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Full text of "Archiv für mikroskopische Anatomie"

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Archiv 


für 


Mikroskopische Anatomie 
Entwicklungsgeschichte 


herausgegeben 


von 


O. Hertwig und W. Waldeyer 


in Berlin. 


Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie 


Sechsundsiebzigster Band 


Mit 31 Tafeln und 149 Textfiguren 


Bonn 
Verlag von Friedrich Cohen 
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Inhalt. 


A.von la Valette St. George f. 
Erstes Heft 


Ausgegeben am 22. August 1910. 
Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. II. Die embryonale Histo- 
genese des Knochenmarks der Säugetiere. Von Dr. Alexander 
Maximow, Professor der Histologie und Embryologie an der 
Kaiserlichen Medizinischen Militär - Akademie zu St. Petersburg. 
Hierzu Tafel I—IV 3 R. 
Über den Aufbau der  lensenkente de snunslhnre en 
Dr. Hubert Erhard. (Aus dem Zoologischen Institut München.) 
Hierzu Tafel V und eine Textfigur 
Eine neue Methode zur Darstellung des Glmeewehes er Briten 
zur Kenntnis des Baues und der Anordnung der Neuroglia des 
Hundehirns. Von Halvar von Fieandt. (Aus dem patho- 
logisch-anatomischen Institut der Universität Helsingfors, Finland. 
Direktor: Prof. Dr. E.A.Hom&n.) Hierzu Tafel VI-IX. 
Weitere Beiträge zur Lehre von der Kontinuität des Nervensystemes. 
Von B. Haller. Hierzu Tafel X und XI und 7 Textfiguren . 


Zweites Heft 
Ausgegeben am 22. November 1910. 

Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. Von Adele Hartmann. 
(Aus dem histologisch-embryologischen Institut der Universität 
München.) Hierzu Tafel XII und XIII und 4 Textfiguren . 

Zur Kenntnis der Panethschen Körnchenzellen bei den Säugetieren. 
Von Dr. Alfred Trautmann. (Aus dem physiologischen und 
histologischen Institut der Kgl. Tierärztlichen Hochschule zu 
Dresden. Direktor: Geheimer Rat Prof. Dr. Ellenberger.) 
Hierzu Tafel XIV . 4 

Die Mantelgebiete des Grosshirns von a nalen Austeirend Bi zum 
Menschen. Von B. Haller. Hierzu Tafel XV 

Über die Entwieklung der Langerhansschen Inseln bei share 
Embryonen. Von Dr. Theodor Mironescu, Privat-Dozent und 
Sektionschef am Institut für Pathologie u. Bakteriologie in Bukarest. 
(Aus dem Institut für Pathologie und Bakteriologie in Bukarest) 

Über die Beziehung der sog. „Zellen der Schwannschen Scheide“ zum 
Myelin in den Nervenfasern von Säugetieren. Von Anton 
Nemiloff, Assistent am anat.-hist. Laboratorium der Universität 
St. Petersburg. (Aus dem anat.-hist. Laboratorium der Universität 
St. Petersburg.) Hierzu Tafel XVI und eine Textfigur 

Über den Bau des Flimmerapparates. Von A.Koladev. (Aus den 
anat -hist. Laboratorium der Universität St. Petersburg.) Hierzu 
Tafel XVII und 2 Textfiguren Es Se 

Zur vergleichenden Anatomie des Mandela und seiner Nachbar- 
sebilde, II. Von Dr. Max Völsch, Nervenarzt in Magdeburg. 
Hierzu 28 Textfiguren 


Seite 


114 


IX) 
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329 


349 


375 


Drittes Heft 
Ausgegeben am 20. Januar 1911. 


Über eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen des Menschen. 
Von Professor Dr. Albert Oppel in Halle a.S. (Aus dem 
Anatomischen Institut der Universität Halle a. S.) Hierzu 
Tafel XVII 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile bei der Eireifung, Furchung 
und ersten Organbildung der Echinodermen. Von Julius 
Schaxel. Hierzu Tafel XIX—XXII und 8 Textfiguren . 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen (Milzsinus). Eine kritische 
Studie und eigene Beobachtungen. Von S. Mollier, München. 
Hierzu Tafel XXIV und 42 Textfiguren . 


Kopf und bucconasale Bildungen eines menschlichen Embryo von 14,7 mm 
Scheitelsteisslänge. Studien und plastische Rekonstruktionen. 
Von J.L. Paulet, Chirurgien-dentiste diplom&e de la Confede- 
ration suisse, Licenci& en Chirurgie dentaire de Gene@ve, Dentiste 
diplome de l’Ecole dentaire de Paris. (Aus dem Institut für 
Histologie, Embryologie und Stomatologie der Universität Genf.) 
Hierzu Tafel XXV und XXVI 


Viertes Heft 


Ausgegeben am 15. Februar 1911. 


Über die Beteiligung der Plastochondrien an der Befruchtung des Eies 
von Ascaris megalocephala. Von Friedrich Meves in Kiel. 
Hierzu Tafel XXVII—XXIX ee a 

Neue Methoden zur Darstellung des Verlaufs der Blutgefässe bei 
Amphibienlarven und Hühnerkeimscheiben. Von Dr. Franz 
Rost, Assistent. Hierzu Tafel XXX und XXXI 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes (Hayems Hämatoblasten). Von 
Protessor’E. Neumann, Kömesbere "rn ee : 

Das Ganglion ciliare der Vögel. Von M. von Lenhossek, Budapest. 
Mit 26 Textfiguren 

Kompressionsversuche am befruchteten Ei der Ascaris megalocephala. 
Von Dr. S.S. Girgolaff zu St. Petersburg. (Aus dem anat.-biol. 
Institut zu Berlin. Geheimrat Professor Dr. OÖ. Hertwig.) Mit 
30 Textfiguren 


Seite 


608 


698 


683 


796 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 


Ill. Die embryonale Histogenese des Knochenmarks der 
Säugetiere. 


Von 


Dr. Alexander Maximow, Professor der Histologie und Embryologie an der 
Kaiserlichen Medizinischen Militär-Akademie zu St. Petersburg. 


Hierzu Tafel I—-IV. 


1. Einleitung. 


In der grossen Literatur über die embryonale Blutbildung 
bei den Säugetieren vermissen wir merkwürdigerweise eingehende 
Arbeiten gerade über die Histogenese des wichtigsten blutbilden- 
den Organs, des Knochenmarkes Wenn die Autoren sich für 
die Blutbildung beim Embryo interessierten, so war es fast immer 
die Leber, die ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf sich lenkte. 
Die sehr spärlichen, das embryonale Knochenmark betreffenden 
Untersuchungen hatten entweder hauptsächlich die Erforschung 
des Stützgewebes und der faserigen Grundsubstanz des Markes zum 
Hauptzweck, wobei die Frage der Blutzellenbildung nur sehr ober- 
flächlich gestreift wurde (Leser [27], Schaffer [44], Hansen [17], 
Spuler[48], Retterer [43], Hammar[16], Jackson [22]u.a.), 
oder sie wurden von Spezialhämatologen, Klinikern und Pathologen 
meist an zufälligem und sehr späten Stadien angehörendem Material 
ausgeführt, wobei wieder vornehmlich die Methode der Deck- 
glastrockenpräparate angewendet wurde, die über die zytologischen 
Besonderheiten der verschiedenen Zellformen und über ihre Zahlen- 
verhältnisse in manchen Fällen gewiss sehr wertvolle Aufschlüsse 
geben kann, in der Frage ihrer Histogenese aber und ihrer 
Beziehungen zueinander und zu den anderen Geweben völlig im 
Stiche lässt (Hirschfeld [20], Pappenheim |37, 38], Horwitz 
[21], Browning [4], Nägeli [35], Jolly [23], Schridde [46], 
HeErscher-jls]). 

Was wir bis jetzt über die embryonale Histogenese des 
Knochenmarks der Säugetiere positiv wissen, lässt sich infolge- 


dessen in ein paar Worten zusammenfassen. 
Archiv f. mikr- Anat. Bd. 76. 1 


2) Alexander Maximow: 


In den primären Ossifikationspunkten dringt vom Perichon- 
drium her embryonales gefässreiches Bindegewebe mit spindligen 
und sternförmigen, miteinander synzytienartig verbundenen Zellen 
(Jackson |22]) in den verkalkten Knorpel ein und resorbiert ihn, 
wodurch die Markhöhle entsteht. Zugleich wird an der Peri- 
pherie eine periostale Knochenlamelle erzeugt. In dem gefäss- 
reichen embryonalen Bindegewebe, welches die Markhöhle erfüllt, 
findet man zuerst noch keine Blutbildung, es ist dies das sogenannte 
„primäre“ Knochenmark von Hammar (16). Seine Zellen liefern 
einerseits die Osteoblasten, die an der Oberfläche der übrig- 
gebliebenen verkalkten Knorpelbalken die junge Knochensubstanz 
ablagern, andererseits entstehen aus ihnen auch die sogenannten 
Osteoklasten, mehrkernige Riesenzellen, deren Aufgabe es ist, die 
Knorpelreste und die neugebildete Knochensubstanz selbst zu 
resorbieren und zu beseitigen. Die Osteoklasten sollen nach 
Jackson (l. c.) aus Retikulumzellen durch Mitose ohne Teilung 
des Protoplasmas entstehen und stellen gewissermaßen „Ver- 
dichtungen des gemeinsamen Synzytiums“ vor, die sich später 
wieder in Retikulumzellen zurückverwandeln. Was die Knorpel- 
zellen betrifft, so sollen sie nach Hansen (17), Retterer (43) 
und Spuler (48) erhalten bleiben und sich in das Retikulum des 
Markes einfügen. Nach Schaffer (44), Leser (27), Jackson (22) 
u.a. gehen sie hingegen alle zugrunde. Diese Vorstellung ist 
jetzt auch zu, der alleinherrschenden geworden. Das bindegewebige 
Retikulum des primären Knochenmarkes erzeugt mit der Zeit 
faserige Zwischensubstanz (Jackson) und ein Teil seiner Zellen 
verwandelt sich in Fettzellen. 

Wie die ersten Blutzellen im Knochenmark entstehen, ob 
die Blutbildung intra- oder extravaskulär beginnt, bleibt völlig 
dunkel; die in dieser Beziehung in den Lehrbüchern von Helly (19) 
und Nägeli (36) gemachten Angaben erweisen sich, wie wir 
später sehen werden, als gänzlich unzutreffend. Im voraus lassen 
sich hier zwei Möglichkeiten denken — entweder stammen die 
ersten Blutzellen direkt aus den autochthonen fixen Bindegewebs- 
zellen des primären Markes, oder sie werden in das letztere mit 
dem Blute eingeschwemmt. v. d. Stricht (50) und Hammar (16) 
haben diese letzte Möglichkeit in Erwägung gezogen, ohne sie 
jedoch positiv zu behaupten. Diekson (9) nimmt sie in seinem 
neuesten Werk über das Knochenmark ohne jeden triftigen Grund 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 2 


als feststehend an. Die meisten Autoren lassen aber die Frage 
ganz offen. 

Über die weitere Entwicklung der bereits vorhandenen ver- 
schiedenen Blutzellen im embryonalen Knochenmark liegen zahl- 
reichere Angaben vor, die von den oben an zweiter Stelle genannten 
Autoren stammen. Je nach ihren allgemeinen hämatologischen 
Anschauungen, die ja bekanntlich stark auseinandergehen, kommen 
diese Autoren aber zu ganz verschiedenen Ergebnissen, die sich 
zum Teil in die Rahmen der polyphyletischen, zum Teil in die 
Rahmen der monophyletischen Theorie einfügen lassen. 

Horwitz (21), Nägeli (35), Schridde (47), H. Fischer (15) 
finden auch im Knochenmark, wie in den anderen blutbildenden 
Organen, eine selbständige Entstehung verschiedener, gleich von 
Anfang an scharf geschiedener Zelltypen, der Myeloblasten, 
Erythroblasten und Megakaryozyten, aus einer indifferenten fixen 
Bindegewebszelle, speziell der Gefässwandzelle. Dieser Vorgang 
ist allerdings noch von keinem von ihnen wirklich beschrieben 
und abgebildet worden. Im folgenden sollen alle diese Zell- 
stämme nur durch eigene Wucherung regenerationsfähig bleiben. 

Die Vertreter der monophyletischen Theorie nehmen hingegen 
die Existenz einer weiter fortbestehenden, freien, indifferenten, 
gemeinsamen Stammzelle für die verschiedenen Blutelemente an 
(Dominiei[l1l, 12, 13], Pappenheim [37—42]u.a.). Besonders 
gründlich hat Pappenheim, der ja bekanntlich auch in der 
Hauptsache auf monophyletischem Standpunkte steht, die Be- 
ziehungen der verschiedenen Blutzellen zueinander im embryonalen 
Marke erörtert (35). Er fand, dass es von Anfang an fast aus- 
schliesslich aus Iymphoiden Elementen besteht, die sich später in 
verschiedenen Richtungen difierenzieren und Granulozyten und 
Erythrozyten liefern. Auch Jolly (23, 25) scheint sich dieser 
Vorstellung anzuschliessen, obwohl er sich darüber nicht be- 
stimmt äussert. 

In meiner weiteren Schilderung werde ich noch häufig Ge- 
legenheit haben, der Befunde der verschiedenen bereits genannten 
und auch anderer Autoren Erwähnung zu tun. In extenso brauche 
ich an dieser Stelle die verschiedenen Richtungen in der morpho- 
logischen Hämatologie gewiss nicht zu referieren, da dies schon 
an vielen anderen Stellen von mir selbst (31, 32) und von anderen 


getan worden ist. Ich will bloss noch der vor kurzem er- 
- 1% 


4 Alexander Maximow: 


schienenen neuen Arbeit von Dantschakoff (8) Erwähnung 
tun, die die embryonale Histogenese des Knochenmarks beim 
Hühnchen eingehend behandelt und mit Hilfe derselben modernen, 
durchaus zweckmässigen Untersuchungsmethoden ausgeführt worden 
ist, die ich selbst für Blutuntersuchungen gebrauche. Dantschakoff 
kommt in ihrer Arbeit zu Resultaten, die in allen wesentlichen 
Punkten meine eigenen an Säugetieren gewonnenen und bereits 
im Jahre 1907 in einer kurzen vorläufigen Mitteilung (37) 
referierten Befunde bestätigen. 

Wir sehen, dass das eingehende systematische Studium der 
embryonalen Entwicklung des Knochenmarks bei den Säugern 
eine sehr reiche Ausbeute verspricht. Vor allem ist die Ent- 
wicklung des Knochenmarks als Gewebe mit allen seinen so über- 
aus mannigfaltigen und im fertigen Zustande schon genügend 
bekannten Bestandteilen zu erforschen. Woher stammt das 
Stützgewebe des Markes, nehmen an seiner Bildung die Knorpel- 
zellen Teil oder nicht? Woher stammen und wie entstehen die 
Osteoblasten und Osteoklasten? Woher stammen die ersten 
Blutzellen, werden sie vom Blute eingeschwemmt, oder entstehen 
sie aus den lokalen Bindegewebszellen u. s. w.? 

Ausserdem bietet die genannte Untersuchung aber auch in 
speziell-hämatologischer Beziehung grosses Interesse, weil sich 
dabei sicherlich sehr wertvolle weitere Resultate über die ver- 
wandtschaftlichen Beziehungen der verschiedenen Blutzellenformen 
zueinander gewinnen lassen müssen. Für diese letzteren Fragen 
ist gerade das Knochenmark ein besonders wertvolles Objekt, 
weil hier nachgewiesenermaßen (Pappenheim) alle im Blute 
überhaupt vorkommenden Zellformen, sowohl die Iymphoiden, als 
auch die myeloiden, entstehen können. Es treten folgende 
wichtigere speziell-hämatologische Fragen in den Vordergrund. 
Gesetzt, die ersten Blutzellen werden nicht mit dem Blute ein- 
geschwemmt, sondern sie entstehen in loco — existiert aber 
dabei eine gemeinsame Stammzelle für alle Blutelemente, oder 
die Jugendformen der letzteren entstehen, wie es die poly- 
phyletische Theorie verlangt (Schridde, Nägeli usw.), direkt 
aus fixen indifferenten Mesenchymzellen resp. Gefässwandzellen, 
um später einander als völlig selbständige, genetisch unabhängige 
Zellstämme gegenüberzustehen? Ferner fragt es sich — wenn 
die ersten Blutzellen, wie sie auch beschaffen sein mögen, wirk- 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. > 


lich in loco aus fixen Mesenchym- oder Endothelzellen entstehen, 
kann derselbe Prozess auch weiterhin in dieser Weise fortdauern, 
oder er beschränkt sich nur auf die allerfrühesten Entwicklungs- 
stadien und die fixen Stromazellen des Markes verlieren später- 
hin die Fähigkeit, Blutzellen zu produzieren ? 


Es ist klar, dass man die embryonale Histogenese des 
Knochenmarks unmöglich erfolgreich studieren kann, ohne die 
viel früheren Entwicklungsprozesse des Blutes und Bindegewebes 
in den anderen Teilen des Embryos genau zu kennen. Es ist 
wohl sicher, dass die falschen Resultate, zu denen viele von den 
früheren Forschern in bezug auf das Knochenmark gekommen 
waren, in der Hauptsache gerade von diesem Umstande abhingen, 
von der ungenügenden Kenntnis der frühesten Stadien der Blut- 
und Bindegewebshistogenese überhaupt. 


Bei meinen Untersuchungen habe ich mit den frühesten 
Entwicklungsprozessen angefangen. Die ersten Stadien der Ent- 
wicklung des Blutes und Bindegewebes in der area vasculosa, 
im Mesenchym des Körpers und in der Leber bei Säugetier- 
embryonen habe ich bereits ausführlich beschrieben (32) und bin 
dabei zum Hauptresultat gekommen, dass es eine gemeinsame 
Stammzelle für alle Blutelemente tatsächlich gibt, die indifferente, 
wandernde, äusserst polymorphe Mesenchymzelle, mit sehr grosser 
und sehr mannigfaltiger progressiver Entwicklungspotenz, die 
bald als grosser, bald als kleiner Lymphozyt, bald als Wander- 
zelle von „histogenem“ Typus auftritt, aber überall gleichwertig 
ist und nur je nach den äusseren Existenzbedingungen sich in 
der oder jener Richtung progressiv entwickelt und die einen oder 
die anderen reifen Blutelemente erzeugt. 


In der vorliegenden Arbeit gebe ich die Resultate meiner 
unter denselben allgemeinen Gesichtspunkten ausgeführten Unter- 
suchungen über die embryonale Histogenese des Knochenmarks 
wieder. Diese Resultate sind bereits im Jahre 1907 in einer 
vorläufigen Mitteilung in ein paar Worten kurz mitgeteilt und, 
wie gesagt, neulich von Dantschakoff (8) für die Vögel be- 
stätigt worden. Wie es aus meiner ganzen weiteren Beschreibung 
erhellt, habe ich im Knochenmark Befunde erhoben, wie sie auf 
Grund meiner früheren Erfahrungen auch zu erwarten waren 
und die mit den letzteren in allen Punkten harmonieren. Auch 


6 Alexander Maximow: 


im Knochenmark tritt die monophyletische Lehre von der ge- 
meinsamen indifferenten mobilen Stammzelle der Blutelemente 
siegreich hervor. 


2. Material und Methoden. 


Mein Untersuchungsmaterial bestand aus fortlaufenden - ununter- 
brochenen Embryonenreihen von Kaninchen, Katze, Meerschweinchen und 
Ratte, von dem ersten Auftreten des Knorpels in den Extremitäten bis zu 
den ersten Stadien des extrauterinen Lebens. Es wurden auch einige mehr 
zufällig in die Hände gelangte Embryonen vom Hund und von der Maus 
untersucht. 

Ich studierte die Entwicklung des Knochenmarks hauptsächlich in den: 
langen Extremitätenknochen, in Femur, Humerus, Tibia, Ulna und Radius. 
Alle diese Knochen geben natürlich ganz identische Resultate, auch beginnt 
die Entwicklung des Markes in ihnen fast gleichzeitig. Die ganze folgende 
Beschreibung bezieht sich also auf diese langen Extremitätenknochen. 
Ausserdem wurde aber die Markbildung auch in den Schädelknochen studiert; 
es ergaben sich dabei, wie ich hier sofort bemerken möchte, ganz ähnliche 
Resultate, sodass ich im folgenden über die Schädelknochen nicht mehr 
besonders zu sprechen brauche. 


Die histologischen Methoden waren die gewöhnlichen, von.mir schon 
früher (32) gebrauchten. Die Extremitäten wurden behutsam abgeschnitten, 
ohne die Knochen zu lädieren und zu drücken, die Haut, bei älteren Embryonen 
stets auch die Hauptmasse der Muskeln und der anderen Weichteile, wurde 
rasch abpräpariert und die entblössten Knochen dann einzeln fixiert. Bei 
sehr grossen Embryonen oder bei neugeborenen Tieren ist es ratsam, den 
Knochen, etwa mit einer feinen Laubsäge, in mehrere Querstücke zu zerteilen 
oder wenigstens die knorpeligen Epiphysen abzuschneiden. Von den Schädel- 
knochen wurden einfach kleine Stückchen aus den Weichteilen heraus- 
geschnitten und fixiert. 


Zur Fixierung gebrauchte ich das Zenker-Formol (ZF), worin die 
Stücke gewöhnlich vier bis fünf Stunden liegen blieben. Es geschah alles 
nach den von mir an anderer Stelle (34a) genau angegebenen Vorschriften. 
Nach gut durchgeführter Zelloidineinbettung gelingt es stets tadellose 
9—7 a dicke Schnitte herzustellen, selbst von solchen undekalzinierten 
Knochen, die schon ziemlich viel spongiöse Knochensubstanz aufweisen. In 
etwas älteren Stadien ist es aber notwendig, Dekalzination vorzunehmen ; 
zu diesem Zwecke kommen die Zelloidinblöcke für sechs bis zehn Stunden 
in eine 3° wässerige Lösung von Salpetersäure, dann für 24 Stunden in 
eine 5°/o Alaunlösung, dann für weitere 24 Stunden in fliessendes Wasser. 
Nachher werden sie in 65° Alkohol aufbewahrt und darin geschnitten. Die 
Dekalzination in der angegebenen Form leistet ausgezeichnete Dienste, die 
feinsten zytologischen Strukturdetails, z. B. Zellgranula, Hämoglobin usw. 
bleiben dabei fast unverändert erhalten und die Färbungen gelingen eben- 
falls tadellos. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 1 


Gefärbt wurden die stets in Serien geschnittenen und auf Objekt- 
trägern angeklebten Schnitte mit Eosin-Azur (E Az). 


Zum sicheren Auffinden der Mastzellen wurden von einem jeden Fall 
einige Knochen auch in absolutem Alkohol fixiert. Nach Zelloidineinbettung 
wurden von ihnen ohne Dekalzination, auch in den spätesten Stadien, so gut 
es eben ging, Schnitte hergestellt, die in den Fällen letzterer Art natürlich 
ziemlich dick ausfielen und mit alxoholischer Thioninlösung gefärbt. 


Vom Mark neugeborener Tiere und grösserer Embryonen fertigte ich 
stets auch feucht mit ZF fixierte Abklatschpräparate auf Deckgläschen an 
und färbte sie mit Eosin-Azur. 


3. Die frühesten Entwicklungsstadien des Knochen- 
marks bis zum Anfang der eigentlichen Blutbildung 
und bis zum Auftreten der ersten myeloiden Zell- 
formen. Primäres oder lymphoides Knochenmark. 


Die folgende Beschreibung der betreffenden Stadien, wie 
die ganze übrige Beschreibung der späteren Entwicklungsprozesse, 
bezieht sich auf die langen Knochen der oberen und unteren 
Extremität. In den verschiedenen Knochen fängt die Ossifikation 
und die Markbildung zu etwas verschiedener Zeit an, die Grösse 
der Markhöhle ist in ihnen in einem bestimmten gegebenen 
Moment etwas verschieden usw. Der histogenetische Prozess selbst 
verläuft aber in allen langen Fxtremitätenknochen einer bestimmten 
Tierart in genau derselben Weise, sodass sich meine Beschreibung 
ohne Unterschied auf Humerus, Femur usw. beziehen wird. Die 
Histogenese des Knochenmarks verläuft auch bei allen untersuchten 
Säugetierarten im allgemeinen in ganz gleicher Weise. Es wäre 
also irrationell, jeder Tierart ein besonderes Kapitel zu widmen. 
Die betreffenden Unterschiede sind rein nebensächlicher Natur 
und ich werde sie an den nötigen Stellen stets hervorheben. 


I. Das Knorpelmodell des künftigen Knochens. das 
Perichondrium und die Bildung des periostalen 
Knochens. 


Die Beschaffenheit des Knorpels, aus welchem das Modell 
des künftigen langen Knochens besteht, setze ich als allgemein 
bekannt voraus. In der Mitte der Diaphyse entsteht zu einer 
für jeden Knochen streng bestimmten Zeit der bekannte Herd 
von blasig aufgetriebenen Knorpelkapseln, die von einander durch 


8 Alexander Maximow: 


dünne verkalkte Schichten der Knorpelgrundsubstanz abgegrenzt 
sind und blasse, ödematöse Knorpelzellen mit ganz hellen, blasen- 
förmigen Kernen und vakuolärem, netzigem Protoplasma enthalten. 
Solche Zellen mit offenkundigen regressiven Veränderungen nehmen 
indessen nur die tieferen Partien des Knorpels ein, denn an der 
Oberfläche sehen die Knorpelzellen auch in der Mitte der Diaphyse 
meist noch lebenskräftig aus — sie sind von normaler Grösse, 
enthalten nur wenige Vakuolen, ihr Kern besitzt genügend 
Chromatin und nicht selten findet man in ihnen sogar Mitosen. 


Das ganze Knorpelmodell ist vom Perichondrium umgeben. 
Dies Gewebe hat für uns die grösste Bedeutung, denn in ihm 
werden wir die Quelle aller Bestandteile des Knochenmarks 
kennen lernen. Dieselbe Bedeutung kommt dem Perichondrium 
nach den Untersuchungen von Dantschakoff (8) auch bei den 
Vögeln zu. 


Das Perichondrium, d.h. seine innerste, dem Knorpel un- 
mittelbar anliegende Schicht, hat eine sehr einfache Struktur; 
sie besteht aus äusserst dicht aneinander geschmiegten Zellen, 
mit der Längsachse des Knorpelmodells parallel orientierten, 
lang ausgezogenen Kernen und ganz unscharf abgegrenzten Zell- 
leibern. Die Kerne scheinen dicht beisammen in einer gemein- 
samen Protoplasmamasse zu liegen. Sie enthalten (ausser bei 
der Ratte) keine deutlichen Nukleolen, dafür aber zahlreiche, 
ziemlich grobe Chromatinkörnchen und sind sehr oft im Zustande 
der Teilung anzutreffen. Diese innerste Keimschicht des Peri- 
chondriums geht nach aussen allmählich in das gewöhnliche 
lockere Bindegewebe über. Sie enthält zuerst nur spärliche dünne 
Kapillargefässe ; später, wenn die enchondrale Ossifikation beginnt, 
erscheint sie von breiten Gefässen durchzogen, die in die Mark- 
höhle ein- und austreten. 


Nach Ausbildung der periostalen Knochenmanschette muss 
diese Bindegewebsschicht natürlich Periost genannt werden. Sie 
bewahrt aber auch dann im wesentlichen dieselbe Struktur, nur 
treten mit der Zeit zwischen den länglichen dichtgedrängten 
Kernen immer zahlreichere Fasern auf. 


Es muss notiert werden, dass es schon in frühen Stadien, 
wo die periostale Knochenschale eben erst zu entstehen beginnt, 
möglich ist, in dem Perichondrium einzelne dunklere Kern- 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. I 


‚exemplare von mehr unregelmässiger gebogener Form zu unter- 
scheiden, in deren Umgebung auch ein deutlicher, obzwar 
schmaler Protoplasmahof sich zu differenzieren beginnt. Es sind 
Elemente vom Charakter der Wanderzellen, wie wir sie weiter 
unten bei der Einwucherung des embryonalen Markes in den 
Knorpel in grossen Mengen werden entstehen sehen. 


Der Prozess der Verknöcherung wird in den langen Knochen 
bekanntlich dadurch eingeleitet, dass auf Kosten des Perichondriums, 
oder jetzt schon vielmehr des Periosteums, in der Mitte der 
Diaphyse an der Oberfläche des Knorpels eine zuerst kurze, 
später sich immer mehr und mehr nach den beiden Epiphysen 
zu verlängernde Knochenmanschette entsteht. Durch die Öffnungen 
in dieser dünnen Knochenlamelle dringt dann in den Knorpel 
sofort aus dem Periost Bindegewebe mit Gefässen ein, resorbiert 
den Knorpel und schafft auf diese Weise die Anlage der 
Knochenmarkhöhle. 


Die zum Studium dieses Prozesses passenden Stadien findet 
man in Femur, Tibia und Humerus bei Kaninchenembryonen 
von ungefähr 26—32 mm Körperlänge (17—18 Tage), in den- 
selben Knochen bei Meerschweinchenembryonen von 25—25 mm. 
bei Rattenembryonen von 19 mm, bei Katzenembryonen von 
etwa 35 mm. 


Auf einem Längsschnitt durch die Knorpelanlage des Knochens 
sieht man in diesen Stadien die Mitte der Diaphyse von beiden 
Seiten von jungem, eben entstandenem, periostalem Knochen um- 
säumt. Es ist eine dünne, mehrfach unterbrochene Lamelle, die 
an EAz-Präparaten einen schmutzig-rosafarbenen Ton erhält, 
nahezu homogen erscheint und noch sehr spärliche Knochenzellen 
enthält. Von aussen liegen dieser Knochenlamelle schön aus- 
gebildete, grosse ÖOsteoblasten an. Sie sind aus den oben 
beschriebenen, dichtgedrängten Zellen der Keimschicht des Peri- 
chondriums entstanden, man sieht auch jetzt von aussen nach 
innen alle Übergänge von den letzteren zu den ersteren. In den 
Osteoblasten selbst sind Mitosen sehr selten, hingegen findet man 
sie in den Zellen des Perichondriums, welches jetzt schon den 
Namen Periost verdient, in grosser Menge. Bei Verwandlung in 
Osteoblasten schwillt der Kern, wird kugelig, erhält meistens 
einen grossen Nukleolus in der Mitte, während das Protoplasma 


10 Alexander Maximow: 


an Umfang auch gewinnt, scharfe Umrisse bekommt, stark 
basophil wird und neben dem Kern einen hellen Hof, die Sphäre 
aufweist. Diese Osteoblasten erzeugen die Knochensubstanz. Sie 
scheinen sie unmittelbar an der Oberfläche ihres Protoplasmas 
auszuscheiden. Die von Disse (10) beschriebene Verwandlung 
des Protoplasmas der Osteoblasten selbst in die junge Knochen- 
grundsubstanz habe ich an meinen Präparaten, auch in den 
späteren Stadien, nicht beobachten können. Das dunkle, basophile 
Protoplasma der Osteoblasten (Fig. 20bl) liegt an E Az-Präparaten 
der rosafarbenen Knochensubstanz immer unmittelbar an (Kn), 
ein peripherer, heller Protoplasmaabschnitt, wie ihn Disse be- 
schreibt, ist nicht vorhanden. 


An vielen Stellen erscheint die Knochenlamelle, wie gesagt, 
durchbrochen. An den betreffenden Stellen sind keine aus- 
gebildeten Osteoblasten vorhanden, sondern man sieht hier dem 
Knorpel gewöhnliche, spindelige oder ästige Mesenchymzellen 
dicht anliegen. die sich von den Osteoblasten übrigens auch nicht 
scharf trennen lassen, da alle möglichen Übergänge von ihnen 
sowohl zu den Osteoblasten, als auch zu den dichtgedrängten 
Zellen der innersten Periostschicht vorhanden sind. 


Mit dem weiteren Wachstum des periostalen Knochens sieht 
man die zuerst entstandene Knochenlamelle nicht weiter an Dicke 
zunehmen: sie bleibt dünn, und die zunehmende Dicke der 
periostalen Knochenschale hängt davon ab, dass in einem gewissen 
Abstand von der ersten, dem Knorpel unmittelbar anliegenden 
Lamelle eine neue, zweite, mehr nach aussen gelegene und dann 
weiter noch andere Lamellen entstehen; zwischen den letzteren 
bleibt Bindegewebe liegen, welches sich unmittelbar von der 
oben beschriebenen Keimschicht des Perichondriums resp. Periosts 
ableitet, aber ein schon viel lockereres Gefüge besitzt und aus mit- 
einander anastomosierenden, stern- oder spindelförmigen. embryo- 
nalen Bindegewebszellen mit saftigem Kern und leicht basophilem 
Protoplasma besteht. 


Auf diese Weise entsteht der periostale spongiöse Knochen, 
dessen Markräume von gewöhnlichem, ziemlich lockerem, embryo- 
nalem Bindegewebe erfüllt erscheinen. An der Oberfläche der 
Knochenbälkehen verwandeln sich die Bindegewebszellen überall 
in eine dichte Schicht von epitheloiden, basophilen Osteoblasten. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 11 


I. Einwucherung des primären, subperiostalen 
Knochenmarks in den Knorpel und Resorption des 
letzteren. 


Gleich nach dem Auftreten der ersten dünnen Lamelle 
des periostalen Knochens beginnt das Einwuchern von Binde- 
gewebe in den verkalkten Knorpel und die Resorption des 
letzteren. Während dies nach Dantschakoff (8) beim Hühnchen 
an verschiedenen Stellen zugleich geschehen kann und das Knorpel- 
modell infolgedessen mehrere Gruben an seiner Oberfläche auf- 
weist, entsteht bei allen Säugetieren immer nur eine zirkuläre, 
zuerst sehr flache Furche genau in der Mitte der Diaphyse, die sich 
dann verbreitert und in die Tiefe des Knorpels einfrisst, bis in 
der Mitte der Diaphyse innerhalb der periostalen Manschette 
die primitive Markhöhle entsteht; sie reicht nach seitwärts bis 
an die Innenfläche des periostalen Knochens, nach den Epiphysen zu 
ist sie in der ersten Zeit meistens sehr unregelmässig begrenzt, wie 
ausgenagt; sowohl an der Innenfläche der periostalen Knochenschale, 
als auch frei in dem Markraum können noch während ziemlich 
langer Zeit grössere, relativ intakte Knorpelinseln liegen bleiben, 
die im ersten Fall buckelförmig in die Markhöhle hineinragen. 
Später, mit dem Fortschreiten nach der einen und der anderen 
Epiphyse erhalten die Grenzen des wachsenden Markraumes 
allmählich den Charakter von regelmässigen Querflächen, so dass 
die Markhöhle die bekannte Form eines in der Mitte verjüngten 
Zylinders erhält. 


Das Gewebe, welches in den Knorpel eindringt und ihn 
resorbiert, ist gefässreiches embryonales Bindegewebe, welches in 
allen seinen Teilen aus der oben beschriebenen innersten Keim- 
schicht des Periosts stammt. In den Lücken, die zwischen den 
zuerst entstandenen, dem Knorpel anliegenden periostalen Knochen- 
bälkchen übrig bleiben, sieht man, wie die oben erwähnten, locker- 
gefügten, miteinander anastomosierenden Bindegewebszellen die 
verkalkte Knorpelsubstanz resorbieren, die Knorpelkapseln öffnen 
und die Stelle der Knorpelzellen einnehmen. Sie werden überall 
von breiten, energisch wachsenden Kapillaren begleitet, die sich 
ebenfalls von den dünnen, unscheinbaren Kapillaren der dichten 
Keimschicht ableiten und sich also beim Eintritt in die entstehende 
Markhöhle plötzlich stark erweitern. 


u» Alexander Maximow: 


Das embryonale Bindegewebe, welches die Markhöhle aus- 
füllt, kann nach Hammar (16) „primäres Knochenmark“ genannt 
werden; es besteht, wie gesagt, aus locker angeordneten Zellen, 
die eine sehr unregelmässige Form besitzen (Fig. 1 und 6 Bz), 
spindelig oder mit zahlreichen Ausläufern versehen erscheinen 
und an vielen Stellen ein synzytiales Netz bilden. Das schwach 
basophile Protoplasma hat eine feine netzige Struktur, der ovale 
oder rundliche Kern enthält ein zierliches Gerüst mit grösseren 
und kleineren Chromatinteilchen und einem oder mehreren, meist 
leicht violett gefärbten Nukleolen. In diesen Zellen trifft man 
sehr oft Mitosen (Fig. 6 Bz‘), wobei der Zelleib meistens deutlich 
kontrahiert und sogar mit pseudopodienartigen Bildungen besetzt 
erscheint. Nach aussen, zum Periost hin, gehen diese Zellen, 
wie früher, ganz allmählich in die dicht gedrängten, lang aus- 
gezogenen Zellen der periostalen Keimschicht über. 

Sehr wichtig ist der Umstand, dass es histologisch ganz 
unmöglich ist, einen Unterschied zwischen der feineren Struktur 
der beschriebenen Zellen des primären Knochenmarks und den 
Endothelzellen der breiten Kapillargefässe zu finden. Beide Zell- 
arten haben ganz das gleiche Aussehen. Es ist auch sicher, 
dass die Endothelzellen, in denen man in diesen frühen Stadien 
der Markbildung viele Mitosen sieht, sich /ohne weiteres durch 
Ablösung von der Gefässwand in gewöhnliche Bindegewebszellen 
verwandeln können: es sind eben auch embryonale Bindegewebs- 
zellen, die die Gefässlumina umsäumen und sie erscheinen auch 
stets mit den gewöhnlichen Bindegewebszellen durch direkte 
protoplasmatische Anastomosen verbunden. 

Die embryonalen Bindegewebszellen des primären Knochen- 
marks üben auf die verkalkte Knorpelsubstanz zweifellos eine 
direkte auflösende Wirkung aus — denn überall, wo diese Zellen 
hingelangen, werden die Wände der Knorpelkapseln eingeschmolzen 
und gelöst und von der Knorpelgrundsubstanz bleiben die bekannten, 
typischen, vieleckigen, an den Rändern angefressenen balken-, 
zwickel- oder schollenförmigen Reste übrig (Fig. 1, 2, 3, 4 
und 6K). An EAz-Präparaten werden diese Reste der ver- 
kalkten Knorpelsubstanz intensiv rot- oder blauviolett gefärbt 
und auch die kleinsten Stücke derselben fallen infolgedessen 
zwischen den hellblau gefärbten Gewebsbestandteilen schon unter 
schwacher Vergrösserung sofort auf. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 13 


Bei der Resorption durch das Protoplasma der Bindegewebs- 
zellen oder der Osteoklasten sieht man die intensiv gefärbte 
Knorpelsubstanz sich entweder einfach an der Oberfläche auf- 
lösen und schwinden (Fig. 1, 3,4 und 6K), oder sie zerfällt in 
kleine, blasse, undeutlich konturierte Schollen (Fig. 2z). Manchmal, 
besonders bei der Katze (Fig. 1 und 2K), verliert sie vor dem 
Auflösen die starke Färbbarkeit und zerteilt sich in unregel- 
mässige, eckige, blassblaue Körner, die voneinander durch dünne, 
violett gefärbte Adern getrennt erscheinen. 

Das Gefüge des primären Markgewebes ist, wie gesagt, 
ein ziemlich lockeres. Zwischen den polymorphen, sicherlich sehr 
beweglichen, wuchernden embryonalen Bindegewebszellen sieht 
man helle Zwischenräume, die von einer halbflüssigen, wahr- 
scheinlich gallertigen Zwischensubstanz erfüllt und von dünnen, 
netzartig verzweigten protoplasmatischen Zellfortsätzen durchzogen 
erscheinen (Fig. 6). Besonders innig schmiegen sich die Binde- 
gewebszellen der Oberfläche der Knorpelreste an. An vielen Stellen 
sieht man hier einerseits Entstehung von Osteoblasten, anderer- 
seits Entwicklung von Osteoklasten. 

Die Osteoblasten differenzieren sich dabei aus den gewöhn- 
lichen embryonalen Bindegewebszellen auf dieselbe Weise, wie 
wir es im periostalen Knochen gesehen haben. Der Zelleib ver- 
grössert sich, wird basophil, neben dem Kern tritt eine helle 
Sphäre hervor, der Kern selbst wird gross, blasenförmig und 
erhält in seiner Mitte ein grosses, deutlich violettes Kern- 
körperchen (Fig. 2, 3, 4 und 6 Obl). Solche Östeoblasten um- 
säumen stellenweise die eckigen Reste der Knorpelgrundsubstanz 
von allen Seiten oder füllen eröffnete Knorpelkapseln in Form 
von epithelähnlichen Massen aus. Sie fangen sofort nach ihrer 
Entstehung an, die erste enchondrale Knochensubstanz aus- 
zuscheiden (Fig. 2 Kn). Die letztere erscheint im Schnitt 
nach EAz-Färbung in Form von blassen, hellrosafarbenen, homo- 
genen Streifen, die die violetten Knorpelreste (K) umsäumen 
und von ihnen sofort unterschieden werden können. Auch hier 
macht es den Eindruck, als würde die Knochensubstanz vom 
basophilen Protoplasma der Östeoblasten an seiner Oberfläche 
direkt ausgeschieden. Eine Verwandlung des Protoplasmas selbst 
in Knochensubstanz im Sinne von Disse (10) habe ich nicht. 
gesehen. 


14 Alexander Maximow: 


Uber die Entstehung der Osteoklasten werde ich weiter 
unten in einem besonderen Abschnitte sprechen. 

Eine aktive Rolle in der Resorption des Knorpels spielt 
unbedingt ausser den gewöhnlichen Bindegewebszellen auch das 
Gefässendothel. Die weiten Kapillaren des primären Knochen- 
marks haben sehr unregelmässige, oft eckige oder aufgetriebene 
Lumina (Fig. 3L) und füllen manchmal die Höhlen frisch er- 
öffneter Knorpelkapseln ganz aus, so dass die äussere Oberfläche 
der saftigen, wuchernden Endothelzellen der verkalkten Knorpel- 
grundsubstanz eng anliegt und die letztere resorbiert. Dieselbe 
Beobachtung über die resorbierende Tätigkeit des Gefässendothels 
finde ich auch bei Jackson (22) angeführt. 

Sehr wichtig ist die Frage über das Schicksal der Knorpel- 
zellen. Nach Leser (27), Schaffer (44), Jackson (22) und 
anderen gehen sie bei der enchondralen Verknöcherung sämtlich 
zugrunde. Dies ist jetzt auch, wie schon gesagt, die herrschende 
Ansicht. Es gibt jedoch Autoren, wie Hansen (17), Retterer (43), 
Spuler (48), v. d. Stricht (50), die der entgegengesetzten 
Meinung sind und ein wenigstens teilweises Überleben der Knorpel- 
zellen und ihre direkte Verwandlung in Bindegewebszellen des 
Markes und in Osteoblasten annehmen. Ferner hat auch Dant- 
schakoff (8), allerdings nur für die Vögel, aber dafür in der 
unzweideutigsten und sichersten Weise nachgewiesen, dass bei 
der enchondralen Ossifikation die Knorpelzellen in den eröffneten 
Kapseln zum Teil am Leben bleiben können. Sie wuchern sogar, 
man findet in ihnen Mitosen und sie vermischen sich nachher 
mit den Stromazellen des primären Markes, ohne von ihnen mehr 
unterschieden werden zu können. 

In Anbetracht solcher Umstände habe ich besondere Auf- 
merksamkeit auf das Verhalten der Knorpelzellen bei der Ent- 
stehung des Knochens und des Knochenmarks gerichtet. 

Was die späteren Stadien der enchondralen Ossifikation bei 
den Säugetieren betrifft, wo dieser Prozess an den Enden der 
Markhöhle nach den Epiphysen zu allmählich und regelmässig 
fortschreitet, so sind die Befunde hier vollkommen unzwei- 
deutig. An der im Schnitt mehr oder weniger regelmässigen 
Össifikationslinie erscheinen alle Knorpelzellen ohne Ausnahme 
vollständig degeneriert (Fig. 2 Kz“). Ihre Kerne sind stark 
aufigebläht, hell und chromatinlos, nur der Nukleolus ist noch 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 15 


deutlich sichtbar; er nimmt aber auch keine violette, sondern 
eine blassblaue Färbung an. Das Protoplasma ist auf einen 
zentralen perinukleären Hof und auf einige dünne, körnige, radıär 
verlaufende Stränge reduziert. Unmittelbar vor dem Eröffnen 
der Kapsel durch das heranwachsende embryonale Bindegewebe 
(Fig. 2) schrumpft der Zellkörper (Kz’), wobei es sich heraus- 
stellt, dass die blasige Zelle eine dünne Membran besitzt, an 
welche sich die radiären, vom Kern ausstrahlenden Protoplasma- 
fäden anheften. Die Membran hebt sich von der Kapsel ab und 
zwischen beiden entsteht ein mit Flüssigkeit oder vielleicht mit 
gallertiger Masse erfüllter Raum (Fig. 2 und 3 x), der an fixierten 
Präparaten, wie es auch Schaffer (44) angibt, von netzigen 
oder radiär-fädigen Gerinnseln durchzogen erscheint, die nach 
E Az-Färbung eine schöne rotviolette Färbung annehmen. 

Bei Eröffnung der Kapsel tritt die die degenerierte Knorpel- 
zelle umgebende gallertige Masse heraus und kann noch ziemlich 
lange zwischen den Bindegewebszellen und jungen Wanderzellen 
(Fig. 3 Wz‘) liegen bleiben (Fig. 3 x); schliesslich wird sie aber 
der ebenfalls strukturlosen, gallertigen, weichen Zwischensubstanz 
des primären Knochenmarks einverleibt. 

Die degenerierten Knorpelzellen selbst gehen zwischen den 
saftigen lebenskräftigen Bindegewebszellen sofort zugrunde und 
verschwinden in kürzester Zeit. 

Wenn wir hingegen die schon oben zum Teil beschriebenen 
frühesten Stadien desselben Prozesses genau untersuchen, wo die 
Markhöhle eben erst im Entstehen begriffen ist, sich nur auf 
eine kleine Strecke in der Mitte der Diaphyse beschränkt und 
noch sehr unregelmässige ausgenagte Konturen besitzt, so erhalten 
wir viel kompliziertere histologische Bilder, die die Sache keines- 
wegs in so einfachem Licht erscheinen lassen. 

Gewiss sieht man an vielen, sogar den meisten Stellen die- 
selben Bilder, wie sie eben für die späteren Stadien beschrieben 
worden sind — quellende, später im Inneren der Kapsel 
schrumpfende, von netzigen, metachromatisch gefärbten Gerinnseln 
umgebene degenerierte Knorpelzellen (Fig. 1 Kz‘). Da ausserdem 
der Resorptionsprozess jetzt noch sehr rasch nach allen Seiten 
um sich greift, so sind diese Degenerationsbilder viel zahlreicher, 
als später, wo die Ossifikation in Form einer regelmässigeren 
Linie und viel langsamer vorwärtsschreitet; man sieht sie überall 


16 Alexander Maximow: 


in den Knorpelinseln, die für eine Zeitlang frei in der Mitte der 
Markhöhle liegen bleiben, in den Vorsprüngen, die das Knorpel- 
gewebe zwischen den tiefer ausgenagten Stellen bildet und in 
diesen letzteren ebenfalls. 

Aber an vielen Stellen ändert sich das beschriebene Bild. 
Dies bezieht sich besonders auf die Präparate von der Katze und 
besonders auf die Teile des Knorpelgewebes, welche, wie oben 
erwähnt, an der Innenfläche der periostalen Knochenschale als 
buckelförmige, in die Markhöhle hineinragende Vorsprünge für 
eine Zeitlang liegen bleiben. Hier sind zur Zeit, wo die Resorption 
des Knorpels beginnt, die Knorpelzellen noch gar nicht besonders 
gross und aufgebläht, sondern sie haben, wie gesagt, eine mittlere 
Grösse, durchaus normales Aussehen (Fig. 1 Kz) und enthalten 
sogar oft Karyokinesen (Kz‘)., Wenn nun die Kapseln dieser 
Zellen eröffnet werden, so degenerieren sie augenscheinlich nur 
zum Teil (Kz“). Viele von ihnen bleiben lebenskräftig, besitzen 
nur leicht vakuolisiertes Protoplasma und Kerne mit normalem 
Chromatingehalt und metachromatisch gefärbten Nukleolen. Sie 
scheinen sich auch mit einem gewissen Quantum von meta- 
chromatisch färbbarer, netzig gerinnender Gallerte (x) zu umgeben, 
treten aber bald aus den Kapseln heraus (y) und kommen dann 
zwischen die jungen Bindegewebszellen (Bz) und Kapillarsprossen 
zu liegen. Sie bekommen dabei sehr bald eine eckige, polyedrische, 
später auch spindlige Form und können als gewesene Knorpel- 
zellen vorläufig nur an dem besonders hellen, regelmässig, fein 
und scharf konturierten Protoplasma und dem grossen, hellen, 
runden Kern erkannt werden. Später verwischen sich auch diese 
Merkmale und die herausgetretenen Knorpelzellen können von 
den Bindegewebszellen des primären Markes (Bz) überhaupt nicht 
mehr unterschieden werden. Auch zweifellose Mitosen findet man 
in diesen herausgetretenen Knorpelzellen. 

Auf Grund der beschriebenen Befunde ist also meiner 
Meinung nach die heutzutage dominierende Vorstellung von dem 
ausnahmslosen Zugrundegehen aller Knorpelzellen bei der enchon- 
dralen Ossifikation bei den Säugetieren in gewisser Beziehung 
einzuschränken. Das Gros der Knorpelzellen geht wohl sicher 
zugrunde; in den späteren Entwicklungsstadien, beim allmählichen, 
relativ langsamen Progressieren der Ossifikationslinie nach den 
Epiphysen zu ist dies sogar zweifellos eine Regel ohne Ausnahme. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 17 


Die Knorpelzellen haben hier alle genügend Zeit, um ihren Ent- 
wicklungsgang bis zum Eintreten der vollständigen Degeneration 
abzuschliessen, noch bevor die Knorpelkapseln vom embryonalen 
Bindegewebe eröffnet werden. 

In den frühesten Stadien aber, beim ersten Anfang der 
Resorption des Knorpels, verläuft dieser Prozess so rasch, dass 
viele Knorpelzellen augenscheinlich in noch relativ jugendlichem 
Zustande aus ihren Kapseln befreit werden. Was aus ihnen 
nachher wird, ist natürlich schwer mit vollkommener Bestimmt- 
heit zu sagen, jedenfalls ist aber die Möglichkeit durchaus nicht 
ausgeschlossen, dass ein wenn auch geringer Teil von ihnen am 
Leben bleibt und sich in gewöhnliche Bindegewebszellen zurück- 
verwandelt. 


III. Die Osteoklasten. 


Es ist bekannt, dass im Knochenmark der Säugetiere zwei 
Arten von Riesenzellen vorkommen, welche zuerst deutlich von 
Bizzozero und Howell unterschieden wurden. Die einen 
heissen Megakaryozyten und stehen in innigster genetischer und 
wahrscheinlich auch physiologischer Beziehung zu der blutbildenden 
Tätigkeit. Die anderen heissen Polykaryozyten oder Östeoklasten, 
haben mit der Blutbildung nichts zu tun und stellen eigentlich 
vielkernige Fremdkörperriesenzellen vor, deren Aufgabe es ist, 
die Knochensubstanz zu resorbieren. Während die Megakaryo- 
zyten speziell eine Besonderheit der Säugetiere vorstellen, findet 
man Osteoklasten überall, wo Knochen entstehen. Die Frage der 
Entstehung und der weiteren Schicksale der Osteoklasten muss 
uns hier in diesem Abschnitte etwas näher beschäftigen. 

Es steht von vornherein zu erwarten, dass die Entwicklung 
der Osteoklasten viel gemeinsames haben muss mit der Entstehung 
der verschiedenen anderen Fremdkörperriesenzellen, die im 
Organismus unter normalen und krankhaften Verhältnissen in 
Gegenwart von Fremdkörpern oder von nekrotischen Massen 
u. dergl. im Bindegewebe auftreten. Nun ist aber die Frage der 
Entstehung der Fremdkörperriesenzellen bekanntlich noch lange 
nicht entschieden. In der Pathologie, die den mehrkernigen 
Riesenzellen am öftesten zu begegnen Gelegenheit hat, nehmen 
die einen Autoren für die Entstehung der mehrkernigen Riesen- 


zellen mehrfach sich wiederholende Mitosen oder Amitosen des 
Archiv f. mikr. Anrat. Bd. 76. 2 


18 Alexander Maximow: 


Kernes in einzelnen Zellen, ohne nachfolgende Protoplasmateilung 
an; dies kann auch als der dominierende Standpunkt bezeichnet 
werden. Die anderen nehmen hingegen Verschmelzung mehrerer 
einkerniger Zellen zu einem grossen, vielkernigen Zellkörper an, 
ohne der Kernvermehrung eine besondere Bedeutung beizumessen. 
Auf Grund meiner eigenen Beobachtungen (29) über die ent- 
zündliche Neubildung von Bindegewebe bin ich seinerzeit zu der 
zweiten Anschauung gekommen, ohne allerdings die Möglichkeit 
amitotischer Kernteilung dabei (besonders für die Amphibien) 
vollkommen auszuschliessen. 

Was die Entstehung der Osteoklasten im speziellen an- 
belangt, so ist darüber sehr wenig bekannt. Nach Schaffer (44) 
sollen sie in innigster Beziehung zu den jungen Gefässen stehen. 
Jackson (22) hält sie, wie schon erwähnt, für „Verdichtungen 
des gemeinsamen Synzytiums“ und lässt sie aus den Retikulum- 
zellen des primären Markes durch mitotische Kernvermehrung 
ohne Protoplasmateilung entstehen. Der neueste Autor auf diesem 
Gebiet, Dantschakoft (8), die zu ihren Untersuchungen die 
zweckmässigsten Methoden gebrauchte, kommt jedoch zum Schluss, 
dass die Osteoklasten bei den Vögeln durch Konfluenz mehrerer 
einkerniger Bindegewebszellen entstehen, ohne dass Kernvermehrung 
dazwischen käme. 

Die Entstehung der Osteoklasten bei den Säugetieren ist 
nicht ganz leicht zu erforschen, weil sie sehr rasch gebildet 
werden und die Übergangsformen infolgedessen im fixierten 
Präparat nur relativ selten zur Sicht gelangen. Ich finde ausser- 
dem, dass sie, ebenso wie die weiter unten beschriebenen Wander- 
zellen, unvergleichlich viel früher entstehen, als man es jetzt 
meistens annimmt, nämlich gleich beim ersten Anfang der Ein- 
wucherung des Bindegewebes in den Knorpel. 

Bei allen untersuchten Tierarten verläuft der Prozess auf 
ziemlich gleiche Art und Weise. 

An vielen Stellen des an Umfang stets zunehmenden primären 
Markraumes sieht man die gewöhnlichen spindligen oder stern- 
förmigen Bindegewebszellen, die, wie oben erwähnt, miteinander 
überall durch Anastomosen zusammenhängen, gruppenweise nahe 
zusammentreten; es entstehen, um den Ausdruck von Jackson 
zu gebrauchen, in der Tat „lokale Verdichtungen“ des synzytialen 
Retikulums. Die Zelleiber der einzelnen Zellen in solchen Gruppen 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe, 19 


nähern sich immer mehr und tliessen schliesslich ganz zusammen, 
sodass ein einheitlicher Protoplasmakörper mit mehreren Kernen 
entsteht (Fig. 3 und 40kl). Die Zahl der Kerne ist niemals 
sehr gross, schwankt meistens zwischen drei und zehn. Zuerst 
bleibt der Zellkörper der auf solche Weise entstandenen mehr- 
kernigen Riesenzelle mit den benachbarten Bindegewebszellen 
noch durch dünne Anastomosen ein- oder allseitig verbunden. 
Bald isoliert er sich aber vollkommen und die Riesenzelle wird 
frei. Sie besitzt eine sehr mannigfaltige, äusserst unregelmässige 
Form; von der rundlichen oder ovalen finden sich alle Über- 
gänge zu sehr lang ausgezogenen strangförmigen oder eckigen 
Zellkörpern. 

Es muss speziell hervorgehoben werden, dass ich in den 
jungen entstehenden Osteoklasten niemals Kernvermehrung, weder 
mitotische noch amitotische, finden konnte. Die Kerne erhalten 
wohl, wie wir gleich sehen werden, Falten an ihrer Wand, zu 
einer wirklichen Zerschnürung der Kerne kommt es aber nicht. 

Hand in Hand mit dem beschriebenen Prozess der Ver- 
schmelzung der einzelnen Zellen gehen auch Strukturveränderungen 
ihres Protoplasmas und ihrer Kerne einher (Fig. 3 und 40kl). 

Das leicht basophile, fein retikuläre Protoplasma der 
embryonalen Bindegewebszellen erhält zunächst einen höheren 
Grad von Basophilie, färbt sich dunkelblau und sein Gerüst wird 
zusehends gröber und lockerer — zwischen den dunklen Gerüst- 
fäden treten grosse helle Maschen auf, die sich hie und da in 
richtige grosse, helle Vakuolen verwandeln. Ferner wächst auch 
das Protoplasma, so dass die junge Riesenzelle bald bedeutend 
an Umfang gewinnt. Die Kerne erleiden ebenfalls tiefgreifende 
Veränderungen in ihrer inneren Struktur und erlangen ein überaus 
charakteristisches Aussehen (Fig. 3 und 5 Okl). Das Chromatin 
zerfällt in ganz feine und blasse, im Kerninnern ganz gleich- 
mässig verteilte, staubförmige Körnchen, während in der Mitte 
ein sehr grosses, rundes oder eckiges, violett gefärbtes Kern- 
körperchen auftritt. Die Kernmembran präsentiert sich immer 
als helle, aber dick und scharf gezogene Linie. Ferner gehört 
zu den sehr typischen Besonderheiten die Faltenbildung an der 
Kernmembran. Dies tritt besonders schön beim Kaninchen hervor. 
Die Osteoklastenkerne stellen hier oft schlaffe, ganz helle Säcke 


mit tiefen Runzeln und Falten an der Oberfläche vor und mit 
ki 


20 Alexander Maximow: 


je einem grossen Nukleolus im Inneren. Obwohl die beschriebene 
Verwandlung der Kernstruktur sehr rasch erfolgt, betrifft sie 
manchmal doch nicht alle Kerne zugleich, so dass man dann in 
ein und derselben Riesenzelle verschiedene Übergangsformen der 
Kerne erblickt (Fig. 40kl links). 

Das Protoplasma der eben entstandenen, ganz jungen, oft 
noch kleinen Osteoklasten ist aussen in ähnlicher Weise begrenzt, 
wie das Protoplasma der gewöhnlichen Bindegewebszellen (Fig. 3 
und 4Okl); mit der Zeit tritt jedoch gewöhnlich eine wichtige 
Veränderung ein, indem an der Oberfläche des Zelleibes pseudo- 
podienartige Auswüchse entstehen, die sicherlich amöboider 
Bewegung fähig sind (Fig. 50kl). Auch Dantschakoff (8) 
bildet solche Osteoklasten mit Pseudopodien ab. Manchmal ist 
der ganze Zelleib eines Osteoklasten dieht besetzt mit kleinen, 
zackigen, an den Enden oft keulenförmig aufgetriebenen Vor- 
sprüngen, die ihm ein stacheliges Aussehen verleihen. Es ist 
dieselbe Eigenschaft des Protoplasmas, wie man Sie an einigen 
von den weiter unten beschriebenen Wanderzellen antrifit (Fig. 15). 

Die vollkommen ausgebildeten Osteoklasten stellen gewöhn- 
lich sehr umfangreiche Protoplasmamassen vor von sehr unregel- 
mässiger, verschiedener Form (Fig. 5 Okl). Bald sind sie rundlich, 
bald platten sie sich an der Oberfläche vom Knochenbälkchen 
ab oder ziehen sich in die Länge und erscheinen dabei oft 
brückenartig von einem Knochenbälkchen zum anderen aus- 
gespannt. Nicht selten scheinen sogar mehrere Osteoklasten weiter 
zusammenzufliessen, und es können stellenweise grosse, synzytien- 
ähnliche, undeutlich begrenzte Protoplasmamassen entstehen. In 
den grösseren Osteoklasten geht auch die ursprüngliche Basophilie 
des Protoplasmas verloren und es färbt sich im Gegenteil an 
EAz-Präparaten mehr in einem rötlichen Ton. 

Die Osteoklasten liegen überall in der Markhöhle umher, 
ohne jede sichtbare Regelmässigkeit in der Anordnung. Sie 
entstehen, wie gesagt, schon sehr früh, beim ersten Anfang der 
Einwucherung des Bindegewebes in den Knorpel, in den eben 
eröffneten Kapselreihen. Auch später sieht man gerade hart an 
der Resorptionslinie die meisten jungen Osteoklasten durch Ver- 
schmelzung von Bindegewebszellen entstehen. Die ausgebildeten 
grossen Osteoklasten liegen hingegen in den älteren Teilen des 
Markraumes, meistens der Oberfläche der jungen Knochenbälkchen 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 21 


eng angeschmiegt und hier vollzieht sich die Resorption der 
letzteren; seltener sieht man sie den noch übrig gebliebenen 
Knorpelresten angelagert. Es können aber viele auch ganz isolierte 
oder mit den Bindegewebszellen noch durch Anastomosen zusammen- 
hängende Osteoklasten gefunden werden, die gar keine Beziehungen 
zu den Knochenbälkchen oder zu den verkalkten Knorpelresten 
offenbaren und also sicherlich nicht phagozytisch tätig sind, 
wenigstens im gegebenen Moment. 

Überhaupt scheinen die Osteoklasten nur für die Resorption 
des Knochens unbedingt nötig zu sein. Denn der verkalkte Knorpel 
an der Össifikationsgrenze und in den im Markraum umher- 
liegenden Zwickeln wird in erster Linie von den gewöhnlichen 
Bindegewebszellen und dem Gefässendothel resorbiert. 

Eine weitere wichtige Frage in bezug auf die Osteoklasten 
ist die über ihr weiteres Schicksal. Bei der allmählichen Ver- 
grösserung des Markraumes entstehen in seinen mittleren, älteren 
Teilen, wie wir weiter unten sehen werden, zuerst lockere Haufen 
von myeloiden Elementen, später kompaktes dichtes Markgewebe. 
Von den fixen Zellen bleiben dabei zwischen den Markzellen nur 
äusserst spärliche Stromazellen und Fettzellen übrig, die Knochen- 
bälkchen mit den Resten der verkalkten Knorpelsubstanz ver- 
schwinden schliesslich gänzlich. Die Osteoklasten müssen also 
schliesslich auch mitten zwischen die Markzellen gelangen und 
in den vom ausgebildeten Markgewebe eingenommenen Teilen 
sieht man sie nicht mehr. Es fragt sich nun, was wird aus 
ihnen ? 

Im erwachsenen Organismus stellen die Fremdkörperriesen- 
zellen bekanntlich vergängliche Bildungen vor; sie können sich 
meistens nicht mehr in lebenskräftige einkernige Granulations- 
zellen zurückverwandeln und gehen durch Atrophie und Zerfall 
zugrunde. Beim Embryo verhält es sich in dieser Beziehung 
anders. Nach Jackson (22) sollen sich die Osteoklasten wieder 
in Retikulumzellen zurückverwandeln. Ich kann diese Angabe 
nach meinen Resultaten bestätigen. 

Ein Teil der Osteoklasten scheint allerdings doch der Degene- 
ration zu verfallen. In den älteren Teilen des Markraumes sieht 
man nämlich in den späteren Stadien hin und wieder atrophische, 
blasse, rundliche, leicht azidophile Protoplasmakörper von lockerem, 
netzigem Gefüge zwischen den Markzellen liegen. Sie enthalten 


22, Alexander Maximow: 


typische nukleolenführende Osteoklastenkerne, die aber sehr 
blass und geschrumpft aussehen. Wahrscheinlich werden diese 
atrophischen Osteoklasten später von den Markzellen ganz zu- 
sammengedrückt und gehen zugrunde. Sie sind aber relativ selten. 

Viel öfter sieht man in der weiter unten beschriebenen 
Zone, wo das Iymphoide Mark sich in myeloides verwandelt und 
weiter in den noch älteren Partien eine ganz andere Veränderung 
an den Osteoklasten. Sie verfallen nicht der Degeneration; der 
grosse Zelleib fängt vielmehr an, sich wieder in einzelne ein- 
kernige Zellkörper aufzulösen (Fig. 5 Okl). In ihm treten viele 
helle Lücken auf, dann entsendet er breite streifenförmige kern- 
haltige Zweige, die sich als einzelne spindlige oder sternförmige 
Zellen ablösen und mit den benachbarten Bindegewebszellen 
durch Anastomosen verbunden erscheinen. Die abgelösten Zellen 
(t) unterscheiden sich zuerst noch deutlich von den gewöhnlichen 
Bindegewebszellen (Bz) durch dunkleres, namentlich schärfer und 
zackiger konturiertes Protoplasma und durch den typischen 
schlaffen blassen Kern mit den grossen Nukleolen. Später 
scheinen diese Unterschiede sich aber ganz zu verwischen, die 
Zellen können nicht mehr von den anderen Bindegewebszellen 
unterschieden werden und gehen also wieder in den Bestand des 
Stützretikulums über. 

Es ist folglich möglich anzunehmen, dass sich die Osteo- 
klasten, wenigstens zum Teil, nach vollendeter Resorption der 
Knochensubstanz an einer bestimmten Stelle des Markraumes 
wieder in gewöhnliche Stützzellen des Markes verwandeln. Ob 
die letzteren an den betreffenden Stellen die Fähigkeit, nötigen- 
falls »wieder Osteoklasten durch Verschmelzung zu bilden, wie 
dies in den früheren Entwicklungsstadien geschieht, auch für die 
Zukunft beibehalten, ist sehr fraglich. 


IV. Die Entstehung der Wanderzellen, der Lymphozyten. 


Bis zu meiner im Jahre 1907 erschienenen vorläufigen Mit- 
teilung gab es in der Literatur, wie gesagt, überhaupt keine 
Angaben über das erste Erscheinen der Blutzellen im Knochen- 
markgewebe. Jetzt sind die von mir damals kurz mitgeteilten 
Befunde von Dantschakoff (8) für die Vögel bestätigt worden. 
In dem vorliegenden Abschnitt gebe ich jetzt eine ausführliche 
Beschreibung des genannten Prozesses bei den Säugetieren. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 23 


Die erste für das blutbildende Gewebe charakteristische 
Zellart, die im embryonalen Knochenmark erscheint, sind indiffe- 
rente, amöboide, polymorphe, Iymphozytoide, ungranulierte Wander- 
zellen, Lymphozyten, wie ich sie vorläufig nenne. Sie werden 
dann von einem bestimmten Moment an zum Ausgangspunkt der 
eigentlichen Hämatopoese und erzeugen sowohl rote, als auch die 
verschiedenen weissen Blutkörperchen. 

Wie ich es in einer früheren Arbeit dargetan habe (32), 
ist das ganze Körpermesenchym beim Säugetierembryo eine Brut- 
stätte von zahllosen, sehr polymorphen, aber stets gleichwertigen, 
indifferenten Wanderzellen, die durch Abrundung und Isolierung 
aus den gewöhnlichen fixen Mesenchymzellen entstehen. Man 
unterscheidet im Mesenchym Stellen, wo die Wanderzellen sehr 
zahlreich, andere, wo sie relativ spärlich gebildet werden. Je 
nach der speziellen Stelle ist das Schicksal der Wanderzellen 
im Mesenchym verschieden; während sie an den einen Stellen 
auch fürs Weitere als indifferente Lymphozyten oder als ruhende 
Wanderzellen verbleiben, geben sie an anderen durch Wucherung 
und differenzierende Entwicklung Erythrozyten und Granulozyten 
verschiedener Art Ursprung. 

(Genau dasselbe spielt sich nun auch im embryonalen Binde- 
gewebe ab, welches als Hammarsches „primäres Knochenmark“ 
in den Knorpel einwuchert und ihn resorbiert. Hier entstehen 
die Wanderzellen, die Lymphozyten in besonders grosser Menge, 
und die lokalen Existenzbedingungen sind hier derart, dass sich 
diese Wanderzellen mit der Zeit in sehr verschiedener Richtung 
differenzieren und alle möglichen Arten von Blutzellen erzeugen. 

Gleich in den allerersten, oben bezeichneten Stadien, wo 
die Resorption des Knorpels eben erst beginnt, sieht man im 
embryonalen gefässreichen Bindegewebe, im primären Mark, ausser 
Östeoblasten und Osteoklasten auch schon Wanderzellen entstehen, 
zuerst einzeln zerstreute, spärliche, mit der Zeit immer zahlreichere. 

Sowohl hart an der sich immer weiter vorschiebenden, zu- 
erst noch unregelmässig ausgebuchteten Resorptionslinie des 
Knorpels, als auch in der Mitte des Markraumes, zwischen den 
Knorpelzwickeln und den Gefässen, sieht man an vielen Stellen, 
wie sich einzelne von den miteinander durch Ausläufer verbundenen 
wuchernden Bindegewebszellen kontrahieren, abrunden und all- 
mählich von den übrigen isolieren. Dieser Prozess vollzieht sich 


24 Alexander Maximow: 


in derselben Weise wie an anderen Körperstellen im embryonalen 
Bindegewebe und ebenso wie dort entstehen auch hier gleich von 
Anfang an Wanderzellen von sehr verschiedenem histologischen 
Aussehen (Fig. 2, 3, 4, 6, 7, 9, 10, 11 und 12 Wz‘‘, Wz und Lmz). 

Es können sofort recht grosse Elemente entstehen, mit mehr 
oder weniger basophilem, amöboidem Protoplasma, welches ent- 
weder ganz homogen oder mit Vakuolen erfüllt ist, oder auch 
eine ausgesprochene retikuläre Struktur besitzt, während der grosse 
runde oder bohnenförmige Kern ein feines Lininnetz, grössere 
oder kleinere Mengen von feinen Chromatinkörnchen und ein 
oder mehrere sehr grosse rotviolette Kernkörperchen enthält 
(Fig. 6, 7,9 und 10 Lmz, Fig. 13 und 16). Diese Zellen müssen 
nach ihrem Aussehen unbedingt als grosse Lymphozyten be- 
zeichnet werden, wie die Zellen, die ich in den blutbildenden 
Gefässen der area vasculosa, in der Leber und auch im gewöhn- 
lichen Körpermesenchym beschrieben habe (32). Besonders bei 
der Ratte sind die ersten Wanderzellen im Mark zum grossen 
Teil typische grosse Lymphozyten (Fig. 29 Lmz). Es muss aber 
speziell notiert werden, dass diese Zellen vom Charakter der 
grossen Lymphozyten doch sehr oft gewisse Abweichungen von 
diesem Typus darbieten. So ist das Protoplasma einmal ein 
schmaler Saum um den Kern herum, das andere Mal ist es sehr 
umfangreich und bildet grosse lappige Pseudopodien (Fig. 18a, b). 
Der Grad der Basophilie des Protoplasmas wechselt auch sehr 
bedeutend. Der Kern ist sehr oft chromatinreicher, als es bei 
einem typischen Grossiymphozyt gewöhnlich der Fall ist und seine 
Membran bildet oft tiefe Falten. Es entstehen sogar mitunter 
Zellen vom Riederschen Typus (Fig. 12 Wz links), ohne dass 
wir jedoch die geringste Berechtigung hätten, sie für Altersformen 
der Grossiymphozyten auszugeben. 

Ein anderer, uns von den vorhergehenden Untersuchungen 
ebenfalls wohlbekannter Wanderzellentypus sind kleinere Zellen 
mit blassem, spärlichem oder reichlichem, stark amöboidem Proto- 
plasma und mit einem meist sehr unregelmässig geformten, ge- 
falteten, relativ kleinen Kern (Fig. 7, 9, 10, 15, 20, 29 Wz). Dieser 
Kern kann ganz verschieden aussehen, je nachdem er viele und 
grobe Chromatinteilchen enthält, durch welche dann auch der 
stets vorhandene Nukleolus ganz verdeckt wird, oder sehr spär- 
liche und kleine, in welchem Fall der Nukleolus entweder gut 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 25 


ausgebildet oder aber auch rückgebildet erscheint. Solche Zellen 
von sehr unbestimmtem Charakter sind, wie wir wissen, im 
Körpermesenchym eine sehr häufige Erscheinung. Sie mögen als 
„Wanderzellen von histogenem Typus“ bezeichnet werden. 

Beim Kaninchen gehört die Mehrzahl der im Knochenmark 
zuerst entstehenden Wanderzellen dem eben beschriebenen „histo- 
genen“ Typus an; ihr blasser, gleichsam geschrumpfter Kern ent- 
hält immer ein sehr scharf hervortretendes Kernkörperchen, und 
das schwach basophile, fein retikuläre, oft mit Vakuolen erfüllte 
Protoplasma ist stets mit zahlreichen, zackigen, an den Enden 
oft keulenförmig aufgetriebenen Pseudopodien besetzt, sodass es 
ein stacheliges Aussehen erhält. Auch bei der Katze (Fig. 15) 
findet man gelegentlich solche Wanderzellen, einige sind sogar 
sehr gross und stehen in ihrer inneren Struktur den oben 
beschriebenen Osteoklasten sehr nahe, mit dem Unterschied, dass 
sie einkernig sind. 

Zwischen den typischen, stark oder schwach basophilen 
grossen Lymphozyten und den Wanderzellen von „histogenem“ 
Typus gibt es alle möglichen Übergangsformen. Die meisten 
Wanderzellen, z. B. beim Meerschweinchen (Fig. 3, 4, 6, 7, 21 
und 34 Wz) oder bei der Katze (Fig. 9, 11, 12 und 41 Wz) 
gehören gerade zu diesen unbestimmten Übergangsformen. 
Statt alle diese Zellen noch weiter zu beschreiben, genügt 
ein Hinweis auf die Zeichnungen. Sie haben alle einen ziemlich 
unregelmässigen, gefalteten, hellen oder dunklen Kern mit viel 
oder wenig Chromatin und meistens mit deutlichen Nukleolen. 
Überall kann man auch die direkte Verwandlung gewöhnlicher 
fixer Mesenchymzellen in solche Wanderzellen von nicht näher 
zu definierendem Typus bemerken (Wz”). 

In allen den beschriebenen Wanderzellenformen kommen 
sehr häufig Mitosen vor. Diese Mitosen sehen je nach dem Typus 
der Wanderzelle verschieden aus; sie sind aber jedenfalls von 
den Mitosen der noch fixen Bindegewebszellen immer leicht zu 
unterscheiden, an dem überall scharf konturierten, oft mit Pseudo- 
podien ausgestatteten Zelleib. Die Mitosen der grossen Lympho- 
zyten fallen durch ihren Umfang und die starke Basophilie des 
Protoplasmas auf (Fig. 13 und 32b, Fig. 34 Lmz‘), die Mitosen 
der kleineren Wanderzellen sind entsprechend kleiner und haben 
blasses Plasma (Fig. 21 Wz’). 


26 Alexander Maximow: 


Alle die beschriebenen Tatsachen, ebenso wie die von mir 
früher mitgeteilten Befunde, zwingen uns zu der Annahme, dass 
die Wanderzellen, die im primären Knochenmark erscheinen, alles 
vollkommen indifferente und trotz ihrer starken histologischen 
Verschiedenheiten doch vollständig gleichwertige Zellen sind. 
Wenn zuerst eine kleine Wanderzelle von „histogenem“ Typus 
entsteht, so kann sie sich nachher durch einfache Hypertrophie 
über eine ganze Reihe von Zwischenformen in einen grossen 
Lymphozyten verwandeln; diesen Verwandlungsprozess sieht man 
stets vollkommen klar und deutlich, als Objekt kann man z.B. 
empfehlen, das Mark im Femur oder in den anderen langen 
Knochen bei einem 19—20 tägigen Kaninchenembryo von 35 bis 
46 mm Länge zu untersuchen. In etwas späteren Stadien tritt 
dieser Prozess noch deutlicher hervor, nur wird das Bild dann 
kompliziert durch die gleichzeitige Anwesenheit zahlreicher 
myeloider Elemente. Wenn ein grosser Lymphozyt von Anfang 
an als solcher entsteht, so kann er zweifellos bei seinen weiteren 
Teilungen eine Generation von kleineren Zellen geben, die dem 
beschriebenen „histogenen“ Typus mehr oder weniger nahe kommen. 

Gleich in den ersten Stadien, noch zahlreicher in den späteren, 
wenn bereits Erythroblasten und Myelozyten vorhanden sind, findet 
man im Mark in grosser Anzahl auch typische kleine Lymphozyten 
(Fig. 7, 14, 20, 21, 28, 34 und 41 klm). Sie entstehen wohl 
meistens durch mitotische Teilung anderer, grösserer Wander- 
zellenformen. Ihr Kern ist meistens in der gewöhnlichen Weise 
chromatinreich und dunkel; ein Nukleolus ist wohl immer vor- 
handen (wie es auch Weidenreich [57] annimmt), aber durch 
das Chromatin verdeckt. Hin und wieder trifft man aber auch 
blasskernige Formen von kleinen Lymphozyten (Fig. 21 klm). Auch 
die kleinen Lymphozyten erscheinen mit den grossen Lymphozyten 
und mit den übrigen Wanderzellenformen durch alle möglichen 
Übergänge verbunden (Fig. 20 klm oben). 

Noch zweier Wanderzellenformen soll hier Erwähnung getan 
werden. 

Die einen stellen Bindegewebszellen vor, deren Abrundung 
und Isolierung noch vor der vollkommenen Ablösung der Zelle 
aus dem Verband mit den anderen stehen geblieben sind. Sie 
bleiben in diesem partiell kontrahierten Zustande für lange Zeit 
(Fig. 41 Wz‘). Man sieht sie auch in den späteren Stadien, in 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 27 
den älteren Partien des Markraumes, zwischen den myeloiden 
Zellen liegen. Sie haben die Charaktere der im Bindegewebe des 
erwachsenen Organismus so häufigen, von mir beschriebenen 
„ruhenden Wanderzellen“. 

Die anderen zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Protoplasma 
mit zahlreichen sehr grossen und kleinen Vakuolen durch und 
durch erfüllt erscheint. Der Kern wird von den Vakuolen mit- 
unter zusammengedrückt. Auch diese vakuolären Wanderzellen 
können oft in ruhendem, nur zum Teil kontrahiertem Zustande 
zwischen den gewöhnlichen Bindegewebszellen im Marke liegen 
bleiben (Fig. Sa, 10 und 11 sWz). Andere werden vollkommen 
frei und bilden auch Pseudopodien und phagozytieren sogar (Fig. 8b 
und 34 sWz). Merkwürdigerweise sind die vakuolisierten Wander- 
zellen besonders im periostalen Knochenmark verbreitet, während 
sie im enchondralen sehr selten sind. Was diese vakuolisierten 
Zellen noch speziell beim Meerschweinchen auszeichnet, ist das 
Vorkommen von nach EAz metachromatisch rotviolett gefärbten 
Körnchen im Protoplasma (Fig. 5 a und b). Mit den richtigen, 
weiter unten beschriebenen Mastzellen haben sie jedoch, wie es 
scheint, nichts zu tun. 

Die beschriebenen vakuolären Wanderzellen dürfen mit den 
allerdings nur in viel späteren Stadien auftauchenden jungen 
Fettzellen nicht verwechselt werden. Der Inhalt ihrer Vakuolen 
gibt nämlich keine für das Fett charakteristische Farbenreaktion. 


V. Primäres oder Iymphoides Knochenmark. Ver- 
teilung. der‘ Wanderzellen. "Ihre Beziehungen zu 
den Gefässen. 


Es erhellt aus der vorhergehenden Schilderung, dass es bei 
jedem Säugetierembryo für einen jeden Knochen ein bestimmtes 
Stadium gibt, wo man im Mark ausser fixen Bindegewebszellen, 
Gefässen, Osteoblasten und Osteoklasten nur noch die beschriebenen 
Wanderzellenformen findet. Diese letzteren entstehen, wie gesagt, 
sofort beim ersten Anfang der Einwucherung des Perichondriums 
in den Knorpel und ein wanderzellenloses Stadium des Markes 
gibt es also eigentlich überhaupt nicht. 

Hammar (16) hat seinerzeit vorgeschlagen und Jackson 
ist ihm in dieser Beziehung gefolgt, das Knochenmark vor dem 
Anfang der Blutbildung, oder, wie Hammar sich ausdrückt, „vor 


28 Alexander Maximow: 


der Infiltration mit Leukozyten“, als primäres zu bezeichnen. 
Es soll nach ihm nur aus retikulär angeordnetem Bindegewebe 
und Gefässen bestehen. 

Die Bezeichnung „primäres“ Knochenmark für die ersten 
Entwicklungsstadien, wo dieses Gewebe noch keine richtige blut- 
bildende Funktion ausübt, ist gewiss sehr zweckmässig. Nur 
muss die Hammarsche Definition des Begriffes „primäres 
Knochenmark“ etwas geändert werden, da ja, wie wir gesehen 
haben, Wanderzellen, die als Lymphozyten auch zu den Leuko- 
zyten gehören, im Mark schon von Anfang an vorhanden sind. 
Als primäres Knochenmark muss also das Mark in dem frühesten, 
allerdings bald vorübergehenden Entwicklungsstadium bezeichnet 
werden, nicht weil es keine „Leukozyten“ enthält, sondern weil 
es noch keine typischen, der myeloiden Serie angehörenden Zell- 
elemente aufweist, also weder Erythroblasten noch Myelozyten 
irgendwelcher Art. sondern nur und ausschliesslich Lymphozyten, 
Wanderzellen, und also noch nicht blutbildend tätig sein kann. 
Anders könnte es deswegen zweckmässigerweise auch als „lIym- 
phoides Mark“ bezeichnet werden. 

Obwohl die beschriebenen. frühesten Entwicklungsstadien 
des Knochenmarks bis jetzt noch von niemandem von zytologisch- 
hämatologischem Standpunkte untersucht worden waren, hatte 
Pappenheim (37, 38) seinerzeit doch schon die ganz richtige 
Vermutung geäussert, dass das Knochenmark in den ersten 
Stadien seiner Entwicklung eine Iymphoide Zusammensetzung 
haben müsse. Später haben auch Hirschfeld (20), Horwitz 
(21) u. a., allerdings nur an Deckglaspräparaten, gezeigt, dass 
bei jungen Embryonen im Mark vorwiegend Iymphoide Zellen 
vorhanden sind. 

Ob die beschriebenen verschiedenen Wanderzellenformen als 
richtige Lymphozyten gedeutet und benannt werden dürfen, 
darüber werde ich weiter unten sprechen. 

Lymphoides oder primäres Knochenmark finden wir in den 
langen Extremitätenknochen bei Meerschweinchenembryonen von 
29—31 mm, Kaninchenembryonen von 43—46 mm (20 Tage), 
Rattenembryonen von 19—20 mm, Katzenembryonen von 
40—50 mm. 

Zu dieser Zeit ist in der Mitte der Diaphyse ein Abschnitt 
von bestimmter Länge und schon mehr oder weniger regelmässiger 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 29 


zylindrischer, in der Mitte verjüngter Form mit ziemlich ebenen, 
quer gestellten Ossifikationslinien an den beiden Enden von der 
Markhöhle eingenommen. Die Grösse der letzteren, ihre Form 
wechseln natürlich je nach der Tierart. Beim Kaninchenembryo 
von der eben angegebenen Grösse erreicht z. B. die Länge der 
Markhöhle im Femur bereits 2!/; mm; die nach den Epiphysen 
zu gerichteten Enden der Markhöhle sind noch immer unregel- 
mässig ausgenagt, sodass das Knorpelgewebe grosse Vorsprünge 
mit zackigen Rändern in die Markhöhle hineinsendet. Auch in 
der Mitte der Markhöhle liegen hier noch ganz grosse Inseln 
von Knorpelsubstanz umher. Sie werden allmählich zum Teil 
resorbiert, zum Teil von jungem Knochen umsäumt. Von aussen 
ist die Markhöhle von der in der Mitte der Diaphyse schon 
ziemlich dicken periostalen Knochenmanschette umscheidet, die 
sich mit ihren sich allmählich verdünnenden Rändern weit über 
die Grenze der Markhöhle hinaus nach den Epiphysen zu erstreckt. 

Mit Jackson (22) u. a. kann man dabei zweierlei Mark 
unterscheiden: erstens das (sewebe, welches den im Bereich des 
gewesenen Knorpels entstandenen Markraum ausfüllt und in 
welchem die enchondrale Ossifikation vor sich geht — das wäre 
das zentrale oder enchondrale Mark. Zweitens das (Gewebe, 
welches man in den Räumen zwischen den Knochenbälkchen der 
periostalen Spongiosa antrifft — das wäre das peripherische oder 
periostale Mark. 

Beide haben jetzt noch den histologischen Charakter von 
Iymphoidem Mark. 

An der enchondralen Ossifikationslinie sieht man überall 
Resorption des Knorpels und Vordringen des embryonalen Binde- 
gewebes. Je spätere Stadien wir untersuchen, desto seltener 
werden die obenen beschriebenen zweifelhaften Bilder, die an die 
Möglichkeit eines Überlebens der Knorpelzellen glauben lassen 
können, und schliesslich, bei einer Ausdehnung des Markraumes 
von 2 mm und darüber, verschwinden sie ganz. Alle in den 
erweiterten Knorpelkapseln liegenden Knorpelzellen erscheinen 
fast ganz verflüssigt, vom Protoplasma bleiben nur spärliche 
Krümelchen übrig, der Kern stellt eine ganz blasse, helle, grosse 
Blase mit einem unscheinbaren Nukleolenrest vor. Vor dem 
Eröffnen der Kapsel können auch diese Zellen wieder schrumpfen 
und umgeben sich dann mit einer fädigen oder netzigen, ge- 


30 Alexander Maximow: 


rinnenden, rotvioletten Masse. Eine besonders intensive resor- 
bierende Wirkung scheinen jetzt gerade die Gefässwände auszu- 
üben. Das saftige, wuchernde Endothel der erweiterten, oft 
kolbenförmig aufgetriebenen Kapillaren schmiegt sich von innen 
fest an die Wände der eröffneten Kapseln an (Fig. 3); nur die 
in den Kapseln noch vorhandenen Reste der Knorpelzellen und 
der geronnenen gallertigen Masse trennen an vielen Stellen das 
Endothel von der Knorpelgrundsubstanz, bald verschwinden sie 
aber. An anderen Stellen sieht man zwischen Endothel und 
Knorpelsubstanz protoplasmareiche, spindel- oder sichelförmige 
Bindegewebszellen liegen (Fig. 3), die sich ihrer inneren Struktur 
nach durch nichts von den Endothelzellen unterscheiden und 
zum kleineren Teil auch wirklich sehr wohl als aus dem Ver- 
bande der (Grefässwand losgelöste Endothelzellen angesehen werden 
können. In vielen Fällen gehen den Gefässschlingen aber auch 
einzelne oder gruppenförmig angeordnete, intensiv wuchernde 
Bindegewebszellen voraus — sie dringen zuerst indie Knorpel- 
kapseln ein, zwängen sich zwischen die Reste der Knorpelzellen 
und die Grundsubstanz hinein (Fig. 2Bz), können sich zum Teil 
sofort in Osteoblasten (Obl) verwandeln und werden erst nach- 
träglich von den Gefässsprossen eingeholt. 


Solche Knorpelkapseln, die sofort von Osteoblasten ein- 
genommen werden, sehen sehr typisch aus — an der Peripherie 
erblickt man die rotviolette verkalkte Knorpelsubstanz (Fig. 2K), 
nach innen ist die Kapselwand von einem dünnen regelmässigen 
Saum von blass rosa gefärbter Knochensubstanz (Kn) bekleidet, 
in der Höhle selbst liegen rosettenförmig angeordnet die saftigen, 
dunkelblauen, epitheloiden Osteoblasten (Obl). 


Überall, an allen Punkten der Ossifikationslinie, sieht man 
ferner die Entstehung von neuen Wanderzellen. Sie sind hier 
allerdings noch ziemlich spärlich. Es treten alle die oben er- 
wähnten Formen auf; sie entstehen durch Kontrahierung und 
Isolierung der den Knorpel resorbierenden Bindegewebszellen, mit 
besonderer Vorliebe aus den Zellen, die in der nächsten Umgebung 
der Gefässe liegen. Sehr oft sieht man einzelne Wanderzellen 
in den eben eröffneten Knorpelkapseln gerade zwischen Gefäss- 
endothel und Knorpelsubstanz eingeklemmt liegen. Hier sind es 
meistens grössere, an basophilem Protoplasma reiche Formen. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 3l 


In derselben Zone, hart am Knorpel, findet man auch immer 
entstehende Osteoklasten. 


In den älteren, von der Resorptionslinie weiter nach innen 
gelegenen Abschnitten der Markhöhle sieht man im primären 
Mark grosse, zum Teil miteinander noch verbundene Balken, 
Spangen und Zwickel verkalkter, rotviolett gefärbter Knorpel- 
grundsubstanz liegen. Das (Gewebe zwischen ihnen hat sich 
weiter differenziert. Man sieht hier ausser zahlreichen weiten 
Kapillargefässen und den die Knorpelreste epithelartig um- 
säumenden Osteoblasten netzartig miteinander verbundene gewöhn- 
liche wuchernde Bindegewebszellen und überall zwischen ihnen 
Wanderzellen der verschiedensten Art. Sie entstehen, wie früher, 
aus gewöhnlichen Bindegewebszellen, ausserdem wuchern sie auch 
selbständig, wie die zahlreichen Mitosen in ihnen beweisen. Mit 
besonderer Vorliebe lagern sich die Wanderzellen auch hier in der 
Nähe der Gefässe; ihre direkte Entstehung aus dem Endothel dieser 
letzteren ist aber kaum jemals zu beobachten. Ausserdem ist 
in dieser Zone immer eine besonders grosse Menge von schönen 
Östeoklasten zu sehen; sie erreichen hier ihre vollkommenste 
Ausbildung, obwohl sie ihre Tätigkeit meist noch in sehr be- 
scheidenem Grade den Knorpelresten gegenüber ausüben. Als 
richtige Osteoklasten funktionieren sie in den älteren Bezirken, 
wo die Knorpelreste schon von Knochensubstanz umsäumt sind. 


In dem mittleren, ältesten, verjüngten Teil des Markraumes 
findet man die Knorpelreste, oft auch grössere Knorpelinseln mit 
degenerierenden Zellen, zum Teil schon von jungem Knochen 
umsäumt und von Östeoblasten und Osteoklasten umringt. Die 
Zahl der Wanderzellen erreicht hier ihren Höhepunkt. Sie liegen 
einzeln oder haufenweise umher, zwischen ihnen sieht man die 
unveränderten, fixen Bindegewebszellen als Stromazellen; auch 
jetzt kann man aber noch oft die Verwandlung einzelner dieser 
Zellen in neue Wanderzellen konstatieren. 


Die Kapillargefässe bekommen hier allmählich ein immer 
weiteres Lumen; ihr Endothel wird hingegen dünn und schmächtig. 
Die Zwischensubstanz zwischen den netzartig verbundenen Binde- 
gewebszellen und den dünnwandigen Gefässen wird reichlicher, 
erhält ein ödematöses Aussehen und bildet an fixierten Präparaten 
oft netzige Gerinnsel, die sich mit EAz violett färben. In dieser 


2 Alexander Maximow: 


weichen gallertigen Zwischensubstanz kriechen die Wanderzellen 
überall umher. 

In diesem mittleren, älteren Abschnitt der Markhöhle beginnt 
auch bald nachher die Blutbildung. 

Was das periostale Knochenmark anbelangt, so ist seine 
Masse viel geringer, als die Masse des zentralen oder enchondralen 
Markes, denn es füllt ja nur die schmalen Räume zwischen den 
Knochenbälkchen der periostalen Spongiosa aus. Die Knochen- 
bälkchen sind mit Östeoblasten besetzt, hie und da sieht man 
auch spärliche Osteoklasten. Das relativ gefässarme periostale 
Mark selbst besteht hauptsächlich aus denselben gewöhnlichen, 
retikulär verbundenen Bindegewebszellen. Wanderzellen sind hier 
auch vorhanden, aber in viel spärlicherer Anzahl, als im zentralen 
Mark. Ich habe bereits oben bemerkt, dass die schaumigen 
Wanderzellen gerade hier besonders verbreitet sind. 

Wir sehen also, dass das embryonale Bindegewebe, welches 
den Knorpel resorbiert und die neugeschaftene Markhöhle ausfüllt, 
das primäre Knochenmark, ausser den Osteoblasten, Osteoklasten 
und Gefässen nur aus zweierlei Zellarten besteht: den gewöhn- 
lichen fixen Bindegewebszellen und den Iymphoiden Wanderzellen, 
den Lymphozyten. In den frühen Entwicklungsstadien kann man 
immer mit der grössten Klarheit die weiter fortdauernde Ver- 
wandlung der fixen Zellen in Wanderzellen beobachten. Dieses 
primäre Knochenmark kann man nach seinem histologischen 
Charakter mit vollem Recht als Iymphoides Mark bezeichnen. 

Auch in den späteren Stadien, wenn in der Mitte der Dia- 
physe in den ältesten Teilen des Markraumes Blutbildung beginnt, 
verschwindet das Iymphoide Mark nicht. Es bleibt jetzt bloss 
auf eine mehr oder weniger breite Zone an der enchondralen 
Össifikationslinie beschränkt. Das den Knorpel weiter resorbierende 
Bindegewebe bewahrt seinen embryonalen Charakter und seine 
oben beschriebene Zusammensetzung bis zum Schluss des ganzen 
Prozesses und es entstehen in ihm fortwährend neue Wander- 
zellen, die dann allmählich von dem nachrückenden myeloiden 
Markgewebe aufgenommen werden und in ihm als Lymphozyten 
weiter existieren. 

Da die enchondrale Ossifikationslinie mit der Zeit immer 
langsamer und langsamer vorwärts schreitet, so wird auch die 
vom primären oder Iymphoiden Mark eingenommene Grenzzone 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 33 


immer schmäler. Ganz verschwindet sie aber wahrscheinlich 
doch nur dann, wenn der enchondrale Ossifikationsprozess gänz- 
lich aufhört und das Längenwachstum des Knochens sein Ziel 
erreicht hat. 

Wie wir weiter unten sehen werden, stellen die beschriebenen 
Iymphozytoiden Wanderzellen, die Lymphozyten, den Ausgangs- 
punkt der ganzen Blutbildung im Knochenmark vor. Wenn diese 
Blutbildung beginnt, verwandelt sich das primäre, Iymphoide Mark 
eo ipso in myeloides, reifes. Die zwischen den Wanderzellen 
befindlichen, in fixem Zustand verbleibenden und zur Wander- 
zellenbildung nicht verbrauchten Bindegewebszellen geben das 
stützende Gerüst oder das- Stroma des Markes ab. 

Nun fragt es sich — kann die Bildung neuer Wanderzellen 
aus diesen fixen Bindegewebszellen in derselben Weise auch in 
den späteren Stadien, auch im fertigen, myeloiden Mark fort- 
dauern, wie wir sie in den frühen Stadien gefunden haben ? 
Bewahren die fixen Bindegewebszellen ihren embryonalen indiffe- 
renten Charakter auch für die Zukunft, oder nicht? Auf Grund 
meiner Befunde muss ich diese Frage verneinen. Die Fähigkeit, 
indifterente, amöboide Wanderzellen durch Kontraktion und Iso- 
lierung zu produzieren, wohnt den Bindegewebszellen nur in den 
ersten Entwicklungsstadien des Markes inne; nach Beginn der 
eigentlichen Blutbildung, nach Erscheinen der Erythroblasten und 
Myvelozyten treten die fixen Bindegewebszellen allmählich immer 
mehr und mehr zurück, sie werden zwischen den üppig wuchernden 
Blutzellen zusammengedrückt (Fig. 285 und 29 Bz), verlieren mit 
der Zeit die Fähigkeit, sich in Iymphozytoide Wanderzellen weiter 
zu verwandeln und werden zum Teil zu gewöhnlichen Fibroblasten, 
zum Teil zu Fettzellen, zum Teil vielleicht zu „ruhenden Wander- 
zellen“. 

In den älteren, weiter unten beschriebenen Stadien, wo die 
ganze Mitte der Diaphyse auf einer weiten Strecke von mehr 
oder weniger fertigem, myeloidem Mark eingenommen ist, sielt 
man Neubildung von Wanderzellen immer nur in der jetzt schon 
sehr schmalen Zone des Iymphoiden Markes, die an der Ossifi- 
kationslinie bestehen bleibt. Im fertigen Mark erblickt man 
zwischen den verschiedenen Lymphozyten, Erythroblasten und 
Mvelozyten nur spärliche fibroblastenähnliche Stromazellen und 
Fettzellen. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 


& 


34 Alexander Maximow: 


Der Prozess der Blutbildung ist vielfach mit den (refäss- 
endothelien in innige Beziehungen gebracht worden. Auch neuer- 
dings halten viele Autoren, die auf dem polyphyletischen Stand- 
punkte stehen, die Gefässwandzellen für die Quelle der verschiedenen 
Blutzellen. Nach Schridde (47), Nägeli (35, 36), H. Fischer 
(15) u. a. sollen Myeloblasten, Erythroblasten und Megakaryo- 
zyten direkt aus ihnen hervorgehen und zwar als vollkommen 
verschiedene, streng abgeschlossene Zellstämme. 

Durch meine früheren Untersuchungen (32), die die frühesten 
Entwicklungsstadien des Säugetierembryo betrafen, glaube ich der 
monophvletischen Theorie der Hämatopoese einige weitere Stützen 
gegeben zu haben. In allen blutbildenden Organen, auch im 
Gefässnetz der Dottersackwand, fand sich eine indifferente, amöboide 
Mesenchymzelle, der Lymphozyt im weitesten Sinne des Wortes, 
die als Stammzelle für alle anderen Blutelemente funktionierte. 
Sie selbst liess sich nun stets von gewöhnlichen, indifferenten 
Mesenchymzellen ableiten, von den Blutinselzellen, oder von den 
Zellen des Körpermesenchyms. Was die Endothelzellen der Ge- 
fässe betrifft, so haben sie sich auch in vielen Fällen der Ver- 
wandlung in Wanderzellen fähig gezeigt. Lymphozyten können 
aus dem Endothel der Gefässe in der area vasculosa, aus dem 
Endothel der Aorta, auch der kleinen Kapillaren entstehen. 
Dantschakoff (6, 7) hat dasselbe für das Hühnchen bewiesen. 

Dass die embryonalen Endothelzellen genau in derselben 
Weise, wie gewöhnliche Mesenchymzellen, sich abrunden und in 
Lymphozyten verwandeln können, ist ja auch nicht weiter ver- 
wunderlich, da sie ja ebenfalls in der ersten Zeit noch indifferente 
Bindegewebszellen sind, die nur infolge ihrer besonderen Lage 
als Wandzellen der Gefässe einen besonderen Namen erhalten haben. 

Wie wir weiter unten sehen werden, entstehen im Knochen- 
mark alle myeloiden Elemente durch differenzierende Entwicklung 
aus den beschriebenen polymorphen Lymphozyten. Eine Ent- 
stehung von Myeloblasten, Erythroblasten und Megakaryozyten 
direkt aus Endothelzellen wird nirgends und niemals beobachtet. 
Ich habe daher eine besondere Aufmerksamkeit der Frage ge- 
schenkt, ob nicht vielleicht wenigstens die Lymphozyten, die 
Stammzellen der Blutelemente, im primären Knochenmark aus 
dem Gefässendothel sich ableiten liessen — ich habe aber, wie 
schon aus der oben angeführten Beschreibung erhellt, für diese 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 39 


Vermutung gar keine Beweise finden können. Die Wanderzellen 
entstehen einfach aus den gewöhnlichen embryonalen Bindegewebs- 
zellen, zwischen den Gefässen, allerdings mit besonderer Vorliebe 
gerade in der nächsten Umgebung der letzteren. Diese perithelial 
gelagerten Zellen unterscheiden sich aber durch nichts von allen 
übrigen. Entstehung von Wanderzellen aus den Endothelzellen 
selbst hat sich sogar nicht in dem Umfang wiederfinden lassen, 
wie es für die frühen Entwicklungsstadien von mir z. B. in der 
Aorta beschrieben worden ist. Hin und wieder trifft man wohl 
Bilder, besonders an der Ossifikationsgrenze, wo einzelne Endo- 
thelzellen besonders stark geschwollen erscheinen und nach aussen 
oder nach innen ins Lumen hineinragen. Solche Stellen sind 
aber ganz ausserordentlich selten. Von der Endothelabstammung 
der Lymphozyten und folglich auch aller anderen Blutelemente 
im Knochenmark kann also nicht die Rede sein. 

Wenn ich gesagt habe, dass im primären, Iymphoiden Mark 
keine Blutbildung stattfindet, so stimmt das für das Gewebe selbst 
in ganz genauem Sinn. Was jedoch den Inhalt der Gefässe an- 
belangt, so müssen hier einige besondere Erscheinungen notiert 
werden. 

Schon bei dem ersten Einwuchern des Bindegewebes in den 
Knorpel sieht man in den sich hier sofort stark erweiternden 
Kapillargefässen ziemlich oft stauende grössere und kleinere Iympho- 
zytenähnliche Zellen und etwas später hin und wieder auch Gruppen 
von Megaloblasten und Normoblasten. 

Ein Teil dieser intravaskulär gelegenen Zellen wird hierher 
einfach mit dem Blute eingeschwemmt; sie finden hier günstige 
Existenzbedingungen und entwickeln sich weiter. Im zirku- 
lierenden Blute sind jedoch zu dieser Zeit wucherungsfähige 
Erythroblasten und besonders Lymphozyten nicht häufig. 

Ein anderer Teil der intravaskulären Lymphozyten stammt 
sicherlich aus dem lokalen Gewebe. Als Beweis dienen hier die 
sehr zahlreichen, ausserordentlich deutlichen Permigrationsbilder 
(Fig. 7p und 19 p). Sie werden in allen Entwicklungsstadien 
des Knochenmarks beobachtet und betreffen die verschiedensten 
Formen der Lymphozyten. Bald sind es grosse, stark basophile 
oder blasse Lymphozyten, bald kleine dunkelkernige Zellen vom 
Charakter der typischen kleinen Lymphozyten oder endlich kleine 
Zellen von „histogenem“ "Typus mit gefaltetem Kern. Der Kern 


Se 
o= 


36 Alexander Maximow: 


der durchwandernden Zelle ist immer stark eingeschnürt, das 
Protoplasma befindet sich noch draussen oder schon im Inneren 
des Gefässes. Dass es sich dabei wirklich um Einwanderung in 
die Gefässe handelt, nicht um Auswanderung, das wird ja schon 
dadurch bewiesen, dass zu dieser Zeit, wie gesagt, im Blute die 
Lymphozyten sehr selten, im Iymphoiden Mark hingegen in grossen 
Mengen vorhanden sind. 

Die in das Gefässlumen gelangenden Lymphozyten können 
sicherlich durch difterenzierende Wucherung sofort Megaloblasten 
und Normoblasten erzeugen, so wie es weiter unten für die 
extravaskuläre Blutbildung beschrieben ist. 


4. Die Entstehung der Erythroblasten. 


Mit der fortschreitenden Vergrösserung der Markhöhle tritt 
schliesslich der Moment ein, wo in den älteren, mittleren Ab- 
schnitten des Iymphoiden Markes richtige Blutbildung anfängt 
und myveloide Zellformen erscheinen. Bei den meisten unter- 
suchten Säugetieren sind es zugleich die Jugendformen der roten 
Blutkörperchen, die Ervthroblasten und die Jugendformen der 
gekörnten Spezialzellen, die Myelozyten. Nur bei der Ratte und 
der Maus verspätet sich merkwürdigerweise das Erscheinen der 
Erythroblasten, indem zuerst nur Spezialmyelozyten und eosinophile 
Myelozyten und erst nachträglich die ersten Erythroblasten auf- 
bresen. 

Die Stadien, in welchen man bei den einzelnen Tierarten 
im Mark der langen Extremitätenknochen die ersten Erythro- 
blasten auftreten sieht, sind folgende: Meerschweinchenembryonen 
von 34—36 mm, Kaninchenembryonen von 50 mm (21 Tage), 
Katzenembryonen vom 55 mm. Bei der Ratte sind es Embryonen 
von relativ weit vorgeschrittenen Stadien, von 35—39 mm; hier 
sind zu dieser Zeit, wie gesagt, die Spezialgranulozyten schon 
sehr reichlich. 

Das Erscheinen der ersten, als Jugendformen der roten 
Blutkörperchen kenntlichen Zellen ist an die Existenz der oben 
beschriebenen, in der weichen Interzellularsubstanz zwischen 
(refässen und fixen Bindegewebszellen einzeln oder in kleinen 
Haufen verteilten Wanderzellen, der Lymphozyten gebunden und 
wird zuerst in den mittleren, ältesten Partien des Markraumes 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 37 


beobachtet. Bei allen untersuchten Tieren, auch bei Ratte und 
Maus, sind die histologischen Bilder der Erythroblastenentwicklung 
ausserordentlich ähnlich, die verschiedenen Zellgenerationen gleichen 
einander vollkommen. 

Die Wanderzellen, die sich in Erythroblasten verwandeln 
werden, nehmen zuerst immer das Aussehen von typischen Gross- 
Iymphozyten an; solche Grossiymphozyten können ja, wie wir 
gesehen haben, auch von Anfang an aus den fixen embryonalen 
Bindegewebszellen entstanden sein; sie können sich aber auch 
überall und zu jeder Zeit aus den anderen, kleineren Lymphozyten- 
formen, auch aus den Elementen von „histogenem“ Wanderzellen- 
typus, auch aus den kleinen Lymphozyten durch einfache Hyper- 
trophie entwickeln. 

Bereits diese grossen Lymphozyten sind bei allen Tierarten 
histologisch bis auf die Details ganz gleich beschaffen. Derselbe 
amöboide, deutlich basophile Zelleib mit kleinen hellen Vakuolen, 
derselbe grosse helle Kern mit relativ spärlichem Chromatingehalt 
und den grossen Nukleolen (Fig. 34, 35, 38, 40 Lmz). Die Zahl 
der Nukleolen kann stark wechseln. Bei der Ratte (Fig. 16, 
29 Lmz und 32a) sieht man gewöhnlich, wenn auch nicht immer, 
einen grossen, eckigen oder runden Nukleolus in der Mitte des 
Kernes, sonst sind es gewöhnlich mehrere, grössere und kleinere. 

In diesen grossen Lymphozyten fängt dann eine besonders 
intensive Wucherung an. Die Zellen liegen gruppenweise in der 
weichen gallertigen Zwischensubstanz, meist in der Nähe der 
(refässe angesammelt und man findet in ihnen zahlreiche 
Karyokinesen (Fig. 32b, 34 und 3SLmz‘). Die auf solche Weise 
entstehenden losen Häufchen von grossen, basophilen Lymphozyten 
fallen beim Beginn der Blutbildung, wo sie noch spärlich sind 
und das Gewebe noch relativ zellarm ist, schon bei schwacher 
Vergrösserung in die Augen. 

Mit den weiteren Teilungen ändert sich der histologische 
Charakter der Zellen. Sie werden etwas kleiner, bekommen eine 
ganz gleichmässige Grösse und verlieren die für die Lymphozyten 
so typischen amöboiden Pseudopodien. Die Konturen des Zelleibes 
werden glatt, und da die Zellen jetzt immer dichtere Haufen 
bilden, so kann ihre äussere Gestalt infolge von gegenseitigem 
Druck polyedrisch werden. Das Protoplasma behält noch immer 
die frühere Basophilie; wie feucht fixierte Deckglaspräparate 


[0 #) 


3 Alexander Maximow: 

zeigen (siehe unten Fig. 47b, d), wird die Basophilie vorüber- 
gehend sogar noch bedeutend stärker. An Schnittpräparaten geht 
aber diese Eigenschaft verloren und das Protoplasma färbt sich 
ebenso blau. wie das Protoplasma der Lymphozyten. Was aber 
immer deutlicher hervortritt, ist die Verminderung der Zahl der 
Vakuolen und die allmähliche Homogenisierung des Protoplasmas. 
Der Kern verändert sich auch — er wird regelmässig rund, die 
Nukleolen werden kleiner und das Chromatin zerteilt sich in 
immer gleichmässigere Teilchen. 

Man bekommt schliesslich auf diese Weise grössere oder 
kleinere Haufen von gleichartigen, nur verschieden grossen, sich 
allmählich verkleinernden Zellen (Fig. 34, 35, 37, 39, 40 Mlb), 
die schon das typische Aussehen von Megaloblasten besitzen. 
Sie sind kleiner, als die grossen Lymphozyten (Lmz), ihr runder 
oder eckiger Zelleib besteht aus homogenem, basophilem Proto- 
plasma. der regelmässig runde Kern enthält ein zierliches Gerüst- 
werk mit gleichmässig verteilten, eckigen Chromatinteilchen — eine 
für Erythroblastenkerne überaus typische Struktur, auf die zuerst 
Pappenheim (37, 35) hingewiesen hat. Die Nukleolen sind 
sehr klein und undeutlich geworden, sie gehen gewissermassen 
im Chromatingerüst auf: bei starker Vergrösserung und guter 
Färbung sind sie aber noch zu erkennen. Ob Hämoglobin im 
Protoplasma schon vorhanden ist, kann man nicht mit Bestimmt- 
heit sagen: an Schnittpräparaten sind seine ersten Spuren über- 
haupt nicht färberisch darzustellen und an feucht fixierten 
Deckglaspräparaten stört die zugleich noch immer bestehende, 
sehr starke Basophilie des Protoplasmas. Diese Megaloblasten 
wuchern weiter und die Mitosen werden meistens gruppenweise 
angetroffen (Fig.35 und 40 Mlb‘). Diese Mitosen zeichnen sich 
durch das ganz homogene und im Vergleich mit dem Ruhe- 
zustand hellere Protoplasma und durch die plumpe Chromosomen- 
figur aus. 

Die weiteren Generationen nehmen rasch den Charakter 
von Normoblasten an, von Zellen mit trachychromatischem Kern 
und deutlicher Hämoglobinansammlung im Plasma (Fig. 35, 37, 
40 Nmb). Die einzelnen Schritte dieser Zelldifferenzierung scheinen 
stets an den Verlauf der Mitosen gebunden zu sein. Aus jeder 
Teilung gehen Zellen hervor, die dem Endtypus plötzlich schon 
viel näher stehen, als die Mutterzelle, 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 39 


Die Normoblastenhaufen sehen überaus typisch und bei 
allen Tieren ganz ähnlich aus (Meerschweinchen von 45 mm, 
Katze 72mm). Man findet immer zahlreiche, dichtgedrängte, kleine 
Zellen von runder oder gegenseitig abgeplatteter polvedrischer Form; 
sie haben homogenes, immer stärker und stärker azidophiles, rötlich 
gefärbtes Protoplasma und kleine, sehr dunkle Kerne mit typischem 
dichtem Chromatingerüst, ohne Nukleolen (Fig. 35. 37, 40 Nmb). 

Auch diese Normoblasten teilen sich noch weiter (Fig.35 Nmb‘), 
bis schon die bekannten, ganz reifen, nicht mehr teilungsfähigen, 
an Hämoglobin sehr reichen und mit dunklen, pyknotischen Kernen 
ausgestatteten Normoblasten entstehen (Fig. 36 und 37 Nmb“). 
Ihr Protoplasma ist an E Az-Präparaten keineswegs rot, wie es 
z. B. die pseudoeosinophilen Granula sind, sondern es hat einen 
eigentümlichen kupferroten Ton. Auf den Zeichnungen (Fig. 36.37) 
ist aber diese ganz besondere und typische Färbungsnüance nicht 
dargestellt worden, um die Reproduktionsschwierigkeiten der 
Tafeln nicht noch mehr zu erhöhen und das Protoplasma der 
Normoblasten ist ebenso wie die Substanz der reifen Ervthrozyten 
rein rot dargestellt. 

Der pyknotische Kern der reifen Normoblasten erreicht in 
den embryonalen Stadien, die uns hier interessieren, niemals die 
volle Homogenität, die ihn im Knochenmark des erwachsenen Tieres 
auszeichnet. Man kann in ihm stets ein noch ziemlich deutliches 
Gerüst unterscheiden. Immer kann man hingegen die typische 
Gestaltsveränderung bemerken, die sich in hantelförmiger Ein- 
schnürung, Kleeblattform usw. äussert (Fig. 36 und 37 Nmb‘) und 
von vielen Autoren, z.B. Weidenreich (52), Pappenheim, 
mir selbst (32) und anderen in reifen Normoblasten verschiedenster 
Provenienz beobachtet wurde. 

Es erhellt aus der angeführten Beschreibung der Entwicklung 
der Jugendstadien der roten Blutzellen bis zu den reifen Normo- 
blasten, dass dieser Prozess im embryonalen Knochenmark durchaus 
in derselben Weise angebahnt wird und weiter verläuft, wie in 
den übrigen blutbildenden Organen des Embryo, sowohl im 
ersten, in dem Gefässnetz der Dottersackwand. als auch im 
Körpermesenchym und in der Leber. Auch dort bilden den 
Ausgangspunkt der Entwicklung grosse, basophile Lymphozyten, 
die durch differenzierende heteroplastische Wucherung Generationen 
von hämoglobinhaltigen Zellen erzeugen. 


40 Alexander Maximow: 


Unter diesen Generationen haben wir auch hier jüngere 
Generationen von älteren, reiferen, zu unterscheiden. Die jüngeren 
präsentieren sich ais Megaloblasten, die älteren als Normoblasten. 
Die Megaloblasten sind folglich in Übereinstimmung mit meinen 
früheren Beobachtungen (31, 32) und mit den Angaben von 
Weidenreich (52), Pappenheim (39,41 u.a.) und Jolly (35), 
im Gegensatz zu den sog. „primitiven Erythroblasten“, nicht als 
eine besondere, phylogenetisch scharf abeegrenzte Zellart zu 
betrachten, sondern nur als eine unumgänglich nötige Übergangs- 
stufe auf dem Entwicklungsweg vom Lymphozyt zum reifen 
Normoblast. Ob die Megaloblasten auch als solche reifen und 
altern und besondere Megalozyten produzieren können, wie es 
Pappenheim und viele andere für pathologische Fälle annehmen, 
ist eine Frage für sich. Unter normalen, beim Embryo ver- 
wirklichten Verhältnissen geschieht dies jedenfalls nicht und alle 
Megaloblasten ohne Ausnahme entwickeln sich stets weiter durch 
difterenzierende Wucherung zu Normoblasten. Andererseits habe 
ich eine direkte Entstehung von Normoblasten aus Zellen vom 
Typus der kleinen Lymphozyten ebenfalls nicht beobachten können. 


Es wäre noch die Frage zu erörtern, welche Bezeichnung 
für die hämoglobinlose basophile Vorstufe der Erythroblasten die 
passendste wäre und ob es statthaft ist, sie als Wanderzellen 
oder als Lymphozyten zu bezeichnen. Darüber werde ich im 
Schlussabschnitt sprechen. 


Es bleiben jetzt noch zwei Fragen zu beantworten. Erstens — 
wie entstehen aus den reifen Normoblasten die kernlosen 
Erythrozyten und zweitens — wie gelangen diese Erythrozyten 
in das zirkulierende Blut? 


Was die Entkernung der Normoblasten betrifft, so brauche 
ich an dieser Stelle die verschiedenen strittigen Literaturangaben 
nicht wieder anzuführen. Es ist bekannt, dass sich heutzutage, 
wie schon vor mehreren Jahren, zwei Lehren heftig befehden, 
die von der Kernausstossung und die von der intrazellulären 
Kernauflösung. Wie früher, so muss ich mich auch jetzt auf 
Grund meiner Präparate entschieden zur ersten bekennen. Ich 
würde es wirklich für unnötig halten, noch weitere Beweise dafür 
beizubringen, wenn man nicht immer wieder von verschiedenen 
Seiten die Behauptung zu hören bekäme (Schridde [47], Nägeli 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 41 


[35, 36] u.a.), dass Kernausstossung unter normalen Verhältnissen 
nicht vorkomme. 

In den aus reifen Normoblasten bestehenden Herden sehen 
wir sehr bald das Erscheinen von frei im Gewebe liegenden 
jungen kernlosen Erythrozyten (Fig. 36 und 37 Erz‘). Aber 
Übergänge von den einen zu den anderen, wie solche doch 
bei Annahme eines intrazellulären Kernschwundes existieren 
müssten, gibt es einfach nicht. Hingegen findet man im Knochen- 
mark, ebenso wie ich es in den anderen blutbildenden Organen 
beschrieben habe, ganz unzweideutige Beweise für die Ausstossung 
des pyknotischen, deformierten, in selteneren Fällen auch schon 
in Stücke zerfallenden Kernes aus dem reifen hämoglobinreichen 
Zelleibe der Normoblasten (Fig. 36 Nmb‘ Iinks und oben). Es 
ist mir unverständlich, wie man bei der allgemeinen Verbreitung 
solcher Bilder noch immer von Artefakten sprechen hören muss. 
Wenn die in fixierten Präparaten vorhandenen Bilder der Kern- 
ausstossung sogar wirklich unter der Einwirkung der fixierenden 
Reagentien entstanden sein sollten, so wäre das doch nur ein 
weiterer Beweis für die ausserordentliche Leichtigkeit, mit welcher 
der Kern der ganz reifen Normoblasten den Zelleib verlassen 
kann, während, wie gesagt, für die anderen Erklärungsversuche 
jeder Beweis fehlt. „Blasse Kernschatten“ werden von keinem 
von den neueren Autoren mehr beschrieben und kommen in 
einigermassen befriedigend gefärbten Präparaten gar nicht zur 
Beobachtung. Dafür sieht man aber in den Normoblastenherden 
stets freie,- pyknotische, zerfallende Kerne (Fig. 365) und, was 
besonders wichtig ist, Phagozyten (Fig. 21, 36 und 37 Phg), die 
diese Kerne verschlingen. Die Zahl der freien Kerne ist allerdings 
gering — das hängt aber einfach damit zusammen, dass die pykno- 
tischen Kerne in der Gewebstlüssigkeit in kürzester Zeit abblassen 
und aufgelöst werden ; man findet sehr oft entsprechende Übergangs- 
formen. Als Phagozyten funktionieren zum Teil, wie es weiter unten 
beschrieben ist, Gefässendothelzellen, zum grössten Teil aber die 
gewöhnlichen fixen Bindegewebszellen, die zwischen den Erythro- 
blasten als Stromazellen des Markes übrig bleiben. Sehr selten 
handelt es sich um freie Zellen, dann meistens grosse, aber 
blasse Wanderzellen. Die Grenzen des Zelleibes der Phagozyten 
(Fig. 36 und 37 Phg) sind meistens von den dichtgelagerten 
Normoblasten verdeckt, man unterscheidet aber immer sehr 


42 Alexander Maximow: 


deutlich den blassen chromatinarmen Kern, und wenn in der 
Nachbarschaft dieser Zellen viele Normoblasten ihre Kerne aus- 
stossen, so nehmen die Phagozyten sofort eine grosse Anzahl der 
letzteren in ihr Protoplasma auf; hier verfallen die Kerne dann einer 
sehr raschen Zerstörung, wobei sie an Alkohol-Thionin-Präparaten 
nicht selten eine deutlich rotviolette, metachromatische Färbung 
annehmen. Die fixen Erythroblastenkernphagozyten sind im 
Knochenmark (bei jungen Schafen und Ziegen) auch von Jolly 
(24, 25) beobachtet worden. 

Nach der Auflösung der verschlungenen Kerne gleichen die 
fixen Phagozyten wieder vollkommen den anderen gewöhnlichen 
Stromazellen. 

Blumenthal (3), der ein Anhänger des intrazellulären 
Kernschwundes in den Erythroblasten ist, wendet gegen die 
beschriebenen Bilder von Kernphagozytose ein, dass es ebensogut 
Zellen sein könnten, die ganze Normoblasten, nicht freie aus- 
gestossene Kerne verschlungen haben. Das Protoplasma der ver- 
schlungenen Normoblasten wird zuerst aufgelöst, der Kern bleibt 
viel länger erhalten und dann scheint es ein verschlungener Kern 
zu sein; solche Kernphagozyten können also nach Blumenthal 
keineswegs als Beweis für die Kernausstossung gelten. 

An meinen Präparaten sehe ich ganze von Zellen verschlungene 
Normoblasten nur äusserst selten. Dass dies doch mitunter vor- 
kommt. will ich keineswegs leugnen. In der weitaus grössten 
Mehrzahl der Fälle sind es aber zweifellos nackte Kerne, die als 
solche verschlungen worden sind, denn sie besitzen keine Spur 
von hämoglobinhaltigem Plasma an ihrer Peripherie, und das 
letztere hätte doch nicht so rasch in allen Fällen verschwinden 
können. Ausserdem sind ja, wie gesagt, überall im Gewebe so 
wie so nackte Kerne vorhanden, die doch nicht ohne weiteres 
als Resultat von Artefakten gedeutet werden können. 

Die Ursache der plötzlich eintretenden Kernausstossung ist 
uns unbekannt. Vielleicht könnte man aber zur Erklärung dieses 
sonderbaren Vorganges den Umstand heranziehen, dass in die 
Haufen reifer Normoblasten infolge der weiter unten beschriebenen 
Auflockerung des Endothels aus den Gefässen sicherlich Blut- 
plasma eindringt, welches dann durch Änderung des osmotischen 
Druckes oder durch andere chemische Einwirkungen den Kernaus- 
tritt auslöst. Wenn ‘noch kernhaltige reife Normoblasten in die 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 45 


(refässe übertreten, scheint der Kernaustritt tatsächlich besonders 
rasch, sofort einzutreten. Auch Blumenthal (2) ist in neuerer 
Zeit geneigt, viele morphologische Erscheinungen der Hämatopoese 
durch den Einfluss von verschieden beschaffenen chemischen 
Medien in den verschiedenen Blutbildungsstätten zu erklären, 
obwohl er, wie gesagt, gerade Gegner der Kernausstossung ist. 
Übrigens muss daran erinnert werden, dass derselbe Prozess 
der Kernausstossung sich doch auch an den reifen Normoblasten 
innerhalb der Dottersackgefässe vollzieht, wo von osmotischen 
Druckänderungen oder chemischen Veränderungen des Milieus 
nicht gut die Rede sein kann. 

Schon in meiner früheren Arbeit (32) habe ich notiert, 
dass der hämoglobinreiche Zelleib der reifen Normoblasten, die 
gerade im Moment der Kernausstossung fixiert worden sind, und 
die jungen, eben erst entstandenen kernlosen Erythrozyten eine 
sehr unregelmässige Form besitzen, die von der endgültigen 
bikonkaven oder napfähnlichen stark abweicht. Dieselbe Erscheinung 
tritt uns auch im embryonalen Knochenmark entgegen. 

In den ganz reifen Normoblasten bildet der hämoglobin- 
reiche Zelleib unmittelbar vor der Kernausstossung zahlreiche 
Höcker an seiner Oberfläche (Fig. 36 und 37 Nmb‘). Nach dem 
Ausschlüpfen des Kernes ist der junge Erythrozyt (Fig. 35, 
36 und 37 Erz‘) ebenfalls an einem grossen Teil seiner Ober- 
fläche mit Unebenheiten versehen, erscheint runzelig und eine 
regelmässigere runde Form und eine glatte Oberfläche kommt 
nur einem kleinen Teil seiner Oberfläche zu. Mit der Zeit 
scheint sich dieser letzte, glatte Teil auf Kosten des übrigen, 
höckerigen, zu vergrössern, bis die endgültige regelmässige Form 
entsteht. Jedenfalls ist es in den Gefässen des Knochenmarks 
immer leicht möglich, die jungen Erythrozyten (Fig. 35 und 37 Erz‘) 
von den älteren (Erz) nach der beschriebenen Besonderheit der 
äusseren Form zu unterscheiden. 

Diese meine schon früher kurz angeführte Beobachtung hat 
Schridde (47a) veranlasst, an dem guten Fixierungszustand 
meiner Präparate zu zweifeln. Nun glaube ich aber doch, dass 
dieser Vorwurf nicht stichhaltig ist, denn in meinen Präparaten 
sieht man ja stets unregelmässig geformte Normoblasten mit 
Kernpyknose oder junge Erythrozyten hart neben ganz regelmässig 
bikonkaven oder napfförmigen reifen Erythrozyten in buntem 


44 Alexander Maximow: 


Durcheinander und der Fixierungszustand aller anderen Zellformen 
lässt auch nichts zu wünschen übrig. Es ist ja möglich, dass 
die Unebenheiten der Obertläche im Leben nicht so scharf aus- 
geprägt sind, wie im fixierten Präparat — speziell darauf ge- 
richtete Untersuchungen an frischem Material habe ich nicht aus- 
geführt — jedenfalls zeigen aber die beschriebenen Erscheinungen 
am fixierten Präparat, dass der Zelleib der Normoblasten während 
des Kernaustritts und unmittelbar nachher für eine Zeitlang 
besondere Veränderungen erleidet, die sich eben am fixierten 
Präparat durch die geschilderte Deformation bekunden. 

Die zweite Frage, über die Art und Weise, wie die reifen 
Erythrozyten in die Blutbahn gelangen, ist für die Erythrozyten 
merkwürdigerweise gar nicht so leicht zu beantworten, wie man 
es im voraus erwarten könnte. Dass die Lymphozyten in die 
Grefässe durch aktive Permigration gelangen, haben wir oben 
gesehen. Ebenso sind ja auch die weiter unten beschriebenen 
Granulozyten amöboider Bewegung fähig. Wie gelangen aber 
die unbeweglichen Erythrozyten in die Blutbahn? Erst bei sorg- 
fältigstem Studium der Präparate unter starken Vergrösserungen 
gelingt es, sich darüber ein bestimmtes Urteil zu bilden. 

Die Entwicklung der Lymphozyten zu Erythroblasten geschieht 
immer in der nächsten Umgebung der Gefässe, was ja ganz selbst- 
verständlich ist, da das Gewebe relativ schmale Streifen zwischen 
den enchondralen Knochenbälkchen und den zahlreichen Grefässen 
vorstellt. Die Erythroblastenherde liegen sogar meistens der 
Endothelwand eines Gefässes von aussen sehr eng an und wölben 
sie mitunter nach innen buckelförmig vor (Fig. 37). Besonders 
trifft dies für Herde zu, die schon aus reifen Erythroblasten mit 
pyknotischen Kernen bestehen. Die zellige Zusammensetzung 
dieser Herde kann im übrigen eine sehr mannigfaltige sein. 

Nun erleidet aber das Endothel der Blutgefässe in den 
mittleren Teilen der Diaphyse, wo sich die Blutbildung entwickelt, 
ganz besondere Veränderungen. Während es früher, in den ersten 
Stadien der Markbildung, im Ivmphoiden Mark, noch saftig war 
und aus wohlausgebildeten, mitotisch wuchernden Zellen bestand, 
und während dieselbe Beschaffenheit auch späterhin das Gefäss- 
endothel überall an der enchondralen Ossifikationsgrenze und in 
der Zone des vordringenden Iymphoiden Markes auszeichnet, wird 
das Endothel in den von der Blutbildung eingenommenen mittleren, 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 45 


älteren Teilen des Markraumes immer dünner und schmächtiger. 
Mitosen sind hier fast niemals mehr zu finden. Die Zellen platten 
sich sehr stark ab, die Kerne werden blass, chromatinarm, rücken 
immer weiter und weiter voneinander weg und an vielen Stellen 
erscheint ein Quer- oder Längsschnitt eines weiten sinnuösen 
(Gefässes nur von einer äusserst dünnen, blassen Linie begrenzt, 
dem Querschnitt der Endothelmembran, deren Kerne vom 
Schnitte nicht getroffen sind (Fig. 34, 35, 37 Ed). Nach aussen 
von dieser Linie liegt die meistens stark ödematöse, blasse, 
amorphe Zwischensubstanz des Markgewebes mit zahlreichen 
Wanderzellen und Blutzellen der verschiedensten Art und mit 
sehr spärlichen blassen Bindegewebszellen zwischen ihnen. Dass 
die Erythroblastenherde mit besonderer Vorliebe gerade hart an 
der Endothelwand liegen und die dünne Membran oft buckel- 
formig nach dem Lumen zu vorwölben, habe ich schon gesagt 
(Fig. 37 Ed). 

Nun sieht man bei genauer Betrachtung, dass an den Stellen 
der reifen Normoblastenherde, wo im Gewebe junge, eben ent- 
standene, kernlose Erythrozyten herumliegen, die dünne Endothel- 
membran ihre Kontinuität stellenweise verliert — sie erscheint 
zerfasert, siebförmig durchlöchert (Fig. 37 Ed). Die sehr blassen 
Ränder der Lücken sind bei dem Zellreichtum des Gewebes nicht 
leicht zu unterscheiden. Durch die entstandenen Öffnungen in 
der Endothelmembran tritt Blutplasma ins Gewebe ein, lockert 
die dichten Zellherde auf und spült allmählich die reifen Erythro- 
zyten aus dem Gewebe in das Gefässlumen. Ausser den jungen, 
kernlosen, noch unregelmässig geformten Erythrozyten gelangen in 
gewisser Anzahl auch noch kernhaltige Normoblasten mit in die 
Blutbahn. Allerdings sind es zum grössten Teil Normoblasten 
mit schon pyknotischem Kern, die beim Übergang in das Gefäss- 
lumen sich sofort zu entkernen scheinen. Im Gefässlumen sieht 
man in solchen Fällen neben regelmässig geformten, reifen und 
unregelmässigen jungen, kernlosen Erythrozyten Normoblasten 
mit pyknotischem Kern, einige gerade im Moment des Kern- 
austritts fixiert und auch freie nackte ausgestossene Kerne. 
Megaloblasten gelangen nur in sehr spärlicher Anzahl in das 
Lumen; wenn dies geschieht, vollenden sie ihre weitere Entwicklung 
in normaler Weise in der Blutbahn. Auch Lymphozyten ver- 
schiedener Art können an denselben Stellen, allerdings nur in 


46 Alexander Maximow: 


sehr seltenen Fällen, durch die aufgelockerte Endothelwand ins 
Gefäss gelangen. Mit den granulierten Zellen scheint dies merk- 
würdigerweise niemals zu geschehen. 

Mit dem Blutplasma können in das Gewebe natürlich oft 
auch ältere reife Erythrozyten extravasieren; deswegen sieht man 
in den sich in die Blutbahn entleerenden Erythroblastenherden 
immer auch solche Erythrozyten in beschränkter Anzahl liegen 
(Fig. 36 Erz). 

Nach einiger Zeit kann sich die dünne Endothelmembran, 
welche ja sicherlich aus kontraktilem Protoplasma besteht, wieder 
schliessen und die Gefässwand erlangt hier wieder ihre Kontinuität. 

Der beschriebene Prozess des Übertretens von Erythrozyten 
aus dem blutbildenden Gewebe in die Blutbahn ist in ähnlicher 
Form auch von anderen Autoren in embryonalen blutbildenden 
Organen beobachtet worden, so von Lobenhoffer (23), 
H.>Eischer- 5) 2. 

Um diesen Abschnitt zu beschliessen, möchte ich noch einer 
Zellform Erwähnung tun, die an der inneren Oberfläche der 
Endothelwand der Gefässe gerade an den Stellen vorkommt, wo 
die Entleerung von Erythroblastenherden in die Blutbahn statt- 
findet. Es sind ziemlich grosse amöboide einkernige Phagozyten, 
mit verschlungenen kernlosen Erythrozyten, Normoblasten und 
deren nackten Kernen im Protoplasma (Fig. 37 Edph). Einmal 
habe ich in einer solchen Zelle auch eine Mitose gefunden. 
Es kann sich dabei entweder um grosse Lymphozyten handeln, 
die sich in Phagozyten verwandelt haben, oder es sind kontrahierte 
und abgelöste Endothelien, was ja auch sein Analogon in den 
Endothelphagozyten der embryonalen Leber hätte. 


5. Die Entstehung der Spezialgranulozyten. 


Die Entstehung der ersten Granulozyten mit Spezialkörnung 
bietet bei den einzelnen Tierarten manche Verschiedenheiten dar, 
was ja auch ohne weiteres verständlich ist, weil gerade diese 
Zellen je nach der Tierart am meisten differieren. Sie entstehen 
jedenfalls, wie wir sehen werden, bei allen Tieren aus denselben, 
oben beschriebenen, polymorphen Iymphoiden Wanderzellen, den 
Lymphozyten, ebenso wie die Erythroblasten. Während sie aber 
beim Kaninchen und besonders beim Meerschweinchen zusammen 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 47 


mit den eosinophilen Granulozyten aus einer gemeinsamen, aller- 
dings nur in den frühesten Entwicklungsstadien nachweisbaren, 
ebenfalls granulierten Stammform hervorzugehen scheinen, oder 
wenigstens zuerst noch in mancher Beziehung atypische Granula 
führen, entstehen die beiden Granulozytenarten bei Katze, Ratte 
und Maus aus der gemeinsamen ungranulierten Stammzelle zu 
gleicher Zeit und sofort als vollkommen getrennte und typisch 
beschaffene Entwicklungsreihen. 

Es ist bekannt, dass beim Meerschweinchen und Kaninchen 
die Spezialgranulozyten sogenannte pseudoeosinophile, ebenfalls 
azidophile Granula führen, die sich von den echten eosinophilen 
ausser bestimmten chemischen und färberischen Reaktionen haupt- 
sächlich durch ihre Feinheit unterscheiden. Bei der Katze und 
besonders bei der Ratte und der Maus sind hingegen die Spezial- 
eranula ganz anders beschaffen. Sie sind hier äusserst schwierig 
darzustellen und meistens erscheint der Zelleib der Spezialleuko- 
zyten in Schnitt- und Deckglaspräparaten mehr oder weniger 
homogen, azidophil. 

Wir wollen zunächst sehen, wie die ersten Granulozyten beim 
Meerschweinchen und beim Kaninchen entstehen; der Prozess 
verläuft bei diesen beiden Tieren ohne erhebliche Verschieden- 
heiten. Die Spezialgranulozyten treten hier zugleich mit den 
ersten Erythroblasten auf; die betreffenden Stadien habe ich 
bereits oben angegeben. 

Die ersten Granulozyten tauchen ebenso wie die ersten 
Erythroblasten in den älteren, mittleren Partien der Markhöhle 
auf. Sie erscheinen aber zuerst immer relativ spärlich, nicht in 
grossen dichten Herden, wie die Erythroblasten, sondern einzeln 
oder in sehr kleinen Gruppen und sehr ungleichmässig zwischen 
den anderen Gewebselementen zerstreut. 

Die Granulozyten entstehen aus den oben beschriebenen 
Iymphoiden Wanderzellen, den Lymphozyten, durch Ausarbeitung 
von azidophilen Körnchen im Protoplasma. Ein sehr wichtiger 
Umstand ist nun der, dass die ersten Spuren der Körnung in 
allen möglichen Arten von Lymphozyten ohne Unterschied er- 
scheinen können, sowohl in den Wanderzellen vom Typus der 
grossen Lymphozyten, als auch in den Wanderzellen mit poly- 
morphem Kern und amöboidem Protoplasma oder auch sogar in 
typischen kleinen Lymphozyten. 


48 Alexander Maximow: 


Dies ist ein Unterschied im Vergleich mit der Entstehung 
der Erythroblasten aus denselben Iymphozytoiden Zellen; denn 
die Erythroblasten entstehen, wie gesagt, immer nur durch 
Wucherung grosser Iymphozytoider Zellen vom Charakter der 
grossen Lymphozyten. Ein eingreifender Unterschied ist es jedoch 
nicht, denn wir wissen ja, dass sich jede kleine Wanderzelle und 
jeder kleine Lymphozyt durch direkte Hypertrophie in einen 
grossen Lymphozyt verwandeln kann. Dass Granulozyten aus 
den verschiedensten Lymphozytenformen durch Granulaproduktion 
direkt hervorgehen können, haben bekanntlich Weidenreich 
(53, 57 u.a.) und Schott (45) auch im erwachsenen Organismus 
beobachtet. 

Wenn die Körnung in einem grossen Lymphozyt auftritt 
(Fig. 18c, Fig. 22), bemerkt man im basophilen amöboiden 
Protoplasma, vornehmlich an der äusseren Oberfläche des Zell- 
leibes, manchmal aber gerade nur an der Peripherie der 
Attraktionssphäre, feinste, staubförmige, rote Granula. Sie liegen 
zuerst im blauen Protoplasma, oft jedes einzelne in einem kleinen 
hellen Hof (Fig. 22), später wird aber das Protoplasma an den 
betreffenden Stellen heller und schliesslich kann es zwischen den 
Körnchen ganz blass werden; eine deutlich azidophile Beschaffen- 
heit bemerkt man jedoch nicht. Der Kern weist gewöhnlich zu 
gleicher Zeit auch schon geringe Veränderungen auf; die Chromatin- 
teilchen werden heller, rücken weiter auseinander, der Nukleolus 
verkleinert sich. 

Schliesslich entstehen auf solche Weise mehr oder weniger 
typische Zellen vom Charakter der grossen pseudoeosinophilen 
Mvelozyten, mit reichlicher Körnung im Protoplasma. Die Körnchen 
sehen oft (Fig. 23 Mlz) entschieden gröber aus, als es für die 
gewöhnliche pseudoeosinophile Körnung beim erwachsenen Tier 
der Fall ist, sie erreichen dabei aber doch nicht den Umfang der 
echten reifen eosinophilen Körnung. Das Protoplasma zwischen 
den Körnchen ist meistens noch immer schwach basophil, bleibt 
amöboid und bildet sogar noch besonders grosse lappige Vorstösse 
(Fig. 23 Mlz). Der Kern hat in solchen Zellen entweder das 
Aussehen eines gewöhnlichen blassen Myelozytenkernes (Fig. 21 Mlz, 
Fig. 22), oder es beginnt bereits die erste Andeutung der Poly- 
morphie, der Reifung; der Kern bekommt eine unregelmässige 
Gestalt, gröbere eckige Uhromatinteilchen und dunkleren Kern- 


“ 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 49 


saft (Fig. 23 Mlz). Mitosen in solchen grossen Myelozyten können 
vielleicht vorkommen, sind aber jedenfalls zuerst noch ganz 
ausserordentlich selten. 

Was aber sofort in die Augen fällt, ist der Umstand, dass 
die noch granulaarmen, jungen grossen Myelozyten fast stets paar- 
weise angeordnet erscheinen. Die Zellen sind oft noch durch 
eine feine protoplasmatische Brücke miteinander verbunden 
(Fig. 21 Mlz, Fig. 22). Solche paarweise verbundene Zellen haben 
natürlich eine abgelaufene Mitose unmittelbar hinter sich. Da 
man aber, wie gesagt, Mitosen, d.h. Spireme, Muttersterne und 
Doppelsterne in körnehenführenden Myelozyten in den frühesten 
Entwicklungsstadien kaum jemals findet, so ist man gezwungen 
anzunehmen, dass die paarweise angeordneten granulaarmen 
Mvelozyten Telophasen von Mitosen grosser granulaloser Lympho- 
zyten vorstellen und dass die ersten Spuren der Körnung eben 
gerade während der Mitose selbst, während der Rekonstruktion 
der Kerne und der Durchschnürung des Zelleibes im Protoplasma 
auftauchen. Über die vermutliche Bedeutung dieser Tatsache 
werde ich im Schlussabschnitte einiges sagen. 

beim Kaninchen gehört die Mehrzahl der ersten Granulo- 
zyten dem beschriebenen Typus der echten grossen Myelozyten 
an, obwohl man sehr oft auch ganz anders geartete Granulozyten 
findet. Beim Meerschweinchen sind die Bilder aber noch viel 
mannigfaltiger und die typischen grossen Myelozyten unter den 
ersten Granulozyten sogar relativ selten. Dieselbe feine azidophile 
Körnung tritt hier nämlich mit besonderer Vorliebe gerade in 
den verschiedenen anderen Wanderzellenformen auf. 

Oft sind es die Wanderzellen von „histogenem* Typus, mit 
sehr unregelmässig geformtem hellem oder dunklem, oft hufeisen- 
förmigem Kern und relativ reichlichem, hellem, amöboidem Plasma, 
die die ersten Spuren der Körnung ausarbeiten (Fig. 25); es 
entstehen dabei mitunter Zellen, die etwa den „Metamyelo- 
zyten“ der Hämatologen entsprechen würden, wenn sie keine 
so spärliche Körnung hätten. Die Körnchen tauchen auch hier 
zuerst mit besonderer Vorliebe in der Umgebung der Sphäre auf 
(Fig. 25). In anderen Fällen sind es nicht näher zu definierende 
Übergangsformen von diesen Wanderzellen zu grossen Lympho- 
zyten (Fig. 20 Mlz). Endlich kann man oft die ersten Spuren 
der Körnung auch im ganz typischen, kleinen, dunkelkernigen 

Archiv f.mikr. Anat. Bd. 76. 4 


50 Alexander Maximow: 


Lymphozyten finden (Fig. 19 Mlz, Fig. 24), wie dies auch im er- 
wachsenen Organismus gelegentlich beobachtet wird (Weiden- 
reich [53, 56], Dominici [14], Pappenheim [42a]) und 
ebenso in den Übergangsformen von den kleinen Lymphozyten 
zu den grösseren Iymphozytoiden Zellen, in Zellen mit sehr 
schmalem Plasma und relativ grossem, wunregelmässig ein- 
geschnürtem Kern. 


Alle diese jungen Granulozyten scheinen auch meistens 
paarweise oder gruppenweise angeordnet zu sein, obwohl dies 
hier nicht immer so deutlich hervortritt, wie an den grossen 
Myelozyten. Mitosen habe ich in solehen noch kleinen und noch 
granulaarmen Myelozyten nicht gesehen. Dass sie sich aber 
unter Umständen doch teilen können, auch die kleinsten, mag 
möglich sein. 


Dass die Körnung in allen diesen Zellen die gleiche ist, 
kann nicht bezweifelt werden. Wenigstens sieht sie bei allen 
von mir angewandten Methoden ganz gleich aus. Sie färbt sich 
auch an Alkohol-’Thionin-Präparaten in dem für die jungen 
pseudoeosinophilen Körner typischen metachromatischen Ton, hat 
also eine basophile Quote, eine Eigenschaft, die schon von 
Blumenthal (1), mir (31, 32) und Pappenheim (42) be- 
schrieben worden ist. 


Bald nach dem Erscheinen der beschriebenen ersten Granulo- 
zyten, in nur etwas späteren Stadien (Meerschweinchen 45 mm, 
Kaninchen 55 mm), sieht man im Markgewebe hie und da einzeln 
zerstreut auch schon reife granulierte Leukozyten, allerdings in 
sehr spärlicher Anzahl, auftreten. Als reif dokumentieren sie 
sich durch den in typischer Weise zerschnürten, schlauch- 
förmigen, polymorphen, dunklen Kern (Fig. 26a, b, ec). Ihr 
Protoplasma hat aber ein sehr verschiedenes Aussehen. Meistens 
ist es ganz blass, manchmal noch immer leicht basophil und 
enthält viele rote Körner von der Beschaffenheit der pseudo- 
eosinophilen. In anderen Fällen sind diese Körner sehr spärlich 
oder das ganze Protoplasma hat eine deutliche azidophile Reaktion 
und ist mit äusserst feinen, kaum sichtbaren roten Körnchen wie 
bestäubt (a, b). In einigen Zellen fehlen die Körnchen sogar 
vollkommen (c). Man sieht, es sind alles noch unvollkommene, 
oft atypische polymorphkernige Spezialleukozyten. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. al 


Wenn man ihre Entstehungsweise genauer prüft, erweist es 
sich, dass sie direkt, ohne Myelozytenstadium, aus den beschriebenen 
kleineren Wanderzellenformen mit beginnender Granulaausarbeitung 
hervorgehen. Ist die Ursprungszelle ein. typischer kleiner dunkel- 
kerniger Lymphozyt (Fig. 19 Mlz, Fig. 24), so sieht man, wie der 
dunkle Kern sich einschnürt, in die Länge zieht und knickt, während 
im Protoplasma eine mehr oder weniger vollkommen ausgeprägte 
Körnung entsteht. Wenn es sich um Wanderzellen von „histogenem“ 
Typus handelt, so entstehen meist etwas grössere Zellen mit 
saftigerem, hellerem oder auch sehr polymorphem schlauchförmigem 
Kern und gröberer oder feinerer Körnung im Zelleib. 


Wenn wir die beschriebene Granulozytenentstehung im em- 
bryonalen Knochenmark mit dem vergleichen, was ich früher für 
die Entstehung der Granulozyten im Körpermesenchym und ın 
der embryonalen Leber beschrieben habe (32), so fällt sofort die 
grosse Ähnlichkeit, ja die Identität der beiden Prozesse auf. Wie 
die polymorphen, ubiquitären Wanderzellen im Körpermesenchym 
an vielen Stellen Granula ausarbeiten, die ihren Eigenschaften 
nach den pseudoeosinophilen am nächsten stehen, wenn sie mit 
ihnen zunächst auch noch nicht ganz übereinstimmen, also zu etwas 
atypischen, noch unvollkommenen Granulozyten werden, so sehen 
wir dasselbe auch im Knochenmark eintreten, mit dem Unterschiede, 
dass diese Erscheinung sich hier mit der Zeit viel intensiver ent- 
faltet und auf beschränktem Raum sehr viele Granulozyten erzeugt. 
Wie im Körpermesenchym, so entstehen auch im Knochenmark 
ausser typischen grossen Myelozyten in der ersten Zeit sofort 
auch kleine atypische unvollkommene reife Leukozyten. 


Auch Dantschakoff (S) beschreibt im Knochenmark des 
Hühnchens, gleich bei seiner ersten Entstehung, die Bildung von 
reifen, azidophil granulierten Leukozyten unmittelbar aus kleinen 
Lymphozyten, ebenfalls unter Überspringung des Myelozyten- 
stadiums. Dort gehen diese ersten, noch unvollkommenen Leuko- 
zyten bald zugrunde und werden von Phagozyten vernichtet. Bei 
den Säugetieren nehmen sie keine so scharf gesonderte Stellung 
ein und scheinen auch nicht zugrunde zu gehen, da man degene- 
rierende Exemplare nur äusserst selten findet; sie werden ganz 
allmählich durch die typischen, vollkommen ausgebildeten Spezial- 
leukozyten ersetzt. 

4* 


2 Alexander Maximow: 


Im Knochenmark entstehen die beschriebenen ersten reifen 
Leukozyten sämtlich durch direkte Reifung aus kleinen Formen 
mit beginnender Granulaanhäufung. Was die grossen, typischen, 
hellkernigen Myelozyten betrifft, so sind in ihnen Mitosen zuerst, 
wie gesagt, äusserst selten; sie scheinen sich vorläufig durch 
eigene Wucherung nicht merklich zu vermehren, wandern umher 
und verteilen sich einzeln im ganzen Markraum. Von einer 
Wucherung dieser Zellen mit Übergang in polymorphkernige reife 
Leukozyten ist vorläufig auch nichts zu bemerken. Sie tritt erst 
später ein. Wir sehen also, dass die unter den ersten Granulo- 
zyten vorhandenen reiferen Formen auf abgekürztem Weg entstehen 
und dass der für den erwachsenen Organismus charakteristische 
Modus der Entwicklung der reifen Spezialleukozyten aus grossen 
hellkernigen Myelozyten über eine ganze Reihe von Übergangs- 
generationen sich nur sehr allmählich herausbildet. 

Zuerst sind die Granulozyten beim Meerschweinchen und 
Kaninchen in spärlicher Anzahl, einzeln, weit voneinander zwischen 
den übrigen zelligen Elementen des Markes zerstreut. Während 
nun die Erythroblasten, wie es oben beschrieben worden ist, 
rasch wuchern und z. B. im Femur und in der Tibia eines Meer- 
schweinchenembryos von 45—50 mm in der Mitte der Markhöhle 
schon dichte Herde bilden, bleiben die Granulozyten auch weiter 
selten, man findet sie einzeln oder paarweise zwischen den Erythro- 
blasten und Lymphozyten im Gewebe liegen. Auch jetzt sind 
Mitosen in ihnen noch äusserst selten — sie entstehen eben fort- 
während fast ausschliesslich neu, aus ungranulierten Zellen. Erst 
bei viel älteren Embryonen (Meerschweinchen von 65 mm) werden 
die Granulozyten zahlreicher, die pseudoeosinophile Körnung in 
ihnen nimmt dabei in allen Zellen ein gleichmässiges und ganz 
typisches Aussehen an, die unvollkommenen, primitiven, ohne 
Myelozytenstadium entstandenen Formen verschwinden, die grossen 
hellkernigen Myelozyten fangen hingegen zu dominieren an und 
zugleich findet man in ihnen auch immer zahlreichere Mitosen — 
der heteroplastische Entwicklungsmodus wird auf diese Weise all- 
mählich durch den homoplastischen ersetzt, obwohl die Möglichkeit 
des ursprünglichen Typus natürlich unverändert für alle Zeiten 
bestehen bleibt, da ja die indifferenten Stammzellen, die Lympho- 
zyten, zwischen den anderen Gewebselementen für immer erhalten 
bleiben. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 93 


Wie die reifen polymorphkernigen Spezialleukozyten, die im 
Gewebe des Knochenmarkes entstehen, in die Blutbahn gelangen, 
ist nicht schwer zu verstehen. Sowohl die grossen Myelozyten, 
als auch die reifen Leukozyten und alle Zwischenformen sind ja 
bewegliche Zellen und können also sicherlich, ebenso wie wir es 
für die Lymphozyten gesehen haben, durch die Gefässwand ins 
Lumen immigrieren. Im embryonalen Leben ist jedoch das 
zirkulierende Blut bekanntlich sehr arm an Granulozyten und 
dementsprechend findet man im embryonalen Knochenmark kaum 
jemals Permigrationsbilder von Granulozyten ; innerhalb der Ge- 
fässe sind sie auch nur höchst selten zu treffen. Selbst an den 
Stelien, wo die Endothelwand in der oben beschriebenen Weise 
aufgelockert ist und die Erythrozyten ins Lumen übertreten, 
scheinen die in den Erythroblastenherden meist auch vorhandenen 
Granulozyten doch im Gewebe zu bleiben. Da der Verbrauch 
der Granulozyten also ein minimaler ist, erklärt sich auch die 
relativ träge verlaufende Neubildung derselben im embryonalen 
Mark; sie steigt nur in den spätesten embryonalen Stadien. 

Bei der Katze sind beim erwachsenen Tier die Spezialzellen 
von den eosinophilen ganz verschieden, weil sie keine im Schnitt 
darstellbaren Granula führen. Dies Fehlen einer distinkten 
Granulierung erschwert das Auffinden der ersten Spezialgranulo- 
zyten im embryonalen Knochenmark ganz bedeutend. Maßgebend 
für die Identifizierung ist hier nur der typische polymorphe Kern 
in den reiferen Formen und das ebenfalls nur in den letzteren 
deutlich azidophile Protoplasma. 

Wie ich es in meiner früheren Arbeit (32) gezeigt habe, 
treten im Körpermesenchym und auch in der Leber junger Katzen- 
embryonen als erste Repräsentanten der Granulozyten polymorph- 
kernige, reife Spezialleukozyten auf, die sich direkt aus den 
kleineren Wanderzellenformen in kürzester Zeit entwickeln. Nun 
sieht man ganz ähnliche Zellen auch im Knochenmark zuerst bei 
Embryonen von etwa 55 mm Körperlänge entstehen. Aus kleinen 
und mittelgrossen Iymphozytoiden Wanderzellen mit schmalem 
schwachbasophilem Protoplasmasaum und hellerem oder dunklerem, 
nukleolenhaltigem Kern (Fig. 11 Wz), oft auch aus typischen 
kleinen Lymphozyten (Fig. 14, Fig. 23 klm) gehen durch direkte 
Reifung unter Zerschnürung des Kerns reife Leukozyten mit 
nahezu homogenem, blassem Plasma hervor, dessen Azidophilie 


4 Alexander Maximow: 

an dekalzinierten Präparaten meistens verloren geht (Fig. 10, 11 
und 28 Lkz). Es ist also auch eine abgekürzte Produktion von 
noch unvollkommenen, oft atypischen, reifen Spezialleukozyten 
ohne nachweisbares Myelozytenstadium. 

Bei Embryonen von 70 mm sieht man überall im Mark 
zwischen den Erythroblastenhaufen, zusammen mit den weiter 
unten beschriebenen eosinophilen Myelozyten und Leukozyten, 
schon viel zahlreichere polvmorphkernige granulalose Spezial- 
leukozyten zerstreut. Auch jetzt entstehen sie direkt aus mittel- 
grossen Lymphozyten. Noch viel grösser ist ihre Zahl bei älteren 
Embryonen von etwa 125 mm Länge. Hier scheint der Entwick- 
lungsprozess auch etwas komplizierter zu werden und es häufen 
sich in grösserer Anzahl wuchernde Übergangsformen von den 
Lymphozyten zu den reifen Leukozyten an, die, wenn man will, 
als Spezialmyelozyten angesprochen werden können, sich aber von 
den Lymphozyten infolge Mangels einer distinkten Körnung nicht 
dentlich abgrenzen lassen. Sie sind durchweg ziemlich klein und 
mit rundem, blassem Kern versehen; nur in den spätesten em- 
bryonalen Stadien tritt mehr oder weniger deutlich die diffuse 
Azidophilie ihres Protoplasmas hervor. Bei der difterenzierenden 
Wucherung der Lvmphozyten zu Spezialleukozyten werden also 
die Zellen bei der Katze zuerst kleiner und erst in den letzten 
(renerationen setzt die Kernpolymorphose und die Azidophilie des 
Protoplasmas ein — ein Unterschied im Vergleich mit der Ratte, 
wo, wie wir gleich sehen werden, der Kern schon in den grossen 
Myelozyten die kugelige Form einbüsst und das Protoplasma 
deutlich azidophil wird. 

Die Ratte und die Maus nehmen in bezug auf die Ent- 
wicklung der Spezialgranulozyten eine besondere Stellung ein, 
denn bei ihnen geht im Knochenmark die Bildung der Spezial- 
zellen der Bildung der Erythroblasten weit voraus. Die ersten 
unverkennbaren Spezialzellen finde ich im Mark der langen 
Extremitätenknochen bei Rattenembryonen von 22—23 mm, wo 
von Erythroblasten noch keine Spur vorhanden ist. Da die 
Spezialzellen hier, wie gesagt, ebenso wie bei der Katze, keine 
distinkten Körnchen führen, so erscheinen sie von Anfang an 
von den eosinophilen Zellen, die zugleich mit ihnen auftreten, 
ziemlich scharf geschieden, im Gegensatz zu dem, was wir beim 
Kaninchen und Meerschweinchen sehen werden. 


br | 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 


Die ersten als solche erkennbaren Spezialzellen tauchen 
einzeln (oder vielmehr paarweise) zwischen den übrigen Gewebs- 
elementen, den fixen Bindegewebszellen, den Lymphozyten, den 
(efässen auf. Es sind sofort kleine Zellen von reifem Charakter 
mit stark polymorphem Kern. Das Protoplasma ist entweder 
ganz blass, weder basophil, noch azidophil, oder es bekommt 
einen deutlichen Stich ins rötliche, wird also azidophil. In etwas 
späteren Stadien, bei Rattenembryonen von 29 mm, wo diese 
Zellen schon viel zahlreicher sind, tritt diese Azidophilie regel- 
mässig hervor. Distinkte Körnchen sind (im Gegensatz zu den 
eosinophilen Zellen) nicht wahrzunehmen, höchstens kann man 
die Struktur des Protoplasmas als unbestimmt krümelig bezeichnen 
(Fig. 30 Lkz). Der Kern hat immer die für die Ratte und die 
Maus überhaupt so typische Ringform (Maximow [30], Weiden- 
reich [56], Pappenheim, Jolly u.a... In den jüngeren 
Zellen ist der Kernring diekwandig, glatt konturiert, blass und 
ehromatinarm (Fig. 29Lkz, unten rechts, Fig. 30 Lkz, rechts); in 
den älteren Zellen ist er sehr unregelmässig zerschnürt, viel 
dunkler und seine Öffnung weiter (Fig. 29 und 30 Lkz). 

Alle diese Zellen entstehen aus den mittleren und kleineren 
Exemplaren der gewöhnlichen Lymphozyten (Fig. 29 und 30 Lmz 
und Wz). Das ursprünglich basophile Protoplasma der letzteren 
wird hell, der runde oder bohnenförmige Kern bekommt eine 
einseitige tiefe Delle, die bis zur entgegengesetzten Seite der 
Kernwand vordringt, dort durchreisst und so den Ringkern 
erzeugt. Später verdichtet sich der letztere, wird dunkler, das 
Protoplasma wird azidophil. Dazwischen können wohl auch Mitosen 
eintreten, vielleicht selbst in Zellen, die bereits Ringkerne ent- 
halten. In der Regel jedoch entstehen und reifen diese ersten, 
noch unvollkommenen und atypischen Spezialzellen ungemein 
rasch, ohne differenzierende Wucherung, direkt aus kleinen, schon 
selbst ziemlich blassen Iymphozytoiden Wanderzellen. Auch hier 
sehen wir also, dass die ersten Spezialzellen auf abgekürztem 
Wege, olıne Myelozytenstadium, direkt aus Lymphozyten gebildet 
werden. 

Der endgültige, für den erwachsenen Organismus charak- 
teristische Modus der Granulozytenbildung entwickelt sich erst 
allmählich. Bei Rattenembryonen von 29 mm, noch mehr von 
35 mm, sind die beschriebenen kleinen reifen Spezialzellen mit 


56 Alexander Maximow: 


dunklem, zerschnürtem Ringkern und azidophilem Plasma schon 
viel zahlreicher, ebenso die Übergangsformen von den Lympho- 
zyten zu ihnen. Sie liegen zugleich mit den daneben entstehenden 
eosinophilen Leukozyten in kleinen Gruppen zwischen den (refässen 
zerstreut. Jetzt beginnt aber ihre Entstehung sich in der 
Beziehung dem endgültigen Modus zu nähern, dass die Lympho- 
zyten, aus welchen die Spezialzellen entstehen, sichtlich grösser 
werden, grössere blasse Kerne mit dellentörmiger einseitiger Ein- 
stülpung, manchmal auch schon amblychromatische Ringkerne 
und sehr helles, kaum noch basophiles Protoplasma bekommen 
(Fig. 31); in der Einstülpung des Kerns, in der Umgebung 
der Sphäre, erhält das Protoplasma sogar azidophilen Charakter 
und erscheint rosa gefärbt. Es. bildet sich also allmählich der 
Myelozytentypus heraus. 

3ei Embryonen von 38—39 mm, im Stadium (s. 0.), wo die 
ersten Erythroblasten auftreten, sieht man zwischen den Gefässen 
und den fixen Stromazellen überall schon sehr zahlreiche Spezial- 
granulozyten liegen; sie bilden jetzt grosse und dichte Herde. 
Unter ihnen befinden sich jetzt sehr zahlreiche typische grosse 
Myelozyten (Fig. 32c, d, e). Es sind umfangreiche, amöboide 
Zellen mit hellem, schwach basophilem, oder auch azidophilem, 
nach EAz eigentümlich grauviolettem Plasma, welches in der 
Umgebung der Sphäre, während der Mitose (f) besonders im 
Bereich der Spindel, rosig gefärbt und oft fleckig erscheint. Der 
Kern ist bereits stark polymorph, napfförmig eingestülpt, hufeisen- 
förmig, mit buckelförmigen Vorsprüngen versehen oder auch schon 
ringförmig. Er enthält wenig und blasse Chromatinteilechen und 
gewöhnlich ein kleines, aber deutliches Kernkörperchen. Diese 
typischen Spezialmyelozyten entstehen durch differenzierende 
Wucherung und rasch fortschreitende Ausprägung der typischen 
Zellcharaktere aus den gewöhnlichen grossen Lymphozyten 
(Fig. 32a und b), die jetzt überall in grosser Anzahl zerstreut 
liegen. Das basophile Lymphozytenprotoplasma wird dabei mehr 
oder weniger azidophil, der Kern bekommt eine ringförmige 
Gestalt und wird chromatinarm. Aus den beschriebenen grossen 
Myelozyten, in denen man oft Mitosen findet (Fig. 32f), entstehen 
dann auf gewöhnliche Weise die kleinen, reifen, nicht mehr 
teilungsfähigen Spezialleukozyten. Dieser Modus der Granulozyten- 
bildung bleibt auch bei der neugeborenen Ratte — hier findet 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 97 


man im Knochenmark massenhaft die beschriebenen grossen blass- 
kernigen Spezialmyelozyten und ihre weiteren Differenzierungs- 
produkte; in der Mitte der Diaphyse sind sie zu dieser Zeit 
allerdings schon weniger zahlreich, als die inzwischen stark 
gewucherten Erythroblasten. Mit dem Erscheinen der typischen 
Myelozyten hört der primitive Bildungsprozess unmittelbar aus 
kleinen Iymphozytoiden Zellen allmählich auf und verschwindet 
schliesslich, wie es scheint, ganz. 


6. Die Entstehung der eosinophilen Granulozyten. 


Beim Meerschweinchen und Kaninchen ist die erste Ent- 
stehung der eosinophilen Zellen im Knochenmark sehr schwierig 
zu untersuchen. Da nämlich die ersten Spezialzellen eine pseudo- 
eosinophile Körnung führen, die in manchen Beziehungen von 
der ausgebildeten, typischen abweicht, so ist es sehr schwierig, 
zwischen diesen atypischen pseudoeosinophilen Körnern und den 
ersten eosinophilen, die ja auch zuerst als kleine Granula 
erscheinen müssen, eine scharfe Grenze zu ziehen. Auch die 
ersten eosinophilen Zellen haben noch kein ganz typisches 
Aussehen, auch ihre Granula erreichen nur in relativ späten 
embryonalen Stadien ihr endgültiges charakteristisches Aussehen. 
Bei den genannten beiden Tierarten scheinen infolgedessen die 
ersten eosinophilen Zellen zusammen mit den Spezialzellen, den 
pseudoeosinophilen Leukozyten, aus einer gemeinsamen granulierten 
Urform hervorzugehen, aus einer ein- und rundkernigen Zelle 
vom Charakter eines kleinen oder grossen granulierten Myelozyten, 
mit Körnehen im Protoplasma, die gewissermassen die Mitte 
zwischen den pseudaeosinophilen und den eosinophilen einnehmen. 
Die oben beschriebenen ersten Spezialgranulozyten im Knochen- 
mark beim Meerschweinchen und Kaninchen können folglich zum 
Teil als die gemeinsame granulierte Urform für pseudoeosinophile 
und eosinophile Leukozyten angesehen werden. 

Einen ganz ähnlichen Gedanken finde ich u. a. auch bei 
Pappenheim (42, S. 452), allerdings für «- und y-Zellen, bei 
Browning (4) und besonders bei Blumenthal (1) ausgedrückt. 
Der letztgenannte Autor hat auch die Basophilie und die 
Metachromasie der ersten Granula in den jungen primitiven 
Myelozyten beim Kaninchen erkannt und er glaubt, dass sowohl 


38 Alexander Maximow: 


die pseudoeosinophilen. als auch die eosinophilen Zellen aus 
diesen Urmyelozyten mit metachromatisch -basophiler Körnung 
hervorgehen und zwar nicht nur beim Embryo, sondern auch 
beim erwachsenen Tiere. Dabei sollen sich die basophilen Urkörner 
in die pseudoeosinophilen direkt durch Reifung und Verlust der 
Basophilie verwandeln. Die eosinophilen Granula hingegen sollen 
zwischen den metachromatischen Urgranulis selbständig neu ent- 
stehen, während die letzteren sich dann allmählich zurückbilden. 

Die angeführte Vorstellung von der Entstehung der pseudo- 
eosinophilen und eosinophilen Zellen beim Kaninchen und Meer- 
schweinchen aus einer gemeinsamen granulierten Urform ist 
allerdings nur eine Hypothese, denn es ist ja möglich, dass es 
uns mit neuen, feineren und elektiveren Färbungsmethoden doch 
einmal gelingen wird, die beiden Arten der Körner gleich bei 
ihrem ersten Auftreten in verschiedenen Zellen scharf voneinander 
zu trennen. Ausserdem ist es wohl sicher, dass, wenn es eine 
solche granulierte Urform auch gibt, ihre Existenz doch nur eine 
kurze Dauer haben kann und sich auf die allerfrühesten Ent- 
wicklungsstadien beschränkt; denn in den späteren Embryonal- 
stadien und beim neugeborenen Tier kann man die pseudoeosino- 
philen Zellen einer- und die eosinophilen andererseits schon bei 
ihrer ersten Entstehung aus ungranulierten Vorstufen genügend 
scharf auseinanderhalten. 

Beim Meerschweinchen erscheinen im Knochenmark der 
langen Extremitätenknochen Zellen, die man mit gewisser Sicher- 
heit als echte eosinophile Granulozyten definieren kann, zuerst 
bei Embryonen von etwa 48 mm Länge. Sie liegen in sehr 
spärlicher Anzahl ganz vereinzelt zwischen den oben beschriebenen 
Spezialzellen. Es sind fast ausschliesslich ziemlich kleine Zellen 
(Fig. 27 a, b) von reifem Charakter mit zwerchsackförmigem, 
dunklem Kern und groben, oft deutlich stäbchenförmigen, grell- 
roten, spärlichen oder zahlreichen Körnern im Protoplasma. Sie 
sehen also den reifen eosinophilen Leukozyten schon ziemlich 
ähnlich aus. Wenn wir die Entstehung dieser Zellen verfolgen, 
so lässt sich konstatieren, dass sie ohne jede scharfe Grenze mit 
den oben beschriebenen gewöhnlichen pseudoeosinophilen Leuko- 
zyten verbunden sind. Sie entstehen also, wie es scheint, in der 
Weise, dass sich in einigen von den letztgenannten Zellen die 
Granula mit der fortschreitenden Reifung der Zelle und des 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 59 
© Oo 


Kernes über das gewöhnliche Maß hinaus vergrössern und schliess- 
lich mehr oder weniger das Aussehen von eosinophilen Körnern 
annehmen. 

jei Embryonen von 50 mm und darüber zeigen sich im 
Markgewebe ausser den beschriebenen Zellen auch schon mehr 
oder weniger typische eosinophile Myelozyten, zuerst sehr spär- 
liche und seltene, später, z. B. bei Embryonen von 60 mm, in 
grosser Anzahl. Es sind grössere Zellen (Fig. 27 c) mit unregel- 
mässigem, aber noch amblychromatischem, bohnenförmigem Kern 
und groben, stark lichtbreehenden, runden, azidophilen Körnchen 
im Protoplasma, welche aber doch noch nicht ganz das typische 
Aussehen der eosinophilen Granula des erwachsenen Organismus 
besitzen. Diese noch nicht ganz typischen eosinophilen Myelozyten 
entstehen dadurch, dass in einem Teil der oben beschriebenen 
Lymphozyten mit beginnender Ausarbeitung von pseudoeosinophilen 
Körnchen (oder vielmehr von Urkörnchen) (Fig. 21 u.23 Mlz, Fig.22) 
diese letzteren sich allmählich besonders stark vergrössern und 
stärker lichtbrechend werden. Jetzt scheinen also die eosinophilen 
Zellen noch immer zusammen mit den pseudoeosinophilen aus 
einer gemeinsamen granulierten Urform hervorzugehen, nur ist 
die Scheidung der beiden Entwicklungsrichtungen mehr nach 
rückwärts, schon bis zum Myelozytenstadium verschoben, während 
sie kurz vorher erst in reiferen Zellen mit schon zerschnürtem 
Kern auftrat. Die jungen eosinophilen Myelozyten scheinen vorerst 
noch fast gar nicht selbst zu wuchern und reife eosinophile 
Leukozyten zu erzeugen. Wo sich letztere befinden, entstehen 
sie auf die oben beschriebene Weise direkt durch entsprechende 
Granulaveränderung aus kleinen fein granulierten Zellen. Die 
eosinophilen Myelozyten bleiben also vorläufig als solche liegen ; 
ihre Zahl vergrössert sich allmählich, sodass sie bei einem Meer- 
schweinchenembryo von 68 mm schon recht zahlreich sind und 
sich jetzt durch ihre bedeutende Grösse und die grossen glänzenden 
Körnchen von den pseudoeosinophilen Myelozyten deutlich unter- 
scheiden. Jetzt, am Ende der Embryonalzeit, wird die Scheidung 
zwischen den pseudoeosinophilen und eosinophilen Zellen allmäh- 
lich noch mehr nach rückwärts verschoben und es ist möglich, 
dass die eosinophilen Zellen jetzt schon direkt als solche durch 
Ausarbeitung spezifischer eosinophiler Granula in granulalosen 
Zellen entstehen. Dies bestimmt zu behaupten, ist aber nicht 


60 Alexander Maximow: 


möglich, denn beim Meerschweinchen sind die jungen Ent- 
wicklungsstadien der eosinophilen und pseudoeosinophilen Granulo- 
zyten, wie gesagt, einander äusserst ähnlich und nur schwer zu 
unterscheiden, selbst noch beim neugeborenen Meerschweinchen. 
Es ist also wahrscheinlich, dass hier die gemeinsame granulierte 
Urform besonders lange bestehen bleibt. 

Beim Kaninchen sind die Verhältnisse der eosinophilen 
Zellen im grossen und ganzen denen beim Meerschweinchen sehr 
ähnlich, aber immerhin doch einfacher. Unverkennbare eosino- 
phile Zellen erscheinen hier relativ spät. Bei Embryonen von 
59 mm (23 Tage) finde ich im Mark neben sehr zahlreichen 
pseudoeosinophilen Myelozyten und Leukozyten nur sehr spärliche 
Zellen mit reifem, zwerchsackförmigem Kern und groben, glänzenden 
Körnern, die also durchaus den ersten eosinophilen Zellen des 
Meerschweinchens entsprechen. In den späteren Stadien entstehen 
auch beim Kaninchen allmählich typische eosinophile Myelozyten, 
die z. B. bei einem Embryo von 68 mm schon zahlreich sind. 

Zu dieser Zeit ist es auch möglich, mit gewisser Sicherheit 
die unmittelbare Entstehung von eosinophilen Körnchen in granula- 
losen, Iymphozytoiden Wanderzellen zu konstatieren. Die ersten 
eosinophilen Körnchen sind schon gleich von Anfang an glänzender 
und gröber, als die ersten pseudoeosinophilen; die jüngsten be- 
sitzen zuerst eine deutliche basophile Quote und färben sich 
bläulich, aber nicht metachromatisch, wie die pseudoeosinophilen ; 
in ein und derselben Zelle findet man infolgedessen an EAz- 
Präparaten sowohl rosenrote, als auch bläuliche Granula. Sehr 
oft sind die noch ganz granulaarmen jungen eosinophilen Myelo- 
zyten durch Protoplasmabrücken, Spindelreste, paarweise mit- 
einander verbunden. Die eosinophilen Granula werden meist von 
mittelgrossen Lymphozyten mit besonders blassem bohnenförmigem 
Kern ausgearbeitet, im Gegensatz zu den pseudoeosinophilen, die 
meistens in grossen Lymphozyten auftreten. Die Zellen ver- 
grössern sich aber nachträglich und verwandeln sich später gerade 
in besonders grosse eosinophile Myelozyten. Die beschriebene 
Entstehung eosinophiler Granulozyten aus ungranulierten Stamm- 
zellen entspricht in allen Details derselben Erscheinung, wie sie 
von mir bei der Knochenmarkbildung in der verkalkten Kaninchen- 
niere (31) beobachtet worden ist. Die Scheidung der pseudo- 
eosinophilen und eosinophilen Körnung von dem ungranulierten 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 61 


Zustande der Zelle an wird also beim Kaninchen früher erreicht, 
als beim Meerschweinchen. 

Beim erwachsenen Kaninchen entstehen die eosinophilen 
Zellen auch gleich als selbständige, besondere Zellen aus un- 
granulierten Lymphozyten; dieser Zustand wird übrigens schon 
beim neugeborenen Tier erreicht. Eine gemeinsame gekörnte 
Stammzelle für die pseudoeosinophilen und eosinophilen Granulo- 
zyten kann ich hier, im Gegensatz zu Blumenthal, nicht mehr 
annehmen. 

Bei der Katze sind die eosinophilen Zellen von den Spezial- 
zellen von Anfang an streng geschieden, da die letzteren keine 
distinkte Körnung führen. Sobald wir hier also im embryonalen 
Mark eine azidophil granulierte Zelle erblicken, muss es eine 
eosinophile sein. 

Die ersten azidophil granulierten Zellen finde ich bei Katzen- 
embryonen von 64 mm, zu einer Zeit, wo die Spezialgranulozyten 
schon ziemlich zahlreich sind. Im Gegensatz zu den Befunden 
beim Meerschweinchen und Kaninchen, wo die ersten eosinophilen 
Zellen den Charakter von reifen Leukozyten haben und wo richtige 
Myelozyten erst allmählich entstehen, sieht man hier blasse rote 
Körner immer zuerst im Protoplasma der grossen Lymphozyten 
auftauchen (Fig. 28 emlz). Der Kern dieser zuerst noch sehr 
spärlichen, einzeln zerstreuten Zellen wird dabei besonders blass 
und chromatinarm, in seiner Mitte tritt das Kernkörperchen 
scharf hervor. 

In etwas späteren Stadien, bei Embryonen von 70 mm, sind 
die Myelozyten zahlreicher, aber dafür meistens kleiner — zum 
geringsten Teil infolge Wucherung der ersten grossen Myelozyten, 
zum grössten — infolge Ausarbeitung der Granula in kleineren 
Lymphozytenformen. Die eosinophilen Myelozyten sind jetzt mittel- 
grosse Zellen mit sehr blassem Plasma, welches wechselnde Mengen 
von roten Körnchen enthält und rundlichem, oft seitlich ein- 
gedrücktem und exzentrisch gelegenem, ganz blassem, chromatin- 
armem Kern mit kaum sichtbaren Nukleolen. Die noch sehr 
seltenen Mitosen dieser jungen, granulaarmen eosinophilen Myelo- 
zyten zeichnen sich dadurch aus, dass während des Dyasterstadiums 
im hellblauen, fast homogenen Plasma die roten Körnchen aus- 
schliesslich an den Verbindungsfasern der Spindel angesammelt 
sind. Ausser diesen kleinen Myelozytenformen kommen natürlich, 


62 Alexander Maximow: 


allerdings in geringer Anzahl, auch grössere granulareiche Formen 
vor. Reife polymorphkernige eosinophile Leukozyten erscheinen 
bei der Katze im Knochenmark erst bei einer Körpergrösse von 
72 mm; in den späteren Stadien werden sie allmählich immer 
zahlreicher. 

Bei Ratte und Maus sind die eosinophilen Zellen im all- 
gemeinen ebenso scharf von den Spezialzellen geschieden, wie bei 
der Katze. Sie erscheinen hier im Mark der langen Extremitäten- 
knochen bloss ein wenig später, als die Spezialzellen, nämlich bei 
Embryonen von 29 mm, also auch viel früher, als die ersten 
Erythroblasten. 

Man sieht, wie sich in einigen Iymphozytoiden Wanderzellen 
im blassen, schwach basophilen Plasma feine rote Körnchen an- 
sammeln, zuerst in geringer, später in grösserer Menge (Fig. 29 
und 30 emlz). Der Kern dieser Zellen bleibt mitunter vorerst 
rund und erscheint äusserst blass, fast ganz strukturlos, mit 
einem oder zwei sehr blassen kleinen Nukleolen (Fig. 29 emilz, 
links); oft tritt aber sofort die für Ratte und Maus typische 
Formveränderung des Kernes ein — die Membran stülpt sich ein- 
seitig ein, der Kern reisst in der Mitte durch und verwandelt 
sich in einen blassen, amblychromatischen, unregelmässig ver- 
bogenen Ringkern (Fig. 29 emlz, rechts, Fig. 30 emlz). Später 
entstehen aus solchen Metamyelozyten, wahrscheinlich durch ein- 
faches Reifen ohne Wucherung, die ersten fertigen polymorph- 
kernigen eosinophilen Leukozyten (Fig. 530 eos). 

Es muss zugestanden werden, dass beim ersten Auftreten 
der eosinophilen Körnchen die Zellen auch bei der Ratte nicht 
immer ganz leicht von den Spezialzellen zu unterscheiden sind, 
denn in diesen letzteren ist das azidophile Plasma manchmal 
auch undeutlich und verschwommen granuliert (Fig. 29 und 30 Lkz). 
Sobald sich aber die Körnchen in grösserer Menge ansammeln, 
ist eine Verwechselung nicht mehr möglich. 

Bei etwas älteren Embryonen von etwa 35—38 mm sind 
die eosinophilen Zellen schon zahlreicher und mannigfaltiger. 
Man findet viele granulareiche, blasskernige Myelozyten von dem 
beschriebenen Aussehen, sie bilden sogar die Mehrzahl der eosino- 
philen Zellen; viele von ihnen haben Ringkerne bekommen, wie 
die oben beschriebenen Spezialmyelozyten, nur sind die Ringe 
hier viel plumper (Fig. 33 e). Reife eosinophile Leukozyten mit 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 65 


Ringkern sind auch oft zu finden. Ausserdem dauert die Aus- 
arbeitung eosinophiler Körner auch in verschiedenen Lymphozyten 
fort (Fig. 33 a—d). Die Körnchen können einerseits in grossen 
Lymphozyten mit blassem Plasma auftauchen, andererseits in 
ganz kleinen dunkelkernigen Zellen vom Charakter der kleinen 
Lymphozyten (Fig. 33 a). Der Kern erhält dabei meistens gleich 
eine einseitige trichterförmige Einstülpung, die durchreisst und 
den Kern ringförmig macht. In anderen Fällen entstehen die 
Körnchen in grösseren Wanderzellen (Fig. 33 b) mit hellem 
Plasma und relativ kleinem, dunklem, chromatinreichem Kern, 
welcher dabei sofort hufeisen- oder ringförmig wird. Die Granula 
umgeben dabei die Sphäre und sammeln sich im Falle eines 
Ringkernes in dessen Öffnung an (d). Auch hier sieht man sehr 
oft paarweise zusammenhängende, eben aus einer Mitose hervor- 
gegangene Zellen mit beginnender Granulabildung (c). In den 
körnchenhaltigen Zellen selbst, in den Myelozyten, sind hingegen 
Mitosen in diesen Stadien noch äusserst selten. 


In den Endstadien des Embryonallebens bei der Ratte ent- 
hält das schon sehr zellreiche Knochenmark viele eosinophile 
Myelozyten, zum kleinsten Teil grosse, zum grössten kleine, mit 
blassen, runden, eingestülpten oder ringförmigen Kernen, mit 
zahlreichen oder noch spärlichen eosinophilen Körnchen ; sie sind 
aber immer viel weniger zahlreich, als die Spezialzellen. Reife 
eosinophile Leukozyten mit fertigen Ringkernen sind auch immer 
vorhanden, aber in relativ geringer Anzahl. 

Diese geringe Anzahl der reifen Leukozyten erklärt sich 
durch die äusserste Seltenheit der Mitosen in den eosinophilen 
Myelozyten. Im fetalen Leben werden reife Leukozyten also nur 
in sehr spärlicher Anzahl gebildet und im zirkulierenden Blut 
fehlen sie nach Jolly und Acuna fast vollständig. 


7. Die Entstehung der Mastzellen. 


Die Erforschung der Histogenese der Mastzellen im Knochen- 
mark ist keine leichte Aufgabe, weil die morphologische Natur 
und die histogenetischen Beziehungen dieser Zellen auch im 
erwachsenen Organismus noch nicht vollständig Klargestellt 
sind. Es sind bekanntlich zwei Mastzellenarten zu unterscheiden 
(Maximow [30], Weidenreich [54], Pappenheim [42]), die 


64 Alexander Maximow: 


sogenannten Bindegewebsmastzellen und die Blutmastzellen oder 
Mastleukozyten. Beide Arten von Mastzellen kommen nun, wie 
wir sehen werden, im Knochenmark tatsächlich vor und bei ihrer 
ersten Entstehung im letzteren sind sie nicht immer scharf aus- 
einanderzuhalten. Weiter sind auch die Mastleukozyten selbst 
nach den Untersuchungen von Weidenreich (54) durchaus 
nicht bei allen Tieren gleichwertig. Denn während z. B. beim 
Meerschweinchen ihre Körnung eine richtige, spezifische Granulation 
ist, ebenso wie die eosinophile oder pseudoeosinophile, sind die 
Körnehen der Blutmastzellen beim Menschen bloss der sichtbare 
Ausdruck einer besonderen Degeneration der Lymphozyten. Eine 
grosse Schwierigkeit für das Studium der Mastzellen im Knochen- 
mark beim Kaninchen und Meerschweinchen besteht endlich auch 
darin, dass die jüngsten pseudoeosinophilen Körnchen hier auch 
basophil und metachromatisch färbbar sind. Auch technisch ist 
die Anuffindung der Mastzellen, besonders der ersten Spuren 
ihrer Körnung, nicht so einfach, denn die Substanz der letzteren 
ist bekanntlich wasserlöslich und es dürfen endgültige Schlüsse 
über das Fehlen oder Vorhandensein von Mastzellen nur auf 
Grund von undekalzinierten Alkohol-Thionin-Präparaten gezogen 
werden. 

Bei der Ratte liegen die Verhältnisse in bezug auf die 
Mastzellen in der Beziehung am einfachsten, als hier beim er- 
wachsenen Tier, wie ich es schon früher (30) angegeben habe, 
im Blute Mastzellen wenn überhaupt, so doch nur ausserordentlich 
spärlich vorkommen und auch im Knochenmark Zellen, die als 
entsprechende Myelozyten gedeutet werden könnten, nur in ver- 
schwindend geringer Menge existieren. Dementsprechend sind 
alle Mastzellen, die im embryonalen Knochenmark und zwar schon 
ziemlich früh erscheinen, sämtlich unverkennbare einfache Binde- 
gewebsmastzellen, die ja auch im Mark des erwachsenen Tieres 
sehr zahlreich sind. 

Schon bei Embryonen von 35 mm Länge findet man im 
Kochenmark einzelne spärliche, meist kleine Iymphozytoide Wander- 
zellen, die einen blassen, rundlichen oder bohnenförmigen Kern 
mit sehr undeutlichen Nukleolen und im Protoplasma eine wechselnde 
Anzahl verschieden grosser, zum Teil recht grober basophiler, 
metachromatisch färbbarer Körnchen enthalten (Fig. 42 a, b). 
Viel seltener sind grössere Zellen vom Charakter der grossen 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 65 
Lymphozyten. Alle diese Zellen sehen nun in jeder Beziehung 
den zu gleicher Zeit überall im Bindegewebe entstehenden Ge- 
websmastzellen ähnlich aus, nur fehlen hier die grösseren Formen 
mit vakuolärem Plasma, die im lockeren Bindegewebe so häufig sind. 

In der letzten Periode des embryonalen Lebens und bei 
neugeborenen Tieren wächst die Zahl dieser Zellen fortwährend, 
zum Teil infolge immer neuer Verwandlung granulaloser Zellen 
in Mastzellen, zum Teil infolge selbständiger Wucherung (Fig. 42 e). 
Dieser letztere Umstand scheint mir doch ein schwerwiegender 
Einwand gegen die Lehre zu sein, nach welcher die Körnung 
der Mastzellen immer nur der Ausdruck einer besonderen Degene- 
ration der Zelle sein soll (Pappenheim). 

Polymorphkernige Zellen vom Charakter der reifen granu- 
lierten Leukozyten entstehen aus diesen Zellen nicht; sie bleiben 
ein- und rundkernig, wie alle Gewebsmastzellen. 


Die von mir früher (30) bei der erwachsenen Ratte im Mark 
gefundenen, äusserst spärlichen, anscheinend typischen Mastmyelo- 
zyten mit ganz anders gearteten, viel feineren, basophilen meta- 
chromatischen Körnchen scheinen relativ spät, im ausserembryonalen 
Leben aufzutreten; denn bei neugeborenen Tieren, mit welchen 
ich diese Arbeit schliesse, finde ich sie nicht. In mit Alkohol 
fixierten und mit alkoholischer Thioninlösung gefärbten Deckglas- 
präparaten des Markes neugeborener Ratten sieht man wohl in 
vielen Zellen eine ganz verschwommene, blasse, rotviolette Körnung, 
das scheinen aber sämtlich jugendliche Spezialmyelozyten zu sein. 


Bei der Ratte entstehen also auch im Mark zuerst und 
ausschliesslich nur gewöhnliche Bindegewebsmastzellen durch 
Ausarbeitung der spezifischen Körnchen in Iymphozytoiden Wander- 
zellen. Die Blutmastzellen, die Mastmyelozyten und Mastleukozyten 
entstehen jedenfalls viel später, im extrauterinen Leben, aus der- 
selben Stammzelle, der inditferenten mesenchymatischen Wander- 
zelle, dem Lymphozyt, aber wahrscheinlich gleich als ganz 
besondere Zellart, die mit den Bindegewebsmastzellen nichts 
gemeinsames hat, ausser der gleichen Stammzelle. 

Beim Kaninchen finden wir in bezug auf die Mastzellen 
ganz andere Verhältnisse. Hier sind bekanntlich beim erwachsenen 
Tier die Bindegewebsmastzellen gerade umgekehrt sehr spärlich 


und schwach entwickelt, während im Blute sehr zahlreiche Mast- 
Archiv f.mikr. Anat. Bd. 76. 5) 


66 Alexander Maximow: 


leukozyten zirkulieren, die auch überall im lockeren Bindegewebe 
herumwandern. 


Dementsprechend sehen wir nun, dass beim Kaninchen zuerst 
Zellen gebildet werden, die dem Typus der Mastmyelozyten ent- 
sprechen und zwar geschieht dies in geringem Grade, in Form 
einzeln zerstreuter Exemplare, überall im lockeren Bindegewebe 
des ganzen Körpers; im Knochenmark entstehen dieselben Zellen, 
aber in grösserer Anzahl. In mittelgrossen oder kleinen Iympho- 
zytoiden Wanderzellen treten im Protoplasma zuerst spärliche, 
später zahlreichere, sehr wasserlösliche, basophile metachromatische 
Körnchen auf. Der Kern dieser Zellen wird chromatinarm, ent- 
hält nur sehr kleine oder gar keine Nukleolen. Es sind Mast- 
myelozyten und sie können auch wuchern, denn gelegentlich findet 
man in ihnen Mitosen — die Chromatinfigur stellt an Alkohol- 
Kresyl- oder Alkohol - Thionin - Präparaten einen dunkelblauen 
Klumpen vor, der umgeben ist von einem Häufchen meta- 
chromatischer Körner, während die Grenzen des Zelleibes ganz 
unsichtbar bleiben. 


Wie gesagt, treten ähnliche Mastmyelozyten auch im Binde- 
gewebe, z.B. im Unterhautgewebe in einzelnen Exemplaren auf. Im 
Knochenmark findet man sie z. B. bei Embryonen von 43 —46 mm. 
Sie müssen natürlich überall von den spezialgranulierten Zellen 
unterschieden werden, in welchen die jüngsten Granula auch 
basophil metachromatisch sind. Die pseudoeosinophilen Myelozyten 
sind gewöhnlich grösser und ihre Granula heller gefärbt, als die 
der Mastmyelozyten. Nicht selten wird aber die Unterscheidung 
in der Tat ziemlich schwierig. 

Aus den rundkernigen Mastmyelozyten entstehen in kürzester 
Zeit sowohl im Bindegewebe, als auch im Mark reife Mast- 
leukozyten. Der mit den rotvioletten Körnchen erfüllte Zelleib 
verändert sich nicht, der Kern bekommt aber zahlreiche, ganz 
unregelmässige blasige Vorsprünge an seiner Membran und zieht 
sich schliesslich wurst- oder schlauchförmig in die Länge. Was 
dabei immer auffällt, ist die deutliche diftuse metachromatische 
rotviolette Färbung des Kernsaftes und der Kernmembran selbst. 
Durch diesen Polymorphismus und die metachromatische Färbung 
des Kerns unterscheiden sich solche reifere Mastleukozytenformen 
sehr deutlich von den pseudoeosinophilen Zellen. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 67 


Im lockeren embryonalen Bindegewebe sieht man sehr oft 
solche reife Mastleukozyten mit schlauchförmigem, gebogenem und 
geknicktem, leicht rotviolettem Kern und rotvioletten Körnchen 
im Plasma einzeln umherwandern. Im Knochenmark sind sie 
zahlreicher, aber doch immer spärlich im Vergleich mit den 
pseudoeosinophilen und eosinophilen Zellen — sie bilden niemals 
Gruppen, sondern liegen immer weit voneinander einzeln zwischen 
den anderen Zellformen zerstreut. 


Richtige, gut ausgebildete Bindegewebsmastzellen erscheinen 
beim Kaninchen erst sehr spät, am Schluss des intrauterinen 
Lebens. Zu dieser Zeit werden die beschriebenen Mastmyelozyten 
und Mastleukozyten im Knochenmark zahlreicher, als früher. Die 
Myelozyten bleiben z. T. klein, z. T. sieht man jetzt Anhäufung 
von rotvioletten Mastkörnern auch in grossen Lymphozyten. Im 
Bindegewebe werden die Mastmyelozyten hingegen sehr selten, 
dafür sieht man aber an vielen Stellen, unter der Epidermis, an 
den Haarbälgen usw., viel grössere epitheloide Bindegewebsmast- 
zellen entstehen, mit (nach Alkohol-Thionin) dunkelrotvioletten 
Kernen und feinen, sehr wasserlöslichen Körnchen im breiten 
Protoplasmasaum. Ob diese Bindegewebsmastzellen aus granula- 
losen Wanderzellen neu entstehen oder aus denselben Mast- 
myelozyten, die in frühen Stadien im Bindegewebe nur Mast- 
leukozyten erzeugten, ist schwer zu sagen. Im letzteren Falle 
müsste man für die histogenen und hämatogenen Mastzellen beim 
Kaninchen eine gemeinsame basophil-metachromatisch-granulierte 
Vorstufe annehmen, die aber dann jedenfalls sicherlich doch sehr 
bald verschwindet, denn im extrauterinen Leben sind beim Kaninchen 
irgendwelche genetische Beziehungen zwischen Blut- und Binde- 
gewebsmastzellen bisher nicht nachgewiesen. 


Bei der Katze und dem Meerschweinchen liegen die Mast- 
zellenverhältnisse im Knochenmark ziemlich gleich. Beim er- 
wachsenen Tier sind hier Mastzellen im Bindegewebe zahlreich, 
im Mark sind sie hingegen nicht nachweisbar, wohl aber gibt es 
im Mark Mastmyelozyten und Mastleukozyten, bei der Katze sehr 
spärliche, bei dem Meerschweinchen sehr viele. Bei der letzteren 
Tierart sind die Granula der Mastleukozyten sehr grob, haben 
die Form ovaler Körperchen und färben sich nur sehr blass meta- 
chromatisch (Maximow [30], Weidenreich [54], Jolly). 


HF 


_ 
ww. 


Alexander Maximow: 


Im embryonalen Leben sehen wir nun, dass zuerst, zugleich 
mit dem Auftreten der ersten Mastzellen im lockeren Bindegewebe 
auch im Mark einzelne spärliche Mastzellen auftauchen, die den 
Mastzellen im Bindegewebe ganz ähnlich sind (Katze 72 mm, 
Meerschweinchen 39—40 mm). In einzelnen, spärlich zerstreuten, 
amöboiden Iymphozytoiden Wanderzellen vom kleineren Typus 
werden im Protoplasma basophile metachromatisch färbbare Körn- 
chen ausgearbeitet. Nicht selten tauchen die ersten Granula in 
der Zelle zur Zeit auf, wo sie sich noch nicht ganz abgerundet 
und isoliert hat (Fig. 43 Mtz), also eigentlich in der noch fixen 
embryonalen Mesenchymzelle. In den späteren Stadien vergrössert 
sich die Zahl dieser Mastzellen im Mark, hauptsächlich durch 
Neubildung aus ungranulierten Zellen, z. T., wie die allerdings 
sehr seltenen Mitosen beweisen, durch eigene Wucherung. Diese 
Bindegewebsmastzellen bleiben aber im Knochenmark immer sehr 
spärlich und scheinen schliesslich, vielleicht schon beim neu- 
geborenen Tier, ganz zu verschwinden, denn beim erwachsenen 
Tier findet man sie nicht mehr. 

Dafür entstehen aber bei der Katze und dem Meerschweinchen 
in den späteren embryonalen Stadien (Katze 102 mm, Meer- 
schweinchen 70 mm) im Knochenmark aus den ungranulierten 
indifferenten Iymphozytoiden Wanderzellen ganz neue Zellen — 
Mastmyelozyten. Bei der Katze sind es sehr spärliche, ziemlich 
kleine Wanderzellen mit blassem Kern und schmalem blassen 
Protoplasmasaum, in welchem ziemlich grobe, nach Alkohol-Thionin 
hellrotviolette verschwommene Körner gebildet werden. Von diesen 
Zellen gibt es dann Übergänge zu polymorphkernigen Mastleuko- 
zyten mit derselben Körnung. Beim Meerschweinchen sind es 
zuerst auch sehr spärliche, später (beim neugeborenen Tier) aber 
sehr zahlreiche Lymphozyten, sowohl kleinere oder mittelgrosse 
"Formen, als auch grössere, in deren Protoplasma die spezifischen 
Körnchen auftreten; diese letzteren sind ziemlich grob, zuerst 
rund, später aber ovoid und färben sich mit EAz und nach 
Alkohol-Thionin in einem eigenartigen grauvioletten Ton, welcher 
der gewöhnlichen Färbung der Mastzellengranula gar nicht ähnlich 
ist. Aus solchen Myelozyten, in welchen man beim neugeborenen 
Meerschweinchen ziemlich oft Mitosen findet, entstehen durch 
Einschnürung und Längenwachstum des Kerns reife Mast- 
leukozyten mit vielen groben grauvioletten Körnern im Plasma 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 6 


und polymorphem Kern, wie man sie beim erwachsenen Tier im 
Blute trifft. 

Beim Meerschweinchen tritt also die getrennte Entstehung 
der Bindegewebsmastzellen einer- und der Blutmastzellen anderer- 
seits sehr deutlich hervor und von eimer gemeinsamen, basophil 
granulierten Vorstufe für die einen und die anderen kann keine 
Rede sein. Zuerst entstehen überall im Bindegewebe, auch inı 
Mark, histogene Mastzellen ; später bilden sich diese Bindegewebs- 
mastzellen im Knochenmark zurück oder sie vermehren sich 
wenigstens nicht weiter und treten infolgedessen ganz in den 
Hintergrund. In viel späteren Entwicklungsstadien. am Ende des 
fetalen Lebens, werden aber im Mark auf selbständige Art und 
Weise aus denselben Stammzellen, den Lymphozyten, neue, ganz 
anders beschaffene basophil granulierte Zellen gebildet, die Mast- 
myelozyten und Mastleukozyten. 


8. Die Entstehung der Megakaryozyten. 


Die Entstehung der Megakaryozyten im embryonalen Knochen- 
mark lässt sich bei allen untersuchten Säugetieren mit Leichtigkeit 
verfolgen und verläuft überall in gleicher Weise. 

Die Megakaryozyten erscheinen entweder zugleich mit den 
Erythroblasten (Ratte 33—39 mm) oder etwas später als diese 
(Katze 64 mm, Meerschweinchen 39—40 mm) und überall und 
immer auf dieselbe Art und Weise, die schon von v. d. Stricht (49), 
v. Kostanecki (26), M. Heidenhain (15) u. a. festgestellt 
worden ist — aus den Lymphozyten (den Leukoblasten v.d.Strichts), 
durch Hypertrophie von Plasma und Kern, durch Amitose und 
multipolare Mitose mit nachfolgender Verschmelzung der Tochter- 
kerne, aber ohne Zerschnürung des Zelleibes. 

Dort, wo Megakaryozyten entstehen, sieht man immer zuerst 
typische grosse Lymphozyten mit amöboidem basophilem Proto- 
plasma und grossen, hellen, nukleolenhaltigen Kernen angesammelt 
(Fig. 41 Lmz). Dann beginnt eine starke Hypertrophie des Proto- 
plasmas, welches dabei basophil bleibt und lange, keulenförmig 
angeschwollene Pseudopodien entsendet (Fig. 41 Lmz und Meg). 
Die ersten Veränderungen am Kern sind ausser der starken 
(rössenzunahme und Chromatinvermehrung zahlreiche buckel- 
törmige Vorwölbungen der Membran, die die ganze Oberfläche 


70 Alexander Maximow: 


des Kerns höckerig erscheinen lassen. Die Nukleolen wachsen 
in der ersten Zeit ebenfalls an, während das Chromatin in den 
Knotenpunkten des Lininnetzes in Form von eckigen Teilchen 
angesammelt erscheint. Die Entstehung der Megakaryozyten aus 
den Lymphozyten ist sehr leicht zu beobachten und kann gar 
nicht in Zweifel gezogen werden. Aus diesem Grunde sind mir 
die gegenteiligen Angaben von Schridde (46) und Tommasi (51) 
ganz unverständlich. 

Die Einschnürungen der Kernmembran in den jungen 
Megakaryozyten vertiefen sich oft derart, dass grössere oder 
kleinere Kernteile ganz abgeschnürt werden (Fig. 41 Meg, oben); 
dieser amitotische Prozess, der zur Entstehung mehrerer einzelner 
Kerne von verschiedener Grösse in einer Zelle führt, kommt 
sicherlich vor, so dass die Megakaryozyten, wenigstens die Jüngsten, 
durchaus nieht immer wirklich einkernig sind. 

Andererseits trifft man schon sehr früh pluripolare Mitosen 
in diesen Zellen, wie sie von v.d. Stricht, v. Kostanecki 
und Heidenhain beschrieben worden sind; wahrscheinlich 
werden sie später von der Verschmelzung‘ der Tochterkerne 
gefolgt. Es ist natürlich in einem jeden einzelnen Fall, wenn 
man einen Megakaryozyten mit mehreren Kernen sieht, sehr 
schwierig, bestimmt zu sagen, ob es eine Amitose oder umgekehrt 
der Ausdruck eines sekundären Verschmelzens der Tochterkerne 
nach abgelaufener pluripolarer Mitose ist. Da die Mitosen aber 
in der ersten Zeit doch nur sehr selten vorkommen, die mehr- 
kernigen Megakaryozyten aber ziemlich häufig sind, so ist die 
Möglichkeit einer richtigen Amitose mit Sicherheit anzunehmen. 

In den späteren embryonalen Stadien werden die Megakaryo- 
zyten immer zahlreicher und grösser und sie erreichen dabei 
sehr bald das für den erwachsenen Organismus typische Aussehen. 
Der Kern stellt in dem ausgebildeten Megakaryozyten, wie es 
auch Schridde (46) angibt, durchaus nicht immer eine Hohl- 
kugel mit durchlöcherter Wand vor, wie es beim Kaninchen tat- 
sächlich meistens der Fall ist (M. Heidenhain), sondern er kann 
eine sehr mannigfaltige äussere Form besitzen, in komplizierter 
Weise zerschnürt sein, oft auch rosettenförmig erscheinen (Ratte). 

Die Megakaryozyten sammeln sich bei der Ausbildung des 
kompakten Markgewebes vornehmlich in der Umgebung der 
grösseren Gefässe an. Wenn es dünnwandige Venensinus sind, 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. al 


sieht man die Megakaryozyten dem Endothel von aussen oft 
eng anliegen und es sogar ins Lumen buckelförmig vorwölben. 
Phagozytische Eigenschaften habe ich an den Megakaryozyten 
im embryonalen Mark nicht konstatieren können. 

In den spätesten embryonalen Stadien findet man nicht 
selten auch schon degenerierende Megakaryozyten, wie man sie 
bei den erwachsenen Säugetieren triftt; solche degenerierende 
Megakaryozyten können mitunter mit degenerierenden Osteoklasten 
verwechselt werden. 


9. Die topographische Verteilung der verschiedenen 
Gewebselemente in dem Markraum. 


Wir wir aus der vorhergehenden Schilderung gesehen haben, 
besteht das in den Knorpel eindringende und ihn resorbierende 
Gewebe von Anfang an aus gewöhnlichen embryonalen Bindegewebs- 
zellen, Gefässen, Osteoblasten, Osteoklasten und Iymphozytoiden 
Wanderzellen, Lymphozyten von sehr verschiedenem Aussehen. 
Dieses primäre oder Iymphoide Mark füllt den ganzen Markraum 
aus, der in der Mitte der Diaphyse entsteht, an der Peripherie 
von der periostalen Knochenschale umgeben ist und sich allmählich 
nach den beiden Epiphysen zu ausbreitet. Zuerst ist die Resorptions- 
srenze des Knorpels noch sehr uneben, später sind es zwei ganz 
regelmässige, quergestellte Flächen, die die äusseren Grenzen 
der wachsenden Markhöhle bilden. 

In der Markhöhle bleiben für lange Zeit Reste der ver- 
kalkten Knorpelgrundsubstanz liegen, in Form der bekannten 
Balken und Zwickel mit zernagten Rändern, oft auch ganze insel- 
förmige Gruppen von Knorpelzellen. Sie werden an den einen 
Stellen von den Bindegewebszellen und Osteoklasten resorbiert, 
an anderen werden sie von epithelartig angeordneten Osteoblasten 
umringt, die die junge Knochensubstanz ausarbeiten:; die Knorpel- 
reste werden infolgedessen mit der Zeit von einer immer dickeren 
Knochenschicht umsäumt, die ihrerseits an den einen Stellen 
wieder resorbiert, an den anderen verdickt wird. Die auf solche 
Weise entstehenden Knochenbälkchen mit den Knorpelresten im 
Innern nehmen immer die mittleren, älteren Teile der nunmehr 
schon langen Markhöhle ein, welche jetzt in den grossen 
Extremitätenknochen mehrere Millimeter Länge erreicht (z. B. 


1 Alexander Maximow: 


Katzenembryonen von 70 mm, Meerschweinchenembryonen von 
40—55 mm, Kaninchen 55 mm, Ratte 30 mm); nach den 
Epiphysen zu verdünnen sich die Knochenbälkehen und an der 
Ossifikationslinie sieht man im Markgewebe nur die Knorpel- 
reste liegen. 

Die periostale Knochenmanschette, die ihre grösste Dicke 
bekanntlich in der Mitte der Diaphyse erreicht, besteht aus vielen 
dicht angeordneten Knochenbälkchen ohne Knorpelreste und mit 
viel engeren Zwischenräumen. In diesen letzteren befindet sichı 
das sog. peripherische oder periostale Knochenmark und hier 
verlaufen auch die Gefässe, die vom Periost in das den zentralen 
Markraum erfüllende enchondrale Mark ziehen. 

Die oben ausführlich beschriebenen Blutbildungsprozesse 
beginnen stets in den ältesten Teilen der enchondralen Markhöhle, 
in ihrer Mitte. Von hier aus verbreiten sie sich nach beiden 
Seiten und schreiten nach den Epiphysen zu vor. Das primäre 
Iymphoide Mark verwandelt sich in myeloides, blutbildendes. 

Die verschiedenen aus den Lymphozyten entstehenden Blut- 
zellenarten, die Erythroblasten, Myelozyten und Megakaryozyten 
bilden zuerst kleine, lose Herde und Gruppen zwischen den 
enchondralen Knochenbälkchen, den Gefässen und den locker 
angeordneten, wuchernden, fixen Bindegewebszellen; überall sieht 
man zuerst noch reichliche, helle, amorphe Grundsubstanz. Die 
(Grefässe sind in der ersten Zeit nicht sehr weit und besitzen 
sewöhnliches wucherndes Endothel. 

In den späteren Stadien wuchern die Blutzellen immer mehr 
und mehr und sie nehmen den ganzen freien Raum zwischen 
den Gefässen und den Knochenbälkchen ein und von den fixen 
Bindegewebszellen bleibt nur eine kleine Anzahl übrig, die als 
blasse, unscheinbare Stromazellen zwischen den Blutzellen zerstreut 
liegen und später die Fettzellen liefern. Die amorphe helle 
Grundsubstanz wird ganz verdrängt, das Gewebe wird immer 
zellreicher und massiger. Die Gefässe erweitern sich dabei sehr 
stark und bald erscheint der grössere mittlere Teil der Diaphyse 
von sehr weiten sinusähnlichen Bluträumen mit sehr dünner 
Endothelwand eingenommen, so dass das eigentliche Markgewebe 
nur auf schmale Streifen zwischen den Gefässwänden und den 
Knochenbälkchen reduziert erscheint (Katze 76 mm, Meer- 
schweinchen 46 mm, Kaninchen 55 mm, Ratte 30 mm). Ungefähr 


—I 


© 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 


zur selben Zeit, wo sich die breiten venösen, sinusähnlichen 
Gefässe ausbilden, meist noch etwas früher, sieht man im Knochen- 
mark auch die ersten Arterien auftreten (Ratte 22—23 mm, 
Kaninchen 55 mm, Meerschweinchen 39— 40 mm, Katze 60 mm). 
Die Endothelzellen der betreffenden Gefässe werden saftig, ziehen 
sich stark in die Länge, die ihnen von aussen anliegenden 
embryonalen Bindegewebszellen verwandeln sich in glatte Muskel- 
zellen und lagern sich quer um das (Grefäss herum. 

Am Ende des fetalen Lebens ändert sich diese Verteilung 
wieder, denn die enchondralen Knochenbälkchen werden mit der 
Zeit resorbiert und verschwinden. Die Markhöhle enthält dann 
keinen spongiösen Knochen mehr oder nur geringe Spuren davon 
und erscheint durch und durch von gleichmässig gebautem, 
kompaktem Markgewebe eingenommen, welches jetzt von Venen- 
sinus durchzogen wird, die relativ wieder enger und gleich- 
mässiger erscheinen. An vielen Stellen sieht man durch das 
Gewebe gut ausgebildete Arterien ziehen. 

Trotz der raschen Ausbreitung der Blutbildung von der 
Mitte der Diaphyse nach den beiden Epiphysen hin bleibt aber 
eine mehr oder weniger breite Gewebszone an der Ossifikations- 
linie immer rein Iymphoid; zuerst, wenn die Blutbildung eben 
erst in der Mitte der Diaphyse beginnt, ist diese Zone breit: 
später verschmälert sie sich immer mehr und mehr, da die 
Resorption des Knorpels viel langsamer vor sich geht, als die 
Ausbreitung des Blutbildungsprozesses; ganz eingeholt wird aber 
die Resorptionslinie von der Blutbildungsgrenze bis zum Abschluss 
des Längenwachstums des Knochens nicht, solange zwischen Epi- 
und Diaphyse noch Knorpel existiert. 

Selbst in den spätesten fetalen Stadien können wir infolge- 
dessen in einem langen Extremitätenknochen, in welchem die 
mittleren Teile der Diaphyse schon längst von kompaktem 
Knochenmarkgewebe eingenommen erscheinen, an den enchondralen 
Ossifikationslinien dieselben Entwicklungsprozesse wiederfinden, 
die wir beim ersten Einwuchern des primären Markes in den 
Knorpel beobachtet haben. An der Resorptionstläche des letzteren 
sieht man, wie früher, vordringende und sich in die Knorpel- 
kapseln einfressende Blutkapillaren mit den sie umgebenden 
indifferenten Bindegewebszellen. Hier und weiter nach der 
Diaphyse zu sieht man die fortdauernde Entstehung von Osteo- 


14 Alexander Maximow: 


klasten und von Lymphozyten der verschiedensten Typen aus den 
fixen Bindegewebszellen. Noch weiter nach rückwärts sieht man 
die allmähliche Entstehung der verschiedenen Blutzellenformen, 
der Erythroblasten, Myelozyten und Megakaryozyten aus den 
Lymphozyten; zuerst sind sie noch locker zerstreut, weiter nach 
der Diaphysenmitte zu gehen sie allmählich in das kompakte 
Markgewebe über. In dieser Iymphatischen Grenzzone sieht man 
auch die früheren Knorpelbälkchen und -zwickel und nach der 
Diaphyse zu werden sie in der oben beschriebenen Weise von 
Knochensubstanz umsäumt und in Knochenbälkcehen aufgenommen, 
um schliesslich zusammen mit diesen letzteren in den ältesten 
mittleren Teilen der Markhöhle endgültig resorbiert zu werden. 


Nun noch einige Bemerkungen über das periostale, peripherische 
Mark; es bleibt in bezug auf seine Masse weit hinter dem enchondralen 
Mark zurück, denn es füllt ja nur die Zwischenräume in der 
periostalen Spongiosa aus. Dies Gewebe besitzt zuerst auch alle 
Eigenschaften des Iymphoiden oder primären Markes, es besitzt 
also ausser gewöhnlichen Bindegewebszellen, Osteoklasten und 
Osteoblasten auch Wanderzellen der verschiedensten Art. Diese 
letzteren sind hier aber relativ spärlich — am häufigsten kommen 
hier noch die oben beschriebenen vakuolisierten Wanderzellen vor. 
Wenn die Blutbildung im enchondralen Mark beginnt, bleibt das 
periostale lange Zeit unverändert. Erst sehr allmählich dringt 
der Blutbildungsprozess auch in die periostalen Markräume vor 
und dann sieht man hier aus den Lymphozyten ebenfalls Erythro- 
blasten und Myelozyten entstehen. Hier erreicht diese Blut- 
bildung aber doch immer nur eine sehr geringe Intensität, nur 
bei der Ratte erscheint sie auch im periostalen Knochenmark 
zuletzt ziemlich stark entwickelt. 


10. Über die verschiedenen Markzellen bei neu- 
geborenen Tieren an feucht fixierten Deckglas- 
präparaten. 


Da die bisherigen von Hämatologen ausgeführten Unter- 
suchungen über die Histogenese des Knochenmarkes, wie wir 
gesehen haben, fast ausschliesslich an Deckglaspräparaten aus- 
geführt worden sind, so wird es nützlich sein, wenn ich im vor- 
liegenden Abschnitt in möglichst kurzer Weise die verschiedenen 


1 
Qi 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 


wichtigsten Zellformen beschreibe, die man bei einem neu- 
geborenen Säugetier an einem feucht fixierten Deckglaspräparat 
vom Knochenmark erhält. In den frühen embryonalen Stadien 
ist es natürlich meistens sehr schwierig, oder ganz unmöglich, 
Deckglaspräparate vom Mark herzustellen, da dabei hauptsächlich 
nur das Blut aus den weiten (Greefässen herausgepresst wird. 

Als Beispiel wähle ich das neugeborene Kaninchen. Bei 
allen untersuchten Säugetieren haben aber Deckglaspräparate 
vom Mark neugeborener Exemplare überall ganz entsprechende 
Resultate ergeben. 

In einem Deckglaspräparat vom Femur erblicken wir eine 
grosse Menge der verschiedensten Zellen in buntem Durcheinander. 
Nach dem eingehenden Studium der vorhergehenden Entwicklungs- 
stadien an Schnitten ist es eine Leichtigkeit, sich in denselben 
zurechtzufinden und jeder Zelle den ihr gebührenden Platz in 
der Entwicklungsreihe der Blutzellen zuzuweisen. 

Vor allem lenken unsere Aufmerksamkeit die zahllosen 
ungranulierten Iymphoiden Zellen, die Lymphozyten, auf sich 
(Fig. 44a—p). So wie diese Zellen gleich bei ihrer ersten Ent- 
stehung im Iymphoiden, primären Mark äusserst polymorph und 
verschieden waren, so ist es auch jetzt geblieben. Im feucht 
tixierten Deckglaspräparat, wo die zytologischen Strukturen noch 
besser konserviert erscheinen, als an Schnittpräparaten, ist es 
sogar möglich, eine noch grössere Mannigfaltigkeit in der inneren 
Struktur und der äusseren Form der Lymphozyten zu bemerken.') 

Es fallen zuerst die ganz grossen Lymphozyten in die 
Augen (Fig. 44n, 0). Ihr Kern kann fast regelmässig kugelig. 
oval, bohnenförmig, oder auch unregelmässig eingeschnürt sein. 
In seinem Inneren sieht man ausser einem oder mehreren Kern- 
körperchen feine eckige Chromatinteilchen im hellen Liningerüst 
liegen und eine ziemlich grosse Menge Kernsaft, weshalb der 
Kern in diesen grossen Formen der Lymphozyten in den meisten 
Fällen hell, oft sogar sehr blass erscheint. Das Protoplasma hat 
einen sehr wechselnden Grad von Basophilie; es kann dunkel 


!‘) Als Besonderheit der mit ZF feucht fixierten und mit E Az gefärbten 
Deckglaspräparate muss notiert werden, dass das Chromatin hier in allen 
Zellkernen einen violetten Ton bekommt, während die Nukleolen im Gegen- 
teil bläulich erscheinen. Das basophile Protoplasma erhält eine rein himmel- 
blaue, dunklere oder hellere Färbung. 


76 Alexander Maximow: 


sein und enthält dann meist helle Vakuolen (n) oder es ist fast 
ganz homogen und blass (0). Die Mitosen dieser Lymphozyten 
sind sehr charakteristisch — die Gruppe der plumpen dunklen 
Chromosomen liegt in einem fast homogenen, hellblauen Zelleib (p). 

Von diesen ganz grossen Lymphozyten gibt es alle möglichen 
Übergänge zu kleineren Zellen, die entweder qualitativ ganz den 
ersteren ähnlich sind, oder sich durch gewisse Verschiedenheiten 
auszeichnen (—m). Der Kern kann sehr unregelmässig ein- 
geschnürt sein (f, g, h) und enthält oft viei mehr Chromatin, 
so dass er sehr dunkel erscheint, während die Nukleolen undeutlich 
werden (f, 1). Die Chromatinteilchen im Kern können auch eine 
sehr verschiedene Grösse und eine mehr oder weniger regel- 
mässige Verteilung aufweisen. In anderen Fällen bleibt der Kern 
dieser kleineren, mittelgrossen Lymphozyten, im (Gregenteil, auffallend 
blass und chromatinarm (k, l, m). Auch in diesen mittelgrossen 
Lymphozyten kommen unzweifelhafte Mitosen vor. 

Von den mittelgrossen Formen gibt es weiter alle Über- 
gänge zu kleinen Zellen, die ganz und gar dem Typus der kleinen 
Lymphozyten entsprechen. Sie haben sehr spärliches, schmales, 
hellblaues Plasma und einen meist sehr dunklen, chromatin- 
reichen, oft aber auch helleren Kern ohne deutlich sichtbare 
Nukleolen (a—e). Die Form des Kernes ist nur selten rund 
oder rundlich (a, b), viel häufiger bildet die Kernmembran tiefe 
Einschnürungen, so dass der Kern einen ziemlich hohen Grad 
von Polymorphie erreichen kann (ec, d, e). In den beschriebenen 
kleinen Lymphozyten sind Mitosen mit Sicherheit nicht nach- 
zuweisen. 

Es erhellt aus der angeführten Beschreibung, dass beim 
neugeborenen Kaninchen im Knochenmark sehr zahlreiche Zellen 
existieren, die histologisch nicht anders als „Lymphozyten“ 
genannt werden können, in dem Sinne, wie Weidenreich (57) 
und ich diese Benennung für alle ungranulierten, amöboiden, ein- 
kernigen Zeilen des Blutes, der Lymphe und des Bindegewebes 
gebrauchen. Diese Zellen sind hier, ebenso wie im Blute, in der 
Lymphe, in den serösen Höhlen, im Bindegewebe (Maximow, 
Weidenreich) sehr polymorph, es gibt grosse, mittlere und 
kleine Formen von ganz verschiedenem Aussehen. Und trotz alle- 
dem fehlt jeder Grund für eine strenge Scheidung dieser Formen 
als einzelner, phylogenetisch selbständiger Zellarten. Alle Formen 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 17 


sind durch fliessende Übergänge mit einander verbunden. Die 
kleinen entstehen aus den grossen durch Wucherung, umgekehrt 
können die grossen aus den kleinen wieder durch Hypertrophie, 
Vergrösserung von Kern und Protoplasma entstehen. Alle diese 
Formen sind also bloss funktionelle, vorübergehende Erscheinungs- 
zustände einer einzigen Zellart, der Lymphozyten. 

Diese ungranulierten Zellen, die Lymphozyten, stellen im 
Knochenmark den Ausgangspunkt aller Entwicklungsrichtungen 
ler Hämatopoese vor. Sehen wir uns vor allem die Entwicklungs- 
reihe der Hämoglobinzellen näher an. 

Aus den Lymphozyten, und zwar aus ihren grösseren Formen, 
entstehen durch differenzierende Wucherung zunächst Zellen, die 
den Lymphozytencharakter im allgemeinen noch beibehalten, 
aber schon typische neue Merkmale erlangen (Fig. 47 a, b). 
Der Zellenumfang wird etwas kleiner, das Protoplasma verliert 
die Fähigkeit zur amöboiden Bewegung, es nimmt ferner am 
Deckglaspräparat zunächst eine immer dunklere blaue Färbung 
an, der Kern wird regelmässig rund, verliert die Einkerbungen 
der Membran, in seinem Inneren bildet das Chromatin ein immer 
dichteres (Grerüst aus eckigen, in regelmässigen Abständen von- 
einander gelagerten Chromatinteilchen. Die Nukleolen sind zuerst 
noch deutlich zu unterscheiden. Diese Zellen stellen nichts anderes 
vor, als die oben an Schnittpräparaten ausführlich beschriebenen 
jüngsten Megaloblasten (Fig. 34 und 40 Mlb). Merkwürdig ist, 
dass die an den Deckglaspräparaten für die erythroblastische 
Entwicklungsrichtung so ausserordentlich typische temporäre starke 
Zunahme der Protoplasmabasophilie an Sehnittpräparaten gar 
nicht hervortritt. Solche stark basophile, noch hämoglobinlose 
Erythroblasten mit schmalem Protoplasmarand sind bereits (und 
serade an Deckglaspräparaten) von manchen Autoren gesehen 
und richtig erkannt worden, so z. B. von Pappenheim (39). 

Die Mitosen der beschriebenen stark basophilen Zellen sind 
sehr zahlreich vorhanden ; während des Teilungsprozesses färbt 
sich das Protoplasma wieder bedeutend heller (Fig. 47 ce). 

In den weiteren Generationen bekommt man typische ältere 
Megaloblasten, runde Zellen mit ganz schmalem, homogenem, 
noch immer tiefblau gefärbtem Protoplasmasaum ; die äusserst 
starke Basophilie des letzteren verdeckt die wahrscheinlich schon 
zu dieser Zeit sich ansammelnden ersten Hämoglobinspuren 


” 


Alexander Maximow: 


[@ e) 


(Fig. 47 d). Der Kern besitzt jetzt keine deutlichen Nukleolen 
mehr und enthält ein sehr regelmässiges Gitterwerk aus eckigen, 
miteinander verbundenen Chromatinteilchen; die scheinbar sehr 
dunkle Färbung des Kerns hängt wahrscheinlich in Wirklichkeit 
zum grössten Teil von der sehr dunklen Färbung des umhüllen- 
den Protoplasmas ab. 


Bei der weiteren Wucherung wird der Umfang der Zellen 
immer kleiner, die Basophilie des Protoplasmas verschwindet 
rasch und an Stelle der tiefblauen Färbung tritt zuerst die violette 
(Fig. 47 e, f), dann die mehr oder weniger rein rote Färbung 
des homogenen hämoglobinhaltigen Protoplasmas. Der Kern wird 
auch kleiner, seine Struktur wird immer dichter, seine Färbung 
dunkler. 

Man bekommt schliesslich die bekannten reifen Normo- 
blasten (g) mit pyknotischem, nicht mehr wucherungsfähigem, 
sehr oft unregelmässig eingeschnürtem Kern, der dann ausgestossen 
wird (h). Auch an Deckglaspräparaten findet man nirgends und 
niemals Beweise für die angebliche „intrazelluläre Kernauflösung“. 
Zerfall des pyknotischen Kernes in Stückchen noch in der Zelle 
selbst kommt wohl hin und wieder vor, wie ich es schon oben 
notiert habe, aber das ist auch eine sehr seltene Erscheinung 
und sie beweist nichts weiter, als den schon von mir (31, 32). 
Weidenreich (52, 55) und Jolly (25) behaupteten Satz, dass 
der pyknotische Kern des Normoblasten zuerst degeneriert, dabei 
mitunter in Stücke zerfallen kann und erst dann ausgestossen wird. 


Bei der Ratte und dem Meerschweinchen findet man im 
den reifen Normoblasten neben dem pyknotischen Kern ein ganz 
winziges, dunkelblau gefärbtes Körperchen, meist in der Form 
eines Doppelkörnchens; seine Färbung gelingt aus unbekannten 
Gründen nicht immer, wenn sie aber gelingt, erscheinen alle 
Zellen mit diesem Gebilde versehen. Wenn der Kern dann aus- 
gestossen wird, bleibt in dem kernlosen Erythrozyt das Körperchen 
unverändert liegen. 

Diese Körperchen entsprechen wohl den besonders von 
Weidenreich (55) ausführlich beschriebenen, als Kernreste 
gedeuteten Gebilden in den Erythrozyten, die er „Chromatin- 
stäubehen“ nennt. Ihre morphologische Bedeutung sollte aber 
noch genauer erforscht werden. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 79 


Die Entwicklungsreihe der Spezialgranulozyten beginnt beim 
neugeborenen Kaninchen mit Zellen, die in ihrem Protoplasma. 
als gemeinsames, notwendiges Merkmal, spärliche, feine, pseudo- 
eosinophile Körnchen enthalten (Promyelozyten nach der Termino- 
logie von Pappenheim). Nun sind aber diese Zellen in allen 
anderen Beziehungen ausserordentlich verschieden (Fig. 45 a—h). 
Diese Verschiedenheiten sind leicht erklärlich. Die Spezialzellen 
entstehen, wie wir es schon oben gesehen haben, durch Aus- 
arbeitung spezifischer Körnchen im Protoplasma der Lymphozyten. 
Da nun diese letzteren selbst äusserst polymorph, dabei aber alle 
gleichwertig sind, kann naturgemäss auch die Spezialkörnung in 
allen möglichen Lymphozytenformen auftreten und so bekommen 
wir die grosse Mannigfaltigkeit der jungen Myelozyten. 

Am häufigsten treten die ersten Spuren der pseudoeosino- 
philen Körnung in den grossen und mittelgrossen Lymphozyten 
mit schwach basophilem, hellem, himmelblauem Plasma auf 
(Fig. 45 b, ec, d, f). Seltener geschieht dies in den Lymphozyten 
mit sehr dunklem Protoplasma und oft auch sehr dunklem Kern (h). 
Noch seltener sind Zellen, wie die unter g abgebildete. Die 
Lokalisation der ersten Körnchen im Zelleib ist sehr verschieden: 
bald liegen sie hart an der Peripherie der Zelle, bald, und das 
ist das häufigste, umgeben sie die Sphäre in einem zuerst losen, 
später immer dichteren und dichteren Haufen (d). Der Kern 
bewahrt zuerst seinen Lymphozytencharakter (b, d). Später aber, 
im reiferen Myelozyten mit schon zahlreichen Körnchen erlangt 
er das für diese Zellen typische Aussehen — blasses Liningerüst 
mit spärlichen, unregelmässig zerstreuten Chromatinteilchen und 
ein oder mehrere Kernkörperchen von verschiedener Grösse (f, 1). 
Nicht selten findet man jetzt auch Mitosen in Zellen, die noch 
spärliche Körnchen enthalten (e), ferner Mitosen in ausgebildeten 
Myelozyten. 

Während beim Embryo in den frühesten Stadien die Spezial- 
zellen zum grössten Teil auf abgekürztem Wege, ohne Myelo- 
zytenstadium, direkt aus kleinen Iymphoiden Zellen entstehen, 
ist dies beim neugeborenen Tier nur mehr selten der Fall. Aber 
auch jetzt findet man hin und wieder Zellen, die man für nichts 
anderes halten kann, als für kleine Lymphozyten, in deren etwas 
verbreitertem Protoplasmasaum die ersten Spuren der pseudo- 
eosinophilen Körnung auftreten (ä). 


Ss0 Alexander Maximow: 


Die weitere Entwicklung der pseudoeosinophilen Myelozyten 
zu reifen Leukozyten brauche ich nicht zu beschreiben, weil sie 
allgemein bekannt ist. 

Was die Entstehung der eosinophilen Leukozyten betrifft. 
so findet man beim neugeborenen Kaninchen meistens schon 
grosse, granulareiche Myelozyten (Fig. 46.d, e); die Körner sind 
grob, oft ovoid oder stäbchenförmig, glänzend und hellrot ge- 
färbt. Von diesen groben eosinophilen Körnchen sind aber 
einige oft doch noch deutlich blau gefärbt (d), also unreif. Der 
Kern der eosinophilen Myelozyten enthält meistens keine deut- 
lichen Nukleolen und ist entweder rund (e) oder tief einge- 
schnürt (d); gelegentlich, wenn auch selten, findet man Mitosen 
in diesen Zellen. 

Eosinophile Zellen mit beginnender Granulaanhäufung sind 
jetzt selten, man findet sie aber doch. Von einer mit den Spezial- 
sranulozyten gemeinsamen granulierten Vorstufe, deren Möglich- 
keit für das embryonale Leben ich oben bewiesen zu haben 
glaube, ist aber jetzt nichts mehr zu finden. Wo eosinophile 
Zellen aus anders gearteten neu entstehen, sieht man überall 
zuerst ungranulierte Zellen, mittelgrosse Lymphozyten, mit ge- 
wöhnlichem nukleolenhaltigem Kern und blassem Plasma (Fig. 46 a): 
im letzteren erscheinen sofort von den pseudoeosinophilen Körnchen 
leicht zu unterscheidende, gröbere, zuerst noch deutlich basophile, 
grauviolette, glänzende Körnchen, die sich später vergrössern, zahl- 
reicher werden, einen immer deutlicheren roten Ton annehmen und 
sich in richtige eosinophile Körner verwandeln, während der Kern 
ebenfalls wächst, die Nukleolen verliert und vorübergehend einen 
höheren oder geringeren Grad von Polymorphie erlangen kann. 
Aus diesen in Fig. 46 unter b und ce abgebildeten Zellen ent- 
wickeln sich dann die ganz grossen eosinophilen Myelozyten, aus 
diesen aber weiter auf bekanntem Wege die reifen eosinophilen 
Leukozyten. Direkte Entstehung reifer eosinophiler Leukozyten 
aus kleinen Iymphoiden Zellen mit beginnender Granulaanhäufung 
lässt sich nicht mehr beobachten. 

Was zum Schluss die Mastmyelozyten und Mastleukozyten 
anbelangt, so sieht man jetzt meistens schon granulareiche, 
amöboide Mastmyelozyten mit kleinem rundem Kern (Fig. 48 b). 
Auch Mitosen kann man in ihnen zuweilen finden. Diese Myelo- 
zyten verwandeln sich in die bekannten reifen granulareichen 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. sl 


polymorphkernigen Mastleukozyten des Kaninchens (ec). Neubildung 
von Mastmyelozyten aus ungranulierten Zellen ist auch vorhanden, 
aber man findet sie nur mehr selten. Es sind dann entweder 
mittelgrosse oder grosse Lymphozyten (a), in deren Protoplasma 
zuerst spärliche, einzelne, später immer zahlreichere basophile 
metachromatische Körner auftreten. 

Es wäre zum Schluss noch zu erwähnen, dass man im 
Deckglaspräparat vom Knochenmark ausser den beschriebenen 
Zellarten immer noch Megakaryozyten, Osteoklasten, Osteoblasten, 
seltene Stromazellen und in wechselnder Anzahl auch Phagozyten 
findet; letztere stellen Stromazellen vor, die in ihrem Protoplasma 
zahlreiche verschlungene und mehr oder weniger veränderte 
nackte Normoblastenkerne enthalten. 


11. Schluss. 


In dem vorliegenden Schlussabschnitt wird es zweckmässig 
sein, zunächst die objektiven Resultate meiner Untersuchungen 
über die Histogenese des embryonalen Knochenmarks kurz zu 
resümieren und weiter daran einige Erörterungen von allgemein- 
hämatologischer Bedeutung anzuknüpfen. 


In den knorpelig vorgebildeten langen Extremitätenknochen 
nimmt die Knochenmarkbildung ihren Ausgang von dem Peri- 
chondrium, welches aus indifferenten, embryonalen, eng aneinander 
geschmiegten Zellen mit länglichen Kernen und aus Blutgefässen 
besteht. Die Zellen dieser Keimschicht verwandeln sich zunächst 
z. T. in Osteoblasten und bilden in der Mitte der Diaphyse eine 
periostale spongiöse Knochenschale, die übrigen dringen durch 
die Öffnungen des periostalen Knochens hindurch in den ver- 
kalkten Knorpel ein. Der letztere wird resorbiert und es ent- 
steht die primäre Markhöhle, welche von lockerem, zell- und 
gefässreichem embryonalem Bindegewebe eingenommen wird. Die 
Knorpelzellen gehen dabei in der Regel zugrunde. Es ist aber die 
Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass einige von ihnen am Anfang 
der Resorption aus den Kapseln zu einer Zeit befreit werden, 
wo sie der Degeneration noch nicht verfallen sind. In diesem 
Falle scheinen sie am Leben zu bleiben, sogar zu wuchern und 
können sich vielleicht wieder in gewöhnliche embryonale Binde- 


gewebszellen zurückverwandeln. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 6 


[0 6) 
DD 


Alexander Maximow: 


Die Zellen des embryonalen Bindegewebes, welches die 
Markhöhle erfüllt, sind vollkommen indifferent; ein Teil von 
ihnen verwandelt sich in Osteoblasten, die die Reste der ver- 
kalkten Knorpelsubstanz mit Knochen umsäumen, ein anderer 
erzeugt durch gruppenweise Verschmelzung (ohne Kernteilung) 
mehrkernige Osteoklasten. Ausserdem entstehen aber schon beim 
ersten Anfang der Resorption des Knorpels, noch mehr in den 
späteren Stadien, aus den embryonalen Bindegewebszellen durch 
Abrundung und Isolierung zahlreiche indifferente Iymphozytoide 
Wanderzellen von sehr verschiedenem Aussehen, Lymphozyten, 
wie sie zu derselben Zeit überall im Bindegewebe des Embryo- 
körpers vorkommen. Ein Teil von ihnen hat das Aussehen von 
grossen Lymphozyten, ein anderer von kleinen Lymphozyten, die 
dritten stellen amöboide Wanderzellen mit gefaltetem Kern 
vor usw. Trotz dieser histologischen Verschiedenheiten sind alle 
diese Zellen in gleicher Weise indifferent, alle gleichwertig, alle 
mit derselben sehr reichhaltigen prospektiven Entwicklungspotenz 
ausgestattet und es existieren zwischen allen ihren histologischen 
Formen tliessende Übergänge. In allen Wanderzellen findet man, 
ebenso wie in den fixen Bindegewebszellen, Mitosen. 

Dies embryonale gefässreiche Bindegewebe, welches die 
primäre Markhöhle erfüllt und den verkalkten Knorpel immer 
weiter resorbiert, das „primäre Knochenmark“, enthält also von 
Anfang an in loco entstandene Lymphozyten. Es kann folglich 
mit Pappenheim als „Ivmphoides Mark“ bezeichnet werden. 
Dies ist tatsächlich die primitive, ursprüngliche Form eines jeden 
Knochenmarks, überhaupt eines jeden blutbildenden Gewebes. 
Auch in den Schädelknochen fand ich in den Markräumen der 
jungen Spongiosa zuerst ein ganz ähnliches embryonales gefäss- 
reiches Bindegewebe mit Lymphozyten, wie in den langen Extre- 
mitätenknochen. 

Im primitiven Ivmphoiden Zustande bleibt das embryonale 
Knochenmark nur sehr kurze Zeit. Die Neubildung von Lympho- 
zyten aus den fixen Zellen dauert noch lange fort, aber es be- 
ginnt bald die eigentliche Blutbildung, und zwar geschieht dies 
im Gegensatz zu den Vögeln (Dantschakoff) extravaskulär. 
im Gewebe. Das Mark bekommt nun myeloiden Charakter. Bei 
den meisten untersuchten Säugetieren erscheinen zugleich Erythro- 
blasten und Spezialgranulozyten. bald nachher auch eosinophile 


ıQ 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 55 


Granulozyten, Megakaryozyten und schliesslich auch Mastgranulo- 
zyten. Nur bei Ratte und Maus beginnt die Blutbildung mit 
der Bildung von Spezialgranulozyten und eosinophilen Zellen, 
während die Erythroblasten erst erheblich später erscheinen. 

Alle die verschiedenen Blutzellenarten, sowohl die Erythro- 
blasten, als auch die verschiedenen Granulozyten, entstehen aus 
denselben indifferenten Iymphoiden Wanderzellen, den Lympho- 
zyten, durch differenzierende Wucherung und Entwicklung in 
verschiedenen Richtungen. In den Lymphozyten wurzeln also 
sämtliche Blutzellenstämme. Sie sind die für alle Blutzellenarten 
gemeinsame Stammform, in derselben Weise, wie ich es schon 
früher auch für die embryonale Blutbildung an anderen Stellen, 
im Dottersack, im Körpermesenchym, in der Leber nach- 
gewiesen habe. 

Die gewöhnlichen fixen Bindegewebszellen, die zur Lympho- 
zytenbildung nicht verbraucht werden, liefern das Stützgewebe, 
das Stroma des Knochenmarks. Sie bleiben mit den Osteoblasten 
und den (Greefässwandzellen in enger Verbindung; auch die Osteo- 
klasten scheinen ihnen sehr nahe zu stehen, denn ein Teil dieser 
Riesenzellen kann sich später wieder in einzelne Zellen auflösen, 
die sich dem Stützgewebe einfügen. 

Bei der Entwicklung zu hämoglobinhaltigen Zellen nehmen 
die Wanderzellen stets zuerst das Aussehen grosser Lymphozyten 
an; diese wuchern und erzeugen Megaloblasten mit noch stark 
basophilem Plasma, in welchem erst sehr allmählich das Hämo- 
globin ausgearbeitet wird, während der Kern die für die Erythro- 
blasten typische Chromatinanordnung schon frühzeitig erhält. 
Die Megaloblasten wuchern weiter, es entstehen dabei kleinere 
Zellen mit immer dunkleren Kernen und hämoglobinreicherem 
Plasma und schliesslich bekommt man typische Normoblasten, 
deren Kern der Pyknose verfällt und in degeneriertem Zustande 
ausgestossen wird. Intrazelluläre Kernauflösung liess sich auch 
im Knochenmark, ebenso wie in den anderen blutbildenden 
Organen, nicht nachweisen. Die ausgestossenen Kerne werden 
von den fixen Bindegewebszellen (den Stromazellen des Knochen- 
marks), zuweilen auch von den Blutgefässendothelien gefressen. 

Die ersten Spuren der Spezialkörnung tauchen in den ver- 
schiedensten Lymphozytenarten auf, den grössten und den kleinsten, 
auch in den Iymphoiden Wanderzellen von „histogenem“ Typus. 

6* 


S4t Alexander Maximow: 


Alle diese Zellen sind eben gleichwertig. Am Anfang entstehen 
mit Vorliebe sofort granulareiche kleine polymorphkernige Zellen 
von reiferem Charakter, primitive, noch unvollkommene Spezial- 
leukozyten, durch direkte Verwandlung der kleinen Lymphozyten- 
formen, wobei das Myelozytenstadium übersprungen wird, ebenso 
wie es nach Dantschakoff auch im Knochenmark der Vögel 
am Anfang geschieht. Später werden die typischen grossen blass- 
kernigen Mvelozyten zahlreicher, aus denen die reifen Leukozyten 
dann durch den bekannten Vorgang der Wucherung mit pro- 
gressiver Kernpolymorphose entstehen. 

Die eosinophilen Granulozyten entstehen bei Katze und Ratte 
zugleich mit den Spezialgranulozyten, ebenfalls aus den Lympho- 
zyten, durch Ausarbeitung der spezifischen eosinophilen Körnchen 
im Plasma. Beim Kaninchen und Meerschweinchen erscheinen sie 
hingegen später, als die pseudoeosinophilen Spezialzellen und hier 
ist es möglich, besonders beim Meerschweinchen, dass für die 
beiden Granulozytenarten zuerst eine gemeinsame granulierte 
Vorstufe gebildet wird, die sich jedoch dem Aussehen nach mehr 
dem Typus der Spezialgranulozyten nähert und von der später 
die eosinophilen Zellen gewissermassen abgespalten werden. Doch 
bleibt auch beim Meerschweinchen diese gemeinsame granulierte 
Vorstufe, wenn sie überhaupt existiert, nur kurze Zeit, nur 
während der frühen Periode der Markentwieklung bestehen und 
später sieht man auch hier die eosinophilen Zellen, ebenso wie 
die pseudoeosinophilen, selbständig aus derselben gemeinsamen 
ungranulierten Stammzelle, dem Lymphozyt, durch allmähliche 
Ausarbeitung von eosinophilen Körnchen entstehen. 

Bei allen untersuchten Säugetieren, ausser dem Kaninchen, 
findet man im embryonalen Knochenmark sowohl „histogene“, 
als auch „hämatogene“ Mastzellen. Die ersten erscheinen früher, 
entstehen aus den Iymphoiden Wanderzellen und sehen in jeder 
Beziehung den Mastzellen des Bindegewebes ähnlich; bei der 
vatte bleiben sie im Mark auch beim erwachsenen Tier in 
grosser Anzahl, bei Katze und Meerschweinchen verschwinden 
sie später. Die Blutmastzellen entstehen im Mark ebenfalls aus 
den Lymphozyten durch allmähliche Granulaausarbeitung, aber 
später, und, wie es scheint, als ganz besondere Zellart, die zu 
den Bindegewebsmastzellen keine Beziehungen offenbart, ausser der 
gemeinsamen ungranulierten Stammzelle. Bei der Ratte und der 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 85 


Katze sind die Blutmastzellen sehr selten, beim Meerschweinchen 
zahlreich und hier erscheinen sie zum Teil als Mastmyelozyten, 
zum Teil gleich als reife Mastleukozyten. 

Beim Kaninchen entstehen im Knochenmark, ebenso wie 
überall im Bindegewebe, schon sehr früh basophil-metachromatisch 
eranulierte Zellen, wie immer aus den Lymphozyten, durch Aus- 
arbeitung spezifischer Granula; sie müssen als Mastmyelozyten 
angesehen werden, da sie sich in polymorphkernige Mastleukozyten 
verwandeln. Im Knochenmark bleibt die Produktion dieser Zellen 
für immer lokalisiert. Im Bindegewebe geht sie zurück, hier 
entstehen aber dafür in den letzten Stadien des embryonalen 
Lebens die beim Kaninchen immer sehr spärlichen Bindegewebs- 
mastzellen. 

Die Megakaryozyten entstehen ungefähr zu gleicher Zeit 
wie die Erythroblasten, ebenfalls aus den Lymphozyten, wobei 
Kern und Protoplasma hypertrophieren und am ersteren sich die 
bekannten amitotischen und multipolar-mitotischen Prozesse ab- 
spielen. 

Die verschiedenen im Knochenmarkgewebe entstehenden 
Blutzellenarten, die Erythrozyten, die Lymphozyten, die granulierten 
Leukozyten müssen schliesslich in die Blutbahn, in die Gefässe 
gelangen. Insofern es sich dabei um bewegliche Zellen handelt, 
also um Lymphozyten oder granulierte Leukozyten, geschieht 
dies hauptsächlich durch aktive Permigration durch die dünne 
(refässwand. In allen Entwicklungsstadien findet man sehr schöne 
Permigrationsbilder, besonders für die Lymphozyten. Was die 
Erythrozyten betrifft, so gelangen sie ins zirkulierende Blut 
infolge einer eigentümlichen Auflockerung des (refässendothels an 
den Stellen, wo Erythrozyten im Gewebe entstehen. Durch die 
Öffnungen in der Endothelwand werden die reifen Erythrozyten, 
zum Teil auch die Normoblasten, vom Blute weggespült, später 
schliesst sich der Defekt in der Endothelwand wieder. 


Die bei der Untersuchung der Histogenese des Knochen- 
marks bei Säugetieren erhaltenen Resultate bestätigen also wieder 
einmal die monophyletische Theorie der Hämatopoese. Auch im 
Knochenmark treten zu allererst indifferente Wanderzellen auf, 
Lymphozyten. Sie entstehen aus den gewöhnlichen embryonalen 


s6 Alexander Maximow: 


indifferenten Bindegewebszellen durch Abrundung und Mobilisierung; 
histologisch können sie sehr verschieden aussehen, in bezug auf 
die prospektive Entwicklungspotenz aber sind sie alle gleichwertig. 
Aus ihnen entstehen durch differenzierende progressive Entwicklung 
in verschiedenen Richtungen alle anderen Blutzellenformen, die 
Erythroblasten, die verschiedenen Granulozyten, dieMegakaryozyten. 

Die Vorstellung von dem Begriff „Lymphozyt“, von seinen 
morphologischen und histogenetischen Eigenschaften, die ich 
mir auf Grund der in der vorliegenden Arbeit geschilderten, 
am Knochenmark gewonnenen Resultate und meiner früheren 
hämatologischen Arbeiten gebildet habe, erfreut sich vorläufig 
keiner besonderen Zustimmung von seiten der Hämatologen von 
Fach, der Kliniker und Pathologen. Ich halte es für überflüssig, 
hier am Schluss der Arbeit mich noch in eine längere Diskussion 
über die verschiedenen in der Literatur vorhandenen Meinungs- 
differenzen einzulassen. Gründliche und erschöpfende Literatur- 
übersichten in dieser und verwandten hämatologischen Fragen 
findet man jetzt an vielen Stellen, so in den Folia hämatologica, 
in dem neuen Atlas von Pappenheim (42) usw. Ich konstatiere 
hier bloss, dass einer der gründlichsten Kenner des Blutes und 
Bindegewebes unter den normalen Anatomen, Weidenreich, 
auf Grund seiner zahlreichen eingehenden Arbeiten zu Schlüssen 
gelangt ist, die mit den meinigen vollständig harmonieren. Auch 
Dominicis (11, 12, 13) Standpunkt deckt sich in den meisten 
Beziehungen mit dem meinigen. Die neuesten Untersuchungen 
von Dantschakoff (6, 7, 8) haben für eine andere Wirbeltier- 
klasse, die Vögel, ebenfalls ganz analoge Resultate ergeben. 

Die Anschauungsweise von Weidenreich und von mir 
unterscheidet sich meiner Meinung nach von der Anschauung der 
meisten heutigen Hämatologen hauptsächlich dadurch, dass wir 
sowohl zwischen den verschiedenen Blutzellenformen überhaupt, 
als auch speziell zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen 
der Lymphozyten keine so scharfen, bis zu den ursprünglichsten 
Entwicklungsformen dieser Elemente reichenden Grenzen ziehen, 
keine besonderen. phylogenetisch von Anfang an streng ge- 
sonderten, sich nur selbständig entwickelnden und alternden 
Zellstämme ausschliesslich auf Grund von relativ unwichtigen 
Merkmalen, wie Form der Kerne, Nukleolenzahl, Breite des 
Protoplasmasaumes, Grad seiner Basophilie, Farbenton der Granula 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 87 


usw. annehmen. Sowohl meine eigenen, als auch Weidenreichs 
Untersuchungen scheinen mir zur Genüge zu beweisen, wie wenig 
Bedeutung solche Merkmale haben, wie leicht sie sich in den 
verschiedenen Lebensperioden einer Zelle ändern können, wie 
wenig scharf abgegrenzt die meisten der von der Hämatologie ge- 
schaffenen und mit besonderen Namen belegten Blutzellenformen 
sind. Sobald wir uns aber auf diesen Standpunkt stellen, verein- 
facht sich die ganze, jetzt so furchtbar verwirrte Lehre von der 
Abstammung der Blutzellen, die zahlreichen komplizierten Stamm- 
häume werden überflüssig, viele heiss umstrittene Fragen der 
Hämatologie gegenstandslos. 

Um vorerst bei den Lymphozyten zu bleiben, ist es sehr 
interessant zu notieren, wie wenig die früher von Ehrlich u.a. 
geschaffenen und grösstenteils auch heute noch geltenden und 
überall gelehrten morphologischen Untersuchungsmerkmale der 
grossen Lymphozyten, der kleinen Lymphozyten und der grossen 
einkernigen Leukozyten (Lympholeukozyten Pappenheims) 
einer eingehenden Kritik mittels zweckmässiger Methoden von 
seiten Weidenreichs (57) standhalten konnten. Alle diese 
verschiedenen Leukozytenformen erweisen sich sogar in einem 
so oft untersuchten Objekt, wie das Menschenblut, durch alle 
möglichen Übergangsformen verbunden und lassen sich einfach 
nicht in scharfe schematisierte Gruppen einteilen — wenn dem 
aber so ist, so sind auch die verschiedenen Namen für diese 
ineinander übergehenden Erscheinungsformen überflüssig. 

Die Untersuchung der fetalen Blutbildung gibt, wie wir 
gesehen haben, weitere Beweise für die Unmöglichkeit der scharfen 
Einteilung der verschiedenen ungranulierten Ilymphozytoiden 
Wanderzellen in einzelne Gruppen. 

Weiter unterscheidet man heutzutage in der Hämatologie 
auch unter den granulierten Zellen einer bestimmten Art, z. B. 
den Spezialleukozyten, sehr viele besondere Formen, die mit 
besonderem Namen belegt werden. Um von der ungranulierten 
Stammzelle, dem Grosslymphozyt, zum reifen polymorphkernigen 
Leukozyt zu gelangen, kommt man über Myeloblasten, Pro- 
myelozyten, Tochtermyelozyten und Metamyelozyten; ausserdem 
werden noch Mikromyelozyten unterschieden (Pappenheim [42)). 
(rewiss wird jede diese Zellart von den Autoren durch besondere 
Merkmale charakterisiert, jede kann vielleicht im Blutpräparat 


tele) Alexander Maximow: 


beim Menschen unter mehr oder weniger bestimmten Verhält- 
nissen vorkommen — ich bin aber doch der Meinung, dass die 
verschiedenen Erscheinungsformen der reifenden Granulozyten 
viel zu unbestimmt begrenzt, zu variabel sind, viel zu sehr 
fluktuieren, als dass man das Recht hätte, so scharf einzelne 
Zellformen herauszugreifen und sie mit besonderen Namen zu 
belegen. Wenn die Entwicklung im normalen erwachsenen 
Organismus noch mehr oder weniger regelmässig, über ganz 
bestimmt ausgebildete Zelltypen verläuft, so ist unter pathologischen 
Verhältnissen, ebenso wie im fetalen Leben, sicherlich das Gegen- 
teil der Fall. Wir haben oben gesehen, dass die ersten Spuren 
der Spezialkörnung ohne Unterschied in den verschiedensten 
Lymphozytenformen auftreten können; trotzdem sind alle diese 
Zellen mit Körneransammlung als gleichwertig aufzufassen und 
als \lyelozyten zu bezeichnen, denn sie können sich ja schliesslich 
sämtlich in reife Spezialleukozyten verwandeln und können also 
keinen Anspruch auf besondere Benennungen erheben. Selbst 
die reifen Spezialleukozyten sehen in den früheren Perioden des 
embryonalen Lebens ziemlich verschieden aus, die einen sind als 
abortiv, als primitiv zu betrachten (granulalose oder granula- 
arme Formen beim Meerschweinchen), andere erreichen eine 
anormale Grösse, oder bekommen besonders grobe Körnchen, 
die zum Teil sogar als Mittelding zwischen pseudoeosinophilen 
und eosinophilen erscheinen können usw. Auch in krankhaften 
Zuständen im erwachsenen Organismus kann vielleicht dieselbe 
Unregelmässigkeit und derselbe Polymorphismus wiederkehren. 


Dass das Knochenmark aller Säugetiere ausser den spezifisch- 
myeloiden Elementen, den Erythroblasten, Granulozyten und 
Megakaryozyten, auch ungranulierte basophile „Iymphoide“ Zellen 
enthält, ist schon lange bekannt gewesen und wird jetzt von 
niemandem bestritten. 


Wie Pappenheim (38) es zuerst ausgesprochen hat, sind 
es überhaupt die ersten Zellen, die im embryonalen Mark auf- 
treten, sodass es ein Entwicklungsstadium gibt, wo das Knochen- 
mark „Iymphoiden“ Charakter hat. Meine Untersuchungen haben 
dies vollkommen bestätigt und den Vorgang der Entstehung der 
ungranulierten Zellen im Knochenmark klargestellt. Gleich beim 
ersten Anfang der Einwucherung des Periosts in den Knorpel 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 5) 


entstehen bereits aus seinen embryonalen Bindegewebszellen 
Ivmphoide Wanderzellen. 


Dass diese ungranulierten basophilen Zellen im embryonalen 
Knochenmark, auch beim Menschen, über die anderen Zellformen 
überwiegen, haben auch Hirschfeld, Horwitz, Nägeli, 
Schridde und andere anerkannt. 

Wenn wir jetzt aber weiter zu den Fragen übergehen, wie 
diese ungranulierten Zellen entstehen, welche morphologische 
Bedeutung sie haben, welche weitere Entwicklung sie durchmachen, 
wie man sie dementsprechend benennen soll, finden wir sofort 
die widersprechendsten Meinungen. 

Die Vertreter der polyphyletischen Lehre, Nägeli (35, 36), 
Schridde (47) und andere geben die Ähnlichkeit der fraglichen 
Zellen mit den echten Lymphozyten zu. Sie behaupten jedoch, 
dass es eine bloss äusserliche Ähnlichkeit sei, die übrigens auch 
nicht sehr weit gehe, da man angeblich ganz bestimmte scharfe 
Unterschiede konstatieren könne, abweichendes Verhalten der 
Protoplasmakörnchen (Schridde), der Nukleolen etc. Diese 
Zellen seien also keine Lymphozyten, sondern ihnen bloss ähn- 
liche, basophile, noch ungranulierte Vorstufen der Granulozyten, 
sogenannte „Myeloblasten“. Sie sollen direkt aus Gefässendothelien 
hervorgehen und zwar zugleich mit Erythroblasten und Mega- 
karyozyten, um sich später, ebenso wie diese beiden letzten 
Zellarten, als ein ganz abgesonderter Zellstamm in bestimmter 
Weise weiter zu entwickeln. Mit Lymphozyten sollen die Myelo- 
blasten gar nichts zu tun haben. Diese letzteren entstehen nach 
Schridde und Nägeli viel später und auf ganz andere Weise 
und an anderen bestimmten Stellen, nämlich aus Lymphgefäss- 
endothelien. Das beim Embryo zuerst auftretende blutbildende 
Gewebe sei also das myeloide, erst viel später entstehe das 
Iymphoide und die beiden seien voneinander immer streng ge- 
sondert. Wenn im Knochenmark später auch richtige Lympho- 
zyten existieren, so liegen sie hier zwischen den myeloiden 
Elementen als etwas artfremdes umher und sollen hier oft sogar 
besondere perivaskuläre Lymphome bilden. 


Nach der oben angeführten Beschreibung meiner Befunde 


kann ich wohl behaupten, dass diese Postulate der polyphyletischen 
Theorie sämtlich den Tatsachen nicht entsprechen. 


90 Alexander Maximow: 


Der Begriff einer bestimmten Zellart umfasst ihr histo- 
logisches Aussehen, ihre morphologische Bedeutung (Abstammung) 
und ihre funktionellen, physiologischen, besonders aber ihre 
prospektiv-zytogenetischen Eigenschaften. 

Fassen wir zunächst die histologischen Eigenschaften der 
Iymphoiden Zellen des Knochenmarks ins Auge. Sie sollen sich 
nach Schridde, Nägeli u. a. von den echten Lymphozyten 
histologisch durch bestimmte, ganz geringfügige Merkmale unter- 
scheiden, wie das Fehlen der Altmannschen Granula, bestimmte 
Nukleolenzahl u. dergl. Wie ich schon früher bewiesen habe (34) 
und wie es seither auch von anderen (Butterfield, Heinecke 
und Meyer [5]) bestätigt worden ist, haben diese Unterscheidungs- 
merkmale entweder gar keine Bedeutung, da sie sehr variabel 
sind, oder sie existieren einfach nicht. Ausserdem aber haben 
wir ja sowohl in den frühesten Entwicklungsstadien im Körper- 
mesenchym und in der Leber, als auch später im Knochenmark 
gesehen, dass die Iymphoiden Wanderzellen, die Lymphozyten, 
schon selbst unter sich in histologischer Beziehung äusserst variabel 
sind und sehr verschieden aussehen können. Die Unterschiede 
zwischen den einzelnen Exemplaren unter ihnen sind viel be- 
deutender, als die zwischen den Myeloblasten und Lymphoblasten 
(Lymphozyten) nach Schridde. Ausserdem gibt es zwischen 
diesen verschiedenen Wanderzellenformen alle direkten Übergänge. 
Um die Bedeutung dieser Variabilität richtig beurteilen zu können, 
muss man aber natürlich die Wanderzellen schon in den frühesten 
Stadien, gleich bei ihrer ersten Entstehung im embryonalen 
(rewebe untersuchen und dann Schritt für Schritt weiter verfolgen, 
eine Vorbedingung, die, soviel ich sehe, weder von Schridde 
und Nägeli, noch von ihren Schülern erfüllt worden ist. 

Es ist ja weiterhin auch sehr leicht, die Wanderzellen des 
primären Iymphoiden Knochenmarks, also die vermeintlichen Myelo- 
blasten der Dualisten, gleich bei ihrer Entstehung mit den zu 
derselben Zeit, bei demselben Embryo, in den Lymphdrüsen- 
anlagen entstehenden Wanderzellen zu vergleichen; diese letzteren 
sind doch schon sicherlich echte Lymphozyten. Dabei stellt es 
sich nun heraus, dass man zwischen den Wanderzellen dieser 
beiden Provenienzen gar keine durchgreifenden histologischen 
Unterschiede feststellen kann; es genügt die Fig. 17, wo 
verschiedene Lymphozyten aus einer ganz jungen Lymph- 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 9 


knotenanlage von einem Katzenembryo von 70 mm Länge dar- 
gestellt sind, mit den Fig. 9, 10, 11, 12, 14 zu vergleichen; auf 
den letzteren sehen wir die verschiedenen Wanderzellen des 
Knochenmarks bei Katzenembryonen gleichen und verschiedenen 
Alters. Im Gegensatz zu den Angaben Schriddes (47) sehen 
wir in den Lymphdrüsenanlagen auch durchaus nicht nur kleine 
Lymphozyten entstehen, sondern wieder sehr verschiedene Wander- 
zellen, grosse Lymphozyten (Fig. 17 a), kleine Lymphozyten 
(Fig. 17 e), Zellen vom Charakter der „histogenen“ Wander- 
zellen (ce) usw. 

Überall, wo Wanderzellen, Lymphozyten auftreten, sind sie 
eben immer ausserordentlich polymorph, dabei aber doch immer 
gleichwertig. 

Für das Knochenmark liess sich die ausschliessliche Be- 
deutung der Gefässwandzellen für die Bildung der Lymphozyten 
und der anderen Blutelemente nirgends feststellen. Gewiss liegt 
die gelegentliche Abrundung einzelner Endothelzellen und ihre 
Isolierung als Wanderzellen durchaus im Bereich der Möglichkeit, 
da die Endothelzellen ja dieselben embryonalen Bindegewebszellen 
sind; ich habe ja auch selbst (32) früher viele Beispiele der Ver- 
wandlung der Endothelzellen in Lymphozyten beschrieben. Doch 
kommt dies gerade im Knochenmark in Wirklichkeit, wenn über- 
haupt, so doch nur ganz ausnahmsweise vor. 

Oft wird in der Hämatologie ferner von besonderen adven- 
titiellen oder „Marchandschen“ Klasmatozyten und von ihrer 
Bedeutung für die Bildung von Lymphozyten, Myelozyten usw. 
gesprochen. Auch in dieser Beziehung muss ich einen vollständig 
negativen Standpunkt einnehmen. „Adventitielle Klasmatozyten*“ 
gibt es weder im primären Mark, noch überhaupt im embryonalen 
Bindegewebe; es ist eine ganz und gar hypotletische Zellart, die 
bis jetzt noch von niemandem gesehen worden ist. Die gewöhn- 
lichen „ruhenden Wanderzellen“, die sich (im erwachsenen Organis- 
mus) in den serösen Membranen und im Netz zuweilen mit 
besonderer Vorliebe um die Gefässe herum gruppieren, können 
deswegen doch keinen Anspruch auf eine Sonderstellung erheben. 

Die Ivmphoiden Wanderzellen, die Lymphozyten, stehen zu 
den Gefässen überhaupt in keinen besonderen spezifischen Be- 
ziehungen und gehen einfach aus den gewöhnlichen embryonalen 
Bindegewebszellen hervor, die die Gefässe bei ihrem Vordringen 


92 Alexander Maximow: 

in die Knorpelkapseln begleiten. Sie entstehen auf dieselbe Weise, 
wie die in jeder Beziehung ganz gleichwertigen Wanderzellen im 
ganzen übrigen Körpermesenchym. 

Die morphologische Bedeutung der Lymphozyten im primären 
Knochenmark, der vermeintlichen Myeloblasten der Dualisten und 
der in den ersten Lymphknotenanlagen entstehenden Wanderzellen, 
welche wohl auch von den Dualisten als richtige Lymphozyten 
anerkannt werden, ist also identisch. Die Voraussetzung von 
der ausschliesslichen Abstammung der „Myeloblasten“ aus dem 
Blutgefässendothel hat sich als falsch erwiesen. Ebenso falsch ist 
nun auch die Voraussetzung von der Entstehung der echten Lympho- 
zyten aus Lymphgefässendothelien (Schridde, Nägeli u.a.). 
Die Lymphozyten in den Lymphknotenanlagen entstehen wieder 
einfach aus den gewöhnlichen embryonalen fixen Bindegewebs- 
zellen, durch Kontraktion, Isolierung und Mobilisierung. 


Überhaupt entstehen, wie ich es nochmals resümieren 
möchte, die Wanderzellen, die Lymphozyten, überall wo sie auf- 
treten, einfach durch Isolierung und Abrundung der gewöhnlichen 
Mesenchymzellen; hin und wieder kann dies, wie gesagt, auch 
mit den Endothelzellen geschehen, aber dies bezieht sich doch 
vornehmlich nur auf die ganz jungen embryonalen Stadien, und 
gerade im Knochenmark und in den Lymphknotenanlagen finden 
sich dafür gar keine Beweise mehr. 

Die Lymphozyten sind also auch in bezug auf ihre morpho- 
logische Bedeutung überall gleich; es sind immer indifferente, 
amöboide, freie Mesenchymzellen. 

Jetzt gehe ich zur Besprechung der funktionellen, d. h. der 
prospektiv-zytogenetischen Eigenschaften der Iymphoiden Zellen 
des embryonalen Knochenmarkes über und will von diesem Stand- 
punkt aus ihre Beziehungen zu den echten Lymphozyten des 
iymphoiden Gewebes beleuchten. 


Auf Grund der oben ausführlich geschilderten Befunde hat 
es sich gezeigt, dass aus den Lymphozyten des embryonalen 
Knochenmarkes durch differenzierende Entwicklung in  ver- 
schiedenen Richtungen sämtliche andere Blutzellenarten ent- 
stehen, sowohl die Hämoglobinzellen, als auch die verschiedenen 
Granulozyten und Megakaryozyten. In dieser Beziehung ent- 
sprechen also diese ungranulierten Zellen durchaus den von mir 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. BD 


in der embryonalen Leber beschriebenen Lymphozyten, die ganz 
ähnliche Entwicklungsprodukte liefern. 

Die Dualisten, wie Schridde und Nägeli, wollen schon 
von dieser gemeinsamen Entstehung der Erythroblasten, Granulo- 
zyten und Megakaryozyten aus einer Stammzelle nichts wissen. 
Sie leiten von den Zellen, die ich im Knochenmark als Lympho- 
zyten beschreibe, nur die Granulozyten ab und nennen dieselben 
demzufolge Myeloblasten. Diese Meinungsverschiedenheit ist aber 
für uns in diesem Moment irrelevant. Wichtiger ist der Um- 
stand, dass Schridde und Nägeli die gemeinsame Ent- 
stehung der echten Lymphozyten und Granulozyten und ihre 
nahen genetischen Beziehungen nicht anerkennen wollen. Die 
Lymphozyten sollen nach ihrer Meinung ganz andere Zellen sein, 
die ganz selbständig, viel später und aus anderen Quellen ent- 
stehen und sie sollen sich ausserdem niemals in Granulozyten 
verwandeln können; die ungranulierten Knochenmarkzellen, mit 
denen das letztere nachgewiesenermassen geschieht, sollen mit 
echten Lymphozyten also auch in prospektiv-zytogenetischer Be- 
ziehung nichts Gemeinsames haben; es sind nicht Lymphozyten, 
sondern Myeloblasten. 


Die Bedeutungslosigkeit der von Schridde und Nägeli 
angegebenen histologischen Unterschiede zwischen den Myelo- 
blasten und den Lymphozyten ist von mir, von Weidenreich, 
von Dantschakoff u. a. erwiesen worden; wir haben weiter 
gesehen, dass die einen wie die anderen in gleicher Weise 
mobile indifferente Mesenchymzellen vorstellen. Wenn Schridde 
und Nägeli dann weiter doch behaupten, dass die ungranulierten 
Markzellen keine Lymphozyten, sondern ganz andere Zellen, 
Myeloblasten sind, so bleibt ihnen jetzt die einzige Begründung 
dafür eben nur in der Annahme übrig, dass diese zwei Zellarten 
in funktioneller, prospektiv-zytogenetischer Beziehung verschieden 
sind und dass aus den einen sich immer nur Lymphozyten, aus 
den anderen dagegen nur Granulozyten (event. nach meinen. 
Weidenreichs und Dantschakoffs Untersuchungen auch 
die anderen Blutzellenformen) entwickeln können. 


Ich glaube Recht zu haben, wenn ich behaupte, dass eine 
solche Annahme ganz willkürlich ist und dass sie durch direkte 
Beobachtung überhaupt weder bewiesen noch widerlegt werden kann. 


94 Alexander Maximow: 


Dass sich zwei Zellen, die ganz gleich aussehen und einen 
sicherlich ganz gleichen morphologischen Wert haben. eine 
Ivmphoide Wanderzelle im embryonalen Knochenmark und eine 
Iymphoide Wanderzelle in einer Lymphknotenanlage, in ver- 
schiedener Richtung entwickeln, die eine Granulozyten und andere 
Blutzellen, die andere nur (oder vielmehr grösstenteils) ihres- 
gleichen erzeugt, ist im grossen und ganzen richtig. 

Dies kann naturgemäss von zwei Ursachen abhängen: ent- 
weder sind die beiden Zellen aus ganz unerklärlichen Gründen 
wirklich funktionell ganz verschieden ; oder sie geben verschiedene 
Entwicklungsprodukte nur deshalb, weil sie sich in ganz ver- 
schiedenen äusseren Existenzbedingungen befinden. Ist das erste 
der Fall, so werden die beiden Zellen auch dann ihre spezifischen 
Entwicklungsprodukte liefern, wenn die eine an die Stelle der 
anderen versetzt wird, weil sie sich eben unter allen möglichen 
Umständen nur in einer bestimmten Richtung entwickeln können. 
Ist das zweite der Fall, so wird eine ungranulierte Zelle aus dem 
Mark bei Implantierung in eine Lymphdrüse auch nur Lympho- 
zyten erzeugen, wie die autochthonen Zellen, und umgekehrt wird 
ein Lymphozyt aus einer Lymphdrüsenanlage, in das Mark versetzt, 
Granulozyten und andere myeloide Elemente produzieren, wenn 
ausserdem natürlich auch die anderen Bedingungen, z. B. die für die 
Reifung der Zelle nötige Zeit und dergleichen erfüllt sein werden. 

