mafsen  und  brachte  die  Proben  in  eine  Temperatur  von  30  ^ 
Selbst  nach  15  Tagen  erzielte  ich  ein  fast  vollständig  negatives 
oder  unregelmäfsiges  Resultat,  denn  während  in  fast  allen  Proben 
die  Würfel  sich  vollständig  unversehrt  erhalten  hatten,  war  das 
dünnere  Stück  aufgelöst,  doch  konnte  man  dem  keinen  Wert 
zuschreiben,  da  die  Auflösung  in  unregelmäfsiger  Weise  vor  sich 
ging  ohne  zu  einem  Schlufs  zu  führen ;  so  hatte  man  z.  B.  eine 
Auflösung  bei  1:2000,  während  sie  ausblieb  bei  1:1000  und 
1:600. 

Man  kann  deswegen  hieraus  schlielsen,  dafs  das  Eiweifs,  auch 
angenommen,  dafs  es  dem  Trypsin  gegenüber  in  der  Lösung  von 
1:500  empfindlich  sei,  ungefähr  2800mal  schwächer  wirkt  als  die 
Gelatine,  deren  Empfindlichkeit,  wie  wir  gesehen  haben,  bis  auf 
1:1400000  kommen  kann. 

E.  Empfindlichkeit  des  Kaseins. 

Ich  vollzog  dieses  Experiment  in  derselben  Weise  wie  die 
vorigen,  indem  ich  die  Eiweifswürfel  und  Stückchen  durch  Würfel 
und  Parallelepipedons  von  Schweizerkäse  ersetzte,  der  infolge 
früher  von  mir  vorgenommener  Versuche  sich  als  für  ähnliche 
Versuche  als  am  geeignetesten  gezeigt  hatte,  da  er  sich  am 
leichtesten  zerschneiden  läfst  und  sich  nicht  in  einer  unwirksamen 
Flüssigkeit  (Wasser)  auflöst,  wie  das  bei  dem  Fontinakäse  ge- 
schieht, während  er  dem  Trypsin  und  dem  Pepsin  gegenüber 
einer  der  empfindlichsten  ist. 


198         Stadinm  der  proteoljrtischen  and  gelatinolytischen  Enzyme 

Resultat:  Die  Prouvetten  wurden  alle  5  Tage  unter- 
sucht, und  ich  konnte  feststellen,  wie  dies  auch  beim 
Eiweifs  der  Fall  war,  dafs  die  Auflösung  einiger  der 
dünneren  Stücke  unvollständig  vor  sich  ging  bei  einer 
Lösung  von  1:5000  bis  1:2000,  dafs  die  Auflösung  nur 
vollständig  wurde  in  jener  von  1  :  1000. 

Demnach  ist  hieraus  zu  schliefsen,  dafs  die  Empfind- 
lichkeit des  versuchten  Kaseins  ungefähr  1400  mal  ge- 
ringer ist  als  jene  der  Gelatine. 

Ich  wiederholte  den  Versuch  mit  Ricotta  (Molkenkäse),  und 
sah,  dafs  dieser  bedeutend  empfindlicher  ist  als  der  Schweizer- 
käse, und  zwar  so,  dafs  er  sich  auch  in  einer  Trypsinlösunp 
von  ungefähr  1 :  5000  auflöst.  Demnach  wäre  die  Ricotta 
280 mal  weniger  empfindlich  als  Gelatine. 

F.  Empfindlichkeit  der  Muskeln. 

Ich  wiederholte  den  Versuch  mit  Muskelstückchen  von  gleicher 
Gröfse  als  jene,  die  ich  für  das  Eiweifs  anwandte.  Noch  nach 
4  Tagen  waren  die  Muskelstückchen  unversehrt;  die 
Empfindlichkeit  der  Muskeln  dem  versuchten  Trypsin 
gegenüber  ist  also  geringer  bei  1  :  1000. 

G.  Emi)findlichkeit  der  Mischung  verschiedener 

Albuminate. 

Ebenfalls  wollte  ich  sehen,  ob  beim  Mischen  verschiedener 
Albuminate,  z.  B.  Serum  mit  Eiweifsserum  -)-  Gelatine  zu  20%, 
in  verschiedenen  Proportionen,  sich  die  Erstarrungsfähigkeit  dieser 
Mischungen  bei  der  Hitze  erhalte  und  ob  ihre  Empfindlichkeit 
den  proteolytischen  Enzymen  (Trypsin)  gegenüber  zu-  oder  ab- 
nehme. 

Yersneh  1. 

Ich  mischte  verschiedene  Proportionen  der  drei  oben  genannten  Eiweils- 
stoffe  in  Pronvetten,  verteilte  die  Mischung  in  Röhrchen  in  Mengen  von  je 
1  com,  unterHachte  dann  die  Erstarrang  in  der  Wärme  und  ihre  Empfindlich- 
keit den  Enzymen  gegenüber,  indem  ich  in  die  Röhrchen,  in  denen  die 
Erstarrung  stattgefunden  hatte,  1  com  Trypsin  Merk  zu  1  ^/^  tat  und  brachte 
sie  in  eine  Temperatur  von  30^. 


!\ 


Von  Prof.  Claudio  Fermi. 


Nach  4  Tagen  erhielt  ich  folgendes  Resnltat : 


199 


Er- 

Verflüssi- 

starrang 

gung 

EiweiÜB  p.   1  ccm  -f-  Semm  p.  4  ccm 

+ 

0 

y          >l>-j-          >         >3> 

+ 

0 

y          ,     1      ,      -|_          >        >     2      > 

+ 

0 

>          »1>-|-          >         >1> 

+ 

Versneh  2. 

Der  Versach  wurde  wiederholt,  indem  ich  Serum  mit  Oelatine  mischte ; 
das  Resultat  war: 


Er- 

Verflüssi- 

starrung 

gung 

Serum  4  ccm  -{~  Gelatine  0,5  ccm 

+ 

0 

>      3     >     +          >        0,5     » 

+ 

0 

>      2     >     +          >        0,5     > 

+ 

0 

>      1     >     +          >        0,5     . 

+ 

0 

Resultat:  Diese  beiden  Experimente  zeigen,  dals 
die  Mischungen  von  Serum  und  Eiweils  (auch  von  1:4), 
von  Serum  und  Gelatine  (1 :  1^/2)  noch  regelmäfsig  er- 
starrten, aber  dafs  die  Empfindlichkeit  den  Enzymen 
gegenüber  nicht  zunimmt. 

Vergleichende   Tabelle   der  Empfindlichkeit   der  verschiedenen 
Beagentien  älterer  und  neuerer  Methoden  den  proteolytisohen 

Enz3nnen  gegenüber. 

Die  folgende  Tabelle  gibt  die  ungefähre  Maximalgrenze  der  Emp- 
ßndhchkeit  der  verschiedenen  Methoden  und  Verfahren  bei  den 
Untersuchungen  des  Trypsins  an. 


Reagentien 

Empfindlichkeit 

Superioritftt  der 
Gelatine  von 

1.  Gelatine  2— 3Vo,  Natron  2%: 

a)  Röhrchenmethode 

b)  Methode  der  flüssigen  Gelatine    .     . 

c)  Methode  der  Extraktion  mittels  Fibrin 

2.  Ochsenfibrin 

1 : 1 400  000 
1:1000000 
1:200000 

1:8000 

120  mal 

200        Stndium  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 


Saperiorität  der 
Gelatine  von 


Reagentien  "  Empfindlichkeit 

3.  Ochsenserum  mit  Ammoniak    ....  1 :  5000 

4.  EiweiTs  mit  Ammoniak 1 :  800 

f).  Kasein 1:1000—5000 

6.  Ochsenserum  (einfach) 1 :  1000 

7.  Ochsenseram  verdünnt 1 :  1000 

8.  Serumgelatine 1 :  1000 

9.  Kaninchenmußkel 1 :  1000 

10.  Eiweifs 1 :  500 

11.  Mischung  von  Serum  und  Eiweifs     .    .  1  :  500—800       2800— 1750 mal 


280  mal 
1750     y 
1400—280  mal 
1400  mal 
1400     > 
1400     > 
1400     » 
2800     > 


Zusammenfassung. 

1.  Mit  der  Methode  der  festen  Gelatineröhrchen 
kann  die  Empfindlichkeit  der  Gelatine  bis  1:1400000 
gelangen,  mit  jener  der  flüssigen  Gelatineröhrchen  bis 
1:1000000,  während  sie  mittels  der  Extraktionsmethode, 
mittels  Fibrin  und  mittels  der  Gelatineplattenmethode 
ein  Maximum  von  1:200000  erreichen  kann. 

2.  Die  Empfindlichkeit  der  so  zubereiteten  Gelatine 
übertrifft  120mal  jene  des  Ochsenfibrins,  280mal  jene  des 
Ochsenserums  mit  Ammoniak  (NH»  20o/o);  280— 1400mal 
jene  des  Kaseins  (je  nach  der  Sorte)  1400mal  das  Ochsen- 
serum und  die  Muskeln  (von  Kaninchen)  und  endlich 
2800mal  das  geronnene  Eiweifs.^) 

3.  Das  Fibrin  übertrifft  ungefähr  2mal  das  Blutserum 
des  Ochsen,  mit  Ammoniak  (NH^  20%);  2 — 14  mal  das 
Kasein,  (je  nach  der  Sorte);  14mal  die  Muskeln  von 
Kaninchen  und  24  mal  das  Eiweifs. 

4.  Das  versuchte  Kasein  (je  nach  der  Sorte)  erwies 
sich  als  1 — 7  mal  geringer  als  das  Ammoniakserum,  und 
gleich  bzw.  4  mal  besser  als  das  einfache  oder  verdünnte 
Ochsenblutserum,  die  Serumgelatine  und  die  Muskeln 
und  1 — 9  mal  besser  als  das  einfache  Eiweifs. 


1)  Das  geronnene  EiereiweiXs  (Me tische  Methode)  ist  daher  mm  Nach- 
weis des  Trypsins  nicht  zu  empfehlen. 


Von  Prof.  Claudio  Fermi.  201 

5.  Das  Ochsenserum  mit  Ammoniak  zeigte  sich  7  mal 
besser  als  das  einfache  oder  verdünnte  Ochsenserum,  die 
Serumgelatine  und  die  Kaninchenmuskeln,  und  ungefähr 
15mal  besser  als  das  Eiweifs,  einfach  oder  mit  Blutserum 
vermischt. 

6.  Die  Verdünnungdes  Serums  oder  des  Eiweifses  ver- 
mehrt die  Empfindbarkeit  den  Enzymen  gegenüber  nicht, 
wie  dies  hingegen  bei  der  Gelatine  sich  zeigt. 

VIII.  Über  die  Möglichkeit  der  quantitativen  Bestimmung  der 

proteolytischen  Enzyme. 

Da  die  Gelatine  ein  so  empfindliches  und  sicheres  Reagens 
ist,  um  die  Anwesenheit  eines  Enzyms  zu  beweisen,  könnte  man 
glauben,  dafs  sie  auch  zu  einer  quantitativen  Bestimmung  dienen 
könnte.  Doch  ist  dies,  wie  wir  sehen  werden,  nicht  der  Fall. 
Eine  wirkliche  quantitative  Bestimmung  ist  gegenwärtig  noch 
unmöglich. 

Das  einzige,  was  man  erreichen  könnte,  wäre  eine  quanti- 
tative Bestimmung  der  gelatinolytischen  Wirkung  einer  enzym- 
haltigen  Flüssigkeit  im  Verhältnis  zu  jener  eines  bekannten 
Enzymes,  wie  z.  B.  eines  bestimmten  Trypsinpräparates. 

Solange  wir  nicht  imstande  sind,  die  Schwächung  zu 
kennen,  welcher  die  Enzyme  ausgesetzt  sind,  können  wir  von 
keiner  Methode  in  bezug  auf  die  quantitative  Bestimmung  der- 
selben reden. 

An  welche  Methode  könnten  wir  in  der  Tat  denken,  um 
quantitativ  ein  proteolytisches  Enzym  nachzuweisen? 

Es  würden  deren  nur  zwei  sein :  die  erste  wäre,  das  Ferment 
aus  der  Flüssigkeit  zu  präzipitieren,  die  dasselbe  enthält,  es  zu 
isolieren  und  dann  zu  wiegen. 

Doch  sind  wir  noch  nicht  in  der  Lage,  die  Fermente  voll- 
ständig zu  isolieren,  und  wenn  dies  auch  möglich  wäre,  so 
würden  die  unausbleiblichen  Verluste,  die  den  langen  Opera- 
tionen folgen,  die  Resultate  fast  allen  Wertes  berauben. 

Die  zweite  Methode  wäre,  die  Aktivität  einer  gegebenen 
gelatinolytischen  Flüssigkeit  auszudrücken,  indem  man  sich  auf 


202         Stadinm  der  proteolytischen  und  gelatinolytischen  Enzyme. 

die  der  Lösung  eines  bekannten  Enzvmes  bezieht,  z.  B.  eines 
gegebenen  Trypsinpräparates.  Man  müfste  hierzu  eine  Tabelle 
herstellen,  welche  die  Quantitäten  oder  die  in  einer  bestimmten 
Zeit,  in  einer  bestimmten  Temperatur  durch  eine  gegebene 
Quantität  einer  Reihe  von  Lösungen  der  obengenannten  Enzyme 
aufgelösten  Gelatineschichten  darstellen.  Will  man  die  Wirkung 
einer  gegebenen  gelatinolytischen  Flüssigkeit  feststellen,  so 
müfste  man  denselben  Versuch  mit  derselben  wiederholen  und 
so  könnte  man  sagen :  die  gegebene  Flüssigkeit  hat  eine  Aktivität, 
die  der  der  Trjrpsinlösung  gleich  ist,    z.  B.  zu  1:10000  etc. 

Diese  Methode  wäre  einfach  und  sicher,  wenn  man  mit  sehr 
reinen  Enzymen  arbeiten  oder  wenn  man  quantitativ  und  quali- 
tativ die  Unreinlichkeit  der  verschiedenen  Präparate  kennen 
könnte,  also  ihren  Inhalt  an  einem  reinen  Enzyme.  Leider 
können  MÖr  aber  nur  mit  Mischungen  von  qualitativ  und  quan- 
titativ unbekannten  Substanzen  arbeiten.  Es  ist  daher  unmöglich, 
in  Rede  stehende  Trypsiulösungen  von  einer  genauen,  bestimmten 
Konzentration  bereiten  zu  können. 

Der  Wechsel  der  Aktivität  des  Trypsins  von  Tier  zu  Tier, 
vom  Individuum  zu  Individuum,  von  Präparat  zu  Präparat  trägt 
noch  dazu  bei,  die  Schwierigkeiten  der  Frage  zu  vermehren. 

Infolgedessen  ist  es  nicht  möglich  von  einer  genauen  Methode 
in  bezug  auf  die  quantitative  Bestimmung  der  proteolytischen 
Enzyme  zu  reden.  Wir  müssen  uns  mit  der  ungefähren  Be- 
stimmung der  proteolytischen  Wirkung  einer  gewissen  Quantität 
einer  Enzym  enthaltenden  Flüssigkeit  mit  der  eines  bekannten 
Enzyms  verglichen,  begnügen. 

Beschreibung  der  Methode. 

Vor  allem  ist  es  notwendig,  eine  Tabelle  zusammenzustellen, 
auf  welcher  man  sehen  kann,  wieviel  Millimeter  Gelatine  (Gelatine 
f) — 10%)  in  Röhrchen  von  5 — 6  mm  Durchmesser  von  einer  be- 
stimmten Quantität  der  verschiedenen  gelatinolytischen  Enzyme 
in  einer  gegebenen  Zeit  (2 — 5  Tage)  aufgelöst  werden  können. 
Will  man  nun  ungefähr  die  gelatinolytische  Tätigkeit  einer  ge- 
gebenen Flüssigkeit  wissen,  so  hat  man  nur  1  ccm  derselben  in 


Von  Prof.  Glaadio  Fermi. 


203 


ein  Röhrchen  von  gleichem  Durchmesser  zu  giefsen,  nach  einer 
bestimmten  Zeit  die  aufgelöste  Gelatineschicht  zu  messen  und 
dann  zu  sehen,  welche  Lösung  auf  der  Tabelle  der  Zahl  der  gefun- 
denen Millimeter  entspricht. 

Als  Beispiel  solcher  Tabelle  dienen  folgende: 

Yersneh  1. 

Man  bereitete  TrypsinlOsangen  von  1 :  1000,  1 :  2000,  1  :  4000  und  gofs 
sodann  von  jeder  derselben  5  ccm  in  ein  Röhreben;  von  jeder  Lösung 
wurden  iwei  Proben  gemacht  Nach  8  Tagen  wurde  die  aufgelöste  Gelatine- 
schiebt  gemessen  und  es  ergab  sich  folgendes  Resultat: 

Trypsinlösung      Nach  8  Tagen 

mm 


Trypsinlösung 

Nach  8  Tagen 

1:500 

(  10  mm 
i  10    » 

1:1000 

6    > 

6     > 

1:2000 

4,5» 
4,5» 

1:4000 


1:8000 


1:16000 


I 


3 
8 

2,5 
2,5 


Resultat:    Wie  man  sieht,   entsprechen   sich    die   beiden 
Proben  in  befriedigender  Weise. 

Yersneh  2. 

Ein  anderer  Versuch  einer  solchen  Tabelle  wäre: 

Trypsinlösung        Nach  8  Tagen  Nach  16  Tagen 

11  20 

8  15 

4  8 

2  4. 


1:1000 
1:2000 
1:5000 
1  :  10000 


Yersneh  3. 

In  Röhrchen  von  6  mm  Durchmesser,  welche  1  ccm  Gelatine  zu  5  ^/^ 
enthielten,  gofs  ich  1  ccm  von  den  verschiedenen  Trypsinlösungen  und  mafs 
dann  von  Zeit  zn  Zeit  die  aufgelöste  Gelatineschicht. 

Die  Resultate  befinden  sich  in  nachstehender  Tabelle. 


Merksche 

Schicht  der  aufgelösten  Gelatine  nach 

Trypsinlösg. 

4T(r. 

8  Tjj. 

12TJJ. 

21  Tg. 

25  Tg.  27  Tg.  30  Tg. 

35  Tg. 

40  Tg. 

1:    5000 

7,5 

10          14 

17,5 

20 

38 

40 

41 

43 

6000 

6,5 

9,5  :     12,5 

17,5 

19 

28         37 

39 

84,5 

7  667 

6 

9          11.5 

16,5       18 

27     ' 

30.5      32 

33,5 

11000 

5 

8          10 

14,5 

16 

22 

29         30 

36.5 

:  11 526 

4,5 

7 

9 

14 

15 

21,5 

28 

29 

82,5 

204         Studium  der  proteolytischen  und  gelatinoly tischen  Enzyme. 


Merksche 

Schicht  der  aufgelösten 

Gelatine  nach 

TrypsinlOsg. 

4Tk. 

8  Tg. 

12  Tg. 

21  Tg. 

25  Tg. 

27  Tg. ' 

30  Tg. 

35Tsr. 

'40Tg. 

1:12111     ! 

;    4 

6,5 

8,5 

12,5 

13,5 

19,5  i 

22 

21^ 

25,5 

:  12  765    ' 

4 

6,3 

8 

11,5 

12,5 

^^    i 

20 

22 

23.5 

.13  500 

4 

6,2 

8 

11,5 

12,5 

18    ' 

19,5 

21 

22 

14338 

8.6 

6 

7,5 

11 

12,5 

17 

19 

20,5 

21 

;  15  286 



5,5 

7,2 

10,5 

12 

16 

18 

19 

19,5 

16  384 

3,25 

5 

7 

10 

10 

15 

17.5 

18 

19 

17  667 

3,15 

5 

7 

10 

10 

14 

16,5 

17 

19 

19182 

2,75 

4 

— 

8 

9 

1 
14 

15,5 

16,5 

18.5 

21000 

2,5 

4 

6,5 

8 

8 

13 

15 

16 

17,5 

23222 

2,5 

4 

6,25 

8 

8 

12    ! 

14.5 

15,6 

17 

26000 

2,2 

3 

5,25 

7 

7,5 

12     , 

14 

15 

17 

29571 

2 

3 

4.5 

6 

7,6 

12 

14 

15 

17 

34338 

2 

3 

4 

6 

7,5 

11,5 

13,5 

15 

16,5 

.41000 

1 

1,25 

3 

4 

6 

7,5 

11 

13 

15 

16 

Resultat:  1.  Auch  dieser  Versuch  beweist  die  Möglichkeit, 
eine  Tabelle  zusammenzustellen,  welche  die  Wirkungsgröfsen 
der  verschiedenen  Trypsinlösungen  enthält,  auf  der  man  den 
Energiegrad  der  Lösung  eines  anderen  Enzymes  vergleichen  und 
ausdrücken  kann. 

2.  Auch  aus  dieser  Tabelle  geht  hervor,  wie  der  Verlauf 
der  Gelatinefluidifikation  mittels  Trypsin  mit  einer  gewissen 
Regelmäfsigkeit  vor  sich  gegangen  ist,  sowohl  in  bezug  auf  die 
verschiedenen  Verdünnungen  als  auch  in  bezug  auf  die  Dauer 
der  Tätigkeit. 

3.  Nicht  weniger  interessant  ist  die  Tatsache,  dafs  die 
Fluidifikation  auch  Monate  hindurch  fortdauert,  ohne  dafs  die 
Erneuerung  des  Eontaktes  bewirkt  wird,  was  Duclaux  für  not- 
wendig hielt. 

Bei  Anwendung  dieser  Methode  wäre  es  nötig: 

1.  Röhrchen  vom  gleichen  Kaliber  zu  benutzen,  die  zur 
selben  Zeit  mit  derselben  Gelatinelösung  gefüllt  und  die  zu- 
sammen unter  gleichen  Bedingungen  erhalten  werden. 

2.  Stets  untereinander  gleiche  Quantitäten  der  Lösungen  zu 
vergleichen. 


Von  Prot  Claudio  Fermi  205 

3.  Die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  vor  dem  Experiment 
zu  filtrieren. 

4.  Den  Proben  stets  die  gleiche  Quantität  derselben  Anti- 
septika und  nötigenfalls  die  gleiche  Quantität  färbende  oder 
präzipitierende  Substanz  (Kohle  etc.)  hinzuzufügen. 

5.  Die  Proben  immer  bei  gleicher  Temperatur  zu  halten. 

6.  Die  Proben  nicht  zu  schütteln  oder  in  gleicher  Weise 
und  bei  gleicher  Dauer  zu  schütteln. 

7.  Für  jede  Probe  bereite  ich  gewöhnlich  3 — 5  Röhrchen 
und  ziehe  das  Endresultat  aus  dem  Mittel  der  3  oder  5  partiellen 
Resultate.  Ein  einziges  Röhrchen  für  jede  Probe  kann  oft  zu 
unbrauchbare  Ergebnisse  führen. 


:T^r    ÄCCartil    ^tfc>f  "^gtim 


Uf  x«c.     .3Lr' 


biföeiminf  rir   tu*  H^xtsitt    jt   aar   jfiasi    Tf°r    ^anip^t'nt*    ^ 
:»rr  iÄ'rt  V  t:     iiar    mir.   zrintETn?'.:    mr    11«??»*^     -r^^fsisOMiiL   i»!- 


Li^iijsä«»*!   :«iiHr  mr   ••*=<:nii:5±!ijiiär    ins    lant  i 

F^üllif^HIl    iLlIiH!:il4ir    L3-:»rT!I&"        -tS^SHS^ia.      HlHIlliS      ^ 

Äiiüitü    T^u    L-^JiZLiZi      yiJfiJiurL       ^li-T^ti.     ^-ta.":!.-** 

Thrrr'gg-     ^th      Häs«!     J   ESCaJäS.     riOTTai      iiliis^aSC  gOTg^lUg* 


über  die  Feacbtigkeit  Tenchied.  Maaenurten.  Von  Bioeardo  BimnchinL     207 

Temperatarverhfiltnissen  (Lehmann,  Nulsbaum)  sowie  in  Be- 
ziehung zu  verschiedener  Aussetzung  und  verschiedener  Höhe 
vom  Erdboden  (Gläfsgen)  oder  in  ganz  besonderen  klimato- 
logischen  Verhältnissen  (Bentier)  gestaltet.  Alle  diese  Forscher 
zogen  jedoch  die  Mauer  nur  ganz  im  allgemeinen  in  Betracht, 
ohne  bei  ihren  Untersuchungen  auch  Rücksicht  auf  die  ver- 
schiedenen Materialien  der  Mauer  selbst  zu  nehmen. 

Von  der  Überzeugung  ausgehend,  dafs  eine  Untersuchung, 
die  es  sich  zum  Ziele  setzt,  die  Austrocknung  nicht  gleichartig 
beschaffener  Mauermassen  in  mögUchst  gleichen  Raum-,  Zeit-  und 
Stärkeverhältnissen  und  in  möglichst  gleichen  Beziehungen  zu 
den  äufseren  Ursachen  einem  eingehenden  Studium  zu  unter- 
werfen, ein  nicht  unbedeutendes  Interesse  haben  kann,  liefs  ich 
in  einem  im  KeHergeschoCs  des  Hygienischen  Instituts  von  Turin 
gelegenen  Zimmer  vier  m  2X2X0,6  =  m  '  2,40  messende 
Mauern  erbauen.  Der  Boden  des  Zimmers  war  vollständig  mit 
Asphalt  belegt  und  dieser  letztere  in  gutem  Zustande.  Die  Tempe- 
ratur hielt  sich,  wie  ich  während  der  langen,  den  Untersuchungen 
gewidmeten  Beobachtungszeit  zu  konstatieren  Gelegenheit  hatte, 
sowohl  infolge  der  Lage  des  Zimmers  wie  auch  infolge  der 
Dicke  der  Umfassungsmauern  in  den  verschiedenen  Jahreszeiten 
ungefähr  auf  derselben  Höhe.  Da  das  Zimmer  überdies  fast 
stets  geschlossen  blieb,  wies  auch  der  hygrometrische  Stand  des- 
selben nur  äufserst  geringe  Schwankungen  auf. 

Unter  solchen  Verhältnissen  konnten  also  die  Mauern  weder 
Wasser  aufsaugen  noch  solches  an  den  Boden  abgeben.  Sie 
konnten  also  in  dieser  Weise  als  herausgeschnittene  Mauerblöcke 
der  Hauptmauer  einer  gewöhnlichen  Fabrik  gelten. 

Die  vier  Mauern  bestanden  aus  Backsteinen,  Steinmasse  mit 
Backsteinbändem,  gelochten  Backsteinen  und  Beton.  Die  aus 
Backsteinen  bestehenden  Mauern  waren  mit  gutem  Mörtel  er- 
baut worden,  der  sorgfältigst  mit  Kalk,  Sand  und  Wasser 
erhalten  worden  war,  und  dessen  Proportionen  für  alle  Mauern 
dieselben  waren.  Die  verwendeten  Backsteine  waren  guter  Qualität, 
wohl  gebrannt  und  vor  Verwendung  stets  bis  zur  Aufnahme- 
verweigerung  gebadet.     Für   die    gemischte  Mauer   diente    eine 


208  Über  die  Feuchtigkeit  verschiedener  Mauerarten. 

Steinmasse  aus  Gneis,  der  zuerst  getrocknet  worden  war,  um 
jedem  möglichen  Einflüsse  des  Steinbruchwassers  auf  die  Ver- 
suchsbestiramungen  aus  dem  Wege  zu  gehen. 

Die  Mauern  wurden  nicht  beworfen,  sondern  blofs  gelassen, 
damit  ich  mir  ein  Urteil  bilden  konnte,  wie  sich  eine  der  Luft 
ausgesetzte  Mauer  verhält  ohne  den  Bewurf,  welcher  die  Be- 
dingungen des  Versuchs  geändert  hätte.  In  Bezug  auf  die 
andern  Versuchsbedingungen  war  ich  bestrebt,  jede  störende 
Ursache  auf  ihr  Minimum  zu  reduzieren,  oder,  soweit  es  möglich 
war,  ganz  auszuscheiden. 

Alle  15  Tage  nahm  ich  aus  den  Mauern  eine  Probe  ab, 
wobei  ich  darauf  bedacht  war,  dies  bei  allen  vier  Mauern  nicht 
nur  am  selben  Tage,  sondern  möglichst  auch  in  derselben  Stunde 
vorzunehmen,  damit  das  Versuchsbild  wirklich  als  ein  in  gleichen 
Raumverhältnissen  gewonnenes  gelten  konnte. 

Zur  Bestimmung  der  Feuchtigkeit  der  Mauern  bediente  ich 
mich  der  Methode  Pagliani^),  die  mich  stets  zu  guten  und  ge- 
nauen Ergebnissen  führte.  Diese  Methode  empfiehlt  sich  be- 
sonders durch  ihre  leichte  Technik  und  die  Einfachheit  der  ver- 
schiedenen Operationen.  Mufste  ich  Hydratwasser  bestimmen, 
so  nahm  ich  die  Methode  Gläfsgen  zu  Hilfe.    Nur  erhitzte  ich 

1)  Nachstehend  die  Methode  Paglianis:  Es  wird  eine  20  —  30  jt 
wiegende  Probe  auf  ein  Soxhletsches  Filter  gegeben,  das  in  einem  passen- 
den Filtriergefäfs  ruht  und  zuvor  mit  ihm  gewogen  wird.  Hierauf  wird  das 
Gewicht  des  Filters,  den  Filtriergefäfses  und  des  aufgenommenen  Materials 
festgestellt,  um  aus  dem  Unterschiede  das  genaue  Gewicht  des  aufgenom- 
menen, cum  Versuch  dienenden  Materials  zu  erfahren.  Nun  wird  das 
Material  in  einen  Mörser  gegeben,  eine  bestimmte  Quantität  absoluten 
Alkohols  beigefügt  und  gut  zerrieben,  aber  immer  so,  dafs  das  Material 
unter  Alkohol  verbleibt.  Dann  kommt  das  zerriebene  Material  mit  dem 
Alkohol  in  ein  Fingerhutfilter,  der  Mörser  selbst  wird  vorsichtig  mit  an- 
derem Alkohol  gewaschen  und  auch  dieser  letztere  auf  dasselbe  Filter  ge- 
bracht —  das  dann  auf  einem  passenden  Filterträger  ruht  und  im  unteren 
Teile  einen  Hahn  besitzt  —  und  filtriert.  Sodann  wird  das  Filter  mit  dem 
Backstandsmaterial  in  einen  Exsiccator  gebracht  und  so  lange  dort  belassen, 
bis  der  kleine  Rest  Alkohol,  der  dort  verblieben  sein  kann,  ausgeschieden 
ist.  Schlielslich  wird  ein  letztes  Mal  Filtergef&fs,  Filter  und  Material  gewogen. 
Der  Gtowichtsonterschied ,  der  sich  nun  zwischen  erster  und  zweiter  Ab- 
wAgung  ergiebt,  kann  nur  von  dem  durch  den  Alkohol  hervorgerofenen 
Wasserverlast  des  Materials  herrühren. 


Von  Ing.  Riccardo  Bianchini.  209 

dabei  die  Liebigscbe  £nte  uicbt  über  einer  Gasflamme,  sonderD 
setzte  sie  in  einen  gewöhnlichen  Trockenofen  und  brachte  an 
den  beiden  Enden  der  Ente  je  1  längere  Glasröhre  derart  an, 
dafs  sie  aus  den  Wänden  des  Ofens  hervorstanden. 

Die  aufserhalb  des  Ofens  hervorgerufene  C02-Strömung  wird 
nun*  mit  Hilfe  einer  der  beiden  Röhrchen  mit  dem  Versuchs- 
material in  Verbindung  gebracht,  das  andere  Röhrchen  diente 
zum  Ausflufs.  Nachdem  nun  der  Ofen  erhitzt,  las  ich  die 
Temperatur  an  einem  Thermometer  ab.  Auf  diese  Weise  konnte 
ich  mit  hohen  Temperaturen  arbeiten,  ohne  das  Gefäfs  einem 
Springen  auszusetzen,  was  leicht  vorkommt,  wenn  ihm  die  Flamme 
direkt  zugeleitet  wird.  Damit  dann  während  des  Erkältens  keine 
Feuchtigkeit  von  dem  Versuchsmaterial  aus  dem  Wasserdampf 
der  Luft  eingesaugt  werde,  schlofs  ich  die  Ausflufsröhre  für  CO2 
luftdicht  ab.  Bei  einem  solchen  Vorgehen  konnte  das  Abwiegen 
auch  an  einem  der  nachfolgenden  Tage  vorgenommen  werden, 
ohne  dafs  dadurch  Fehler  entstanden,  was  mir  eine  Reihe  sorg- 
fältigst durchgeführter  Versuche  bewies. 

Die  Versuchsprobe,  auf  die  sich  Fig.  I  bezieht,  wurden  stets 
in  einer  Tiefe  von  20  cm,  von  der  Aufsenfläche  der  Mauer  ab- 
gerechnet, herausgenommen.  Über  die  Wahl  gerade  dieser  Tiefe 
werde  ich  mich  in  einem  andern  Teil  dieser  Arbeit  näher  aus- 
lassen. 

Da  aber  infolge  der  zu  grofsen  Tiefe,  in  der  ich  arbeiten  muTste, 
zur  Herausnahme  dieser  Proben  der  Tursinische  Mauerbohrer 
seine  Dienste  versagte,  verwendete  ich  einen  röhrenförmigen 
Meifsel  aus  härtestem  Stahle.  An  einem  Ende  ist  der  Diameter 
besagter  Röhre  auf  einer  Länge  von  10  cm  bedeutend  geringer, 
sie  selbst  läuft  in  einen  äufserst  scharfen  Rand  aus. 

Ein  volles  Stäbchen  aus  weichem  Eisen  mit  ringförmigem 
Schnitt  und  einem  Aufsendurchmesser,  der  dem  Lmendurch- 
messer  des  engeren  Teiles  der  Röhre  gleichkommt,  konnte  in 
letzterer  mit  leichter  Reibung  laufen.  Hatte  ich  sodann  mit 
einem  gewöhnUchen  Meifsel  die  vorerwähnte  Tiefe  fast  herge- 
stellt, so  führte  ich  an  seiner  Stelle  den  ringförmigen  Meilsel 
ein  und  liefs  ihn  dann  mit  einigen  Hammerschlägen  in  die  ge- 

AzchiT  für  Hygiene.    Bd.  LV.  14 


210  Über  die  feachtigkeit  yerschiedener  Mauerarten. 

wünschte  Tiefe  gelangen.  Zog  ich  dann  den  Meifsel  zurück,  so  ent> 
hielt  dieser  in  seiner  verengten  Innenhöhlung  eine  gewisse 
Quantität  Material,  die  mit  Hilfe  des  Eisenstäbchens  in  das  Filter 
im  B'iltergefäCs  gestolsen  wurde.  Um  äulserst  genau  vorzugehen, 
liefs  ich  jedoch  vor  Eingabe  des  Materials  in  das  Filter  zuerst 
eine  kleine  Quantität  ausfallen,  die  ich  wegwarf,  wonach  somit 
nur  die  Zentralpartien  des  Zylinders  in  das  Filter  gelangten,  da 
ich  überdies  darauf  bedacht  war,  auch  den  mit  dem  Eisenstäb- 
chen in  Berührung  gekommenen  Teil  nicht  zu  verwenden.  So 
kam  also  das  Material  mit  der  Atmosphäre  nicht  in  Berührung, 
und  unterlag  die  darin  enthaltene  EEsO-Quantität  keiner  Ver- 
änderung. 

Tabelle  I.  gibt  die  Ergebnisse  wieder,  die  auf  Grund 
systematischer  Beobachtungen  mit  den  in  vorerwähnter  Weise  alle 
14  Tage  herausgenommenen  Proben  der  4  Mauern  in  2^2  Jahren 
erhalten  wurden. 

Aus  der  Fig.  I  kann  man  also  zu  den  nachfolgenden  Schlüssen 
gelangen: 

I.  Dafs  die  Biegungen  der  Kurven  in  der  ersten  Daseins- 
periode eines  Mauerwerks  viel  ausgeprägter  sind,  und  dafs  dies 
für  alle  Mauertypen  gilt. 

U.  Dafs  die  Feuchtigkeit  des  Raumes  nur  dann  auf  die 
Feuchtigkeit  der  Mauer  einwirkt,  wenn  die  Mauer  eine  gewisse 
Trockenheit  erlangt  hat,  und  auch  dann  nur  auf  die  Oberflächen- 
schicht. 

III.  Dafs  jeder  Mauertypus  auch  bei  gleichen  Raumverhält- 
nissen seine  besondere  minimale  Feuchtigkeit  besitzt,  die  man 
den  eigenen  Feuchtigkeitsgrad  eines  Mauerwerks  nennen 
könnte. 

IV.  Dafs  die  Jahreszeiten  wenig  EinfluTs  auf  den  Trocknungs- 
vorgang einer  Mauer  haben,  wenn  diese  den  Sonnenstrahlen 
entzogen  ist,  wie  dies  bei  meinem  Versuche  der  Fall  war. 

V.  Dafs  unter  den  im  Versuche  benutzten  Mauertypen 
die  Austrocknung  zeitlich  in  nachfolgender  Reihenfolge  vor  sich 
ging:  Zuerst  gelochte  Backsteine,  dann  gemischtes  Mauerwerk, 
gewöhnliches  Mauerwerk  und  zuletzt  Beton. 


Von  Ing.  Siccardo  Bianchinl.  211 

Das  erhaltene  und  io  der  I.  Konklusion  zUBammengefafste 
Ergebnis  Ifttst  sich  leicht  aus  der  bedeutenden  zwischen  Hygro- 
meterstaod  der  Mauermasa«  und  dem  der  Luft  bestehenden 
Differenz  erklären.  Mit  andereu  Worten  trat  da  eine  E^cheiuung 
auf,  die  dem  Wärmeaustausch  zwischen  zwei  Eorpem  gleicht. 

Diese  Erklftnmg  rechtfertigt  auch  das  Ei^ebnis  der 
n.  KonUosion. 

Nicht  ganz  so  einfach  ist  eine  Erklärung  für  die  III.  Eon- 
klasion.    Da  es  sich  bei  meinen  Bestimmungen  immer  um  den 


Dlagmuune  des  FeDekti^keitsTcrlftiih  In  den  Tenehiedeneii  Sehlchten  der 
Tier  TeneUedeaea  Manerart«!!. 


Freiwassei^ebalt  des  Materials  handelte ,  so  läfst  sich  die  Er- 
scheinung wohl  mit  der  gröfseren  oder  geringeren  Adbftaion  er* 
klären,  die  ein  Material  dem  Wasser  gegenüber  besitzt.  Zur 
Bestätigung  dieser  Konklusion  entnahm  ich  dem  Zentralteil  der 
Backsteinbänder  der  Gemischten  Mauer  Proben,  die  mir  genau 
dieselben  Ergebnisse  lieferten  wie  die  Proben  aus  der  vollen 
Backsteinmauer. 

Die  IV.  Konklusion  rechtfertigt  sich  in  einfacher  Weise, 
wenn  man  in  Betracht  zieht,  dafs,  was  ich  schon  eingangs  be- 
merkt habe,  die  Temperatur  im  Versuchsraum  fast  stets  dieselbe 


212  Über  die  Feuchtigkeit  veracbiedener  Mauerarten. 

war.  War  also  die  Wasserdampfquantität  des  Raumes  (haupt- 
sächlich bedingt  durch  die  Mauern)  in  den  verschiedenen  Zeiten 
ganz  oder  fast  konstant  (wie  auf  der  Tafel  die  Kurve  des  Ober- 
flächenhygrometerstandes besagt),  so  konnte  auch  die  Spannungs- 
differenz des  Dampfes  in  den  verschiedenen  Jahreszeiten  nur 
gering  sein. 

Es  konnte  somit  auf  Grund  dessen,  was  ich  schon  in  Kon- 
klusion I  und  II  gesagt  habe,  auch  in  verschiedenen  Jahres- 
zeiten im  besonderen  Fall  der  künstlichen  Bedingungen  meiner 
Versuche,  die  Differenz  zwischen  der  Wasserdampfspannung  des 
Raumes  und  der  der  Mauer  für  fast  oder  ganz  konstant  gehalten 
werden,  und  so  machte  sich  also  der  Verlust  von  H2O  in  der 
Mauer  auch  in  den  warmen  Jahreszeiten  nicht  in  grölserem 
Mafse  fühlbar. 

Diese  Erscheinung  tritt  nun  freilich  nicht  ein,  wenn  eine 
Mauer  den  freien  Luftströmungen  ausgesetzt  ist  oder  noch 
weniger,  wenn  sie  direkt  von  den  Sonnenstrahlen  getroffen  wird. 
Es  soll  jedoch  hier  nicht  aufser  acht  gelassen  werden,  dafs  sich 
unter  den  Verhältnissen  meiner  Versuchsmauern  alle  Innen- 
mauern eines  Gebäudes  befinden,  für  die  der  Einflufs  der  Winde 
oder  der  Sonnenstrahlen  immer  äufserst  gering  und  sicherlich 
sehr  partiell  ist.  Aus  diesem  Grunde  glaube  ich  wohl  behaupten 
zu  dürfen,  dafs  die  erhaltenen  Ergebnisse  von  Bedeutung  sind, 
indem  sie  vor  allem  ein  Urteil  abgeben  über  die  hauptsächlichsten 
Bedingungen  nicht  nur  des  "Mauerteils  einer  Fabrik,  sondern 
auch  über  die  Verhältnisse,  die  den  Forscher  am  meisten  in- 
teressieren, insofern  als  ein  Zimmer  meist  nur  eine  direkt  den 
Sonnenstrahlen  und  den  Winden  ausgesetzte  Wand  hat  und  die 
Wirkung  der  Feuchtigkeit  der  Mauern,  will  man  zu  einem 
praktischen  Ergebnis  gelangen,  stets  in  ihrer  Beziehung  zum 
Zimmer  studiert  werden  mufs. 

Deshalb  glaubte  ich  keinen  Fehler  zu  begehen,  wenn  ich 
die  IV.  Konklusion  auf  Mauern  von  im  Freien  konstruierten 
Gebäuden  ausdehnte. 

In  der  V.  Konklusion  ist  die  Reihenfolge  gegeben,  in  der 
die   verschiedenen  Versuchsmauern  zeitlich  austrockneten.    Pröft 


Von  Ing.  Riccardo  Bianchini.  213 

man  den  Verlauf  der  verschiedenen  Kurven  und  vergleicht  man 
sie  untereinander,  so  wird  man  gewahr,  dafs  die  Betonmauer  im 
Anfange  eine  raschere  Austrocknung  aufweist  als  die  andere, 
während  dann  die  Kurve  nicht  nur  auf  derselben  Höhe  stehen 
bleibt,  sondern  immer  höher  liegt  als  die  der  anderen  Mauern. 
Auf  den  ersten  Augenblick  scheinen  sich  die  beiden  £}rschei- 
nungen  zu  widersprechen,  sind  aber  in  jeder  Weise  gerechtfertigt. 
Tatsächlich  enthält  nun  die  Betonmauer  zu  Anfang  mehr  Wasser 
als  die  andern,  doch  ist  das  Wasser  bei  ihr  gleichmäßiger  ver- 
teilt. Die  Differenz  zwischen  der  Wasserdampfspannung  des 
Raumes  und  der  der  Mauer  ist  gröfser,  der  Austausch  aktiver 
und  die  Kurve  bietet  eine  stärker  ausgesprochene  Biegung.  Über- 
dies tritt  die  Erscheinung  infolge  der  Beschaffenheit  des  Materials 
an  der  Oberfläche  rascher  zutage,  und  es  wird  infolge  der 
Kapillarität  aus  dem  ganzen  homogenen  Block  Wasser  heran- 
gesaugt,  und  so  geht  die  Kurve  unter  die  der  anderen  Mauern. 

Gleichzeitig  aber  bildet  sich  an  der  Oberfläche  durch  Ein- 
wirkung des  CO2  der  Luft  auch  eine  Schicht  Kalziumkarbonat, 
die  die  innere  Feuchtigkeit  nicht  mehr  so  leicht  passieren  läfst, 
und  so  bleibt  die  Kurve,  nachdem  diese  chemische  Wirkung 
zustande  gekommen  ist,  hoch  und  höher  als  die  der  andern.  Ihr 
Niedergang  findet  nur  ganz  langsam  statt.  Der  eigene  Feuchtig- 
keitsgrad dieses  Mauertypus  ist  also  höher  als  der  der  anderen 
Versuchsmauem . 

Demgegenüber  trocknet  die  aus  gelochten  Backsteinen  ge- 
baute Mauer  rascher.  Dieser  leicht  erklärliche  Vorgang  steht  in 
Verbindung  mit  der  gröfseren  Menge  Luft,  die  im  Innern  dieser 
Mauer  zirkuliert,  womit  gleichzeitig  eine  bedeutende  Erhöhung 
der  Verdunstungsoberfläche  einhergeht.  Vergleicht  man  dann  die 
Kurve  der  gemischten  Mauer  mit  der  Kurve  der  nur  aus  Back- 
steinen bestehenden  Mauer,  so  bleibt  noch  Folgendes  zu  be- 
merken übrig.  So  gut  nämlich  auch  die  gemischte  Mauer  gebaut 
sein  mag,  so  wird  sie  doch  immer  eine  gröfsere  Anzahl  leerer 
Räume  zwischen  Material  und  Material  enthalten  als  die  gewöhn- 
liche Fabrikmauer.  Es  ist  also  auch  in  diesem  Falle  eine  gröfsere 
mit  der  Luft  in   Berührung   stehende   Fläche    gegeben    und    so 


214  Über  die  Feachtigkeit  verachiedener  Maaerarten. 

nimmt  dann  auch  die  Trocknung  einen  schnelleren  Verlauf.  Die 
Kurve  bleibt  also  beständig  niedriger  als  die  der  gewöhnlichen 
Fabrikmauer  und  ebenso  steht  es  mit  dem  eigenen  Feuchtigkeits- 
grad. Im  übrigen  wird  bei  Konstruktion  der  gemischten  Mauer 
eine  geringere  Menge  Wassers  verwendet  als  bei  den  andern. 
Es  findet  sich  also  in  ihr  natürlich  stets  weniger  Wasser  als  in 
den  anderen  ähnlichen  Mauerarten,  die  sich  nicht,  wie  die  Mauer 
mit  gelochten  Backsteinen,  in  besonderen  Verhältnissen  befinden. 

Aufser  den  zu  meinen  Untersuchungen  dienenden  und  wie 
vorerwähnt  ausgehobenen  Versuchsproben  entnahm  ich  mit  Hilfe 
genannter  Methoden  jeder  der  vier  Mauern  einige  andere  aus 
verschiedener  Tiefe.  Ich  suchte  damit  vor  allem  festzustellen, 
wie  die  Trocknung  einer  Mauermasse  in  ihren  verschiedenen 
Schichten  stattfindet,  und  dann  das  Gesetz  des  Vorgangs  aufzu- 
stellen und  zu  studieren. 

Natürlich  wurden  auch  diesmal  die  Proben  zur  gleichen 
Zeit  ausgehoben  und  möglichst  auch  unter  gleichen  Verhältnissen, 
und  zwar  an  der  Oberfläche  der  Mauer,  sowie  5,  10,  16,  20  und 
25  cm  tief.  Zur  Vermeidung  jeder  Verschiedenheit  oder  Ver- 
änderung in  den  Versuchsbedingungen  verfuhr  ich  in  folgender 
Weise:  Ich  schabte  die  Mauer  leicht  ab  und  warf  das  Geschähe 
weg.  Ein  zweites  Geschähe  dagegen  brachte  ich  direkt  auf  ein 
Filtergefäls.  Nach  Verschlufs  desselben  erhielt  das  aufgelegte 
Produkt  einen  Buchstaben.  Mit  einem  gewöhnUchen  Meifsel 
brachte  ich  dann  an  derselben  Mauerstelle  ein  3  cm  tiefes  Loch 
an,  das  denselben  Durchmesser  hatte  wie  der  schon  beschrie- 
bene kreisförmige  Meifsel.  Daraufhin  führte  ich  ebendiesen  mit 
einigen  Hammerschlägen  bis  auf  5  cm  Tiefe  und  brachte  das 
betreffende  Material  wie  vorbeschrieben  in  ein  anderes  Filter- 
gefäfs,  das  dann  geschlossen  wurde  und  einen  anderen  Buchstaben 
erhielt. 

Wie  bereits  erwähnt,  lud  ich  in  das  Filtergefäfs  nur  einen 
Teil  des  Materials  ab  und  zwar  den  unteren  Teil  des  im  Zylinder 
steckenden  Materials,  eben  von  der  Ansicht  ausgehend,  dafs  der 


Von  lug.  Biccardo  Biuchlni.   .  215 

obere  Teil  infolge  Berührung  mit  der  Luft  ein  fehlerhaftes  Er- 
gebnis abwerfen  konnte,  und  da  die  geringe  Quantit&t  dea  vor- 
handenen Materials  eine  weitere  Kürzung  nicht  erlaubte.  Auf 
diese  Weise  vorgehend,  war  ich  zam  mindesten  sicher,  die  Probe 
ohne  grobe  Fehler  aufzunehmen.  Der  Gebrauch  des  Meifsela 
erwies  sich  auch  bei  ziemlich  dichten  Mauern  als  sehr  praktisch. 
Das  Herausholen  der  Proben  aus  grofserer  Tiefe  geschah 
immer  in  gleichmAfsiger  systematischer  Weise.  Die  Begel- 
mälBigkeit  der   erhaltenen  Ergebnisse  veraolasaen  mich,    dieses 

IMaffranme  dn  FenehtlrkeltaTerlanfB  la  den  nraehledeneB  SeUehteii 
einer  nnr  mit  Baekstelnea  erbastai  Haser. 


Verfahren  als  nützliches  Supplement  zor  Paghanischen  Methode 
zu  empfehlen.  Dies  um  so  mehr,  als  auch  die  Methode  P^lianis 
alle  nachfolgenden  Operationen  bei  Äuaschlofs  der  Luft  vor> 
nimmt,  wodurch  die  mit  anderen  Metboden  leicht  eintretenden 
Fehler  vermieden  werden. 

Auf  Fig.  2  finden  sich  die  Kurven  des  aus  verschiedenen 
Tiefen  kommenden  Materials  einer  reinen  Backsteinmaner. 

Aus  den  Kurven  ist  ersichtlich: 

1.  Dals  derTrocknnngavoi^ang  in  den  verschiedenen  Schichten 
mit  einer  gewissen  Begelmäfsigkeit  abläuft. 


316  Über  die  Feuchtigkeit  veracbi edener  Mftuerarten. 

2.  Dafs  die  Schicht  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe  deu  Kinflufs 
des  hygrometrischen  Standes  des  Raumes  verspürt. 

3.  Dafs  von  15  cm  Tiefe  an  die  Kurve  ganz  regelma[sig 
ohne  zu  fühlbare  Schwankungen  verläuft,  und  somit  die 
charakteristische  Kurve  der  Mauerfeuchtigkett  genannt 
werden  könnte. 

Bei  einer  mit  Backsteinen  und  Steinmassen  gebauten  Mauer 
verlaufen  die  Kurven,  wie  aus  Fig.  3  ersichtlich,  in  den  oberen 
Schichten  unregelmäfsig,  werden  aber  in  den  tieferen  Schichten 
(15  cm)  regelmäfsiger. 

Mftiramme  des  FenehtlKkeltsrerUittb  In  iltn  Tersehledenen  8«hlvhtrn  einer 
mit  BaekBtclnen  and  StcInmaweB  erbanteB  Haner  (geinlMkt«  Maaer). 


Diese  Erscheinung  findet  ihre  Erklärung,  wenn  man  sich 
vergegenwärtigt,  dafs  die  Mauer  weniger  dicht  ist,  also  der  aus 
dem  Räume  kommende  EinSufs  in  den  oberen  Schichten  stärker 
verspürt  wird,  während  dieser  EinSufe  in  einer  angemessenen 
TSefe  ausfällt.  Man  befindet  sich  da  also  in  einer  Schicht,  in 
der  ein  konstanter  Feuchtigkeitsaustausch  stattfindet. 

Fs  sei  hier  auch  darauf  hingewiesen,  dars  die  Kurven  für 
die  über  10  cm  Tiefe  liegenden  Schichten  zwar  einen  regel- 
mäfsigen  Verlauf  haben,  aber  in  dieser  Mauer  weniger  starke 
Biegungen  bieten  als  in  der  anderu.     Da.«  beweist  nun,  dafs  in 


Von  Ing.  Riccardo  BiaDcliini.  217 

diesem  Kalle  unter  gleichen  VerliältDisaeo  die  Austrockuung  lang- 
äsmer  erfolgte,  was  also  das,  was  ich  über  die  Kurven  der  ver- 
schiedenen in  Prüfung  genommenen  Mauern  im  Vergleich  zu 
einander  aussagte,  bestätigt. 

Auch  bei  diesem  Mauertypus  läge  also  die  charakteristische 
Feucbtigkeitskurve  in  einer  Tiefe  von  ca.  15  cm,  während 
die  Feuchtigkeitskurven  grOfserer  Tiefen  fast  mit  dieser  parallel 
verlaufen,  mit  einer  langsamen  konstanten  Äunäherang,  die  von 
den  Schwankungen  der  Kurven  der  oberen  Schichten    nicht  ge- 

Magramme  des  Fenehtlf  keitsrerlanh  in  den  TeraeUedenen  SeUehten  «Iner 
mit  fewShnllcheii,  ^eloehteii  Baekatelneii  erbanten  Maoer. 


»out«       TII111St7>11135;!)IIi:iS 
J»hrt    10«!- —-    0» Ul  ■ 06 

Tig.  4. 

stOrt  wird.  Diese  Ännftherungserscheinung  hat  meines  Erachtens 
eine  gewisse  Bedeutung,  über  die  ich  sp&terhin  noch  sprechen 
werde. 

Fig.  IV.  gibt  dagegen  die  Kurven,  die  mit  den  aus  einer 
Mauer  von  durchlochten  Backsteinen  gehobenen  Proben  er- 
halten wurden.  Die  Natur  der  Mauer  stellte  in  diesem  Falle 
dem  Ausheben  der  Proben  grOrsere  Schwierigkeiten  entg^en, 
doch  gelang  es  mir  mit  etwas  Ausdauer  mit  dem  vorbeachriebenen 
Meifsel  brauchbare  Proben  auszuheben.  Dieser  Umstand  mufa 
bei  der  Erkl&rung  der  Kurven,  die  nicht  so  regelmäfsig  sind,  in 
Rechnung  gestellt  werden.     Auf  jeden  Fall  kann  man  aber  bei 


218  über  die  Feuchtigkeit  Terachiedener  IlMterarten. 

auhnerkBamer  Beobachtung  zum  Schlüsse  gelangen,  dafs  auch 
bei  dieser  Mauerart  die  Kurven  der  oberen  Schichten  von  dem 
Feuchtigkeitszuatand  des  Raumes  abhängen,  sowie  dafs  man,  bei 
einer  gewissen  Tiefe  angelangt  (20  cm),  diejenige  Schicht  er- 
reicht, welche  die  charakteristische  Feuchtigkeitskurve 
aufweist. 

Man  versteht  sofort  den  Grund,  weshalb  man  erst  bei 
gröfaerer  Tiefe  auf  die  charakteristische  Feuchtigkeits- 
kurve stöfst,  wenn  man  sich  klarlegt,  dafs  bei  dieser  Mauerart 


IS 


infolge  des  zu  ihrem  Bau  verwendeten  Materials,  eine  gi^fsere 
Fläche  in  Berührung  bleibt  mit  dem  Räume,  und  so  der  Feuch- 
tigkeitsaustausch erleichtert  bleibt,  wahrend  aus  demselben  Grunde 
der  regelmäfsige  Ablauf  in  der  Feuchtigkeitsabgabe  in  den  ver- 
schiedenen Schichten  gestört  wird. 

Alle  Kurven  dieser  Mauer  bieten  dann  im  Anfange  staik 
ausgepr&gte  Biegungen,  wonach  der  Radius  stets  gröfser  und  die 
Unie  fast  zu  einer  Geraden  wird.  Der  Grund  hierfür  liegt  in 
dem  grofsen  Anfangsunterachiede  zwischen  Feuchtigkeitsgrad  der 
Mauer  und  des  Raumes  infolge  der  grofsen  von  der  Luft  be- 
rührten   Oberfläche,   wodurch    in    der   ersten    Zeit    ein    äufiaetst 


Von  Ing.  Biccardo  Bianchini.  219 

aktives  Austreten  von  Feuchtigkeit  aus  der  Mauer  zustande- 
kommt. 

Ist  dieser  starke  Unterschied  verringert,  so  fällt  auch  die 
Feuchtigkeitsabgabe,  und  die  Feuchtigkeitsverluste  der  Mauer 
werden  sehr  klein.  Wie  aus  der  Figur  deutlich  hervorgeht, 
ist  auch  in  diesem  Falle  die  Kurve  der  tieferen  Schichten  fast 
parallel  zur  charakteristischen  Feuchtigkeitskurve  der 
Mauer  und  nähert  sich  ihr  langsam. 

Diese  bedeutsame  Erscheinung  besagt,  dafs  auch  diese  Mauer, 
wenn  auch  unter  besonderen  Bedingungen,  sobald  die  anderen 
Verhältnisse  dieselben  sind,  nur  mit  einem  geringen  Tiefenunter- 
schied eine  Schicht  besitzt,  die,  was  die  Austrocknung  der  Mauer 
anbetrifft,  demselben  Gesetze  folgt  wie  die  übrigen  Mauern. 

Unterzieht  man  schliefslich  Fig.  5,  die  die  verschiedenen 
Feuchtigkeitskurven  einer  in  Beton  gebauten  Mauer  wiedergibt, 
einer  genauen  Prüfung,  so  beobachtet  man  1.,  dafs  die  Kurve 
der  bei  5  cm  Tiefe  entnonmienen  Proben  im  Anfang  eine 
stark  ausgeprägte  Biegung  darbietet,  die  dann  ziemlich  rasch 
abnimmt  und  sich  der  Oberflächenfeuchtigkeitskurve  nähert,  mit 
der  sie  sich  fast  parallel  hält,  2.  dafs  die  Kurven  der  tieferen 
Schichten  (15 — 20  cm)  einen  ziemlich  regelmäfsigen  und  unter 
sich  fast  gleichen  Verlauf  haben,  der  jedoch  im  Vergleich  mit 
der  Fundamentallinie  immer  noch  hoch  ist;  3.  dafs  die  Kurven 
der  tiefen  Schichten  vor  allem  eine  grofse  Regelmäfsigkeit  und 
dann  auch  eine  sehr  kleine  Differenz  des  Feuchtigkeitsstandes 
des  zentralen  Mauerkernes  aufweisen,  4.  dafs  die  charakte- 
ristische Feuchtigkeitslinie  der  Mauer  in  diesem  Falle  sich 
in  einer  ca.  10  cm  tiefen  Schicht  befindet. 

Diese  Schlüsse  führen  nun  zu  praktischen  Erörterungen. 
Prüft  man  nämUch  den  ersten,  so  wird  man  gewahr,  dafs  die 
Zementmauer  die  Feuchtigkeit  rasch  in  der  Oberflächenschicht 
verliert,  auf  welche  Weise  also  eine  Art  undurchdringlicher  Hülle 
entsteht,  auch  weil  die  Schicht  sich  rascher  als  in  anderen 
Mauern  in  kohle nsauem  Kalk  umwandelt,  der  das  Entweichen 
der  Feuchtigkeit  vom  Zentralkern  aus  verhindert,  weshalb  also 
auch  die  Kurven    desselben   nicht   nur  einen  gleichen  Verlauf, 


220  Über  die  Feuchtigkeit  verschiedener  Maoerarten. 

sondern  auch  fast  gleiche  Werte  haben.  Überdies  begreift  man, 
dafs  der  Prozentsatz  des  Wassers  des  inneren  Zentralteils  der 
Mauer  bedeutend  sein  mufs. 

Aus  demselben  Grunde  leuchtet  es  ein,  dafs  die  charakte- 
ristische Feuchtigkeitskurve  in  einer  relativ  wenig  tiefen 
Schicht  liegen  mufs.  Wie  aus  dem  Vorhergesagten  hervorgeht, 
mufs  diese  Linie  sich  sofort  an  der  Grenze  der  Mauerwandschicht 
finden,  die  nicht  mehr  direkt  dem  Einflüsse  des  Raumes  unter- 
steht, sondern  seinen  Einfiufs  nur  noch  durch  Reflex  verspürt 
und  zwar  durch  eine  Mauerschicht,  die  schon  einen  fast  kon- 
stanten Feuchtigkeitsaustausch  besitzt. 

Ordnet  man  nun  und  vergleicht  man,  was  ich  in  den  vorigen 
Kapiteln  auseinandergesetzt  habe,  so  kann  man  daran  festhalten, 
dafs  jede  Mauer  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  bezüglich 
des  Wassers,  das  in  ihr  mechanisch  festgehalten  wird,  ein  ganz 
besonderes  stark  ausgeprägtes  Verhalten  an  den  Tag  legt.  Dieser 
Tatsache,  die  als  eine  Zusammenfassung  vieler  oben  untersuchter 
Erscheinungen  angesehen  wird,  mufs  jedoch  stark  Rechnung 
getragen  werden,  wenn,  sei  es  nun  zu  wissenschaftUchen  oder 
praktischen  Zwecken,  Bestimmungen  gemacht  werden  sollen. 
LäTst  man  dieses  Gesetz  aufser  acht,  so  kann  man  derart  in 
grobe  Fehler  verfallen,  dafs  durch  sie  der  Experimentator  zu  voll- 
auf irrtümlichen  Schlüssen  geführt  wird.  Dieser  Fall  könnte 
z.  B.  eintreten,  wenn  man  zur  Berechnung  der  zur  Austrocknung 
einer  Mauer  aus  gelöcherten  Backsteinen  nötigen  Zeit  sich  ein- 
fach des  bei  einer  anderen  Mauerart  erhaltenen  Resultats  be- 
dienen wollte  oder  umgekehrt. 

Wie  verschieden  sind  nicht  die  vielen  Schlüsse,  zu  denen 
bei  Feststellung  des  Feuchtigkeitskoeffizienten  sog.  trockener 
Mauern  nicht  wenige,  als  geschickte  Experimentatoren  bekannte 
Forscher  gelangt  sind? 

In  Abhängigkeit  hiervon  mufs  man  bei  Festsetzung  der  ge- 
statteten Grenze  auch  die  örtlichen  Verhältnisse  in  Rechnung 
ziehen,  denn  es  steht  aufser  Zweifel,  dafs  eine  Mauer  unter 
gleichen  Bedingungen  nicht  nur  von  Ort  zu  Ort  den  ihr  eigenen 


Von  Ing.  Biccardo  BUnchini.  221 

Feuchtigkeitsgrad  verändert,  sondern  auch  an  demselben 
Orte,  je  nachdem  die  Mauer  stärkerer  oder  schwächerer  Be- 
strahlung ausgesetzt  ist,  —  EIrscheinungen,  die  jedenfalls  dem 
mittleren  Feuchtigkeitsgrad,  der  mittleren  Temperatur  der  Luft 
und  vielleicht  auch  der  Stärke  und  der  Richtung  der  herrschenden 
Winde  zuzuschreiben  sind. 

Der  ganze  Vorgang  ist  somit  sehr  verwickelt,  steht  aber 
immer  in  ganz  bestimmter  Beziehung  zu  den  verschiedenen 
Materialien,  die  einen  Mauerkörper  ausmachen.  Es  ist  dies  eine 
für  die  Folgerungen  in  der  Praxis  ganz  bedeutende  Tatsache, 
denn  nur  so  ist  es  möglich,  die  gestellte  Aufgabe  zu  lösen. 

Wie  ich  bei  zahlreichen  Versuchen,  die  mit  schon  erbauten 
Mauern  verschiedenen  Alters  angestellt  worden  waren,  ersehen 
konnte,  ist  dieses  besondere  Verhalten  eng  verknüpft  mit  den 
Eigenschaften,  die  ich  »eigenen  Feuchtigkeitsgrade  und 
»charakteristische  Feuchtigkeitskurvec  der  Mauer  genannt 
habe.  Hat  man  also  eine  dieser  Quantitäten  bestimmt,  so  hat 
man  auch  den  hygroskopischen  Grad  einer  Mauer  festgestellt. 
Diese  beiden  Quantitäten  haben  dann  ihrerseits  eine  gewisse  Be- 
ziehung untereinander,  denn  unter  besonderen  Verhältnissen  kann 
die  Kurve  des  eigenen  Feuchtigkeitsgrades  mit  der  charak- 
teristischen Feuchtigkeitskurve  zusanmienfallen  und  um- 
gekehrt. Im  allgemeinen  mufs  man  die  Kurve  des  eigenen 
Feuchtigkeitsgrades  als  Grenze  (in  mathematischem  Sinne) 
der  charakteristischen  Feuchtigkeitskurve  ansehen.  Mit 
anderen  Worten:  Wenn  die  beiden  Kurven  zusammenfallen,  so 
mufs  die  Mauer  für  vollständig  ausgetrocknet  angesehen  werden. 

In  der  Praxis  hat  man  diesen  Punkt  erreicht,  wenn  die 
charakteristische  Feuchtigkeitskurve  fast  konstante  Ordi- 
naten  schneidet.  Alsdann  hat,  von  ganz  besonderen  künstlichen 
Verhältnissen  abgesehen ,  der  Feuchtigkeitsaustausch  zwischen 
Mauer  und  Raum  aufgehört.  Mit  anderen  Worten  ausgedrückt, 
kann  die  Mauer  im  Verhältnis  zu  dem  sie  umgebenden  Räume  für 
trocken  angesehen  werden,  insofern,  als  sie  keinen  Wasserdampf 
mehr  abgibt. 


222  Über  die  Feuchtigkeit  verschiedener  Hauerarten. 

Wie  wir  bereits  gesehen  haben,  wechselt  der  eigene 
Feuchtigkeitsgrad  je  nach  den  Raumverhältnissen  von  Ort 
zu  Ort.  Da  stellt  sich  nun  von  selbst  die  Frage  ein,  ob  er 
unter  gleichen  Raum  Verhältnissen ,  jedoch  bei  verschiedener 
Stärke  der  Mauer  auch  verschieden  ist.  Für  diese  Frage  besitze 
ich  keine  experimentellen  Belege,  doch  glaube  ich  auf  Grund 
der  in  den  verschiedenen  Tabellen  vermerkten  Ergebnisse  mit 
grofser  an  Sicherheit  grenzender  Wahrscheinlichkeit  behaupten 
zu  können,  dafs  der  eigene  Feuchtigkeitsgrad  auch  dann 
nicht  verschieden  ist,  insofern  als  er  absolut  von  den  Raum- 
verhältnissen abhängen  mufs;  da  auch  die  tiefsten  Kerne  einer 
älteren  Mauer  nicht  mehr  Feuchtigkeit  enthalten  als  diejenige, 
die  sich  in  der  Schicht  der  charakteristischen  Feuchtig- 
keitskurve findet. 

Nur  bei  relativ  dünnen  Mauern  wird  das  Feuchtigkeits- 
gleichgewicht rascher  erreicht,  wie  sich  dies  aus  der  Versuchs- 
reihe mit  der  Mauer  aus  gelochten  Backsteinen  ersehen  läfst, 
die  eben  wegen  der  grofsen  Luftmenge,  welche  mit  ihr  in  Be- 
rührung kommt,  meiner  Ansicht  nach  dieselben  Verhältnisse 
bieten  mufs  wie  eine  relativ  dünne  aber  dichte  Mauer. 

Es  besteht  demnach  zweifellos  eine  enge  und  stete  Beziehung 
zwischen  der  Feuchtigkeit  der  Mauer  und  der  Feuchtigkeit  der 
Atmosphäre.  Solange  man  somit,  auf  jede  andere  Betrachtung 
verzichtend,  nicht  den  eigenen  Feuchtigkeitsgrad  in  der 
Mauer  erreicht  hat,  mufs  man,  will  man  ein  genaues  Urteil 
über  die  Gesundheitsverhältnisse  eines  Hauses  in  Bezug  auf 
Feuchtigkeit  abgeben,  fortfahren,  genaue  Bestimmungen  über 
den  Grad  der  Trockenheit  der  Mauern  vorzunehmen.  Diese 
Bestimmungen  müssen  jedoch  unter  gleichen  Bedingungen  einige 
Male  und  zwar  mit  einem  Abstand  von  verschiedenen  Tagen 
unter  verschiedenen  atmosphärischen  Bedingungen  wiederholt 
werden,  damit  ein  Urteil  gewonnen  werden  kann  über  den  Gang 
der  Mauerfeuchtigkeit.  Denn,  wenn  die  Mauer  trocken  ist,  so 
darf  ihr  Feuchtigkeitszustand  auch  bei  den  verschiedensten 
atmosphärischen  Verhältnissen  keine  bedeutenden  Veränderungen 
erfahren. 


Von  tng.  tticcardo  Bianchini.  223 

Bezüglich  Abnahme  der  Proben  wird  es  immerhin  ratsam 
sein,  bei  dichten  Mauern  dieselben  nicht  unter  15  cm  Tiefe  und 
bei  Mauern  aus  porösem  Material  nicht  unter  20  cm  Tiefe  aus- 
zuheben. In  noch  weiter  nach  oben  hegenden  Schichten  wird 
der  Einfluüs  des  Raumes  noch  stark  empfunden.  Wie  jedoch 
schon  oben  erwähnt,  muls  bei  Herausnahme  der  neuen  Probe  der 
hygrometrische  Stand  des  Baumes  verschieden  sein,  wenn  ein 
brauchbares  Urteil  gewonnen  werden  soll. 

Auf  Grund  der  ausgeführten  Versuche  kam  ich  also  zu 
folgenden  Endschlüssen: 

1.  Die  Beschaffenheit  des  Materials  einer  Mauer  übt  nur 
eine  bestimmte  Zeit  lang  einen  Einfluls  auf  den  Raum 
aus  und  zwar  so  lange,  bis  die  Mauer  den  eigenen 
Feuchtigkeitsgrad  erreicht  hat. 

2.  Will  man  ein  genaues  Urteil  haben  über  die  Bewohn- 
barkeit eines  Hauses,  so  mufs  man,  auch  wenn  andere 
Versuche  positives  Ergebnis  geUefert  haben,  zu  direkter 
Bestimmung  der  Mauern  schreiten. 

3.  Das  Ausziehen  der  Proben  muls  mehrmals  wiederholt 
werden,  und  zwar  möghchst  in  mehr  als  10  cm  von  der 
Oberfläche  entfernt  liegenden  Tiefen.  Überdies  werden 
die  Proben  stets  unter  möghchst  gleichen  Verhältnissen 
in  Bezug  zur  Mauer,  dagegen  mit  einem  Abstand  von 
verschiedenen  Tagen  und  unter  stark  verschiedenen  atmo- 
sphärischen Verhältnissen  herausgenommen. 

4.  Zur  Beurteilung  der  Feuchtigkeit  einer  Mauer  kommt 
es  nicht  darauf  an,  ob  die  Probe  aus  reinem  Mörtel, 
nur  aus  Backsteinen  oder  aus  gemischtem  Material  be- 
steht, die  Hauptsache  ist  dabei,  dals  man  bei  Wieder- 
holung des  Versuchs  zur  Feststellung  eines  definitiven 
Faktums  immer  in  derselben  Weise  bezüghch  Technik 
und  Wahl  der  bezüghch  der  Mauer  in  Betracht  kommen- 
den Verhältnisse  vorgeht. 

ö.  Die  Mauer  aus  gelochten  Backsteinen  bietet,  was  schnelle 
Austrocknung  anbelangt,  ohne  Zweifel  die  meisten  Vor 
teile.    Abgesehen  von  sehr  kleinen  Unterschieden  haben 


224     t^er  die  Feuchtigkeit  verschied.  Mauerarten.  Von  Riccardo  Bianchini. 

jedoch  alle  andern  der  Prüfung  unterzogenen  Mauerarten 
das  gleiche  Feuchtigkeitsvermögen. 

6.  Will  man  das  Trocknen  einer  Mauer  erleichtem,  so  maus 
man  sie  mehrere  Monate  lang  ohne  jeden  Bewurf  lassen 
und  sie  reichlicher  Lüftung  aussetzen. 

7.  Das  künstliche  Austrocknen  (mit  CO 2)  ist  nur  wenig 
ratsam  und  soll  nur  in  Ausnahmefällen  angewandt  werden, 
und   auch   nur  dann,   wenn  die  Mauer  relativ  dünn  ist. 


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THE  KEV/  VORK  | 

PUBLIC  LIJ5RAKY. 


Mten,  LEMQX  ANO 
TILD6N  F?Ü«ÜATIOIia 


Über  das  Eindringeii  der  Wärme  in  feste  Objekte  nnd 

Organteile  tierischer  Herknnft. 

Von 

Max  Rubner. 

Einleitung. 

Die  Fälle,  in  welchen  man  bei  hygienischen  Fragen  Genaueres 
über  das  Eindringen  der  Wärme  in  nicht  poröse  Körper  oder  in 
poröse  Körper,  deren  Poren  einem  gasförmigen  Medium  oder 
Wärmeträger  nicht  zugänglich  sind,  wissen  möchte,  sind  durchaus 
nicht  selten.  Viele  Probleme  des  Wärmeschutzes,  Aufgaben  der 
Desinfektion,  Akte  der  Nahrungsbereitung,  zählen  hierzu. 

Auffallenderweise  ist  über  derartige  Vorgänge  aber  nicht 
viel  Zahlenmäfsiges  bekannt.  Über  den  Erwärmungsvorgang 
poröser  Objekte  durch  Dampf  haben  wir  dagegen  recht  zutreffende 
Vorstellungen  gewonnen.  Ich  habe  vor  einigen  Jahren  die  dabei 
in  Betracht  kommenden  Vorgänge  eingehend  nach  Experimenten 
dargestellt.  ^) 

Die  Erwärmuugsvorgänge  fester  oder  halbfester  Körper  sind 
schon  von  dem  Standpunkt  einer  wissenschaftlichen  Erklärung 
des  Desinfektionsprozesses  unbedingt  der  Klarlegung  bedürftig, 
aber  auch  von  praktischen  Gesichtspunkten  aus. 

Warum  dieses  Feld  experimenteller  Untersuchung  so  ganz 
unbeackert  blieb,  mag  vielleicht  einmal  in  der  weitverbreiteten 
laienhaften  Vorstellung  liegen,  daTs  hier  nichts  zu  erläutern  und 

1)  Hygien.  Rundschan,  Bd.  Vm,  S.  721  fp.  u.  Bd.  IX,  S.  321. 
ArchiT  für  Hygiene.  Bd.  LV.  15 


226     t)ber  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  and  Organteile  etc. 

ZU  klären  wäre  wegen  der  Einfachheit  des  Prozesses,  es  mag  aber 
auch  in  anderen  Fällen  gerade  das  Moment  von  der  Weiter- 
bearbeitimg  abgehalten  haben,  dafs  man  sich  mit  Hilfe  der  all- 
gemeinen elementaren  Untersuchungsmethoden  bald  an  eine  Grenze 
gebracht  findet,  die  einem  tieferen  Verständnis  entgegensteht. 

Nicht  um  einen  physikalischen  Vorgang  handelt  es  sich 
dabei,  sondern  um  Komplikationen,  die  sich  aus  der  Natur  der 
organisierten  Substanz  erklären  und  die  Schwierigkeiten  in  hohem 
Malse  steigern. 

Der  Anstofs  zu  den  vorUegenden  Untersuchungen  wurde  mir 
seinerzeit  durch  eine  praktische  Aufgabe,  nämlich  die  Prüfung 
der  Sterilisation  für  Fleisch  gegeben,  ich  mufste  aber  nur  zu 
bald  erkennen,  dafs  für  solche  Begutachtungen  jede  wissenschaft- 
hche  Grundlage,  ohne  die  man  zu  einem  brauchbaren  Resultat 
eben  nicht  gelangen  kann,  fehlte. 

Man  sagt  in  der  Regel  bei  dem  Akte  der  Wärmeverbreitung, 
den  wir  hier  erforschen  wollen,  handle  es  sich  um  die  Wärme- 
leitung. Tatsächlich  ist  dies,  wenigstens  für  poröses  Material, 
gar  nicht  richtig,  weil  hier  in  den  Hohlräumen  auch  Strahlungs- 
vorgänge eintreten,  aber  auch  sonst  häufig  unzutreffend,  weil 
eine  ganze  Reihe  von  Faktoren  auf  den  Wärmegang  einwirken. 

Sehr  häufig  bedingt  die  Organisation  eine  sehr  ungleiche 
Verteilung  der  Stoffe  mit  physikalisch  sehr  ungleichen  Eigen- 
schaften. 

Je  nach  der  Natur  der  Objekte  findet  sich  ein  mehr  oder 
minder  grofser  Widerstand  für  die  Ausbreitung  der  Wärme.  Am 
wechselvollsten  ist  die  Wärmedurchdringuug  bei  solchen  Objekten 
mit  ungleichem  Feuchtigkeitsgehalt,  wobei  sowohl  Kristallwasser 
als  hygroskopisches  Wasser  oder  das  kapillare  und  zwischen- 
gelagerte Wasser  in  Betracht  kommen  kann.^) 

Die  Feuchtigkeit  und  die  Trockenheit  in  Gegen- 
ständen bedingen  nicht  nur  Verschiedenheiten  der 
Wärmeleitung,  sondern  der  biologischen  Wirkung 
der   Wärme.     Wir  haben   in   den  Objekten   zwar  häufig,  doch 


1)  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  XXV,  S.  34. 


Von  Max  Rubner.  227 

nicht  immer  »trockene  Wärme c  sondern  auch  feuchte  Wärme, 
selbst  Dampf  in  verschiedenen  Eigenschaften ;  darauf  möchte  ich, 
ohne  Einzelfälle  zu  untersuchen,  noch  etwas  eingehen. 

Die  in  den  Stoffen  weiterbewegte  Wärme  kann  an  sich  oder 
zusammen  mit  Feuchtigkeit  wirken,  beides  Vorkommnisse,  die 
in  der  mannigfaltigsten  Weise  abgestuft  werden  können  und  in 
ihren  Wirkungen  grofse  Verschiedenheiten  aufweisen  müssen. 

Feuchtigkeit  und  Wärme  gewinnt  für  chemische  Umsetzungen 
eine  ganz  andere  Bedeutung  als  Wärme  allein;  Gerinnungs- 
erscheinungen, Quellungsvorgänge,  Lösungsprozesse,  Zersetzungen 
können  ausgelöst  und  in  ihrem  Ablauf  beeinflufst  werden. 

Gerade  mit  Bezug  auf  die  Lebewesen  und  Desinfektions- 
praxis liegt  in  der  Anwesenheit  oder  dem  Fehlen  der  Feuchtig- 
keit ein  wichtiges  Moment. 

Die  Wärme  ist  an  sich  ein  Mittel  zur  Desinfektion  und 
zur  Vernichtung  von  Lebewesen;  durch  sie  kann  ohne  jede 
weitere  Beihilfe  ein  organisches  System  erschüttert  und  zerstört 
werden.  Auch  im  luftleeren  Raum  findet  bei  bestimmten  Tem- 
peraturgrenzen, die  unter  der  Vergasungstemperatur  liegen,  die 
Tötung  statt. 

Im  praktischen  Leben  kommen  aber  auch  Fälle  vor,  bei 
welchen  Körper,  welche  benetzt  oder  halbbenetzt  sind  oder  nur 
hygroskopisches  oder  anderweitig  gebundenes  Wasser  enthalten, 
erwärmt  werden.  Diese  verschiedenen  Vorkommnisse  sind  bis- 
her überhaupt  nicht  beachtet  oder  als  differente  Erscheinungen 
gewürdigt  worden ;  es  wird  aber  wohl  nötig  sein,  experimentell 
wie  theoretisch  ihnen  mehr  Aufmerksamkeit  zu  widmen. 

Findet  die  eindringende  Wärme  freies  Wasser,  so  ist  die 
Dampfbildung  oder  die  einfache  Erwärmung  genügend,  um  einen 
hohen  desinfektorischen  Einflufs  zu  äufsem.  Bei  Anwesenheit 
von  hygroskopischem  Wasser  wird  es  auf  dessen  Menge 
und  auf  die  Möglichkeit  des  Absinkens  der  relativen  Feuchtig- 
keit in  den  sich  erwärmenden  Hohlräumen  ankommen,  ob  schnell, 
langsam  oder  gar  nicht  eine  Desinfektion  sich  erzielen  läfst. 

Ob  Wasserbindungen  wie  in  Kolloiden  auf  des- 
infektorische Wirkungen   einen  Einflufs  üben   ist   bislang    nicht 

15* 


228     t^r  das  Eindringen  der  Wftrme  in  feste  Objekte  and  OrgAnteile  etc. 

bekannt.  Die  volle  Trockenheit  aber  ist  der  grOlSste  Feind  jeg- 
lichen rasch  erfolgreichen  Desinfektionsverfahrens.  Die  Elrgebnis- 
losigkeit  mancher  Desinfektionsakte  erklärt  sich  aus  diesem  an- 
gleichen Feuchtigkeits  vorkommen. 

Aus  diesen  Tatsachen  läfst  sich  auch  folgern,  wie  notwendig 
ein  Verständnis  des  Wesens  der  Desinfektion  für  die  praktische 
Durchführung  sein  muts.  Die  Vielheit  der  Bedingungen,  die 
zum  Gelingen  gehören,  war  in  früheren  Jahren  nicht  genügend 
bekannt,  und  soweit  sie  bekannt  war,  nicht  genügend  gewürdigt 
worden.  Sie  bedarf  zum  Teil  auch  heute  noch  eines  ernsten 
Studiums. 

Auch  in  den  Objekten  selbst  haben  wir  es  nach 
dem  Gesagten  mit  biologisch  verschiedenen  Wärme- 
zuständen  zu  tun.  Die  Grade  ihrer  Wirksamkeit  sind  schon 
aus  früheren  Untersuchungen  bekannt.^)  Hier  an  dieser  Stelle 
war  nur  der  Hinweis  am  Platze,  dafs  die  Zustände  im  Innern 
fester  Körper  mannigfaltige  sind. 

Ich  lasse  mir  es  genügen,  auf  diesen  Umstand  der  Ungleich- 
artigkeit  der  Erwärmung  in  ihren  Beziehungen  zur  Tötung  von 
Lebewesen  hingewiesen  zu  haben  und  will  nochmals  betonen,  wie 
wichtig  die  Kenntnis  von  der  Natur  der  zu  desinfizierenden 
Objekte  für  den  erstrebten  Enderfolg  sein  kann. 

Ein  Gegenstand,  dem  aber  besondere  Aufmerksamkeit  gewid- 
met werden  mufs,  ist  die  Wärmedurchdringung  als  ein- 
facher physikalischer  Vorgang.  Dies  Problem  völlig  lösen  zu 
können,  mute  ich  mir  nicht  zu,  es  wird  aber,  wie  ich  meine, 
in  vielen  Richtungen  ein  Fortschritt,  eine  Klärung  und  Förde- 
rung für  die  praktischen  Ziele  gewonnen  werden  können,  wenn 
man,  gedrängt  von  dem  praktischen  Bedürfnis,  wenigstens  ver- 
sucht, diesen  Fragen  näher  zu  treten. 

I. 

Viele  Objekte  des  täglichen  Lebens,  die  wir  als  Kälteschutz- 
mittel gebrauchen,  wie  die  Kleidung,  erreichen  dieses  Ziel,  wie 
ich  gezeigt  habe,  in  einer  ganz  vorzüglichen  Weise  und  bedeuten 

1)  Hygien.  Randschau,  a.  a.  O.,  Bd.  IX. 


Von  Max  Rabner.  229 

in  der  Ökonomie  unserer  Kultur  einen  enormen  Fortschritt;  sie 
sind  stationäre  Mittel,  unnötige  Wärmeverluste  einzuschränken. 

Solche  und  ähnliche  Körper  haben  auch  die  Fähigkeit,  dem 
Eindringen  der  Wärme  selbst  bei  grofsen  Temperaturunterschieden 
stundenlang  Widerstand  zu  leisten.  Schon  vor  längerem  habe 
ich  an  der  Hand  einiger  Berechnungen  auch  diesen  Vorgang 
des  fortschreitenden  Eindringens  der  Wärme  in  die  Schichten 
einer  schlechtleitenden  Masse  kurz  erörtert.^) 

Das  Vordringen  der  Wärme  in  Objekte  hängt  natürlich  in 
einer  Beziehung  von  der  Temperaturdifferenz  zwischen  dem 
Zentrum  und  den  Begrenzungsfiächen  ab.  Sie  hängt  weiter  ab 
von  dem  Leitungsvermögen  ^Ä^  der  Substanz,  das  durch  geeig- 
nete Versuche  zu  bestimmen  sein  wird  oder  für  welches  sich  auch 
schon  Konstanten  finden.  Bekanntlich  versteht  man  darunter 
die  Menge  der  Wärme,  welche  ausgedrückt  in  Wärmeeinheiten 
durch  eine  bestimmte  Fläche,  bestimmte  Dicke,  bei  einer  ge- 
wissen Temperaturdifferenz  in  der  Zeiteinheit  hindurchgeht.  Die 
für  k  gewählten  Einheiten  sind  nicht  gleich  benannt  bei  allen 
Autoren.  Ich  halte  an  folgenden  Zahlen  zur  Konstantenbestim- 
mung fest:  qcm,  1  cm  Dicke,  1®  Temperaturdifferenz,  1",  gKal. 

Das  Vordringen  der  Wärme  hängt  auch  von  dem  Wasser- 
wert der  Substanz  ab.  Je  mehr  in  einem  Raumteil  an 
Wärme  aufgespeichert  bleibt,  um  so  langsamer  dringt  sie  vor. 
Der  Wasserwert  ergibt  sich  aus  Dichte  (spez.  Gew.)  und  spezi- 
fischer Wärme. 

Herr  Dr.  Ziegel  hat  vor  Jahren  auf  meine  Anregung  hin 
eine  Ableitung  des  Wärmeganges  in  Objekten  unter  den  hier  in 
Frage  kommenden  Verhältnissen  ausgeführt  und  dabei  folgendes 
gefunden : 

Die  Bewegung  der  Wärme  in  einer  homogenen  Kugel  wird 
gegeben  durch  die  Gleichung 

Hierin  bedeuten  u  die  Temperatur,  h  die  gemeinsame  Anfangs- 
temperatur im  Inneren  der  Kugel,   c  die  konstante  Oberfiächeu- 

1)  a.  a.  0.    Hygien.  Randschaa,  Bd.  YIII. 


230     Über  du  Eindnugeii  der  Wirme  in  feste  Objekte  und  Orgmnteile  etc. 


temperator,  i  die  Zeit,  h  die  Wftrmeleitungsfi&higkeit^  q  die  Dichtig- 
keit, C  die  spez.  W&nne,  R  den  Radius  der  Engel  und  r  den 
variablen  Radiosvektor. 

Im  Mittelpunkte  der  Kugel  ist  r  =  0;  für  diesen  Punkt  geht 
die  Gleichung  über  in 


7t 


n—\ 


^/    i;^'—{x^ 


a^c  —  2(c  —  h)^[r-\)       t 


,  a=^ 


«— 1 


c  —  a  =  2  (c  —  h)^ 


Q    C 

9t 


e  —  tt 


.-'(i)'_,-'(i)",.-(T)- 


+ 


9t 


2(c-b)        ,..(^)',         ,..(^)-«    •    ,.(^)-, 

Wir  setzen  nun,  um  einen  angenäherten  Wert  für  t  zu  erhalten, 


c  —  tt 


1 


(0 


tt 


IP  lognat 


t  = 


2(c  —  b) 

c  —  tt 


a^7t^ 


Die  Temperatur  nach  der  hierdurch  bestimmten  Zeit  t  he- 
trägt  nicht  genau  «,  sondern 

^'  ^     C 


-^'■'-H^^;-^)' 


+  ^?(c-b))         ■■■■ 


=  c  —  (c  —  u)-\- 


(c  —  u)* 


(c-u) 


9 


[2  (e  - 1)\*        (2  (c  -  h)f 


I  •        •       •       • 


""     "^  [2^0  —  6;]»        [2(c  —  b)]^  "^ 


fC ttJ* 

Dieser  Wert  ist  gröfser  als  tt  und  kleiner  als  w  +  7^77 —?•  • 

[2(c  —  h)]* 

Man  erhält  also  nach  der  berechneten  Zeit  t  eine  Temperatur, 

die  sich  um  höchstens  T^-y tvit  von  u  unterscheidet. 

[2  (c  —  h)Y 


Von  Max  Rabner.  231 

Auf  Grund  dieser  Werte  ist  daher  die  Frage  leicht  zu  beant- 
worten :  Wann  erreicht  ein  in  der  Mitte  einer  homogenen  Kugel 
befindliches  Thermometer  die  Temperatur  w  =  990? 

Beispiel:  Kugelradius  ü  =  5  cm. 

1)  6  =  20«,  c  =  100o 

*  =  0,0001523,  9  =  0,420,  C  =  0,50 
,_     k         0,0001523 

*  ~  Q'C~       0,21 

Dann  ist 

_  25  •  lognat  160  •  0,21  _  5,25   6,07517 
0,0001523   n;!»       ~  0,0001523- tt« 

<  =  17  726  Sek.  =  4  Stunden  55  Min.  26  Sek. 

2)  6  =  20«,  c  =  100« 

*  =  0,000065,  p  =  0,105,  0=0,56 


o«  = 


*         0,000065 


Q  •  C        0,0588 
Dann  ist 


_  26  •  lognat  160  •  0,0588  _  1,47-6,07517 
"~         0,000065  •  ?r-«"        ~  0,000065  •  /r« 
^=11630  Sek.  =  3  Stunden  13  Min.  60  Sek. 

3)    6  =  200,  c  =  1000 

k  =  0,0000811,  Q  =  0,105,  C  =  0,56 


o2  = 


k  0,000081 1        0,000081 1 


Q  ■  G      0,105  . 0,56  0,0588 

Dann  ist 

_  25  •lognatl60- 0,0588      J^7  -5,075 17 
~        0,000081 1  •  7r2        ~  Ü.OOOÖSrr  n^ 

t  =  9320,75  Sek.  =  2  Stunden  35  Min.  20»/4  Sek. 

Man  kann  sich  also  für  einen  Spezialfall  eine  gute  Vorstellung 
von  der  Geschwindigkeit  des  Wärmeeiudringens  machen. 

Für  ein  paar  Fälle  ist  nachstehend  die  Rechnung  für  eine 
Kugel  von  verschiedenem  Radius  durchgeführt.  Ich  wählte  als 
Beispiele  die  Wärmeleitung  in  Kleidern  und  Wäsche,  als  Grund- 
lagen dienen  Zahlen  für  erstere  die  glatt  gewebten  Stoffe,  als  Typus 


232     ^'^f^r  da«  Eindriniren  der  Wärme  in  feste  Objekte  and  Ori^viteile  etc. 

für  die  Oberkleidong  der  Wollflanell,  and  zwar  in  zwei  ZostAnden. 
völlig  trocken  und  gesättigt  mit  hygroskopischem  Wasser.^)  Die 
Durchdringungszeiten  für  die  W&rme  sind; 

Radios :  5  cm  25  cm  50  cm 

Glatte  Baumwolle    4  Std.  56'     123  Std.    492  Std. 
WollflaneU.     .     .     3    >     13'       80    >        323    » 
Feuchter  Flanell      2    >     35'      64    ?        258    > 

Ehe  Zahlenergebnisse  zeigen,  wie  langsam  ein  Temperatur- 
ausgleieh  gewonnen  wurde,  und  dals  die  Zunahme  der  Dichte 
für  die  Verlangsamung  des  Wftrmestroms  weit  wichtiger  sein 
kann  als  die  Förderung  der  Wärmebewegung  durch  gleichzeitige 
Zunahme  des  Leitungsvermögens. 

Die  Zahlengrundlagen  für  obige  Berechnung  waren : 

I.Dichte  =  0,420,  spez.  Wärme  [  0,50  LeitungsvermögenO.OOO  152 

2.  0,105    der  Grund-  1 0,56  ^  0,000065 

3.  0,105       Substanz     [o,56  i  0,000081 

Das  Leitungsvermögen  der  Substanz  in  1.  war  demnach  fast 
doppelt  so  grofs  als  bei  3.  und  trotzdem  beeinfluTst  die  Dichte 
das  Resultat  so  sehr,  dafs  die  Elrwärmungszeiten  in  3  die  von  1 
ganz  erheblich  überschreiten. 

Wenn  man  die  aufserordentlich  langen  Zeiten  für  den  Tem- 
peraturaustausch im  Gedächtnis  hat,  begreift  man,  wie  oft  bei 
einer  nicht  sachgemäfs  geleiteten  Desinfektionsweise  ein  Versagen 
der  Wärme-  und  Dampfdesinfektion  eintreten  mufs.  Die  richtige 
Auswahl  und  Anordnung  des  zu  desinfizierenden  Objekts  ist  bei 
der  Desinfektion  weit  wichtiger  als  manche  andere  Nebenumstände, 
auf  die  man  bisher  das  Augenmerk  zu  konzentrieren  pflegte. 

Ob  der  Dampf  absolut  gesättigt  oder  etwas  unter  dem  Sättigungs- 
punkt ist,  ob  er  durch  Überdruck  etwas  über  100®  temperiert  ist 
oder  etwas  unter  100®  usw.,  ist  alles  nicht  so  wichtig,  als  die 
richtige  Anwendung  und  Vorbereitung  des  Objekts. 

Die  so  oft  versuchte  Warenballendesinfektion  ist  ein  Unter- 
nehmen, welches  man  im  Grunde  genommen  am  besten  von  den 


1)  ArchiT  f.  Hygiene,  1898,  Nr.  15. 


Von  Max  Rabner.  233 

Desinfektiousauf gaben  überhaupt  streichen  sollte.  Die  Natur 
grofser  Objekte  und  noch  dazu  zugeschlossener  Ballen,  deren  nähere 
BeschafEenheit  man  gar  nicht  kennt,  sollte  von  vorneherein  es 
verbieten,  eine  für  diese  Zwecke  anwendbare  Versuchstechnik  aus- 
arbeiten zu  wollen.  Was  man  nicht  sehen  und  richtig  anordnen 
kann,  eignet  sich  niemals  für  die  Desinfektion. 

Zahlenmaterial  für  die  oben  entwickelte  Formel  des  Wärme- 
durchtritts findet  sich  in  ziemlichem  Umfange,  ich  glaube  aber,  das- 
selbe wird  nicht  allen  modernen  Anforderungen  an  Grenauigkeit  ent- 
sprechen. Ältere  Angaben  finden  sich  bei  Päclet  (Traitä  de  la 
chaleur  T.  I  p.  602  ff,  IV  äd.  Paris  1878)  und  bei  Glan  (Poggen- 
dorfs  Annal.  1896,  Heft  4  u.  5). 

Für  Objekte,  wie  sie  zum  Wärmeschutz  des  Menschen  und 
daher  auch  in  der  Desinfektionspraxis  Anwendung  finden,  habe 
ich  selbst  die  umfangreichsten  Messungen  ausgeführt.  (Archiv 
für  Hygiene  XXIV,  S.  300.) 

Für  die  kompakte  Baumwolle  fand  ich  0,495  spez.  Wärme 

deutsche  Wolle 0,560     »  » 

Seide 0,645      »  » 

Einige  Zahlen  über  Dichte  und  Leitungsvermögen  von  Stoffen 
mögen  noch  angeführt  sein.^) 

Spes.  Gewicht         Konstante  k 

Wollflanell 0,105  0,000065 

WoUtrikot 0,179  0,000068 

Seidetrikot 0,219  0,000092 

Lementrikot 0,302  0,000118 

Baumwolltrikot      ....  0,199  0,000100 

Wolle  —  Winterkammgam  0,238  0,000073 

Glatte  Wolle 0,364  0,000074 

»       Baumwolle.     .     .     .  0,350  0,000090 

.       Seide 0,302  0,000072 

»       Leinen 0,642  0,000120 


1)  Die  Einheiten  sind   g-Kal.,  1*  Differenz  der  begrensenden  Fläche, 
1  qcm  Fl&che,  1  cm  Abstand  der  Fliehen  für  den  W&rmedorchgang. 


.•  /"l 


*^     «    • 


-     .  .  -    0.T2T  'J-OGO+ie 


iJtmh  &t  B«Cj«czi2Dg  EÜ  Feccfiiigkät  viid  djw  Lerome«- 
▼«mWJgeo  ipirtetgert-  bis  aefali^frhch  bei  PorecsdiliifB  jj^  Waaeer 
4i«  40MxmaeratAt  SubsUua  «inl^ 

Die  Vt^i^Iseniiigder  LehongBkoosujitedii^^ 
Wmmt  becrftgt  bei  Wolle  —  1«>9^%.  bei   Seide  -h  -i«j.6^.   bei 
Bmm wolle  4-  l^dV 

Bei  beDeuten  .Stoffen  enreicfat  die  Gr&&e  fr  Werte,  die 
zvinchen  0,00129  and  0,000147  je  nacb  Art  der  Gmndsabnanxen 
nchwanken. ') 

IL 

Für  eine  ganze  Reibe  wichtiger  Substanzen  von  «Jrganteilen 
des  Körper»  fehlt  es  an  zayerUssigen  zahlenm&bigen  Angaben. 
Ober  die  Wftrmeleitnng  und  man  behilft  sich  mit  mehr  oder  minder 
angenaaen  Schatrangen. 

Die  Anwendung  der  Wärme  auf  Substanzen,  die  im  natür- 
lichen Zustande  wasserhaltig  sind,  interessiert  namentlich  im 
Hinblick  auf  die  Speisenbereitnng.  Genau  betrachtet,  hat  schlieCs- 
lieh  letztere  auch  Bedeutung  als  Desinfektionsvorgang,  weil  der 
Kochakt  auch  zugleich  eine  Vernichtung  von  Keimen  herbeiführt. 

Die  Anwendung  der  Wärme  auf  Substanzen  kann  hierbei 
eine  sehr  mannigfache  sein,  teils  heiüse  Luft,  teils  diese  in  Kom- 
bination mit  strahlender  Wärme,  kochendes  Wasser,  Dampf  in 
gespannter  oder  uugespannter  Form. 

Soweit  tierische  Nahrungsmittel,  Fleisch,  Eier,  Organe  in 
P>age  stehen,  sind  Eiweils,  Wasser,  Fett  (neben  Salzen  und 
Glykogen)  die  quantitav  in  Betracht  kommenden  Bestandteile. 

1;  Hpitta,  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  XXXII,  S.  286. 

2)  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  XXV,  S.  39  u.  40. 

3)  Dasselbe,  &.  61. 


Von  Max  Rubner.  235 

Das  Leitungsvermögen  von  Wasser  ist  wahrscheinlich 
=  0,001,  das  der  Fette  und  Öle  nur  0,000396—0,000452,  in 
runder  Summe  also  etwa  Vs — V2  ^^^  LeitungsvermOgens  des  Was- 
sers. Für  die  eiweifsartigen  Stoffe  können  wir  annehmen,  dafs  ihre 
Leitung  denen  der  keratinartigen  Substanzen  z.  B.  der  Wolle  sehr 
nahe  kommt,  oder  mit  Bezug  auf  praktische  Lösungen  von  hier 
interessierenden  Fragen,  wohl  geradezu  als  gleichwertig  zu  er- 
achten ist. 

Für  die  Wollhaare  der  verschiedensten  Herkunft  habe  ich  An- 
gaben nach  absolutem  Mafse  gemacht,  nach  denen  ersichtlich  ist,  dafs 
feste  Keratinsubstanzen  eine  Leitungskonstante  von  rund  0,0005 
besitzen,  d.  h.  das  Leitungsvermögen  ist  rund  ^2  ^^  grofs  wie 
jenes  des  Wassers. 

Mehr  als  eine  ungefähre  Vorstellung  über  die  Gröfsen- 
ordnung  des  Wärmeleitungsvermögens  kann  man  aus  solchen 
Angaben  über  das  Leitungsvermögen  der  Bestandteile  der  Organe 
nicht  ableiten.  Im  allgemeinen  dürfte  es  sich  um  relativ  gute 
Leiter  der  Wärme  handeln,  deren  Eigenschaften  in  dieser  Hin- 
sicht um  so  mehr  absinken,  je  reicher  sie  an  Eiweifs  und  Fett- 
stoff werden.  Eine  direkte  Untersuchung  ist  aber,  so  grofse 
Schwierigkeiten  sie  bietet,  nicht  zu  entbehren. 

Von  allen  Nahrungsmitteln,  welche  in  gröfseren  Teilen 
oder  in  umfangreicherem  Mafse  der  Erwärmung  unterworfen 
werden,  nehmen  die  fleischartigen  Teile  das  gröfste  Interesse 
für  sich  in  Anspruch.  Was  sonst  Verwendung  findet,  läfst  sich 
ohne  Schaden  für  Genufszwecke  zerkleinem  und  der  Wärme 
den  Weg  kürzen.  Mit  Rücksicht  hierauf  wollen  wir  zunächst 
dem  Muskelfleisch  und  den  fettartigen  Materien  das  Augenmerk 
zuwenden. 

Nach  Adamkiewicz  soll  Muskelsubstanz  halb  so  gut  leiten 
wie  Wasser,  was  eine  recht  ungefähre  Angabe  sein  mag.  Die 
spez.  Wärme  wird  zu  0,7692  nach  A.,  zu  0,825  nach  Rosen thal 
aufgeführt.  Ich  finde  für  mageres  Fleisch  nach  eigener  Messung 
0,828.  Als  Dichte  gibt  Gl  an  1,07;  dies  stimmt  aber  nicht  ganz, 
der  Wert  ist  zu  hoch  für  den  Durchschnitt. 


236     ther  'im  ELDAtintsea.  der  WAraDe  in  fesce  «»bjekte  siti  OrpsBiciie  ecf 


Aach  die  Ricfatimg  des  Eindringeiis  der  Winne  kaon  Ver- 
schiedenbeiteD  der  Wirmeleitiing  bedingen. 

Zaerüt  bai  man  bei  Kristallen  ond  Hölzern  beobachte.  da£« 
die  Wärme  mit  verschiedener  Schnelligkeit  in  den  Terschiedenen 
Richtungen  fortgepflanzt  wird.  Von  Greifs';  sind  dann  solche 
Experimente  auch  mit  tierischen  Substanzen  aasgeführt  und 
diese  Untersuchungen  namentlich  durch  Klug  weiter  ausgedehnt 
worden. 

In  der  Epidermis  breitet  sich  die  Wärme  nach  allen  Riebtangen 
hin  g^eiehmäfsig  aus,  in  den  Zellen  wird  die  Wärme  besser  der 
Lftngsaze  nach  geleitet  als  quer  zu  denselben. 

In  anderen  Fällen,  wie  bei  manchen  v^etabiliscben  Nahrungs- 
mitteln, den  Knollengewächsen,  fehlt  eine  bestimmte  Anordnung 
der  Substanzen  und  dfirfte  daher  auch  eine  allseitig  gleich- 
mäfsige  Leitung  der  Wärme  sich  finden. 

Zur  direkten  Messung  der  Wärmeleitung  des  Fleisches  und 
ähnlicher  Substanzen  bediente  ich  mich  des  Stefan  sehen  Kalori- 
meters, dessen  Gebrauch  ich  an  anderer  Stelle  ausführlich  be- 
schrieben habe. 

Zur  Aufnahme  der  Substanz  dient  der  zwischen  zwei  Zylin- 
dern aus  Metall  verbleibende  Hohlraum.  Es  wurde  jedesmal  so 
viel  Substanz  eingefüllt,  dafs  der  nach  Kubikzentimeter  genau 
bekannte  Inhalt  des  Kalorimeters  mit  Sicherheit  ganz  ausgefüllt, 
also  die  Luft  beseitigt  war.  Fleischsubstanz  wurde  mittels 
Mikrotommesser  in  gewünschter  Dicke  geschnitten,  Fett  ge- 
schmolzen eingefüllt. 

Die  Leitungsfähigkeit  wurde  geprüft  sowohl  mit  sehr  kleinem 
Abstand  der  Begrenzungsflächen  als  auch  mit  etwas  gröfserem 
Abstände.  Die  Messung  geschieht,  wie  ich  an  anderer  Stelle  auf 
Grund  von  Angaben  von  Stefan,  WüUner  und  Winkelmann 
und  Plank  auseinandergesetzt  habe,  nach  der  Formel 

*  (Leitungsvermögen)  =  ^^^3^  'ß'l9e[l+  ^-] 

1)  Poggendorf  Ann.,  CXXXDC. 

2)  Zeitachr.  f.  Biologie,  Bd.  X,  S.  73. 

8)  Gl  an,  Poggend.  Annalen,  LVni,  8.  131. 

4)  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  XXIV,  8.  295,  298,  300. 


Von  Max  Rabner.  237 

wovon  Pc  den  Wasserwert  der  Metallteile  des  Kalorimeters,  F 
die  mittlere  Oberfläche  aus  Innenzylinder  und  innerer  Fläche 
des  AuTsenzylinders,  ßlge  die  Erkaltungsgeschwindigkeit,  J  den 
Abstand  der  beiden  Zylinder,  W  den  Wasserwert  der  Füllung 
bezeichnet. 

Das  Kalorimeter  fafste,  je  nach  Abstand  der  Zylinder,  zwischen 
8,5  und  21 — 22  g  Fleisch  oder  Fett,  beides  genau  entsprechend 
dem  berechneten  und  mit  Wasserfüllung  kontrollierten  Hohlraum 
zwischen  den  Zylindern. 

Die  Untersuchungen  machte  ich  mit  Kalorimetern  von  1,1  mm 
und  2,6  Abstand  der  Zylinderflächen;  die  Einwirkungen  auf  das 
Resultat  waren  bei  dem  einen  oder  andern  Ausmafs  sehr  gering, 
wenn  ich  mit  derselben  Substanz  vergleichende  Versuche  machte. 
Für  Flüssigkeiten  nahm  ich  meist  nur  1,1  mm  Abstand. 

Zunächst  fällt  beim  Experimentieren  der  Mangel  von  einheit- 
lichen Abkühlungswerten  [ßlge)  auf,  sie  fallen  konstant  mehr 
oder  minder  schnell.  Es  ist  dies  schon  bekannt  und  von  Fielet 
auf  das  Anhaften  einer  warm  bleibenden  Wasserschicht  an  der 
Aufsenseite  des  Apparates  zurückgeführt  worden.  Winkelmann 
ist  gleichfalls  dieser  Ansicht.  Ich  liefs  mir  eine  ringförmige  Bürste 
anfertigen  und  bürstete  die  Abkühlungsfläche  mit  dem  zu  er- 
wartenden Erfolg  eines  gleichmäfsigen  Abkühlungsganges.  Ohne 
diesen  Kunstgriff  erhält  man  ganz  unbrauchbare  Resultate  und 
um  so  ungenauere,  je  schneller  die  Erkaltung  erfolgt.  Bei  Wasser 
ungünstigere  Werte  als  bei  Ol  etc. 

Die  Werte,  die  ich  erhalten  habe,  weichen  insofern  von 
der  zu  erwartenden  Gröfse  etwas  ab,  als  sie  alle  kleiner  waren 
als  die  für  die  gleichen  Materien  von  Weber  angenommenen 
Zahlen. 

Ich  gebe  die  für  die  Mittelwerte  berechneten  Zahlen  für  i, 
unter  der  Annahme,  als  Leitungskonstante  für  OUvenöl  sei 
0,000391  gefunden: 

Olivenöl    .     .     .     0,000391 

Schweinefett .     .     0,000426 

Rindsfett  .     .     .     0,000418 

Butter  ....     0,000842. 


238     Über  das  Eindriogen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 

Für  die  fleischigen  Teile: 

Längsleitung  der  Muskelsubstanz  .     .  0,000632 

Querleitung      »  »  .     .  0,000615 

für  gekochtes  Rindfleisch 0,000547 

»    Schweinebraten 0,000440 

»    Magenschleimhaut 0,000647 

»    Luft 0,000053. 

Die  Verschiedenheiten  bei  Längs-  und  Querleitung  wären 
sonach  nur  gering,  kaum  3^/o,  die  Magenschleimhaut  hätte  die 
gleichen  Werte  wie  Muskelfleisch  im  mageren  Zustande. 

Das  gekochte  Fleisch  zeigt,  wie  der  Saftverlust  es  wahr- 
scheinlich macht,  eine  Minderung  von  k  um  13,1%.  Schweine- 
braten hat  durch  seinen  hohen  Fettgehalt  eine  geringere  Wärme- 
leitung. Das  Fett  übt  überhaupt  den  wesentlichsten  EinfluTs  auf 
auf  die  Verschiedenheiten  der  Wärmeleitung  gegenüber  dem  so- 
gar der  EinfluTs  des  Kochens  zurücksteht. 

Bei  den  Veränderungen  des  Wärmeleitungsvermögens  durch 
das  Kochen  handelt  es  sich  übrigens  um  einen  komplizierten 
Vorgang,  indem  hier  Dichtigkeitsveränderung  neben  der  Verände- 
rung durch  die  Leitung  in  Frage  kommen. 

Die  frischen  Fleischproben  hatten  im  Durchschnitt  27,0 
Trockensubstanz  und  73,0  Wasser  bei  der  frischen  Substanz. 

Ich  habe  noch  das  Experiment  ausgeführt  und  Hühnereiweifs 
roh  untersucht,  und  ohne  etwas  zu  ändern,  dann  das  Kalori- 
meter in  kochendes  Wasser  getaucht,  das  Eiweiüs  koaguliert  und 
wieder  das  Leitungsvermögen  geprüft.  Es  muTs  ganz  frisches 
Hühnereiweifs  angewandt  werden.  Im  Mittel  von  vier  Versuchen 
verhielt  sich  das  Leitungsvermögen  des  rohen  Eiweilses 
zum  geronnenen  wie  100:81,9.  Der  feste  Körper  hatte  also 
um  19,1%  weniger  Wänneleitung  als  das  halbflüssige  Eäweifs. 

Bei  dem  Hühnereiweifs  findet  im  allgemeinen  keinerlei 
Änderung  der  Dichte  statt,  bei  dem  Fleische  aber  wird  das  ge- 
kochte Material  reicher  an  Eiweifs,  einem  schlechten  Wärmeleiter. 
Die  obige  Zahl  für  die  Abnahme  der  Wärmeleitung  an  gekoch- 
tem Fleisch  gewinnt  daher  an  Wahrscheinlichkeit. 


Von  Max  Rabner.  239 

Die  spez.  W&rme  der  Fette  kann  zu  0,45,  das  spez.  Gewicht 
derselben  zu  0,91,  also  P- C=  0,409  angenommen  werden.  Für 
Fettgewebe  gibt  Rosenthal  0,712  spez.  Wärme,  ich  halte  die 
Zahl  0,53  für  zutreffender.  Frisches  Fleisch  hat  nach  meinen 
Untersuchungen  1054  spez.  Gewicht  (nach  Gl  an  1070),  nach 
Rosenthal  soll  die  spez.  Wärme  =  0,825  ausmachen.  Ich  finde 
bei  direkter  Bestimmung  0,828.  P  (7=  0,869.  Bei  gekochtem 
Fleisch  fand  ich  1085  spez.  Gewicht  (für  obiges  frisches  Fleisch), 
die  spez.  Wärme  läfst  sich  berechnen: 

Wenn  100  Teile  frisches  Fleisch  =  50,0  Braten  geben,  so 
gehen  zu  Verlust  50  Teile  Flüssigkeit  mit  etwa  2 — 3  g  Substanz, 
Wenn  0,825  das   spez.   Gewicht,    so   haben    100  g 

Fleisch  an  Wasserwert 82,5    (s.  o.) 

es  gehen  zu  Verlust  50  Teile  Flüssigkeit  mit  rund 
3  g  Extraktivstoffen.^)  Eine  6proz.  Extrakt- 
lösung hat  nach  meinen  Versuchen  1022  spez. 
Gewicht  und  0,916  spez.  Wärme,  also  47  X  0,916    45,8 

Wasserwert  pro  50  g  Rest .37,7 

Also  spez.  Gewicht  des  Restes  75,4  pro  100.  C  =  0,754, 
Wasserwert  für  1  Volumen  =  0,818. 

Greifen  wir  auf  die  oben  S.  230  gegebene  Formel 

,      lPlognat.160   qC      ^,,  _^  ,  ^    , 

t  = 2_^ ^  zurück ,  80  würde ,  wenn  man  von  R  ab- 

sieht,  die  Erwärmungszeit  des  gekochten  und  ungekochten  Fleisches 

von  dem  Quotient  ^  abhängen.     Für  diese  Zahlen  haben   wir 

jetzt  Unterlagen,  nämlich  ^  =     nnofi^9  ^^^  frisches  Fleisch  =  1375 

und  für  gekochtes  ^  JL- .,  =  1495. 

0,UUUo41 

Die  Zeiten  werden  in  letzterem  Falle  rascher  wachsen  als 
im  ersteren  Falle  (von  ca.  9%);  d.  h.  der  Wärmedurchtritt  un- 
günstiger sein. 


1)  £b  gehen  bis  60  o/^  aller  Extraktivstoffe  über. 


240     Über  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  nnd  Organteile  etc. 

Wir  werden  später  sehen,  dafs  die  GrOfse  R  weit  va* 
riabler  ist. 

Abgesehen  von  meinen  Versuchen  über  die  Wärmeleitung  habe 
ich  noch  folgende  Experimente  ausführen  lassen. 

In  dünne  Kupferbiechzylinder  wurden  je  400  g  fein  zerteilte 
Fleisch-  oder  Speckmasse  gebracht  und  in  der  Mitte  der  Masse 
ein  Thermometer  eingesetzt.  Die  Durchmesser  der  Zylinder 
waren  7  cm  und  die  Höhe  12  cm. 

Die  Wärmequelle  war  ein  Wasserbad,  in  das  die  Zylinder 
eingetaucht  waren.  Den  Wärmegang  von  10  zu  10  Minuten 
gibt  nachstehende  Tabelle. 

Tabelle   I. 


il 


Zeit 


Min. 


Zylinder  I 


Temp.- 
Ableflong 


I     Temp.- 
j  Plus  gegen 
Zeit  0 


Temp.-Plua 

gegen  yoraus- 

gehende 

Beobacht. 


Zylinder  II 


Temp.- 
Ablesung 


Temp.- 

Plna  gegen 

Zeit  0 


Temp  -Plus 

gegen  Tomu- 

gehende 

Beobacht 


ja 


s 


A 

0 
10 
20 
30 


12,8» 
13,2« 
14,2« 
15,4* 


Speck 

±   0 
+  0.4 

+   1,4 
+  2,6 


±  0 

+  0,4 

-h  1,0 

+  1,2 


13,2« 
18,4« 
14,2« 
15,4« 


Speck 

±  0 

+  0^ 

+  1,0 

+  2,2 


±  0 

+  0,2 

+  0,8 

+  1,2 


40 
37 

1;   34 
ji   32 

j 


B 

i 
i 

Fleisch 

Speck 

1 

0 

11.60 

+    0 

+  0 

11,80 

+    0 

+  0     ! 

;  *2 

10 

12,4* 

+  0,8 

+  0,8 

11,80 

+    0 

+  0 

20 

18,0» 

+  6,* 

+  6,6 

18,1» 

+   1,8 

+ 1,8 

38 

30 

22,6« 

+  11.0 

+  4,6 

14,90 

+  8.1 

+  1.8 

1 

1 

40 

25,8» 

+  14,2 

+  8,2 

17,10 

+  5,3 

+  2,2   , 

.    28 

50 

27,1» 

+  16,5 

+  1.3 

18,70 

+   6,9 

+  1,6 

28 

60 

27,5« 

+  15,9 

+  0,4 

19,90 

+  8,1 

+  1.2 

'   27 

C 

Speck 

Fleisch 

0 

11,9« 

— 

11,80 

— 

42 

10 

12,10 

+  0.2 

+  0,2 

13,20 

+  M 

+  M 

86 

20 

13,4» 

+    1.5 

+  1,8 

19,30 

+  7,6 

+  6.1 

38 

30 

15,20 

+   3,8 

+  1,8 

23.90 

+  12,1 

+  4.6 

— 

40 

17,40 

+   5,ö 

+  2,2 

26,60 

+  14,8 

+  2,7     ' 

1   28 

50 

,      19,20 

+   7,3 

+  1.8 

27,60 

+  16,8 

+  1,0 

27 

60 

20,5» 

• 

+  8.6 

+  1,3 

.      27,80 

+  16.0 

+  0,2 

28 

Von  Max  Rabner.  241 

Reihe  A  diente  als  Kontrollversucb,  in  B  und  C  wurde  Fleisch 
und  Fett  geprüft  und  die  Vertauschung  der  Zylinder  vorgenommen, 
um  kleine  Fehler  noch  auszuschliefsen.  In  30  Minuten  nahm 
der  Speck  um  2,8®  im  Mittel  zu,  das  magere  Fleisch  11,5®;  in 
der  50sten  Minute  war  bei  Fleisch  der  Wärmeausgleich  fast  voll- 
endet mit  15,6®  Temperaturzuwachs,  während  Fett  erst  7,1  ^  mehr 
an  Wärme  gewonnen  hatte. 

Bildet  man  für  die  Zahlen  der  ersten  20  Minuten  den  Quo- 
tienten der  Differenzen  der  Logarithmen  der  Temperaturdifferenz 
zwischen  Aufsenwärme  und  Wärme  im  Innern  der  betreffenden 
Objekte  durch  die  Zeit,  so  ßndet  sich  für  beide  Reihen  über- 
einstimmend : 

Für  Fleisch:  0,0164;    für  Fett:  0,00894 
Die  Geschwindigkeit  des  Wärmeeindringens  ist  bei  Fleisch  also 
1,82  mal  grölser  als  bei  dem  Speck  gewesen. 

III. 

Wenn  es  sich  auch  verhältnismäTsig  einfach  gestaltet,  für 
die  Wärmebewegung  einen  annähernden  Ausdruck  zu  finden,  so- 
lange es  sich  um  Objekte  bei  gewöhnlicher  Temperatur  handelt, 
begegnen  wir  den  allergröfsten  Schwierigkeiten  bei  Anwendung 
hoher  Temperaturen,  welche  der  Siedehitze  nahekommen  oder  sie 
überschreiten. 

Von  Versuchen  wissenschaftlicher  Art  die  Materie  zu  be- 
arbeiten, ist  nichts  zu  berichten ;  das  einzige  Objekt,  welches  über- 
haupt gelegentlich  geprüft  wurde,  ist  noch  das  Muskelfleisch. 
Elementare  Angaben  über  das  Eindringen  der  Wärme  in  dickere 
Schichten  von  Fleisch  finden  sich  mehrfach. 

Als  man  die  Fleischparasiten  entdeckte  und  in  der  Wärme 
ein  Mittel  erkannte  sie  zu  beseitigen,  hat  man  angefangen,  ein- 
zelne Messungen  zu  machen  über  die  Zeit,  welche  zum  Durch- 
dringen grofser  Fleischmassen  notwendig  war.  Man  bestätigte, 
was  übrigens  aus  der  Küchenerfahrung  heraus  kaum  bezweifelt 
wurde,  das  langsame  Eindringen  der  Wärme. 

Ahnliche  Fragen  tauchten  dann  später  wieder  auf,  als  neue 
Krankheitserreger  bakterieUer  Natur  im   Fleische   nachgewiesen 

Archiv  für  Hygiene.    Bd.  LV.  16 


242     Über  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  and  Organteile  etc. 

worden  waren  und  es  sich  um  deren  Vernichtung  durch  Wärme 
handelte  wie  bei  Milzbrand,  Tuberkulose  und  ähnlichen  Krank- 
keiten. Dann  kamen  Fragen  über  die  Haltbarkeit  der  Konserven 
und  die  hierzu  nötigen  Temperaturen  auf  die  Tagesordnung. 
Das  schlechte  Leitungsvermögen  der  hier  in  Betracht  kommenden 
Substanzen,  die  Notwendigkeit,  zwischen  flüssigem  Wasser  und 
dem  in  den  Zellen  fixiertem  Wasser  bei  der  Wärmeübertragung  zu 
unterscheiden,  hatte  schon  Rumf  ord  beobachtet,  indem  er  auf  die 
langanhaltende  Wärme  des  Apfelbreies  und  der  schnell  sinkenden 
Temperatur  der  Suppen  hinwies,  populär  ausgedrückte  Wahrheiten, 
die  immer  wieder  vergessen  werden. 

Die  Art  und  Weise,  in  der  man  sich  über  die  Wärmeleitungs- 
fähigkeit des  Muskelfleisches  für  unterrichtet  hielt,  mag  durch 
einige  Angaben  erläutert  werden. 

So  finde  ich  bei  Fjord  (1867)  erwähnt,  dafs  gering  gesalzenes 
Fleisch  in  Stücken  von  31/4  Pfd.  bei  2^2  Zoll  Länge  und  7  Zoll 
Querschnitt  22  Minuten  nach  dem  Anfeuern  in  der  Mitte  (statt  9^) 
IV  zeigt,  nach  30  Minuten  43 ^  nach  105  Minuten  62».  Auch 
für  den  Bratakt  finden  sich  Angaben.  Valiin  (1881)  erwähnt, 
dafs  ein  Stück  Rindfleisch  von  3  Kilo  4  Stunden  im  Kochen 
bleiben  mufs,  ehe  die  Temperatur  90 — 100®  erzielt  wird.  In 
1  Stunde  steigt  die  Wärme  nur  bis  50®.^) 

Dann  hat  man  gelegentlich  der  Untersuchung  von  Fleisch- 
dampfapparaten oder  bei  der  Konservierung  von  Büchsenfleisch 
einige  Messungen  gemacht,  die  aber  für  eine  systematische  Er- 
kenntnis und  Erklärung  des  Wärmedurchgangs  im  Fleisch  nicht 
zu  verwerten  sind,  eine  solche  auch  nicht  zum  Ziele  hatten. 

So  zahlreich  also  auch  Messungen  über  den  Temperatur- 
anstieg im  Innern  eines  Fleischstückes  sind,  weifs  man  über 
die  wissenschaftliche  Seite  dieses  Vorgangs  doch  gar  nichts. 
Die  Annahmen  über  das  Leitungsvermögen   des  Fleisches   usw. 


1)  Für  Kochzwecke  findet  sich  auch  sonst  manche  hierher  ^hörige  An- 
gabe, auf  die  ich  aber  nicht  weiter  eingehen  kann.  S.  auch  Abel,  Zeitschr. 
f.  Hygiene,  Bd.  XXX,  8.  382. 

2)  Abel,  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  XXX. 

3)  Biflchoff  u.  Wintgen,  Bd.  XXXIV,  8.  499. 


Von  Max  Rubner.  243 

sind  rein  willkürliche.  Allen  Beobachtern  ist  die  grofse  Unregel- 
mäfsigkeit  der  Durchwärmung  aufgefallen,  man  hat  aber  nicht 
getrennt  zwischen  Fehlern  der  Methodik,  die  offenbar  für  manche 
Verfahren  ganz  aufserordentlich  grofse  sind,  und  zwischen  Diffe- 
renzen, die  in  der  eigentUchen  Beschaffenheit  der  Fleischsubstanz 
liegen. 

An  den  regellosen  und  anscheinend  unentwirrbaren  Ergeb- 
nissen tragen  zweifellos  die  technischen  UnvoUkommenheiten  der 
Methodik  einen  Anteil.  Zur  Temperaturmessung  genügt  das  Ein- 
schieben von  Thermometern  zwischen  die  Muskelbündel  keines- 
wegs; ein  sicherer  Abschlufs  läfst  sich  kaum  erzielen,  es  treten 
Spalten  auf  und  Flüssigkeit  gelangt  nur  zu  leicht  direkt  in  die  Tiefe 
des  Fleischstückes  Die  Art  der  Trennung,  ob  mit  Querdurch- 
schneidung  des  Muskels  oder  parallel  zu  den  Fasern,  kommt  auch 
mit  in  Betracht. 

Meine  Methodik  war  folgende :  In  der  Mitte  der  Fleischstücke 
war  ein  Thermoelement  gut  isoliert  bis  auf  die  eigentliche 
Lötstelle  angebracht,  ein  zweites  Element  befand  sich  in  einem 
Gläschen  mit  Wasser,  in  dem  neben  dem  Element  ein  Thermo- 
meter sich  befand.  Ein  Galvanometer  stand  auf  0,  wenn  beide 
Lötstellen  gleiche  Temperatur  hatten.  Der  Weg  der  thermo- 
elektrischen  Messung  ist  zu  bekannt,  als  dafs  ich  weiteres  anzu- 
geben nötig  hätte. 

Das  Wasser,  in  welches  das  Fleisch  getaucht  wurde,  hatte 
20^  und  wurde  dann,  nachdem  das  Fleischstück  sicher  mit  dem 
Thermoelement  befestigt  war,  rasch  angewärmt 

Ich  bemerke  weiter,  dafs  die  mit  möglichst  reinem  Muskel- 
fleisch angestellten  Versuche  natürlich  nicht  auf  Fleisch  mit 
massigen  Fetteinlagerungen  und  knochenhaltiges  Fleisch  über- 
tragbar sind. 

Innegehalten  wurde  bei  den  Experimenten  auch  eine  gleich- 
artige Schnittweise  des  Fleisches.  Die  Messungen,  über 
welche  ich  berichten  kann,  liegen  viele  Jahre  zurück. 

Schon    vor   etwa    10  — 12  Jahren   hat  Professor  Bonhoff 

eine  Zahl  von  Untersuchungen  über  Wärmedurchgängigkeit  des 

Fleisches  in  meinem  Institut  ausgeführt. 

16  • 


244     tiher  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 

In  nachstehender  Tabelle  ist  die  Qualität  des  Fleisches, 
die  natürlich  nicht  immer  den  Wünschen  entsprechen  konnte, 
angegeben. 

+  bedeutet  ein  schlechtes  Stück  aus  kleinen  Muskeln, 
also  mit  viel  Sehnen  und  Bindegewebe  durchsetzt. 
-| — f-  ein  mittelgutes  Stück  aus  zwei  grofsen  Muskelmassen, 
-\ — I — f-  ein  tadelloses  Stück  aus  einer  einzigen  grofsen  Muskel- 
masse. 

Unter  Wassertemperatur  im  Reagensglas  vor  dem  Kochen 
ist  zu  verstehen  die  Temperatur,  welche  das  mit  dem  zweiten 
Thermoelement  in  einem  mit  Wasser  gefüllten  Reagensglas  ver- 
einigte Thermometer  im  Moment  des  Einwerfens  des  Fleisch- 
stückes in  das  Wasser  zeigt. 

Die  Erwärmungszeiten  sind  in  Minuten  angegeben,  gerechnet 
von  dem  Moment  des  Einlegens  des  Fleischstückes  bis  zu  dem 
Moment,  in  welchem  das  Galvanometer  0  Ausschlag  gibt,  und 
das  Wassergläschen  mit  dem  einen  Thermoelement  die  angegebene 
Temperatur  am  Thermometer  ablesen  liefs. 

(Siehe  Tabelle  H  auf  S.  245  and  246.) 

Die  Ergebnisse  zeigen  Schwankungen,  die,  was  die  erste 
Zeit  nach  dem  Erwärmen  anlangt,  von  der  Temperatur,  die  das 
Fleisch  vor  dem  Experiment  hatte,  abhängig  sind.  Diese  Tem- 
peratur kann  man  schätzen  nach  dem  Stande  der  Nadel  des 
Galvanometers  beim  Einstechen  des  Elementes.  1^  negativer 
Ausschlag  war  rund  0,4®. 

Genauer  als  auf  0,2®  werden  die  Angaben  im  allgemeinen 
nicht  sein.  Es  genügt  dies  für  die  vorliegende  Aufgabe.  Den 
Praktiker  wird  zunächst  die  Frage  interessieren,  wie  lauge  es 
dauert,  bis  ein  bestimmter  Temperaturgrad  erreicht  wird.  Der 
einfachste  Fall  ist  das  Garwerden  des  Fleisches  bei  der  Tem- 
peratur von  100®.  Dann  haben  alle  Teile  die  gleiche  Wärme  an- 
genommen. 

Die  einfachste  Art  der  Betrachtung  ist  die,  dafs  wir  die 
Endzeiten  für  den  erreichten  Gleichgewichtszustand  ins  Auge 


VoD  Max  Rubner. 


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246     Ober  das  Eindringen  der  Wftrme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 


Von  Max  Rubner. 


247 


fassen.  Wie  man  aus  den  Tabellen  sieht,  liegen  trotz  der  sorg- 
fältigen Auswahl  an  Material  doch  nicht  unerhebliche  Differenzen 
vor,  die  in  der  Natur  der  Substanz  begründet  sein  mögen.  Die 
Mittelwerte  gleichen  die  gröberen  Schwankungen  genügend  ab, 
um  mit  den  Zahlen  weiter  operieren  zu  können. 

Tabelle  XU. 

Minatenzahl  fttr  die  erreiehten  Temperatnreii  wttrfein^miisrer  Stücke  Ton 

naehfolsrenden  SeitenlÜDsreD. 


Temp. 

im 
Fleisch 

6 

8 

11 

11 

gekocht 

Nr.  10,  11, 

12.  13. 

20 

7.3 

.^ 

_ 

30 

15,0 

20,5 

2,5 

40 

3,5 

21,3 

32,5 

9,7 

50 

6,6 

29,0 

44,5 

20.5 

60 

8,7 

36,3 

55,4 

30,7 

70 

12,8 

43,3 

70,9 

39.5 

80 

17.5 

53,8 

78,0 

48,7 

90 

25,5 

73.3 

98,2 

65,2 

100 

44,2 

93,3 

136,2 

98,5 

Die  Durchdringungszeiten  sind  für  grofse  Stücke  von  denen 
der  kleineren  wesentlich  verschieden,  was  zunächst  einer  weiteren 
Begründung  nicht  bedarf.  Die  ersten  Erwärmungsgrade  werden 
verhältnismäfsig  schnell  durchlaufen.  Die  definitive  Einstellung 
läfst  aber  lange  auf  sich  warten,  ein  Umstand,  der  in  der  Ab- 
nahme der  Triebkräfte  für  die  Wärme  nämlich  der  Differenz 
zwischen  Kerntemperatur  und  Oberfläche  vorläufig  seine  Erklä- 
rung finden  mag.  Ich  bemerke  aber,  dafs  sich  aus  den  hier  roh 
vorUegenden  Zahlen  ein  sicheres  Urteil  über  die  Schnelligkeit  der 
Erwärmung  keineswegs  gewinnen  läfst.  Wir  kommen  darauf  aus- 
führlicher zurück. 

Fassen  wir  zunächst  den  Endeffekt  der  Erwärmung  in  Be- 
tracht, so  wurde  die  Endtemperatur  von  100®  erreicht 

bei    6  ccm  in     44,2  Min. 
>      8    »      »      93,3     » 
(s.  Tabelle  II)     »    10    »      >    126,7     > 

»    11    »      >    136,3     » 


248     Über  das  EindriDgen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 

Daraus  folgt,  dafs  die  Zeiten  sich  umgekehrt  proportional 
dem  Quadrat  des  halben  Durchmessers  der  Fleischstücke  ver- 
halten.    Denn 


6«: 

82 

:    10»  : 

112 

—  36  : 

64 

;100     : 

121 

=    1   : 

1,77 

;      2.8: 

3,36 

1  iU9- 

93,3 

126.7 

136,3 

a  b  c  d 

gibt    44,2  :  52,6  :  45,2  :  40,5. 

Dazu  ist  zu  bemerken,  dals  die  Anfangstemperaturen  waren  bei 

a=16o     im  Mittel 
b  =  11,30    , 

c=    5,20    ,  ^ 

d  =  20,30    1  1 

Zwischen  6 — 11  cm  Durchmesser  (0,22 — 1,33  kg)  kann  man 
also  annehmen,  dals  die  obenbenannte  6esetzmlU*sigkeit  besteht. 
Denn  die  gefundenen  Abweichungen  sind  bei  einem  Objekt, 
das  einer  feineren  Beobachtung  solche  Schwierigkeiten  ent- 
gegenstellt wie  der  Muskel,  ziemlich  belanglos.  Zum  Teil  erklärt 
sich  die  Abweichung  von  b  und  c  durch  die  niedrigere  Anfangs- 
temperatur. 

Über  die  Anwendung  des  Satzes,  dafs  die  Zeiten  gleicher 
Temperatur  von  der  Gröfse  der  Stücke  abhängig  sei,  auf  alle 
Zwischenstufen  zwischen  20 — 100  0  kann  man  sich  an  dieser  Stelle 
noch  nicht  aussprechen.  Für  70^  besteht  die  Gesetzmäfsig- 
keit  für  die  gröfseren  Fleischstücke,  für  das  kleinste  aber  nicht. 

Es  sind  die  Zeiten  für  lO« 

bei    6  cm  Seitenlg.  12,8  Min.,  während  die  Rechnung  zeigt  21,2  Min., 
*      8  »         >         43,3    y>  »  »  »  »     37,3     » 

»    10  »         »         56,2    >  »  »  V  »     59,0    > 

»    11  >         y>         70,9    »  »  >  »  »     70,9    > 

wenn  man  von  dem  Werte  für   12  cm  ausgehend  die  übrigen 
ableitet. 


Von  Max  Rabner.  249 

Die  bisherigen  Beobachter,  deren  Zahlenergebnisse  für  die 
Erwärmung  des  Fleisches  so  aulserordentlich  schwankend  gewesen 
sind,  haben  als  Hauptgrund  immer  nur  die  ungleiche  Zusammen- 
setzung der  Stücke  (Fettgehalt,  Knochen)  angesehen;  ein  solcher 
Einflufs  soll  nicht  in  Abrede  gestellt  werden.  Er  ist  aber  noch 
nicht  das  punctum  saliens  in  der  Sache. 

Der  Hauptfehler,  warum  man  bisher  die  allermannigfachsten 
Resultate  gefunden  hat,  lag  in  der  ungenügenden  Kenntnis  von 
den  Veränderungen  des  Fleisches  in  der  Hitze.  Durch  die  Arbei- 
ten meines  Laboratoriums  sind  diese  eigenartigen  Vorgänge  im 
einzelnen  aufgeklärt,  die  Ergebnisse  aber  zu  wenig  beachtet 
worden. 

Von  Nothwang^)  wurde  festgestellt,  wie  sich  bei  der  Siede- 
temperatur unter  verschiedenen  Umständen  der  Gehalt  an  Wasser, 
Salzen,  Extraktivstoffen  ändert,  sei  es,  dafs  die  Fleischsorten  in 
Berührung  mit  Wasser  oder  Dampf  erwärmt  waren.  Ferrati^) 
hat  festgestellt,  welche  Änderungen  bei  sehr  verschiedener  Tem- 
peratur und  bei  verschiedenen  als  »Fleische  im  weiteren  Sinne 
bezeichneten  Organen  vor  sich  gehen;  es  hat  sich  dabei  die 
wichtige  Tatsache  ergeben,  dafs  die  Festigkeit,  Zähigkeit 
und  Derbheit  des  Fleisches  mit  steigender  Tempera- 
tur immer  zunimmt.  Die  zu  Sterilisationszwecken  für  Fleisch 
vorgeschlagene  Temperatur  über  100^  ist  vom  Ernährungsstand- 
punkte aus  betrachtet  nicht  ohne  Bedenken. 

F.  W.  Milroy')  hat  die  chemischen  Veränderungen  des 
Fleisches  bei  verschiedener  Temperatur  näher  verfolgt  und  dar- 
tun können,  dafs  die  Unsitte,  fast  rohes  oder  halbgares  Fleisch 
zu  geniefsen,  in  der  Annahme,  im  halbgaren  Fleisch  fänden  sich 
noch  sehr  viel  unkoagulierte  Eiweifsstoffe,  durch  das  JEiXperiment 
widerlegt  werde. 

Als  einen  Ausdruck  der  Volumänderung  können  wir  die 
Gewichtsverluste  des  Fleisches  in  der  Wärme  betrachten.     Von 


1)  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  XVIÜ,  8.  80. 

2)  Dasselbe,  Bd.  XIX,  8.  317. 
8)  Dasselbe,  Bd.  XXV,  S.  154. 


250     Über  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 

Ferrati  wurden  darüber  systematische  Versuche  angestellt;  ich 
gebe  nachstehend  unter  Umrechnung  der  Originalzahlen  ^n,  um 
wie  viele  Prozente  Gewichtsverlust  das  Fleisch  bei  gewissen 
Temperaturintervallen  sich  ändert:^) 

bei  15®  0,04%  (=  autolytische  Vorgänge) 

15— 45»  3,57% 

45—560  7,21% 

56—660  15,83% 

66—750  10,650/0 

75—860  8,300/0 

86—950  1,730/0. 

Darüber  hinaus  schreitet  die  Schrumpfung  des  Fleisches 
weiter,  sie  interessiert  uns  hier  zunächst  nicht. 

Läfst  man  das  Fleisch  länger  als  zur  Erreichung  des  Wärme- 
gleichgewichtes  nötig  ist,  in  der  Wärme,  so  findet  nochmals  eine 
Zusammenziehung  statt,  die  ja  nicht  so  umfangreich  ist  als  die 
erste,  aber  doch  mehrere  Prozent  betragen  kann. 

Ein  Fleisch,  das  (500  g)  eine  Stunde  im  Dampfkochtopf  ge- 
halten wird,  gab  in  dieser  Zeit         170    g  Saft  ab, 
in  der  zweiten  Stunde  noch .     12    g, 
in  der  dritten  Stunde   .     .     .       2,5  g. 
Meist  werden  die  in  der  zweiten  und  dritten  Stunde  erhaltenen 
Werte  sogar  etwas  gröfser  sein. 

Die  oben  nach  Ferrati  berechneten  Werte  gelten  nur  für 
den  Fall  des  Gleichgewichtszustandes ;  richtet  man  sich  nur  nach 
der  Kerntemperatur  einer  in  steigender  Erwärmung  befindlichen 
Fleischmasse,  so  ist  die  Aulsentemperatur  nicht  gleich  dem  Kern, 
sondern  gleich  dem  umgebenden  Medium.    Die  Schrumpfung  des 

Fleisches  macht  sich  also  dann,  weil ^ höher 

als  die  Kemtemperatur  selbst,  schon  früher  geltend,  als  nach 
obigen  Zahlen  sich  ergäbe. 

Im  Anschlüsse  hieran  möchte  ich  noch  folgendes  bemerken. 
Bei  der  Einwirkung  der 'Wärme  auf  Fleisch   zieht  sich   dieses 


1)  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  XIX,  8.  319. 


Von  Max  Rabner.  251 

nicht  gleichmäfsig  zusammen,  sondern  die  Längskontraktion  der 
Faser  ist  die  erheblichste. 

Bei  einem  mageren  Fleisch,  das  beim  Dünsten  in  Dampf 
von  100  Gewichtsteilen  auf  50,4  zurückgegangen  war,  war  die 

Kontraktionsverkürzung 100 :  47,5, 

die  Verändenmg  der  Seitenlänge  des  Querschnittes  .     100 :  84,8 
und  die  der  mittleren  Querschnittfläche 100  :  92,8. 

Die  Deformation  nimmt  an  Stücken  mit  wechselnder  Faser- 
richtung die  allerabenteuerlichsten  Formen  an ;  ein  unregelmälsig 
geformtes  Stück  kann  zur  Kugel  werden,  der  Würfel  plattet  sich 
ab,  Spitzen  und  Zacken  entstehen.  Die  Längskontraktion  kann 
sich  frei  entwickeln  oder  gehemmt  sein.  Je  nach  dem  ana- 
tomischen Bau  und  der  Schnittführung  kann  man  also  die  alier- 
mannigfaltigsten  Ergebnisse  erzielen. 

Nachstehend  (S.  S.  252)  folgt  die  graphische  Darstellung  des 
fortschreitenden  Gewichtsverlustes^)  des  Muskelfleisches  beim 
Erwärmen,  und  die  Retraktion  der  Längsfasem  (punktierte  Linien) 
(Ordinaten  links),  so  wie  die  Veränderung  der  Werte  für  PC  bei 
Muskelfleisch  (Ordinaten  rechts).  Der  Abszisse  gibt  die  Tempe- 
raturen. 

Manche  Fleischarten,  wie  z.  B.  das  Fleisch  der  Fische,  wird 
in  der  Hitze  ganz  anders  beeinflufst  als  das  der  Säugetiere,  es 
nimmt  weniger  an  Gewicht  und  Volumen  beim  Erhitzen  ab. 

Mit  der  Gerinnung  der Eiweifsstoffe  ist  nur  in  bestimmten 
Organen  eine  Änderung  der  Form  und  Verkleinerung  des 
Raumes  verknüpft,  viele  EiweilsstoSe  gerinnen  unter  Gleich- 
erhaltung von  Form  und  Masse,  z.  B.  das  Hühnereiweils,  der 
Dotter,  das  Serum  und  Blut. 

Mit  der  Volum  Verkleinerung  des  Fleisches  ändert  sich  für 
den  Einstrom  der  Weg  für  das  Eindringen  der  Wärme. 
Die  Berührung  mit  den  umgebenden  Medien  wird  zugleich  inniger, 
weil  ja  die  Oberfläche  im  Verhältnis  zur  Masse  gleich- 
falls mit  abnehmender  Gröfse  des  Stückes  wächst,  wie  die  nach- 
stehenden Zahlen  zeigen. 

1)  Die  Summen  bis  su  einer  bestimmten  erreichten  Temperatur. 


252     tJboT  das  EiDdringen  d«  Wftnne  in  feste  Objekte  und  OrgajitaUa  etc. 
Tftbslle  IV. 


Seitenl&nge 

die  Gewichte  der 
ätDcke  iiüd 

die  Oberflftctie 

Mf  1  Kilo  tril« 
Oberfllclie 

6  cm 

226  g 

144 

637 

8     > 

639  . 

266 

477 

10     . 

1054  > 

400 

383 

11      . 

1403  . 

484 

344 

GewiektBAbnthra«  dea  HiukelflelsefaM  bei  der  ErwInnoBr. 

100  Teile  verliereD  Oramm '). 


Wenn  die  Wärme  in  das  frische  Fleisch  eindringt  und  dieses 
zur  Kontraktion  zwingt,  mufs  eine  Wärme  aufgewandt  werden,  die 
der  Erwärmung  der  ganzen  Fleischmasse  auf  die  Endtemperatur 
entspricht,  denn  der  ausgepreCate  Saft  nimmt  und  mufs 
seinen  Weg  durch  die  warme  Aufsenscbicht  nehmen; 
er  strömt  mit  seinem  dem  Fleisch  entnommenen  Wärmevorrat  ab. 

Ein  Fleischstück  von  11  cm  Seitenlange  hat  1,403X0,825 
=  1157  g  Kai.  Wasserwert. 

Für  die  Erhöhung  von  20—100 "  müssen  eintreten  92,56  kg  Kai. 

Dabei  ist  es  aber  allmählich  zusammengeschrumpft,  so  dafs  sein 
End  wasserwert  statt  1157  nur  mehr  544  g  Kai.  ausmacht.  Erwärme 
ich  diese  Substanz  wieder,  so  braucht  sie  nur  mehr  43,62  Kilo  Kai. 

1)  Der  LftogenTerliut  ist  grofser;  die  reBtieieode  lAnge  ^=  0^1  X  <lem 
verbleibenden  Gewicht 


Von  Max  Rabner.  253 

aufzunehmen,  um  100^  zu  erreichen.  Die  Aufnahme  bei  zweit' 
maliger  Erwärmung  wird  erleichtert  durch  die  geringe  Weg- 
strecke und  die  gesteigerte  relative  Oberfläche,  gehemmt 
durch  die  Abnahme  des  Leitungsvermögens  ( —  13,1%). 

Damit  dürften  die  ersten  elementaren  Fragen,  die  man  aus 
dem  Experimente  beantworten  will,  erledigt  sein. 

Bei  den  bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Versuchen  ist  man 
über  die  Feststellung  der  Erwärmungszeit  nicht  hinausgekommen, 
noch  weniger  hat  man  es  unternommen,  weitere  gesetzmäfsige 
Beziehungen  abzuleiten. 

IV. 

Will  man  nicht  sich  mit  der  allgemeinen  Tatsache,  dafs 
eben  die  Wärme  ungleich  ins  Fleisch  eindringt,  genügen  lassen, 
sondern  weitere  Schlüsse  ziehen,  so  mufs  man  einen  besonderen 
Weg  der  Rechnung  einschlagen. 

Ich  wünschte  einen  Ausdruck  zu  erhalten  dafür,  ob  in  ein- 
zelnen Zeitperioden  das  Eindringen  der  Wärme  gleichartig 
oder  ungleichartig  sei.  Zu  diesem  Behuf e  habe  ich  zuerst  die 
einzelnen  Serien  zu  Mittelwerten  für  je  eine  Dicke  des  Fleisches 
zusammengelegt  (s.  S.  247). 

Sodann  wurde  berechnet,  wie  grofs  jeweils  das  Temperatur- 
intervall zwischen  Zentrum  des  Fleisches  und  der  äulseren  Be- 
grenzung war  (also  bei  20  ^  =  80,  bei  30®  =  70),  und  ähnlich 
war  für  das  Erkaltungsgesetz  die  Konstante  berechnet  worden 
durch  Division  mit  der  Zeit  in  die  Differenzen  der  Logarithmen 
der  eben  genannten  Temperatur  werte.  ^) 

1)  Zwei  Beispiele  der  Berechnung  mOgen  genügen. 
Fall  I.    6  cm  Darchmesser. 


Temperatur- 

Zeitdauer  der 

Differenz  der 

Differenz 

Erwärmung 

Zeit  in  jedem 

aiiDMü  n.  Kern 

in  Minuten 

Intervall 

50« 

M 

+  3.0 

40» 

7.4 

+  4,2 

30» 

11.2 

+  4,4 

20« 

15,6 

+  9,8 

10» 

26,4 

+  18.8 

0« 

44,2 

Minuten 


254     Über  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 


Diese  gesetzmälsige  Beziehung  gilt  freilich  als  ganz  genau 
nur,  wenn  das  Intervall  etwa  40^  nicht  überschreitet;  aber  es 
kommt  hier  auch  darauf  an,  wie  grofs  diese  Differenzen  sind. 


Fall  11.    8  cm  Durchmesser,  J 

Seieicbnung  ebenso. 

80«                   7,3 

70«                 16,0 
60«                 21,3 
60«                 29,0 
40«                 36,3 
SO«                 43,3 
20«                 63,8 
10«                 73.3 
0«                 93,3 

+    7,7 
+    6,3 
+    8,3 
+    7,3 
+  10,0 
+  10.6 
+  19,5 
+  20,6 

Minuten 

weiter  für  Fall  I 

lg 

60  — 2^40 

3,0  Minuten 

1,6989700 

1,6020600         0,0969100        ^^  ^^     ,         0,0323 

= =  0,0323  oder  — 

0,0969100                3                                           60 

f.  d.  Sek 

1,6020600 

1,4771213 
0.1249387 

0,1249387         ^^^^ 
4,2         -  ^'^' 

1.4771213 

1,3010300 
0,1760913 

0,1^^60913  ^  ^^^^ 

1.3010300 

1,0000000 
0,3010800 

0.3010300  =  0,0307 

1,0000000  — 

1,0000000        ^^^ 
18,8        -^'^^- 

Für  Fall  II:        0,0075 

0,0126 

0,0106 

0,0167 

0,0096 

0,0164 

0,0133 

0,0600 

Von  Max  Rubner.  255 

Als  ich  die  in  folgenden  Versuchen  benutzte  leere,  d.  h.  mit 
Luft  gefüllte  Metallkugel  in  einem  Wasserbad  von  25^  erkalten 
liefs,  waren  die  Werte  ^) 


T—\ 

5 

65 

40 

0,0024 

0,0031 

60 

35 

0,0028 

0,0031 

55 

30 

0,0027 

0,0030 

50 

25 

0,0082 

0,0031 

45 

20 

0,0031 

0,0031 

40 

15 

0,0031 

10 
5 
0 

0,0031 
0,0031 
0,0031 

0,0023 
Ahnlich  für  den  umgekehrten  Vorgang,   der  Erwärmung. 
Hierbei   differierten   die   anfängUchen  Werte   nicht  unerheblich, 
bis  sich  ein  Gleichgewicht  hergestellt  hatte.     Dann   entsprachen 
die  Zahlen  den  obigen 


0,0030 

0,0030 

0,0029 

0,0028 

0,0031 

0,0025. 

Der  letzte  Wert  schwankt,  weil  hier  der  Punkt  des  scharfen 
Erreichens  wegen  der  Langsamkeit  des  Temperaturanstiegs  beim 
Ablesen  Schwierigkeiten  macht. 

Diese  Zahlen  der  Tabelle  V  sind  ein  Ausdruck  für  die  Ge- 
schwindigkeit des  Erwärmens  des  Fleisches.  Das  Resultat  zeigt 
in  jeder  Reihe  eine  Zunahme  der  Werte  mit  dem  Unter- 
schiede, dafs  speziell  bei  niedrigen  Temperaturen  zwischen  den 
einzelnen  Proben  grofse  Differenzen  sich  finden.  In  der  ersten 
Zeit  dauert  es  selbstredend  bei  sehr  dicken  Schichten  am  längsten, 


1)  Dies  sind  natQrlich  keine  Werte  far  das  Leitangsyermög^  der  Luft  1 


256     t)ber  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 


bis  Überhaupt  ^in  nennenswerter  Wännezuwachs  eintritt.  Die 
Zunahme  der  Erwärmungsgeschwindigkeit  entspricht  also  gerade 
dem  Gegenteil  von  dem,  was  man  aus  einer  oberflächlichen  Be- 
trachtung der  Zahlen  hätte  herauslesen  können.  Die  Geschwindig- 
keit der  Erwärmung  ist  mit  Zunahme  der  Temperatur  nicht 
abnehmend,  sondern  wachsend. 

Tabelle   V. 


Werte  für 


log  e»  —  e, 


sec. 


T 


Seitenlänge  der  Fleischstücke 


30 
40 
50 
60 
70 
80 
90 
100 


70 

eo 

50 
40 
30 
20 
10 
0 


0,00054 
0,00049 
0,00067 
0,00051 
0,00086 


0,00018 
0,00016 
0,00021 
0,00021 
0,00028 
0,00026 
0,00083 


0,00013 
0,00016 
0,00017 
0,00030 
0,00026 
0,00031 
0,00033 


Gewichts- 
verlust nach 
Ferrati 


0,00010 
0,00010 
0,00016 
0,00021 
0,00027 
0,00028 
0,00042 


7,21 
15,8 
10,6 

8,3 


> 

» 
> 


Das  kann  nicht  in  einer  leichteren  Durchdringung  auf  Grund 
des  geänderten  Leitungsvermögens  begründet  sein,  sondern  es  ist 
der  Ausdruck  für  die  stetige  Abnahme  des  V^olumens,  der  Ab- 
nahme der  Wegstrecke  für  die  Weiterbewegung  der  Wärme. 

Ob  aber  die  Volumänderung  den  einzigen  wesentlichen  Grund 
für  den  eigenartigen  Wärmeanstieg  darstellt,  ist  nicht  entschieden; 
sind  doch  die  Wirkungen  der  Erwärmung  organisierter  Massen 
keineswegs  genau  genug  bekannt.  Ich  habe  mich  daher  zu  unter- 
richten versucht,  ob  nicht  auch  die  Veränderungen  beim  Fest- 
werden der  eiweifsartigen  StofiFe,  die  Prozesse  der  Gerinnung, 
Momente  von  einiger  Bedeutung  seien. 