Es ist ja ohne weiteres klar, dass die natürlichere, logischere 
und einfachere Vorstellung in Anbetracht aller übrigen bekannten 
Tatsachen die zweite ist, denn, wie Weidenreich (57) ganz 
richtig bemerkt, wäre es genau so berechtigt, „die Lymphozyten 
des Knochenmarks und der Lymphknoten in zwei absolut ver- 
schiedene Arten zu trennen, als wenn man zweierlei genetisch 
verschiedene Arten von Zellen des Stratum Malpighi der Epidermis 
annehmen wollte, von denen die eine zur Zelle des Stratum 
corneum und die andere zur Haarrindenzelle wird“. Aber es 
muss zugestanden werden, dass die einfache Beobachtung hier 
nicht helfen kann. Wenn jemand will, kann er auch behaupten, 
(lass die beiden genannten Epidermiszellen wirklich funktionell 
verschieden sind und man wird diese Behauptung, trotz ihrer 
offenkundigen Haltlosigkeit, nicht widerlegen können, da man die 
beiden Zellen ja nicht die eine an die Stelle der anderen ver- 
setzen kann. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 35 


Ebenso steht es mit den Lymphoblasten und Myeloblasten. 
Wenn man den Dualisten einwirft, dass im Mark aus den grossen 
Lymphozyten, die von ihnen als Myeloblasten gedeutet werden, 
ausserdem doch auch zahlreiche typische kleine Lymphozyten 
entstehen, werden sie sagen können, es seien keine kleinen 
Lymphozyten, sondern Mikromyeloblasten. Wenn man ihnen 
einen embryonalen Lymphknoten vorzeigt, wo sich aus einem 
Teil der autochthon entstandenen sicheren Lymphozyten auch 
typische Granulozyten in loco entwickeln (Fig. 17 f), werden sie 
sagen, dass hier aus den Bindegewebszellen ausser Lymphozyten 
auch Myeloblasten entstehen; diese letzteren werden sie dabei 
von den Lymphozyten natürlich nicht unterscheiden können, aber 
sie werden aus dem verschiedenen Entwicklungsresultat der beiden 
Zellen auf die Grundverschiedenheit ihrer funktionellen Natur 
schliessen. Ebenso ist ja für die Dualisten auch die myeloide 
Verwandlung der Lymphknoten kein Beweis für die Identität der 
Lymphozyten und Myeloblasten, da sie auch hier wieder im 
fertigen Iymphoiden Gewebe ausser den echten Lymphozyten die 
Existenz ganz besonderer anderer, meiner Meinung nach ent- 
schieden hypothetischer Zellen annehmen, der Myeloblasten, die 
von den Lymphozyten histologisch nicht unterschieden werden 
können oder der von niemandem gesehenen myeloplastischen 
Adventitial-Klasmatozyten. 

Dass echte Lymphozyten im myeloiden Gewebe, im Knochen- 
mark, doch existieren, geben jetzt, wie gesagt, auch die Dualisten 
zu. Wodurch es aber möglich gemacht wird, sie von den an- 
geblichen Myeloblasten zu unterscheiden und auf welche Weise 
sie im myeloiden Gewebe als etwas ihm ganz fremdes nach- 
träglich doch noch entstehen sollen, darüber wird keine Auf- 
klärung gegeben. 

Unter solchen Umständen kann also die einfache Beobachtung 
nichts ausrichten und es muss das Experiment zu Hilfe kommen. 
Direkte experimentelle Beweise für die Identität der Myeloblasten 
und Lymphozyten im oben erörterten Sinne, also Transplantations- 
versuche, stehen bis jetzt noch aus und sind naturgemäss auch 
nicht so leicht auszuführen. Es können aber auch andere, mehr 
indirekte experimentelle Beweise gesucht werden. Von den 
Dualisten sind nun bis jetzt noch keine Mitteilungen in dieser 
Richtung gemacht worden. Von den Autoren, die auf dem mono- 


96 Alexander Mäximow: 


phyletischen Standpunkt stehen, sind hingegen bereits mehrere 
experimentelle Beweise für die Identität der echten Lymphozyten 
und der ungranulierten Knochenmarkzellen beigebracht worden. 

Weidenreich (57) hat nachgewiesen, dass jedenfalls die 
grösste Mehrzahl der ungranulierten weissen Blutkörperchen des 
Blutes, der Lymphozyten, sicher mit der Lymphe ins Blut gelangt 
und also aus dem Ivmphoiden Gewebe stammt. Es erhellt daraus 
unter anderem, dass es unstatthaft ist, die grossen Lymphozyten 
des zirkulierenden Blutes als Myeloblasten aufzufassen, wie es 
zu B.rK. Zieglertat: 

Andererseits habe ich gezeigt (31), dass die echten Lympho- 
zyten des zirkulierenden Blutes im erwachsenen Organismus unter 
bestimmten Verhältnissen, z. B. in der verkalkten atrophischen 
Kaninchenniere sich zu Granulozyten, Erythroblasten und Mega- 
karvozyten entwickeln können. 

Dass sichere echte Lymphozyten verschiedenster Art unter 
gewissen anderen Bedingungen sich in Granulozyten verwandeln 
können, ist von Weidenreich (53, 56, 57). Schott (45) und 
Dominici (11—14) ebenfalls dargetan worden. 

Das sind alles jedenfalls sehr schwerwiegende Beweise im 
Vergleich mit dem Mangel jedes Beweises auf seiten der Dualisten. 

Es liegt also auf der Hand, dass alle bis jetzt bekannt 
gewordenen Tatsachen für die Identität der ungranulierten 
Knochenmarkzellen mit den Lymphozyten sprechen. Die Myelo- 
blasten und die Lymphozyten sind ein und dasselbe. Das Knochen- 
mark enthält und produziert alle Arten von Blutzellen ohne 
Ausnahme (Pappenheim), nicht nur myeloide Elemente, sondern 
auch echte Lymphozyten, sowohl grosse, als auch typische kleine. 
Die Lymphozyten sind, wie anderswo, so auch hier die primitive 
indifferente Zellform, die zuerst erscheint und durch in ver- 
schiedenen Richtungen verlaufende differenzierende Entwicklung 
alle andere Blutelemente aus sich hervorgehen lässt. 

Was die Benennung dieser ungranulierten Knochenmark- 
zelle, die als Stammzelle für alle anderen Blutelemente funktioniert, 
anbelangt, so ist jetzt in dieser Beziehung kaum Einigung zu 
erzielen. Selbst abgesehen von dem für die Dualisten noch immer 
nicht entschiedenen Streit über die Identität oder Nichtidentität 
der Lymphoblasten und Myeloblasten, werden sich auch die ver- 
schiedenen Unitarier dieser Frage gegenüber sehr verschieden 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 97 


verhalten. Die Wahl dieser oder jener Benennung für die 
betreffende Zellart hat aber meiner Meinung nach keine grosse 
Bedeutung für die Wissenschaft. Wichtig ist es bloss, den Begriff 
der unter einem bestimmten Namen beschriebenen Zelle allseitig 
klar zu definieren. Ich für meine Person glaube auch jetzt noch, 
ebenso wie Weidenreich, dass man die Stammzelle der übrigen 
Blutelemente, die indifferente polymorphe mesenchymatische 
Wanderzelle, sehr wohl „Lymphozyt“ nennen kann, schon um 
die Identität dieser Zelle mit den richtigen Lymphozyten des 
Iymphoiden Gewebes, des Bindegewebes und des zirkulierenden 
Blutes dadurch zum Ausdruck zu bringen. Ich gebe jedoch 
gerne zu, dass man auch einen passenderen Namen schaffen 
könnte. Vielleicht könnte die von Pappenheim (40, 41, 42) 
vorgeschlagene Benennung „Lymphoidozyt“ Anspruch auf allgemeine 
Anerkennung erheben. 

Das myeloide Gewebe dart vom Iymphoiden nicht scharf 
getrennt werden. Das zweite ist das primitivere und lässt das 
erste durch weitere differenzierende Entwicklung aus sich sekundär 
hervorgehen. (rerade im Knochenmark tritt dies klar hervor — 
zuerst hat das primäre Mark immer rein Iymphoiden Charakter, 
wenn auch nur kurze Zeit. Später entstehen aus den Lymphozyten 
die anderen Blutelemente. Auch in allen anderen embryonalen 
blutbildenden Organen treten bei jeder Art von Blutbildung immer 
zuerst dieselben primitiven indifferenten Lymphozyten auf. So 
sehen wir esim Gefässnetz der Dottersackwand, in den Blutbildungs- 
herden im embryonalen Bindegewebe, in der Leber, sogar in der 
Thymus — die ganz verschiedenen Resultate der weiteren Ent- 
wicklung der Lymphozyten in einer jeden von den angegebenen 
Stellen hängen natürlich keineswegs von der morphologischen 
oder funktionellen Verschiedenheit der Lymphozyten ab — solche 
existieren nicht, sondern einzig und allein von den verschiedenen 
äusseren Existenzbedingungen. 

Dass bei der Entwicklung des Knochenmarks das Primäre 
Iymphoide Elemente sind, das hatte Pappenheim schon lange 
behauptet. In seiner ersten Arbeit (35) über das Knochenmark 
stellt er sich auf einen Standpunkt, der dem meinigen jetzigen 
sehr nahe steht. Nach seiner damaligen Überzeugung haben wir 
(S. 68) „in den Iymphoiden, basophilen, granulationslosen Rund- 


zellen das variabelste, tiefstehendste Element zytogenen Gewebes 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 7 


98 Alexander Maximow: 


zu sehen, welches zu grossen einkernigen Leukozyten, zu Riesen- 
zellen, zu eosinophilen Zellen und zu Frythrozyten sich um- 
zuwandeln vermag“ und weiter „die basophilen granulationslosen 
Lymphozyten sind die primitivste Art farbloser Zellen“ -— Schluss- 
folgerungen, die ich beide für vollständig richtig halte. Pappen- 
heim nannte in dieser seiner Arbeit die fraglichen Zellen auch 
einfach „Lymphozyten“ und hob ausdrücklich hervor, dass sie 
sich histologisch von den echten Lymphozyten gar nicht unter- 
scheiden. 

In späterer Zeit hat Pappenheim diesen seinen früheren 
Standpunkt, der dem meinigen jetzigen vollständig entsprach, 
geändert und der dualistischen Lehre in gewissen Beziehungen 
Konzessionen gemacht. 

Nach seinem jetzigen Dafürhalten (40, 41, 42) sind die 
primitivsten Zellen des blutbildenden Gewebes die Grosslymphozyten 
(Lymphoidozyten), wie sie sich z. B. gerade im Knochenmark, 
überhaupt im myeloiden Gewebe finden. Sie sind die Stamm- 
zelle aller anderen Blutzellen, der Erythroblasten, Granulozyten, 
und aus ihnen sollen auch die echten Lymphozyten entstehen, 
die im Iymphoiden Gewebe als Keimzentrumszellen die kleinen 
Lymphozyten erzeugen, und von Pappenheim, zum Unterschied 
von den Urzellen, den „Grossiymphozyten“, als „grosse Lympho- 
zyten“ bezeichnet werden. Morphologisch sollen nun „Gross- 
Iymphozyt“ und „grosser Lymphozyt“ völlig identisch sein, ebenso 
wie es Weidenreich, ich und die anderen Unitarier annehmen. 
Um den Dualisten aber gerecht zu werden, lässt Pappenheim 
diese „grossen Lymphozyten“ des Iymphoiden Gewebes nicht 
mehr die volle prospektive Entwicklungspotenz der Stammzellen, 
der „Grosslymphozyten“ oder „Lymphoidozyten“ behalten, sondern 
sie sollen nur noch einseitig Iymphoblastisch tätig sein und nur 
noch Lymphozyten, keine Erythroblasten und Granulozyten mehr 
erzeugen können. Von diesem Standpunkte aus betrachtet, stellt 
also das myeloide Gewebe das primitivere, das Ivmphoide das 
spezialisiertere, differenziertere vor, und es wird ein, wenn auch 
nur funktioneller und hypothetischer, weil nicht direkt zu 
beweisender, aber doch scharfer Unterschied zwischen den Myelo- 
blasten und Lymphoblasten resp. Lymphozyten geschaffen. Im 
Gegensatz zu den Dualisten wie Schridde und Nägeli hält 
Pappenheim die Myeloblasten und Lymphozyten nicht für 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 39 


zwei vollkommen selbständige, einander koordinierte Zellarten, 
sondern er lässt die zweiten aus den ersten durch Wucherung und 
Differenzierung entstehen. 

Ich kann diese Auffassung Pappenheims über die Be- 
ziehungen der grossen Lymphozvten des myeloiden und Iymphoiden 
Gewebes zueinander nicht teilen und finde, dass sie aus den 
tatsächlichen Befunden keineswegs deduziert werden kann. 

Wir sehen, dass überall im Organismus, wo Blutbildung 
beginnt, zuerst Iymphoide Zellen auftreten. Die Behauptung von 
Schridde und Nägeli, dass im Embryo myeloides Gewebe 
zuerst und Iymphoides erst nachträglich entsteht, ist falsch. Es 
verhält sich gerade umgekehrt. 

Was aus den primitiven Iymphoiden Zellen weiter wird, 
was für Differenzierungsprodukte sie liefern, dies wechselt nun 
je nach Zeit. und Ort der Blutbildung. An den einen Stellen, 
im myeloiden Gewebe, erzeugen sie durch heteroplastische Ent- 
wicklung neue, differente Zellarten, an den anderen, im Iymphoiden 
Gewebe, bleiben sie ohne weitere qualitative Differenzierung und 
erzeugen durch ausschliesslich homoplastische Entwicklung nur 
ihresgleichen, nur Lymphozyten. Diese letzteren sind der ursprüng- 
lichen Stammform, wie es auch Pappenheim zugibt, histologisch 
völlig ähnlich. Warum sollen wir nun diese Lymphozyten des 
Iymphoiden Gewebes für iunktionell anders beschaffen und mit 
begrenzterer prospektiver Entwicklungspotenz ausgestattet er- 
klären, als es ihre histologisch ganz gleich beschaffenen Stamm- 
zellen sind ? 

Wenn an bestimmten Stellen im Organismus die Blutbildung 
auch später, auch im erwachsenen Zustande für immer Iymphoiden 
Charakter behält, den sie am Anfang notwendig überall besitzt, 
so ist es doch viel natürlicher, anzunehmen, dass hier der ursprüng- 
liche, primitive Modus, also die homoplastische Produktion von 
ganz gleichen, indifferenten Zellen einfach unverändert weiter 
fortdauert, und dass die fortwährend neu entstehenden Lympho- 
zyten mit den ersten, embryonalen identisch sind, statt die sicher- 
lich viel künstlichere Vermutung aufzustellen, dass sich hier die 
ursprünglich omnipotent-myeloblastisch veranlagten Elemente später 
einseitig Ivmphoblastisch differenziert haben. 

Dies könnte man doch wieder nur in dem Falle behaupten, 
wenn es gelänge, ganz bestimmt nachzuweisen, dass aus einem 


‘ 


100 Alexander Maximow: 


echten Lymphozyten des Iymphoiden Gewebes niemals und unter 
keinen Umständen etwas anderes entstehen kann, als nur eben 
ein echter Lymphozyt. Die oben angeführten Tatsachen lehren 
aber genau das Gegenteil und geben eine ganze Reihe positiver 
Beweise für die Möglichkeit der Entwicklung der echten Lympho- 
zyten zu Elementen des myeloiden Gewebes. 

Die grossen Lymphozyten des Iymphoiden Gewebes sind 
also nicht spezifischer differenzierte Zellen, als es die Grosslympho- 
zyten des myeloiden Gewebes sind, sondern die beiden Zellarten 
sind auch funktionell identisch und das Iymphoide Gewebe ist 
folglich nicht als einseitig differenziert im Vergleich mit dem 
myeloiden anzusehen, sondern gerade umgekehrt, als die primi- 
tivere, weniger differenzierte Form des blutbildenden Gewebes, 
auch im erwachsenen Organismus, während des ganzen Lebens. 

Dass die in der Tat niemals vorkommende myeioide Metaplasie 
der Keimzentren in den Lymphknoten und der Malpighischen 
Körperchen in der Milz nicht unbedingt gegen die Fähigkeit der 
Lymphozyten zu myeloider Verwandlung sprechen kann, habe ich 
schon an einer anderen Stelle erörtert (34). Jetzt kann ich 
noch hinzufügen, dass es in der letzten Zeit in meinem Labora- 
torium der Frau Dr. H.Babkin doch gelungen ist, in einigen, 
wenn auch ziemlich seltenen Fällen, durch Einführung blander 
Fremdkörper in normale Lymphdrüsen beim Kaninchen, einen 
Teil der myeloiden Metaplasie, nämlich die Bildung von Spezial- 
granulozyten experimentell auszulösen. Die dabei entstehenden 
Spezialmyelozyten entstehen sicherlich aus gewöhnlichen echten 
Lymphozyten, natürlich nicht in den Keimzentren, wo nur ganz 
jugendliche Zellen liegen, sondern an der Peripherie der Follikel 
und in den Marksträngen. Jedenfalls konnte dabei die Beteiligung 
irgend welcher besonderer „Myeloblasten“ oder „adventitieller 
Klasmatozyten“ mit Sicherheit ausgeschlossen werden. 

Wir kommen also zum Schluss, dass die ungranulierten 
Zellen des Knochenmarks in allen Beziehungen mit den Lympho- 
zyten des lymphoiden Gewebes, des Blutes und Bindegewebes 
identisch sind und mit demselben Namen, sei es nun Lymphozyt, 
Lymphoidozyt oder irgend ein anderer Ausdruck, belegt werden 
müssen. 

Wir haben gesehen, dass die Lymphozyten gleich bei der 
ersten Entstehung des Knochenmarkes aus den embryonalen fixen 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 101 


Bindegewebszellen hervorgehen. Ihre Zahl vergrössert sich sehr 
rasch zum Teil infolge der fortdanernden Ablösung neuer Zellen, 
zum Teil infolge der selbständigen Wucherung der freien Lympho- 
zyten. Das primitive Iymphoide Mark bleibt dann im folgenden 
bei der Vergrösserung des Markraumes nur an der enchondralen 
Ossifikationslinie in Form einer schmalen Zone erhalten, wo es 
fortwährend in den Knorpel weiter vordringt, während es sich 
in den älteren, die Mitte der Diaphyse einnehmenden Teilen in 
myeloides Mark verwandelt. Solange die enchondrale Ossifikation 
dauert, bleibt auch die schmale Iymphoide Markzone an der 
Resorptionslinie des Knorpels erhalten und hier sieht man auch 
in den spätesten fetalen Stadien, auch beim neugeborenen Tier 
immer neue Lymphozyten entstehen. wenngleich diese Produktion 
von Lymphozyten jetzt gar keine Bedeutung mehr hat im Ver- 
gleich mit der kolossalen selbständigen Wucherung derselben 
Lymphozyten in dem älteren, myeloiden Mark, welches den grössten 
Teil des Markraumes ausfüllt. Im myeloiden Mark hört indessen 
die wirkliche Neubildung von Lymphozyten aus fixen Bindegewebs- 
zellen sehr bald auf. Wenn das myeloide Gewebe schon eine 
kompakte Masse zwischen den Gefässen und Knochenbälkchen 
bildet, wird es überhaupt nicht leicht, zwischen den Lymphozyten, 
Erythroblasten und Granulozyten die spärlichen, blassen, zusammen- 
gedrückten Stromazellen herauszufinden. Diese Stromazellen 
können als Phagozyten funktionieren, sie produzieren ftaserige 
Zwischensubstanz (Jackson), verwandeln sich später zum Teil 
in Fettzellen, aber ihre Verwandlung in amöboide Wanderzellen, 
in Lymphozyten, scheint nicht mehr möglich zu sein. 

Mit dem Schluss des Längenwachstums des Knochens und 
der enchondralen Ossifikation verschwindet wahrscheinlich auch 
der letzte Rest der Iymphoiden Markzone. Das Mark nimmt 
dann überall myeloiden Charakter an und der Rest der früheren 
fixen Bindegewebszellen, der zur Lymphozytenproduktion nicht 
verbraucht worden war, bleibt als Stromazellen im Marke liegen. 
Aus diesen letzteren können Lymphozyten wahrscheinlich niemals 
mehr neu entstehen; es sind eben schon sicherlich spezifisch 
differenzierte Zellen. 

Ich komme folglich zum Schluss, dass im entwickelten 
Knochenmark die für alle Blutelemente gemeinsame Stammzelle, 
der Lymphozyt, sich nur durch eigene Wucherung regenerieren kann. 


102 Alexander Maximow: 


Als freie indifferente Stammzellen bleiben die Lymphozyten 
für immer im Knochenmarke liegen. In der ersten fetalen Ent- 
wicklungsperiode überwiegen sie noch über die anderen, aus ihnen 
entstehenden Blutzellen. In späteren Stadien, besonders im ausser- 
embryonalen Leben, wird jedoch die Zahl der Lymphozyten im 
Knochenmark immer geringer und sie treten im Vergleich mit 
den anderen Blutzellen, den Erythroblasten, Granulozyten und 
Megakaryozyten ganz in den Hintergrund. 

Dementsprechend ist die Neubildung der Blutzellen in den 
frühen Stadien, wie es auch Pappenheim (38) hervorhebt, vor- 
nehmlich heteroplastisch, d. h. sie entstehen aus den wuchernden 
Lvmphozyten durch bestimmte qualitative Veränderungen eines 
Teils von deren Nachkommen, z. B. durch Ausarbeitung von 
Hämoglobin oder bestimmter Körnchen im Protoplasma, durch 
entsprechende Kernveränderung usw. Die Zelle, die einmal einen 
bestimmten Charakter als Hämoglobinzelle oder als Granulozyt 
oder Megakaryozyt angenommen hat, kann natürlich nicht mehr 
zum früheren indifferenten Zustande des Lymphozyten zurück- 
kehren, sondern sie kann sich nunmehr nur innerhalb ihres 
spezifischen Zellstammes weiter entwickeln, wuchern und schliess- 
lich reifen und altern. 

In den späteren Stadien gewinnt allmählich der andere 
Modus der Blutbildung im Mark die Oberhand, der homoplastische. 
Die aus den Lymphozyten entstandenen jungen Erythroblasten- 
und Granulozytenformen besitzen ja in hohem Grade eigenes 
Wucherungsvermögen; sie teilen sich und verwandeln sich immer 
nur zum Teil in reife, nicht mehr vermehrungsfähige Formen, 
während ein grosser Teil von ihnen in wucherungsfähigem Zu- 
stande weiter verharrt. Eine Neubildung von Erythroblasten und 
(sranulozyten aus indifferenten Lymphozyten wird immer weniger 
und weniger nötig, weil die Regeneration ja schon durch die 
Wucherung der spezifischen Jugendformen selbst genügend ge- 
sichert ist, und so sehen wir die allmähliche Abnahme der Über- 
gangsformen von den Lymphozyten zu den Erythroblasten und 
Granulozyten und das Seltenerwerden der Lymphozyten selbst. 
Im normalen erwachsenen Organismus findet man im Knochen- 
mark hauptsächlich nur die homoplastische Regeneration. 

Die Fähigkeit zur heteroplastischen Neubildung von Blut- 
zellen bleibt aber im Knochenmark, ebenso wie in den anderen 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 103 


blutbildenden Organen und auch im Blute selbst für immer, für 
das ganze Leben erhalten. In pathologischen Fällen der ver- 
schiedensten Art, z. B. nach Blutverlusten (Dantschakoff |S]) 
genügt der Vorrat der fertigen Jugendformen der Blutzellen im 
Mark offenbar nicht mehr, und die spärlichen Lymphozyten 
wuchern energisch von neuem und verwandeln sich durch differen- 
zierende heteroplastische Neubildung in Erythroblasten, Granulo- 
zyten und Megakaryozyten. Dass die Lymphozyten jeder anderen 
Provenienz, im Blut, im Bindegewebe usw. in derselben Weise 
nötigenfalls zum Ausgangspunkte der Hämatopoese werden können, 
wenn sie in passende Bedingungen gelangen, darüber habe ich 
schon oben gesprochen. 

Dass die Lymphozyten je nach den verschiedenen äusseren 
Existenzbedingungen, in denen sie sich befinden, verschiedene 
Differenzierungsprodukte liefern, im Iymphoiden Gewebe, auch 
in der Thymus nur Lymphozyten, im Knochenmark vornehmlich 
Erythroblasten und Granulozyten produzieren, ist leicht zu be- 
greifen. Wie können wir uns aber die Tatsache erklären, dass 
sich an ein und demselben Ort, z. B. im Knochenmark, zwei neben- 
einander liegende, ganz gleiche Lymphozyten, die sich ja sicherlich 
auch in gleichen äusseren Existenzbedingungen befinden, doch zu 
verschiedenen Endprodukten entwickeln? Der eine verwandelt 
sich z. B. in einen Granulozyten, der andere in einen Erythro- 
blasten oder Megakaryozyten. Diese Vorstellung scheint gerade 
für die Dualisten unannehmbar zu sein, da sie für jede Blut- 
zellenart eine besondere, selbständige Stammzelle annehmen. 

Diese Entwicklung der Lymphozyten in verschiedenen 
Richtungen an ein und demselben Ort ist jedoch nicht schwieriger 
zu erklären, als überhaupt die ganze Entwicklung und Differenzierung 
der Gewebe der mehrzelligen Organismen aus der Eizelle, und 
auch die Dualisten sind ja gezwungen, schliesslich doch zuzugeben, 
dass die Erythroblasten, Granulozyten und Megakaryozyten ein- 
mal, wenn auch nur in frühen embryonalen Entwicklungsstadien, 
doch aus einer gemeinsamen Stammzelle hervorgegangen sind, 
sei es nun eine Gefässwandzelle oder etwas anderes. So lange 
wir also keine befriedigende Antwort auf die angeführte grosse 
Frage besitzen, dürfen wir auch ihre Teilerscheinung, den auf 
den ersten Blick in der Tat befremdenden Vorgang der Entwicklung 
verschiedener Blutzellen während des ganzen Lebens aus einer 


104 Alexander Maximow: 


einzigen Stammzelle, getrost als gegeben und tatsächlich existierend 
hinnehmen. 

Gewisse Tatsachen erlauben es aber meiner Meinung nach 
doch, der Lösung der aufgeworfenen Frage um einen kleinen 
Schritt näher zu treten. 

Beim sorgfältigen Studium der heteroplastischen Entwicklung 
der verschiedenen Blutzellenformen im embryonalen Mark aus den 
Lymphozyten fällt es nämlich auf, dass die einzelnen Etappen 
in jeder Entwicklungsrichtung, mit welcher eine qualitative 
Änderung des Zelltypus verbunden ist, ausnahmslos an den 
mitotischen Teilungsprozess gebunden erscheinen. Besonders 
deutlich tritt dies bei der Entwicklung der Spezialgranulozyten 
zutage. 

Die ganz jungen Myelozyten, die im Protoplasma die ersten 
Spuren der Körnung enthalten, liegen fast immer paarweise 
angeordnet und sehr oft sind die beiden Zellen eines Paares 
noch durch eine feine Verbindungsbrücke verbunden (Fig. 21 Mlz, 
Fig. 22). Es sind also offensichtlich Zellen, die eben erst aus 
einer Mitose hervorgegangen sind; das wird auch durch die noch 
nicht ganz dem ruhenden Zustande entsprechende Kernstruktur 
bezeugt. Nun könnte man einwenden, dass diese Tatsache keine 
Bedeutung habe, da es ja einfach Mitosen junger Myelozyten sein 
könnten — es stellt sich aber bei sorgfältiger darauf gerichteter 
Durchmusterung der Präparate heraus, dass man Prophasen und 
sogar Muttersterne in solchen granulaarmen, an der Anwesenheit 
spärlicher Körnchen kenntlichen Myelozyten in den frühen 
embryonalen Stadien niemals findet. Immer sind es nur Telophasen. 

Es erhellt daraus, dass die Körnchen in den betreffenden 
beiden, aus der Teilung hervorgegangenen Zellen erst in den 
Endstadien der Karyokinese selbst aufgetreten sein müssen. Die 
ersten Spuren einer bestimmten für die betreffende Entwicklungs- 
richtung spezifischen histologischen Veränderung, im gegebenen 
Fall die ersten Körnchen, treten also im Anschluss an eine 
unmittelbar vorher abgelaufene Teilung auf. Die Bestimmung 
der neuen Entwicklungsrichtung wird also in einem Lymphozyt 
wahrscheinlich während einer Mitose getroffen und die aus der 
Teilung hervorgegangenen beiden Tochterzellen tragen dann 
schon meistens sofort die ersten sichtbaren Anzeichen ihres neuen 
Charakters. Nach dieser ihre weitere Entwicklungsrichtung ent- 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 105 


scheidenden Teilung scheinen sich die Myelozyten während einer 
ziemlich langen Zeit vorerst gerade nicht weiter zu teilen — 
denn Myelozytenmitosen, besonders granulaarme, sind in der 
ersten Zeit, wie wir oben gesehen haben, kaum jemals zu finden, 
während Lymphozytenmitosen massenhaft vorkommen. 

(sanz ähnliche Tatsachen kann man auch für die eosinophilen 
Mvelozyten und die Mastmyelozyten feststellen. 

Entsprechende Beobachtungen gelten ferner auch für die 
Erythroblastenentwicklung. Auch hier sieht man Zellen vom 
Charakter der Lymphozyten in Mitose treten — und Zellen mit 
unverkennbaren Erythroblasteneigenschaften aus der Teilung 
hervorgehen. Auch hier scheint also die Entscheidung in der 
Wahl der neuen Entwicklungsrichtung auf der Höhe der Karyokinese 
getroffen zu werden. Allerdings gibt es hier keine so sicheren 
Kriterien dafür, wie es die ersten so leicht darzustellenden 
Körnchenspuren in den Myelozyten sind, aber der allgemeine 
Eindruck, den man beim Studium der Erythroblastenherde 
bekommt, entspricht, wie ich glaube, durchaus dem oben erörterten 
Gedanken. 

Was die Megakaryozyten betrifft, so liess sich hier die Be- 
deutung des mitotischen Prozesses nicht deutlich feststellen, was 
ja auch erklärlich ist, da die jungen Megakaryozyten von den 
Lymphozyten gar nicht scharf getrennt werden können und wir 
keine Mittel besitzen, um den Moment festzustellen, wann die 
betreffende Zelle den Weg der Megakaryozytenentwicklung betritt. 

Es ist natürlich durchaus nicht immer möglich, auch für die 
(Granulozyten die beschriebene paarweise Entstehung aus sich 
teilenden Lymphozyten zu beweisen. Oft sieht man im Iymphoiden 
Mark Myelozyten mit den ersten Spuren von Körnchen scheinbar 
einzeln auftreten. Aber auch hier gelingt es sehr oft beim Ver- 
folgen der nächsten Serienschnitte eine zweite, ganz ähnliche Zelle 
in nächster Nähe von der ersten aufzudecken. Die Myelozyten 
führen (Jolly), ebenso wie die Lymphozyten, sehr intensive amöboide 
Bewegungen aus und können sich also sofort nach ihrer Ent- 
stehung, noch in sehr körnchenarmem Zustande weit voneinander 
entfernen. Ausserdem ist es ja möglich, dass der im Moment 
der Mitose geprägte neue Zellcharakter sich in den beiden Tochter- 
zellen nicht sofort in einer für uns sichtbaren Weise äussert — 
auch in diesem Falle werden die Zellen Zeit haben, sich von- 


106 Alexander Maximow: 


einander zu entfernen, bevor wir sie als Myvelozyten erkennen 
können. 

Ich stelle mir den Sachverhalt also so vor, dass nicht etwa 
von zwei nebeneinander ruhenden Lymphozyten der eine plötzlich 
anfängt, diese oder jene Körnung auszuarbeiten, der andere Hämo- 
globin aufzuspeichern; dies wäre a priori schwer verständlich, 
denn beide Zellen sind identisch und befinden sich ja sicherlich 
unter ganz gleichen Bedingungen und in der Zelle geschehen in 
ihrem ruhenden Zustande keine tiefgreifenden Veränderungen — 
wenigstens sehen wir nichts davon. 

Ich glaube vielmehr, dass wenn ein Lymphozyt in Teilung 
tritt, in seinem Protoplasma oder Kern oder beiden zugleich sehr 
leicht eine besondere tiefe Gleichgewichtsstörung eintreten kann, 
die dann nicht mehr reversibel ist, beide aus einer Teilung hervor- 
gehende Tochterzellen gleichmässig betrifft, ihr künftiges Schicksal 
besiegelt und in einer ganz besonders gearteten qualitativen 
Veränderung, in Ausarbeitung spezifischer Körnchen oder in Aus- 
arbeitung von Hämoglobin usw. ihren sichtbaren Ausdruck findet. 
Durch diese besondere, auf der Höhe des mitotischen Prozesses 
eintretende Gleichgewichtsstörung wird der ganze Stoffwechsel der 
Zelle von Grund aus geändert und in andere Bahnen gelenkt. 
Statt der indifferenten, unbegrenzt teilungsfähigen und mit sehr 
mannigfaltiger, wenn auch latenter Entwicklungspotenz ausge- 
statteten, in die Mitose tretenden Zelle bekommt man nach der 
Mitose zwei auf eine bestimmte neue Entwicklungsbahn gestellte, 
sich nur in einer spezifischen Richtung mehr differenzierende und 
schliesslich alternde Zellen, in denen irgend eine von den vielen 
im Lymphozyt vorhandenen Entwicklungspotenzen aus dem latenten 
Zustande in den offenen übergegangen ist. 

Warum aus einem sich teilenden Lymphozyt in dem einen 
Fall ein Paar junger Myelozyten, in einem anderen ein Paar junger 
Erythroblasten usw. hervorgeht, hängt wahrscheinlich vom Zufall 
ab. Die Gleichgewichtsstörung, die die künftige Entwicklungsbahn 
der Zelle bestimmt und dementsprechend den Stoffwechsel ändert, 
kann eben in verschiedenen, durch die Konstitution des Lymphozyten- 
Protoplasmas möglich gemachten Richtungen erfolgen. Da aber, wie 
wir wissen, die relative Zahl der verschiedenen aus den Lympho- 
zyten entstehenden Blutzellenarten in jedem blutbildenden Organ 
und zu jeder Zeit eine sehr verschiedene, dabei aber für jeden 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 107 


betreffenden Fall ziemlich konstante ist, so müssen augenscheinlich 
die äusseren Bedingungen, in denen die Lymphozyten hier oder 
dort existieren, auf das Lymphozytenprotoplasma in ganz bestimmter 
Weise einwirken und zwar derart, dass von den verschiedenen, 
a priori gegebenen Möglichkeiten der Entwicklungsänderung die 
einen vergrössert, die anderen geschwächt oder auch ganz unter- 
drückt werden. 

Durch die angeführte Hypothese, die, wie gesagt, auch der 
tatsächlichen Grundlage keineswegs entbehrt, können wir, wie ich 
glaube, das Wesen der merkwürdigen Erscheinung, dass aus einer 
gemeinsamen indifferenten Stammzelle, dem Lymphozyt, so zahl- 
reiche und mannigfaltige Blutzellenformen entstehen, unserem 
Verständnis etwas näher bringen und vielleicht auch einer zweck- 
mässigen experimentellen Forschung zugänglicher machen. 


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Leser: Über histologische Vorgänge an der Ossifikationsgrenze mit 
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Lobenhoffer: Über extravaskuläre Erythropoese in der Leber unter 
pathologischen und normalen Verhältnissen. Zieglers Beiträge, Bd. 43, 
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38. 


39. 


42a. 


46. 


47. 


Ana. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 109 


Maximow: Experimentelle Untersuchungen über die entzündliche Neu- 
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Derselbe: Über die Zellformen des lockeren Bindegewebes. Arch. f. mikr. 
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Derselbe: Der Lymphozyt als gemeinsame Stammzelle der verschiedenen 
Blutelemente in der embryonalen Entwicklung und im postfetalen Leben 
der Säugetiere. Folia hämatolog.. Bd. VIII, 1909. 


. Derselbe: Uber zweckmässige Methoden usw. Zeitschr. f. wissensch. 


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Nägeli: Beiträge zur Embryologie der blutbildenden Organe. Verhandl. 
d. Kongresses f. innere Medizin, 23. Versamml. in München 1906. 
Derselbe: Blutkrankheiten und Blutdiagnostik. Leipzig 197. 


Pappenheim: Abstammung und Entstehung der roten Blutzelle. 

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Derselbe: Vergleichende Untersuchungen über die elementare Zusammen- 

setzung des roten Knochenmarks einiger Säugetiere. Virch. Archiv, 

Bd. 157, 1899. 

Derselbe: Über Iymphoide basophile Vorstufen der Erythroblasten Folia 

hämatolog., Bd. 5, Nr. 6, April 1908. 

Derselbe: Über die grosse mononukleäre ungekörnte Zelle unter den 

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Derselbe: Die verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen in der 

theoretischen Hämomorphologie. Folia hämatolog., Bd. 8, 1909, S. 343. 

Derselbe: Atlas der menschlichen Blutzellen. Jena 1905—1909. 
Derselbe: Zur vorstehenden Mitteilung Dominicis. Folia hämatolog., 

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Retterer: Del’ossification intracartilagineuse ou enchondrale. Compt. 

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Schaffer: Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasie- 

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Schott, E.: Morphologische und experimentelle Untersuchungen über 

Bedeutung und Herkunft der Zellen der serösen Höhlen und der so- 

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Schridde, H.: Die Knochenmarks-Riesenzellen des Menschen. Anat. 
Hefte, Bd. 33, 1907. 

Derselbe: Über Regeneration des Blutes unter normalen und krankhaften 
Verhältnissen. Zentralbl. f. allgem. Pathologie und path. Anat., Bd. 19, 
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Derselbe: Die embryonale Blutbildung. Zentralbl. f. allgem. Pathologie 
und path. Anat., Bd. 20, Nr. 10. 


110 Alexander Maximow: 


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des Anat. Anzeigers. 
49, van der Stricht: Caryomitose et division directe des cellules & 
noyau bourgeonnant & l’etat physiologique. Verhandl. d. Anat. Ges., 
5. Versamml., München 1891. Ergänzungsh. z. 6. Bd. d. Anat. Anzeigers, 
S. 169. 
50. Derselbe: Nouvelles recherches sur la gen&se des globules rouges et des 
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5l. Tommasi: Üontributo allo studio delle cellule giganti del midollo 
osseo. Lo sperimentale, Anno 60, Fasc. #4, S. 461—486. 
52. Weidenreich: Die roten Blutkörperchen. II. Ergebnisse d Anatomie 
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53. Derselbe: Über Speichelkörperchen. Ein Übergang von Lymphozyten 
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54. Derselbe: Zur Kenntnis der Zellen mit basophilen Granulationen im 
Blut und Bindegewebe. Folia hämatolog., Bd. 5, Nr. 3, 1908. 
55. Derselbe: Studien über das Blut und die blutbildenden und -zerstörenden 
Organe. IV. Weitere Mitteilungen über rote Blutkörperchen. Arch. f. 
mikr. Anat., Bd. 69, 1906. 
56. Derselbe: Dasselbe. V. Beiträge zur Kenntnis der granulierten Leuko- 
zyten. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 72, Nr. 1, 1908. 

. Derselbe: Dasselbe. VI. Zur Morphologie und morphologischen Stellung 
der ungranulierten Leukozyten — Lymphozyten — des Blutes und der 
Lymphe. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 73, 1909, S. 79. 


[SV 
-] 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel I-IV. 


Ausführliche Erklärung im Text. 


Sämtliche Figuren ausser Fig. 1, 2, 3, 4, 6 und 37 wurden unter 
Benutzung des Zeissschen Apochr. 2,0 mm, Ap. 1,40 und des Kompensations- 
Okulars Nr. 8 mit Hilfe des Abbeschen Zeichenapparats entworfen. Die 
speziell angegebenen Figuren sind unter schwächerer Vergrösserung, mit 
demselben Objektiv, aber mit Kompens.-Okul. Nr. 6 hergestellt worden. 


Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: Bz — embryonale Binde- 
gewebszellen; Bz’ — dieselben in Mitose; Ed — Gefässendothel; Edph = 
Endothelphagozyten; emlz — eosinophile Myelozyten; eos — eosinophile 
Leukozyten; K = Knorpelgrundsubstanz; klm — kleine Lymphozyten; 
Kn — Knochensubstanz; Kz — Knorpelzellen; Kz‘ — dieselben in Mitose; 
Kz' — degenerierende Knorpelzellen; L — Gefässlumen; Lkz — reife Spezial- 
leukozyten; Lmz — grosse Lymphozyten; Lmz’ = dieselben in Mitose; 


Meg — Megakaryozyten: Mlb — Megaloblasten; MIb' — dieselben in Mitose; 
Mlz — Spezialmyelozyten; Mtz — Mastzellen; Nmb — Normoblasten; Nmb’ — 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 149) 


dieselben in Mitose; Nmb‘' — reife hämoglobinreiche Normoblasten mit pykno- 
tischem Kern; Obl = Osteoblasten; Okl = Osteoklasten; p = Permigration von 
Lymphozyten durch die Gefässwand; Phg — Erythroblastenkernphagozyten; 


sWz — schaumige Wanderzellen; Wz — Wanderzellen, die sich nach ihrem 
histologischen Aussehen von echten Lymphozyten mehr oder weniger ent- 
fernen; Wz’ — dieselben in Mitose; Wz'' — aus embryonalen Bindegewebs- 


zellen durch Kontraktion und Isolierung entstehende Wanderzellen von ver- 
schiedenem Aussehen. 

Allen Abbildungen (ausser Fig. 44—48) liegen mit EAz gefärbte 
Zelloidinschnittpräparate von mit ZF fixierten und z. T. dekalzinierten langen 
Extremitätenknochen von Säugetierembryonen zugrunde. Nur die Fig. 42 u. 43 
sind nach Alkohol-Thionin-Präparaten gezeichnet worden. 

Zur Illustrierung der im Texte beschriebenen Erscheinungen sind in 
einigen Fällen Präparate von anderen, meist etwas späteren Stadien gewählt 
worden, wie es weiter unten überall angegeben worden ist. Dies geschah, 
um über eine reichere Auswahl der betreffenden Zellformen zu verfügen. 


Tafel L 


Fig. 1. Katze 38 mm. Embryonales Bindegewebe (rechts) dringt aus dem 
Periost in den Knorpel ein (links) und resorbiert ihn. Partielles 
Uberleben von Knorpelzellen (Kz) und sogar Mitosen in ihnen (Kz‘). 

Fig. 2. Katze 72 mm. Resorption des Knorpels an der enchondralen Ossi- 
fikationslinie. Alle Knorpelzellen (Kz‘) gehen zugrunde. Aus den 
embryonalen Bindegewebszellen (Bz) entstehen Osteoblasten (Obl), 
die schon anfangen, Knochensubstanz zu erzeugen (Kn). 

Fig. 3. Katze 72 mm. Enchondrale Össifikationslinie. Eröffnete und mit 
Bindegewebszellen (Bz), Osteoblasten (Obl) und Gefässen (L) erfüllte 
Knorpelkapseln. Entstehung von Östeoklasten (Okl) und Wander- 
zellen (Wz). 

Fig. 4. Meerschweinchen 58 mm. Bildung von Osteoklasten (Okl) an der 

enchondralen Össifikationsgrenze. 

Katze 72 mm. Rückverwandlung von ÖOsteoklasten (Okl) in ein- 

kernige Zellen (t), die sich später wahrscheinlich in gewöhnliche 

Stromazellen (Bz) weiter verwandeln. 


Tafel II. 


Fig. 6. Meerschweinchen 34—36 mm. Entstehung von Wanderzellen der 
verschiedensten Typen (Wz', Wz, Lmz) aus embryonalen Binde- 
gewebszellen (Bz) an der enchondralen Össifikationsgrenze. 


>) 

fern) 
Ss 

[S}} 


Fig. Meerschweinchen 58 mm. Lymphoides Mark mit zahlreichen Wander- 
zellen der verschiedensten Typen. An einigen Stellen sieht man 
neue Wanderzellen entstehen (Wz'). Bei p Permigration eines 


kleinen Lymphozyten. 


Ex) 


Fig. 8. Meerschweinchen 39—40 mm. Zwei schaumige Wanderzellen aus 
dem periostalen Mark. 


Alexander Maximow: 


9. Katze 64 mm. Entstehung verschiedenartiger Wanderzellen (Wz', 
Wz. Lmz) aus embryonalen Bindegewebszellen (Bz) an der enchon- 
dralen Ossifikationslinie. 


. 10. Etwas ältere, der Diaphysenmitte näher gelegene Gewebspartie 


aus demselben Knochen. Verschiedenartige Wanderzellen (Wz, Lmz, 
sWz), Stromazellen (Bz). zwei eben entstandene primitive Spezial- 
leukozyten (Lkz). 


&..11. Ähnliche Stelle von demselben Objekt. 


12. Dasselbe Objekt. Eine Stelle mit zwei Wanderzellen (Wz) aus der 
Jymphoiden Markzone. 
13. Dasselbe Objekt. Mitose eines grossen Lymphozyten. 


'. 14. Dasselbe Objekt. Ein typischer kleiner Lymphozyt. 
. 15. Dasselbe Objekt. Eine grosse amöboide Wanderzelle von „histogenem“ 


Typus mit zahlreichen Pseudopodien. 


g. 16. Ratte 32—39 mm. Zwei grosse Lymphozyten aus der Iymphoiden 


Markzone. 


Fig. 17. Katze (Omm. a—e — verschiedene Lymphozytenformen aus einer 
Lymphknotenanlage in der Halsregion; f — ein daselbst befindlicher 
reifer Spezialleukozyt. 

Fig. 185. Meerschweinchen 55 mm. Eine Gruppe von drei grossen Lympho- 


Fig. 


zyten aus den mittleren, älteren Teilen des enchondralen Markes; 
die unterste Zelle (ce) arbeitet die ersten Spuren der pseudo- 
eosinophilen Körnung aus. 

19. Meerschweinchen 39—40 mm. Gewebspartie an der Grenze der 
lymphoiden und myeloiden Markzone. An der Gefässwand (Ed) 
liegt ein kleiner Lymphozyt mit beginnender Produktion von Spezial- 
körnern im Plasma (Mlz). Bei p Permigration zweier verschieden- 
artiger Lymphozyten. 


Tafel III. 


20 u. 21. Meerschweinchen 55 mm. Im Iymphoiden Mark tauchen die 
ersten Myelozyten (Mlz) auf. In Fig. 21 sind die Myelozyten in 
typischer Weise paarweise verbunden (Telophase einer Mitose). 


. 22. Meerschweinchen 46 mm. Myelozytenpaar. 
g. 23. Meerschweinchen 48 mm. Ein paar Spezialmyelozyten (Mlz), deren 


Körnchen gröber aussehen, als die gewöhnliche pseudoeosinophile 
Körnung. 


. 24-26. Meerschweinchen 50 mm. Verschiedene im Text beschriebene 


Formen der Spezialgranulozyten. 


. 27a u.b Meerschweinchen 48 mm, ce Meerschweinchen 50 mm. Eosino- 


phile Granulozyten. 


. 28. Katze 64 mm. Gruppe von grossen (Lmz) und kleinen (klm) Lympho- 


zyten; dazwischen ein reifer Spezialleukozyt (Lkz) und ein junger 
eosinophiler Myelozyt (emlz). 


.29 u.30 Ratte 29 mm. Übergang des Iymphoiden Markes mit seinen 


indifferenten Lymphozyten (Lmz, Wz) in myeloides, mit Entstehung 
der ersten Spezialgranulozyten (Lkz)undeosinophilen Zellen (emlz, eos). 


Fig 


„43: 
g. 44—48 stellen einzelne Zellen aus dem Knochenmark eines neugeborenen 


. 44, 
. 85. 
. 46. 
A. 


. 48. 


Untersuchungen über Blut und Bindegewebe. 113 


Ratte 29 mm. Die ersten typischen Spezialmyelozyten. 

Ratte am Ende der Tragzeit. a und b = grosse Lymphozyten; 
c—f = aus ihnen entstandene Spezialmyelozyten. 

Ratte 29 und 35 mm. a—e — verschiedene Erscheinungsformen 
der eosinophilen Granulozyten. 

Meerschweinchen 50 mm. Perivaskulärer Herd von wuchernden 
grossen Lymphozyten (Lmz, Lmz‘) und aus ihnen entstehenden 
Megaloblasten (Mlb.. Meg — junger Megakaryozyt. 

Dasselbe Objekt. Perivaskulärer Herd von Megaloblasten (Mlb, MIb‘) 
und weiter wuchernden Normoblasten (Nmb, Nmb’‘). 


Tafel IV. 


Dasselbe Objekt. Perivaskulärer Herd von reifen, hämoglobinreichen 
Normoblasten mit Kernausstossung (Nmb‘); s = freie ausgestossene 
Kerne; Erz’ — junge, eben entstandene, kernlose Erythrozyten; 
Phg — Stromazelle mit verschlungenen Erythroblastenkernen. 
Dasselbe Objekt, dieselbe Stelle am folgenden Schnitt (unter 
schwächerer Vergrösserung). Entleerung der im Gewebe ent- 
standenen jungen kernlosen Erythrozyten (Erz‘) durch die Risse 
in der Endothelmembran (Ed) ins Gefässlumen (L). 

Katze 64 mm. Gruppe von wuchernden grossen Lymphozyten, die 
sich in Myeloblasten verwandeln werden. 

Dasselbe Objekt. Gruppe von Megaloblasten. 

Ratte am Ende der Tragzeit. Gruppe wuchernder Megalo- (MIb, MIb‘) 
und Normoblasten (Nmb). 

Katze 64 mm. Entstehung von Megakaryozyten (Meg) aus grossen 
Lymphozyten (Lmz). 

Ratte am Ende der Tragzeit. a—c — junge Bindegewebsmast- 
zellen im Mark. 

Meerschweinchen 46 mm. Entstehung der ersten Mastzellen (Mtz). 


Kaninchens dar. Mit ZF feucht fixierte und mit EAz gefärbte 
Deckglaspräparate. 


a—i — verschiedene Lymphozytenarten. 
a—i — verschiedene Formen der Spezialmyelozyten. 
a—e — verschiedene Formen der eosinophilen Myelozyten. 


a—h — Entwicklungsreihe der Hämoglobinzellen, vom noch Iympho- 
zytenähnlichen jungen Megaloblasten (a) bis zum reifen Normo- 
blasten mit Kernausstossung (h). 

a—c — Blutmastzellen; a und b — Mastmyelozyten; ce = reifer 
Mastleukozyt. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. fo) 


114 


Aus dem Zoologischen Institut München. 


Über den Aufbau der Speicheldrüsenkerne 
der Chironomuslarve. 


Von 
Dr. Hubert Erhard. 


Hierzu Tafel V und eine Textfigur. 


1. Einleitung. 


Es gibt verhältnismässig wenig Metazoen, welche in be- 
stimmten Organen eine ganz bezeichnende, immer wiederkehrende 
Form des Zellkernaufbaues zeigen, die einzig und allein der 
betreffenden Tierart oder dem betreffenden Organ zukommt. Mit 
anderen Worten, die verschiedensten Organe der verschiedensten 
Tierarten haben oft die grösste Ähnlichkeit im Aufbau ihrer 
Zellkerne. Eine Ausnahme von dieser Regel findet sich vielfach 
bei Arthropoden vor. Wir müssen hier zwischen zweierlei ganz 
bezeichnenden Typen unterscheiden, zwischen den in Anpassung 
an eine bestimmte lebhafte Zelltätigkeit umgeformten Kernen 
und solchen, die nur während der Entwicklungsperiode des 
Tieres charakteristisch geformt sind, um später sich mehr dem 
allgemeinen Kernschema zu nähern. Wir wollen die einen der 
Einfachheit wegen kurz die Funktions-, die anderen die Ent- 
wicklungskerne nennen. Als Beispiel der ersteren mögen die 
von Meves besonders schön dargestellten Spinndrüsenkerne 
gelten, die sich wohl in Anpassung an die ausserordentlich hohe 
Funktion ihrer Zellen stets in der merkwürdigsten Weise um- 
geformt haben. Unter den Entwicklungskernen hat seit der 
bekannten Untersuchung Balbianis (1) der Typus, den dieser 
Forscher in den Speicheldrüsen der Chironomuslarve auf- 
gefunden hatte, stets besondere Aufmerksamkeit gefunden. Im 
Kern befindet sich ein langer, gewundener, wahrscheinlich aus 
einzelnen aneinander gereihten Scheiben zusammengesetzter 
Faden, dessen beide Enden sich träubchenförmig erweitern. In 
der Nähe dieser Erweiterungen befindet sich je ein, den Faden 


Aufbau der Speicheldrüsenkerne der Chironomuslarve. L15 


umgebender Ring. Balbıiani (1) hat seine, mit den damaligen 
Hilfsmitteln wohl nicht zu übertreffende Untersuchung am 
lebenden Objekt gemacht; er konnte also sicher gehen, keine 
Kunstprodukte vor Augen zu haben. Die Deutung der ver- 
schiedenen Bestandteile schien ihm ohne weiteres klar: die er- 
weiterten Enden der Fäden, sagte er, sind die Nukleolen, die 
Fäden selbst stellen das Chromatin des Kernes dar. Gerade 
damals hatte man ja begonnen, die indirekte Kernteilung 
näher zu studieren, nichts lag also näher, als den Faden des 
Chironomus-Speicheldrüsenkernes mit dem sich zur Chromo- 
somenbildung fädig umgeformten Chromatin der sich teilenden 
Zelle zu vergleichen. Wilson (15) hat in diesem Sinne diesen 
Kernen den Namen „Spiremkerne“* verliehen, und dass die 


Fig. A. Kern einer Speicheldrüsenzelle der Chironomuslarve nach 

Balbiani. a — Nukleolen, Kugeln unterhalb der Nukleolen, Kern- 

faden und Kernringe sichtbar. b und ce = Kernfadenstücke bei 
stärkerer Vergrösserung. d = traubenförmiger Nukleolus. 


Balbianische Deutung die allein herrschende blieb, erkennt 
man besonders aus unseren zusammenfassenden Werken über 
die Zelle, so ausser dem von Wilson selbst, den Werken von 
Henneguy (7, 8), O. Hertwig (9), Carnoy (3), Gurwitsch (5) 
und Heidenhain (6). 

Es hat sich nach der Untersuchung Balbianis in der 
Folgezeit wohl kein Objekt gefunden, das so schön die Struktur 
erkennen lässt, die den Speicheldrüsenkern von Chironomus 
auszeichnet, immerhin finden wir manche Berichte von ähnlichen 
Vorkommnissen auch bei anderen Arthropoden von Henneguy 
(7, 8). Am Darmepithel der Larve von Ptychoptera fand 
Van Gehuchten (7) gleichfalls solche Gebilde und Stras- 


‘burger (14) zeigte, dass sie auch in der Botanik vorkommen. 
8*+ 


116 Hubert Erhard: 


Endlich berichtet OÖ. vom Rath von einer polyzentrischen 
Anordnung des Chromatins bei Kernen, die ihm bei Schnitten 
durch die Kopfregion von Anilocra mediterranea zu Gesicht 
kamen. Diese lässt sich vielleicht auch, wie ich glaube, mit 
unserer eben besprochenen Kernform vergleichen. Herr Geheim- 
rat von Hertwig hatte die Güte, mich auf Präparate unserer 
Institutssammlung aufmerksam zu machen, die er selbst vor 
etwa 25 Jahren gefertigt hatte, und die nicht nur an Chiro- 
nomus die Angaben Balbianis bestätigten, sondern auch an 
den Speicheldrüsen der Larven von Culex pipiens, allerdings 
in weit zarterem Aufbau, solche „Spiremkerne“ erkennen liessen. 


2. Material und Methoden. 


Für die folgende Untersuchung wurden vor allem die 
Speicheldrüsen der Chironomuslarve verwendet. Diese Larven 
befanden sich kurz vor der weiteren Metamorphose. Im Gegen- 
satz zu Henneguy (7), der die Drüsen so herauspräparierte, 
dass er den Kopf der Tiere abriss, wobei die Speicheldrüsen 
mitgingen, die dann vom Kopf losgelöst wurden, schnitt ich 
nach dem ersten, dem Kopf folgenden Segment durch. Entweder 
quollen nun die Speicheldrüsen ganz von selbst aus dem Körper 
hervor und es konnte ihr feiner Ausführgang, um sie loszulösen, 
durchschnitten werden, oder ein leichter Druck auf die folgenden 
Segmente liess sie hervortreten. Die abgelösten Speicheldrüsen 
wurden entweder mit Sublimat-Eisessig (Subl. !/z cone. + 2 Teile 
Eisessig) oder in Flemmingschem Gemisch fixiert. Eine wesent- 
lich bessere Konservierung ergab die erstere Art. Die in Sublimat 
fixierten Objekte wurden als Ganzes in Boraxkarmin gefärbt. 
Ein Teil von ihnen wurde zu Totalpräparaten benutzt. Bemerkens- 
wert ist, dass kurzes Färben, etwa !/s Stunde lang, mit darauf- 
folgendem S—10tägigem Ausziehen die besten Präparate lieferte. 
Bei den für Schnittpräparate bestimmten Objekten, die 3—20 u 
dick geschnitten wurden, wurde vorerst nicht extrahiert. Gefärbt 
wurde dann ausser mit Safranin-Lichtgrün und dem Gemisch 
von Ehrlich-Biondi-R. Heidenhain, wobei jedesmal zuerst 
Boraxkarmin entfernt wurde, vor allem nach der sogenannten 
Obstschen Nukleolenfärbung. Die nicht extrahierten Boraxkarmin- 
schnitte kamen auf 1!/„—4 Stunden in eine sehr verdünnte wässerige 


Aufbau der Speicheldrüsenkerne der Chironomuslarve. 117 


Methylgrünlösung. War die Lösung so konzentriert, dass noch 
deutlich ihr grüner Farbton zu erkennen war, so kam schon 
eine Überfärbung zustande. Ich tat in den darauffolgenden 
70°/o Alkohol in diesem Fall einige Tropfen 5°/oiger ammoniakalischer 
Lösung, die in etwa einer Minute den überschüssigen Farbton 
auszog. Die besten Bilder bekam ich aber, wenn ich die 
Methylgrünlösung so sehr verdünnte, dass sie mehr einem ein 
wenig blaugrün schillernden Wasser glich und darin die Schnitte 
1!/s Stunden, also weit geringere Zeit als Obst (12), der 
2—3 Stunden färbte, liess. Die in Flemmings Gemisch 
fixierten Präparate kann ich übergehen, da sie mich nach keiner 
Färbung befriedigten. Es ist ferner natürlich, dass den Unter- 
suchungen am gefärbten Objekt die am lebenden vorangingen. 
Ausser den von Balbiani (1) angegebenen Methoden wurden 
noch Pressversuche unternommen. Ferner wurden noch Präparate 
vom Darm der Larven ebenso fixiert und gefärbt. Ausser diesen 
eigenen Präparaten standen mir zur Untersuchung noch die von 
Herrn Geheimrat von Hertwig gefertigten zur Verfügung, die 
ausser den Chironomus- auch die Culex pipiens-Speichel- 
drüsen betrafen. Bei Chironomus handelte es sich hier 
manchmal wohl um noch jüngere Tiere. In beiden Fällen war 
mit Chromsäure fixiert und mit Safranin total gefärbt worden. 
Ich möchte auch an dieser Stelle Herrn Geheimrat von Hertwig 
für die Überlassung der Präparate meinen verbindlichsten Dank 
sagen. 


3. Eigene Beobachtungen. 


Die eigenen Untersuchungen begannen mit dem Studium 
des lebenden Materials im Blut des Tieres. Ich kann mir die 
Beschreibung der Ergebnisse dessen ersparen, da sie nur das 
bestätigen, was schon Balbiani (1) erkannt hatte (vergl. Text- 
figur A). Nur über einen Punkt, über den sich dieser Forscher 
nicht völlig klar wurde, möchte ich berichten. Balbiani konnte 
nämlich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob der Faden sich aus 
einzelnen aneinander gereihten Scheiben zusammensetzt, wenn- 
gleich er diese Art des Aufbaues für den wahrscheinlichsten 
hält. Ich versuchte, den Zusammenhalt des Gebildes durch Druck 
mit dem Deckgläschen zu lockern, was auch schliesslich gelang. 
Der Faden zerfiel tatsächlich in einzelne Scheiben. 


118 Hubert Erhard: 


Diese Behauptung möchte ich aufrecht erhalten, auch nach- 
dem ich nachträglich durch eine eben erschienene Arbeit Her- 
werdens (10) auf eine andere Deutung des Aufbaues des 
Kernfadens aufmerksam gemacht wurde. Nachdem schon früher 
Korschelt (11) angegeben hatte, dass seine Zusammensetzung 
aus aneinandergereihten Scheiben nur eine scheinbare sei, in 
Wirklichkeit vielmehr, wie sich durch Druck feststellen lasse, 
der Kernfaden aus einer aufgerollten Spirale bestehe, schliesst 
sich Herwerden auf Grund eigener Untersuchungen dieser 
Deutung vollauf an. Er glaubt „unwiderleglich nachzuweisen“, 
dass beim Kernfaden „ein spiralförmig gewundener Faden 
vorliegt, dessen Windungen ..... eine achromatische 
Substanz umlagern“. Anschliessend an eine Angabe von Bonnevie 
(2), die beim Furchungskern von Ascaris die Chromosomen in 
der Telophase als gewundene Spiralfäden beschreibt, sagt er: 
„Nach meiner Auffassung muss also die Struktur dieser Kerne“ 
(sc. Chironomus!) „nicht als eine isoliert dastehende betrachtet 
werden, sondern als eine sehr typische Struktur, zu deren zeit- 
licher oder dauerhafter Umgestaltung vermutlich jedem tierischen 
und pflanzlichen Kern die Fähigkeit inne wohnt“. Aber die 
Bestandteile der Chironomuskerne weichen doch, wie wir 
sehen werden, wesentlich von den Chromosomen ab. Herverden 
konnte ferner auch nicht die Identität der Chironomuskern- 
fäden mit Chromosomen beweisen, da er, wie er selbst angibt, 
nie eine Zellteilung in den Speicheldrüsen beobachten konnte. 
Ferner sind die Angaben von spiralig gedrehten Chromosomen 
doch relativ selten — Heidenhain (6, pag. 174—176) z. B. 
glaubt, dass die Chromosomen der Spireme der Salamander- 
kiemenblättchen eine Drehung und Gegendrehung zeigen —, SO 
dass ich dieser Verallgemeinerung Herwerdens auch in bezug 
auf die Chromosomen skeptisch gegenüberstehe. 

Sehr überrascht war ich, als ich anfänglich am gefärbten 
Objekt die einzelnen, das Kerngerüst zusammensetzenden Teile 
manchmal nicht so gut wiedererkannte, wie bei den Unter- 
suchungen im lebenden Zustand. Ganz besonders gilt dies von 
den Totalpräparaten. Man kann offen sagen, dass sich kaum ein 
anderes histologisches Objekt so sehr zur Lebend-Beobachtung 
eignet, wie die Kerne der Chironomusspeicheldrüsen, und dass 
es überhaupt wundernehmen muss, wie bei Objekten, die so leicht 


Aufbau der Speicheldrüsenkerne der Chironomuslarve. 119 


zu beschaffen sind, die Histologie verhältnismässig selten Studien 
von Zellen in ihrem Naturzustand ausführt. Nur einige Einzel- 
heiten des Kernaufbaues gelang es am gefärbten Material zu 
klären. Vor allem zeigten die ganz kleinen, also ganz jungen 
Larven angehörigen Kerne einen einfachen Nukleolus, von dem 
aus die beiden Schleifenenden entsprangen. Erst bei älteren 
Larven, die kurz vor der weiteren Metamorphose sich befanden, 
waren stets zwei Nukleolen anzutreffen, endigte der aufgerollte 
Faden also frei, während er im ersteren Fall in sich selbst zurück- 
lief. Es ist also erklärlich, warum Balbiani (1) einmal ein 
einfaches Kernkörperchen und einmal zwei Nukleolen antraf. Im 
übrigen ist der Nukleolus ganz so aufgebaut, wie es Balbiani 
angibt. Ein aus dem Kernfaden hervorgehender Stiel verästelt 
sich mehrfach, und an den Enden dieser Verzweigungen sitzen 
wie Traubenbeeren kleine dicht gedrängte Kügelchen. Unsere 
Fig. 2 zeigt einen quer getroffenen, rot gefärbten Nukleolus. Der 
rote Kreis in der Mitte stellt den Querschnitt des Mittelstiels 
vor, dieser wird auf drei Seiten (oben, rechts und rechts unten) 
von den hier quer getroffenen roten Beeren umgeben. Diese 
scheinen längsovale Form zu haben und in zwei Lagen, einer 
äusseren und einer inneren, angeordnet zu sein. Die Oberfläche 
des Nukleolus ist keine verhältnismässig gleichartige Fläche, viel- 
mehr springt jeweils ein grösserer oder kleinerer Komplex von 
Beeren aus dem kugelförmigen Gebilde wieder zusammen kugel- 
förmig hervor, so dass der Anblick des Ganzen einer aus einzelnen 
Kugeln zusammengekneteten Kugel gleicht. Dies erkennt man 
bei Betrachtung von Fig. 1, die den ganzen Nukleolus in dunkel- 
kirschroter Farbe zeigt. Den Stiel umgeben an der Stelle, an 
der er sich verzweigt, grössere Kügelchen, die schon Balbiani (1) 
aufgefunden hatte. In unserer Fig. 2 sind es die blaugrün ge- 
färbten Kugeln, die um den Stiel gelagert sind. Ihre Zahl ist 
nach meiner Schätzung etwa zehn. 

Der eigentliche Faden setzt sich, wie oben schon angegeben, 
aus einzelnen Scheiben zusammen. Im fixierten Zustand erweist 
er sich ziemlich brüchig, was daraus erhellt, dass er durch das 
Messer oft wohl in seiner Lage verändert und eher durchgerissen 
als durchschnitten wird. Nach Heidenhain (6) sind ja über- 
haupt oft Kernstrukturen recht brüchig. Gleich in der Nähe des 
Nukleolus wird der Kernfaden von zwei Ringen umgeben (Fig. 1 


120 Hubert Erhard: 


und 2). Balbiani (1) fand einen einzigen solchen Ring auf. 
Jüngere Larven besitzen in der Tat, wie ich feststellen konnte, 
nur einen, ältere dagegen haben zwei Ringe. Balbiani konnte 
die feinere Zusammensetzung des Ringes nicht ermitteln. An 
gefärbten Schnittpräparaten erwiesen sie sich mir als halbrund 
erhaben, zusammengesetzt aus dicht aneinander gelagerten 
Kügelchen (Fig. 2), ähnlich wie der Nukleolus. In der Breitseite 
des Ringes folgen sich wahrscheinlich drei Reihen von Kügelchen. 
Die Kugeln sind aber nicht wie die der Kernkörperchen längsoval, 
sondern kreisrund. Dies liess sich an einem Schnitt feststellen, 
der eben einen solchen Ring traf und ihn durchriss, so dass die 
Kügelchen im Kern zerstreut herumlagen. Über den weiteren 
Verlauf des Kernfadens ist folgendes zu sagen: Balbiani (]) 
fand, dass er sich zuweilen spaltet, eine Wahrnehmung, die ich 
nie machen konnte. Immer verlief er — an gefärbten Total- 
präparaten wie am ungefärbten ganzen Objekt liess sich dies mit 
aller Sicherheit feststellen — einheitlich bis zum anderen Nukleolus. 
So waren die Verhältnisse wenigstens an den Speicheldrüsenkernen 
der Chironomuslarve. Ob dasselbe für die von Culex 
pipiens zutrifft, wage ich nicht zu entscheiden. Hier ist der 
ganze Faden ungleich feiner und länger, so dass das ganze Bild 
viel schwerer zu deuten ist. Auch der Darm der Ühironomus- 
larve besitzt, wie ich feststellen konnte, solche Spiremkerne. 
Hier konnte gleichfalls nicht mit Bestimmtheit nach einer 
Richtung hin entschieden werden. Alle Scheiben des Fadens er- 
weisen sich als völlig gleichartig. ©. Hertwig (9) berichtet zwar, 
dass der Kernfaden der Speicheldrüse der Chironomuslarve 
„im gefärbten Präparate eine regelmässige Aufeinanderfolge 
tingierter und nicht tingierter Scheiben erkennen lässt“; bei 
meinen Versuchen, sowohl mit einfachen wie mit Doppelfärbungen, 
färbten sich die Scheiben jedesmal völlig gleichmässig. Ich glaube, 
dass die gegenteilige Auffassung daher rührt, dass die freien 
Zwischenräume zwischen je zwei gefärbten Scheiben einen Wechsel 
von gefärbten und ungefärbten vortäuschen. Zwischen je zwei 
Scheibenrändern besteht nämlich eine Lücke. Wie die Scheiben 
eigentlich miteinander verbunden sind, ob sie im Zentrum ihres 
Radius vielleicht zusammenhängen, konnte nicht entschieden werden. 

Wichtiger als diese doch nur mehr äusserlichen Feststellungen 
sind, glaube ich, die Erkenntnisse, die über die Bedeutung des 


Aufbau der Speicheldrüsenkerne der Chironomuslarve. 124 


Kernapparates gewonnen wurden. Ich muss hier weiter ausholen : 
Bekanntlich hat Obst (12) gelegentlich seiner Studien über 
Molluskeneier eine Methode entdeckt, mit der es möglich ist, das 
Chromatin des Kernes und die Nukleolarsubstanz im engeren 
Sinne verschieden zu färben. Boraxkarmin färbt das Chromatin, 
Methylgrün die Nukleolarsubstanz. Zur Unterscheidung von Basi- 
und Oxychromatin ist ferner namentlich von Heidenhain (6) 
mit Erfolg das Ehrlich-Biondi-Heidenhainsche Gemisch 
verwandt worden. Ich muss mich hier mit dieser Andeutung 
begnügen, da Heidenhain in wohl erschöpfender Weise die 
Theorie der Kernfärbung behandelt hat und verweise deshalb für 
alles Weitere auf sein Werk. Beim Lesen dieser Schriften dachte 
ich an die Chironomusspeicheldrüsenkerne, deren eigentüm- 
liche Struktur, ferner ihr Entwicklungscharakter, wie ich glaubte, 
ein Licht auf die Zusammensetzung des Kernes und auf die Be- 
deutung der Nukleolen werfen könnten. Ein grosser Teil dieser 
Hoffnungen wurde zu nichte, da merkwürdigerweise die Ehrlich- 
Biondi-Heidenhainsche Färbung nie recht gelang, und ich 
nur Material von ziemlich grossen Larven bekam, der Haupt- 
reiz aber wohl in der Erforschung der Entstehung des eigen- 
artigen Kernaufbaues bestanden hätte. So konnte denn nur die 
Zusammensetzung des Kernes in einem einzigen Entwicklungs- 
stadium näher studiert werden. Hatte Balbiani (1) das erweiterte 
Ende der Fäden als Nukleolen gedeutet, so blieb immer noch 
die Natur der Ringe unbekannt, und des weiteren fiel mir an 
den Präparaten von Herrn Geheimrat von Hertwig auf, dass 
sich einmal der Faden lebhafter mit Safranin, einmal der 
Nukleolus intensiver mit diesem Farbstoff färbte, d. h. dass eine 
wechselvolle Neigung in der Aufnahme basischer Anilinfarbstoffe 
besteht. Die Tiere, an denen dies stattfand, mussten jünger ge- 
wesen sein als die mir zur Verfügung stehenden. An diesen 
letzteren war stets eine ganz bestimmte Neigung, Farbstoffe auf- 
zunehmen, festgelegt, und zwar genau die entgegengesetzte, die 
man erwartet hätte. Figur 1 stellt uns einen Teil eines Kernes 
dar, der stark mit Methylgrün überfärbt ist. Als echtes Chromatin, 
d.h. mit Boraxkarmin gefärbt, ist vor allem der ‚„‚Nukleolus“ zu 
erkennen. Eine ähnliche Reaktion zeigen noch die beiden Ringe. 
Die rote Farbe besitzt in der Zelle ausserdem nur noch das 
Sekret. Also trotz der absichtlich erzielten Methylgrünüber- 


122 Hubert Erhard: 


färbung, die bei starker Verdünnung dieser Flüssigkeit etwa drei 
Stunden währte. keinerlei Tinktion des ‚„Nukleolus‘‘ mit dieser 
Nukleolenfärbung. 

Nun las ich freilich erst nach Abschluss dieser Untersuchung, 
dass schon Korschelt (11) die gleiche Färbung anwandte und 
auf Grund derselben von einem Unterschied in der Färbung von 
Kernfaden und Nukleolus berichtet, von denen sich ersterer mit 
Methylgrün, letzterer mit Boraxkarmin tingieren soll. Wir wissen 
jedoch nicht, in welcher Konzentration Korschelt Methylgrün 
anwandte. Da wir aber erst seit der bekannten Obstschen Ab- 
handlung (12) zu der Auffassung gelangt sind, dass Methylgrün 
inäusserster VerdünnungaufBoraxkarmin-Präparate 
angewandt eine elektive Färbung der echten Nukleolarsubstanz 
sei, so glaube ich, ist trotzdem mein Versuch durch die Unter- 
suchung Korschelts nicht ganz überflüssig gemacht. Dazu 
kommt, dass Korschelt die Ringe mit Methylgrün, ich jedoch 
mit Boraxkarmin gefärbt vorfand. 

Fig. 2 gibt ein Präparat wieder, das nur 1'/s Stunden sich 
in einer Methylgrünlösung befand, die so sehr verdünnt war, dass 
das Wasser kaum noch einen blaugrünen Schimmer zeigte. Wir 
sehen hier nur den Kernfaden von der Nukleolenfärbung betroffen, 
alles übrige ist durch Boraxkarmin tingiert. Heller leuchtet das 
Sekret aus dem kompakten, tief dunkelroten Plasma hervor, ') von 
brennendstem Rot strahlen der „Nukleolus“ und die beiden Ringe, 
sowie der Stiel des sogenannten Kernkörperchens. Aber noch 
eines fällt uns an den beiden Figuren auf, was im lebenden 
Zustand an den Kernen nicht zu beobachten war und auch am 
gefärbten Objekt bisher von den Autoren übersehen wurde. Den 
vom bisher beschriebenen Kernapparat frei gelassenen Teil des 
Kernes nimmt ein Maschenwerk dicht aneinandergereihter Chro- 
matinkügelchen ein. Die Anordnung derselben ähnelt lebhaft 
der, die Heidenhain (6, pag. 153) mit Vanadiumhämatoxylin 
für die Chromiolen der Kerne der Keimlager des Salamander- 
darmepithels zur Darstellung bringen konnte. 

Es kann nach alledem kein Zweifel sein, dass in den 
Kernen der Chironomusspeicheldrüsen, wenigstens auf 
einem gewissen Entwicklungsstadium, der Kernfaden die 


') In der Reproduktion wurde die kirschrote Farbe des Plasmas und 
die gelbrote des Sekrets durch gewöhnliches Rot ersetzt. 


Aufbau der Speicheldrüsenkerne der Chironomuslarve. 123 


Nukleolarsubstanz darstellt, während die echten 
chromatischen Elemente in den sogen. Nukleolen, 
den Ringen und endlich dem Maschenwerk der Kern- 
chromiolen festgelegt sind. Nicht immer scheint dieses 
Verhältnis zu bestehen, wie wir aus der oben angegebenen Ver- 
schiedenheit der Neigung, Safranin aufzunehmen, gesehen haben. 
In ähnlicher Weise, wie dies Obst (12) an Molluskeneiern be- 
obachtete, mag ein Wechsel im CUhemismus des Kernapparates, 
der hier auch mit einem Wechsel seiner Struktur verbunden ist, 
mit dem der allmählichen Entwicklung des Organismus Hand in 
Hand gehen oder es mögen verschiedene Funktionszustände der 
Sekretion bestimmend auf den chemischen Zustand des Kern- 
apparates einwirken. Experimentelle Untersuchungen an den 
verschiedensten Entwicklungsstadien könnten auf diese wichtige 
Frage Licht werfen. Ich bedauere, dass ich aus dem äusseren 
Grunde, weil mir solches Material nicht zur Verfügung stand, 
dieser Aufgabe nicht näher treten konnte. 


München, April 1910. 


Literaturverzeichnis. 


1. Balbiani, E.G.: Sur la structure du noyeau des cellules salivaires 
chez les larves de Chironomus. Zool. Anz., 4. Jahrg., 1881. 

2. Bonnevie, Kristine: Chromosomenstudien I. Arch. f. Zellforsch., 
Bd. 1, 1908. 

3. Carnoy, J.B.: La biologie cellulaire. Lierre 1884. 

Gehuchten, Van: L’axe organique du noyeau. La cellule. T.5. 

(Zitiert nach Heidenhain.) 

Gurwitsch, Alex: Morphologie und Biologie der Zelle. Jena 1904. 

Heidenhain, Mart.: Plasma und Zelle. 1. Abt., 1. Lief., Jena 1907. 

Henneguy, L.F.: Lecons sur la cellule. Paris 1896. 

Derselbe: Les Insectes. Paris 1904. 

Hertwig, O.: Allgemeine Biologie, 2. Aufl. Jena 1906. 

Herwerden, M.A., van: Über die Kernstruktur in den Speicheldrüsen 

der Chironomuslarve. Anat. Anz., Pd. 36, 1910. 

. Korschelt, Eugen: Über die eigentümlichen Bildungen in den Zell- 


kernen der Speicheldrüsen von Chironomus plumosus. Zool. Anz., Bd. 7, 
1884. 


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m 
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124 Hubert Erhard: Aufbau der Speicheldrüsenkerne. 


12. Obst, Paul: Untersuchungen über das Verhalten der Nukleolen bei 
der Eibildung einiger Mollusken und Arachnoideen. Zeitschr. f. wiss. Zool., 
Bad. 66, 1899. N 

13. Rath, O. vom: Über eine eigenartige polyzentrische Anordnung des 
Chromatins. Zool. Anz., 13. Jahrg., 1890. 

14. Strasburger, Ed.: Das botanische Praktikum. 2. Aufl., Jena 1887. 
(Zitiert nach OÖ. Hertwig.) 

15. Wilson. E.B.: The Cell in Development and Inheritance. New York 1896. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. 


Die beiden Figuren sind mit dem Zeichenapparat bei Zeiss Kompens.-Ok. 8 
und homog. Immers. 2 mm auf Objekttischhöhe entworfen. Die Vergrösserung 
ist also eine 1000fache. 


Fig. 1. Chironomuslarve, Stück einer Speicheldrüsenzelle. Im grünen 
Plasma rot gefärbtes Sekret. Der teilweise getroffene Kern zeigt 
den „Nukleolus“ (dunkelkirschrot), die Ringe und Chromiolen und 
den Kernfaden (grün). Fixierung: Subl.-Eisessig. Färbung: Borax- 
karmin, Methylgrün. Methylgrünüberfärbung. 10 u. 

Fig. 2. Gleiches Objekt. Plasma mit Sekret. (Um Kosten zu sparen wurde 
das kirschrote Plasma und das gelbrote Sekret in einheitlichem 
Farbton wiedergegeben.) Der Kern ist teilweise getroffen. Der 
Schnitt geht gerade quer durch die Mitte des „Nukleolus“ in der 
Höhe seines Stiels und der diesen umgebenden grösseren Kügelchen 
hindurch. „Nukleolus“ rot, Kügelchen blaugrün, Stiel rot. Der 
folgende Kernfaden (blaugrün) mit den Ringen (rot) liegt etwas 
tiefer. Chromiolen rot. Fixierung: Subl.-Eisessig. Färbung: Borax- 
karmin und sehr verdünnte Methylgrünlösung. 20 u. 


Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Universität Helsingfors, 
Finland. (Direktor: Prof. Dr. E. A. Home£n.) 


Eine neue Methode zur Darstellung des Gliagewebes, 
nebst Beiträgen zur Kenntnis des Baues und der 
Anordnung der Neuroglia des Hundehirns. 


Von 


Halvar von Fieandt, II. Assistent am pathologischen Institut. 


Hierzu Tafel VI—-IX. 


Es ist eine allgemein bekannte und anerkannte Tatsache, 
dass die Frage von dem normalhistologischen Bau des Glia- 
gewebes und von den morphologischen Veränderungen desselben 
bei verschiedenen pathologischen Prozessen des Zentralnerven- 
systems eines der dunkelsten und am wenigsten klargestellten 
Kapitel der normalen bezw. pathologischen Histologie bildet. 
Die Ursache der wenigen sichergestellten positiven Resultate, 
welche die moderne Gliaforschung nach der epochemachenden 
Arbeit von Weigert (62) aufzuweisen hat, ist zweifelsohne in 
der Unzulänglichkeit unserer technischen Hilfsmittel oder vielleicht 
besser gesagt in der eigenartigen biochemischen Beschaffenheit 
der Formenelemente, welche das Neurogliagewebe zusammen- 
setzen, zu suchen. Diese der Glia eigene Beschaffenheit bewirkt, 
dass das Gewebe in seiner Gesamtheit oder wenigstens teilweise 
sich von unseren chemischen Reagentien, die eine differenzierende 
Färbung bezwecken, nicht beeinflussen lässt. Die in der Histologie 
gewöhnlichen Methoden zur Darstellung des Neurogliagewebes 
sind nämlich nicht allein mangelhaft in der gewöhnlichen Bedeutung 
des Wortes, i.e. mit Rücksicht auf konstante Färbungsresultate, 
gleichmässige, nicht fleckenweise Färbung usw., sondern zeigen 
auch mit wenigen Ausnahmen selbst unter optimalen Verhältnissen 
weniger befriedigende Resultate. Ich meine hiermit die Eigen- 
tümlichkeit der klassischen Gliafärbungsmethoden — die Golgische 
einerseits, die Weigertsche und die Mallorysche ebenso wie 
die nach diesen ausgearbeiteten andererseits — nur gewisse 


126 Halvar von Fieandt: 


morphologische Elemente oder Strukturteile zu färben, während 
andere Gewebsteile regelmässig ausserhalb des Wirkungskreises 
der Methode bleiben. So färbt z. B. die Methode von Weigert — 
und zwar nur unter den günstigsten Verhältnissen in konstanter 
Weise — ausschliesslich die Neurogliafasern und die Kerne, 
während sie keine Aufklärung über die Beschaffenheit und Aus- 
dehnung des Protoplasmas der Gliazellen gibt. Die Golgische 
Silberimprägnation dagegen gibt Bilder, welche nur als Kontur- 
bilder von einzelnen Zellindividuen gedeutet werden können, 
wobei die fasernartigen Zellausläufer in den Golgipräparaten 
nicht ohne weiteres mit den Gliafasern nach Weigert identifiziert 
werden können. Die verschiedenen Resultate der erwähnten 
Methoden und die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, mit ihrer 
Hilfe isomorphe Gewebselemente darzustellen und zu erkennen, 
macht, dass die betreffenden Methoden bezüglich der Färbungs- 
resultate keineswegs einander ergänzen, sondern vielmehr aus- 
zuschliessen scheinen. Die verschiedenen Auffassungen, welche 
seit Ranvier (55) und Weigert sich bezüglich der normalen 
Gliastrukturen, besonders in betreff des Verhaltens der Gliafasern 
zu den Gliazellen resp. dem Zellprotoplasma, Anordnung der 
Gliazellen und Ausläufer rings um die Blutgefässe ebenso wie 
Beschaffenheit und Bau des subpialen Gliagewebes sich geltend 
gemacht haben, sind alle zweifelsohne durch die fehlende Gleich- 
mässigkeit der angewandten Metlıoden verursacht. Bei der 
Deutung der mit diesen erhaltenen Resultate hat sich ausser- 
dem auch auf diesem Gebiete der histologischen Forschung die 
Neigung geltend gemacht, die Färbungsresultate als Beweis- 
material nach der negativen Seite hin zu verwenden. So sind 
oft Strukturen und morphologische Elemente, welche sich nicht 
mit der im gegebenen Falle angewendeten, dagegen sehr leicht 
mit einer anderen Methode darstellen liessen, ohne weiteres als 
Kunstprodukte oder einfach als nicht existierend erklärt worden. 
Ich will an dieser Stelle nur an die Weigertsche (62) Auffassung 
von den mit der Golgischen Methode nachweisbaren Glia- 
zellausläufern und an die gliösen Grenzmembranen erinnern. 
Indessen kann es nicht verneint werden, dass die Forschung 
der letzten Zeit bis zu einem gewissen Grade die scharfen Gegen- 
sätze zwischen den verschiedenen Anschauungen ausgeglichen hat. 
Auch hierbei tritt in ausgesprochener Weise die dominierende 


Darstellung des Gliagewebes. 127 


Rolle, welche die Technik in der histologischen Wissenschaft 
spielt, hervor. 

Ein Teil der zahlreichen neuen Methoden und sämtliche 
Modifikationen der Weigertschen Färbung suchen aber nur die 
Weigertschen Gliastrukturen darzustellen und beabsichtigen 
hauptsächlich eine Vereinfachung der Technik oder konstantere 
Färbungsresultate. In diese Kategorie gehören die Methoden 
von Mallory (41,42), Yamagiva(65), Müller (48), Benda 
(9—11), Mallory (43), Anglade und Morel (3), Fischer (23), 
Huber (355), Rubaschkin (57), Bartel (8); Sabrazes und 
Letessier (58), Wimmer (64), Hoppe (34), da Fano (21). 
Alle diese Verfahren, von welchen die Methoden von Huber, 
Bartel, Wimmer und Hoppe nur als unwesentliche Modi- 
fikationen derjenigen von Weigert und Benda anzusehen 
sind, liefern in allem wesentlichen dieselben Bilder wie diese; 
Yamagivas, Bendas, Rubaschkins und möglicherweise 
auch da Fanos Methoden scheinen das Gliazellprotoplasma etwas 
besser zu färben als das klassische Weigertsche Verfahren. 

Alle genannten Methoden haben aber doch nicht in nennens- 
wertem Grade zur Erweiterung unserer Kenntnisse von dem normal- 
histologischen Bau des Gliagewebes und vor allem nicht zur 
Lösung der Kontroversen zwischen den entgegengesetzten 
Resultaten der Silberimprägnationsverfahren einerseits und der 
Neurogliafaserfärbung andererseits beigetragen. 

In viel höherem Grade ist dies der Fall gewesen bei einer 
Anzahl anderer Methoden, welche im Gegensatz zu den soeben 
erwähnten die Darstellung nicht allein der chemisch wohl 
differenzierten dGliafasersubstanz, sondern auch der proto- 
plasmatischen Bestandteile des Gliagewebes beabsichtigen. In 
diese Kategorie gehören die Methoden von Reinke (56), 
Held (32), Eisath (20), Lhermitte und Guccione (40) 
und möglicherweise auch diejenige von Merzbacher (44). 
Diese Methoden lassen aber hinsichtlich der Resultate viel zu 
wünschen übrig. Was das Verfahren von Reinke für die 
Darstellung der Neurogliaelemente betrifft, so besteht dasselbe 
in einer Silberimprägnation mit nachfolgender Eisenhämatoxylin- 
färbung nach Heidenhain, wobei es sich ereignet, dass die 
Silberniederschläge, welche in der Regel durch die nachfolgenden 
Manipulationen gelöst werden und verschwinden, zuweilen bestehen 


128 Halvar von Fieandt: 


bleiben und zusammen mit den nachgefärbten Gliafasern im 
Präparat wenigstens stellenweise ein vollständiges oder ziemlich 
vollständiges Bild von sämtlichen Elementen der Glia geben 
können. Die Methode ist gewiss nicht ohne Interesse als der 
erste zielbewusste Versuch einer totalen Gliafärbung, scheint 
jedoch infolge ihrer unsicheren Resultate kaum zu einer all- 
gemeineren Verwendung kommen zu können. Held (32), der 
durch seine ausgezeichnete Arbeit über die Neuroglia nach 
verschiedenen Richtungen hin unsere Kenntnisse erweitert hat, 
hat leider die von ihm angewandte Methode nicht veröffentlicht. 
Es geht aber aus den Zeichnungen von Held hervor, dass er 
eine nicht spezifisch gliafärbende Methode benutzt hat, angeblich 
eine modifizierte Eisenhämatoxylin-Methode. Ich werde später 
in einena anderen Zusammenhange auf die interessanten Resultate 
Helds bezüglich der protoplasmatischen Teile des Glianetzwerkes, 
des Verhaltens zwischen Gliaprotoplasma und Gliafasern, ebenso 
wie der Beziehungen der Gliazellen untereinander, zurückkommen. 
Obgleich die Arbeit von Held als ein schönes und treffendes 
Beispiel betrachtet werden kann, wieviel ein geübter Mikroskopiker 
und guter Beobachter auch mit einer nicht spezifischen Methode 
erreichen kann, scheint sie doch besonders unter den Pathologen 
nicht die gebührende Beachtung gefunden zu haben. Dass die 
Ursache bierfür wenigstens teilweise in der Unkenntnis der von 
Held angewandten Methode und in der Unmöglichkeit einer 
Kontrolle der damit gewonnenen Resultate liegt, ist offenbar. 
Soviel scheint mir sicher, dass die Heidenhainsche Eisen- 
hämatoxylinfärbung bei einer Menge verschiedener Fixierungs- 
methoden nicht Bilder liefert, welche man auch nur annähernd 
mit den Heldschen vergleichen kann, obgleich es natürlich ab 
und zu vorkommt, dass die von ihm beschriebenen Strukturen 
mehr oder weniger deutlich hervortreten. 

Mit der von Eisath (20) angegebenen Methode habe ich 
ziemlich viel experimentiert, ohne dabei besonders gute Resultate 
erzielt zu haben. Man kann mit ihr zweifelsohne einen Teil der 
protoplasmatischen Bestandteile des Gliagewebes darstellen und 
speziell tritt, obgleich blass und undeutlich, das an den Kern 
angrenzende Gliaprotoplasma ebenso wie ein Teil der Gliafasern 
hervor. Indessen lässt sich durch Kontrollfärbungen leicht kon- 
statieren, dass keineswegs sämtliche Gliaelemente gefärbt werden 


Darstellung des Gliagewebes. 129 


und die Methode also wenigstens in quantitativer Beziehung als 
wenig befriedigend angesehen werden muss. Das geht auch 
deutlich aus einem Vergleich zwischen den Figuren von Held (32) 
und Eisath (20) hervor. Was die Methode von Merzbacher (44) 
betrifft, scheint sie auch dieselben Fehler wie die meisten Neuro- 
gliafärbungsmethoden darzubieten: das Gliaprotoplasma nur in 
geringem Grade oder fast gar nicht zu Gesicht zu bringen. „An 
Zellen der normalen Rinde wird es (Protoplasma) kaum sichtbar“, 
sagt der Verfasser, und an einer anderen Stelle: „Schliesslich 
muss ich noch mit einigen Worten des plasmatischen gliösen 
Maschenwerkes gedenken. Dasselbe konnte ich in einem Falle 
in senr anschaulicher Weise zur Darstellung bringen. Die Ver- 
hältnisse waren in dem Falle zur Darstellung dieser Gebilde auch 
sehr günstig“; sodann folgt die Beschreibung des pathologisch 
veränderten Gewebes. Es dürfte aus diesen Zitaten ohne weiteres 
hervorgehen, dass die betreffende Methode sich nicht für die 
Darstellung der protoplasmatischen Bestandteile des Gliagewebes, 
wenigstens nicht in dem normalen Gewebe, eignet, wohl aber 
für das Studium der Gliafasern. Sie schliesst sich also in dieser 
Hinsicht den Methoden von Weigert, Yamagiva, Benda, 
Rubaschkin u.a. an. 

Es bleiben noch von hierhergehörigen Methoden diejenigen 
von Lhermitte und Guccione (39, 40) übrig. Da dieselben 
erst publiziert wurden, nachdem die vorliegende Arbeit zum 
grössten Teile fertiggestellt war, habe ich ihnen nicht die ge- 
bührende Aufmerksamkeit widmen können. Von den zwei Me- 
thoden, welche die Verfasser angeben, ist die erste eine für 
Gefrierschnitte bearbeitete modifizierte Weigert-Methode, die 
andere stellt eine Färbung (von mit Osmium-Chrom-Essigsäure 
bearbeitetem Materiale) mit Mallorys Phosphorwolframsäure- 
hämatoxylinlösung dar. Mit der letzteren erzielt man angeblich an 
pathologischem Materiale eine Färbung sämtlicher gliösen Elemente, 
auch des Gliaprotoplasmas, obgleich aus dem summarischen, allzu 
kurz gefassten Berichte der Färbungsresultate nicht deutlich hervor- 
geht, in welchem Grade oder in welcher Ausdehnung dies der Fall ist. 

Wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgehen dürfte, 
und wie auch jeder, der sich etwas eingehender mit diesem 
Problem beschäftigt hat, ohne weiteres zugeben wird, ist es eine 
ziemlich schwierige und undankbare Aufgabe, mit Hilfe der schon 


Archiv f.mikr. Anat. Bd. 76. 5) 


130 Halvar von Fieandt: 


bekannten Methoden sich eine nur annähernd befriedigende 
Kenntnis von der Struktur und Beschaffenheit des normalen Neuro- 
gliagewebes zu verschaffen. 

Wenn also schon das Studium des normalen Gliagewebes mit 
bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft ist, bietet die Arbeit mit 
pathologisch verändertem Gliagewebe, besonders bei experimen- 
tellem Materiale, noch viel grössere Schwierigkeiten. Seit einigen 
Jahren mit Studien über die hämatogene Gehirntuberkulose an 
Hunden und Kaninchen beschäftigt, habe auch ich in vollem Maße 
die Schwierigkeiten, die man hier zu bekämpfen hat, erfahren 
müssen. Wie bekannt, hat ja auch die experimentelle Forschung 
hinsichtlich der pathologischen Anatomie des Gliagewebes nichts 
Nennenswertes an den Tag gebracht. Dass dieser Umstand seinen 
Grund in den erwähnten technischen Schwierigkeiten hat, ist 
offenbar. Die Golgische Methode ist auf Grund der inkonstanten 
Resultate und der isolierten Färbung von einzelnen Zellen- 
individuen auf diesem Gebiete nicht anwendbar oder würde 
wenigstens, um zu sicheren Schlüssen zu berechtigen, ein so 
grosses Material erfordern, dass es kaum von einem einzelnen 
bearbeitet und beherrscht werden könnte. Von den Gliafaser- 
färbemethoden können die Weigertsche und ihre zahlreichen 
Modifikationen ausgeschlossen werden, da sie fast alle an Tier- 
material keine oder doch nur äusserst ungenügende Resultate 
geben. Auch die Methode von Rubaschkin (57), welche wie 
bekannt, eine vorhergehende intraarterielle Injektion der Fixierungs- 
flüssigkeit erfordert, habe ich aufGrund des mir zu Gebote stehenden 
begrenzten Tiermaterials nicht anwenden können. Von den sämt- 
lichen übrigen Methoden, welche ich geprüft habe, gebe ich un- 
bedingt der von Benda (9—11) angegebenen den Vorzug. Die 
besten Resultate habe ich mit der Bendaschen modifizierten 
Eisenhämatoxylinfärbung, ebenso wie mit der Toluidinblaualizarin- 
färbung an Material, das in Alkohol fixiert und nach Benda 
gebeizt wurde, erhalten. Indessen haben auch hierbei die Resultate 
in mehrfacher Hinsicht viel zu wünschen übrig gelassen; besonders 
habe ich mit nur wenigen Ausnahmen, trotz vieler Mühe, nicht 
eine gleichmässige, fleckenfreie Färbung erzielen können. Dass 
eine fleckenweise auftretende Färbung, obgleich unter gewissen 
Umständen für das Studium der normalhistologischen Einzelheiten 
hinreichend, bei pathologischen Untersuchungen aber ganz und 


Darstellung des Gliagewebes. 131 


gar unbrauchbar ist, leuchtet ein. Ist doch die Aussicht, dass 
ein solcher Fleck, wo die Gliafaserfärbung gelungen ist, im 
Schnitte z. B. mit einem kleinen Gehirntuberkel oder seiner 
Umgebung zusammenfallen soll, ziemlich gering. Indessen kann 
selbstverständlich durch eine hinreichende Zahl von Schnitten 
dieser Übelstand doch wenigstens zum grossen Teil kompensiert 
werden. Dagegen ist mir die Darstellung der rein proto- 
plasmatischen Strukturen des Gliagewebes mit den zu Gebote 
stehenden Methoden, besonders mit der Eisathschen, garnicht 
oder wenigstens nicht befriedigend gelungen. Dasselbe ist in 
noch höherem Grade mit den reinen Gliafaserfärbemethoden 
(Benda, Mallory) der Fall gewesen. 

Und doch tritt gerade bei pathologischem Materiale ein 
Umstand uns entgegen, der unsere Bestrebungen, eine Färbung 
des Gliaprotoplasmas zu erhalten, wesentlich zu erleichtern scheint, 
nämlich die veränderte chemische Beschaffenheit des Protoplasmas 
der gereizten, proliferierenden Gliazellen. Es ist dies jene eigen- 
tümliche Veränagerung des Protoplasmas, welche uns als eine 
gesteigerte chemische event. physikalische Affinität für basische 
Farbstoffe, eine Basophilie, entgegentritt, und welche, wie bekannt, 
keineswegs für das Gliagewebe spezifisch ist. Die Anwendung 
von Methoden, bei denen diese basischen Farbstoffe die Hanpt- 
rolle spielen, ist für das Studium der pathologisch veränderten 
Glia sicher von grosser Bedeutung gewesen. Ich erinnere nur 
an die Resultate mit der Nisslschen Seifenmethylenblaulösung, 
zu denen besonders Nissl (49, 50, öl), Alzheimer (2) und 
Spielmeyer (59) gelangt sind. Diese Untersuchungen haben 
nicht nur die Wissenschaft um eine Reihe wichtiger Tatsachen 
bereichert, sondern auch zur Genüge die wichtige Rolle dargelegt, 
welche die protoplasmatischen Gliasubstanzen bei pathologischen 
Prozessen des Zentralnervensystems spielen. Obgleich die aktive 
Beteiligung der Gliazellen an pathologischen Prozessen überhaupt 
auch in früheren Perioden der Pathologie nicht unbekannt 
war, scheint doch ihre Rolle, speziell die Bedeutung der pro- 
gressiven Veränderungen des Gliaprotoplasmas, im allgemeinen 
stark unterschätzt gewesen zu sein. Nur so kann ich die Worte 
Weigerts (62) deuten, wenn er bei Besprechung der Anwendbar- 
keit seiner Methode sagt:'!) „Die Methode stellt ferner, abgesehen 


1) loe. eit. 8. 29. 
gr 


182 Halvar von Fieandt: 


von den Kernen der Neurogliazeilen, nur die, wie wir sehen 
werden, in besonderer Weise differenzierten Fasern dar. Wenn 
daher, wasa priori durchaus nicht bestritten werden 
kann, Zwischensubstanzen im Zentralnervensystem 
existieren, welche solcher differenzierter Fasern 
entbehren, so entgehen diese bei Anwendung der 
Methode vollkommen der Kenntnisnahme. Aber so 
sehr diese Mängel für den Embryologen und den normalen 
Histologen von Bedeutung sein mögen, für den pathologischen 
Anatomen kommen sie kaum in Betracht.“ — Muss es also 
einerseits zugegeben werden, dass die Färbemethoden, die sich 
auf die gesteigerte Basophilie des Gliaprotoplasmas gründen, uns 
einen gewissen Aufschluss von der Ausdehnung und dem Grade 
der progressiven Veränderungen des Gliagewebes im einzelnen 
Falle bringen können — was sicher einen grossen Fortschritt 
bedeutet — so ist es andererseits offenbar, dass diese Methoden 
uns keine Aufklärung über das Verhältnis zwischen dem pro- 
gressiv veränderten Protoplasma und den Gliafasern geben. 
Ebensowenig können sie uns über die frühesten resp. gering- 
fügigsten pathologischen Veränderungen der Gliazellen informieren. 
Es muss nämlich der pathologische Prozess (oder die ihn hervor- 
rufende Schädlichkeit) erst eine gewisse Intensität erreicht haben, 
um die Basophilie des Protoplasmas mit Sicherheit hervortreten 
zu lassen. 

Dass auch bei der Anwendung der speziellen Neuroglia- 
färbemethoden die soeben erwähnte Basophilie die Darstellung 
des pathologisch veränderten Gliazellprotoplasmas erleichtert 
bezw. ermöglicht, ist eine bekannte Tatsache. So wird von einer 
Reihe von Methoden behauptet, dass sie sich zwar für das Studium 
des gereizten Gliaprotoplasmas eignen, aber nicht oder nur in 
geringem Maße für das normaler protoplasmatischer Bestand- 
teile. (Methoden von Eisath, Merzbacher, teilweise auch 
diejenigen von Weigert und Benda nebst den Modifikationen 
derselben.) Nun kann jedoch bezüglich der Anwendung der 
betreffenden Methoden beim pathologischen Materiale derselbe Ein- 
wand gemacht werden, wie bei den einfachen Anilinfärbemethoden. 
Denn es bedarf erst eines gewissen Grades der Basophilie des 
gereizten Gewebes, damit sie überhaupt einigermassen verwert- 
bare Resultate geben; bei den gelindesten, eben anfangenden 


6) 
je 
w. 


Darstellung des Gliagewebes. 13: 


Graden pathologischer Veränderungen aber erweisen sie sich als 
unzureichend. 

Durch das Studium der Neurogliaveränderungen bei der 
experimentellen Gehirntuberkulose wurde auch ich von der be- 
deutenden Rolle, welche die Veränderungen der protoplasmatischen 
Substanzen des Gliagewebes dabei spielen, wie auch von der 
Unzulänglichkeit der einschlägigen Färbemethoden überzeugt. 
Ich bin deshalb seit langem bestrebt gewesen, ein Verfahren zu 
finden, welches einerseits ein Studium des normalen Baues und 
der Beschaffenheit des Neurogliagewebes erlaubte, andererseits 
es uns aber ermöglichte, pathologische Gliaveränderungen schon 
von Anfang an durch alle Stadien successive zu verfolgen. 

Anfangs arbeitete ich auf der Basis der alten Methoden, 
speziell der Bendaschen, und versuchte dabei durch eine Ver- 
änderung der Differenzierungsverfahren ausser den Gliafasern 
auch den protoplasmatischen Teil des Gliastützgewebes zu Gesicht 
zu bringen. Zu diesen Versuchen wurde ich durch die Resultate 
veranlasst, welche schon Hardesty (27) durch Anwendung der 
Hubertschen (35) Modifikation der gewöhnlichen Benda-Methode 
erzielte. Indessen waren meine Bemühungen nach dieser Richtung 
hin erfolglos. Dasselbe war der Fall mit einer Menge anderer 
Färbungsmethoden, welche ich zu dem angegebenen Zwecke 
prüfte und weiter auszuarbeiten versuchte. 

Erst seitdem ich bei meinen Experimenten Material ver- 
wendete, das in der von Heidenhain') angegebenen Sublimat- 
trichloressigsäuremischung fixiert worden war, erzielte ich einige 
verwertbare Resultate und konnte dann auf diesem Wege mit 
einem gewissen Erfolg weiter arbeiten. Meine Versuche mit 
Gliafärbung an Material, das mit Sublimattrichloressigsäure fixiert 
wurde, gingen von der Beobachtung aus, dass dem Gliagewebe 
durch Einwirkung dieser Flüssigkeit eine gewisse Basophilie ver- 
liehen wurde, wodurch nicht allein das Gliaprotoplasma in der 
unmittelbaren Nähe der Kerne, sondern auch das Gliastützgewebe 
in seiner Gesamtheit sogar bei Färbung mit banalen Färbe- 


!) Die Zusammensetzung der Fixierungsflüssigkeit wurde mir im 
Frühling 1908 von Privat-Dozent Dr. Axel Wallgren, der von Herrn 
Professor Heidenhain darauf mündlich aufmerksam gemacht worden war, 
mitgeteilt. Später hat Heidenhain (28) in einem anderen Zusammenhange 
diese von ihm als „Subtriessig“ bezeichnete Fixierungsflüssigkeit empfohlen. 


134 Halvar von Fieandt: 


methoden, z. B. nach van Gieson, ziemlich deutlich hervortrat. 
Von dieser Feststellung ausgehend, machte ich Versuche, eine 
elektive Gliafärbung mit der Eisenhämatoxylinmethode von 
Heidenhain, die ich für meinen besonderen Zweck zu 
modifizieren suchte, zu erhalten. Nach langen Vorversuchen 
glückte es mir schliesslich, Präparate zu erhalten, welche stellen- 
weise eine elektive Gliafärbung zeigten und die gleichzeitig eine 
Färbung sowohl der Gliafasern wie des Gliaprotoplasmas dar- 
boten. Aber wie gesagt, nur stellenweise. Hierbei war ich 
ausserdem genötigt, die Präparate so intensiven Nachbehandlungen 
und Oxydationsprozeduren (Behandlung im Thermostat mit einer 
Mischung von Lugolscher Lösung und Trichloressigsäure mit 
Zusatz von kleinen Mengen Wasserstoffsuperoxyd) auszusetzen, 
dass die feineren Strukturen, speziell in der Rindenschicht des 
Gehirns, teilweise zerstört wurden. Hiermit war also nichts 
gewonnen. 

Seitdem Heidenhain (28) abermals die Aufmerksamkeit 
auf die Färbung mit Vanadiumhämatoxylin, die ja schon früher 
für verschiedene Zwecke in der histologischen Technik angewandt 
wurde, gelenkt hatte, und dieselbe speziell für Material, das in 
Sublimattrichloressigsäure fixiert worden war. geeignet gefunden, 
beschloss ich nachzusehen, ob die für das Vanadiumhämatoxylin 
charakteristische Polychromasie möglicherweise auch am Zentral- 
nervensystem sich geltend machen würde, insofern als die gliösen 
Gewebselemente der polychromen Färbemischung gegenüber sich 
anders verhalten würden, als die rein nervösen. Die ersten Ver- 
suche mit Vanadiumhämatoxylin gaben ein Resultat, das nicht 
sehr ermunternd war. Später gelang es mir indessen, seitdem 
ich das von Heidenhain angegebene Verfahren bei der Zu- 
bereitung der Färbeflüssigkeit teilweise modifiziert hatte, die 
gliösen Gewebselemente speziell das Gliaprotoplasma, auch im 
normalen Gehirn zu Gesicht zu bringen. Aus meinen Versuchen 
ging hervor, dass die Verschiedenheiten der Affinität, welche das 
Gliagewebe und die Achsenzylinder der markhaltigen Fasern der 
polychromen Färbemischung gegenüber zeigten, ziemlich gering 
waren. So konnte eine differente Färbung der beiden soeben 
genannten Gewebe nur bei einem bestimmten Oxydationsgrad der 
Färbemischung erhalten werden. Dieser war aber bei dem von 
Heidenhain angegebenen Oxydationsverfahren unter Einfluss 


Darstellung des Gliagewebes. 155 


des atmosphärischen Sauerstoffs schwer zu erreichen. Dagegen 
konnte die Färbeflüssigkeit durch Zusatz von Wasserstoffsuper- 
oxyd in bestimmten Quantitäten unmittelbar nach der Zubereitung 
in der Weise verändert werden, dass sie für den betreffenden 
Zweck verwendbar wurde.') Doch waren die Resultate auch 


hier nicht besonders günstig. In solchen Präparaten ist die 
Differenz zwischen der Glia und dem Achsenzylinder nicht so 
gross, dass man mit Sicherheit unter allen Umständen Verwechs- 
lungen zwischen diesen beiden Gewebsteilen entgehen könnte. 
Und was noch schlimmer ist, die Neurogliafasern können nur 
äusserst unvollständig oder gar nicht dargestellt werden. Ausser- 
dem kann die Färbung für pathologische Zwecke auf Grund der 
sehr dunkeln Farbe, welche die Glia dabei schon normalerweise 
annimmt, kaum angewendet werden. Dagegen dürfte die Methode 
einigermassen bei dem Studium der Gliasubstanzen in der Rinden- 


1) Für diejenigen, die vielleicht mit Vanadiumhämatoxylin für Glia- 
färbung einen Versuch machen wollen, soll das Verfahren, das ich am zweck- 
mässigsten gefunden habe, in Kürze hier angeführt werden: 

1. Fixierung in Sublimattrichloressigsäure 24 Stunden. 

2. Nachhärtung in 96° Alkohol mit oftmaliger Erneuerung des Alkohols 
während ca. 3 Tagen. Alkohol abs. 

3. Paraffineinbettung. 

4. Nach Entfernen des Paraffins aus den Schnitten, welche ziemlich dünn 

sein müssen (höchstens 4—5 «), wird das Sublimat in einer weinroten 

Jodalkohollösung entfernt. 

. Entfernen des Jods durch eine 0,25°oige Lösung von Natriumthiosulfat. 

. Auswaschen mit Aqu. dest. 

. Färbung während 5—15 Minuten in einer Färbemischung, die in folgender 
Weise bereitet wird: zu 20 cem einer 0,5°/oigen Hämatoxylinwasser- 
lösung werden 10 ccm einer 0,25°/oigen Lösung von Ammoniumvanadat 
und allmählich unter Umrühren 28 Tropfen einer frischen Wasserstoff- 
superoxydlösung (2 Tropfen Perhydrol-Merck, 48 Tropfen Aqu. dest.) 
zugesetzt. Um angewendet werden zu können, muss ein Tropfen der 
Flüssigkeit auf Fliesspapier einen rein schwarz-grauen Fleck zurück- 
lassen; zeigt der Fleck eine bläuliche oder braune Farbe, so ist zu 
wenig resp. zu viel Wasserstoffsuperoxyd zugesetzt worden. 

8. Abwaschen in Wasser. Alkohol in steigender Konzentration. Xylol. 
Balsam. Färbungsresultate: collagenes Bindegewebe dunkelblau, rote 
Blutkörperchen und Nucleolen gelb, Gliaprotoplasma schwarzbraun, 
Achsenzylinder braungelb. Das Kernchromatin wird nur teilweise und 

schwach gefärbt. Die Neurogliafasern treten nicht oder in etwas 
dunklerer Farbe nur undeutlich gegenüber dem Gliaprotoplasma hervor. 


ns ers 


136 Halvar von Fieandt: 


schicht des normalen Gehirns angewendet werden können. Doch 
ist die Methode auch hier, auf Grund der wenig spezifischen 
Färbung, für feinere Untersuchungen kaum genügend. Indessen 
scheinen mir die Resultate mit Vanadiumhämatoxylin theoretisch 
interessant in der Beziehung, als sie zur Genüge zeigen, dass 
eine differente Färbung der Gliabestandteile und der rein nervösen 
Gewebselemente wenigstens unter gewissen Bedingungen durch Ver- 
wendung von polychromen Färbemischungen erreicht werden kann. 

Ermuntert durch die Versuche mit Vanadiumhämatoxylin, 
die wenigstens in theoretischer Hinsicht bis zu einem gewissen 
Grade glücklich ausgefallen waren, wandte ich mich zu den übrigen 
polychromfärbenden Hämatoxylinlösungen, in erster Linie zu dem 
schon seit langem mit Vorteil angewandten Phosphorwolframsäure- 
hämatoxylin (Mallory). Ich kam bald zu der Überzeugung, dass 
dieser Färbestoff sich gut für den hier in Frage kommenden Zweck 
eignete und blieb nach einigen Versuchen mit in verschiedener 
Weise zusammengesetzten Lösungen bei der von Mallory (43) 
selbst angegebenen, die ich als die zweckmässigste fand. Schon 
bei einer direkten (progressiven) Färbung mit dieser Lösung 
konnte eine differente Färbung von Achsenzylindern und Glia- 
gewebe erhalten werden. Ebenso war das collagene Gewebe von 
der Glia gut zu unterscheiden. Von den gliösen Gewebsbestand- 
teilen wurden sowohl die Fasern, wie das Gliaprotoplasma an 
normalem Gehirnmaterial gefärbt und zwar in einer Ausdehnung, 
die anscheinend den tatsächlichen Verhältnissen entsprach. Indessen 
konnte die Glia nur durch eine weniger intensive Färbung different 
dargestellt werden, bei stärkerer Färbung dagegen zeigten die 
Achsenzylinder der markhaltigen Nervenfasern die Neigung, in 
demselben Tone gefärbt zu werden. Ausserdem zeigten die Präparate 
eine Neigung ziemlich schnell abzublassen, wodurch die Färbe- 
differenzen weniger deutlich hervortraten. Die Methode musste 
somit dahin geändert werden, dass das progressive Verfahren 
durch Überfärbung mit nachfolgender Differenzierung — also ein 
regressives Verfahren — ersetzt wurde. Es gelang mir auch in 
einer alkoholischen Ferrichloridlösung ein Differenzierungsmittel 
zu finden, das sich für den Zweck gut eignete. Dass diese noch 
mit Fehlern und Mängeln behaftet ist, davon bin ich vollständig 
überzeugt. Indessen habe ich, obgleich ich eine Menge ver- 
schiedener besonders sauer reagierender Metallsalzlösungen ver- 


Darstellung des Gliagewebes. 157 


sucht habe, bis heute keine für meinen Zweck besser geeignete 
finden können. Da ich ausserdem mit der erwähnten Differen- 
zierungsmethode zumeist recht gute Präparate erhalten und 
weiter gefunden habe, dass eventuelle Nachteile in allen wesent- 
lichen Punkten vermieden werden können, glaube ich dieselbe 
empfehlen zu können. 

Ich werde nunmehr eine Beschreibung der von mir sowohl 
an normalem wie an pathologischem Material angewandten 
Methode geben, um dann über die Resultate, die am normalen 
(Gewebe mit derselben gewonnen wurden, zu berichten. 


Eigene Methode. 


Kleine Stücke, die 2 mm Dicke und 1 cm Breite und Länge 
nicht überschreiten dürfen, werden von dem noch warmen Gehirne 
in Heidenhains Sublimattrichloressigsäuremischung, welche 
folgende Zusammensetzung hat, fixiert. 


Sublımat er wire, 2 Eee 
Natrzehlor me. -.' ee 6,0 
Aundesen un... ©, 17 SO 
Atıdtriehloracet: chryst =7 2200 
Neideacersglacial. 1,10‘ 


Es empfiehlt sich, bei der Fixierung selbst kleiner Stücke 
ziemlich grosse Mengen Flüssigkeit zu verwenden, wo dieselben 
auf einer Grundlage von Watte oder Löschpapier verweilen. 
Nach ca. 12 Stunden wird die Fixierungsflüssigkeit, in der die 
Stückchen im ganzen 24 Stunden bei Zimmertemperatur liegen 
bleiben, gewechselt. Die Stücke werden dann mit Löschpapier 
abgetupft und direkt in 96 °/o Alkohol, ebenfalls auf einer Unter- 
lage von Watte oder Löschpapier, übergeführt. Hierbei ist zu 
beachten, dass nicht zu viele Stücke in ein und demselben Gefäss 
untergebracht werden, jedenfalls muss der Alkohol überall freien 
Zutritt haben. Der Alkohol wird während der ersten 12 Stunden 
jede zweite Stunde gewechselt und wenn möglich, werden die 
4sefässe ziemlich oft etwas umgeschüttelt. Später wird der Alkohol 
zweimal täglich gewechselt. Ich möchte auf eine sorgfältige Nach- 
behandlung mit Alkohol in der erwähnten Weise ganz besonders 
aufmerksam machen; nach einer weniger sorgfältigen Alkohol- 
behandlung ist es nicht allein schwieriger, eine gute Färbung 
zu bekommen, sondern es können auch gewisse Kunstprodukte, 


138 Halvar von Fieandt: 


Fixierungsartefakte, entstehen, welche ich niemals in Präparaten, 
die aus gut behandelten Stücken stammten, beobachtet habe. 
Diese Kunstprodukte sind zweifacher Art. Entweder erscheint 
die Neuroglia eigentümlich klumpig, ein homogenes Netzwerk 
bildend, welches nichts von der zierlichen Struktur des normalen 
Gliagewebes zeigt, oder es treten in der Marksubstanz grössere 
oder kleinere unregelmässige Hohlräume auf, die vermutlich durch 
ein Zusammenballen des Myelins entstanden sind. Wie gesagt, 
können jedoch diese Artefakte leicht vermieden werden.') In 
dem 96°/oigen Alkohol verweilen die Stücke 5—7 Tage und 
kommen dann auf 2—3 Tage in absoluten Alkohol. Als Über- 
gangsmedien bei der Paraffineinbettung, von der ich ausschliesslich 
Gebrauch gemacht habe, habe ich Cedernöl und Ligroin nach der 
von Pranter angegebenen Methode verwendet. Aus dem ab- 
soluten Alkohol kommen die Stücke also in mit dünnflüssigem 
Cedernöl unterschichteten Alkohol, nach 24 Stunden in reines 
Cedernöl, nach weiteren 24 Stunden in Ligroin und dann in eine 
gesättigte Ligroin - Paraffinlösung (Paraffin 52° Schmelzpunkt). 
Nachdem sie zur Verdunstung des Ligroins einige Tage im 
Thermostat (37°) gestanden haben, werden die Stücke in Paraffın 
vom Schmelzpunkt 52° C eingebettet, wobei beachtet werden 


!) Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass Alkohol von 
stärkerer Konzentration sich für die Behandlung nicht eignet. Bei Nach- 
härtung in absolutem Alkohol sind die von Markscheiden umgebenen Achsen- 
zylinder schwieriger zu entfärben, wodurch elektiv gefärbte Präparate ab 
und zu nicht erhalten werden können. Ausserdem wird das Protoplasma der 
Nervenzellen dank der in diesem Falle wohl beibehaltenen Nisslschen 
Körperchen so dunkel gefärbt, dass das pericelluläre Gliagewebe nur schwer 
oder gar nicht zu untersuchen ist. Wie ich schon hier bemerken will, ist 
das gar nicht oder in viel geringerem Grade der Fall bei Nachhärtung mit 
96°%%oigem Alkohol. Im Gegenteil wird dabei das Protoplasma der Ganglien- 
zellen und deren Fortsätze meistens entfärbt, von kleinen Resten abgesehen ; 
wahrscheinlich ist hier eine Auflösung der chromophilen Bestandteile der 
Ganglienzellen vor sich gegangen. Es muss jedoch darauf hingewiesen 
werden, dass die Niss1schen Körperchen oft auch bei einer solchen Alkohol- 
behandlung in einzelnen Ganglienzellen oder fleckenweise in den Präparaten 
gut erhalten und dunkel gefärbt sind. Es leuchtet ein, dass dergleichen 
Stellen sich für das Studium der pericellulären gliösen Netzwerke nicht 
eignen. Diese Reste des nervösen Protoplasmas habe ich durch Behandlung 
mit ammoniakalischem Alkohol nach Bethe zu entfernen oder der nach- 
folgenden Färbung unzugänglich zu machen versucht, habe jedoch vorläufig 
keine befriedigenden Resultate erzielt. 


Darstellung des Gliagewebes. 159 
muss, dass dieselben nicht länger als notwendig höheren Wärme- 
graden und zwar höchstens 12 Stunden 56° C ausgesetzt werden 
dürfen. Beim Schneiden, das, trotzdem das Sublimat nicht ent- 
fernt worden ist, keine Schwierigkeiten darbietet, muss sich die 
Dicke der Schnitte nach dem Objekt der Untersuchung richten. 
Beim Studium der Glia der weissen Substanz kommt man mit 
Schnitten von 5 « sehr gut aus. Will man aber den Verlauf der 
einzelnen Gliafasern verfolgen, dann muss man natürlich dickere 
Schnitte wählen. Umgekehrt sind bei der Untersuchung der 
grauen Substanz mit ihrer dichten Gliastruktur möglichst dünne 
Schnitte erforderlich. Die Präparate werden nach der japanischen 
Methode aufgeklebt. Nachdem das Paraffın entfernt worden ist 
und die Objektgläser in absolutem und 96%oigem Alkohol ab- 
gewaschen sind, kommen sie während einer Stunde in Jodtinktur 
(Jodi chryst. 1,0, Alkohol 96° 10,0). Nachdem der Überschuss 
von Jod durch 96°oigen Alkohol entfernt worden ist, werden 
die letzten Jodreste mit 0,25°/o Natriumthiosulfatlösung auf- 
genommen, worin die Schnitte verweilen, bis sie vollständig weiss 
geworden sind. Sie werden jetzt mit Aqu. dest. abgewaschen, 
das zwei- bis dreimal gewechselt werden muss. Dann werden 
sie vorsichtig mit Löschpapier abgetupft und kommen in die 
Phosphorwolframsäurehämatoxylinlösung von Mallory: 


Hamatoxylın erysta matt... 2 ER OT Cem 
Naudestätnue un aiuer. 1% 20:0. 
Solut. aquos. acid. phosphorwolframic. 10% 20,0 „ 
Eiydzogen. superoxyds 7412. eek, 


Die besten Resultate habe ich erhalten mit einer älteren (vier- 
jährigen) Farblösung, doch kann die Färbungsflüssigkeit auch 
frisch angewendet werden, nur färben die frischen Lösungen 
bedeutend schwächer. Nach 12—24 Stunden werden die Objekt- 
träger mit Löschpapier abgetupft und in die Differenzierungs- 
flüssigkeit übergeführt, die frisch bereitet werden muss. 
Diese besteht aus einer 10°oigen Lösung von Ferrichlorid in 
absolutem Alkohol (Ferri sesquichlorat. sice. pur. 5,0, Alkohol abs. 
50,0). In der alkoholischen Ferrichloridlösung verweilen die Objekt- 
träger mit den Schnitten nach unten, bis die Achsenzylinder und das 
collagene Bindegewebe vollständig entfärbt sind und eine gelbgraue 


ı) Wasserstoffsuperoxyd (Merck), 10 Vol.-Prozent = 3 Gew.- 
Prozent Wasserstoffsuperoxyd enthaltend. 


140 Halvar von Fieandt: 


Farbe angenommen haben, was gewöhnlich erst nach einer bis 
mehreren Stunden der Fall ist; der Verlauf der Differenzierung 
muss mit dem Mikroskope kontrolliert werden. Ist der richtige 
Grad der Differenzierung erreicht, so lässt man die Ferrichlorid- 
lösung vom Objektträger abträufeln, trocknet diesen mit Lösch- 
papier und wäscht ihn schnell in einem Gefäss mit destilliertem 
Wasser ab; die graublau gefärbten Schnitte nehmen hierbei eine 
schöne hellblaue Farbe an. Nach nochmaligem Abwaschen in 
destilliertem Wasser werden die Schnitte sorgfältig mit absolutem 
Alkohol behandelt, um die letzten Spuren des Ferrichlorids zu 
entfernen. Ich pflege dabei in der Weise vorzugehen, dass ich 
die Schnitte auf 24 Stunden in absolutem Alkohol liegen lasse, 
den ich während der Zeit einmal wechsle. Dann kommen die 
Schnitte durch Origanumöl in Xylol und Balsam. Die Behandlung 
mit Origanumöl, die ich selbst gern anwende, weil sie den 
Präparaten eine hellere blaue Farbe zu verleihen scheint, kann 
natürlich fortgelassen werden. Was die Haltbarkeit der Präparate 
betrifft, kann ich nur sagen, dass dieselbe, wenn die Behandlung 
mit Alkohol nach der Differenzierung sorgfältig gemacht wird, 
gut zu sein scheint. Wenigstens haben meine in dieser Weise 
behandelten Präparate sich mehrere Monate gehalten, ohne ab- 
zublassen. Für eine noch länger dauernde Haltbarkeit kann ich 
aber nicht einstehen. 


In aller Kürze gestaltet sich also die Methode folgender- 
massen: 
1. Fixierung in Sublimattrichloressigsäure. 
2. Nachbehandlung mit Alkohol (96°/o) in oben angegebener 
Weise. 

. Einbettung in Paraffıin (52° Schmelzpunkt) nach der 
Pranterschen Methode mit Hilfe von Cedernöl und 
Ligroin. \ 

4. Behandlung der Schnitte (nach Entfernen des Paraffins 
und Passage durch absoluten Alkohol) mit Jodalkohol 
(1:10) während einer Stunde. 

5. Entfernen des Jodes durch Alkohol und Natriumthiosulfat 
(02520). 

6. Abwaschen in destilliertem Wasser. 

7. Färbung mit Phosphorwolframsäurehämatoxylinlösung nach 
Mallory während 12—24 Stunden. 


S%) 


Darstellung des Gliagewebes. 141 


8. Abtrocknen mit Löschpapier. 

9. Differenzierung in einer frisch bereiteten Lösung von 
Ferrum sesquichlor. sicec. in absolutem Alkohol (1:10) 
während einer bis mehrere Stunden unter mikroskopischer 
Kontrolle. 

10. Abtropfenlassen der Differenzierungsflüssigkeit. Abtupfen 
mit Löschpapier. 

11. Abwaschen mit destilliertem Wasser. 

12. Gründliche Behandlung mit absolutem Alkohol resp. Liegen- 
lassen in einmal gewechseltem absolutem Alkohol während 
24 Stunden. 

13. Origanumöl, Xylol, Balsam. 


Färbungsresultat: Kernchromatin, Neurogliafasern tief 
blau; Gliaprotoplasma hellblau bis graublau; Achsenzylinder und 
collagenes Bindegewebe graugelb; Elastin gelblichbraun; rote 
Blutkörperchen schmutziggelbgrau, Nucleolen gelb bis gelbbraun 
(vergl. Taf. VI und VII). Alle diese Farben beziehen sich auf 
künstliche Beleuchtung (elektrisches Glühlicht). 


Auf die Resultate, zu denen ich mittels der soeben be- 
schriebenen Methode an pathologischem Material gekommen bin 
— meine diesbezüglichen Untersuchungen betreffen die hämatogene 
experimentelle Gehirntuberkulose — werde ich an dieser Stelle 
nicht eingehen.') Hier möchte ich nur auf Grund meiner Präparate 
eine Beschreibung des Baues und der Anordnung des Neuroglia- 
gewebes im normalen Hundegehirn geben. Da meine Unter- 
suchungen mich zu einer Auffassung geführt haben, die in gewisser 
Hinsicht von den landläufigen Anschauungen abweicht, ist es 
nicht zu vermeiden, auf einige Detailfragen einzugehen. Schliesslich 
muss hervorgehoben werden, dass die unten gegebene Beschreibung, 
wenn nicht anders ausdrücklich bemerkt wird, ausschliesslich die 
Rinde und die darunter liegende weisse Substanz (Centrum 
semiovale) des Grosshirns betrifft. 

Betrachtet man an Präparaten, die in der erwähnten Weise 
gefärbt wurden, zunächst das Neurogliagewebe der weissen 


)) Diese Untersuchungen sollen binnen kurzem im Bd. 3 Heft 2--3 
von den „Arbeiten aus dem Pathol. Institut der Universität Helsingfors“, 
herausgegeben von Prof. Dr. E.A. Hom&n, veröffentlicht werden. 


142 Halvar von Fieandt: 


Substanz, so findet man, dass die Kerne derselben in zwei 
Gruppen eingereiht werden können, von welchen eine jede — obgleich 
natürlich auch weniger ausgeprägte Typen und Übergangsformen 
vorkommen — eine Menge charakteristischer Eigenschaften dar- 
bietet. Die Kerne, welche zu der einen Gruppe gehören, haben 
eine länglich ovale Gestalt, selten sind sie rund oder kugel- 
förmig; sie haben meistens eine Länge von 7&8—10 « und eine 
Breite von 6—7äS u, obgleich diese Zahlen natürlich Variationen 
unterworfen sind. Der Kern zeigt in seiner Gesamtheit eine 
hellblaue Farbe; im Innern desselben findet sich in der Regel 
ein oft exzentrisch gelegenes dunkler gefärbtes Kernkörperchen, 
das ein etwas helleres, gelbbraun gefärbtes Zentrum aufweist. 
Dies ist von einer schalenförmigen dunklen peripheren Schicht 
umgeben, die von dicht aneinander liegenden, tiefblau gefärbten 
Chromatingranula gebildet wird. Die betreffenden Kerne sind 
an gefärbtem Chromatin ziemlich arm, nur hie und da werden 
kleinere Chromatinklümpchen wahrgenommen, stellenweise in 
Reihen angeordnet, die auch ganz nahe der Membran vorkommen. 
Von einem Kerngerüst ist im übrigen nichts zu sehen. (Taf VI, 
Fig. 1 und 4, Taf. VIN, Pie277ar. IX, Eig.T.) 

Die Kerne des anderen Typus zeigen eine viel dunklere 
Färbung, die durch den unvergleichlich reichlicheren Chromatin- 
gehalt bedingt wird. Die Form ist gewöhnlich rund, selten etwas 
länglich oder unregelmässig. Der Diameter beträgt gewöhnlich 
5,5—8 u. Das Chromatin ist, wie gesagt, ziemlich reichlich, zu 
ungleich grossen, dicken Klumpen angehäuft, welche stellenweise 
so dicht gelegen sind, dass sie den Kernen eine mehr oder 
weniger deutlich hervortretende netzförmige Struktur verleihen 
(Taf. VI, Fig. 3, Taf. VIII, Fig.2). Ein Nucleolus kann in diesen 
nicht nachgewiesen werden. 

Wie schon angedeutet wurde, kommen ziemlich reichlich 
atypische Kernformen vor, welche in sich gewisse Eigenschaften 
beider oben geschilderten Typen vereinigen. Was die relative 
Zahl und die Verteilung der beiden Formen betrifft, so finden 
wir bedeutende regionäre Differenzen. Stellenweise kommen 
ziemlich dicht aneinandergereihte Kerne des kleinen dunklen 
Typus vor, an anderen Stellen trifft man in begrenzten Gebieten 
ausschliesslich Kerne der anderen Form, besonders scheint dies 
in Gegenden der Fall zu sein, wo zwei oder mehrere nach ver- 


Darstellung des Gliagewebes. 143 


schiedenen Richtungen verlaufende Bündel von Nervenfasern sich 
treffen. Im allgemeinen kann man jedoch behaupten, dass die 
kleinen, an gefärbtem Chromatin reichen Kerne die grosse 
Majorität bilden. 

Gleichzeitig mit den Verschiedenheiten der Kerne scheint 
auch eine verschiedene Beschaffenheit und Verteilung sowohl der 
protoplasmatischen wie der faserigen Gliasubstanz sich geltend 
zu machen. Die grossen, mit Nucleolen versehenen oder an 
gefärbtem Chromatin armen Kerne sind von einer ziemlich reich- 
lichen Menge hellblau gefärbtem Protoplasma umgeben, das 
homogen oder wenigstens ohne auffallende Struktureigentümlich- 
keiten erscheint. Durch das Protoplasma, oft anscheinend eine 
Grenze desselben bildend, verlaufen deutlich hervortretende, 
dunkelblau gefärbte Fasern, die Weigertschen Neurogliafasern. 
Diese scheinen von allen Richtungen gegen die umgebenden 
Protoplasmaanhäufungen zu konvergieren, welche sie entweder 
in der umittelbaren Nähe des Kernes oder auch etwas davon 
entfernt durchkreuzen. Ein Teil der Fasern zeigt hierbei einen 
geradlinigen Verlauf, andere beschreiben Kurven mit der Konvexität 
an der Stelle, wo sie dem Kern am nächsten kommen, gegen den- 
selben gerichtet, wieder andere weisen unregelmässige Biegungen 
und Knickungen auf (Taf. VI, Fig. 1 u.4, Taf. VII, Fig. 1, Taf. VIII, 
Fig. 2). Die Fasern sind während ihres ganzen Verlaufes von 
derselben Stärke, wenigstens soweit ich sie verfolgen konnte, 
und bieten auch in der Nähe der Kerne keine Absplitterung dar. 
Sie machen also auch mit der betreffenden Färbung den Ein- 
druck von Bildungen, die chemisch vom Protoplasma differieren; 
wenigstens ist dies in der Nähe der Kerne der Fall. Unter- 
sucht man einen Gliakern der betreffenden Art nebst der ihn 
umgebenden Protoplasmaanhäufung und den daselbst verlaufenden 
Gliafasern bei schwächeren Vergrösserungen, so imponiert das 
ganze beim ersten Blick als ein wohl abgegrenztes Zell- 
individuum, wobei die Fasern, welche bogenförmig an dem Kern 
vorbeiziehen, oft den Eindruck von Zellgrenzen machen. Bei 
stärkeren Vergrösserungen (1000 mal) dagegen ändert sich das 
Bild wesentlich. Es zeigt sich, dass das hellblaue Protoplasma 
keineswegs auf die unmittelbare Nähe des Zellkerns beschränkt 
ist, sondern dass es sehr weit vom Kerne in den Interstitien 
zwischen den markhaltigen Nervenfasern verfolgt werden kann. 


144 Halvar von Fieandt: 


Die Gliazellen von diesem Typus sind also mit Fortsätzen von 
protoplasmatischer Beschaffenheit versehen. Diese Fortsätze sind 
mehrfacher Art. Entweder sind sie an der Basis ziemlich dick, 
nach dem Ende zu ausgezogen, an Form also konisch, oft an 
den Rändern mit Gliafasern versehen. Oder sie bestehen aus 
feinen Protoplasmafäden, welche von der den Kern umgebenden 
Protoplasmaanhäufung sich nach verschiedenen Richtungen er- 
strecken, am meisten radiär ausstrahlend, teilweise deutlich 
miteinander anastomosierend und oft eine echte Gliafaser um- 
hüllend. Schliesslich sieht man nicht selten dünne, abgeplattete, 
lamellöse Fortsätze, an Breite und Ausdehnung sehr variierend, 
welche sich von der zentralen Protoplasmaanhäufung zwischen 
den markhaltigen Nervenfasern erstrecken und oft in verschiedenen 
Richtungen verlaufende Gliafasern einschliessen. Oft sind die 
erwähnten Lamellen an den Rändern von Gliafasern begrenzt. 
Wenn diese, wie es in der Regel in der Höhe des Kernes der 
Fall ist, von hier aus divergierend verlaufen, dann bietet eine 
zwischen denselben ausgespannte Protoplasmalamelle Ähnlichkeiten 
mit einer Schwimmhaut dar. Mit Hilfe der Fig.1 u. 4, Taf. VI kann 
man sich eine Vorstellung von den verschiedenen Arten der Proto- 
plasmafortsätze in den Gliazellen der betreffenden Art bilden. Die 
Bilder der Gliazellen bieten natürlich zahllose Variationen dar, 
je nachdem die Ausläufer, die von den kernführenden Protoplasma- 
zentren ausgehen, überwiegend konisch, fädchenartig oder lamellös 
sind, je nach den verschiedenen Richtungen, die sie einschlagen, 
und je nach dem grösseren oder kleineren Gehalte an Gliafasern. 
Zieht man überdies in Betracht, dass auch die Gestalt des Zell- 
körpers selbst, d. h. die dem Kerne am nächsten liegende Proto- 
plasmaanhäufung, von Zelle zu Zelle äusserst wechselnd ist und 
überhaupt sich nach den Interstitien zwischen den in verschiedenen 
Richtungen verlaufenden Markscheiden und nicht am wenigsten 
nach der zufälligen Schnittrichtung richtet, so wird man sich 
vielleicht eine Vorstellung davon machen können, welche Mannig- 
faltigkeit von Zellformen man hier antrifft. Dieser unendliche 
Formenreichtum trotzt allen Versuchen einer Klassifizierung. 
Durch eine solche wäre wohl auch kaum etwas wesentliches zu 
gewinnen. 

Es wurde oben erwähnt, dass die protoplasmatischen Aus- 
läufer der Gliazellen ziemlich weit von dem Zellkörper selbst 


Darstellung des Gliagewebes. 145 


verfolgt werden können und dass die feinen fädchenförmigen Fort- 
sätze oft miteinander anastomosieren. Diese Anastomosen kommen 
indessen nicht allein zwischen den Ausläufern eines und desselben 
Zellkörpers vor, sondern auch zwischen nahe gelegenen oder 
sogar voneinander ziemlich weit entfernten Zellindividuen und 
betreffen nicht nur die feinen fädchenförmigen, sondern auch die 
gröberen konischen und die lamellösen Ausläufer. Fig. 1, Taf. VI 
dürfte dieses Verhältnis illustrieren. Sie zeigt die Neuroglia der 
weissen Substanz eines jungen Hundes an einer Stelle, wo die 
in verschiedenen Richtungen verlaufenden myelinhaltigen Nerven- 
fasern einander kreuzen und wo die Gliazellen ziemlich dicht 
liegen. Man sieht die lamellösen Ausläufer der verschiedenen 
Zellen teils breit, teils durch schmälere Brücken miteinander 
zusammenhängen (links unten und rechts oben im Bilde). Anderer- 
seits findet man eine Menge fädige Protoplasmaausläufer, teilweise 
mit Gliafasern besetzt und aus verschiedenen Zellen stammend, mit- 
einander anastomosieren (links oben im Bilde). Schliesslich kann 
auch beobachtet werden, wie die feinen Protoplasmafortsätze in 
(Gegenden, welche grösserer Gliaprotoplasmaanhäufungen entbehren 
(Mitte des Bildes), ein zierliches Netzwerk zwischen den Mark- 
räumen bilden, indem sie sich miteinander vereinigen und in- 
einander übergehen. Wie gesagt, stammt die in der Fig. 1, Taf. VI 
abgebildete Stelle aus dem Gehirne eines jungen Hundes und 
man könnte vielleicht einwenden, dass wir es hier mit einem 
noch in der Entwicklung stehenden Gliagewebe zu tun haben, 
dessen verschiedene Zellindividuen sich von dem gemeinsamen 
Verbande noch nicht emanzipiert haben, was aber vielleicht der 
Fall bei einem vollständig entwickelten Gliagewebe sein könnte. 
Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Es ist leicht, an einem 
erwachsenen Tiere zu konstatieren, dass eine solche Emanzipation 
aus dem Zellenverbande niemals vor sich geht, sondern dass die 
Beschaffenheit des normalen Gliagewebes auch hier überall in 
entsprechenden Teilen des Gehirns im Prinzip dieselbe ist. Bei 
Untersuchungen dieser Art ist es natürlich notwendig, die Präpa- 
rate gegen die Tiefe hin zu mustern und von der Mikrometer- 
schraube fleissigen Gebrauch zu machen. Wenn man in der 
Weise vorgeht, wird man mit Leichtigkeit den allmählichen Über- 
gang des einen Protoplasmabalkens in den anderen verfolgen 
können. Man wird somit nicht umhin können, ein allgemein aus- 


Archiv f.mikr. Anat. Bd. 76. 10 


146 Halvar von Fieandt: 


gebreitetes protoplasmatisches Gliareticulum anzunehmen, wovon 
die einzelnen „Gliazellen“ nur integrierende Teile sind. Die 
klassischen Gliazellen sind also aus ihrem ana- 
tomischen Zusammenhange ausgerissene Teile eines 
gemeinsamen Synceytiums, keine eigentlichen Zell- 
individuen. Der von Hardesty (27) und Held (32) be- 
schriebene protoplasmatische Zusammenhang zwischen 
den Gliazellen, das sogenannte Gliasynceytium, kann 
somit auch mit meiner Methode nachgewiesen werden. 

Die in der weissen Substanz sich findenden Kerne des 
zweiten Typus werden, wie erwähnt, durch einen reichlicheren 
Chromatingehalt und dadurch bedingte dunklere Farbe sowie durch 
ihre runde Form und kleineres Volumen gekennzeichnet. Sie sind 
von einer geringen Menge Protoplasma umgeben, das oft nur die 
eine Seite des Kernes begrenzt, denselben halbmondförmig um- 
fassend. Auch zeigt dasselbe in der Regel eine bedeutend 
dunklere Farbe als das Protoplasma der grossen hellen Kerne. 
Die dunkle Protoplasmafarbe scheint hauptsächlich durch das 
Vorhandensein einer Menge dicht gelagerter tiefblau gefärbter 
feiner Körnchen bedingt zu sein, welche fast die ganze halbmond- 
förmige oder unregelmässige Protoplasmaanhäufung in der Nähe 
des Kernes einnehmen. Im Gegensatz zu den eingangs be- 
schriebenen Gliazellen bieten diese also in der Regel eine deutlich 
feinkörnige Struktur des Protoplasmas dar, obgleich man natür- 
lich stellenweise Zellen trifft, wo diese Körnelung weniger hervor- 
tritt und das Protoplasma eine hellere Farbe darbietet. Von 
der beschriebenen Protoplasmaanhäufung gehen Fortsätze nach 
verschiedenen Richtungen aus, die Zelle mit dem allgemeinen 
protoplasmatischen Glianetzwerke verbindend. Diese Ausläufer 
oder Vereinigungsbalken sind im allgemeinen von einer viel 
feineren Beschaffenheit als die Fortsätze der erst beschriebenen 
Gliazellen und bestehen oft ausschliesslich aus feinen Plasma- 
fäden, welche in der Regel keine echten Gliafasern einschliessen. 
Stellenweise trifft man aber auch gröbere Ausläufer (Taf. VI, 
Fig. 3). Die betreffenden Zellen sind also durch die erwähnten 
feinen Protoplasmafäden in dem Glianetzwerke sozusagen aufgehängt. 
Oft wird rings um die kleine Protoplasmamasse ein Hohlraum be- 
obachtet, wo die „Zellen“ teilweise frei liegen. Dieselben bieten 
dann eine gewisse Ähnlichkeit mit Lymphocyten dar. Man kann 


Darstellung des Gliagewebes. 147 


sich jedoch leicht davon überzeugen, dass solche Bilder als 
Artefakte aufzufassen sind, indem durch Schrumpfung das Zell- 
protoplasma mit dem eingeschlossenen Kerne sich etwas von der 
Umgebung retrahiert hat, sodass die feinen plasmatischen Ver- 
einigungsbrückchen teilweise abgerissen worden sind. Es wurde 
oben erwähnt, dass die Ausläufer dieser Zellen in der Regel 
keine echten Gliafasern führen, und in der Tat scheint dies eine 
ziemlich konstante Erscheinung zu sein. Die kleinen dunklen, 
mit reichlichem Chromatin versehenen Kerne sind also mit den 
schon von Weigert (62) beschriebenen zu identifizieren, „in 
denen das Chromatin eine homogene dunkle Masse darstellt“ und 
die nur ausnahmsweise, vielleicht auch gar nicht, „in charakte- 
ristischer räumlicher Beziehung“ zu den Gliafasern stehen.') 

Das Neurogliagewebe der weissen Substanz besteht somit 
aus einem überall sich erstreckenden kontinuierlichen Glia- 
syneytium mit hie und da hervortretenden grösseren, mit Kernen 
versehenen Protoplasmaanhäufungen. Auf eine nähere Beschreibung 
sämtlicher Zwischenformen von Gliaprotoplasmaanhäufungen oder 
Gliazellen, die zwischen den beiden schon geschilderten Typen 
sich finden, muss ich verzichten. Lässt man sämtliche Eigen- 
tümlichkeiten, welche dazu beitragen, den Gliazellen ihr charakte- 
ristisches Aussehen zu verleihen, die Beschaffenheit des Kernes, 
die Grösse und Färbungsintensität des Protoplasmas und die 
Beschaffenheit der Ausläufer zwischen den beiden Extremen, die 
von den oben beschriebenen Typen vertreten werden, wechseln, 
so kann man leicht sämtliche möglichen Zwischenformen kon- 
struieren oder sich wenigstens von denselben eine gewisse Vor- 
stellung bilden. Allzu zahlreich scheinen diese Zwischenformen 
nicht zu sein, die überwiegende Mehrzahl der Gliazellen kann 
man ohne den Tatsachen Gewalt anzutun, auf den einen oder 
anderen der beiden beschriebenen Typen zurückführen. 

Zur Beleuchtung der viel diskutierten Frage, ob die Neuro- 
gliafasern von den Gliazellen „räumlich getrennt“, als eine wirk- 
liche Intercellularsubstanz oder als intraplasmatische Differen- 
zierungsprodukte zu betrachten sind, dürfte die Anwendung meiner 
Methode, dank ihres Vermögens, auch die protoplasmatischen Glia- 
bestandteile darzustellen, von einer gewissen Bedeutung sein. 
In der Tat ist es leicht zu konstatieren, dass die Gliafasern 


!) Loc. cit. S. 30/31. 
102 


148 Halvar von Fieandt: 


wenigstens zum allergrössten Teile intraplasmatisch, d. h. inner- 
halb des oben beschriebenen, netzförmig überall ausgebreiteten 
Gliaprotoplasmas verlaufen. Hierbei sind die Fasern entweder 
an allen Seiten von einem hellblau gefärbten Plasmamantel um- 
geben — was oft bei den massiveren Ausläufern oder den Ver- 
einigungsbalken der Fall ist — oder sie werden an beiden Seiten 
von dem Gliaprotoplasma umgeben, wie in den lamellösen Aus- 
läufern (Taf. VII, Fig. 1, Taf. VI, Fig. 1), schliesslich bilden die 
Fasern auch die äussere Begrenzung eines lamellösen Vereinigungs- 
balkens (Taf. VI, Fig 1, Taf. VII, Fig. 1—3). Dass die Gliafasern 
hierbei oft an der Oberfläche oder der äusseren Begrenzung der 
Balken des Glianetzwerkes verlaufen, ist natürlich, in jedem Falle 
stehen sie doch in intimer Verbindung mit dem darunterliegenden 
Protoplasma. Ob ausserdem isoliert verlaufende Gliafasern vor- 
kommen, ist nicht so leicht zu entscheiden. Bei einer flüchtigen 
Durchmusterung der Präparate bekommt man zuerst den Eindruck, 
dass solche nackte, isoliert verlaufende Fasern keine seltene Er- 
scheinung sind. Untersucht man aber genauer unter Verwendung 
von stärkeren Vergrösserungen, dann wird man einen dünnen 
Protoplasmaausläufer finden, der die Gliafaser an der anscheinend 
nackten Stelle begleitet oder man wird auch bei Anwendung der 
Mikrometerschraube eine dünne Plasmalamelle beobachten können, 
die sich der betreffenden Gliafaser unmittelbar anschliesst. Je 
genauer man die Präparate studiert, umso seltener sind nackte 
Fasern zu beobachten; jedenfalls finden sie sich in einer ver- 
schwindenden Minorität vor. Hierbei ist es selbstverständlich 
keineswegs ausgeschlossen, dass das Vorhandensein auch dieser 
geringen Menge von wenigstens stellenweise von Protoplasma 
unbedeckten Fasern einer gewissen Unvollkommenheit der 
Färbungsmethode in bezug auf die Darstellung der subtilsten 
Protoplasmastrukturen oder auch Observationsfehlern zuzu- 
schreiben ist. Jedenfalls kann man nachweisen. dass 
die Gliafasern innerhalb oder an der Oberfläche 
des allgemeinen gliösen protoplasmatischen Netz- 
werkes verlaufen; sie imponieren also als ein intra- 
plasmatisches Differenzierungsprodukt von einer 
besonderen chemischen Beschaffenheit. Die Möglich- 
keit, dass die Gliafasern stellenweise nackt sind und während 
kürzerer Strecken ihres Verlaufes von den Balken des Gliaplasma- 


Darstellung des Gliagewebes. 149 


netzwerkes getrennt verlaufen, muss zugegeben werden, obgleich 
ein solches Verhalten sich nicht nachweisen lässt. 

Es erübrigt noch mit einigen Worten das Verhalten des 
Gliagerüstwerkes zu den in ihm eingeschlossenen Markscheiden 
resp. Achsenzylindern, ebenso wie die Gliaformationen rings um 
die in der weissen Substanz verlaufenden Blutgefässe zu berühren. 

Die Gliahülle rings um die Markscheiden wird von einem 
feinen protoplasmatischen Netzwerke gebildet, das teils aus längs 
verlaufenden, teils quer oder schräg verlaufenden, meist feinen 
Protoplasmafäden zusammengesetzt ist (Taf. VI, Fig. 1, links oben 
im Bilde). Die Gliafasern, die ein näheres Verhalten zu den 
Markscheiden zeigen, ziehen bis auf wenige Ausnahmen in der 
Richtung der Nervenfasern, scheinen jedoch stellenweise mehr 
oder weniger von derselben abzuweichen; sie sind von feinen 
Protoplasmafäden eingeschlossen (Taf. VI, Fig. 1, Mitte des Bildes). 
Stellenweise, wo das umgebende Protoplasma nicht hervortritt, 
resp. vermisst wird, scheinen die verschiedenen in der Längs- 
richtung verlaufenden Gliafasern mit feinen Protoplasmafäden 
verbunden zu sein (Taf. VI, Fig. 1, links oben im Bilde). Die 
Anzahl der Gliafasern, die einen Markraum umgebend, parallel 
zu ihm verlaufen, scheint im allgemeinen bedeutenden Variationen 
unterworfen zu sein (Taf. VI, Fig. 1, Mitte des Bildes). Hie und 
da werden zwischen den Markräumen quere Gliafasern, meistens 
von einer dünnen Schicht von Protoplasma umgeben, gesehen 
(Taf. VI, Fig. 1, links oben). Auch die Dichte des die Mark- 
räume umgebenden Netzwerkes, d.h. die Grösse und Form der 
Maschen wechselt bedeutend. Wo das Netzwerk lichter ist, sieht 
man oft in hinreichend dünnen Schnitten zwei quergetroftene 
Achsenzylinder von einer gemeinsamen Gliahülle umgeben (Taf. VI, 
Fig. 1). An den Grenzen der Marksegmente tritt das umgebende 
Gliagewebe in unmittelbare Berührung mit den Achsenzylindern, 
unter Bildung von Gliaschnürringen. Auf Taf. VII, Fig. 1 habe 
ich versucht, einen solchen Schnürring abzubilden. Aus dem die 
Markscheide unmittelbar umgebenden Glianetzwerk treten feine 
Plasmabalken oder — was uns gewöhnlicher erscheint — Proto- 
plasmalamellen hervor, welche dem Achsenzylinder zustreben und 
sich rings um denselben zu einer kreisförmigen Bildung vereinigen, 
die teils eine netzförmige, teils bei reichlicherem Protoplasma 
eine kompakte Beschaffenheit zeigt. Gliafasern von der Umgebung 


150 \ Halvar von Fieandt: 


tragen oft zur Bildung des Schnürringes bei; sie ziehen nicht 
selten in dem Marksegmentinterstitium dicht bei dem Achsen- 
zylinder quer über denselben oder beschreiben auch Kurven um 
den Achsenzylinder und verlaufen dabei in dem Protoplasma, das 
den Schnürring bildet. Die Gliaschnürringe erscheinen 
also als Teile des allgemeinen Gliagerüstwerkes, 
speziell der die Markräume zunächst umgebenden 
Gliahülle. Weiter kann oft nachgewiesen werden, dass das 
Netzwerk rings um die Marksegmente in der Nähe ihrer Grenzen 
dichter erscheint; die Balken des Netzwerkes scheinen miteinander 
zu dünnen Lamellen zusammenzuschmelzen, sodass die Markräume 
stellenweise in der Nähe der Segmentgrenzen von dünnen Proto- 
plasmamembranen umgeben sind (Taf. VII, Fig. 1). 

Bezüglich des Verhaltens der Glia zu den in der weissen 
Substanz verlaufenden Blutgefässen kann als allgemeine Regel 
festgestellt werden, dass die perivasculären Gliaformationen hin- 
sichtlich ihrer Art und Zusammensetzung von der Grösse der 
Blutgefässe unabhängig sind. An den Arterien, Capillaren und 
Venen verhält sich das marginale Gliagewebe prinzipiell gleich. 
Zur Bildung desselben tragen auch hier protoplasmatische Bestand- 
teile mit eingeschlossenen Kernen und eine wechselnde Menge 
von Gliafasern bei. Bezüglich der protoplasmatischen, d. h. nicht 
besonders differenzierten perivasculären Gliaelemente verdient in 
erster Linie erwähnt zu werden, dass eine Grenzmembran, 
eine Membrana limitans gliae perivascularis, nach- 
gewiesen werden kann als eine dünne hellblau gefärbte Schicht, 
welche die Gefässadventitia oder — wenn es sich um ein Capillar- 
gefäss handelt — das Endothel umgibt.‘) Zur Bildung dieser 
Membran, die, was Aussehen, Struktur und Farbenreaktionen betrifft, 
dieselbe Beschaffenheit wie die Gliaprotoplasmabildungen, speziell 
die lamellösen Ausläufer der Gliazellen (vgl. Taf. VI, Fig. 1 und 
Taf. VII, Fig. 2 und 3) zeigt und somit nicht den Grenzmembranen 
(Membranae limitantes) anderer Organe gleichzustellen ist, tragen 
erstens die Ausläufer der Gliazellen, die in der unmittelbaren 
Nähe des Gefässes oder etwas mehr entfernt davon liegen, 
zweitens die Balken des das Gefäss unmittelbar umgebenden 


a: / 
!) Bei der Beschreibung des Baues des marginalen Gliagewebes bin ich 
sowohl hier wie im folgenden der Heldschen Nomenklatur, die mir die 
zweckmässigste scheint, gefolgt. 


Darstellung des Gliagewebes. . 151 


Gliagerüstes und schliesslich die nahe der Membran selbst 
oder innerhalb derselben gelegenen Gliazellen mit ihrem Proto- 
plasmakörper bei. Man kann sagen, dass die Grenzmembran 
von einer lokalen Zusammenschmelzung des Protoplasmas dieser 
sämtlichen Gliabestandteile herstammt. Zugegeben werden muss, 
dass die Darstellung und das Studium der perivasculären Glia- 
membranen schwierig sind. Um dieselben zu veranschaulichen, 
bedient man sich am besten solcher Präparate, wo gewisse Arte- 
fakte, und zwar die sogenannten Hisschen Räume, zu sehen 
sind. Hierbei wird das Gliagewebe mit den eingeschlossenen 
markhaltigen Nervenfasern zur Retraktion von der Adventitia ge- 
bracht, wobei die Membrana limitans perivascularis in der Regel, 
wenn auch nicht immer, mit dem nervösen Gewebe und der Glia 
verbunden bleibt, sodass zwischen dem erwähnten Gewebe und 
der Adventitia ein grösserer oder kleinerer Zwischenraum ent- 
steht.!) Obgleich in Präparaten, die nach der oben beschriebenen 
Methode gewonnen wurden, Hissche Räume nicht beobachtet 
wurden, gelingt es zuweilen im Zentrum grösserer Stücke oder 
in solchen, die weniger sorgfältig in Alkohol nachgehärtet wurden, 
solche Bilder zu erhalten. Fig. 2 und 3, Taf. VII, zeigen die 
perivasculäre Grenzmembran von der Gefässadventitia isoliert 
(die von den Membranen eingeschlossenen Gefässe sind nicht ab- 
gebildet), und zwar Fig. 2 an einer Stelle, wo das Gefäss beinahe 
tangential, Fig. 3 an einer Stelle, wo Gefäss und Grenzmembran 
ziemlich in der Längsrichtung des Gefässes getroffen wurden. 
Die sogenannten Gliafüsse werden von dickeren Ausläufern ge- 
bildet, welche man deutlich bis zu Gliazellen, die in der unmittel- 


') Ich spreche von den Hisschen Räumen als Artefakte, obgleich mir 
die verschiedenen Meinungen, die bezüglich der Deutung derselben herrschen, 
wohl bekannt sind. Dass die perivasculären Räume dieser Art wirklich 
Schrumpfungsphänomene darstellen, dafür sprechen mehrere Umstände. Es 
zeigt sich u. a., dass die ceteris paribus umsoweniger hervortreten, je besser 
die Fixierung ist. Durch eine sorgfältige Fixierung und Nachbehandlung 
kann das Auftreten der erwähnten Räume immer vermieden werden. Auch 
das Aussehen der äusseren Fläche der Adventitia, die die innere Begrenzung 
der Hisschen Räume bildet und aufgefranst, mit losgerissenen, in den 
Raum hineinragenden Bindegewebsfasern erscheint usw., spricht für dieselbe 
Auffassung. Andererseits kann kein Beweis für die Ansicht erbracht werden, 
dass die Hisschen Räume wirkliche Lymphräume sein sollen. Ich kann auf 
diese Frage, die ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit liegt, hier nicht 
näher eingehen. 


152 Halvar von Fieandt: 


baren Nähe des Gefässes oder etwas mehr entfernt davon 
gelegen sind, verfolgen kann (Taf. IX, Fig. 1), oder auch von 
dünneren Balken, welche dem syneytialen Glianetzwerke ent- 
springen (Taf. VI, Fig. 3). In beiden Fällen führen die betreffenden 
Ausläufer in der Regel Gliafasern. Die gröberen sind oft mit 
mehreren Fasern versehen, die meist an den Rändern verlaufen 
und zwischen sich eine geringe Menge von hellblau gefärbtem 
Protoplasma einschliessen (Taf. VII, Fig. 2 und 5). Die dünneren, 
besonders diejenigen, die direkt aus dem Glianetzwerke ent- 
springen, enthalten gewöhnlich nur eine einzige Gliafaser, die 
von einer dünnen Schicht Protoplasma umgeben wird, das jedoch 
auch gelegentlich vermisst werden kann. In der Nähe der Grenz- 
membran divergieren die Fasern, wenn sie in der Mehrzahl vor- 
handen sind, nach verschiedenen Richtungen hin und das zwischen 
denselben gelegene Protoplasma bildet eine konische Anhäufung, 
die mit ihrer Basis direkt in die Membrana limitans übergeht. 
Auch die dünneren Balken zeigen beim Übergang in die Grenz- 
membran Anschwellungen von derselben Form. Die Gliafasern, 
die frei zu verlaufen scheinen, verlieren oft in der Nähe der 
Grenzmembran ihre dunkle Farbe, breiten sich zu einem schmalen 
Gliafusse von anscheinend protoplasmatischer Beschaffenheit aus und 
verschmelzen mit der Grenzmembran (Taf. VII, Fig. 5). Übrigens 
verhalten sich die Fasern in den Gliafüssen verschieden. Teils laufen 
sie in die Membrana limitans aus und schlagen hier eine im Ver- 
hältnis zum Gefäss longitudinale oder quere Richtung ein, oder 
können ein Stückchen weiter in die Grenzmembran, wo sie eine 
gegenüber dem Gefässe schräge Richtung innehalten, verfolgt 
werden. Die Fasern der Membrana limitans bilden somit ein 
Netzwerk mit oft ziemlich regelmässigen Maschen; die stärksten 
Fasern scheinen in der Regel einen longitudinalen Verlauf zu 
haben (Taf. VII, Fig.2). Teils verlieren die Fasern oft schon inner- 
halb des Gliafusses, noch öfter aber während ihres Verlaufes 
innerhalb der Membrana perivascularis ihre charakteristische 
Farbe, splittern sich in feine Fibrillen auf, welche stellenweise 
abgebrochen erscheinen und schliesslich nur durch eine Anzahl 
in Reihen angeordneter feiner Körnchen angedeutet sind (Taf. VII, 
Fig.3). Man kann also konstatieren, dass ein Teil 
der Gliafasern in der Membrana limitans peri- 
vascularis aufhört. Oben wurde erwähnt, dass gewisse 


Darstellung des Gliagewebes. 153 


mit Kernen versehene Gliaplasmaanhäufungen, Gliazellen, auch 
zur Bildung der perivasculären Grenzmembran beitragen. Sie 
liegen entweder unmittelbar unter der Membrana limitans, 
d. h. an der dem Gefäss gegenüberliegenden Seite derselben, 
oder bilden einen integrierenden Bestandteil der Membran 
in der Weise, dass die Kerne in oder an derselben liegen oder 
derselben angelagert sind, kleine Ausbuchtungen gegen die 
Adventitia hervorrufend; das letztere scheint selten zu sein, 
kommt aber ab und zu vor. In beiden Fällen geht das Proto- 
plasma breit in die Membrana limitans über, welche dann, 
wenigstens in den dem Kerne angrenzenden Partien, den Ein- 
druck eines lamellösen Ausläufers des Zellprotoplasmas macht 
(Taf. VII, Fig.3). Schliesslich sei bemerkt, dass die perivasculären 
Grenzmembranen, wo sie gut dargestellt und untersucht werden 
können, als kontinuierliche Membranen ohne Löcher 
oder Öffnungen erscheinen; die Möglichkeit, dass 
solche jedoch in derselben vorkommen, kann natür- 
lich nicht ausgeschlossen werden, solange sämtliche 
perivasculären Gliahüllen in ihrer ganzen Ausdehnung nicht haben 
nachgewiesen werden können. 

Wenn wir jetzt zur Betrachtung des in der grauen Sub- 
stanz sich findenden Gliagewebes meiner Präparate übergehen, 
so können wir zuerst feststellen, dass die für die Marksubstanz 
charakteristische Anordnung des gliösen Gewebes in einigermassen 
typischer Form nur in sehr beschränkten Abschnitten der Rinde 
uns entgegentritt und zwar in der subpialen marginalen Neuro- 
glia und beim Übergange der grauen und weissen Substanz. Im 
(Gegensatze hierzu zeigt der allergrösste Teil der Gehirnrinde 
bezüglich der Beschaffenheit und Anordnung der Gliasubstanzen 
ganz eigenartige Verhältnisse. Hier treten Strukturen auf, welche 
nicht beim ersten Blick und ohne weiteres als dem nicht nervösen 
Zwischengewebe angehörig erkannt werden können. Um uns zu- 
erst an das marginale Gliagewebe zu halten, das die meisten 
Analogien mit der zentralen Glia in der weissen Substanz zeigt, 
so verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass eine 
subpiale Grenzmembran, Membrana limitans gliae 
superficialis, nachgewiesen werden kann. Invertikal 
auf die Gehirnrinde geführten Schnitten kann die Grenzmembran 
als eine stellenweise ganz dünne hellblau gefärbte Bildung be- 


154 Halvar von Fieandt: 


obachtet werden. An anderen Stellen, wo dieselbe Gliafasern in 
sich schliesst, tritt sie als ein etwas dunklerer blauer Streifen 
gegenüber dem hellen graugelben Piagewebe scharf hervor, die 
äusserste Grenze des Gliagewebes bildend. An schrägen (Taf. VI, 
Fig. 5) oder mehr tangentialen Schnitten der Hirnrinde können 
die Struktur und Zusammensetzung der Membran leichter studiert 
werden. Es zeigt sich, dass dieselbe aus einer hellblau gefärbten 
Substanz besteht, die in jeder Beziehung an das Gliaprotoplasma 
erinnert und stellenweise in verschiedenen Richtungen verlaufende 
Gliafasern, an anderen Punkten dagegen eine feinkörnige Be- 
schaffenheit zeigt. Ihrem Aussehen nach erinnert die subpiale 
Grenzmembran somit an die perivasculären Gliamembranen der 
weissen Substanz, welche ebenfalls, wie schon erwähnt, den Ein- 
druck von Membranen von undifferenziertem Gliaprotoplasma 
machen. Die erwähnte Ähnlichkeit tritt auch in dem Verhalten 
der subpialen Gliamembran gegenüber nahe gelegenen Gliazellen 
und deren Ausläufern, ebenso wie gegenüber dem unmittelbar unter 
derselben liegenden Gliasyneytium hervor. Auch hierbei tragen 
Ausläufer von näher oder entfernter gelegenen Gliazellen, Balken 
von dem unterliegenden syneytialen Netzwerke (Taf. VI, Fig. 6, 
Taf. VIII, Fig. 1) und schliesslich Gliazellen, die in oder gleich 
unter der Membran liegen (Taf. VI, Fig. 5), zur Bildung der 
Grenzmembran bei. Auch bezüglich des Verhaltens der Gliafüsse 
zu der subpialen Gliamembran, ebenso wie der Eigentümlichkeiten, 
welche die differenzierten Gliafasern bei ihrem Übergange von den 
zuführenden Gliafüssen in die Grenzmembran zeigen, herrscht eine 
so vollständige Übereinstimmung mit der schon beschriebenen 
perivasculären Grenzglia der weissen Substanz, dass ich auf diesen 
(regenstand hier nicht näher einzugehen brauche. Betreffs der 
in der Grenzmembran verlaufenden Fasern verdient erwähnt zu 
werden, dass sie die verschiedensten Richtungen einzuschlagen 
scheinen, wodurch sie polygonale Felder abgrenzen, die an ge- 
wissen Stellen, besonders in der Tiefe der Furchen zwischen den 
Gyri, eine ziemlich regelmässige Form zeigen. Die in den Glia- 
füssen verlaufenden Fasern zeigen gelegentlich schon innerhalb 
derselben, zuweilen aber erst während ihres Verlaufes in der 
Grenzschicht, eine Aufsplitterung in feine Fibrillen, welche all- 
mählich undeutlicher werden und schliesslich nur durch Reihen 
von feinen Körnchen angedeutet sind. Ein Teil der Glia- 


Darstellung des Gliagewebes. 155 


fasern findet also in der Membrana gliae super- 
fieialis ihr Ende. Andere laufen in die Grenzmembran durch 
einen Gliafuss hinein und biegen dann eine Strecke weiter wieder 
in einen angrenzenden oder etwas entfernteren Fuss aus (Taf. VI, 
Fig. 6). 

Bezüglich des marginalen Gliagewebes bestehen ziemlich in 
die Augen springende regionäre Verschiedenheiten. An einigen 
Stellen ist es in sehr geringer Menge vorhanden und erscheint 
ohne auffallende Struktureigentümlichkeiten. Besonders ist dies 
der Fall an der höchsten Konvexität der Gyri. In der Tiefe der 
intergyralen Furchen dagegen tritt die marginale Glia in im- 
ponierender Mächtigkeit auf und zeigt eine besonders eigenartige 
Struktur und Anordnung. Fig. 6, Taf. VI zeigt die Glia in der 
Tiefe einer Furche an einem Vertikalschnitt der Gehirnrinde. 
Der rechts gelegene Rand des Bildes entspricht der tiefsten 
Stelle der Furche. Was der Glia in diesen Gegenden ihr charak- 
teristisches Gepräge verleiht, ist die Mächtigkeit der hier gegen 
die Pialfläche geordneten Protoplasmabalken, welche Gliafüsse 
bilden. Sie verlaufen oft in ziemlich regelmässigen Abständen 
voneinander und können meistenteils deutlich gegen die Tiefe 
hin bis zu den entsprechenden Gliazellen verfolgt werden. Auch 
diese zeigen an den betrefienden Stellen gewisse charakteristische 
Eigenschaften. Sie haben eine mehr oder weniger deutlich aus- 
gesprochen sternförmige Gestalt, welche durch die nach allen 
Seiten ausstrahlenden Protoplasmaausläufer bedingt ist. Letztere 
sind zum Teil mit typischen Gliafasern versehen, teilweise ent- 
behren sie derselben jedoch. Manche Ausläufer können ziemlich 
weit verfolgt werden, andere teilen sich nach einer kurzen Strecke 
in eine Anzahl feiner Protoplasmabalken, welche mit ähnlichen 
Bildungen von angrenzenden Zellen zusammenhängen, sodass ein 
feines protoplasmatisches Netzwerk mit unregelmässigen Maschen 
entsteht. Die von den Zellkörpern nach oben in radiärer Richtung 
ziehenden Ausläufer zeigen oft eine bedeutende Dicke, sie er- 
scheinen dabei als direkte Fortsetzung des Zellkörpers. Sie ent- 
halten in der Regel — obgleich nicht immer — Gliafasern, und 
geben gleichfalls feine protoplasmatische Seitenfortsätze ab, welche 
hier mit analogen Gebilden benachbarter Hauptfortsätze ver- 
schmelzen (Taf. VI, Fig. 6, Taf. VIII, Fig. 1). Dadurch, dass diese 
sekundären Fortsätze eine transversale, der Pialfläche parallele 


156 Halvar von Fieandt: 


Richtung innehalten, bekommt die Grenzschicht der Glia in diesen 
Bezirken ein charakteristisches Aussehen (Taf. VI, Fig. 6, Taf. VIII, 
Fig. 1). Die betrefienden der Pia parallelen Vereinigungsbalken 
scheinen ab und zu, obgleich nicht grade oft, feine Weigert sche 
Fasern zu führen. Die vertikalen oder radiären Pfeiler, ebenso 
die sekundären Balken, welche erstere verbinden, können ent- 
weder eine feinere fadenförmige oder breitere lamellöse Beschaffen- 
heit haben. Wenn erstere überwiegt, zeigt die Grenzschicht eine 
lichtere, zierlichere Anordnung (Taf. VI, Fig.6). Sind sämtliche oder 
die meisten Balken, die das oberflächliche Gliasyneytium bilden, 
von membranöser Natur, so resultiert daraus ein mehr oder weniger 
ausgeprägter wabenartiger Bau der Gliagrenzschicht (Taf. VIII, 
Fig. 1). Solche kleinen Gliakammern kommen überall in der 
Grenzschicht vor, scheinen jedoch, soviel ich beurteilen kann, 
besonders angehäuft und prägnant an den Seitenflächen der Gyri 
hervorzutreten. Die sternförmigen Zellen, welche die Knoten- 
punkte des in der Grenzschicht vorhandenen syneytialen Systemes 
bilden, sind in einer einfachen Reihe angeordnet und hängen 
zum Teil durch ein hellblaues mattkörniges Protoplasma breit 
miteinander zusammen (Taf. VI, Fig. 6). Die Kerne dieser Glia- 
zellen zeigen in allem wesentlichen dasselbe Aussehen wie die 
grossen, an gefärbtem Chromatin armen und mit Nucleolen ver- 
sehenen Kerne des Gliagewebes der Marksubstanz. Unmittelbar 
unter den erwähnten Gliazellen, oft in den protoplasmatischen 
Fortsätzen derselben verlaufend, oft aber ohne nähere Beziehung 
zu denselben, laufen schräg gegen die Oberfläche Weigertsche 
Gliafasern, welche hier meist nur in geringer Menge vorkommen, 
gelegentlich aber zahlreicher sind („Rindenschicht der Glia“). 

Verfolgt man das marginale Gliagewebe von der Tiefe der 
Furchen gegen die freien Flächen der Gyri, so sieht man es an 
Mächtigkeit abnehmen. Die Grenzschicht, d. h. der radiär struk- 
turierte Teil der marginalen Glia, der zwischen Membrana gliae 
superfieialis und den reihenartig angeordneten sternförmigen 
Gliazellen liegt, erscheint weniger ausgeprägt. Die gegen die 
Grenzmembran gerichteten Hauptbalken verlaufen schräg oder 
unregelmässig und sind hier viel spärlicher zu sehen. Auch die 
sekundären, mit der Pia parallelen Balken verschwinden mehr 
und mehr. Die in der Tiefe der Sulci so charakteristischen 
sternförmigen Zellen verlieren ihre typische Form und erscheinen 


Darstellung des Gliagewebes. 157 


als mehr oder weniger platte, unregelmässige Gebilde mit etwas 
abgeplattetem, meist ovalem Kern (Taf. VI, Fig.5). Die erwähnten 
Zellen gehen stellenweise mit ihrem Protoplasmakörper breit in 
die oberflächliche Grenzmembran über. Infolge des Schmäler- 
werdens der Grenzschicht nähert sich die „Rindenschicht“ mit 
ihren tangential oder schräg verlaufenden Gliafasern der Membrana 
limitans (Taf. VI, Fig. 5). In den gegen die freie Hirnoberfläche 
gelegenen Abschnitten der marginalen Glia oder in den obersten 
angrenzenden Partien der Sulei trifft man dagegen ab und zu 
Zellen, die man höchstens ausnahmsweise in der Tiefe der Furchen 
findet. Diese Zellen scheinen einen integrierenden Bestandteil 
der oberflächlichen Grenzmembran zu bilden, mit welcher ihr 
Protoplasma vollständig verschmilzt. Die Kerne, die also in der 
Membran selbst oder in einer geringen Verdickung derselben 
liegen, zeigen dieselben Eigentümlichkeiten wie in den übrigen 
Gliazellen der Grenzschicht. 

Es wurde oben erwähnt, dass die Gliazellen der Grenzschicht 
in ihren nach allen Richtungen ziehenden Ausläufern Gliafasern 
führen. Einige von diesen Fasern können nach innen in die Hirn- 
rinde ein Stückchen in die Molekularschicht verfolgt werden. Auch 
eine Anzahl der tangential oder schräg verlaufenden Fasern biegt 
nach innen um und lässt sich eine kleine Strecke weit in dieser 
Schicht nachweisen. Im allgemeinen kann festgestellt werden, 
dass nur die oberflächlichsten Teile der Molekular- 
schicht Weigertsche Gliafasern besitzen. Ausser den 
aus der Grenzschicht und der Rindenschicht stammenden Fasern 
kommen hier stellenweise solche vor, welche typische Beziehungen 
zu den Gliazellen der Molekularschicht darbieten. Diese Zellen 
bestehen aus kleinen Protoplasmaanhäufungen rings um einen 
ziemlich kleinen runden Kern, der ziemlich reichlich gefärbtes 
Chromatin in Form von gröberen oder feineren Klumpen und 
meistens keinen nachweisbaren Nucleolus enthält. Am Kern dieser 
Zellen vorbei ziehen in bogenförmigen Buchten einzelne Glia- 
fasern, die nur eine kurze Strecke vom Kerne verfolgt werden 
können. 

Während also die Weigertschen Fasern schon in den ober- 
tlächlichen Lagen der Molekularschicht mehr und mehr zurück- 
treten, zeigt dagegen das protoplasmatische Gliasyncytium eine 
immer mehr in die Augen springende Mächtigkeit und wird schon 


(>) 


158 Halvar von Fieandt: 


hier ganz und gar dominierend. Es sind zwei Eigenschaften des 
Syneytiums, welche bedingen, dass dasselbe in den Präparaten 
sich durch eine auffallend dunkle Farbe hervorhebt: einerseits 
die Dichtigkeit des Glianetzwerkes, andererseits die tiefe Färbung 
seiner Balken, während im übrigen das faserfreie Gliaprotoplasma 
bei der von uns angewendeten Methode lichter erscheint. Die 
Dichtigkeit des Glianetzwerkes, d. h. die relative Enge der Maschen 
desselben geht Hand in Hand mit einer Abnahme der Stärke der 
Balken. Diese zeigen sich als äusserst dünne Protoplasmafäden. 
Ihr tiefer Farbenton wird nicht durch eine diffuse Färbung des 
Protoplasmas selbst bedingt, sondern durch eine Menge in dem- 
selben eingeschlossener feiner Körnchen, die bei der betreffenden 
Färbung eine tiefblaue Farbe annehmen und sich somit in gleicher 
Weise wie die Weigertschen Gliafasern färben. 

Das Aussehen und die Beschaffenheit dieses feinen körnigen 
Netzwerkes wird am besten an sehr dünnen Schnitten studiert. 
Besonders eignen sich für feinere Beobachtungen solche Stellen, 
wo gröbere Dendritverästelungen sich finden, welche sowohl in 
den unteren Abschnitten der Molekularschicht als in der Pyramiden- 
zellenschicht zahlreich vorkommen. An solchen Stellen (Taf. VII, 
Fig. 4 und 5) machen die ungefärbten Protoplasmafortsätze der 
Nervenzellen den Eindruck von runden oder länglichen (je nachdem 
sie quer oder schräg getroffen sind) Lücken oder auch von gröberen 
oder feineren, verästelten Kanälen, (wenn der Schnitt mit der 
Längsrichtung zusammenfiel). In beiden Fällen bietet der diesen 
Hohlräumen oder besser gesagt den Dendriten unmittelbar an- 
liegende Teil des Glianetzwerkes ein gutes Feld für Studien. 
Hat man z. B. einen tangential getroffenen gröberen Dendrit vor 
sich, so treten die Einzelheiten des pericellulären resp. peri- 
dendritischen Netzwerkes mit voller Deutlichkeit hervor (Taf. VII, 
Fig. 5 und Taf. IX, Fig. 2, die Pyramidenzelle in der Mitte des 
Bildes). Man findet dann, dass die Maschen des Netzwerkes in 
der Form unregelmässig viereckig oder polygonal mit abge- 
stumpftem Winkel sind. Ihre Grösse scheint nicht besonders 
grossen Schwankungen unterworfen zu sein. Gibt man sich die 
Mühe, den Diameter der Maschen in verschiedenen Richtungen 
zu messen, so findet man, dass derselbe gewöhnlich etwa 1 « mit 
geringen Oscillationen nach beiden Seiten hin beträgt. Die Balken 
des Netzwerkes zeigen eine komplizierte Struktur und bestehen 


Darstellung des Gliagewebes. 159 


aus einer hellblau gefärbten Grundsubstanz, die dunkel gefärbte 
Körnchen in sich schliesst, deren Grösse ebenso wie die Stärke 
der Balken etwas variiert. Oft werden nebeneinander und in 
einem und demselben Balken verschieden grosse Körnchen ge- 
funden. In jedem Falle hält sich die Stärke der Balken und die 
(Grösse der Körnchen unter der Grenze des mikroskopisch sicher 
messbaren. Ebenso wie die Grösse der Körnchen wechselt auch 
ihre Farbe. Neben tiefgefärbten kommen etwas lichtere, ja sogar 
solche vor, die kaum von der umgebenden lichten protoplasma- 
tischen Balkensubstanz unterschieden werden können. Diese 
Körnchen, die nach der hier angewendeten Methode zu schliessen 
ein konstant vorhandenes Zellelement des Gliagewebes der Gehirn- 
rinde darstellen, bezeichne ich bis auf weiteres der Kürze wegen 
als Gliosomen. 

Als eine Konsequenz des reichlichen Vorkommens dieser 
Gliosomen in den schmalen Balken des Netzwerkes geht ohne 
weiteres ihre Anordnung in längeren oder kürzeren Reihen hervor. 
Gelingt es in den oberen Abschnitten der Molekularschicht eine 
von den hier spärlich vorkommenden Weigertschen Fasern 
ihren ganzen Verlauf entlang zu verfolgen, so kann man, auch 
wenn die Faser anscheinend in der Richtung des Schnittes 
verläuft und eine Knickung ausgeschlossen werden kann, gelegent- 
lich beobachten, wie die Faser aufhört, während eine Serie reihen- 
artig angeordneter Gliosomen eine Fortsetzung derselben bilden. 

Um zu dem feinen pericellulären Netzwerk zurückzukehren, 
verdient als für dasselbe charakteristisch noch erwähnt zu werden, 
dass die Knotenpunkte durch Verschmelzung von in der Regel 
drei, gelegentlich vier Balken gebildet werden. Mehr als vier 
zusammenstossende Balken habe ich nicht mit Sicherheit be- 
obachten können. Wie schon angedeutet wurde, ist dieses feine 
Netzwerk mit den eingeschlossenen Gliosomen diffus über die 
ganze graue Substanz ausgebreitet. Es erstreckt sich von der 
Oberfläche des einen Dendriten zum anderen, von der Oberfläche 
der einen Nervenzelle kann dasselbe durch das dazwischenliegende 
Gewebe zu der Oberfläche einer anderen verfolgt werden, von 
der Molekularschicht durch die Pyramidenschicht bis zu der 
Grenzschicht zwischen Rinde und Marksubstanz. Bezüglich des 
Verhaltens des pericellulären Netzwerkes zum Innern der Den- 
driten und dem Körper der Ganglienzellen, resp. dem nervösen 


160 Halvar von Fieandt: 


Protoplasma sei erwähnt, dass irgend ein Zusammenhang zwischen 
diesen Teilen nicht nachgewiesen werden kann. Die Begrenzungen 
der Ganglienzellen und ihrer Dendriten sind ganz scharf. Eine 
Fortsetzung der Balken des Netzwerkes in das nervöse Protoplasma 
hinein kommt nicht vor (Taf. VII, Fig. 4 und 5). Auch in den 
Fällen, wo das Ganglienzellenprotoplasma nicht vollständig farblos 
oder gar zerstört ist, was doch meistens der Fall zu sein scheint, 
und wo grössere oder kleinere schwach gefärbte Reste davon 
vorhanden sind (Taf. VO, Fig. 5), können keine anderen Be- 
ziehungen zwischen dem Gliaplasmanetzwerk und dem nervösen 
Protoplasma konstatiert werden als solche, die sich auf eine ober- 
flächliche Anlagerung beschränken. 

Die Kerne, die in der grauen Rindensubstanz vorkommen 
und nicht zu den nervösen Zellen, sondern zu der nicht nervösen 
Zwischensubstanz gehören, zeigen gewisse charakteristische Eigen- 
schaften. Sie sind im allgemeinen ziemlich klein, messen gewöhn- 
lich 5—7 u im Diameter, sind von runder Form, gelegentlich etwas 
abgeplattet und zeigen meist einen ziemlich reichlichen Gehalt 
an gefärbtem Chromatin, in Form von grösseren Klumpen oder 
feineren Körnchen. 

Bezüglich des Chromatingehaltes kommen gewisse Variationen 
vor. In einem Teile der Zellen erscheint das gefärbte Chromatin 
als gröbere Klumpen, die eine netzförmige Anordnung haben und 
durch ihre bedeutende Menge dem Kerne eine dunkle Farbe ver- 
leihen, so dass derselbe bis zu einem gewissen Grade einem 
Lymphocytenkern ähnlich ist (Taf. VII, Fig. 6). Andererseits 
kommen Kerne vor, welche eine geringere Quantität von ge- 
färbtem Chromatin aufweisen, das gewöhnlich in Form von 
Körnchen oder Klumpen, die im Innern des Kerns zerstreut sind, 
angeordnet ist, oft ohne scheinbaren Zusammenhang miteinander 
(Taf. VI, Fig. 2). In diesem Falle erscheint der Kern natürlich 
im ganzen lichter. Ein Nucleolus kann in diesen Kernen eben- 
sowenig wie in den erstgenannten beobachtet werden. Kerne der 
beiden Typen, ebenfalls wie solche von Zwischenformen zwischen 
beiden, sind über die ganze graue Substanz zerstreut. Hierbei 
kann irgend eine regelmässige oder typische Anordnung in der 
Beziehung, dass verschiedene Arten von Kernen in verschiedenen 
Abschnitten der Rinde vorkommen, nicht nachgewiesen werden. 
Ebensowenig besteht bezüglich des Gehaltes an gefärbtem Chro- 


Darstellung des Gliagewebes. 161 


matin, der Grösse usw. irgend ein prinzipieller Unterschied zwischen 
den Kernen, die in gewisse räumliche Beziehungen zu den nervösen 
Zellen z. B. in Form von Begleitkernen treten und solchen, die 
anscheinend frei in dem Rindengewebe liegen. 

Grösseres Interesse bietet zweifellos das Studium der Ver- 
hältnisse zwischen diesen Kernen und dem umgebenden Proto- 
plasma einerseits, wie zu dem überall vorhandenen, gliosomen- 
führenden Netzwerk andererseits. Es kann nicht geleugnet werden, 
dass hierbei eine gewisse Unvollkommenheit meiner Methode an 
den Tag tritt. Man trifft nämlich in den Präparaten Stellen, 
wo die betreffenden Kerne anscheinend ziemlich isoliert im 
Gewebe liegen, von demselben durch eine schmale Lücke getrennt 
und nur von einer schmalen Zone Protoplasma umgeben, das 
bald unregelmässig erscheint, bald den Kern halbmondförmig 
umgibt. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass die 
betreffenden Lücken Schrumpfungsräume sind. Erstens werden 
nämlich in diesen feine, teilweise Gliosomen führende Fäden 
angetroffen, welche das Protoplasma des Kernes mit dem Netz- 
werke verbinden. Zweitens können leicht Stellen gefunden 
werden, wo diese Schrumpfungsartefakte nicht vorhanden sind. 
Solche Stellen, die uns natürlich einen richtigeren Aufschluss 
über das Verhalten der Gliazellen der grauen Substanz zu dem 
Gliafadennetz geben, zeigen unzweideutig, wie das den Kern 
umgebende, ziemlich spärliche, im ganzen dunkel gefärbte, fein- 
körnige Protoplasma oft schon in der Nähe des Kernes sich in 
eine Menge feiner protoplasmatischer fadenförmiger Fortsätze 
auffranst, die nach allen Richtungen hinziehen und in die Balken 
des feinen Glianetzwerkes übergehen (Taf. VII, Fig. 4, Taf. VI, 
Fig. 2). Mit grosser Deutlichkeit tritt diese Erscheinung in dem 
Protoplasmakörper der „Begleitzellen“ hervor, die mit ihren 
feinen Ausläufern zur Bildung des pericellulären Glianetzwerkes 
beitragen (Taf. VII, Fig. 6). Es wurde erwähnt, dass das Proto- 
plasma der betreffenden Gliazellen eine feinkörnige Struktur 
aufweist. Dass diese nicht durch eine Anhäufung von Gliosomen 
bedingt wird, geht wohl aus den Zeichnungen deutlich hervor 
(Taf. VI, Fig. 2, Taf. VII, Fig. 4 und 6), obgleich natürlich auch 
Körnchen vorkommen können, die, was Grösse und Farbe 
betrifft, den Körnern des Glianetzwerkes ähneln; indessen ist 
dies nur vereinzelt der Fall. Was besonders hervorgehoben zu 

Archiv f. mikr. Avat. Bd. 76. 18: 


162 Halvar von Fieandt: 


werden verdient, ist, dass sowohl die kleinen Gliazellen 
mit dunkel gefärbtem Kerne als diejenigen mit 
lichterem Kerne in der Rinde des Grosshirns einen 
Protoplasmakörper haben, der zahlreiche feine, 
fadenförmige Fortsätze besitzt, welche sich stark 
verästeln, miteinander anastomosieren und direkt 
in das gliosomenführende, protoplasmatische Glia- 
netzwerk der grauen Substanz übergehen, wobei die 
Gliazellen mit ihrem verhältnismässig kleinen Zellkörper wie in 
diesem Netzwerk aufgehängt erscheinen. 

Es bleibt noch übrig, das Verhalten des Gliagewebes der 
grauen Substanz zu den daselbst sich findenden mesodermalen 
Bildungen, Blutgefässe und deren Adventitia, zu berücksichtigen. 
Verfolgt man ein Blutgefäss von der Pia bis in die Molekular- 
schicht, dann kann man beobachten, wie die oberflächliche Grenz- 
membran allmählich in die perivasculäre Gliamembran über- 
geht, die das Gefäss während des Verlaufes durch die ganze 
Rinde umgibt. Beim Eintritt des Gefässes in die Rindensubstanz 
ändert das marginale Gliagewebe, das als eine direkte Fortsetzung 
der subpialen marginalen Schicht das Gefäss entlang nach innen 
verfolgt werden kann, ziemlich schnell sein charakteristisches 
Aussehen. Die groben Fortsätze, die hier radiär zum (refäss 
angeordnet sind, ebenso wie die gröberen Gliafüsse nehmen an 
Zahl und Stärke ab und schwinden schliesslich ganz. Ebenso 
verlieren sich die Weigertschen Fasern, welche noch in den 
obertlächlicheren Lagern der Molekularschicht zu der Bildung 
der Limitans perivascularis beigetragen hatten, in den tiefer 
gelegenen Abschnitten der Rinde. In diesen Teilen der grauen 
Substanz stellt sich die Grenzmembran als eine dünne und — soweit 
man dies aus den Präparaten schliessen kann — zusammen- 
hängende kontinuierliche Schicht von hellblauer Farbe (Taf. VII, 
Fig. 7) dar. Diese Schicht tritt in zweierlei Weise mit dem 
umgebenden Glianetzwerke in Verbindung. Erstens bestehen diese 
Verbindungen aus feinen gliosomenführenden Protoplasmafäden, 
welche von dem umgebenden Gewebe durch den sog. Rothschen 
Raum gegen die Membran hin ziehen und sich mehr oder weniger 
vertikal an derselben befestigen, während das Protoplasma des 
Balkens sich zu einem Fusse von minimalen Dimensionen ver- 
breitet (Taf. VII, Fig. 7). Ausser durch diese feinen Balken 


Darstellung des Gliagewebes. 163 


werden die Verbindungen zwischen Limitans perivascularis und 
dem umgebenden Glianetzwerke von einer Anzahl perivasculär 
gelegener Gliazellen vermittelt, welche in den betreffenden 
Abschnitten der Rinde eine ziemlich gewöhnliche Erscheinung 
sind. Charakteristisch für die erwähnten Zellen, die ihre Lage 
dicht unter der Membrana limitans haben, ist, dass sie mit ihrem 
Protoplasmakörper in die Membran mehr oder weniger breit 
übergehen oder, was häufiger der Fall zu sein scheint. dass sie 
eine Menge feiner fädchenartiger Protoplasmafortsätze aussenden, 
welche gegen die Membrana limitans hinziehen, wo sie in 
typischer Weise unter Bildung eines Fusses ihr Ende finden. 
Andererseits hängen die Zellen, die bezüglich des Kernes und 
der Beschaffenheit des Protoplasmakörpers vollständig den übrigen 
ausserhalb des Gefässgebietes liegenden Gliazellen ähneln, mit 
feinen Fortsätzen in gewöhnlicher Weise mit dem Glianetzwerke 
zusammen. 

Hinsichtlich des Auftretens und der Frequenz dieser peri- 
vasculären Gliazellen bestehen offenbar in denselben Abschnitten 
der Rinde bedeutende Differenzen. An gewissen Stellen sind sie 
spärlich, so dass die Gefässe gelegentlich in verhältnismässig 
weiten Strecken der Rinde verfolgt werden können, ohne dass 
man solche Zellen trifft. An anderen können sie nahe aneinander 
in einer Zahl von zwei, drei.oder mehr gelagert sein. Grössere 
Gefässe zeigen oft ein stärkeres perivasculäres Gliagewebe mit 
zahlreichen eingestreuten Gliazellen als die kleineren bezw. die 
Capillaren. Dies ist jedoch keineswegs immer der Fall. Über- 
haupt scheinen die Gefässe der tieferen Rindenschichten von 
zahlreicheren perivasculären Gliazellen begleitet zu werden als 
die oberflächlicheren, obgleich auch in dieser Beziehung bedeutende 
Variationen vorkommen. 

Das Studium des perivasculären Gliagewebes der grauen 
Substanz ist mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, welche zum 
Teil einer Mangelhaftigkeit der Methode zugeschrieben werden 
müssen. Es ist mir nämlich nicht gelungen, in meinen Präparaten 
dem Entstehen der perivasculären Schrumpfungsräume zu ent- 
gehen, die zwischen der Membrana limitans und dem umgebenden 
(Gewebe in der Gehirnrinde liegen. Diese sogenannten Rothschen 
Räume, welche trotz einer sorgfältigen Nachbehandlung mit 
Alkohol in einzelnen Teilen der Präparate vorkommen, erschweren 


5 


164 Halvar von Fieandt: 


natürlich bis zu einem gewissen Grade die Beobachtungen über das 
Verhältnis zwischen Limitans perivascularis und dem umgebenden 
Gliagewebe. Doch findet man Stellen, wo solche durch Schrumpfung 
entstandenen perivasculären Räume fehlen. Durch die Rothschen 
Räume werden die tatsächlichen Verhältnisse in der Beziehung 
entstellt, dass die breit in die Membrana perivascularis über- 
gehenden Gliazellen mit der Membran in Verbindung bleiben, 
während die feineren Ausläufer von den etwas entfernter gelegenen 
Gliazellen ebenso wie die gegen die Gefässmembran ziehenden 
Gliabalken an vielen Stellen zerreissen (Taf. VII, Fig. 7). Dass 
andererseits aber die Rothschen Räume in bedeutendem Grade 
das Studium der Struktur und der Beschaffenheit der Membrana 
limitans erleichtern, ist klar. 

3ezüglich. dieser Grenzmembran wurde oben erwähnt, dass 
sie als eine protoplasmatische Bildung anzusehen ist. Es sind 
zwei in derselben vorkommende Gewebselemente, die ihr gewisse 
Struktureigenheiten verleihen: körnige Bildungen und Weigert- 
sche Gliafasern. Die Körnchen, die mit den Gliosomen isomorph 
sind, kommen nicht gerade zahlreich vor und zeigen auch hier 
eine deutliche Neigung, sich in Reihen zu ordnen. Gelegentlich 
sind sie so dicht aneinander gelagert, dass die Zwischenräume 
nicht oder nur mit Schwierigkeit wahrgenommen werden können 
(Taf. VII, Fig. 7). In diesem Falle machen sie den Eindruck von 
kurzen Stücken der Weigertschen Fasern. Andererseits sieht 
man eine solche Gliosomenreihe in eine Gliafaser übergehen oder 
richtiger gesagt, die direkte Fortsetzung derselben darstellen 
(Taf. VII, Fig. 7), oder man sieht eine Gliosomenreihe mehr oder 
weniger deutlich gegen die Befestigungsstelle eines Gliafusses 
hinziehen und sich mit dessen Körnern vereinigen. Von den 
Weigertschen Fasern der Membrana perivascularis in diesen 
Teilen der Rinde ist nicht viel zu sagen. Sie kommen haupt- 
sächlich in den untersten Schichten, ebenso in den oberen Lagern 
der Molekularschicht vor, können aber gelegentlich auch höher 
hinauf in der Rinde angetroffen werden (Taf. VII, Fig. 7), in 
Gegenden, wo das umgebende Gliagewebe solche zu entbehren 
scheint. — Diese Erscheinung beruht wahrscheinlich darauf, dass 
einzelne feinere Fasern des Glianetzwerkes durch die dicht ge- 
lagerten dunkel gefärbten Gliosomen und durch die Dichte des 
Gewebes sich der Beobachtung entziehen. Jedenfalls zeigen sie, 


Darstellung des Gliagewebes. 165 


wo sie überhaupt in der Grenzmembran vorkommen, einen teils 
longitudinalen, teils transversalen Verlauf und bewirken so ge- 
legentlich eine Feldbildung. 


An der Grenze zwischen Mark und Rinde sieht man die 
oben beschriebene, für die graue Substanz typische Anordnung, 
allmählich schwinden. In den tiefsten Schichten der Rinden- 
substanz, besonders in der Schicht der polymorphen Nervenzellen, 
kommen die Weigertschen Gliafasern zum Vorschein, anfangs 
nur vereinzelt, später in reichlicherer Anzahl. Gleichzeitig ändert 
das Gliasyneytium selbst sein Aussehen. Das Netzwerk wird 
lichter, die Maschen erweitern sich, um die schon hier in grösserer 
Anzahl vorkommenden Markscheiden aufzunehmen, die Gliosomen 
schwinden allmählich. In den oberflächlichsten Abschnitten des 
Markes treten schon die mit grossem lichten, nucleolushaltigen 
Kern und reichlichen protoplasmatischen Fortsätzen versehenen 
Gliazellen auf, die mit den Gliafasern dem Glianetzwerke 
die für die weisse Substanz charakteristische Beschaffenheit 
verleihen. 

Ehe ich die Beschreibung des Gliagewebes der Grehirn- 
substanz verlasse, möchte ich noch die Aufmerksamkeit auf 
einen besonderen Umstand lenken. Es wurde in einem anderen 
Zusammenhange angedeutet, dass das nicht nervöse Zwischen- 
gewebe der Rindensubstanz eine Anordnung und ein Aussehen 
darbietet, die dasselbe nicht beim ersten Blick und ohne weiteres 
als eine gliöse Bildung erkennen lassen. Wie aus meinen Aus- 
führungen hervorgehen dürfte, ist das feinmaschige, zierliche, mit 
Körnchen versehene Netzwerk, das in so vielen Hinsichten vom 
Aussehen typischen Gliagewebes abweicht, doch zweifelsohne 
gliöser Natur. Der Übersicht wegen werde ich hier die Umstände, 
welche für diese Auffassung sprechen, kurz zusammenfassen. 


Ich halte das feine Netz der grauen Substanz 

für eine Gliabildung: 

1. weil dasselbe kontinuierlich nach oben bis 
zu dem marginalen subpialen Gewebe ver- 
folgt werden kann und ebenso an der Grenze 
zwischen Mark und Rinde in einem konti- 
nuierlichen Zusammenhange mit dem Glia- 
gewebe der Marksubstanz steht; 


166 Halvar von Fieandt: 


2. weil dasselbe in deutlicher Kontinuität mit 
dem Protoplasma der Gliazellen der grauen 
Substanz steht; 

8. weil es ebenso einen unzweideutigen Zu- 
sammenhang mit den Grenzmembranen der 
grauen Substanz zeigt, welche als dünne 
Schichten von undifferenziertem Protoplasma 
erscheinen; 

4. weil dasselbe bezüglich der Farbenreaktionen 
von den nervösen Bildungen abweicht, dagegen 
dieselben Reaktionen wie das Gliagewebe im übrigen 
zeigt, speziell ist dies der Fall bei den Gliosomen, 
welche in derselben Weise wie die Weigertschen Glia- 
fasern gefärbt werden; und schliesslich 

5. weil kein Umstand angeführt werden kann, 
der für eine nervöse Beschaffenheit desselben 
sprechen könnte. 


Aus der oben gegebenen — wie ich fürchte, ein wenig 
ermüdenden — Beschreibung dürfte in der Hauptsache hervor- 
gehen, welche Aufschlüsse die von mir angegebene Methode über 
Bau und Anordnung des Gliagewebes in dem Teile des normalen 
Hundegehirnes, den ich zum Gegenstand meiner Untersuchungen 
gewählt, geliefert hat. Bei einem Vergleich zwischen diesen 
Resultaten und der Auffassung über den normalen Bau des Glia- 
gewebes, der durch die Anwendung der üblichen Färbemethoden 
gewonnen wurde, findet man, dass die Anschauungen in gewissen 
Punkten voneinander abweichen. Zwar sind in meinen Präparaten 
Strukturen dargestellt, welche ohne weiteres mit den früher 
gekannten Gliabildungen identifiziert werden können; dies ist 
besonders der Fall bei den Weigertschen Gliafasern. Anderer- 
seits scheint mir aber die Methode zu Resultaten zu führen, die 
mehr oder weniger von der gewöhnlichen Auffassung, besonders 
betreffend gegenseitigen Verhaltens der Gliazellen, abweichen. 
Ausserdem scheint sie mir etwas neues gebracht zu haben in 
der Beziehung, dass meine Präparate Strukturen zeigen, welche 
keine Übereinstimmung mit den Gliabildern zeigen, die mit den 
klassischen Methoden dargestellt werden können. Die Verhält- 


Darstellung des Gliagewebes. 167 


nisse, welche die Methode aufgedeckt hat, können indessen, wie 
ich selbst besonders bemerken will, nicht ohne weiteres als fest- 
stehende wissenschaftliche Tatsachen angesehen werden, eben- 
sowenig wie die beschriebene Methode von vornherein als für 
die histologische Technik definitiv verwertbar angesehen werden 
kann. Es machen sich natürlich hier dieselben Umstände wie 
bei anderen neuen Methoden überhaupt geltend, die zu Resultaten 
führen, welche mehr oder weniger von früheren Auffassungen in 
der Histologie abweichen. Um ihre Anwendbarkeit für die 
histologische Technik darzutun, scheint mir eine neue Methode 
zwei Bedingungen erfüllen zu müssen. Erstens müssen wir 
gewisse Garantien dafür besitzen, dass das neu Dargebrachte 
nicht auf Artefakten bezw. auf einer unrichtigen oder miss- 
gedeuteten Darstellung von früher bekannten Strukturen beruht. 
Zweitens dürfen Tatsachen, welche wissenschaftlich fest gesichert 
sind, nicht verletzt werden. Ich muss also zusehen, inwieweit 
meine Methode diesen beiden Forderungen entspricht. 

Was zunächst den ersten Punkt betrifft, so stellen die 
Bildungen, welche in meinen Präparaten unzweifelhaft als Bestand- 
teile des Gliagewebes erscheinen, aber doch möglicherweise als 
Artefakte gedeutet werden könnten, protoplasmatische Brücken 
dar, welche die verschiedenen Gliazellen untereinander verbinden 
oder das plasmatische Gliareticulum in seiner Gesamtheit sowohl 
in der grauen wie in der weissen Substanz. Dies Glianetzwerk 
könnte möglicherweise als die Folge einer Koagulation der Ge- 
websflüssigkeit gedeutet werden. Ich möchte dies besonders in 
Erwägung ziehen, weil ein ähnlicher Einwand von Ramon y 
Gajal!) gegen die von Bethe gegebene Deutung der Netzwerke 
in Präparaten, die nach der Methode des letzterwähnten Forschers 
gefärbt wurden, gemacht worden ist. In der Tat gibt diese Methode 
besonders von den pericellulären Netzwerken der grauen Substanz 
Bilder, welche, wie wir sehen werden, in mehreren Beziehungen 
mit den meinigen übereinstimmen. Durch kleinere Abänderungen 
des von mir beschriebenen Verfahrens können Präparate erhalten 
werden, in welchen die Ähnlichkeit mit denjenigen von Bethe 
noch mehr hervortritt. Durch eine von der oben angegebenen 
etwas abweichende Alkoholbehandlung — man braucht nur die 


ı) Vergl. Marinesco,G.: La cellule nerveuse. Paris 1909, Tome I 
S. 206— 207. 


168 Halvar von Fieandt: 


in Sublimattrichloressigsäure fixierten Stücke in absoluten Alkohol 
überzuführen, der während der ersten 24 Stunden nicht ge- 
wechselt wird — und durch nachfolgende Färbung entweder mit 
Hämatoxylinwolfram oder Hämatoxylinvanadium erhält man oft 
Bilder, welche offenbar eine grosse Ähnlichkeit mit den Bethe- 
schen haben. Leider habe ich keine eigene Erfahrung von der 
Betheschen Methode, sondern muss mich auf die von ihm ge- 
lieferten Abbildungen und seine Beschreibung von den Färbungs- 
resultaten beziehen. In jedem Falle zeigen in der erwähnten 
Weise behandelte Präparate pericelluläre und diffuse Netzwerke 
in der grauen Substanz, welche eine grössere Ähnlichkeit mit den 
Bethbeschen Golginetzen darbieten, als dies durch Anwendung 
meiner Methode erhalten werden kann. Diese Netzwerke scheinen 
von dieken, intensiv gefärbten homogenen Balken zusammenge- 
setzt zu sein, vielleicht sind die Balken sogar noch stärker als 
diejenigen des Betheschen Netzwerkes. Sie scheinen weiter in 
ein gröberes etwas lichter gefärbtes Netzwerk der weissen Substanz 
kontinuierlich überzugehen, das in allem wesentlichen dem Bethe- 
schen „Füllnetz“ zu entsprechen scheint, doch ist vielleicht auch 
dies von noch stärkeren und intensiver gefärbten Balken zusammen- 
gesetzt. Die erwähnten Netzwerke machen beim ersten Blick 
den Eindruck von Artefakten, die durch eine netzförmige Koa- 
gulation der Gewebsflüssigkeit zustande gekommen sind. Unter- 
sucht man indessen das Netzwerk der weissen Substanz näher, 
so findet man an den Knotenpunkten des Netzes oder an den 
Stellen, dieklumpiger und dicker erscheinen, eingeschlossene Kerne. 
Die dem Kerne anliegende Anhäufung von intensiv gefärbter 
Substanz stellt sich als Zellprotoplasma heraus, und die feineren 
Balken des Netzwerkes enthüllen sich in der Tat als miteinander 
stark anastomosierende Ausläufer von Gliazellen — denn nur 
von solchen kann hier die Rede sein. Auch hier handelt es sich 
also nicht um eine netzartige Koagulation der Gewebsflüssigkeit, 
sondern um entstelltes Gliagewebe der weissen Substanz. 

Kann man also schon bei diesen Präparaten, welche doch 
wie gesagt eine mehr oder weniger entstellte Gliastruktur zeigen, 
schwerlich die Hypothese von einer netzförmig koagulierten Ge- 
websflüssigkeit aufrecht erhalten, so ist dies noch weniger der 
Fall bei dem netzförmigen Zusammenhange zwischen den Glia- 
zellen in Präparaten, die unter Beobachtung von oben gegebenen 


Darstellung des Gliagewebes. 169 


Vorschriften angefertigt wurden, und in denen Kunstprodukte 
von der erwähnten Art nicht vorkommen. Das hellblau gefärbte 
Protoplasma in der Nähe des Kernes, das oft ein deutliches 
Mikrocentrum aufweist,') sieht man in unseren Präparaten sich 
in eine Menge Ausläufer teilen, welche in kontinuierlicher Weise 
verfolgt werden können, entweder bis zu einer naheliegenden Zelle 
oder zu Ausläufern, mit denen sie deutlich verschmelzen. Will 
man also den Zusammenhang zwischen den Gliazellen bzw. das 
Netzwerk als ein Kunstprodukt auffassen, so muss auch das Zell- 
protoplasma als ein Artefakt erklärt werden, denn irgend eine 
Grenze zwischen dem Zellprotoplasma und dessen Fortsätzen, bzw. 
den Balken des Glianetzwerkes kann nicht nachgewiesen werden. 
Offenbar können keine Gründe für eine solche Annahme erbracht 
werden Ausserdem spricht gegen. evtl. Artefakte die ausser- 
ordentlich komplizierte zierliche Struktur, die man überall be- 
obachten kann (Taf. VI, Fig. 5 und 6). Diese kann kaum in einer 
artefiziellen Weise bei der Einwirkung unserer heagentien ent- 
standen sein. Wenn dies zugegeben werden muss bei der 
marginalen Glia und dem Gliagewebe der weissen Substanz, wo 
die Verhältnisse gewissermassen übersichtlicher sind, so kann man 
schwerlich behaupten, dass andere Verhältnisse innerhalb des 
Gliagewebes der grauen Substanz sich geltend machen sollten. 
Das Vorkommnis von Artefakten erwähnter Art kann also, wie 
ich glaube, aus guten Gründen ausgeschlossen werden und wir 
haben also keinen Grund zu befürchten, dass die Bilder des Glia- 
gewebes, soweit sie den gegenseitigen Zusammenhang der Glia- 
zellen und das protoplasmatische Glianetzwerk betreffen, nicht 
durch tatsächliche anatomische Verhältnisse bedingt werden sollten. 
Die Frage von der Existenz der Gliosomen und von der biologischen 
Rolle, die diese Bildungen eventuell spielen. werde ich unten 
näher erörtern. Zwar stellen meine Präparate, wie ich schon 
oben erwähnte, einige Kunstprodukte dar. Diese sind jedoch 
derartig, dass sie teils als solche leicht erkannt werden, teils die 
oben erwähnten Resultate nicht beeinflussen können, (Rothsche 
Räume, pericelluläre Räume). 


') Dass die Centriolen der Mikrocentra der Gliazellen durch die be- 
treffende Methode dargestellt werden können, davon kann man sich leicht 
überzeugen. Indessen habe ich im Vorhergehenden diesem Umstand keine 
Aufmerksamkeit gewidmet, weil wir mehrere Methoden besitzen, welche sich 
für diesen Zweck besser eignen. 


170 Halvar von Fieandt: 


Scheint mir also die Sublimattrichloressigsäurehämatoxylin- 
wolframmethode wenigstens von dem Gesichtspunkte verwendbar, 
dass sie nicht Strukturen oder Bildungen darstellt, welche als 
Artefakte gedeutet werden müssen oder können, so bleibt noch 
nachzuweisen, dass die erreichten Resultate nicht in offenbarem 
Gegensatz zu den bisherigen Erfahrungen auf dem Gebiete der 
Gliaforschung stehen. Bei der Beurteilung dieses Verhältnisses 
muss sich natürlich eine gewisse Subjektivität geltend machen, 
denn was dem einen als wissenschaftlich bewiesen gilt, wird oft 
von dem anderen als mehr oder weniger unsicher oder ganz und 
gar hypothetisch gehalten. Wenn man mit grösstmöglicher 
Objektivität kurz die Resultate auf dem Gebiete der Gliaforschung, 
die als völlig feststehend betrachtet werden müssen, zusammen- 
fassen will, so kann man m. E. nur zu den folgenden Schlüssen 
kommen. Als völlig bewiesen muss gelten: 

I. dass die Gliazellen einen protoplasmatischen Körper von 
variierender Grösse haben, der mit einer wechselnden 
(gewöhnlich sehr reichlichen) Anzahl von nach ver- 
schiedenen Richtungen ausstrahlenden Ausläufern versehen 
ist, die, was die Stärke, Form und Länge betrifft, grosse 
Verschiedenheiten aufweisen und die sich während ihres 
Verlaufes teilen können (Golgi, Oajal, Kölliker, 
van Gehuchten, Lenhossek, Lawdowsky u.a.); 
dass im Zentralnervensystem faserige Differenzierungs- 
produkte vorkommen, die zu der nichtnervösen Zwischen- 
substanz gehören und die an gewissen Stellen charakte- 
ristische räumliche Beziehungen zu den Kernen der 
Gliazellen zeigen und auch im übrigen eine Verteilung 
und Anordnung aufweisen, die für verschiedene Abschnitte 
des Zentralnervensystems konstant und charakteristisch ist 
(Ranvier, Weigert, Krause, Aguerre, Huber u.a.). 

Wenn ich die Resultate meiner Methode mit Rücksicht auf 
eine eventuelle Übereinstimmung mit diesen Tatsachen prüfe, 
so komme ich zu einem Schlusse, der als nicht ungünstig an- 
gesehen werden kann. Ein besonderes Verdienst der Methode 
ist ihr Vermögen, die Weigertschen Gliafasern unter gleich- 
zeitiger Darstellung der Golgischen Strukturen zu färben. 
(rewisse gliöse Bildungen in meinen Präparaten stellen sich nämlich 
als isomorph mit denjenigen der Golgischen Silberimprägnations- 


[Sp 


Darstellung des Gliagewebes. 171 


methode dar. Bezüglich der grossen, mit grösserem, lichteren, 
nucleolenführenden Kerne versehenen Gliazellen der weissen Sub- 
stanz verweise ich nur auf die Taf. VIII, Fig. 2 und Taf. IX, Fig. 1, 
welche in allem Wesentlichen die Ähnlichkeit zwischen diesen 
Zellen und den langstrahligen Astrocyten demonstrieren. Ein 
Jeder, der mit den Golgimethoden gearbeitet hat, wird mir 
wohl zugeben, dass wir es hier mit isomorphen Zellenformen zu 
tun haben. Aber auch die anderen Zellentypen, die durch die 
letzterwähnte Methode dargestellt werden, die kurzstrahligen 
Astrocyten, deren Deutung, wie bekannt, der ausgesprochenen 
Weigertschen Auffassung bedeutende Schwierigkeiten bereitet 
hat, finden sich in meinen Präparaten wieder. Ich zögere also 
nicht, sie mit der Gliazelle der grauen Substanz zu identifizieren, 
die mit ihren fadenförmigen, feinen protoplasmatischen Ausläufern 
zur Bildung des gliösen Netzwerkes beiträgt. Als Beweis der 
Berechtigung einer solchen Identifizierung möchte ich hier nur 
die schon vor 15 Jahren von Lenhossek (38)!) gegebene 
Charakteristik der betreffenden Zellformen anführen: „Denn was 
sie hauptsächlich auszeichnet, das ist die Kürze ihrer Ausläufer; 
sie verhalten sich zu den Langstrahlern wie Zwerge zu normalen 
Individuen. Aber die Äste sind nicht nur sehr kurz, sondern 
auch sehr zart; sie erscheinen weniger strahlenförmig, als viel- 
mehr in der Form eines die Zelle umgebenden, dichten Rasens, 
eines echten Buschwerkes. Dabei sind sie zu Varikositäten ge- 
neigt, wodurch die ganze Zelle mit ihrer Verästelung manchmal 
einen merkwürdig körnigen Habitus erhält, der allerdings sehr 
oft noch durch eine unvollkommene Imprägnation gesteigert wird. 
Denn diese Zellen schwärzen sich, wie auch Kölliker bemerkt, 
selten so rein und tadellos, wie die Langstrahler. Ein weiteres 
Charakteristikum besteht hier noch darin, dass die Ästchen oft 
verzweigt sind, und dass sie sich gegen ihre Spitzen hin all- 
mählich verdünnen.“ 

Schon das soeben Angeführte ist wohl zweifelsohne hin- 
reichend, um darzutun, dass die Auffassung, die einem durch 
die Hämatoxylinwolframmethode beigebracht wird, nicht im 
geringsten gesicherte Tatsachen von fundamentaler Bedeutung 
für die Gliaforschung beeinträchtigt. Ich kann jedoch nicht 
unterlassen zu bemerken, dass selbst gewisse Detailstrukturen, 


1) ]oc. eit. 8. 19. 


172 Halvar von Fieandt: 


welche schon früher von Golgi und anderen, die von den 
Methoden des berühmten italienischen Forschers Gebrauch ge- 
macht haben, gefunden wurden, und später teils von Weigert 
selbst, teils von seinen Anhängern entweder vollständig ver- 
nachlässigt oder auch als Kunstprodukte erklärt wurden, doch 
mit gliafaserfärbenden Methoden dargestellt werden können. Ich 
will nur an die Ansicht Golgis und seiner Schüler von den 
subpialen Grenzmembranen erinnern. Zur Beleuchtung dieser 
Auffassung führe ich wieder Lenhossek (38)!) an: „Alle diese 
Fasergebilde, mögen es nun radiäre Fortsätze tiefer befindlicher 
Zellen oder tangentiale Ausläufer der oberflächlichen peridymalen 
Astrocyten sein, finden, wie schon erwähnt, mit kleinen Ver- 
dickungen ihr Ende Diese Knötchen treten auf der freien Ober- 
fläche des Markes mosaikartig zu einer offenbar lückenlosen, 
kompletten, äusserst feinen Grenzmembran zusammen, einer 
Art Cuticula (Membrana limitans meningea, His), die gegen die 
Pia mater hin das ektodermale Rückenmark vollkommen abschliesst.“ 
Zu dieser Beschreibung habe ich meinerseits?) nur zu bemerken, 
dass die mosaikartige Anordnung der Gliafüsse in meinen Präpa- 
raten als eine Zusammenschmelzung hervortritt; im übrigen kann 
sie ohne weiteres auf die marginale Glia der Hirnrinde ange- 
wendet werden. 

Aber auch in einer anderen Beziehung scheint ein Vergleich 
zwischen gewissen Golgibildern und einigen von den meinigen 
Interesse zu haben, weil vielleicht gewisse Anhaltspunkte für die 
Beurteilung der Bedingungen des Eintretens der Silberreaktion 
gewonnen werden können. Wie schon oben angeführt wurde, 
kann man den typischen kurzstrahligen Astrocyt als identisch 
mit dem Typus der Gliazellen betrachten, weicher hauptsächlich 
in der grauen Substanz zu finden ist und mit seinen dünnen 
Protoplasmaausläufern zur Bildung des feinen Glianetzwerkes 
beiträgt. Wenn dies richtig ist - und darüber kann m. E. kein 
Zweifel bestehen — so geht daraus hervor, dass die Ausläufer 
der Astrocyten in Golgipräparaten nicht, wie dies oft geschehen 
ist (vergl. Weigert |62]), mit Gliafasern identifiziert werden 


1) loc. eit. S. 204. 
?) Dass die Identifizierung dieser Membran mit der Hisschen Membrana 
limitans meningea eigentlich auf einem Missverständnis der Hisschen Be- 


zeichnung beruht, ist schon früher von Held hervorgehoben worden (32). 


Darstellung des Gliagewebes. 1 


können, sondern wenigstens zu einem grossen Teile von den 
Protoplasmafortsätzen der Zelle gebildet werden. Andererseits 
ist es eine bekannte Tatsache, was übrigens auch der oben 
zitierten Stelle bei Lenhossek (38) zu entnehmen ist, dass die 
Kurzstrahler eine unvollständigere, oft lichtere Imprägnation als 
die Langstrahler aufweisen. Hieraus scheint hervorzugehen, dass 
das Vorkommnis von Gliafasern in oder nahe bei der Zelle, 
wenigstens bis zu einem gewissen Grad, das Auftreten der Silber- 
reaktion erleichtert oder befördert. Unter solchen Umständen 
könnte man vielleicht vermuten, dass die körnigen Bildungen 
der Glianetzbalken, unsere Gliosomen, welche gegenüber Häma- 
toxylinwolfram dieselben Reaktionen wie die Fasern zeigen, auch 
ebenso wie diese in grösserem oder geringerem Grade nicht allein 
das Auftreten der Reaktion befördern, sondern auch bis zu einem 
gewissen Grade dem definitiven Silberbilde ein charakteristisches 
Gepräge aufdrücken sollten. In der Tat scheint dies auch der 
Fall zu sein: „Dabei sind sie zu Varikositäten geneigt, wodurch 
die ganze Zelle mit ihrer Verästelung manchmal einen merk- 
würdig körnigen Habitus erhält.')‘ Durch die Anteilnahme des 
Gliaprotoplasmas an der Silberreaktion werden auch gewisse 
Eigentümlichkeiten bei den Ausläufern der langstrahligen Astro- 
cyten erklärt. So müssen die Verästelungen derselben, welche 
bisweilen in Golgipräparaten vorkommen. wahrscheinlich als 
Imprägnationen von protoplasmatischen Seitenbalken des Glianetz- 
werkes gedeutet werden, die von den oft gliaführenden proto- 
plasmatischen Ausläufern abgehen oder mit ihnen zusammenhängen. 
Die eigentümlichen Verdickungen und Varikositäten, welche ge- 
legentlich längs der Fortsätze der Astrocyten beobachtet werden 
können, machen nicht den Eindruck von Fällungen, sondern von 
kleineren Gliaplasmaanhäufungen, bezw. Knotenpunkten des proto- 
plasmatischen Glianetzwerkes, welche die imprägnierten Fortsätze 
während ihres Verlaufes von der Zelle passieren. Weiter wird 
ohne weiteres die verschiedene Stärke der Ausläufer erklärt, die 
oft deutlich bei der Golgischen Schwarzfärbung hervortritt: 
„Einzelne Fasern zeichnen sich allerdings manchmal durch auf- 
fallende Breite aus.”)“ 


!) Lenhossek (38), loe. eit. S. 194. 
?) Lenhossek (38), loc. eit. S. 182. 


174 Halvar von Hieandt: 


Dieser Vergleich zwischen Resultaten der @olgimethoden 
und der hier befürworteten würde zweifelsohne nach vielen 
Richtungen hin vervollständigt werden können. Die oben er- 
wähnten Tatsachen genügen aber wohl nicht nur, um die 
Anwendbarkeit der Methode überhaupt darzutun, sondern auch 
um zu zeigen, dass dieselbe bezüglich der Resultate in vielen 
Hinsichten geeignet ist, frühere Methoden, in erster Linie die- 
jenigen von Golgi und Weigert, zu vervollständigen. 


Es zeigt sich also, dass die Sublimattrichloressigsäure- 
hämatoxylinwolframmethode zur Genüge die beiden oben auf- 
gestellten Forderungen erfüllt. Einerseits ruft sie nicht Artefakte 
oder verkehrte Strukturen hervor, andererseits beeinträchtigt sie 
in keiner Weise die feststehenden Tatsachen der bisherigen Glia- 
forschung, sondern scheint vielmehr die geläufigen Methoden zu 
ergänzen. Dies gibt meines Erachtens gewisse Garantien dafür 
ab, dass die Methode zuverlässig ist, auch hinsichtlich der Er- 
gebnisse, bei denen eine Kontrolle durch bisherige Methoden 
nicht möglich ist. Es scheint mir angemessen — teils um eine 
richtige Beurteilung meiner Methode und der damit erreichten 
neuen Gesichtspunkte zu gewinnen, teils um den Forschern Ge- 
rechtigkeit widerfahren zu lassen, welche früher zu einem mehr 
oder weniger ähnlichen Resultate gekommen sind, — die An- 
gaben in der Literatur zu besprechen, die sich auf diese früher 
im allgemeinen nicht beobachteten Teile des normalen Glia- 
gewebes beziehen. 

Um mit dem Gliagewebe der weissen Substanz des Zentral- 
nervensystems zu beginnen, verdient erwähnt zu werden, dass 
Reinke (56) schon 1897 die protoplasmatischen Verbindungen 
zwischen den verschiedenen einander nahegelegenen Gliazellen 
des Rückenmarkes beim Menschen beobachtet zu haben scheint. 
Obgleich Reinke in seiner Arbeit diese Protoplasmabrücken 
nicht ausdrücklich erwähnt und noch weniger von einem Glia- 
syncytium spricht, hat er in einer seiner Figuren (Taf. VI, Fig. 4) 
eine Bildung dargestellt, welche nicht anders gedeutet werden 
kann, als eine solche Brücke von Gliaprotoplasma. Auch scheint 
mir Reinke in seinem Versuche, die Golgische und die 
Weigertsche Auffassung zu vereinigen, im wesentlichen das 


Darstellung des Gliagewebes. 175 


Richtige betreffs des Verhaltens der Gliafasern zu dem Glia- 
protoplasma getroffen zu haben. 

Im Jahre 1902 wurde von Hardesty (27) eine Arbeit 
über das Gliagewebe im Rückenmark des Elefanten publiziert. 
An diesem für derartige Untersuchungen offenbar günstigen 
Materiale konnte das Verhalten der Gliazellen zueinander von 
Hardesty mit Erfolg studiert werden. Er bediente sich dabei 
der von Huber (35) modifizierten Bendamethode. Hardesty 
beschreibt den protoplasmatischen Zusammenhang der Gliazellen 
und gebraucht hierbei die Bezeichnung Gliasyneytium. Ebenso 
schildert er den Verlauf der Fasern im Zellprotoplasma und 
in den die Zellen miteinander verbindenden Fortsätzen. 

Um das Studium des Gliasynceytiums und der hierher- 
gehörigen Fragen hat indessen zweifelsohne Held, dessen aus- 
gezeichnete Arbeit „Über den Bau der Neuroglia“ im Jahre 1904 
erschien, das grösste Verdienst. Eine nähere Erörterung seiner 
Auffassung von dem Bau und der Anordnung des Gliagewebes 
kann hier nicht stattfinden. Teils darf wohl vorausgesetzt werden, 
dass diese Publikation ersten Ranges allgemein bekannt ist, teils 
würde ein Referat des Inhaltes in vielen Punkten nur eine 
Wiederholung des Obengesagten werden. Indessen besteht doch 
ein wesentlicher Unterschied zwischen meiner und der Heldschen 
Auffassung, und zwar in betreff des Baues und der Struktur der 
Grenzmembranen, sowohl der perivasculären wie der ober- 
flächlichen. Wie bekannt, huldigt Held noch in allem wesent- 
lichen der alten Auffassung dieser Bildungen, wozu man haupt- 
sächlich durch die Silberimprägnationsmethode gekommen ist, 
und beschreibt sie als von kleineren Feldern zusammengesetzt, 
die mehr oder weniger unregelmässig begrenzt sind. Einem jeden 
derselben entspricht ein Gliafuss, der gewöhnlich sich in der 
Mitte des Feldes zu befestigen scheint. Diese sind miteinander 
durch Kittlinien verbunden. Ich gebe hier einen Teil der Be- 
schreibung wieder, die Held (32) von der betreffenden Membran 
gegeben hat:!) „Die einzelnen Füssflächen sind durch Kittlinien 
verbunden, welche hier infolge der Heidenhainschen Methode 
(bei bestimmter Fixierung) schwarz gefärbt geblieben sind. Die 
Grenzhaut selber, welche im Durchschnitt wie eine feine, 
glatte Linie erscheint, die nach innen in zahlreiche konische 


) ]oc. cit. S. 256. 


176 Halvar von Fieandt: 


Zapfen sich verlängert, sieht im Flächenbild mattgekörnt aus, 
wenn man sehr wenig oder gar nicht differenzierte Präparate 
untersucht. Auch an den grossen Gefässen, in den oberflächlichen 
Hirnschichten, habe ich eine gleiche Felderung gesehen.“ — — 
„An den Kapillaren habe ich deutliche Flächenbilder bisher nicht 
darstellen können. Die Grenzhaut und ihre Kittlinien sind offenbar 
so fein, dass sich keine sicheren Differenzierungsbilder durch 
solche Methode gewinnen lassen.“ Vergleicht man diese Be- 
schreibung mit dem von mir 5.41 angeführten Zitat aus der 
Arbeit von Lenhossek, so geht ohne weiteres die‘ Ähnlich- 
keit der Auffassungen von der Zusammensetzung der Grenz- 
membranen daraus hervor. Im Gegensatz zur Ansicht der Golgi- 
schen Schule lässt Held die „mosaikartig“ angeordneten Glia- 
füsse, welche sämtlich die Grenzhaut bilden, durch eine Kitt- 
substanz voneinander getrennt werden, welche in Form von 
Kittlinien dargestellt werden kann. Über die in der Grenz- 
membran befindlichen Gliafasern sagt Held (32) in der Beschreibung 
der von ihm angegebenen Typen von Gliafüssen:') „Die zweite 
Hauptform zeigt eine Gliafaser oder einzelne bei einem Bündel, 
welche als solche durch den Fuss selber hindurch- 
ziehen und in der betreffenden Grenzhaut flach weiterlaufen. 
Meistens können sie, weil abgeschnitten, nicht weiter in ihrem 
Verlauf verfolgt werden: mitunter aber habe ich doch beobachtet, 
wie sie nach kürzerer Strecke blass in derselben aufhören. Es 
entsprechen also diese Angaben denjenigen von Retzius, wonach 
hakenförmige Umbiegungen der Gliafasern an der Intima Piae 
vorkommen.“ Über den weiteren Verlauf der Fasern in der 
Grenzhaut, besonders bezüglich ihres Verhaltens zu den Kittlinien, 
das für uns ein besonderes Interesse darbieten würde, habe ich 
keine näheren Angaben weder in der oben zitierten, noch in 
einer späteren Arbeit von Held (33) über die marginale Glia 
im Grosshirn des Menschen gefunden. 

Bezüglich der soeben angeführten Ausführungen von Held 
soll erwähnt werden, dass es mir trotz grösster Mühe nicht 
gelungen ist, die von Held beschriebenen Kittlinien darzustellen. 
Ich habe dabei Fixierungen in verschiedenen sublimathaltigen 
Flüssigkeiten, besondersin Zenkerscher Flüssigkeit und Sublimat- 
trichloressigsäuremischung, angewendet. Als Färbemittel benutzte 


1) loc. eit. 8. 250. 


Darstellung des Gliagewebes. ERT 


ich dabei das Eisenhämatoxylin von Heidenhain. Diese Technik 
liefert, wie bekannt, bei analogen Bildungen, z. B. den Kittlinien 
des Darmepithels, in der Regel ausgezeichnete Resultate. Man 
könnte ja einwenden, dass meine resultatlosen Versuche mangelnder 
Technik zuzuschreiben wären, oder dass, wie dies Held selbst 
meint, „bestimmte Fixierungen“ nötig sind, um überhaupt die 
Kittlinien zu Gesicht bringen zu können. Ich würde auch der 
Sache keine allzu grosse Bedeutung beilegen, wenn nicht der Ver- 
dacht durch einige Punkte der Heldschen Arbeiten nahegelegt 
würde, dass die Existenz dieser Kittlinien doch nicht absolut 
sichergestellt ist. Betrachtet man nämlich diejenigen Figuren 
von Held, welche als Beweise für die Existenz der Kittlinien 
beigegeben sind (Fig. 33b, 35, 36, 40 in der früheren [32], Fig. 31 
und 32 in der letzteren Arbeit [33]) näher, so ist der Mangel 
bezw. die geringe Zahl der Fasern in den Grenzmembranen ganz 
besonders auffallend; und doch stammen die in den Figuren 
wiedergegebenen Teile der Grenzmembran aus solchen Abschnitten 
des Gehirns, in denen, wie ich mich überzeugen konnte, zahlreiche 
Weigertsche Fasern nicht allein dort vorkommen, sondern auch 
teilweise in der Grenzmembran selbst sich finden. Eine Aus- 
nahme macht vielleicht Fig. 31 in der Arbeit über die marginale 
Glia, weil dieselbe möglicherweise einer fasernarmen Region der 
Hirnrinde entstammt; doch finden sich hierüber keine näheren 
Angaben. Ein anderer Umstand, der verdient hervorgehoben zu 
werden, ist, dass nach den eigenen Angaben von Held (32) die 
Kittlinien teils in der Grenzhaut der Oberfläche, teils in der 
Limitans perivascularis, in den oberflächlichsten Schichten der 
Cortex dargestellt werden können: „Auch an den grossen Ge- 
fässen in den oberflächlichen Hirnschichten habe ich eine gleiche 
Felderung gesehen.“!) Es kann also festgestellt werden, dass 
die Heldschen Kittlinien in der perivasculären Grenzhaut in den 
tieferen Schichten der Rinde nicht nachgewiesen werden können — 
nur so kann ich die Angaben von Held auffassen — also in Ge- 
genden, die anerkannt arm an Gliafasern sind. Noch einen dritten 
Umstand möchte ich hervorheben. Mehrere der Heldschen 
Figuren, besonders Fig. 36 in der oft zitierten Arbeit von 1904, 
zeigen in unzweideutiger Weise, wie die in die Gliafüsse von der 
Grenzmembran hineinlaufenden Gliafasern eine direkte Fortsetzung 
1) ]oc. eit. 8. 256. 
Archiv f.mikr. Anat. Bd. 76. 12 


178 Halvar von Fieandt: 


der Kittlinien der Membran sind. Ich möchte besonders bemerken, 
dass die in der Fig. 36 dargestellten Verhältnisse, welche die 
oberflächliche Grenzmembran im Grosshirn des Menschen betreffen, 
mir durch das Studium der entsprechenden Regionen des Hunde- 
gehirns wohl bekannt sind. Wie eine ähnliche Anordnung gedeutet 
werden muss, darüber habe ich bei Held keinen Aufschluss finden 
können. Soll man sich vorstellen, dass die Gliafasern in der die 
Kittlinien konstituierenden Masse weiter verlaufen? Diese An- 
nahme stimmt nicht mit dem Verhalten der Gliafasern zu dem 
Gliaprotoplasma überhaupt überein, von dem Held selbst eine 
so mustergültige Beschreibung geliefert hat. 

Stellt man sämtliche oben erwähnten Angaben von Held 
über die Kittlinien der Grenzmembran zusammen und zieht 
in Betracht, dass die Grenzmembranen auch in solcheu Ge- 
bieten, wo Grliafasern sonst vorkommen, dieselben vermissen 
lassen oder wenigstens faserarm sind, dass Kittlinien mit Sicher- 
heit nur in den über faserreicheren Regionen ausgebreiteten 
Grenzhäuten dargestellt werden können und schliesslich, dass die 
Kittlinien als die Fortsetzung der in den Gliafüssen verlaufenden 
Fasern erscheinen, so scheint mir, trotz der Autorität, die Held 
in diesen Fragen zuerkannt werden muss, die Existenz der Kitt- 
linien nicht über jeden Zweifel erhaben, da eine Verwechslung 
mit den in den Grenzmembranen verlaufenden Fasern nicht mit 
Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Wie ich schon früher 
hervorgehoben habe, kann man andererseits mit Hilfe der Häma- 
toxylinwolframmethode — die Eisenhämatoxylinfärbung nach 
Heidenhain gibt übrigens in dieser Beziehung in allem wesentlich 
dasselbe Resultat -— nachweisen, dass die in den Gliamembranen, 
und zwar sowohl in den oberflächlichen wie in den perivasculären, 
verlaufenden Fasern eine „Feldbildung“ derselben zustande bringen. 
Die in verschiedenen Richtungen verlaufenden und einander 
kreuzenden Gliafasern, welche diese Felder voneinander abgrenzen, 
sind oft beim ersten Blick solchen „Kittlinien“ nicht gerade un- 
ähnlich; besonders ist dies der Fall an Stellen, wo die Felder 
mehr regelmässig sind, und wo die Fasern sich in die Grenz- 
membran zu verlieren beginnen. An solchen Stellen wieder, wo 
die Fasern schliesslich nur durch mehr oder weniger deutlich 
hervortretende Körnchenreihen angedeutet sind, hängt es natürlich 
oft von der subjektiven Anschauung der einzelnen Untersucher 


Darstellung des Gliagewebes. 179 


ab, ob man an den Knotenpunkten der Felder die „Fasern“ sich 
als solche unter Kreuzung fortsetzen lässt, oder ob man einen 
Übergang der einen Faser in die andere, bezw. eine Anastomose 
zwischen ihnen annimmt. 

Ich bin hier etwas näher auf die Frage von den Kittlinien 
der gliösen Grenzmembranen eingegangen, weil die eventuelle 
Existenz derselben mir in mehreren Beziehungen wichtig erscheint. 
Die Anerkennung dieser Kittlinien würde nämlich die Auffassung 
von den normalen Gliastrukturen erheblich erschweren, weil es 
sich dann zeigen würde, dass nicht alle Gliafüsse, welche zur 
Bildung der Grenzhäute beitragen, unter solchen Umständen als 
gleichwertig angesehen werden könnten. Teils bestehen die Glia- 
füsse aus breiteren lamellenartigen Ausläufern, bezw. Balken, 
welche nicht die von den Kittlinien angegebenen Grenzen zu 
respektieren scheinen, teils werden dieselben von feinen Proto- 
plasmafäden gebildet, welche in grosser Zahl an demselben Feld 
der Grenzmembranen sich befestigen. Die Schwierigkeiten, die 
bei der Beurteilung dieser Bildungen sich darbieten, werden von 
Held (35) in treffender Weise charakterisiert:') „Ich kann nur 
darauf hinweisen, dass alle die feinen Fäserchen, welche aus dem 
Reticulum der umgebenden Substanz sich lösen und der Limitans 
perivascularis sich anheften und oft mit geringerer Verbreitung 
in sie übergehen, sich nicht dem Begriff eines ober- 
flächlichen Gliafusses ohne weiteres einordnen 
lassen. Denn ob dieser rein protoplasmatisch ist oder aus einer 
Gliafaser hervorgeht, immer liefert er ein umschriebenes 
Feld in der Limitans Gliae. Das ist bei den fraglichen 
feinen Fäserchen nicht der Fall. Von ihnen inserieren viele 
an einem einzigen Feld der Limitans. Diese Schwierigkeit der 
Homologisierung ist aber nicht die einzige.“ eh 

Beiläufig möchte ich bemerken, dass es auch für die Auf- 
fassung der pathologischen Prozesse, welche innerhalb der peri- 
vasculären Glia sich abspielen und bei denen, wie bekannt, ein 
Austreten der einzelnen Gliazellindividuen aus dem Zellverbande 
vorkommt, nicht gleichgültig ist, ob man in den, den Gefässen 
am nächsten gelegenen Gliazellen verhältnismässig selbständige, 
durch Kittsubstanz wenigstens teilweise miteinander verbundene 
Zellindividuen, oder ein gemeinsames Syneytium sieht. 


t) loe. eit. S. 392 und 393. 
127 


150 Halvar von Fieandt: 


Von späteren Forschern, welche bezüglich des normalen 
Gliagewebes zu einer Auffassung, die mehr oder weniger mit der 
Heldschen übereinstimmt, gekommen sind, muss Eisath (20) 
genannt werden. Mit einer von ihm selbst ausgearbeiteten 
Methode ist es Eisath gelungen, einen Teil des Gliaprotoplasmas 
wie auch die Gliafasern darzustellen, was als ein bedeutender 
Fortschritt gegen früher angesehen werden muss. Dei der Be- 
trachtung der Eisathschen Abbildungen und noch mehr bei 
einem näheren Studium seiner Arbeit gewinnt man indes die 
Überzeugung, dass die von ihm angewandte Methode in zwei 
Beziehungen ungenügend ist. Teils kann nur ein Teil der Glia- 
fasern sichtbar gemacht werden, teils zeigt sich das Gliaprotoplasma 
zweifelsohne zum grossen Teil nicht gefärbt. Auch bei Versuchen 
mit der Methode von Eisath bin ich zu dieser Auffassung 
gekommen. Die Schlussfolgerungen von Eisath können infolge- 
dessen m. E. nur als teilweise richtig anerkannt werden. So 
kann z. B. die von ihm gegebene Einteilung der Gliazellen nicht 
zutreffend sein, indem die Eisathschen „runden Gliazellen ohne 
Fortsätze und Fasern“ nach meinen Untersuchungen nicht 
existieren, wenigstens nicht im Hundegehirn. Wenn Eisath (20) 
über die von Held angewandte Methode aussagt:') „Nur hat, 
wie aus den Bildern hervorgeht, die Heldsche Färbeart einen 
ähnlichen Mangel wie die Nisslfärbung, denn sie macht auch 
nur einen Teil des Gliazelleibes ersichtlich, und zwar nur den- 
jenigen, welcher aus der Körnchensubstanz gebildet wird, während 
die eigentliche Grenzlinie, welche im weiteren Umkreise der 
Gliakörnchen die helle Grundsubstanz der Zelle einsäumt, nicht 
zur Darstellung gelangt“, so ist dies eine Bemerkung, die nach 
meinem Dafürhalten mit noch grösserem Rechte auf die Methode 
von Eisath selbst angewendet werden kann. Indessen bleibt 
es doch das Verdienst dieses Forschers, eine spezifisch gliafärbende 
Methode gefunden zu haben, die eine Darstellung der Fasern 
und des Gliaprotoplasmas, wenigstens teilweise, zulässt. 

In letzterer Zeit, d. h. nach der Publikation der Heldschen 
Arbeit, haben auch einige Pathologen auf Grund von Beobachtungen, 
die an pathologischem Material gemacht wurden, sich für die 
Hardesty-Heldsche Lehre von dem syncytialen Zusammenhang 
der Gliazellen auch unter normalen Verhältnissen ausgesprochen. 


2, Toe. eit, 8413. 


Darstellung des Gliagewebes. 181 


Auf die Arbeiten dieser Forscher, unter denen in erster Linie 
Nissl (49, 50, 51) und Spielmeyer (59) genannt werden 
müssen, kann ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. 

In den obigen Erörterungen bezüglich der in der Literatur 
niedergelegten Beobachtungen über den Bau des Gliagewebes, die 
in grösserem oder kleinerem Grade den meinigen ähneln, habe 
ich die Gliastrukturen der grauen Substanz grösstenteils un- 
berücksichtigt gelassen. Dies schien mir zweckmässig zu sein 
nicht nur um in die Darstellung dieses gewissermassen verworrenen 
Gebietes der normalen Histologie wenn möglich etwas Klarheit 
zu bringen, sondern auch, weil die Beobachtungen, die ich hierbei 
zunächst im Auge habe, gar nicht oder nur mit wenigen Aus- 
nahmen vom Gesichtspunkte der Neuroglialehre diskutiert worden 
sind. In der Tat scheinen die Beobachtungen über die netz- 
förmigen Strukturen der grauen Substanz ein besonderes Kapitel 
der Histologie des Uentralnervensystems zu bilden. Ich kann es 
nicht unterlassen, die betreffenden Beobachtungen, insofern sie die 
von mir gemachten mehr oder weniger berühren, hier zu besprechen. 

Soweit ich aus der einschlägigen Literatur ersehen kann, 
hat Golgi (24) zuerst Beobachtungen über die betreffenden 
Bildungen angestellt. In seiner 1895 veröffentlichten Arbeit über 
den Ursprung des IV. Gerebralnerven !) erwähnt er das Vorkommen 
„einer feinen Bekleidung, wahrscheinlich aus Neurokeratin be- 
stehend, von netzartiger Form, oder eine fortlaufende Schicht 
bildend, welche nicht nur die Zellkörper, sondern auch ihre Fort- 
sätze angeht, und auf die ich schon vor längerer Zeit die Auf- 
merksamkeit gelenkt habe“.’) In einer kurz darauf erschienenen 
Arbeit von Golgi und Fusari (26) habe ich diese pericellulären 
Netzwerke nicht erwähnt gefunden, denen schon in der soeben 
erwähnten Publikation Golgis eine isolierende Aufgabe zu- 
geschrieben wurde. Dagegen werden die von Lugaro’) und 
Sala*) mittels der Golgimethode nachgewiesenen feinen peri- 

!) Wie bekannt, erschien die deutsche Übersetzung der Golgischen 
Arbeiten im Jahre 1894. 

2\,loe. cit, 8. 272. 

®) Lugaro: Sulla connessioni fra gli elementi nervosi della corteceia 
cerebellare con considerazioni generali sul significato fisiologieco dei rapporti 
fra gli elementi nervosi. Rivist di frenit. e di medicina leg., T. XX, 1894. 

*) Sala, L.: Sulla fina Struttura del Torus longitudinalis nel cervello dei 
teleostei. Atti della Acad. della Scienze med. e nat. Ferrara, Anno LXIX, 189. 


152 Halvar von Fieandt: 


cellulären Netzwerke, welche von den erwähnten Forschern als 
nervöse Bildungen gedeutet wurden, erwähnt. Golgi macht 
dabei die Bemerkung, dass solche feinen pericellulären Netzwerke 
in verschiedenen Teilen des Centralnervensystems als eine ziemlich 
oft vorkommende Erscheinung von ihm nachgewiesen worden sind. 
Ob Golgi hierbei die von ihm früher erwähnten aus Neurokeratin 
bestehenden pericellulären Netzwerke oder andere netzförmige 
Bildungen meint, geht nicht mit Sicherheit aus seinen Aus- 
führungen hervor. Die Arbeiten von Lugaro und Sala kenne 
ich nicht im Original und habe mir deshalb keine Meinung über 
die von ihnen beschriebenen pericellulären Netzwerke, speziell 
über die Beziehungen zwischen diesen und dem in meinen Prä- 
paraten vorkommenden gliösen Netzwerke der grauen Substanz 
bilden können. 

In dem oben erwähnten Aufsatze von Golgi und Fusari 
finde ich ausserdem eine Arbeit von Paladino') erwähnt, welche 
in mehreren Punkten die uns hier interessierenden Fragen be- 
rührt. Auch diese Publikation ist mir im Original nicht zu- 
gänglich gewesen, weshalb ich mich an das von Golgi und 
Fusari gemachte Referat halten muss. Über das Verhalten der 
Neuroglia zu den Nervenzellen im hückenmarke heisst es: „Die 
Nervenzellen sollen in Lücken enthalten sein, in welchen die 
Neuroglia rarefiziert ist: auf ihrer Oberfläche soll man ein Spinn-. 
sewebe aus Neuroglia bemerken, welches aus äusserst dünnen, 
verflochtenen Fäden besteht“. Ob unter diesem „Spinngewebe 
aus verflochtenen Fäden“ ein wirkliches Netzwerk verstanden 
werden soll, darüber bin ich nicht vollständig im klaren. Wenn 
dies der Fall sein sollte, ist Paladino vielleicht der erste, welcher 
die feinen gliösen pericellulären Netzwerke beschrieben hat. 

Golegi (25) ist jedoch etwas später auf die von ihm früher 
beschriebenen pericellulären Netzwerke zurückgekommen. In 
einem 1898 publizierten Aufsatz gibt er eine Beschreibung von 
ihnen, die auf ihr Aussehen in Silberimprägnationspräparaten 
basiert ist; er schreibt den Netzwerken eine isolierende Aufgabe 
zu und ist der Ansicht, dass sie aus „Neurokeratin“ bestehen. 
In jedem Falle müssen die betreffenden Bildungen nach Golgi 


') Paladino, G.: Sui limiti preeisi fra la neuroglia e gli elementi 
nervosi nel midollo spinale e sui aleune questioni istofisiologiche, chi vi si 
riferiscono. Boll. dell. R accad. med. di Roma, Anno XIX, fasc. 1. 


Darstellung des Gliagewebes. 185 


zu den nicht nervösen Zwischensubstanzen gerechnet werden, was 
besonders hervorgehoben werden soll. 

Die nächste hierher gehörige Arbeit ist diejenige von Semi 
Meyer (47) im Jahre 1899. Der Verfasser gibt hier eine Be- 
schreibung über die von ihm mit Hilfe der vitalen Methylenblau- 
methode dargestellten Neuritenverästelungen in verschiedenen 
Teilen des Centralnervensystems (Endkern des Vestibularis, hintere 
Vierhügel und obere Olive beim Kaninchen und Meerschweinchen) ; 
diese „Neuritenendigungen“, welche teilweise aus feinen Netz- 
werken, teilweise aus gröberen „kelchartigen Endigungen“ be- 
stehen, werden betrefis ihrer Bedeutung mit den von ihm (45, 46) 
früher mit derselben Methode dargestellten Achsenzylinderend- 
verästelungen identifiziert; ebenso hält er dieselben für identisch 
mit den von Golgi (25) 1898 beschriebenen pericellulären Netz- 
werken und mit den Heldschen (29, 30) „Achsenzylinderend- 
flächen“. Bezüglich der Identität der von ihm selbst beobachteten 
Bildungen mit den Auerbachschen Endapparaten (6) drückt 
sich Semi Meyer vorsichtiger aus („vielleicht dasselbe Gebilde“ ).') 

Kurz nach der Publikation Semi Meyers erschien die 
bekannte Arbeit von Bethe (13). Diesem Forscher war es 
gelungen, mit Hilfe einer von ihm selbst ausgearbeiteten, ziemlich 
komplizierten Methode nicht allein die Neurofibrillen der Ganglien- 
zellen, sondern auch so gut wie überall in den grauen Substanzen 
des Centralnervensystems feine netzartige Bildungen nachzuweisen. 
Diese werden von Bethe für nervöse gehalten; er identifiziert 
sie mit der von Golgi gefundenen und nennt sie Golginetze. 
Weiter hält Bethe dieselben für identisch mit den von Held 
(29, 30), Semi Meyer (45, 46, 47), Auerbach (6, 7) und 
Donaggio?) früher beschriebenen. Die Resultate von Bethe 


2 Ioe. cit. 8. 298. 


°) Donaggio, A: Contributo alla conoscenza dell intima struttura 
della cellula nervosa nei verte. Riv. speriment. di Frenitaria XXIV. 2. 1898. 

Derselbe: Nuove osservazione sulla struttura della cellula nervosa. 
Ibidem XXIV. 3. 4. 1899. Diese Arbeiten, welche von Bethe angeführt 
werden, sind mir nicht im Original zugänglich gewesen. Von den kurzen 
Referaten darüber in dem „Jahresber. über die Leistg. und Fortschr. auf dem 
Gebiete der Neurologie und Psychiatrie aus den Jahren 1898 bzw. 1899 scheint 
hervorzugehen, dass die netzförmigen Strukturen Donaggios von ihm als 
den peripheren Teilen der Ganglienzellen, also dem Nervenzellenprotoplasma 
zugehörig, gedeutet wurden; ob es sich hier um Netze handelt, welche mit 
den Golginetzen gleichzustellen sind, geht aus der Darstellung nicht her- 
vor. Es soll hier bemerkt werden, dass Cajal die wirklichen G olginetze 
in derselben Weise aufgefasst hat, wie Donaggio. 


184 Halvar von Fieandt: 


unterscheiden sich in nennenswertem Grade von den früheren, 
die mit der Imprägnationsmethode nach Golgi oder mit der 
vitalen Methylenblaufärbung erhalten wurden. Teils konnten die 
feinen Netzwerke mit der Betheschen Methode als pericelluläre 
Netzwerke nicht allein in der nächsten Umgebung der Ganglien- 
zellen, sondern auch im übrigen Teile der grauen Substanz, sich 
darin diffus ausbreitend, nachgewiesen werden; teils wies Bethe 
mit derselben Methode eigenartige Strukturen in der Marksub- 
stanz nach, die aus einem gröberen Netzwerke, von Bethe Füll- 
netz genannt, bestehen. In molybdängefärbten Präparaten erscheint 
es etwas blasser, verbreitet sich in den Interstitien zwischen den 
Markscheiden und geht auch in die grauen Substanzen über, ohne 
jedoch mit den Golgischen Netzen zusammenzuhängen. Schliess- 
lich soll erwähnt werden, dass Bethe einen kontinuierlichen 
Zusammenhang zwischen den Golginetzen und feinen „endenden“ 
Achsenzylinderausläufern beschreibt und abbildet, wobei er doch 
ausdrücklich hervorhebt, dass solehe Beobachtungen nicht absolut 
beweisend sind. 

Es soll noch eine Arbeit von Held (31) aus dem Jahre 1902 
erwähnt werden, die einer Kritik der pericellulären Netze gewidmet 
ist und in vielen Beziehungen aufklärend wirkt. Hela hat zur 
Beleuchtung der Frage von der Beschaffenheit dieser Bildungen 
sich sämtlicher zu Gebote stehender Methoden bedient und ge- 
langt dabei zu dem Schlusse, dass unter dem Namen von Golgi- 
netzen oder pericellulären Netzen Formationen von verschiedener 
physiologischer Bedeutung beschrieben wurden. Die von Golgi 
beschriebenen, ebenso wie die von Bethe und Semi Meyer 
nachgewiesenen Netze werden von Held miteinander identisch 
und gliöser Natur gehalten. Als ihrer Natur nach mit diesen 
gleichwertig betrachtet Held einen Teil der von ihm selbst früher 
als nervöses pericelluläres Terminalnetz aufgefassten Bildungen. 
Von einer ganz anderen Beschaffenheit ist nach Held der grössere 
Teil der von ihm selbst als netzförmig verzweigt, bezw. zu- 
sammenhängend beschriebenen „Achsenzylinderendflächen“ ebenso 
wie die Auerbachschen (7) Endnetze, welch letztere als wirk- 
liche nervöse Terminalnetze aufgefasst werden müssen. Das „Füll- 
netz“ von Bethe wird von Held als ein Gliareticulum aufge- 
fasst, welches in Bethepräparaten mehr oder weniger deutlich 
hervortritt, und dessen kontinuierlicher Übergang in die Golgi- 


Darstellung des Gliagewebes. 185 


netze nachgewiesen wird. Weiter hebt Held die tiefe Färbung 
derjenigen Substanz hervor, die @liaschnürringe bildet, die also 
bei der Betheschen Methode dieselben Eigenschaften und Färbe- 
reaktionen wie die Golginetze zeigt, und weist auch hier die 
Kontinuität zwischen den die Gliaschnürringe zusammensetzenden 
Balken und dem Füllnetze nach. In seiner Arbeit von 1904 
kommt Held (32) zu einem vollkommen ähnlichen Resultate 
bezüglich der Natur der Betheschen Strukturen. 

Zwei Jahre später veröffentlichte Donaggio!') eine Arbeit, 
aus der hervorzugehen scheint, dass es ihm mit einer komplizierten 
Methode gelungen ist, ein pericelluiäres Netzwerk rings um die 
Ganglienzellen darzustellen, das er mit den Netzwerken von 
Golgi, Semi Meyer und Bethe identifiziert. An der Bildung 
der von Donaggio beschriebenen Netzformationen scheinen Be- 
standteile teilzunehmen, welche teils als rein nervöse, teils als 
gliöse gedeutet werden müssen. 

Es seien hier schliesslich die netzartigen Bildungen erwähnt, 
die bei Untersuchungen mit der Methode von Bielschowsky 
gefunden werden. So beschreiben Bielschowsky und Wolff (17) 
rings um die Purkinjeschen Zellen in der Rinde des Klein- 
hirns wirkliche Terminalnetze, die durch Verbindungen zwischen 
zahlreichen in verschiedenen Richtungen verlaufenden Axonen 
gebildet werden. Rings um die Dendriten der Purkinjeschen 
Zellen sollen ähnliche Terminalnetze vorkommen, in welchen 
Achsenzylinder verschiedener Herkunft ihr Ende finden. 

Wenn wir jetzt etwas näher auf die Frage eingehen, inwie- 
weit diese früher beschriebenen teils pericellulären, teils diffusen 
Netzwerke in den grauen Substanzen mit Rücksicht auf ihren 
Bau und ihre physiologische Bedeutung dem von uns beschriebenen 
Gliareticulum entsprechen, so können wir sogleich einige von 
diesen Bildungen ausschliessen, da sie offenbar mit den Glia- 
netzwerken, wie sie sich in Sublimathämatoxylinwolframpräparaten 
darbieten, nichts zu tun haben. Hierzu rechne ich die von 
Held (29) früher beschriebenen Achsenzylinderendflächen, die 
Auerbachschen Terminalnetze (6. 7) und die von Semi 


') Donaggio, A: Il reticulo fibrillare endocellulare negli elementi 
nervosi dei vertebrati di fronte a recenti riccerche. Monit. zoolog. ital. anno 
XV 10. Ref. im Jahresber. über die Fortschr. und Leistg. der Neurologie und 
Psychiatr., Ber. über das Jahr 1904. 


186 Halvar von Fieandt: 


Meyer (46) im Jahre 1896 beschriebenen Neuritenendigungen. 
Ob die von Semi Meyer 1897 nachgewiesenen pericellulären 
.Faserkörbe“ mit unseren Glianetzwerken isomorph sind, kann 
ich nicht sicher entscheiden. Leider vermag ich keinen Vergleich 
mit den Netzwerken von Donaggio anzustellen, weil wie schon 
erwähnt die diesbezüglichen Arbeiten mir im Original nicht zu- 
gänglich waren. 

Von den übrigen hierhergehörigen Bildungen halte ich die 
mit der Golgimethode nachweisbaren pericellulären Netzwerke 
wenigstens teilweise mit unserem feinen Reticulum in der grauen 
Substanz des Hundehirns isomorph. Für diese Ansicht spricht 
nicht so sehr die von Golgi (25) gegebene Beschreibung seiner 
Neurokeratinnetze und die Abbildung, die er beigefügt hat (diese 
kann, weil bei geringerer Vergrösserung gemacht, keine sicheren 
Anhaltspunkte für einen Vergleich liefern), als vielmehr diejenigen 
von den Heldschen (30) Abbildungen der pericellulären Golgi- 
netze, die nach derselben Methode hergestellten Präparaten ent- 
stammen. Besonders Fig. 5, Taf. XIV der erwähnten Arbeit zeigt 
eine auffallende Ähnlichkeit mit meinen Abbildungen; namentlich 
bietet das pericelluläre Golginetz in der unmittelbaren Nähe 
des linken Randes der abgebildeten Ganglienzelle, sowohl hin- 
sichtlich der feinen warzigen Balken, als der Grösse und der 
Gestalt der Maschen in der Hauptsache dasselbe Aussehen, wie 
das gliöse Netzwerk dar. Man kann also mit guten Gründen 
behaupten, dass die sogenannten Golginetze, d.h. das mit der 
Golgimethode nachweisbare pericelluläre Netzwerk, wenigstens 
teilweise aus Neurogliagewebe besteht — unter der Voraussetzung, 
dass das Vorkommen von zwei verschiedenen miteinander isomorphen 
Netzformationen, von welchen die eine nervöser, die andere gliöser 
Natur ist, ausgeschlossen werden kann. Diese Voraussetzung 
scheint mir in der Tat zuzutreffen, denn die sicher nervösen 
Endapparate, wie sie von Held, Auerbach und Cajal be- 
schrieben worden sind — es mag sich dabei um freie oder 
miteinander durch feine Brücken zusammenhängende Endkolben 
handeln — können kaum Bilder liefern, welche mit den hier in 
Frage kommenden verwechselt werden könnten. 

Schwieriger scheint es mir zu entscheiden, ob Held (29, 30) in 
seinen Arbeiten über die terminalen Netze Verwechslungen dieser Art 
vollständig entgangen ist. Wenn man auf die von Held angewandte 


Darstellung des Gliagewebes. 187 


Methode (ein Eisenhämatoxylinverfahren nach Heidenhain), 
welche, wie wir sehen werden, bei einer ganzen Reihe verschiedener 
Fixierungen auch das gliöse Gewebe der grauen Substanz sichtbar 
macht, ebenso wie auf die eigenartigen anatomischen Verhältnisse 
Rücksicht nimmt, so scheinen bei einer solchen Arbeit wie der 
Heldschen, Verwechslungen nach der angedeuteten Richtung hin 
unvermeidlich. Doch finde ich unter den von Held gegebenen 
Abbildungen der terminalen Achsenzylinderendkörbe nicht solche, 
welche mich berechtigen, die von Held beschriebenen Netz- 
werke als den hier diskutierten isomorph oder identisch anzusehen. 
Nur das in Fig.9, Taf. XII (30) dargestellte pericelluläre Neuriten- 
endnetz (abgesehen von den früher erwähnten nach Golegi 
imprägnierten Netzwerken, besonders in Fig. 5, Taf. XIV) !) bietet 
etwas mehr auffallende Ähnlichkeiten mit meinen Glianetzwerken, 
obgleich ich auch nicht von dieser Figur behaupten kann, dass 
eine Verwechslung mit gliösen Bildungen stattgefunden habe. 

Dagegen kann ich aus guten Gründen die von Semi 
Meyer (47) im Jahre 1899 beschriebenen netzförmigen Neuriten- 
endungen, die mit der vitalen Methylenblaumethode dargestellt 
wurden, dem mit der Subtriessighämatoxylinwolframmethode ge- 
wonnenen pericellulären Netzwerke isomorph ansehen. Besonders 
zeigen die Fig. 1 und 3 von Semi Meyer eine sogar bis auf 
die Details sich erstreckende Ähnlichkeit mit den Bildern, die 
ınan mit meiner Methode erhält. Ein Umstand, der besonders 
hervorgehoben zu werden verdient, ist, dass auch die körnige 
seschaftenheit der Balken des gliösen Netzwerkes, die ich früher 
erwähnt habe, mehr oder weniger deutlich in jenen Abbildungen 
hervortritt (siehe Fig. I bei Meyer, die Zelle links). Der Ver- 
such von Semi Meyer, die nervöse Natur dieser Netzwerke 
zu beweisen, kann nicht als glücklich bezeichnet werden; „ebenso- 
wenig wie die Markscheide färbt sich bei der vitalen Methode 
die Glia, an die Golgi vielleicht auch gedacht hat, so dass also 
aus einer der isolierenden und stützenden Substanzen die Gitter, 
die sich mit Methylenblau so schön färben, nicht bestehen können. 
Auch die Färbbarkeit mit der Betheschen Fibrillenmethode 
spricht wohl für die nervöse Natur der Gitter, wenigstens scheint 


!) Die in den betreffenden Figuren abgebildeten, mit der Silber- 
imprägnationsmethode dargestellten Netzwerke sind später von Held selbst 
als gliöse gedeutet worden. 


188 Halvar von Fieandt: 


dies für Bethe nach seinen Äusserungen selbstverständlich zu 
sein.“') Die Unzulänglichkeit dieser Beweisführung ist leicht 
einzusehen. Erstens kann man doch nicht von vornherein als 
ausgeschlossen annehmen, dass auch nicht gliöse Elemente 
gelegentlich bei der vitalen Methode gefärbt werden können, 
zweitens beweist eine Färbbarkeit durch die Bethesche Methode 
nichts, weil bis auf den heutigen Tag niemand den Beweis erbracht 
hat, dass die von Bethe nachgewiesenen Netzwerke wirklich 
nervöser Natur sind. 

Beim Studium der Betheschen Arbeit (13) und der von 
ihm beigefügten Abbildungen drängt sich im Gegenteil sogleich 
die Auffassung auf, dass die von dem betreffenden Forscher 
dargestellten Strukturen, selbstverständlich mit Ausnahme der 
intracellulären, zum Ganglienzellenprotoplasma gehörenden Neuro- 
fibrillen, wenigstens nicht ausschliesslich nervöser Natur sind. 
Ein Umstand, der schon von vornherein anzudeuten scheint, 
dass auch das Gliagewebe mehr oder weniger an der Farben- 
reaktion teilnimmt, ist das Vorkommen des von Bethe so 
genannten Füllnetzes, das nach ihm in Beziehungen zu Blut- 
gefässen, Gliakernen und Pia mater tritt. Es ist schwer, sich ein 
anderes Gewebe zu denken. das sich in dieser Weise verhält, 
als gerade die Glia. Um auf die Golginetze zurückzukommen, 
so bieten die mit der Molybdänmethode von Bethe (13) nach- 
gewiesenen Netzwerke, aus seiner Beschreibung wie den Abbildungen 
zu urteilen, in vielen Hinsichten eine bemerkenswerte Ähnlichkeit 
mit dem gliösen Netzwerk in meinen Präparaten. Ich verweise 
nur auf die Fig. 19, 28, 27, Taf. XXX und Fig. 42, Taf. XXXI von 
Bethe. Von diesen bietet besonders die letzterwähnte, die das 
Golginetz der Molybdänmethode veranschaulicht, insofern gewisse 
Vergleichspunkte mit meiner Fig.4, Taf. VII, als zu Grund für 
beide Zeichnungen entsprechende Abschnitte des Gehirns, und 
zwar die Molekularschicht der Rinde des Grosshirns liegen. In 
beiden Figuren zeigen die Maschen des Netzwerkes ungefähr 
dieselbe Grösse und Form; in den Knotenpunkten stossen gewöhn- 
lich drei, gelegentlich vier Balken zusammen; diese erscheinen 
ziemlich von gleicher Stärke und haben wenigstens keine grösseren 
Anschwellungen an den Knotenpunkten; in beiden Figuren kann 
man weiter beobachten, wie das Netzwerk sich diffus durch die 


!) loc. eit. S. 300. 


Darstellung des Gliagewebes. 159 


graue Substanz von einem Dendriten zum anderen erstreckt. 
An der Oberfläche der Ausläufer werden mehr oder weniger 
deutlich hervortretende Pericellulärnetze gebildet, welche also nur 
die der Nervenzelle oder deren Dendrit unmittelbar anliegenden 
Teile der diffusen Netzformation sind. In einer Beziehung unter- 
scheidet sich das Bethesche Golginetz von meinem Gliareticulum, 
indem jenes nämlich homogen oder wenigstens ohne mehr auffallende 
körnige Bildungen hervortritt. Diesem Umstand kann ich aber 
keine besondere Bedeutung in dem Sinne beilegen, dass die 
Betheschen Netze anders als die von mir abgebildeten zu deuten 
seien. Ich finde nämlich in der Arbeit von Held (31), der auch 
mit der Betheschen Methode gearbeitet hat, Äusserungen, welche 
darauf hindeuten, dass die Golginetze in Molybdänpräparaten 
wenigstens gelegentlich eine mehr oder weniger körnige Beschaffen- 
heit zeigen.') Andererseits habe ich bei Fixierung mit Sublimat- 
trichloressigsäure und Färbung in oben angegebener Weise 
Präparate erhalten, in denen die von mir beschriebene Körnelung 
der Balken des Glianetzes gar nicht oder nur undeutlich hervor- 
trat. Dies hat beobachtet werden können bei einer Nachbehandlung 
der fixierten Stücke in absolutem Alkohol, der während der ersten 
24 Stunden nicht gewechselt wurde. Solche Präparate erinnern 
in hohem Grade an die Betheschen, auch was die Golginetze 
betrifft; vielleicht sind die Balken in den letzterwähnten etwas 
graciler, jedoch tritt dieselbe homogene Beschaffenheit der Balken 
wie in den Betheschen Netzen auch hier hervor. Mit Rück- 
sicht auf das oben Gesagte halte ich mich für berechtigt, 
die Betheschen Golginetze als mit den Glianetzen der grauen 
Substanz isomorph anzusehen; die Betheschen Netze sind also 
höchstwahrscheinlich gliöser Natur. Eine solche Annahme ist 
um so eher berechtigt, als Bethe selbst keine Beweise für die 
nervöse Natur der Golginetze angeführt hat. Denn dass dem 
kontinuierlichen Zusammenhang zwischen den Achsenzylinder- 
verästelungen und diesen Netzen, der von Bethe beschrieben 
wurde, in dieser Beziehung keine entscheidende Bedeutung zu- 
geschrieben werden kann, geht wohl schon daraus hervor, dass 
er selbst seine Beobachtungen in diesem Punkte für nicht völlig 
beweisend hält. 


1) loe. eit. S. 221. 