Ehe  wir  zu  weiteren  Schlüssen  kommen,  will  ich  eine  Reihe 
von  Messungen  an  Ei weifs Sorten  betrachten.  In  drei  ganz 
gleich  grofsen  kugligen  Kolben  von  r  =  4  wurde  Eiweifs,  Dotter 
und  Blut  gefüllt  und  im  Wasserbad  von  99,6®  die  Temperatur 
verfolgt,  das  Thermometer  wurde  scharf  in  den  Mittelpunkt  der 


Von  Max  Rabner. 


257 


Kugel  gebracht.  Aus  den  Originalablesungen  wurden  in  oben 
gesagter  Weise  die  Werte  für  die  Erwärmungsgeschwindigkeit 
pro  1  Sekunde  abgeleitet  und  in  folgende  Tabelle  eingetragen. 

Tabelle   VI. 

log  t^  —  f, 


r  =  4,0  cm 


Sekunden 


T—t 


55 
50 

44 

40 

34 

80 
24 
20 
15 
10 
5 
0 


Eiweifs 


0,00055 
0,00055 


Dotter 


Blut 


0,00032 
0,00032 


0,00038 1 
0.000381 


0,00035 

0,00035 
0,00039 
0,00089 
0,00046 
0,00043 
0,00044 


0,00045  I 

0,00045 
0,00061 
0,00061 
0,00061 
0,00037 


0,00033  I 

0,00059 
0,00059 
0,00040 
0,00044 
0,00032 


Man  erkennt  ohne  weiteres  eine  sehr  weitgehende  Überein- 
stimmung in  den  einzelnen  Werten,  eine  weit  bessere  als  bei  dem 
Fleisch  erhalten  worden  ist.  Zwischen  65 — 90°  erwärmt  sich 
Dotter  am  schnellsten,  Eiweifs  weniger  schnell  und  Blut  nimmt 
eine  mittlere  Stellung  ein,  gleichartig  scheint  die  Erwärmung 
bei  allen  dreien  nicht,  eher  erst  abfallend,  dann  wieder  steigend. 

Die  Versuche  wurden  mit  Hühnereiweifs  genauer  wiederholt. 
Aus  vielen  Versuchen  gebe  ich  nur  die  in  Tabelle  VII  auf 
Seite  258  angegebenen  Beispiele. 

Der  Verlauf  des  Wärmeganges  ist  ein  ganz  eigenartiger.  Nach 
einem  raschen  Eindringen  der  Wärme  nimmt  die  Erwärmungs- 
geschwindigkeit allmählich  ab  bis  zu  einem  Minimum  bei  55° 
oder  60°,  sodann  erhebt  sich  die  Leitungsgrölse,  um  bei  70° 
und  weiter  annähernd  konstant  zn  bleiben.  Um  Zufälligkeiten 
kann  es  sich  dabei  nicht  handeln.  Ich  habe  das  Experiment 
wiederholen  lassen.  Der  Erwärmungsgang  blieb  derselbe.  Das 
Minimum  zeigt  sich  bei  60°  Temperatur. 

Archiv  mr  Hygien«.    Bd.  LIV.  17 


258     ^her  da«  Eindringen  derWftrme  in  feste  Objekte  and  Organteile  etr. 


Tabelle  Vn. 

T—t 

roh 

[ 
gekocht 

n 

Mittel 

Wirkl. 

roh 

gekocht 

roh 

gekocht 

Temp. 

71 

0,00130 

0,00022 

0,00220 

0,00017 

0,00170 

0.00022 

30 

66 

0,00140 

0,00027 

.  0,00220 

0,00018 

0,00180 

0,00022 

35 

61 

0,00060 

0,00027 

0,00090 

0,00023 

0,00076 

0,00025 

40 

66 

0,00012 

0,00032 

0,00050 

0,00025 

o,ooasi 

0,00028  ' 

45 

51 

0,00017 

0,00034 

0,00031 

0,00026 

0.00024 

0,00030 

50 

46  . 

1 

0,00018 
0,00019 
0,00023 

0,00036 
0,00032 
0,00038 

,  0,00036 
0,00009 
0,00023 

0,00034  ! 
0,00027  1 
0,00032 

0.00027 

0,00035 
0,00029 
0,00036 

55 

41 

0,00014 

60 

36 

0,00023 

ÖT) 

31  ii 

II 

0,00025 

0,00038 

0,00023 

0,00032 

0,00024 

o,ooa% 

70 

26  ' 

0,00022 

0,00033 

0,00025 

0,00028 

0,00024 

0,00031 

75 

21 

0,00028 

0,00038 

0,00030 

0,00032 

0,00029 

0,00036 

80 

k; 

0,00027 

0,00037 

.  0,00031 

0,00029 

0,00029 

0,00033 

85 

"  1, 

0,00024 

0,00034 

0,00031 

0,00026  ; 

1 

0,00027 

0,00028 

90 

ö   ,i 

1 

1   — 

1 

"" 

Darunter  und  darüber  ist  die  Wärmeleitung  grölser,  und 
zwar  besonders  grofs  bei  niedrigen  Temperaturen,  bei  denen  gerade 
die  Wärmebewegung  im  Fleisch  so  sehr  gering  gewesen  ist. 

Der  Ursache  für  den  so  merkwürdigen  Gang  der  Erwärmung 
kann  man  durch  den  Versuch  näher  treten,  wenn  wir  das  Ei- 
weifs  ein  zweites  Mal  erwärmen.  Die  vorstehende  Tabelle 
enthält  unter  der  Bezeichnung  Mittel  eigentlich  drei  Versuche, 
indem  in  der  einen  Reihe  das  Eiweils  dreimal  erwärmt  wurde 
(einmal  roh,  zweimal  gekocht).  Da  hierbei  bei  den  vorher  gekoch- 
ten Proben  sich  Abweichungen  nicht  ergaben,  wurde  auf  weitere 
Wiederholungen  verzichtet.  Die  Erwärmungszahlen  geben  zwar 
keine  eigentliche  Konstante,  aber  bis  40^  sind  die  Abweichungen 
nicht  erheblich,  und  liegen  unter  dem  späteren  Mittel.  Beim  koa- 
gulierten Eiweifs  ist  nach  meinen  Zahlen  die  Erwärmung  also  sehr 
gleichmäfsig.  Wie  ist  aber  die  Abweichung  des  rohen  Eiweifses 
zu  erklären? 

Die  Betrachtung  führt  uns  zu  folgenden  Ergebnissen.  Die 
erste  Steigerung  der  Temperatur  des  einer  warmen  Umgebung 
ausgesetzten  Eiweifses  führt  zu  einem  lebhaften  Wärmedurch- 
gang,   an    einem    solchen    sind    Strömungen    der    Flüssigkeit 


Von  Max  Rabner.  259 

beteiligt.  Doch  habe  ich  absichtlich,  um  solche  zu  verhindern, 
das  Eiweils  so  genommen,  wie  man  es  direkt  beim  Offnen  des 
Eies  erhält,  also  nicht  etwa  in  der  mehr  flüssigen  Form,  wie  es 
nach  dem  Schlagen  zu  Eiweifsschnee  sich  sammelt. 

Bei  einer  wirklich  flüssigen  Masse  ist  der  Wärmegang  auch  ein 
weit  rascherer,  z.  B.  bei  Milch,  wo  sich  als  Erwärmungswert  fand : 

71 

0,00317 


66 
56 
51 
46 

41 


0,00356 
0,00369 
0,00320 
0,00312 


Man  versteht,  dafs  diese  Bewegung  des  Eiweifses  abnimmt 
mit  der  Gerinnung  der  äufseren,  der  Metallkugeloberfläche  an- 
liegenden Schichten  und  der  Zunahme  der  Zähigkeit,  die  der 
Gerinnung  vorausgeht.  Aber  auffallend  bleibt  der  Temperatur- 
abfall bei  der  Gerinnung  in  dem  Zentrum  des  Eies.  Ich  dachte, 
dafs  zum  Teil  die  Entwicklung  von  Gasen,  die  ich  manchmal 
beobachtet  habe,  einen  Einflufs  ausübe. 

Wenn  man  Hühnereiweifs  erwärmt,  so  wird  es  für  ein  kurzes 
Temperaturintervall  dünnflüssiger.  Dann  verliert  sich  diese  Eigen- 
schaft und  zwischen  50 — 60°  beginnt  schon  die  partielle  Gerin- 
nung, die  dann  immer  weiter  fortschreitet.  Achtet  man  genauer 
auf  die  Vorgänge,  so  findet  man  manchmal  eine  mehr  oder  minder 
starke  Volumvermehrung,  eine  Blähung  der  Masse,  und  unver- 
kennbar das  Auftreten  von  Luftbläschen  oder  Flüssigkeitsbläschen 
in  der  Masse.  Es  richtet  sich  dies  aber,  wie  ich  finde,  nach  der 
Natur  der  Eier,  indem  frische  Eier  diese  Tendenz  zur  Blähung 
nicht  besitzen,  wohl  aber  die  alte  Ware. 

Erhitzt  man  Hühnereiweifs  langsam  und  ohne  Blasenbildung, 

so  kommt  keine  Volumzunahme  zustande.     Ich  verwendete 

Eiweils  von   1042,1   sp.  Gew.   und   brachte  etwas  davon  in  ein 

17  • 


260     Über  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 

Pyknometer,    und    liefs    es   dann   durch   Erwärmen   im    warmen 
Wasserbade  gerinnen,  wobei  es  etwas  an  Wasser  verlor. 

Frisch     .     .     17,476  g  =  16,769  ccm 

geronnen  17,452  »  —   0,025     > 

—  0,024  g  =  16,744  ccm. 

Das  Pyknometer  nahm  noch  5,092  ccm  Wasser  auf,  nach- 
dem das  Eiweifs  geronnen  und  wieder  abgekühlt  war.    Der  ganze 

Kubikinhalt  war 

21,878  ccm 

ab 5,092     » 

16,786  ccm. 
Das  Eiweifs   müfste   also   nach   dem  Erhitzen   diesen  Raum   ein- 
genommen haben,  es  mafs  vor  dem  Erhitzen 

16,769  ccm 

Ausdehnung 0,017  ccm  =  +  0,1%. 

Hat  man  aber  alte  Eier  und  erhitzt  auf  höhern  Grad  als 
zur  eigentUchen  Koagulation  nötig  ist,  so  kann  die  Volumzunahme 
in  der  Wärme  21  —  23%  ausmachen.  Schichtet  man  Ol  über 
das  Eiweifs,  so  zeigen  sich  deutlich  die  aufsteigenden  Gas- 
bläschen,  und  zwar  sind  sie,  wie  man  beim  Evakuieren 
unter  der  Luftpumpe  sieht,  in  der  ganzen  Masse  verteilt.  Nach 
dem  Abkühlen  sinkt  die  Eiweifsmasse  in  sich  zusammen,  aber 
nicht  mehr  ganz. 

In  solchen  Fällen  konnte  etwas  Wärme  durch  die  Ver- 
flüchtigung von  Gasen  verloren  gehen.  Die  Gasentwicklung 
beim  Erhitzen  mancher  Nahrungsmittel  habe  ich  schon  vor  langer 
Zeit  näher  untersuchen  lassen  mit  dem  Resultate,  dafs  unter  allen 
Umständen  dabei  CO2  auftritt  i),  daneben  manchmal  SHj  und 
seltener  Merkaptan. 

Die  Eier  entwickeln,   auf  500  g  frisches  Material  gerechnet, 

0,149  g  =  0,298  g     pro  Kilo  an  CO2, 
oder  in  ccm  gerechnet     149  ccm  >        » 

_  14,9  pro  100  g  Substanz. 

1)  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  XIX,  S.  133. 


Von  Max  Rubner.  2t)  1 

Denkt  man  sich  die  Gasmasse  auch  noch  bei  Siedetempe- 
ratur ausgedehnt,  so  reicht  sie  hin,  die  beobachteten  Erscheinungen 
zu  erklären. 

Diese  Gasentwicklung  erfordert  selbstverständlich  eine  gewisse 
Wärmemenge,  die  zunächst  der  Umgebung  entnommen  werden 
mufs. 

Den  eigentlichen  Vorgang  der  CO2- Abspaltung  kennen  wir 
nicht,  und  es  läfst  sich  daher  auch  nur  approximativ  schätzen,  welche 
Wärmemenge  etwa  durch  den  Akt  des  Entstehens  der  genannten 
C02-Mengen  gebunden  wird.  Die  Kugel  war  gefüllt  mit  372  g 
Eiweifs.     Die  absolute  Gröfse   der   C  02- Bildung  kann   demnach 

0  149 
0,108  g  betragen  haben  (372  •  -^kq-  =  0,108  g).  Durch  den  ein- 
fachen Übergang  von  flüssiger  zu  gasförmiger  CO2  wird  pro  Mole- 
kül 5600  g-Kal.  frei  =  127  Kai.  pro  1  g  CO2  und  13,7  g-Kal.  für 
die  Füllung  meiner  Kugel,  eine  Menge,  die  gegenüber  dem  Wärme- 
strom von  etwa  23  840  g-Kal.,  welche  zur  Erwärmung  der  ganzen 
Masse  nötig  waren,  verschwindend  ist.  Wenn  die  Zersetzung 
etwa  so  erfolgt,  wie  durch  Spaltung  einer  salzartigen  Verbindung, 
z.  B.  2  NaHCOg  =Na2C08  +  H2O  (flüssig)  +  CO.^  (Gas),  dann 
sind  19960  gKal,  notwendig,  die  Reaktion  zu  vollenden  =461 
pro  1  g  CO2  =  48,7  g-Kal.  pro  0,108  g  CO2. 

Manchmal  mögen  die  genannten  Erscheinungen  der  Gas- 
bildung gewifs  an  dem  Wärmegang  beteiligt  sein.  In  meinem 
Experimente  kann  dies  aber  nicht  in  nennenswertem  Grade 
geschehen  sein.  Der  Beweis  hegt  noch,  abgesehen  von  vor- 
stehender Rechnung,  im  folgenden. 

Um  die  MögUchkeit  der  Entwicklung  von  Gasblasen  zu 
hemmen,  setzte  ich  dem  Eiweifs  (372  ccm)  3  ccm  28proz.  Kali- 
lauge zu,  was  mehr  als  ausreichend  ist,  Kohlensäuremengen, 
wie  sie  hierbei  entstehen  könnten,  zu  binden.  An  den  Zahlen 
hat  diese  Versuchsänderung  (s.  Tab.  VIII)  so  gut  wie  nichts  ge- 
ändert. Das  Minimum  liegt  an  derselben  Stelle  (60 — 65®)  wie  in 
dem  Mittel  der  Tabelle  S.  258,  im  übrigen  erhielt  ich  fast  bis 
zur  fünften  Dezimale  dasselbe  Resultat. 


262     Über  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 

Tabelle  Vm. 
Eiweifs  -j-  3  eem  konz.  Kalllaiige. 


T—t 


71 
66 
61 
56 
51 
46 

41 

36 
31 
26 
21 
16 
11 
6 


Frisches 
Eiweifs 


0,00173 
0,00173 
0,00123 
0,00185 
0,00099 
0,00031 


Das  vorige 
nochmals  er- 
wärmt 


0.(K)010 


0,00021 
0,00023 
0,00028 
0,00027 
0,00029 
0,00028 


0,00017 
0,00023 
0,00024 
0,00027 
0,00028 
0,00029 

0,00030 

0,00034 
0,00034 
0,00037 
0,00030 
0,00034 
0,00035 


Das  Eiweifs  war  geronnen^),  so  dafs  sich  eine  nochmalige 
Erwärmung  ausführen  liefs.  In  dieser  Reihe  mit  geronnenem  Ei- 
weifs fehlt  das  anfänglich  rasche  Steigen  der  Wärme,  wie  dies 
auch  früher  entgegengetreten  war.  Die  Übereinstimmung  der  Ex- 
perimente ist  eine  ganz  vorzügliche;  das  Resultat  beweist,  dafs 
die  Beweglichkeit  des  Eiweifses  der  Hauptgrund  für  den  eigen- 
artigen ersten  Erwärmungsgang  des  rohen  Eiweifses  ist.  Wenn 
weiter,  wie  bewiesen,  die  Wärme  durch  Strömung  im  Eiweifs 
verteilt  wird,  so  ist  das  Temperaturgefälle,  in  den  Radien  der 
Kugel  betrachtet,  offenbar  ein  ganz  anderes,  als  wenn  sich  die 
Wärme  wie  im  geronnenen  Eiweifs  in  einem  festen  Körper  aus- 
breiten mufs.  Von  dem  Moment  ab,  in  welchem  der  Eiweils- 
strom  durch  Koagulation  zur  Ruhe  kommt,  mufs  sich  die  Wärme- 
verteilung den  neuen  Verhältnissen  anpassen.  Die  Zeit  der  Ge- 
rinnung läfst  sich  aber  für  das  Innere  der  Kugel  nachweisen. 
Solange  Flüssigkeit  zirkuliert,  sind  etwa  alle  Teile  derselben  von 
ähnlicher  Temperatur;    wenn  in   einem   Momente  dieser  Strom 


1)  Das  EiwelTs  war  absolut  gleichmftfsig  fest  geronnen,  ondardisiehtig 
und  ohne  die  kleinste  Luftblase. 


Von  Max  Rubner.  263 

gehemmt  wird,  dann  beginnt  die  starke  Verlangsamung  der 
Wärmebewegung,  Vorgänge,  die  sieh  in  den  Erwärmungszahlen 
für  das  Eiweifs  in  der  Tabelle  ganz  charakteristisch  ausprägen. 
Das  Absinken  unter  die  spätere  wieder  sich  steigernde  Er- 
wärmungsgeschwindigkeit, also  ein  förmlicher  Stillstand  in  der 
Wärmebewegung  bei  T  —  ^  ==  41  ®,  drängt  aber  doch  den  Ge- 
danken auf,  es  möchten  mit  der  Periode  des  Gerinnens  des  Ei- 
weifses  noch  besondere  Wärmeprozesse  verknüpft  sein. 

V. 

Die  Depression  der  Wärmeströmung  ist  bei  60®  so  konstant 
ausgesprochen,  dafs  wir  für  diesen  Punkt  nochmals  versuchen 
müssen  eine  Erklärung  zu  geben.  Nachdem  eine  Reihe  von 
Hilfsursachen  als  zweifellos  nebensächlich  erwiesen  worden  sind, 
wollen  wir  den  Koagulationsvorgängen,  den  Ände- 
rungen der  Struktur  Aufmerksamkeit  schenken.  Ich 
begebe  mich  dabei  allerdings  auf  ein  sehr  schwieriges,  manchem 
Zweifel  unterworfenes  Gebiet. 

Die  Gerinnungsperiode  scheint  mit  einem  Verbrauch  an 
Wärme  einherzugehen. 

Über  die  Vorgänge  bei  der  Eiweifsgerinnung  ist  bisher 
nicht  viel  bekannt  geworden.  Man  kann  es  wohl  als  eine  der 
landläufigsten  Annahmen  ansehen,  dafs  bei  der  Gerinnung,  d.  h. 
dem  Ausscheiden  eines  festen  Körpers  an  Stelle  der  vorherigen 
Wasserlöslichkeit  Wärme  frei  wird.  Aber  es  wäre  dies  doch  ein 
voreiliger  Schlufs.  Wir  wollen  als  hierher  gehörig  die  Frage  der 
Quellung  etwas  näher  betrachten. 

Wir  haben  zu  berücksichtigen,  dafs  alle  hier  in  Frage  kom- 
menden gerinnungsfähigen  Körper  solche  sind,  deren  Natur 
weniger  einer  Lösung  als  einer  hochgradigen  Quellung  am  zu- 
gänglichsten ist,  und  welche  auch  zweifellos  in  gequollenem  Zu- 
stande in  der  Natur  vorkommen. 

Bei  der  Quellung  und  Imbibition  werden  bedeutende  Wärme- 
mengen frei,  Eiweifs  und  Muskelsubstanz  sind  quellfähige  Körper^), 


1)  S.  auch  Rabner,  Gesetze  des  Energieverbrauchs,  8.  28. 


264     f^fXT  4mm  ¥jc4ringittL  dfr  Wime  in  f teste  Obj^kze  an*!  Orex&teil«  «Cf- 

freilich  exakt  gemes^n  sind  diese  Wärmegrö&en  noch  nicht,  aber 
genügende  Anhaltspunkte  liegen  vor. 

Wird  die  Qaellang  rückgÄngig.  d.  h.  ächrompft  der  Körper 
wieder  auf  die  alte  Gröfse.  «o  mufs  eine  äquivalente  Wärmemenge 
für  die  innere  Arbeit  verbraucht  werden-  Der  entsprechende 
Versuch  wäre  die  Rückführung  des  Eiweilses  vom  gequollenen  Zu- 
stand in  den  lufttrockenen. 

Ist  die  Gerinnung  aber  überhaupt  gleich  der  Rückkehr  zu 
zu  dem  getrockneten  Zustand?  Räumlich  kann  es  der  Fall  sein. 
Ein  Eiweilsgerinn.sel  kann  einen  ebenso  kleinen  Raum  einnehmen 
wie  das  getrocknete  Ei  weifs.  Aber  sie  weisen  doch  wesentliche  Unter- 
schiede auf.  Man  nimmt  an,  dals  koaguliertes  Eiweifs  und  das  ge- 
trocknete optisch  verschieden  seien,  denn  ersteres  ist  weifs-undurch- 
sichtig,  letzteres  bernsteingelb -durchscheinend.  Aber  diese  An- 
nahme ist  gar  nicht  einmal  richtig.  Geronnenes  und  getrocknetes 
Eiweifs  können  optisch  ganz  die  gleichen  äufseren  Erscheinungen 
zeigen,  wie  ich  zuerst  nachgewiesen  habe.^  Wenn  man  die  Koa- 
gulation von  Eiweils  im  Dampf  an  getrocknetem  Eiweifs  vor- 
nimmt, bleibt  es  durchsichtig  wie  normales  Eiweifs. 

Geronnenes  und  getrocknetes  Eiweifs  unterscheiden  sich  nur 
durch  die  Quellbarkeit  des  letzteren  und  die  völlige  Wasserunlös- 
lichkeit des  ersteren.  Die  Anziehungskraft  für  Wasser 
wird  durch  die  Hitze  verändert  oder  genommen. 

Da  Eiweifs  im  geronnenen  Zustande  fest  zusammenhängt, 
so  muis  das  rohe  Gefüge  ein  Maschennetz  sein  mit  einer  gewissen 
Starrheit  der  Mizellverbände  und  systematischen  Verbindung  der- 
selben untereinander.  Zu  dieser  Koagulation  gehört,  wie  ich 
gezeigt  habe,  wenig  Wasser,  nur  so  viel,  als  aus  einer  noch 
nicht  einmal  mit  Wasserdampf  gesättigten  Atmosphäre  angezogen 
werden  kann. 

Die  Koagulation  besteht  danach  sehr  wahrscheinlich  in  einem 
Festwerden,  wobei  sehr  wenig  Wasser  fixiert  zu  werden  braucht 
und  in  dem  Ausstofsen  des  übrigen  Wassers,  was  unter 
Umständen  in  sehr  sichtbarer  Weise  geschieht.    Gerinnt  Eiweifs, 

1)  Hygien.  Rundschan,  Bd.  IX,  a.  a.  O. 


Von  Max  Rabner.  265 

SO  findet  sämtliches  Wasser  seinen  Platz  in  deofi  Maschen- 
ge füge.  Verdünnt  man  mit  Wasser,  so  kommt  ein  Punkt,  von 
dem  ab  die  Eiweifsverbände  das  Wasser  nicht  umspannen  können 
und  voneinander  sich  losreifsen  und  dann  in  Flocken  umher- 
schwimmen. Eine  gewisse  innere  Zugkraft  des  gerinnenden 
Eiweifses  kann  vielleicht  allgemein  angenommen  werden  und 
braucht  nicht,  wie  L.  Herrmann  meint,  nur  auf  das  in  Fasern 
geordnete  Eiweifs  beschränkt  zu  sein. 

Auch  aus  anderen  Beobachtungen  folgt,  dals  zur  Gerinnung 
dieselbe  Wassermenge  wie  zur  Quellung  offenbar  nicht  notwendig 
ist,  ein  Teil  des  Wassers  kann  sogar  abgestofsen  werden  wie 
der  Muskel  beweist  und  auch  andere  Organe  zeigen.  Eine  nam- 
hafte Menge  von  Wasser  tritt  aus.  Nehmen  wir  für  frisches 
Fleisch  3,4  N  bei  77%  Wasser,  so  trifft  auf  1  N  22,6  Teile 
Wasser;  in  einem  gekochten  Fleisch  (mit  41,7%  Trockensubstanz 
zu  15,0%  N)  auf  6,25  dagegen  nur  58,3  Wasser  oder  auf  1  N 
9,32,  im  geronnenen  Fleisch  also  nur  44  %  von  der  Wassermenge» 
die  zur  frischen  Muskelsubstanz  nötig  ist. 

Ich  fasse  also  die  Gerinnung  etwa  als  eine  Umkehr  der 
Quellung  auf;  von  diesem  Gesichtspunkte  ausgehend  müfste 
Gerinnung  mit  Wärmeverbrauch  einhergehen. 

Da  beide  Vorgänge  noch  wenig  messend  verfolgt  sind,  will 
ich  versuchen,  zahlenmäfsige  Angaben  zu  erhalten. 

Am  genauesten  ist  die  Quellung  für  das  Stärkemehl  untersucht; 
man  fand,  dafs,  wenn  1  g  sich  mit  Wasser  benetzt,  23,6  g-Kal. 
frei  werden,  eine  sehr  kleine,  aber  immerhin  doch  beachtens- 
werte Gröfse.  Viel  mehr  läfst  sich  zurzeit  über  diese  Vorgänge 
kaum  sagen.  Messungen  sind  sehr  schwierig,  weil  es  sich  bei 
den  » Quell  ungen«  meist  um  gar  keine  einfachen  Prozesse  handelt. 
Man  kann  mit  Laminaria  zwar  zeigen,  dafs  bei  der  Quellung 
Wärme  gebunden  wird,  aber  nur,  wenn  die  Laminaria  durch 
Auswaschen  von  den  Salzen  befreit  ist,  weil  sionst  die  negative 
Lösungswärme  der  Salze  ganz  die  Wärmeerzeugung  der  Quellung 
deckt  und  aufbraucht.^) 


1)  Pfeffer,  Pflanzenphysiol,  I,  8.  26,  1881. 


266     Über  das  Eindringen  der  Wirme  in  feete  Objekte  and  OrgmnteUe  etc. 

Experimente  über  die  Qaellang  leiden  alle  an  groGseD  Mängeln, 
weil  die  Langsamkeit  des  Verlaufs  dieses  Prozesses  bei  der  Klein- 
heit der  Wärmemengen  grobe  Unsicherheiten  mit  sich   bringt.^) 

Eine  Reaktion,  die  Umwandlung  von  EiweiTs  in  Alkali- 
albuminat,  ist  ein  Vorstadium  der  Lösung  und  offenbar  eine 
Quellung.  Das  in  dem  Eiweils  vorhandene  Wasser  wird  aUes 
aufgesaugt  und  die  Masse  geradezu  klebrig  und  widerstandsfähig. 

In  ein  feines  (unten  näher  angegebenes)  Kalorimeter  brachte 
ich  Eiweifs  (100  ccm)  und  daneben  in  einem  Reagensrohr 
10  ccm  einer  28,57  proz.  Kalilauge ;  in  diesem  Rohr  wie  nebenbei 
im  Eiweifs  steckte  ein  Thermometer  (0,001  ®  ablesbar)  und  aufser- 
dem  war  ein  Mischer  vorhanden.  Ich  wartete  den  Temperatur- 
ausgleich ab,  zertrümmerte  das  Gläschen  mit  Kali  durch  den  Stofs 
mittels  des  Thermometers.  Vorversuche  ergaben,  dafs  5  ccm  Kali 
nicht  genügend  waren,  alles  Eiweifs  in  AlkaUalbuminat  zu  ver- 
wandeln, wohl  aber  10  ccm. 

Aufserdem  wurde  die  Wärme  gemessen,  welche  je  5  und  je 
10  ccm  Kalilauge  obiger  Konzentration  mit  Wasser  verdünnt  liefern. 

5  ccm  KaUlauge  lieferten  dabei  11,55  g-Kal.,  10  ccm  25,30  g-Kal. 

100  ccm  Eiweifs  +  10  ccm  Kalilauge   77,72  g-Kal.  I  -^  ^^ 

75,40  f'^'^^ 

Der  Versuch  hat  zu  beachten,  dafs  die  Kalilauge,  auch  wenn  sie 
1 — 2  proz.  ist,  Kohlensäure  anzieht  und  sich  stetig  erwärmt  1 

Auf  Eiweifs  trifft  also  Wärmeentwicklung 

76,56 
—  25,30 

51,26  g-Kal. 
oder  für  1  g  Trockensubstanz  =  3,93  g-Kal.  Ich  glaube,  man  wird 
den  ganzen  Vorgang  als  Quellung  auffassen  dürfen.  Freilich  ist 
im  Ei  schon  ohnedies  ein  Teil  des  Wassers  mit  Eiweifs  ver- 
bunden. Wieviel  dies  ist,  weifs  man  leider  nicht,  bei  Kalilauge- 
zugabe   wird   nur  ein  Teil  des  Wassers   anderweitig  gebunden. 


1)  Ich   habe  mit  Eiweifs   von   Hühnern  niemals  genügende,  d.  h.  be« 
triedigende  Resultate  erhalten. 


Von  Max  Rubner.  267 

Leider  gibt  es  keine  Methode,  die  Menge  des  freien  Wassers  von 
der  des  gebundenen  zu  unterscheiden. 

Die  hier  entwickelte  Menge  von  Wärme  ist  nicht  bedeutend, 
müfste  sich  aber  erhöhen,  wenn  man  die  Wärmeentwicklung  für 
die  Auflösung  von  13  g  Eiweifs :  100  Flüssigkeit  hinzuaddierte. 
Gerade  die  ersten  Anteile  der  Wasserbindung  sind  übrigens  die 
stärkeren  Wärmequellen,  wie  Nägel i  zuerst  an  der  Stärke  bei 
Benetzung  nachgewiesen  hat.  Für  Gelatine  finde  ich  eine  Angabe 
bei  E.  Wiedemann  und  Lüdeking^).  1  g  Gelatine,  bei  ge- 
wöhnlicher Temperatur  quellend,  entwickelt  5,7  g-Kal.  Das  nach- 
herige Lösen  der  Gelatine  in  mehr  Wasser  bindet  3,7  g-Kal. 
Als  100  g  lufttrockenes  Hühnereiweifs  in  100  Teilen  Wasser 
quollen,  erhielt  ich  nicht  mehr  als  196  g-Kal.  =  rund  2  g-Kal.  pro 
1  g  Substanz.  Die  Quellung  war  aber  ersichtlich  keine  voll- 
kommene. 

Den  reziproken  Vorgang  der  Quellung,  die  Eiweifsausschei- 
dung  selbst  in  ihrer  Wärmetönung  zu  verfolgen,  ist  viel  schwie- 
riger und  mir  auch  nur  unter  besonderen  Verhältnissen  geglückt. 

Ich  habe  eine  ganze  Reihe  von  Versuchen  angestellt,  um 
über  die  Wärmebildung  beim  Ausfällen  von  Eiweifskörpern  ins 
Klare  zu  kommen.  Bei  Experimenten  über  die  Milchsäure- 
gärung habe  ich  gefunden,  dafs  der  Akt  der  Milchgerinnung 
anscheinend  mit  einer  starken  Wärmebildung  verknüpft 
ist.  Als  die  eigentliche  Ursache  dieses  Vorgangs  zeigte  sich  die 
Milchsäurebildung,  während  die  aus  dem  Stoffumsatz  der  Bakterien 
herrührende  Wärme  nur  gering  ist.  Die  Milchsäure  fällt  das 
Kasein,  die  Wärmeentwicklung  stammt  aber  nicht  aus 
derEiweifsfällung,  sondern  wie  direkt  darauf  gerichtete  Ex- 
perimente mir  ergaben,  aus  der  Basenverdrängung  durch  die  Milch- 
säure. Das  Unlöslichwerden  des  Kaseins  an  sich  kann 
mit  einer  Wärmeentwicklung  nicht  verbunden  ge- 
wesen sein. 

Noch  einfachere  Beweise  hierfür  zeigten  sich  bei  der  Lab- 
gerinnung;    wenn    man   diese   auch  in  grofsen  Milchmengen 


1)  Poggendorffß  Annalen,  XXV,  N.  F.,  8.  147,  1885. 


268     t}ber  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  etc. 

einleitet,  kann  man  von  einer  Wärmezanahme  nicht  das 
Geringste  nachweisen. 

Mögen  nun  auch  Milchgerinnung  und  Labfällung  in  ihren 
einzelnen  inneren  Vorgängen  von  dem  Unlöslichwerden  des  Ei- 
weifses  in  der  Wärme  verschieden  sein,  so  ist  doch  in  höchstem 
Mafse  unwahrscheinlich,  dafs  prinzipielle  Unterschiede  vorliegen, 
dagegen  wahrscheinlich,  dafs  nur  quantitative  Differenzen  ge- 
geben sind. 

Ich  habe  noch  die  Fällung  von  Hühnereiweifs  mit 
Gerbsäure  untersucht,  dabei  war  von  irgendwelcher  Wärme- 
tönung nichts  zu  finden ;  entweder  ist  der  Prozefs  überhaupt  ein 
eigenartiger  oder  es  ist  die  Wärmebindung  der  Ausfüllung  gerade 
durch  die  Bindung  der  Gerbsäure  und  dabei  frei  werdende  Wärme 
gedeckt  worden. 

Ich  habe  die  Wärme  verglichen,  welche  beim  Mischen 
von  Alkohol  und  Wasser  sowie  von  Alkohol  und  Eiweifs 
entsteht,  zum  Zwecke  der  Feststellung,  ob  mit  der  Ausscheidung 
des  Eiweifses  eine  Wärmebindung  einhergeht. 

Das  Ostwaldsche  Mischungskalorimeter  wurde  einmal  beschickt 
mit  13  g  trockenem  Hühnereiweifs  -|-  100  ccm  96proz.  Alkohol, 
und  das  zweite  Gefäfs  mit  85  ccm  ^)  Wasser.  In  einem  gegebenen 
Moment  beide  gemischt.    (Vers.  A.) 

Der  Gegenversuch  bestand  in  der  Mischung  von  100  ccm 
Hühnereiweils  frisch  (==  13,0  g  trocken)  und  100  ccm  Alkohol. 
(Versuche  B.) 

Erhalten  wurde  Zuwachs  mit  Korrektur  +  5,93**  A 
und +  6,00° 

=  5,960  im  Mittel. 

und  für  B  ein  Zuwachs  von +  5,83  ^ 

5,650 

=  5,74  0  im  Mittel. 
Die  Fällung  des  Eiweifses  gab  um  0,22  ^  weniger  Erwärmung. 

1)  Es  war  aus  Irrtum  statt  87  ccm  WaBser  nur  85  ccm  genommen,  der 
Alkoholgehalt  der  Mischung  wird  statt  46,4  dann  46,6,  was  keine  weitere 
Bedeutung  für  die  Versuche  hat. 


Von  Max  Rabner.  269 

Für  den  Wasserwert  der  Füllung  des  Kalorimeters  kann 
man  berechnen 

160,8i)g  Wasser 
wozu  6,6     »  für  Eiweifs  (13  •  0,56  •) 

12,4     »  (Kalorimeter,  Thermometer  +  Mischer  10,4). 

179,8  g  im  ganzen  •  0,22 
=    39,5  g-Kal. 
für  die  Koagulation   von   13  g  Eiweifs   =    3,0  g-Kal.  pro   1  g 
trockenes  Eiweifs. 

100g  Wasser,  mit  80,6  g  (=  100  ccm)  96proz.  Alkohol  gemischt, 

entwickeln  im  Kalorimeter 

7,32  ö 

7,15« 
=  7,23<^  Wärme. 

Der  Wasserwert  des  Gemenges  2) 

174,3 
4-    12,4  für  Thermometer  etc. 

186,7 
also  .     .     .      186,7  .  7,23  =  1349,8  g-Kal. 
pro  1  g  Mischung     .     .     =    7,442  g-Kal. 

Für  eine  Mischung  von  Wasser  und  Alkohol,  wobei  45®/o 
Alkohol  entsteht,  wird  in  der  Literatur  für  5  g  Mischung  die 
Wärmeentwicklung  zu  38,81  g-Kal.  angegeben.  (Naumann,  1.  c. 
S.  34  f.)  Hier  fände  ich  bei  43%  Alkohol  f ür  5  g  37,3  g-Kal., 
demnach  fast  ebensoviel.  Da  nur  eine  relative  Messung  gemacht 
werden  sollte,  brauche  ich  nicht  weiter  auf  die  Sache  einzugehen. 

Für  die  Ausfällung  von  1  g  Eiweifs  (trocken)  wurden  sonach 
3,0  g-Kal.  gebunden  (wahrscheinlich  ein  Weniges  mehr),  also 
eine  nur  kleine  Menge,  auch  im  Verhältnis  zu  der  immerhin  nicht 
unbeträchthchen  Quellungswärme  dieser  StofEe. 

1)  Mischung  =  87  Wasser  1  Gehalt  46,4^0  <^er  Mischung,  spez. 

80,6  Alkohol  (g)  /      Wärme  0,96. 


2)  100  Wasser        1  ^/q  Gehalt  des  Gemisches,  43,0  spez.  Wftrme  (siehe 
80,6  Alkohol    J     Naumann,  Thermoch.,  S.  281),  spez.  Wftrme  0,%6. 


270     Über  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  and  Organteile  etc. 

Die  Reaktion  zwischen  Alkohol  und  Eiweifs  ist  natürlich 
keine  einfache,  denn  es  ist  nicht  nur  Eiweifs  gefällt,  sondern 
auch  etwas  an  Salzen,  und  möglicherweise  sind  auch  Stoffe,  die 
halb  gelöst  waren,  in  Lösung  übergetreten.  Wir  wissen  auch 
nicht,  ob  die  Alkoholf&llung  identisch  mit  der  Hitzefällung  ist. 
Nur  die  äufsere  Erscheinung  ist  vielleicht  die  gleiche. 

Das  wichtigste  Bedenken  besteht  darin,  dafs  man  zweifellos 
nicht  alles  Wasser  vom  Eiweifs  losreifsen  kann.  Nicht  einmal,  wenn 
mit  der  zehnfachen  Menge  des  angewandten  Eiweifses  an  Alkohol 
gefällt  wird,  ist  man  sicher,  sofort  ein  völlig  koaguliertes,  wasser- 
unlösliches Eiweifs  zu  erhalten.  Der  vorliegende  Wert  kann  also 
nur  ein  Minimalwert  sein.  Ich  glaube,  man  hat  die  Berechtigung 
die  Wärmebindung  bei  der  Gerinnung  wesentlich  höher  zu 
nehmen. 

Die  gefundenen  Werte  für  die  Ausfällung  sind  klein.  Wenn 
man  sich  aber  vorstellt,  dafs  für  1  g  Eiweifs  3,0  g-Kal.  geliefert 
und  bei  starker  Quellung,  wie  beim  Alkalialbumin,  ca.  3,9  ab- 
gegeben werden,  also  beim  Rückgängigwerden  der  Reaktion 
wieder  gebunden  werden,  dann  kämen  an  3  +  3,9  =  6,9  Kai.  pro 
1  g  Eiweifs  als  mögliche  Wärmeaufnahme  in  Betracht,  ein  Wert, 
der  immerhin  periodenweise,  z.  B.  bei  bestimmter  Temperatur, 
den  Verlauf  des  Erwärmungsganges  merkbar  beeinflussen  könnte. 

Für  den  Akt  der  Wärmebindung  bei  der  Gerinnung 
bzw.  der  Entquellung  kann  zum  Verständnis  noch  die  Verschieden- 
artigkeit des  Widerstandes,  der  sich  der  Zusammenziehung  ent- 
gegenstellt, mit  in  Frage  kommen,  auf  den  wir  weiter  unten  noch 
eingehen. 

Was  die  Eigenart  der  Erwärmung  von  Fleischstücken 
ausmacht,  läfst  sich  jetzt  leicht  durch  den  Vergleich  mit  dem 
Eiweifs  dartun. 

(Siehe  Tabelle  IX  auf  8.  271 ) 

Fleischstücke  zeigen  für  -^-^ —-  steigende  Werte,  beson- 
ders in  dem  letzten  Zeitintervall.  Die  Werte  nehmen  schon  von 
70®  Wärme  rascher  zu.  Im  rohen  Hühnereiweifs  bedingen  die 
Flüssigkeitsströmungen   einen   zehnmal   so  grofsen    Wärmestroui 


Von  Max  Rabner. 


271 


wie  beim  Fleisch,  kommen  dann  zur  Ruhe.  Der  Wärmegang 
strebt  von  70^  ab  (T — f  =  50)  einheitUcher  Erwärmung  zu.  Das 
geronnene  Eiweifs  hat  einige  Ähnlichkeit  mit  dem  Fleisch,  jedoch 
sind  bei  letzterem  die  Erwärmungsverhältnisse  nach  einem  Vor- 
stadium des  Anstrebens  eines  Gleichgewichtszustandes  nicht 
gleichartig. 

Tabelle   IX. 


Werte  für 


Sek. 


Fleisch  4  cm 

Eiweifs 

Eiweifs 

T—t 

V,  Seiten- 

roh 

gekocht 

länge 

4,4  =  r 

4,4  =  r 

70 

0,00018 

0,00173 

0,00022 

60 

0,00016 

0,00123 

0,00025 

&0 

0,00021 

0.00099 

0,00030 

40 

0,00021 

0,00010 

0,00029 

30 

0,00028 

0,00023 

0,00036 

20 

0,00026 

0,00027 

0,00036 

10 

0,00083 

0,00028 

0,00028 

0 

^— 

~~^ 

" 

Wenn  ein  Grund  für  das  Ansteigen  der  Erwärmungswerte 
frischer  Fleischstücke  in  der  allmählichen  Änderung  des 
Volums  liegt,  so  läfst  sich  dieses  auch  im  Experiment  zur  An- 
schauung bringen. 

Ich  stellte  Fleischbrei  her  und  mengte  dazu  etwa  10  ccm 
Hühnereiweifs,  füllte  die  sonst  benutzte  Messingkugel 
und  evakuierte  mehrmals,  um  dichten  Schlufs  der  Fleischmasse 
zu  erhalten.  Das  Eiweifs  hat  die  Aufgabe,  sich  mit  dem  Fleisch- 
saft zu  mischen  und  gemeinsam  zu  koagulieren.  Es  konnte  dann 
keine  Trennung  zwischen  Fleisch  und  Fleischextrakt,  wie  es  sonst 
unvermeidlich  ist,  eintreten.  Der  EMolg  war  ganz  tadellos.  Nach 
dem  Erhitzen  stellt  die  Fleischmasse,  zerteilt,  ein  trockenes, 
pulveriges  Material  dar.  Einmal  wurde  das  Fleisch  frisch  erwärmt, 
dann  ohne  etwas  zu  ändern,  abkühlen  gelassen  und  ein  zweites 
Mal  erhitzt. 


272     Über  das  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  and 


e  etc. 


Tabelle  X. 

Werte  für  ^  **  '" 

z 

<! 

1 

Fleisch  friech 

Gehacktes 

1     ^ 

^^ 

Das  vorige 

Gewicuts- 

4  cm 

Fleisch  in  der 

1 

'   Fleisch  noch- 

verlost nach 

1 
\ 

V,  Seitenlange 

Kngel 

mals  erhitzt 

Ferrati 

1 

Würfelform 

von  4,4  cm  r 

1 
1 

71 

0,00018 

0,00012 

0,00016 

V 

66 

0,00020 

0,00023 

► 

3,6  \ 

65 

0,00016 

0,00023 

0,00029 

56 

0,00026 

0,00031 

1 

7,21  » 

51 

0,00021 

0,00026 

0,00032 

46 

0,00029 

0,00034 

l 

15.8    > 

41 

,          0,00021 

0/)0029 

i         0,00036 

s 

36 
31 

0,00028 

0,00029 
0,00034 

j         0,00038 
0,00039 

\ 
f 

10,6    ^ 

26 
21 

1 

0,00026 

0,00038 
0,00038 

0,00035 
0,00089 

} 

8,3    '. 

16 

0,00038 

0,00039 

1 

1,7    > 

11        i 

0,00063 

0,000i0 

0,00036 

6 

Das  Fleisch,  dessen  Umfang  sich  nicht  ändert, 
verhält  sich  also  ganz  anders  als  ein  freies  Stück. 
Die  Erwärmungsgeschwindigkeit  des  Fleisches  bei  konstantem 
Volum  strebt  schnell  höheren,  aber  bald  gleichbleibenden  Werten 
zu.  Anfänglich  etwa  von  50 — 70®  stehen  diese  Gröfsen  nicht 
unwesentlich  unter  jenen  von  70 — 90®.  Das  Absinken  der  Tem- 
peratur wie  bei  dem  flüssigen  Eüweils  bei  60®  fehlt   überhaupt. 

Das  Fleisch  in  Stücken  zeigt  einen  viel  unregelmäCsigeren 
Gang  der  Erwärmung,  indem  es  mehr  sprungweise  in  seiner 
Temperatur  vorgeht  und  gerade  dort  innerhalb  jener  Temperatur- 
grade, wo  das  in  der  Metallkugel  bei  gleicher  Oberfläche  gehaltene 
Fleisch  einen  stationären  Zustand  schon  genommen  hat. 

Die  zweitmalige  Erwärmung  läfst  den  Wärmegang 
rascher  werden,  bei  50®  werden  bei  der  Erwärmungsgeschwin- 
digkeit schon  die  Endwerte  erreicht.  In  der  Periode  50 — 70® 
stehen  sie  höher  als  die  entsprechenden  Zahlen  werte  bei  dem 
rohen   Fleisch.     Da  hierbei   weder  die  spezifische  Wärme   eine 


Von  Max  Riibner.  273 

Rolle  Spielen  kann,  wenn  Masse  und  Umfang  des  zu  erwärmenden 
Objekts  dieselben  sind,  und  das  Ijeitungsvermögen  sogar  in  dem 
Sinne  einer  besseren  Leitung  im  rohen  Fleisch  zu  bewerten  ist, 
auch  Strömungen  keine  Rolle  spielen,  so  bleibt  nur  die  Annahme 
von  Zustandsänderungen,  bei  welchen  Wärme  ver- 
braucht wird. 

Wir  kommen  also  zu  dem  Schlufs,  dafs  die  Hauptursache 
des  irregulären  Ganges  der  Fleischerwärmung  in  der  Kontraktion 
der  Zellen  zu  suchen  ist,  die  in  zweierlei  Weise  von  Wichtig- 
keit ist.  Einmal  als  rückläufiger  Akt  der  Quellung, 
zweitens  gewissermafsen  durch  die  Organisation  als 
Fleisch  oder  Eiweilsfaser  verstärkt,  als  ein  Akt  des 
Auspressens  grofser  Flüssigkeitsmassen. 

Wie  wir  schon  mehrfach  gezeigt  haben,  ist  diese  Kontraktion 
ein  Vorgang  von  besonderer  Merkwürdigkeit.  Man  hat  die  aller- 
gröfsten  Schwierigkeiten,  aus  dem  frischen  Fleisch  Saft  auszu- 
pressen, nur  unter  sehr  hohem  Druck  gelingt  dies. 

Was  hier  nur  schwere  Arbeit  zu  leisten  vermag,  macht  die 
Erwännung  in  einfachster  Weise.  Es  ist  aber  unabweislich,  dafs 
die  für  dieses  Auspressen  des  Saftes  entnommene  Kraft  keine 
andere  Quelle  als  die  einströmende  Wärme  haben  kann,  wodurch 
ein  zeitweises  Absinken  und  Mindern  des  Wärmestroms 
sich  ausbilden  mufs. 

Da  dieses  Moment  der  Kontraktion  eine  sehr  wechselnde 
Gröfse,  durch  die  wechselnde  Art  des  Widerstandes,  der 
in  einzelnen  Stücken  verschieden  sein  kann,  darstellt,  ergibt  sich 
aus  ihm  ein  an  sich  und  im  voraus  unabschätzbarer  Einäufs. 

Die  Kontraktion  und  das  Auspressen  von  Wasser 
kann  übrigens  auch  in  Fällen  geschehen,  wo  man 
solches  nach  aufsen  hin  nicht  bemerkt,  also  z.  B.  bei  dem 
gehackten  Fleisch,  wie  es  in  der  Messingkugel  eingeschlossen 
war,  nur  dafs  eben  die  Gesamtpressung  nicht  die  hohen  Werte 
wie  in  einem  ganzen  Fleischstück  erreichen  kann.  Aber  auch 
bei  dem  Eiereiweifs  tritt  der  gleiche  Vorgang  in  Tätigkeit,  denn 
hier  schiebt  das  sich  kontrahierende  Eiweifs  das  Wasser  in  die 

ArchlT  für  liyKieue.    Bd.  LV.  18 


274     Über  das  Eindringen  der  Wftrme  in  feste  Objekte  and  Organteile  etc. 

Maschenräume.  Die  Kontraktionsfähigkeit  des  Eiweifses  sieht 
man  erst  in  der  bei  Verdünnang  eintretenden  Flockenbildung 
zutage  treten. 

Ein  ähnliches,  sich  in  kontrahierenden  Strängen  ausscheidendes 
Eiweifs  stellt  das  Kasein  dar;  wenn  man  Milch  im  zugeschmolzeueu 
Rohre  auf  Temperaturen  über  100^  erwärmt,  so  scheidet  sich  Kasein 
fest  als  ein  sich  mehr  und  mehr  zusammenziehendes  Gerinnsel  ab. 

Bei  zweitmaliger  Erwärmung  kann  diese  gleiche  Ursache  der 
Kontraktion  bei  Eiweilsstoffen  und  dem  Fleisch  nochmals  mit- 
spielen, denn  wie  ich  oben  angab,  kann  bei  Wiederholung  der 
Erwärmung  eine  Volumverminderung  auftreten.  Die  Zusammen- 
stellung in  nachfolgender  Tabelle  erläutert  dies. 

Tabelle  XL 


Werte  von 


Sek. 


^  '  Roh  =  11  cm 

'\  Seitenlänge 


T 


Dieselben 
Proben  noch- 
mals erhitzt 


60 

0,00016 

0,00012 

&0 

0,00015 

0,00012 

40 

0,00014 

0,00028 

80 

0,00046 

0,00032 

20 

0,00060 

0,00082 

10 
0 

0,00044 

0,00060 

Die  Geschwindigkeit  des  Erwärmens  ist,  so  lange  nur  40 — 50  • 
im  Innern  erreicht  werden,  im  gekochten  Fleisch  nicht  rascher 
als  im  rohen,  da  aber  das  rohe  Fleisch  fast  doppelt  so  grofsen 
Durchmesser  hat,  ist  offenbar  das  Erwärmungsvermögen  ge- 
kochten Fleisches  viel  kleiner  als  das  von  rohem 
Fleisch,   wie  ja  auch  die  direkten  Messungen  ergeben  haben. 

RohesFleisch  erwärmt  sich  trotz  ungleicher  Dicke,  nament- 
lich wenn  es  die  Temperatur  70^  im  Innern  einmal  er- 
reicht hat,  viel  schneller  als  gekochtes  Fleisch. 

Im  frischen  Fleisch  ist  das  Temperaturgefälle  natürlich  von 
der  Oberfläche  zum  Kern  ein  anderes  als  im  gekochten.  Im  ersten 

1)  S.  auch  Nothwang,  Archiv  f.  Hygiene,  Bd.  XVIII,  S.  87. 


Von  Max  Rubner.  275 

sind  die  äufseren  Schichten  von  Anfang  an  schon  sehr  warm; 
beginnt  die  Kontraktion,  so  wird  der  leicht  bewegliche  Saft  des 
Kerns  den  nachdringenden  Schichten  weichen  müssen  und  preist 
sich  auf  geeigneten  Spaltwegen  weiter.  Die  Temperatur  steigt 
mit  der  Kontraktion  rascher  als  in  dem  bereits  in  der  Kontraktions- 
fähigkeit erschöpften  abgekochten  Fleisch. 

VI. 

Ich  habe  durch  die  vorliegenden  Untersuchungen  gezeigt, 
wie  ungemein  schwierig  und  kompliziert  ein  für  das  tägliche  Leben 
so  einfach  erscheinendes  Problem,  wie  die  Durchwärmung  organi- 
sierter Substanzen  ist;  wir  haben  es  dabei  nicht  mit  gleichbleibenden, 
sondern  mit  zwar  gesetzmäfsig,  aber  stets  wechselnden,  von  der 
inneren  Struktur  abhängigen  Eigenschaften  zu  tun. 

Die  Berechnung  des  Durchwärmungsaktes  organisierter, 
namentlich  eiweifsartiger  Substanzen  kann  sich  auf  die  Kenntnis 
einer  auf  üblichem  Wege  gefundenen  Konstante  für  das 
Leitungsvermögen  nicht  stützen.  Dagegen  würde  es 
möglich  sein,  aus  dem  Gang  der  Erwärmung  der  in  einer  Metall- 
kugel eingeschlossenen  Substanz  einen  mittleren  Wert  tilr  k 
abzuleiten.  Dazu  mufs  namentlich  eine  gute  Fixation  des  Ther- 
mometers  und   eine  solches  mit  kleiner  Kugel  gewählt  werden. 

Es  bleibt  noch  die  Frage  zu  untersuchen,  ob  wir  die  bei  der 
Durchwärmmig  eines  halbfesten,  wärmekoagulablen  Körpers  in 
Betracht  zu  ziehenden  Bedingungen  so  weit  kennen,  dafs  wir  uns 
ein  zutreffendes  Bild  dieses  Vorgangs  auf  dem  Wege  der  Rech- 
nung bilden  können.  Das  vorliegende  Material  wird  nur  an- 
nähernd für  unsere  Betrachtungen  als  Unterlage  dienen,  weil  da- 
mals bei  den  Untersuchungen  alle  Nebenumstände,  auf  welche  bei 
solchen  Experimenten  zu  achten  wäre,  noch  nicht  bekannt  waren. 
Man  würde  sie  jetzt,  wenn  ein  Bedürfnis  sich  ergeben  sollte,  eine 
gröfsere  Genauigkeit  zu  erzielen,  leicht  modifizieren  können,  weil 
die  wesentlichen  Gesichtspunkte  klar  liegen. 

Wir    haben    gesehen,    wie    wechselnd   die  Bedingungen   des 

Wärmedurchganges  wegen  des  schwankenden  Leitungsvermögens 

und  der  Kontraktion  des  Gewebes    mit   allen    ihren  sekundären 

18* 


276     ^'>-^r   i»*  Esir-^::   :-sr  Xfra*  in  fcace  Objefc»  tä-s  •>■?»=-•«:*  -r^ 


Kofimtf\n^äVtu  —  Verririgfrrung  d4?r  Wegstrecken.  reUiiver  Ober- 
flicbenirergroCKrang  —  sind.  Ea  würde  aber  prakuäcbec  £r- 
irigaogen  geviCs  nicbi  anvillkommen  sein,  eine  Annlhenmg  &:: 
die  wahren  DarchwinnongszeiieD  zu  erbalten. 

Die  Seite  230  ao^eetellte  Formel  laatec 

2yc  —  h 


^=Ä*-iognÄl. 


c  —  u    g   C 


k  ist  anbekaunt  und  jedenfalls  nicht  ganz  exakt  abxuleiten. 
9C  wechselt  aber  innerhalb  sehr  bescheidener  Grenzen,  so  dals 
man  hierfür  einen  mittleren  Wert  einsetzen  kann.  Dies  als  zulässig 
angenommen,  lielse  sich  aus  den  EIxperimenten  mit  den  Fleiacb- 
stOcken  versuchen,  einen  mittleren  Wert  für  k  zu  finden,  da  ja  t 
in  diesen  Fällen  direkt  bestimmt  ist. 

k  =  T  würde  sein : 

_  g  + 2,3  log.  160  0,843 

Die  Temperatur  der  Umgebung  war  100,  die  Anfangstemperatur 
etwa  20*. 

Berechnet  werden  mufs  zunächst  jB^  ich  nehme  dafür  — 
indem  ich  statt  des  Fleischwürfels  die  Kugel  zugrunde  lege  — 
für  den  Anfangsstand  R  =  die  halbe  Seitenlänge  (A)  und  für 
den  Endstand  die  Verkürzung  der  Längsfasem  (B),  weil  hier  das 
Vordringen  der  Wärme  ausschlaggebend  beeinflufst  wird. 

Für  die  4  Fälle  hat  man  dann: 


(Tror«« 

von      R 

Sakanden  fOr  die 

A 

B 

Mittel 

Erreichung  t.  100* 

A 

+  1.4 

2,2 

2652 

4 

+  1,9 

2,95 

5700 

5 

+  2,4 

3,70 

7640 

5,5 

+  2,6 

4,00 

8172. 

Die  Lösung 

der  Gleichung  gibt  für  x  ( —  k) 

( 

[),0U0838 

0,000813 

( 

[),00()700 

0,000879. 

Von  Max  Rabner.  277 

Der  zweite  Wert  bezieht  sich  auf  nur  drei  Experimente,  ist 
also  unsicherer  als  die  andern.  Das  Mittel  aus  allen  ist  0,00081, 
eine  Zahl,  die  höher  ist  als  der  Leitungswert  für  rohes 
Fleisch,  was  nicht  wundernehmen  kann,  da  ja  der  Wärme- 
gang nicht  von  der  Leitung  allein,  sondern  der  Art  der  Kontrak- 
tion, einer  sehr  variablen  Gröfse,  mit  abhängig  ist. 

Somit  würde  die  zu  suchende  Zeit 

^^    iP-h  2,3 » lg.  2(c  —  fe)»  0,843 
~  "   0,00081  -TT« 

Die  Abweichungen  werden  von  den  wirklich  zu  messenden 
offenbar  keine  praktisch  bedeutungsvollen  sein,  wenn  man  die  bis- 
herige absolute  Unsicherheit  aller  Erkenntnis  auf  diesem  Gebiete 
in  Betracht  zieht. 

Man  kann  mit  neuen,  anzustellenden  Versuchsreihen  von 
gröfserer  Zahl  und  namentlich  wenn  man  auf  die  Untersuchung 
allzukleiner  Stücke  unter  10  cm  Seitenlänge  Verzicht  leistet, 
sicherlich  einen  sehr  weitgehenden  Grad  der  Genauigkeit  erzielen, 
vorausgesetzt,  dafs  mau  auch  die  Kontraktionsgrölsen  einer  direkten 
Messung  unterzieht.  Mir  genügt  es,  den  Weg  gezeigt  zu  haben,  wie 
man  zur  Lösung  des  Problems  gelangt  ist,  das  ja  nicht  nur  für  das 
eben  hier  behandelte  Objekt,  das  Muskeläeisch,  allein  gilt. 

Um  darzutun,  in  welcher  Weise  sich  bei  den  noch  mehrfach 
etwas  schwankenden  Grundlagen  Rechnung  und  Beobachtung 
deckt,  möchte  ich  ein  paar  Fälle  noch  anfügen. 

Als  Beispiele  seien  die  Versuche  mit  11  cm  und  6  cm  grolsen 
Fleischstücken  berechnet,  natürlich  bieten  die  letzteren  eine  erheb- 
liche Unsicherheit.  Ich  leite  die  Werte  weiter  ab  für  100 «,  70  o, 
50  0  und  erhalte  für  t: 


GrOfse  11  cm 

berechnet 
Sek. 

beobachtet 
Sek. 

Temperatur 
im  Innern 

8550 

8160 

1000 

4070 

4254 

70» 

2250 

2670 

500 

GrOfae  6  cm 

2580 

2652 

100« 

889 

732 

70» 

684 

330  (?)i) 

50« 

1)  Diese  Beobachtung  gehorcht  auch  nicht  dem  Geaetie  der  Darch- 
dringungszeit  von  dem  Qnadrate  des  DorchmeMers.    8.  o.  S.  347. 


278     Eindringen  d.  Wärme  in  feste  Objekte  u.  Organ  teile  etc.  Von  M.  Robner. 

Die  Ubereinstimmuug  ist  nicht  unbefriedigeud,  wenn  man  in 
Erwägung  zieht,  dafs  es  sich  doch  um  recht  verwickelte  Verhält- 
nisse handelt,  nur  die  Werte  der  letzten  Zeile  difiFerieren  erheb- 
lich, was  vielleicht  in  der  frühzeitigen  stärkeren  Zusammensetzung 
so  kleiner  Fleischstücke  seine  Erklärung  findet. 

Für  einige  Angaben  über  die  Erwärmung  von  Fleischproben 
auf  52^,  die  ich  der  Literatur  entnehme,  habe  ich  auch  nach 
meiner  Rechnungsweise  die  zu  erwartenden  Temperaturen  auf- 
gesucht und  erhalten : 

beobachtet     berechnet 

Zeit  in  Sekunden 

für  4  Kilo  schwere  Stücke        8220  8670 

5                   >  11600  12960 

7  »  15060  14520 

8  >  22600  15290. 

Die  Kern  temperaturen  sind  mit  Thermometer  gemessen  worden, 
also  mit  einigen  Fehlern  behaftet.  Die  Abweichungen  zwischen 
Rechnung  und  Messung  sind  nicht  grofs,  bis  auf  die  letzte  Zeile, 
wo  es  sich  offenbar  bei  der  direkten  Beobachtung  wohl  um  einen 
technischen  Fehler  gehandelt  haben  mufs. 

In  vorstehenden  Untersuchungen  habe  ich  dartun  können, 
dafs  die  Erwärmung  von  porösen,  nichtporösen,  festen,  halbfesten, 
konstant  und  wechselnd  zusammengesetzten  Objekten  im  einzelnen 
nicht  schematisch  zu  behandeln  ist,  dafs  wir  die  nötigen  Voraus- 
setzungen für  ein  Verständnis  dieses  Prozesses  bislang  nicht  be- 
sessen haben,  aber  nunmehr  in  der  Lage  sind,  diese  auch 
für  praktische  Aufgaben  wichtige  Prozesse  genauer  zu 
übersehen.  Nicht  rein  physikalische  Erscheinungen,  sondern 
physiologische  Vorgänge  kommen  in  Betracht  und  ändern  fort- 
während die  Versuchsbedingungen  und  erschweren  dadurch  die 
experimentelle  Verfolgung. 


über  den  MäusetyphusbazUliis  und  seine  Verwandten*). 

Von 

Dr.  Richard  Trommsdorff, 

AMiBtenten  des  Instltotefl. 
(Aus  dem  Hygienischen  Institute  der  Universität  Mönchen.) 

lu  einer  zuerst  1903  dem  InternaüoDalen  Hygienekongrefs 
zu  Brüssel  übermittelten  Veröffentlichung^)  berichtete  ich  über 
höchst  interessante  Darmerkrankungen  bei  einer  Anzahl  von 
Leuten,  die  mit  der  Verteilung  von  Mäusetyphuskulturen  zu  tun 
hatten,  sowie  bei  einzelnen  Personen  ihrer  Umgebung.  Es  handelte 
sich  klinisch  um  das  Bild  der  sog.  Cholera  nostras:  Erbrechen 
und  heftige  Durchfälle.  Die  Erkrankungen  waren  meist  leichter 
Natur,  nur  einzelne  mittelschwere  Fälle  mit  einem  Todesfall. 

Ich  erhielt  damals  die  Stuhlgänge  zweier  der  Erkrankten 
und  es  gelang,  aus  beiden  Bakterien  zu  züchten,  die  nach  ihrem 
Gesamtverhalten  als  völlig  übereinstimmend  mit  Löffler- 
schen  Mäusetyphusbazillen  bezeichnet  werden  mufsten. 
Und  zwar  nicht  nur  wegen  ihrer  morphologischen,  biologischen 
und  typischen  pathogenen  Eigenschaften  bei  Verfütterung  an 
Mäuse,  sondern  vor  allem  auch  auf  Grund  von  Agglutinations- 
versuchen.   Es  agglutinierteu : 

1.  von  Meerschweinchen  durch  Injektion  mit  den   gezüch- 
teten Bazillen  gewonnene  Sera  echte  Mäusetyphusbazillen ; 

*)  Nach  einem  Vortrag,  gehalten  auf  der  Naturforscherversammlung 
zu  Heran  (Sektion  Hygiene  etc.)  am  25.  September  1906. 


2.  Tranien  «üi?  fraglicher.  B«ki«T«i  diir»*h  vor.  Hecrü  *  jeiieuii- 
rat  L^ffler  ziir  g^^ipt  üt«rrLaiöfieiien  >[la2«tjpciaaBemizi 
in.  4er.3errjen  Verdünc::ng%n  irie  ier  rar  H«*r5tetl:iü^  üese* 

F<^m^r  wirde  d-L*  Biaiäeniixi  der  Erkrankten  einige  Wocher. 
na/^h  AbU:if  der  Erkrankai^en  anf  aggictinierende  Exgeo^chaffien 
getrenüber  Xäa^etjphoäbazillen  antersueiiL  Es  ömd  äct  in  60% 
der  Fälle  eine  DO^iinve.  ram  Teil  *iarke  Reaktion,  während  der 
Aoafall  der  Proben  bei  fünf  2esiinden  Personen  —  als  Konmlle  — 
dfirefaaoa  oegatiT  war. 

Unter  Berücksichägnng  der  übrigen  Umstände  konnte  «iamal« 
aoä  den  Untersnc+iongssergebnLjsen  ein  Schln&  anf  anbedingte 
PathK>genität  des  Miasetjphnsbaxilhis  für  den  Menschen  nicht 
gezogen  werden.  Immerhin  aber  war  die  Tatsache,  dals  sich  der 
Mäa^etTphoabazillus  im  Darm  des  Mensehen  anxnsiedeln  nnd 
üppig  zu  Termehren  Termoehte.  festgestellt,  and  man  maiVte 
jedenfalL«  für  die  Zakanft  zar  Vorsicht  and  Überwachong  bei 
Verwendong  von  Mftasetyphnsbazillen  bei  der  Mftosevertilgang 
aaffordem. 

In  der  Diskossion  za  dieser  Mitteilung  bemerkte  Herr  Geheim- 
rat Löffler  a.  a.,  dafs  aach  ihm  einige  wenige  Male  über  angeb- 
liche leichte  Darmstönmgen  bei  Personen  berichtet  worden  sei. 
die  mit  dem  Legen  von  Mäusetyphosbazillen  za  tan  gehabt  hätten. 
Bakteriologische  Untersachangen  sind  jedoch  in  den  betreffenden 
F&llen  nicht  angestellt  worden. 

Fast  zar  gleichen  Zeit,  einige  Wochen  nach  dem  Brüsseler 
Kongrefs,  doch  ohne  Kenntnis  meiner  dortigen  Mitteilang,  be- 
richtete dann  Prof.  Bon h off 'i  aas  Marbarg  aaf  der  Kasseler 
Natarforscherversammlcmg  von  vergleichenden  ex|>erimen teilen 
Untersuchungen  an  dem  Löff lerschen  Mftusetyphasbazil- 
lu8  und  dem  Paratyphusbazillus  des  Typus  B,  die  ihm 
die  völlige  Identität  dieser  beiden  Bakterienarten  bei 
Prüfung  ihres  morphologischen,  biologischen  und  tierpathogenen 
Verhaltens,  sowie  bei  agglutinatorischen  und  spezifisch  bakterio- 
lytischeu  Serumversuchen  (Pfeifferscher  Versuch)  ergeben  hatten. 
Ausschliefslich    auf  Grund    dieser   Laboratoriumsversache    hatte 


Von  Dr.  Richard  TrommsdorfP.  281 

Bonhoff,  falls  seine  Versuche  von  anderer  Seite  Bestätigung 
finden  sollten,  die  Bekämpfung  der  Feldmausplage  mit  Löffler- 
schen  Bazillen  behördlicherseits  zu  verbieten  gefordert. 

Kurz  darauf  erschien  eine  Arbeit  Trautmanns'),  der  im 
Anschlufs  an  den  bakteriologischen  Befund  bei  einer  Fleisch- 
vergiftung in  Düsseldorf  eine  grofse  Zahl  von  Originalstämmen 
früherer  Fleischvergiftungsbakterien  (Bacterium  enteri- 
tidis  und  seine  Verwandten)  sowie  die  Paratyphusbazillen 
vergleichend  untersuchte.  Es  gelang  ihm,  diese  morpho- 
logisch und  biologisch  sonst  nicht  voneinander  zu 
unterscheidenden  Arten  auf  Grund  sorgfältig  aus- 
geführter Agglutinationsversuche  zu  differenzieren. 
Er  fafst  die  Fleisch vergiftungs-  und  Paratyphusbazillen  unter  dem 
gemeinsamen  Namen  Bacillus  paratyphosus  zusammen  und 
unterscheidet  dann  in  dieser  Gruppe  fünf  Untergruppen,  die  da- 
diwch  gekennzeichnet  sind,  dafs  die  Sera  jeder  der  Untergruppen 
die  Bakterien  der  anderen  Gruppen  nicht  so  stark  als  die  ihrer 
eigenen,   aber  doch  auch  mehr  oder  minder  stark  agglutinieren. 

Von  diesen  fünf  Gruppen  sind  die  beiden  ersten  den  zuerst  von  Schott- 
müller  differenzierten  beiden  Paratyphusbazillen-Typen  ent- 
sprechend, die  dritte  hat  den  Bacillus  enteritidis  Gärtner  zum  Ver- 
treter, die  vierte  ist  einer  von  de  Nobele  (siehe  weiter  unten)  aufgestellten 
Gruppe  gleichwertig  und  als  fünfte  wird  der  Bacillus  morbificans 
bovis  von  Basenau  abgeschieden. 

Zu  einem  im  wesentlichen  mit  Bonhoffs  Ergebnissen 
übereinstimmenden  Resultat  gelangte  dann  Schott- 
müll er**).  Er  isolierte  bei  drei  durchaus  voneinander  unab- 
hängigen Fällen  von  Cholera  nostras  Reinkulturen  ein  und  der- 
selben Bakterienart,  die  sich  völlig  wie  das  Bakt.  enteritidis  ver- 
hielten, auch  hinsichtlich  der  Hitzebeständigkeit  der  von  ihnen 
gebildeten  Toxine,  auf  welche  Eigenschaft  der  Enteritidisbazillen 
Gärtner  besonderes  Gewicht  legte. 

Schottmüller  fand  ebenso  wie  Bonhoff  weifse  Mäuse 
bei  Fütterung  empfänglich  für  den  Bac.  enteritidis  wie  für  den 
Bac.  Paratyphi  des  Typus  B.  Ich  möchte  gleich  hier  bemerken,  dafs 
auch  meine  Versuche  dies  bestätigen.  Es  liegen  somit  jetzt  von 
drei  Seiten  Erfahrungen  vor,  die  Kurths  Angaben  widersprechen. 


282  Über  den  MäiisetyphaBbazilluB  und  seine  Verwandten. 

Aolserdem  fand  Schottmüller  eine  gleichhohe  Aggluti- 
nationskraft des  Serums  von  Kranken,  aus  deren  Stuhl  bzw. 
Blut  Paratyphusbazillen  des  Typus  B  gezüchtet  waren,  gegenüber 
den  Paratyphus-  wie  den  Enteritidisbazillen. 

Seine  Ansichten  faCst  dann  Schottmüller  in  sehr  inter- 
essanten Erörterungen  dahin  zusammen,  da(s  er  annimmt,  der 
Bac.  paratyphosus  alkalifaciens,  welchen  Namen  er  für 
die  seiner  Ansicht  nach  identischen,  bis  dahin  als  Bac. 
Paratyphi  des  Typus  B  und  Bac.  enteritidis  bezeichneten  Bak- 
terien vorschlägt,  »rufe  beim  Menschen  zweierlei  Krankheits- 
bilder hervor,  entweder  das  der  akuten  Gastroenteritis  (Intoxi- 
kation) oder  das  des  Typhus  (Infektion  im  engeren  Sinne)  c 

Bonhoff ^)  hat  dann  in  Fortsetzung  seiner  früheren  Ver- 
suche weitere  vergleichende  Untersuchungen  der  sog.  coli-ähn- 
lichen  Bakterien  unternommen.  Er  gelangte,  im  allgemeinen  in 
Bestätigung  seiner  vorhin  wiedergegebenen  Ergebnisse,  zu  dem 
Schlufs,  dals  der  Mäusetyphusbazillus,  der  Bac.  Para- 
typhi des  Typus  B  und  auch  der  Bac.  enteritidis 
weder  durch  biologische,  Agglutinations-  oder  bak- 
teriolytische  Untersuchungsmethoden  zu  differen- 
zieren seien. 

Für  eine  völlige  Identität  der  drei  Arten  eutschloCs  er  sich 
jedoch  nicht,  sich  auszusprechen,  da  sich  ihm  bei  seinen  letzten 
Versuchen  gewisse  Unterschiede  der  tierpathogenen  Eigenschaften 
des  Löfflerschen  und  des  Gärtnerschen  Bazillus,  im  Gegensatz 
zu  seinen  früheren  in  Kassel  berichteten  Versuchen,  gezeigt 
hatten. 

Falls  diese  Unterschiede  in  Zukunft  als  zu  geringfügig  für 
Aufstellung  zweier  Varietäten  erscheinen  sollten,  gebühre  seines 
Erachtens  nach  der  dem  Bac.  paratyphi  des  Typus  B  nach  dem 
Gesetz  der  Nomenklaturen  zukommende  Name  Bac.  enteritidis 
auch  dem  Löfflerschen  Mäusetyphusbazillus. 

Im  übrigen  verspricht  er  sich  namentlich  von  einer  Agglu- 
tinationsprüfung mit  Blutserum  von  Kranken,  bei  denen  Para- 
typhus des  Typus  B  festgestellt  ist,  entscheidende  Resultate  über 
diese  Identitätsfrage. 


Von  Dr.  Richard  Trommsdorff.  283 

Auf  Anregung  und  mit  Unterstützung  von  Max  Neifser  ist 
nun  weiter  die  besprochene  Bakteriengruppe  von  Smi dt*)  unter- 
sucht worden.  Er  zog  vor  allem  aufser  den  bisher  genannten 
Bakterien  noch  den  in  seineu  Kultureigenschaften  mit  diesen 
völlig  übereinstimmenden  Bazillus  der  Hogcholera,  den 
Bac.  cholerae  suum  oder  nach  Kruse  Bac.  suipestifer 
(Schweinepestbazillus)  in  das  Bereich  seiner  Versuche,  die 
ebenfalls  wesentlich  serodiagnostische  waren. 

Smidt  kommt  zu  dem  Resultat: 

1.  den  Bac.  enteritidis  entschieden  von  dem  Mäuse- 
typhusbazillus  zu  trennen  —  eine  gewisse  Ana- 
logie der  Ergebnisse  Trautmanns,  die  jedoch  zu  denen 
Bonhoffs  und  Schottmüllers  in  direktem  Wider- 
spruch steht; 

2.  aber  ergab  sich  Smidt  eine  völlige  Übereinstim- 
mung des  Mäusetyphus,  des  Bac.  paratyphi  des 
Typus  B.  und  des  Bac.  suipestifer.;  nach  ihm  »lassen 
die  gebräuchlichen  Untersuchuugsmethoden  einschliefslich 
der  Agglutinationsprüfung  nur  die  Entscheidung  zu,  ob 
der  betreffende  Stamm  überhaupt  zu  der  grofsen  und 
für  die  menschliche  Pathologie  nicht  unwichtigen  Gruppe 
der  Hogcholera  (Th.  Smith)  gehört.c  —  iZu  einer 
Namensänderung  der  beiden  Paratyphusbazillen  und  des 
Mäusetyphusbazillusc  sieht  er  jedoch  solange  keine  Ver- 
anlassung vorliegen,  »als  nicht  für  die  ganze  Gruppe 
ein  neuer  Name  geschaffen  oder  aber  die  Differenzierung 
der  einzelnen   Stämme  untereinander   ermöglicht  wird.c 

An  Agglutinationsversuchen  seien  ferner  noch  diejenigen 
de  Nobeles^)  aus  etwas  älterer  Zeit,  sowie  die  von  Drigalskis^) 
erwähnt.  *) 

*)  Femer  sei  hier  auf  eine  grOfsere  Zahl  von  Arbeiten  hingewiesen, 
die  sich  speziell  auf  Fleischvergiftungsbakterien  beziehen,  Aber  die  van 
Ermengen  in  seiner  Abhandlung  Ȇber  die  pathogenen  Bakterien  der 
Fleisch  Vergiftungen  <  im  Handbuch  von  KoUe-Wassermann  eingehend 
berichtet  hat. 