190 Halvar von Fieandt: 


Aber auch in einer anderen Beziehung bietet ein Vergleich 
zwischen der Betheschen Methode und der hier beschriebenen 
ein gewisses Interesse. Ich habe schon früher die Kunstprodukte 
erwähnt, welche bei Anwendung meiner Methode entstehen können 
und dabei auf das Vorkommnis eigenartiger Artefakte hin- 
gewiesen, die an das Bethesche Füllnetz erinnern und sich vom 
letzteren nur durch eine stärkere Färbung und vielleicht durch 
eine gröbere Beschaffenheit der Balken unterscheiden. Wenn es 
sich herausstellen sollte, dass meine Beobachtungen in dieser 
Hinsicht richtig sind — wenigstens berechtigen mich meine 
wiederholten Erfahrungen dazu — so scheinen mir gewisse Möglich- 
keiten vorhanden zu sein, das eigentümliche Aussehen zu erklären, 
welches das Gliagewebe bei einer Behandlung nach Bethe annimmt; 
denn dass die Betheschen Golginetze und die Füllnetze für 
(Gliagewebe gehalten werden müssen, obgleich bis zu einem ge- 
wissen Grade entstellt, habe ich schon an mehreren Stellen hervor- 
gehoben. Solche Bilder fand ich nur bei direkter Übertragung 
der Stücke von der Fixierungsflüssigkeit in absoluten Alkohol auf 
24 Stunden. Bethe wendet ein insofern ähnliches Verfahren 
an, als er nach Fixierung in 5—7"'’o Salpetersäure die Stücke 
mit Alkohol (96°/o) ebenfalls während 24 Stunden behandelt, der 
auch nicht gewechselt wird. Das gemeinsame dieser beiden Ver- 
fahren ist also das Übertragen der Organteile von einer stark 
sauren Wasserlösung in konzentrierten Alkohol auf längere 
Zeit (24 St.). Es ist also wahrscheinlich, dass wir in dieser 
Behandlung die Ursache zu suchen haben für das eigentümliche 
strukturlose Aussehen, das die Neuroglianetzwerke in Bethe- 
präparaten darbieten, obgleich ich mir keine bestimmte Vor- 
stellung davon habe bilden können, in welcher Weise die 
erwähnte Kombination von Alkohol und Säure auf das Ge- 
webe einwirkt. In jedem Falle sprechen auch diese Verhält- 
nisse bis zu einem gewissen Grade für die gliöse Natur der 
Betheschen Netze. 

Bezüglich der mit der Bielschowskyschen Methode nach- 
weisbaren feinen, pericellulären Netzwerke habe ich nur zu be- 
merken, dass dieselben nicht ohne weiteres als nervöse aufgefasst 
werden können. Im Gegenteil scheint mir bei der Beurteilung 
solcher Beobachtungen, mit Rücksicht auf das unzweifelhafte Vor- 
kommen von feinen pericellulären Glianetzen einerseits und auf die 


Darstellung des Gliagewebes. 191 


nicht vollständig elektiven Eigenschaften der Bielschowskyschen 
Methode andererseits, eine gewisse Vorsicht geboten. 

Dass die Silbermethode von Cajal, die im übrigen hinsicht- 
lich der Färbung der Neurofibrillen der Hauptsache nach in der- 
selben Weise wie diejenige von Bielschowsky sich verhält, 
die Golginetze nicht zu Gesicht bringt, ist eine bekannte Tat- 
sache. Neuerdings hat Cajal!) seine Methode dahin modifiziert, 
dass mit derselben, wenn auch nicht regelmässig, eine Färbung 
auch der pericellulären Netzwerke erhalten werden kann. Es 
ist für uns von einem gewissen Interesse. zu konstatieren, dass 
die Methode damit ihre elektiven Eigenschaften eingebüsst hat, 
da durch dieselbe nicht allein die Golginetze, sondern auch 
andere, nicht nervöse Gewebselemente, z B. collagene Binde- 
gewebsfasern in der Adventitia der Blutgefässe dargestellt werden 
können. 

Von den in der Literatur beschriebenen netzförmigen 
Bildungen in der grauen Substanz des Zentralnervensystems halte 
ich also die pericellulären Netze von @olgi, die Neu- 
ritenendungen von Semi Meyer, insoweit diese von 
wirklichen Netzformationen gebildet werden, und 
die Betheschen Golginetze für dem Gliareticulum 
der Hämatoxylinwolframmethode isomorphe Bildungen, 
und zwar sind diejenigen von Golgi, SemiMeyer und 
Bethe beschriebenen höchstwahrscheinlich gliöser 
Natur. Die Berechtigung dieser Annahme geht daraus hervor, 
dass man bis auf weiteres netzförmige Bildungen von zweifellos 
nervöser Natur, welche den oben erwähnten vollständig ähneln, 
nicht kennt, dagegen eine auftallende Formähnlichheit zwischen 
ihnen und gewissen unzweideutigen Gliasubstanzen in der Rinde 
des Grosshirns nachweisen kann. 

Ich möchte schliesslich bemerken, dass ich bei der Diskussion 
über diejenigen Resultate der früheren Forscher, welche mehr 
oder weniger den meinigen ähneln, auf das Tiermaterial, das den 
einzelnen hierhergehörigen Arbeiten zu Grunde gelegen hat, keine 
Rücksicht genommen habe. Dies ist geschehen nicht um meine 


!) Cajal, $S, Ramon, y: Les conduits de Golgi-Holmgren, 
du protoplasma nerveux et le reseau pericellulaire de la membrane. Trav. 
Labor. Rech. biol. Univ. Madrid, T. VI, 1908. Ref. Zeitschr. f. wissensch. 
Mikrosk., Bd. 26, 1909. 


192 Halvar von Fieandt: 


Ausführungen zu erleichtern, sondern weil ich an verschiedenem 
Material (Mensch, Hund, Meerschweinchen) konstatieren konnte, 
dass prinzipielle Verschiedenheiten mit Rücksicht auf den 
anatomischen Bau des Neurogliagewebes innerhalb der hier in 
Frage kommenden Tiergruppen nicht existieren. 


Ehe ich die Besprechung der Resultate meiner Methode 
verlasse, kann ich nicht umhin, noch einen besonderen Umstand 
zu erörtern. In der Beschreibung des Baues des Neuroglia- 
gewebes, die ich oben gegeben habe, ist an mehreren Stellen 
auf das Vorkommnis von körnigen Bildungen hingewiesen worden, 
welche in Aussehen und Anordnung von ziemlich typischer Be- 
schaffenheit sind. Diese Körnchen die in Grösse und Farbe 
etwas variieren, sind in das Gliaprotoplasma der Balken des 
Syneytiums eingeschlossen. Ich habe diese Körnchen als Gliosomen 
bezeichnet. Es bleibt noch übrig zu untersuchen, ob denselben 
eine wirkliche Existenz zukommt, oder ob sie als eine Folge der 
Präparation betrachtet werden müssen. Hierbei muss besonders 
die Möglichkeit einer durch das Fixierungsmittel entstandenen 
körnigen Fällung gewisser Teile des Gliaprotoplasmas in Betracht 
gezogen werden. Ich möchte nun zuerst hervorheben, dass die 
erwähnten Gliosomen keineswegs nur in Trichloressigsäurehäma- 
toxylinwolframpräparaten vorkommen, sondern dass sie auch bei 
einer Reihe anderer Methoden auftreten. So sieht man in mit 
Eisenhämatoxylin gefärbten Präparaten, die in Zenkerscher 
Flüssigkeit z. B. oder in anderen sublimathaltigen Fixierungs- 
mitteln fixiert wurden, die grauen Substanzen von körnigen 
Gebilden wimmeln. die in Grösse und Anordnung mit den 
Gliosomen vollkommen übereinstimmen. Hierbei darf man natür- 
lich nicht Präparate verwenden, bei denen die Differenzierung 
zu weit getrieben wurde. Diese Körnchen kennt sicher ein 
jeder, der Gliacentriolen mit der betreffenden Methode dar- 
gestellt hat. Aber dies beweist ja an und für sich nicht, 
dass die Körnchen nicht durch die Präparationsmethoden in 
arteficieller Weise dargestellt wurden; besonders ist es ja von 
den sublimathaltigen Fixierungsmitteln bekannt, dass sie die 
Neigung haben, den feineren Protoplasmastrukturen eine gewisse 


Darstellung des Gliagewebes. 193 
körnige Beschaffenheit zu verleihen, die zweifelsohne einer fein- 
körnigen Fällung oder einer „feinen tropfigen Entmischung“ der 
Eiweissstoffe des Protoplasmas ihre Entstehung verdankt. Mit 
Rücksicht hierauf ist es also von Interesse, zu konstatieren, dass 
man nach Alkoholfixierung und mit derselben Färbungsmethode 
(Eisenhämatoxylin) bei Einhalten eines gewissen Differenzierungs- 
grades die Körnchen des gliösen Netzwerkes zu Gesicht bringen 
kann. Am besten werden diese als gliöse Bildungen erkannt, 
wenn man an solchen Präparaten die feinen Protoplasmabalken, 
welche die Rothschen Räume durchziehen, untersucht. Hier 
kann man leicht die rosenkranzartige Anordnung beobachten. 
Auch bei Alkoholfixierung, Nachbeizung nach Benda und einer 
nachfolgenden Eisenhämatoxylinfärbung können in wenig differen- 
zierten Präparaten dieselben Bildungen nachgewiesen werden. 
Bei allen diesen verschiedenen Behandlungsmethoden sind die 
Körnchen zu sehen, nur ihre Farbe scheint im Verhältnis zu den 
übrigen Gewebselementen mehr oder weniger an Intensität zu 
wechseln. Wenn man also auch bei Alkoholfixierung, die jedoch 
wie bekannt mit Bezug auf die Protoplasmastrukturen nicht die- 
selben Eigentümlichkeiten wie die sublimathaltigen Flüssigkeiten 
zeigt, sondern im Gegenteil die Tendenz hat, dem Protoplasma 
eine mehr netzförmige oder wabige Beschaffenheit zu geben, das 
Vorkommen der Gliosomen feststellen kann, so scheint es 
höchstwahrscheinlich, dass dieselben nicht der Einwirkung des 
Fixierungsmittels zugeschrieben werden können. 

Um weiterhin zu zeigen, wie unabhängig von den Fixierungs- 
mitteln diese Körnchen sind, erlaube ich mir noch anzuführen, 
dass Held (33) in seiner letzten Arbeit über die marginale Glia 
dieselben besonders in dem feinen Gliasyneytium der grauen 
Substanz beobachtet zu haben scheint. Ich schliesse dies aus 
einigen seiner Abbildungen, besonders Fig. 1 und 2, Taf. VIII; 
die hier abgebildeten feinen Körnchen, die in den Balken des 
feinfädigen Gliasyneytiums eingestreut sind, kann ich nur als mit 
meinen Gliosomen identische Bildungen deuten. Held hat für 
die Fixierung die Müllersche Flüssigkeit mit Zusatz von Sublimat, 
Eisessig und Formalin benutzt. 

Kann man also nachweisen, dass die Gliosomen hinsichtlich 
ihres Vorkommens oder ihres Aussehens von den von uns an- 
gewendeten verschiedenen Fixierungsmitteln unabhängig sind, so 

Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 13 


194 Halvar von Fieandt: 


bleibt nur übrig, diesen Bildungen eine wirkliche Existenz 
zuzuschreiben und sie als mit übrigen histologischen Gewebs- 
elementen ebenbürtig zu betrachten. 

Es wäre natürlich von Interesse, die biochemische Beschaffen- 
heit und die biologische Rolle der Gliosomen zu ermitteln. Zwar 
stehen in diesem Punkte nur sehr unvollständige technische 
Hilfsmittel zu unserer Verfügung, indem wir dabei ausschliesslich 
auf ihr Verhalten zu unseren Färbereagentien hingewiesen sind; 
jedoch gibt ja auch dieses Verfahren bei anderen Geweben und 
Gewebselementen gewisse Resultate und bezüglich der Gliosomen 
zeigt es sich ebenfalls wenigstens anwendbar. Es verdient hervor- 
gehoben zu werden, dass dieselben mit den gewöhnlichen Glia- 
färbungsmethoden, durch welche man eine differente Färbung 
der Fasern bezweckt, nicht dargestellt werden können; die 
Gliosomen müssen also hinsichtlich der Zusammensetzung von 
den Gliafasern abweichen. Andererseits zeigen sie Reaktionen, 
wodurch sie sich von dem undifferenzierten Protoplasma, besonders 
demjenigen der Gliazellen unterscheiden, indem sie bei der 
Hämatoxylinwolframmethode eine tiefere, das Protoplasma aber 
eine hellere Farbe annehmen. Dass diese Reaktionsverschieden- 
heit nur in quantitativer und nicht in qualitativer Hinsicht sich 
geltend macht, bedeutet hierbei verhältnismässig wenig. da 
bekanntlich ein grosser Teil der histologischen Reaktionen gerade 
in einer Verschiedenheit der Färbungsintensität besteht. Gegen- 
über dem Eisenhämatoxylin zeigen die Gliosomen und das 
Gliaprotoplasma ein ähnliches Verhalten. Je weiter man die 
Differenzierung treibt, um so blasser wird das Protoplasma, 
während die Körnchen verhältnismässig lange die Farbe behalten, 
bis schliesslich auch sie abblassen. Dies spricht dafür, dass die 
Substanz, welche die Gliosomen bildet, nicht einfach aus Glia- 
protoplasma besteht, sondern dass sie von derselben in chemischer 
Hinsicht wenigstens in gewissen Beziehungen abweicht. 

Schwieriger ist es aber, sich eine Vorstellung davon zu 
bilden, worin diese Verschiedenheit besteht. Man könnte sie 
vielleicht auf die Resultate der Hämatoxylinwolframmethode 
beziehen, bei der die Gliosomen dieselbe Farbe annehmen wie 
die Gliafasern und sie als Differenzierungsprodukte des Proto- 
plasmas gegen die Substanz der Gliafasern hin auffassen. Diese 
Annahme ist natürlich nicht ohne weiteres richtig, weil bekanntlich 


Darstellung des Gliagewebes. 195 


eine Übereinstimmung ‚der Farbresultate nicht die Identität 
verschiedener histologischer Gewebselemente beweist. Es gibt 
aber einige Umstände mehr morphologischer Art, welche dafür 
sprechen, dass die erwähnte Möglichkeit doch in Betracht gezogen 
werden muss. Wie ich schon früher angeführt habe, treten 
nämlich in den Abschnitten der Hirnrinde, wo Gliafasern vor- 
kommen, oft gewisse räumliche Beziehungen zwischen diesen 
und den Gliosomen hervor. So sieht man nicht selten in der 
perivasculären Grenzmembran die reihenartig angeordneten 
Gliosomen anscheinend eine Fortsetzung der Gliafasern bilden. 
Andererseits kann nachgewiesen werden, dass diese, an der 
Limitans angelangt, sich auffransen und eine blassere Farbe 
annehmen, stellenweise abgebrochen erscheinen und gelegentlich 
nur durch eine Reihe Körnchen angedeutet sind, welche bezüglich 
Aussehen und Beschaffenheit vollständig den Gliosomen zu ent- 
sprechen scheinen. Auch die Bildungen, die am meisten den 
Eindruck körniger Fäden machen, die wahrscheinlich durch An- 
sammlung einer Reihe Gliosomen entstanden sind und die gelegent- 
lich besonders in der perivasculären Grenzmembran der grauen 
Substanz gesehen werden können, verdienen hierbei erwähnt zu 
werden. 

Diese Beobachtungen und andere ähnlicher Art scheinen 
den Schluss zu erlauben, dass die Gliosomen doch etwas mit 
den Gliafasern zu tun haben, wenn sie auch in ihrer Zusammen- 
setzung von ihnen abweichen. Von welcher Art diese gegen- 
seitigen Beziehungen sind, darüber kann man sich bis auf weiteres 
nur in hypothetischer Weise aussprechen. Um nur eine Möglich- 
keit anzudeuten, scheint es mir nicht unmöglich, dass die be- 
treffenden körnigen Differenzierungsprodukte des Gliaprotoplasmas 
eine gewisse Rolle bei der Neubildung der Gliafasern spielen. 
Aus dem, was von der Faserbildung im Gliagewebe bekannt ist, 
scheint hervorzugehen, dass hierbei gewissen körnigen Bestand- 
teilen eine besondere Aufgabe zukommt. Hiervon sagt Held (32) 
in seiner Beschreibung über die Entwicklung der Gliafasern im 
N. opticus der Mäuse:') „Mit diesem Stadium habe ich noch 
ein etwas früheres, den Nervus opticus eines reifen Mause- 
fötus verglichen: er zeigt zum Unterschied nur ganz ver- 
einzelte Gliafasern in jenen Zellfortsätzen, welche noch 
Bei 5.288. 

13* 


196 Halvar von Fieandt: 


nicht den Zelleib durchsetzen. Auch ist hier die Substanz 
des sich bildenden Gliafäserchens noch nicht so fest und 
homogen, sondern noch etwas körnig, so dass es wie ein matter 
Strich im Zellprotoplasma erscheint.“ Als Beweis dafür, dass 
ähnliche Beobachtungen auch an pathologischem Material gemacht 
worden sind, möchte ich noch die Arbeit von Spielmeyer (59) 
zitieren:') „Im Heidenhainschen Präparat erkennt man eine 
zarte grauschwarze Strichelung, die der Differenzierung gegenüber 
sehr empfindlich ist. Im Weigertschen Gliapräparat heben sich 
von dem rötlich gelben Protoplasmagrunde (Kontrastfärbungen) 
der Fortsätze und des Zelleibes feine, mattblaue oder graublaue 
Streifen ab. Mit Hilfe des Apochromaten sieht man ganz 
deutlich kleinste, etwas stärker blau gefärbte Körnchen in dieser 
Streifung (Fig. 1). Dass es sich bei diesen Körnchenreihen 
um die Anfänge der Gliafaserbildung handelt, darf wohl 
mit Sicherheit angenommen werden.“ Es ist offenbar, dass es 
sich bei diesen körnigen Protoplasmadifferenzierungsprodukten, 
die bei der Neubildung der Gliafasern als ein Vorstadium derselben 
auftreten, nicht ausschliesslich um mit unseren Gliosomen identische 
Bildungen handelt, obgleich es andererseits mit Rücksicht auf 
die gegenseitigen Beziehungen, die die Fasern und Gliosomen 
unter normalen Verhältnissen zeigen, wahrscheinlicher ist, dass 
letztere hierbei auch eine gewisse Rolle spielen. Würde es 
gelingen, zu beweisen, dass die Gliosomen bei der Entwicklung 
oder der Neubildung der Gliafasern ein Zwischenstadium zwischen 
dem undifferenzierten Protoplasma und der spezifischen Faser- 
substanz bilden, so wäre damit zweifelsohne ein neuer Gesichts- 
punkt für die Beurteilung der histogenetischen Stellung der 
gliösen Substanzen der Rinde gewonnen. Das Gliasyneytium der 
grauen Substanzen mit den eingestreuten Gliosomen würde somit 
im Vergleich mit dem faserhaltigen Teile des Gliagewebes ein 
früheres Entwicklungsstadium, wo es noch nicht zur Ausbildung 
fertiger Gliafasern gekommen ist, repräsentieren. Auch das Ver- 
mögen der Gliazellen der Hirnrinde, unter gewissen pathologischen 
Verhältnissen Gliafasern auch in solchen Gegenden, wo keine 
Fasern vorkommen, zu produzieren, würde uns sicher leichter 
verständlich erscheinen. | 


1) 1. c. 8. 308. 


Darstellung des Gliagewebes. ET 


Wie dem nun auch sei, soviel scheint mir bis auf weiteres 
mit Sicherheit angenommen werden zu können, dass in dem 
feinen, die grauen Substanzen durchsetzenden Glia- 
syneytium körnige Bildungen besonderer Art und 
charakteristischer Anordnung vorkommen, welche 
als Differenzierungsprodukte des Gliaprotoplasmas 
angesehen und somit gewissermassen mit den Glia- 
fasern gleichgestellt werden müssen. Ob man diese 
Bildungen Gliosomen oder anders nennt, ist natürlich vollständig 
gleichgültig. 


Im Vorhergehenden habe ich versucht, eine Darstellung der 
Resultate zu geben, die durch Anwendung der Subtriessighäma- 
toxylinwolframmethode beim Studium des normalen Gliagewebes 
erreicht werden können, und ich habe auch die Ergebnisse 
früherer Forscher erwähnt, soweit sie für uns ein grösseres 
Interesse darbieten. Bevor ich schliesse, bleibt mir noch übrig 
von der praktischen Verwendbarkeit der Methode und den damit 
in Zusammenhang stehenden Fragen einige Worte zu sagen. Ganz 
besonders muss ich mich in aller Kürze mit den theoretischen 
Voraussetzungen, auf denen sich die Methode gründet, beschäftigen, 
teils um die Anwendung derselben zu erleichtern, teils um meine 
diesbezüglichen Erfahrungen denjenigen zugute kommen zu lassen, 
welche vielleicht die Methode in dem einen oder anderen Punkte 
mangelhaft finden und event. nach einer Verbesserung oder 
Ergänzung derselben streben werden. 

Hinsichtlich der Fixierungsflüssigkeit und deren Einwirkung 
auf die Färbungsresultate verdient hervorgehoben zu werden, 
dass die Trichloressigsäure dabei offenbar eine wichtige Rolle 
spielt. Die Färbung des Gliaprotoplasmas, welche in bestimmter 
Weise meine Präparate kennzeichnet, scheint so gut wie aus- 
schliesslich auf die Rechnung der Trichloressigsäure gesetzt 
werden zu müssen. Dass diese nicht nur eine physikalische 
Fällung des Protoplasmas bewirkt, sondern auch dessen chemische 
Zusammensetzung beeinflusst, also als ein Beizungsmittel wirkt, 
ist offenbar. Von der Richtigkeit dieser Ansicht kann man sich 
leicht überzeugen, wenn man Material, das z. B. in einer 5°/o 
wässrigen Lösung von Trichloressigsäure fixiert wurde, in der- 


19 Halvar von Fieandt: 


an 


selben Weise wie dies bei dem betreffenden Färbeverfahren oben 
beschrieben wurde, behandelt. In solchen Präparaten tritt das 
Gliaprotoplasma in demselben Farbenton und Umfange hervor, 
wie nach Fixierung in der von Heidenhain angegebenen 
Flüssigkeit. Bei diesem Verfahren können dagegen die Glia- 
fasern nur unvollständig dargestellt werden und nehmen einen 
Farbenton an, der sich nicht in nennenswertem Grade von dem 
des Gliaprotoplasmas unterscheidet. Es ist also wahrscheinlich, 
dass die übrigen Bestandteile, welche die Fixierungsflüssigkeit 
zusammensetzen, eine Einwirkung auf die Weigertschen Fasern 
nach derselben Richtung hin wie die Trichloressigsäure auf das 
Gliaprotoplasma ausüben und sie durch Beizung der nachfolgenden 
Färbung zugänglich machen. Diese Beizung der Fasern scheint 
mir, teilweise wenigstens, dem Sublimat zugeschrieben werden 
zu müssen. Obgleich ich für diese Annahme keinen stichhaltigen 
Beweis anführen kann, scheint sie mir jedoch wahrscheinlich, 
weil das Sublimat schon früher mit Erfolg für ähnliche Zwecke 
angewendet wurde, und zwar vonLhermitte undGuccione (40). 

In gewisser Weise mit der Frage vom Sublimat als Beizungs- 
mittel verknüpft ist die Bedeutung der nachfolgenden Jodbehand- 
lung. Ob die Jodierung der Schnitte ausschliesslich dem gründ- 
lichen Entfernen des Sublimates dient, oder ob ihr auch eine 
andere Rolle, z. B. eine Oxydationswirkung zukommt, habe ich 
nicht entscheiden können. Soviel scheint mir sicher zu sein, 
dass man durch eine gründliche Jodierung, wie sie oben be- 
schrieben wurde, eine gleichmässigere und sicherere Färbung der 
(Glia erhält, als durch ein kürzeres Verfahren. Ebenso bewirkt 
eine Anwendung der in der mikroskopischen Technik geläufigen 
Oxydationsverfahren an Stelle oder im Verein mit einer Jod- 
behandlung eher eine Verschlechterung als eine Verbesserung der 
endgültigen Färbungsresultate. 

Bezüglich der Alkoholbehandlung nach der Fixierung habe 
ich dem oben (S. 12) Angeführten nicht viel hinzuzufügen. Wie 
gesagt, eignet sich für diese Nachhärtung nicht absoluter Alkohol 
wegen der Schwierigkeit, mit seiner Hilfe elektiv gefärbte Präparate 
zu erhalten; Achsenzylinder und Nervenzellprotoplasma werden nach 
einer solchen Vorbehandlung intensiv gefärbt und halten die Farbe 
bei der Differenzierung mit grosser Zähigkeit fest. Schwächere 
Konzentrationsgrade als die vorgeschriebenen, die zwar ebenso- 


Darstellung des Gliagewebes. 199 


wenig wie der 96°/o den erwähnten Übelstand darbieten, können 
aber nicht in Frage kommen, weil sie das Myelin zur Quellung 
bringen und somit störende Artefakte hervorrufen. Wie die Ver- 
schiedenheit der Einwirkung eines absoluten und 96 °/o Alkohols 
erklärt werden soll, ist mir vorläufig unklar: vielleicht spielt 
hierbei die schneller oder langsamer vor sich gehende Auflösung 
des Myelins nebst Diffusionsverhältnissen zwischen der dem Organ- 
teile anhaftenden Fixierungsflüssigkeit und dem Alkohol die be- 
stimmende Rolle. 

Die Polychromasie der Malloryschen Farblösung, die der 
Einwirkung des Wasserstoffsuperoxyds auf die leicht zersetzbare 
Phosphorwolframsäuregruppe zugeschrieben werden muss, wo- 
durch Körper von verschiedenem Sauerstoffgehalte entstehen, die 
wieder Doppelverbindungen mit dem Hämatoxylin eingehen, macht 
sich gegenüber dem in beschriebener Weise vorbehandelten Ge- 
webe nach zwei Richtungen hin geltend. Die Farbflüssigkeit 
wirkt entweder rot- oder blaufärbend. je nach den verschiedenen 
Affinitäten der gebeizten (Gewebselemente. Wie schon früher 
erwähnt wurde, können also durch ein rein progressives Ver- 
fahren gewisse Resultate erreicht werden. Es zeigt sich ausser- 
dem, dass die rotfärbenden Komponenten relativ unecht, die 
blaufärbenden dagegen verhältnismässig echt färben. Die Ver- 
bindungen zwischen den rotfärbenden Salzen und gewissen 
Gewebsbestandteilen (collagene Fasern, Achsenzylinder, rote Blut- 
körperchen) werden von alkoholischer Ferrichloridlösung zersetzt, 
während die Verbindungen zwischen den blaufärbenden Salzen 
und den Gewebselementen sich gegenüber diesem Differenzierungs- 
mittel resistent verhalten. 

Es wurde früher hervorgehoben, dass die Differenzierungs- 
flüssigkeit frisch zubereitet werden muss. Wenn man nämlich 
die alkoholische Ferrichloridlösung eine Zeitlang stehen lässt, 
dann nimmt sie allmählich eine mehr saure Reaktion an und es 
tritt gleichzeitig unter Umständen eine reichliche braune amorphe 
Fällung ein. Diese besteht offenbar aus colloidalem Ferrihydroxyd, 
das durch hydrolytische Spaltung des Ferrichlorids in der nun- 
mehr wasserhaltigen Flüssigkeit entstanden ist. Eine solche 
ältere Lösung ist natürlich für Differenzierungszwecke unbrauch- 
bar und muss, sobald sie sich zu trüben beginnt, durch eine 
frische ersetzt werden. 


200 Halvar von Fieandt: 


Von den Nachteilen des Verfahrens verdienen diejenigen 
genannt zu werden, welche durch seine Eigenschaft als eine 
regressive Methode bedingt werden. Ebenso wie andere ähnliche 
Methoden überhaupt färbt auch diese elektiv nur beim Einhalten 
eines gewissen Differenzierungsgrades. Die Färbungsresultate mit 
meiner Methode sind also im wesentlichen von der Genauigkeit 
der Differenzierung abhängig. Während dies jedoch nur in ge- 
ringem Grade ihre Anwendung erschwert, bildet ein anderer 
damit zusammenhängender Umstand einen etwas grösseren Übel- 
stand. Es kommt gelegentlich vor, dass die Differenzierung nicht 
vollständig gleichmässig verläuft, besonders bei den Achsen- 
zylindern, die teilweise dazu neigen, die Farbe festzuhalten. Die 
Färbung dieser Gebilde ist deshalb gelegentlich nicht vollständig 
gleichmässig. Neben solchen, welche die typische gelbgraue Farbe 
angenommen haben, finden sich andere, die etwas dunkler tingiert 
sind. Immerhin tritt der Farbenunterschied zwischen den Achsen- 
zylindern und Gliafasern auch unter solchen Umständen so deut- 
lich hervor, dass Verwechslungen wohl vermieden werden können. 

Was die Färbung der chromophilen Bestandteile des Gang- 
lienzellenprotoplasmas betrifft, so habe ich mich schon früher 
(S. 12) darüber geäussert. Dass sich in den Präparaten Stellen 
finden lassen, wo eine tiefe Färbung der Nisslschen Schollen 
eingetreten und wo die Untersuchung der pericellulären Glia 
infolgedessen erschwert ist, ist von keiner wesentlichen Bedeutung 
bei den normalhistologischen Studien, bei denen ja eine Auswahl 
immer möglich ist. Es leuchtet ein, dass derselbe Umstand beim 
pathologischen Material eventuell lästig werden kann. 

Es bleibt noch die Frage übrig, ob sämtliche Gliafasern 
oder nur ein Teil die typische Farbenreaktion geben. Es ist 
natürlich unmöglich, dies zu entscheiden, solange wir nicht eine 
Methode haben, welche sicher sämtliche Gliafasern färbt und in 
jedem Falle als Kontrollmethode angewendet werden kann. Sicher 
ist indessen, dass ich mit Hilfe der Hämatoxylinwolframmethode die 
Gliafasern besser darstellen konnte als mit den geläufigen Methoden. 

Die Nachteile, welche durch Schrumpfungsprozesse in den 
Präparaten eintreten können, habe ich schon früher verschiedent- 
lich erörtert. 

Trotz der oben erwähnten Mängel, zu denen eventuell noch 
andere kommen, die durch Nachprüfungen von anderen Forschern 


Darstellung des Gliagewebes. 201 


an den Tag gebracht werden, scheint mir meine Methode in ge- 
wisser Beziehung in sich abgeschlossen und brauchbar. Wenigstens 
habe ich sie mit grossem Vorteil sowohl an normalem wie patho- 
logischem Material angewendet. Besonders bei meinen Unter- 
suchungen über die hämatogene Entstehung der Gehirntuberkulose 
hat die verhältnismässig gleichmässige Färbung mir grosse Dienste 
geleistet. Bezüglich der Verwendbarkeit bei verschiedenem Tier- 
material soll nochmals hervorgehoben werden, dass prinzipielle 
Verschiedenheiten zwischen den Resultaten am Material von Hund, 
Meerschweinchen und Mensch nicht existieren. Ganz frisches 
menschliches Material habe ich nicht zur Verfügung gehabt. 
Das frischeste menschliche Gehirn wurde ca. 15 Stunden p. m- 
verarbeitet;') es handelte sich um einen Paralytiker, der bei der 
Sektion (ausser den charakteristischen Veränderungen des Gehirns 
und der Hirnhäute) ausgebreitete Dekubitalgeschwüre und pneu- 
monische Veränderungen der Lungen darbot. Auch bei diesem 
nicht gerade günstigen Materiale konnte ich recht gute Resultate 
erreichen, obgleich sie in keiner Weise mit denjenigen von frischem 
Tiermaterial verglichen werden können. 


Wenn ich alles zusammenfasse, scheint mir die Methode 
eine allgemeinere Beachtung zu verdienen und sowohl für normal- 
histologische wie pathologische Untersuchungen des zentralen 
Nervensystems geeignet zu sein. Eventuell wird sie natürlich 
durch weitere Ausarbeitung vervollkommnet werden können. 
Jedenfalls dürfte sie berufen sein, neue technische Möglichkeiten 
zu eröffnen, und weitere Aufschlüsse über die histologischen 
Elemente des Gliagewebes zur Folge haben. 


Zusammenfassung. 


1. Durch Fixierung (Beizung) in Heidenhains 
Sublimattrichloressigsäuremischung und 
Färbung mit Phosphorwolframsäurehäma- 
toxylin von Mallory nebst nachfolgender 
Differenzierung kann das Gliagewebe in 
elektiver Weise dargestellt werden. 


') Dies Material wurde mir in liebenswürdigster Weise von Professor 
Dr. Christian Sibelius zur Verfügung gestellt. 


DD 


us 


Halvar von Fieandt: 


Hierbei werden nicht nur die Gliafasern, 
sondern auch das Gliaprotoplasma gefärbt. 
Letzteres kann als ein ausgebreitetes Syn- 
cytium nachgewiesen werden, das durch die 
stark verzweigten Ausläufer der Gliazellen, 
die in kontinuierlichem Zusammenhang mit- 
einander stehen, gebildet werden. Die 
Hardesty-Heldsche Auffassung von dem syn- 
cytialen Bau des Gliagewebes muss also als 
richtig angesehen werden. 


Bezüglich des Verhältnisses der Gliafasern 
zu dem Gliaprotoplasma kann konstatiert 
werden, dass erstere entweder an der OÖber- 
fläche oder im Innern der Balken des proto- 
plasmatischen Gliareticulums verlaufen und 
sich in derselben Weise zu dem Protoplasma 
des Zellenkörpers der Gliazellen verhalten. 
Die Möglichkeit, dass die Fasern in einer 
gewissen Ausdehnung ihres Verlaufes nackt 
verlaufen, kann bis auf weiteres nicht ver- 
neint werden. 


An der Grenze der Gehirnsubstanz gegen- 
über den mesodermalen Bildungen, sowohl 
der Pia mater, wie der Adventitia der in der 
Gehirnsubstanz verlaufenden Gefässe, 
können Grenzmembranen nachgewiesen 
werden, welche anscheinend aus Gliaproto- 
plasma bestehen und überall mit den Balken 
des Gliasyneytiums zusammenhängen. 


. Auch in der Gehirnrinde kann das Gliage- 


webe als ein aus feinen fadenförmigen Proto- 
plasmabalken bestehendes Netzwerk nach- 
gewiesen werden. Die von Golgi, Meyer und 
Bethe beschriebenen pericellulären resp. 
diffusen Netze müssen als isomorph mit 
diesem Gliareticulum betrachtet werden und 
sind somit höchstwahrscheinlich gliöser 
Natur. 


Darstellung des Gliagewebes. 203 


6. In dem feinen Gliareticulum der grauen Sub- 
stanz können gewisse körnige Gebilde nach- 
gewiesen werden, welche ich als Gliosomen 
bezeichnet habe und für Protoplasma- 
differenzierungsprodukte von besonderer Art 
ansehe. 


Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Prof. Dr. E.A.Homen, 


der mit lebhaftem Interesse meiner Arbeit gefolgt ist und während 
derselben mir wertvolle Ratschläge gegeben hat, sage ich an 
dieser Stelle meinen tiefgefühlten Dank. Auch bin ich Herrn 
Privat-Dozent Dr. Axel Wallgren für die Hilfe, die er mir 
bei der Anfertigung der beigefügten Mikrophotogramme geleistet 
hat, zu Danke verpflichtet. 


I 


Helsingfors, Januar 1910. 


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Arch. f. Anat. u. Physiol., Anat. Abt., 1897, Supplement. 

Derselbe: Über den Bau der grauen und weissen Substanz. Arch. f. Anat. 
u. Physiol., Anat. Abt., 1902. 


40. 


41. 


Darstellung des Gliagewebes. 205 


Held. Hans: Über den Bau der Neuroglia und über die Wand der 
Lymphgefässe in Haut und Schleimhaut. Abhandl. d. math.-phys. Klasse 
der Kgl. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch., Bd. 28, 1904. 

Derselbe: Über die Neuroglia marginalis der menschlichen Grosshirnrinde. 
Monatsschr. f. Psych. u. Neurolog., Bd. 26, Ergänzungsheft, 1909. 
Hoppe: Zur Technik der Weigertschen Gliafärbung. Neurol. Central- 
blatt, 1906. 

Huber, G.: Studies on the Neuroglia. Amer. Journ. of Anat., vol. I, 
1901—2. 

Krause, Rud.: Untersuchungen über den Bau des Zentralnervensystems 
der Affen. Abh. d. Kgl. Akad. d. Wissensch. zu Berlin, 1899—1900. 


Krause, R. und Aguerre, J.: Untersuchungen über den Bau des 
menschlichen Rückenmarks mit besonderer Berücksichtigung der Neuroglia. 
Anat. Anz., Bd. 18. 

v. Lenhossek, M.: Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte der 
neuesten Forschungen. Berlin 1895. 

Lhermitte, J.: Proc&d& nouveau pour la Coloration des cellules et 
des fibrilles neurologiques. Revue neurologique, T. XVII, 1909. 
Lhermitte, J. et Guceione, A.: Proc6öd@ pour la Coloration des 
cellules et des fibrilles neurologiques. Semaine medic. 1909. 


Mallory, F.B.: Über gewisse eigentümliche Färbereaktionen der 
Neuroglia. Centralbl. f. allg. Path. u. path. Anat., Bd. 6, 1895. 


Derselbe: On certain improvements in histologieal technique. Phos- 
photungstic-acid-hämatoxylin for certain tissue elements. Journ. of 
exper. medicine, vol. 2, 1897. 

Derselbe: A Contribution to staining methods a. s. f. Journ. of. experim. 
medicine, vol. 5, 1900. Ref. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk., Bd. 18, 1901 


. Merzbacher, L.: Ein einfaches Verfahren zur Darstellung von Glia- 


strukturen. Journ. f. Psych. u. Neurolog., Bd. 12, 1908. 

Meyer, Semi: Über eine Verbindungsweise des Neuronen. Arch. für 
mikrosk. Anat., Bd. 47, 1896. 

Derselbe: Über die Funktion der Protoplasmafortsätze der Nervenzellen. 
Verhandl. d. Kgl. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch., 1897, Bd. 49, math.-phys. 
Klasse. 

Derselbe: Über zentrale Neuritenendigungen. Arch. f. mikrosk. Anat., 
Bd. 54, 1899. 

Müller, E.: Studien über Neuroglia. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 55, 
1899. 

Nissl, Fr.: Über einige Beziehungen zwischen Nervenzellenerkrankungen 
und gliösen Erscheinungen bei verschiedenen Psychosen. Wandervers. 
südd. Neurologen und Irrenärzte in Baden-Baden 1899. Arch. f. Psych., 
Bad. 32, 1899. 

Derselbe: Über einige Beziehungen zwischen der Glia und dem Gefäss- 
apparat. Wandervers. süddeutsch. Neurologen und Irrenärzte in Baden- 
Baden 1902. Arch. f. Psych., 1903. 


206 Halvar von Fieandt: 


51. Nissl. Fr.: Zur Histopathologie der paralytischen Rindenerkrankung. 
Histolog. u. histopatholog. Arb., Bd. 1, 1904. 


52, Obersteiner: Zur Histologie der Gliazellen in der Molekularschicht 
der Grosshirnrinde. Arb. a. d. neurolog. Inst. Wien, Bd. 7, 1900. 


53. Pappenheim, A.: Grundriss der Farbehemie. Berlin, 1901. 


54. Pollack, B.: Einige Bemerkungen über die Neuroglia und Neuroglia- 
färbung. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 48, 1897. 

55. Ranvier: De la neuroglia. Comptes rend. de la soc. biol., 1892. 

56. Reinke, Fr.: Über die Neuroglia in der weissen Substanz des Rücken- 
marks vom erwachsenen Menschen. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 50, 1897. 

57. Rubaschkin: Studien über Neuroglia. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 64, 
1904. 

58. Sabrazes et Letessier: Proced&e de coloration de la neuroglia. 
Arch. gener. d. med., 1905. 


59. Spielmeyer, W.: Von der protoplasmatischen und faserigen Stütz- 
substanz des Zentralnervensystems. Arch. f. Psych., Bd. 42, 1907. 


60. Weber, L. W.: Der heutige Stand der Neurogliafrage. Centralbl. für 
allg. Path. u. path. Anat., Bd. 14, 1903. 

61. Weigert, Carl: Zur pathologischen Histologie der Neurogliafasern. 
Centralbl. f. allg. Path. u. path. Anat., Bd. 1, 1890. 


62. Derselbe: Beiträge zur Kenntnis der normalen menschlichen Neuroglia. 
Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des ärztlichen Vereins zu Frank- 
furt a. M., 189. 

63. Derselbe: Neurogliafärbung. Encyklop. d. mikr. Technik, 1903. 


64. Wimmer: Om neurogliafarvning. Hospitaltidende, 1906. 


65. Yamagiwa, K.: Eine neue Färbung der Neuroglia. Virch. Arch., 
Bd. 160, 1900 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI-IX. 


Die hier wiedergegebenen Abbildungen sind nach Präparaten dargestellt, die 
nach der von mir angegebenen Methode der Gliafärbung angefertigt wurden. 
Sieentstammen alle dem Grosshirn des Hundes. Die Konturen 
sind mit Hilfe des Abbeschen Apparates gezeichnet, die feineren Details 
nachher ausgeführt. Der Abstand zwischen dem Okular und der Projektions- 
fläche ist unter Kontrolle des Objektmikrometers so gewählt, dass sämtliche 
Strukturen in derjenigen Vergrösserung dargestellt werden, die durch das 
mikroskopische System bedingt wird. Für alle Abbildungen kam Zeiss 
Apochromat 2 mm, Apert. 1,30 (Immersion), Komp.-Ok. 8 zur Verwendung. 
Die Vergrösserung ist also überall 1: 1000. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


DV 


Darstellung des Gliagewebes. 207 


Tafel VI. 


Das Neurogliagewebe der Marksubstanz an einer Stelle, wo in ver- 
schiedenen Richtungen verlaufende Nervenbündel einander kreuzen. 
Dicke des Schnittes 4 a. Für die Darstellung der protoplasmatischen 
Verbindung zwischen den Gliazellen ist von der Mikrometerschraube 
fleissiger Gebrauch gemacht worden. 


Neurogliazelle mit umgebendem Gliareticulum von der Schicht der 
grossen Pyramidenzellen, gezeichnet ohne Verwendung der Mikrometer- 
schraube. 

Zwei Neurogliazellen mit umgebendem Gliagewebe aus der Grenz- 
schicht zwischen Mark und Rinde. Von der Mikrometerschraube 
ist Gebrauch gemacht worden. Schnitt 5 a. 


Neurogliazelle von dem grosskernigen Typus nebst umgebendem 
Glianetzwerk aus der weissen Substanz. Für die Darstellung der 
Gliafasern ist die Mikrometerschraube zur Verwendung gekommen. 


Das marginale, subpiale Gliagewebe der Rinde an der Seitenfläche 
einer Furche, etwa in der Mitte zwischen dem Boden der Furche 
und der freien Fläche des Gyrus. Der Schnitt ist etwas schief 
geführt, sodass die Grenzmembran als ein dicht an der Pia gelegener 
hellblauer Saum deutlicher hervortritt. Schnitt 5 u. Die Mikrometer- 
schraube ist nur in unbedeutendem Grade verwendet worden. 


Die marginale, subpiale Neuroglia am Boden einer Furche. Schnitt 
5 «. Die Einstellung ist nur in geringem Grade gewechselt worden. 


Tafel VI. 


Gliagewebe der weissen Substanz. Gegen den starken gelbgrau 
gefärbten Achsenzylinder links im Bilde ziehen lamellenartige, teil- 
weise netzartig durchbrochene Balken von dem umgebenden Netz- 
werke und vereinigen sich rings um denselben zu einem Schnür- 
ringe. Oberhalb und unterhalb von ihm wird der Markraum von 
dünnen Protoplasmamembranen begrenzt, die teilweise mit Glia- 
fasern versehen sind. Für die Darstellung des Schnürrings ist die 
Mikrometerschraube zur Verwendung gekommen. Schnitt 5 «. 


Perivasculäres Gliagewebe in der Umgebung eines tangential ge- 
troffenen Gefässes der Marksubstanz. Limitans perivascularis nebst 
in derselben verlaufenden Fasern; Gliafüsse. Rechts ein Teil eines 
durchgeschnittenen Kernes. Das Gefäss ist nicht abgebildet. Ein- 
stellung während des Abzeichnens nicht verändert. 

Membrana limitans perivascularis nebst angrenzendem perivasculärem 
Gliagewebe eines Gefässes der Marksubstanz. Das Gefäss selbst, 
das schräg getroffen ist und in derselben Richtung verläuft wie die 
am meisten hervortretenden Fasern der Membrana limitans, ist 
nicht dargestellt worden. Schnitt 5 «. Die Mikrometerschraube ist 
zur Verwendung gekommen. 


=] 


Halvar von Fieandt: 


Aus der Molekularschicht der Rinde. Feines gliosomführendes Glia- 
reticulum. Verbindung zwischen den Balken des Netzwerkes und 
dem Protoplasma der Gliazelle bezw. deren Ausläufer. Peridendritische 
gliöse Netzwerke. Kapillargefässe mit roten Blutkörperchen. Das 
Bild ist unter Einhaltung derselben Einstellung gezeichnet. 
Pyramidenzelle der Rinde nebst zwei Hauptdendriten und das um- 
gebende Gliagewebe. Pericelluläres und peridendritisches Netzwerk 
nebst Gliosomen. Ohne Änderung der Einstellung gezeichnet. 
Kalottenschnitt einer Pyramidenzelle der Rinde, eine „Begleitzelle“* 
und deren Zusammenhang mit dem pericellulären Netzwerk. Keine 
Veränderung der Einstellung. 

Ein grösseres Kapillargefäss nebst umgebendem, gliosomenführendem 
Gliareticulum aus der Schicht der polymorphen Rindenganglienzellen. 
Der Schnitt ist grösstenteils tangential gefallen, Membrana limitans 
perivascularis und ihr Zusammenhang mit dem gliösen Netzwerke; 
in jener einzelne Gliafasern und reihenartig angeordnete Gliosomen. 
Rothsche Räume In oder an der Membran zwei Fragmente 
durchschnittener Kerne. Ohne Änderung der Einstellung gezeichnet. 


Tafel VIII. 


Die in diesen Tafeln wiedergegebenen Mikrophotogramme sind mit einem 
Apparat von Zeiss. Apochromat 2 mm, Apertur 1,30 (Immersion), Projektions- 
okular 4, aufgenommen. Länge des Auszuges der Camera 50 cm, Vergrösserung 
also in sämtlichen Figuren 1:1000. Als Farbenfiltrum kam ein Filtrum von 


Fig. 


IE 


Zettnow zur Anwendung. 


Die marginale, subpiale Neuroglia in der Mitte zwischen dem Boden 
einer Furche und der freien Oberfläche des Gehirns. An der unteren 
Begrenzung der Furche tritt ziemlich deutlich das gliöse Netzwerk 
hervor, eine der Grenzschicht der Glia gehörige Gliazelle mit ihren 
beiden nach der Oberfläche hinziehenden Ausläufern. Auch werden 
andere Fortsätze, wahrscheinlich anderen Zellen entstammend, 
sichtbar. Ebenso treten die sekundären, der Pia mehr oder weniger 
parallelen Balken und eine Anzahl von Gliafasern hervor. An der 
oberen Fläche der Furche tritt der kammartige Bau der Glia hervor, 
der durch die mehr membranähnliche Beschaffenheit der Balken des 
Gliasyneytiums bedingt wird. 

Das Gliagewebe der Marksubstanz. Einige Gliazellen mit grossen, 
chromatinarmen und nucleolführenden Kernen. Stellenweise sieht 
man Protoplasmaausläufer und Gliafasern. Letztere verlaufen sowohl 
in den Fortsätzen oder längs derselben, als auch durch den Zell- 
körper selbst. Eine Menge Gliazellen mit kleinem, chromatinreichem 
Kerne zeigen keine räumlichen Beziehungen zu den Gliafasern. 
Der Zusammenhang zwischen den Ausläufern dieser Zellen und 
dem Gliasyneytium tritt nur stellenweise hervor. An gewissen 
Stellen kann der Verlauf der Fasern in den Balken des Glianetz- 
werkes deutlich gesehen werden. 


Darstellung des Gliagewebes. 209 


Tafel IX. 


Gliagewebe der weissen Substanz. Ein der Länge nach getroffenes 
Kapillargefäss mit umgebender Glia; einige gröbere Gliafüsse treten 
deutlich hervor und können ie: in die Ausläufer nahegelegener 
Gliazellen verfolgt werden. 


Aus der Pyramidenzellenschicht. Das System war auf das feine 
pericelluläre Netzwerk eingestellt, das den Dendrit der etwas nach 
unten und links vom Zentrum des Bildes liegenden Pyramidenzelle 
bedeckt. In den Balken dieses Netzwerks stellenweise reihenartig 
angeordnete Körnchen (Gliosomen) ; die von drei zusammenstossenden 
Balken gebildeten Knotenpunkte treten stellenweise hervor; auch 
kann hie und da die Form der Maschen erkannt werden. Im en 
sind im Bilde infolge der Dichtheit des Gewebes und der relativen 
Dicke des Schnittes (4 „) kaum andere Details mit hinreichender 
Deutlichkeit zu sehen. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 14 


210 


Weitere Beiträge zur Lehre von der Kontinuität 
des Nervensystemes. 


Von 
B. Haller. 


Hierzu Tafel X und XI und 7 Textfiguren. 


A. Die Lateralstränge der Knochenfische. 


Vor nunmehr fünfzehn Janren berichtete ich über die 
Struktur des Rückenmarkes der Knochenfische (14). Kurz 
vorher erschien eine Abhandlung über dasselbe Thema von 
Van Gehuchten (6), doch behandelte diese nach der damaligen 
Sitte nur das embryonale Rückenmark und seit meiner Arbeit 
ist über dieses Thema weiter nichts erschienen. Das Selachier- 
rückenmark wurde zwar seither behandelt, doch ohne die Längs- 
bahnen zu berücksichtigen. Erst vor kurzem erschien eine 
Abhandlung von D. Tretjakoff (35), die zwar ausführlicher 
berichtet über das Rückenmark des Ammocoetes, als die von 
Kolmer (23), doch auch er lässt die Längsbahnen unberück- 
sichtigt. 

Eine gewisse Abneigung vor der Verfolgung der Zustände 
in den Längssträngen und überhaupt jener des völlig entwickelten 
Rückenmarkes auch mit paarigen Flossen versehener Fische erhielt 
sich also bis heute. Und doch wie verschieden verhält sich das 
Gewebe des fertigen Rückenmarkes im Verhältnis zu jenem des 
noch werdenden in bezug auf das Golgische technische Ver- 
fahren, hier schwärzt sich ungemein viel weniger als dort. Dieses 
verspürte schon 1895 Van Gehuchten, als er nicht an die 
Kontrolle meiner Ergebnisse am Rückenmark erwachsener Fische 
heranging, sondern wegen meiner für damals wenigstens allzu 
ketzerischen Ergebnisse in anderer Weise eingrif. Er dachte 
damit zu wirken, dass er mir die Erfahrung bezüglich der 
(solgischen Präparationsmethode kurzweg absprach. Dies wirkte 
trotz meiner Erwiderung (18) so gründlich, dass meine Ergebnisse 
von den Neurohistologen nach der wohl gangbaren, aber höchst 


Kontinuität des Nervensystemes. 211 


unwissenschaftlichen Art totgeschwiegen wurden, statt sie zu 
prüfen. An eine Prüfung dachte aber niemand und der uner- 
fahrene Tretjakoff, der doch geringe Erfolge bei Ammocoetes 
zu verzeichnen in der Lage ist, hilft sich angesichts seiner Miss- 
erfolge einfach damit. meine Ergebnisse, da sie einmal durch 
Van Gehuchten in so kurzsichtiger Weise für unrichtig erklärt 
wurden, darauf sich berufend, einfach zu übergehen.') 
Dabei übersieht er, dass ich mit dem angeblich von mir mangelhaft 
geübten Golgischen Verfahren bereits jene periphere Ver- 
ästelung von grossen sogenannten Protoplasmafortsätzen oder 
besser Netzfortsätzen, die peripher dann in das grobe Netz der 
Lateralstränge aufgehen (14, Fig. 27, 1, 55), für die Knochen- 
fische erledigt habe, die Tretjakoff für die Cyelostomen 
beschreibt. 

Zuerst selbst prüfen — denn Tretjakoff als auch seine 
Autorität führen ja an, dass ich der einzige sei, der mit dem 
Golgischen Verfahren das Rückenmark eines erwachsenen Fisches 
untersucht hätte — und erst dann urteilen ! 


Einiges was Van Gehuchten an meiner Arbeit sachlich 
ausgesetzt, so betreffend gewisse Angaben über Netzfortsätze, 
kommt in der vorliegenden Arbeit noch zur Sprache, bezüglich 
des von ihm gerügten Nervennetzes sind aber in den inzwischen 
verflossenen fünfzehn Jahren mehr Schritte vorwärts getan worden 
(ich erinnere in erster Reihe an Apäthy und Held), als dass 
ich mich hier mit ihm diesbezüglich einlassen müsste. Denn 
es zeigte sich, dass ich trotz dem von mir angeblich mangelhaft 
geübten Golgischen Verfahren mehr darstellen konnte, als die 
„Autorität“ imstande war. Der Grund mag ja zum Teil auch 
darin liegen, dass sich am embryonalen Gewebe manches nicht 
schwärzt, was beim fertigen Gewebe geschwärzt wird, so 
entstand auch der Glaube an den Conus terminalis, also an das 
Auswachsen. 


!) Tretjakoff sagt wörtlich: „Nach einem autoritätvollen Urteil 
(dem Van Gehuchtens, H.) ist es natürlich unmöglich, denjenigen Teil 
der Arbeit von B. Haller, welcher vermittelst des Golgiverfahrens aus- 
geführt war, für eine vergleichende Betrachtung zu benützen“ (l. c. S. 664). 
Und dieser junge Forscher, der sich auf „autoritatives“ Urteil verlassen 
muss, getraut sich weiter unten zu behaupten, von meiner Arbeit bliebe 
nicht viel zu benützen übrig! 

14* 


212 B. Haller: 


Diesmal habe ich als technisches Mittel zumeist nur die 
vitale Methylenblaufärbung bei jungen Gold- und gewöhnlichen 
Karpfen angewandt und meine Ergebnisse bestätigen und ergänzen 
das von mir mittelst des Golgischen Verfahrens Erreichte. 
Bleibe ich somit auch immer noch der Ketzer, so bin ich wohl 
im Auge einer erheblichen Zahl der jetzigen Forscher auf 
unserem Gebiete doch nicht mehr so fremdartig, als vor fünf- 
zehn Jahren. 


Das Rückenmark wurde in Stücken aus dem lebenden Tier 
herausgenommen und dann nach Bethes für die Chordaten 
angegebenem Verfahren (1) mittelst Methylenblau behandelt. 
Dabei zeigte es sich, dass das kürzere oder längere Verweilen 
des Objektes im Methylenblau stets etwas anderes lieferte. Stets 
mussten 21/2 Stunden verwendet werden. Nach dieser Zeit färbten 
sich die Kerne der Neurogliazellen rotviolett, ihr Zelleib aber 
nur sehr blass blau, wodurch die Neuroglia nicht recht zum 
Ausdruck gelangen konnte. Die kräftigen Achsenzylinder der 
weissen Substanz sind schon rotviolett gefärbt, allein das übrige 
Nervengewebe ist noch zu blass blau, um in seinem Verhalten 
mit Erfolg verfolgt werden zu können. Die Ganglienzellen, das 
gesamte Nervennetz sowie die Zellfortsätze färben sich erst 
etwa nach drei Stunden gut blau und nun werden auch die 
stärkeren Achsenzylinder der weissen Substanz blau, die Mark- 
scheide bleibt aber blass (Fig. 1). Dann habe ich versucht, das 
Objekt bis sechs Stunden in Methylenblau zu belassen, wobei 
dann eine tiefblaue Färbung sich einstellte. Allein jetzt zeigte 
es sich, dass das feine zentrale Nervennetz — dazu auch das 
sogenannte pericelluläre Netz gehörig — völlig zerstört war und, 
wie ich meine, durch das Auswaschen und Aufhellen auch der 
Detritus entfernt war. Dafür war das gröbere Netz, wie auch 
die Ganglienzellen mit ihren stärkeren Fortsätzen tief blau 
gefärbt und sehr deutlich. Die Neuroglia war zwar blass, doch 
immerhin gut gefärbt (Fig. 2) und unterschied sich auf diese 
Weise gut vom nervösen Gewebe. 


Ich würde für die Zukunft diese verschiedengradige Wirkung 
des Methylenblaus auf das Rückenmark zur Berücksichtigung 
empfehlen, denn jede Färbungsstufe liefert etwas, was in der 
anderen nicht so deutlich zur Darstellung gelangt. 


Kontinuität des Nervensystemes. 213 


Bevor ich auf die so gewonnenen Ergebnisse eingehen 
möchte, will ich nur einiges aus meinen früheren Befunden hier 
anführen. 


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Wie ich es feststellte (16) — wobei die Tragweite dieses 


Ergebnisses weder durch Edinger (5) noch durch Kolmer (23) 
und Tretjakoff auch im entferntesten erkannt wurde, denn 


214 Bartlanller: 


sie nahmen gar keine Kenntnis davon — gruppieren sich die 
Ganglienzellen im Rückenmark der Fische ursprünglich nach den 
Dorsal-, Lateral- und Ventralsträngen. Geht die ursprüngliche 
Gliederung dann auch im Laufe der Phylogenese mehr weniger 
verloren, so lässt sich bei dem Ammocoetes stellenweise das 
noch ursprüngliche Verhalten feststellen. Entsprechend den drei 
Stranggebieten befinden sich auf jeder Seite zwischen anderen 
Ganglienzellen je drei grosse Zellen oder beziehentlich des 
ventralen sogar mehrere. Dieses Verhalten zeigt sich im vordersten, 
hinter der Oblongata gelegenen Markteil und erhält sich in der 
Oblongata, obgleich hier wie auch weiter kaudalwärts durch die 
vielen kleinen Ganglienzellen es mehr weniger verschleiert, ja 
sogar verwischt wird. Kommt dieses Verhalten dann bei höheren 
Ichthyden auch weniger zum Ausdruck als bei dem Ammocoetes 
(Textfig. 1A), so ist es bei manchen Formen unter ihnen wenigstens 
stellenweise durch die Anordnung der Zellen zu erkennen, ob- 
gleich die mächtigen Zellen fehlen (B). Hauptsächlich in der 
Übereinanderlagerung sowie der regelmässigen Längsanordnung, 
jedesmal in gleichen Abständen nämlich, gelangen die Lateral- 
zellen (lz) zur deutlichen Wahrnehmung. 

Anknüpfend an diese Tatsache hatte ich dann in meiner 
Hirnarbeit folgendes gesagt: „Aus den Verhältnissen der meisten 
bilateralsymmetrischen Evertebraten, aber auch aus gewissen 
Einrichtungen des Wirbeltiermarkes können wir schliessen, dass 
zu Beginn bei den Vertebraten jederseits nicht zwei, sondern 
drei Nervenwurzeln das Rückenmark verliessen. Es waren dies 
eine dorsale, eine mediale und eine ventrale Wurzel. Obgleich 
die graue Substanz sich in bestimmter Weise in ein Ober- 
und Unterhorn gliedert, so ist doch anzunehmen, dass auch 
ein mittlerer Teil besteht, der im oberen, dem Zentralkanal 
genäherten Abschnitt des Unterhorns seinen Sitz hat. Dies lässt 
sich schon daraus schliessen, dass hauptsächlich aus diesem 
Abschnitt die lateralen Teile der weissen Substanz sich konstruieren 
und somit hätten wir im Rückenmark drei Zentren vor uns: 
Ein ventrales, ein mittleres und ein dorsales“ (16, 5.379). 

In meiner Rückenmarksarbeit habe ich vier Jahre vorher 
mit dem Golgischen technischen Verfahren festgestellt, dass 
ausser dem zentralen Nervennetze in der grauen Substanz noch 
ein dickmaschigeres, gröberes Netz auch in der weissen Substanz 


Kontinuität des Nervensystemes. 215 


besteht, dass dort die Längsfasern von diesem Netze völlig um- 
sponnen werden und dass in dieses Netz sich nicht nur viele 
Netzfortsätze (Dendriten) auflösen, sondern auch sogenannte 
Collaterale von Achsenzylindern ihr Ende finden. Auf die Einzel- 
heiten möchte ich hier weiter nicht eingehen, sondern möge 
bezüglich derselben sowie der Abbildungen auf jene Arbeit ver- 
wiesen werden und möchte hier aus jener Arbeit nur das noch 
anführen, woran in vorliegender Arbeit angeknüpft werden soll. 
Ich sagte dort (14, S. 102): „In sehr vielen Fällen hört die 
markhaltige Längsfaser, wenigstens in den Lateralsträngen, noch 
innerhalb der Stränge, und zwar auf verhältnismässig sehr kurze 
Distanz von ihrem Ursprunge, morphologisch auf zu bestehen, 
physiologisch wird jedoch die Leitungsbahn nicht unterbrochen, 
indem das Ende der sehr verdünnten Längsfaser (s. Textfig. 2A, vb) 
sich mit einer andern kräftigen Faser direkt verbindet. Diese 
letzte Faser (p) setzt sich zwar als solche fort (q), doch geht 
sie dadurch, dass der Fortsatz einer Ganglienzelle (2) sich mit 
ihr vereinigt, eine Beziehung mit jener solchen ein. In dem 
speziellen Falle würden zwar die Längsfasern mit jener Ganglien- 
zelle, aus der sie ihren Ursprung nehmen (1), aufhören, natürlich 
abgesehen davon, dass jene Ganglienzelle durch ihre feinsten 
Netzfortsätze mit einer feinen Längsfaser (r) in Zusammenhang 
steht. Andererseits habe ich aber auch vielfach Bilder erhalten, 
die insofern für einen physiologischen Weitererhalt der Längsfaser 
einstehen, als ein anderer starker Fortsatz einer gleichen Ganglien- 
zelle in entgegengesetzter Richtung sich als Längsfaser erstreckt. 
In solchen Fällen sind es hauptsächlich Ganglienzellen mit dicho- 
tomisch sich teilenden Fortsätzen, welche diesen Zusammenhang 
zwischen Längsfasern vermitteln und dadurch eine kontinuierliche 
Nervenleitung unter gewissen physiologischen Umständen möglich 
machen. Wir können das auch so ausdrücken, dass zwei (manch- 
mal einseitig auch mehr) in entgegengesetzter Richtung ver- 
laufende Fortsätze einer Ganglienzelle mit entgegenkommendem 
gleichem Fortsatze (oder Fortsätzen) einer andern (oder anderer) 
Ganglienzelle in Verbindung treten. Dieses tut auch der ent- 
gegengesetzt verlaufende Fortsatz letzterer Zelle, sodass durch 
Vermittlung von Ganglienzellen eine längs des Rückenmarkes 
verlaufende physiologische Längsbahn hergestellt wird. Diese 
kurzen Längsbahnen zwischen Ganglienzellen scheinen sich in den 


216 B. Haller: 


meisten Fällen bloss auf die Distanz zwischen zwei Nervenwurzeln 
zu erstrecken, was freilich, wie aus den Abbildungen hervorgeht, 
nicht ganz schematisch zu fassen ist. Sie geben dann durch ihre 
peripheren Collateralen vielfach peripheren Achsenzylindern den 
Ursprung oder treten dann mit andern Collateralen, die teils in 
dem Nervennetze der weissen Substanz, teils in jenem der grauen 
sich verästeln, mit dem Nervennetz vielfach in Verbindung. Sie 
können aber in gewissen Fällen auch mit der anderseitigen 
Rückenmarkshälfte durch ihre kommissuralen Fasern in Ver- 
bindung treten, und zwar sowohl mit dem Nervennetze, als auch 
mit andern Achsenzylindern und in selteneren Fällen sogar mit 
Ganglienzellen, denn was wir von den in die unteren Nerven 
austretenden Achsenzylindern wissen, wird naturgemäss auch für 
die Längsfasern Geltung haben, da in vielen Fällen letztere zu 
Wurzelfasern werden. 

In vielen Fällen werden die Enden der Längsfasern zu 
peripheren Achsenzylindern, wie viele ihrer Collateralen, doch 
aller Wahrscheinlichkeit nach, wofür auch Beobachtungen vor- 
liegen, werden sich solche Enden von Längsfasern auch in das 
Nervennetz auflösen, wie viele ihrer Collateralen. Es können 
sich aber andererseits, wie hierfür vielfach physiologische und 
pathologische Beobachtungen eintreten, solche kettenförmige 
Verbindungen auch bis in das Gehirn erstrecken. Jedenfalls 
repräsentieren solche Züge der lateralen Stränge kurze Bahnen. 

Meine Beobachtungen sind nicht hinreichend, um den Satz 
aussprechen zu dürfen, dass in den Lateralsträngen ausschliesslich 
kurze Bahnen sich vorfinden, doch halte ich sie für hinreichend, 
um das hauptsächliche Vorkommen solcher in diesen 
Strängen zu behaupten.“ Denn wie ich jetzt hinzufügen 
möchte, habe ich solche kurze Bahnen in den Ventralsträngen 
auch neuerdings nicht feststellen können, wobei ich aber durchaus 
nicht behaupten will, dass hier die Längsfasern durch Äste mit 
dem Nervennetz nicht in Verbindung treten würden, im Gegen- 
teil, ich besitze dafür genug Belege und hierfür ist das lehr- 
reichste Beispiel die Mauthnersche Faser der Knochenfische. 

Schon in meiner angeführten Rückenmarksarbeit konnte ich 
durch das Golgische Verfahren feststellen, dass dickere, dann 
aber hauptsächlich feinste Äste der Mauthnerschen Fasern 
(l.c., S. 483) im anliegenden Nervennetze sich auflösen. Die 


Kontinuität des Nervensystemes. 217 


A — Kopie aus einer Abbildung (Fig. 31) meiner Rückenmarksarbeit, kurze 

Längsbahnen im Lateralstrange (ls) eine Forelle nach dem Golgischen 

Verfahren darstellend. Is — Lateralstrang, gs — graue Substanz; nw — 

Nervenwurzel. B — Horizontaler Längsschnitt tiefer ventralwärts und bei 
schwächerer Vergrösserung. 


>18 15, eballıl en: 


Mauthnersche Faser entspringt ja bekanntlich aus je einer 
erossen Ganglienzelle im Gehörgebiet des Hirnbodens, welche 
Zelle mit dem statischen Abschnitte des Gehörorganes direkt in 
Beziehung steht und löst sich dann am Ende des Rückenmarkes 
in Endäste auf, die als periphere Fasern zur Innervierung der 
Schwanzflossenmuskulatur dienen. Mit diesen Endästen haben 
die obenerwähnten (l. e., Fig. 30 f) nichts zu tun. 


War nun dieser Befund auch ein Beweis dafür, dass selbst 
eine so unendlich lange Längsbahn wie die Mauthnersche 
Faser ist, mit dem gesamten Rückenmark durch gröbere und 
zarte Äste zusammenhängt, so ist der neuerlich gemachte und 
hier mitzuteilende ein noch schlagenderer Beweis dafür. Mich 
selbst, der ich ja von Anfang an ein „eifriger Vertreter der 
Kontinuitätslehre“ bin und mir das Recht, für deren Begründer 
zu gelten, wohl allein in Anspruch nehmen darf, hat sehr über- 
rascht, als ich an entsprechend dicken horizontalen Längsschnitten 
des Karpfenrückenmarkes, das 2'/s Stunden in Methylenblau ge- 
legen hatte, und an welchen Schnitten die starken Längsfasern 
rotviolett gefärbt sind, eine reiche und durchaus grobe Ver- 
ästelung an den Mauthnerschen Fasern sah. Auf Textfig. 3 
sind diese Verhältnisse genauestens mit Hilfe der Camera ge- 
zeichnet worden. Von dem einen Schnitt (A) habe ich auf kurze 
Strecke beide Fasern gezeichnet, von einem vorhergehenden nur 
die rechte Faser (B). Fs war letzteres eine Stelle hinter der 
vorigen, so dass die mit dem Stern bezeichneten Stellen an- 
einanderstossen würden. 


An dem einen Schnitt gab nach innen zu die linke 
Mauthnersche Faser fest beisammenliegend sechs ansehnlich 
dicke Äste ab, die kurz abgeschnitten waren. Etwas weiter nach 
kaudalwärts zu liess sie aus sich sowohl nach innen als auch nach 
aussen zu je einen Ast abtreten, von denen der innere schwach 
war, der äussere aber recht kräftig; sein Verhalten konnte auf 
einem nächstfolgenden ventralen Schnitte festgestellt werden und 
wurde dann auf diese Weise eingetragen. Er bog nach innen, 
kreuzte auf diese Weise die Hauptfaser und zog in medianer 
Lage von dieser kopfwärts. Schon vorher hatte dieser Ast einen 
Nebenast abgegeben und teilte sich später in zwei Äste. Von 
diesen gab der eine einen Nebenast ab und beide stärkeren 


Kontinuität des Nervensystemes. 219 


Äste verdünnten sich in der Weise, dass ich annehmen muss, 
sie verästeln sich im Ventralstrange. 

Die rechtsseitige Mauthnersche Faser war kopfwärts zu 
etwas eingeengt, verbreiterte sich dann aber und gab an dieser 
Stelle je zwei innere und zwei äussere Äste ab, wobei der 
vordere dieser sich gabelte, sie aber insgesamt abgeschnitten 
waren. Kurz vor dieser Stelle, nach kopfwärts zu (B), war 
diese Mauthnersche Faser etwas verdickt und gab hier zwei 
Äste ab. Der eine dieser zog nach vorne und war bis zu der 
Stelle, wo er abgeschnitten ward, unverästelt. Der andere mehr 
vordere Ast zerfiel buschförmig in sechs Nebenäste, von denen 
sich mehrere gabelten, dann aber abgeschnitten waren. Der 
äussere Ast, nach dem Ventralhorne zu ziehend, teilte sich gleich- 
falls in zwei Nebenäste, von denen der eine in die Nähe einer 
grösseren Ganglienzelle gelangte und dort abgestutzt endete. 
Einen Zusammenhang mit der Ganglienzelle konnte ich aber 
auch diesmal nicht feststellen. 


Ausser diesen ansehnlichen Ästen haben die Mauthnerschen 
Fasern noch zahlreiche andere feinste Äste, wie dies schon früher 
mitgeteilt ward, die, nachdem sie die Markscheide durchsetzt, 
mit dem Nervennetz der weissen Substanz zusammenhängen. 
Sehr wahrscheinlich tun das zum Schlusse auch die breiten Äste, 
denn einen Zusammenhang ihrerseits mit Ganglienzellen im 
Rückenmarke habe ich nie feststellen können. 


Die Stelle der beschriebenen Verästelung war weit entfernt 
von dem kaudalen Ende des Rückenmarkes, etwa in halber 
Rückenmarkslänge, und zogen die beiden Stammfasern einheitlich 
und stellenweise ganz glattrandig noch eine lange Strecke dahin, 
so dass es sich kaum um die Endverästelung handeln kann. 


Soviel zugunsten einer innigen Verbindung und nun mögen 
die Lateralstränge Berücksichtigung finden, die ich damals 
ja hauptsächlich verfolgt habe. 


Im möchte hier wieder mit der Beschreibung der gröberen 
Fasern beginnen, von denen ja eine Gruppe auch dorsalwärts in 
der Nähe der Dorsalstränge lagert (14, Fig. 90), und zwar mit 
den Beobachtungen von solchen Präparaten, an denen nach 
2!/astündigem Liegen in Methylenblau die dicken Längsfasern 
rosaviolett gefärbt sind. 


220 B. Haller: 


Auf Fig. 4 sind auf einer kurzen Strecke drei neben- 
einander verlaufende, zu einander parallel gelagerte, markhaltige 
Fasern im Lateralstrange dargestellt, die zahlreiche umscheidete 
Collateraläste besitzen. Die meisten dieser Äste waren bald nach 
ihrem Abgange durchschnitten oder konnten wegen ungünstiger 


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Fig. 3. 


Cyprinus carp. juv. A die beiden Mauthnerschen Fasern; B nur 
die rechte und zwar von einem vorhergehenden (dorsalen) Schnitte. 
Ganglienzelle. Verg.3:6 Reichert. 


g2 — 


Lagerung nicht mit Sicherheit auf ihr weiteres Verhalten ver- 
folgt werden. Stellenweise liess sich jedoch wenigstens ihr nächstes 
Verhalten nach der Abzweigung vom Hauptstamm feststellen. 
So ein Verhalten zeigt auf der Abbildung der Ast zwischen der 
mittleren und der einen seitlichen Hauptfaser. Der auf dem 


Kontinuität des Nervensystemes. 221 


Schnitte gut erhaltene Ast der mittleren Faser zieht kaudalwärts 
zu, teilt sich dann in zwei Nebenäste, und während dann der 
eine in der gleichen Richtung hinzieht, dabei zum Schlusse 
durchschnitten wird, vereinigt sich der andere Nebenast mit einem 
Aste der lateralwärtigen Faser (v) zu einem gemeinsamen Stamm. 
Dieser ist etwa von gleicher Breite wie die ihn konstruierenden 
Nebenäste. Da diese Faser nach einigem Verlaufe zerschnitten 
war, die folgenden Schnitte aber diese Faser mit Bestimmtheit 
nicht wieder auffinden liessen, blieb mir ihr Endverhalten un- 
bekannt. 

Solche Verbindungen zwischen zu einander parallel ver- 
laufenden breiten markhaltigen Fasern habe ich auf meinen 
Schnittserien recht oft festzustellen vermocht, sie sind so deutlich, 
dass ein Irrtum ausgeschlossen ist. 

Die Fig. 5 stellt eine der mächtigsten Längsfasern des 
Lateralstranges dar (n), der an einer verdickten Stelle zwei 
Äste, dann aber noch einen weiteren markhaltigen Ast abgab 
und endlich sich gabelte. Es zerfiel somit die mächtige mark- 
haltige Längsfaser in eine grössere Zahl schmälerer, doch immer- 
hin markhaltiger Längsfasern. Solch ein Verhalten ist mir indessen 
nicht neu und ich habe ähnliches früher auch nach Karmin- 
präparaten gezeichnet (14), freilich war das Verhalten nicht so 
deutlich, wie nach Methylenblaupräparaten. 

Es entstehen die Haupt-Längsfasern der Lateralstränge aus 
Fortsätzen von Ganglienzellen auf sehr verschiedene Weise, und 
schon in meiner Rückenmarksarbeit habe ich Fälle nach dem 
Golgischen Verfahren beschrieben und abgebildet (Fig. 27, 9: 
32, 12; 31, 3, 10), in denen aus einer Ganglienzelle ein ganz 
kurzer, nach der „Vorschrift“ als „feiner Nervenfortsatz“ oder 
Achsenzylinder abgehender Fortsatz sich plötzlich verdickend in 
zwei nach entgegengesetzter Richtung horizontal auslaufende 
Äste zerfiel, die ihre Orientierung der Körperlängsachse nach 
hatten. Ein ähnliches, jetzt mit der vitalen Methylenblaufärbung 
dargestelltes Verhalten ist nach zwei aufeinander folgenden 
Schnitten auf Fig. 3 dargestellt worden. Auf dem einen Schnitt 
ist ein spiralig einmal gewundener kurzer Fortsatz vorhanden, 
der sich in zwei mächtige, breitere Fasern als er ist, teilt. Der 
eine dieser Fortsätze (f‘) zieht im Lateralstrange als markhaltige 
Faser nach kopfwärts zu, in die graue Substanz einen feinen 


>22 B. Haller: 


Collateralast abgebend. Der entgegengesetzte Fortsatz (f) konnte 
auf demselben Schnitt seiner ganzen Länge nach verfolgt werden; 
er gab viele feine Äste sowohl in die graue Substanz als auch 
in den Lateralstrang ab und zerfiel zum Schlusse in zwei dicke 
Endäste. die in die graue Substanz einbiegend, sich dort weiter 
verästelten. Es erinnerte dieser Fortsatz an Fortsätze, wie sie 
für höhere Würmer und Arthropoden vielfach beschrieben wurden. 
Er war markhaltig. 

Das merkwürdigste an diesem aber war, dass sich mit ihm 
eine kleinere Ganglienzelle (b), die auch im Lateralstrang 
liegt, verbindet. Ein feiner Fortsatz dieser Ganglienzelle ver- 
diekt sich alsbald zu einer dickeren Faser, die oben mit dem 
starken horizontal hinziehenden Fortsatz zusammenhängt. 

Schon auf dem Schnitte. von dem das eben Beschriebene 
herrührt, ist in der nächsten Nähe des spiralig gewundenen 
Fortsatzes in der grauen Substanz eine grössere Ganglienzelle, 
ohne dass ein Zusammenhang zwischen ersterem und dieser zu 
erkennen gewesen wäre. Auf dem nächstfolgenden Schnitte der 
Serie war die Zelle (a) so getroffen, dass auch ihr Kern zur 
Beobachtung gelangte. Von der dicken Spiralfaser hing die innere 
Windung deutlich durch einen dünnen Abschnitt mit der Ganglien- 
zelle zusammen. 

Ähnliche Verhältnisse finden sich auch bei geringeren Achsen- 
zylindern, sofern sie ganz nahe an der grauen Substanz gelegen 
sind. Auch dort (Fig. 7, 10) können Ganglienzellen einen kurzen 
sogenannten Nervenfortsatz abgeben. der gleich von seinem 
Beeinn an die Markscheide besitzen kann (Fig. 6) und der sich 
dann fast plötzlich verdickend in dem Lateralstrange in zwei Äste 
teilt. Es können mehrere solcher Zellen neben- oder hinter- 
einander lagern und die Fortsätze im ersten Falle dann so 
abgehen, dass die beiden Äste in dem Lateralstrange mit den 
gleichen der anderen Zellen parallel verlaufen. Vielfach habe 
ich beobachtet, dass der eine der Teiläste, mag derselbe nach 
kopf- oder schwanzwärts ziehen, nach kurzem Verlaufe zu einer 
völligen Verästelung in dem Lateralstrange gelangt und in dem 
abgebildeten Falle waren es immer die nach gleicher Richtung 
hinziehenden, die sich so verhielten. Über das Verhalten des 
anderen Astes gibt eine andere Beobachtung Aufschluss. Vielfach 
liegt nämlich ein Teil der Ganglienzelle des lateralen Gebietes, 


Kontinuität des Nervensystemes. 223 
bei manchen Formen wenigstens, wie ich das für die Forelle, 
den Karpfen (14), Hecht (15) und die Pteetogmathen (13) seiner- 
zeit beschrieben habe, regelrecht übereinander (Textfig. 1 B,1z), 
oft aber auch in gleichen Zwischenstellen nebeneinander, wie 
darüber am besten die drei Zellen b, c, d auf Fig. S berichten. 
Ist eine solche Zelle dann in der nächsten Nähe einer Nerven- 
wurzel (Fig. Sa), so gelangt, nachdem sein sogenannter Nerven- 
fortsatz zuvor verdickend sich bis in den Lateralstrang begab, 
der Fortsatz zur Zweiteilung (f‘“‘) und während der eine Teilungs- 
ast sich im Lateralstrang verästelt, wird der andere zu einer 
peripheren Wurzelfaser. Solche Ganglienzellen können aber auch 
tiefer medianwärts liegen (b, c, d) und dann habe ich beobachtet, 
dass der sogenannte Nervenfortsatz bis in den Lateralstrang 
hinein dünn bleibt, dabei öfter schlängelnd verläuft — in manchen 
Fällen sogar selbst noch in dem Lateralstrange, — bis er dann 
zur T-förmigen Teilung gelangt. Dabei sind die Teiläste jedes- 
mal dicker als der Hauptast. 

Freilich aus dem oben beschriebenen Falle, in dem (a) eben 
der eine Gabelast zur Wurzelfaser wird, ‘schliessen zu wollen, 
dass jedesmal gleiches mit dem einen Gabelast geschieht, obgleich 
es sich oft so verhält, wäre irrig. Allerdings habe ich ähnliches 
öfter beobachtet (f, f‘, f‘), doch konnte in vielen Fällen auch 
erkannt werden, dass sogar noch ein dritter, der Körperlänge 
nach gerichteter Ast abging, dessen Endverhalten mir freilich 
unbekannt blieb. Ich habe sogar Längsfasern in dem Lateral- 
strange beobachtet (v), die, nachdem die Collateraläste abgegeben, 
unter der Nervenwurzel weiterzogen, ohne dass es freilich er- 
mittelt werden konnte, was mit ihnen nachher geschah. 

Dann gibt es noch Zellen mit nach dem Lateralstrang zu 
gerichtetem Hauptfortsatz — und solche habe ich früher auch 
schon beschrieben —, der sich zwar auch T-förmig teilt, aber 
für gewöhnlich kurz und dick ist (Textfig. 2 B, b) und beide 
langen Teiläste sich völlig verzweigen, wobei freilich öfter dünne 
Achsenzylinder von ihnen zu Wurzelfasern werden können. Diese 
Zellen unterscheiden sich aber durch die Dicke ihrer betreffenden 
Hauptfortsätze sowohl von jenen oben beschriebenen (a), als auch 
von anderen mit kürzeren Lateraldendriten (ce). 

Jener Fall also, wo der eine Teilast zur peripheren Faser 
wird, gilt somit nur für gewisse Zellen. Und darum möchte ich 


224 B. Haller: 


dasjenige in Erinnerung bringen, was ich in meiner Rückenmarks- 
arbeit mitgeteilt habe und damit im Zusammenhange folgende 
Punkte betonen: 

1. Viele der sogenannten Nerven-, oder besser Achsen- 
zylinderfortsätze, gelangen nach Abgabe von Collateralen 
als periphere Fasern direkt in den abgehenden Nerven- 
stamm (Fig. Sa) oder sie können zu Längsfasern im 
Lateralstrang werden, die dann nach einigem Verlaufe 
in eine Nervenwurzel eintreten (f, f‘), jedesmal aber geben 
sie Uollateraläste ab, die zumeist im groben Nervennetz 
des Lateralstranges oder in dem Gresamtnetze der grauen 
Substanz sich auflösen. 

2. Solche Ootlateralen, wie auch T-förmig geteilte Neben- 
äste, vielfach mächtige Markfasern (Fig. 3), treten aber 
auch mit anderen Ganglienzellen, die weiter nach kopf- 
oder kaudalwärts gelegen sind, in direkte Verbindung 
(Textfig. 2A), wodurch die kurzen Bahnen des 
Lateralstranges gebildet werden. Solche kurze Bahnen 
können aber aus sich noch mehrere in eine Nerven- 
wurzel tretende Achsenfasern abgeben, worüber meine 
tückenmarksarbeit (14) weitere Aufschlüsse erteilt. 

3. Eine solche kurze Bahn ist ursprünglich eine lange Ver- 
bindung, Anastomose, zwischen zwei oder vielleicht auch 
mehreren Zellen. 

Bei all dem können sich aber sehr viele Modifikationen 
einstellen, bezüglich derer ich wieder auf meine Rückenmarks- 
arbeit verweisen muss. Immerhin gelangte ich abermals zu 
demselben Ergebnisse, zu dem ich schon vor 27 Jahren gelangt 
war (10), dass es nämlich im Zentralnervensystem dreierlei Ver- 
hältnisse der Ganglienzellfortsätze gibt — gilt es ja auch für 
periphere Teile —, denn entweder verbindet ein solcher Fort- 
satz eine Ganglienzelle mit einer andern (Kommissuralfortsatz), 
oder er löst sich im zentralen Nervennetz auf (Netzfortsatz), 
insofern er nicht zu einer peripheren Wurzelfaser (Achsen- 
zylinder) wird. 

Weiter sind wir somit auch nach 27 Jahren nicht gekommen, 
denn mit diesen drei Fällen hört eben jede andere Möglichkeit 
auf. An keiner Ganglienzelle finden wir anderes, mag sie noch 
so spezialisiert sein, wobei selbstverständlich, wie ich das seiner- 


Kontinuität des Nervensystemes. 225 


zeit für die rhipidoglossen Schnecken festgestellt habe, es auch 
solche Zellen gibt, die nur Netzfortsätze oder sogenannte Dendriten 
besitzen, oder bestimmter ausgedrückt, weder eine Achsenfaser 
abgeben, noch eine direkte Verbindung mit einer anderen Zelle 
eingehen. 

Damit wären wir angelangt an die direkten Verbindungen 
zwischen Ganglienzelle und Ganglienzelle, die zuerst durch Georg 
Walter (35) ausführlich geschildert wurden.!) Solche habe ich 
in meinen sämtlichen Nervenarbeiten soviele angeführt und ge- 
zeichnet, wie sonst kaum jemand, und wenn ich hier trotzdem noch 
einmal auf diese zu sprechen komme, so hat das einen ganz 
besonderen Grund. 

Es ist nämlich Tatsache, dass solche scheinbar wenigstens 
bei den Neochordaten oder Wirbeltieren seltener sind als 
bei Achordaten, doch muss gleichzeitig betont werden, dass 
dies durchaus nicht als Gegensatz gelten kann, da es auch 
Achordaten gibt, die ähnliches aufweisen. So z. B. sind solche 
Verbindungen in den Fusssträngen der Chitonen und anderer 
niederer Kiemenschnecken sehr häufig, im konzentrierten Zentral- 
nervensystem der Lungen- und Hinterkiemenschnecken dagegen 
geradezu Seltenheiten, und gleiche Zustände finden sich ja auch 
unter den Würmern. 

Ich habe mich über die Erklärung dieser Tatsache für die 
Achordaten seinerzeit ausführlicher eingelassen (11), als dass ich 
hier nochmals darauf einzugehen für nötig halten müsste. Hier 
will ich mich darum diesbezüglich nur mit den Neochordaten 
befassen und zwar gleich mit den Zuständen der Knochenfische. 

Ich habe, wie schon erwähnt, bei Ptectognathen und anderen 
Knochenfischen, dann aber auch bei den Selachiern vielfach direkte 
kurze Verbindungen zwischen Ganglienzellen beschrieben und ab- 
gebildet, doch erschienen mir diese stets glatt, was wohl öfter 
der Fall ist, vielfach aber auch durch die einfache Karmintinktion 

1) Ich ‚möchte hier, wie ich es vor vielen Jahren schon getan, darauf 
hinweisen, dass bereits 1863, also acht Jahre bevor die Kontinuität durch 
J. Gerlach gefunden ward, Walter eine Menge von direkten Anastomosen 
zwischen Ganglienzellen des Zentralnervensystems von Hirudo, Lumbricus, 
Limneus und Helix, und auch direkte Ursprünge peripherer Nerven aus 
Ganglienzellen beschrieben hat. Es wird sein wertvolles Werk stets als ein 


Grundstein für die Kontinuitätslehre gelten und darf auf keinen Fall in 


Vergessenheit geraten. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 15 


226 B. Haller: 


so dargestellt sein dürfte. Erst in meiner Rückenmarksarbeit 
habe ich vermittelst des Golgischen Verfahrens ganz kurze Ver- 
bindungen zwischen zwei Ganglienzellen gesehen und abgebildet 
(14, Fig. 19), aus denen noch Nervenfasern abzweigen, die dann 
im zentralen Nervennetz sich in irgend einer Weise auflösen. 
Ähnliche direkte Verbindungen zwischen Zelle und Zelle sind dann 
in letzter Zeit auch durch Caparelli und Polara (2) im 
Rückenmark der Säugetiere gefunden worden und mir gelang 
es, solche sogar in der Grosshirnrinde des Marders (19) zu finden. 

Bei meinen letzten Beobachtungen an Methylenblaupräparaten 
habe ich fast immer feststellen können, dass die kurzen Ver- 
bindungen zwischen Ganglienzellen, mögen sie breit (Fig. Sh) 
oder schmal (g und Fig. 9) sein, stets gröbere oder feinere Äste 
aus sich abgeben, die dann im sogenannten pericellulären Nerven- 
netz sich auflösten. In manchen Fällen, wenn nämlich solche 
Verbindungen zwischen zwei Zellen in der Mehrzahl auftraten 
(Fig. Sj) und dabei fein waren, liess ihre Zugehörigkeit zum 
Nervennetz nicht den geringsten Zweifel aufkommen. Wenn 
man aber dann die Rückenmarksstücke lange im Methylenblau 
liegen lässt, etwa bis sechs Stunden, so wird das feine zentrale 
Nervennetz, wie schon erwähnt, zerstört und erhält sich bloss 
das gröbere bei sehr intensiver Färbung, doch vielfach auch nicht 
im Zusammenhange. Um die Zellen findet sich dann gewöhn- 
lich ein gewebsfreier Hof (Fig. 2, die zweite Zelle von links). 
Man sieht dann solche Verbindungen zwischen Zelle und Zelle 
deutlicher, da eben vieles andere, was sie einigermassen als solche 
unkenntlich machen würde, zerstört ist. Aus so einem Schnitte 
habe ich vier Zellen abgebildet (Fig. 2), wobei ich das jetzt 
deutlich blassblaue Neuroglianetz (ng) bei zwei Zellen wegliess. 
Auf dem Neuroglianetz, das um jede wenigstens grössere Zelle 
sich deutlich verdichtend ein Fachwerk bildet, hebt sich das rein 
nervöse deutlich ab und da war dann recht gut zu erkennen, 
dass das, was bei mangelhafter Erhaltung des geröberen Nerven- 
netzes als eine direkte Anastomose zwischen zwei Zellen sich 
darstellt (v), bei gutem Erhalt jenes Netzes bloss ein Teil jenes 
Netzes (nn) war. Es könnte allerdings die abgebildete längere 
Verbindung zwischen den zwei anderen Zellen (v‘) auch als ein 
direkter Verbindungsfortsatz gelten, gleichzeitig aber uur als 
Teil jenes gröberen Nervennetzes. 


Kontinuität des Nervensystemes, 227 


Damit scheint mir eine Erklärung für das scheinbar so 
‚häufige Fehlen direkter kurzer Verbindungen zwischen den 
Ganglienzellen der Neochordaten gegeben: es haben sich 
diese Verbindungen zum grössten Teil in das 
gröbere Nervennetz aufgelöst. Darum besteht dies- 
bezüglich kein Gegensatz, sondern bloss eine Modifikation. 

Es ist vielfach in den letzten Jahren, nachdem von mancher 
Seite das Vorhandensein des zentralen Nervennetzes wenigstens 
stellenweise anerkannt wird und damit mancher Anhänger der 
Neuronentheorie in unser Lager, in jenes der Vertreter der 
Kontinuität nämlich, herüberkam, mancher Saulus zum Paulus 
wurde, die Behauptung aufgestellt worden, es bestünde um 
jede Ganglienzelle herum ein feines, in sich geschlossenes 
Nervennetz, das pericelluläre Netz. Es ist dies indessen, wie 
in manchen andern Fällen, nur ein teilweises Erkenntnis des 
Tatsächlichen und scheint mir auf einem besonderen Umstand 
zu beruhen. Ich habe nämlich auch die Erfahrung gemacht, 
dass, im Falle das feinere Netz zerstört wurde, um die grösseren 
Ganglienzellen wenigstens ein pericellulärer Raum oder Hof stets 
übrig bleibt oder falls etwa durch gewisse Tinktionen das Nerven- 
netz sich nicht färbt, dieser Hof sich gleichfalls zu erkennen gibt. 
Es bildet eben das Neuroglianetz um die Zelle herum durch 
Verdichtung eine Umhüllung und falls die Zellen auf Schnitten 
durch Pinseln etwa entfernt wurden, erscheinen ihre leeren 
Stellen geradezu als ein Fachwerk und es wäre da wohl möglich, 
dass öfters diese Begrenzung auch für eine des zentralen Nerven- 
netzes gehalten wurde. 

Wie ich schon erwähnt habe, gelangt die Neuroglia an 
Methylenpräparaten, die kürzere Zeit der Einwirkung dieses 
heagenses ausgesetzt waren, nicht zur deutlichen Durchfärbung 
und darum kann an solchen Schnitten eben beschriebenes Ver- 
halten nicht gesehen werden (Fig. 1). Dann kann nur das 
gröbere Nervennetz (nn) der stärkeren Netzfortsätze und 
ein die Maschenräume dieses Netzes ausfüllendes mit ihm innig 
zusammenhängendes, ungemein feines Nervennetz (fn) ge- 
sehen werden, welches aber von den vielen allerzartesten Fort- 
sätzen der Ganglienzellen und solchen des gröberen Netzes 
gebildet wird. Es sind dies Zustände, die ich schon vor fünf- 
zehn Jahren für die Knochenfische nach Osmium-Karminschnitten 

15* 


228 B. Haller: 


beschrieben und auch abgebildet habe (14, Fig. 21). Freilich 
war das Bild nie so schön wie nach vitaler Methylenblaufärbung, 
doch immerhin deutlich genug, um von gewissen Seiten meine 
Befunde nicht totgeschwiegen und dann nach eigenen Unter- 
suchungen beschrieben zu werden. 

Ich kann somit auch heute kein in sich abgeschlossenes 
pericelluläres Netz sehen, sondern um die Zellen herum 
das feine zentrale Nervennetz, das in das übrige 
feine Nervennetz der grauen Substanz sich konti- 
nuierlich fortsetzt. Dass ferner das gröbere Nervennetz 
der grauen Substanz sich auch in die weisse Substanz fortsetzt 
und dort die Nervenfasern geradezu umspinnt, habe ich nach 
dem Golgischen Verfahren schon in meiner Rückenmarks- 
arbeit beschrieben und vielfach abgebildet (l. ec. Fig. 10, 17, 
20, 22, 29, 30). Es wird dieses Nervennetz, das sich bis an die 
äusserste Peripherie des Rückenmarkes erstreckt, nicht nur von 
Collateralen der markhaltigen Längsfasern, sondern von zahl- 
reichen Nervennetzfortsätzen der Ganglienzellen gebildet, von 
denen manche sehr kräftige öfter, wie ich es schon früher be- 
schrieben und abgebildet habe, und welcher Befund bei Ammo- 
coetes auch durch Tretjakoff Bestätigung fand, sich erst an 
der Peripherie des Rückenmarkes verzweigen (Fig. Se). 

Was ich hier also gebracht. ist weiter nichts als eine Be- 
stätigung und Bekräftigung meiner seit 27 Jahren vertretenen 
Behauptung, dass das Zentralnervensystem ein in sich 
völlig geschlossenes Ganzes bildet, womit die Neuronen- 
theorie widerlegt wird. 

Hier möchte ich mich noch bezüglich eines Punktes, der 
mir seinerzeit schon vorgehalten ward, äussern. Ich könnte, 
sagte Van Gehuchten, keinen „Nervenfortsatz“ von einem 
„Dendriten“ unterscheiden. Wenn wir nach der Vorschrift an- 
nehmen, dass der „Nervenfortsatz“ im Gegensatz zum „Dendriten“ 
jedesmal als schlanker Fortsatz, gewöhnlich von einem kleinen 
Hügelchen an der Ganglienzelle abgeht. dem gegenüber der 
„Dendrit“ einen dicken Fortsatz vorstellt, dann mag Van 
Gehuchten in manchen Fällen meiner Angaben wohl Recht 
haben. So z. B. bei dem von mir als peripherer Achsenzylinder 
gedeuteten Fortsatz auf Fig. 32, 2 in meiner Rückenmarksarbeit, 
doch lässt sich damit die Tatsache, dass diese in eine Nerven- 


[5] 


Kontinuität des Nervensystemes. 29 
wurzel einbiegende Faser zu einem peripheren Nervenfaden würde, 
nicht bestreiten. Diese Faser will sich aber den Vorschriften 
einmal nicht fügen. Es könnte dann dieser und ähnliche Fälle 
etwa so gedeutet werden, dass es sich tatsächlich in dieser Faser 
um einen „Dendriten“ handelt, oder möglicherweise um eine 
kurze Bahn, wobei an der Stelle, wo von dieser eine Achsenfaser 
in die Nervenwurzel abbiegt, ein anderer Ast noch bestehen könnte, 
“der entweder abgeschnitten oder nicht mehr geschwärzt war. 
Denn dass von kurzen Bahnen und „Dendriten“ Wurzelfasern 
abgehen können, habe ich zur Genüge nachgewiesen und lasse 
mir diese Befunde nicht durch „autoritative“ Machtwörter streitig 
machen. Aber es ist ja auch von anderer Seite schon beobachtet 
worden, dass der „Nervenfortsatz“ nicht immer direkt von der 
Ganglienzelle, sondern auch von einem „Dendriten“ abgehen kann. 
Dies möchte ich hervorheben. Andererseits kommt aber der 
„Nervenfortsatz“ als schlanker Faden auch nicht überall zur 
Geltung und bei den meisten Achordaten geradezu nicht, man 
möge darüber nur die einschlägige Literatur einmal ansehen. 
In dieser Arbeit wurde aber dann nachgewiesen, dass sogenannte 
Dendriten als markhaltige Längsfasern sich im Lateralstrange 
erhalten bis zu ihrer Auflösung usw., und da fragt es sich un- 
willkürlich, wo ist da der Unterschied zwischen „Dendrit“ und 
„Nervenfortsatz“? Es ist ja unbestreitbar, dass bei besonders 
spezialisierten Ganglienzellen der Chordaten, ich erinnere u.a. 
hier an die Kleinhirnzellen, den Purkinjeschen, besondere 
Unterschiede zwischen den Fortsätzen bestehen, allein dies 
kann nur als eine Spezialisierung gelten und nicht 
von allgemeiner Bedeutung sein. Die Verhältnisse im Zentral- 
nervensystem lassen sich eben nicht nach den an embryonalem 
Material gemachten Erfahrungen modeln, denn obgleich das 
kontinuierliche Verhalten von Anfang der Entwicklung an (Inter- 
cellularbrücken) besteht, ist das Nervengewebe noch nicht überall 
für die Golgische Schwärzung reif (vielleicht auch für andere 
Verfahren nicht) und bekanntlich lassen sich Netze im embryonalen 
(sewebe ebensowenig darstellen, wie der „Wachstumskonus“ stets 
nur die zeitige Stelle bezeichnet, bis wohin die Reife des Nerven- 
gewebes gelangt ist. 

Wenn aber jemand damit zu widerlegen sucht, dass er 
behauptet, der Andere hätte Vieles gesehen, was in Wahrheit 


250 B. Era ken}: 


nicht besteht, so kann der Andere auch sagen, jener hätte Vieles 
nicht gesehen, was besteht, aber durch ihn eben nicht zur Dar- 
stellung gelangte. Heute ist aber bereits Vieles gesehen worden, 
was ich schon vor 27 Jahren gesehen zu haben behauptete, was 
aber seither vielfach bestritten wurde! 


B. Spinalganglien des Trigeminus und Facialis und 
das Unterhaut-Nervengeflecht der Forelle. 


Ziemlich nebenbei habe ich 1596 über das spinale Vagus- 
ganglion berichtet (15, S. S6—87), dass die Ansicht von dem 
Bau eines Spinalganglions kaum haltbar sei, da die Ganglien- 
zelle auch feinste, im Ganglion selbst sich verzweigende Äste 
besitzt, die in einem dem Ganglion angehörenden Netze ihr 
Ende finden. Angeregt wohl durch diesen Befund, denn der 
geht ihren Untersuchungen voraus, haben dann Dogiel (3), 
G. Levi (25) und S. Ramon y Cajal seine Zustände weiter 
und ausführlicher verfolgt und erstere ein Nervennetz im Spinal- 
ganglion nicht nur direkt erkannt, sondern auch die grosse 
Kompliziertheit im Bau der Spinalganglien im einzelnen darge- 
stellt.‘) Es ist hier nicht der Ort, besonders in Anbetracht des ge- 
steckten Zieles, auf diese Zustände einzugehen und möchte ich hier 
nur dasjenige hervorheben, was für die Kontinuität von Bedentunegist. 

Zum Teil sind meine hier erörterten Befunde schon 1896 
mitgeteilt worden, zum Teil sind sie neu. Hierbei möchte ich 
aber bemerken, dass in Anbetracht der Ergebnisse obengenannter 
Histologen ich mich mit den feinen Netzfortsätzen der Spinal- 
ganglienzellen nicht befassen möchte. 

Was die kräftigen Fortsätze der Ganglienzellen in den 
Spinalganglien der Kopfnerven der Knochenfische betrifft, so 


!) Dasselbe gilt ja schliesslich auch für die sympathischen Ganglien 
nach den Befunden von Dogiel (4), denn „nicht einzelne Zellen associiren*, 
wie er sagt, „mit vielen anderen mittelst der pericellulären Nester, wie 
dies Ramon y Cajal meint, sondern soviel meine Beobachtungen gezeigt 
haben, associiren sich alle Zellen des gegebenen Ganglions 
miteinander durch ein Geflecht, welches durch alle ihre 
sich im Ganglion vereinigenden Protoplasmafortsätze ge- 
bildet wird“ (S. 324). Ersetzt man hier das „Geflecht“ mit Netz — und 
das kann man nach seinen Abbildungen Fig. 1—-5 um so mehr mit der grössten 
Ruhe tun, da Dogiel zwei Jahre vorher schon in der Retina (Arch. f. mikr. 
Anat., Bd. 41, 1893) von Netzen spricht — so hat man die gleichen Zustände 
wie in den Spinalganglien. 


Kontinuität des Nervensystemes. 231 
gibt es viele bipolare Zellen (Fig. Ile) des altbekannten 
Typus, aber auch tripolare (c, f). Dabei kann der eine der 
beiden Fortsätze,. sowohl der centripetale (g) als auch der 
centrifugale (h) sich in zwei Äste gabeln. Die peripheren Fort- 
sätze der Zellen gelangen für gewöhnlich in denselben Nerven- 
ast des Ganglions (g, h), allein es gibt auch Fälle, wie ich 
es im Trigeminusganglion kennen gelernt habe, in denen eine 
tripolare Ganglienzelle (f) ihre beiden peripheren Fortsätze nicht 
in denselben Nervenast des Granelions gelangen lässt. Im ab- 
gebildeten Falle gelangt der eine dieser Fortsätze in den oberen 
Nervenast (oa), der andere aber in den mittleren (ma). Dann 
kommt auch der Fall vor, dass die drei Fortsätze derselben Zelle 
sich verschieden verhalten, indem nur der eine der beiden 
centrifugalen Fortsätze in einen Nervenast des Ganglions gelangt, 
der andere aber sich mit dem einer anderen Ganglienzelle des 
Ganglions direkt verbindet. Es kann eine solche direkte Ver- 
bindung auch zwischen zwei bipolaren Ganglienzellen erfolgen, 
wodurch dann die eine Zelle die centripetale (e). die andere 
die centrifugale Faser (d) entsendet. Obgleich ich diese Fälle nur 
innerhalb des Ganglions zu beobachten Gelegenheit hatte, so 
kenne ich doch einige Fälle an dem Facialisganglion, in welchen 
die eine jener Zellen zwar im Ganglion selbst (Fig. 12a), die 
andere aber weit auswärts im Nervenaste liegt (b). Solche Fälle 
werden auch wohl schon anderen begegnet sein, auf sie ist 
phyletischer Wert zu legen. 

Es kann aber auch die direkte Verbindung zwischen Zelle 
und Zelle, also nieht durch das feine Nervennetz, innerhalb des 
Ganglions sogar eine mehrseitige sein. Auf Fig. 11 habe ich 
einen Fall abgebildet, in welchem einer der beiden peripheren 
Fortsätze einer grossen Ganglienzelle (a) sich T-förmig teilt, und 
während dann der eine Teilast zu einer peripheren Faser wird, 
verbindet sich der andere direkt mit einer kleinen bipolaren 
Ganglienzelle (c), wobei der andere periphere Ast der letzteren 
nach einiger Schlängelung wieder mit einer anderen bipolaren 
Zelle (b) zusammenhänet, welche erst aus sich die periphere 
Faser abgehen lässt. Jene tripolare Zelle (ce) ist dann vielen 
im zentralen Nervensystem gelegenen Zellen gleich, die völlig 
in zentraler Verbindung verbleiben. 

Wenn wir nun diese Befunde, dann das Vorhandensein des 


232 B. Haller: 


feinen Nervennetzes innerhalb des Spinalganglions berücksichtigen, 
so gelangen wir zu dem Schlusse, dass innerhalb des 
spinalen Ganglions vollständige Kontinuität ebenso 
besteht wie im Zentralnervensystem, oder, wie ich es 
vor 27 Jahren feststellte bezüglich der Ganglienzellen überhaupt, 
auch hier die Ganglienzellfortsätze in dreierlei Weise sich ver- 
halten: entweder es wird ein Fortsatz zu einer 
peripheren Faser oder löst sich im Nervennetze des 
Zentrums auf oder verbindet es sich direkt mit 
einer anderen Zelle. 

Des weiteren verfolgte ich bei der jungen Forelle gleichfalls 
mit dem Golgischen Verfahren das Verhalten der peripheren 
Fasern des Spinalganglions — soweit es sich nicht um dasselbe 
bloss durchsetzende Fasern handelt — zum Unterhaut- 
Nervengeflecht. Dieses befindet sich zum Teil in der Cutis, 
zum Teil in dem subepidermoidalen Bindegewebsnetz. 

Das Nervengeflecht ist bekanntlich sehr reichlich um den 
ganzen Körper der Ichthyden vorhanden, doch ist es im Ver- 
hältnis zu jenem der Amphibienlarven und wohl auch der ent- 
falteten Tiere noch recht engmaschig (Fig. 13un). Vielfach sind 
Zweiteilungen der Fasern der Nerven (n) in diesem Geflecht 
vorhanden, doch dass es je zu Anastomosen zwischen Teilästen 
zweier oder mehrerer Nervenfasern käme und somit zu einem 
echten Netz, muss ich entschieden bezweifeln, wenigstens habe 
ich so etwas nie beobachtet, es legen sich vielmehr die Teiläste 
nur aneinander, so dies Geflecht (Plexus) bildend. Allein es 
gehen nicht alle Nervenfasern in dieses Geflecht auf, sondern 
es gibt unter ihnen solche genug, die sich direkt mit sub- 
epidermoidal gelegenen, zumeist der Grenzmembran ganz fest 
anliegenden Ganglienzellen verbinden (Fig. 12, 14, gz, 87°). Diese 
multipolaren Ganglienzellen gehören dem subepidermoidalen 
Nervennetz (Fig. 12, 13, 14sn) an, welches am Kopf wenigstens 
sich überall vorfindet bei jungen Forellen mit Dottersack, und 
in welchem die Ganglienzellen häufig, am häufigsten aber entlang 
der Hautsinnesorganreihen sind.!) 


!) Dieses subepidermoidale Nervennetz ist bisher bei den Fischen 
unberücksichtigt geblieben, denn es wurde stets nur von Geflechten gesprochen. 
3esonders gilt dies für die Untersuchungen Retzius’ (29) über die Haut- 
nervenendigungen der Neochordaten. Allein wenn wir bedenken, dass 


Kontinuität des Nervensystemes. 235 
N) 


In dies Nervennetz geht das gesamte Unterhautnerven- 
geflecht mit seinen Endverästelungen auf und in ihm liegen eben 
auch die erwähnten Ganglienzellen, mit ihren zahlreichen feinen 
Fortsätzen sich in dem Netz verzweigend. Es ist dies Netz kein 
allzu feines und könnte diesbezüglich nur mit dem gröberen 
Nervennetz des Zentralnervensystems, nicht aber mit dem feineren 
verglichen werden. 


Ich möchte zur Darstellung dieses Netzes wie auch zur 
Kontrollierung meiner übrigen Angaben nicht Embryonen, sondern 
ganz junge Fische empfehlen, bei jenen gelang es mir nicht, es 
darzustellen und bei grösseren Tieren stellen sich ja ganz andere 
Hindernisse in den Weg. Ganz junge Fische mit Dottersack 
oder doch nur wenig ältere können diesbezüglich nur in Betracht 
kommen. 


Es ist das subepitheliale Nervennetz ebensowenig ein End- 
netz als die sich in ihm findenden Ganglienzellen etwa in die 
Tiefe gerückte Sinneszellen sind. Erst aus diesem Netz mit 
Inbegriff der Fortsätze der Ganglienzellen treten Fasern in die 
Epidermis, um sich zwischen den Epithelzellen zu einem epider- 
moidalen Nervennetz zu verbinden (Fig. 15) und erst mit 
diesem Netz erfolgt die Innervierung der Sinneszellen der Haut- 


Retzius, wie auch viele andere, auch innerhalb der Epidermis das Netz 
als solches nie erkannten, sondern bloss „freie“ Nervenendigungen sahen, 
so kann es nicht im geringsten wundern, wenn auch das subepitheliale 
Nervennetz als solches nicht erkannt ward. Gilt dies Retzius gegenüber 
ja auch für die Achordaten, bei denen doch das Vorhandensein eines sub- 
epithelialen Nervennetzes stets ausser Zweifel stand. Bei Lumbricus z. B. 
zeichnet und beschreibt Retzius Verzweigungen von Sinneszellen basal- 
wärts (28), die dann „eine horizontale Faserschichte“ dort darstellen, dass 
jedoch diese Faserschichte ein wahres Netz sei, hat er nicht erkannt. 
Retzius war eben trotz seiner reichen histologischen Erfahrungen geblendet 
durch die „glänzende Neuronentheorie“, bis O.Schultze, der ja das sub- 
epitheliale Nervennetz bei Amphibienlarven sehr ausführlich verfolgt hat und 
dasselbe durch Leontovitsch selbst bei dem Menschen bekannt war, ihm es 
ad oculos demonstrierte. Da meinte der hierin befangene, so kenntnisreiche 
Histologe, so was hätte er bisher weder bei Chordaten noch Achordaten 
gesehen (32, S. 80). Und dies ist mir um so auffälliger, da periphere 
sensible Netze (abgesehen von den sympathischen) bei Achordaten schon 
1883, speziell für Chiton durch mich (Arb. a. d. Zoolog. Institut zu Wien, Bd. V) 
und bei Chordaten, speziell in den äusseren Genitalien des Menschen durch 
Dogiel, 1893 (Arch. f. mikr. Anat., Bd. 41) nachgewiesen waren. 


234 B. Haller: 


sinnesorgane (sz), sofern nicht auch ein Zusammenhang mit Inter- 
cellularbrücken anderer Zellen besteht. 

Wenn wir nun das hier Mitgeteilte zusammenfassend be- 
trachten, so gelangen wir zu dem Ergebnis, dass einer sen- 
sorischen Nervenfaser bis zu ihrem Ende im Haut- 
epithel mindestens drei Ganglienzellen angehören 
können, nämlich die im subepithelialen Netz sich befindende 
Ganglienzelle und zwei andere im Spinalganglion, wobei jener 
Fall, in dem die eine dieser Zellen noch im Nerven selbst liegt 
(Fig. 12 b), uns den Weg weist, den einst die Spinal- 
sanglienzellen gewandert haben von der Peripherie 
zum Zentrum. Dabei käme aber auch in Betracht, wie ich es 
vor vierzehn Jahren nachgewiesen zu haben glaube (15, S. 66, 67), 
dass manche sensorische Nervenfaser im obern Vaguskern nicht 
aus dem zentralen Nervennetz, sondern aus kleinen Ganglien- 
zellen entspringt. 

Es handelt sich somit hier um eine ganze Ganglien- 
zellenkette in mehr peripheren Teilen, eine Tatsache, welche 
weder mit der Neuronen-Auswachsungstheorie noch mit dem 
Kontaktglauben auch im entferntesten sich in Einklang bringen 
lässt, und der gegenüber nur das wenig förderliche Totschweigen 
die zweifelhafte Waffe bildet. 


C. Die motorisch-trophische Innervierung bei 
Mollusken und Tracheaten. 


Anknüpfend an den vorigen Abschnitt möchte daran erinnert 
werden, dass die Neuronenlehre die Achsenfaser des selb- 
ständigen Einheit bildenden Neurons auswachsen lässt im 
Laufe der Ontogenese allmählich zu ihrer Endstation, mag diese 
die Muskelfaser oder die Drüsenzelle sein, um sich dort mit ihr 
sekundär zu verbinden. Damit wäre eine kettenförmige Ver- 
bindung von nervösen Bildungszellen bei der Entfaltung der 
Nervenfaser ausgeschlossen. 

Dieser Auffassung gegenüber habe ich stets jene Erklärung 


des Beobachteten gegeben — soviel ich weiss, wird sie jetzt auch 
von anderen vertreten — dass von Anfang an der Netzverband 


besteht, allein in diesem die nervöse Differenzierung erst später 
im Laufe der Ontogenese einsetzt, und zwar wie die Beobachtung 
es lehrt, allmählich vom Zentrum zur Peripherie und nur dieser 


Kontinuität des Nervensystemes. 235 


vorgeschrittene Zustand eine Schwärzung (oder sonstige Färbung) 
mit dem Golgischen Verfahren zulässt. So erklärte ich seiner- 
zeit den Wachstumskonus. 

Viele Tatsachen im Verhalten des sympathischen Nerven- 
systems der Wirbeltiere und Arthropoden bestätigen das Gesagte, 
sind aber, obgleich sehr alte Befunde, nicht zur Kenntnisnahme 
der Vertreter der Neuronenlehre gelangt. Selbst die vielen 


Fig. 4. 


Zwei Kopien von Abbildungen aus meiner Dorisarbeit (12, Fig. 3 und 4), 

einen Nerven A (der gesamte Nerv ist etwa dreimal so lang) und bei B ein 

Stück davon bei stärkerer Vergrösserung darstellend. Etwas vereinfacht. 
gz — Ganglienzelle. 


peripheren Netze — nicht Geflechte — bei Achordaten, welche 
unzähligen Befunde ich hier anzuführen, doch nicht für meine 
Aufgabe erachten kann, blieben von jenen Forschern unbeachtet. 
Doch selbst für den Fall, dass, wie es sehr viele unter ihnen 
meinen, man sich nur auf das Gebiet der Chordaten beschränken 
müsste — was aber in solch allgemeinen Fragen vom Stand- 
punkte der Abstammungslehre verwerflich ist — müsste in Er- 


236 B. Haller: 


innerung gebracht werden, dass die feine Herzinnervierung ihnen 
auch da im Wege steht. 


Bei der Hinterkiemer-Nacktschnecke Doris habe ich schon 
1584 gezeigt (12), dass die peritonealen Nerven, welche die 
Eingeweide versorgen, in sich viele Ganglienzellen bergen 
(Textfig. 4 A) und dass diese aus sich sogar zwei peripherwärtige 
Fasern abgeben können (B), die mit dem ganglienzellenreichen 
Eingeweidenetz verbunden sind. Solche Endnetze mit Ganglien- 
zellen in den Knotenpunkten habe ich aber in der Herzwand 
von Chiton (5) und Fissurella (9) schon vorher ausführlichst be- 
schrieben und abgebildet und den Plexus myentericus der Wein- 
bergschnecke und noch deutlicher jenen von Hirudo hatte 
Vignal (34) schon 1883, also gleichzeitig mit meinen Befunden 
anschliessend an Leydigs Beobachtungen (24) als Netz erkannt. 


Aus Endganglien dieses Netzes erfolgt dann die direkte 
Innervierung der Muskelfaser. Schon vor vielen Jahren machte 
ich bei Meloö proscarabeus die Beobachtung, dass aus einem in 
das myenterische Netz eingeschalteten Ganglion, aus einer seiner 
Zellen, die Muskelinnervierung direkt erfolgt, gerade so, wie ich 
dies für die Herzmuskeln der Mollusken früher schon festgestellt 
hatte (9). Allein dieser Befund blieb unveröffentlicht bis ich 
1904 in meinem Lehrbuch der vergleichenden Anatomie eine 
Abbildung darüber gab (Fig. 42). 

Nach den Befunden bei Doris müssten somit mit Zu- 
zählung der Zentralzelle, aus der die periphere Faser entspringt, 
mindestens vier Ganglienzellen einer zur Muskel- 
faser gehenden Nervenfaser angehören, nämlich die 
Zentralzelle, die im Nervenstamm gelegene (Textfig. 4), eine 
Netzzelle innerhalb des Netzes und die Endzelle. 


Dies bildet einen Befund, den ich nur nach Prüfung des 
betreffenden Gegenstandes beanstanden lassen würde. Ebenso 
halte ich meinerseits die Feststellung des zentralen Nervennetzes 
(noch heute von „Punktsubstanz“ zu reden, ist einfach rück- 
ständig), sowie direkte Zusammenhänge der Ganglienzellen unter- 
einander durch direkte Anastomosen bei Arthropoden in zahl- 
reichen Teilen des Gehirns nach meiner 1904 erschienenen 
Arbeit (17) umsomehr für erledigt, als das Vorhandensein des 
zentralen Nervennetzes mit der Fibrillenfärbung durch R. Monti(26) 


Kontinuität des Nervensystemes. 237 


Bestätigung fand. Hier würde es sich somit nur um die 
periphere Kontinuität bei den Tracheaten handeln. 

Subeutane periphere Netze bei den Tracheaten sind ge- 
nügendlich bekannt geworden, hauptsächlich durch Holmgren 
(22) und W. Schreiber (31), und darum wählte ich für meinen 
Zweck das sympathische Nervensystem. 

Der Sympathicus der Arthropoden speziell der Tracheaten 
oder der sogenannte Newportsche Nerv wurde wohl am aus- 
führlichsten in seinen Einzelheiten durch Leydig beschrieben. 

Es besteht der Sympathicus, mit Ausschluss des Kopf- 
sympathieus, aus vielen unpaaren mediodorsal auf dem Bauch- 
marke seiner Länge nach gelegenen Ganglienknoten, aus sovielen, 
wieviel Ganglienknoten am Bauchmarke sich finden. Es zieht 
zwischen den beiden Längskommissuren des Bauchmarkes der 
unpaare Strang entlang, ohne einen kontinuierlichen Faden zu 
bilden, da „er immer zwischen je zwei Ganglien wurzelt, sich 
dann aber jedesmal auf der Höhe der Ganglien in zwei quere 
Äste teilt, die, nachdem jeder in ein längliches Ganglion ange- 
schwollen, mit den Spinalnerven sich verbinden und in deren 
Bahn solange verlaufen, bis sie zur Peripherie kommen“ 
(24 S. 203). Diese Nerven führen vielfach Ganglien, aus denen 
die Innervierung der Eingeweide erfolgt. 

Der unpaare sympathische Längsstrang der Arthropoden 
hat ein Homologon in dem intermediären oder Faivreschen 
Nerven der Anneliden, der am ausführlichsten bisher bei Hirudo 
erörtert wurde und zwar durch Ernst Hermann (20). Nach 
ihm besteht dieser Längsnerv hier aus drei Bündeln von Fasern, 
zwei oberen und einem unteren, denen bekanntlich bei Lumbricus 
der Lage nach drei Kolossalfasern entsprechen. Die beiden oberen 
;ündel erhalten Fasern hauptsächlich aus den kleinen Ganglien- 
zellen der vorderen und hinteren ventralen Gruppe des Bauch- 
stranges und sendet ihnen auch die grosse Medianzelle einige 
Fasern zu. Diese ist eine grosse multipolare Zelle und zwar 
liegen je zwei solcher hintereinander in jedem Ganglion des 
Bauehstranges. Es verbindet ein kurzer Fortsatz, von dem 
aus Äste in den unteren Bündel des Systems abgehen, beide 
Zellen untereinander, wie denn diese auch mit den nachfolgenden 
und vorausgehenden in gleicher Weise verbunden sind und das 
untere Bündel steht somit vorzugsweise mit diesen Zellen in 


238 


Verbindung. In 


BesiEkanlelteir: 


dieser Zellenkette finden wir somit 


zum ersten Male kurze Bahnen von Zelle zu Zelle 


) 


db} 
\ 
L > RN 
1) 
j Er 
( 2 
j : 
Fig. 5. 
Aus einem mit dem Golgischen 
Verfahren behandelten horizontalen 


Längsschnitt des Bauchmarkes von 
Lumbricus. 


etwas findet, wenn man es nur hat! 


bei Gliedertieren, wenn 
wir von ganz kurzen direkten 
Zellanastomosen absehen, der 
Körperlängsachse nach, 
in einem Nervenstrange, der mit 
dem Zentralnervensystem in 
gleicher Hülle liegt. 

Es ist dies freilich ein ein- 
zelner Befund und in den Be- 
schreibungen der Bauchstrang- 
struktur der Gliederwürmer 
nach den neuen Methylen- und 
Golgi- Verfahren besonders 
durch Retzius (28) werden der- 
gleichen Verbindungen nirgends 
erwähnt. Doch sind solche trotz- 
dem vorhanden und ich habe, 
abgesehen von kurzen direkten 
Zellverbindungen im Zentral- 
nervensystem der Gephyren 
und Nemertinen, solche auch 
zwischen weiter auseinander ge- 
legenen Ganglienzellen bei Sipun- 
culus beschrieben (11, Fig. 37) 
und auch bei Chaetopoden und 
Oligochaeten, bei diesem schon 
vor mir durch G. Walter (35), 
gefunden (l. c. Fig. 26, 28). So 
gelang mir für letztere bei 
Lumbrieus wenigstens in der 
Querebene (l. c. Fig. 45, 47). 
Darum war es mir höchst sonder- 
bar, dass Retzius solche nicht 
erwähnt und frühere Befunde 
einfach totschweigt.!) Hat doch 


ı) Es kommt nicht darauf an, mit welchem technischen Verfahren man 


Kontinuität des Nervensystemes. 239 


R.Goldschmidt, der die Kontinuität bei Ascaris richtig er- 
kannte (7), solche bei diesem Wurm gefunden. Nach solchen 
Verbindungen habe ich bei Lumbricus neuerdings wieder ge- 
sucht und wenn ich all dies, abweichend vom eigentlichen 
Thema, hier einschalte, so geschieht das, um zu zeigen, dass 
eben die Arthropoden diesbezüglich nicht unvermittelt dastehen. 
Mit dem Golgischen Verfahren habe ich bei Lumbricus, bei 
dem kurze Verbindungen zwischen Zelle und Zelle nur zum 
Teil aufgehoben sind !), längere Verbindungen, also kurze Bahnen 
auch gefunden. Hier genügte dieser Befund und habe darum 
das Bauchmark auf sein weiteres Verhalten hier umsoweniger 
verfolgt, als die ausführliche Untersuchung Retzius’ hierüber 
Aufschluss geben, soweit die Feststellung anderer von mir ge- 
fundener Zellverbindungen nicht in Frage kommen. 


Der Fall, den ich anbei abgebildet habe (Textfig. 5), bezieht 
sich auf zwei grössere Zellen, die in je einem Ganglion des 
Bauchmarkes an gleicher Stelle liegen. Jeder von ihnen teilt 
ihren starken Fortsatz T-förmig, wobei der nach analwärts ge- 
richtete Teilast zu einem peripheren Nerven eines hinteren 
Nervenstammes wird. An der Stelle, an der der Achsenzylinder- 
fortsatz der vorderen Zelle (a) nach aussen biegt, geht ein Seiten- 
ast nach hinten mit der Körperlängsachse parallel ab und diesem 
kommt der vordere Nebenast der nachfolgenden Zelle (b) entgegen. 
Beide vereinigen sich, auf diese Weise zwischen den 
beiden Zellen eine kurze Bahn darstellend. Ich habe 
es nicht festgestellt, ob solche kurze Bahnen Zellen des ganzen 
Bauchmarkes in kettenförmigen Zusammenhang untereinander 
bringen, was mir aber sehr wahrscheinlich dünkt und einer zu- 
künftigen Berücksichtigung aber wohl der Mühe wert sein wird. 

Soweit ich aus der Literatur ersehe, wurden die Ganglien 
des Sympathicus der Arthropoden auf dem Bauchstrang 
überall als solche erkannt, also aus vielen oder doch mehreren 
Zellen bestehend. Umso freudiger überraschte mich das Ver- 
halten bei den Carabiden (Procrustes und Carabus silvestris F. 
und auratus), wo statt einem Ganglion bloss eine, aber sehr 
grosse Zelle liegt, alle Zellen dieses Ganglions vertretend. Es 


!) Ausführlicheres über das Bauchmark demnächst in der Jenaischen 
Zeitschrift für Naturwissenschaften (Bd. 45). 


240 Br HRanllrerrz 


ist dies somit ein Objekt, an dem das Verhalten der einen Zelle 
klareres bietet, als das einer ganzen Gruppe. 

Obgleich mir die diesbezüglichen Zustände auch bei dem 
Imago bekannt sind und demnächst ausführlicher geschildert 
werden sollen, so halte ich mich hier doch hauptsächlich an die 
Larve und möchte dieselbe, schon darum, weil die Konzentration 
der Abdominalganglien noch fehlt, dann aber auch der leichteren 
Handhabung wegen beim Präparieren empfehlen. 

Es liegt oben in jedem Abdominalganglion, bei der Larve 
etwas dem hinteren Ende desselben genähert, bei dem Imago 
weiter hinten schon etwas auf die Längskommissuren verschoben. 
je eine riesig grosse Ganglienzelle von oblonger Gestalt und 
mit der Längsachse der Körperlängsachse nach gerichtet. Es 
repräsentiert diese Zelle wie gesagt je ein ganzes, aus vielen Zellen 
bestehendes Ganglion, das zentrale sympathische Ganglion jedes 
Bauchmarkknotens manch anderer Coleopteren und der Hyme- 
nopteren. Sowohl an dem Bauchmarksganglion des Prothorax 
als des Thorax fehlt diese grosse Zelle und kommt somit nur 
den Abdominalganglien zu. 

Es setzt sich analwärts jede dieser Kolossalzellen (Text- 
figur 6 gz) in einen kräftigen mediosagittal gelegenen Fortsatz 
fort, der sich dann in den Newportschen unpaaren Nerven 
zwischen den beiden Kommissuren verlängert. Er verdickt sich 
dabei ganz allmählich zu diesem kolossalen Nervenfaden (f). Diesem 
hinteren Fortsatz entspricht oppositipol ein kräftiger kopfwärtiger, 
der gleichfalls zum Newportschen Nerven eines nun vorderen 
Kommissurenpaares werdend, auf diese Weise eine hintere Zelle 
mit einer vorhergehenden in direkte Verbindung bringt. Da- 
durch entsteht eine Ganglienzellkette, deren jedes 
Einzelelement je einem Abdominalganglion angehört. Wie gesagt, 
fehlt die Kolossalzelle den beiden Thoracalganglien. wodurch die 
Zellkette zwar mit dem ersten Abdominalganglion aufhört, nicht 
aber der Newportsche Nerv. Denn als vorderer Fortsatz der 
ersten Zelle der Ganglienzellkette setzt sich jene breite Nervenfaser 
zwischen dem Kommissurenpaare zwischen zweitem Thoracal- (t) 
und erstem Abdominalganglion bis auf ersteres fort und gabelt 
sich dann unter stumpfem Winkel auf diesem Ganglion in einen 
rechten und linken Ast. Jeder dieser Äste biegt nach seitwärts 
und trifft dann lateralwärts von dem zweiten Thoracalganglion und 


Kontinuität des Nervensystemes. 241 


etwas von diesem auf den ersten, 
rückverlaufenden Nerven des ersten 
Thoracalganglions (n). Diesen er- 
reichend, vereinigt er sich mit ihm in 
gleicher Scheide und zieht so lateral- 
wärts weiter. 

An dem kopfwärtigen Fortsatz 
jeder Kolossalzelle geht jederseits je 
ein kräftiger Fortsatz ab und diese 
Fortsätze sind dann jene Nerven, die 
schon durch Leydig ausführlichst und 
mustergültigst beschrieben wurden. 
Sie (hn) liegen in der gleichen Scheide 
dem betreffenden Nerven aus dem 
Abdominalganglion an, zerfallen dann 
aber in Äste, die den betreffenden 
Abdominalnerven, wie es Leydig 
gesehen hat, vollständig umtlechten, 
sich miteinander wieder vielfach ver- 
einigend. Aus diesem Geflecht, echtem 
Netze (Textfig. 7 hn), treten dann 
Nerven ab (s), denen Ganglien ein- 
geschoben sind (g). 

Ausser den beschriebenen starken 
Fortsätzen der Kolossalzellen besitzen 
diese noch zahlreiche feinere Äste, 
die sich im jeweiligen Abdominal- 
sanglion völlig verzweigen, so den 
Zusammenhang zwischen jenen Zellen 
und diesem Ganglion vermittelnd. 

Die Kolossalzellen liegen in gleicher 
Scheide mit dem Abdominalganglion 
gleich ihren Fortsätzen. 

Ein Zusammengang .der Sympa- 
thieuskette mit dem Kopfsympa- 
thicus besteht nicht, wie dies 
ja auch nie behauptet wurde. Ob- 
gleich Graber (Die Insekten, 


München 1877, Seite 242) dem 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 


EN > a _ 
SR: 

g2 | 

| 

m Mi zZ 
) 


2 hr 


Fig. 6. 


Carabus silvestris. Larve. 
Ein Teil des Bauchmarkes von 
der dorsalen Seite. Der Sym- 
pathicus (schwarz) nach Me- 
thylenblaufärbung. pt — erstes, 
t — zweites Thoraxganglion; 
I—IlI Abdominalganglien. 


16 


242 B-3Hlalikere 


Körpersympathicus — wie ich diese Kette dem Kopf- 
sympathicus gegenüber nennen möchte — nur reflektorische 
Tätigkeit zuzuschreiben gewillt ist — was selbstverständlich eine 
Darminnervation noch nicht auszuschliessen braucht, denn eine ge- 
wisse reflektorische Tätigkeit ist ja auch dort vorauszusetzen — SO 
glaube ich, dass es sich bei den Arthropoden doch um ein analoges 
Verhalten handelt wie in den beiden Sympathicis der Weichtiere. 
Auch dort innerviert der Buccalsympathicus (vordere Eingeweide- 
ganglien) vordere Darmteile, der hintere aber (die hinteren Ein- 
geweideganglien) den Mittel- und Enddarm und andere der 
Willkür entzogene Organe (Kiemen, Herz, Nieren und Geschlechts- 
organe). Gerade so wie dort, ist auch bei den Gliederfüsslern 
der Darm von beiden Sympathieis innerviert, denn von den Ästen 
des Körpersympathicus dieser erhalten auch der Mittel- und 
Enddarm zahlreiche Äste. Diese verbinden sich dann mit einem 
periintestinalen ganglienzellreichem Nervennetze. Es können 
dabei direkt aus den einzelnen Ganglienzellen der kleineren 
Ganglienknoten Darm-Muskelfasern innerviert werden — dieser 
Fall bezieht sich auf die oben angeführte Beobachtung bei 
Melo& — zumeist erfolgt aber die Innervierung erst aus den 
Einzelganglienzellen des periintestinalen Netzes selbst. Ein- 
zelne Ganglienzellen des Netzes geben oft 3—5 feine Fasern 
ab, von denen jede an je eine anliegende Muskelfaser 
herantritt. 

Auf alle diese Verhältnisse aber einzugehen, ist hier nicht 
der Ort, und ich möchte bloss noch das uns hier angehende 
Verhalten erörtern, wie sich die Ganglienzellen im peripheren 
Sympathicus zueinander verhalten. Auf Textfig. 7 ist ein kleines 
Ganglion desselben (g) nach vitaler Methylenblaubehandlung 
dargestellt, an welches ein peripherer Ast des Sympathicusseiten- 
nervens (s) herantritt. Es teilt sich im Ganglion der Nerv in 
mehrere Äste — nur zwei gutgebläute sind dargestellt — und 
es hängen die Teiläste mit je einer Ganglienzelle zusammen, von 
denen die eine (a) zwei periphere Fortsätze aussendet. Der 
eine dieser Fortsätze begibt sich in den nächstliegenden peri- 
pheren Nervenast des Ganglions, indessen der andere sich mit 
einer anderen, am anderen Pole des Ganglions gelegenen Ganglien- 
zelle (b) direkt verbindet. Diese letztere hat abermals zwei 
periphere Fortsätze. Der eine von diesen tritt in den einen, 


Kontinuität des Nervensystemes. 243 


der andere in den anderen hier vom Ganglion abgehenden peri- 
pheren Nervenast ein. 

An dem einen dieser Nerven hing noch an dem Präparate 
eine ganz kleine tripolare Ganglienzelle (ec), die wohl schon dem 
periintestinalen Netze ganz nahe steht und solche für Bombus 
auch Leydig abgebildet hat (l. c. Taf. VII, Fig. 1). Mit dieser 


Kie,.T. 


Carabus silvestris, F. Imago. Ein einen seitlichen Bauch- 
strangnerven (n) umflechtenden Sympathieusnerv (hn); s — dessen 


Ast; 


b) 


— Ganglion. Methylenpräparat. 


Ganglienzelle hängt der eine Astfortsatz jener letztbeschriebenen 
Zelle (b) direkt zusammen. 

Ich möchte hier also zum Schlusse hervorheben, dass ein 
Nebenast eines Seitenastes vom Seitlichen Sympa- 


thieusnerven des schon kettenförmigen Körper- 
16* 


244 Br Elanlrere 


sympathicus mindestens noch drei Ganglienzellen 
in sich eingeschaltet besitzt.') 


D. Allgemeine Betrachtungen. 


Wenn die hier erzielten Ergebnisse zugunsten der Kontinuitäts- 
lehre verwertet werden sollen, so glaube ich am zweckmässigsten 
zu handeln, wenn ich vorerst auf die Phylogenese des Nerven- 
systems wieder zurückgreife, wie ich dies 1895 getan habe 
(14, S. 4753). 

Jener hypothetische Zellverband, den als Vorläufer aller 
Nervensysteme OÖ. und R. Hertwig seinerzeit hinstellten (21), 
wurde durch K. C. Schneider (30) für Hydra nachgewiesen, 
durch mich und in neuester Zeit durch W. Wolff (36) bestätigt. 
Damit hat das Hypothetische eines solchen nervösen Ausgangs- 
netzes aufgehört und ein solches den ganzen Körper 
umspinnendes Nervennetz mit in den Knotenpunkten 
(nicht allen) eingestreuten Ganglienzellen, aus welchem 
Netze Innervierungsfasern zu Sinnes-, Epithel- 
muskel- und Drüsenzellen ausgehen, ist unbestrittene 
Tatsache geworden. Das unbestrittene möchte ich ganz 
ausdrücklich betonen, denn an dieser Wurzel müssen die Herren 
von der Auswachsungs-Kontakttheorie zuerst rühren, wenn sie 
den rein wissenschaftlichen Boden beschreiten wollen! 

Es werden somit bei der Hydra sensible und motorische 
Fasern untereinander durch ein nervöses, mehr weniger zellöses 
Netz verbunden, und dieses primäre Nervensystem, in 
welchem es noch nicht zur Sonderung von peripheren und zentralen 
Teilen gekommen ist, ist bloss von reflektorischer Funktion. 


!) Nebenbei möchte ich noch die Frage aufwerfen, wie verhalten sich 
die zahlreichen Ganglienzellen eines grossen Sympathieusganglions anderer 
Formen wie die Carabiden sind, bei dem der kolossalen Ganglienzelle je ein 
vielzelliges Ganglion entspricht, zueinander. Diese Einzelzelle tritt durch 
das zentrale Nervennetz mit je einem Abdominalganglion in Verbindung, 
wodurch dieses Netz nicht als bloss ernäherndes sich erweist. Treten 
die einzelnen Ganglienzellen des genannten Sympathicusganglions unter- und 
ineinander durch Fortsätze oder ein zentrales Netz in Verbindung ? Im letzten 
Falle würde diesem, da die Verbindung dieser Zellen untereinander eine 
physiologisch sehr enge sein muss, ein noch höherer Leitungswert zuzu- 
messen sein. 


Kontinuität des Nervensystemes. 245 


Andere, höhere psychische Werte lassen sich hier noch nicht 
voraussetzen. 

In einem weiteren Stadium der phyletischen Entwicklung 
(etwa bei Hydractinia) gibt die Epithelmuskelzelle einen Tochter- 
kern in den muskulösen Abschnitt der früher einheitlichen Zelle 
ab, womit die Trennung dieses und das Selbständigwerden der 
Muskelzelle von ihrer epithelialen Hälfte eingeleitet ward. 

Die primäre Sinneszelle gibt aus sich die primäre Ganglien- 
zelle ab. „Die primäre Ganglienzelle“, sagte ich dann 1895, 
„ist ausser bei den Cnidariern wohl nirgends mehr erhalten, da 
sie offenbar durch sekundäre Differenzierungen zu den ver- 
schiedenen Ganglienzellenarten des höheren Nervensystems sich 
gestaltete. Diese Differenzierungen sind aus den verschiedenen 
höheren physiologischen Funktionen der Ganglienzellen höherer 
Wesen erklärbar. Ich glaube aber auch, dass ein Teil der 
primären Ganglienzellen in die peripheren Nervenfasern auf- 
gegangen sind (es wären dies die sogenannten Nervenzellen 
Apathys), da diese ja ontogenetisch aus Zellenreihen (deren 
Elemente wohl auch vorher untereinander zusammenhingen), 
entstehen“ (l. c. S.51, 52). Das primäre Nervennetz aber hat 
sich teils subepithelial — gleichgültig wo — erhalten, teils ist es 
aber auch als zentrales Nervennetz in das sich konzentrierende 
Zentralnervensystem einbezogen worden. Damit völlig im Einklang 
steht die schon vor 27 Jahren von mir ausgesprochene Be- 
hauptung (10), dass die Ganglienzellen bei allen Bilaterien, aber 
auch sonst bei konzentrierten Nervensystemen, dreierlei Fortsätze 
besitzen, nämlich Verbindungs-, Netz- und periphere Fortsätze. 
Das hier aber Vorgetragene sind Wahrheiten, die unumstösslich 
bestehen und auch in der vorliegenden Arbeit weitere Stützen 
finden. 

Die strukturell niedersten Zentralnervensysteme sind die 
Fussstränge oder die Vorläufer der Bauchstränge. Das habe ich 
schon vor 27 Jahren gezeigt. Sie finden sich noch bei Chitonen, 
rhipidoglossen und neotänioglossen Schnecken unter den Weich- 
tieren und bei Turbellariern und auch bei anderen Würmern, 
hier öfter modifiziert. An diesen Strängen muss somit nach 
ursprünglichen Zuständen gesucht werden und nicht etwa bei 
durch die Segmentation oder geradezu durch Parasitismus stark 
beeinflussten Formen. 


946 B. Haller: 


Das sahen wir bei den Rhipidoglossen (10) und meine 
Befunde fanden durch Rawitz (27) für die Bivalven Bestätigung, 
soweit Hauptstrukturen in Frage kommen. Da der Bauchstrang 
der Rhipidoglossen gleich breit ist, da in Ermangelung einer 
Seementation es zu Keiner gangliösen Verdickung kommt, so 
fehlen auch rein faserige kommissurale Verbindungen, wie sie 
sich bei Gliederwürmern und Gliederfüsslern vorfinden. Es wird 
der ganze Bauchstrang in eine Rinden- und in eine Kernlage 
geschieden, wobei erstere aus Ganglienzellen, letztere aus dem 
hier ungemein deutlichen Zentralnetz und Fasern besteht. 
In der Rindenanlage liegen die Ganglienzellen mehrschichtig 
übereinander und sind fast alle untereinander, da es sich stets 
um die nächste Nachbarschaft handelt, durch kurze direkte Ver- 
bindungen zusammengehalten. Es ist durchaus nicht unwahrschein- 
lich, dass es viele unter ihnen gibt, die nur mit benachbarten 
Zellen untereinader zusammenhängen, wie dies auf Schnitten 
stets der Fall zu sein scheint. doch lassen die meisten unter 
ihnen, je nachdem sie mehr zentral oder peripherer gelegen sind, 
ein bis mehrere Fortsätze in das zentrale Nervennetz sich auf- 
lösen. Andere Fortsätze werden zu peripheren Achsenzylindern, 
ohne dass dabei ein äusserlicher Unterschied zwischen Netz- und 
Achsenzylinderfortsatz bestehen würde, wie dies ja bekanntlich 
auch bei Würmern und Arthropoden der Fall ist. 

Zu längeren Längsbahnen gelangt es hier noch nicht, wie 
denn auch kurze Bahnen in dem bisher behandelten Sinne nicht 
bestehen und Längsfasern feinster Breite sind nur als Wurzel- 
bündel peripherer Nerven auf kürzere Strecken vorhanden. Hier 
vermittelt in erster Linie das zentrale Nervennetz, in welchem 
wenige kleinste Ganglienzellen völlig mit ihren Fortsätzen sich 
auflösen und wegen ihrer zentralen Lage von der Rindenlage 
entfernt sind. 

Es entstehen periphere Nervenfasern direkt aus Ganglien- 
zellen oder konstruieren sich aus dem Nervennetz. Ob es sich 
dann in diesen Fällen um motorische und sensorische Fasern 
handelt, wie das für die Chordaten angenommen wird, ist nicht 
festzustellen. 

Nur kurz habe ich hier diese wichtigen, sehr ursprünglichen 
Zustände wiederholt dargestellt und verweise bezüglich des 
Näheren ausdrücklich auf meine diesbezügliche Arbeit (10), deren 


Kontinuität des Nervensystemes. 247 


Ergebnisse an dem betreffenden Material leider noch nie kon- 
trolliert wurden. 

Ähnliche Bauchstränge dienten dann zum Ausgangspunkte 
der Bauchstränge der Gliederwürmer und diese wieder jener 
der Arthropoden. Tatsächlich zeigen ursprünglichere Zentral- 
nervensysteme höherer Würmer, wie die der Gephyren und 
Nemertinen sind, ähnliche Zustände als die Bauchstränge, wie 
ich dies seinerzeit gezeigt habe (11), doch damit ist dieser ur- 
sprüngliche Bau auch überwunden bei den Anneliden. 

Mit der Ausbildung der Ganglienknoten im Bauchmarke er- 
folgt die Zentralisation in jene, wobei dann die Längskommissuren 
von ihnen freibleiben. Damit haben sich bei gleichbleibenden 
Bedürfnissen nach Ganglienzellenzahl — soweit dies durch be- 
sonders starke Entfaltung einzelner Zellen zum Teil nicht ersetzt 
wurde — die Ganglienzellen auf einen geringen Raum beschränken 
müssen. Es wurden darum die meisten unter ihnen peripherwärts 
gedrängt, wodurch sie nur mit dem einen Pole nach zentralwärts 
gelangen konnten. Die ganze nach aussen gedrängte Oberfläche 
der Zelle musste damit die Fortsätze einbüssen und diese 
mussten sich auch die zentrale Seite verlagern. So entstand die 
für manche Anneliden und jenen Mollusken mit konzentrierten 
Fussganglien so charakteristische. scheinbar unipolare Zellform. 
Dies allerdings nicht für alle Zellen, doch musste mit diesem 
Prozess die multipolare Zellform stark zurücktreten, wie ich dies 
seinerzeit sehr ausführlich dargestellt habe (11, S. 112—122). 
Mit dem starken Zurücktreten der multipolaren Zellform mussten 
aber folgerichtig die kurzen Zellverbindungen immer seltener 
werden, und die Vermittlung wird mehr weniger auch zwischen 
ganz nahe beieinander gelegenen Zeilen dem zentralen Nerven- 
netze übertragen, wobei längere Zellverbindungen oder die kurzen 
Bahnen zur Entfaltung gelangten. Damit Hand in Hand doch 
nicht allein durch denselben Grund bedingt, ging die Entfaltung 
starker zentraler Bündelsysteme. Ähnliches zeigt sich dann auch 
in dem Rückenmarke, jedoch mit dem Unterschiede, dass dort 
die direkten kurzen Anastomosen zwischen Zelle und Zelle aus 
einem anderen, uns unbekannten Grunde in der oben geschilderten 
Weise in das gröbere Zentralnetz sich auflösen. 

Diese Zustände lassen sich somit erklären und bilden keinen 
Gegensatz zu niederen Zuständen und auch kein prinzipiell ver- 


248 BeHrailkeir: 


schiedenes Verhalten. Sie entstehen aber auch nicht nur innerhalb 
eines Zentralnervensystems, sondern haben wie alles seinen Vor- 
gänger bei niederen Tierformen. | 


Bezüglich der peripheren Verhältnisse haben wir in vor- 
liegender Arbeit gesehen, dass kettenförmige Verbindungen von 
Ganglienzellen auch bei den höchsten Nervensystemen wie jene 
der höheren Weichtiere, Arthropoden und selbst der Chordaten 
sind, noch bestehen, und zwar sowohl im Sympathicus als auch 
in der sensiblen Innervierung. Soweit das trophische Gebiet in 
Frage kommt, gilt dies auch bezüglich der motorischen Inner- 
vierung. Es bliebe somit nur noch die Innervierung des der 
Willkür des Tieres unterworfenen Muskelsystems übrig, wo eine 
.kettenförmig periphere Zellverbindung sich nicht mehr vor- 
tindet, und nur auf diese könnte noch die Auswachsungstheorie 
Anwendung finden. Allein die kettenförmige Aneinander- 
reihung von Zellen während der Ontogenese in der 
peripheren Faser erfährt damit eineandere Deutung 
als die Auswachsungstheorie es verlangen möchte, 
wozu noch der schwerwiegende Umstand "kommt. 
dass das embryonale Nervengewebe, wie das für 
das. zentrale Nervennetz nun feststeht, sich 
Reagentien gegenüber anders verhält als das 
Lerti@e, 


Die Zellenreihen der sich entwickelnden, oder doch besser 
differenzierenden Nervenfaser können somit nicht als der Faser 
fremde, ihr sich bloss auflagernde Elemente. sondern bloss als 
Ganglienzellketten aufgefasst werden, deren Elemente ihre 
Individualität aufgebend zur leitenden Faser werden. Damit ist 
selbstverständlich nicht gesagt, dass dies nicht auch mehrfach 
für sensorische Fasern Geltung hätte, denn was bei diesen vom 
Ursprünglichen übrig geblieben ist, ist doch nur mehr ein reliktes 
Verhalten. Auch im sympathischen Nervensystem wird Gleiches 
öfter schon erreicht sein und nur die grosse Unabhängigkeit 
trophischer Innervierung vom Zentrum erklärt das massenhafte 
Erhaltensein von funktionsfähigen Zellen. Denn bei der einfachen 
Leitung peripherer Nerven, möge diese centripetal oder centrifugal 
gerichtet sein, sind ja eingeschaltete Zellen überflüssig, was ihre 
anderweitige Verwendung zur Genüge erklärt. 


Kontinuität des Nervensystemes. 249 


Wie verhält es sich aber dann mit dem Neuron? Diesem 
wird ja eine gewisse Selbständigkeit sowohl was sein zentrales Ver- 
halten als auch was seinen peripheren Bezirk betrifit, zugemessen. 
Viele Ganglienzellen sowohl bei Achordaten als auch bei Chordaten 
geben aber auch zwei Achsenzylinder ab, die sogar in zwei ver- 
schiedene Nerven eintreten können.!) Dann aber kommt auch 
das zentrale Verhalten noch sehr in Betracht, so in sehr vielen 
Fällen, wie in den Lobulis oder hutpilzförmigen Körpern der 
Tracheaten (17), dann im DBauchstrang der Rhipidoglossen, 
(ephyren und Nemertinen, wo Zelle mit Zelle sich direkt ver- 
bindend so einheitlichst zusammengefügt sind. Und wie innig 
sind die Verbindungen überall, denn selbst die Fibrillenstruktur 
geht ja aus einer Zelle in die andere über und setzt sich kon- 
tinuierlichst auf die periphere Faser sowohl wie auf das zentrale 
Nervennetz, deren innere Lage bildend, fort! 

In der Darstellung der Fibrillenstruktur hat für die Kon- 
tinuität Apathy eine weitere Stütze beigebracht und man kann 
mit Freuden Helds erfolgreiche Bemühungen, auch ontogenetisch 
die Sache zu fördern, begrüssen. 

Wie kann sich aber gegenüber so vielen festgestellten Tat- 
sachen die Neuronenlehre noch halten und man fragt sich unwill- 
kürlich, warum fand die Kontinuität bei den mit der Gewebelehre 
der Chordaten beschäftigten Forschern solange keine Anerkennung 
und findet selbst heute nur von einem — allerdings immer sich 
vermehrenden — Teil derselben? Ich meine, die Antwort darauf 
hat in ehrlicher Aufrichtigkeit O. Schultze erteilt (l. c., S. 80) 
indem er sagte: „Weil wir geblendet waren von dem oberfläch- 
lichen Glanze der Theorie des vermeintlich freien Auswachsens 
aus dem Mark und der Freiheit der Teleodendrien“. Dieser 
Antwort liesse sich noch hinzufügen: und weil jene Herren die 
diesbezügliche Literatur einfach umgingen und das Entwicklungs- 
gesetz zu wenig achteten ! 


Heidelberg, im Mai 1910. 


') Ich verweise diesbezüglich u. v. a. auf den wohl zu den auffälligsten 
Fällen gehörenden, von einem Neuronenanhänger, nämlich Retzius, im 
II. Bande seiner Biolog. Studien (neue Folge 1891) auf Taf. VII, Fig. 1 ab- 
gebildeten Fall bei Aulostomum gulo. 


250 


Sı 


Be Haller: 


Literaturverzeichnis. 


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Arch. f. mikr. Anat., Bd. 44, 1895. 

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Derselbe: Beiträge zur Kenntnis der Textur des Zentralnervensystems 
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Derselbe: Über das Zentralnervensystem ete. von Orthagorisens mola. 
Morphol. Jahrb., Bd. 17, 1891. 

Derselbe: Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. Morphol. 
Jahrb., Bd. 23, 1895. 

Derselbe: Der Ursprung der Vagusgruppe bei den Teleostiern. Fest- 
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Derselbe: Vom Bau des Wirbeltiergehirns. I. Morphol. Jahrb., Bd. 26, 
1898. 

Derselbe: Über den allgemeinen Bauplan des Tracheatensyncerebrums. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 65, 1904. 

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Anz., 1896. 

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Hertwig, O. und R.: Das Nervensystem und die Sinnesorgane der 
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Kontinuität des Nervensystemes. 251 


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Leydig, Fr.: Vom Bau des tierischen Körpers und Tafeln hierzu. 
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Derselbe: Biologische Untersuchungen. Neue Folge, Bd. 4, 1892. 
Schneider, K.C.: Histologie von Hydra fusca ete. Arch. f. mikr. 
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Vignal, W.: Centres nerveux d. quelques intervertebres. Arch. d. 
Zoolog. exper. et generale, 2e Serie, T. I, 1883. 

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Wolff, M.: Das Nervensystem der polypoiden Hydrozoa und Scyphozoa. 
Zeitschr. f. allgem. Physiologie, Bd. 3, 1909. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel X und XI. 


Alle Abbildungen rühren von horizontalen Längsschnitten her. 


Tafel X. 
1. Cyprinus auratus. Eine Ganglienzelle aus der grauen Substanz 
des Lateralgebietes. nn — grobes, fn — feines Nervennetz; ng — 


Neuroglia. Vergr. 3/IX, Immers. Reichert. Das Präparat lag 
3 Stunden in Methylenblau. 

2. Cyprinus carpio. Drei miteinander durch das gröbere Nerven- 
netz (nn) zusammenhängende Ganglienzellen. ng —= Neuroglia; 
v,‚v’— Verbindungen; das feine Nervennetz ist zerstört. Vergr.2/IX, 
Immers. Reichert. Das Präparat lag 6 Stunden in Methylenblau. 

3. UCyprinus auratus. Nach zwei aufeinander folgenden Schnitten 
zusammengestellt. a — eine grössere Ganglienzelle, deren dicker 
sog. Nervenfortsatz sich in dem Lateralstrange in horizontaler 


B. Haller: Kontinuität des Nervensystemes. 


[88 
a} | 
[5] 


Richtung teilt und während der eine Ast (f‘) dann zu einem Achsen- 
zylinder wird, verästelt sich der andere (f) zuvor sich mit einer 
kleinen Ganglienzelle (b) im Lateralstrange verbindend. Ist—Lateral- 
strang. Vergr. 4/6 Reichert. Das Präparat lag 3 Stunden in 
Methylenblau. 
Fig. 4. Cyprinus auratus. Drei Achsenzylinder aus dem Lateral- 
strange, von denen sich zwei miteinander verbinden bei v. Vergr. 46 
Reichert. Das Präparat lag 2!» Stunden in Methylenblau. 
Cyprinus auratus. Ein stärkerer Achsenzylinder (n) aus dem 
Lateralstrange, sich mehrfach teilend. Vergr. 4/6 Reichert. Das 
Präparat lag 2'!/2 Stunden in Methylenblau. 
Fig. 6. Cyprinus auratus. Eine Einzelganglienzelle mit Achsenzylinder. 
Vergr.4/6 Reichert. Das Präparat lag 2'/. Stunden in Methylenblau. 
Cyprinus auratus. Eine Ganglienzelle mit sich mehrfach 
teilendem Achsenzylinder. Vergr. 4/6 Reichert. Das Präparat 
lag 2'/» Stunden in Methylenblau. 
Fig. 8. Cyprinus auratus. Von vier verschiedenen Präparaten derselben 
Serie eingetragene Zellen und Nervenfasern. nw —= Nervenwurzel; 
Ist — Lateralstrang; ce — Zentralkanal. Vergr. 4/6 Reichert. 
Fig. 9. Cyprinus auratus. Zwei miteinander sich verbindende kleinere 
Ganglienzellen. Vergr. 4/6 Reichert. 
Fig. 10. Cyprinus auratus. Eine Ganglienzelle, einen Achsenzylinder 
für den Lateralstrang abgebend, dann zwei ähnliche ohne Ganglien- 
zellen. Vergr. 4/6 Reichert. 


& 
pie) 
or 


Fig. 


—-] 


Tafel XI. 


Bezieht sich alles auf Querschnitte von ganz jungen Regenbogenforellen 
(Salmo irideus) mit Dottersack, die nach dem Golgischen Verfahren 
behandelt wurden. ep = Epidermis ; sz — Sinneszellen; sn — subepitheliales 
Nervennetz; un — Unterhautgeflecht; gz — Ganglienzelle; gh — Gehirn; 
; — Ganglion Gasseri; go — Gehörkapsel; pz — Pigmentzelle. 


sg 

Fig. 11. Gassersches Ganglion. oa = oberer, ma — mittlerer, un — unterer 
Nervenast. Vergr. 3/6 Reichert. 

Fig. 12. Facialisganglion (ef). Vergr. 3/6 Reichert. 

Fig. 13. Aus der Kopfhaut. Vergr. 4/4 Reichert 

Fig. 14. Aus der Haut des Kiemendeckels. Vergr. 4/4 Reichert. 


Fig. 15. Aus der Haut gleich hinter der Orbita. Vergr. 3/8 Reichert. 


253 


Aus dem histologisch-embryologischen Institut der Universität München. 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 
Von 


Adele Hartmann. 


Hierzu Tafel XII und XIII und 4 Textfiguren. 


v. Korff hat, veranlasst durch seine Untersuchungen über 
die erste Anlage der Knochengrundsubstanz (1906), die alte 
„Osteoblasten“lehre von der Histogenese des Knochens verlassen, 
die fast durch 40 Jahre in der Fassung Waldeyers gegolten 
hatte. Ihr trat nun v. Korff mit der Behauptung entgegen, 
dass die erste Anlage des Knochenbälkchens aus miteinander 
verflochtenen Fibrillenbündeln bestehe, die gar nicht von den 
Osteoblasten gebildet werden, sondern von indifferenten Zellen 
des umliegenden Gewebes. Über die Herkunft der Substanz, 
welche die Fibrillen verbindet, spricht er sich nicht näher aus, 
da sie seiner Meinung nach unwichtig ist. Während früher also 
die Osteoblasten tatsächlich als die Bildner des Knochens galten, 
sollten sie nach der neuen Anschauung damit nichts mehr zu 
tun haben. Diese Streitfrage ist in den letzten Jahren nicht 
entschieden worden; sie hat sich vielmehr noch verschärft. Die 
einen legen für die Entstehung des Knochens das Hauptgewicht 
auf die Grundsubstanz und beachten die Fibrillen wenig oder 
gar nicht; zu diesen Autoren gehören vor allem v. Ebner, Disse 
und Novikoff; ihnen gegenüber stehen v. Korff und in gewisser 
Hinsicht auch Studnicka, die ganz besonders die fibrilläre 
Anlage betonen und den Osteoblasten selbst nur eine ganz 
geringe Tätigkeit bei der Knochenbildung einräumen. 

Ehe ich nun auf die Resultate meiner eigenen Untersuchungen 
näher eingehe, möchte ich auch an dieser Stelle Herrn Professor 
Mollier, der mir die Anregung zu der Arbeit gab und mich 
bei ihrer Ausführung unterstützte, meinen ergebensten Dank 
aussprechen. 

Ebenso danke ich Herrn Prosektor Dr. Böhm verbindlich 


für die mir geleistete Hülfe. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. Ir 


254 Adele Hartmann: 


Methodik. 


Zur Untersuchung wurden Embryonen von Schafen und 
Kaninchen verwendet, auch wurden einige Schnitte von Katzen- 
embryonen einer genaueren Prüfung unterzogen. Dabei zeigte sich, 
dass abgesehen von Verschiedenheiten in der äusseren Form des 
Unterkiefers, die höchstens in einem rascheren oder langsameren 
Wachstum, namentlich Dieckenwachstum, auffällig wurden, bei den 
verschiedenen Tieren in der Genese des Knochens kein wesent- 
licher Unterschied festzustellen war. Es darf also wohl an- 
genommen werden, dass auch für andere Säugetiere die erste 
Anlage des Knochens in übereinstimmender Weise erfolgen wird. 


Am geeignetsten zur Untersuchung erwiesen sich Embryonen 
von ca. 2 cm Scheitel-Steisslänge; es sind hier die Meckelschen 
Knorpel noch in der ganzen Ausdehnung erhalten und es hat 
sich nach aussen von diesen beiderseits eine dünne Knochen- 
spange angelegt, die von der Stelle ihrer ersten Anlage weiter 
nach vorn reicht als nach rückwärts und auch vorne etwas 
kräftiger entwickelt ist. 

Entkalkung des Knochens ist in diesen Stadien noch nicht 
nötig; namentlich wenn diese mit Flemmingscher Lösung 
fixiert worden waren. 

Die Schnittrichtung wurde anfangs frontal geführt; man 
konnte dabei erkennen, wie sich der Knochen halbkreisförmig 
um den Meckelschen Knorpel herum anlegt, nicht in kompakter 
Masse, sondern in Lamellen von verschiedener Dicke, die sich 
netzförmig untereinander verbinden. In geringer Entfernung 
vom Knochen ist das Mesenchym bereits verdichtet, reichliche 
Fasern gebildet und die Zellen in die Länge ausgezogen als 
Anlage des späteren Periosts. Über die Entstehung der Lamellen 
liess sich dabei aber nichts oder so gut wie nichts erkennen. 

Später wurde die Schnittrichtung mehr schräg und hori- 
zontal gelegt und da zeigte sich, dass an dem proximalen Ende, 
also in der Richtung gegen das spätere Gelenk zu, deutlich alle 
Stadien der Umbildung zu erkennen waren. Es wächst also der 
Knochen offenbar langsamer nach rückwärts, als in die Dicke. 
Nach rückwärts ist auch noch keine Grenze gezogen für das 
Wachstum durch die Verdichtung des Mesenchyms zum Periost. 
Die Dicke der Schnitte betrug durchschnittlich 5—7 u. 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 255 


Fixiert wurden die Objekte zum Teil in Flemmingscher 
Lösung je nach der Grösse verschieden lang: zwei Tage bis zu 
drei Wochen. Zum Teil in Zenker, Helly-Müller, Sublimat 
und Formol. Da letzteres gern Schrumpfungen bewirkt, die 
gerade hier leicht zu Täuschung Veranlassung geben, so sind die 
Bilder mit Vorsicht zu deuten. Eingebettet wurde in Paraffın. 

Was die Färbungen anbetritft, so waren die Resultate 
eigentlich recht unbefriedigende. Es fehlt vor allem an einer 
Protoplasmafärbung, die auch die feinsten Fortsätze der Zellen 
noch unzweideutig zum Ausdruck bringt und die zugleich schon 
differenziertes Protoplasma gegen noch undifferenziertes abgrenzen 
würde. Um diesem Übelstande möglichst abzuhelfen, wurden 
ganz verschiedene Färbungen benutzt, mit Tannin-Osmiumsäure, 
mit Methylgrün-Pyronin, mit Gentianaviolett, Thionin, Kongorot; 
ferner mit einem Gemisch von Orange G. und Fuchsin S. in der 
von v. Korff angegebenen Weise und die erhaltenen Resultate 
sorgfältig miteinander verglichen. Sehr schön gelang es, den 
Zusammenhang von Zellprotoplasma und Knochensubstanz mit 
Bleu de Lyon nachzuweisen. 

Für die Darstellung der Fibrillen liegen die Verhältnisse 
wesentlich günstiger. Das Verfahren nach Mallory und eine 
Färbung mit Blauschwarz (Heidenhain: Zeitschrift für wissen- 
. schaftliche Mikr., Bd. 25, April 1908) waren sehr geeignet. Auch 
eine von Hornowsky angegebene modifizierte Dreifärbung nach 
van Gieson (Zentralbl.f.allg. Path.u.path. Anat., Bd. 19, 15) und 
eine Färbung der Präparate mit Heidenhainschem Eisen- 
hämatoxylin und Nachfärben mit Fuchsin S., eine Methode, die 
auch v. Korff für seine Präparate verwendet hat, ergaben in 
bezug auf die Fibrillen ganz gute Resultate. Nur soll gleich 
hier angefügt werden, dass die Fibrillen sich nicht ausschliesslich 
mit sauren Farbstoffen färben, sondern auch mit basischen, 
z.B. mit Anilinblau, und dass zur Diagnose von verschiedenartigen 
Fibrillen ihre Acidophilie bezw. Basophilie nicht herangezogen 
werden darf, da dies keine konstanten und vor allem keine 
zuverlässigen Eigenschaften sind. Auch ein Unterschied in der 
verkalkt gewesenen und noch unverkalkten Knochensubstanz, der 
sich in einer verschiedenen Affinität zu basischen und sauren 
Farbstoffen äussern sollte, wie v. Korff angibt, konnte nicht 


gefunden werden. Mit allen Farbstoffen, die zur Anwendung 
ld 


256 Adele Hartmann: 


kamen, färbte sich der Knochen in den zentralen Partien inten- 
siver, aber nicht anders als in den peripheren, oder die Farbe 
konnte bei regressiver Färbung nur langsamer ausgezogen und 
differenziert werden; es bleiben z. B. nach der Färbung mit 
Heidenhainschem Hämatoxylin bei der Differenzierung mit 
Eisenalaun die inneren Teile des Knochenbälkchens viel länger 
schwarz als der Rand. Bei schon sehr dicken Knochen (ca. 50 u) 
gelingt eine Differenzierung überhaupt nicht mehr; doch darf 
dieses Verhalten kaum der Anwesenheit von Kalksalzen zu- 
geschrieben werden. Ausserdem zeigte das Innere des Knochen- 
bälkchens immer eine homogenere Färbung als der Saum und 
Fibrillen liessen sich nur sehr schwer oder gar nicht sehen. 
Eine Vorbehandlung der Schnitte mit 5°/oiger Salpetersäure ergab 
genau die gleichen Resultate, selbst wenn sie bis zu 48 Stunden in 
der Säure belassen wurden. Schon vorhandene Kalksalze waren durch 
die Fixierungstlüssigkeiten herausgelöst worden. Nach v. Korff 
müsste durch die Salpetersäure das die Fibrillen verklebende Binde- 
mittel entfernt werden, was aber nicht der Fall ist. Auch ist 
dieses Bindemittel nicht ausschliesslich basophil, denn es färbt sich 
z. B. sehr stark mit Fuchsin S., dagegen nicht mit Thionin. 

So verschieden die Bilder, die man mit den verschiedenen 
Färbungen erhielt, auch waren, so stimmten wenigstens alle darin 
überein, dass sie das Protoplasma der Osteoblasten nirgends 
homogen erscheinen liessen, dass sie Beziehungen zwischen Zellen 
und Fibrillen erkennen liessen und dass sie überall die gleichen 
Form- und Aufbauverhältnisse der Osteoblasten zeigten. 


Es gehört der Unterkiefer zu denjenigen Knochen, die 
nicht knorpelig präformiert sind, sondern direkt aus dem Binde- 
gewebe entstehen. Und zwar muss ganz besonders betont werden, 
dass es sich nicht einfach um die Umwandlung und Verknöcherung 
von fertigem Bindegewebe handelt. Es geht die erste Entstehung 
des Knochens viel weiter zurück in eine Zeit, in der überhaupt 
noch Kein eigentliches kollagenes Bindegewebe vorhanden ist. 
Hierin liegt auch der Hauptunterschied gegen den perichondral 
und periostal gebildeten Knochen; es soll darauf später noch 
kurz zurückgekommen werden. 

Der Knochen entwickelt sich direkt aus dem lockeren 
embryonalen Mesenchym, das die Grundlage alles Stützgewebes 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 257 


bildet. Dieses Mesenchym besteht vorwiegend aus ziemlich grossen 
weit verzweigten Zellen, die in einer Flüssigkeit, von Studnitka 
„Urlymphe“ genannt, verspannt sind. Letztere ist an den Schnitten 
natürlich nicht mehr nachzuweisen, sie muss aber angenommen 
werden. Im übrigen ist sie für das weitere belanglos. 

Wichtig sind vor allem die Zellen. Sie zeigen zahlreiche 
Ausläufer, die mit denen benachbarter Zellen anastomosieren. 
Die Form dieser Fortsätze ist sehr verschieden; sie sind oft 
lang ausgezogen, oft ganz kurz; manchmal erscheinen sie breit, 
manchmal so fein, dass man sie kaum verfolgen kann. Wahr- 
scheinlich sind sie häufig segelförmig und merkwürdig gewunden, 
daher das verschiedenartige Bild. Die flächenförmig ausgebreiteten 
Fortsätze sind natürlich auch wieder durchbrochen. Auch um 
die Zellkerne ist meistens das Protoplasma nicht wesentlich 
stärker angesammelt. 

Das Protoplasma färbt sich sehr schwach selbst mit spezifischen 
Protoplasmafarben, was vielleicht auf grossen Wasserreichtum 
zurückgeführt werden kann. Darauf weist auch die gallertige 
Konsistenz des Gewebes hin. Dass es sich aber doch um eine 
wenn auch noch so schwach gefärbte Substanz handelt, ist daraus 
erkennbar, dass zwischen den kleinsten undeutlichen Lücken des 
protoplasmatischen Netzes grössere sich finden, die ganz deutlich 
ungefärbt und von scharfem Rande begrenzt sind. Es sieht aus, 
als wären in eine protoplasmatische Grundmasse Hohlräume ver- 
schiedenster Form und Grösse eingelegt, die je weiter sie sich 
vom Kern entfernen umso grösser werden, je näher sie dem Kern 
liegen bis zu winzigen Hohlräumen zusammenschrumpfen, die wie 
Vakuolen aussehen (Fig. 2). Der syneytiale Zusammenhang der 
Zellen lässt sich deutlich erkennen, wo zwei Kerne nahe bei- 
einander liegen und durch breitere protoplasmatische Züge ver- 
bunden sind; dann auch an solchen Stellen, wo das Gewebe schon 
etwas kernreicher und dichter geworden ist, z. B. um die Anlage 
der Chorda oder unter der Epidermis; auch Fäserchen sind hier 
schon reichlicher vorhanden; nur sind es meist noch keine scharf 
konturierten Fibrillen, sondern körnige Gebilde (Fig. 3). In 
späteren Stadien machen die bereits reichlich entwickelten Fibrillen 
das Bild unklar; man tut daher gut, nur sehr junge Embryonen 
zu untersuchen. Das Protoplasma färbt sich allerdings häufig 
um die Kerne und in den stärkeren Ausläufern etwas kräftiger, 


258 Adele Hartmann: 


was leicht zur Täuchung Anlass geben kann, als seien einzelne 
Zellen in einer fast farblosen Grundsubstanz suspendiert. Die 
stärkere Färbung tritt aber durchaus nicht immer deutlich auf; 
auch nicht an allen und stets an den gleichen Stellen, so dass 
sie wohl kaum als etwas Spezifisches angesehen werden dürfte. 
Vielleicht ist sie der Ausdruck einer ersten Differenzierung der 
indifferenten Mesenchymzellen, die sich vorerst nur in einer 
grösseren Dichte des Protoplasmas äussert. 

Das Protoplasma der Zellen ist nirgends homogen; es zeigt 
überall eine wabige Struktur. Die Waben erscheinen unmittelbar 
in der Umgebung der Kerne kleiner als am Rande der Zelle und 
nehmen mit Entfernung der Kerne zu, so dass sie als kleinere 
und grössere Vakuolen erscheinen. 

Allenthalben findet man zwischen den Maschen des Netzes 
grosse vereinzelte Zellen, die sich aus dem syneytialen Verbande 
gelöst haben. Ihr Protoplasma zeigt den gleichen wabigen Bau 
mit Vakuolen. Sie erweisen sich darnach als selbständig gewordene 
kernhaltige Teile des wabig-vakuolär gebauten protoplasmatischen 
Syneytiums. Welche Bedeutung und welche Funktion diese Zellen 
haben, braucht hier nicht besprochen werden. Sie zeigen noch 
keine spezifische Veränderung. Vielleicht stehen sie in irgend 
welcher Beziehung zur Blut- und Lymphbildung. Ausser zahl- 
reichen mit Blutzellen dicht erfüllten Lücken kann man überall 
im Gewebe verstreut einzelne Blutzellen antreffen, manchmal wie 
von den feinen protoplasmatischen Ausläufern der Zellen um- 
sponnen. Wahrscheinlich gibt es bei so jungen Embryonen im 
Mesenchym stellenweise noch keine Trennung des Blut- und 
Lymphapparates, noch keinen vollständig geschlossenen Kreislauf, 
sondern die Ernährungsflüssigkeit zirkuliert frei durch die Maschen 
des lockeren (rewebes. 

Vereinzelte Blutzellen findet man auch noch im Mesenchym, 
das bereits angefangen hat Knochensubstanz zu bilden, also im 
osteogenen (sewebe; zwischen den schon fertigen Knochenbälkchen 
aber liegen sie nirgends mehr frei, sondern schon deutlich in 
mehr oder weniger weite Endothelröhren eingeschlossen. 

Die Kerne der Mesenchymzellen sind gross, hell, meist rund 
oder oval; das reichliche Uhromatin erscheint in Körnchen auf- 
gereiht: ein Kernkörperchen ist vorhanden. Sonst bieten sie 
nichts Bemerkenswertes. 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 259 


Eine bestimmte Orientierung der Zellen nach einer Richtung, 
die in der Lage der Kerne und der Zellfortsätze zum Ausdruck 
käme, ist nicht vorhanden: sie stehen ganz gleichmässig nach 
allen Dimensionen verteilt. Nur da, wo sich das Mesenchym 
gegen fremdes Gewebe abgrenzt, sind die Kerne mehr länglich 
und nach einer bestimmten Richtung angeordnet; hier ist auch 
die Faserbildung schon viel ausgeprägter. Dasselbe gilt für 
denjenigen Teil des Mesenchyms, der später zum Periost des 
Unterkiefers wird. 

Aus diesem netzförmig angeordneten vollständig indifferenten 
Mesenchym entwickelt sich der Knochen. 

Der fertige Bindegewebsknochen besteht ausser den ein- 
gelagerten Zellen im wesentlichen aus drei Bestandteilen: aus 
sogenannten kollagenen Fibrillen, aus einer organischen Substanz, 
welche dieselben verkittet und zusammenhält, die ich mit Mollier 
als Bindemittel bezeichnen werde, und aus den anorganischen 
Salzen. 

Ich gehe bei der folgenden Beschreibung zunächst von einem 
nicht mehr ganz jungen Stadium aus, wie es ungefähr auch den 
Bildern zugrunde liegt, die v. Korff in seinen Abhandlungen 
gegeben hat. 

Das was bei der Betrachtung des werdenden Knochen- 
bälkchens am meisten® auffällt, sind die Fibrillen (Fig. 1), sie 
sollen daher auch zuerst besprochen werden. Es handelt sich 
bei ihrer Entstehung im wesentlichen um drei Fragen: nämlich 
ob sie, wie v. Korff annimmt, schon vor der Bildung der Grund- 
substanz, des Bindemittels, vorhanden sind; zweitens, wie weit 
sie sich in ihrer Entstehung zurückverfolgen lassen; und endlich, 
ob sie von Zellen abstammen und von welchen, oder ob sie für 
sich in einer Substanz entstehen, die dann als Intercellular- 
substanz von Zellen abgeschieden worden sein müsste? Sobald 
man das letztere annimmt, werden die anderen Fragen hinfällig; 
im übrigen ergibt sich eine aus der andern. 

Vom Rande des Knochenbälkchens lassen sich Fibrillen ins 
umliegende (rewebe hinaus verfolgen; sie gehen fast senkrecht 
vom Knochen ab, indem sie sich dabei in merkwürdiger Art zu 
Bündeln zusammenlegen, wie dies schon von v. Korff beschrieben 
worden ist (Fig. 1). Nur selten verlaufen sie einzeln und parallel 
zueinander; doch kommt auch dieses vor. In den frisch ge- 


260 Adele Hartmann: 


bildeten Knochenpartien lassen sich diese Faserbündel gut er- 
kennen und weiter verfolgen; sie lösen sich meist wieder in 
dünne Bündel oder einzelne Fasern auf, die sich nicht mehr 
geordnet nebeneinander legen, sondern untereinander und mit 
Fasern anderer benachbarter Bündel zu einem dichten Filz ver- 
flechten. Das (Gerüst, das auf diese Weise entsteht, ist nach 
jeder Richtung hin gleich gebaut; wie man den Schnitt auch 
legen mag, man erhält immer dasselbe Bild. Es verlaufen also 
die Fibrillen nicht vorherrschend in einer bestimmten Richtung; 
auch von einer Anlage des Knochens in getrennten Lamellen, in 
welchen die Fasern geordnet senkrecht aufeinander stehend ver- 
laufen würden, ist keine Rede. Allmählich verschwindet das 
dichte Fasernetz unter dem die Fibrillen verklebenden Bindemittel. 

Man gewinnt entschieden den Eindruck, als entstünden die 
Fibrillen vor der Anlage des Bindemittels, wie dies auch v. Korft 
mehrfach ausdrücklich betont hat. Wenn man den Begriff des 
Bindemittels nur für diejenige Masse gelten lässt, die als scheinbar 
homogene Intercellularsubstanz die Fibrillen markiert, so hat er 
allerdings recht. Verfolgt man aber die Entstehung dieses Binde- 
mittels, von welcher später noch ausführlich die Rede sein wird, 
so muss man zu der Überzeugung kommen, dass der Begriff in 
obigem Sinne viel zu eng gefasst ist. v. Korff sagt: „Als 
zweiter unwesentlicher Bestandteil entwickelt sich die Kittsubstanz 
(formlose Intercellularsubstanz), welche die Widerstandsfähigkeit 
des Gewebes erhöht und in welche die Einlagerung von Kalk- 
salzen durch chemische Prozesse erfolgt. Sie maskiert die 
Bindegewebsfibrillen, ist basophil.“ Woher diese Kittsubstanz 
kommt, ist nirgends erwähnt und doch kann sie nicht einfach 
plötzlich aufgetaucht sein. An einer anderen Stelle sagt v. Korff 
von den Osteoblasten, „dass diese nur in den Knochenkanälchen 
gelegene Fortsätze entwickeln und in den basophilen Körnern 
des Zelleibes wahrscheinlich die später in die Grundsubstanz 
eingelagerte Interfibrillärsubstanz, wie wir es auch für die 
Knochenzellen annehmen müssen“. v. Korff unterscheidet also 
doch noch neben der Interfibrillärsubstanz eine besondere Grund- 
substanz, die, wie aus obigem hervorgeht, vor der ersteren da 
gewesen sein muss. (Genauer ist diese Grundsubstanz aber nicht 
beschrieben und auch von ihrer Entstehung ist nichts gesagt. 
Dass aber eine solche Trennung eines eigentlich einheitlichen 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 261 


Begriffes wesentlich zur Unklarheit beiträgt und nur zu Ver- 
wirrungen Anlass geben kann, wird niemand bestreiten; es soll 
daher im Folgenden die Substanz, welche die Fasern verbindet, 
gleichviel welche chemische oder physikalische Veränderung sie 
während des Prozesses der Ossifikation erleidet, und ohne Rück- 
sicht darauf, wie sie sich morphologisch darstellt, mit Binde- 
mittel bezeichnet werden, sobald sie als ein von der Zelle deutlich 
getrennter Bestandteil erkannt werden kann. Was noch un- 
zweifelhaft zum Zelleib gehört, ist Protoplasma, mag es nun 
schon eine gewisse Differenzierung eingegangen sein oder nicht. 
In diesem Sinne erscheint es auch nicht mehr ganz berechtigt, 
zu sagen, dass die Fibrillen vor dem Bindemittel da seien. Sie 
fallen wohl mehr ins Auge und sind vielleicht in ihrer Art schon 
weiter differenziert als die Substanz, die sie zusammenhält; es 
ist aber ein logisches Postulat, dass das Bindemittel gleichzeitig 
mit den Fibrillen entsteht. Jedenfalls kann von einem Aus- 
wachsen der Fibrillen aus dem Ort ihrer Genese zum Ort ihrer 
technischen Verwendung, wie es v. Korff für Knochen- und 
Pulpafibrillen, und neuerdings auch Heinrich für die Pulpa 
angibt, nicht die Rede sein. Ebensowenig können Fibrillen 
nachträglich in eine schon vorgebildete Grundsubstanz hinein- 
wachsen; entweder die Fibrillen entstehen mit ihr zusammen 
oder sie treten erst sekundär in ihr in Erscheinung, wie es auch 
v. Ebner annimmt. 

Da die Fibrillen viel mehr ins Auge fallen, als das in 
jungem Zustande noch fast unsichtbare Bindemittel, so ist es 
auch leichter, sie zu verfolgen bis in das Gewebe, aus welchem 
sie ihre Entstehung nehmen. Sie treten vom Rand des Knochen- 
bälkchens bündelweise weg und laufen zwischen den als Osteo- 
blasten bezeichneten Zellen hindurch. Dabei lösen sich die Bündel 
allmählich wieder pinselförmig in einzelne Fasern auf. Diese 
lassen sich weit hinaus verfolgen in ein Gewebe, das morpho- 
logisch vollständig indifterent ist, höchstens durch seine Lage 
in der Umgebung des Knochens als osteogenes angesprochen 
werden darf. Dieses Gewebe zeigt einen lockeren Bau, die 
Zellen verhalten sich ganz wie die früher beschriebenen, es 
handelt sich in der Tat um erstes indifferentes Mesenchym. 
Unterzieht man dieses nun nochmals einer genaueren Betrachtung, 
so zeigen sich überall, bald mehr, bald weniger deutliche Fibrillen 


262 Adele Hartmann: 


(Fig. 2). Zu ihrer Charakteristik ist wenig zu sagen; überall 
findet man sowohl Längs- als Querschnitte, es ist aber keine 
bestimmte Richtung vorherrschend. Zuweilen treten mehrere 
Fibrillen zu einem Bündel zusammen. Sie sind nicht gleich dick 
und verlaufen, soweit man sie im einzelnen verfolgen kann, nicht 
immer gerade gestreckt, sondern leicht wellig, manchmal auch 
gewunden, indem sie den Verlauf der Netzmaschen betonen. In 
der Nähe des Knochens liegen die Fibrillen den Osteoblasten 
manchmal sehr dicht auf, als ob sie in engem Zusammenhang 
mit ihnen stünden. Es ist auch tatsächlich häufig unmöglich, 
nachzuweisen, dass die Fibrille von der Zelle getrennt sei; ebenso 
oft aber verlaufen die Fibrillen deutlich von den Zellen isoliert. 
Dass die Bilder v. Korffs hier nicht ganz mit der Wirklichkeit 
übereinstimmen, hat schon v. Ebner erwähnt; es sind zwischen 
den Fasern überall nur die Kerne, nirgends aber Protoplasma- 
leiber der Zellen eingezeichnet. 

v. Korff betont, dass eine Beteiligung der Osteoblasten 
an der Bildung der kollagenen Fibrillen unmöglich sei. Verfolgt 
man die Fibrillen weiter hinaus, so muss man zu derselben 
Anschauung gelangen trotz des zweideutigen morphologischen 
Verhaltens. Ich möchte letzteres dahin deuten, dass zwar 
genetisch die Osteoblasten nichts mehr mit den Fibrillen zu tun 
haben, dass sie aber bei der raschen Entwicklung des Gewebes 
nicht mehr Zeit gehabt haben, sich vollständig von den Fasern 
loszulösen. Auch dürfte dieses Verhalten mit hinweisen auf einen 
früheren innigen Zusammenhang von Zelle und Fibrille. Immerhin 
möchte ich auch gerade deshalb die Osteoblasten von der Fibrillen- 
bildung nicht vollständig ausschliessen und glaube, dass sie unter 
bestimmten Bedingungen wieder die Fähigkeit erhalten, sich an 
der Fibrillenbildung zu beteiligen. v. Ebner hat an der Ober- 
fläche der Odontoblasten Fäserchen gesehen und dargestellt, 
Mallory, Bielschowsky und auch mir sind an manchen 
Stellen ähnliche an der Oberfläche der Osteoblasten ihrer Längs- 
achse parallel verlaufende Fäserchen aufgefallen (Fig. 4). 

Hiermit wären wir bereits zu der viel umstrittenen Frage 
nach der Entstehung der Fibrillen gekommen. Da sich die 
Knochenfasern bis zum Mesenchym zurückverfolgen lassen, wird 
man hier auch ihre Entstehung studieren müssen. Die Schwierig- 
keiten dabei sind aber sehr gross, eben weil es noch kein zu- 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 263 


verlässiges Mittel gibt, um differenziertes Protoplasma von noch 
undifferenziertem zu trennen, und weil das wasserreiche, fast 
flüssige Protoplasma Farbstoffe nur sehr schwer annimmt. Bei 
intensiver Beleuchtung und Abblendung kann man sehen, dass 
die Fibrillen mit den feinen, kaum sichtbaren Netzmaschen ver- 
laufen, manchmal dicht neben einem Kern vorbei, manchmal 
sogar ein Stück um den Kern herum (Fig. 2). Niemals verläuft 
eine solche Faser durch eine grössere, vollständig ungefärbte 
Lücke im Gewebe, welche intra vitam von der „Urlymphe“ 
erfüllt gewesen sein muss, und die sicherlich kein Protoplasma 
enthält. Eine gewisse Beziehung der Fasern zur Zellsubstanz 
ist also doch da. Studiert man eine scheinbar frei verlaufende 
Fibrille genauer, so zeigt sich, dass ihre Konturen gar nicht so 
scharf sind. Sie ist umgeben von einem dünnen, äusserst schwach 
gefärbten, oft kaum sichtbaren Belag, den man wegen seiner 
geringen Dicke für homogen erklären möchte. Wahrscheinlich 
ist es gar nicht homogen, sondern eine lang ausgezogene, äusserst 
feine Lamelle von Protoplasma, die der jungen Faser wie ein 
Mantel aufliegt. Dass dieser Belag nicht immer da ist, sondern 
mit der Selbständigkeit der Fibrille und ihrer weiteren 
Differenzierung verschwindet, ist wahrscheinlich; ich habe ihn 
auch nur an der Faser des jungen undifferenzierten Mesenchyms 
wahrnehmen können. Schon an den Fibrillen des vorhandenen 
Knochenbälkchens findet er sich in der Regel nicht mehr. 
Zwischen den gröberen und feineren deutlich ausgebildeten 
Fibrillen zeigen sich zahllose feinste faserige Gebilde, die keine 
deutliche Kontur besitzen, sondern aus aufgereihten Körnchen 
zu bestehen scheinen und durchaus unregelmässig sind (Fig. 3). 
Sie sind kürzer und laufen nach allen Richtungen durcheinander, 
besonders die Konturen der Netzmaschen andeutend. Wahrschein- 
lich sind sie identisch mit den „Plasmafäserchen“ v. Ebners 
und den „Tonofibrillen* Studnid@kas und stellen eine Vorstufe 
der fertigen Fibrillen dar. v. Ebner leugnet die Entstehung 
kollagener Fibrillen aus sichtbaren Körnchen, seine Protoplasma- 
fäserchen sind selbständige Gebilde, die mit den Fibrillen nichts 
zu tun haben; es scheint, „dass die Fibrille sofort als solche 
entsteht“. Dagegen sprechen aber die zweifellosen an Fibrillen 
beobachteten Wachstumsvorgänge. Studnicka nimmt ausser 
den selbständigen Tonofibrillen noch andere Fasergebilde an, 


264 Adele Hartmann: 


die er für Fortsätze des meist spindelförmigen Zellkörpers hält 
und von welchen er glaubt, dass sie mit der Tonofibrillenbildung im 
Zusammenhang stehen. Trotzdem lässt er an anderer Stelle Tono- 
fibrillen selbständig im Innern eines zellfreien Grundsubstanz- 
gewebes entstehen (Gallertgewebe von Amphioxus, Glaskörper). 

Sobald man annimmt, dass die Fasern aktiv von Zellen 
gebildet werden, ist es gleichgültig, ob sie mehr im zentralen 
oder peripheren Teil der Zelle entstehen: das letztere ist das 
wahrscheinlichere, da ja die Fibrillen hauptsächlich mit den 
Zellausläufern verlaufen. Da wo sie zuerst auftreten, lässt sich 
meist noch kein sichtbarer Unterschied feststellen zwischen 
Exoplasma (Randplasma) und Endoplasma, obwohl damit nicht 
geleugnet werden soll, dass schon ein Unterschied vorhanden sein 
kann. Ferner ist es für die Weiterentwicklung der Fibrillen als 
solche einerlei, ob sich mit ihnen ein Teil des Protoplasmas der 
Zelle loslöst, oder ob sie einfach als schon fertige Gebilde aus 
der Zelle hinausgeschoben werden; ebenso ist es gleichgültig, ob 
die Trennung früher oder später erfolgt. Es wird dies sehr ver- 
schieden sein können und wesentlich davon abhängen, zu welchem 
Zweck die Fibrille gebaut wird, und aus welchem Material sie 
besteht. Einen bestimmten Charakter erhält sie erst dann, wenn 
man sie ihrer chemischen Natur nach genauer bestimmen kann. 
Für uns hier ist das wesentlichste die funktionelle Bedeutung, 
und so glaube ich auch, dass für den Bau des Knochens vor 
allem die Faser als solche massgebend ist und ihre chemische 
Natur gar nicht oder wenigstens nur soweit in Betracht kommt, 
als sie Einfluss hat auf das physikalische Verhalten der Fibrillen. 
Damit wäre auch die Streitfrage, ob die ersten Fibrillen kollagen 
sind oder nicht, als etwas ganz unwesentliches erledigt. Wahr- 
scheinlich ‘haben sie in ihren Frühstadien eine ganz andere 
chemische Zusammensetzung, als im fertigen Knochen. Es hat 
auch noch niemand mit Sicherheit bewiesen, dass alle bis jetzt 
für kollagen gehaltenen Fasern wirklich aus demselben Kollagen 
bestehen. 

Ob sich alle Zellen des Mesenchyms oder nur einige an der 
Fibrillenbildung beteiligen, ist bei dem dichten Gewirr der Fort- 
sätze unmöglich zu entscheiden; sicherlich aber haben jene Zellen, 
die sich schon ganz frühzeitig aus dem Verband der anderen 
getrennt, nichts mehr mit der Faserbildung zu tun. 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 265 


Mit dem Nachweis, dass ein genetischer Zusammenhang 
zwischen Zelle und Fibrille besteht, ist freilich noch lange nicht 
bewiesen, wie und woher die letztere eigentlich ihren Ursprung 
nimmt. Die meisten Autoren führen sie auf körnige oder fädige 
Strukturen des Protoplasmas zurück (Flemming, Studnicka, 
Meves, Golowinski u.a.). Bei der Mannigfaltigkeit dieses 
Gewebes ist es ja denkbar, dass die Fibrillen nicht immer auf 
die gleiche Weise entstehen; ich erinnere nur an die Arbeit 
v. Ebners über die Entwicklung der kollagenen Fibrillen in der 
Chordascheide niederer Fische. 

Vorerst soll nur betont werden, dass die Fibrillen vorhanden 
sind und dass sie von Zellen des Mesenchyms gebildet werden, 
im Gegensatz zu jenen Autoren (Merkel, Laguesse u.a.), 
welche sie in einer amorphen Grundsubstanz entstehen lassen. 
Woher kommt nun aber jenes Bindemittel, das die Fasern zu- 
sammenkittet und für den Bau des Knochens ebenso wichtig ist, 
als diese selbst? Schon oben wurde gesagt, dass das Bindemittel 
gleichzeitig mit den Fasern entstehe; es sind also auch für dieses 
die ersten Anfänge im Mesenchym zu suchen. Verfolgt man das 
lockere syneytiale Gewebe gegen das Knochenbälkchen zu (am 
besten auf Horizontalschnitten am proximalen Ende des Bälkchens), 
wo noch keine Anlage des Periosts sich findet, so sieht man 
zunächst nichts weiter als eine starke Wucherung des Gewebes 
(Fig. 5). Die Zellen werden zahlreicher, die Kerne dichter ge- 
drängt. Man findet hier auch viel häufiger Karyokinesen als 
sonst im Mesenchym, und zwar ist es auffällig, dass diese Teilungs- 
figuren sich meist in ziemlicher Entfernung vom Knochenbälkchen 
befinden am äusseren Rand des jungen „osteogenen“ (rewebes. 
Die Zellen werden von aussen her nach der Mitte zu vorgeschoben ; 
nur selten findet man eine Karyokinese in der Nähe des Knochens. 
Es sind also noch indifferente Zellen, die sich teilen. Das junge 
(Gewebe ist ausserordentlich gut ernährt; viele grössere und 
kleinere Gefässbahnen, die nur eine Endothelwand besitzen, kommen 
bis dicht an den schon fertigen Knochen heran, laufen bisweilen 
(höchst selten) zwischen den Knochenlamellen hindurch. Auch 
vereinzelte Blutzellen finden sich noch immer in den Netzmaschen 
des Mesenchyms, niemals aber zwischen den schon fertigen Knochen- 
spangen. Die Kerne werden kleiner; ebenso die Protoplasma- 
leiber der Zellen; die Regeneration auf den ursprünglichen Be- 


266 Adele Hartmann: 


stand kann mit der Teilung offenbar nicht gleichen Schritt halten. 
Die Struktur der Kerne zeigt keine Veränderung; auch das 
Protoplasma ist noch wabig wie zuvor und zeigt hin und wieder 
Vakuolen. Die Netzmaschen zwischen den Plasmafäserchen werden 
viel kleiner; sie zeigen keine bestimmte Form, sind meist von 
rundlicher (Gestalt. Es sieht aus als ob das Gewebe sich gleich- 
mässig verdichten würde. Freie aus dem Syneytium losgelöste 
Zellen, die wie die schon mehrfach erwähnten an die „ruhenden 
Wanderzellen“ Maximows erinnern, habe ich nur mehr an einem 
Präparat gefunden. Das (Gewebe ist schon nicht mehr ganz in- 
different. Nach aussen zu scheinen die Maschen etwas in die 
Länge gezogen und die Kerne flacher, hier ist der Übergang 
zum Periost. Hier ist auch die Faserbildung am dentlichsten. 
Je näher man an das fertige Knochenbälkchen herankommt, desto 
schärfer geprägt und desto dichter werden die Fibrillen. Sie 
bilden oft schon dicke Balken, die um die Netzmaschen herum- 
laufen; überall zeigen die Fasern deutlich eine Tendenz sich zu 
Bündeln zusammenzulegen. Ganz allmählich färbt sich auch das 
Protoplasma intensiver (Fig. 6 a und b), wird offenbar wasser- 
ärmer, konsistenter; dabei behält es stets seine wabige Struktur. 
Nun kann man auch deutlich erkennen, dass die Fibrillen im 
Protoplasma verlaufen und zwar immer am Rande der Netzmaschen. 

Gleichzeitig macht sich im Syneytium eine Differenzierung 
bemerkbar, es ändert sich das um den Kern gelegene Proto- 
plasma; es zeigt einen anderen Farbenton, ist meist etwas dunkler 
und erscheint zuerst als ein schmaler, dem Kern dicht anliegender 
Ring, der sich allmählich verdickt. Auch eine Änderung in der 
Struktur wird bemerkbar; die Waben werden deutlicher und 
grösser, die grösseren Vakuolen dagegen zusammengedrückt, so 
dass sie häufig nicht mehr zu sehen sind; dem Ganzen bleibt 
aber der schaumige Charakter erhalten. Jetzt wäre der Moment 
gekommen, wo man wirklich zwischen Exoplasma und Endoplasma 
unterscheiden könnte. Dieses Stadium ist aber offenbar ein sehr 
rasch vorübergehendes, denn man muss oft viele Präparate durch- 
mustern, ehe man an einer Serie solche Bilder deutlich er- 
kennen kann. 

Das in Umbildung begriffene Protoplasma entwickelt sich 
nicht gleichmässig um den Kern; es verdickt sich nach einer Seite 
hin, sodass der Kern ganz exzentrisch liegt, wie in ein Schüsselchen 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 267 
eingebettet. Das ganze (rewebe wächst kräftig (Fig. 6 a), die 
Kerne werden mit dem Protoplasmaleib wieder grösser und die 
einzelnen Zellen mehr auseinander gedrängt. Der Hauptzweck 
ist jetzt offenbar nicht mehr Vermehrung der Zellen, sondern 
innere Ausgestaltung. Hohlräume zwischen den Maschen des 
ursprünglichen Netzes sind kaum noch vorhanden (Fig. 6 b), 
sie werden ausgefüllt durch die Anlagen der ersten Knochen- 
substanz (= Bindemittel + Fibrillen), die mit den Zellen mächtig 
gewuchert ist. 

An der Struktur der Kerne ändert sich so gut wie nichts; 
sie sind gleich hell und gross wie früher; die Chromatinkörnchen 
ballen sich manchmal zu kleinen Schollen zusammen, die der 
Kernmembran perlschnurartig aufsitzen. Auch das Kernkörperchen 
ist immer vorhanden. 

Fast gleichzeitig mit der Differenzierung in Exoplasma und 
Endoplasma tritt eine Lösung des ersteren von diesem ein (Fig. 6b). 
Das Endoplasma mit dem Kern wird zu einer neuen Zelle, in diesem 
Falle zum Osteoblasten ; das Exoplasma mit den Fibrillen besteht für 
sich weiter. Da es sich aber bereits um eine hoch differenzierte, 
vom eigentlichen Zellprotoplasma sehr verschiedene Substanz 
handelt, ist es besser, von Exoplasma nicht mehr zu reden, sondern 
gleich Bindemittel zu sagen. Studnicka beschreibt für die 
Umwandlung des Gewebes der jungen Zahnpapille bei Selachiern 
ganz ähnliche Vorgänge: „Auf einmal sieht man, dass sich in 
der Umgebung der Zellkerne eine etwas dichtere granuläre 
Plasmaart ansammelt, während das übrige Plasma der ehemaligen 
Zelle mehr hyalin wird. Jene Ansammlung präsentiert sich uns 
als ein neuer Zellkörper, als eine junge Bindegewebszelle, das 
übrige Plasma dagegen als eine Grundsubstanz.“ Nach seiner 
Ansicht entstehen auch die gallertigen scheinbar homogenen Grund- 
substanzen vieler Wirbellosen auf ähnliche Weise, selbst wenn 
in fertigem Zustand ihre exoplasmatische Natur sich kaum mehr 
erkennen lässt. Auch Waldeyer betont mehrfach, dass Grund- 
substanzen, zu denen ja auch das Bindemittel der Knochenfibrillen 
gehört, nicht durch eine Sekretion der Gewebszellen entstehen, 
sondern durch eine Metamorphose ihres Protoplasmas. 

Bei der Trennung von Bindemittel und Osteoblast entsteht 
um letzteren ein kleiner Hohlraum, dessen Wand durch die 
Fibrillen versteift wird, die nun ihrerseits wieder eine Stütze 


265 Adele Hartmann: 


für das weiche Bindemittel abgeben. In diesem Stadium sieht 
der junge Knochen dem Knorpel sehr ähnlich. Wenn man die 
Arbeiten Schaffers über die Entwicklung des Knorpels ver- 
gleicht, so ergibt sich, dass der Schritt vom Knorpel zum Knochen 
nur ein kleiner ist. Ein prinzipieller Unterschied ist in der 
Entwicklung beider nicht vorhanden, die enchondrale Osteogenese 
natürlich ausgenommen. Auf Grund seiner Untersuchungen ge- 
langt Schaffer zu der Ansicht, dass auch die Entstehung des 
IKnochengewebes in derselben Weise verläuft, indem indifferente 
Zellen zu Osteoblasten werden und eine Grundsubstanz erzeugen, 
die fibrilläre Beschaffenheit annimmt und in welche ein Teil der 
Bildungszellen als Knochenzellen eingeschlossen werden. Es soll 
hier nur betont werden, dass für den Bindegewebsknochen die 
Entstehung der Fibrillen zeitlich vor die der Grundsubstanz fällt 
oder mit ihr zusammen, jedenfalls aber nicht später. 
Ebenso gilt für den Knochen wie für den Knorpel, 
dass das Auftreten der ersten Intercellularsubstanz 
als gemeinsames Produkt der Zellkörper aufgefasst 
werden muss, das an Stoffwechsel- und Wachstums- 
vorgängen derselben noch weiter Anteil nimmt; 
ausserdem dass die erste Anlage der morphologisch 
sich als Knorpel oder Knochen abgrenzenden Zell- 
massen eine syneytiale ist, und dass diese Grund- 
substanz, obwohl nicht mehr in unmittelbarem Zu- 
sammenhang mit den Zellen ihren mikrochemischen 
und physikalischen Charakter ändern kann. 

Die jungen Zellen lösen sich zum Teil vollständig von dem 
rasch sich weiter entwickelnden Bindemittel los, zum Teil bleiben 
sie aber auch durch allerfeinste Fortsätze damit im Zusammen- 
hang (Fig. S). Noch längere Zeit nach der Trennung von der 
Zelle lässt sich die wabige Struktur des Bindemittels deutlich 
erkennen; allmählich wird sie jedoch verändert. Die Waben 
bleiben wohl erhalten, sie werden aber sehr dicht und klein und 
schliesslich so fest zusammengeschoben, dass man sie nicht mehr 
erkennt. Hand in Hand damit geht dann eine physikalische und 
chemische Veränderung des Bindemittels; es färbt sich immer 
stärker und ähnlicher den Fibrillen, so dass es schliesslich diese 
ganz verdeckt. Es bleiben aber die Fibrillen zunächst noch 
längere Zeit sichtbar. Selbst in den Partien des Knochenbälkchens, 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 269 


wo ein so rasches Wachstum erfolgt, dass man die vorher be- 
schriebenen Vorgänge nicht mehr im einzelnen verfolgen kann, 
lassen sie sich noch deutlich erkennen. 

Die Fibrillen selbst werden immer kräftiger, schärfer markiert. 
Sie erscheinen dicker wohl nur deshalb, weil sich mehrere zu 
einem kleinen Bündel zusammenlegen. Solch kleine Bündel 
schieben sich dann wiederum zu einem dicken Balken aneinander, 
der die Grundlage einer Knochenlamelle bildet. 


Manche Autoren wollen eine selbständige Teilung und damit 
Vermehrung der Fibrillen beobachtet haben. Demgegenüber 
möchte ich nur sagen, dass es mir nicht gelungen ist, an Fibrillen 
irgend eine Andeutung einer Längsspaltung zu sehen; ich glaube 
auch nicht, dass einwandfreie Beweise hierfür erbracht werden 
können. Dass eine kräftige Fibrille sich an ihrem Ende auf- 
splittert, beweist höchstens, dass es sich nicht um eine einzelne 
Faser handelt, sondern um mehrere eng beieinander liegende. 
/weifellos haben sie einen eigenen Stoffwechsel, wie durch ihr 
Wachstum bewiesen wird und vor allem auch durch die Ver- 
änderung, die sie nach der Trennung von der Zelle noch erleiden ; 
sie sind bis zu einem gewissen Grade wirklich lebende Gebilde. 
Nimmt man jedoch an, dass sie aus einer amorphen Grundsubstanz 
durch physikalische Einwirkungen entstehen (v. Ebner, Merkel, 
Laguesse u.a.), so ist die Annahme einer Vermehrung durch 
Teilung nicht mehr nötig, da sie ja jederzeit selbständig im 
Substrat entstehen können. 


Eine bestimmte Richtung macht sich bei der Anordnung 
der Fibrillen nicht geltend, wenigstens in diesen frühesten 
Stadien noch nicht; die Bündel umschliessen wie gesagt die 
Hohlräume, die sich um die jungen Zellen gebildet haben und 
zwar so, dass die dicksten Bündel nach der Peripherie zu liegen. 
Zwischen den einzelnen Bündeln finden zahlreiche Überkreuzungen 
statt. So entsteht um die Lücken herum ein dichtes Flechtwerk, 
das durch das protoplasmatische Bindemittel zu einer zähen Masse 
zusammengebacken wird. Beides, Fibrillen und Bindemittel, 
schieben sich immer fester zusammen. Es entstehen schliesslich 
dünne Lamellen und Spangen, die ein fast homogenes Aussehen 
bieten; wenigstens ist eine Struktur, die auf ihre Entstehung 


einen Rückschluss erlauben würde, nicht mehr zu erkennen. Dies 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 18 


270 Adele Hartmann: 


sind die ersten Anlagen von Knochensubstanz, von den an- 
organischen Bestandteilen noch abgesehen. 

Den Knochenlamellen liegen die Zellen an, die sich los- 
getrennt hatten; sie sehen den ursprünglichen Mesenchymzellen, 
von welchen sie abstammen, gar nicht mehr ähnlich; wahr- 
scheinlich sind es hochdifferenzierte Zellen mit einer ganz be- 
sonderen Funktion. Verfolgt man ihre Entwicklung, so fällt 
zunächst auf, dass sie wachsen. Sie werden grösser als die Mutter- 
zellen des Mesenchyms. Das Wachstum macht sich zuerst am 
Kern geltend und während er wächst, verändert er auch etwas 
seine Form; er wird länglich und zeigt häufig an einer Längs- 
seite eine schwache Delle, sodass er einer Bohne ähnlich sieht. 
Um ihn dehnt sich das Protoplasma, wie schon erwähnt, fast aus- 
schliesslich nach einer Seite. So gewinnt die ganze Zelle eine 
eigentümliche sofort auffallende Form. Die Zellen untereinander 
erscheinen nicht gleich gross, doch kann dieser Unterschied meist 
dem Schnittbild, das die Zellen bald längs, bald quer, bald schräg 
trifft, zur Last gelegt werden. 

Die Struktur der Kerne zeigt das alte Bild, das Chromatin 
in Körnchen aufgereiht, manchmal in kleinen Schollen der Kern- 
membran anliegend. Fast immer ist das Kernkörperchen zu finden. 

Am meisten verändert ist das Protoplasma. Während sich 
früher Einzelheiten im Zelleib nur äusserst schwer erkennen 
liessen, ist jetzt die wabige schaumige Struktur unverkennbar. 
Die Affinität zu den verschiedensten Farbstoffen ist im (Gregensatz 
zu früher sehr gross. Es erscheint meist dunkler gefärbt als die 
Kerne. Sehr deutlich und auffällig treten Vakuolen zutage, wenn 
sie auch nicht in allen Zellen zu finden sind. 

Sie entstehen wahrscheinlich dadurch, dass beim Einziehen 
der pseudopodienartigen Fortsätze (Gewebeflüssigkeit mit ein- 
geschlossen wird; dafür spricht ihr unregelmässiges Vorkommen, 
ihre sehr verschiedene Grösse. Spuler hat in den Zellen des 
Amnion von Schafen ebenfalls Vakuolen gefunden: nur schreibt 
er ihre Entstehung einer anderen Ursache zu. Er vermutet, dass 
die vakuolären Gebilde „aus sich verflüssigenden Körnchen hervor- 
gehen, die schliesslich platzen und ihren Inhalt in die umgebende 
(Gewebeflüssigkeit ergiessen“. Es würde sich demnach um aktive 
Sekretion, wahrscheinlich von Stoffwechselprodukten handeln. Nur 
selten habe ich in den Zellen eine deutliche Körnelung gefunden ; 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 271 


so selten, dass ich solche Körnchen lieber als ein zufälliges Produkt 
irgend einer Reaktion auffassen möchte, denn als etwas für die 
Zelle Spezifisches. Spuler und v. Korff haben in den Östeo- 
blasten basophile Körnchen gesehen, welche mittels der Zellfort- 
sätze zwischen die Fibrillen transportiert und daselbst als „Inter- 
fibrillärsubstanz“ abgelagert werden sollen. Auch in seiner 
neuesten Arbeit betont v. Korff neben der Grundsubstanz noch 
diese für den Knochen spezifische Interfibrillärsubstanz, in welche 
die Kalksalze abgelagert werden sollen und sagt: „Ich glaube 
aber nicht, dass diese aus der ursprünglichen mehr oder weniger 
flüssigen Interfibrillärsubstanz des lockeren Bindegewebes hervor- 
geht, sondern von den typischen Knochenzellen bezw. Elfenbein- 
zellen gebildet wird“. Studnicka hat in den Odoentoblasten 
von Säugetieren Granulationen gefunden; er hält sie für Kalk- 
salze, die durch die Tomesschen Fortsätze in das Dentin hinein- 
gelangen sollen. Derartige anorganische Salze können hier aber 
kaum in Frage kommen; sie wären durch die Säuren der 
Fixierungsflüssigkeiten herausgelöst worden. Über die Ein- 
lagerung der Kalksalze in Knochen- und Zahnsubstanz ist noch 
sehr wenig bekannt. Vorerst ist noch sehr fraglich, ob dieser 
Prozess überhaupt an die Tätigkeit von Zellen gebunden ist; es 
könnten die Salze ebenso in gelöster Form mit der Gewebs- 
flüssigkeit an Ort und Stelle gebracht und dann ausgeschieden 
werden; wir wissen auch noch nicht, ob sie in den Fibrillen 
oder im Bindemittel abgelagert werden. Natürlich kann das 
Bindemittel durch die Einlagerung der Kalksalze seinerseits 
wieder chemisch verändert werden, auch dann, wenn es nicht 
selbst, sondern die Fibrillen mit den Salzen imprägniert werden. 

Die für die Mesenchymzelle so charakteristischen Fortsätze 
sind fast vollständig verschwunden. Manche Zellen liegen deutlich 
ganz frei in ihren Höhlen, andere wieder hängen durch feine, 
oft kaum wahrnehmbare Fädchen noch mit dem Bindemittel zu- 
sammen (Fig. 9). Man könnte sie anfangs für Schrumpfungs- 
bilder halten. Das dem Kern gegenüber liegende Ende der Zelle 
erscheint häufig in einem langen Fortsatz ausgezogen; wo man 
ihn deutlich verfolgen kann, zeigt er dieselbe wabige Struktur 
wie der Leib der Zelle selbst; es kommt vor, dass er sich 
schwächer färbt; sicher aber sind die Fortsätze niemals 
hyalın. 

18* 


DD Adele Hartmann: 


Die jungen Osteoblasten liegen in kleinen von den Knochen- 
bälkchen umschlossenen Höhlen oder aussen am Rand der Bälkchen, 
manchmal so dicht, dass sie einen epithelartigen Belag bilden. 
Die kleinen Höhlen umschliessen meist mehrere Zellen (3—5), 
selten nur eine. Ob sie mit den späteren Knochenhöhlen identisch 
sind, ist sehr zweifelhaft. 

An diesen Zellen lassen sich nie mehr Teilungsfiguren 
sehen; schon v. Korff erwähnt dies; Gegenbaur und 
Waldeyer jedoch wollen noch Karyokinesen gesehen haben. 
(srosse Zellen mit mehreren Kernen (Syneytien) kommen vor; da 
sie sich aber in mancher Hinsicht von den typischen Osteoblasten 
unterscheiden, soll später nochmals auf sie zurückgekommen 
werden. 

v. Korff betrachtet die Osteoblasten als sekundäre Er- 
scheinungen gegenüber der fibrillären Grundsubstanz, er schreibt 
ihnen als einzige Funktion zu, Fortsätze zu entwickeln, mittelst 
welcher sie in den jungen Knochen eindringen, ihn durchsetzen 
und auf diese Weise sich untereinander verbindend ein Kanal- 
system schaffen zur Regulierung des Stoffwechsels. 

Ich bin hier mit v. Korff nicht einverstanden. Vergleicht 
man die Osteoblasten mit den definitiven Knochenkörperchen, so 
fällt vor allem ihre Grösse auf, ihre äussere Form (sie sind 
länglich, nicht sternförmig) und die besondere Struktur ihres 
Protoplasmas, durch welche sie sich auch von den Mesenchym- 
zellen unterscheiden. Dieser eigenartig wabige Bau ist nirgends 
erwähnt; v. Korff unterscheidet nur zwischen einem basalen 
gekörnten und einem peripheren mehr homogenen Abschnitt des 
Zelleibs ohne darauf näher einzugehen. Andererseits fallen die 
Osteoblasten durch ihre besondere Lage zum Knochen auf; der 
Kern liegt nämlich dem Knochen stets abgewendet, d.h. der 
protoplasmatische Teil sieht gegen den Knochen zu, und zwar 
meist nach der Seite hin, wo noch am wenigsten Knochensubstanz 
gebildet ist. 2 

Endlich unterscheiden sich die Osteoblasten von den Knochen- 
zellen noch dadurch, dass sich an den meisten von ihnen keine 
feineren Fortsätze nachweisen lassen. Eine nachträgliche Ent- 
wicklung solcher feiner Ausläufer, die das bereits gebildete zähe 
Bindemittel und Fibrillen durchwachsen sollen, ist meiner Meinung 
nach undenkbar. 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 273 


Fasst man alle diese Besonderheiten zusammen, so muss 
man zu dem Schluss kommen, dass es entweder gar nicht diese 
Östeoblasten sind, die in den Knochen eingeschlossen werden oder 
dass sie sich, wenn sie es doch sind, vorher stark verändern 
müssen. In dem einen wie in dem andern Fall darf man ihnen 
dann nicht ein nur mehr oder weniger passives Verhalten beim 
Stoffwechsel zusprechen, wie v. Korff estut: man wird vielmehr 
gezwungen, anzuerkennen, dass ihnen eine ganz spezifische aktive 
Funktion zukommt. Für eine solche spricht ferner, dass sich an 
dem glatten Rande eines so ziemlich fertigen Knochenbälkchens 
keine derartigen Zellen mehr finden, und doch geht auch hier 
der Stoffwechsel nach wie vor weiter. Einen genauen Einblick 
in die spezifische Tätigkeit der Osteoblasten zu gewinnen, ist sehr 
schwer. Seit der Entdeckung der Osteoblasten durch Gegen- 
baur sind über sie verschiedene Theorien aufgestellt und wider- 
legt worden, und heute noch ist man sich darüber nicht einige. 
Nur soviel scheint jetzt sichergestellt, dass sie gewöhnlich mit 
der Fibrillenbildung nichts mehr zu tun haben. Ich führe nur 
die neuesten Arbeiten an. v. Korff überträgt ihnen neben der 
Leitung des Stoffwechsels die Bildung einer von der Grundsubstanz 
verschiedenen Interfibrillärsubstanz. Studnitka glaubt, dass sie 
hauptsächlich für den Transport der Kalksalze in Betracht kämen, 
und spricht ihnen den Wert von Drüsenzellen zu, während 
v. Ebner bei den Odontoblasten wenigstens an der Oberfläche 
der Zellen Protoplasmafäserchen entstehen sieht, durch deren 
Ineinanderfliessen die Vorstufe des späteren Dentins, das sogenannte 
Prädentin, gebildet werden soll. Ob er die gleiche oder eine 
ähnliche Anschauung für die Osteoblasten hegt, konnte ich nicht 
finden. Auch Disse macht die Osteoblasten verantwortlich für 
die Bildung der Grundsubstanz, indem er aus ihrem Protoplasma 
eine helle, „glasartig aussehende Substanz“ sich herausdifferen- 
zieren lässt, welche einen Knorpelbalken oder eine Lage jungen 
Knochengewebes überzieht und dann selbst verknöchert. Die Be- 
teiligung der Fibrillen an der Grundsubstanzbildung lässt er ganz 
ausser acht. Auf ähnliche Weise lässt Novikoff die Grund- 
substanz entstehen, nur mit dem Unterschied, dass er ihr von 
Anfang an eine wabige Struktur zuerkennt, „in welcher sich in 
bälkchenartigen Fugen zwischen den Wabenreihen feinste fibrillen- 
artige Differenzierungen entwickeln können. Diese zuerst schaumig 


274 Adele Hartmann: 


wabige Struktur modifiziert sich später zu einer globulitisch 
wabigen.“ Beide Autoren betonen ausdrücklich, dass die Grund- 
substanz ihrer Herkunft nach „umgewandeltes Protoplasma“ sei, 
nicht aber ein von den Östeoblasten nach Art der Drüsenzellen 
ausgeschiedenes Sekret. Sie erkennen ihnen also doch eine be- 
sondere, für die Weiterentwicklung und das Wachstum des Knochens 
wichtige und unentbehrliche Funktion zu. 

Dass die Randpartien der Osteoblasten im (Gregensatz zu den 
zentralen sich anders verhielten, konnte ich nicht erkennen, ebenso- 
wenig, dass ein Teil des Zelleibs sich ablöst und zur Bildung des 
Bindemittels verwendet wird. Andererseits hat sich aus dem 
früher Gesagten ergeben, dass die allererste Anlage von Knochen- 
substanz sich bildet ohne Vorhandensein der Osteoblasten. Man 
wird also die Erklärung für ihre Funktion an einem etwas späteren 
Stadium zu suchen haben. 

Hier zeigen sich uns in der Tat ganz andere Bilder (Fig. 1), 
ohne dass sich jedoch an dem Prinzip der Entstehung etwas 
ändert. Man findet nach wie vor die Fibrillen wo möglich noch 
reichlicher und dichter als früher; man sieht nach aussen zu das 
rasch wuchernde Mesenchym, und zwischen diesem und dem Knochen- 
bälkchen unter die Fibrillen verteilt liegen die Osteoblasten, bald 
nur in einer Reihe, bald in zwei bis drei Lagen über dem Knochen, 
hie und da fast vereinzelt, dann wieder viele zu Klumpen 
zusammengeballt. Die einzelnen Vorgänge der Knochenbildung 
folgen zeitlich so rasch aufeinander. dass man die verschiedenen 
Stadien nicht mehr so leicht verfolgen kann. Ausserdem geht 
der Aufbau in einer viel geordneteren Weise vor sich. Die Fibrillen 
verlaufen nicht mehr kreuz und quer nach den verschiedensten 
Richtungen durcheinander; sie zeigen eine bestimmte Ordnung, 
indem sie von aussen her meist senkrecht auf das Knochenbälkchen 
orientiert sind und von dort nach dem Mesenchym nach allen 
Richtungen hin ausstrahlen. Dabei werden sie zu dichten Bündeln 
zusammengeschoben, die meist parallel verlaufen. Diese senden 
senkrecht zu ihrer Richtung abgehende Fibrillen ab gegen die 
benachbarten Bündel zu, sodass eigentümliche Bogen entstehen, 
um welche die Osteoblasten sich gruppieren (Fig. 1). Manchmal 
liegen zwei, sogar drei solcher „Arkaden“ übereinander und ge- 
währen ein eigenartiges Bild. Studnitka hat diese „Fibrillen- 
arkaden“ bei der Dentinbildung von Säugetierzähnen auch gesehen 


ou 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 27 


und beschrieben; von ihm stammt auch der Ausdruck. Je mehr 
der Knochen in die Dieke wächst, desto undeutlicher werden jene 
Fibrillensysteme ; die Fibrillenbündel werden schwächer und kürzer; 
der Zwischenraum zwischen Knochen und dem sich nun deutlich 
zu faserigem Bindegewebe (Periost) umbildenden Mesenchym wird 
immer kleiner, bis endlich nur noch eine dünne Schicht indifte- 
renten osteogenen (Gewebes bleibt, das sich auch späterhin als 
Cambiumschicht erhält. Vom Periost aus ziehen noch immer ver- 
einzelte Züge meist einzeln nebeneinander laufender Fibrillen 
zum Knochen und lassen sich bis in das Innere desselben ver- 
folgen. Diese Bildungen sind aber nicht mehr sehr regelmäßig. 

Selbst in den groben, auf längere Strecken verfolgbaren 
Fibrillenbündeln verlaufen die Fasern nicht ganz frei; sie sind 
hier schon durch eine färbbare interfibrilläre Substanz verbunden, 
die dem Bindemittel gleichwertig ist und den Zusammenhang mit 
dem Mesenchym wahrt; ausserdem spannen sich da, wo die 
Fibrillen auseinander weichen, zwischen ihnen netzige Züge einer 
Substanz aus, welche deutlich die schaumig wabige Struktur 
des Protoplasmas erkennen lässt. Auch hier ist der syneytiale 
Zusammenhang gewahrt. 

Sehr rasch erfolgt in den weiteren Wachstumsstadien auch 
die Loslösung der Osteoblasten aus dem Mesenchym, so dass die 
Übergänge nicht mehr so gut zu verfolgen sind. Doch zeigen sich 
stellenweise schon die Mesenchymkerne von einem feinen proto- 
plasmatischen Ring umgeben, in dem die für die Osteoblasten so 
charakteristischen grossen Wabenstrukturen in Erscheinung treten. 

Die Osteoblasten gruppieren sich nicht nach Art eines Epi- 
thels um die Knochenlamellen; ich fand im Gegenteil, dass ihre 
Verteilung eine sehr unregelmässige ist und wahrscheinlich dem 
jeweiligen Bedürfnis nach Bindemittel entspricht. 

Ein Teil der Osteoblasten liegt den Fibrillenbündeln ganz 
dicht an, so dicht, dass sie an diesem aufgehängt zu sein scheinen 
(Fig. 9). Liegen mehrere Reihen von Osteoblasten übereinander, 
so erhält man das Bild einer Kornähre. Dabei zeigt sich, dass 
immer zwischen zwei Zellen eine oder mehrere Fibrillen hindurch 
treten. Oft scheint der dem Kern gegenüberliegende Fortsatz 
in das Fibrillenbündel überzugehen (Fig. 9). Ob hier niemals 
eine vollständige Trennung erfolgt, d.h. ob die Zelle dauernd im 
Zusammenhang mit dem Bindemittel blieb, oder ob erst sekundär 


276 Adele Hartmann: 


eine dichte Anlagerung stattfand, ist schwer zu entscheiden. 
Beides ist wohl möglich. 

Ein Teil dieser den Fibrillen anhaftenden Osteoblasten zeigt 
gegenüber den frei liegenden Veränderungen, die manchmal so 
gering sind, dass sie bei flüchtiger Betrachtung kaum auffallen, 
die aber auch am rasch wachsenden Knochenbälkchen viel häufiger 
werden als bei der ersten Anlage (Fig. 7). 

Der Leib dieser Zellen ist lang ausgezogen; dadurch ist 
die Zelle schmäler geworden und läuft in einen zipfelförmigen 
fast spitzen Fortsatz aus. Das Protoplasma färbt sich noch inten- 
siver, dabei lässt es die grossen Vakuolen vermissen, so dass es 
nicht mehr so schaumig wie früher aussieht. Niemals aber, das 
soll besonders betont werden, erscheint es hyalin, strukturlos. 

Der Kern ist nicht mehr so voll und saftig; er erscheint 
etwas zusammengepresst, eingeschrumpft:; ist aber doch in all 
seinen Bestandteilen deutlich vorhanden: Chromatin, Nukleolus, 
Membran. Die ganze Zelle sieht aus, als wäre sie kleiner ge- 
worden, ohne es vielleicht wirklich zu sein. Da man von diesen 
Zellen zu den Osteoblasten alle Übergänge finden kann, darf man 
wohl annehmen, in ihnen veränderte Osteoblasten vor sich zu haben. 

Die einzig mögliche Erklärung für diesen Vorgang der 
Umbildung sehe ich darin, dass das Protoplasma der Zellen in 
einer ganz bestimmten Weise verändert wird, damit es schliess- 
lich in das Bindemittel für die Fibrillen mit einbezogen und in 
solches selbst umgewandelt werden kann. Es ist unmöglich etwas 
Positives über die Art und Weise dieser Umwandlung zu sagen; 
ausser jenen Erscheinungen, die höchstens eine Schrumpfung der 
Zelle erkennen lassen, ist morphologisch nichts nachzuweisen. 
Wahrscheinlich kommen in erster Linie Vorgänge in Betracht, 
die sich im Innern der Zelle selbst abspielen. Vielleicht könnte 
man aus dem Kleinerwerden der Zellen auf eine Abgabe von 
Zellsubstanz schliessen; jedenfalls konnte eine solche in Form 
von Fortsätzen, die sich ausstrecken und dann ablösen, oder durch 
Abschnürung eines Teiles des Zelleibes absolut nicht nachgewiesen 
werden. Auch würden solche Vorgänge nicht notwendigerweise 
ein Absterben der Zelle nach sich ziehen; diese könnte sich viel- 
mehr, wie es unter anderen Bedingungen oft genug vorkommt, 
auf ihren ursprünglichen Bestand regenerieren. Auch wurde 
schon oben erwähnt, dass die Verkleinerung der Zelle wahrschein- 


189) 
| 
—] 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 


lich eine Folge des Zusammenschrumpfens ist, nicht eine Folge 
von wirklichem Substanzverlust. Es werden offenbar zum weiteren 
Wachstum des Knochens ganze Zellen eingeschmolzen und zum 
Neuaufbau verwendet, während bei der allerersten Anlage von 
Bindemittel die Zellen nur einen Teil ihres Protoplasmas abgeben. 


Die Beobachtung, dass einzelne Zellindividuen in toto um- 
gewandelt werden zu Substanzen, die funktionell und vielleicht 
auch dem Bau nach dem Bindemittel der Knochenfibrillen sehr 
nahe stehen, ist nichts Neues. Schaffer hat beobachtet, dass 
bei der Anlage des Knorpels ganze Zellen in die Grundsubstanz 
einbezogen und umgewandelt werden. Für den Knochen finden 
sich ähnliche Beobachtungen schon bei Waldeyer (1865), doch 
hat er nur die Tatsache erwähnt, ohne den Vorgang näher zu 
beschreiben. Ob auch bei der Zahnbeinbildung ganze Odonto- 
blasten in Prädentin umgewandelt werden, kann v. Ebner nicht 
mit Bestimmtheit sagen, hält es aber sehr wohl für möglich. 
Gleiche Beobachtungen finden sich bei Laguesse, Hansen und 
Kölliker. Jedoch ist nirgends etwas Sicheres darüber gesagt, 
in welcher Weise die Verarbeitung des Protoplasmas vor sich geht. 
Eine allmähliche Auflösung oder Verquellung der Zelle kommt 
nicht vor, es sind auch keine Figuren vorhanden, die auf Karyolyse 
hindeuten würden. Der Kern ist bis zuletzt deutlich sichtbar. 


In den grossen von bereits gebildeter Knochensubstanz 
umschlossenen Höhlen findet man neben typischen grossen, schein- 
bar frei liegenden Osteoblasten schon veränderte Zellen in den 
verschiedensten Stadien der Umwandlung. Gerade diese letzteren 
liegen meist den Knochen sehr dicht an, so dass sie oft schwer 
von ihm zu trennen sind und doch kann man nicht von einem 
allmählichen Übergang des Protoplasmas in das Bindemittel reden; 
die Grenzen bleiben deutlich. 


Selbst an dieckeren Knochenbälkchen kann man nicht selten 
vereinzelte degenerierende Osteoblasten mitten im Bindemittel 
antreffen (Fig. 10 und 7), fast niemals sind diese von einem 
freien Raum umgeben, der um die intakten Osteoblasten, sowie 
um die definitiven Knochenzellen niemals fehlt. 

Eine Beziehung der Zellen zum Bindemittel muss vorhanden 
sein und zwar ist dabei in erster Linie das Protoplasma beteiligt. 
Stets liegt das Protoplasma dem fibrillären Bindemittel zugewandt, 


{ Serrdreilfe@Elkarrit meann® 


also nach der Seite hin, wo die Bildung von Knochensubstanz 
am energischsten vor sich geht. 

An den Rändern grösserer Knochenbälkchen dagegen, wo 
das Wachstum gewissermassen abgeschlossen ist, und der zackige 
Saum glatt zu werden beginnt, also wo Periost oder Perichondrium 
sich anschliesst, verschwinden die typischen Östeoblasten fast 
gleichzeitig mit den Fibrillen. Sie scheinen also nicht mehr von 
nöten zu sein, da wo keine Neubildung von Knochen erfolgt. 
Selbstverständlich liegen dem Knochenrande auch jetzt noch Zellen 
an, aber sie sind wesentlich von den Osteoblasten verschieden. 
Sie gleichen vielmehr solchen, wie sie das schon weiter in der 
Differenzierung zu kollagenem Bindegewebe vorgeschrittene Mesen- 
chym zeigt, d.h. sie sind kleiner, meist länglich mit in der Mitte 
liegendem rundem Kern. Auch färbt sich ihr Protoplasma nicht 
mehr so intensiv und zeigt nicht so deutlich und schön die wabige 
Struktur. Möglicherweise gehören sie schon dem Periost an. Es ist 
selbstverständlich nicht ausgeschlossen, dass sie sich, sobald das Be- 
dürfnis es erfordert, zu Osteoblasten um- und ausgestalten können. 

Osteoblasten müssen bei der Knochenbildung zugrunde gehen 
und zwar in nicht geringer Zahl. Dies geht schon daraus her- 
vor, dass im fertigen Knochen die Zahl der eingeschlossenen 
Zellen verhältnismässig gering ist und sie ziemlich weit von- 
einander entfernt liegen, während doch die Osteoblasten meist 
nicht gedrängt sind und fortwährend neue aus dem Mesenchym 
sich herausdifferenzieren. Nach den Anschauungen Gegenbaurs 
sollen alle Osteoblasten eingeschlossen werden. Dagegen bemerkt 
Kassowitz: „dass eine Umwandlung ganzer Osteoblasten in 
Grundsubstanz sich deutlich wahrnehmen lässt“. Es müssten 
nach seiner Ansicht, wenn dies nicht der Fall wäre, die Osteo- 
blasten auseinander weichen: und diese Möglichkeit bestreitet er 
entschieden; er stimmt darin mit Waldeyer überein. Mit der 
Annahme, dass Osteoblasten in toto verarbeitet und zu Binde- 
mittel umgewandelt werden, ist ein fortwährendes Zugrundegehen 
derselben leicht erklärt: dagegen findet sich im mikroskopischen 
Bild nichts, was berechtigen würde, eine andere Erklärung für 
den grossen Verbrauch an Osteoblasten zu geben. 

Vereinzelt findet man am Rand des Knochenbälkchens grössere 
protoplasmatische Massen mit mehreren Kernen (2—5). Ihr Vor- 
kommen ist durchaus unregelmässig Was ihren Bau anbetrifit, 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 279 


so nehmen sie etwa eine Mittelstellung ein zwischen den Zellen 
des Periosts und den typischen Osteoblasten; doch stehen sie 
letzteren näher. Ihr Protoplasma ist wabig, aber die Waben 
sind kleiner als die der Osteoblasten; der Farbenton der Zelle im 
Ganzen ist etwas dunkler und gleichmässiger; deutliche Vakuolen 
fehlen. Die Kerne sind rund, hell und nicht sehr gross; sie 
liegen im Zentrum der Zelle. Zu den hinter ihnen liegenden 
Mesenchyinzellen und den Fibrillen scheinen sie in keiner Be- 
ziehung zu stehen, wenigstens lässt sich eine solche nicht nach- 
weisen. Über ihre Funktion konnte ich nichts ermitteln; es 
scheinen Osteoklasten zu sein, doch liegen sie nicht in sogenannten 
Howshipschen Lakunen; sie stehen überhaupt nicht in unmittel- 
barem Kontakt mit den Knochen; möglicherweise erfolgte die 
Trennung erst durch die Behandlung der Präparate. 

An einer Reihe von Präparaten traten plasmodiumähnliche 
Zellmassen in besonderer Weise hervor. Die Schnitte stammten 
von einem 1,5 em langen Kaninchenembryo, der in Formol fixiert 
und mit Karmin-Bleu de Lyon gefärbt worden war. Im Gegen- 
satz zu dem andern Unterkiefer desselben Embryos, der die 
gewohnten Bilder zeigte, war hier der ganze Knochen stark zer- 
klüftet; es sah aus, als ob er hier nicht aus einer zusammen- 
hängenden Spange, sondern aus vielen einzelnen Stücken bestehe. 
Der ganze Knochen war durchsetzt von solchen Riesenzellen, die 
sich sonst nur am Rande der Knochenlamellen finden. Typische 
Osteoblasten waren da, sie traten aber den anderen gegenüber 
ganz in den Hintergrund. Die Zahl der Kerne erwies sich als 
sehr gross; ich konnte bis zu 20 und mehr zählen. Oft lagen 
sie zu dichten Haufen zusammengeballt. Ihre Form war meist 
schwach elliptisch, wie die Kerne der Osteoblasten, seltener rund, 
an den Berührungsflächen häufig gegeneinander abgeplattet, so 
dass sie vieleckig erschienen. Selten lagen sie einzeln. Sehr 
verschieden war auch die Grösse der Kerne; wo sie einzeln lagen 
waren sie sehr gross; je mehr aber vorhanden waren, desto 
kleiner wurden sie. Sie färbten sich sehr hell, waren nicht sehr 
chromatinreich ; die Kernkörperchen waren nicht immer deutlich. 

Wichtiger war mir das Verhalten des Protoplasmas. Meist 
erwies es sich von einem deutlich dunklen Rand umgrenzt; häufig 
lief auch ein dunkler Faden durch die Mitte der Zelle und setzte 
sich mit einem dünnen Belag ins umgebende Gewebe fort. 


250 Adele Hartmann: 


Das Protoplasma färbte sich heller als das der eigentlichen 
Osteoblasten, doch liess es noch eine feine wabige Struktur er- 
kennen. Sehr deutlich und zahlreich waren Vakuolen vorhanden, 
die mitunter die Grösse kleiner Kerne erreichten. Manchmal 
waren die Konturen der Vakuolen etwas verwischt. Durch die 
Zelle verteilt fand sich ein Niederschlag von Körnchen verschiedener 
Grösse, die meist in der Mitte des Syneytiums dichter lagen; 
das Ganze machte einen fleckigen Eindruck. Diese Flecken sahen 
der jungen Knochensubstanz zum Verwechseln ähnlich. In der 
Tat liess sich hier häufig ein Zusammenhang mit der Knochen- 
substanz nachweisen, ein allmähliches Übergehen des Proto- 
plasmas in dieselbe. Manchmal liefen feine strahlenförmige Aus- 
läufer vom Knochen direkt in das Protoplasma hinein. Deshalb 
sind diese Bildungen auch erwähnt und gezeichnet worden (Fig. 11). 
Es lässt sich freilich auch hier nicht mit Sicherheit feststellen, 
ob es sich um einen regressiven Prozess handelt, oder um einen 
progressiven, beeinflusst durch aussergewöhnliche Bedingungen. — 
Das letztere scheint mir aber das Wahrscheinlichere. In den 
den Knochenteilen anliegenden protoplasmatischen Partien waren 
Kerne sehr selten; sie fehlten hier oft auf lange Strecken; auch 
zeigten weder Protoplasma noch Kerne Degenerationserscheinungen. 

Über die Herkunft der Knochenkörperchen etwas Bestimmtes 
zu sagen, ist nicht möglich. Sie sind schon äusserlich von den 
Osteoblasten so sehr verschieden, dass es einem schwer fällt. sie 
auf jene zurückzuführen. Ein erschwerender Umstand für das 
Studium derselben liegt ferner darin, dass man sie nur an 
dickeren, schon ziemlich ausgebildeten Knochenbälkchen gut 
studieren kann; an dünnen Lamellen trifft man überall nur die 
Osteoblasten. Die Knochenzellen sind viel kleiner, oft nur halb 
so gross wie die Osteoblasten und liegen immer einzeln in ihren 
Höhlen. Um sie herum findet sich deutlich ein freier Raum. 
Protoplasma und Kern färben sich sehr gleichmässig, ziemlich 
dunkel; vom Zelleib aus gehen feinste Fortsätze nach allen 
Richtungen zum Knochen hin; zuweilen lassen sie sich aueh noch 
ein Stück weit in den Knochen hinein verfolgen. Wie bekannt, 
stehen die Zellen durch Fortsätze in Zusammenhang miteinander. 
Es ist klar, dass ein solcher Zusammenhang von Anfang an da 
sein musste, denn es ist wohl nicht gut denkbar, dass die Zellen 
ihre feinen, zarten Ausläufer in die Knochensubstanz hinein- 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 281 


treiben. Vielleicht sind in den jüngsten Stadien des Knochens 
die protoplasmatischen Fortsätze der Knochenzellen deshalb so 
schwer nachzuweisen, weil das Bindemittel als Abkömmling des 
Protoplasmas in seiner chemischen und physikalischen Beschaften- 
heit ihnen noch zu nahe steht und sie sich daher färberisch noch 
nicht gut von ihm abheben. Erst mit der weiteren Umgestaltung 
des Bindemittels treten die Unterschiede deutlich hervor. Wie 
schon erwähnt, sind auch an einzelnen Osteoblasten feinste Aus- 
läufer vorhanden, die direkt ins Bindemittel zu laufen scheinen. 
Kassowitz unterscheidet für den Prozess der Ossifikation 
zweierlei Arten von Zellen: 1. grosse polygonale Zellen = Osteo- 
blasten, die sich in die Grundsubstanz umwandeln und 2. kleine 
sternförmige Zellen (ähnlich Bindegewebszellen), die eingeschlossen 
werden als Knochenkörperchen. 

Von Anfang an zwei deutlich getrennte Arten von Zellen 
zu unterscheiden, ist nicht möglich: aber es ist die Möglichkeit 
nicht auszuschliessen, dass die Differenzierung der Osteoblasten 
von vornherein nach zwei Richtungen erfolgt; es wäre dann auch 
ganz gut denkbar, dass nur diejenigen Zellen im Zusammenhang 
bleiben, die bestimmt sind Knochenkörperchen zu werden, während 
diejenigen Osteoblasten, denen die Bildung des Bindemittels ob- 
liegt, sich frühzeitig schon ganz von ihrer Umgebung frei machen. 

Besondere Aufmerksamkeit wurde der Frage geschenkt, 
ob nicht ausser den Knochenzellen noch andere Zellen in die 
Knochensubstanz mit eingeschlossen werden: indifferente, aus 
dem syneytialen Zusammenhang losgelöste Mesenchymzellen, die 
vorerst scheinbar funktionslos liegen bleiben, später aber als 
erste Zellen des Knochenmarks blutbildende Tätigkeit entfalten. 
Die Befunde waren durchweg negativ. Obwohl das umliegende 
Gewebe sehr reichlich ernährt ist, treten mit Blutzellen erfüllte 
Endothelröhren nur bis zum Knochen heran; in zwei Fällen 
liessen sich solche quer durch den Knochen verfolgen; wahr- 
scheinlich handelt es sich da um die Anlage grösserer (xefässe, 
denn die geschlossene Wand war deutlich nachweisbar. 

Dass die erste Anlage der übrigen nicht knorpelig präformierten 
Knochen des Schädels auf dieselbe Weise erfolgt, braucht kaum 
eigens erwähnt zu werden. 

Betrachtet man den Vorgang der Östeogenese, wie er sich 
durch das Vorausgegangene darstellt, im ganzen, so kommt man 


282 Adele Hartmann: 


zu der Überzeugung, dass es sich nicht um eine Bildung von 
Bindegewebe und sekundäre Verknöcherung desselben handelt, 
daher der Name Bindegewebsknochen auch eigentlich nicht am 
Platze ist; mit kollagenem Bindegewebe haben die Knochen gar 
nichts zu tun, sondern sie nehmen ihre Entwicklung in einer 
Reihe selbständiger Vorgänge direkt aus dem Mesenchym. 

Etwas, aber nicht wesentlich anders liegen die Verhältnisse 
für die periostale Ossifikation ; hier findet vorübergehend kollagenes 
Bindegewebe Verwendung bei der Knochenbildung. Der Prozess 
der weiteren Knochenbildung selbst unterscheidet sich kaum von 
demjenigen, wie wir ihn für den sogenannten Bindegewebsknochen 
kennen gelernt haben; der einzige Unterschied liegt darin, dass die 
Osteoblasten sich nicht immer aus indifferenten Mesenchymzellen 
herausdifferenzieren müssen. Ihre Mutterzellen können hier auch 
echte Bindegewebszellen sein, welche die Fähigkeit, Knochen- 
substanz zu bilden, latent in sich bewahrt haben. Im Vergleich 
zu den oben beschriebenen Osteoblasten erscheinen sie etwas 
kleiner, sonst sind sie aber gerade so gebaut, mit demselben 
schaumig wabigen Protoplasma und dem stark exzentrisch liegenden 
Kern. Da die Fibrillen meist schon in reichlichem Maße gebildet 
sind und zu dicken Balken vereinigt zusammenliegen, ist der 
ganze Vorgang schwerer zu überblicken und zu verfolgen. 


Zusammenfassung an der Hand schematischer Bilder. 


I. Lockeres Netzsyneytium mit spärlichem Fibrillen Mesenchym. 
Es werden die Fibrillen vor dem Bindemittel intracellulär 
von indifferenten Zellen des 
Mesenchyms gebildet. 


Il. ErstesStadiumderKnochen- 
bildung: 

Die Zellen haben sich stark 
vermehrt (Karyokinesen häufig), 
stehen aber noch in syneytialem 
Zusammenhangmiteinander. Die 
Lücken des Mesenchyms werden 
durch das wuchernde Gewebe 
verengert, sie werden kleiner, 
bis sie. schliesslich ganz ver- 
schwinden. Die reichlicher ge- 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 285 


bildeten Fibrillen laufen in dichten, aber ungeordneten Bündeln 
zwischen den Zellen hindurch. Stellenweise finden sich An- 
deutungen einer Differenzierung des Protoplasmas um die Zell- 
kerne. (Vergl. hierzu auch Fig. 6a.) 

III. Zweites Stadium der 
Knochenbildung: 

Das Protoplasma (schwarz) 
um die Kerne des Syneytiums 
hat sich stark verändert; 
diese lösen sich jetzt als neue 
Zellen (Osteoblasten) aus dem 
alten Zellverbande los; zum 
Teil liegen sie als vollständig 
freie Zellen in den neu ent- 
standenen Gewebslücken, zum 
Teil bleiben sie durch feinste 
Fortsätze in dauerndem Zu- 
sammenhang mit dem alten 
Netzsyneytium. Die durch diesen Vorgang von den ursprüng- 
lichen Mesenchymzellen abgetrennten protoplasmatischen Schichten 
werden zu dem Bindemittel (rot), das die Fibrillen verkittet. Das 
Bindemittel entsteht also in erster Linie als gemeinsames Produkt 
syneytial verbundener Zellmassen. (Vergl. hierzu auch Fig. 6b.) 

IV. Fig. IV zeigt das Wachs- 
tum eines schon weiter ent- 
wickelten Knochenbälkchens. 
Nach aussen zu ist dem Wachs- 
tum bereits eine Grenze ge- 
setzt durch die Umbildung des 
Mesenchyms zum Periost (a): 
nach innen folgt noch eine 
Schicht indifferenten Mesen- 
chyms mit spärlich gebildeten 
Fibrillen (b); die Dicke dieser 
Schicht ist je nach dem Ent- 
wicklungsstadium sehr ver- 
schieden. Je näher man dem Knochen kommt, desto reichlicher 
erscheinen die Fibrillen; sie ordnen sich zu bestimmten Zügen 
zusammen — „Fibrillenarkaden“ (fj); gleichzeitig erfolgt die Los- 


Fig. II. 


284 Adele Hartmann: 


lösung der Osteoblasten aus dem Syneytium und die Umwandlung 
des abgetrennten Protoplasmas zum Bindemittel, das die Fibrillen- 
züge miteinander verbindet. Es ist durch die rote Farbe gekenn- 
zeichnet. Vereinzelt trifft man unter den Osteoblasten, den 


Fibrillen anliegend, jene merkwürdigen geschrumpften Zellen, 
die ich als Degenerationsformen der Osteoblasten ansehe. Das 
nächste Stadium (ec) zeigt vor allem eine Vermehrung des Binde- 
mittels und eine Verminderung der Osteoblasten (Degenerations- 
formen häufiger), wodurch die grossen, von den „Fibrillenarkaden“ 
umschlossenen Höhlen allmählich verkleinert und ausgefüllt werden. 
Es entsteht also das Bindemittel in zweiter Linie durch Umwand- 
lung und Verarbeitung ganzer Osteoblasten. 

Das Stadium d zeigt den fertigen Knochen, in dem die 
Grundsubstanz — Bindemittel + Fibrillen homogen erscheint. 


DV 


-] 


% 


10. 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 285 


"Literaturverzeichnis. 


Disse, J.: Entstehung des Knochengewebes und des Zahnbeins. Arch. 
f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 73, 1909. 

Derselbe: Wie entsteht die Grundsubstanz des Zahnbeins? Anat. Anz., 
Bd. 35,.1902: 

v. Ebner, V.: Über die Entwicklung der leimgebenden Fibrillen im 
Zahnbein. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss., Wien, 115, III, 1906. 
Derselbe: Über scheinbare und wirkliche Radiärfasern des Zahnbeins. 
Anat. Anz., Bd. 34, 1909. 

Heinrich, G.: Die Entwicklung des Zahnbeins bei Säugetieren. Arch. 
f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 74, 1909. 

Kassowitz, M.: Normale Ossifikation und die Erkrankung des 
Knochensystems bei Rhachitis und hereditärer Syphilis. Wien 1881. 

v. Korff: Entwicklung der Zahnbeingrundsubstanz der Säugetiere. 
Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 67, 1905. 

Derselbe: Analogie in der Entwicklung der Knochen- und der Zahnbein- 
grundsubstanz der Säugetiere. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., 
Bd. 69, 1906. 

Derselbe: Zur Histologie und Histogenese des Bindegewebes. Ergeb- 
nisse d. Anat. u. Entwicklungsgesch. (Merkel-Bonnet), Bd. 17, 1907. 
Derselbe: Entgegnung auf die v. Ebnersche Abhandlung „Über schein- 
bare und wirkliche Radiärfasern des Zahnbeins“. Anat. Anz., Bd. 35, 1909. 
Maximow, A.: Über Zellformen des lockeren Bindegewebes. Arch. f. 
mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 67, 1905. 

Merkel, F.: Betrachtungen über die Entwicklung des Bindegewebes. 
Anat. Hefte (Merkel-Bonnet), Bd. 38, Heft II, 1909. 


. Meves, Fr.: Chondriosomen. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., 


Bd. 72, 1908. 
Mollier, S.: Uber Knochenentwicklung. Sitzungsber. d. Ges. f. Morph. 
u. Physiol. München, Bd. 26, 1910. 


5. Novikoff, M.: Untersuchungen über die Struktur des Knochens. 


Zeitschrift f. wiss. Zool., Bd. 92, Heft I, 1909. 

Rollet, A.: Von den Bindegeweben. In Strickers Lehre von den 
Geweben, Bd. 1, 1871. 

Schaffer, J.: Über den feineren Bau und die Entwicklung des 
Knorpelgewebes und über verwandte Formen der Stützsubstanzen. 
Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 70, 1901. 

Derselbe: Grundsubstanz, Intercellularsubstanz, Kittsubstanz. Anat. 
Anz., Bd. 19, 1901. 

Spuler, A.: Beiträge zur Histologie und Histogenese der Binde- und 
Stützsubstanzen. Anat. Hefte, Bd. 7, 1896. 

Studniöka, F.K.: Über einige Grundsubstanzgewebe. Anat. Anz,, 
Bds3l! 

Derselbe: Die radialen Fibrillensysteme bei der Dentinbildung und im 


entwickelten Dentin der Säugetierzähne. Anat. Anz., Bd. 30, 1907. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 19 


Adele Hartmann: 


22. Derselbe: Zur Lösung der Dentinfrage. Anat. Anz., Bd. 35, 1909. 

23. Waldeyer: Über den Ossifikationsprozess. Arch. f. mikr. Anat. u. 
Entwicklungsgesch., Bd. 1, 1865. 

24. Derselbe: Kittsubstanz, Grundsubstanz, Endothel und Epithel. Arch. 
f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 57, 1909. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII und XII. 


Zug. 1: 
Fig. 2 
Fig. 3 
Fig. 4 
Fig. 9: 
Fig. 6a. 


Horizontalschnitt durch den Unterkiefer eines Schafembryos von 
3 cm Länge. Fixierung: Flemmingsche Lösung. Färbung nach 
Mallory. Obj.: Zeiss. Apochr. 4 mm. Okul. 3. Rand eines 
wachsenden Knochenbälkchens: vom Knochen ausstrahlende Fibrillen- 
bündel, die sich ins umliegende Gewebe hinaus auflösen. Fibrillen 
durch Bindemittel zusammengehalten, dessen Struktur bei dieser 
Vergrösserung nicht erkennbar. Arkadenförmige Anordnung der 
Fibrillenzüge.e Den Fibrillen liegen an die Osteoblasten, deren 
Protoplasma häufig direkt in das Bindemittel überzugehen scheint. 
Mesenchym: Unterhautzellgewebe aus der Unterkiefergegend des- 
selben Schafembryos. Färbung der Fihrillen mit Blauschwarz. 
Hom. Imm. Zeiss !/ıe. Compl.-Okul. 3. Syncytialer Zusammenhang 
der Zellen. Der wabige Bau des schwach färbbaren Protoplasmas 
wurde nicht zum Ausdruck gebracht. Grössere ungefärbte Saft- 
lücken sind überall vorhanden. Fibrillen verlaufen deutlich im 
Protoplasma, meist in den Randpartien, niemals durch die Lücken. 
Verdichtetes Mesenchymgewebe um das Medullarrohr (Katze). 
Färbung nach Bielschowsky. Hom. Imm. Zeiss YYız. Compl.- 
Okul. 3. Deutliches Syneytium der Zellen und netziger Bau des 
Syneytiums; es imprägnieren sich die fertigen und die entstehenden 
Fibrillen, letztere als Reihen feiner Körnchen. — Zusammenhang 
von Protoplasma und Fibrillen. 

Frontalschnitt durch Unterkiefer eines Schafembryos von 8,5 cm 
Länge. Fixierung: Flemmingsche Lösung. Färbung: Häma- 
toxylinnach Heidenhain. Hom. Imm. Zeiss Yı.. Compl.-Okul. 3. 
Fibrillen an der Oberfläche der Osteoblasten, parallel zueinander 


‘° verlaufend. K = Knochenbälkchen; Z = Knochenzelle. 


Horizontalschnitt durch Unterkiefer eines Schafembryos von 3 cm 
Länge (Fig. 1). Hom. Imm. Zeiss !/ıi.. Compl.-Okul. 3. Osteogenes 
Mesenchym: Vermehrung der Zellen und Fibrillen gegen das 
Knochenbälkchen zu; die Fibrillen werden zu dichteren Bündeln 
zusammengeschoben. Protoplasma nahezu ungefärbt. 

Derselbe Embryo. Färbung nach Harnowsky. Hom. Imm. 
Zeiss Y/ıe. Compl.-Okul. 3. Die Zellen beginnen sich aus dem 
syncytialen Verband zu lösen. Das Protoplasma, jetzt Bindemittel 
färbt sich stärker; die grossen Lücken zwischen den Netzmaschen 


Fig. 6b. 


Bin 8. 


Fig. 11. 


Zur Entwicklung des Bindegewebsknochens. 287 


verschwinden. a — losgelöste Osteoblasten; b = Differenzierung 
des Protoplasmas in Zellprotoplasma und Bindemittel. 

Derselbe Embryo. Färbung mit Heidenhainschem Hämatoxylin- 
Fuchsin 5. Hom. Imm. Zeiss Yı2. Compl.-Okul. 3. Derselbe Vorgang 
etwas weiter vorgeschritten. Protoplasma und Bindemittel schon 
deutlich gegeneinander getrennt. Die Osteoblasten zeigen bereits die 
typische Form, haben aber stellenweise noch den Zusammenhang 
mit dem Bindemittel bewahrt. Die Färbung des Bindemittels geht 
allmählich in die der Knochengrundsubstanz über, während das 
Protoplasma den roten Farbstoff (Fuchsin S) nicht annimmt. 
Kaninchenembryo von 1,5 cm Länge. Horizontalschnitt durch 
Unterkiefer. Fixierung: Sublimat. Färbung: Carmin-Bleu de Lyon. 
Hom. Imm. Zeiss !'ı». Compl.-Okul. 3. Erste Anlage von Binde- 
mittel, zeigt netzige Struktur und in demselben verlaufende 
Fibrillen. Zweierlei Zellen zu unterscheiden: grosse helle typische 
Östeoblasten; solche mit dunklem zusammengedrücktem Kern und 
Zelleib. 

Derselbe Embryo. Färbung mit wässriger Lösung von Thionin. 
Hom. Imm. Zeiss !/ı. Compl.-Okul. 3. Schmales Knochenbälkchen ; 
die Knochensubstanz ist fast ungefärbt. Die Zellen zeigen deut- 
liche Ausläufer, die mit denen benachbarter Zellen zusammen- 
hängen oder auslaufen in den etwas dunkler sich färbenden Rand 
der Knochenhöhlen. Protoplasma lässt sich nicht immer scharf 
gegen die Knochensubstanz abgrenzen, sondern scheint direkt in 
diese überzugehen. Die Zellen aussen am Rande sind nicht weiter 
ausgeführt. 

Derselbe Embryo wie Fig. 1. Hom. Imm. Zeiss \/ı. Okul. 8. Form 
und Struktur der Östeoblasten und ihre Lage zu den Fibrillen. 
V = Vakuole. 

Schafembryo von 2,8 cm Länge. Frontalschnitt durch Unterkiefer. 
Fixierung: Flemmingsche Lösung. Färbung nach Mallory. 
Hom. Imm. Zeiss !/ı. Compl.-Okul. 3. Rand eines schon ziemlich 
dicken Knochenbälkchens, dessen fibrilläre Grundlage nicht mehr 
deutlich erkennbar ist. In der Knochensubstanz zahlreiche zugrunde 
gehende Zellen und Zelltrümmer, 

Derselbe Embryo wie Fig. 7. Grosse protoplasmatische Syncytien, 
aus denen durch Umwandlung das Bindemittel zu entstehen scheint. 
Verlauf der Östeogenese hier nicht normal. e — Erythrocyten ; 
v= Vakuolen; k — Karyokinese; kommt sonst so nahe dem 
Knochen nicht vor. 


19 


Aus dem physiologischen und histologischen Institut der Kgl. Tierärztlichen 
Hochschule zu Dresden. Direktor: Geheimer Rat Prof. Dr. Ellenberger. 


Zur Kenntnis der Panethschen Körnchenzellen 
bei den Säugetieren. 


Von 
Dr. Alfred Trautmann. 


Hierzu Tafel XIV. 


Bekanntlich hat Paneth'!) im Jahre 1885 im Grunde der 
Darmeigendrüsen des Dünndarms bei einigen Nagern (Maus, 
Ratte, Meerschweinchen) eine besondere Art von 
sezernierenden Zellen feststellen können, die von ihm als Körnchen- 
zellen bezeichnet wurden. Eingedenk der Verdienste Paneths 
um die Erforschung dieser Zellen ist später von den meisten 
Autoren der Name „Panethsche Körnchenzellen“ oder 
einfach „Panethsche Zellen“ gewählt worden. 

Auf die Tatsache, dass sich der Grund der Darmeigendrüsen 
der Haustiere (bezw. die dort vorhandenen Zellen) anders ver- 
hält, als die übrige Drüse, hat schon Ellenberger hin- 
gewiesen, der auch jederzeit den abweichenden Anschauungen 
gegenüber die Ansicht vertreten hat, dass diese Gebilde echte 
Drüsen sind, die ein fermenthaltiges Sekret liefern und neben 
Mucin auch Fermente produzieren. Andere Arbeiten hinderten 
uns aber, früher die Zellen der Darmeigendrüsen der Haustiere 
auf das Vorkommen von Sekretgranula zu untersuchen. Vor 
kurzer Zeit aber wurde unsere Aufmerksamkeit von neuem und 
in verstärktem Maße auf diese Frage gelenkt, weil wir gelegent- 
lich bei Betrachtung eines mikroskopischen Schnittes vom Dünn- 
darme des Pferdes, der in Sublimat fixiert und mit Mucikarmin 
gefärbt worden war, eine sehr auffällige Färbung des Fundus 
der Darmeigendrüsen konstatierten. Die kräftig rote, gewisser- 
massen eine wahre Zone bildende Reaktion dieses Teiles der 


ı) Nach ‘Möller war Schwalbe der erste, der an frischen 
Präparaten von der Ratte und der Fledermaus im Grunde der Drüsen- 
schläuche des Dünndarmes gelegene Körnchen beobachtet und abgebildet hat. 


Panethsche Körnchenzellen bei den Säugetieren. 259 


Darmwand auf die Schleimfarbe Mueikarmin konnte auf den 
ersten Blick vermuten lassen, dass es sich um eine Anhäufung 
der dieselbe Reaktion gebenden Becherzellen handle. Allein bei 
näherer Betrachtung war zu konstatieren, dass nicht nur die 
Tinktion des Drüsengrundes (Fig. 1) eine erheblich stärkere war 
als die der an anderen Stellen der Drüsen und im Oberflächen- 
epithel vorkommenden Becherzellen, sondern dass auch die sich 
hier vorfindenden Zellen ihrer Struktur nach ganz anders geartet 
waren als diese. Dieser Befund veranlasste mich, nähere Unter- 
suchungen über die Zellen des Fundus der Glandulae intestinales 
propriae bei den Equiden (Pferd und Esel) anzustellen, um 
festzustellen, um welche eigenartigen Gebilde es sich handele, 
und welche verschiedenen Arten von Zellen sich hier finden. 
Nichts lag näher, als das Vorhandensein von Zellen mit Sekret- 
granulabildung in den Darmeigendrüsen und das Vorkommen der 
Panethschen Körnerzellen zu vermuten. 

Die von Paneth bei Ratte, Maus und Meerschweinchen 
zuerst im Grunde der Darmeigendrüsen beobachteten Körnchen- 
zellen sind nach ihm durch die verschiedensten Forscher bei 
den mannigfaltigsten Individuen festgestellt worden. So fanden 
sie sich bei Mensch (Bloch, Schmidt, Paneth, Nicolas, 
Stöhr, Schaffer, Sobotta, v. Ebner, Zimmermann, 
Thorel, Saltykow, Kobubo, Lubarsch und Martius), 
Rhesusaffen (Zipkin), Fledermaus (Schaffer, Nicolas), 
Kaninchen -£Metzner, NicolasgrMoöller),. Meer- 
schweinchen (Paneth, Heidenhain, Möller, Martin), 
Hamster (Martin), Ratte (Paneth, Schaffer, Nicolas, 
Möller, Martin), Eichhörnchen (Nicolas), Murmeltier 
Monte) a Rind AMoöller), Schaffz@aköhlery: Martin), 
Schnabeltieren (Oppel), Schildkröten (Nicolas, 
Paneth), Eidechse (Nicolas), Triton (Paneth), Frosch 
(Nicolas), Blindschleiche (Nicolas). Bei Hund, Katze, 
Ziege und Schwein wurde vergeblich nach diesen Gebilden 
gesucht (Paneth, Schmidt, Schneider, Hock, Martin, 
Stöhr und Möller). Auch über Panethsche Körnchenzellen 
bei den Equiden finden sich in der Literatur einige wenige 
Angaben. Die Strukturverhältnisse der Panethschen Körnchen- 
zellen sind namentlich beim Menschen und den Nage- 
tieren schon eingehender studiert worden, über die dies- 


290 Alfred Trautmann: 


bezüglichen Verhältnisse bei den Haustieren, namentlich 
aber bei den Equiden, ist bis jetzt recht wenig bekannt. 

Möller untersuchte ausser anderen Tieren auch das 
Pferd in bezug auf Vorkommen von Panethschen Körnchen- 
zellen. Er bediente sich eigentlich nur zweier Fixationen, nämlich 
einer solchen durch Bichromat-Formalin und der Flemmingschen 
Flüssigkeit. Gefärbt wurde mit Ehrlich-Biondis Flüssigkeit 
und Delafields Hämatoxylin-Safranin. Er beschränkt sich 
darauf, festzustellen, dass durch diese Fixationen und Färbungen 
im fundalen Drittel der Darmeigendrüsen des Pferdes Körnchen- 
zellen nachweisbar waren und dass sie sich deutlich von den 
Becherzellen unterschieden. Nähere Angaben über Ort des Vor- 
kommens, Strukturverhältnisse etc. fehlen bei Möller gänzlich. 

v. Ebner stellt lediglich fest, dass beim Pferde die 
Zellen, die der Lage nach Panethschen Körnchenzellen ent- 
sprechen, wenigstens an in Zenkers Flüssigkeit fixierten 
Präparaten, Becherzellen sehr ähnlich sind. 

Eine eingehende Untersuchung der Panethschen Körnchen- 
zellen im Fundus der Darmeigendrüsen von Pferd und Esel 
hielt ich aber auch aus dem Grunde für angebracht, weil mir 
besondere Eigentümlichkeiten bezüglich der Fixation dieser 
Gebilde aufgefallen sind. 

Zur Darstellung der einzelnen Bestandteile der sich im 
Grunde der Darmeigendrüsen des Pferdes findenden Zellen 
legte ich kleine Stücke verschiedener Teile des Dünndarmes, 
Oaecums, Colons und Rectums in verschiedene Fixations- 
flüssigkeiten. Es kamen zur Anwendung heissgesättigte 
Sublimatkochsalzlösung, ferner Zenkersche Flüssig- 
keit, 1’oige Osmiumsäurelösung und konz. wässrige 
Pikrinsäurelösung und endlich wurden die von Altmann 
(5° oige Kaliumbichromatlösung und 2 °/oige Osmiumsäure A&) und 
Metzner (konz. wässrige Kaliumbichromatlösung 1 p, 5°Joige 
Osmiumsäure |gelöst in 2/oiger Kochsalzlösung| 3 p) empfohlenen 
Fixationsgemische hinzugezogen, die zur Darstellung bestimmter 
Elemente vorgeschrieben sind. Ich habe konstatieren können, 
dass sich 1°/oige Osmiumsäurelösung, Zenkersche Flüssigkeit, 
aber namentlich die Altmannsche Flüssigkeit für Fixation 
von Granula in den fraglichen Zellen der Equiden vorzüglich 
eigneten. In der vorliegenden Literatur herrschen speziell 


Panethsche Körnchenzellen bei den Säugetieren. 291 


gerade in diesem Punkte grössere Widersprüche. Während z. B. 
Flemmingsche Lösung einem Forscher (Nicolas) gute 
Resultate lieferte, waren andere (z.B. Paneth, Metzner) nicht 
mit ihr zufrieden. 

Es lag natürlich nieht in meiner Absicht, den Wert der 
bisher bei den verschiedensten Tieren angewendeten mannigfachen 
Fixationsflüssigkeiten zu prüfen, sondern ich wollte lediglich die 
bisher beim Pferde erhaltenen spärlichen Resultate nachprüfen 
und ergänzen und durch Anwendung der noch nicht verwendeten 
Altmannschen Granulamethode, die mir an anderen Organen 
des Tierkörpers (Magen etc.) ausschliesslich vortreffliche Resultate 
lieferte, instruktive Bilder herstellen. 

Wie bezüglich der Fixation so herrschen auch bezüglich 
der Färbbarkeit der Panethschen Körnchenzellen mannig- 
faltige Kontroverse. Hierauf näher einzugehen, lag nicht im 
Rahmen dieser Arbeit. Ich werde nur schildern, welche Ergeb- 
nisse ich mit den von mir gewählten Tinktionen an den Zellen 
des Grundes der Darmeigendrüsen der Equiden gehabt habe. 
Von mir wurden die mikroskopischen Schnitte in der Hauptsache 
folgenden Färbungen unterworfen: 

Friedl. Hämatoxylin-Eosin 
-Kongorot 


2 » 
5 vi -Mueikarmin 
5 > -Bismarckbraun 
” H -Van Gieson. 


Weiter bediente ich mich der Heidenhainschen Eisen- 
alaunhämatoxylin-Methode meist mit Nachfärbung von Muci- 
karmin. Die nach Altmann und Metzner (s. o.) fixierten 
Präparate wurden den speziell für diese vorgeschriebenen Tinktionen 
wie Säurefuchsin (gelöst in Anilinwasser) — alkohol. 
Pikrinsäure, Toluidinblau, Thionin unterworfen. Es mag 
gleich hier bemerkt werden, dass ich durch Färbung der nach 
Altmann fixierten Schnitte mit Säurefuchsinpikrinsäure die 
besten und klarsten Bilder erhielt, nach denen ich mich deshalb 
in der Hauptsache bei der nachfolgenden Beschreibung richtete, 
ohne dabei aber die durch andere Fixationen und Färbungen 
erhaltenen Resultate unberücksichtigt zu lassen. 

Mit Anwendung der genannten Fixations- und Färbungs- 
methoden gelang es mir in allen Abschnitten des Dünndarmes 


292 Alfred Trautmann: 


der Equiden im Fundus der Darmeigendrüsen Körnchenzellen 
nachzuweisen, die ich den von Paneth gefundenen Zellen gleich- 
stellen und durchaus als Panethsche Körnchenzellen be- 
zeichnen muss. Es ist aber zu bemerken, dass dieselben in den 
einzelnen Abschnitten, also im Duodenum, Jejunum und Ileum, 
nicht in der gleichen Häufigkeit ‚auftreten. Ich habe an 
meinen Präparaten konstatieren können, dass gegen das Caecum 
zu die Menge der im Fundus der Darmeigendrüsen sitzenden 
Körnchenzellen erheblich abnimmt. Direkt hinter dem Pylorus 
und überhaupt in den Teilen des Dünndarmes, in, denen sich 
Duodenaldrüsen vorfinden, erfüllen die Körnchenzellen den Grund 
vollständig und reichen in der Breite von 4—5 Zellen und mehr 
zottenwärts. Nur ganz selten findet sich hier zwischen ihnen 
eine Zelle, die den die anderen Teile der Darmeigendrüsen aus- 
kleidenden Zellen gleichzustellen ist. Es handelt sich dann in der 
Hauptsache um Elemente, die sich durch eine recht geringe 
Breite auszeichnen. Je weiter man ileumwärts kommt, desto 
geringer wird die Zahl der Panethschen Zellen und desto weniger 
weit reichen sie in den Darmeigendrüsen hinauf, während die 
anderen zylindrischen Zellelemente häufiger zwischen dieselben 
sich einschieben. Am Ende des Ileums habe ich in dem Fundus 
der Gl. intestinales propriae im mikroskopischen Bilde meist nur 
2—3, ganz selten mehr, Körnchenzellen beobachten können. 
Ganz spärlich fand ich Panethsche Zellen im Caecum. Während 
in der Duodenaldrüsenzone jede Darmeigendrüse Panethsche 
Zellelemente aufwies, war hier nur der eine oder der andere 
Drüsenschlauch mit diesen Gebilden versehen und zwar traf ich 
meist nur eine oder zwei Zellen. Im Colon und Rectum war in 
dem Grunde der Darmeigendrüsen keine Spur spezifischer Elemente 
vorzufinden, obwohl hier die so sehr zahlreich auftretenden Becher- 
zellen leicht das Vorhandensein solcher Elemente vortäuschen 
können. Allein bei näherer Betrachtung liessen sich namentlich 
mit der Altmannschen Methode diese Greebilde deutlich von- 
einander unterscheiden. 

Wie schon erwähnt, sitzen die Panethschen Zellen in der 
Hauptsache im tiefsten Grunde der Gl. intestinales propriae und 
erstrecken sich von hier aus verschieden weit, aber stets relativ 
wenig weit zottenwärts. Nur äusserst selten und zwar nur im 
Duodenum, bezw. nur in der Pars duodenalis (der Duodenal- 


Panethsche Körnchenzellen bei den Säugetieren. 293 


drüsenzone) findet man, dass die Panethschen Zellen sich bis 
in das mittlere Drittel der Darmeigendrüsen hineinerstrecken. 
In diesem Falle sind es aber nur ganz vereinzelte Gebilde. Es 
kommt auch vor, dass sich, wie ich beobachtete, vom Drüsen- 
grunde aus im mikroskopischen Bilde Panethsche Zellen nur 
an der einen Wand der Drüse fortsetzen, während die gegenüber- 
liegende vollständig frei davon bleibt. In den Endabschnitten 
des Ileums und im Caecum liegen Panethsche Zellen nur rein 
fundal. 

Die Panethschen Körnchenzellen des Pferdes und Esels 
haben im Drüsengrunde zum grössten Teile eine pyramidenförmige 
Gestalt. Nur die den Seitenwänden der Darmeigendrüsen an- 
sitzenden Zellen sind von mehr zylindrischer Form. Der der 
Membrana propria aufsitzende Teil der rein fundal liegenden Zellen 
ist konvex gewölbt und erheblich breiter als der dem Lumen zu- 
gekehrte Abschnitt derselben. Die Breite der einzelnen Zellen 
wechselt namentlich in der Duodenaldrüsenzone erheblich. Es 
kommt vor, dass Zellen eine grössere Breite als Höhe haben. 
Namentlich ist dies der Fall, wenn die Zelle sehr reich mit 
Granula angefüllt ist. Die einzelnen Zellen sind voneinander 
gut abgegrenzt. Die Zellen in den distalen Abschnitten des 
Dünndarmes und im Caecum weisen fast nie die gleichen Grössen 
auf, wie die der Duodenaldrüsenzone. Sie sind grösstenteils er- 
heblich schmäler als die in der Duodenaldrüsenzone und erscheinen 
deswegen mehr schlank und zylindrisch. Die von Nicolas bei 
anderen Individuen beobachteten drei Arten von im Grunde der 
Darmeigendrüsen gelegenen Zellen konnte ich beim Pferde 
nicht konstatieren. 

Der Zelleib der Panethschen Zellen wird dicht von 
Granula erfüllt, die sich nach meinen Beobachtungen am besten 
durch die Altmannsche Granulamethode darstellen lassen, 
aber auch bei anderen Fixationen klar und deutlich dargestellt 
erscheinen. So erhielt ich auch bei Fixation mit Zenkerscher 
Flüssigkeit und konzentriert-wässeriger Pikrin- 
säurelösung, mit der Paneth bei Ratte, Maus und Meer- 
schweinchen arbeitete und recht zufrieden gestellt wurde, 
brauchbare Resultate. Betrachtet man Abbildung 3, die nach 
einem nach der Altmannschen Granulamethode behandelten 
Schnitte gezeichnet ist, so kann man sich gut von dem Verhalten 


294 Alfred Trautmann: 


der Granula überzeugen. Keine der sonst angewendeten Methoden 
lieferte mir, namentlich in bezug auf die Verschiedenheit der 
Funktionsstadien, so instruktive Bilder. Die stets kugeligen 
Granula, die sich in diesem Falle leuchtend rot färbten und mit 
denen der Becherzellen nicht zu verwechseln waren, erfüllen meist 
die Zellen fast vollständig von der Basis bis zum Lumen. Es 
gibt mitunter Drüsenstrecken, die das gleiche Funktionsstadium 
der Zellen erkennen lassen, indem man in diesen gleich grosse, 
gleich stark gefärbte Körnchen vorfindet. An anderen Stellen 
haben die nebeneinander gelagerten Zellen ein ganz verschiedenes 
Aussehen. So liegen in einigen Zellen die Granula viel weiter 
auseinander als in anderen und sind relativ kleiner. Wieder 
andere Zellen weisen in ihrem Leibe grössere und kleinere 
Granula vermischt auf. Es kommt auch vor, dass die Granula 
die Farbstoffe weniger stark aufgenommen haben und infolge- 
dessen blasser und von mehr grauerer Farbe erscheinen. Andere 
Bilder zeigen die Granula der basisseitigen Zellpartie stärker 
tingiert als die der lumenseitigen. Endlich habe ich auch Zellen 
vorfinden können, die nur zur Hälfte mit Granula erfüllt waren. 
Aus meiner Beobachtung geht sicher hervor, dass die Granula 
in verschiedener Grösse, verschiedener Menge und verschiedener 
Verteilung im Zelleibe auftreten und dass sie auch nicht stets 
das gleiche Tinktionsvermögen zeigen. Aus letzterem Umstande 
erhellt, dass auch ihre chemischen Eigenschaften bis zu einem 
gewissen Grade wechseln. Die konstatierten Verschiedenheiten 
beruhen jedenfalls zum Teil auf dem wechselnden Funktions- 
zustande der Zellen, zum Teil sind sie aber auch Artefakte, 
d.h. die Folge der Behandlung der Präparate, ihrer Fixation, 
Härtung und dergleichen. Bei der Fixation in Pikrinsäure 
und Zenkerscher Flüssigkeit erhält man bezüglich des 
Aussehens der Granula andere Resultate als bei Anwendung der 
Altmannschen Methode. Abbildung 2 zeigt die Zellen nach 
Fixierung in Zenkerscher Flüssigkeit. Dabei sind sie mit 
einer Unmenge kleinster, feinster Granula angefüllt, die sich in 
das Lumen der Darmeigendrüsen ergiessen. Die von Kölliker- 
Ebner speziell für das Pferd angegebenen Befunde, dass an in 
Zenkerscher Flüssigkeit fixierten Präparaten die Panethschen 
Körnchenzellen Becherzellen sehr ähnlich seien, kann ich nicht 
bejahen. Mir erschien es im Gegenteil so, als ob gerade dabei 


Panethsche Körnchenzellen bei den Säugetieren. 295 


der Unterschied zwischen Becherzellen und Panethschen Zellen, 
was aus Abbildung 2 drastisch hervorgeht, ein recht instruktiver sei. 

Auch 1%/oige Ösmiumsäure (Fig.4d) fixiert die Granula 
in den Panethschen Körnchenzellen teilweise recht gut. In den 
ungefärbten Schnitten zeigen die Granula dunkel olivgrüne Farbe 
mit einem Stich ins Braune und sind etwas stärker tingiert als 
das sie umgebende Protoplasma und treten infolge dieser Farben- 
unterschiede deutlich hervor. Häufig findet man auch die Granula 
ausgefallen, wodurch dann das intergranuläre Cytoplasma als Netz- 
werk deutlich zutage tritt. Die durch 1°/oige Osmiumsäure er- 
haltenen Resultate sind ähnlich denen, die durch heissgesättigte 
Sublimatkochsalzlösung erhalten werden. Die mit letzterer 
Fixationsflüssigkeit behandelten Präparate sind aber weniger in- 
struktiv. Merkwürdig ist auch, dass die Resultate vollkommen 
negativ bei Fixation mit Sublimatkochsalzlösung ausfallen können. 

Der Satz Paneths, dass zur Fixiation der Körnchenzellen 
ausser Pikrinsäure nur Osmiumsäure zu gebrauchen sei, dürfte 
wohl nach den obigen Darlegungen hinfällig sein. 

Soviel geht jedenfalls aus meinen Befunden hervor, dass 
die Altmannsche Granulamethode eine viel genauere Fest- 
stellung der Verschiedenheiten in der Beschaffenheit der Paneth- 
schen Zellen gestattet als jede andere Methode. Die Fixation 
mit Pikrinsäure hat den Nachteil, dass sie die Granula der 
Becherzellen gleich gut fixiert. Man ist deswegen namentlich 
in den Partien des Darmkanals, wo sich relativ wenig Panethsche 
Zellen, aber mehr Becherzellen (Caecum) namentlich gegen den 
Fundus der Darmeigendrüsen zu finden, häufig Täuschungen aus- 
gesetzt. Es kommt vor, dass man mit Granula angefüllte Segmente 
von Becherzellen als Panethsche Zellen deuten kann, wenn 
auch die Granula letzterer bei genauer Betrachtung etwas grösser 
und nicht so gleichmässig in der Grösse erscheinen. Nicht un- 
erwähnt möchte ich lassen, dass auch Leukozyten mit ihrem von 
Körnchen erfüllten Zelleibe (Fig. 5) namentlich im Caecum, Colon 
und Rectum zu falschen Schlüssen bezüglich Vorkommens von 
Körnchenzellen führen können. Die Körnchen von Leukozyten 
des Pferdes sind jedoch stets grösser als die der Panethschen 
Zellen (vgl. Fig. 5 mit Fig. 4). 

Die Reaktion der Granula der Zellen ist den verschiedensten 
Farbstoffen gegenüber eine recht verschiedene. Kernfarbstoffe 


296 Alfred Trautmann: 


(z. B. Hämatoxylin, Methylenblau ete.), Mucinfarben (Muci- 
karmin, Bismarckbraun ete.), wie endlich auch saure Farben 
(Eosin, Säurefuchsin, Kongorot etc.) tingieren die Körnchen, so 
dass ein Schluss auf die chemische Natur der Körnchen nur 
schwer zulässig ist, eine Tatsache, die auch anderen Autoren 
nicht unbekannt geblieben ist. Wir wissen nur soviel, dass die 
Darmeigendrüsen ausser Mucin auch andere spezifische Stoffe, 
vor allem ein amylolytisches Enzym, ferner Enterokinase und 
Erepsin produzieren. Daraus folgt, dass die Zellen ausser Mucin- 
eranula auch andere Granula enthalten müssen, oder dass sie 
Granula führen müssen, die sich aus verschiedenen Substanzen 
zusammensetzen oder verschiedene Substanzen produzieren. 

Bezüglich der Färbbarkeit des intergranulären Cyto- 
plasma der Panethschen Zellen ist zu bemerken, dass sich 
ein Unterschied in der Tinktion dieses wie desjenigen der übrigen 
Zylinderdrüsenepithelien nicht bemerkbar macht. Zipkin er- 
schien beim Rhesusaffen das Protoplasma der Panethschen 
Zellen etwas dunkler als dasjenige aller übrigen Zellen (bei Ehr- 
lich-Biondi-Heidenhainscher Färbung). Das Protoplasma 
der zur Hälfte mit Körnchen angefüllten Zellen setzt sich ohne Grenze 
in das körnerlose Protoplasma fort, ohne Unterschiede zu zeigen. 

Der Kern der Panethschen Zellen ist in der Regel 
kleiner als der der übrigen Darmepithelien. Er tingiert sich 
auch intensiver, ähnelt aber mehr den Kernen der Zylinderzellen, 
als denen der Becherzellen. Er hat seine Lage in der Haupt- 
sache nahe der Basis. Seine Gestalt ist recht unregelmässig, 
namentlich wenn die Zelle reichlich mit Granula angefüllt ist. 
Er legt sich dann meist mit seiner Längsachse quer zur Längs- 
achse der Zelle, indem er dabei eine mehr oder weniger platt- 
sedrückte Gestalt annimmt und sich ganz dicht der basisseitigen 
Partie der Zelle anlegt, was auch Schaffer an anderen Tieren 
beobachtete. Der Kern ist meist stark chromophil und enthält 
in der Regel ein einziges, grosses, kugelrundes Kernkörperchen. 
Recht oft wird der Kern in den dicht mit Granula erfüllten 
Zellen von denselben verdeckt. Er kann auch aus dem Grunde 
scheinbar fehlen, wenn er, namentlich bei grösseren Zellen, nicht 
in die Schnittebene fällt. 

Inter- und bezw. intrazelluläre Sekretkapillaren 
waren durch die von mir angewandten Methoden nicht nachweisbar. 


Panethsche Körnchenzellen bei den Säugetieren. 297 


Die durch die Altmannsche Granulamethode bei den 
Equiden erhaltenen guten Resultate veranlassten mich, auch den 
Darm der Karnivoren (Hund und Katze), bei denen man 
bisher keine Körnchenzellen hat finden können, auf diese Frage 
nochmals genau an der Hand der Altmannschen Methode zu 
untersuchen. 

Paneth, Schmidt, Möller, Stöhr, Martin be- 
richten, dass niemals bei Hund und Katze Körnchenzellen im 
Grunde der Darmeigendrüsen zu finden seien. Auch Schneider 
und Hock untersuchten den Darm der Katze in dieser Hinsicht 
mit negativem Erfolg. 

Ich habe an Hand meiner Präparate bei der Katze mit 
Sicherheit im Grunde der Glandulae intestinales propriae. des 
Dünndarmes Körnchenzellen nachweisen können (Fig. 6a). Die- 
selben finden sich genau wie beim Pferde am zahlreichsten 
in den Anfangsabschnitten des Dünndarmes, aber auch im lleum 
habe ich Bilder gesehen, die mich berechtigen, auch hier von 
dem Vorkommen der Körnchenzellen zu sprechen. Im Caecum, 
Kolon, Recetum habe ich jedoch in keinem Falle diese Gebilde 
auffinden können. Es ist zu bemerken, dass in der Häufigkeit 
wie beim Pferde die Körnchenzellen nicht auftreten. In den 
Anfangsabschnitten des Dünndarmes findet man im mikroskopischen 
Bilde kaum mehr als drei dieser Gebilde in dem Grunde der 
Darmeigendrüse. Dieselben liegen stets nebeneinander. Dass 
sich andere Fpithelzellen zwischen sie einschieben, konnte ich 
nicht konstatieren. Auch sah ich nicht, dass die Körnchenzellen 
anders als rein fundal gelegen waren. In keinem Falle habe 
ich sie höher zottenwärts in den Darmeigendrüsen gefunden. 
Es ist zu bemerken, dass auch oft Drüsenschläuche sich zeigen, 
die keine dieser spezifischen Zellen aufweisen. Im Ileum ist die 
Zahl der Körnchenzellen noch spärlicher als im Duodenum bezw. 
Jejunum. Hier finden sie sich meist vereinzelt oder zu zweien. 
Der Umstand, dass mitunter nur wenige Körnchen in einer Zelle 
bezw. manchmai nur relativ wenige Zellen im Fundus mit 
Körnchen angefüllt sind, lässt uns vermuten, dass es nicht zum 
Charakteristikum, wenigstens nicht zur absoluten Notwendigkeit 
gehört, dass die Körnchenzellen mit Körnchen angefüllt sein 
müssen. Soviel ist klar, dass man bei der Katze auf das 
genaueste ganze Darmstrecken und jede einzelne Drüse durch- 


295 Alfred Trautmann: 


mustern muss, um Körnchenzellen, die sich in typischer Form 
präsentieren. aufzufinden. 


Die Gestalt der Körnchenzellen bei der Katze ist kaum 
wesentlich von denen des Pferdes verschieden. Im grossen 
und ganzen sind sie etwas schmäler. So grosse Breiten wie beim 
Pferde konnte ich nicht finden. Auch hier treten die Zell- 
grenzen gut hervor. 


Der Zelleib enthält ebenfalls wie beim Pferde kugelige 
Granula in verschiedener Menge und Grösse. Die Granula 
erfüllen nicht immer den Leib vollständig (Fig. 6a). Die die Zellen 
gänzlich erfüllenden Granula sind in der Regel kleiner und 
schwächer tingiert als die, die die Zelle nur zur Hälfte besetzen. 
Ich habe auch Bilder gesehen, in denen im Lumen der Darm- 
eigendrüsen Granula lagen, die zweifellos von den Zellen dorthin 
ergossen waren. 


Das intergranuläre Protoplasma der Körnchenzellen 
der Katze verhält sich wie das des Pferdes. 


Bezüglich des Kernes ist zu sagen, dass sich so unregel- 
mässige Formen wie beim Pferde nicht finden. Bei mit Granula 
vollgefüllten Zellen lagert der Kern nahe der Basis und ist klein. 
Dort aber, wo Zellen nur weniger Granula enthalten, ist er grösser, 
von mehr kugeliger Gestalt und nicht so dicht basal gelegen. 
Allerdings kommen auch Kerne vor, die erheblich von der Kugel- 
form abweichen und polymorphe Gestalt annehmen. Der Kern 
enthält in seinem Lumen ein deutliches Kernkörperchen und 
färbt sich meist gut. 


Endlich ist noch hervorzuheben, dass die Körnchenzellen 
im Fundus der Darmeigendrüsen des Dünndarmes der Katze 
stets ganz anders geartet sind als die Becherzellen und namentlich 
bei Anwendung der Altmannschen Granulamethode drastische 
strukturelle Verschiedenheiten aufweisen, was aus Abbildung 6 ganz 
deutlich hervorgeht. Eine Verwechslung bezw. Identifizierung dieser 
beiden Zellarten ist vollständig ausgeschlossen. Mir erscheint 
dieser Hinweis besonders wegen der Bizzozzeroschen Theorie 
wichtig, die besagt, dass die Panethschen Körnchenzellen nichts 
anderes sind als jugendliche Formen von Schleimzellen. Über- 
gangsformen zwischen den Schleimzellen und den Körnchenzellen 
sind nirgends nachweisbar. 


Panethsche Körnchenzellen bei den Säugetieren. 299 


Die beim Hunde von mir gemachten Beobachtungen be- 
züglich des Vorkommens von Körnchenzellen im Grunde der 
Darmeigendrüsen lassen schon jetzt das Vorhandensein solcher 
im Dünndarme vermuten. Ich möchte jedoch diesen vorläufigen 
Befund nicht als rein positiv hinstellen, da die Anzahl der von 
mir angefertigten Präparate eine zu geringe ist und die erhaltenen 
Bilder nicht als so gelungen wie bei der Katze zu bezeichnen sind. 

Martin, ein Laborant des Institutes, der bereits vor zwei 
Jahren auf Wunsch des Institutsdirektors mit Untersuchungen 
über das Darm- und Darmdrüsenepithel und das Vorkommen von 
Panethschen Zellen begonnen hatte, aber diese Untersuchungen 
zunächst abbrechen musste, wird die Ergebnisse dieser Unter- 
suchungen bei den Equiden.') die er an den Präparaten nach- 
geprüft hat, in seiner Dissertationsschrift verwenden. Er hat 
seine Untersuchungen auf sämtliche Haustiere ausgedehnt. In 
seiner Arbeit finden sich ausführliche und eingehende Literatur- 
angaben, er hat auch die Fragen über Herkunft, Funktion, 
Schicksal und Deutung der Panethschen Zellen berührt. Es 
sei hiermit auf diese Arbeit verwiesen. Martin fand Paneth- 
sche Zellen auch beim Schaf und Hamster. Ausserdem er- 
scheint mir wertvoll, darauf aufmerksam zu machen, dass Martin 
Maus, Ratte, Meerschweinchen in das Bereich seiner 
Untersuchungen mit hineinzog, um gewissermassen „Original- 
Panethsche Zellen“ zu erhalten und dieselben mit denen der 
beim Pferde, Esel und Schaf durch gleiche Fixation erhaltenen 
in Vergleich zu stellen. Er kommt zu dem Schlusse, dass man 
die im Fundus der Darmeigendrüsen des Pferdes sich findenden, 
Granula enthaltenden Zellen auf Grund dieser Vergleiche als 
echte Panethsche Zellen ansprechen muss. 


Zusammenfassung. 


Die Resultate meiner Untersuchungen lassen sich in folgende 
Sätze zusammenfassen: 

1. Im Fundus der Glandulae intestinales propriae des 

Pferdes, Esels, der Katze und anscheinend auch 

des Hundes kommen meist zu mehreren zusammen- 


!) Die von mir bei den Karnivoren gemachten Befunde sind von 
Martin nicht verwendet, da die diesbezügl. eingehenderen Untersuchungen 
aus äusseren Gründen erst später erfolgen konnten. 


500 


Alfred Wrauktmanın: 


liegende Körnchenzellen vor, die mit den von Paneth 
zuerst bei einigen Nagern (Maus, Ratte, Meer- 
schweinchen) gefundenen Panethschen Körnchen- 
zellen zu identifizieren sind. 


Bei Pferd, Esel sind die Panethschen Körnchen- 
zellen im Duodenum, Jejunum, Ileum und 
Caecum nachweisbar; bei der Katze können im 
ganzen Dünndarm, dagegen nicht im Üaecum 
derartige Elemente aufgefunden werden. Colon und 
Rectum sind bei Pferd, Esel, Katze frei von 


Panethschen Körnchenzellen. 


Die Panethschen Körnchenzellen treten bei Pferd, 
Esel, Katze in den dem Magen zunächst 
liegenden Darmpartien (Duodenum) am zahl- 
reichsten auf und werden in den distalen Darm- 
teilen weniger häufig. Die Anzahl der Körnchen- 
zellen in den einzelnen Darmeigendrüsen ist 
verschieden, bei Pferd und Esel grösser als bei 
der Katze. 

Die Gestalt der Panethschen Körnchenzellen ist 
meist pyramidenförmig, zuweilen auch zylindrisch, ihre 
Grösse ist mannigfaltigen Schwankungen unterworfen. 


Der Zelleib der Körnchenzellen wird fast immer aus- 
gefüllt von kugeligen Granula, die sich sowohl bezüg- 
lich der Grösse als auch der Verteilung bei den 
einzelnen Zellen und Tieren verschieden 
verhalten. 


Das Aussehen der Granula hängtab von 
der Art der angewendeten Fixationsflüssig- 
keit. Die Granula zeigen nicht stets das gleiche 
Tinktionsvermögen. Am sichersten und besten 
fixiert und färbt die Altmannsche Granula- 
methode nach meinen Befunden die Granula. Keine 
Fixation und Färbung bringt die verschiedenen Funktions- 
stadien der Körnchenzellen so klar zu Gesicht wie diese. 
Die Granula der Panethschen Körnchenzellen zeigen 
Affinität zu Kernfarbstoffen, sauren und 
Mucinfarben. 


Panethsche Körnchenzellen bei den Säugetieren. 301 


Es gehört‘ nicht zum ausschliesslichen Charak- 
teristikum, dass die Panethschen Körnchenzellen 
Granula enthalten, es gibt auch solche, in denen nur 
ein Netzwerk zu finden ist. 

Das intergranuläre Cytoplasma tingiert 
sich ähnlich, bezw. gleich dem der übrigen zylindrischen 
Zellen des Darmes. 

6. Der im basalen Drittei liegende Kern der Panethschen 
Körnchenzellen ist verschiedengestaltig und zwar bei 
Pferd und Esel in höherem Maße als bei der Katze. 
Bei den mit Granula dicht ausgefüllten Zellen ist der 
Kern klein, mehr platt (Pferd, Esel), basal gelegen 
und wird häufig von den sich stark färbenden Granula 
verdeckt. 

. Das Vorkommen von Sekretkörnchen im Lumen 
der Darmeigendrüsen in der Nähe der Körnchen- 
zellen deutet darauf hin, dass das reife, ausgeschiedene 
Sekret aus Körnchen besteht, die nicht oder nicht immer 
intrazellulär zerfliessen. 

8. Intra- bezw. interzelluläre Sekretkapillaren 
konnten durch die angewandten Methoden nicht nach- 
gewiesen werden. 

9. Zwischen den Panethschen Körnchenzellen 
und den Becherzellen finden sich nament- 
lich bei Anwendung der Altmannschen 
Granulamethode so typische strukturelle 
Verschiedenbeiten, die eine Täuschung bezw. 
Verwechslung der beiden Zellarten nicht 
zulassen. 


—I] 


Am Schlusse dieser Arbeit gestatte ich mir, meinem hoch- 
verehrten Chef, Herrn Geheimen Rat Prof. Dr. Ellenberger, 
für die stets erteilten liebenswürdigen Unterstützungen und wert- 
vollen Ratschläge meines verbindlichsten und herzlichsten Dankes 
zu versichern. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 20 


ID 


er) 


ASIERrIerd Transen tanmene: 


Literaturverzeichnis. 
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Säuglings. Ebenda, Bd. 58, Ergänzungsheft, 1903, S. 121—174. 


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Ellenberger-Günther: Grundriss d. vergl. Histiol. der Haustiere. 
Berlin 1908, 3. Aufl. 


. Heidenhain: Beiträge zur Histiologie und Physiologie der Dünn- 


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schleimhaut mit besonderer Berücksichtigung der Lieberkühnschen 
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6. Aufl., Leipzig 1899. 
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34. 


Panethsche Körnchenzellen bei den Säugetieren. 3053 


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science d. Nancy, 2. Ann., No. 5, 1890, p. 45—49. 

Derselbe: Sur la constitution du protoplasma des cellules &pitheliales 
des villosit6s de lintestin grele et sur l’etat de ces cellules pendant 
l’absorption des graises. Note prelim. Ebenda, S. 54—58. 

Derselbe: Recherches sur l’Epithelium de l’intestin grele. Internat. 
Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., Bd. 8, 1890, S. 1—58. 

Derselbe: „Les bourgeons germinatifs* dans liintestin de la larve de 
salamandre. Bibliogr. Anat., No. 1, 1894, S. 37—42. 

OÖppel: Lehrbuch d. mikroskop. Anat. d. Wirbeltiere, Bd. II, Jena 1897. 


Derselbe: Über den Darm von Monotremen einiger Marsupialier und 
von Manis japanica. Semons zoologische Forschungsreisen in Australien 
und dem malaischen Archipel, Bd. II, S. 403—433. Jena 1897. 
Derselbe: Verdauungsapparat, i. Ergebniss. d. Anat. u. Entwicklungsgesch., 
Bd. 6—16, 1896 — 1906. 

Paneth: Über die sezernierenden Zellen des Dünndarmepithels. Arch. 
f. mikr. Anat., Bd. 31, 1888, S. 113—191. 

Derselbe: Ein Beitrag zur Kenntnis der Lieberkühnschen Krypten. 
Zentralbl. f. Physiol., Nr. 12, Leipzig 1888, S. 235 —256. 

Saltykow: Beitrag zur Kenntnis der hyalinen Körper und der 
eosinophilen Zellen in der Magenschleimhaut und in anderem Gewebe. 
Inaug.-Dissert. Zürich 1901. 

Schaffer: Beiträge zur Histologie menschlicher Organe: Duodenum, 
Dünndarm, Mastdarm. Sitzungsber. d. math.-naturwiss. Klasse d. k. k. 
Akad. d. Wissensch. zu Wien, 1891. 

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einiger Zellarten des menschlichen Darmkanals. Arch. f. mikr. Anat, 
Bd. 66, 1905, S. 12—40. 

Schneider: Lehrb. d. vergl. Histiol. der Tiere. Jena 1902. 
Schwalbe: Beitrag zur Kenntnis der Drüsen in den Darmwandungen, 
insbesondere der Brunnerschen Drüsen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 8, 1872, 
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Stöhr: Lehrb. der Histiol. u. vergl. Anatomie d. Menschen. Jena 1905. 
Thorel: Über die hyalinen Körper der Magen- und Darmschleimhaut. 
Virchows Arch., Bd. 61, 1898. 


20* 


304 


41. 


42. 


Fie. 


Fie. 


Fig. 


Alfred Trautmann: Panethsche Körnchenzellen etc. 


Zimmermann: Beiträge zur Kenntnis einiger Drüsen und Epithelien. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 52, 1898, S. 282—706. 

Zipkin: Beiträge zur Kenntnis der gröberen und feineren Struktur- 
verhältnisse des Dünndarms von Inuus rhesus. Anat. Hefte, Bd. 23, 
1903, S. 103—186, oder Inaug.-Dissert., Bern 1903. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. 


1. Längsschnitt durch die Mucosa des Jejunumanfanges 
des Pferdes. (Fixierung: heissgesättigte Sublimat-Kochsalzlösung; 
Färbung: Heidenhain- Eisenalaun - Hämatoxylin - Mucikarmin.) 
a — Zylinderzelle, b —= Becherzelle vom Zottenepithel, e — Zylinder- 
zelle, d — Becherzelle vom Darmeigendrüsenepithel, e —= am Fundus 
der Darmeigendrüse gelegene Körnchenzellen, sich mit Mucikarmin 
intensiver tingierend als die Becherzellen, f = Zentralchylusgefäss, 
g — Zottenstroma, h — interglanduläres, i = subglanduläres Gewebe, 
k — Muscularis mucosae. 

2. Schrägschnitt durch den Fundus einer Darmeigen- 
drüsevomDuodenum des Pferdes. (Fixierung: Zenkersche 
Flüssigkeit; Färbung: Hämatoxylin (Friedl.) - Aurantia - Eosin.) 
a — Lumen mit Sekretgranula, b — Zylinderzelle, e=Panethsche 
Körnchenzelle mit Granula angefült, d=b, e = periglanduläres 
Gewebe. 

3. Längsschnitt durch den Fundus einer Darmeigen- 
drüse des Duodenums des Pferdes. (Fixierung und Färbung 
nach Altmanns Granulamethode) a — Lumen, b = Zylinder- 
zellen, ce= Panethsche Körnchenzellen in verschiedenen Funktions- 
stadien, d — Zylinderzelle ohne Granula, e = periglanduläres 
Bindegewebe. 

4. Querschnitt durch den Fundus einer Darmeigendrüse 

vom Ende des Duodenums des Pferdes. (Fixierung: 1%/oige 

Osmiumsäure.) a — Lumen der Darmeigendrüse, b—= Panethsche 

Zelle mit ausgefallenen Granula, e = Zylinderzelle ohne Granula, 

d — Sekretgranula, e — periglanduläres Bindegewebe. 

Querschnitt durch den Fundus einer Darmeigendrüse 

vom Ende des Duodenums desPferdes. (Fixierung: 1°/oige 

Ösmiumsäure.) a, b, ce wie in Fig. 4, f = durch das Drüsenepithel 

wandernde, eosinophile Leukozyten. 


[1 


g.6. Längsschnitt durch den Fundus einer Darmeigen- 


drüse vom Anfang des Dünndarmes der Katze. 
(Fixierung und Färbung nach Altmanns Granulamethode.) 
a — Körnchenzelle,. b = Zylinderzelle ohne Granula, c — Becher- 
zelle, d = Leukozyte, e —= periglanduläres Gewebe. 


305 


Die Mantelgebiete des Grosshirns von den Nagern 
aufsteigend bis zum Menschen. 


Von 


B. Haller. 


Hierzu Tafel XV. 


Der Grosshirnmantel kann seiner Oberfläche nach in grössere 
und kleinere Bezirke eingeteilt werden, erstere sind die Gebiete, 
regiones, letztere die Felder, areae. Während letztere mit 
Ausnahme zweier, der Area magnocellularis (synon. giganto 
pyramidalis) und der Area striata, je nach der Tierform, d.h. 
der Stellung dieser im System, typische Variationen aufweisen 
und mit der höheren Stellung im System an Zahl zunehmen, 
sind die Gebiete von einer Beständigkeit, die auf eine 
einheitliche phyletische Entfaltung hinweist. Es ist mir gelungen, 
dies ausführlicher zu begründen, aufsteigend von den Chiropteren 
zu den Rodentiern, von diesen zu den Carnivoren und den 
Simiern (7). In vorliegender Schrift möge nun gezeigt werden, 
dank den Spezialbefunden Brodmanns, dass diese Gebiets- 
einteilung sich bis hinauf zu dem Menschen erstreckt in der 
angeführten Reihenfolge und es wird die Aufgabe zukünftiger 
Arbeiten sein, dies auch für andere Abteilungen der Säugetiere, 
bei denen dies bisher nicht gelungen ist, zu prüfen. Dabei wird 
für die grosse Abteilung der Huftiere mit Hyrax zu beginnen 
sein, dessen Manteloberfläche auf den ersten Blick schon den 
Ausgangspunkt der Grosshirnoberflächenentfaltung für die Huf- 
tiere zeigt. Da, soviel mir bekannt ist, meine Gebietseinteilung 
niederer Säugetierformen die einzig durchgeführte ist, möge 
damit begonnen werden, das bereits Mitgeteilte hier zu wiederholen. 

„Der Säugetierzustand“, sagte ich (l. c. pag. 440), „zeigt 
schon zu Beginn die höhere Entfaltung der Corona radiata, 
gleichzeitig aber auch die volle Entwicklung aller Teile des 
Riechgebietes, womit dem übrigen Pallium gegenüber dieses 
Gebiet sich besser abgrenzt als zuvor. Dieses Stadium, das 
eben mit den Säugetieren einsetzt, können wir in der Grosshirn- 


306 B. Haller: 


entwicklung mit einigem Recht als das primäre phyletische 
Säugetierstadium des Grosshirns bezeichnen. Ausser 
dem bereits angeführten Zustand zeichnet sich dieses Stadium 
durch den Mangel eines Balkensystems aus, was wieder darin 
besteht, dass die obere Hälfte der Vorhirnkommissur oder der 
Commissura anterior nur ammonale Querfasern führt, also eine 
bloss ammonale ist..... Dieses Stadium war der gemeinsamen 
Säugetierwurzel aller Säugetiere gemeinsam, von ihm aus ent- 
faltete sich das Weitere in den einzelnen Abteilungen genau 
nach denselben cerebrogenetischen Gesetzen. 


Von nun an beginnt die Differenzierung des ganzen dorsalen 
Mantels, wobei auch das Geruchsgebiet höherer Differenzierung 
fähig ist, und mit ihr setzt die Balkenbildung gleichzeitig ein. 
Bis hierher bestand eine gleichmässige Architektonik in dem 
dorsalen Mantelteil (dem sog. Neopallium), die auf das Fehlen 
jeder lokalen physiologischen Mantelspezialisierung schliessen 
lässt. Der ganze dorsale Mantel besteht in diesem Stadium 
ausser der Plexiformschichte aus einer dichteren, schmäleren 
oberen und einer weit breiteren unteren Zellenlage.') Die 
weitere Differenzierung setzt in dieser ein, wodurch das ganze 
innere Feldgebiet dem äusseren gegenüber sich zu sondern beginnt 
(Vesperugo pipistrellus), dann den diesbezüglichen höchsten Grad 
bei Pteropus erreicht, wo dann auch die striatale Differenzierung 
einen hohen Fortschritt aufweist.“ Bis hierher bestand somit der 
dorsale Mantelteil oder das sog. Neopallium aus einem inneren 
und einem äusseren Feldgebiet entlang seiner ganzen Länge nach. 
„Die beiden Mantelgebiete aber sind weiterer Differenzierung 
fähig und gelangt es dann zu einer Entfaltung aus dem inneren 
Felde in das Stirnhirn — (Fig. 1 hier, links, mit rosa), Fornical- 
(blau) und Dorsooceipitalgebiet (graublau), indessen das äussere 
Feld zum Inselgebiet (grün) wird. 

Damit sind dann die Zustände der Nager aus chiropteren- 
ähnlichen Zuständen erreicht. 

Eine Differenzierung, wie sie die Nager aufweisen, stellt 
schon eine recht vorgeschrittene Stufe vor und beeinflusst die 
Balkenentfaltung im höchsten Grade: es ist das Balkensystem 


!) Siehe hierüber auch meinen Aufsatz über die Ontogenese der Gross- 
hirnrinde (Anatom. Anzeiger, Bd. XXXVII, 1910). 


Die Mantelgebiete des Grosshirns. 307 


bei ihnen hoch entfaltet. Es gelangt an dem dorsalen Mantel... 
zu einem Stirn-, Fornikal-, dorsooceipitalen und Inselgebiet, 
wobei die beiden ersteren einen verwandtschaftlichen Bau auf- 
weisen... Obgleich dieses Stadium noch nicht vorgeschritten 
genug ist, um äusserliche Abgrenzungen hervorzurufen ... ., so 
müssen wir es doch als ein Vorstadium zu einem solchen deuten. 
Ein solches muss auch den Vorfahren “der Raubtiere eigen 
gewesen sein.“ Ich konstruierte mir dieses Stadium (Fig. 1 hier, 
rechts). Es tritt mit diesem Stadium auch die Lateralfurche als 
auch die Sylvische auf, wobei ich bezüglich der Urfurchen aber- 
mals auf eine frühere Arbeit (6) verweise. 

In dem Grosshirn der Mustela fand ich dann ein solches, 
das diesem hypothetischen Stadium direkt angegliedert werden 
kann. Es hat sich hier nämlich aus einfacherem Beginne der 
Urfurchen, der Sylvischen, der Lateral--, Kreuz- und der 
primären Bogenfurche (s. d. 6), ein etwas weiter gehendes 
Furchensystem entfaltet, das immerhin noch ein ursprüngliches 
und für gewisse phyletische Zustände bezeichnendes ist, und welches 
ein Windungssystem umgrenzt, das diesmal noch ziemlich unver- 
fälscht ganz bestimmte Rindenbildungen in sich schliesst. Dieses 
phyletische Stadium ist aber darum sehr wichtig, denn es 
dient wieder zum Vergleich mit höheren Zuständen, ebensogut 
wie die Gebietsgliederung der Maus. 

Auf Fig. 2 sind diese Zustände dargestellt, die ich ja 
früher ausführlichst erörtert sowie den Rindenbau dafür genau 
geschildert habe (7). Die Lateralfurche (A, s“) grenzt den 
ganzen Lateralgyrus nach aussen ab und im vorderen Teil dieses, 
bildet die von innen nach aussen ziehende Kreuzfurche (s) die 
inneren Ränder des vordersten Abschnittes vom Lateralgyrus, 
des Kniegyrus. Über der Sylvischen Furche (fs) liegt der 
Bogengyrus (grün) mit seinen beiden Schenkeln, dem Anti- und 
Postsylvialgyrus. Über dem Bogengyrus, getrennt von ihm aber 
durch die Bogenspalte, befindet sich der Gyrus medianus mit 
einem vorderen und einem hinteren Teil, wobei letzterer oceipital- 
wärts in den Lateralgyrus umbiegt (blau), indessen der vordere 
Teil nach hinten und oben biegend in den vorderen Schenkel 
(violett) der Bogenfurche übergeht; diese Stelle ist das Opereulum. 
Unterhalb dieses und des Kniegyrus befindet sich noch der 
untere Abschnitt vom Stirngebiet (rosa und braun), dessen oberer 


305 B. Haller: 


Abschnitt (dunkelrosa) in den vorderen Schenkel des Kniegyrus 
an der Kreuzfurche sich fortsetzt. 

Medianwärts (B) begrenzt der Gyrus fornicatus dem Stirn- 
gebiet und dem Lateralgyrus gegenüber den Gyrus fornicatus. 

Die Verfolgung des Rindenbaues ergab dann die Entfaltung 
aus niederen Zuständen (Fig. 1), denn obgleich sich neue Furchen- 
differenzierung einstellte, lässt sich der Vergleich trotzdem gut 
durchführen. Das Stirngebiet grenzt sich in mehrere Felder ab, 
von denen auf Fig. 2 aber nur drei eingezeichnet sind, nämlich 
ein oberes (dunkelrosa), ein mittleres (hellrosa) und ein unteres 
(braun). Indem das Fornikalgebiet durch die nach dorsalwärts 
gerichtete Entfaltung des Lateraigyrus in die Tiefe gelangt und 
darum äusserlich unsichtbar wird, erhält es sich im Gyrus fornicatus 
(B, hellblau), wobei oceipitalwärts sich an ihm eine Feldergliederung 
einstellt. Das Dorsooceipitalgebiet hat aber eine wesentliche 
Veränderung erfahren durch eine sehr vorgeschrittene Felder- 
gliederung. Es umfasst sowohl den ganzen Lateralgyrus als auch 
den Mediangyrus und somit auch den oceipitalen Mantelabschnitt. 
Ventralwärts wird dies Gebiet durch die Bogenfurche begrenzt. 
Es zerfällt in ein vorderes (grau), hinteres (dunkelblau) und 
unteres (violett) Untergebiet, Subregio. 

Das Inselgebiet besteht jetzt aus der eingestülpten 
Insel, der primären nämlich, dem Bogengyrus oder Bogengyrus- 
Untergebiet (grün), das sich aber jetzt schon in drei Felder, 
Areaeprimariae gliedert und zwar einem mittleren, der eigent- 
lichen Bogenmitte, einem vorderen, dem vorderen Bogenschenkel, 
und einem hinteren, dem hinteren Bogenschenkel. Diese sind 
auf Fig. 2A der Übersicht halber nicht eingetragen, im Original 
aber ja (7., Fig. 2). Es steht jetzt die eingestülpte Insel, die 
mit dem übrigen Inselgebiet eine gleichförmige Rindenformation 
besitzt, mit einem kleinen ventralen Abschnitt des Stirngebietes, 
dem Gyrus oder Lobus insulae (braun), in Verbindung. Ausserdem 
gehört dem Inselgebiet noch ein kleiner hinterer, oceipitaler 
Abschnitt an (gelb), der Interkalargyrus, der ein Untergebiet, 
Subregio für sich vorstellt. 

Bezeichnend für den phyletischen Fortschritt ist die Ent- 
faltung gewisser grosser Zellen in der vierten Rindenschichte, 
welche Zellen in dieser Grösse noch in niederen Zuständen 
(Maus) fehlen, aber als kleinere, auf dem ganzen vorderen dorsalen 


Die Mantelgebiete des Grosshirns. 309 


Mantel, dem sogenannten Neopallium, verteilt, sich wohl vorfinden. 
Sie konzentrieren sich dann nach erlangter Grösse in der Nähe 
der Kreuzfurche, oder doch in deren nächster Umgebung. Brod- 
mann hat über die Ausbreitung dieser bei verschiedenen Säuger- 
formen am ausführlichsten berichtet (1-3). Beim Marder nehmen 
sie eine Anordnung hinter der Kreuzfurche ein (schwarz punktiert 
auf Fig. 2), doch greift nach meiner Erfahrung ein kleiner Zipfel 
schon vor die Kreuzfurche über. Jetzt erstrecken sich diese 
Zellen, die Area magnocellularis (synon. gigantopyramidalis) 
bildend, sowohl auf das mittlere Stück des Mediangyrus, als auch 
auf ein kleines Gebiet des vorderen Schenkels von dem Bogen- 
gyrus; allein mit weiterer Konzentration im Laufe der Phylogenese 
nehmen sie eine mehr dorsale Lage ein und sind dann bei sämt- 
lichen Simiern, den Menschen miteinbegriffen, vor dem Sulcus 
cruciatus gelegen (Fig. 3, 4, 5). 

Brodmann gebührt das unbestrittene Verdienst, die Mantel- 
architektonik der Simier in der genausten Weise, soweit meine 
Erfahrungen reichen, festgestellt zu haben. Doch hat er es ver- 
säumt, diese Areae bei den einzelnen Formen miteinander ver- 
gleichend, mit Bezugnahme auf ursprünglichere Verhält- 
nisse als sie die Simier bieten, die Schlüsse aus diesen wert- 
vollen Ergebnissen zu Ziehen. Dies hier durchzuführen, machte 
ich mir aber zu meiner Aufgabe. Dabei dienen die oben ge- 
schilderten Zustände als Grundlage für den weiteren Vergleich. 
Einen diesbezüglichen Versuch habe ich schon früher gemacht (7). 
Ich benutze somit auch diesmal Brodmanns Arealfeld-Karten, 
um aus ihnen die Gebietskarte zu konstruieren, die zuletzt speziell 
für den Menschen auch Brodmann mit Farben zusammen- 
gestellt hat (5). 

Was zunächst die Prosimier betrifft, so sehen wir das 
Stirngebiet (Fig. 5) sich gut erhalten und zwar, so wie beim 
Marder') in mehrere Areae gegliedert, von welchen ich 

!) Ich möchte immerhin den Glauben nicht aufkommen lassen, als wenn 
ich die Halbaffen von Raubtieren, etwa geradezu den Musteliden, ableiten 
wollte, bloss von ähnlichen Zuständen phyletischer Bilder, wie der Hirn- 
mantel der Musteliden mal zeigt, möchte ich die Gestaltung des Hirnmantels 
jener ableiten. Dabei glaube ich schon, dass die Simier von niederen, viel- 
leicht gar nicht recenten, Carnivoren, die auch Insektivoren etwa verwandt 
waren, abstammen. 


310 Bableanllkerrne 


nur eine genauer eintrug (dunkelrosa), Brodmanns 8. Feld. 
Auch findet sich bei den Prosimieın noch eine Area (braun), 
die ich bei dem Marder den Gyrus oder Lobus insulae nannte, 
Brodmanns 13. und 16. Feld. Dieses Feld oder vielleicht Unter- 
feld verschwindet bei den Simiern und findet sich auch bei dem 
Menschen nicht mehr. Das nächstfolgende Gebiet, das Fornikal- 
gebiet als Gyrus fornicatus (Fig.3B, hellblau) zeigt occipitalwärts 
eine bis zur Längsmitte vorgreifende Feldergliederung (blau 
schraffiert) und greift nun auch fast auf die ganze innere und 
obere Fläche (blau punktiert) des Lobus temporalis über, dessen 
vorderes und inneres Ende ja ein Gyrus hyppocampi ist. Ein 
solcher Lobus besteht ja beim Marder nicht (Fig. 2) und mit der 
stärkeren Rückbildung des hinteren Endes vom Lobus pyriformis 
überdeckt oben eine stärkere Wucherung vom hinteren Ende des 
Gyrus fornicatus dessen hintere Fläche. Dieses nun aus dem 
hinteren Ende des Gyrus fornicatus entstandene primäre Feld, 
bestehend aus Brodmanns 27. und 28. Feld, d. h. Unterfelder, 
ist dann bei den Simiern geringer und greift auch nicht 
mehr auf die äussere Mantelseite über (Fig. 4B, blau punktiert), 
gerade wie bei dem Menschen (Fig. 5B, blau punktiert). Es 
setzt auch eine weitere Feldergliederung am Gyrus fornicatus 
am Balkenkopf ein (doppelt schraffiert). 

Das Dorsooccipitalgebiet hat sich hier noch viel mehr 
verändert wie bei Musteliden. Ein Suleus eruciatus ist bloss 
angedeutet, die Lissencephalie, wohl bedingt durch einseitige 
Neotenie, hat manches Relief noch nicht zur Entfaltung gelangen 
lassen. Sie ist darum nicht sekundär, sondern ist eher die Folge 
von einer Entwicklungshemmung, also ein fetaler Zustand. Es 
nimmt die Area magnocellularis jetzt den ganzen vorderen 
Schenkel des einstens bestandenen Kniegyrus ein und reicht somit 
bis nach unten. Im binteren Schenkel des einstigen Kniegyrus 
(grau) zeigt sich aber eine Feldergliederung und es zerfällt nun 
dieser Teil des Laterooceipitalgebietes in ein vorderes (schraffiert) 
und hinteres Feld; das vordere ist Brodmanns 1. Mantelarea. 
Des Weiteren zeigt sich nun etwas, worauf ich schon früher für 
die Simier hingewiesen hatte (7), ein Laterooceipitalgebiet, das 
mit der weiteren Entfaltung der Reilschen Insel zusammenhängt. 
Durch weitere Einstülpung ist die ganze untere Hälfte des Gyrus 
medianus (violett) nämlich in die Insel einbezogen worden, der 


Die Mantelgebiete des Grosshirns. 314 


Sylvischen Furche liegt nach vorne der Kniegyrus an und was 
sich aus jener Formation erhielt, wandert nach dorsalwärts zu 
und erreicht hier nicht nur die Mantelkante, sondern greift auch 
auf die mediane Seite des Hirnmantels bis zum Suleus fornicatus 
(Fig. 3, violett) über. Es hat hier somit die Formation des ganzen 
vorderen grösseren Abschnittes vom Mediangyrus sich nach dorsal- 
wärts verschoben und besetzt ein ihr früher fremdes 
Gebiet. Es ist dies jetzt Brodmanns 7. Feld, seine Area 
parietalis superior. 

Der hintere Schenkel des Bogengyrus ist erhalten, der vordere 
aber völlig verschwunden, er ist ebenfalls in die Reilsche Insel 
einbezogen worden und diese ist ja tatsächlich auch komplizierter 
gebaut als zu Beginn bei den Musteliden. Dafür erhält sich 
aber der hintere Schenkel des Gyrus arcuatus nicht nur, sondern 
scheint sich bei den Halbaffen vergrössert und in zwei vor uni 
hinter dem Suleus temporalis gelegene Unterfelder gegliedert 
zu haben, das hintere ist Brodmanns 21. Feld. Diese starke 
Entfaltung niederen und höheren Formen gegenüber ist somit 
eine Eigenart der Halbaffen und mag wohl aus ihrer 
Lebensweise die Erklärung finden. 

An dem Laterooceipitalgebiet findet sich noch bei den Muste- 
liden ein kleiner oceipitaler Abschnitt, den ich als Interkalar- 
gyrus bezeichnete. Dieses Untergebiet nun zeigt bei den Halb- 
affen, Brodmanns 20. Feld, keine merkliche Vergrösserung, 
aber auch keine Verkleinerung. Dagegen hat sich das oceipitale 
Ende des Dorsooeceipitalgebietes stark in Unterfelder aufgeteilt, 
es ist ja bereits bei den Musteliden ein gegliedertes Untergebiet. 
Es führt dieses Untergebiet im allgemeinen den Namen Regio 
oceipitalis, mit Recht könnte man es aber als Untergebiet be- 
trachten. An ihm bildeten sich drei bereits bei Musteliden ein- 
geleitete Felder aus. Die Area striata (Fig. 3, blau) nimmt 
die grösste Fläche von aussen ein (A), doch erscheint sie innen 
etwas eingeschränkt (B). Der Oceipitallappen zeigt medianwärts 
einen neuen Relieferwerb, den Sulcus calcarinus (B). Die zweite 
Area oceipitalis „stellt ein koronales Rindenfeld“ nach Brod- 
mann „dar, das die Area striata medial und lateral umgreift“ 
(Fig. 3, blau schraffiert). Vor dieser in gleicher Ringform be- 
findet sich die Area praeoccipitalis, aussen gleichbreit, innen und 
unten am breitesten. 


312 BSOHKanlent: 


Gehen wir nun zu dem Simier über, so sehen wir im 
Stirngebiet (Fig. 4) eine fortschrittliche Weiterentfaltung, 
wobei aus angrenzenden Teilen ebensowenig ein Übergreifen auf 
ein anderes Gebiet als umgekehrt stattfindet. Es zeigt somit 
dieses Gebiet eine starke Konstanz. 


Das Fornikalgebiet zeigt eigentlich nichts Neues 
(hellblau), nur dass die Unterfelder, insbesondere die Subarea 
entorhinalis ventralis Brodmanns (blau punktiert), wie schon 
besprochen ward, auf dem Temporallappen sich viel weniger aus- 
breitet als bei den Halbaffen. 


Im ursprünglichen Laterooccipitalgebiet zeigen sich 
auch dieselben Entfaltungen. Vor dem nun gut entfalteten Sulcus 
cruciatus s. centralis liegt die Area magnocellularis (schwarz 
punktiert), wie dies ja für die Simier ebenso bezeichnend ist als 
für die Prosimier auch und hinter der Furche gelangt die soge- 
nannte Regio Rolandica (grau schraffiert) wie früher zur Geltung, 
allein es stellten sich hier nun bei den Simiern weitgehendere 
Differenzierungen ein und es sind dann drei Unterfelder zu unter- 
scheiden, welches Verhalten den Übergang zu jenem des Menschen 
vermittelt. 

Gleich wie bei dem Prosimier liegt hinter diesem Feld- 
komplex die Area praeparietalis. 


Mit dem bessern Hervortreten des vorderen Schenkels der 
Bogenfurche (Fig. 4A, bf) wird ein ganz bestimmtes Feld (violett) 
der Area praeparietalis gegenüber scharf begrenzt, ein Feld, das 
nach hinten bis zur Sylvischen Furche (fs) reicht. Der Struktur 
nach ist dieses Feld das siebente Brodmanns, die Area parletalis 
superior, also jenes Feld, das ich auch schon früher dem dorsalen 
Rest des Gyrus medianus der Musteliden gleichstellte und das 
wir auch bei den Halbaffen als ein im oberen Teil im Pallium 
eroberndes Feld erkannt haben, und welches gleich wie dort auch 
auf die mediane Seitenwand des Mantels bis zum Fornikalgebiet 
übergreift (Fig. 4 B, violett). Die etwas geringere Fläche dieses 
Feldes wäre mit dem Auftritt der Affenspalte (af) bei den Simiern 
wohl in Zusammenhang zu bringen, indem ein Teil von diesem 
Felde in die Spaltenwand gerät. Auch für die Simier gilt 
somit die Aufnahme mancher Feldteile in die Reilsche Insel 
vielleicht in noch höherem Grade als für die Prosimier, da ja 


Die Mantelgebiete des Grosshirns. 313 


bei jenen nicht nur der ganze ventrale Abschnitt des Median- 
gyrus und der vordere Schenkel des Bogengyrus in die Tiefe ver- 
sanken, sondern auch der Gyrus s. Lobus insularis aus dem 
ventralen Stirngebiet (Fig. 2, 3, braun) in die Insel einverleibt 
wurde. 


Der hintere Abschnitt des Laterooccipitalgebietes, das von 
Anfang an, mit den Musteliden beginnend nämlich, ein einheit- 
liches Feld war, zeigt bei den Simiern die gleichen Nebenfelder 
wie bei Prosimiern. Vorne Brodmanns 19. Unterfeld, die 
Subarea praeoceipitalis (Fig. 4, dunkelblau), mit dem Unterschied 
freilich, dass durch Bildung der Affenspalte dorsalwärts ein Teil 
eingesunken ist, dann aber auch eine etwas grössere Fläche 
medianwärts (Fig. 4B). Das 18. Unterfeld, die Subarea oceipitalis 
Brodmanns (blau mit unterbrochenen Linien schraffiert), zeigt 
so ziemlich dieselbe Flächenausdehnung wie bei den Halbaffen 
und Gleiches gilt wohl auch für den Calkarinentypus der Subarea 
striata (mittelblau), denn was an der medianen Fläche infolge 
der grösseren Entfaltung der Subarea praeoccipitalis eingebüsst 
ward, wird durch Gesamtzunahme des Oceipitallappens aus- 
geglichen. 


Eigenartiges zeigt sich im Inselgebiet, das aber als ein 
Übergang zum Menschen gilt. Die Abnahme des Bogengyrus, 
d. h. seines vorderen Schenkels können wir nicht etwa als eine 
Einbusse betrachten, vielmehr diente er zum weiteren Ausbau 
der Reilschen Insel, ob aber auch die Abnahme des hinteren 
Schenkels (Fig. 4 A, grün) so aufzufassen sein wird oder als ein 
blosses Verdrängtwerden durch eine andere Rindenformation, 
darüber müssen zukünftige Untersuchungen entscheiden. Tatsache 
ist, dass dieser Schenkel sich in dem Maße verkleinert, wenn wir 
den Menschen in Betracht ziehen, als die Formation des ursprüng- 
lichen Interkalargyrus (Fig. 2, gelb) zunimmt, denn dieses Unter- 
gebiet hat nicht nur stark zugenommen und besetzt jetzt den 
grössten Teil des Temporallappens (Fig. 4, gelb), sondern gliedert 
sich auch stärker in Felder. 


Bei dem Menschen geht die Feldgliederung ungemein 
viel weiter und es stellen sich nun auch Unterfelder erster und 
wohl auch zweiter Ordnung ein, vielleicht geht es aber auch noch 
viel weiter. Die immense Zunahme des Stirngebietes sowohl 


314 B. Haller: 


wie des Occipitallappens sind ja Hauptkennzeichen für das 
menschliche Pallium und im Stirngebiet erfolgt eine unendliche 
Unterfeldgliederung im Vergleich zu den Simiern. Ich habe nur 
die Subregio frontalis inferior (Fig. 5, rotschraffiert) ausser den 
vorigen Teilen eingezeichnet. Dieses Feld ist ja für den Menschen 
höchst charakteristisch, denn es fasst das vordere Sprachzentrum 
in sich und die Larynxmuskulatur wird durch dasselbe beherrscht. 

Den Halbaften und Affen gegenüber zeigt die geringste 
Unterfeldgliederung neben dem hintersten Untergebiet des 
Laterooccipitalgebietes das vordere. An letzterem sehen 
wir immer wieder dieselben Felder wiederkehren. Vor dem 
Suleus centralis liegt in diesem Gebiet (grau) die Area magno- 
cellularis (schwarz punktiert), genau so wie bei den Simiern, hinter 
ihm liegen die Rolandoschen Unterfelder (grau schraffiert). 
Freilich macht sich in diesen eine weitere Gliederung in sekundäre 
Unterfelder bemerkbar. Um so auffallender ist das Verhalten 
des ursprünglichen Mediangyrus-Untergebietes.. Es nimmt eine 
grössere Flächenausdehnung (violett) ein, als bei den Simiern, 
so grosse etwa wie bei den Prosimiern, was ich aber bei dem 
Menschen mit dem fast völligen Zurücktreten der Affenspalte (af) 
in Beziehung bringen möchte, und auch die beiden Schenkel 
der Bogenspalte, die beim Menschen den Sulcus interparietalis 
darstellen (Fig. 5 A, bg), dürften infolge ihrer geringen Tiefe nicht 
viel verschlingen. Immerhin ist auch eine verhältnismässige Ver- 
grösserung dieses Untergebietes eingetreten und Hand in Hand 
damit eine Feldergliederung. Dieses Untergebiet ist die Regio 
parietalis der Autoren. Es gliedert sich in ein vorderes unteres 
Feld (violett punktiert), die Area parietalis infer. ant. (s. supra- 
marginalis), s. parietal. infer. post., in die Subarea (s. angularis) 
und in die Area parietalis superior. Der Oceipitallappen zeigt 
im wesentlichen nichts Neues als eben die starke Vergrösserung. 
Wir finden in ihm die drei Felder wieder: die Area praeoceipitalis, 
oceipitalis und striata (dunkelblau, mittelblau, blau gestrichen). 

Im Inselgebiet ist nun der grösste Teil des Bogengyrus 
in die Insel einbezogen worden, wie denn auch schon in früheren 
phyletischen Stadien, und es bildet jetzt aber auch wie schon bei 
den Simiern die Reilsche Insel mit ihren Gyri breves und 
(. longus einen komplizierten Mantelteil des Grosshirns, dessen 
phyletische Entfaltung vor Augen liegt. Zukünftige Untersuchungen 


(eb) | 


Die Mantelgebiete des Grosshirns. 3l 


bezüglich der Hirnrinde werden in dankbarster Weise diesen nun 
festgestellten Werdegang berücksichtigen. 

Bezüglich des Temporallappens gilt fast dasselbe wie für 
die Affen, freilich mit Berücksichtigung der weiteren Unterfelder- 
gliederung: Das ursprüngliche Interkalarfeldgebiet hat den 
grössten Teil von ihm erobert. 

Fassen wir nun den Werdegang des Grosshirnpalliums der 
Nager, Carnivoren und der gesamten Simier noch einmal ein- 
heitlich zusammen, so ergibt sich folgendes: Das dorsale 
Pallium gliedert sich in vier Gebiete, in das Stirn-, 
Kornikal-, "Dorsooceipital- "und@Inselgebiet: In 
einem späteren Stadium zerfällt das Dorsooceipital- 
gebiet in drei Untergebiete, in ein oberes, unteres 
(Mediangyrus-Untergebiet) und ein occipitales 
(Occipitallappen). Das Temporalgebiet senkt sich 
zum geringen Teile mit dem Auftreten der Sylvi- 
schen Furche ein zur Insel und gliedert sich dann 
Ineein Bogenfurchen- und Interkälar-Untergebiet. 
Während dann bis zum Menschen hinauf das Stirn- 
gebiet keinen Eingriff von anderen Gebieten aus 
zulässt, greift es dafür auch nicht in andere Ge- 
biete ein. Gleiche Wege geht das Fornikalgebiet, 
mit dem Unterschiede, dass einstärkeres Umgreifen 
des Temporallappens zeitig stattfinden kann (Pro- 
simier), aberdann wieder ausgeglichen wird (Simier). 
Dieser immerhin geringen Verschiebung gegenüber 
ist das Verhalten des Dorsooccipitalgebietes und 
desInselgebietes ein auffallendes, was bedingt wird 
erstensdurch die Inselentfaltung und zweitens durch 
zwei starke Ausbreitungen. Durch die Inselbildung 
wird nicht nur ein Teil des Mediangyrus-Unter- 
gebietes zum oberflächlichen Verschwinden ge- 
bracht, sondern auch ein Teil des äusseren Insel- 
gebietes selbst; während dann ersteres eine höhere 
Kompensation erfährt durch die dorsale Entfaltung 
des noch alssolchen erhaltenen Mediangyrus-Unter- 
gebietes, wird der Rest des Bogengyrus-Unter- 
gebietes aber eingeengt durch eine hohe Entfaltung 
des Interkalar-Untergebietes. 


316 B. Haller: 


Unsere Manteleinteilung ist somit folgende: 
1. Frontalgebiet, Regio fornicalis, 
I. Hauptgebiete | 2- Fornikalgebiet, R. frontalis, 
(Regiones) | 3. Laterooceipitalgebiet, R.laterooceipitalis, 
| 4 Inselgebiet, R. insularis, 
diese zerfallen zum Teil in I. Untergebiete (Subregiones), 
und zwar zerfällt das dritte Gebiet in das: 
1. obere Untergebiet, Subregio gyri genicularis, 
2. untere Untergebiet, Subregio gyri mediani, 
3. Oceipital-Untergebiet, Subregio oceipitalis. 
Das vierte Gebiet zerfällt in das: 
1. Bogengyrus-Untergebiet, Subregio gyri arcuati, 
2. Interkalargebiet, Subregio gyri intercalaris. 

Die Untergebiete zerfallen in Haupt- und Unterfelder, 
Areae et Subareae, letztere in primäre, sekundäre etc. Unterfelder. 

Selbstverständlich kann das Bestimmen eines Unterfeldes, 
ob primär oder sekundär, stets nur durch die Vergleichung mit 
niederen Zuständen erfolgen, wofür noch manches zu machen 
wäre und worauf ich mich hier darum schon nicht einlassen möchte. 

Hier möge noch zum Schlusse einiges über die Homologie 
der Gyri und Sulei gesagt werden, und zwar hauptsächlich in 
wücksicht auf die besprochene Formenreihe. 

Wie ich seinerzeit gezeigt zu haben glaube (6), gibt es 
gewisse Urfurchen am dorsalen Pallium, an deren Homogenität 
kaum gezweifelt werden kann und die sich schon in sehr frühen 
phyletischen Zuständen und zu einer Zeit sich zeigen, in der 
eben die ersten Zeichen einer Gyrencephalie auftreten, denn 
diese Urfurchen sind eben die ersten Vertiefungen auf dem 
Palliumrelief. Hierher gehört die Sylvische Spalte, deren 
allgemeine Homogenität ja auch nie bezweifelt wurde, dann die 
Lateralfurche, die Zentralfurche oder Kreuzfurche, auch Rolando- 
sche genannt, und die primäre Bogenfurche. Diese zeigen sich 
schon bei Marsupialiern, kehren wieder bei Edentaten und wo die 
niedersten Furchenbeginne bestehen, zeigt sich wenigstens die 
Sylvische und die Lateralfurche wie bei den Makrochiropteren. 
Dann kommen diese Urfurchen bei den niederen Carnivoren, 
den Musteliden nämlich, am besten zum Ausdruck, also dort, wo 
zum ersten Male in der aufsteigenden Reihe die Feldergliederung 
ganz ausgesprochen und fester umschrieben erscheint. Hier sind 


Die Mantelgebiete des Grosshirns. 317 


dann diese Furchen wohlgekennzeichnete Grenzen solcher Gyri, 
die ebensolche begrenzte Mantelgebiete in sich fassen. Dies- 
bezüglich muss ich auf unsere Mantelkarte auf Fig. 2 verweisen, 

Dieser wohlumschriebene Zustand beginnt schon bei den 
Nächstverwandten der Musteliden Störungen zu erleiden und wir 
werden die Grösse dieser erst dann zu bemessen imstande sein, 
wenn der Grosshirnmantel der höheren Carnivoren so genau 
auf seine Cytoarchitektonik erkannt sein wird, wie es jener der 
Musteliden und der Simier zurzeit ist. Letzterer Umstand 
gestattet uns denn auch einen weiteren Einblick bezüglich der 
Gyri und Sulei bei diesen. 

Was zunächst die Kreuzfurche der Carnivoren betrifft, so 
zweifle ich nicht an ihrer Homologie mit der Zentralfurche der 
Simier. Ein Zweifel hierüber lag früher darin begründet, dass 
bei den Carnivoren die Area magnocellularis vor, bei den Simiern 
aber hinter der Furche liegt. Diesen Zweifel glaube ich dadurch 
‚beseitigt zu haben, dass ich zeigte (7), dass die Lage der Riesen- 
zellen unter der Furche auch vor diese bei Musteliden oralwärts 
vorgreift, und dass aus diesem Verhalten sowohl eine prae- als 
postsulcale Lage der Area magnocellularis, je nachdem abzuleiten 
ist, ob die vordere oder hintere Lage dieser Zellen sich erhaltend 
vermehrt. Damit ist dann der Beweis dafür erbracht, dass bei 
sonst begründeter gleichmässiger Lage — diesmals stets hinter 
dem Stirngebiet — eine bestimmte Rindeneigentümlichkeit die 
Homogenität einer Furche nicht zu bestimmen in der Lage sei. 
Denn wenn zwischen zwei Wasserbecken ein Graben sich findet, 
so ändert sich dieser durch die Trockenlegung des einen Wasser- 
beckens doch nicht, oder mit anderen Worten, bezüglich der 
Furche hat sich nur die Topik der Gegend geändert und man 
könnte höchstens die totale Homologie in eine inkomplette ver- 
wandeln. Und so verhält es sich schliesslich auch mit der 
Sylvischen Furche. Von der Lateralfurche können wir es mit 
Sicherheit behaupten, dass sie sich auf die Simier nicht vererbt. 
Anders verhält es sich mit der Bogenfurche, wenigstens mit 
der primären der Carnivoren, mit der bei Musteliden. Diese 
glaube ich mit einiger Sicherheit bei den Simiern im engern 
Sinne wiederzuerkennen und selbst bei den Pronsimiern, trotz 
ihrem neotonischen Verhalten bezüglich der Palliumoberfläche des 
Grosshirns, handelt es sich doch hier um eine weit grössere 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 21 


318 B. Haller: 


Inkomplettheit als bei der Zentralfurche. Die primäre Bogen- 
furche oder auch Arcus suprasylvius primarius kann gut erhalten 
sein unter den Simiern wie bei Semnopithecus und Cebus. Dorsal- 
wärts mündet in diesen Bogen die Querfurche, die Fissura parieto- 
oceipitalis medialis bei Cebus, also wie auf Fig. 4, doch kann 
diese Verbindung auch unterbleiben wie bei Semnopithecus. Jeden- 
falls fehlt diese Querverbindung bei den Halbaffen, ist somit eine 
durch die Simier erworbene Einrichtung, eben diese Affenspalte, 
oder doch deren oberes Ende, doch zeigt sie sich noch einiger- 
maßen beim Menschen, doch ohne Zusammenhang mit der Bogen- 
furche, die hier Sulceus interparietalis heisst. Diese in ähnlicher 
Lagerung findet sich ja auch bei den Halbaffen (Fig. 3 A, bf). 
Ich halte sie für ein Homologon der Bogenfurche der Musteliden, 
also der primären Bogenfurche der Üarnivoren, doch ist ihre 
Homologie wegen der Verschiedenheit der angrenzenden Rinden- 
teile ebenso inkomplett als jene der Kreuz- und der Sylvischen 
Furche. 

Allen anderen Furchen der Simier gegenüber muss aber 
gesagt werden, dass eine Homologisierung undurchführbar sei. 


Während ich auf Grund meiner Beobachtungen an Miero- 
chiropteren (7) und dem Igel (8) zu dem Schlusse gekommen 
bin, dass die Gliederung des dorsalen Mantels oder des sogenannten 
Neopalliums der Länge nach erfolgt und jener Viergebiets- 
gliederung bei der Maus sogar eine Zweigebietsgliederung der 
Länge nach bei obigen Formen voranging und mit der höheren 
Gliederung auch eine Zunahme der Schichtenzahl der Rinde in 
Zusammenhang steht, ist Brodmann zu ganz anderen Ergeb- 
nissen gelangt. Nach ihm (4) ist die sechsschichtige Rinde bei 
den Säugetieren allgemein, und damit beginnt auch die Gebiets- 
gliederung. Doch Rückbildungen der Schichten bei niederen 
Formen führen nach ihm zurück zu ursprünglichen Zuständen, 
von denen aus wieder aufgestiegen wird(!). Demnach beziehen 
sich die Zustände niederer Formen, wie etwa der Igel ist, auf 
Rückbildung. Die Gebietsgliederung ist aber nach Brodmann 
gleich von Anfang an keine der Länge des Mantels nach gerichtete, 
sondern eine der Quere nach orientierte, denn der Grundriss der 


Die Mantelgebiete des Grosshirns. 319 


Gliederung des Grosshirnmantels wird nach ihm beherrscht „durch 
das Prinzip der Segmentation“ (4, pag. 199). Dieser Ausdruck an 
und für sich ist ja schon höchst bedenklich.!) 

Leider lässt sich Brodmann auf meine Auseinander- 
setzungen bezüglich der von mir betonten zwei phyletischen 
Stadien überhaupt nicht ein und weder das Pallium der Maus 
noch jenes des Marders findet bei ihm eine eingehendere Berück- 
sichtigung, sondern bei den Nagern wählt er gleich höhere 
Zustände und bei den Sohlengängern Cercoleptes, also auch eine 
im System höher stehende Form. Bei diesen aber haben auch 
schon eigenartige Weiterbildungen stattgefunden, und doch wie 
sehr lässt sich Brodmanns Karte über Cercoleptes (l. c., 
Fig. 104 und 105) mit den Verhältnissen auf meiner Karte bei 
dem Marder noch in Einklang bringen, trotz der eigenartigen 
Gliederungen der Felder, selbstverständlich für letztere die 
Richtigkeit Brodmanns Karte vorausgesetzt, für die er keine 
Rindenbilder als Beweis mitgibt. 

Brodmanns niederster Zustand, mit dem er beginnt, wäre 
somit das Igelpallium, das aber, wie ich gezeigt habe (8), so 
ziemlich ein Zwischenglied zwischen Mikro- und Makrochiropteren- 
mantel wäre — selbstverständlich ohne Rücksicht auf die 
systematische Stellung des Tieres. Nun sehen wir auch diese 
Mantelkarte an, für die ich gleich bemerke, dass es Riesenzellen 
bei dem Igel noch keine gibt. Es handelt sich um den dorsalen 
Mantel, das Neopallium, und es wäre ein grosser Fehler, das 
Geruchsgebiet hier mit den Zuständen im dorsalen Mantel zu 
vermengen, wie dies leider Brodmann bis zu einem gewissen 
Grade getan hat. Die Fissura rhinalis gibt die Grenze genau an. 

An dem dorsalen Mantel unterscheidet Brodmann das 
Inselgebiet (13—16) — wenigstens diese eine Benennung hat er 
von meiner Nomenklatur angenommen — ein durchaus längs des 
Palliums noch orientiertes Stück nach seiner Karte, dorsooceipital- 
wärts das „verkümmerte Homologon der Area striata“ und 


!) Damit soll aber, wie Brodmann bemerkt, „nicht eine innere 
Verwandtschaft mit den metameren Segmenten der Medulla spinalis, sondern 
nur eine ganz äusserliche Analogie ausgedrückt sein“. Eine metamere 
Segmentation der Medulla spinalis gibt es aber überhaupt gar nicht, so 
was hat nie jemand behauptet und Brodmann meint wohl die Ursegmente 
des gesamten Körpers, denen die Spiralnerven entsprechen. 


[1 


21* 


320 B. Haller: 


zwischen beiden ein grosses Längsgebiet, das in vier hinter- 
einander gelegene Felder zerfallen soll. Ja, wo ist hier die 
Quergliederung? Zeigt seine Karte im wesentlichen nicht eine 
Längsgliederung? Oder beruht dies alles nur auf Rückbildung? 

Darin liegt bei Brodmann ein grosser Fehler, wie ich 
schon zweimal darauf hingewiesen habe, dass er nicht den 
bewährten Weg des phyletischen Werdeganges wählte und von 
niederen zu höheren Formen aufsteigt, sondern gerade umgekehrt, 
also ganz verkehrt verfährt. So entstand dann auch die völlig 
irrtümliche Auffassung von einer Quergliederung des Grosshirn- 
mantels. Etwas scheinbar solches ist ja freilich da, wenn man 
die höchsten Stadien, etwa das beim Menschen, betrachtet, doch 
der Werdegang zu diesem ist ein ganz anderer, wie in vor- 
liegender Schrift und in meiner Arbeit über die Phylogenese der 
Grosshirnrinde (7) gezeigt wurde. 

Jedenfalls wäre es zu wünschen gewesen, wenn Brodmann 
seine Karten — die Simier im allgemeinen meine ich nicht — 
besser durch Rindenschnitt-Abbildungen gestützt hätte, besonders 
beim Igel, wo ihm, wie ich es aus eigener Erfahrung weiss, 
manche Beobachtungsfehler unterlaufen sind. Denn schliesslich 
genügt es doch nicht, bloss die Ergebnisse einer Untersuchung 
mitzuteilen, es müssen auch die Wege gezeigt werden, die zu 
diesen hinführten, denn nur dann kann ein anderer die jeweilige 
Zuverlässigkeit beurteilen. Jedenfalls war es nicht richtig, dass 
3rodmann meine Ergebnisse ganz unberücksichtigt liess, diese 
hätten diskutiert werden müssen. 


Heidelberg, im Juli 1910. 


Literaturverzeichnis. 


1. Brodmann, K.: Die Rindenfelder niederer Affen. Journal für 
Psychologie und Neurologie, Bd. 4, 1909. 

2. Derselbe: Beiträge zur histologischen Lokalisation der Grosshirnrinde. 
Ebendort, Bd. 6, 1906. 

3. Derselbe: Die Cortexgliederung des Menschen. Ebendort, Bd. 10, 1907. 

4. Derselbe: Vergl. Lokalisationslehre der Grosshirnrinde. Leipzig 1909. 

&. Derselbe: Feinere Anatomie des Grosshirns.. In M. Lewandowskys 
Handbuch der Neurologie, Bd. 1. 


Die Mantelgebiete des Grosshirns. 321 


6. Haller, B.: Beiträge zur Phylogenese des Grosshirns der Säugetiere. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 69, 1906. 

7. Derselbe: Die phyletische Entfaltung der Grosshirnrinde. Ebendort, 
Bd. 71, 1908. 

8. Derselbe: Die phyletische Stellung der Grosshirnrinde der Insektivoren. 
Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch., Bd. XXV, 1909. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. 


rosa —= Frontalgebiet; hellblau = Fornikalgebiet; grau — Latero- 
occipitalgebiet; grün — Inselgebiet: gelb — Interkalargebiet; violett —= 
Mediangyrus - Untergebiet; blau = Oceipital - Untergebiet; schwarz 


punktiert = Area magnocellularis; fs — Fossa Sylvii; bf = Bogenfurche; 
s' — Kreuz- oder Zentralfurche; s’' — Lateralfurche; bg — Affenspalte. 
Fig. 1. Links Topographie des Grosshirnmantels der Maus; rechts dieselbe 
einer hypothetischen Form. 
Fig. 2. Grosshirn von Mustela, A von der linken, B von der inneren 
Seite (mediosagittal durchschnitten). 


Fig. 3. Dasselbe eines Haibaffen. 
Fig. 4. Dasselbe eines Affen. 
Fig. 5. Dasselbe des Menschen. 


Die drei letzten Abbildungen sind zwar nach Brodmann, doch die 
Hauptgebiete nach eigener Ermittlung. 


> 
[&) 
WI 


Aus dem Institut für Pathologie und Bakteriologie in Bukarest. 


Über die Entwicklung der Langerhansschen Inseln 
bei menschlichen Embryonen. 
Von 


Dr. Theodor Mironescu 


Privat-Dozent und Sektionschef am Institut für Pathologie und Bakteriologie 
in Bukarest. 


Das Studium der Entwicklungsgeschichte der Langerhans- 
schen Inseln hat insofern ein Interesse, als in der letzten Zeit 
von verschiedenen Seiten diesen Gebilden eine besondere Bedeutung 
für die Physiologie des Pankreas zugeschrieben wird. 

Nach Laguesse') kann man in der Entstehung der Inseln 
zwei Etappen unterscheiden. Die erste, welche als „primäre 
Ilots“, und die zweite, welche als „sekundäre Ilots“ bezeichnet wird. 

Diese etwas komplizierte Entstehungsart wurde nicht von 
allen Forschern, welche sich mit dieser Frage beschäftigten, an- 
genommen. Küster?) hat die Entwicklung der Langerhans- 
schen Inseln bei sechs Embryonen von 9—32 Wochen studiert. 
Er fand eine auffallende Differenz zwischen der Zahl der Inseln 
im Verhältnis zur Zahl der Drüsenaeini bei Neugeborenen und 
bei Erwachsenen. und zwar vielmehr im Pankreas bei Neugeborenen, 
als bei Erwachsenen. Küster glaubt nicht, dass sich im späteren 
Embryonalleben, oder nach der Geburt die Zahl der Inseln 
vermehrt. 

Die ganz enorme Grössenzunahme des Pankreas von der 
(Geburt bis zur Zeit, wo es ausgewachsen ist, ist nach Küster 
durch Vermehrung und Wachstum der drüsigen Elemente bedingt. 
Die erste anatomische Differenzierung der Inselzellen tritt nach ihm 
in der 14. Woche auf. Er nimmt auch die Möglichkeit an, dass 


!) Laguesse: Journal de l’anatomie et de la physiologie 1894, 
1895, 1896. 

°) Dr.H. Küster: Zur Entwicklungsgeschichte der Langerhansschen 
Inseln im Pankreas beim menschlichen Embryo. Arch. f. mikrosk. Anat. und 
Entwicklungsgesch.,. Bd. 64. 


as) 


Die Entwicklung der Langerhansschen Inseln. 32: 


schon vor dieser Zeit in den Drüsengängen einzelne Zellen vor- 
kommen, die durch ihr verändertes Aussehen eine Unterscheidung 
von echten Drüsenzellen gestatten, und glaubt, dass nicht aus 
jeder beliebigen Pankreasdrüsenzelle etwa eine Inselzelle werden 
könne, sondern nur aus ganz bestimmten, die von vornherein 
zur Entwicklung der Inseln bestimmt sind. 

Pearce,') welcher sich ebenfalls mit dieser Frage beschäftigt 
hat, glaubt, dass die Langerhansschen Inseln Abkömmlinge 
der Drüsengänge sind. Während er in ganz frühen embryonalen 
Zuständen keine Andeutung von Zellinseln fand, stellte er solche, 
bei menschlichen Embryonen, von 54 mm fest. Die Zelleninseln 
entstehen hier aus dem primitiven Pankreasparenchym,. sie hängen 
zunächst noch deutlich, später durch Brücken mit demselben 
zusammen, und sind mit Eosin besonders gut färbbar. 

Die Vascularisation beginnt erst bei 9+tägigen Embryonen. 
Das in besonders grosser Masse vorhandene Bindegewebe trennt 
später diese primitiven Zelleninseln von dem Parenchym. 

Die Zelleninseln treten nach Pearce erst im Schwanz des 
Pankreas, später im Kopfe auf. 

Helly°?) hat die Entwicklung der Langerhansschen Inseln 
bei Embryonen von Meerschweinchen studiert. Nach ihm treten 
schon zu sehr früher Zeit, in der die Pankreasanlage noch eine 
solide Knospe bildet, zwischen den Zellen derselben einzelne 
hervor, welche sich durch eine in der Nähe des Zellkernes be- 
ginnende Verdichtung des Protoplasmas auszeichnen. Diese Vor- 
läufer der Langerhansschen Inseln bilden zunächst an den 
primären Pankreasgängen eine vielfach unterbrochene äussere 
Zellenlage des mindestens doppelreihigen Epithels derselben. 

Nach allen diesen Forschern treten die Langerhansschen 
Inseln schon in früherer Embryonalzeit als anatomisch differen- 
zierte Gebilde auf. Die erste Anlage sollte durch Sprossung aus 
den Drüsengängen entstehen und schon charakteristische Merk- 
male zeigen. 

Nach Marchand und Karakascheff erfolgt die Ditie- 
renzierung in Drüsenparenchym aus der ersten Anlage der Drüsen- 
gänge in folgender Weise: Die Gänge senden Sprossen oder 

!) Pearce: Am. journ. of anat. II, 1903. 


?) Helly: Studien über die Langerhansschen Inseln. Arch. f. 
mikrosk. Anat. und Entwicklungsgesch., Bd. 67. 


324 Theodor Mironescu: 


Zapfen aus, die meist aus einer Reihe aneinanderfolgender, hoher 
Zellen gebildet werden, wie sie z. B. in einer Inselschleife an- 
geordnet sind. Diese Sprossen und Zapfen schwellen entweder 
bald nach ihrer Entstehung zu Kölbchen an, um sich in Drüsen- 
acini, oder weiter in Drüsengänge zu differenzieren, oder sie 
wachsen stark in die Länge, indem sie sich verschiedentlich ver- 
zweigen und untereinander oder äuch mit solchen von den be- 
nachbarten Gängen kommenden verflechten, um so Inseln zu bilden. 


Diese Sprossen und Zapfen sind selbstverständlich sowohl 
im ersten, als auch im zweiten Falle immer von Blutkapillaren 
begleitet. 

Die Inseln differenzieren sich ihrerseits weiter auf die 
beschriebene Weise zu Acini, welche sich um die Inseln gruppieren 
und zusammen ein Läppchen bilden. Nach vollendeter Ent- 
wicklung des’ Parenchyms bleiben (nach Marchand und 
Karakascheff!) die noch erhaltenen Inselreste als ruhende 
Langerhanssche Inseln bestehen, die imstande sind, bei Ab- 
nützung und Zugrundegehen von Drüsenparenchym einen Ersatz 
für dasselbe durch Bildung neuer Acini zu schaffen. Sie stellen 
gewissermassen Vorstufen der Entwicklung des Drüsenparenchyms, 
und im späteren Leben Reserveorgane dar. 

Die Anschauung Karakascheffs über die Umwandlung 
der Inseln in Pankreasgewebe wurde von Herzheimer bekämpft. 
Dieser Forscher behauptet, die Entstehung der Langerhans- 
schen Inseln aus dem Gewebe der Acini deutlich verfolgen zu können. 


Laguesse’) entwickelt in einer neuen ausgezeichneten 
Arbeit seine Theorie über die Umwandlung des Pankreasdrüsen- 
(rewebes in Inseln. Nach ihm besteht ein „Balancement“ zwischen 
dem fortwährend aus dem Drüsenacini neugebildeten Inselgewebe 
und der nach einiger Zeit wieder eintretenden Umwandlung dieser 
(rewebe in Drüsenacini. Auf diese Weise finden wir bei Laguesse 
eine Erklärung für die Meinungsverschiedenheit zwischen 
Marchand und Karakascheff einerseits und Herzheimer 
andererseits. 


!), Karakascheff: Neue Beiträge zum Verhalten der Langer- 
hansschen Inseln bei Diabetes mellitus und zu ihrer Entwicklung. (Deutsch. 
Arch. f. Klinische Medizin, 1906, Bd. 87.) 

?) Laguesse: Archives d’Anatomie microscopique, T. XI, Fase. 1. 


Die Entwicklung der Langerhansschen Inseln. 32) 


Schon aus diesem kurzen Überblick über die Wandlung der 
Anschauungen der Entwicklung dieser Inseln, geht hervor, dass 
diese Frage noch nicht als erledigt betrachtet werden kann. 

Um nun eine eigene Meinung über diese Frage zu gewinnen, 
haben auch wir versucht, eine Serie von 16 menschlichen Embryonen, 
die uns zur Verfügung standen, in dieser Richtung zu studieren. 
Über das Alter dieser Embryonen können wir folgende Angaben 
machen: Fall I 4—5 Wochen, Fall II 8—9 Wochen, Fall III, IV, 
V und VI zwischen der 12.—15. Woche, weiter haben wir vier 
Fälle von 5—6 Monaten, andere vier Fälle von 7—S Monaten 
und drei von Neugeborenen. 

Es würde zu weit führen, wenn wir alle diese Fälle aus- 
führlich beschreiben wollten. 

Wir fixierten unsere Embryonen in Zenker oder Alkohol 
mit Formol, und als Einbettung haben wir Oelloidin und Paraffin 
gebraucht. Die jüngeren Embryonen (Fall I und II) waren ganz 
eingebettet. Bei den anderen Embryonen wurde das Pankreas 
am Kopfe mit einem Stück Duodenum und am Schwanze mit der 
Milz herausgenommen, so dass wir sicher waren, den ganzen 
Kopf und auch den ganzen Schwanz zur Untersuchung zu haben. 

Die Länge des so herausgenommenen Pankreas beträgt bei 
dem Embryo im dritten Monat 1 cm (Länge des Embryos 9— 10 cm). 
Im fünften Monat maß das Pankreas 2—2!/s cm. Bei Neu- 
geborenen gewöhnlich 3—4 cm. 

Die Schnittrichtung war für die im ganzen eingebetteten 
quer, während die herausgenommenen Pankreas teilweise längs 
durch das ganze Pankreas, teilweise quergeschnitten waren. Durch 
die Längsschnitte haben wir auch die Verteilung der Inseln im 
Pankreas feststellen können. 

Als Färbung haben wir die van Gieson-Färbung mit 
Eisenhämatoxylin (Weigert), Giemsa-Färbung, Thionin oder 
Methylenblau angewendet und dabei die van Gieson-Häma- 
toxylin-Färbung besonders geeignet gefunden. 

Was nun die Entwicklung der Langerhansschen Inseln 
anbetrifft, so können wir nach unseren Untersuchungen sagen, 
dass bei den ganzen jungen Embryonen von einer Differenzierung 
solcher Gebilde noch keine Rede sein kann. 

Bei Embryonen von 9—10 cm Länge war von den Inseln 
noch nichts zu sehen; es waren nur Drüsenaeini und Drüsengänge 


326 Theodor Mironesenu: 


bemerkbar. Die Drüse ist durchweg von Zwischengewebe und 
Drüsenschläuchen gebildet. Das Zwischengewebe, welches ziemlich 
stark entwickelt ist, ist embryonales Bindegewebe mit vielen 
sternförmigen Zellen, aber auch mit zahlreichen Fasern dazwischen, 
welche Säurefuchsin ziemlich gut fixiert (bei der Färbung nach 
van Gieson) 

Die Drüsenschläuche werden von Zylinderepithel gebildet 
mit basal stehenden Kernen. Das Lumen ist meist deutlich zu 
sehen, doch findet man auch reine Epithelzellenhaufen ohne 
Lumen. Diese Zellenhaufen sind meistens Sprossungen neuer 
Kanäle. Man sieht nichts von den, von verschiedenen Forschern 
beschriebenen Zellen, welche als die erste Anlage der Langer- 
hansschen Inseln betrachtet werden könnten. Die Drüsengänge 
sind ziemlich weit und mit gleichartigem Zylinderepithel aus- 
gekleidet; eine Verschiedenheit zwischen diesen Zellen ist nicht 
festzustellen. 

Auch bei älteren Embryonen von 17—18 Wochen (Fall VII) 
finden wir noch dasselbe Bild. Die Langerhansschen Inseln 
sind noch gar nicht angedeutet. Das Pankreas hat eine Länge 
von 2 cm. Das Zwischengewebe ist hier etwas zurückgetreten 
im Verhältnis zu dem Drüsenparenchym. Das Drüsengewebe ist 
aus Drüsenacinis und Drüsengängen gebildet. Das Epithel ist 
gut ausgeprägt. Hie und da sieht man, dass die Drüsenschläuche 
eine Art Schleifung zeigen, so dass sie das Bild einer Langer- 
hansschen Insel andeuten. Solche Gebilde trifft man aber doch 
ziemlich selten, und sie finden sich ungefähr in derselben Zahl 
am Kopfende, wie am Schwanzende des Pankreas. Von irgend 
einer Differenz zwischen den Fpithelzellen dieser Gebilde und 
denjenigen des übrigen Parenchyms kann noch keine Rede sein. 
Es ist richtig, dass in einigen Präparaten die Grenzen der Zellen 
dieser Gebilde nicht deutlich zu sehen waren. Wir glauben aber, 
dass es in diesen Fällen sich um eine ungenügende Fixation 
handelte und nicht um ein Syneytialgewebe, wie es einige Autoren 
beschrieben haben. Die Epithelzellenhaufen ohne Lumen, die 
man in solchen Präparaten findet, erweisen sich in der Serie als 
Schnitte durch die Kuppen der Gangenden oder als Schrägschnitte. 
Erst in dem Pankreas von älteren Embryonen (über fünf Monate), 
sieht man deutliche Inseln. Die Grösse der Inseln in ein und dem- 
selben Präparat ist verschieden, es gibt deren grosse und kleine. 


Die Entwicklung der Langerhansschen Inseln. 327. 


Die Inseln sind durch ihre Beziehung zu den Blutgefässen 
leicht erkennbar. An den Präparaten eines Fetus vom fünften 
Monat, dessen Pankreas 2,5 cm Länge betrug, sieht man auf 
Längsschnitten, dass das Zwischengewebe, welches immerhin im 
Verhältnis zum Drüsengewebe ziemlich stark entwickelt ist, doch 
etwas mehr zurückgetreten vor dem Drüsenparenchym ist. 

Bei solchen Embryonen bildet das Drüsengewebe schon den 
grössten Teil des Organs. Betrachtet man das Drüsengewebe 
genauer, so sieht man zunächst Drüsenschläuche bald quer. bald 
schief oder längs getroffen, mit gut ausgebildetem Zylinderepithel 
ausgekleidet, dessen rundliche oder leicht ovoide Kerne basal 
stehen. Das Lumen ist bald weit, bald eng oder gar nicht zu 
sehen. Neben diesen Drüsengeweben sieht man nun auch andere 
Zellenkomplexe von verschiedener Grösse. 

Diese haben oft eine ganz unregelmässige Form, manchmal 
sind sie gross, manchmal so klein, dass sie kaum unter den 
Drüsenschläuchen zu unterscheiden sind. Sie sind aber meist 
durch Bindegewebe und Blutkapillaren gut abgesetzt gegen das 
umgebende Gewebe. Es ist schwer, Unterschiede zwischen .den 
Zellen, die solche Komplexe bilden, und denjenigen der Acini 
und Drüsengänge festzustellen. ‚Je mehr man darauf achtet, sieht 
man, dass diese Zellenkomplexe aus Schleifen gebildet werden, 
die durch die Entwicklung von Blutkapillaren aus ihrer früheren 
Anordnung in Acini herausgedrängt sind. Die betreffenden Zellen 
gewinnen so die Neigung, sieh in Bänder oder Reihen anzuordnen. 
Man sieht, wie die Blutkapillaren solche Bänder von Zellen trennen. 
Manchmal ist die Wand der Kapillaren nicht sehr deutlich, aber 
die Gegenwart von roten Blutkörperchen, welche fast immer 
ziemlich zahlreich in diesen Zellenkomplexen auftreten, lenkt die 
Aufmerksamkeit auf diese Stellen. 

Diese Zellenkomplexe sind nichts anderes als die Langer- 
hansschen Inseln, wie sich das aus der Anordnung ihrer Elemente 
und aus ihrer Lage ergibt. Sie sind zwischen den Acini und 
sehr oft in der Nähe der Drüsengänge gelegen. Sie sind nicht 
sehr zahlreich, man trifft ungefähr einen auf zwei bis drei 
Drüsenläppchen. 

In diesem embryonalen Stadium ist die Ähnlichkeit der 
Inselzellen mit den Drüsenzellen noch gut erhalten. Wir konnten 
nicht den Vorgang beobachten, durch welchen die Inseln von den 


328 Theodor Mironescu: Die Entwicklung ete. 


Drüsengängen oder von den Acini abgeschnürt werden, doch ist 
in manchen Stellen eine Verbindung mit dem Drüsenparenchym 
unverkennbar und wir bekommen Bilder zu sehen, wie Laguesse 
sie bei Erwachsenen beschrieben hat. 

Was die Verteilung dieser Inseln im Pankreas bei Embryonen 
betrifft, so können wir sagen, dass auch bei diesen die Inseln 
vielleicht etwas zahlreicher im Schwanz vertreten sind, als im 
Kopfende des Organs. 

Um die Vermehrung der Inseln zu studieren, haben wir 
das Pankreas von Neugeborenen untersucht. 

Wir glauben uns berechtigt, schon gleich anfangs zu sagen, 
dass wir nicht der Meinung von Küster sind, der die Vermehrung 
der Inseln im späteren Embryonalleben oder gar nach der Geburt 
zurückweist und die unveränderliche Grösse der Inseln behauptet. 

In den von uns untersuchten Präparaten des Pankreas von 
Neugeborenen haben wir nicht sehr zahlreiche Inseln gefunden. 
Es ist richtig, dass eine Vermehrung der Inseln im Verhältnis 
zu den früheren Embryonalstadien festzustellen war, aber nicht 
eine so grosse, dass bei der Grössenzunahme der Drüse eine 
neue Bildung von Inseln nach der Geburt nicht anzunehmen 
wäre. Wir können im Gegenteil sagen, dass wir oft bei Er- 
wachsenen, besonders in dem Schwanzende des Pankreas, zahl- 
reichere Inseln im Verhältnis zum Drüsengewebe als bei Neu- 
geborenen gefunden haben, und mindestens in diesen Fällen eine 
Neubildung von Langerhansschen Inseln nach der Geburt an- 
nehmen müssen. Die Inseln entstehen wahrscheinlich auch nach 
der Geburt aus dem Drüsengewebe. Eine Umwandlung des 
Inselgewebes in Drüsenacini, wie es Karakascheff annimmt, 
haben wir nicht beobachtet. 

Wir fassen unsere Ergebnisse dahin zusammen, dass: 

1. die erste Anlage der Langerhansschen Inseln durch 
die Vascularisation von Epithelsprossen, die aus den 
Drüsengängen und Drüsenacini hervorgehen, geschieht; 

2. die Inseln nur kenntlich sind durch die Disposition ihrer 
Zellen und durch ihre Beziehungen zu den Blutkapillaren; 

3. die Bildung von neuen Langerhansschen Inseln wahr- 
scheinlich in derselben Weise auch nach der Geburt vor 
sich geht. 


329 


Aus dem anatomisch-histologischen Laboratorium der Universität 
St. Petersburg. 


Über die Beziehung der sog. „Zellen der Schwann- 
schen Scheide“ zum Myelin in den Nervenfasern 
von Säugetieren. 


Von 
Anton Nemiloff 


Assistent am anatomisch-histologischen Laboratorium der Universität 
St. Petersburg. 


Hierzu Tafel XVI und 1 Textfigur. 


Vorliegende Arbeit stellt eine Ergänzung zu meiner Ab- 
bandlung im Bd. 72 des „Archiv für mikroskopische Anatomie“ 
dar (8), in welcher ich meine Untersuchungen über den feineren 
Bau der markhaltigen Fasern bei Ganoiden und Knochenfischen 
dargelegt habe. 

Das Wesentliche meiner damaligen Beobachtungen, welche 
ich durchaus nicht geneigt war, auf die markhaltigen Fasern 
anderer Tiere auszudehnen, bestand darin, dass das Mark der 
Nervenfasern sein eigenes protoplasmatisches Stützgerüst besitzt, 
welches, wie es bereits Paladino (9, 10) angenommen hat, 
von den Verzweigungen derjenigen sternförmigen Zellen gebildet 
wird, die von innen dem Neurilemm anliegen und gewöhnlich 
als „Zellen der Schwannschen Scheide“ bezeichnet werden. 
Diese Zellen bilden mit ihren Fortsätzen eine Art von schwammiger 
Masse, deren sämtliche Hohlräume vom Nervenmarke (Myelin) 
angefüllt sind. In jedem interannullären Segment sind mehrere 
derartige Zellen gelagert, welche äusserst eng miteinander ver- 
bunden sind, infolge des Umstandes, dass die Fortsätze einer 
Zelle direkt in diejenigen einer anderen übergehen. Bei der 
Extraktion des Myelins mit Chloroform oder Äther bleibt dieses 
Skelettin Gestalt des sog. „Neurokeratinnetzes oder -hülle“ erhalten. 
Einige dickere Balken dieses protoplasmatischen Skelettes ordnen 
sich schräg, in einem spitzen Winkel zum Achsenzylinder an und 


330 Anton Nemiloff: 


erwecken auf Osmiumpräparaten, seltener auf frischen, den Ein- 
druck von sog. „Lantermanschen Einkerbungen“. An den- 
jenigen Präparaten, auf welchen infolge der Bearbeitung das 
Stützskelett nicht vollkommen erhalten ist, verbleiben in der 
Mehrzahl der Fälle nur diese dickeren Balken in Gestalt der 
sog. „Zwischentrichter“. Die Ranvierschen Schnürringe werden 
hauptsächlich von der Schwannschen Scheide erzeugt, welche 
an diesen Stellen einen Ring („Zwischenring“) bildet. Der 
Achsenzylinder zieht, durch denselben unverändert hindurch, 
während die sog. „Gerinnselscheide* an dieser Stelle etwas 
abgehoben wird und sich an den Rand des Zwischenringes anlegt, 
infolge dessen bei gewisser Behandlung der Nerven an derartigen 
Stellen die sog. bikonischen Verdiekungen entstehen. 

In Anbetracht dieser Befunde war es für mich wichtig, klar- 
zustellen, ob nicht etwas Ähnliches in den markhaltigen Fasern 
der höheren Wirbeltiere, der Säugetiere, beobachtet werde und 
im Falle eines positiven Befundes festzustellen, ob hier eine 
vollkommene Identität der Strukturverhältnisse vorliegt, oder ob 
gewisse Unterschiede wahrgenommen werden können. 

Ungeachtet einiger Erfahrung, die ich beim Studium der 
Nervenfaser der niederen Wirbeltiere erhalten habe, war es tat- 
sächlich dennoch nicht leicht, diese Aufgabe auszuführen. Die 
markhaltigen Fasern der Säugetiere sind infolge ihrer Feinheit 
im Vergleich zu denjenigen der Fische einer Färbung äusserst 
wenig zugänglich, sterben rasch ab und weisen postmortale 
Veränderungen auf. Dieser Umstand liess mich viel Mühe ver- 
wenden, bis es mir gelang, genügend deutliche Präparate des 
Baues der Markscheide zu erhalten. Es erwies sich, dass im 
allgemeinen das Bauprinzip sowohl bei den höheren als auch bei 
niederen Wirbeltieren vollkommen gleich ist, während im Detail 
gewisse Unterschiede vorhanden sind. 


1. Das Untersuchungsobjekt. 


Lange Zeit hindurch gelang es mir nicht, ein passendes Objekt für 
meine Arbeit zu finden. 

Der für histologische Untersuchungen bevorzugte Nervus ischiadieus 
der Säugetiere (besonders vom Kaninchen und Meerschweinchen) befriedigte 
mich nur wenig, da er zu fein ist und ausserdem verhältnismässig zu viel 
Bindegewebe enthält, was die Färbung mit Methylenblau nicht begünstigt. 
Nachdem ich die Fasern verschiedener peripherischer Nerven versucht hatte, 


Zellen der Schwannschen Scheide. 331 


blieb ich schliesslich auf den Wurzeln der Spinalnerven stehen, insbesondere 
jedoch auf den Fasern der Cauda equina, welche verhältnismässig sehr 
dick sind und sich leicht voneinander isolieren lassen. 

Von den Säugetieren untersuchte ich am häufigsten die Nervenfasern 
von Pferden, Katzen und Hunden. Ausserdem standen mir noch Nerven 
von Kaninchen, Hasen, Igeln und Affen zur Verfügung. Die Fasern der 
Cauda equina von Affen (Meerkatze und Mandril) ergaben sehr gute Resultate, 
was von besonderer Bedeutung ist, da es die Möglichkeit in Aussicht stellt, 
die unten angeführten Beobachtungen auch auf den Menschen zu übertragen. 


2. Untersuchungsmethode. 


Die von mir angewandte Untersuchungsmethode war dieselbe wie in 
meiner ersten Arbeit und bestand in einer Färbung der Nerven mit Methylen- 
blau, mit dem Unterschiede, dass die Färbung stets im T’hermostaten vor- 
genommen wurde bei einer Temperatur von 34°—36° und stets mit. einer 
Lösung von !/s°/o. 

Die gefärbten Faserbündel wurden entweder direkt frisch zerzupft 
und sofort untersucht, oder zunächst in molybdänsaurem Ammonium fixiert. 
Für einige spezielle Zwecke fertigte ich Schnitte an durch Nervenfasern, 
die in Methylenblau fixiert waren; zu dem Zwecke brachte ich die Präparate 
nach der Fixierung derselben in molybdänsaures Ammonium, dann folgte 
Auswaschen in Wasser und rasches Entwässern, durch Xylol Einbetten in 
Paraffin von 50°—52° C. Schmelzpunkt für nicht mehr als 30 Minuten. Obgleich 
derartige Präparate sehr unvollkommen in Paraffın eingebettet waren, so 
war es mir dennoch gelungen, Schnitte von 5 « Dicke anzufertigen, wobei 
die Färbung stets in vollkommen befriedigendem Zustande erhalten war. 
Ausser des Methylenblau bediente ich mich noch der Methoden von Cajal, 
Bielschowsky und Unna, sowie verschiedener anderer Fixierungs- und 
Färbungsverfahren ; diese Verfahren dienten mir jedoch nur zur Kontrolle 
der vermittelst des Methylenblau erhaltenen Präparate. 


3. Eigene Untersuchungen. 


A. Die sog. „Zellen der Schwannschen Scheide“ („Mark- 
scheidenzellen‘). (Fig. 1, 13, 14, 16. Taf. XVI.) 


Bei günstiger Färbung mit Methylenblau treten die sog. 
Zellen der Schwannschen Scheide, d. h. die Zellelemente, welche 
von innen dem Neurilemm anliegen, dermassen deutlich hervor, 
dass es keinem Zweifel unterliegen kann, dass keinerlei anatomische 
Verbindung derselben mit der Schwannschen Scheide vorhanden 
ist und dass somit die Zellen richtiger als Markscheidenzellen 
oder Markzellen benannt werden müssen. Es liegen bei den 
Säugetieren dieselben Verhältnisse vor wie bei den Ganoiden 
und den Knochenfischen. Während jedoch bei den letzteren 


32 Anton Nemiloff: 


wu 


jedem interannulären Segment mehrere derartige Zellen zukommen, 
welche miteinander anastomosieren und so das schwammige 
Gerüst des Markes des entsprechenden Segmentes bilden, ist, 
soviel ich habe wahrnehmen können, bei den Säugetieren in jedem 
Segment stets nur eine derartige Zelle gelegen; die Fortsätze 
derselben verzweigen sich indessen beträchtlich und bilden das 
Skelett des betreffenden interannulären Segmentes. Es genügt, 
einen Blick auf Fig.1, Taf. XVI, zu werfen, welche bei verhältnis- 
mässig schwacher Vergrösserung annähernd die Hälfte eines 
interannulären Ringes darstellt, um sich davon zu überzeugen, wie 
stark sich die Fortsätze dieser Zellen verzweigen und wie mächtig 
das ganze System dieser Verzweigungen ist. Der recht chromatin- 
reiche Kern der Markzellen ist grösstenteils oval oder rund und ist 
gewöhnlich von einer nicht grossen Menge von Oytoplasma umgeben; 
letzteres ist in einigen Fällen in grösserer, in anderen in geringerer 
Menge vorhanden und stellt den „Körper“ der „Markscheidenzelle“ 
dar (Fig. 1, 13, 14, 16, ps.). Bei Anwendung der gewöhnlichen 
Untersuchungsverfahren, z. B. bei Behandlung der Nervenfaser 
mit Osmiumsäure und nachfolgender Färbung mit Pikrokarmin 
ist nur dieser Teil der Markscheidenzelle sichtbar. Auf günstigen 
Methylenblaupräparaten sind jedoch die von dem Zellkörper ab- 
gehenden (bis zehn und mehr) Fortsätze, die alsbald zahlreiche, 
feinere Seitenästchen abgeben, deutlich zu erkennen. Diese Fort- 
sätze erstrecken sich teilweise in die Tiefe des Markes, teilweise 
bleiben sie in der peripherischen Markschicht, wobei sie sich wieder- 
holt verzweigen und miteinander anastomosieren. Ein Teil dieser 
Fortsätze (gewöhnlich zwei oder vier) verlaufen längs der Faser 
(Fig. 1, 16d) im peripherischen Abschnitt der Markscheide; auf 
ihrem Verlauf von der Zelle bis zum nächsten Schnürringe nehmen 
sie nur wenig an Dicke ab und geben eine grosse Anzahl von 
Seitenästen ab. Diese längsverlaufenden Seitenäste winden sich 
gewöhnlich nicht sehr stark und färben sich mit Methylenblau 
leichter als die anderen Fortsätze, so dass auf nicht genügend 
gefärbten Präparaten häufig nur diese Fortsätze sichtbar sind. 
Wahrscheinlich hat Nageotte (5) gerade in diesen Zellen, welche 
sich schlecht bei einer Behandlung der Präparate mit Kalium- 
bichromat und ÖOsmiumsäure (bichromate osmie) färben, eine 
Körnelung, ähnlich derjenigen, welche in dem Zellkörper ange- 
troffen wird, gesehen und auf Grund dieses Umstandes vollkommen 


oo 
os 


Zellen der Schwannschen Scheide. 5 


richtig angenommen, dass „il existe une tres mince couche ou 
un fin r6seau de protoplasma provenant de la cellule de Schwann 
tout autour du tube“. Ausser diesen längsverlaufenden Fort- 
sätzen sind auch solche vorhanden, welche in querer Richtung 
zur Längsachse der Faser verlaufen und solche, die sich in die 
Tiefe der Markscheide häufig unter spitzem Winkel zum Achsen- 
zylinder erstrecken und sich hierbei mehrfach teilen. Sämtliche 
Fortsätze und deren Verzweigungen ergeben ein sehr dichtes, 
schwammiges Protoplasmagerüst, welches die Markbülle in deren 
Gesamtdicke durchzieht. Dieses Gerüst erstreckt sich bis an den 
Ranvierschen Schnürring, wo es sich mit dem Zwischenringe 
verbindet; hier endigen jedoch die Fortsätze der betreffenden 
Markscheidenzelle; niemals habe ich wahrnehmen können, dass 
sie sich über das interannuläre Segment herauserstreckten und in 
das benachbarte übergingen. 

In der Tiefe der Markscheide erreicht dieses Protoplasma- 
gerüst den Achsenzylinder, wobei es auf der inneren Oberfläche 
der Markhülle besonders dicht erscheint. Auf diese Weise hat 
auch das Gerüst, gleich der Markscheide selber, der es als Stütze 
dient, die Form einer stark in die Länge gestreckten Muffe, 
welche auf den Achsenzylinder aufgezogen ist. 

Einen unmittelbaren Zusammenhang der Verzweigungen 
der Fortsätze der Markzellen mit dem Achsenzylinder selber 
habe ich niemals wahrnehmen können. Methylenblaupräparate, 
auf denen sowohl das Protoplasmagerüst als auch der Achsen- 
zylinder die gleiche blaue Färbung aufweisen, können freilich in 
dieser Hinsicht noch Zweifel erwecken. Zwecks Klarstellung 
dieser Frage ist es daher ratsamer, die Präparate der sog. 
„Neurokeratinscheide“, welche, wie weiter unten dargetan werden 
soll, vollkommen identisch ist mit dem beschriebenen Protoplasma- 
gerüst, in Berücksichtigung zu ziehen. Auf Präparaten, welche 
in Chromessigsäure fixiert und mit Hämatoxylin nach Heidenhain 
und Bordeaux-R gefärbt worden sind, ist dieses schwammige 
Skelett sehr gut erhalten (conf. Fig. 11, Taf. XVI), wobei eine 
elektive Färbung erhalten wird, da der Achsenzylinder einen 
rötlich-braunen Farbenton annimmt, während das Gerüst des 
Markes schwarz gefärbt erscheint. 

Nach derselben Behandlung der Präparate ist es “auch 
sichtbar, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 22 


334 Anton Nemiloff: 


Fortsätzen der Markzelle und dem Achsenzylinder nicht vor- 
handen ist und dass das schwammige Gerüst des Markes nur 
dem Achsenzylinder anliegt. Einen indirekten Beweis ergeben 
auch diejenigen Präparate von Nervenfasern, in denen der Achsen- 
zylinder bei dem Zerzupfen disloziert worden oder gar aus der 
Markscheide herausgezogen war. Würden die Fortsätze der 
Markzellen sich an den Achsenzylinder anheften, so müsste bei 
der Dislozierung oder bei dem Ausziehen des Achsenzylinders 
das Skelett des Markes stark verletzt werden, während auf dem 
Achsenzylinder selber entweder Bruchstücke der an ihn ange- 
hefteten Trabekeln oder Spuren der Anheftungsstellen derartiger 
Trabekeln sichtbar sein müssten. Tatsächlich wird jedoch der- 
artiges nicht beobachtet und der aus der Markscheide heraus- 
gezogene Achsenzylinder hat vollkommen glatte Ränder, während 
das Markgerüst vollkommen unverletzt erscheint. 

Das beschriebene Verhalten der Schwannschen Zellen 
zum Mark führt somit zum alten Schema der Struktur der 
markhaltigen Nervenfaser zurück, wie es bereits von Ranvier 
gegeben worden ist (conf. Textfig. 1. Ranvier sprach, wie 
bekannt, einem jeden interannulären Segment die morphologische 
Bedeutung eines gesonderten Zellelementes zu und nahm an, 
dass das Protoplasma, welches die sog. Kerne der Schwann- 
schen Scheide umgibt, sich allseitig über das Gebiet des Kernes 
selber erstreckt und die Schwannsche Scheide in der Gesamt- 
länge des Segmentes verdoppelt. An dem Schnürringe, welcher 
ein Segment begrenzt, biege das Protoplasma um, gehe auf den 
Achsenzylinder über und bilde für denselben eine besondere Hülle 
Das Protoplasma eines jeden Segmentes begrenze somit allseitig 
einen geschlossenen Hohlraum, welcher Myelin enthält: ein jedes 
derartige Segment gleiche somit einer Fettzelle. (Das Neurilemm 
entspreche der Membran einer Fettzelle, die Protoplasmaschicht 
mit den Kernen — dem Protoplasma der Fettzelle, das Myelin — 
dem Fett.) 

Wie aus der beigelegten Zeichnung ersichtlich, muss dem 
Schema von Ranvier die, freilich wesentliche, Verbesserung 
hinzugefügt werden, dass das Protoplasma nicht nur das Myelin 
umgibt, sondern ein schwammiges, im Mark eingelagertes Gerüst 
bildet. Während nach Ranvier das Myelin nirgends direkt 
der Schwannschen Scheide anliegt, sondern von derselben 


Zellen der Schwannschen Scheide. 395 


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Fig. 1. 


Schema des Baues einer markhaltigen Nervenfaser: 
A=nachRanvier; B=nach den in dieser Arbeit dargelegten Beobachtungen. 
ax — Achsenzylinder; ap — äussere Protoplasmaschicht, die der Schwann- 
schen Scheide anliegt; ah — äussere, dichtere Schicht des schwammigen 
Skeletts, die der „äusseren Hornscheide“ der Autoren entspricht ; if — Fort- 
satz der Markzelle, der in einem schiefen Winkel zum Achsenzylinder ver- 
läuft; ih — die innere, dichtere Schicht des schwammigen Gerüstes; f = Fort- 


satz der Markzelle; m — Myelin; ps — Protoplasma der Schwannschen 
resp. Markzelle; ns — Kern der Schwannschen resp. Markzelle ; 
Ss = Schwannsche Scheide; Zr — Zwischenring. 
29* 


u 


(N) 
Oo 
pP) 


Anton Nemiloff: 


durch eine Protoplasmaschicht getrennt ist, ist nach meinen 
Beobachtungen das Myelin von dem Neurilemm nur an den 
Stellen getrennt, an denen die Fortsätze der Markzellen ver- 
laufen; an den anderen Stellen liegt es demselben direkt an. 
Das, was nach dem Schema von Ranvier als viscerales und 
parietales Blatt der Protoplasmaschicht bezeichnet werden könnte, 
entspricht meinen Beobachtungen nach nur den dichteren Schichten 
des erwähnten schwammigen Protoplasmagerüstes, von denen eine 
an der Peripherie der Faser dicht unterhalb der Schwann- 
schen Scheide angeordnet ist, die andere den Achsenzylinder 
umgibt. Die Dicke des Markes wird nach Ranvier nur von 
schrägen Spalten, oder richtiger, den ihnen entsprechenden 
Scheidewänden durchzogen, während nach meinen Beobachtungen 
das Mark von einer schwammigen Masse mit einem kompli- 
zıerten System von Trabekeln durchzogen wird. Wenn somit ein 
interannuläres Segment mit einer Fettzelle verglichen werden 
kann, so keineswegs mit einer Fettzelle höherer Wirbeltiere, 
sondern, worauf ich bereits in meiner Arbeit über die Nerven- 
fasern der Fische hingewiesen habe, mit einer Fettzelle von 
Acipenser, in welcher ich (7) vermittelst des Verfahrens von 
Ramon y Cajal das Vorhandensein eines gleichen proto- 
plasmatischen, schwammigen Skelettes nachgewiesen habe. 


B. Neurokeratinnetz. 


Bereits in meiner ersten Arbeit suchte ich, soweit es möglich 
war, die Identität des von den Fortsätzen der Markzellen ge- 
bildeten schwammigen Skelettesund des Neurokeratinnetzes, welches 
nach Extraktion des Markes aus den Nervenfasern erhalten wird, 
zu beweisen. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Frage für 
die von mir dargelegte Ansicht über den Bau der Markscheide 
hielt ich mich nicht für berechtigt, meine Beobachtungen an den 
Fischen direkt zu verallgemeinern und habe diese Frage noch 
einmal einer Bearbeitung unterzogen. 

Dem äusseren Aussehen nach hat das sog. Neurokeratinnetz 
fraglos eine grosse Ähnlichkeit mit dem gefärbten protoplasmatischen 
Gerüst; der Kontrolle wegen suchte ich den Zusammenhang des 
Neurokeratinskelettes mit den Markzellen festzustellen, d.h. zu 
beweisen, dass dasselbe durch die Verzweigungen und die Anasto- 
mosen der Fortsätze der letzteren gebildet wird. Dieses gelang 


Zellen der Schwannschen Scheide. 


mir auf Präparaten festzustellen, welche in Chromessigsäure 
fixiert und in Hämatoxylin nach Heidenhain und Bordeaux-R 
gefärbt waren. Die Trabekeln des Neurokeratinskelettes treten 
hier sehr deutlich hervor; auf dicken Fasern sind sie äusserst 
deutlich, die auch auf Methylenblaupräparaten wahrnehmbare 
äussere und innere kompaktere Schicht des Skelettes (die „äussere 
und innere Hornscheide“ der Autoren) sichtbar; an einigen 
Stellen. ist deutlich, z. B. auf der auf Fig. 3 abgebildeten, sowohl 
die Markzelle selber, als auch der Übergang ihrer Fortsätze in 
das Neurokeratinnetz, ähnlich dem, wie es Reich (11) beschrieben 
hat, zu erkennen. Die Deutlichkeit des Bildes steigert sich noch 
dadurch, dass die Trabekeln des schwammigen Gerüstes des 
Markes als auch die Markscheidenzellen mit Hämatoxylin nach 
Heidenhain eine vollkommen schwarze Farbe annehmen, während 
das die Nervenfaser umgebende Bindegewebe nur einen schwach- 
grauen Farbenton aufweist. 

Diese Eigenschaft des Protoplasmas der Markzelle sowie 
ihrer Fortsätze, nach Färbung mit Eisenhämatoxylin dieselbe 
schwarze Farbe anzunehmen wie das Uhromatin, erfordert meiner 
Ansicht nach einige Beachtung, da sie augenscheinlich auf eine 
besondere chemische Beschaffenheit des Protoplasmas hinweist. 
Selbst nach starker Extraktion des Hämatoxylins mit Eisenalaun, 
so dass das umgebende Bindegewebe fast vollkommen entfärbt 
wird, bleibt das beschriebene schwammige Skelett vollkommen 
dunkel gefärbt. 

Auf eine besondere chemische Natur dieses protoplasmatischen 
(erüstes weist augenscheinlich auch die Färbung nach Unna 
hin, da dasselbe auch in diesem Fall elektiv gefärbt wird. Die 
Trabekeln des Gerüstes erscheinen intensiv rosa gefärbt, während 
das die Nervenfasern umgebende Bindegewebe verschiedene 
Nuancen von blau oder violett aufweist. 


G. Lantermansche Einkerbungen sowie verschiedene 
von den Autoren beschriebene geschichtete oder 
radiäre Strukturen. 

Bereits Gedoelst (1) sowie andere Autoren, die sich mit 
dem Studium der Struktur der Markscheide beschäftigt haben, 
vermerken die Tatsache, dass die Bilder des Neurokeratinnetzes 
resp. des Stützgerüstes der markhaltigen Faser starken Variationen 


338 Anton Nemiloff: 


unterworfen sind und die verschiedenartigsten Verhalten auf- 
weisen können. 

3esser und deutlicher ist dieses auf Methylenblaupräparaten 
sichtbar. Der Charakter und die Verlaufsrichtung der Fortsätze, 
die Form der von ihnen gebildeten Schlingen und Waben des 
schwammigen Skelettes, die grössere oder geringere Dicke der- 
selben variiert dermassen, dass in einem Nervenbündel schwer 
zwei einander vollkommen gleichende Fasern aufgefunden -werden 
können. Ein derartig verschiedenes Aussehen des Stützgerüstes 
der markhaltigen Faser kann damit in Zusammenhang gestellt 
werden, dass das Protoplasma sowohl der Zellen als auch des 
von ihnen gebildeten Gerüstes in verschiedenen Fällen in ver- 
schiedenem Funktionszustande sich befindet. Es erscheint bald fein- 
körnig, wie auf den Fig. 7 und 16, bald wieder deutlich fibrillär 
(Fig 13). In dem Zellkörper d. h. in der geringen Protoplasma- 
menge, welche unmittelbar den Kern umgibt, sind häufig um den 
Kern herum eine grössere oder geringere Menge recht grosser 
Körner und Schollen vorhanden, oder aber eine gewisse Anzahl 
verschieden grosser Bläschen oder Vakuolen. Derartige Bläschen 
und Vakuolen werden auch längs des ganzen Protoplasmagerüstes, 
wie es die Fig. 5 dartut, angetroffen. In einigen Fällen sind diese 
Bläschen in grosser Anzahl vorhanden, so dass das Protoplasma 
der Trabekeln durch dieselben schaumartig erscheint. In anderen 
Fällen sind diese Vakuolen in geringerer Menge vorhanden, so 
dass sie nur hin und wieder in grossen Abständen voneinander 
angetroffen werden (Fig. 7). Die Grösse dieser Vakuolen variiert 
in beträchtlichem Maße; neben sehr kleinen, die keinerlei Form- 
veränderung der Scheidewände bedingen, werden recht grosse 
angetroffen, durch welche das betreffende Trabekel anschwillt und 
sogar in mehrere Trabekel zerfällt, wenn derartige Bläschen in 
srosser Zahl vorhanden sind. 

Es ist mir nicht gelungen, genau festzustellen, welche Sub- 
stanz in diesen Vakuolen enthalten ist, da diese Gebilde nur auf 
Methylenblaupräparaten deutlich sichtbar sind; auf derartigen 
Präparaten kann jedoch keinerlei mikrochemische Reaktion aus- 
geführt werden. Infolgedessen kann ich nur eine Annahme aus- 
sprechen. 

Auf Grund einer bedeutenden Ähnlichkeit dieser Vakuolen 
mit grösseren myelinhaltigen Poren und Waben des schwammigen 


Zellen der Schwannschen Scheide. 339 


Skelettes nehme ich an, dass auch die Vakuolen mit Myelin 
angefüllt sind und dass die verschiedenen körnigen und vakuoli- 
sierten Strukturen des Protoplasmas des schwammigen Skelettes 
verschiedenen Stadien der Myelinbildung im Protoplasma ent- 
sprechen. 

Eine derartige Annahme ist durchaus zulässig und steht 
nicht im Widerspruch mit den Befunden über die Histogenese 
der Markscheide, da viele Forscher (Kölliker [4], Vignal[13], 
Kappers|[3], Walter [14] u. a.) auf eine Beteiligung der Zellen 
der Schwannschen Scheide an der Bildung des Myelins hin- 
weisen. Diese Annahme erschliesst uns jedoch das Verständnis 
für viele mikroskopische Bilder, welche ohne dieselbe vollkommen 
unklar sind. 

Zunächst wird es verständlich, dass die mikroskopischen 
Bilder des beschriebenen schwammigen Skelettes stark in ver- 
schiedenen Fällen variieren, dass in einigen Nervenfasern die 
Trabekeln des Skelettes dicker ais in anderen sind, dass in einigen 
Fällen das Skelett einfacher, in anderen komplizierter ist, dass 
die Trabekeln bald flacher, blattförmig, bald fadenförmig und 
fein erscheinen, dass die Poren des Skelettes bald grösser, bald 
kleiner sind und verschiedene Formen aufweisen. Diese Befunde 
können sämtlich in Zusammenhang mit dem verschiedenen Grade 
der funktionellen Tätigkeit des Protoplasmas ‚der Markzelle 
gestellt werden, die ihrerseits möglicherweise im Zusammenhang 
mit dem physiologischen Zustande der gegebenen Nervenfaser steht. 

Diese Annahme erklärt jedoch auch ein anderes morpho- 
logisches Gebilde der markhaltigen Faser, die sog. Lanterman- 
schen Einkerbungen. Wie ich bereits in meiner Arbeit über die 
Nervenfasern der Fische gezeigt habe, so entsprechen diesen 
Einkerbungen, welche auf einigen frischen Fasern und nach einer 
bestimmten Behandlung auch auf fixierten Elementen beobachtet 
werden, gröberen Trabekeln des protoplasmatischen Gerüstes, die 
grösstenteils in einem spitzen Winkel in Gestalt von Trichtern 
(„Zwischentrichter* der Autoren) angeordnet sind, jedoch in un- 
mittelbarem Zusammenhang mit dem übrigen Skelett stehen und 
nur Teile desselben darstellen. Diese Trabekeln zeichnen sich 
durch eine beträchtlichere Dicke und durch einen vom Myelin 
verschiedenen Brechungsindex aus, und treten daher bisweilen 
auf ungefärbten Präparaten scharf hervor; auf Osmiumpräparaten 


340 Anton Nemiloff: 


sind sie sichtbar, weil sie nicht braun gefärbt sind und das Mark 
sich von ihnen ablöst, hierbei machen sie den Eindruck von Ein- 
kerbungen oder Einschnitten, die die Kontinuität der Markscheide 
unterbrechen. Dass diese Zwischentrichter tatsächlich bloss 
Trabekel des schwammigen Skelettes sind, die sich von anderen 
nur durch ihre Verlaufsrichtung und ihre grössere Dicke unter- 
scheiden, ist deutlich auf Nervenfasern sichtbar, aus denen das 
Mark extrahiert ist, sowie auf Fasern, die in Methylenblau gefärbt 
worden waren. Fig. 6 stellt einen Längsschnitt durch eine in 
Methylenblau gefärbte Nervenfaser vor (aus einem dünnen Paraffin- 
schnitt), wobei der mittlere Teil der Faser mit den Zwischen- 
trichtern in den Schnitt gefallen ist; es liegt hier somit eine 
Nervenfaser vor ohne oberflächliche Schicht. Ungeachtet dessen, 
dass bei der Paraffineinbettung das schwammige Skelett teilweise 
gelitten hat, sind dennoch deutlich sowohl die erwähnten trichter- 
förmigen Gebilde, als auch der Zusammenhang derselben mit 
anderen in den Schnitt gefallenen Trabekeln des schwammigen 
Skeletts sichtbar. 

Die beschriebenen trichterförmigen Gebilde resp. die Lanter- 
manschen Einkerbungen sind bei weitem nicht auf allen Fasern 
vorhanden, wie überhaupt diese Gebilde sich auf Osmiumpräparaten 
durch eine gewisse Inkonstanz auszeichnen: bald sind sie zahl- 
reich und in geringer Entfernung voneinander angeordnet, bald 
sind sie in geringer Zahl beträchtlich weit voneinander gelagert. 

Besteht nun die von mir gemachte Annahme zu Recht, so 
kann eine derartige Inkonstanz der Lantermanschen Ein- 
kerbungen resp. der Zwischentrichter dadurch erklärt werden, 
dass diese dickeren Trabekeln nur in gewissen Lebensmomenten 
der Faser bei einem gewissen funktionellen Zustande des schwam- 
migen Skelettes auftreten. Infolge der Entstehung neuer Myelin- 
tropfen im Protoplasma der trichterförmigen Trabekeln, der 
Konfluenz dieser Tropfen in grössere, werden die gröberen Trabekel 
in feinere gespalten; letztere werden durch die Myelintropfen 
ausgezogen, wobei sie die verschiedenste Verlaufsrichtung ein- 
schlagen und die verschiedensten Formen annehmen. Die Ver- 
laufsrichtung dieser Scheidewände, ihre Form und Anordnung 
können in Abhängigkeit von dem Grade der funktionellen Tätig- 
keit der Myelinzellen stark variieren, wobei die verschiedenartigsten 
Bilder erhalten werden. Die verschiedenen schichtenförmigen 


Zellen der Schwannschen Scheide. 341 
und radiären Strukturen des Myelins, wie sie mehrfach von ver- 
schiedenen Forschern beschrieben worden sind, können meiner 
Ansicht nach desgleichen am besten durch den verschiedenen 
Zustand des Protoplasmas der Markzelle erklärt werden. 


D. Ranviersche Schnürringe und die Zwischenringe. 


In den Ranvierschen Schnürringen wird das Protoplasma- 
gerüst der Markscheide vollkommen unterbrochen. Im Gegensatz 
zu der Behauptung Hatai (2) und einiger anderer Forscher 
ist es mir nicht gelungen, irgend welchen Zusammenhang zwischen 
den Skeletten benachbarter interannulärer Segmente wahr- 
zunehmen. Wie es die Fig. 11 zeigt, schwindet das Skelett des 
Markes hier mit diesem recht rasch, wobei die beiden Schichten 
des protoplasmatischen Gerüstes, die äussere und innere Horn- 
scheide der Autoren, hier konfluieren und recht grosse platten- 
und blattförmige Trabekeln bilden, die in der Richtung zum 
Achsenzylinder konvergieren. Auf diese Weise ist die Mark- 
scheide eines jeden interannulären Segmentes in anatomischer 
Hinsicht von den benachbarten Segmenten isoliert und hat daher 
morphologisch die Bedeutung einer Markzelle. 

Die Kontinuität der Nervenfasern wird bloss durch den 
Achsenzylinder, welcher, sowohl hinsichtlich seines Durchmessers 
als auch seiner fibrillären Struktur unverändert durch den 
Ranvierschen Schnürring hindurchzieht, sowie die Schwannsche 
Scheide, welche andem Ranvierschen Schnürringe den Zwischen- 
ring bildet, gewährleistet. An den Nervenfasern der Fische, bei 
denen diese Ringe sich durch ihre beträchtliche Dicke aus- 
zeichnen, habe ich, glaube ich, recht deutlich sowohl auf Schnitten 
als auch auf ganzen Nervenfasern die in Methylenblau oder Silber 
gefärbt waren, zeigen können, dass diese Ringe dadurch ent- 
stehen, dass die Schwannsche Scheide hier eine hohle Ver- 
dickung bildet, die von einer flüssigen, mit Methylenblau und 
Silber stark färbbaren Substanz erfüllt ist. Gleichzeitig mit meiner 
Arbeit über die Nervenfasern der Fische erschien auch die Arbeit 
von Walter (15), in welcher dieser Forscher gleichfalls das 
Vorhandensein irgend welcher Zwischenscheiben oder irgend 
welcher Kittsubstanz an diesen Stellen in Abrede stellt, die 
Zwischenringe jedoch für Bildungen nicht nur der Schwannschen 
Scheide, sondern auch der sog. Henleschen Scheide hält. 


342 Anton Nemiloff: 


In Berücksichtigung dieses Befundes habe ich nochmals 
meine Präparate von den markhaltigen Nervenfasern der Fische 
sowie verschiedener höherer Wirbeltiere, welche nach den ver- 
schiedensten Verfahren — Methylenblau bis auf die Methoden 
von Bielschowsky und Unna — behandelt worden waren, 
durchstudiert und habe dennoch keine Hinweise dafür finden können, 
dass das die Nervenfaser umgebende Bindegewebe irgend welchen 
Anteil an der Bildung der Zwischenringe nimmt. Dass dieses 
Gebilde tatsächlich das Differenzierungsresultat der Schwannschen 
Scheide ist und mit derselben in engstem Zusammenhange steht, 
zeigen meiner Ansicht nach diejenigen in Methylenblau gefärbten 
Nervenfasern, in denen bei der Isolierung derselben der Achsen- 
zylinder disloziert worden ist, wobei er den Zwischenring mit 
sich gezogen hat. Bei der Betrachtung derartiger Präparate 
mit Immersionssystemen können auf der Schwannschen Scheide, 
die trotzdem, dass sie häufig mit Methylenblau gefärbt erscheint, 
dennoch infolge ihres verschiedenen Brechungsindex deutlich 
hervortritt, die Stellen erkannt werden, von denen der Ring 
abgerissen worden ist (Fig. 15) und an denen die Kontinuität 
der Scheide infolgedessen unterbrochen wird. Hierbei ist jedoch 
nur die Schwannsche Scheide verletzt, während an dem 
umgebenden Bindegewebe keinerlei Störungen wahrgenommen 
werden können. Wenn letzteres tatsächlich, wie es Walter 
annimmt, an der Bildung des Ringes teilnehmen würde, so 
müsste erwartet werden, dass der abgerissene Ring auch das 
mit ihm verbundene Bindegewebe nach sich ziehen würde, oder 
dass in jedem Fall irgend welche Spur des durch das Abreissen 
des Ringes gesetzten Defektes nachbleiben würde. 

Trotz vieler Bemühungen und eines grossen Materials ist 
es mir nicht gelungen, von den markhaltigen Nervenfasern der 
Wirbeltiere einen gleichen demonstrativen Schnitt zu erhalten, 
wie ich ihn von den markhaltigen Fasern der Fische habe an- 
fertigen können. Infolgedessen hatte ich auch nicht die Möglichkeit, 
durch eine direkte Beobachtung festzustellen, ob der Zwischen- 
ring tatsächlich eine hohle Verdickung der Schwannschen 
Scheide ist, die sich hier gleichsam durch Spaltung derselben in 
zwei Blätter gebildet hat, oder ob die Scheide hier nur eine 
ringförmige Falte bildet. Zugunsten der ersten Ansicht spricht 
nicht nur die Analogie mit den markhaltigen Fasern der Fische, 


Zellen der Schwannschen Scheide. DA 


sondern auch einige Bilder der Dislozierung dieses Gebildes bei 
der Behandlung der Präparate. Es kommt z. B. vor, dass der 
Zwischenring sich dermassen um seine Achse dreht, dass er 
senkrecht zu seiner normalen Stellung gelagert erscheint, 
d.h. sich um einen Winkel von 90° dreht, wobei er jedoch seine 
Ringform beibehält (Fig. 12). Würde dieses Gebilde eine einfache 
ringförmige Falte sein, so müssten meiner Ansicht nach bei 
dieser gewaltsamen Drehung infolge eines zufälligen Heraus- 
ziehens des Achsenzylinders aus der Markhülle die Ränder der 
Falte wenigstens auf einem Präparat auseinander gezogen worden 
sein, in welchem Fall es dann zweifellos gewesen wäre, dass es 
sich hier um eine Falte handele. Auf sämtlichen zahlreichen 
Bildern von Dislozierungen und teilweiser Zerstörung dieses 
Ringes, die ich hier nicht weiter besprechen werde, die jedoch 
in grosser Zahl in jedem günstig mit Methylenblau gefärbten 
Nervenfaserbündel gefunden werden können, macht dieses Gebilde 
stets den Eindruck eines Ringes und nicht einer Falte. 

Dass der Ring kein kompaktes Gebilde, sondern ein hohles 
ist, zeigt meiner Meinung nach deutlich die Betrachtung desselben 
mit Immersionssystemen. Bei Drehung der Mikrometerschraube 
wird im Innern des Ringes ein dunkler innerer Abschnitt wahr- 
nehmbar, der mit Methylenblau stärker gefärbt ist, sowie ein 
peripherischer, der Wand entsprechender. Dasselbe Bild ergeben 
auch Präparate, die mit Silber behandelt worden sind. 

Auf Präparaten, die in Methylenblau gefärbt und darauf 
fixiert worden sind, sind ausserdem verschiedene Bilder einer 
Quellung und Zerreissung dieses Ringes sichtbar, welche nur 
dadurch erklärt werden können, dass hier tatsächlich ein hohler 
Ring vorliegt, der eine grössere oder geringere Menge einer in 
Methylenblau stark färbbaren Substanz enthält. Der Ring gewährt 
überhaupt in den verschiedenen Fasern vollkommen verschiedene 
Bilder; nur eine grosse Anzahl von Präparaten, die eine Reihe 
verschiedenartigster Bilder der Ranvierschen Schnürringe dar- 
stellen und durch Übergangsformen verbunden sind, gibt die 
Möglichkeit, sich in denselben zurecht zu finden. 

In einigen Fällen erscheint der Zwischenring vollkommen 
komprimiert und kollabiert; ohne Kenntnis der Zwischenform 
zwischen diesem Bilde und anderen kann in der Tat die Ansicht 
gebildet werden, dass hier eine Art von „Zwischenscheibe“ vor- 


344 AnitiomeNlemnilorfer ; 


liegt. In anderen Fällen erscheint er mehr oder weniger 
gequollen, infolgedessen seine Dicke stark variiert. Auf der 
Fig. 12 ist ein verhältnismässig schwach gequollener, auf Fig. 15 
ein stark gequollener Ring abgebildet. Häufig erscheint der 
Zwischenring zerrissen, wobei gewöhnlich die äussere Seite 
desselben einen Riss aufweist, die innere Seite bleibt hierbei 
gewöhnlich auf dem Achsenzylinder, indem sie demselben dicht 
anliegt (Fig. Sax); die Fetzen der äusseren Seite des Ringes 
ordnen sich entweder in Form von regelmässigen Falten an 
(Fig. 2 und 8), oder legen sich dem Anfangsteil der beiden 
interannulären Segmente an (Fig. 4 und 16), oder aber ergeben, 
im Falle die Ränder des Risses uneben sind, mit den teilweise 
gefärbten Scheidewänden des protoplasmatischen Gerüstes Bilder, 
welche vollkommen den „Stachelreifen“ („le double bracelet 
epineux), wie sie unlängst Nageotte (6) beschrieben hat, gleichen. 

Mir scheint es, dass diese von Nageotte beschriebenen 
eigenartigen Gebilde das Resultat einerseits des Risses des 
Zwischenringes, andererseits einer unvollkommenen Färbung der 
sich an den Achsenzylinder anlegenden Trabekeln des proto- 
plasmatischen Gerüstes sind. 


E. Achsenzylinder. 


Hinsichtlich des feineren Baues des Achsenzylinders habe 
ich bei den höheren Wirbeltieren alles das bestätigen können, 
was ich an den markhaltigen Fasern der Fische gesehen habe. 
Von der inneren Fläche der Markscheide ist der Achsenzylinder 
durch eine dünne Schicht einer Substanz getrennt, welche auf 
Präparaten, die in molybdänsaurem Ammonium fixiert sind, selten 
das Aussehen einer homogenen, bläulichen Lamelle hat, häufiger 
jedoch als eine Schicht feinster Körnchen oder Tropfen erscheint, 
die sich entweder in Form eines mehr oder weniger gleich- 
mässigen Niederschlags anordnen, oder das Aussehen eines 
äusserst zarten Netzes oder Musters auf der Oberfläche des 
Achsenzylinders annehmen. Diese Schicht entspricht offenbar 
der „Gerinnselscheide“ der Autoren; sie stellt, wie auch 
bei Fischen, keine selbständige Hülle dar, sondern macht tat- 
sächlich eher den Eindruck eines Niederschlags oder eines 
Gerinnungsproduktes einer Substanz, die intra vitam den Achsen- 
zylinder von der Markscheide trennt. 


Zellen der Schwannschen Scheide. 345 


Der fibrilläre Bau des Achsenzylinders tritt auf meinen 
Präparaten sehr deutlich hervor. Wie bei Fischen, so habe ich 
auch hier, ungeachtet einer äusserst scharfen Tinktion der Fibrillen, 
keine Anastomosen zwischen den Fibrillen, weder an den Ranvier- 
schen Schnürringen, wie Schiefferdecker (12) angibt, noch 
im Verlaufe des Segmentes, wie es Walter (15) beweisen will, 
wahrnehmen können. 


4. Schlussbetrachtungen. 


Das oben Mitgeteilte stellt die Hauptergebnisse meiner 
Untersuchungen über den Bau der Markscheide dar. Leider 
betreffen sie nur die peripherischen markhaltigen Fasern und 
können nicht direkt auf die Fasern des Zentralnervensystems 
übertragen werden. 

Es ist äusserst wichtig, die morphologischen Beziehungen 
in den zentralen Nervenfasern festzustellen, auf die, wenigstens 
auf den ersten Blick, das oben angeführte Schema des Baues der 
markhaltigen Faser nicht zutrifft. 

Gegenwärtig bin ich gerade mit der Klarstellung dieser 
Frage beschäftigt, wobei einige der bereits angefertigten Präparate 
zugunsten einer Ähnlichkeit in struktureller Hinsicht beider 
Nervenfaserarten sprechen und jedenfalls die Ansicht nicht be- 
stätigen, dass die Struktur der zentralen Fasern sich scharf von 
derjenigen der peripheren unterscheide. 

Wie bei meiner vorigen Arbeit, so hat auch bei der vor- 
liegenden mein hochverehrter Lehrer, Herr Prof. Dr. A.S. Dogiel, 
mich stets durch seine Ratschläge in hervorragender Weise unter- 
stützt; es sei mir gestattet, ihm auch an dieser Stelle meinen 
verbindlichsten Dank auszusprechen. 


Literaturverzeichnis. 


1. Gedoelst, L.: Etude sur le constitution cellulaire de la fibre nerveuse. 
La cellule, Tome III, 1886. 

2. Hatai, Shinkishi: The neurokeratin in the medullary sheaths of the 
peripheral nerves of mammals. Journ. comp. Neurol. Granville, Vol. 15, 
No. 2, 1903. 

3. Kappers, C.: Recherches sur le developpement des gaines dans le 
tube nerveux. Petrus Camper, Dl. 2, Aufl. 2, S. 223—268 mit 1 Taf. 
u. 1 Fig. im Text, 1903. 


346 


6. 


| 


6) 


de) 


10. 


1b, 


Anton Nemiloff: 


Kölliker: Histologische Studien an Batrachierlarven. Zeitschr. f. wiss. 
Zoologie, Bd. 43, 1886. 

Nageotte, S.: Incisures de Schmidt-Lanterman et protoplasma 
des cellules de Schwan. Comptes rendus des seances de la Societ&e de 
Biologie. Seance de 15 Janvier 1910, T. XLVLI, p. 39. 

Derselbe: Sur une nouvelle formation de la gaine de myeline: le double 
bracelet epineux de l’etranglement annulaire. 10 Janvier 1910, Separat- 
Abdr. aus Comptes rendus des seances de l’Academie des sciences, 
Paris 1910. 

Nemiloff, A.: Zur Frage über den Bau der Fettzellen bei Acipenser 
ruthenus. Mit 6 Abbildung. Anat. Anz., Bd. XXVII, No. 21/22, 1906. 
Derselbe: Einige Beobachtungen über den Bau des Nervengewebes bei 
Ganoiden und Knochenfischen. Teil II. Der Bau der Nervenfasern. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 72, 1908. 

Paladino, P.: De la continuation de la nevroglie dans le squelette 
myelinique des fibres nerveuses et de la constitution pluricellulaire des 
cylindraxe. Arch. Ital. de Biol., T. XIX, p. 26, Turin, 1893. 

Derselbe: Encore sur les rapports les plus intimes entre la ne@vroglie et 
les cellules et les fibres nerveuses. 1 Taf. Arch. Ital. de Biol., T. 51, 
Fasc. 2, S. 206—212. 

Reich, F.: Zur feineren Struktur der Zelle des peripheren Nerven. 
Allg. Zeitschr. Psychiatr., Bd. 62, p. 620—630, 2 Fig. 
Schiefferdecker, P.: Über das Verhalten der Fibrillen des Achsen- 
zylinderss an den Ranvierschen Einschnürungen der markhaltigen 
Nervenfasern. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 67, H. 4, mit 1 Taf., 1906. 
Vignal, W.: Developpement des elements du systeme nerveux cerebro- 
spinal, Paris 1889. 

Walter, F.K.: Über Regeneration peripherer Nerven. Inaug.-Diss,, 
Rostock 1908. 

Derselbe: Zur Kenntnis der peripheren markhaltigen Nervenfasern. 
Deutsch. Zeitschr. f. Nervenheilk., Bd. 35, H. 1/2, S. 152—164, 6 Abb., 1908. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI. 


Sämtliche Figuren sind mit Hülfe des Zeichenapparates von Zeiss 


angefertigt worden. 


Fig. 


Fig. 


1. Nervenfaser aus der Canda equina eines Affen. Es ist ungefähr 
die Hälfte eines interannulären Segmentes abgebildet. n — Kern 
einer Markzelle; ps — Körper derselben; d — Fortsätze, welche 
das schwammige Gerüst der Markscheide bilden. Methylenblau. 
Reichert, Obj. 7a, Ok. 4. 

2. Ein Ranvierscher Schnürring einer Nervenfaser aus der Cauda 
equina eines Affen. Der Zwischenring ist von der Aussenseite 


Fig. 3 
Fig. 4 
Fig. 5 
Fig. 6 
Big, 7 
Fig. 8. 
Hier}! 
Fig. 10. 


Zellen der Schwannschen Scheide. 347 


zerrissen ; die Rissränder sind in Gestalt von Falten sichtbar. 
ax — Achsenzylinder; d = Trabekeln des Protoplasmagerüstes 
im Beginn der Färbung; s—=Schwannsche Scheide Methylen- 
blau. Zeiss’ homog. Immers. !/ı2: Ok. 4. 

Teil einer markhaltigen Nervenfaser aus einer (dorsalen) Spinal- 
wurzel vom Pferde, nach Extraktion des Markes. nk = Neuro- 
keratinnetz; n — Kern; ps = Protoplasma einer Markzelle; 
ax — Achsenzylinder. Fixiert in Chromessigsäure; eingebettet in 
Celloidin-Paraffin; gefärbt in Hämatoxylin nach Heidenhain 
und Bordeaux-R. Zeiss’ homog. Immers. !/ı; Kompens.-Ok. 4. 
Ranvierscher Schnürring einer Nervenfaser aus der Cauda equina 
eines Affen. Der Zwischenring ist von der Aussenseite zerrissen, 
seine Fetzen (zr) haben sich neben die sich im Beginn der Färbung 
befindenden Trabekeln des protoplasmatischen Gerüstes (d) gelegt; 
ax — Achsenzylinder. Methylenblau. Zeiss’ homog. Immers. !/ı2; OK.4. 
Ein Teil des Protoplasmagerüstes einer markhaltigen Faser aus 
einer Spinalwurzel einer Katze. Im Protoplasma der Trabekeln 
sind Vakuolen sichtbar, die offenbar ein gewisses Stadium der 
Myelinbildung von den Markzellen darstellen. d — Protoplasma 
des Skeletts; v — Vakuolen. Gezeichnet bei einer Einstellung 
des Tubus auf die äusserste Oberfläche. Methylenblau. Zeiss’ 
homog. Immers. !Jı2: Ok. 3. 

Teil eines Schnittes durch eine in Methylenblau gefärbte mark- 
haltige Nervenfaser. Cauda equina vom Pferde. Sichtbar sind die 
Zwischentrichter und ihr Zusammenhang mit dem Protoplasma- 
gerüst. zt — Zwischentrichter; d = Trabekeln des protoplas- 
matischen Gerüstes; ax — Achsenzylinder. Zeiss’ homog. Immers. '/ı2; 
Kompens.-Ok. 4. 

Teil eines interannulären Segmentes einer markhaltigen Nerven- 
faser aus einer Spinalwurzel der Katze. d = Trabekeln des 
protoplasmatischen Gerüstes; v — Vakuolen. Methylenblau. Zeiss’ 
homog. Immers. !Jı2; Ok. 4. 

Ranvierscher Schnürring einer Nervenfaser aus der Cauda equina 
eines Affen. Der Zwischenring ist von der Aussenseite zerrissen, 
seine Ränder erscheinen als gefärbte Falten (zr) an der Basis 
beider interannulärer Segmente. ax — Achsenzylinder, der an 
dieser Stelle von der Innenseite des Zwischenringes umgeben ist. 
Methylenblau. Zeiss’ homog. Immers. !Jı2; OK. 4. 

Ranvierscher Schnürring einer Nervenfaser aus der Cauda equina 
eines Affen. Der Zwischenring ist zerrissen, seine Fetzen erinnern 
mit den im Beginn der Färbung befindlichen Trabekeln des proto- 
plasmatischen Gerüstes an das unlängst von Nageotte (1910) 
unter der Bezeichnung „le double bracelet &pineux“ beschriebene 
Gebilde. Methylenblau. Zeiss’ homog. Immers. !/Jı2; Ok. 4. 
Ranvierscher Schnürring mit zerrissenem Zwischenringe, dessen 
Fetzen (b) bei der Isolierung der Nervenfaser disloziert worden 


348 


Jerez, Jul, 


Fig. 12. 


Fig. 13. 


Fig. 14. 


Fig. 15. 


Fig. 16. 


Anton Nemiloff: Zellen der Schwannschen Scheide. 


sind. Cauda equina eines Affen. pr = Ranvierscher Schnürring; 
s—Schwannsche Scheide; d— Trabekeln des protoplasmatischen 
Gerüstes. Zeiss’ homog. Immers. !Jı2; Ok. 4. 

Protoplasmatisches Skelett einer markhaltigen Nervenfaser aus 
einer Spinalwurzel (dorsalen) des Pferdes. nk = protoplasmatisches 
Gerüst; pr = Ranvierscher Schnürring; ax — Achsenzylinder. 
Fixiert in Chromessigsäure; eingebettet in Celloidin-Paraffin; ge- 
färbt in Hämatoxylinnach Heidenhain und Bordeaux-R. Zeiss’ 
homog. Immers. !Jı2; Ok. 4. 

Ranvierscher Schnürring, in welchem der Zwischenring sich 
zufällig um einen Winkel von $0° bei der Isolierung der Nerven- 
faser gedreht hat. Spinalwurzel eine Katze. S—=Schwannsche 
Scheide; Zr — Zwischenring; pr = Ranvierscher Schnürring. 
Methylenblau. Zeiss’ homog. Immers. 'Jız; Ok. 4. 

Markzelle aus einer Nervenfaser der Katze. Cauda equina. 
n — Kern; ps = Protoplasma ; f = Protoplasmafibrillen. Methylen- 
blau. Zeiss’ homog. Immers. ',ı2; Kompens.-Ok. 4. 

Markzelle mit Fortsätzen aus einer Nervenfaser der Katze. Cauda 
equina. n = Kern; ps = Protoplasma; d — Fortsätze, die das 
Skelett des Markes bilden. Methylenblau. Zeiss’ Obj. 4 mm; Ok. 4. 
Markhaltige Nervenfaser einer Katze mit dem bei der Isolierung 
der Faser dislozierten Zwischenring. Cauda equina. ax — Achsen- 


zylinder; S= Schwannsche Scheide; W — die Rissstelle der- 
selben bei der Dislozierung des Zwischenringes; Zr — Zwischen- 
ring; d — Bruchstücke der Trabekeln des Protoplasmagerüstes. 


Das bei der Dislozierung deformierte protoplasmatische Gerüst der 
Faser ist auf dem Präparate fast unbemerkbar, da es nicht gefärbt 
ist. Gezeichnet bei einer bestimmten Tubuseinstellung. . Methylen- 
blau. Zeiss’ homog. Immers. !/ı2; Ok. 4. 

Markzelle mit einem Teil des von ihren Fortsätzen gebildeten 
Skelettes des Markes. Cauda equina einer Katze. n — Kern; 
ps —= Protoplasma; — schwammiges Skelett. Methylenblau. 


5 


Zeiss’ homog. Immers. !Jı2; Ok. 3. 


349 


Aus dem anatomisch-histologischen Laboratorium der Universität 
St. Petersburg. 


Über den Bau des Flimmerapparates. 


Von 


A. Kolacev. 


Hierzu Tafel XVII und 2 Textfiguren. 


Seitdem die bekannte Arbeit von Engelmann (1880), 
welche der gegenwärtigen Lehre über die Erscheinung der 
Flimmerbewegung den Ursprung gab, erschienen ist, haben sich 
viele Forscher mit Fragen beschäftigt, welche die strukturellen 
Einzelheiten des Flimmerapparates, sowie die funktionellen Be- 
ziehungen der einzelnen Teile desselben betreffen. Ungeachtet 
dessen ist noch vieles aus dem Gebiete dieser Fragen nicht 
genügend klargestellt. Die Aufgabe meiner vorliegenden Arbeit 
bestand in einem möglichst detaillierten Studium des Baues des 
Flimmerapparates. Als ich die Arbeit in Angriff nahm, war ich 
weit entfernt von irgend einer vorgefassten Meinung pro oder 
contra. Bei der Schilderung meiner Ergebnisse beschränke ich 
mich ausschliesslich auf meine Beobachtungen, ohne auf eine 
ausführliche Betrachtung der Erscheinung der Flimmerbewegung 
im allgemeinen in ihrer ganzen Kompliziertheit einzugehen. Es 
sei hier vermerkt, dass in der unlängst erschienenen Arbeit von 
Erhard (Febr. 1910) bereits eine recht vollständige Übersicht 
der Literaturbefunde gegeben ist. 

Als Material meiner Untersuchungen diente mir ein ge- 
wöhnliches und erprobtes Objekt, das Darmepithel von Anodonta. 
Ausserdem zog ich noch, mehr zur Kontrolle, den Darmkanal 
von Ostrea, den Leberausführungsgang von Helix pomatia, die 
Trachea- und Uterusschleimhaut höherer Wirbeltiere verschiedenen 
Alters, sowie menschlicher Föten hinzu. Später untersuchte ich 
noch den Flimmerapparat von Opalina ranarum. 

Als Fixierungsflüssigkeiten wandte ich an: die Gemische 
von Flemming (schwache und starke Lösung), vonHermann, 
von Lenhossäk, von Carnoy-Gilson und Sublimat mit Pikrin- 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 23 


350 A. Koladev: 


säure oder Essigsäure. Alle diese gaben im wesentlichen dasselbe 
Strukturbild, natürlich mit den jedem derselben eigenen Besonder- 
heiten und auch diese hauptsächlich in bezug auf Farbstoffe. 
Die Infusorien wurden in den Gemischen von Flemming, 
Schaudinn und Carnoy-Gilson fixiert. Zur Färbung benutzte 
ich hauptsächlich das Eisenhämatoxylin von Heidenhain — so- 
wohl mit der Ergänzungsfärbung in Bordeaux oder Rubin, als 
auch ohne dieselbe — und das Gemisch von Unna. 

Bevor ich auf die Betrachtung des Baues des Flimmer- 
apparates eingehe, halte ich es für notwendig, darauf hinzuweisen, 
dass gegenwärtig sich immer mehr die Annahme geltend macht, 
dass der Impuls der Flimmerbewegung augenscheinlich in den 
Wimpern selber liest. Davon überzeugt uns eine Reihe von 
Befunden. Bereits Engelmann (1868), darauf Peter (1899) 
und Erhard (1910) haben bewiesen, dass der Kern keinen 
direkten Anteil an der Bewegung der Haare nimmt. Dasselbe 
muss auch hinsichtlich des Protoplasmas des Zelleibes selber 
ausgesagt werden, da nach den Angaben von Verworn (1889), 
von Kölsch (1902) und Pütter (1904) selbst ausgesprochene 
Zerstörungen des Protoplasmas die Regelmässigkeit der Flimmer- 
bewegung nicht stören, solange sich die Zerstörung nicht auf 
die Flimmerhaare selber ausbreitet. Desgleichen stellen die Be- 
funde von Peter (1899) und Erhard (1910) fest, dass eine 
Zerstörung sowie eine vollkommene Vernichtung der sich in die 
Zelle fortsetzenden Wurzeln der Flimmerhaare keinen Einfluss 
auf die Arbeit dieser hat. Erhard hat Versuche über die Ein- 
wirkung einer erhöhten Temperatur (für Mollusken zirka 40°) 
gemacht und beobachtete als Folge davon eine vollkommene 
Auflösung des kutikularen Zellsaumes, wobei jedoch die Bewegung 
der Härchen durchaus nicht aufhörte, sondern sogar verstärkt 
wurde. Im Gegensatz zu der bekannten Theorie von Henneguy- 
Lenhosse&k und deren Nachfolgern sind ausser den Befunden 
über die Entwicklung des Flimmerapparates, welche von 
Gurwitsch (1901) und Wallengren (1905) erhoben sind 
und welche diese Theorie im allgemeinen untergraben, noch eine 
Reihe von Hinweisen auf eine Autonomie der Flimmerhaare in 
bezug auf die Basalkörperchen vorhanden. So weist Vignon 
(1900) darauf hin, dass er in den Flimmerzellen der Taster von 
Pecten keine Spuren von Basalkörperchen gefunden hat. Dasselbe 


Über den Bau des Flimmerapparates. dl 


bezeugt auch Kuppelwieser (1906) hinsichtlich der mit zwei 
Flimmerhaaren versehenen Zellen der Larven von Cyphonautes, 
wo die Neigung der Flimmerhaare weniger beträchtlich ist als 
gewöhnlich. In den „Ergebnissen der Physiologie“ führt Pütter 
einige Beispiele an über die Bewegung von Geisseln, die von 
dem Zellkörper vollkommen abgelöst sind. Fabre-Dommergue 
(1888) und Kölsch (1902) berichten, dass bei Infusorien isolierte 
Flimmerhaare fortfahren sich noch einige Zeit zu bewegen. Des- 
gleichen hält auch Schuberg (1905) die von ihm an isolierten 
Geisseln und Flimmerhaaren beobachteten Einrollungen, Ösen- 
bildungen und andere derartige Formveränderungen für Anzeichen 
einer selbständigen Flexion der Flimmerorgane. Es sei noch 
vermerkt, dass in den angeführten Fällen an den isolierten 
Flimmerhaaren keine Basalkörperchen beobachtet wurden. Was 
die Befunde von Verworn (1891) und Peter (1899) anbetrifft, 
welche darauf hinweisen, dass die von den Basalkörperchen 
isolierten Flimmerhaare keine Anzeichen einer aktiven Bewegung 
aufweisen, so haben die negativen Befunde in diesem Falle 
keine Beweiskraft und können nicht als Stütze der Theorie von 
Henneguy-Lenhossök dienen, da die Unbeweglichkeit der 
Flimmerhaare bei einer derartigen Isolation einfach die Folge 
einer Verletzung ihres Plasmas selber sein kann, wie es Erhard 
(1910) annimmt. Es ist verständlich, dass, je mehr sich auf 
diese Weise die Autonomie der Flimmerhaare bei der von ihnen 
ausgeführten Bewegung klarstellt, um so mehr Interesse die 
Fragen über den feineren Bau derselben gewinnen. 
Flimmerhaare. Gegenwärtig besitzen wir schon einige 
Befunde über den Bau der Flimmerhaare selbst. So hat Löffler 
(1889) an der Hand seines bekannten Verfahrens darauf hinge- 
wiesen, dass die Flimmerhaare der Infusorien an ihrem freien, 
recht stumpfen Ende einen feinen Fortsatz besitzen, für welchen 
der gesamte übrige mehr oder weniger gleichmässig verdickte 
Teil des Flimmerhaares gleichsam als Scheide dient. Schuberg 
(1905) stellt mit einer Glaubwürdigkeit, die keinen Zweifel 
zulässt, bei seinen interessanten Untersuchungen über die 
Infusorien für die Flimmerhaare die Anwesenheit von feineren 
und weniger gefärbten Endstücken, als einen bestimmten morpho- 
logischen Begriff, fest, aus welchem folgt, dass im Bau der 
Flimmerorgane zwei morphologisch gesonderte Teile unterschieden 


23* 


352 A. Koladey: 


werden müssen: ein Achsenfaden und eine denselben mit Aus- 
nahme seines freien Endes bedeckende protoplasmatische Hülle. 
Für die Geisseln der Flagellaten haben eine gleiche Differenzierung 
erwiesen: Fischer (1894) in den sog. „Flimmergeisseln“, 
Bütschli (1902), Prowazek (1904), Hamburger (1905), 
Goldschmitt (1907), Awerinzew (1907), bei den Sperma- 
tozoiden Korschelt-Heider (1902) und Pütter (1904). 
Das Vorhandensein eines besonderen Achsenfadens in den Flimmer- 
haaren der Metazoa ist von Koltzoff (1903, 1906) für einige 
Pteropoda und von Erhard (1910) für Anodonta bewiesen worden. 

Bei meinen Beobachtungen über das Flimmerepithel des 
Darmes von Anodonta ist es mir gelungen im Bau der Flimmer- 
haare eine andere Eigenheit festzustellen. Wie aus der bei- 
gegebenen Zeichnung (Fig. 1) hervorgeht, sind dieselben nicht 
homogen, wie sie von fast sämtlichen Forschern bisher beschrieben 
wurden, sondern bestehen aus niedrigen, dunkel gefärbten Scheiben, 
die durch breitere, schwach gefärbte Abschnitte getrennt sind. 
Bei der Feinheit der Flimmerhaare ist es durchaus verständlich, 
dass diese Scheiben (wie ich sie zunächst bezeichnen werde) als 
Körner erscheinen, welche den Härchen ein eigenartiges Aussehen 
verleihen, das äusserlich an quergestreifte Muskelfibrillen erinnert. 
Diese Scheiben sind im allgemeinen längs dem gesamten Flimmer- 
schaft angeordnet, angefangen von dem in der Kutikula gelegenen 
Zwischenstücke (Zwischengliede) bis an das freie Ende, wobei 
sie hier bald näher, bald weiter von dem äussersten Endpunkte 
des Flimmerhaares gelegen sind, was jedoch schwer fällt genau 
festzustellen, da nicht immer, besonders auf Schnitten, die Totalität 
der Härchen garantiert ist. Es lässt sich nur mit Sicherheit 
aussagen, dass die Flimmerhaare niemals mit dunklen Scheiben 
endigen, sondern dass das äusserste Ende derselben stets einen 
leicht zugespitzten, schwach gefärbten Abschnitt darstellt. Ausser- 
dem muss ich noch vermerken, dass die Scheiben näher zur Basis 
hin dichter gedrängt und in regelmässigen Abständen voneinander 
angeordnet ‘sind, während in der Richtung zum Gipfel des 
Haares dieselben grössere und weniger regelmässige Zwischen- 
räume haben; eine bestimmte Regel einer derartigen Anordnung 
der Scheiben lässt sich augenscheinlich nicht aufstellen. 

Eine derartige Differenzierung des Baues der Flimmerhaare 
habe ich ausser bei Anodonta auch bei Ostrea, auf Total- 


Uber den Bau des Flimmerapparates. 898 


präparaten von Opalina ranarım, sowie im Epithel der Trachea- 
schleimhaut eines fünfmonatlichen menschlichen Fötus, der in 
dem Gemisch von Lenhossek fixiert war, erhalten. Es ist 
bemerkenswert, dass bei einer Färbung vollkommen frischer 
Flimmerzellen mit Methylenblaulösungen die von mir beschriebenen 
Scheiben sich desgleichen intensiver färben als die sie trennenden 
/wischenabschnitte. Dieser Umstand, sowie die Verschiedenartigkeit 
der untersuchten Objekte, fernerhin der Umstand, dass ich mit 
gleichem Erfolge sämtliche angeführten Reaktive angewandt 
habe, sprechen meiner Meinung nach genügend gegen die 
Möglichkeit von Kunstbildern und zugunsten dessen, dass diese 
Bilder tatsächlich einer natürlichen Differenzierung der Flimmer- 
haare entsprechen. Selbst bei Betrachtung von frischen oder 
fixierten Präparaten ohne jegliche Färbung lässt sich bisweilen 
wahrnehmen, wenn auch nicht deutlich, dass die Haare nicht 
homogen sind, wobei dieses Verhalten nach dem Hinzufügen von 
Methylenblau beträchtlich deutlicher hervortritt. Fin mehr oder 
weniger genaues Bild der erwähnten Struktur der Flimmerhaare 
kann natürlich nur bei Anwendung einer gut differenzierenden 
Färbung, z. B. Eisenhämatoxylin von Heidenhain, erhalten 
werden. Eine nicht geringe Schwierigkeit bestand hierbei darin, 
den entsprechenden Moment bei der Extraktion des Hämatoxylins 
mit Eisenalaun abzupassen. In der Mehrzahl der Fälle muss 
hierbei von einer Deutlichkeit der übrigen Zellstruktur abgesehen 
werden, da die feinen Flimmergebilde leicht entfärbt werden, 
weswegen auch auf den anderen der Arbeit beigegebenen 
Zeichnungen die hier beschriebene Struktur der Flimmerhaare 
nicht wahrnehmbar ist. 

Diese meine Beobachtungen stehen nicht isoliert da. Stuart 
(1865) beschreibt in dem Cirrenvelum der Larven von Ap/ysia 
virescens, sowie in den flimmernden Richtungskörpern bei der 
Eifurchung dieser Tiere, dass die Flimmerhaare flache, zum 
Ende sich verjüngende Bänder darstellen, welche aus einer Reihe 
dicht beieinander gelegener Fibrillen bestehen. Diese Fibrillen 
seien aus aufeinander folgenden länglichen viereckigen Muskel- 
teilchen zusammengesetzt (deren Ecken etwas abgerundet sind), 
welche in einem schwach lichtbrechenden, leicht körnigen Proto- 
plasma eingelagert sind. Verfasser nimmt hierbei eine voll- 
kommene Idendität der Flimmerhaare mit den Muskelfasern an. 


354 A. Koladev: 


Eine derartige phantastische Beschreibung behindert jedoch eine 
reale Vorstellung des vom Verfasser tatsächlich gesehenen Bildes. 
Bei den optischen Hilfsmitteln, welche Verfasser zu Gebote 
standen und welche eine Vergrösserung von im Maximum 750 mal 
ergaben, ist es direkt undenkbar, die einzelnen Fibrillen, die in 
den Bestand der Flimmerhaare eingehen, zu sehen, geschweige 
denn die detaillierte Struktur einer derartigen Fibrille (wenn 
auch nur halbschematisch) mit Bezeichnung der dieselbe zusammen- 
setzenden Elemente zu zeichnen. Hensen (1865) hat in den 
Flimmerhaaren des Epithels, welches die Stiele der Mantelaugen 
von FPecten jacobaeus auskleidet, die von Stuart beschriebenen 
„rechteckigen Muskelelemente“ gesehen. Verfasser gibt jedoch 
selber zu, dass die von ihm angewandten Mittel nicht die 
Möglichkeit geben, irgendwelche entscheidende Schlüsse aus den 
von ihm beobachteten Bildern zu ziehen. 

Künstler (1882) beobachtete bei den Flagellaten: Urypto- 
monas olivaceus, Euglena oxyurus, Chilomonas paramaecium, 
Chlamidomonas pulvisculus etc. eine leichte Querstreifung der 
Geisseln, welche er der Querstreifung der Muskeln gleichstellt. 
Verfasser gibt hierbei eine äusserst dunkle Erklärung der von 
ihm dargestellten Struktur. Seiner Meinung nach befinden sich 
in dem Grundfaden der Geissel eine Reihe besonderer Kügelchen, 
die voneinander durch schmale Streifen einer hellen Protoplasma- 
masse getrennt sind. Diese Kügelchen, welche Künstler nicht 
gesehen hat und auf seinen Zeichnungen nicht wiedergibt, stellt 
er als massive „Mikrosomen“ dar, ähnlich denen, welche im 
gesamten Protoplasma zerstreut sind. Die sie trennenden 
schmalen Protoplasmastreifen ergeben seiner Meinung nach die 
Querstreifung des Grundfadens der Geissel. Die von diesem 
Forscher beigegebenen Abbildungen machen jedoch bei der 
Unklarheit der Beschreibung den Eindruck einer äusseren 
Gliederung der Geisseln der Art, wie sie z. B. Löffler (1888) 
beschreibt. Alfred Fischer (1894) bildet bei Polytoma 
wvella und Bodo spec. einen grobkörnigen, meiner Meinung 
nach eher einen varikösen Bau der Geisseln ab, welcher nach 
dem Verfasser an die von Verworn („Bewegung der lebenden 
Substanz“) beschriebene Struktur der reizbaren Pseudopodien der 
Örbitolithen erinnert. Verfasser stellt jedoch selber die Richtigkeit 
des von ihm erhaltenen Strukturbildes in Abrede und schreibt 


Uber den Bau des Flimmerapparates. 355 


dessen Entstehung der quellenden Wirkung der von ihm angewandten 
Löfflerschen Beize zu. 

Tönniges (1898) und Plenge (1898—1901) haben beide 
gleicherweise, ersterer in den Flimmerhaaren von Opalina ranarum, 
letzterer in den Geisseln von Mycetozoenschwärmern abwechselnde 
dunkle und helle Abschnitte wahrgenommen. Hier kann schliesslich 
noch erwähnt werden die quergestreifte Differenzierung des 
besonderen Tasters von Noctiluca miliaris, dessen Abbildung 
sogar in Lehrbüchern aufgenommen ist (Doflein, 1902, und 
andere). Im allgemeinen stösst jedoch irgendwelche Identifizierung 
der Taster der Protozoa mit den Flimmerapparaten auf ent- 
schiedenen Widerspruch von vielen Seiten, obgleich sie auch 
einige Anhänger (Schäfer, 1904) aufweist. Schuberg (1905) 
erklärt direkt, gestützt auf Befunde, die Bütschli anführt 
(1887— 1889), dass der Taster von Noctiluca seinem Bau und 
dem Charakter seiner Bewegung nach dermassen isoliert dasteht, 
dass er als Grundlage für irgendwelche Schlüsse, die Beziehungen 
zum allgemeinen Problem der Flimmerbewegung haben, nicht 
angenommen werden kann. 

Aus den angegebenen Gründen sind die Angaben von 
Stuart, Hensen, Künstler und Fischer nicht beweisend. 
Die Beobachtungen von Tönniges und Plenge wurden gewöhn- 
lich infolge Mangels einer genauen Beschreibung und einer 
Bestätigung an anderen Objekten von den späteren Forschern 
ignoriert und bei der physiologischen Begründung der Flimmer- 
bewegung nicht in Betracht genommen. Gegenwärtig jedoch, 
nachdem ich eine gleiche Struktur der Flimmerhaare bei ver- 
schiedenen Tieren gezeigt habe, erhalten meiner Meinung nach 
auch diese Befunde eine gewisse Bedeutung. 

Oben bereits habe ich darauf hingewiesen, dass auf Grund 
von tatsächlichen Befunden die Mehrzahl der neuesten Forscher 
eine Autonomie der Flimmerhaare bei der Bewegung derselben, 
sowie eine Sonderung zweier morphologisch verschiedener Elemente 
an denselben anerkennt. Ich möchte hier in Kürze die Erklärungen 
der physiologischen Grundlage der Flimmerbewegung berühren, 
welche einerseits auf einer Anerkennung der Autonomie der 
Flimmerhaare, andererseits auf der Tatsache eines Vorhandenseins 
eines besonderen Achsenfadens und einer denselben umgebenden 
plasmatischen Hülle begründet sind. — Bereits Leydig (1885) 


356 A. Koladev: 


nahm an, dass die Plasmahülle der Flimmerorgane, welche aus 
einer halbflüssigen Substanz besteht, aktiv beweglich sei, oder 
das eigentliche kontraktile Element bilde, während der solidere 
Achsenfaden nur ein elastisches, passiv bewegliches Gebilde dar- 
stelle. Lankester (1897), Bütschli (1902), Prowazek (1904) 
hielten eine derartige funktionelle Scheidung wenigstens für die 
Geisseln der Protozoa als erwiesen. Eine Reihe neuester Forscher: 
Pütter (1904), Gurwitsch (1904), Schuberg (1905) und 
andere stellen das Vorhandensein zweier physiologisch verschiedener 
Elemente überhaupt für alle Flimmergebilde fest, indem sie 
somit das wesentliche der Erscheinung der Flimmerbewegung 
auf eine gegenseitige Einwirkung von Kräften zurückführten, 
welche sowohl der elastischen als auch der kontraktilen Substanz 
zu eigen sind. 

Ich glaube, dass die von mir erwiesene Struktur der Flimmer- 
haare, welche aus dunklen Scheiben und aus schwach gefärbten, 
dieselben trennenden Zwischenräumen bestehen, einer derartigen 
Deutung nicht widersprechen. Im Gegenteil scheint es mir, dass 
gerade in dieser Struktur die kontraktile Eigenschaft der plas- 
matischen Hülle ihren äusseren Ausdruck findet, welche somit in 
Gestalt von kompakten dunklen Abschnitten und hellen Zwischen- 
räumen differenziert ist. Der Achsenfaden erstreckt sich natür- 
lich als elastischer Schaft des Flimmerhaares unverändert vom 
oberen Ende desselben bis zu dessen Basis. 

Die Bezeichnung „Scheiben“ habe ich für die dunklen Ab- 
schnitte nur auf Grund eines äusseren Eindrucks (ausserdem 
in Profilansicht derselben) angewandt. Tatsächlich können sie 
sich als Ringe darstelien, welche den Achsenfaden umgeben. 
Wie bereits oben erwähnt, endigen die Flimmerhaare niemals 
mit einer dunklen Scheibe, ihr Endpunkt erscheint stets als heller 
verjüngter, bald grösserer bald geringerer Abschnitt. Dieser 
Umstand gibt mir die Möglichkeit an die Hand, eine Analogie mit 
den Angaben der oben erwähnten Forscher hinsichtlich der 
Anwesenheit eines besonderen Abschnittes der Flimmerhaare 
in Gestalt eines nackten Achsenfadens — Endstückes — durch- 
zuführen. 

Basalkörperchen. Für die Mechanik der Flimmer- 
bewegung, die auf der gegenseitigen Wirkung der beiden oben 
angeführten Kräfte beruht, ist das Vorhandensein eines gewissen 


Über den Bau des Flimmerapparates. 357 


Stützpunktes in Gestalt eines fest fixierten Körperchens durchaus 
zweckentsprechend, wenn nicht gar physiologisch notwendig. 
Einen derartigen Punkt stellen die Basalkörperchen dar, die als 
Anheftungspunkt der Flimmerhaare an den Zelleib dienen. Zu 
den Ansichten, welche eine ähnliche Rolle der Basalkörperchen 
vollkommen in Abrede stellen, kann nur die Theorie von 
Henneguy-Lenhossek gezählt werden, welche den Basal- 
körperchen, als Gebilden centrosomaler Herkunft, die Bedeutung 
eines kinetischen Zentrums zuschreibt, sowie die Ansicht von 
Apäthy (1897), welcher dieselben als Endigungen eines be- 
sonderen Nervenapparates, der sich in Gestalt der Wurzein der 
Flimmerhaare darstellt, ansieht. Sämtliche übrige Ansichten 
über die Bedeutung der Basalkörperchen enthalten im wesent- 
lichen nichts, was ihre Stützfunktion ausschliesst. Frenzel 
(1886) hielt die Basalkörperchen für Schutzgebilde für das voll- 
kommen entblösste Protoplasma der Flimmerzellen. Diesem Zwecke 
dient jedoch der von der Mehrzahl der Forscher erwiesene 
Kutikularsaum, durch welchen die Flimmerhaare hindurch- 
treten. Gurwitsch stellt auf Grund seiner Beobachtungen über 
die Entwicklung des Flimmerapparates (im Tubarepithel von 
Kaninchen, des Darmes von ZLumdricus sowie den Kiemen und 
dem Ösophagus von Krötenlarven) fest, dass zunächst und zwar 
vollkommen selbständig die Basalkörperchen erscheinen, darauf 
jedoch von ihnen die Flimmerhaare auswachsen. Der Verfasser 
zieht hieraus den Schluss, dass bei der Histogenese die Basal- 
körperchen als Nachwuchs dienen, auf Kosten dessen die Härchen 
selber sich entwickeln; in den erwachsenen Zellen enthalten sie 
das Material, das von den Flimmerhaaren während ihrer Funktion 
verwandt wird. Eine ähnliche Ansicht spricht auch Holmgren 
(1902) in bezug auf die Basalkörperchen, die er in den Chitin- 
matrixzellen von Arthropoden gefunden hat, aus; die letzteren 
bilden verschiedenartige Gebilde, welche dieser Forscher für ver- 
klebte, chitinisierte Flimmerhaare hält. Gurwitsch ist es 
jedoch nicht gelungen, an diesen Objekten den Prozess der Ent- 
wicklung der Flimmerhaare selbst zu verfolgen. Übergangsstadien 
von Zellen, die mit Basalkörperchen versehen sind, jedoch keine 
Flimmerhaare haben, zu vollkommen entwickelten Flimmerzellen 
gibt er nicht an. Auf welche Weise hier die Flimmerhaare aus- 
wachsen, ist für ihn unbestimmt geblieben. Ausserdem beschreibt 


358 A. Koladev: 


jedoch dieser Forscher bei Salamanderlarven (Rachenepithel) einen 
vollkommen entgegengesetzten Entwicklungsgang, da hier sich 
zunächst aus den Flächen der kutikularen Waben Flimmerhaare 
absondern und erst darauf an deren Basis die Basalkörperchen 
erscheinen. — Was nun die unmittelbare Stützfunktion der Basal- 
körperchen anbetrifft, so spricht sich dafür eine ganze Reihe von 
Forschern aus. Eismond (1900) erklärt direkt, dass sie als 
Anheftungspunkt der Flimmerhaare und als Stützpunkt der sie 
in Bewegung versetzenden Kraft dienen. Eine ähnliche Ansicht 
haben früher Künstler (1882), Plenge (1899), Meisen- 
heimer (1899) ausgesprochen; in neuester Zeit nehmen das- 
selbe Maier (1905), Schuberg (1905), Kuppelwieser (1906), 
Erhard (1910) und andere an. 

Da ich derselben Ansicht bin, so will ich mich bemühen 
darzulegen, inwieweit das rein anatomische Bild dieser Funktion 
der Basalkörperchen entspricht. Heidenhain (1899) vermerkt, 
indem er bei Helix pomatia die Anordnung der Basalkörperchen 
in Reihen an der freien Oberfläche der Zellen beschreibt, dass 
dieselben reihenweise untereinander durch besondere Streifen der 
Grenzmembran der Zelle verbunden sind. Luther (1904) stellt 
in dem Flimmerepithel der Haut von Turbellarien (Rhabdocoela) 
fest, dass die in Längsreihen angeordneten Basalkörperchen nicht 
nur reihenweise miteinander verbunden sind, worauf Heiden- 
hain hingewiesen hat, sondern dass bisweilen von einigen der- 
selben feine Protoplasmazüge zu Körperchen der anderen Reihe 
ziehen. Im Darmepithel von Anodonta, besonders an den Zellen, 
welche an den Krümmungen des Darmkanals gelegen sind und 
infolgedessen eine verbreiterte freie Oberfläche aufweisen, habe 
ich selber die Beobachtungen machen können, dass jedes Basal- 
körperchen vermittels besonderer Züge mit sämtlichen übrigen, 
dasselbe umgebenden Körperchen verbunden ist (Fig. 2). Von 
den am Rande gelegenen Körperchen gehen gleiche Züge auch 
peripherwärts zu den Zellwandungen ab. Auf der Oberfläche der 
Flimmerzellen entsteht somit unter der Kutikula eine Art eines 
besonders differenzierten, intensiv gefärbten protoplasmatischen 
Netzes, das gleichmässig sich allseitig ausbreitet und in dessen 
Knotenpunkten die Basalkörperchen eingelagert sind. Auf Vertikal- 
schnitten (Fig. 3) erscheinen die Balken dieses Netzes als 
schärfer hervortretende Grenzschicht der Zelle, welche sich an 


Über den Bau des Flimmerapparates. 359 


jedem Körperchen etwas verdickt. Das von mir geschilderte 
Bild findet eine Bestätigung in den Angaben von Gurwitsch 
(1901), dass bei der Entwicklung des Flimmerapparates die 
Basalkörperchen als Knotenpunkte von Schlingen der deutlich 
wabenförmig gebauten Kutikula entstehen. Es ist beachtenswert, 
dass die gleichen Beziehungen im Bau des Flimmerapparates 
auch bei Infusorien vorhanden sind. Schuberg (1905) beschreibt, 
dass bei Paramaecium caudatum bei der Betrachtung von der 
der Fläche die Basalkörperchen gewöhnlich in der Mitte besonderer 
vieleckiger Felder der Pellikula gelegen und miteinander durch 
Längslinien verbunden sind, welche Verfasser für eine unterhalb der 
Pellikula eingelagerte fibrilläre Differenzierung der oberflächlichen 
protoplasmatischen Schicht hält.') Bisweilen, schreibt Schuberg» 
sind auch (wenn auch recht schwach) radial von den Basal- 
körperchen abgehende Linien zu erkennen. Verfasser vermerkt 
jedoch nicht, ob diese Radiallinien eines Basalkörperchens mit 
gleichen Linien eines anderen Körperchens sich vereinigen, oder 
ob sie sich nur auf das Gebiet ihres Feldes beschränken; wahr- 
scheinlicher ist das letztere Verhalten. 

Meine Fig. 3 erweist, dass bei Anodonta die Basalkörperchen 
bisweilen komplizierte Formen in Gestalt zweier übereinander 
gelegener vollkommen runder Gebilde darstellen, wobei das untere 
in einen Knotenpunkt des oberflächlichen Netzes eingelagert ist, 
während das obere, etwas kleinere, vollkommen frei gelegen ist. 
In Anbetracht des minimalen Abstandes zwischen beiden Gebilden, 
ihrer runden Form und ihrer bedeutend geringeren als gewöhnlich 
Dimensionen, kann, glaube ich, angenommen werden, dass auch 
die einzelnen, gewöhnlich länglichen Basalkörperchen tatsächlich 
Doppelgebilde darstellen, was nur infolge ihrer geringen Grösse 
nicht immer möglich ist, festzustellen. Dieselbe Annahme hat 
bereits früher Fuchs (1904) ausgesprochen auf Grund dessen, 
dass bei der Entwicklung des Flimmerapparates in den Coni 
vasculosi (bei der Maus) die Basalkörperchen als zwei Körner — 
einem distalen und einem proximalen, angelegt werden, wobei 


!) Wahrscheinlich beschreibt auch Tönniges (1898) bei Opalina 
ranarum dasselbe Gebilde als unterhalb der Pellikula sich kreuzende 
Fäden, in deren Knotenpunkten die Flimmerhaare gelegen sind. Dieser 
Forscher nimmt sogar an, dass die Kontraktion dieser Fäden die Bewegung 
der Flimmerhaare hervorruft. 


360 A. Kolacev: 


Fuchs dieselben sogar mit den Zentralkörperchenpaaren ver- 
gleicht. Es ist jedoch äusserst schwierig nach den Angaben 
des Verfassers sich klarzustellen, wem das untere (distale) Korn 
entspricht: ob dem Gebilde, welches Frenzel (1886) in seinem 
Schema der komplizierten Basalkörperchen als „oberes Knöpfchen “ 
bezeichnet, oder aber dem „Nebenknöpfchen“ dieses Schemas, 
welchem ich das von mir beschriebene Nebenkörperchen gleich- 
stelle. Eine derartige Scheidung ist jedoch unbedingt wichtig, 
da das von Frenzel als „oberes Knöpfchen“ bezeichnete Gebilde 
bisweilen von den Autoren als äusserer (an der Grenze der 
Kutikula) Knotenpunkt des Zwischengliedes des Flimmerhaares 
dargestellt wird und eine vollkommen andere prinzipielle Bedeutung 
(besonders nach Erhard, 1910) haben kann, infolgedessen eine 
Zusammenstellung diese Gebildes mit echten Basalkörperchen 
unmöglich erscheint. 

Die Wurzeln der Flimmerhaare. Bereits Engel- 
mann vermerkt bei der Beschreibung der fibrillären intracellulären 
Fortsetzung der Flimmerhaare, dass dieselbe bisweilen fein 
gekörnt erscheint, was auch aus seinen Abbildungen hervorgeht. 
Gaule (1881) hielt sie für quergestreift. Die Vorstellungen über 
diese Gebilde waren jedoch im allgemeinen augenscheinlich sehr vage. 
Benda (1899), welcher die Wurzelfäden als Mitochondriengebilde 
ansieht, beobachtete in ihnen Varikositäten. Auch Heidenhain 
(1599) vermerkt bisweilen eine Körnelung des Fadenapparates 
der (nieht flimmernden) Zellen des Darmepithels vom Frosch. 
Meine Präparate weisen desgleichen darauf hin, dass die Wurzel- 
fäden der Flimmerhaare varikös sind. Diese Varikosität ist 
bisweilen dermassen scharf ausgeprägt, dass die Fäden selber 
als Reihen von in gewissen Abständen angeordneten Körnern 
erscheinen. Ausserdem jedoch gehen von den Fibrillen an den 
Stellen der Varikositäten Sprossen ab, die dieselben miteinander 
verbinden (Fig. 4. Sagittalschnitt entsprechend des Schemas von 
Heidenhain; Fig.5. Zellen Bund C — frontal, genauer Tangential- 
schnitt.) Auf diese Weise entsteht das typische Bild eines etwas 
in die Länge gezogenen Netzes mit Verdickungen an den Knoten- 
punkten, wobei die Längsseiten der Schlingen dieses Netzes, die 
sich durch ihre Massivität und ihre intensivere Färbung aus- 
zeichnen, die Wurzeln der Flimmerhaare darstellen, während die 
(Wuerbalken schwächer ausgebildet sind, infolgedessen sie auch 


Über den Bau des Flimmerapparates. 361 


nicht immer wahrnehmbar sind. Es ist klar, dass das Bild eines 
derartigen Netzes nur in dem Falle deutlich festgestellt werden 
kann, wenn das Netz nicht zu sehr in die Länge gestreckt ist 
und die Längsseiten seiner Schlingen einander nicht zu sehr 
genähert sind. In dem oberen Abschnitt der Flimmerzellen, wo 
die Fibrillen nahe an die Zellwandungen herantreten, sind sie 
auch mit den letzteren durch Querbalken verbunden. In dieser 
Hinsicht ist besonders überzeugend das Bild eines Querschnittes 
(Fig. 6) des oberen Abschnittes der Flimmerzellen, auf welchem 
die scharf gefärbten Wurzeln der Flimmerhaare und besonders 
die Verdickungen in den Knotenpunkten als dunkle Punkte 
erscheinen, die in dem schwächer gefärbten, allgemeinen Proto- 
plasmanetz eingelagert sind. Es ist beachtenswert, dass in dem 
von den Wurzelfibrillen freien Zellabschnitt, welcher dem von 
Heidenhain beschriebenen „toten Raum“ entspricht, kein der- 
artiges regelmässiges Netz vorhanden ist, sondern dass dasselbe 
nur durch einige regellos angeordnete Bruchstücke dargestellt 
ist (Fig. 4). Desgleichen fehlt auch ein regelmässig ausgebildetes 
Netz in den Abschnitten der Zelle unterhalb des Kernes; hier 
ist nur zu erkennen, dass eine mehr in der Längsrichtung 
angeordnete Verteilung der Bruchstücke des Netzes vorwiegt. 

Nun ist es interessant die Entwicklung derartiger Wurzeln 
der Flimmerhaare zu verfolgen. Ich führe hier die von Wallengren 
(1905) erhobenen Befunde über die Entwicklung derselben bei 
der Teilung der Epithelzellen des Darmes von Anodonta an. 
Nach Schluss des Teilungsprozesses erfolgt hier eine sekundäre 
Regeneration des während der Teilung verschwundenen Flimmer- 
apparates. Hierbei werden zunächst nach den Angaben dieses 
Forschers die Basalkörperchen angelegt (vollkommen unabhängig 
von den Üentrosomen), als eine Verdickung des dichten, peri- 
pherischen Zellsaumes, darauf erfolgt alsdann eine Differenzierung 
aus dem Protoplasma der fädigen Wurzeln selber. Wallengren 
beobachtete jedoch auch Fälle, in denen Spuren einer Absonderung 
der fädigen Wurzeln vor der Entstehung der Basalkörperchen 
auftreten. Infolgedessen gibt er hinsichtlich der Entwicklung 
der Wurzeln der Flimmerhaare drei Möglichkeiten zu: entweder 
beginnt ihre Differenzierung an dem unteren Ende der Basal- 
körperchen und erstreckt sich alsdann in das Innere der Zelle; 
oder aber die Wurzeln nehmen ihren Ursprung in dem inneren 


362 A. Koladey: 


Protoplasma und erreichen, indem sie sich in der Richtung zum 
freien Ende der Zelle ausbreiten, die Basalkörperchen; oder 
schliesslich sie differenzieren sich aus dem Protoplasma auf 
einmal in ihrer gesamten Länge. Den Prozess der Absonderung 
selber der Wurzeln der Flimmerhaare beschreibt Wallengren 
aus Mangel an entsprechenden Bildern nicht; er nimmt jedoch 
an, dass, da in den früheren Stadien diese Wurzeln eine geringere 
Ausdehnung in der Richtung von den Basalkörperchen haben, 
als in den späteren, so erfolgt augenscheinlich ihre Absonderung 
direkt aus dem Zellprotoplasma, ursprünglich jedoch wird der 
Prozess an den Basalkörperchen angelegt. 

An meinen Präparaten des Darmepithels von Anodonta habe 
ich, gerade dort, wo häufig die von Wallengren beschriebenen 
Teilungsfiguren angetroffen werden, besondere Zellen beobachten 
können, welche sich scharf von den übrigen gewöhnlichen Flimmer- 
zellen dieses Objektes absonderten. Das Protoplasma dieser Zellen 
lässt keine Spur der für jene typischen Wurzeln von Flimmer- 
haaren erkennen. Es stellt ein gleichmässig in der ganzen Zelle 
ausgebreitetes Netz dar, ohne jegliche Verdickungen in den 
Knotenpunkten und ohne eine bestimmte Anordnung seiner 
Schlingen zu offenbaren (Fig. 7). Auf Grund dessen, dass diese 
Zellen, die sich in beträchtlichem Maße aus der Reihe der übrigen 
Flimmerzellen hervortun, ausschliesslich dort angetroffen werden, 
wo mehr oder weniger häufig Teilungsfiguren vorhanden sind, 
dass sie häufig paarweise (wie Tochterzellen) gelegen sind und 
dass sie noch keine Anzeichen einer Sekretion offenbaren, bin 
ich der Meinung, dass sie junge Tochterzellen mit noch nicht 
abgesonderten typischen fädigen Wurzeln sind. Den Hauptgrund 
für die hier ausgesprochene Ansicht ergibt jedoch der Umstand, 
dass ich auf meinen Präparaten sämtliche Übergangsstadien einer 
allmählichen Ausbildung dieser Zellen in für das betreffende 
Objekt typische Flimmerzellen mit einem scharf abgesonderten 
Wurzelkegel der Flimmerhaare angetroffen habe. Die wichtigsten 
Übergangsstadien dieser Entwicklung geben die Figuren 7, 8 und 5 
(Zelle A). Fig. 7 gibt das Bild der plasmatischen Struktur, in 
welcher noch keine bestimmte Anordnung der Schlingen des 
allgemeinen Netzes bemerkbar ist. Hier ist nur die für jegliche 
Struktur der Flimmerzellen charakteristische Eigentümlichkeit zu 
erkennen, dass nämlich an jedes Basalkörperchen die vertikalen 


Über den Bau des Flimmerapparates. 363 


Seiten der zunächst an der freien Oberfläche angeordneten 
Schlingen des allgemeinen Netzes herantreten. Die Netzschlingen 
strecken sich darauf, wie es die Fig. 8 zeigt, etwas in die Länge, 
während sich ihre Längsseiten mehr geradlinig von den Basal- 
körperchen in der Richtung zum Innenteil der Zelle anordnen. 
Auf der Fig. 5 (Zelle A) ist diese Differenzierung bereits voll- 
kommen scharf ausgeprägt. Hier können schon die aus den 
Längsbalken des Netzes gebildeten, in der Richtung nach unten 
etwas konvergierenden Fibrillen verfolgt werden. Zwischen dem 
Kern und der freien Oberfläche der Zelle (näher zum Kern) 
treten Verdickungen in den Knotenpunkten auf, die sich darauf 
längs den Fibrillen nach oben erstrecken und das Bild von typischen 
Varikositäten der Wurzeln gewähren (Fig. 5, Zelle B und C). 
Mit der zunehmenden Absonderung der Wurzelfäden werden die 
Querbalken des Netzes feiner und färben sich weniger intensiv. 
Die in der Längsrichtung angeordneten Fibrillen nähern sich bei 
ihrer weiteren Ausdehnung einander und bilden (wenigstens dem 
äusseren Anblick nach) eine kegelförmige Oberfläche, und ziehen 
sich schliesslich beinahe in einen Endfaden aus. Hierbei wird 
das allgemeine plasmatische Netz zerstört, infolgedessen der „tote 
Raum“ entsteht, den Heidenhain beschreibt und der nur spär- 
liche, abgerissene Bruchstücke des früheren Netzes enthält (Fig. 4). 
Aus diesem Entwicklungsgang der Fibrillen des Kegels folgt, dass 
die Vorstellung Heidenhains (1899), als teilen sich die Fibrillen, 
als solche, dichotomisch in der Richtung vom Gipfel des Kegels 
zu dessen Basis, nur auf dem äusseren Eindruck beruht und 
augenscheinlich nicht der Tatsache entspricht. 

Bekanntlich gibt es eine Reihe von Hinweisen (conf. die 
erste Tafel von Erhard, 1910) darauf, dass bei den höheren 
Wirbeltieren in den Flimmerzellen typische Wurzeln der Flimmer- 
haare gefunden worden sind; nichtsdestoweniger können diese 
Gebilde nicht als charakteristisch für diese Zellen angesehen 
werden. Augenscheinlich muss jedoch auch bei den höheren 
Tieren die protoplasmatische Grundstruktur der Flimmerzellen 
von demselben Typus sein, der die Möglichkeit des Auftretens 
einer derartigen Struktur, wenn auch in einzelnen Fällen, gewährt. 
Tatsächlich habe ‘ich an verschiedenen Objekten (Trachea eines 
fünfmonatlichen menschlichen Fötus, Trachea des Pferdes, Uterus 
der Katze) ein feinstes Strukturnetz des Protoplasma wahrnehmen 


364 


AmReoNl are ev: 


können, ohne jegliche regelmässige Anordnung desselben, wobei 
auch hier die oberen Längsseiten der Schlingen ein jedes Basal- 


Fig. A. 

Die Zelle aus dem 
Epidermis von 
Aeolis papillosa. 
K. 1700. Nach 
Vienon (1900). 


Fie. B. 
Die Zelle aus dem 
Ösophagusepithel 
von Triton. Nach 
Vignon (1901). 


körperchen berühren. Das Bild eines derartigen 
gleichmässigen Netzesohne Sonderung derWurzeln 
der Flimmerhaare gibt auch Vignon (1900, 
1901) aus dem Ösophagusepithel von Triton so- 
wie (jedoch weniger typisch) in der Epidermis 
von Aeolis papillosa. Hierbei spricht Verfasser 
die Vermutung aus, dass die Wurzelfäden durch 
eine Längskoordination der Trabekeln dieses Netzes 
entstehen, d. h. genau auf dieselbe Weise, für 
welche meine Beobachtungen die tatsächliche 
Grundlage abgeben. 

Auf diese Weise kann überhaupt festgestellt 
werden, dass die protoplasmatische Grundstruktur 
aller Flimmerzellen sich als mehr oder weniger 
gleichmässiges Netz ohne besondere regelmässige 
Anordnung dessen Schlingen darstellt; erst später, 
infolge einer allmählichen Differenzierung der 
vertikalen Balken dieses Netzes, sondert sich der 
Fadenapparat aus, dessen Fibrillen als intracellu- 
läre Wurzeln der Flimmerorgane erscheinen. 

Diese Verallgemeinerung, als bestimmtes 
Prinzip des protoplasmatischen Baues, kann in- 
folge meiner Beobachtungen an Opalina ranarum 
auch auf die Wimperinfusorien übertragen worden. 
Gebilde, welche den intracellulären Wurzeln der 
Flimmerhaare entsprechen, sind bisher bei In- 
fusorien nur für derartige komplizierte Organe, 
wie „Wimperbündel“, „Cirren“ und „Membra- 
nellen“ beschrieben worden (Engelmann, 
1880; Maupas, 1883; Maier, 1903; Schuberg, 
1905; Bovard, 1907). Für die gewöhnlichen, ein- 
fachen Flimmerhaare sind bisher keinerlei intra- 
celluläre Fortsetzungen derselben angegeben 
worden. Einige Autoren (Schewjakoff, 1896, 
bei Urocentrum und Nassula aurea, Maier, 1903, 


bei Dursaria truncatella, und andere) vermerken bloss, dass zu- 
weilen in besonderen Fällen einem jeden Flimmerhaar Flächen 


Über den Bau des Flimmerapparates. 365 


oder Kanten der Waben der alveolären Schicht, die bisweilen 
direkt als „radiäre Fäden“ (Schewjakoff, 1896, pag. 25) be- 
zeichnet werden, entsprechen. Auf Grund derartiger Befunde 
erklärt Verworn (1891), dass die alveoläre Schicht überhaupt 
als „Teil eines Mechanismus“ für die Flimmerbewegung ver- 
standen werden kann; an und für sich ist jedoch eine derartige 
Bestimmung äusserst unbestimmt und drückt nichts Wesent- 
liches aus. 

Bei Opalina ranarum haben die Forscher bisher die für die 
Mehrzahl der Wimperinfusorien charakteristische alveoläre Schicht 
nicht gefunden. Bütschli (1889) nahm an, dass bei den mit 
einer dicken Hülle versehenen Ciliata, zu denen Nyetotherus, 
Balantidium, Dasytricha, Discophrya, Opalina gehören, die äussere 
homogene Ektoplasmaschicht der Pellikula und der alveolären 
Schicht der anderen Infusorien entspricht. Das Vorhandensein 
einer selbständigen alveolären Schicht war darauf (Maier, 
1903) erwiesen worden für die Arten Dasytricha, Discophrya, 
Balantidium. Nicht nachgewiesen war jedoch eine derartige 
Schicht bis jetzt bei Opalina und Nyctotherus. Bei Opalina ranarum 
fand ich jedoch unterhalb der Pellikula eine wabige Fktoplasma- 
schicht, welche der alveolären Schicht der übrigen Ciliata 
(Aspirotricha) entspricht. Dieselbe besteht jedoch hier nicht aus 
Waben von typischer länglicher Form, sondern aus solchen von 
bald mehr kubischer, bald mehr flacher, gleichsam längs der Körper- 
oberfläche gestreckter Form. Auf Querschnitten entsprechen 
jedem Flimmerhaar vertikale (in bezug auf die Oberfläche) 
Wabenflächen dieser Schicht. Diese Flächen zeichnen sich durch 
ihre grössere Dicke aus und machen besonders an den Stellen, 
wo die Waben mehr kubisch sind, den Eindruck von kurzen 
Wurzeln der Flimmerhaare in Gestalt von „radiären Fäden“, 
welche von den Basalkörperchen in das Innere des Infusorien- 
körpers abgehen. Meinen Beobachtungen nach beschränkt sich 
eine derartige Differenzierung der vertikalen Wabenflächen nicht 
allein auf die alveoläre Schicht, sondern erstreckt sich bei 
Opalina ranarum auch auf die übrigen protoplasmatischen 
Schichten. Ich habe nämlich wahrnehmen können, dass die 
Schlingen des Netzes im Endoplasma, welches nach den Angaben 
von Prof. Schewjakoff (1896) bei den Infusoria Aspirotricha 
(Holotricha) aus kleinen, grösstenteils unregelmässigen Vielecken 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 24 


366 A. Koladey: 


besteht, die das Endoplasmanetz bilden, recht häufig nicht die 
gewöhnliche vieleckige Form aufweisen, sondern in der @uer- 
richtung des Infusorienkörpers gestreckt sind. Dementsprechend 
ordnen sich die gestreckten Flächen der Vielecke in mehr oder 
weniger geraden Linien an; eine derartige geradlinige Koordination 
derselben kann dermassen scharf ausgeprägt sein, dass echte, in 
der Querrichtung des Infusorienkörpers sich erstreckende Fibrillen 
entstehen. Am meisten beachtenswert ist jedoch der Umstand, 
dass die auf diese Weise gebildeten Fibrillen auf dem Querschnitt, 
wie auch die Flächen der alveolären Schicht fast einem jeden 
Flimmerhaar entsprechen und längs den Wänden des grosswabigen, 
oder eher grobvakuolisierten (wie es Tönniges [1898] beschreibt) 
kortikalen Protoplasmas bis zu den Basalkörperchen selber (Fig. 9) 
verlaufen. Auf Längsschnitten, auf denen die in Reihen ange- 
ordneten Flimmerhaare und Basalkörperchen dichter beieinander 
gelegen sind, ist auch die beschriebene fibrilläre Differenzierung 
beträchtlich dichter. Ich muss jedoch zugeben, dass das Bild der 
protoplasmatischen Struktur bei Opalina ranarum stark variiert. 
Neben einer scharf ausgeprägten fibrillären Differenzierung kann 
ebenso häufig (auf Schnitten durch die End- und Randpartien des 
Körpers sogar beständig) das Bild eines kontinuierlichen Netzes 
in allen Protoplasmaschichten wahrgenommen werden. Nichts- 
destoweniger kann auch: bei Opalina ranarım das allgemeine 
Prinzip der Absonderung des Fadenapparates in den Flimmer- 
zellen aus einer ursprünglich gleichmässigeren Schicht verfolgt 
werden. 

Über die Bedeutung der Wurzeln der Flimmerhaare gibt 
es in der Literatur eine grosse Anzahl verschiedener Ansichten, 
Ich habe nicht die Absicht, dieselben hier ausführlich zu besprechen, 
sondern werde nur einige derselben anführen. Stuart (1867), 
Simroth (1876), Nussbaum (1877) schreiben ihnen eine 
motorische Funktion zu. Dieselbe Funktion erkennt für sie auch 
Benda (1898/99, 1900/01) an, indem er dieselben für Mitochondrien- 
gebilde hält. Eimer (1877), Apäthy (1897), Metalnikoff 
(1900) hielten die Wurzeln der Flimmerhaare für Neurofibrillen. 
Engelmann (1880) nahm an, dass sie Ernährungszwecken der 
Flimmerhaare dienen, während Prenant (1899) dieselben als 
chemische Bereiter der Flimmerbewegung ansieht. Eismond 
(1900), Peter (1899), Pütter (1904), Maier (1903) sprechen 


Über den Bau des Flimmerapparates. | 367 
den Wurzelfäden die Bedeutung von Stütz- und Anheftungs- 
organen der Flimmerhaare mit den Basalkörperchen zu. Heiden- 
hain (1899) schreibt überhaupt derartigen fädigen Gebilden 
(wie in dem Darmepithel des Frosches) eine Funktion des Wider- 
standes (Tonofibrillen) gegen jeglichen mechanischen Druck auf 
die Zelle zu. 

Erhard gelangt schliesslich, gestützt auf die Angaben 
von Goldschmidt (1907) bei Mastigamoeba vitrea und seine 
eigenen Versuche über die Flimmerzellen der Metazoa, zum 
Schluss, dass die Wurzeln der Flimmerhaare für eine Verkürzung 
dieser letzteren dienen. Es muss jedoch eingestanden werden, 
dass der Sinn einer derartigen Bedeutung derselben unklar ist. 
Mir scheint es ausserdem, dass die Versuche von Erhard nicht 
das direkte Recht für einen derartigen Schluss geben. Er legte 
die Zellen des Flimmerepithels in eine Lösung von Kirschleim 
ein und beobachtete hierbei, dass in den Zellen mit gut ent- 
wiekelten Wurzeln der Flimmerhaare (schmale Zellen des Darm- 
epithels von Anodonta) eine gewisse Verkürzung der Haare 
erfolgte, in den Zellen mit schwächer entwickelten Wurzeln 
(breite Zellen desselben Objektes) war die Verkürzung geringer 
und fehlte schliesslich gänzlich im Falle eines vollkommenen 
Mangels derselben (Pharynxepithel vom Frosch). Erhard gibt 
sogar zur Illustration seines Befundes Ziffern an: im ersteren 
Fall entsprach die Verkürzung im Mittel der Zahl 7,59, im zweiten 
4,22, im dritten O0. Der Verfasser lässt jedoch vollkommen ausser 
acht, dass auch die Zahlen, welche die mittlere Länge der 
Flimmerhaare vor dem Versuch angeben, desgleichen sich 
beträchtlich voneinander unterscheiden (ausserdem desgleichen in 
abnehmender Folge): 36,64: 34,09; 11,4. Ist das der Fall, so 
kann mit dem gleichen Recht angenommen werden, dass die 
kürzeren Flimmerhaare an und für sich dermassen konstruiert 
sind, dass sie einer Verkürzung unfähig sind. Zur Erklärung 
eines derartigen Vermögens der längeren Flimmerhaare bei 
einer Vergrösserung der Widerstandskraft des Mediums (im 
gegebenen Falle die konsistentere Kirschleimlösung) kann als 
Beispiel die gewisse unwillkürliche Verkürzung der Muskeln 
angeführt werden, die gewöhnlich als Begleiterscheinung einer 
jeglichen stärkeren Spannung derselben erfolgt. Meine Annahme 
einer analogen Selbstverkürzung der Flimmerhaare ist um so 

24* 


5) 


N 


w 


68 A. Koladev: 


wahrscheinlicher, als Erhard bei seinen Versuchen eine Ver- 
kürzung der Wurzeln selber überhaupt nicht beobachtet hat. 
Seine anderen weniger wissenschaftlich angestellten Versuche 
haben einen mehr zufälligen Charakter; Verfasser selber schreibt 
ihnen augenscheinlich keine entscheidende Bedeutung zu. 

Meine Ansicht über die Funktion der Wurzeln der Flimmer- 
haare besteht darin, dass sie der Zufuhr von Ernährungssubstanzen 
für die Flimmerhaare dienen, die einen schnellen Ersatz des bei 
den Arbeiten verbrauchten Materials bedürfen. Ich nehme jedoch 
an, dass auch die Stützfunktion, welche denselben von vielen 
Forschern zugesprochen wird, durchaus nicht die Ernährungs- 
funktion ausschliesst und desgleichen zu Recht bestehen kann. 
Indem die Wurzelfäden mit den Basalkörperchen eine feste Stütze 
für die Flimmerhaare abgeben, leisten sie auch, wie ich denke, 
dem Druck des Flimmerapparates auf die Zellen Widerstand, 
da ja der Widerstand, welchen die Flimmerorgane bei ihrer 
Bewegung von seiten des sie umgebenden Mediums erfahren, 
schliesslich in einen Druck auf die Oberfläche der entsprechenden 
Zelle übergeführt wird. 

Zum Schluss der Beschreibung der Protoplasmastruktur der 
Flimmerzellen und ihrer Beziehungen zum Flimmerapparat muss 
ich vermerken, dass Andeutungen auf einen derartigen Bau des 
Protoplasmas und auf eine Differenzierung aus demselben be- 
sonderer fädiger Gebilde M. Heidenhain (1899) ausgesprochen 
hat, auf Grund seiner Beobachtungen über das (nicht flimmernde) 
Epithel des Froschdarmes. Wenigstens weist nach den Worten 
dieses Forschers die sog. Körnchenzone des oberen Zellabschnittes 
dieses Epithels einen feinwabigen Bau auf, welcher bisweilen 
sich in Gestalt eines recht regelmässigen, feinen plasmatischen 
Netzes darstellt. Als einen deutlicheren Ausdruck des Baues 
dieser Zone bildet Heidenhain (Fig.1) in ihr einige feine 
Linien ab, welche die Längsstreifung in querer Richtung durch- 
ziehen. Derartige Strukturverhältnisse nimmt Verfasser auch 
für das Protoplasma des mittleren Zellabschnittes an, da er auch 
hier zwischen den Fibrillen feine Querbrücken wahrgenommen 
hat. Präparate, die für eine Abbildung einer derartigen Detail- 
struktur geeignet wären, hat er jedoch nicht erhalten. Auf jeden 
Fall, sagt Heidenhain, muss, wenn es möglich ist, dass das 
Plasma der Darmepithelzellen (des Frosches) im Grunde einen 


Über den Bau des Flimmerapparates. 369 


wabigen Bau hat, der Fadenapparat dieser Zellen als seine be- 
sondere, in den Wänden der Waben entstehende Differenzierung 
angesehen werden (pag. 192, 195). 


Herrn Professor A. Dogiel, sowie dessen Herren Assistenten 
spreche ich meinen Dank für die mir gewährten Ratschläge aus. 


Literaturverzeichnis.') 


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Bd. 4, H.2 und 3, 1910. 


!) Ich führe hier nur diejenigen Abhandlungen an, die ich in meiner 
Arbeit zitiere. Ein verhältnismässig vollständiges Verzeichnis sämtlicher 
Arbeiten, die Beziehung zu den Fragen über den Flimmerapparat haben, 
gibt Erhard — Studien über Flimmerzellen. Archiv f. Zellforschung, 
Bd.4, H.2 und 3, 1910. 


370 A. Kolatev: 


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m 


Über den Bau des Flimmerapparates. 371 


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(St) 
=] 
NO 


A. Koladev: Über den Bau des Flimmerapparates. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. 


Sämtliche Zeichnungen sind mit Hilfe eines Zeichenapparates angefertigt worden. 


Fig. 1—8. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Il, 


Darm von Anodonta. 

Bau der Flimmerhaare. Die Struktureinzelheiten der Zelle selber 
sind infolge ungenügender Extraktion des Weigertschen Häma- 
toxylins mit Eisenalaun nicht deutlich. Hermanns Mischung. 
Zeiss’ Apochrom. 1,30, 2 mm; Kompens.-Ok. 8. 

Die in den Knotenpunkten des oberflächlichen Protoplasmanetzes 
eingelagerten Basalkörperchen. Der Gipfel der an der Oberfläche 
etwas vorgewölbten Flimmerzelle (aus einer Biegungsstelle des 
Darmes) ist abgeschnitten. Die linke obere Ecke der Figur ist 
etwas geneigt. Flemmings (schwaches) Gemisch. Eisenhäma- 
toxylin. Zeiss’ Apochrom. 1,40, 2 mm; Kompens.-Ok. 12. 
Senkrechter Schnitt entsprechend der Fig. 2. Doppelte Basal- 
körperchen. Die unteren sind durch eine besondere protoplasmatische 
Grenzschicht verbunden, welche sich an jedem Basalkörperchen 
etwas verdickt. Flemmings (schwaches) Gemisch. Eisenhäma- 
toxylin. Zeiss’ Apochrom. 1,50, 2 mm; Kompens.-Ok. 12. 
Wurzeln der Flimmerhaare, welche durch Querbrücken mit Knoten- 
punkten verbunden sind. In dem von den Wurzeln freien Raume 
sind unregelmässige Bruchstücke des Netzes sichtbar. Sagittal- 
schnitt nach dem Schema von Heidenhain. Sublimat mit Essigs. 
Eisenhämatoxylin. Zeiss’ Apochrom. 1,350, 2 mm; Kompens.-Ok. 12. 
Zelle B und ©. Dasselbe. Frontal, genauer Tangentialschnitt. 
Querschnitt des oberen Teils der Flimmerzellen. Die Wurzeln der 
Flimmerhaare erscheinen als schwarze Punkte im allgemeinen 
Protoplasmanetz. Flemmings (starkes) Gemisch. Eisenhäma- 
toxylin. Zeiss’ Apochrom., 1,30, 2 mm; Kompens.-Ok. 8. 


7, 8 und 5. — Zelle A. Aufeinanderfolgende Stadien der Entstehung der 


fibrillären Wurzeln der Flimmerhaare aus dem allgemeinen, proto- 
plasmatischen Grundnetz. Sublimat mit Essigsäure. Eisenhäma- 
toxylin. Zeiss’ Apochrom. 1,50, 2 mm; Kompens.-Ok. 12. 
Opalina ranarum. Querschnitt. Die Basalkörperchen liegen unter 
der Kutikula in den Wänden der oberflächlichen, wabigen Proto- 
plasmaschicht. Entsprechend den Flimmerhaaren erstrecken sich 
im Endoplasma Fibrillen, die in den Wandungen des grobwabigen 
(oder vakuolisierten) Korticalplasma bis an die Basalkörperchen 
verlaufen. Die Fibrillen ziehen in Windungen zwischen den Kernen 
und besonderen sog. „Inhaltskörpern“, infolgedessen sie auf dem 
dünnen (2 .„) Schnitt nicht immer in ihrer ganzen Ausdehnung 
verfolgt werden können. Carnoys Gemisch. Eisenhämatoxylin. 
Zeiss’ Apochrom. 1,30, 2 mm; Kompens.-Ok. 8. 


Zur vergleichenden Anatomie des Mandelkerns 
und seiner Nachbargebilde. 


11.-Teil. 
Von 
Dr. Max Völsch, Nervenarzt in Magdeburg. 
Hierzu 28 Textfiguren. 


Im 68. Bande dieses Archivs veröffentlichte ich den ersten 
Teil dieser Arbeit. Aufgehalten durch anderweitige Arbeiten und 
meine praktische Tätigkeit konnte ich den zweiten Teil erst jetzt 
fertig stellen. Trotz dieser Verspätung und obwohl ich mir der 
Lücken, welche die Arbeit enthält, wohl bewusst bin, habe ich 
mich zu ihrer Publikation entschlossen, weil sie auf dem schwierigen 
und ziemlich unaufgeklärten Gebiet, welches sie behandelt, neben 
der Bestätigung älterer Anschauungen doch auch, wie ich glaube, 
einige neue Tatsachen und Gesichtspunkte bringt. 

Die ersten Abschnitte bringen die Beschreibung der Serien 
von den einzelnen Tieren, gewissermassen als Material, im Schluss- 
abschnitt habe ich die gesammten Resultate zusammengestellt. 

Die Figuren sind durchweg mehr oder weniger schematisierte 
Textfiguren. Von der photographischen Wiedergabe der Objekte 
habe ich abgesehen, weil mit ihrer zunehmenden Grösse auf dem 
zur Verfügung stehenden Raum sich die erforderliche Über- 
sichtlichkeit nicht zugleich mit deutlicher Ausprägung der Einzel- 
heiten erreichen liess. 


III. Fötorius furo. 

Als Paradigma der Karnivoren wählte ich wegen der Klein- 
heit des Gehirns einen Musteliden und unter ihnen das leicht 
erhältliche Frettchen.) Eine kontinuierliche Serie von Frontal- 
schnitten von 7!/a « Dicke wurde nach Nissl gefärbt. 


!) Ich gebe anmerkungsweise einige Daten und Maße, welche ich an 
drei Frettchengehirnen festgestellt habe: 

Gewicht des frischen Gehirns: I 6,85, II 5,64, III 7,43, Durch- 
schnitt 6,64 gr. Gewicht des Rückenmarks bei dem 555 gr wiegenden 
ers 52er. 


Se! Max Völsch: 


Bei der Verfolgung der Serie vom hinteren Hemisphärenpol aus ent- 
wickelt sich das Bild der Rindenschichtung genau in derselben Weise, wie 
ich es früher für Igel und Maus geschildert habe; die einzelnen Schichten 
werden zuerst tangential in einem Punkte getroffen, aus.den Punkten werden 
Kreise und aus den Kreisen Ringe. Nach ca. 140 Schnitten erscheint die 
ganze Rinde in Ringform, im Zentrum des Ringes das Mark. Die Rinde 
am ÖOceipitalpol hat danach eine Dicke von ziemlich genau 1 mm. Ich er- 
wähne bezüglich des allgemeinen Baues der Rinde nur kurz einige Punkte, 
in welchen Abweichungen gegen die ausführlich geschilderten Verhältnisse 
bei Igel und Maus bestehen. 

Beim Igel wurde die oceipitale Kuppe des Gehirns von dem weit 
distalwärts ausgedehnten Lobus pyriformis gebildet. In dieser, also ventral 
von der Fissura rhinalis lateralis gelegenen Kuppe fand ich eine sehr eigen- 
artige Rindenbildung, indem den übrigen, den Palliumschichten entsprechenden 
Zellenschichten eine Schicht sehr auffälliger rundlicher Zellen gewissermassen 
aufgelagert war; sie bildete somit die oberflächlichste, von den darunter 
gelegenen Schichten durch eine zellfreie Zone getrennte Rindenzellschicht dieses 
Gebietes (als R. bezeichnet) und verlor sich oralwärts allmählich (s.1. ce. 
p. 585 ff., 620, 630, 646 und 647). 

Bei der Maus erstreckt sich der Lobus pyriformis distalwärts genau 
so weit wie das Pallium. Es gelang mir hier nicht, mit Sicherheit eine 
entsprechende oberflächliche Kuppenschicht abzuscheiden, dagegen fand sich 
etwas weiter oralwärts auf der lateralen Seite des Lobus pyriformis eine 
ähnliche Formation. 

Beim Frettchen überragt nun das Pallium das Rhinencephalon distal- 
wärts um ein Erhebliches (ca. 3 mm). Wie danach zu erwarten, findet 


Maße (nach 24stündigem Aufenthalt in 96°/o Alkohol): 


Gesamtlänge der Basis (Fig. 2 von x ab) ... = 34-55 mm 
Länge der Basis: bis zum Bulbuss X, . .n.. u = 27-3077, 
Grösste basale Breite eo a AN, D. « 
Isthmusbreite (zwischen beiden Rhinencephal) . —= 6 - 
GrössterHohe .' .n..0 Meere. 0. le 

Länge der dorsalen Kante bis zum Bulbus . . — 202 „ 
Länge derselben vom hinteren Pol bis zur Cruciata — 121/13 „ 


Von Furchen sind deutlich erkennbar: 1. die Cruciata, 6—7 mm lang; 
2. die Sylvia, 6—6'/. mm lang; 3. die Ecto- und Suprasylvia verschmolzen; 
4. die Coronaria stösst mit der 5. Ansata und 6. Lateralis in einem Punkte 
zusammen; zwischen diesem Punkte und der Cruciata findet sich bei zwei 
Tieren beiderseits, bei dem dritten nur rechts eine Einsenkung im Gyrus 
sigmoideus. 7. Die Medilateralis ist bei zwei Tieren schwach angedeutet, 
beim dritten deutlich. Ecto- und Endolateralis fehlen. 8. Die Präsylvia 
ist sehr deutlich, desgleichen 9. die Rhinalis lateralis, welche in einen vorderen 
und hinteren Schenkel zerfällt. Eine Rhinalis medialis ist nur angedeutet. 
Das Tuberculum Rhinencephali tritt sehr deutlich hervor, das Tuberculum 
olfactorium ist dagegen nur bei Tier II und III, wenig prominierend, sichtbar, 
bei Tier I nicht erkennbar. 


Jı 


Anatomie des Mandelkerns ete. 37: 


sich am hinteren, also vom Pallium gebildeten Hemisphärenpol nichts Der- 
artiges. Ich will aber schon hier erwähnen, dass in den distalen Teilen des 
weiter vorn beginnenden Lobus pyriformis sich gewisse Zellanhäufungen in 
der Molekularschicht finden, die vielleicht mit jener R-Schicht beim Igel und 
bei der Maus in Parallele gestellt werden können. 

Noch sehr viel deutlicher, als bei den früher untersuchten Tieren 
(vergl. 1. e. p. 594, 596, 619, 658, 671) lässt sich beim Frettchen die Scheidung 
der oberflächlichsten Rindenzellschicht im Pallium (R’ genannt) in eine ober- 
flächlichere und tiefere Lage beobachten. Die erstere ist schmäler und be- 
steht aus kleineren, dichteren und bisweilen in Häufchen gelagerten Elementen, 
die letztere, breitere aus grösseren Zellen, welche aus- 
gesprochen „säulenförmig“ angeordnet sind. Der Über- 
gang ist meist ein ganz allmählicher, doch finden sich 
auch vielfach zwischen den beiden Lagen der Schicht 
längliche bis streifenförmige Lücken, Andeutungen einer 
zellarmen Zone zwischen den Lagen. Ich schliesse mich 
in der Bezeichnung dieser Lagen, die beim Frettchen in 
der Tat ganz unzweideutig als gesonderte Schichten 
imponieren, der Nomenklatur Brodmanns') an, und nenne 
sie Lamina granularis 
externa bezw. Lamina 


pyramidalis (IL resp. III). a 
Ein weiterer, recht auf- il 


fälliger Unterschied RN es 


gegen die Struktur dieser 
Schichten bei der Maus Fig. 1. Frettchen. Fig.2. Frettchen. 
und zumal bei dem Igel 

besteht darin, dass sie sich beim Frettchen fast ausschliesslich aus Gebilden 
zusammensetzen, welche den ausgesprochenen Charakter der dort als p-(Pyra- 
miden-)Zellen bezeichneten Zellen haben (vergl. 1. ce. p. 616); die dort als 
r-(Rund-)Zellen geschilderten Gebilde treten beim Frettchen sehr zurück.?) 
Dagegen besteht die nächste Schicht (R”, die Lamina granularis interna 
Brodmanns), die ich als „Körnerschicht“* ansprach, auch beim Frettchen 
aus kleinen charakteristischen „Rundzellen‘“. 

Schon beim Igel fand ich zwischen R’' und der nächsten Zellschicht ($S) 
„stellenweise sehr deutlich eine zellfreie oder ganz zellarme Zone“ (l.c. p. 618): 
ich musste es zweifelhaft lassen, ob die in dieser Tiefe gelegenen, sehr 
auffälligen p-Zellen (P) noch in den tiefsten Teilen von R’ oder darunter, also 
in der zellarmen Zone liegen (l. c. p. 618 und 671). Für das Frettchen ist 
es nun zweifellos, dass die erwähnten grossen Zellen in der meist sehr gut aus- 
gebildeten zellarmen Zone liegen (Lamina ganglionaris Brodmanns). Nur 
beiläufig will ich erwähnen, dass das Aussehen dieser Zellen in den ver- 


!) Beiträge zur Lokalisation der Grosshirnrinde. Journal für Psychologie 
und Neurologie, Bd. II, p. 136. 

?) Die Wiedergabe der r-Zellenformen auf Taf. XXXVIL, Fig. 1 des 
ersten Teils ist gänzlich verunglückt. 


316 Max Völsch: 


schiedenen Gehirnregionen ein sehr wechselndes ist. Während sie lateral 
typische Pyramidenzellen sind, haben sie z. B. medial vielfach r-Charakter, 
sind rundliche, große, mittelstark gefärbte Gebilde. 

Die tiefste Schicht (8, die Lamina multiformis Brodmanns) enthält 
auch beim Frettchen sehr mannigfache Zellen, vorwiegend vom Typus r; 
sie hat meist eine sehr bedeutende Dicke. 

Ich komme nach dem Gesagten mithin dazu, für das Frettchen ohne 
weiteres einen prinzipiell sechsschichtigen Aufbau der Rinde anzunehmen, 
wie er neuerdings namentlich von Brodmann vertreten wird. Und auch 
für Maus und Igel muss ich nach einer nochmaligen Revision der Schnitte 
wenigstens ein Fragezeichen hinter meine Ausführung auf p. 619 des ersten 
Teils machen, wonach ich den fünfschichtigen Bau Meynerts in der Rinde 
des Igels wiedererkannte. Man kann da in der Tat oft sehr im Zweifel 
sein, und der, welcher die Tierreihe aufsteigend von unten her ganz 
unbefangen durchsieht, wird leicht zu dieser Auffassung kommen. Da aber, 
wie gesagt, die „zellarme Zone“ stellenweise ganz deutlich ist und sich an 
manchen Stellen wenigstens durch den Gehalt an grossen Pyramiden bereits 
als Lamina ganglionaris charakterisiert, so wird man, namentlich wenn 
man die Tierreihe in umgekehrter Reihenfolge studiert, die Sechsschichtung 
als Grundtypus auch für Erinaceus anerkennen und Brodmann, soweit 
Igel und Maus in Frage kommen, zustimmen können, welcher diese Schichtung 
„durch die Reihe der Placentalier und die Marsupialier hindurch“ verfolgen 
konnte. In jedem Falle ist sie bei Fötorius ungleich deutlicher und aus- 
gesprochener, als bei Igel und Maus. 

Soviel über die Palliumrinde resp. die Rinde im allgemeinen beim 
Frettchen ; auf regionäre Modifikationen der Zytoarchitektonik dieser Rinde 
gehe ich nicht ein und ebensowenig kann es meine Aufgabe sein, die durch 
die fortschreitende Furchenentwicklung bedingten weit komplizierteren Ver- 
hältnisse zu verfolgen und die Furchen und Windungen zu homologisieren. 

Ich gehe vielmehr zur Besprechung des Lobus pyriformis über: 
Ich treffe in der Frontalserie auf Objektträger 74 auf die distale Spitze 
einer Windung, die ich einstweilen als N bezeichnen will. Die Spitze liegt 
ca. 3 mm vor dem distalen Hemisphärenpol. Die Windung N präsentiert 
sich zunächst als ein molekuläres Oval an der ventro-medialen Ecke der 
Hemisphäre, welches zunächst noch völlig von ihr getrennt ist, alsbald aber 
mit ihr dorsal verwächst. Diese Trennung der distalsten Frontalschnitte 
der Windung N von der Hemisphäre ist der Ausdruck eines medio-dorsalwärts 
gerichteten Übergreifens der die Windung lateral begrenzenden Furche 9 
und ihres direkten Überganges in die sie medial begrenzende Furche Ö. 
Fig. 3 orientiert über die Lage des noch sehr kleinen Lappens N, der Schnitt 
liegt kurz vor der Verwachsungsstelle des letzteren mit der Hemisphäre. 
Die Furche ., die Fissura rhinalis lateralis,!) erscheint hier und weiter oral 
als echte Fissur, die Furche 3 als stumpfwinkelige Knickung. Wie Fig. 3 


') Von hinten her schiebt sich in den distalsten Teil der F. rh. 1. die 
vordere verjüngte Spitze (Sp) einer mächtigen, durch eine tiefe mediale 
Furche (+) begrenzten Windung. Der distale Teil von o geht in diese Furche 


Anatomie des Mandelkerns etc. Suat 


zeigt, besteht der Lappen N aus einem grösseren dorsalen und einem kleineren 
ventralen Teil, welcher von ersterem auf der lateralen Seite durch die 
kleinere, durch den Pfeil markierte Einsenkung, den späteren Grund der 
Furche „ (s. Anm. 1), auf der medialen durch die leichte Einsenkung « ge- 
schieden ist. Der ventrale Teil erscheint etwas später in der Serie, dem- 
entsprechend sind auf Fig. 3 im Zentrum des dorsalen Teils bereits Zellen 
erschienen, während der ventrale noch ganz von der Molekularschicht (Lamina 
zonalis) eingenommen ist. Bald aber (Obj. 78)) füllt sich der ganze Lappen N 
mit dichtstehenden kleinen Zellen, welche allmählich mit der dorsalwärts 
über den Lappen hinwegziehenden Rinde in 
Berührung und Verbindung treten. Während ar 
in diesen die Zellschichten tangential 
treffenden Schnitten eine Scheidung nach 
Schichten nicht möglich ist, entwickelt sich Zu 
zuerst auf der Strecke 9—« an der medialen 
Seite der Hemisphäre eine eigenartige / 7 
Schichtung (Obj. 79) und fast gleichzeitig / BA 
tritt in der ventro-medialen Ecke von N (an ve 
dem mit X X bezeichneten Punkte, Fig. 4) f 
eine auffällige, aus kleinen Zellen be- 
stehende Zellgruppe hervor, welche sich zu- 
nächst wie eine Schale von unten her auf 
die erwähnten N ausfüllenden Zellen legt 
und sie von der Oberfläche verdrängt. Sie 
bildet weiterhin konstant einen rundlichen SU 
Haufen, weiter oral einen länglichen Streifen, Fig. 3. (Obj. 76, 6.) 
welcher von x x bis « reicht. Etwas weiter — — — Grenze der Rinden- 
oral (Obj. 81, s. Fig. 4) tritt lateral von dieser schichtung. 
Zellgruppe eine Veränderung in der Weise 
ein, dass an Stelle der kleinen dichtgedrängten Zellen des Lappens N sehr 
viel spärlichere, aber grosse Zellen treten, welche sich allmählich fort- 
schreitend lateralwärts gegen die Furche o ausbreiten, den ventralen Rand 
des sich stark verbreiternden Lappens N als ein lockerer oberflächlicher 
Streifen begrenzend. Ebenso allmählich formt sich auch das Bild der unter 
dieser oberflächlichsten Zellschicht gelegenen, tieferen Schichten um, und 
erst acht bis neun Objektträger später, ca. ®/a mm weiter vorn präsentiert 
sich das fertige Rindenbild des Lappens N, der nunmehr als Lobus pyri- 
formis angesprochen werden kann; er reicht also von o bis zur Furche a, 
während die zum Lappen N gehörige Strecke «&—3 sich als ein Teil der 
medialen Hemisphärenrinde entpuppt. 

Die ganze Rinde des Lobus pyriformis in dieser Höhe (vergl. Textfig. 5, 
Obj. 91, 5) kann in transversaler Richtung in fünf Bezirke geteilt werden, 


EN 
on 


über. Diese letztere flacht sich bald ab bis zu dem Punkt, auf welchen 
der Pfeil hinweist, und an dieser Stelle liegt dann weiter oral der Grund 
der Rhinalis lateralis. 

ı) Jeder Objektträger enthält zwölf Schnitte a 75 a = W u. 


—1 
[0 0) 


Max Völsch: 


für welche das Verhalten der oberflächlichen Rindenzellschichten 
charakteristisch ist; das Stratum zonale ist in dieser Höhe ziemlich breit, 
0,2—0,22 mm breit. 

1. Bezirk 1; angrenzend an « und etwa bis X x (Fig. 5) reichend, also 
medial, liegt der erwähnte Haufen oder Streifen kleiner rundlicher, zum 
Teil auch pyramidenförmiger Zellen. Er geht in die oberflächlichen Zell- 
schichten der medialen Hemisphärenwand über. 


Fig. 4. (Objektträger 82, 11.) Frettchen. Lobus pyriformis. 


ER inneren 


u t Grenze der tiefen Hirnschichtung. 
en, äussere 


2. Lateralwärts folgt ein Bezirk, der innere zentrale Teil oder Regio 
intermedia, wie ich ihn nennen möchte, in welchem jener erwähnte lockere 
oberflächliche Zellenstreifen deutlich ist, vorwiegend aus grossen, ziemlich 
stark tingierten, meist plump pyramidenförmigen Zellen gebildet, die dem 
Typus der r-Zellen zugerechnet werden müssen. Tiefer folgt eine Schicht 
spärlicherer rundlicher, blasser und grosser Zellen; zwischen beiden Schichten 
sieht man vielfach Lücken, die stellenweise zu einem nicht sehr auffälligen, 
die Schichten trennenden Streifen zusammenfliessen. Der Bezirk reicht 
VON RE 

3. Bezirk 3; noch weiter lateral (im äusseren zentralen Teil, von X 
bis etwa zu dem Sternchen, (Fig. 5) besteht die oberflächliche Zellschicht 
aus grossen, stark tingierten, ausgesprochen eckigen und pyramidenförmigen 
Zellen, deren Längsachsen unregelmässig gestellt sind; sie lagern sich viel- 
fach etwas dichter zu Gruppen und Haufen, doch bleibt die Zusammen- 
lagerung immer so locker, dass von einem fortlaufenden Zellenband nicht 
gesprochen werden kann. Darunter folgt, hie und da durch einen wenig aus- 
gesprochenen zellarmen Streifen von der oberflächlichen Schicht geschieden, 
eine Schicht typischer stark tingierter, in Reihen senkrecht zur Oberfläche 
gestellter Pyramiden, und schliesslich schieben sich die rundlichen blassen 


Anatomie des Mandelkerns etc. 379 


Zellen der zweiten Schicht des Bezirks 2 als ein sich lateralwärts verjüngen- 
der Keil noch unter diese Pyramiden unter. Ich bezeichne diesen Bezirk 3 
in diesen Frontalhöhen als Regio retroolfactiva. 


4. Von * bis o folgt ein ziemlich schmaler vierter Bezirk, in welchem 
die oberflächlichen Zellschichten lediglich durch radiär gestellte Pyramiden- 
zellen gebildet werden (fissurale Rinde). 


man 


A 
IT 


37 
Vrrg 9 


Fig. 5 (Obj. 91, 5) (ca. 36 fache Vergrösserung). 
xxxx Grenze des Ammonshorns. _....... Grenze der Fasc. dent. 
Frettchen, Lobus pyriformis. 


5. Dazu kommt als Bezirk 5 im Grunde vor o eine kleine, schmale 
Gruppe länglicher strichförmiger Pyramiden, deren radiäre Reihenstellung 
besonders ausgesprochen ist; ich nannte die Formation „prärhinencephale 
Rinde“. Sie ist an sich unbedeutend und verliert sich nach vorn zu ganz. 

Für alle 5 Bezirke dürften die bisher geschilderten Schichten der 
II.—IV. Schicht des Grundtypus entsprechen, resp. die oberflächlichen Zellen 
des Bezirks 2 und 3 der II., die tieferen Schichten der III. +IV. Schicht. 

Die Flächenform des zweiten und dritten Bezirkes ist in dem bis- 
her verfolgten Gebiet (also Obj. 81—91) keilförmig mit nach hinten gerichteter 
Spitze; durch die Entwicklung der Keile werden, während der mediale Be- 
zirk an seiner Stelle bleibt, die Bezirke 4 und 5, die überall dieselbe geringe 
Breite haben, mehr und mehr nach auswärts gedrängt, bis der Bezirk 5 
schliesslich (Fig. 5) im Grunde der Fissura rhinalis liegt. 


380 Max Völsch: 


Die tiefe Schichtung ist nun allen Bezirken des ganzen sich von 
e—« erstreckenden Gebietes gemeinsam. Zunächst unter der Schicht III+ IV 
die für den Lobus pyriformis höchst charakteristische breite, zellarme Zone, 
welche stets im ventromedialen Winkel der Hemisphäre nach dem Punkte 
x hin, also zwischen Bezirk 1 und Bezirk 2 oberflächenwärts eine Art 
Zapfen sendet, der allerdings, wenigstens als kompakter, weisser Strang 
die Oberfläche nirgends erreicht, also im wesentlichen die Schichten IIT +IV 
des Bezirks 1 von denselben Schichten des Bezirks 2 scheidet. Der zellarme 
Streifen ist im Bezirk 2 viel deutlicher, als im Bezirk 3. Ich glaube zu 
sehen, dass der Streifen medial räumlich in die V. Schicht der medialen 
Hemisphärenrinde, die Lamina ganglionaris, übergeht. Brodmann!) meint, 
dass an der Bildung der oberflächlicheren Zellschichtung auch die Lamina 
ganglionaris Teil nimmt, so dass die unter II gelegene Schicht HI—-IV-+-V 
umfassen würde (Affe), und bezeichnet den zellarmen Streifen als Vb. 

Auf den Streifen folgt eine mehrreihige Schicht dicht liegender runder, 
blasser Zellen und darauf eine ganz lockere Schicht ähnlicher Zellen. Im 
Anschluss an Brodmann bezeichne ich sie als VIa und VIb. 

Die an den Lobus pyriformis angrenzende untere mediale Rinde (Furche « 
bis Furche 9, welch letztere sich aber in diesen Höhen bereits ausgeglichen hat) 
hat in Fig. 5 einen recht eigenartigen Bau erlangt; derselbe ist in Fig. 4 noch 
nicht deutlich. Unter I sieht man ein mehrreihiges, leicht festoniertes 
Band (II), aus kleinen bis mittelgrossen, ziemlich stark tingierten Pyramiden 
zusammengesetzt; es folgt eine deutliche Molekularschicht, dann eine 
ziemlich breite Schicht blasser kleiner Zellen, die wohl III+IV repräsen- 
tieren dürfte. An diese Schichten (II und III-+-IV) schliesst sich lateral 
der mediale Bezirk des Lobus pyriformis, der kleinzellige Streifen des 
Bezirks 1, an. Weiter in der Tiefe folgt ein schmaler zellarmer Streifen, 
in dessen tieferen Teilen stark tingierte, vereinzelte grössere Pyramiden 
liegen, die Lamina ganglionaris; endlich die multiforme Schicht. 

In der Höhe von Fig.5 überragt der Lobus pyriiormis das Pallium 
bereits basalwärts. 

Bei der Verfolgung der Serie oralwärts ergibt sich nun bezüglich der 
weiteren Entwicklung der Rinde des Lobus pyriformis folgendes: die am 
meisten in die Augen fallende Veränderung besteht in einer erheblichen 
Verbreiterung der Windung, und zwar erfolgt diese Verbreiterung aus- 
schliesslich zugunsten des dritten Bezirks. Während Bezirk 2, etwas medialer 
rückend, in ungefähr derselben Breite verharrt, wie in Fig. 5, verbreitert 
sich Bezirk 3 bis etwa Objektträger 113 (= ca.2 mm) um ungefähr das 
Doppelte, bis Objektträger 135 (weitere 2 mm ca.) um das Dreifache. 
Innerhalb dieser letzteren Strecke treten noch weitere Veränderungen ein 
(Fig. 6 und 7): 

1. Die Zellen des medialen Bezirks (Bezirk 1) bleiben auch in den 
Frontaiebenen noch in Verbindung mit der medialen Rinde, wo das Ammons- 
horn an der medialen Oberfläche der Hemisphäre erscheint, und wo die 


2) 1. 6.,21V, 94493 MARTENS 0! 


Anatomie des Mandelkerns etc. >s1 


mediale Rinde im Frontalschnitt dadurch gewissermassen zerrissen wird; 
ich komme sofort auf diese Verhältnisse und die eigenartige Formation, die 
der mediale Bezirk mit dem — um es so zu nennen — ventralen Rest der 
medialen Rinde zusammen bildet, zurück. Hier nur soviel, dass weiter nach 
vorn zuerst dieser Rest der medialen Rinde, dann auch der mediale Bezirk 
des Lobus pyriformis immer kümmerlicher und unscheinbarer wird, und dass 
sich auf Objektträger 126 der ganze Komplex total verliert, so dass nun die 
Einstülpungsstelle des Ammonshorns direkt an die Molekularschicht stösst (s. u.). 


Fig. 6 (Obj. 110, 7). Frettchen, Lobus pyriformis. 
++++ Verlauf der Ammonszellschicht. F.H. = Fissura Hippocampi. 
oe — Fissura rhinalis lateralis. 


2. Die Zellen des inneren zentralen, des intermediären Bezirks 
nehmen allmählich ein anderes Aussehen an. An Stelle der sehr grossen 
Zellen der zweiten Schicht, welche zwar vielfach polardifferenziert sind, aber 
doch fast immer zugleich etwas abgerundet, welche stets einen grossen Kern 
und ziemlich stark gefärbten Protoplasmasaum haben, treten durchweg 
kleinere, ausgesprochen eckige, gleichmässig gefärbte, chromophile Formen 
auf, sehr unregelmässig gelagert und zu einem fast kontinuierlichen, aber 
immerhin ziemlich lockeren, schmalen oberflächlichen Streifen geordnet. 
Auch an die Stelle der blassen rundlichen Zellen der III. und IV. Schicht 
treten ähnliche, vielleicht ein wenig grössere Zellen. 

3. Schon bald hinter Objektträger 91 (= Fig.5) zeigen sich im 
äusseren zentralen Bezirk (der sogenannten Regio retroolfactiva) statt 
der oberflächlichen Zellschicht (II), zunächst an das laterale Ende des inter- 


mediären Bezirks sich anschliessend, sehr mannigfaltig gestaltete und ge- 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. >25 


382 Max Völsch: 


lagerte Zellen; es sind mehr oder weniger regelmässige Pyramiden, längliche, 
strichförmige, eckige, sternförmige und ganz unregelmässig geformte Gebilde, 
oft mit fadenförmigen radiären Protoplasmafortsätzen versehen, ziemlich dicht 
aneinander gelagert; die länglichen sind mit der Längsachse in allen 
Richtungen orientiert, vielfach, vielleicht sogar mit Vorliebe, parallel zur 
Rindenoberfläche. Sie ersetzen allmählich, lateralwärts vorschreitend, die 
grösseren pyramidalen Zellen der zweiten Schicht der Regio retroolfactiva, 
und liegen oberflächlicher, so dass die Zonalschicht schmäler wird (0,12 bis 
0,15 mm); zwischen den soeben beschriebenen Zellen und der folgenden . 
Schicht ist dann meist ein zellarmer Streifen sehr deutlich. Die Zellen - 
sind kaum mittelgross, doch kommen auch grössere und kleinere vor. Sie z 
sind zunächst noch spärlich, weiter vorn werden sie zahlreicher und dichter 
und lagern sich in vereinzelte rundliche oder längliche, durch mehr oder 
weniger breite Lücken unterbrochene Gruppen oder Inseln. Ich bezeichne 
die durch diese oberflächliche Inselbildung ausgezeichnete Region als den 
hinteren Teil der Regio olfactiva, als Regio olfactiva posterior 
(Fig. 6). 

Noch weiter oral tritt dann an die Stelle dieser Zellinseln ein aus 
noch kleineren, unregelmässigen, doch meist länglichen Zellen bestehendes 
dichtes und, je weiter nach vorn, um so dichter werdendes Band. Der 
lateralste, an die Fissura rhinalis lateralis grenzende Teil des Lobus pyri- 
formis (Bezirk 4) überzieht sich erst in sehr viel oraleren Ebenen mit diesem 
Bande, unterscheidet sich einstweilen auch durch die tiefere Schichtung von 
dem äusseren zentralen Bezirk; immerhin wird er weiter vorn in den 
letzteren einbezogen, den ich, soweit er von dem kontinuierlichen dichten 
Bande umgeben ist, als Regio olfactiva anterior bezeichne (Fig. 7). 
Der Übergang aus der Reg. olf. anterior in die Reg. olf. post. ist übrigens 
ein allmählicher, gerade so, wie der Übergang der letzteren in die Regio 
retroolfactiva. 

Auf Objektträger 135 (Fig. 7) bietet die Rinde des Lobus pyriformis 
danach folgendes Bild (der Schnitt liegt etwa °;« mm vor dem vorderen 
Ende des ventralen Ammonsschenkels, das äussere Linsenkernglied ist gerade 
im Schnitt erschienen, der Pedunculus strahlt in die innere Kapsel ein, der 
Tractus opticus ist noch nicht sichtbar an die Basis getreten): 


1. Medial stösst die Einrollungsstelle der Rinde in das Ammonshorn 
direkt an die Molekularschicht (s. u.); der Zellstreifen des medialen 
Bezirks ist verschwunden. 


2. Der intermediäre Bezirk besteht aus einem unter der Molekular- 
schicht (I) gelegenen lockeren Streifen unregelmässig gelagerter eckiger 
Zellen (II) und einer breiteren Schicht radiär gestellter Pyramiden (III--IV); 
dann folgt der zellarme Streifen und die tiefen Schichten, wie früher (V, 
VIa, VIb). 

3. Der äussere zentrale Bezirk imponiert in dieser Höhe bereits 
als Regio olfactiva anterior: unter der wieder breiter gewordenen Mole- 
kularschicht liegt das oben geschilderte, dichte, fast kontinuierliche Zellen- 
band, welches nur hier und da durch eine kleine Lücke unterbrochen ist, 


Anatomie des Mandelkerns ete. 383 


und dadurch, dass hier und da die Molekularschicht sich keilförmig einsenkt, 
ein leicht festoniertes Aussehen bekommt. Unter der zweiten Schicht, getrennt 
durch einen mehr oder weniger deutlichen zellarmen Streifen, liegen spärliche, 
undeutlich radiär gestellte stark tingierte Pyramiden, dann aber — je mehr 
nach vorn, um so ausgesprochener —, eine lockere Schicht blasser rundlicher 
Zellen (IV), dann folgt der zellarme Streifen (V) und die multiforme Schicht 


ar, 


Fig. 7 (Obj. 135, 5). Frettchen, Lobus pyriformis. Bez. wie Fig. 6. 


(VD). — Der Bezirk hat sich in dieser Höhe bereits stark verbreitert und 
nimmt mindestens ?/s—”/s des lateral von Bezirk 2 gelegenen Gebietes ein. 

Trotz einiger Abweichungen wird wohl kein Zweifel sein können, dass 
es sich bei der Regio olfactiva um die auch von Cajal so benannte und 
beschriebene Formation handelt. Cajal!) schildert als Hauptcharakteristikum 
dieser Region beim Menschen in Übereinstimmung mit Betz, Obersteiner, 
Hammarberg unter der plexiformen Schicht Haufen von sehr grossen poly- 
gonalen, mit radiären Fortsätzen versehene Zellen und Plejaden kleiner 
pyramidenförmiger Zellen. Unter dieser Schicht stecke eine breite plexiforme 
Schicht, arm an mittelgrossen und kleinen Pyramiden mit Übergängen zur 
vierten Schicht, beim Menschen aus mittelgrossen und grossen Pyramiden 
bestehend. Darauf folge die Schicht der spindelförmigen und dreieckigen 
Zellen. Beim Meerschweinchen und beim Kaninchen fand er 
eine starke zweite Schicht mit riesigen Kernzellen zu einem kontinuierlichen 
Bande angeordnet, in welchem leichte Verdickungen und Unterbrechungen 
miteinander abwechseln; die Zwergzelleninseln fehlen, doch sieht er unregel- 
mässig Gruppen von sehr kleinen Zellen in der zweiten Schicht verstreut. 


!) Studien über die Hirnrinde des Menschen, 4. Heft, 1903, p. 42 ff. 
(Übersetzung von Bresler). 
25* 


S4 Max Völsch: 


> 


Ich sehe beim Frettchen zwar vielfach kleine, auch sehr kleine Zellen in 
dem Bande, kann mich aber, auch bei starker Vergrösserung, von Gruppen- 
bildungen derselben nicht recht überzeugen. Die übrigen Schichten sollen 
nach Cajal bei den genannten Tieren „wenig von. den entsprechenden des 
Menschen abweichen“. 

Wie man sieht, erinnert die Schilderung der menschlichen Regio 
olfactiva — abgesehen von dem Fehlen der Plejaden kleiner Zellen — an 
die Regio olfactiva posterior, soweit sie sich dagegen auf Meerschweinchen 
und Kaninchen bezieht, an die Regio olfactiva anterior, ohne dass die Über- 
einstimmung eine vollkommene wäre. 

Für die Regio retroolfactiva aber glaube ich das Analogon in der 
„oberen oder spheno-oceipitalen Riechrinde* Cajals!) zu finden, in welcher 
er 1. die plexiforme, 2. die Schicht der grossen Sternzellen, 3. die mittel- 
grossen und grossen Pyramiden, 4. die tiefe plexiforme Schicht, 6. die Körner 
oder kleinen Pyramiden, 7. die polymorphen Zellen beschreibt (für zahlreiche 
Tiere, p. 98). 

Es ist richtig, dass die „tiefe plexiforme“ Schicht, der tiefe Molekular- 
streifen, in den distalen Teilen des Lobus pyriformis weit mehr hervortritt, 
als in den oraleren; dass Cajal sie für die Regio olfactiva überhaupt nicht 
erwähnt, scheint mir aber nicht zutreffend. 

Cajal unterscheidet ferner nicht den intermediären Teil vom olfaktiven 
Bezirk, wie ich es tat. Die Ähnlichkeit ist in der Tat ziemlich weitgehend; 
immerhin differieren die Zellen des oberflächlichen Streifens gegen die der 
entsprechenden Schicht der Regio retroolfactiva, und die Zellinseln der Regio 
olfactiva posterior kommen im intermediären Bezirk ebensowenig vor, wie 
das dichte Zellenband der Regio olfactiva anterior. Dazu kommt die 
starke Entwicklung des tiefen Molekularstreifens in der Regio intermedia, 
welcher, wie ich schon hier erwähnen kann, die relativ sehr starke Ent- 
wicklung einer Querfaserung in demselben entspricht. Nach alledem erscheint 
mir die Abscheidung des intermediären Bezirks, wenigstens beim Frettchen, 
berechtigt. 

4. In der lateralen der Fissura rhinalis benachbarten Regio fissuralis 
(Cajal) liegen nur vereinzelte Gruppen spärlicher Zellen, die mit den 
Zellen der Regio olfactiva posterior identisch sein dürften. Sie deuten die 
lateralwärts fortschreitende Ausbreitung der Regio olfactiva in die Regio 
fissuralis und deren Ersetzung durch die erstere in den oraleren Ebenen an. 
Hier (Fig. 7) aber unterscheiden sich die beiden Bezirke noch recht wesent- 
lich auch durch den Aufbau der folgenden Schicht (IIT+IV), die im 
fiıssuralen Teil ausschliesslich durch mässig zahlreiche, regelmässige und 
streng radiär angeordnete Pyramiden gebildet wird. Dann folgen auch hier 
zellarme Streifen und tiefe Schichten. 

Die Region wird nach vorn immer schmäler und weiter lateralwärts 
gedrängt. Der ganze Bezirk würde danach eine hinten und vorn zugespitzte, 
etwa spindel- oder halbmondförmige Gestalt haben. Sein Charakteristikum 
ist die Einfachheit des Baues der oberen Schichten, die lediglich aus radiären 


1. c. p. 9%. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 335 


Pyramiden bestehen. Vielleicht darf er identifiziert werden mit der „fissuralen 
Partie der Hippokampusrinde“ des Menschen bei Cajal (l. c. p. 43), obwohl 
er diese Partie bei Tieren nicht erwähnt. Bei Brodmann!) finde ich 
keinen T'ypus, der ihr entspricht, während Typus 28 wohl der Regio olfactiva 
(ant.?) gleichzusetzen ist (Affe). 

5. Die „prärhinencephale“ Rinde ist nicht mehr kenntlich. 

Die Figur 8 soll eine Übersicht über die Lage der verschiedenen 
erwähnten Regionen geben. In dieser Darstellung ist die prärhinencephale 
Rinde der schmale unschraffierte Streifen lateral im Lobus pyriformis, die 
„fissurale“ Rinde das längsschraffierte Gebiet. Die Regio olfactiva (anterior 
und posterior) sind durch Kreuze gekennzeichnet, während die Regio retro- 
olfactiva ebenfalls weiss gelassen ist. Die intermediäre Region ist kreuz 


) 
ao 


Sal Ste 
x y awa 


Fig. 8. Frettchen. 


und quer schraffiert, während endlich der schmale mediale Bezirk unschraffiert 
und durch eine unterbrochene Linie begrenzt ist; er vermittelt die Ver- 
bindung mit der anschliessenden medialen Palliumrinde resp. (in weiter oral 
gelegenen Ebenen) mit dem Ammonshorn. 


!) l.c., Dritte Mitteilung, p. 193 und Taf. X und XI. 


386 Max Völsch: 


Bevor ich die weitere Entwicklung des Lobus pyriformis beim 
Frettchen und die sich dorsal von ihm und in ihm bildenden Zellkomplexe 
verfolge, ist es erforderlich, nachholend einen Blick auf de Ammons- 
formation zu werfen. Sie ist nach hinten in die Hemisphäre hinein- 
gestülpt; auf dem Fig. 5 entsprechenden Präparat zeigt sie sich in typischer 
Ringform, im Zentrum ebenfalls als Ring die Fascia dentata. Wenige 
Objektträger nach vorn, auf denen innerhalb der letzteren die ersten Zellen 
des Endblattes des Ammonshorns erscheinen, lest sich die mediale Ammons- 
rinde an die tiefe Schicht der medialen Rinde, d. h. wir gelangen an die 
Umbiegungsstelle der letzteren in das Ammonshorn. Auch des weiteren ist 
das Verhalten der Ammonswindung durchaus typisch. Man sieht bei der 
Serienverfolgung die Trennung der medialen Seite des Ammonsringes in 
einen oberen und unteren Schenkel, das Auseinanderweichen der medialen 
Palliumrinde ebenfalls in einen dorsalen und ventralen Schenkel, und den 
Übergang der beiden Ammonsschenkel in die beiden Schenkel der Pallium- 
rinde (Obj. 94—98). Weiter reisst dann gewissermassen der von der Fascia 
dentata gebildete Ring zuerst auf der lateralen, dann auf der medialen 
Seite ein, die beiden Blätter der Ammonswindung nähern sich und ver- 
schmelzen und es erfolgt (Obj. 105) entsprechend der Hinunterschiebung 
der Hemisphären (Schläfelappen) unter den Stamm resp. Stammteil der 
Hemisphären und entsprechend der Ausbildung des Unterhorns die Trennung 
der Ammonswindung (auf dem Frontalbilde) in einen oberen (dorsalen) und 
unteren (ventralen) Teil oder Schenkel. In dieser Ausbildung eines echten 
untergeschobenen Unterhorns und des ventralen Schenkels der Ammons- 
windung liegt ein sehr wesentlicher Fortschritt der Gehirnentwicklung der 
Musteliden gegenüber den früher untersuchten Tieren; beim Igel und selbst 
bei der Maus fanden sich diese Gebilde nur höchst rudimentär. Im übrigen 
aber sind das ja alles durchaus typische Bilder, welche sich aus der Form 
der Ammonswindung mit Notwendigkeit ergeben. Ich muss jedoch noch 
etwas ausführlicher auf die Art eingehen, in welcher sich der oben erwähnte 
Übergang der medialen Palliumrinde bezw. der Rinde des Lobus pyriformis 
in die Ammonsrinde vollzieht. Es wiederholt sich hier in m. E. ganz einwands- 
freier Weise die schon bei Erinaceus und Mus gemachte Beobachtung, dass 
die Ammonsrinde nur in die tiefsten Schichten der medialen Pallium- und 
der Lobus pyriformis-Rinde übergeht; man gewinnt hier durchaus den Ein- 
druck, dass die Ammonsrinde lediglich eine modifizierte Fortsetzung dieser 
tiefen Schichten (VI) ist, während die oberflächlichen Schichten (IH, III, IV) 
entlang der Einstülpungsstelle des Ammonshorns ihr Ende finden. Über die 
Art dieser Endigung geben die Textfiguren 6 und 7 und die untenstehenden 
Textfiguren 9—12 Aufschluss. Fig.5 und 9 zeigen, wie der mediale Bogen 
des Ammonsringes sich der medialen Palliumrinde anlagert, bald wird diese 
Anlagerung eine so dichte, dass sich die Zellen A gewissermassen diffus mit 
den Zellen der tiefen Rindenschichten mischen. 

Auf Fig. 9 tritt lateral vom medialen Teil des Ammonsringes, zwischen 
ihm und Fascia dentata (dichter an dem Ringe, als die Figur zeigt), eine 
zuerst in Gruppen, dann in Form einer kontinuierlichen Reihe geordnete 
Zellansammlung auf. Auf Fig. 10 ist diese Zellreihe verstärkt, allmählich 


Anatomie des Mandelkerns etc. 387 


sind die Zellen an der Anlagerungsstelle der Ammonsrinde an die tiefe 
Schicht der medialen Rinde spärlicher geworden; auf der Figur sind sie 
bereits ganz verschwunden und haben einem zellfreien X-förmigen Felde 
Platz gemacht, an dessen oberem und unterem Ende man den Übergang der 
tiefen Schicht der medialen Rinde in die Ammonsrinde sieht. Die oberfläch- 


+ 
+ 
x 
+ 
- 
Br 
E4 
- 
P7 
x 
x 
> 
+ 
ı 


Fey acnk 


ne 11. tz! 46, oo) A 12. ( Myrane 98, 2) 
= innere j { xxx Ammonszellenschicht (A). 
Rindenschichtung. nn 


ES SRUSSEree le 0: Gen 
A’ Endblatt des Ammonshorns. 


lichen Schichten der medialen Rinde aber ziehen noch in continuo über 
diese Stelle hinweg. Auf Textfigur 11 ist das erwähnte zellfreie Feld mit 
zahlreichen Zellen angefüllt, indem, wie sich zweifellos ergibt, die ober- 
flächlichen Schichten der medialen Rinde und der erwähnten Zellstreifen 
unter vertikaler und horizontaler Ausbreitung miteinander in Verbindung 
treten. Weiter nach vorn weichen dann die Zellen dieses X-förmigen Raumes 
ebenfalls nach oben und unten auseinander, um auf Textfigur 12 sich als 
zwei rinnenförmige Gebilde um die obere und untere Einbiegungsstelle des 
Ammonshorns herumzuschlagen. Die obere Rinne verliert sich nach vorn 


388 Max Völsch: 


zu bald, wie hier überhaupt bald die oberflächlichen Rindenschichten ventral 
von dem durchbrechenden Psalterium verschwinden. Die untere Rinne hin- 
gegen ist noch weit nach vorn zu verfolgen. Sie schliesst sich dabei immer 
eng an den „medialen Teil“ der Rinde des Lobus pyriformis an, mit welchem 
zusammen sie auf dem Frontaldurchschnitt immer als ein um die Um- 
biegungsstelle der Rinde ins Ammonshorn herumgeschlagener Haken erscheint. 
Dieser Haken nimmt nach vorn immer mehr an Ausdehnung und Masse 
ab, zieht sich in medialer Richtung immer mehr zurück und verschwindet 
schliesslich (Obj. 126) ganz, und es gelangt, wie schon vorher erwähnt wurde, 
die Umbiegungsstelle der Rinde an der ventro-medialen Ecke der Hemisphäre 
direkt unter die Molekularschicht. 

Die geschilderten Bilder sind der absolut eindeutige Ausdruck dafür, 
dass die oberflächlichen Rindenschichten (II, III, IV) sich nicht in die 
Ammonswindung fortsetzen, die Einstülpung der Rinde vielmehr in einem 
grossen Teil ihres Verlaufs nur eine ganz kurze Strecke weit mitmachen, 
so, dass sie die Umbiegungsstelle wie eine Rinne begleiten, in welcher die 
erstere verläuft. Die Bilder 9—11 aber zeigen, dass auch da, wo die 
mediale Rinde sich nach hinten in das Ammonshorn einstülpt, die äusseren 
Schichten die Umbiegungsstelle ein Stück weit von vorn her umgreifen. 
Auf Textfigur 9 und 10 sieht man sozusagen die Ränder der Rinne ge- 
troffen, die äussere Schichtung der medialen Rinde und den Zellstreifen, die 
man sich durch einen mit der Konvexität nach vorn gerichteten Halbkreis 
verbunden denken muss. In Textfigur 10 ist an der Stelle, welche im 
Frontalschnitt als Anlagerungsstelle der Ammonsrinde an die tiefe Schichtung 
der medialen Rinde imponierte, und welche reell nichts anderes ist, als der 
kaudalst gelegene Punkt des Einstülpungsbogens des Ammonshorns, ein zell- 
freier Raum sichtbar; hier ist die zwischen den oberflächlichen und tiefen 
Schichten gelegene zellfreie Schicht der Rinde getroffen. In Fig. 11 trifft 
der Schnitt tangential die um die Ammonseinstülpung herumgreifenden 
äusseren Schichten, die Kuppe der „Rinne“, auf Fig. 12 die Molekular- 
schicht. 

Weiter oral verliert sich der „Haken“, oder — um Verwechslungen 
auszuschliessen — besser der Umschlagshaken oder die Rinne, indem sich 
die oberflächliche Schicht des medialen Teils des Lobus pyriformis und des 
Restes der medialen Rinde immer weiter medialwärts zurückzieht, und nun 
enden die oberflächlichen Rindenschichten des Lobus pyriformis ventral von 
der Umbiegungsstelle seiner tiefen Rindenschichtung ins Ammonshorn 
(s. Textfig. 7), der Schichten also, welche jenseits des zellarmen Streifens 
des Lobus pyriformis liegen. Dieser Streifen geht direkt in die breite 
Molekularschicht der Regio präsubicularis resp. in das Stratum zonale Cornu 
Ammonis über. Bei der Umbiegung bleibt übrigens, wenigstens an vielen 
Schnitten, die Übergangsstelle der tiefen Rindenschicht des Lobus pyriformis 
in die Ammonsrinde doch immer kenntlich; oft ist der Übergang sogar recht 
scharf. Das Hauptkriterium dafür liegt in der bei Nisslfärbung immer höchst 
eigenartigen Form der Ammonspyramiden mit ihrem grossen hellen Kern, in 
welchem der tieftingierte Nucleolus immer als ein dunkler Punkt sehr leb- 
haft ins Auge fällt, und ihren oberflächenwärts gerichteten fadenförmigen 


Anatomie des Mandelkerns etc. 389 


Fortsätzen, alles ja bekannte Verhältnisse, die ich auch schon (l. e. p. 590) 
für den Igel kurz erwähnte.!) — 

Nachdem nun weiter proximal die Trennung der Ammonswindung in 
einen oberen und unteren Schenkel erfolgt ist, nachdem auch in absolut 
typischer Weise die Fimbria sich in einen oberen und unteren Teil gespalten 
hat, tritt (Obj. 119) der Stamm mit dem Hemisphärenmark in Verbindung 
und zwar mit dem als retrolentikuläres Mark (v. Monakow) anzusprechen- 
den Gebiet. das unter anderem die Sehstrahlungen enthält, die nın mit den 
Mittel- und Zwischenhirnzentren in Verbindung treten. Etwas später bricht 
auch der Hirnschenkel in das Hemisphärenmark ein, nachdem sich ihm bei- 
läufig der Tractus optieus angelagert hat. Während alle diese Fasern vom 
Stamm zur Hemisphäre natürlich quer (schräg horizontal) verlaufen, sieht 
man auf Obj. 110 und 119, also unmittelbar vor der Verbindungsstelle jener 
ziemlich deutlich eine schmale Längsfaserung von der tiefsten Stelle des 
Ventrikels (Sulcus strio-thalamicus) zur dorsalen Spitze — (im Frontalbild!) 
— des jetzt völlig abgetrennten Unterhorns ziehen. Es handelt sich evident 
um den Bogen der Stria terminalis; einen Begleitkern vermag ich nicht 
nachzuweisen. In diesen Gegenden sieht man ferner auf vielen Schnitten 
kleine Gruppen von kleinen länglichen oder rundlichen Zellen in dem Hemi- 
sphärenmark, bald (in den hinteren Schnittebenen) liegen sie dicht am 
Ventrikel, bald (weiter vorn) mitten in der Marksubstanz. Die Gruppen 
haben vielfach die Form kurzer, schmaler Streifen, die dorso-ventral in leicht 
lateralkonvexem Bogen ziehen. Sie bilden keine kontinuierlich durch die 
Präparate zu verfolgende zusammenhängende Zellenreihe, sind vielmehr viel- 
fach unterbrochen. Trotzdem möchte ich annehmen, dass ein Teil dieser 
Zellgruppen (und zwar die distalen) den höchst unvollkommen entwickelten 
Schweif des Nucleus caudatus darstellt. Der Zusammenhang mit den weiter 
vorn gelegenen Teilen der Nucleus caudatus fehlt freilich. Doch ist die 
Annahme trotzdem wahrscheinlich, da sich sonst schwer eine Deutung für 
diese Zellgruppen finden und andererseits ein Schweif des Nucleus caudatus 
nicht nachweisen lässt. Die proximaleren im Mark gelegenen Zellgruppen 
mögen abgesprengte Teile des Putamens sein. Auf Obj. 122 beginnt sich 
an der lateralen Hemisphärenwand zwischen den beiden sich deutlich mar- 
kierenden Schenkeln des Ectosylvia die Sylvische Furche auszubilden ; zu einer 
wirklichen Inselbildung kommt es nicht. Schon etwas früher erscheint 


!) Eine Formation, wie jene „Rinne“ oder jenen „Umschlagshaken“, 
als Ausdruck dafür, dass die äusseren Schichten der Rinde sich um die Ein- 
stülpungsstelle des Ammonshorns ein Stück weit herumschlagen, finde ich 
beim Igel am ventralen Schenkel nicht. Doch ist auch dort der Zusammen- 
hang der Ammonszellen nur mit der tiefen Rindenschichtung deutlich und 
mehrfach hervorgehoben, und ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich den auf 
Fig. 4 und 5 p. 591 und 596 abgebildeten Fortsatz C als das der Rinne 
entsprechende Gebilde auffasse. Dass derselbe sich bei Erinaceus nur an dem 
oberen Schenkel findet, während ich an dem unteren nichts Sicheres davon 
sehe, erklärt sich wohl aus der relativen Mächtigkeit des oberen Schenkels 
gegenüber dem rudimentären ventralen ohne erhebliche Schwierigkeit. 


390 Max Völsch: 


parallel der entsprechenden Windung, durch einen Abstand (Capsula extrema) 
von der tiefsten Rindenschicht getrennt, eine längliche Zelleruppe, das 
Claustrum, aus Rundzellen bestehend, die der tiefsten Rindenschicht durchaus 
ähnlich sind, sich wohl auch durch die Capsula extrema hindurch mit der 
letzteren vermischen ; später umgibt das Claustrum als eine mächtige, breite 
Zellplatte im lateralkonkaven Bogen das Grau des F. Sylvii. Sie ist in der 
Mitte am schmalsten, an den Enden am breitesten. Auf Obj. 134 erscheint 
die distale Spitze des Aussengliedes des Linsenkerns, die Zellen sind kleiner 
als die des Claustrums. Sehr bald treten auch die grossen, eckigen, charakte- 
ristischen Zellen des Innengliedes des Linsenkerns, und endlich (Obj. 130) 
lateral von dem sich deutlich markierenden Striaschenkel, der nach vorn 


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Fig. 13 (Obj. 141, 3). Frettchen, Mandelkern. 


immer stärker werdende Nucleus caudatus auf. Damit bin ich wieder auf 
der Höhe angelangt, bis zu welcher ich den Lobus pyriformis (Fig. 7) ver- 
folgt hatte. Die weitere Entwicklung innerhalb desselben geht nun zunächst 
in prinzipiell genau derselben Weise vor sich, wie ich es beim Igel schilderte. 
Die tiefste Schicht der Rinde (Lamina multiformis, VI, S) trennt sich von 
der Ammonsrinde und zieht sich allmählich mehr und mehr lateralwärts 
entlang dem Umterhorn des Ventrikels zurück ; der „intermediäre“ Teil der 
Rinde (Textfig. 7 x x—xX) wird etwas kompakter und dehnt sich dorsal- 
wärts in das Gebiet aus, welches in kaudaleren Ebenen noch von der multi- 


Anatomie des Mandelkerns etc. 391 


formen Schicht eingenommen wird. Der verdickte Rindenabschnitt, an welchen 
auch hier wiederum nunmehr die Ammonsrinde direkt anstösst, mag als 
Haufen B gelten, welchem er entspricht, wenn er auch nicht annähernd die 
Mächtigkeit erreicht wie bei Igel und Maus; er reduziert sich nach vorn 
zu sehr bald auch wieder zu gewöhnlicher Rindenbreite. 

Dorsal aber von dieser unbedeutenden Rindenverdiekung, mitten im 
Mark des Lobus pyriformis, dicht unter der ventralen Spitze des Unterhorns 
(s. Fig. 13) entsteht auf Obj. 138 der Kern ,„T“, aus grossen, rundlichen 
mittelstark tingierten Zellen bestehend; er breitet sich schnell, namentlich 
in querer Richtung aus, bekommt zunächst die Gestalt eines länglichen 
Polsters zwischen Rinde und Ventrikel. Seine Genese als Rindeneinstülpung, 
die ich bei der Maus glaubte verfolgen zu können, lässt sich hier nicht 
nachweisen. Von der Rinde (Haufen B) bleibt er anfangs durch eine mole- 
kulare Platte getrennt. 


Fig. 14 (Obj. 144, 5). Frettchen, Mandelkern. 