284  Über  den  Mäusetyphusbazillus  und  seine  Verwandten. 

DeNobele  schied  eine  grofse  Anzahl  von  Fleisch  vergiftungs- 
bakterien  mittels  hoch  wirksamen  agglutinierenden  Serie  in  zwei 
Hauptgruppen:  Typus  I:  Bacillusenteritidis  und  Typus  II: 
Bacillus  Aerthryk. 

V.  Drigalski  hat  im  Anschlufs  an  den  bakteriologischen 
Befund  einer  durch  Genufs  von  Pferdefleisch  veranlafsten  Ver- 
giftung in  Neunkirchen,  bei  einer  Prüfung  mit  verschiedenen 
agglutinierenden  Seris  unserer  Bakteriengruppe,  nicht  ganz  ein- 
deutige  Resultate  zur  Differenzierung  dieser  erzielt.  Immer- 
hin konnte  er  die  von  ihm  isolierten  Stäbchen  als  sicher 
»vollständig  identisch  mit  Gärtners  Enteritidis-Ba- 
Zilien  und  wahrscheinlich  auch  mit  dem  Stamme  Aerthryk 
(trotz  einer  kulturellen  Abweichung  dieses  in  Maltoseagar],  als 
diesen  sehr  nahestehend  den  Bazillus  der  Hogcholera  und  als 
dieser  Bakteriengruppe  verwandt  den  Typhoid-Bazillus  (i.e. 
Paratyphusbazillus  des  Typus  B)  erweisen. 

Obwohl  die  beiden  zuletzt  genanntenAutoren  zum 
grofsen  Teil  dieselben  Bakterienstämme  benutzten, 
weichen  die  Ergebnisse  ihrer  Untersuchungen,  wie 
bereits  v.  Drigalski  hervorhebt,  erheblich  voneinander 
ab.  So  erklärt  V.  Drigalski  den  Bac.  enteritidis  Gärtner 
und  den  Bac.  breslaviensis  (Kaensche)  auf  Grund  seiner 
Agglutinationsversuche  für  »vollständig  identisch. c  De  Ne- 
bele stellt  dagegen  auf  Grund  ebensolcher  Versuche  gerade  diese 
beiden  Bakterien  als  Vertreter  zweier  zu  differenzieren- 
den Gruppen  auf.  Auch  nach  Trautmann  waren  gerade 
diese  beiden  Bakterien  agglutinativ  entschieden  zu 
trennen. 

Überblicken  wir  die  Resultate  der  verschiedenen  Autoren,  die 
sich  bemühten,  durch  ihre  Untersuchungen,  speziell  mittels 
Agglutinationsmethoden,  Klarheit  in  die  Gruppe  des  Mäusetyphus* 
bazillus  und  seiner  Verwandten  zu  bringen,  so  sehen  wir,  dafs 
wir  leider  nicht  in  der  Lage  sind,  diese  Resultate  auch  nur 
einigermafsen  befriedigend  zu  vereinigen.  Im  Gegenteil:  nam- 
hafte Autoren,    an    deren    exaktem  Arbeiten  und  einwandfreiem 


Von  Dr.  Richard  Trommsdorff.  285 

Beobachteu  jedenfalls  nicht  zu  zweifeln  ist,  sind  zu  teilweise  völlig 
widersprechenden  Ergebnissen  gekommen. 

Es  hat  nun  die  Mehrzahl  der  genannten  Forscher  meist  nur 
mit  einem  oder  wenigstens  nur  wenigen  Stämmen  der  einzelnen 
verschiedenen  Bakterienspezies  gearbeitet :  es  waren  trotzdem  meist 
höchst  umfangreiche  Arbeiten. 

Ich  glaubte  daher,  wenn  ich  meinerseits  an  die  Frage  der 
Identität  oder  Nichtidentität  der  zur  Diskussion  stehenden  Bak- 
terien herantreten  wollte,  ich  nur  durch  vergleichende  agglutina- 
torische  Untersuchungen  möglichst  vieler  verschiedener 
Stämme  derselben  Arten  vielleicht  das  erstrebte  Ziel  erreichen 
könnte. 

So  versuchte  ich  mir  von  folgenden  Bakterien:  Mäuse- 
typhus, Enteritidis,  Paratyphus  B  und  Suipestifer 
eine  gröfsere  Anzahl  verschiedener  Stämme  zu  verschaffen  und 
bin  in  dieser  Beziehung  den  Herren  Proff.  Bonhoff,  Dieu- 
donnä,  Gärtner,  Kitt  und  Max  Neisser,  die  mir  sämtlich 
auf  mein  Ersuchen  eine  oder  mehrere  Arten  zur  Verfügung 
stellten,  zu  grofsem  Danke  verpflichtet. 

Aufserdem  hatte  ich  eine  Zahl  Stämme  der  genannten  Bak- 
terien aus  der  Sammlung  des  Hygienischen  Institutes  zu 
München  zur  Verfügung,  ferner  die  beiden  von  mir  seinerzeit 
aus  menschlichen  Stuhlgängen  gezüchteten  Mäusetyphusbazillen 
(Pf.  I  und  Pf.  II),  einige  von  Kräl  bezogene  Arten  und  einen 
Mäusetyphusstamm  der  Firma  Schwarzlose  in  Berlin,  die  be- 
kanntermafsen  Mäusetyphuskulturen  unter  Aufsicht  des  Herrn 
Geheimrats  Löffler  verbreitet.  Dazu  kommt  der  Fleisch- 
vergifter  Aerthryk  und  eine  Psittacosis-Kultur  aus  dem 
Besitz  des  Herrn  Prof.  M.  Neisser. 

Sämtliche  Bakterien  zeigten  in  ihren  morpholo- 
gischen und  biologischen  Eigenschaften  keine  wesent- 
lichen Unterschiede:  coliähnliche,  gram-negative  Stäbchen 
mit  mehr  oder  weniger  lebhafter  Eigenbewegung ;  Wachstum  auf 
Gelatine,  meist  typhusähnlich  zart,  in  einzelnen  Fällen  dicker, 
mehr  coliartig:  ähnliches  Verhalten  auf  Kartoffeln;  Bouillon  stark 
getrübt  undHäutchenbildung  im  Verlauf  einiger  Tage;  keine 


286  über  den  MAoBetyphusbazilliw  and  seine  Verwandten. 

Indolbildung;  Zersetzung  des  Traubenzuckers,  aber 
nicht  des  Milchzuckers:  daher  keine  Gerinnung  der  Milch 
—  aber  allmähUche  Aufhellung  durch  Alkalibildung  —  und  Bil- 
dung blauer  Kolonien  auf  Conradi-Drigalski-Agar  und  farbloses 
Wachstum  auf  Agar  nach  Endo.  Fluoreszenz  von  Neutralrot, 
endlich  in  Lackmusmolke  (reichliche  Einsaat  l)  anfangs  meist  ge- 
ringe Säuerung,  doch  bald  oder  später  auftretende  geringe  A 1  kali  - 
bildung. 

Ich  möchte  hier  darauf  hinweisen,  dafs,  wie  von  den  übrigen 
Autoren,  auch  meinerseits  zunächst  versucht  wurde,  in  den  morpho- 
logischen oder  biologischen  Eigenschaften  der  Bakterienarten  durch- 
greifende Unterschiede  zu  finden.  Das  Ergebnis  war  aber  negativ, 
und  ich  will  daher  auch  die  geringen,  jedenfalls  nicht  be- 
deutungsvollen Differenzen  der  verschiedenen  Arten  hier  nicht 
weiter  erwähnen. 

Ich  habe  nun  meine  V^ersuche  damit  begonnen,  durch  Injektion 
abgetöteter  Agarkulturen  agglutinierende  Sera  zu  gewinnen. 
Dazu  verwandte  ich  zum  gröfsten  Teile  Meerschweinchen,  aber 
auch  einzelne  Kaninchen.  (Es  ist  dies  in  der  Tabelle  extra  an- 
gegeben.) Zu  erwähnen  ist  ein  auffallend  grofser  'Herverlust 
trotz  vorsichtigster  Immunisierung;  Beginn  der  Immunisierung 
mit  teilweise  sehr  kleinen  Dosen  (Vio  Ose  usw.).  Das  Ausgangs- 
material der  ersten  Agarkulturen  waren  stets  isolierte  Kolonien 
auf  Gelatineplatten,  so  dafs  ich  mich  des  Materials  von  Rein- 
kulturen versicherte  (auch  die  biologischen  Prüfungen  waren  von 
solchem  Ausgangsmaterial  aus  vorgenommen).  Die  Abtötung  er- 
folgte nach  Aufschwemmung  in  Bouillon  durch  Erhitzung  auf 
56  bis  60°  während  ca.  1  bis  2  Stunden.  Die  Agglutinations- 
prüfuug  geschah  nach  der  Pros  che rschen  Blockschälchen- 
Methode  (2  Stunden  bei  37  ^  makroskopisch),  wobei  in  der  Tabelle 
die  ±  (Grenz)- Werte  eingeklammert  sind.  Die  anderen  Zahlen 
bedeuten  die  noch  stark  positiven  Werte.  Die  zur  Agglutination 
benutzten  Bakterien  waren  ebenfalls  genau  nach  Pros  eher 
gleichmäfsig  in  gröfseren  Mengen  hergestellte,  durch  Formalin 
abgetötete  Kulturen,  die  im  Eisschrank  aufgehoben  wurden.    In 


Von  Dr.  Richard  Trommedorff.  287 

dieser  Beziehung  war  also  das  Beobachtungsmaterial  gleichmäfsig. 
Vielfach  sind  die  Proben  doppelt  oder  mit  einer  neuen  Bouillon- 
kultur angestellt.  Differenzen  der  einmal  erhaltenen  Werte  wurden 
dabei  nicht  beobachtet.  Jedes  Serum  wurde  bis  zur  Verdünnung 
von  40000  austitriert.  (Regelmäfsige  Kontrollen:  Bakterien  + 
Na  Gl- Lösung).  Dafs  die  Tabelle  einige  Lücken  aufweist,  lag  in 
äufseren  Umständen.  Es  fehlte  die  Zeit,  die  Agglutinations- 
prüfungen vollkommen  durchzuführen. 

Die  Ergebnisse  meiner  Versuche  sind  in  der  Tabelle  S.  288 
und  289  zusammengestellt. 


In  der  Tabelle  finden  sich  zunächst  die  Agglutinationswerte  für 
unsere  Bakteriengruppe.  Die  Rubriken:  Paratyphus  A,  Typhus,  Coli, 
Fäcalis  alkaligenes  können  gewissermafsen  als  Kontrolle  aufge- 
fafst  werden :  hier  sind  nur  ganz  vereinzelte  höhere  Agglutinations- 
werte zu  verzeichnen  gewesen  (Typhusserum  gegenüber  Paratyphus 
B,  Mäusetyphus  Kitt  Kan.  A-Serum  gegenüber  Paratyphus  A, 
Enteritidis-BonhofE-Serum  gegenüber  Typhus).  Bei  einer  Anzahl 
von  Normalseris,  die  gegenüber  sämtlichen  Bakterien  geprüft 
wurden,  waren  nur  ganz  vereinzelte  Agglutinationen  bis  1  :  20  zu 
beobachten;  diese  Werte  sind  nicht  mehr  der  Tabelle  eingefügt 
worden. 

Als  sehr  merkwürdig  wurden  die  Werte  der  letzten  Rubrik 
notiert.  Der  mit  »Xc  bezeichnete  Bazillus  fand  sich  in  der 
Sammlung  des  hygienischen  Institutes  zu  München  unter  der 
Bezeichnung  »Enteritidisc.  Die  morphologische  und  biologische 
Prüfung  ergab  aber  keine  Spur  einer  solchen.  Er  verhielt  sich 
in  allem  wie  Typhus:  nur  das  Gelatinewachstum  weicht  ziem- 
lich stark  ab,  auch  wird  er  durch  Typhusserum  beeinflulst,  während 
sein  Serum  Typhusbazillen  nicht  agglutiniert.  Höchst  auffallend 
sind  aber  die  Agglutinationswerte  bei  Mäusetyphus-,  Schweine- 
pest- und  Paratyphus.  B.Serum  und  umgekehrt  die  Wirkung  des 
iXc-Serums  auf  diese  Bakterien  wie  die  Enteritidis-Stämme. 


288 


Über  den  Mftasetyphiishanllafl  and  seine  Verwandten. 


Sera 


Hlasctjphu 


Bazillen 


Knnlnrhen 
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(ö  000) , 

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10  000)    (20  000) 
1)  fibenfall»  aus  dum  licäitz  von  Prof.  Nell'üer 


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1280 
(2  500) 


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K'iO 


Von  Dr.  Iticbard  TrommsdorS. 


Arehl*  IBr  Hyt^eat.    HJ.  LV. 


290  Über  den  MäoBetjrphuBbasillas  und  seine  Verwandten. 

Im  übrigen  glaube  ich  hier  auf  eine  eingehende  Erkl&rung 
der  Tabelle  verzichten  zu  dürfen;  es  seien  nur  einzelne  Punkte 
hervorgehoben : 

Die  Mäusetyphus  sera  agglutinieren  alle  Mäusetyphus- 
Stämme,  nicht  die  Entritidisstämrae,  bis  auf  einige  Ausnahmen 
beim  Serum  Kan.  A  Pf.  I,  dagegen  grölatenteils  den  Stamm  Aer- 
thryk.  Das  Gleiche  gilt  für  Schweinepest-  und  Paratyphus- B-Bazillen 
wie  für  die  Psittacosis. 

Die  Gnteritidissera  agglutinieren  alle  Enteritidisstänmie ; 
in  den  übrigen  Bakteriengruppen  sind  hier  nur  wenige  hohe 
Titer  zu  verzeichnen  (am  meisten  gegenüber  Suipestifer). 

Das  Suipestifer-Kräl-Serum  agglutiniert  die  Sehweine- 
peststämme  (Ausnahme  Stamm  Dieudonn^,  die  Mäusetyphus-  und 
Paratyphus-B-Stämme  (Ausnahme  Stamm  Saarbrücken),  den  Bac. 
Aerthryk)  dagegen  nur  gering  die  Psittacosiskultur  und  gar  nicht 
die  Enteritidisstämme. 

Das  Suipestifer  Dieudonn^-Serum  zeigt  sich  dagegen 
völlig  abweichend. 

Das  Paratyphus-B-Serum  agglutiniert  nur  einen  Para- 
typhus B-  und  einen  Suipestiferstamm  hoch. 

Und  umgekehrt: 

Mäusetyphusbazillen  wurden  von  allen  Mäusetyphus- 
seris,  einzelne  Stämme  von  einzelnen  Enten tidisserum  und  einem 
Suipestiferserum  hoch  agglutiniert. 

Enteritidisbazillen  wurden  im  allgemeinen  nur  von  Enteri 
tidisseris  (einige  Ausnahmen  bei  Mäusetyphus-Serum  Pf.  I  Kan.  A) 
agglutiniert, 

dagegen  der  Bazillus  Aerthryk  im  allgemeinen  nicht 
von  Enteritidisseris ,  jedoch  von  Mäusetyphusseris  und  dem 
Schweinepestserum  Kral. 

Die  Suipestiferstamm e  (abweichend  der  Stamm  Dieu- 
donnä)  wurden  sämtlich  von  dem  Suipestifer-Kräl-Serum,  von  Mäuse- 
typhusseris, z.  T.  von  einigen  Enteritidisseris,  dagegen  durch  das 
Paratyphusserum  nur  ein  Stamm  hoch  agglutiniert. 


Von  Dr.  Richard  Trommsdorff.  291 

Die  Paratyphusstämme  Schottmüller  und  Neifser  werden 
im  allgemeinen  durch  Mäusetyphusseris  agglutiniert,  dagegen 
ebenso  wie  der  Stamm  Saarbrücken  (der  nur  durch  2  (3)  Mäuse- 
typhussera  agglutiniert  wird)  nicht  von  Enteritidisseris  (zwei  Aus- 
nahmen). Auch  durch  Suipestifer-  (Ausnahme  das  Dieudonnö- 
serum)  und  Paratyphussera  die  Mehrzahl  der  Werte  positiv. 

Die  Psittacosis  kultur  endlich  wird  durch  alle  Mäusetyphus- 
sera  hoch  agglutiniert,  auch  durch  zwei  Enteritidisseris,  aber 
nur  schwach  vom  Schweinepest-  und  Paratyphusserum. 


Welche  Schlüsse  sind  nun  aus  den  hier  mitgeteilten 
Agglutinationsversuchen  unter  Berücksichtigung  der 
Resultate  der  bisherigen  Forschungen  auf  diesem  Ge- 
biete zu  ziehen? 

Da  erscheint  am  wichtigsten  die  zwar  vom  Standpunkt 
des  Bakteriologen  aus  sehr  bedauerliche,  aber  wohl  nicht  weg- 
zuleugnende Tatsache,  dafs  die  AgglutinationsprQfung,  wenigstens 
in  ilirer  Jetzigen  Metliodik,  beliufs  Differenzierung  der  Bakterien- 
gruppe: Mäusetyplius,  Fieisclivergifter  Typ.  enteritidis,  suipestifer 
Paratyplius  Typ.  B ,  Psittacosis  liöclist  unsicliere  Resuitate  iiefert. 

Dies  geht  einmal  aus  den  sich  zum  Teil  direkt  wider- 
sprechenden Angaben  der  Literatur  über  Versuche  mit  teilweise 
denselben  Bakterienstämmen  hervor.  Entscheidend  sind  aber, 
wie  ich  glaube,  die  hier  vorliegenden  Versuche. 

In  ihnen  finden  sich  zwar  in  einigen  Fällen  unter  den  Agglu- 
tinationswerten der  verschiedenen  Sera  einer  Bakteriengruppe 
gegenüber  sämtlichen  Stämmen  dieser  Gruppe  keine  wesent- 
lichen Unterschiede,  z.  B.  bei  den  Mäusetyphus-Seris  gegenüber 
den  Mäusetyphusbazillen  oder  bei  den  Enteritidis-Seris  gegenüber 
den  Enteritidisbazillen.  Sehr  vielfach  aber  agglutinieren  die  mit 
einem  Bakterienstamm  bei  verschiedenen  Tieren  hergestellten 
Sera  ein  und  denselben  Stamm  einer  anderen  Gruppe  (a), 
oder  ein  und  dasselbe  Serum  die  verschiedenen  Stämme 

einer  anderen  Gruppe  verschieden  hoch  (b). 

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\y\t%t  nügemesn«  Schlafffoigemng  der  ÜL.*:*'-erri*:: 
d^r  AgjflatinatioD  ia  aoserer  Gruppe  Tor;ft;i«ceseh:ek* 
on^i  \9tU9ii\.  glanbe  :eh  troudem.  d^Es  man  atss  den  Reeüuec 
meirMT  Vennebe  gevisie  spezielle  Schlüsse  zzebea  darf. 

Wir  halten  die  Aateellimg  gewisser  Gruppen  toq  Bakterien, 
die  ficfa  Mfist  Diefat  düEerenxieren  laaseiu  aoMcfaiiefäieii  auf 
Grand  agglotinalorisefa  Tölfig  diffierenten  Verhaltens  für  bnecb- 
tigt  irie  wir  es  z,  B,  auch  kürzlich  bei  dem  Bac  fiteaÜs  alcali- 
gene5>i  getan  haben.^  Diese  Berechtigung  liegt  nun  b^  unseren 
Venucheu  darin,  dals  gewisse  Ag^utinationswerte^'wenigatens  in 
der  überwiegenden  Mehrzahl,  in  einem  Sinne  ausfielen. 
Man  kann  daher  diese  Werte  als  die  RegeL  die  abweichenden 
Ergebnisse  als  Ausnahmen  betraditen.  Eben  diese  Ausnahmen, 
die  aber  vorkommen  und  mit  Sicherheit  vorkommen«  sind  der 
Grund,  dals  wir  die  Agglutination  als  DifEerenzierungsmoment 
in  unserer  Gruppe  nicht  sehr  hoch  einschätzen  können.  Denn 
praktisch  wird  man  kaum  je  in  der  Lage  sein,  mit  einer  groÜBen 
Zalil  Sera  und  einer  groben  Zahl  Bakterien,  wie  bei  den  vor- 
liegenden Untersuchungen,  zu  arbeiten. 

Auf  Grund  meiner  Versuche  glaube  ich  nun,  dals  wir  fol- 
gende« Spezielle  sagen  dürfen: 

L  Der  Bac.  enteritidis  ist  von  den  übrigen  Bakterien 
abzutrennen. 
Dafür  spricht: 

u)  dafs  keiner  der  Stämme  desselben,  bis  auf  3  Ausnahmen  bei 
dem  Kaninchen  A  des  Stammes  Pf.  I.,  von  Mäusetyphus- 
serum  agglutiniert  wird,  und  umgekehrt  auch  im  allgemei- 
nen —  hier  sind  allerdings  bedeutend  mehr  Ausnahmen  — 
lOuteritidis-Sera  Mäusetyphusbazillen  nicht  agglutiuieren ; 


Von  Dr.  Richard  Trommsdorff.  293 

b)  dafs  sowohl  Schweinepest  wie  Paratyphus  -  B-Serum  den- 
selben nicht  beeinflussen; 

c)  wohl  auch,  dafs  der  Stamm  X-Sammlung,  der  sonst  von 
fast  sämtlichen  Seris  mehr  oder  minder  agglutiniert  wird, 
von  keinem  der  Enteritidis-Sera  agglutiniert  wird. 

II.  Sowohl  unter  denParatyphus-B-,  wie  denSchweine- 
pest-Bazillen  gibt  es  verschiedene  Gruppen. 

Hierfür  spricht  beim  Paratyphus  B  das  abweichende  Ver- 
halten des  Stammes  Saarbrücken  gegenüber  der  Mehrzahl  sämt- 
licher Sera  und  unter  den  von  mir  untersuchten  Schweiuepest- 
stämmen  ist  entschieden  der  Stamm  Dieudonnö  atypisch. 

Es  entsteht  nun  noch  die  Frage,  wodurch  sind  die  merk- 
würdigen Differenzen  zu  erklären,  die  wir  bei  den  ver- 
schiedenen Seris  gegenüber  denselben  Bakterienstämmen 
bzw.  beim  gleichen  Serum  gegenüber  den  verschiedenen 
Bakterienstämmen  feststellten,  und  auch  die  differenten  Ergeb- 
nisse der  früheren  Autoren?  Man  wird  vielleicht  bei  der  Be- 
trachtung meiner  grofsen  Tabelle  denken:  Sollte  da  nicht  bei 
der  grofsen  Zahl  von  Tieren  und  Bakterien  gelegentlich  bei  den 
Injektionen  ein  Irrtum  vorgekommen  sein?  Ich  kann  aber  ver- 
sichern, dafs  ich  in  dieser  Beziehung  das  beste  Gewissen  habet 

Dafs  wesentliche  Unterschiede  in  den  zur  Agglutination  ver- 
wendeten Formalinkulturen  vorlagen,  glaube  ich,  bei  meinen 
Versuchen  wenigstens,  so  gut  wie  sicher  verneinen  zu  dürfen. 
So  bleiben  eigentlich  nur  Unterschiede  in  der  Gewinnung 
der  Sera  zu  betrachten. 

Bonhoff  hat  bei  seinen  Versuchen  mit  Mäusetyphusserum 
eine  gleich  hohe  Agglutination  wie  für  den  Mäusetyphus- 
bazillus  für  seinen  Enteritidis-Stamm  erhalten.  Ich  kam, 
unter  Einhaltung  derselben  Technik,  mit  denselben  Stämmen  zu 
dem  entgegengesetzten  Resultat.  Woran  kann  das  liegen? 
Der  eine  Unterschied^  den  ich  hier  sehen  kann,  ist,  daCs  Bon- 
hoff ein  Kaninchen  zur  Immunisierung  benutzte,  während 
ich  ein  Meerschweinchen  verwendete.  Doch  kann  wohl  die 
Tierspezies   nicht   ausschlaggebend   sein,    da   bei   meinen    Ver- 


2^4  tyi0>T  'imi  Xibuwrrpiiaiihflailliis  and  seiae  ViKwuifim. 


üochen  mit  d^a  Sitaarnea  SfäOMCCyphQ»  PL  I  and  KixL,  w^o  jeiies- 
mal  je  2  fCanixkchen  and  je  3  Me«r9diw«neiieii  zur  Immaniae- 
rung  benutzt  wnrdeii.  .^ich  dann  doeh  wokl  juich  derartige  DtSe- 
renzen  hätten  zeigen  mäseen.  Und  aoeh  die  Tenciueden  hohe 
Wertigkeit  anderer  Serm  kann  nieht  got  zor  ErkUning  hermn- 
gezogeri  werden,  da  Bonhoff  nur  bis  zur  Verdannaz^  I  :  lOQi' 
wirksames  Mladetjphas-^serum  hacte^  wahrend  mein  S^nm  Tiel 
hochwertiger  t40000faehj  war;  diese«  aber  den  Enteritidisbazülns 
nieht  agglatinierte,  Ea  war  vielmehr  das  Umgekehrte  der  Fall  : 
da«  Bon  ho  ff. «che  «schwächere  Serum  agj^ntinierte  beide  Arten. 
Es  erscheint  mir  «omit  das  Wahrscheinlichste^  anzunehmen. 
daf.%  sich  bei  verschiedenen  HeriadhrMsM  eine  verschie- 
dene Reaktion  in  bezug  auf  die  Bildung  von  Aggluti- 
ninen  findet  Weiteren  Untersuchungen  wird  es  vorbehalten 
bleiben,  in  diesen  Punkten  Aufklarung  zu  schaffen.  Man  wird 
vielleicht  zunächst  sein  Augenmerk  darauf  richten  muaaen,  wie 
das  Serum  der  zu  immunisierenden  Tiere  vor  der  ersten  Injek- 
tion die  einzelnen  verschiedenen  Bakterienstänmie  beeinfloist. 
Auch  den  geringsten  Unterschieden  durfte  da  schon  Wert  bei- 
zulegen sein.  F'emer  wird  man  bei  der  Abtötung  der  für  die 
Immunisierung  dienenden  Kulturen  auf  die  Höhe  der  AbtiHoogs- 
temperatur  und  die  genaue  Zeit  der  Einwirkung  dieser  achten 
müssen  und  auf  ähnliches  mehr. 

Wir  sind  auf  Grund  der  Agglutinationsversuche 
zu  einer  Differenzierung  der  Bazillen  des  Mäuse- 
typhus, der  Schweinepest,  des  Paratyphus  B,  der 
Psittacosis  und  des  Fleischvergifters  Aerthryk  nicht 
gekommen.  Für  eine  Identität  dieser  sämtlichen  Bakterien 
mich  auszusprechen,  würde  ich  mich  aber  trotzdem  nicht  für 
berechtigt  halten.  Denn  hier  müssen  wir,  m.  E.,  doch  noch  — 
rieben  vielleicht  mehreren  anderen  Punkten  (Toxinbildung,  Hitze- 
beständigkeit der  Toxine  etc.)  —  auch  die  tierpathogenen  Eigen- 
schaften mit  berücksichtigen.  Es  haben  sich  nun  bei  meinen 
wenigen  diesbezüglichen  Untersuchungen  Differenzen  gezeigt. 
Ich   erwähnte  bereits,   dafs   Bon  hoff  gewisse  Unterschiede   der 


Von  Dr.  Richard  Tromnisdorff.  295 

Pathogenität  der  von  ihm  untersuchten  Stämme  fand.  Meine 
V^ersuche  haben  einen  auffallenden  Unterschied  des  Verhaltens 
der  Paratyphus-B-Bazillen  ergeben;  Bei  Verfütterung  an 
weilse  Mäuse  wirkten  sämtliche  aufgeführten  Stämme  von 
Mäusetyphus,  Enteritidis,  Schweinepest,  Paratyphus  B,  der  Stamm 
Aerthryk  und  die  Psittacosis  tödlich.  Bei  allen  Tieren, 
mit  Ausnahme  der  mit  dem  Paratyphus  des  Typus  B 
gefütterten,  war  der  Sektionsbefund  übereinstimmend: 
genau  das  Bild,  wie  es  seinerzeit  Löffler  für  die  Mäusetyphus- 
bazillose  angab :  fast  alle  Organe  im  Zustand  der  Stauung,  dunkel- 
blaurot; entzündliche  Erscheinungen  am  Darm  und  bakteriologisch 
allgemeine  Septikämie. 

Bei  den  mit  den  drei  Paratyphus -B- Stämmen  gefütterten 
Tieren  aber  war  das  Bild  ein  wesentlich  anderes.  Ich  denke 
an  anderer  Stelle  des  Näheren  auf  diese  Befunde  zurückzukommen. 

Sollten  wir  nicht  auch  vielleicht,  bei  den  Schweinepest- 
bazillen z.  B.,  bei  anderen  Versuchstieren  einen  ähnlichen  durch- 
greifenden Unterschied  finden  können?  Merkwürdig  ist  doch 
der  Umstand,  dafs  scheinbar  noch  niemals  Erkrankungen  au 
Schweinepest  beobachtet  wurden,  zu  Zeiten,  wo  gegen  die  Feld- 
mäuse mit  virulenten  Mäusetyphusbazillen  gearbeitet  wurde! 
Bei  einer  Identität  beider  Arten,  sollte  man  glauben,  hätte  dies 
—  bei  der  hohen  Infektiosität  der  Schweinepest  —  wenigstens 
gelegentlich  einmal  vorkommen  müssen. 

Aber  auf  der  anderen  Seite  bin  ich  weit  entfernt,  etwa  aus 
Unterschieden  der  Pathogenität  oder  der  Intensität  der  Gift- 
bildung für  eine  Abtrennung  von  Arten  einzutreten.  Dafs  da 
die  gröfsten  Differenzen  auch  bei  sicher  identischen  Stämmen, 
z.  B.  bedingt  durch  Züchtung  auf  verschiedenartigen  Nährböden, 
vorkommen,  ist  nur  zu  bekannt.  Ich  möchte  in  der  Beziehung 
nur  auf  die  neuen  Untersuchungen  von  Schattenfroh  und 
Grafsberger^ö)  über  den  Rauschbrandbazillus  bzw.  die 
grofsen  Differenzen  der  Virulenz  und  der  Intensität  der  Gift- 
bildung bei  den  verschiedenen  Arten  dieses  aufmerksam  machen. 

Smidt  empfiehlt,  auf  Grund  seiner  Erfahrungen  mit  poly- 
valentem Schweinepestserum,  dieses  als  vorzüglich  geeignet  zur 


296  ÜJber  den  Mäusetyphasbaullus  und  seine  Verwandten. 

Erkennung,  ob  ein  Bakterium  überhaupt  zur  Gruppe  der  Hog- 
cholera  gehöre,  wie  er  unsere  Bakteriengruppe  mit  Th.  Smith 
zusammenfassend  nennt.  Wir  würden  aber  auch  bei  Verwendung 
von  solchem  m.  E.  nach  durchaus  noch  keine  Garantien  entschei- 
dender Resultate  haben.  Äufserdem  geht  die  Anwendung  solchen 
polyvalenten  Serums  bereits  von  der  unbedingten  Zusammen- 
gehörigkeit der  verschiedenen  in  Frage  stehenden  Bakterien  zu 
einer  Gruppe  aus. 

Dieselben  Einwände  sprechen  gegen  Benutzung  von  Misch- 
bakterienkulturen, wie  sie  zur  Seradiagnostik  beim  Menschen  für 
Typhus  und  Paratyphus  vorgeschlagen  sind. 

Absorptionsversuche  zur  Bindung  der  Agglutinine  stellten 
bereits  Bonhoff  und  Smidt  (1.  c.)  an,  ohne  zu  eindeutigen 
Resultaten  zu  kommen.  Auf  die  Wiedergabe  meiner  diesbezüg- 
lichen Versuche  möchte  ich  vorläufig  verzichten,  da  auch  sie 
bisher  nicht  gestatten,  irgendwelche  sicheren  Schlüsse  zu  ziehen. 

Endlich  möchte  ich  noch  auf  eine  ganz  neu  erschienene 
Arbeit  Bahrs^^)  hinweisen.  Jensen  hatte  versucht,  die  Para- 
typhusbazillengruppe  durch  Prüfung  ihrer  Gärfähigkeit  gegenüber 
verschiedenen  organischen  Körpern,  vor  allem  Zuckerarten,  zu 
differenzieren;  Bahr  hat  den  schon  von  Jensen  ausgesprochenen 
Gedanken,  hierzu  organische  Säuren  zu  benutzen,  durch- 
geführt, und  es  scheint  ihm  in  der  Tat  so  eine  Differenzierung 
gelungen  zu  sein.  Es  geht  jedoch  aus  seiner  Veröffentlichung 
nicht  hervor,  ob  er  bei  seinen  Prüfungen  stets  mehrere  oder  nur 
einen  Stamm  der  verschiedenen  Arten  prüfte.  Man  wird  also 
bis  auf  Nachprüfungen  dieser  Arbeit  mit  seinem  Urteil  zurQok- 
halten  müssen. 

Ich  glaube  somit  empfehlen  zu  sollen,  vorläufig  ruhig  die 
verschiedenen  Namen  für  die  nicht  difEerenzierbaren  Arten  bei- 
zubehalten. 

Immerhin  aber  sei  man  sich  bei  der  Verwendung 
sämtlicher  besprochener  Bakterien  der  möglichen 
Gefährlichkeit  derselben  auch  für  den  Menschen 
bewufst. 


Von  Dr.  Richard  Trommsdorff. 


297 


In  bezug  auf  die  Mäusetyphusbazillen  ist  bereits  in  Preufsen, 
veranlafst  durch  den  seinerzeit  von  mir  mitgeteilten  Befund  von 
Mäusetyphusbazillen  beim  Menschen,  ein  Erlafs  mit  Vorsichts- 
mafsrege]n  erschienen,  der  auch  in  Abschrift  z.  B.  den  von  der 
Finna  Schwarzlose  in  den  Handel  gebrachten  Mäusetyphuskulturen 
beigegeben  wird. 

Ein  Verbot  der  Verwendung  von  Mäusetyphuskulturen  zur 
Vertilgung  von  Feldmäusen  scheint  mir  jedoch  zunächst  nicht 
berechtigt. 

Nach  Abschlufs  dieser  Arbeit  ging  mir  durch  Herrn  Prof. 
Neuser  der  Druckbogen  (Zeitschr.  f.Hyg.*)  einer  Arbeit  Böhmes 
zu,  deren  experimentelle  Ergebnisse,  soweit  seine  Versuche  metho- 
disch den  hier  mitgeteilten  entsprechen,  durchaus  mit  den  meinigen 
in  Einklang  stehen. 


Nachtrag  bei  der  Korrektur. 

Eine  Reihe  von  Nachprüfungen  der  Gärversuche  Bahrs 
(a.  a.  0.)  haben  mich  zu  der  Überzeugung  gebracht,  dafs  den 
Ergebnissen  Bahrs  eine  allgemeine  Bedeutung  zur 
Differenzierung  unserer  Bakteriengruppe  nicht  zu- 
kommt. Als  Beleg  sei  die  folgende  Tabelle  mitgeteilt.  (Die 
Versuche  wurden  natürlich  genau  nach  den  Vorschriften 
Bahrs  angestellt;  das  Wachstum  der  eingesäten  Bakterien  war 
stets  üppig.) 


Bahre  Vereache 


Zitronen- 
■iure 


Traaben- 1 
s&ure 


Eigene  Versuche 

;,  Zitronen- 
s&ure 


Trauben- 
s&ure 


MänsetyphuB  . 


+ 


{■  Stamm  Kral 
+       '        >      Pf.  1 


+ 

0 


8 

0 


Schweinepest 


+ 


+ 


Kral    .     . 

Dieadonn^ 

Neilser 


+ 

e 

+ 


e 

+ 

0 


Enteritidis  .     . 


+ 


+ 


G.  .    .     . 
Bonhoff  . 


0 
0 


Paratyphns  B 


+ 


0 


NeiXaer    . 

SchottmtQler 

Saarhrficken 


+ 

0 
0 


0 
0 
0 


Pflittacose   .    . 


0 


+ 


0 


*)  Nachtrag  hei  der  Korrektor :  einstweilen  erschienen  Bd.  52  Heft  1. 


Die  Tageskarve  der  Wasserdampfabgabe  des  Menschen. 

Von 

Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert,     und     Dr.  med.  P.  Peters, 

Oberassistenten  am  Institut.  früherem  Assistenten  am  Institut. 

(Aus  dem  Hy^enischen  Institut  der  Universität  Berlin.) 

Vierundzwauzigstüudige  Versuche  über  die  Wasserdampfab- 
gabe des  Meuschen,  bisher  nur  spärlich  ausgeführt,  haben  be- 
kanntlich zur  Aufstellung  eines  Mittels  von  rd.  1  kg  Wasser  pro 
die  =  42  g  Wasser  pro  Stunde,  das  sind  42  X  Ofi  oder  25  Ka- 
lorien pro  Stunde  geführt.  Wie  aber  die  Wasserdampf  abgäbe 
über  den  Tag  sich  verteilt,  darüber  sind  uns  überhaupt  keine 
Versuche  bekannt  geworden. 

Wenn  wir  daher  eine  Tageskurve  für  die  Wasserdampf- 
abgabe des  Menschen  zu  finden  suchten,  indem  wir  den  24  stün- 
digen Tag  in  eine  gewisse  Anzahl  von  Perioden  zerlegten,  so 
war  es  erfreulich,  dafs  wir  gleichzeitig  einen  Beitrag  zur  Frage, 
der  Gröfse  des  Tagesmittels  erhielten. 

Die  Versuche  unternahmen  wir  am  Pettenko ferschen  Re- 
spirationsapparat, wobei  die  Wasserabgabe  in  üblicher  Weise  als 
Differenz  von  Zustrom  und  Abstrom  bestimmt  wurde;  von  hier 
wie  dort  entführte  dem  Hauptstrom  ein  Teilstrom  Parallelproben 
nach  je  zwei  Voitschen  Kölbchen,  die,  mit  Schwefelsäurebimsstein 
beschickt,  vor  Beginn  und  nach  Ablauf  der  einzelnen  Perioden 
gewogen  und  zu  diesem  Behufe  am  Schlüsse  jeder  Periode  aus- 
gewechselt wurden.  Wir  teilten  den  Tag  in  sechs  vierstün- 
dige Perioden.     Wünschenswert  wäre  ja  eine  kürzere  Versuchs- 


STjO  in«  TafBskrxrre  der 

daner,  mögjicfast  tod  eifiirirven  Samden.  gewesen.  Aber  £c- 
spinuioiiSTefsciefae  onter  vier  eigentfieh  aeciisf  Sumden  I^sKn 
sich  ja,  wie  man  annimmt,  nach  dem  Pettenkof  erschien  Prinaip 
nicht  mit  genügender  Sicherheit  ansfahrm,  and  die  Versocfas- 
peftOD  hätte  immeno  Slltaimgen  in  ihrer  Nachtrahe,  weldie 
dorcbaos  zweckwidrig  gewesen  wären,  erleiden  mäasen.  Denn 
ohne  Entkleiden  and  Wägen  der  Eleidong  jedesmal  nach  Ab* 
laof  einer  Periode  geht  es  nicht  ab,  wenn  man  genan«'  Wasser- 
zahlen  sicher  sein  wilL 

Der  Angewöhnung  am  den  Apparat  and  einer  ^eich- 
mäüngeren  Berechnong  halber  lieben  ?rir  dem  zweiten  and 
dritten  Versach  eine  1  ständige  Vorperiode  vorai^ehen. 
während  dereo  der  Apparat  ganz  wie  nachher  sich  in  Gang 
befand,  ein  Teilstrom  zar  Analyse  jedoch  noch  nicht  dardi  die 
KOlbcben  geschickt  wurde.  Am  letzten  der  drei  Versochstage 
antersochten  wir  sieben  yierstöndige  Perioden,  wddie  sich 
unmittelbar  folgten,  um  eine  Periode  mit  Deckung«  also  die 
Abschlulsperiode  nochmals  zu  gleicher  Tageszeit  wie  die  Anfangs- 
fieriode  zu  bekommen. 

Die  Versuchsdauer,  während  deren  der  Apparat  nnunter- 
brochen  in  Betrieb  war  und  die  Versuchsperson  den  Kasteo 
nicht  verliels,  betrug: 

24  Stunden  am  ersten  Versuchstag 

25  €  -.     zweiten         i 
29         c           €    dritten  < 

Den  greisen  Unbequemlichkeiten,  welche  das  Sichheigeben 
als  Versuchsobjekt  zu  solchen  übernächtigen  Kastenversuchen 
mit  sich  bringt,  unterzog  sich  der  eine  von  uns  (Dr.  Peters), 
während  der  andere  den  experimentellen  Arbeitsteil  besorgte. 
Über  verschiedene  Nebenumstände,  wie  VentilationsgröCse  des 
Kastens,  auch  Nahrungsaufnahme  u.  dgl.  gibt  die  General- 
tabelle  (s.  S.  306)  näheren  AufschluTs.  Geschlafen  wurde  auf 
einer  Matratze,  welche  die  ganze  Versuchszeit  Ober  sich  im  Kasten 
befand.  Matratze  plus  Kleidung  wurden  alle  vier  Stunden  ge- 
wogen  und  die   Gewichtsänderung  bei  Berechnung  der  Wasser* 


Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert  und  Dr.  med.  F.  Peters.  301 

dampfabgabe  der  Versuchsperson  in  Berücksichtigung  gezogen. 
Durch  eine  Öffnung  im  Respirationskasten  konnten  unbedenklich 
Gegenstände  hinein-  und  herausgereicht  werden,  indem  ein  kleiner 
Kasten  aus  Blech  mit  doppeltem,  das  heifst  innen  und  aufsen 
zu  betätigendem  Ttirverschlufs  luftdicht  angesetzt  war. 

In  nachstehendem  finden  sich  die  Versuchsresultate  nebst 
den  Angaben  über  die  Temperatur  und  den  Feuchtigkeitsgehalt 
der  Kastenluft  aus  der  Generaltabelle  zusammengefafst.  Bemerkt 
sei,  dafs  die  Angaben  über  Luftfeuchtigkeit  nicht  aus  Ablesungen 
eines  Hygrometers,  sondern  aus  Messungen  nach  der  Absorptions- 
und Wägemethode  sich  herleiten  und  zwar  die  Mittelbaus  den 
Messungen  im  Zu-  und  Abstrom  bedeuten. 

Zunächst  stellten  wir  durch  einen  blinden  Vorversuch 
fest,  wie  grofs  die  Übereinstimmung  der  Kölbchen- Gewichtszu- 
nahmen unter  sich  war,  wenn  gleiche  Luftmengen  durchgeleitet 
wurden,  ohne  dafs  eine  Person  sich  im  Kasten  aufhielt. 
Alle  vier  Leitungen,  das  heifst  der  Doppel -Teilstrom  vom  Zu- 
und  Abstrom,  mit  je  zwei  Absorptionskölbchen,  mufsten  dann 
den  gleichen  Wasserdampfgehalt  der  Luft  ergeben,  was  auch 
mit  grofser  Annäherung  zutraf:  Die  Kölbchen  der  Leitung  I 
wurden  um  109  mg  durch  10  1  Luft  schwerer,  und  ent- 
sprechend Leitung  11  um  110,  Leitung  III  um  109,  Leitung  IV 
um  108  mg. 

In  einem  zweiten  Vorversuch,  in  welchem  Dr.  Peters 
an  den  Aufenthalt  im  Apparat  sich  gewöhnen  wollte,  ergaben 
die  Parallelproben  12,06  und  12,00  mg  pro  Liter  Luft  für  den 
Abstrom,  dagegen  10,83  und  10,61  mg  für  den  Zustrom.  Hieraus 
berechnete  sich  als  Abgabe  45  g  Wasser  pro  Stunde  des  Versuchs, 
welcher  nur  drei  Stunden  gedauert  hatte.  Wir  durften  um- 
somehr  bei  Wahl  von  vierstündigen  Perioden,  wie  in  der 
Folge  geschehen,  einwandfreie  Zahlen  zu  erhalten  hoffen. 

Yersiieh  Nr.  1. 

Mittwoch  den  21.  bis  Donnerstag  den  22.  Juni  1906.  Dauer  des  Ver- 
sachs:  6X4Standen  von  Mittwoch  um  4  Uhr  nachmittags  ab. 


302 


Die  Tageskurve  der  Wasserdampfabgabe  des  Menschen. 


Wasserdampf  abgäbe  stündlich  in  den  6  Perioden: 


Bei 

und 

H,0  =-- 


I 

(4-8) 

22,8 
64 

48 
48 


n        m    i    IV 

(8-12)  1(12—4);  (4-8) 
23,6        23,8   '     28,2 


V  VI 

(8—12) '  (12—4) 

23,0        28,2 


62 

110 

71 


61 
69 


59 
71 
56 


60 
81 
76 


50 
49 
69 


Grad  Lafttemperat, 
Mittel  23,3» 

^/n  rel.  Feuchtigkeit, 
Mittel  59**« 

g  mit  Korrektur, 
Mittel  ^^g 

g  ohne  Korrektur, 
Mittel  65  g 


In  anderer  Ordnung,   von  8  Uhr  vormittags  ab   gerechnet  bi« 
wiederum  8  Uhr  vormittags : 


I 

n 

lU 

IV 

V 

VI 

,  (8-12) 

(12-4) 

(4-8)  (8-12) 

(12-4) , 

(4-8) 

H,0  —       si 

1 

^ 

48 

110 

54* 

71 

g   mit  Korrektur, 
Mittel  e9g 

>      —  '      76 

69 

48          71 

69      i 

56 

g  ohne  Korrektur, 
Mittel  65  g 

bei 

28,0 

23,2 

22,8 

28,6 

23,8    ' 

23,2 

Grad  I^ufttemperat., 
Mittel  23,3^ 

und 

60 

50 

64 

62 

,      61 

59 

Vo  rel.  Feuchtigkeit, 
Mittel  59'/« 

Resultat: 

Die  Wasserdampfabgabe  betrug :  (81  -f  49  +  48  +  110  -f-  54  +  71)  X  4 
=  1652  g  als  Tageswert  und  1652:24==68g  als  mittlerer  Stunden- 
wert  bei  23,3"  Lufttemperatur  und  59%  relativer  Feuchtigkeit. 

Aus  den  unkorrigierten  Abgaben^)  würde  man  erhalten:  (76 -|- 69 -f- 4H 
+  71  +  69  +  56)  X  4  =  1556  g  als  Tages  wert  und  1556  :  24  =  65  g  als  mittleren 
Stundenwert. 

Ein  Minimum  bestand  des  Nachts  (54  g/8t.  12 — 4  Uhr,  obwohl 
t^  Mittel),  ein  zweites  Minimum  vielleicht  des  Nachmittags  (49g/8t.  12—4  Uhr): 
letzteres  wäre  merkwürdig,  da  in  dieser  Periode  zwar  die  Lufttemperatur  deiu 
Mittel  entsprach,  die  relative  Feuchtigkeit  aber  ungewöhnlich  niedrig  war  und 
man  danach  eine  erhöhte  Abgabe  erwarten  sollte.  Ein  Einflufs  der  Nahrungs- 
aufnahme liefH   sich   anscheinend   nicht  erweisen. 

1)  Die  >  unkorrigierten  Abgaben  c  werden  stets  nebenher  angeführt,  weil 
man  hieraus  die  Gröfse  der  Korrektur,  welche  die  Berücksichtigung  der 
.Änderungen  des  Kleidergewichts  zum  Zweck  hat,  entnehmen  kann. 


Vou  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert  und  Dr.  med.  F.  Peters. 


303 


Auf  die  niedrige  Abgabe  in  der  zeitlich  ersten  Periode  (48  g/St.  4—8  Uhr) 
dürfte  wegen  des  Fehlens  der  Vorperiode  ein  besonderes  Grewicht  nicht  zu 
legen  sein. 

Yersneh  Nr.  2. 

Montag  den  26.  bis  Dienstag  den  27.  Juni  1905.    Dauer  des  Versuchs : 
1 -f~ 6  X ^  Stunden,  von  Montag  um  6  bzw.  6  Uhr  nachmittags  ab. 

Wasserdampfabgabe  stündlich  in  den  6Perioden: 


(6-10) 

Bei  I  23,2 
und  '    72 


H,0- 


>        ^r- 


84 
84 


II     m 

(10-2) 


23,0 
71 

55*     78 
62   i   63 


IV       V       VI 

(L>-  6>   («-10)ia0-2)|(2-6) 

22,5 '  22,6  ;  23,0 1  28,1  i  Grad  Lufttemperatur,  Mittel  22,9'' 
70       70   '   68      61    ;7o  rel.  Feuchtigkeit,  Mittel  69 Vo 
80      66      39   \g  mit  Korrektur,  Mittel  67  g 
75       64       49     g  ohne  Korrektur,  Mittel  66  g 


In  anderer  Ordnung,  von   6  Uhr   vormittags  ab  gerechnet  bis 
wietlerum  6  Uhr  vormittags : 


>        rr-: 

bei 
und 


I 

(6-10) 

80 

75 


n 

(10-2; 

66 

64 


22,6 '  23,0 
70       68 


III 

(2-6) 

49 

23,1 

61 


IV       V       VI  i 

(6-10)  (10— 2)i  (2-6> 

84      55*  78     g  mit  Korrektur,  Mittel  67  g 

84   I   62  63     g  ohne  Korrektur,  Mittel  66  g 

23,2    23,0  22,5  Grad  Lufttemperatur,  MiUel  22,9*" 

72       71  70     Vo  rel.  Feuchtigkeit,   Mittel  69% 


Resultat: 

Die  Wasserdampfabgabe  betrug :  (80  +  66  -}-  39  +  84  +  56  +  78)  X  4 
=  1608  g  als  Tages  wert  und  1608:  24  =  67  g  als  mittlerer  Stunden- 
wert bei  22,9^  Lufttemperatur  und  69%  relativer  Feuchtigkeit. 

Aus  den  unkorrigierten  Abgaben  würde  man  finden :  (75  -|-  64  -|-  49  -f-  84 
+  62  -f-  63)  X  4  =  1588  g  als  Tageswert  und  1588 :  24  =  66  g  als  mittleren 
Stundenwert. 

Ein  Minimum  bestand  wiederum  des  Nachts  (55  g/St. 
10 — 2  Uhr),  ein  zweites  Minimum  möglicherweise  des  Nachmittags  (39  g/St. 
2—6  Uhr);  die  niedrige  Nachmittagszahl  kann  durch  das  Abgespanntsein  und 
Schlafen  während  dieser  Periode  (s.  General tabelle)  bedingt  sein.  Die  Nah- 
rungsaufnahme schien  keinen  EinfluIiB  auf  die  Wasserdampf  abgäbe  auszuüben. 

Bei  dem  folgenden  Versuch  gelang  es,  in  jeder  Hinsicht 
überaus  gleichmäfsige  Versuchsbedingungen  zu  erreichen.  Das 
Schlafen  des  Nachmittags  wurde  vermieden,  und  so  blieb  auch 
das  Nachmittags  -  Minimum  der  Wasserdampfabgabe  aus. 


304  tHe  Tageskurve  der  Wasserdampf  abgäbe  des  Menschen. 

Yersueh  Nr.  3. 

Freitag  den  30.  Jnni  bis  Sonnabend  den  1.  Joli  1906.    Dauer  des  Ver 
suchs:  1 -|- 7  X  ^  Stnnden,  von  Freitag  nm  3  bzw.  4  Ühr  nachmittags  ab. 

Wasserdampf  abgäbe  stündlich  in  den  7Perioden: 


I      n     m    IV     V     VI  vn 

(4—8)  (8-12;  (12-4) :  (4-8)   (8-12)  (12-4  (4-8) 

Bei    216    26,0    26,0 '  24,9    25,2    25,6  26J  Grad  Lnfttemp.,  Mittel  26,P 

und     63      68      65      67       69       67  68  "« rel.  Feuchtigk.,  Mittel  66»^, 

H^0=     66       66      68      45*     89      76  83  g  mit  Korrektur,  Mittel  70  g 

>    =     63      68      66      46      77       78  72  g  ohne  Korrektur,  Mittel  66  g 


In  anderer  Ordnung,  von  8  Uhr  vormittags  ab  gerechnet  bis 
wiederum  8  Uhr  vormittags,  wobei  für  die  doppelt  vorkommende  Periode, 
das  ist  für  4 — 8  Uhr  nachmittags,  der  Mittelwert  eingesetst  ist : 


I        II    I  m      IV       V       VI 

(8— 12)' (12— 4)  (4—8)  .(8-12)  (12-4^  (4—8) 

H,  O  =      89      76       76   !  66      68      45*  g  mit  Korrektor,  Mittel  70  g 

>=      77       78      68      63      66      46  g  ohne  Korrektur,  Mittefee  g 

bei  i  25,2    %,5    26,1    26,0    26,0    24,9  Grad  Lufttemperatur,  Mittel  25,1« 

und  I    69      67       66      63      66      67  <>  o  rel.  Feuchtigkeit,   Mittel  66«"/,. 


Resultat: 

Die  Wasserdampf  abgäbe  betrug :  (80  +  76  +  75  +  66  +  68  +  45)  X  4 
=  1676  g  als  Tages  wert  und  1676:  24  =  70  g  als  mittlerer  Stunden- 
wert bei  25,1«  Lufttemperatur  und  66«/,  relativer  Feuchtigkeit'). 

Aus  den  unkorrigierten  Abgaben  würde  man  bekommen :  (77  -(-  78  -f-  ^ 
-f  63  -|-  66  -|-  46)  X  4  =  1592  g  als  Tages  wert  und  1592  :  24  =  66  g  als  mittleren 
Stunden  wert. 

Ein  Minimum  besteht  des  Nachts  (46  g/St.  4— 8  Uhr);  etwas 
Weiteres  läfst  sich  nicht  erweisen.  Nach  Versuch  Nr.  8  hat  es  allerdingB 
den  Anschein,  als  ob  die  Wasserdampf  abgäbe  gleich  morgens  nach  dem  Auf- 
stehen am  gröfsten  sei  und  ziemlich  regelmlüsig  von  Stunde  su  Stunde  bis 
zum  Abend  langsam  sinke,  um  in  der  Nacht  weiter  stark  heruntenngehen 
(s.  Fig.  auf  nächster  Seite,  Kurve).  Aber  im  Mittel  der  drei  Versuche  findet 
sich  dieses  Verhalten  nicht  bestätigt. 

1)  Die  Lufttemperatur  schwankte  in  den  28  Stunden  nur  zwischen  24,9 
bis  25,0°  und  die  relative  Feuchtigkeit  zwischen  63— 69V». 


Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert  and  Dr.  med.  F.  Peters.  305 

Aus  den  drei  Versuchen  betrügt  das  Geaamtmjttel  = 
1645  g  Wasaer  täglich  oder  1645  :  24  =^  69  g  Wasser 
stündlich')  bei  rund  24"  Lufttemperatur  und  6b°jg  relativer 
Feuchtigkeit. 

TagcsknTTe. 
Versuch  Nr.  8  = ;    Mittel  der  drei  Vorsnelie  = 


An  den  einzelnen  Versuchstagen  wurde  abgegeben : 

Am  1.  Versuchstag  =  1652  g  H2O  bei  23,3"  u.  bQ%  rel  Feucht. 

f    2.  <  =  1608  <     (        <  22,90  .    69  <     •  < 

t    3.  c  =1676  *     t        €  25,1"  .    66  «     «  » 

Im  Mittel  also  4936:3=  1645  g     <       «  23,8°  (    65  <     c  < 

1]  AuB  den  ankorrigierten  Abgaben  wflrde  ale  Geeamtmittel  berror- 
geheo  (1666  +  1&8B  +  1592}  :  8  =^  1679  g  W«SHr  Uglicb  oder  1679  :  24  =  66  g 
Wueer  BtOudlich. 

AiohiT  Ar  HrtfaiM.  Bd.  LV.  20 


806 


Die  Tageskurve  der  Wasserdampf abgäbe  des  Menschen. 


Diese  mittlere  Tagesabgabe  von  1645  g  Wasserdampf  im 
Hochsommer  darf  nicht  vorbehaltslos  auf  das  tägliche  Leben 
übernommen  werden.  Die  erzwungene  Ruhe  in  dem  engen 
Kasten  wird  zwar  die  Abgabe  herunterdrücken  und  auch  die 
höhere  Luftfeuchtigkeit  der  Kastenluft  wird  im  gleichen 
Sinne  wirken,  aber  durch  die  andauernde  Windstille  wird 
anderseits  die  Abgabe  grötser^),  als  sie  in  der  Norm,  bei  zeit- 
weiligem Aufenthalt  im  Freien,  unter  hochsommerlichen  Bedin- 
gungen gewöhnlich  ist.  Die  Zahl  1645  darf  wohl  als  unterer 
Mittelwert  unter  ähnlichen  hochsonunerlichen  Verhältnissen 
gelten. 

Das  Gesamtergebnis  der  vorstehenden  Versuche  ist  somit 
folgendes : 

1.  Die  Tageskurve  der  Wasserdampfabgabe  wird 
im  allgemeinen  nicht  durch  die  Tageszeit  als  solche  be- 
einflufst.  Doch  pflegt  während  der  späteren  Nachtstunden, 
und  gegebenenfalls  auch  am  Tage  während  des  Schlafens 
die  Abgabe  ein  Minimum  aufzuweisen.  Die  Nahrungs- 
aufnahme liefs  keinen  BinfluDs  auf  die  Abgabe  erkennen. 

2.  Das  Tagesmittel  der  Wasserdampfabgabe  betrug 
in  unserem  Falle  rund  1650  g,  das  Stundenmittel  somit 
rund  70  g,  bei  24®  C,  65%  relativer  Luftfeuchtigkeit 
und  Windstille. 

Generaltabelle. 

y ersuch  I.    21./22.  VI.  1905. 


Zeit 


Temp.  des     i,^rs 

'S  t« 

Ein-      Ab- 


Rtrom  Strom 


33  "^ 


H,0- Abgabe 

ohne 

Korrektur 


0) 

— »  —^  CS   ■    JS;  o  ■^ 


Bemerkungen 


p.m. 

4h 


22,0 


22,6 


8h  :  22,2 


24,2 1, 180,0 


191,8:4 
48 


12,99 


;  12,99 


64% 


3^  zu  Mittag  gegessen.  Gelesen 
(leichte  Lektüre,  wie  aach  in 
der  Folge). 

830—920  Abendbrot  gegessen 
u.  Tee  getrunken.   Grelesen. 


1)  Dieses  Archiv,  Bd.  38,  S.  219. 


Von  Prot.  Dr.  med.  H.  Wolpert  nad  Dr.  uiftd.  F.  Petera.  307 

FortseUnng  ta  Versuch  I. 


T,mp.  a„ 

i|2  'n,0-Abg«h« 

ii! 

lis 

""fän- 
iMrom 

Ah- 

l|i 

ohns 
Korrektup 

II: 
11^ 

282,3:4  = 

Auf  (lerNUtraUe  gelegen  und 

12h   l22,7 

a,i 

188.8 

71 
277,1 :  i  = 

13,15 

62«/. 

4h 

22,7 

24,8 

130,1 

69 
225.2:4  = 

18.09 

61  • 

G^en  420 

71'                                        Jer 
Matratae 

oh 

21,? 

2S,6 

130,2 

66 
302.6 : 4  = 

18,16 

69. 

UDd 

FrOhBtttck  gegeaaen.  Gelesen. 

12h 

2S,2 

24,4 

128.8 

76 
276,8:4  = 

13,165 

60> 

IM  awei  Brötchen   gegessen. 
Gelesen. 

4b 

21,9 

84.0 

181.3 

69 

13,09 

50. 

Tcnmeh  IL    26./27.  VI.  1906. 


Qb  j|21,8 
6h  ||22,2 

lO'  1I21,» 

2l>  ||21,7   : 

Ii 

6i>    21,6   : 

.[ 

lOb  |{22,0  : 
2l>    22,2   : 

6b  l|22,3   ! 


23,8 

Vorpe 

riode 

34.2!    - 

14,430 

_ 

333.6:4  = 

24,6 

130.8 

84 
249.6 : 4  = 

14,480 

72»/ Jl 

il 

28,8 

182,1 

62 
262,8 ;  4  = 

14.400 

71.1 

i 

2-2.8 

181,0 

63 
299.8:4  = 

14,460 

70.1 

24,1 

131,6 

76 
264,9:4  = 

U,4«0 

70. 

24,0 

182,8 

64 

14,490 

66. 

1 

196.6:4  = 

24,0 

182,0 

49 

14,450 

61  > 

Mittag  gegessen. 
4M  Kaffee  getmnken.  Gelesen. 


10b— 1030  Abendbrot  gegessen. 
Ilh_i4e  geschlafen. 

21G    hingelegt,    bald    einge- 

Bchlalea. 
31B  aufgewacht,  teile  geschlafen. 

745_9h  Kaffee  getrunken  und 
FrQbstOck  gegessen.  Gelesen. 
Gelesen. 


20—630  auf  der  Matratze  ge- 
legen n.  bisweilen  geschlafen. 


308     TagAskarve  der  Wasserdampfabgabe  etc.  Von  Prof.  Wolpert  u.  Dr.  Peters. 


Yersiieli  m.    30  ' 

n.ll.  VII.  1905. 

Temp.  des  | 

i||    H.a-Abgabe;,:|| 

sSm     1 

Zeit 

1 

Ein- 
Rtrom 

Ab-; 

Strom 

1 

.^IZ:        ohne       \ 
I  ^  g  c      Korrektur  ' 

5S--  jl 

■sl- 

Mittler 

Feuch 

in  4  i 

Bemerkungen 

3h 

23,4 

25,0 

Vorperiode 

1 

2h  zu  Mittag  gegessen. 

4h 

23,6 

25,0 

— 

— 

18,776 

'- 

Gelesen  and  geschrieben. 

252:4  — 

1 

1 

8h 

23,8 

25,6 

1 

131,0 

1 

63 

13,795 

1 63Vo 

8 — 9h  Abendbrot  gegessen  und 
Tee    (40")    getrunken.     Ge- 

253:4 — 

lesen. 

12h 

24,0 

26,6 

132,0 

63        ;13,805J63> 

12ifi— 8h  auf  der  Matratxe  ge- 

264:4 = 

i      1 

i| 

legen,  aber  fast  gar  nicht  ge- 
schlafen. 

4h 

28,9 

25,6 

182,0 

66 

13,815  |i  65  > 

410  hingelegt,  sehr  bald  ein- 

geschlafen. 

185:4  — 

780  aufgewacht 

8h 

24,1 

25,8 

132,0 

46 
307:4  = 

13,810 

1 

67  . 

816—980  Kaffee  getranken  und 
FrühstQck  gegessen.  Gelesen. 

12h 

24,6 

26,6 

131,0 

77 
318:4=1 

13,860 

69  > 

116  ein   Brötchen   gegessen. 
Gelesen. 

4h 

24,7 

26,6 

132,0 

78 
289:4  = 

18,850 

67» 

Gelesen. 

8h 

1 

25.0 

26,6 

182,0 

72 

18,895 

i68> 

über  die  Nachwirkung  korperUcher  Arbeit  anf  die 
Wasserdampfabgabe  beim  Menschen. 

Von 

Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert,    und    Dr.  med.  P.  Peters, 

OberasslBtenten  am  Institut.  früherem  AMlstenten  am  Institut. 

(Aus  dem  Hy^enischen  Institut  der  Universität  Berlin.) 

Die  Wasserdampfabgabe  des  Menschen  wird  bekanntlich 
während  körperhcher  Arbeit  normalerweise  erhöht  und  darf  wohl 
insoweit  als  hinlänglich  studiert  gelten.  Wie  sich  jedoch  der 
Organismus  nach  geleisteter  Arbeit  verhält,  ob  vielleicht  fürs 
erste  kompensatorisch  eine  Einschränkung  der  Wasserabgabe  unter 
die  Norm  statthat,  oder  ob  vielleicht  ganz  im  Gegenteil  zunächst 
die  Steigerung  noch  anhält  —  darüber  ist  nichts  bekannt  und 
sind  nicht  einmal  Hypothesen  laut  geworden. 

Das  Nächstliegende  wäre  vielleicht,  der  Vermutung  Raum 
zu  geben,  es  möchte  das  für  die  Körpertemperatur  gültige  Gesetz 
der  Kompensationen  auf  die  Wasserdampfabgabe  übertragbar 
sein  und  dies  um  so  mehr,  als  letztere  ja,  wie  die  grundlegenden 
Versuche  von  Rubner  und  die  Versuche  des  einen  von  uns  (W.) 
über  die  Wasserdampfabgabe  im  Wind')  dargetan  haben,  ein 
biologischer  Vorgang  ist.  Jedenfalls  ist  diese  Annahme  nicht 
von  der  Hand  zu  weisen ;  aber  es  wäre  erst  zu  beweisen,  ob  sie 
zutrifft.  Möglich  ist  doch  auch,  dafs  die  Steigerung  der  Ver- 
dampfung, einmal  eingeleitet  und  in  flottem  Betrieb,   auch  nach 


1)  Dieses  Archiv,  Bd.  33,  S.  206. 


310     Nachwirkung  körperl.  Arbeit  auf  d.  Wasserdampfabgabe  beim  Menschen. 

Aufhören   der  eigentlichen  Ursache  noch  längere  Zeit  bestehen 
bleibt,  indem  die  Haut  in  gleicher  Aktivität  beharrt. 

Da  die  Frage  uns  theoretisch  wie  praktisch  von  einigem 
Interesse  zu  sein  schien,  haben  wir  uns  deren  Beantwortung 
durch  einige  Versuche  am  Pettenkoferschen  Respirationskasten 
zum  Ziel  gesetzt. 

In  sämtlichen  sieben  Versuchsreihen  hatten  wir  uns  der 
dankenswerten  Mitwirkung  zweier  sachverständiger  Kollegen  zu 
erfreuen,  indem  in  vier  langwierigen  Versuchen  (Nr.  1 — 4)  Herr 
cand.  med.  Schmidt,  und  in  weiteren  drei  Versuchen  (Nr.  5 — 7) 
Herr  Dr.  Brunner  sich  als  Versuchspersonen  hergaben.  Die 
Versuche  wurden  im  Anschlufs  an  eine  andere  Versuchsreihe, 
bei  welcher  der  eine  von  uns  (Dr.  Peters)  als  Versuchsperson 
fungierte^),  vorgenommen.  Das  hier  zu  erwähnende  Resultat 
jener  24 stündigen  Versuche  war,  dafs  die  Tageskurve  der 
Wasserdampfabgabe  nicht  durch  Nahrungsaufnahme  beeinflufst 
wird  und  auch  nicht  durch  die  Tageszeit  als  solche,  dafs  aber 
allerdings  während  der  späteren  Nachtstunden  die  Abgabe  niedriger 
als  am  Tage  zu  sein  pflegt.  Dieser  Nachweis  bildete  den  Aus- 
gangspunkt für  die  hier  in  Rede  stehenden  Versuche. 

Wir  besprechen  zunächst  das  Arrangement  und  die  Resultate 
der  Versuche  mit  Herrn  Schmidt  und  Herrn  Dr.  Brunner, 
die  Tabellen  folgen  am  Schlufs. 

Die  Versuche  wurden  nach  zwei  wesentlich  verschiedenen 
Prinzipien  vorgenommen,  denen  selbstverständlich  eines  gemein- 
sam war:  Ein  Vergleich  der  Abgaben  in  je  einer  Ruheperiode, 
vor  Beginn  und  nach  Ablauf  einer  gewissen  Arbeitsleistung.  Es 
waren  also  eine  Vorperiode,  eine  Arbeitsperiode  und  eine 
Nachperiode  zu  trennen. 

Nach  Prinzip  I  wurde  der  Respirationskasten  ventiliert, 
und  der  Unterschied  im  Wassergehalt  von  Zustrom  und  Abstrom, 
nebst  Kenntnis  der  Ventilationsgröfse,  ermöglichte  einen  Rück- 
schlufs  auf  die  Abgabe.    Prinzip  II  dagegen  beruhte  darauf,  den 


1)  Wolpert  und  Peters,  Die  Tageskurve  der  Wasserdampfabgabe. 
Dieses  Archiv. 


Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert  und  Dr.  med.  F.  Peters.  311. 

Kasten  nicht  zu  ventilieren  und  aus  der  Steigerung  der  Luft- 
feuchtigkeit des  abgesperrten  Volums,  nebst  Kastengröfse, 
die  Abgabe  zu  berechnen. 

I.  Versuche  Nr.  1—4. 

„Der  BespirationBkasten  wird  ventiliert.** 

Jeder  Versuch  besteht  aus  drei  4  stündigen  Perioden. 

Herr  Schmidt  ruht  zunächst  4  Stunden  im  Kasten  (Vor- 
periode), arbeitet  dann  4  Stunden  ebenda  oder  auch,  in  Ver- 
such Nr.  4,  aufserhalb  des  Kastens  (Arbeitsperiode)  —  um 
schliefslich  nochmals  4  Stunden  im  Kasten  zu  ruhen  (Nach- 
periode). 

Die  Versuche  wurden  alle  vier  am  Bekleideten  vorge- 
nommen. 

Zwischen  den  einzelnen  Perioden  macht  sich  zum  Zwecke 
der  Auswechslung  der  Absorptionsapparate  u.  dgl.  eine  Zwischen- 
zeit von  mindestens  etwa  ^/a — 1  Stunde  erforderlich.  Diese  Zeit 
verbringt  Herr  Schmidt  aufserhalb  des  Apparats,  jedoch  im 
Respirationszimmer. 

Im  Zustrom  und  Abstrom  wird  der  Wasserdampf,  nebenher 
auch  die  Kohlensäure  bestimmt.  Der  Unterschied  von  Zustrom 
und  Abstrom  ermöglicht  einen  Rückschlufs  auf  die  Abgabe.  Ver- 
glichen wird  die  Abgabe  der  Nachperiode  mit  jener  der  Vor- 
periode. 

Yersnch  Nr.  1. 

Freitag  den  7.  Jali  1905. 

a)  Vorperiode,  im  Kasten  11,00 — 3,00  Uhr  mittags. 
Körpertemperatar  in  recto  87,5^  nm  11  Uhr, 

36,9^     >      3     >  . 
11^15  Uhr  hingelegt ;  1  Kakes  gegessen  *). 
11,55—12,30  Uhr  geschlafen. 
Matratze -f- Kleidung  wurden  15  g  leichter*). 


1)  Nach  dem  Ausfall  unserer  24  stündigen  Versuche  hatten  wir  gegen 
geringe  Nahrungsaufnahmen,  die  protokolliert  wurden,  nichts  einzuwenden. 

2)  Matratze  4~  Kleidung  mufsten  vor  und  nach  den  einzelnen  Versuchs- 
perioden selbstverständlich  gewogen  und  die  Gewichtsänderungen  bei  Berech-^ 
nung  der  Wasserdampfabgabe  der  Versuchsperson  berücksichtigt  werden. 


312     Nachwirkung  kOrperl.  Arbeit  aaf  d.  Wasserdampfabgabe  l)eim  Menschen. 

b)  Arbeitsperiode,  im  Kasten  3,35 — 7,35  Uhr  nachmittags.    Arbeits- 

leistang 32000mkg  in  4  St.,  also  8000  mkg/St 
Körpertemperatur  37,4®  um  7,35  Uhr. 
1  Kakes  gegessen  um  5,20  Uhr. 
Matratze  -f-  Kleidung  wurden  175  g  schwerer. 

c)  Nachperiode,  im  Kasten  8,35— 12,35  Uhr  abends. 
Die  Arbeit  ist  seit  1  St  20  Min.  (seit  7,15  Uhr)  beendet 
Körpertemperatur  37,1  *  um    8,35  Uhr, 

86,5  •    »    12,35     »   . 
1  Kakes  gegessen  um  8,40  Uhr. 

9,20—11,30  Uhr  geschlafen,  während  dieser  Zeit  die  elektrische  Glüh- 
lampe im  Kasten  ausgeschaltet 
Matratze  -{-  Kleidung  wurden  60  g  leichter. 

Resultat: 

Die  Wasserdampfabgabe  ist  in  der  Vorperiode  mit  35,5  und  Nachperiode 
mit  36,2  g  stündlich  kaum  verschieden  ^).  Da  jedoch  in  der  Nachperiode  die 
relative  Feuchtigkeit  der  Kastenluft  etwa  5  7o  höher  war,  bei  gleich- 
bleibender Lufttemperatur'),  und  dessenungeachtet  kein  Abfall  sich 
zeigte,  so  dürfte  dieser  Umstand  entschieden  für  eine  Steigerung  der  Ab- 
gabe, ceteris  paribus,  infolge  der  Nachwirkung  aus  der  Arbeit  sprechen  und 
dies  um  so  entschiedener,  als  Herr  Schmidt  nach  der  Arbeit  so  sehr  er- 
müdet war,  dafs  er  in  der  Nachperiode  über  2  Stunden  schlief.  Nach  dem 
Ausfall  unserer  24  stündigen  Versuche  ist  freilich  nicht  anzunehmen,  dafs  die 
Depression  der  Wasserdampfabgabe,  welche  durch  einen  Schlaf  von  nur 
etwa  2  Stunden  veranlafst  wird,  eine  sehr  erhebliche  sei. 

Hierbei  ist  zu  berücksichtigen,  dars  aus  äulseren  Gründen*) 
die  4  stündige  Nachperiode  erst  etwa  1^/4  Stunden  nach  geleisteter 
Arbeit  begann,  und  während  dieser  nicht  untersuchten  Zwischen- 
zeit der  Hauptteil  einer  Nachwirkung  aus  der  Arbeit  sich  geltend 
machen  konnte.  Im  nächsten  Versuch  ist  daher  auf  eine  tun- 
lichste Beschränkung  dieser  Zwischenzeit   hingearbeitet  worden. 

Die  Kohlensäureabgabe  war  in  der  Nachperiode  gegen  die 
Vorperiode  etwas  erhöht. 

In  der  Arbeitsperiode,  mit  8000  mkg  stündlicher  Leistung, 
waren  HgO   und   CO2,    wie  zu  erwarten,   bedeutend   gesteigert, 


1)  Die  Zahlenangaben  sind   den   untenstehenden  Tabellen  entnommen. 

2)  Die  Temperatur  im  Zustrom  ist  mafsgeblicher  als  jene  im  Abstrom, 
da  auf  letztere  unter  Umständen  (abends)  die  näher  beim  Abstrom  befindliche 
elektrische  Glühbirne  einwirkt. 

3)  Die  Vorbereitung  des  neuen  Versuchs  erforderte  so  lange  Zeit. 


Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert  und  Dr.  med.  F.  Peters.  313 

nämlich  HjO  von  36  auf  fast  200  und  CO2  von  etwa  28  auf 
82  g  stündlich,  H2O  also  um  ca.  160  und  CO2  um  ca.  54  g.  In 
früheren  Selbst  versuchen  des  emen  von  uns  (W.)  war,  durch 
15000  mkg  stündliche  Arbeitsleistung,  die  Wasserdampfabgabe 
im  Mittel  um  77  (von  42  auf  119)  und  die  Kohlensäureabgabe 
um  52  (von  34  auf  86  g/St.)  in  die  Höhe  gegangen.  ^) 

Tenncli  Kr.  2. 
Donnerstag  den  13.  Juli  1905. 

a)  Vorperiode,  im  Kasten  8,30 — 12,80  ühr  vormittags. 
Körpertemperatur  37,2  »  um    8,30  Uhr, 

36,9  •    »     12,30    »   . 
10,55—11,25  Uhr  geschlafen. 
Ca.  40  g  Schokolade  gegessen,  nichts  getrunken. 
Matratze  -f-  Kleidung  wurden  15  g  schwerer. 

b)  Arbeitsperiode,  im  Kasten  1,00 — 5,00  Uhr  nachmittags.   Arbeits- 

leistung 16000  mkg  in  4  St.,  also  4000  mkg/St. 
Körpertemperatur  37,1  •  um  1,00  Uhr, 

37,5°    »    5,00    »   . 
1,25  Uhr  Glas  Wasser  getrunken  und  2  Stullen  gegessen,  3,35  Uhr  Glas 

Wasser  getrunken. 
Im  ganzen  etwa  80  g  Schokolade  gegessen. 
Matratze  -f-  Kleidung  wurden  95  g  schwerer. 
Um  4,45  Uhr  war  die  Arbeit  beendet 

c)  Nachperiode,  im  Kasten  5,35—9,35  Uhr  nachmittags. 
Körpertemperatur  37,5®  um  5,35  Uhr, 

37,1«    .    9,35     >   . 
6,35—7,40  Uhr  geschlafen. 
Matratze  -|-  Kleidung  wurden  35  g  leichter. 
Die  Nachperiode  hatte  50  Minuten  nach  Beendigung  der  Arbeit  begonnen. 

Resultat: 

Die  Wasserdampf  abgäbe  ist  in  der  Nachperiode  gegen  die  Vorperiode 
deutlich  gesteigert,  nämlich  bei  Gleichbleiben  der  Lufttemperatur  und 
Luftfeuchtigkeit  von  rund  46  auf  54  g/St. ;  die  entsprechenden  Kohlensäure- 
abgaben zeigen  keine  Verschiedenheit. 

Wegen  der  geringeren  (halben)  I^istung  waren  in  der  Arbeitsperiode 
die  Wasserdampf-  und  Kohlensäureabgabe  weniger  als  im  ersten  Versuch 
aufgehöht,  nämlich  die  Wasserdampfabgabe  von  46  auf  90  =  um  44  und  die 
Kohlensäureabgabe  von  32  auf  59  =  um  27  g  standlich  durch  4000  mkg 
Leistung. 


1)  Dieses  Archiv,  Bd.  26,  8.  32. 


314     Nachwirkung  körperl.  Arbeit  aaf  d.  Wanserdampfabgabe  beim  Menechen. 

Temeh  Xr.  S. 

Freitag  den  21.  Joli  1906. 

a)  Vorperiode,  im  Kasten  8,00 — 12,00  Uhr  vor  mittags. 
Körpertemperatur  87^*  am    8,00  Uhr, 

36.8  •    >     12,00     >   . 
11,00  Uhr  Glas  Wasser  getrunken. 
11,10—12,10  Uhr  geMshlafen: 

Im  ganzen  etwa  60  g  Schokolade  gegessen. 
Matratze  -|-  Kleidnng  wurden  45  g  scliwerer. 

b)  Arbeitsperiode,  im  Kasten  12,35— 4,35  Uhr  nachmittags. 
Arbeitsleistung  20000  mkg  in  4  St.,  also  5000  mkg/St. 
Körpertemperatur  37,3*  um  12,35  Uhr, 

37.9  •    >      4,35     >   . 

2,30  Uhr  Glas  Wasser  getrunken,  2  Stullen  gegessen. 
4,00  Uhr  nochmals  Glas  Wasser  getrunken. 
Im  ganzen  ca  60  g  Schokolade  gegessen. 
Matratze  -|-  Kleidung  wurden  205  g  schwerer. 

c)  Nachperiode,  im  Kasten  5,10 — 9,10  Uhr  abends. 
Körpertemperatur  37,5"  um  5,10  Uhr. 

5,30  Uhr  zwei  Schinkenstullen  gegessen. 
Matratze  -|-  Kleidung  wurden  125  g  leichter. 

Resultat: 

Ähnlich  wie  im  zweiten  Versuch,  wenn  auch  in  etwas  geringerem  Mafse, 
ist  auch  hier  die  Wasserdampf  abgäbe  der  Nachperiode  (mit  50)  gegen  die  Vor- 
periode (mit  45  g/St.)  unzweifelhaft  gesteigert 

Gleichzeitig  läfst  die  Kohlensäureabgabe  in  der  Nachperiode  ein  starkes 
Anwachsen  (von  33  auf  40  g/St.)  erkennen,  welches  aber  auf  Nahrungsaufnahme 
zurückzuführen  sein  dürfte.  Um  hierüber  ins  klare  zu  kommen,  soll  während 
eines  vierten  Versuchs  überhaupt  keine  Nahrungsaufnahme  erfolgen  and  die 
Arbeit  aufserhalb  des  Kastens  geleistet  werden,  so  dafs  sich  die  Nach- 
periode ohne  gröfsere  Zwischenzeit  an  die  Arbeitsperiode  anschliefsen  kann. 

Die  Arbeitsperiode  brachte  eine  Steigerung  der  Wasserdampf  abgäbe  von 
45  auf  172  =  um  127  und  der  Kohlensäureabgabe  von  33  auf  80  =  um  47  g 
stündlich  durch  5000  mkg  Leistung. 

Tergneh  Nr.  4. 

Montag  den  31.  Juli  1905. 

a)  Vorperiode,  im  Kasten  10,30— 2,30  Uhr  mittags. 

Herr  Schmidt  hat  früh  8  Uhr  Kaffee  getrunken  und  ifst  eine  belegte 
Stulle  um  10  Uhr.  Von  da  ab  bis  8  Uhr  abends  unterbleibt  jegliche 
Nahrungsaufnahme. 

b)  Arbeitsperiode,  aufserhalb  des  Kastens  2,35 — 3,35  Uhr. 
Arbeitsleistung  in  dieser  Stunde  28  750  mkg. 


Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert  und  Dr.  med.  F.  Peters.  315 

c)  Nachperiode,  im  Kasten  3,48 — 7,48  Uhr  abends» 

Die  Nachperiode  hatte  13  Minuten  nach  Beendigung  der  Arbeit  begonnen. 

Resultat: 

Die  Wasserdampfabgabe  in  der  Nachperiode  istwiederumgesteigert 
gegen  die  Vorperiode,  nämlich  von  rund  37  auf  44  g/St.,  und  es  kann  daher 
diese  Steigerung  wohl  als  gesetsmftfsige  Nachwirkung  der  Arbeit  angesprochen 
werden. 

Die  Kohlensäureabgabe  war  in  den  beiden  Ruheperioden  diesmal  nicht 
verschieden,  weshalb  wohl  der  im  dritten  Versuch  konstatierte  höhere  Wert 
der  Nachperiode  auf  Zufälligkeiten  fufst. 

In  den  folgenden  Versuchsreihen  wurde  von  yornherein  auf  Erhebung 
der  Kohlensäureabgabe  verzichtet. 


II.  Versuche  Nr.  5—7. 

„Der  Bespirationskasten  wird  nioht  ventiliert." 

Jeder  Versuch  besteht  aus  drei  einstündigen  Perioden. 

•Herr  Dr.  Brunner  ruht  zunächst  1  Stunde  im  Kasten 
(Vorperiode)  —  arbeitet  dann  eine  Stunde  ebenda  oder  auch, 
in  Versuch  Nr.  6  und  7,  aufserhalb  des  Kastens  (Arbeits- 
periode, Leistung  durchweg  14000  mkg)  — ,  um  schliefslich 
nochmals  1  Stunde  im  Kasten  zu  ruhen  (Nachperiode).  Die 
Versuche  wurden  durchweg  am  Nackten  vorgenommen^),  die 
Arbeitsleistung  führte  daher  nie  zu  Schweifsbildung. 

In  der  Zwischenzeit  zwischen  je  zwei  Perioden,  welche 
auf  etwa  10  Minuten  bemessen  wird,  bleibt  der  Kasten  nach 
dem  Heraustreten  Dr.  Brunners  geöffnet,  um  mittels  eines 
elektrischen  Ventilators  energisch  gelüftet  zu  werden,  damit  die 
Feuchtigkeit  der  Kasteuluft  tunlichst  wieder  auf  ihren  Anfangs- 
stand sinke. 

Verglichen  werden  die  Steigerungen  der  Luftfeuchtigkeit  des 
im  Kasten  abgesperrten  Luftvolums  bzw.  die  hieraus  zu  berech- 
nenden Abgaben  in  der  Vor-  und  Nachperiode. 


1)  Die  Vornahme  der  Vemache  geschah  am  deswillen  am  Nackten, 
um  die  Wägungen  der  Kleider  vor  und  nach  den  Versuchen  und  die  hier- 
durch veranlafsten,  etwas  unsicheren  Korrekturen  der  Abgabe  zu  umgehen. 
In  diesen  Versuchen  mufste  geheist  werden,  nioht  nur  der  Kasten  (durch 
elektrische  FuTisbodenheizung),  sondern,  wie  sich  herausstellte,  am  besten 
das  ganze  Zimmer. 


316     Nachwirkang  körperl.  Arbeit  auf  d.  Wasserdampf  abgäbe  beim  Menschen. 

Yennoh  Kr.  5* 

Dienstag  den  18.  Juli  1905. 

Der  Kasten  wurde  elektrisch,  durch  Fafsbodenheizung,  das  Zimmer  im 
flbrigen  nicht  geheizt.  Während  der  ganzen  Versuchszeit  lief  im  Kasten  ein 
elektrischer  Ventilator  als  Luftmischer  und  war  so  aufgestellt,  dafs  Herr 
Dr.  Brunn  er  möglichst  wenig  durch  Zug  belastigt  wurde.  Die  Ablesungen 
der  Luftfeuchtigkeit  geschahen  an  einem  gut  justierten  Kopp  eschen 
Instrument 

Bei  gleicher  Temperatur  und  Feuchtigkeit  der  Kastenluft  zeigt  sich  auch 
hier  wieder  die  Ruhe  nach  getaner  Arbeit  durch  eine  höhere  Wasser- 
iah l  gekennzeichnet.  In  der  einstündigen  Vorperiode  wurden  rund  35,  in 
der  einstündigen  Nachperiode  aber  41  g  Wasserdampf  abgegeben.  Die 
Zahl  105  für  die  einstündige  Arbeitsperiode  ist  unsicher  (zu  niedrig)  wegen 
Kondensation. 

Die  Viertelstundenwerte  der  Abgabe  waren  für  die  drei  Perioden 
folgende : 

Vorperiode    =   9,5  +   9,1  +   7,7  +  8,4    =  34,7     g  Wasserdampf, 

Nachperiode  =  13,7  4- 10,5  +  8,4+  8,4    =  41,0     g 
Arbeit  =  15,8  +  21,0  +  31,5  +36,4  (?)=  104,7  (?)g 

Es  hat  hiernach  den  Anschein,  als  ob  die  Nachwirkung 
'/4  Stunden  dauerte,  aber  sich  hauptsächlich  auf  die  erste  Viertel- 
stunde konzentrierte. 

Da  die  Wasserdampfabgabe  während  der  Arbeit  nicht  in 
Untersuchung  stand,  wurde  in  der  Folge  die  Arbeit  aufserhalb 
des  Kastens  geleistet  und  so  jegliche  Kondensation  von  den 
Kasten  Wandungen  femgehalten. 

Yersnoh  Nr«  6. 

Donnerstag  den  20.  Juli  1905. 

Die  elektrische  Fafsbodenheizung  des  Kastens  ist  aufser  Betrieb,  dafür 
wird  das  ganze  Zimmer  geheizt  (Aatostat-Gasheizung)  Der  Ventilator  ist  wie 
beim  vorigen  Versuch  in  Tätigkeit.  Die  Luftfeuchtigkeit  im  Kasten  wird 
aufser  mittels  eines  Kopp  eschen  Hygrometers  noch  mit  Hilfe  eines 
Afsm an n sehen  Aspirationspsychrom eters  gemessen. 

Die  Viertelstundenwerte  der  Abgabe  waren  fflr  die  Voi^  und  Nach- 
Periode : 

1.  Nach  Mafsgabe  des  Kopp  eschen  Instruments: 

Vorperiode    =  13,3  + 18,9  + 12,6  + 15,4  =  60,2  g  H,0, 
Nachperiode  =  29,4  +  15,4  + 11,2  +  7,7  =  63,7  g  H,0. 

2.  Nach  Mafsgabe  des  Afsmannschen  Instruments: 

Vorperiode    =  17,5  + 15,4  + 11,2  +  9,1  =  53,2  g  H,0, 
Nachperiode  =  29,4  +  11,2  + 12,6  +  9,1  =  62,8  g  H,0. 


Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert  and  Dr.  med.  F.  Peters.  317 

Also  auch  hier  wieder  ergibt  sich,  besonders  bei  Anwendung 
des  zuverlässigeren  (Afs  mann  sehen)  Instruments,  eine  wesent- 
liche Steigerung  der  Abgabe  zugunsten  der  Nachperiode. 

Das  Plus  wäre  vermutlich  noch  bedeutender  bei  gleichmäfsiger 
gestalteten  Vorbedingungen.  Aber  es  ist  natürlich,  dafs  das  ab- 
gesperrte Luftvolum  in  der  Nachperiode  durch  die  vermehrte  Ab- 
gabe eine  vermehrte  Steigerung  seiner  Feuchtigkeit  erfuhr,  welche 
ihrerseits  wiederum  retardierend  auf  die  weitere  Abgabe  wirken 
mufste.  Die  Lufttemperaturen  konnten  in  beiden  Fällen  ja  so 
gut  wie  gleich  gehalten  werden  (30,1^  und  30,0^  im  Mittel),  aber 
im  zweiten  Fall  mufste  die  Luftfeuchtigkeit  alsbald  ansteigen 
und  am  Schlufs  einen  erheblich  höheren  Wert  repräsentieren. 

Die  Luftfeuchtigkeit  betrug  nach  Koppe: 

Vorperiode:    Anfang  35,  Ende  61,  Mittel  47%, 
Nachperiode:       »         37,       >      66,       »       54%, 

und  nach  Afs  mann: 

Vorperiode:    Anfang  44,  Ende  67,  Mittel  66 %, 
Nachperiode:       »        44,       »      72,       »       60%. 

Daher  läfst  sich  auch  nicht  behaupten,  die  Nachwirkung 
müsse  sich  hier  auf  die  erste  Viertelstunde  beschränkt  haben, 
obwohl  die  obigen  Zahlen  dies  nahezulegen  scheinen.  Denn 
bereits  nach  der  ersten  Viertelstunde  war  die  relative  Luftfeuch- 
tigkeit während  der  Nachperiode  erheblich,  d.  h.  um  5 — 10%  über 
den  entsprechenden  Wert  der  Vorperiode  hinausgegangen,  und 
zwar  eben  infolge  der  starken  Nachwirkung  aus  der  Arbeit  auf 
die  Abgabe.  Gerade  hierdurch  wird  deutlich,  dafs  der 
Ruhende  nach  getaner  Arbeit  den  Feuchtigkeits- 
gehalt derZimmerluft  mehr  als  der  dauernd  Untätige 
in  die  Höhe  treibt. 

Eine  letzte  Wiederholung  des  Versuchs  führte  zu  keinem 
anderen  Resultat. 


318     Xa^ebwirlKiuif  kOipcr!.  Arbeil  mal  <L  Wi—rdimpt«bf»be  bcua 

TcmA  Kr.  T. 

DonncnUg  den  27.  Juli  19Q6l 
Die  Art  der  Heixong  war  die  gleidie  wie  beim  Totanyegmngenen  Verso^L 


Aorii  wurde  wiedemm  towobi  K  o  p  p  e  s  HTgrometer  wie  das  A  f  •  m  a  n  n 
loatraiDent  beobacbtei.  Der  VentUator  war  dieiwiial  nicbt  beatlndig  in  Be- 
trieb, sondern  jedesmal  nnr  etwa  10  Sekunden  vor  einer  Ablesong.  Hietduich 
sollte  vermieden  werden,  dals  Herrn  Dr.  Brnnner  des  Öfteren  ein  Loftsof 
belistigte.  Die  SCeigemng  der  Wasserdampfabgabe  wird  bier  nnr  beim  ersten 
Viertelstondenwert  deatlieb  (11  Jb  gegen  7,1  nacb  Afsmann  and  16,1  gegen 
12,6  g/8t.  nacb  Koppe),  im  ganxen  aber  Terwiscbt,  was  wobl  in  der  onge» 
nfigenden  Laftmisdrang  begründet  ist 

Wie  lange  die  SteigeniDg  der  Abgabe  anhäli,  lälst  sich  aus 
den  zuletzt  mitgeteilten  Versuchen  schwer  mit  Sicherheit  ermessen, 
weil  nach  dem  Prinzip,  welches  diesen  Versuchen  zugrunde  lag,  die 
relative  Feuchtigkeit  der  Kastenluft  gröOser  wurde  und  so  eine 
Depression  der  Abgabe  herbeiführte,  die  um  so  gröfser  ausfiel 
und  um  so  rascher  eintrat,  je  grölser  die  fragUche  Nachwirkung 
war.  Hiemach  möchte  anzunehmen  sein,  die  Nachwirkung  sei 
nach  längstens  ^j^  Stunden  vorüber  gewesen. 

In  den  ersten  Versuchsreihen  waren  die  Bedingungen  für  die 
Vor-  und  Nachperiode  jedoch  gleichmäfsiger  gestaltbar,  und  da 
zeigte  es  sich,  deSs  die  Nachwirkung  auf  mehrere  Stunden 
sich  erstrecken  kann.  Denn  in  jenen  Versuchen  begann  die 
Nachperiode  erst  eine  halbe  bis  mehr  als  eine  ganze  Stunde  nach 
dem  Abschlufs  der  Arbeit  in  einem  Falle  sogar  erst  1  Stunde 
und  20  Minuten  nachher,  und  dauerte  4  Stunden;  gleichwohl  aber 
war  eine  Nachwirkung  der  Arbeit  im  positiven  Sinne  in  keinem 
Falle  zu  verkennen. 

Aus  den  mitgeteilten  Versuchen  ist  somit  zu  schlieüsen: 

Die  Wasserdampfabgabe  des  Menschen,  welche 
während  körperlicher  Arbeit  bekanntlich  gesteigert 
zu  sein  pflegt,  bleibt  auch  nach  geleisteter  Arbeit 
noch  eine  Zeitlang,  bis  zu  mehreren  Stunden,  erhöht 

(Folgen  die  Tabellen  S.  819—322.) 


Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert  und  Dr.  med.  F.  Peters. 


319 


18.  TU.  05.    Dr.  Bronner.    Yergnch  L 


Kasten 


Zeit  ,  Hei.  F. 

Temp. 


(Hygr.) 


II    H,0- 

lAbgabe  He- 

il  in  g    j,  merkuDgen 
pro  15' 


H,0- Abgabe  für  die 
Stunde 


84,7 


1 

Kasten        i 

.   H.Ü.    ( 

Zeit 

1 

'Abgabe  '         Be- 

Temp. 

Rel.  F. 
(Hygr.) 

1 

in  g  '  morkungen 
pro  15' 

1 
1110 

1 

i 

48 

i   Arbelt: 
14000  mkg 

1115 

(25) 

(48) 

1125 

25,9 

52 

:   15,8 

. 

1140 

26 

64 

21,0  ' 

1165 

26,4 

81 

31.6 

1210 

26,7 

100    i 

:  36,4  1,  12«  Fenster 
'               ,  beschlagen 

H,0  Abgabe  für  die  i,' 

Stunde  ;  104,7 


Kasten        : 

H,0-    ! 

1 

Zelt 

Temp. 

1 

Rel  F.  1 
(Hygr.) 

Abgabe 
!     ing 
t)ro  16' , 

Be- 
merkungen 

12» 

46 

1 

1      

Robe 

1226 

(26,6) 

(46) 

— 

12» 

26 

50 

18,7 

1260 

26 

56 

10,R 

16 

26 

61 

8,4 

120 

26^ 

65 

8,4 

H,OAbgabe  fOr  die 

Stunde     41,0    ' 

20.  TU.    Venueli  II.    Dr.  Brünier. 


Kasten 


Zeit     Thermomet.  jipgyehr.         ^^l-  Feucht. 


trocken  feucht  i|    ^^^'    ■  Psychrom.  I    Ilygrom.      Psychrom. 


HjO-Abgabe  in  g  'j 

pro  15'  i  B«™«>*. 

kangen 


Hygrom.    i 


1016 
1020 

lü2-'i 
1030 

la'^ 

1040 
1046 
1060 
1066 

11h 
116 
1110 
1116 


29,2  1    20,4  !    8,8 


30,0      22,3  i    7,7 


30,3      23,7  ,    6,6 


30,6 


30,3 


24,7       5,9 


44,5 


51,2 


57,6 


61,8 


25,3 


5    ;      66,9 


35 

(37) 

(38) 

40 

(42) 

(45) 

48 

(50) 

(52) 

53 

(56) 

(58) 

61 


17,6 


15.4 


ii;^ 


9,1 


13,3 


18,9 


12,6 


15,4 


U,0- Abgabe  für  die  Stunde  ||      63,2 


60,2 


320     Nachwirkung  körperl.  Arbeit  auf  d.  Wasserdampfabgabe  beim  Menseben. 


Fortsetsang  zu  Versuch  n. 


1 

■ 

Kasten 

H,0-Abgabe  in  g 
pro  16' 

1 

Zeit 

Therm  omet.  | 

1 

spychr.' 
Diff. 

Rel.  Feucht. 

Bemer- 
kungen 

trocken 

feucht 

Psychrom. 

Hygrom. 

Psychrom. 

Hygrom.   j 

1216 

29,5 

20,5 

• 

i       9 

43,8 

87 

1220 

(43) 

1226 

(46) 

1280 

29,9 

23,2 

6.7 

56,7 

60 

29,4 

29,4 

1286 

(68) 

1240 

(66) 

1246 

30 

24,2 

6,8 

61,9 

67 

11,2 

15,4 

1250 

(-) 

1266 

(59) 

Ib 

30,7 

25,4 

6,8 

65,3 

60 

12,6 

11,2 

16 

(61) 

110 

(64) 

116 

80 

25,9 

4,1 

72,2 

66 

9,1 

7,7 

E 

[,0-Abg 

abe  für  di 

e  Stunde 

62,8 

63,7 

1 

1 

27.  TU.  05.    Yorgncli  HI.    Br.  Brauner. 


Kasten 

HjOAbgbe  in  g 

-v^ 

Zeit 

Thermomet. 

spychr. 

Rel.  Feucht. 

pro  15'            j 

Bemer- 
kungen 

trocken 

feucht 

DJn. 

Pgychrom. 

Hygrom. 

Psychrom. 

Hygrom. 

1 

lOli 

26,7 

21,3 

6,4 

61,9 

48 

1 

105 

(50) 

1010 

(51) 

1016 

27,4 

22,2 

5.2 

63,7 

53 

7,7 

12,6 

1020 

1 
1 

(Ö5) 

1025 

(56) 

1030 

28,3 

23,2 

6.1 

65,0 

56 

8,4 

10,5 

1035 

1 

1 

(57) 

1040 

1 

(58) 

1045 

28,5 

23,9 

4.6  ; 

68,3 

59 

7.7 

7,0 

1050 

1 

1 

(61) 

1055 

(64) 

11h 

28,6 

24,7 

3,9 

72,8 

66 

9,1 

14,0 

» 

fO-Abg 

abe  fQr  di 

e  Stunde 

,     32,9 

44,1 

Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert  und  Dr.  med.  F.  PeterQ. 


321 


Fort«eUaz^  zn  Versuch  III. 


Zeit 


Kasten 


Thermomet.    pgychr. : 
feucht  j     ^^^'   I 


trocken 


Hei.  Feucht. 


H,0-Abgabe  in  g 
pro  15' 


Fsychrom. 


HygTom.      Piychrom. 


HyKTom. 


Bemer- 
kungen 


2B,4      20,«       5,6 


12h 
12  " 

1210 
121Ö 
1220 

122Ö 
123Ü 

12.'^ 

1240 

,124r>;|  28,9,  24,1 
12i"»o'l   .-        .        , 
12ö5  ; 

28,7  '  24,5 


Ih 


27,3      -.^2,6       4,7 


27,5  I    23,2       4,3 


4,8 


4.2 


60,4 


66,9 


69,6 


67,3 


70,9 


54 

(57) 

(58) 

60 

(61) 

(62) 

63 

(63) 

(63) 

63 

.(63) 
(63) 

65 


1 


17,5 


6,3 


5,6 


5,6 


16,1 


7,0 


^,1 


2,8 


Zimmer- 
te mpi 
27.0»  C 


Zlmmer- 
temp. 
27,8«»0 


Zimmer- 
temp. 
29,26  C 


HjC  Abgabe  für  die  Stunde 


35,0 


35,0 


Yersache  1—4.    Cand.  med.  Schmidt.    (48tilnd.  Perioden.) 


Ventilation 


j^^j^      Temp.  des 


Einstr. 


Ausstr. 


Relat. 

Ventil.-  ^'eucht.i 
(iröfMe        im 

cbm    'Mittel 


n,o-  Jco,- 

Abgabe 

in  g 
pro  Std. 


Bemerkungen 


T 


11h    I  20,7 

3b    !j  21,0 

3'tö  21,2 

T'^^  \\  20,6 

83Ö  21,0 

1255  '  21.1 


21,2 
2:>,4 

23,0 
23,0 

23,0 
23,2 


142,6 ,1  59,57    197,0 


Versuch  1.     7.  VII. 


141,6'  49,95     35,5      27,5  I 


—     1  Arbeit  (32000  mkg  in  4  Std.) 
81,5  i      Intervall:  60'. 


143,41  54,9       36,2      29,3 


8.W  |!   20,6  I    22,0 


1230  ; 
Ih 


Versuch  2.     13.  VIT. 


21,1       22,6       142       67,00     45,9  I    32,4 


20,8  I    23,0 


5h       21,1       23,1 

5'«ö  ,|   21,1       23,0 
9»."»      20,7  i    23,0 


--!—'—  —     I  Arbeit  (16000  mkg  in  4  Std.) 

144,2  ;  75,53  ,   89,5      58,6         Intervall :  35'. 

146,7     66,56     54,3      32,7 


ArchiT  für  Hygiene.    Bd.  LV. 


21 


^22     S^scbwirim^  kfcpcriiciMr  Aibcif  cCcl    Vob  PkiiC  Wol^efl  v.  D^. 


Veiiti]flte_       :  M^     H/>-     O0t|-  { 

-I 


.  A 


*a        

.     pro 


8fc       I«gO  15,7        -         —         —  —       Vcnocii  3.    n.  VIL 

1»       I9fi  21^  1^       68^       46^  38^ 

12»      19^  21,7        _     .     —         —  —       Arbeit   20000  mk^  in  4  Sei 

4»      20^  22/*  144     -  71^     171,7  80,4         Intertmll :  3^. 

SM  ;   20^  2S;2       —    I    -         -  — 

9M  '   2D^  22,0  146     '  »,14     50^  40J^ 

lOM  I   19JB  21;8        —         —     .    —  -        Vemicli  4.    31  YIL 

2»      204  22,3  142,7  >  6232«   37,3  31,"$ 

3«  I  9D^  fi,l        —         —    It    —  —       Arbeit  AaÜMikalb  4.  KmttM 

74A  }  ȧ  23,0  144,9    60,42     43,6  j  31,9         in  1  Stunde:  28750  mk^ 

Intemfl:    einige  Minuten. 


TMKinnrYcSri 

pufiuciwai 


iii—  I 

Organeiweifs  und  Nahrimgseiweifs. 

Von 

Dr.  Ulrich  Friedemann, 

Assistenten  am  Institut. 

(Aas  dem  Hygienischen  Institat  der  Universit&t  Berlin.    Direktor:  Geh.  Med.- 

Rat  Prof.  Dr.  Rabner.) 

Dio  spezifischen  biologischen  Reaktionen,  welche  die  Forschung 
auf  dem  Immunitätsgebiet  aufdeckte,  gestatten  bekanntlich  StoCFe 
zu  differenzieren,  die  den  chemischen  Methoden  gegenüber  sich 
durchaus  gleichartig  verhalten.  Gelingt  es  doch,  nicht  nur  Unter- 
schiede zwischen  den  Eiweifskörpern  verschiedener  Arten,  sondern 
auch  bei  der  gleichen  Spezies  individuelle  Differenzen  in  der 
Zusammensetzung  gewisser  Zellen  und  Stoffe  nachzuweisen. 

So  verhalten  sich  die  roten  Blutzellen  verschiedener  Ziegen 
gegenüber  einem  durch  Injektion  von  Ziegenblut  bei  Tieren  der 
gleichen  Spezies  erzeugten  Isolysinserum  durchaus  ungleichartig. 
(Ehrlich  und  Morgenroth.)^)  Landsteiner^)  beobachtete 
beim  Menschen  normale  Isoagglutinine  und  Weichardt')  konnte 
auch  die  Sera  verschiedener  menschlicher  Individuen  durch  die 
erzeugten  Präzipitine  differenzieren.  Aber  auch  die  aus  ver- 
schiedenen Organen  desselben  Organismus  stammenden  Mweifs* 
körper  weisen  gewisse  Verschiedenheiten  bei  der  Immunisierung  auf  • 

1)  Berliner  Klin.  Wochenschr.,  1900,  Nr.  21. 

2)  Zentralbl.  f.  Bakt.  1900.  —  Wiener  Klin.  Wochenschr.,  1901,  Nr.  iß. 

3)  Hygien.  Randschau,  1903,  S.  756. 

Archiv  für  Hyi^ene.    Bd.  LV.  22 


324  Orgaiietweilli  and  XahnmgjMiwcifii. 


Es  konnte  bei  dieser  grolsen  Feinheit  der  biologiscbai  Reak- 
tionen aoanditsToll  erscheinen,  aach  Veiftndeningmi  der  Sähe 
des  Körpers,  welche  anter  bestimmten  Bedingongen  eintreten, 
mit  Hufe  der  Prizipitinreaktion  zu  studieren,  und  Herr  G^eimrat 
Bahn  er  gab  mir  daher  die  Anregung,  das  Serom  Ton  hongem* 
den  und  fressenden  Händen  mit  der  bi<d(^;isdien  Methode  zn 
Tergleichen. 

Dieser  Versuch  knüpft  an  eine  alte  Streitfrage  an,  welche  in 
der  Lehre  von  der  Ejnfthmng  nnd  Tom  Stoffwechsel  eine  groise 
Rolle  gespielt  hat  und  aoch  heute  noch  nicht  entsdiiedai  ist. 
Liebig  Tertrat  bekanntlich  die  Ansicht,  daCs  das  EliweiCs  d^  Nah- 
rung dazu  diene,  die  bei  der  Muskelarbeit  zerfallenden  Zellen  des 
Organismus  zu  regenerieren,  und  dals  der  Stoffwechsel  nur  durch 
den  Zerfall  und  Wiederaufbau  organisierter  Substanz  zu  erklären 
sei.  Nachdem  dieser  Theorie  vor  allem  durch  die  experimentellen 
Arbeiten  C.  Voits  der  Boden  entzogen  war,  wurde  ihr  Kern- 
punkt in  veränderter  Form  von  Pflüger  wieder  zum  Mittelpunkt 
seiner  bekannten  Theorie  des  Stoffwechsels  gemacht.  Nicht  die 
Zellen  selbst  zerfallen  bei  den  Stoffwechselvorgftngen,  sondern 
das  Molekül  der  lebenden  Substanz,  welches  aufserordentlich 
labil  ist  und  sich  fortwährend  zersetzt  und  wieder  aufbaut.  Dem- 
gegenüber hatte  C.  Voit  schon  längere  Zeit  vorher  die  Ansicht 
ausgesprochen,  dals  der  Zerfall  der  lebendigen  Substanz  durch 
die  Nahrungszufuhr  nicht  gesteigert  werden  könne,  und  dals  daher 
beim  Stoffwechsel  das  Nahrungsei wei(s  nicht  erst  in  Organetweifs 
umgewandelt,  sondern  direkt  unter  dem  EinfluDs  der  Zellen  ver- 
brannt würde.  C.  Voit  stützte  seine  Meinung  vor  allem  auf  die 
Tatsache,  dafs  das  in  der  Nahrung  zugeführte  EliweiTs  vom 
Organismus  so  aufserordentlich  leicht  verbrannt  wird,  während 
im  Hunger  das  Tier  seinen  Eiweilsbestand  nach  MögUchkeit  zu 
erhalten  bestrebt  ist.  Einen  exakten  Ausdruck  für  dieses  Ver- 
halten gab  aber  erst  die  energetische  Betrachtungsweise  Rubners. 
Die  fundamentale  Tatsache,  dafs  beim  hungernden  Hunde  durch 
eine  nicht  zu  reichliche  Eiweilsmahlzeit  die  Wärmeproduktion 
nicht  gesteigert  wird,  kann  nur  unter  der  Annahme  erklärt  werden, 
dalis  der  hungernde  Hund  seinen  Energiebedarf  in  erster  Linie 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann.  325 

durch  Verbrennung  des  Fettes  deckt,  während  der  mit  Eiweils 
gefütterte  Hund  zunächst  dieses  angreift.  Es  folgt  daraus,  dafs 
das  Eiweils  des  hungernden  Organismus  schwerer,  das  des  ge- 
fütterten aber  leichter  verbrennlich  als  Fett  ist,  und  es  unterliegt 
keinem  Zweifel,  dafs  diese  Tatsache  mit  der  Voit sehen  Unter- 
scheidung vom  zirkulierenden  Nahrungseiweifs  und  dem  Organ- 
^weifs  gut  zu  vereinen  ist.  Auch  Erehl^)  nimmt  neuerdings 
an,  dafs  die  Eiweifsspaltungsprodukte  in  der  Darmwaud  zunächst 
zu  leicht  verbrenulichen  Verbindungen  zusammengesetzt  werden. 
Immerhin  sind  die  vorliegenden  Tatsachen  auch  anderer  Deutung 
fähig,  und  es  erschien  daher  angezeigt,  die  Frage  des  zirkulierenden 
Eiweifses  mit  einer  neuen  Methode  zu  studieren. 

Man  kann  annehmen,  dafs  am  Ende  der  Hungerzeit  das 
Nahrungseiweifs  aus  der  Blutbahn  verschwunden  ist  und  der 
Hund,  sobald  er  sein  Fett  verloren  hat,  vorwiegend  von  seinem 
Organeiweifs  zehrt.  Besteht  also  ein  Unterschied  zwischen  zir- 
kulierendem Eiweifs  und  Organeiweifs,  so  konnte  möglicherweise 
das  Serum  des  gut  gefütterten  Hundes  und  das  eines  Tieres  im 
•extremen  Hunger  gewisse  Differenzen  aufweisen. 

Um  individuelle  Unterschiede  auszuschliefsen ,  wurde  zu 
allen  diesen  Versuchen  derselbe  Hund  benutzt,  welcher  abwechselnd 
längeren  Hungerperioden  (gewöhnlich  drei  Wochen)  ausgesetzt 
und  inzwischen  reichlich  mit  Pferdefleisch  ernährt  wurde.  Am 
Ende  jeder  Periode  wurde  dem  Versuchstier  Blut  entnommen, 
mit  dessen  Serum  Kaninchen  in  steigenden  Dosen  immunisiert 
wurden.  Die  resultierenden  Immunsera  wurden  sodann  in  ihren 
Reaktionen  auf  die  Sera  des  fressenden  und  hungernden  Hundes 
geprüft. 

Da  natürlich  in  allen  Fällen  präzipitierende  Sera  für  Hunde- 
serum zu  erwarten  waren,  so  konnten  Aufschlüsse  nur  von  der 
Anwendung  der  von  Ehrlich  und  Morgenroth  in  die  Immu- 
nitätslehre eingeführten  spezifischen  Absorptionsmethode  erwartet 
werden.  In  der  Ausdrucksweise  der  Ehrlich  sehen  Seitenketten- 
theorie  mufste  sicherlich  das  Serum  des  Hundes  bei  Nahrung 


1)  Pathologische  Physiologie,  3.  Auflage,  S.  372. 

22 


326  OrgaDeiweifs  und  NuhrungseiweiTs. 

und  im  Hunger  eine  grofse  Zahl  von  Rezeptoren  gemeinsam 
haben,  während  den  verschiedenen  Zuständen  gewisse  Partial- 
rezeptoren  eigentümlich  sein  konnten.  Alle  diese  Eezeptoren 
können  bei  der  Immunisierung  bestimmte,  auf  sie  eingestellte 
Präzipitine  erzeugen.  Es  wurden  daher  die  Immunsera  mit  den> 
Hundeserum  versetzt,  die  entstehenden  Niederschläge  abzentri- 
fugiert  und  nun  geprüft,  ob  der  Präzipitingehalt  dabei  für  das 
Serum  des  hungernden  und  gefütterten  Hundes  in  gleicher  Weise 
abnimmt. 

I.  Yersueh. 

Einem  Terrier  vom  Gewicht  6,7  kg  wird,  nachdem  er  seine  gewöhnliche 
Kost  genossen,  Blut  abgelassen  nnd  das  Seram  (a)  snr  Immonisiemng  eines- 
Kaninchens  A  verwandt.*)    Dasselbe  erhält  am: 

3.  IV.  05  1  ccm  intravenös, 

5.  IV.  05  2     .  * 

8.  IV.  05  3     . 
11.  IV.  05  5     >  . 

15.  IV.  05  4    .  * 

Am  22.  IV.  wird  das  Kaninchen  entblutet. 

Kaninchen  B  wird  mit  dem  Serum  b  desselben  Hundes  gespritzt,  nach- 
dem derselbe  14  Tage  gehungert  hat.    Es  erhftlt  am : 

17.  IV.  05  1  ccm  intravenös, 
19.  IV.  06  2     . 
22.  IV.  05  3     » 
25.  IV.  05  5     » 
29.  IV.  05  4     . 

Am  5.  V.  Entblutung. 

Die  Austitrierung  der  Sera  ergab  als  Fällungsgrenze : 


1.  Serum  A 

1  ccm  (1 :  82) 
1  ccm  (1 :  64) 

2.  Serum  B 

1:16 
1:32 


-f- 1  ccm  Serum  a  (1 :  100) 
deutliches  Prftaipitat 
schwaches  Präzipitat 

-f  1  ccm  Serum  a  (1 :  100) 
deutlich 
schwach 


-f- 1  ccm  Serum  b  (1 :  100) 
deutliches  Präxipitat 
schwaches  Präzipitat 

+ 1  ccm  Serum  b  (1 :  100) 
deutlich 
schwach 


Serum  B  ist   also  etwas  schwächer  als  Serum  A.    Beide  weisen  aber 
keine  Di£Ferenzen  gegenüber  Serum  a  und  b  auf) 


1)  Die  Hundesera  wurden  zur  Konsenrierung  mit  0,25  ^/g  Karbol  yenetit. 

2)  Die  Röhrchen  kamen  für  3  Stunden  in  den  Brutschrank  und  standen 
dann  bis  zum  folgenden  Tag  im  Eisschrank. 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann. 


327 


Der  AbBorpüonsversuch  wurde  nan  in  folgender  Weise  angestellt: 
I.  Serum  A: 

1.  1  ccm  Semm  A  +  4  ccm  Semm  a  (1 :  10)  +  3  ccm  NaCl  0,8öVo> 

2.  1     »  >        I  +*     »  »       ba:10)  +  3     .         *      0,85Vo, 
8.  1     »         »        »  +7     »    NaCl  0,86 Vo. 

II.  Serum  B: 

1.  1  ccm  Serum  B  +  4  ccm  Serum  a  (1 :  10)  +  8  ccm  NaCl  0,857p, 

2.  1     .         .       »  +4    »  »      b(l:10)  +  3    t        »      0,86Vo, 
8.  1     >         »       »  +7     »    Naa  0,86 Vp. 

3  Stunden  bei  37®,  dann  im  Eisschrank.  Die  Niederschläge  werden 
abzentrff ugiert  und  die  klaren  Zentrifugale  nunmehr  austitriert.  Die  Lösungen  3 
«ind  Kontrollen. 

I.  Serum  A. 

1.  Nach  Absorption  mit  a: 


Serum 

Serum  a  0,025  ccm 

Serum  b   0,026  ccm 

1  :16 
1:32 

1:64 

leichte  Trübung                leichte  Trübung 
0                                         0 
0                                         0 

Volum :  2  ccm. 
2.  Nach  Absorption  mit  b: 

Serum 

Serum  a  0,025  ccm 

Serum  b  0,025  ccm 

1:16 
1:82 

1:64 

ganz  feine  Trübung 
0 
0 

3.  Kontrolle: 

ganz  feine  Trübung 
0 
0 

Serum 

Serum  a  0,025  ccm 

Serum  b   0,025  ccm 

1:16 

1:32 
1  :64 

+  +  + 

+  +  + 
0 

+++ 
+++ 

0 

II.  Seram  B. 

1.  Nach  Absorption  mit  a: 


Serum 

Serum  a  0,026  ccm 

Serum  b   0,026  ccm  . 

1:  16 
1:32 
1  :64 

ganz  feine  Trübung 
0 
0 

ganz  feine  Trübung 
0 
0 

328 


OrganeiwelfB  und  NahrnngseiweiTs. 


2.  Nach  Absorption  mit  b 


Serum 

Serum  a   0,025  ccm 

Serum  b   0,025  ccm 

1:  16 
1:32 
1  :64 

ganx  feine  Trübung 
0 
0 

3.  Kontrolle: 

ganz  feine  Trübung 
0 
0 

Serum 

Serum  a  0,025  ccm 

Serum  b  0,025  ccm 

1  :16 

1:32 
1:64 

+++ 

0 

1 

+++ 

0 

Dieser  Versuch  hat  auch  bei  Anwendung  der  Absorptions- 
methode keinen  Unterschied  zwischen  dem  Serum  des  hungernden 
und  des  fressenden  Hundes  ergeben.  Allerdings  mufs  berück- 
sichtigt werden,  dafs  möglicherweise  die  Dauer  der  Hungerperiode 
(14  Tage)  nicht  ausreichte,  um  einen  Wechsel  in  der  Zusammen- 
setzung des  Serums  zu  erzeugen.  Femer  wäre  es  möglich» 
dafs  die  ziemlich  hochgetriebene  Immunisierung  etwaige  Diffe- 
renzen verdecken  könnte.  Um  bei  der  Absorption  eine  stärkere 
Abnahme  des  Präzipitingehaltes  zu  erzielen,  ist  es  nämlich  not- 
wendig, die  hochwertigen  Sera  ziemlich  stark  zu  verdünnen,  und 
es  wäre  möglich,  dafs  dadurch  etwaige  in  geringer  Menge  vor- 
handene Partialpräzipitine  dem  Nachweis  entgehen  können.  In- 
folgedessen wurde  in  einigen  weiteren  Versuchen  die  Methodik 
in  der  Weise  abgeändert,  dafs  die  unverdünnten  Sera  durch 
mehrmalige  Absorption  mit  einem  Serum  (a  oder  b)  von  ihren 
Präzipitinen  befreit  imd  nunmehr  auf  Fällung  gegenüber  dem 
andern  Serum  untersucht  wurden.  Da  sich  jedoch  auf  diesem 
Wege  irgend  eine  Differenz  nicht  ergab,  so  sei  von  der  aus- 
führlichen Mitteilung  dieser  Versuche  abgesehen. 

Nun  haben  aber  Falta  und  Nöggerath^)  und  neuerdings 
Friedberger  und  Moreschi^)  beobachtet,  dafs  die  Differenzen» 
welche  agglutinierende  Sera   gegenüber  verschiedenen   Typhus- 


1)  Deutsches  Archiv  f.  klin.  Medizin,  Bd.  83. 

2)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1905,  Nr.  45. 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann.  329 

Stämmen  aufwiesen,  nur  im  Beginn  der  Immunisierung  bestanden 
und  sich  mit  dem  Fortschreiten  derselben  verwischten.  £s  war 
daher  möglich,  dals  auch  für  den  vorliegenden  Zweck  nieder- 
wertige  Sera  brauchbarere  Verhältnisse  bieten  würden  als  höher- 
wertige. Aus  diesen  Gesichtspimkten  wurden  die  folgenden  Ver- 
suche unternommen. 

Versuch  II. 

Der  Hund  erhält  3  Tag^  lang  je  500  g  Pferdefleisch.  Dann  Blutentnahme 
(Serum  a^. 

Kaninchen  A*)  erhält  am: 

29.  V.   05  1  ccm  Serum  a,  intrayenös, 

31.  V.   05  2    >         *       >  t 

2.  VI.  05  3     »  »       »  > 

5.  VI.  05  3     »         »        »  > 

Am  13.  VI.  Entblutung. 

Der  Hund  hungert  nunmehr  3  Wochen ;  dann  Blutentnahme  (Serum  b,). 

Kaninchen  B  erhält  am: 

22.  VI.  05  1  ccm  Serum  b^  intravenös^ 

24.  VI.  06  2    >  »       > 

26.  VI.  05  3     »         .       »  »        . 

Am  3.  VII.  Blutentnahme. 

Titer  der  Sera: 

Serum  A  fällt  die  Sera  a  und  b  in  der  Verdünnung  1 : 6  stark,  in  stär- 
keren Verdünnungen  nicht  mehr. 

Serum  B,  fällt  Serum  b,  etwas  stärker  als  a,,  nämlich   in 
der  Verdünnung  1:9,  während  es  a  nur  bis  1:6  fällt. 

£s  folgt  nunmehr  der  Absorptionsversuch: 

I.  Serum  A,: 

1.  3  ccm  Serum  A,  -f-3  ccm  Serum  a,  (1 :  10), 

2.  3     .  >       A,  +  3     .  .       b,  (1:10). 

3.  3     »  »      A,4-3     »    NaCl  0,85%. 

U.  Serum  B, : 

1.  3  ccm  Serum  B,  -f*  ^  ^^^  Serum  a,  (1 :  10), 

2.  3     >  »        B,  -H  3     >  »       b,  (1 :  10), 

3.  3     .  .       B,-i-3    »     NaCl  O^Vo- 

3  Stunden  bei  37  <*,  24  Stunden  Eisschrank.   Dann  wird  sentrif ugiert  und 
austitriert. 


1)  Es  wurden  selbstverständlich  stets  frische  Kaninchen  benutzt    Die 
Buchstaben  A,  a  und  B,  b  deuten  nur  den  Ernährungszustand  des  Hundes  an. 


330 


Organeiweifs  und  Nahrnnfcseiweifs. 


I.  Senun  Aj* 

1.  Nach  AbHorpüon  mit  a,: 


Sernm 

Serum  a,  0,025  ccm 

8emm  b,   0,025  ccm 

1  :  4 
1  :  6 
1  :  9 

0? 

0 

0 

0? 

0 

0 

2.  Nach  Absorption  mit  b, : 


Serum 

Serum  a,  0,025  ccm 

Serum  b,   0,025  ccm 

1  :  4 

1  :  6 
1  :  9 

geringer,  aber  deut- 
licher Niederschlag 

0 

0 

0 

0 
0 

3.  Kontrolle: 


Serum 

Serum  a,   0,025  ccm 

Seram  b,   0,026  ccm 

1  :  4 
1  :  6 
1  :  9 

+++ 
+++ 

0 

+  +  + 

+  +  + 
0 

II.  Semm  B. 

1.  Nach  Absorption  mit  a: 


Serum 

Serum  a,   0,025  ccm 

Serum  b,   0,025  ccm 

1   :  4 
1  .  6 
1   :  9 

j              Trübung 
0? 
0 

Trübung 
Trübung 
0? 

2.  Nach  Absorption  mit  b: 


Serum 


Serum  b,  0,025  ccm 


1  :  4 

1  :  6 

1  :  9 

1  :  13,5 


Trübung 

Trübung 

Trübung 

0 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann. 


8.  Kontrolle: 


331 


8erum 

Serum  a,   0,025  com 

Serum  b,  0,025  ccm 

1  :  6 
1  :  9 
1  :  18,5 
1  :  20 

+  +  + 

+  ? 
0 

0 

+++ 
+++ 

0 

Dieser  Versuch  hat  in  der  Tat  eine  gewisse  DifEerenz  in  dem 
Serum  a  des  fressenden  und  dem  Serum  b  des  hungernden 
Hundes  ergeben.  Zunächst  wurde  Serum  b  von  seinem  homo- 
logen Serum  B  stärker  gefällt  als  a.  Da  sich  jedoch  mit  der 
Absorptionsmethode  Partialpräzipitine  für  b  nicht  nachweisen 
liefsen,  so  mufs  dieser  Unterschied  wohl  auf  eine  durch  irgend- 
welche Einflüsse  verringerte  Fällbarkeit  des  Serums  b  bezogen 
werden. 

Wichtiger  ist  dagegen,  dafs  im  Serum  A  sich  nach  Absorp- 
tion mit  Serum  b  ein  Partialpräzipitin  für  a  nachweisen  liefs. 
Dies  läfst  allerdings  die  Deutung  zu,  dafs  im  Serum  a  des  fressenden 
Hundes  gewisse  Sto£Ee  enthalten  sind,  die  dem  Serum  des  hun- 
gernden Hundes  fehlen,  und  es  fragte  sich  nun,  ob  diese  DifEe- 
renz wirklich  mit  der  Nahrung  zusammenhängt. 

Zunächst  war  daran  zu  denken,  dafs  möglicherweise  Pferd- 
eiweifs  aus  der  Nahrung  unverändert  den  Darm  passiert  haben 
könnte ,  wie  dies  ja  bei  überreichlicher  Ernährung  beobachtet 
worden  ist.  In  der  Tat  gab  1  ccm  des  Serums  des  Kaninchens 
A  mit  Perdeserum  (1  :  100)  ein  deutliches  Präzipitat,  während 
Serum  B  mit  Pferdeserum  nicht  reagierte.  Um  nun  diese  An- 
nahme zu  prüfen,  wurde  der  Hund  reichlich  mit  Pferdefleisch 
gefüttert,  und  mit  einem  gegen  Pferdeserum  spezifischen  Kaninchen- 
serum sein  Blutserum  auf  die  Anwesenheit  von  Pferdeeiweifs 
geprüft.  Es  stellte  sich  dabei  jedoch  kein  Niederschlag  ein. 
Wir  müssen  also  schliefsen,  dafs  entweder  aus  zufälligen  Gründen 
bei  dem  ersten  Versuch  Pferdeeiweifs  den  Darm  unverändert 
passierte,  oder  aber,  dafs  es  sich  beim  Serum  A  um  eine  Mit- 
präzipitation  handelte,   wie  sie  ja  nicht  selten  beobachtet  wird. 


332 


OrgmneiweilB  mid  Nmhmngiehreiüi. 


SchlieCslich  wäre  es  nicht  unmöglich,  daüs  das  Nahmngs- 
eiweils  die  Darm  wand  in  einer  Formpassiert,  in  der  ee  zwar  nicdit 
mehr  präzipitabel ,  aber  noch  zur  Erzeugung  von  Antikörpern 
befähigt,  also  präzipitogen  ist.  Eine  sichere  Ebitscheidong  dar- 
über  lälist  sich  auf  Grund  dieser  Versuche  nicht  fällen. 

Der  folgende  Versuch  zeigt  jedoch,  dalSs  höchstwahrschein- 
lich die  gefundenen  Differenzen  nicht  auf  den  Ernährungszu- 
stand des  Hundes  bezogen  werden  können. 

Tenaeh  in. 

Der  Hand  hungert  xanlchst  3  Wochen,  darnach  wird  Blat  entnommen 
and  das  Serom  b  einem  Kaninchen  B  injiziert. 

Am  29.  IX.  06  1  ccm  Serom  b  intrayenOe, 
*      2.  X.   06  2    .  *       b  » 

>4.X.05d>  >       b  > 

Am  13.  X.  Blatentnahme. 

Der  Hund  erhllt  nanmehr  mehrere  Tage  500  g  Pferdefleisch  tiglich. 
Das  Blutserom  a  wird  sodann  einem  Kaninchen  A  eingeepritst,  and  zwar  am: 

5.  X.  05  1  ccm  Serom  a  intravenös, 

7.  X.  05  2     >  »      a 

9.  X.  05  3     >  >      a  > 

Am  18.  X.  Blatentnahme. 

Serom  B  fällt  0,025  ccm  der  Sera  a  ond  b  (Volomen  2  ccm)  in  der  Yer- 
dflnnong  1:4  deotlich.    Zor  Absorption  werden  angesetzt: 

1.  6  ccm  Serom  B  -f- 1  ccm  Serom  a  (1 : 3), 

2.  6     »  »       B  +  1     >  »       a  (1:3), 

3.  6     »  *      B  +  l     »     NaCl  0,85  V.. 

Nach  Abzentrifogieren  des  Niederschlags  ergibt  die  Aostitrierong : 

Semm  B. 

1.  Nach  Absorption  mit  a: 


i 

Serom 

Hondeserom 

a 

b 

1:2           : 

1:3              i 
1  :  4,5 

0,05  ccm 
0,05     » 
0,05     » 

0 
0 
0 

0 
0 
0 

2.  Nach  Absorption  mit  b 


1 

Serom         ! 

1 

Hondeserum 

a 

b 

1:2 

1:3 

1    :   4,5 

0,05  ccm 
0,05     > 
0,05     > 

deotlich 
0 
0 

0 
0 
0 

Von  Dr.  Ulrich  Friedein ann. 


333 


3.  Kontrolle: 


Serum 

Handeserum 

a 

b 

1   :  2 

0,05  ccm 

deutlich 

deutlich 

1  :  3 

0,05     . 

deutlich 

deutlich 

1  :  4,5 

0,05     * 

deutlich 

etwas  weniger  deutlich 

1  :  6,75 

0,05     » 

etwas  weniger  deutlich 

undeutlich 

1   :   10 

0,05     » 

0 

0 

Auch  bei  diesem  Versuch  ergab  sich,  eine  gewisse  Differenz 
zwischen  beiden  Seris.  Doch  enthielt  in  diesem  Falle  das  Serum 
des  Kaninchens,  welches  mit  dem  Serum  des  hungernden  Hundes 
immunisiert  wurde,  ein  Partialpräzipitin  für  das  Serum  des  ge- 
nährten  Hundes,  also  für  das  nicht  zur  Immunisierung  benutzte 
Serum. 

Ist  dieses  Resultat  sehr  schwer  zu  verstehen,  so  zeigten  sich 
noch  merkwürdigere  Ergebnisse  bei  der  Untersuchung  des  Ka- 
ninchenserums A.  Es  ergab  sich  nämlich  die  eigentümliche 
Tatsache,  dals  nach  Absorption  mit  dem  homologen  Serum  b 
das  Präzipitin  für  dieses  in  weit  geringerem  Grade  geschwunden 
war  als  für  a.  Ahnliche  Beobachtungen  wurden  schon  früher 
bisweilen  bei  der  Bakterienagglutination  gemacht^)  und  in  neuester 
Zeit  ausführlich  von  Friedberger  und  Moreschi  beschrieben. 
Wurde  ein  Kaninchen  mit  einem  bestimmten  Typhusstämm  im- 
munisiert, so  lieferte  es  ein  Serum,  welches  nach  der  Absorption 
mit  dem  homologen  Stamme  seinen  Agglutiningehalt  für  einen 
andern  Stamm  in  stärkerem  Grade  eingebüfst  hatte,  als  für  den 
zur  Absorption  benutzten.  Friedberger  und  Moreschi 2) 
knüpfen  daran  die  Auffassung,  dafs  antigene  und  bindende  Gruppen 
nicht  identisch  zu  sein  brauchten.  Ohne  auf  die  theoretische 
Seite  dieser  Frage  hier  eingehen  zu  können,  sei  nur  bemerkt, 
dafs  derartige  Beobachtungen  die  aus  den  Absorptionsversuchen 
gezogenen  Schlüsse  sehr  erschweren. 

Das  Resultat  dieser  Untersuchungen  läfst  sich  dahin  zu- 
sammenfassen, dafs  höherwertige  Immunsera  irgendeine  Differenz 


1)  Vgl.  Pal  tauf.  Die  Agglutination  bei  Ko  11  e- Wassermann,  Bd.  4, 1. 

2)  1.  c. 


334     Organeiweifs  and  Nahrungseiweifs.     Von  Dr.  Ulrich  Friedemann. 

zwischen  dem  Serum  des  hungernden  und  des  genährten  Hundes 
nicht  erkennen  lassen.  Wird  die  Immunisierung  nicht  so  hoch 
getrieben,  so  verhalten  sich  die  resultierenden  Kaninchenimmun- 
sera  allerdings  den  Hundeseris  gegenüber  verschieden.  Irgend 
eine  klar  übersehbare  Beziehung  zwischen  der  Konstitution  der 
Immunsera  und  dem  Ernährungszustand  des  Hundes,  dessen 
Serum  sie  erzeugt  hatte,  liefs  sich  jedoch  nicht  feststellen. 

Es  mufs  überhaupt  zweifelhaft  erscheinen,  ob  die  geringen 
Differenzen  auf  wirkliche  Schwankungen  in  der  Zusammensetzung 
der  Säftemasse  des  Hundes  schUefsen  lassen;  denn  es  ist  sehr 
wohl  mögUch,  dafs  auch  nach  der  Blutentnahme  eintretende  Um- 
stände Unterschiede  sie  bedingen  können.  So  hat  Klein^) 
kürzlich  nachgewiesen,  dafs  auch  gegen  Hämoglobin  Präzipitine 
erzeugt  werden  können,  die  mit  den  Serumpräzipitinen  nicht 
identisch  sind,  und  es  ist  daher  möglich,  dafs  schon  geringe 
Schwankungen  im  Hämoglobingehalt  der  Sera,  der  gerade  bei 
Hunden  sich  nicht  immer  völUg  vermeiden  läfst,  die  präzipi- 
togenen  Eigenschaften  des  Hundeserums  in  qualitativer  Hinsicht 
verändern  kann. 

Herrn  Geheimen  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Ruh n er  erlaube  ich 
mir,  für  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  und  das  derselben  ent- 
gegengebrachte Interesse  meinen  ergebensten  Dank  auszusprechen. 


1)  Zentralblatt  f.  Bakter.  39,  Bd.  3  und  4. 


Nene  biologische  Beziehungen  zwischen  Koli-  und 

Typhnsbakterien. 

Zugleich  ein  Beitrag  zur  Lehre  Yom  Aggressin. 

Von 

Dr.  aottlieb  Salus. 

(Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  deutschen  Universität  in  Prag. 

Vorstand:  Prof.  F.  Haeppe.) 

Nahezu  zwei  Jahrzehnte  sind  seit  Esche richs^)  grund- 
legenden Arbeiten  über  die  Darmbakterien  verstrichen;  während 
dieser  langen  Zeit  wurden  dem  Kohbazillus  zahllose  Versuche 
gewidmet  und  die  aus  diesen  Studien  hervorgegangene  Literatur 
ist  kaum  mehr  zu  übersehen.  Nichtsdestoweniger  sind  gerade 
jene  Fragen,  welche  den  Pathologen  in  erster  Reihe  interessieren 
müssen,  auch  heute  noch  offen,  ob  nämlich  der  Kolibazillus 
überhaupt  ein  Krankheitserreger  sei  und  die  weitere 
nach  seinen  Beziehungen  zumTyphusbakterium,  ob  er 
mit  diesem,  wie  schon  in  den  neunziger  Jahren  Rodet,  G.  Roux^) 
und  die  LyonerSchule  wollten,  identisch  oder  ihm  verwandt 
oder  gar  von  ihm  total  verschieden  sei.  Wenn  es  auch 
zu  keiner  Zeit  an  Antworten,  bejahenden  wie  verneinenden, 
gefehlt  hat,   so  blieb  man  doch  nach  keiner  Richtung  genügend 


1)  Escherich:  Die  Dannbakterien  des  Säuglings  und  ihre  Besiehungen 
zur  Physiologie  der  Verdauung.    1886,  Stuttgart. 

2)  Roux  et  Rodet:  Identit^  du  bacille  d'Eberth  et  du  bacterium  coli 
commune.    Lyon,  m^d.,  1891. 


fikßtsneagi,  wie  hemmdfoa  üjs  rrfryrOTiif  Än&Moäkexk  der  lies- 
iititif mge  bevem.  Ucd  ioaaicr  irääer  nr  es  die  «igwifiLrge 
\erwMüdiMidiidt  mit  don  TjpiuBbftiillaB,  veLch»  dms  Cotfbu> 
teriom  di«  ihm  gevidiiKte  usocMiae  AnfinaHfaMniirm  xa  Ter 
ÖMoktn  hatte« 

Wenden  wir  uns  nndeh^  der  Fnige  nach  den  patho- 
genen  Fibigkeiten  des  Kolibazilln«  zu. 

Diaie  wurden  zoem  in  ebeuo  emwandfe««  als  Torschtzger 
Weise  Ton  Hueppe^;  im  Zosammenbange  mit  einem  Falle  toh 
Cholera  nostras  benrorgriioben ;  die  Ansoren.  wdcfae  ibm  nach- 
folgten,  lie(sen  jedoch  diese  Vocscfat  anisa'  acht,  ond  es  gab 
bald  kaum  ein  KmnkheüslHld  mehr  aOgemeiDer  Natur,  das  man 
nicht  auf  diesen  Spaltpilz  geübte  beziehen  za  können;  man 
stfitzte  0ich  dabei  auf  sein  oft  alleiniges  Vorkommen  in  den 
Krankheitsherden,  besonders  bei  Leiehenbefnnden.  Es  waren 
eben  noch  die  Gefahren  nicht  gewürdigt,  weldie  dem  Beobachter 
drohen,  wenn  er  einen  soweit  Terbrnteten  ond  auf  den  übHchen 
Nährböden  so  überaus  leicht  züchtbaren  Darmsaprophyten  mit 
einer  Affektion  glaubt  in  Beziehung  bringen  zu  müssen.  Erst 
sfiäter  lernte  man  die  postmortale  Einwanderung,  den 
Nosoparasitismus  und  das  Überwuchertwerden  anderer 
ätiologisch  bedeutsamerer,  aber  den  gewöhnlichen 
Nährsubstraten  weniger  angepafster  Bakterien  kennen.^) 
Die  durch  Erkenntnis  dieser  Tatsachen  immer  sorgfältiger  ge- 
wordene Kritik  hat  dann  den  grölsten  Teil  der  nach  Gilberts') 
Vorgang  als  iKolibazillosenc  bezeichneten  Affektionen  wieder 
gestrichen.  Heute  ist  man  von  jener  Überschätzung  weit  entfernt 
und  anerkennt  nur  mehr  einzelne  Affektionen  als  durch  Koli- 
Infektion  bedingt  namentlich  gewisse  Erkrankungen  der  Hamwege 
(Bakteriurie,  ein  Teil  der  »sauren  Zystitidenc,  Pyelitisfälle), 
dann   die  seltenen   Koliseptikämien    des   frühesten    Kindesalters 

1)  Huepi>e,  Berliner  klin.  Wochenschr.,  1887. 

2)  Literatur  in  G.  Salns:  Über  Bacterium  coli.  Sammelreferat 
Prager  med.  Wochenschrift,  1899. 

Escherich,  Zar  Ätiologie  d.  Dysenterie,  Zentralbl.  f.  Bakt,  Bd.  26, 1899. 

8)  G  i  1  b  e  r  t,  La  coli-bacillose  Trait^  de  m^d.  et  th^rapentiqae,  Tom  1, 1895. 


Von  Dr.  Gottlieb  Salas.  337 

(Winckelsche  Krankheit  von  Kamen^)  Kowalewsky  und 
Moro^),  die  ebenfalls  sehr  seltenen  Septikämien  durch  Eoli  von  den 
Harn-  oder  Gallenwegen  ans  und  jene  ruhrartigen  Erkrankungen, 
welche  Escherich^)  als  »colicolitisc  bezeichnete  und  deren  Be- 
ziehungen zur  echten  ßuhr  und  ihrem  Erreger,  dem 
Kruse- Shigaschen  Bazillus,  noch  der  Klärung  bedürfen.  Aber 
auch  heute  noch  gibt  es  Skeptiker,  die  überhaupt  die  Existenz 
von  Kolibazillosen  zu  leugnen  geneigt  sind,  und  man  mufs  zu- 
gestehen, dafs  das  meist  recht  vage  Krankheitsbild  nebst  dem 
Vorkommen  der  Bazillen  in  den  Krankheitsherden  als  ätiologi- 
sches Beweismaterial  nicht  mehr  befriedigt,  und  man  der  Diagnose 
der  Koliinfekte  nur  den  Wert  der  Wahrscheinlichkeitsrechnung 
zubilligen  könne.  Deshalb  versuchte  Pfaundler^)  1898  die 
Agglutination  als  exaktes  Beweismittel  in  die  Diagnostik  der 
Coliinfekte,  speziell  jener  der  Hamwege  und  der  ruhrartigen 
Erkrankungen  des  Kindesalters  einzuführen.  Hiervon  sagt  Esche- 
rich: »Er  zeigte,  dafs  die  Bouillonkulturen  der  aus  Harn  ge- 
züchteten Bazillen,  mit  dem  Serum  der  betreffenden  Patienten 
gemischt,  noch  in  erheblicher  Verdünnung  die  von  Grub  er  ex- 
perimentell bei  Koliinfekten  nachgewiesene  Agglutination  geben. 
Durch  diese  Tatsache  war  der  überzeugende  Nachweis  erbracht,  dafs 
die  Kolibazillen  des  Harnes  nicht,  wie  von  Rovsing,  Maxwell 
und  Clarke  behauptet  wurde,  bedeutungslose  Nosoparasiten 
oder  sekundäre  Ansiedler  sind,  welche  an  die  Stelle  der  eigent- 
lichen Krankheitserreger  getreten,  sondern  dafs  die  von  ihnen 
gebildeten  Toxine  in  den  Körper  eingedrungen  sind 
und  eine  spezifische  Reaktion  desselben  hervor- 
gerufen haben.  Es  war  damit  zum  ersten  Male  in  der  Patho- 
logie des  Menschen  auch  auf  diesem  Wege  der  Nachweis  erbracht, 
dafs   das    Bact.  coli  für    den    Menschen    pathogene   Bedeutung 

1)  Kamen,  Die  Ätiologie  der  Winckelschen  Krankheit,  Zieglers  Bei- 
träge zur  pathol.  Anat,  Bd.  14,  1896. 

2)  Kowalevsky  and  M o r o ,  Klin.-therapeat.  VITochenschr.  1901,  Nr. 50. 

3)  Escheiich  und  Pfaundler,  Bacterium  coli  commune  in  K o  1 1  e - 
Wassermann,  Handbuch  der  pathog.  Mikroorganismen,  Bd.  ü,  S.  443. 

4)  Pfaundler,  M.     Zur  Serodiagnostik  im  Kindesalter  etc.    Jahrbuch 
far  Kinderheilkunde,  Bd.  50,  1899. 


338     Nene  biologische  Beziehungen  zwischen  Koli-  and  Typhasbakterien  etc. 

gewinnen  kann  und  zugleich  die  praktische  Verwertung  der 
später  80  erfolgreichen  Serodiagnostik  der  Kolibazillose  erö£Enetc 
Aber  dieser  Auffassung  von  der  Bedeutung  der  Agglutinine 
im  Blutserum  der  Kranken  kann  man  deshalb  nicht  beistimmen, 
weil  sie  mit  den  Toxinen,  überhaupt  mit  der  Infektion  direkt  in 
keinem  Zusammenhange  stehen,  wie  sie  bekannthch  auch  zur 
Immunität  keine  direkten  Beziehungen  haben.  Die  Entstehung 
der  Agglutinine  ist  vielmehr  lediglich  der  Ausdruck  der  Auf- 
lösung und  Resorption  von  Leibesbestandteilen  (vielleicht 
von  Bestandteilen  der  Leibeshülle)  der  Bakterien  einer  ge- 
wissen Art.  Dafs  bei  diesem  biochemischen  Vorgange  direkte 
Beziehungen  zur  Infektion  fehlen,  geht  zur  Genüge  daraus  hervor, 
dafs  man  die  höchsten  Agglutinationswerte  durch  die 
Einverleibung  abgetöteter  Bazillen  erhält;  dafs  man  die  Bazillen 
nach  Pal  tauf  ^)  auf  beliebigem  Wege  auch  stomachal  einbringen 
kann,  um  Agglutininbildung  zu  erzielen,  was  bekannthch  für  die  In- 
fektion  nicht  gilt.  Auffallend  wäre  es  auch,  dafs  die  Agglutinations- 
werte für  Typhus  gerade  beim  kranken  Menschen  gegenüber 
den  mit  toten  Bazillen  behandelten  Tieren  meist  verhältnismälsig 
niedrige  sind,  während  doch  der  Abdominaltyphus  eine  exquisite 
Menschenkrankheit  ist.  Sehr  beredt  sprechen  auch  für  unsere 
Auffassung  die  schönen  Versuche  von  Stäubli^),  nach  denen  bei 
stärkerer  initialer  Infektion  der  Versuchstiere  eine  derartige  Be- 
einträchtigung des  Organismus  erfolgt,  dafs  dieser  Agglutinine 
gar  nicht  oder  nur  in  geringem  Malse  zu  bilden  vermag,  während 
bei  kleinen  Anfangsgaben,  die  ohne  Störung  im  Wohlbefinden 
vertragen  wurden,  ein  rasches  Einsetzen  der  biologischen  Re- 
aktion beobachtet  werden  konnte.  Man  hat  es  immer  bedauert, 
dafs  es  nicht  gehngen  wollte,  gesetzmäfsige  Beziehungen  zwischen 
der  Schwere  der  Infektion  und  der  Höhe  der  Agglutination  auf- 
zufinden; diese  Erwartung  mufs  man  überhaupt  aufgeben,  da 
die    eingetretene   Infektion   (d.  h.   die  bis    zu    sichtlicher 


1)  Pal  tauf,  Agglutination  im  Handbach  von  Eolle  und  Wasser- 
mann, Bd.  IV. 

2)  Stäubli,  Über  die  Bildung  des  Typhasagglatinins.    Zentralbl.  für 
Bakt ,  1904,  I.  Bd.  XXXVI.,  Nr.  2. 


Von  Dr.  Gottlieb  Salus.  339 

Schädigung  des  Organismus  gediehene  Invasion)  für  den  bio- 
logischen Vorgang  der  Agglutininbildung  geradezu 
ein  Hemmnis  bedeutet.  Wenn  überhaupt  Beziehungen 
bestünden,  so  könnten  Höhe  der  Agglutination  und  Schwere  der 
Infektion  nur  in  umgekehrtem  Verhältnis  zueinander 
stehen. 

Immerhin  bleibt  die  diagnostische  Bedeutung  des  Phänomens 
indirekt  insofern  erhalten,  als  körperfremde  Bazillen  in  der 
Regel  nur  bei  gleichzeitiger  Infektion  zur  Auflösung  in  den 
Geweben  gelangen  werden;  aber  ohne  Ausnahme  wird  auch 
diese  Regel  nicht  sein,  und  wenn  man  schon  in  Epidemiezeiten 
in  den  Fäces  Gesunder  und  gesund  Bleibender  lebende  Typhus- 
bazillen gefunden  hat,  so  wird  der  Schritt  nicht  allzuweit 
sein  zu  dem  Zugeständnisse,  dafs  gelegentlich  auch  bei  einem 
erfolglosen  Infektionsversuche  Bakterien  in  den  Ge- 
weben^zur  Auflösung  gelangen  können.  Und  schon 
geringe  Mengen  aufgelöster  und  resorbierter  Bakteriensubstanz 
reichen  aus,  um  diese  überaus  empfindliche  Reaktion  im  Blute 
auszulösen.  Vielleicht  lassen  sich  aus  diesem  Verhalten  manche, 
aus  positivem  Ausfall  der  Gruber-Widalschen  Reaktion  her- 
geleitete Fehldiagnosen  erklären.  Vollends  bei  einem  weit  ver- 
breiteten Darmbewohner,  der  —  wie  der  Kolibazillus  —  das  Be- 
streben  zeigt,  in  alle  abgestorbenen  oder  auch  nur  geschwächten 
Gewebspartien  einzudringen,  wird  man  sich  auf  die  Agglutination 
um  so  weniger  stützen  können ,  als  begreiflicherweise  schon  das 
Serum  des  nicht  nachweislich  an  Koliinfekten  kranken  Menschen 
in  mehr  als  der  Hälfte  der  Fälle  für  Kolibazillen  beträchthche^ 
Agglutinationswerte  zeigt.  Denn  hier  ist  an  Gelegenheiten  zum. 
Bakterienzerfall  und  zur  Resorption  gelöster  Bakterien  kein 
Mangel.  In  der  Tat  gibt  gerade  Pfaundler  neuerdings  zu,, 
»dafs  eine  praktische  Serodiagnostik,  etwa  jener  bei 
Abdominaltyphus  vergleichbar,  noch  nicht  geschaffen 
istc,  und  dafs  man  hier  mit  vielen  Fehlerquellen  zu  rechnen  habe. 

Wer  zwischen  den  Zeilen  zu  lesen  vermag,  dem  wird  die 
Unsicherheit  gegenüber  der  Stellung  des  Kolibazillus  als  patho- 
genen  Keimes  in  der  Literatur  nicht  entgangen  sein.     So  reden 

Archiv  für  Hygiene.    Bd.  LV.  23 


340     Neue  biologische  Beziehangen  swischen  Koli-  und  Typhasbakterien  etc. 

zwar  Escherich  und  Pfaundler^)  den  Kolibazillosen  recht  eifrig 
das  Wort,  trennen  den  Bazillus  aber  doch  von  den  > eigentlichen 
Krankheitserregern  €,  womit  wohl  gesagt  sein  soll,  daüs  sein  eigent- 
liches Wesen  im  Saprophytismus  liege  und  er  nur  gelegentlich, 
mehr  zufällig,  sich  unter  die  pathogenen  Mikroorganismen  verirre. 
Andere  weisen  wieder,  in  der  Absicht,  die  pathogenen  Fähigkeiten 
unseres  Mikroben  plausibler  zu  machen,  auf  seine  nahe  Verwandt- 
schaft mit  dem  Bact.  typhi  hin,  wie  man  etwa  nahen  Verwandten 
eines  notorischen  Missetäters  auch  eher  alles  Böse  zutraut. 

Waren  sonach  in  der  Menschen pathoIogie  ausreichende  Beweise 
für  die  Pathogenität  des  Bact.  coli  nicht  zu  finden,  so  hatte  sich 
dafür  ein  wichtiger  Hinweis  aus  den  Tierexperimenten  ergeben, 
welche  zeigten,  dafs  die  Virulenz  des  Kolibazillus  eine 
hohe  sei,  ja  dafs  sie  in  der  Regel  jene  der  Typhus- 
bazillen übertrifft;  so  tötete  beispielsweise  bei  Löffle r  und 
AbeP)  der  virulenteste  Typhusstamm  (Typhus  Koch)  Meerschwein- 
chen  von  200 — 300  g  in  der  Dosis  von  Vßo  Ose  einer  24  stündigen 
Agarkultur,  während  vom  Kolistamm  Wenzel  unter  gleichen  Be- 
dingungen  ^/goo  Ose,  sogar  in  kürzerer  Zeit,  tötete  (bei  Pfeiffer 
und  Kolle')  haben  die  virulentesten,  frisch  aus  der  Milz  gezüchteten 
T^phuskulturen  eine  Virulenz  von  % — ^50  Ose  20  stündiger  Agar- 
kultur). Aber  der  Begriff  der  Virulenz  ist  ein  unklarer,  er  zieht 
nur  den  Endeffekt,  den  Tod  des  Tieres  in  Rechnung,  ohne  die 
Art  zu  berücksichtigen,  wie  Krankheit  und  Tod  zustande  kommen. 
Wie  Verschiedenes  im  einzelnen  Falle  die  »Virulenzc  bedeutet, 
geht  aus  folgender  Betrachtung  hervor :  In  mehr  als  30  Versuchen 
an  Kaninchen  und  Meerschweinchen  mit  intrapleuraler  resp. 
intraperitonealer  Einverleibung  grofser  Mengen  von  4  Stämmen 
angehöriger  Diphtheriebazillen  vermochte  ich  niemals  eine  Ver- 
mehrung der  Bazillen  im  Tierkörper  zu  erzielen.    Die  Tiere  gingen 

1)  Pfaundler:  Immunität  gegen  Bact.  coli  im  Handbache  von  K o  1 1  e 
und  Wassermann. 