Ein wenig weiter oral verdickt sich die dorsal von T gelegene Mark- 
substanz sehr erheblich; wir nähern uns der oralen Spitze des Unterhorns, 
welche augenscheinlich etwas dorsalwärts abgebogen ist, so dass in der Frontal- 
serie zuerst der untere Teil der vorderen Wand, eben jene Markverdickung 
erscheint. Innerhalb derselben treten dann bald erst vereinzelt, dann zahl- 
reich sehr auffällige, sehr stark gefärbte Rundzellen auf; sie bilden bald 
einen grossen kompakten Haufen und entsprechen evident den grossen Zellen, 
welche ich im dorsalen Teil von T schon bei Igel und Maus fand. Ich be- 
zeichne die Gruppe, welche sich doch recht erheblich von den ventralen 


392 Max Völsch: 


Zellen T abhebt, als T‘. Dorso-lateral von T und T‘, in dem auch hier 
stark verbreiterten Mark lateral vom Unterhorn hat sich inzwischen eine 
weitere Zellmasse angesammelt, welche den bogenförmigen, lateralkonvexen 
Rand des Unterhorns hinauf begleitet (Fig. 13). Es ist der Kern M. Eristhinten 
hoch und schmal, erreicht diese Höhe sehr schnell, wird nach vorn erheblich 
breiter und flacht sich infolge der raschen ventralwärts gerichteten Aus- 
breitung des Striatums (s. unten) ein wenig ab; er umfasst den unteren Teil 
des Striatums mit einer dorsalwärts gerichteten Spitze von lateral her (Fig. 14). 
Gleichzeitig umfasst er den Kern T nach unten von der lateralen Seite. Er 
lässt sich nicht überall ganz sicher vom Striatum abtrennen, und speziell 
bin ich nicht durchaus sicher, ob der Kern tatsächlich hinten so hoch in 
die Höhe reicht, als ich es in Fig. 13 gezeichnet habe, ob nicht vielmehr 
ein Teil davon zum Striatum gehört. Weiter vorn ist die Scheidung leichter, 
einmal, weil die M-Zellen doch im ganzen viel grösser und plumper, dazu 
auf meinen Präparaten gewissermassen verschwommener sind, als die kleineren, 
gleichmässig tingierten und schärfer begrenzten Striatumzellen. Zweitens 
aber sieht man auf der Grenze dieser beiden Gebilde nach vorn zu fast 
regelmässig die ganz kleinen Zellen K, die sich als Gruppen und Reihen 
schon bei Igel und Maus vielfach und gerade in der Umgebung und als 
Abgrenzung des Kerns M und T fanden. Das Putamen aber, das bis Obj. 137 
noch ein sehr unbedeutendes Gebilde in Form eines Dreiecks darstellt, wird 
nun auch erheblich grösser. Von Obj. 138 ab sammelt sich ventral von dem 
Dreieck dicht am oberen Rande des Unterhorns ein halbmondförmiger Zell- 
haufen an (s. ©? Fig. 13): er ist zunächst von dem darüber gelegenen Striatum 
noch durch Faserzüge (Capsula sublenticularis) getrennt; weiter nach vorn 
verschmilzt er mit der unteren Fläche des Putamens. Wenn, wie mir 
scheint. dieser Haufen als Schweif des Nucleus caudatus angesprochen werden 
darf, so würde — nach dem oben Gesagten — der Schweifkern des Frettchens 
aus einem wohlausgebildeten und weit nach hinten reichenden Kopfteil und 
einem unteren Teil bestehen, der dem vorderen umgebogenen, mit der Unter- 
fläche des Putamen verwachsenden Teil der Cauda entsprechen würde; 
dagegen wäre der mittlere, beide Stücke verbindende Teil des Kerns, der 
Bogenteil der Cauda nur durch spärliche, nicht in fortlaufendem Zusammen- 
hang stehende Zellgruppen repräsentiert. Schon auf Fig. 14 sieht man an 
der medialen Spitze des äusseren Linsenkerngliedes einige von letzterem 
abgesondert liegende Zellen, welche in der Figur mit E bezeichnet sind. 
Auch weiter finden sich an dieser Stelle noch lange derartige Zellkomplexe, 
und unter ihnen fällt stets eine aus ziemlich grossen, stark gefärbten Rund- 
zellen bestehende Gruppe auf. Ich bezeichnete sie (bei Igel und Maus) mit 
E und erwog die Möglichkeit, dass sie zum Linsenkern zu rechnen seien; 
die Frage lässt sich auch beim Frettchen nicht sicher entscheiden. Während 
die ersten der soeben geschilderten Veränderungen: die geringfügige Rinden- 
verdickung B und das erste Auftreten des Kerns T sich leicht in die Textfig. 7 
hinein konstruieren lassen, gebe ich zur Verdeutlichung der weiteren ge- 
schilderten Verhältnisse die Fig. 13 und Fig. 14, die nach dem Gesagten 
einer weiteren Erläuterung nicht bedürfen. (Auf Fig. 14 sind die Grenzen 
der Kerne M und T sehr unsicher; ich versuchte die mutmassliche Grenze 


Anatomie des Mandelkerns etc. 393 


durch Hervorhebung eines tatsächlich nicht so deutlichen Grössenunterschiedes 
der Zellen zu markieren. Die stärkere Tinktion der T'-Zellen soll durch 
die Schraffierung der Zellen angedeutet werden. Die Grenzen der Rinde 
sind durch eine gestrichelte Linie, der Verlauf der Ammonszellen durch eine 
aus Kreuzen bestehende Linie bezeichnet. Über die Rinde des Lobus 
pyriformis s. Textfig. 7.) 

Die Fig. 13 und 14 zeigen die rapide Grössenabnahme des Ammons- 
horns und des Unterhorns; sehr bald hinter Fig. 14 verschwinden beide ganz. 
Der vom Horn eingenommene Platz wird dadurch ausgefüllt, dass sich von 
unten her nach oben der Kern T, von oben her nach unten das Striatum 
und die sich vergrössernden Gruppen E ausdehnen, sowie durch Markmassen, 
welche von oben her in den schon auf Fig. 13, besonders aber auf Fig. 14 
deutlichen kommaförmigen zellfreien Raum zwischen der Rinde (B) und T 
sich ergiessen. Sie stammen aus dem umgebogenen Schenkel der Stria 
terminalis, welche dorsal vom Unterhorn in den früheren Schnitten stets als 
von kleinen Gliakernen erfüllter Halbmond kenntlich ist. Auf Fig. 14 hat 
die Ausstrahlung seiner Fasern offenbar schon begonnen. Sehr bald (Obj. 145) 
bilden sich nun in dem dorsalen Teil jenes kommaförmigen Faserfeldes kleine 
blasse rundliche Zellen, wodurch der untere Teil zu einem länglichen, von 
allen Seiten von Zellen umgebenen Markquerschnitt umgewandelt wird. Die 
erwähnten Zellen sind der bei Igel und Maus D genannte Kern. Auch hier 
breitet derselbe sich nach vorn sehr langsam, aber übrigens genau so wie 
dort, ventralwärts aus, die Rinde (B) vor sich herschiebend, sie verdrängend und 
ersetzend (s. Fig. 15, B+D). Auf Obj. 158/159, also ca. /ı mm nach dem 
ersten Auftreten der D-Zellen, sehen wir genau, wie bei Igel und Maus, die 
ganze ventromediale Spitze der Hemisphäre von diesen Zellen angefüllt, 
untermischt mit grösseren Zellen, Resten von B. Das ganze Gebiet, der 
„basale Spitzenkern“, ist auch hier unscharf begrenzt, zumal gegen die 
dorsal sich anschliessenden Zellkomplexe (Linsenkern, E, N. a.p.), auch hier 
durch keine scharf hervortretenden Gebilde (mit Ausnahme von D‘, s. unten) 
charakterisiert. Die Ausdehnung dieses Gebietes wird dadurch ermöglicht, 
dass die Kerne T und M sich reduzieren. Sie erreichen auf Obj. 148 das 
Maximum ihrer Ausdehnung, nehmen dann schnell ab und verschwinden auf 
Obj. 155. Die Gesamtlänge beträgt danach nicht ganz 1'/. mm. Sehr 
charakteristisch für diesen Kern ist auch beim Frettchen, wie schon bei 
Igel und Maus, die vielfach, wenn auch nicht ganz kontinuierlich auftretende 
Ansammlung kleiner, zu Reihen, Streifen und Haufen gelagerter körnchen- 
artiger Zellen (K), vorwiegend nach dem angrenzenden Striatum zu (Fig. 14). 
Auch beim Frettchen treten sie nach vorn zu mit dem Kleinerwerden des 
Kerns in immer grösseren und dichteren Gruppen auf, schliesslich, nach dem 
Verschwinden des Kerns, in Form von grossen Plaques die Stelle bezeichnend, 
wo vorher, weiter hinten, der Kern lag (Fig. 15). In ihrer Totalität hüllen 
sie, wie eine vielfach unterbrochene Schale, die dorsale und vordere Seite 
des Kerns ein. Weiter vorn verlieren sie sich, beschränken sich also auf 
die Umgebung des Kerns. Jedenfalls geben sie ein weiteres bedeutsames 
Charakteristikum für diesen unter allen diesen basalen Gebilden auch sonst 
am schärfsten begrenzten und bestcharakterisierten Kern ab. Ich irre wohl 


394 Max Völsch: 


nicht. wenn ich die Zellen K für gliöser Natur halte. Sie dürften eine 
mächtige Gliavermehrung in der Umgebung des Kerns bedeuten; wenn, wie 
ich bei der Maus in recht überzeugender Weise nachweisen zu können 
glaubte, die Kerne T+M als Einstülpungen der basalen Rinde (Pars inter- 
media der Rinde des Lobus pyriformis) aufzufassen sind, so würde diese 
(normale) Gliavermehrung an dieser Stelle mit den bekannten Anschauungen 
Weigerts (Kielstreifen etc.) in bester Übereinstimmung sein. 

Nach dem Verschwinden des K-Zellenplaques wird ihre Stelle von 
grösseren, ziemlich weitstehenden Zellen eingenommen (Fig. 16). 

Seit Objektträger 160 markiert sich der (schon früher andeutungsweise 
sichtbare) äusserst typische Komplex D', den ich als Kern des sagittalen Längs- 


I rk SC 


Sl 7 


Fig. 15 (Obj. 155, 12). Frettchen. 


bündels der Stria terminalis bezeichnete, medial in der Nähe des Winkels 
zwischen Stamm und Hemisphäre, die hier nach dem Austritt des Tractus 
optieus an die Basis bereits völlig verwachsen sind. Dorsal von D' ist der 
Querschnitt Q kenntlich, den man leidlich gut bis hierher verfolgen kann. 
D‘, aus grossen, stark gefärbten Pyramiden bestehend, anwachsend und wieder 
anschwellend, ist bis Objektträger 169 verfolgbar, hat also eine sagittale 
Länge von ca. 800 „ = */s mm (Fig. 16). 

Bevor ich die Ersetzung des basalen Spitzenkerns (4 D') durch andere 
Zellformationen bespreche, muss ich noch mit einigen Worten auf die dorsal 
davon gelegenen Gebilde eingehen; ich greife auf Fig. 13 zurück. Medial 


Anatomie des Mandelkerns ete. 395 


von der Spitze des ersten Linsenkerngliedes liegt dort der Komplex E, be- 
stehend aus einer Gruppe grösserer, stark gefärbter Zellen und einiger 
medial davon gelegener kleiner körnerartiger blasser Gebilde. Mit der basal 
gerichteten, bereits erwähnten Ausbreitung von St rücken auch diese Gruppen 
ventraler, vergrössern sich übrigens dabei. Die laterale grosszellige ist noch 
weithin nach vorn kenntlich, immer durch Grösse und Tinktion der Zellen 
von St unterscheidbar; schliesslich verliert sie sich (s. Fig. 16). Die klein- 
zellige mediale Gruppe aber scheint mit dem im zellfreien Komma zwischen 
B und T entstehenden Kern D zu verschmelzen, ist proximal jedenfalls nicht 
mehr von letzterem zu scheiden. 


RER 
Fig. 16 (Obj. 164, 11). Frettchen. 


Dass die medial von den Gruppen E gelegene Stria sich in den zell- 
freien Kommaraum ergiesst, wurde bereits erwähnt. 

Medial von der Stria und den Gruppen E liegt der Tractus opticus. 
Er zieht sich langsam medialwärts und gelangt schliesslich an die basale 
Oberfläche, während hinter ihm her Stamm und Hemisphäre auch basal ver- 
wachsen. Unmittelbar, nachdem das laterale Tractusende die basale Stamm- 
oberfläche erreicht hat, erscheint in dem durch jene Verwachsung gebildeten 
Winkel (etwa von Obj. 154 ab) das Ganglion opticum basale mit seinen 
charakteristischen grossen, tiefblau gefärbten Zellen; es lässt sich ca. 1!’ mm 
weit nach vorn verfolgen, und schiebt sich dabei, eine horizontal längliche Form 


396 Max Völsch: 


annehmend, langsam medialwärts, immer an der Stelle liegend, wo der laterale 
Rand des Tractus bezw. des Chiasmas der Stammbasis anliegt (Fig. 15 und 16.) 

Mit dem Heraustreten des Tractus opticus an die freie basale Hirn- 
oberfläche gelangt nun eine weitere Formation in die unmittelbare Nachbar- 
schaft der Kerne B und T bezw. des basalen Spitzenkerns, welche in 
den distalen Teilen aber durch den Tractus von ihm getrennt ist. Es ist 
ein die Basis des sich zur Capsula interna umwandelnden Pedunculus be- 
gleitender oder in diese Basis eingelagerter Zellkomplex mit etwas kompli- 
zierteren Verhältnissen (s. Fig. 13—16, N.a.p.). Er schiebt sich von der 
Mitte her über den Tractus hinweg nach der Basis des Striatums hin. Zuerst 
auf Obj. 126, also noch fast 1'!/a mm hinter der Höhe der Fig. 13, sehe ich 
im ventralsten Teil des Pedunculus, immer entlang dem Tractus, eine Reihe 
spärlicher Zellen, die weiter nach vorn eine ausgesprochen strichförmige 
Gestalt mit transversal gestellter Längsachse annehmen, Zellen, wie man 
sie häufig da sieht, wo sie in einen Faserzug eingebettet sind. In der Tat 
gestatten diese Begleitzellen die Bahn eines Faserzuges auch hier zu ver- 
folgen. Aus dem Linsenkern, und zwar im wesentlichen aus seiner Basis 
und anscheinend vornehmlich aus der Gegend zwischen St und St‘ stammend, 
zieht er in den distalsten Partien in S-förmiger Krümmung um die 
Vereinigungsstelle des Stamms mit der Hemisphäre herum zu den basalen 
Teilen des Hirnstamms (s. besonders Fig. 14). Von Objektträger 147 ab aber 
wird eine Teilung dieses Bündels deutlich; es zweigt sich von dem S-förmigen 
Bündel ein anderes ab, welches in ventro-medial konvexem Bogen das mediale 
Ende der Capsula interna, zu welcher sich gerade hier der Peduneulus 
umgewandelt hat (s. v. Monakow, Gehirnpathologie, 2. Aufl., p. 100, Anm.1), 
umkreist und den dorso-lateralen Teilen des Thalamus zuzustreben scheint. 
Bald (Obj. 151/152) überwiegt dieser letztere Teil, und mit der Ausbildung 
der Substantia perforata anterior (etwa Obj. 155) verschwindet der erstere ganz. 

Der Befund — s. Fig. 14, den Zellenzug dicht über dem Tractus 
optieus; die Teilung ist hier auch schon angedeutet — erinnert durchaus an 
den bei Igel und Maus erhobenen.!) Ich bezeichnete den Zug dort als G, 
und identifizierte ihn mit N. a. p., dem „Ganglion der Hirnschenkelschlinge‘“ 
Meynerts oder dem „Meynertschen Basalganglion“ von Kölliker. Ich 
lasse es einstweilen dahingestellt, ob diese Identifikation, wenigstens die letztere, 
richtig ist; die Beschreibung, welche Kölliker?) p. 456 von dem Basal- 
ganglion des Menschen gibt, lassen hierüber doch Zweifel aufkommen, in 
höherem Maße noch, als die Fig. 605 und 598 p. 436. Jedenfalls erfordert 
dieses Gebiet noch eine eingehendere Besprechung.?) 


!) 1. ec. p. 605, 609 ff., 626, 639, 665 sowie Textfig. 7 und Fig. 5 und 12. 

?) Gewebelehre, Bd. 2, 1896. 

3) Der anscheinend paradoxe Versuch, Faserzüge im Nisslpräparat 
verfolgen zu wollen, ist nicht so unberechtigt, soweit es sich um die Fest- 
stellung der groben Verlaufsrichtung handelt. Man erhält dabei, gerade 
wegen der Begleitzellen, oft bessere Auskunft, als aus nicht tadellosen 
Weigertpräparaten. Immerhin können die Schlüsse aus dem Zellpräparat 
natürlich nur mit Reserve gezogen werden. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 397 


Dorsal nämlich von jenen erwähnten transversalen Zellfaserzügen finden 
sich, erst etwas weiter proximal beginnend, andere Zellen, erst spärlich, 
dann immer reichlicher, mittelgross, länglich, eckig, ziemlich stark gefärbt, 
welche in ganz anderer Weise, nämlich maschenförmig angeordnet sind; 
offenbar verlaufen zwischen ihnen sagittale Faserbündel. So haben wir also 
auf diesem Gebiet (s. Fig. 14, N. a. p.) gewissermassen zwei Etagen. In der 
ventralen Etage begleiten strichförmige Zellen einen transversalen Faserzug, 
der sich medialwärts teilt: der eine Teil, der distalere, zieht in S-förmiger 
Krümmung zur Regio subthalamica, der andere, proximalere krümmt sich 
in ventralkonvexem Bogen zum Thalamus hinauf. In der dorsalen Etage liegen 
maschenförmig geordnete Zellen, offenbar um sagittal oder schräg verlaufende 
Bündel herum. Für die Deutung der ventralen Etage bringt m. E. die Dar- 
stellung, die vv. Monakow für dieses umstrittene Gebiet gibt, Aufklärung. 
Nach v.M. spaltet sich die aus dem Linsenkern herstammende Linsenkern- 
schlinge in zwei Teile: der eine Teil (Lisch. b) umgreift die Capsula interna 
und endet im zentralen Höhlengrau des vordersten Sehhügelabschnittes, ist 
identisch mit der Hirnschenkelschlinge der Autoren; der andere Teil durch- 
quert den Hirnschenkel (Lisch. a), um zum Corpus Luysi, zum H?’feld von 
Forel zu gelangen. Ganz überzeugend ist nun der proximalere Teil des 
Zellfaserzuges beim Frettchen identisch mit der Hirnschenkelschlinge (Lisch. b), 
welche mit einem „Begleitkern“ versehen wäre; dagegen kann ich die Linsen- 
kernschlinge (Lisch. a) sensu strietiori, welche den Hirnschenkel durchquert, 
nicht nachweisen, wohl aber einen Zug direkt zur Basis des Hypothalamus, 
der, ebenfalls mit einem Begleitkern versehen, als basaler Anteil der Hirn- 
schenkelschlinge s. str. anzusehen wäre. Im Gegensatz zu dem früher (p. 639) 
Gesagten muss ich es doch für zweifelhaft halten, ob nicht schliesslich auch 
bei Igel und Maus eine Hirnschenkel- und Linsenkernschlinge in diesem Sinne 
besteht; die betreffenden Zellenzüge sind jedenfalls vorhanden, die Faserung 
konnte ich beim Igel allerdings nicht nachweisen; sehr bedeutend kann sie 
daher wohl nicht sein. 

Die dorsale Etage des mit N. a. p. bezeichneten Gebietes ist nun, 
wie gesagt, durch die maschenartige Anordnung der Zellen ausgezeichnet; 
offenbar verlaufen in den Maschen sagittale Faserzüge. Mit der Linsenkern- 
oder der Hirnschenkelschlinge hat sie nichts zu tun. Die Zellen werden 
nach vorn zu reichlicher und nehmen einen grösseren Raum ein, um freilich, 
noch weiter nach vorn, wieder abzunehmen. Sie sind oft schwer von den 
lateral anstossenden des inneren Linsenkerngliedes zu trennen (St'), wenn 
auch im allgemeinen von etwas anderem Aussehen und durch die erwähnte 
Anordnung von ihnen unterscheidbar. Der Gedanke liest nahe, den Komplex 
als ein drittes, innerstes Glied des Linsenkerns anzusprechen, und in der Tat 
erweist die Faserserie, wie ich im voraus bemerken will, die Richtigkeit 
dieser Annahme. 

Ganz vorn tritt der Kern der Hirnschenkelschlinge mit einem (seit 
Obj. 155) von dorsal her herabsteigenden Zellenzuge in Berührung, den ich früher 
trotz einiger Differenz im Aussehen der Zellen als einen Teil des ventral- 


Dekre,p. 100: 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 26 


S 


393 Max Völsch: 


wärts sich herabsenkenden Kopfes des Schweifkerns (N. c. v.) auffasste, woran 
ich festhalten möchte. Wieder bildet der Zellfaserzug N. a. p. mit N. c. v. 
einen die Capsula int. von der ventralen Seite her umziehenden Bogen, genau 
so, wie ich es beim Igel in Textfig. 7, p. 609 des ersten Teils schematisch 
wiedergegeben habe. Recht wesentlich unterscheidet sich diese Gegend beim 
Frettchen von der gleichen des Igels durch das Fehlen oder die geringe Ent- 
wicklung des „Grenzkerns“ (G. K.), der bei Fotorius da, wo die Stria termi- 
nalis aus dem Suleus strio-thalamieus medio-ventralwärts in den Thalamus 
strahlt, höchstens andeutungsweise zu erkennen ist. — 

Auf den auf Fig. 16 folgenden Objektträgern reduzieren sich die Innen- 
glieder des Linsenkerns, dagegen steigt der Kopf des Schweifkerns immer 
tiefer herab und wird auf Objektträger 170 ff. durch die vordere Kommissur 
durchsetzt, die in dieser Höhe in ihrer ganzen Breite sichtbar ist; ihre 
kaudale Ausstrahlung und das Mittelstück finden sich bereits auf Fig. 16. 
In dieser Ausstrahlung liegt (z. B. Obj. 170) eine längliche kleinzellige Zell- 
gruppe, vielleicht das Analogon der Gruppe x bei Erinaceus. Die Kommissur 
trennt auch hier von dem Putamen einen Zellkomplex, den ich früher mit 
Y bezeichnete und zum Putamen rechnete. Vielleicht entspricht schon ein 
Teil des auf Fig. 16 mit ? bezeichneten Haufens, und zwar der dorsalere Teil 
diesem Y. Nach dem Verschwinden des Querstückes der Kommissur und 
der Ausbildung ihres Vorderhorns erscheint auch derjenige Abschnitt des 
Nucleus caudatus, den ich als Z, Nucleus accumbens (Ziehen) ansprach. 
Noch weiter nach vorn vereinigen sich Y und Z, und es ergibt sich dann 
das relativ einfache Bild, in welchem das Striatum, ventral geschlossen, das 
Zentrum der Hemisphäre ausfüllt, indem es in grossem Bogen den durch 
viele Zellbrücken durchsetzten vorderen Schenkel der Capsula interna umzieht. 
Immer tiefer ragt es dabei an die Basis des Gehirns heran, vielfach Zacken 
und Fortsätze gegen dieselbe vorschiebend. 

Die Basis in diesen vorderen Teilen haben wir schliesslich noch zu 
betrachten. Was zunächst die Riechrinde betrifft, so breitet sich, wie bereits 
erwähnt ist, nach vorn von Objektträger 135 (s. p. 382) das oberflächliche 
Band der Regio olfactiva anterior immer weiter, bis zur Fissura rhinalis 
lateralis aus. Dabei wird das Band immer dichter, kompakter, die Unter- 
brechungen desselben verlieren sich ganz, und bald zieht es als ununter- 
brochener, dichter Streifen von der Fissura rhin. lateralis bis zur „Pars inter- 
media“ der Rinde des Lobus pyriformis hin. Dabei bewahrt der äussere 
Teil der Rinde (die Pars fissuralis) insoweit noch eine gewisse Eigenart, als 
die rundlichen Zellen der IV. Schicht, welche, wie wir sahen, früher völlig 
fehlten, auch in diesen oraleren Ebenen weit spärlicher sind, als in den 
medialeren Partien der Regio olfactiva. Der tiefe Molekularstreif ist in 
der ganzen Region sehr deutlich, selbst noch breiter, als in den kau- 
(laleren Ebenen; dagegen verschmälern und verdünnen sich die jenseits dieses 
Streifes gelegenen tiefen Schichten in ganz auffälliger Weise, namentlich in 
den medialen Teilen. Eine neue Bestätigung für die Natur der Vormauer 
als abgetrennter Teil der tiefsten Rindenschicht ist es, dass in den lateralen 
Teilen dieses Gebiets die Zellen des unteren Claustrumdreiecks (0) mit den 
Zellen der tiefen Rindenschicht aufs innigste sich vermischen. Die Fig. 15 


Anatomie des Mandelkerns ete. 399 
und 16 ergeben, dass die beiden Dreiecke des Claustrums in den oralen Ebenen 
sich völlig voneinander trennen, das schmale sie verbindende Mittelstück 
fehlt hier ganz. Das untere Dreieck, in welchem die Zellen spärlicher und 
lockerer liegen, ist streckenweise in zwei Teile gespalten. 

Bald hinter Objektträger 135 bildet sich an dem medialen Ende der 
Riechrinde eine molekuläre Einsenkung, die weiter vorn sich wieder verliert 
(= ö bei Erinaceus und Mus); sie trennt die Riechrinde vom intermediären 
Teil, wobei auch hier die Einsenkung keineswegs eine scharfe Grenze 
zu bilden scheint. Wir sahen oben, wie die intermediäre Rinde sich eine 
Strecke weit etwas verdickte, so dass sie als dem Haufen B bei Igel und 
Maus entsprechend angesehen werden konnte. Es mag nachgeholt werden, 
dass der lateralste Teil dieser intermediären Rinde dem beim Igel als Rand- 
streifen T bezeichneten Teil entsprechen dürfte; wir sahen ferner, wie sich 
dorsal von ihm die Haufen T, T’ und M entwickelten, wie sich von oben 
her ein neuer Zellenkomplex D vorschob, und wie sich schliesslich an Stelle 
aller dieser Gebilde die unbestimmte und nur unsicher abgrenzende Formation 
etablierte, die ich wegen ihrer Lage in der basalen Spitze der Hemisphäre 
„basalen Spitzenkern“ nannte; sie enthielt D‘, den Kern des sagittalen 
Längsbündels der Stria. 

Schon etwas früher sehen wir an der Basis der Regio subthalamica 
dorsal von dem nach der Mitte strebenden Tractus optiecus und dem ihn 
begleitenden Ganglion opticum basale eine nur mit spärlichen kleinen Zellen 
angefüllte Zone, aus welcher Fasern dorsalwärts zu ziehen scheinen (unterer 
Thalamusstiel). Bald, etwa von Objektträger 158 ab — übrigens auf Fig. 15 
dicht über dem Gangl. opt. bas. schon angedeutet — beginnt sich diese zell- 
arme Zone allmählich mit vereinzelten grösseren und kleineren, meist stark- 
gefärbten und eckigen Zellen zu füllen, während, wie hier gleich bemerkt 
werden mag. der Winkel zwischen Stamm und Hemisphäre sich mehr und 
mehr abflacht und ausgleicht. Die Zellen lassen einen ziemlich breiten 
Molekularrand an der ventralen Oberfläche der Regio subthalamica (mit dem 
Gangl. opt. bas.) frei. Ganz allmählich — vergl. Fig. 16 und die ganz 
analoge Verhältnisse darstellende Textfig. 14, p. 668, I. Teil, von der Maus — 
schiebt sich nun diese Formation lateralwärts in den Spitzenkern hinein, 
über D' hinweg, ihn allmählich erfüllend und ersetzend. Nach vorn finden 
sich unter den grossen, eckigen Zellen auch viele rundliche, wie überhaupt 
auch beim Frettchen die Unregelmässigkeit der Grösse, der Gestalt und der 
Lagerung der Zellen ein treffendes Uharakteristikum der Formation S. p. a. 
darstellt; sie ist auffälliger, als sonst bei einer mir bekannten Zellgruppe 
des Hirns. Mit dem Verschwinden von D‘ (Öbjektträger 170) erfüllen diese 
unregelmässigen Zellen so ziemlich das ganze Gebiet des Spitzenkerns, nach 
oben medial an das hier in ganzer Breite sichtbare Querstück der vorderen 
Kommissur, lateral an den Haufen Y grenzend. In den basalen Teilen der 
Formation sieht man vielfach — deutlich erst ziemlich weit oral (Obj. 170, 
173) — die Zellen zu schräg horizontal verlaufenden Reihen geordnet; 
es handelt sich da zum Teil um kleinere, spindelförmige, zum Teil aber 
auch um grössere eckige Elemente; sie entsprechen offenbar S. p. a’ beim 


Igel, den in den „transversalen Faserzug* eingestreuten Zellen (Tr. F., 
26* 


400 Max Völsch: 


p. 652, I. Teil). Die Formation S. p. a. schiebt sich in den oraleren Ebenen 
übrigens auch medialwärts bis zur Mittellinie hin; sie tritt hier schliesslich 
(Obj. 175) in Verbindung mit einer im Septum pellucidum gelegenen Zell- 
gruppe, welche ich zuerst auf Objektträger 169 sehe als ein zwischen Balken 
und Mittelstück der vorderen Kommissur gelegenes Dreieck dicht an der 
Medianlinie, das sich mit dem entsprechenden Gebilde der anderen Seite zu 
einem gleichschenkligen Dreieck mit dorsaler Spitze vereinigt: es liegt etwas 
höher und ist viel grösser, als das auf Fig. 16 an entsprechender Stelle 
abgebildete Dreieck. Mit Verschwinden des Querstücks der Kommissur 
breitet sich jenes Dreieck basalwärts aus, bis es das mediale Ende von 
S. p. a. erreicht. Die Zellen sind denen von S.p. a. ähnlich, aber nicht mit 
ihnen identisch. 

Auf Objektträger 176 würde mithin S.p. a. die ganze basale Hirn- 
oberfläche von der Riechrinde bis zur Mittellinie, hier mit Anschluss an die 
oben erwähnte dreieckige Formation bedecken, wenn nicht inzwischen in den 
lateralen Teilen dieses Bezirks nächst der Riechrinde neue Formationen auf- 
getreten wären. Auf Öbjektträger 172 nämlich bildet sich genau medial 
von der Endigung der Rinde der Regio olfactiva die Fissura rhin. medialis 
aus; auf Objektträger 173 erscheint ferner etwas medial von der Furche 
eine minimale ventrale Verbuckelung der Hemisphäre; von hier aus, zuerst 
nach der Fiss, rhin. med. hin, dann auch medialwärts breiten sich die kleinen 
eckigen charakteristischen Zellen des Tuberculum olfactorium aus. Langsam 
vorschreitend überziehen sie S.p. a. und S.p. a. mit einem dichten Kranz, 
der nach zehn bis zwölf Objektträger, also ca. 1 mm vor dem Beginn der 
Fissura rhinalis medialis, bis zur Mittellinie reicht und in vielen Windungen 
und Faltungen verläuft. In der diesen Zellenkranz umgebenden Molekular- 
schicht liegen, vielfach in jene Rindenschicht hineinreichend, zahllose grosse 
und kleine Haufen kleinkörniger Gebilde (Tb. olf‘). Massenhaft liegen diese 
Haufen auch an der medialen Seite der hier schon fast geteilten, auf Objekt- 
träger 155 nur noch durch den Balken verbundenen Hemisphären, medial 
von Z und der vorhin erwähnten, an $S.p.a. sich anschliessenden Zellformation 
des Septum pellucidum, welche hier nur noch spärlich entwickelt ist, sich 
offenbar ihrem Ende nähert. — Die bei der Maus als Tb. olf‘“ erwähnten 
rundlichen Zellen finde ich nicht wieder. Unter dem gefältelten Zellenbande 
liegt stets eine zellarme Zone. Da nun auch das Striatum von oben her 
sich weiter ventral geschoben hat, so ist S. p.a., welche ich, soweit sie von 
der Tuberceulumrinde bedeckt ist, mit Ganser als „Rinde am Kopfe des 
Streifenhügels“ (St. K. bezw. St. K') bezeichnete, zu einer, namentlich 
medial ganz dünnen Platte abgeflacht. Es liegen hier überall genau die- 
selben Verhältnisse vor, wie bei Igel und Maus. 

Der Lobus pyriformis (die Regio olfactiva) ist inzwischen allmählich 
durch das immer tiefere Einschneiden der Fissura rhinalis lateralis und den 
konvergierenden Verlauf der Fissura rhinalis lateralis und medialis sehr 
stark verkleinert; er imponiert in diesen Höhen nur noch als ein kleiner 
latero-ventraler Anhang an das Hirn. — Textfig. 8 (p. 385) orientiert über 
die Lage aller dieser Gebilde zur Basis. Die Rinde des längs und quer 
gestrichelten „intermediären“* Teils geht direkt über inB. Etwas proximaler 


Anatomie des Mandelkerns etc. 401 


beginnt D; beide werden zum basalen Spitzenkern (B--D). Medial von D 
liegt z. Z., die zellfreie Zone, von D noch durch eine Linie getrennt, 
welche den hier noch ausgesprochenen Winkel zwischen Stamm und Hemisphäre, 
den Suleus hemisphäricus — Ziehen oder die Kielfurche — His, andeutet. 
Davor beginnt alsbald S. p. a., quer schraffiert, und breitet sich lateral- und 
medialwärts aus, bildet eine Strecke weit die Rinde der Hirnbasis. Weiter 
aber entwickelt sich die Fissura rhinalis medialis und medial von ihr das 
charakteristische oberflächliche Zellenband, welches das Tuberculum olfac- 
torium kennzeichnet. Die Formation S.p. a. aber erhält sich unter dem 
Bande als St. K., als Rinde am Kopf des Streifenhügels (Ganser), was 
durch Querstrichelung angedeutet ist. Vergl. hierzu Teil I, Textfig. 10, p. 629. 

Bei der Zusammenfassung der Resultate kann ich mich 
bezüglich der meisten Punkte kurz fassen, zumal die UÜberein- 
stimmung mit Igel und Maus eine sehr weitgehende und prinzipiell 
wohl vollkommene ist. 


1. Die Palliumrinde des Frettchens zeigt den sechsschichtigen 
Grundtypus Brodmanns; auch für Igel und Maus kann dieser 
Grundtypus zugegeben werden, wenn er auch nicht so aus- 
gesprochen hervortritt. — In den oberflächlichen Rindenschichten 
treten die polardifterenzierten und pyramidenförmigen Zellen (p) 
vor den rundlichen Formen (r) beim Frettchen durchaus in den 
Vordergrund. 

2. Die Palliumrinde überragt den Lobus pyriformis 
nach hinten um fast 3 mm. Der letztere, immer durch die 
Fiss. rhin. lat. vom Pallium getrennt, liegt in den distalsten Teilen 
auf der medialen Seite der Hemisphäre, in der ventro-medialen 
Ecke ihres Frontalschnittes und wird vom Pallium lateral nach 
unten überragt (Fig. 3). Weiter vorn dehnt er sich in die 
Breite erheblich aus und tritt, von der Seite mehr und mehr 
sichtbar, unter dem Pallium hervor. Ganz vorn wird er durch 
das tiefe Einschneiden der Fiss. rhin. lat. und den konvergierenden 
Verlauf beider rhinalen Furchen schmäler und unbedeutender. 

An seiner Rinde sind mehrere Regionen zu unterscheiden: 

a) Der Hauptteil, die Regio olfactiva (der äussere zentrale Teil), 
welcher in sagittaler Richtung in drei Unterabteilungen 

zerlegt werden kann, die Regio retroolfactiva (in Fig. 8 

unschraffiert) und die Regio olfactiva posterior und anterior 

(in Fig. 8 durch Kreuze gezeichnet). Jeder dieser Abschnitte 

hat besondere Eigentümlichkeiten, namentlich im Bau der 

zweiten Schicht der Rinde. 


402 


Max Völsch: 


b) Lateral von der Regio olfactiva liegt die auf die hintere 


C 


d 


— 


) 


Hälfte des Lobus pyriformis beschränkte Regio fissuralis 
(Cala) 

Noch weiter lateral, nur in den distalsten Teilen des 
Lappens sichtbar, die schmale, unbedeutende, immerhin 
durch gewisse Eigentümlichkeiten sich auszeichnende (auch 
bei Igel und Maus nachweisbare) Regio prärhinencephalis. 
Medial an die Regio olfactiva schliesst sich die Regio 
intermedia (innerer zentraler Bezirk) an; sie unter- 
scheidet sich in den distalen Teilen durch einige Merkmale 
von der olfaktiven Rinde und geht in der proximalen sehr 
erhebliche und für mein Thema wichtige Veränderungen 
ein. Ramön y Cajal trennt sie nicht von der Regio 
olfactiva ab; sein innerer zentraler Teil des Lobus pyriformis 
entspricht der folgenden Region. 

(Ganz medial und wieder nur in den distaleren Teilen liegt 
die Regio medialis. Ganz distal, bevor noch die 
Ammonsformation in den Schnitt kommt, geht sie in die 
Rinde der medialen Palliumwand über. Weiter vorn umhüllt 
sie die Einrollung der tiefen Schichten in die Ammons- 
windung, entspricht hier der präsubikulären Rinde. Ramön 
y Cajal erwähnt in dieser Gegend, die er, das Subiculum 
als inneren Teil des Lobus Hippocampi bezeichnend, auch 
inneren Teil der zentralen Region nennt, beim Menschen: 
a) plexiforme Schicht, b) kleine Pyramiden und spindelförmige 
Zellen, — ein Band (nicht inselartig, jedoch wellig) von kleinen 
spindelförmigen, dreieckigen und pyramidalen Zellen . 

c) tiefe plexiforme Schicht, ein ausgedehntes zellenarmes 


Band . ... .., d) mittelgrosse und grosse Pyramiden 
f) Schicht spindelförmiger und dreieckiger Zellen... ., wenig 


verschieden von der voraufgehenden. Bei Kaninchen, Meer- 
schweinchen und Maus (l. c., p. 45) ist die präsubikuläre 
Gegend „sehr charakteristisch und erkennbar an einer dicken 
zweiten Schicht (Fig. 16), bestehend aus sehr kleinen, an 
einzelnen Stellen zusammengelagerten Pyramiden. Unter 
ihr existiere, ähnlich wie beim Menschen, ein plexiformes 
Band mit wenigen kleinen pyramiden-, stern- oder spindel- 
förmigen Elementen. Hierauf kommt die Schicht der grossen 
Pyramiden, die hier allerdings nicht sehr voluminös sind, 


Anatomie des Mandelkerns etc. 403 


und endlich die der polymorphen Zellen ; letztere sind ge- 
wöhnlich klein, kugelig, ei- oder spindelförmig und vorzugs- 
weise horizontal gerichtet“. Bei der Katze schildert er 
etwas abweichende Verhältnisse. Ich glaube die Überein- 
stimmung ist überzeugend. Hervorgehoben muss jedoch 
werden, dass die Schilderung Cajals beim Frettchen nur 
für gewisse distale Teile des Lobus pyriformis zutrifft. Denn 
nur hier findet sich jene präsubikuläre Rinde mit ihrer 
charakteristischen „zweiten Schicht“. Wir sahen, dass die 
äusseren Schichten der Rinde des Lobus pyriformis die Um- 
biegung der tiefen Schichten in das Ammonshorn nur in 
den distalen Ebenen ein Stück weit mitmachen, in Form 
einer (auf dem Frontalschnitt als Haken erscheinenden) 
Rinne. (Gerade diese äusseren Schichten sind das Charak- 
teristikum der präsubikulären Rinde Gajals, ihre „zweite 
Schicht“. Wenn in den oraleren Ebenen diese Rinne sich 
allmählich um jene Umbiegungsstelle herumzieht und schliess- 
lich ganz verschwindet, so hört damit die eigentümliche 
präsubikuläre Rinde (oder, wie ich sagte, der mediale Be- 
zirk der Rinde des Lobus pyriformis) auf. Also: die „mediale“ 
Rinde findet sich vorn nicht; in der Höhe des Ammons- 
horns als präsubikuläre Rinde, dahinter geht sie in die 
mediale Palliumwand über. 

f) Die Zellschichten des Subiculums und des Ammons- 
horns sind nur die direkte (modifizierte) Fortsetzung der 
tiefsten Schichten der Rinde des Lobus pyriformis. Ich 
möchte aber meinen, dass man beim Frettchen unter der 
von Cajal (l.c. p. 45) geschilderten Schicht mittelgrosser 
Pyramiden, die sich bei den genannten und anderen Tieren 
„bis zur weissen Substanz erstreckt, ohne deutliche Unter- 
abteilungen zu zeigen“, doch auch noch die Fortsetzung 
der allertiefsten Zellagen der Rinde des Lob. pyr. und den 
Beginn des Stratum oriens der Autoren erkennen kann. 
Jedenfalls erstrecken sich diese Lagen ziemlich weit in das 
Ammonshorn hinein, wo die oberflächlicheren Zellen der 
tiefen Schichten sich bereits in typische Ammonszellen um- 
gewandelt haben. 

3. Die Ammonswindung zeigt durchaus typische Ver- 
hältnisse; doch besteht gegenüber dem Igel und der Maus ein 


404 Max Völsch: 


wesentlicher Unterschied in der Lage der Windung. Sie ist, 
konform der stärkeren Balkenausbildung in der von den Primaten 
her geläufigen Weise verschoben, gewissermassen im Bogen um 
eine frontale Achse herum, so dass der obere Schenkel nur mehr 
sehr kurz ist, während der untere zusammen mit einem echten 
Unterhorn tief unter den Stamm und seine Verbindung mit den 
Stammganglien der Hemisphäre nach vorn hinuntergeschoben ist. 
Gegenüber der rudimentären Ausbildung des Unterhorns (wie 
gesagt, eines echten untergeschobenen Unterhorns!) und des 
entsprechenden unteren Ammonsschenkels bei Igel und Maus zeigt 
das Frettchen durchaus den Primaten ähnliche Verhältnisse. — 
Wie bereits oben (unter 2e) erwähnt, ist auch bei Fötorius die 
Ammonszellschichtung lediglich als eine Fortsetzung der tiefen 
Rindenschichten (VI) anzusehen; die oberflächlichen Zellschichten 
(II—IV) setzen sich nur eine Strecke weit in das Ammons- 
horn fort, dabei die Einbiegungsstelle des Ammonshorns wie 
eine Rinne umgebend (s. oben). Auch an dem gerade 
nach hinten gerichteten Teil des Ammonsbogens (s. Fig. 9—12 
nebst Text) fand ich diesen Umschlag, der hier also eine Fort- 
setzung der äusseren Schichtung der medialen Palliumwand ist. 
In den oralen Teilen des unteren Schenkels des Ammonshorns 
dagegen hört der Umschlag, sich allmählich um die Umbiegungs- 
stelle zurückziehend, auf; die Einrollung der äusseren Schichten 
des Lobus pyriformis hat daher eine Gestalt wie der Rand eines 
Papierblattes, das man mit dem ersten Griff zu einer Düte ein- 
rollt. — Im oralen Teil der Ammonswindung ist eine Formation 
kenntlich (Fig. 7), welche als der Ausdruck einer primitiven 
Uneusbildung zu betrachten ist. 

4. Weiter oral, kurz distal von dem vorderen Unterhornende 
wird die Verbindung der tiefen Schichten des Lobus pyriformis 
(Regio intermedia) mit der Ammonsrinde scheinbar unterbrochen 
durch das Auftreten von Zellmassen, welche zum Teil als 
Verdickungen (B), zum Teil (vergl. Maus) wahrscheinlich als 
Einstülpungen resp. abgeschnürte Einsenkungen der äusseren oder 
mittleren Rindenschichten aufzufassen sind. B ist beim Frettchen 
zu einer sehr unerheblichen Verdickung der äusseren Rinden- 
schichtung reduziert. T und M liegen zunächst ventro-lateral 
vom Unterhorn, dehnen sich nach dem Verschwinden des letzteren 
weit in das vorher von ihm eingenommene (rebiet dorsalwärts 


Anatomie des Mandelkerns etc. 405 


aus, auf diese Weise die vordere Wand des Unterhorns bildend. 
Die dorsale Partie von T, die sich schon bei Igel und Maus durch 
besonders grosse Zellen markierte, wurde als T’ abgeschieden. 
Der ganze Zellkomplex T+ T’+M ist nach dorsal und nach 
proximal sehr vielfach von Streifen und Platten körnerartiger 
(Gebilde (K) umgeben, die ich für Gliaanhäufungen (im Sinne 
Weigerts) halte. 

5. Weiter oral bildet sich ganz an der ventro - medialen 
Spitze der Hemisphäre (vergl. Fig. 5) eine kleinzellige Masse D 
aus, welche B allmählich verdrängt: bald wird diese Spitze ganz 
von solchen kleinen und einigen grösseren Zellen ausgefüllt; der 
ganze Komplex, der sich bis in den unteren Teil des vorher 
(weiter hinten) von dem inzwischen verschwundenen Kern T ein- 
genommenen Gebietes ausdehnt, ist schlecht charakterisiert 
und undeutlich begrenzt, wie bei Igel und Maus: „basaler 
Spitzenkern‘“. 

6. Innerhalb desselben findet sich auch hier sehr deutlich 
die kompakte Zellansammlung D‘, der Kern des sagittalen 
Längsbündels der Stria terminalis. 

7. Noch weiter nach vorn wird der „basale Spitzenkern“ 
ersetzt durch S. p. a., die Substantia perforata anterior; 
sie ist durch die Unregelmässigkeit der Zellen nach Lage, Grösse 
und Form charakterisiert und schiebt sich allmählich von medial 
(dem Stamm) her über die basale Verwachsungsstelle des Stamms 
und der Hemisphäre hinweg in die letztere und zwar in das 
(sebiet des basalen Spitzenkernes hinein, dehnt sich übrigens auch 
medial bis zur Mittellinie aus und tritt mit einer Zellgruppe des 
Septum pellucidum in Verbindung. Basal findet sich innerhalb 
der Formation S. p. a. auch der als S. p. a’ bezeichnete trans- 
versale Zellfaserzug (Tr. F.). 

8. Endlich bedeckt sich S. p. a. noch etwas oraler mit einer 
charakteristischen Schicht, der Rinde des Tubereulum olfac- 
torium, die allmählich sich immer weiter ausdehnt und schliesslich 
von der in dieser Gegend auftretenden Fissura rhinalis medialis 
bis zur Mittellinie reicht. Die Zellplatte S. p. a. wird dabei viel 
flacher, ihre Zellen spärlicher (Rinde am Kopf des Streifenhügels 
von Ganser). 

9. Der Linsenkern zeigt die bekannten Verhältnisse, ein 
Aussen- und ein Innenglied; das erstere breitet sich nach vorn 


+06 Max Völsch: 


ventralwärts in den dorsalen Teil des in distaleren Ebenen von 
T und M eingenommenen Gebietes aus und senkt sich immer 
tiefer gegen die Rinde am Kopf des Streifenhügels hinab. Ge- 
wisse durch Form und Tinktion der Zellen etwas auffällige Zell- 
gruppen medial von ihm (E) sind ihm vielleicht zuzurechnen (?). 
Das Hinterhorn der vorderen Kommissur schneidet von ihm in 
gewissen Höhen den mit Y bezeichneten Komplex ab. Um das 
Vorderhorn der Kommissur herumgelagert findet sich auch Z, 
wahrscheinlich der Nucleus accumbens Ziehens. — Der Nucleus 
caudatus besitzt einen sich nach vorn massig entwickelnden 
Kopfteil; wahrscheinlich entspricht ein dorsal vom Unterhorn 
des Ventrikels gelegener, nach vorn mit dem Linsenkern sich 
vermischender Komplex dem Schweifteil; statt des Bogenteils 
lassen sich nur einzelne, unzusammenhängende Zellstreifen nach- 
weisen (?). 

10. Die Stria terminalis scheint in typischer Weise zu 
verlaufen; speziell lässt sich ihre ventrale Ausstrahlung in ein 
zwischen T und B gelegenes kommaförmiges zellfreies Feld deut- 
lich erkennen; der dem sagittalen Längsbündel entsprechende 
(Querschnitt Q lässt sich dagegen nicht sicher erkennen. 

11. Basal vom Peduneulus, zwischen ihm und dem sich (von 
hinten nach vorn) allmählich medialwärts zur Stammbasis ziehenden 
Traetus optieus lassen sich Zellfaserzüge verfolgen ; sie gelangen 
zum Teil zum Hypothalamus, zum Teil im Bogen um das mediale 
Ende des Pedunculus bezw. der Capsula interna herum zum 
Thalamus selbst. Ich betrachte sie, mich teilweise an die Dar- 
stellung v. Monakows anschliessend, als einen Teil der Linsen- 
kernschlinge, speziell den letzterwähnten Teil als Hirn- 
schenkelschlinge; sie scheinen aus dem Linsenkern, nament- 
lich aus der Übergangsstelle vom ersten zum zweiten Linsen- 
kerngliede zu stammen. 

Eine dorsale Etage dieser Zellgruppe (im ganzen mit N.a.p. 
bezeichnet) zeigt in gewissen Höhen eine abweichende Lagerung 
der Zellen, die, maschenförmig angeordnet, offenbar sagittale 
Faserzüge begleiten. Sie gehören zum Innengliede des Linsenkerns. 

12. Das Ganglion opticum basale bietet keine hervor- 
stechenden Besonderheiten, schiebt sich auch hier an der Hirn- 
basis mit dem Tractus optieus medialwärts, immer an dessen 
lateralem Ende liegend. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 407 


13. Das Claustrum ist ein mächtiges, um den Grund der 
Fissura Sylvii konkav gekrümmtes Gebilde, welches deutlich in 
zwei grosse Dreiecke zerfällt, welche mit ihrer Basis dorsal- bezw. 
ventralwärts sehen. Sie sind in der Mitte durch eine schmale 
Zellbrücke verbunden, die vielfach (besonders vorn) auch ganz 
ausfällt, so dass die beiden Dreiecke unverbunden sind. Die Zellen 
besonders des unteren Dreiecks, die übrigens meist viel lockerer 
liegen, als die des oberen, vermischen sich aufs innigste mit den 
Zellen der anliegenden tiefen Rindenschicht, so dass über die 
Provenienz der Vormauer aus dieser Schicht kaum ein Zweifel 
bestehen kann. Eine Capsula extrema ist daher nur stellenweise 
kenntlich. In der Capsula externa finden sich, namentlich vorn 
in der Ausstrahlung der Commissura anterior, hie und da Zell- 
streifen, die dem Komplex X beim Igel entsprechen könnten. 


Eine nach Weigert-Pal gefärbte Serie vom Frettchen, von welcher 
jeder zweite Schnitt (a ca. 25 a Dicke) aufbewahrt wurde, ist leider nicht 
ganz vollständig. Die Färbung hat in den vordersten Teilen, der Region 
des Tuberculum olfactorium, vollständig versagt und auch schon einige der 
dahinter liegenden Objektträger zeigen eine etwas mangelhafte Färbung. 
Ein zweimaliger Versuch, die Lücke zu ersetzen, ist missglückt und es fehlt 
mir durchaus die Zeit zu einem dritten Versuch. Immerhin lohnt sich, wie 
ich glaube, die eingehende Betrachtung der fragmentarischen Serie, da ich 
sie unter Zuhilfenahme der rechten, ein wenig weiter vorn getroffenen 
Hemisphäre, bis weit in das hier interessierende Gebiet hinein verfolgen kann. 

Der Lappen N (vergl. p. 376) beginnt auf Objektträger 31, ca. 3 mm 
vor dem hinteren Pol der Hemisphäre. Er liegt an ihrer ventro-medialen 
Ecke und zunächst noch ganz auf der medialen Seite als ein querovales 
Gebilde, welches zunächst noch von der Hemisphäre getrennt ist, bald aber 
mit ihr verwächst. An seiner ventralen Seite (Obj. 30) zeigt sich ein schnell sich 
vergrössernder, länglich horizontaler, mit vielen Fasern durchsetzter Bezirk, 
in dessen Zentrum alsbald (Obj. 30b) Zellen erscheinen. So erscheint in 
diesem Teile des Läppchens N, welcher das distale Ende des Lobus pyri- 
formis darstellt, ein schräg horizontaler, ovaler Faserring, in dessen Zentrum 
Zellen liegen. Die ventrale Seite dieses Ringes liegt zunächst in den 
hinteren Schnittebenen dicht unter der ventralen Oberfläche des Läppchens, 
weiter vorn mehr in der Tiefe, so dass sie durch eine breite, an tingierten 
Fasern arme Molekularschicht vom Rande des Schnittes getrennt ist. Viel- 
leicht kann man diese Lageveränderung des ventralen Faserstreifens auf 
Änderungen der Schnittrichtung beziehen, in der die Rinde getroffen ist; sie 
müssen in dieser Gegend, wo der Lobus pyriformis in seiner hinteren Kuppe 
getroffen wird, wohl vorkommen. Vielleicht steht dieses Tieferrücken des 


A408 Max Völsch: 


ventralen transversalen Faserstreifens aber auch in Zusammenhang mit der 
— wie wir in der Zellserie sehen —, erst ein wenig vor der Kuppe des 
Lappens erfolgenden Ausbildung jenes auf p. 377 erwähnten lockeren gross- 
zelligen Streifens, welcher in dem sogenannten „intermediären“ Bezirk (dem 
inneren zentralen Bezirk) ziemlich kontinuierlich, in dem daran sich an- 
schliessenden äusseren zentralen Bezirk mehr in Form vereinzelter Gruppen 
von Zellen unter der Oberfläche dahinzieht. Sicher ist es, dass weiter 
proximal der Faserstreifen auf das Innigste an diese, die zweite Zellschicht 
und an den unter ihr (zwischen II einerseits und III + IV andererseits) 
gelegenen Molekularstreifen geknüpft ist, und, dass er in voller deutlicher 
Ausbildung auf den distalen Teil der Regio intermedia beschränkt ist. Hier 
sieht man die Fäserchen des Bandes sich nach allen Richtungen zwischen 
den Zellen durchflechten. In dem lateral sich anschliessenden äusseren 
zentralen Bezirk (der Regio retroolfactiva) ist ein kontinuierlicher Faser- 
streifen nicht deutlich; wie hier die Zellen der zweiten Schicht keinen fort- 
laufenden Streifen bildeten, sondern eine leichte Neigung zu Gruppenbildung 
zeigten, so konzentriert sich auch die Faserung um diese Gruppen herum, 
bildet hier und dort mit ihnen zusammen förmliche Nester. 

Die dorsale Seite des oben erwähnten Faserringes entspricht offenbar 
dem breiten zellarmen Streifen, der, wie ich annehme, zwischen der dritten 
und vierten Zellschicht einerseits, und der sechsten Zellschicht andererseits 
gelegen ist. Er ist in den distalen Ebenen viel breiter und faserreicher, als 
der ventrale Streifen, die Fasern durchflechten sich in ihm zu einem gan® 
dichten Filz. Sie dringen massenhaft zwischen die Zellen der tiefen 
Zellschichten ein, durchdringen sie und tragen wesentlich zur Bildung 
des nach vorn immer mächtiger sich entwickelnden Marks des Lobus 
pyriformis bei. Auch dieser dorsale, tiefe Faserstreifen ist im wesentlichen 
und in seiner vollen Ausbildung auf den distalen Teil der Regio intermedia 
beschränkt. 

Fast von den ersten Schnitten an, in welchen der Faserring sichtbar 
ist, sieht man eine die beiden Faserstreifen verbindende, massenhafte radiäre 
Faserung. Die Fasern, einzeln und zu Bündelchen gruppiert, verlaufen 
zwischen den Zellen der dritten und vierten Schicht radiär hindurch. Die 
Massenhaftigkeit dieser Fasern lässt die Rinde des Lobus pyriformis oder 
vielmehr einen Teil der Rinde dieses Lappens (s. unten) überall sehr deutlich 
gegen die benachbarten viel faserärmeren Rindenpartien abstechen. Auch 
in dem lateral sich anschliessenden äusseren zentralen Teil, der Regio 
retroolfactiva, in welchem, wie oben gesagt, die transversalen Streifen fehlen 
oder gerade nur angedeutet sind, ist diese Radiärfaserung sehr deutlich und 
auffallend, dagegen in dem fissuralen Teil des Lobus pyriformis viel schwächer, 
so dass dieser Teil viel mehr das Aussehen der benachbarten, jenseits der 
Fissura rhinalis lateralis gelegenen Windung hat. 

Die laterale schmale Seite des Faserringes der distalsten Ebenen 
wird durch Radiärfasern gebildet, die oft etwas gehäuft auftreten; sie bilden, 
wie mir scheint, die laterale Grenze der Regio retroolfactiva. Mit der Aus- 
dehnung der letzteren gegen die Fissura rhinalis lateralis hin rücken sie bis 
in die Nähe dieser Furche, von ihr noch durch ein faserfreies Feld (die 


Anatomie des Mandelkerns etc. 409 


Regio fissuralis) getrennt. Da, wie mehrfach gesagt, in der Regio olfactiva 
die transversalen Faserstreifen nicht mehr deutlich sind, so kann man in 
den etwas mehr nach vorn gelegenen Ebenen, wo diese Region sich lateral- 
wärts auszubreiten beginnt, nicht mehr wohl von einem Faserring sprechen; 
die Bezirke 2 und 3 (Regio intermedia und retroolfactiva) werden vielmehr 
von einem Rediärfaserfelde ausgefüllt, welches innerhalb der intermediären 
Region dorsal und ventral durch die transversalen Streifen begrenzt wird. 
Für die laterale Grenze dieses Faserfeldes, auf vielen Schnitten eben gekenn- 
zeichnet durch eine leichte Anhäufung der Radiärfasern, ist es ferner noch 
charakteristisch, dass sich hier die in der Molekularschichte der Rinde 
gelegene Tangentialfaserung deutlicher, als im den zentralen Teilen, namentlich 
der Regio retroolfactiva, erhalten hat. Sie präsentiert sich, entsprechend 
der geringen Breite dieser Grenzgegend, als ein Faserfleck in der ersten 
Rindenschicht; in den distalsten Schnitten geht er in den distalsten Teil 
der Tangentialfaserung des Lobus pyriformis, d. h. den distalsten Teil des 
ventralen Faserstreifens (s. oben) über, nach vorn zu aber schiebt er sich 
langsam mit dem lateralwärts gerichteten Verrücken der Grenze der Regio 
retroolfactiva lateralwärts, um sich übrigens weiter oral bald ganz zu ver- 
lieren. Im ganzen bildet er einen schmalen und kurzen, aber immerhin 
auffälligen von hinten nach vorn aussen verlaufenden Tangentialfaserzug. 

Sehr in die Augen fallend ist endlich stets die mediale Begrenzung 
des Faserringes oder Faserfeldes, die von dem Teil der Rinde des Lobus 
pyriformis gebildet wird, welchen ich als medialen bezeichnete, dieselbe 
Gegend, welche Ramon y Cajal in etwas oraleren Gegenden, wo das 
Ammonshorn und das Subiculum hervortreten, präsubikuläre nennt. Im 
Zellpräparat fand ich sie ausgezeichnet durch einen Haufen oder Streifen 
kleiner, meist rundlicher, dicht zusammengelagerter Zellen, die medial in die 
äusseren und mittleren Zellschichten (II, III, IV) der medialen Hemisphären- 
rinde, lateral in dieselben Schichten der „intermediären“ Rinde überging; 
darunter lagen der zellarme Streifen und die tiefen Zellschichten (VIa und b). 
Im Faserpräparat sieht man nun das ganze Gebiet jenes oberflächlichen 
Zellhaufens oder Streifens mit einem dichten Faserfilz erfüllt, der in engster 
Beziehung zu dem stark entwickelten tiefen (dorsalen) Faserstreifen steht. 
Der ventrale Faserstreifen der Regio intermedia scheint dagegen keine 
wesentlichen Verbindungen mit jenem Faserfilz zu haben; vielmehr senkt 
sich von der Molekularschicht her meist ein relativ faserarmer Keil in die 
Tiefe, welcher mediales Ende des ventralen Faserstreifens und Faserfilz 
meist sehr ausgesprochen trennt. Dagegen sammeln sich die Radiärfasern 
dieser Gegend, der medialen Grenze des Faserfeldes also, vielfach zu einem 
kompakten Bündel, welches vom tiefen Markstreifen her gegen jenen 
Molekularkeil (oder auch lateral von diesem Keil gegen das mediale Ende 
des ventralen Streifens zieht, und offenbar das Positiv zu dem auf p. 380 
erwähnten Zapfen darstellt. — Ausgezeichnet ist der mediale Bezirk ferner 
durch eine relativ erhebliche Tangentialfaserung, welche in der Molekular- 
schicht in breitem Bogen über den Faserfilz hinweg einerseits in die 
Tangentialschicht der medialen Hemisphärenrinde, andererseits in die der 
Regio intermedia zieht. 


410 Max Völsch: 


Nach dem allen ergibt sich folgendes Bild des Lobus pyriformis in 
der Frontalhöhe, welche der Textfig. 5 entspricht, nach welcher man sich 
leicht wird orientieren können: 

1. Ganz medial von der Furche «, der Übergangsstelle der Rinde des 
Lobus pyriformis in die mediale Palliumrinde, bis zu der mit X x bezeich- 
neten Stelle reicht der mediale Bezirk mit breiter, eine starke Tangential- 
faserung enthaltenden Molekularschicht, und durch einen darunter gelegenen 
dichten Faserfilz charakterisiert, der sich in dem im Zellpräparat beschriebenen 
Streifen kleiner oberflächlicher Zellen (Schicht II, III, IV) ausbreitet. Der 
tiefe transversale Streifen des benachbarten intermediären Bezirks geht in 
die tiefen, dorsolateralen Teile des Zellfaserfilzes über. In den darunter 
gelegenen tiefen Schichten (VI) zahlreiche feine sich verästelnde Fäserchen. 
Darauf folgt das Mark, das hier aus dem Lobus pyriformis in die mediale 
Palliumrinde übergeht. Man sieht, wie das Mark der letzteren etwas dorsal 
von dieser Übergangsstelle sich bereits etwas zu verdünnen, sich gewisser- 
massen nach oben und unten „zurückzuziehen“ beginnt, — der Ausdruck 
dafür, dass wir uns in dieser Frontalebene der Gegend nähern oder die 
Gegend gerade erreicht haben, wo die Rinde der medialen Hemisphärenwand 
sich nach innen und hinten zum Ammonshorn einstülpt. Ferner ergibt das 
Bild, dass das Mark des Lobus pyriformis hier auch bereits in den Alveus 
übergeht: es strahlt sozusagen in zwei entgegengesetzten Richtungen aus- 
einander, einmal in leichtem Bogen in die mediale Rinde, das andere Mal 
scharf umbiegend nach ventro-lateralwärts in den Alveus. (Über die „per- 
forierenden Fasern“ s. unten.) 

An der Übergangsstelle des Bezirks zu dem folgenden findet ent- 
sprechend dem Zapfen auf Fig. 5 sich eine starke, zapfenförmige Zusammen- 
lagerung der die mittleren Zellschichten (IIT + IV) des intermediären Bezirks 
durchsetzenden Radiärfasern; viele dieser Fasern durchdringen die tiefe Zell- 
schichtung (V, VI) und gelangen zu dem Mark (der Umbiegungsstelle zum Alveus). 

2. Der innere zentrale oder intermediäre Bezirk, von X X— x reichend, 
ist charakterisiert durch einen oberflächlichen (ventralen) und einen tiefen 
(dorsalen) Faserstreifen, die sich innerhalb der oberflächlichen Zellschicht (II) 
und der dicht unter derselben befindlichen zellarmen Zone resp. in dem 
breiten tiefen zellarmen Streifen zwischen den mittleren Zellschichten (III+4-IV) 
und den tiefen Zellschichten finden. Je weiter nach hinten, um so kompakter 
sind die Streifen. Zwischen beiden Streifen verlaufen massenhafte radiäre 
Fasern, die die mittleren Zellschichten durchsetzen; sie ziehen zum grossen 
Teil auch durch den tiefen Transversalstreifen und die tiefe Zellschichtung 
hindurch zum Mark. 

3. Der „retroolfaktive“ Bezirk kennzeichnet sich durch die massenhafte 
Radiärfaserung, die er mit dem vorhergehenden gemeinsam hat; die Streifen 
fehlen. Besonders in den distalen Teilen lagern sich die Radiärfasern viel- 
fach zu Bündelchen zusammen, deren Verästelungen innerhalb der Zellgruppen 
der zweiten Zellschicht nesterartige Komplexe bilden. 

4. Die fissurale Portion entbehrt der auffälligen Radiärfaserung. 

5. Die „prärhinencephale“ Portion lässt sich am Faserpräparat nicht 
erkennen. — 


Anatomie des Mandelkerns ete. 411 

Weiter oral (bis zu der in Textfig. 8 mit Fig. 7 bezeichneten Linie) 
vereinfacht sich das Weigertbild des Lobus pyriformis nun ungemein (bis 
Obj. 17—16). Wie wir schon aus den Zellpräparaten wissen, verschwindet all- 
mählich der mediale Teil. Ebenso verschwinden im Faserpräparat die für den 
intermediären Teil so charakteristischen Transversalstreifen; nur von dem 
tiefen Streifen scheinen vereinzelte quer verlaufende Fasern übrig zu bleiben. 
Die Regio olfactiva, die sich an die Regio retroolfactiva nach vorn anschliesst 
und sich bald fast über den ganzen Lappen verbreitet, enthält, wie jene und 
wie die intermediäre Portion viele, übrigens nach vorn an Zahl abnehmende 
Radiärfasern, und so bietet sich auf der der Textfig. 7 entsprechenden Höhe 
ein fast einheitliches Bild: der ganze Lobus pyriformis (intermediärer und 
olfaktiver Teil) wird von mässig zahlreichen Radiärfasern durchsetzt, die 
vom tiefen Mark nach der Oberfläche hinstreben; sie sind hier am zahl- 
reichsten, längsten und auffälligsten in den lateralen, der fissuralen Portion 
benachbarten Teilen. Vorwiegend in der Gegend der Pars intermedia sind 
sie von vereinzelten tiefgelegenen, parallel zur Oberfläche verlaufenden Fasern 
durchflochten. Nur ganz in der Nähe der Fissura rhinalis lateralis findet 
sich noch ein schmaler von Radiärfasern relativ freier Bezirk, die Regio 
fissuralis. 

Das inzwischen erschienene und zu voller Ausbildung gelangte Ammons- 
horn zeigt die bekannten Verhältnisse; es ist weit nach hinten ausgestülpt; 
demgemäss erscheint, nachdem (Obj. 29) der distalste Teil des Balkens in 
seinem lateralen Teile und zugleich die dünne Lage des retroventrikulären 
Markes getroffen wurde, auf Obj. 28—27 zunächst der Ventrikel als eine 
Lücke in diesem Mark, gleich darauf die tiefschwarze Faserung des hinteren 
Pols des Alveus, der schon nach wenigen Schnitten die Gestalt eines Ringes 
annimmt und als solcher das sich nach vorn stark vergrössernde Grau des 
Ammonshorns umsäumt. Auf Obj. 26 erscheint in diesem grauen Oval das 
eingerollte Stratum zonale (Cornu Ammonis + Fasciae dentatae) zuerst als 
vertikaler Streif, dann als Ring, in dessen Mitte wiederum die Zellen der 
Fascia dentata und in deren Zentrum die Zellen des „Endblattes“ des Ammons- 
horns und schliesslich die Fasern der „tiefen Wurzel“ (Kölliker) sichtbar 
werden. Alles geläufige und aus dem gekrümmten Verlauf des Ammonshorns 
ohne weiteres sich ergebende Bilder. Auch weiter vorn finden sich die 
bekannten Verhältnisse; der dorsale Schenkel des Ammonshorns „trennt sich“ 
in typischer Weise vom ventralen, die Faserbilder ergänzen die bei der Zell- 
serie gegebene Schilderung in jeder Weise. Hervorheben möchte ich nur 
noch, dass von der Stelle, wo diese Trennung in den dorsalen und ventralen 
Schenkel statthat, der erstere noch 42 Schnitte weit in der (unterbrochenen) 
Serie nach vorn verfolgt werden kann, d.h. stark 2 mm weit (84 Schnitte 
& 25u), der ventrale Schenkel aber noch 68 Schnitte, d. h. 3'/ mm. Von der 
Stelle an, wo auch die letzte Verbindung der beiden Schenkel durch die 
Fimbria aufzuhören scheint, die also gewissermassen auch in zwei Schenkel 
zerreisst, lässt sich der dorsale Schenkel noch knapp 1 mm, der ventrale 
noch 2!/s mm weit verfolgen, d.h., es besteht beim Frettehen — im Gegen- 
satz zu dem höchst rudimentären untergeschobenen Unterhornteil bei Igel 
und Maus — ein gut ausgebildetes, unter die Verbindung von Hemisphäre 


412 Max Völsch: 


und Stamm von hinten her untergreifendes Unterhorn von mehr als 2 mm Länge. 

Als Ergänzung zu den Ausführungen über die Fortsetzung der Rinden- 
zellschichten speziell des Lobus pyriformis in das Ammonshorn hinein 
(s. p. 388), möchte ich noch folgendes erwähnen. Wie vorhin geschildert, 
geht die Tangentialfaserung des medialen Bezirks des Lobus pyriformis in 
den distalen Teilen des Lappens direkt in die übrigens auch stets kräftig 
entwickelte Tangentialschicht der medialen Hemisphärenrinde über. Weiter 
proximal, wo die Teilung des Ammonshorns in oberen und unteren Schenkel 
eingetreten ist, und der letztere durchaus als Einstülpung der tiefen Zell- 
schichten der Rinde des Lobus pyriformis imponiert, da begleiteten, — so 
erwies die Zellserie, — die oberflächlichen Rindenzellschichten diese Ein- 
stülpung der tiefen Schichten noch eine Strecke weit in Form einer Rinne, 
die im Frontalschnitt als Haken erscheint. In diesen Ebenen nun geht die 
Tangentialfaserung des Lobus pyriformis in die Tangentialfaserung dieser 
rinnen- oder hakenförmigen Formation und vermittelst ihrer in das Stratum 
zonale des Ammonshorns über. Sie umzieht dabei also in weitem Bogen 
den medialen Teil der Lobus pyriformis-Rinde und den dicht an ihn ange- 
schlossenen Rest der äusseren Zellschichten der medialen Hemisphärenrinde, 
welche eben jene Rinne bilden. Das Stratum zonale Cornu Ammonis aber 
präsentiert sich in diesen proximaleren Schnitten (z. B. Obj. 20) als aus zwei 
Lagen bestehend, einer tieferen und einer oberflächlichen, die sich getrennt 
allerdings nur eine kurze Strecke in das Ammonshorn hinein verfolgen 
lassen. (Vergl. die Fig. 12 und 30 bei Cajal, 1. c. p. 37 und 30, sowie 
Fig. 777 p. 735 bei Kölliker 1. ce.) Beide Lagen dürften den Hauptteil 
ihrer Faserung aus den von Cajal beschriebenen und abgebildeten „‚per- 
forierenden“ Fasern beziehen, Fasern, die aus der Umbiegungsstelle des 
Marks des Lobus pyriformis in den Alveus herstammen, und die auch beim 
Frettchen sehr deutlich und reichhaltig sind. Sie gelangen sicher auch in 
die oberflächliche Schicht. Daneben scheint mir aber die tiefere Schicht 
einen, wenn auch spärlichen Zuzug aus dem in dieser Frontalhöhe freilich 
nur noch unbedeutenden dorsalen (tiefen) Faserstreifen des Lobus pyriformis 
zu erhalten, während die oberflächliche Lage zu einem guten Teil von der 
soeben erwähnten Tangentialfaserung herstammt. Die perforierenden Fasern 
finden sich übrigens deutlich nur an der Umbiegungsstelle des Lobus pyriformis 
in den ventralen Ammonshornschenkel; an der oberen Umbiegungs- 
stelle — Übergang der dorso-medialen Rinde in den dorsalen Ammons- 
schenkel — sehe ich sie höchstens angedeutet. Dagegen möchte ich aus 
einigen Bildern schliessen, dass solche perforierenden Fasern auch da existieren, 
wo die mediale Rinde in den distalwärts konvexen Bogen des Ammonshorns, 
das Verbindungsstück zwischen den beiden Schenkeln übergeht. 

Endlich sei noch in Kürze der Markmassen gedacht, welche den 
Ventrikel umgeben. Das Mark präsentiert sich in den Frontalschnitten als 
ein der äusseren Hemisphärenoberfläche parallel, also dorso-lateral-konvex 
verlaufender Bogen; hie und da treten mit der Entwicklung von Windungen 
an der Medialseite Gabelungen dieses Bogens auf, auf die einzugehen hier 
nicht der Ort ist. Von Obj. 29 an schiebt sich aus diesem Markbogen 
medialwärts die kompakte Balkenfaserung hinaus, rückt immer weiter medial- 


Anatomie des Mandelkerns etc. 413 


wärts und bricht auf Obj. 24 nach der anderen Hemisphäre durch. Wie 
bereits erwähnt, treffen die Frontalschnitte fast gleichzeitig mit dem distalen 
Ende des Balkens das die hintere Ventrikelwand bildende Mark, dann den 
Ventrikel, dann das Ammonshorn, welches nun weit in den Ventrikel hinein- 
ragt und ihn im Frontalschnitt als bogenförmigen Spalt mit ausgezogener 
ventro-lateraler Ecke erscheinen lässt. Er ist von allen Seiten von Mark 
umgeben: dorsal vom Balken und der ventral sich anschliessenden 
Tapetenfaserung, lateral von dem erwähnten Markbogen, der drei deutlich 
geschiedene Lagen, die feineren, helleren Tapetenfasern und ein namentlich 
durch die Art der Färbung wohl geschiedenes Stratum sagittale internum 
und externum erkennen lässt, und ventral vom Mark der Lobus pyriformis. 
Die innere Begrenzung des Ventrikels ergibt sich von selbst aus den be- 
kannten Verhältnissen, wie sie die Ammonseinrollung und der Übergang 
des Stammes in die Hemisphären mit sich bringen. 

Auch die Bilder, welche auf den der oben p. 410 gegebenen Schilderung 
zugrunde gelegten Objektträger 26 folgen, bringen prinzipiell bekannte 
und typische Verhältnisse: die Ausbildung der Üorpora geniculata (auf 
Öbjektträger 26, bezw. 23 beginnend), des Tractus opticus; auf Objekt- 
träger 23 wird die vordere Grenze des nach hinten konvexen Fimbriabogens 
getroffen und damit zerfällt die Fimbria in ihren oberen und unteren Schenkel. 
Gleichzeitig kommt die Faserung der Stria terminalis in die Schnittebene, 
natürlich wird auch bei ihr zunächst der (nach hinten konvexe) Bogenteil 
getroffen. Die Anlagerung an die Fimbria ist offenbar eine sehr nahe, es 
hat vielfach den Anschein, als ob die Fasern der beiden Züge direkt in- 
einander übergingen. Schon wenige Schnitte weiter nach vorn — ein Zeichen 
für die geringe Tiefe der Stria terminalis — vereinigt sich das den Ventrikel 
lateral begrenzende Mark mit Faserzügen, die vom Stamme (Vierhügel) her 
ziehen, Stamm und Hemisphäre vereinigen sich. Von diesem Punkt an sind 
dann die beiden Schenkel der Stria terminalis, der obere und der untere, 
als zwei charakteristische Halbmonde weithin kenntlich. Der obere liegt in 
dem sogenannten Sulcus strio-thalamicus; der untere liegt lateral vom 
Traetus opticus und stösst lateral an das retrolentikuläre Mark mit den 
sich in ihm bildenden grauen Massen (s. unten). Die Fasern der Stria termi- 
nalis sind fein und auffällig blass und spärlich tingiert, besonders auch in 
den Halbmonden, die auf manchen Schnitten als ganz helle Gebilde erscheinen. 
In dem dorsalen Halbmonde sieht man sehr deutlich, immer ganz medial 
dicht am Thalamus, ein kleines, durch seine dunkle Färbung ausgezeichnetes 
Faserbündelchen; in den distalen Schnitten geht es teilweise in den proxi- 
malsten Teil des Corpus geniculatum laterale, weiter nach vorn, sich ver- 
kleinernd, in die vorderen Teile des Thalamus optieus über. Das Bündelchen 
entspricht wohl sicher dem auf p. 676 (Teil I) erwähnten Faserbündel beim 
Kaninchen, welches ich dort als die Fortsetzung des sagittalen Längsbündels 
der Stria ansprechen konnte. Beim Frettchen kann ich es, wenn auch nicht 
ganz sicher, bis in den Bogenteil der Stria verfolgen, an dessen medialer 
Seite, dicht am Thalamus, es herabzusteigen scheint. Auch im ventralen 
Striaschenkel, im ventralen Halbmonde, sieht man an manchen Schnitten 


mehrere Komplexe schräg getroffener, auffallend schwarz gefärbter Fasern, 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 27 


414 Max Völsch: 


einen dicht am Tractus opticus, aber doch von ihm abscheidbar, und einen 
zweiten an der Peripherie des halbmondförmigen Querschnittes der Stria 
terminalis gelegen. 

Die zwischen den beiden Striaschenkeln gelegene Verwachsungsstelle 
des Stammes mit der Hemisphäre wird nun immer höher, indem immer ge- 
waltigere Markmassen vom Stamm (Vierhügel, Thalamus, Regio subthalamica) 
her sich in das Hemisphärenmark ergiessen; der Eintritt des Pedunculus 
erfolgt übrigens beiläufig erst etwa !/; mm vor dem distalsten Punkt der 
Verwachsung. Zusammen mit dem sich verbreiternden — schon hinter der 
Verwachsungsstelle ist diese Verbreiterung kenntlich — Hemisphärenmark 
bildet die letztere das weit ausgedehnte Feld des „retrolentikulären Marks“. — 
Bereits ein wenig hinter der Verwachsungsstelle, da also, wo der Frontal- 
schnitt noch nicht Unterhorn und Üella media des Ventrikels getrennt trifft, 
wo der letztere vielmehr noch die Hemisphäre in ihrer ganzen Höhe durch- 
setzt, sieht man in dem lateralen, bereits verbreiterten Mark (ungefähr in 
der Mitte der Ventrikelhöhe) ein kleines graues Dreieck dicht am Ventrikel- 
lumen. Weiter nach vorn rückt dasselbe allmählich immer mehr dorsal- 
wärts, erscheint dabei auf einigen Schnitten als ein schmaler, sich dicht am 
Ventrikelrande hinziehender Streifen. Schliesslich lagert sich dieses Grau 
in Form eines immerhin sehr auffälligen rundlichen bis viereckigen Gebildes 
dorso-lateral von dem inzwischen zur Ausbildung gekommenen dorsalen Stria- 
halbmond. Noch weiter nach vorn zu reduziert es sich nun überraschender 
Weise und verliert sich bald ganz. Die sagittale Ausdehnung der Strecke, 
auf welcher es sichtbar ist, beträgt noch nicht 1'/;; mm. Erst fast ®/ mm 
weiter vorwärts erscheint an derselben Stelle wieder ein zunächst sehr kleiner 
grauer Haufen, der sich nun schnell in typischer Weise zum Schweifkern 
entwickelt. Trotz dieser Unterbrechung zweifle ich nicht, dass es sich bei 
dem beschriebenen grauen Gebilde um einen Teil des Nucleus caudatus 
handelt, um eine rudimentäre, von dem eigentlichen Kopfteil getrennte An- 
lage des Bogenteils des Kerns, und stütze diese Auffassung durch den 
prinzipiell ganz analogen Befund im Zellpräparat (s. p. 381). Die ventrale 
Fortsetzung des Bogens in das Unterhorn, eine eigentliche Cauda, kann ich 
auch im Faserbilde nicht sicher auffinden. Dagegen finden sich auch hier 
mitten im retrolentikulären Mark mehrfach mehr oder weniger deutliche und 
scharf umschriebene graue Massen, die ich, wie dort (p. 381), als abgesprengte 
Teile des Linsenkerns ansehen möchte. 

Auf Objektträger 20, ziemlich genau in der Höhe der „Verwachsungsstelle* 
von Stamm und Hemisphäre, bildet sich im lateralen Mark der letzteren oder 
besser wohl in den lateralsten Teilen dieses Marks eine schnell anwachsende 
graue Masse aus, die man zunächst für das Putamen anzusprechen geneigt 
sein würde. Der Vergleich mit dem Zellpräparat, sowie der weitere Verlauf 
lehren jedoch, dass es sich um das Claustrum handelt, ein bald mächtig ent- 
wickeltes, wie ein Komma gekrümmtes wurstförmiges Gebilde. Der dorsale 
Schenkel, der zuerst (von hinten gerechnet) erscheint, ist durch eine nicht 
sehr starke, aber deutliche Capsula extrema gegen die Rinde hin scharf 
begrenzt, die Grenzen des ventralen Schenkels werden, je weiter nach vorn, 
um so undeutlicher. 


Anatomie des Mandelkerns ete. 415 


Erst zirka 1?/ı mm weiter vorn (Obj. 16, 6) kommt der Linsenkern 
in den Schnitt, erscheint alsbald in typisch dreieckiger Gestalt, vielfach von 
Fasern und Faserbündeln durchzogen, welche von der Capsula interna zu der 
immer deutlich erkennbaren Capsula externa hinziehen. Besonders auffällig 
ist ein mächtiges Bündel, welches aus der inneren Kapsel dicht über dem 
ventralen Schenkel der Stria cornea hin durch die (ventrale) Basis des Putamens 
zieht und sich, nach unten abbiegend, in das aus dem Lobus pyriformis herauf- 
steigende Mark ergiesst. Auf diese Weise gabelt sich dieses Mark in der 
Höhe der dorsalsten Stelle des Querschnittes des Unterhorns; die eine Zinke 
der Gabel wird durch jenes Faserbündel, das sublentikuläre Mark, die andere 
durch die Capsula externa dargestellt (Fig. 17). Noch weiter oral, um das 
gleich hier zu erwähnen, hört das sublentikuläre Mark allmählich auf, und 


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Fig. 17 (Obj. 15, 1). Frettchen, Lobus pyriformis und Mandelkern. 
(Korrespondiert mit Fig. 13.) 


die der medialen Zinke der Gabel entsprechende Faserung nimmt einen anderen 
Weg, indem sie in leichtem medialwärts konvexem Bogen in die Capsula 
externa hineinzieht (Fig. 18); dadurch wird ein Teil des Linsenkerns (?) ab- 
getrennt. Weiter vorn scheint mir dieser Faserbogen in Verbindung zu 
treten mit der noch zu erwähnenden Faserung, welche den Kern T erfüllt; 
doch lässt hier die Färbung der Präparate bereits so nach, dass ich das mit 
Sicherheit nicht feststellen kann. — Ventral von der sublentikulären Mark- 
faserung oder auch in ihr finden sich mehrfach graue Stellen, die nach ihrer 
Lage mehr oder weniger dicht an dem ventralen Striaschenkel wohl den 
Anspruch erheben könnten, als Cauda zu gelten; nirgends aber lässt sich eine 
solche graue Masse kontinuierlich über grössere Strecken verfolgen. — 

Im Lobus pyriformis fand ich oben (p. 411) die ganze Rinde, ab- 
gesehen von dem medialen Teil, der erst auf Obj. 16 ganz verschwindet, von 

2 


416 Max Völsch: 


Radiärfasern durchzogen, die im intermediären Teil von vereinzelten Quer- 
fasern durchsetzt wurden. Das tiefe Mark gab in der ventro-medialen Ecke der 
Hemisphäre einmal die perforierenden Fasern zum Stratum zonale des Ammons- 
horns ab und ging zweitens, scharf umbiegend, in die Alveusfaserung über. 
Auf Obj. 19—18 werden die perforierenden Fasern immer spärlicher und auf 
Obj. 17—16 beginnt sich das tiefe Mark der intermediären Region des Lobus 
pyriformis gewissermassen von der Übergangsstelle in den Alveus lateralwärts 
zurückzuziehen, gerade so, wie sich in der Zellserie die tiefen Zellschichten 
der Rinde in dieser Höhe lateralwärts „zurückzogen“ (p. 390). Gleichzeitig 
treten die Zellen der oberflächlichen Rindenschichten der intermediären Region 


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7 272 2 
Fig. 18 (Obj. 14,8 r.). Frettchen, Mandelkern (Korrespondiert mit Fig. 14). 


offenbar etwas näher an den horizontalen Ast des Unterhorns heran. So 
bekommt nun der „intermediäre“ Bezirk des Lobus pyriformis ein ganz 
anderes Aussehen. Die in der Regio olfactiva noch sehr deutlichen Radiär- 
fasern sind nicht vorhanden, ferner fehlt das tiefe Mark als kompakte 
Masse; dagegen sieht man in dem Raum zwischen den oberflächlichen Zell- 
schichten und dem Unterhornrande ein lockeres Geflecht mässig zahlreicher 
kräftiger Fasern. Da dieselben zum Teil lateralwärts in das („zurück- 
gezogene“) tiefe Mark übergehen, könnte man auch sagen, dass das letztere 
in dieser Höhe sich in ein lockeres Fasernetzwerk auflöst, welches natur- 
gemäss einen breiteren Raum einnimmt, als das kompakte Mark. Mitten in 


Anatomie des Mandelkerns etc. 417 


diesem Netzwerk entsteht (Obj. 16, 4) nun der Kern T, sich schnell ver- 
grössernd, zunächst anscheinend ganz frei von Fasern. Nunmehr ordnen sich 
die vorher ganz regellosen Fasern des erwähnten Netzwerks in der Weise 
an, dass sie eine Art Kapsel um den Kern bilden, ihn sowohl dorsal wie 
ventral einhüllen. Und da diese Kapsel mit dem lateralwärts geschobenen Mark 
in Verbindung steht, so gewinnt man den Eindruck, dass dieses Mark an der 
lateralen Spitze des länglich eiförmigen, horizontal liegenden Kerns T sich 
gabelt; der eine Gabelschenkel umzieht die dorsale Seite von T, der andere 
die ventrale Seite, wenigstens ein Stück weit. Der dorsale entspricht dem 
Faserkomplex, den ich beim Igel als „occipitale Strahlung“ bezeichnete, weil 
sie von hinten her am Boden des Ventrikels nach proximal verläuft. (Die 
Bezeichnung ist keine sehr glückliche, weil die Faserung mit den sonst als 
occipitale Strahlung bezeichneten Faserzügen nichts zu tun hat.) Der ventrale 
Schenkel aber besteht aus den Radiärfasern der ventral von T welegenen 
Rinde, die ich beim Igel als Rindenstreifen T bezeichnete. Überhaupt liegen 
prinzipiell hier wieder dieselben Verhältnisse vor, wie bei Erinaceus, und 
ich kann zur Verdeutlichung der obigen Schilderung auf Fig. 8, Taf. XXXVII 
des ersten Teils verweisen. Der Knick, die Umbiegungsstelle des Ventrikels, 
die dort (in der Figur) unmittelbar lateral von der lateralen Spitze des 
eiförmigen T-Kerns liegt, liegt beim Frettchen erheblich weiter lateral, die 
untere Ventrikelwand verläuft nicht ausgesprochen horizontal, wie dort, son- 
dern schräge ansteigend, so dass die Knickung eine weit weniger scharfe, 
stumpfwinkelige wird. Ferner erscheinen — wenigstens auf meinen Präparaten 
— die Fasermassen nicht so kompakt; der ventrale Gabelschenkel erstreckt 
sich auch nicht so weit medialwärts, wie in jener Figur, und dadurch wird 
die fast faserfreie Übergangsstelle in das mediale Gebiet, welches dem Kern 
B beim Igel entspricht, erheblich breiter und noch unschärfer. Es ist diese 
(ventro-mediale) Seite des Kerns T die einzige, die nicht von jener Faser- 
kapsel scharf begrenzt wird. Dagegen ist auch beim Frettchen die feine, 
dichte Fasernetzbildung in der dem Kern B entsprechenden Rinde, die beim 
Igel in diesem Kern sehr deutlich war, kenntlich. — Aus dem erwähnten 
dorsalen Gabelschenkel sondern sich einzelne Fasern ab, die medial von dem 
lateral an den Kern T sich anschliessenden tiefen Mark, zwischen ihm und 
Ventrikel, aufwärts steigen und, wie mir scheint, sich zu einem kompakten 
Bündelchen sammeln, welches sich schliesslich in dem sublentikulären Mark 
verliert. Die Faserung ist besonders dadurch auffällig, dass sie ausgesprochen 
in der Schnittebene, also frontal, verläuft, während das anliegende Mark 
des Lobus pyriformis fast ausschliesslich aus quer und schräg getroffenen 
Fasern besteht. 

Die soeben erwähnten dorsal aufsteigenden Fasern durchziehen nun 
bereits die distalen Anfänge des Zellkomplexes M, der sich, wie das Zell- 
präparat lehrt und wie das Weigertpräparat bestätigt, schnell medial 
vom tiefen Mark des Lobus pyriformis entwickelt, dasselbe schliesslich in 
der ganzen Höhenausdehnung des Unterhorns von letzterem abdrängt. Die 
obere Grenze von M gegen das gleichzeitig ventralwärts sich ausbreitende 
Putamen zu bestimmen, war schon im Zellbilde schwierig und ist hier ganz 
unmöglich. Mit der stärkeren Ausbildung von M verliert sich der Zusammen- 


418 Max Völsch: 


hang des den Kern T dorsal umgebenden Kapselteils (des dorsalen Gabel- 
schenkels) mit dem tiefen Mark (Fig. 17). Gleichzeitig dehnt sich der 
Kern T gewaltig dorsalwärts in das Gebiet aus, welches vorher (distaler) 
ven dem allmählich sich reduzierenden und verschwindenden Ammonshorn 
und dem Unterhorn des Ventrikels eingenommen war. Wir wissen, dass die 
Zellen dieses dorsalen Teils von T sich wesentlich von denen des ventralen 
Teils unterscheiden, so sehr, dass diese dorsale Vergrösserung auch als die 
Auflagerung eines neuen Kerns T' gedeutet werden kann. In diesen dorsalen 
Teil oder Kern T’ dringen nun massenhafte Fasern aus dem dorsalen Kapsel- 
teil ein, ihn dicht erfüllend und sich vielfach zu den vom Igel her bekannten 
schräg geschnittenen kurzen Bündelchen zusammenlegend, die ihm beim 
Igel ein hermelinartiges Aussehen geben. So unterscheidet sich T' auch im 
Faserbilde sehr deutlich von dem fast faserfreien M und dem sehr viel faser- 
ärmeren T (ventral), M und T aber gehen auch hier ohne deutliche Grenze 
ineinander über und umgeben T’ von lateral und ventral, wie ein Halbkreis. 
Die Fig. 17 und 18 zeigen diese Verhältnisse. Auf Fig. 17 liegt M aus- 
gesprochen dorso-lateral von T, auf Fig. 18 — infolge der massigen Höhen- 
zunahme von T (Auflagerung von T') — genau lateral. Die Figuren ent- 
sprechen den Fig. 13 und 14 von der Zellserie. 

Bald vor der in Fig. 17 wiedergegebenen Stelle hört das Unterhorn 
des Ventrikels auf und die Schnitte treffen nun die vordere Wand desselben. 
Sogleich sieht man nun in dieser vorderen Wand die Fasern der Stria 
terminalis, welche bis zu diesem Punkt in dem ventralen Halbmonde 
gesammelt waren (Fig. 17, St.t.), sich schräg medio-ventralwärts in die 
Hemisphäre ergiessen, und zwar in mächtigem Zuge in den dreieckigen oder 
kommaförmigen zellfreien Raum, welcher die Zellmassen T und B scheidet 
(Fig. 18). Dabei dringen sicher zahlreiche Fasern, rechts und links ab- 
schwenkend, sowohl nach medial in den Kern (resp. die Rinde) B, als andere 
zahlreiche Fasern lateralwärts in den Kern T, oder besser den Kern T’ ein, 
wo sie zu der Bildung der T’ schräge durchsetzenden Fasern und Faser- 
bündelchen beitragen. Sie mögen zum Teil in dem Kern enden, zum Teil 
durchziehen sie ihn auch und gelangen zum tiefen Mark. Ein weiterer 
grosser Teil der Fasern aber zieht, in geradem Verlauf den ganzen komma- 
förmigen Raum durchsetzend, direkt zur basalen Rinde, sich um die Zellen 
auflösend, welche den Übergang von der Rinde der Regio olfactoria zu dem 
medialen Teil der Rinde des Lobus pyriformis bilden, den früher so genannten 
Randstreifen T. 

Gerade dieser Zug ist in meinen Präparaten recht auffällig. In etwas 
oraleren Ebenen, wo, wie der Vergleich mit dem Zellpräparat lehrt, der 
Kern B durch den neu auftretenden Kern D ersetzt ist, sieht man wenigstens 
andeutungsweise auch jene ventral vom Tractus opticus ziehenden und fächer- 
förmig sich im Kern D verbreitenden Fasern, deren medialste sich beim 
Kaninchen zu einem kompakten Bündelchen zusammenlegten (s. I. Teil, 
p: 676) und die auch Ramon y Cajal bei der Maus erwähnt und abbildet 
(l. e. p. 91, Fig. 36); er bezeichnet sie als „Tangentialbündel der Amygdala“. 
Diese, beim Frettchen lockeren und ziemlich spärlichen, nicht zu einem 
Bündel geordneten Fasern stammen aus dem oben erwähnten (p. 413) Komplex 


Anatomie des Mandelkerns etc. 419 


dunkler Fasern im ventralen Striahalbmond, welcher dem Traetus opticus 
anliest. Es darf wohl auch als sicher gelten, dass, wie beim Igel, so auch 
hier Verbindungen der Stria terminalis zum Mark des Lobus pyriformis vor- 
handen sind, vielleicht auch direkte um den Kern T' und T herum, ganz 
gewiss aber indirekte durch den.Kern T' hindurch. Es ist mir auch hier 
nicht möglich zu bestimmen, welch ein Anteil der aus der Stria in T’ ein- 
tretenden Fasern etwa hier endigt (resp. entspringt), und welch ein Anteil 
den Kern etwa nur durchzieht. Eine Endigung der Stria terminalis im 
Linsenkern glaube ich aber für das Frettchen ausschliessen zu können. 
Wie mir scheint, erklärt sich die entgegengesetzte Meinung anderer Autoren, 
Köllikers (Kaninchen), Ramön y Cajals (Maus) zum Teil wenigstens 
daraus, dass die letzteren das ganze Gebiet T’', T und M als einen Teil 
des Linsenkerns auffassen. 

Einen so scharf sich markierenden Faserquerschnitt, wie Q beim Igel, 
das „sagittäle Längsbündel der Stria“ sehe ich beim Frettchen nicht. 
Vielleicht kann die oben erwähnte ziemlich dichte, aber keineswegs bündel- 
förmige Faserung, welche beim Hinabtreten der Stria in die Hemisphäre 
senkrecht abwärts bis zur Rinde verläuft, als das Analogon des beim Igel 
so kompakten absteigenden Anteils der Stria gedeutet werden, welcher, nach 
vorn und hinten umbiegend, nunmehr horizontal distalwärts zu B, proximal- 
wärts zu D’ verläuft. Doch ist von diesem umgebogenen Teil, von einem 
„sagittalen Längsbündel“ weder hinten noch vorn etwas zu sehen. Doch 
ist dazu noch folgendes zu erwähnen: Da, wo die Stria terminalis schon 
zum allergrössten Teil sich in den kommaförmigen Raum begeben hat, wo 
(lateral vom Tractus opticus) von dem halbmondförmigen Gebilde, als welches 
sie sich weiter hinten präsentiert, nur noch spärliche Reste übrig geblieben 
sind, erscheint auf Objektträger 14, 7 (rechts) in diesem Gebiete ein rund- 
licher Faserquerschnitt (Fig. 18, Q); er scheint sich aus dem sich im ventralen 
Striahalbmonde durch stärkere Färbung markierenden bogenförmigen Faserzug 
zu bilden, welcher, wie oben (p. 414) erwähnt, in der dorsalen Peripherie des 
Halbmondes kenntlich ist. Er liegt in dem Gebiet, welches in dem Zell- 
präparat von den mit E bezeichneten Zellgruppen erfüllt ist. Dieser Quer- 
schnitt lässt sich nun gegen ®/ı mm weit nach vorn verfolgen, dann senken 
sich seine Fasern, ventralwärts umbiegend, zur Basis hinab, in starken 
Zügen medial an den letzten Resten des T-Kerns vorbeiziehend. Ich kann 
die definitive Endigung des Faserzuges nicht erkennen; da jedoch in nicht 
allzu grosser Entfernung vor dieser Frontalhöhe der Kern D' beginnt, so 
wäre es immerhin möglich, dass der Zug zu diesem Kern gelangt. Er würde 
dann dem „sagittalen Längsbündel der Stria“ beim Igel entsprechen. Das- 
selbe würde dann nicht, wie bei letzterem, sofort beim Eintritt der Stria 
in die Hemisphäre sich ventralwärts gewissermassen an Ort und Stelle, 
d.h. zu der Horizontalhöhe begeben, in welcher sein Ursprungskern, D‘, 
weiter vorn liegt, um dann in dieser Höhe sagittal zu diesem Kern zu ver- 
laufen. Es würde vielmehr zunächst die sagittale Richtung einschlagen, 
diese annähernd bis zur Frontalhöhe des Kerns beibehalten und nun erst 
umbiegend ventralwärts zu ihm verlaufen. Wenn, wie es scheint, der 
distalwärts gerichtete Schenkel des sagittalen Längsbündels beim 


420 Max Völsch: 


Frettchen fehlt, so könnte das bei der geringen Ausbildung der Rinde B, 
zu welcher jener Schenkel bei Erinaceus zieht, nicht wundernehmen. — 
Wie dem aber auch sei. als sicher darf wohl angenommen werden, dass äuch 
beim Frettchen Fasern aus der Stria zu dem Kern D‘ gelangen, sei es in 
Form eines geschlossenen Bündels, sei es in Form vereinzelt verlaufender 
Fasern. 

So finde ich beim Frettehen mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit 
alle die Endigungen der Stria terminalis wieder, die ich — im wesentlichen 
in Übereinstimmung mit Kölliker (Kaninchen) und Ramön y Cajal 
(Maus) — für den Igel beschrieb, wohlgemerkt die Endigungen des distalen 
oder ventralen oder (v. Kölliker) hinteren Endes der Stria. Da die Be- 
zeichnung: hinteres oder distales Ende bei dem Frettchen mit seinem wohl- 
ausgebildeten, weit nach vorn bis fast in die Frontalhöhe der Ausstrahlungen 
des „vorderen“ Endes der Stria reichenden Unterhorn kaum noch zutreffend 
ist, und da auch diese „vorderen“ Ausstrahlungen zum Teil ventralwärts 
gerichtet sind (Igel, Kaninchen, Maus), so dürfte es sich empfehlen, lieber 
von der kortikalen Endigung der Stria zu sprechen und ihr die subkortikale 
oder Stammendigung derselben gegenüberzustellen (die der „vorderen“ 
Köllikers entsprechen würde). Über diese subkortikale Striaendigung 
geben meine Präparate leider keine Auskunft. 

Dagegen erleuchten dieselben ein wenig das Dunkel, in welche die 
Region E gehüllt ist, jene Zellgruppen, welche in den oraleren Ebenen den 
bis dorthin von dem ventralen halbmondförmigen Striaschenkel okkupierten 
Raum einnehmen, nachdem dieser Striaschenkel sich ventralwärts in die 
Hemisphäre ergossen hat. Die Zellgruppen E liegen stets lateral von dem 
bereits an die Stammbasis ausgetretenen Tractus opticus und grenzen noch 
dorsal an das als N. a. p. bezeichnete Gebiet (s. Fig. 14 und 15). Unmittel- 
bar, nachdem die abwärts ziehende Stria sich in dieser Region erschöpft 
hat — bis auf den Faserquerschnitt Q! —, sieht man zahlreiche Fasern und 
Faserbündelchen aus der dorsalen Faserkapsel des Kerns T' (s. p. 417) 
in die Gegend ziehen, in welcher die Zellgruppen E liegen müssen, und diese 
Verbindung mit der dorsalen Kapsel des sich schnell reduzierenden Kern- 
komplexes (T + T‘) lässt sich durch eine lange Reihe von Präparaten ver- 
folgen. Da, wie beim Igel sich sicher und beim Frettchen mit Wahrscheinlich- 
keit feststellen liess, viele der Fasern dieser Kapsel des Kerns T sich 
durch den Kern hindurch zu dem tiefen Mark des Lobus pyriformis begeben, 
so darf angenommen werden, dass die Gruppen E — direkt oder indirekt — 
mit diesem Mark in Verbindung stehen. Etwas weiter oral, wo der Kern T 
verschwunden ist, sehen wir nun in dem vorher von diesem Kern ein- 
genommenen Raum sehr mächtige Fasermassen und Faserbündelchen aus 
diesem tiefen Mark der Regio olfactiva dorsalwärts streben (s. Fig. 19); ein 
Teil dieser Fasern gelangt wohl sicher zu der Gruppe E. Sie dürfte also 
als Endstätte der aus dem tiefen Mark des Lobus pyriformis entspringenden 
Fasern anzusehen sein, die zum Teil vor dem Kernkomplex (T+ T’+M), 
zum Teil durch ihn hindurch zu ihr ziehen; ein Teil der letzteren Fasern 
wird dabei innerhalb des Kernkomplexes eine Unterbrechung erfahren. — 
Über die Fortsetzung der Fasern jenseits der Gruppe E kann ich nichts sagen. 


Anatomie des Mandelkerns ete. 421 


Die von der Oberfläche des vorderen Teils der Regio olfactiva kommenden 
Radiärfasern treten, nachdem sie die oberflächlichen Zellschichten durchzogen 
haben, in ein die tiefen Zellschichten erfüllendes Netzwerk ein, das je weiter 
nach vorn, um so dichter wird (Fig. 18 und 19). Cajal erwähnt es (l. ce. p. 85) 
bei der Maus und gibt einige Details darüber. Da der Lobus pyriformis 
nach vorn zu immer schmäler wird und da er sich infolge des tiefen Ein- 
schneidens der Fissura rhinalis lateralis immer stärker krümmt, nimmt dieses 
Netzwerk, das ja den inneren zur Oberfläche konzentrischen Bogen des 
Kreissegmentes darstellt, das der Lobus pyriformis bildet, einen in frontaler 
Richtung sehr geringen Raum ein. Aus diesem Netzwerk der tiefen Zell- 
schichten sammeln sich nun weiter die Fasern zu dem tiefen Mark; dabei 


Fig. 19 (Obj. 12, 9 r.). Frettchen. (Korrespondiert mit Fig. 15.) 


haben sie insofern einen eigentümlichen Verlauf, als die aus den lateralen 
Teilen zu einem, wie mir scheint, nur kleinen Teil in das Claustrum resp. 
die hier nur schwach entwickelte Capsula extrema eintreten, deren unterer 
Schenkel sich zwischen den lateralen Teil des Netzes und das tiefe Mark 
hineinschiebt; der grössere Teil der aus diesem Teil des Netzwerkes stammenden 
Fasern geht in relativ langem Verlauf von unten um dieses Hindernis herum. 
So strömen also die Markfasern der ganzen Regio olfactiva gewissermassen 
an einem Punkte zusammen, um von hier aus in die vorher erwähnte 
Faserung zu den Gruppen E, zu einem anderen Teil aber in die Capsula 
externa, zu einem dritten vermutlich sehr erheblichen Teil endlich in die 
vordere Kommissur überzugehen, deren Hinterhorn unmittelbar vor Fig. 19 
erscheint. 


422 Max Völsch: 


Der Verlauf der Fasern aus dem tiefen Mark des vorderen Teils des 
Lobus pyriformis, die doch wohl sicher als Riechfasern mindestens dritter 
Ordnung anzusehen sind, gestaltet sich also im ganzen so (wobei ich von 
den bereits oben erwähnten Verbindungen der distalen Teile des Lappens 
mit dem Ammonshorn absehe): 

1. Ziehen kräftige Faserzüge in die Capsula externa und vermittelst 
derselben in den Linsenkern und durch denselben hindurch zur inneren 
Kapsel und vielleicht zur Regio subthalamica. 2. Die dichte Faserkapsel, 
welche den Kernkomplex T', T und zum Teil auch M einhüllt, stammt im 
wesentlichen aus jenen Fasern des tiefen Markes. 3. Aus letzterem dringen 
auch viele Fasern in den Kern T und T’ ein, durchsetzen ihn und tragen 
zur Bildung der namentlich in T’ stark entwickelten Faserung bei. 4. Viele 
der ad 2 und 3 erwähnten Fasern gehen direkt oder indirekt in die Stria 
terminalis über, einen wesentlichen Teil derselben bildend. Mit Rücksicht 
darauf, dass einerseits viele Fasern aus dem tiefen Mark und aus der Faser- 
kapsel, andererseits aber auch viele Fasern aus der Stria in den Kernkomplex 
T-+ T' eindringen, wird die Annahme berechtigt sein, dass der letztere 
eine Unterbrechungsstation für viele der aus der Regio olfactiva zur Stria 
terminalis ziehenden Fasern darstellt. Ob auch die Zellen des Kerns M 
eine solche Bedeutung haben, vermag ich nicht zu entscheiden. 5. Aus der 
dorsalen Faserkapsel des Kern T’ ziehen zahlreiche Fasern in die von den 
Zellgruppen E und den Basalganglien eingenommene Gegend. 6. Zu denselben 
Gruppen gelangen noch weiter oral unmittelbar nach dem Verschwinden des 
Kerns T+T’—+M Fasern, welche direkt vom tiefen Mark dorsalwärts 
dorthin ziehen. Sie sind Bestandteile eines grossen Feldes dorsalwärts aus 
dem tiefen Mark aufsteigender Fasern, die vielfach zu Bündeln gesammelt 
sind (Fig. 19). Das Feld hüllt den Kern T’’—+ T--M von vorn ein, liegt in 
der Gegend, wo ich im Zellpräparat grosse Platten von kleinen Zellen fand 
(K), die ich als Gliazellen, als den Ausdruck einer „Kielstreifenbildung“ 
ansprach. Manche dieser Fasern mögen zur Bildung der mehrfach erwähnten 
Kapsel um T beitragen. Der grösste Teil derselben dürfte aber 7. zum 
Hinterhorn der vorderen Kommissur ziehen. Ganz oral scheinen mir endlich 
8. Fasern aus dem Lobus pyriformis in die „Rinde am Kopf des Streifen- 
hügels‘‘ zu ziehen; sie würden hier zu dem Flechtwerk beitragen, durch das 
ich die Substantia perforata anterior (S. p. a. resp. St. K.) charakterisiert 
fand (s. unten). 

Um dann sogleich einen Schritt weiter rückwärts bei der Besprechung 
der Riechbahnen zu tun, will ich hier gleich mit einigen Worten des Tractus 
olfactorius lateralis gedenken. Ungefähr von der Stelle an, wo die inter- 
mediäre Rinde des Lobus pyriformis so bedeutungsvolle Änderungen eingeht, 
wo die Kernmassen B, T, T‘, M sich bilden, sieht man in der Molekular- 
schicht der Regio alfactiva die Fasern des Tractus verlaufen, diese ganze 
Region im Polbilde mit einem schwarzen Rande umgebend. Je weiter nach 
vorn, um so mächtiger wird derselbe. Der intermediäre Teil der Rinde des 
Lobus pyriformis aber bleibt zunächst vollkommen frei von den Ausstrahlungen 
des Tractus. Erst weit vorn, da, wo der Kernkomplex T+ T'’—+M sich 
verliert oder verloren hat, sieht man die Endfasern des Tractus die Fissura 


Anatomie des Mandelkerns etc. 423 


rhinalis medialis, in welcher der letztere verläuft, medialwärts überschreiten 
und, eine kleine Hervorwölbung der Hemisphäre, welche etwas jenseits der 
Fissur liegt, überziehend bis zu dem Kern D' vordringen. Sicher treten 
solche Fasern in diesen Kern ein, wie beim Kaninchen (s. Teil I, p. 677) und 
wie, nach Ganser, auch beim Maulwurf. Darüber hinaus, medialwärts, 
kann ich sie nicht verfolgen; die hier sichtbaren Fasern dürften vielmehr 
aus dem Kern D‘ stammen, aus dessen ventraler Seite sie austreten, um 
dicht an der Hirnbasis hin nach dem Stamme in die Gegend die Substantia 
perforata anterior zu verlaufen, genau wie bei Erinaceus (vergl. Teil I, p. 638). 

Damit wende ich mich diesem Gebiet zu. Mit dem Hineintreten des 
Hirnschenkels in den Spalt zwischen Stamm und Hemisphäre und mit seinem 
Verschwinden von der Basis des Stamms markiert sich im lateralsten Teile 
der letzteren, lateral von den aufsteigenden Fornixbündeln und medial von 
dem sich basalwärts schiebenden Traetus opticus, das Gansersche basale 
Längsbündel, mächtiger und wohl etwas lockerer, wie beim Igel (Fig. 18 als 
L. L. F. bezeichnet). Dorsal davon oder etwas medio-dorsal liegt das beim 
Frettchen sich nicht so scharf abscheidende mediale Längsfaserfeld; immerhin 
unterscheidet es sich auch hier vom basalen Längsbündel sehr deutlich durch 
die Feinheit seiner Fasern. Etwas weiter oral grenzt an das basale Längs- 
bündel latero-dorsal das Gebiet N. a. p., auf welches ich noch zurückkomme. 
Nachdem der Tractus opticus sich an die Basis gezogen hat, sieht man einer- 
seits aus diesem Gebiet, speziell aus dem basalen Längsbündel starke Fasern 
zu der vorderen hypothalamischen Kommissur (der suprachiasmatischen) 
ziehen, andererseits, genau wie beim Igel, aus allen diesen Gebieten mächtige 
Fasermassen dorsalwärts in den Sehhügel streben: den unteren Sehhügelstiel 
(Fig. 19). Nach dem Verschwinden des Sehhügelstiels, also vor demselben, 
zeigt sich dann das basale Längsbündel wieder in weit grösserer Ausdehnung 
als zuvor, es wird zum grobfaserigen lateralen Längsfaserfeld, in dessen 
Maschen Zellen liegen. Das Gebiet ist identisch mit der Substantia perforata 
anterior. Ich kann dann in der Serie noch die laterale Ausdehnung dieses 
Zellfaserkomplexes über den Kern D’ hinweg verfolgen, wobei es auffällt, 
dass auch nach dorsal hin, nach dem Linsenkern, reichlich Fasern aus diesem 
Gebiet abgegeben werden; schliesslich erfüllt auch hier, nachdem D' sich 
verkleinert hat und verschwunden ist, dieses Fasergeflecht (S. p. a.) das 
ganze vorher, d. h. weiter hinten von dem basalen Spitzenkern einge- 
nommene Gebiet; es wird zu einem Bestandteil der „Rinde am Kopf des 
Streifenhügels“ (St. K.). Auch das transversale Faserfeld ist noch nach- 
weisbar. Im übrigen sind alle diese Verhältnisse denen beim Igel so durchaus 
analog, dass ich auf eine ausführlichere Darstellung verzichte und auf das 
im I. Teil p. 638 ff. und p. 651 ff. Gesagte verweise. 

Meine Präparate versagen an der Stelle, wo sich etwa die Rinde des 
Tuberculum olfactorium über die Zellfaserplatte hinweg entwickeln muss. 

Nachholend muss ich noch einige Worte über das Bild sagen, welches 
der „basale Spitzenkern“ im Faserpräparat bietet. In diesem höchst unklaren 
Gebiet (B+ D), welches nach dem Verschwinden der Kerne T+T'’+M die 
ganze basale Spitze des Hemisphärenfrontalschnittes einnimmt, erwähnte ich 
bereits die auffallenden Faserzüge, welche von dem tiefen Mark gegen die 


494 Max Völsch: 


in dem Gebiet dorsal gelegenen Gruppen E hinströmten; auch, dass sich D', 
der Kern des sagittalen Längsbündels des Igels, deutlich markiert, dass 
medialwärts verlaufende Faserzüge aus ihm entspringen, wurde schon erwähnt. 
Im übrigen ist der Kern B+ D, wenn man ihn so nennen darf, von einem 
ziemlich dürftigen, in keiner Weise charakteristischen Fasernetz durchsetzt; 
dass auch in ihm sich Fasern aus der Stria terminalis verbreiten, ist mir 
wahrscheinlich. Der mediale Teil der Basis wird vom Tractus olfactorius 
lateralis überzogen. — 

Endlich noch ein Wort über das Gebiet N.a.p. Die Faserpräparate 
bestätigen die Anschauungen, welche ich mir aus den Zellpräparaten gebildet 
und p. 396ff. auseinandergesetzt habe. Dorsal von dem sich langsam zur 
Stammbasis herabziehenden Tractus opticus ist in der Tat eine feine Trans- 
versalfaserung sichtbar, welche aus dem Linsenkern kommt und in den distalen 
Ebenen zum Zwischenhirn geht, resp. sich im basalen Längsbündel verliert (?). 
Der S-förmig gekrümmte Zug ist bis zum unteren Thalamusstiel hinauf zu 
verfolgen; vor demselben sehe ich ihn nicht mehr. Es handelt sich wohl um 
einen Anteil der Linsenkernschlinge, die in dem von Monakow beschriebenen 
Verlauf (Lisch. a) nicht sichtbar ist; vielleicht (?) liefert er die erwähnten 
Fasern, die aus dem basalen Längsbündel zur vorderen hypothalamischen 
Kommissur ziehen. Erst etwas proximaler beginnt die Abzweigung eines in 
medial-konvexem Bogen dorsalwärts steigenden Zuges, welcher dabei die 
mediale Grenze der auf p. 397 erwähnten dorsalen Etage von N. a. p. umfasst; 
er verliert sich an der Basis der über jener Etage gelegenen Öapsula interna. 
Verfolgt man nun die andere Seite des Faserzuges, welche gewissermassen 
als Stamm die beiden soeben erwähnten Zweigfaserzüge vereinigt, latero- 
dorsalwärts in den Linsenkern hinein, so sieht man diesen Stamm, in lateral- 
konvexem Bogen entlang der medialen Seite des Putamen die dorsale Etage 
von N. a.p. von der anderen Seite umfassend, ebenfalls zur Basis der inneren 
Kapsel emporsteigen. Die Fasern scheinen dann an dieser Basis entlang 
medialwärts gegen den Punkt hinzuziehen, wo der vorhin erwähnte medial- 
konvexe Bogen sich verlor, und so hat man den Eindruck, als ob diese Faserung 
wie ein ovaler Ring die dorsale Etage von N. a. p. umzöge. Weiter vorn 
ändert sich die Verlaufsrichtung beider Bögen. Der laterale Bogen, der 
Ursprung der Linsenkernschlinge im weiteren Sinne, verliert sich in mächtigen 
Fasernzügen, welche den Linsenkern medial vom Putamen durchziehen, den 
lateralen Teil der inneren Kapsel durchsetzen und in den Schweifkern aus- 
strahlen. Der mediale Bogen aber umfasst weiter vorn, höher emporsteigend, 
nicht nur die mediale Grenze von N.a.p., sondern auch die mediale Grenze 
der inneren Kapsel und gelangt in die dorsalen Teile des Thalamus; er 
präsentiert sich somit als „Hirnschenkelschlinge“ (Lisch. b) und nimmt als solche 
an der Bildung des Systems Teil, welches wir unteren Thalamusstiel nennen. 

Mit Sicherheit kann ferner gesagt werden, dass die von den beiden 
Faserbögen umgrenzte „dorsale Etage von N. a. p.“ mit der Linsenkern- oder 
Hirnschenkelschlinge nichts zu tun hat, dass sie vielmehr einen Bestandteil 
des Linsenkerns darstellt, ein von zahlreichen sagittal und schräg verlaufen- 
den Faserzügen durchsetztes drittes Glied, welches wegen der Verschieden- 
heit der Zellen von dem zweiten Gliede (St‘) getrennt zu werden verdient. 


Anatomie des Mandelkerns ete. 425 


Ganz proximal, da, wo der untere Thalamusstiel sich erschöpft hat, 
und wo die Zellfaserung der Substantia perforata ant. beginnt, hört die 
Faserung auch der Hirnschenkelschlinge allmählich auf. Aber auch hier werden 
die „dorsale Etage von N.a. p.“, d. h. also das innerste Glied des Linsenkerns 
und das mediale oder besser medio-ventrale Ende der Capsula interna noch 
von einem von einigen sagittal verlaufenden Faserbündelchen durchsetzten 
Grau bogenförmig umgeben, für welches ich einstweilen die Bezeichnung N. a. p. 
beibehalte (wenn auch die Benennung als Nucleus Capsulae internae vielleicht 
angemessener wäre). S. Teil I, Fig. 12, Taf. XXXIX vom Igel. 


Resume: Die verschiedenen Regionen, in welche ich den 
Lobus pyriformis des Frettchens nach den Bildern der Zellserie 
einteilte, lassen sich im Faserpräparat nicht nur wiederfinden, 
sondern sind, wenigstens teilweise, durch einige hervorstechende 
Eigentümlichkeiten wohl charakterisiert. 1. Der nur auf den 
distalsten Teil des Lobus pyriformis beschränkte „mediale“ Bezirk 
ist durch eine stark entwickelte Tangentialfaserung ausgezeichnet. 
In demselben Raum, wo die dichtgedrängten kleinen Zellen der 
Schichten II, III, IV liegen, sieht man im Faserpräparat einen 
dichten Faserfilz. 2. Die Regio intermedia kennzeichnet sich, 
am deutlichsten in den distalen Teilen, durch zwei breite Faser- 
streifen, deren oberflächlicher, ventraler innerhalb und unterhalb 
der zweiten Schicht (dem kontinuierlichen Zellstreifen), deren 
tiefer, dorsaler in dem im Zellpräparat sehr deutlichen Molekular- 
streifen zwischen den mittleren und den tiefen Zellschichten ver- 
läuft. Je weiter nach vorn, um so undeutlicher werden die 
Streifen, der ventrale verschwindet ganz, der dorsale ist schliess- 
lich nur durch spärliche querverlaufende Fasern angedeutet. In 
dem Bezirk finden sich bis zu der Stelle, an welcher durch Ein- 
lagerung der Kerne B, T, M etc. das Bild sich wesentlich ändert, 
stets reichlich Radiärfasern. 3. Die Regio olfactiva fällt durch 
die massenhafte Radiärfaserbildung auf; die Fasern sind in den 
vorderen Teilen des Bezirkes am gedrängtesten und längsten in 
den lateralen Teilen. Sie bilden hier in der Tiefe der Rinde ein 
Geflecht, aus welchem die Fasern des tiefen Marks hervorgehen. — 
Die olfaktive Region geht distalwärts unmerklich in die beim 
Zellpräparat von ihr unterschiedene retrooifaktive Region über. 
4. Die fissurale Rinde unterscheidet sich nicht von der benach- 


426 Max Völsch: 


barten, jenseits der Fissura rhinalis lateralis gelegenen Rinde. 
5. Die „prärhinencephale“* Region ist nicht kenntlich. — 

Über die Wege, welche die Fasern des tiefen Marks des 
Lobus pyriformis und besonders des vorderen Teils der Regio 
olfactiva weiterhin einschlagen, ist oben p. 422 ausführlich ge- 
sprochen. — Die Entwicklung des Ammonshorns erfolgt in der 
gewöhnlichen Weise. 

Der Linsenkern zeigt eine weit stärkere Entwicklung der 
inneren Glieder (dorsale Etage von N.a. p.) als beim Igel. 

Getrennt von ihr durch eine wohlentwickelte Capsula externa, 
die direkt in das tiefe Mark des Lobus pyriformis übergeht, liegt 
lateral vom Linsenkern, ihn nach hinten weit überragend, das 
mächtige Grau des Olaustrums, in der Mitte verdünnt, und von 
hier aus nach oben und unten keulenförmige Schenkel aussendend. 
An dem oberen, besser begrenzten Schenkel ist vielfach eine 
spärliche Capsula extrema erkennbar. — 

Im „intermediären Teil“ der Rinde des Lobus pyriformis 
entwickeln sich in gewisser Höhe, wie aus der Zellserie bekannt 
ist, die mächtigen Zellkomplexe T, T‘, M, B, D. B ist von 
einem feinen Fasernetz durchsetzt, T resp. T’ von einer Faser- 
kapsel umhüllt, deren Faserung teils von der Rinde des inter- 
mediären Teils (den beim Igel so genannten Randstreifen B und T), 
teils auch von dem tiefen Mark der Regio olfactiva herstammen 
dürfte. Andererseits nehmen aber auch Fasern aus der Stria 
terminalis an der Bildung dieser Kapsel teil. Sie wird unter- 
brochen durch den Anschluss des Kernes M, der direkt in den 
Kern T übergeht. M enthält in seinem Innern nur sehr spär- 
liche Fasern, T ist etwas faserreicher, T’ dagegen wird durch 
massenhafte Fasern und Faserbündelchen durchsetzt, welche meist 
schräg getroffen sind (auf dem Frontalschnitt) und dem Kern 
das vom Igel her bekannte hermelinartige Aussehen geben. Die 
Kerne T, T’ und B, sowie die „Randstreifen“ (d.h. der an Ort 
und Stelle verbliebene Teil der Rinde des intermediären Bezirks) 
sind Ursprungsstellen der Stria terminalis; von M kann das nicht 
sicher behauptet werden. Da ferner aber auch aus D und dem 
basalen Spitzenkern (B+D), zum mindesten aus dem in ihm ent- 
haltenen D’ (dem Kerne des sagittalen Längsbündels der Stria 
beim Igel), Fasern zur Stria terminalis entspringen, so darf die- 
selbe allerdings als das Projektionssystem der intermediären 


Anatomie des Mandelkerns ete. 427 


Region des Lobus pyriformis aufgefasst werden. Ausserdem aber 
gelangen zur Stria auch Fasern aus dem tiefen Mark der Regio 
olfactiva, zum Teil wohl direkt, zum Teil indirekt, durch Vermittlung 
der Kerne T und T’. Diese letzteren dürften also für einen Teil 
der Fasern des tiefen Marks, welche zur Stria terminalis gelangen, 
die Rolle von Unterbrechungsstationen spielen. 

Die ventral von der Linsenkernschlinge, lateral vom Traetus 
opticus gelegenen Zellgruppen E, deren Zugehörigkeit zum 
Striatum mir sehr zweifelhaft ist, scheinen Endstationen für 
Fasern zu sein, die teils aus dem Kern T’, teils aus dem tiefen 
Mark der olfaktiven Region stammen. 

Das basale Längsbündel Gansers ist beim Frettchen stark 
entwickelt. Aus dem Gebiet, in welchem es proximalwärts ver- 
läuft, steigen in gewisser Höhe die Fasern des unteren Thalamus- 
stiels (unter Hinzutreten von Fasern anderer Provenienz) dorsal- 
wärts zum Thalamus auf. Nachdem sich dieser dorsalwärts 
gerichtete Zug erschöpft hat, präsentiert sich prinzipiell genau, 
wie beim Igel, das „laterale* und das „mediale“ Längsfaserfeld, 
aus groben und aus feineren Fasern bestehend. Das erstere liegt 
in der Gegend, die Substantia perforata anterior genannt wird; 
es enthält, wie das Zellpräparat lehrt, zahlreiche unregelmässig 
geformte und gelagerte Zellen. Genau wie bei Erinaceus schiebt 
sich nun weiter oral diese ganze „Zellfaserplatte“ lateral und 
erfüllt das Areal des basalen Spitzenkerns, eines auch hier schlecht 
differenzierten, von zahlreichen Fäserchen unregelmässig durch- 
setzten Gebietes. Nachdem die Hineinschiebung der Zellfaser- 
platte S. p. a. in den Spitzenkern vollendet ist, umgibt sie sich 
basal mit der eigenartigen Rinde des Tubereulum olfactorium, 
das, wie das Zellpräparat lehrt, sich langsam ausdehnend schliess- 
lich von der Fissura rhinalis medialis bis zur Mittellinie reicht. 
Die Zellfaserplatte S. p. a. ändert sich dabei in ihrem Bau in 
keiner Weise; trotzdem habe ich im Anschluss an Ganser für 
die Bezeichnung S.p.a. die Benennung „Rinde am Kopf des 
Streifenhügels* (St. K.) gesetzt und verstehe darunter den Teil 
von S. p. a., der von der Tuberculumrinde bedeckt wird. 

Die Linsenkernschlinge endlich ist beim Frettchen schön 
entwickelt. Aus dem Linsenkern hervortretend und an der Basis 
des Innengliedes, zwischen ihm und Tractus opticus hinziehend, 
teilt sie sich in zwei Äste. Ein ventraler Anteil der Linsen- 


428 Max Völsch: 


kernschlinge sensu strietiori zieht in S-förmiger Krümmung zum 
Stamm, wo ich ihn nur bis an das basale Längsbündel Gansers 
verfolgen kann. Die Hirnschenkelschlinge aber umzieht in medial- 
konvexem Bogen Innenglied des Linsenkerns und Capsula interna, 
um im Thalamus zu enden, zu einem Teil sich dabei dem unteren 
Thalamusstiel anschliessend (p. p. 396 ff. und 424). 


IV. Lemur mongoz. 


Von Lemur Mongoz !) habe ich eine Frontalserie durch die 
linke Hemisphäre geschnitten und nach Nissl gefärbt; die 
Schnitte, von denen jeder zweite aufgehoben wurde, sind 10 u 
dick. Fig. 20 gibt die Seitenansicht der Hemisphäre. 

Ich unterlasse die Besprechung 
der ersten (hinteren) Objektträger, 
auf denen sich, modifiziert durch die 
reiche Furchenentwicklung,die Rinden- 
schichtung in prinzipiell denselben 
Bildern entwickelt, welche ich früher 
beschrieb und will nur bemerken, dass 
sich auch die Zellarchitektonik der 
Rinde des Lemur auf den sechs- 
schichtigen Grundtypus Brodmanns 
zurückführen lässt. Die Zellformen 
sind überall sehr mannigfaltig, die 
Zellen sind fast durchweg polardiffe- 


Fig. 20. Gehirn von Lemur mongoz. 
y = Fissura intraparietalis; = — Homo- 
losfurche der Fissura centralis 


(Ziehen); oe — Fiss. principalis;  yenziert, haben aber vielfach — auch 
ac N 11. en ac G . . .. . 

oe Fiss. Sylvii; d — Fiss. temp. sup. die Pyramiden der oberflächlichen 

Schichten — ein etwas gequollenes 


Aussehen und etwas verwischte Grenzen. Es lässt sich mit Sicherheit an- 
nehmen, dass sie durch die Behandlung des Präparates gelitten haben; die 
Einbettung der ganzen, ungeteilten Hemisphäre in toto, die ich vornahm, um 
die störenden Unterbrechungen in der Serie zu vermeiden, machte eine sehr 
erhebliche Verlängerung (und Wiederholung) der einzelnen Prozeduren der 
Einbettung erforderlich, die auf das Aussehen der Zellen nicht ohne Einfluss 
gewesen ist. 

Ich beginne die Beschreibung mit Objektträger 59, 7 (Textfig. 21). Die 
Zeichnung orientiert über die Situation. Das Ammonshorn, dessen Bogenteil 
zuerst schon mehr als 3 mm weiter rückwärts getroffen wurde, ist hier 
schon in seinen oberen und unteren Schenkel zerfallen. Der obere kurze 
Schenkel, welcher von der Stelle an, wo die beiden Schenkel auseinander- 
weichen, nur noch etwa '/» mm weit nach vorn zu verfolgen ist, hat sich 


!) Die Identifikation des Tieres als „mongoz“ war nicht absolut sicher, 
aber höchst wahrscheinlich. Das Gewicht des frisch gewogenen Gehirns betrug 
beiläufig 20,12 gr, das des Rückenmarks 3,73 gr bei 1557 gr Körpergewicht. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 429 


hier schon fast ganz reduziert; es ist von ihm nur noch ein Ring von Zellen 
der Fascia dentata sichtbar, in dessen Lumen noch spärliche Ammonszellen 
liegen, — der Ausdruck einer leichten Ausstülpung des oralen Endes des 
dorsalen Ammonsschenkels nach vorn. Der untere Ammonsschenkel dagegen, 
welcher beiläufig, von jener Trennungsstelle der Schenkel gerechnet, fast 
6!/s mm lang ist, ist noch in voller typischer Entwicklung sichtbar. Die 
Fimbria verbindet noch beide Schenkel und auch der Ventrikel ist noch in 
seinem absteigenden Teil, der die Cella media und das Unterhorn verbindet, 
getroffen. Nur ein wenig weiter nach vorn aber trifft der Frontalschnitt 
die Fimbria, die in typischer Weise ‚„durchreisst‘, und den Ventrikel zweimal, 
nachdem Stamm und Hemisphärenmark miteinander in Verbindung getreten 


Fig. 21 (Obj. 59, 7). Lemur mongoz. Schematisch. 
y = Fiss. intraparietalis; „ = Fiss. Sylvii; 9 —= Fiss. temp. sup. 


äussere i i 
& | Grenze der Rindenzellschichten. 
—_— — med | 


+-+++ Zellschicht des Ammonshorns. __........... Zellschicht der Fascia dentata. 


sind; es hat sich damit das typisch und weit unter diese Verbindungsstelle 
untergeschobene Unterhorn ausgebildet. — In der Rinde des ventralwärts 
von der Furche 3, der Fissura temporalis superior, gelegenen Schläfelappens 
kann man wenigstens in den lateralen Teil sehr deutlich eine Sechsschichtung 
erkennen. Die Zona granularis interna ist schmal, aber deutlich, die sechste 


Schicht unterscheidet sich sehr ausgesprochen von der fünften, welche, von 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 28 


430 Max Völsch: 


mässiger Breite, aus zahlreichen mittelgrossen Zellelementen zusammengesetzt 
ist, durch die Anordnung der Zellen, welche offenbar von Fasern durchsetzt 
werden, die parallel zur Oberfläche verlaufen. Weiter medial gegen die 
mit X X X bezeichnete Molekulareinsenkung an der Basis hin, wird die 
Schichtung verwischter, die fünfte Schicht verbreitert sich auf Kosten der 
vierten, welche verschwindet, und wohl auch auf Kosten der sechsten, welche 
mehr in die Tiefe geschoben wird, und um jene Molekulareinsenkung herum 
besteht die Rinde schliesslich nur aus einer ganz breiten Schicht von 
Pyramidenzellen (II—V), die von der Oberfläche nach der Tiefe an Grösse 
zunehmen, und aus einer, wohl aus zwei Teilen bestehenden multiformen 
Schicht, VIa und VIb, deren erstere grössere, deren letztere ziemlich kleine 
Elemente enthält. Medial von der Molekulareinsenkung erscheint dann die 
innere Granularschicht!) wieder, um die Pyramidenschichten (II, III) von 
den tiefen Schichten deutlich abzuscheiden. Verfolge ich nun die Rinde 
noch weiter medialwärts, im Bogen um das untere Ende des Ventrikels 
herum, so zeigt sich auch hier wieder, dass die äusseren Schichten (II, III, IV) 
die Umbiegung der Rinde in die Ammonsrinde „nur ein Stück weit mitmachen“, 
und so erscheint denn auch wieder jene von den oberflächlicheren Schichten 
gebildete „Rinne“, die auf dem Frontalschnitt als Haken erscheint. Es 
scheint mir bei Lemur, als ob die Pyramidenschichten (II, III) noch erheblich, 
früher aufhörten, als die Körnerschicht; sie scheinen, zugespitzt und ver- 
schmälert, schon ein erhebliches Stück vor dem Ende der Rinne zu enden, 
so dass die Spitze derselben, ihr medialwärts gerichteter Teil, nur durch 
die kleinen Zellen der sich mächtig verbreiternden Lamina granularis interna 
gebildet würde. Wie dem auch sei, jedenfalls besteht die Spitze des Hakens 
lediglich aus kleinen körnerartigen Gebilden. Der Übergang der von der 
fünften Schicht schwer zu sondernden Schicht VI in die Ammonsschichten 
ist in dieser Frontalhöhe nicht so deutlich, wie beim Frettchen. Vorn wird 
er deutlicher; hier verlieren sich die Zellen der ersteren vielmehr in ein 
Gebiet diffuser spärlicher Zellen, aus welchem auf der anderen Seite die 
Ammonszellen wieder auftauchen. — Die Molekularschicht dieses medial von 
der Molekulareinsenkung gelegenen Gebietes wird, je weiter nach innen, immer 
breiter und erreicht über dem Ende der Rinne eine sehr erhebliche Breite, 
was ich leider in Fig. 21 nicht genügend zum Ausdruck gebracht habe. 
Jenseits der Molekulareinsenkung XXX, lateral von ihr, die übrigens 
alsbald zur wirklichen Furche wird und durch Verschiebung der Hemisphäre 
ganz auf die mediale Seite rückt, bilden sich nun (auf Obj. 60) grosse Zellen 
in den oberflächlichsten Lagen der zweiten Schicht, der Lamina granularis 
externa aus; es handelt sich um sehr auffällige rundlich-eckige, etwas gebläht 
aussehende, ziemlich stark gefärbte Zellen, die sich zuerst nur vereinzelt in 


!) Ich gebrauche die Bezeichnungen Brodmanns: 1. Lamina zonalis 
— Molekularschicht ; 2. Lamina granularis externa — kleine Pyramiden; 3. 
Lamina pyramidalis — mittelgrosse und grosse Pyramiden; 4. Lamina granu- 
laris interna = Körnerschicht; 5. Lamina ganglionaris — tiefe grosse Pyra- 
miden; 6. Lamina multiformis, die sich vielfach in die Lamina triangularis 
(VIa) und die Lamina fusiformis (VIb) spaltet. 


Anatomie des Mandelkerns ete. 431 


der Nähe der erwähnten Furche finden, weiter vorn immer reichlicher werden 
und sich schnell immer weiter lateralwärts ausbreiten. Dabei nehmen die 
kleinen Pyramidenzellen der Lamina granularis externa, die, dicht gehäuft 
zwischen und unter den grossen Zellen liegen und sehr stark gegen sie ab- 
stechen, mehr und mehr an Zahl ab, um schliesslich ganz zu verschwinden, 
nachdem sie sich am längsten in den medialen Teilen der Region gehalten 
haben. Im vorderen Teile dieses in sagittaler Richtung etwa 2 mm langen 
Übergangsgebietes kommt es wohl vor, dass die kleinen Pyramiden nicht 
mehr als kontinuierlich mehrschichtige Reihe erhalten sind, dass diese Reihe 


er x 
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eriegegen" 


arten © nr 
Br CH 


Fig. 22 (Obj. 72, 7). Lemur mongoz, Lobus pyriformis. Schematisiert. 
$ — Fiss. temp. sup.; F. H. = Fiss. Hippocampi; V. = Ventrikel. 
— ausser 2 H =) ;zelle. 
Er | Grenze der Rindenschichten. Bu Auunonsze € 
u Er 5, 2‘: Fissura dentata. 
—— erste Andeutung der Fiss. rhinal. lateral. 


vielmehr mehrfach unterbrochen ist; so sieht man hier vielfach nur noch 
Gruppen jener kleinen Zellen, die wohl als kleinzellige Inseln zwischen den 
grossen Zellen bezeichnet werden dürfen. Weiter nach vorn aber verschwin- 
den auch diese Gruppen ganz, und statt der zweiten Schicht überzieht ein 
lockerer, vielfach unterbrochener Streifen grosser Zellen (Schicht II) das 
Gebiet, welches als Lobus pyriformis anzusprechen ist. Dasselbe ist hier 
(Fig. 22), 2 mm vor dem ersten Auftauchen der typischen grossen Zellen, 
zirka 6 mm breit, und erstreckt sich lateralwärts bis zu einer leichten furchen- 
artigen basalen Einsenkung, überschreitet dieselbe jedoch weiter vorn und 
hat, weitere 2—2!/2 mm weiter vorn, eine transversale Ausdehnung von 
7'!/,—8 mm. In dieser Höhe erst wird die Fissura rhinalis lateralis, die von 
nun an die laterale Grenze des Lobus pyriformis bildet, deutlich; angedeutet 
28 


432 Max Völsch: 


ist sie schon etwas weiter rückwärts. Die Dinge liegen danach bezüglich 
dieser Furche insofern anders wie beim Frettchen, als hier die Formation 
des Lobus pyriformis über die Furche hinausreicht, und als die Furche hier 
schon in ihren distalsten Teilen auf der lateralen Seite der Hemisphäre ge- 
legen ist. — In sehr charakteristischer Weise verändern sich nun auch 
gleichzeitig die demnächst folgenden Schichten der Rinde dieses Gebietes 
(III und IV). Auf den in den distalen Teilen noch mit kleinzelligen Elementen 
untermischten, später, weiter nach vorn, ganz isolierten grosszelligen Streifen 
folgt eine Schicht ziemlich spärlicher, rundlicher Zellen, die namentlich in den 
lateraleren Teilen des Gebietes ausgesprochen radiär, senkrecht zur Oberfläche 
gestellt sind; sie werden offenbar von den vom Frettchen her bekannten 
Radiärfasern zur Rinde durchzogen. In der Tiefe der Schicht sieht man 
mehr oder weniger deutlich einige Lagen weniger regelmässig geordneter 
rundlicher Zeilen. Das Ganze entspricht den Schichten III + IV; die Unter- 
schiede treten nicht so deutlich hervor, wie beim Frettchen, weil bei Lemur, 
wie gesagt, sämtliche Zellen dieser Schicht einen rundlichen Charakter 
haben (wahrscheinlich artefiziell). Die Schicht III +IV ist auch hier, zumal 
in dem medialen Teil, oft sehr deutlich durch einen schmalen, den 
„oberflächlichen“ Molekularstreifen von dem grosszelligen Bande getrennt. 
— Überall sehr deutlich folgt dann durch das ganze Gebiet unterhalb 
III + IV der „tiefe zellfreie Molekularstreifen“, der auch bei Lemur am 
medialen Ende der Formation den p. 380 beschriebenen zapfenförmigen Fort- 
satz gegen die Oberfläche schickt, ohne sie zu erreichen, genau wie bei 
Fötorius. Die Ausbildung der Schicht IIT--IV und des tiefen Streifens 
schreitet fast genau parallel mit der Ausbildung der zweiten Schicht lateral- 
wärts fort. 

Der oben (p. 380) gemachten Annahme, dass der tiefe Streifen gewisser- 
massen ein (räumliches) Äquivalent wäre für die Lamina ganglionaris der 
anstossenden Temporalrinde, widersprechen die Bilder nicht. Doch ist ein 
sicheres Urteil darüber, hier wie dort, sehr schwierig, wohl unmöglich; die 


fünfte Schicht — und das gilt genau so für die vierte, die innere Granular- 
schicht, und übrigens auch für die zweite Schicht, — hört an der Stelle, wo 
die Riechformation, — um die höchst eigentümliche Rinde des Lobus pyri- 


formis (oder besser eines Teils desselben) mit einem Wort zu bezeichnen — 
beginnt, eben auf, die Formen, welche ja das einzige Kennzeichen der Schicht 
bilden, verschwinden und werden durch gänzlich andere Formen abgelöst, 
und damit werden die Spekulationen, welche Schicht der einen Region der 
oder jener Schicht einer morphologisch total differenten anderen Region ent- 
spricht, vielfach zu recht gewagten und unsicheren. Im vorliegenden Falle 
vermag jedenfalls auch das Stadium des Übergangsgebietes keine Klarheit 
darüber zu bringen, ob die Lamina ganglionaris der Temporalrinde beim 
Übergang in die Riechformation, um es so auszudrücken, zum zellarmen 
Molekularstreifen wird, oder ob sie, wie Brodmann will, an der Bildung 
der oberflächlichen Zellschichten partizipiert, oder, ob sie, was nach meinen 
Bildern immerhin auch möglich wäre, sich in die tiefe, jenseits des Molekular- 
streifens gelegene Schichtung fortsetzt. Jedenfalls könnten gewisse grosse 
Pyramiden in den oberflächlichen Lagen der auf den tiefen Molekularstreifen 


Anatomie des Mandelkerns etc. 433 


folgenden tiefsten Schichtung der Riechformation als Elemente angesprochen 
werden, welche der fünften Schicht angehören. 

Im übrigen ist diese tiefste Schichtung räumlich und qualitativ evident 
die direkte Fortsetzung der VI. Schicht des Temporallappens und muss in 
ein oberflächlicheres, aus grossen, vielfach radiär gestellten, ziemlich spärlichen 
Elementen bestehendes Stratum (VIa) und eine Schicht kleinerer, blasserer 
Zellen (VIb) geteilt werden. Der Übergang dieser Schichten in das Ammons- 
horn kann in den proximaleren Ebenen mit grosser Sicherheit verfolgt werden; 
vielleicht wandeln sich die grösseren Zellen der Schicht VIa in die typischen 
Ammonspyramiden, die kleineren Zellen der Schicht VIb in die Elemente des 
„Stratum oriens Cornu Ammonis* um. — 

Das soeben besprochene Gebiet des Lobus pyriformis von Lemur deckt sich 
mit dem Gebiet, welches ich bei Fötorius als inneren und äusseren zentralen Be- 
zirk, als Regio intermedia und Regio olfactiva bezeichnete, von welch letzteren 
ich den distalen Teil als Regio retroolfactiva abtrennte. Es ist, gerade in dem 
distalen Teil, sehr schwierig, den intermediären Bezirk von dem retroolfactiven 
abzuscheiden. Immerhin sind doch auch hier gewisse Unterschiede vorhanden: 
die Zellen des oberflächlichen Bandes scheinen mir im retroolfaktiven Bezirk 
etwas eckiger, stärker gefärbt, und die in der Form wohl identischen Zellen 
der tieferen, mit III+IV bezeichneten Schicht zeigen die radiäre Reihen- 
stellung ausgesprochener, als im intermediären Teil. Ausgesprochen ist da- 
gegen auch bei Lemur die Differenz des Aussehens des oberflächlichen Zellen- 
bandes im retroolfaktiven und dem sich weiter oral anschliessenden olfaktiven 
Bezirk; dort grosse, massige Zellen, ziemlich locker aneinandergereiht, hier 
(Fig. 23, p. 441) ein ganz dichtes, mehrreihiges Band kleinerer eckiger Zellen. 
Der Übergang ist ein sehr allmählicher, und in diesem Übergangsgebiet hat die 
Formation eine gewisse Ähnlichkeit mit der Reg. olfactiva posterior des 
Frettchens, während die vorhin geschilderte Region der Reg. olf. anterior 
entsprechen dürfte. Auch bei Lemur zeigt sich in dem Übergangsgebiet eine 
Neigung zu Inselgruppen- und Reihenbildung, die Zonalschicht wird etwas 
schmäler (Fig. 22). Doch ist der Unterschied zwischen den drei Formationen 
lange nicht so in die Augen fallend, wie beim Frettchen. 

Ich beschrieb beim Frettchen in den distalen Teilen des Lobus pyri- 
formis sodann noch eine „fissurale* (Öajal) und — ganz lateral eine „prä- 
rhinencephale* Rinde. Beide wurden durch die lateralwärts fortschreitende 
Entwicklung der Regio olfactiva (bezw. retroolfactiva) immer weiter lateral 
gedrängt, bis sie schliesslich verschwanden, nachdem die letztere die Riech- 
furche erreicht hatte. Ich kann die fissurale Rinde, deren Eigentümlich- 
keiten in dem Fehlen des oberflächlichen Bandes bei entwickeltem tiefem 
Molekularstreifen und darin bestand, dass zwischen ihm und Stratum zonale 
nur eine einzige aus radiär gestellten Pyramiden bestehende Zellschicht 
sich fand, bei Lemur nicht sicher wiederfinden. In den distalen Teilen, wo 
die Fissura rhinalis noch nicht vorhanden ist, — hier könnte man ja eigentlich 
von einer „fissuralen“ Rinde auch nicht sprechen ! — schreitet vielmehr, wie 
wir sahen, bei der Verfolgung der Serie nach vorn die laterale Ausbreitung 
des oberflächlichen Streifens und des tiefen Molekularstreifens durchaus 
gleichnässig vor, und an das laterale Ende der Riechformation stösst die 


434 Max Völsch: 


oben kurz beschriebene temporale Rinde mit deutlicher Lamina granularis 
interna. Erst da, wo die Fissura rhinalis lateralis deutlich hervortritt, findet 
sich ein etwa 2 mm langes Stück weit, so lange nämlich die Riechformation 
die Furche noch nicht erreicht hat, zwischen letzterer und dem lateralen 
Ende der ersteren eine Rinde, die vielleicht als fissurale gedeutet werden 
könnte. Wenigstens fehlt hier die Lamina granularis interna. Mit dem 
Fortschreiten der Riechformation gegen die Riechfurche verschmälert sich 
und verschwindet dieser Bezirk (Anfang der 100er Objektträger). 

Deutlicher sehe ich auf vielen Präparaten ir den distalen Teilen jene 
schmale Parallelanordnung kleiner Zellen am lateralen Ende der Riech- 
formation, sich mit ihm lateralwärts schiebend, die „prärhinencephale“ Rinde. 
Der Komplex ist leicht bogenförmig gekrümmt, sieht wie gekämmt aus. 

Es bleibt schliesslich noch die Besprechung des medialen Bezirks des 
Lobus pyriformis übrig. Die Verhältnisse liegen hier insofern anders, wie 
beim Frettchen, als der Lobus pyryformis hier erst in Frontalebenen beginnt, 
die erheblich vor dem Bogenteil des Ammonshorns liegen, während umge- 
kehrt beim Frettchen die distale Spitze des Lobus pyriformis weiter distal- 
wärts reicht, als der distalste Punkt des Ammonsbogens. So kommt es, 
dass beim Frettchen der mediale Bezirk des Lobus pyriformis in den distalen 
Frontalebenen noch in die Rinde der medialen Hemisphärenwand übergeht 
(Fig. 4 und 5). Weiter vorn, wo der bogenförmige Rand der Einstülpung 
dieser Rinde in das Ammonshorn vom Frontalschnitt getroffen wird, teilt sie 
sich im Frontalschnittbilde in einen ventralen und dorsalen Schenkel, wobei 
die „Teilungsstelle‘“ natürlich dem distalsten Punkte jenes Einstülpungsrandes 
entspricht. So geht der mediale Bezirk des Lobus pyriformis in dieser Höhe 
in jenen „ventralen Schenkel der Rinde der medialen Wand“ über. Und da, 
wie wir sehen, die äusseren Schichten der Rinde die Einstülpung nur ein 
Stück weit über den Einstülpungsrand hinaus mitmachen, so bildet der 
mediale Bezirk des Lobus pyriformis zusammen mit jenem ventralen Schenkel 
die Rinne oder den Umschlagshaken, in welchem die Umbiegung der 
tiefen Rindenschichten in die Ammonszellformation verläuft, eine Rinne, 
deren eingestülpter Schenkel sich im weiteren Verlauf nach vorn zu immer 
weiter medialwärts zurückzieht (Fig. 6), bis die Rinne schliesslich total ver- 
schwindet und bis die äusseren Rindenschichten des Lobus pyriformis (inter- 
mediärer Bezirk) schliesslich mit scharfem Rande an der Umbiegungsstelle 
der tiefen Schichten in das Ammonshorn aufhören (Fig. 7). 

Bei Lemur treffe ich in der Frontalhöhe, in welcher ich die Unter- 
suchung begann, also kurz hinter dem Lobus pyriformis,') bereits auf die 
den ventralen Schenkel des Ammonshorns umfassende „Rinne‘‘, und sie wird 
hier und in den dahinter gelegenen Teilen durch die äusseren Schichten 


') Es sei hier nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass die namentlich 
durch das oberflächliche Zellenband und die tiefen zellarmen Molekularstreifen 
gekennzeichnete „Riechformation“ bereits nicht unerheblich hinter dem Lobus 
pyriformis beginnt, welcher, — ein makroskopischer Begriff — doch erst von 
da gerechnet werden kann, wo ihn die Fissura rhinalis lateralis von den 
benachbarten Hirnpartien abtrennt. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 435 


anderer Teile, der Rinde der medialen Hemisphärenwand, des Temporallappens 
gebildet, genau so, wie sie beim Frettchen im Bogenteil des Ammonshorns 
als Umschlag der äusseren Schichten der Rinde der medialen Palliumwand 
aufzufassen war. So kann also, wenn nun der Lobus pyriformis sich aus- 
gebildet hat, innerhalb desselben ein „medialer“ Bezirk wie in Textfig. 4 und 5, 
der einerseits in den intermediären Bezirk, andererseits in die Rinde der 
medialen Hemisphärenwand sich fortsetzt, hier nicht bestehen. Der mediale 
Bezirk wird hier vielmehr nur noch in der Gestalt der Rinne oder des 
Umschlagshakens existieren, in welche er sich ja auch bei Fötorius in den 
oraleren Ebenen auflöste. Dadurch, dass, wie es scheint, der Lobus pyriformis 
nur bei Lemur gewissermassen um eine sagittale Achse medialwärts sich 
herumkrümmt, gelangt, wie wir schon sahen, der Punkt x x X (Textfig. 21) 
ganz auf die Medialseite der Hemisphäre, an die Stelle, welche ich als ihre 
ventro-mediale Spitze im Frontalschnitt bezeichnete, mit anderen Worten, an 
die Stelle, welche gerade medial von der Umbiegung der tiefen Schichten 
des Lobus pyvriformis in das Ammonshorn liegt, und so bleibt in dieser Höhe 
von der „Rinne“ eigentlich nur der eine Schenkel übrig, welcher zunächst 
(hinten) im Frontalschnitt als langgestreckter, weit lateralwärts reichender 
Streifen diese Umbiegungsstelle von oben (dorsal) her bedeckt (Fig. 22); 
weiter vorn wird der Schenkel immer kürzer, er „zieht sich medialwärts 
zurück“, um nach ca. 4 mm (vom Ausgangspunkt der Untersuchung gerechnet) 
zu verschwinden, dann würde, wie beim Frettchen (Textfig. 7), die Ein- 
stülpung der tiefen Rindenschichten in das Ammonshorn an die mediale 
Oberfläche treten, wenn nicht die Bilder hier durch gewisse Verlaufsver- 
änderungen der Ammonsrinde (Uncusbildung) modifiziert und kompliziert 
würden. Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, die verwickelten Verhält- 
nisse der vorderen Endigung der Ammonswindung zu verfolgen. — Die Rinne 
oder somit vielmehr der hier nur noch übrig gebliebene dorsale Schenkel der 
Rinne, welcher also im Frontalschnitt als Streifen erscheint, stellt in toto 
eine Platte in Form eines Dreiecks, dessen Spitze nach vorn liegt. Sie 
besteht auch beim Lemur aus kleinen körnerartigen dichtgelagerten Zellen, 
wie ich bereits erwähnte; ebenso besprach ich die Möglichkeit, dass sie als 
vergrösserte und verbreiterte innere Granularschicht anzusehen ist, ohne auch 
nach dieser Richtung sicher entscheiden zu können. Weiter nach vorn, wo 
die Platte schmäler wird, sich zuspitzt, wo also im Frontalschnitt der dorsale 
Schenkel kürzer wird, „sich medialwärts zurückzieht“, wird der Zellkomplex 
dünner und lockerer, und hie und da finden sich in dem medialwärts ge- 
richteten Spitzenteil Lücken, so dass die Zellen nun in einzelnen Gruppen 
zu liegen kommen, die man auch als Inseln bezeichnen könnte. Unter der 
Platte liegt eine ziemlich schmale zellarme Zone, die unmittelbare Fort- 
setzung des in das Ammonshorn umbiegenden tiefen Molekularstreifens, und 
endlich die unter dieser Zone liegende Zellenschicht stellt die Übergangs- 
gegend der Zellen der multiformen Schicht in die Ammonszellen dar; die 
einzelnen Zellen nähern sich in ihrem Bau schon stark den letzteren. — Es 
handelt sich bei dieser Gegend um das Subiculum und etwas mehr medial- 
wärts um die präsubiculäre Rinde Ramön y Cajals. Die letztere ist scharf 
charakterisiert durch den aus kleinen Zellen zusammengesetzten Schenkel 


456 Max Völsch: 


der Rinne. Vermutlich entsprechen die Gruppen von Zellen, in welche der 
Schenkel in den proximaleren Teilen des Gebiets in seinem Spitzenteil zer- 
fällt, der zweiten Schicht Cajals des Subiculums (s.1. c. p. 40, Abs. 2), die 
er allerdings beim Menschen aus mittelgrossen Pyramiden und polymorphen 
Zellen bestehen lässt, „welche in gewissen Zwischenräumen sich einander 
so nähern, dass sie wahre Inseln bilden“. Wenn diese Indentität auch nicht 
völlig zweifellos ist, so ist sie mir doch wahrscheinlicher, als die Annahme, 
diese Zellgruppen könnten das Analogon der kleinzelligen Inseln Cajals 
(im Subiculum des Menschen) in der ersten (seiner plexiformen) Schicht sein. 
Ich finde in der sehr breiten Zonalschicht des Subiculums auch beim Halb- 
affen zwar einzelne mehr oder weniger grosse verstreute Zellen, aber keine 
Inseln. — Fasse ich danach das über den Bau des Lobus pyriformis bei 
Lemur Gesagte in wenigen Worten zusammen, so haben wir, ganz ähnlich 
wie bei Fötorius, zu unterscheiden (Fig. 22): 

1. Den medialen Bezirk: breite Molekularschicht, darauf ein 
Streifen kleiner körnerartiger Zellen, den oberflächlichen Rindenschichten II 
bis IV, vielleicht lediglich der inneren Granularschicht entsprechend. Der 
Streifen ist völlig über die Einstülpungsstelle der Rinde (tiefe Schichten) 
in das Ammonshorn lateralwärts übergeschlagen und bedeckt den Beginn 
dieser Einstülpung von dorsal her. Über die tieferen Schichten s. unten 
(präsubiculäre Gegend Cajals). 

2. Der intermediäre (innere zentrale) Bezirk (Fig. 2x x—x): 
Unter der mässig breiten Molekularschicht an Stelle der Lamina granularis 
externa ein Streifen locker gelagerter grosser rundlich-eckiger Zellen, 
darunter, vielfach durch den schmalen oberflächlichen zellarmen Molekular- 
streifen von dem Streifen getrennt, eine ziemlich breite Schicht mittelgrosser 
rundlich-eckiger Zellen, nicht sehr dicht gelagert und nicht ausgesprochen 
radiär angeordnet. 

3. Der äussere zentrale Bezirk (Fig. 22 x — »), in seinem 
distalen Gebiet charakterisiert durch den aus grossen, stark tingierten 
eckigen Zellen zusammengesetzten relativ schmalen und lockeren ober- 
flächlichen Streifen an der Stelle der Lamina granularis externa (retro- 
olfaktiver Bezirk). Im proximalen Teil (olfaktiver Bezirk s. str.) wird 
das Band ganz dicht und fest, die Zellen werden kleiner. Ein Regio olfactiva 
posterior lässt sich nicht so deutlich abscheiden, wie beim Frettchen; gerade 
die Fig. 22 zeigt aber doch die Neigung zur Inselbildung, die für sie kenn- 
zeichnend ist. — In allen Bezirken folgt eine breite Schicht blasserer, 
spärlicherer rundlich-eckiger radiär gestellter Zellen. 

4. Der „fissurale“* Bezirk ist nicht sicher zu identifizieren. 

5. Die prärhinencephale Rinde, ganz lateral, ist vielfach deutlich 
erkennbar; ein schmaler Zug kleiner radiär gestellter strichförmiger Zellen, 
welcher in lateral-konvexem Bogen vom tiefen Molekularstreifen zur Ober- 
fläche verläuft; infolge der Parallelstellung der Zellen sieht er wie ge- 
kämmt aus. (Fig. 22 an der durch den Stern gekennzeichneten Stelle.) 

Darunter liegt in allen Bezirken der tiefe zellarme Molekularstreifen 
in ansehnlicher Breite; auf ihn folgt die multiforme Schicht, durch einen 
zellarmen schmalen Streifen gespalten in eine oberflächliche aus grösseren 


Anatomie des Mandelkerns etc. 437 


stark gefärbten meist pyramidenförmigen Zellen zusammengesetzte (Vla) 
und eine tiefere aus kleineren blasseren polymorphen Elementen bestehende 
(VIb) Schicht. Die multiforme Schicht geht, indem sie an ihrem medialen 
Ende lateralwärts umbiegt, in die Ammonszellformation über. 

Der mediale, prärhinencephale und fissurale (?) Bezirk verschmälern 
sich und verschwinden in den proximaleren Teilen des Lobus pyriformis, 
sodass hier nur der olfaktive Bezirk, der bei weitem den grössten Teil des 
Lappens einnimmt, und der intermediäre Bezirk übrig bleiben. Die Fig. 22 
zeigt die obigen Verhältnisse. 

Wie die Übersichtsfig. 21 lehrt, ist auf Objektträger 59, mit welchem 
ich die Beschreibung der Serie aufnahm, der Stamm mit der Hemisphäre 
noch nicht verwachsen; Fimbria und Ventrikel sind noch in ihrem ganzen 
Verlaufe im Bogenteil getroffen und die erstere liegt dem Stamme dicht an. 
In letzterem tritt das Corpus geniculatum laterale mit seiner charakteristischen 
Zellanordnung und medial von ihm das Üorpus geniculatum mediale, dorsal 
von ihnen das Pulvinar deutlich hervor. Auf Öbjektträger 62 „teilt sich“ 
die Fimbria in ihren dorsalen und ventralen Schenkel, und gleich davor, 
auf Objektträger 63 findet die Verwachsung des Stammes mit dem Mark 
der Hemisphäre statt, wodurch auch der Ventrikel in die Cella media und 
das Unterhorn geteilt wird. Gerade in der Höhe dieser Verwachsungsstelle 
taucht, ein wenig medial von ihr, in ihrer weissen Masse ein sehr auffälliger 
Zellkomplex auf. Es handelt sich um einen leicht lateral-konvexen, ziemlich 
breiten Zellenzug, welcher von der Gegend etwas medial von dem sich ent- 
wickelnden Suleus strio-thalamicus her im Bogen um die laterale Begrenzung 
des Thalamus herum gegen das Unterhorn oder besser gegen das medial 
vom Unterhorn gelegene Corpus geniculatum laterale hin zieht, ohne das 
letztere zu erreichen. Vom eigentlichen Thalamus ist der Zug durch einen 
ebenfalls bogenförmigen Markstreifen getrennt. Die Zellen sind meist aus- 
gesprochen längliche, spindelförmige mittelgrosse Elemente, deren Längsachse 
in der Zugrichtung liegt; sie liegen vielfach in Gruppen etagenförmig, durch 
horizontale Zwischenräume getrennt, übereinander. Offenbar werden sie von 
Fasern durchsetzt, welche in der Zugrichtung, also bogenförmig tangential 
zum Thalamus verlaufen, aber ebenso deutlich ist es, dass sie von vielen 
Faserbündeln in querer Richtung durchsetzt werden. Es handelt sich wohl 
sicher um die Gitterschicht des Thalamus, auf welche ich in so auffälliger 
Ausprägung hier zuerst stosse, die medial anstossende zellfreie Zone ist die 
Lamina medullaris externa des Thalamus. Ich erwähne sie hauptsächlich, 
weil der Gedanke nicht so fern liegt, den Zellenzug mit dem bei einigen 
niederen Tieren (Igel, Maus) beobachteten Begleitkern der Stria terminalis 
in Verbindung zu bringen; die Lage schützt davor ebenso wie der Umstand, 
dass der Zellenzug noch weit nach vorn zu verfolgen ist. Tatsächlich sieht 
man auf einigen Schnitten, und zwar auf den unmittelbar an die Ver- 
wachsungsstelle sich anschliessenden, ziemlich deutlich die Striafaserung 
lateral von der soeben geschilderten Gitterschicht von dem Sulcus strio- 
thalamicus zur dorsalen Spitze des Unterhorns ziehen, leicht erkennbar an 
den in der Verlaufsrichtung der Fasern reihenförmig angeordneten Glia- 
kernen. Ganglienzellen findet man in dem Striabogen nur äusserst spärlich, 


438 Max Völsch: 


so dass ich also den früher erwähnten Begleitkern der Stria hier nicht nach- 
weisen kann. Weiter vorn wird natürlich auch die Stria in ihren beiden Schenkeln 
getroffen; dieselben heben sich nur undeutlich gegen die Umgebung ab. 

Nicht ganz leicht erkennbar ist ferner der Nucleus caudatus und sein 
Schweif. Aber bei genauem Zusehen erkennt man schon Mitte der fünfziger 
Objektträger, etwa in der Höhe der Fissura Sylvii (7) lateral am Ventrikel 
einen elliptischen mit der Längsachse schräg-vertikal gestellten Körper, der 
neben Gliakernen spärliche kleine, eckige, blasse Ganglienzellen enthält. 
Auf Objektträger 53 und auch noch auf 59, also gerade da, wo ich die 
Untersuchung der Serie begann, sendet dieses Gebilde einen schmalen Streifen 
längs des Ventrikelrandes abwärts, den Bogenteil des Schweifkerns, und 
nach der Verwachsung des Stammes mit dem Ventrikel findet man, wenigstens 
in den stärker gefärbten Präparaten regelmässig den doppelten Querschnitt 
der beiden Schenkel des Kerns, nämlich des Kopfes und des Schwanzes. 
Der erstere liegt immer etwa in Höhe der Fissura Sylvii, der Schweif lateral 
von der „dorsalen Spitze des Unterhorns“ (im Frontalbilde) als ein länglicher, 
weiter vorn rundlicher Querschnitt etwa in der Höhe der Fissura temporalis 
superior (etwas ventraler!). Der Halbaffe ist somit das erste Tier in der 
von mir untersuchten Reihe, bei welchem ich einen vollkommen ausgebildeten 
Bogen- und Schweifteil nachweisen kann. 

In der Höhe der Fig. 22, wo der innere Kniehöcker bereits (seit drei 
Objektträgern) verschwunden, der äussere erheblich verkleinert ist, wo sich 
der Traetus opticus bereits auszubilden begonnen hat und wo endlich der 
Pedunculus sich über den letzteren hinwegschiebt und im Begriff ist, in die 
Hemisphäre hineinzustrahlen, treten in dem breiten Mark, lateral von den 
eben beschriebenen Gebilden (Gitterschicht, Stria, Nucleus caudatus), in dem 
retrolentikulären Mark also, Gruppen von kleinen eckigen und rundlichen 
blassen Zellen auf, welche sich nach vorn vermehren, vergrössern und zu- 
sammenfliessen, und zwischen welchen massenhaft Bündel und Bündelchen 
von Fasern in transversaler Richtung hindurchziehen. Es handelt sich um 
die distalen Ausläufer des äusseren Linsenkerngliedes und weiter vorn um 
dieses Glied selbst, das von Bündeln und dem gerade durchbrechenden 
Peduneculus durchsetzt wird. Es vergrössert sich je weiter nach vorn um so 
mehr sowohl in die Breite, als namentlich in die Höhe. Nach aussen folgt 
die Capsula externa und dann die Rinde; im letzterer bildet sich in gleicher 
Höhe, wie das Striatum, die Insel aus; zuerst erscheint ihr unterer Schenkel, 
sich zuerst als ein Molekularstreif, dann als ein von Molekularsubstanz 
umgebener von oben nach unten verlaufender Spalt präsentierend, welcher 
zunächst mit dem Grunde der Fossa Sylvii noch nicht in Verbindung steht, 
um erst etwas weiter vorn mit ihr zusammenzufliessen. Einige Schnitte 
vor den ersten Anfängen des ventralen Schenkels der Fossa Sylvii zweigt 
dann aus ihrem Grunde auch der dorsale Schenkel derselben, etwas schräg 
dorso-medialwärts aufsteigend und sich immer mehr vertiefend ab, so dass 
von hier ab also eine vollkommene Inselbildung besteht. 

Zwischen Insel und Linsenkern (St.) bildet sich endlich in der Capsula 
externa das Claustrum, zunächst nur sein unterer Schenkel aus, aus so 
unscheinbaren Anfängen, dass ich die distale Grenze nicht sicher feststellen 


Anatomie des Mandelkerns ete, 439 


kann. Auf Objektträger 76 (ca. !/'g mm vor Fig. 22) ist der untere Schenkel 
jedenfalls schon deutlich, durch die äussere Kapsel vom Linsenkern, durch 
die Capsula extrema von der Rinde geschieden. Die Vormauer besteht auch 
beim Halbaffen aus grösseren, stärker tingierten Zellen, die sich, zumal bei 
stärkerer Vergrösserung, sehr erheblich von den Striatumzellen unterscheiden. 
Sie überragt in dieser Höhe den unteren Inselschenkel ventralwärts um zirka 
1 mm, reicht aber nicht ganz so tief hinab, wie der Linsenkern. Auch hier 
hat der Zellkomplex eine keilförmige Gestalt; die breite Seite des Keils 
sieht ventralwärts und ist in den distalsten Teilen etwas nach medial ge- 
krümmt; später, weiter vorn, mit der Verbreiterung des Striatums wird sie 
eher lateralwärts abgebogen. Die Spitze des Keils sieht nach oben. Das 
Claustrum schiebt diese Spitze nun mehr proximal immer weiter dorsalwärts. 
Im Verhalten des Claustrums besteht hiernach ein doch recht wesentlicher 
Unterschied gegen das Frettchen. Bei letzterem fand ich es nicht nur über- 
haupt weit massiger entwickelt, sondern es überragte das Striatum auch 
weit nach hinten; bei Lemur ist es umgekehrt. 

Medio-dorsal wird das Putamen durch die innere Kapsel vom Nucleus 
caudatus getrennt, der inzwischen gewaltig vergrössert ist; weiter proximal 
finden sich dann auch die bekannten Zellbrücken zwischen beiden Kern- 
massen, die die innere Kapsel durchsetzen. 

An der Innenseite zeigen sich etwa °/s mm vor seinem distalen Ende 
die ersten grossen, stark, oft leuchtend gefärbten Zellen des Innengliedes (St‘), 
welches sich nun immer stärker ausbildet, die medialwärts gerichtete Spitze 
des grossen Linsenkernkeiles darstellend, während seine Basis, das Putamen, 
sich immer weiter dorsal- und ventralwärts ausbreitet, in letzterer Richtung 
das Unterhorn erreicht und sich mit der Cauda des Schweifkerns ver- 
schmolzen hat, eine Verschmelzung, die weiter oral wieder durch das Hinter- 
horn der vorderen Kommissur unterbrochen wird, so, dass durch sie wieder 
der basalste Teil des Putamens (Y) von ihm abgetrennt wird. — Die grossen 
Zellen St‘ sind unregelmässig, oft zu Gruppen gelagert und verlaufen viel- 
fach auch in geschwungenen Parallelreihen von dorsal nach ventral. Etwa 
!/ mm vor dem distalsten Auftreten dieser Zellen flacht sich die mediale 
Spitze des erwähnten Keils ab, sie bilden nun einen abgestumpften Kegel 
und gerade längs des abgestumpften Randes liegen oft Gruppen und Reihen 
der St’-Zellen angehäuft. Auf den Stumpf aber setzt sich eine neue Spitze 
in Dreiecksform auf mit vielen ganz kleinen Zellelementen (wahrscheinlich 
gliöser Natur), an welchen übrigens auch das zweite Linsenkernglied reich 
ist, dann aber auch grössere, eckige Ganglienzellen enthaltend, die die 
St'-Zellen in der Grösse nicht erreichen, vor allem aber viel blasser und 
matter gefärbt sind, als die letzteren. Es handelt sich um das dritte Linsen- 
kernglied (St?); dasselbe erreicht eine sehr erhebliche Ausdehnung (vergl. 
Textfig. 23). Weiter vorn bekommen die Zellen, wenigstens im ventralen 
Teil dieses Bezirks, auch die für denselben charakteristische maschenförmige 
Anordnung, der Ausdruck der Durchsetzung des Gebietes durch zahlreiche 
gröbere und feinere sagittal verlaufende Faserbündel. 

Unterdessen, mit der Ausbildung dieses dritten Linsenkerngliedes, hat 
sich der Tractus opticus mehr und mehr medialwärts geschoben, so dass jenes 


440 Max Völsch: 


Glied ihm aufliegt. Gleichzeitig (Mitte der achtziger Objektträger) treten 
dann in dem dadurch gewissermassen frei werdenden Felde lateral vom 
Tractus, zwischen ihm und dem basalen, die inneren Glieder des Linsenkerns 
ventralwärts überragenden Teil des Putamens, und endlich dorsal von dem, 
übrigens nur sehr undeutlich sich abzeichnenden ventralen halbmondförmigen 
Striaschenkel jene bisher bei allen untersuchten Tieren festgestellten Zell- 
gruppen auf, die ich mit E bezeichnete. Auf Objektträger 88, 6 markiert 
sich deutlich eine dorsalere aus grösseren Zellen bestehende Gruppe, die 
erheblich gegen die St.-Zellen absticht, und eine ventrale aus kleineren Zellen 
zusammengesetzte. — 

Auf Objektträger 90 — der Tractus opticus beginnt hier gerade in 
dem Spalt zwischen Stamm und Hemisphäre sichtbar zu werden — treffen 
wir auf die vordere Wand .des Ventrikelunterhorns, in welcher, wie wir 
wissen, der Mandelkern gelegen ist. Bevor ich auf diese Gebilde eingehe, 
mag es noch erlaubt sein, einige Worte über die mediale Wand des Unter- 
horns in seinem vordersten Teil, seiner Spitze, zu sagen. Ich kann nicht 
ausführlich die eigentümlichen Bilder schildern, welche die Zellen der Ammons- 
windung und der Fascia dentata, welche Windungen ja jene innere Wand 
des Unterhorns bilden, auf diesen die oralsten Teile des Unterhorns treffenden 
Schnitten bilden. Eines dieser Bilder gibt die Fig. 22 wieder. Ich will 
aus der Verfolgung der Serienschnitte nur kurz resümieren, dass die Fissura 
Hippocampi, wenn sie sich ihrem vorderen Ende nähert, die Rinde, resp. die 
tiefen Rindenschichten, welche die Ammonswindung bilden, nach vorn ein- 
stülpt. Die Ammonswindung bildet auf diese Weise eine Art Tasche, deren 
Öffnung nach hinten sieht und präsentiert sich im Horizontalschnitt so: 

: Die eingerollte Ammonswindung hat natürlich 

K einen ganz entsprechenden Verlauf, und hier- 

durch werden Bilder wie Fig. 22 und viele andere verständlich, welche 
in schnellem, buntem und zunächst etwas verwirrendem Wechsel bei der 
Serienverfolgung sich darbieten. Der mit der Spitze nach rückwärts 
gerichtete rückläufige Teil der Windung (*) ist der Uncus. Weiter 
ist bei der Deutung der Querschnittsbilder noch zu berücksichtigen, dass 
die Furche unmittelbar vor dem Haken — gewissermassen, wenn sie aus 
der „Tasche“ wieder herauskommt — sich abflacht und aufhört, und dass 
die Windung, wenn sie wieder aus der Tasche an die Oberfläche der 
medialen Seite tritt, sich ausrollt, um ebenfalls alsbald ihr vorderes Ende 
zu finden. Von dieser Höhe an beginnt der Vorgang, den ich bei allen bisher 
untersuchten Tieren beobachtete: die tiefe Rindenschichtung zieht sich bei 
der Serienverfolgung mehr und mehr lateralwärts zurück, macht sozusagen 
Platz für die nun auftauchenden Kerngruppen des Mandelkerns, welche sich 
direkt an die äussere Schichtung des intermediären Kerns anlagern. Diese 
äussere Schichtung aber, welche, wie wir sehen, in den distalen Teilen des 
Ammonshorns die Einrollung der tiefen Schichten eine Strecke weit in Form 
des Umschlagshakens begleiteten, welche — weiter proximal — entlang dem 
Einrollungsrande zugespitzt aufhörten, dringen nun vor dem Ende der 
Ammonseinrollung, wie mir scheint in konvexem, nach vorn gerichtetem 
Bogen dorsalwärts bis zu der Abschnürungsfurche der Hemisphären, dem 


Anatomie des Mandelkerns etc. 44] 


Sulcus hemisphäricus, vor, von welchem sie weiter distal durch die Ammons- 
windung getrennt waren. Man könnte diesen äussersten medialen Teil der 
Rinde des Lobus pyriformis als seine „terminale Rinde“ bezeichnen. Sie ist 
nichts anderes, als der mediale Teil des so bezeichneten Haufens oder 
Streifens B, dessen anderer lateraler Teil aus dem intermediären Bezirk 
hervorgeht. In den oberflächlichen Lagen von B sind die Zellen dichter 
und radiär gestellt, in den tieferen liegen sie lockerer und unregelmässiger. 
B hat auf Fig. 23 eine recht weitgehende Ähnlichkeit mit dem entsprechenden 
Gebiet bei Igel und Maus (Fig. 3, 15, 16 des ersten Teils), nur, dass bei 


Fig. 23 (Obj. 95, 7). Lemur mongoz. Schematisiert. Mandelkern. 


diesen Tieren die Entwicklung von B, wenigstens in die Tiefe, eine weit 
bedeutendere ist. Ein ohne weiteres verständlicher Unterschied besteht ferner 
darin, dass beim Halbaffen diese ganze Rindenpartie infolge der Drehung 
der Hemisphäre um eine sagittale Achse bereits ganz auf die mediale Seite 
des Lobus pyriformis gerückt ist. — Es besteht danach beim Halbaffen der 
ganze Streifen B aus zwei Anteilen: der eine, laterale, unmittelbar an die 
Regio olfactiva grenzende ist aus der Regio intermedia hervorgegangen, 
nach Umwandlung der Lagerung und wohl auch einigermassen der Form 


449 Max Völsch: 


der Zellen, der andere medialere zeigt die viel regelmässigere Zellenanordnung 
der oberflächlichen Rindenschichten und dürfte der dritten und vierten Schicht 
der Rinde entsprechen. Auch die niederen Säuger (Igel. Maus) zeigen eine 
ähnliche Zweiteilung, die ich bei Erinaceus schon durch die Bezeichnung 
mit B und B’ angedeutet habe, und vermutlich liegen hier analoge Verhältnisse 
vor. Und auch beim Frettchen dürfte sich diese Zweiteilung des Kerns B 
markieren: in Fig. 14 wird der mit X—xX x bezeichnete, intermediäre Bezirk 
dem vorhin erwähnten ersten Anteil, der, allerdings weit unbedeutendere 
Bezirk dorsal von X X dem zweiten Anteil entsprechen. 

Schon einige Objektträger, bevor sich der Streifen B in der eben ge- 
schilderten Weise ausbildet, beginnt sich das Unterhorn des Ventrikels zu 
schliessen, d. h. die Schnitte treffen die vor der Unterhornspitze gelegenen 
kompakten Gehirnteile. Zuerst zeigt sich das, indem sich (89, 8) eine Brücke 
bildet zwischen der äussersten Spitze der Hemisphäre, in welcher das dorsale 
Ende des Streifens B gelegen ist, und der Regio substriata, der Region E. 
Die Ausfüllung des Ventrikellumens, in welchem zunächst noch das vordere 
Ende der Ammonswindung, zuletzt ganz frei im Unterhorn liegend, enthalten 
ist, mit Molekularmassen schreitet dann immer weiter fort und in Fig. 23 
ist nur noch ein minimaler Rest, das vorderste- Ende des Unterhorns, sichtbar. 
In den erwähnten Molekularmassen sieht man vielfach Streifen und Häufchen 
jener kleinen Zellen K, die ich als Gliazellenkomplexe ansprach und die also 
auch die Hinterseite der sogleich zu besprechenden Zellmassen, wenn auch 
nur unvollständig umgeben. Etwas weiter vorn tauchen dann aber die Zell- 
massen selbst auf und zwar zuerst ein ziemlich breiter, nicht sehr scharf 
begrenzter schräg-horizontal liegender Zug kleiner blasser Zellen in jener 
Substanzbrücke zwischen Hemisphärenspitze und Regio substriata; es handelt 
sich dabei wohl um die vorhin erwähnte kleinzellige ventro-mediale Gruppe E, 
welche sich schräg medialwärts ausbreitet. Ich möchte den Zug oder Haufen 
als das Analogon des früher beschriebenen Kerns D ansehen (vergl. namentlich 
Fig. 18 des ersten Teils, Maus). 

Ungefähr in gleicher Höhe beginnt sich lateral von B der Kern T zu 
bilden, er breitet sich immer weiter dorsal- und lateralwärts aus, dorsal 
bildet sich T’ und zuletzt erscheint lateral M. M hat, sobald er seine volle 
Ausbildung erreicht hat, die Gestalt eines sphärischen Dreiecks, dessen Spitze 
dorso-lateralwärts gerichtet ist und dessen medialwärts gerichtete Basis den 
übrigen Teilen des Komplexes T+M aufsitzt. In dieser Basis werden 
die im übrigen dicht gedrängten, mittelgrossen, blassen Zellen (vom Typus R) 
weit spärlicher. Vor der Spitze des M-Dreiecks liegen einige aus ganz 
ähnlichen Zellen bestehende Zellgruppen, die die Basis des Linsenkerns etwas 
umfassen und wohl als ein dorsalwärts gerichteter Ausläufer von M ange- 
sehen werden können (Textfig. 23). Weiter vorn treten sie mit der Spitze 
von M in direkte Verbindung, tatsächlich einen solchen Ausläufer bildend. 
Der restierende mediale Teil von T+ M hat eine unregelmässig rundlich- 
viereckige Form. Im latero-dorsalen Quadranten dieses Gebietes zeichnen 
sich sehr ausgeprägt die Zellen T' ab; gross, eckig, stark tingiert, zeigen 
sie zugleich eine Art von allerdings nur undeutlicher Maschenbildung. Der 
ganze Haufen T' ist von einem bogenförmigen fast zellfreien Streifen um- 


Anatomie des Mandelkerns etc. 443 


geben, der ihn in vielen Präparaten recht scharf gegen die anderen Zell- 
gruppen von T—+M abscheidet. Es kann fraglich sein, ob die im medio- 
dorsalen Quadranten jenes rundlichen Vierecks gelegenen Zellen, welche 
gleichfalls ziemlich gross und stark gefärbt erscheinen, als eine mediale 
Abteilung dieses grosszelligen Gebietes T’ zu deuten sind. Immerhin sind 
die Zellen doch etwas different und mit Rücksicht auf den erwähnten Streifen 
neige ich mehr dazu, diesen Quadranten mit den beiden ventralen Quadranten 
zum Kern T zusammenzufassen, der mithin T‘ bogenförmig von der medialen 
Seite her umgeben würde. Doch könnten sehr wohl in diesem bogenförmigen 
Kern T mehrere Unterabteilungen unterschieden werden, die erwähnte Gruppe 
im medio-dorsalen Quadranten, eine zweite, aus etwas kleineren Zellen 
bestehend, angehäuft im medio-ventralen Winkel, beide getrennt durch eine 
Zone kleinerer, blasser Zellen. Ähnliche Zellen bilden dann schliesslich im 
latero-ventralen Quadranten den Übergang in das Gebiet M. 

Im weiteren Verlauf nimmt der ganze Komplex T+T’-+-M, welcher 
auf Fig. 23 als ein etwa schalenförmiges Gebilde gewissermassen den Kern 
des Lobus pyriformis bildet, eine mehr dreieckige Gestalt an, indem er sich 
ventralwärts auszieht und zuspitzt: die Zellanhäufung im ventro-medialen 
Quadranten bildet dann immer den tiefsten Teil.!) Er erreicht Ende der 
neunziger Objektträger, d.h. etwa 1'/; mm vor seinem distalen Ende die 
grösste Ausdehnung, und zwar beträgt die grösste Breite hier etwa 6 mm, 
die grösste Höhe ca. 4!/; mm. Der Komplex ist ferner im ganzen über 
21 Objektträger zu verfolgen; seine sagittale Ausdehnung dürfte daher 
ca. 3/„—3!/s mm betragen. Dabei erreicht der Kernkomplex, wenn er erst 
einmal in der Serie erschienen ist, sehr bald eine dem Maximum sich nähernde 
Grösse, und ebenso behält er oral von der Stelle der grössten Ausdehnung 
noch lange annähernd diese Ausdehnung bei, um dann ziemlich rapide sich 
zu verlieren. Wenn ich versuche, mir auf Grund dieser Mafre und Be- 
obachtungen aus den Frontalschnitten die räumliche Gestalt des Komplexes 
zu rekonstruieren, so muss derselbe, scheint mir, etwa die Gestalt einer 
Wiege haben, welche mit dem Längsdurchmesser quergestellt ist, und deren 
Öffnung nach oben, nach der Basis des Linsenkerns hin sieht. 

Während der laterale Teil des Kernkomplexes, wie Fig. 23 zeigt, 
direkt an das Putamen stösst, resp. von ihm nur durch einen schmalen, 
K-Zellen, d.h. wahrscheinlich Gliaanhäufungen enthaltenden Streifen getrennt 
ist, liegt zwischen dem medialen Teil des Kerns und den Innengliedern des 
Linsenkerns noch jene schwierige Zone, welche die Zellkomplexe E enthielt. 
Der äussere Komplex (E, Fig. 23) unterscheidet sich doch auch hier auf 
vielen Präparaten recht deutlich von dem anstossenden basalen Teil von St.; 
in letzterem sind die Zellen kleiner, dabei gleichmässiger, wohl auch etwas 
blasser; die E-Zellen dagegen variieren recht erheblich in der Grösse, sind 
zum Teil zweifellos grössere Elemente, als ich sie in St. sehe, und sind im 


!) Schon auf Objektträger 97, 7 (Textfig. 23) ist das tatsächlich mehr 
der Fall, als es die Zeichnung wiedergibt, da in derselben die vertikale 
Ausdehnung des Gebietes M etwas zu gross gezeichnet ist; die ventrale 
Begrenzungslinie von M verläuft in einem flacheren Bogen. 


444 Max Völsch: 


ganzen auch etwas stärker tingiert. Den medialen Komplex sprach ich als 
D an und möchte daran um so mehr festhalten, als bei der weiteren Ver- 
folgung der Serie sich keine Gruppe findet, die D entsprechen könnte. Auch 
ist der Aufbau des Komplexes aus recht kleinen, dichtgedrängt stehenden 
Zellen dem der Gruppe D bei den früher untersuchten Tieren sehr ähnlich. 
Darin freilich besteht nun hier ein wesentlicher Unterschied gegen diese 
früheren Verhältnisse, dass weiter vorn die Gruppe D bei Lemur nicht, wie 
bei jenen, Neigung hat, sich ventralwärts in das Gebiet des Kerns T+T’+M, 
sowie des Rindenstreifens B auszudehnen; sie bleibt vielmehr konstant an 
derselben Stelle, medial von dem Winkel, den Stamm und Hemisphäre nach 
ihrer Verwachsung bilden (dem Sulcus hemisphäricus). Ja, wenn ein wenig 
weiter vorn (vor Fig. 23) der Tractus opticus sich ganz an die Stammbasis 
vorgeschoben hat und nun zusammen mit dem mächtig sich entwickelnden 
Ganglion opticum basale immer weiter medialwärts zum Chiasma strebt, 
greift der Komplex sogar im Bogen um jene Furche herum und seine Zellen 
erstrecken sich bis an die Basis des Stamms. Und gerade hier, ziemlich 
genau dorsal von der Furche, und weit lateral von dem inzwischen weit 
medialwärts gerückten Ganglion opticum basale, bildet sich auf Objekt- 
träger 103 eine dichte Anhäufung der D-Zellen aus, oder vielmehr eine dichte 
Anhäufung von Zellen, die sich von den D-Zellen durch Grösse, stärkere 
Tinktion und die Dichtigkeit der Zusammenlagerung unterscheiden. Die 
Gruppe erreicht bald eine Breitenausdehnung von etwa ?/ı mm, während die 
grösste Höhe etwa !/; mm betragen dürfte, und verliert sich wieder auf 
Objektträger 112; die sagittale Länge beträgt danach etwa 1,4 mm. Ich 
halte es für höchst wahrscheinlich, dass es sich um das Analogon von D‘, 
dem „Kerne des sagittalen Längsbündels der Stria“ des Igels handelt; ich 
wüsste nicht, was sonst dafür in Frage kommen könnte, und andererseits 
ist die Analogie doch eine sehr weitgehende. Die Veränderung der Lage 
des Kerns, sowie überhaupt der Lage des ganzen Komplexes D kann man 
meines Erachtens ungezwungen durch die bereits erwähnte medialwärts 
gerichtete Drehung der Hemisphäre um eine sagittale Achse, die ich schon 
aus anderen Gründen annehmen musste, erklären; dadurch werden diese 
medialsten Teile der Hemisphäre noch weiter medial gegen die basalen Teile 
des Stammes hin verschoben. Völlig gesichert würde die Identität des 
beschriebenen Zellhaufens bei Lemur mit D' werden durch den Nachweis 
etwaiger Beziehungen zur Stria terminalis; leider ist das hier nicht möglich, 
wie überhaupt der Verlauf der Stria in den Zellpräparaten von Lemur kaum 
zu verfolgen ist. Ich erwähnte oben (p. 442) eine Substanzbrücke zwischen 
ventro-medialer Hemisphärenspitze und Regio substriata, in welcher ein 
schräg horizontal liegender Zellenzug (nämlich D) lag. Hinter und neben 
(medial) von diesem Zellenzug liegen nun reichlich weisse Massen, die, wie 
angenommen werden darf, wenigstens einen Teil der Striafaserung enthalten 
und sie nach dem Gebiet leiten, in welches sie beim Igel, Maus, Frettchen 
mehr oder weniger gut verfolgt werden konnten, in den Keen T+T'+M 
und in den zellfreien Zwischenraum zwischen diesem Komplex und der 
Rinde B. Etwas Sicheres aber kann ich hierüber an den Lemurpräparaten 
nicht nachweisen. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 445 


Etwas besser lässt sich der dorsal von dem Gebiet E + D, der Regio 
substriata, gelegene Faserzug (früher G, N. a.p. genannt) an der Hand der 
ihn begleitenden Zellen verfolgen. Zunächst ist der Teil davon, den ich 
früher irrtümlich als „dorsale Etage“ auffasste und der sich bei Fötorius als 
innerstes Linsenkernglied entpuppte, seit lange (Anfang der achtziger Objekt- 
träger) sichtbar und bereits oben erwähnt. Erst etwa 1!» mm weiter oral 
ordnen sich dann die bekannten länglichen und strichförmigen Zellen, ziemlich 
reichlich, zu dem charakteristischen S-förmig gekrümmten Zellenzuge, welcher 
aus der Basis des Linsenkerns, der Grenze zwischen erstem und zweiten 
Gliede herauskommt und entlang dem Tractus opticus in die Regio sub- 
thalamica zieht. Fig. 23 zeigt den Zellenzug (N.a.p.) deutlich; es ist ein 
Anteil der Linsenkernschlinge s. str. Wie bei allen untersuchten Tieren er- 
schöpft sich dieser Zug bald mit dem Austritt des Tractus opticus an 
die Stammbasis, dem Auftreten des Ganglion opticum basale und des unteren 
Thalamusstieles; ich kann ihn deutlich nur etwa 1 mm weit (in sagittaler 
Richtung) sehen. Wenigstens gelangt der Zellfaserzug dann (von Ende der 
neunziger Objekträger ab) nicht mehr in die Regio subthalamica. — Weniger 
ausgesprochen finde ich die andere proximalere Abteilung der Linsenkern- 
schlinge im weiteren Sinne, die Hirnschenkelschlinge (Lisch.b Monakow), 
die ich bei Fötorius im Zell- und Faserpräparat sich in ventro-medial- 
konvexem Bogen um’ die Oapsula interna schlingen sah. Ich finde Zellen. 
die einen solchen Verlauf des Faserzuges markieren, in der Tat hier nur 
— allerdings mehrfach — angedeutet; aber diese Andeutungen zusammen 
mit der Tatsache, dass die laterale Partie des Zellenzuges an der Basis der 
Innenglieder des Linsenkerns auch in den proximaleren Gegenden noch 
kenntlich ist, wo ihre Fortsetzung zur subthalamischen Gegend bereits ver- 
schwunden ist, genügen wohl zu der Annahme, dass eine Hirnschenkelschlinge 
auch hier vorhanden ist. 

Die Linsenkernschlinge scheint, wie ich oben sagte, ihren Ursprung 
aus dem Linsenkern zu nehmen, aus dem Grenzgebiet im wesentlichen 
zwischen erstem und zweitem Glied. Das erste Glied desselben ist charak- 
terisiert durch die kleinen, gleichmässigen blassen St.-Zellen, das zweite 
— nach der bisherigen Darstellung — durch die grossen, leuchtenden St‘-Zellen, 
das dritte endlich durch blasse, kleinere, besonders proximal vielfach maschen- 
förmig angeordnete Gebilde (St?).. Es bedarf hier eine Ergänzung bezüglich 


des zweiten Gliedes. Die grossen St’-Zellen sind hier — und das trifft zum 
Teil auch für die früher untersuchten Tiere zu (s. Fig. 13 und 14 von 
Fötorius) — gewöhnlich in einem mehr oder weniger breiten, schräg vertikal 


verlaufenden Zuge angeordnet, pflegen sich nur im ventralsten Teil dieses 
Zuges auf ein grösseres, breiteres Gebiet, gegen St. hin, auszubreiten (vergl. 
Fig. 23). Hier, bei Lemur, bleibt nun dieser Zug St‘ mehr oder weniger 
weit von der medialen Grenze des Putamens entfernt; in den kaudaleren 
Ebenen (Fig. 23) ist dieses Zwischengebiet ziemlich schmal, in den proxi- 
maleren wird es breiter; es enthält eine Anzahl von Kernen, die ich mit 
Wahrscheinlichkeit als Gliakerne ansprechen möchte, und daneben sehr ver- 
einzelte ganz blasse, fast schattenhafte Ganglienzellen von verschiedener, 


immer aber mässiger Grösse. Ich bezeichne das Gebiet als St‘ und bin im 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 29 


446 MeasssVzollsichhe 


Zweifel, ob ich es zu dem ersten oder zweiten Gliede rechnen soll, Wahr- 
scheinlich entspricht es einem von gewaltigen Fasermassen in vertikaler 
Richtung durchsetzten Gebiet (vergl. p. 424, Frettchen) und stellt in der Tat 
ein Grenzgebiet zwischen den beiden erwähnten Gliedern dar. Der Zellen- 
zug St‘ aber scheint sich (unter Umwandlung der Zellformen) ventralwärts 
direkt in die Begleitzellen oder den Kern der Linsenkernschlinge fortzusetzen, 
die erwähnte Anhäufung ventral aber könnte als Basalganglion Meynerts 
gedeutet werden. — Bei der Weiterverfolgung der Serie nach vorn verbreitert 
das Gebiet St‘ sich mehr und mehr, während St’, das dritte Glied, sich 
mehr und reduziert, um etwa 1'/ mm vor Fig. 20 ganz zu verschwinden; 
hier bilden dann wieder die beiläufig an dieser Stelle sehr zahlreichen, zu 
einem kompakten Haufen geordneten St.-Zellen die Spitze des Linsenkern- 
keiles. Das weitere Verhalten dieser Teile, das Verschwinden von St‘, wobei 
ich dann das Gebiet St‘, in nächster Nachbarschaft der inneren Kapsel, von 
letzterer nicht mehr trennen kann, die Vereinigung des Putamen mit dem 
mächtig sich vergrössernden Kopf des Schweifkerns usw. bieten, um das 
hier gleich vorwegzunehmen, nichts Besonderes. Ich will nur erwähnen, dass 
auch bei Lemur durch das Hinterhorn der vorderen Kommissur ein übrigens 
ziemlich kleines Stück der Basis des Putamens von ihm abgetrennt wird, 
und, dass auch hier die Zellen dieses ventral von der Kommissur gelegenen 
Teils (Y) sich zum wenigsten durch stärkere Tinktion von den übrigen 
St.-Zellen unterscheiden. 

Endlich sei hier auch erwähnt, dass vom Claustrum auch vor 
Fig. 23 zunächst lediglich der ventrale Schenkel in ähnlicher Weise, wie dort, 
sichtbar ist; ganz allmählich aber schiebt sich die Zellenmasse immer weiter 
dorsalwärts und schliesslich, in.den oraleren Gegenden, haben wir auch bei 
Lemur deutlich einen ventralen und einen dorsalen Schenkel, getrennt durch 
ein fast zellfreies Zwischenstück; der dorsale Schenkel hat ein Kolbiges 
Aussehen. — 

Einige Objektträger (etwa '/ mm) vor Fig. 23 hat sich der Tractus 
opticus medialwärts ganz an die Basis des Stamms gezogen, und, wie bereits 
erwähnt, gleichzeitig bildet sich an seiner dorso-lateralen Ecke das Ganglion 
opticum basale aus und erreicht eine erhebliche Breite. Während alsdann 
Tractus und Ganglion sich weiterhin noch mehr medialwärts zum Chiasma 
hinschieben, kommt der laterale Teil der Stammbasis an die Oberfläche. 
Gleichzeitig zieht sich, wie ebenfalls bereits geschildert, die Formation D 
in lateral-konvexer Krümmung um den Sulcus hemisphäricus herum, und 
ziemlich genau dorsal von diesem Winkel etabliert sich die Zellanhäufung D'. 
Jener laterale Teil der Stammbasis ist also in diesen Höhen gut begrenzt 
lateral von D', medial vom Gangl. opt. bas. In dieser Basis finden sich nur 
wenige Zellen, nachdem der Faserzellenzug der Linsenkernschlinge bereits 
in der Frontalhöhe des Beginnes des Gangl. opt. basale aufgehört hat. Man 
hat vielmehr den Eindruck, als ob aus dieser Region, der „zellfreien Zone“, 
Fasern dorsalwärts stiegen ; es handelt sich offenbar um den unteren Thalamus- 
stiel. Aber bald (Obj. 105/106), ca. 1’/; mm vor Fig. 23 beginnt sich die 
Zone mit Zellen zu füllen, sehr verschiedenartigen Aussehens, grossen, blasen- 
förmigen und sehr mannigfaltig geformten kleineren Elementen. Sie reichen 


Anatomie des Mandelkerns etc. 447 


ziemlich weit in die Tiefe, bis in die Nachbarschaft von St’ — St? ist hier 
bereits verschwunden —: die Grenzen segen die Nachbarschaft sind nicht 
immer deutlich erkennbar. 

Die Formation, offenbar des Analogon von S.p.a., der Rinde der 
Substantia perforata anterior, behält auch weiterhin, nachdem sowohl D‘ als 
das Ganglion opticum basale verschwunden sind — das letztere ein wenig 
früher, d.h. distaler — seinen Platz zwischen Sulcus hemisphäricus und 
Chiasma bei, und vielfach kann man eine ventrale kleinzellige (S. p. a‘) und 
eine dorsale Etage unterscheiden, in welcher vorzüglich die grossen Zellen 
gelagert sind. Sie hat ferner die Tendenz, einerseits medialwärts vorzu- 
dringen und zumal vor dem Chiasma die ganze Stammbasis zu überziehen, 
andererseits sich aber auch lateralwärts über D’ und D hinweg, dann die 
Formation D gewissermassen vor sich her drängend und sie ersetzend nach 
der Regio substriata auszudehnen, ohne doch weit in sie und damit in das 
Gebiet hineinzudringen, in welchem in dieser Frontalhöhe der Kernkomplex 
T-+T'-+M schon auf ein Minimum reduziert, bezw. — ein wenig weiter 
vorn —- schon ganz verschwunden ist, wobei dieses Gebiet übrigens durch 
Verschmälerung und Abflachung des Lobus pyriformis gegen die distaleren 
Ebenen (z. B. auch gegen Fig. 23) wesentlich verkleinert ist. Es wird nach 
dem Verschwinden von T—- T'—+M erfüllt von mehr weniger reichlichen 
ganz unregelmässig gelagerten, mannigfach geformten Zellen, Resten vielleicht 
von dem als kompakte Zellmasse nicht mehr kenntlichen Komplex D, Resten 
des hier zu ganz lockeren Zelllagerungen aufgelösten Rindenstreifens B. Nach 
oben schliesst sich der durch die vordere Kommissur abgeschnittene Teil 
des Striatum an, den ich Y nannte, von dorso-lateralwärts her strahlen die 
Ausläufer des ventralen Schenkels der Vormauer in dieses allenthalben 
schlecht begrenzte Gebiet ein, das dem früher so genannten basalen Spitzen- 
kern entspricht. 

Inzwischen hat sich im medialsten Teil der Hemisphäre und gerade 
im Winkel zwischen ihr und Stamm eine mächtige Verbreiterung der 
Molekularschicht der Rinde ausgebildet, der Tractus olfactorius, während 
beiläufig lateral durch Zusammenfliessen der Fissura rhinalis lateralis und 
des unteren Schenkels der Fissura Sylvii — der obere ist nur noch als 
Molekularstreif kenntlich — der vorderste Teil des Schläfenlappens abge- 
schnürt wird. Eine besondere, ausgeprägte Fissura rhinalis medialis kann 
ich hier noch nicht sicher auffinden, sie scheint mit dem jenen Winkel 
bildenden Einschnitt (der Stielfurche) zusammenzufallen. 

In der Tiefe dieser Molekularmasse des Tractus olfactorius, lateral 
davon, tauchen schon auf Obj. 113 Gruppen von kleinen ganz dichtgelagerten 
Zellen, kleinen Pyramiden, auf, welche sich allmählich mehr und mehr aus- 
breiten und alsbald als dichtes Band das mediale Ende der eigentlichen 
Riechrinde erreichen. Ich glaubte sie zunächst als die Anfänge der kleinen 
Zellen des Tuberculum olfactorium ansprechen zu dürfen. Der weitere 
Verlauf lehrt jedoch, dass sie durchaus zu dem eigentlichen Lobus pyriformis 
gehören. Denn wir sehen einige Objektträger weiter, wie dieses Band unter 
Verschmälerung der Brücke zwischen Fissura rhinalis lateralis und der als 


Fissura rhinalis medialis geltenden Einsenkung, sich lateralwärts durch die 
29* 


448 Max Völsch: 


Basis des Lobus pyriformis ausbreitend mit dem lateralen Ende der 
Riechrinde (in der lateralen Riechfurche) in Verbindung tritt. Dadurch 
(Fig. 24) wird der vom „basalen Spitzenkern“ eingenommene Raum in zwei 
Teile geteilt. Der ventrale, nunmehr im Frontalbilde ringförmig von der 
Riechrinde umgeben, wird abgeschnürt und bildet als eine kleine vorwärts 
gerichtete, nach vorn noch stark ®;s mm zu verfolgende und an Grösse 
abnehmende Kuppe das äusserste Ende des sich um den Stamm herumlegenden 
Hemisphärenringbogens. Der obere Teil aber stellt einen schmalen, vorwärts- 
gerichteten Fortsatz des Lobus pyriformis — an der Basis des Stirnhirns — 
dar, der noch weit zu verfolgen ist; in seinem Zentrum liegen namentlich 
die Ausläufer des ventralen ÖOlaustrumschenkels. Medial von ihm aber 
hat sich nun — beginnend nur etwa '!/s mm vor dem Auftreten jener klein- 
zelligen Gruppen auf Obj. 113 — fortschreitend vom Traetus olfactorius 


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Fig. 24 (Obj. 118, 8). Lemur mongoz. Oralster Teil des Lobus pyriformis. 

Riechrinde — Fortsatz der Rinde des Lob. pyr. auf die Basis des Striahirns; 

S. a. — Septum pellueidum; S. p. a. — dle Zellformation der Substantia perfo- 
rata anterior; Tt. — Striatum. 


medialwärts, die charakteristische bandförmige, gefältelte Formation der 
kleinen Zellen des Tuberculum olfactorium ausgebildet, welche allmählich die 
ganze Stammbasis bis zur Medianlinie überziehen. Darunter folgt die 
Formation $. p. a. resp. S. p. a’, welche ich, soweit sie eben von der Tuber- 
culumrinde überzogen ist, früher mit Ganser als St. K. (resp. St. K‘) als 
Rinde am Kopf des Streifenhügels bezeichnete (Fig. 24). 

Nun noch wenige Worte über den Bau der Rinde des Lobus pyriformis 
in den oraleren Gebieten. Die hier zu beobachtenden Veränderungen lassen 
sich dahin zusammenfassen, dass das charakteristische oberflächliche Zellen- 
band des olfaktiven Teils je weiter nach vorn um so dichtere Zusammen- 


Anatomie des Mandelkerns ete. 449 


lagerung der Elemente zeigt, und dass diese Zellelemente je weiter nach 
vorn, um so kleiner werden. Von einer Inselbildung kann überall keine 
Rede sein, das Band ist vielmehr ein durchaus kontinuierliches. In den 
fissuralen Partien ist immer die Dichtigkeit relativ am geringsten und sie 
unterscheiden sich auch dadurch von den medialeren Teilen der Regio olfactiva, 
dass die Zellen der folgenden Schichten (III, IV) stark ausgeprägte Pyramiden 
in säulenförmiger Anordnung sind. Doch sind die Unterschiede nicht so 
erheblich und das tatsächliche Vorhandensein des, wenn auch lockeren 
oberflächlichen Bandes lässt eine Abscheidung der lateralen Teile als „fissurale 
Rinde“ von den olfaktiven nicht recht zu. Der tiefe zellfreie Molekular- 
streifen wird nach vorn stellenweise etwas undeutlicher, die tiefen Schichten 
breiten sich dagegen erheblich aus. — Dass ganz oral die eigenartige, aus 
dem „intermediären Bezirk“ entstandene Rinde des Streifens B sich verliert, 
und dass nun der von ihr eingenommene Raum ebenfalls von der durch das 
hier ganz dichte, kleinzellige oberflächliche Band charakterisierten Riech- 
rinde eingenommen wird, wurde schon oben gesagt. 


Wenn ich die Befunde bei Lemur nun kurz zusammenfasse, 
so lassen sich folgende Sätze aufstellen: 

1. Während das distale Ende des Lobus pyriformis bisher 
entweder das Pallium überragte (Igel) oder mit dem distalen 
Palliumende in ungefähr gleicher Frontalhöhe lag (Maus) oder 
endlich wenigstens erheblich weiter distalwärts reichte, als der 
distalste Teil des nach hinten gerichteten Bogens der Ammons- 
windung (Frettchen), beginnt bei Lemur der Lobus pyriformis 
erst in solchen Frontalebenen, die erheblich vor diesem Bogenteil 
des Ammonshorn liegen. Während ferner die Fissura rhinalis 
lateralis bisher stets bis zur distalsten Spitze des Lobus pyriformis 
reichte, sie umfasste, finde ich bei Lemur diese Furche erst etwa 
4— 4!/g mm vor dem Beginn der als Lobus pyriformis-Rinde an- 
gesprochenen Formation, welche also die Furche nach hinten 
erheblich überragt. Die Fissur liegt überall auf der lateralen Seite 
der Hemisphäre. Jene sogleich zu besprechende Formation endet 
hinten schmal und spitz, erreicht schnell eine stattliche Breite 
von S mm und mehr, verschmälert sich nach vorn wieder und 
endet in einer schmalen, vorwärts gerichteten Kuppe, als der 
äussersten Endigung des den Stamm umfassenden Hemisphären- 
bogens, sendet aber von hier aus noch einen schmalen, lateral 
vom Traetus olfactorius verlaufenden Fortsatz an die Basis des 
Stirnhirns. 


Max Völsch: 


2. Ich unterschied beim Frettchen in transversaler Richtung 


mehrere Abteilungen des Lobus pyriformis auf Grund der Architek- 
tonik der Zellen, die ich bei Lemur, wenn auch zum Teil nur 
angedeutet und unsicherer wiederfinde. 


a) Der mediale Bezirk ist infolge des bereits kurz er- 


b) 


(gr) 


wähnten Verhältnisses zur Ammonswindung ganz von der 
medialen Oberfläche der Hemisphäre verschwunden und ganz 
in die durch die Fissura Hippocampi verursachte Rindenein- 
stülpung versenkt. Er entspricht dem präsubikulären Bezirk 
Cajals. Die oberflächlichen Schichten präsentieren sich 
(v. Fig. 22, lateral von xx) als eine kleinzellige Platte, die 
im weiteren Verlauf nach vorn immer schmäler wird, sich 
gewissermassen zu dem auf Fig. 22 mit xx bezeichneten 
Punkt zurückzieht; es folgt ein molekulärer Streifen, dann 
die tiefen Schichten, welche weiter medial in die Zell- 
schichten der Ammonsformation übergehen, während jene 
oberflächliche Platte die Einstülpung nur ein, wie gesagt, 
mehr oder weniger grosses Stück begleitet. 

Der intermediäre Bezirk (Fig. 22, xx —x) ist bei 
Lemur von dem folgenden schwer zu scheiden (vergl. p. 433). 
In der Gegend, wo sich die grossen basalen Zellkomplexe 
dieser (Gegend entwickeln, modifiziert die Rinde dieses 
Bezirks sich wesentlich, wird zu dem „Rindenstreifen B“. 
(Ganz oral zerfällt dieser Streifen in lockere Zellmassen und 
endlich ganz oral, in der Gegend der unter 1 erwähnten 
Kuppe überzieht sich auch dieser Bezirk mit der olfaktiven 
Rinde (Fig. 24). 

Die Regio olfactiva, der Hauptteil, den ich auch beim 
Halbaffen in sagittaler Richtung in einen vorderen olfaktiven 
und einen retroolfaktiven Teil teile. Charakteristisch ist das 
oberflächliche, dichte Zellenband (an Stelle der Lamina 
granularis externa) für den olfaktiven Teil, der aus kleineren, 
am vorderen Pol noch kleiner werdenden Zellen besteht: die 
Formation entspricht der Regio olfaktiva anterior beim 
Frettchen, während eine Regio olfactiva posterior nur unsicher 
nachgewiesen werden kann. Der retroolfaktive Teil ist von 
einem aus grösseren, lockerer gelagerten Zellen bestehenden 
Zellenstreifen überzogen. — Im ganzen Gebiet folgt auf 
die (zweite) Schicht die aus spärlicheren Zellelementen zu- 


Anatomie des Mandelkerns etc. 451 


sammengesetzte III. + IV. Schicht, ein breiter zellarmer 

Molekularstreif und endlich die meist in zwei Teile ge- 

spaltene tiefste Schicht (VIa und VIb). 

d) Die fissurale Region ist nicht sicher nachweisbar. 
e) Die prärhinencephale Rinde ist an einigen Stellen gut kenntlich. 

3. Die Ammonsformation muss im ganzen Bogenteil 
und selbst im distalen Teil des Unterhorns als die modifizierte, 
eingestülpte Fortsetzung anderer Rindengebiete angesehen werden, 
da in dieser Frontalebene der Lobus pyriformis noch gar nicht 
existiert. Erst im vorderen Teil ist es die Rinde des letzteren, 
welche sich einstülpt und in die Ammonsrinde übergeht, und zwar 
sınd es durchaus auch hier nur die tiefsten Schichten der Lobus 
pyriformis-Rinde, aus welchen die Ammonszellschichten unter mor- 
phologischer Umwandlung der Elemente hervorgehen. — Die vordere 
Endigung der Ammonswindung wird durch eine Hakenbildung 
kompliziert (vergl. p. 440). 

4. In der vorderen Wand des Unterhorns, basal vom Linsen- 
kern liegen auch bei Lemur die bei allen Tieren bisher nachge- 
wiesenen Kernmassen, T, T’und M, im ganzen ein recht beträchtlicher 
Zellenkomplex. In seiner Umgebung sind auch hier vielfach 
dichte Lagerungen kleinster Zellen (K) nachweisbar, wahrscheinlich 
Gliazellenlagerungen. Der intermediäre Teil der Rinde des 
Lobus pyriformis modifiziert sich in dieser Höhe zu dem Rinden- 
streifen B, der, ähnlich wie bei Igel und Maus und wohl auch 
Frettchen, aus zwei Teilen besteht, übrigens nicht annähernd die 
Mächtigkeit erreicht, wie beim Igel. 

5. Schon etwas früher als dieser Komplex erscheint in der 
Serie — (von hinten her verfolgt) — im Sulceus hemisphäriceus 
eine kleinzellige Gruppe, die ich als das Analogon von D ansehe 
(der Nucleus amygdalae des Kaninchens nach Kölliker). Inner- 
halb der Gruppe, aber schon fast im Stamm liegend, präsentiert 
sich auch eine Anhäufung etwas grösserer Zellen, welche ich als 
D‘, den „Kern des sagittalen Längsbündels der Stria* bei Erinaceus 
anspreche. — D und D‘ würden dann durch eine Art Drehung 
der Hemisphäre bei Lemur weiter nach dem Stamm hin gedrängt 
sein, als bei den früher untersuchten Tieren. Eine solche Drehung 
(um eine sagittale Achse) macht sich auch dadurch bemerkbar, 
dass manche Gebilde, z. B.B, ganz auf die mediale Seite der 
Hemisphäre gerückt sind. 


ED Max Völsch: 


6. Vor dem Komplex T + T’+ M liegt, ganz schlecht 
charakterisiert und ganz undeutlich das früher als basaler Spitzen- 
kern bezeichnete Gebiet. 

7. Lateral von D, zwischen ihm und dem Putamen, welches 
auch hier weiter ventralwärts reicht als die Innenglieder, liegt 
die Zone E, deren Zellen auch hier von den Striatumzellen deutlich 
in Grösse und Färbung abweichen. 

8. Dorsal von diesem Gebiet markiert ein deutlicher Zellen- 
zug den Verlauf des „ventralen Anteils der Linsenkernschlinge“, 
während die Hirnschenkelschlinge nicht in derselben deutlichen 
Weise gekennzeichnet ist. 

9. Die Substantia perforata anterior, sowie das Tuberceulum 
olfactorium zeigen die von früher her bekannten Bauverhältnisse ; 
doch beschränken sie sich fast ganz auf die Stammbasis. 

10. Der Linsenkern zeigt eine deutliche Dreiteilung, im 
Putamen kleine, blasse, eckige, im zweiten Gliede grosse, 
leuchtende im dritten kleinere, blassere, vielfach maschenförmig 
geordnete Zellen. Die leuchtenden Zellen des zweiten Gliedes sind 
vielfach zu einem mehr oder weniger breiten schräg vertikal ver- 
laufenden Zellenzuge vereinigt. Zwischen diesem Zuge und der 
medialen Grenze des Putamens bleibt ein nach proximal sich 
verbreiterndes Zwischengebiet, welches nur spärliche, ganz blasse, 
schattenhafte Zellen enthält; wahrscheinlich wird es von einer 
mächtigen Faserung aus der Capsula interna durchzogen. — Am 
Nucleus caudatus finde ich hier zuerst einen als kontinuierlicher 
Zellenzug ausgebildeten Schweif. 

11. Die Vormauer besteht auch hier aus einem dorsalen 
und ventralen Schenkel, doch ist der erstere nur in den oralen 
Ebenen sichtbar. Im Gegensatz zu Fötorius überragt der Linsen- 
kern beim Halbaffen das Claustrum nach hinten; es ist bei letzterem 
überhaupt lange nicht so mächtig ausgebildet wie bei ersterem. 

12. Die Stria terminalis ist in ihrem bogenförmigen Verlauf 
gut zu verfolgen; ihre Endausbreitung resp. ihr Ursprung aus 
den (rebilden des Lobus pyriformis lässt sich am Zellpräparat 
nicht feststellen. 

Eine Serie mit Faserfärbung steht mir vom Halbaffen nicht 
zur Verfügung. 


(Sb) 


Anatomie des Mandelkerns etc. 45 


V. Macacus rhesus. 


Als Material für die folgende Untersuchung diente eine durch den 
vorderen Teil des Schläfenlappens eines Macacus gelegte frontale Schnitt- 
serie, bei welcher jeder siebente Schnitt ($—10 „ Dicke) nach Nissl gefärbt 
wurde. Die Untersuchung geht von einer Stelle aus, welche erheblich vor 
dem distalen Ende des Lobus pyriformis (s. Gyrus Hippocampi) gelegen ist; 
von hier aus verfolge ich die Serie nach vorn. 


Ims 


Caudı 


Fig. 25 (Obj. 2, 6). Affe. Schnitt durch den vordersten Teil des Corp. gen. 
lat. (C. g.1.). Schematisch. 
— — — Grenze des Rindengraus. ++++ Ammonszellenformation. 


Fig. 25 orientiert über die Situation. Der Linsenkern ist bereits in 
erheblicher Ausdehnung getroffen, das äussere Glied ist mit den bekannten 
kleinen eckigen St.-Zellen erfüllt, wird vielfach von Fasern durchzogen ; 
medialwärts schliesst sich die mit grossen, stark gefärbten Pyramidenzellen 
versehene Region St‘, das zweite Glied, an. Lateral wird das Putamen von 
der auch hier aus meist länglichen, ziemlich stark gefärbten Zellen bestehenden 
Vormauer umgeben, welche etwas grösser sind als die St.-Zellen. Dorsal 
vom Unterhorn des Ventrikels liegt die deutlich von St getrennte Cauda 
nuclei caudati, medial davon die Stria terminalis, noch weiter medial die 
oralste Partie des Corpus geniculatum laterale (Gitterteil), welche schon 
nach wenigen Schnitten durch den Querschnitt des Traetus opticus ersetzt 


454 Max Völsch: 


wird. — An der Basis der Hemisphäre breitet sich der Lobus temporalis 
inferior aus; sehr deutlich erkennt man darin die typische Schichtenbildung, 
die Brodmannsche Sechsschichtung, wie er sie l. c. beschrieben und auf 
Tafel 9 als Typus 20 abgebildet hat. 

Die den Gyrus medial begrenzende Furche ist die Fissura collateralis 
s. occipito-temporalis medialis. Durch den histologischen Bau des darauf 
folgenden, sogleich zu besprechenden Rindengebiets charakterisiert sie sich 
ohne weiteres als das Homologon der Fissura rhinalis lateralis der osmatischen 
Tiere. Denn diese folgende Windung hat in jeder Beziehung den Bau des 
Lobus pyriformis s. Gyrus Hyppocampi. Die Furche bildet übrigens nicht 
genau die Grenze zwischen den beiden so verschieden gebauten Rinden- 
gebieten. Die Ablösung der oberflächlichen Schichten (II, III) der Schläfen- 
windung durch die charakteristische oberflächliche Rinde des Lobus pyriformis 
geht zwar ziemlich genau im Grunde der Furche vor sich, die tiefsten 
Schichten (VIa und VIb) gehen ohne wesentliche Veränderungen ineinander 
über, aber die Lamina granularis interna (IV) hört schon ein Stück lateral 
von der Furche auf und wird durch ziemlich grosse, stark gefärbte drei- 
eckige und Pyramidenzellen ersetzt; darunter markiert sich dann ziemlich 
deutlich eine zellarme Zone, aus welcher die grossen Pyramidenzellen der 
fünften Schicht des Lobus temporalis inferior verschwunden sind. So stellt 
dieser nächst der Fissura collateralis gelegene Teil des Schläfenlappens wohl 
ein Übergangsgebiet zum Lobus pyriformis dar. 

In letzterem, der beim Affen nunmehr ganz auf die mediale Seite der 
Hemisphäre geschoben ist, auf welcher auch die Fissura collateralis (oder 
rhinalis lateralis) konstant liegt, präsentiert sich die typische Schichtung: 
Unter der 1. Molekularschicht liegt 2. der bekannte Streifen grosser poly- 
morpher Zellen, dreieckiger, viereckiger, auch vieler Pyramiden, ohne dass 
dieselben parallel zueinander oder radiär gestellt wären; sie sind meist 
zweizeilig geordnet, doch liegen sie stellenweise auch in mehreren Reihen 
oder auch nur in einer Reihe. Hie und da, auf oraleren Schnitten viel 
ausgesprochener, finden sich Unterbrechungen des Streifens, so dass dann 
die Zellen zu einzelnen sehr unregelmässigen Gruppen zusammengefasst sind. 
Darauf folgt, oft getrennt durch eine schmale zellfreie Strasse, 3. und 4. 
eine breite Schicht relativ locker gelagerter Zellen, welche in dem lateralen 
und dem medialen Teil der Windung meist die Form säulenförmig ange- 
ordneter Pyramiden haben, während sie in den dazwischen gelegenen mittleren 
Teilen des Lappens meist polymorphe Zellen ohne eine bestimmte Orientierung 
sind. 5. Darunter eine meist breite zellarme Molekularschicht und endlich 
6. eine wiederum recht breite Schicht kleinerer, etwas schwächer tingierter 
polymorpher Zellen; dieselben sind — besonders auf oraleren Schnitten wird 
das sehr deutlich — in zwei und selbst noch mehr zueinander und zur 
Oberfläche parallelen und durch einen zellfreien Streifen getrennten Schichten 
angeordnet. Die Elemente der oberflächlicheren Schicht (VIa) zeigen mehr 
den Pyramidentypus, die der tieferen Schicht (VIb) den der polymorphen Zellen. 

Ich möchte die soeben geschilderte Rinde, welche also (vergl. Fig. 25) 
von der Fissura collateralis bis zur dorsalen Kuppe des Lobus pyriformis 
reicht, als das Analogon der Teile des Lobus pyriformis des Fötorius an- 


Anatomie des Mandelkerns etc. 455 


sehen, welche ich als Regio retroolfactiva und intermedia bezeichnete. Von 
einer „prärhinencephalen* findet sich nichts; sie könnte aber in dem in die 
Serie nicht einbezogenen distalen Teil des Lappens enthalten sein. Das 
Gleiche gilt von der „fissuralen“ Portion, welche dadurch ausgezeichnet war. 
dass in den oberflächlichen Schichten bis zu dem wohlausgebildeten tiefen 
Molekularstreifen ausschliesslich spärliche, von innen nach aussen an Grösse 
zunehmende Pyramiden sich fanden; vielleicht könnte ihr Analogon in dem 
vorhin erwähnten Untergangsgebiet gesucht werden: die Portion würde dann 
aber ausserhalb des durch die Furche abgegrenzten Lobus pyriformis liegen (?). 
Endlich wird der Umstand, dass die distalsten Teile in der Serie fehlen. 
auch nicht vergessen werden dürfen, wenn mir auch die Scheidung des be- 
schriebenen Bezirks in Regio olfactiva und intermedia nicht gelingt. Das Aus- 
sehen der Zellen in der dorsalen Kuppenpartie ist freilich ein etwas anderes, die 
oberflächlichen Pyramiden stehen hier etwas dichter. reichen weiter in die 
Tiefe und sind meist radiär gestellt, aber es ist doch fraglich, ob auf diese 
Merkmale hin die Gleichstellung der Kuppenpartie mit der intermediären 
Region des Frettchens gerechtfertigt ist. Denn dort war das Bestimmende 
für ihre Abscheidung die Eigenart der Zellen, welche ausgesprochen einen 
rundlichen (r) Typus hatten. Mit der fortschreitenden Polardifferenzierung 
der Rindenzellen bei den höheren Tieren muss dies Merkmal natürlich mehr 
und mehr fortfallen, und so war schon bei Lemur die Abscheidung der 
Region eine zweifelhafte; beim Affen ist sie noch unsicherer. Denn hier 
finden sich — um das an dieser Stelle beiläufig zu erwähnen — in der Rinde 
überhaupt fast nur polardifferenzierte (p) Formen, wenigstens unter den 
grösseren Zellen, 

Weiter oral hat der oberflächliche Streifen der Regio retroolfactivs 
mehr und mehr Neigung, in Inseln zu zerfallen: dieselben rücken wohl auch 
ein wenig mehr an die Oberfläche, und bestehen aus kleineren Elementen 
(Regio olfactiva posterior) und ganz oral bildet sich das dichte Band der 
Regio olfactiva anterior aus (s. unten). 

Lateral an die Kuppe schliesst sich in der Höhe, von der ich ausging 
(Fig. 25), ein Gebiet an, welches unzweifelhaft dem früher so genannten 
„medialen“ Teil des Lobus pyriformis analog ist. Lateral an die soeben 
beschriebene Rinde, deren charakteristische grosse oberflächliche Zellen ganz 
plötzlich aufhören, lagert sich ein Haufen kleiner, blasser dreieckiger 
Pyramidenzellen, welche von der Molekularschicht bis zum tiefen zellfreien 
Molekularstreifen reicht und lateralwärts geht dieser Haufen in einen die 
Umbiegungsstelle der tiefen Schichten in die Ammonswindung überlagernden 
schräg verlaufenden Streifen noch kleinerer und blasserer Zellen über, der 
sich latero-ventralwärts zuspitzt. Es handelt sich offenbar um den uns wohl 
bekannten Umschlagshaken der äusseren Rindenschichten um jene Umbiegungs- 
stelle, um das Äquivalent der „Rinne“ beim Frettchen, um die „präsubikuläre* 
Gegend. Während also die oberflächlichen Schichten die Einstülpung „nur 
ein kleines Stück weit mitmachen“, ziehen die von dem Umschlagshaken 
durch den zellarmen molekulären Streifen getrennten, tiefen Schichten weiter 
in die Einstülpung der Rinde hinein und wandeln sich allmählich in die 
spezifischen Ammonszellen um. Jenseits des Umschlagshakens, bevor noch 


456 Max Völsch: 


diese Umwandlung vollzogen ist, gelangt man in die Gegend des Subiculums, 
welches durch die Dicke der Molekular- oder der plexiformen (Cajal) 
Schicht ausgezeichnet ist. Die von Cajal für den Menschen beschriebenen 
kleinzelligen Inseln in dieser Schicht sind auch beim niederen Affen nicht 
vorhanden. 

Die Ammonsformation zeigt keine Besonderheiten; dorso-medial ist 
der Windung der Uncus angelagert; ich will dazu nur kurz darauf hin- 
weisen, dass schon unterhalb der Umbiegung der Ammonsrinde in den Uncus 
die Ammonszellen eine andere Form annehmen; sie werden rundlicher, 
kompakter, polymorph, vielleicht mit Überwiegen von Pyramidenformen. 
Noch ausgesprochener sind die Formveränderungen der Zellen in dem sich 
in den Uncus erstreckenden Schenkel. Auf proximaleren Schnitten tritt 
vielfach auch eine Differenz zwischen den oberflächlichen, der Fissura Hippo- 
campi zugekehrten und den tiefen, dem Alveus zugekehrten Zellen der 
Ammonsrinde hervor: die ersteren sind chromophiler, schlanker, länglicher, 
die letzteren blasser, rundlicher, mit grossem hellem Kern. — Ich übergehe 
die höchst auffälligen Konfigurationen, welche im weiteren Verlauf die 
Ammonszellen und die Fascia dentata infolge der Rückwärtsbiegung der 
Ammonswindung in den Uncus auf den Frontalschnitten bilden, als nicht zu 
meinem Thema gehörig, und namentlich auch, weil die erheblichen Lücken 
zwischen den einzelnen Schnitten eine völlig exakte und sichere Verfolgung 
der Verhältnisse nicht gestatten. Ich kann nur ganz allgemein im Anschluss 
an das p. 440 bei Lemur Ausgeführte sagen, dass hier völlig analoge oder 
zum wenigsten ganz ähnliche Verhältnisse vorliegen. Der untere Teil der 
Hemisphäre ist beim Affen noch weit mehr medialwärts um eine sagittale 
Achse gedreht, als beim Halbaffen, die Fissura Hippocampi schneidet deshalb, 
statt wie dort lateralwärts, hier beinahe dorso-ventralwärts ein und der 
Uncus, der bei Lemur medial vom Ammonshorn lag, liegt hier fast dorsal 
von ihm, aber die den Verlauf der Zellschichten wiedergebenden Querschnitts- 
bilder zeigen, wie mir scheint, prinzipiell genau dieselben Verhältnisse. 
Auch hier, scheint mir, stülpt die Hippocampusfissur, wenn sie sich ihrem 
vorderen Ende nähert, die Rinde nach vorn ein, bildet eine nach vorn 
gerichtete Tasche, deren Öffnung distalwärts sieht, und auch hier rollt sich 
die Ammonswindung, wenn sie über den medialen Rand der Tasche hinweg 
wieder auf der medialen Hemisphärenoberfläche erscheint, aus. Dieses aus- 
gerollte vordere Ende der Ammonswindung zeigt der Schnitt IV, 6 (Fig. 26), 
bei welchem ich etwas länger verweile. 

Der Lobus pyriformis ist hier etwas breiter geworden, doch bezieht 
sich diese Verbreiterung nur auf die Pars olfactoria, dieselbe mab (vom 
Grund der Fissura rhinalis lateralis bis zur dorsalen Kuppe) auf Fig. 25 
etwa 7 mm, auf dem 0,9 mm weiter vorn liegenden Schnitt IV, 6 misst 
sie 88 mm. Die Pars medialis, der Umschlagshaken, hat hier wie dort 
dieselbe Länge von etwa 3! mm. Im dem Zellaufbau des Lappens ist sonst 
nichts Wesentliches verändert. Ganz dorsal in der Ammonsformation sehen 
wir das ausgerollte Ende der Ammonswindung, die Fascia dentata, welche 
einige Schnitte vorher, dieses Ende umgebend, noch deutlich kenntlich ist, 
ist hier auf einen minimalen Rest reduziert. Ventral von dem ausgerollten 


Anatomie des Mandelkerns etc. AST 


Ende aber präsentiert sich ein sich in diesen Höhen (drei Schnitte früher) 
aus kleinsten Anfängen sich schnell bildender länglich ovaler Haufen teils 
länglich pyramidenförmiger, teils rundlicher mittelstark gefärbter Zellen, von 


Fig. 26 (Obj. 4, 6). Affe. Lobus pyriformis. 


TE äussere 5 A 
Grenze der Rinde ++++ Ammonszellschicht. 


— — — innere 


dem Ammonsende durch einen schmalen zellarmen Streifen getrennt. Weiter 
nach vorn vergrössert sich der Haufen in allen Durchmessern in beträcht- 
licher Weise, während gleichzeitig das Ende der Ammonsrinde sich medial- 


458 Max Völsch: 


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wärts zu verkürzen scheint, und während ferner, wenige Schnitte vor Fig. 26, 
die lateralwärts gerichtete Spitze des den Zellhaufen enthaltenden Lappens 
mit der Regio sublentieularis, der Gegend zwischen Cauda nuclei caudati 
und Traetus optieus verwächst. Inzwischen wird der über die Einstülpungs- 
stelle der Rinde in das Ammonshorn herumgeschlagene kleinzellige Fortsatz 
allmählich kürzer, verliert sich Ende Objektträger VII (1! mm vor Fig. 26) 
ganz, und nun kann das inzwischen noch weiter verkürzte ausgerollte Ende 
der Ammonswindung mit der Einstülpungsstelle oder, um die Bezeichnungs- 
weise Köllikers zu gebrauchen, das Ende des (ausgerollten) dorsalen 
Blattes mit dem Anfang des ventralen Blattes in Verbindung treten. Es 
lässt sich dann die Ammonsschichtung noch ein kleines Stück weit im 
ventralen Teil des Unterhorns als ein ovaler Ring und schliesslich als ein 
querovaler Zellhaufen verfolgen, der Ausdruck jener nach vorwärts gerichteten 
taschenförmigen Ausbuchtung des Vorderhorns; der dorsale Teil des Unter- 
horns ist in dieser Höhe bereits durch die vordere Wand ausgefüllt. Über 
die Vereinigungsstelle der beiden Ammonsblätter hinweg, an welcher die 
tiefen Schichten des Lobus pyriformis nun nach ihrer Trennung vom 
Ammonshorn etwas zugespitzt (und vielleicht [?] sich auch hier ein wenig 
lateralwärts zurückziehend) enden, tritt die oberflächliche Rinde aus 
der intermediären Region mit dem erwähnten grossen Zellenhaufen in Ver- 
bindung. Derselbe charakterisiert sich also als eine Verdickung der Rinde, 
wo dieselbe unmittelbar vor dem vorderen Ende der Ammonseinstülpung an 
der medialen Seite der Hemisphäre zum Sulcus hemisphäricus hinaufrückt, 
genau wie beim Halbaffen; ich nannte diesen Rindenteil die terminale Rinde 
des Lobus pyriformis. Sie entspricht dem mit B bezeichneten Gebiet 
(vel. p. 441), welches hier nur durch die Mächtigkeit seiner Tiefenausdehnung 
überrascht. Die Rindenverdickung B hat eine schalenförmige oder halb- 


kugelige Gestalt (Fig. 27), die Konvexität ist dorsalwärts oder — weiter 
vorn — dorso-medialwärts gerichtet. Man kann nach der Form der Zellen 


wenigstens zwei Bezirke unterscheiden: meist kleine, pyramidenförmige, 
chromophile Zellen, die unmittelbar in die Rinde der Regio olfactiva über- 
gehen, umgeben an der Konvexität einen mit grösseren, blasseren, zwar auch 
polardifferenzierten, aber doch rundlicheren Zellen erfüllten Kern. Dabei 
gewinnt man auch beim Affen den Eindruck, dass der Komplex eine Fort- 
setzung der tieferen der oberflächlichen Zellschichten, der dritten und vierten 
ist, während die zweite, der Zellenstreifen, auch hier an der Wurzel von B 
aufhört. Aus dem Engpass zwischen dem Streifen und den an dieser Stelle 
oleichfalls aufhörenden tiefen Schichten quillt der Kern B sozusagen, 
mächtig sich ausbreitend hervor. — Ich teilte diesen Kern früher (Igel, 
Frettchen, Halbaffe) in transversaler Richtung in zwei Regionen, den Teil B, 
welcher aus der Regio intermedia hervorging, und B‘, die soeben erwähnte 
terminale Rinde. Beim Affen überwiegt dieser Teil zum mindesten sehr 
erheblich und die Regio intermedia nimmt, wenn überhaupt, nur in sehr 
bescheidenem Maße an der Bildung der Rinde B teil. 

Inzwischen haben sich auch in dem Gebiet der Stria terminalis 
zwischen Cauda und dem an die Stelle vom Corpus genieulatum laterale 
getretenen Tractus opticus, in der Regio sublenticularis, welche, wie wir 


Anatomie des Mandelkerns ete. 459 


sahen, mit der äussersten Spitze der Hemisphäre verschmolz, Zellen ange- 
sammelt. Zuerst sehr spärlich, werden sie allmählich zahlreicher und ordnen 
sich in zwei voneinander getrennte Gruppen, übrigens, so lange ventral von 
ihnen der Ventrikel sichtbar ist, an dessen dorsaler Wand einen zellfreien 
dreieckigen Faserzug freilassend, offenbar die Stria terminalis; es mag hier 
gleich vorweg genommen werden, dass weiter vorn, wo sie sich in die 
vordere Wand des Unterhorns ergiesst, eine auch nur ungefähre Verfolgung 


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Fig. 27 (Obj. 9, 7). Affe. Mandelkerngegend. 
ihres Verlaufs sich nicht ermöglichen lässt. — Von jenen beiden erwähnten 


Gruppen erscheint zuerst die mediale, aus sehr kleinen pyramiden- und 
sternförmigen, blass gefärbten und dicht zusammenliegenden Zellen bestehend: 
die Gruppe hat anfangs Dreiecksform, vergrössert sich nach vorn erheblich 
und nimmt schliesslich die Form eines lateral-konvexen Bogens an, welcher 


460 Max Völsch: 


um den Sulcus hemisphäricus herumzieht. Unschwer ist in der Gruppe der 
Komplex D wiederzuerkennen, der, genau wie bei Lemur, ventralwärts nach 
der Spitze des Komplexes B resp. nach der Molekularplatte zwischen B und 
dem sich lateral anschliessenden Kern (T) hinstrebt. Ebenso sicher ist die 
Identität der lateral von D allmählich entstehenden unscharf begrenzten 
Gruppe mit dem bei allen untersuchten Tieren aufgefundenen Bezirk E. 
Auch beim Macacus unterscheiden sich die zwar kleinen, aber mit vereinzelten 
grösseren Exemplaren untermischten pyramiden-, spindelförmigen und eckigen 
Zellen durch Grösse und stärkere Tinktion von den lateral sich anschliessenden 
Zellen des Putamens. Auf Fig. 26 bilden sie eine ringförmige Figur, später 
dehnt sich das von ihnen eingenommene Gebiet aus, die Begrenzung ist, wie 
gesagt, eine unscharfe und vielfach unsichere. Die Gruppe wird in proxi- 
maleren Ebenen vielfach durch vertikal verlaufende Faserzüge durchzogen 
und dadurch gelegentlich in Unterabteilungen zerlegt (s. Fig. 27 E' und E?; 
die Zellen E’ sind grösser, blasser, verschwommener, als die kleineren, scharf 
hervortretenden eckigen Zellen E?; doch lässt sich E’ als distinkte Gruppe 
nur eine kurze Zeit verfolgen). 

Auf den auf Fig. 26 folgenden Objektträgern beginnt sich (VI, VI) 
das Unterhorn des Ventrikels zu schliessen und zwar, genau wie bei Lemur, 
zuerst in seinem dorsalen Teil. In der vorderen Wand des Unterhorns, in 
ihrem dorsalen Teil, bilden sich neue Zellgruppen, während die betreffenden 
Frontalschnitte ventral von diesen Gruppen zunächst noch den Rest, die 
vordere Spitze des Unterhorns mit der in ihr enthaltenen vorwärts gerichteten 
Ausbuchtung des Ammonshorns treffen. Zuerst erscheint auf VII, 5 (d. h. 
etwa 1,3 mn vor Fig. 26) lateral neben dem inzwischen mächtig entwickelten 
Komplex B eine Gruppe ziemlich grosser, kräftig gefärbter eckiger Zellen, 
von B durch einen schmalen, kommaförmigen Molekularstreifen getrennt. 
Etwa !/3 mm weiter vorn bildet sich in dem Zwischenraum zwischen der 
übrigens mit der Basis des Linsenkerns verwachsenden Oauda nuclei caudati 
und der ventralwärts rückenden dorsalen Ventrikelgrenze eine aus kleineren, 
blasseren Elementen zusammengesetzte Zellmasse, und endlich tritt, wiederum 
fast !/g mm weiter oral, zwischen den beiden genannten Zellmassen ein aus 
grossen, leuchtend gefärbten polymorphen Zellen bestehender Haufen auf. 
Wir sind im Gebiet des Mandelkerns. Die genannten drei Komplexe breiten 
sich beim weiten Fortschreiten nach vorn in ventraler Richtung aus und auf 
Obj. IX, 7 haben sie die in Fig. 27 wiedergegebene Gestalt und wir können 
danach in dem Mandelkern der Primaten zunächst wenigstens drei Unter- 
kerne unterscheiden: 1. den medialen mittelgrosszelligen, 2. den mittleren 
oder zentralen grosszelligen und 3. den lateralen mittelgrosszelligen. Ohne 
weiteres erkennen wir in diesen Kernen die Komplexe wieder, welche sich 


durch die ganze Tierreihe verfolgen liessen. Der mediale Kern ist = T, 
der mittlere grosszellige — T’, der laterale mittelgrosszellige = M. Auch 


beim Affen ist die Differenz der Zellen zwischen M und dem anliegenden 
Putamen immerhin so evident, dass sich die Abtrennung von selbst ergibt: 
die M-Zellen sind grösser und stärker tingiert als die St.-Zellen. Auch hier 
aber finde ich schliesslich noch jene Gruppen von kleinen körnerartigen 
Gebilden, die den ganzen Zellkomplex bei allen untersuchten Tieren umgeben, 


Anatomie des Mandelkerns etc. 461 


die Zellen K. Sie finden sich auch hier wieder mit Vorliebe dorsal oder 
dorso-lateral vom Mandelkern, schieben sich namentlich zwischen M und das 
Putamen ein und erleichtern die Differenzierung der beiden Gebilde; sie sind 
spärlicher als bei den niederen Tieren, aber immerhin gewiss vorhanden. 
Ich halte daran fest, dass es sich um Anhäufungen von Gliakernen handelt. — 
Noch weiter vorn verschwindet der Rest des Ammonshorns, der in Fig. 27 
ventral noch sichtbar ist (C A) und der Ventrikel, und der Mandelkern 
dehnt sich ventralwärts auch in dieses Gebiet aus; er erreicht auf Obj. XI 
das Maximum seiner Grösse. Die scharfe, übrigens auch beim Affen durch 
schmale Molekularstreifen zwischen T und T' einerseits und zwischen T' 
und M andererseits noch schärfer pointierte Differenzierung des gesamten 
Kerns in jene drei Unterabteilungen verwischt sich in diesem basalen Streifen 
einigermassen. Jedenfalls reichen die grossen, leuchtenden Zellen von T' 
nicht bis zur Basis hinab; ich habe auch hier den Eindruck, dass T den 
Kern T' basalwärts umgreift und dass seine Zellen sich lateralwärts mit den 
Zellen der Basis des lateralen mittelgrosszelligen Kerns (M) vermischen, ohne 
deutliche Grenze. Vielleicht könnte man auch hier innerhalb des somit 
bogenförmig gestalteten Haufens T nach Form nnd Grösse der Zellen noch 
Unterabteilungen unterscheiden; doch scheint mir das nicht in so sicherer 
Weise möglich, dass dadurch der Nachteil weiterer Komplikation aufgewogen 
würde. Dagegen scheint es mir evident, dass in diesen oraleren Teilen die 
grossen, blassen, rundlichen zentralen Zellen der Rindenverdickung B ent- 
weder ganz verschwinden oder sich doch bis auf kleine Reste verlieren. 
Der so gewonnene Raum wird durch stärkere Ausdehnung von T auch in 
die Breite ausgefüllt; unter Verschwinden des, bei Macacus überhaupt relativ 
schmalen und unbedeutenden kommaförmigen Molekularstreifens zwischen T 
und B rückt T damit in unmittelbare Nachbarschaft der oberflächlicheren 
Teile der Rinde B. — Endlich. ist noch ein eigentümlicher Fortsatz zu 
erwähnen, den T' von seiner Kuppe aus zwischen M und die Formation E 
lateralwärts hinaussendet, bis zur lateralen Grenze der beiden Gebilde. Er 
besteht aus genau denselben stark tingierten Zellen, welche T’ zusammen- 
setzen und ist nur ca. '/; mm weit zu verfolgen; dann treten wieder die 
Verhältnisse wie in Fig. 27 ein. — Nachdem der gesamte Kern auf Obj. XI 
und XII seine grösste Ausdehnung erreicht, d. h. etwa 2 mm vor seinem 
distalen Ende, nimmt er allmählich wieder in allen Dimensionen ab; die 
laterale Grenze des lateralen mittelgrosszelligen Kerns ist in diesen oraleren 
Ebenen keine glatte Linie, der Kern sendet vielmehr zahlreiche unregelmässige 
zackige Fortsätze in das lateral ihn umgebende Mark, während die basale 
Begrenzung, welche nach dem Verschwinden des Ventrikels durch das Mark 
des Lobus pyriformis gebildet wird, immer als ganz glatte Linie verläuft. 
Auch einen dorso-lateralwärts gerichteten Zellfortsatz sehen wir von dem 
oralen Teil des lateralen mittelgrosszelligen Kerns gegen das aus dem 
Putamen hervorbrechende Hinterhorn der vorderen Kommissur hinstreben, 
wie er z. B. auch bei Lemur beobachtet wurde; er umfasst den gegen Fig. 27 
stark verkleinerten durch die Kommissur abgeschnürten Teil des Putamens 
(y) von lateralwärts. Endlich schiebt sich von aussen her der sich immer 


stärker entwickelnde ventrale Schenkel des Claustrums — dessen dorsaler 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 30 


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462 Max Völsch: 


Schenkel beiläufig in diesen oralen Ebenen ebenfalls sich etwas stärker aus- 
bildet und eine leicht keulenförmige Gestalt annimmt — in unmittelbarste 
Nähe der lateralen Begrenzungslinie des Kerns M. Auf den Schnitten des 
Obj. XII sieht man zwischen den beiden Kerngebilden mehrfach unregelmässig 
geformte Inseln auftreten, welche man nach der Art ihrer Zellen zum Teil 
vielleicht für Absprengungen der Vormauer wird halten dürfen. Denn die 
Zellen der letzteren und des lateralen Kerns sind zwar ähnlich, aber keines- 
wegs identisch. Die des lateralen Kerns sind annähernd alle von derselben 
Grösse und derselben Tinktion, infolge der geringen Chromatinansammlung 
um den relativ grossen Kern erscheinen sie recht blass, es überwiegen 
durchaus Pyramiden- und Birnformen; die des Claustrums haben dagegen 
sehr verschiedene Grösse, übertreffen zum Teil die Durchschnittsgrösse der 
vorigen Zellen erheblich, sind teils blasser, teils aber auch viel stärker 
gefärbt, und es kommen neben den Pyramiden auch viele stern- und ganz 
unregelmässige, vor allem aber auch — in der kolbigen ventralen Anschwellung 
allerdings sehr zurücktretend — längliche und strichförmige Formen vor. 
Diese Feststellung erscheint mir wichtig bezüglich der Frage des Verhält- 
nisses des Olaustrums zum Mandelkern. Einem jener sich zwischen Clau- 
strum und M einschiebenden Kerngebilde aber wird man doch eine Sonder- 
stellung einräumen müssen, einem Komplex, der sich auch medialwärts noch 
zwischen M und die Kommissur, resp. die ihr etwa noch angelagerten hier 
kaum noch erkennbaren Reste von Y hineinschiebt. Der Komplex beginnt 
gleich vor der Stelle der grössten Ausdehnung des Mandelkerns und verliert 
sich, nachdem er schnell eine ansehnliche Grösse erreicht hat, ziemlich bald 
wieder. Die Zellen sind durchschnittlich noch etwas grösser und stärker 
gefärbt als die Vormauerzellen; der ganze Komplex sticht jedenfalls gegen 
die anliegende Vormauer etwas ab. Ich bezeichne ihn mit X. Der Gesamt- 
kern (T + T’—+ NM) verliert sich auf Obj. XVI, nachdem T bereits einige 
Schnitte früher verschwunden ist. Er macht alsdann einem Raum Platz, 
welcher infolge der noch zu besprechenden Grössenabnahme des Lobus 
pyriformis sich rapide verkleinert, und welcher von sehr verschiedenartigen 
bunt durcheinander gewürfelten Zellen eingenommen ist; es ist das Gebiet des 
„basalen Spitzenkerns“. Die sagittale Länge des Gesamtkerns T+T'—-M 
beträgt ca. 4 mm. Tist etwa 3,6, M 3,7, T' 3,2 mm lang. Die grösste 
Höhe des Gesamtkerns ist — ca. 6 mm, die grösste Breite = ca. 7 mm, so dass 
er also nicht ein kugeliges Gebilde ist, sondern annähernd die Form einer 
bikonvexen Linse hat. 

Wende ich mich nunmehr zu dem dorsal von den beschriebenen Ge- 
bilden gelegenen Gebiet, der Regio sublentieularis, so entwickelt sich der 
Komplex D zu einem immer ansehnlicheren Zellstreifen, welcher wieder, 
genau wie beim Lemur, um die Vereinigungsstelle von Hemisphäre und 
Stamm herumzieht; der Streifen wird dabei sowohl länger, als breiter, zieht 
schliesslich in S-förmiger Krümmung bis in die Basis des Stammes hinein, 
um dann auf Objektträger 12 sich allmählich zu verlieren und anderen 
Formationen (S. p. a.) Platz zu machen. Diese Hinausziehung des dorsalen 
Endes des Streifens nach dem Stamm hin kann natürlich auch hier erst in 
den Höhen erfolgen, in welchen der Tractus opticus ganz an die Stammbasis 


Anatomie des Mandelkerns etc. 4653 


hinausgetreten ist und sich nun zusammen mit dem auf Objektträger X 
(unmittelbar vor Fig. 27) zuerst auftauchenden, aus grossen, tiefblau ge- 
füllten Zellen bestehenden Ganglion opticum basale an dieser Basis entlang 
zum Chiasma hinzieht. — Der Kern oder Streifen D ist in sagittaler Richtung, 
immer an derselben Stelle, dem Winkel zwischen Stamm und Hemisphäre, 
gegen 4!/; mm zu verfolgen; er beginnt und endet etwas distaler, als die 
Mandelkernformation, hält sich aber im ganzen doch an die Gegend der 
letzteren. Nicht nachweisbar innerhalb D ist beim Macacus jenes bisher 
ganz konstante Gebilde D‘, der Kern des sagittalen Längsbündels der Stria 
terminalis. — In den oraleren Gebieten wird der Zellkomplex E kleiner und 
undeutlicher; von der medialen Seite her wird er durch die stärkere Aus- 
bildung von D eingeengt, von lateral her schiebt sich und biegt sich die 
ventrale Anschwellung des Claustrums, während der auf Fig. 27 noch so 
stark entwickelte basale Teil des Putamen (die Cauda) zu einem unschein- 
baren Häufchen zusammenschrumpft, in diesen Bezirk hinein ; die Stelle, 
an welcher der Komplex E proximalwärts endet, lässt sich nieht sicher be- 
stimmen; auch er aber ist im ganzen an die Mandelkerngegend gebunden. 

Die Veränderungen, die das Putamen vor dem auf Fig. 27 wieder- 
gegebenen Schnitte erleidet, sind soeben bereits kurz angedeutet. Das Hinter- 
horn der vorderen Kommissur (Fig. 27, ©. a.) wird immer massiger und 
breiter, schneidet immer tiefer medialwärts in das Putamen ein; der ventral 
von ihr gelegene Teil des letzteren wird dadurch immer kleiner, reduziert 
sich schliesslich zu einem kleinen, dem lateralen Teil der Kommissur ventral 
anliegenden Häufchen, welches dem früher mit Y bezeichneten Komplex 
entspricht. In das so zwischen der Kommissur und dem Mandelkernhaupt- 
komplex, wie ich die Kerne T + T’—+M nennen will, frei werdende Gebiet 
dringt, wie gesagt, die erheblich sich verbreiternde ventrale Anschwellung der 
Vormauer ein; übrigens ist ihre Annäherung an dieses Gebiet und den Mandel- 
kern wohl nicht ausschliesslich Folge der transversalen Verbreiterung und der 
lateral-konvexen Biegung des unteren Olaustrumendes, sondern ebenso sehr 
der Verschmälerung des ganzen sich seinem frontalen Pole nähernden Temporal- 
lappens und seiner unteren Windungen, sowie einer Vertiefung der oberen 
Temporalfurche und des unteren Schenkels der Sylvischen Furche. Der Isthmus 
zwischen letzterer und der Verschmelzungsstelle zwischen Stamm und Hemi- 
sphäre, der Sulcus hemisphäricus, wird dadurch schmäler und die in demselben 
liegenden Gebilde werden näher aneinandergerückt. — Was die Innenglieder 
des Linsenkerns betrifft, so ist mir die auffälligste Erscheinung, dass die 
grossen leuchtenden St.-Zellen hier nicht mit der Deutlichkeit hervortreten, 
mit der sie bisher beobachtet werden konnten. Zwar findet sich immer 
eine ausgedehnte Gruppe solcher stark gefärbter Zellen in den distaleren 
Ebenen (Fig. 26 und 27) zwischen Putamen und Tractus opticus dorsal von 
E, und in den proximaleren Schnitten, wenn die vordere Kommissur von 
lateral her das Putamen bis ungefähr zu diesem Punkte durchschneidet und 
sein basaler Teil (namentlich ventral von dem medialen Teil des Hinter- 
horns) sich verliert, medial vom Kommissurhinterhorn, dorsal von E und in 
das Gebiet von E hineinreichend. Aber es ist mir sehr fraglich, ob diese 


Gruppe mit dem Linsenkern etwas zu tun hat; ich komme darauf sogleich 
30* 


464 Max Völsceh: 


zurück. Sodann aber vermisse ich jenen dorsalwärts von dieser Gruppe 
ziehenden mehr oder weniger breiten Zug grosser Zellen, den ich bei Lemur 
in den distalen Ebenen dicht an der inneren Putamengrenze, in den oralen 
mehr oder weniger entfernt von ihm antraf, oder sehe diesen Zellenzug doch 
höchstens hie und da andeutungsweise. Ziemlich deutlich markiert sich 
hingegen die Differenz zwischen dem dem Putamen unmittelbar anliegenden 
Streifen mit spärlichen, kleinen, blassen Zellen (St) und dem medial an- 
stossenden Keil mit stärker tingierten, eckigen oder länglichen übrigens beim 
Affen auch ziemlich kleiner Zellen (St.”). Doch verwischt sich, zumal in 
den oralen Gegenden, diese Differenz auch vielfach, und dann scheint das 
ganze Innenglied des Linsenkerns aus jenen St?’-Zellen zu bestehen. Die 
medialsten derselben, in der Nachbarschaft der Capsula interna verraten 
übrigens auch hier, wenn auch vielleicht nicht so ausgesprochen, wie bei 
den niederen Tieren, die dort hervorgehobene Neigung zur Maschenbildung. — 
Jener erwähnte Haufen aber, von grossen Zellen, basal vom Globus pallidus, 
der weithin nach vorn verfolgbar ist, ist identisch mit dem „Meynertschen 
Basalganglion* Köllikers („dem Nucleus ansae peduncularis“ oder dem 
„Ganglion der Hirnschenkelschlinge* Meynerts). Die Zellen vermischen 
sich in den oralen Ebenen mit den noch zu erwähnenden Zellen S. p. a. — 
Medial oder dorso-medial vom Basalganglion lässt sich dann auch beim Affen 
der oft erwähnte Faserzug verfolgen, welcher, wie es scheint, aus der Basis 
des Linsenkerns austritt und in S-förmiger Krümmung über den Tractus 
opticus hinweg zur Regio subthalamica zieht (Fig. 27 N. a. p.), ein ventraler 
Anteil der Linsenkernschlinge s. str.; die Verfolgung wird erleichtert oder 
ermöglicht durch das Vorhandensein auffälliger stark gefärbter, meist läng- 
licher Zellen, welche den Zug begleiten. Der Zug erreicht, soweit er die 
Richtung nach dem Hypothalamus einschlägt, bald hinter Figur 27 sein Ende, 
nämlich mit der Ausbildung des Ganglion opticum basale. In den davor 
gelegenen Ebenen wäre eine aus derselben Wurzel stammende, den Hirnstamm 
resp. die innere Kapsel bogenförmig umziehende zum Thalamus gelangende 
Hirnschenkelschlinge (Lisch. b) zu erwarten; ich kann Begleitzellen einer 
solchen höchstens andeutungsweise und nur unsicher nachweisen. — Ich habe 
alle diese Begleitzellen — spärlich also und unsicher für Lisch. b, stark aus- 
gebildet und höchst auffallend für jenen Anteil der Hirnschenkelschlinge — 
bisher zum Nucleus ansae peduneularis gerechnet. Ich kann aber über ihre 
Beziehungen zu dem vorhin beschriebenen kompakten, grosszelligen Haufen 
nichts aussagen, und es dürfte sich empfehlen, den letzteren mit Kölliker 
als Basalganglion-Meynert, die Begleitzellen aber als Begleitkern 
der Linsenkern- und event. der Hirnschenkelschlinge zu benennen. — 

Auf Öbjektträger X, unmittelbar vor Fig. 24 bildet sich, wie bereits 
erwähnt, das Ganglion opticum basale aus, lateral vom Traetus opticus im 
Winkel zwischen Stamm und Hemisphäre. Mit dem Tractus schiebt er sich 
alsdann nach innen zum Chiasma hin. In dem dadurch trei werdenden 
Gebiet an der Stammbasis sieht man zunächst nur spärliche kleine Zellen 
und sieht ferner aus dieser Gegend Fasern dorsalwärts zum Thalamus 
strömen, den unteren Thalamusstiel. Aber schon ca. 1 mm weiter vorn füllt 
sich diese zellfreie oder besser zellarme Zone mit den mannigfaltig geformten, 


Anatomie des Mandelkerns ete. 465 


meist stark tingierten Zellen S. p. a., und wiederum kann man einen meist 
aus kleineren Elementen bestehenden transversal verlaufenden Zug (S. p. a‘) 
und eine dorsale, aus meist grossen, leuchtenden Zellen bestehende Etage 
unterscheiden. Die Zellen dieser Etage vermischen sich mit den Resten 
des in dieser Höhe wohl verschwindenden Basalganglions. Über die dorsale 
Etage hin aber zieht zunächst das Querstück der vorderen Kommissur, 
weiter oral senkt sich der Kopf des Schweifkerns bis in ihre unmittelbare 
Nachbarschaft hinab. Die Formation strahlt über den Suleus hemisphäricus 
hinweg lateralwärts gegen die Regio substriata, ohne aber weit in sie hinein- 
zudringen; sie beschränkt sich auf die Gegend am Kopf des Striatum und 
erfüllt im Gegensatz zu den niederen Säugern die vor dem Mandelkernhaupt- 
komplex gelegene Region nicht, gerade wie beim Halbaffen. Es hängt diese 
relativ geringere laterale Ausbreitung von S. p. a. wohl damit zusammen, dass 
der Traetus olfactorius hier wie bei Lemur im Sulcus hemisphäricus 
liegt und nicht wie bei den niederen Tieren weiter lateral an der Grenze 
der Regio intermedia und olfactiva. Der Lobus pyriformis scheint bisher 
wesentliche Veränderungen nicht eingegangen zu sein; leider sind die Schnitte 
in dieser Höhe gerade an dieser Stelle vielfach etwas lädiert, so dass ich auf 
eine eingehende Besprechung verzichten muss. Soviel ist sicher, dass er in 
transversaler Richtung etwas schmäler geworden ist und dass der ober- 
flächliche Zellstreifen, wie bereits erwähnt, lückenreicher geworden, dass 
seine Zellen, welche wohl auch etwas kleiner geworden sind und vielleicht 
auch der Oberfläche etwas näher liegen, zu Gruppen und Streifen, kurz zu 
Inseln geordnet sind (Regio olfactiva posterior). 

In der Höhe endlich, in welcher die Substantia perforata anterior an 
der Stammbasis zur Ausbildung gelangt ist, und in welcher der Tractus 
olfactorius als kompakte Markmasse im Sulcus hemisphäricus sichtbar 
geworden ist, bildet sich lateral vom Tractus, da, wo früher der jetzt ver- 
schwundene Streifen B lag, ein oberflächliches Band, welches aus erheblich 
kleineren und ganz dicht mehrschichtig gelagerten mittelstark gefärbten 
Pyramiden besteht; dieses Band überzieht zuerst die terminale und inter- 
mediäre Rinde!) des Lobus pyriformis, dann aber lateralwärts fortschreitend 
allmählich den ganzen Lappen; es verläuft vielfach gewunden und festoniert 
(Regio olfactiva anterior). Darunter ist eine ziemlich zellarme 
Schicht zu erkennen, die tiefen Schichten aber lassen sich nicht differenzieren ; 
im Zentrum des Lobus pyriformis sieht man in dieser Höhe vielmehr nur 


') Um die Darstellung nicht allzusehr zu komplizieren, will ich nur 
anmerkungsweise erwähnen, dass ungefähr in derselben Höhe, wo die Anfänge 
des Bandes sichtbar werden, im ventralen Teil der Pars intermedia, wo die 
Molekularschicht eine erhebliche Verbreiterung zeigt infolge des Einströmens 
der Tractusfasern, sich eine Strecke weit in der Tiefe der Molekularschicht 
ein Streifen ziemlich dicht gelagerter grosser eckiger Zellen findet, Zellen, 
deren einzelne sich gleichsam versprengt auch in den oberflächlicheren Teilen 
der Zonalschicht liegen. Der Streifen lässt sich etwa '/s mm verfolgen, 
dann verschwindet er, und nun überzieht das kleinzellige Band auch diesen 
Teil der Rinde. 


466 Max Völsch: 


ein Konglomerat verschiedenartiger Zellen, ohne Ordnung und Schichtung, 
das Gebiet des „basalen Spitzenkerns“. 

Gleichzeitig vollzieht sich, genau wie bei Lemur, eine schon makro- 
skopisch erkennbare Wandlung: der ventrale Ast der Fissura Sylvii schneidet 
immer tiefer medialwärts ein, einmal gegen den Sulcus hemisphäricus, das 
andere mal gegen die Kollateralfurche, die ihm entgegenstrebt. So wird 
sowohl der Lobus pyriformis, als auch, ein wenig weiter, der Schläfenlappen 
abgeschnürt; beide lassen sich dann als freiliegende Lappen noch ein Stück 
nach vorn verfolgen; der Lobus pyriformis zeigt dabei die Ringform des 
kleinzelligen Bandes, wie in Fig. 24 von Lemur, auf welche Figur ich 
bezüglich aller dieser Verhältnisse verweisen kann, da sie prinzipiell völlig 
analog sind. So sehen wir auch hier das kleinzellige Band noch an der 
Basis des Stirnhirns ein Stück weit oralwärts sich fortsetzen, allerdings 
nur in geringer transversaler Ausdehnung, lateral vom Traectus olfactorius 
und lateralwärts allmählich in die frontale Rinde übergehend. Darunter 
folgt eine zellarme Schicht und dann stossen wir auch hier auf eine Zellen- 
anhäufung, die nichts anderes ist, als die in dieses Rindengebiet ausstrahlende 
ventrale Anschwellung der Vormauer. 

So sehen wir auch beim Affen die Formation des Lobus pyriformis 
in seinen oralsten Teilen, seiner Spitze, sich wesentlich und grundsätzlich 
ändern. Auch hier drängt sich zunächst der Eindruck auf, dass es sich bei 
dem kleinzelligen Bande um die kleinen Zellen des Tuberculum olfactorium 
handeln könnte. Die Lage des Bandes ausserhalb des Traetus und die 
weitere Betrachtung schützt vor dieser Verwechslung. Die letztere zeigt 
vielmehr, dass sich das Tuberculum olfactorium ein wenig weiter vom 
(Obj. XVI), beiläufig etwa 1'/» mm vor dem ersten Auftreten der Zellen S.p. a. 
oder — was ein sichererer Maßstab ist — ca. 2?/ı mm vor dem distalen Ende 
des Ganglion opticum basale in völlig typischer Weise medial vom Tractus 
olfactorius ausbildet. Es entsteht unterhalb der Molekularschicht das dichte, 
breite, gefältelte Band kleinster eckiger Zellen, die sich nun doch sehr 
deutlich von den lateral sich anschliessenden, viel stärker tingierten und 
viel grösseren Zellen des oberflächlichen kleinzelligen Bandes am vorderen 
Ende des Lobus pyriformis unterscheiden. Gelegentlich finden sich Kon- 
elomerate der kleinen Tuberculumzellen auch in die Molekularschicht hinein- 
geschoben, in Form von Haufen oder noch häufiger Streifen; doch kann ich 
mich für Macacus nicht überzeugen, dass diese oberflächlichere Lagerung 
der kleinen Pyramiden sich, wie ÖCajal!) für den Menschen will, auf eine 
bestimmte Gegend, seine mittlere, beschränkt oder auch nur diese mittlere 
(Gegend bevorzugt. Und ebensowenig scheint mir für den niederen Affen 
seine Mitteilung zu gelten, dass in dieser mittleren Gegend die tiefen Zellen 
fehlten. Diese letzteren, die ja nichts anderes sind, als die nunmehr von 
dem Bande der kleinen Tubereulumzellen überzogenen Zellen der Substantia 
perforata anterior, sehe ich in meinen Präparaten vielmehr in der ganzen 
Ausdehnung jenes Bandes unter ihm liegen; vielleicht, dass sie in den 
medialsten Partien am frühesten — bei der Verfolgung der Serie nach 


Anatomie des Mandelkerns etc. 467 


vorn — verschwinden. Denn auch beim Affen wird diese tiefe Zellschicht, 
oder, wie wir wissen, Zellfaserschicht oder Zellfaserplatte je weiter nach 
vorn um so schmäler, indem sich der Kopf des Streifenhügels je weiter 
nach vorn um so tiefer gegen diese Rinde hinabsenkt. Auch in der tiefen 
Schieht finden sich Inseln kleiner Tuberceulumzellen, andererseits schickt 
aber auch die tiefe Schicht Zellfaserfortsätze gegen die Oberfläche hin, die 
dann das oberflächliche Tuberculumband unterbrechen. Auch die zackige 
Begrenzung des ventralen Randes des Kopfes des Striatum ist gelegentlich 
angedeutet. 


Resume: 

1. Der Lobus pyriformis s. Gyrus Hippocampi des niederen 
Affen ist durch die starke Entwicklung der Hemisphäre ganz auf 
ihre mediale Seite hinübergeschoben; auf der medialen Seite 
liegt auch konstant die die Windung lateral begrenzende Fissura 
collateralis s. occipito - temporalis, welche der Fissura rhinalis 
lateralis der Osmatiker entspricht. 

2. In transversaler Richtung lässt sich nach der Zellarchi- 
tektonik der Lobus pyriformis des Aften nur in zwei Teile zer- 
legen; eine „prärhinencephale* und eine „fissurale* Rinde, wie 
bei dem Vertreter der Nager, lässt sich in den von mir unter- 
suchten Frontalhöhen nicht nachweisen und die Abscheidung eines 
„intermediären“ Teils bereitet hier ebenfalls erhebliche Schwierig- 
keiten. So ist die Bezeichnung als „intermediärer“, zwischen den 
beiden sogleich zu erwähnenden Regionen gelegener Bezirk nur 
noch als regionärer aufrecht zu erhalten. 

a) Die Regio olfactiva, welche sich ziemlich gut in sagittaler 

Richtung in die drei früher erwähnten Bezirke teilen lässt. 

b) Die Regio medialis, lateral von der dorsalen Kuppe des Lap- 
pens, charakterisiert durch einen schmalen Streifen kleiner 
dichtgelagerter mässig stark tingierter Pyramidenzellen, als 

Ersatz der oberflächlichen Schichten (II + HI + IV) der 

Rinde der Regio olfactiva; darauf der tiefe zellarme Molekular- 

streif und die tiefen Schichten, welche durch die Fissura 

Hippocampi eingerollt werden und deren Zellen sich dabei 

zu den Ammonszellen transformieren. Es ist die präsubikuläre 

(regend. Das Rindenbild ist auch hier beim Affen der 

Ausdruck dafür, dass die oberflächlichen Rindenschichten 

die Einrollung der tiefen Schichten nur ein relativ kurzes 

Stück in Form jenes kleinzelligen Umschlagshakens mitmachen. 


468 Max Völsch: 


Der letztere verkürzt sich in den proximaleren Gegenden 

und verliert sich schliesslich ganz. 

3. Auch beim Affen ist de Ammonsformation also 
lediglich eine Fortsetzung der tiefen Schichten des Lobus pyriformis 
(natürlich nur in den Höhen, wo sie sich an den letzteren an- 
schliesst). Der Uneus entsteht dadurch, dass die Fissura Hippo- 
campi die Ammonsrinde taschenförmig nach vorn einstülpt. 

4. Unmittelbar vor der vorderen Endigung des Ammonshorns 
zieht sich die Rinde des Lobus pyriformis dorsal oder dorso-medial- 
wärts in das vorher vom Uneus eingenommene Gebiet und tritt 
in Verbindung mit dem Stamm. Es erscheint dieser nunmehr 
der Stammbasis unmittelbar benachbarte und an ihr aufhörende 
Teil der Hemisphärenrinde als eine Fortsetzung der mittleren 
Schichten der Rinde des Lobus pyriformis (III und IV): sie quillt 
zwischen dem. oberflächlichen Zellenbande und den vor dem 
vorderen Ende der Ammonsformation ebenfalls am medialen Ende 
der Regio olfactiva aufhörenden tiefen Schichten hervor, erfährt 
eine erhebliche Verbreiterung und bildet so den Haufen B. 

Lateral davon entstehen in der vorderen Wand des Unter- 
horns drei grosse, durch die Form der Zellen scharf voneinander 
geschiedenen Zellkomplexe: 1) der mediale mittelgrosszellige, 
2) der zentrale grosszellige und 3) der laterale mittelgrosszellige 
Kern, entsprechen den früher mit T, T’ und M bezeichneten Gruppen. 
Sie bilden zusammen den „Mandelkernhauptkomplex“ und 
4) mit B, dem „Rindenanteil“ sowie dem unter 5 zu erwähnen- 
den Kern, den „Mandelkern“ im Temporalpol des Primaten. Der 
Hauptkomplex wird vielfach von haufen- und streifenförmigen 
Kernansammlungen, wahrscheinlich Gliaanhäufungen, umgeben. 
Er hat in toto die Gestalt einer stark gekrümmten Bikonvexlinse. 

5. Alszum Mandelkern gehörig betrachte ich den um den Suleus 
hemisphäricus bogenförmig gelagerten Streifen D, den medialen klein- 
zelligen Kern. Der Komplex D’ ist bei Macacus nicht nachweisbar. 

6. Lateral von D in der Regio substriata findet sich auch 
beim Affen der Komplex E, durch Form, Grösse und Färbung seiner 
Zellen vom Putamen abscheidbar. Die in dieser Frontalhöhe 
gelegene kortikale Ausstrahlung der Stria terminalis lässt sich 
im Zellpräparate nicht genauer verfolgen. 

7. Etwas weiter oral wird die Regio sublenticularis oder 
substriata zum Teil von grossen, stark gefärbten Zellen einge- 


Anatomie des Mandelkerns ete. 469 


nommen. Sie bilden das „Basalganglion Meynerts“, wie es 
Kölliker genannt hat. 

S. Dorsal von diesen Gebilden sieht man in gewisser Frontal- 
höhe längliche Zellen, welche offenbar einem S-förmigen, sich um 
den Traectus optieus schlingenden, zum Hypothalamus verlaufenden 
Faserzug folgen: der Begleitkern der Linsenkernschlinge s. str. — 
Ein Begleitkern der Hirnschenkelschlinge ist nicht sicher nach- 
weisbar. 

9. Sobald sich der Querschnitt des Tractus optieus an die 
Stammbasis geschoben hat, entwickelt sich latero-dorsal von ihm 
das sehr auffällige Ganglion opticum basale und begleitet den 
Tractus auf seinem medialwärts gerichteten Wege zum Chiasma. 
In der durch diese Medialschiebung an die Oberfläche tretenden 
Basis des Stammes bilden sich auch beim Affen jene vielgestaltigen, 
zum Teil sehr grossen, blasigen Zellen aus, die ich früher als 
S. p. a. bezeichnete; es lassen sich auch hier zwei Züge, ein 
dorsaler und ein ventraler (S. p. a‘) unterscheiden. In der Tat 
entsprechen sie nach ihrer Lage der Substantia perforata anterior. 

10. Erst etwas weiter oral umgibt sie sich mit der klein- 
zelligen Rinde des Tuberculum olfactorium, medial von dem in- 
zwischen in den Suleus hemisphäricus eingelagerten Tractus 
olfaetorius. 

11. Das Putamen ist auch beim Aften durchweg aus kleinen 
eckigen Zellen zusammengesetzt; hieran schliesst sich medial 
eine Zone mit spärlichen, blassen Zellen an, auf welche endlich 
eine solche mit stärker tingierten eckigen Zellen folgt. Doch ist 
diese Differenzierung des Globus pallidus in verschiedene Glieder 
keine sehr scharfe. Es fehlen beim Affen gewisse grosse, stark 
tingierte Zellen, die im Innengliede niederer Tiere nachweisbar waren. 

12. Das Claustrum ist ein starkes Gebilde mit ventraler 
Anschwellung und — in den oralen Teilen — einem dorsalen 
Teil, welcher mit einer Spitze um den oberen Schenkel der Insel 
herum endet. Die ventrale erreicht oral eine mächtige Aus- 
dehnung, die Zellen strahlen in die nächste Nähe des Mandel- 
kerns, in das Gebiet E, dorsal von letzterem, und endlich in 
das basale Gebiet am Stirnlappen hinein, welches (s. p. 466) von 
der oralen Fortsetzung der Formation des Lobus pyriformis 
überzogen ist. 


470 Max Völsch: 


In einer Weigert-Pal-Serie von einem Öercopithecus, von welcher 
jeder zweite Schnitt aufbewahrt wurde, liegt der Schnitt Objektträger 95, 2 
ungefähr in derselben Höhe, wie Fig. 25. Ich finde dort bezüglich des Lobus 
pyriformis ganz ähnliche Verhältnisse, wie ich sie p. 410 für das Frettchen 
schilderte, natürlich abgesehen von der Verlagerung des Lappens auf die 
mediale Seite durch Hemisphärendrehung um eine sagittale Achse, von der 
Uncusbildung ete. Der Lobus pyriformis, dessen distale Anfänge beiläufig 
gut 2. mm zurückliegen dürften, zerfällt auch nach dem Faseraufbau 
deutlich in zwei Teile, die Regio olfactiva, von der Collateralfurche bis zur 
Kuppe und der lateral davon gelegenen bereits eingerollten Regio medialis 
(präsubicularis). Die Regio olfactiva ist auch beim Affen ausgezeichnet 
durch eine auffällig starke Radiärfaserung, welche von dem breiten Mark 
bis in die oberflächlichen Rindenschichten hineinstrahlt; sie stellt, wie ich 
es beim Frettchen nannte, ein Radiärfaserfeld dar. Nur in den medialen 
Teilen der Region, in der Pars intermedia, die ich beim Affen am Zellpräparat 
nicht wohl absondern konnte, sieht man auf den stärker gefärbten Schnitten 
mehr oder weniger starke Andeutungen eines tiefen molekularen Streifens, 
bald wirklich in Form eines Streifens!) (Obj. 95, 2), bald auch nur durch 
einige transversal verlaufende Fasern und Fasernstücke markiert. Die 
Tangentialfasern in der Molekularschicht sind stark entwickelt. Ganz anders 
ist der Bau in der Regio medialis; wie das Zellpräparat lehrt, ersetzt hier 
ein Haufen kleinster Pyramiden, welcher sich in Form eines zugespitzten 
Umschlagshakens ein Stück in das Ammonshorn hineinschiebt (vergl. Fig. 25), 
die oberflächlichen Rindenschichten, während die tiefen Zellschichten der 
Rinde sich einstülpen und allmählich zur Ammonszellformation sich modi- 
fizieren. Demgemäss folgt hier auf die, gerade wie bei Fötorius, in diesem 
Teil noch weit massiger entwickelte Faserung der Zonalschicht ein relativ 
faserarmes Gebiet in Form jenes Umschlagshakens; doch sieht man auf den 
stärker tingierten Präparaten — wiederum genau entsprechend den Verhält- 
nissen beim Frettchen — bei genauerem Zusehen, dass auch dieses Gebiet von 
einem feinen Netz feinster Fäserchen erfüllt ist, besonders in dem Wurzelteil 
des Umschlagshakens, welcher auch hier lebhafte Beziehungen zu dem tiefen 
Molekularstreifen des anstossenden intermediären Teils zu haben scheint. 
Darauf folgt ein weiterer Streifen, in welchem dieses Fasernetz noch viel 
dichter ist, entsprechend dem zellarmen Streifen zwischen Umschlagshaken und 
den eingerollten tiefen Zellschichten, welche offenbar durch massenhafte Fasern 
und Fäserchen durchzogen werden, zuletzt das massig entwickelte Mark. Aus 
letzterem strömen aus der Gegend der Umbiegungsstelle in schräger Richtung 
die perforierenden Fasern zu dem auch hier in zwei Lagen geordneten Stratum 
zonale des Ammonshorns; einen Übergang der Zonalschicht des Lobus pyri- 
formis in die oberflächlicheren dieser beiden Lagen kann ich beim Affen 
nicht nachweisen. — Über das Ammonshorn habe ich sonst nichts weiter 
zu sagen; die Bilder ergeben sich aus dem bekannten typischen Verlauf. 


', Darunter bisweilen einen zweiten Faserstreifen, welcher wahr- 


scheinlich die auch im Zellpräparat durch einen zellfreien Streifen vielfach 
geschiedenen Lagen VIa und VIb trennt. 


Anatomie des Mandelkerns ete. 471 


In den oralen Frontalebenen bietet der Lobus pyriformis oder vielmehr 
die Regio olfactiva, um sie gleich an dieser Stelle zu erledigen, kaum 
nennenswerte Veränderungen in der Faserarchitektonik; höchstens wäre zu 
erwähnen, dass die Radiärfaserung undeutlicher wird, und dass in den oralen 
Ebenen von dem tiefen Molekularstreifen auch keine Andeutung mehr zu 
sehen ist. Dagegen erleidet der mediale Teil diejenigen Veränderungen, 
welche sich aus den p. 455 geschilderten Verhältnissen ergeben: Der Um- 
schlagshaken und mit ihm die tangentiale und die tiefe Faserung verkürzt 
sich allmählich, zieht sich gewissermassen medialwärts zurück; und, sobald 
das vordere Ende der Fissura Hippocampi erreicht ist, schiebt sich die Rinde 
des Lobus pyriformis unmittelbar vor diesem Ende dorso-medialwärts bis in 
den Grund des Sulcus hemisphäricus. Es ist der mit B bezeichnete modi- 
fizierte Rindenteil, die Pars terminalis der Rinde des Lobus pyriformis. 
Gleichsam als eine Bestätigung dieser Anschauung, geht von diesem Punkte 
an auch die Tangentialfaserschicht des Lobus pyriformis nicht mehr, sich 
einrollend, in das Ammonshorn, sondern in das Rindengebiet B über. In 
derselben Höhe verschmelzen die beiden Ammonshornschenkel und der Alveus 
ist — eine Folge der Vorstülpung des vordersten Teils des Ammonshorns 
nach vorn — noch eine kurze Strecke in Form eines Ringes sichtbar, um 
etwa 2! mm vor der der Fig. 26 entsprechenden Stelle zu verschwinden. 
!/, mm weiter verliert sich dann auch der letzte Rest des Unterhorns, und 
der Schnitt trifft ganz in die Vorderwand des Unterhorns, die, wie die Zell- 
präparate zeigten, vom Mandelkern gebildet wird. 

Ich will der Kürze wegen nicht noch einmal die Entwicklung seiner 
Zellmassen, wie sie sich bei der Serienverfolgung präsentiert, durchgehen, 
die ich im Zellpräparat unterscheiden konnte. Das Palpräparat kennzeichnet 
sie als graue Gebilde, an deren Identität meist auf den ersten Blick kein 
Zweifel ist; überall wird die vorhin gegebene Darstellung bestätigt. Ich 
will vielmehr lediglich diejenigen Faserzüge und Fasergruppen, welche für 
das von mir behandelte Gebiet von Bedeutung sind, kurz besprechen und 
wende mich zunächst zur Stria terminalis. In Frontalebenen, welche 
weit (5 mm) hinter dem entsprechend der Fig. 25 als Ausgangspunkt ge- 
wählten Objektträger 95 zurückliegen, trifft der Schnitt den nach hinten 
konvexen Bogenteil der Stria, welcher die Verwachsungsstelle von Stamm 
und Hemisphäre umkreist, und von hier ab ist dauernd der Querschnitt sowohl 
des dorsalen als des ventralen Striaschenkels im Suleus strio-thalamieus 
resp. an der dorsalen Wand des Unterhorns in den Schnitten deutlich. 
Überall finden sich neben den bekannten Venendurchschnitten graue Massen 
eingelagert, deren entsprechende Zellen ich im Zellpräparate nicht nachweisen 
konnte. Überall sind die Fasern fein und mässig stark gefärbt. Innerhalb 
der Querschnitte tauchen hie und da auch Bündel stärker tingierter Fasern 
auf, doch gelingt es mir nicht, auch nur einen Zug solcher Fasern konti- 
nuierlich zu verfolgen. Der ventrale Querschnitt hat vielfach die bekannte 
Halbmondgestalt, oft ist er länglich oder oval, der dorsale Querschnitt hat 
hingegen eine recht unregelmässige Gestalt, namentlich ist streckenweise 
ein fortsatzähnlicher Streifen lateralwärts unter den benachbarten Nucleus 
caudatus untergeschoben. 


472 Max Völsch: 


Was nun die vordere oder, wie ich vorschlug, die subkortikale 
Endigung der Stria betrifft, so sehe ich auf Obj. 114 ff. (d. h. etwa 8 mm 
vor der Frontalhöhe des Striabogens und etwa 3 mm vor der durch Fig. 25 
wiedergegebenen Frontalhöhe) einzelne Fasern und zwei einzelne Bündelchen 
von Fasern aus dem dorsalen Striaschenkel ventralwärts und medio-ventral- 
wärts ziehen; die ersteren steigen, gewissermassen hinter dem schräg von 
unten vorn nach oben hinten ziehenden und hier (Fig. 28) nur noch in 
seinen unteren Teilen getroffenen unteren Thalamusstiel her, lateral 
vom Fornixsäulchen zu dem als mediales Längsfaserfeld (siehe unten) 
bezeichneten Gebiet und dem ihm medialwärts anliegenden Grau hinab. 


Im 


Fig. 25 (Obj. 116, 2). Affe. Mandelkerngegend. (Korrespondiert mit Fig. 27.) 


Während diese Fasern also hinter dem Mittelstück der vorderen Kommissur 
abwärts verlaufen, tritt das laterale von den Bündelchen ein wenig weiter 
vorn zu diesem inzwischen erschienenen Mittelstück, die Fasern treffen 
dabei senkrecht auf die querverlaufenden Fasern der Kommissur, sind 
hie und da auch noch ein Stückchen weit in vertikaler Richtung in 
die letzteren hinein zu verfolgen; ich kann nicht sagen, was weiter aus 
ihnen wird. Das mediale Bündelchen aber scheint mir in der Tat, wie 
Kölliker meint, auch beim Affen mit dem Fornixsäulchen in Verbindung 
zu treten, ohne dass ich das wegen der schr schwachen Färbung der Fasern 


Anatomie des Mandelkerns ete. 473 


mit voller Sicherheit behaupten möchte. Das obige ist eine fast bis ins 
kleinste gehende Bestätigung der Schilderung, die Kölliker!) für die 
vordere Endigung des Stria beim Kaninchen und sehr kurz auch für den 
Menschen gibt, für den niederen Affen. Nur die Fasern, die noch vor dem 
Mittelstück der Kommissur zur Basis hinabsteigen sollen, habe ich nicht 
sicher feststellen können. 

Über die hintere oder besser kortikale Endigung der Stria aber kann 
ich das Folgende aussagen. Sie führt uns in das eigentliche Untersuchungs- 
gebiet dieser Arbeit. Auch der ventrale Striaschenkel führt immer graue 
Massen mit, die in der Höhe von Fig. 25 und davor konstant als ein zentraler 
Fleck in der Fasermasse erscheint. Auf Objektträger 106, etwa 1!/» mm vor 
Objektträger 95 (= Fig. 25) verwächst gerade diese Gegend der Stammbasis, 
die Regio substriata, mit der Spitze der Hemisphäre, in welcher, wie Fig. 26 
zeigt, sich die Rindenverdickung B bereits ausgebildet hat. Mit dieser 
Verwachsung strömt nun die Stria in gewaltigem Zuge ventralwärts an der 
ventralen oder ventro-medialen Seite von B entlang. Ein wenig weiter oral, 
nachdem sich die Kerne T und M ausgebildet haben — (vergl. die Schilderung 
bei der Nisslserie) — markieren sich diese Fasern als ein geschlossener 
kompakter Zug, welcher in den kommaförmigen zellfreien Raum zwischen 
B und T hineinstrahlt. Er gibt dabei massenhafte Fasern in B und weniger 
reichliche in T ab. Erst erheblich weiter vorn wird der Zug undeutlich, 
wie ja auch im Zellpräparat in den proximalen Ebenen B und T sich dicht 
aneinander legten. Ein zweiter, noch breiterer Zug von Fasern schiebt sich 
aus der Stria etwas mehr lateral zwischen T und M ein. Er gelangt hier 
in den erst ein wenig weiter oral sich bildenden grosszelligen Kern T', in 
welchem die Fasern, zusammen mit sogleich zu erwähnenden Fasern anderer 
Provenienz sich in der mannigfachsten Weise verflechten, und dem sie 
wiederum auch, indem sie vielfach zu kurzen Bündelchen geschnitten sind, 
ein hermelinartiges Aussehen geben. Endlich gelangen schon von dem Be- 
ginn der Ausstrahlung des ventralen Striaschenkels an Fasern in den ihm 
direkt medial angelagerten Kern D, teils einzeln. teils aber auch zu einigen 
feinen, den Kern durchziehenden Bündelchen geordnet. Gleichzeitig mit dem 
Beginn der ventralen Ausstrahlung des kortikalen Striaschenkels sehe ich 
einen ziemlich kompakten Faserzug längs der medialen Grenze des untersten 
Teils des Putamens in vertikaler Richtung ebenfalls in das Gebiet zwischen 
T und M ziehen. Der Faserzug ist über mehrere Objektträger zu ver- 
folgen und kommt aus den dorsalen Teilen der Region E, wie einige Präparate 
wohl mit Sicherheit erkennen lassen, aus dem Basalganglion. Und auch 
weiter oral strömen immer wieder neue Fasern aus diesem Ganglion und, 
wie ich bestimmt annehmen möchte, aus dem sich immer stärker entwickeln- 
den Zellkomplex E in jenes Zwischengebiet zwischen T und M, in welches 
der Kern T' eingelagert, und alle diese Fasern tragen mit den Striafasern 
zur Bildung jenes Geflechtes innerhalb des grosszelligen Kerns bei, tragen 
auch bei zur Bildung einer förmlichen Faserkapsel, welche diesen Kern von 
dorsal, medial und lateral umgibt (Fig. 28). Ich fand im Zellpräparat einen 


1) 1. e. p. 624. 


AA Max Völsch: 


merkwürdigen Fortsatz, den der grosszellige Kern in gewisser Frontalhöhe 
lateralwärts zwischen M und die Formation E von seiner Kuppe aus hinaus- 
sandte (p. 461), auch dieser Fortsatz ist im Faserpräparat kenntlich durch 
die dichte Umflechtung mit Fasern (Fig. 28). Auf der Höhe der Entwicklung 
des Mandelkerns zeigt sich mithin folgendes Bild (Fig. 28): Ein kräftiger 
Faserzug umzieht D, konzentrisch zum Sulcus hemispaericus. Ventralwärts 
senkt er sich wohl ein Stückchen weit zwischen den Rindenantheil B, der hier 
schon stark reduziert ist, und T ein, scheint aber auch Fasern zwischen B und D 
hindurch zur Tangentialfaserschicht des Lobus pyriformis zu schicken resp. von 
dort aufzunehmen. Der Bezirk E wird von zahlreichen, zu einem erheblichen 
Teil vertikal oder schräge vertikal verlaufenden Fasern durchzogen. Im 
Mandelkernhauptkomplex selbst sieht man zwei Streifen von Fasern, die 
sich mannigfaltig durchflechten, deren Hauptmasse aber doch von dorsal nach 
ventral zieht. Die beiden Streifen scheiden den grosszelligen Kern vom 
medialen und vom lateralen. Der grosszellige Kern ist auch dorsal von 
einem streifenförmigen Fasergeflecht begrenzt; der erwähnte lateralwärts 
abgehende Zellfortsatz ist sichtbar. T’ ist von einem reichen Geflecht von 
Fasern durchsetzt, spärlicher sind sie in T, noch spärlicher in M In dem 
ganzen Zellgebiet, am reichlichsten wohl wieder in dem grosszelligen Kern, 
sieht man ferner lange, über weite Strecken zu verfolgende Fasern, welche 
den Mandelkernhauptkomplex in vertikaler oder mehr oder weniger schräg 
vertikaler Richtung durchsetzen ; man darf wohl annehmen, dass es sich 
tatsächlich um Fasern handelt, welche lediglich durch den Kern hindurch- 
ziehen, wenn auch wegen der Grösse des Objektes dieses Hindurchziehen der 
einzelnen Faser nicht so vollkommen verfolgt werden kann, wie bei den 
kleineren Tieren (spez. Igel). Jedenfalls sammeln sich sehr zahlreiche Fasern 
aus dem Fasernetze des ganzen Gebietes an der halbkreisförmigen, ventral- 
und lateralwärts gerichteten Zirkumferenz des Mandelkernhauptkomplexes 
zu einer dichten Lage. In den Ebenen, wo der vorderste Rest des Ventrikel- 
unterhorns diese Zirkumferenz noch von den Markmassen des Schläfelappens 
trennt, sind es kurze, schräg getroffene Faserteile, in den oralen Ebenen, 
wo der Mandelkern sich dem Mark des Schläfelappens unmittelbar anlagert, 
sind es lange bogenförmige ventro-lateralwärts konvex gekrümmte in der fron- 
talen Schnittebene verlaufende Fasern. Man wird annehmen dürfen, dass 
die ganze ventralwärts gerichtete Oberfläche des Mandelkerns von einer 
Markhülle überzogen ist, welche aus dem Mark des Lobus pyriformis stammt; 
die Fasern, welche den frei in das Ventrikelunterhorn hineinragenden distal- 
wärts sehenden Teil dieser Oberfläche überziehen, müssen natürlich von der 
Verwachsungsstelle des Lobus pyriformis mit dem Mandelkern aus sich 
distalwärts wenden und auch weiter auf dieser Oberfläche distalwärts verlaufen. 

Die Fasern der Markhülle des Mandelkernhauptkomplexes aber biegen 
nun allenthalben in das Innere des Kerns hinein, durchsetzen ihn vermutlich 
zum Teil ohne Unterbrechung, zum Teil gehen sie mit den Zellen des Kerns 
Verbindungen ein, aus welchen wieder neue dorsalwärts ziehende Fasermassen, 
Neurone höherer Ordnung, entspringen, um sich in die Stria cornea, in das 
Basalganglion, die Zellen der Regio substriata (E) und schliesslich auch in 
die Basis des Putamens zu ergiessen. Denn aus dem lateralen Kern (M) 


Anatomie des Mandelkerns ete. 475 


dürften solche Verbindungen sicher bestehen. Wir sehen in Fig. 28 das Hinter- 
horn der vorderen Kommissur stark entwickelt, sehen, wie dasselbe seine medial- 
wärts gerichtete Spitze bereits weit bis zum Globus pallidus vorgeschoben 
hat. Durch diese Entwicklung der Kommissur wird der Raum okkupiert, 
der weiter hinten durch den basalsten Teil des Putamens bezw. durch die 
Cauda nuclei caudati eingenommen wurde. Doch bleibt auch hier ventral 
von der Kommissur ein Rest jener Gebilde erhalten, der Komplex Y, den 
ich durch die ganze Reihe verfolgen konnte und den ich nach der Gestalt, 
Grösse und Tinktion der Zellen eher als abgeschnittenen Teil des Putamens 
ansehe (und nicht zu dem benachbarten Kern M gerechnet habe). Die Mark- 
massen nun aus der mittleren und unteren Temporalwindung, sowie aus 
dem Lobus pyriformis, soweit sie nicht bereits in den Mandelkern eingetreten 
sind, strömen in gewaltigem Zuge zur vorderen Kommissur und zur Capsula 
externa. Der Übergang in die letztere ist übrigens nicht sicher zu erkennen. 
Die medialsten Fasern dieser Massen — darunter natürlich auch wieder die 
Fasern der aus dem Lobus pyriformis stammenden Markkapsei des Mandel- 
kerns — aber verkürzen sich den Weg etwas, indem sie zwischen dem 
lateralen Kern des Amygdala und dem Komplex Y in Form einzelner Fasern 
oder mehr weniger schräg getroffener Bündel hindurchgehen, um sich dorsal 
auch in die Kommissur zu senken. Sie durchsetzen dabei übrigens teilweise 
auch den Kern M selbst, besonders in den vor Fig. 28 gelegenen Ebenen; 
jedenfalls finden sich an dieser Stelle die vorhin erwähnten Verbindungen 
zwischem dem lateralen Kern des Amygdala und dem basalen, ventral von 
der Kommissur liegenden Teil des Putamens (Y). Dieser letztere wird 
übrigens unmittelbar vor Fig. 283 höchst unbedeutend, nicht mehr sicher 
kenntlich, und man kommt leicht in die Lage, ein neu auftauchendes Grau 
damit zu verwechseln. Es erscheint zuerst (Obj. 117) mitten im ventralen 
Teil des Hinterhorns der Kommissur, vergrössert sich rasch, liegt immer in 
dem Dreieck zwischen M, dem Olaustrum und dem Hinterhorn und hat dem- 
entsprechend auch eine sphärisch dreieckige Gestalt. Nach etwa 1 mm 
verschwindet es. Es handelt sich um das auch im Zellpräparat auffällige 
und p. 462 erwähnte Gebilde X ; dass es nicht zur Vormauer gehört, wird hier 
dadurch noch wahrscheinlicher, dass es von letzterer dauernd durch einen 
Faserstreifen getrennt ist. Vielleicht darf man in ihm einen neuen kleinen 
Teil des Mandelkerns, einen oralen mittelgrosszelligen accessorischen Kern sehen. 

Mit dem Verschwinden des Mandelkerns, wobei sich der ganze Lobus 
pyriformis schnell verkleinert, strebt das tiefe Mark aus den lateralen Teilen 
dieses Lappens mit dem Mark aus den anliegenden Teilen des Temporal- 
lappens zum Claustrum und zur Capsula extrema hin, welche beide mit 
ihrem in diesen oralen Ebenen stark verbreiterten und medialwärts gekrümmten 
ventralen Schenkel in dieses Gebiet hineinreichen. Aus den medialen 
Partien des vordersten zu einem kleinen Oval reduzierten Endes des Lobus 
pyriformis, aus der Gegend des „basalen Spitzenkerns“ steigen verhältnis- 
mässig spärliche Fasern gegen die Basis des Striatums und die Capsula 
externa hinauf. — Ich komme auf diese Gegend noch kurz zurück, muss 
aber zunächst noch einen Blick auf einige dorsal vom Mandelkern resp. der 
Regio substriata gelegene Faserkomplexe werfen. 


476 Max Völsch: 


Die Linsenkernschlinge sehe ich schon etwas hinter den Corpora 
mammillaria. Ihre Fasern stammen hier und noch erheblich weiter vorn 
im wesentlichen aus der Marklamelle zwischen zweitem und dritten Gliede 
des — übrigens etwas weiter vorn deutlich viergeteilten — Linsenkerns. 
Erst weiter vorn gesellen sich ihr auch Zuzüge aus der Marklamelle zwischen 
Putamen und Globus pallidus zu, während der grössere Teil der aus dieser 
Lamelle stammenden Fasern, zumal in den distaleren Ebenen, mit den Zellen 
des Basalganglion in Verbindung zu treten scheint. Die Linsenkernschlinge 
zieht sich in ihrem weiteren Verlauf medialwärts längs der Basis des Globus 
pallidus hin, biegt sich in bekannter Weise dorsal-, dann wieder medial- 
wärts und durchbricht den zur Capsula interna aufsteigenden Pedunculus. 
Die von v. Monakow beschriebene Endigung im dorsalen Kapselfeld des 
Corpus Luys, resp. im H?-Feld von Forel ist sehr deutlich, während ich 
mich allerdings von dem „Anteil des Luys schen Körpers“ zu den venitralen 
Teilen des letzteren (v.Monakow) nicht sicher überzeugen kann. Sehr 
massig sind dann ein wenig dorsaler wieder die Fasern der „Hirnschenkel- 
schlinge“ („Lisch b*“) in ihrem die Capsula interna umfassenden Verlauf 
zum dorsalen Thalamus kenntlich. Aber auch hier kann ich mich dem 
Eindruck nicht entziehen, dass Fasern aus der Linsenkernschlinge in der 
Höhe, in welcher die letzten Fasern des Pedunculus dorsalwärts zur Kapsel 
sich wenden, unter diesen Resten und über den Tractus opticus hinweg zur 
Basis des Hypothalamus ziehen (der ventrale Anteil der Hirnschenkelschlinge). 
Sie scheinen mir hier in Verbindung zu treten mit einem dorsal vom Tractus 
opticus gelegenen kleinen Ganglion, welches etwa von der Frontalhöhe an 
sichtbar wird, in welcher das Fornixsäulchen sich innerhalb des Corpus 
mammillare ausbildet, und welches dann, etwas lateral von dieser Gegend, 
etwa 1 mm weit verfolgt werden kann. Auch im Zellpräparat präsentiert 
es sich, wie ich hier nachholen möchte, als ein Komplex ziemlich grosser 
rundlicher Zellen, die gegen die länglichen quergestellten „Begleitzellen der 
Linsenkernschlinge“ scharf kontrastieren (s. Fig. 27 dorsal vom medialen 
Teil des Traetus opticus). Auch beim Affen scheint es mir, als ob ein Teil 
dieser Fasern zur Commissura hypothalamica anterior, dorsal von der 
Guddenschen Kommissur, hinabziehen. Jedenfalls erschöpft sich der 
Faserzug, ebenso wie der Zellenzug im Zellpräparat, mit dem Auftreten des 
unteren Thalamusstiels an der Basis des Stamms. 

Zwischen der Frontalhöhe des letzteren und der viel distaler liegenden 
Strahlung der Pedunculusfasern in die Oapsula interna präsentiert sich auch 
das Feld, welches ich beim Igel das mediale Längsfaserfeld nannte. Das 
(Gebiet liegt etwa in der Höhe der Fig. 590 bei Kölliker (II. Aufl., p. 431). 
wo man sich das Fasergebiet nur etwas weiter unter dem Fornix hinweg 
medialwärts ausgezogen denken muss. Es ist gewissermassen wie eine 
medialwärts gerichtete Spitze dem Linsenkern aufgesetzt. Ein lateral davon 
selegenes Feld, aus schräg geschnittenen ziemlich starkfaserigen Bündelchen 
zusammengesetzt, dürftedem Ganserschen basalen Längsbündel entsprechen: 
es wird durch die Fasern der Hirnschenkelschlinge und weiter vorn durch 
die Bündel des Thalamusstiels durchsetzt (Fig. 28). Das aus sehr feinen 
sagittal, aber zum Teil auch in der Ebene verlaufenden Fäserchen bestehende 


—I 
I 


Anatomie des Mandelkerns ete. 4 


mediale Feld schliesst sich medialwärts an (Fig. 28). Ungefähr an der 
Grenze der Felder sehe ich auf beiden Seiten einen kleinen Komplex von 


quergetroffenen feinen, nur grau gefärbten Bündelehen — hinter Fig. 28, 
in der Höhe jener Figur von Kölliker — welcher auf Objektträger 105 


latero-ventral vom Fornix auftaucht und ihn eine kurze Strecke auf seinem 
dorsalwärts gerichteten Zuge begleitet, um sich schliesslich etwa °/; mm 
nach seinem Erscheinen (durch den dorsalen Zuzug zur Commissura hypo- 
thalamica anterior hindurch) in den Fornix zu ergiessen. Den Ursprung 
(oder das Ende?) des kleinen Bündelkomplexes in der Basis des Hypothalamus 
kann ich nicht sehen. — Man könnte versucht sein, an die Möglichkeit zu 
denken, dass es sich um die Fortsetzung jenes von dorsal her an den Fornix 
herantretenden, ebenfalls schwach grau gefärbten Bündelchens aus der Stria 
terminalis handelt (s. p. 472). 

Der untere Thalamusstiel, dessen schräg dorso-distalwärts gerichteten 
Verlauf ich schon erwähnte, lässt sich nur über wenige Objektträger an 
der Stammbasis verfolgen (die zellfreie Zone des Zellpräparates). Dann 
treten in dieser Region, lateral vom Tractus, quer horizontal verlaufende 
Fasern auf, das Gebiet des „lateralen Längsfaserfeldes* der niederen Tiere, 
in welchem die Fasern zunächst sagittal verliefen, um dann in die trans- 
versale Richtung umzubiegen. Beim Affen erfolgt diese „Umbiegung“ an- 
scheinend unmittelbar vor dem unteren Thalamusstiel, und das übrigens 
recht tiefe Gebiet unterscheidet sich durch den transversalen Faserverlauf 
deutlich von dem darüber ‚gelegenen Linsenkerngebiet, in welchem die Fasern 
kreuz und quer durcheinander laufen. Es ist gleichzeitig das Gebiet der 
Substantia perforata anterior; die Fasern strahlen lateral gegen die sich 
immer weiter medialwärts schiebende Kommissur und gegen den tief herab- 
steigenden Kopf des Striatums hin. Ganz allmählich schiebt sich das Faser- 
gebiet, in welchem sich ganz basal die Fasern auch hier zu einem dichteren 
Zuge (S. p. a’, transversaler Faserzug) ordnen, auch medialwärts, erfüllt das 
mediale Längsfaserfeld und tritt in Verbindung mit der vor der vorderen 
Kommissur abwärts ziehenden Faserung des Septum pellueidum. 

Sobald die Formation S. p. a., die Zellfaserplatte, wie ich sie nannte, 
bis zur Medianlinie vorgedrungen ist, beginnt sie sich von einem Punkte an, 
der ein wenig medial von dem Sulcus hemisphäricus gelegen ist, mit grauer 
Rinde zu überziehen, der Rinde des Tuberculum olfactorium. Wiederum 
schreitet die Ausbildung dieses Graus medialwärts fort, den transversalen 
Faserzug gleichsam vor sich herschiebend, bis auch dieses Grau zuletzt die 
Medianlinie resp. den Hemisphärenspalt der Frontalrinde erreicht. Indem 
diese graue Rinde die Zellfaserplatte S. p. a. somit von ventral her verflacht 
und indem andererseits von dorsal her das Striatum immer weiter hinab- 
steigt, wiederum auf Kosten von S.p.a., wird diese Zellfaserplatte nach 
vorn immer flacher und unbedeutender, präsentiert sich schliesslich im Quer- 
schnitt nur noch als eine Anzahl flacher Inseln, welche durch Lücken unter- 
brochen sind, in welchen die Formation ganz fehlt. 

Wie oben erwähnt, strahlen die Fasern der Zellfaserplatte S. p. a. 
lateralwärts in die Regio substriata hinein. Die Formation D ist hier längst 
verschwunden, die Reste der grossen Zellen des Basalganglions vermischten 

Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 31 


478 Max Völsch: 


sich im Zellpräparat in dieser Frontalhöhe mit den einrückenden Zellen S. p.a. 
Die weiter noch vorhandenen Zellen konnten wohl als die oralen Ausläufer- 
zellen des Zellkomplexes E angesehen werden. Die Region entspricht dem 
dorsalen Teil des als „basaler Spitzenkern“ bezeichneten, im Zellpräparat 
schlecht charakterisierten Gebietes, welches sich weiter oral, wenn der in 
dieser Höhe zwar schon stark reduzierte, aber doch noch erhaltene Mandel- 
kern verschwunden ist, ventralwärts auch in den von letzterem eingenommenen 
Bezirk ausdehnt. Sie ist hier von einem reichen Fasernetz erfüllt, an dessen 
Bildung Fasern verschiedenster Provenienz teilnehmen: 1. Die Fasern aus 
der Substantia perforata anterior; 2. zahlreiche Fasern aus der Markkapsel 
und aus den Marklamellen des Mandelkeıns; 3. Zuzüge aus dem Traetus 
olfactorius, auf welche ich gleich noch zurückkomme. Während wenigstens 
die Fasern ad 2 und 3 wesentlich als zuführende anzusehen sein werden, 
dürfte der Hauptabschlussweg aus diesem Gebiet die Capsula externa sein. 
Wie mehrfach erwähnt, krümmt sich der ventrale Vormauerschenkel je weiter 
oral um so mehr medialwärts unter das Striatum hinunter, unter gleich- 
zeitiger Verbreiterung dieses Schenkels. Genau dieselbe Krümmung macht 
die Capsula externa mit; sie gelangt so tatsächlich an die Basis des lateralen 
Teils des Striatums, verbreitert sich hier stark, so dass sich ihre Fasern 
wie aus einem Füllhorn in die Regio substriata resp. die Region des basalen 
Spitzenkerns !) ergiessen, die übrigens von auffallend zahlreichen Gefässdurch- 
schnitten und sonstigen Basisgrenzen durchsetzt ist und in die sich von 
dorsal her graue Massen, nämlich Teile des Striatumkopfes herabsenken. 
Sie sind von dem kompakten Striatum geschieden durch einige breitere 
Faserzüge, welche zwischen ihnen und der Basis des Striatums medialwärts 
zum Tractus olfactorius hin ziehen. Wenn sie — in etwas oraleren Schnitten — 
den letzteren erreicht haben, trennen sie diese Region schon makroskopisch 
sehr deutlich vom Striatum ab. 

Der Tractus olfactorius ist seit Objektträger 120, ca. '/. mm 
vor Fig. 28 (und ca. 3'/s mm hinter der oralen Spitze des Lobus pyriformis) 
in dem Sulcus hemisphäricus sichtbar, zunächst sehr unscheinbar, bald mehr 
und mehr an Masse zunehmend. Eine Fissura rhinalis medialis ist nirgends 
erkennbar und man muss annehmen, dass sie, wenn überhaupt angedeutet 
vorhanden, ganz dicht an den Grund des Sulcus hemisphäricus herangerückt 
ist. Der Tractus beginnt alsbald, erst spärlich dann immer reichlicher seine 
Fasern oder Kollateralen senkrecht zu seiner Verlaufsrichtung über die 
Oberfläche des Lobus pyriformis zu senden. Sehr bald auch fliessen einzelne 
Fasern, recht reichlich, in die vorhin beschriebene Regio substriata ab und 
schliesslich bildet sich auch das erwähnte oder die erwähnten kompakten 
Bündelchen aus, welche direkt in die Capsula externa übergehen. Das von 
Kölliker beschriebene und p. 727 II. Aufl. in Fig. 772 abgebildete Bündel 

!) Nach dem Verschwinden des Mandelkerns kommen auch viele Fasern 
aus dieser Gegend, d.h. also auch aus der vorderen Zirkumferenz desselben 
in die Capsula externa, während, wie oben schon erwähnt, die Markfasern 
aus den lateralen Teilen des proximalen Endes des Lobus pyriformis sich 
mit denen des Temporallappens zur Capsula extrema wenden. 


Anatomie des Mandelkerns ete. 479 


zur vorderen Kommissur beim Menschen kann ich wenigstens als geschlossenen 
Zug in einem Schnitt, wie Kölliker es abbildet, nicht sehen; doch zweigt 
sich von der Kommissur auch in meinen Präparaten ein Bündel (oder einige 
Bündel?) ab, das, wie die Verfolgung der Serie ergibt, ventralwärts, lateral- 
wärts und — ziemlich weit — oralwärts zieht, um sich in der Nähe des 
Traetus der Beobachtung zu entziehen; es könnte dieses Bündel dem 
„Kommissurenbündel zum Traetus olfactorius“ entsprechen. 

Ich habe bei der Nisslserie vom Macacus und noch ausführlicher 
bei der vom Lemur beschrieben, wie das vordere Polende des Temporal- 
lappens und das des Lobus pyriformis nunmehr „abgeschnürt werden“, d.h. 
diese Polenden ragen über die Verwachsungslinien des Schläfenlappens mit 
der Hirnbasis oralwärts hinaus, das des Lobus pyriformis allerdings nur ein 
minimales Stück. Ich schilderte dort auch, wie nun die Zellformation 
des Lobus pyriformis sich doch noch als ein schmaler Streifen ein Stück 
weit auf der basalen Oberfläche des Stirnhirns oralwärts fortsetzt. Hier 
lagert sich nun natürlich auch der Tractus in seinem weiteren Verlauf an, 
den ganzen Streifen mit seiner lateralwärts ziehenden Faserung (der lateralen 
Wurzel) überdeckend. Hier erst, scheint mir, ziehen nun auch ziemlich 
spärliche Fasern medialwärts in das Tuberculum olfactorium hinein. Die 
Grenze zwischen den beiden Gebieten wird hier immer durch die in die 
Gegend des Tractus ziehende Capsula externa gebildet. 


VI. Vergleichende Schlussübersicht. 

1. Der Lobus pyriformis der niederen Säuger, welchem 
der Gyrus Hippocampi oder ein Teil des Gyrus Hippocampi 
der Primaten entspricht, wird lateralwärts überall begrenzt von 
der Fissura rhinalis lateralis (ectorhinalis) resp. — bei den 
Primaten — von dem vorderen Teil der Fissura collateralis s. 
Suleus oceipito-temporalis (medialis). 

Die distale Ausdehnung des Lobus pyriformis, als 
eines makroskopischen Begriffes, ist in der Tierreihe äusserst 
verschieden. Bei Erinaceus überragt er das Pallium distalwärts 
um fast '/s mm, bei der Maus enden beide in fast genau denselben 
kaudalen Ebenen. Beim Frettchen überragt das Pallium das distale 
Ende des Lobus pyriformis bereits um ca. 3 mm, beim Halbaffen 
annähernd um 30 mm, wenn man auch bei letzterem das kaudale 
Ende der Fissura rhinalis lateralis als Grenze für den Lappen 
ansieht. Histologisch freilich überragt die für den Lobus pyriformis 
charakteristische Zellformation dieses makroskopische Ende des- 
selben noch um 4—4!/; mm distalwärts. Beim Affen endlich 


wird, wie gesagt, die Fissura rhinalis lateralis durch den proximalen 
31* 


480 Max Völsch: 


Teil der Kollateralfurche repräsentiert; da diese Furche nun sich 
distalwärts in andere Rindengebiete fortsetzt, und auch sonst 
makroskopische Trennungsmerkmale des vorderen, dem Lobus 
pvriformis histologisch entsprechenden Teils des Gyrus Hippocampi 
gegen seine distaleren Teile nicht bestehen dürften, so Kann 
beim Affen von einer makroskopischen kaudalen Abgrenzung des 
fraglichen Gebietes nicht wohl die Rede sein. . 

Oralwärts geht der Lobus pvyriformis resp. die ihn charak- 
terisierende Formation bei allen untersuchten Tieren auf die 
trontalen Hirnteile über, immer lateral vom Traetus olfactorius 
resp. der ihn aufnehmenden Fissura rhinalis medialis (entorhinalis) 
gelegen. Beim Igel und bei der Maus bildet er einen mehr oder 
weniger hohen und mächtigen Bestandteil dieser frontalen Hirn- 
teile, beim Frettchen noch emen relativ kleinen latero-basalen 
Appendix dieses Hirngebietes, beim Halbaften und Affen erscheint 
er — resp. die ihm eigentümliche Rindenformation — nur noch als 
ein etwas breiterer oder schmälerer Streifen an der Basis des 
Stirnhirns. Bei den niederen Säugern scheidet ihn auch im 
Frontalhirn die wohlausgebildete Fissura rhinalis lateralis (die 
Fissura rhinalis lateralis anterior — Ziehen) von den frontalen 
Palliumteilen, bei Lemur ist diese orale Fortsetzung der Furche 
wenigstens noch durch eine Molekulareinsenkung markiert, beim 
Affen geht die Rinde des Streifens ohne solche Unterbrechung 
in die benachbarte Stirnhirnrinde über. Gerade bei den letzt- 
genannten Tieren ist übrigens die vordere Endigung eines 
makroskopischen Lobus pyriformis durch eine kleine oralwärts 
gerichtete Kuppe markiert, indem der vordere Pol des Lappens 
ein wenig über seine Verwachsungsgrenze mit dem Stammteil 
hervorragt, eine Temporalpolbildung en miniature. Dabei liegt, 
wohl zu merken, dieser Pol des makroskopischen Lappens distal 
von dem erwähnten Streifen an der Frontalhirnbasis; mit anderen 
Worten: die Formation überschreitet auch hier die Grenzen 
des makroskopischen Lappens. 

Medialwärts endlich wird der Lobus pyriformis resp. die 
ihn kennzeichnende Rindenformation in diesen frontalen Gebieten, 
wie bereits erwähnt, durch die Fissura rhinalis medialis (resp. den 
Tractus olfactorius) begrenzt; jenseits derselben liegt bei allen 
Tieren das Tubereulum olfactorium und weiter distal die Substantia 
perforata anterior. In seinen distaleren Teilen geht der Lobus 


Anatomie des Mantelkerns ete. 481 


pyriformis in die eingestülpte Ammonsrinde über, und letztere 
bildet hier in transversaler Richtung die Brücke zwischen dem 
medialen Ende des Lobus pyriformis und der Abschnürungsfurche 
der Hemisphären (Suleus hemisphäricus — Ziehen, Stielfurche — 
His). Vor dem proximalen Ende der Ammonswindung hingegen, 
zwischen ihm und der Gegend der Substantia perforata anterior 
zieht sich die Rinde des Lobus pyriformis bis in den Grund des 
Suleus hemisphäricus hinauf, eine eigentümlich gebaute Rinde, 
welche als „terminaler Teil der Rinde des Lobus pyriformis“ 
bezeichnet werden könnte. Sie ist für das eigentliche Thema 
dieser Arbeit von besonderer Bedeutung, da sie die Amygdala 
von der medialen Seite her umhüllt. — Bei den Tieren endlich, 
bei welchen sich der Lobus pyriformis distalwärts über die 
Ammonswindung hinaus erstreckt (Igel, Maus, Frettchen) geht 
dieser distalste Teil medialwärts direkt in die Rinde der medialen 
Palliumrinde über (s. Fig. 4 und 5). 

Die Breitenausdehnung des — makroskopischen — Lobus 
pyriformis ist eine sehr verschiedene. Zwar beginnt er überall — 
nur vom Affen wird man nach dem oben Gesagten hier absehen 
müssen — distal zugespitzt, erreicht dann entsprechend dem 
Verlauf der Fissura rhinalis lateralis ziemlich schnell seine grösste 
Breite, um sich nach vorn zu wieder zu verschmälern. Aber die 
transversale Ausdehnung im Verhältnis zum Pallium ist eine 
äusserst wechselnde. So verläuft die Fissura rhinalis lateralis 
beim Igel ganz auf der lateralen Seite der Hemisphäre und sehr 
hoch — der Lobus pyriformis übertrifft an Mächtigkeit weit das 
Pallium. Bei der Maus ist die Fissur ebenfalls in ihrem ganzen 
Verlauf von lateral sichtbar, doch verläuft sie in viel tieferen 
Horizontalebenen. Beim Frettchen ist der distale Teil der Fissur 
schon auf die mediale Hemisphärenseite herumgeschoben ; beim 
Halbaffen liegen insofern eigentümliche Verhältnisse vor, als die 
tindenformation des Lappens die Fissura rhinalis distalwärts 
überragt: die letztere liegt ganz auf der lateralen Seite der 
Hemisphäre. Beim Affen verläuft die Kollateralfurche ganz auf 
der medialen Seite und hier liegt auch das ganze dem Lobus 
pyriformis entsprechende Gebiet. — Auch in transversaler Richtung 
fällt die Begrenzung der Zellformation, welche für das Gebiet des 
Lappens charakteristisch ist, keineswegs streng mit seinen Grenzen 
zusammen. Beim Frettchen z. B. hält sich in den distalen 


482 Max Völsch: 


Ebenen die Formation erheblich von der Fissura rhinalis ab 
und erreicht die letztere erst in weit mehr oral gelegenen 
Ebenen. 

So kann man sagen: 1. Der Lobus pyriformis ist keines- 
wegs überall makroskopisch scharf abgegrenzt; namentlich bei 
den höheren Säugern (Halbaffen und besonders Affen) ist die 
distale Begrenzung eine ganz unbestimmte. 2. Weite Gebiete 
dieses Lappens sind durch eine höchst eigenartige Zellarchitektonik 
ausgezeichnet, doch so, dass sich die Ausdehnung dieser Struktur 
und die Ausdehnung des Lappens durchaus nicht decken. Bald 
(z. B. im distalen Teil des Lappens bei Fötorius) erreicht die 
Formation die Grenze des Lappens nicht, bald (distaler Teil bei 
Lemur, oralster Teil beim Halbaffen und Affen) überschreitet sie 
die Grenzen des makroskopischen Lappens. 

Was nun den Zellaufbau des Lobus pyriformis betrifft, 
so fand ich die weitgehendste Differenzierung beim Frettchen, 
bei welchem ich von lateral nach medial fünf verschiedene 
Regionen unterschied: 1. die prärhinencephale Rinde, 2. die 
fissurale, 3. die olfaktive, 4. die intermediäre und 5. die mediale 
(präsubikuläre) Rinde. Zur Orientierung über die Lage und un- 
gefähre Ausdehnung dieser verschiedenen Regionen verweise ich auf 
Fig. 5,p. 355. Das charakteristische Moment, welches die Regionen. 
voneinander und von der angrenzenden Palliumrinde unterscheiden 
lässt, ist stets das Verhalten der oberflächlichen Zellschichten, 
vor allem der zweiten, teilweise auch der dritten und vierten 
Schicht; daneben ist im Lobus pyriformis unter jenen Schichten 
zumeist ein fast zellfreier Streifen, der tiefe Molekularstreifen, 
deutlich ausgebildet; er tritt in gewissen Regionen besonders 
stark hervor und dürfte der Lamina ganglionaris (V) entsprechen. 
Allen Regionen gemeinsam ist eine stark ausgebildete und ge- 
wöhnlich in zwei Unterschichten (VIa und VIb) zerfallende 
Lamina multiformis. Die meisten der Regionen beschränken 
sich auf den distalen Teil des Lappens, eine, die Hauptabteilung, 
kann bis zum oralen Ende verfolgt werden, wobei sich eine 
Teilung in sagittal aneinanderstossende Unterabteilungen ergibt. 

Die Befunde bei den anderen untersuchten Tieren decken 
sich, wie die folgende Zusammenstellung ergibt, nur zum Teil 
mit dem Befunde beim Frettchen, immerhin besteht nach vielen 
Richtungen hin eine ziemlich weitgehende Analogie. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 483 


l. Die Regio prärhinencephalis liegt beim Frettchen 
(s. Fig. 8 das laterale, unschraffierte streifenförmige (Gebiet) im 
distalsten Teil des Lobus pvriformis auf der lateralen Seite der 
für diesen Lappen charakteristischen Formation; zunächst (hinten) 
noch ein Stück entfernt von der Fissura rhinalis lateralis, wird 
es weiter nach vorn durch die Ausbreitung dieser Formation 
lateralwärts geschoben und kann endlich im Grunde der Fissur 
noch ein Stückchen oralwärts verfolgt werden. Die Region 
charakterisiert sich dadurch, dass die II., III. und IV. Schicht 
durch eine Gruppe kleiner strichförmiger Pyramiden mit 
stark ausgesprochener radiärer Reihenstellung ersetzt wird. Sie 
ist sehr schmal und gewöhnlich ein wenig lateral-konvex gebogen 
(Frettchen: Fig. 4, lateral von den grossen Zellen, Fig. 5 und 6 
im Grunde der Fissura rhinalis lateralis, o0). Eine ganz ähnliche 
Zellgruppe an derselben Stelle beschrieb ich schon beim Igel 
(I. Teil, p. 597 und Fig. 5, p. 596) und auch bei der Maus glaubte 
ich eine entsprechende Formation zu erkennen (p. 666?). Endlich 
sah ich auch beim Halbaffen einen solchen Zellkomplex auf vielen 
Präparaten; er sah „wie gekämmt“ aus (p. 434, Fig. 19, an der 
Stelle des Sternchens). Beim Affen fand ich ihn nicht wieder, 
doch fehlen mir hier die Schnitte durch den distalen Teil des 
Lobus pyriformis, auf welchen er sich überall zu beschränken 
scheint. 

2. Ebenfalls auf den distalen Lappenteil beschränkt, wenn 
auch weiter oralwärts reichend, war die anschliessende Regio 
tissuralis des Frettchens (in Fig. 5 der längsschraffierte Be- 
zirk). Sie ist ebenfalls schmal und dadurch gekennzeichnet, dass 
wiederum die Zellen der zweiten bis vierten Schicht ausschliess- 
lich durch radiärgestellte mittelgrosse Pyramiden ersetzt sind, 
weit grössere, als die der prärhinencephalen Rinde (Fig. 5 und 6, 
”—9, Fig. 7: nur der lateralste an o anschliessende Teil). Die 
Analogien dieser beim Frettchen immerhin recht auffälligen Region 
sind bei allen andern untersuchten Tieren äusserst zweifelhafte. 
Auch beim Frettchen verschwindet sie in den oralen Teilen des 
Lappens und wird hier in die medial benachbarte Region ein- 
bezogen. — 

3. und 4. Weit wichtiger sind die folgenden Regionen: der 
„zentrale“ Teil, wie ich ihn nannte. Ich unterschied darin in 
transversaler Richtung zwei Unterabteilungen, den „äusseren zen- 


484 Max Völsch: 


tralen“ oder „olfaktiven“ Teil und den „inneren zentralen“ oder 
„intermediären“ Teil. Innerhalb der olfaktiven Region unterschied 
ich ferner in sagittaler Richtung drei Unterabteilungen, die 
Regio retroolfactiva, die Regio olfactiva posterior und die Regio 
olfactiva anterior. 

Zur Identifizierung dieser verschiedenen Regionen mit den 
von Ramön y Cajal unterschiedenen Bezirken ist folgendes zu 
sagen: den inneren zentralen oder intermediären Bezirk scheidet 
Uajal nicht als besondere Region ab; unter dem inneren zentralen 
Bezirk Cajals ist vielmehr der weiter zu erwähnende fünfte 
Abschnitt, die Regio medialis (präsubicalaris) zu verstehen. 

Was ich Regio olfactiva nenne, setzt sich aber bei Cajal aus 
zwei sagittal hintereinander liegenden und ganz voneinander ge- 
trennt beschriebenen Gebieten zusammen, der „oberen oder spheno- 
occipitalen Riechrinde* (l. e. p. 96), die, wie ich glaube, der 
distalsten Unterabteilung der sich durch die ganze Länge des 
Lobus pyriformis erstreckenden olfaktiven Region, der Regio retro- 
olfactiva entspricht, und der „unteren Riechrinde“, resp. dem 
„äusseren oder olfaktiven Teil der zentralen Region des Ammons- 
horns“ (l. e. p. 31 ff.), deren Beschreibung bei Cajal, soweit sie 
sich auf den Menschen bezieht, an die „Regio olfactiva posterior“, 
soweit sie die niederen Säuger betrifft, mehr an die „Regio 
olfactiva anterior“ erinnert. Ich glaubte, die Bezeichnungsweise 
der verschiedenen Territorien, wie sie sich mir bei der Verfolgung 
der Serien aufdrängte, beibehalten zu dürfen, nicht sowohl, weil sie 
innerhalb des zwar nicht überall scharf begrenzten, aber schliesslich 
doch höchst distinkten makroskopischen Lobus pyriformis liegen, 
als vielmehr, weil sie sich durch gewisse architektonische Eigen- 
tümlichkeiten, vor allem durch die Morphologie und die Anordnung 
der Zellen der zweiten Schicht, gemeinsam gegen die Palliumrinde 
scharf abzeichnen und sich dadurch trotz der regionären Differen- 
zierungen jener Schicht, welche ihrerseits die Einteilung in Unter- 
bezirke erforderlich macht, als etwas Zusammengehöriges charak- 
terisieren. Gerade Ramön y Cajal tritt übrigens auch bestimmter 
als andere Autoren für die funktionelle Zusammengehörigkeit 
dieser Territorien ein. 

3. Die Regio olfactiva in dem soeben definierten weiten 
Sinne ist unstreitig die räumlich ausgedehnteste und wichtigste 
Region des ganzen Lappens. Ich unterschied also drei Teile, die 


Anatomie des Mandelkerns ete. 485 


in sagittaler Richtung allmählich, wie mir scheint, ineinander 
übergehen: 


a) 


b) 


e) 


Die Regio retroolfactiva des Frettchens (auf Fig. 5 
weiss gelassen), bei Oajal die obere oder spheno-oceipitale 
Riechrinde, ist charakterisiert durch ein Stratum zonale, 
dessen Breite 0,2—0,22 mm beträgt, und unterhalb desselben 
durch einen lockeren Streifen (kein dichtes Band!) grosser 
eckiger, vielfach pyramidenförmiger Zellen (nach Cajal 
Sternzellen), unregelmässig geformt und mit der Längsachse 
unregelmässig, meist aber doch wohl radiär gestellt; darunter 
folgt eine breite Schicht relativ spärlicher teils pyramiden- 
förmiger, teils rundlicher Zellen (III + IV), welche vielfach 
von der zweiten Schicht durch einen schmalen Molekular- 
streifen, den oberflächlichen, getrennt ist, dann der mehr 
oder weniger stark ausgesprochene tiefe Molekularstreifen 
(wahrscheinlich = V, zellarmer Streifen), endlich die tiefe 
Schichtung (VI, s. Fig.5 von x —*). 

Weiter oral folgt die Regio olfactiva posterior (auf 
Fig. S der distale Teil der mit Kreuzen bezeichneten Region): 
Die Zonalschicht ist erheblich schmäler, 0,12—0,15 mm 
breit, der oberflächliche Streifen der Regio retroolfaetiva 
ist nicht mehr kenntlich; dagegen finden sich statt seiner 
ein-, zwei-, selten mehrschichtige Reihen und Gruppen, 
Inseln etwas kleinerer chromophiler sehr unregelmässig 
geformter Elemente mit einer gewissen Neigung zur Trans- 
versalstellung der Längsachse; sie sind von der folgenden 
Schicht (III + IV) durch einen breiteren, oberflächlichen 
Molekularstreifen getrennt, man könnte auch sagen, dass 
die Zellinseln in der breiten Zonalschicht liegen; einzelne 
Exemplare der Zellen sind bis dicht an die Oberfläche ver- 
streut. Nach vorn zu werden die Reihen und Gruppen 
etwas kontinuierlicher. Die tieferen Schichten bieten keine 
erheblichen Abweichungen (Fig. 6, x — *). 

Die Regio olfactiva anterior (Fig. 8: der orale Teil 
der mit Kreuzen versehenen Region): Die-Zonalschicht wird 
wieder breiter (0,2 mm), ist übrigens, zumal in den oralsten 
Teilen, medial breiter als lateral, eine Folge des Eintritts 
der Fasern des Tractus olfactorius. Unter der Zonalschicht 
sammelt sich ein ganz dichtes, mehrschichtiges Band 


486 Max Völsch: 


meist länglicher chromophiler Zellen, die deutlich kleiner 

sind, als die der vorigen Region. Das Band, durch Ein- 

senkungen der Zonalschicht hie und da festoniert, erreicht 
schliesslich die Fissura rhinalis lateralis; die Inseln der 

Regio olfactiva posterior erhalten sich am längsten lateral, 

da die Ausbildung des Bandes von medial nach lateral fort- 

schreitet. Auch hier zeigen die tiefen Schichten keine 
erheblichen Veränderungen gegen die Regio retroolfactiva 

(Bier): 

4. Die Abscheidung der Regio intermedia (Fig. 5, kreuz 
und quer schraffiert) rechtfertigt sich durch folgende Eigentüm- 
lichkeiten: In den distalen Teilen haben die Zellen des ober- 
tlächlichen Zellenstreifens (II) ein anderes Aussehen, sie nähern 
sich dem Typus der rundlichen, blasenförmigen Zellen, sind wohl 
auch etwas dichter gelagert, als im entsprechenden Zellenstreifen 
der Regio retroolfactiva. Weiter vorn verwischt sich dieser Unter- 
schied in der Gestalt der einzelnen Elemente freilich, aber einmal 
fehlen hier durchaus die Zellinseln der Regio olfactiva posterior, 
andererseits erreicht der oberflächliche Zellstreifen nie auch nur 
annähernd die Dichtigkeit des für die Regio olfactiva anterior 
charakteristischen Bandes. Abgesehen von gewissen, wenig in 
die Augen fallenden Differenzen der folgenden Schicht (IH + IV) 
unterscheidet sich die Regio intermedia von der Regio olfactiva 
dann aber auch noch durch die sehr viel stärkere Entwicklung 
des tiefen zwischen III +1V und der sechsten Schicht gelegenen 
Molekularstreifens, der in diesem Bezirk besonders in den distalen 
Ebenen immer sehr deutlich, für den Bezirk geradezu charak- 
teristisch ist (s. auch unten p. 493). 

Weiter vorn wird dann die Regio intermedia bei allen 
Tieren (ausser dem Affen) zu der Rinde, welche den Mandelkern 
von der medialen Seite her umkleidet, resp. zu einem mehr oder 
weniger erheblichen Teil dieser Rinde. 

Das Hauptkennzeichen des dritten und vierten Bezirks ist 
also der Ersatz der Lamina granularis externa durch weit grössere 
bis sehr grosse, natürlich spärlichere Zellen, zwischen welchen 
sich vielfach mehr oder weniger vereinzelte kleine Zellen nach- 
weisen lassen, vielleicht Rudimente der äusseren Granularschicht; 
sie treten jedoch durchaus hinter den grossen Zellen zurück und 
eine Gruppen- oder „Plejaden“-Bildung von kleinen Zellen kann 


Anatomie des Mandelkerns etc. 487 


ich bei keinem der untersuchten Tiere nachweisen. Der gross- 
zellige Streifen ist vielfach durch einen schmalen zellfreien Raum 
von den folgenden Schichten getrennt. Ein ferneres Merkmal ist 
die relativ starke Entwicklung eines tiefen Molekularstreifens, am 
stärksten in den distalen Teilen der Regio intermedia. 

Wenn ich nun die entsprechenden Gebiete bei den anderen 
Tieren festzustellen suche, so scheinen mir, was zunächst die 
Frage der Zulässigkeit der Trennung der Regio intermedia von 
der Regio olfactiva anbetrifft, bei Igel und Maus sehr ähnliche 
Verhältnisse vorzuliegen, wie beim Frettchen, wenn auch die 
vielfach recht erheblichen Strukturdifferenzen der Zellen dort 
und hier den Vergleich von Rindenbezirken, die nur unerheblich 
voneinander abweichen, äusserst erschweren. Wenn ich Textfig. 5 
des ersten Teils der Arbeit vom Igel (p. 596) in Vergleich stelle 
zu Fig. 5 vom Frettchen, so entspricht der um die Furche d 
herumliegende Bezirk der Pars intermedia, wobei die in ihrer 
Ausbildung ja recht wechselnde Furche nicht die Grenze darstellt; 
die Pars intermedia überragt sie vielmehr lateralwärts. Sehr 
deutlich tritt ferner in den oraleren Ebenen, wo sich beim Igel 
bereits das charakteristische Band der Regio olfactiva anterior 
ausgebildet hat (s. unten), der Unterschied der Formationen 
hervor; das Band hört immer schon in gewisser Entfernung vor 
dem medialen Hemisphärenende auf und die Pars intermedia 
bildet die mediale Umhüllung des sich ausbildenden Mandelkerns 
(Fig. 3, Taf. XXXVI ersten Teils, mit welcher Fig. 13 vom 
Frettchen in Parallele zu stellen wäre; die nicht ausgeführte 
Rinde der Regio olfactiva sieht hier ganz so aus wie auf Fig. 7). 

Auch bei der Maus differiert der basale Teil der Rinde des 
Lobus pyriformis, wenigstens in den distalen Ebenen, in seinem 
Bau ausgesprochen gegen die lateralen Teile, und es ist meines 
Erachtens auf Fig. 14, Taf. XXXIX des ersten Teils die Analogie 
dieser basalen Partie mit der Regio intermedia recht einleuchtend. 

Bei Lemur wird die Abscheidung des intermediären vom 
olfaktiven Bezirk recht schwierig und beim Affen sind im Zell- 
präparat kaum noch Differenzen in der Struktur und im Aufbau 
der Zellen aufzufinden, welche eine solche Scheidung anders als 
in regionärem Sinne berechtigt erscheinen liessen. 

Wichtiger scheint mir die Frage, ob und wie weit die bei 
Fötorius vorgenommene Teilung der Regio olfactiva in drei 


488 Max Völsch: 


Unterabteilungen in sagittaler Richtung sich bei den übrigen 
Tieren wiederfindet. Die Merkmale für diese Unterabteilungen 
liegen, um es noch einmal mit ganz wenigen Worten zusammen- 
zufassen, im wesentlichen in den Differenzen der Gestaltung der 
oberflächlichsten Zellschicht (ID und der Zonalschicht (D. In 
den distalsten Teilen der Region (Regio retroolfactiva) fand ich 
eine breite Zonalschicht und einen lockeren Streifen sehr grosser 
pyramidaler Zellen; in den mittleren Teilen (Regio olfactiva 
posterior), in denen dieser Streifen sich verlor, Inseln von etwas 
kleineren, immerhin noch recht stattlichen multiformen Zellen, 
weit in die Zonalschicht gegen die Oberfläche vorgeschoben und 
endlich in den oralsten Partien ein ganz dichtes und nach vorn 
zu immer dichter werdendes Band noch etwas kleinerer, meist 
länglicher Zellen unterhalb der breiten Zonalschicht. 

Beim Igel finde ich in der durch Fig. 5 (Teil I, p. 596) 
repräsentierten Höhe nun ein Bild, welches sehr lebhaft an die 
Regio retroolfactiva erinnert: unter der breiten (0,19—0,2 mm) 
Zonalschicht verläuft als zweite Schicht ein Streifen oder ein 
lockeres Band grosser lebhaft gefärbter Zellen (R’), auf welche 
dann die viel lockerere und mit viel spärlicheren Zellen versehene 
R“-Schicht folgt (= III. + IV. Schicht). Bald vor dem durch 
die Fig. 5 dargestellten Schnitt bildet sich dann aber von der 
lateralen Grenze der Regio intermedia aus (welche also zwischen 
d und y liegt), lateralwärts schnell fortschreitend ein ganz dichtes 
Zellenband, dessen Elemente weiterhin gewisse Wandlungen er- 
leiden (vergl. p. 608, Teil D, welches alsbald aber die ganze 
fragliche Rindenpartie bis zur Fissura rhinalis lateralis umzieht. 
Die Identität mit der Regio olfactiva anterior ist meines Er- 
achtens evident. Es würde danach bei Erinaceus die zwischen 
der Regio olfactiva anterior und der Regio retroolfactiva gelegene 
tegio olfactiva posterior fehlen. Doch glaube ich hier daran 
erinnern zu sollen, dass ich in der kaudalen Kuppe des Lobus 
pyriformis des Igels noch eine oberflächlichste Zellenschicht 
(R, vergl. p. 620, I. Teil) fand, welche den übrigen Schichten 
sich gewissermassen auflegte und wenigstens auf der lateralen 
Seite bis in die Höhe der Fig. 5 zu verfolgen war; auch in Fig. 5 
sind noch Reste davon ventral von » erhalten. In der Tat ist 
diese R-Schicht, wie ich auch jetzt bei der Nachkontrolle finde, 
in die Zonalschicht vorgeschoben, die Breite der letzteren beträgt 


Anatomie des Mandelkerns ete. 489 


nur etwa 1,45 mm und zwischen R und den tieferen Schichten 
(II ete.) ist vielfach ein zellfreier Streifen sichtbar. Zwar ver- 
läuft der Zellenstreifen ziemlich kontinuierlich, doch fehlt es 
nicht hie und da an Unterbrechungen und Gruppenbildungen. 
Vielleicht ist der Befund identisch mit der Beobachtung Gansers, 
wonach bei Talpa in der hinteren Region des Gehirns eine 
Zerlegung der oberflächlichen Schicht in zwei Abteilungen statt 
hat. In jedem Fall scheint mir die Analogie mit der Regio 
olfactiva posterior naheliegend. Ist das richtig, dann darf man 
vielleicht annehmen, dass beim Igel die Formationen der Regio 
retroolfactiva und olfactiva posterior auf ein Gebiet zusammen- 
gedrängt sind. 

Auch bei der Maus ist der Lobus pyriformis in seinem 
distalen Teil von einem lockeren Streifen grosser, stark gefärbter 
pyramidaler Zellen umgeben (Schicht II) = Regio retroolfactiva. 
Auch hier fanden wir ferner in gewissen Ebenen eine deutliche 
Zerlegung dieser oberflächlichen Zellschicht in zwei Lagen, welche 
durch einen zellfreien Streifen getrennt waren (I. Teil, p. 657, in 
Fig. 13, Taf. XXXIX angedeutet), und ich kann hinzufügen, dass 
auf einzelnen Präparaten der Zerfall der oberflächlicheren Lage in 
einzelnen Gruppen recht deutlich zu Tage tritt. Dürfen wir hierin 
also das Analogon zu den Zellinseln der Regio olfactiva posterior 
des Frettehens sehen, so ist in den oraleren Teilen die Überein- 
stimmung noch weit überzeugender; auch bei der Maus markiert 
sich die Regio olfactiva anterior scharf durch ein dichtes Zellen- 
band (s. Fig. 16—20, Taf. XL, Teil I); dessen Zellen haben auch 
hier wieder ein recht wechselndes Aussehen. 

Bei Lemur sehe ich in den distalsten Teilen die zweite 
Schicht als einen vergleichsweise dichten Streifen grosser, gebläht 
aussehender (wahrscheinlich artefiziell schwer veränderter) rund- 
licher Zellen. Das Stratum zonale ist ziemlich schmal, 0,13 bis 
0,14 mm breit (wahrscheinlich geschrumpft). Wahrscheinlich ent- 
spricht dieses Gebiet der Regio retroolfactiva. Etwa in der Höhe, 
in welcher die Rhinalis deutlich zu werden beginnt, scheint mir 
eine gewisse Neigung zur Gruppenbildung in diesen Zellen auf- 
zutreten, auch wird die Zonalschicht wohl noch etwas schmäler; 
doch sind die erwähnten Abweichungen dieses Übergangsgebietes 
(das der Regio olfactiva posterior entsprechen würde) recht un- 
sicher. (Ganz deutlich bildet sich dann aber weiter oral das 


490 Max Völsch: 


für die Regio olfactiva anterior charakteristische dichte Band 
kleinerer, und, wie mir scheint, nach vorn immer kleiner werdender 
Zellen aus. 

Der Lobus pyriformis des Macacus hat dagegen, wie mir 
scheint, prinzipiell einen der Schilderung beim Frettchen ganz 
analogen Aufbau. In den distalsten meiner Schnitte sehe ich als 
zweite Schicht einen nicht sehr dichten. ziemlich kontinuierlichen 
Streifen sehr grosser, massiger, tiefblau gefärbter, eckiger, viel- 
fach pyramidenförmiger, aber auch unregelmässig geformter Zellen; 
sie liegen zu 2—3—4 übereinander geschichtet; der Streifen 
zeigt nur hie und da kleine Lücken. Die Zonalschicht ist ziemlich 
breit, 0,16—0,19 mm. Ich glaube sicher zu sein, die Formation 
der Regio retroolfactiva vor mir zu haben. Etwa in der Höhe 
der Mandelkernentwicklung zerklüftet sich dann dieser Streifen 
mehr und mehr, es bilden sich, je weiter nach vorn um so aus- 
gesprochener streifenfürmige und kugelige Gruppen von Zellen, 
die, wie ich bestimmt behaupten möchte, doch auch hier etwas 
kleiner sind, als die weiter rückwärts liegenden; und endlich 
rücken diese Zellinseln doch auch ein wenig gegen die Oberfläche, 
die Zonalschicht verschmälert sich auf 0,14 mm und weniger. Diese 
Formation, die also alle Kriterien der Regio olfactiva posterior 
hat, erhält sich nur eine weite Strecke nach vorn. Erst da, wo 
das frontale Ende des Mandelkerns liegt, verschwinden diese 
immerhin doch noch recht grossen Inselzellen und von der Gegend 
des Traetus olfactieius her überzieht sich der ganze Lappen mit 
einem dichten Bande ausgesprochen kleinerer Zellen, welches dann 
auch die orale streifenförmige Fortsetzung der Formation an der 
Basis des Stirnhirns kennzeichnet. Diese letzteren beschreibt 
Calleja') als „die unter der äusseren Wurzel gelegene Rinde“ 
(Mensch ?) in einer mit meinem Befunde übereinstimmenden Weise. 
Nur, dass sich genau dieselbe Rinde, wenigstens genau dasselbe 
„gewundene wellige Band“ (seiner dritten Schicht) auch noch auf 
den oralsten Teil des makroskopischen Lobus pyriformis beim 
Affen fortsetzt. Ich halte die ganze Formation für identisch 
mit der Regio olfactiva anterior des Frettchens. 

Leider ist es mir nicht möglich gewesen, die Differenzen 
aufzuklären, welche sich zwischen dieser Darstellung und der 


!) Zitiert nach Cajal, l.c. p. 28. 


Anatomie des Mandelkerns ete, 491 


Beschreibung und Abbildung der entsprechenden Gebiete bei 
Brodmann') finden. Sein Typus 28 (Taf. 10 resp. p. 193) dürfte 
wohl mit der Reg. olf. post. identisch sein. Nach dem Situations- 
plan auf Taf. 12, Fig. 2 könnte der Typus 27 der Lage nach der 
Regio retroolfactiva entsprechen; doch stimmt weder die Ab- 
bildung (Taf. 10), noch die Beschreibung p. 193 genau damit überein. 

Zur Verdeutlichung der von mir angenommenen Analogien 
diene der folgende tabellarische Hinweis auf die entsprechenden 


Abbildungen: 

Reg. retroolfactiva Reg. olfact.post. Reg. olfact. ant. 
Isele., ., =... Teil Textfigur 5 I. Teil, Rio. 3, Tf.XXXxVIi 
Maul... 1. Teil Fig. 13, Taf. xXXIX I. Teil, Fig. 17, Taf.XL 
Frettchen . Fig. 5 Fig. 6 Fig. 7 
Halbaffe . . Fig. 22 _ Fig. 23 u. 24 
ANIBRNKSTTS: Fig. 25 Fig. 27 (Ähnlich wie Fig. 24) 


Ich glaube also, die Teilung der Regio olfactiva in drei 
sagittal hintereinander liegende Unterabteilungen als eine mehr 
oder weniger deutlich durch die ganze Säugetierreihe zu ver- 
folgende Erscheinung ansprechen zu dürfen. Ohne bezüglich der 
funktionellen Bedeutung der einzelnen Teile ein Urteil aussprechen 
zu wollen, möchte ich nur darauf hinweisen, dass die Fasern des 
Traetus olfactorius sich in erster Linie jedenfalls in der durch 
den dichten Zellenkranz ausgezeichneten Regio olfact. anterior 
und erst in zweiter Linie in der Regio olfactiva posterior aus- 
breiten; die sich in der Regio olfactiva anterior bemerkbar 
machende Verbreiterung der Zonalschicht ist der Ausdruck der 
Einstrahlung der Tractusfasern. Ein Fingerzeig für die Bedeutung 
der Reg. olf. ant. scheint mir ferner auch in dem Verhältnis ihrer 
Ausdehnung zu den anderen Abteilungen der Regio olfactiva zu 
liegen. Bei den untersuchten niederen Säugern bis zum Halb- 
affen hinauf, durchweg makroosmatischen Tieren, nimmt die Regio 
olfactiva anterior einen relativ sehr grossen Platz innerhalb des 
Lobus pyriformis ein, bei dem anosmatischen Macacus fast nur 
die vordere kleine Kuppe des Läppchens und den sich auf die 
Basis des Stirnhirns fortsetzenden schmalen Streifen. 

5. Endlich unterschied ich beim Frettchen als medialste 
Region des Lobus pyriformis die Regio medialis resp. prä- 
9) Beiträge zur histologischen Lokalisation der Grosshirnrinde. Dritte 
Mitteilung: Die Rindenfelder der niederen Affen. Journal für Psychologie 
und Neurologie, Bd. IV, Hft. 5/6, p. 177 ft. 


492 Max Völsch: 


subieularis (identisch mit dem inneren zentralen Bezirk des 
Ammonshorns bei Cajal), (auf Fig. 8, der schmale unschraffierte, 
medialwärts durch eine punktierte Linie begrenzte Streifen). Unter 
einer breiten Zonalschicht folgt (Fig. 4 und 5 xx —-«) ein breiter, 
aus durchweg kleinen, körnerartigen oder auch pyramidalen Zellen 
zusammengesetzter Streifen, welcher den Schichten II, III und IV 
des Grundtypus entspricht und sich medialwärts in die gleichen 
Schichten der medialen Rinde fortsetzt. Darunter der breite 
Molekularstreifen (V) und die Lamina multiformis. 


Von den Frontalebenen an, wo die Einstülpung der tiefen 
Schichten der Rinde des Lobus pyriformis in das Ammonshorn 
in den Schnitt kommt, umgreift dieser mediale Rindenteil rinnen- 
oder hakenförmig die Einstülpungsstelle und lässt sich als Rudi- 
ment der äusseren Schichten noch ein Stück weit in das Ammons- 
horn hinein verfolgen (Fig. 6). zugespitzt endigend. Erst in 
dieser Höhe hat natürlich die Bezeichnung als präsubikuläre Rinde 
ihre Berechtigung und gerade deshalb habe ich sie als „mediale“ 
bezeichnet, weil sich genau dieselbe Formation, wenigstens beim 
Frettchen, schon in distaleren Ebenen findet, wo von einem Prä- 
subiculum noch nicht die Rede sein kann. Hiervon abgesehen 
deckt sich die Schilderung, die R. y Cajal!) von der präsubi- 
kulären Rinde gibt (Kaninchen, Meerschweinchen, Maus), mit 
meinen Bildern. — Je weiter nach vorn, um so mehr ver- 
schmälert sich der Umschlagshaken, „zieht sich medialwärts zu- 
rück“, um sich schliesslich ganz zu verlieren (Fig. 7). Die Gestalt 
der Umschlagsplatte in toto verglich ich daher mit einem Blatt 
Papier, welches man zu einer Düte einzurollen beginnt; besser, 
mit dem Teil des Papiers, welches man bei dieser Prozedur mit 
der linken Hand fasst; da, wo der Daumen der rechten Hand 
liegt, ist die vordere Endigung der Umschlagsplatte. 

Beim Igel und bei der Maus konnte ich mich von der 
Existenz eines solchen medialen Teils des Lobus pyriformis, 
resp. eines Umschlagshakens an dem ventralen Schenkel des 
Ammonshorns nicht überzeugen (doch siehe unten die Zusammen- 
fassung. über das Ammonshorn). Es hängt das vielleicht mit der 
Kürze und Kleinheit dieses Schenkels bei den genannten Tieren 
zusammen. 


') l.e.p. 45 und Abbildung 16, p. 46. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 493 


Beim Halbaffen und Affen hingegen findet sich der 
mediale Teil in Form des Umschlagshakens in prinzipiell genau 
derselben Weise wie beim Frettchen (Fig. 22 von Lemur, Fig. 25 
und Fig. 26 vom Macacus). In der Form, wie in Fig. 4 und 5 vom 
Frettchen, als Übergangsgebiet in die Rinde der medialen Pallium- 
wand kann er bei diesen Tieren nicht existieren, weil in den 
Frontalhöhen, in welchen der Lobus pyriformis distal beginnt, das 
Ammonshorn bereits entwickelt und in seine beiden Schenkel 
geteilt ist, mit anderen Worten. weil schon der distalste Teil der 
Rinde des Lobus pyriformis sich in den ventralen Schenkel des 
Ammonshorns einstülpt. — 

Was nun schliesslich die Faserung des Lobus pyriformis 
betrifft. so ist der zentrale Teil, die Regio olfactiva + intermedia, 
bei allen nach Weigert-Pal untersuchten Tieren (Igel, Kanin- 
chen, Frettchen, Affe) durch die starke Entwicklung der Radiär- 
faserung ausgezeichnet, die einmal den Lappen sich gewöhnlich 
auf den ersten Blick von den benachbarten faserärmeren Pallium- 
teilen abheben lässt, und ferner auch die genannten Regionen 
vor den sonst unterschiedenen Regionen des Lappens selbst aus- 
zeichnet. Jedenfalls hat die Regio medialis, auf welche ich sogleich 
noch eingehe, auch im Faserpräparat ein ganz anderes Aussehen, 
die Regio prärhinencephalis, welche ich im Zellpräparat bei ver- 
schiedenen Tieren fand, markiert sich im Faserpräparat nicht, 
und beim Frettchen, bei welchem ich allein eine sichere Regio 
tissuralis abtrennen konnte, ist die letztere viel faserärmer, als 
die ersterwähnten (Gebiete. Innerhalb dieser Gebiete bringt nun 
ferner das Faserpräparat beim Frettchen ein neues Kriterium 
für die Abscheidung der Regio intermedia von der Regio olfactiva: 
die starke Entwicklung zweier querverlaufender Faserstreifen, 
entsprechend dem tiefen und dem oberflächlichen Molekularstreifen, 
in der intermediären Region, wenigstens in ihren distaleren Teilen. 
Namentlich der tiefe Faserstreifen (zwischen der III. + IV. und 
der VI. Zellschicht und wohl als Ersatz der V. zellarmen 
Schicht aufzufassen) ist beim Frettchen sehr stark ent- 
wickelt, und auch beim Affen finden sich in den distalen 
Teilen des Lappens unverkennbare Andeutungen dieses Faser- 
streifens, bald in Gestalt eines wirklichen Streifens, bald in 
Gestalt einzelner querverlaufender Fasern, die wohl eine ge- 


nügende Handhabe geben, um auch bei den Primaten den 
Archiv. f. mikr. Anat. Bd. 76. 33 


494 Max Völsch: 


intermediären Teil als ein qualitativ von der Regio olfactiva ver- 
schiedenes Gebiet anzusehen. 

Die Regio olfactiva ist ferner charakterisiert durch die reich- 
liche, ja massenhafte Faserdurchflechtung der tiefen (VI.) Rinden- 
schichten, durch welche sich dieselbe im Faserbilde, zumal in den 
oralen Teilen des Lappens, als ein dichtes Fasergeschlecht präsen- 
tiert. Vergleiche die Palbilder vom Igel auf Taf. XXXVIII und 
XXXIX desI. Teils und die Fig. 18 und 19 vom Frettchen, auf denen 
ich dies Geflecht anzudeuten versucht habe. Beim Affen freilich 
ist es viel spärlicher entwickelt. Wie schon erwähnt, halte ich 
es für identisch mit dem von R. y Cajal l.c. p. 85 beschriebenen 
und Fig. 33 abgebildeten Geschlecht bei der Maus; wenn Cajal 
dasselbe als ein Endgeflecht lediglich der Kommissurenfasern an- 
sieht, so möchte ich doch glauben, dass auch andere, Projektions- 
fasern, aus ihm ihren Ursprung nehmen. 

Jenseits dieses Geflechtes sammeln sich nun die Fasern des 
tiefen Markes an, über deren weiteren Verlauf ich folgendes sagen 
kann: In den distalen Teilen des Lappens (Regio retroolfactiva 
und vielleicht auch noch zum Teil Regio olfactiva posterior [?]) 
ist das Hauptabflussgebiet dieser Fasern das Ammonshorn, sowohl 
des Alveus, in welchen das tiefe Mark des Lobus pyriformis 
direkt umbiegt, als das Stratum zonale, wohin seine Fasern 
mittelst der perforierenden Fasern gelangen (Frettchen). 

In den oralen Teilen des Lappens, der Endigungsstätte des 
Tractus olfactorius — ich wies bereits darauf hin, dass da in 
erster Linie die Regio olfactoria anterior in Betracht kommt 
— scheint mir der Verlauf der tiefen Markfasern ein recht mannig- 
faltiger. Um das beim Igel (p. 634, 635 u. a.), beim Frettchen 
(p. 422) und beim Affen (p. 474 ff.) hierüber Gesagte kurz zu- 
sammenzufassen, glaube ich Verbindungen zu finden zu der den 
Mandelkernhauptkomplex umgebenden Faserkapsel, ferner in den 
Mandelkern hinein, sowie um ihn herum und durch ihn hindurch 
zu dem mittelgrosszelligen (E) und grosszelligen (Basalganglion) 
Kern der Regio lenticularis und zur Stria terminalis (vielleicht 
auch in den Linsenkern), ferner direkte Verbindungen zu den 
genannten Gebilden (so dicht vor dem Mandelkern zu den erwähn- 
ten Kernen, so namentlich aus der in der Höhe des Mandelkerns 
zu seinem Rindenanteil modifizierten Regio intermedia), sodann 
Verbindungen zur Capsula externa und zur vorderen Kommissur, 


Anatomie des Mandelkerns etc. 495 


und endlich in den oralsten Teilen solche zur Capsula extrema 
und zum Claustrum resp. zur „Rinde am Kopfe des Streifen- 
hügels“. 

(Ganz anders als im zentralen Bezirk ist der Rindenfaser- 
bau inder Regio medialis resp. — in der Höhe der Ammons- 
einrollung — präsubieularis. Hier fällt zunächst sowohl beim 
Aften, als beim Frettchen die Massigkeit der Tangentialfaserung 
auf, die sich bei letzterem in den distalen Teilen (hinter der Höhe 
der Ammonseinrollung) in die Zonalschicht der medialen Pallium- 
rinde, in den oraleren Teilen in das Stratum zonale des Ammons- 
horns und zwar in seine oberflächliche Lage ergiesst. Es folgt 
das mit einem feinen Fasernetz erfüllte Gebiet des die II., IH., IV. 
Zellschicht repräsentierenden kleinzelligen Haufens oder Streifens 
(in der präsubikulären Höhe als „Umschlagshaken“ erscheinend); 
das Fasernetz dürfte aus dem tiefen Faserstreifen des lateral 
angrenzenden intermediären (Grebietes stammen und ist, wie dieser, 
beim Frettchen viel ausgesprochener wie beim Affen. Bei ersterem 
setzt sich der Faserstreifen auch noch in das mediale Gebiet 
hinein fort. In den noch tiefer gelegenen Schichten (VI) bilden 
zahlreiche, sich verästelnde Fäserchen ein Netzwerk. Schliesslich 
folgt das tiefe Mark, das sich hinten in das Mark der medialen 
Palliumwand, vorn in das Ammonshorn fortsetzt. 

II. Das Ammonshorn, worunter nur der eingerollte Teil 
der Windung verstanden werden soll, zeigt prinzipiell überall die 
gleichen, bekannten Verhältnisse. Nur auf wenige Punkte möchte 
ich nochmals ausdrücklich aufmerksam machen. In bezug auf 
die Lage bestenen sehr erhebliche Differenzen. Beim Igel und 
bei der Maus steigt das Unterhorn des Ventrikels und mit ihm 
das Ammonshorn ziemlich senkrecht hinab, eine Unterschiebung 
beider Gebilde unter den Stamm bezw. den Stammteil der Hemi- 
sphäre ist nur höchst rudimentär vorhanden. Vom Frettchen 
aufwärts ist diese Unterschiebung des Unterhorns und des Am- 
monshorns sehr ausgesprochen. Demgemäss lässt sich bei Igel 
und Maus der dorsale Schenkel des Ammonshorns viel weiter oral- 
wärts verfolgen, als der ventrale Schenkel, während bei den übrigen 
untersuchten Tieren gerade das entgegengesetzte Verhältnis be- 
steht (vergl. die genaueren Angaben p. 411 und 428). 

Bei allen Tieren präsentiert sich die Zellschichtung 


des Ammonshorns als die räumliche Fortsetzung ausschliesslich 


496 Max Völsech: 


der tiefsten Schichten der sich einstülpenden Rinde, d.h. der 
Rinde des Lobus pyriformis und der medialen Palliumrinde, auf 
welch letztere sich das Einstülpungsgebiet bei allen untersuchten 
Tieren ausdehnt. Für den Igel habe ich diese Anschauung schon 
im ersten Teil mehrfach betont (p. 590, 621) und für die andern 
Tiere in den vorhergehenden Abschnitten ausführlich begründet. 
Wahrscheinlich ist die Zellschichtung des Ammonshorns die 
wesentlich modifizierte Forsetzung nur der multiformen Schicht '). 
Wahrscheinlich ferner setzen sich die oberflächlichen Lagen 
der multiformen Schicht (VIa) in die „Lage der Pyramiden- 
zellen“ des Ammonshorns (v. Kölliker), die tiefen Lagen in 
das übrigens sehr spärliche Stratum oriens fort. Die äusseren 
Zellschichten der benachbarten Rinde (II—IV) aber machen die 
Ammonseinrollung beim Affen, Halbaffen und Frettchen nur ein 
Stück weit mit, um alsdann zugespitzt aufzuhören. Die Strecke, 
über welche sie die tiefen Schichten bei der Einrollung begleiten, 
ist in den distalen Teilen des Lobus pyriformis immer grösser 
als in den oraleren Teilen; auf dem Frontalschnitt zieht sich 
der durch die äusseren Schichten gebildete „Umschlagshaken“ 
(die Superpositio lateralis des Palaeocortex über den Archicortex 
bei Ariöns Kappers?) je weiter nach vorn, um so mehr 
medialwärts zurück, und schliesslich enden die äusseren 
Schichten an oder dicht ventral unter der Einstülpungsstelle 
des Lobus pyriformis in den ventralen Schenkel des Ammonshorns 
(vergl. Fig. 6 und 7 vom Frettchen, Fig. 22 von Lemur, Fig. 25 
und 26 vom Affen). Der Umschlagshaken stellt eine, wenigstens 
innerhalb des Lobus pyriformis höchst auffällige Modifi- 
kation der äusseren resp. der mittleren Zellschichten dar; sie 
sind zu einem Streifen kleiner, nicht wesentlich voneinander 
differierender Zellen umgewandelt, bei welchen eine Zerlegung 
in Schichten unmöglich ist (s. oben „medialer Teil“ des Lobus 
pyriformis). Beim Frettchen konnte ich die genau entsprechende 
Bildung eines solchen Umschlagshakens auch für den Teil des 
Ammonshorns nachweisen, welcher bereits im Gebiet der Rinde 


', Anm. bei der Korrektur: Wie ich sehe, vertritt auch Brodmann 
diesen Standpunkt. Leider ist mir sein Buch: Vergleichende Lokalisations- 
lehre der Grosshirnrinde, Leipzig, 1909, erst nach Fertigstellung dieser 
Arbeit bekannt geworden. 

?) Folia neuro-biologica, I, 1908. Anat. Anz., XXXTIIIL, 1908. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 497 


der medialen Palliumwand liegt, den Bogenteil der Ammons- 
windung (vergl. p. 386 ff. und die Fig. 9 und 10); ob auch hier die 
Zellen der äusseren Rindenschichten zu entsprechenden klein- 
zelligen Elementen reduziert sind, vermag ich auf den Frontal- 
schnitten nicht sicher zu entscheiden. Ich machte schon (p. 389 
Anmerkung) darauf aufmerksam, dass beim Igel und, wie ich 
hinzufügen möchte, auch bei der Maus sich an der Einrollungs- 
stelle der Rinde in den dorsalen Schenkel der Ammonswindung 
ein kleinzelliger Komplex findet, welcher das Analogon zu dem 
Umschlagshaken der höheren Säuger darstellen dürfte. 

Die Gegend, in welcher der kleinzellige Umschlagshaken 
oder — als ganzes betrachtet — die oral zugespitzt endigende 
Umschlagsplatte sich m das Ammonshorn hinein verfolgen lässt, 
ist nichts anderes, als die Regio präsubicularis der Autoren. 

Auf diese Gegend folgt in transversaler Richtung, in das 
Ammonshorn hinein, das Subieulum, in dessen breiter Zonal- 
schicht ich die von Cajal für den Menschen beschriebenen (1. c. 
p. 38 und Fig. 13) Inseln kleiner Zellen, auch beim Affen, nicht 
nachweisen konnte; übrigens fand auch Cajal diese Inseln bei 
niederen Säugern nicht; mein Befund in dieser Gegend deckt 
sich durchweg mit seinen p. 45 bezüglich dieser Tiere gemachten 
Angaben. Es ist nach meiner Auffassung das Übergangsgebiet, 
in welchem sich die Zellen der tiefen Schichten der sich ein- 
rollenden Rinde zu denen der eingerollten Rinde, d. h. zu den 
typischen Ammonszellen transformieren. 

Über die Faserung des präsubikulären Gebietes siehe oben 
„mediale Region des Lobus pyriformis“. Hier mag nur nochmals 
erwähnt werden, dass das Stratum zonale des Ammonshorns beim 
Frettchen wenigstens eine Strecke weit aus einer tiefen und 
oberflächlichen Lage besteht, welche beide den Hauptteil ihrer 
Fasern aus den perforierenden Fasern beziehen; daneben dürfte 
die tiefere Schicht einen Faseranteil aus dem tiefen Faserstreifen 
der Regio intermedia, die oberflächliche einen erheblichen Anteil 
aus der starken Tangentialfaserung des präsubikulären (Gebietes 
erhalten. 

Infolge der Uncusbildung entstehen am oralen Ende des 
ventralen Schenkels des Ammonshorns sehr eigenartige Frontal- 
schnittsbilder beim Affen und Halbatften (vergl. p. 456 und 440 £.). 
Auch beim Frettchen besteht bereits ein Uncus. Derselbe liegt 


498 Max Völsch: 


beim Frettchen und beim Halbaffen medial vom vorderen Ende 
des Ammonshorns, beim Affen infolge der Drehung der Hemisphäre 
um eine sagittale Achse dorso-medial, fast dorsal (vergl. Fig. 5, 
22 und 25). 

Il. Dass der Tractus olfactorius sein Hauptaus- 
strahlungsgebiet in den oralen Teilen des Lobus pyriformis, in 
erster Linie in der durch den kontinuierlichen dichten Zellenkranz 
der zweiten Schicht ausgezeichneten vorderen olfaktiven Region 
hat, darauf wurde schon oben hingewiesen. Die Regio retroolfactiva 
kann meines Erachtens als direkte Endigungsstätte seiner Fasern 
nicht in Betracht kommen. — Ferner kann ich nur bestätigen, 
dass er in oralen Ebenen auch Fasern medialwärts schickt, 
schon in der Höhe des „Kerns des sagittalen Längsbündels der 
Stria terminalis“ (Kaninchen, Frettchen, nach Ganser auch 
Talpa, während ich für den Igel diese Verbindung nicht auffinden 
konnte), und noch weiter oral in das Tuberculum olfactorium 
hinein, wenn auch nur eine kurze Strecke weit (Igel, Affe). Für 
den Affen konnte ich ferner die von Kölliker für den Menschen 
(l. e. p. 727 und Fig. 771) beschriebene Verbindung mit der 
Capsula externa auffinden; dagegen blieb die Identität eines von 
der vorderen Kommissur herkommenden, nur streckenweise ge- 
troffenen Bündels mit dem an derselben Stelle von Kölliker 
beschriebenen Kommissurenbündel zweifelhaft. — Sehr bemerkens- 
wert scheint mir endlich eine Lageverschiebung des Traetus 
olfactorius, die beim Halbaffen und Affen eintritt. Bei Igel, 
Kaninchen, Frettchen verläuft er innerhalb des Lobus pyriformis 
immer an der Grenze der Mandelkerngegend (resp. soweit er 
dieselbe etwa distalwärts überragt) der Regio intermedia gegen 
die olfaktive Region. Die ihn aufnehmende Fissura rhinalis 
medialis bildet die allerdings nicht unmittelbare Fortsetzung der 
Furche d, welche als ungefähre Grenze des olfaktiven und inter- 
mediären Bezirks angesehen werden darf (Fig. 17—19 und I. Teil 
10— 12, Taf. XXXIX, vergl. auch Kölliker l. c. p. 721; die Figuren, 
auf welche er verweist, stammen durchweg von Kaninchen- 
präparaten }. Beim Halbaffen und Affen verläuft der Traectus 
vielmehr jenseits des Mandelkerns bezw. des intermediären Ge- 
bietes, direkt im Sulcus hemisphäricus (Fig. 24). Auch hierfür 

Ci Die Zahlen 717—719 sind offenbar irrig; es soll heissen 715—71. 
Die Fig. 746 fehlt. 


Anatomie des Mandelkerns ete. 499 


gibt Kölliker (l. c. p. 725) einen Beleg durch Hinweis auf Fig. 596 
(p. 434), welche sich nun aber auch auf den Menschen bezieht! 


IV. Der Mandelkern. Für den Mandelkern der Primaten 
(Affe) akzeptiere ich im wesentlichen bezüglich der groben Verhält- 
nisse die Darstellung Köllikers, welche ich schon in der Einleitung 
des ersten Teils wiedergab: es ist in der Tat eine „dicke graue 
Masse unterhalb des vorderen Teils des Linsenkerns, welche die 
Spitze des Unterhorns nach vorn begrenzt und als grosser, 
vor der Spitze des Ammonshorns gelegener Wulst in das Unter- 
horn vorspringt. An drei Seiten, medial, ventral, lateral wird 
die graue Substanz dieser Anschwellung von weisser Substanz 
umgeben und hängt nur an der dorsalen, medialen Seite mit der 
Rinde der Spitze des Unterlappens zusammen.“ 

Die mikroskopische Untersuchung der Zellpräparate erweist 
nun aber, dass dieses Gebilde keineswegs homogen gebaut ist, 
dass es vielmehr aus mehreren sich durch Grösse, Gestalt, Färb- 
barkeit und Lagerung der Zellelemente scharf gegeneinander ab- 
hebenden Teilen besteht. Ich unterscheide am Mandelkern zunächst 
drei, eine kompakte Kernmasse, den Hauptkomplex des 
Mandelkerns, bildende Unterkerne (Fig. 27, auf welcher er 
annähernd seine grösste Ausdehnung erreicht hat): 


1. den lateralen mittelgrosszelligen Kern (M)!), 

2. den zentralen grosszelligen Kern (T‘), 

3. den medialen mittelgrosszelligen Kern (T). Vielleicht 
könnten gerade in diesem Kerne noch weitergehende Differen- 
zierungen vorgenommen werden; doch sind die Abgrenzungen so 
unscharf, dass ich darauf verzichte. Der Kern T geht in der 
Basis des ganzen Kerngebietes allmählich und ohne scharfe Son- 
derung in den Kern Müber. Beide zusammen umfassen also gewisser- 
massen den zentralen, grosszelligen Kern im Bogen von unten 
her. Medialwärts an T schliesst sich 

4. der Rindenanteildes Mandelkernsan, die Rinde 
B, welche eng mit den Teilen ad 1—3 verschmolzen ist und 
meines Erachtens unbedingt dazu gerechnet werden muss. — Aus 
Gründen der phylogenetischen Entwicklung und wegen einer viel- 
leicht vorhandenen funktionellen Verwandtschaft kann man 


!) Er ist, wie ich vermute, identisch mit dem Corpus poststriatum 
von Ziehen bei Didelphys, 1. c. Teil I, p. 575. 


500 Max Völsch: 


5. auch den kleinzelligen medialen sublenti- 
kulären Kern (D) zum Mandelkern rechnen, obwohl er, wie 
Fig. 27 zeigt, wenigstens beim Affen und in dieser Höhe nicht 
in unmittelbarstem Zusammenhang mit dem übrigen Zellkomplex 
steht. Vielleicht kommt 

6. endlich auch noch ein lateraler accessorischer 
Kern hinzu, welcher erst in oraleren Ebenen erscheint und auf 
Fig. 27 nicht sichtbar ist. 

Schliesslich könnte man auch daran denken, den beim Affen 
überhaupt nicht aufgefundenen, aber bei allen andern Tieren scharf 
markierten „Kern des sagittalen Längsbündels des Stria“ (D‘) als 
einen oralen abgesprengten Teil des Mandelkerns aufzufassen ; 
doch steht dieser Kern in gar keinem räumlichen Konnex mehr 
mit dem letzteren und wird daher besser als besonderes Gebilde 
angesehen. Ebenso möchte ich auch die lateralen sublentikulären 
Kerngruppen (E) einstweilen nicht zum Mandelkern rechnen, aus 
Gründen, welche weiter noch zu erörtern sind. 

Wenn ich nun die Frage des Verhaltens aller dieser Gruppen 
bei den untersuchten niederen Säugern aufwerfe, so bedarf es 
eigentlich nur des Hinweises auf die entsprechenden Abbildungen, 
um die weitgehende Analogie, ja vielfach die vollkommene prin- 
zipielle Übereinstimmung der Befunde sofort in die Augen fallen 
zu lassen. Nur den lateralen accessorischen Kern (6), dessen Be- 
deutung und Zugehörigkeit zum Mandelkern übrigens auch beim 
Affen äusserst zweifelhaft ist (vergl. p. 462 und 475, X), habe 
ich bei keinem der niederen Säuger feststellen können. Alle 
anderen Gruppen finden sich wieder. Die weitgehendste Ähnlichkeit 
zeigt der Mandelkern des Halbaffen. 

1. Bezüglich der ad 1—3 erwähnten Gruppen (T+ T’+M), 
den Mandelkernhauptkomplex, habe ich für den Halb- 
affen tatsächlich nur auf Fig. 23 zu verweisen. Beim Frettchen 
ist M und T wiederum ohne weiteres zu identifizieren (Fig. 14), 
T’ zeichnet sich nicht so scharf ab, markiert sich aber doch in 
absolut überzeugender Weise durch die Grösse und Tinktion der 
Zellen im dorsalen Gebiet von T als ein besonderer Komplex. — 
Nicht ganz so augenfällig ist die Analogie mit den entsprechenden 
Zellgruppen bei der Maus und beim Igel. Immerhin kann m. E. 
kein Zweifel sein, dass die dort mit T und M bezeichneten Ge- 
bilde tatsächlich den beiden mittelgrosszelligen Kernen entsprechen . 


Anatomie des Mandelkerns etc. 501 


die Identität der Lage des Kerns, das Anschwellen und Abschwellen 
bei der Verfolgung der Frontalserie, auch die Differenzen der 
Zellelemente und vor allem der völlig übereinstimmende Verlauf 
der Faserung (s. u.) beseitigen alle etwaigen Bedenken (vergl. 
Fig. 3 und 4, Taf. XXXVII und 16—19, Taf. XL, I. Teil). Auch 
T’ ist bei beiden Tieren vorhanden, wenn auch nicht so scharf 
abgegrenzt, wie beim Affen und Halbaffen. Ich erwähnte aber 
p. 601 und 623 Teil I im dorsalen Teil von T grosse, „ausser- 
ordentlich mächtige“ Zellexemplare, entlang der Ventrikelwand 
des Igels, und p. 664 die Durchdringung des Haufens T bei der 
Maus durch sehr grosse, dicke, plumpe, tiefblau gefärbte, meist 
dreieckige Zellen in den oraleren Teilen der Zellgruppe. 

So kann meines Erachtens jetzt mit voller Sicherheit gesagt 
werden, was ich schon im ersten Teil als wahrscheinlich andeutete, 
dass Ganser (I. Teil, p. 576) mit seiner Auffassung über den 
Mandelkern des Maulwurfs Recht hat; inder Tatentsprechen 
diese bei den niederen Säugern nicht so scharf 
gegen das Striatumabgeschiedenen Gebiete(T,T‘,M) 
dem Mandelkern resp. dem wesentlichsten Teil 
des Mandelkerns der Primaten, und gehören nicht 
zum Striatum, wie Kölliker, R. y Cajal!) mehr oder 
weniger ausgesprochen annehmen. 

Recht auffällig ist die Verschiedenheit der Lage der be- 
sprochenen drei Gruppen, welche überall zusammen ein kompaktes 
(ranzes, die Hauptmasse des Mandelkerns, bilden, in ihrem Ver- 
hältnis zum Ventrikelunterhorn. Die. Zellmassen liegen bei Igel, 
Maus und auch beim Frettchen, welches ja schon ein erheblich 
unter den Stammteil der Hemisphäre von hinten nach vorn 
hinuntergeschobenes Unterhorn besitzt (s. oben p. 495) mit ihren 
distalen Teilen ventral und lateral vom Ventrikel, und bilden 
nur mit ihren proximalen Teilen, von ventral nach dorsal sich 
vergrössernd, die vordere Wand des Unterhorns. Beim Halbaffen 
und Affen liegen sie durchaus in der vorderen Unterhornwand 
und breiten sich, entsprechend der Krümmung des Unterhorns 
von dorsal nach ventral aus. Die Spitze des Unterhorns erscheint 
daher bei den erstgenannten Tieren dorsal vom Mandelkern 
(s. Fig. 14), beim Halbaffen und Affen ventral davon (Fig. 23 
und 24). Die Verlagerung dürfte sich durch die eine der beiden 


1) Siehe die Zitate Teil I, p. 578. 


502 Max Völsch: 


Krümmungen erklären, welche der basale Teil der Hemisphäre 
durch die Massenzunahme des Palliums der höheren Säuger in 
immer stärkerem Maße erleidet, und zwar — im wesentlichen — 
durch die Krümmung um eine transversale Achse herum, wodurch 
die Zellgruppen des Mandelkerns nach vorn und nach dorsal 
sewissermassen zusammengeschoben werden könnten. Die andere 
Krümmung, deren ich bereits oben gedachte, die um eine sagittale 
Achse herum, bewirkt dann nicht nur die Verschiebung des Lobus 
pyriformis und seiner Rinde, wie sie sich bei einem Vergleich 
der Fig. 23 und 27 präsentiert, sondern sie bewirkt wohl auch 
in bezug auf den Mandelkern eine Gestaltsveränderung: Bei allen 
untersuchten niederen Säugern umgibt der Komplex das Striatum 
von unten her wie eine Schale, die Konkavität ist stets dorsal 
oder dorso-medialwärts gerichtet; bei der Maus, beim Kaninchen, 
beim Frettchen schien der mittelgrosszellige Kern in gewissen 
Frontalhöhen einen länglichen Fortsatz latero-dorsalwärts zu 
schicken, welcher das Putamen gewissermassen umhüllte; bei 
Lemur verglich ich die Gestalt des Komplexes mit einer Wiege, 
welche nach oben offen ist, beim Affen dagegen bekommt er eine 
wirkliche Kugelgestalt (im Frontalschnitt), er sieht aus (Fig. 27), 
als ob er durch die von lateral und dorsal einwirkende Kraft 
zusammengepresst wäre. — Danach scheint die ersterwähnte 
Krümmung früher einzutreten, die sie hervorrufende Kraft früher 
einzuwirken. 

Die Gestalt des Komplexes der drei Kerne lässt sich aus 
Frontalschnitten, die mir allein zur Verfügung stehen, schwer 
ableiten, und ich möchte mit genaueren Angaben darüber, besonders 
für die niederen der untersuchten Tiere zurückhaltend sein. Bei 
allen endet der Komplex offenbar distal mit einer Art Zuspitzung, 
dann tritt mehr oder weniger schnell eine Anschwellung ad 
maximum ein und nach vorn zu vermindert sich der Umfang 
wieder ziemlich rapide. Beim Affen gewinne ich dabei den Ein- 
druck, dass die Gesamtgestalt etwa die einer dicken Bikonvexlinse 
ist; doch fehlen die Nachuntersuchungen an fortlaufenden sagittalen 
und horizontalen Serien. 

Betrefis der Grösse des Komplexes kann ich folgende 
ungefähren Angaben machen, wegen weiterer Details auf die 
einzelnen Abschnitte verweisend. Die sagittale Länge beträgt beim 
Macacus ca. 4 mm, die grösste Höhe 6 mm, die grösste Breite 7 mm. 


Anatomie des Mandelkerns etc. 503 
Bei Lemur sind die entsprechenden Zahlen: 31/;—3'/z mm (Länge) 
4'/s mm (Höhe) 6 mm (Breite). Beim Frettchen beträgt die sagittale 
Länge nur ca. 1'/s mm, die Breite 3,2 mm, die Höhe 2,5 mm; 
bei der Maus berechne ich die Länge auf ca. 1Y/’—1°/ı mm, die 
anderen Maße lassen sich kaum zum Vergleich heranziehen, weil 
M hier dem Kern T viel mehr dorsal aufgesetzt, als lateral 
angelagert ist; das Gleiche gilt vom Igel, bei welchem der 
Komplex eine Länge von 3'/s mm hat. 

Was die Entstehungsweise des Komplexes anbetrifft, 
so glaubte ich bei der Maus (I. Teil p. 661) ziemlich überzeugend 
nachweisen zu können, dass der mediale mittelgrosszellige Kern 
(T) als eine sich abschnürende Einsenkung der oberflächlichen 
Zellschicht der Pars intermedia des Lobus pyriformis anzusehen 
ist. Ist das richtig, so liegt natürlich die Versuchung nahe, den 
ganzen Komplex sich in dieser Weise entstanden zu denken: 
speziell bei dem grosszelligen Kern möchte man an die Zellen 
der zweiten Schicht des Lobus pyriformis — oder auch der der 
Lamina ganglionaris? — denken. Doch wären das Spekulationen. 
Ich kann für diese Auffassung, wonach der Komplex eine Ein- 
senkung resp. Abschnürung der Rinde darstellt, aber vielleicht 
noch ein Moment anführen. In der Umgebung des Komplexes 
finden sich bei allen untersuchten Tieren, am spärlichsten beim 
Affen, mehr oder weniger reichliche Ansammlungen von ganz 
kleinen körnerartigen Elementen (K), die ich als Gliakerne auf- 
fasste. Sie treten bald als Streifen, bald als kleinere Häufchen, 
bald aber auch als grosse Plaques auf, und bilden in ihrer Totalität 
eine allerdings vielfach unterbrochene, den Kernkomplex gewisser- 
massen einhüllende Schale; nur gegen die Rinde B hin (s. unten) 
finden sie sich nie, da ja mit diesem „Rindenanteil“ der Konnex 
überall erhalten bleibt. Am relativ konstantesten sehe ich die 
Streifen zwischen dem Komplex und der Basis des Striatums 
resp. der Regio sublentieularis, aber grössere in der Ebene des 
Schnittes gelegene Haufen zeigen, dass auch die vordere (Frettchen) 
und die hintere Fläche (Lemur) von der Hülle umgeben ist 
(vergl. Fig. 3, 4, 6, 19 des ersten Teils auf den Tafeln, ferner 
Fig. 14, 15, 23, 27). Die Gruppen erleichtern erheblich die Ab- 
grenzung des Gebildes (T + T’+ M), namentlich gegen Linsen- 
kern und die Zellgruppen der Regio sublenticularis.. Es würde 
eine solche Gliaanhäufung in der Umgebung des Mandelkern- 


504 Max Völsch: 


hauptkomplexes, wenn man ihn als eine Einstülpung der Rinde des 
Lobus pyriformis auffasst, durchaus den Anschauungen Weigerts 
über „Kielstreifenbildungen“ der Glia etc. entsprechen. 

Die Anschauung Mondinos'), der den Mandelkernhaupt- 
komplex in drei durch die beiden von ihm erwähnten und beim 
Affen tatsächlich vorhandenen Markblätter (s. unten) getrennte 
Rindenfalten zerlegen will, deren äussere sich in das Claustrum 
fortsetzen soll, kann ich nicht teilen; der histologische Bau der 
drei Kerne, welche die Rindenfalten darstellen würden (vgl. Fig. 27), 
ist ein äusserst verschiedener und andererseits in sich fast homogener, 
so dass die Provenienz jedes dieser Kerne aus der ganzen Rinde 
sehr unwahrscheinlich ist; bei den niederen Säugern aber lässt 
die Lagerung der Kerne zueinander an eine solche Genese schon 
gar nicht mehr denken, und endlich habe ich den Übergang der 
„äusseren Rindenfalte* in das Claustrum in der ganzen Reihe 
nicht gefunden. Ich lege vielmehr Wert auf die Feststellung, 
dass ein solcher Übergang tatsächlich nirgends existiert. Dass 
ich auch die weitere Annahme Mondinos, dass der Mandelkern 
in den Schweif des Nucleus caudatus übergehe, und dass die 
Fasern der Stria cornea nicht in dem Mandelkern endigten, für 
irrig halte, mag gleich an dieser Stelle erwähnt werden. 

Das histologische Verhalten der einzelnen, die drei 
Kerne des Komplexes zusammensetzenden Zellelemente schliesslich 
muss ich kurz abtun, indem ich auf die einzelnen Abschnitte 
verweise: die phylogenetisch fortschreitende Tendenz der Gehirn- 
zellen, sich aus mehr rundlichen, blasenförmigen, den Embryonal- 
zellen ähnlichen Formen (dem Typus r im ersten Teil) zu immer 
schärfer polardifferenzierten Formen (Typus p) umzugestalten, 
macht sich auch in dem in Frage stehenden (Grebiet bemerkbar 
und erschwert den Vergleich der Zellformen bei den einzelnen 
Ordnungen. Ganz allgemein kann man sagen, dass die Zellen 
des erosszelligen Kerns nicht nur auffallend grosse, sondern auch 
stark leuchtend gefärbte schon bei den niedereren Tieren vor- 
wiegend, bei den höheren ausschliesslich polardifferenzierte, eckige 
(Gebilde sind. Auch die Zellen des medialen mittelgrosszelligen 
Kerns T sind meist ziemlich gross und lebhaft gefärbt, während 
die des lateralen, mittelgrosszelligen Kerns M ausgesprochen 
kleiner und blasser erscheinen. Immerhin stechen sie doch noch 


1) Siehe I. Teil, p. 575. 


Anatomie des Mandelkerns ete. 505 


deutlich gegen die noch kleineren und blasseren, bei den höheren 
Tieren stets eckigen Striatumzellen ab. Dass die Zellen in T 
recht verschiedenes Aussehen haben, ohne dass man doch 
distinkte Untergruppen sicher unterscheiden könnte, wurde schon 
gesagt. 

2. Der Rindenanteil des Mandelkerns, durchgehend 
mit B bezeichnet, deckt den unter 1 besprochenen Komplex von 
medial resp. ventro-medial her. (Vergl. im I. Teil die Tafelfiguren 
2, 3, 4 und 15—18, ferner in diesem Teil Fig. 13, 14, 23, 27.) 
Er steht bei allen Tieren in Berührung mit dem lateral anstossenden 
medialen mittelgrosszelligen Kern T, in dessen ventralen Teil er 
ohne scharfe Grenze übergeht, während er im dorsalen (Gebiet 
beider Zellgruppen überall von T durch einen zellfreien, meist 
kommaförmigen Raum getrennt ist, wenigstens in den distaleren 
Teilen, in den Höhen, in welchen, wie vorweg bemerkt werden 
mag, die Stria terminalis sich in das Gebiet des Mandelkerns 
ergiesst. Er überragt bei allen Tieren den Hauptkomplex nach 
hinten, während oral die ihn kennzeichnende Formation in früheren 
Ebenen aufhört, als jener. Der Rindenanteil legt sich also dem 
„Komplex“ von medial und hinten an. Wegen des histologischen 
Verhaltens dieser Formation muss ich aus den eben erwähnten 
Gründen auf die einzelnen Abschnitte verweisen. Ich denke mir 
diesen Rindenanteil des Mandelkerns aus zwei in transversaler 
Richtung aufeinander folgenden Teilen bestehend. Der eine Teil, 
der laterale, B, schien sich mir aus der intermediären Rinde des 
Lobus pyriformis unter Umwandlung der Lagerung und wohl 
auch der Form seiner Zellen zu entwickeln; er bildet gewisser- 
massen die Wurzel des Rindenanteils. Der mediale Teil B‘ aber 
entsteht in folgender Weise: da, wo die Rinde des Lobus pyriformis 
sich in das Ammonshorn einrollt und wo, wie oben ausgeführt, 
die äusseren Schichten des ersteren diese Einrollung entweder 
(distal) nur eine Strecke weit oder (oral) garnicht mitmachen, 
bildet das Ammonshorn die Brücke von dem medialen Ende dieser 
Schichten zu „der Schnürfurche, durch welche sich die Hemisphären 
gegen das übrige Vorderhirn absetzen“ (Ziehen),') zum Sulcus 
hemisphäricus (Ziehen) oder der Stielfurche (His). Da, wo 


') Hertwigs Handbuch der vergleichenden und experimentellen Ent- 
wicklungsgeschichte der Wirbeltiere, Bd. II; Die Entwicklung des Zentral- 
nervensystems der Säugetiere, p. 280. 


506 Max Völsch: 


nun die Ammonseinstülpung oralwärts aufhört, zieht sich die 
Rinde als „terminaler Teil der Rinde des Lobus pyriformis“, wie 
ich vorschlug, in den Suleus hemisphäricus hinein, und diese 
terminale Rinde bildet den medialen Teil des Rindenanteils des 
Mandelkerns, B’. Wie mir scheint, nimmt in der Tierreihe die 
Bedeutung und Mächtigkeit des ersten lateralen aus der Pars 
intermedia entstandenen Teils für den Rindenanteil mehr und 
mehr ab, die des zweiten Teils, die „terminale Rinde“ mehr und 
mehr zu, bis schliesslich beim Affen nur noch oder fast nur noch 
die zweite Komponente in Frage kommt. 

Die Ausdehnung des Rindenanteils ist, namentlich in 
die Tiefe, eine recht wechselnde. Ich finde ihn stark entwickelt 
beim Igel und bei der Maus, viel schwächer beim Frettchen, 
etwas ausgedehnter bei Lemur, und beim Affen konstatierte ich 
eine überraschend starke Entwicklung, wenigstens in der Tiefe; 
in den vorderen Teilen des Mandelkerns scheint allerdings eine 
wesentliche Verflachung einzutreten. — Wie ich glaube, ist ein 
von Honegger!) beschriebenes Ganglion bei den Huftieren mit 
dem Rindenanteil identisch. 


3. In der Regio sublenticularis bilden sich unmittelbar, 
nachdem das Unterhorn des Ventrikels sich geschlossen und der 
ventrale oder kortikale Schenkel der Stria sich basalwärts ergossen 
hat, konstant bei allen Tieren, die ich untersuchte, mehrere Zell- 
gruppen, eine mittelgrosszellige laterale (E) und eine klein- 
zellige mediale (D). Von dieser Stelle aus breitet sich die 
letztere Gruppe ventralwärts in das Gebiet des Lobus pyriformis 
aus, den Rindenanteil (B) gewissermassen vor sich her drängend 
und ihn teilweise ersetzend. Auch diese Gruppe dürfte als der 
medialste modifizierte Teil der terminalen Rinde in den vor dem 
(rebiet des Rindenanteils gelegenen Frontalebenen aufzufassen 
sein. Der Bau der Gruppe ist stets sehr einfach, sie ist durchweg 
aus kleinen, bei den niederen Säugern rundlichen, bei den höheren 
meist pyramidenförmigen Zellen zusammengesetzt. Beim Igel 
bildet sie auf der Höhe ihrer Ausbildung eine ungefähr dreieckige 
Masse in der ventro-medialen Spitze des Frontalschnitts der 
Hemisphäre (Fig. 4. Taf. XXXVIL, Teil I), ganz ähnlich liegt sie 
beim Kaninchen, nach den Abbildungen Köllikers, auf dessen 


1) T.'Teil pa“ 


Anatomie des Mandelkerns ete. 507 


Fig. 716 und 717 (II. Aufl.) sie dem mit NA beichneten (Gebiet 
entspricht. Gerade diese Figuren sowie die von der Maus (Fig. 15, 
Taf. XL, Teil D), wo sie den übrigen Teilen des Mandelkerns 
dorso-medial als eine ziemlich kompakte Zellmasse anliegt, veran- 
lassen mich zusammen mit der Tatsache, dass auch sie zum 
Ausbreitungsgebiet der Stria terminalis gehört, sie zum Mandel- 
kern der Primaten zu rechnen, obwohl nun gerade bei den höheren 
Säugern die Gruppe ein mehr streifenförmiges Aussehen bekommt 
und sich dem „Komplex“ nicht so nahe anlagert. Auch darin 
besteht zwischen den letzteren und den niederen Säugern ein 
Unterschied, dass bei diesen die Kerne des Komplexes, T und M, 
weiter distal reichen, als der kleinzellige mediale sublentikuläre 
Kern, bei jenen das umgekehrte Verhältnis besteht; als ob bei 
der erwähnten oralen Verschiebung des Komplexes diese dicht 
am Stamme und zum Teil noch im Stamme selbst gelegene 
Gruppe die Verschiebung nicht mit machte, sondern an Ort und 
Stelle bliebe. Dagegen gewinnt man den Eindruck, dass bei der 
Verschiebung des basalen Teils der Hemisphäre um die sagittale 
Achse (s. oben) gerade die Gruppe bei den höheren Säugern 
medialwärts verschoben würde, so dass sie in Form jenes Streifens 
sich um den Sulcus hemisphäricus herumlagert und selbst noch 
eine kleine Strecke weit an der Basis des Stammes hinzieht. 
(Vergl. betreffs der Gruppe D die Fig. 14, 23, 26, 27.) 
Oralwärts vom Mandelkernhauptkomplex verliert sich auch 
die besprochene Gruppe, und, da auch der Rindenanteil hier mehr 
und mehr verschwindet, auch die laterale mittelgrosszellige 
sublentikuläre Gruppe E (s. unten) sich nicht mehr deutlich 
markiert, kommen wir hier in ein Gebiet von mässig zahlreichen, 
ohne Ordnung und Gruppenbildung durcheinander gewürfelten 
Zellen, welches sich gegen die Umgebung, speziell auch gegen 
das dorsal anstossende Striatum schwer abgrenzbar erwies. Ich 
nannte es den „basalen Spitzenkern“. Wenn ich beim Igel 
dabei auch mehr an die medio-ventrale „Spitze“ der Hemisphäre 
im Frontalschnitt dachte, so trifft die Bezeichnung für die höheren 
Säuger doch auch in dem Sinne zu, dass unter dieser Spitze der 
oralwärts sehende Pol des makroskopischen Lobus pyriformis ver- 
standen werden könnte. Die Bezeichnung als „Kern“ verdient 
diese ungeordnete Zellmasse allerdings nicht. In diesem Gebiet, 
beim Halbaffen weit hinaufgeschoben, dicht über den Sulcus 


508 Max Völsch: 


hemisphäricus und noch innerhalb des S-förmigen Streifens D, 
liegt aber schliesslich noch eine kleine, aber stark hervortretende 
Zellanhäufung, D‘, welche ich beim Igel als End- oder Ursprungs- 
stätte eines zur Stria terminalis ziehenden Bündels, als Kern 
des sagittalen Längsbündels der Stria rekognoszierte 
(Fig. 6, Taf. XXXVIH, Teil D. Auch bei der Maus (ebenda 
Fig. 20, Taf. XL) und beim Frettchen (Fig. 16), fand ich die 
(ruppe an fast genau derselben Stelle, beim Halbaffen, wie gesagt, 
etwas medialwärts gegen die Stammbasis verschoben; nur beim 
Affen konnte ich nichts davon entdecken. Sie ist wahrscheinlich 
identisch mit dem Tractus olfactorius- Kern von Ganser und in 
der Tat konnte ich für Kaninchen und Frettchen Faserzüge aus 
dem Tractus olfactorius zu dem Kern nachweisen, wie Ganser 
für Talpa, während mir das beim Igel allerdings nicht gelang. 
Das erwähnte Zuzugs- oder Abflussbündel aus der oder in die 
Stria hat auch schon Honegger für niedere Säuger gesehen. 
Aus dem Kern entwickelt sich noch ein dritter Faserzug, welcher 
medialwärts nach der Basis des Stammes und ihr entlang zieht. 

Schliesslich noch einige Worte über die Faserung inner- 
halb des eigentlichen Mandelkerngebietes und den Verlauf dieser 
Fasern. Bei allen untersuchten Tieren umgibt sich der Mandel- 
kernhauptkomplex mit einer mehr oder minder starken Faser- 
kapsel, welche ihn von allen Seiten einhüllt, bis auf die an der 
medialen Seite gelegene Übergangsgegend zum Rindenanteil (Igel, 
Kaninchen, Frettchen, Affe). Aus der Faserkapsel dringen zahl- 
reiche Fasern in den Komplex ein, bei weitem am reichlichsten 
in den grosszelligen Kern; hier sind sie vielfach zu Bündelchen 
gesammelt, welche durch den Frontalschnitt schräg getroffen 
werden und dadurch dem grosszelligen Kern bei allen untersuchten 
Tieren ein dem Fell des Hermelins vergleichbares Aussehen geben. 
Der mediale mittelgrosszellige Kern ist viel faserärmer, der 
laterale überall fast faserfrei. Innerhalb des Hauptkomplexes 
und zwar in der Umgebung des grosszelligen Kerns sammeln 
sich die Fasern zu kompakten längsgetroffenen Bündeln, so dass 
beim Affen der Komplex durch die beiden bereits erwähnten 
schräg vertikal in der Schnittebene verlaufenden Marklamellen 
schon makroskopisch in seine drei Unterabteilungen zerlegt ist 
(vergl. zu dem allen die Fig. 8—11, Teil I, auf den Tafeln, ferner 
Fig. 17, 18 und 28). 


Anatomie des Mandelkerns etc. 509 


Ein starker Faserzug, welcher ebenfalls schräg vertikal ver- 
läuft, schiebt sich in den distaleren Teilen des Mandelkerns von 
oben her zwischen den Hauptkomplex und den Rindenanteil in 
einen im Zellpräparat kommaförmigen Molekularraum hinein; 
er gibt Fasern nach beiden Seiten hin ab. Im Rindenanteil 
sieht man ebenfalls bei allen Tieren eine mehr oder weniger 
stark hervortretende Fasernetzbildung, die aber stets viel 
schwächer ist, als im grosszelligen Kern. Im medialen klein- 
zelligen Kern (D) des Igels breiten sich von dorsal her aus der 
Stria terminalis eintretende Fasern fächerförmig aus, die medialsten 
sind zu einem schmalen Bündelchen gesammelt (Fig. 10, Taf. XXXIX, 
I. Teil), in ähnlicher Weise beim Kaninchen und — nach Uajal — 
bei der Maus („Tangentialbündel der Amyegdala“). Sehr spärlich 
finde ich die Fasern zu dem kleinzelligen Kern des Frettchens, 
auch beim Halbaffen und Aften sind sie nicht sehr auffällig; bei 
letzterem zieht ein Bündel zwischen ihm und dem Rindenanteil 
hindurch zur Tangentialfaserung des letzteren. 

Was die Herkunft aller dieser Fasern betriftt, so stammen 
die Faserkapsel des Hauptkomplexes und die ihn durchziehenden 
Fasern einerseits aus dem Mark des Lobus pyriformis, und es 
kann kein Zweifel sein, dass es die Radiärfaserung dieses Lappens 
resp. ein Teil dieser Radiärfaserung ist, welche das Material für 
die zuführenden Fasern liefert. Auf der anderen Seite treten 
Fasern aus dem Komplex: 1. in die Stria terminalis, zum Teil 
handelt es sich dabei um ein ununterbrochenes Hindurchtreten 
jener zuführenden Fasern, zum Teil aber erleiden dieselben gewiss 
in den Zellen der Kerne, namentlich des grosszelligen Kerns eine 
Unterbrechung, und Bahnen neuer Ordnung gehen von ihnen aus. 
Ebenfalls zur Stria gehen die Fasern aus dem kleinzelligen 
medialen Kern und aus dem Rindenanteil; da beide ja als modi- 
fizierte Rinde anzusehen sind, sind diese Fasern mit denen gleich- 
geordnet, welche aus der Regio olfactiva direkt durch den Komplex 
hindurch oder um ihn herum zur Stria ziehen. — Aus dem 
Komplex ziehen ferner Fasern 2. zu den noch zu erwähnenden 
Zellgruppen der Regio sublenticularis und 3. zum Putamen. Ob 
damit die Abflusswege aus dem Mandelkern erschöpft sind, ist 
fraglich. 

Nach den positiven Ergebnissen aber halte ich den Mandel- 


kern zum Teil (Rindenanteil und kleinzelliger Kern) für den 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 33 


510 Max Völsch: 


Ursprungsort direkter Rindenfasern zur Stria, zum 
Teil aber für eine Durcehgangsstätte und Unter- 
brechungsstation von Fasern, welche aus der Regio 
olfactiva zur Stria terminalis ziehen. (Vergl. Ariens 
Kappersl.c. p. 276.) 

V. Die Stria terminalis hat bei allen untersuchten 
Tieren denselben typischen Verlauf, wie er von Kölliker!) für 
Kaninchen und Mensch, von Cajal?) für die Maus beschrieben 
ist. Überall verläuft der dorsale Schenkel im Suleus strio-thala- 
micus nach hinten, um sich an der hinteren Grenze der Ver- 
wachsungsstelle von Stamm und Hemisphäre, um den in die 
letztere eintretenden Peduneulus herum als Bogenteil ventral 
zu wenden. Bei den Tieren, welche ein unter den Stammteil 
hinuntergeschobenes Ventrikelunterhorn nicht oder kaum besitzen 
(Igel, Maus, Kaninchen), strömen die Fasern der Stria aus dem 
Bogenteil direkt oder fast direkt an ihren Bestimmungsort (die 
Mandelkerngegend). Wo hingegen ein solches Unterhorn existiert 
(Frettchen, Halbafte, Affe) biegt die Stria, dorsal von ihm, als 
ventraler Schenkel oralwärts um und tritt erst vor der vorderen 
Spitze des Unterhorns ventralwärts in jene Gegend ein. — Ich 
kann für alle jene Tiere bestätigen, dass das geschlossene Stria- 
bündel viel graue bei Palfärbung ungefärbt bleibende Masse mit 
sich führt; beim Igel sprach ich kleine strichförmige Zellen, 
welche speziell im Bogenteil die Striafasern begleiteten, als einen 
„begleitkern der Stria* (Ziehen) an. — Die Fasern der 
Stria sind immer sehr fein und schwach gefärbt. Doch sieht man 
in dem meist halbmondförmigen Querschnitt des dorsalen und, 
wo er vorhanden, auch des ventralen Striaschenkels auch Bündel 
stärker gefärbter Fasern, welche bald (Affe) nur kurze, bald 
(Frettchen) über längere Strecken, beim Kaninchen fast im ganzen 
Verlauf der Stria, durch den Bogenteil hindurch, zu verfolgen 
sind. Aus dem Ensemble dieser Beobachtungen möchte ich 
schliessen, dass es das sagittale Längsbündel der Stria ist (s. unten), 
welches sich als geschlossenes stark gefärbtes Bündelchen durch 
die ganze Stria terminalis zieht, um schliesslich oral von dem 
dorsalen Schenkel aus, in welchen es dicht an den Thalamus 
gelagert verläuft, in letzterem zu endigen (Frettchen). Ein zweites 


ı\ 1.c. p. 624 und 629. 
LICH 


Anatomie des Mandelkerns etc. >17 


im ventralen Schenkel dicht lateral vom Tractus opticus eine 
Strecke weit zu verfolgendes Bündelchen schwarzer Fasern scheint 
eine Fortsetzung des „Tangentialbündels der Stria* (Cajal) aus 
dem medialen kleinzelligen Kern zu sein (Frettchen). 

Über die hintere (Kölliker) oder besser kortikale 
Endigung der Stria, welche jedenfalls im wesentlichen den 
Ursprung des Bündels darstellt, kann ich fast ganz in Über- 
einstimmung mit Kölliker folgendes sagen: Die Stria ergiesst 
sich unmittelbar vor dem Ventrikelunterhorn, also in den distalen 
Teilen des Mandelkerns in mächtigem Zuge basalwärts in jenen 
kommaförmigen Raum zwischen Rindenanteil und Hauptkomplex 
des Mandelkerns, Fasern nach aussen (Komplex) und innen 
(Rindenanteil) abgebend. Viele Fasern strömen auch direkt zur 
dorsalen Seite des Mandelkernhauptkomplexes, dringen in ihn ein, 
namentlich in den grosszelligen Kern und tragen zur Bildung 
seiner Kapsel in grossem Maße bei. Viele Fasern gelangen auf 
dem einen oder anderen Wege (auch durch den Komplex hindurch) 
zur Rinde des Lobus pyriformis, namentlich auch zu dem Über- 
sangsgebiet der Regio olfactiva und intermedia. Reichliche 
Fasern wenden sich — in den oraleren Abschnitten des Mandel- 
kerns —, darunter (bei Igel, Kaninchen, Maus) das „Tangential- 
bündel“ Cajals, zum medialen kleinzelligen Kern. Schliesslich 
tritt beim Igel und Kaninchen, was für das letztere schon 
Kölliker beschrieben hat, ein kräftiger Faserzug aus dem 
ventralen Striaschenkel ventralwärts in den Lobus pyriformis, 
biegt hier nach vorn und hinten um und bildet so das sagittale 
Längsbündel der Stria. Der hintere, nur beim Igel als 
kompaktes Bündelchen, beim Kaninchen als lockere Faserung 
imponierende Schenkel zieht zum distalen Teil des Rindenanteils, 
der vordere Schenkel zum Kern des sagittalen Längsbündels, dem 
Tractus olfactorius-Kern von Ganser (D‘). Beim Frettchen ent- 
spricht dem sagittalen Längsbündel wahrscheinlich ein sagittal 
ziehender Zug in der Regio sublentieularis, welcher erst, etwa 
in der Höhe des letzterwähnten Kernes angelangt, ventralwärts 
zu ihm umbiegt (Fig. 18Q). Beim Affen konnte ich weder den 
Faserzug noch den Kern finden. Über seine Fortsetzung in der 
Stria s. oben (vergl. zur kortikalen Endigung der Stria die Fig. 9—12 
auf den Tafeln Teil I, ferner Fig. 18 und 28). — Nicht be- 


stätigen kann ich die von Kölliker und Cajal angenommene 
Do 


ul Max Völsch: 


Endigung im Linsenkern; wahrscheinlich kommt die Differenz 
daher, dass beide den Hauptkomplex zum Linsenkern rechnen. 

Die subkortikale Endigung der Stria finde ich ebenfalls 
fast ganz so, wie Kölliker es darstellt. Sie endigt 1. in den 
„grauen Massen medial von der Capsula interna“ (Igel) resp. „ge- 
wissermassen hinter dem schräge von oben hinten nach unten 
vorn hinabziehenden unteren Thalamusstiel“ in der Regio sub- 
thalamica („medialem Längsfaserfeld und dem ihm anliegenden 
Grau“), hinter dem Mittelstück der vorderen Kommissur dorthin 
hinabsteigend (Affe); 2. mit einem lateralen Bündelchen in der 
hinteren Kommissur; 3. mit einem medialen Bündelchen wahr- 
scheinlich im Fornix (Affe). Vergl. Fig. 12, Taf. XXXIX, Teil I 
und Fig. 25: beide Schnitte liegen noch hinter der Kommissur. 
Wahrscheinlich senken sich im Verlauf des dorsalen Stria- 
schenkels einzelne Fasern in den Nucleus caudatus und den 
Thalamus optieus. 

VI. Unter der Regio sublenticularis (resp. substriata) 
verstehe ich den Raum zwischen Corpus geniculatum laterale, 
Traetus optieus und, wenn letzterer sich weiter oral an die Stamm- 
basis gezogen hat, dem Suleus hemisphäricus einerseits und dem 
basalsten Teil des Putamens (resp. der ihm anliegenden Cauda 
nuclei caudati und dem zwischen ihnen verlaufenden sublentikulären 
Mark), weiter oral dem Hinterhorn der vorderen Kommissur 
andererseits. Der Raum entsteht dadurch, dass das Putamen bei 
den höheren Säugern stets weiter basal herabreicht, als die Innen- 
glieder des Linsenkerns. Er hat etwas isthmusartiges und wird 
dorsal vom Globus pallidus, ventral vom Ventrikel resp., weiter 
vorn, vom Mandelkernhauptkomplex begrenzt. Er ist hinten sehr 
schmal, enthält hier nur den ventralen Striaschenkel mit dem ihm 
anliegenden Grau; nach vorn verbreitert es sich um so mehr, 
je weiter der Tractus opticus sich medialwärts zieht. Bei den 
untersten Säugern (Igel, Maus), bei welchen das Putamen lange 
nicht so tief hinabreicht, verläuft sein Breitendurchmesser nicht 
horizontal, wie bei den höheren, sondern schräg von unten innen 
nach oben aussen, der Raum ist nicht so scharf markiert, aber 
prinzipiell doch vorhanden. Er enthält einige bemerkenswerte 
Komplexe, unter welchen zunächst zu nennen ist: 

1. Der uns bereits bekannte mediale kleinzellige Kern des 
Mandelkerns (D). 


Anatomie des Mandelkerns ete. 53 


2. Der mittelgrosszellige laterale sublentiku- 
läre Kern. Schon beim Igel fand ich in diesem „äusserst 
schwierigen“ Gebiet grössere und kleinere Zellen, die sich schwer 
einem der benachbarten Gebiete anreihen liessen (I. Teil, p. 605). 
Bei der Maus fand ich die Zellenmasse noch weit hervorstechender 
und bezeichnete sie mit E (I. Teil, p. 664, Fig. 19 und 20, Taf. XL). 
Auch beim Frettchen fand ich die Gruppe E (p. 395, Fig. 14 und 15), 
ihre Zellen ziemlich stark gefärbt und sich von den Striatumzellen 
unterscheidend, desgleichen bei Lemur (s. Fig. 23) und beim Affen 
(Fig. 26 und 27), bei welchem sich sogar einige Unterabteilungen 
aufstellen liessen. 

Schon aus morphologischen (Gründen ist man gezwungen, den 
Komplex E vom Putamen zu scheiden. Durchweg sind die Zellen 
stärker tingiert und, wenigstens zum Teil, deutlich grösser, als 
die Striatumzellen. Während letztere ferner durchweg gleich- 
mässig gross und eckig sind, variieren die E-Zellen vielfach in 
Grösse und Gestalt. In den oralen Ebenen verlieren sich die 
Zellen allmählich, zum mindesten verschwindet alles, was an ihnen 
charakteristisch ist, die Zusammenfassung zu einer oder einigen 
distinkten Gruppen, und sie gehen in das Gebiet über, welches 
ich als „basalen Spitzenkern“ bezeichnete, bilden gewissermassen 
die dorsale Etage desselben, während die ventrale Etage die orale 
räumliche Fortsetzung des Mandelkernhauptkomplexes ist. 

Schon im Zellpräparat erkennt man vielfach, am deutlichsten 
beim Affen, dass die Zellgruppe von Fasern durchzogen wird, und 
im Faserpräparat vom Frettchen und Cercopithecus wird das 
sicher; man sieht zahlreiche Fasern in vertikaler Richtung durch 
diese (Gegend hindurchziehen und es ist wohl sicher, dass ein 
grosser Teil dieser Fasern in den Zellen derselben endet, während 
andere zu dem sogleich zu erwähnenden Basalganglion ziehen 
dürften. Diese Fasern stammen zum Teil aus der Faserkapsel 
und aus dem Fasergeflecht in dem Mandelkernhauptkomplex, zum 
Teil kommen sie, zumal in den oralen Ebenen, vor dem vorderen 
Ende dieses Komplexes direkt aus dem tiefen Mark des Lobus 
pyriformis (s. Fig. 15 und 19 Frettchen und Fig. 25 Affe). 

Die Zellen des lateralen mittelgrosszelligen sublentikulären 
Kerns können danach als eine Unterbrechungsstation der Markfasern 
des vorderen (olfaktiven) Teils des Lobus pyriformis angesehen 
werden, zu welcher diese Markfasern teils direkt, teils aber auch 


514 Max Völsch: 


indirekt durch den Mandelkern gelangen. Da nun die Möglichkeit 
sehr nahe liegt, dass diese letztere Kategorie nicht zu den Fasern 
gehört, welche den Mandelkern einfach durchziehen, sondern 
zu denen, welche in ihm unterbrochen werden, so stellt die 
Gruppe E, wenigstens zum Teil, eine zweite Unter- 
brechungsstation für die Markfasern. des Lobus 
pyriformis dar, ist also, teilweise wenigstens, dem Mandel- 
kernhauptkomplex übergeordnet. Dieses Moment hat mich mit 
veranlasst, die Gruppe nicht zum Mandelkern zu rechnen. 

3. Völlig gleichwertig in bezug auf die soeben erwähnten 
Fasern mit der soeben besprochenen Gruppe ist meines Erachtens 
beim Aften ein dorsal davon gelegener Komplex grosser leuchtend 
gefärbter, eckiger, ca. 20—25 u grosser Zellen, welcher dem von 
Kölliker sogenannten Basalganglion Meynerts entspricht. 
Er wählte diese Benennung statt der von Meynert gebrauchten 
Bezeichnung „Ganglion der Hirnschenkelschlinge“ (Nucleus ansae 
peduneularis). Ich kann für Macacus die von Kölliker!) ge- 
gebene Schilderung (für den Menschen) in allem wesentlichen 
bestätigen, sehe es zuerst in den Höhen, wo der Tractus opticus 
gerade aus dem Corpus geniculatum laterale entstanden ist, als 
ein schmales Häufchen zwischen Tractus und Putamen, und sehe 
es auch weiter vorn, im gleichen Maße, wie der Tractus sich 
medialwärts schiebt und der sublentikuläre Raum sich verbreitert, 
breiter werdend, immer an der Basis des Globus pallidus zwischen 
lateralem Ende des Tractus und Putamen resp. Hinterhorn der 
vorderen Kommissur. Es bildet in diesen Höhen einen höchst 
auffälligen Komplex. Die Schilderung Köllikers über seine 
Ausbreitung in der Höhe des Septum pellueidum kann ich nicht 
mehr bestätigen, ohne sie bestreiten zu wollen. Für mich ver- 
mischen sich in der Höhe der Substantia perforata anterior die 
Zellen des Basalganglions so innig mit denen der letzteren Region, 
dass ich sie nicht mehr auseinanderhalten kann. Auch beim 
Halbaften sind in manchen Präparaten, wie eine neuerdings vor- 
genommene Revision mir zeigte, dorsal von E entsprechende 
grosse stark tingierte Zellen vorhanden, die ich früher als zum 
Innenglied des Linsenkerns gehörig ansah, die aber sicher nach 
(Grösse und Lage dem Basalganglion entsprechen. Da die vor 
mehreren Jahren geschnittene Serie aber doch schon recht ab- 


1) 1. c. p. 456. 


- 


Anatomie des Mandelkerns etc. Hl 


geblasst ist, möchte ich mir ein Urteil über dieses Ganglion im 
ganzen ‚lieber versagen. Beim Frettchen und den niederen 
Säugern finde ich derartig grosse Zellen an dieser Stelle höchstens 
angedeutet. 

Dagegen beschrieb ich bei allen untersuchten Tieren in 
dieser Gegend Zellen, welche weit kleiner, als die soeben be- 
sprochenen, meist strichförmigen Aussehens, die Faserzüge der 
Linsenkernschlinge begleiteten; ich bezeichnete sie zunächst 
als G, später als N. a.p. Ich habe mir von der Linsenkernschlinge 
zunächst des Aften folgendes Bild gemacht. Die Fasern stammen 
in den distalen Teilen der Schlinge wesentlich aus der Mark- 
lamelle zwischen dem zweiten und dritten Gliede des Linsenkerns, 
erst weiter oral nehmen auch Fasern aus der Marklamelle zwischen 
Putamen und Globus pallidus daran teil. Auf der anderen Seite, 
medialwärts, glaube ich eine Dreiteilung dieser Fasern zu sehen: 
1. nur in den oraleren Ebenen die „Hirnschenkelschlinge“ 
(Lisch. b von v. Monakow), welche sich um die Capsula interna 
herumschlingt und im dorsalen Thalamusgebiet endigt, 2. weiter 
distal die Linsenkernschlinge sensu strietiori (Lisch.a v. Monakows), 
welche den sich zur Capsula interna umwandelnden Pedunculus 
durchquert, zu diesem Zweck sich erst dorsal-, dann wieder 
medialwärts wendet, und nach der Durchquerung im Corpus Luysii 
endigt (s. p. 476); 3. ich glaube aber auch Fasern zu sehen, 
welche aus der Linsenkernschlinge unter dem dorsal strebenden 
Pedunculus und über den Tractus optieus in S-förmiger Krümmung 
zur Basis des Hypothalamus ziehen und dort vielleicht (?) in einem 
kleinen Ganglion endet (s. p. 476 und Fig. 27, das Ganglion dorsal 
vom medialen Teil des Tractus opticus resp. des Chiasma). — 
Der Zug ist nur in distaleren Teilen der Region bis zum Auf- 
treten des unteren Thalamusstiels erkennbar. Teils an der Hand 
von Faserpräparaten (Frettchen), teils aber auch im Zellpräparat 
nur geleitet durch die Lagerung der erwähnten Begleitzellen, 
deren Einlagerung in Faserzüge aus dieser Lagerung und aus 
ihrer meist länglichen, strichförmigen (Gestalt nahezu mit Sicher- 
heit erschlossen werden kann, habe ich bei allen untersuchten 
Tieren den ersten und dritten Teil der erwähnten Endigungen 
wiedergefunden. Ich glaube also, dass bei ihnen allen eine „Hirn- 
schenkelschlinge“ besteht ') im Sinne v. Monakows, und ebenso 


!) Im Gegensatz zu der im I. Teil ausgesprochenen Meinung. 


516 Max Völsch: 


der („ventrale“) Anteil der Hirnschenkelschlinge, welcher sich 
direkt über den Tractus optieus hinweg zum Hypothalamus begibt. 
Die zweite Endigung, die Linsenkernschlinge s. str. (Lisch. a 
v. Monakows) habe ich bei keinem der untersuchten Tiere, 
ausser dem Affen, nachweisen können. 

Ich will etwaige Beziehungen der Hirnschenkelschlinge (im 
weiteren Sinne) zum Basalganglion keineswegs bestreiten; aber 
ich meine doch, man sollte jene in ihrem Aussehen von den 
Zellen des Ganglions höchst verschiedenen Begleitzellen der 
Schlinge von ihm trennen und sie als „Begleitkern der 
Hirnschenkelschlinge“ bezeichnen. 

Da das Basalganglion, wie ich oben erwähnte, wohl sicher 
direkte oder indirekte Zuzüge aus dem Mark des Lobus pyriformis 
bekommt, und da andererseits die Verbindung der Linsenkern- 
schlinge mit ihm durchaus plausibel ist, da zumal in den distaleren 
Teilen der Gegend der Linsenkernschlinge beim Affen Fasern aus 
der äusseren Marklamelle des Linsenkerns mir ziemlich sicher 
zu dem Ganglion zu ziehen scheinen, so ist es mir nicht un- 
wahrscheinlich, dass in dem System der Linsenkern- 
schlinge (im weitesten Sinne) auch Fasern verlaufen, 
die die aus dem Mark des Lobus pyriformis über- 
mittelten Eindrücke weiter leiten. 

Im ersten Teil habe ich bei Igel und Maus eine dorsale 
Etage des Zellenzuges N.a.p. (G) beschrieben, in welcher die 
Zellen eine maschenförmige Anordnung zeigten. Sie haben mit 
der Linsenkernschlinge nichts zu tun, gehören vielmehr dem 
innersten, von vielen Faserbündeln durchzogenen Teil des Linsen- 
kerns an. 

VH. Über den Linsenkern und den Schweifkern 
habe ich nur weniges zu sagen. Das Putamen ist immer 
durch relativ kleine blasse Zellen gebildet, bei welchen sich 
übrigens die fortschreitende Tendenz, aus rundlichen embryonalen 
und etwas grösseren Formen zu kleinen eckigen Zellen zu werden, 
recht deutlich zeigt. Beim Igel besteht das Putamen aus rund- 
lichen Zellen von 10—15 u Durchmesser, beim Affen aus sehr 
typischen eckigen Zellen von 7—9 u Durchmesser. Das Putamen 
ist stets von vielen Faserstreifen durchzogen, fällt dadurch schon 
im Zellbilde sehr auf. Konstant fand ich unterhalb der vorderen 
Kommissur und durch sie abgeschnürt einen kleinen Rest des 


Anatomie des Mandelkerns ete. Halt 


Putamens (y in den Figuren). Die Zellen dieses abgeschnürten 
Haufens sind vielleicht etwas grösser, jedenfalls aber etwas 
stärker gefärbt, als die Striatumzellen (?). 

Der Globus pallidus zerfällt bei Igel, Maus und 
Frettchen in zwei Glieder, welche durch Eigentümlichkeiten der 
Morphologie und Lagerung der Zellen unterscheidbar sind. Das 
äussere dieser Glieder enthält relativ vereinzelte, aber grosse, 
eckige, leuchtend gefärbte Zellen (St‘); das innere Glied blassere 
eckige, gleichfalls ziemlich grosse Zellen (St?), welche eine 
maschenförmige Anordnung zeigen. In der Tat lehrt das Faser- 
präparat, dass dieses Glied von massenhaften schräg und längs 
verlaufenden Faserbündeln, wohl Anteilen der inneren Kapsel, 
durchzogen wird. Beim Igel und bei der Maus rechnete ich 
dieses Glied zunächst irrtümlich zum Kern der Hirnschenkel- 
schlinge (dorsale Etage). 

Bei Lemur schiebt sich zwischen das erwähnte äussere Glied 
des Globus pallidus und des Putamen noch ein Streifen ein, der 
fast zellfrei ist, nur ganz spärliche und ganz blasse mittelgrosse 
Ganglienzellen enthält (St’), und beim Affen scheint dieses, also 
das erste Glied, sogar über die St’-Zellen zu überwiegen. 

Vom Nucleus caudatus ist der Kopfteil bei allen unter- 
suchten Tieren gut ausgebildet, auch dürfen vielleicht gewisse 
bei allen Tieren beobachtete Zellanhäufungen basal vom Striatum 
als Schweifteil angesprochen werden. Sicher lässt sich das bei Igel, 
Maus und Frettchen nicht unterscheiden, weil ein kontinuierlicher 
Bogenteil fehlt; beim Frettchen finden sich übereinstimmend im 
Zell- und im Faserpräparat, dort Haufen kleiner länglicher Zellen, 
hier schwache Massen von Grau, welche unterbrochen sind und 
weder mit dem Kopf noch dem supponierten Schweifteil in Ver- 
bindung stehen, die ich aber doch als rudimentäre Anlage eines 
Bogenteils ansehe. Erst beim Halbaften finde ich einen ausge- 
sprochenen, kontinuierlich in typischer Weise verlaufenden, freilich 
auch noch recht schmächtigen Schweif des Nucleus caudatus. 

VIII. Das Claustrum ist beim Affen, Halbaffen und 
Frettchen deutlich ausgebildet und vom Linsenkern durch eine 
Capsula externa, von der Rinde durch eine mehr oder weniger 
deutliche Capsula extrema geschieden. In den distalen Teilen 
präsentiert es sich bei Affe und Halbaffe als ein länglich drei- 
eckiges Gebilde mit ventralwärts sehender Basis und weit dorsal- 


518 Max Völsch: 


wärts ausgezogener Spitze; beim Frettchen hat es mehr Kolben- 
form. Dieses Dreieck oder dieser Kolben ist als ein ventraler 
Schenkel aufzufassen, welchem sich in oraleren Ebenen mit der 
Grössenzunahme des Linsenkerns ein dorsaler Schenkel zugesellt; 
beim Frettchen besteht der letztere wiederum aus einem Kolben, 
dessen Anschwellung dorsalwärts sieht. So ist das Mittelstück 
bei weitem schmäler, ja es fehlt beim Frettchen im Zellpräparat 
bisweilen ganz, so dass die beiden Kolben, durch eine Lücke 
unterbrochen, übereinander liegen (s. Fig. 13—16, 18, 19). Das 
(Ganze umzieht in einem lateral-konkaven Bogen die Fissura 
Sylvii — eine Inselbildung ist beim Frettehen noch nicht vor- 
handen — resp. weiter oral die Fissura rhinalis lateralis, welche 
mit jener verschmolzen ist. Sowohl durch die Breitenausdehnung, 
als durch die starke Ausbildung des dorsalen Schenkels übertrifft 
die Vormauer des Frettchens bei weitem die der anderen Tiere; 
sie ist bei ihm weit am mächtigsten entwickelt. Beim Affen und 
Halbaffen ist der dorsale Schenkel zu einem relativ dünnen Streifen 
reduziert, welcher im Bogen sich um den dorsalen Rand der Insel 
herumzieht; allerdings ist medial von diesem Rand der Streifen 
medialwärts ein wenig ausgezogen, so dass er bei genauem Zusehen 
doch die Gestalt eines ganz stumpfwinkligen Dreiecks mit dorsaler 
Grundlinie bekommt. Auch hier ist in den distalen Frontal- 
ebenen die Lateralkonkavität des (rebildes in toto noch angedeutet. 
Weiter proximal aber krümmt sich beim Halbaften und besonders 
beim Affen das ventrale Ende ausgesprochen medialwärts, zieht 
sich auch medialwärts stärker aus und gelangt in die Nachbarschaft 
des Mandelkerns; beim Affen deutete ich einige Zellkomplexe 
zwischen beiden Gebilden als abgesprengte Teile des Claustrums, 
nirgends aber konnte ein Übergang und ein Zusammenfliessen 
der beiden Zellmassen beobachtet werden. Noch weiter oral 
krümmte sich das orale Ende des Claustrums medialwärts in 
den Raum zwischen Putamen und Mandelkern hinein und 
schliesslich sehen wir, dass der um das Putamen herumgekrümmte 
Schenkel in die streifenförmige Fortsetzung der Formation des 
Lobus pyriformis an der Basis des Stirnhirns und lateral vom 
Traetus olfactorius hineinragte, dass aus seinen Zellen die tiefe 
Zellschicht dieses Streifens wurde (s. Fig. 24 von Lemur). 
Abgesehen von dieser Beobachtung, welche mir für die 
Deutung des Wesens der Vormauer beachtenswert scheint, sieht 


Anatomie des Mandelkerns etc. 519 


man nun häufig im Zellpräparat die Elemente derselben durch 
die Capsula extrema hindurch mit denen der Lamina multiformis 
in Berührung treten und sich vermischen (Frettchen, orale Ebenen). 
Dazu kommt, dass diese Elemente sich wesentlich von den be- 
nachbarten Zellkomplexen unterscheiden. In Frage kommt da 
das Putamen und der Mandelkern, speziell der mittelgrosszellige 
laterale Kern. Die Zellen beider Komplexe sind blasser und 
kleiner, als der Durchschnitt der Claustrumzellen, die des Putamen 
noch blasser und kleiner als die des lateralen Kerns. Vor allem 
sind die Zellen dieser beiden Gebilde unter sich annähernd gleich, 
die Vormauerelemente sind dagegen ausgesprochen multiform: 
grössere und kleinere, Pyramiden-, Stern- und Strichformen, bald 
stärker, bald schwächer tingiert, sind bunt durcheinander geworfen. 

Ich muss nach alledem bei dem Streit über das Wesen des 
Claustrums (s. Einleitung I. Teil p. 5850) mich unbedingt auf die 
Seite derjenigen stellen, welche seine Zugehörigkeit zum Striatum 
leugnen und es als einen — sei es abgespaltenen, sei es einge- 
schnürten — Teil der multiformen Schicht der Rinde 
ansehen.!) Ein Zusammenhang mit dem Mandelkern bestelıt 
meines Erachtens nicht. 

Besonders hervorheben möchte ich nochmals die relative 
Mächtigkeit der Vormauer beim Frettchen, welche sich neben 
den angeführten Momenten auch darin manifestiert, dass sie 
den Linsenkern nach distal erheblich überragt, während sie beim 
Affen ungefähr in derselben Höhe, wie das Putamen, ihr hinteres 
Ende hat, beim Halbaffen sogar erst etwas davor. Vielleicht hat 
es auch eine Bedeutung, dass das Claustrum gerade beim Frettchen 
so stark entwickelt ist, bei welchem die Ausdehnung des Mandel- 
kerns im Verhältnis zu der beim Igel und bei der Maus (s. die 
Zahlen p. 502) eine ganz auffallend geringe ist. 

Bei diesen Tieren existiert ein eigentliches, durch eine 
Capsula extrema von der Rinde geschiedenes Claustrum nicht. 
Dagegen fand ich beim Igel eine dem Linsenkern aussen ange- 
lagerte Verbreiterung der tiefsten Rindenschicht, bestehend aus. 


!) Vergl. die soeben erschienene Arbeit von de Vries: Bemerkungen 
zur Ontogenie und vergleichenden Anatomie des Olaustrums, Fol. neurobiolog., 
Bd. IV, 1910, die ich ebenso wie desselben Verfassers Arbeit: Das Corpus 
striatum der Säugetiere, Anatom. Anzeig., XXXVII, 1910, nicht mehr be- 
nutzen konnte. 


520 MrasxeaVgonlesteih® 


sehr mannigfaltigen Zellen (S’ p. 608 und Textfig. 7, I. Teil). An 
entsprechender Stelle kontrastierte das Aussehen der tiefsten Rinden- 
schicht auch bei der Maus durch seine Zusammensetzung aus 
meist grossen, stark gefärbten, verschieden geformten Zellen stark 
gegen die übrigen Teile derselben Schicht (p. 666, Fig. 14, p. 668, 
I. Teil). Siehe auch die Tafelfig. 7, 17—20, I. Teil. Beim Kaninchen 
ist diese Zellanhäufung sehr stark, nach Honegger, dem ich 
mich darin anschliesse, dass in diesen Verdickungen und Zellen- 
anhäufungen der multiformen Schicht das Analogon des Clautrums 
zu sehen ist. Doch möchte ich auf die Möglichkeit hinweisen, 
die vielleicht mehr schon Wahrscheinlichkeit ist, dass der p. 611, 
I. Teil erwähnte und Taf. XXXVIL, Fig. 7 abgebildete Zellhaufen X 
ebenfalls der Beginn der Entwicklung eines ventralen Vormauer- 
schenkels darstellt. 

Was endlich die Faserung des Ulaustrums betrifft, so kann 
ich nur sagen, dass beim Frettchen aus den lateralen Teilen der 
vorderen Partien des Lobus pyriformis eine mässig starke Faserung 
zum Claustrum und zu der ziemlich spärlichen Capsula extrema 
zieht. Beim Affen gelangen dorthin Fasern aus dem Schläfen- 
lappen, in den oralen Ebenen aber ebenfalls aus dem Lobus 
pyriformis, speziell aus der oralen Fortsetzung seiner Formation 
an der Basis des Stirnhirns. Danach ist es wahrscheinlich, dass 
wenigstens Teile des Claustrums dieselbe funktionelle 
Bedeutung haben, wie der Mandelkern. 

IX. Substantia perforataanterior und Tuberculum 
olfaetorium. Bei Erinaceus konnte ich an der Basis des 
Stammes schon weit rückwärts immer an der Stelle, an welche 
die Spitze des Frontaldurchschnitts der Hemisphäre sich an ihn 
anlegt, das „basale Längsbündel“ Gansers erkennen. 
Medial davon lag eine ebenfalls quergetroffene Fasermasse, die 
aus sehr viel feineren Fasern zusammengesetzt war, in welche 
eine lebhafte Faseraufnahme aus dem anliegenden Grau nach- 
weisbar war, und welche ich bis in die Zona incerta verfolgen 
zu können glaubte. In der Höhe, wo der Tractus optieus sich 
ganz an die Stammbasis gezogen hat und nun mit dem ihm 
anliegenden Ganglion opticum basale noch weiter medialwärts 
zum Chjasma strebt, steigen aus dem Gebiet des Ganserschen 
Längsbündels und des soeben geschilderten ihm medial anliegenden 
„medialen Längsfaserfeldes“, sowie auch aus der dorso-lateral an 


1 
1 


Anatomie des Mandelkerns etc. 5: 


das erstere sich anschliessenden Region des Basalganglions und 
des innersten Linsenkerngliedes massenhafte Fasern zum Thalamus 
auf, der untere Thalamusstiel. Im Zellpräparat entsprach dieser 
Region die sogenannte zellfreie Zone der Stammbasis. Bald davor 
füllte sich diese Zone mehr und mehr mit Zellen, deren Haupt- 
charakteristikum die Unregelmässigkeit der einzelnen Elemente 
in Bezug auf Grösse, Gestalt, Tinktion und Lagerung war; ventral 
aber sah man einen Zug relativ regelmässig transversal gestellter, 
meist spindelförmiger Zellen. Im Faserpräparat aber erschienen 
wieder, nachdem der untere Thalamusstiel sich erschöpft hatte, 
das (ransersche Bündel und das mediale Längsfaserfeld, namentlich 
das erstere erheblich verstärkt (laterales Längsfaserfeld). Mit 
den Zellen zusammen bildete das letztere eine „Zellfaserplatte“, 
die Zellen und die Fasern, letztere gewissermassen lateralwärts 
und medialwärts umbiegend, drangen in das lateral gelegene 
Gebiet des „basalen Spitzenkerns“ und in das medial gelegene 
(rebiet des medialen Längsfaserfeldes und weiter bis zur Mittel- 
linie vor, allmählich die ganze Basis von der Medianlinie bis 
zum Traetus olfactorius überziehend, dorsal begrenzt von dem 
lateral und medial tief hinabtretenden Striatum. Durch dieses 
tiefe Hinabtreten des Striatums wurde die Zellfaserplatte nach 
vorn immer flacher. Sie entspricht dem Gebiet der Substantia 
perforata anterior. 

In gewisser Frontalhöhe überzieht sich diese Substanz nun mit 
einem Bande kleinster, dichtgelagerter Zellen, welches von lateral 
nach medial allmählich bis zur Mittellinie fortschreitet; es ist 
charakteristisch für das Tubereulum olfactorium; ich nannte 
die Substantia perforata anterior, soweit sie von diesem Bande 
überzogen ist, im Anschluss an Ganser die Rinde am Kopf des 
Streifenhügels. 

Die Fasern der Zellfaserplatte aber strömten inzwischen in 
starken Zügen in das Septum pellueidum hinein. (Über die 
Details s. die Darstellung beim Igel, I. Teil, p. 613, 627, 638 #t., 
651 sowie Textfig. 10, p. 629, Tafelfig. 7” und 9—12.) 

Ich kann diese Darstellung auch nach Durchsicht der Serien 
der übrigen Tiere aufrecht erhalten und habe ihr für die letzteren 
kaum etwas wesentliches hinzuzusetzen. Es liegen vielmehr genau 
dieselben prinzipiellen Verhältnisse vor bei der Maus, soweit aus 
Zellpräparaten allein geschlossen werden kann, und bei dem 


522 Max Völsch:; 


Frettchen, welches tatsächlich in allen Punkten genau überein- 
stimmend sich verhält. Beim Halbaften und Affen, bei welchen, 
wie oben erwähnt, der Tractus olfactorius etwas medialwärts ver- 
schoben ist, dringt die Zellfaserplatte nicht so weit lateralwärts vor, 
wie bei den niederen Säugern, überschreitet aber doch ein wenig 
die transversale Höhe des Tractus olfactorius. um zu den lateralen 
Teilen des Kopfes des Streifenhügels zu gelangen. Da die Tuber- 
culumrinde diese Grenze aber nicht überschreitet, so überragt 
bei diesen Tieren die Zellfaserplatte das Band des Tuberceulum 
ein wenig Jateralwärts. Aber auch bei ihnen finde ich, dass vor 
der zellfreien Zone (der (Gegend des unteren Thalamusstiels) 
zunächst die Zellfaserplatte an der basalen Oberfläche des Stammes 
erscheint, und dass sie sich erst weiter oral mit dem Bande 
kleiner Zellen umzieht, welche das Tuberceulum olfactorium kenn- 
zeichnet. Wenn R. y Cajal (l.c.p. 117) des „Spatium perforatum 
anterius“ des „Menschen“ dem Tubereulum olfactorium der 
Tiere gleichstellt, so vermag ich dem nicht beizustimmen. Bei 
den Tieren und zwar auch noch bei den niederen Aften findet 
man durchweg eine Region, welche der Lage nach der Substantia 
perforata des Menschen völlig entspricht, und welche sich durch 
den Bau, durch das Fehlen der kleinzelligen Rindenschicht scharf 
unterscheidet von dem erst weiter oral beginnenden Tuberculum 
olfactorium. Dass ich mit Cajal, der mir sonst auf vielen der 
behandelten Gebiete ein nie versagender Führer und Ratgeber 
gewesen ist, bezüglich dieser Region auch in einigen anderen 
Punkten nicht übereinstimme, habe ich bereits oben p. 466 aus- 
geführt (vergl. für Abschnitt IX die Fig. 16, 18, 19, 24, 28). 


Zeichenerklärung. 
A — Ammonshorn. 
Bg — Basalganglion. 
B — „Rindenanteil“* des Mandelkerns, B' medialerer Teil desselben. 
0.8. — Üommissura anterior. 
CC. — Corpus callosum. 
Cl. — Claustrum, C]' Cl" dorsaler und ventraler Schenkel desselben. 
.g.l. = Corpus geniculatum laterale. 
Ch. — Ühiasma. 
G- 3: — Capsula interna. 


Coll. — Fissura oceipito-tempor. med. s. Oollateralis. 


F.d. — 
Fo. = 
Eorhinele — 
Ib, Jul, in, ee 
IHRaS: — 
6 Re = 
G. opt. b. 
RK — 
Don. — 
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M — 
N. c. — 
Neaspı,  — 
Q 
St. — 
SS Sr 
St. t. — 


| 


Anatomie des Mandelkerns etc. 525 


Medialer kleinzelliger (sublentikulärer) Kern des Mandelkerns. 

„Kern des sagittalen Längsbündels der Stria terminalis“. 

„Basaler Spitzenkern‘“. 

Fissura rhinalis medialis bezw. (distaler) eine in der Fort- 
setzung derselben, aber nicht mit ihr verbundene Furche. 

Mittelgrosszelliger lateraler sublentikulärer Kern, E' E? Teile 
desselben. 

Fascia dentata. 

Fornix. 

Fissura rhinalis lateralis. 

Fissura rhinalis medialis. 

Fossa Sylvii. 

Grenzkern zwischen Thalamus und Hemisphäre. 

Ganglion opticum basale. 

Gliazellanhäufungen. 

„Laterales Längsfaserfeld“ mit dem Ganserschen Längsbündel. 

„Mediales Längsfaserfeld“. 

Lateraler mittelgrosszelliger Kern des Mandelkerns. 

Nucleus caudatus. 

Begleitkern der Linsenkernschlinge (Nucleus ansae peduncularis). 

Sagittales Längsbündel der Stria terminalis? 

Putamen. 

— Innenglieder des Linsenkerns. 

Stria terminalis. 


SED: — Septum pellueidum. 

S.p.a. == Substantia perforata anterior. 

S.p.a’ == ventraler Teil derselben. 

T — medialer mittelgrosszelliger Kern des Mandelkerns. 
2% — zentraler grosszelliger Kern des Mandelkerns. 
Tb. olf., Tub. olf. — Tuberculum olfaetorium. 

Th. opt. = Thalamus opticus. 

Tr. off. = Tractus olfactorius lateralis. 

Tr. opt. = Tractus opticus. 

Une. — Üneus. 

U. Th. St. = Unterer Thalamusstiel. 

V — Ventrikel. 

V' — Unterhorn desselben. 


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Aus dem Anatomischen Institut der Universität Halle a. S. 


Über eine zweite Zellart in den Brunnerschen 
Drüsen des Menschen. 


Von 


Professor Dr. Albert Oppel in Halle a. S. 


Hierzu Tafel XVII. 

Unser Wissen über den feineren Bau des Vorderdarms des 
Menschen und über die von diesem Darmabschnitte ausgehenden 
Drüsenbildungen, zu welchen ich auch die Brunnerschen Drüsen 
ihrer phylogenetischen Entstehung nach rechne, ist erst Jüngeren 
Datums. Der feinere Bau des Vorderdarmes verschiedener Säuge- 
tiere, besonders des Hundes, ist dagegen schon früher bekannt 
geworden und man hatte sich daran gewöhnt, letztere Befunde 
auch für den Menschen als massgebend zu erachten. So kam 
es, dass fast jeder neue Fund, nach dem der menschliche Vorder- 
darm ein von dem für die Säugetiere angenommenen Schema 
abweichendes Verhalten zeigte, zunächst den Verdacht des 
„Abnormen“, vielfach des „Rudimentären“ und neuerdings der 
„Dekadenz“ erregte. 

In meinen Darlegungen im I. und II. Bande meines Lehr- 
buches (Oppel 96 und 97) sowie in meinen in den „Ergebnissen 
der Anatomie und Entwicklungsgeschichte* (Oppel 97—07) 
über ein Jahrzehnt fortgeführten, mein Lehrbuch ergänzenden 
Aufsätzen habe ich die einschlägige Literatur inhaltlich zur Dar- 
stellung gebracht, so dass ich hier nicht weiter darauf einzugehen 
brauche. 

Schon in jener Zeit habe ich die Empfindung gehabt und 
derselben auch wiederholt Ausdruck gegeben, dass es nicht an- 
gängig und auch gar nicht erforderlich ist, die dem Vorderdarm 
des Menschen zukommenden eigentümlichen Strukturverhältnisse 
auf diejenigen Gestaltungen zurückzuführen, welche uns heute 
lebende Vertreter irgend eines Carnivoren-, Chiropteren-, Rodentien- 
stammes oder einer anderen Säugetiergruppe zeigen. 

Viel plausibler erschien es mir, und dies ist auch heute 


noch meine Anschauung, dass sich die Struktur des Vorderdarmes 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 34 


526 Albert Oppel: 


der Primaten und besonders des Menschen ganz unabhängig von 
den Anordnungen, welche wir bei anderen Säugetiergruppen sehen, 
für sich aus einfacheren Verhältnissen herausgebildet und dabei 
in wesentlichen Punkten anders gestaltet hat, als dies bei den 
erwähnten übrigen Säugetiergruppen der Fall war. 

Solche Unterschiede sind nun in den Forschungen der 
letzten Jahre in nicht geringer Menge zutage gefördert worden. 

Durch die Güte des Herrn Geh. Rat W. Roux’, welchem 
ich auch das Material zu dieser Arbeit und die Anregung zur 
Veröffentlichung meiner Befunde verdanke, konnte ich in Halle a.S. 
an vorzüglich konserviertem menschlichem Material (vom Hin- 
gerichteten) eine Reihe der erwähnten in der neueren Literatur 
enthaltenen Ergebnisse selbst nachprüfen. Dabei fand ich vor 
allem die Untersuchungsresultate von J. Schaffer und anderen 
bestätigt, nach denen das Vorkommen der Belegzellen im mensch- 
lichen Vorderdarm viel weiter verbreitet ist, als man früher an- 
nahm und ich habe mich auch von dem von Stöhr entgegen 
den Einwänden der Kritik stets mit Bestimmtheit aufrecht er- 
haltenen Vorkommen von Belegzellen im Endabschnitt des 
menschlichen Magens mit eigenen Augen überzeugt. Es war 
mir möglich, in den Pylorusdrüsen des Menschen, selbst noch 
jenseits des Pylorus, also bereits im Anfang des Duodenums, an 
mehreren Stellen zweifellose Belegzellen in den Drüsenschläuchen 
aufzufinden. 

Das Vorkommen von Belegzellen im menschlichen Duodenum 
wurde schon von M. Kaufmann (06), und zwar im Anfangsteil 
dieses Darmabschnittes festgestellt und von der Übergangsstelle 
des Pylorus in das Duodenum 5,5 mm nach abwärts, soweit das 
Präparat reichte, verfolgt. In der von überzeugenden litho- 
graphischen Abbildungen begleiteten Arbeit wird darauf auf- 
merksam gemacht, dass fast sämtliche Belegzellen des Duodenums 
über der Muscularis mucosae (in der Richtung auf das Darm- 
lumen zu) lagen; nur selten wurde eine Zelle entdeckt, die sich 
unter ihr befand. „In frappanter Weise trat dies da in die Er- 
scheinung, wo die Belegzellen haufenweise zu sehen waren. Die 
Muscularis mucosae nahm sich da aus wie eine für Belegzellen 
kaum passierbare Schranke.“ Der Kaufmannsche Fund scheint 
auch in der 13. Auflage des Lehrbuchs der Histologie von 
Stöhr (09) Aufnahme gefunden zu haben, wenigstens sagt der 


ZU 


Eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen. a7 
letztere (S. 256, Anm. 3) bei Besprechung der Brunnerschen 
Drüsen: „Beim Menschen sind auch einzelne den Belegzellen 
gleichende Drüsenzellen gefunden worden“. 

Ich bin nun weiter abwärts im menschlichen Duodenum, 
also nicht in unmittelbarer Nähe des Pylorus auf eine Zellart 
in den Brunnerschen Drüsen gestossen, welche ich in der 
Literatur bisher nicht erwähnt finde und welche weder mit den 
Kaufmannschen Zellen in ihrem Lageverhältnis zur Muscularis 
mucosae noch überhaupt mit Belegzellen in ihrem feineren Bau 
übereinstimmt. Ich fand diese Zellen in einem Abschnitt des 
Duodenums, in welchem dasselbe die Besonderheiten einer „Über- 
gangszone“, die es in der Gegend des Pylorus zeigt, bereits 
verloren hat. Die Brunnerschen Drüsen schliessen hier nicht 
mehr so dicht aneinander, wie unmittelbar am Pylorus. Sie liegen 
fast ausschliesslich in der Submucosa, während noch Magenepithel 
tragende Mucosaabschnitte, in denen zahlreiche kurze (d. h. die 
Museularis mucosae nicht durchbohrende) Drüsenschläuche oft im 
Zweifel lassen, ob wir es mit Pylorusdrüsen oder mit Ausführ- 
gängen resp. über der Muscularis mucosae gelegenen Abschnitten 
der Brunnerschen Drüsen zu tun haben, ganz fehlen. Die 
Schleimhaut trägt an dieser Stelle durchaus den für den Dünn- 
darm typischen Charakter, sie besitzt hohe Plicae eirculares, in 
welche sich die Muscularis mucosae hineinzieht, den Verlauf der 
Falte mitmachend. Die Brunnerschen Drüsen liegen hier mit 
Vorliebe, d. h. in grösserer Menge in den Plicae circulares, so dass 
die Falten im Querschnitt durch die oft nahe dem Faltengipfel 
liegenden Konglomerate Brunnerscher Drüsen manchmal etwas 
verbreitert sind. Die Schleimhaut trägt durchgehend gut ent- 
wickelte Zotten und ist mit Lieberkühnschen Drüsen dicht 
erfüllt. 

Die Ausführgänge der Brunnerschen Drüsen münden ent- 
weder sofort, nachdem sie die Muscularis mucosae durchbrochen 
haben, in den Grund einer Lieberkühnschen Drüse, oder ihr 
Epithel behält noch eine Strecke weit seinen Charakter, ehe es 
in das der Lieberkühnschen Drüse übergeht. Zimmer- 
mann (98), dessen Angaben über die Brunnerschen Drüsen 
des Menschen ich in allen wesentlichen Punkten bestätigen kann, 
spricht in diesem zweiten Falle von einem „besonderen Aus- 


führungsgang, dessen Zellen alle Übergänge zeigen von dem 
34* 


528 Albert Oppel: 


gewöhnlichen Darmepithel zu den typischen Zellen der Brunner- 
schen Drüsen“, erwähnt jedoch die von mir im folgenden be- 
schriebenen Besonderheiten nicht. 

Die Lieberkühn schen Drüsen (s. Fig. 1 auf Taf. XVIII) be- 
sitzen hier, also auch im Duodenum des Menschen, wie dies bereits 
Zimmermann (98) erkannte, gut entwickelte Panethsche 
Zellen (Fig. 1 bei P), deren Körnchen an meinem Präparat 
durch ihre intensive Färbung mit Eosin in leuchtendem Rot 
schon bei schwacher Vergrösserung aufs deutlichste hervortreten. 
Das Präparat, vom Hingerichteten stammend, wurde unmittelbar 
nach dem Tode mit Formalin fixiert, in Celloidin geschnitten 
und mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt. 

Unter den bei dieser Behandlung in hellem blaurotem Tone 
erscheinenden Zellen der Brunnerschen Drüsen fallen nun 
einzelne auf, welche in ihrem Innern gefüllt sind mit intensiv rot 
gefärbten grossen Körnchen (s. Fig. 1 bei b) und den Panethschen 
Zellen ähnlich sehen, nur dass sie eben in den Brunnerschen 
Drüsen liegen. 

Bei dem unmittelbaren Übergange der Brunnerschen 
in die Lieberkühnschen Drüsen liegt der Gedanke nahe, dass 
es sich in dem von mir beschriebenen Vorkommen um tiefer 
hinabreichende Panethsche Zellen handeln könnte. Schon 
Zimmermann (95) hat darauf aufmerksam gemacht, dass 
Panethsche Zellen auch in solchen Lieberkühnschen Drüsen 
vorkommen können, welche hernach Brunnerschen Drüsen als 
Ausführgang dienen. 

In Fig. 2 (der Taf. XVIII) ist ein Schnitt wiedergegeben, 
in welchem ein Ausführgang (Fig. 2 A) der Brunnerschen 
Drüsen, wie er eben die Muscularis mucosae durchsetzt, getroffen 
ist. Derselbe zeigt zahlreiche der von mir beschriebenen ge- 
körnten Zellen und lässt deutlich erkennen, dass dieselben nicht 
nur, wie Zimmermann sah, in den Lieberkühnschen Drüsen 
an der Übergangsstelle in die Ausführgänge der Brunnerschen 
Drüsen liegen, sondern in letzteren selbst. Auch diese Figur 
lässt aufs deutlichste die ganz neue Tatsache erkennen, dass die 
gekörnten Zellen nicht nur im Anfangsteil der Brunnerschen 
Drüsen, also etwa nur in der Nähe von deren Einmündung in 
die Lieberkühnschen Drüsen liegen, sondern dass diese eigen- 
tümlichen Zellen im Ausführgange der Brunnerschen Drüsen 


Eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen. 529 


selbst liegen und dass sie auch jenseits der Museularis mucosae 
in den submueös gelegenen Endgängen der Brunnerschen Drüsen 
vorkommen, dass sie also durch die ganze Dicke des Drüsen- 
paketes verbreitet sind, wie sie auch noch in den tiefsten Schichten 
desselben überaus zahlreich gefunden werden. Ich habe somit 
entschieden den Eindruck, dass es sich hier um eine den 
Brunnerschen Drüsen eigentümliche Zellart handelt, deren 
Vorkommen bisher noch nicht bekannt war. 

Ich habe in Fig. 5 auf Taf. XVIII noch eine weitere Ab- 
bildung wiedergeben lassen, welche (bei b) die von mir be- 
schriebenen Zellen bei stärkerer Vergrösserung neben den bisher 
bekannten Drüsenzellen der Brunnerschen Drüsen zur Dar- 
stellung bringt. Die Figur zeigt Grösse und Anordnung der 
Drüsenkörner in naturgetreuer Wiedergabe. Die dem Lumen 
zunächst liegenden Körnchen sind etwas kleiner als die übrigen 
näher gegen die Zellmitte und Zellbasis gelegenen Körner. Im 
mittleren Teil der Zelle zeigt sich eine Reihenstellung (in der 
Richtung von der Basis zur freien Oberfläche verlaufend) in der 
Anordnung der Körnchen, wie dies besonders deutlich in dem, 
einen Zellanschnitt darstellenden, Bilde Fig. 3 bei b‘’ zu erkennen 
ist. In dickeren Schnitten machte sich von der Kernhöhe bis 
gegen die Basis der Zelle zu eine fädige Struktur erkennbar, 
welche an Basalfilamente oder an das Ergastoplasma Bouins er- 
innerte, an dünneren Schnitten jedoch nicht so deutlich war. 
Diese Struktur mag jedoch auf die beschriebene Anordnung der 
Körnchen nicht ohne Einfluss sein. Beides, Körnchen und Basal- 
filamente sprechen für die spezifische Drüsennatur dieser Zellen. 

Die Körnchen sind im wesentlichen sehr ähnlich den Körnchen 
der Panethschen Zellen, kommen jedoch deutlicher als diese 
zur Anschauung, weil die Lage der Panethschen Zellen in den 
blinden Drüsenenden weniger günstige räumliche Verhältnisse 
darbietet, als für die neuen Zellen im Verlaufe der Brunnerschen 
Drüsen bestehen. Die neuen Zellen haben eine grössere Ober- 
tläche sensu strietiori (d. h. im Verhältnis zur Grösse der Seiten- 
flächen und der Basis), als dies bei den Panethschen Zellen 
am Grunde der Lieberkühnschen Drüsen der Fall ist. Dies 
beeinflusst wohl auch die Form der ‘neuen Zellen überhaupt, 
welche im ganzen mit der Form der bisher bekannten Zellen 
der Brunnerschen Drüsen übereinstimmt. Sie stehen mit ihnen 


530 Albert Oppel: 


in derselben Reihe, sind annähernd ebenso breit wie jene, manche 
vielleicht eher etwas schmäler. Sie reichen, sich von ihrer Basis 
gegen die freie Oberfläche zu mehr oder weniger verjüngend, 
stets bis zum Drüsenlumen, an dessen Begrenzung sie eben mit 
ihrer ausgedehnten Oberfläche sensu strietiori überall deutlich 
teilnehmen und rücken niemals nach Art der Belegzellen vom 
Drüsenlumen ab. Übrigens ist ja, wie ich an Präparaten vom 
Hingerichteten stets sah, auch die Oberfläche (sensu strietiori) 
der Belegzellen beim Menschen, mit welcher dieselben an der 
Begrenzung des Drüsenlumens teilnehmen, viel ausgedehnter als 
man früher annahm, so dass die auch in neueren Auflagen der 
meisten Lehrbücher der menschlichen Histologie figurierenden 
Bilder hierfür nicht zutreffend sind. 

Die Begrenzung der neuen Zellen gegen das Drüsenlumen 
ist nicht durch eine Membran oder eine ähnliche Bildung, sondern 
nur durch die Sekretkörnchen mit dem dazwischen liegenden 
protoplasmatischen Netzwerk gegeben, ohne dass es zu einer 
besonderen exoplasmatischen Verdichtung käme. 

Was die Zahl der neuen Zellen betrifft, so fand ich im 
(Juerschnitt eines Drüsenschlauches (s. Fig. 1 und 2) bisweilen 
vier bis fünf gekörnte Zellen, so dass sie annähernd die Hälfte 
der im Querschnitt vorhandenen Zellen ausmachten, während sie 
an anderen Stellen nur vereinzelt, oft nur eine oder zwei im 
Querschnitt eines Drüsenschlauches vorkamen, und schliesslich 
an anderen Stellen ganz fehlten. 

Die Deutung der von mir beschriebenen Zellen ist nicht 
ganz leicht. Man könnte daran denken, dass auch weiter im 
Duodenum nach abwärts noch Belegzellen vorkämen, welche in 
ihrem Aussehen, namentlich in ihrer Form nicht mehr an die 
englumigen Magendrüsen, sondern an die mit weiterem Lumen 
versehenen Brunnerschen Drüsen dieses Darmabschnittes sich 
angepasst hätten. Auffallend bliebe dann der immerhin einen 
(Gegensatz zu den Kaufmannschen Befunden darbietende Um- 
stand, dass die Zellen hier gerade in der Submucosa in grosser 
Menge auftreten, während Kaufmann die Muscularis mucosae 
als eine für Belegzellen kaum passierbare Schranke annehmen 
will. Einer Identifizierung der von mir beschriebenen Zellen 
mit den Belegzellen steht ferner der triftige Grund entgegen, dass 
beiderlei Zellen in ihrem feineren Bau wesentliche Unterschiede 


Eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen. Hal 


zeigen. Vor allem sind die Granula der von mir beschriebenen 
Zellen bedeutend grösser als in den Belegzellen. 

Die Grösse der Granula weist eher auf eine Übereinstimmung 
der neu beschriebenen Zellen mit den Panethschen Zellen hin, 
welche solche grosse Granula besitzen. Metzner (07) hat die 
Grösse der Granula gleichfalls als charakteristisch für die 
Panethschen Zellen erkannt, wofür auch Zimmermanns (98) 
Figuren von Panethschen Zellen und Belegzellen, sowie Be- 
schreibungen und Abbildungen früherer Autoren sprechen. 


Während aber die Panethschen Zellen in den Lieber- 
kühnschen Drüsen gefunden wurden, liegen die von mir be- 
schriebenen Zellen in den Brunnerschen Drüsen und in der 
Submucosa, wie dies oben beschrieben wurde. 


Was die Häufigkeit des Vorkommens der neuen Zellen 
anlangt, so habe ich dieselben bisher erst bei einem Hingerichteten, 
aber hier regelmässig in zahlreichen Präparaten aufgefunden. 
Da das trefflich konservierte Objekt zur Anfertigung von Kurs- 
präparaten dient, habe ich Gelegenheit gehabt, im Laufe einiger 
Jahre mehrere hundert Schnitte durchzumustern, welche die neuen 
Zellen bald in grossen Mengen, bald weniger zahlreich zeigten 
und kaum einmal vermissen liessen. 

Es bleibt noch die Frage zu erörtern, ob die gekörnten 
Zellen nicht vielleicht nur ein besonderes Tätigkeitsstadium der 
bisher bekannten Zellen der Brunnerschen Drüsen darstellen 
könnten. Von dem Auftreten solcher sich so intensiv mit Bosin 
tingierender scharf abgesetzter Körnchen ist allerdings in den 
Zellen der Brunnerschen Drüsen während keines Tätigkeits- 
zustandes bisher etwas bekannt geworden und auch ich selbst 
bin in den Brunnerschen Drüsen aller von mir untersuchten 
Säugetiere bis herunter zu den Marsupialiern und Monotremen 
auf ein gleiches Verhalten noch nicht gestossen, obwohl ich dabei 
mancherlei Funktionszuständen (sehr ausgesprochenen Gegensätzen, 
z. B. bei Erinaceus europaeus) begegnete. 

Immerhin erscheint es notwendig, das, was über diesen 
Punkt bisher in der Literatur an positiven Angaben vorliegt, 
sorgfältig zu prüfen. 

Schwalbe (72) hat zuerst im Jahre 1872 darauf hingewiesen, dass 


sich beim Kaninchen neben wirklichen unmittelbar hinter dem Pylorus ge- 
legenen Brunnerschen Drüsen kleine Drüsen vom Bau des Pankreas in 


532 Albert Oppel: 


den Darmwandungen finden. Sie beginnen etwa 1 cm vom Pylorus und 
reichen bis 50 cm vom Pylorus. Sie liegen, wie die Brunnerschen Drüsen, 
in der Submucosa. Die Brunnerschen Drüsen reichen vom Pylorus soweit 
im Darme nach abwärts, dass man eine Strecke weit beide Drüsenarten neben- 
einander findet. 

Dieses Vorkommen blieb bisher, obwohl auch andere nahestehende 
Nager daraufhin untersucht wurden, alleinstehend. Die von Schwalbe in 
der Literatur vorgefundenen Fälle, in welchen pankreatische Drüsen in der 
Darmwand des Menschen vorkommen, sind die von Klob und Zenker be- 
schriebenen und es werden die betreffenden Drüsenkörper als Nebenpankreas 
bezeichnet. Es handelt sich in diesen (in meinem Lehrbuche, Bd. III, 5. 855. 
genauer beschriebenen) auch in der neueren Literatur wieder erwähnten 
Gebilden um linsen- bis talergrosse Drüsen, welche an verschiedenen Stellen 
im Darm auftreten und in ihrem feineren Bau ganz mit dem Pankreas über- 
einstimmen, also nichts mit den von mir beim Menschen beschriebenen Eigen- 
tümlichkeiten der Brunnerschen Drüsen zu tun haben. 


Vor allem handelt es sich beim Kaninchen und den Fällen von Neben- 
pankreas beim Menschen, soweit bis jetzt bekannt ist, niemals um gemischte 
Drüsen, wie es die von mir beschriebenen Drüsen sind, und nur Berdal (94) 
konstatierte beim Kaninchen auch gemischte Drüsenschläuche. 

Dagegen hat Schwalbe (72) beim Hunde ausser der gewöhnlichen 
Art von Drüsenzellen noch eine zweite eigentümliche Zellform in den Brunner- 
schen Drüsen beschrieben. Sie liegen ‚sehr vereinzelt eingekeilt“ zwischen 
den gewöhnlichen Drüsenzellen. Sie besitzen eine keulenförmige Gestalt und 
in der der Membrana propria zugekehrten kopfförmigen Anschwellung einen 
runden, feingranulierten Kern. Diese Zellen unterscheiden sich von der von 
mir beschriebenen zweiten Zellart beim Menschen namentlich darin, dass die- 
selben der Körner ermangeln. Schwalbe wenigstens erwähnt derartige Körner, 
wie ich sie beim Menschen beschrieben und abgebildet habe, beim Hunde weder 
im Text, noch gibt er sie in den Abbildungen wieder, während er die Körn- 
chen der Panethschen Zellen wohl erkannte und abbildete, und ich verstehe 
nicht, wie Paneth, der die Schwalbesche Abbildung von den Panethschen 
Zellen im Mausdarm kennt und widergibt, daran zweifeln kann, dass Schwalbe 
die Körnchenzellen in den Lieberkühnschen Drüsen gesehen hat. 


Da also Schwalbe die Körnchen in den Panethschen Zellen wohl 
gesehen und klar in Wort und Bild wiedergegeben hat, während er für seine 
Keulenzellen beim Hunde nichts derartiges zum Ausdruck bringt, so muss 
man wohl annehmen, dass die Keulenzellen beim Hunde in ihrem Bau mit 
der durch ihre Körnelung so frappant an die Panethschen Zellen erinnernden 
zweiten Zellart der Brunnerschen Drüsen beim Menschen nicht übereinstimmen. 


In späteren Jahren wurden von verschiedenen Autoren auf kleine 
Unterschiede in dem Verhalten der Brunnerschen Drüsen namentlich auch 
in ihrem Tinktionsvermögen aufmerksam gemacht. In der Regel ist aber 
auch hier nur die Rede davon, dass ganze Schläuche (resp. deren Schnittbilder) 
sich von anderen unterscheiden, und es wurden diese verschiedenen Erscheinungs- 
formen in der Regel als verschiedene Funktionsstadien gedeutet. 


Eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen. DE 


Klein (79) unterschied zwei Zellarten, hellere mit basal liegendem, 
schalenförmigem Kern und solche mit dichterem Netzwerk, so dass sie gekörnt 
erscheinen. Letztere entsprechen einem Erschöpfungszustand; im Hunger- 
zustand und bald nach der Nahrungsaufnahme zeigen die Zellen das erstere 
Verhalten. 

Dann erwähnte Schaffer (9/1) beim Menschen Unterschiede an den 
in der Submucosa liegenden Drüsenkörpern im Vergleich zu den in der 
Schleimhaut gelegenen Partien. Schaffer erkannte damals auch, dass die 
Schleimnatur der Brunnerschen Drüsen eine wesentlich andere ist, als die 
der Becherzellen im Dünn- und Mastdarm und der Schleimspeicheldrüsen. 


Nach Stöhr (99) unterscheiden sich die Zellen der Brunnerschen 
Drüsen der Katze von denen des Menschen, sie sind dunkler und machen 
mehr den Eindruck von serösen Drüsen, während die des Menschen hell sind, 
einen basal liegenden platten Kern und eine gewisse „äussere“ Ähnlichkeit 
mit Schleimzellen besitzen, doch scheint nach den Färbereaktionen der Schleim- 
gehalt jedenfalls nur ein minimaler zu sein. Einzelne solche hellere Zellen 
finden sich auch bei der Katze, bisweilen in Gruppen stehend. 


Bogomoletz (03) beschreibt (bei Pferd, Ochse, Schwein, Schaf, 
Hund, Katze, Kaninchen, Ratte und Maus) zweierlei Läppchen und zwar 
solche, deren Zellen eine Körnelung besitzen, andererseits solche, die ihr 
Sekret scheinbar ausgeschieden haben. Erstere enthalten einen Ferment- 
vorrat-Zymogen, letztere zeigen Reaktion auf Schleim (Metachromasie). Das 
gleichzeitige Vorhandensein zweier Typen von Lobulis deutet auf die Ver- 
schiedenheit des Funktionszustandes, in dem sich diese Lobuli befinden, hin. 


Nach Anile (03) besitzen die Brunnerschen Drüsen (Fledermaus, 
Maus, Maulwurf, Hund, Katze, Schwein) nur einerlei Epithel, dessen sezer- 
nierende Tätigkeit unter einer muciparen Metamorphose einhergeht. Die 
verschiedenen Bilder, welche die Drüsenzellen beim Kaninchen z. B. zeigen, 
deutet Anile nicht als verschiedene Funktionsstadien, sondern als die ver- 
schiedenen Momente einer einzigen Sekretionstätigkeit. Die Granula der 
sezernierenden Zelle lösen sich dabei in dem Schleim auf, welcher aus einer 
Umwandlung des Zellprotoplasmas entsteht. 


Bensley (03a und 035) findet die Brunnerschen Drüsen bei 15 
von ihm untersuchten Genera (Didelphys virginiana, Hund, Katze, Lutreola, 
Procyon, Erinaceus, Erethizon, Meerschweinchen, Arctomys monax, Eich- 
hörnchen, Muscardinus avellanarius, Fiber zibethicus, Maus, Ratte, Peromyscus, 
Schaf, Schwein und Mensch) von rein mukösem Typus. Nur beim Kaninchen 
dagegen haben diese Drüsen gemischten Typus und bestehen aus schleim- 
haltigen und serösen Teilen. 

Nach Deimler (05) zeigen die Zellen der Brunnerschen Drüsen 
(Pferd, Esel, Rind, Ziege, Schaf, Schwein, Hund und Katze) Mucin- und 
Eiweissreaktion. Vereinzelt findet er „Stöhrsche Zellen“, häufig bei Schaf 
und Hund, und erklärt dieselben mit den Keulenzellen Schwalbes für 
identisch. Die Drüsenzellen treten je nach ihrem Funktionszustande in 
zwei verschiedenen Arten auf, zwischen denen alle möglichen Übergänge 
vorkommen. 


534 Albert Oppel: 


Bensley (035) beschreibt dann unter den neueren Forschern die 
dem verschiedenen Tätigkeitszustand der Drüsen entsprechenden Ver- 
änderungen der Drüsen genauer. Im Stadium der grössten Ladung sind 
die Zellen gross und hell und enthalten einen platten oder halbmondförmigen 
basal gelegenen Kern, der im Zwischenstadium mehr oval wird, während 
das basale Cytoplasma an Menge zunimmt. Im entladenen Zustand ist der 
Kern rund oder oval und näher der Mitte der Zelle, und das basale Cyto- 
plasma hat an Menge weiter zugenommen. 

Auch an meinen Präparaten zeigten die Brunnerschen 
Drüsen an verschiedenen Stellen des Darmes bei ein und dem- 
selben Hingerichteten verschiedenes Aussehen. Ich konnte drei 
durch Übergänge verbundene Haupttypen unterscheiden und halte 
es für wahrscheinlich, dass es sich in ihnen um verschiedene 
Tätigkeitszustände handelt und zwar um folgende: 


1. Einmal fanden sich grosse Endstücke mit weitem Lumen, 
hohen Zellen mit basal liegendem, etwas abgeplattetem 
Kern, bei denen im darüber liegenden Teil des Zellleibes 
die von Zimmermann beschriebene, dunklere, mittlere 
Zone auch an Formalinpräparaten sich sehr deutlich gegen 
die periphere und basale hellere Zone absetzte. Dieses 
Stadium entspricht im wesentlichen Zimmermanns 
(98) Figur 84. 

2. Einen starken Gegensatz zu diesem Bilde zeigen andere, 
oft ganze Drüsenpakete aufbauende Endstücke mit engem 
Lumen, niedrigen Zellen und rundem Kern. Die Klein- 
heit der Zelle beruht hier vor allem auf einem fast voll- 
ständigen Fehlen des peripheren Teils der Zelle, so dass 
der runde Kern von der Basis fast bis zur Oberfläche 
der Zelle reicht, letztere also beinahe ganz ausfüllt. 

3. Neben diesen beiden Gegensätzen finde ich Zwischenglieder, 
mittelgrosse Endstücke mit mittelgrossem Lumen oder noch 
kleinem Lumen aber mit bereits hohen Zellen, in denen je- 
doch die Kerne noch rund sind und die Differenzierungen 
des peripheren Teils der Zelle weniger ausgesprochen sind. 

Es ist naheliegend, anzunehmen, dass das zuerst beschriebene 

Stadium sekretgefüllte Zellen darstellt, während die beiden anderen 
Stadien das morphologische Bild der allmählichen Ausarbeitung 
des Sekrets oder von dessen Vorstufen zeigen. 

Von weitergehendem Interesse scheint mir dabei der Umstand, 

dass die Brunnerschen Drüsen des Menschen, wie ich dies auch 


< 


Eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen. 535 


bei verschiedenen Säugetieren (z. B. beim Igel) aufs deutlichste 
erkennen konnte, sich nicht alle gleichzeitig in derselben Tätigkeits- 
phase befinden müssen, sondern bei ein und demselben Individuum 
ganz verschiedene Funktionszustände aufweisen können. Es spricht 
dies sehr für die von vielen neueren Physiologen behauptete all- 
mähliche (nicht plötzliche) Überführung der Ingesta aus dem Magen 
in das Duodenum. Es wäre hierfür nicht zweckmässig, wenn 
alle Brunnerschen Drüsen auf einmal ihr Sekret abgeben würden, 
sondern es erscheint zweckmässiger, wenn dies in kleinen Portionen 
periodisch entsprechend dem allmählichen Verbrauch geschieht. 

Alle diese beschriebenen, von mir beim Menschen wie bei 
Tieren gesehenen Bilder haben nun in keiner Weise etwas zu 
tun mit der von mir in den Brunnerschen Drüsen des Menschen 
neugefundenen Zellart, sondern treten lediglich in der bisher 
bekannten Zellart auf. Die neue Zellart, welche in den Endstücken 
aller drei von mir beschriebenen Tätigkeitszustände gleichmässig 
vorkommt, lässt sich in keiner Weise unter diese, funktionellen 
Veränderungen entsprechenden Bilder der bisher bekannten Zell- 
art einreihen. 

Meine eigenen Befunde am Duodenum des Hingerichteten, 
wie die von mir aufgezählten Schilderungen der verschiedenen 
Autoren, bezüglich deren ich weiter auf meine ausführlichen 
Referate in den „Ergebnissen“ (Oppel 97--06) und auf die 
Originalarbeiten verweise, lassen es also in keiner Weise tunlich 
erscheinen, die beiden von mir in den Brunnerschen Drüsen 
des Menschen unterschiedenen Zellarten als verschiedene Tätigkeits- 
zustände oder Sekretionsphasen einer und derselben Zellart auf- 
zufassen. Allein schon das Verhalten des Kerns, der nach so 
exakten Forschern, wie Stöhr, Bensley und anderen und nach 
meinen eigenen Beobachtungen im Zustande der Ladung platt 
oder halbmondförmig ist und basal liegt, lässt es ausgeschlossen 
erscheinen, dass eine der beiden Zellarten diesem und die andere 
dem anderen Tätigkeitszustande entsprechen könnte, da in den 
von mir neu beschriebenen Zellen die Kerne rundlich sind, wie 
auch andererseits in den bisher bekannten Zellen niemals solche 
Körnchen auftreten, wie in den neuen Zellen. Auch nach dem 
Aussehen des Protoplasmas kann ich mich nicht dafür entscheiden, 
dass hier verschiedene Tätigkeitszustände einer und derselben 
Zellart vorliegen müssten. 


536 Albert Oppel: 


Es gab eine Epoche in der histologischen Wissenschaft 
(vgl. mein Lehrbuch Bd. I und III), in der man glaubte, die 
Unterschiede, welche zwischen Haupt- und Belegzellen des Magens, 
oder, um noch ein Beispiel aus späterer Zeit zu erwähnen, zwischen 
den Randzellen und Schleimzellen der Speicheldrüsen bestehen. 
so gering achten zu dürfen, dass man in diesen Zellarten je nur 
verschiedene Tätigkeitsstadien einer und derselben Zellart erkennen 
wollte. Die Erfahrungen an jenen beiden Objekten könnten doch 
etwas vorsichtiger gemacht haben und veranlassen, dass die beiden 
so sehr verschiedenen Zellarten der Brunnerschen Drüsen des 
Menschen als das angesehen werden, was sie sind, nämlich als 
spezifisch verschiedene Zellen. 

Über die Funktion dieser Zellen lässt sich zunächst nur 
allgemeines aussagen. Ich möchte dabei anknüpfen an einen 
energischen Protest. welchen neuerdings Bensley (08) gegen 
Prenant ausgesprochen hat. Prenant (07) hat durch das 
ähnliche Verhalten von Schleim und den Körnchen der Paneth- 
schen Zellen gegen manche Farbstoffe (Eisenhämatoxylin — Eosin — 
Lichterün oder Eisenhämatoxylin — Eosin — Van Gieson) ge- 
leitet, die Panethschen Körnchen für einen Schleim (mucus) 
erklärt, der sich allerdings von dem von den Becherzellen sezer- 
nierten Schleim unterscheiden würde. Bensley dagegen stellt 
sich auf die Seite der älteren Autoren, indem er findet, dass sich 
die Panethschen Körnchen mit guten schleimfärbenden Farben 
(Mueikarmin und Mukhämatein) nicht färben. Auch ich möchte 
gegen die Schleimnatur der Panethschen Körnchen mit Ent- 
schiedenheit Stellung nehmen und bin der Ansicht, dass wir es 
in den Panethschen Zellen mit spezifischen. den serösen Drüsen- 
zellen nahestehenden Drüsenzellen zu tun haben, welche die 
Enzyme des Darmsaftes bilden. In diese weitgefasste Gruppe 
möchte ich auch die von mir in den Brunnerschen Drüsen des 
Menschen in der vorliegenden Arbeit beschriebenen gekörnten 
Drüsenzellen mit einreihen. 

Es lässt sich ernstlich daran denken, dass die von mir be- 
schriebenen Zellen als Bildner der von Scheunert und Grimmer 
(06) in den Brunnerschen Drüsen verschiedener Säugetiere 
nachgewiesenen Enzyme aufzufassen, darin also den Panethschen 
Zellen gleich oder ähnlich sind, welche letztere auch nach den 
Untersuchungen von Klein (06) spezifische Elemente (nicht junge 


Eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen. 537 
Schleimzellen) sind, die eine besondere Substanz, wahrscheinlich 
ein Enzym sezernieren, welches der Verdauung dient. 

Warum wohl andere Autoren diese eigentümlichen und so 
scharf gekennzeichneten Zellen beim viel untersuchten Menschen 
bisher nicht auffanden, kann verschiedene Gründe haben. Viel- 
leicht liegt dies an dem Umstand, dass diese Zellen sich nur in 
unmittelbar nach dem Tode gut fixierten Organen erhalten, oder 
aber, dass sie nur in bestimmten, erst noch näher zu begrenzenden 
Abschnitten des Duodenums vorkommen. Vielleicht kommen sie 
auch nicht allen Menschen zu. Schliesslich muss man daran 
denken, dass auch das heute von allen Nachuntersuchern be- 
stätigte Vorkommen der Schafferschen Zellen im Ösophagus 
doch erst verhältnismässig spät bemerkt wurde. 

Wie dies bei jedem neu beschriebenen Vorkommen von 
eigentümlichen Drüsenzellen im Vorderdarm des Menschen bisher 
geschah, so werden sich wohl auch an die neuen Zellen in den 
Brunnerschen Duodenaldrüsen phylogenetische Folgerungen und 
Spekulationen knüpfen lassen, welche aber um so unsicherere 
Resultate zeitigen dürften, als bei niederen Säugetieren ein ähnliches 
Verhalten nicht bekannt ist und aus den zu Anfang dieser Arbeit 
erwähnten Gründen vielleicht auch später nicht wird aufgefunden 
werden können. 

Ich möchte daher an dieser Stelle dem Gedanken Ausdruck 
geben, welchen ich auch in meiner öffentlichen Antrittsvorlesung 
in Halle a. S. im Jahre 1907 ausgesprochen habe, dass es nicht 
als befriedigendes Endziel anatomischer Forschung zu betrachten 
ist, Besonderheiten. welche der Mensch in seinem Baue zeigt. 
nur dann für erklärbar zu halten, wenn es gelingt, dieselben 
auf ähnliche Gestaltungen bei recenten oder fossilen Wirbeltieren 
zurückzuführen. Das Vorhandensein neuer, bei Tieren nicht 
beobachteter Gestaltungen, ist im menschlichen Körper ein so 
weit verbreitetes, dass ein Verständnis für dieselben nur im 
Menschen selbst gefunden werden kann. Solche Besonderheiten 
brauchen, weil sie von einem überkommenen Schema abweichen. 
weder Atavismen noch abnorme oder dekadente Bildungen dar- 
zustellen, womit ich zum Ausgangspunkt meiner Untersuchung 
zurückkehre. Dies gilt nicht nur für das Gehirn des Menschen, 
sondern auch für seinen Verdauungsapparat, wie für alle seine 
Organe. Vielmehr sehe ich in vielen dieser Eigentümlichkeiten 


538 Albert Oppel: 


und speziell in der von mir nachgewiesenen zweiten Zellart der 
Brunnerschen Drüsen eine dem Menschen, soweit bisher bekannt, 
allein zukommende, also von ihm erworbene und bei ihm bereits 
vererblich gewordene, vermutlich seiner besonderen Tätigkeit 
entsprechende Anpassung, welche zu ihrem Verständnis kausaler 
Erklärung bedarf. Ob sie zuerst durch eine keimplasmatische 
Variation gleich in einer ihrer jetzigen Ausbildung entsprechenden 
Weise aufgetreten oder von unsichtbarer Differenz aus durch 
qualitative funktionelle Anpassung ausgebildet worden ist, ist 
die Alternative, welche aber viele Zwischenstufen möglich er- 
scheinen lässt. 

Dass die am Verdauungsapparat des Menschen sichtbaren, 
dem Menschen allein eigentümlichen Strukturen bisher kausaler 
Forschung noch so wenig zugänglich geworden sınd, begründet 
nicht, dass sie ihr auch für die Zukunft verschlossen bleiben 
müssen. Ich halte es daher für gerechtfertigt und erlaubt, ja 
sogar für geboten und geradezu für eine Pflicht des kausalen 
Morphologen, auch neue Beobachtungen rein deskriptiver Natur 
bekannt zu geben, um sie dadurch weiteren Kreisen zu kausaler 
Forschung zugänglich zu machen und so unserer Erkenntnis 
näher zu bringen. 

Ist doch die Kausalität, um mit den Worten von W. Roux (05), 
des Begründers der exakten kausalen Morphologie zu schliessen, 
„der Boden, auf dem später noch manche ungeahnte Verständigung 
möglich werden wird. Sie ist die Basis, von der aus durch 
vereinte empirische und philosophische Forschertätigkeit auch das 
Gebiet des Ignorabimus der vorherigen Generation noch manche 
wichtige Einschränkung erfahren kann“. 


Zusammenfassung der Resultate. 


In den Brunnerschen Drüsen des Duodenums beim 
Menschen findet sich neben den bisher bekannten Drüsenzellen 
eine zweite bisher unbekannte Drüsenzellart. 

Die neue Drüsenzellart enthält grosse regelmässig an- 
geordnete sich nach Formalinfixierung an Celloidinschnitten mit 
Eosin leuchtend rot färbende Körnchen. 

Die an diesem Orte neue Drüsenzellart zeigt im Bau Über- 
einstimmung mit den im Grunde der Lieberkühnschen Drüsen 
liegenden Panethschen Körnchenzellen, unterscheidet sich jedoch 


Eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen. 539 


von diesen durch den Ort. ihres Vorkommens in den Ausführ- 
eängen und in den Endstücken der Brunnerschen Drüsen. 
Während die Panethschen Zellen ausschliesslich in der Mucosa 
liegen, finden sich die neu beschriebenen Zellen in der Submucosa. 

Die neuen Zellen sind nicht Schleimzellen oder Jugend- 
formen solcher, sondern spezifische Drüsenzellen, welche eine 
besondere Substanz, wahrscheinlich ein Enzym sezernieren, das 
der Verdauung dient. 

Weitere an den bisher bekannten Zellen der Brunner- 
schen Drüsen des Menschen gemachte Beobachtungen über das 
Vorkommen verschiedener Tätigkeitszustände bei ein und dem- 
selben Individuum unterstützen die Annahme einer allmählichen 
(nicht plötzlichen) Überführung der Ingesta aus dem Magen in 
das Duodenum und begründen anatomisch die Nützlichkeit dieser 
physiologischen Einrichtung. 

Das Auftreten der neubeschriebenen zweiten Zellart in den 
Brunnerschen Drüsen des Menschen, ebenso der dimorphe 
Charakter der Drüsenzellen des ganzen menschlichen Vorderdarms, 
wie er sich in den Funden der letzten Jahrzehnte, besonders 
auch in dem Nachweis des weitverbreiteten Vorkommens von 
Belegzellen vom Ösophagus bis zum Beginn des Duodenums 
zeigte, ist nicht notwendig als ein abnormes oder dekadentes 
Verhalten zu deuten, sondern es kann auch als eine der eigen- 
artigen Tätigkeit des menschlichen Vorderdarms entsprechende 
Anpassung an besonderen Funktionsbedarf aufgefasst werden. 
Die starke Ausbildung des dimorphen Charakters in den Vorder- 
darmdrüsenzellen des Menschen findet ihr Verständnis nicht in 
einer zu ergründenden hypothetischen Tierähnlichkeit, sondern 
fordert kausale Erklärung für sich allein. 


Halle a. S., im August 1910. 


540 Albert Oppel: 


Literaturverzeichnis. 


Die gesamte einschlägige Literatur ist nach Inhalt und Titel in meinem 

Lehrbuche der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere 

(Oppel 97), sowie in meinen ergänzenden Referaten in den Ergebnissen der 

Anatomie und Entwicklungsgeschichte (Oppel 97—07, Bd. 6—16) wieder- 

gegeben. Ich erwähne daher im folgenden nur die Titel der im Text im 
besonderen herangezogenen Arbeiten. 


Anile, Antonino (03): Le glandule duodenali o del Brunner. Con 8 tav. 
e 23 fig. 127 Seiten. Napoli 1903. 

Bensley, R.R. (03a): Concerning the glands of Brunner. 3 Fig. 
Anat. Anz., Bd. 23, No. 20/21, Seite 497—507, 1903. 

Derselbe (03 5): The structure of the glands of Brunner. The decennial 
publications. University of Chicago. Vol. 10. Seite 279—326. Mit 
6 Taf. 1903. 

Derselbe (08): Professor Prenants Theory of the Nature of the granule 
cells of Paneth. The Anatomical Record. Vol. I, No. 3. Seite 92—9. 
Philadelphia 1908. 

Berdal, H. (94): Nouveaux elements d’histologie normale. 4. edit. entierem. 
revue et augmentee. 618 Seiten. Avec fig. nombr. Paris 1894. 

Bogomoletz, A. A. (03): Beitrag zur Morphologie und Mikrophysiologie 
der Brunnerschen Drüsen. 1 Taf. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 61, H. 4, 
Seite 656—666, 1903. 

Deimler, Konrad (05): Vergleichende Untersuchungen über die Pylorus- 
drüsenzone des Magens und die Duodenaldrüsenzone des Darmkanals 
der Haussäugetiere. Internat. Monatsschr. f. Anat. und Physiol., Bd. 22, 
H. 4/6. Seite 209-229, 1905. (Vergl. auch die Inaug.-Diss. des Verf., 
Zürich 1904.) 

Kaufmann, Marie (06): Über das Vorkommen von Belegzellen im Pylorus 
und Duodenum des Menschen. Mit 1 Taf. und 3 Textfig. Anat. Anz., 
Bd. 28, No. 19 und 20. Seite 465—474, 1906. 

Klein, E. (79): Observations on the structure of cells and nuclei. Quarterly 
Journal of microsc. science. New Ser. Vol. 19. Seite 125—175. 1 Taf. 
London 1879. 

Klein, Sidney (06): On the Nature of the granule cells of Paneth in 
the intestinal glands of Mammals. 5 Fig. American Journ. of Anat. 
Vol. 5, No. 3, Seite 315—330, 1906. 

Metzner, R. (07): Die histologischen Veränderungen der Drüsen bei ihrer 
Tätigkeit. In Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen, Bd. 2, 
Hälfte 2, 1906/07. 

Oppel, Albert (96 und 97): Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen 
Anatomie der Wirbeltiere. Bd.I, Jena 1896, Bd. II, Jena 1897. 


Eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen. 541 


Oppel, Albert (97—07): Verdauungsapparat. Ergebnisse der Anatomie 
und Entwicklungsgeschichte. Bd. 6—16. Wiesbaden 1897—1907. 


Prenant (07): Sur les „cellules de Paneth“ dans les glandes de Lieberkühn 
de ’homme. Compt. rend. hebdom. d. seances de la soc. de biol. Tome 62. 
Paris 1907. Seite 1125—1128. 

Roux, W. (05): Die Entwicklungsmechanik, ein neuer Zweig der biologischen 
Wissenschaft. Mit 2 Taf. und 1 Textfig. Vorträge und Aufsätze über 
Entwicklungsmechanik der Organismen. Herausgeg. von W. Roux, Heft 1. 
283 Seiten. Leipzig 1905. 

Schatfer, Joseph (91): Beiträge zur Histologie menschlicher Organe. 
I. Duodenum. Mit 2 Taf. Sitz.-Ber. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien, 
math.-nat. Kl., Bd. 100, Abt. III, Dec. 1591. 


Scheunert, Arthur und Grimmer, Walther (06): Über die Funktionen 
des Duodenums und die funktionelle Identität der Duodenal- und der 
Pylorusdrüsen. Internat. Monatsschr. f. Anat. und Physiol, Ba.23, Heft 7/9, 
Seite 335—358, 1906. 

Schwalbe, G. (72): Beitrag zur Kenntnis der Drüsen in den Darmwandungen, 
insbesondere der Brunnerschen Drüsen. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 8, 
Heft 1, Seite 92—140, Taf. V, 1872. 

Stöhr, Ph. (99): Über Rückbildung von Duodenaldrüsen. Festschr. d. phys.- 
med. Gesellsch., Würzburg, Seite 207—214, 1 Taf., 1899. 

Derselbe (09): Lehrbuch der Histologie und der mikroskopischen Anatomie 
des Menschen. 13. Aufl. Jena 1909. 

Zimmermann, K.W. (98): Beiträge zur Kenntnis einiger Drüsen und 
Epithelien. 3 Taf. und 14 Fig. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 52, Heft 3, 
Seite 552— 706, 1898. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. 


Die Herstellung der auf der Tafel in den Originalfarben des Präparates 
wiedergegebenen Abbildungen verdanke ich der kunstgeübten Hand von 
Frl. K. Wangerin in Halle a. S. 


Fig. 1. Duodenum vom Menschen (Iustificat.) Längsschnitt. Fixierung in 
Formalin. Celloidinschnitt. Färbung: Hämatoxylin, Eosin. — Die 
Figur zeigt eine Stelle von der Höhe einer Plicasemicircularis. 
Links vom Beschauer die tiefste Schicht der Mucosa M mit den 
blinden Enden der, Becherzellen Be enthaltenden, Lieberkühnschen 
Drüsen L; am Grunde der letzteren zahlreiche Panethsche 
Körnchenzellen P, davon getrennt durch die Muscularis mucosae 
M. muc., rechts vom Beschauer die Submucosa S, in dieser zahl- 
reiche Querschnitte von Brunnerschen Drüsen B, in diesen 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 35 


Albert Oppel: Eine zweite Zellart etc. 


neben den stets vorhandenen hellblau-rot gefärbten Zellen a rot 
gefärbte gekörnte Zellen b. — Gezeichnet mit Zeiss Obj. DD, 
Ökular 1, in Objekttischhöhe. 

Dasselbe. — Die Figur zeigt einen Ausführgang A einer Brunner- 
schen Drüse, wie er eben die Muscularis mucosae durchbricht. 
Buchstabenerklärung und Vergrösserung wie in Fig. 1. 

Einige Zellen aus den Duodenaldrüsen vom Menschen (Iustific.) 
bei stärkerer Vergrösserung. Behandlung wie Figur 1. a die 
stets vorhandenen hellblau-rot gefärbten Zellen, b rot gefärbte 
gekörnte Zelle, b' ebensolche, deren Kern nicht in die Schnittebene ge- 
fallen ist. Gezeichnet mit Zeiss’ homog. Immers. "ız (130), Okul. 4. 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile bei der 
Eireifung, Furchung und ersten Organbildung der 


Echinodermen. 
Von 
Julius Schaxel. 


Hierzu Tafel NIX— XXIII und 8 Textfiguren. 


Inhalt: 
Einleitung 
I. Material ind: TechniE 5 
II. Übersicht über den Bau des Oraniums der Echinodermen 
= Das Ovarium . 
. Die Follikel ! 
III. Die Bibildung der Eoodersucn, 
1. Der Oocytenkern 
a) Die en 
b) Das Stadium der Emission . 
c) Die Postemissionsstadien . 
2. Der Nucleolus 
3. Die Kernmembran 
4. Der Zelleib der Oocyte 
a) Echinoidea 
b) Holothuroidea . 
ce) Asteroidea 
d) Ophiuroidea 
e) Crinoidea . 
5. Kern und Zelleib . s 
6. Zusammenfassung der ErSchnisse über die bildung der 
Echinodermen 
IV. Die Furchung von ST anerlacentrets Toadk Brande 
1. Die Besamung 
2. Die Zellkerne der ee huse 
3. Das Verhalten des Eileibehromatins bei der Hurchraß 
4. Zusammenfassung . 
V. Die Bildung des Skelets in der Piobeuslareh von een 
trotus lividus . : 
1. Die Zellkere des primären N enche { BIRHEE: 
2. Die Vorgänge im Zelleib der skeletbildenden Mesen- 
chymzelle 
3. Zusammenfassung . h 
4. Das Verhalten der en La enkellen 


544 IMiibing Semass@all: 


Seite 
VI. Theoretische Ergebnisse . . . ee ae er RE 7 
1. Methodologische Vorlagen, EN RE NER Be Ben, cc Ze 
2. Die Eibildung der Echinodermen . . . . 582 

3. Die Furchung und erste Organbildung von rennen 
bEODUSErR N ee u. lo 
4. Zur Theorie des Chromatins ES ARE Sid 
VH. Die Angaben anderer Autoren . .. er 5 
: Über die Eibildung der Bnvaeren! er 998 

. Über die Beziehungen des Chromatins zu den Er scheinunzen 
ImWzelleı Dee em. . Sl: 
3. Über autonome Gebilde es Zeileibst CE) 
4. Zur Ontogenesisdes Seeigels . . u. 
Schluss } Fe a5 Ss 
Verzeichnis der zitierten Eikeratur ee ee (N) 
Erklärung der Abbildungen@r Ei. °.%. "N... Denn See ee 

Einleitung. 


In den Studien, die ich gelegentlich der Eibildung der 
Meduse Pelagia noctiluca über die morphologischen Beziehungen 
der Zellsubstanzen zueinander unternahm, behandelte ich bereits 
Fragen und Ergebnisse, die ich im folgenden eingehender be- 
schreibe, einen weiteren Bericht über den gegenwärtigen Stand 
von Untersuchungen gebend, die sich noch im Gang befinden. 
Als Ziel schwebt mir vor die Darstellung der Kooperation der 
Zellkomponenten auf morphologischer Grundlage nach kritischer 
Sichtung der gebrauchten technischen und methodischen (theore- 
tischen) Mittel. Eibildung, Furchung und die Anfänge der Organo- 
genesis eines, wie sich ergab, einfachen Typus, in solcher Dar- 
stellungsweise enthält diese Mitteilung. Daran schliesst sich in 
aller Kürze eine Bezugnahme auf Theoreme über ähnliche Er- 
scheinungen, wie sie sich aus anderen Fragestellungen ergaben. 
Die Bedeutung des Chromatins in seinen wechselnden Erscheinungs- 
weisen, der Nucleolen, des Chromidialapparats, der Mitochondrien 
u. dgl. ist hauptsächlich damit gemeint. Die ziemlich klar liegenden 
Verhältnisse der Reifeteilungen bei den Echinodermen und den 
Kernteilungen während der Furchung des Seeigeis duldeten es 
nur gestreift zu werden. Der organogenetische Teil kann bei 
dem gebrauchten Material cytologisch nicht über ein bestimmtes 
Stadium hinaus erfolgreich untersucht werden; ich wählte es aber 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 545 


von besonderen Gründen abgesehen doch, weil es im Dienste der 
experimentellen Forschung viel verwandt. nach mannigfacher 
Richtung hin Bezugnahmen erlaubt. 


I. Material und Technik. 


Alle Arten von Echinodermen, deren ich lebend habhaft 
werden konnte, habe ich im Sommer 1908 in Wimereux-sur-Mer 
(Pas-de-Calais, Nordfrankreich) und namentlich vom Oktober 1909 
bis März 1910 in Villefranche-sur-Mer (Alpes maritimes, Süd- 
frankreich) auf ihre Gonaden untersucht. Die folgenden Mit- 
teilungen beziehen sich auf Ovarien und Laich nachgenannter 
Vertreter der fünf rezenten Echinodermenklassen : 


1. Echinoidea: 
Strongylocentrotus lividus Brandt, 
Sphaerechinus granularis Al. Agassiz, 
Eehinus microtubereulatus Blainville, 
Echinocardium cordatum Gray; 
2. Holothurioidea: 
Holothuria tubulosa Gmelin: 
3. Asteroidea: 
Echinaster sepositus Müller et Troschel, 
Asterina gibbosa Forbes, 
Astropeeten spinulosus Ludwig; 
4. Ophiuroidea: 
Ophioderma longicauda Müller et Troschel, 
5. Crinoidea: 
Antedon phalangium Marion, 
Antedon rosacea Norman. 


Von diesen gemeinen Arten standen mir grosse Mengen 
zur Verfügung. Deshalb gab ich ihnen, um sie der Darstellung 
zugrunde zu legen, vor anderen, die ich nur in einzelnen Stücken 
erhielt, den Vorzug. Die Fixation der herauspräparierten Gonade 
geschah immer unmittelbar nach dem Fang. Vor in Aquarien 
gehaltenen Tieren ist zu warnen, da deren Geschlechtsorgane 
degenerative Veränderungen aufweisen. Die Echinodermen sterben 
bei unnatürlichen Bedingungen sozusagen allmählich und die 
Gonaden scheinen zu den zuerst von nekrotischen Prozessen er- 
griffenen Organen zu gehören. Aus denselben Gründen wird 


546 Julius Schaxel: 


man lebend über Land geschicktem Material gegenüber eine 
gewisse Skepsis zu wahren haben. | 

Höchstens erbsengrosse Stücke von Ovarien (von Antedon 
fertile Pinnulae) fixierte ich auf die verschiedenste Weise stets 
ohne Erwärmen und erhielt die besten Resultate mit den Gemischen 
von Flemming (Eisessig, 2°/oige Osmiumsäure, 1°/oige Chrom- 
säure gemischt im Verhältnis 1:5:15), Benda (wobei wegen des 
geringen Zusatzes von Eisessig sich das langsame Eindringen des 
Fixativs unangenehm bemerkbar macht), Hermann (Eisessig, 
2°/oige Osmiumsäure, 1°/owässerige Platinchloridlösung gemischt 
im Verhältnis 1:4:15), Zenker (zu Müllerscher Flüssigkeit 
5 g Eisessig und 5 g Sublimat) und mit Sublimat-Eisessig. Von 
den genannten Fixativen verdient keines einen absoluten Vorzug. 
Man kann sagen, dass sie einander ergänzen. Mit Osmiumsäure- 
gemischen kommt man am weitesten. Sie versagen nur für die 
Kernstrukturen reifenaher Eier mit viel Dotter, an den die 
Osmiumsäure, ohne den Kern zu erreichen, völlig gebunden zu 
werden scheint. Ein gutes Färberesultat setzt tüchtiges Aus- 
waschen voraus. Das nicht sofort weiter verarbeitete Material 
konservierte ich in SO°/oigem Alkohol. Nach längerem Aufenthalt 
darin ist namentlich bei Osmiumsäurematerial eine gewisse beim 
Schneiden dünner Schnitte lästige Sprödigkeit unvermeidlich. Ich 
brachte solche Objekte durch absteigenden Alkohol für 12 bis 
24 Stunden in destilliertes Wasser, bevor ich sie weiter ver- 
arbeitete und hatte damit besseren Erfolg. Vor dem Einbetten 
benutzte ich Chloroform. Eine Erwärmung über 55° beim Ein- 
betten vermied ich. Im Winter zog ich Paraffın von 52° Schmelz- 
punkt vor. Meine Objekte waren der Wärmeeinwirkung nie 
länger als eineinhalb Stunden ausgesetzt. Die Schnittdicke 
betrug für gewöhnlich 4 u, für feinere Strukturen 3 «. Bei der 
Tinktion ging ich von dem Prinzip aus, die verschiedensten 
Farben mit den verschiedenen Fixationen zu kombinieren, 
um durch Vergleichung desselben Objektes nach den mannig- 
faltigen Behandlungsweisen das durch die Beharrlichkeit des 
Erscheinens am meisten Wahrscheinliche zu ermitteln. Die 
Überschätzung der sogenannten spezifischen Methoden teile 
ich nicht. 

Zum Studium der Zellverhältnisse bei der Ontogenesis 
dienten mir Zuchten von Strongylocentrotus lividus, die ich- im 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 547 


Laboratorium von Villefranche angelegt habe. Im folgenden ist 
nur von der normalen Entwicklung aus dem befruchteten Ei die 
Rede. Abkömmlinge von Kulturen, die nicht ausnahmslos jenes 
Pluteusstadium erreichten, in dem für gewöhnlich das Schicksal 
der gefangen gehaltenen Seeigeljugend infolge Nahrungsmangels 
besiegelt ist, wurde zu dieser Untersuchung nicht verwendet. 
Die ersten Stadien fixierte ich alle 5—10 Minuten, später alle 
ganzen Stunden, so dass mir kein Stadium fehlt, und zwar mit 
bestem Erfolg in Flemmingschem Gemisch, in das die Larven 
gespritzt wurden. Das sonst für Seeigellarven viel angewandte 
(remisch nach Boveris Angaben (Eisessig, konzentrierte Pikrin- 
säure, Wasser im Verhältnis 3 : 100 : 200 gemischt) ergab keine 
so wohl erhaltenen Plasmastrukturen. Beim Einbetten ist es von 
Wichtigkeit, eine möglichst grosse Anzahl von Larven beieinander 
zu haben, so dass man viele Hunderte zu einem Block vereinigt 
hat und so im geschnittenen Präparat ohne weiteres jede nur 
erwünschte Orientierung vorfindet. Herrn Th. Spitschakoff, 
Assistenten am zoologischen Laboratorium in Villefranche, verdanke 
ich folgende Angabe: Man giesst ein Uhrschälchen mit dem 
Paraffin aus, das man zum Einbetten verwenden will. In der 
Mitte der so erhaltenen Paraffinscheibe bringt man dann eine 
trichterförmige Vertiefung ( "y  ) an. Diese Vertiefung wird 
mit den einzubettenden Objekten etwa zur Hälfte gefüllt, indem 
man sie aus Xylol (Chloroform ist wegen heftiger Diffusionsströme 
hier nicht zu gebrauchen) mit einer feinen Bibette überträgt 
und, nachdem sie zu Boden, d.h. in den Hals des Trichters, 
gesunken sind, das überschüssige Xylol absaugt. In dem Uhr- 
schälchen, das der Scheibe als Form diente, kommt sie in dem 
Thermostat in eine grössere offene Schale. Sobald das Paraffın 
geschmolzen ist, wird in die äussere Schale kaltes Wasser ge- 
bracht, so dass man das erstarrende Präparat ohne Gefahr durch 
Erschütterung die kleinen Objekte zu zerstreuen, aus dem Ofen 
nehmen kann. 

Tinktoriell verfuhr ich mit den Larven wie mit den 
Eiern. Hier wie dort ist eine möglichst grosse Anzahl Präpa- 
rate verschiedener Behandlung die beste Gewähr sicheren Ver- 
fahrens. 

Die Mitarbeit meiner Frau an diesen Untersuchungen war 
mir in jeder Hinsicht von grösstem Nutzen. 


548 Julius Schaxel: 


II. Übersicht über den Bau des Ovariums 
der Echinodermen. 


1° DasOarıum: 


Die Echinodermen sind mit wenigen Ausnahmen getrennt- 
geschlechtlich; doch unterscheiden sich die Geschlechter äusserlich 
in keiner Weise und die Hoden sind von den Eierstöcken, von 
Färbungsdifferenzen im reifen Zustand abgesehen, nur durch ihren 
Inhalt verschieden. 

Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen müssen die 
Integration der Geschlechtsdrüsen bei der Ontogenesis erst noch 
genauer feststellen. Vorläufig kann als wahrscheinlich gelten, 
dass unter den einzelnen Klassen lediglich die sozusagen als 
Keimbahn fungierende Genitalrhachis unter den einzelnen Klassen 
homolog im Sinne der vergleichenden Morphologie ist, während 
das für den als Gonade fertilen Teil nur in beschränktem Maße 
und gar nicht für die Ausmündungen gilt. 

Bei den Holothuroideen liegen meist zwei Drüsenbüschel 
zu beiden Seiten des dorsalen Mesenteriums und münden durch 
einen einzigen Ausführgang im dorsalen Interradius. 

Die regulären Echinoideen besitzen fünf grosse Drüsen im 
aboralen Teil der Interradien. Bei den irregulären Seeigeln 
kommt es zu Reduktionen der Gonadenzahl. Die Ausmündung 
erfolgt durch die Grenitalporen der Interradialplatten des 
Apicalfeldes. 

Die Gonaden der Asteroideen bestehen aus ursprünglich 
fünf interradialen Drüsen, die jederseits einen Ausläufer in die 
in den Radien sich erstreckenden Arme senden. Die Geschlechts- 
öffnungen liegen dorsal an den Armbasen. Mit Vermehrung der 
Armzahl vermehren sich auch die Gonaden. Auch längs der 
Arme können neue (ronoporen auftreten. 

Bei den Ophiuroideen liegen zahlreiche Drüsen zu beiden 
Seiten der Bursae, in die die (seschlechtsprodukte entleert 
werden. 

Bei den Crinoideen ist die Genitalrhachis der Arme fertil 
im mittleren Teil der Pinnulae, wo sie zur Gonade anschwillt. 
Die reifen Eier durchbrechen an vorbestimmten Stellen die 
Körperwand und werden an der Aussenfläche der Pinnulae haftend 
befruchtet. 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 549 


Im histologischen Bau des nur aus der Keimzellen be- 
reitenden mehr oder weniger verästelten Drüse und (mit Ausnahme 
der Crinoideen) dem kurzen Ausführgang bestehenden Ovariums 
stimmen die Echinodermen so sehr überein, dass das Beispiel 
der Holothuria tubulosa für alle gelten kann. Textfig. 1 stellt einen 
Querschnitt durch einen Endast eines noch nicht geschlechtsreifen 


Mextuo. 4 


Ovariums dar. Aussen überkleidet das bewimperte Peritoneal- 
epithel der grossen Leibeshöhle, in der das Ovarium liegt, das 
Organ. Darunter befindet sich eine dünne Muskelschicht, deren 
Kontraktion wohl der Herausbeförderung der im Lumen der 
Drüse flottierenden reifen Eier dient. Die folgende Schicht 
besteht aus einem Lakunensystem schizocwlen Ursprungs, in dem 
sich amöboide Zellen bewegen. Bei den dotterbildenden Formen ist 
es viel mächtiger entwickelt wie bei denen, die kein Deutoplasma 
speichern. Wo in starkem Wachstum begrifftene Eier liegen, 
bildet es besondere Proliferationen, denen die Eier aufsitzen. 
Es dient wohl hauptsächlich der Zufuhr der Nährsäfte. Darüber 
dehnt sich das einschichtige Keimepithel aus, dessen Einzelzellen 
in verschiedenem Maße entwickelt sind. Gegen Anfang März 
fand ich in Villefranche ausser bei den Holothurien bei allen 


550 Julius Schaxel: 


Echinodermen reife Eier, aber auch noch jüngere und jüngste 
Stadien, wenngleich diese mit Ausnahme der stets fruchtbaren 
Seeigel mit dem Verlauf des Winters an Zahl abnahmen. 


2, DievEollikel. 


Die im Keimepithel heranwachsende Oocyte hebt bei Zu- 
nahme ihres Volumens Nachbarzellen aus dem Verband der anderen 
heraus, die ihr anliegen und denen sie Nahrung entzieht. Schon 
vor erreichter Reife sind die Follikelzellen verschwunden, wohl 
durch Resorption von seiten der Eizelle und auch abgedrängt 
durch die ectoplasmatische Oberflächenschicht des Eies, die sich 
später als Hülle von gallertiger Beschaffenheit einen Mikropylen- 
kanal freilassend deutlich abhebt. Ob die Follikelzellen Geschwister 
der Oocyte sind oder Zellen anderer Provenienz, sieht man den 
Präparaten nicht an. Eine Einwanderung von Mesenchym oder 
dergleichen ins Ovarium des geschlechtsreifen Tieres ist nicht 
zu konstatieren. Mir scheint die Sache folgendermassen zu liegen: 
Das Ovarıum ist ein fertiler Teil der im allgemeinen steril 
bleibenden Genitalrhachis. An der fertilen Stelle werden nun 
nicht alle Rhachiszellen zu Eiern, sondern nur verhältnismässig 
wenige. Ein Teil der steril bleibenden Zellen liefert die Follikel; 
andere verharren in diesem Zustand, um bei der nächsten Reife- 
periode das Ausgangsmaterial der Eiproduktion zu liefern. 

Die Follikel haben bei den 
einzelnen Echinodermen eine ver- 
schiedene Ausbildung, wie die 
beigegebenen Übersichtsbilder 
zeigen mögen. Textfig. 2 zeigt 
L NE | bei stärkerer Vergrösserung eine 
junge Oocyte von Holothuria, die 
N / wachsend diejenigen Zellen, die 

ursprünglich den von ihr jetzt 

allein eingenommenen Raum 

_ _.." Innehatten, mit sich nimmt. Die 
Textfig. 2. Zellen breiten sich später flach 

aus. Eine eigentliche Phago- 

cytose durch die Eizelle findet nie statt. Die folgenden Figuren 
sind ältere Stadien (mittlere auf dem Reifungsweg) und schwächer 
(Zeiss Ob. D, Ok. 4) vergrössert. Textfig. 3 gehört Sphaerechinus 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. Sa 


(Echinoidea) an. Den Seestern-Oocyten liegen weniger, wie in 
Textfig. 4 von Astropeeten, oder mehr, wie in Textfig. 5 von 
Echinaster, dem Ophioderma fast gleicht, Follikelzellen an. Wird 
aus Raummangel die Ooeyte gegen das Ovariallumen vorgedrängt, 
wobei sie meist eine ei- bis flaschen- 

förmige Gestalt annimmt, so bleibt sie EN 
durch die Follikel mit dem nahrungs- > 
führenden Lakunensystem in Verbindung. ; 
Eine Art Eistiel wird so gebildet, der je 


nach dem Zellreichtum bald mehr hohl, 3 
bald solider erscheint. Bei den Crinoideen ö 
% 
GE 2) 
Textfig. 4. 


Textfig. 5. Textfig. 6. 


sind die steril bleibenden Rhachiszellen besonders häufig. Sie 
umgeben die Oocyte daher allseitig und manchmal sogar mehr- 
schichtig. Einschichtig und dünn bleibt stets nur die der Ovarial- 
wand zugekehrte Seite, durch die das reife Ei in der oben- 
genannten Weise austritt. Textfig. 6 zeigt die follikelumhüllte 
Oocyte von Antedon. 


552 Julius Schaxel: 


III. Die Eibildung der Echinodermen. 

Die vergleichende Betrachtung der Ergebnisse über die Ei- 
bildung der Stachelhäuter ergibt eine weitgehende Übereinstimmung 
der zellulären Prozesse unter den einzelnen Klassen und Arten. Das 
gilt besonders für die frühen Stadien der Reifung. Erst wenn 
die Vocyte jene Umwandlungen durchmacht, die ihren Zelleib für 
das bevorstehende Schicksal der Furchung vorbereiten, treten 
Differenzen auf, die wir kennen lernen und auf einen Ausgangs- 
punkt der Übereinstimmung zurückführen werden. Da im übrigen 
nur Unterschiede in der Grösse des Eibildungsmaterials bestehen, 
so nehmen wir nicht die Schilderung der untersuchten Arten für 
sich vor, sondern wir folgen dem Reifungsprozess als solchem 
und beziehen uns auf erläuternde Beispiele. 

Ich fand im Keimepithel keine Zellen in Teilung, sondern 
meine Präparate bieten nur Bilder, die sich nach, wie ich glaube, 
sicheren Kriterien in jene fortlaufende Reihe bringen lassen, die 
mit dem Reifei endet. Mit diesen werden wir uns sogleich ein- 
gehend beschäftigen. Ausserdem finden sich im fertilen Teil 
der (onorhachis der Crinoideen zwischen den wachsenden Oocyten 
und an manchen Stellen des Keimepithels der anderen Echino- 
dermen Zellen, deren Kern auf achromatischem Retieulum verteiltes 
Chromatin und einen exzentrischen Nucleolus aufweisen. Fig. 22 
zeigt dies von Holothuria. In der Grösse stimmen diese Zellen 
mit den allerjüngsten Oocyten überein. Im Bau gleichen sie 
denen der sterilen Rhachis bei den Urinoideen und den Follikel- 
zellen, wenn diese durch ihren Anschluss an eine wachsende 
Oocyte eben als solche erkennbar werden. Es muss natürlich 
dahingestellt bleiben, ob wir es bei meinem Material mit Zellen 
zu tun haben, die den letzten Teilungsschritt versäumten und 
nun bei gegebener Gelegenheit zu Follikelzellen werden oder mit 
Ruhestadien, die die gegenwärtige Reifungsperiode überdauernd 
den Ausgang der nächsten bilden. 

Was sonst im Ovar an Zellen anzutreffen ist, hat, sofern 
die Reifeteilungen nicht schon vollzogen sind, als Doeyten erster 
Ordnung zu gelten. Das Wachstumsei ist eine Zelle, die durch 
Substanzvermehrung verknüpft mit bestimmten Umbildungen in 
jenen Zustand versetzt wird, wo es nur eines auslösenden Faktors 
bedarf, damit durch eine Reihe von Teilungen ein bestimmt 
gefügtes Zellenaggregat entstehe. Wir disponieren die Ausbildung 


, SE 
Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 553 


des furchungsbereiten Eis nach Merkmalen, die von den Be- 
ziehungen von Kern und Zelleib hergenommen sind. Schon bei 
der Untersuchung der Eibildung der Aseidien (1909) und der 
Meduse Pelagia (1910) erschien mir der Austritt chromatischer 
Substanz aus dem Kern als ein wesentliches und besonders wohl 
charakterisiertes Moment, eine Beobachtung, die sich mir inzwischen 
vielfach und besonders auch bei der Echinodermen-Oogenese 
bestätigte. 

MaDer 00 ce ytenkern: 

a) Präemissionsstadien. 

Stadien, wie sie die Fig. 18 von Echinocardium, Fig. 47 von 
Antedon und namentlich die Fig. 13 von Sphaerechinus wieder- 
geben, veranlassen mich, zwischen die obengenannten Ruhestadien 
und die folgenden Erscheinungsweisen des Oocytenkerns mindestens 
eine Teilung einzuschieben. Ich betrachte die einseitig im Kern- 
raum zusammengezogenen Fäden als hervorgegangen aus den 
Chromosomen einer Oogonienmitose. Besonders das gegenseitige 
Lageverhältnis zweier Zellen wie in Fig. 13 lässt sich ohne weiteres 
an die Telophase einer Teilung anschliessen. Durch Streckung 
der Einzelehromosomen und Auflockerung ihrer (resamtmasse 
kommt es dann zur Ausbreitung chromatischer Fäden durch den 
erst jetzt als deutliche Abgrenzung innerhalb der Zelle in Er- 
scheinung tretenden Kern. An Fig. 13 schliesst sich 14 von 
Sphaerechinus, an 18, 19 von Echinocardium und Fig. 23 ist das 
entsprechende Stadium von Holothuria. Ich unterlasse es, von 
Beobachtungen über Verdickung und Verdünnung, (uer- oder 
Längsspalten der chromatischen Fäden in diesem und den nächst- 
folgenden Stadien zu sprechen, da solche Erscheinungen für unsere 
Probleme von keinem entscheidenden Wert sind und wir die 
Fragen der zahlenmässigen Reduktion individualisierter Chromatin- 
gebilde namentlich auch unserer Unkenntnis von Oogonien-Mitosen 
wegen nicht berühren. 

Die Stadien des durch den Kernraum in Fadenform verteilten 
Chromatins sind häufig zu beobachten, so dass ein längeres Ver- 
weilen der Kerne in diesem Zustand wahrscheinlich wird. Er 
ist als beendigt anzusehen, wenn die Fäden aufhören eine gleich- 
mässige Dicke zu zeigen. Das Chromatin gibt seine bisherige 
Anordnung auf und zieht sich in nucleolenähnliche Ansammlungen 
zurück, die der Kernoberfläche nahe liegen. Zuerst erscheinen 


554 Julmuse Sstehmasszeile: 


diese Nucleolen nur als kleine Klumpen an den Fäden, während 
sie später die Hauptsache ausmachen und dann durch die Fäden 
miteinander verbunden scheinen. Ihre Zahl nimmt solange zu, 
bis sie miteinander zu verschmelzen beginnen. Irgend ein durch 
zufällige Umstände grösseres solches Gebilde scheint durch die 
Einschmelzung kleinerer den Anfang damit zu machen. Das 
Resultat des ganzen Prozesses ist die Kondensation des gesamten 
Chromatins in einem einzigen Nucleolus. In Fig. 1 ist bei 
Strongylocentrotus die erste Spur einer chromatischen Verdichtung 
zu sehen, während die Masse des Chromatins noch in Fadenform 
den Kern erfüllt. Wenig weiter ist Fig. 27 (Astropecten),. In 
den Fig. 2 und 3 von Strongylocentrotus, 20 von Echinocardium, 
>24 von Holothuria, 34 von Asterina, 44 von Ophioderma, 48 und 
49 von Antedon sind die Chromatinfäden. superficiell gelagert 
und weisen zahlreiche kleine Nucleolen auf. Die etwas grösseren 
erstrecken sich in den freien Raum des Kerninnern. Dahinein 
verlagert sich schliesslich der persistierende, alles Chromatin um- 
fassende Nucleolus (Fig. 4 von Strongylocentrotus). 

Ein Zell- oder bloss Kernwachstum ist bis jetzt nicht zu 
beobachten, wenn man davon absieht, dass ein deutlicher Kern 
eben überhaupt erst dann erscheint, wenn die Chromatinfäden aus 
der dem Teilungszustand folgenden dichten Lagerung sich lockerer 
ausbreiten. Das im Nucleolus kondensierte Uhromatin beginnt 
sich aber zu vermehren und wiederum in zentrifugalen Strassen 
vom Nucleolus abzuströmen. 


b) Das Stadium der Emission 
wird damit erreicht. Das achromatische Kerngerüst wird jetzt 
erkennbar und zwar weniger, weil es durch eine gewisse Färb- 
barkeit hervortritt, sondern durch die auf ihm bewegten Chromatin- 
partikel, die nach dem Aufenthalt im Nucleolus als einzelne er- 
kennbar werden, während sie vordem an die eigenartige Anordnung 
in fädigen Formungen gebunden waren. Inmitten des Kerngerüstes 
liegt der Nucleolus, dessen Kondensation zuerst noch zunimmt, 
indem er, wenn er zu Anfang der Emission noch als Konglomerat 
kleinerer Nucleolen erscheint (bei den Asteroideen und Ophiuroideen), 
doch noch ein einheitlich abgerundeter Körper wird. Schliesslich 
aber verwischt sich mit fortschreitender Assimilation und Emission 
des Chromatins durch die abströmenden Bahnen seine Kontur 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 


mehr und mehr. Die Chromatinströme selbst verlaufen zuerst 
ziemlich geradlinig zur Kernmembran. Mit dem Wachsen des 
Kerns und dem Zunehmen der Emission kommt es unter den 
chromatischen Strassen zu Vereinigungen und geringen Stauungen. 
Das anfänglich klare Bild der Zentrifugie des Chromatins geht 
dadurch in ein mehr netzartig aussehendes über. An der Kern- 
membran kommt es zu keiner oder nur einer minimalen Stauung 
des Chromatins. Sie wird allseitig von Strömen erreicht. Daher 
erscheint sie zuweilen selbst chromatisch durch die Erfüllung von 
passierenden Chromatinpartikeln. Ebenso ungehindert verteilt sich 
das emittierte Chromatin ausserhalb des Kerns. Die anderweitig 
beobachteten Kuppenbildungen finden sich so bei den Echinodermen 
nicht. Die Dauer der Emission erreicht nicht die, wie ich sie 
z. B. bei der Pelagia-Oogenese beobachtet habe. Der rasche 
Verlauf und der Mangel an Kuppenbildungen machen den ganzen 
Prozess unauffällig und liessen ihn bisher übersehen. Das Ende 
der Emission ist kenntlich durch Veränderungen im Nucleolus, 
andersartige Verteilung des Kernchromatins und Anzeichen im 
Eileib, auf die ich zurückkomme. 


Die noch zunehmende Kondensation des Nucleolus zu Beginn der 
Emission zeigt Fig. 38 von Echinaster. Die geradlinig abziehenden 
Chromatinbahnen zu Beginn der Emission weisen die Fig. 5 von 
Strongylocentrotus, 21 von Echinocardium, 35 von Asterina, 38 von 
Echinaster, 50 von Antedon auf. In den älteren Emissionsstadien 
erscheint der Nucleolus durch das reichlich abströmende Chromatin 
in das achromatische Kerngerüst hinein ausgezogen und die 
Chromatinstrassen anastomosieren häufig (Fig. 6 Strongylocentrotus, 
16 von Sphaerechinus, 28 von Astropecten, 39 von Echinaster, 
45 von Ophioderma, 51 von Antedon). Zu den Holothurien ist 
besonders zu sagen, dass hier der Nucleolus immer exzentrisch liegt, 
weshalb die Zentrifugiefigur nicht so deutlich erscheint (Fig. 38). 


c) Die Postemissionsstadien. 

Zu den Anzeichen der Beendigung der Emission gehört 
die Verwischung der Zentrifugiefigur infolge der andersartigen 
Lagerung, in die das Kernchromatin nunmehr gerät. Zwar findet 
noch ein weiteres Abströmen des Chromatins vom Nucleolus statt; 
die Assimilation hat aber offenbar aufgehört; denn im Nucleolus 
entstehen achromatische Gebiete, die solange an Grösse zunehmen, 


356 ullatutsesichhrasenle 


bis der Keimfleck überhaupt kein Chromatin mehr enthält. Er 
zeigt von da an keine substanziellen Beziehungen zum Chromatin 
mehr. Die Volumenvergrösserung des Keimbläschens, die schon 
während der Emission statthatte, hält noch weiter an. Durch 
die Weite des Keimbläschens verteilt sich das Chromatin und zwar 
so, dass es mit fortschreitender Eientwicklung in immer deutlicher 
in Erscheinung tretenden Verdiehtungen sich ansammelt. Zunächst 
haben sie eine unregelmässige, klumpige Form, dann lässt sich 
eher von fädigen Bildungen sprechen. Die unregelmässige Kontur 
durch fein granulierte, verästelte Fortsätze der Chromatingebilde 
halte ich für dadurch bedingt, dass das Chromatin sich auf dem 
achromatischen Kerngerüst bewegt und seine Verdichtungen diesem 
eingelagert bleiben. ‚Je mehr das Keimbläschen sich der Reife 
nähert, desto individualisierter treten die Chromatinfäden hervor, 
um bei der Auflösung der Kernmembran in die Richtungsspindel- 
chromosomen überzugehen. Nicht alles Chromatin beteiligt sich 
an der Chromosomenbildung, sondern einzelne Partikel und Klümp- 
chen bleiben zwischen den sich formierenden Fäden liegen und 
gelangen mit dem Abschluss der Kernreife im abströmenden Kern- 
saft samt dem Nucleolus ins Plasma, wo sie alsbald verschwinden. 
Der weibliche Vorkern hat einen bedeutend geringeren Umfang 
wie der Kern des reifenden Eis. Wie diese Volumenverminderung 
die Struktur des Eileibs beeinflusst. werden wir später sehen. 
Den bekannten Vorgängen der Richtungskörperbildung selbst habe 
ich nichts Neues hinzuzufügen. 

Fig. 39 zeigt von dem Seestern Echinaster das Ende der 
Emission, das vom Nucleolus abströmende Chromatin und die ersten 
Anfänge der nenen Chromatinansammlungen an den Stellen, wo 
Chromatinstrassen aufeinander treffen. Das nächste Stadium, 
klumpige, extranucleoläre Chromatinkondensa, findet sich in 
Fig. 29 von Astropeeten dargestellt. Daran schliesst sich Fig. 30. 
dann 31, wo der Fadencharakter schon deutlich hervortritt und 
schliesslich Fig. 32 als ein Keimbläschen, das vor dem Abschluss 
der Kernreife steht. Die Fig. 25 bis 32 gestatten den Vergleich 
der Kernbilder nach dem CUhromatinaustritt, wie sie bei Astropeeten 
aufeinander folgen. Von Strongylocentrotus zeigt Fig. 7 ein 
mittleres, Fig. 11 ein sehr spätes Stadium und Fig. 12 enthält 
den weiblichen Vorkern. Postemissionskerne von Holothuria und 
Asterina finden sich in Fig. 26 bezw. 36. 


ou 
—I 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 5) 


3, Der Nucleolus. 

Wir sahen, dass bei der präemissionalen Kondensation des 
Chromatins aus fädigen Bildungen zunächst zahlreiche kleine 
Nucleolen entstehen, die sich schliesslich zu einem einzigen ver- 
einigen, der während der weiteren Vorgänge persistiert. Klumpige 
(rebilde, die nach der Emission ausserhalb des Nucleolus zu sehen 
sind, erweisen sich nur als vorübergehende Chromatinformungen, 
so dass bei der OVogenese eigentlich nur ein Nucleolus als räumlich 
scharf gesondertes (rebilde auftritt. Während der Emission spielen 
sich in ihm die Assimilationsvorgänge des Chromatins ab, wie aus 
der Vermehrung und dem Abströmen des Chromatins zu erkennen 
ist. Gegen das Ende dieser Prozesse und vor allem bald danach, 
während das Chromatin den Nucleolus verlässt, erscheinen in ihm 
Stellen von nur geringer Färbbarkeit, die wie kleinste Vakuolen 
aussehen und sich durch Zusammentliessen vergrössern. Schliesslich 
ist der Nucleolus völlig chromatinfrei. Der Vakuolisationsprozess 
schreitet noch fort und auch der Umfang des Nucleolus nimmt 
noch zu. Im reifenahen Keimbläschen ist er nur noch ein ver- 
zerrtes, schwach gefärbtes Gebilde, dessen Resorption im Plasma 
bei der Keimbläschenauflösung schon erwähnt wurde. Wie eben- 
falls gesagt, zeigt also der Nucleolus der Echinodermen-Eibildung 
bei meinen Befunden nach den mit der Chromatinemission im 
Zusammenhang stehenden Prozessen keine substanziellen Be- 
ziehungen zum Chromatin mehr. 

In der Reihe der Keimbläschen, die die Fig. 29 bis 32 von 
Astropecten darstellen, ist die zunehmende Entfärbung des Nuc- 
leolus deutlich zu sehen. Die erste Spur der Entchromatisierung 
macht sich meist im Zentrum als helle Vakuole bemerkbar (Fig. 30 
von Astropecten, Fig. 7 von Strongylocentrotus); dann treten mehr 
dieser ähnliche auf (Fig. 26 von Holothuria, Fig. 36 von Asterina), 
die zunehmen, so dass sie bald die Hauptmasse ausmachen und 
nur noch eine schmale, stärker gefärbte Schicht kappenartig auf- 
sitzt (Fig. 31), bis auch diese verschwindet und das Endstadium 
erreicht wird (Fig. 32), das in Fig. 533 von Echinus und in Fig. 52 
von Antedon stärker vergrössert abgebildet ist. Die hier am 
hellsten erscheinenden Stellen sind die grössten Vakuolen, die 
dunkleren bestehen aus zahllosen, durch Zwischenwände voneinander 
geschiedenen kleinsten Bläschen. Die Vereinigung der gesamten 


Bläschen bedeutet eben das Verschwinden des Nucleolus. Wahr- 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 36 


Julusesichlaneeil: 


ot 
oO 
[6 s) 


scheinlich geben dazu die veränderten Druckverhältnisse bei der 
Keimbläschenauflösung den Anlass. 


3. Die Kernmembran. 

Im fixierten Präparat tritt die Kernmembran deutlich hervor, 
sobald der „Ruhe“-Kern nach der Teilung vom umgebenden Plasma 
sich überhaupt abgrenzt, also bei der Auflockerung der Masse 
der Chromatinfäden in der jüngsten Oocyte. Während der 
CUhromatinemission fällt sie auf durch ihre chromatische Tönung, 
die hervorgerufen wird durch die hier offenbar langsamer passieren- 
den Chromatinpartikel und die allerdings nur minimalen Chromatin- 
stauungen (die ich ja anderweitig, z. B. bei Ascidien und Medusen, 
sehr stark gefunden habe). Eine Unterbrechung ihrer Kontinuität 
habe ich nie feststellen können. Ihr Spannungszustand ist bis 
über die Emission hinaus straff und der von Kernsaft erfüllte 
Kern daher kugelig. Gegen Abschluss der Reifung weist die 
Membran kleine Fältelungen auf, die natürlich bei den Formen 
mit grossen Eiern, also bei den dotterbildenden, stärker erscheinen, 
als bei den anderen. Die Auflösung beim Abschluss der Reifung 
muss wirklich eine Lösung, kein Zerreissen sein; denn sie geschieht 
zwar äusserst rasch, doch ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. 
Ein Blick auf die Figuren illustriert das Gesagte. 

Im Leben ist, sobald überhaupt ein Kern wahrzunehmen 
ist, eben die Begrenzungslinie des als Kern erscheinenden helleren 
Raumes als Membran anzusehen. Sie scheint eine dichtere Lagerung 
desjenigen Protoplasmas zu sein, das die Grundstruktur von Kern 
und Zelleib gleichermassen bildet. 


4. Der Zelleib der Oocyte. 

Bis zum Eintritt der Chromatinemission umgibt das Plasma 
des Zelleibs in feinwabiger Schicht den Kern, ohne irgendwelche 
Einlagerungen besonders gefärbter oder geformter Substanz zu 
zeigen oder an Masse zu gewinnen. Es befindet sich im Zustand 
der primären Achromasie. Die Fig. 1—4, 13—15, 18—20, 22 bis 
24, 27, 34, 44 und 47—49 geben Bilder dieses Verhaltens bei 
verschiedenen Arten. 

Das aus dem Kern austretende Chromatin und das gleichzeitig 
einsetzende Wachstum der ganzen Zelle gibt der folgenden Phase 
der ooplasmatischen Prozesse bei der Eibildung ihr Gepräge. Das 
emittierte Chromatin verbreitet sich zunächst im Eileib und ge- 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 559 


winnt endlich eine bestimmte Lagerung, in der es beim Abschluss 
der Reife verbleibt, oder es treten noch andere Reifungserscheinungen 
dazu, die der Hauptsache nach in der Ausbildung und Speicherung 
deutoplasmatischer Substanzen bestehen. Hierin differieren die 
einzelnen Echinodermenarten. Doch sind die von uns zu näherer 
Beschreibung ausgewählten Arten durch Übergänge miteinander 
verbunden. Der Grad der Dotterbildung bestimmt das Volumen 
des reifen Eies, und da die als Ausgang des Wachstums dienenden 
jungen Ooeyten nicht schon in entsprechendem Verhältnis in der 
Grösse differieren, ja bei einigen Dotterbildnern sogar kleiner 
sind, als bei keinen Dotter produzierenden (man vergleiche die 
unter gleichen Verhältnissen gezeichneten Fig. 47—49 von Antedon 
mit Fig. 1-5 von Strongylocentrotus!), so ist die Intensität des 
Wachstums und die Menge, Ausbreitungs- und schliessliche Ver- 
teilungsweise des Emissionschromatins eine verschiedene. Immer 
ist jedoch ein bestimmtes Stadium sicher anzugeben, nämlich die 
nach beendigter Emission erreichte dichte Erfüllung des Eileibs 
mit Chromatin, die maximale Chromasie, und der Endzustand 
der Reifung, der da, wo reichlich Deutoplasma vorhanden ist, 
den von mir früher eingeführten Namen der sekundären oder 
vitellinen Achromasie wohl verdient, bei den Nichtdotterbildnern 
aber besser relative Achromasie, im Hinblick auf die später zu 
schildernden Erscheinungen bei der Furchung, genannt wird. 
Untersuchen wir nun die speziellen Verhältnisse: 


a) Echinoidea. 

Das von der Kernmembran abströmende Chromatin ver- 
breitet sich zunächst allseitig im Plasma. Wird nun durch das 
nachrückende Chromatin die Menge in Kernnähe grösser, so kommt 
es zu Stellen dichterer Lagerung, von denen aus weiteres Ab- 
strömen stattfindet. Chromatische Körnelungen durch Stränge 
feiner Granula miteinander verbunden sind Bilder, die dadurch 
entstehen. Man betrachte dies auf den Fig.5 und 6. Mit er- 
reichter Chromasie ist die starke Tinktion des Eileibs sehr auf- 
fällig. Bei schwächerer Vergrösserung erscheint das gesamte 
Ooplasma gefärbt; stärkere Vergrösserung lässt die dichteren 
Stellen als Konglomerate allenthalben verteilter Körnchen er- 
scheinen (Fig. 7) und genaue Analyse der Chromasie enthüllt bei 
der Betrachtung dünner Schnitte die Einlagerung distinkter 

36* 


60 Julius Schaxel: 


[db | 


Chromatinpartikel in das Gefüge des Grundplasmas (Fig. 8). Die 
der Chromasie folgenden Vorgänge bestehen bei den untersuchten 
Seeigeln lediglich in allmählicher Kondensation von CUhromatin- 
inseln des Plasmas. Fig. 9 zeigt ein mittleres Stadium dieses 
Prozesses, auf dem zwar schon dichtere Ansammlungen doch noch 
miteinander in vielfacher Verbindung wahrzunehmen sind. Schafft 
nun beim Abschluss der Reifung die Keimbläschenauflösung plötzlich 
freien Raum und führt der abfliessende Kernsaft zu einer gewissen 
Lockerung des Eileibinhalts, so treten die Chromatinkondensa 
relativ isoliert voneinander und wohl auch noch in sich verdichtet 
hervor (Fig. 10). Fig. 11 zeigt die Strongylocentrotus-Oocyte 
beim Austritt aus dem Keimepithel in das Ovariallumen schwächer 
vergrössert und Fig. 12 das reife Ei. Die relative Achromasie, 
hervorgerufen durch die Verteilung chromatischer Verdichtungen 
auf der achromatischen Grundlage des Ooplasmas, ist im Vergleich 
zur Chromasie der Fig. 7 und der primären absoluten Achromasie 
der ersten Figur leicht festzustellen. Ich bezog mich bis jetzt 
hauptsächlich auf Strongylocentrotus. Ähnliches gibt Fig. 16 von 
Sphaerechinus, Fig. 21 von Echinocardium wieder. 


b) Holothuroidea. 

Bei der Verbreitung des Chromatins im Zelleib fällt hier 
bereits die lineare Anordnung der Chromatinpartikel in konzen- 
trischer Weise um den Kern einigermassen auf (Fig. 25), eine 
Erscheinung, die wir bei den Seesternen noch deutlicher werden 
kennen lernen. Zur Erreichung der CUhromasie führt eine an- 
nähernd gleichmässige Verteilung, in der dichtere Ansammlungen 
die Anfänge künftiger Kondensationen oder erst später sich ver- 
teilende Verklumpungen sein können (Fig. 26). Leider enthielt 
keine der Holothurien, die ich im vergangenen Winter fixierte, 
ältere Eibildungsstadien, so dass ich über die Weiterbildung und 
die Konstitution des reifen Eies hier nichts mitteilen kann. 


c) Asteroidea. 

Die Seesterne sind für unsere gegenwärtige Betrachtung 
deshalb von besonderem Interesse, weil sich bei ihnen an wenigen 
Formen eine verschieden starke Anreicherung des Eileibs mit 
Deutoplasma zeigen lässt. Ich beginne mit dem für Echinodermen 
reichlich dotterproduzierenden Echinaster. Ist die Emission dem 
Ende nahe, so sieht man namentlich bei schwächerer Vergrösserung 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. >6l 


und diekerem Schnitte den Eileib von fädigen Bildungen durch- 
zogen, die der Richtung nach ungefähr der Kernperipherie folgen 
und namentlich in Kernnähe oft dessen Membran parallel laufen. 
Auf den nächsten Stadien erscheinen die Chromatinfäden noch 
deutlicher und damit tritt auch ihre Konzentrizität mehr hervor. 
Das Chromasiestadium scheint von Wirbeln und Schleifen solcher 
Gebilde erfüllt, die während der nun folgenden Dotterbildung an 
Deutlichkeit bis zum Verschwinden verlieren, so dass im Reifei 
nur noch chromatische Körnelungen zwischen den Dotterschollen 
liegen. Sorgfältige Analyse lässt folgendes eruieren: die intra- 
nucleären Chromatinbahnen führen durch die Kernmembran weiter 
und verzweigen sich im Ooplasma mannigfaltig, so dass die 
Chromatinpartikel, solange noch wenige vorhanden sind, hier 
regellos zerstreut zu werden scheinen (Fig. 38). Mit dem Ende 
der Emission kann das nun sehr reichlich vorhandene Chromatin 
sich nicht einfach zerstreuen, sondern es kommt zu Ansammlungen 
rund um den Kern herum infolge des Abrückens von den Durch- 
trittsstellen durch die Membran. Zugleich wächst der Eileib, 
wodurch eine Verbreitung des Chromatins auf immer grösseren 
Raum möglich wird. Dabei wirken die zuerst gebildeten An- 
sammlungen als Ausgang der neuen Ausbreitungen natürlich nur 
nach der vom Kern abgewendeten Seite hin. So erklärt sich die 
zuerst mehr regellose, bald nach der Emission aber strengere 
Anordnung der Chromatinpartikel in Linien, die zur Kernoberfläche 
konzentrisch liegen (Fig. 39 und 40, letztere stellt einen Sektor 
des Eileibs nicht im ganzen Halbmesser dar). Die linearen Ver- 
dichtungen sind nichts in sich abgeschlossenes, sondern stehen 
durch wohl wahrnehmbare Chromatinstrassen zunächst noch mit 
dem Kern und dann untereinander in Verbindung. Mit dem 
Fortschritt des Wachstums verschiebt sich bald die parallele 
Lagerung, während der Zusammenhang innerhalb der einzelnen 
Massen von CUhromatinpartikel resistenter zu sein scheint. (Die 
Agglutination chromatischer Partikel in den fixierten Präparaten 
ist eine. ganz allgemeine Erscheinung.) Die Chromasie besteht 
aus Chromatinherden, die ziemlich dicht in verschlungenen Wirbeln 
dem achromatischen Grundplasma eingelagert sind. In den Herden 
nun erscheinen als Ausscheidung des Cytoplasmas die ersten 
Dotterspuren, die durch Apposition und Zusammenfliessen (eine 
gewisse konzentrische Schichtung und die Langsamkeit der Ver- 


562 Julius Schaxel: 


einigung mehrerer Dotterelemente spricht dagegen, sie als blosse 
Flüssigkeitstropfen anzusehen) ihre endgültige Grösse erreichen. 
Die Vorgänge sind im wesentlichen dieselben, wie ich sie für 
Ascidien und Medusen beschrieb. Eine gewisse Uhromatinmenge 
wird dabei erschöpft, ohne dass aber nur ein annähernd gleiches 
Massenverhältnis besteht. Fig. 42 weist verschiedene Stadien der 
Dotterbildung auf und zeigt die morphologischen Beziehungen des 
Chromatins dazu. Man erkennt gut die Auflösung der Chromatin- 
herde und die partielle Anteilnahme des Chromatins an der Bildung 
der im Plasma ausgeschiedenen Dotterelemente. Nach vollendeter 
Dotterbildung liegt intervittelin dasjenige Chromatin, das daran 
keinen Anteil nahm, in Verdichtungen isoliert (Fig. 43). Damit 
ist die Reifung des Ooplasmas vollzogen. 

Asterina und Astropeeten, die wir von Seesternen noch be- 
trachten, zeigen im Grunde dasselbe, ähneln aber dadurch mehr 
den von Strongylocentrotus geschilderten Verhältnissen, dass sie 
weniger Dotter bilden und so das für Echinaster Beschriebene 
nicht so ausgeprägt zeigen. 

Asterina gleicht in den Stadien bis zur Erreichung der 
Chromasie Echinaster so ziemlich, unterscheidet sich aber dadurch, 
dass die Lagerungen des emittierten Chromatins stets lockerer 
bleiben. Infolgedessen treten in der Chromasie die wirbelige 
Anordnung und vorher schon die scheinbar fädigen Gebilde nicht 
so deutlich hervor und der Zelleib erscheint gleichartiger mit 
gefärbten Partikeln erfüllt. Fig. 36 gibt eine Übersicht davon. 
Die Ausbildung der kleineren Dotterelemente erfolgt in derselben 
Weise wie bei Echinaster. Die intervitellinen chromatischen Ver- 
dichtungen des Reifeies haben mehr Raum zur Verfügung und 
wahren vielfach den Zusammenhang miteinander. Fig. 37 gibt 
einen Ausschnitt aus dem Zelleib einer Oocyte von Asterina, die 
unmittelbar vor dem Abschluss der Kernreife steht und deren 
Plasmakonstitution keine weiteren Umbildungen mehr erleidet. 
Fig. 37 und Fig. 43 (letztere von Echinaster) sind unter denselben 
jedingungen gezeichnet, so dass sie einen unmittelbaren Vergleich 
gestatten. 