2)  L  ö  f  f  1  e  r  und  Abel,  Über  die  spezifilBchen  Eigenschaften  der  SchaU- 
körper  im  Blute  typhus-  und  coli- immuner  Tiere.  Zentralbl.  f.  Bakt.,  1896 
L,  19,  S.  61  fif. 

3)  Pfeiffer  und  K o  1 1  e ,  Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Inf ektionskrankh.,  Bd.  21, 
8.  208,  1896. 


Von  Dr.  Gottlieb  Salus.  341 

bei  gröfseren  Mengen  (bis  10  Kulturen  auf  Löfflerserum)  rascher 
zugrunde,  frühestens  nach  9  Stunden,  aber  stets  unter  dem  be- 
kannten Bilde  des  Toxintodes.  Hier  ist  also  Virulenz  vom  Virus 
herzuleiten.  Bei  der  Hueppeschen  hämorrhagischen  Septikämie 
wiederum  ist  von  einer  Giftwirkung  gar  nichts  wahrnehmbar,  viel- 
mehr erfolgt  der  Tod  infolge  der  schrankenlosen  Vermehrung 
der  Bazillen  und  des  Einbruchs  derselben  in  die  Blutbahn,  Da 
bedeutet  Virulenz  soviel  wie  unbegrenzte  Vermehrungsfähigkeit. 
Beim  Typhus  wiederum  mufs  zunächst  eine  beträchtliche,  aber 
nicht  unbeschränkte,  lokale  Vermehrung  erfolgen,  ehe  dann  die 
Oiftwirkung  den  Tod  der  Tiere  bewirkt.  Da  treten  zum  Begriffe 
-der  Virulenz  Vermehrungsmöglichkeit  und  Gift  Wirkung  zusammen.^) 
Es  schien  dem  Verfasser  daher  aus  dem  Grunde  die  Bai  Ische 
Aggressintheorie  besonders  geeignet,  den  Ausgangspunkt  experi- 
menteller Untersuchungen  über  die  Pathogenität  zu  bilden,  weil 
sie  den  Virulenzbegriff  in  seine  Faktoren  zerlegt  und 
die  Giftwirkungen,  welche  uns  noch  recht  wenig  klar  sind,  beiseite 
jassend,  uns  in  der  Fähigkeit,  im  Tierkörper  zu  haften 
und  sich  dort  zu  vermehren,  einen  festen  Mafsstab  in  die 
Hand  gibt.  Wenn  wir  von  den,  offenbar  nicht  zahlreichen  Krank- 
heitserregern absehen,  welche,  wie  der  Diphtheriebazillus,  ein  sehr 
heftiges  Gift  bilden,  das  schon  bei  Resorption  von  minimalen 
Mengen  von  der  Oberfläche  her  tödlich  wirkt,  Bazillen,  die  einer 
Haftung  im  Tierkörper  überhaupt  nicht  bedürfen,  deren  Wirkung 
•eher  als  Intoxikation  denn  als  Infektion  zu  bezeichnen  ist,  so 
bilden  alle  anderen  pathogenen  Keime  Aggressin.  Was  unter 
-diesem  Namen  zu  verstehen  ist,  geht  aus  den  Arbeiten  von  BaiP), 

1)  Interessanterweise  fanden  viele  Aatoren  (Cesaris  De  mal  and  Orl  andi, 
Gabritschevsky,  Pfaundler  a.  a.),  daTs  anmittelbar  aas  ihrem  saprophyti- 
«eben  Leben  beraos  gez&cbtete  Kolistämme  eine  geringere  Viralenz  haben  and 
die  Giftwirkung  in  den  Vordergrund  tritt,  die  sich  somit  als  eine  saprophy tische 
Eigenschaft  kundgibt.  Auch  durch  gröfsere  Mengen  abgetöteter  Baiillen 
kann  man  den  Tod  herbeiführen.  Die  aus  dem  kranken  Körper  gezüchteten 
Bazillen  haben  eine  gröfsere  Virulenz,  sie  töten  in  Bruchteilen  einer  Öse. 
Die  ersteren  sind  als  Halbsaprophyten,  die  letzteren  als  Halbparasiten  zu 
bezeichnen. 

2)  B  a  i  1  0. ,  Untersuchungen  über  Typhus-  und  Choleraimmunität,  Archiv 
1  Hyg.,  Bd.  LH.  —  Über  das  Aggressin   des  TaberkelbazillnB.    Wiener   klin. 

23» 


342     Neue  biologische  Beziehungen  zwischen  Koli-  und  Typhasbakterien  etc. 

WeiP)  und  Kikuchi^)  zur  Genüge  hervor.  Die  untersuchten 
Bakterien  (Milzbrand,  Hühnercholera;  Cholera,  Typhus,  Dysen- 
terie) vermehren  sich  im  Tierkörper  unter  Bildung  von  Flüssig- 
keiten  (Exsudaten,  Ödemen),  welche  —  von  den  Bakterien  be- 
freit —  an  sich  meist  imschädlich  sind,  aber  die  Fähigkeit  be- 
sitzen, das  Haften  und  die  Vermehrung  der  homologen  Bakterien 
im  Tiere  zu  befördern.  Es  kann  in  einem  derartigen  Exsudate 
neben  dem  >  Aggressinc  auch  ein  Toxin  vorkommen,  doch  geschieht 
dies  nur  ausnahmsweise  (z.  B.  bei  Dysenterie  nach  Kikuchi); 
es  kann  geschehen,  dafs  ein  Stamm  (vide  ibidem)  zunächst  nur 
in  gölseren  Mengen  haftet,  doch  wird  die  Menge  immer  kleiner, 
je  wirksamer  sein  Aggressin  durch  Tierpassagen  geworden  ist. 
Auch  Saprophyten  kann  man,  wie  Weil  wenigstens  am  Subtilis 
zeigte,  zur  Aggressinbildung  zwingen,  aber  mit  der  ersten  Über- 
impfung auf  einen  künstlichen  Nährboden  ist  diese  Fähigkeit 
wieder  in  Verlust  geraten.  Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  wurde 
der  Kolibazillus  auf  seine  pathogenen  Fähigkeiten  geprüft. 

Eigene  Versuche. 

Der  von  mir  verwendete  Kolistamm  ist  ein  typisches  bac- 
terium  coli  commune,  das  unter  der  Bezeichnung  iKoli  Präge 
seit  langem  im  Institute  fortgezüchtet  wird.  Es  ist  recht  lebhaft 
beweglich,  vergärt  Zuckerarten,  koaguliert  Milch,  bildet  Indol, 
wächst  auf  Drigalski-Conradi -Nährboden  rot.  Seine  Virulenz, 
welche  sich  recht  konstant  erwies,  beträgt  für  ein  Meerschwein- 
chen von  200  g  bei  Verwendung  einer  20  stündigen  Agarkultur 


Wochenschr.,  1905,  Nr.  21.  —  Untersuchungen  über  die  AggressivitAt  des 
Choleravibrio.  Archiv  f.  Hyg.,  Bd.  LUX.  —  Überempfilndlichkeit  bei  taber- 
kulOsen  Tieren.     Wiener  klin.  Wochenschr.,  1905,  Nr.  30. 

1)  E.  Weil ,  Untersuchungen  über  Infektion  und Immunit&t  bei  HQhner- 
Cholera.  Archiv  f.  Hyg.,  Bd.  LH.  —  Die  passive  AggressinimmunitAt  bei 
Hühnercholera.  Wiener  klin.  Wochenschr.,  1905,  Nr.  16.  —  Über  die  Wachs- 
tumsmOglicbkeit  des  Heubazillus  im  TierkOrper.  Wiener  klin.  Wochenschr., 
1905,  Nr.  25.  —  Die  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  aggressin- 
immunen  Hübnercholeratieren.    Archiv  f.  Hyg.,  Bd.  LIV. 

2)  Kikuchi  Y.,  Untersuchungen  über  den  Shiga-Kruseschen  Dysen- 
teriebazillus.    Archiv  f.  Hyg.,  Bd.  LU. 


Von  Dr.  Gottlieb  Salas.  343 

^/4o  Ose.  Über  24  Stunden  alte  Kulturen  enthalten  schon  so  viele 
tote  Bazillen,  dals  die  Virulenz  sinkt  und  inkonstant  wird,  wes- 
halb stets  junge  Kulturen  Verwendung  fanden.  Da  sich  auch 
der  in  den  weiteren  Versuchen  verwendete  Typhusstamm  »Ty- 
phus Dobrzanc  als  recht  virulent  (tödliche  Dosis  für  ein  M  200  g 
=  V25  Öse)  und  konstant  erwies,  wurde  von  Serienimpfungen  Ab- 
stand genommen,  und  es  sind  die  Versuche  ausschlielslich  mit 
stets  neuen  Kulturen,  die  von  Kulturbazillen  stammen,  ausgeführt. 

Um  wirksames  Aggressin  zu  gewinnen,  wurden  später  grofse 
Meerschweinchen,  von  ca.  600  g'mit  grofsen  Bazillenmengen  (Agar- 
kultur,  in  junger  Bouillonkultur  aufgeschwemmt)  intraperitoneal 
geimpft.  Das  unter  allen  aseptischen  Kautelen  gewonnene  Peri- 
touealexsudat  wurde  durch  mehrere  Stunden  sorgfältig  zentri- 
fugiert,  bis  es  zell-  und  bakterienfrei  erschien.  Dann  wurde  die 
klare,  gelbliche  fadenziehende  Flüssigkeit  mit  Toluol  versetzt  und 
in  den  Eisschrank  gestellt.  Von  Zeit  zu  Zeit  impft  man  davon 
in  Bouillon  ab,  und  wenn  zwei  aufeinander  folgende  Impfungen 
ein  negatives  Resultat  ergeben  haben,  dann  ist  das  Exsudat  ge- 
brauchsfertig.    Darüber  verstreichen  gewöhnlich  2 — 3  Tage. 

Das  Aggressin  erwies  sich  bei  subkutaner  und  intraperito- 
nealer Injection  in  Mengen  von  1,  2,  2,5  ccm  bei  Meerschwein- 
chen unschädlich ;  eine  Kaninchen  vertrug  ohne  Gewichtsabnahme 
3  Injektionen  von  2,  3  und  6  ccm;  nachdem  es  durch  mehrere 
Blutentnahmen  geschwächt  worden  war,  trat  eine  passagere  Ge- 
wichtsabnahme auf  die  Injektion  von  10  ccm  eines  Aggressins 
ein,  nach  welchem  auch  die  injizierten  Meerschweinchen  durch 
3—4  Tage  einen  Stillstand  des  Gewichtes  zeigten.  Der  Verlust 
eines  Tieres  durch  Aggressininjektion  ist  niemals 
vorgekommen. 


1)  Dörr  (Wiener  klin.  Wochenschr.,  Nr.  42)  erwähnt  die  Möglichkeit, 
dafs  eine  ähnliche  Wirkung  wie  die  der  Aggressine  entstehen  kann,  wenn 
man  das  Toluol  zu  verdunsten  vergiÜBt  Abgesehen  davon^  daTis  Immunität 
nicht  zu  erzielen  wäre,  ist  man  in  hier  nicht  aufgenommenen  Versuchen  oft 
genug  in  der  Lage  gewesen,  durch  sorgfältiges  Abzentrifugieren  jede  Sterili- 
sierung, also  auch  den  Toluolzusatz  zu  ersparen.  Auch  könnte  das  Toluol 
nur  lokal  reizen,  während  man  Aggressin  und  Bazillen  an  verschiedener  Stelle 
einbringen  kann,  z.  B.  Aggressin  subkutan,  Bazillen  intraperitoneal. 


344     ^^ott  hkAo^xht  Beä^jsmgen  zwisäkcn  Kofi-  und  TTphosbAktencn 


M.  290g  18.  V.      1    ccm  Afp.  fobkiiL,  kOB  InfiltnL  13.  VL  Gevichs 365 b 
lL33&gl&VL     2      »         »  >  »  »        19.  VL         >         350?; 

M.  180  g  &  Vm.  1^    •         »  .        6.  EL  2€cm  Agsr.   14  DL  Gewi^u 

M.  195  g  27.  DL   2^    >         >  >      29.  IX.  kern  Infihnt  195  g;  17.  X.  Ge- 

wicht 295  g, 
M.210g27.IX.   2      »         »  »      29.DL      >  »        205^17.  X.G«- 

vicbt285g^ 
3L195g  27.IX.   2      >         >  >      29.1X.      >  >         196g;5.X.Gc- 

widit  2S5g, 
Kaa.  835  g  19.  VL   2      >         >  >      27.  VL    1090  g,  3  ccm  Aggr.,  3L  VIL 

UlOg;  Geciii  Aggr.,  27.  CL  2066«. 
nach  lOecm  Aggr.  Torübergebend  abgcnoimcn. 

Unter  den  Ton  B  a  i  I  festgestellten  Eigenschaften  der  Aggres- 
sine  wurden  folgende  in  onseren  Versuchen  herangezogen: 

1.  Die  Verwandlung  untertödlicher  Mengen  Ton  Koli  in 
tödliche 

2.  Die  Umwandlung  des  Befundes  der  leichteren  Infektion, 
wie  er  sonst  durch  die  einfach  tödliche  Doös  oder  niedere 
Multipla  derselben  bedingt  wird,  in  das  anatomische  Bild 
der  schweren  Infektion 

3.  Die  Erzeugung  aktiver  Immunität  mit  dem  blolsen, 
sterilen  Aggressin. 

Zunächst  wurde  geprüft,  ob  sich  durch  Mitinjektion  des 
sterilisierten  Elxsudats  mit  Bazillen  überhaupt  ein  Unterschied 
ergebe. 

M.  I  von  210  g  bekommt  1  Ose  Koli  intraperitoneal :  stirbt  nach  21  SuL; 
liefert  3^/,  ccm  Exsudat.   Exsodmt  zentrifdgiert,  mit  'Tolnol  steriKaieft. 

M.  II,  230  g,  bekommt  2  ccm  dieses  Exsudats  -f-  '/m  f^  ^eli  intrmpen- 
toneal,  stirbt  nach  12  8td.;  minimale  Aoilagerangen  am  Leb^raad»  daria 
qrfiriiche  LeakozjTten,  sehr  zahlreiche  Bazillen.  7  ccm  trabes,  fMat  aellfreies 
Exsudat  mit  zahllosen  Bazillen. 

Kontrolltier  M.  XU,  210  g,  bekommt  >/,«  Ose  Koü  iatraperitoneal ;  stirbt 
nach  22  8td.  mit  leichlichen  Aofli^gerongea  aof  Leber,  Milz  und  Ne^  wekha 
Tiele  Lenkosyten  and  namentlich  Tiele  Fbagosyten  seigen.  ZeUfSiebes^  raadk 
gerinnendes  Exsodat    Ziemlich  Tiete  Bazillen 

Es  ist  also  das  Kontrolltier,  obwohl  kleiner,  um  10  Stunden 
später  und  unter  minder  schwerem  Befunde  gestorben. 


Von  Dr.  Gottlieb  Salus.  345 

II.  Yersneh  (Aggressin  Ton  M  IT).  ^) 

M.  V.,  260  g,  V40  ^Be  Koli  intraperitoneal  in  3  ccm  pbysiol.  Kochsali- 
lösang.') 

Kapillarontnabmen:  Nacb  3  Std. :  Viele  Leukozyten,  Bazillen  gans  ver- 
einzelt. 
Nacb  5Std. :  Der  Tropfen  toII  Leukozyten,   einzelne  Bazillen  erst  in 

vielen  Gesicbtsfeldem. 
Nach  7  Std. :  Bazillen  verschwunden,  Leukozyten  in  Abnahme,  bleibt 
dauernd  gesund. 
M.  VI,  290  g,  bekommt  V«o  ^^  ^^^^  ^  ^  ^^^^  sterilen  Aggressins  intra- 
peritoneal. 

Kapillar  entnahmen:  Nach  3  Std.:  Sehr  wenige  Leukozyten,  ziemlich 
viele  Bazillen. 
Nach  5  Std. :  Sehr  wenige  Leukozyten,  sehr  viele  Bazillen. 
Nach  7  Std. :  Sehr  wenige  Leukozyten,  sehr  zahlreiche  Bazillen.  Tier 
sehr  krank.  Stirbt  12  Stunden  nach  der  Infektion  mit  5  ccm  zell- 
armen, mit  Bazillen  angefQllten  Peritonealezsudats  und  spärlichen, 
bazillenreichen  Auflagerungen. 

in.  Yersneh  (Aggressin  von  MYII). 

M.  VIII  von  160  g  Gewicht  bekommt  V«o  Öse  Koli  in  4  ccm  Kochsalz- 
lösung intraperitoneal. 

Kapillarentnahme  nach  3  Std.:  Viele  Leukozyten,  Bazillen  vor- 
handen. 

Stirbt  nach  26  Std.  mit  vielen  Auflagerungen  und  wenigen  Tropfen  Ex- 
sudats.   Mälsiger  Bazillengehalt,  viele  Phagozyten. 

M.  IX,  von  160  g,  bekommt  V40  Öse  Koli  in  4  ccm  Aggressin  intrapeiitoneal. 

Kapillarentnahme  nach  3  Std.:  Tier  sehr  krank.  Massenhafte 
Bazillen,  im  Tropfen  ein  einziges  Leukozytenklümpchen. 

Stirbt  nach  13  Std.  mit  3  ccm  £xsudat,  darin  massenhafte  Bazillen, 
wenige  Leukozyten. 

Auch  hier  überlebt  das  Eon  troll  tier  um  13  Stunden  und  geht 
unter  den  Erscheinungen  der  leichteren  Infektion  zugrunde  als 
das  Aggressintier.  Aber  es  stirbt  schliefsUch  auch  das  Kontroll- 
tier, weil  die  angewandte  Dosis  für  das  kleine  Tier  nicht  mehr 
untertödlich  ist. 

IT.  Yersneh  (Aggressin  Ton  MX). 

M.  XI,  135  g,  bekommt  Veo  ^^e  Koli  in  4  ccm  Kochsalzlösung  intra- 
peritoneal. 


1)  £in  Teil  der  Versuche  ist  in  der  Wiener  klin.  Wochenschrift^  1905, 
Nr.  25,  mitgeteilt. 

2)  Die  Verteilung  der  Bazillen   für   die  Kontrolltiere   in  normalem 
Serum  ändert  nichts  an  den  Resultaten. 


346     Neue  biologische  Beziehungen  zwischen  Koli-  und  Typhusbakterien  etc. 

Kapillarentnahme  nach  4  Std. :  Massenhafte  Leukozyten,  keine 
Bazillen;  dauernd  gesund. 

M.  XII,  150  g,  bekommt  Veo  ^^^  ^^^^  ^^  ^Vt  ccm  Aggressin  -f-  ^Vi  ccm 
Kochsalzlösung. 

Kapillarentnahme  nach  4  Std.:  Wenige  Leukozyten,  spärliche 
Bazillen. 

Stirbt  nach  15  Std.  mit  subkutanem  ödem ;  massenhafte  Bazillen  in  dem 
IVt  ccm  Perl tonealexsudat  und  den  wenigen  Auflagerungen. 

Aus  diesen  Versuchen  geht  hervor,  dafs  dem  Kolibazillus 
in  hohem  Mafse  die  Fähigkeit  zukommt,  sein  Haften  im  Tier- 
körper durch  Aggressinproduktiou  zu  erzwingen;  dabei  werden 
untertödUche  Mengen  zu  tödlichen  und  der  Befund  der  leichteren 
Infektion  zu  dem  der  schweren.  Ein  Eindringen  in  die  Blutbahn 
erfolgt  nicht,  vielmehr  reiht  sich  der  Kolibazillus  den  Halbpara- 
siten im  Sinne  Bails  an,  die  sich  nur  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  lokal  vermehren  und  dann  augenscheinlich  durch  Gift 
töten.  Auch  ist  bei  ihnen  nicht  wie  bei  den  Parasiten  die  In- 
fektionsstelle gleichgültig.  Erwähnt  sei  hier,  dafs  sich  die  intra- 
peritoneale Infektion  der  hier  genannten  Mengen  des  blofsen 
Aggressins  für  Tiere  gleicher  Gröfse  unschädlich  erwies. 

Es  war  nun  zu  prüfen,  ob  man  die  Tiere  mit  dem  blofsen 
Aggressin  auch  immunisieren  könne,  zunächst  aktiv.  Zu  diesem 
Zwecke  wurden  kleine  Meerschweinchen  mit  sterilem  Aggressin 
einmal  oder  mehrmals  und  dann  in  steigenden  Dosen  und  ent- 
sprechenden Intervallen  subkutan  injiziert.  Zunächst  ergab  sich, 
dafs  es  notwendig  sei,  mindestens  14  Tage,  besser  noch  3  Wochen 
nach  der  letzten  Injektion  zu  warten,  ehe  man  die  Tiere  infizierte. 
Nach  10  Tagen  war  mitunter  bereits  ein  genügender  Schutz 
vorhanden,  doch  gingen  mehrere  Tiere  nach  der  Infektion  höherer 
Multipla  der  tödlichen  Dosis  zugrunde,  offenbar  weil  noch  nicht 
alles  Aggressin  verarbeitet  war.  Wurde  jedoch  3  Wochen  lang 
gewartet,  dann  erwies  sich  die  einmalige  Injektion  von  2  bis 
2,5  ccm  völlig  ausreichend,  um  gegen  20— 40  fache  tödliche  Dosen 
der  Kulturbazillen  sicher  zu  schützen.  In  den  so  aktiv  immunen 
Tieren  ist  den  Bakterien  durch  den  antiaggressiven  Zustand  jede 
Vermehrungsfähigkeit  benommen,  und  die  injizierten  Mengen 
liefern   nicht  genug  Gift,   um   die  Tiere   zu  töten,   die   mitunter 


Von  Dr.  Gottlieb  Salus.  349 

bazillus.  Nach  Entdeckung  des  letzteren  zeigte  sich  die  Un- 
möglichkeit, die  beiden  nach  morphologischen  Merk- 
malen auseinander  zu  halten.  Hätte  Gaffky  nicht  das 
differente  Wachstum  auf  der  Kartoffel  hervorgehoben,  dann  wüIsten 
wir  heute  nicht,  ob  er  Typhus-  oder  Kolibakterien  in  der  Hand 
gehabt  habe.  Man  sah  sich  genötigt,  auf  eine  botanische  Son- 
derung der  beiden  und  einiger  ähnlichen  Bakterien  zu  verzichten 
und  sie  Ueber,  da  aus  ätiologischen  Gründen  die  Trennung  wün- 
schenswert erschien,  auf  Grund  physiologischer  Unterscheidungs- 
merkmale zu  » gruppieren  c.  Als  solche  Unterscheidungsmerkmale 
wurde  die  Vergärung  von  Zuckerarten,  die  Milchkoagulation,  über- 
haupt die  Säuerung  kohlehydrathaltiger  Substrate  und  die  Indol- 
bildung  in  proteinhaltigen  Nährlösungen  verwendet,  dann  das 
üppigere  Wachstum  auf  der  Kartoffel.  Alle  diese  Eigenschaften 
fanden  sich  im  positiven  Sinne  beim  Kolibazillus  vor,  nur  die 
BewegUchkeit  soll  beim  Typhusbakterium  eine  gröfsere  sein, 
eine  Angabe,  welcher  die  Messungen  der  Geschwindigkeit  beider 
Mikroben  durch  Gabritschevsky  widersprechen. 

Schon  zu  Anfang  der  neunziger  Jahre  trat  die  Lyoner  Schule, 
mit  Rodet  und  G.  Roux^)  an  der  Spitze,  für  die  Identität  des 
Bact.  typhi  und  des  Kolibazillus  ein.  Sie  wiesen  darauf  hin,  dafs 
man  in  typhusverdächtigem  Wasser  nur  äufserst  selten  Typhus-, 
dagegen  sehr  oft  KoUbazillen  vorfinde;  nach  Vallet^)  sollte  die 
1  Viruleszierungc  des  Koli  durch  den  Aufenthalt  in  Kloakenjauche 
so  weit  gehen,  dafs  es  dann  befähigt  werden  sollte,  beim  Menschen 
Typhus  zu  erzeugen.  Sie  betonten  weiter,  dafs  die  Artbestimmung 
in  der  Bakteriologie  sehr  schwer  sei,  weil  es  inneriialb  einer  Art 
die  mannigfachsten  Variationen  im  chemischen  und  biologischen 
Verhalten  gebe.      So  seien  Typhus-  und  Kolibazillus  in  bezug 


1)  G.  Roax  et  Rodet:  Colibacille  et  bacille  d'Eberth  (Le  balletln 
möd.  18d2,  Nr.  39.  —  Rodet  A.  et  Roax  G.:  Bacille  d'Eberth  et  badllas  coli. 
Exp^riences  comparativee  aar  qaelqaee  eifets  pathogänes.  Arch.  de  möd.  exp^r. 
et  anat  pathol.,  T.  IV.  Nr.  3.  —  R  o  d  e  t  A. :  De  la  variabilit^  dans  les  micro- 
bes  aa  point  de  vae,  morphologiqae  et  physiologiqae,  1895  (Zentrmlbl.  f. 
Bakt.  18,  8.  498  fP.). 

2)  Vallet,  Le  bac.  d'Eberth  et  l'^tiologie  de  la  flöyre  tjrphoide.  Th^se 
de  Lyon,  1890. 


350     Neue  biologische  BeziehuDgen  zwischen  Koli-  und  Typhasbakterien  etc. 

• 

auf  die  experimentelle  Infektion  nicht  scharf  zu  trennen ;  vor  allem 
aber  glaubten  die  französischen  Autoren  ihren  Standpunkt  damit 
begründen  zu  können,  dafs  es  ihnen  gelungen  sei,  den  Kolibazillus 
»eberthiformc  zu  machen,  d.  h.  durch  Alter,  Erwärmen,  Zusatz 
von  Antisepticis  zu  den  Kulturen  eine  Anzahl  intermediärer 
Formen  zu  erzeugen,  welche  z.  B.  Milchzucker  nicht  zu  ver- 
gären vermochten  und  die  aktiven  Kolieigenschaften  in  so  ab- 
geschwächter  Weise  darboten,  dafs  sie  sich  den  Typhusbazillen 
erheblich  näherten. 

Diesen  Anschauungen,  welche  auch  von  Arloing^)  auf  dem 
VII.  internationalen  Kongrefs  zu  London  vertreten  wurden,  kann 
man  zwar  mit  Vi  Hinge  r  2)  entgegenhalten,  dafs  es  sich  nur  um 
eine  Verkümmerung  der  aktiven  Kolieigenschaften  durch  künst- 
liche Mittel  gehandelt  habe;  aber  seither  hat  die  Natur  vielfach 
die  Arbeiten  der  Lyoner  wieder  in  Erinnerung  gebracht,  indem  eine 
nahezu  lückenlose  Reihe  erkannt  wurde,  an  deren  beiden  Enden 
das  typische  Typhus-  und  Kolibakterium  stehen,  und  bei  denen 
man  wohl  nicht  an  eine  Verkümmerung  denken  kann.  So  stehen 
die  Paratyphusbazillen  sicher  dem  Typhusbakterium  näher  als  dem 
Kolibazillus,  wenigstens  in  bezug  auf  ihre  Pathogenität,  denn 
klinisch  und  anatomisch  erzeugen  sie  denn  doch  nur  Abdominal- 
typhus;  sie  vergären  aber  Traubenzucker,  und  damit  ist  der  Wert 
dieses  Unterscheidungsmittels  für  die  pathologische  Mykologie 
erheblich  gesunken.  Und  so  geht  es  mit  den  anderen  Unter- 
scheidungsmerkmalen auch,  wir  kennen  Kolistämme  (Lembke, 
Matzuschita)^)  die  keinlndol  bilden,  und  dem  Typhus  sehr  nahe 
stehende  Bazillen  (Dysenterie),  die  unbeweglich  sind;  die  Coli- 
bazillen  färben  den  Drigalski-Conradi-Agar  rot,  die  Typbus- 
bazillen lassen  ihn  blau,  während  sich  nach  H.  Kays  er*)  meh- 
rere, der  Koligruppe  angehörige  intermediäre  Stämme  zur  Säuerung 

1)  Arloing,  Zentralbl.  f.  Bakt,  11,  S.  120,  121.  Vn.  internat.  KongrelB 
zu  London. 

2)  Villinger,  Über  die  Veränderung  einiger  Lebenseigenschaften  des 
B.  coli  commune  durch  äufsere  Einflüsse.  Archiv  f.  Hyg.,  1894,  Bd.  21,  8. 101  ff. 

3)  Matzuschita,  Archiv  f.  Hyg.,  41,  3. 

4)  H.  Kayser,  Zentralbl.  f.  Bakt.,  1902,  L  Abt.,  Bd.  31,  Nr.  9. 


Von  Dr.  Gottlieb  Salus.  351 

dieses  Substrates  genau  so  verhalten  wie  der  Typhusbazillus.  Immer 
gröfser  wird  der  Apparat,  den  wir  in  Bewegung  setzen  müssen, 
wenn  wir  eine  Entscheidung  treffen  sollen,  ob  ein  vorliegender 
Mikrobe  als  Typhuserreger  anzusprechen  sei  und  diese  Ängstlich- 
keit,  dieses  nicht  Genugtuenkönnen  an  Differenzierungsmitteln 
ist  an  sich  schon  ein  beredtes  Zeugnis  dafür,  wie  wenig  wir  im 
Innern  von  der  totalen  Verschiedenheit  beider  Organismen  über- 
zeugt sind.  Treffend  hat  neuerlich  E.  Krencker^)  seine  Resultate, 
wie  folgt,  zusammengefafst :  Es  zeigt  sich,  dals  wir  gerade  in  dem 
Bestreben,  durch  Prüfung  des  Wachstums  auf  verschiedenen  Nähr- 
böden, durch  neue  Reaktionen  etc.  tiefere  Unterscheidungsmerk- 
male zu  finden  und  so  die  einzelnen  Arten  strenger  voneinander 
zu  trennen,  zu  dem  entgegengesetzten  Resultate  gelangt 
sin  de.  Am  weitesten  geht  Tar  che  tti^),  der  die  Anschauungen 
der  Lyoner  Schule  wieder  aufleben  läfst  und  die  Identität  der 
beiden  Organismen  proklamiert.  Nach  ihm  sollen  sich  die  beiden 
Mikrobien,  wenn  sie  gezwungen  werden,  durch  längere  Zeit  auf 
gleichartigen  Nährböden  zu  wachsen,  in  ihren  sonst  differenten 
Merkmalen  auszugleichen  streben,  und  im  Tierkörper  könne  man 
differenzierte  Formen  in  solche  von  intermediärem  Charakter  über- 
führen. Es  seien  nur  zartere  und  weniger  entwickelte  Koliformen 
mit  mehr  negativem  Charakter,  die  man  in  einer  bestimmten 
Krankheitsperiode  durch  besondere  Methoden  aus  dem  typhus- 
kranken Menschen  züchten  kann  und  als  bact.  typhi  bezeichnet, 
wobei  zu  dem  besonderen  Kulturverfahren  die  modifizierende 
Wirkung  des  erkrankten  Organismus  hinzukomme.  >  Dieses 
proteusartige  Gebilde,  welches  in  normalen  Verhältnissen  als 
harmloser  Gast  im  Darme  vegetiert,  kann  unter  besonderen  Be- 
dingungen verminderter  organischer  Resistenz  oder  von  gesteigerter 
Virulenz  eine  sowohl  anatomisch  als  klinisch  mannigfache  Reihe 
von  Krankheitszuständen  hervorrufen  und  darunter  auch  das 
Typhusfieber c.  Tarchettis  Gedankengang  würde  so  mancher 
Bakteriologe   gern   teilen,    wenn  ihn   nicht  die   Möglichkeit  der 

1)  E.  Krencker,  Zur  Biologie  der  Typhus-Koligrappe.    Zentralbl.  für 
Bakt.,  1905,  H.  1,  S.  14  fif. 

2)  Tarchetti  C,  Autoreferat.    Zentralbl.  f.  Bakt,  1905,  S.  307. 


352     Neue  biologische  Beziehungen  zwischen  Koli-  und  Typhasbakterien  etc. 

endogenen  Typhusinfektion  als  logischer  Schlufsfordening 
davon  abhalten  würde;  nur  um  die  bewährten  prophylaktischen 
Mafsnahmen  nicht  zu  gefährden,  hält  man  solange  als  möglich 
an  der  Unterscheidung  fest,  aber  viele  Bakteriologen  werden  zu- 
geben, dals  die  Trennungsbestrebungen  die  Annäherung  nur  be- 
fördern.^) Die  ganze  Literatur,  welche  man  hierfür  heranziehen 
könnte,  zu  erwähnen,  würde  viel  zu  weit  führen. 

Besonderes  Interesse  für  die  folgenden  Untersuchungsresultate 
bietet  der  Streit  um  die  sog.  »biologische  Aquivalenzc.  Um 
das  Jahr  1893  hatten  fast  gleichzeitig  Sanarelli^),  Cesaris 
Demel  und  Orlandi  und  Agro  gefunden,  dafs  man  Meer- 
schweinchen, die  gegen  Kolibakterien  immunisiert  waren,  tödliche 
Mengen  von  Typhusbakterien  einimpfen  könne,  ohne  die  Tiere 
wesentlich  zu  gefälirden  und  auch  umgekehrt.  Sonach  bestehe 
eine  Äquivalenz  der  > Stoffwechsel-  und  Reaktionsprodukte c  beider 
Bakterien.  Sie  hatten  nur  die  einfach  tödlichen  Dosen  verwendet. 
Ihnen  widersprach  Neisser'),  dessen  Versuche  an  Mäusen  lehrten, 
dafs  die  gegen  die  10  bis  20  fache  tödliche  Dosis  von  Typhus- 
bazillen immunisierten  Tiere  nicht  geschützt  erscheinen  gegen 
die  2  bis  4  fache  tödliche  Kolidosis  und  meist  auch  umgekehrt. 
In  gröfserem  Mafsstabe  und  unter  Benutzung  der  passiven 
Immunität  haben  Löff  1er  und  Abel*)  diese  Versuche  wieder 
aufgenommen ;  sie  immunisierten  Hunde  gegen  Typhus  und  Koli 
und  schützten  mit  diesem  Serum  Meerschweinchen,  wobei  sie 
folgende   Resultate  bekamen:   Die  Sera  zeigten  eine   spezifische 


1)  P  o  r  c  i  1  e  (Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Inf.,  1903,  Bd.  50)  und  Z  u  p  n  i  k  (Zeitschr. 
f.  Hyg.  u.  Inf.,  1905,  Bd.  49)  nahmen  in  der  spezifischen  Agglutination  ein 
Trennungsmittel  für  die  zum  Typhus-  oder  Kolibazillus  zugehörigen  Bakterien 
an.  Letzterer,  der  diese  Anschauung  auf  Grund  ausgedehnter  Untersuchungen 
verficht,  will  bei  den  > Grenzarten«  lieber  die  differente  Indolbildung,  Säuerung 
etc.,  als  untergeordnete,  nicht  spezifische  Unterschiede  ansehen. 

2)  Sanarelli,  lätudes  sur  la  fi^vre  typhoide  expörimentale.  Ajinales 
Pasteur,  1894,  Bd.  VIII,  p.  224. 

3)  E.  Neisser,  Untersuchungen  über  den  Typhusbazillus  und  das 
Bact.  coli  commune.    Zeitschr.  f.  klin.  Mediz.,  1893,  p.  93. 

4)  F.  Löff  1er  und  R.  Abel,  tjber  die  spezifischen  Eigenschaften  der 
Schutzkörper  im  Blute  typhus-  und  koliimmuner  Tiere.  Zentralbl.  f.  fiakt, 
1896,  I,  19,  S.  51—70. 


Von  Dr.  Gottlieb  Salas.  353 

Schutzwirkung  nur  gegenüber  derjenigen  Bakterienart,  welcher 
sie  ihre  Entstehung  verdankten.  Gewöhnliches  Seram  nicht  vor- 
behandelter Tiere  zeigt  eine  schützende  Wirkung  gegen  die  tödlichen 
Dosen  von  Typhus  und  Kolibakterien  und  auch  gegen  niedrige 
Multipla  derselben.  Das  Typhusserum  schützte  gegen  eine  etwas 
höhere  Dosis  von  Kolibakterien,  wie  normales  Serum,  und  ebenso 
das  Koliserum  gegen  eine  etwas  höhere  Dosis  von  Typhusbakterien, 
wie  normales  Serum.  In  dem  etwas  erhöhten  Schutz  kommt 
gewissermaßen  die  Familienverwandtschaft  beider  Bakterienarten 
zum  Ausdruck.  Auf  die  Angaben  von  Löffler  und  Abel  beruft 
sich  auch  Zupnik  (1.  c.)  bei  Aufstellung  der  i Antitoxine c  als 
spezifischer  Familienreaktion ;  während  aber  L.  u.  A.  ausdrücklich 
aus  ihren  Versuchen  auf  das  Fehlen  eines  spezifischen  Schutzes 
der  Typhussera  gegen  Koli  und  umgekehrt  schliefsen  (das  kon- 
ventionelle Mals  spezifischen  Schutzes  offenbar  in  der  10  fach 
tödhchen  Dosis  erblickend),  deutet  Zupnik  ihre  Versuche  dahin, 
dafs  eine  spezifische,  wenn  auch  geringe  Schutz  Wirkung 
bestehe.  —  So  bleibt  die  Frage  der  biologischen  Äquivalenz  der 
bakteriziden  Immunsera  noch  immer  strittig. 

Eigene  Versuche. 

I.  Reziprozität  der  Aggressine. 

M.,  260  g,  bekommt  V40  ^^^  Typhus  in  3  ccm  KochsalzlOsang  intra- 
peritoneal. 

Entnahme  nach  3  Std. :  Reichliche  Leukosyten,  fast  keine  Bazillen. 
9  >5>  >  >  >>  > 

>  >      7     >      Leukozyten  in  Abnahme,  nur  ganz  vereinz.Bazillen. 
Bleibt  dauernd  gesund. 

M.,  285  g,  bekommt  V40  ^"^ '^yP^^B  in  3  ccm  Koliaggressin  intra- 
peritoneal. 

Entnahme  nach  3  Std. :  Mäfsiger  Leukozytengehalt,  ziemlich  viele  Bazillen. 

>  f     5    >     Ziemlich  viele  Leukozyten,  ziemlich  viele  Bazillen. 

>  »     7     >     Viele  Leukozyten,  ziemlich  viele  Bazillen. 
Stirbt  ca.  30  Std.  post  infect.  mit  beträchtlichen,  aus  vielen  Bazillen  und 

wenigen  Zellen  bestehenden  Auflagerungen.  Wenige  Tropfen  bazillenreichen 
Exsudats  mit  mäfsigem  Leukozytengehalt 

U.  Yersneh. 

M.,  150  g,  bekommt  V40  Öse  Typhus  in  4  ccm  physiol.  Kochsalzlösung 
intraperitoneaL 


354     Neae  biologische  Beziehangen  swischen  Koli-  und  Typhasbrnkterien  etc. 

Nach  3  Std. :  Reichliche  Leukozyten,  wenige  Bazillen. 

Bleibt  daaemd  gesund. 

M.,  150  g,  bekommt  Vm  ^^  Typhus  in  4  ccm  aggressiven  Koli- 
exsudats  intraperitoneal. 

Nach  3  Std. :  Recht  m&üngen  Leukozyten-  und  BaztUengehalt. 

Stirbt  nach  40  Std. :  Im  Exsudat  viele  Bazillen,  doch  auch  ziemlich  viele 
Leukozyten. 

ni.  Yersneh. 

M.,  165  g,  V40  ^8®  Typhus  in  4  ccm  Kochsalzlösung  intraperitoneaL 

Nach  4  Std. :  Viele  Leukozyten,  wenige  Bazillen. 

Bleibt  dauernd  gesund. 

M.,  180  g,  V«o  Os®  Typhus  in  2%  ccm  K  o  1  i  aggressin  (mit  Kochsalz- 
lösung auf  4  ccm  ergänzt). 

Nach    4  Std. :  MADsige  Leukozyten,  wenig  Bazillen. 

>      17     >      Sehr  krank,  im  Kapillartropfen  zahllose  Bazillen. 

Stirbt  nach  24  Std.  mit  3  ccm  bazillenreichen  Exsudats  und  vielen  Auf- 
lagerungen. 

Da  die  obigen  3  Versuche  übereinstimmend  gezeigt  hatten, 
dafs  das  KoUaggressin  auch  dem  Typhusbazillus  das  Festsetzen 
und  Auswachsen  im  Tierkörper  zur  tödlichen  Dosis  ermögliche, 
wurde  nunmehr  der  umgekehrte  Versuch  gemacht. 

IT.  Yersneh. 

M.,  600  g,  bekommt  intraperitoneal  eine  Typhusagarkultur  und  1  Bouillon- 
kultur.    Stirbt  mit  7  ccm  zellarmen,  bazillenreichen  Exsudats. 
Exsudat  zentrifugiert,  sterilisiert  mit  Toluol. 


M.  175  g  bek. 
V^p  Öse  Typhus 

in  2Va  ccm 
Kochsalzlösung 


M.  190  K  bek. 
V40  Öse  Typhus 

in  2Vt  ccm 
Typhusaggressin 


M.  175  g  bek. 

Veo  Öse  Koli 

in  2Vi  ccm 

Kochsalzlösung 


(12  V,  Uhr  mittags) 


M.  180  g  bek. 

Veo  Öse  Koli 

in  2*/,  ccm 

Typhusaggreesin 


Nach 
Std. 


Reichlich 
Leukozyten, 
nur  ganz  ver- 
einzelte Baz. 


Viele  Leukozyten, 

viele  Bazillen. 

Krank 


Reichlich 
Leukozyten, 
nur  ganz  ver- 
einzelte Baz. 


Wenige  verklumpte 
Leukozyten,  reich- 
liche Bazillen. 
Sehr  krank 


Nach 

18 

Std. 


Dauernd 
gesund 


Über  Nacht  ge- 
storben. Im  Exsu- 
dat fast  nichts  als 
Bazillen.  Nahezu 
keine  Auflagerun- 
gen 


Dauernd 
gesund 


Über  Nacht  ge- 
storben. Im  EIxsudat 
fast  nur  Bazillen. 
Nahezu  keine  Auf- 
lagerungen.    Ex- 
sudat auf  Drigalski- 
nährboden  geprüft^ 
nur  Koli  auf- 
gegangen. 


Yq»  Dr.  QoUlieb  ftftjiifl*  ,r  35&: 


Während  Typliusaggreasiii  für  Chaleravibrionen, 
CHoleraäggressin  für  Dyeenterlöba'ifilleri  unwirksam 
ist,  besteht  in  dieser  Hinsicht  zwischen  Typhuä  und^ 
K oll  eine  TÖllstftndige  Reziprozität. 


>  t  t         ■-,  •  .  r    '. 

4  .•  .       •  1    . 


IL  Schutzwirkung,  ini^  Koliai^gressin  gegen,  l^jpphiu.  erlangt 
Wie  wir  bereits  gesehen  haben,/^elingt  es,  Tiere,  durc  ein- 
malige Injektion  von  5^,  2^2  ^^  sl^ril^n  Koliaggressins  <gegen 
multipla  bis  zur  40  fachen  tödlichen  Kolidosia  zu  schützen.  Es 
wurde  nun  geprüft,  wie  sich  derartige  Tiere  gegen  die  Typhus^ 
infektion  verhielten.^ 

I.  Yersneh. 

M.,  560  g,  vorbebandelt  durch  , zw^imillige  Inj.ektipQ.- yon  ^oliag|gre98in. 
(1,  and  2  cqai  subkutan),  bekommt  1  Öse  Typhua  inti^aperitoneal  (m^tM^j- 
Nach  8  Std. :  Reichlich  Leukozyten,  keine  Bacillen. 
Bleibt  dauernd  gesund. 

M.,  415  g,  (KontrQlle) (bekommt  1  Öse«. Typhus. intraperitone^l.  ' 
Nach  3  Std. :  Keine  ]>iakozyten,  maaseinbafte  Ba^illßn^ 

>  7     >     Bazillen  sehr  zahlreich. 

Ist  tTiXji  tot  Ziemlich  viele,  mAfsig  zisUbaltige«  «ehr  bazillenteicfafis  Auf- 
lagernngen.  :;::,! 

Während  also  bei  dem  kleineren  Immui\tiere  die  schwere  Infektion 
bereits  nach  3  Std.  abgelaufen  war,  ging  das  gröfsere  Kontrolltier  daran  untier 
den  Zeichen  siemtich  schwerer  Infektion- Zugrunde  (in  max.  20  Std.).      '   ' " 

H.  Yennch. 

M.,  285  g,   einmal  vorbehandelt  mit  2,5  ccm  if oliaggressin,   bekommt 

^^/e  Ösen  Typhus  intraperitoneal.  :   r 

Nach  3  Std. :  Kapillare  voll  Leukozyten^  keine  BazUlen.  Das  l^ek^  bleibt 
dfioernd  gesund. 

M.,  255  g,  bekommt  »/e  Ösen  Typhus. 

Nach  3  Std.:  Massenhafte  Bazillen,  wefnige  Leukozyten.  ^     ^      - 

t      8     >      Moribund.    Früh  tot.      /  >     -     : 

m.  Yersneh. 

M.,  285  g,  einmal  mit  2  ccm  Kollaggrässin  subkutan  immunisiert^ 
bekommt  0,75  Ösen  Typhus  intraperitoneal. 

Nach  10  Min.  Viele  Bazillen,  I^mphozyten. 

>  30    >      Leukozyten  vereinzelt,  Bazillen  sehr  spärlich. 

>  40    >      Beginnendes  Zuströmen  von  Leukozyten,  keine  Otandia,'. 
einzelne  Bazillen  nur  mit  Mühe  auffindbar.  Das  Tier  wird'g^tötet  (siehe  iq»ttter). 

1)  Die  Versuche  sind  mit  Kulturbazillen,  nicht  mit  tierischen  BakiÜen 
angestellt^  da  praktische  Ziele  nicht;  verfolgt  wurden. 

Archiv  für  Hygiene.   Bd.  LV.  24 


)      I . 


366     Neae  biologische  Beziehungen  swischen  Eoli-  and  Taberkelbazillen  etc. 

M.,  200  g,  (Kontroll)  bekommt  0,875  Ösen  Typboa  intrapeiitoneaL 
Nach  46  Min. :   Sehr  viele  Banllen,  sehr  viele,  sa  Klumpen  geballte 
Lenkosyten.    Früh  tot 

Aus  diesen  Versuchen  erhellt,  dals  der  Schutz,  welchen 
aktiv  mit  Koliaggressin  immunisierte  Tiere  gegen  Typhusbakterien 
besitzen,  ihrem  Schutze  gegen  Kolünfektion  nichts  nachgibt. 

Bezüglich  des  passiven  Schutzes  ist  dasselbe  zu  sagen  wie 
beim  Kolibazillus.  Der  Schutz  ist  ein  mäfsiger,  langt  bei  tags 
zuvor  erfolgter  Injektion  von  1  ccm  Kaninchenserum  annähernd 
gegen  die  10 — 12  fach  tödliche  Typhusdosis  aus. 

Zam  Beispiel: 

M.,  120  g,  bekommt  1  ccm  Kaninchensemm  snbkatan.  Tags  darauf, 
6  Uhr  abends,  </,  Öse  Typhns  intraperitoneal. 

Nach  2  Std.:  Bauchhöhle  voll  Eiter,  sehr  wenige  Bacillen.  Bleibt 
daaernd  gesund. 

M.,  135  g,  (Kontroll)  bekommt  7t  0^®  Typhus  intraperitoneal. 

Nach  2  Std. :  M&Dsige  BaziUen,  nur  einzelne  Leukozyten. 

Früh  tot^  ohne  Eiter  in  der  Bauchhohle  mit  bazillenreichem  Exsudat. 

Aber  die  Versuche  waren  nicht  zahlreich  genug  und  die 
Immunisierung  nicht  hoch  genug  beim  Kaninchen  getrieben; 
auch  war,  wie  erwähnt,  die  Schutzkraft  des  Eaninchenserums 
nach  einer  aus  äulseren  Gründen  eingetretenen  längeren  Pause 
in  der  Immunisierung  sehr  gesunken,  so  dals  wir  vorläufig  nur 
das  eine  sichere  Resultat  verzeichnen  wollen,  dafs  es  viel  schwerer 
erscheint,  mit  Koliaggressin  wirksame  passive  als  aktive  Immunität 
zu  erzielen.  Erwähnt  sei  noch,  dafs  ein  Versuch  mit  normalem 
Kaninchenserum,  tags  zuvor  in  der  Menge  von  1  ccm  einverleibt, 
keinen  Einfiufs  auf  den  tödlichen  Ablauf  der  Infektion  eines 
Meerschweinchens  mit  0,5  Ösen  Typhus  hatte. 

Zum  Wesen  der  Aggressinimmunität 

Sehr  wünschenswert  erschien  es,  einen  Einblick  in  das 
Wesen  dieser  eigenartigen  Immunität  zu  erlangen,  zumal  bei 
den  Kapillarentnahmen  niemals  etwas  von  Granulis  in  der  freien 
Peritonealfiüssigkeit  zu  sehen  war,  die  doch  im  Falle  einer 
bakteriziden  Immunität  nicht  hätten  fehlen  dürfen.  Es  war  sehr 
interessant  zu   beobachten,    dafs  man  manchmal  bereits  bei  der 


Von  Dr.  Gottlieb  Salus. 


367 


ersten  Entnahme  aus  der  Bauchhöhle  des  aktiv  immunen  Tieres 
den  Tropfen  voll  Leukozyten  fand  und  die  Bazillen  bereits  ver- 
schwunden waren.  Man  mufste  sich  sagen,  dafs  man  da  zur 
Beobachtung  des  ganzen  Vorgangs  schon  zu  spät  gekonunen  sei. 
Wo  aber  waren  die  Bazillen  hingekommen  ?  War  eine  so  rapide 
Bakteriolyse  erfolgt,  dafs  schon  nach  10  Minuten  alle  Spuren 
der  aufgelösten  Bakterien  verschwunden  waren?  Dem  wider- 
sprachen die  negativen  Befunde  bei  den  protrahierteren  Fällen. 
Eine  günstige  Gelegenheit  bot  der  bei  Typhus  erwähnte  Ver- 
such III.  Das  Tier,  welches  bereits  mit  Sicherheit  als  gerettet 
gelten  konnte,  wurde  in  dem  Momente  getötet,  als  die  Bazillen 
so  gut  wie  vollständig  aus  der  freien  Flüssigkeit  im  Peritoneal- 
sack  verschwunden  waren,  während  die  Leukozyten  erst  zuzu- 
strömen begannen.  Es  fand  sich  in  der  Bauchhöhle  1  ccm 
einer  leicht  hämorrhagischen  Flüssigkeit,  in  welcher  man  mikro- 
skopisch nur  bei  langem  Suchen  einzelne  Bazillen  nachweisen 
konnte,  in  Organausstrichen,  namentlich  im  Milzausstrich,  keine 
Bazillen.  Dagegen  war  das  Netz  mit  einem  leicht  erhabenen 
grauweifsen,  unebenen  Überzuge  bedeckt,  der  ausgestrichen  und 
gefärbt,  aus  einer  grofsen  Zahl  von  Phagozyten  bestand,  welche 
mit  Bazillen  und  Granulis  vollgestopft  waren  und  in  deren 
Zwischenräumen  überall  zahlreiche  Bazillen  lagen.  Li  diesem 
Stadium  waren  also  die  Bazillen  nicht  verschwunden,  man  konnte 
ruhig  sagen,  dals  sie  alle  am  Netze  wiedergefunden  wurden. 
Es  konnte  also  durch  den  Augenschein  der  Vorgang  nachge- 
wiesen werden,  den  Kikuchi  (1.  c.)  in  ähnlicher  Weise 
bereits  vermutet  hatte.  So,  wie  sich  bei  intraperitonealer  Injektion 
das  Netz  verhält,  dürften  sich  bei  Injektionen  an  anderem  Orte 
die  lokalen  serösen  Häute  verhalten. 

Es  wurde   weiterhin  das  Blutserum  dieses  Tieres  in  bezug 
auf  seinen  Gehalt  an  Bacteriolysinen  und  Agglutininen  geprüft. 


Agglutination  für  Typhas:  1:25 

1:50 
1:100 
1:500 
1:1000 


-,  für  Koli  . 


24  • 


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norm. 


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4-1 


0,65;-: 

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0,65     :, 

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1      .■      •■                 V. 

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3^     Neue  biologische  Beziet^OQg^.a  B«;ificb«n  l^^H'  ^'^^  Tuberkelbazillen  etc. 

,  ,...^     ,.;     ?i.8i^»t  i^  P*.  W.OOO  Oqli,,  ^     ,   ..  ,    r,v   ,;.Nacfc48tdj 

0,75  Peptonkoch8.-Lö8.  +  0,?5  norm- Kan.-Ser.     .'.   ^.^    .     .    . 
0,65     '  'i       ^ '-fb,(k)bllmmun8er:m0.lkbc^^^ 

:f-ö,05-         »       .b,o5'>    '^ö,is      ;      .   .  » 

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0,75  Pe^tonkochB,-X>ö8«  -:^ 0^25  nfpn.  Eyan.-Ser.    u j ,,. ,  ..,..,,•].  .  -  .  .  op 

0)65,-             >  '+ 0,6001  Immuns^r.  in  Ö,xkochaV+ 0,25  norm. 

■'   ^--^     ■■■'  ■    •     ■'■       •   •'  ■■■■^^     '■   ^-'■'■^   •■'  ••■••■•^^■-    KÄi.-S6r.  :•■.  ci^ 

0,65     -         ">  4^(^001       i    ■%'■       .  Ojt       *    •  :4-Ö,^  /     •  .  ;.  Ob^ 

^6^1     \.v>>  ;-          tfO,01,,     ;..    ,     v^O,l.     ^,    +Q,25   .^^>  ..  .  (?c>. 

0,65              -»  +0,0^             r          .  6,05     »      +0^25        ».  .  .  op^ 

0,G6               .  +0,1               .'        .'V.    .    .    +0,08        i  /.  .  «' 

Dks  Serum  des  Tiöreä,  T^elcheö  ge^en  Typhtis   (und  aieber 

auch  gegen   KöliJ  hohen   Schutz   besafs ,    zeigte'  ilso  für  beiäe^ 

.  .  '      •  •        ' 

Mikroben  weder  eine  Spur  von  Baktönzidie, '  noch  Ton  AggUi-* 
tination:'    -  ■  •  "'    ■'''•^-   •■'■■     ^'  --^ 

Interessant  war  auch  das  Verhalten  des  Kaninchenöeriims 
in  bezug  auf  die  Agglutination  zu  ein^r  Zeit,  wo  es  passiven 
Schutz  ^egen  die  10— 12fach  tötliche  Dosis  von  Koli  resp.  Typhus 
(in  der  Menge  von  1  com)  geboten  hatte. 


Für  Koli: 

1:10     .     .     .    .  4-+ 

i::20    .       ;.    -  +  + 

1:50     .     .     .     .  +  + 
1 :  100  ...     .       H- 
1:500  .     .     .     .       i 
(nach  mehreren  Stand.,  jnkomp].) 


'      Fflf  T^phtlB: 

1   :10  r         .  .  J         V 

1:20     .    w    .    .    . 
1:50 

1:100 

1:500 


.    ,«    ..  • 


:| 


k  1 


1   i 


Das  Serum,  welches  gegen  beide  Mikrbbiön  den  gTeichea 
Schutz  verleibt,  zeigt  mäfsige  Agglutinationswerte  nur  für, den 
einen,  mit  dem  es  erzeugt  ist.  Es  ist  also  weder  die  Agglutination 
in  einem  konstanten,  noch  anscheinend  die  Bakterizidie  in  irgend- 
einem  Verhältnisse  zur  antiaggressiven  Immunität. 


\ 


•  '■■''        Von  Dr.  Qottli^  Salus.  359 

B^kianntiich  haben  WassBrmaötii  und  Ciiron^)  mit  Bak- 
feriehextrakieri,  welche  aus  Massenkultuifen  durch  eiii  eingreifen- 
des Verfahren  gewonnen  waren,  eine  ähnliche,  wenn  auch  an- 
^heinehd  tninder  intensive  Beförderung  dei:  Infektiomtät  zu  er- 
iiölen  f ennoohit.^  Sie  hennen  daher  ihre  Extrakte  »Künstliche 
Aggressinec  und  glauben,  dafs  man  der  kostsi^ieligen, natürlichen 
Aggressine  bei  der  Immunisierung  sicher  entbehren  könne. 
Aber  jetzt  fechon  sprechen  unsere  obigen  Versuche  gegen  die 
Identität  der  »Künstlichen  Aggressinec  mit  den 
hatürlichen.  Denn  erstere  sollen  nach  Wassermann  und 
Citroii  die  Schutzkräftei  (also  wohl  die  bakteriziden)  des  Organis- 
faius  binden.  Dann  niurs  die  Immunität  darin  bestehen,  dafs 
<liese  Bindung  Aufgehoben  wird  und  die  Schutdcräf te  wieder  frei 
Werdeü.  In  dish  obigen 'Versuchen  sah  man  nie  Granulabildung; 
y^as  Serani  des  letzterwähnten  Tieres  zeijgte  keine  Spur  von 
Bakterizidie,  und  niaü  fand  alle  Bazilleb  am  Netze  wieder,  in 
sdier  Gewalt '  der  Phagozyten. 


.  •' ' 


/:  SchluTssätze. 

1.  Die  sterilen,  an  sich  ungiftigen  Exsudate  von 

durch  Kolibazillen  getöteten  Tieren  enthalten 

■      ^       ein  speeif isGi^hesAggr essin,  welches,  mit  unter- 

J  tödlichen    QabiBn    der    Kdlibazillen  injiziert, 

dieselben  In  tödliche  verwandelt  und  —  nach 

-  dem  Sekliionsb^funde  —  die  leichtere  Infek- 

'^-  tion  in  eine  schwerere  umändert. 

•2.  Das   Aggressin    dea   Kolibazillus    vel*hilft    in 

V  1      gleichem  Mafse  auch  dem  Typhus bäaillus  zur 

J       '    '    Vermehrung  im  Tierkörper. 

'  8.  Au^h  daö  Typhusaggreasiü  schützt  nicht  nur 
^en  Typhuebazillus,  sondern  in  gleicher  Weise 
auch  den  Kolibazillus  vor  der  Vernichtung 
durch  die  Abwehrkräfte  des  Organismus. 


I  j 


V      \- 


1)  WasBermann  and  Gitron,  Zar  Frage  der  Bildang  von  bakte* 
liellen  Angriffsstoffen  im  lebenden  Organismas.  Deatscbe  med.  Wocbenschr., 
1905,  S.  1101. 


^m     aSiiiiMi^  jMHumtBi  smesi.  2b& 


•  •n  ^1 


3i(**r*j'a'3r*ia'5a*a  Tia  mittlerer  GrlTf*  -s«»! 
^:a*r  'Fatr^e-xeL;:  Taa  2 — 3  Woehea  ge^ea  iii* 
ICtItL^Ia  4«r  uü^liekea  EoLidosis  aktix  s<eklix<ea 

S.  Diete  ImsLaaLt^u  ^It  la  der  gleieliea  E-32.e 
ziL^/cL  ^^egea  dea  TjpIiasbaxiLIas.  nicht  gegea 
CiL^IerftTibriaaeri  aad  Streptokokken.  Wie 
^«^nitelL  die  Spexifit&t  des  Aggreesins  des  Koli- 
baiiilas  beim  T^cknsbazillas  anfhdrCr  ebenso 
Terhält  et  sieb  mit  der  aktiren,  antiaggressiTem 
fmmtinit&iw  Dedaidi  wird  die  nmbe  Verwandt- 
tebaft  der  beiden  Mikroben  darch  nene  bio- 
logisebeBexiebangen  in  ein  besonders  scharfes 
Lieht  gestellt.  Denn  hier  handelt  es  sich  am 
die  IdentiUlt  der  Waffe,  mit  der  sie  die  Haftnng 
nnd    Vermehrang    im    Tierkörper    erxwingen. 

9.  Aoeb  ein,  aUerding»  bisher  mi&iger,  passiTer  Schutz 
war  m  kooscatieren. 

7.  fiie  Aggressinimmnnitftt  beim  Kolibaxillos  ist 
weder  Ton  konstanter  Aggintininbildnng,  noch 
Ton  bakterixiden  Fähigkeiten  des  Blutserums 
begleitet  Sie  ist  irielmehr  insofern  eigen- 
artig, als  der  antiaggressiire  Zustand  eine 
Vermehrang  der  eingebrachten  Baxillen  im 
Tierkdrper  irerhindert  Die  Bazillen  selbst 
werden  im  besonderen  Falle  der  intraperi- 
tonealen Injektion  rasch  aus  der  Flüssigkeit 
aasgefällt  and  gelangen  an  das  Netz,  wo  sie 
der  phagozytären  Tätigkeit  der  Leukozyten 
anheimfallen. 


über  die  FaUnngen  yon  EiweiTs  dHich  andere  Kolloide 
Hnd  ilire  Beziehnngen  zn  den  ImmnnkSrperreaktionen. 

Von 

Dr.  Ulrich  Friedemann, 

Assistent  am  Hygienischen  Institut  der  UnlTenitAt  Berlin. 

(  Aas  dem  Hygienischen  Institut  der  XJniversitIt  Berlin.    Direktor :  Geh.  Med. 

Rat  Prof.  Dr.  M.  Rubner.) 

Das  Studium  der  Kolloide  hat  bereits  vielfache  Aufschlüsse 
über  die  physikalisch-chemischen  Vorgänge  bei  den  Immunitäts- 
reaktionen  gegeben.  Die  Verbindungen  der  Immunkörper  wurden 
mit  den  Adsorptionsverbindungen  der  Kolloide  verglichen  [Bor- 
det^),  Landsteiner  und  Jagic^),  Biltz'),  Zangger ^),  Biltz, 
Much  und  Siebert^),  Pauli],  während  sich  eine  bemerkens- 
werte Ähnlichkeit  zwischen  den  Fällungsreaktionen  der  Immun- 
körper (Agglutination  und  Präzipitation)  und  den  Gelbildungen 
und  Präzipitationserscheinungen  in  kolloidalen  Lösungen  und 
feinen    Suspensionen     herausstellte.     (Bordet^),    Bechhold, 


1)  Annales  de  Tlnsütat  Pasteor,  1899,  1900.  1901. 

2)  Münchener  med.  Wochenschrift,  1903,  Nr.  18. 

3)  Zeitechr.  f.  physik.  Chemie,  48,  8.  615. 

4)  Zentralblatt  f.  Bakt ,  Bd.  34,  S.  428,  Bd.  36,  8. 161  u.  225.    Korresp.- 
Blatt  f.  Schweizer  Ärzte  1904,  Nr.  3,  pag.  5. 

5)  Behrings  Beitr.  z.  ezperim.  Therapie,  1905,  Heft  10. 

6)  a.  a.  O. 


360     Biolog.  Bexiehangen  zwisch.  Koli  v 

4.  Durch  einmalige  '  ..ner   und 

ungiftigen  m 

M  e  e  r  8  c  h  w  ♦  :  ^ieichenden  Unter- 

e  i  n  e  r  W  a  r  .  ^^.^^  Schwierigkeiten, 

M^'^H>1|^  '■  ..ektrolytö  sehr  empfind- 

(30—40  f    '  .cigeRoUe,  welche  die  Salze 

0.  Diese  ^^^^  keinen  genügenden  Auf- 

^^^  .e  waren  daher  schon  in  früheren 

^^°'  <er  und  Verfasser,   Bechhold«) 

^^^^  .  .i:eu  Kolloide  mit  in  den  Kreis  der 

"  ^,  und  es  hatten  sich  namentlich  bei 

^  ■  Mastixemulsionen   und    Eiweifs    (resp. 

;:  Ähnlichkeiten   mit  der  Bakterienagglu- 

■  allungen  zwischen  anorganischen  KoUoideu 

::oht   in   so    eingehender  Weise   untersucht 

..    anorganischen  Kolloide   untereinander   und 

c?rschiedenen  Autoren  auf  diesem  Gebiete  wider- 

so  habe  ich  im  folgenden  diese  Reaktionen  einer 

Untersuchung  unterzogen,    wobei   vor  allem  auf 

>alze  geachtet  wurde.    Zum  Schlufs  wurde  sodann 

.'iitalten  der  Immunitätsreaktionen  in  dieser  Hinsicht 

..  riialigen    Untersuchung    unterworfen;    doch    glaube 

.  i,:oh,  abgesehen  von  diesem  Zusammenhang,  die  Unter- 

^  J.or  KolloideiweifsfäUungen  für  das  theoretische  Studium 

V  \:Ade  eine  Ergänzung  des  bisher  Bekannten  liefert. 

'  ViTsamml.   deutscher  Xaturf.   u.  Ärzte,   Kassel,   1903.  —  Müncbener 
^^     Wooherischr.,  1904,  Nr.  11  o.  19.  —  Zeitschr.  f.  phjre.  Chemie  48,  S.  385. 

-»^  J*.ericht  d.  d.  ehem.  Gesellsch.  (1904),  3138. 

:^  Wiener  klin.  Wochenschr.,  1904,  Nr.  3.  —  Münchener  med.  Wochen- 
..luiH.  1004,  Nr.  27. 

4)  Suc.  fran^.  de  phys.,  1904,  210.  —  Compt  rend.  Soc.  Biol.,  1903,  pap. 
ua:».  M.  5(i,  pag.  866,  931,  933,  935,  93G,  Bd.  57,  pag.  33,  35,  38,  65,  Bd.  57. 
\H\^.  vSG6,  931,  933,  935,  936. 

5)  Annaleö  de  rinstitut  Pasteur  1904. 

6)  a.  i\.  O. 


X 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann.  363 

I.  Kolloideiweirsfällung. 

a)  Versuche. 

ijngt^liender  haben  sich  wohl  zuerst  Landsteiner  und 
:-ic^i  mit  der  Kolioideiweirsföllung  beschäftigt,  welche  fanden, 
iai's  kolloidale  Kieselsäure  Eiweifs  fällt,  aber,  wie  sie  meinten, 
nur  in  salzhaltiger  Lösung.  In  weiteren  Versuchen  kamen  sie 
dann  zu  dem  Resultat,  dafs  positive  und  negative  Kolloide  Ei- 
weifs fällen  können,  sofern  sie  als  oxydartige  Verbindungen  saurer 
oder  basischer  Radikale  aufgefafst  werden  können.  Ferner  be- 
schäftigten sich  Bilz,  Much  und  Sichert^  mit  dieser  Frage 
tmd  gelangten  zu  dem  Schlufs,  dafs  positive  Kolloide  Eiweifs 
durchweg  fällen,  negative  dagegen  mit  Ausnahme  der  Zinnsäure 
fast  völlig  versagten.  Im  Gegensatz  dazu  behauptet  nun  neuer- 
dings Billitzer'),  dafs  Gelatine  mit  Arsentrisulfid  (— )  und  Anti- 
montrisulfid  ( — ),  nicht  dagegen  mit  Eisenhydroxyd  (+)  Träbungen 
gibt.  Bei  meinen  Untersuchungen  diente  als  Eiweifs  Blutserum 
oder  Eieralbumin  (Merk.),  die  durch  mehrtägige  Dialyse  in  fiiefsen- 
dem  Wasser  salzfrei  gemacht  wurden.  Um  auszuschliefsen,  dafs 
etwa  noch  ausfallende  Globuline  Störungen  verursachen  könnten, 
habe  ich  bei  einem  Teil  der  Versuche  die  Globuline  durch  Halb- 
sättigung mit  Ammonsulfat  entfernt  und  dann  dialysiert.  Die 
Resultate  waren  im  wesentlichen  die  gleichen.  Von  anorganischen 
Kolloiden  kamen  folgende  zur  Untersuchung:  Zwei  kolloidale 
Metalle,  Platin  (nach  Bredig)  ( — )  und  Silber*  nach  Carey  Lea 
(— ),  zwei  Sulfide,  das  Arsen-  und  Antimontrisulfid  ( — ),  zwei  saurö 
Oxyde,  Kieselsäure  ( — )  und  Molybdänsäure  ( — ).  zwei  basische 
Oxyde,  Eisenoxyd  (+)  und  Chromoxyd  (+). 

Das  Resultat  dieser  Untersuchungen*)  wat,  dafs  die  von  mir 
untersuchten  Eiweifskörper  (Serum  und  Eiereiweifs) 
von  allen  zur  Untersuchung  herangezogenen    anorga- 

1)  a.  a.  O. 

2)  a.  ä.  0. 

8)  Zeitschr.  f.  pbyeik.  Chemie,  Bd.  45  u.  51.  Sitzung  d.  Kais.  Akad.  der 
WiMensch.  in  Wien  vom  28.  April  1904. 

4)  Das  Drgebnis  dieser  Versuche  wurde  z.  T.  bereits  in  einem  Vortrag 
itt'der  Berl.  Physiolog.  GesellBchaft  am  8.  Dezember  1905  in  Gemeinschaft 
mit  Herrn  Dr.  Friedenthal  mitgeteilt 


362        Über  die  Fällangen  von  Eiweifs  darch  andere  Kolloide  etc. 

M.    Neifser    und    Verfasser^),    Biltz^),    Landsteiner    und 
Jagic^),  Henri  und  Mitarbeiter*),  Gengon^). 

Für  eine  weitere  Durchführung  dieser  vergleichenden  Unter- 
suchungen bietet  jedoch  der  Umstand  grofse  Schwierigkeiten, 
dafs  die  anorganischen  Kolloide  gegen  Elektrolyte  sehr  empfind- 
lich sind  und  daher  gerade  über  die  wichtige  Rolle,  welche  die  Salze 
bei  den  Immunitätsreaktionen  spielen,  keinen  genügenden  Auf- 
schlufs  geben.  Aus  diesem  Grunde  waren  daher  schon  in  früheren 
Untersuchungen  von  M.  Neifser  und  Verfasser,  Bechhold^) 
auch  die  stabileren  eiweilsartigen  Kolloide  mit  i|i  den  Kreia  der 
Betrachtung  gezogen  worden,  und  es  hatten  sich  namentlich  bei 
dön  Fällungen  •  zwisöhen  Mastixemulsionen  und  Eiweifs  (röisp. 
Gelatine)  bemerkenswerte  Ähnlichkeiten  mit  der  Bakterienagglu- 
tination gezeigt.  Da  die  Fällungen  zwischen  anorganischen  Kolloiden 
und  Eiweifs  bisher  nicht  in  so  eingehender  Weise  untersucht 
wurden,  wie  die  der  anorganischen  Kolloide  untereinander  und 
die  Resultate  der  verschiedenen  Autoren  auf  diesem  Gebiete  wider- 
sprechende sind,  so  habe  ich  im  folgenden  diese  Reaktionen  einer 
systematischen  Untersuchung  unterzogen,  wobei  vor  allem  auf 
die  Rolle  der  Salze  geächtet  wurde.  Zum  Schlufs  wurde  sodann 
"auch  das  Verhalten  der  Immunitätsreaktiönen  in  dieser  Hinsicht 
einer  nochmaligen  Untersuchung  unterworfen;  doch  glaube 
ich,  dafs  auch,  abgesehen  von  diesem  Zusammenhang,  die  Unter- 
suchütig  der  KöUoideiweifsfällungen  für  das  theoretische  Studium 
der  Kolloide  eine  Ergänzung  des  bisher  Bekannten  liefert. 


1)  Versamml.  deutscher  Naturf.  u.  Ärzte,  Kassel,  1903.  —  MüDchener 
med.  Wocherischr.,  1904,  Nr.  11  o.  19.  —  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  48,  8.  385. 

2)  ßericbt  d.  d.  ehem.  Gesellsch.  (1904),  3138. 

3)  Wiener  klin.  Wochenschr.,  1904,  Nr.  3.  —  Münchener  med.  Wochen- 
schrift, 1904,  Nr.  27.    . 

4)  Soc.  fran^.  de  phys.,  1904,  210.  —  Oompt  rend.  Söc.  Blol.,  1903,  pag. 
1613,  Bd.  56,  pag.  866,  931,  933,  935,  936,  Bd.ö7,  pag,33,  35,  88,  65,  Bd.  57. 
pag.  866,  931,  933,  935,  936. 

5)  Annales  de  Tlnstitut  Pasteur  1904. 

6)  a.  a.  O.  • 


»  .       Von  Dr.  Ulrich  Friedemanui;-  ...  .   .  :    .    .'1         383 

l  KblloideiWeinaifälluiigi  ^ 

Eingehender  haben  sich  wohl  zuerst  Landsteiner  und 
Jagic^)  mit  der  KolloideiweifsttUüng  beschäftigt,  welche  fände«, 
daft  kolloidale  Kiesielsfture  Eiweifs  fällt,  aber,  wie  sie '  meinten', 
nur  in  salzhaltiger  Lösung.  In 'weiteren  Versuchen  kamen  siö 
dann  zu  dem  Resultat,  da^s  positive  und  negative  Kolloide  Ei- 
weifs  fällen  können;  sofern  sie  als  o^ydartige' Verbindungen  saurer 
odet  basischer  Radikale  aufgefäfst  werden  können.  Ferner  be^- 
schäftigten  sich  Bilz,  Much  \irid  Siebert^  mit  diee^  Frage 
iind  gelangten  zu  dem  Schlüls,  dafs  positive  Kolloidlö  Eiweife 
durchweg  fällen,  negfative  dagegen  mit  Ausnahme*' der  Ziiiiisäure 
fast  völlig  versagten.  Im  Gegensatz  dazu  behauptet  nun  neuer- 
dings B  i  1 1  i  tz e r') ,  dafs  Gelatine  mit  Arsehtrisulfid  (— )  nrid  Anti- 
montrisuIfid( — ),  nicht  dagegen  rnit  Eisönhydroxyd  (-f*)  Trübungen 
gibt.  Bei  meinen  Unteröuchungieh  tJiente  als  Eiweifs  felütseruni 
oder  Eieralbumin  (Merk.),  die  durch  mehrtägige  Dialyse  in  fliefseii- 
dem  Wasser  salzfrei  gemacht  wurden:  Um  auszuschliefsen,  dafs 
etwa  noch  ausfallende  Globuline  Störungen  verursachen  könnten-, 
habe  ich  bei  einem  Teil  der  Versuche  die  Globuline  durch  Halb- 
Sättigung  mit  Ardmonsulfat  entfernt  und  dann  dialysiert.  Die 
Resultate  waren  im  Wesentlichen  die  gleichen.  Von  anorganisdien 
Kolloiden  kamen  folgende  zut  Untersuchung:  Zwei  kolloidale 
Metalle,  Platin  (nach  B  red  ig)  (^  undSilber'nach  Carey  Leä 
(^-^),  zwei  Sulfide,  das  Arsen-  und  Antimontrisulfi^d  (-^),  zwei  saürö 
Oxyde,  Kieselsäure  ( — )  und  Molybdänsäure  ( — ).  zwei  basische 
Oxyde,  Eisenoxyd  (4-)  und  Chromoxyd  (+).  -        ' 

Das  Resultat  dieser  Untersuchungen*)  wal",  dafs  tJie  von  mir 
untersuchten  Ei weifskörpü'r  (Serum   uhd  Eiereiweifs) 

von  allen  zur  tThtersuchung  herangezogenen    anorgä- 

^ .  ...  .       ■'.''■ 

1)  a.  a.  O. 

2)  a.a.O.  '      ^ 
^  Zeitscbr.  f.  pbyeik^Chemle/Bd.  45u.6l.    Sltzting  d.  Eäis.  Akad.  der 

Vise^nscb,  in  Wien  YOii>  28.  April  IWH.  ..! 