Die erste Beschickung des Cytoplasmas mit Chromatin zeigt 
bei Astropecten ebenfalls nichts Neues (Fig. 28). Fig. 29 zeigt 
die Chromasie mit ungefähr linearer Anordnung des Plasma- 
chromatins, die hier noch weniger ausgeprägt als bei Asterina 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 563 


ist. Auch die Wirbel sind sozusagen offener und die Dotter- 
bildungsherde lichter. Fig. 33 ist ein Ausschnitt aus der dotter- 
bildenden Oocyte von der Oberfläche her kernwärts. Die am 
weitesten innenliegende Zone (auf der Figur unten) zeigt noch 
die scheinbar fädige Anordnung des Chromatins. Darauf folgt 
gegen die Zelloberfläche hin die Zone der im Gang befindlichen 
Dotterbildung, bestehend in locker verteiltem Chromatin und den 
ersten Dotterspuren, während die Zelloberfläche schon ungefähr 
den Charakter des Reifeies trägt. Nur kleine deutoplasmatische 
Ausscheidungen sind vorhanden, zwischen denen sich Chromatin 
erhalten hat. Es ist hier auch eine Gelegenheit, die feine ekto- 
plasmatische, noch ausserhalb der Zone des fertigen Dotters in 
diesem Stadium erscheinende Randschicht zu zeigen, die bald 
mehr bald weniger deutlich die Eier aller Echinodermen umgibt 
und die nach vollzogener Reife oder schon etwas vorher bei 
Einwirkung des Spermatozoons oder der die künstliche Partheno- 
genese hervorrufenden Agentien die sogenannte Befruchtungs- 
membran zur Abscheidung bringt. 


d) Ophiuroidea. 

Die grossen Schlangensterne, von denen wir Ophioderma 
longicauda unserer Betrachtung zugrunde legen, zeigen hinsichtlich 
der Verhältnisse der EFireifung fast dasselbe wie die reichlich 
dotterbildenden Seesterne. Für Ophioderma gilt das über Echinaster 
Ausgeführte. Fig. 45 ist ein Stadium, in dem die Chromasie 
noch nicht völlig erreicht ist. Man sieht das den Zelleib er- 
füllende Chromatin in der bekannten Lagerung. Das reife Ei 
weist grosse Dotterschollen auf (Fig. 46) und reichlich intervittelin 
kondensiertes Chromatin, das wieder die für die Dotterbildner 
charakteristische dichtere Fügung zeigt. 

Etwas andere Verhältnisse fand ich bei der kleinen brut- 
pflegenden Amphiura squamata, deren Dottermangel wohl mit 
der geringen Grösse und eben der Brutpflege zusammenhängt. 


e) Crinoidea. 

Von den prinzipiellen Übereinstimmungen, die sich uns für 
die Konstitution der vier beschriebenen Echinodermenklassen er- 
gaben, weicht auch Antedon nicht ab. Trotzdem fallen einige 
Besonderheiten auf. 


564 iablkikus Sichhianszeil: 


Die erste Ausbreitung des emittierten Chromatins zeigt 
das Gewöhnliche (Fig. 50). Die dann erscheinenden dichteren 
Lagerungen ähneln sehr den von Strongylocentrotus bekannten 
Zuständen, wie ein vergleichender Blick auf die Fig. 51 und 5 
lehrt. Die maximale Chromasie wird erreicht mit einer besonders 
dichten Erfüllung des Zelleibs mit Chromatin. Zwischen den 
gedrängt liegenden chromatischen Anhäufungen ist nur wenig 
von dem achromatischen Grundplasma zu sehen (Fig. 53). Jetzt 
setzt ein starkes Zellwachstum ein. Da die Emission schon be- 
endet ist, also kein neues Chromatin mehr hinzutritt, so wird 
dadurch die Verteilung im Plasma lichter. Fig. 54 stellt einen 
Sektor aus dem reifenden Zelleib dar. Die Kernnähe zeigt noch 
die Struktur der Chromasie. Die folgende breite Zone enthält 
Chromatinpartikel in der Anordnung, die durch das Wachstum 
des Grundplasmas hervorgerufen wird. Es befindet sich an den 
einzelnen Stellen in verschiedener Dichtigkeit. An der Zellober- 
fläche hat die Dotterbildung begonnen; von hier aus schreitet 
sie weiterhin kernwärts fort. Die Produktion des Dotters bietet 
nichts Besonderes. Merkwürdig ist aber an den Dotterelementen 
des Reifeies, dass sie aus zwei Schichten zu bestehen scheinen. 
Ein heller, dem ungefähr kugeligen Gebilde wie ein exzentrischer 
Kern einliegender Teil von dem durchscheinenden Aussehen der 
gewöhnlichen Dotterkörner wird von einer opaken Hülle um- 
schlossen. Osmiumsäure schwärzt beide Teile. Bei anderer Fixierung 
zeigt sich der Unterschied aber in der Tinktionsart. Im Reifei 
befindet sich zwischen dem so beschaffenen Dotter reichliches 
Chromatin in Verdichtungen, die den Zusammenhang untereinander 
nicht verlieren. 

Nicht im ganzen Zelleib verlaufen die Prozesse aber in 
der beschriebenen Weise; sondern ein gewisser Teil, dessen Aus- 
dehnung aus dem Übersichtsbild der Fig. 56 zu ersehen ist 
(Stadium nach der Chromasie; Zelleibverhältnisse im allgemeinen 
wie in Fig. 54), verharrt, wenn die Vorgänge der Dotterbildungen 
anfangen, aut dem Stadium der Chromasie. Anfänglich eine 
Kappe auf der Zelloberfläche bildend, wird das chromatische 
Residuum wohl infolge des Zellwachstums ins Innere etwas ver- 
lagert und erfährt dann eine allmähliche Reduktion, indem sein 
Chromatin schliesslich doch noch sich weiter verteilend die Situation 
des Reifeichromatins einnimmt. Den sogenannten Dotterkern, der 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 509 


für die Crinoideen angegeben wird, glaube ich, da ich sonst nichts 
dergleichen gefunden habe, mit diesem Gebilde identifizieren zu 
dürfen, obwohl eine besondere Rolle gerade bei der Dotterbildung 
das über deren Anfang hinaus abgesondert restierende Chromatin 
nicht spielt. 

Bei allen Echinodermen ist im Reifeileib die Verteilung der 
dem Grundplasma eingelagerten Uhromatinkondensa und deuto- 
plasmatischen Gebilde eine gleichartige. Nur Antedon scheint davon 
eine Ausnahme zu machen, indem mit dem Verlassen des Ovars 
eine in allen Eiern in bestimmter Weise vorhandene Schichtung 
chromatin- und deutoplasmahaltiger (rebiete, die durch achromatische 
dotterfreie Teile voneinander getrennt werden, eintritt. Ich komme 
darauf bei Besprechung der theoretischen Ergebnisse zurück, wo 
sich ergeben wird, dass eine Darlegung dieser Dinge im Zusammen- 
hang mit der Ontogenesis sich fruchtbarer gestaltet. Da ich aber 
bis jetzt noch keine Gelegenheit gefunden habe, die Entwicklung 
von Antedon eytologisch zu untersuchen, so sei hier auch auf 
die Darstellung der Architektonik des Ürinoideneies verzichtet. 

Schliesslich will ich noch bemerken, dass in Fig. 55 das 
schon (8. 563) bei der Asteroiden-Oocyte erwähnte Ektoplasma, die 
Bildungsstelle der Befruchtungsmembran, ebenfalls zu sehen ist. 


5. Kern und Zellerb: 


Die Aufklärung über die Beziehungen der Zellsubstanzen 
untereinander bahnen wir an durch den Vergleich der bei 
der Schilderung der Kern- und Zelleibvorgänge unterschiedenen 
Stadien. Die primäre Achromasie des Ooplasmas koineidiert 
notwendig mit den Präemissionsstadien des Kerns, da die von 
ihm aus eingeleitete Emission des Chromatins zur Chromasie 
des Zelleibs führt. Während nun im Kern nach Abschluss der 
assimilativen Phase des Chromatins die allmähliche Integration 
der Reifeteilungschromosomen statthat, geht im Zelleib unter 
dem Einfluss des Chromatins die Konstitution des furchungs- 
bereiten Ooplasmas vor sich. Die Kernreife und die vitelline 
bezw. relative Achromasie des Zelleibs sind gleichzeitig erreicht. 

Die Voluminaverhältnisse von Kern und Plasma 
bei der Oogenese der Echinodermen sind folgende: 

Der Kern tritt deutlich vom umgebenden Plasma abgegrenzt 
in der Oocyte zum erstenmal deutlich bei der Ausbreitung der 


566 Julius Schaxel: 


dünnen Chromatinfäden nach der postdivisionalen Zusammen- 
ziehung in Erscheinung. Mit Einsetzen der Chromatinemission 
wächst der Zelleib rasch, während der emittierende Kern lang- 
samer zu folgen scheint. Mit Erreichung der Chromasie dehnt 
sich der postemissionale Kern aus und bleibt nun bei den keinen 
Dotter produzierenden Formen in einem konstanten Verhältnis 
zum Zelleib, während er bei den Dotterbildnern überholt wird. 
Die Auflösung des Keimbläschens mit der Ausstossung von Kern- 
saft, Nucleolus und Chromatinresten und die beiden Reifungs- 
teilungen schaffen den weiblichen Vorkern von geringem Umfang. 


6. Zusammenfassung der Ergebnisse über die 
Eibildung der Echinodermen. 

Die aus den Chromosomen der letzten Vermehrungsteilung 
hervorgegangenen Chromatinfäden des Kerns der jungen Oocyte 
kondensieren sich nach einigem Verharren in dem fädigen Zustand 
in Nucleolen, die sich zu einem einzigen persistierenden ver- 
einigen. Der Nucleolus ist Assimilations- und Emissionszentrum 
des Chromatins. Die diffuse Chromatinemission erfolgt durch die 
Kernmembran ohne Kuppenbildung. Das im Kern verbleibende 
Chromatin strömt vom Nucleolus ab, der als achromatischer Körper 
deformierender Vakuolisation verfällt und, wenn das Keimbläschen 
nach Integration der Chromosomen sich auflöst, im Plasma 
resorbiert wird. Im Zelleib wird unter Anteilnahme des Chromatins 
das Furchungsplasma konstituiert, wobei es entweder bei der 
Formierung chromatischer Kondensa bleibt (Strongylocentrotus- 
Typus) oder zu deutoplasmatischen Ablagerungen kommt, zwischen 
die dann die Chromatinkondensa eingelagert sind (Echinaster- 
Typus). Die Einlagerungen des Reifeileibs sind gleichmässig ver- 
teilt, wovon nur Antedon durch eine gewisse Architektonik seines 
Furchungsplasmas eine Ausnahme zu machen scheint. 


IV. Die Furchung von Strongylocentrotus 
lividus Brandt. 


Nach der vorstehenden Schilderung des allmählichen Aufbaus 
des reifen Fies wende ich mich dazu, die Beziehungen der Zell- 
konstituenten bei der normalen ÖOntogenesis zu betrachten. Ich 
berichte an dieser Stelle über Strongylocentrotus, der ein leicht 
zugängliches Material darstellt und ja auch anderen Autoren zum 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 567 


Studium der Massenverhältnisse von Chromatin, Kern und Zelleib 
gedient hat. Ferner wählte ich diesen Seeigel, weil er, wie sich bei 
den theoretischen Ergebnissen zeigen wird, ein einfacher Typus der 
uns hier interessierenden Phänomene ist. Zunächst soll von der 
Furchung die Rede sein, die auch eytologisch der späteren Entwicklung 
gegenüber als besondere erste Phase der Ontogenesis erscheint. 

Wir beschäftigen uns mit den Verhältnissen der einzelnen 
Zellsubstanzen. Es sei deshalb vorher der Orientierung wegen 
an die äusseren Vorgänge bei der ersten Entwicklung kurz erinnert: 

Die erste Teilung halbiert das Ei. Die zweite verläuft recht- 
winkelig zur Ebene der ersten und liefert vier gleich grosse 
Blastomeren. Die dritte Teilung, wieder vertikal zu den beiden 
ersten erfolgend, hat acht gleiche Blastomeren zum Ergebnis, 
die in zwei Ringen von je vier Zellen aneinander liegen. In 
einem dieser Ringe erfolgt wieder eine gleiche Teilung; in dem 
anderen aber verläuft sie von der Zellmitte gegen die freie Zell- 
seite hin verschoben, so dass durch diese beiden letzten Teilungen 
16 Blastomeren entstehen und zwar acht mittelgrosse Mesomeren, 
vier grosse Makromeren und vier kleine Mikromeren. Vom Acht- 
zellenstadium an wird in dem von den Zellen umschlossenen 
sphärischen Raum eine gallertige Masse ausgeschieden, um die 
sich, nachdem die Teilungen nach der genannten ungleichen 
wieder gleich und immer in tangentialer Richtung stattfinden, 
die Blastomeren zur Formierung der Blastula gruppieren. Der 
Unterschied in der Zellgrösse gleicht sich allmählich wieder aus, 
indem die Makromeren am öftesten, die Mikromeren weniger oft 
wie die Mesomeren sich teilen. und es wird schliesslich ein ziem- 
lich gleichzelliges Stadium erreicht. Die Blastula bewimpert sich 
dann, verlässt die von der Befruchtungsmembran und einer ober- 
flächlichen an den Teilungsprozessen keinen Anteil nehmenden 
hyalinen Plasmaschicht gebildete Eihülle und steigt im Zuchtglase 
vom Boden, wo sie vorher lag, an die Wasseroberfläche. 


1. Die Besamung. 

Wir sahen, dass das reife Ei des Seeigels den weiblichen 
Vorkern enthält, und dass sein Zelleib aus achromatischem Grund- 
plasma besteht, in das keinerlei Deutoplasma, sondern lediglich 
kernentstammtes Chromatin in allenthalben gleichmässig verteilten 
Verdichtungen eingelagert ist. Morphologisch erkennbare Struktur- 


565 Julius Schaxel: 


difterenzen in einzelnen Eileibteilen, also eine besondere Archi- 
tektonik des Furchungsplasmas existiert nicht. Der Boverische 
Pigmentring, den auch ich in Villefranche an lebenden Eiern beob- 
achtete, hinterlässt am fixierten Material keine Spur und zeigt keine 
Beziehungen zu den ceytomorphologisch darstellbaren Substanzen. 

Das Eindringen des Spermatozoons ändert nichts an den 
bestehenden Verhältnissen, wenn wir davon absehen, dass jetzt 
von der beim Seeigel nicht so deutlich wie bei den Reifungsstadien 
der Seesterne sichtbaren Eetoplasmaschicht die Befruchtungs- 
membran ebenso abgeschieden wird, wie bei der Einleitung künst- 
licher Parthenogenese. Die Lebendbeobachtung lehrt, dass nur 
der Kopf des Spermatozoons eindringt, während Mittelstück und 
Schwanzfaden an der Eioberfläche bleiben und degenerieren. Die 
Untersuchung fixierter und gefärbter Befruchtungsstadien in 
Schnitten bestätigt, dass nur Spermakern und Centrosom dem 
Eikern sich nähern. Ich wandte darauf meine besondere Auf- 
merksamkeit, obwohl Field (1895) bereits dieselben Angaben 
macht, um zu erfahren, ob bei der Besamung etwa extranucleäres 
Chromatin importiert würde und welche weitere Rolle dies spiele 
(— etwa zu den Chromatinkondensationen Beziehungen einginge, 
sich vermehre oder dergleichen). Es ergab sich aber, dass keinerlei 
extranucleäre Substanzen des Spermatozoons im Ei wahrzunehmen 
sind. Lediglich die Vereinigung des Spermakerns mit dem Eikern 
erfolgt und die Erscheinungen werden sichtbar, die den ersten 
Teilungsschritt ankündigen. Mit der Befruchtung, die ja an 
unserem Objekt entdeckt wurde, und den Teilungserscheinungen 
(z. B. dem Centrosom, Herkunft der Spindel usw.) als solchen, die 
an unserem Objekt ebenfalls vielfache Untersuchung erfuhren, 
werde ich mich nicht weiter beschäftigen. 


2. Die Zellkerne der Furchungsphase. 


Das Verhalten der Furchungskerne in ihren Beziehungen 
zum Cytoplasma der um sie abgegrenzten Zellen interessiert uns 
hier. Dabei lassen wir die bestehenden Relationen der Volumina 
von Chromosomen, Kernen und ganzen Zellen ausser acht und 
schenken unsere Aufmerksamkeit den substanziellen Zusammen- 
hängen, sofern sich diese morphologisch äussern. Es ergibt sich 
sogleich, dass in den Phasen der Kerne in Teilung, wo das Chromatin 
in deutlich individualisierten Chromosomen scharf umgrenzt ist, 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 569 


keine derartigen Beziehungen bestehen. Kommen sie überhaupt 
vor, so sind sie im sogenannten Ruhekern zwischen zwei Teilungen 
zu vermuten, wo etwa ein Substanzaustritt in irgend einer Form 
zu erwarten wäre. Nichts dergleichen ist aber zu bemerken. 
Ein Blick auf die Fig. 70—75, die Blastomeren aus verschiedenen 
Stadien der Furchung mit Ruhekernen zeigen, lehrt dies auch. Die 
(Gewissheit darüber erhalten wir später noch durch das ganz anders- 
artige Verhalten emittierender Kerne bei der Organbildung und 
die genauere Verfolgung der Stadien eines Ruhekerns zwischen 
zwei Teilungen. Wir wählen zunächst dazu eine noch ziemlich 
grosszellige Blastula, in der aber die obengenannten Ungleichheiten 
in der Zellgrösse so ziemlich wieder ausgeglichen sind. Fig. 60 
ist ein Ausschnitt aus der Telophase einer Mitose, in der in jeder 
Teilhälfte eine Anzahl der 36 Chromosomen zu sehen sind. Um 
zum Ruhekern einzugehen, häufen sich diese eng zusammen und 
sind noch deutlich im einzelnen erkennbar, wie Fig. 61 zeigt. 
Die dort zu sehenden chromatischen (rebilde in einiger Entfernung 
von dem Uhromosomenhaufen haben nichts damit zu tun, sondern 
rühren von dem Eileibehromatin des Reifeies her, worauf wir noch 
ausführlich zurückkommen werden. Im nächsten Stadium liegen 
die Chromatinfäden weniger dicht. Gleichzeitig erscheinen sie 
etwas gestreckt, von rauher Kontur und beginnen sich zu alveo- 
lisieren. Kernsaft erscheint um sie und der ganze Komplex wird 
gegen das umgebende Uytoplasma durch eine feine Membran ab- 
gegrenzt (Fig. 62). Immer mehr verwischt sich nun die Faden- 
lagerung des Chromatins und seine Ausbreitungsweise im Kern 
zeigt, dass diesem ein achromatisches Gerüst zugrunde liegt. Die 
Fig. 63 und 70 enthalten diese Stadien. Das Resultat der Vor- 
gänge in dieser Richtung ist die Verteilung des Chromatins auf 
einem chromatischen Reticulum in feinster Weise. Fig. 64 stellt 
den Höhepunkt des feinnetzigen Ruhekerns dar. In diesem Zustand 
wächst der Kern etwas, indem die chromatische Substanz sich 
vermehrt. Dabei sammelt sich das Chromatin nach und nach 
wieder in fädigen Bildungen (Fig. 65) und erreicht die chromo- 
somale Lagerung gleichzeitig mit dem Verschwinden der Kern- 
membran und der Einleitung der neuen Teilung des chromatin- 
reicheren Kerns (Fig. 66). In dem teilungsnahen Kern der Blastula 
dieses Alters bemerkt man bei sorgfältiger Untersuchung einen 
ganz schwach gefärbten Nucleolus, der bei der Teilung im Plasma 


10 Julius Schaxel: 


[bj 


verschwindet (Fig. 65 und 66). Er erscheint erst, wenn die Teilungs- 
prozesse öfter wiederholt sind und ist immer sehr unscheinbar. 
Ich habe ihn deshalb anfänglich übersehen und in einer vorläufigen 
Mitteilung (Zool. Anz. Bd. 36, S. 35) gesagt, dass in den Ruhe- 
kernen der Furchung kein Nucleolus auftrete, was also, wie aus- 
geführt, in den späteren Stadien doch der Fall ist. Nach den 
allerersten Teilungen gestaltet sich der Übergang vom Teilungs- 
kern in den Ruhekern insofern etwas anders, als die Chromosomen 
sich nicht dicht zusammenlagern, um gemeinsam einen Kern zu 
bilden, sondern nach der Telophase als kleine schwachfärbbare 
Bläschen erscheinen, indem sie einzeln und als Ganzes sich zu 
alveolisieren scheinen (Fig. 57). Die kleinen Karyomeren ver- 
schmelzen gruppenweise miteinander (Fig. 58) und auch die Gruppen 
vereinigen sich wieder. Auf diese Weise kommt ein feinnetziger 
Ruhekern von derselben Beschaffenheit zustande, wie in der älteren 
Blastula, wo die Chromosomen von Anfang an vereinigt bleiben. 
Fig. 59 zeigt einen solchen aus verschmelzenden Karyomeren sich 
bildenden Ruhekern, der in seiner Struktur dem vorhin beschriebenen 
völlig gleicht (Fig. 64)'). 

Ein Austritt chromatischer Substanz ist vom Ruhekern aus 
also nicht zu konstatieren, sondern es handelt sich lediglich um 
tekreationsstadien der von Mitose zu Mitose eilenden Kerne. 
Dabei mag sowohl der andersartige Eingang des Chromatins in 
den Ruhekern nach den ersten Teilungsschritten, wie die Nucleolen- 
bildung im wachsenden Kern nach vielen Teilungen damit zusammen- 
hängen, dass bei anfänglichem Chromatinreichtum dieses nur verteilt 
wird, später aber immer erst wieder Chromatin ergänzend assimiliert 
wird, ehe eine neue Teilung erfolgt. 


3. Das Verhalten des Eileibchromatins bei der 
Furchunge. 

Nach vollzogener Befruchtung hat der Eileib noch dieselbe 
Konstitution, die den Abschluss der Reifeprozesse bildete. Es 
sei nochmals an Fig. 10 erinnert. Im Verlauf der Furchung 
ändern sich diese Verhältnisse in auffälliger Weise; denn diese 


') Der etwaige Einwand, die beschriebene Karyomerenbildung sei eine 
pathologische Erscheinung, erledigt sich dadurch, dass ich sie auf den ent- 
sprechenden Stadien regelmässig fand, zu meiner Untersuchung aber nur 
Präparate von Kulturen verwendete, die ich bis über das Pluteusstadium 
hinaus normal befunden hatte. 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile, Sara 


hat ihr eytologisches Charakteristikum gerade darin, dass mit 
ihrem Abschluss die dem Cytoplasma eingelagerten chromatischen 
Kondensa verschwunden sind, womit sich auch die Beziehungen 
der Kerne zu ihren Zellen ändern. 

Betrachten wir nun, was sich über den Erschöpfungsweg 
des Plasmachromatins ermitteln lässt. 

In bezug auf die Lage, die die Blastomeren während der 
Furchung zum Ganzen einnehmen, ist die Verteilung und der 
Erschöpfungsgrad der Kondensa nach den drei ersten Teilungs- 
schritten in den acht Zellen noch gleichmässig. Weiterhin ver- 
halten sich nach der äqualen Teilung des einen Vierzellenringes 
die acht Mesomeren unter sich gleichartig, während die Descendenten 
des sich inäqual teilenden anderen Vierzellenringes insofern von- 
einander abweichen, dass die vier Makromeren nicht nur absolut. 
sondern auch relativ mehr und im einzelnen noch chromatin- 
reichere Kondensa besitzen als die ihnen verschwisterten chromatin- 
armen Mikromeren und auch die Mesomeren. Das Übersichtsbild 
der Fig. 65, in dem der Schnitt natürlich nur einen Teil der 
Zellen in grösster Ebene trifft, gibt davon ein ungefähres Bild. 
Dieses Verhalten bleibt zu konstatieren bis die weiteren Teilungen 
die Blastomeren im ganzen Habitus einander wieder angeglichen 
haben, so dass schon in der grosszelligen und erst recht in der 
kleinzelligen Blastula von einer annähernd gleichmässigen Aus- 
stattung der Zellen mit chromatischen Einlagerungen freilich nur 
mehr geringen (rehalts gesprochen werden kann. Erst die er- 
reichte Erschöpfung der Kondensa macht wieder einen Unterschied, 
indem sie zuerst in den Blastomeren eintritt, die als prospektives 
Entoderm und Mesenchym anzusprechen sind, und zuletzt deren 
Gegenpol, die späteren Scheitelzellen des Pluteus, betrifft, während 
das dazwischen liegende seitliche Blastoderm eine Zwischenstellung 
einnimmt. 

Über das Verhalten der Kondensa innerhalb der einzelnen 
Zellen ist folgendes zu sagen: Solange sie noch reichlich vor- 
handen sind, liegen sie stets in Kernnähe am zahlreichsten und 
in sich dichtesten. Die erstere Erscheinung rührt daher, dass 
bei den Zellteilungen der Strahlenapparat des Teilungskerns in 
den Telophasen die Masse der Kondensa gleichsam mitnimmt und 
wohl überhaupt dichtere Substanz bei den Verlagerungen der 
Cytoplasmateilung stets mehr in Kernnähe zu liegen kommt. Am 


512 Julius Schaxeil; 


dichtesten erhalten sich die Kondensa aber auch deshalb beim 
Kern, weil er selbst in dieser Phase der Furchung in der vom 
Blastocöl abgewendeten Zellregion Platz findet, wo an und für 
sich das Chromatin länger vorherrscht. Es lässt sich nämlich 
bereits auf dem Vierzellenstadium in dem Winkel, wo die Zellen 
zusammenstossen und extracellulär die das Blastocöl erfüllende 
Gallerte auftreten wird, eine Lichtung des kondensierten Chromatins 
wahrnehmen (Fig. 67). Fig. 68 zeigt ebenfalls die helleren Blastocöl- 
seiten und in Fig. 69 findet sich in der Blastocölseite einer Makro- 
mere der allmähliche Übergang von dichterem zu lichterem 
Chromatin gegen den freien Rand hin, während im übrigen Zelleib 
noch dem Reifei näherstehende Zustände herrschen. Die wieder 
eleichmässige Chromatinausstattung der ganzen Zelle besteht darin, 
dass die Verhältnisse des Blastocölrandes für den ganzen Eileib 
Geltung gewinnen (Fig. 70, eine Blastomere aus der grosszelligen 
Blastula). Bei dieser Verteilung der Kondensa schreitet die 
Teilung fort, während der Kern aus seiner bisherigen Lage gegen 
die Blastocölseite hin rückt. Fig. 71 ist der kleinzelligen Blastula 
entnommen. die noch in der Eihaut liegt. Mit Annäherung an 
die absolute Achromasie machen sich auch innerhalb der Zelle 
wieder Ungleichheiten in der Chromatinverteilung bemerkbar, 
indem die Blastulaaussenseite mehr chromatische Partikel führt. 
Fig. 72 gibt als Beispiel eine prospektive Scheitelzelle der die 
Eihaut verlassenden Blastula. Jetzt ist auch die Zeit gekommen, 
wo die Cilien der Blastomeren gebildet werden, mit denen die 
freie Blastula im Wasser flottiert. Mit ihrem Erscheinen und 
in Funktiontreten ist die Achromasie der Blastulazelle absolut 
geworden. Die Kleinheit der Zellen erlaubte mir nichts Besonderes 
über die Cilienbildung und die Insertion der Cilie in der Zelle 
zu ermitteln, ausser ihrem Ursprung an der Stelle des letzten 
Restes jenes Chromatins, das noch dem Oocytenkern entstammte. 
Die absolute Achromasie einer Zelle aus dem seitlichen Eetoderm 
einer nach anderen Prozessen schon nicht mehr der Furchungs- 
phase angehörenden Larve ist in Fig. 73 dargestellt. 

Die Erschöpfung der einzelnen Chromatinverdichtung, wie 
sie vom Reifei in den Furchungsprozess übernommen wird, besteht 
morphologisch in dem zunehmenden Abbau der aneinander 
agglutinierend dem Cytoplasma eingelagerten Partikel. Da die 
Chromatinkondensa in ihrem Aufbau dem Wabenwerk des fixierten 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. ae: 


Plasmas folgen, so erscheinen sie, je dichter sie sind, um so mehr 
als verzweigte Klümpchen (Fig. 10 und 67), bei der weiter- 
schreitenden Erschöpfung als granulierte, geknickte Stäbchen 
(Fig. 70 und 71), dann treten mehr und mehr die isolierten 
Partikel zutage, die, wenn sie sehr fein werden, dem Plasma 
nur mehr einen chromatoiden Schimmer verleihen (Fig. 72). 


4. Zusammenfassung der cytologischen Ergebnisse 
über die Furchung von Strongylocentrotus lividus. 

In der raschen Aufeinanderfolge der Zellabgrenzungen zeigen 
die Kerne lediglich den Wechsel von Teilungs- und Rekreations- 
phasen, wobei sie dann nach den ersten Teilungsschritten nach 
Karyomerenbildung durch Vereinigung der Teilkerne oder wie 
nach den späteren Teilungen durch gemeinsame Alveolisation der 
Uhromosonen in den von einem feinen CUhromatinnetz erfüllten 
Ruhekern übergehen. Nach den späteren Teilungen ist die er- 
gänzende Chromatinassimilation im Rekreationskern durch ein ge- 
wisses Wachstum und das Erscheinen eines schliesslich eliminierten 
chromatinfreien Nucleolus deutlich zu erkennen. In Substanz- 
abgabe, speziell Chromatinemission, bestehende Beziehungen der 
Kerne zum umgebenden Cytoplasma existieren nicht. Die vom 
Reifei in die Blastomeren übernommenen Chromatinkondensationen 
des Zelleibs erleiden während der Furchung eine progressive Er- 
schöpfung und zwar in bestimmter Weise, was Verteilung und 
Kondensationsgrad in den vom Sechzehn-Zellenstadium an ver- 
schiedenwertigen Blastomeren sowohl wie innerhalb des einzelnen 
Blastomers betrifft. Prospektives primäres Mesenchym und Ento- 
derm erreichen zuerst die absolute Achromasie ihres Cytoplasmas. 
Die Cilienbildung findet vor dem Verlassen der Eihülle von der 
chromatinführenden Aussenschicht der Blastulazellen aus statt. 


V. Die Bildung des Skelets in der Pluteuslarve von 
Strongylocentrotus lividus. 

Unsere cytologische Betrachtung verfolgte den Entwicklungs- 
gang bis zur frei im Wasser flottierenden Blastula, einem Stadium, 
in dem alle Prozesse, die in die als Furchung bezeichnete Phase 
der Ontogenesis fallen, abgeschlossen sind. Es folgen nun die 
besonders auch cytologisch, also in bezug auf das Verhalten der 
Einzelzellen und der intracellulären Vorgänge, andersartigen Er- 


scheinungen der Organbildung, von denen wir die Produktion 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 37 


574 Yabins Semaxells 


des Larvenskelets speziell verfolgen wollen. Zuvor sei wieder 
an das Morphogenetische kurz erinnert: Aus dem Verbande des 
Blastoderms lösen sich an der Stelle, wo bei der Furchung die 
Mikromeren und mithin jetzt ihre Abkömmlinge liegen, etwa 
50 Zellen. Sie stellen das sogenannte primäre Mesenchym dar 
und lagern sich im Kreis um ihre Auswanderungsstelle, zweimal 
in symmetrisch situierten grösseren Anhäufungen, von denen aus 
die Skeletbildung vor sich geht, indem die genannten Zellen in 
den von ihnen umschlossenen Hohlraum die Skeletsubstanz aus- 
scheiden. Das bilaterale Skelet besteht aus zwei Dreistrahlern. 
Die als Bildnerinnen fungierenden Mesenchymzellen folgen seiner 
Ausdehnung wie Handwerker beim Turmbau höher steigen oder 
wieder in tieferen Stockwerken Hand anlegen, wenn es nötig ist. 
Während des Beginns der Skeletbildung findet die Gastrulation 
statt, vom Urdarmgrund trennt sich das sekundäre Mesenchym 
ab, die Cölomblasen werden abgeschnürt und die Larve gewinnt 
durch den Durchbruch des Mundes in den Urdarm die Organisation 
des Pluteus, dem die Metamorphose zum Seeigel noch bevorsteht. 
Alle diese letzteren Prozesse interessieren uns hier nicht weiter, 
da die komplizierteren Bildungsvorgänge wegen der Kleinheit 
des ihnen dienenden Zellmaterials bei unserem Objekt sich der 
evtologischen Analyse verschliessen. 


1. Die Zellkerne des primären Mesenchyms. 


In jenen Blastomeren, wo die absolute Achromasie des 
Cytoplasmas zuerst erreicht ist, also in den Abkömmlingen der 
Mikromeren, dauern zunächst die Vermehrungsteilungen an. 
Hinsichtlich der Kerne handelt es sich also um den Wechsel 
von Teilungs- und Rekreationsphasen, wie ich ihn S. 569 schilderte. 
Doch erfolgen die Teilungen in diesem Bezirk nicht mehr rein 
tangential, sondern vielfach gegen das Blastocöl hin und es teilen 
sich noch Zellen, die bereits aus dem Fpithelverbande ausge- 
schieden sind. Die Teilungen haben ein Ende für die einzelne 
Zelle, sobald sie sich in einer gewissen Entfernung vom Mesenchym- 
ursprung befindet, und für die ja beschränkte Gresamtheit der 
Zellen, wenn sie die bilateralsymmetrische Lagerung, von der 
eben die Rede war, eingenommen haben. 

Der nach der letzten Teilung entstehende „Ruhe“-Kern hat 
folgendes Schicksal: 


[Dı 
-1 
ort 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 


Um die nach der Telophase dicht gedrängt liegenden 
Uhromosome grenzt sich der Kern ab. Wie bei den Rekreations- 
phasen beginnt nun die Alveolisation der Chromosome (Fig. 73, 
die man mit dem Rekreationskern der Fig. 62 vergleichen wolle) 
und die Verteilung des Chromatins auf dem achromatischen Kern- 
gerüst (Fig. 74), die jedoch nicht die Feinheit erreicht, die den 
von hier sich zu neuer Teilung rüstenden Furchungskernen eigen 
ist; denn eine alsbald einsetzende Uhromatinanreicherung wird 
durch das Erscheinen wachsender Chromatinflocken angezeigt. 
Gleichzeitig erscheinen völlig chromatinfreie Nucleolen. Meist 
sind es gleich von hier an in alle Folge zwei, selten nur einer 
oder mehrere. Der eine ist dann durch besondere Grösse auf- 
fällig; wenn es mehr als zwei sind, so sind sie entsprechend 
kleiner. Fig. 75 zeigt die beginnenden Chromatinfiocken und 
die Nucleolen, Fig. 76 ein fortgeschritteneres Stadium, in dem 
Chromatin und Nucleolen an Masse gewonnen haben. Mit an- 
dauernder Zunahme chromatischer Substanz kommt es zu ihrem 
Austritt aus dem Kern. Die Emission in den primären Mesenchym- 
zellen ist die erste während der Ontogenesis und, wenn wir in 
der Zellenfolge zurückgehen, seit der Geschlechtszellenbildung. 
Sie erfolgt ohne durch Stauung veranlasste Kuppenbildung durch 
die Membran einseitig aus dem exzentrisch in der Zelle liegenden 
Kern in der Richtung der grösseren Uytoplasmamasse (Fig. 77). 
Wenn die Zelle im Präparat eine entsprechende Lage einnimmt, 
so sieht das emittierte Chromatin seitlich vom Kern wie dessen 
Schatten auf dem Cytoplasma aus. Nach vollzogener Emission, 
in der nur ein bestimmtes Quantum den Kern zu verlassen 
scheint, erscheint der Kern farblos, denn er enthält nur noch 
wenig Chromatin und die Nucleolen (Fig. 7S—80). Während 
der unten beschriebenen der Emission folgenden Prozesse im 
Uytoplasma behält der Kern dieses Aussehen. 

Ausser dem Typus der einseitigen Emission findet sich 
namentlich auf späteren Stadien der Skeletbildung auch häufig 
der Typus der diffusen Emission auf ganzer Kernoberfläche, wie 
wir ihn bei den Oocyten kennen lernten (Fig. 81). Weder in 
den Präemissionsstadien des Kerns noch in der Art der folgenden 
Cytoplasmavorgänge unterscheidet sich die Zelle mit diffuser 
Emission von der mit einseitiger, nur dass die diffus emittierenden 
Kerne nie eine so ausgeprägt exzentrische Lage in der Zelle 

37* 


576 iuläiusssaSseihtasszeile 


haben wie die anderen. So ist es wohl lediglich die Zellform 
und das Lageverhältnis des Kerns zum Cytoplasma, das zwischen 
den genannten Emissionstypen entscheidet. 

Zur Frage, ob dieselben Kerne mehrmals Chromatin abgeben 
(ob also dieselbe Zelle überhaupt in mehreren Etappen skelet- 
togenes Material liefert) ist zu bemerken: Es finden sich auch 
in älteren Larven Zellen, deren Kernstruktur die der Präemissions- 
stadien mit noch chromosomal gelagertem Chromatin aufweist, 
die also nicht als Rekonstitutionsstadien nach einer Aktivitäts- 
periode betrachtet werden können, sondern noch auf dem Wege 
zur ersten Emission sind. Andererseits ist wegen der beschränkten 
Anzahl skeletbildender Zellen und ihrer Wanderungen an dem 
bereits weitergediehenen Skelet eine wiederholte Chromatin- 
emission zur Einleitung der Produktion immerhin wahrscheinlich. 
Den einseitigen (dem allerdings die ersten in Funktion tretenden 
Mesenchymzellen immer folgen) und den diffusen Emissionstypus 
im Sinne der ersten und der späteren Emissionen derselben 
Zelle zu seriieren besteht keine Veranlassung. 


9. Die: Vorgänge im.Zelleib der; ‚skeletbildenden 
Mesenchymzellen. 


Die mit dem Furchungsabschluss erreichte absolute Achro- 
masie des Cytoplasmas besteht während der Gestaltsveränderungen, 
die die Zellen wohl infolge von selbständigen Bewegungen durch- 
machen, bis sie an den Ort ihrer formativen Leistung gelangen. 
Die Fig. 73—76 zeigen solche Zellen, die an amöboide Formen 
erinnern, und zugleich, dass die Kernprozesse während der Zell- 
bewegungen verlaufen. Beim ersten Chromatinaustritt ist das 
Cytoplasma immer in Form eines breiten Lobopodiums vor- 
geflosssen (Fig. 77). Der einseitige Chromatinaustritt erzeugt 
eine partielle Chromasie des Cytoplasmas, indem nur ein be- 
grenztes (rebiet mit Chromatin beschickt wird. Die extranucleäre 
Chromatinmasse rückt meist etwas vom Kern ab (Fig. 78). 

Der so gebildete Chromatinherd bezeichnet die Bildungs- 
stätte der Skeletsubstanz. Es erscheint nämlich im Zentrum 
des chromatischen Herdes ein Körperchen, offenbar ein organisches 
Substrat, an das die dem Meerwasser entnommenen Kalksalze 
(Caleiumcarbonat) gebunden werden; denn im säurefixierten 
Präparat bleibt es erhalten. Grösser geworden, zeigt es im Leben 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 57 


die Gestalt eines Tetraöders (Fig. 79). Je grösser dieses (rebilde 
wird, desto mehr Chromatin verschwindet und schliesslich besteht 
es als einzige Einlagerung des Cytoplasmas, dessen Struktur an 
der von ihm eingenommenen Stelle nicht zu erkennen ist (Fig. 30). 
Im allgemeinen enthält jede Zelle nur einen chromatischen Herd 
und nur ein Kalkkörperchen wird darin auf einmal gebildet. Ich 
fand als Ausnahme davon unter vielen Tausenden von gewöhn- 
lichen Fällen einige vielfache Bildungen. Ein Beispiel davon gibt 
Textfig. 7 wieder, wo in einem ungewöhnlich grossen Zelleib vier 
Anlagen auf vier voneinander gesonderte Chromatinherde ver- 
teilt sind. 

Die perinucleäre Emission liefert einen 
Chromatinherd von derselben Beschaffenheit 
und Funktion, indem es immer zu einer zentrali- 
sierten Ansammlung des Chromatins kommt, 
in der der oben beschriebene Prozess stattfindet. 

Bei der Einleitung der Skeletbildung sind 
die Mesenchymzellen gegenseitig so gelagert, 
dass sie einen sphärischen Raum umschliessen. 
Dahinein wird die intracellulär gebildete Skelet- 
substanz ausgeschieden, wozu sie wieder in 
Lösung gehen muss. Beim Weiterbau liegen 
die Zellen den Stäben des dreistrahligen Skelets 
an, und zwar an der Innenseite. Fig. 83 gibt Textfig. 7. 
ein Bild aus einem Schnitt durch den jungen 
Pluteus. Man sieht den infolge seiner organischen Grundlage 
im fixierten Präparat erhaltenen Stab, dessen konvexe Seite dem 
Eetoderm anliegt und dessen konkave Seite von den Mesenchym- 
zellen besetzt ist. Mit dem Fortschreiten der Skeletbildung sind 
die Zellen oft durch weite Zwischenräume voneinander getrennt 
allenthalben auf den Stäben verteilt. Manche scheinen bei der 
Fixation in Bewegung gewesen zu sein. Diese befinden sich dann 
immer im Zustande der Achromasie. Wenn ein Wechsel von 
Produktion im Oytoplasma und Rekonstitution des Kerns stattfindet, 
fiele die letztere in den mobilen Zustand der Zelle, die als 
Produktionsort die Bedarfsstelle aufsucht. 

Hervorgehoben sei noch, dass, in welchem Stadium die 
Skeletbildung sich auch befinden mag, die intracellulären Vor- 
gänge stets in der beschriebenen Weise verlaufen. 


578 Julius Schaxel: 


3. Zusammenfassung der cytologischen Ergebnisse 
über die Skeletbildung der Pluteuslarve. 


Hat mit der Erschöpfung des Zelleibchromatins in den Ab- 
kömmlingen der Mikromeren die blosse Zellabgrenzung ihren 
Abschluss gefunden, so bereitet sich in den Zellkernen eine neue 
Chromatinemission vor, während die Zellen als primäres Mesenchym 
in das Blastocöl wandern und dort eine bestimmte Lagerung ein- 
nehmen. Diese erste Emission der Ontogenesis führt zur Bildung 
eines chromatischen Herdes im Cytoplasma, von dem die organ- 
bildenden Leistungen ihren Ausgang nehmen. Die unter Er- 
schöpfung des Chromatins im Cytoplasma gebildete Skeletsubstanz 
formiert extracellulär das bilaterale dreistrahlige Larvenskelet. 
Die Möglichkeit einer wiederholten Emission aus demselben Kern 
ist nicht auszuschliessen. Eine Teilung findet nach der Emission 
nie mehr statt. 


4. Das Verhalten der übrigen Larvenzellen. 


Nach der Gastrulation setzen die verschiedenen Gewebs- 
differenzierungen ein, die meist epithelialen Charakter bewahren. 
Allenthalben kommt es zur Bildung von meist zwei Nucleolen, 
mit Ausnahme der Stellen noch anhaltender Zellvermehrung. 
Die Zellen sind sehr klein. Daher und weil die Zucht der älteren 
Larven von keinem guten Erfolg begleitet zu sein pflegt, soll auf 
die Oytologie der weiteren Organbildung nicht eingegangen werden. 
Ich hoffe, an anderem Material mehr zeigen zu können. 


VI. Theoretische Ergebnisse. 


1. Methodologische Vorfragen. 

Ebensowenig wie es für müssig gehalten wird, wenn der 
Forscher die Technik angibt, mit deren Hilfe er zu seinen 
tesultaten gelangt, ist es nutzlos, sich über die Mittel Klarheit 
zu verschaffen, deren er sich bei der Deutung der Tatsachen 
bedient, d. h. bei dem Aufbau der Theorie, in der er das empirisch 
Gewonnene zum sinnvollen Ganzen zu vereinigen bestrebt ist. 

Eine solche methodologische Betrachtung wollen wir hier 
der Zellenmorphologie in aller Kürze widmen. 

Als die histologische Technik einen solchen Ausbildungsgrad 
erreicht hatte, dass sie die Vornahme der intracellulären Anatomie 
erlaubte, stand die makroskopische Morphologie, der damalige 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 579 


Hauptzweig der Biologie, im Zeichen des Konstanten-Problems. 
Man suchte (resetzmässigkeiten nicht in der Eruierung form- 
bildender Faktoren, wie es dann die Entwicklungsmechanik ver- 
langte, sondern von Formgebilden, die sich in den Reihen der 
(renerationen (in den Etappen der Phylogenesis wie im Querschnitt 
des Stammbaums) immer wieder erkennen lassen, sozusagen von 
materiellen Ausgaben jener die Formenfülle beherrschenden Ideen 
im Sinne Platos, die die vordarwinistische Typenlehre annalım. 
Für die Zelle selbst hatte dieser Gedankengang schon in der 
sogenannten Zellentheorie einen Ausdruck für die Tatsache ge- 
funden, dass die morphologische Analyse eines Organismus bei 
den Zellen auf letzte Einheiten stösst. Diesem Grundsatz wider- 
sprach man nun dadurch, dass man die intracellulären Gebilde, 
die unter der Einheit stehen, mit den Prinzipien der makro- 
skopischen Anatomie betrachtete, also auch hier iormkonstante 
Organelle analog den Vergleichsstücken der makroskopischen 
Morphologie suchte. Alle Zellbestandteile ohne Unterschied 
wurden und werden morphologisch auf diese Weise und damit 
als untereinander prinzipiell gleichen Wesens aufgefasst. Schein- 
problemen war so nicht zu entgehen. Natürlich beschränkte sich 
die Zellforschung nicht auf die übernommenen morphologischen 
Prinzipien, sondern empfing von der Entwicklungsmechanik und 
der Physiologie Anregungen oder stellte sich in den Dienst dieser 
Wissenschaften. Im Grunde sind wir aber immer noch der Haupt- 
sache nach für die Zelle auf die morphologische Betrachtungs- 
weise angewiesen, da im Leben sowohl die normalen wie die 
experimentell beeinflussten Vorgänge unserer Beobachtung unzu- 
gänglich sind und wir uns an fixiertes Material halten müssen. 
Was wir mit letzterem leisten können, soll im folgenden einer 
tevision unterzogen werden.!) 

Unsere eytologische Technik liefert eine Sammlung erstarrter 
Momentbilder, deren äussere Beziehung zum lebenden Organismus 
wir zwar kennen, denen wir aber gerade hinsichtlich der intra- 
cellulären Erscheinungen mit zwei Vorfragen gegenüberstehen. 

Die erste ist die nach der Bedeutung der Fixation, der 
Färbung usw., d.h. nach dem Verhältnis des technisch Dargestellten 

!, Von der gleichen Absicht wie hier geleitet, habe ich einen Teil 


der folgenden Ausführungen gelegentlich der Oogenese der Meduse Pelagia 
(1910) S. 188 ff. mitgeteilt. 


5S0 Julius Schaxel: 


zum Leben. Es fehlt nicht an Versuchen, diese Frage durch 
spezielle Untersuchungen zu klären. Allein unsere Kenntnis von 
der chemisch -physikalischen Wirkungsweise unserer Technik ist 
noch zu gering, um mit tatsächlichen Ergebnissen zu antworten. 
Wenn sich aber durch Vergleichung ergibt, dass bei der Anwendung 
verschiedener Mittel dasselbe gefunden wird, gelangen wir für 
eine gewisse Breite der Erscheinungen zu einer stets kontrollier- 
baren Sicherheit. Wir können sagen, dass wir in dem technisch 
Dargestellten eine Funktion der vitalen Zustände 
sehen. (Funktion im mathematischen Sinne). Bestimmte Ver- 
änderungen, an fixierten Objekten konstatiert, sind also in Ab- 
hängigkeit von verschiedenen Zuständen des lebenden Objekts 
bei der jeweiligen Fixation zu denken — oder mit anderen Worten: 
Wir schliessen bei verschiedener Reaktion in verschiedenen Zeit- 
punkten (und dabei gleichsinnigem Ausfall der Vergleichsreaktionen) 
auf vitale Veränderungen des uns im Leben unzugänglichen Objekts. 

Die zweite Vorfrage ist die nach der Seriation der 
Momentbilder, deren Hauptlinie uns zwar aus dem Gang der 
Untersuchung bekannt sein wird und für die allerdings spezielle 
Kriterien immer erst gefunden werden müssen. Doch auf der 
Suche nach eben diesen werden wir bei rein phänomenalistischer 
Betrachtungsweise die Begrifiskategorien der Üytomorphologie 
kennen lernen. Wenn wir durch Vergleichung die Momentbilder 
in Reihen ordnen, so finden wir nämlich, dass durch ihre Tinktion 
charakterisierte Substanzen uns nacheinander als verschiedene 
Formgebilde entgegentreten oder dass Formgebilde bald mit 
dieser bald mit jener Substanz infiltriert scheinen oder gar über- 
haupt erst als Formierung von Substanzen in Erscheinung treten 
oder mit Aufgabe der Form verschwinden. Ich erblicke nun nicht 
in der Form das phänomenalistisch verfolgbare Objekt in der 
Zelle, sondern in den Substanzen und halte es für geraten, den 
morphologischen Substanzbegriff von demtopographischen 
der „Form“, den ich Lokal nannte, zu trennen.') Die verschiedenen 
räumlichen Beziehungen der Substanzen zu den Lokalen entsprechen 


') Um Form im Sinne der makroskopischen Morphologie, um in bestimmter 
Weise geordnete Zellaggregate oder aus anderen erkennbaren Einheiten 
konstituierte und bestimmt strukturierte Gebilde, handelt es sich eben nicht, 
selbst wenn irgend eine sog. „Intim“-Struktur angenommen wird. Eigentlich 
dürften auch unsere „Substanzen“ nicht als morphologische Begriffe sensu 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 581 


den vitalen Bewegungen. Letztere sind entweder nur Ortsver- 
änderungen oder die Substanz gewinnt auch an Masse (Vermehrung) 
oder erleidet Umbildungen oder die Kombinationen der einfachen 
Erscheinungen. 

Wir unterscheiden also bei der Seriation der Momentbilder 
bei phänomenalistischer Betrachtung: 


I. Substanzen ABC... . (eytomorphologische Kategorie), 
Lokale MNO.... (topographische Kategorie); 


II. Bewegungen und zwar: 

Ortsveränderung Ay wird zu Ay 

Vermehrung A st AA 

Umbildung A ab aspibs 

Nach Erledigung der Vorfragen ist es möglich, ein vom Reichtum 

des Beobachtungsmaterials in seiner Vollständigkeit abhängiges Bild 
des cellulären (reschehens zu entrollen, ohne die phänomenalistische 
Basis zu verlassen. Der Weg zur weiteren chemisch-physikalischen 
Analyse der Erscheinungen, wie die Anknüpfung an allgemeinere 
biologische Fragen ist gleichermassen möglich; denn durch keine 
theoretische Vorwegnahme ist irgend eine Grenze gezogen. 


Verfolgt man die intracellulären Prozesse in ihren morpho- 
logischen Grundlagen, so erhält man ein Bild des lebendigen 
Geschehens lediglich für die Einzelzelle, wenngleich in dieser 
Erscheinungen auftreten werden, die über sie selbst hinausweisen. 
DasuBröblem des Verhältnisses”der Zelle’zum 
Organismus drängt sich hier unmittelbar auf. Um ihm in 
Rücksicht anf die Intracellulärvorgänge näher zu treten, genügt 
die folgende Orientierung über diesen Zusammenhang: 

Die morphologische Analyse eines Organismus führt zu Zellen 
und Zellprodukten (die sog. Zellentheorie). In dieser Hinsicht 
muss also die Morphogenesis bestehen: 

I. in Zell-Formation, d. h. die Zellen vermehren und ordnen 

sich zu bestimmt gefügten Aggregaten; und 
strenue gelten; denn von morphe enthalten sie nichts. Um eine besondere 
Wortbildung zu vermeiden, sollen sie cytomorphologische heissen. Den Ob- 
jekten der eigentlichen Morphologie analoge Gebilde sind die Organelle 
ökologischer Funktion der als selbständige Organismen lebenden Protisten 
und die Skelet- und Bewegungsapparate der Spermatozoen. 


[db | 
[0 2) 
[886] 


uuseSrchhramszene: 


II. in Zell-Produktion, d. h. die Zellen erzeugen Stoffe, die 

in ihnen verbleiben oder von ihnen abgeschieden werden. 

Diese beiden Gruppen von Erscheinungen greifen derart 
ineinander, dass die Formation die Zellen an den Ort der Produktion 
bringt. 

Im „fertigen“ Organismus ist prinzipiell nichts anderes zu 
entdecken: denn die Organfunktionen sind in eytologischer Be- 
trachtung Produktionen materieller oder hier auch energetischer 
Art. Regenerationsprozesse sind wieder morphogenetische Er- 
scheinungen und die Geschlechtszellenbildung nach der reinen 
Vermehrungsphase, namentlich als Eibildung, neben Produktion 
nur Vorbereitung der die Morphogenesis einleitenden Furchung 
(Formation). 


Wie nun die Zellsubstanzen in der Einzelzelle und beim 
Zusammenwirken der Zellen eines Organismus sich nach den vor- 
stehenden Prinzipien auf Grund der zuerst mitgeteilten Tatsachen 
darstellen lassen, soll im folgenden gezeigt werden. 


2. Die Eibildung der Echinodermen. 


In der Ooeyte erscheint der Kern als eine regionale Ab- 
erenzung des zunächst in sich gleichartigen Cytoplasmas um die 
Örtlichkeit, wo sich die Chromatinprozesse abspielen. Er erscheint 
nach der Telophase der letzten Teilung um die engliegenden 
CUhromosome. Sein achromatisches (Linin-) Gerüst, das während 
aller weiteren Prozesse beharrt und eben mit der Kernmembran 
zusammen den Kern als distinktes Gebilde erscheinen lässt, als 
wesentlich verschieden vom Üytoplasma des Zelleibs anzusehen, 
besteht keine Veranlassung. Nur seine Fügung scheint lockerer 
und feiner zu sein, wohl infolge einer reichlicheren Ansammlung 
von Enchylema in eben der als Kern bezeichneten Zellregion. 
Die Kernmembran hingegen halte ich unter Zugrundelegung der- 
selben Substanz für dichter gefügt. So erklärt sich auch das 
„Wachstum“ des Kernes einfach in der Weise, dass weitere 
Uytoplasmagebiete die genannte kernartige Struktur annehmen. 

Das Chromatin ist als eytomorphologische Substanz wohl 
charakterisiert. Seine Kontinuität durch die Eiwachstumsphase 
ergibt die Beobachtung direkt. Aus der chromosomalen Lokalisation 
seht es in Nucleolen über, von denen einer, alle anderen in sich 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 583 


vereinigend, persistiert. Er fungiert als Assimilations- und Emissions- 
zentrum. Nach der Emission gibt das Chromatin die nucleoläre 
Lokalisation wieder auf und es integrieren sich die Reifeteilungs- 
chromosomen. Nicht alles Chromatin geht in die Chromosomen 
ein, sondern ein Rest gerät bei der Keimbläschenauflösung zur 
Resorption in den Zelleib. Es handelt sich hierbei wohl um 
seinerzeit nicht emittiertes, nunmehr funktionsloses Emissions- 
chromatin. 

Der einzige Nucleolus der Emissionsphase wird nach dieser 
vom Chromatin entblösst. In den Postemissionsstadien verfällt 
er progressiver Vakuolisation und wird aus dem reifenden Kern 
ausgestossen. In Erinnerung an die Oogenese der Meduse Pelagia 
(Schaxel, 1910) werden wir seine chromatische Phase mit deren 
Zentralnucleolen und seine chromatinfreie Phase mit deren ex- 
zentrischem Nucleolus analogisieren. Wir sehen also im Nucleolus 
der Echinodermen -Oocyte einen Amphinucleolus, der zuerst als 
Lokal des assimilierenden Chromatins fungiert und dann zunächst 
teilweise (das Chromatin strömt allmählich ab), dann völlig als 
Ansammlung der Exkrete des Kernstoffwechsels erscheint. Seine 
rein topographische Bedeutung schliesst die hier freilich nicht 
zwingende Annahme nicht aus, dass zu seiner Formierung wie 
als Grundlage der intranucleären Bewegungen überhaupt eine das 
Liningerüst überkleidende Plastin- („Nucleolarsubstanz“-) Schicht 
gedacht wird, wenngleich die phänomenalistische Betrachtungs- 
weise auch ohne sie auskommt. 

Die Chromatinemission selbst zeigt nichts besonderes 
Neues der von mir für Pelagia genau beschriebenen gegenüber. 
Der Ausfall der Stauung an der Kernmembran macht sie weniger 
auffällig und beruht wohl auf einer weniger dichten Fügung 
der Membran bei den Echinodermen. Die Bewegungsweise der 
Chromatinpartikel erscheint im Präparat als durch dünner besäte 
Strassen geschehend, die dichtere Ansammlungen miteinander ver- 
binden. Innerhalb des Kerns herrscht die gleichmässige Ver- 
teilung auf den Chromatinbahnen vor, während ausserhalb der 
Wechsel ungleicher Lagerung deutlich wird. Das feinere Gefüge 
des Grundplasmas im Kern und das gröbere ausser ihm kann 
als Ursache davon betrachtet werden. 

Im Cytoplasma besteht seit dem Beginn der Emission 
eine starke Vermehrung. Die Art der Einlagerung des Chromatins 


584 Julius Schaxel: 


namentlich vor der Chromasie auf den Stadien der allmählichen 
Verteilung ist, wie wir sahen, nicht bei allen Echinodermen 
dieselbe. Doch besteht das Auffällige an ihr im wesentlichen 
immer in Anhäufung der Chromatinpartikel in linearer Ordnung 
und konzentrischer Lagerung dieser (rebilde um den Kern. 
Letztere Erscheinung verschwindet schon mit der Chromasie und 
die fädige Form der Chromatinmassen mit der Dotterbildung. 
Es sind ja überhaupt nur die Dotterbildner, die die genannten 
Erscheinungen deutlich zeigen, während bei den übrigen Arten 
eine ungefähr gleichmässige Zerstreuung der einzelnen Partikel 
die Chromasie herbeiführt. Ich wies bereits darauf hin, dass 
sich die Anordnung des Emissums daraus erklärt, dass das 


Textfig. 8. 


stärkere Wachstum des Zelleibs erst einsetzt, wenn die Emission 
etwas angedauert hat. Eine ja nur vorübergehende Infiltration 
im Cytoplasma präformierter und an sich unsichtbarer Gebilde 
mit Chromatin anzunehmen, halte ich bei phänomenalistischer 
Betrachtung für unzulässig. 

An die Chromasie schliesst sich die Konstitution des Furchungs- 
plasmas, eine Zellproduktion, die die sich anschliessende Formation 
der Furchung vorbereitet. Deutoplasmatische Umbildungen des 
Uytoplasmas unter dem Einfluss des Chromatins finden sich in 
verschiedenem Grade der Ausbildung in unmittelbarem Anschluss 
an Formen, deren Reifeileib lediglich chromatische Kondensa 
enthält. Die als Vorratsspeicherung aufzufassende Dotterbildung 
führt zu einer bedeutenderen Zellgrösse als sie sonst erreicht 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 555 


wird. Der Zellgrösse entsprechen proportional grössere Quanten 
der einzelnen Substanzen und damit der sie enthaltenden Zell- 
regionen (Kern, Nucleolus ete.). In Textfig. S ist das Reifei von 
Echinaster, einem reichlich dotterbildenden Seestern, neben das 
dotterfreie Ei von Strongylocentrotus bei derselben Vergrösserung 
zum Vergleich gezeichnet. 

Strongylocentrotus und verwandte Seeigel sind typische 
Repräsentanten für diejenige Konstitution des Furchungsplasmas, 
mit dessen weiterem Schicksal wir uns hier noch beschäftigen. 
Ihre Eier sind nach den Befunden der Entwicklungsmechaniker 
Regulationseier, d. h. sie dulden eine beliebige Verschiebung ihrer 
Zelleibkonstituenten und der achte Teil ihres Plasmas genügt, 
um noch normale Larven zu liefern. Morphologisch finden wir 
in Übereinstimmung damit eine gleichmässige und reichliche 
Einlagerung chromatischer Kondensa in das sonst einförmige 
Cytoplasma. Über andersartige Verhältnisse, wo, es sich um 
morphologisch verschiedenartig ausgestattete Zelleibterritorien mit 
differenter prospektiver Bedeutung handelt, hoffe ich in Bälde 
berichten zu können. 


3. Die Furchung und erste Organbildung von 
Strongylocentrotus. 

Nach unseren Definitionen erblicken wir in der Furchung 
eine Zellformation auf Grund des bei der Eireifung konstituierten 
Furchungsplasmas. Weder eine morphologische Beziehung der vom 
amphimiktischen Befruchtungskern herrührenden Furchungskerne 
zum Uytoplasma noch eine direkte Anteilnahme des Spermatozoons 
am Aufbau der Zelleiber durch bei der Besamung extranucleär 
importierte Substanzen ist zu konstatieren, während die Zellab- 
grenzungen einander folgen. Die Kerne eilen über die dazwischen 
liegenden Rekreationsphasen von Mitose zu Mitose, wobei die 
Chromosomen anfangs isoliert (Karyomerenbildung), später ge- 
meinsam durch Aufnahme von Enchylema alveolisiert werden und 
die ergänzende CUhromatinassimilation später unter Abscheidung 
eines chromatinfreien Exkretnucleus in einem feinnetzigen Ruhe- 
kern stattfindet. Die Chromatinkondensa des Zelleibs erleiden 
gleichzeitig eine sukzessive Erschöpfung. Die Furchung ist dem- 
nach cytologisch zu charakterisieren als die Phase der Erschöpfung 
des Eileibchromatins bei blosser Zellabgrenzung. Die Organ- 


556 Julius Sschhfamzeile: 


bildung hingegen wird eingeleitet durch die erste Chromatin- 
emission nach der Furchung. Die Skeletbildung der Seeigellarve 
ist eine typische Zellproduktion. Nicht Zellen selbst bauen durch 
eine Reihe bestimmt verlaufender Teilungsprozesse ein Gewebe 
auf, sondern durch die Zellformation der Furchung in bestimmte 
Lage gebracht, beginnen die Zellen die Skeletsubstanz zu produ- 
zieren, dazu veranlasst vom Chromatin ihrer Kerne. Der Chromatin- 
prozess ist der gewöhnliche: Assimilation in intranucleären Ver- 
dichtungen, Abscheidung von Exkretnucleolen, Emission, Bildung 
eines Chromatinherdes im Cytoplasma und Erschöpfung des 
Chromatins bei der Produktion. Dass die Zellprodukte nicht 
einfache Umwandlungen des Chromatins selbst sind, erhellt daraus, 
dass einmal Dotter, das andere Mal Skeletsubstanz hervorgebracht 
wird, von anderen Produkten, über die anderorts zu handeln sein 
wird, gar nicht zu reden. In derselben Weise besteht die weitere 
Morphogenesis im Wechsel von Formation und Produktion. Es 
handelt sich dabei immer um dieselben. intracellulären Prozesse 
und dieselbe Anteilnahme des nucleären Chromatins, d. h. um 
passiven Transport bei der Formation und aktive Beteiligung 
an der Produktion. 


Rekapitulieren wir nochmals kurz, was an der Hand des 
Echinodermenmaterials unsere cytomorphologische Analyse über 
die Prozesse des individuellen Zellenlebens ermittelte: 

Nach Vollzug einer Teilung wird um die Chromosomen im 
Cytoplasma eine ihrem Umfang nach von dem (Quantum des 
Chromatins abhängige Region als Kern abgegrenzt. Die achro- 
matische Grundlage des Kerns und die Kernmembran scheint 
sich vom Oytoplasma des Zellenleibs nur durch den verschiedenen 
Gehalt an Enchylema zu unterscheiden, dessen Reichtum im 
Kerninnern eine lockerere und das in der Membran infolge geringen 
Gehalts eine besonders dichte Struktur erzeugt. Um in Aktion 
zu treten, wird bei grosskernigen Zellen (z. B. den wachsenden 
Oocyten) das Chromatin in Nucleolen lokalisiert, bei kleinen Zellen 
nur auf dem Achromatingerüst verteilt. In dieser Lagerung ver- 
mehrt es sich durch Assimilation, wobei die Exkrete des Stoft- 
wechsels in später zu eliminierenden Nucleolen deponiert werden. 
Steht der Zelle eine produktive Leistung bevor, so erfolgt eine 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 587 


Chromatinemission, an die sich im Uytoplasma die betreffenden 
Umbildungen schliessen. Handelt es sich um Zellen, die in blosser 
Vermehrung begriffen sind, so geht das Uhromatin des Ruhekerns 
direkt wieder in die chromosomale Lokalisation über. Zu letzterem 
ist bei Kernen, die Chromatin emittiert haben, eine längere 
Restitutionsphase (z. B. das Keimbläschenstadium der Oocyten) 
nötig. Die Chromosomen sind die Lokale des beim Teilungs- 
transport inaktiven Chromatins. 


4..Z2ur Theorie des Chromatins 

Nirgends wird es in der Biologie so nahe liegen, an Chemisch- 
Physikalisches anzuknüpfen, wie bei Betrachtung der Intracellular- 
prozesse. In der Tat hofft ja auch die mechanistische Biologie 
der Anerkennung autonomer Lebensgesetze durch die der Zukunft 
vorbehaltene Einsicht in die höchst komplizierten Verhältnisse 
der Chemie des Protoplasmas entgehen zu können. Wir wollen 
es hier aber bei unserer morphologischen Betrachtungsweise be- 
lassen und auf chemische Spekulationen verzichten; denn mit der 
beispielsweisen Erwähnung der Möglichkeit, dass das die cyto- 
plasmatischen Produktionen veranlassende Emissionschromatin 
vielleicht als Katalysator wirksam ist, ist noch wenig erreicht. 
Aussichtsreicher ist die Bezugnahme auf allgemeinere Probleme 
der Biologie, von denen das der Vererbung im weitesten Sinn 
des Wortes in unserem Fall das nächstliegende ist, das ja auch 
bisher schon mit eytologischen Ergebnissen in vielfache Verbindung 
gesetzt wurde. 

Wir sahen im vorstehenden die chromatische Substanz 
sowohl in bezug auf die Einzelzelle wie auf das Verhältnis der 
Zellen zum Organismus eine besonders auffällige Rolle spielen, 
die wir biologisch am einfachsten so deuten, dass wir die Er- 
scheinungen dem Chromatin als der Substanz von regu- 
lativer Bedeutung untertan darstellen. Die Kooperation von 
Kern und Zelleib löst sich dann in die Beziehungen der determi- 
nierenden Substanz zu den determinierten auf und die Zellbestand- 
teile erscheinen direkt oder als Hilfsapparate an den wohl unter 
die Stoffwechselvorgänge zu subsumierenden Prozessen beteiligt. 
Der Kern erscheint als der Apparat, der der Entfaltung der 
Chromatinfunktionen dient. Der Ruhekern grenzt sich als distinktes 
(Gebiet im Cytoplasma ab, damit von hier aus, den Fall einer 


588 Julius Schaxel: 


produzierenden Zelle angenommen, das Chromatin in gesetzmässiger 
Weise zum Zelleib in Beziehung trete. Es assimiliert und wahrt 
sich zugleich für den Transport in die folgenden Zellgenerationen. 
Die Nucleolen sind dabei je nach ihrer Beziehung zum Chromatin 
holochromatisch (die Zentralnucleolen der Pelagia-Ocoyte), mero- 
chromatisch (der Amphinucleolus der Echinodermen-Oocyte) oder 
achromatisch (der exzentrische Nucleolus der Pelagia-Oocyte, die 
Nucleolen der Strongylocentrotus-Ontogenesis). Gelegentlich der 
Emission findet die Beeinflussung des Cytoplasmas durch das 
Chromatin statt, indem die Kinetochromidien (so nannte ich die 
hier behandelte Erscheinungsweise des extranucleären Chromatins 
den R. Hertwigschen Geschlechtschromidien [=Goldschmidts 
Sporetien| gegenüber) ins Plasma gelangen. Soll für einen Augen- 
blick in Weismanns Terminologie gesprochen werden, so wären 
in den Kinetochromidien die determinierenden Biophoren enthalten 
zu denken, die zur Aktivierung der Zellproduktion die im 
Kern persistierenden Ide verlassen. Im Zelleib findet dann vom 
Uytoplasma aus die betreffende produktive Leistung statt. Dass 
nur bei den Zellproduktionen eine Chromatinemission statthat, 
wurde wiederholt hervorgehoben. Im Teilungskern wird das 
CUhromatin in exakter Weise halbiert und so durch die Zell- 
generationen transportiert. Es waren ja gerade die Erscheinungen 
der Mitose, die zuerst die besondere Bedeutung der chromatischen 
Substanz erkennen liessen. Bei der reinen Zellvermehrung ver- 
hält sich das Kernchromatin in der Weise passiv, als keine der 
Emission entsprechenden Aktivitätsäusserungen zu konstatieren 
sınd. Ein besonderer Fall von Zellformation ist die Furchung 
durch die Anteilnahme der Chromatinkondensa des Zelleibs. Sie 
ist lehrreich deswegen, weil sie das Hinübergreifen eines Zell- 
individuums in Produktion (der Oocyte I) auf die folgende 
Zellformation (die Furchung) zeigt. Dabei ist die Ausstattung 
des Reifeileibs mit Chromatin und Deutoplasma eine durchaus 
artcharakteristische nach Gehalt, Verteilungsweise usw. Erinnert 
man sich hier des mütterlichen Charakters von Echinodermen- 
Bastardlarven und der Larven aus mit fremdartigem Sperma be- 
samten kernlosen Eistücken gerade während der Furchungsphase 
in eytologischer Charakterisierung (S. 555), so wird man in der 
Koinzidenz der Anwesenheit von Oocytenchromation, des Mangels 
an Emission aus den kombinierte oder nur väterliche Erbmasse 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 589 


enthaltenden Kernen und der mütterlichen Prävalenz eine neue 
Stütze für die Auffassung des Chromatins als regulative („Ver- 
erbungs“-) Substanz sehen. In der die Organbildung herbei- 
führenden ersten Chromatinemission aus den Larvenkernen ist 
dann der amphimiktischen Erbmasse Gelegenheit zur Einwirkung 
gegeben. Noch im Gang befindlichen Untersuchungen nach ist bei 
den durch sogenannte „organbildende Substanzen“ ausgezeichneten 
Mosaik-Eiern (z. B. der Ütenophoren) eine den furchungsbestimmen- 
den Gebieten des Eileibs entsprechende Architektonik in der Ver- 
teilung der chromatischen Kondensa morphologisch zu konstatieren. 
Alles in allem stehen die Tatsachen wohl im Einklang mit 
der bei ihrer Kürze natürlich etwas schematisch formulierten 
Auffassung von der grundlegenden Arbeitsteilung der eytomorpho- 
logischen Substanzen: Im Uytoplasma werden äıe durch 
das als regulative Substanz fungierende Chromatin 
determinierten Bildungsprozesse ausgeführt. 


Gleich hier sollen noch einige Theorien in ihrem Verhältnis 
zu meinen Ausführungen Erwähnung finden. 

Es ist das Verdienst Goldschmidts, die Aufmerksamkeit 
auf die Chromidialprobleme der Metazoen gelenkt zu haben. 
Wenn auch seine Befunde über die Muskelzellen von Ascaris, 
von denen er ausging, den neuerdings auf sie gerichteten An- 
griffen nicht standhalten, so werden dadurch natürlich die anders- 
artigen Ergebnisse anderer Forscher an anderem Material nicht 
getroffen; denn die Argumente der Prager Forscher beziehen sich 
nur auf einen ganz speziellen Fall. Goldschmidt formulierte 
seine Anschauung in der Hypothese vom Kerndualismus. Ich 
führte früher schon (Ascidien, 1909) aus, dass es mir unnötig 
erscheint, den dem Karyochromatin entstammenden Chromidial- 
apparat jenem als äquivalentes Analogon gegenüberzustellen und 
deshalb vor seinem Inerscheinungtreten eine Präformation im 
Amphinucleus annehmen zu müssen. Ich halte daher die auf 
neuen Tatsachen fundierte, bei phänomenalistischer Betrachtungs- 
weise gewonnene Darstellung der Chromatinbedeutung, wie ich 
sie vorstehend gegeben habe, für annehmbarer. 

Die Theorie von der Individualität der Chromo- 
somen hätte ihre scharfe Formulierung nicht erfahren, wenn sie 

Archiv f.mikr. Anat. Bd. 76. 38 


590 Julius Schaxel: 


sich nicht eben aus jener Zeit der Zellforschung herleitete, wo 
man mit der Aufdeckung der Persistenz konstanter Zellgebilde 
etwas Besonderes gewonnen zu haben glaubte. Es ist irrtümlich, 
anzunehmen, dass die viel bearbeiteten Zahlen - Reduktions- 
Phänomene etwa die Individualitätslehre inducieren, sondern jene 
Probleme sind vielmehr Fragestellungen, die sich aus der Annahme 
individualisierter Gebilde im Kern ergeben. Und die Antworten 
darauf darf man mit einer gewissen Vorsicht hören, eingedenk solcher 
Fälle aus letzter Zeit, wie der, wo drei Forscher bei Untersuchung 
derselben Präparate zu erheblich abweichenden Ansichten gelangten! 

Aus unserer phänomenalistischen Betrachtungsweise ergibt 
sich die Kontinuität der chromatischen Substanz durch Ruhekern 
und Zellgenerationen ohne weiteres. Eine Persistenz der Chromo- 
somen als solcher ist aber nicht zu beobachten. Wir fassen diese 
vielmehr als Bildungen, in denen das inaktive Generationschromatin 
zum Transport während der Teilung lokalisiert ist, auf. Trotzdem 
soll in dieser Darstellung nicht ohne weiteres etwas der Manövrier- 
hypothese Ficks Gleichendes gesehen werden; denn meine übrigen 
Ausführungen zeigen wohl zur Genüge, dass ich die allzu pessi- 
mistischen Ansichten dieses Autors nicht teile. Abgesehen von 
der Möglichkeit der Annahme, dass die etwa als Plastingebilde auf- 
zufassenden Chromosomen als chromatinleere Lokale fortbestehen, 
während die Chromatinfunktionen des individuellen Zellebens vor 
sich gehen, um nur zu Teilungs- und Reduktionszwecken sich mit 
Chromatin zu infiltrieren (in welcher Form wir die Häckersche 
Achromatinerhaltungshypothese annehmen könnten), scheint mir 
folgendes zu gelten: Auf die Chromatinemission der Oocyte folgt 
eine lange Restitutionsphase des Kerns, in der sich wieder Chromo- 
somen formieren und restliches Chromatin eliminiert wird. Die 
primären Mesenchymzellen des Pluteus, deren Kerne ein- oder 
mehrmals emittiert haben, schreiten zu keiner Teilung mehr. 
Diese Tatsachen sprechen dafür, dass die chromosomale Anordnung 
nur einer quantitativ und qualitativ genau bestimmten Substanz 
auf langem Wege gelingt, und die stete Wiederkehr besonders 
gestalteter Chromosomen (für die Echinodermen von Baltzer 
|1909] nachgewiesen) weist auf den spezifischen Charakter solcher 
Lokalisation, d. h. auf eine bestimmte Zusammenordnung der 
einzelnen Chromatinteilchen, hin. In diesem Sinne halte ich meine 
Anschauung für wohl vereinbar mit dem, was historisch den 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 591 


Namen der Individualität der Chromosomen erworben hat, aller- 
dings nicht als ein direktes Untersuchungsergebnis, aber als mit 
guten Gründen erschlossen. 

Nach Rüzicöka (1906—1908) versteht man unter mor- 
phologischem Metabolismus des Protoplasmas die 
Fähigkeit zu autonomen, zweckmässigen, morphologischen Um- 
wandlungen. Die Protoplasmadifferenzierungen gehen ineinander 
über, sie differenzieren sich aus amorpher Grundsubstanz heraus 
und verwandeln sich wieder in sie. Ich führe diese Ansicht deshalb 
hieran, weil sie nach meinen Untersuchungen durchaus nicht zutrifft ; 
denn die morphologische Betrachtungsweise kann sich nur mit mor- 
phologisch Unterscheidbarem beschäftigen und dessen Beziehungen 
nach möglichst viel Seiten aufdecken. Wo Umwandlungen statt- 
finden, erscheint für uns Neues. Welche chemisch-physikalischen 
Zusammenhänge unter den Substanzen bestehen und was die Physik 
und Chemie der cytomorphologischen Substanzen für ein Licht auf 
ihr Verhältnis zu unseren Lokalen werfen würde, sind freilich 
interessante Fragen, zu denen aber hier nichts gesagt werden kann, 
als dass sie aus dem Rahmen morphologischer Betrachtung fallen. 


VII. Die Angaben anderer Autoren. 

Die vorliegende Arbeit steht, wie gesagt, in engem Zu- 
sammenhang mit meinem Aufsatz über die Eibildung der Meduse 
Pelagia (1910). Dort findet sich eine Literaturbesprechung über 
allgemeine Fragen der Eireifung, über die Bedeutung der 
Nucleolen, über Emissionschromatin (Chromidialapparat, Kineto- 
chromidien) und für autonom gehaltene chromatische Erscheinungen 
des Zelleibs. Auf diese Darlegung sei, um Wiederholungen zu 
vermeiden, verwiesen. Im Abschnitt VI, 4 dieser Abhandlung 
habe ich bereits auf nahestehende Anschauungen Bezug genommen. 
Hier soll nur die Eibildung der Echinodermen, sofern der Autor 
die Wachstumsphase der Oocyte eingehender berücksichtigt, einiges 
über die erste Ontogenesis und einige Abhandlungen über die 
obengenannten Fragen, sofern sie mir seit dem Abschluss der 
Pelagiaarbeit bekannt geworden sind, Platz finden. 


1. Über die Eibildung der Echinodermen. 


Bei der Aufstellung seiner Sekrettheorie des Nucleolus 
spricht Häcker (1893) vom Echinodermentypus, um damit 
38*+ 


592 Julius Schaxel: 


den Fall zu bezeichnen, wo ein Nucleolus während des Keim- 
bläschenstadiums persistiert, der bei der Keimbläschenauflösung 
ins Plasma gelangt. Ich halte den Echinodermennucleolus für 
einen Amphinueleolus, von dem der achromatische Teil und nach 
seiner Entchromatisierung das ganze Gebilde eine Ansammlung 
von Exkreten des Kernstoffwechsels darstellt. Die substantielle 
Erklärung der Nucleolenphänomene glaube ich ja überhaupt aus- 
schliessen zu müssen, wie sich in meinen Arbeiten näher ausge- 
führt findet. 

Für die Chromatinbeziehungen in der Oocyte ist die ge- 
legentlich anderer Untersuchungen gemachte Beobachtung 
R. Hertwigs (1896) interessant, dass in der Kernmembran 
der Seeigeloocyte sich feine staubartige Chromatinteilchen diffus 
verteilt finden und im Umkreis des Kerns sich im Plasma kleine, 
mit Eisenhämatoxylin gefärbte Körperchen finden. 1904 spricht 
R. Hertwig von den Protozoen-Chromidien ähnlichen Gebilden 
in den Eiern von Seesternen. 

M.und P. Bouin (1897), die bekannten Vertreter der Ergasto- 
plasmalehre, beschreiben aus der Oocyte von Asterina gibbosa 
des formations ergastoplasmique, die zuerst als filaments und nach 
einigen Umformungen als corpuscules paranucl&aires erscheinen. 
Die Gebilde sollen mit dem Erscheinen des Dotters verchwinden. 
Ihre Entstehung geschieht au depens du reseau plasmatique und 
sie sind differeneiations du cytoplasme. Nach der Schilderung 
und den Abbildungen handelt es sich um die oben genau be- 
schriebenen Erscheinungsweisen des Plasmachromatins, dessen 
karyogene Herkunft ich nachgewiesen habe. 

Hartmanns (1901) Befund an Asterias glacialis, dass der 
Nucleolus beim Abschluss der Reifung als vakuolisiertes Gebilde 
in den Zelleib gelangt, konnte ich bestätigen. Die Angabe aber, 
dass bei der Eiablage aus dem alles Chromatin enthaltenden 
Nuceleolus die Chromosomen entstehen, halte ich für irrtümlich; 
denn bei dem Asterias nahestehenden Astropeeten ist im älteren 
Ovarialei die Chromatinleere des Nucleolus sehr deutlich und die 
Integration der Chromosemen aus dem vom Nucleolus nach der 
Emission abgeströmten Chromatin leicht zu verfolgen (s. Fig. 23—32 
bei mir und den Abschnitt IH, 2). 

Günther (1903) sagt über den Nucleolus des reifenden 
Echinodermeies: Er entsteht als eine Abscheidung des Kerngerüsts 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 593 


in Gestalt eines Tropfens.. In diesen Nucleolus lagert sich 
Chromatin auf Zeit ein, um zur Chromosomenbildung wieder aus- 
zuwandern, wobei ein Restkörper (Häckerscher Metanucleolus) 
hinterlassen wird. Von weiteren Deutungen abgesehen, ist diese 
Angabe mit meinen Beobachtungen über den Amphinucleolus in 
Einklang zu bringen. 

Chubb (1906) beschreibt das Eiwachstum von Antedon. 
Der Dotterkern ist ein Bezirk, worin überschüssiges Nucleolus- 
material abgelagert ist. Der Nucleolus besteht aus einer acido- 
philen Grundsubstanz mit basophilen Einlagerungen, welch letztere 
wahrscheinlich dem Chromatin entstammen. 

Jordan (1907—1908) kommt in seinen Untersuchungen 
über die Beziehungen von Nucleolus und Chromosomen im reifenden 
Ei von Asterias, Hipponoe, Echinaster und Ophiocoma zu folgendem 
tesultat: Die Chromosomen bewahren zwar während des Eiwachstums 
ihre Individualität, nehmen aber vor der Reife Chromatinmaterial 
aus dem Nucleolus, einem Chromatin - Plastin- Körper auf. Vom 
Nucleolus bleibt ein vakuolisierter Restkörper zurück. 

Moroff (1908) kommt anmerkungsweise auf die Oocyte 
von Holothuria zu sprechen und findet, dass nie alles Chromatin 
im Nucleolus zusammengezogen wäre. Während des ganzen (?) 
Eiwachstums fände eine lebhafte Chromidien-Auswanderung aus 
dem Kerne statt. Der Dotterkern (?) scheine einen ausgewanderten 
Nucleolus darzustellen. Diese Beobachtungen sind wohl nur ge- 
legentlich ohne besondere Beachtung gewonnen. 


2. Über die Beziehungen des Chromatins zu den 
Erscheinungen im Zelleib. 

Für unsere Anschauungen von Interesse ist die Bemerkung 
von Conte et Vaney (1902) que le noyau participe directement 
a la formation des grains de zymogene et des productions ergasto- 
plasmiques et que, par suite, il a un röle d’une haute importance 
dans les phenomenes de digestion aussi bien intra -cellulaires 
qu’extra - cellulaires. 

Von grösster Bedeutung sind ferner die ausgezeichneten 
Untersuchungen Marziarskis (1904, 1910) über die Anteilnahme 
des Chromatins an der Funktion der Drüsenzelle: das wichtige 
Chromatin ist nicht an den Kern gebunden. Dieser ist nur eine 
Cytoplasmabildung, un territoire du protoplasme dans lequel se 


594 Julius Schaxel: 


depose la chromatine. La chromatine &limmee se transforme 
direetement en des vacuoles seeretrices, ou bien les grains de 
seeretion sont &labores dans le sein du protoplasme aux depens 
de ce materiel chromatique. Tous les changements morphologiques 
de la structure nucl&öaire dependent exclusivement de la fonction 
des noyaux qui accompagne les divers 6tats fonctionels du proto- 
plasme cellulaire. Die Chondriosomen etc. von Meves hält 
Marziarski für Oytoplasmagebilde, denen kerneliminiertes Chro- 
matin zeitweise eingelagert ist. Die Befunde von Marziarskı 
erweisen die determinierende Wirkung des Chromatins bei der 
Zellproduktion im fertigen Organismus. 

Distaso (1908) schildert die Anteilnahme des kernentstammten 
Chromatins an der Pigmentbildung bei Mollusken. 

Nowikoff (1909) spricht allerdings nicht mit Sicherheit 
von einem Chromidialapparat in den Knorpelzellen von Haliotis, 
dessen Herkunft aus dem Kern er für wahrscheinlich hält. 

Jörgensen (1910) beschreibt für die junge Oocyte von 
Syeon (Gebilde von Chromatinfarbe auf der Kernmembran (lange 
wurstförmige Gebilde oder kleine und grössere Kügelchen), die 
unter allmählichem Zerfall peripherwärts verlagert werden. Jör- 
gensen nimmt sie als Chromidien in Anspruch. Nach meiner 
Terminologie handelt es sich hier um Kinetochromidien. Das bei 
der Ausbildung der Richtungsspindel degenerierende Chromatin 
hält Jörgensen ebenfalls für Chromidien und vergleicht es mit 
den Kinetochromidien. Nach meinen Befunden bei Ascidien, 
Medusen, Echinodermen ist dieser Vergleich ganz unzulässig; denn 
die Erscheinungsweise und das künftige Schicksal der Kineto- 
chromidien und des Restchromatins in sich auflösenden Keim- 
bläschen ist ein durchaus verschiedenes. Ersteren dient der in 
seinen Vorstadien und Folgeerscheinungen so auffällige Apparat 
der Chromatinemission und sie nehmen an der Konstitution des 
Furchungsplasmas und der Furchung Anteil, während letzteres 
nur im Kern sozusagen übergebliebenes, nicht emittiertes Emissions- 
chromatin darstellt, das bei der Integration der Chromosomen 
der Resorption im Plasma verfällt. Erst recht nicht als Chromidien 
dürfen natürlich von gefressenen Nährzellen herrührende Chromatin- 
brocken bezeichnet werden. 

Nach Derschau (1910) gehen Pyrenoide und Chloroplasten 
bei Chlorophyceen aus auswandernden Chromatinmassen hervor. Sie 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 595 


entsprechen dem Macronucleus oder Chromidialapparat der tierischen 
Zelle. Derschau kommt so zur Annahme der Zweikernigkeit 
des pflanzlichen Zellkerns. 

Stauffacher (1910) und Knoll (1910) bemühen sich, 
zwischen Nucleolus und Kern und Cytoplasma von ihnen so be- 
nannte Kernbrücken, strukturelle Verbindungen aus Oxychromatin, 
auf denen Basichromatin wandert, nachzuweisen. Eine Kernmembran 
existiere nicht. Auf die Konstanz solcher Gebilde legen diese 
Autoren besonderen Wert. Nach meiner Meinung ist der Kern 
nur ein der Chromatinfunktion dienender Apparat und je nach 
dem Zustand dieser Funktion eine mehr oder minder scharf um- 
grenzte Region in der Zelle (siehe VI, 1 und 4; ähnlich äussert 
sich wie oben angeführt Marziarski). Damit erledigt sich die 
Frage nach der „Membran“ und der Konstanz der bestehenden 
Kommunikationswege unter den einzelnen Zellregionen. 

Nach Günthert (1910) durchläuft das Chromatin in den 
Nährzellen der Oocyten von Dytisciden zahlreiche Generationen 
von Tetraden bis zur staubartigen Erfüllung des Kerns mit 
Chromatinpartikeln, die dadurch als Chromidien ins Plasma treten, 
dass die mit ihnen besetzte Kernmembran, unter Bildung einer 
neuen von innen, vom Kern abrückt. Die Chromidien werden 
der Eizelle als Nährmaterial zugeführt. Dieser Art von 
Chromatinvermehrung gegenüber kann ich mich einer gewissen 
Skepsis nicht erwehren; die Auffassung des Chromatinaustritts 
aber muss ich nach meinen Erfahrungen für verfehlt halten. 
Über die konzentrische Anordnung des Emissums siehe Ab- 
schnitt TIL, 4°c. 


3. Über autonome Gebilde des Zelleibs. 


In den Anfängen der Chromidienlehre (Goldschmidt, 1904) 
wurde die Identität vieler Erscheinungen des Zelleibs mit den 
CUhromidien angenommen. Namentlich von den Vertretern der 
Mitochondrienlehre werden dagegen bis in die neueste Zeit Ein- 
wendungen laut. Ich habe in der vorliegenden Arbeit daher 
Ausdrücke wie Mitochondrien, Chondriosomen u. dgl. überhaupt 
vermieden, obgleich natürlich die fädig erscheinenden Verbreitungs- 
stadien des Plasmachromatins, die Chromatinkondensationen der 
Reifeier und der Blastomeren und die extranucleären Chromatin- 
herde der Organbildung eine Bezugnahme auf die als autonom 


596 JLurlaneseSichhlandeile 


betrachteten Zelleibgebilde nahelegen und sich zugleich von den 
karyogenen Kinetochromidien ableiten. 

Wie sehr die Anteilnahme unseres Chromatins an der Dotter- 
bildung derjenigen der Mitochondrien ähnelt, mag die folgende, 
aus dem Jahre 1905 stammende Ausführung Van der Strichts 
beweisen: Les mitochondries interviennent incontestablement dans 
l’elaboration du deutoplasme et du vitellus plastique. Und dann 
von den Formationen mitochondrialer Natur: dans les mailles de 
ce systeme trabeculaire existe le eytoplasme proprement dit, au 
sein duquel apparaissent les premieres vacuoles deutoplasmiques 
et quelques rares boules graisseuses. Über die Rolle der Chondrio- 
somen bei der Organbildung (Meves, 1909, 1910, Duesberg, 1910) 
sprechen die Autoren von einer Umwandlung der Chondriosomen 
in das betreffende Zellprodukt; so z. B. Duesberg: Chaque 
myofibrille n’est qu’un chondriosome filamenteux modifie. Ich 
war daher in meiner Pelagia-Arbeit (1910, S. 204) geneigt, solche 
Chondriosomen als Vorstufen der endgültigen Bildung anzusehen 
und sie selbst wieder als Plasmagebilde unter dem Einfluss von 
Kinetochromidien entstanden zu denken. Neuerdings legen die 
Plastosomenforscher nun den grössten Wert darauf, die Plasto- 
konten von den Chondriosomen oder Mitochondrien der kopulierten 
(Geschlechtszellen herzuleiten, so namentlich Duesberg (1910). 
Meves (1905) nimmt sie als Vererbungssubstanz in Anspruch. 
Auch Van der Stricht sagt 1909: Dotter (deutoplasme vacuolaire 
et graisseux) und Mitochondrien der Säugetiereier differieren unter 
den einzelnen Arten sehr. Cette constatation nous permet d’attacher 
au vitellus une tres grande importance au point de vue de ’heredite 
sans vouloir contester la part qui revient au noyau de la cellule 
sexuelle. 

Um auch den Anteil männlicher extranucleärer Erb- 
masse nachzuweisen, kündigt Meves (1910) eine Arbeit über 
die Aussaat männlicher Mitochondrien im Ei bei der Be- 
fruchtung an. 

Zu all dem sei nur folgendes bemerkt: Wird die Identität 
des von mir beschriebenen kernentstammten Zelleibehromatins 
mit den Mevesschen Plastosomen angenommen, so differieren 
unsere Ergebnisse für allerdings verschiedene Objekte darin, dass 
für meine Befunde die Abstammung vom Kernchromatin, nur 
eine indirekte im Sinn einer Determinierung gedachte Anteilnahme 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile 597 


an der Zellproduktion, kein Import extranucleären Chromatins bei 
der Besamung und keine Kontinuität des Eileibschromatins bis 
zur Organbildung in der Ontogenesis gilt. 


Wir sahen, dass vom Reifei reichlich extranucleäres Chromatin 
in die Blastomeren mitgeführt wurde. Es sollen hier noch einige 
Fälle, die mir in der Literatur begegneten, angeführt werden, in 
denen auffällig färbbare Substanzen in bestimmten Furchungszellen 
namhaft gemacht werden. Ihre chromatische Natur und ihr Zu- 
sammenhang mit dem Oocytenkern oder eine andersartige Provenienz 
ist freilich erst zu prüfen. 

Wierzejski (1905) beobachtet während der Furchung von 
Physa fontinalis mit Chromatinfarben färbbare Körnchen im Zelleib 
derjenigen Zellen, aus denen das Eetoderm hervorgeht. Sie er- 
innern ihn selbst an die sogenannten Eetosomen, die Häcker 
in der Keimbahn von Cyelops entdeckte und er erwähnt nach 
Jennings (1896) von Asplanchna clouds of granules, die dort 
ins Entoderm gelangen. 

Hasper (1910) erwähnt stark färbbare rundliche An- 
sammlungen von „Keimbahnplasma“ schon aus dem Ovarialei 
von Chironomus. Es geht in die Urgeschlechtszellen ein. 

Elpatiewsky (1910) und Buchner (1910) entdeckten 
bei Sagitta ebenfalls einen besonderen Körper, der durch die 
Keimbahn wandert, den aber Buchner freilich in eigenartiger 
Weise von fremdem Zellmaterial herleitet. 


4. Zur Ontogenesis des Seeigels. 

Die Entwicklung des Seeigels hat bekanntlich den mannig- 
faltigsten eytologischen Untersuchungen zum Objekt gedient. 
Solehe über die morphologischen Beziehungen der Zellsubstanzen 
untereinander und zu denen der kopulierten Geschlechtszellen 
habe ich aber in der Literatur nicht vorgefunden; denn die be- 
kannten Arbeiten Boveris und der R. Hertwigschen Schule 
(Marcus, Erdmann) über die Massenverhältnisse von Chromatin, 
Kern und Zelleib verfolgen andere Ziele. 

Leider hat die Frage, welche Elterncharaktere die aus mit 
fremdartigem Sperma befruchteten Echinideneiern gezogenen 
Embryonen auf den einzelnen Entwicklungsstadien zur Schau 


598 Julius Schaxel: 


tragen, noch keine endgültige Beantwortung gefunden. Es wird 
sowohl behauptet, dass die ganze Entwicklung bis zum fertigen 
Pluteus von mütterlichen Charakteren allein beherrscht werde, 
wie das von Anfang an Mischcharakteren auftrete. Diese Be- 
hauptungen sollen entweder die Anteilnahme des Cytoplasmas an 
der Vererbung dartun oder die präponderierende Rolle der Kern- 
substanzen zeigen. Von vornherein sind solche Fälle auszu- 
schliessen, wo es unterlassen wurde, durch eytologische Unter- 
suchung festzustellen, ob eine wirkliche Kernverschmelzung nach 
der Besamung stattfand oder nur eine zur künstlichen Partheno- 
genese führende Entwicklungsanregung erzielt wurde. Dieser Fall 
tritt z. B. für Loeb (1908) ein, wo rein mütterliche Echiniden- 
plutei nach der Besamung mit Molluskensperma entstanden. Kupel- 
wieser (1909) stellt bei der Entwicklungserregung der Seeigeleier 
durch Molluskensperma die Kernverschmelzung ausdrücklich in 
Abrede. Kommt es zu einer regelrechten Kernverschmelzung, wie 
sie aodlewski (1906) bei der Besamung von Echinideneiern mit 
Antedonsperma konstatierte, so erfolgt die Furchung bis zur 
Bildung des primären Mesenchyms und die Gastrulation nach dem 
mütterlichen Typus. Die Skeletbildung unterbleibt meistens oder 
kommt sehr selten nach dem mütterlichen Typus vor. Überein- 
stimmendes berichtet Peter (1907). In diesem Stadium zeigen 
die Bastarde auch eine grosse Sterblichkeit. Es ist nun klar, 
dass die mütterliche Prävalenz und die gesunde Entwicklung mit 
der von mir beschriebenen emissionslosen Phase zusammenfällt 
und Störungen erst auftreten, wenn der aus inkongruenten Teilen 
konstituierte Kern zum erstenmal morphologische Beziehungen 
zum Üytoplasma erkennen lässt, wie es bei der Skeletbildung 
der Fall ist. Für die spätere Entwicklung sind fast für alle 
Larventeile von Boveri (1903) schon seit längerem Mischcharaktere 
nachgewiesen. Baltzer (1909) fand bei Bastardbefruchtung 
dann rein mütterliche Charaktere in der Skeletbildung, wenn das 
väterliche Chromatin entweder in den ersten Karyokinesen oder 
im frühen Blastulastadium eliminiert wurde; während Misch- 
charaktere auftraten, wenn sämtliche Chromosomen die ganze 
Entwicklung mitmachten. Er schliesst daher mit Boveri, dass 
das Chromatin bei der Skeletbildung die entscheidende Rolle 
spielt. Wir sind also bei einem überblickenden Vergleich der 
vorliegenden Berichte wohl zu der Annahme berechtigt, dass bei 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 599 


der Bastardbefruchtung der Echiniden die Furchung (in cytolo- 
gischer Charakterisierung) mütterliche Charaktere trägt, während 
die Charaktere beider Eltern erst von der Organbildung an (ein- 
geleitet durch die erste Chromatinemission in der Ontogenesis) 
zur Wirkung kommen. 

In bezug auf die Beziehungslosigkeit der Furchungskerne 
zu ihren Zellen (von der Volumrelation abgesehen), die wir 
konstatierten, ist folgende Bemerkung von Roux (1893) über 
die Froschentwicklung von Interesse: In den Kernen der Furchungs- 
zellen können sich eine gewisse Folge von Veränderungen weit 
unabhängige von den normalen, ja von eventuellen pathologischen 
Veränderungen des Protoplasmas dieser Zellen entwickeln. 

Zu den feineren Vorgängen der Skeletbildung sei noch 
gesagt, dass zuerst Selenka (1879) zwischen den Zellen ein 
Kalkkörperchen auftreten sah, aus dem unter steter Ablagerung 
von Kalksalzen und organischer Achsensubstanz der Dreistrahler 
gebildet wird. Auch Selenka bemerkte, dass die an der Skelet- 
bildung teilnehmenden Zellen sich nicht mehr teilen. Semon 
(1887) beschreibt diese Vorgänge genauer, kommt aber zu der 
Annahme, dass der intracellulär gebildete Tetraöder als solcher 
aus der Zelle austrete. Nach meinem Befunde verlässt die skelet- 
bildende Substanz die Zelle in gelöstem Zustand, wodurch das 
Verständnis für die Art des Skeletwachstums nicht weiter er- 
schwert wird. 


Ich schliesse diese Zeilen mit dem Hinweis auf die nächsten 
Aufgaben, die sich im Zusammenhang mit den hier behandelten 
Fragen ergeben. Über einen weiteren Teil meiner Untersuchungen, 
die sich hierüber in Gang befinden, hoffe ich bald berichten zu können. 

An die hier gegebene Darstellung der Konstitution des 
„Regulationseies“ schliesst sich naturgemäss die des „Mosaikeies“ 
mit den furchungsbestimmenden Keimbezirken. Ferner erscheint 
es wünschenswert, die Zellgenerationen bei der Entwicklung aus 
beiden Eitypen bis zu den differenten (reweben in der hier ver- 
suchten Weise an günstigerem Material zu verfolgen und endlich 
experimentelle Eingriffe in die phänomenalistisch bekannten Ver- 
läufe vorzunehmen. 


Jena, Jul F910, 


600 Nulıns Scchhranxel: 


Literaturverzeichnis. 


Die mit * bezeichneten Literaturangaben beziehen sich auf die Eibildung 
der Echinodermen. 


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Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 601 


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602 Julius Schaxel: 


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sonderer Berücksichtigung der Chromidien und Nucleolen. Zool. Anz., 
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Derselbe (1910): Die Eibildung der Meduse Pelagia noctiluca Per et Less. 
Untersuchungen über die morphologischen Beziehungen der Kernsub- 
stanzen untereinander und zum Üytoplasma. Festschr. R. Hertwig, 
Jena 1910, Bd. 1, S. 167—212, Taf. 10—13. 2 Textfiguren. 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 603 


Schaxel (1910): Die Beziehungen des Chromatins zum Uytoplasma bei der 
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Selenka (1879): Keimblätter und Organanlage der Echiniden. Zeitschr. 
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Semon (1887): Beiträge zur Naturgeschichte der Synaptiden. Mitt. zool. 
Stat. Neapel, Bd. 7, S. 272—300, Taf. 9 und 10. 

Stauffacher (1910): Beiträge zur Kenntnis der Kernstrukturen. Zeitschr. 
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Derselbe (1909): La Structure de l’Oeuf des Mammiferes (Chauve - souris, 
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Wierzejski (1905): Embryologie von Physa fontinalis L. Zeitschr. wiss. 
Zool., Bd. 83, S. 502—706, Taf. 18—27. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX—XXII 


Was die Farben der Figuren betrifft, so entsprechen sie nicht denen 
der Präparate, sondern es ist zum Zweck übersichtlicheren Vergleichs und 
einfacherer Reproduktion alles was sich als Chromatin auswies, in bläulichem 
Tone gehalten, während die übrigen Farben (acidophiles Cytoplasma, Achro- 
matin des Kernes, Nucleolen nach ihrer Entchromatisierung und deuto- 
plasmatische Substanzen) durch Nuancen von Rot wiedergegeben sind. 

Gezeichnet wurde mit Hilfe Zeissscher Instrumente (Optik, Zeichen- 
apparat, Zeichentisch) auf der Höhe des Objekttisches. Die Figuren sind 
in der Originalgrösse reproduziert. 

Im folgenden gelten die Abkürzungen: 

Ap. —= Apochromat-Immersion, n. A. 1,3, 2 mm, 
Ob. — Objektiv, 

0c2 7 Ocnlar, 

Co. — Compensationsocular. 

Die Fig. 1—56 beziehen sich auf die Eibildung der Echinodermen. 
Fig. 1—12 Strongylocentrotus lividus. 

Fig. 1. Ap., Co. 18. Die dünnen Chromatinfäden erstrecken sich durch 
den Kernraum. Beginn der Nucleolenbildung. 

Fig. 2. Ap., Co.18. Aus den verdiekten Chromatinfäden kondensiert sich 
das Chromatin in mehreren Nucleolen. 

Fig. 3. Ap., Co. 18. Weiteres Stadium der Bildung chromatischer Nucleolen, 
die miteinander verschmelzen. 

Fig. 4. Ap., Co. 18. Bildung des persistierenden einzigen Nucleolus. 

Fig. 5. Ap., Co.18. Beginn der Chromatinemission vom Nucleolus aus. 
Ende der primären Chromasie des Uytoplasmas. 

Fig. 6. Ap., Co. 18. Späteres Emissionsstadium. 


Julius Schaxel: 


7. Ap., Co. 12. Abströmen des Chromatins vom Nucleolus, dessen 
achromatischer Innentel nach der Emission sichtbar wird. 
Chromasie des Cytoplasmas. 

8. Ap., Co. 18. Sektor aus dem Oocytenplasma während der Chromasie. 

9. Ap., Co.18. Sektor aus dem Oocytenplasma. Beginn der Konden- 
sation des Chromatins. 


ig. 10. Ap., Co.18. Ausschnitt aus dem Reifei. Die Chromatinherde 


nahezu isoliert. voneinander. „Relative Achromasie.“ 


e. 11. Ap., Oc.2. Übersicht über die Ooeyte, wie sie das Keimepithel 


verlässt, um sich zum Abschluss der Reifung in das Ovariallumen 
zu begeben. Das Kernchromatin wieder in Fadenanordnung. 
Nucleolus chromatinfrei. 


. 12. Ap., Oc.2. Reifei mit weiblichem Vorkern. 
g. 13—16. Sphaerechinus granularis. 
'. 13. Ap.. Oc. 18. Zwei Oocyten nach der letzten Vermehrungsteilung 


Um die sich streckenden dicht liegenden Chromosomen grenzt sich 
der Kern gegen das umgebende Uytoplasma ab. 


. 14. Ap., Oc.18. Ausbreitung der Chromatinfäden im Kern. 
. 15. Ap., Oc. 18. Kondensation des Chromatins in Nucleolen. 
. 16. Ap., Co. 18. Fortgeschrittene Chromatinemission und Ausbreitung 


des Chromatins im Zelleib. 


g. 17. Echinus microtubereulatus. Chromatinfreier Nucleolus bei der Auf- 


lösung des Keimbläschens. 


. 18—21. Echinocardium cordatum. 
. 15. Ap., Co.18. Bildung des „Ruhe“-Kerns nach der letzten Ver- 


mehrungsteilung. 


ig. 19. Ap., Co.18. Chromatin in Fadenform. 
ig. 20. Ap., Co. 18. Nucleolenbildung an der Kernoberfläche. 
g. 21. Ap., Co. 18. Chromatinemission (Zentrifugie des Karyochromatins). 


Fig. 22—26. Holothuria tubulosa. 

Fig. 22. Ap., Co.18. Ruhestadien im (sterilen) Keimepithel. 

Fig. 23. Ap., Co. 18. Chromatin in dünnfädiger Anordnung. 

Fig. 24. Ap., Co.18. Das Chromatin lagert sich unter Auflockerung der 
Fäden in Nucleolen um. 

Fig. 25. Ap., Co. 18. Chromatinemission von dem persistierenden Nucleolus 
aus, der seine exzentrische Lage behält. Ausbreitung des Chromatins 
im Zelleib. 

Fig. 26. Ap., Co. 18. Im Kern strömt das Chromatin allmählich vom 
Nucleolus ab und gewinnt wieder Fadenform. Chromasie des 
Cytoplasmas. 

Fig. 27.—33. Astropecten spinulosus. 

Fig. 27. Ap., Co.18. Fädiges Chromatin im Übergang zur Nucleolenbildung. 

Fig. 28. Ap., Co. 18. Mittleres Stadium der Emissionsphase. 


ig. 29. 


all). 


Mal. 


ig. 32% 


Fig. 


. 3d— 


. 34. 


2. 36. 


aM. 


ig. 38— 


. 88. 
a: 


. 40. 


. 41. 


ig. 42. 


ig. 43. 


. 44— 
Fig. 


44. 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 605 


Ap., Co.12. Ende der Emission. Das Chromatin strömt vom 
Nucleolus ab. Verbreitung des Chromatins in konzentrischen 
Schichten vom Kern aus. 

Ap.,Oc.4. Keimbläschen, dessen Nucleolus schon zum Teil chromatin- 
frei ist. Das Chromatin sammelt sich in extranucleolären Ver- 
dichtungen. 

Ap., Oc.4. Dem vorigen folgendes Stadium. Der Nucleolus ist 
fast chromatinfrei. Die Chromatinansammlungen lassen Fadenform 
erkennen. 

Ap., Oc.4. Keimbläschen vor der Auflösung. Der Nucleolus ist 
chromatinfrei und vacuolisiert. Das Chromatin findet sich in fädiger 
Anordnung, dem Vorstadium der Chromosome. Die Kernmembran 
ist leicht gefältelt. 

Ap., Co.18. Ausschnitt aus der dotterbildenden Oocyte vom Rande 
her. Zu oberst befindet sich eine dünne Eetoplasmaschicht. Dann 
folgen kleine deutoplasmatische Einlagerungen und intervittelines 
Chromatin im Cytoplasma. Weiter nach innen Dotter in ver- 
schiedenen Bildungsstufen bis zu den noch dotterlosen Verhältnissen 
der Chromasie. 

37. Asterina gibbosa. 

Ap., Co. 18. Nucleolenbildung. 

Ap., Co. 18. Beginn der Emission. 

Ap., Oe.4. Übersicht über das Chromasiestadium. Beginnende 
Entchromatisierung des Nucleolus. „Wirbelbildungen“ im Zelleih. 
Ap., Co.18. Ausschnitt aus dem nahezu reifen Ei. Deuteplasma- 
körper und intervittelines Chromatin. 

43. Echinaster sepositus. 

Ap., Co.18. Beginn der Emission. 

Ap., Co. 18. Der Schnitt trifft die Oocyte nicht in grösster 
Ausdehnung des Zelleibs, wohl aber das Keimbläschen, sodass dies 
verhältnismässig zu gross erscheint. Emission dem Ende nahe. 
Die Zentrifugiefigur des Kernchromatins verwischt sich. Kon- 
zentrische Lagerung des sich verteilenden Plasmachromatins. 

Ap., Co.18. Sektor aus dem Zelleib der Oocyte. Konzentrische 
Anordnung des Chromatins. 

Ap., Co.18. Ausschnitt aus dem Stadium der Chromasie. Regel- 
mässige Verteilung der fädig geformten Chromatinherde. 

Ap., Co. 18. Ausschnitt aus einem mittleren Stadium der Dotter- 
bildung. 

Ap., Co. 18. Ausschnitt aus dem reifen Ei. Vitteline Achromasie 
des Öytoplasmas. Dotter und intervitelline Chromatinkondensationen. 


46. Ophioderma longicauda. 
Ap., Co.18. Zwei Oocyten auf verschiedenen Stadien der Kon- 
densation des Chromatins aus den Fäden in Nucleolen. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 39 


Fig. 45. 


Fig. 46. 


Julius Schaxel: 


Ap., Co.12. Ende der Emission. Verteilung des Emissums im 
Zelleib. 

Ap., Co. 18. Ausschnitt aus dem Reifei. Dotter und intervittelines 
Chromatin. 


Fig. 47—56. Antedon phalangium. 


Fig. 47. 


Ap, (00.18. Ausgangsstadium der Oocyte. 


Fig. 48 und 49. Ap., Co.18. Stadien der Nucleolenbildung. 


Fig. 50. 
Fig. 51. 


Ap., Co. 18. Chromatin - Emission. 

Ap., Co.18. Späteres Stadium der Emission. Verteilung des 
Chromatins im Zelleib. 

Ap., Co. 12. Mittleres Stadium der Vakuolisation des Keimbläschen- 
nucleolus. 

Ap., Co. 18. Sektor aus dem Stadium der Chromasie. 

Ap., Co. 18. Sektor bei beginnender Dotterbildung. 

Ap., Co. 18. Ausschnitt aus dem reifen Oravialei, Randzone mit 
gewellter Oberfläche. Dotterelemente mit hyaliner und opaker Schicht. 
Ap., Oc.2. Übersicht über die Ooeyte zur Zeit der als „Dotter- 
kern“ anzusprechenden partiellen Chromasie. 


Die Fig. 50—83 beziehen sich auf die Ontogenesis von Strongylo- 
centrotus lividus. 


Fie. 57. 


58. 
Fig. 59. 


Fig. 60. 
Fig. 61. 


. 62. 
Fig. 63. 


Fig. 64. 
Fig. 65. 


Fig. 66. 


Ap., 00.18. Alveolisation einzelner Chromosomen nach der Telo- 
phase einer der ersten Furchungsteilungen (Karyomerenbildung). 
Ap., Co. 18. Verschmelzende Karyomeren. 

Ap., Co. 18. Ende der Karyomerenverschmelzung zur Ruhekern- 
bildung. 

Ap., Co. 18. Ausschnitt aus der Telophase der Mitose in der gross- 
zelligen Blastula, der auch die folgenden Kernbilder entnommen sind. 
Ap., C0.18. Verknäuelung der Chromosomen vor der Ruhekern- 
bildung. 

Ap., 00.18. Gemeinsame Alveolisation der Chromosomen. 

AD Vol Verteilung des Chromatins auf dem achromatischen 
Kernreticulum. 

Ap., Co. 18 Feinnetziger Ruhekern. 

Ap., 60.18. Der Kern hat an Umfang gewonnen. Integration der 
Chromosomen. Achromatischer Exkretnucleolus. 

Ap., Co. 18. Prophase der folgenden Teilung. Die Chromosomen 
nehmen wieder ihre typische Gestalt an. Die Kernmembran und 
der Nucleolus verschwinden. 

Ap., Co.18. Berührungswinkel der vier ersten Blastomeren. In 
dem Zellwinkel beginnt die Abnahme des Chromatingehalts. 

Ap., Oc.2. Übersicht über die Chromatinverteilung in den Meso-, 
Macro- und Miceromeren. Schnitt durch die 16zellige Blastula. 
Ap., 00.18. Ausschnitt aus der Blastocölseite einer Macromere, 
um die blastocölwärts zunehmende Chromatinerschöpfung zu zeigen. 


» 


&. 70. 


| 
DD 


Das Zusammenwirken der Zellbestandteile. 607 


Ap., Co.18. Annähernd gleichmässige Verteilung des etwa auf 
der Mitte seines Erschöpfungsweges befindlichen Chromatins. Kern- 
stadium zwischen dem der Fig. 63 und 64. Aus der grosszelligen 
Blastula. 

Ap., Co. 18. Blastomere aus der kleinzelligen Blastula. Weitere 
Erschöpfung des Chromatins. Kernstadium zwischen dem der 
Fig. 62 und 69. 

Ap., Co.18. Blastomere aus der Blastula, die die Eihaut ver- 
lässt und zwar aus dem prospektiven Ectoderm des künftigen 
Pluteusscheitels. Der Kern liegt jetzt an der Blastocölseite. Nur 
noch spärliches Plasmachromatin. 

Ap., C0.18. Zelle aus dem seitlichen Eetoderm der freien Blastula 
bei Einwanderung des primären Mesenchyms. Absolute Achromasie 
des Cytoplasmas. Die Cilie ist zu sehen. 

Ap., Co.18. Einwandernde Mesenchymzelle Das Cytoplasma ist 
absolut achromatisch. Der Kern (Alveolisation der Chromosomen 
wie in Fig. 62) verrät die vorhergehende Teilung. 

Ap., Co.18. Ausbildung des Ruhekerns in der eingewanderten 
Mesenchymzelle. Verteilung des Chromatins im Kern. 

Ap., 00.18. Chromatinanreicherung des Kerns. Exkretnucleolen. 
Ap., Co. 18. Chromatinreicher Präemissionskern mit achromatischen 
Nucleolen. Die Zelle hat die für die Initialemission typische 
Lobopodiumform. 

Ap., Co. 18. Einseitiger Typus der Chromatinemission in der Zelle 
des primären Mesenchyms. 

Ap., 00.18. Partielle Uhromasie des Cytoplasmas (Produktions- 
herd). Chromatinarmer Postemissionskern. 

Ap., Co. 18. In dem Chromatinherd erscheint die produzierte 
Skeletsubstanz. 

Ap., Co. 18. Unter Erschöpfung des emittierten Chromatins ist 
der intracelluläre Teil der Skeletbildung vollzogen. 

Ap., Co. 18. Chromatinemission in der Mesenchymzelle nach dem 
perinucleären Typus. 

Ap., Oc.4. Übersicht über die Lage der skeletbildenden Mesen- 
chymzellen zu ihrem extracellulären Produkt. 


39* 


608 


Über den Bau der capillaren Milzvenen (Milzsinus). 
Eine kritische Studie und eigene Beobachtungen. 


Von 
S. Mollier, München. 


Hierzu Tafel XXIV und 42 Textfiguren. 

Auch durch den letzten zwischen Weidenreich und Helly 
ausgetragenen Streit über den feineren Bau des Gefäßsystems 
der Milz ist die immer wieder aufgeworfene Frage, ob in der 
Milz ein geschlossener oder zum Teil wenigstens offener Blut- 
kreislauf sich findet, nicht endgültig gelöst worden. Nach wie 
vor stehen sich die beiden Anschauungen gegenüber, und will 
der Unbeteiligte sich ein Urteil bilden, zu welcher Lehre er sich 
bekennen soll, so wird es zunächst nötig sein, die Streitpunkte 
und das Beweismaterial beider Parteien kennen zu lernen und 
kritisch zu betrachten. 

Die Frage, um die es sich handelt, ist eine rein technische, 
also zunächst morphologische. Sie lautet: Besitzt die Milz ein 
in sich geschlossenes capillares Röhrensystem, wie wir dasselbe 
auch sonst in den meisten Organen finden, oder ist dieses Röhren- 
system in offene Verbindung mit der Nachbarschaft (Retieulum) 
sebracht. Diese Verbindung ist nach Weidenreich in der 
Weise vorhanden, dass die Kontinuität des capillaren Röhren- 
systems dadurch eine Unterbrechung erfährt, dass stellenweise 
Reticulum zwischengeschaltet wird. Es eröffnen sich arterielle 
Capillaren in das Reticulum der roten Pulpa, aus dem wieder 
venöse Capillaren ihren Anfang nehmen. 

Helly leugnet nun ausdrücklich das Bestehen dieser Zwischen- 
schaltung reticulären Gewebes, und es müssen also wohl neue 
Untersuchungen abgewartet werden. 

Welcher Art diese Untersuchungen sein müssen, ergibt sich 
einmal aus dem Resultat der Injektionsversuche, welche lehren, 
dass dieselben immer wieder sowohl zugunsten der einen wie 
der anderen Anschauung Beweismaterial geliefert haben. Sie sind 
also wohl nicht imstande, diese Frage zu entscheiden, und es ist 
besser, von ihnen zunächst ganz abzusehen. Das gleiche zweifel- 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 609 


hafte Resultat haben jene Untersuchungen geliefert, die darauf 
abzielen, den Übergang einer Capillare in das Retieulum oder den 
Beginn einer solchen aus dem Reticulum auf feinen Schnitten 
nachzuweisen. Es wird immer möglich sein alle hierüber gegebenen 
„beweisenden“ Bilder in ihrem Wert anzufechten. 

Es kann also nach meiner Ansicht nur mehr die eine Unter- 
suchungsmethode noch Hoffnung auf Erfolg haben, welche versucht, 
aus der genauen Kenntnis des Baues der capillaren Wand selbst 
diese Frage zu entscheiden. Ist diese Wand geschlossen oder 
ist sie durchbrochen gearbeitet? Diese Frage muss auch aus dem 
Studium von Schnitten exakt zu beantworten sein. 

Es ist nun sehr auffallend, dass gerade in diesem Punkte 
die Angaben Weidenreichs und Hellys, der beiden letzten 
Vertreter der gegnerischen Lehren, übereinstimmen. Sie nehmen 
beide für die capillaren Milzvenen, die Milzsinus, eine geschlossene 
Rohrwand an. 

Es scheint hierzu freilich wenig zu passen, was Helly auf 
Seite 252 seiner Arbeit über die venösen Capillaren sagt: „Was 
zunächst den Widerstand anlangt, welchen die Gefässwand dem 
Durchtritte fester und flüssiger Bestandteile entgegenzusetzen 
vermag, so ist ersichtlich, dass derselbe bei den venösen Capillaren 
nur sehr gering, an gewissen Stellen der Wand überhaupt fast 
gleich Null ist; gleicht sie doch, von der Fläche betrachtet, sehr 
einem Gitter, dessen Lücken vielfach gross genug sind, um ein 
rotes Blutkörperchen ohne jede merkliche Formveränderung durch- 
treten zu lassen. Dem zwischen beiden Bestandteilen des Gitters 
— den inneren, parallel zur Längsachse des Gefässes angeordneten, 
stabförmigen Endothelzellen und den äusseren, quer um dasselbe 
verlaufenden Kreisfasern, — befindlichen unmessbar dünnen 
strukturlosen Häutchen kann wohl kein irgend nennenswerter 
Einfluss im Sinn einer Behinderung der Diapedese zugeschrieben 
werden und dies um so weniger, als das gedachte Häutchen sehr 
hinfällig ist und ungemein leicht zerstört wird.“ 

Helly findet auch dementsprechend in Verfolgung eines von 
Weidenreich zuerst gemachten Versuches, dass selbst fremde 
und viel grössere in den Kreislauf eingebrachte Blutkörperchen 
(Huhn, Frosch) anstandslos durch die Capillarwand treten. 

Ob es freilich noch praktischen Zweck hat, von einer 
geschlossenen Röhre zu sprechen, wenn sie fast ohne Widerstand 


610 S. Mollier: 


alle zelligen Elemente in unbegrenzter Menge hindurchlässt, könnte 
zweifelhaft erscheinen. Weidenreich hält jedenfalls eine solche 
Annahme für wertlos, wie ich aus seiner temperamentvollen 
Äusserung entnehme: „Ein Sieb ist doch kein Topf.“ 

Ich meine aber, er vergisst hier, dass ein wesentlicher Teil 
unserer Vorstellung über den Vorgang der Diapedese der ist, dass 
Zellen durch die Capillarwand den Kreislauf verlassen, ohne dass 
dabei nennenswerte Mengen des Plasmas mit austreten. Der Kreis- 
lauf der Bluttlüssigkeit wird also kaum beeinflusst. 

Von diesem Gesichtspunkt aus hat die Annahme Hellys 
nicht nur ihre Berechtigung, sondern auch einen ganz bestimmten 
technischen Wert. Ob die Bezeichnung Diapedese auch für den 
Durchtritt roter Blutkörperchen ohne lokomotorische Eigenbewegung 
gebraucht werden kann, darüber will ich hier nicht weiter sprechen. 
Wir haben bloss damit zu rechnen, dass Helly den Durchtritt 
roter Blutkörperchen (auch Froschblutkörperchen) durch die unver- 
sehrte Wand der venösen Milzcapillaren gesehen hat und dass 
er hierin ein Hauptargument für die Lehre vom geschlossenen 
Kreislauf in der Milz erblickt. 

Weidenreich nimmt eleichfalls für die Milzsinus eine 
geschlossene Rohrwand an, die für weisse Blutkörperchen selbst- 
verständlich infolge ihres Baues besonders leicht zu durchwandern 
ist. Den Durchtritt roter Blutkörperchen aber hat er nie gesehen 
und leugnet das Vorkommen desselben. 

Diese Ansicht wird man auf Grund der neueren Befunde 
Hellys mit Froschblutkörperchen wohl fallen lassen und auch den 
Durchtritt von Erythrocyten zugeben müssen. 

Weidenreich und Helly nehmen also eine geschlossene 
Capillarwand an und erklären den Durchtritt von weissen, resp. 
auch roten Blutkörperchen für Diapedese. 

In diesem Punkte, meine ich, ist aber Weidenreich nicht 
ganz konsequent, denn er beschreibt häufige, scharf geränderte 
ovale Lücken der Capillarwand und erklärt sie veranlasst durch 
den Durchtritt farbloser Blutelemente durch die Wand. 

Bleiben aber solche Lücken noch nach dem Durchtritt der 
Leucoeyten bestehen, dann ist die Wand eben keine geschlossene 
mehr und die Blutflüssigkeit wird durch diese Lücken mit jener 
der retieulären Maschenräume kommunizieren. Der Durchtritt 
der Leucocyten kann dann nicht mehr als gewöhnliche Diapedese 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 611 


angesehen werden, denn es wird vorkommen müssen, dass eine 
weisse Blutzelle (und auch rote) diese noch bestehende Lücke zum 
Durchtritt benützt. 

Sehen wir nun nach, was die Autoren über den feineren 
Bau der Wandung dieser Milzsinus mitteilen, so haben wir uns 
im folgenden nur mehr mit Weidenreich zu beschäftigen, der 
eine eingehende Beschreibung derselben gibt, während Helly 
sich mit der Bemerkung begnügt, dass er bezüglich der histo- 
logischen Elemente der Milz mit Weidenreich vollständig 
übereinstimme. Eine Angabe, die er wohl gerade in betreff dieser 
Öffnungen der Capillarwand nicht wird aufrecht erhalten können. 

Das Auffallendste an diesen Capillaren ist ihr besonderes 
Endothel oder Epithel. Es wurde bekanntlich von Billroth 
zum erstenmal genauer beschrieben. Dann war es Gegenstand 
der Untersuchung für zahlreiche Forscher, von denen ich nur 
Boehm, v. Ebner und Woronin nenne. 


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Ich gebe zunächst ein Bild aus der Arbeit Boehms 
(Fig. 1) und eines aus der Arbeit Woronins (Fig. 2) wieder, 
an denen leicht erkennbar ist, dass ein Flächenschnitt durch die 


612 S. Mollier: 


Capillarwand ein Gitterwerk sichtbar werden lässt, das aus recht- 
winklig gekreuzten Streifen gebildet erscheint. Die in der Längs- 
richtung des Gefässes geordneten Streifen gehören zu den er- 
wähnten Endothelzellen und erscheinen auf dem Querschnitt als 
die zierliche Strichelung der Fig. 1. Die in eireulärer Richtung 


das Gefäss umfassenden Streifen sind die Ringfasern. Zu den 
endothelialen Streifen gehören Kerne, die auffallend stark in die 
Lichtung vorspringen. Boehm gab zuerst folgende Erklärung 
für dieses merkwürdige Bild. Es handelt sich nach ihm um lange 
spindelförmige Zellen mit vorspringenden Kernen. Jede Zelle 
besteht aus mehreren (3—7) längsverlaufenden Stäben, welche in 
der dicksten Zellpartie am weitesten voneinander abstehen, gegen 
die Enden der Zelle aber dünner und niedriger werden, zusammen- 
laufen und wahrscheinlich verschmelzen. Der übrige, zwischen 
den Stäbchen und um dieselben gelegene Zelleib der Spindelzelle 
besteht aus feiner granulierter Masse (undifferenziertes Proto- 
plasma), welche um den Kern stärker angehäuft ist. Die 
Striche des Querschnittsbildes entsprechen den einzelnen Stäben 
der Zellen. 

Dieser Erklärung stimmt v. Ebner bei. Nicht so Woronin. 
Er folgert vielmehr aus seinen Präparaten, dass jedes Stäbchen 
einer einzigen Zelle entspricht und nicht mehrere derselben einer 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 615 


spindelförmigen Zelle zugehören. Danach sind also diese Zellen 
als äusserst feine, schmale, stäbchenförmige Zellen aufzufassen, 
welche zu einer verdickten Stelle den ins Lumen vorspringenden 
Kern angelagert zeigen. Ferner sind nach Woronin diese 
Zellen durch quere Intercellularbrücken verbunden. 

Weidenreich gibt die neueste Beschreibung des capillaren 
Epithels. Das Ergebnis ist eine Bestätigung der Woroninschen 
Auffassung. 70 bis 120 « lange, schmale Stäbchen, die in der 
Mitte ihrer Länge eine geringe spindelförmige Verdiekung und 
hier einen sowohl seitlich wie nach unten stark vorspringenden 
Kern besitzen, sind in gleichmässigen Abständen durch Ringfasern 
zusammengehalten. 

In betreff der Ringfasern ist zu bemerken, dass Boehm 
darauf aufmerksam machte, es könnte Woronin vielleicht die 
Ringfasern, die aussen um die Stäbchenzellen (Weidenreich) 
herumlaufen, mit Intercellularbrücken verwechselt haben. Weiden- 
reich schliesst sich dieser Auffassung Boehms an und macht 
diese Frage mit der energischen Bemerkung ab: „Intercellular- 
brücken, wie sie Woronin beschreibt, existieren nicht.“ 

Die Ringfasern werden von v. Ebner und v. Schumacher 
als selbständige Elemente betrachtet, die mit den Reticulumfasern 
nichts zu tun haben. 

Hoyer (00) hingegen fand sie in unmittelbarem Zusammen- 
hang mit dem Retieulum, und seine Erklärung, dass es sich hier 
nur um einen Reticulumabschnitt handle, der durch die Aus- 
weitung des Gefässes in bestimmte Form und Lagerung gebracht 
wurde, ist auch von Weidenreich angenommen worden. Die 
Bezeichnung „Ringfasern* stammt von Hoyer (94) und ist 
wohl nicht ganz glücklich gewählt, denn diese Fasern bilden 
wohl stets ein netziges Geflecht um die Capillarwand, in 
dem nur manchmal (Mensch, Affe) die ringförmige Anordnung der 
Fasern im Netz besonders ausgesprochen ist. Weidenreich 
sagt, „ähnlich wie die Reifen eines Fasses“. Auch dieser Ver- 
gleich sollte vermieden werden, weil gerade die netzförmige 
Verbindung der Fasern charakteristisch ist. — „Netzfaser- 
mantel“ wäre eine umständliche, aber vielleicht bessere Be- 
zeichnung. Es wäre dann zulässig, von Ringfasern im Netzfaser- 
mantel zu sprechen. Aus welchem Material die Fasern gearbeitet 
sind, ist noch nicht entschieden. 


614 S. Mollier: 


Als weiteren Bestandteil der Capillarwand hat v. Ebner 
ein strukturloses, unmessbar dünnes Häutchen beschrieben, dem 
nach innen zu die Endothelzellen (Stäbchenzellen) anliegen und 
in das der Netzfasermantel eingelagert sein soll. Danach wären 
also alle von zwei nachbarlichen Stäbchenzellen und zwei nachbar- 
lichen Ringfasern begrenzten Abschnitte der Wandung nur von 
diesem Häutchen abgeschlossen. 

Weidenreich hat auf Flächenschnitten durch die Capillar- 
wand diese Membran gleichfalls gefunden und sie als leicht 
granuliert beschrieben. 

Für die Zuweisung dieser Membran gibt es bloss zwei 
Möglichkeiten. „Entweder“, sagt Weidenreich, „handelt es 
sich um eine differenzierte Protoplasmaschichte der Stäbchenzellen, 
oder aber um eine selbständige Membran, die nach aussen den 
Zellen anliegt“. Er entscheidet sich für das letztere, denn er 
hat vergeblich nach Zellgrenzen innerhalb dieser Membran zwischen 
zwei Stäbchenzellen gesucht, die nach seiner Meinung doch vor- 
handen und nachweisbar sein müssten, falls die erste Erklärung 
zutreffend sein sollte. Mit den Ringfasern ist das Häutchen nicht 
verwachsen, dieselben sind keine Verdickungen des Häutchens 
selbst. in dem sie liegen, sondern die Fasern liegen dem Häutchen 
bloss fest an. Mit den Stabzellen sind sie ebenfalls eng ver- 
bunden, so dass man an isolierten Zellen an ihrer Aussenseite in 
bestimmten Abständen Eindrücke sieht. Weidenreich hält 
also diese Unregelmässigkeiten des Seiten- 
randes der Zellen für Reste der zerrissenen 
Membran. Wenigstens verstehe ich seine in 
diesem Punkt aussergewöhnlich vorsichtige 
Ausdrucksweise so. 

Warum aber diese Eindrücke des Seiten- 
randes der Zellen dann in bestimmten Ab- 
ständen sichtbar sind, wie Weidenreich 
angibt, kann ich nicht einsehen. 

Wir haben uns also den Bau der Capillar- 
wand folgendermassen vorzustellen: Ein 
strukturloses äusserst feines Häutchen in 
Form einer Röhre ist von einem kräftigen 
Netzfasermantel umfasst und gestützt. Nach 
innen zu liegen dem Häutchen die Epithel- 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 615 


zellen als langgestreckte, schmale Stäbchen mit ihren Kernen 
längsgeordnet an und lassen zwischen sich regelmässige Zwischen- 
räume frei. Das Bild der Fig. 3, nach Kopsch etwas verändert 
wiedergegeben, erläutert das (resagte. 

Danach haben wir es also mit geschlossenen capillaren 
Röhren zu tun, und es ist bei der Betrachtung der Abbildung 
klar, dass diese geschlossene Form der Rohrwand nur durch 
das feine Häutchen erreicht wird. 

Denken wir uns dasselbe weg, so wäre die Wand nur von dem 
sich kreuzenden System der Stäbchenzellen und Netzfasern gebildet 
und würde ein regelmässiges Gitterwerk mit rechteckigen Maschen- 
räumen darstellen. Das Rohr wäre durchbrochen, der Kreislauf often. 

Es hängt also alles davon ab, ob die Existenz, die Anordnung 
und die Struktur dieses Häutchens zuverlässig festgestellt ist. 

Wenn wir die Literatur aufmerksam durchgehen, dann 
können wir finden, dass für die menschliche Milz das Vorhanden- 
sein der Membran von v. Ebner und Weidenreich beschrieben, 
von v. Schumacher und Hoyer nicht festgestellt wurde. Auch 
frühere Autoren haben schon auf das Vorkommen einer solchen 
Membran hingewiesen oder eine solche nicht auffinden können. 
Es ist jetzt eigentlich nur die Angabe von v. Schumacher 
unbestritten, die lautet, dass beim Murmeltier diese Membran 
ausserordentlich leicht nachweisbar sei. 

Dieses Untersuchungsobjekt ist aber von keinem späteren 
Forscher mehr verwendet worden. 

Nehmen wir aber meinetwegen zunächst, mit Weidenreich, 
die Existenz der Membran in den Capillaren der menschlichen 
Milz an, so haben wir nach diesem Autor uns das Häutchen von 
zahlreichen ovalen scharfgeränderten Lücken durchbrochen zu 
denken. Die Grösse derselben wechselt, doch füllen sie stets den 
ganzen Raum zwischen zwei Stabzellen aus, während sie in der 
Längsrichtung nicht ganz von einer Ringfaser zur andern reichen. 
Weidenreich hält, wie schon erwähnt, diese Löcher in der 
Membran für vorübergehende Unterbrechungen der Kontinuität 
des Häutchens, bedingt durch die Diapedese weisser Blutzellen. 

Ich habe aber schon früher darauf hingewiesen, dass uns 
das nicht hindern darf, die Capillarwand infolge dieser Löcher 
technisch als durchbrochene Wand anzusehen, die dann wieder 
für die Annahme eines geschlossenen Kreislaufes unbrauchbar ist. 


616 8 MEonllifesr: 


Wir sind wieder auf dem toten Punkt angelangt. Sollen 
wir eine geschlossene Wand annehmen oder eine durchlöcherte ? 
Wir finden zu wenig Anhaltspunkte in der Literatur zum 
Entscheid. 

Es wäre dann zu überlegen, ob aus einer vergleichend- 
histologischen Betrachtung etwas zu holen wäre, aber die Literatur 
lässt hier völlig im Stich. Endlich könnten wir daran denken, 
ob nicht die Histogenese ein entscheidendes Wort mitsprechen 
könnte. Aber auch in dieser Hinsicht sind keine Beobachtungen 
veröffentlicht. Trotzdem möchte ich aber zur Erwägung geben, 
wie man sich die Entstehung eines Rohres von der in Fig. 3 
abgebildeten Bauart vorstellen soll? Ich kann mir die Ent- 
wicklung des eigentümlichen Capillarendothels mit seinen selb- 
ständigen Zellen, die alle voneinander abgerückt erscheinen, nicht 
ausdenken. 

Diese Anordnung kann wohl in der fertigen Form bestehen, 
aber doch nie die Ausgangsform für die Entwicklung gewesen 
sein. Hier müssen die Zellen doch wohl in querer Richtung zu- 
einander in Beziehung gestanden haben. Diese Annahme wird 
zur Gewissheit, wenn man bedenkt, dass die Endothelzellen jeden- 
falls vor der Ausbildung des Netzfasermantels schon da sind und 
dann schon aus technischen Gründen eines solchen queren Zu- 
sammenhaltes bedürfen. Es kann also in dieser Hinsicht die 
Weidenreichsche Anschauung vom Bau der Capillarwand nicht 
befriedigen. 

Wir werden vielmehr an die Woroninschen Intercellular- 
brücken erinnert, welche die Stäbchenzellen quer verbinden sollen, 
deren Existenz Weidenreich freilich leugnet. 

Nehmen wir sie einmal an, dann könnte man das Endothel 
als ein Netzsyneytium (mit sehr regelmässigen Maschen) auffassen. 
Es wäre die retieuläre Form eines Endothels gegeben, wie ich 
dieselbe für die embryonale Leber beschrieben habe. 

Diese Deutung habe ich schon vor drei Jahren in der Vor- 
lesung versucht, und ich habe dann, durch diesen theoretischen 
Vergleich angeregt, ausgedehnte Untersuchungen über den Bau 
der Milzcapillarwand unternommen, über die ich nun berichten 
will. Zuvor sei noch mitgeteilt, dass in allerneuester Zeit Anna 
Mangubi-Kudrjavtzewa in den Anatomischen Heften ihre 
Studien über den Bau der capillaren Milzvenen veröffentlichte. 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 617 


Sie kommt zu einem gänzlich anderen Resultat. Das Endothel 
besteht wohl aus den bekannten langen, schmalen Endothelzellen, 
den Stäbchenzellen Weidenreichs, aber dieselben sind zu einer 
völlig geschlossenen Wandung zusammengefügt. Denn der Zwischen- 
raum zwischen zwei Stäbchenzellen ist nicht leer, sondern von 
einer feinkörnigen Protoplasmaschichte in ganzer Dicke der Zellen 
erfüllt, und in dieser Schichte ist als feiner Mittelstreif die Kitt- 
linie zwischen beiden Anteilen nachbarlicher Zellen erkennbar 
und färbbar. 

Das schematische Textbild 4 gibt 
den Unterschied in der Anschauung 
Weidenreichs und Anna 
Mangubi-Kudrjavtzewas wieder. 
Bei dieser Auffassung AnnaMangubi- 
Kudrjavtzewas fällt natürlich das 
entwicklungsgeschichtliche Bedenken 
weg, aber es verstärkt sich jenes Be- 
denken, dass eine so auffallende 
Durchlässigkeit der Wandung für alle 
Blutzellen bei dieser Bauart möglich 
sein soll, denn diese Capillaren würden 
dann eine dickere Wandung als alle 
anderen besitzen. 

Meine eigenen Untersuchungen 
habe ich an der Milz des Menschen, 
des Affen, des Hundes, der Katze, des 
Rindes, Schafes, Schweines und des Hie.A, 
Kaninchens angestellt. | 

Ich arbeitete mit so verschiedenen Objekten, weil aus den 
bisherigen Veröftentlichungen zu ersehen war, dass die Bauart 
der Milz bei verschiedenen Säugetieren, selbst den nächst ver- 
wandten, ausserordentlich wechselt, und so hoffte ich, aus dieser 
Verschiedenheit vielleicht auf allgemeinere Prinzipien des Baues 
aufmerksam zu werden. 

Ich benützte die Woroninsche Technik der Unter- 
suchung, die bekanntlich darauf beruht, zunächst die Milz von 
den Gefässen her auszuspülen und dann unter Druck wieder 
von den (Gefässen aus mit Fixierungsflüssigkeit zu injizieren. 
Es wird also eine künstliche Stauungsmilz erzeugt und fixiert. 


615 S. Mollier: 


Um jeden Einwand gegen diese Methode von vornherein 
zu entkräften, gebe ich an, dass ich jedesmal zur Kontrolle auch im 
normalen Zustand fixierte Milzen untersucht habe und dass nichts 
beschrieben ist, was nicht auch an solchen Präparaten zu sehen ist. 

Zur Färbung verwendete ich alle gebräuchlichen modernen 
Methoden, um collagene und elastische Fasern und protoplasmatisches 
Reticulum darzustellen. 

Ich beginne mit der Beschreibung der menschlichen Milz. 
Ein Flächenschnitt durch die Wand eines capillaren Sinus ist in 
Fig. 5 abgebildet. 


Fie. 5. 


Das Gitter aus rechtwinklig sich kreuzenden Streifen ist 
auf eine längere Strecke zu übersehen. Die dunkleren Streifen 
verlaufen eirculär und sind die Ringfasern der Autoren. Sie 
bilden ein langmaschiges Netz. Die blasseren Streifen sind die 
teihen der Stäbchenzellen Weidenreichs, die endothelialen 
Zellen. In den hellen Zwischenräumen des Gitters ist von einer 
feinsten Membran nichts zu sehen. 

Dieses Bild spricht also zunächst für die Auffassung von 
Weidenreich in bezug auf die Anordnung und Form der 
Stäbchenzellen und des Ringfasermantels. 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 619 


Zu einem vollen Verständnis dieses eigenartigen Bildes kommen 
wir aber erst durch vergleichend-histologische und histogenetische 
Untersuchungen. 

Vergleichen wir zunächst mit dem eben besprochenen Bilde 
das Bild eines Flächenschnittes durch die Wand eines capillaren 
Sinus der Hundemilz (Fig. 6), so ist das neue Bild dem früheren 
in der Wiederkehr des regelmässigen Gitters ähnlich. Doch er- 


kennt man sofort einen grossen Unterschied darin, dass beim 
Hund die Fasern des Netzfasermantels viel schwächer sind, also 
ein viel kleineres Kaliber besitzen, als beim Menschen. 

Ferner sieht man bei stärkerer Vergrösserung (Fig. 7 und S), 
dass die queren Streifen des Gitters nicht wie beim Menschen 
bloss aus den Ringfasern bestehen, sondern vielmehr zum grösseren 
Teil ihres Materials protoplasmatische Brücken sind, welche die 
Längsstreifen (Stäbchenzellen) miteinander quer verbinden. 


620 S. Mollier: 


Die Fasern liegen diesen Brücken meist am Rande, oft auch 
in ihrer Mitte nach aussen dicht an. 

Denken wir uns nun zunächst diese Fasern alle weg, so 
bleibt das rein protoplasmatische Gitterwerk übrig. Danach sind 
also beim Hund die dem Längsverlauf des Ge- 
fässes eingeordneten Längsreihen der Stäbchen- 
zellen nicht selbständige Züge, einer vom 
andern völlig getrennt, sondern hängen alle in 
gleichmässigen Abständen durch Querbrücken 
zusammen, die in der Mitte 
ihrer Länge niemals eine 
Andeutung einer  Zell- 
grenze, etwa in Form einer 
Kittlinie, erkennen lassen. 

Danach wären folglich 
beim Hund die einzelnen 
Stäbchenzellen Weiden- 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 621 


reichs nieht isolierte, selbständige Elemente, sondern vielmehr 
der Quere nach alle untereinander syneytial verschmolzen. 

Doch sehen wir weiter. Nicht immer ist in den Milzeapillaren 
des Hundes das Gitter ein so regelmässiges wie das der Fig. 6 
und 7. In Fig. 9, 10 und 11 habe ich unregelmässigere Formen 
abgebildet. Auf den beiden ersten (Fig. 9 und 10) sind die 
Längszüge, wie sie den Reihen der Stäbchenzellen entsprechen 
sollen, wohl noch zu sehen. Aber sie lassen sich nur auf kürzere 
Strecken verfolgen, dann gehen sie ineinander über, laufen zu- 
sammen, verschmelzen. Sie sind dabei sehr verschieden breit und 
dick. Man sieht deutlich, dass stärkere Ansammlungen von Proto- 
plasma als Längszüge vom Kern aus nach entgegengesetzter 
Richtung ablaufen. 

Auf der dritten Abbildung (Fig. 11) ist das Gitter eigentlich 
schon ganz anders zu beschreiben. Es ist kein Gitter mehr, aus 
Längs- und Querzügen gebaut, sondern vielmehr ein dünnes, aus- 
gebreitetes protoplasmatisches, fast regelloses Netzwerk, in dem 
die Netzfäden, oft sehr breit, die ganz verschieden grossen und 
wechselnd geformten Maschenräume begrenzen. Und doch ist ein 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 40 


622 S. Mollier: 


gewisser Versuch, Ordnung in dieses regellose Netz zu bringen, 
schon ersichtlich an der Längseinstellung von Maschenfäden und 
die dadurch erzielte Längsaufreihung von Maschenräumen. Wir 
sehen ferner, dass mit dieser Reihenordnung ein Zusammenschieben 
des Protoplasmas des dünnen Netzwerkes zu dickeren Längszügen 
beginnt, die wieder die gleiche Lage zum Kerne zeigen wie in 
der Figur 10. 


Fig. 12. 


Die nächsten drei Abbildungen sind der Milz des Schafes 
entnommen. Die erste (Fig. 12) erinnert ausserordentlich an das 
eben beschriebene Bild der Fig. 11 und findet mit dem darüber 
Gesagten seine Erklärung. Nur ist hier die Form des proto- 
plasmatischen Netzwerkes noch etwas regelloser. Eine weitere 
Abnahme der Ordnung der Maschen in Längsreihen ist bei dem 
Schnitte, der der Fig. 13 zugrunde liegt, zu erkennen, obwohl 
die Zellkerne noch mit längsovalen Formen die Gefässverlaufs- 


rY . . 09 
Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 625 


richtung einhalten und in länglich gestalteten Protoplasmazügen 
liegen. 

Das Bild führt hinüber zu dem letzten der Reihe, Fig. 14 
(Rind). Hier ist die Wand des Gefässes ein ungeordnetes proto- 


plasmatisches Netzwerk (Reticulum), in welchem selbst die ein- 
gelagerten Kerne nicht mehr ausschliesslich in einer Richtung 
angeordnet sind. Es ist eine Form des Reticulums, die sich in 


nichts von dem nachbarlichen Retieulum der Milzpulpa unterscheidet 
und in dasselbe direkt übergeht. (Auch beim Hund sind solche 
Gefässe vorhanden.) 

40* 


624 S. Mollier: 


Die Gefässwand ist hier ein in die Fläche aus- 
gebreiteter Anteil des7 allgemeinen Enrdipae 
reticulums. Zellgrenzen innerhalb derselben gibt 
es nicht. 

Betrachten wir nun einen Schnitt durch das Pulpareticulum 
zwischen den capillaren Gefässen, wie er in Fig. 15 dargestellt 
ist. so sieht dasselbe viel weitmaschiger und lockerer aus als das 
(Gefässwandretieulum der Fig. 14. Wir müssen uns aber vorstellen, 
dass wir hier einen Schnitt durch ein räumlich ausgebautes Reti- 
culum vor uns haben. Gewöhnlich wird angegeben, dass sich 
dasselbe aus Zellen aufbaut, die durch Fortsätze miteinander 
zusammenhängen. Das ist aber insofern nicht ganz richtig, als 
diese Fortsätze, körperlich gedacht, nicht bloss dünnere und dickere 
Fäden darstellen, sondern viel häufiger protoplasmatische dünne 
Membranen sind, so dass die von ihnen begrenzten verschieden 
grossen Räume (Maschenräume) durch wechselnd grosse und 
verschieden geformte Öffnungen 
(Fenster) verbunden sind. Auf 
einem Schnitt werden also zahlreiche 
| dieser Membranen quer getroffen 
e. » sein und als fädige Fortsätze er- 
| ® —@ A scheinen: andere werden mit ihrer 

Ausbreitungsebene in die Schnitt- 
& ebene fallen und dann, ganz oder 
teilweise getroffen, verschieden aus- 
gedehnte protoplasmatische Felder 
Fig. 15. darstellen, wie das aus der Ab- 
bildung ersichtlich ist. 

Denkt man sich aber nun ein solches Material zur Umgrenzung 
eines Hohlraumes tlächenhaft verwendet, so werden zahlreichere 
dieser membranartigen Scheidewände in den Schnitt fallen müssen 
und dem Retieulum ein geschlosseneres Aussehen geben, obwohl 
auch dann noch das gleiche Verhalten besteht, dass nämlich aus 
der Gefässlichtung zahlreiche Öffnungen (Fenster) in die aussen 
zelegenen Maschenräume führen, die wieder, von Membranen 
begrenzt, durch weitere Öffnungen in nachbarliche Räume sich 
eröffnen. 

Es ist die Gefässlichtung zu denken als eine 
Reihe von zusammenhängenden Maschenräumen, die 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 625 


samt densie verbindenden Öffnungen aufdas gleiche 
Kaliber erweitert wurden.') 

(sehen wir nun nochmals die ganze Reihe der Bilder in 
umgekehrter Reihenfolge, also von Fig. 14 bis Fig. 6 durch, so 
wird uns die Umwandlung eines regellos gebauten Reticulums der 
Fig. 14 in das völlig regelmässige der Fig. 6 überzeugend dar- 
getan. Wir begreifen, dass es sich nur um verschiedene Form- 
erscheinungen derselben Gewebsformation handelt, die wir als 
zelliges Syneytium bezeichnen, und zwar als Netzsynceytium. 

Der histologische Begriff des Syneytiums ist aber gegeben 
in dem Fehlen von Zellgrenzen in der einheitlichen, wenn auch ver- 
schieden geformten, von Kernen durchsetzten Protoplasmamasse. 


Lässt sich nun diese Vorstellung mit der allgemein gültigen 
in Einklang bringen, dass die Längszüge der in Fig. 6 abgebildeten 
Capillarwand der Hundemilz aus einzelnen, der Länge nach ver- 
bundenen Stäbchenzellen bestehen sollten, wie bei der mensch- 
lichen Milz ? 


Nein. Davon kann hier gar keine Rede sein — und ich 
habe nun zu beweisen, dass auch in der fertigen Form der Capillare 
in der Milz des Hundes dieses Netzsyneytium nicht gelöst wird — 
die Gefässwand also dauernd retienlär bleibt, dass es Stäbchen- 
zellen gar nicht gibt. 

Ich glaube, dass sich der Beweis an der Hand der Ab- 
bildung 6 leicht führen lässt, denn erstens lassen sich Zellgrenzen 
mit keiner darauf abzielenden Methode nachweisen und zweitens 
sind in dem Retieulum der Fig. 6 viel zu wenig Kerne ent- 
halten, um die nötige Zahl von Stäbchenzellen damit ausrüsten 
zu können. 

Es gehört eben zu jeder Zelle genetisch nicht bloss ein 
Stück eines Längsstreifens, sondern ein bestimmter Bezirk des 
Netzes, der hier nach der stärkeren Entwicklung desselben in 
die Länge natürlich längliche Form haben wird. Aber von Zellen 
zu reden geht nicht an. Wir müssen von einem protoplasmatischen 
syneytialen Gitter reden, in dem stärker ausgestaltete Längsleisten 

!) Ich kann hier anfügen, dass die Milz der Selachier ein im Bauprinzip 
übereinstimmendes und überaus ähnliches Verhalten zeigt. Die Capillarwand 


ist auch hier einfach Pulpareticulum, das, in der Fläche ausgebreitet, zur 
Abgrenzung netzförmig zusammenhängender Röhren Verwendung findet, 


626 S. Mollier: 


durch schmälere Querbrücken verbunden sind. Die Kerne liegen 
stets in der Richtung der Längsleisten. 

Dieses syneytiale Gitter findet hier als Auskleidung von 
(refässlichtungen, also als Endothel seine Verwendung — anders 
gesagt: Das Endothel der capillaren Gefässe der Milz 
des Hundes ist dauernd reticulär gebaut. 

Bevor ich nun den Vergleich bis zur menschlichen Milz 
fortfübre, muss ich noch auf die sogenannten Ringfasern und 
damit auf das Fasersystem überhaupt zu sprechen kommen. 


Wir wollen wieder vom Pulparetieulum ausgehen. Es ist 
ja seit langem bekannt, dass das protoplasmatische Reticulum 
durch ein Faserreticulum gestützt ist, und es ist über die Genese 
und die feinere Anordnung desselben eine grosse Zahl von Unter- 
suchungen veröffentlicht. Ich gehe hier auf eine Besprechung 
derselben nicht ein, schliesse mich aber jenen Autoren an, 
die den Faseranteil im protoplasmatischen Netzwerk zur ersten 
Anlage kommen lassen. Ich kann ferner nur bestätigen, dass die 
Fibrillen als allerfeinste Fäserchen sichtbar werden und hierauf 
an Kaliber zunehmen. 


Dieser Zustand, dass das Fasernetz im protoplasmatischen 
Netz eingelagert ist, bleibt z. B. in der Milz der Katze dauernd 
erhalten (Fig. 16). 

In der Milz des Hundes werden die Fasern zum Teil viel 
kräftiger, aber auch diese behalten ihre Lagebeziehung zum 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 627 


protoplasmatischen Netz bei, wie das die Fig. 17 und 18 zeigen. 


Niemals sieht man die geringste Inkongruenz zwischen dem proto- 
plasmatischen und dem Faserreticulum. 


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Was die Topographie der Einlagerung der Fasern im proto- 
plasmatischen Reticulum anlangt, so ist nur eine Beobachtung 


628 Ss. Mollier: 


regelmässig wiederkehrend, dass die stärkeren Fasern das Be- 
streben zeigen, an die Maschenräume anzugrenzen, während die 
feineren Fasern des Netzes die früher erwähnten protoplasmatischen 
Membranen auch der Fläche nach durchziehen (Fig. 17 und 18). 

In der Milz des Affen und Menschen werden die Fasern im 
Pulpareticulum noch viel stärker als in der Milz des Hundes, und 
ddamit erscheint es bei erster Betrachtung, als ob diese starken Fasern 
völlig selbständig geworden seien, als ob man also hier von einem 
protoplasmatischen Retieulum mit eingelagertem feinem Fasernetz 
und einem selbständigen Netz aus groben Fasern sprechen müsse. 

Ich glaube nicht, dass diese Auffassung richtig ist. Schon 
die absolute Deckung beider Systeme, die völlige Kongruenz ihrer 
Form, weist darauf hin, dass auch das starke Fasernetz seine 
Beziehung zum protoplasmatischen nicht aufgegeben hat. Ich 
glaube, dass auch diese starken Fasern durch einen feimsten 
protoplasmatischen Überzug mit dem protoplasmatischen Retieulum 
dauernd im Zusammenhang bleiben. 

Durch diesen Zusammenhang ist es dann wieder möglich, 
dass das Netz von starken Fasern in. das Netz feinerer Fasern 
kontinuierlich übergeht. 

Gerade dieser Übergang führt aber auf den Gedanken, die 
starken Fasern mitunter als Bündel dicht gelagerter feinerer 
Fasern aufzufassen, welche im protoplasmatischen Netz ihre erst- 
malige Entwicklung nehmen. So gedacht, dürfen wir dem Proto- 
plasma, das, zwischen den Fäserchen eingelagert, ihre Verbindung 
zur starken Faser sichert, eime besondere Aufgabe und damit 
wohl auch Differenzierung zuschreiben. Wir wollen es Bindemittel 
nennen. Dieses Bindemittel umgibt auch in dünnerer Hülle die 
Aussenoberfläche jeder, auch der stärksten Faser, bleibt aber 
zunächst, obwohl besonders ausgestaltet, doch im Zusammenhang 
mit dem übrigen Protoplasma des Pulparetieulums. 

Nach dem Gesagten wiederholt also der Faseranteil die 
Form des protoplasmatischen Anteils des Syneytiums, aus dem er 
hervorgeht, nicht ohne später eine gewisse Selbständigkeit er- 
langen zu können. 

Es scheint mir also im Retieulum der Milz jener Zustand 
völliger Abtrennung der Fasern vom Mutterboden, wie beim 
collagenen Bindegewebe, doch nicht ganz erreicht zu werden, wie 
ich anfänglich glaubte. 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 629 


Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich der Lehre von der 
Entstehung der Fasern aus einer amorphen, von dem protoplas- 
matischen Retieulum (Mesenchym) abgesonderten Substanz nicht 
beitrete. 

Was von den Autoren als amorphe Substanz betrachtet 
wird, ist nach unserer Anschauung eben Protoplasma (Exoplasma) 
und strukturiert. 

Ja, ich sehe in der Struktur des Protoplasmas 
schon die einfachste Lösung jener technischen Aufgabe, die 
später durch die Faserbildung in ihrer Leistungsfähigkeit ge- 
steigert wird. 

Gleichzeitig geht nach meiner Meinung die Faser aus eben 
dieser Struktur des Protoplasmas hervor. 

Gehen wir nun wieder zum Studium der Capillarwand über, 
so können wir zunächst feststellen, dass die Capillaren mit unge- 
ordneter reticulärer Wand vom Bau der Fig. 14 die gleiche 
Faseranordnung wie das Pulparetieulum besitzen, nur dass es in 
der Fläche geordnet ist. Bei den Capillaren mit regelmässiger 
geordneter reticulärer Wand 
ist die Übereinstimmung der af 
Form des Faseranteils mit 7% 
dem protoplasmatischen aus 
den Fig. 19 und 20 eben- 
falls leicht ersichtlich. 

Für die Form des völlig 
regelmässigen (ritters mit 
rechtwinkliger Kreuzungder 
Längs- und (@uerelemente 
möchte ich noch auf be- 
sondere Einzelheiten auf- 
merksam machen. Zunächst, 
dass die protoplasmatischen, 
endothelialen Längsleisten 
fast immer wesentlich breiter sind als die zugehörigen (uerleisten. 
Das Umgekehrte gilt für die anliegenden Längs- und Querfasern. 
Ferner, dass die Netzmaschenräume abgerundete Kontur besitzen, 
dass also der Querschnitt jeder Längsleiste gegen die Übergangs- 
stelle in eine (merleiste (Knotenpunkte des Netzes) sich ver- 
breitert (Fig. 19 und 20). 


630 S. Mollier: 


Die Fasern machen diese Form nicht mit. Sie behalten 
gleiches Kaliber. und deshalb ist hier an den Knotenpunkten der 
syneytiale Zusammenhang der Längsleisten durch (uerleisten 
selbst dann noch immer deutlich zu sehen, wenn in der Mitte 
der @Querleiste die kräftige Ringfaser nur mehr einem geringen 
Rest des Protoplasmas anliegt. Die Längsleisten zwischen zwei 
(Juerleisten werden häufig von einer feinen Längsfaser begleitet, 
die mit den Ringfasern zusammenhängt. Die Längsfaser liegt ent- 
weder mehr gegen die Mitte zu oder dem Rand der Längsleiste an, 

Weiter scheint mir an 
den Längsleisten noch eine 
sehr dünne, vielleicht ver- 
dichtete Aussenschichte des 
Protoplasmas vorhanden zu 
sein, die sich etwas stärker 
färbt, und mit dieser 

Schichte scheinen die 
Längsfasern und die Ring- 
fasern zusammenzuhängen. 


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L. a: a Kreuzen sich die Längs- 
N ER und Ringfasern meist unter 
Er Ki ß rechtem Winkel, so sehen 
KR wir auf Querschnitten noch 
si, a: ein drittes darauf senk- 
Bi j rechtes Fasersystem mit 
Su] diesem im Zusammenhang. 

2 Es sind das die Fasern des 

a nachbarlichen Retieulums, 

Fig. 20. die meist mit den Ring- 


fasern, seltener mit den 
Längsfasern zusammenhängen und dementsprechend ein grösseres 
oder kleineres Kaliber zeigen. 

Endlich mache ich noch darauf aufmerksam, dass auch bei 
sehr geordnetem Reticulum stellenweise noch die früher erwähnten 
feinsten Fäserchen zu sehen sind, und auch hier dieselben in letzter 
Linie als fibrilläre Strukturen des Protoplasmas erscheinen. 

Fassen wir unsere Beobachtungen über das Fasernetz der 
Capillaren zusammen, so können wir auch hier zunächst feststellen, 
dass dasselbe, obwohl im protoplasmatischen Reticulum entstanden, 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 651 


doch eine gewisse Selbständigkeit erlangt, so dass wir bei voller 
Ausbildung desselben sogar von einer Verbindung des groben 
Fasernetzes durch das Bindemittel mit dem protoplasmatischen 
Netz sprechen können. Diese Verbindung ist aber jedenfalls bei 
der Milz des Hundes eine relativ feste, so dass eine Isolierung 
der beiden Retieulumanteile, z. B. durch energische Durchknetung 
des Organs, nicht gelingt. Auch einer leichten Maceration des 
Gewebes, die beim Menschen sofort diese Isolierung durchführt, 
leistet die Verbindung hier Widerstand. Es ist ferner ein ge- 
wisses Massenverhältnis zwischen dem protoplasmatischen Netz 
und dem Fasernetz vorhanden, so dass in der Längsrichtung des 
Gefässes der protoplasmatische Anteil (Längsleisten) den Faser- 
anteill überwiegt, 
während in der 
Querrichtung der 
Faseranteil (Ring- 
fasern) stärker aus- 
gebildet ist, als der 
protoplasmatische 
Anteil (Quer- 
brücken). Die An- 
nahme liegt nahe, 
dass die Zunahme 
des Faseranteils mit 
einem Verbrauch 
des  protoplasma- 
tischen Anteils zu- 
sammenfällt. Doch 
ist die Erklärung 
auch möglich, dass 
mit zunehmender 
Stärke der Quer- 
fasern die proto- 
plasmatische (uer- 
brücke entbehrlich 
wird und das Proto- 
plasma sich immer 
mehr in die Längs- 
leisten zusammen- Fie. 21. 
drängt. 


032 S. Mollier: 


Die Capillarwand der Affenmilz ist sehr ähnlich gebaut, 
nur herrscht hier die völlig regelmässige Form des endothelialen 
Gitters vor. Wir können zwei Formen desselben unterscheiden: 
Die eine entspricht völlig der eben beschriebenen geordneten Form 
und ist dureh die Fig. 21 und 22 illustriert. 

Die Capillarwand besitzt also ein protoplasmatisches Netz- 
syneytium von sehr regelmässiger Form. DBreitere Längsleisten 
werden durch feine Querleisten rechtwinklig verbunden. Nach 
aussen liegen denselben die starken Ringfasern und feinen Längs- 
fasern an, von denen die ersteren ganz regelmässigen Zusammen- 
hang mit den Retieulumfasern der anliegenden Pulpa zeigen. Die 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 633 


feinen protoplasmatischen @Querbrücken sind durch die breiten 
Ringfasern fast völlig verdeckt, doch weist die Verbreiterung der 
endothelialen Längsleisten an den Maschenknoten, ebenso wie die 
abgerundeten Ecken der Maschenräume, auf ihr Vorhandensein 
hin, das aber an geeigneten Stellen (Fig. 23) auch deutlich zum 
Ausdruck kommen kann. Auf der Fig. 24 ist die Beobachtung 


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Fig. 23. Fig. 24. Fig. 23. 


von Wert, dass eine Verbindungsfaser zwischen zwei Ringfasern 
stets auch eine Unterlage gleichlaufender querer Anastomosen der 
protoplasmatischen Längsleisten besitzt. Die Fig. 25 hingegen 
zeigt, dass auch in der Aftenmilz häufig noch ein feineres proto- 
plasmatisches und Fasernetz vorkommt, das die sonst freien 
Maschenräume erfüllt. Die Fig. 23 endlich stellt ferner das Vor- 
handensein feiner Längsfasern an der Aussenfläche der Längs- 
leisten fest. 

Dass auch in der Affenmilz nicht von einzelnen „Stäbchen- 
zellen“ gesprochen werden kann, beweist die Abbildung Fig. 21 
durch das Verhältnis der Kernzahl zu der Flächengrösse des Reti- 
culums, welch letzteres wieder, seinem Charakter als reticuläres 
Syneytium gemäss, vielfache Abweichungen der regelmässigen 
Form des Gitters aufweist. 

Die zweite Form lässt eine wichtige neue Beobachtung 
zu. Es sind nämlich hier die Ringfasern an Kaliber so ver- 
stärkt, dass die protoplasmatische Querbrücke ganz verbraucht 
erscheint. Infolgedessen fehlt auch die quere Anschwellung 
der Längsleisten an den Kreuzungsstellen. Die Längsleisten und 
Ringfasern bewahren fortlaufend ihr gleiches Kaliber und um- 


634 S. Mollier: 


grenzen regelmässig geformte rechteckige Maschenräume (Fig. 26 
und 27). 

Es war nun wichtig, festzustellen, ob wirklich das ganze 
Protoplasma der Querbrücken in die Bildung der Ringfaser auf- 


Fig. 26. 


geht oder ein Rest überbleibt, denn damit entscheidet sich die 
Frage, ob das bisherige protoplasmatische Netzsyneytium durch 
Ausschaltung der Querbrücken gelöst wird und nur das Reihen- 
syneytium (der Längsleisten) 
allein erhalten bleibt. 

Ich kann nach einer sehr 
mühevollen und langwierigen 
Beobachtung nur sagen, dass 
es entschieden Uapillaren in der 
Affenmilz gibt, in deren Wand 
ausser den Ringfasern kein anders 
färbbarer Rest des früheren 
Protoplasmas der Querbrücke 
nachgewiesen werden kann. Es 

Fig. 27. ist hier also die Ringfaser das 

einzige Querelement geworden. 

Aber ein vorsichtiges, immer wieder ausgeführtes Studium 

der Struktur der Ringfaser hat ergeben, dass dieselbe doch aus 
einer stärker sich färbenden Innenfibrille und einer etwas heller 
gefärbten Hülle sich aufbaut. Ferner meinte ich oft im Innern 
der Faser nicht eine, sondern mehrere Fibrillen gesehen zu haben 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 655 


und so wäre dann die Hülle sowie die interfibrilläre Substanz als 
Bindemittel aufzufassen. 


Aber jedenfalls gehört diese Hülle jetzt zur Ringfaser, mit 
welcher sie aus dem syneytialen Verband ausscheidet. An den 
Kreuzungsstellen muss diese Hülle natürlich den Längsleisten 
ebensogut entnommen werden wie den (@uerleisten, und es ist 
deshalb sehr begreitlich, dass die selbständige Ringfaser in einer 
queren, rinnenförmigen Vertiefung der Längsleisten liegt, worauf 
schon mehrere Beobachter aufmerksam gemacht haben, vor allem 
A. Mangubi-Kudrjavtzewa. 


Diese Hülle vermittelt dann wieder die Verbindung der 
Ringfaser in dieser Rinne mit den endothelialen Längsleisten. 


Hier kommen wir also auf eine Form des Endothels, die 
kein Reticulum im früheren Sinne mehr ist, sondern aus einer 
grösseren Zahl syneytialer protoplasmatischer Längsleisten besteht, 
die durch umfassende und in sie eingelassene Ringfasern zusammen- 
gehalten (oder auseinandergehalten) werden. 


Aber auch jetzt dürfen wir nicht von Stäbehenzellen 
sprechen, solehe gibt es nicht. Nur Bruchstücke der endothelialen 
Längsleisten können dafür gehalten worden sein. Es war ein 
Irrtum, Längenmaße für die Stäbchenzellen angeben zu wollen. 
Die Leisten haben keine Grenzen und kein Ende. Sie sind in 
sich geschlossene Systeme. 


Es mag hier gleich bemerkt sein, dass die endothelialen 
Längsleisten entsprechend ihrer Genese aus dem Netzsyneytium 
auch jetzt nach ihrer Isolierung noch vielfach Unregelmässig- 
keiten ihrer Dimensionen und ihrer Anordnung zeigen. So 
ist es ein keineswegs seltener Befund, dass einzelne der Längs- 
leisten zusammenlaufen und sich vereinigen. Solche Gabelungs- 
stellen erinnern an ein früheres, regelloser geformtes Stadium 
des Endothels. 


Die Struktur der selbständig gewordenen Längsleisten in 
der Capillarwand der Aftenmilz zeigt gleichfalls Besonderheiten, die 
aber als eine Fortbildung jener Differenzierungsprozesse erscheinen, 
die wir in der Milz des Hundes schon kennen lernten. Dort 
blieben, an der äusseren Oberfläche der Längsleisten gelegen, 
feine Längsfasern mit einer verdichteten Aussenschichte des Proto- 


636 S. Mollier: 


plasmas in Zusammenhang und stellten andererseits eine Verbindung 
der Ringfasern her. In der Affenmilz ist nun diese verdichtete 
Aussenschichte der Längsleisten viel ausgesprochener geworden 
und mit ihrer ebenso starken Färbung wie die Längsfasern sind 
die letzteren meistens nicht mehr als solche von dieser Schichte 
abgrenzbar. Doch kommen auch noch selbständige Längsfasern 
vor. Technisch. meine ich, muss man der ganzen verdichteten 
Aussenschichte der Endothelleisten denselben Wert wie den Fasern 
zuschreiben. Sie färbt sich auch fast in derselben Weise wie 
die Ringfasern und ist auf Quer- und Längsschnitten stets ausser- 
ordentlich deutlich zu sehen (Fig. 22). Diese verdichtete Schichte 
wurde von Anna Mangubi-Kudrjavtzewa entdeckt und mit 
„Basalplatte“ bezeichnet. Ich habe ihrer Beschreibung nichts 
hinzuzufügen und bin gleichfalls der 
Anschauung, dass dieses verdichtete 
Aussenband zu der protoplasmatischen 
Längsleiste gehört und kein selbst- 
ständiges Element darstellt wie die 
Ringfasern. Andererseits sehe ich 
ihren Wert aber doch gerade wieder 
in ihrer Verbindung mit den Ring- 
fasern, durch welche ein zusammen- 
hängendes stützendes Gitterwerk aus 
rechtwinklig  gekreuzten querver- 
laufenden Rundstäben und längsver- 
laufenden flachen Bändern geschaffen 
wird. Letztere tragen nach innen zu 
die protoplasmatischen kernhaltigen 
Endothelleisten, welche wieder durch 
die Rundstäbe an ihrer Aussenfläche 
Fio. 28. rinnenförmig eingedrückt erscheinen. 
| Die folgende Textigur erläutert die 
Konstruktion der Capillarwand und die einzelnen Bauelemente. 
Diese Darstellung kann auch für die übereinstimmend gebaute 
Oapillarwand der menschlichen Milz gelten. Nur die Ringfasern 
vären an Kaliber noch etwas stärker zu zeichnen. 
Wenn ich im folgenden trotzdem noch einige Beobachtungen 
über die Struktur der Capillarwand in der menschlichen Milz 
mitteile, so geschieht das nur deshalb, weil gerade diese Form 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 637 
unser grösstes Interesse besitzt und die Hauptstreitfragen für 
dieses Objekt aufgeworfen sind. Betrachten wir zunächst die 
Abbildungen 5 und 2931, 
so belegen dieselben unsere 
Auffassung, dass in der 
menschlichen Milz vor 
allemjene Konstruktionder 
Capillarwand sich findet, 
die für die Affenmilz als 
zweite Form (S. 633) be- 
schrieben wurde, also die 
Form des gelösten Netzsyn- 
eytinmsaber fortdauernden 

Reihensyneytiums. 

Grosse Unregelmässigkeiten im Reihensyneytium der Längs- 
leisten (Fig. 29) weisen aber auch hier auf ein früheres, wahr- 
scheinlich ontogenetisch vorhanden gewesenes Netzsyneytium hin. 
Die Abbildung 30 aber beweist durch die Abrundung der Ecken 
der Maschenräume, dass auch in der menschlichen Milz noch 
quere Verbindungsbrücken vorkommen. Es gibt also auch Capillaren 
mit noch bestehendem Netzsyneytium. 


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& 
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Ei 


Fig. 30. 


Die Fig. 31 stellt einen Längsschnitt durch eine Capillare 
dar, um die PBasalplatten zwischen den Ringfasern und die 
an die Ringfasern laufenden Fasern des Pulpareticulums zu 
zeigen. 

Diese Bilder sind nur an ganz frisch konservierten Milzen 


zu sehen. Schon wenige Stunden nach dem Tode wird durch die 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 41 


638 S. Mollier: 


beginnende Maceration der Zusammenhang zwischen den Endothel- 
leisten und den Ringfasern gelöst. Die Leisten fallen in die 
Capillarlichtung herein und brechen in Stücke. 

Wählt man sich nun 
ein geeignetes Objekt 
aus, das diesen Tren- 
nungsprozess noch nicht 

weit vorgeschritten 
zeigt, so kann man aus 
den Schnitten durch ein 
solches Präparat die in 
den Fig. 32—38 wieder- 
gegebenen Bilder be- 
obachten. 

Fig. 32. Es sind zwei 
Bruchstücke der Längs- 
leisten mit Kernen, von 
der Seite gesehen, ab- 
gebildet. Die proto- 
Fig. 31. plasmatische Leiste 

(blau) ist aussen von 
orangegefärbten kurzen, niederen Platten besetzt, die in nicht 
ganz gleichmässigen Abständen den Rand der Leiste besetzen. 
Jede Platte besitzt wieder einen sich stärker färbenden 
Aussenrand. 

Auf der Fig. 33 sind zwei Bruchstücke von Längsleisten in 
der Ansicht von aussen abgebildet. Die Platten gehen jetzt quer 
über die ganze Leiste und geben derselben ein quergestreiftes 
Aussehen. Die etwas um ihre Längsachse gedrehte Leiste der 
Fig. 34 zeigt den Übergang des ersten Bildes in das zweite. Ein 
Querschnitt durch eine noch wohlerhaltene Capillare (Fig. 35) des 
gleichen Präparates zeigt die Längsleisten entweder mit ihren 
Basalplatten oder ohne dieselben. Die Schnittrichtung dieser 
Capillare liegt also so, dass sie auf der linken Seite der Linie a, 
auf der rechten Seite aber der Linie b auf Fig. 36 entspricht. 
Damit ist aber gleichzeitig gezeigt, dass die blauen Streifen, die 
den Rinnen zwischen zwei Basalplatten auf der Abbildung 32 
entsprechen, von den Ringfasern eingenommen werden, was endlich 
durch die Fig. 36 in schönster Weise demonstriert wird. Hier 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 639 


sind alle Ringfasern abgebrochen, aber mit der Endothelleiste in 
Verbindung geblieben. Hier sieht man auch, wie die Basalplatten, 
dem Ringfasernetz entsprechend, von verschiedener Form und 
Grösse sein müssen. Zum Vergleich ist dann in Fig. 37 ein 
Bruchstück aus einer macerierten Hundemilz abgebildet, um hier 
die Reste der protoplasmatischen Querbrücken zu zeigen, die als 


[E = 
\‘ S 
\ ö 
» 
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Fig. 32. 
re ar 


Fig. 34. Fig. 35. 


seitliche Fortsätze der Längsleisten erscheinen. Die letzte Ab- 
bildung 35 ist gewählt worden, um auch für die menschliche Milz 
zu zeigen, dass die Länge der Bruchstücke von Endothelleisten 
die von Weidenreich angegebene Länge der Stäbchenzellen weit 
übertreffen kann. 

Ich kann also auch für den Menschen das Vorhandensein 
von „Stäbehenzellen“ als Endothelzellen nicht zugeben und komme 
mit meiner Auffassung von der syneytialen Struktur der endo- 
thelialen Längsleisten beim Menschen in Widerspruch mit den 

41* 


640 S. Mollier: 


Angaben Weidenreichs und A. Mangubi-Kudrjavtzewas. 
Was letztere Autorin in ihren Präparaten gesehen hat, um die 
Maschenräume des Endothelgitters oder die Zwischenräume zwischen 
den Endothellängsleisten von Protoplasma erfüllt und durch feine 
Grenzlinien geteilt zu beschreiben, ist schwer zu sagen. Ich 
selbst habe diese feinen Längslinien zwischen zwei Epithelleisten 
öfter, aber niemals regelmässig beobachtet. Sie waren be- 
dingt entweder durch feine selbständig gewordene Längsfasern, 
welche die Ringfasern verbinden, oder durch sehr dünne, feine 
Abschnitte von Längsleisten. 


B.... 
Ak 
e 
; 
= BP; 4 
& £ 
Fig 36 ä 
1 
Fig. 37. Fig. 38. 


Hätte die Autorin einen einzigen Schnitt durch eine gedehnte 
Milz gesehen oder aus Zufall ein Präparat einer Milz mit sehr 
weiten Capillaren untersucht, so hätte sie sicherlich ihre Beobachtung 
einzelner Stellen nicht generell verallgemeinert. 

Aus unserer Darstellung ergibt sich der zwingende Schluss, 
dass die Endothelform der menschlichen Milzcapillare mit den 
Endothelleisten als Reihensyneytium ontogenetisch aus einer Vor- 
stufe mit ausgesprochenem Netzsyncytium hervorgehen müsse. 
Der Nachweis dieses Faktums war nicht schwer und bei einem 


Über den Bau der capillaren -Milzvenen. 641 


Embryo aus dem zweiten Monat durch die Beobachtung erreicht, 
dass hier in dem regelmässigen, protoplasmatischen Endothel- 
reticulum eben die erste Ausbildung der Fasern als feinste 
Fibrillen im Protoplasma der schmalen @Querbrücken und der 
Längsleisten sichtbar war. — Die Ringfasern nehmen dann sehr 
rasch an Kaliber zu, so dass die fertige Form in kleinerem Maß- 
stab bald erreicht wird. 


Fig. 39. 


Auch die Untersuchung der menschlichen Milz hat also in 
keinem Punkte eine Beobachtung erbracht, die uns zwingen würde, 
von der gewonnenen Auffassung des Baues der Wandung der 
Milzeapillaren abzugehen, und es ist folglich möglich, als Ergebnis 
des deskriptiven Teiles den Satz zu formulieren, dass die 
Capillarwand in der Milz der Säugetiere und des 


642 S. Mollier: 


Menschen keine geschlossene Endothellage besitzt, 
sondern durchbrochen gebaut ist. 

Als Grundlage für diesen Bau dient das Reticulum, das von 
der einfachsten regellosen Form des Pulpareticulums bis zur ge- 
ordneten Form des Netzsyneytiums mit rechtwinkligen Maschen- 
räumen und weiter bis zur Form des sekundären Reihensyneytiums 


q. 


Fig. 40, a—e. 


Verwendung findet. Die zum protoplasmatischen Anteil gehörigen 
Fasern wiederholen streng die Form der protoplasmatischen Vor- 
lage, aus welcher sie hervorgegangen sind. 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 645 


Das Endothel ist und bleibt ein Syneytium, entweder ein 
Netzsyneytium oder ein Reihensyneytium. Das letztere geht 
sekundär aus dem ersteren hervor. 

Der Faseranteil behält stets seine Netzform bei. 

In den folgenden schematischen Abbildungen ist die Um- 
gestaltung des protoplasmatischen Retieulums dargestellt. Aus- 
gangsform ist das regelmässige Gitter mit sechsseitigen Maschen, 
Fig. 40a, wie es z.B. ın der Milz des Hundes und Schafes an- 
getroffen wird. Man vergleiche die Fig. 11, 12 und 19. 

Durch stärkere Entwicklung der Längszüge wird die Ver- 
wendung des Gitters in einer Richtung klar (Fig. b). Es ist aber 
verständlich, dass dies nicht nur in dieser, durch den fettgedruckten 
Pfeil auf Fig. 1 angedeuteten Richtung erfolgen kann, sondern 
dass diese Umgestaltung auch in jeder anderen durch die übrigen 
Pfeile angegebenen Richtung ebensogut möglich ist. Betrachten 
wir von diesem (Greesichtspunkte aus nochmals die Fig. 39, so wird 
uns klar, wie durch diese verschiedene Richtung der Ausgestaltung 
des ersten indifferenten Gitters die verschiedenen Abgangswinkel 
im capillaren Netz sich erklären. 

Ein schöner Beweis dafür liegt später noch an jenen Stellen 
vor, wo ein Sinus sich gabelt oder von einem Sinus ein anderer 
unter verschieden grossem Winkel abzweigt. Ist dieser Winkel 
ein rechter, so liegen die Längsleisten in dem einen Sinus in der 
Richtung der (@uerleisten des anderen und die Querleisten des 
ersten Sinus in der Richtung der Längsleisten der abzweigenden 
Capillare. Es sind sehr lehrreiche Bilder, die solche Knotenpunkte 
der Sinus für die Technik der Ausgestaltung des Reticulums 
geben, und ich bilde eine solche Stelle zur Erklärung des Ge- 
sagten ab (Fig. 39). Es sind förmliche Zwickel im Netz aus- 
gebildet, um die Verlaufsrichtung der Leisten zu ändern. 

In der dritten Figur ce sind die Längszüge rein ausgebildet 
und die schmäleren queren Züge darauf senkrecht und alternierend 
gestellt. 

Durch weitere Umformung kommen die feinen Querzüge in 
fortlaufende Reihen zu stehen und wird damit das regelmässige 
Gitter geschaffen (Fig. d), das endlich (Fig. e) durch Verschwinden 
der Querzüge aus dem Netzsyneytium zum blossen Reihensyneytium 
werden kann. 


644 S. Mollier: 


Die nächste Reihe schematischer Figuren illustriert die Ent- 
stehung und Umformung des Faseranteils (Fig. 41 1-6.) 

Die erste Figur zeigt in dem regelmässigen protoplasma- 
tischen Gitter ein ebenso regelmässiges, feines Fasergitter, das die 
Umformung des protoplasmatischen Teiles mitmacht (Fig. 2 und 3). 


Fig. 41, 1-6. 


Dadurch werden in der Fig. 4 Längsfasern und Quer- oder 
Ringfasern unterscheidbar. Die Ringfasern nehmen an Kaliber zu 
und werden durch die feineren Längsfasern verbunden (Fig. 4). 

Nach Verschwinden der protoplasmatischen Querbrücken sind 
die nun sehr verdickten Ringfasern das einzige Querelement des 
Systems (Fig. 5). 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 645 


Die Fig. 6 zeigt, wie durch gewisse Unregelmässigkeiten bei 
der Bildung des Systems die Ringfasern untereinander durch schiefe 
/üge zusammenhängen, also ein weitmaschiges Netz bilden. 

Rein durchlaufende Ringfasern sind ein sehr seltener Befund. 

Zum Schluss des beschreibenden Teiles muss ich noch meine 
Auffassung über das von v. Ebner entdeckte und von Weiden- 
reich bestätigte strukturlose Häutchen äussern. 

Es geht meine Ansicht wohl schon aus dem auf Seite 624 
(esagten hervor und lautet, dass ich die Existenz einer geschlossenen 
selbständigen Membran nicht zugeben kann, während einzelne 
Maschenräume von einer feinen protoplasmatischen Membran mit 
in- und anliegenden feinsten Fasern abgeschlossen sein können, 
wie dies z. B. auf Fig. 9, 16 und 17 zu sehen ist. 

Diese Röhren, die Capillaren, bilden also kein selbständiges 
System, sondern sind bloss im Pulpagewebe ausgesparte Gänge. 

Das diese Gänge begrenzende Pulpagewebe kann zu dieser 
Abgrenzung entweder unverändert Verwendung finden oder be- 
sonders ausgestaltet sein. 

Wir können uns also die Milz als einen durch eine Kapsel 
äusserlich abgedichteten Schwamm vorstellen, in dem aufeinander- 
folgende Maschenräume, auf das gleiche Kaliber gebracht, netz- 
förmig zusammenhängende Röhren mit durehbrochener Wand bilden. 

Die Milz kann aber leicht dureh stärkere Füllung vergrössert 
und ihre Maschenräume, sowie die Capillarlichtungen können er- 
weitert werden. Das Reticulum ist folglich dehnbar. 

Lässt der Füllungsdruck nach, so verkleinert sich das Organ 
wieder, kehrt also auf einen bestimmten Gleichgewichtszustand 
zurück. Das Reticulum ist folglich elastisch. Diese Elastizität 
hat nichts mit der Wirkung der oftmals bei Säugern in die 
Balken eingebauten glatten Muskulatur zu tun. 

Es hätte grosses Interesse, den Gleichgewichtszustand des 
Retieulums zu kennen, welcher an den Capillaren in einer be- 
stimmten Kalibergrösse zum Ausdruck kommen muss. 

Mit Bezug hierauf möchte ich darauf hinweisen, wie ausser- 
ordentlich verschieden Schnitte durch menschliche Milzen aus- 
sehen — eine allen Histologen und pathologischen Anatomen 
geläufige Beobachtung. 

Es kann dieser Unterschied der Form sehr gross werden. 
Ich erinnere daran, wie das von Boehm und Davidoff in ihrem 


b46 S. Mollier: 


Lehrbuch erstmals gebrachte Selhnittbild der Milz in seiner 
Richtigkeit angezweifelt wurde, ja Kölliker selbst sogar an 
Verwechslung dachte. 

Und doch war das Bild nur einer Milz mit besonders weiten 
Capillaren entnommen, und wir wissen, dass gerade diese wechselnde 
Kalibergrösse die Ursache dieser Erscheinung ist. 

Während uns nun die maximale Dehnbarkeit der Milzcapillar- 
wand nur insofern interessiert, als sie sicherlich für den Durch- 
tritt von Zellen äusserst günstige Bedingungen schafft, so wäre 
die Bestimmung der kleinsten Kalibergrösse von entscheidender 
Bedeutung für die Frage, ob die Verengerung soweit möglich 
ist, dass die Maschenräume der Wandung völlig zum Verschluss 
gebracht werden, also aus einem durchlässigen Gefäss zeitweise 
ein geschlossenes Gefäss wird. 

Ich sehe keinen Grund ein, warum man diese letztere An- 
nahme als unmöglich ablehnen sollte. Die Injektionsversuche, 
die stets wechselweise ein geschlossenes und oftenes Gefäßsystem 
bewiesen haben, sprechen dafür. 

Dann könnte diese Konstruktion der Capillarwand auch für 
den Kreislauf des Blutes in der Milz von Wert sein und es wäre 
daran zu denken, ob diese Einrichtung nicht über das Organ 
hinaus für den Pfortaderkreislauf eine regulatorische Bedeutung 
haben könnte. 

Die Milz könnte vielleicht in dem Sinne als regulatorischer 
Apparat für den Blutdruck im Pfortaderkreislauf in Frage kommen, 
wie etwa der elastische Sack, der bei Gasexplosionsmaschinen in 
die Gaszuleitung eingeschaltet wird. 

Dann könnte man sich vorstellen, dass z. B. eine Blutdruck- 
steigerung im Darmkreislauf zu keiner wesentlichen Druckerhöhung 
im Pfortaderkreislauf der Leber führen würde, wenn dieselbe zum 
grössten Teil zu einer Ausdehnung der Milz aufgebraucht würde. 

Die ausserordentlich grosse Dehnbarkeit und Elastizität der 
Milz spricht ja gleichfalls für die Annahme einer solchen physi- 
kalischen Aufgabe derselben. 

Ich glaube nicht, dass es allzu schwierig sein würde, für 
oder gegen diesen Gedanken experimentelle Beweise zu erbringen. 

Selbstverständlich wäre es endlich notwendig, an eine viel- 
leicht vorhandene Kontraktilität des Retieulums der Capillarwand 
zu denken. 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 647 


Im folgenden Abschnitt möchte ich nun dem Resultat des 
deskriptiven Teiles allgemeinere Betrachtungen folgen lassen. 

Der alte Streit. ob die Milz aus dem Mesoderm oder dem 
Entoderm sich entwickelt, ist ja jetzt wohl allgemein zugunsten 
der ersten Anschauung entschieden. 

Ich muss aus eigener Beobachtung für das Hühnchen, für 
Lacerta muralis und für das Kaninchen eine Beteiligung des 
Entoderms gleichfalls entschieden ablehnen. 

Die Milz ist ein Produkt des Mesenchyms und geht in ihren 
ganzen späteren geweblichen Bestand daraus hervor. Deshalb 
kann die Milz geradezu als Beispiel für die Differenzierungs- 
möglichkeit des embryonalen primären Mesenchyms genommen 
werden. Stützgewebe, Endothel und Blutzellen gehen daraus 
hervor und der Entwicklungsweg für die einzelnen Endprodukte 
ist in allen seinen Einzelheiten hier von grösstem Interesse und 
für den einen Teil beschrieben. 

Kommen wir aber bei der Entwicklung der Milzeapillaren 
zur Überzeugung, dass dieselben aus geordnet verwendetem 
Mesenchymmaterial hervorgehen, so ist zu überlegen, ob diese 
Bildungsweise etwas Besonderes für dieses Organ oder ein all- 
gemein gültiger Vorgang ist. 

Hier muss ich darauf hinweisen, dass in der embryonalen 
Leber die Capillaren jedenfalls dieselbe Genese haben (Mollier) 
und dass auch die ersten grossen embryonalen Gefässe der Wirbel- 
tiere, wie Herz, Aorta, Kardinalvene etc. aus einer mesenchymatösen 
Anlage sich herausbilden. 

Ich bin der Ansicht, dass es sich hier um ein allgemeines 
gestaltendes Prinzip handelt, dass überall die erste Entwicklung von 
(refässen auf diesem Weg aus mesenchymatösem Material (Reti- 
eulum) erfolgt. Wie ein grösseres (refäss durch die stärkere 
Betonung und Entwicklung bestimmter Bahnen eines capillaren 
Netzes ausgestaltet wird, so meine ich, ist der gleiche Vorgang 
schon ontogenetisch früher tätig, um durch Betonung und Ent- 
wicklung bestimmter Reihen von Maschenräumen im Mesenchym- 
reticulum die ersten Capillarnetze zu schaffen. 

Dafür sprechen meine Beobachtungen der Gefässbildung im 
subeetodermalen embryonalen Mesenchym. 

Es schliesst diese Vorstellung natürlich die Annahme nicht 
aus, dass die ersten embryonalen Mesenchymzellen in loco ganz 


648 S. Mollier: 


zu (Gefässanlagen verbraucht werden und deshalb auch meistens 
kurz „Gefässzellen“ genannt werden. Es ist im Gegenteil diese 
Auffassung von der Genese der Gefässröhren nur im Anschluss 
an die vor allem von Rückert begründete Lehre von der lokalen 
Gefässbildung denkbar. 

Es braucht deshalb aber selbstverständlich die Neubildung 
von Gefässen durch Sprossung von schon vorhandenen nicht ge- 
leugnet zu werden. Es sind genügend überzeugende Beobachtungen 
dafür vorhanden. Ihre Erklärung ist nur so zu fassen, dass die 
gefässbildende Tätigkeit des Mesenchyms mit der Ausbildung des 
Grefäßsystems in der Regel immer mehr in dieses übergeht und 
dann vielleicht nur in besonderen Fällen nochmals geweckt werden 
kann. Die Gefäßsprossung ist dann als eine Produktion von 
Mesenchymzellen unter gleichzeitiger Verwendung als Gefässzellen 
aufzufassen. 

Die Diskussion über die phylogenetische Ableitung dieses 
ersten Blut- und Gefässmaterials lässt unsere Auffassung aber 
zunächst ganz unberührt. 

Der Lehre von der Bildung der ersten Gefässe durch fort- 
dauernde Sprossung erster Anlagen kann ich mich nicht an- 
schliessen. Ich glaube aber auch, dass das spätere Wachstum 
der Gefässe, vielleicht jede Neubildung von Capillaren, auf die 
besprochene Weise erfolgen kann. Jedenfalls wird es der Mühe wert 
sein, sein Augenmerk hierauf zu richten. Ja, ich meine, es wird 
die Struktur der Capillarwand in allen Organen einer genaueren 
Untersuchung unterzogen werden müssen, als dies bisher geschah, 
und ich bin überzeugt, es wird dadurch unsere Auffassung vom 
morphologischen Wert des Endothels eine viel freiere werden, als 
sie es zurzeit ist. 

Dass wir in der Milz der Säugetiere Capillaren mit reticulärer 
Form des Endothels finden, ist keine alleinstehende Beobachtung. 
In einer früheren Arbeit konnte ich zeigen, wie auch in der 
embryonalen Leber diese Bauart solange besteht, als das Organ 
an der Blutbildung teilnimmt. 

In der Milz erhält sich dieser Zustand aber dauernd und 
es wäre demnach naheliegend, diese Erscheinung mit einer 
dauernden blutbildenden Tätigkeit in Beziehung zu bringen. 

Leider sind wir über diese Funktion der Milz noch sehr 
ungenügend unterrichtet. Doch dürfen wir damit rechnen, dass 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 6449 


die Milz mit der Bildung und mit der Zerstörung von Blutzellen 
etwas zu tun hat, und nach unseren jetzigen Vorstellungen müssen 
wir dabei dem Reticulum eine wesentliche Rolle zuweisen. 

In welchem Sinne diese Arbeitsleistung des Pulpareticulums 
zu denken wäre, kann hier zunächst unerörtert bleiben. Es 
interessiert uns nur jene technische Bedingung für eine solche 
Tätigkeit, welche eine Masseneinfuhr von Zellen aus dem Reti- 
eulum in die Capillaren und event. eine Einfuhr von Zellen aus 
der Capillarlichtung in das Retieulum ermöglicht. 

Diese Bedingung ist eine durchbrochen gearbeitete Capillar- 
wand, gleichgültig ob dieselbe von der Form des ungeordneten 
Pulparetieulums ist oder ob sie die völlig geordnete Form in der 
Aften- und Menschenmilz besitzt. 

Jede derselben erfüllt ja die gestellte Bedingung. 

Dann muss die geordnete Form der Capillarwand noch eine 
andere Erklärung haben. Es könnte sich hier, wie schon gesagt, 
vielleicht um eine Einrichtung handeln, die für die Zirkulation 
von Wert wäre. 

Vielleicht auch in dem Sinne, dass das Hin und Her 
der Zellen durch die Capillarwand gehemmt oder gefördert 
werden kann, je nach der Maschenweite des endothelialen Reti- 
culums. 

Es wird mit der starken Dehnung der Maschenräume eleich- 
zeitig eine Verlangsamung der Blutbewegung zusammenfallen, als 
Erscheinungen der Milzstauung. Beide Momente sind aber gleich 
günstig für die Entnahme zu zerstörender Zellen und für die 
Ausbildung neuer Elemente. Man könnte aber vielleicht auch 
noch an eine andere Erklärungsmöglichkeit denken, dass nämlich 
die Capillarwand den Zellen den Durchtritt durch ihre Maschen 
nur nach einer bestimmten Auswahl gestattet. Ich meine jedoch, 
dass dieser Gedanke zurzeit durch keine Beobachtungen gestützt 
werden kann und deshalb von geringerem Wert ist. Eine Beob- 
achtung nur ist leicht zu machen und auch schon beschrieben, dass 
nämlich der Durchtritt von weissen und roten Blutkörperchen 
durch die Capillarwand stets durch die Maschenräume erfolgt. 
auch dann, wenn die letzteren bei stark zusammengezogenem 
Gitter sehr eng sind. 

Niemals fand ich eine Zelle durch eine endotheliale Längs- 
leiste hindurchgehen. 


650 S. Mollier: 


Was die Maschengrösse des Gitters anlangt, so ist dieselbe 
derart, dass bei starker Dehnung ein rotes Blutkörperchen oder 
ein kleiner Lymphocyt eben hindurch kann. 

Wichtig scheint es mir ferner, die Frage zu beantworten, 
ob das protoplasmatische syneytiale Endothelmaterial, wenn es in’ 
ausgesprochen geordneter Form vorliegt, wie beim Hund, Kaninchen, 
Affen und Mensch, noch Blutzellen zu liefern vermag. Selbst- 
verständlich in dem Sinne, dass es wieder in jene indifferentere 
Form des Reticulums (Pulpareticulum) zurückkehren kann, weiche 
aus ihrem Zellbestand die Stammelemente der Blutzellen (Haemo- 
gonien) auszuscheiden vermag. 

Hier kann eine zufällige Beobachtung verwertet werden. 

In der Milz eines Hundes fand ich einen grossen Teil der 
capillaren Sinus verödet und eine genauere Beobachtung lehrte, 
dass es sich um eine Wucherung des endothelialen Reticulums 
in die Lichtung handelte. Diese Wucherung geschah unter Aus- 
bildung eines charakteristischen regellosen Reticulums, in welchem 
auch feine Fibrillen, wie immer, zur Ausarbeitung gekommen 
waren (Fig. 42). 

Es handelt sich in diesem Falle also um eine Vermehrung 
des Reticulumbestandes in der Milz, und da diesem neu ent- 
standenen Reticulum eine blutbildende und blutzerstörende Fähig- 
‚keit nicht abgesprochen werden kann, so könnte die Ursache 
dieser Erscheinung beispielsweise in einem Bedürfnis nach ge- 
steigerter Tätigkeit reticulären Materials begründet sein. Doch 
sind selbstverständlich andere Erklärungen möglich. 

Ob eine ähnliche Umbildung auch in der Affen- und Menschen- 
milz mit ihrer technisch noch spezialisierter ausgestalteten Form 
der Capillarwand denkbar ist, kann ich nicht sagen. Es wäre 
aber von Interesse darauf zu achten, auch von pathologisch- 
anatomischen Gesichtspunkten aus. Ich darf hier nur an den 
Prozess der Organisierung eines Thrombus erinnern. 

Mit dieser Beobachtung erledigt sich die in meiner Arbeit 
über die Blutbildung in der Leber aufgeworfene Frage, ob das 
bereits zur Auskleidung einer capillaren Röhre verwendete und 
besonders ausgestaltete Endothel trotzdem latent die beiden 
anderen Entwicklungsmöglichkeiten, Stützgewebe und Blutzellen 
zu bilden, noch bewahrt. 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 651 


Fig. 42. 


Wir erfahren auch dadurch, dass selbst die Ausgestaltung 
funktionell so besonderer, einseitiger Strukturen den Entwicklungs- 
wert der Mesenchymzelle nicht herabzudrücken vermag. 


652 S. Mollier: 


Können wir also einerseits den Entwicklungswert der Mesen- 
chymzelle wie folgt ausdrücken: 
Mesenchym (zelliges Retieulum) 


a 


Stützgewebe Endothel Blntzellen 
so behält das Endothel durch seine Fähigkeit, wieder indifterentes 
Reticulum zu bilden, den alten Entwicklungswert seines Mutter- 
gewebes bei. 


Endothel 
Mesenchym 
Stützgewebe Endothel Blutzellen. 


Es wäre wünschenswert, auch über die beiden anderen End- 
produkte des Mesenchyms — das Stützgewebe und die Blutzellen — 
ähnliches zu erfahren. 

Für das Stützgewebe käme ja bloss in Frage, ob es bei 
der Ausbildung aller seiner technischen Substrate die alte Ent- 
wicklungsfähigkeit beibehält. Zum Beispiel, ob die Zellen einer 
Sehne, eines elastischen Bandes. eines Knorpels, eines Knochens 
gegebenenfalls wieder Mesenchym zu bilden vermögen. Für den 
Knorpel ist ja z. B. in jüngster Zeit durch Dantschakoff die 
Frage wieder aufgeworfen worden, ob bei der Osteogenese an 
der Knorpelknochengrenze die Knorpelzellen zugrunde gehen oder 
erhalten bleiben und sich dem Mesenchym (Retieulum) des Knochen- 
marks beigesellen. Tun sie das, wofür die Autorin eintritt, so 
werden ihnen neuerdings alle Entwicklungswege des Mesenchyms 
freistehen. Ich selbst habe mich niemals von dieser Umwandlung 
überzeugen können. 

Ebenso sind die Blutzellen zu beurteilen. 

Hier ist zunächst wieder die Frage zu stellen, ob durch 
die Ausgestaltuug der Zellen im Sinne besonderer Leistungen 
der allgemeine Entwicklungswert derselben keine Einschränkung 
oder Löschung erfährt. 

Das letztere ist für die Erythrocyten sicher und für die 
polymorphkernigen Granulocyten wohl als sehr wahrscheinlich 
anzunehmen. 


Über den Bau der capillaren Milzvenen. 655 

Schwerer ist diese Frage für die basophilen Vorstufen gegen 
die Stammzelle hin und für diese selbst zu beantworten. 

Ich hatte anfänglich die Absicht, auch meine Beobachtungen 
über die Entwicklung der zelligen Elemente des Blutes in der 
Milz und embryonalen Leber hier anzufügen. Nachdem ich aber 
die Notwendigkeit fühle, auch die Entwicklung der Lymphdrüsen 
mit zu berücksichtigen, habe ich mich entschlossen, diesen ersten 
Teil getrennt zu veröffentlichen und erst im zweiten Teile zu 
versuchen, zu allen jenen Problemen Stellung zu nehmen, die 
neuerdings in der hämatologischen Literatur so sehr unser 
Interesse erregen. 

Über die Erythropoese in der Milz kann ich mich kurz 
fassen. Es ist bekannt, dass dieselbe zu sehr verschiedener 
Zeit beginnt, sehr verschieden lange dauert und auch ganz 
fehlen kann. 

Beim Hund tritt dieselbe sehr energisch auf und wir sehen 
in der Milz acht Tage nach dem Wurf ein Bild, das mit jenem 
übereinstimmt, das ich in meiner Arbeit über die Erythropoese 
der embryonalen Säugetierleber gegeben habe (Taf. XXIV). Gruppen 
von Hämogonien, Hämoblasten I und II und Erythroblasten liegen in 
den Maschenräumen zwischen den Reticulumzellen beisammen. Es 
ist der dort gegebenen Beschreibung nichts hinzuzufügen. 

Dass gleichzeitig mit dieser ausgiebigen Lieferung von 
Erythrocyten auch eine ebenso energische Zerstörung derselben 
nebenhergeht, erkennen wir daran, dass Reticulumzellen, beladen 
mit roten Blutkörperchen und Resten derselben, stellenweise in 
grosser Zahl zu beobachten sind. 

Die Stammzelle, die Hämogonie, ist also auch in der Milz 
die gleiche wie in der embryonalen Leber. Sie besitzt, wie dort, 
noch Eigenheiten der im syneytialen Verband tätigen Mesenchym- 
zelle neben jenen neuen, welche uns die Möglichkeit geben, sie 
davon zu unterscheiden. 

Ob diese Merkmale genügen, um die Zelle für sich stets 
und ausschliesslich als Blutstammzelle zu erkennen, ist fraglich. 

Nur am Orte ihrer weiteren Tätigkeit beobachtet, wird, 
aus dieser heraus, die Diagnose richtig sein. Ob aber ein 
aus dem Mesenchym frei werdender Osteoblast z. B. beim Aufbau 
des Knochengewebes einer Hämogonie nicht zum Verwechseln 


ähnlich werden könnte, ist gar nicht unmöglich. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 42 


654 8. Mollier: 


Ich meine also, in der Hämogonie braucht die besondere 
Ausgestaltung, welche sie in die Blutzellenreihe einweist, noch 
nicht so weit zum Ausdruck zu kommen, dass sie daran stets als 
solche erkennbar sein muss. Das gleiche eilt natürlich für den 
Hämoblast I und II, also für alle basophilen Vorstufen. Erst 
das Ausarbeiten von Hämoglobin gibt ein Merkmal, das diese 
Zelle allerorts erkennbar macht. 

Trotzdem dürfen wir am Orte der Entwicklung und geleitet 
durch die erstmalige Reihenfolge der Geschehnisse bei der Histo- 
genese auch die nicht einseitig charakterisierten basophilen Vor- 
stufen, hier die Hämoblasten und Hämogonien, dem Stammbaum 
der Erythrocyten einreihen, und dann haben wir auch das Recht, 
ihnen dementsprechende Namen zu geben. 

Mit dieser Namengebung ist nun, wie mir scheint, Weiden- 
reich nicht einverstanden. Es klingt aus dem Vorwort zur 
Arbeit seines Schülers Freidsohn heraus, dass er mit meiner 
besonderen Bezeichnung der Stammzellen der roten Blutkörperchen 
beim Säugetier als „Hämogonie“ nicht einverstanden ist und 
lieber aus prinzipiellen Gründen dieselben „Lymphocyten“ benannt 
haben will. Gerade aus denselben Gründen habe ich mich aber 
für diesen neuen Namen entschlossen. Ich tat dies, um die Be- 
zeichnung „Lymphoeyten“ zunächst so lange wieder frei zu geben, 
bis die genetischen Beziehungen aller zelligen Blutelemente be- 
friedigend sichergestellt sein werden. Ich hätte gar nichts dagegen, 
später, wenn dies geschehen ist, gegebenenfalls die Hämogonien 
Lymphocyten zu nennen. Ich finde aber, dass zurzeit die Be- 
obachtungen noch nicht zu jener Vollständigkeit vermehrt sind, 
dass wir eine durch diese Bezeichnung ausgedrückte feste Anschauung 
allen Fachgenossen als die einzig richtige hinstellen sollten. Ich 
halte z. B. den Nachweis, dass Blutzellen vom Charakter der kleinen 
Lymphocyten wieder zu grossen Stammzellen werden können, noch 
nicht für sicher genug erbracht. Ebenso fehlt für die Säugetiere 
der Beweis, dass Zellen vom Charakter der kleinen Lymphocyten 
zu roten Blutkörperchen werden können, wie Freidsohn dies 
für Amphibien beschreibt. Aber ich muss gestehen, ich bin mit 
diesem von Freidsohn geführten Beweis nicht zufriedengestellt. 

Der Autor stellt aus den im Blute zirkulierenden Zellen 
unschwer eine ununterbrochene Entwicklungsreihe für diese Genese 
roter Blutzellen aus dem typischen kleinen Lymphocyten auf. 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 655 


Ich bin immer der Ansicht gewesen, dass wir Anatomen 
zunächst vermeiden sollten, aus dem Durcheinander der im Blute 
zirkulierenden Zellen sog. „tiessende Übergänge“ zusammen- 
zustellen. Es kommt ein solches Vorgehen immer nur unter der 
strengen Leitung einer vorher gefassten Ansicht von dem genetischen 
Zusammenhang der Zellen zustande, anstatt dass die Zusammen- 
hänge aus den Beobachtungsergebnissen abgelesen würden. 

Es kann die Reihe, wie sie hier dargestellt ist, richtig sein, — 
sie braucht es aber nicht zu sein, denn es liegt in dem Konstruktions- 
prinzip derselben keine Gewähr für ihre Richtigkeit vor. 

In das vieldentige Durcheinander der Zellen kann erst dadurch 
ein später vielleicht eindeutiger Zusammenhang gebracht werden, 
dass das zeitliche Geschehen in der Entwicklung zu einer Sichtung 
dieser Elemente benützt wird. Diese Forderung wird aber immer 
nur durch das Studium der Entwicklung der blutbildenden Organe 
und auch hier nur durch oft wiederholte Untersuchung, also wohl erst 
in fernerer Zeit erfüllt werden können. Die experimentelle Forschung 
kann selbstverständlich ebenso geeignete Bedingungen setzen. 

Ich halte die wichtige Frage, ob es unter jenen vielen Zell- 
formen, die wir alle als Lymphocyten (grosse und kleine) bezeichnen 
könnten, eine stabilere Form gibt, oder ob sie alle indifferente 
Elemente sind, denen nach jeder Richtung die Entwicklung offen 
steht, noch für unentschieden. Es muss aber diese Frage erst 
für die Säuger entschieden sein, bevor über die Verwendung der 
Bezeichnung Lymphocyt ein endgültiges Abkommen getroffen werden 
kann. Ja, ich habe das Gefühl, als ob der Entscheid hierüber 
nicht einmal allein von unserer Seite fallen wird, sondern die 
bessere Kenntnis der biologischen Leistungen dieser Zellen, vor 
allem der kleinen Lymphocyten im Wirbeltierkörper, den mass- 
sebenden Standpunkt feststellen werden. 

Bei der Freidsohn schen Entwicklungsreihe hat als leitender 
Gedanke bei ihrer Zusammenstellung nur die Grösse der Zellen 
gegolten und ist das Zahlenverhältnis nicht berücksichtigt worden. 
Dasselbe ist nach der Angabe des Autors, wie zu erwarten, So, 
dass die kleine Iymphocytäre Form die grössere an Zahl weit 
übertrifft. Das spricht aber gegen die Richtigkeit der Reihe, 
denn dann wäre hier die Stammform oder Ausgangsform an Zahl 
ihren Nachkommen überlegen, was bei den zahlreichen Zellteilungen, 


die stets beobachtet werden, kaum zu erwarten ist. 
42* 


656 S. Mollier: 


Ich würde mich nie entschliessen können, aus Beobachtungen 
der Zellen des strömenden Blutes allein die Entwicklung eines 
Elementes zusammenzustellen, weil ja doch die verschiedenen 
blutbildenden Organe durch ihre Tätigkeit das Zellenbild des 
strömenden Blutes beherrschen. Es wäre möglich, die Freid- 
sohnsche Reihe beliebig zu variieren und für jede Variante eine 
scheinbar befriedigende Erklärung zu finden. 

Weidenreich hat offenbar die Empfindung gehabt, dass 
ich als Anhänger der Lehre von der monophyletischen Entwicklung 
der Blutelemente energisch für diese Auffassung dadurch hätte 
eintreten sollen, dass ich nach Maximow die Hämogonie 
„Lymphoeyt“ genannt hätte. 

Ich kann das letzere noch nicht tun, denn die Erkenntnis, 
dass die Ursache eines jahrzehntelangen Misserfolges vor allem 
auf der immer wechselnden Beschreibung und auf der wechselnden 
Vorstellung vom Lymphoeyten beruht, hat mich veranlasst, diesen 
Namen zunächst so lange nicht zu benützen, bis er einen nach 
jeder Richtung gesicherten Vorstellungskomplex vertreten kann. 

Die Arbeit Freidsohns hat mich hierin noch nicht um- 
stimmen können. 


Literaturverzeichnis. 


Billroth: Zur normalen und pathologischen Anatomie der menschlichen 
Milz. Virchows Archiv, Bd. 20, 1861. 

Boehm, A. A.: Über die capillaren Venen Billroths der Milz. Festschrift 
für Carl von Kupffer, 189. 

Dantschakoff, Wera: Über die Entwicklung des Knochenmarks bei 
den Vögeln und über dessen Veränderungen bei Blutentziehungen und 
Ernährungsstörungen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 74, 1909. 

v. Ebner: Über die Wand der capillaren Milzvenen. Anat. Anz., Bd. 15, 1899a. 

Derselbe: Köllikers Handbuch der Gewebelehre des Menschen, Bd. 3, 1899b. 

Freidsohn, A.: Zur Morphologie des Amphibienblutes. Zugleich ein Beitrag 
zur Lehre von der Differenzierung der Lymphocyten. Mit einem Vorwort 
von Franz Weidenreich. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 75, 1910. 

Helly. K.: Zum Nachweise des geschlossenen Gefäßsystems der Milz. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 59, 1901. 

Derselbe: Die Blutbahnen der Milz und deren funktionelle Bedeutung. Arch. 
f. mikr. Anat., Bd. 61, 1903. 


Uber den Bau der capillaren Milzvenen. 657 


Hoyer: Über den Bau der Milz. Morpholog. Arbeiten, Bd. 3, 1894. 

Derselbe: Zur Histologie der capillaren Venen der Milz. Anat. Anz., Bd. 17, 1900. 

Kossch, Fz.: Raubers Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 8. Aufl. 
Abteilung 4: Eingeweide. 1909. 

Mangubi-Kudrjavtzewa Anna: Über den Bau der venösen Sinus der 
Milz des Menschen und Rhesus-Affen. Anat. Hefte, Bd. 39, 1909. 

Mollier, S.: Die Blutbildung in der embryonalen Leber der Menschen und 
der Säugetiere. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 74, 1909. 

v.Schumacher: Das elastische Gewebe der Milz. Arch. f. mikr. Anat., 
Bd. 55, 1900a. 

Derselbe: Über die Natur der eirculären Fasern der capillaren Milzvenen. 
Anat. Anz., Bd. 18, 1900b. 

Weidenreich, F.: Das Gefäßsystem der menschlichen Milz. Arch. f. mikr. 
Anat., Bd. 58, 1901. 


Woronin, W.W.: Eine neue histologische Methode. Arbeiten aus der 
therapeutischen Klinik von Prof. P.M. Popoff. Moskau, 1898 (Russisch). 


658 


Aus dem Institut für Histologie, Embryologie und Stomatologie der 
Universität Genf. 


Kopf und bucconasale Bildungen eines mensch- 
lichen Embryo von 14,7 mm Scheitelsteisslänge. 
Studien und plastische Rekonstruktionen. 


Von 
J. L. Paulet 


Chirurgien-dentiste diplom€ de la Confederation suisse, Liceneie en Chirurgie 
dentaire de Geneve, Dentiste diplom& de l’Ecole dentaire de Paris. 


Hierzu Tafel XXV und XXVI. 

Der menschliche Embryo, dessen Kopfregion im nachfolgenden 
beschrieben wird, stammt aus der Sammlung des Instituts für 
Histologie, Embryologie und Stomatologie der Universität Genf. 
Er misst 14,7 mm in Scheitelsteiss- und 13,8 mm in Nacken- 
steisslänge. Er schliesst sich an den Nummern 17 und 18 der 
Normentafeln von His und 20 der Normentafel von Keibel 
(Embryo von Hochstetter). 


Vergleichende Maßtabelle. 
Il. Ganze Länge: 


Genfer Embryo | | Embryo 


Embryo His 17 | Embryo His 18 


Paulet Keibel 20 
Scheitelsteisslänge | | | 
14,2 mm 14,7 mm | 15,2 mm | 15,5 mm 
Nackensteisslänge | | | 
» * - [3 > | ‘ el « 
13,6— 13,7 mm 13.5 mm 13,5 mm 13,4 mm 


II. Kopfmaße: 


Ventro-dorsal 
6,5 mm 70 mm | 7,6 mm 10,0 mm 
Höhe 70 mm | 7,2 mm | 7.6 mm ‘5 mm 
Da keine bestimmten Angaben über die Zeit zwischen der 
letzten Menstruation der Mutter und dem Abortus vorliegen, so 
haben wir uns für die Altersbestimmung an die Berechnungen 
von His (6) gehalten und schätzen demnach den Embryo auf 
35 Tage; er mag auch einige Tage älter sein. 


Kopf und bucconasale Bildungen ete. 659 


Wir haben fünf Rekonstruktionen ausgeführt: die 
erste gibt die äussere Form des Kopfes, die zweite den naso- 
buceo-pharyngealen Apparat mit dem Jacobsonschen Organ, 
die Anlagen der Zahnleiste, der Speicheldrüsen, der Zunge und 
des Meckelschen Knorpels wieder. Die dritte umfasst die Nasen- 
gruben, die beiden letzten betreffen die Anlagen der Glandula 
submaxillaris und der Parotis. 

Die Rekonstruktionsmodelle wurden behufs ihrer Wieder- 
gabe mit dem grossen photographischen Universalapparate von 
Professor Eternod!) aufgenommen. 


Technik. 

Der Embryo wurde in Müllerscher Flüssigkeit und dann 
in starkem Alkohol gefärbt, darauf wurde er mit Alaun-Karmin 
durchgefärbt, in Celloidin eingebettet und mit dem Mikrotom in 
Schnitte von 50 «u Dicke zerlegt. Der Kopf, der uns allein hier 
beschäftigen soll, war zufällig vom Rumpfe getrennt worden; er 
wurde in 134 frontale Reihenschnitte zerlegt. 

Für die fünf Rekonstruktionen bedienten wir uns der Platten- 
modelliermethode von His, Born und Strasser. Für die 
Rekonstruktion der äusseren Kopfform wurden die Schnitte 30 fach 
vergrössert und mit dem Edingerschen Projektionsapparate ge- 
zeichnet. Die Originalzeichnungen sind als Belege aufbewahrt 
worden. 

Bei der Rekonstruktion fielen uns einige Deformationen 
des Embryo auf, die wahrscheinlich auf die Härtung in Alkohol 
zurückzuführen sind. Sie betreffen vorzugsweise die seitlichen 
Partien des Kopfes und die Gegend des vierten Ventrikels. Wir 
haben versucht, diese Abweichungen zu korrigieren, und zwar 
in folgender Weise: 

Das erste Modell (vom ganzen Kopfe) wurde unverändert 
gelassen. Wir nahmen davon eine Gipsform, an der wir die 
deformierten Teile überarbeiteten, um so zu den verbesserten 
definitiven Modellen zu gelangen. 


Maße des definitiven Modells: 


Scheitelnackenhöhe a FLO SHEnN 
BrEILE:.: 5%. ee er Hk: 
Ventro-dorsale, länge 4,1: ar 00.2 BO 


!) A. Eternod, Guide technique. 2&me Edit. Geneve 1898. 


{op} 
(ep) 
oO 


J. bHBiar let: 


Das Verfahren für die anderen Rekonstruktionen weicht 
ein wenig von dem eben beschriebenen ab. Die Schnitte wurden 
mit Hilfe der Camera clava von Leitz gezeichnet und 40 mal 
vergrössert. Da die Dicke der Schnitte ungefähr 50 « beträgt, 
so kamen wir zu Wachsplatten von 2 mm Dicke. Die Modelle, 
welche wir durch Aufeinanderlegen der Platten erhielten, zeigten 
sich sehr zerbrechlich ; wir haben sie daher mit feinen Eisendraht- 
fäden verstärkt und ihre Oberfläche mit Seidengaze, welche mit 
Wachs bestrichen war, bedeckt. So gewannen wir sehr feste 
und gut aufzubewahrende Modelle. 

Um eine exakte Wiedergabe des Epitheliums der Naso- 
bucco-pharyngial-hegion zu erzielen, haben wir seine Dicke in den 
tiefen Lagen verstärken müssen, während wir auf das Sorgfältigste 
seine äussere Oberfläche festgehalten haben; so gewannen wir 
befriedigende Ergebnisse. 

Wegen der Schwierigkeiten, eine Gips-Moulage der Modelle 
zu gewinnen, oder auch nur Durchschnitte in verschiedenen 
Ebenen, mussten wir einige Ergänzungsmodelle anfertigen; so 
von den Nasenhöhlen zur Demonstration der Muscheln und des 
Jacobsonschen Organs unter Verstärkung des Epitheliums wie 
beim Hauptmodell. Endlich wurden die Anlagen der Submaxillar- 
drüse und der Parotis besonders modelliert; dabei wurden aber 
die epithelialen Konturen genau eingehalten, auch in den tiefen 
Schichten. 


I. Allgemeine äussere Formverhältnisse des Kopfes. 
(Fig. 1 und: 27 Taf. XXV.) 

Der Kopf zeigt sich stark gegen den Rumpf vornüber ge- 
beugt, so dass beiderlei Achsen fast senkrecht aufeinander stehen. 
Er hat eine längliche Form und ist transversal abgeplattet, ins- 
besondere in der Hinterhauptgegend. Sein sagittaler Durchmesser 
ist merklich grösser als der vertikale. Wir unterscheiden an 
ihm sechs Flächen und zwar: 1. Die ventrale oder Gesichtsfläche. 
2. Die dorsale Fläche, welche fast vollständig dem vierten Ventrikel 
entspricht und darüber einem Teile des Mittelhirns.. 3. Die 
Scheitelhirnfläche oder obere Fläche, die nach vorn dem höchsten 
Punkte der Hemisphären des Gehirns entspricht, nach hinten und 
oben dem Mittelhirn. 4. und 5. Die beiden Seitenflächen. Sie 
entsprechen den seitlichen Partien des Mittelhirns und zum Teil 


Kopf und bucconasale Bildungen ete. 661 


auch dem vierten Ventrikel. Der ventrale Teil dieser Flächen 
verliert allmählich seine Abplattung und rundet sich deutlich ab 
im Niveau der Augenanlagen. 6. Die kaudale Fläche; sie ent- 
spricht der Bruchstelle zwischen Kopf und Hals und würde sich 
bei Erhaltung des Zusammenhanges unmittelbar in den letzteren 
fortsetzen. 

Unsere Modelle zeigen eine deutliche Asymmetrie, indem 
die linke Seite, insbesondere in der Gesichtsregion, stärker ent- 
wickelt ist als die rechte. Die linken Hälften der Kieferanlagen 
und der Zunge, sowie die Stirn-Nasenfortsätze dieser Seite sind 
grösser als rechts. Die Zunge zeigt zugleich eine Abweichung 
und Torsion von links nach rechts, entsprechend dem von His 
beschriebenen und modellierten Befunde. 


II. Allgemeine äussere Form des Gesichts. 
(Eie22, Taf. XXV.) 

Das Gesicht des Embryo ist noch weit von seiner definitiven 
Ausbildung entfernt. Es stellt nur eine Summe von Organanlagen 
dar, die zu seiner vollkommenen Ausbildung bestimmt sind; 
jedoch sind die verschiedenen Gesichtsfortsätze schon miteinander 
verbunden. 

Stirnfortsatz (Fig. 1 und 2). 

Der Stirnfortsatz ist die am meisten vorspringende Partie 
des Gesichts; er setzt sich nach unten in die Nasenanlage fort, 
welche in diesem Stadium von der Stirn durch die stark aus- 
gebildete quere Naso-frontal-Furche getrennt ist. Die dorsale 
Partie der Nase ist noch sehr kurz, und so bekommt die ganze 
äussere Nasenanlage eine breite Form. Das Nasenseptum ist 
bereits gebildet, ebenso die äusseren Nasenlöcher. Letztere sind 
noch direkt ventral gerichtet und weiter in ihrem medianen Teile 
als in ihrem lateralen. Nach aussen zur Seite der Nasenlöcher 
verläuft eine schwach ausgebildete Furche als letzte Spur der 
Verwachsung des inneren Nasenfortsatzes und des ventralen Endes 
des Oberkieferfortsatzes; diese Furche erstreckt sich zum inneren 
Augenwinkel hin, sie ist die fälschlich sogenannte Tränenfurche. 

Nach Ausbildung der äusseren Nasenanlage liefert der mediale 
Stirnfortsatz die Anlage der Oberlippe. In ihrem ventralen Teile 
zeigt diese schon eine mediane Raphe, während in ihrem dorsalen 
Teile noch eine unvollständige Furche vorhanden ist, wodurch 


662 J. L. Paulet: 


die beiden Lippenhöckerchen (Processus globulares) deutlich von- 
einander geschieden werden. (Fig. 4 und 7, Taf. XXV.) 


Augen (Fig. 1 und 2, Taf. XXV). 

Die Anlagen der Augen haben noch eine oberflächliche Lage 
an den Seiten des Gesichts, wo sie stark vorspringen. Sie sind 
von einer tiefen Furche umgeben, die sie von dem stark vor- 
springenden Rande der Augenlider scheidet. In ihrem grössten 
(ventro-dorsalen) Durchmesser haben sie 1,15 mm. 


Ohren (Biesızund 2, TaXXV): 

Das äussere Ohr zeigt sich in Gestalt einer breiten Spalte, 
welche in schiefer Richtung von der ventralen zur oberen Fläche 
des Kopfes verläuft und 0,95 mm in der Länge misst. Sie hat 
auf beiden Seiten nicht dieselbe Lage; links liegt sie hinter der 
Mundspalte in deren Niveau, während sie rechts hinter und unter 
der Lippenkommissur gelegen ist. Links steht sie 400 u, rechts 
500 « von dieser Kommissur ab. Man sieht an den Rändern 
dieser Ohrspalte schon einige Höckerchen, die ersten Anlagen 
der Ohrmuschel. 

OÖberkieferfortsätze. 

Die Oberkieferfortsätze sind oberflächlich nur unvollkommen 
begrenzt, da ihre Verwachsung mit den Stirn-Nasenfortsätzen 
bereits vollständig geworden ist. Die trennenden Grenzen sind 
nur, wie wir bereits erwähnten, noch angedeutet in der soge- 
nannten Tränenfurche und in den Furchen zwischen den Lippen- 
höckerchen; eine Wangenregion ist noch nicht vorhanden, da 
die Oberkieferfortsätze noch sehr schmal sind. Sie überragen 
deutlich die Unterkieferanlage. 

An Frontalschnitten treten die Oberkieferfortsätze viel 
deutlicher hervor und zeigen in ihren verschiedenen Abschnitten 
verschiedene Formen: Im ventralen oder vorderen Drittel er- 
scheinen sie unregelmässig vierseitig, etwas höher als breit und 
wie durch einen Stiel mit dem Stirnfortsatz verbunden; in ihrem 
mittleren Teil, in einer Ebene, die durch die Mitte des Augapfels 
geht, ist das Schnittbild deutlicher vierseitig, jedoch viel breiter 
als hoch, ihre Insertion ist sehr breit; hinten nehmen sie auf 
den Schnitten stetig an Höhe ab und erscheinen wie schmale 
jänder zwischen den Augen- und Mundpartien. 


Kopf und bucconasale Blldungen etc. 663 

Es lassen sich an den Oberkieferfortsätzen vier Flächen 
unterscheiden: 

1. eine äussere Lippenfläche, die in zwei Regionen, 
eine kraniale und kaudale zerfällt, beide getrennt durch eine 
breite und seichte Furche. Die obere oder palpebrale Partie 
dieser Fläche bildet einen starken Vorsprung und ist vom Aug- 
apfel durch eine tiefe und schmale Furche getrennt, die erste 
Anlage des Bindehautsackes. Die untere oder Lippenwangen- 
partie geht in einen ansehnlichen Fortsatz über, in die erste 
Anlage der Oberlippe. Die Wangenpartie ist kaum an- 
gedeutet, die Lidwangenfurche steht fast ebensoweit vom Aug- 
apfel wie von der Mundspalte ab, immerhin liegt sie dem 
Augapfel ein wenig näher. Diese distale Fläche des Oberkiefer- 
fortsatzes ist oberhalb der Mundöffnung breiter als weiter 
nach hinten. 

2. Die mediane Fläche; diese beteiligt sich einerseits 
an der Bildung der lateralen Nasenhöhlenwand, andererseits zeigt 
sie die Anlage der Oberkiefergaumenfortsätze, welche in ihrer 
ventralen Partie an die Processus globulares des Stirnfortsatzes 
grenzen, während sie nach hinten vollkommen frei bleiben. Das 
Gaumendach ist also noch nicht vollkommen ausgebildet. Der- 
jenige Teil der medianen Fläche, welcher den primitiven Nasen- 
sruben entspricht, grenzt an die Nasenscheidewand; diese ist 
von den Oberkiefergaumenfortsätzen durch eine seichte Furche 
getrennt. Dieser Teil der medianen Fläche senkt sich und ver- 
liert sich nach hinten, ebenso wie die Nasenscheidewand. 

3. Die kraniale Fläche ist zum Teil eine virtuelle, 
denn sie ist mit dem äusseren Nasenfortsatze verbunden. Im 
Bereiche der Augapfelanlagen ist sie von diesem durch eine 
schmale und tiefe Furche getrennt, die Anlage des unteren 
Bindehautsackes, die sich nach vorn in die Augennasenfurche 
fortsetzt. Diese Fläche trägt mit ihrem Rande zur Bildung der 
Augenlider bei. 

4. Die kaudale Fläche hat in ihrer vorderen Partie 
eine mittlere Furche, die später zu beschreibende Zahnfurche. 
Diese Zahnfurche trennt den medianen Rand, der den Oberkiefer- 
saumenfortsätzen angehört, vom Lippenrande, der als ein ab- 
gerundeter Vorsprung erscheint. Dieser Rand verjüngt sich zur 
Lippenkommissur hin, wo er sich an den Unterkieferfortsatz 


664 J. L. Paulet: 


anlegt; in ziemlich grosser Ausdehnung bleibt eine seichte 
Furche als letzte Spur der Lippenwangenvereinigung bestehen. 


Unterkieferfortsatz. 

Die beiden ersten Anlagen des Unterkiefers sind in der 
Mittellinie bereits vollkommen verwachsen und gehen vollständig 
ineinander über. Von einer Lippenkommissur zur anderen hat 
die Unterkieferanlage eine etwas höckerige Oberfläche, ihre 
kaudale untere Fläche erscheint leicht ausgehöhlt und erhebt 
sich ein wenig über ihren Rand, insbesondere in der medianen 
Partie. Dieser Rand hat eine ungleiche Dicke. In der Nachbar- 
schaft der Kommissur ist er stärker als in der mittleren Partie, 
die His als „Mittelkiefer“* bezeichnet hat; in der Medianlinie 
selbst wird der Rand wieder etwas dicker. 

Der Unterkieferfortsatz ist im ganzen erheblich gegen den 
Oberkieferfortsatz zurückgeblieben; er ist rechtsseitig weniger 
entwickelt, so dass die Mundspalte an dieser Seite etwas offen- 
steht und die noch zweigespaltene Spitze der Zunge sehen lässt. 

Man bemerkt gleichfalls auf der buccalen Fläche der Unter- 
kieferanlage beiderseits die erste Spur der später zu beschreibenden 
Zahnfurche, sie fehlt in der mittleren Partie. 


Lippen. 

Die Lippen sind noch wenig ausgeprägt, sie erscheinen in 
Form einer rundlichen Wulstung der ventralen Ränder der beiden 
Kieferfortsätze. Es wurde schon erwähnt, dass infolge der lang- 
sameren Entwicklung des Unterkieferfortsatzes die Oberlippe mit 
einem Teile des Gaumens vorspringt, sie überragt die Unterlippe 
ungefähr um 500 u. 

Die Lippenkommissuren liegen ein wenig unterhalb der 
inneren Augenwinkel, die linke etwas mehr nach hinten und 
näher dem äusseren Ohr infolge der allgemeinen Asymmetrie 
des Gesichtes. Die Kommissuren setzen sich durch eine breite 
Rinne bis nahe zum äusseren Ohr fort. Seichte Furchen trennen 
die labialen Vorsprünge der künftigen Alveolarfortsätze; sie sind 
weniger in der mittleren Partie als seitlich ausgeprägt. 


a) Oberlippe. 


Die Oberlippe ist lateral weiter entwickelt als median; sie 
hat die Form eines \. Jederseits neben der Mittellinie zeigt 


Kopf und bucconasale Bildungen etc. 665 


sich eine schräge Furche als übriggebliebene Spur der Ver- 
wachsung des mittleren Stirnfortsatzes (Processus globularis) mit 
den beiden Oberkieferfortsätzen. Eine mediane Furche entspricht 
der Raphe intermaxillaris zwischen beiden Processus globulares. 
Im mittleren Teile ihrer ventralen Fläche bildet die Oberlippe 
einen grossen Höcker, der sich kontinuierlich mit dem mittleren 
Nasenfortsatz verbindet; es ist dies die erste Lippenanlage. 


b) Unterlippe. 

Die Unterlippe folgt fast genau den Konturen der Oberlippe. 
derart, dass ihre mittlere Partie etwas höher steht als die seit- 
lichen Teile. Sie zeigt in dieser mittleren Partie einen kleinen 
Vorsprung, der in den Ausschnitt des \/ der Oberlippe hineinragt 
und der die beiden Enden der gespaltenen Zungenspitze berührt. 
Wie bei der Oberlippe, so ist auch der Unterlippenrand breiter 
in der Nähe der Kommissuren und verschmälert sich allmählich 
zur Mittellinie hin. 


III. Vestibulum oris und seine Anhänge. 
(Bio A Tate XRW 
Das Vestibulum oris ist bei unserem Embryo noch auf den 
Wangenblindsack beschränkt. Diese Tasche zeigt sich in Gestalt 
einer Spalte zwischen dem Ober- und Unterkieferfortsatz. Sie 
ist schmal, aber tief in ihrer ventralen Partie und setzt sich 
dorsal in eine kompakte epitheliale Leiste fort. 


Lippentasche. 

Die beiden Kieferfortsätze zeigen in ihrer ganzen Aus- 
dehnung eine glatte und einheitlich geformte epitheliaie Ober- 
fläche; sie lassen ausser der Zahnfurche noch keine andere Furche 
erkennen; die Lippenkieferfurche ist also noch nicht gebildet. 


Speicheldrüsen (Fig. #4, Taf. XXV). 
a) Submaxillardrüsen (Fig. 12 und 13, Taf. XXV). 

Im Grunde der Zungenkieferfurche erkennt man, 1,7 mm 
von der Zungenspitze entfernt, die ersten Anlagen der Sub- 
maxillardrüsen. Sie liegen nach innen vom Meckelschen 
Knorpel, näher jedoch der Zunge als diesem. Diese Anlagen be- 


stehen aus zwei Teilen, und zwar aus einem kompakten, epithelialen 
Strange, welcher dem Ausführungsgang entspricht, und aus einem 


666 Damen: 


rundiichen, kompakten, knospenförmigen Gebilde, welches den 
Drüsenkörper darstellt. Die Anlage des Ausführungsganges (Ductus 
submaxillaris) ist zweimal so lang als die des Drüsenkörpers; 
letztere ruht im Grunde der Zungenkieferfurche, mit ihr verbunden. 
Auf einem Durchschnitt zeigt der Drüsenkörper eine dreieckige 
Form, deren Spitze gegen die Mundhöhle gerichtet ist. 

Länge der ganzen Anlage einschliesslich 

des Austührungseanges '. 2 .2220.7.8°008% 

BEeITESe En N ET TERVER OR Oz 

Entfernung vom Meckelschen Knorpel 300 u 

Diese Drüsenanlagen sind also viel weniger entwickelt, als 

die des Embryo Zw (18,5 mm) von W. His). Bei dem Hisschen 
Embryo sind sie weit tiefer in das umgebende Gewebe vorgedrungen 
und zeigen bereits einen längeren, leicht sinuösen Ausführungs- 
gang. Bei unserem Embryo zeigt der Drüsenkörper nur ganz 
schwache Einschnürungen als erste Spuren der primären Läppchen. 
Die epitheliale Masse zeigt einige voluminösere, mehr durch- 
scheinende ventrale Zellen, die sich auch schwächer in Karmin 
färben, als die kleineren peripheren Zellen. 


b) Sublingualdrüsen. 

Ungeachtet genauester Nachforschung liess sich keine Spur 
einer Anlage der Sublingualdrüsen entdecken; ihre erste Ent- 
wicklung muss also in eine spätere Zeit fallen. Das stimmt nicht 
mit der Behauptung Köllikers (9, p.860) überein, derzufolge die 
Submaxillardrüsen zuerst erscheinen sollen, darauf die Sublingual- 
drüsen und dann erst die Parotiden. 


c) Parotiden (Fig. 12 und 13, Taf. XXV). 

Im Grunde der Wangenfurche lässt sich eine Orista beobachten, 
welche vorn in der Nähe der Lippenkommissur endet, hinten in 
eine rundliche Sprosse übergeht, die in der Tiefe des Wangen- 
blindsacks gelegen ist: dies ist die Parotisanlage. Wie bei den 
Submaxillardrüsen, kann man auch hier zwei Abschnitte unter- 
scheiden: einen epithelialen Strang, die Anlage des Ausführungs- 
ganges und den rundlichen Sprossen, die Anlage der Drüse selbst. 
Diese Bildungen entstehen in der am meisten zurückgelegenen 
Partie der Vestibularfurche; die knospenförmige Anlage des 


2) W: His, loereit.(Nr:0)2995, 


Kopf und bucconasale Bildungen etc. 667 


Parotiskörpers wendet sich zur äusseren Oberfläche, von der sie 
0.5 mm entfernt ist. 


Dimensionen der Parotis-Drüsenanlage: 
Länge der ganzen Anlage mit dem Gange 300 u 
Bremen Ne ONE 
Abstand von der Lippenkommissur . . . 650 u 

Die Ähnlichkeit dieser Befunde mit denen von His (6, p. 96) 
bei seinem Embryo Zw beschriebenen ist frappant. Immerhin 
sind die Drüsen bei unserem Embryo noch nicht so weit vor- 
geschritten. Bei dem Embryo von His dringt die kompakte 
epitheliale Drüsenmasse bereits in das umgebende Mesenchym- 
gewebe schräg ein und der Ausführungsgang ist bereits deutlich 
ausgebildet, er misst etwa 200 «. Bei unserem Embryo fanden 
wir noch keine Spur von sekundären Läppchenanlagen. Sonach 
scheint sich der Drüsenkörper der Parotis etwas später zueentwickeln, 
als der der Submaxillardrüse. 

Aus dem Vorhergehenden folgt eine Bestätigung der An- 
gaben von Hammar (4, p. 571) über die Entwicklung dieser 
Drüsen: bei Embryonen von S mm (Ende des ersten Monats) 
erscheint im Jugalwinkel eine seichte, gut begrenzte Furche, die 
sich bei Embryonen von 11,7 mm vertieft (Sulcus parotideus). 
Diese Furche schliesst sich zu einem langen Kanal ab, der unter- 
halb der Wangenfurche liegt ; dieser Kanal ist der Duetus parotideus. 
Die Parotisanlage erscheint daher zuerst nicht ın Form einer 
vorspringenden Knospe, wie Chievitz und His es darstellen, 
sondern in Form einer Rinne, der Vorläuferin des Ductus parotideus. 
Zusammenfassend kann man also sagen, dass die ersten Anlagen 
der Speicheldrüsen in zweifacher Gestalt auftreten: als epithelialer 
Strang, der zum Ausführungsgange wird und als rundliche Knospe, 
die zum Drüsenkörper sich weiter entwickelt. 


IV. Cavum oris. 

Die eigentliche Mundhöhle des Cavum oris ist bei unserem 
Embryo noch nicht vollständig ausgebildet. Zwar ist der Boden 
der Mundhöhle durch die Anlage des Unterkiefers und der Zunge 
schon gegeben, was jedoch das Dach anbetrifft, so ist der Gaumen 
noch nicht gebildet; an seiner Stelle findet sich eine weite offene 
Verbindung mit den Nasenhöhlen; das Cavum oris begreift also 
noch keinen vollkommen abgegrenzten Raum, in dem sein Boden 


668 I... sPamlet: 


in unmittelbarer Beziehung zum Dache steht, da die Zunge sich 
in die zur Nasenhöhle führende Ofinung. welche die Stelle des 
späteren Gaumens einnimmt, hineinlegt. 


1. Boden der Mundhöhle und Zunge (Fig. 5, Taf. XXV). 

Der Boden der Mundhöhle ist, man kann sagen, noch ganz 
von der Zunge eingenommen; die letztere ist begrenzt und 
umschrieben durch die schon ziemlich tiefe Zungenkieferfurche, 
besonders deutlich in ihrer ventralen Partie. 

Bei unserem Embryo hat sie im allgemeinen eine vierseitige 
Form, die Ränder sind mehr abgerundet in ihrem ventralen als 
in ihrem dorsalen Teile und sie ist schmäler und länger als bei 
den übrigen schon von anderer Seite beschriebenen Embryonen. 
Sie zeigt sich bei unseren Modellen doppelt so lang als breit. 
Die Spitze ist, wie bemerkt, durch eine tiefe Furche ungleich 
zweigeteilt; der linke Zipfel ist grösser als der rechte, so kommt 
es, dass die Spitze im ganzen nach rechts gewendet erscheint. 
Die Zunge springt in ihrer ganzen Dicke über den Unterkiefer- 
fortsatz vor und schiebt sich in die Gaumenspalte ein; daher ist 
sie seitlich durch die beiden Gaumenanlagen begrenzt, ventral 
stösst ihre Spitze an die Processus globulares und dorsal kommt 
sie in Berührung mit der Schädelbasis. 

Die Zungenkieferfurche folgt genau den Konturen der Zunge; 
von oben gesehen scheint sie nur wenig ausgeprägt, da die aus- 
kleidenden epithelialen Überzüge sich einander noch berühren, 
auf Schnitten indessen sieht man sie weit in die Tiefe gesenkt 
in Form einer epithelialen Leiste, die bis zur Anlage des Ductus 
submaxillaris vordringt. Ventral ist diese Leiste dünn, in der 
Richtung zur Submaxillar-Drüsenanlage nimmt sie an Dicke zu. 


Einige Maße der Zunge: 


Länge des rekonstruierten Teils (23 Schnitte) . . . 1,15 mm 
Länge des freien Teils‘... . 0 
Breite im Gebiet der Shnalardrüse a 
Breite im Gebiet der Lippenkommissuren . . . . 100 „ 
Dicke‘ an’ derselben” Stelle er. Fr 5 I EEE 


2. Dach der Mundhöhle (Fig. 4,: Taf. XXV). 
Der Naso-bucco-pharyngeal-Raum ist noch nicht vollständig 
in seine einzelnen Abschnitte geschieden, in der Medianlinie des 


Kopf und bucconasale Bildungen etec. 669 


künftigen Munddaches sieht man, wie erwähnt, noch einen klaffenden 
Spalt von etwas grösserer Länge als Breite, der den späteren 
Nasenhöhlen angehört, die jetzt nur in ihrer kranialen Partie 
ausgebildet sind. Im Grunde dieses Spaltes erblickt man die 
Schädelbasis sowie die tiefe Partie des Stirnfortsatzes (Septum 
narium). Zu beiden Seiten des Septums öffnet sich die Nasen- 
höhle durch zwei längliche Spalten. Lateral ist jede Nasenhöhlen- 
hälfte von den Gaumenfortsätzen begrenzt, welche in ihren seitlichen 
Teilen noch frei sind, während sie ventral mit den Processus 
elobulares des Stirnfortsatzes bereits verschmolzen erscheinen. 
Der Gaumen besteht also vollständig nur in der Intermaxillar- 
region, nach vorn von dem späteren Foramen ineisivum. Hier 
sieht man einen ziemlich tiefen Suleus in der Mittellinie als Rest 
der Spalte zwischen beiden Processus globulares. Zwei andere 
seitliche Furchen sind die Spuren der Verwachsung dieser Fortsätze 
mit den Oberkieferfortsätzen. Diese Anlage des definitiven Gaumens 
ist ventralwärts von der Lippenanlage begrenzt, dorsalwärts von 
dem freien Rande der Processus globulares; sie liegt ein wenig 
mehr zurück als die Ränder der Lippenanlage. 

Wir haben nur zwei Submaxillarfortsätze finden können, im 
Gegensatze zu Albrecht, der jeden dieser Fortsätze noch in 
zwei sekundäre sich teilen lassen wollte. 

An den seitlichen Teilen des Munddaches zeigt eine Furche 
die oberen Zahnanlagen an; median von dieser bilden die beiden 
Öberkiefergaumenfortsätze zwei regelmässig abgerundete Vor- 
sprünge, die sich ventralwärts in die Processus globulares fort- 
setzen und den Nasopharyngealraum umschreiben. Jederseits 
sieht man an ihrem freien Rande hinten einen leichten Vorsprung, 
der die erste Anlage einer Hälfte des späteren Zäpfchens 
darstellt. 

Da die Zunge noch vollkommen in dem Gaumenspalt steckt. 
so berührt sie, wie gesagt, mit ihrer dorsalen Fläche die Schädel- 
basis. Diese bemerkenswerte transitorische Lage ist, wie bekannt. 
schon durch His gebührend gewürdigt worden. 


3. Zahnanlagen. 
Es ist kaum möglich, noch neue wichtige Tatsachen über 
die erste Anlage der Zähne nach den Arbeiten von Röse (14, 15) 


beizubringen. Röse war der erste, welcher die Verdickung des 
Archiv f.mikr. Anat. Bd. 76. 43 


670 J. L. Paulet:; 


Epitheliums festgestellt hat, die der epithelialen Einsenkung noch 
voraus geht. Lassen wir in kurzen Zügen die Beschreibungen 
einiger Autoren von den ersten Entwicklungsstadien des Zahn- 
apparates beim Menschen folgen: 

Legros und Magitot (10) lassen gegen den 40.— 45. Tag 
des intrauterinen Lebens einen epithelialen Sprossen auftreten, 
der sich in das Mesenchymlager der Kieferfortsätze einsenkt. 

W. His (6) beschreibt bei seinem Embryo Zw (18,5 mm) 
an beiden Kieferanlagen eine Furche, deren epitheliale Auskleidung 
verdiekt ist und in deren Grunde sich Papillen erheben. 

C. Röse (14) hat das erste Auftreten der Zahnleiste bei 
einem Embryo von 15 mm Nackensteisslänge gefunden — Alter 
40 Tage. Auf diesem Stadium bilden die Kiefer und Lippen- 
anlagen noch eine einheitliche mesodermale Masse, die durch ein 
geschichtetes Epithel glatt bedeckt ist. Unmittelbar hinter der Mund- 
spalte bemerkt man an beiden Kiefern eine epitheliale Verdickung, 
die aus kubischen, nicht scharf gesonderten Zellen besteht. Diese 
Verdiekung, die „Zahnleiste“, ist die erste „Zahnanlage“ (richtiger 
wäre es, von einer „Zahnmatrix“ zu sprechen). Schon in diesem 
Stadium bildet die Zahnleiste am Oberkiefer einen grösseren Bogen 
als am Unterkiefer. Der Meckelsche Knorpel ist in diesem 
Stadium noch nicht vollkommen differenziert. Röse zitiert ın 
der in Rede stehenden Abhandlung eine Angabe von Keibel, 
der schon bei einem menschlichen Embryo von 12 mm eine 
Zahnleiste gefunden hat; er bezweifelt jedoch diese Angabe, in- 
dem er sich auf die Tatsache stützt, dass in diesem Stadium 
die Oberkieferfortsätze mit den Processus globulares noch nicht 
verschmolzen waren. Dieser Grund erscheint uns nicht völlig zu- 
treffend, da nichts das Auftreten der Zahnleiste vor der in Rede 
stehenden Verschmelzung hindert und das um so mehr, als wir bei 
unserem Embryo die Zahnanlage nur auf den Oberkieferfortsätzen 
und noch nicht auf den Processus globulares gefunden haben. 

Röse stützt ferner eine von ihm ausgesprochene Ansicht, 
dass nämlich die menschlichen Zahnplacoide, d. h. die primitiven 
Epithelverdickungen, welche die erste Spur der Zahnanlagen bilden, 
nur der Rest einer Reihe von verschmolzenen primitiven Zahn- 
anlagen der niederen Wirbeltiere wären, auf seine Rekonstruktions- 
bilder und die Reihenschnitte eines menschlichen Embryo von 
ll mm Länge, der von Hochstetter bearbeitet wurde. 


Kopf und bucconasale Bildungen ete. 671 


Bei diesem (Hochstetterschen) Embryo sieht man auf 
den beiden Oberkieferfortsätzen zwei epitheliale Vorsprünge in 
Form von mehr oder weniger abgeplatteten Papillen, die sich frei 
auf der Oberfläche der Schleimhaut erheben; bei einem etwas 
älteren Embryo (15 mm) zeigt sich bereits eine Zahnleiste ent- 
wickelt und in das Mesoderm eingesenkt, an derselben Stelle, 
wo in dem früheren Stadium sich die beiden primitiven Vor- 
sprünge erhoben haben. Röse deutet diese Tatsachen so, dass 
man bei diesem menschlichen Embryo von 11—12 mm Länge und 
im Alter von 34 Tagen die Reste der kleinen ancestralen primi- 
tiven Zähne in Form von zwei frei vorragenden epithelialen Papillen 
noch antreffe. 

Der von His beschriebene Embryo von 17 mm, den Röse 
zitiert, ist weit mehr in seiner Entwicklung vorgerückt; der 
Meckelsche Knorpel ist schon ausgebildet. Die epitheliale Be- 
kleidung der Kiefer zeigt sich verdickt; an der Stelle der 
Vestibularfurche ist sie in eine tiefe Lage zylindrischer Zellen 
und in eine oberflächliche Lage platter Zellen differenziert. Die 
Zahnmatrix ist in Form eines Stranges in das Mesoderm ein- 
gedrungen (Leiste) und hat sich bereits in zwei sekundäre Leisten 
gespalten. Die am meisten ventral gelegene, mehr abgeplattete, 
senkrecht eindringende steht in Beziehung zur Bildung der 
Lippenkieferfurche; es ist die Lippenfurchenleiste („mur 
plongeant“ in der französischen Bezeichnung); die andere, grössere, 
mehr dorsal gelegene Leiste, welche schief eindringt, bildet die 
eigentliche Zahnleiste („mur dentaire proprement dit“ in der 
französischen Bezeichnung). Diese Differenzierung lässt schon 
in diesem Stadium einen „Kieferwall“ und einen „Lippenwall“ 
unterscheiden. 

In einer zweiten Arbeit (15) betont Röse nochmals, dass 
die Lippenfurchenleiste (mur plongeant) sich durch Spaltung einer 
ursprünglich einfachen Zahnleistenanlage (cordon dentaire) bildet. 
(Beim Menschen etwa 48 Tage nach der Befruchtung.) 

Branca (1) beschreibt die ersten Stadien der Zahnent- 
wicklung folgendermassen: Eine epitheliale Proliferation kenn- 
zeichnet den Anfang der Zahnentwicklung. Diese Wucherung 
liefert zweierlei Bildungen: 1. einen tief eindringenden Fortsatz, 
die „Zahnleiste“, der als „mur dentaire“ oder „mur plongeant“ 
bezeichnet wird, und welche an bestimmten Stellen bestehen 

43* 


672 J. EL. Paulet: 


bleibt; 2. einen oberflächlichen Sprossen (Zahnfleischsprossen oder 
„vorspringende Leiste“ — bourrelet gingival ou mur saillant); 
diese ist eine transitorische Bildung; sie spielt keinerlei Rolle 
bei der Entwicklung der Zahnkeime. Die oberflächliche und die 
tief eindringende Leiste erscheinen gleichzeitig. Beide entstammen 
einer Wucherung des Mundhöhlenepithels durch Zellteilung. Die 
epitheliale Verdickung, welche die erste Zahnanlage bildet, besteht 
aus zwei Zellagen, einer tiefen Lage zylindrischer Zellen, deren 
Kerne im oberen Abschnitte der Zellen liegen, und einer dünnen 
oberflächlichen Schicht platter Zellen. 


Nach dem voraufgehend aus der Literatur, insbesondere 
nach Röse Mitgeteilten kann man also drei Stadien bei der 
Bildung der Zahnanlage unterscheiden: 


Als erstes Stadium zeigt sich eine einfache Verdickung 
des Epitheliums („Zahnplacoid“). In diesem Stadium bemerkt 
man noch nichts von einem Eindringen des Epithels in das 
unterliegende Mesenchymgewebe. 


Im zweiten Stadium bildet das Epithel eine Verdickung, 
die auf dem Durchschnitt halbmondförmig erscheint und deren 
konvexer Teil in das unterliegende Gewebe vordringt. 


Diese „Zahnleiste“ erscheint im dritten Stadium 
klar in zwei sekundäre Leisten geteilt: in eine Lippenfurchenleiste 
und in die eigentliche Zahnleiste. 

Der von uns untersuchte und hier beschriebene Embryo 
steht, was seine Zahnbildungen anlangt, zwischen den Stadien II 
und II von Röse, wie wir sie eben aufgezählt haben. Er zeigt 
schon eine oberflächliche Lippenfurche an der Oberkieferanlage; 
sie fehlt jedoch noch auf den Processus globulares. Am Unter- 
kieferfortsatz gestattet uns leider der defekte Zustand des Epithels 
in der mittleren Partie, wo die Zahnfurche sich findet, keine 
genaue Verfolgung der Anlagen. Distal verlor sich die Furche 
allmählich an beiden Kieferanlagen (Oberkiefer wie Unterkiefer). 
Die Furche entsteht durch eine epitheliale Einwucherung, Invagi- 
nation, die „Zahnleiste“. Furche wie Invagination sind deut- 
licher ausgeprägt in der mittleren und hinteren Region der 
Kieferanlagen. Die Zahnleiste bildet am Oberkiefer einen grösseren 
5ogen als am Unterkiefer, entsprechend der von uns bereits 
hervorgehobenen Entwicklung der betreffenden Kieferfortsätze. 


Kopf und bucconasale Bildungen etc. 675 


Auf Durchschnitten haben wir in der medianen Partie der 
Kiefer keine sichere Spur einer Zahnleiste gefunden und auch 
die Rekonstruktionen lassen nichts weiter als leichte wellen- 
förmige Wellenbieguugen des Epithels in dieser Gegend erkennen. 


An den Rekonstruktionen sieht man, dass die Zahnleiste 
im ganzen gleichförmig ist, nur an ihrem unteren Rande zeigt 
sie einige Verdickungen. 

Beim Studium der Querschnitte erscheint die buccale Fläche 
der Leiste senkrecht zur Mundschleimhaut gestellt, während die 
labiale Fläche schief gerichtet ist. 

Man bemerkt an unserem Embryo noch keine Andeutung 
einer Teilung der epithelialen Leiste in einen Lippenfurchenteil 
und in eine eigentliche Zahnleiste, wie das im dritten Röseschen 
Stadium der Fall ist. 

In der Medianregion und in den distalen Kieferpartien 
besteht das Epithelium nur aus zwei einfachen Zellagen, aber 
dazwischen im Gebiete der Zahnleiste ist es dicker und mehr- 
schichtig. Die tiefe Zellenlage entspricht der Malpighischen 
Schicht; sie besteht aus zylindrischen Zellen, deren Kerne näher 
der Zellenbasis liegen. Die oberflächliche Lage zeigt zwei oder 
drei Schichten mehr oder weniger buceischer Zellen. Die unmittelbar 
an das Epithelium grenzenden Teile des unterliegenden Mesoderm- 
gewebes sind dichter gefugt und seine Zellen färben sich lebhafter 
in Karmin. 

Die Höhe der Zahnleisten an der Stelle ihrer stärksten 
Entwicklung, das heisst in ihrem mittleren Segment, beträgt 
75 « für die obere und 100 « für die untere, ist also am Unter- 
kiefer bedeutender. 


V. Nasenhöhlen und Jacobsonsches Organ. 
(Die 3, 10; 17, Taf: XXV, Schnitte LANE, Ta XRVT) 


a) Nasenhöhlen. 


Im ganzen stellen die Nasenhöhlen unregelmässige Spalten 
dar, die mehr oder weniger einander parallel verlaufen; sie haben 
durchweg ein Lumen, “welches im unteren Teile geräumiger ist. 
Hinter den Nasenlöchern nehmen die Nasenhöhlen rasch an Höhe 
zu, um ihr Maximum im Niveau der Öffnung des Jacobsonschen 
Organs zu erreichen; dann nimmt ihre Höhe wieder ab. 


674 Jen. Bankett: 


Die Nasenhöhlen öffnen sich in die primitive Mundhöhle 
mittels einer etwa 250 u langen engen Spalte, die mit den 
primitiven Choanen in Verbindung steht. Ihre Seitenwände sind 
in der Nähe der Nasenlöcher eben, weiter nach hinten erscheinen 
sie durch Ausbildung der Nasenmuscheln unregelmässig gestaltet. 

GrösstexHöhe sl. in...) sun WIE 
Ganze, Lange 7 22.2 „u weile 
b) Nasenlöcher. 


Die Nasenlöcher erscheinen im Gesicht wie zwei unregel- 
mässige ovale Vertiefungen; im Grunde derselben öffnet sich eine 
Spalte von schräg medio-lateraler und kranio-kaudaler Richtung. 
Diese Spalte ist mit Epithel ausgekleidet und ihr Lumen geht 
frei in die Nasenhöhlen über. Beide Nasenlöcher sind direkt 
nach vorn gerichtet, denn das Nasenläppchen ist noch breit ab- 
geplattet. 

c) Septum narıum. 

Das Nasenseptum ist bereits gebildet. und zwar auf Kosten 
des Stirnfortsatzes. Vorn ist es mit den äusseren Nasenfortsätzen 
verschmolzen und setzt sich ventral in die Processus globulares 
fort; es nimmt somit an der Bildung der Nasenlöcher teil. Im 
Bereiche des Mundhöhlendaches beginnt bereits die Verwachsung 
mit den Gaumenfortsätzen, doch ist das Septum in seiner grössten 
Länge noch frei. 

In seiner ganzen Ausdehnung zeigt sich das Nasenseptum 
in Gestalt eines breiten knospenförmigen Fortsatzes von ungleicher 
Höhe; ventralwärts ist die Höhe ziemlich die gleiche wie seine 
Breite, dorsal aber nimmt es allmählich an Höhe ab, bis es ganz 
schwindet. 

Wir können an der Nasenscheidewand zwei Ränder und 
zwei seitliche Flächen beschreiben. Der kraniale Rand setzt sich 
in seiner ganzen Länge mit der Schädelbasis in Verbindung, von 
der die Scheidewand ausgeht. Der kaudale Rand ist fast in 
seiner ganzen Länge frei; er verdickt sich ventral mehr und 
mehr in Form eines Wulstes, dieser Wulst entspricht der Stelle 
des Jacobsonschen Organs; die Öffnungen dieser beiden Organe 
befinden sich in einer Depression des Septums. Weiter ventral- 
wärts erscheint der Rand wieder schmäler und verbindet sich 
mit den Processus globulares. 


Kopf und bucconasale Bildungen ete. 675 


Die Seitenflächen der Nasenscheidewand sind noch stark 
konvex und verlaufen schräg in kranio-kaudaler und latero- 
medianer Richtung. 

Maße 
Grösste Breite im Bereiche des Jacobsonschen Organs 1,0 mm 
Breite des unteren Teiles, nahe dem ventralen Rande 0,50 
.„ oberen Teiles, nahe dem kranialen Rande . 0,75 
Höhe im Bereiche des primitiven Gaumens . . . 1,0—1,25 . 

Unmittelbar hinter den primitiven Choanen ist das lm 
nur 1 mm hoch, von da nimmt es allmählich noch weiter ab in 
folgender Progression: 


200 u weiter hinter den primitiven Choanen, Höhe — 0.75 mm 
AND: Ha 3: Pr .y ee ss 1100, 2080 
600, 1.40, r he r e ME! 


d) Nasenmuscheln. 


Die Seitenwände der Nasenhöhlen zeigen noch eine fast 
ebene Fläche; nahe bei jedem Nasenloche deutet ein hohler 
epithelialer Fortsatz, der in halber Höhe jeder Höhle gelegen 
ist, die Stelle an, wo sich später der Tränengang öffnen soll. 
In den beiden hinteren Dritteln der Höhle sieht man einen 
starken bogenförmigen Vorsprung, der an beiden Enden sich 
verjüngt, es ist dies die Anlage der unteren Muschel. Der 
Vorsprung ist ventralwärts von einer gut ausgeprägten Furche 
begrenzt, an der Stelle der Vereinigung des Nasenbodens mit 
der seitlichen Wand. Kranialwärts ist die Anlage der unteren 
Muschel ebenfalls durch eine Furche abgegrenzt, die sich in eine 
epitheliale Leiste fortsetzt, welche tief in das Mesoderm eindringt. 
Oberhalb dieser Leiste zeigt ein zweiter bogiger Vorsprung die 
Anlage der mittleren Muschel an. Diese Anlage ist ventral 
durch die schon erwähnte Furche gut begrenzt; dorsal wird sie 
durch eine einfache Epithelleiste mit dem Septum narium verbunden. 

Die Furche, welche die Anlagen der mittleren und unteren 
Muschel trennt, vertieft sich plötzlich in der Gegend der Mündung 
des Jacobsonschen Organs in Form eines dicken, hohlen Epithel- 
sprossen; wir halten diesen Sprossen für die erste Spur der Ober- 
kieferhöhle. Diese Anlage muss wohl lange auf diesem Stadium 
stehen bleiben, da die Kieferhöhle selbst sich erst viel später 
entwickelt. 


676 IA. PRratuelNeibe 


Vor diesem Epithelsprossen erreicht jede Nasenhöhle ihre 
grösste Höhe und die mittlere Muschel verliert sich an der am 
meisten dorsal gelegenen Partie der Seitenwand. Die Furche, 
welche die beiden Muscheln trennt, setzt sich vor der Anlage 
der Kieferhöhle mittels einer seichten Rinne bis gegen die Anlage 
der Öffnung des Tränenkanals fort. 

Im ganzen können wir sagen, dass die Muschelanlagen, die 
unser Embryo von 14,7 mm zeigt, vollständig denen entsprechen, 
welche ©. Peter (13) an einem 15 mm langen menschlichen 
Embryo beschrieben hat. 


e) Primitive Choanen. 

Die primitiven Choanen stellen zwei enge und längliche 
Spalten dar von mindestens 0,1 mm Breite und 0,6—0,7 mm 
Länge: durch sie stehen die Nasenhöhle und die Mundhöhle in 
Verbindung; medianwärts sind sie durch die Ränder des Septum, 
lateralwärts durch die Gaumenfortsätze begrenzt. Die buccale 
Partie der Choanen krümmt sich allmählich nach hinten zu. 

Der Embryo Sch II von His (6) (13,5 mm Länge) unter- 
scheidet sich durch die Dimensionen seiner primitiven Choanen 
erheblich von dem unsrigen; bei dem Hisschen Embryo sind sie 
kurz und enge, bei unserem Embryo lang und enge. 

Die Entfernung zwischen den Nasenlöchern und den Choanen be- 
trägt ungefähr 600 u, die Länge des Septum hinter den Choanen 700 u. 


f) Jacobsonsche Organe. 

Da wir bereits in einer früher erschienenen Arbeit (10) die 
Jacobsonschen Organe behandelt haben, werden wir sie hier 
nur kurz besprechen. Sie erscheinen bei unserem Embryo in 
Form zweier Kanäle von 350 « Länge, die dorsalwärts blindsack- 
förmig endigen und sich ventralwärts in der bereits beschriebenen 
Weise öffnen, so dass ihre Hauptrichtung eine ventro-dorsale ist 
mit einer leichten Biegung kranialwärts. Sie sind mit einem 
geschichteten Zylinderepithel ausgekleidet, Flimmerhaare waren 
an demselben nicht wahrzunehmen; ebensowenig liess sich die 
Spur einer knorpeligen Kapsel erkennen,!) sondern nur eine ein- 


!) Prenant et Bouin (in ihrem Tr. d’Histologie, Bd. II, p. 526, 1911) 
haben einen etwas zweideutigen Satz unserer ersten Publikation (10) falsch 
aufgefasst: Wir sollten die Existenz des Jacobsonschen Knorpels verneint 
haben! — In Wirklichkeit haben wir nur seine Abwesenheit in dem von uns 
beschriebenen Stadium dargestellt (mensch. Embryo 14,7 mm). 


Kopf und bucconasale Bildungen etc. 677 
fache Wucherung von embryonalem Bindegewebe, um die epitheliale 
Anlage herum, jedoch gänzlich unabhängig von derjenigen Ver- 
dichtung dieses Gewebes, welches die Anlage des Skelettes der 
Nasenscheidewand bildet. 

Es sei noch erwähnt, dass zu dem Jacobsonschen Organe 
unseres Embryo bereits Nervenfäden verfolgt werden konnten, die 
direkt vom Vorderhirn ausliefen. 


g) Nasenskelett. 

Das Skelett der Nase lässt sich auf Schnitten bereits als 
eine Verdichtung des Bindegewebes, sowohl im Septum als auch. 
in der Seitenwand, als Anlage der „Nasenkapsel“ erkennen. Die 
Zellen dieses dichteren Gewebes färben sich lebhafter; aber man 
kann noch keine Spur von Knorpelbildung nachweisen. 


VI. Meckelscher Knorpel. 


Die Anlage des Meckelschen Knorpels stellt einen linken 
und rechten knorpeligen Bogen vor, die in der Mitte durch 
ein kompaktes prächondrales Mesenchymgewebe verbunden sind, 
welches sich lebhafter färbt, als das umgebende (Gewebe. Dieses 
prächondrale Gewebe liegt dem Mundepithel näher, als der 
Epidermis; gegen das umgebende Bindegewebe zeigt es keine 
scharfe Grenze. So sind beide Knorpelanlagen doch zu einem 
kontinuierlichen Bogen verbunden. Die Differenzierung des 
knorpeligen Gewebes gegen das prächondrale ist auch eine ganz 
allmähliche. In seinem ventralen Teile zeigt der Knorpel einen 
rundlichen Querschnitt, in seinem dorso-labialen einen ovalen: 
auch verringert sich hier sein Durchmesser allmählich. 

Im medianen und labialen Bereiche liegt der Knorpel sehr 
nahe an der Hautoberfläche. Mehr nach hinten ist er gleich 
weit vom Pharynx wie von der Hautoberfläche entfernt; die 
Eustachische Tube, anfangs weit entfernt vom Meckelschen 
Knorpel, nähert sich ihm gegen das Ohr hin und wird seine Be- 
gleiterin. In der Mittelohranlage finden wir eine Verlängerung des 
Meckelschen Knorpels, die mit einer sich stark färbenden Zellen- 
gruppe endet, die wohl nichts anderes sein kann, als die Anlage des 
Hammers. Es stimmt dies mit der Ansicht von J. Chaine (2). 

Ein genaues Studium des Unterkieferfortsatzes zeigt, dass 
bei unserem Embryo wenigstens, und auch wohl bei anderen 


678 JEnSBlamuilet: 


Embryonen dieses Stadiums, noch keine Spur von Knochengewebe 
vorhanden ist, ebensowenig im Oberkieferfortsatze. Freilich finden 
wir eine Verdichtung des embryonalen skelettbildenden Gewebes 
um den ersten Kiemenbogen herum. Demnach ist der Meckelsche 
Knorpel in diesem Stadium noch der einzige Skelettteil der 
Unterkieferregion. 

Dieulafe und Herpin (3) geben an, dass sie bei mensch- 
lichen Embryonen von 8,12 und 14 mm Länge noch keine Spur 
des Meckelschen Knorpels gefunden hätten und wiederum an 
einer anderen Stelle, dass die Bildung des knöchernen Kiefers 
‚ungefähr gleichzeitig mit der des Meckelschen Knorpels vor 
sich gehe, denn sie hätten Knochenbildung schon bei den Jüngsten 
Embryonen angetroffen, bei denen sie den Meckelschen Knorpel 
gefunden hätten. Aus unseren eben mitgeteilten Befunden folgt, 
dass wir dieser Ansicht nicht beipflichten können: Der knorpelige 
Bogen geht dem knöchernen voraus. 


Literaturverzeichnis. 


1. Branca: Sur le premier developpement des dents et de l’Epithelium 
buccal. ©. R. du 13&me Congres international de Medecine. Section 
d’Histologie et Embryologie. Paris 1900. p. 62—69. 