4)  Das  Drgebnis  dieser  Versache  warde  z.  T.  bereits  in  einem  Vortrag 
in^  der  Berl.  Physiologe.  G^ellscbaft  ^am  8.  I>ezember  1905  iii  "Gectieinscbaft 
mit  Herrn  Dr.  Friedenthal  mitgeteilt. 


364       Über  die  FftHungen  yon  EiweUs  durch  andere  Kolloide  etc. 

nischen  Kolloiden»  mögen  dieselben  elektropositiven 
oder  elektro  negativen  Charakters  sein,  gefällt  werden. 

Es  zeigte  sich  aber,  dafs  auch  organische  Kolloide,  wie 
Histon,  Nuklein,  Nukleinsäure,  Nukleohiston^),  wie  ja  auch 
bereits  von  anderen  Autoren  beobachtet  wurde,  mit  Eiweils  Fäl- 
limgen  gaben,  so  dafs  man  wohl  ganz  allgemein  sagen  kann,  dals 
Eiweifs  mit  allen  Kolloiden  sauren  oder  basischen  Charakters  fällt 

Die  Differenz  mit  den  Ergebnissen  der  anderen  Forscher 
erklärt  sich,  wie  ich  glaube,  daraus,  data  erstens  auf  eine 
Mischung  in  den  richtigen  Mengenverhältnissen  nicht  genügend 
Rücksicht  genommen,  femer  aber  der  Salzgehalt  der  Flüssigkeiten 
zu  wenig  beachtet  wurde.  Beide  Faktoren  sind  aber  von  aus- 
schlaggebender Bedeutung  für  den  Ausfall  des  Versuches« 

Denn  in  der  Tat  kann  es  aufserordentlich  leicht  vorkommen, 
dals  eine  Fällung  übersehen  wird,  da  das  Fällungsoptimum,  wie 
die  Tabellen  zeigen,  bei  den  verschiedenen  Kolloiden  bei  ganz 
verschiedenen  Mischungsverhältnissen  liegt. 

Ebenso  wichtig  ist  es  aber,  mit  salzfreien  EäweifslOsungen  zu 
arbeiten.  Über  den  EinfluTs  der  Salze  auf  die  KoUoideiweifs- 
fällung  bestehen  auch  bereits  einige  Angaben.  So  meinten  Land- 
Steiner  und  Jagic,  dals  die  Fällung  von  Serum  durch  kol- 
loide Kieselsäure  nur  in  Kochsalzlösung  eintrete.  Biltz,  Much 
und  Siebert  machten  keine  Beobachtungen  über  die  eigentliche 
Fällung  in  salzhaltiger  Lösung,  stellten  aber  fest,  dafs  Salzzusats 
die  Adsorption  der  Eiweifskörper  durch  anorganische  Kolloide 
verhindere. 

In  Wirklichkeit  liegen  nun  die  Verhältnisse  komplizierter, 
als  die  genannten  Autoren  annehmen.  Es  zeigte  sich  näm- 
lich bei  fast  allen  Kolloiden,  dafs  Salzzusatz  die  Ei- 
weifsfällung  sowohl  befördern  als  auch  hemmen  kann. 
Der  Erfolg  hängt  von  den  Mengenverhältnissen  ab,  in  denen  das 
Eiweifs  und  das  anorganische  Kolloid  gemischt  werden.  Wie 
bei  den  Fällungen  der  anorganischen  Kolloide  untereinander, 
findet  nämlich   auch   bei   den  KoUoideiweifsfällungen   die  Präzi- 

1)  In  Versachen,  die  Herr  Dr.  Friedenthal  und  Verf.  aosgefahrt 
haben,  und  die  a.  a.  O.  publiziert  werden. 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann. 


365 


pitation  nur  bei  einem  ganz  bestimmten  Mischungsverhältnis 
statt.  Sobald  eine  der  Komponenten  im  Überschufs  zugegen  ist, 
bleibt  die  Fällung  aus.  Setzt  man  nun  die  gleiche  Reihe  unter 
Salzzusatz  an  (zu  den  Versuchen  diente  stets  Na  Cl),  so  beobachtet 
man,  dafs  die  Fällungszone  in  salzfreier  Lösung  verschwindet, 
imd  dafs  nunmehr  an  Stelle  der  bisherigen  Hemmimgszone 
Fällung  eintritt. 

In  weiteren  Versuchen  habe  ich  auch  die  Salzmengen  vari- 
iert, bin  jedoch  dabei  nicht  auf  durchgehende  Gesetzmäfsigkeiten 
gestofsen.  Beim  Chromhydroxyd  (abfallende  Mengen  Chromoxyd 
bei  konstanter  Eiweifsmenge)  beobachtete  ich  bei  steigendem 
Salzzusatz  ein  Heraufrücken  der  Fällungszone,  beim  Eisenoxyd 
brachte  aber  eine  weitere  Erhöhung  der  Salzmenge  keine  Ände- 
rung hervor. 

Ob  dabei  prinzipielle  Unterschiede  zwischen  den  einzelnen 
Kolloiden  vorUegen,  oder  ob  hier  nur  quantitative  Verschieden- 
heiten bestehen,  darüber  müssen  weitere  Versuche  entscheiden. 

Es  folgen  nunmehr  die  Tabellen,  welche  die  Versuchsresultate 

illustrieren. 

I.  Chromliydroxyd. 

Die  ben atzte  etwa  8  proz.  EiereiweiÜEilOsang  (in  100  ccm  0,5  g  N)  warde» 
wie  in  den  flbrigen  Versuchen,  mehrere  Tage  dialysiert. 

Tabelle  I. 
Abfallende  Mengen  Ohromhydroxyd. 


Chrom- 

Eiweiffl 

+  2  Tropfen 

hydroxyd 

Juil  WdXD 

NaCl  lOo/o 

1 

1  ccm 

0 

+  +  + 

0,5 

++ 

+  +  + 

0.25 

+++ 

+  + 

0,1 

+++ 

0 

0,05 

.      ++T 

0 

0,025       ; 

ü 

0 

0,01          1 

0 

0 

0,005       1 

0 

0 

0,0025 

ü 

0 

Kontrolle :  Chrombydroxyd  ist  bei  den  angegebenen  Salxkonzentrationen 


stabil. 


366        Über  die  Fällungen  von  Eiweife  durch  andere  Kolloide  etc. 

Tabelle  ir. 
Abfallende  Mengen  Eiweifft. 


->.  .11. 


Eiweifs 


1 

0,5 

0,25 

0,1 

0,05 

0,025 

0,01 

0,005 

0/)025 


Chrom- 
hydroxyd 


0,1  ccm, 

» 
» 

•  > 

•■.'"  *': 
>  ■  .■• 


+  +  + 

+  +  + 
Trübung 

0 

0 

Ö 

0 

0 


+  2  Tropfen 
Na  a  10*/o 


0 

b 

0 
Trübuxig 
Trübung 
Trübung 

0 

0 

0 


Resultat:  Im  Überschuls  von  Chromhydrozyd  bleibt  die  Fällung  aas. 
EiweirsüberschufB  wurde  nicht  beobachtet 

Durch  ßalz  wird  die  Fällung  aufgehoben.  ^  Bei  Überschufa  von-  Ohrom- 
hydix)xyd  wird  doj^  8alz  Fällung:  hervörgsbrufeix.  .Beeondere  Yereoche,  von 
4eren  ausführlicher  Wiedergabe  hier  abgesehen,  .aei, .  ergaben,,  daüs  die  Ver- 
Schiebung  der  Fällungskurve  mit  steigendem  Salzzusatz  zunimmt 


II.  Eisenhjrdro^y^ 

Es  kommt  eine  etwa  3proZv(in  100  ccm  Q^g.N)  dialyajierte EiereiweiTs 
lösung  in  Anwendung. 

Tajbelle  m. 
Abfallende  EiwelC^meagfUi.     .  . 


EiweiTs 

'  Eisen- 
hydroxyd 

p   '  •  ■  ■ 

+  2T^ö^feriNaCllO«/o 

1 

0,5 
0,25 
0,1 

0,01 

ccm 

+  +  +•   . 

+  +  + 
Trübung 

0 

0 
0 
0 
0^ 

0,05 

0 

0 

0,025 

1 

0 

';0 

0,01 

0,005 

0,0025 

+  +  +' 
0 

0 

Trübung 
+  +  +*  V  sofortige 
+  +>). Fällung 

"        -Ein'  Kontrdll versuch  mit  0,01  ccm  £lftöahydr6xyd-in  KochsalslOflaog 

allein  ergibt  erst  nach  etwa  24  Std.  Fällung. 


ypn.  Dr. .  Ulrich-.  ^E^iiedemanxi« 


m 


Tabelle  IV. 
Abfallende  I^BeQhydtoatydinengen. 


Die  in  di^m  Y^^f^)^'  I)f«;^ii4i8^,  BiweüUOaoni^^ist  etwa  C^@5P/0,  (in  100  ccm 


£i0,^n^ 

-'  KiweifB 

-—          •«                          ■«.    *                ^A. 

+  1  Tropfen 

bydfoxy^ 

/ 

4                                                              I 

NaCl  lÖVo 

•' ;  •  i  ■  i  c  ■■  ■ ' 

i  ccm^ 

- 

0 

+      . 

0,5 

V  ..  _. 

0    . 

+  +  0 

0,25 

M 

0 

+  +.+  ; 

0.1     .    t 

1 

0 

+  +-1.., 

0,05 

J 

0 

++.4t) 

0,025 

1 

Trübung 

trübttng , 

O.Ol 

i             — 

Trübung 

,      0;-n 

0,00^ 

1 

Trübung 

'  0  :, 

0,0025 

*     '  i 

Trübung 

■      0^..) 

Eontrolle :  Die  konzentrierteren  Eisenhydrozydlösungen  werden  bei  dem 
angegebenen  Salzgehalt  während  der  Dauer  des  VerBuchs  noch  nicht  gefällt 

Resultat:  Im  Überschufs  von  EiweiTs  und  von  Eisenhydroxyd  unter- 
bleibt die  Fällung,    ünregelmäfiglge  Reihen. 

Die  Fällung  wird  durch  Salz  aufgehoben,  im  Überschuis  von  Eisen- 
oxyd tritt  FÄlung  ein,  im  1}bei«chul8  von  EfweiüB  nichi        ' 


!    in.  Kieselsäure. 

Tabelle  V, 
Abfallende  Eiweilsmengen.    E&ereiweiXslösung  ca.  5  ^/^  (in  100  ccm  0,8  g  N). 


Kiesel- 

Eiweifs 

säure 

; 

+  4  Tropf en  NaCl  W/o 

1 

0,025  ccm 

+  +  +  1     Starker, 
-f-  +  +  J  aber  nicht 

Trübung 

0,5 

> 

Trübui^g 

flockiger  Niederschlag 

0,25 

Trübung 

Trübung 

0,1 

Trübung 

flockiger  Niederschlag 

0,05 

t 

0 

'     't     ■•■             :  •»•  ' 

0,025 

0 

:  >                    ». . 

0,01 

0 

*                    > 

0,005 

.  .  .  > 

:   .     0     ;          : 

0 

0,0025 

-»    " 

0 

0 

.  •( 


Kontrolle:  Di^  Kieselsämue  ist  stabil  inj  fler  angpwfuqidt^n  Salzlösung. 


368       t^r  die  Fällangen  Ton  Eiweifs  durch  andere  Kolloide  etc. 


Tabelle  VI. 

Abfallende  Kieeeleänremengen.    EiereiweifiilOeimg  ca.  0,8% 

(in  100  ccm  0,05  g  N). 


Kiesel- 

EiweiTs 

+  4  Tropfen 

sAore 

NaCl  lOVt 

1 

1  ccm 

0 

Trübong 

0,5 

+  +  + 

+  +  + 

0,25 

0 

+  +  + 

0,1 

0 

+  +  + 

0,05 

0 

+  +  + 

(^025 

0 

+  +  + 

0.01 

0 

0 

0,005 

0 

0 

0,0025 

0 

0 

Tabelle  VH. 

Abfallende  Kiesela&nremengen  bei  konzentrierterer  EiweilelOBang. 
EiereiweifBlOsang  ca.  8%  (in  100  ccm  0,5  g  N). 


Eieeel- 

Eiweiffl 

-f-  4  Tropfen 

säure 

Na  Ol  lOVt 

1 

1  ccm 

Trflbnng 

4-+  + 

0,5 

Trübung 

+  +  + 

0,25 

Trübung 

+  +  + 

0,1 

Spur 

+  +  + 

0,05 

Spur 

Spur 

0,025 

0 

0 

0,01 

0 

0 

0,005 

0 

0 

0,0025 

0 

0 

Resultat:  Konxentrierte  EiweiüslOsungen  ((eben  mit  ebenfalls  nicht 
zu  dünnen  Kieselsäurelösungen  Fällungen. 

Die  hemmenden  Wirkungen  des  Salses  sind  bei  der  Kieeelsäure  sehr 
wenig  ausgesprochen.  Die  fftllungsbefOrdemde  Wirkung  der  Salze  tritt  bei 
konzentrierteren  EiweiüBlOsungen  weniger  henror  als  bei  yerdünnten.  Mög- 
licherweise machen  sich  in  den  konzentrierten  EiweiAlOsungen  noch  Salz- 
spuren bemerkbar,  die  durch  Dialyse  nur  schwer  zu  entfernen  sind. 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann. 


369 


IT.  MolybdlBiIire. 

Tabelle  vm. 
Abfallende  EiwelXsmengen.    EiereiweiTslOsang  ca.  5Vo  (^^  ^^O  ccm  0^  g  N). 


EiwAirn 

Molybdän- 

+  4  Tropfen 

säore 

NaCl  107o 

1 

0,01  ccm 

+  +  + 

0 

Ofi 

+  +  + 

0 

0,25 

+  +  + 

0 

0,1 

Trübung 

Trübnng 

0,05 

0 

+  +  + 

0,025 

0 

+  +  + 

0,01 

0 

+  +  + 

0,005 

0 

+  +  -h 

0,0025 

0 

+  +  + 

Die  Kontrolle  ergibt,  dafs  die  Molybdänsäore  in  der  Salzlösung  allein 
stabil  ist 


Tabelle  DC 

Abfallende  Molybdänsäuremengen.    EiereiweiliBlOBung  ca.  8Vo 

(in  100  ccm  0,5  g  N). 


Molybdän- 
säure 

Eiweils 

-}-  4  Tropfen 
NaCl  10"/, 

1 

1  ccm 

+++ 

+  +  + 

0,5 

+++ 

+  +  + 

0,25 

0 

+  +  + 

0,1 

0 

+  +  + 

0,05 

0 

+  +  + 

0,025 

+++ 

0 

0,01 

+++ 

0 

0,005 

++-+++ 

0 

0,0025 

++-+++ 

0 

Besultat:   In  salzfreier  Lösung   unregelmäOBige  Reihen.    Salnusatz 
entfaltet  gleichzeitig  hemmende  und  fällende  Wirkungen. 


ym       t^ber  die  FäUangen  vod' EiweilB  dorchr  andere  Kolloide  etc. 


y.  Antimontrisiilfld. 

Abfallende  Eiweifsmengen.    £Ldt«i;OirQiJQilö0aQg  ca.  3  %  (V^  100  com  0^  g  N). 


/-' 


.0 


RiwAiTa 

ÄüHinbiitH- 

'^s.    ■ ;'v 

-^"frTtöüJfen 

JulWClio 

.     4Ullfid.  ~. 

•  J     .                    .«     *       M>-        ^R»     •    ■■ 

Uaiajfl?/,... 

X'--"    .') 

,1    0,1  ccm 

TT^'^. 

-0,6 

.... »    . 

-rW-T 

'0           - 

0,25' 

'     f     '     '■ 

-H+T" 
+++ 

"      !l       0 

0,1 

1 

0    -■■■■ 

0,05 

^     1 

.  +++ 

^++-' 

0,020 

■    -.v  /  '.■■■-1 

■  H-++ 

Tf-f-T- 

0,01 

4-++ 

T  +  T- 

0,005      , 

! 

^++ 

T-H+-' 

0,0025 

'        >         ■ 

H-++ 

r|-  +  +  ^^ 

0,001 

j        * 

+  • 

TH 

h+' 

0,0006 

i    » 

0 

TH 

\-+-' 

0,00025 

1 

0 

'++  + 

t , 


ni 


vi 


■.r  '  > 


■r 


V.   ;:ir.»:' 

Kontrolle :  Antimontrisalfit  fällt  in  der  benatzten  KochsalilOsang. 


Tabelle   XI. 


Abfallende  Eiweifsmengen  bei  läiza^idhender  Salsmenge.    EiereiweilalOsang 

.     ca.  30/0  <?n  100  ccm  0,5  g  HQ. 


EiweiTs 


t.  \ 


1 

0,5 

0,25 

0,1 

0,05 

0,025 

0,01 

0,005 

0,0025 

0,001 

0,0005 

0,00025 


Antimontri* 
snlfid 


>  ,  I 


1  c^m 

< 

> 
> 
» 

j 
1 


!.'.!!;  .    : 


+  +  + 
,    +  + 
+ 

+  + 
+  +  + 

:    TT 

+  i 

0   : 

)  t 

0 

1 

0 

.'■:■■■     '.jit    r .      n   , 


+  1  Tropfen 
5«/»  NaCl 


+  +  + 

+ 

+ 

+  +  ' 
+  +  +■ 
+  +  +  " 

+4-  ■ 
++ 

+ 


Kontrolle :  AntimctntrtaalAt  Jm  8alfllQ»»ng  filM  Atollt.^ 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann. 


371 


Tabelle  XU. 

Abfallende  Antimontriflulfidmengen.    EiereiweiÜBlösung  ca.  5"/o 

(in  100  ccm  0,8  g  N). 


Antimontri- 

1 

Eiweifs 

2  Tropfen 

salfid 

NaCl  10  7o 

1              "       Iccm           +  +  + 

TrübuDg 

0,5        ;        » 

+  +  + 

Trübung 

0,25 

+  +  + 

0 

0,1 

+  +  + 

0 

0,05 

+  +  + 

0 

0,025 

+  +  + 

0 

0,01 

1 

0 

0 

0,005 

0 

0 

0,0025 

0 

0 

R  e  8  a  1 1  a  t :  Eiweifs  ergibt  mit  Antimontrisnlfid  Fällung  und  Andeatang 
von  unregelmäTsigen  Reihen. 

Tabelle  X  demonstriert  die  hemmende  Wirkung  der  Salze  und  gleich- 
zeitig die  des  Eiweifses. 

Tabelle  XI  zeigt,  dafs  Eiweifs  wie  Salz  die  Fällung  begünstigen. 

Aus  Tabelle  XII  ist  zu  ersehen,  dafs  bei  steigenden  Antimontrisulfid- 
mengen  der  Eiweifsscbutz  nicht  ausreicht. 

Tl.  Arsentrisulfld. 

Tabelle  XIU. 
Abfallende  Eiweifsmengen.    EiereiweiÜBlOsung  (in  1(X)  ccm  0,27  g  N). 


Arsentri- 

Eiweifs 

sulfid 

1 

1  ccm 

+++ 

0,5 

0 

0,25 

0 

0,1 

+++ 

0,05 

+++ 

0,025 

+++ 

0,01 

++ 

0,005 

++ 

0,0025 

++ 

0,001 

0 

0,0005 

0 

0,00025 

0 

Resultat:   Eiweils  ergibt  mit  Arsentrisulfld  unregelmäfsige  FäUnngs- 
reihen.    Versuche  in  salzhaltiger  Lösung  wurden  nicht  angestellt 
ArchiT  für  Hyulene.    Bd.  LV.  25 


372        Über  die  Fällangen  von  EiweiTs  durch  andere  Kolloide  etc. 


TU.  Silber  nach  Carejr  Lea. 

Tabelle   XIV. 
Abfallende  Eiweifsmengen.    EiereiweifslöBang  ca.  5  ^^  (in  100  ccm  0,8  g  N). 


Eiweifs 

1 

Silber 

-{-  2  Tropfen 
Na  Ol  10«/o 

1 

0,04  ccm 

+  +  + 

0 

0,5 

+  +  + 

0 

0,25 

' 

+  +  + 

0 

oa 

0 

0 

0,05 

0 

0 

0,025 

I 

0 

0 

0,01 

i 

0 

0 

0,005 

0 

+? 

0,0025 

i                     « 

1                      1 

0 

+? 

Kontrolle :        — 

1 

0 

+  +  + 

Tabelle   XV. 
Abfallende  Silbermengen.    EiereiweiTslösung   ca.  5  Vo  (üi   100  ccm  0,8  g  N^v 


Silber 

Eiweifs 

+  2  Tropfen 
Na  Ol  10  o/o 

0,5 
0,25 

0,1 

0,05 

0,025 

1  ccm 

> 
> 
» 
» 

0 

+  +  + 
+  +  + 
+  +  + 

0 
0 
0 
0 
0 

Resultat:  Silber  und  Eiweifs  fallen  nur,  wenn  EiweiÜB  konientriert, 
Silber  verdünnt  ist. 

Salz  hebt  die  Fällung  auf.    Ebenso  wird  Silber  gegen  Eiweifs  durch  Sals 
geschützt.    Ein  fällungsbefördemder  Einfiufis  der  Salze  ist  nicht  in  erkennen. 

Till.  Platin  nach  Bredi|r- 

Tabelle  XVI. 
Ziegenserum  (4  Tage  gegen  fliefsendes  Wasser  dialysiert). 


Serum 

Platinsol 

1 

1 

1  ccm 

1 

+  +1 

Der  Niederschlag  be- 

0,5        ! 

1 

+  + 

steht   zum    gröfseren 

0,25 

1 

+  +1 

Teil  aus  Platin 

0,1 

!           > 

0 

0,05 

! 

0 

0,025 

0 

0,01 

0 

Resultat:   Gröfsere  Serummengen   fallen   das  kolloidale  Platin, 
salzhaltiger  Lösung  wurden  keine  Versuche  vorgenommen. 


In 


Anmerkung  während  der  Korrektur :  In  einer  während  der  Dmcklegang 
dieser  Arbeit  erschienenen  Mitteilung  (Hofmeisters  Beitr.,  Bd,  VU,  H.12) 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann.  373 

b)  Bespreohung  der  VerBuchsergebnisse. 

Die  Fällung  der  Eiweifskörper  durch  anorganische  Kolloide 
ist  einer  theoretischen  Betrachtung  nicht  so  leicht  zugänglich 
wie  die  der  anorganischen  Kolloide  untereinander.  Bestehen  doch 
schon  über  die  Ursachen  der  Stabilität  von  Eiweifslösungen  ver- 
schiedene Anschauungen.  Hardy^)  nahm  an,  dafs  das  Eiweifs 
nur  durch  seine  elektrische  Ladung  in  Lösung  gehalten  werde, 
die  je  nach  der  Reaktion  der  Flüssigkeit  eine  positive  oder  nega- 
tive ist,  dafs  es  im  isoelektrischen  Punkt  also  instabil  sei,  während 
Billitzer^)  diese  Ansicht  nur  für  koaguliertes  Eiweifs  zuläfst, 
•die  Stabilität  nativer  Eiweifslösungen  dagegen  auf  die  Kleinheit 
ihrer  Teilchen  zurückführt  und  somit  im  isolelektrischen  Punkt 
•die  grölste  Unempfindlichkeit  nativer  Eiweifslösungen  gegenüber 
Elektrolyten  annimmt. 

Die  Fällung  zwischen  anorganischen  Kolloiden  wird  bekannt- 
lich auf  eine  Neutralisierung  ihrer  elektrischen  Ladungen  zurückge- 
führt. Fassen  wir  die  Eiweifskörper  als  elektroamphotere  Elektro- 
lyte  resp.  Zwitterionen  auf,  so  ist  die  Vorstellung  einer  Entladung 
•durch  ein  einsinnig  geladenes  Kolloid  schwer  durchführbar,  da 
auf  dem  Komplex   stets   eine   freie  Ladung  zurückbleiben  mufs. 

Billitzer  hat  nun  in  seinen  umfassenden  und  für  die 
Theorie  der  Kolloide  sehr  wichtigen  Arbeiten  die  Vorstellungen 
über  die  Fällung  der  anorganischen  Kolloide  untereinander  auch 
auf  die  Fällungen  der  eiweifsartigen  Stoffe  auszudehnen  gesucht, 
indem  er  die  Annahme  macht,  dafs  diese  nur  dann  andere  Kol- 


berichtet  Pauli,  dafs  Eiweifs,  welches  6 — 8  Wochen  lang  dialysiert  worden 
ist,  weder  mit  positiven  noch  mit  negativen  Kolloiden  Fällungen  gibt  Pauli 
benutzt  dabei  allerdings  nicht  die  reinen  Kolloide,  sondern  die  Salze  der  Schwer- 
metalle,  deren  FäUungsvermögen  er  auf  ihren  Gehalt  an  kolloidalem  Metall- 
hydroxyd zurückfahrt.  Da  aber  in  den  Salzen  stets  auch  Jonen  vorhanden 
flind,  welche  der  Fällung  entgegenwirken  können,  auch  die  Fällung  zwischen 
Kolloiden  und  Eiweifs  an  ganz  bestimmte  Mengenverhältnisse  gebunden  ist, 
•dürfte  die  Schwermetallsalzfällung  über  die  Fällbarkeit  durch  Kolloide  keinen 
sicheren  Aufschlufs  geben.  Im  übrigen  ist  es  natürlich  durchaus  möglich,  dafs 
solange  dialysiertes  Serum  sich  gegen  Kolloide  anders  verhält  als  das  in  meinen 
Versuchen  benutzte,  und  es  wäre  theoretisch  ein  solcher  Unterschied  sicher- 
lich von  grofsem  Interesse. 

1)  Jonrn.  of  physiol.  24  (1899).  —  Zeitschr.  f.  physik.  Chemie  33  (1901). 

2)  a.a.O.  25* 


374        Über  die  Fällungen  von  Eiweifs  durch  andere  Kolloide  etc. 

loide  fällen,  wenn  sie  durch  die  Reaktion  der  Flüssigkeit  eine 
diesen  entgegengesetzte  Ladung  angenommen  haben.  Gelatine 
ist  stets  schwach  sauer  und  elektropositiv.  Sie  gibt  daher  mit 
negativen  Kolloiden  Trübung,  nicht  mit  positiven.  .  Auch  auf 
den  negativen  Mastix  wirkt  sie  ein,  indem  sie  seine  Fällbarkeit 
durch  Salze  erhöht  (Bechhold,  M.  Neifser  und  Verfasser*). 
In  alkalischer  Lösung,  in  der  die  Gelatine  negativ  ist,  treten 
diese  Wirkungen  nicht  ein. 

Diese  Anschauung  Billitzersist  meiner  Ansicht  nach  nicht 
haltbar,  so  wichtig  auch  die  Entdeckung  ist,  dafs  Kolloide  durch 
geringe  Reaktionsänderungen  umgeladen  werden.  Um  bei  den 
Versuchen  mit  Mastix  zu  bleiben,  so  dürfte  wohl  bei  einer  Gelatine- 
konzentration von  1 :  2000000,  wie  sie  in  den  erwähnten  Ver- 
suchen zur  Anwendung  kam^  kaum  noch  von  einer  sauren  Reak- 
tion gesprochen  werden.  Bei  Blutserum,  Blutegelextrakt  etc.,  die 
ganz  in  der  gleichen  Weise  wirken,  ist  vollends  eine  saure  Re- 
aktion nicht  zu  beobachten,  und  schliefslich  zeigten  ja  diese  Ver- 
suche, dafs  dieselbe  Eiweifslösung  sowohl  mit  positiven  wie  mit 
negativen  Kolloiden  Fällungen  gibt. 

Durch  Versuche  mittels  der  elektrischen  Kata- 
phorese  konnte  ich  nun  feststellen,  dafs  der  Ladungs- 
sinn derEiweifskörper  gegen  Wasser  für  ihr  Fällungs- 
vermögen auf  anorganische  Kolloide  überhaupt  nicht 
ausschlaggebend  ist.  Hardys  koaguliertes  Eiweifs, 
welches  zur  Anode  wandert,  gibt  trotzdem  mit  allen 
untersuchten  anorganischen  negativen  Kolloiden, 
(Arsen-,  Antimontrisulfid,  Kieselsäure,  Molybdän- 
säure) starke  Fällungen. 

Wollte  man  an  der  Billitzerschen  Anschauung  festhalten,  so 
müfste  man  annehmen,  dafs  die  negativen  Kolloide  stets  sauer, 
die  positiven  basisch  reagierten.  Diese  Annahme  ist  aber  sehr 
unwahrscheinlich,  da  die  Arsentrisulfidlösung  z.  B.  sich  kaum 
Monate  lang  gehalten  haben  würde,  wenn  sie  so  sauer  reagiert 
hätte,  um  Eiweifs  momentan  umzuladen. 

1)  a.  a.  0. 


Von  Dr.  Ulrich  FriedemaDn.  375 

Weit  eher  wäre  schon  daran  zu  denken,  ob  nicht  das  Eiweils 
durch  ein  negatives  Kolloid  selbst  eine  positive  Ladung  annehmen 
könne.  Verhalten  sich  doch  auch  schwache  Basen  (z.  B.  Alu- 
miniumhydroxyd) starken  Basen  (Natriumhydroxyd)  gegenüber 
wie  Säuren.  Ob  allerdings  eine  Beeinflussung  eines  Kolloids 
durch  das  andere  vermittelst  gleicher  Jonen  (H-Jonen),  welche 
Landsteiner  und  Jagic^)  annehmen,  hier  in  Betracht  kommen 
kann,  muls  mindestens  zweifelhaft  erscheinen,  da  die  H-Jonen 
Konzentration  einer  negativen  Kolloidlösung  wohl  kaum  grofs 
genug  sein  dürfte,  um  Eiweifs  umzuladen.  Zudem  ist  ja  die  An- 
nahme, dafs  H-  resp.  OH-Jonen  abdissociiert  werden,  vorläufig 
wohl  nur  für  die  oxydartig  gebauten  Kolloide  zulässig,  und  würde 
daher  die  Fällung  von  Eiweils  durch  die  kolloidalen  Sulfide 
nicht  erklären. 

Bei  dem  gegenwärtigen  Stand  unserer  Kenntnisse  ist  es 
daher  wohl  das  einfachste,  anzunehmen,  dafs  das  anorganische 
Kolloid  (+  oder  — )  sich  an  die  eine  freie  Ladung  des  Zwitterions- 
Eiweils  (bzw.  amphoteren  Kolloids)  anlagert  und  so  zur  Entstehung 
gröfserer  Komplexe  Anlafs  gibt,  welche  sodann  ausfallen. 

Eine  Konsequenz  dieser  Anschauung  ist,  dafs  die  ausfallen- 
den Kolloideiweifsmischungen  stets  noch  eine  freie  elektrische 
Ladung  tragen^),  und  damit  erklärt  sich  vielleicht  der  grofse 
Einflufs,  welchen  die  Gegenwart  von  Salzen  auf  die  Kolloideiweifs. 
fäUungen  ausübt,  vor  allem  auch  die  lösende  Wirkung,  welche 
die  Salze  auf  die  entstehenden  Niederschläge  zeigen.  Denn  nach 
den  wichtigen  Untersuchungen  Paulis 2)  gibt  es  ja  Jonen,  welche 
auf  die  Eiweifsfällungen  einen  hemmenden  Einflufs  besitzen, 
offenbar  also  die  Ladung  des  Eiweifses  vergröfsern.  Auch  an 
eine  Beeinflussung  der  Ladung  der  Eiweifskörper  durch  Salze 
wäre  zu  denken^);  konnte  doch  Pauli  beobachten,  dafs  in  Gegen- 
wart  von  H-Jonen   die    Reihenfolge   im    Fällungsvermögen   der 

1)  a.  a.  0. 

2)  Hofmeisters  Beitr.,   Bd.  2,  H.  1,  Bd.  3,  H.  4—6,  Bd.  5,  H.  1  u.  2. 

3)  fixperimentell  liefs  sich  eine  solche  nicht  nachweisen,  da  Hardys 
koaguliertes  Eiweifs  bei  220  Volt  und  Stromstärken  bis  zu  1,5  Ampere  in 
salzhaltiger  Lösung  gar  keine  Wanderung  zeigte,  o£fenbar  infolge  des  zu 
geringen  Widerstandes  der  Lösung. 


376         Über  die  Fällangen  von  Eiweils  durch  andere  Kolloide  etc. 

Alkalisalze  sich  umkehrt.  Aus  diesen  Gesichtspunkten  dürfte  die 
fast  völlige  Umkehr  der  Fällungskurve  zwischen  Eiweifs  und 
Kolloiden  in  salzhaltiger  Lösung,  die  Hemmung  in  ausfallenden 
Gemischen,  die  Fällung  übemeutralisierter  Mischungen  verständ- 
lich werden.  Eine  genauere  Analyse  der  Beobachtungen  dürfte 
aber  wohl  erst  mögUch  sein,  wenn  die  Wirkung  der  einzelnen 
Jonen  bei  diesen  Vorgängen  genauer  studiert  würde. 

II.  Schutzkolloide. 

Die  erwähnten  Versuche  über  die  Kolloideiweifsfällungen 
stehen  in  naher  Beziehung  zu  den  Wirkungen  der  sog.  »Schutz- 
koUoidec^)  und  dürften  diese  in  einem  ganz  anderen  Licht  er- 
scheinen lassen.  Da  die  Eiweifskörper  mit  denselben  Kolloiden,^ 
welche  sie  gegen  Salze  schützen,  in  salzfreier  Lösung  bei  be- 
stimmten Mengenverhältnissen  Fällungen  geben,  so  ist  es  über- 
haupt fraglich,  ob  die  Trennung  in  » Schutzkolloide c  und  »Fällungs- 
kolloidec  prinzipiellen  Unterschieden  entspricht.  2)  Vielmehr 
scheinen  fällende  (oder  wenigstens  fällungsbefördemde)  und 
hemmende  Wirkungen  stets  miteinander  verknüpft  zu  sein. 

Sodann  ist  aber  zu  beachten,  dafs  instabile  anorganische 
Kolloide  durch  Eiweifs  allerdings  vor  der  Ausflockung  durch 
Salze  geschützt  werden,  dafs  umgekehrt  aber  auch  die  Aus- 
flockung der  Eiweifskörper  durch  stabilere  anorganische  Kolloide 
in  Gegenwart  von  Salzen  gehemmt  wird. 

Die  Schutzwirkung  der  Eiweifskörper  erscheint 
somit  nur  als  ein  Ausschnitt  der  Fällungskurve 
zwischen  Eiweifs  und  Kolloid  in  salzhaltiger  Lösung. 

Auf  eine  Ansicht,  welche  Billitzer^j  über  die  Wirkung 
der  Schutzkolloide  entwickelt  hat,  sei  hier  noch  kurz  eingegangen. 
Da    dieser    Autor   fand,    dafs    Gelatine    auch    dann    schützende 


1)  Schul«  und  Zsymondy,  Zeitechr.  f.  analyt.  Chemie,  40,  S.  697. 
—  Hofmeisters  Beitr.,  Bd.  3,  S.  137. 

2)  Allerdings  mufs  bemerkt  werden,  dafs  Gelatine  s.  B.  in  salzfreier 
Lösung  mit  Mastix  keine  Fallung  ergibt.  Möglicherweise  sind  aber  die  ent- 
stehenden Komplexe,  wie  Billitzer  annimmt,  nur  zu  klein,  um  auszufallen. 
Auch  dürfte  der  Einflufs  verschiedener  Temperaturen  dabei  noch  zu  weni^ 
studiert  sein. 

3)  Zeitschr.  f.  physik.  Chemie,  Bd.  61,  S.  162. 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann.  377 

Eigenschaften  für  Kolloide  zeigt,  wenn  sie  durch  die  Reaktion 
der  Lösung  eine  diesen  gleiche  Ladung  trägt,  so  nimmt  er  bei 
diesem  Vorgang  eine  direkte  Einwirkung  des  Eiweifses  auf  die 
Kolloide  überhaupt  nicht  an,  glaubt  vielmehr,  dafs  die  Gelatine, 
resp.  das  Eiweifs  das  Salz  gleichsam  für  sich  in  Beschlag  nimmt  und 
so  von  dem  instabileren  Kolloid  ablenkt.  Demgegenüber  muCs 
jedoch  betont  werden,  dafs  die  schützende  Gelatinemenge  dann 
der  Salzmenge  proportional  sein  müfste,  während  in  den  Ver- 
suchen von  Bechhold,  M.  Neifser  und  Verfasser^)  das  Gegen- 
teil nachgewiesen  wurde,  nämlich  gänzliche  Unabhängigkeit  der 
Schutzgrenze  vom  Salzgehalt,  welche  vielmehr  von  der  Menge 
des  zu  schützenden  Kolloids  lediglich  abhängig  ist. 

Hingegen  werden  die  Befunde  Billitzers  unter  der  An- 
nahme, dafs  anorganische  Kolloide  auch  durch  gleichsinnig  ge- 
ladenes Eiweifs   beeinflufst  werden  können,   leicht  verständlich. 

III.  Theoretische  Bemerkungen  zu  den  Kolloidfällungen. 

Da  es  sich  bei  den  vorliegenden  Versuchen  um  die  Ein- 
wirkung von  Salzen  auf  anorganische  und  organische  Kolloide 
handelt,  so  mögen  einige  Bemerkungen  über  die  Theorien  der 
Kolloidfällungen  durch  Elektrolyte  hier  Platz  finden. 

Die  Anschauungen  über  die  Fällungen  der  anorganischen 
Kolloide  und  der  Eiweifskörper  bewegten  sich  auf  verschiedenen 
Wegen.  Die  einfachen  Beziehungen  zwischen  den  Ladungen  der 
anorganischen  Kolloide  und  dem  Fällungsvermögen  der  Jonen 
liefsen  die  elektrischen  Theorien  entstehen  (Hardy^),  Bredig^), 
Billitzer^),  während  bei  der  Aussalzung  der  Eiweifskörper  mehr 
an  einen  Kampf  der  Salze  mit  dem  Eiweifs  um  das  Lösungs- 
mittel gedacht  wurde  (Hofmeister^),  Spiro*).  Ursprünglich 
glaubte  man  sogar  die  Wirkung  der  Leichtmetalle  bei  der  Aus- 
setzung als  »Neutralsalzwirkungc   von    der  eigentlichen    »Jonen- 

1)  a.  a.  0. 

2)  a.  a.  0. 

3)  Anorganische  Fermente,  Leipzig^  1901. 

4)  a.  a.  O. 

5)  Archiv  f.  exper.  Path.  u.  Pharmakol.,  Bd.  25,  27  u.  28. 

6)  Hofmeisters  Beitr.,  Bd.  4,  S.  300. 


378         Über  die  Fällungen  von  Eiweifs  durch  andere  Kolloide  etc. 

wirkungc  bei  den  Schwermetallsalzen  und  den  Fällungen  der 
anorganischen  Kolloide  prinzipiell  scheiden  zu  müssen.  Wenn 
nun  auch  diese  Trennung  nach  dem  Nachweise  Paulis^),  daCs 
auch  die  Wirkung  der  Alkalisalze  auf  Eiweifs  sich  additiv  aus 
den  Jonenwirkungen  ergibt,  nicht  mehr  aufrechtzuerhalten  ist, 
80  mufs  doch  bemerkt  werden,  dafs  die  Entziehungstheorie 
(Hofmeister)  einige  Tatsachen  gut  erklärt,  welche  von  den 
elektrischen  Theorien  unberührt  gelassen  werden.  Vor  allem 
wäre  die  wichtige  Entdeckung  Hofmeisters^  zu  erwähnen, 
dafs  die  Salze  in  derselben  Reihenfolge,  in  welcher  sie  sich 
nach  ihrem  EiweifsfäUungsvermögen  ordnen,  auch  die  Quellung 
von  Gelatinescheiben  verhindern,  gleichsam  als  ob  ihr  Fällungs- 
vermögen mit  einer  gewissen  Anziehung  auf  das  Lösungsmittel 
im  Zusammenhang  stünde. 

Im  folgenden  sei  nun  auf  einige,  wie  mir  scheint,  bisher 
nicht  beachtete,  selw  auffallende  Beziehungen  zwischen  Wasser 
anziehenden  Kräften  der  Jonen  und  einigen  Eigenschaften,  die 
auch  bei  der  Fällung  der  Kolloide  eine  Rolle  spielen,  hinge- 
wiesen, die  möglicherweise  eine  Verbindung  zwischen  den  elek 
trischen  Theorien  und  den  Entziehungstheorien  anbahnen  könnten. 
Dafs  die  hier  in  Betracht  kommenden  Anziehungskräfte  auf  das 
Wasser  nichts  mit  den  osmotischen  Kräften  zu  tun  haben,  wie 
man  ursprünglich  annahm,  erhellt  schon  daraus,  dafs  diese  rein 
kolligative  Eigenschaften  der  Molekeln  darstellen,  überdies  bei 
Niciltelektrolyten  in  der  gleichen  Weise  vorhanden  sind. 

Dagegen  offenbaren  die  Jonen  ein  Anziehungs- 
vermögen für  Wasser  in  der  Kontraktion,  welche 
beim  Auflösen  von  Salzen  zu  beobachten  ist.  In  ihrer 
Theorie  der  Elektrostriktion  führten  Drude  und  Kernst*)  aus, 
dafs  diese  Volumverminderung  durch  das  elektrostatische  Feld 
der  Jonen  bedingt  wird,  indem  m  diesem  das  Dielektrikum 
Wasser  sich  zusammenzieht.  Da  die  Kontraktion  in  unmittel- 
barer Nähe  der  Jonen  am  stärksten  ist,  so  kann  man  aber  auch 

1)  a.  a.  0. 

2)  a.  a.  0. 

3)  Zeitschr.  f.  physik.  Chemie,  Bd.  15. 


Von  Dr.  Ulricii  Friedemann. 


379 


von  einer  dielektrischen  Anziehung  der  Jonen  auf  das  Lösungs- 
mittel sprechen. 

Die  Gröfse  dieser  Kontraktion  wurde  nun  durch  Kohlrausch 
und  Hellwachs*)  und  Valson^)  bei  den  verschiedenen  Elektro- 
lyten gemessen.  Besonders  der  letztere  Autor  stellte  bei  einer 
grolsen  Reihe  von  Salzen  vergleichende  Untersuchungen  an  und 
gelangte  zu  dem  ¥richtigen  Resultat,  dafs  die  Volumkontraktion 
eine  additive  Eigenschaft  der  Jonen  ist  (¥rie  die  KoUoidfällungy, 
und  dafs  jedes  Jon  einen  bestimmten  Modul  besitzt  Sehr 
interessant  ist  es  nun,  dafs  die  Jonen  sich  nach  der 
Gröfse  der  durch  sie  bewirkten  Kontraktion  in  die- 
selbe Reihe  ordnen  lassen  wie  nach  ihrem  Fällungs- 
vermögen  für  Eiweifs. 

So  fand  Valson  die  Kontraktion  in  Normallösungen  der 
betreffenden  Sake  (C.  r.  Bd.  77  S.  803): 


Na,  BA  — 34,4 

NH,B,0,   — 

34,4 

K,  SO,  =  13,2 

Na,  CO,  — 21 

(NH,),CO,- 

21 

KFI      —12,8 

Na,SO,  — 16,7 

(NHJ.SO, 

10,1 

KCl      —   8,8 

Na  Fl      —   9,7 

NH.Fl        — 

3,5 

KNO,  —   9,6 

NaCl      —   9 

NH^CI        — 

-2,1 

KBr     —11,1 

NaNO,  —  8,5 

NH.NO,     — 

0,1 

KJ       -   9,2 

NaBr     —   8 

NH^Br       — 

—  3,6 

NaJ       —   5,4 

NH,J         — 

-5,1 

Bei  den  Natriumsalzen  fällt  die  Reihenfolge  der 
Anionen  vollkommen  mit  der  von  Hofmeister  und 
Pauli  festgestellten  für  die  Eiweilsf ällung  zusammen. 
Bei  den  Kalium-  und  Ammoniumsalzen  finden  sich  an  einzelnen 
Stellen  kleine  Abweichungen,  doch  ist  im  ganzen  auch  hier  die 
Übereinstimmung  eine  sehr  gute,  zumal  wenn  man  erwägt,  dafs 
die  Methode  Valsons  wohl  kleine  Fehlerquellen  in  sich  schliefst 
und  vor  allem  die  elektrolytische  Dissoziation  der  Salze  dabei 
nicht  berücksichtigt  wurde. 


1)  Wied.  Ann.  53  (1894)  und  56  (1895}. 

2)  Compt.  rend.  d.  sciences  de  l'Acad.  des  scienc,  Bd.  73,  S.  441,  1376. 
—  Valson  et  Favre,  ibidem,  Bd.  73,  S.  1144,  Bd.  77,  S.  577,  802,  907;  vgl. 
aach  N ernst,  Lehrbuch  d.  theoret.  Chemie,  4.  Aufl.,  S.  383. 


380        Über  die  FälluDgen  von  Eiweifs  durch  andere  Kolloide  etc. 

Es  ergibt  sich  somit,  dafs  ein  Salz  um  so  stärker  eiweifs- 
fallend  wirkt,  je  grölser  die  durch  sein  Anion  hervorgerufene 
Volumkontraktion  ist.  Wie  die  Tabellen  zeigen,  ist  das  additive 
Verhalten  nicht  genau  erfüllt,  vielmehr  zeigen  die  Borate  und 
Karbonate,  dafs  der  Einflufs  des  Kations  um  so  geringer  wird, 
je  stärker  das  Anion  wirkt.  Ganz  ähnlichen  Verhältnissen  be- 
gegnet man  auch  bei  der  Kolloidfällung. 

Bei  den  Kationen  ist  die  Übereinstimmung  zwischen  der 
Volumkontraktion  und  der  EiweifsfäUung  keine  so  vollkommene; 
doch  finden  sich  die  allgemeinen  Gesetzmäfsigkeiten  auch  hier 
wieder.  So  stehen  nach  steigender  Kontraktion  geordnet  zuerst 
NH4  und  sodann  K  und  Na,  weiterhin  die  Erdalkalien,  während 
die  Schwermetalljonen  im  allgemeinen  eine  sehr  starke  Volum- 
verminderung verursachen.  Wie  also  die  Kationen  mit  niedriger 
Entladungsspannung  im  allgemeinen  Eiweifs  und  anorganische 
Kolloide  am  stärksten  fällen,  so  zeigen  sie  auch  die  grOfste 
dielektrische  Anziehung  auf  Wasser. 

Schliefslich  sei  darauf  hingewiesen,  dafs  auch  die  Grölse 
der  Ladung  eines  Jons  die  Stärke  der  Elektrostriktion  quantitativ 
in  ähnlicher  Weise  bestimmt  wie  das  Fällungsvermögen  für  Salze. 
Schulze^)  machte  schon  vor  längerer  Zeit  darauf  aufmerksam, 
dafs  die  Fällkraft  eines  Jons  stark  mit  seiner  Wertigkeit  wächst. 
Auch  die  Gröfse  der  Elektrostriktion  mufs  nach  der  Theorie  von 
N ernst  und  Drude  mit  der  Ladung  der  Jonen  steigen. 2) 

Es  mufs  bemerkt  werden,  dafs  die  Volumkontraktionen,  die 
sich  in  obigen  Tabellen  finden,  streng  genommen  nicht  allein 
von  der  Elektrostriktion  abhängen,  da  Valson  wasserfreie  Salze 
benutzte.  Von  der  Volumverminderung  ist  also  eigentlich  die- 
jenige abzuziehen,  die  bei  der  Aufnahme  des  Kristallwassers  ein- 


1)  Joam.  f.  prakt.  Chemie,  Bd.  25,  S.  431. 

2)  Von  S  p  i  r  o  (a.  a.  0.)  wurde  in  der  erwähnten  Arbeit  auf  Beziehungen 
zwischen  dem  Fällungsvermögen  der  Jonen,  ihrem  Einflufs  auf  die  Katalyse 
durch  H  und  OH-Jonen,  auf  die  Ausflufsgeschwindigkeit  des  Wassers,  ihrer 
Neigung,  übersättigte  Lösungen  zu  bilden,  und  verschiedenen  Eigenschaften, 
die  der  Verf.  mit  der  inneren  Reibung  der  Salzlösungen  in  Zusammenhang 
bringt,  hingewiesen.  Höchst  wahrscheinlich  ist  auch  diese  eine  Funktion 
der  Elektrostriktion. 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann.  381 

tritt.     Aber  auch  dann  bleibt  die  Gesetzmäfsigkeit  im  allgemeinen 
erhalten,  wie  die  folgende  Tabelle  zeigt: 


Na,  =  13,5 
Na,CO,=  7,2 
Na,  8O4  =  10,9 
Na  Fl  =  9,7 
NaCl      =    9 


Na  NO,  =  8,5 
NaBr     =  4 
NaJ       =  4,4. 


Möglicherweise  steht  auch  die  Bindung  des  Kristallwassers 
mit  den  elektrostatischen  Kräften,  welche  die  dielektrische  An- 
ziehung bedingen,  im  Zusammenhang;  denn  es  ist  auffallend^ 
dafs  die  Salze,  welche  die  stärkste  Volumkontraktion  hervor- 
rufen, auch  kristall wasserhaltiger  sind^). 

Es  mag  noch  auf  einige  Möglichkeiten  hingewiesen  werden, 
den  Zusammenhang  zwischen  Fällungsvermögen  der  Salze  und 
der  durch  sie  bewirkten  Volumkontraktion  zu  erklären.  Der 
älteren  Hofmeister'schen  Entziehungstheorie  nähert  sich  die 
Theorie  von  Wetham  und  Wright,  welche  dielektrischen  Kräften 
der  Jonen  ebenfalls  Rechnung  trägt.  Diese  Theorie,  welche  von 
der  Annahme  ausgeht,  dafs  das  Wasser  infolge  seiner  gröfseren 
Dielektrizitätskonstante  in  das  elektrische  Feld  der  Jonen  hin- 
eingezogen würde  und  so  die  Kolloidteilchen  gewissermafsen  aus- 
preist, leidet  jedoch  an  dem  Übelstand,  dafs  sie  nicht  zu  er- 
klären vermag,  warum  stets  das  dem  Kolloid  entgegengesetzt 
geladene  Jon  bei  dem  Fällungsvorgang  eine  so  mafsgebende 
Rolle  spielt. 

Dagegen  liefse  sich  vielleicht  durch  eine  Modifikation  der 
Billitzerschen  Theorie  eine  Auffassung  gewinnen,  die  eine 
einheitliche  Erklärung  der  beobachteten  Tatsachen  gestatten 
würde.  Billitzer  vergleicht  die  Jonen  bei  der  Fällung  der 
Kolloide  mit  Kondensationskemen,  welche  die  Kolloidteilchen 
sammeln;  bei  dieser  Anziehung  nimmt  Billitzer  offenbar  ein 
Aufeinanderwirken  elektrischer  Ladungen  an;  denn  er  ist  der 
Meinung,  dafs  die  ausfallenden  Koagula  elektrisch  neutral  seien. 
Grofse  Schwierigkeiten  erwachsen  nun  aber  daraus,  dafs  Billitzer 


1)  Auch  hierbei   haben  die   Anionen   einen  stärkeren  Einflufs  als   die 
Kationen. 


382        Über  die  Fällungen  von  Eiweifs  darch  andere  Kolloide  etc. 

dann  natürlich  annehmen  mufs,  dafs  die  Ladung  eines  Kolloid 
teilchens  sehr  viel  kleiner  als  die  eines  Jons  sei,  während  doch 
anderseits  nach  seiner  Theorie  die  auf  den  Kolloidteilchen 
durch  Abdissociieren  von  Jonen  zurückbleibende  Ladung  min- 
destens einer  Jonenladung  äquivalent  sein  müCste. 

Diese  Schwierigkeit  liefse  sich  vielleicht  umgehen,  wenn  man 
den  Vergleich  mit  den  Kondensationskernen  weiter  durchführt. 
Bei  der  Kondensation  übersättigten  Wasserdampfes  durch  Luft- 
jonen findet  ja,  wie  die  berühmten  Untersuchungen  Thompsons 
gezeigt  haben,  eine  Anziehung  der  Jonen  auf  die  elektrisch  neu- 
tralen Wasserteilchen  statt,  und  diese  Anziehung  wird  auf  dielek- 
trische Kräfte  zurückgeführt  (N ernst).  Es  wäre  wohl  denkbar, 
dafs  auch  bei  der  Fällung  der  Kolloide  derartige  Kräfte  neben 
den  Ladungen  der  Kolloidteilchen  eine  Rolle  spielen.  Jeden- 
falls wäre  unter  dieser  Annahme  der  Parallelismus  zwischen  dem 
Fällungsvermögen  der  Jonen  und  ihrer  dielektrischen  Anziehung 
auf  das  Wasser  wohl  verständlich. 


IV.  Immunkörperreaktionen. 

a)  Präzipitine. 

Bei  den  spezifischen  Präzipitinreaktionen  wurden  von  M. 
Neifser^)  sehr  ähnliche  Beobachtungen  gemacht,  wie  sie  soeben 
bei  den  KolloideiweifsfäUungen  berichtet  wurden. 

Mischt  man  ein  präzipitierendes  Serum  mit  seinem  homo- 
logen Eiweifskörper  in  0,85  proz.  Kochsalzlösung  in  geeigneten 
Mengenverhältnissen ,  so  erfolgt  bekanntlich  eine  Fällung. 
Dialysiert  man  nun  vorher  beide  Flüssigkeiten  mehrere  Tage 
und  mischt  sie  dann,  so  fällt  der  Niederschlag  viel  mächtiger  aus, 
und  diese  Fällung  löst  sich  wieder,  sobald  man  Kochsalz  hin- 
zufügt. Das  gleiche  Resultat  erhält  man,  wenn  man  vorher  die 
Sera  mit  destilliertem  Wasser  verdünnt  und  einen  Strom  von 
Kohlensäure  hindurchleitet,  wobei  die  Globuline  zmn  grofsen 
Teil  ausfallen.     Wir  finden  also  auch  bei    den    Präzipitinen   bei 


1)  Hygien.  Rundschau,  1903,  S.  1261. 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann.  333 

gewissen  Mischungsverhältnissen  eine  Fällung  in  salzfreier,  bei 
andern  eine  solche  in  salzhaltiger  Lösung. 

Die  Ähnlichkeit  mit  dem  Verhalten  der  KoUoideiweifsfäl- 
lungen  läfst  vermuten,  dafs  die  eigentümliche  Rolle,  welche  die 
Salze  bei  der  spezifischen  Präzipitation  spielen,  darauf  zurück« 
zuführen  ist,  dafs  dabei  ein  amphoteres  Kolloid  mit  einem  sauren 
oder  basischen  reagiert,  und  es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dafs  eine 
weitere  Aufklärung  dieser  Verhältnisse  auch  Anhaltspunkte  für 
die  Erforschung  der  chemischen  Natur  der  Immunkörper  liefern 
wird. 

Es  mufs  allerdings  bemerkt  werden,  dafs  die  Annahme  nicht 
ausgeschlossen  ist,  dafs  es  zwei  verschiedene  Präzipitine  gibt, 
von.  denen  das  eine  in  salzhaltiger,  das  andere  in  salzfreier 
Lösung  wirkt.  Diese  müfsten  beide  spezifische  Reaktionspror 
dukte  sein.  Weitere  Versuche  müssen  hierüber  entscheiden; 
doch  liegt  bei  der  auffallenden  Analogie  zu  den  Fällungen  von 
Eiweils  durch  Kolloide  (auch  Histon)  vorläufig  kein  Grund  vor, 
von  der  einfacheren  Vorstellung  abzugehen,  dafs  beide  iden- 
tisch sind. 

b)  Agglutinine. 

In  Anlehnung  an  die  Verhältnisse  bei  derPräzi- 
pitation  gelang  es  mir,  den  Nachweis  zu  führen,  dnfs 
auch  eine  Bakterienagglutination  in  salzfreier  Lö- 
sung existiert  und  zwar  bis  zu  nicht  unerheblichen 
Verdünnungen  (1:1000).  Allerdings  wich  ich  bei  diesen 
Versuchen  von  der  Versuchsanordnung  Bordets^)  ab,  welcher 
bekanntlich  durch  seine  Versuche  dartat,  dafs  die  Salze  für  den 
Vorgang  der  Ausflockung  notwendig  sind.  Während  Bordet 
die  Bakterien  bei  einer  bestimmten  Konzentration  mit  aggluti- 
nierendem Serum  behandelte,  mehrmals  wusch  und  die  abzentri- 
fugierten  Bakterien  sodann  in  destilliertem  Wasser,  resp.  Koch- 
salzlösung aufschwemmte,  dialysierte  ich  das  Serum  mehrere 
Tage  und  liefs  es  dann  auf  salzfreie,  durch  1%  Formalin    abge- 


1)  a.  a.  0.,  vgl.  auch  Friedberger,  Zentralbl.  f.  Bakt.,   Bd.  31,   und 
Joos,  J.  f.  Hygiene  Bd.  36  und  40. 


384        Über  die  Fällungen  von  EiweidB  durch  andere  Kolloide  etc. 

tötete  BakterienaofschwemmungeD  einwirken.  Stets  beobachtete 
ich  auch  in  salzfreier  Lösung  eine  ihrem  Aussehen  nach  typische 
Bakterienagglutination.  Die  Verdünnungen,  in  denen  diese  noch 
eintrat,  waren  ziemlich  wechselnde,  und  zwar  scheint  das  Alter 
des  Serums  eine  gewisse  Rolle  zu  spielen.  Wenigstens  geben 
alte  getrocknete  Pferdesera  stets  nur  eine  mäfsige  Agglutination 
in  salzfreier  Lösung,  indem  dieselbe  häufig  sehr  spät  eintrat  und 
erst  nach  einigen  Tagen  komplett  wurde.  Frische  Sera  agglu- 
tinierten  rasch  (Kaninchen-,  Ziegen-,  Rinderserum),  doch  sehwankte 
auch  ihr  Titer  nicht  unerheblich.  Meist  lag  er  zwischen  1:200 
und  1 :  1000,  doch  kamen  auch  Sera  zur  Beobachtung,  die  in 
weit  geringerem  Grade  in  salzfreier  Lösung  wirkten. 

Die  weitere  Verfolgung  dieser  Beobachtung  zeigte  jedoch,  wie 
aufserordentlich  vorsichtig  man  in  der  Deutung  von  Vorgängen 
sein  mufs,  die  sich  in  einer  so  kompliziert  zusammengesetzten 
Flüssigkeit,  wie  sie  das  Blutserum  ist,  abspielen,  und  wie  häufig 
verwickeitere  Vorstellungen  an  Stelle  der  einfacheren  Erklärungs- 
möglichkeiten treten  müssen. 

Es  zeigte  sich  nämlich,  dafs  die  Höhe,  in  der  ein  Serum  in 
salzfreier  Lösung  agglutiniert,  von  seinem  Titer  in  salzhaltiger 
Lösung  unabhängig  ist,  und  dafs  Normalsera  sich  in  dieser  Be- 
ziehung den  Lnmunseris  durchaus  gleich  verhalten.  So  gab 
auch  ein  normales  Kaninchenserum  noch  in  der  Verdünnung 
1 :  1000  in  salzfreier  Lösung  deutliche  Agglutination,  während  es 
in  salzhaltiger  Lösung  fast  gar  nicht  wirkte^)  (s.  Tabelle).  Das 
Gleiche  beobachtete  ich  bei  den  Seris  anderer  Spezies  (Ziege, 
Rind).  Will  man  nicht  die  Annahme  machen,  dafs  die  Spezifität 
der  Agglutinationsreaktion  nur  in  salzhaltiger  Lösung  in  die  Er- 
scheinung tritt  (Henri^),  Zaugger*),  so  spricht  diese  Fest- 
stellung wohl  sehr  dafür,  dafs  die  Substanzen,  welche  in  salz- 
freier Lösung   wirken,    mit   den    spezifischen  Agglutininen  nicht 


1)  Damit  ist  auch  der  Einwand  widerlegt,  dafs  angenügende  Entfemong 
der  Salze  die  Agglutination  in  >8alzfreier<  Lösung  bedingen  könne. 

2)  a.  a.  O. 

3)  a.  a.  0. 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann. 


385 


identisch  sind,   eine  Vermutung,    für   die   noch  weitere  Beweise 
erbracht  werden. 

Tabelle  I. 

Typhuskaninchensenim  wird  4  Tage  gegen  fliefsendes  Wasser  dialysiert 

and  filtriert. 


j 
Serum 

Dünne  Bakterien- 

In  reinem  Wasser 

+  8  Tropfen  Na  Ol 

aufschwemmang 

lO»/, 

1  :  2 

1  Tropfen 

+++ 

+  ■+  + 

4 

+++ 

+  +  + 

8 

+++ 

+  +  + 

16 

+++ 

+  +  + 

82 

+++ 

+  +  + 

:  64 

i 

+++ 

+  +  + 

128 

+++ 

+  +  + 

.  256 

+++ 

+  +  + 

:  512 

0 

+  +  + 

:  1024 

1               ' 

+++ 

+  +  + 

:  2048 

0 

+  +  + 

:  4096 

1 

1 
1 

0 

+  +  + 

Beobachtung  nach  2^  bei  37^,  20^  bei  Zimmertemperatur. 

Tabelle  IT. 
Normales  Kaninchenserum  wird  in  der  gleichen  Weise  behandelt 


Serum 

Dünne  Bakterien- 

In reinem  Wasser 

+  3  Tropfen  NaCl 

1 

aufschwemmung 

10  Vo 

1  :  2 

1  Tropfen 

+  +  + 

+  +  + 

:  4 

+  +  + 

0 

:  8 

+  +  + 

0 

16 

+  +  + 

0 

:  32 

+  +  + 

0 

:  64 

+  +  -f- 

0 

.  128 

+  + 

0 

:  256 

+  + 

0 

:  512 

+  +  + 

0 

:  1024 

+  +-f- 

0 

:  2048 

0 

0 

:  4096 

0 

0 

Sehr  merkwürdige  Resultate  erhielt  ich  bei  dem  Versuch,  beide 
Substanzen  mit  Hilfe  der  Ehrlichschen  Absorptionsmethode 
zu  trennen.     Es   stellte   sich   nämlich   wiederholentlich   heraus, 


386        Über  die  Fallangen  von  Eiweifs  durch  andere  Kolloide  etc. 

dafs  nach  Einbringung  von  Bakterien  in  die  salzfreie  Lösung 
der  Agglutinationstiter  ganz  erheblich  zugenommen  hatte.  Ganz 
dasselbe  beobachtete  ich,  wenn  ich  mit  einer  Bakterienart  (Typhus, 
Koli,  Vibrio  Metschnikoff)  absorbierte  und  nunmehr  untersuchte, 
ob  das  Agglutinin  für  diese  verschwunden,  für  die  anderen  Bak- 
terienarten aber  erhalten  war.  Auch  bei  diesen  Versuchen  stieg 
häufig  das  Agglutinationsvermögen  erheblich  und  zwar  bisweilen 
nicht  nur  für  die  gleiche  Art,  sondern  auch  für  eine  der 
andern. 

Im  ganzen  waren  die  Resultate  so  wechselnde  und  wider- 
sprechende, dafs  ich  auf  diesem  Wege  zu  einer  Entscheidung 
der  Frage,  ob  Agglutinin  (Aqua  dest.)  und  Agglutinin  (NaCl) 
identisch  sind,  nicht  gelangen  konnte. 

Worauf  die  soeben  beschriebene  paradoxe  Tatsache  beruht, 
kann  ich  nicht  mit  Sicherheit  angeben,  konnte  jedoch  feststellen, 
dafs  gewisse  physikalische  Faktoren  auf  das  Agglutinationsver- 
mögen der  salzfreien  Sera  von  grofsem  Einflufs  sind.  Ein  und 
dasselbe  Serum  zeigte  nämlich,  zu  verschiedenen  Zeiten  untersucht, 
ganz  schwankende  Agglutinationswerte  und  vor  allem  erwies 
sich  die  Temperatur,  bei  der  die  Sera  vor  Anstellung  des  Ver- 
suches aufgehoben  wurden  (Eisschrank  oder  Zimmertemperatur), 
nicht  ohne  Einflufs  auf  das  Agglutinationsvermögen.  Ich  neige 
der  Ansicht  zu,  dafs  die  durch  Dialyse  nie  ganz  zu  entfernenden 
Globuline  bei  der  Agglutination  der  salzfreien  Sera  eine  Rolle 
spielt,  wozu  mich  folgende  Beobachtung  veranlaüät.  Setzt  man 
die  Verdünnungen  des  Serums  an  und  stellt  die  Röhrchen  für 
24  Stunden  in  den  Eisschrank,  so  bildet  sich  ein  ziemlich  mas- 
siger Niederschlag  (der  bei  Zimmertemperatur  ziemlich  gering 
ausfällt),  und  nach  dessen  Entfernung  war  das  Agglutinations- 
vermögen in  einem  grofsen  Teil  der  Röhrchen  verschwunden. 
Allerdings  geben  auch  reine  Serumalbuninlösungen  mit  Bakterien 
Fällungen,  aber  nur  in  höheren  Konzentrationen. 

So  interessant  vielleicht  eine  Fortführung  dieser  Untersu- 
chungen wäre,  so  habe  ich  doch  davon  Abstand  genommen,  da 
sie  nicht  im  Rahmen  dieser  Arbeit   liegen,  zumal   auf   anderem 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann.  387 

Wege  der  Nachweis  erbracht  werden  konnte,  dafs  die  spezifischen 
Agglutinine  in  salzfreier  Lösung  nicht  wirken. 

Benutzt  man  nämlich  wieder  die  Bordetsche  Versuchs- 
anordnnng,  aber  mit  der  Abänderung,  dafs  man  das  aggluti- 
nierende Serum  in  allen  möglichen  Verdünnungen  auf  die  Bak- 
terien einwirken  läfst,  so  lälst  sich  auch  bei  den  stärksten  Serum- 
kouzentrationen  eine  Reagglutination  in  salzfreier  Lösung  nicht 
beobachten.  Allerdings  ist  es  dabei  nötig,  die  agglutinierten 
Bakterien  aufserordentlich  stark  zu  zerschütteln,  da  sonst  auch 
nach  mehrmaligem  Waschen  stets  wieder  Reagglutination  auch 
in  Abwesenheit  von  Salzen  erfolgt.  Je  mehr  Agglutinin  ge- 
bunden ist,  um  so  schwieriger  wird  es,  die  Bakterien  wieder 
völlig  homogen  zu  verteilen,  ein  Beweis  dafür,  dafs  das  Agglu- 
tinin auch  ohne  Salze  bereits  eine  nachweisbare  Änderung  in 
der  OberflächenbeschafEeuheit  der  Bakterien  herbeiführt. 

Das  Resultat  dieser  Untersuchungen  ist,  dafs  die  spezifischen 
Agglutinine  in  salzfreier  Lösung  unwirksam  sind,  und  dafs  die 
Ähnlichkeit  mit  der  Präzipitinreaktion  und  den  KoUoideiweifs- 
fällungen  in  dieser  Hinsicht  eine  nur  äufserliche  ist. 

Ein  Kolloid,  welches  nur  in  salzhaltiger  Lösung  von  Eiweifs 
gefällt  wird,  liefs  sich  nicht  auffinden,  doch  sei  darauf  hinge- 
wiesen, dafs  Suspensionen  (z.  B.  Mastix)  das  gleiche  Verhalten 
wie  Bakterien  aufweisen  (Bechhold,  M.  Neifser  und  Verf.^), 
so  dafs  möglicherweise  der  Suspensionscharakter  eine  Rolle  bei 
dem  Phänomen  der  Bakterienagglutination  spielt.  Es  sei  aber  eine 
andere  Erklärungsmöglichkeit  erwähnt.  Bechhold,  M.  Neifser 
und  Verf.  sehen  sich  auf  Grund  ihrer  Versuche  bereits  zu  der 
Annahme  genötigt,  dafs  die  Bakterien  neben  den  fällbaren  auch 
hemmende  Stoffe  enthalten,  eine  Ansicht,  welche  durch  die  ex- 
perimentellen Arbeiten  von  Porges  und  Weil  durchaus  bestätigt 
wurde  und  dafs  die  Wirkung  des  spezifischen  Agglutinins  auf 
eine  Ausschaltung  dieses  hemmenden  Faktors  zurückzuführen  ist. 
Machen  wir  nun  die  Annahme,  dafs  die  Bakterien  Eiweifs  und 
elektronegative  Kolloide  (Nukleine)  in  einer  Mischung  enthalten, 

1)  a.  a.  0. 
Archiv  für  Hygiene.    Bd.  LV.  26 


388     FälluDgen  von  Eiweifs  durch  andere  Kolloide  etc.    Von  Dr.  Friedem&nn. 

die  in  salzfreier  Lösung  stabil,  durch  Salze  gefällt  wird,  so  bleibt 
die  Analogie  zu  den  KoUoideiweifsfällungen  gewahrt  und  gleich- 
zeitig wird  es  verständlich,  dafs  das  Agglutinin  bei  keiner  Kon- 
zentration die  Bakterien  in  salzfreier  Lösung  fällt.  Diese  An- 
nähme ist  natürlich  zunächst  rein  hypothetischer  Natur,  es  sei 
aber  darauf  hingewiesen,  dafs  Friedenthal  und  Verf.^)  auf 
Grund  anderer  Tatsachen  zu  einer  ganz  ähnlichen  Vorstellung 
über  den  Vorgang  der  spezifischen  Präzipitation  geführt  wurden. 
Auch  dort  wurde  die  Annahme  gemacht,  dafs  das  präzipitierende 
Serum  bereits  die  beiden  Komponenten  des  Niederschlags  (Eiweifs 
und  einen  histonartigen  [?]  Körper)  enthält  und  dafs  durch  die 
präzipitable  Substanz  nur  gewisse  hemmende  Einflüsse  beseitigt 
werden.  Es  ergäbe  sich  so  eine  bemerkenswerte  Übereinstimmung 
zwischen  dem  Vorgang  der  Präzipitation  und  der  Agglutination, 
nur  mit  dem  Unterschied,  dafs  bei  den  Präzipitaten  die  gefällte 
Substanz  dem  Lnmunserum,  bei  den  Bakterien  dem  Antigen 
entstammt. 

Zusammenfassung  der  Resultate. 

1.  Salzfreies  Eiweifs  fällt  mit  allen  untersuchten  basischen 
und  sauren  Kolloiden. 

2.  Bei  derselben  Kolloideiweifsmischung  hat  Salzzusatz 
gleichzeitig  einen  hemmenden  und  fäUungsbefördernden 
Einflufs.  Der  Erfolg  hängt  von  dem  Mengenverhältnis 
ab,  in  dem  Kolloid  und  Eiweifs  gemischt  werden. 

3.  Die  Schutzwirkung  der  Eiweifskörper  stellt  sich  als  ein 
Teil  der  Fällungskurve  zwischen  Eiweifs  und  Kolloid  in 
salzhaltiger  Lösung  dar. 

4.  Anorganische  Kolloide  fällen  auch  elektrisch  gleichsinnig 
geladenes  Eiweifs. 

5.  Das  Fällungsvermögen  der  Jonen  ist  eine  Funktion  ihrer 
dielektrischen  Anziehung  auf  das  Wasser. 

1)  Zeitschr.  f.  experiiu.  Pathologie  u.  Therapie,  Bd.  III,  S.  84. 


Von  Dr.  Ulrich  Friedemann.  389 

6.  Die  Rolle  der  Salze    bei   der    Präzipitinreaktion    ist    der 
bei  der  KoUoideiweifsfäUung  ähnlich. 

7.  Bakterien  (Typhus,  Koli,  V.  Metschnikoff)  werden  durch 
salzfreies  Serum  agglutiniert  (bis  1 :  1000). 

8.  Es  besteht  in  dieser  Beziehung  kein  Unterschied  zwischen 
Normal-  und  Immunseris. 

Herrn  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Rubner  erlaube  ich  mir 
für  das  dieser  Arbeit  entgegengebrachte  fördernde  Interesse 
meinen  ergebensten  Dank  auszusprechen. 


26 


Der  Einflufs  der  Verankerang  des  lytischen  Ambozeptors 

aaf  die  Zelle. 

(Bemerkung  zu  der  von  Leuchs  in  diesem  Archiv,  Bd.  54,  Heft  4, 
erschienenen  Arbeit  „Sind  bei  der  bakteriziden  Wirkung  des  Blut- 
serums osmotische  Vorgänge  im  Spiel?") 

Von 

Privatdozent  Dr.  E.  Friedberger, 

J.  Assistenten  am  Institut. 

(Aus  dem  Kgl.  Hygienischen  Institut  der  Universität  Königsberg  i.  P. 

Direktor:  Prof.  R   Pfeiffer.) 

Im  ersten  Teil  dieser  aus  dem  Münchener  hygienischen 
Institut  hervorgegangenen  Veröffentlichung  berichtet  G.  Leuchs 
über  den  Einflufs  osmotischer  Schädlichkeiten  auf  mit  Immun- 
körper beladene  Bakterien  im  Vergleich  zu  Normalbakterien. 
Die  Arbeit,  die  »keine  gröfsere  Hinfälligkeit  der  mit  Immun- 
körper präparierten  Danubikuskeime  gegen  osmotische  Schädlich- 
keiten erwies«,  schliefst  sich  an  eine  frühere  gleichfalls  aus  dem 
Münchener  hygienischen  Institut  erschienene  Publikation  von 
Röfsle^)  an,  der  bei  analogen  Untersuchungen  mit  roten  Blut- 
körperchen zu  denselben  Resultaten  wie  Leuchs  gekommen  war. 

In  der  Arbeit  von  Leuchs  ist  nicht  erwähnt,  dafs  ich  in 
einer  im  Jahre  1904  im  Zentralblutt  für  Bakteriologie,  Abt.  I, 
Bd.  37  Heft  1  erschienenen  Arbeit  »Ein  Beitrag  zur  Wirkungs- 
weise lytischer  Immunkörper  (Ambozeptoren)c  bereits  vor  Röf  sie 
derartige  Versuche  an  mit  Immunkörpern  beladenen  Blutkörperchen 

1)  Münchner  med.  Wochenschr.,  1904,  Nr.  42. 


Einflufs  d.  VerankeruDg  d.  lytipchen  Ambozeptors.  Von  Dr.  Friedberger.     3^1 

als  auch  namentlich  an  Bakterien  angestellt  habe.  Nur  habe  ich 
nicht  wie  die  beiden  Autoren  mich  darauf  beschränkt,  aus- 
schliefslich  osmotische  Schädigungen  zu  untersuchen,  sondern 
habe,  wenigstens  für  die  Bakterien,  auch  schädigende  Einflüsse 
anderer  Art  in  den  Kreis  meiner  Untersuchungen  einbezogen. 

Meine  Resultate  stimmen  mit  den  späteren  von  Röfsle 
sowie  Leuchs  vollkommen  überein,  wie  sich  aus  den  folgenden 
Zitaten  meiner  Arbeit  ergibt,  die  zugleich  über  die  Art  meiner 
Versuche  genügend  Aufschlufs  gewähren: 

>War  diese  Ehrlich-Pfeif fer sehe  Anschauung  richtig,  so  dürfte 
ein  Bakterium,  das  sich  mit  spezifischem  Ambozeptor  beladen  hatte,  gegen- 
über Schädigung  chemischer  oder  physikalischer  Natur  sich  nicht  anders 
verhalten  wie  ein  ambozeptorfreies.  Anders  ist  es  nach  der  Auffassung 
Baumgartens,  Grubers  und  auch  Bordets.  Nach  ihnen  bedeutet 
die  Verankerung  des  Ambozeptors  an  das  Bakterium  bereits  eine  Schädigung 
seiner  vitalen  Energie,  und  es  war  zu  erwarten,  dafs  darnach  mit  Ambozeptor 
beladene  Bakterien  gegenüber  chemisch  and  physikalisch  schädigenden 
Einflüssen  weniger  resistent,  gewissermafsen  minderwertiger  sich  erwiesen» 
im  Vergleich  zu  normalen. 

Um  diese  Frage  zu  entscheiden,  habe  ich  gleiche  Mengen  normaler 
und  mit  inaktiviertem  Immunserum  beladener  Gholerabakterien  der  Eihr 
Wirkung  des  Sublimates  hoher  Temperatur  und  verschieden  prozentiger 
Kochsalzlösung  unter  sonst  absolut  gleichen  Bedingungen  ausgesetzt. 

Die  Sublimatversuche  sollten  als  Prototyp  für  den  Einflufs  einer  rein 
chemischen  Schädigung,  die  Versuche  mit  erhöhter  Temperatur  als  solcher 
einer  rein  physikalischen,  die  Kochsalzversuche  endlich  als  Prototyp  einer 
osmotischen  Schädigung  dienen.«     (1*  <^-  P*  ^^^O 

»erschienen    die    Erythrozyten   als   ein    Demonstrationsobjekt   par 

excellence,  wo  es  sich  darum  handelte,  Differenzen  in  dem  Einflufs  osmotisch 
wirkender  Schädlichkeiten  auf  beladene  und  unbeladene  Zellen  zu  studieren. 
Es  wurden  deshalb  die  Versuche  mit  Blutkörperchen  ausschliefslich  in 
dieser  Richtung  hin  unternommen.«     (1.  c.  p.  130.) 

>Es  zeigte  sich  keine  Differenz  zwischen  den  mit  Immunserum  be- 
handelten und  den  anderen  Erythrozyten  bezüglich  der  Einwirkung  hyper- 
tonischer und  hypotonischer  Salzlösungen.«    (ibid.) 

»Meine  Versuche  dürften  dazu  geeignet  sein,  die  Anschauung  von  der 
Schädigung  eines  Bakteriums  bzw.  einer  Zelle  durch  die  blofse  Verankerung 
eines  spezifischen  Ambozeptors  zu  widerlegen.«     (1.  c.  p.  127.) 

Königsberg  i.  Pr.,  den  27.  Dezember  1905. 


Zusatz  zu  der  vorstehenden  Bemerkung  Dr.  Friedbei^ers. 

Von 

Prof.  Max  Oruber. 

Die  Versuche  von  Dr.  Leuchs  wurden  zu  gleicher  Zeit 
mit  den  Versuchen  Dr.  Röfsles  im  Jahre  1904  angestellt;  vor 
dem  Erscheinen  der  Arbeit  Fried  bergers.  Trotzdem  ist  der 
Prioritätsanspruch  Dr.  Friedbergers  vollkommen  berechtigt  und 
es  ist  nur  durch  ein  unliebsames  Versehen  geschehen,  dafs  die 
Abhandlung  Friedbergers  von  Dr.  Leuchs  nicht  zitiert  wurde. 


-ÖDS- 


/' 


ARCHIV  FÜR  HYGIENE. 

(HE(iUrNDKT  VON  MAX  T.  PETTKXKOFER.;. 


TJNTEU  MITWIRKUNO 

VON 

Vn\\.  Dr.  (>.  U()T.TJNi;i:R.  Münrhcn :  Pri»f.  T>r.  «DNIIOKF,  MarburK  a.  L.;  Prof  Dr.  K.  KMMKRrfH, 
Müiiclu'ii;  Pnif.  I>r.  F.  KKISMANN,  Zürich;  Prof.  Hr.  HKl.M.  Erlunifeu;  Prof.  Hr.  F.  HITEPPE, 
PniK;  I»ior.  Dr.  KARRIIEL,  Pnij?;  Prof.  Dr  F.  KK\TSCHMER.  Wien;  Prüf.  Dr.  K.  I-EHMAXX, 
Würzburg;  I»n»f.  I>r.  A.  LoDE.  TnusbnK^k ;  Prof.  Dr.  L.  PFKIFFEK,  Rostock;  (lencralarrt 
Dr.  .1.  PORT.  Würzbiirg;  Pn.f.  Dr.  \V.  PKAI-SNITZ,  (im/,;  Pnif.  Dr.  F.  RENK,  Dresden;  Prof. 
Dr.  SCirO'lTKI.l  r.<,   Frt-iburg  i.  JJ. ;    «Ji'iHriibilH'rKrzt  Dr.  A.  .S<Hi:STKR,   Mönelien;    Prof.  Dr. 

WKRNirKK.  Pow^n 


HERAUSGEGEBEN 

V(»N 

J.  FOESTEB,    M.  GEUBEE,    FE.  HOFMAM,    M.  EUBNEE, 

o.Ö.PKüFKfiauKISN  DKR  HYClKNE  UND  lUKRKTOKRK  I>EK  HYUIRNIHCHEM  I.V8TITUTK  A.V  DEN  UNITCKSITJLTKN  ZU 

STRASSBURG  MÜNCHEN  LEIPZIG  BERLIN. 


VIERUXDF('NFZIG8TEIi   RAM).    1.  HEFT. 


MÜNCHEN  IND  BERLIN. 
DRl'CK  INI)  VERI..\G  VON  R.  OLDENHOliRG. 

I905. 


/" 


... 


y 


Inhalt. 

Seite 
SpeziÜBche   Sera   gegen  Infusorien.     Von  Privatdozent  Dr.  Robert  Röfsle  in 

Kiel.    (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  München)    ....  1 

Studien  zur  relativen  Photometrie.  III.  Teil.  Vom  Dozenten  Dr.  Stan.  Rfiiicka. 
(Aus  dem  k.  k.  Hygienischen  Institut  des  Prof.  Dr.  Gustav  Eabrhel  in 
Prag) 32 

Wasserstoffsuperoxyd  als  Reinigungs-  und  Desinfektionsmittel  im  Friseurgewerbe. 
Von  Dr.  R.  Hilgermaun.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Univertnt&t 
Beriin.     Direktor:    Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Rubner) 40 

Bemerkungen  zur  Abhandlung  von  E.  Mettler  über  die  bakterizide  Wirkung  des 

Lichtes  auf  gefärbte  Nährböden.    Von  H.  v.  Tappeiner 49 

Weitere  Versuche  mit  photodynamischen,  sensibilisierenden  Farbstoffen.  (Eosin, 
Erythrosin.)  Prüfung  der  Wirkung  des  Tageslichtes  auf  Lebensfähigkeit  und 
Virulenz  von  Bakterien,  auf  Toxine  und  Antitoxine  und  auf  das  Labferment. 
Von  Dr.  Hans  H  u  b  e  r.  (Ans  der  bakteriologischen  Abteilung  des  Hygiene- 
Institutes  der  Universität  Zürich.  Vorstand:  Privatdozent  Dr.  W.  Silber- 
schmidt)          53 

NA(^nDRl(:K   VERBOTEN. 


In  dem  nächsten  Hefte  folgen: 

Vernichtung  von  Bakterien  im  Wasser  durch  Protozoen.    Von  Dr.  Otto  Huntemüller 

aus  Hoya  a.  d.  Weser.    (Mit  Tafel  I.) 
Über  den  Gewichtsveriust  des  Fischfleisches  beim  Dünsten.  Von  Dr.  Friedrich  Peters, 

Assistenten   des   Institutes.     (Aus   den   Hygienischen   Instituten   der  Universität 

Berlin.     Direktor:  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  M.  Rubner.) 
Studien  über  verdorbene  Gemüsekonserven.    Von  Dr.  Joseph  Heiser,  dipl.  Chemiker. 

(Aus  dem  Hygienisch-bakteriologischen  Laboratorium  des  Eidgen.  Polytechnikams. 

Vorstand:   Prof.  Dr.  0.  Roth.) 
Die  schützenden  Eigenschaften  des  Blutes  von  aggressinimmunen  Hühnercholeratieren. 

Von  Dr.  Edmund  Weil,  Assistenten  des  Institutes.    Ausgeführt  mit  Unterstützung 

der  GesellHchaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst  und  Literatur  in 

Böhmen.     (Aus   dem   Hygienischen   Institut  der  deutschen   Universität   in   Prag. 

Vorstand :  Prof.  H  u  e  p  p  e.) 


Einsendungen  beliehe  man  an  Prof.  Rubner,  Berlin  C,  Klosterstr.  36,  zu  richttfix. 


Verlag  von  R.  Oldenbonrg,  Mttnchen  und  Berlin. 

fiygienifcbes  aus 

Stadt  und  Land. 

Von 

Geh.  Med.-Kat  Trof.  Dr.  M.  Kubner, 

Direktor  d^r  liy^den.  Institute  zu  licvlin. 


Nach  einem  am  10.  Januar  1898  su  Berlin 
gehaltenen  Vortrage. 


48  Seiten  8°.  Geh.  Preis  M.  1.-. 


Verlag  Ton  R.  Oldenboug,  Mflnehea  ud  Boiii. 

Ober 

Luft  und  Lüftung  der  Wohnung 

nd  verwandte  Fragen. 


Von 


^Climcke,   Rogierungs-ßaumt  a.  D. 


Preis  60  Pf. 


Verlag  von  R.  Oldenbourg,  München  und  Berlin  W.  10. 


Soeben  erschien: 


Die  Gerichtsverhandlungen 


über  die 


Gelsenkirchener 
Typhusepidemie 

im  Jahre  1901. 

Von    E.   GRAHNy  Zivilingenieur. 


Mit  einem  Anhang: 

Die  Bedeutung  des  Jahres  1901  für  die 

Wasserwerke. 

Sonderabdruck  aus  dem  „Journal  für  Gasbeleuchtung  und 

Wasserversorgung**. 


79  Seiten,  4^  mit  Textabbildungen.     Preis  M.  3, — . 


Aus  dem  Inhaltsverzeichnis: 

1.  Aus  der  Zeit  der  Voruntersuchung. 
II.  Das  Epidemiegebiet  und  seine  Wasserversorgung. 

III.  Tatsächliche  Ermittlungen   vor  und   in   den  Gerichtsverhand- 
lungen. 

IV.  Aus  den  Gerichtsverhandlungen. 


Ö 


:^ 


Derlag  Don  R.  Oldenbourg  in  mund^en  und  Oerlin. 


Glätter  für  DolUsgefundlieitspflegc. 

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I^crausgeher:  präft^ent  Dr.  USbltex,  Dr.  <0raf  Douglas,  <ßeb.*Hat 
prof.  Dr.  V.  tc^bcn,  (Sebyllai  prof.  Dr.  Kulbtter. 

Scbriftlcituiig:  Dr.  med.  X.  3JcertPaI6,  ^Irst,  Berlin,  prof.  Dr.  ^idter 
Dom  l^Ygicn.  3nftitiit,  Berlin.  Dr.  jur.  ®.  8au%,  (Setj.'Hcg.-Hat,  Berlin. 

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Deutf(jt)en  Dercins  für  Dolbsl)p0ltnc 

f^erans^egeben  von 
Dr.  Ä.  ^ccvwalbf  Berlin. 

Von  biefen  l^erdffentlid^nngen  bes  Deutfd^en  Vereins  ffir  Dolfsiiygiene,  beffen 
fegensreidjes  IPirfen  trog  ber  Kär3e  feines  Befief^ens  fd^on  bie  tpeiteile  änerfennun^ 
o^unben  Ijot,  foUen  jfil^rlid;  ^—6  l^efte  3um  Preife  pon  je  ca,  30 — ^o  -^  erfdyetnen. 
X)ie  Peroffentlid^ungen  [xnb  von  IRinif^erien  unb  pielen  t}ot)ett  Bet}drben  amtltd? 
empfot^Ien  unb  follen  mit  UnterfHi^nng  btefer,  fovie  t^umanitär  gesinnter  Privat* 
perfonen,  Unternel^mer'  unb  anberen  Perbänben,  Teretnen  2C.  bnrd;  maffenperbreitnng 
^ufflärung  über  9efunbl}eitlid|e  nnb  ^fgienifd^e  fragen  in  aüt  Kreife  bes  Dclfes 
tragen,  befonbers  in  bte  Kreife  ber  nanbroerfer  unb  2(rbeiter.  ZTtit  Hficfrid)t  auf 
biefen  ^^td  ftnb  bie  preife,  namentlid;  für  grdgere  Partiebe5fl9e,  fefjr  niebrig  fcflgtfe^t. 

«Eifdiienrii  finb: 

l)cft  \:  VetfiHtung   bev  tiubcvfuloU  (5dmMnbfiu-i?t).     rortrui)   von  Arb.'Kat  prof.   Dr.   €.  Don 

Cffbrn,   arbalteri  im  ^Ar^rrfaal  ^(5  Kathuuffft  .^n  Berlin.    Ullt  tintm  (Eitrlbilb  Hn^  4  (Trrt 

fi^iirrn.     p'rris  50  ^|.     Pott    rot^  £r.   nb  2;")  ^,   von  200  ^r.  ab  Zu  J^,  von  500  €r.  ab  \8 -S^, 

noji  nwo  €r.  flb  Ut  'St    von  2(KW  €'r.  ob  \2  ^. 
r^cft  2:   Seruf^wa^t  unb   (Srperltdie  Unlagtn,     3tti  ^(uftraije  brs  Tereins  fflr  Pairsf^v^irnr  in 

nitinrf?en  unter  Ulitarbetf  i>oti  Dr.Dr.  21aboIccptY,  €&.  £jirt.  H,  5*netber,  .ir.  Can^e 

unb  t).  Iicutnafer  beruusijeijeben   iton  pro^effor  Dr.  01.  iSa!?n,  iniindien.     9  Crnnjuren. 

preis  40  ii.    Ton  lüO  €r.  <ib  3.0  ^,  von  2iX)  €r.  ab  30  .Öi,  pon  500  €r.  ab  2.5  5^,'  opn'tOUO  €r. 

ab  3)  -Sj.  POn  20f)0  €r.  üb  18  -i*j.  ' 

ßeft  3:   ilot^ilfe  b<l  t>€rlel}un0<n.    Pon  Dr.  3«I.  5e^Ier,  piipolboient  an  ber  llniperfttat  inänd«en. 

fpreiic  ivi*  bei  l^tft  I.) 
r^eft  4:   <»efun5I}eit   unb  2IIfoI}oI.     Portnig,  gehalten   im  i.^arjerfaol  bes  Hatbaufes  lu  ^^rrlin   Dor 

ber  (.Hrti^ruppp  bes  Pereins  für  Polfsbyijicne,  von  Prof.  Dr.  *£url  «fraenfrl  aus  t)aVit  a.  5, 

(Preife  wit  bei  lieft  l.) 
iSefr  A:  X^U  fiäu»lidt<  PfU^e   bei  an^edenbcn   Xranfljeitett,  ln3bticnbevt  bei  anflctfmben 

Rln5crfranr^citen.    Drei  Portrage  uon  Dr.  K.  PoII  in  Karlsrube.    (prelle  n^ie  bei  fteft  2.) 
beft  6:  Die   t>crl}Utun^   ber   <0efd)l<d)t«franf^dt<n.    Pon    Dr.    med.   Heuber^er,   :Xätnbrrj. 

(preife  loti'  bei  ISett  i.) 
l'vff  7:  Xilc  <S5cfunM}«it5pfIes)e  auf  bem  tanbt.    Von  "KieisatH  Dr.  IticfeL  perleber^.   (Prrtfe  n*it 

bei  lieft  2.) 
f»eft  s:   Di«  ^ebeutung  bcv  Saftcricn  für  5i<  <0(funb^(it*pfl<0(.    Pon  profrffor  Dr.  21.  U?  äff  er  • 

miinn,  Berlin      (preife  ipie  bei  tSeft  \.) 
lieft  'i:    £^Vi9i^*t<  bcs  i^er^cns.    Pon  v^Sebfitnrut  prof.  Dr.  <Po  Ibf  d?eiber,  Berlin.    Cpreiie  a^if  bei 

^n  Potbereitun9  jlnb : 

irol)nun0*l}Vdi^ne  von  (Pel^eimmt  prof.  Dr.  Ilubner.  Berlin. 

I^äu5ltd?«  0cfunM}eit5pfIe0C  >.beb«tnbelt  aU  ^ortfe^ung  su  Ivft  I,   bie  Dispontion)   von  prof.  Dr. 

ip  i  u  tv  it^     Berlin. 
3ur  fi^^icne  bcs  ^d^ulfinbcs  uon  «J^ebeimrat  prof.  Dr.  lioffa,  Berlin,  priuatbojcnt  Dr.  Reifen. 

ftra^buri}  i.  €..  unb  Dr.  €ubl{n«>rt,  Berlin. 
Die  pflege  bes  tttn^es  im  crften  Cebeit^ia^re  pon  prof.  Dr.  t^d^Io^mann,  Bcrsbrn. 
Uber  bie  £rnJif}run0fftI}erapie.    Pon  prof.  Dr.  €.  u.  Ceyben.  Berlin. 
Die  Kuitft  dlt  3U  wexbtn.    Pon  <Peb.  inebi5inalrat  Prof.  Dr.  «ipatb,  Berlin. 


I  •  --     ■"  ,      ^ 


ARCHIV  FÜR  HYGIENE. 

/BEdUrNDKT  V(^X  MAX  t.  PKTTKXKOFER» 


-     r     vt 


ITNTKU  MITWIRKUNG 

VON 


Prof.l»r.O.  )M)MJN«;K.II.  Mrnu-ln»n;  Prof.  l)r.  ItONIlOKK,  Murhur^' a.  L. :  Prof  Dr.  K.  EMMKRH^H, 
Mi'uHhi'n;  rrnf.  I»r  K.  KHISMANN.  Zürich;  Fi»f.  Dr.  HKIM,  Krl«TiKCii ;  l'rof.  Dr.  F.  HIKPFP:, 
rrajr;  Pn>f.  T>r.  K\HRIIKL.  FTm^';  TTof.  Dr.  V.  Klt.VTS('llMKIt.  Wirr»;  IT..!.  I>r.  K.  LKHMANN. 
WurzburR;  l'rcf.  l>r.  A.  L<>r»K,  IinislifiK-k ;  Prof.  Dr.  I..  PKK.IFKKl:.  liu^tock ;  r.vntmliirzt 
Dr.  .1.  PORT.  WürzJjiirjf;  Pnif.  Dr.  W.  I'RArSNITZ,  «;niz.  Prof.  I»r.  F.  RKNK,  Un'sdpii;  Prof. 
Jir    SClIoTTKI.irs.   Frl•ibur^' i.  B. ;    ^JfniTiil.OM'nirzt  Hr.    \.  .--«.iHI.'.STER.   Miinchon ;    Prof.  Dr. 

WKFiNlrKK.  P.iscn 


hp:uaus(jEgp]ben 

Vt  »N 

J.  FOBSTEB,    M.  ÜBUBEE,    FB.  HOFMAM,    M.  BUBNEB, 

(».«'».PROriLSSOKhN  MCR  llUilKNF.  UNO  I'lUF.KTUltKN  HRK  HY(;iKMSCilRN  I.N^TITL'n.  AN  ÜK.V  UNIVERSITÄfliX  ZI. 

STRASSBÜRG  MÜNCHEN  LEIPZIG  BERLIN. 


VIKRlIXDFl'NFZIUSTKR   BAND.    2.  HEFT. 

Olit  Tafel  I.) 


MÜNCHEN  INF.  BERLIN. 

burciv  r\i»  vKUi.Ac.  vo.\  k.  omhinikm  kg. 

I905. 


Oerlag  Don  R.  Oldenbourg  in  mttnd^en  und  Berlin. 


Blätter  für  OolUsgefunillieitspllegt* 

(ßcinciiiDcrftäiiMtcbc  ^cit^dizi^, 

Or^an  Des  Dcutfcben  Vctcine  t&c  Voilieb^Qicnc. 

l^rausgcbcr:  präftbcnt  Dr.  S56iler,  Dr.  <0raf  Douglas^  ißcb.'Hat 
prof.  Dr.  V.  £c^ben,  (ßcby^ai  prof.  Dr.  Htubncv. 

Schriftleitung:  Dr. med. K. BcertPalö,  ^Irst,  Berlin,  prof.  Dr.  ^iifer 
i>om  I]vgicu.  3"ft>tut,  l^crlin.  Dr.  jur.  <B.  ^an%  (ßcl].^Äe^.'l\at,  Berlin. 


IHotiatlid^  2  l7efte  ä  ^6  Seiten  tu  O^iuirtformat.    Die  §eitfd}rift  foftet  jät^rL  ITI.  4.S0. 

\)tx6Ucaüi0nngtn 

bes 

Deutf(jt)en  Vereins  für  OolUslipottne 

{{erausgegeben  von 
Dr.  Jß.  ^cCTWalb,  Berlin. 

Die  Peröffentltd^ungen  ftnb  von  IRinifierien  unb  Dielen  i}ot}en  Bet^örben  amtltc^ 
empfot}Ien  nnb  foUen  mit  Unterilügung  btefer  foipie  tiumanttär  geßnnter  privah 
perfonen,  Untemel^mer'  nnb  anberen  Terbfinben,  Dereinen  2c.  bnrd;  Illaffenperbreitnng 
2lnffl5run9  über  gefnnbt^eitltd^e  uiib  t^ygienifd^e  fragen  in  alle  Krcife  bes  VolH§ 

traaen. 

<£rf(bifnrii  f1n^: 

ftr^r  I     Z><rf}fituit0   5<r  tLuh«ttulc\€  tSd>ivu\i>iuditi.     Vottxaii   von  (Srh.'Kdt  ^vol   Dr.   C.  von 

CcY^en.    ^rbaltrn  im  l^ärgrrfiial  b(5  Hutttiuifes  \u  Berlin.    Xtlit  rinem  Citribifb  nnb  4  (Crrt' 

nijuren.     preis  30 -li.     Don    lo«i  €r.   ab  25  i*\,   noii   2fNl  Cr.  «b  20  J^,  pon  r>iiO  Cr.  ah  18  i^. 

Don  l(V>0  Cr.  <ib  IR'^.  pom  20<h»  Cr.  ab  12^. 
\-vf:  :     9cruf*lPa(l   Ult6   förperlid}«  Uhla^tn.     3ni  ^luftra^e  be»  Drreins  fdr   PolFsbr^jimr  in 

ITliinrbrn  unter  tllirarbrit  uoit  Dr.Dr  ^laboIer^nT.  Cb.  ^irt.  H.  SdMieiber.  .^r.  Cangr 

unti  IV  2Triimaycr  beraii »gegeben   pon  profeifor  Dr.  211.  l)al?n,  müncbrn.    4  ^ertii^uren 

prei*  M»  *'j.     Pon  KH)  €r.  ab  .1".  5j.  pon  2iiO  Cr.  ab  50  i\.  von  500  Cr.  ab  20  ^,  non  IiMXtCi. 

ab  20  l\,  von  2IXK»  Cr.  ab  IH  i^.  ^ 

brtt  .-. :   Uoti}iIfe  bei  PctUHiin^cn.    Von  Dr.  3ii(.  jefiler,  pcipatbojent  an  bcr  llnipcrruät  mancbfn. 

(preiie  wie  bei  l'^eft  I.) 
r^c*t  i     <DCfunM}<it  unb  Ziltofnol.     L^ortra^,  gcl^alten  im  Si^nrgerfaal  be?  ^latbaufes  .)u  Z^rlin   oot 

^cr  ("rtägrnppc  br&  l>i'rcin*  für  'JoIfsl'Tgicne,  Pon  Prof.  Dr.  £arl  .^raenfel  ans  Ralle  a.  S. 

(Prfife  ivie  bei  lieft  {.) 
>'r*t  .'.    Die   f}äu*lid)<  Pflege   bei  an^tcdtnbtn  Kranffieiten,  in*befon5<r<  bei  anftcdoi^cti 

ftinöerfranf Reiten.    Prei  l^ortrdge  uon  Dr.  K.  PoII  in  Karlsrube.    (preii'e  wie  bei  Vftftl.) 
>n*ft  (. ;  Die   Z>er^ütung  bct   (Befd}led)tcfranrf}eiten.    Von    Dr.   med.   Iteuberger,    Ztnrnbrrg 

preiie  irie  bei  IhcU  \.) 
i^p't  7:   tiie  ^cfunM}eit*)>fIe0e  auf  bem  Can5e.    Pon  Krei^arit  Dr.  nitfel,  perleberg.    (preifr  trie 

hi'i  Ivft  2  ) 
!>eft  K  :   Die  Sebeututtg  5er  Bafterien  fiir  Me  <f$efuitM}eit*i^fU0e.    Von  profrffor  Dr.  21.  ZTaff  er« 

mann,  yrrlin.     iprci'r  nüe  bei  T^eft  U) 
i^e*:  'r    t^Vjjieite  b€S  l^ttyn*.    Von  (Pebfimrat  pror.  Dr.  jBo  Ibf  d^elber,  Berlin.    Cpreiie  rote  hei 

l^cU  \  ^ 
iM*t  ii»    Die  Kunft  alt  ju  tperöen.    Von  v^eb.  ITIeMsinalrat  prof.  Dr.  Cn^alb,  Berlin,     (prtife 

nne  bei  iTfl  '  i 
\-f*'  1 1 :  <0runöfäi)e  5er  Crnäljrung  für  <Refuitbe  unb  Kranfe.    Von  (Pebeimiat  prof.  Dr.  C  Pon 

t'cv^''"-     '.pri'i'<*  nnc  bei  V>eU  l  ; 

3ti  roiboreitung  tl^^: 

iroi>nungsi)i^i)iene  :>on  \.^fbrtmrat  pio^    Ür.  2tubner,  Berlin. 

i^än3liöie  Äefunbl^eitffpflcge  lbl*ban^eIt  ah  .^ortfenung  5u  Oeft  !>   Me  Pispofition)   Pon  prof.  Dr. 

v^rauMfi.  Betlin. 
3ur  ^^Qtcnt  be*  Sd^ulfinbes  pon  <5^ebeimrat  prof.  Dr.  boffn,  Berlin,  priuatbosent  Dr.  3'f^^"- 

Strasburg  i.  C.  nnb  Dr.  Cublin^fi.  Berlin. 
Die  Pflege  bes  kinbe«  itn  erften  €eben*iaf}re  pon  prof.  Dr.  f  cblo^mann,  Bresben. 


Hierzu  eine  Heilage  von  fWi  Wv\c\i\\«lti^\v\tv«,  ^\v^\«^  li^^k.»  Ci.iii.  h.  H.,  Lelfiir- 


ARCHIV  FÜR  HYGIENE. 

.BKi^Kt'NDKT  VON  MAX  v.  PKrrENKOPER. 


UNTKU  MITWIRKUNG 

V«  »N 

I'rof.  Dr. «).  UOUJN'JKK,  Miiii.lirii ;  Prof.  Hr.  HONIIOIT.  Miirbiir;;'  «.  l.. ;  I'nif  Dr.  IX.  KMMKRICII, 
München;  l*rof.  Dr.  K.  KKISM.VNN,  Zürich:  Frof.  Dr.  HKIM.  Erlangeu;  Prof.  Dr.  F.  IIIKPPK, 
Vnfg-,  Prof.  Dr.  KAIJKIIKI..  l'ruikf:  Prof.  Dr.  I\  KKATs^ClIMElt,  Wien;  Prof.  Dr.  K.  LKIIMANN, 
Würzbur^';  Pn.f.  jDr.  A.  I.ODK.  Innsbruck;  Prof.  Dr.  L.  PKETFFKR.  Uostock;  Prt.f.  T>r. 
W.  PRArSNTT/,.  ';ruz,  Pn»i.  Dr.  F.  KKNK,  Dri'.s«U»n ;  Prof.  Dr.  SLH<nTKLIl'S,  h'rniburg  i.  B.; 
<ienor»ilulM?nirzt  Dr.  A.  .»^«'HFSTKIt,    .MünHi.'u ;    Pn)f.  IM".  WKK.VK'KK,  Posen 


HKKAUSGltlGEBEiN 


V(»N 


J.  FOBSTEB,    M.  GBÜBEB,    FR.  HOFMAM,    M.  BUBNEB, 

il.Ü.FKOriCHSOKKN  HKK  IIYiilKNK  UNI»  UlKKKTnUK.N  UKK  HTaiKN'lMHBN  I.NSTITI  IK  A>  l/KS  L'NI VEK8ITÄTKN  ZI' 


STRASSBURG 


MÜNCHEN 


LEIPZIG 


BERLIN. 


VIERI  NDFIjNFZIGSTER    BAND.    4.  HEPr. 

(.Mit  Tafel  11.) 


MÜNCHEN  INI)  BERLIN. 
DlilCK  l'XI)  VERl.AG  VON  K.  OLDKNr.orUG. 

1906. 


Inhalt. 

Weitere  Erfahrangen  über  Aggressinimmnnität  gegen  den  Shiga-Kru Besehen 
I)y8eutericba%illu8.  V^on  Dt.  Yoneturü  Kikuchi.  (Aus  dem  Hygienischen 
Institut  der  doatscheu  Univernität  in  Prag.     Vorstand:  Prof.  H  neppe)       .      2 

t'l)cr  Bloiverjriftungen  durch  eine  Wasserleitung.  Von  Inspektor  Dr.  Paul 
Fortner.  (Aus  der  k.  k.  allg.  Untersachungsanstalt  für  Lebensmittel  der 
<leutBchcn  Universität  in  Prag.     Vorstand:  Prof.  Hueppe) 3 

Die  Bakteriendurchlässigkeit  der  normalen  Magendarmschleimhant  im  Säuglinge- 
alter.  Von  Dr.  med.  R.  Hilgormann.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut 
der  Universität  Berlin.  Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  M.  Rabner.) 
(Mit  Tafel  II) S 

Blutparasitcn  und  Erythrocytolyse.  Von  Dr.  A.  Nif  sie.  (Aus  dem  Hygieni- 
schen Institut  der  Universität  Berlin.  Direktor:  Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr. 
M.  Rnbner) 2 

Über  den  Einflufs  dos  Hungers  auf  die  Bakterien durchlässigkeit  des  Intestinal- 
traktus.  Von  Prof.  M.  F  ick  er.  (Aus  dem  Hygienischen  Insütnt  der  Uni- 
versität Berlin.     Direktor:  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  M.  Rubner)  .     .     .       S 

Über  das  Verhalten  der  aeroben  Keime  gegenüber  der  absoluten  Sauerstoff- 
entziehung.  Von  Dr.  Walther  Willimsky.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut 
der  Universität  Berlin.     Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Rubner)     .     .       5 

Zum  Nachweis  fäkaler  Verunreinigung  von  Trinkwasser.  Von  Oberarzt  Dr. 
Christian.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin. 
Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Rubner) 3 

Sind  bei  der  bakteriziden  Wirkung  des  Blutserums  osmotische  Vorgänge  im 
Spiele?  Von  Dr.  Georg  Leuchs.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der 
Universität  München.     Vorstand:  Prof.  Max  Gruber) 3 

NA(?ni)Rr(:K  vkrboten. 

In  dem  nächsten  Hefte  folgen: 

Roagentien  und  Versuchsmethoden  zum  Studium  der  proteolytischen  und  gelatinoly 

sehen  Enzyme.     Von  Prof.  Claudio  Fermi.    (Hygienisches  Institut  der  Kgl.  U 

veraitilt  Sassari  [Sardinion].* 
Über  di('  reuchtigkoit  verschiedener  Mauerarten.    Experimentelle  Untersuchungen  v 

Ing.    Riccanlo    Bianchini.      (Hygienisches   Institut    der  Kgl.  Universität  Tur 

Direktor:  Prof.  Dr.  L.  Pagliani.) 

Einsendungim  heliehc  man  an  Geheimrai  Professor  Dr.  Rubner,  Berlin  M.  4, 

Hessischestr.  3-4,  zu  richten. 

Verlag  von  R.  Oldenbourg  in  München  und  Berlin  W.  10. 

Hygienisches  aus  Stadt  und  Land. 

Von 

Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  M.  Rubner, 

Direktor  der  Hygienischen  Institnte  /ii  Berlin. 


Nach   einem   am    lO.  Januar  1898  zu    Berhn   gehaltenen   Vortrag 


48  Seiten  8^     Preis  geheftet  M.  1.— . 


Verlag  von  R.  Oldenbourg,  München  und  Berlin. 

Leitfaden  der  Hygiene 

fUr  Techniker,  Yerwaltongsbeamte  D.$taillerende  dieser  Fächer. 

Professor  H.  Chr.  Nussbaum   in  Hannover, 
ra.  40  Bogen  mit  zahlreiclien  Ahhiklungen.    Preis  eleg.  gcli.  M.  16. — . 


AiLS  dem  Inhalts-Verzeichnis: 


.  iüe  l.iifl. 


II.  Die  LilftiiDg  iler  Aiif- 

enthallsrSume. 
in.  Die  Wärme. 
IV.  Die  ileiztint;. 

V.  Die  Kleidung. 
VI.  Das  T-icht. 


VIT.  Die  Tiigesbeleiiohtung.      XV.  Das  Geßngnit. 


Vlir.  Die  klln»ll.  »elfuchlg. 
IX.  Der  IMcn. 
X.  l^r  Städtebau. 
XI.  Das  WohnhaiK. 
XII.  Die  Schule. 

XIII.  Das  Krankenhau^j. 

XIV.  Die  Kaserne. 


XVI.DieWasscrverJorgunR. 
XVn.DieUeseiöpinetler 
AhwiLiaer  und  Alihll- 
stofTe. 
XVlII.DieLeicbenbestattunj;. 
XIX.  Die  GewcrblhSrigkeit. 
XX.  liakteriolt^e. 
XXr.  Die  EmähnuiR. 


Einige  Urteile  der  Presse; 


.  .  .  Dur  Inhalt  dieses  Ituches  erscheint  uns 
Erlaubnis  de.-i  Verfaisurs  Gelegenheit  nuhnicn  wci 
Ober  besondert  aktuelle  Kraben  unseren  l^sem 
laRlhren.    Wir  können  <lic  .\nM:hafrung  ilieüc.-'  inl 

den  i^bililetcn   Laien  [[ut  veniSndlich  geschrietiei 


)  wertvoll,  daäs  wir  vielleicht  mit 
in,  kurie  AuHiÜge  aiLi  demselben 
1  der  iTecliniächen  Woche«  vor- 
issanlen  Baches,  welches  auch  fUr 
St.  durchaus  empfehlen. 

(TKkmi.hf   Wf(Mc.) 

^    seiner  .Art   iat,   sollte  in  keiner 


.  .  .  Jeder  Kachmann,  um 
P'reude  haben  und  wird  in  der 
der  Anregnni;  und  Helehrunn  i 


der  e»  werden  will,  inu^s  an  dem  lluche  seine  helle 
klaren.  lichtvollen  und  leicht  fisslichcn  .VusfUhningen 
ieht  ermangeln.  .  .  . 

(Zätickrijl  für  roliui-  und  V<n„allunssbtiimU.) 

.  .  .  Alles  in  allem :  der  Leitfaden  t^t  ein  vnllendetes  Werk,  das  nicht  nur  dem 
Kachmanne  Teiche  IJelchrun);  bringt  und  nir(;ends  im  Stiche  läkHl,  .andern  auch  dem 
Laien  ein  I'rtcil  tlber  die  hygienischen  Verhältnisse  seiner  näheren  und  n-eiCeren  Um- 
pbnng  emiüKliclil.  f.VüucAiur  Allgemäni  ZeituH);.} 

.  .  .  Das  Buch  bedeutet  mehr  als  ein  wertvolle«  Handbuch.  e>,  ist  flir  den  Tech- 
nilfer  ein  wichtiges  Rllstieug,  insafeni  es  ihn  bcfShigcn  soll  viele  l-'n^en.  deren  He- 
aatwortung  bisher  anderen  Faktoren  überlassen  blieb,  selbst  zu  lösen.  Es  ist  deshalb 
fbr  alle  diejenigen,  die  als  Verwaltungsbeainte  oder  in  ülTenIlichcr  Arbeit  stehen,  un- 
entbehrlich, und  der  Verfasser  darf  das  Verdienst  in  Ansiinich  nehtnen,  mit  seinem 
Werke   der   deutschen  Technikerschaft   ein    wertvolle*  Geschenk   gemacht  t.a  haben. 

(DtHltAc  Rauhütlf.J 


Perlag  pon  R.  Oldcnbourg  in  münden  und  Perlin» 

Blätter  für  Oolfesgcfuntlöcitspflcgc» 

(ßcnicinpcrftänbliAo  J^^itf^^if*- 
Or^an  öcd  Dcutfcben  DcxcUxs  tut  l)oIlidbt>dicne. 

X7crau5acbcr:  präftbont  Dr.  BöMfer,  Dr.  <0raf  Z^ouglas,  vßob.  2?at 
Prof.  Dr.  V.  €cygbtn,  (Reby^at  prof.  Dr.  Httbner. 

5d>riftloitinia:  Dr.med.lC.8ccr«>aI*,  :Jlr5t,  i3crlin.  prof.  Dr.  ^ider 
pom  bvcjicn.  3"ftitut;  i^orlin.  Dr.  jur.  <5.  Rani^,  (Rcb.llcg.-llat,  Berlin. 


inoiiatltit  2  r>efte  ä  i6  Seiten  tu  O^iiartformat.    Vit  gettfd^rtft  foftct  jäbrl.  111.  4.80. 

Oeröflrtntli(t)ungm 

Dcutfrjt)cn  öercim  für  Oolfesöpgictic 

bcrausoiearben  ton 
Dr.  Ä.  Sc€nt>aI6^  i^orli». 


Die  reröjfentltd^uiigeii  fnib  oon  llltniftericii  utib  vielen  t^ol^en  3et{dröen  amtlid^ 
empfot{len  uiib  foUeri  mit  Unterfüt^ung  tiefer  fomte  t^umanttar  geiitintcr  prtoat* 
perfonen,  Unternet^mer'  unb  anberen  Derbänbeti,  Pereineti  ic.  burd;  maffetirerbreitnti^ 
Unftläxunq  über  gefunbt^ettltcbe  unb  bVdi^tf^^  (fragen  in  alle  Kreife  ^ts  Polfts 
tracien. 

«Erfditencn  ftnb : 

r^rft  l:   X><rl}ütun0   bcx  ILuberluloic  iffiMvinMiidit';.     Portrad   i>on   <Sel;.<^iit  prof.    [)r.    <f.   von 

€rY^fn,   ^rbalten  im  S^üracrfuol  ^^9  ilotbiüifcä  ^ii  Serhn.    OTit  einem  (Chrlbilb  und  4  Irrt. 

ft^uren.     preis  3»  5).     Pon    uwi  <2r    üb  25  5j,    mm   2iX)  €r.  ob  20  J^,  pon  öi»0  €r.  ob  is  ^, 

Pon  UioO  £r.  ob  13 '^.  uon  2(>0t)  sEr.  üb  12  ^Si.  .     ' 

l)tft  2:   3tfTufsiPa^l  unb   törpcrUd}c  Zlnlagen.     ^m  ^luftroije  bes  Perein?  fär  PoIfrhT^irne  in 

müncben  unter  lUitarbeit  Pon  Dr.Dr.  Iiobolecjny,  €&.  £Sirt.  2?.  5*neiber     Sv-  Conje 

unlt  l)    II  e  um  UV  er  beruu&ijearben   pon  proteffor  Dr.  131.  Pubn.  inündien.     »»  ^ertü^nren. 

preis" -M)  ;•,.     l»on  UM»  «Er.  (\b  V»  ^.  Pon  200  <2r.  ab  30  ^.  von  äiHi  »Er.  ab  :.".  Si,  vvn  <Oo»i  €r. 

üb  2«»  -l-j.   Pon  20(Ki  »Er.  ab  1.8  *>». 
(Seft  3:   tlotIfUfc  bti  VexUHÜngen.    Pon  Dr.  3ul.  ^ebl^r,  priuatbosent  An  ber  llnipertität  Hluni'hen. 

(preifc  ipie  bei  l^eft  \.} 
r^ft  4 :   9<ftlllMKit   unb  21ieoI)Ol.     Purtra^.  Debatten   im  I^ürgerfuol   bes  ^^arboiifes  jii  9rrIiH   por 

ber  iPrtäijrnppe  bes  Pereins  für  PolPsbygicne,  pon  Prof.  Dr.  <EinI  .^raenfel  an^»  KtUe  a.  ?. 

(Pccife  wie  bri  IVH  l.) 
r?eft  ö:  DU  I^ausUc^e  Pflege  h<i  anfttdtnbtn  UtanlfitiUn,  In^btionbttt  bti  anftedcnbcn 

ftin5erfranfli<itcn.     Drei  Porträge  pom  Dr.  1(.  Doli  in  Karlsruhe,    ^prriie  wir  bei  r^eTr2..- 
iSeft  r. :   Hie   X>cri}ütnng   ber    <0<fd^U<4tsfräntfhrtt<n.     Pon    Dr.    med.    rtenbrrger.    Itiirnbrr^. 

iPrrijr  ivie  bei  ISeft  i.) 
befi  7:    uie  <Refun^^c{t5pflc0e  auf  bem  fanbt.    Pon 'Jirei&orjt  Dr.  littfeL  perlrber^.   (Preiie  irie 

bei  iSefi  2  ) 
iSeft  »:  Hie  3e&eiitttni)  ^er  Safterien  für  bie  ^tiunbl^eit^pflcge.    Pon  profeffor  Dr.  21.  ll'^ah'rc' 

mann,  2*erlin,     (prei'e  ipic  bei  £>eft  l.) 
l?eft  ';:    tiy^itne  bc»  ^etjen».    Pon  «J^ebiimrot  pro»,  br.  *Pü  Ibfrfjeiöer,  öcrlin.    (preiic  tvn  htt 

iVft  «0:  Hie  Kunft  alt  3U  werben.     Pon  *.^cb.  Hlebt^inalrat  prof.  Dr.  Ciralb,  Berlin.     Ipreiie 

U'ie  bei  l>e»t  i.) 
r^ert  M  :  0run5fAt(e  ber  4itnälirung  für  <Bcfiinbe  unb  KranC«.    Pon  (Brt^cimrat  pro«.  Dr.  «E.  von 

Ceyben.    'prrife  tric  bei  l'^ett  {.) 

3n  Porbereitun  j  unb  : 

U>oi)nttngsl}VdUtie  Pon  (S^rbrimrat  prof    Dr.  Iiubner.  l^erlin. 

l)äu»lidit  ^efun^fjeitspflcg«  ibet^anbelt  al«  .iortfet^ung  ju  l'^eft  I,   bit  Di»rotlHoni   pon  prof.  Dr. 

«P  r  .MP  iti .  i^erlin. 
^ut  i^i^^tene  be»  fdfulfinfres  Pon  (^ebeimnit  prof.  Dr.  l'-^offa,  Berlin,  ptipoibojent  Dr.  3ri»fn. 

5tTi)Hbura  i.  ^.    unb  Dr.  €ublin»ri,  Berlin. 
Hie  Pflege  bes  iüTtbes  im  erften  Ccbensial^re  pon  prof.  Dr.  5i1>Ioftmann.  Pre^ben. 


teixiGiW«.|  !rw...J 


ARCHIV  FÜR  HYGIENE. 

!iK<ilirNl>KT  V(»N  MAX  v.  PETrKXKitFKB. 
IJNTKlt  MITWJliKUNci 


l'rul.  tw.  '>.  mil.I.rM.Ei:.  MrinHn-u  :  IThI.  Hr.  IIKMKIPK.  >lurl.iirB  »,  I,  :  ITot.  Ii 
Mflni'hfii:  Prüf.  i'r.  V.  KKWMAXV,  üiiri.-h :  ITgf.  I>r.  HKHI,  Kriiiiigi-!i :  Prot. 
ITbb;  ITul.  lir.  KAunirM.,  llnj.';  1T..(.  J'r.  K,  KK.VIH  lIMEli,  Wien;  ITol.  I) 
■.VQrübiii)!;  IT..I  lir.  A.  l.oliK.  InriHl.nick :  ITkiI.  Lir.  I..  PKKlh-KEK.  ito- 
\V.  l'KAIriSlTK,  liral;  i'n-f.  [if.  f.  KKNK.  [m>«.l«ii;  iTof.  Ur,  SflimTJXll* 
';eii.Ta1i.0nrnrv,t  lir   A,  si-fir.-!TKU,    Mlintlien;    l'wF.  Hr.  WEKMi'KE. 


HKUAUöUHtiKBEN 

J.  FOBSTEB,    M.  aBDBEB,    FB.  HOFMAM,    M.  BITBHEB, 

STRASSBDRG  MÜNCHEN  LEIPZIQ 


Fr>FrXllFl'>FZlOSTKK    BAND.    13.  HKPT. 

[Mit  Tafel  1.) 


MTJNCHEN  ISü  BERLIN. 

DÜLCK  i:X[i  VEBI-AG  VON  R.  OLFIPINniHRG. 

leoe. 


Inhalt. 


feirc 


Kx]>(:nrf.*:r.*«-;!e  .Studien  iiiier  'iie  l^iirr^h^^ingi/keit  -ier  Wand  an  12  eu  'les  Magen- 
dürmkanaie.-*  iieujfe^-Tfrner  Tiere  fr:r  Rakterien  f:r.'i  senaine  Eiweifratoffe. 
Von  l)T.  A ibert  Uffenheimer.  Kinderarzt  in  München  Ans  dem  Hy^eni* 
"chen  Institut  der  Universität  München.  Direktor  Oberme«iizinalnt 
Prof.Iir.  Oruber.,      Mit  Tafel  i; 1 

K^Hf^entien  und  Ver^nchsmethoden  zum  Stadium  der  proteolytischen  und  gelatino- 
Iytii<chen  Enzyme.  Von  Prof.  Claudio  Permi.  Hygienischem  Institnt  der 
K)^l.  Universität  .Sa^Bari  'Sardinien') 140 

tl'ber  die  Kenchtiekeit  vergeh  i  edener  Manerarten.  Experimentelle  Untersach  an  g;en 
von  Int;.  Kiccardo  Bianchini.  fHyfsieniBchei*  Institut  der  Kgi.  Universität 
Turin,     i^irektor.  Prof.  Dr.  L  Pagliani, 206 


NACHDRUCK  VFülBOTEN. 


In  (lein  nächsten  Hefte  folgen: 

Cher  dufl  Kindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  und  Organteile  tierischer  Herkunft 
Von  Max  Ku  bner. 

r'l>er  den  MänsetyphusbazilluB  und  seine  Verwandten.  Von  Dr.  Richard  Tromms* 
dorf,  ÄHsistenten  des  Institutes.  CAus  dem  Hygienischen  Institute  der  Uni- 
versität München.; 

l.)ie  Tageskurve  der  Wasserdanipf abgäbe  des  Menschen.  Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert 
und  Dr.  med.  F.  l'eters,  früheren  Assistenten  am  Institut.  '.Aus  dem  hygieni- 
schen Institut  der  Universität  Berlin. 

über  die  Nachwirkung  k/irperlichor  Arbeit  auf  die  Wasserdampfabgabe  beim  Menschen. 
Von  Prof.  l)r.  med.  H.  Wolpert  und  Dr.  med.  F.  Peteri*,  früheren  Assistenten 
am  luHtitut.     fAus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.; 


Eiyisendunyeii  hel'whe  man  an  Geheimrat  Professor  Dr.  Ruhner,  Berlin  M.  4. 

Hessischestr.  3-4,  zii  richten. 


Verlag  von  Augiist  Hirsch wald  in  Berlin. 

\\H)ii  erscheint  <ler  43.  Jahr^an«;. 

Berliner 

Elmische  Wochenschrift 

Organ  für  praktische  Ärzte. 

K  o  (1  a  k  1 1  o  n  : 

Geh.  M«d.-Kat   Prof.  Dr.   Ewald  un<i  Prof. 

Dr.  POBBtr.  .1) 

Al>onnement:  Vierteljährlich  M.  6. — . 


Verlag  von  Angasj;  Ilirschwald  in  Berlin. 

1006  erscheint  der  XVI.  Jahrgang : 

Hygienische  Rnndschan. 

HerauBgegel>cn 
von 

\)r.  C.  Fraenkel,        Dr.  M.  Babner, 

Prof.  <1.  Ilytritine  in  Halle.    Prof.  d.  Hygiene  in  Berlin. 

Dr.  G.  aUnther. 

Professor  in  fierlin.  ;*j» 

Monatlich  zwei  Nummern. 
Abonnementspreirt  halbjährlich  14  Mk. 


Verlag  von  R.  Oldenbourg,  München  und  Berlin  W.  lo. 

TASCHENBUCH 

der 

/Mikroskopischen  Technik. 

Kurze  Anleitung 

zur  mikroskopischen  Untersuchung  der  Gewebe  und  Organe  der 

Wirbeltiere  und  des  Menschen 
unter  Berücksichtij^iin^j  der  embryolo^ischen  Technik. 

Von 

Dr.  Alexander  BOhm  »nd  Dr.  Albert  Oppel. 

Proseklor  a.  o.  Professor, 

Mit  einem  Beitrag  (Rekonstruktionsmethoden)  von  Professor  Dr.  G.  BORN. 


Fünfte,  durchgesehene  und  vermehrte  Auflage 


von 


Alexander  Böhm. 


V'l  und  271  Seiten,  8".     In  Leinwand  ^^ebunden  Preis  M.  4.50. 


Verlag  von  R.  Oldenbourg  in  München  und  Berlin  W.  lo. 

Soeben  erschien: 

Die 

Typhusepidemie  in  Detmold 

und  die  Trinkwassertheorie. 

Eine  kritische  Studie 

von 

Dr.  Auerbach, 

Arzt  in  Detmold. 

UmfanjT  68  Seiten  8^         iMil  Textabbildungen.  Preis  M.  1.50. 


L 


Aus  dem  Inhaltsverzeidinis. 

Statistik.  Sterblichkeit.  Verlauf  der  Epidemie.  Die  Kurve.  Die  Milch. 
Die  Badeanstalt.  Die  Wasserversorgung.  Die  Häuser  ohne  städtische  Wasser- 
versorgung. Die  lürstlichen  Häuser.  Das  Quellgebiet.  Ansteigen  der  Keim- 
zahl im  November.  Die  Typhusfälle  in  Johannaberg.  Berlebeck  bleibt 
typhusfrei.  Typhusbazillen  im  Wasser.  Typhusbazillenbefund  im  November. 
Der  Verlauf  der  Epidemie.    Schlußfolgerungen.    Anmerkung. 


Leitfaden  der  Hygiene 

fDr  Techniker,  Verwaltungsbeamte  o.  Studierende  dieser  Fächer. 


Von 


Professor  H.  Chr.  Nussbaum  in  Hannover, 
ca.  40  Bogen  mit  zahlreichen  Abbildungen.    Preis  eleg.  geb.  M.  16. — . 


Au.s  dem  Inhalts -Verzeichnis: 


r.  Die  Luft. 

Tl.  Die  Lüftung  der  Auf- 
enthaltsräume. 

IIL  Die  Wanne. 

IV.  Die  fleizung. 

V.  Die  Kleidung. 

VT.  Das  Licht. 

Vli.  Die  Tagesbeleuchtunij. 


VII r.  Die  künstl.  IJeleuchtg. 
TX.  Der  Hoden. 
X.  Der  Städtel^au. 
XL  Das  Wohnhaus. 
Xri.  Die  Schule. 

XIII.  Das  Krankenhaus. 

XIV.  Die  Kaserne. 
XV.  Das  Gefängnis. 


X  V I.  Die  Wasserversorgung. 
XVTl.  Die  Beseitigung  der 

Abwässer  und  Ahfall- 
stotfe. 
XV  IIL  Diel  .eichenbestattung. 
XIX.  Die  Gcwerbthätigkeit. 
XX.  Bakteriologie. 
XXL  Die  Krnähnmg. 


Einige  Urteile  der  Presse: 

.  .  .  Der  Inhalt  dieses  I^uches  erscheint  uns  so  wertvoll,  dass  wir  vielleicht  mit 
Erlaubnis  des  Verfa-ssers  Gelegenheit  nehmen  werden,  kurze  Auszüge  aus  demselben 
über  besonders  aktuelle  Fragen  unseren  Lesern  in  der  »Technischen  Wochec  vor- 
zuflihren.  Wir  können  die  Anschaffung  dieses  interessanten  Buches,  welches  auch  für 
den  gebildeten  Laien  gut  verständlich  geschrieben  ist,  durchaus  empfehlen. 

(Teckmsche  IVpche.) 

.  .  .  Das  Werk,  das  unseres  Wissei;s  einzig  in  seiner  Art  ist.  sollte  in  keiner 
städtischen  oder  überhaupt  konnnuiinlLMi  Bibliothek  fehlen.   ( Gemeinde- V'erwcUtungsblatt.) 

.  .  .  Jeder  Fachmann,  und  der  es  werden  will,  muss  an  dem  Buche  seine  helle 
Freude  haiien  und  wini  in  den  klaren,  lichtvollen  und  leicht  fasslichen  Ausführungen 
der  Anregung  und  Belehrung  nicht  ermangeln.  .   .  . 

(Zeitschrift  für  PoHui-  und  Venvaltun^sbeümte.) 

.  .  .  Alles  in  allem:  der  Leitfaden  ist  ein  vallendeies  Werk,  das  nicht  nur  dem 
Fachnjanne  reiche  Belehrung  bringt  und  nirgends  im  Stiche  lässt,  sondern  auch  dem 
Laien  ein  l'rteil  über  die  hygienischen  Verhältnisse  seiner  näheren  und  weiteren  Um- 
gebung ermöglicht.  fA/ünchter  Allgemeine  Zeitung,} 


.  .  .  Das  Buch  bedeutet  mehr  als  ein  wertvolles  Handbuch,  es  ist  für  den  Tech- 
niker ein  wichtiges  Rüstzeug,  insofern  es  ihn  befähigen  soll,  viele  Fragen,  deren  Be- 
antwortung bisher  anderen  Faktoren  überlas.sen  blieb,  selbst  zu  lösen.  Es  ist  deshalb 
für  alle  diejenigen,  die  als  Verwaltungsbeamte  oder  in  öffentlicher  Arbeit  stehen,  un- 
entbehrlich. uHil  «ler  Verfasser  darf  das  Verdienst  in  Anspruch  nehmen,  mit  seinem 
Werke    der    deutschen  Technikerschaft    ein    wertvolles  Geschenk   gemacht   zu   haben. 

(Deutsche  Bauhütte.) 


Jlior/ii  eine  r>oi\i\uci  n'ot;\  iVei  A\\\v\\\\\\w<V\\\w^  VV'^^X.vi  \w\.  \w  VM^A^, 


D 


ARCHIV  FÜR  HYGIENE. 

BKl4Ri;.VI)ET  VON  ÄiX  t.  PBTTENKOFGR. 


UNTER  MITWIRKUNG 
vos 

llOl.Dr.O.  B0LLIM;KK,  München;  I'rol.  liMlUNHOKf .  Slnrbiiix  a.  L.;  fror.llr  II.  KMMEKICH. 
MÜDOhenL  Pror.  Dr.  f.  EMSMA^iS,  KDriih;  l>rut.  Di.  IIKIM.  Kriuiiicii:  llol.  Dr.  F.  HL'KPPK, 
Pn«;  Prol.  Dr.  KABRIIKI..  Fan :  ITof.  |ir.  F.  KBATSC'IIMKH,  Wien ;  ITol.  Dr,  K.  LKHMANN, 
WDnbnr«;  l>n>t.  Dr.  A.  l.(il>K,  lDii9t>nirk:  Prot.  Ur.  L.  fFKlFFEK,  UoalOCk;  Prur.  Dr. 
W.  PKACSNrrZ.  i.m:  ITgl.  I>r.  ¥.  KENK,  lirnidaii  i  ProT.  Ui.  c>CIIOTTElJl~r:.  FnibiirK  I.  B.; 
r.BDenlubennt  lir.  A.  ^CBUÜT&K,   »Unrhan ;    Prof.  Dr.  MKKNIl'KE.  Puaeti. 


HERAUSGEGEBEN 


J.  FORSTEB,    M.  GEDBER,    FE.  HOFMANN,    M.  ETOHEE, 

i\li.nonttunti  dir  hiuiekk  ukd  dihrktoiien  dih  HTanviBUHiM  ikrtitutb  in  den  UNiitHsnlicN  lu 
STRASBBURQ  HÜNCHBN  LEIPZIO  BBKUN. 


FfNFl  NDPPNPZIHSTBR   BANl».    3.  UBPT. 


MÖNCHEN  i!NU  BERLIN. 

UUrC'K  INII  VKRI,AG  VON  R.  Ol.DKXÜi'l'HU. 

leoe. 


Inhalt. 


Tber  da«  Eindringen  der  Wärme  in  feste  Objekte  nnd  Organ  teile  tierischer 
Herkunft.     Von  Max  Rnbner 

Clier  den  Mäufletyphaebazillns  und  seine  Verwandten.  Von  Dr.  Richard  T  r  o  m  m  9  • 
dorff,  Assistenten  des  Institutes.  ^\us  dem  Hygienischen  Institnte  der 
Universität  München^ 279 

I>ie  Tageskurve  der  Wasserdampfabgabe  des  Menschen.  Von  Prof.  Dr.  med. 
H.  Wolpert,  Oberassistenten  am  Institut,  und  Dr.  med.  F.  Peters,  froherem 
Assistenten  am  Institut.  'A us  dem  Hygienischen  Institut  der  Univeraitftt  Berlin' 

über  die  Nachwirkung  körperlicher  Arbeit  auf  die  Wasserdampfabgabe  beim 
Menschen.  Von  Prof.  Dr.  med.  H.  Wolpert,  Oberassistenten  am  Institut, 
nnd  Dr.  med.  F.  Peters,  früherem  Assistenten  am  Institut.  (Aus  dem 
Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin 

NACHDRUCK  VERBOTEN. 


In  dem  nächsten  Hefte  folgen : 

Organeiweifs  und  Nahningseiweirs.  Von  Dr.  Ulrich  Friedemann,  Assistenten  am 
luHtitut.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.  Direktor:  Geh. 
Med. -Rat  Prof.  Dr.  Rubner.) 

Neue  biologische  Beziehungen  7.wi8chon  Koli-  und  Typhusbakterien.  Zugleich  sin 
Beitrflg  zur  liOlire  vom  Aggrehsnin.  Von  Dr.  Gottlieb  Salus.  TAus  dem  Hygieni- 
schen Institut  der  deutschen  Universität  in  Prag.     Vorstand:  Prof.  F.  Hueppe.) 

Tbor  die  Fällungen  von  Eiweifs  durch  andere  Kolloide  und  ihre  Besiehungen  zu  den 
Immunkörperreaktionen.  Von  Dr.  Ulrich  Friedemann,  Assistent  am  Hygieni* 
sehen  Institut  der  Univernität  Berlin.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Uni- 
versität Berlin.     Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  M.  Rubner.) 

Der  Einflufs  der  Verankerung  des  lytischen  Aml>ozeptor8  auf  die  Zelle.  (Bemerknng 
zu  der  von  Leuchs  in  diesem  Archiv,  Bd.  54,  Heft  4,  erschienenen  Arbeit  »Sind 
bei  <ler  bakteriziden  Wirkung  des  Blutserums  osmotische  Vorgänge  im  Spiel?«) 
Von  Privatdozent  Dr.  R.  Fried  berger,  L  Assistenten  am  Institut  (Aus  dem  Kgl. 
Hygienischen  Institut  der  Universität  Königsberg  i.  P.  Direktor:  Prof.  R.  Pfeiffer.) 

Zusatz  zu  der  vorstehenden  Bemerkung  Dr.  Friedbergers.    Von  Prof.  Max  Gruber. 

Einsendungen  beliebe  man  an  Geheimrat  Professor  Dr.  Rubner,  BeHin  /K  4, 

Hessischestr.  3-4,  zu  richten. 

Verlag  von  R.  Oldenbourg  in  München  und  Berlin  W.  10. 

Hygienisches  aus  Stadt  und  Land. 

Von 

Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  M.  Rubner, 

Direktor  der  Hygienischen  Institute  zu  Berlin. 


Nach  einem   am   10.  Januar  1898  zu   Berlin  gehaltenen   Vortrags. 


48  SeUeu  8^    Pveis  geheftet  M.  1.— . 


Verlag  von  R.  Oldenbourg  in  München  und  Berlin. 

Streben  orschion: 

Kalender  für  Qesundheits-Techniker. 

Taschenbuch  für  die  Anlage  von 

Lüftungs-,  Zentralheizungs-  und  Badeeinrichtungen. 

1906. 

Hcriiu-gi'gctiüii  von  HefHiann    Recknagel,  nipIom-InKcnionr,  MüiicIiHTi. 

Mit  (JS  Ahbildunjjen  und  75  Tabellen.     XIV  ii.  238  Seiten  Text  und  80  Seiten 

Kalcndiirium,  Insgreflamt  daher  327  Seiten  8^ 
Elogrnnt  in  BrieftaHchenfonn  (Ijoder  geb.)  TroiK  M.  L — . 

Oerötfentlidtiungen 

Dcutfdticn  ücrcim  für  üolfesöpgicnc 

i^erausgegebeii  pon 
Dr.  a.  Beerxoalb,  Berlin. 

Die  Derojfentltd^ungm  ftnb  von  nttnifierten  unb  oteleti  t)ot{eit  Bet{drbfn  amtltd^ 
empfot)Ien  unb  foQen  mit  Uttterfifi^ung  btefer  fovte  t{iimatittSr  geftnnter  Prioat* 
perfonen,  Untemetimer*  nnb  anbeten  DerbSnben,  Dereineu  ic,  buvdf  nXaffenoerbrettnng 
2(nffldrun9  über  gefunbt^ettltc^e  unb  t;Y9tenifc^e  fragen  in  aOe  Kreife  bes  Dolfes 
tragen. 

Crfcbienen  flnb: 

ßrft  l:   Vttttütnn^   bcr  Cuberfulofc  (5<^llMn^flld«t).     rortraa   von   ^tb.'llKil   prof.    Dr.    C.   uon 

CeT&rn.   jebdltrn  im  {.^ftr^erfadl  bcs  Itntbdufrs  fii  Srcitn.     mit  rinrm  Citrlbilb  unb  4  fLtrt' 

figtirrn.     prrii  30 -&|.     Ton    iiiO  Cr.   ab   2r>  ^,   von  2n<)  <£r.  iib  2n  ^.  pon  .'><iO  Cr.  ab  ><=(  <^, 

von  1(100  Cr.  ab  (5  A»  vom  2(N»  Cr.  ab  12  'J^. 
tStft  2:   3entfsiDal|I   nnb   (9rpcrl{d}<  21nldgcn.     3>"  «luftraar  b«?  Terpins  fär  rolf&bTairne  in 

ntöncfcen  untre  mitarbeii  von  Dr.Dr.  27aboIrcjnr.  Cb?  £Strt.  II,  SdMiribrr.  .^r.  Canijr 

unb  €t    2Trum airer  ^rrausjr^rbrn   pon  profeffor  Dr.  XSl.  ßabn^  Illiind^cn.     V  (Trrtfigurrn. 

prei*  40  5|.     t>on  IOi.i'Cr.  ab  "j5  5|.  von  200  Cr.  ab  30  0{.  von  5<M»  Cr.  ab  2'»  ^.  »im  lOOi»  Cr. 

ab  20  <S).  von  20U0  Cr.  ab  l»  S\. 
^th  3:   notffilfc  bei  PerUlluiigeti.    Von  Dr.  3"i-  j'blci^«  priputbo^rnt  an  brr  llniorriität  inunci^tn. 

(prfiff  luie  bei  lieft  l.) 
Qeft  4:   OcfunMfCit   un6  2Il(ci}0l.     Dortro^,   ^ebaltrn   im  2.^iir9rrfiuil   br->  2latt^uit>&   sn  Berlin   vor 

bfr  UVtsijrnppr  be*  Drrrinä  fflr  rolPsby^iiMir,  von  Prof.  Dr.  Carl  .^rarnPf  l  au*  Ixillr  a.  5. 

(Prrifr  wie  bri  t^cft  l.) 
Qffi  A:  1>ie  4Au9lid}<  PfUge  bei  anfttdtnbtn  KrdttCfKitcn,  insbefonbcre   bei  anftedenben 

ainfrerfranf Reiten.    Drei  Oortrdije  i'^on  Dr.  K.  DoK  in  Karl?rubc.    (prrifc  luie  bei  hrrt2.i 
QeU  ft:  VU   Vtvltütting  bet   dl(fd}Ud}t9franfI)tfit<n.    Von    Dr.    med. '  nruherger,    ITürnbrrg. 

(preife  wie  bei  Reff  U 
tieft  7:   Di<  <BeftlftM)eit*pfU0<  auf  bcm  Can5<.    Ton  Krrisarst  Dr.  riicfel.  prrlebrri}.    (preiie  loie 

bei  bef  t  2  i 
^eft  8:  Die  3<6«titttn0  5«r  3aftcri(n  für  bie  <Refunbi}<it5pfI($<.    Von  profrfior  Dr.  31.  IPuifer^ 

mann.  Berlin,     (preiir  ipic  bei  iVft  I.) 
l^eft  ^:    tiiigitne  bes  ^crjeti».    Don  «ffebrimrat  pro».  Dr.  ©o  Ibfd' eiber .  yrrhii.    ipreiu*  nne  bei 

6eft  l' 
ßeft  10:  t>i(  Knnft  alt  .^u  werben.    l>on  <S^rb.  Ulrbiünalrat  prof.  Dr.  Ciuolb,  Berlin,     (preife 

a»ie  bei  ßeft  L) 
{>efr  U. :  tfrunbfälfc  bcr  Crnäi^rutig  für  <Befttti5<  unb  Kranfe.    l>on  (Pebrinirat  prof.  Dr.  ^£  pon 

Ceyben     (preife  loie  bei  üeff  ^.) 

3n  Vorbereitung  finb: 

Woknun^t^vaiene  von  (^ef^eimrat  prof.  Dr.  2lnbnrr.  l^eilin. 

^AuflidK  9e\unblie\t3pfl€^e    bebonbett   als  .forifet^ung  su  ^eft  I,   bie  Piäpofition)    von  prof.  Dr. 

<Sraipitl.  Berlin. 
Suv  S^Yai<n<  5c«  Sdiultinbts  von  «Sebeimrat  prof.  Dr.  l^offa,  Berlin  priputboirnt  Dr.  ^enen, 

Strasburg  t.  C..  unb  Dr.  Cubltnöfi,  Berlin. 
tHe  pflegt  bes  Ainbes  im  crflcn  tebens\afire  von  prof.  Dr.  fd^lo^ntami.  Ptr»b<*n. 


4r 


Yorzogsaagebot  tttr  die  Ahoanenten  des  „Archifg  fttr  HynUmir". 

Vm  denjenigen  Ahonnenton,  welctbe  OMt  in  neuerer  Zeit  auf  Archiv  für 
Hygiene  subskribiert  haben,  Gelegenheit  zu  bieten,  die  früheren  Bände  auf  be- 
queme Weise  ohne  sofortige  grössere  Ausiraben  zu  erwerben,  offerieren  wir 
hiermit : 

gegen  monatliche  Teilzahlungen 

von  Mark  20 

Archiv  für   Hygiene.    Begründet  von  Max  V.  Pettenkofer.   Hrsg. 

V.  Forster,  Gruber,  Hof  mann  u.  Rubner.    Bd.  1—51  u.  Gen.-Register. 

1883—1905.     (Statt  M.  770.50)  M.  860.- 

—    —    Dasselbe  in  solidem  Bibliotheksband  M.  4MiO.— 

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und  werden  bei  billiger  Preisstelhing  ebenfalls 

gegen  bequeme  monatliche  oder  auf  Wunsch  auch  gegen 

vierteljährliche  Teilzahlung 


von  uns  y:eliefert. 


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Verlag  von  R.  Oldenbourg,  München  und  Berlin  W.  lo. 

TASCHENBUCH 

der 

Mikroskopischen  Technik. 

Kurze  Anleitung 

zur  mikroskopischen  Untersuchung  der  Gewebe  und  Organe  der 

Wirbeltiere  und  des  Menschen 
unter  Berücksichtigung  der  embryolojc^ischen  Technik. 

Von 

Dr.  Alexander  BOtim  und  Dr.  Albert  Oppal, 

Prosektor  a.  o.  Professor. 

Mit  einem  Beitrag  (Rekonstruktionsmetboden)  von  Proressor  Dr.  G.  BORN. 


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Alexander  Böhm. 


VI  und  271  Seiten,  S^     In  Leinwand  gebunden  Preis  M.  4.50. 


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HK*;Kr>'I)KT  V«»N  MAX  v.  PKTTKNKOFKR. 


VON 

l'iüf.  It.  r».  i;ULL»N«.Ki:.  München;  Prof.  l»i.  l;oNH<>KF.  MiiburK  a  L. ;  Trof.  J»r.  K.  KM.MKRUH, 
Miinchi-n;  Pmt.  I»:.  l\  KKltfMANN.  Züri'h:  Vuii.  In.  IlhIM,  Kriangi-is ;  Prof.  Dr.  F.  III  Kf'PK, 
Prag:  Prof.  lir.|KAl}KHKI.,  Pru«;  Prof.  Hi.  I-.  KIIATSCII.MKK.  Wien;  l»rof.  Dr.  K.  LKHMANN, 
WürzbiiFK;  Prof.  I»:.  A.  U>DK.  Innabmck,  Prof.  Dr.  L.  l'FKIFFEK.  Rostock;  Prul.  Dr. 
W.  PHArSMTZ.J,«ira/  Prof.  Dr.  F.  «KNK.  Drvt.kn;  Prol'  Dr.  ^«.IIOTTKLli:.«.  Frei).urK  I.  B. ; 
•.fima'.i.htihr/t  In     \.  -"Hr.**!  KP.    MÜTichen:    Pn.f.  In.  WKKNUKK.  Posen. 


HKIlArS(;K(JKBKN 


Von 


J.  FORSTER,    M.  GRÜBER,    FR.  HOFMAM,    M.  RÜBNER, 

0.i>.l>h"KKt»iii|{hN  l>KK  li>  (•irNF.'.l'NI)  LMUKKTOKKN  I'Kti  fniJIFMSCIlKN  iK-^^TlTtTK  AN  HKS  IJKIVEI:.«ITA  I  hN  VA 

STRAS8BURG  MÜNCHEN  LEIPZIG  BERLIN. 


FrNFrNnFpNFZIGSTKR    BAND.     4.  HKFI. 


MÜNCHEN  i.M»  BERLIN. 
i»KH'K    l  Nl»  VKRL.V^J  VON    U.  OI.UKMU  »llHi. 

1906. 


Inhalt. 

( )rganeiweirn  und  NahrungHei weifs.  Von  Dr.  Ulrich  Friedemann,  Assistenten 
am  TnHtitiit.  (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.  Direktor : 
Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Rubner) 333 

Nene  biologische  Beziehungen  zwi8chen  Koli-  und  Typhusbakterien.  Zug:1eich 
ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  Aggressin.  Von  Dr.  Gottlieb  S  a  1  u  s.  (Ans  dem 
Hygienischen  Institut  der  deutschen  Universität  in  Prag.  Vorstand :  Prof. 
F.  Hueppe) 335 

Über  die  Fällungen  von  Eiweifs  durch  andere  Kolloide  und  ihre  Beziehungen 
zu  den  Immunkörperreaktionen.  Von  Dr.  Ulrich  Fri ede man n,  Assistent 
am  Hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.  (Aus  dem  Hygienischen 
Institut  der  Universität  Berlin.   Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  M.  Rubner)      :^1 

Der  Einflufs  der  Verankerung  des  lytischen  Ambozeptors  auf  die  Zelle.  (Be- 
merkung zu  der  von  Leuch  s  in  diesem  Archiv,  Bd.  54,  Heft  4,  erschienenen 
Arbeit  >Sind  bei  der  bakteriziden  Wirkung  des  Blutserums  osmotische  Vor- 
gänge im  $pier?<)  Von  Privatdozent  Dr.  E.  Friedb erger,  I.  AsBistenteii 
am  Institut.  (Aus  dem  Kgl.  Hygienischen  Institut  der  Universität  Königs- 
berg i.  P.  Direktor:  Prof.  R.  Pfeiffer)      090 

Zusatz    zu     der    vorstehenden    Bemerkung    Dr.    Fried  berger  p.      Von    Prof. 

Max  (früher 392 

NACHDRUCK  VERBOTEN. 


In  dem  nächsten  Hefte  folgen: 

Sozialhygienische    und   bakteriologische   Studien    über   die  Sterblichkeit  der  Säuglinge 

an  Magendarinerkrankungen  und  ihre  Bekämpfung.    Von  H.  Hammerl,  K.  Helle, 

M.  Kaiser^  P.Th.  Müller  und  W.  Prausnitz.     (Aus  dem  Hygienischen  Institut 

der  Universität  und  der  staatlichen  UnterHuchungsanstalt  für  I^benHinittel  in  Graz.) 

I.  Kinleitung.     Von  W.  Prausnitz. 

II.  Weitere  statistische  Erhebungen  über  die  .Sterblichkeit  der  Säuglinge  an  Magen- 
darnikrankheiten.  Von  mag.  pharm.  K.  Helle,  Adjunkt  an  der  staatl.  Unter- 
suchungsanstalt für  Lebensmittel  in  Graz. 

III.  Be(»bacl)tung(m  über  die  Temperatur  Verhältnisse  in  Arbeiterwohnungen  während 
der  hoifsen  Jahreszeit.  Von  Privatdozent  Dr.  Hans  Hammerl.  (Ans  dem 
Hygienischen  Institut  der  k.  k.  Universität  Graz.) 

IV.  Über  die  Kühlhaltung  der  Milch  im  Hause.  Von  Dr.  M.  Kaiser,  Assistent, 
(Aus  dem  Hygienischen  Institut  <ier  Universität  Graz.) 

V.  Über  die  Häufigkeit  des  Streptokokkenbefundes  in  der  Milch.    Von  Dr.  M.  Kaiser, 

Assistent.    (Aus  dem  Hygienischen  Institut  der  Universität  Graz.) 
VI.  Ü]>er  dio   Streptokokken    der   Milch.     Von   Dr.  Paul  Th.  Müller,   Privatiluzent 

und  Assistent  am  Hygien.  Institut. 
Vll.  Die  ReduktionsproVie,  ein  Mittel  zur  Beurteilung  des  Frischezustandes  der  Milch. 

Von  Dr.  Paul  Tli.  Müller,  Privatdozenl.  und  Assistent  am  Hygien.  Cnstitut. 
VJII.  Ülxr  den  Kinflufs  der  Milchkontrolle  auf  die  Beschaffenheit  der  .Milch  in  Graz. 
Vuu   I\.  Hell  e. 

Einsnuhtnf^en  hpüche  man  f.nt  Gehe/mrat  Professor  Dr.  Rubner,  Berlin  M.  4, 

//essi'scfiestr.  5-4,  ^n  richten. 


Verlagsbuchhandlung 

MÜNCHEN  und 


R.  OLDENBOURQ 

BERLIN  W.  10. 


?5^^^S!2?2r^^.^??? 


Die  Gerichtsverhandlungen 

über  die 

Gelsenkirchener  Typhusepidemie 

im  Jahre  1901. 

V^on   E.  Grahn,  Zivilinj^enicur. 
Mit  einem  Anhang: 

Die  Bedeutung  des  Jahres  1901  für  die  Wasserwerke. 

Soiiderahdnick  ans  dem  «Journal  für  Oasbeleuchtunii;  und  Wasscrversor^iiiiv;". 

IV  und  79  Seiten,  4",  mit  Texlabbildiinjnrcn.     Preis  M.  3.—. 


Aus  dem  Inhaltsverzeichnis: 

I.  Aus  der  Zeit  der  Voruntersuchung. 
II.  Das  Kpidemiefj;ebiet  und  seine  Wasserversorj^ung. 

III.  Tatsächliche  Krmittlunjrcn  vor  und  in  den  (jerichtsverhandlunircn. 

IV.  Aus  den  Gericiitsverhandlungen. 


Die  Typhusepidemie  in  Detmold 

und  die  Trinkwassertheorie. 


l:ine  kritische  Studie 

Von 

Dr.  Auerbach, 

Arzt  in  r)t:tinol«!. 


l'rniani,'  i»M  Seiten  S^ 


I'reis  .M.  i. .=>•».