2, Chaine, J.: Contribution & l’&tude du Cartilage de Meckel. ©. R. de 
la Soc. de Biologie. Paris 1903. p. 207. 

3. Dieulaf& & Herpin: Developpement de l’os maxillaire inferieur. 
Journal de l’Anatomie et Physiologie. Paris 1906. No. 3, p. 239—252. 

4. Hammar: Notiz über die Entwicklung der Zunge und der Mund- 
speicheldrüsen beim Menschen. Anat. Anz., Vol. 19. Jena 1901. 
p. I70— 50. 

5. His, W.: Anatomie der menschlichen Embryonen. Heft III, Zur 
Geschichte der Organe. Atlas. Leipzig 1885. 

6. Derselbe: Beobachtungen zur Geschichte der Nasen- und Gaumen- 
bildung beim menschlichen Embryo. Leipzig 1901. 


7. Keibel, F.: Normentafeln zur Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere. 
VIII. Mensch. Jena 1908. 

8. Kölliker, A.: Embryologie de ’Homme et des Animaux superieurs 
(Traduction francaise). Paris 1882. p. 860. 

9. Legros & Magitot: Origine et formation des dents. Traite de 
l’art dentaire de Harris, Austen & Andrieux. Paris 1884. p. 87. 


10. 


Kl. 


13. 


14. 


Kopf und bucconasale Bildungen etc. 679 


Paulet, J.L.: Contribution a T’etude de l’Organe de Jacobson, chez 
l’Embryon humain. Bibliographie Anatomique. Paris 1908. Vol. XXVI, 
p. 53—53. 

Derselbe: Reconstruction des fosses nasales de la bouche et de ses 
dependances, du Cartilage de Meckel, chez un embryon humain de 
13,5 mm. C.R. de l’Association des Anatomistes. Nancy 1909. p. 292. 
Peter, €C.: Die Entwicklung des Geruchsorgans und Jacobsonschen 
Organs in der Reihe der Wirbeltiere. Bildung der äusseren Nase und 
des Gaumens. Handb. d. vergleich. und experim. Entwicklungsgesch. 
der Wirbeltiere von O. Hertwig. 2e vol., 2e partie, p- 64. 1901. 
Röse, C.: Über die Entwicklung der Zähne des Menschen. Arch. f. 
mikr. Anat., Bd. 38, p. 447. 1891. 

Derselbe: Über die erste Anlage der Zahnleiste beim Menschen. Anat. 
Anz., Vol. VIII, p. 29. 1893. 


Erklärung der Figurenbezeichnungen. 


B. front. — Stirnfortsatz. 

B. max. sup. — Öberkieferfortsatz. 

B. max. inf. — Unterkieferfortsatz. 

B. nas. — Nasenfortsatz. 

B. can. nas. lacr. = Anlage des Canalis naso-lacrymalis. 
Can. Jac. — ‚Jacobsonscher Gang. 

Can. Sten. — Duectus parotideus. 

Can. Wh. — Ductus submaxillaris. 

Cho. pr. — Primitive Choanen. 

Com. lab. — Lippen-Kommissur. 

Cor. inf. — Untere Muschel. 

Cor. moy. — Mittlere Muschel. 

Cr. dent. inf. — Unterkieferzahnleiste. 

Cr. dent. sup. — Oberkieferzahnleiste. 

C. Meck. — Meckelscher Knorpel. 

C. Reich. — Reichertscher Knorpel. 
E-7d2s.lab. — Lippenblindsack. 

C.d. s. gen. — Wangenblindsack. 

C.d.s. con). — Konjunctivalsack. 

D. Can. Jac. — Mündung des Jacobsonschen Ganges. 
Eh. sin. max. — Anlage des Sinus maxillaris. 
F. buce. — Mundspalte 

Fo. nas. onv. — Offene Nasenhöhle. 

Gl. s. max. — Glandula submaxillaris. 

Gl. par. —,.Pärotis. 

H. nas. buc. — Hiatus naso-bucco-pharyngeus. 
Lang. bif. — Zungenspitzenspalte. 


Lob. nas. — Lobulus nasalis. 


680 


J:.E.0Bawlet: 
N. Jac. — Jacobsonscher Nerv. 
N. nas. in. — Ramus nasalis internus (N. ethm.). 
Nar. — Nasenlöcher. 
dc. — Auge. 
Oe. s. max. sup. — Mündung des Sinus maxillaris. 
Or. can. nas. lacr. — Mündung des Tränenganges. 
Or. ext — Äusseres Ohr. 


Org. Jac. 

Plaf. buce. 

Plaf. fo. nas. 
Proc. glob. 

Proc. max. pal. 
Proem. max, sup. 
Sil. nas. fr. 

Sil. lab. lat. 

Sil. lab. med. 


Jacobsonsches Organ. 
Mundhöhlendach. 
Nasenhöhlendach. 
Processus globularis. 
Gaumenfortsatz. 
Vorsprung des Oberkiefers. 
Nasofrontalfurche. 
Laterale Lippenfurchen. 
Mediane Lippenfurche. 


Sil. dent. — Zahnfurche. 
Sept. nar. — Septum narium. 
Sq. nas. — Nasenskelett. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXV und XXVL 


Fig. 


Fig. 


ig. 1 und 2. 


-] 


or 


3). 


(Gesamt - Rekonstruktionsbild des Kopfes im Profil (1) und 
en face (2). 

Rekonstruktionsbild des Epitheliums der Nasenhöhlen und des 
Munddaches. Dorsal-Ansicht. Die linke Nasenhöhle ist eröffnet, 
man sieht darin die Öffnung des Jacobsonschen Ganges, die innere 


Offnung des Nasenloches (Nar.) und die primitiven Ohoanen. 


Dieselbe Rekonstruktion von der ventralen Seite her gesehen. 
Man sieht die bucco-nasale Fuge, die medianen und die lateralen 
Lippenfurchen, die Zahnfurchen und den Wangenblindsack. 


Rekonstruktionsbild des Mundhöhlenbodens und der Zunge, Dorsal- 
Ansicht. Man sieht die Zahnfurche, die Zweispaltung der Zungen- 
spitze und den Meckelschen Knorpel. 


Dieselbe Rekonstruktion, Ventral-Ansicht. Die Zahnleisten, die 


Meckelschen Knorpel. 


Die beiden Rekonstruktionen der Fig. 3 und 5 aufeinandergelest. 
Vorsprung der Oberkieferfortsätze über den Unterkieferfortsatz. 
Mundspalte. Nasenlöcher. Meckelscher Knorpel. Submaxillar- 
drüse. Parotis. 
Epithelial-Rekonstruktion der Nasenhöhle. 
Primitive COhoanen. 
Dieselbe Rekonstruktion. 
des Sinus maxillaris. 


Jacobsonsches Organ. 


Seitenfläche. Epitheliale Knospenanlage 
Epithelialknospe des Tränennasenganges. 


OR 


ie. 11. 


Kopf und bucconasale Bildungen etec. 681 


Dasselbe Modell mit eröffneter Nasenhöhle. Epithel der Nasen- 
scheidewand und Öffnung des Jacobsonschen Ganges. 

Dieselbe Rekonstruktion. Seitenansicht. Untere und mittlere 
Muschel. Öffnung des Tränennasenganges. 

Rekonstruktion der Anlage der Submaxillardrüse. Leistenförmige 
Epithelanlage des Ausführungsganges. Knospenförmige Anlage des 
Drüsenkörpers. 

Rekonstruktion der Parotisanlage. Ausführungsgang und Drüsen- 
körper wie in Fig. 12. 


Tafel XXVI (Schnittbilder). 


(Schnitt Nr. 83.) Submaxillardrüsen. Wangenblindsäcke. Primitive 
Mundspalte. Meckelscher Knorpel. Reichertscher Knorpel. 
(Schnitt Nr. 93.) Wangenblindsack. Parotis. Ductus submaxillaris. 
Meckelscher Knorpel. Zunge. 

(Schnitt Nr. 102.) Unteres Ende des Septum narium. Konjunctival- 
sack. Oberkieferfortsatz. Untere Zahnleisten. Meckelscher Knorpel. 
Unterkieferfortsatz. 

(Schnitt Nr. 104.) Konjunctivalsack. Untere und obere Zahnleisten. 
Oberkieferfortsatz. Lippenkommissuren. Meckelscher Knorpel. 
(Schnitt Nr. 105.) Nasenseptum. Zunge. Oberkiefergaumenfortsatz. 
Zahnleisten. Vordere Enden der Meckelschen Knorpel. 

(Schnitt Nr. 109.) Untere und mittlere Muschel. Oberkiefer- 
fortsätze. Zunge. Obere und untere Zahnleisten. Nasenskelett. 
Konjunctivalsack. 

(Schnitt Nr. 114.) Mittlere und untere Muscheln. Oberkiefer- 
fortsätze.  Oberkiefergaumenfortsätze. Jacobsonsche Organe. 
Jacobsonsche Nerven. Nasenscheidewand. Die doppelte Zungen- 
spitze. Unterkieferfortsatz. 

(Schnitt Nr. 118.) Öffnung des Jacobsonschen Ganges. Nasen- 
septum, - Nasenmuscheln. Epitheliale Anlage des sinus maxillaris. 
Drei Lippenfurchen mit den Processus globulares. Unterkiefer- 
fortsatz. Innerer Nasennerv. 


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683 


Über die Beteiligung der Plastochondrien an der 
Befruchtung des Eies von Ascaris megalocephala. 


Von 
Friedrich Meves in Kiel. 


Hierzu Tafel! XXVII-XXIX. 


Inhalt: Seite 

IDEinleitunsn put ae 0, 7, VIER TIIREET EB an 21085 

Isumntersuchunesmethoder rin... „10 ar ot 

III. Bau der Eizelle unmittelbar vor Eintritt der Bene 689 

IV Ban desaSper minus A 692 
V. Verhalten der männlichen und weiblichen Plastochondrien bei der 

Beiruehtunos er. 4-0 2 N 694 

VI. Zur Entstehung der inneren Perivitellinschicht . . . . . 2... 706 

BER SCHTaS Sal LE a I FT 2 LT FD 708 


I. Einleitung. 


Hensen, welcher 1881 in seiner „Physiologie der Zeugung“ 
die Vererbungslehre zum erstenmal in umfassender Weise physio- 
logisch bearbeitet hat, kommt darin (S. 228) zu dem Resultat, 
dass die bei der Vererbung waltenden Kräfte untrennbar an die 
Form, also an feste Substanzen geknüpft seien. Von diesem Stand- 
punkt aus bezeichnete er (S. 126) die Auffassung O0. Hertwigs, 
welcher (1875) das Wesentliche beim Befruchtungsvorgang in der 
Verschmelzung des Ei- und Samenkerns erblickte, als eine glück- 
liche, insofern als sie „zu den bisher nur in Betracht gezogenen 
chemischen und physikalischen Momenten noch hinzufügt das für 
die Lebenserscheinungen (und die Vererbung) so bedeutsame 
morphologische Moment, dass nämlich die Materie in bestimmter 
Formung mitwirkt“; er betonte aber damals, dass kein Grund 
vorliege, die protoplasmatische Substanz des Zoosperms zu ver- 
nachlässigen. 

Der gleiche Gedanke, dass die erblichen Anlagen nur durch 
feste, nicht durch gelöste Stoffe übermittelt werden können, 
liegt einer der scharfsinnigsten theoretischen Konstruktionen auf 

Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 44 


654 Friedrich Meves: 


biologischem Gebiet, der Idioplasmatheorie Nägelis zugrunde. 
Träger der Erblichkeit ist nach Nägeli (1884) nicht das ge- 
samte feste Plasma, sondern nur ein bestimmter als Idioplasma 
bezeichneter Teil desselben, in dem alle Eigenschaften des aus- 
gebildeten Zustandes „potentiell“ enthalten sind. Diesem Idio- 
plasma schreibt Nägeli die Gestalt von Strängen zu, welche 
sich ihrerseits aus parallelen Reihen von „Micellen“ zusammen. 
setzen. Er nimmt an, dass die Stränge im Organismus ein zu- 
sammenhängendes Netz bilden, sei es nun, dass sie ohne Unter- 
brechung miteinander anastomosieren oder als Stücke von 
begrenzter Länge netzförmig zusammengeordnet sind. 

Dieser rein spekulativ begründeten Theorie schien es nun 
aber an einer morphologischen Grundlage zunächst völlig zu 
fehlen. Letztere glaubten, alsbald nach dem Erscheinen des 
Nägelischen Buches, OÖ. Hertwig und Strasburger, gleich- 
zeitig und unabhängig voneinander, gefunden zu haben. Sie 
sprachen die Hypothese aus, dass das Chromatin nach seinem 
Verhalten bei der Befruchtung als Idioplasma betrachtet werden 
müsse, dass der Zellsubstanz dagegen keine Bedeutung für die 
Vererbung zuzuschreiben sei. 

Es ist bekannt, einen wie ausserordentlichen Beifall diese 
Hypothese gefunden hat und noch heute findet. Alle Mahnungen, 
das Protoplasma nicht zu vernachlässigen, blieben ihr gegenüber 
mehr oder weniger erfolglos. Das Chromatin schien allen An- 
sprüchen an eine Vererbungssubstanz zu genügen. Vor allem 
aber fehlte der positive Nachweis, dass sich im Protoplasma eine 
spezifische Struktur, ein Idioplasma im Sinne Nägelis findet, 
welches bei der Befruchtung mitwirkt. 

Die Frage, welche Struktur hierfür in Betracht kommen 
könnte, stellt uns vor die andere, welche Struktur dem Proto- 
plasma überhaupt zukommt. Es ist bekannt, dass in dieser 
Beziehung lange Zeit zwei Theorien einander gegenüber gestanden 
haben, die Fadenlehre Flemmings (1882) und die Granulalehre 
Altmanns (1890). Ich habe neuerdings beide in der Theorie 
der Chondriosomen oder Plastosomen vereinigt, von denen ich 
gezeigt habe, dass sie bald in Form von Fäden, Chondriokonten 
oder Plastokonten, bald in derjenigen von Körnern, Mitochondrien 
oder Plastochondrien, auftreten. Die Chondriokonten oder Plasto- 
konten sind mit den Fila Flemmings von 1882, die Mitochon- 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 685 


drien oder Plastochondrien mit den Körnern Altmanns identisch 
(Meves, 1907, 2, 1908, 1910, 2; vgl. auch Samssonow, 1910). 

Wenn es bisher nicht zu einer Einigung zwischen Faden- 
und Granulatheorie gekommen war, so lag dies hauptsächlich 
an folgendem: Zunächst mangelte die Erkenntnis, dass es eine 
und dieselbe Substanz ist, welche die Flemmingschen Fila 
von 1882 und die Altmannschen Granula bildet. Ferner legte 
Altmann den Hauptnachdruck auf die Körnerform und erklärte 
alle Fäden für Aneinanderreihungen von Körnern. Flemming 
dagegen schrieb der Fadenform als solcher eine prinzipielle 
Bedeutung zu und meinte, dass, wo Altmannsche Färbungen 
lediglich eine Körnerreihe zeigen, ausserdem noch Substanz 
da sei, welche die Körner der Reihe nach zusammenhält. Be- 
sonders aber wurde eine Verständigung dadurch erschwert, dass 
Flemming irrtümlicherweise die Fadenwerke, die hauptsächlich 
nach saurer Fixierung in den Zellen sichtbar sind, mit den von 
ihm am lebenden Objekt beobachteten Fäden, welche die Grund- 
lage seiner Filartheorie bilden, identifizierte. 

Benda hatte nun schon 1899 gezeigt, dass die von ihm 
so genannten Mitochondrien sowohl im Spermium als auch im 
Ei vorhanden sind, und hatte ihnen auf Grund dieser Fest- 
stellung 1903 eine Rolle bei der Vererbung vindiziert. 

Weiter fand ich selbst (1907, 1, 1908), dass Chondriosomen 
oder, wie ich sie von nun an ausschliesslich nennen werde, 
Plastosomen !) (d.h. Plastokonten oder Plastochondrien) in allen 
embryonalen Zellen gegenwärtig sind und kam zu der Überzeugung, 
dass sie die Anlagesubstanz für die verschiedensten Difterenzierungen 
bilden, die im Lauf der Ontogenese auftreten. Daraufhin habe ich 
dann meinerseits die Plastosomen als die Vererbungsträger des 
Protoplasmas oder als protoplasmatisches Idioplasma angesprochen. 

Eine Reihe von Autoren (Duesberg [1908, 1910], Van 
der Stricht [1908, 1909], Giglio-Tos und Granata [1908], 
3) Die Ausdrücke Plastosomen, Plastokonten, Plastochondrien habe 
ich zuerst 1910, 1, S. 150 in Vorschlag gebracht. Die Bezeichnung Plasto- 
somen hat allerdings den Nachteil, dass sie zu Verwechslungen mit den 
Arnoldschen Plasmosomen Veranlassung geben könnte. Die Plasmosomen 
mögen zwar zum Teil Mitochondrien oder Plastochondrien entsprechen, der 
Mehrzahl nach aber dürften sie Artefakte darstellen, welche durch die von 


Arnold hauptsächlich angewandte „vitale Färbung“ in den Zellen erzeugt 
worden sind. 


44* 


686 Friedrich Meves: 


Lams [1910] u. a.) haben der Annahme, dass die Plastosomen 
bei der Übertragung erblicher Anlagen beteiligt sind, zugestimmt. 

Während ich mich nun noch auf der Suche nach geeigneten 
Objekten befand, an welchen sich die Mitwirkung der Plastosomen 
bei der Befruchtung tatsächlich zeigen liesse, stiess ich, im Frühling 
dieses Jahres (1910), auf eine Abhandlung der Gebrüder L. und 
R. Zoja aus dem Jahre 1891, in welcher sie die Altmannschen 
Bioblasten, von ihnen Plastidulen genannt, bei zahlreichen Proto- 
zoen und in den verschiedensten Zellarten nahezu aller Metazoen- 
gruppen nachweisen. Sie finden sie auch in männlichen und 
weiblichen Geschlechtszellen, darunter Spermien und Eizellen von 
Ascaris megalocephala, und konstatieren, dass bei der Befruchtung 
dieses Tieres die Plastidulen des Spermiums sich mit denjenigen 
des Eies vermengen. 

Diese letztere Angabe war für mich die Veranlassung, 
nun meinerseits die Befruchtung von Ascaris megalocephala mit 
den geeigneten Methoden zu studieren. Es gelang mir sofort, 
auf Grund von Präparaten, die zunächst allerdings noch zu 
wünschen übrig liessen, die Tatsache, dass bei der Befruchtung 
des Ascariseies eine Aussaat männlicher Plastochondrien statt- 
findet, zu bestätigen. Ich habe darüber in einer vorläufigen Mit- 
teilung (1910, 3) kurz berichtet und auf die Bedeutung des 
Befundes hingewiesen. Diese war von den Gebrüdern Zoja 
nicht gebührend gewürdigt worden. Überhaupt scheinen sie auf 
ihre Entdeckung wenig Wert gelegt zu haben, wie daraus hervor- 
geht, dass R. Zoja in seiner Habilitationsschrift aus dem Jahre 1896 
(welche nach dem Tode des Autors von L. Zoja veröffentlicht 
wurde) in sehr ausführlicher Weise auf mehr als 100 Druck- 
seiten den damaligen Stand der Befruchtungsstudien auseinander- 
setzt (wobei dem „Sitz der Vererbung“ ein besonderer Abschnitt 
gewidmet wird), ohne auch nur mit einem einzigen Wort auf 
den von ihm und seinem Bruder bei der Befruchtung des Ascaris- 
eies erhobenen Befund zurückzukommen.') 


!) Nachdem R. Zoja 1. c. anno 19, 1897, S. 17 auseinandergesetzt hat, 
dass der Schwanz des Spermatozoons aus einem für die Vererbung un- 
wirksamen Material zu bestehen scheine, welches vom Eikörper resorbiert 
werde, sagt er mit Bezug auf Ascaris: „Anche negli spermatozoi privi 
di coda (Ascaris) il protoplasma che & in quantit& piuttosto rilevante fa 
l’ impressione di disaggregarsi ed essere assorbito dal vitello.“ 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 687 


II. Untersuchungsmethode. 


Die Pferdespulwürmer, welche mir zur Untersuchung dienten, 
kamen in den meisten Fällen ca. 1°/ı Stunden nach dem Tode des 
Wirts in meine Hände. Sie wurden vom Schlachthof in das Institut 
in einem abgebundenen Darmstück transportiert, welches sorgfältig 
warm gehalten wurde. Letzteres ist nötig, weil, wie Carnoy 
(1887, S. 283—285) und Boveri (1887, S. 20 und 1888, S. 14) 
bereits dargelegt haben, an den reifenden Eiern, die sich normaler- 
weise bei der Körpertemperatur des Wirts entwickeln, infolge von 
Abkühlung leicht pathologische Veränderungen auftreten können. 

Die Darstellung der Plastosomen (Plastochondrien) in den 
Ascariseiern ist mir am besten mit der Altmannschen Methode 
(1890) gelungen. Mit dem Altmannschen Gemisch (2°/oige 
Osmiumsäure und 5°/oige Kaliumbichromatlösung zu gleichen 
Teilen) erhält man von den ersten Entwicklungsstadien bis gegen 
Ende der zweiten Reifungsteilung ausgezeichnete Fixierungen, 
vorausgesetzt, dass man es auf die isolierten Eier einwirken lässt. 


Ich verfahre dabei folgendermassen: Ich zerteile die oberen 
zwei Drittel der beiden Uterusschläuche der Quere nach gemeinsam 
in 3—4 Abschnitte und zerzupfe je zwei parallele Stücke, welche 
die gleichen Entwicklungsstadien enthalten, nachdem ich sie der 
Länge nach aufgeschnitten habe, mit Hilfe von zwei Nadeln in 
einem Glasschälchen mit Fixierungsflüssigkeit.') Auf diese Weise 
erhalte ich 3—4 Portionen von Eiern, welche ich ca. 24 Stunden 
in der Fixierungsflüssigkeit belasse. Alsdann fische ich mit Hilfe 
einer Pinzette die Fetzen der Schlauchwandung zwischen den 
Eiern heraus und giesse die Eier mit der Fixierungsflüssigkeit in 
Zentrifugengläser hinüber, lasse sie in diesen sedimentieren und 
ersetze die Fixierungsflüssigkeit durch destilliertes Wasser, welches 
nnerhalb der nächsten 24 Stunden verschiedene Male gewechselt 
wird. Darauf werden die Eier in Alkohol von steigender Kon- 
zentration übertragen (wobei sie in jedem Konzentrationsgrad 
24 Stunden belassen werden) und dann in Paraffın eingebettet. 

Hierbei muss man, wenn man Schrumpfungen vermeiden 
will, mit äusserster Vorsicht zu Werke gehen, wie auch die Autoren 
übereinstimmend angeben. Die noch innerhalb der Zentrifugen- 
gläser befindlichen Eier werden zunächst ganz allmählich (im Lauf 


!) Dabei ist Benutzung einer Schutzbrille dringend anzuraten. 


685 Friedrich Meves: 


von 24 Stunden) aus dem absoluten Alkohol in das Intermedium 
übergeführt, als welches ich eine Mischung von 3 Vol. Chloroform 
und 1 Vol. Äther benütze. Dann werden sie mit einem Teil der 
Chloroform - Äthermischung in Porzellanschälchen ausgeschüttet, 
welche in Glasdosen eingeschlossen werden. Zu der Chloroform- 
Äthermischung werden nunmehr nach und nach kleine Stücke 
Paraffin hinzugefügt, so lange, bis nach Ablauf einiger Tage eine 
konzentrierte Lösung entstanden ist. Alsdann werden die Porzellan- 
schälchen aus den Glasdosen herausgenommen und auf die obere 
Fläche eines Wärmeschranks gestellt. Hier wird dasselbe Ver- 
fahren (Zusatz von Paraffın bis zum Eintritt der Konzentration) 
wiederholt. Weiter werden die Porzellanschälchen nacheinander 
in das Innere zweier Thermostaten, von denen der eine auf 
40—45°, der andere auf 58° erhitzt ist, aufim ganzen ca. 1'/» Stunden 
hineingebracht, während welcher Zeit die Mischung von Chloroform- 
Äther-Paraffin allmählich durch reines Paraffin von 56° Schmelz- 
punkt ersetzt wird. Darauf wird ein Teil des Paraffins abgegossen 
und der Rest mit dem von den Eiern gebildeten Bodensatz in 
Gelatinekapseln hineingefüllt, und zwar habe ich meistens solche 
von 30 mm Länge (ohne Deckel) und 11 mm Durchmesser ver- 
wandt. Man bringt die Gelatinekapseln alsdann in die Temperatur 
von 58° zurück und wartet, bis die Eier sich am Boden gesammelt 
haben. Schliesslich kommen die Gelatinekapseln in kaltes Wasser, 
in welchem das Paraffın erstarrt, während die Gelatine aufquillt, 
so dass sie sich nunmehr leicht entfernen lässt. 

Die 5 « dicken Schnitte, zu deren Herstellung ich ein vor- 
zügliches Jun gsches Mikrotom neuester Konstruktion (H 3) benutzt 
habe, werden mit Eiweiss, kombiniert mit Wasser, aufgeklebt. 
Nachdem das Paraffın entfernt ist, wird der Objektträger nach 
Altmannscher Vorschrift mit Säurefuchsin-Anilinwasserlösung ') 
in hoher Schicht übergossen und über freier Flamme erwärmt, 
bis Dämpfe aufsteigen; sodann lässt man abkühlen. Dieselbe 
Prozedur wiederholt man noch ein- oder zweimal und lässt dann, 
nach vollständigem Erkalten, die überschüssige Farblösung ablaufen. 

Die Differenzierung mit Pikrinalkohol nehme ich in Gläsern 
und in der Kälte vor. Ich bediene mich dabei der beiden von 
Metzner (1910, S.34) empfohlenen Lösungen, von denen die erste 


!) In 100 cem einer kalt gesättigten und filtrierten Lösung von Anilin 
in Wasser werden 20 g Säurefuchsin gelöst. 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 689 


aus 1 Vol. gesättigter Pikrinsäurelösung in absolutem Alkohol 
und 4 Vol. 20°/oigem Alkohol, die zweite aus 1 Vol. gesättigter 
alkoholischer Pikrinlösung und 7 Vol. 20°/oigem Alkohol besteht. 
Mit der ersten Lösung werden zwei Gläser angefüllt; eins davon dient 
dazu, die dem Öbjektträger anhaftende Farblösung abzuspülen, 
wozu ca. 15 Sekunden ausreichen. Die darauf folgende eigentliche 
Differenzierung mit Hilfe beider Lösungen nimmt im ganzen 
meistens 2—3 Minuten in Anspruch; ich habe jedoch auch schon 
Material verarbeitet, bei welchem sie früher beendet war. 

Nach Abschluss der Differenzierung werden die Schnitte 
sründlich mit 95°/oigem Alkohol ausgewaschen und dann durch 
absoluten Alkohol und Xylol in Kanadabalsam übergeführt. 


III. Bau der Eizelle unmittelbar vor Eintritt der 
Befruchtung. 


Das Ei, welches am Ende des Eileiters angekommen und 
bereit ist, das Spermium aufzunehmen, zeigt bei Anwendung der 
Altmannschen Methode den folgenden Bau. 

Es enthält einen zentral gelegenen Kern, welcher infolge 
der starken Osmierung völlig homogen aussieht; eine meistens 
vorhandene Unregelmässigkeit des Konturs ist wahrscheinlich auf 
Schrumpfung zurückzuführen. 

Im Protoplasma fallen am meisten grosse kugelige (Gebilde 
von verschiedenem Durchmesser auf, die „hyalinen Kugeln“ 
(spheres hyalines) von Van Beneden. Sie zeigen, wie Van 
Beneden (1885, S. 76) bereits beschrieben hat, eine homogene 
dunklere Rindensubstanz und ein gleichfalls homogenes helleres 
Innere, das gewöhnlich exzentrisch verlagert ist und nach Van 
Beneden wahrscheinlich eine mit Flüssigkeit erfüllte Vacuole 
darstellt. Die Rindensubstanz schliesst häufig noch eine oder 
zwei kleinere akzessorische Vacuolen ein. 

Mitunter findet man vereinzelte Kugeln von gleicher Grösse 
wie die spheres hyalines, welche die eben beschriebene Sonderung 
des Inhalts nicht zeigen, sondern von einer gleichartigen Masse 
erfüllt sind, die sich nicht so stark färbt wie die Rindensubstanz 
der spheres hyalines, aber stärker als das helle Innere derselben. 
Es sind die von Van Beneden so genannten gouttelettes 
homogenes, welche einige Zeit nach dem Eintritt der Befruchtung 
häufiger werden, während die spheres hyalines an Zahl abnehmen. 


690 Friedrich Meves: 


Die spheres hyalines erscheinen am lebenden Objekt ausser- 
ordentlich blass; hier springen am meisten glänzende, durch den 
ganzen Zelleib verstreute Dotterkörper in die Augen, welche von 
Van Beneden (8. 30) unter dem Namen der corpuscules refrin- 
gents beschrieben worden sind. Wenn man sie bei starker Ver- 
grösserung untersucht, erkennt man, wie schon Van Beneden 
angibt, dass es sich um kleine Klümpchen von punktförmigen 
Granulis handelt, die durch einen Kitt von annähernd derselben 
Lichtbrechung wie die Granula selbst verklebt werden. Diese 
Klümpchen sind, wie ich finde, von einer feinen Membran um- 
schlossen. Die punktförmigen Granula werden nach Van Beneden 
durch Osmiumsäure nicht gefärbt. Ich habe jedoch öfters mit 
Altmannschem Gemisch fixierte Eier geschnitten, an welchen 
eine Schwärzung eingetreten war. Solche Eier sind für die Unter- 
suchung nicht gut verwendbar, weil hier die corpuscules refringents 
die Wahrnehmung der wesentlichen Strukturen verhindern. In 
Kanadabalsampräparaten von anderem Material dagegen erscheinen 
die corpuscules refringents als helle leere Bläschen (so an den Eiern, 
welche meinen Abbildungen zugrunde liegen). Dies könnte daher 
rühren, dass die geschwärzten Granula durch die weitere Be- 
handlung zur Lösung gebracht sind. Wahrscheinlicher ist mir 
aber, dass eine Schwärzung der Granula ausgeblieben und der 
gesamte Bläscheninhalt infolge starker Aufhellung durch den 
Kanadabalsam unsichtbar geworden ist. 

Sicher sind aber nur ein Teil der kleinen hellen Bläschen, 
die in meinen Figuren zu sehen sind, aufgehellte corpuscules 
refringents; viele davon sind Protoplasmavacuolen, deren Wand 
allerdings häufig so blass ist, dass man sie nur noch eben wahr- 
nimmt. Es ist daher möglich, dass ihre Zahl tatsächlich viel 
grösser ist, als sie in den meisten meiner Figuren erscheint, so 
dass man, wie v. Erlanger (1897, S. 318) behauptet hat, be- 
rechtigt sein würde, von einem Wabenbau der Zellsubstanz zu 
sprechen. 

Wenn man sich nun die deutoplasmatischen Gebilde und 
die Protoplasmavacuolen weggenommen denkt, so bleibt eine 
Grundsubstanz übrig, welche zahlreiche bereits am lebenden Ob- 
jekt sichtbare Granula, die „Microsomen“ Van Benedens 
einschliesst, die sich bei Anwendung der Altmannschen Methode 
intensiv rot färben. Mit Hilfe dieser Methode sind sie schon 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 691 


von den Gebrüdern Zoja (1891, S. 247) dargestellt worden, 
welche sie als Plastidulen bezeichnet haben. Ich nenne sie 
Plastochondrien. Sie finden sich durch den ganzen Zelleib ver- 
streut. Stellenweise bilden sie Gruppen. Ausserdem sind sie, 
wie die Gebrüder Zoja bereits konstatiert haben, unter der Zell- 
oberfläche (an Eiern, die sich erst kürzlich von der Rhachis 
gelöst haben, besonders in der Gegend des sog. disque polaire 
von Van Beneden) und an der Membran des Kerns stärker 
angehäuft. Sie bedecken ferner in grösserer Zahl die Oberfläche 
der spheres hyalines. 


Literatur. Von den bisherigen Untersuchern hat Van 
Beneden bei weitem die genaueste Beschreibung von der Zell- 
struktur des Ascariseies gegeben. Meine Darstellung stimmt mit 
der seinigen der Hauptsache nach überein; die wesentlichste 
Abweichung besteht darin, dass nach Van Beneden (1885, 
S. 81—85 und 356—362) die Plastochondrien oder Microsomen 
durch ausserordentlich zarte Fibrillen miteinander verbunden sind. 
Auf diese Weise soll ein sehr enges Gitterwerk entstehen, dessen 
Knotenpunkte die Plastochondrien darstellen. Ich habe meiner- 
seits von derartigen Fäden nichts gesehen, und scheint mir ihre 
Existenz durch die Art und Weise, wie die Plastochondrien im 
Zellkörper verteilt sind, (besonders aber auch durch ihr späteres 
Verhalten) so gut wie ausgeschlossen zu sein. 

Boveri (1888, S. 60ff.) will nicht behaupten, dass er 
imstande gewesen sei, die sehr komplizierte Konstitution des 
Ascarideneies vollkommen zu analysieren: dies wird nach ihm 
vor allem durch die ausserordentlich wechselnden Bilder erschwert, 
die man mit verschiedenen Reagentien, ja mit einem und dem- 
selben Reagens erhält. „Ich beschränke mich daher‘, sagt 
Boveri, „auf die ganz allgemeine Angabe, dass nach den ver- 
schiedenen Präparaten, die ich gesehen habe, die Zellsubstanz 
aus einer homogenen Grundsubstanz gebildet wird, in der sich 
ein feinfädiges, bald eng- bald weitmaschiges Gerüst ausbreitet. 
Zwischen diesem Fadenwerk sind in die Grundmasse grössere und 
kleinere Dotterkörper, sehr kleine regellos zerstreute Körnchen 
und eine spezifische, je nach dem Entwicklungszustand des Eies 
körnige oder fädige Substanz eingelagert“. Letztere wird von 
Boveri als Archoplasma bezeichnet. 


692 Friedrich Meves: 


Zu dieser Schilderung bemerke ich zunächst, dass ich von 
einem Faden- oder Netzwerk in der Grundsubstanz, wie es übrigens 
auch Carnoy und Lebrun (1897, S. 66) dem Ascarisei zu- 
schreiben, an meinen Präparaten nichts wahrgenommen habe. 
Das ist allerdings durchaus kein Beweis gegen seine Existenz; 
denn es wäre leicht möglich, dass es infolge starker Osmierung 
unsichtbar geworden wäre. Ist aber ein solches Fadenwerk an 
irgendwelchen anderen Reagentienpräparaten vorhanden, so kann 
man andererseits nicht wissen, ob es bereits im lebenden Zu- 
stand existiert. 

Von den „sehr kleinen regellos zerstreuten Körnchen“, 
deren Boveri Erwähnung tut, ist es möglich, dass sie den 
Mierosomen Van Benedens, also Plastochondrien, entsprechen. 
Sicher aber sind die „Archoplasmakörner“ nichts anderes als 
Plastochondrien; jedoch sah Boveri diese erst „während der 
Bildung des ersten Richtungskörpers“ auftreten, wo sie sich um 
das Spermatozoon anhäufen. 


IV. Bau des Spermiums. ‚ 


Van Beneden hat bekanntlich die Spermien, welche man 
im Uterus von Ascaris megalocephala antrifft, in vier durch Zwischen- 
stufen verbundene Typen eingeteilt; er unterscheidet (1883, 
S. 119 ff.) kugelförmige, birnförmige, glockenförmige und kegel- 
förmige Spermien, welche er als aufeinanderfolgende Entwicklungs- 
stadien auffasst. 

Es sei bemerkt, dass nach Alfred Mayer (1908, S. 523) 
die Van Benedensche Entwicklungsreihe nicht in aufsteigender, 
sondern in absteigender Richtung verläuft; „d. h. die einzelnen 
Glieder derselben stellen Stufen in einem Umbildungsprozess 
normaler Spermatozoen vom type conoide dar.“ Den type 
spheroidale betrachtet Alfred Mayer (8.525 Anm.) als Kunst- 
produkt; es handelt sich nach ihm um den Kopfteil eines Spermiums, 
dessen Glanzkörper abgebrochen ist. 

Jedenfalls besteht darüber Einigkeit, dass die kegelförmigen 
Spermien die am vollständigsten ausgebildeten sind. Man unter- 
scheidet an ihnen die Basis als vorderen oder Kopfteil, den zu- 
gespitzten Abschnitt als hinteren oder Schwanzteil. Der Kopfteil 
besteht aus Protoplasma und enthält einen rundlichen, stark färb- 
baren Kern, während der Schwanzteil durch einen kegelförmigen, 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 693 


im lebenden Zustand stark lichtbrechenden Körper, den sogenannten 
Glanzkörper, gebildet wird, der nur von einer dünnen Protoplasma- 
hülle bekleidet ist. 

Das Protoplasma des Kopfteils ist von zahlreichen Körnern 
erfüllt, welche sich bei Anwendung der Altmannschen und 
Bendaschen Methode ebenso wie Plastochondrien färben und 
zweifellos mit solchen identisch sind. Als Altmannsche Körner 
oder Plastidulen sind sie bereits von L. und R. Zoja (1891, 
S. 247), als Mitochondrien von Tretjakoff (1905, S. 425) und 
Alfred Mayer (1908, S. 511) angesprochen worden. Mehr 
vereinzelt finden sich Plastochondrien auch im Schwanzteil in der 
den Glanzkörper umgebenden Plasmahülle. 

Der Glanzkörper tingiert sich bei Anwendung der Altmann- 
schen Methode ebenso wie die Plastochondrien intensiv rot, aber 
vielfach in einer etwas anderen Nuance (mehr zinnoberrot, während 
die Plastochondrien Karminton zeigen). 

Die birn- und glockenförmigen Spermien unterscheiden sich 
von denjenigen des type conoide ausser durch ihre äussere Form 
dadurch, dass sie keinen Glanzkörper besitzen; nach Alfred 
Mayer (S. 524) haben sie ihn durch Resorption verloren. Bei 
vielen derselben enthält der Schwanzteil, wie Alfred Mayer 
zuerst beschrieben hat, und wie ich bestätigen kann, eine helle 
Partie, welche Lage und Grösse des Glanzkörpers nachahmt. 


Literatur. Inder Literatur finden sich zahlreiche Angaben, 
die von der eben gegebenen kurzen Schilderung abweichen oder 
darüber hinausgehen. Ich registriere hier nur folgende: 

Van Beneden beschreibt, dass der Kern von einer helleren, 
fein punktierten (sog. perinucleären) Zone, welche aber auch 
undeutlich sein oder fehlen kann, und einer dunkleren Rindenzone 
umgeben sei. Die Rindenzone enthält Körner, welche nach Van 
Beneden konzentrisch um den Kern herum angeordnet sind, 
in der Weise, dass sie zugleich radiäre Reihen bilden. Sie sind 
untereinander durch Fäden verbunden, so dass Systeme von Linien 
entstehen, von denen die einen radiär, die anderen konzentrisch 
sind. Ebenfalls an der den Glanzkörper umgebenden Plasmahülle 
kann man nach Van Beneden zwei Systeme von sehr feinen 
Linien unterscheiden, an deren Kreuzungspunkten Körner liegen; 
die einen verlaufen in longitudinaler, die anderen in querer Richtung. 


694 Friedrich Meves: 


Ich habe weder eine derart regelmässige Anordnung der 
Körner beobachtet, noch auch Fäden wahrgenommen, welche die 
Körner untereinander verbinden. 

Die Existenz von Fäden wird auch von L. und R. Zoja 
in Abrede gestellt. Nach ihnen kann man beim Vergleich der- 
jenigen Bilder, welche man mit der Altmannschen Methode 
erhält, mit den Spermatozoenabbildungen Van Benedens auf 
den Gedanken kommen, dass die von diesem Autor geschilderten 
Granula nicht den Plastochondrien. sondern der Substanz zwischen 
ihnen entsprechen, dass sie also gleichsam das Negativbild der 
Plastochondrien darstellen. Jedoch will mir ein solcher Irrtum 
von seiten Van Benedens nicht recht glaubhaft erscheinen. 

v. Erlanger (1897, S. 316) schreibt dem Protoplasma des 
Ascarisspermiums einen wabigen Bau zu; die Körner (nach 
v. Erlanger „Deutoplasmakörner“) sollen in den Knotenpunkten 
des Wabenwerks liegen. 

Nach Carnoy und Lebrun (1897, S. 81) wird das Ascaris- 
spermium seiner ganzen Länge und Breite nach von einem Netzwerk 
erfüllt. dessen Knotenpunkte nur wenig verdickt sind. In den 
Maschen desselben ist eine hyaline Masse, ein „Enchylem“ ab- 
gelagert, und zwar im Kopfteil in geringerer Menge, im Schwanz- 
teil dagegen in einer solchen Dichte, dass die Balken des Netzwerks 
unsichtbar werden. Die Körner Van Benedens entsprechen 
nach Carnoy und Lebrun Enchylemkügelchen, welche in den 
Maschen des Netzwerks gelegen sind. — Ich habe von einem 
solchen Netzwerk, wie Carnoy und Lebrun es beschreiben, 
nichts wahrnehmen können. 


V. Verhalten der männlichen und weiblichen Plasto- 
chondrien bei der Befruchtung. 


Bei der Darstellung des Befruchtungsprozesses beschränke 
ich mich im wesentlichen darauf, das Verhalten der Plasto- 
chondrien zu beschreiben. Dagegen lasse ich die Richtungs- 
körperbildung beiseite, weil meine Präparate mir in dieser Be- 
ziehung keine wesentlichen neuen Aufschlüsse gegeben haben. 

Fig. 1 zeigt zwei Geschlechtszellen im Augenblick der 
Kopulation; das Spermium ist bereits eine Strecke weit in die 
Eizelle eingedrungen. Man konstatiert am Spermium eine schon 
von Van Beneden (1883, 8. 162—163) bemerkte Abplattung 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 695 


des Kopfteils, welche häufig mit einer Einbuchtung des Seiten- 
konturs zwischen Kopf- und Schwanzteil einhergeht. 

Van Beneden (1883, S. 179) hat beschrieben, dass 
die Kerne sich an den eingedrungenen Spermien viel weniger 
intensiv als an den freien färben In Übereinstimmung damit 
finde ich an Präparaten, welche nach der Altmannschen Methode 
behandelt sind, dass der Spermienkern bald nach Eintritt der 
Kopulation den Farbstoff sehr leicht abgibt, während er ihn 
vorher zähe festhielt; er erscheint daher in Fig. 1 und ebenso 
in den folgenden Figuren als heller Fieck zwischen den ihn 
umgebenden Plastochondrien. Das kopulierende Spermium in 
Fig. 1 ist bei Einstellung auf den Kern gezeichnet und sind nur 
diejenigen Plastochondrien wiedergegeben, welche bei dieser Ein- 
stellung sichtbar waren. Um dem Leser eine Vorstellung von 
der Menge der Plastochondrien zu verschaffen, welche im Kopf- 
teil des Spermiums vorhanden sind, habe ich in Fig. 2 ein eben 
vollständig eingedrungenes Spermium in der Ansicht von vorn, 
ebenfalls bei Einstellung auf den Kern abgebildet. 

In Fig. 1 ist die Oberfläche des Eikerns, welcher infolge 
der starken Osmierung völlig homogen aussieht, nicht gleichmässig 
gerundet, sondern höckerig. Diese Erscheinung ist möglicherweise 
auf Schrumpfung zu beziehen. Dagegen sind die Spitzen und Zacken 
der Kernmembran in Fig. 2 wohl der Ausdruck davon, dass die 
achromatische Spindel, welche wahrscheinlich mehrpolig angelegt 
wird (vgl. Boveri, 1887, S. 17—13), in Bildung begriffen ist. 

Nach seinem Eindringen bleibt das Spermium zunächst unter 
der Eioberfläche liegen, wobei es sich mit seiner Längsachse 
schräg oder parallel (Fig. 4) zu dieser stellt (vgl. auch Van 
Beneden, 1883, S. 181). Sodann begibt es sich immer tiefer in das 
Innere des Eies hinein, bis es schliesslich den Mittelpunkt desselben 
einnimmt, welchen es gewöhnlich mit dem Schwanzende zuerst er- 
reicht (Fig. 5—10). Gleichzeitig steigt der Kern der Eizelle unter 
Umbildung zur ersten Richtungsspindel an die Oberfläche empor. 

Das Spermium nimmt auf dem Wege zum Eimittelpunkt 
eine mehr oder weniger unregelmässige Form an, wobei es aber 
das Bestreben zeigt, sich der Kugel zu nähern. Jedoch tritt die 
Kugelform erst mehr hervor, nachdem das Spermium die Eimitte 
erreicht hat (Fig. 10—12). Selbst dann behält es noch längere 
Zeit einen stark höckerigen Kontur. Erst nachdem der erste 


696 Friedrich Meves: 


Richtungskörper ausgestossen ist, bildet es eine Kugel mit nahezu 
glatter Oberfläche (Fig. 17, 18). 

In der Protoplasmastruktur des Spermiums vollziehen sich 
dabei folgende Veränderungen: 

Wenn ein Glanzkörper vorhanden ist, so beginnt dieser 
gleich nach dem Eindringen des Spermiums an Volumen abzu- 
nehmen; dabei gibt er seine Kegelform auf und wird kugelig (vergl. 
Van Beneden, S. 242). Die ihn umgebende Protoplasmaschicht 
zieht sich in demselben Maß, wie er kleiner wird, um ihn zusammen, 
wobei sie erheblich an Dicke zunimmt (Fig. 5 und 6). Manchmal 
vermag sie aber anscheinend nicht schnell genug zu folgen, so dass 
in der Umgebung des sich verkleinernden Glanzkörpers ein heller, 
wahrscheinlich mit Flüssigkeit erfüllter Raum auftritt (Fig. 7). 
Nach vollständigem Schwund des Glanzkörpers hinterbleibt vielfach 
im Spermium anfangs noch eine kleine helle Höhle (Fig. 8). Später 
ist auch von dieser nichts mehr wahrzunehmen. 

Sobald das Spermium von der Eizelle aufgenommen ist, 
treten Plastochondrien zuerst vereinzelt (Fig. 3), später (Fig. 4ff.) 
in immer grösserer Zahl, aus dem Innern des Spermiums an die 
Oberfläche desselben heraus, so dass diese schliesslich vollständig 
von ihnen bedeckt ist. Die an die Oberfläche getretenen Plasto- 
chondrien erscheinen auf einem optischen Schnitt durch das 
Spermium wie ein Saum, welcher von den im Innern zurück- 
gebliebenen, die hauptsächlich um den Kern gruppiert liegen, 
durch einen grösseren Zwischenraum getrennt ist. Gleichzeitig 
erfahren ein Teil der herausgetretenen Plastochondrien, besonders 
alle diejenigen, welche an der Oberfläche des Schwanzteils liegen, 
eine Zerlegung in kleinere Körner, welche nicht grösser sind 
als diejenigen der Eizelle. Ebenso zerlegen sich die Plasto- 
chondrien, welche im Innern des Schwanzteils zurückgeblieben 
sind. Im ganzen Bereich des Kopfteils dagegen bleiben sie 
durchweg mehr gross. Dieser Umstand ermöglicht es, Kopf- und 
Schwanzteil des Spermiums noch mit Sicherheit zu unterscheiden, 
nachdem die Gestalt des Spermiums sich bereits stark der Kugelform 
genähert hat (Fig. 10). Auf einem weiteren Stadium (Fig. 11, 12) 
zerlegen sich die grossen Plastochondrien im Innern des Spermiums, 
welche hauptsächlich um den Kern angehäuft liegen, ebenfalls. 
Das Spermium ist nun von kleinen Plastochondrien (von der 
Grösse derjenigen der Eizelle) dicht durchsetzt. 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 697 


Während diese Vorgänge sich am Spermium abspielen, 
beginnen die Plastochondrien der Eizelle Lageveränderungen zu 
zeigen, wesentliche aber erst dann, wenn die Richtungsspindel 
die Eimitte verlässt, um dem Spermium Platz zu machen (Fig. 7). 
Das Spermium dreht, indem es sich dem Eizentrum nähert, seine 
Schwanzspitze regelmässig gegen dieses. Um diese Schwanzspitze 
als Mittelpunkt beginnen nun die Plastochondrien der Eizelle 
sich anzusammeln. Die Ansammlung wird immer stärker. Nach- 
dem das Spermium den Mittelpunkt des Eies eingenommen hat, 
häufen sich die Plastochondrien auf allen Seiten um das Spermium 
an, so dass sie eine vollständige Umhüllung desselben bilden, 
während sie sich aus den peripheren Teilen der Eizelle mehr und 
mehr zurückziehen (Fig. 8—12). Es ist übrigens möglich, wenn 
es sich auch nicht konstatieren lässt, dass männliche Plasto- 
ehondrien sich schon auf diesen Stadien von der Spermienoberfläche 
ablösen und sich unter die Plastochondrien der Eizelle mischen. 

Nachdem die Plastochondrienansammlung um das Spermium 
vollständig geworden ist, weist sie in der Regel gegenüber dem 
zentralwärts gekehrten Ende der ersten Richtungsspindel eine 
Einbuchtung auf. Sie wird von zahlreichen anscheinend leeren 
Bläschen durchsetzt, welche wahrscheinlich aufgehellten corpus- 
eules refringents entsprechen.') Die „hyalinen Kugeln“ Van 
Benedens, unter denen solche mit gleichartigem Inhalt (goutte- 
lettes homogenes) zahlreicher geworden sind. finden sich nunmehr 
auf eine periphere Zone der Eizelle beschränkt, in welcher man 
nur noch vereinzelte Plastochondrien wahrnimmt. 

Auf einem weiteren Stadium (Fig. 13) zieht die Kugel der 
Eiplastochondrien sich enger um das Spermium zusammen. Gleich- 
zeitig beginnen die Plastochondrien, welche das Spermium durch- 
setzen, offensichtlich in das Eiprotoplasma überzutreten. Zu- 
nächst wird die Mitte des Spermiums von Körnern frei; dagegen 
häufen sie sich in der Peripherie des Spermiums und in der 
Umgebung desselben im Eiprotoplasma an. Auf diese Weise 
entsteht folgendes Bild: Die körnerfreie Mitte des Spermiums 
wird von einer sehr körnerreichen Zone eingefasst, welche über 


!) Die corpuscules refringents sind an den Präparaten, welche meiner 
Schilderung zugrunde liegen, von flüssigkeitshaltigen Vacuolen, wie ich bereits 
oben bemerkt habe, nicht zu unterscheiden, so dass ich nicht in der Lage 
bin, über ihr Verhalten bestimmte Auskunft zu geben. 


698 Friedrich Meves: 


den Rand des Spermiums in das Eiprotoplasma hinübergreift und 
den Kontur des Spermiums verdeckt. Nach aussen grenzt sie 
sich mit unregelmässig zackigem Kontur gegen eine weniger 
körnerreiche Zone ab, in welche wahrscheinlich erst wenige oder 
gar keine männliche Plastochondrien gedrungen sind (Fig. 13, 14). 
Der Spermienkern, welcher auf den bisherigen Stadien nur als 
ein von Plastochondrien freier heller Fleck wahrnehmbar war, 
tritt nunmehr (bei Anwendung der Altmannschen Methode) als 
bräunlicher Körper in der Mitte des Spermiums hervor (Fig. 14). 

Während nun die erste Reifungsteilung ihrem Ende ent- 
gegengeht (unter gleichzeitigem Schwund der gouttelettes homo- 
genes, welche an Stelle der hyalinen Kugeln getreten sind), wandern 
immer mehr Plastochondrien aus dem Spermium in das Ei- 
protoplasma aus, so dass der körnerfreie Teil des Spermiums 
immer grösser wird (Fig. 15, 16). Allmählich tritt der Kontur 
des Spermiums wieder deutlich hervor (Fig. 16). Bald (Fig. 17) 
sind im Innern nur noch vereinzelte Körner zurückgeblieben, 
welche aber gleichfalls noch ihren Weg in das Eiprotoplasma 
nehmen. Andere zahlreichere und zum Teil grössere Körner, 
welche noch die Oberfläche des Spermiums besetzen, lösen sich 
von dieser ebenfalls ab. Schliesslich hat das Spermium seine sämt- 
lichen Plastochondrien an das Eiprotoplasma abgegeben (Fig. 18); 
das Spermienprotoplasma, welches den Spermienkern umgibt, be- 
steht nunmehr ausschliesslich aus „Grundmasse“ oder „Zwischen- 
substanz“ (vergl. S. 708). 

Schon vor diesem Zeitpunkt ist der Unterschied zwischen 
den vorhin erwähnten beiden Körnerzonen vollständig geschwunden, 
was als ein Zeichen dafür gelten kann, dass die männlichen 
Plastochondrien sich gleichmässig überallhin verbreitet haben. 

Aus theoretischen Gründen muss angenommen werden, dass, 
nachdem die männlichen und weiblichen Plastochondrien sich ge- 
mischt haben, früher oder später je ein männliches und weibliches 
Korn miteinander verschmelzen. Es ist nun in der Tat vielfach 
unverkennbar, dass die Plastochondrien, welche nach Beendigung 
der ersten Richtungsteilung das Spermium umgeben, im Vergleich 
mit denjenigen früherer Stadien nicht unerheblich grösser sind. 
Ferner scheint mir, dass gleichzeitig eine Abnahme ihrer Zahl 
stattgefunden hat. Immerhin muss man wohl die Möglichkeit im 
Auge behalten, dass diese Erscheinungen auf Rechnung einer 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 699 


(uellung zu setzen sind, welche eingetreten sein könnte, weil das 
fixierende Reagens die auf diesen Stadien bereits stark verdickte 
Dotterhaut erst nach Ablauf einiger Zeit zu durchdringen vermag. 

Nachdem der Protoplasmakörper des Spermiums von sämt- 
lichen Plastochondrien ausgeräumt ist, verlässt er, kleiner werdend, 
mit dem in ihm enthaltenen Spermakern das Eizentrum und 
steigt gegen die Eioberfläche empor; dort habe ich ihn häufig 
in der Nähe der zweiten Richtungsspindel angetroften. 

Seine weiteren Schicksale habe ich bisher nur an Präparaten 
verfolgen können, welche nach anderen Methoden als der Alt- 
mannschen hergestellt waren. Dabei ergab sich eine völlige 
Übereinstimmung mit der Beschreibung Van Benedens (1883, 
S. 304; vergl. auch Van Beneden und Neyt, 1887, S. 222), 
welche auch Boveri (1888, S. 43 und 44) bestätigt hat. 
Nach Van Beneden wird der Protoplasmakörper von dem 
wachsenden Spermakern wie ein Kleidungsstück abgeworfen. 
Zuerst bildet er noch eine partielle Umhüllung des Vorkerns in 
Gestalt einer Kalotte mit unregelmässiger Oberfläche; später 
trennt er sich vollständig von ihm ab. Sein Volumen wird als- 
dann rapide kleiner. Schliesslich verschwindet er, indem er von 
dem Eikörper resorbiert wird. 


Literatur. Van Beneden hat die Veränderungen, welche 
sich nach seinen Beobachtungen bei der Befruchtung des Ascariseies 
am Protoplasma des Spermiums und an demjenigen der Eizelle 
abspielen, ausführlich geschildert; jedoch ergeben sich hinsichtlich 
der Plastochondrien zu meinen Befunden wenig Beziehungen. 

Nach Van Beneden (1883, S. 176) gewinnt die proto- 
plasmatische Substanz des Spermiums im Augenblick der Kopu- 
lation, besonders aber hinterher, eine starke Affinität für Farb- 
stoffe. Es hat wohlan der von mir vorwiegend benutzten Methode 
gelegen, dass ich von dieser auch von anderer Seite (z. B. von 
A. Schneider, 1883, S. 5) erwähnten Erscheinung nichts wahr- 
genommen habe. 

Dagegen kann ich Van Benedens Angabe (8. 177), dass 
an den kopulierenden Spermien die von mir als Plastochondrien 
bezeichneten Körner sich in regelmässigen Reihen anordnen, von 
denen die einen parallei der Eioberfläche, die anderen senkrecht 
dazu gestellt sind, nicht für zutreffend halten. 

Archiv. f. mikr. Anat. Bd. 76. 45 


700 Friedrich Meves: 


Wenn Van Beneden weiter sagt, dass die Körner in den 
freien Spermien verhältnismässig gross und stark glänzend sind, 
nach erfolgter Kopulation aber viel kleiner und im allgemeinen 
sehr wenig deutlich werden, so mag hier eine richtige Beobachtung 
zugrunde liegen. Wenn er aber findet (S. 177), dass es an den 
eingedrungenen Spermien häufig sogar unmöglich sei, die Körner 
zu unterscheiden, und dass das Protoplasma wenigstens dem 
Anschein nach homogen werde, so wird dieser Anschein durch 
die Altmannsche Methode jedenfalls widerlegt. 

Während der Bildung des ersten Richtungskörpers teilt sich 
nach Van Beneden (S. 245) das Protoplasma des Spermiums (ab- 
gesehen von der hellen „perinucleären Zone“,!) welche unverändert 
bleibt) in zwei Teile: einen „chromophilen“ Teil, welcher sich 
um die perinucleäre Zone in Form eines Hofes (aur&ole) ansammelt 
und aus grossen glänzenden färbbaren Kügelchen besteht, und 
einen an der Peripherie gelegenen „achromophilen“ Teil, dessen 
äussere Grenze den häufig schwer zu unterscheidenden Kontur 
des Spermiums bildet. 

Von den „färbbaren Kügelchen“, welche nach Van Beneden 
den Hof (aur&ole) zusammensetzen, wird man geneigt sein, an- 
zunehmen, dass sie Plastochondrien entsprechen, wie sie in mehreren 
meiner Figuren den Spermienkern in Form eines Kranzes umgeben. 
Gegen diese Annahme spricht aber, dass das Aussehen des Sper- 
mienprotoplasmas nach Van Beneden (S. 273—275) über das 
Ende nicht nur der ersten, sondern auch der zweiten Reifungs- 
teilung hinaus im wesentlichen dasselbe bleibt. Van Beneden 
leitet seine „färbbaren Kügelchen“ ferner nicht von den Körnern 
ab, welche im Protoplasma der freien Spermien vorhanden sind, 
sondern hält sie augenscheinlich für Neubildungen. 

Das Protoplasma des Eies gewinnt nach Van Beneden 
(S. 235 und 236) im Beginn der ersten Richtungsteilung, nach- 
dem das Spermium seine zentrale Lage angenommen hat, in der 
Umgebung des letzteren eine körnige Beschaffenheit, welche, wenn 
ich Van Beneden richtig verstehe, durch Dottergranula bedingt 
sein soll, welche auf Kosten von gouttelettes homogenes entstehen. 
Van Beneden hat demnach nicht erkannt, dass die Körner, 
weiche sich um das Spermium anhäufen, bereits in der un- 

!) Die Existenz derselben wurde von Boveri (1888, S. 42), welchem 
ich mich anschliesse, in Abrede gestellt. 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 701 


befruchteten Eizelle vorhanden sind und den von ihm so genannten 
Microsomen entsprechen. 

Boveri (1888, S. 19) findet, dass Van Beneden die Ver- 
änderungen, welche das Spermium vom Moment des Eindringens 
in das Ei bis zur Ablösung des zweiten Richtungskörpers in seiner 
Form und Protoplasmastruktur erleidet, vorzüglich 
beschrieben habe. Er erklärt, dass er dieser Schilderung nichts 
hinzuzufügen wüsste. Auch er sei, gleich Van Beneden, zu 
der Überzeugung gelangt, dass diese Umbildungen im Sinne einer 
langsamen Entartung und Auflösung aufzufassen seien. 

Im Eiprotoplasma bildet nach Boveri (1888, 8. 60 ff.) 
die von ihm als Archoplasma bezeichnete Substanz, welche bei 
Behandlung der Eier mit Pikrinessigsäure der Verquellung allein 
Widerstand leistet, „nach der Ausscheidung der zweiten Perivitellin- 
hülle“, d.h. nach Boveri „zwischen der Abtrennung des ersten 
und zweiten Richtungskörpers“ einen dichten kugeligen Hof um 
das im Zentrum des Eies gelegene Spermatozoon. Nachdem man 
diese Substanz erst einmal als spezifisch erkannt hat, lässt sich 
ihr Vorhandensein auch in jenen früheren Stadien der Eireifung, 
wo die Pikrinessigsäure eine Isolierung noch nicht bewirkt, mit 
Sicherheit konstatieren. „Schon während der Bildung des ersten 
Richtungskörpers finden wir das Archoplasma, wenn auch weniger 
verdichtet und nach aussen sich allmählich verlierend, um das 
Spermatozoon angehäuft“; noch früher dagegen ist es nicht nach- 
zuweisen. Damit soll jedoch seine Existenz auf früheren Stadien 
durchaus nicht in Abrede gestellt werden. „Die optischen Eigen- 
schaften dieser Substanz sind eben so wenig charakteristisch, dass 
dieselbe unter den anderen Strukturen der Zelle nur in dichter 
Häufung hervortreten kann.“ 

Es bedarf wohl keines Hinweises mehr, dass diese Archo- 
plasmakugel Boveris mit der oben geschilderten Plastochondrien- 
ansammlung identisch ist. Nach Boveri ist sie aber bis zuletzt 
ausschliesslich ovogenen Ursprungs, während sie tatsächlich gegen 
Ende der ersten Reifungsteilung einen erheblichen Zuwachs durch 
Körner gleicher Art erfährt, welche aus dem Spermium auswandern. 

Wenn Boveri das Archoplasma als eine „je nach dem 
Entwicklungszustand des Eies körnige oder fädige Substanz“ 
bezeichnet, so ist dies in dem Sinne, in welchem Boveri es 
meint, wahrscheinlich nicht richtig. Fädig soll es nach Boveri 


45* 


1702 Friedrich Meves: 


im Beginn der ersten Furchungsteilung werden, wo die Archo- 
plasmakörner, welche um die Centrosomen angesammelt sind, sich 
in radialen Reihen anordnen; sie sollen alsdann durch Fäden mit- 
einander in Verbindung treten. Ich glaube demgegenüber, dass 
die um die Üentrosomen angesammelten Archoplasmakörner 
zwischen den Fäden der Polstrahlung liegen; die grösste Anzahl 
derselben bleibt überhaupt im Zellkörper verstreut. Immerhin 
war die Bezeichnung des „Archoplasmas“ als einer bald körnigen, 
bald fädigen Substanz zutreffend, insofern als dieselbe Materie, 
aus welcher die Körner in den Ovocyten geformt sind, in den 
Zellen der Wachstumsperiode, wie schon L. und R. Zoja (1891, 
S. 246) angeben, lange, vielfach gewundene und verschlungene 
Fäden bildet. 

Die Gebrüder L. und R. Zoja haben 1891 zum erstenmal 
auf die Tatsache hingewiesen, dass bei der Befruchtung des Ascaris- 
eies eine Vermischung zwischen männlichen und weiblichen 
„Plastidulen“ stattfindet. Ihre Beschreibung (S. 247 und 248) 
lautet in freier Übersetzung, aber unverkürzt, folgendermassen: 

Die Plastidulen des Spermatozoons behalten längere Zeit 
ihre Anordnung und ihr charakteristisches Aussehen bei, indem: 
sie viel grösser als diejenigen des Eies bleiben. Letztere, welche 
zuerst nicht sehr zahlreich und in der Umgebung des Kerns, des 
Spermatozoons und der hyalinen Kugeln zu sehen waren, wachsen 
während der letzten Phasen der figure ipsiliforme von Van Beneden 
(wenn die hyalinen Kugeln eine periphere Lage annehmen) ausser- 
ordentlich an Zahl und hüllen das ganze Spermatozoon ein ebenso 
wie, wenn auch in geringerer Anzahl, die figure ipsiliforme; um 
diese herum sind sie schon auf den vorhergehenden Stadien 
deutlich sichtbar; und zwar findet man sie entsprechend den 
Radien der Strahlungen angeordnet, welche an den beiden Armen 
des Y auftreten. Wenn im Ei ein radiäres Aussehen erkennbar 
ist, beteiligen sich die Plastidulen in bemerkenswerter Weise daran, 
es hervorzurufen. Sie liegen in dem grobmaschigen protoplasma- 
tischen Reticulum, welches Van Beneden beschreibt, und ver- 
mehren sich auch hier; auf denjenigen Stadien, wo sie im Ei 
verstreut sind, ist es jedoch leicht zu erkennen, dass erhebliche 
Teile in den verschiedenen Trabekeln des Reticulums frei von 
ihnen bleiben. Wenn nun die zahlreichen Plastidulen das Sperma- 
tozoon umschliessen, bleibt dieses zuerst noch gut individualisiert; 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 703 


aber dann sieht man seine Plastidulen weniger deutlich werden 
und sich unmerklich mit denjenigen des Eies mischen. Wie dies 
vor sich geht, haben die Gebrüder Zoja nicht erkennen können. 
Nachdem der weibliche Vorkern sich gebildet hat, sieht man ihn 
auf einigen Stadien von einer breiten Zone umgeben, die fast 
gänzlich frei von Plastidulen ist; diese häufen sich vielmehr noch 
in der Umgebung des männlichen Elements an. 

Auf S. 267 fassen die Gebrüder Zoja ihre Beobachtungen 
noch einmal zusammen: „Per quanto riguarda la fecondazione, 
abbiamo osservato, che, quando lo spermatozoo dell’ Ascaris 
magalocephala entra in copulazione, ..... i plastiduli dello 
spermatozoo restano individualizzati, fino a che, incominciando 
la formazione del pronucleo femminile, pare si confondano con 
quelli del protoplasma dell’ uovo; ma non abbiamo nessuna 
osservazione sul come si comportino in seguito e quale impor- 
tanza possano avere nel costituire la prima cellula dell’ embrione“. 

Der eben wiedergegebenen Darstellung kann man wohl den 
Vorwurf nicht ersparen, dass ihr Details allzusehr fehlen; ausser- 
dem lassen die beigegebenen Figuren sehr zu wünschen übrig. 
Dass die Plastochondrien der Eizelle, indem sie sich um das 
Spermium ansammeln, gleichzeitig an Zahl zunehmen, kann ich 
nicht als erwiesen ansehen: immerhin will ich es als möglich 
zugeben. Dagegen ist es sicher irrtümlich, wenn der Zeitpunkt, 
zu welchem die Mischung zwischen männlichen und weiblichen 
Plastochondrien vor sich geht, von den Gebrüdern Zoja auf den 
Beginn der Bildung des weiblichen Vorkerns festgesetzt wird‘ 
wie wir gesehen haben, erfolgt sie schon gegen Ende der ersten 
Reifungsteilung. 

Nach v. Erlanger (1897, S. 319—321) wird kurz nach 
dem Eindringen des Spermiums die „Alveolarschicht des Schwanz- 
fortsatzes“ aufgelöst, so dass der kugelförmig gewordene Glanz- 
körper nunmehr unmittelbar im Eiplasma liegt. Wenn das Ei- 
zentrum erreicht ist, zerfällt auch die protoplasmatische Hülle 
des Spermakerns. Sie schickt zuerst pseudopodienartige Fortsätze 
aus, welche dem Kopfteile das Aussehen einer Amöbe verleihen, 
und wird dann aufgelöst, wobei die Körner, welche in den Knoten- 
punkten der Alveolen gelegen waren, sich im zentralen Eiplasma 
zerstreuen und um den Spermakern einen dunklen Hof bilden, 
welchen v. Erlanger als Detrituszone bezeichnet. „Der Körner- 


704 Friedrich Meves: 


haufen im Eizentrum hat einen weit grösseren Durchmesser als 
derjenige des Spermakopfendes, was darauf beruht, dass die 
Körner im Eiprotoplasma anschwellen und weniger dicht an- 
einandergelagert sind“ (S. 413). Zunächst liegt aber der Sperma- 
kern nicht ganz frei in diesem Körnerhaufen, sondern steckt noch 
zur Hälfte in einem Rest des Kopfteils, aus dem er sich erst 
allmählich herausarbeitet. Der Rest des Kopfteils bleibt in Gestalt 
eines vertieften Napfes oder einer Kalotte längere Zeit, öfters 
noch eine Weile nach der Konjugation der Vorkerne, bestehen. 

v. Erlanger lässt also die zentrale Körnerkugel aus- 
schliesslich aus Körnern entstehen, welche aus dem Kopfteil 
des Spermatozoons frei werden. Richtig ist, dass die Plasto- 
chondrien des Spermiums, wenn auch wohl nicht von vornherein, 
so doch von einem bestimmten Zeitpunkt an, am Aufbau der 
Körnerkugel teilnehmen. Es ist daher immerhin möglich, dass 
der Angabe v. Erlangers eine halbwegs zutreffende Beobachtung 
zugrunde liegt. — Dass ich die Bezeichnung der Plastochondrien- 
ansammlung als „Detrituszone“ ablehne, brauche ich nicht zu 
erwähnen. 

Carnoy wollte schon 1886 (S. 69) bei Behandlung der 
Ascariseier mit Methylgrün, Bismarckbraun und anderen Farb- 
stoffen konstatiert haben, dass sich bei der Befruchtung das 
„mächtige Reticulum“ der männlichen Zelle innig mit demjenigen 
des Eies vereinige, nachdem das Enchylem, welches in den 
Maschen des Spermiumnetzwerkes enthalten sei, sich in dem 
Eizellenenchylem gelöst habe. 

Eine detaillierte Beschreibung dieses angeblich zu beob- 
achtenden Vorgangs wird in einer Arbeit von Oarnoy und 
Lebrun (1897, S. 85—93) gegeben. Nach Carnoy und Lebrun 
verlieren der Kopfteil des eingedrungenen Spermiums und die 
periphere Portion des Schwanzkegels sehr bald den grösseren 
Teil ihres „Enchylems“, welches erweicht und sich allmählich 
auflöst. Das Netzwerk des Spermiums breitet sich im Eiprotoplasma 
aus, wobei es unregelmässige Fortsätze aussendet. Das Enchylem 
löst sich entweder an Ort und Stelle oder es wird aus den Maschen 
des Netzwerks nach aussen ausgetrieben, wo es den Netzbalken 
in Form unregelmässiger schwarzer Körper anklebt. Man erkennt 
nun alsbald in der Umgebung des Spermakerns zwei Höfe von 
verschiedenem Aussehen: einen zentralen sternförmigen dunkleren 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 705 


und einen äusseren helleren Hof; letzterer ist von sehr ver- 
schiedener Breite; er kann bis an die Peripherie des Eies reichen. 
In den Fortsätzen des zentralen Hofes bemerkt man Kügelchen, 
die sich mit Eisenhämatoxylin stark schwarz färben; sie sind 
durch Verschmelzung der kleinen, aus dem Spermium ausge- 
triebenen enchylematösen Maschen entstanden, welche sich ver- 
einigen, sobald sie einander begegnen. Der zentrale Hof kommt 
durch eine Verschmelzung oder innige Mischung des Sperma- 
reticulums mit dem Eiprotoplasma zustande. Im Bereich des 
äusseren Hofes dagegen sind die Trabekel des Eiprotoplasmas 
durch die Wirkung derjenigen Substanzen modifiziert, welche aus 
dem Spermium in das Ei übergetreten sind. 

Später verschwindet der Unterschied zwischen den beiden 
Höfen, indem der zentrale Hof mit den in ihm enthaltenen 
Enchylemgranula sich immer weiter ausbreitet, bis er schliesslich 
die Eiperipherie erreicht. Das Eiprotoplasma, welches vorher 
(zur Zeit der Richtungskörperbildung) von zum Teil sehr grossen 
Vacuolen erfüllt war und ein sehr spärliches Netzwerk besass, 
ist nunmehr umgekehrt arm an Vacuolen, sein Reticulum ist stark 
gewuchert und sehr dicht. 

Auf die „Wucherungsperiode“ folgt nach Carnoy und 
Lebrun eine solche der „Ausarbeitung“, welche zur Bildung 
eines Netzwerks mit grösseren und weniger zahlreichen Maschen 
und dickeren Bälkchen führt. 

Fragt man, ob das Netzwerk des Spermiums wirklich (wie 
Carnoy 1836 behauptet hatte) mit demjenigen des Eiprotoplasmas 
verschmilzt, so lässt sich nach Carnoy und Lebrun darauf 
antworten, dass es jedenfalls, wenn es sich im Ei ausbreitet, mit 
den Trabekeln des Eiprotoplasmas in Kontinuität tritt. Aber 
selbst, wenn es schwinden sollte, so wird doch die ursprüngliche 
Struktur des Eiprotoplasmas unter dem Einfluss des Spermiums 
vollständig umgemodelt. 

Diese Darstellung von Carnoy und Lebrun erscheint als 
ein Versuch, eine Beteiligung des Protoplasmas bei der Befruchtung 
zu erweisen, wobei die Hauptrolle einem angeblich in dem 
Spermium enthaltenen Netzwerk zuerteilt wird; sie muss aber 
schon deshalb als verfehlt bezeichnet werden, weil der Proto- 
plasmakörper des Spermiums nach Ablauf der ersten Reifungsteilung 
zwar seine Plastochondrien abgegeben hat, im übrigen aber noch 


706 Friedrich Meves: 


völlig intakt erscheint (Fig. 17). Nach Carnoy und Lebrun 
(S. 89) soll dieser Körper, das spätere „Residuum des Spermien- 
protoplasmas“ von Van Beneden, allerdings einen Teil des 
Glanzkörpers darstellen; aber davon kann keine Rede sein. 


VI. Zur Entstehung der inneren Perivitellinhülle. 


Anhangsweise möchte ich hier noch einer Erscheinung ge- 
denken, welche an den Eiern der Fig. 16—18 zu beobachten ist. 
In Fig. 16, also auf einem Stadium kurz vor Ausstossung des 
ersten Richtungskörpers, ist zwischen der Oberfläche des Eies 
und der „äusseren Perivitellinhülle“ eine homogene, durch die 
Altmannsche Methode stark bräunlich gefärbte Substanz auf- 
getreten, welche offenbar eine Abscheidung der Eizelle darstellt. 
Später, nach Beendigung der ersten und im Beginn der zweiten 
Reifungsteilung (Fig. 17 und 18), wandern nun Plastochondrien, 
die sich von der überwiegenden Mehrzahl der übrigen durch 
geringere (Grösse unterscheiden, aus dem Eikörper aus und in 
diese ausgeschiedene Substanz hinein. Wenn es richtig ist, dass 
die durchschnittliche Vergrösserung der Plastochondrien in den 
Fig. 17 und 18 darauf beruht, dass männliche und weibliche Körner 
miteinander verschmolzen sind, so könnte man annehmen, dass 
es sich bei diesen auswandernden Plastochondrien um solche 
handelt, welche ungepaart geblieben sind. 

Beide Erscheinungen, die Ausscheidung der homogenen 
Substanz und die Auswanderung der Plastochondrien, stehen nach 
meiner Meinung mit der Bildung der „inneren Perivitellinschicht“ 
in Zusammenhang. Diese Schicht besteht, nachdem sie ihre volle 
Entwicklung erreicht hat, aus einer homogenen Grundsubstanz, 
in welcher, wie Van Beneden (1883, S. 269) bereits beschrieben 
hat, sich kreuzende Fibrillen liegen, welche dicht miteinander 
verfilzt sind. Ich vermute nun, dass die Fibrillen innerhalb der 
zuerst ausgeschiedenen Grundsubstanz durch eine Metamorphose 
der eingewanderten Plastochondrien entstehen; sie würden dem- 
nach die gleiche Genese haben, wie ich (1910, 1) sie für 
die collagenen Fasern des Wirbeltierkörpers wahrscheinlich ge- 
macht habe. 


Literatur. Die früheren Untersucher, Van Beneden 
und Boveri, lassen die innere Perivitellinhülle allerdings in 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 707 


wesentlich anderer Weise, nämlich durch Umwandlung einer 
oberflächlichen Protoplasmaschicht, entstehen; ich muss aber die 
Richtigkeit ihrer Angaben entschieden in Abrede stellen. 

Van Beneden (1883, S. 268) beschreibt, dass die Rinden- 
schicht des Dotters, in welcher die gouttelettes homogenes im 
Augenblick der Ausstossung des ersten Richtungskörpers ver- 
schwunden sind, nach Bildung der zweiten Richtungsspindel von 
neuem eine reticulierte Struktur annimmt. Diese Rindenschicht 
soll nun durch eine kreisförmige, anfangs unbestimmte, später 
immer deutlicher werdende Linie in eine äussere und innere 
Zone geteilt werden. Wenn der zweite Richtungskörper eliminiert 
wird, hat die äussere Zone sich vollständig in Form einer dicken 
Membran, der „inneren Perivitellinschicht“, abgetrennt. 

Nach Boveri (1887) ist die „homogene Substanz der Proto- 
plasmavacuolen“ zur Zeit der Abtrennung des ersten Richtungs- 
körpers an die Peripherie gerückt und „bildet hier unter der 
Eimembran eine ziemlich mächtige Schicht, nur noch von spär- 
lichen Protoplasmasträngen durchsetzt, welche die Membran mit 
dem zentralen Protoplasma verbinden“ (S. 29). In einem Teil 
der Fälle wird nun die periphere homogene Schicht als ein Be- 
standteil des ersten Richtungskörpers mit abgetrennt und auf 
diese Weise die innere Perivitellinschicht gebildet (S. 30—31). 
Meistens aber (S. 33— 34) wird mit dem ersten Richtungskörper 
nur ein ganz kleines Stück Zellsubstanz abgelöst, so dass die 
Eimembran zur Zeit, wo die zweite Richtungsspindel sich ausbildet, 
noch die äussere Perivitellinhülle berührt. „Die homogene Substanz, 
welche bei dem zuerst erwähnten Verlauf schon seit längerer Zeit 
das Ei als „innere Perivitellinhülle“ umgibt, bleibt hier von spär- 
lichen Protoplasmasträngen durchsetzt in der Peripherie des Ei- 
leibes liegen, und die zweite Richtungsspindel liegt anfänglich in 
dieser Schicht.“ Dieser Zustand dauert jedoch niemals bis zur 
Ablösung des zweiten Richtungskörpers, sondern „allmählich zieht 
sich die Eimembran von der äusseren Perivitellinhülle zurück, 
wobei eine entsprechende Menge homogener Substanz als innere 
Hülle austreten muss. Vor der Ablösung des zweiten Richtungs- 
körpers ist diese Kontraktion so weit vollendet, dass die innere 
Perivitellinschicht der an anderen Eiern auf einmal abgelösten 
an Mächtigkeit gleichkommt. Auf diesem Stadium lässt sich nicht 
mehr entscheiden, wie der Prozess vor sich gegangen ist.“ 


708 Friedrich Meves: 


VII. Schluss. 

Auf Grund der vorliegenden Untersuchung kann es als er- 
wiesen gelten, dass bei der Befruchtung geformte Bestandteile 
des Protoplasmas, Plastosomen oder Plastochondrien, aus dem 
Spermium in die Eizelle übertreten, in welcher sie Bestandteile 
gleicher Art vorfinden. Von den Plastosomen habe ich bereits 
früher, wie ich in der Einleitung gesagt habe, festgestellt, dass 
sie die Elementarstruktur des Protoplasmas darstellen, und bin zu 
der Überzeugung gekommen, dass sie die Anlagen für die ver- 
schiedensten Differenzierungen bilden, welche im Lauf der ÖOnto- 
genese auftreten. Halte ich dies mit der Tatsache ihrer Mitwirkung 
bei der Befruchtung zusammen, so scheint mir die Annahme nicht 
von der Hand zu weisen, dass sie bei der Vererbung beteiligt sind. 
Die Plastosomen repräsentieren nach meiner Ansicht die Vererbungs- 
substanz des Protoplasmas, wie das Chromatin diejenige des Kerns. 

Allerdings entsprechen die Plastosomen wenig den An- 
forderungen, welche wir an eine Erbmasse zu stellen berechtigt 
schienen. Der Unterschied, welcher in dieser Beziehung zwischen 
ihnen und dem Chromatin besteht, könnte aber seinen Grund 
darin haben, dass beide eine ganz verschiedene Molekularstruktur 
besitzen. In einer früheren Arbeit (1908, S. 853) habe ich es 
für möglich erklärt, dass den Plastosomen der gleiche molekulare 
Bau zukommt, welchen Nägeli seinen Idioplasmasträngen zu- 
schreibt. Trifft diese Annahme zu, so können die Plastosomen 
Erbmasse darstellen, ohne den Bedingungen, welche die Kern- 
substanz in ihrer Eigenschaft als solche erfüllt, zu genügen. 
Lässt sich aber zeigen, dass sie nicht zutrifft, so ist wohl nicht aus- 
zuschliessen, dass noch eine andere Anordnung der „Micelle“ erdacht 
werden könnte, welche den theoretischen Anforderungen entspricht. 

Die Plastosomen des Spermiums trennen sich, wie wir gesehen 
haben, bei der Befruchtung von der „Zwischensubstanz“, in der 
sie enthalten waren, und wandern in diejenige des Eiprotoplasmas 
ein. Diese Zwischensubstanz ist dieselbe Masse, welche Flemming 
und Altmann, der Auffassung entsprechend, welche sie sich 
von der Fundamentalstruktur des Protoplasmas gebildet hatten, 
der eine als Interfilarmasse oder Paramitom, der andere als 
Intergranularsubstanz bezeichnet haben. 

Was nun die Zwischensubstanz des Ascarisspermiums an- 
langt, so kann man wohl nicht bestimmt in Abrede stellen, dass 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 709 


ihr fädige oder netzige Strukturen zukommen könnten; denn das 
Ascarisspermium ist eine nur wenig modifizierte Zelle, und es 
gibt sicher Zellen, deren Grundmasse eine feinfädige Beschaffenheit 
als präformierte Struktur besitzt.") Entschieden bestreiten muss 
ich aber, dass solche Strukturen, wenn sie im Spermienprotoplasma 
existieren, aus diesem in den Eikörper übertreten und sich in 
ihm ausbreiten, wie Uarnoy und Lebrun behauptet haben. 
Aus meinen Beobachtungen scheint mir vielmehr hervorzugehen, 
ebenso wie aus denjenigen von Van Beneden und Boveri, 
dass die gesamte Zwischensubstanz des Ascarisspermiums, nachdem 
sie als Vehikel für die in ihr enthaltenen wichtigeren Zellbestand- 
teile (Plastosomen, Kern, Cytocentrum) gedient hat, von dem Ei- 
körper resorbiert wird. Damit ist nicht gesagt, dass nicht noch 
chemische Wirkungen von ihr ausgehen können. Diese sind 
möglicherweise sogar sehr wichtig, z. B. für die Einleitung der 
Entwicklung, kommen aber für die Übertragung der erblichen 
Eigenschaften meines Erachtens nicht in Betracht. Denn ich bin 
der gleichen Überzeugung, welche Hensen (1881) und Nägeli 
(1884) zuerst ausgesprochen haben, dass die Vererbung nur durch 
organisierte ungelöste Substanz erfolgen kann, und teile daher den 
ablehnenden Standpunkt, welchen O0. Hertwig (1909) gegenüber 
neueren Versuchen, den Befruchtungsvorgang chemisch-physikalisch 
zu erklären (Miescher, Huppert. Loeb u. a.), einnimmt. 


So erscheinen mir denn die Plastosomen überhaupt als der 
einzige Bestandteil des Protoplasmas, welcher bei der Befruchtung 
wirksam sein kann. Dass die Zwischensubstanz in dieser Beziehung 
keine Bedeutung besitzt, geht wohl auch daraus hervor, dass sie 
bei der Histogenese des Säugetierspermiums nach einer Beobachtung 
von, mir. (189978. 359), ‚welche "Dwesb/ere (1908, S. 150) 
bestätigt hat, bis auf einen kleinen Rest abgeschnürt wird, der 
als Hülle um das sogenannte Verbindungsstück zurückbleibt. 
Jedenfalls beweist dieser Befund, dass die Zelle als ganzes nicht 
Sitz der Vererbungspotenzen sein kann. 


Schliesslich sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die 
Mischung der männlichen und weiblichen Plastochondrien (und 
wahrscheinlich auch ihre Verschmelzung) bei der Befruchtung von 


!) Als Beispiel nenne ich die Leucocyten, bei denen ein Fadenwerk in 
Form einer von dem Üytocentrum ausgehenden Strahlung vorhanden ist. 


710 Friedrich Meves: 


Ascaris megalocephala noch vor Beginn der zweiten Reifungs- 
teilung erfolgt. Würde es gelingen, den Spermakern nach diesem 
Zeitpunkt experimentell zu entfernen, so wäre anzunehmen, dass 
der sich entwickelnde Embryo dennoch bereits väterliche Eigen- 
schaften aufweisen würde. 


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rm 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 1 


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>. Friedrich Meves: 


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Dissertazione di libera docenza. Bolletino seientifico, anno 18—20, 
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Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVII-XXIX. 


Die Abbildungen der Tafeln XXVII—XXIX sind mit Zeiss’ Apochromat 
2 mm (Apertur 1,30 oder 1,40) und Kompensationsokular 12 unter Benutzung 
des Abbeschen Zeichenapparates entworfen, wobei der Abstand der Zeichen- 
ebene von der Ebene des Tisches 17!/e cm betrug; sie betreffen Schnitte 
durch befruchtete Eier von Ascaris megalocephala, welche mit dem Altmann- 
schen Gemisch fixiert und mit Säurefuchsin - Pikrinsäure nach Altmann 
gefärbt worden sind. 


Tafel XXVI. 

Fig. 1. Eizelle und Spermium in Kopulation; letzteres bei Einstellung auf 
den Kern gezeichnet, welcher als eine helle, von Plastochondrien 
freie Stelle erscheint. Glanzkörper zinnoberrot gefärbt. 

Fig. 2. Spermium vollständig eingedrungen, vom Kopfende gesehen, bei 
Einstellung auf den Kern gezeichnet. 

Fig. 3 und 4. Spermien unter der Eioberfläche; in Fig. 4 liegt die Längs- 
achse des Spermiums, welchem ein Glanzkörper fehlt, der Eioberfläche 
parallel. 

Fig. 5 und 6. Spermium weiter in das Eiinnere vorgedrungen. Glanzkörper 
(zinnoberrot) kugelig, in Fig. 6 stark verkleinert. In der Eizelle 
der Fig. 5 hat die Richtungsspindel, welche sich in der Ansicht 
vom Pol präsentiert, ihre zentrale Lage früher, als Regel ist, 
aufgegeben. 

Mit Bezug auf das Verhalten der Plastochondrien in den Spermien 

der Fig. 3—6 vgl. Text S. 696. 


Fig 


Fig. 


Fig 


Die Beteiligung der Plastochondrien. 13 


Tafel XXVIII. 


Bezüglich des weiteren Verhaltens der Plastochondrien des Spermiums 
in Fig. ”—12 siehe Text S. 696. In Fig. 12 sind sämtliche Plastochondrien 
des Spermiums in kleine Körner zerlegt. 

Fig. ? und 8. Ansammlung von Eiplastochondrien um die Schwanzspitze 


. 13— 


alter 


9. 
e. 10— 


17. 


des Spermiums als Mittelpunkt. In Fig. 7 Glanzkörper (zinnoberrot) 
stark verkleinert, rechts von ihm ein heller Raum. In dem Spermium 
in Fig. 8 ist nach Schwund des Glanzkörpers eine kleine helle 
Höhle zurückgeblieben. 

Ansammlung der Eiplastochondrien stärker geworden. 

12. Spermium im Zentrum des Eies, auf allen Seiten von der 
Ansammlung der Eiplastochondrien umgeben. Richtungsspindel 
unter der Eioberfläche. 


Tafel XXIX. 


16. Auswanderung der Plastochondrien des Spermiums in das 
Eiprotoplasma (Text S. 697—698). Von Fig. 14 an ist der Kern 
des Spermiums als bräunlich gefärbter Körper sichtbar. Die durch 
Ösmiumsäure geschwärzten Körper in Fig. 13—15, 17 und 18 sind 
wohl Überbleibsel von corpuscules refringents. In Fig. 14 liegt links 
vom Spermienkern noch ein Glanzkörperrest (zinnoberrot). 

Erster Richtungskörper ausgestossen. Das Protoplasma des 
Spermiums enthält nur noch wenige Plastochondrien. Die Plasto- 
chondrien, welche in der Umgebung des Spermiums liegen, sind 
augenscheinlich vergrössert. Auswanderung kleiner Plastochondrien 
in die homogene Substanz, welche (schon in Fig. 16) zwischen Ei- 
protoplasma und äusserer Dotterhülle aufgetreten ist. 

Stadium der zweiten Richtungsteilung. Eiprotoplasma etwas ge- 
schrumpft, wodurch zwischen seiner Aussenfläche und der Innen- 
fläche der in Bildung begriffenen inneren Perivitellinschicht ein 
Spaltraum entstanden ist. Protoplasmakörper des Spermiums gänz- 
lich ohne Plastochondrien: hat sich verkleinert und der Eioberfläche 
genähert. 


714 


Aus dem Anatomischen Institut der Universität Heidelberg. 
Dir. Geheimrat Prof. Dr. Fürbringer. 


Neue Methoden 
zur Darstellung des Verlaufs der Blutgefässe bei 
Amphibienlarven und Hühnerkeimscheiben. 


Von 


Dr. Franz Rost, Assistent. 


Hierzu Tafel XXX und XXXI. 


Seitdem in der Histologie die chemisch wohlcharakterisierten 
Anilinfarben in Aufnahme gekommen sind, bemühte man sich, 
mit ihrer Hilfe einmal die chemische Struktur des Protoplasma 
zu ergründen, dann suchte man umgekehrt mit bestimmten 
Farben bestimmte Gewebe elektiv zu färben und dadurch leichter 
kenntlich zu machen. Leider sind die Erfolge dieser Bemühungen 
nicht so glänzende gewesen, als die Erwartungen. Die Zahl der 
„spezifischen Färbungen“ ist eine geringe geblieben und die rein 
empirisch gefundenen entbehren oft der Begründung. Nun sind 
aber doch immerhin die Gewebe im ausgebildeten Zustand mit 
unseren bisherigen Methoden meist so gut darstellbar, dass man 
neue elektive Färbungen entbehren kann, ja man hat schon manch- 
mal den Eindruck, dass infolge der allzu bunten histologischen 
Präparate für den Anfänger das mikroskopische Sehenlernen 
erschwert ist. 

Anders verhält es sich mit den embryologischen Geweben. 
Sie sind in jüngeren Stadien chemisch wenig differenziert und 
heben sich deshalb färberisch nicht immer genügend voneinander 
ab. Methoden, die hier nachhelfen würden, sind deshalb recht 
erwünscht, beispielsweise besonders, wenn es sich um die Dar- 
stellung und das Studium des Verlaufs der Blutgefässe 
handelt, da junge Blutzellen anderen embryologischen Gewebe- 
zellen recht ähnlich sehen können. 

Ich ging, um rote Blutzellen von anderen Gewebsarten zu 
trennen, von dem Gedanken aus, dass es möglich sein müsste, 
die Kerne geschädigter roter Blutkörperchen innerhalb des lebenden 


Neue Methoden zur Darstellung des Verlaufs der Blutgefässe. 715 


Tieres zu färben, was natürlich vollständig zu ihrer Erkennung 
genügen würde. Eine solche elektive Färbung der Erythrocyten 
war mir beim Frosch nach Vergiftung des Tieres mit Hydroxylamin 
und anderen Blutgiften ausgezeichnet gelungen.') Dass auf diese 
Art die Form und Struktur der Zelle Not leidet, will nicht viel 
sagen. Wir studieren ja doch eigentlich niemals das Blut mor- 
phologisch im Schnitt oder in den Gefässen, sondern stets im 
Ausstrich. Wir werden solche Vergiftungen deshalb auch nur 
dort vornehmen, wo es sich um Darstellung der Blutbahn, nicht 
der Blutzellen handelt. 

Die Versuche wurden an Larven von Rana tempor., Bufo 
einereus und Bombinator igneus, auch Triton alpestris in ver- 
schiedener Grösse angestellt. Die schönsten Präparate erhielt 
ich von ersterer Kaulquappenart. Die Versuchszahl ist eine recht 
beträchtliche. Es wurde eine grosse Zahl von Farben und auch 
verschiedene Gifte angewendet. Die besten Resultate ergab 
mir folgende Methode: 

Man fügt zu 20 cem Brunnenwasser '/2 ccm Methylenblau, 
1°/o Anilinblau Merk und 0,1 ccm einer 1°/oigen Lösung von 
Hydroxylamin hydrochl.?) Man muss diese leicht saure Mischung 
mit Sodalösung neutralisieren. Ich neutralisierte die Hydroxylamin- 
lösung von vornherein mit 0,5°/o Sodalösung und nahm dann 
anstatt O,l cem der reinen, 0,2 ccm der neutralisierten Lösung. 
Methylenblau löst sich meist nicht zu 1°/, in Wasser; ich kochte 
es zur besseren Lösung auf, aber auch dann fiel nach dem Erkalten 
oft früher oder später etwas von der Farbsubstanz aus. Dann 
muss man mehr Farbe nehmen; in praxi etwa so viel, dass man 
in einer Zimmermannsschale noch eben die darin befindlichen 
(segenstände, gegen weisses Papier gehalten, erkennt. In diese 
Mischung tut man die Kaulquappen und beobachtet von Stunde 
zu Stunde ihr Befinden, indem man sie reizt. Reagieren sie noch 
prompt, braucht man sie kaum erst mikroskopisch zu beobachten. 
Allmählich — etwa nach 5 Stunden, doch schwankt das sehr — 
werden sie träge, sind wohl auch schon narkotisiert. Man legt 
sie dann auf einen Objektträger und beobachtet die Blutgefässe 


Yı) Erscheint in Pflügers Archiv d.J. 

°)Binz: Toxikologisches über das Hydroxylamin. Virch. Arch., 
Bd. CXII, 1. 

Lewin: Hydroxylamin. Arch. f. exp. Path. u. Pharm., Bd. 25, S. 306. 1888. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 46 


716 Franz Rost: 


im Schwanz. In der Regel sind dann schon eine Reihe Kerne 
von roten Blutkörperchen gefärbt und auch das Protoplasma hat 
einen grünlichblauen Farbenton angenommen. Später löst sich 
ein Teil des Protoplasmas auf und man sieht freie, gefärbte Kerne 
in den Blutgefässen kreisen. In einzelnen derselben kommt es 
zu Stase. 

Die Kernfärbung wird immer intensiver und beim Tode sind 
ungefähr alle Kerne der roten Blutkörperchen gefärbt. Wann 
der Tod eintritt, ist schwer zu sagen. Durchschnittlich hatten 
die Blutzellen in meinen Versuchen die gewünschte Färbung in 
10—12 Stunden erreicht. Man kann auch zuerst einige Stunden 
das Gift einwirken lassen und dann Farbe hinzufügen. Das Resultat 
ist das gleiche. Ausser Methylenblau erhielt ich gute Erfolge 
noch mit Thionin und Toluidinblau:; eine grosse Zahl anderer 
Farben war nicht so brauchbar (Neutralrot, Vesuvin und Bismarck- 
braun, Eosin w. l., Indigkarmin, Nilblausulfat, Orange G., Safranin 
alle 1°/o; von den Lösungen 0,1:20,0 Wasser; auch andere 
Mischungsverhältnisse wurden versucht). 

Eine elektive Kernfärbung durch spezifische Fixation war 
damit erreicht und Beobachtung am lebenden Tier gut möglich. 
Für Dauerpräparate zum Studium der Blutbahnen muss nun das 
gefärbte Blut möglichst in die peripheren Gefässe getrieben und 
dann fixiert werden. Nun war es bei dem Gift recht unangenehm, 
dass die Tiere häufig in diastolischem Herzstillstand starben, und 
dadurch die schön gefärbten Blutkörperchenkerne zum Schluss 
in das Herz gepumpt wurden. Anwendung von infus. fol. digit. 
in wechselnder, oft recht beträchtlicher Menge änderte daran 
gar nichts. Wohl aber erhielt ich bessere, wenn auch nicht in 
allen Fällen tadellose Resultate, wenn ich nach genügender Färbung 
die Tiere lebend in gesättigte, wässerige Lösung von Pikrinsäure 
brachte, die gleichzeitig zur Fixation der Färbung diente. Auf 
diese komme ich noch zu sprechen. Starb dann das Tier in 
Systole, so bekam man ein sehr schönes Bild der Gefässverzweigung; 
denn nur Kerne der roten Blutkörperchen waren gefärbt. Nur 
an wenigen Stellen kam es auch zur Färbung anderer und zwar 
der Epithelkerne, die entweder physiologischer Weise abgestorben, 
aber noch nicht abgestossen waren, oder die durch lange Ein- 
wirkung der Farbe, ferner durch Druck (da das Tier durch 
Hydroxylamin narkotisiert meist am Boden des Gefässes liegt), 


Neue Methoden zur Darstellung des Verlaufs der Blutgefässe. 717 


oder durch Säurewirkung (bei nicht genauer Neutralisation) ge- 
schädigt worden sind. Alle diese letzterwähnten Fehler kann 
man durch geeignete, selbstverständliche Gegenmassregeln auf- 
heben oder einschränken. Die Fixation des Methylenblau bereitet 
bekanntlich grosse Schwierigkeiten. Bei der vitalen Nervenfärbung 
gelingt es allerdings mit molybdänsaurem Ammon. (5— 10 %/o), wie 
Dogiel') angibt, sehr haltbare Präparate herzustellen. Bei der 
Kernfärbung war ich weniger glücklich. Ich probierte alle mög- 
lichen Modifikationen der Betheschen Fixierung”), auch die 
jüngst von Michailow°) angegebene, erhielt aber die besten 
Erfolge mit der Originalmethode, d.h. eine Viertelstunde Aufenthalt 
der Präparate in gesättigter, wässeriger Pikrinsäure, darauf ohne 
Abspülen für 24 Stunden in molybdänsaures Ammon. 4°/o, kurz in 
dest. Wasser abspülen, übertragen in 96°/o Alkohol, absol. Alkohol, 
Xylol, Balsam. Wenn man die Präparate nach der Ammon.-molybd.- 
Behandlung nur kurz, wie es Bethe angibt, abspült, wird aller- 
dings oft nachträgliche Niederschlagsbildung nicht verhindert, 
wodurch die Präparate rasch verderben. Auch sonst sind sie nicht 
übermässig haltbar ; schon nach 14 Tagen beginnen sie abzublassen 
und zwar verliert, wie man auch an der Abbildung sieht (Taf. XXX, 
Fig. 1), zuerst das Protoplasma seinen blauen Ton. Immerhin 
genügt die Zeit, um genaue Untersuchungen am Präparat vor- 
zunehmen und sich zu überzeugen, dass mit den oben gegebenen 
Ausnahmen es in der Tat zu einer elektiven Färbung der Kerne 
der roten Blutkörperchen gekommen ist, herbeigeführt durch ihre 
Zerstörung mit Hydroxylamin. Ein Nachteil der Methode ist 
zweifellos die schlechte Fixierbarkeit und, da man diese vielleicht 
mit der Zeit wird verbessern können, noch mehr der diastolische 
Herzstillstand. Für Schnitte war die Methode eigentlich aus 
ersterem Grunde gar nicht recht brauchbar, sondern gab schöne 
Bilder nur bei Totalpräparaten, wie Schwanzflosse und Extremität, 
oder von den Stellen, wo man dünne Stückchen hatte abschneiden 
oder abziehen können, wie bei Rumpfhaut, Därmen usw., wobei 
 -) Methylenblau zur Nervenfärbung. Encyel. d. mikr. Technik, Bd. II, 
5.108. 1910. 

?) Eine neue Methode der Methylenblaufixation. Anat. Anz., Bd. XII, 
S. 438. 1896. 

Das Molybdänverfahren etc. Zeitschr. f. wiss. Mikr., Bd. XVII, S.13. 1900. 


®) Die Anwendung des Methylenblau in der Neurologie. Ztschr. f. wiss. 
Mikr., Bd. 27.8.1. 1910. 


46* 


718 Rranzwost: 


natürlich die topographische Lage zerstört war. Entfernung des 
Pigments mit den üblichen Methoden (Eau de Javelle) hielt die 
Färbung nicht aus. Alles das sind Gründe, die mich einer Ver- 
wendung des Verfahrens in praxi vorläufig etwas skeptisch 
gegenüberstehen liessen, während natürlich das prinzipielle Inte- 
resse, das diese spezifische Fixation hat, unter diesen Tücken 
des Objekts nicht leidet. 

Ich suchte nun auf andere Weise, nämlich durch Erzeugung 
von Thrombose, die Blutgefässe der Kaulquappen besser sichtbar 
zu machen. Nach meinen Versuchen über Kernfärbung am lebenden 
Frosch eignet sich hierzu gut das Toluilendiamin.') Ich stellte 
mir eine 1°/oige Lösung in Wasser her, die ich genau mit 2°o 
"Essigsäure neutralisierte. Von dieser Lösung tat ich 0,5—1 cem 
in 20,0 Wasser und setzte die Larven in diese Mischung. Nach 
24 Stunden, oft auch erst später, trat dann eine prächtige Injektion 
der Blutgefässe im Schwanze mit einem Brei von Blutkörperchen 
ein. Da Toluilendiamin besonders bei chronischer Vergiftung 
lytisch auf die roten Blutkörperchen wirkt, so ist es empfehlens- 
werter, die schwächere (0,5:20,0) Verdünnung anzuwenden, wenn 
auch dann natürlich die Injektion länger dauert. Ich setzte auch 
zu diesem Gifte, genau in derselben Weise wie oben, verschiedene 
Farben und erhielt in der Tat eine schöne diffuse Färbung des 
Blutkörperchenbreis. Im allgemeinen empfiehlt es sich aber nicht, 
so vorzugehen. Denn erstens kann es leicht kommen, dass infolge 
der Thrombose die Farbe nicht gleichmässig verteilt wird, dann 
werden durch die lange Einwirkung des Toluilendiamin auch 
andere, besonders Epithelzellen, geschädigt und infolgedessen ge- 
färbt, schliesslich hat man natürlich dieselben Schwierigkeiten der 
Fixation wie beim Hydroxylamin. Und besonders dieser letztere 
Grund veranlasste mich, die Färbung nach vorhergegangener 
Fixation zu versuchen. Fixiert wurden die durch Gift mit Blut- 
körperchenbrei injizierten Kaulquappen in Formolalkohol. Zur 


) Stadelmann: Das Toluilendiamin und seine Wirkung auf den 
Tierkörper. Arch. f. exp. Path. u. Pharmakol., Bd. XIV, S. 331 u. 422. 

Derselbe : Weitere Beiträge zur Lehre von Ikterus. Ebenda Bd. XVI, 
S. 118. 1883. 

Derselbe: Die chronische Vergiftung mit Toluilendiamin. Arch. für 
exp. Path. u. Pharmakol., Bd. XXIII, S. 427. 

Afanassiew: Über Ikterus und Hämoglobinurin, hervorgerufen durch 
Toluilendiamin ete. Ztschr. f. klin. Med., Bd. XVI, S. 281. 1883. 


Neue Methoden zur Darstellung des Verlaufs der Blutgefässe. 719 


Färbung benutzte ich Plasmafarben und Kernfarben. Erstere aus 
dem Grunde, weil sich bekanntlich alle nekrotischen Gewebe, 
genau so wie andere gleichmässig strukturierte, organische oder 
anorganische Gebilde, sehr stark mit Plasmafarben tingieren und 
sich dadurch scharf von der blasser gefärbten Umgebung abheben. 
Man kann dieses Verhalten sehr schön an der Abbildung 2 (Taf. XXX) 
studieren, die nach einer Eosinfärbung gezeichnet worden ist. 
Bei der zur Anfertigung des Bildes benutzten stärkeren Ver- 
grösserung sieht man, dass sich auch die Kerne der zerstörten 
Blutkörperchen stark mit Eosin gefärbt haben, ein Verhalten, das 
andere Kerne, auch wenn sie fixiert sind, nicht zeigen. Dadurch 
heben sie sich stark von den übrigen Grewebskernen ab und tragen 
zur deutlichen Sichtbarmachung der Injektion auch bei schwächster 
Vergrösserung bei. Zugleich sieht man aber an dem Bilde an 
einzelnen Stellen Austritt von Erythrocyten aus den Gefässen, 
bedingt durch die lange Einwirkung des Toluilendiamin. Es ist 
ein zweifelloser Nachteil der sonst sehr bequemen Methode. dass 
man die Kaulquappen so lange in dem Gift belassen muss, bis 
sich die Blutbahnen injiziert haben. Dieser Fehler fiel fort bei 
Vergiftung mit Arsenwasserstoff, bei deren Besprechung ich 
auch die Erfolge mit Kernfarben anführen werde. 

Man nimmt in ein Erlenmeyer-Kölbehen 1—1!/s gr acidum 
arsenicosum auf 30,0 gr Wasser und setzt etwas Lauge hinzu;') 
kocht bei schwacher Flamme so lange, bis sich das Arsen völlig 
gelöst hat. Den Wasserstoffstrom bereitet man am besten in 
einem Erlenmeyer-Kölbcehen mit doppelt durchbohrtem Stöpsel 
aus Zink und Salzsäure. Bevor man die verdünnte Salzsäure 
auf das Zink laufen lässt, hat man die Arsenlösung in den Kolben 
gebracht. Dann giesst man durch einen Trichter die Säure zu 
und leitet den kräftigen, sich rasch entwickelnden Strom von 
Arsenwasserstoff zunächst in eine Waschflasche mit gewöhnlichem 
Wasser, dann in das Gefäss, in dem sich die Tiere in Wasser 
befinden. Man setzt die Tiere dem Gas so lange aus, bis alle 
tot sind, was oft schon in sehr kurzer Zeit (!/ı—!/s Stunde) der 
Fall ist. Bei Larven von Ranu temp. erhält man dann eigentlich 
in jedem Exemplar eine gleichmässig schöne Injektion aller sicht- 


'!) Stadelmann: Die Arsenwasserstoffvergiftung. Arch. f. exp. Path. 
u. Pharmakol., Bd. XVI, S. 221, 1883. 


720 Rranz Rost: 


baren Blutgefässe mit Erythrocytenbrei. Bei Bufo einereus und 
Bombinator igneus waren die Erfolge nicht so gleichmässig, 
doch auch in der Mehrzahl der Tiere vorhanden. Bufo braucht 
auch längere Zeit bis zum Exitus. Es sind also wohl die 
einzelnen Blutsorten nicht gleichmässig empfindlich gegen das 
Gift, was biologisch nicht ohne Interesse ist. Ich erinnere 
daran, dass esbeim Menschen ca. 8 Stunden dauert, bis Hämolyse 
eintritt.') 

Die Tiere wurden dann wiederum mit Formolalkohol fixiert 
und dann gefärbt. Will man Kernfärbung innerhalb des lebenden 
Tieres haben, so muss man zunächst den Arsenwasserstoffstrom 
langsamer zuführen, was man mit Klemmen gut regulieren kann. 
Man nimmt in dem Falle auch vorteilhafter nur '/» gr acid. arsenic. 
als Ausgangsmenge. Fügt man dann, genau wie bei Hydroxylamin, 
dem Wasser, in dem sich die Tiere befinden, Methylenblau oder 
eine derartige Farbe hinzu, so kann man in der Tat oft sehr 
schöne Kernfärbung der Erythrocyten während des Lebens der 
Larven bekommen, wobei sich zugleich nur sehr wenig Epithel- 
kerne färben, da ja das gewaschene Gas nicht wie Toluilendiamin. 
reizend auf die oberflächlichen Gewebe einwirkt. Doch ist auch 
in diesem Falle wegen der häufig rasch eintretenden Thrombose 
das Resultat der Färbung kein selır gleichmässiges und nicht 
sicheres. Es empfiehlt sich deshalb im allgemeinen die Fixation 
und nachträgliche Färbung mit Kern- oder Plasmafarben viel 
mehr. Über letztere ist dem bei Toluilendiamin Gesagten nichts 
mehr hinzuzufügen, als Beispiel der ersteren füge ich ein Bild (3, 
Taf. XXX) von Hämalaunfärbung eines Kaulquappenschwanzes von 
Rana temp. bei. Man sieht, wie die dicht beieinander liegenden 
Kerne der aufgelösten Erythrocyten sich stark gefärbt haben und 
dadurch in der Tat den Verlauf der Blutbahnen in einer Weise 
schön und vollständig zur Darstellung bringen, wie es nicht besser 
und vollkommner durch Injektion von Tusche oder Farbe vom 
Herzen aus geschehen kann. Dabei lässt die Vergiftung mit 
Arsenwasserstoff an Einfachheit der Ausführung nichts zu wünschen 
übrig, während Injektionen von Larven sonst bekanntlich technisch 


1) Bei feineren morphologischen Untersuchungen ist das Blut 
einander nahestehender Tierklassen durchaus verschieden gebaut. cf. Meves: 
Über die Wirkung gefärbter Jodsäure auf die roten Blutkörperchen der 
Amphibien. Anat. Anz., Bd. 26, S. 102, 1905. 


Neue Methoden zur Darstellung des Verlaufs der Blutgefässe.. 721 


äusserst schwierig sind.) Es kann nun bei Kaulquappen, die 
ohne jede vorherige Zerstörung der Blutkörperchen getötet, fixiert 
und gefärbt worden sind, auch öfters beobachtet werden, dass 
Erythrocyten in Reihenform angeordnet in den peripheren Ge- 
fässen liegen bleiben und dadurch zu deren besseren Darstellung 
beitragen. Bei starker Vergrösserung derartiger Stellen können 
sich dann ähnliche Bilder ergeben, als wie bei den von mir dar- 
gestellten. Um den Unterschied der beiden in ihrer Entstehungs- 
ursache ja auch gänzlich verschiedenen Bilder deutlich zu zeigen, 
füge ich noch zwei bei schwacher Vergrösserung gefertigte 
Figuren bei von einer nicht vorbehandelten (Taf. XXXI, Fig. 1) 
und einer mit Arsenwasserstoff vorbehandelten (Taf. XXXL Fig. 2) 
Larve von Rana temporaria. 

Bei der nicht vorbehandelten Kaulquappe sieht man ab und 
an auf kurze Strecken etwas Blut in den Gefässen liegen. Die- 
selben sind sehr eng, der genauere Verlauf ist nicht deutlich zu 
sehen. Ich bemerke, dass ich aus einer grösseren Reihe von 
Kaulquappenschwänzen dabei noch denjenigen ausgewählt habe, 
wo das Blut auf die längsten Strecken hin in den Gefässen 
lagerte.e Ganz anders sieht der Schwanz an dem mit Ärsen- 
wasserstoff vergifteten Tiere aus. Während die kleinen Gefässe 
schon mit Blutkörperchenbrei gefüllt waren, hatte das Herz immer 
noch mehr zerstörte Erythrocyten nachgepumpt und dadurch die 
Gefässe auf das äusserste gefüllt. Es sind deshalb bei diesen 
injizierten Larven die Gefässe als breite Bänder auch bei schwacher 
Vergrösserung deutlich zu sehen und es beschränkt sich diese 
Thrombose nicht auf umschriebene Stellen, sondern es ist zu einer 
vollständigen Injektion gekommen und dadurch die Gefässe in 
ihrem gesamten Verlauf von der Aorta an dargestellt. Dabei 
werden als Injektionsmaterial arteigene, zerstörte Zellen benutzt 
und als treibende Kraft zur Verteilung der Masse dient das Herz. 
Man kann sich eine „physiologischere“ Injektion nicht gut 
vorstellen. 

Im allgemeinen eignen sich alle guten Kernfarbstoffe auch 
gut zur Färbung dieser Objekte. Besonders schöne Resultate 


!, Herbert M. Evans. On the Earliest Blood-Vessels in the 
Anterior Limb Buds of Birds and their Relation to the Primary Subeclavian 
Artery The American Journal of Anatomy. Vol. IX, No.2. May 1909. 
S. 283 und 284. 


122 Franz Rost: 


erhielt ich noch mit Thionin,!) Bismarckbraun’) und Toluidin- 
blau,’) die ich sehr empfehlen kann. Bezüglich ihrer Anwendung 
verweise ich besonders auf die angegebene Literatur. 

Auch Schnitte fertigte ich von den mit Arsenwasserstoft 
oder Toluilendiamin vergifteten Tieren an. Bei letzteren war 
das Einbetten oft unvollständig (Paraffın), was ich bei ersteren 
nicht bemerken konnte. Auf den Schnitten zeigten sich dann 
die kleineren Gefässe meist mit Blut gefüllt, das zu einem Brei 
verändert war. Aorta und Herz enthielten wenig und normale 
Blutkörperchen. Es kann also in gewissen Fällen die Methode 
wohl dazu dienen, feinere Verzweigungen der Blutgefässe sichtbar 
zu machen, doch glaube ich nicht, dass das ihr Haupt-Anwendungs- 
gebiet sein wird, dazu würde sich die erste Methode der vitalen 
Färbung, die mit der Fixierbarkeit des Methylenblau steht und 
fällt, besser eignen. Denn die Verzweigungen der Blutgefässe, 
die man heutzutage bei Larvenstadien sucht, sind wohl mehr 
Blutlachen als umschlossene Blutgefässe und lassen sich deshalb 
durch Arsenwasserstoffvergiftung nicht gänzlich mit Blut füllen, 
sind vielmehr sicherer auf Serienschnitten zu erkennen. Wichtig 
ist aber eine Injektion immer, um die Abgangsstellen der Ge- 
fässe sich im Totalpräparat gewissermassen plastisch vorzuführen 
und die durch Serienschnitte gewonnene körperliche Vorstellung 
des Verlaufes auf diese Art zu kontrollieren. Dazu eignet sich 
die Methode der künstlichen Thrombosebildung durch Arsen- 
wasserstoff' oder Toluilendiamin und nachträgliche Färbung aus- 
gezeichnet. Das illustrieren ja die beigegebenen Abbildungen 
deutlich, die von Schwänzen der Larven stammen. Will man 
die Verzweigung der Blutgefässe im Rumpf studieren, muss man 
bei jeder Art von Injektion die Amphibien depigmentieren. Das 
ist bisher leider nur recht mangelhaft möglich, wie ich mich 


!), Heidenhain: Neue Untersuchungen über das Zentralkörperchen. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. XLIII, S. 433. 1894. 

®) Weigert: Bismarckbraun als Färbemittel. Arch. f. mikr. Anat., 
Bd. XV, S. 258. 1878. 

Born: Die Nasenhöhlen und der Tränennasengang etc. Morph. 
Jahrb., Bd. V, S. 64. 1879. 

3) Mann: Über die Behandlung der Nervenzellen für exp. hist. Unters. 
Zeitschr. f. wiss. Mikrosk., Bd. XI, S. 479. 1894. 

Harris: The Philadelphia and Journ. 1898. Ref. Zeitschr. f. wiss. 
Mikrosk., Bd. XVI, S. 60. 1899. 


Neue Methoden zur Darstellung des Verlaufs der Blutgefässe. 


überzeugen konnte.') Ausgezeichnet kann man aber die Ver- 
zweigung der Rumpfarterien an Hühnerkeimscheiben 
beobachten. 60—72 Stunden bebrütete Hühnereier wurden an 
einer Seite geöffnet, etwas Eiweiss mit der Schere entfernt 
und das ganze Ei in Lockescher Lösung untergetaucht, die genau 
auf 37° gehalten wurde. Es wurde dann der Arsenwasserstoff- 
strom durch die Lösung geleitet, bis das Herz des Embryo zu 
schlagen aufhörte, wozu oft mehrere Stunden erforderlich waren. 
Da man Arsenwasserstoffversuche bei fehlendem Abzug im Freien 
vornehmen muss und offene Flammen nicht anwenden darf, ist es 
nicht immer ganz leicht, die erforderliche Temperatur einzuhalten. 
Ich erreichte es dadurch, dass ich den Behälter mit dem Ei und 
der Lockeschen Lösung in ein grösseres Gefäss hing, in dem 
sich etwas höher temperiertes Wasser befand, in das ich einen 
jener bekannten Taschenthermophore gebracht hatte. Da die 
Versuche nur in die warme Jahreszeit fielen, konnte ich bei 
häufiger Kontrolle und Nachfüllen von warmem Wasser die Tempe- 
ratur über viele Stunden konstant halten. Bequemer ist es, das 
eröffnete Hühnerei in eine Lösung von 2,5 com Toluilendiamin 
(1°/0): 100,0 cem Lockescher Lösung in den Brutschrank zu 
stellen. Es können die Keimscheiben in dieser Lösung 24 Stunden 
leben und sind dann ebenfalls durch Thrombose prächtig injiziert. 
Die Fixation erfolgt in beiden Fällen in Formolalkohol, dann 
färbt man, wie üblich, oder kann auch die Keimscheiben ungefärbt 
aufheben, nachdem man sie in steigendem Alkohol entwässert 
und in Xylol aufgehellt hat. Der gelbliche Blutkörperchenbrei 
hebt sich sehr schön von dem ungefärbten durchsichtigen Körper 
ab und zeigt den Verlauf der Blutgefässe auf das deutlichste. 


Zusammenfassung. 

Zur besseren Sichtbarmachung der Blutgefässe bei Larven 
von Amphibien kann man entweder die Blutkörperchen durch 
Hydroxylamin schädigen und dabei ihre Kerne während des Lebens 
der Tiere färben. Fixation der Methylenblaufärbung nach Bethe. 


') Versuche über Depigmentation in grösserem Maßstabe und besonders 
an jungen Exemplaren konnte ich noch nicht anstellen, da die Jahreszeit 
schon zu weit vorgeschritten war, als ich den hier veröffentlichten Teil 
meiner Versuche abgeschlossen hatte. Ich werde wohl später darauf noch 
zurückkommen. 


724 


Franz Rost: Neue Methoden zur Darstellung etc. 


Oder man bewirkt durch Vergiftung mit Toluilendiamin oder 
Arsenwasserstoff Thrombose und färbt die fixierten Objekte. Die 
Blutgefässe heben sich dann ebenso deutlich, wie bei künstlicher 
Injektion, von der Umgebung ab. Dasselbe gilt für 6u—72 Stunden 
bebrütete Hühnerkeimscheiben. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXX und XXX1. 


Fig. 


189} 


os 


Tafel XXX. 
Schwänze von Rana tempor. 

Vergiftung mit Hydroxylamin, gleichzeitige Färbung mit Methylen- 
blau. Fixation in gesättigter wässeriger Pikrinsäure und molybdän- 
saurem Ammonium. Vergr.: Zeiss’ Obj. DD, Okul. 4, 380 : 1, gez. mit 
Abbes Prisma. 

Vergiftung mit Toluilendiamin. Fixation in Formolalkohol, Färbung 
in Eosin. Vergr.: Zeiss’ Obj. D, Okul. 1, 160:1, Abbes Prisma. 
Vergiftung mit Arsenwasserstoff, Fixation wie Fig. 2, Färbung mit 
Hämalaun. Vergr.: Zeiss’ Obj. A, Okul. 4, 105 :1, Abbes Prisma. 


Tafel XXX1. 


Schwanz von Rana temp. Unvergiftet fixiert und mit Hämalaun 
gefärbt. Man sieht nur sehr zart und nicht überall Blut in den 
Gefässen. Zeiss’ Obj. a°, Okul. 4, Tubus auf 20 ausgezogen, 
Vergr.: 60:1. 
Schwanz von Rana temp. Vergiftet mit Arsenwasserstoff, Fixation 
in Formolalkohol, Färbung mit Toluidinblau. Es ist zu vollständiger 
Injektion der Gefässe mit Blutkörperchenbrei gekommen. Die 
Gefässe sind als breite Bänder im ganzen Verlauf sichtbar. Zeiss’ 
Obj. a?, Okul. 4, Tubus auf 20 ausgezogen, Vergr.: 60:1. 

Näheres im Text, 


Herrn A. Vierling-Heidelberg spreche ich für die 


künstlerische Ausführung der Bilder meinen besten Dank aus. 


725 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes (Hayems 
Hämatoblasten). 


Von 
Professor E. Neumann, Königsberg. 


In meiner Abhandlung „Über Blutbildung bei Fröschen“ 
(Hämatologische Studien I, Virchows Archiv, Bd. 145, 1896) habe 
ich im Anschluss an eine unter den Auspicien von Barfurth 
verfasste Dorpater Doktordissertation ') Beobachtungen mitgeteilt, 
welche die in dieser Arbeit enthaltene Angabe bestätigten, dass 
sich bei Fröschen in jedem Frühjahr resp. Frühsommer bei dem 
Beginne der Wiederaufnahme von Nahrung nach der langen 
winterlichen Fastenzeit, gleichzeitig mit der den gesamten Stoff- 
wechsel betreffenden Umwälzung, eine äusserst lebhafte Regene- 
ration des Blutes vollzieht, welche vom Knochenmark ausgeht, 
und dass diese physiologische Erneuerung der Blutmasse besonders 
geeignet ist, um einen Einblick in die Entwicklung der morpho- 
logischen Blutelemente zu gewinnen, eine Aufgabe, welcher sich 
in anderen Jahreszeiten wegen des fast vollständigen Stillstandes 
der Blutbildung, wenigstens bei erwachsenen Tieren, grosse 
Schwierigkeiten entgegenstellen. 

In bezug auf den Modus der Blutbildung konnte ich jedoch 
Marquis’ Darstellung nicht durchweg beistimmen. Dieser hatte 
die seit Golubew°) bekannten Spindelzellen des Froschblutes 
(Hämatoblasten Hayems, Thrombocyten Deckhuyzens) in 
Übereinstimmung mit Hayem, welchem wir die erste genauere 
Beschreibung derselben verdanken, ”) als Vorstufen der roten Blut- 
zellen hingestellt und ihren Ursprung auf die Gefässendothelien 
des Knochenmarks zurückgeführt, einen genetischen Zusammen- 


!) Marquis: Das Knochenmark der Amphibien in den verschiedenen 
Jahreszeiten. Diss. inaug. Dorpat. 1892. 

2) Golubew: Über die Erscheinungen, welche elektr. Schläge an den 
farblosen Blutzellen hervorrufen. Wiener Akad. Sitzungsberichte, math.- 
naturw. Cl.. Bd. 57, Abtl. 2. 1868. 

3) Hayem: Recherches sur l’evolution des H&ematics dans le sang de 
l’homme et des vertebres II. Sang des vertebres ä globules rouges nuclees. 
Arch. de Physiol. norm. et pathol. 1879. 


726 E. Neumann: 


hang zwischen Leucocyten und Erythrocyten aber geleugnet. Das 
Resultat meiner Untersuchungen lässt sich dagegen dahin zusammen- 
fassen, dass die Spindelzellen eine Zwischenstufe zwischen 
den kleinen Iymphocytären farblosen Zellen des Blutes und den 
roten Blutkörperchen darstellen, und dass die Entwicklung der 
ersteren zu Spindelzellen zwar vielleicht ununterbrochen während 
des ganzen Jahres vor sich geht, dass aber die Ausreifung der 
letzteren zu roten Blutkörperchen bei erwachsenen Tieren nur in 
der bezeichneten Periode des Wiedererwachens der Lebenstätigkeiten 
erfolgt; es gelang mir eine so vollständige Formenreihe der 
einzelnen Entwicklungsstufen der roten Blutkörperchen aufzufinden, 
wie es bisher weder bei den Menschen noch bei irgend einer 
Tierspecies möglich gewesen war, und die früher zahlreiche An- 
hänger zählende Lehre, dass die roten Blutkörperchen ausschliesslich 
aus sich heraus durch Teilung sich vermehren und eine Ergänzung 
derselben durch Umwandlung farbloser Elemente in hämoglobin- 
haltige nicht vorkomme, schien mir hiermit definitiv widerlegt 
zu sein. 

E Gaupp hat sich in seinem hervorragenden Werke „Die 
Anatomie des Frosches“ (Ecker und Wiedersheim, 3. Aufl. 
1599| Marquis’ und meinen Angaben über den zyklischen Verlauf 
der Erscheinungen der Blutbildung, über das Knochenmark als 
Sitz derselben und die Bedeutung der Spindelzellen als Jugend- 
formen roter Blutkörperchen angeschlossen und zugleich auch die 
wesentliche Differenz, welche zwischen unseren beiderseitigen 
Beobachtungen betreffs des Ursprungs der Spindelzellen besteht, 
hervorgehoben. Heinz!) ferner bestätigte gelegentlich der Unter- 
suchung der Blutregeneration nach Vergiftung von Fröschen mit 
Blutgiften (Phenylhydracin) ebensowohl die Entstehung der roten 
Blutzellen aus Spindelzellen als auch meine Beobachtungen über 
die Entwicklung letzterer aus Lymphocyten. Dagegen ist in 
einigen anderen, noch zu besprechenden späteren Arbeiten, welche 
sich speziell mit der Blutbildung bei Amphibien beschäftigen, 
freilich ohne Rücksicht auf die Periodicität im Leben des Frosch- 
blutes und auf die Empfehlung des Knochenmarks als des günstigsten 
Untersuchungsobjekts, die wichtige Rolle der Spindelzellen bei der 
Blutbildung wieder in Zweifel gezogen worden. 


') Heinz: Über Blutbildung und Regeneration. Zieglers Beitr. 
z. Path. u. patholog. Anat., Bd. 29, 1901. 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes. 727 


Da es sich hier um eine Frage handelt, welche für die 
Hämatologie im allgemeinen von grösstem Interesse ist, nämlich 
um die Feststellung des Verhältnisses zwischen farblosen und 
gefärbten Blutzellen, eine Frage, deren Lösung auch nach der 
Entdeckung der embryonalen roten Blutkörper im Knochenmark 
die wichtigste Aufgabe für die mikroskopische Blutforschung ge- 
blieben ist, so nehme ich auf Grund erneuter Prüfung den Gegen- 
stand nochmals auf. 

In die Mitte des Entwicklungsganges der roten Blutzellen 
des Amphibienblutes habe ich, wie erwähnt, die Spindelzellen, an 
den Anfangspunkt kleine Iymphocytäre Zellen gestellt. Hiermit 
ist ebensowohl die Berechtigung der Annahme einer selbständigen 
Stellung der Spindelzellen gegenüber den anderen Blutelementen 
(Bizzozero, Eberth und Schimmelbusch, Deckhuyzen, 
H. F. Müller) als auch die Richtigkeit der Ansicht derjenigen 
Autoren, welche ihnen nur eine einseitige Beziehung, sei es 
zu den Leucocyten (Stricker, Löwit teilweise), Giglio-Tos), 
sei es zu den Erythrocyten (Vulpian, Hayem, Marquis, 
Löwit teilweise), zuschreiben, in Abrede gestellt; in der folgenden 
Darstellung mögen die Gründe, welche für ein Verwandtschafts- 
verhältnis der Spindelzellen ebensowohl zu den ersteren wie zu 
den letzteren sprechen, eine gesonderte Besprechung finden. 


1. Spindelzellen und rote Blutzellen. 


Die Entscheidung der Frage, ob die Spindelzellen Vorstufen 
der roten Blutzellen darstellen, hängt selbstverständlich davon 
ab, ob es Übergangsformen zwischen beiden gibt? Dies wird 
noch neuerdings in einer Arbeit von Meves?) über die von ihm 
nach dem Vorgange von Deckhuyzen als Thrombocyten be- 
zeichneten Spindelzellen des Salamanderblutes entschieden in Ab- 
rede gestellt; am Schlusse derselben heisst es: „meines Erachtens 
handelt es sich bei den angeblichen Übergangsformen nicht um 


') Zur Erläuterung des Zusatzes „teilweise“ sei daran erinnert, 
dass Löwit (Über die Bildung roter und weisser Blutkörperchen, Wiener 
Akad. Sitzungsberichte, Bd. 88, Abt. III, 1883, Neubildung und Zerfall weisser 
Blutkörperchen, ibidem, Bd. 92, Abt. III, 1885) die Spindelzellen in zwei von- 
einander unabhängige Kategorien sonderte, von welchen die eine der Leuco- 
blasten-, die andere der Erythroblastenreihe angehören sollte. 

?2) Meves: Zur Kenntnis der Thrombocyten des Salamanderblutes und 
ihres Verhaltens bei der Gerinnung. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 68, 1906. 


. 


728 E. Neumann: 


solche, sondern um rote Blutkörperchen, deren Randreifen 
eine Läsion erfahren hat“. Diese Erklärung scheint mir 
keineswegs zu genügen; ich gestehe wenigstens, dass es mir 
durchaus unverständlich ist, wie irgend eine Art von Läsion des 
zuerst von Dehler,'!) dann namentlich von Meves selbst?) 
beschriebenen Randreifens imstande sein sollte, Deformationen 
der Blutkörperchen zu erzeugen, welche eine Reihe von Über- 
gangsformen zwischen Spindeln und roten Blutkörperchen vor- 
täuschen könnten und dass ich ferner bezweifeln zu müssen glaube, 
dass die von mir benutzten Untersuchungsmethoden das Zustande- 
kommen einer Läsion befürchten lassen; eine genauere Auskunft 
hierüber gibt Meves nicht. Unaufgeklärt bleibt auch die Frage, 
weshalb die Läsionen nur in bestimmten Jahreszeiten erfolgen 
und das Bild von Übergangsformen erzeugen. Bei allen anderen 
Untersuchern aber, welche sich ablehnend hinsichtlich der Über- 
gangsformen verhalten, fehlt selbst jeder Versuch, die gegen- 
teiligen positiven Befunde, mit denen sie doch rechnen mussten, 
zu erklären. 

Es liegt gewiss nahe genug, zu vermuten, dass die negativen 
Resultate der Autoren teils auf Vernachlässigung der Bedingungen, 
an welche das Auftreten der Übergangsformen gebunden ist, teils 
auf mangelhafte Untersuchungstechnik zurückzuführen ist; nur 
bei bestimmten Objekten und bei Anwendung geeigneter Unter- 
suchungsmethoden gelingt ihre Auffindung. Als Objekte kommen 
nur solche Tiere in Betracht, bei welchen der Blutbildungsprozess 
mit einer gewissen, das gewöhnliche Maß übersteigenden Leb- 
haftigkeit vor sich geht, als Untersuchungsmittel nur Flüssigkeiten, 
welche die Elemente eines dem lebenden Körper entnommenen 
Blutstropfens oder des in die (refässe eines Organs eingeschlossenen 
Blutes momentan fixieren. 

Mit der grössten Sicherheit lassen sich sämtliche Zwischen- 
stufen zwischen Spindelzellen und roten Blutkörperchen zur An- 
schauung bringen, wenn man das Knochenmarksblut von Rana 
fusca in der bezeichneten Jahreszeit (Mai und Juni) benutzt. Bei 


!, Dehler: Beitr. zur Kenntnis des feineren Baues der roten Blut- 
körperchen beim Hühnerembryo. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 46, 1895. 

?) Meves: Zur Struktur der roten Blutkörperchen. Anat. Anzeiger, 
Bd. 23 S. 212. — Die Hünefeld-Hensenschen Bilder der roten Blut- 
körperchen der Amphibien, ibidem, Bd. 24, S. 465. 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes. 129 


einem frisch getöteten Tiere wird der Oberschenkelknochen samt 
Knorpelepiphysen berausgeschält, von allen Weichteilen durch 
Schaben sorgfältig befreit und mit einer kleinen oben oder unten 
angelegten Zange Blut aus ihm hervorgepresst; der aus der Mitte 
der Diaphyse aus dem Foramen nutritium hervorquellende Bluts- 
tropfen wird mit einer, etwas fixierende Flüssigkeit enthaltenden 
capillaren Glasröhre aufgesogen und gelangt damit gemischt sofort 
auf einen Objektträger, auf welchen ebenfalls ein Tropfen fixierender 
Flüssigkeit aufgetragen ist. Die folgenden Operationen sind: 
schnelles Trocknen des Präparates in dünner Schicht durch 
Schleuder- und Schwenkbewegungen, wobei ein Teil der Flüssig- 
keit abgeschleudert wird, Auftragen einiger Tropfen Alcohol 
absolutus oder Alcohol absol. Äther ää, Abspülen mit destilliertem 
Wasser, Trocknen durch Abtupfen mit Fliesspapier, Auftragen 
einiger Tropfen Farbtlüssigkeit, wiederum Abspülen mit Wasser. 
Als Dauerpräparat kann das nunmehr wieder trocken gewordene 
Blut dienen, indem man beliebig oft nach dem Eintrocknen wieder 
Wasser unter das Deckglas eintliessen lässt oder man konserviert 
durch Einschluss in Canadabalsam. Was die Fixierungsflüssigkeit 
betrifft, so. leistet bei dem beschriebenen Verfahren sehr gute 
Dienste die 1°/o Osmiumsäure und die Hayemsche Sublimat- 
lösung, welche zugleich schwefelsaures Natron und Kochsalz ent- 
hält: aber auch Formol-Müller und Müller-Osmium sind sehr 
brauchbar. Für die Färbung habe ich schon früher eine Kom- 
bination des Hämatoxylin mit Heidenhain-Biondischer oder 
mit Giesonscher Lösung empfohlen; diese letzteren Flüssigkeiten 
erteilen dem Hämoglobin eine kupferrote resp. gelbe Farbe. Sehr 
gute Präparate gibt auch das Jodserum, eine Mischung desselben 
mit dem Blute macht jede weitere Behandlung (Trocknen, Färben) 
unnötig, schliesst sie aber nicht aus. 

Der charakteristische Befund in solchen Präparaten, be- 
stehend in der Anwesenheit zahlreicher Zwischenglieder zwischen 
grossen hämoglobinreichen roten Blutkörperchen und typischen 
farblosen Spindelzellen ist sofort augenfällig und der Eindruck 
ihrer Besonderheit wird noch verstärkt, wenn man etwa ein in 
gleicher Weise behandeltes Präparat aus dem Blute eines Winter- 
frosches, sei es dem Knochenmark oder einem anderen Teile ent- 
nommen, als Vergleichsobjekt betrachtet. Während bei letzterem 
sämtliche rote Blutkörperchen sich auf der Höhe ihrer Entwicklung 


730 E. Neumann: 


zeigen und in ihrer Grösse, Form und dem Hämoglobingehalt 
demnach fast vollständig übereinstimmen, unterscheiden sich in 
dem ersteren die hämoglobingefärbten Zellen durch sehr ver- 
schiedene Grösse, wechselnde Formen und vor allem durch sehr 
ungleiche Intensität der Färbung voneinander. Dass es sich hier 
um aufeinanderfolgende Entwicklungsstufen handelt, bedarf für 
den unbefangenen Beobachter keines Beweises, es ergibt sich 
ohne weiteres, dass diese Entwicklungsreihe nach oben mit den 
reifen roten Blutkörperchen, wie sie der Winterfrosch ausschliesslich 
besitzt, abschliesst, nach unten aber in diejenigen Elemente aus- 
läuft, welche als typische Spindelzellen bezeichnet werden müssen 
und dass unter letzteren teils solche mit schwachem Hämoglobin- 
gehalt, teils vollständig farblose sich befinden; ausserhalb der 
physiologischen Regenerationsperiode gibt es aber nur farblose 
Spindeln und alle Übergänge zu den roten Blutzellen fehlen. 
Aus meiner früheren Darstellung geht übrigens hervor, dass die 
Übergangsformen eine gewisse Mannigfaltigkeit zeigen, indem die 
Umformung der Spindelzelle zum roten Blutkörperchen nicht 
immer ganz dieselben Zwischenstadien durchläuft. Von einer 
Erläuterung durch Abbildungen glaube ich äbsehen zu dürfen, 
da sie keine wesentliche Ergänzung der Beschreibung bieten 
können; übrigens liegen solche bereits vor von Hayem!) und 
neuerdings von Heinz.?) 

Gegen die Beweiskraft der Präparate lässt sich meines 
Erachtens kein stichhaltiger Einwand erheben und sie erledigen 
zugleich die viel diskutierte Frage, ob die Spindelzellen farblos 
oder durch Hämoglobin gefärbt sind? Die für gewöhnlich farb- 
losen Spindeln nehmen zur Zeit der physiologischen Blutregeneration 
Hämoglobinfärbung an, was den ersten Schritt zu ihrer Umbildung 
zu roten Blutzellen bedeutet. Hierin hatte Marquis (l. c.) 
gefehlt, die Existenz hämoglobinloser Spindelzellen war ihm ent- 
gangen, weil er bei der Untersuchung frischer Blutstropfen die An- 
wendung fixierender Mittel versäumte, so dass nur die resistenteren, 
bereits gefärbten Spindeln in seinen Präparaten erhalten waren 
und weil an fixierten Organschnitten, wie er sie vorzugsweise 


ı) Hayem, Arch. de Phys. normale et pathol. 1879. P1.I, Fig. 5 und 
Pl. V, Fig. 4, 5. 
2\/Heinz;,'l.c., Taf. XV, Rig.t. 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes. 731 


benutzte, die Unterscheidung farbloser und gefärbter Spindeln 
unsicher und schwierig ist. Hayem dagegen hatte die ganze 
Skala der Entwicklung mit Hilfe der von ihm ausgebildeten 
Fixierungsmethoden richtig erkannt, ihm war aber entgangen, 
dass besser als das in den übrigen Organen zirkulierende Blut 
das Knochenmarksblut sich zur Untersuchung eignet, auf dasselbe 
haben sich, da er bekanntlich das Knochenmark als blutbildendes 
Organ nicht anerkannte, seine Beobachtungen nicht erstreckt; auch 
seine Angaben über die günstigste Jahreszeit waren unbestimmt 
und wohl auch nicht ganz richtig, insofern er den Spätsommer 
(August, September) bevorzugt findet. 


Von einigen Untersuchern ist nun freilich angegeben worden, 
dass die Kerne der Spindelzellen und der roten Blutkörperchen 
eine spezifische durchgreifende Verschiedenheit darbieten und sie 
haben darauf ihren Widerspruch gegen die Zusammengehörigkeit 
beider begründet. Am bestimmtesten hat sich in dieser Beziehung 
Deekhuyzen!') ausgesprochen ; indem er voneinander unabhängige 
Gruppen von Blutelementen annimmt und für eine jede derselben 
ein bestimmtes „Leitmerkmal“ angibt, stellt er den Erythroblasten, 
d.h. den jungen und reifen roten Blutzellen, die Thromboblasten 
und Thromboeyten, d. h. die jungen und reifen Spindelzellen 
gegenüber, für erstere soll die Existenz eines Nucleolus im Kern, 
für letztere ein sogen. „Mitochrom“, d.h. eine in dem Längs- 
durchmesser des Kerns verlaufende streifen- oder schleifenartige 
Chromatinanhäufung das charakteristische Leitmerkmal sein. 


In meiner früheren Arbeit (l. c. S. 255) habe ich mich dahin 
geäussert, dass die an dem Zellprotoplasma selbst zu beobachtenden 
Erscheinungen zum Beweise dafür, dass die beiden scheinbar so 
differenten morphologischen Elemente in genetischer Beziehung 
zueinander gehören, genügten, so dass die Verfolgung der feineren 
Struktur ihrer Kerne in dieser Beziehung kein besonderes Interesse 
darböte, und man sich über die Schwierigkeiten, welche diese 
Untersuchung darbiete, hinwegsetzen könne; ich glaube hier mich 
darauf beschränken zu dürfen, zu konstatieren, dass die angeblichen 
Differenzen in der Kernstruktur ebensowohl nach meinen eigenen 
Untersuchungen als nach den Angaben anderer Autoren nicht 


') Deekhuyzen: Über das Blut der Amphibien. Verhdlg. d. Anat. 
Ges. zu Wien. 1892. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 47 


132 E. Neumann: 


bestehen. Ich berufe mich vor allem auf die Autorität Flemmings'), 
welcher sich durchaus zugunsten einer grossen Übereinstimmung 
zwischen den Kernen der Spindelzellen und der roten Blutzellen 
ausspricht. An dem angegebenen Orte heisst es: „jedenfalls sind 
die Kerne der Spindelkörper denen der roten Blutzellen sehr 
ähnlich durch die Regelmässigkeit des Netzwerks und die Ver- 
teilung der Verdiekungen, nur ist es etwas lockerer und deshalb 
klarer, durch Reagentien wird die Zeichnung des Netzes an ihnen, 
wie an den gewöhnlichen roten Blutkörperchen sehr deutlich.“ 
Diese Beschreibung Flemmings bezieht sich auf das Blut von 
Salamanderlarven, dessen Spindeln er demnach auch geneigt ist, 
als Jugendformen der roten Blutzellen zu betrachten.”) Von 
besonderem Interesse ist es, zu sehen, dass Meves, ein entschiedener 
(Gegner der Ableitung der roten Blutzellen aus den Spindelzellen, 
von den Kernen der letzteren eine Beschreibung gibt, welche in 
Betreff der Chromatinanordnung mit Flemmings Angaben über 
die Erythrocytenkerne eine grosse Übereinstimmung zeigt: „im 
Innern der Thrombocytenkerne (i. e. unserer Spindelzellenkerne) 
finde ich an den fixierten und gefärbten Präparaten keine gröberen 
Uhromatinbrocken, sondern zahlreiche feine Chromatinkörnchen, 
von welchen anzunehmen sei, dass sie in den Strängen eines 
(nicht sichtbar hervortretenden) Liningerüstes liegen.“ Das 
scheint ganz zu der Beschreibung zu passen, welche Flemming 
von dem Bau der Erythrocytenkerne gibt, wenn er sagt, dass sie 
„ein so enges Gerüst mit so dichten Verdickungen enthalten, 
dass auf den ersten Blick nur eine gleichmässige und dabei sehr 
zarte, etwas verwaschene Granulierung erscheint, dass man jedoch 
den Zusammenhang wenn auch nicht aller, doch vieler Körner 
durch Zwischenbälkchen ausreichend mit starken Systemen er- 
kennen könne.“ 


Was aber die von Deckhuyzen angegebenen Leitmerk- 
male betrifft. so ist wohl zuzugeben, dass das sogenannte Mitochrom 


') Flemming: Zur Kenntnis des Zellkerns. Zentralbl. f. d. med. 
Wiss., 1877, Nr. 20. — Beitr. zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebens- 
erscheinungen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XVI, S. 311. 1879. 

?®) Einige Bedenken dagegen wurden Flemming nur durch die 
Beobachtungen Strickers erregt, welche zeigten, dass die Spindelzellen 
auch zu den Leucocyten in naher Beziehung stehen; dass diese Bedenken 
ungerechtfertigt sind, wird sich aus dem Folgenden ergeben. 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes. 


der Spindelzellen, möge dasselbe nun, wie bisher meistens an- 
genommen worden, von einer longitudinalen, streifenförmigen 
Chromatinanhäufung herrühren oder, wie nach den neuen Unter- 
suchungen von Meves (l.c.) kaum mehr zu bezweifeln sein 
dürfte, Längsfalten der Kernmembran darstellen, eine besondere 
Eigentümlichkeit dieser Zellen ist, es liegt aber kein Grund gegen 
die Annahme vor, dass diese Erscheinung bei weiterer Entwicklung 
der Zellen verschwindet und nur eine vorübergehende Bildung 
ist. Andererseits steht aber in bezug auf die angeblich für 
Erythroblasten und Erythrocyten charakteristischen Nucleolen fest, 
dass dieselben bei gewissen Behandlungsmethoden (Osmium, Jod- 
jodkalilösung) ebensowohl bei roten Blutkörpern wie bei Spindel- 
zellen zur Anschauung gebracht werden, also kein Unterscheidungs- 
merkmal abgeben können. 

Es bliebe noch übrig, hier einer in jüngster Zeit erschienenen 
Arbeit von Freidsohn'), welche unter der Leitung von Weiden- 
reich entstanden ist, zu gedenken. Der Verfasser vertritt die 
Ansicht, dass die roten Blutkörperchen des Amphibienblutes aus 
einer Metamorphose kleiner Iymphocytärer Zellen hervorgehen, 
befindet sich insofern also in Übereinstimmung mit meiner früheren 
Darstellung (1. e.), freilich ohne sich darauf zu beziehen; in der 
von ihm gegebenen Beschreibung und den Abbildungen fehlt 
jedoch die Spindelzelle als Zwischenstufe der Entwicklung, die 
kleinen farblosen Lymphocyten behalten vielmehr nach Freidsohn 
ihre runde Form bei, bis sie gleichzeitig mit dem Eintritt 
der Hämoglobinfärbung oder kurz nachher die ellipsoidische 
oder ovoide Form der roten Blutkörper annehmen; ein Übergangs- 
stadium, in welchem die Zellen farblos und spindelförmig sind, 
würde also nicht existieren. Da diese Beobachtungen nicht im- 
stande sind, die positiven von Hayem und von mir erhobenen 
Befunde von Zwischenstufen zwischen ungefärbten Spindelzellen 
und roten Blutkörpern, welche der Verfasser nicht erwähnt und 
nicht zu kennen scheint) und deren Nachprüfung daher gänzlich 


!) Freidsohn: Zur Morphologie des Amphibienblutes. Arch. f. mikr. 
Anat., Bd. 75, 1910. 

?) Um diesen Ausspruch zu rechtfertigen, muss ich auf ein Versehen 
indem von Freidsohn zusammengestellten Literaturverzeichnis hinweisen ; 
er tritt in seiner Arbeit für die von der Ehrlichschen Schule ohne jeden 
genügenden Grund bestrittene, von autoritativen Histologen aber stets fest- 


47* 


17134 E. Neumann: 


vermisst wird, umzustossen, so muss die Frage entstehen, ob etwa 
eine direkte und eine indirekte, durch Spindelzellen vermittelte 
Entwicklung von Lymphocyten zu roten Blutkörpern nebeneinander 
besteht und unter verschiedenen Verhältnissen bald die eine bald 
die andere in Erscheinung tritt. Man wird eine solche Möglich- 
keit nicht von vornherein in Abrede stellen können, aber, wie 
mir scheint, sind die Freidsohnschen Beobachtungen ' keines- 
wegs einwandfrei. 

Seine Angaben über das von ihm angewandte technische 
Verfahren müssen Zweifel erregen, ob er den bekannten, extra- 
vasculär äusserst schnell eintretenden Veränderungen, welche die 
Spindelzellen erfahren und durch welche sie sich zu Iymphocyten- 
ähnlichen Rundzellen umgestalten, genügend Rechnung getragen 
hat. Er hat nämlich das zu untersuchende Blut zuerst in eine 
capillare Glasröhre aufgenommen und alsdann auf einen Objekt- 
träger entleert, welcher vorher und ebenso auch nachher Formalin- 
dämpfen einige Minuten ausgesetzt wurde, ich habe es dagegen, 
wie beschrieben, um eine sofortige Einwirkung der fixierenden 
Flüssigkeit zu ermöglichen, für erforderlich gehalten, das für die 
Aufsaugung des Blutes bestimmte Glasröhrchen im voraus mit 
einem kleinen Quantum dieser Flüssigkeit anzufüllen. Nach 
Kontrollversuchen mit der Freidsohnschen Methode kann ich 
die damit erhaltenen Resultate nicht als befriedigend bezeichnen, 
die Spindelzellen waren weniger zahlreich und nicht so gut er- 
halten, wie bei der von mir empfohlenen Methode; schon der kurze 
Kontakt mit den Glasröhrchen schien einen schädigenden Einfluss 
ausgeübt zu haben, vielleicht besitzen auch die Formalindämpfe 
nicht eine so unmittelbar ertötende Wirkung wie Osmium und 
Sublimat. Dass übrigens das von Freidsohn geübte Ausstreichen 
des Blutes auf dem Objektträger eine gewisse Gefahr des Zer- 
drücktwerdens der Blutelemente mit sich bringt, ist von ihm selbst 
hervorgehoben; mein Verfahren, die Ausbreitung des Blutstropfens 


gehaltene Lehre von der Entwicklung der polymorphkernigen Leucocyten aus 
Iymphocytären Elementen ein und bestätigt meine früher hierüber gemachten 
Angaben, zitiert aber hierbei meine Abhandlung „Hämatologische Studien I“, 
Virchows Arch., Bd. 143, 1896, in welcher gerade die von ihm nicht er- 
wähnten Beobachtungen über die Entwicklungsgeschichte der roten Blutzellen 
enthalten sind, während über die Leucocyten meine spätere Arbeit „Häma- 
tologische Studien II“, Virchows Arch., Bd. 174, 1903, handelt. 


U 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes. {sX 


in dünner Schicht durch Abschleudern und Hin- und Herschwenken 
zu bewirken, vermeidet diese Gefahr. 

Was nun ferner das von Freidsohn zur Untersuchung 
gewählte Objekt betrifft, welches vorzugsweise in dem Herzblut 
junger Frösche bestanden zu haben scheint (hierauf allein beziehen 
sich die Abbildungen, von dem Knochenmarke begnügte er sich, 
Ausstrichpräparate des Organs, nicht des ausgepressten Blutes 
herzustellen!), so wäre dasselbe nach meinen Erfahrungen nur 
dann als brauchbar zu bezeichnen, wenn die Untersuchungen 
in eine Zeit lebhafter Blutregeneration gefallen wären, worüber 
Angaben fehlen. Es ist zweifellos, dass man auf sicherere 
Resultate rechnen darf, wenn man entweder das Blut bei Tieren 
nach erlittenen grösseren Blutverlusten untersucht (hier gelingt 
es, wie ich 1. c. gezeigt habe, selbst bei längere Zeit eingefangenen 
Tieren im Herbst und Winter eine lebhafte Blutregeneration ein- 
zuleiten) oder vor allem, wenn man in der oben beschriebenen 
Weise das Knochenmarksblut der in der physiologischen Blut- 
regeneration begriffenen Frösche zum Gegenstand der Unter- 
suchung macht. In diesen beiden Fällen haben wir es mit einem 
akut verlaufenden Neubildungsprozess im Blute zu tun, bei welchem 
im Laufe weniger Wochen oder Monate der durch Hämorrhagie 
verloren gegangene Teil des Blutes resp. die gesamte, während 
des Winterschlafes vorhanden gewesene Blutmasse sich regeneriert 
und somit die verschiedensten Entwicklungsstufen der Blut- 
körperchen in sehr grosser Zahl im Blute auftreten müssen, 
während die Vermehrung der Blutkörperchenmenge, welche mit 
dem einfachen physiologischen Wachstum der Tiere einhergeht, 
naturgemäss mit diesem gleichen Schritt hält, demnach in sehr 
langsamem Tempo erfolgt. 

Meine eignen, im verftlossenen Frühjahr vorgenommenen 
Untersuchungen an jungen Fröschen und an einer grossen Serie 
von Frosch- und Krötenlarven haben mich übrigens zu dem Er- 
gebnis geführt, dass sich auch hier der Nachweis der Entstehung 
der roten Blutzellen aus Spindelzellen führen lässt. Bei den 
Larven beobachtete ich zunächst in vivo das in den Gefässen 
enthaltene Blut bei noch bestehender, aber abgeschwächter 
Zirkulation, sodann wurde durch einen raschen Scherenschnitt 
der Schwanz abgetragen, das hervorquellende Blut sofort in einen 
Tropfen fixierender Flüssigkeit aufgenommen und in oben be- 


736 E. Neumann: 


schriebener Weise weiterbehandelt. Dass hierbei zahlreiche 
„embryonale“ rote Blutzellen zu finden sein würden, war von vorn- 
herein zu erwarten, alle Beobachter stimmen darin überein, dass 
die hämoglobingefärbten Blutzellen von Amphibienlarven zum 
grossen Teil durch blassere Färbung, geringere Grösse und etwas 
unregelmässige Form sowie vor allem durch die Häufigkeit karyo- 
kinetischer Figuren sich vor den reifen Elementen erwachsener 
Tiere auszeichnen. Die Frage aber, ob das Blut der Larven 
typische Spindelzellen enthält, ist bisher nur wenig berücksichtigt 
worden, selbst in dem von Hayem gelieferten, sehr reichhaltigen 
Beobachtungsmaterial finde ich keine hierhergehörige Notiz, 
ebenso sind andere Untersucher des Froschblutes stillschweigend 
darüber hinweggegangen. Um so wertvoller ist die oben zitierte 
Beobachtung Flemmings (Arch. f. mikr. Anat., XVI), welcher 
über das sehr zahlreiche Vorkommen langer, farbloser spindel- 
förmiger Elemente im Blute der Salamanderlarven berichtet. 
Diese Angabe habe ich bei Fröschen und Kröten bestätigen und 
mich von der Identität dieser Zellen mit den typischen Spindel- 
zellen im Blute erwachsener Tiere mit Sicherheit überzeugen 
können, ich habe dieselben bisweilen sogar in grossen dicht- 
gedrängten Gruppen im Innern der Gefässe neben kleinen Leuco- 
cyten und hämoglobinhaltigen Blutzellen mit Sicherheit beobachten 
können. Aber es fällt auch nicht schwer, ebensowohl am lebenden 
Objekt als auch bei künstlich hergestellten Präparaten die Existenz 
von Zellen festzustellen, welche die Verbindung zwischen diesen 
farblosen Spindelzellen und den roten Blutkörperchen herstellen: sehr 
blassgefärbte, ebenfalls spindelförmige oder ıänglich-ovale, an den 
Enden abgerundete Zellen. Nur insofern bin ich enttäuscht worden, 
als die Zahl solcher vermittelnder Elemente immer nur eine geringe 
zu sein schien, so dass ich annehmen muss, dass im Larvenleben die 
Vermehrung der roten Blutzellen durch Teilung, gegenüber ihrer 
Entstehung durch Umbildung farbloser Spindelzellen, vorherrscht. 


2. Spindelzellen und Leucocyten. 
Schon die frühesten Beschreibungen der Spindelzellen weisen 
darauf hin, dass nahe Beziehungen zwischen ihnen und den 
übrigen farblosen Blutzellen bestehen. Stricker‘) hat sie ohne 


!) Stricker: Beobachtungen über die Entstehung des Zellkerns. 
Wiener Akad. Sitzungsberichte, math.-naturw. Klasse, Bd. 76, Abt. III. 1877. 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes. 137 


weiteres als eine „besondere Abart der weniger beweglichen ein- 
kernigen farblosen Blutzellen“ hingestellt, Löwit (l. ec.) wurde, 
wie schon erwähnt, durch seine Untersuchungen zu der Ansicht 
geführt, dass es zwei Arten von Spindelzellen gebe, von denen 
er die eine wenigstens mit den Leucocyten wegen der Überein- 
stimmung der Kernstruktur zusammenstellt, während er der 
anderen, durch ihre Kernbeschaffenheit den roten Blutzellen sich 
anschliessende Art allerdings eine Verwandtschaft mit den übrigen 
farblosen Zellen abspricht. Auch in der neuen Freidsohnschen 
Arbeit werden die Spindelzellen den übrigen farblosen Blutzellen 
als eine besondere Form derselben angereiht und das Vorkommen 
von Mittelformen erwähnt, deren Zugehörigkeit zu der einen oder 
der anderen Art schwer zu bestimmen sei. Von anderer Seite 
ist eine solche Verwandtschaft überhaupt geleugnet worden und 
es ist bemerkenswert, dass gerade diejenigen Autoren, welche 
die Bedeutung der Spindelzelien als Jugendformen roter Blutzellen 
richtig erkannten, sich entschieden für ihre Unabhängigkeit von 
den Leucocyten erklärt haben, wie Hayem und Marquis. 

In meiner früheren Arbeit habe ich mich bemüht, zu zeigen, 
dass eine andere Herleitung der Spindelzellen als die Entwicklung aus 
Leucocyten bisher nicht hat gegeben werden können und dass ferner 
alle Merkmale, die man als charakteristische Unterschiede zwischen 
beiden betrachtet hat, keine durchgreifende Gültigkeit haben. 

Was den ersteren Punkt betrifft, so kann ich mich auf 
meine damaligen Ausführungen beziehen, und es sei hier nur 
hervorgehoben, dass die konstante Anwesenheit von Spindelzellen 
im Amphibienblut zu jeder Jahreszeit die Annahme eines be- 
ständigen (oder auch periodischen?) Ersatzes derselben durch 
Neubildung erforderlich macht in dem Maße, als ihre Umbildung 
zu roten Blutzellen stattfindet, dass dieser Ersatz aber, so lange 
nicht erwiesen ist, dass sie sich durch Teilung vermehren (was 
bisher nicht der Fall ist), auf eine Umbildung anderer Zellen 
zurückgeführt werden muss. Als solche Stammzellen kommen 
nun vor allem die Leucocyten in Betracht. Eine andere Ursprungs- 
quelle, auf welche Marquis rekurrierte, habe ich zurückweisen 
müssen, nämlich das Endothel der Capillargefässe des Knochen- 
marks; weder besteht eine Ähnlichkeit zwischen Endothel und 
Spindelzellen, noch liegen Beobachtungen dafür vor, dass ersteres 
in der Periode der physiologischen Blutregeneration oder in 


738 E. Neumann: 


anderen Jahreszeiten sich in Spindelzellen umwandeln oder durch 
Proliferation dieselben erzeugen könne. 

Den Schwerpunkt meiner Beweisführung sah ich aber in 
dem Nachweise, dass die Eigenschaften der Leucocyten oder, 
genauer gesagt, der als Lymphocyten bezeichneten kleineren 
Formen derselben (sämtliche anderen Leucocyten kommen füglich 
nicht in Betracht) einerseits und die Eigenschaften der Spindel- 
zellen andererseits eine scharfe Abgrenzung nicht zulassen; alle 
Umstände, welche zugunsten einer prinzipiellen Trennung ange- 
führt worden sind, erweisen sich als nicht stichhaltig; sie beweisen 
nur, dass die Spindelzelle im Zustande typischer Ausbildung 
wesentlich verschieden ist von den amöboiden Lymphocyten, ja 
es kann sogar zugegeben werden, dass zwischen beiden ein ebenso 
weiter Abstand ist als zwischen Spindelzelle und reifem Erythrocyt 
(was einige Autoren verkannt zu haben scheinen), diese Ver- 
schiedenheit schliesst aber nicht aus, dass beide nur verschiedene 
Entwicklungsstufen ein und derselben Stammzelle sind. 

Gehen wir auf die einzelnen Unterscheidungsmerkmale ein, 
wie sie zuerst von Hayem, später von Bizzozero, Eberth- 
Schimmelbusch, Deckhuyzen, Marquis u. a. aufgestellt 
und als Beweis für eine unüberbrückbare Kluft zwischen beiderlei 
Zellen betrachtet worden sind, näher ein, so ist zunächst auf die 
Erscheinungen Bezug genommen worden, welche der frisch, ohne 
Reagentien beobachtete Blutstropfen unter dem Mikroskop dar- 
bietet: die Lymphocyten sind, wie die übrigen Leucocyten, ziemlich 
dauerhafte Gebilde, auch bei längere Zeit fortgesetzter Beob- 
achtung bleiben sie, wenn man das Präparat vor Verdunstung 
schützt, unverändert. abgesehen natürlich von den bekannten, 
ziemlich trägen amöboiden Formveränderungen, die Spindelzellen 
hingegen sind äussert „vulnerabel“ (Hayem), sehr schnelle Her- 
stellung des Präparats ist erforderlich, um sie in intaktem Zu- 
stande zu sehen, binnen kürzester Frist innerhalb einiger Minuten 
erhalten sie ein ganz verändertes Aussehen. Diese, seit Hayem 
hinreichend bekannten, zuletzt von Meves in exaktester Weise 
mit Hilfe einer verfeinerten Technik studierten Veränderungen 
verlaufen in der Weise, dass zuerst, während die früher blasse 
Zelle einen stärkeren Glanz annimmt, wie er den lebenden 
Lymphocyten zukommt, eine Verkürzung und Abrundung, ver- 
bunden mit einem Kugligwerden des seine Einfaltungen ver- 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes. 1739 


lierenden Kernes (Meves), sowie auch eine Bildung kleiner Fort- 
sätze an der Oberfläche eintritt und alsdann eine Verschmelzung 
der so deformierten Zellen zu einer formlosen, nach allen Seiten 
mit feinen Fibrinstrahlungen zusammenhängenden Masse, welche 
die umgeformten Kerne einschliesst. Ein grösserer Gegensatz 
lässt sich nicht denken, auf der einen Seite die lange Fortdauer 
evidenter Lebenserscheinungen, auf der anderen Seite Vorgänge, 
welche eher den Eindruck der „Agone“ (Deckhuyzen) machen 
oder doch wenigstens nur im Beginn einen aktiven, alsbald aber 
einen degenerativen Charakter an sich tragen (Meves). 

Lässt sich nun aber mit Bestimmtheit sagen, 
dass nur die Spindelzellen letzterem Schicksale ver- 
fallen und dass die Lymphocyten davon durchweg 
ausgeschlossen sind? Tatsächlich liegt die Sache so, dass 
man sich an frischen, mit möglichster Schnelligkeit hergestellten 
Präparaten direkt davon überzeugen kann, dass die ins Auge 
gefassten Spindelzellen die beschriebene Metamorphose erleiden, 
ebenso lässt sich positiv feststellen, dass es im Präparat zahl- 
reiche Lymphocyten gibt, welche sich in unverändertem Zustande 
erhalten, aber man kann nicht ebenso bestimmt behaupten, dass 
alle Zellen, welche man in einem Stadium der Metamorphose 
antrifft, früher Spindelform gehabt haben und dass keine, im 
Blute als Lymphocyt zirkulierende Zelle dieselbe Alteration erfährt. 
Die ausserordentliche Schnelligkeit, mit der die Veränderungen 
sich entwickeln, und die grosse Ähnlichkeit, welche die Spindel- 
zellen im Anfange derselben mit Lymphocyten gewinnen, verhindern 
eine sichere Entscheidung hierüber. Es beruht ebenso auf einer 
willkürlichen Voraussetzung, wenn Stricker behauptet, dass 
Spindelzellen und Lymphocyten in gleicher Weise sich verändern 
können, als wenn Hayem das Gegenteil annimmt, und gerade 
in dem verschiedenen Verhalten beider Zellen in dieser Be- 
ziehung das wichtigste und, wie er geradezu erklärt, bisweilen 
das einzige Unterscheidungszeichen erblickt; Stricker konnte 
nicht beweisen, dass die abgerundeten Zellen, an welchen er die 
Veränderungen beobachtete, im Blute als solche präformiert, nicht 
im ersten Stadium der Metamorphose begriffene Spindelzellen 
waren, andererseits musste Hayem den Beweis dafür schuldig 
bleiben, dass diese Zellen sämtlich früher Spindelzellen und nicht 
im Blute präformierte Lymphocyten waren. 


740 E. Neumann: 


Dass auch das von Meves (l. c.) eingeschlagene Verfahren, 
die Herstellung von Präparaten von Blutstropfen, welche zuerst 
während einiger Minuten sich selbst überlassen blieben, dann, 
nachdem der Eintritt der Veränderungen erwartet werden konnte, 
fixiert und gefärbt wurden, keine sichere Entscheidung über die 
in Rede stehende Frage zulässt, dürfte sich aus den Erfahrungen, 
die Meves selbst damit machte, ergeben, wenigstens berichtet 
er über gewisse, wie er meint, anormale Befunde, welche ihm 
Zweifel erregten, ob die in der Metamorphose begriffenen Zellen 
„wirklich veränderte Spindelzellen oder Leucocyten seien“ und 
bei denen er die Diagnose „Spindelzellen“ nur durch die nach 
allen Seiten hin abgehenden feinen Fibrinfäden für sichergestellt 
hielt (I. ce. S. 332, Fig. 38); dass dieses Kriterium unbedingt zu- 
verlässig ist, wird vielleicht keine allgemeine Zustimmung finden, 
denn, wie leicht ersichtlich, wird die Entscheidung der alten Streit- 
frage, ob nur die Spindelzellen die Ausgangspunkte für die Fibrin- 
bildungim Blut abgeben und ob sie allein die Namen „Thrombocyten“ 
verdienen, ihrerseits stets davon abhängig bleiben, ob Spindelzellen 
und Leucoceyten resp. Lymphocyten Zellen sui generis sind. 

Schon bei meiner ersten Bearbeitung des Gegenstandes (|. c.) 
habe ich auf einen Umstand hingewiesen, welcher es mir wenigstens 
wahrscheinlich macht, dass auch ein Teil der Lymphocyten 
von den extravasculär eintretenden Veränderungen betroffen wird: 
in den lebenden Gefässen prävaliert nämlich meistens die Zahl 
der kleinen, runden Lymphocyten bedeutend über die der Spindel- 
zellen, in den mikroskopischen Präparaten des Blutstropfens findet 
man dagegen häufig nach kurzer Zeit eine ausserordentlich grosse 
Menge teils einzeln liegender, teils zu kleinen Gruppen oder 
grösseren Haufen verschmolzener degenerierter Zellen, während 
die Zahl der erhaltenen Lymphocyten abgenommen zu haben 
scheint. Da ich über keine Zählungen verfüge, so kann ich auf 
diese Beobachtung keinen allzu grossen Wert legen, es genügt 
mir, auf einen Weg aufmerksam gemacht zu haben, der vielleicht 
zum Ziele führt. Jedenfalls fehlt einstweilen die Berechtigung, 
auf grund der besprochenen, im Blute nach seinem Austritt sofort 
eintretenden Veränderungen eine scharfe Grenze zwischen Spindel- 
zellen und Lymphoeyten zu ziehen. 

Es lag nahe, die Deetjensche Agarmethode, welche für 
die Untersuchung des Säugetierblutes so Vorzügliches leistet, auch 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes. 741 


für das Amphibienblut nutzbar zu machen, um den Eintritt spontaner 
Veränderungen der Blutelemente zu verhindern und sie in vitalem 
Zustande zu erhalten; indessen hat Deetjen selbst!) berichtet, 
dass seine darauf gerichteten Bemühungen vergeblich gewesen 
sind; somit würde nur die Untersuchung des Blutes innerhalb 
noch lebender Gefässe und die Untersuchung an fixierten und 
gefärbten Präparaten des frisch dem Körper entnommenen Blutes 
übrigbleiben. Erstere ist vielleicht bisher noch nicht genügend 
für die Entscheidung der uns beschäftigenden Frage verwertet 
worden, über letztere liegen dagegen sehr zahlreiche und sehr 
subtile Angaben vor. 

Auch meine eigenen, früher mitgeteilten Beobachtungen 
bezogen sich hauptsächlich auf derartige Präparate, und ich glaube 
durch dieselben erwiesen zu haben, dass sich eine lückenlose 
Reihe von Übergangsformen zwischen Spindelzellen und Lympho- 
cyten darstellen lässt. Von seiten späterer Untersucher scheint 
eine Nachprüfung mittels der von mir empfohlenen Methoden 
nicht stattgefunden zu haben, ich finde aber auch keine Angabe, 
welche den von mir erlangten Resultaten widerspricht. Ich be- 
schränke mich hier darauf, einige Punkte hervorzuheben. 

Als besonders vorteilhaft für die Untersuchung erweist sich 
auch hier das Knochenmarksblut von Rana temporaria in der 
Periode der physiologischen Regeneration. Untersucht man des- 
halb unmittelbar nach der Übertragung in 1°/o Osmiumsäure, 
so fällt es sofort auf, dass die farblosen Blutzellen (abgesehen 
von den grösseren, granuliert aussehenden Zellen, welche teils 
eosinophile Zellen, teils Mastzellen sind) ein gleichmässig helles 
Aussehen haben, in ihren Formen aber wechseln zwischen schmalen, 
langen Spindeln, länglichen, kürzeren aber etwas breiteren und 
mehr abgerundeten Spindeln und Rundzellen, also Spindelzellen 
und Lymphocyten sind durch Mittelformen verbunden. Ihre 
Zusammengehörigkeit ergibt sich auch aus einer, von Hayem 
bereits erwähnten Eigentümlichkeit, welche ihnen gemeinsam zu- 
kommt, ein grosser Teil dieser verschieden geformten Zellen zeigt 
nämlich in dem übrigens homogen und transparent erscheinenden 
Zellleibe ein einzelnes oder ein paarkleine, fettähnlich glänzende 
Körnchen, meist in der Nähe des undeutlich durchscheinenden 


!) Deetjen: Untersuchungen über die Blutplättchen-Habilitationsschrift. 
Kiel. Virchows Archiv, Bd. 164. 1901. 


742 E. Neumann: 


Kerns liegen; welcher chemischen Natur sie sind, ist unbekannt; 
gegen Fett (Hayem schrieb ihnen eine „nature vitelline“ zu) 
spricht, dass sie sich in Osmium nicht schwärzen. Ihre Anwesenheit 
in den Spindelzellen bei Rana ist, ausser von Hayem, auch von 
vielen folgenden Untersuchern beschrieben. Auch ich habe sie 
erwähnt und für Rana temporaria als fast konstant bezeichnet, 
auch darauf hingewiesen (l. c. S. 271). dass dieser selbe Befund 
sich auch auf einigen von Hayem gegebenen Abbildungen von 
Lymphocyten („Leucocytes de la pr@miere variet&“) erkennen lässt 
(Hayem, l.c., Pl. V, Fig. 1a und Fig. 2a) ohne von demselben 
in seiner Beschreibung erwähnt und einer weiteren Beachtung 
gewürdigt zu werden und doch ist hierauf Wert zu legen; das 
Auftreten derselben Körnchen in vielen evidenten Lymphocyten 
und in den Zwischenformen verrät die genetische Beziehung 
dieser verschieden geformten Zellen zueinander. 

Ebenso sind ferner die mit Osmium fixierten Präparate zu 
empfehlen, um sich davon zu überzeugen, dass das Protoplasma 
beider Zellarten basophile Beschaffenheit hat: man füge dem 
in eine 1°/oige Osmiumsäurelösung aufgenommenen Blutstropfen 
vom Rande des Deckglases aus einen Tropfen Methylenblau- 
kochsalzlösung hinzu, lasse während der Ausbreitung desselben 
das Präparat einige Zeit (12—24 Stunden) in einer feuchten 
Kammer liegen und setze schliesslich Glycerin hinzu; hierdurch 
erreicht man eine bessere Differenzieruug der ursprünglich gleich- 
mässigen Färbung. Nach 24 Stunden zeigt sich folgendes Bild: 
Die farblosen Zellen des Blutes sind in ihrer Form fixiert, die 
einen glänzenden blauen Nucleolus enthaltenden selbst nur wenig 
gefärbten Kerne der Lymphocyten, sowie ein Teil der Spindel- 
zellen sind von dunkelblauem Protoplasma umgeben, dieses bildet bei 
ersteren einen schmalen Ring oder Halbmond, bei letzteren erscheint 
es in zwei polare Zipfel ausgezogen; bei den hämoglobinhaltigen 
Spindelzellen versagt natürlich diese Färbung; sie erscheinen, 
wie die roten Blutkörperchen, in einem grünlichgelben Farbenton. 
Bemerkenswert bei diesen Präparaten ist, dass anfangs die Färbung 
des Protoplasmas gleichmässig ist, bei längerem Liegen in Glycerin 
sondern sich aus ihm kleine blaue Granula und tropfenähnliche 
Kugeln aus, die an Zahl und Grösse mit der Zeit gewinnen, so dass 
der Kern alsdann von einem Kranze dieser Gebilde umgeben 
erscheint. 


Die Spindelzellen des Amphibienblutes. 745 


Was nun speziell die Beschaffenheit der Kerne betrifft, 
so haben weder diejenigen Untersuchungsmethoden, welche sich 
für die Darstellung des in ihnen gelegenen Chromatingerüstes 
eignen, noch diejenigen, welche die Kerne hell und homogen mit 
einem oder einem Paar centraien Nucleolen erscheinen lassen, 
ein durchgreifendes Unterscheidungsmerkmal ergeben. Die von 
Deckhuyzen (l. c.) und H. F. Müller (l. ec.) bezeichneten 
Unterschiede in der Beschaffenheit des Kerngerüsts bei „Leuco- 
blasten“ und „Thromboblasten“ resp. „Leucocyten“ und „Thrombo- 
cyten“ sind, wie ihre eigenen Abbildungen lehren, nicht genügend, 
worauf ich schon früher hingewiesen habe. Sehr frappant tritt 
die Ähnlichkeit des Kernbaues bei Lymphocyten und Spindel- 
zellen auf den schönen Abbildungen von Giglio-Tos') hervor, 
welcher sich demnach auch für ihre Zusammengehörigkeit aus- 
gesprochen hat. Ich verweise ferner auf meine obige Kritik der 
Mevesschen Angabe, dass bei gerinnendem Blut bisweilen nur 
aus der von den Zellen ausgehenden Fibrinstrahlung die Diagnose: 
Spindelzellen gegenüber den Lymphocyten gestellt werden könne; 
auch hieraus geht hervor, dass die Beschaffenheit der Kerne kein 
ausreichendes Unterscheidungszeichen ist und das zeigt auch ein 
Vergleich seiner Fig. 38 (als Spindelzelle gedeutet) mit dem von 
ihm abgebildeten „freien Kerne“ Fig. 37, welcher doch wohl mit 
einem Lymphocytenkern zu identifizieren ist. Die Chromatin- 
anordnung, wie sie die von ihm benutzte Untersuchungsmethode 
darstellt, ist im wesentlichen dieselbe. — Nucleolen aber kommen 
bei den mit Osmium und Jodjodkalilösungen behandelten Präparaten 
in den kleinen Lymphocyten konstant zum Vorschein und Meves 
hat noch neuerdings Hayems und meine Angabe bestätigt, dass 
dies in gleicher Weise auch bei den Spindelzellen der Fall ist. 
Die von mir angeregte (l. c.) Frage, ob es sich dabei um prä- 
formierte Gebilde oder um Kunstprodukte handelt, kann hier 
unerörtert bleiben. 


Die Mevessche Einfaltung der Kernwand bei den Spindel- 
zellen fehlt unzweifelhaft den Lymphocytenkernen und es bedarf 
noch einer genaueren Untersuchung, inwieweit sie sich an den 
Übergangsformen nachweisen lässt. Die von Meves beobachtete 
Tatsache, dass sie sich bei dem extravaseulären Übergange jener 


!) Giglio-Tos: Tromboeiti degli Ittiopsidi e deiSauropsidi. Torino 1898. 


744 E. Neumann: Die Spindelzellen des Amphibienblutes. 


in eine abgerundete Form ausgleichen, lässt aber die Vermutung 
zulässig erscheinen, dass bei der Entwicklung umgekehrt die 
ursprünglich glatten Kerne Einfaltungen erleiden. 


Es ergibt sich somit aus der gegebenen Darstellung des 
Entwicklungsganges der roten Blutzellen unter Vermittlung der 
Spindelzellen die bemerkenswerte Tatsache, dass zwischen eine 
amöboide und eine stabile Zelle eiri Entwicklungsstadium ein- 
geschaltet ist, in welchem die Zelle weder amöboid noch stabil 
ist, sondern vielmehr einen Zustand äusserst labiler Vitalität 
darbietet und sofort nach der Entfernung aus dem lebenden 
Körper in „Agone®* (Deckhuyzen) verfällt und dem Zerfall 
entgegengeht. Zugleich erweisen die mitgeteilten Beobachtungen 
aufs neue die Irrtümlichkeit der Annahme, dass die „Blutplättchen“ 
des Menschen und der Säugetiere, welche sich in betreff der 
Neigung zum Zerfall allerdings den Spindelzellen des Amphibien- 
blutes ähnlich verhalten, Analoga derselben sind, einer Annahme, 
welche noch gegenwärtig bei zahlreichen Autoren, neuerdings 
auch bei Meves, Unterstützung findet, obwohl die Hayemsche 
Lehre, dass die Blutplättchen der Säugetiere, ebenso wie es bei 
den Spindelzellen der Amphibien der Fall ist, Entwicklungsstufen 
der roten Blutzellen darstellen, kaum mehr Verteidiger findet. 


Das Ganglion ciliare der Vögel. 
Von 


M. von Lenhossek, Budapest. 


Mit 26 Textfiguren. 

Die mitzuteilenden Untersuchungen wurden mit der Cajal- 
schen Silbermethode am Ganglion ciliare des Huhnes, der Ente, 
des Truthahnes und der Taube angestellt. Vom Huhne habe ich 
ausser dem entwickelten Tier auch noch verschiedene Entwicklungs- 
stadien untersucht. Den wesentlichsten Teil der Ergebnisse dieser 
Untersuchung habe ich bereits im Form einer vorläufigen Mit- 
teilung auf dem II. Internationalen Anatomenkongress in Brüssel 
am 10. August 1910 vorgetragen. 

Ich will meiner Darstellung die beim Huhne gefundenen 
Verhältnisse zugrunde legen. 


N. opt. Nn. eil. breves 


N. eil. long. 


Gangl. cil. 


Rad. mot. 


Er 


M. rect. inf. 
N. oculomot. 


Eyo2T. 
Das Ganglion ciliare und seine Verbindungen beim Huhn. Halbschematische 
Rekonstruktion nach Serienschnitten, nach eigenen Untersuchungen, mit 
Benützung einer Figur von Holtzmann. 


Das Ganglion ciliare des Huhnes (Fig. 1) ist ein 1,5 mm 
langes, ovales Knötchen, hinter dem Augapfel, dicht an der 
lateralen Seite des Sehnerven gelegen. Eine bindegewebige 
Kapsel umgibt das Gebilde. An den Horizontalschnitten des 


746 M. von Lenhossek: 


Augenhöhleninhaltes (Fig. 2) sieht man von hinten und etwas 
von der medialen Seite her den kräftigen Oculomotoriusast in 
das Ganglion eintreten. Die Angabe mehrerer Forscher, dass 
beim Huhne das Ganglion dem Stamme des Nervus oculomotorius 
ohne besondere motorische Wurzel unmittelbar angelötet sei. 
kann ich nicht bestätigen. Wie Fig. 2 zeigt, ist eine motorische 
Wurzel bestimmt vorhanden. !) 

Das Ganglion verhält sich zu diesem Ast wie ein Spinal- 
ganglion zur hinteren Wurzel: es erscheint als eine Anschwellung 
dieses Astes. Auf der vorderen Seite sieht man zwei Nerven 
aus dem Ganglion hervor- 
treten: den kräftigen Nervus 
ciliaris crassus (Holtz- 
mann), der ungeteilt zum 
Augapfel geht, um die Selera 
in der Nähe des Sehnerven 
zu durchsetzen, und medial 
davon einen dünneren Ast, 
der mit dem N. ciliaris 
crassus parallel nach vorne 

Fig. 2. läuft und unzweifelhaft eben- 
Längsschnitt aus dem Ganglion ciliare des falls ein Ciliarnerv ist. Das 
Huhnes, aus mehreren Schnitten kombiniert. Ganglion ciliare des 
Von hinten tritt die motorische Wurzel an Huhnes hat ausser der 
das Ganglion heran, vorn entspringen aus motorischen keine 


dem Ganglion zwei Aste: der Nervus ciliaris 
crassus und der Nervus ciliaris minor. 


andere Wurzel; ich 
habe mich ebensowenig wie 
Schwalbe,?) Zaglinski°®, und Holtzmann‘) von der 
Existenz einer sensibeln und einer sympathischen Wurzel über- 
zeugen können. Ein der Radix sensitiva entsprechender Ast ist 


') Auch bei der Ente ist dies der Fall; bei der Taube und dem 
Truthahn dagegen ist das Ganglion auch nach meinen Beobachtungen dem 
Stamme des Nervus oculomotorius unmittelbar angelötet. 

?) G. Schwalbe: Das Ganglion oculomotorii. Jenaische Zeitschr. 
f. Naturwissenschaften, Bd. XIII. 1879. 

?) A. Zaglinski: Experimentelle Untersuchungen über die Iris- 
bewegung. Arch. f. Anat. u. Physiol., Physiolog. Abt., 1885, 8.1. 

*) H. Holtzmann: Untersuchungen über Ciliarganglion und Ciliar- 
nerven. Morphol. Arbeiten. Herausgegeben von G. Schwalbe. Bd. 6, 
S. 114. 1896. 


Das Ganglion cliare der Vögel. 1747 


nach den genannten Forschern allerdings auch hier vorhanden, 
doch verbindet er sich nicht mit dem Ganglion, sondern distal- 
wärts davon mit einem der Ciliarnerven (Fig. 1). Dies ist nach 
den genannten Forschern nicht nur beim Huhne, sondern auch 
bei den anderen von ihnen untersuchten Vogelarten !) der Fall. 
Auch ich habe mich an den von mir untersuchten wenigen Vogel- 
spezies überzeugen können, dass der zum Ganglion gehende 
Oculomotoriusast bei allen die einzige Wurzel des Ganglions ist. 

Somit gehört beim Vogel das Ganglion ciliare 
in seiner vesamtheit zu dem Nervus oculomotorius; 
es verdient demnach in vollem Maße den ihm schon vor 31 Jahren 
von Schwalbe beigelegten Namen eines Ganglion oculo- 
motorii. Hieraus folgt aber noch nicht, dass, wie Schwalbe 
gemeint hat, es einem Spinalganglion entspricht. Ich werde auf 
diese Frage am Schlusse meiner Arbeit noch zurückzukommen haben. 

Schon mit schwacher Vergrösserung lässt sich an den 
Horizontalschnitten des Augenhöhleninhaltes (Fig. 2) — besonders 
beim 21tägigen Hühnchen — ein auffallender Unterschied zwischen 
dem zutretenden Oculomotoriusast und den beiden abtretenden 
Ciliarnerven feststellen. Der Oculomotoriusast besteht aus dicken 
Achsenzylindern, die Ciliarnerven aus viel feineren. Die ein- 
tretenden Nervenbündel der motorischen Wurzel schlängeln sich 
zwischen den unregelmässig verteilten Nervenzellengruppen getlecht- 
artig hindurch und fast unmerklich werden in der distalen Hälfte 
des Ganglions die dicken Achsenzylinder durch die dünneren 
ersetzt. Man bekommt schon hierdurch den Eindruck. dass die 
Oculomotoriusfasern alle im Ganglion endigen und dass sich die 
Ciliarnerven ausschliesslich aus postganglionären, d. h. im Ganglion 
entspringenden neuen Fasern zusammensetzen. Bekanntlich hat 
dies Apolant?) für das Ciliarganglion der Katze bestimmt nach- 
gewiesen, indem er zeigte, dass nach Durchschneidung des 
N. oculomotorius die Fasern nur bis zum Ganglion ciliare ent- 
arten. Dasselbe haben aus ihren physiologischen Versuchen 


!) Zaglinski täuscht sich, wenn er für die Taube das Vorhanden- 
sein einer sensibeln Wurzel des Ganglion ciliare annimmt; ich habe mich 
an Serienschnitten bestimmt überzeugen können, dass auch bei der Taube 
nur der Oculomotorius Anteil an der Bildung des Ganglions nimmt. 

?2) Apolant: Über die Beziehungen des N. oculomotorius zum Ganglion 


ciliare. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 47, S. 655. 1896. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 48 


748 M. von Lenhossek: 


Langley und Anderson!), Langendorff?) und Bach?) 
gefolgert. 

Das Ganglion besteht aus einer mässig entwickelten Zwischen- 
substanz, durch die sich die Nervenfasern hindurchwinden, und aus 
Nervenzellen. Letztere sind ungefähr so gross oder um ein 
geringes kleiner als die Nervenzellen der Spinalganglien; ihr 
Durchmesser beträgt durchschnittlich 33,5 «. Den Zellen der 
sympathischen Grenzstrangganglien sind sie beträchtlich an Grösse 
überlegen. Sie sind alle unipolar:; der Fortsatz entspringt an 
dem einen Pol der zumeist leicht elliptischen, plumpen Zelle und 
geht dann ungeteilt in einen der Ciliarnerven über. Eine typische 
T-Teilung des Fortsatzes, wie sie für die Spinalganglienzellen 
charakteristisch ist, ist nicht vorhanden. Der Fortsatz entspringt 
mit einem kleinen Kegel von der Zelloberfläche; er ist in seiner 
ersten Strecke gewöhnlich recht dünn, verdickt sich aber in 
einiger Entfernung von der Zelle etwas: an der Stelle nämlich, 
wo er seine Markscheide erhält. Auch beim Vogel sınd nämlich, 
wie beim Säugetier,*) die Fasern der Ciliarnerven mit dünnen 
Markscheiden versehen. 

Bei vielen Zellen weist der Zellkörper am Fortsatzpol eine 
breite, flache, tellerförmige Vertiefung auf; in solchen Fällen 
entspringt der Fortsatz am Rande der Vertiefung. Nimmt er 
am proximalen Pol der Zelle seinen Ursprung, was nicht selten 
vorkommt, so muss er sich natürlich früher oder später distal- 
wärts umkrümmen, um in einen der Ciliarnerven zu gelangen. 
(rewöhnlich erfolgt diese Umkrümmung schon in der Nähe der 
Zelle. Er ist von Anfang an geradlinig und gestreckt; glomerulus- 
artige Windungen, wie wir sie an den Spinalganglienzellen der 
Säugetiere beobachten, sind an ihm nieht vorhanden. Übrigens 
fehlen beim Vogel diese Glomeruli auch an den Spinalganglien- 


1) 0. Langendorft: Ciliarganglion und Oculomotorius. Pflügers 
Arch. f. d. ges. Physiologie, Bd. 56, S. 522. 1894. 

?) L. Bach: Zur Lehre von den Augenmuskellähmungen und den 
Störungen der Pupillenbewegung. Arch. f. Ophthalmologie, Bd. XLVI, 
8.339. 189. 

>) I. N.Langley and H.K. Anderson: The action of nicotin 
on the ciliary ganglion and the endings of the third cranial nerv. Journ. 
ot Physiology, vol. XI, pag. 281. 1890. 

‘) W. Hahn: Untersuchungen über den Bau der Ciliarnerven. Wiener 
klin. Wochenschr., 1897, Nr. 31, S. 714. 


Das Ganglion ciliare der Vögel. 149 


zellen; auch bei diesen zeigt der Fortsatz einen geradlinigen 
Verlauf. 

Der Zellkörper ist bei der Mehrzahl der Zellen ganz glatt, 
abgesehen von den kaum merklichen Vertiefungen, die die gleich 
zu erwähnenden Amphicyten an ihnen hervorrufen können. 
Dendriten sind niemals vorhanden. Aber an einzelnen grösseren 
Zellen (Fig. 3) beobachtet man eine merkwürdige Schlingen- 
bildung an der Oberfläche, wie sie 
bekanntlich auch an den Spinal- 
ganglienzellen der Säugetiere (nicht 
aber der Vögel) häufig vorkommt. 
Die Zahl dieser scharf gezeichneten 
Schlingen kann sieben bis acht be- 
tragen. Sie können sich auf den 
ganzen Umfang der Zelle verteilen, 
gewöhnlich sind sie aber, wie bei der 
in Fig. 3 dargestellten Zeile, nur ein- — 
seitig entwickelt. Auch Spuren einer Fig. 3. 
„Fenestration“ lassen sich nachweisen Nervenzelle mit  Schlingen- 
in Form von Vacuolen innerhalb des DPildung an der Oberfläche. Fort- 
Protoplasmas des Fortsatzpoles der a en ae 

Schnitt. Vom Huhn. 
Zelle. Alle diese Unregelmässigkeiten 
kommen aber nur recht selten und nur bei vollkommen ent- 
wickelten Tieren vor; beim jungen Huhne ist nichts derartiges zu 
beobachten. Es handelt sich also um sekundäre Veränderungen, 
vielleicht um Alterserscheinungen der Zelle. 

Die Zelle ist von Amphieyten („Satellitenzellen“) umgeben, 
und zwar in Form eines dünnen, niedrigen Mantels.. Nur an 
einer Stelle zeigen diese Zellen eine stärkere Entwicklung: in 
der Gegend des Fortsatzpoles. Hier bilden sie eine schwächere 
oder stärkere kegelförmige Ansammlung, deren Basis der Zelle 
zugekehrt ist. Die Zelle bildet mitsamt diesem Kegel ein birn- 
förmiges (Grebilde. Ist der Amphieytenkegel stark entwickelt, 
wie dies z. B. in extremer Form bei Fig. 13 zu sehen ist, so 
bleibt dies nicht ohne Einfluss auf die Grösse und Form der 
Zelle: die Zelle erscheint in solchen Fällen mit einer breiten 
und tiefen polaren Aushöhlung versehen, niedrig, mützenförmig; 
oft ist sie so reduziert, dass sie gerade nur die Konvexität des 
birnförmigen Zellkomplexes einnimmt, alles übrige dagegen von 

48* 


750 M. von Lenhossek: 


den Amphieyten gebildet wird. Diese Reduktion und Formver- 
änderung, vor allem die Bildung der polaren Aushöhlung ist ohne 
Frage eine Folge der Wucherung der Amphicyten in der Gegend 
der Ursprungsstelle des Fortsatzes; beim jungen Tier, wo diese 
Wucherung noch nicht Platz gegriffen hat, fehlt stets auch die 
Aushöhlung. 

Der Amphieytenmantel wird nach aussen von einer scharf 
gezeichneten Bindegewebsmembran, der Kapsel der Zelle begrenzt. 
Natürlich ist diese Kapsel nichts anderes als die innerste Lage 
des interstitiellen Bindegewebes der Ganglien, mit dem sie auch 
unmittelbar zusammenhängt. 

Zelle und Fortsatz sind fibrillär gebaut; im Zellkörper bilden 
die Fibrillen ein dichtes Netz, im Fortsatz laufen sie parallel 
miteinander. 

Interessant ist die Endigungsweise der Oculomo- 
toriusfasern an den Zellen. 

Betrachten wir die Verhältnisse zuerst bei dem eben aus 
dem Ei geschlüpften 21tägigen Hühnchen (Fig. 4—7). Hier 
finden wir eine höchst einfache Form ‘der interneuronalen Arti- 
kulation. An jede Zelle tritt nur eine einzige Oculomotoriusfaser, 
und zwar erfolgt ihr Herantreten stets in der Nähe des Fortsatzes, 
so dass sich die beiden wie das Vas afferens und eferens eines 
Nierenglomerulus verhalten, mit dem Unterschied nur, dass während 
bei dem Nierenglomerulus die beiden Gefässe ungefähr von gleicher 


Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. 
Nervenzellen aus dem Ciliarganglion des 21tägigen Hühnchens. Die Amphi- 
eyten bilden noch keine polare Ansammlung. Einfache gabelförmige Endigung 
der Oculomotoriusfaser an der Zelle. In Fig.5 und 6 künstlicher, durch 
Schrumpfung entstandener Spaltraum um den Zellkörper. 


Dicke sind, hier der eine Ast, nämlich die Oculomotoriusfaser, 
den anderen, den Zellfortsatz, um ein beträchtliches an Dicke 
übertrifft. 


Das Ganglion cliare der Vögel, 


—I 
O1 
-_ 


An der Zelle teilt sich die Oculomotoriusfaser in zwei oder 
viel seltener in drei Äste, die an der Zelle in entgegengesetzter 
Richtung meridianartig herumlaufen, ohne sich aber am gegen- 
überliegenden Pol zu erreichen. Sie sind stets unverästelt; der 
eine ist gewöhnlich stärker als der andere, oft, wie in Fig. 5, mit 
sehr ausgesprochenem Dickenunterschied. Sie laufen genau an 
der Zelloberfläche, nur wenn sie hie und da eine kleine wellen- 
förmige Biegung beschreiben, können sie sich etwas von der Zelle 
abheben, um sich zwischen die Amphieyten zu lagern. 

An der Stelle, wo sich die Faser in ihre beiden Äste teilt, 
lässt sie stets eine schwächere oder stärkere, manchmal recht 
plumpe dreieckige Verdickung erkennen. Sehr häufig ist diese 
Verdickung unregelmässig gestaltet, nämlich in den Fällen, wo 
der eine Teilungsast beträchtlich stärker ist als der andere. In 
solehen Fällen zieht sich die Verdiekung nach dem kräftigeren 
Aste hin, während sich der dünnere Zweig nur als Nebenast von 
ihr ablöst. 

Gewöhnlich imprägniert sich die Verdieckung tieischwarz ; 
bleibt sie ausnahmsweise etwas heller, so lässt sich klar ein 
fibrillärer Bau in ihr nachweisen, mit geflechtartiger Anordnung 
der Fibrillen. 

Die Verdickung steht in einem Teil der Fälle mit dem 
Zellkörper in unmittelbarer Berührung und liegt ihm, wenn sie 
stärker entwickelt ist, wie eine Mütze auf. In anderen Fällen 
erscheint sie von der Zelle etwas abgehoben. Hier sind aber 
wieder zwei Fälle zu unterscheiden. In einem Teil der Fälle, 
wie in den Fig. 5 und 6, liegt bestimmt ein Kunstprodukt, das 
Ergebnis einer Schrumpfung des Zellkörpers vor, was man daran 
erkennt, dass zwischen Zelle und Verdickung ein leerer Spaltraum 
vorhanden ist. In anderen Fällen ist ein solcher Verdacht aus- 
geschlossen, da der Zwischenraum von dem Protoplasma der 
Amphicyten erfüllt ist. 

Fassen wir jetzt die Verhältnisse beim vollkommen ausge- 
bildeten Huhn ins Auge. Die im Obigen geschilderte einfache 
sabelförmige Endigung der Oculomotoriusfasern ist immer 
noch zu beobachten, aber nur mehr an einem Teile der Zellen. 
In welcher Verhältniszahl diese „primitive Form“ vorkommt, 
vermag ich nicht anzugeben; jedenfalls beschränkt sie sich auf 
eine Minderheit der Zellen. Für die Mehrzahl der Zellen hat 


132 M. von Lenhossek: 


also diese, noch beim 21tägigen Hühnchen die Regel darstellende 
gabelförmige Endigungsweise bloss die Bedeutung eines Ent- 
wicklungsstadiums. Immerhin wird man auch beim entwickelten 
Tier auf jedem Schnitt mehrere Zellen mit solcher Faserendigung 
finden. Die Fig. 8—10, die alle nach Präparaten aus dem Ciliar- 
ganglion eines alten, kräftigen Hahnes gezeichnet sind, vergegen- 
wärtigen die Verhältnisse bei solchen Zellen. In Fig. 9 ist der 


Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. 
Nervenzellen aus dem Ciliarganglion eines kräftigen, alten Hahnes. Gabel- 
förmiger, primitiver Endigungstypus der Oculomotoriusfaser an der Zelle. 


grosse Diekenunterschied zwischen den beiden Teilungsästen be- 
merkenswert. In Fig. 10 liegt die Teilungsstelle des Fortsatzes 
weitab von der Zelle, fast in der Spitze des Amphieytenkegels; 
auch fällt es auf, dass sich der eine Ast an der Zelle in mehrere 
schwächere Zweige teilt; hier haben wir schon eine Übergangs- 
form zu dem weiter unten zu besprechenden komplizierteren Ver- 
halten der Oeulomotoriusfaser. In allen drei Figuren befindet sich 
die Stelle, wo die Faser an die Zelle herantritt, dicht neben der‘ 
Ursprungsstelle des Fortsatzes. Die Faser betritt den Amphieyten- 
kegel an seiner Spitze und durchsetzt ihn dann seiner Achse 
nach; der Kegel schliesst sich entschieden mehr der Oculomo- 
toriusfaser als dem Fortsatz an, der den Kegel gewöhnlich schon 
vor seiner Spitze verlässt. 

Die Teilungsäste laufen meridianartig dicht an der Oberfläche 
der Nervenzelle, ohne mit deren innerer Struktur in fibrillären 
Zusammenhang zu treten. Die substanzielle Unabhängigkeit der 


Das Ganglion ciliare der Vögel. 


Faser von der Zelle ergibt sich auch aus dem Umstande, dass sich 
die Faser an den Stellen, wo sie kleine Krümmungen beschreibt, 
ohne weiteres von der Zelloberfläche etwas abheben kann. 

Diese einfache Art der Endigung erinnert einigermassen an 
die Heldschen Endkelche im Trapezkern der Säugetiere.') Auch 
an die Endigungsweise der Acusticusfasern an den Haarzellen der 
Maculae und Cristae acusticae sowie des Cortischen Organes 
zeigt sie Anklänge. Die meiste Ähnlichkeit aber hat sie unzweifel- 
haft mit der kürzlich von Cajal?) im Nucleus vestibularis tangen- 
tialis der Vögel und Knochenfische beschriebenen Endigung des 
Nervus acusticus. Der Unterschied des Cajalschen Befundes 
gegenüber der soeben beschriebenen Endigungsweise besteht darin, 
dass in Cajals Beobachtung die Fasern des N. vestibularis stets 
nur als Seitenäste oder gar nur als seitliche Verdickungen die 
Endscheiben an die Zellen des Tangentialkerns abgeben, sie selbst 
aber noch weiter ziehen, um erst in anderen Nervenzellengruppen 
ihr eigentliches Ende zu finden, während im Ciliarganglion die 
geschilderten Endgabeln die definitiven Endigungen der Oculomo- 
toriusfasern bilden. In zwei Fällen allerdings — einmal beim 
Huhn und einmal beim Truthahn (Fig. 22) — habe ich ein 
analoges Verhalten beobachtet, wie es Cajal für den Nucleus 
tangentialis beschreibt: die an der Zelle endigende Faser stellte 
einen Nebenast einer dicken Oculomotoriusfaser dar, die noch 
weiter zog, offenbar um an einer anderen Zelle des Ganglions 
zu endigen. Solche Fälle kommen aber im Ciliarganglion sehr 
selten vor. Meiner Ansicht nach dürfte die Zahl der Nervenzellen 
des Ciliarganglions beim Vogel ungefähr der Zahl der Nerven- 
fasern in der Radix motoria gleichkommen, event. sie um ein 
geringes übertreffen. 

Bei der Mehrzahl der Zellen liegen kompliziertere Verhält- 
nisse vor, indem die Oculomotoriusfaser in der Umgebung des 
polaren Teiles der Zelle und des Anfangsstückes des Fortsatzes 
in ein ganzes Büschel von Fasern aufgelöst erscheint. Dieses 


') H. Held: Die zentrale Hörleitung. Arch. f. Anat. u. Physiol. Anat. 
Abteilung. 1893. S. 201. 

?) S.R. Cajal: Sur un noyau spe&cial du nerf vestibulaire des poissons 
et des oiseaux. Travaux du laboratoire de recherches biologiques de l’Uni- 
versit@ de Madrid. T. VI, pag. 1. 1908. Derselbe: Les ganglions terminaux 
du nerf acoustique des oiseaux. Ibidem, pag. 195. 


754 M. von Lenhosseck: 


Verhalten hat sich aus dem einfachen Bilde der Endgabel offenbar 
unter Mitwirkung der in der Polgegend der Zelle wuchernden 
Amphievten entwickelt, jedenfalls Hand in Hand damit. Durch 
die Vermehrung dieser Zellen wird die Teilungsstelle der Oculomo- 
toriusfaser zunächst von der Zelle abgedrängt; so gelangt sie in 
die Spitze des Kegels. Zweitens lösen sich dann die beiden Äste 
in ein ganzes Büschel von feineren Zweigen auf, möglicherweise 
durch Längsspaltung, viel wahrscheimlicher aber in der Weise, 
dass aus dem Terminalknoten und seinen beiden Ästen neue 
Zweige nach Art des embryonalen Wachstums hervorspriessen. 
Von diesem Gesichtspunkte aus kann man die manchmal recht 
ansehnliche Verdickung an der Teilungsstelle der Stammfaser bei 
jungen Tieren als Substanzvorrat für die weiteren Entwicklungs- 
vorgänge auffassen. 

Das Verhalten des Endbüschels kann aber etwas verschieden 
sein. Man kann in der Mannigfaltigkeit der Bilder drei Grund- 
typen unterscheiden: den Typus des polaren Geflechtes, den des 


Fig. 11. Fig. 12. 
Aus dem Ciliarganglion des Huhnes. Geflechtartige Endigung der Oculo- 
ımotoriusfaser im Amphicytenkegel und in der Polgegend der Zelle. 


polaren Büschels und den des Pericellulargeflechtes. Diese Typen 
sind allerdings durch zahlreiche Übergangsformen miteinander 
verbunden. 

Der Typus des polaren Geflechtes kommt vielleicht 
von allen am häufigsten vor. Ich habe ihn in den Fig. 11—15 
zur Ansicht gebracht. Die dicke Oculomotoriusfaser teilt sich 


Das Ganglion cliare der Vögel. 


an der Spitze des Amphieytenkegels in ihre Aste, oder sogar schon 
etwas früher, so dass in den Kegel schon mehrere distinkte Äste 


eintreten. 
Schnitte, so kann der Anschein ent- 
stehen, als ob mehrere Fasern zu der 
Zelle in Beziehung treten würden. 
Dies wäre ein prinzipieller Irrtum; 
auch beim entwickelten Tier findet 
an jeder Nervenzelle nur eine einzige 
Faser ihre Endigung. Selten sind 
die Teilungsäste gleich stark; oft 
findet man enorme Dickenunterschiede, 
so dass der eine Ast die direkte 
Fortsetzung des Faserstammes dar- 
stellt, die anderen sich dagegen nur 
als schwache hReiserchen von der 
Stammfaser ablösen (siehe z. B. Fig. 15 
von der Taube, auch Fig. 13). Im 
Kegel teilen sich die Aste noch weiter 
und winden sich unregelmässig durch- 
einander. So entsteht ein richtiges 
Fasergeflecht. Die beste (resamt- 
anschauung dieses Plexus erhält man 
an solchen Stellen, wo die Schnitt- 
richtung den Amphieytenkegel quer 
getroffen hat, wo man also von der 
Spitze her auf den Kegel und seinen 
Faserplexus blickt. Das  (reflecht 
breitet sich um den Fortsatz aus, 
erstreckt sich aber teilweise auch auf 
den polaren Teil der Zelle, wo dann 
die Äste mit freien Spitzen endigen. 
Einzelne Äste laufen an der Zelle 
noch etwas weiter und können sogar 
bis zum entgegengesetzten Pol ge- 
langen. 

Nicht selten kommt es vor (Fig. 15 
und 14), dass ein dickerer Ast des 
treflechtes den Zellfortsatz in Form 


Liegt die Teilungsstelle in solehen Fällen nicht im 


Fig. 13. 


Ciliarganglion des Huhnes. 
Nervenzelle mit Spiralfaser, aus 
mehreren Schnitten rekon- 
struiert. Bei dieser Zelle fällt 
die mächtige Entwicklung des 
Amphicytenkegels und die 
starke Reduktion des Zell- 
körpers auf. In der Polgegend 
der Zelle ist eine Schlinge zu 
sehen. Die ausserordentlich 
dicke Spiralfaser umwindet den 
geradlinig verlaufenden, zarten 
Zellfortsatz bis zur Zelle und 
endigt einfach zugespitzt, un- 
verästelt an letzterer. Neben 
der Spiralfaser mehrere zarte 
Teilungsäste der Oculomotorius- 
faser, die zwischen den Amphi- 
cyten ein feines Geflecht bilden. 


56 M. von Lenhossek: 


einer regelmässigen Spirale umwindet, oft von der Spitze des 
Kegels bis zur Ursprungsstelle des Fortsatzes hin. Manchmal 
sind es auch zwei Fasern, die sich an dieser Spirale beteiligen. 
Diese „Spiralfaser“ kommt niemals allein vor; immer 
bildet sie nur einen der Teilungsäste der Oculomotorius- 
faser und unter- 
scheidet sich bloss 
durch ihren Verlauf 
und gewöhnlich auch 
durch ihre Dicke von 
den übrigen Ästen 
des (reflechtes, mit 
denen sie die gleiche 
Provenienz hat. 
Wir haben die alt- 
bekannte Spiralfaser 
vor uns, dieselbe 
Bildung, die schon 
vor langer Zeit von 
Beale (1863) an 
den sympathischen 
Zellen des Frosches a ee 
Vom Huhn. Ciliarzelle mit Aus dem Ciliarganglion 
entdeckt, und dann Spiralfaser. Zelle nur aus der Taube. Kombi- 
von Arnold (1867), einem Schnitt abgebildet, nationsform der gabel- 
Ehrlich (1886), daher von der Spiralfaser förmigen und geflecht- 


(1887) nur Bruchstücke zu sehen. artigen Endigung. Die 


Arnstein a ee 
> BR: = : 2 s starKe ceUlOEMOTOTIUS- 
Retzius (1889), Warfwinge (1906, faser teil ee 


Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. 1906) u.a. an Zelle in zwei grobe End- 
demselben Objekt ausführlicher beschrieben äste, gibt aber schon 
worden ist. An den Zellen des Frosch- früher zarte Reiserchen 
sympathieus scheint sich aber die Spiral- &» die unter weiterer 
faser am Zellkörper in einen pericellulären Vernebelmun Lu 
; flechtbildung zur Pol- 
Plexus aufzulösen, während sie an den gegend der Zelle hin- 
Ciliarzellen des Huhnes, wie die beiden ziehen. 
Figuren zeigen, unverästelt bleibt oder sich 
höchstens in zwei Äste teilt, die sich in der Polgegend der Ober- 
tläche des Zellkörpers anschliessen und dann nach kürzerem oder 
längerem Verlauf auf der Zelloberfläche endigen. In einigen Fällen 
schien mir die Spiralfaser der Zellkörper kaum zu erreichen. 


Das Ganelion ceiliare der Vögel. 1) 
te} > 


Aus dieser spiralförmigen Umwindung des Fortsatzes müssen 
wir folgern, dass der erste, noch im Amphieytenkegel gelegene 
Teil des Fortsatzes receptive Eigenschaften besitzt, d. h. ebenso 
wie die Zelloberfläche und speziell deren wie es scheint besonders 
empfindlicher polarer Teil zur Aufnahme der von der Oculomotorius- 
faser dem Ganglion zugeführten Reize geeignet ist. Offenbar 
gibt die Spiralfaser während ihres gewundenen Verlaufes allmählich 
ihre Erregung an den Fortsatz ab. Dieser Annahme scheint der 
Umstand einige Schwierigkeiten zu bereiten, dass die Spirale den 
von ihr umwundenen Fortsatz an den wenigsten Stellen unmittelbar 
berührt. Man kann aber hier mit einer gewissen Distanzwirkung 
rechnen, um so mehr als der Fortsatz im Amphieytenkegel noch 
von keiner Hülle umgeben, sondern unmittelbar zwischen die 
Amphieyten eingebettet ist, die, wie es scheint, für die Übertragung 
der Reize kein Hindernis darstellen. Ja, schon die Anordnung des 
ganzen Geflechtes weist auf den receptiven Charakter der ersten 
Fortsatzstrecke hin. Denn man kann sich überzeugen, dass nicht 
alle Äste des Plexus die Zelle erreichen, vielmehr viele, ja sogar 
die meisten Fäserchen schon früher in der Umgebung des Fort- 
satzes ihr Ende finden. Möglicherweise liegt eine Art von Induktions- 
wirkung vor. 

Vielleicht hängt diese physiologische Eigenschaft des Anfangs- 
stückes des Fortsatzes damit zusammen, dass dieser erste Teil 
nicht zu dem primären, durch Hervorwachsen aus der Zelle 
embryonal entstandenen Teil des Fortsatzes gehört, sondern erst 
nachträglich, vielleicht unter Mitwirkung der wuchernden Amphi- 
eyten, durch unmittelbare Umbildung des Protoplasmas der Nerven- 
zelle entsteht, somit also gewissermassen noch einen Teil der 
Zelle und speziell ihres empfindlichen polaren Teiles bildet. 

Beim jungen, eben aus dem Ei geschlüpften Tier ıst von 
dieser Faserspirale noch nichts zu sehen: erst im postovalen Leben 
muss sich dieses Verhalten allmählich herausbilden. 

Der zweite Typus, die Büschel- oder Quastenform, 
kommt besonders bei Zellen mit breiter polarer Aushöhlung vor. 
Diese Form (Fig. 16—18) kennzeichnet sich dadurch, dass die aus 
der Verästelung der Oculomotoriusfaser entstandenen Zweige nicht 
unregelmässig durcheinander gewirrt, nicht geflechtartig verschränkt 
sind, sondern mehr oder weniger parallel miteinander oder leicht 
divergierend, ohne stärkere Windungen und Kreuzungen innerhalb 


158 M. von Lenhossek: 


des Amphicytenkegels geradeaus auf die polare Aushöhlung der 
Zelle losgehen. Hier endigen sie entweder einfach zugespitzt, 
oder aber mit je einer kleinen knötchenartigen Verbreiterung, 
die durch den Anschluss an die Zelloberfläche eine dreieckig ab- 


Fig. 18. 
Büschelförmige Endigung der Oculomotoriusfaser. Die zarten Astchen endigen 
an der Zelle teilweise “mit kleinen discusartigen Verdieckungen. Vom Huhn. 


geflachte Gestalt annehmen und dadurch eine gewisse Ähnlichkeit 
mit den Held-Auerbachschen Endfüsschen, Cajals „massues 
terminales“ aufweisen kann. Einzelne von diesen Asten sind 


Das Ganglion cliare der Vögel. 759 


stets viel dicker als die anderen; diese dicken Zweige bilden dann 
auch an den Zellen breitere, mehr discusartige Endplatten. Diese 
Büschelform ist aber durch viele Übergänge mit dem oben be- 
schriebenen Geflechtstypus verbunden. 

Bei der letzten Form, dem Typus des pericellulären 
Getflechtes (Fig. 19 und 20), beschränkt sich die Verästelung 


Fie. 19. 


Endigung der Oculomotoriusfaser in 
einem zarten, dichten Pericellular- 
geflecht. Kleine Nervenzelle, hoher 
Amphicytenmantel, kein Amphi- 
cytenkegel. Vom Huhn. 


Übergangsform zwischen dem polar- 

geflechtigen und dem pericellulär- 

geflechtigen Typus. Der Zellfort- 

satz von einerSpiralfaser umwunden. 
Vom Huhn. 


und Endigung der Oculomotoriusfaser nicht auf die Polgegend, 
sondern umfasst gleichmässig die ganze Zelle. Für diesen Zell- 
typus ist einerseits der geringere Durchmesser des Zellkörpers, 
andererseits die starke und gleichmässige Entwicklung des Amphi- 
cytenmantels charakteristisch. Die Amphieyten sind protoplasma- 
reich und bilden einen ziemlich hohen Belag im ganzen Umfang 
der Zelle; dafür aber fehlt ihre besondere Anhäufung in der 
Polgegend oder ist nur schwach ausgesprochen. Das eirceuläre 
(reflecht ist im ganzen Umkreis der Zelle gleichmässig ausgebildet. 
Es ist feinfaserig und dieht. Das Geflecht liegt der Oberfläche 
der Zelle nicht unmittelbar auf, sondern breitet sich in der Haupt- 
sache innerhalb des Amphieytenmantels, zwischen dessen Zellen 
aus, und nur einzelne Äste des Geflechtes kommen mit der Zell- 


760 M. von Lenhossek: 


oberfläche in unmittelbare Berührung. Auch hier ist also kein 
eigentlicher Kontakt, sondern nur eine starke Annäherung, ein 
„Subkontakt“ vorhanden und als Grundlage der physiologischen 
Einwirkung anzunehmen. 

Auf den ersten Blick scheint dieser Zelltypus von den anderen 
wesentlich verschieden zu sein und doch glaube ich, dass es un- 
begründet wäre, diese Zellen als eine ganz besondere Zellenkategorie, 
etwa als besondere „sympathische“ oder „sensible“ Zellen den 
übrigen motorischen gegenüberzustellen. Man findet nämlich 
zwischen dieser Zellform und den vorher geschilderten alle Über- 
gänge. So ist z. B. in Fig. 20 eine Zelle wiedergegeben, die man 
diesem Zelltypus zuteilen muss, da sie mit dem typischen hohen 
Amphieytenmantel und dem cireulären Geflecht versehen ist, 
und doch weist sie in der Polgegend auch alle Charaktere des 
Geflechtstypus: den Amphicytenkegel, den polaren Plexus und sogar 
eine Faserspirale um den Fortsatz herum auf. Wir haben hier 
meiner Überzeugung nach ebenfalls nur motorische Zellen, wie 
die übrigen, vor uns, nur mit etwas verschiedener Disposition 
und etwas reicherer Entfaltung der Faserendigungen an der Zelle. 
Allerdings hat diese Zellform eine erwähnenswerte Besonderheit: 
die frühe Ausgestaltung ihrer pericellulären Endigungen. Wie 
ich nämlich jetzt nachträglich, in Ergänzung des auf Seite 750 
mitgeteilten, erwähnen möchte, findet man schon beim 21 tägigen, 
eben aus dem Ei geschlüpften Hühnchen Zellgruppen, die durch 
die eintretenden Oculomotoriusfasern in der Weise durchflochten 
werden, dass um die einzelnen Zellen pericelluläre Plexus entstehen. 
Diese Zellen liegen gruppenweise, besonders in den peripherischen 
Teilen des Ganglions. Sie sind meiner Ansicht nach identisch 
mit den soeben beschriebenen Nervenzellen des ausgebildeten 
Ganglion ciliare. 

Es ist anzunehmen, dass bei den einzelnen Vogelarten gewisse 
kleine unwesentliche Unterschiede im Typus der Endigungsweise 
der Oculomotoriusfasern vorhanden sind. Ich habe einen Anhalts- 
punkt dafür: beim Truthahn kommt die als „primitive Form“ 
bezeichnete einfach gabelförmige Endigung nur sehr sporadisch 
vor. Dagegen begegnen wir sehr häufig dem in den Fig. 21 
und 22 dargestellten Typus, der eine Übergangsform zwischen 
der Fasergabel und dem polaren Geflecht darstellt: die Faser 
teilt sich an der Spitze des Kegels in eine Anzahl (5—7) von 


Das Ganglion ceiliare der Vögel. 761 


Ästen, die sehr regelmässig divergierend an den Polteil der Zelle 
herantreten, um ihn kelchartig zu umfassen. Die Teilung der 
sehr dicken Oculomotoriusfaser erfolgt beim Truthahn manchmal 
ganz plötzlich, so dass förmliche Penieilli nervosi, wie in Fig. 21. 
entstehen. In Fig. 22 sehen wir das schon auf Seite 753 erwähnte 


Fig. 21. Fig. 22. 
Aus dem Ciliarganglion des Truthahnes. Büschelförmige Endigung der Oculo- 
motoriusfaser. In Fig. 22 gibt die Stammfaser die Endfasern als Nebenäste 
ab; sie selbst zieht weiter, offenbar um an einer zweiten Zelle zu endigen. 


sehr seltene Verhalten, dass die Faser, nachdem sie an die Zelle 
ihre Äste abgegeben hat, noch weiter zieht, offenbar um dann 
an einer zweiten Zelle ihr definitives Ende zu erreichen. — Bei 
der Taube und der Ente habe ich gegenüber dem Huhne keine 
Besonderheiten an den Zellen und ihren Faserendigungen nach- 
weisen können. 


Welchen Charakter haben wir nun den Nervenzellen des 
Ciliarganglions beim Vogel beizulegen? Sind sie sympathische, 
cerebrospinale oder anderweitige Elemente? Mit dieser Frage 
deckt sich so ziemlich auch die Frage nach der morphologischen 
Bedeutung des Ciliarganglions. 

Bekanntlich geht die verbreitetste Ansicht dahin, dass das 
Ciliarganglion dem sympathischen System angehöre, d.h. das 


162 M. von Lenhossek: 


cranialste Ganglion des Grenzstranges darstelle. Der erste, der 
(diese schon vor ihm von anderen ausgesprochene Ansicht histo- 
logisch zu begründen suchte, war Retzius, zuerst im Jahre 1880 !) 
und dann 1894 in einer zweiten Arbeit,”) die schon auf An- 
wendung der Golgischen Methode beruhte. Von den neuesten 
Forschern, die dieser Auffassung beitreten, möchte ich Müller 
und Dahl’) erwähnen, die sich bei ihren Untersuchungen schon 
der Bielschowskyschen Methode bedient haben. 

Alle diese Angaben beruhen auf dem Studium des Ciliar- 
ganglions der Säugetiere. Beim Vogel ist das Ganglion, soweit 
mir bekannt, bisher nur von einem einzigen Forscher, nämlich 
von Holtzmann im Jahre 1896 ?) histologisch untersucht worden, 
und zwar nur mit den gewöhnlichen Färbungsmethoden,’) die 
bekanntlich für das Studium der Formverhältnisse der Nerven- 
zellen durchaus ungenügend sind, indem sie nur von dem Zell- 
körper befriedigende Anschauungen geben, die Zellfortsätze aber, 
auf die doch bei der Beurteilung des Typus einer Nervenzelle 
alles ankommt, und ebenso die etwa vorhandenen pericellulären 
Faserendigungen überhaupt nicht oder nur in sehr unvollkommener 
Weise zur Ansicht bringen. Nun haben aber beim Vogel die 
Nervenzellen des Ciliarganglions keine Fortsätze ausser dem 
einzigen Nervenfortsatz, und so kam es, dass Holtzmann trotz 
seiner ungenügenden Methodik sich von der Wahrheit nicht all- 
zusehr entfernt hat, indem er wenigstens einen Teil der Zellen 
als unipolar bezeichnete. Die typische Form der Zellen soll nach 
ihm allerdings die bipolare sein mit nahe beieinander entspringenden 
Fortsätzen, eine Angabe, die wir uns heute leicht erklären können: 
der von Holtzmann beobachtete zweite Fortsatz ist unzweifel- 
haft nichts anderes, als die an die Zelle herantretende Oculomo- 


') G. Retzius: Untersuchungen über die Nervenzellen der cerebro- 
spinalen Ganglien und der übrigen peripherischen Kopfganglien. Arch. f, 
Anat., Jahrg. 1880, S. 369. 

2) G.Retzius: Über das Ganglion ciliare. Anat. Anz., Bd. 9, 8.633. 1894. 

3) L.R. Müller und W. Dahl: Die Beteiligung des sympathischen 
Nervensystems an der Kopfinnervation. Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 99, 
S.48. 1910. 

*) H. Holtzmann: Untersuchungen über Ciliarganglion und Ciliar- 
nerven. Morphol. Arbeiten, herausgegeben von G. Schwalbe, Bd.6, S.114. 1896. 

5) Holtzmann hat auch die Golgische Methode versucht, aber 
ohne Erfolg. 


Das Ganglion cliare der Vögel. 763 


toriusfaser, die bei gewöhnlichen Färbungen mit der Zelle zu 
verschmelzen scheint und so einen zweiten Fortsatz vortäuschen 
kann. Dies geht ganz bestimmt aus der Fig. 14 der Holtzmann- 
schen Arbeit hervor. Für die sporadischen unipolaren Zellen 
nahm Holtzmann eine baldige T-förmige Teilung des Fortsatzes 
an, eine Angabe, für die ich in meinen Untersuchungen keine 
Bestätigung fand. Holtzmann gelangt schliesslich dazu, sich 
der bekannten Ansicht Schwalbes!) anzuschliessen, dass das 
Ciliarganglion das Homologon eines Spinalganglions sei. Diese 
Anschauung hat ausser Holtzmann auch noch mehrere andere 
Anhänger gefunden, so Antonelli?) und Van Gehuchten.’) 


Was soll nun aber nach unserem heutigen Einblick in den 
Zusammenhang der Neurone ein sensibles, nach Art eines Spinal- 
ganglions gebautes Ganglion an einem motorischen Nerven be- 
deuten? Das wesentliche des Spinalganglions besteht bekanntlich 
darin, dass seine Nervenzellen zwei Fasern, eine zentrale und 
eine peripherische entsenden ; der Komplex der zentralen Ausläufer 
bildet die hintere Wurzel. Die Fasern dieser letzteren haben 
also im Zentralorgan keine Ursprungszellen, sondern endigen im 
Zentrum mit freien Endbäumchen, ihre Ursprungszellen liegen 
im Spinalganglion. Derartige Verhältnisse können nun im Ciliar- 
ganglion unmöglich obwalten, da die Fasern des Nervus oculomo- 
torius bestimmt nicht im Ciliarganglion entspringen, sondern 
Fortsätze der grossen motorischen Zeilen des Oculomotoriuskerns 
im Mittelhirn sind. Man wüsste nicht, was man bei dieser Sach- 
lage mit einem Spinalganglion in der Bahn des Oculomotorius 
anfangen sollte. Eine Homologie des Ciliarganglions mit einem 
Cerebrospinalganglion wäre allerdings in dem Falle denkbar, 
wenn der Oculomotorius, wie dies Krause*) seinerzeit für das 
Kaninchen behauptet hat, auch eine sensible Wurzel besässe, der man 
dann das Ganglion ciliare zuteilen könnte, wie etwa das Ganglion 
geniculi dem Nervus intermedius, oder wenn das Ciliarganglion 


'), G. Schwalbe: Das Ganglion oculomotorii. Jenaische Zeitschr. f. 
Naturw., Bd. XIII. 1879. 

°) Antonelli: Giornale d. assoc. naturalisti e medici di Napoli, 
pag. 3. 1890. 

®) A. Van Gehuchten: Le systeme nerveux de l’homme. 1893. 

) W.Krause: Über die morphologische Doppelnatur des Ganglion 
ciliare. Morphol. Jahrbuch, Bd. 7, 8. 43. 1882. 

Archiv f mikr. Anat. Bd. 76. 49 


764 M. von Lenhossek: 


mehr zu dem Trigeminus als zu dem Oculomotorius gehörte und so 
gewissermassen ein vorgeschobenes, abgelöstes Stück des Ganglion 
Gasserii darstellte. Keines von beiden trifft aber zu. Die Krause- 
sche sensible oder dorsale Oculomotoriuswurzel scheint ganz nur auf 
einer Täuschung zu beruhen und was die Beziehung zum Trige- 
minus betrifft, so genügt es, darauf hinzuweisen, dass beim Vogel 
das Ganglion eiliare mit dem Nervus trigeminus überhaupt keine 
Verbindung hat. Der der Radix sensitiva entsprechende Ast 
schliesst sich, wo er vorhanden ist, stets distal vom Granglion, 
oft sogar in ziemlicher Entfernung davon einem der Ciliarnerven 
an. Holtzmann rechnet allerdings mit der Möglichkeit, dass 
ein Teil der sensiblen Fasern rückläufig durch die Ciliarnerven 
schliesslich doch in das Ganglion gelangen könnte. Ich halte 
diese Annahme für recht unwahrscheinlich; meine eigenen Beob- 
achtungen bieten keine Anhaltspunkte dafür. 

Eine Reihe von Forschern vertritt die Anschauung, dass 
das Ganglion ciliare die Kombination eines sympathischen und 
eines spinalen Ganglions sei. Der Urheber dieser Ansicht ist 
W. Krause (1882 a. a. O.). Sie hat viele Anhänger gefunden, 
sowohl im Lager der Anatomen (Onodi,') Carpenter’) wie 
besonders in dem der Pathologen und Physiologen (Marina,?) 
Bernheimeir,*) Fritz,’) Bumm.°) Histologisch lässt sie sich 
aber wenigstens für die Vögel keineswegs begründen. Ich habe 
nur eine einzige Zellart, nur unipolare Zellen im ganzen Ganglion 


ı) A.Onodi:Das Ganglion eiliare. Anat. Anz., Bd. XIX, S. 118. 1901. 

?) F.W. Carpenter: De development of the oculomotor nerve, the 
ciliary ganglion and the abducent nerve in the chick. Bulletin of the Museum 
of Comparativ Zoology of Harvard College, Vol. XLVII, No. 2. 

5) A. Marina: Studien über die Pathologie des Ciliarganglions beim 
Menschen. Zeitschr. f. Nervenheilk., Bd. 20, S. 369. 1901. 

*, H. Bernheimer: Experimentelle Studien zur Kenntnis der inneren 
und äusseren vom Oculomotorius versorgten Muskeln des Auges. Graefes 
Arch. f. Ophthalmologie, Bd. XLIV, S. 481. 1897. 

5) K. W. Fritz: [Untersuchungen über das Ganglion ciliare. Diss. 
Marburg 1899. 

6) A. Bumm: Über die Atrophiewirkung der Durchschneidung der 
Ciliarnerven auf das Ganglion ciliare. Sitzungsber. der Ges. f. Morphologie 
u. Physiologie in München, Bd. XVI. 1899. — Derselbe: Über die Beziehungen 
des Halssympathieus zum Ganglion ciliare. Daselbst, Bd. XVII. 1901. — 
Derselbe: Experimentelle Untersuchungen über das Ganglion ciliare der Katze. 
Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie, Bd. 59, S. 713. 1902. 


Das Ganglion ceiliare der Vögel. 765 


gefunden. Ausserdem hat das Ganglion, wie wir sahen, nur eine 
motorische Wurzel; weder mit dem Trigeminus, noch mit dem 
Sympathicus bestehen Beziehungen. Ja nach Szakäll!) soll 
eine sympathische Wurzel auch bei unseren Haussäugetieren 
anatomisch nicht nachweisbar sein. 

Bei der Bestimmung des Charakters der Nervenzellen des 
Ciliarganglions ist es natürlich unerlässlich, sie mit den Spinal- 
ganglienzellen und den sympathischen Zellen derselben Tierklasse un- 
mittelbar zu vergleichen. Ich habe es aus diesem Grunde nicht unter- 
lassen, die letzteren beiden Zellgattungen beim Vogel einer Prüfung 
zu unterziehen, wobei ich mich der Cajalschen Fibrillenmethode 
bedient habe. Meine Angaben beziehen sich speziell auf das Huhn. 

Die Spinalganglienzellen habe ich aus einem Oervical- und 
einem Lumbalganglion untersucht (Fig. 23—25), Sie sind beim 
Huhne plump, rundlich oder leicht elliptisch, von etwa 35 u 
längerem Durchmesser, also kaum oder nur um ein geringes 
grösser als die Zellen des Ciliarganglions. Die Zelle ist von 
einem zusammenhängenden Kranze sehr niedriger, flacher Amphi- 
cyten umgeben; diese bilden aber abweichend von den Ciliar- 
zellen keine besondere polare Anhäufung. Damit im Zusammen- 
hange fehlt auch die Aushöhlung am Polarteil des Zellkörpers; 
die Zelle geht einfach kegelförmig in den Fortsatz über. Die 
typische Form ist die unipolare; Dendriten fehlen stets. Der 
Fortsatz verläuft von Anfang an geradlinig, ohne glomerulus- 
artige Windungen, um sich bald mit einer Markscheide zu um- 
geben und sich dann in grösserer Entfernung von der Zelle in 
bekannter Weise T-förmig zu teilen. Obgleich ich vollkommen 
entwickelte Tiere untersucht habe, habe ich in den Spinalganglien 
des Huhnes weder multipolare Zellen, noch eine Schlingenbildung 
oder Fenestration beobachtet; alle Zellen erschienen an meinen 
Präparaten von glatter Oberfläche. 

Alle diese Verhältnisse sind bereits von Timofeew in einer 
1898 erschienenen tüchtigen Arbeit ?) sehr gut beschrieben worden, 
nebst manchen anderen Details, auf die ich hier einzugehen keine 


!) S. Szakäll: Über das Ganglion eiliare bei unseren Haustieren. 
Arch. f. wissenschaftl. und prakt. Tierheilkunde, Bd. 28, S. 476. 1902. 

°) D. Timofeew: Beobachtungen über den Bau der Nervenzellen der 
Spinalganglien und des Sympathicus beim Vogel. Intern. Monatsschr. f. Anat. 
a. Physiol., Bd. XV, S. 273. 1898. 


49* 


766 M.von Lenhosseck: 


Veranlassung habe. In einer Beziehung muss ich aber Timofeews 
3eschreibung ergänzen. Ich habe mich nämlich überzeugen können, 
dass ausser den typischen Unipolarzellen in den Spinalganglien 
des Huhnes auch bipolare Zellen w 

vorkommeu, d. h. Zellen, an MEN 
denen der bekannte Unipolar- ge 
isationsvorgang nicht zum Ab- 
schluss gekommen ist. Solche 
Zellen sind gar nicht so selten; 
man wird ihnen häufig begegnen, 
besonders wenn man sich die 
Mühe nimmt, das Verhalten der 
einzelnen Zellen durch mehrere 
Schnitte hindurch zu verfolgen. 
Es kommt nämlich nicht selten 
vor, dass sich der eine Fort- 
satz in dem einen, der andere 
in dem anderen Schnitt befindet. 
Die beiden Fortsätze entspringen Fig: 


Fig. 24. Fig. 25. 
Nervenzellen aus einem cervicalen Spinalganglion des Huhnes. Fig. 23 
unipolare Zelle, Fig. 24 und 25 bipolare Zellen. Der dünnere Fortsatz ist 
der zentrale. 


gewöhnlich dicht nebeneinander oder unweit voneinander (Fig. 24 
‘und 25). Der eine Fortsatz ist stets schwächer als der 
andere; wie ich das im Jahre 1886 in meiner Frstlings- 


Das Ganglion cliare der Vögel. 767 


arbeit!) beim Frosche nachgewiesen habe, ist der dünnere Fort- 
satz der zentrale. Die soeben dargelegte Beobachtung schliesst 
sich an die neuen Befunde Cajals an; dieser Forscher hat 
nämlich kürzlich?) für die Spinalganglien des Frosches und des 


Fig. 26. 
Aus einem lumbalen Grenzstrangganglion des Huhnes. Typisch multipolare 
sympathische Zelle. Der rechts abtretende Fortsatz ist der Neurit. 


Menschen nachweisen können, dass auch hier neben den typischen 
Unipolarzellen immer auch noch einzelne rückständige bipolare 
Formen gefunden werden. 

Die Zellen des Sympathicus des Huhnes habe ich aus 
cervicalen und lumbalen Grenzstrangganglien geprüft. Ich habe 
durchwegs die zahlreichen Beschreibungen bestätigen können, die 
hierüber vorliegen. Die Zellen (Fig. 26) sind nicht unbedeutend 
kleiner als die der Spinalganglien und des Ganglion ciliare; aller- 
dings beträgt ihr Längsdurchmesser immer noch 30 «, doch gibt 
dieses Maß keine richtige Vorstellung von ihrem Umfang, da sie 
im Gegensatz zu den plumpen Spinal- und Ciliarzellen zumeist 


) M. v. Lenhossek: Untersuchungen über die Spinalganglien des 
Frosches. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 26, S. 370, efr. S. 430. 1886. 

®) S.R.Cajal: Histologie du systöme nerveux de l’homme et des 
vertebres. T.]I,pag. 441 (Mensch) und 456 (Frosch). 1900. 


768 M. von Lenhosseck: 


von länglicher, schlanker Gestalt sind. Sie sind echte Multipolar- 
zellen mit vier bis fünf oder noch mehr langen, kräftigen Dendriten, 
die weit in die bindegewebige Zwischensubstanz hinausstrahlen, 
um sich wiederholt spitzwinklig zu verästeln. Der Amphicyten- 
mantel fehlt hier; die Zellen sind unmittelbar in das Bindegewebe 
eingebettet. Man findet allerdings manchmal in der Umgebung 
der Nervenzellen einzelne offenbar bindegewebige protoplasma- 
reiche Zellen, die an Amphieyten erinnern, doch zur Bildung 
eines zusammenhängenden Mantels kommt es nicht. 

Aus dem Vergleich der Zellen des Ciliarganglions mit diesen 
zwei Zellgattungen geht also hervor, dass die Ciliarzellen weder 
mit den Zellen des Sympathicus, noch mit denen der Cerebro- 
spinalganglien identisch sind, sondern von beiden in gewissen 
Beziehungen abweichen; sie stellen einen besonderen Typus, 
Zellen sui generis dar. Den Spinalzellen stehen sie aber ent- 
schieden näher als den sympathischen Elementen, weichen aber 
auch von ihnen in gewisser Hinsicht ab. Von den sympathischen 
Zellen unterscheiden sie sich durch ihre Grösse, ihre plumpe Form, 
ihre Unipolarität und den Besitz eines Amphicytenmantels, der 
in der Polgegend der Zelle eine oft sehr starke kegelförmige 
Anhäufung zeigt; auch die typische Endigungsweise der Oculo- 
motoriusfasern an ihnen unterscheidet sie von den Zellen des 
Grenzstranges. (Gegenüber den Nervenzellen der Cerebrospinal- 
sanglien weisen sie wieder darin Difterenzpunkte auf, dass ihr 
Amphieytenmantel stärker entwickelt ist als bei diesen und einen 
Polarkegel bildet, der bei den Spinalzellen des Vogels niemals 
vorhanden ist, womit im Zusammenhange auch die Aushöhlung 
in der Polgegend der Zelle an den Spinalzellen fehlt. Auch 
scheinen Faserendigungen an den Spinalzellen nicht vorhanden 
zu sein, jedenfalls liegen solche typischen Verhältnisse, wie wir 
sie an den Ciliarzellen gefunden haben, nicht vor. 

Nach all dem muss ich mich bezüglich der Vögel zu der 
Ansicht bekennen, dass es histologisch nicht begründet ist, das 
(anglion ciliare als ein typisch sympathisches Ganglion hinzu- 
stellen. Auch morphologisch scheint es mir nicht gerechtfertigt, 
das Ganglion einfach als den obersten Knoten des Grenzstranges 
aufzufassen. Haben wir doch gesehen, dass das Ganglion bei dem 
Vogel überhaupt keine Verbindung mit dem Sympathicus hat. 
Ich glaube, dass wir am wenigsten Gefahr laufen, den Tatsachen 


Das Ganglion ciliare der Vögel. 769 


(ewalt anzutun und in einen Irrtum zu verfallen, wenn wir das 
Ganglion weder dem Sympathicus noch dem System der Cerebro- 
spinalganglien zuteilen, sondern es als ein besonderes Ganglion 
mit eigenen histologischen Merkmalen gelten lassen. Die 
Natur lässt sich nicht in Schemata zwängen und es scheint, dass der 
Bau und Charakter der peripherischen Ganglien mit der Alternative 
Sympathiceus-Öerebrospinalganglion nicht erschöpft. ist. Wir haben 
hier ein Ganglion, das mit dem Sympathicus und Trigeminus nichts 
zu tun hat, sondern ganz und gar dem Oculomotorius angehört: 
ein rein motorisches Ganglion, dessen Zellen den Enden der 
Oculomotoriusfasern angefügt sind, mit der Bestimmung, die durch 
diese Fasern ihnen zugeführte Erregung in einer bestimmten 
Weise zu beeinflussen oder umzugestalten. Es scheint, dass die 
von den zentralen Oculomotoriuszellen ausgehende Erregung im 
Urzustande nicht geeignet ist, die inneren Augenmuskeln in der 
gewünschten Form zur Aktion zu veranlassen, sondern dass dazu 
noch die Einschaltung eines zweiten Neurons zwischen das Faser- 
ende und den Muskel notwendig ist. Diese Verhältnisse sind 
schon von v. Michel!) richtig dargestellt worden, nur kann ich 
mich diesem Forscher bezüglich der Vögel in der Auffassung des 
Ciliarganglions als eines sympathischen Ganglions nicht anschliessen. 
Das Ganglion ciliare ist ein motorisches Schaltganglion, es gehört 
in seiner Gesamtheit zum Oculomotorius als ein Anhang dieses 
Nerven. Mit den Nervenzellen des Sympathicus der Vögel haben 
seine Zellen keine Ähnlichkeit, eher zeigen sie noch einen Anklang 
an die sympathischen Zellen der Amphibien. 


1) J. v. Michel: Über die feinere Anatomie des Ganglion ciliare. 
Transactions of the VIII. Internat. Ophthalmolog. Congress. Edinbourgh 1894. 


—] 
—1 
>) 


Aus dem anatomisch-biologischen Institut zu Berlin. 
(Geheimrat Professor Dr. 0. Hertwig.) 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei von 
Ascaris megalocephala. 


Von 


Dr. S. S. Girgolaff, St. Petersburg. 


Mit 30 Textfiguren. 

Seitdem die Embryologie eine Experimentalwissenschaft 
geworden ist, nehmen die Untersuchungen über den Einfluss 
äusserer Faktoren auf die Teilung der Eizelle ununterbrochen 
ihren Fortgang. Dank diesen Untersuchungen ist es einerseits 
gelungen, einige physiologische Gesetze der Eiteilung zu ergründen, 
andererseits ist durch sie eine grosse Menge Material über die 
Frage zusammengetragen worden, inwieweit die Zellenelemente 
unter anormalen Bedingungen zur Betätigung von Lebensfunktionen 
fähig sind. Von grossem Interesse und hoher Bedeutung in rein 
embryologischer Beziehung ist auch eine Parallele zwischen den 
ersten Veränderungen in der Eiteilung und den Abweichungen 
von der Norm im vollendeten Bau des Embryos. 

Die normale Entwicklung des befruchteten Eies von. Ascaris 
megalocephala war Gegenstand eingehenden Studiums in den 
Arbeiten von van Beneden, Boveri, Strasser, Zoja, 
Müller u.a. Diese Forschungen ergaben nicht nur ein ab- 
geschlossenes Bild von der Eientwicklung des erwähnten Tieres, 
sondern dienten auch zur Aufklärung einer ganzen Reihe feiner 
Prozesse in dem sich teilenden Ei überhaupt. An diesem Material 
sind in letzter Zeit Versuche angestellt worden über den Ein- 
tluss der Zentrifugierung und Einwirkung der Strahlenenergie 
auf die Teilung. 

Die Untersuchungen über den Einfluss der Kompression des 
befruchteten Eies beginnen mit den klassischen Arbeiten von 
Pflüger, Roux, Driesch und OÖ. Hertwig. Die Versuche, 
die Pflüger an Bombinator igneus und Rana esculenta anstellte, 
führten zur Aufstellung des Satzes, dass sich die komprimierte 
Eizelle in einer zur Drucktläche parallelen Richtung teile, woraus 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. Tl 


sich nach Pflügers Meinung die Möglichkeit ergibt, der Teilung 
die gewünschte Richtung zu geben: „So war ich dazu gelangt, 
die Zellen zu zwingen sich zu teilen, wie ich es wünschte“. 
Pflügers Arbeit betrifft hauptsächlich die ersten Stadien der 
Entwicklung. Driesch kam auf Grund seiner Versuche an 
Seeigeleiern zum Schluss, dass es möglich sei, 16 Blastomeren 
in einer Fläche kreisförmig zu verteilen, und zwar auf zwei Kreise, 
sodass acht auf den einen und acht auf den anderen entfallen. 
Derartige Eier waren gleichwohl imstande, schliesslich normale 
Plutei zu ergeben. Die Arbeiten von Roux und O. Hertwig 
wurden an Rana esculenta und hRana fusca vorgenommen und 
spielten, wie bekannt, eine hervorragende Rolle in der Experimental- 
Embryologie. Die Kompressionsversuche zwischen parallelen Platten 
bilden nur einen Teil der ganzen Arbeit, wo die verschieden- 
artigen Formen des äusseren Einflusses auf die Teilung der 
Eizelle untersucht werden. Hierbei wurde die gesetzmässige 
Abhängigkeit der Teilungsfurchenlage von der Richtung der 
Drucktfläche endgültig festgestellt und ihr Entstehen aus der Form 
der Zelle und der Verteilung des Protoplasmas und Protoplasma- 
einschlüsse begründet. Ferner wurde die Unabhängigkeit der 
ersten Teilungsfurche von der Richtung der Medianebene des 
Embryos nachgewiesen. 

Weiter beschäftigen sich ganz oder zum Teil mit ent- 
sprechenden Fragen die Arbeiten von Ziegler, Schultze, 
King, Wetzel, Wilson, Heider, Braem, von denen die 
beiden letzteren hauptsächlich die unter dem Einfluss der Kom- 
pression des Eies erhaltenen Veränderungen erörtern. Die Unter- 
suchungen wurden in erster Linie an Frosch- und Echinodermen- 
eiern ‚vorgenommen. 

In allerletzter Zeit, als meine Versuche bereits vollständig 
abgeschlossen waren, erschienen in der Literatur gleichzeitig 
drei Arbeiten, die über den Einfluss des Druckes auf das be- 
fruchtete Ei handeln. Es sind dies die Arbeiten von Dederer, 
Brown und Morgan. Bei den Untersuchungen von Dederer 
entwickelten sich unter der Einwirkung des Druckes die Eier 
von Cerebratulus lacteus bis zu acht Blastomeren, wobei diese, 
ähnlich wie bei den Versuchen von Driesch, in einer einzigen 
Fläche verteilt lagen. (Dasselbe konnte man auch bei meinen 
Versuchen beobachten.) Die Endresultate der Teilung, wie sie 


112 9.8. GUBEoOlAfE: 


sich nach Aufhebung des Druckes ergaben, unterscheiden sich in 
nichts von den normalen, woraus der Autor schliesst, dass bis 
zum Stadium 8 einschliesslich die einzelnen Blastomeren eine 
gleichartige Bedeutung haben. Sehr starker Druck übt eine 
solche Wirkung auf das Eiprotoplasma aus, dass dieses unfähig 
wird zu weiterer Teilung, während die Kernelemente sich noch 
zu teilen fortfahren. Brown beobachtete an den Eiern der 
Molluske Cumingia anstatt einer inäqualen eine äquale erste 
Teilung; in der äqualen Teilung sieht dieser Autor eine der 
Besonderheiten der Kompressionsteilung. Irgendwelche Ab- 
weichungen von der Norm hat der Autor im Bau des ausgebildeten 
Embryos nicht beobachten können. (Der Druck wurde gesteigert 
bis zu Stadium 4.) Bei der Arbeit von Morgan diente als 
Material Eier von Ciona und Nereis. Bei der Anwendung eines 
Druckes im Stadium 4—S erzielte der Autor anormale Embryonen. 
Die Anormalität bestand in allgemeinen Defekten und in der 
Verdoppelung der Teile. Bei mässigem Druck hatten die Ver- 
änderungen den Charakter von Unvollkommenheiten in der An- 
ordnung und Differenzierung der Organe. 

Die Kompressionsversuche an Ascaris megalocephala zu 
wiederholen, erschien in doppelter Hinsicht interessant. Einer- 
seits war es wünschenswert, die Veränderungen an diesem ganz 
vorzüglichem Material zu erforschen, das sich noch dazu in den 
Anfangsstadien der Entwicklung durch eine gewisse Eigenartigkeit 
auszeichnet. Andererseits erregte die Frage Interesse, inwieweit 
es gelingen dürfte, eine entsprechende Abhängigkeit der späteren 
Abweichungen von der Norm im Embryo von den ursprünglichen 
durch Druck hervorgerufenen Veränderungen im Ei festzustellen. 

Da meine Versuche nach der technischen Seite hin einige 
durch die individuellen Eigenschaften dieser Eier hervorgerufene 
Besonderheiten aufwiesen, möchte ich mir erlauben, etwas bei 
der Methodik zu verweilen. Die Eikapsel von Ascaris megalo- 
cephala leistet, wie dies bereits zu wiederholten Malen von ver- 
schiedenen Forschern beschrieben worden ist, sowohl chemischen 
wie auch mechanischen Einwirkungen aut das Ei heftigen Wider- 
stand und bei meinen Untersuchungen ist es mir erst nach 
wiederholten Versuchen gelungen, die Stärke des Druckes in aus- 
reichender Weise zu normieren. Ich lasse in allgemeinen Zügen 
die Technik folgen: 


—] 
—ı 
a, 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. 


Eben gewonnene Eier von Ascaris megalocephala wurden 
in einem Tropfen Wasser auf den ÖObjektträger gebracht, und 
zwar so, dass sie möglichst in einer einzigen Schicht zu liegen 
kamen, und dann mit einem Deckglas bedeckt. Durch Druck 
auf dieses Deckglas wurden die Eier zwischen den beiden Glas- 
platten fest eingepresst. Anfänglich glaubte ich, mich nur auf 
das Gewicht des Deckglases beschränken zu können, doch bald 
ergab sich die Notwendigkeit eines viel stärkeren Druckes. 
Oftenbar haben die allerersten Veränderungen im Entwicklungs- 
gang der Ascarideneier eine Minimalbelastung des Deckglases in 
Höhe von 400—500 gr zur Voraussetzung. 

Infolge der Schwierigkeit, solchen beträchtlichen Druck auf 
die verhältnismässig kleine Oberfläche des Deckglases auszuüben, 
musste ich zur Anwendung von Klemmen und Kompressorien 
schreiten. Bei meinen Versuchen bediente ich mich kleiner 
Klemmen, wie sie gewöhnlich bei Operationen an kleinen Tieren 
zum Erfassen der Blutgefässe Verwendung finden. In diesem 
Falle befanden sich die Eier zwischen zwei Deckgläsern, die von 
zwei an entgegengesetzten Seiten angebrachten Klemmen zu- 
sammengepresst wurden. Um die Gläser bequemer wieder aus- 
einander nehmen zu können, legte ich sie so zusammen, dass der 
Rand des einen über den Rand des anderen hinausragte. Das 
Kompressorium bestand aus zwei Metallplatten. In der unteren 
war an den beiden Enden je eine Schraube angebracht und die 
obere war mit entsprechenden Öffnungen versehen. Jede der 
Schrauben hatte eine Schraubenmutter, mit der man die beiden 
Platten beliebig stark zusammenpressen konnte. Im Interesse 
der Gleichmässigkeit und Feinheit des Druckes erschien es mir 
ferner angebracht, zwischen das Deckglas und die obere Platte 
einen Kork zu legen, damit durch diesen der Druck der oberen 
Platte auf das Präparat übertragen würde. Da nun der Kork 
(bei starkem Druck) am Deckglas leicht haften bleibt, so empfiehlt 
es sich, zwischen beide noch ein Deckglas zu legen. 

Die Platten müssen sehr stark zusammengeschraubt werden, 
es kam bei meinen Versuchen öfters vor, dass sie hierbei zer- 
brachen. In den unter dem Kompressorium erhaltenen Präparaten 
rief der Druck die allergrössten Veränderungen hervor; ja man 
konnte in der Regel ausnahmslos eine grössere oder geringere 
Menge: zerplatzter oder stark gedrückter Eier wahrnehmen. 


—] 
1 
Ha 


S:..8. Gum oladt; 


Demnach können wir bezüglich des Zusammenpressens drei 
Verfahren unterscheiden, je nachdem der Druck durch Belastung, 
durch Klammern oder durch das Kompressorium ausgeübt wird. 

In allen Fällen wurden die Eier in feuchtem Zustande dem 
Druck ausgesetzt. Wenn normaliter eine Teilung der Eier auch 
bei trockenen Präparaten vor sich geht, so wird doch offenbar 
die Eischale hier noch widerstandsfähiger und fester, selbst nach 
einmaligem Trockenwerden. 

Das Wasser zwischen beiden Glasscheiben erhielt sich ge- 
wöhnlich während der ganzen Dauer des Versuchs, und die 
Präparate unter dem Kompressorium wurden direkt in den 
Thermostat gestellt. Die übrigen Präparate (unter Klammern 
oder Belastung) wurden in feuchte Kammern eingeschlossen und 
zusammen mit diesen bei einer Temperatur von 35—40° in den 
Thermostat gestellt. 

Die Versuche lassen sich auch bei Zimmertemperatur vor- 
nehmen, doch geht in solchem Falle die Teilung viel langsamer 
vor sich. Nach drei bis fünf Tagen erhält man dann im Thermostat 
bereits fertige Würmer. 

Selbstverständlich wurden bei jedem einzelnen Versuche auch 
Platten mit Kontrolleiern verwendet, deren Entwicklung unter 
den gleichen Bedingungen vor sich ging, nur dass die Eier keinem 
Druck ausgesetzt wurden. Diese Platten dienten einerseits zum 
Zweck der Vergleichung, andererseits als Beweis dafür, dass die 
Veränderungen in den Präparaten nur durch den Druck ver- 
ursacht wurden. In Anbetracht dessen, dass unter dem Deckglase 
der Zutritt von Sauerstoff zu den Eiern erschwert wird, wurden 
auch einige Kontrollpräparate in gleicher Weise bedeckt. Irgend- 
welche Abweichungen vom normalen Typus der Entwicklung rief 
dieser Umstand nicht ein einziges Mal hervor. 

Die Fixation der Präparate erfolgte in einer Lösung von 
drei bis vier Teilen absoluten Alkohols mit einem Teil Essigsäure. 
Die Fixationsdauer schwankt zwischen einer halben bis zwei 
Stunden je nach dem Entwicklungsstadium. Zur Färbung der 
Präparate diente eine heiss gesättigte Lösung von Bismarckbraun, 
in der die Präparate 24—48S Stunden verblieben. Von hier 
wurden sie in ebensolche Lösung gelegt, die jedoch durch Zu- 
satz von Glycerin um ein Drittel verdünnt wurde. Zum Zwecke 
der definitiven Einbettung wurde dieselbe Lösung verwendet. 


I 
— 
DL 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. 


Bei der Beschreibung der durch Druck hervorgerufenen 
Veränderungen in den Eiern der Ascariden muss man vor allem 
die äusserste Verschiedenartigkeit derselben hervorheben. Da die 
genaue Regulierung des Druckes im höchsten Grade schwierig 
ist, so war bei den verschiedenen Präparaten und an den ver- 
schiedenen Teilen ein und desselben Präparates der Grad des 
Druckes verschieden, was natürlich zur Folge hatte, dass in einem 
Teile eine andere Veränderung der Eiteilung vor sich ging, als 
im benachbarten. Um gleichartige Veränderungen zu erhalten, 
wäre es nicht nur erforderlich, ein und dieselbe Belastung anzu- 
wenden, sondern vielmehr sich auch immer für die Versuche 
einer gleichen Zahl von Eiern zu bedienen, da der entscheidende 
Einfluss auf die Veränderung im Ei durch den Druck hervor- 
gerufen wird, der sich als Quotient aus der Teilung der Gesamt- 


belastung (oder des Druckes der Klammer oder des Kompressoriums 
(Belastung) 
(Zahl der Eier) 


darstellt. Um gleiche Veränderungen hervorzurufen, müsste dieses 
Verhältnis ein konstantes sein. Eine nicht geringe Rolle spielen 
natürlich auch andere Bedingungen, wie z. B. die Wassermenge 
zwischen den Gläsern, sonstige von aussen hereingeratene Teilchen, 
der sich individuell verändernde Grad der Widerstandsfähigkeit 
der Eischale, die (Grösse derselben usw. 


: x Ä 2 P 
in Gramm) durch die Anzahl der Eier. d. h. Z 


Die Verschiedenartigkeit der beobachteten Formen machte 
sich bereits unter analogen Bedingungen bei den von OÖ. Hertwig 
untersuchten Eiern der Amphibien und bei den Eiern von Ascaris 
megalocephala bei den Zentrifugierungsversuchen Hogues be- 
merkbar. Der Einfachheit halber möchte ich zunächst auf die 
unter Anwendung starken Druckes erzielten Veränderungen — 
auf diejenige Teilung, welche sozusagen bereits die äusserste 
Grenze der Lebensfähigkeit der Eizelle streift, näher eingehen. 

Bei der Teilung des Eies in zwei Blastomeren konnten 
irgendwelche Abweichungen von der Norm nicht wahrgenommen 
werden. Die beiden ersten Blastomeren AB und Pıı (nach der 
von Zoja beschriebenen Nomenklatur) haben gleichfalls ein 
normales Aussehen. Die Zelle Pır erscheint etwas dunkler infolge 
des reichlichen Gehalts an Eidotter und hat gewöhnlich keine 
Richtungskörperchen; ausserdem ist sie ein wenig kleiner als AB. 
Der Unterschied beider Blastomeren in der (rrösse variiert ziemlich 


1776 8. 8.!Girgolaff: 


beträchtlich; vielleicht sind bei den verschiedenen Ascariden die 
Beziehungen der Zellen zueinander verschieden. Bei den Kom- 
pressionspräparaten war dieser Unterschied bisweilen zwar sehr 
wenig bemerkbar; es liegt jedoch kein Grund vor, diesen Umstand 
von einem äusseren Faktor in Abhängigkeit zu bringen. Die 
allerersten Veränderungen unter der Einwirkung des Druckes 
lassen sich beim Übergang aus dem Stadium von zwei Blastomeren 
in das von vier konstatieren. Wie bekannt, teilt sich normaliter 
die Zelle AB senkrecht zu ersten Teilungsfläche, Pr dagegen 
parallel, wobei sich die für dieses Stadium charakteristische T-Figur 
bildet. Unter der Einwirkung des Druckes werden die beiden ersten 
Blastomeren nach der Peripherie des Eies hin abgedrängt und 
bei ihrer Teilung an die innere Wand der Schale gepresst, wobei 
die Spindeln in ihnen zueinander in einem solchen Winkel zu 
liegen kommen, dass man bei der Teilung eine bogenförmige 
Zellenlinie erhält (Fig. 1 und 2). 


Alle vier Zellen liegen natürlich in einer Fläche. Des 
weiteren wird irgendwelche Bewegung der Zellen, wie dies bei 
den Zellen EM und Pır unter normalen Umständen der Fall zu 
sein pflegt, nicht beobachtet. Da man unter normalen Voraus- 
setzungen nicht selten sich die Blastomere Pıı früher als AB 
teilen sehen kann, darf man auch in dem Umstand, dass unter 
der Einwirkung des Druckes eine solche Verzögerung in der 
Teilung der Blastomeren AB öfters eintritt, nichts Anormales 
Sehen, nicht selten geht auch die Teilung in beiden Blastomeren 
gleichzeitig vor sich. Etwas mehr nähert sich die Teilungsfigur 


—1 
— 


—1 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. 


der Norm, wenn die vier Blastomeren in einem nicht regel- 
mässigen Bogen, sondern unter einem Winkel zueinander zu 
liegen kommen, wie bei Zeichnung 5. 


In der dargestellten Figur kann man die typische T-Figur 
sehen, deren vertikaler Teil stark nach einer Seite abgedrängt 
ist. Auf dieser Figur sehen die Blastomeren etwas mehr zu- 
sammengedrängt aus, ihr Bestreben, bis zu einem gewissen Grade 
die kugelige Form zu be- 
wahren, erscheint stark be- 
einträchtigt. 

Bei den weiteren Ent- 
wicklungsstadien tritt das Be- 
streben der Zellen deutlich 
hervor, den in der Bildung 
begriffenen Zellenkreis zu 
schliessen, ohne dies ist jede 
weitere Entwicklung des Eies 
unmöglich. Daher haben wir 
im Stadium der Sechs- und 
Achtteilung solche Figuren, 
bei denen der Kreis immerhin 
noch nicht geschlossen ist. 

In einer bestimmten Reihe von Fällen im Achtzellenstadium 
wird die Schliessung des Kreises bereits möglich und dann ergibt 


178 SB Girgollarrt: 


das Ei folgendes Bild (Fig. 6). In den Fällen, wo bei diesem 
Stadium die Schliessung des Kreises immerhin noch nicht vor sich 
gegangen ist, konnte ich eine weitere Teilung nicht wahrnehmen 
und offenbar setzen diese Eier schwerlich ihre Entwicklung fort. 


Fig. 6. 

Ist einmal die Schliessung des Kreises, gleichgültig in 
welchem Stadium, bereits erfolgt, so kann man bei der weiteren 
Teilung beobachten, dass die Blastomeren nunmehr den mittleren 
taum ausfüllen, und dann zeigt das Ei folgendes Bild (Fig. 7 und 8): 


Fig. 8. 


Fig. 7. 
In selteneren Fällen kann man ausnahmsweise eine gleich- 
zeitige Ausfüllung und Schliessung des Kreises beobachten, wie 


dies Fig. 9 zeigt. 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. I) 

In allen diesen Fällen verbleiben natürlich die Zellen in 

einer Ebene. Die Folgemässigkeit sowie die Richtung der Teilung 

erscheint im Vergleich zur Norm 

in hohem Maße abgeändert; ich 

werde weiter unten darauf zurück- 
kommen. 

Die Fälle, in denen beim Acht- 
zellenstadium die Bildung des 
Kreises und dessen Ausfüllung zum 
Abschluss gelangt sind (Fig. 10 
und 11), zeigen eine grosse Ähnlich- 
keit mit eben diesen Teilungs- 
stadien bei den Kompressionsver- 
suchen von Driesch an Seeigel- 
eiern. Diese Fälle bilden bereits 
einen Übergang zu jenen Formen, welche sich beim Ei von Ascaris 
megalocephala unter Anwendung eines weniger starken Druckes 
wahrnehmen lassen, der hauptsächlich nur eine dichtere Ver- 


Fig. 10. Fig. 11. 


teilung der Blastomeren in einer Ebene zur Folge hat. ohne 
dass sich die Vorstadien des Bogens und des Kreises bilden. Zu 
diesen Formen wollen wir nun übergehen. 

Nach ihrer Entwicklung sind sie den vorhergehenden völlig 
analog und auf der (Grenze liegen die Eier, bei denen im Vier- 
zellenstadinm innerhalb des geschlossenen Kreises eine nicht grosse 


Öffnung vorhanden ist (Fig. 12 und 13). 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 76. 50 


780 8.8: Gireolatt: 


Oftenbar geht auch diesen Formen die in Zeichnung 1 dar- 
gestellte Figur in dieser oder jener Gestalt voraus. Somit stellt 
sich als Abweichung dieser Formen von der Norm die strikte 
Lage der Blastomeren (Stadium 4) in einer Ebene dar, während 


sie sich von den oben beschriebenen Formen dadurch unter- 
scheiden, dass bei ihnen die mittlere Öffnung fehlt oder im Vier- 
zellenstadium nur kurze Zeit vorhanden ist. Im weiteren Verlauf 
ergibt die Teilung folgende Figuren (Fig. 14—16): 


Die Verschiedenartigkeit der Bedingungen, unter denen sich 
die Eier in ein und demselben Präparat befinden und folglich 
auch die Mannigfaltigkeit der beobachteten Bilder macht es 
äusserst schwierig, die Teilung mit derselben mathematischen 
(Genauigkeit und einwandfreien Gesetzmässigkeit zu untersuchen, 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. 781 


wie dies unter normalen Bedingungen von Boveri, Zoja, 
Müller und anderen geschehen ist. Indessen treten einige Ab- 
weichungen von der Norm bezüglich der Folgemässigkeit der 
Teilung und ihrer Richtung ziemlich klar und deutlich hervor. 
Zoja sagt an der Stelle seiner Arbeit, wo er den Übergang 
von Stadium 4 zu Stadium 6 schildert: „Nur in einigen wirklich 
ausnahmsweisen Fällen sah ich, 
dass die Teilung zuerst in den 
beiden anderen (d.h. EM und Pınm) 
sich andeutete.“ Bei meinen Prä- 
paraten stellt gerade eine solche 
Teilung offensichtlich die Regel 
dar (Fig. 14). 

Was die Anordnung der Zellen 
anbetrifft, so ist sie äusserst ver- 
schiedenartig. und eine bestimmte 
(resetzmässigkeit liess sich nicht 
feststellen. Beim Achtzellenstadium 
sind am häufigsten die Figuren mit einer Zelle in der Mitte, 
die von den übrigen sieben umgeben sind (Fig. 15). Auf die 
Frage, welche Zelle in die Mitte zu liegen kommt, kann man 
antworten: diejenige, welche sich beim Schluss der Teilung als 
die letzte der vier Zellen bildet. Am häufigsten ist dies eine 
Zelle aus der Teilung A oder B. Bei etwas eingehenderer 
Betrachtung lässt sich in dieser Figur eine Ähnlichkeit mit der 
Normalfigur dieses Stadiums konstatieren, wo die vier aus AB 
hervorgehenden Zellen einen Rhombus bilden, während die vier 
Zellen aus Pır sich um diesen bogenförmig herumlegen. Natürlich 
muss man sich dies in einer Ebene vorstellen. Die auf Zeichnung 16 
dargestellte Figur kann als solche angesehen werden, welche sich 
ursprünglich aus einem Bogen gebildet hat, wo die Schliessung 
des Kreises und seine Ausfüllung gleichzeitig vor sich gehen 
(s. oben). Somit kann man sich der Erkenntnis nicht verschliessen, 
dass das Prinzip der gegenseitigen Lage der Zellen zueinander 
konstant ist und das Ei dasselbe nach Möglichkeit zu bewahren 
sucht, indem es sich nur den veränderten äusseren Verhältnissen 
anpasst. Hieraus folgt, dass die normale Teilung mit der Teilung 
des Eies unter Anwendung von Druck durch eine ganze Kette 
von Übergangsformen verbunden ist. 


Fig. 16. 


50* 


—1 


19) 


Ss: 8..GIrgiolaft: 


Zum Schluss verlohnt es sich noch auf eine bei Anwendung 
eines nicht allzu starken Druckes sehr oft beobachtete Erscheinung, 
nämlich auf die Teilung der Blastomere Pr in einer der Norm 
entgegengesetzten Richtung näher einzugehen. In den Fällen, 
wo der Druck eine angemessene Stärke hat, kann man derartige 
Bilder recht oft antretfen, besonders bei den Eiern, bei welchen die 
Teilung der Zelle AB in A und B normalerweise früher vor sich geht 
als die Teilung der Zelle Pr oder doch gleichzeitig mit ihr. Wie 
bereits oben erwähnt, kann man bei den Kompressionsversuchen 
eine Verzögerung in der Teilung der Blastomeren AB öfters 
beobachten als dies unter normalen Umständen geschieht. Die 
Zeichnungen 18, 19 und 20 zeigen dieses Bild. Interessant ist 


Fig. 19. Fig. 20. 
die Tatsache, dass bei eben jenen Präparaten unmittelbar neben 
der Stelle, wo die Teilung AB eine Verzögerung erfuhr, die Teilung 
von Pr in normaler oder fast normaler Weise vor sich geht. 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. 1853 


Indem ich mich jetzt der Untersuchung seltenerer Formen 
zuwende, sehe ich mich veranlasst, bei derjenigen Formveränderung 
der gruppierten Zellen zu verweilen, welche aus der normalen 
T-Figur entsteht, wenn diese überhaupt Platz greift. In diesen 
Fällen (vorausgesetzt, dass der Druck ausreichend ist) bleibt die 
übliche Umbiegung des vertikalen Teils der T-Figur aus, was 
zur Folge hat, dass auch die zeitlich auf sie folgende Figur, der 
Rhombus, nicht zur Bildung gelangt, während die Vermehrung 
der Zellen A, B, Pınr und EM an ihren ursprünglichen Stellen 
erfolgt. Es entstehen Figuren von höchst unregelmässiger Form, 
in denen die Zahl der Zellen bis zu 8, 10 und 12 steigt. Die 
Zellen selbst indessen verlieren ihren kugelförmigen Charakter 
bereits im Stadium 4 und sehen wie die auf Zeichnung 3 dar- 
gestellten aus. Die geringe Menge der in den frischen Präparaten 
beobachteten Figuren solcher Art veranlasst mich, sie nicht näher 
zu beschreiben, obwohl es nicht zu verkennen ist, dass sie mit 
der Figur 3 viel Gemeinsames haben. 

Ferner gelang es mir, im ganzen nur einige Male Figuren 
zu beobachten, die von aussen betrachtet aus drei bis vier 
Blastomeren bestanden, wobei eine von diesen auch nicht einmal 
Spuren von Uhromatin enthielt, während in den übrigen solches 
in völlig normaler Weise vorhanden war (Fig. 21 und 22). 


Fig.,22. 


Besonders deutlich ist das Chromatin in Fig. 21 sichtbar, wo es 
ein leichtes ist, je vier Chromatinfäden in jeder der beiden 
Blastomeren festzustellen. Nach ihrem Äusseren zu urteilen, 
haben diese Bildungen keine Ähnlichkeit mit den von Boveri 


784 SS. GirgolaTTe 


und Hogue beschriebenen protoplasmatischen Bildungen, die an 
den Eiern von Ascaris megalocephala bei Zentrifugierung in einer 
zu seiner Achse senkrechten Richtung wahrnehmbar sind. Nur 
einzelne Beobachtungen an derartigen Präparaten lassen mit 
grosser Vorsicht ihre Entstehung von dem auf das Ei ausgeübten 
Druck ableiten. 

In allen oben beschriebenen Fällen schien die Lebens- 
fähigkeit der Elemente unmittelbar nach Anwendung der Kom- 
pression keineswegs herabgemindert, und wenn sich aus ihnen 
in der Folge ein Embryo nicht entwickelte, so zeigten sich 
Degenerationserscheinungen in späteren Stadien (s. unten). Bei 
den Kompressionsversuchen konnte man jedoch beständig an 
einigen Stellen des Präparats besonders stark zusammengepresste 
Eier sehen, von denen ein Teil nicht selten zerplatzte und end- 
gültig abstarb. Bei einigen derartigen Eiern, die einer starken 
Kompression ausgesetzt worden waren, die jedoch natürlich keine 
allzu grossen äusseren Beschädigungen aufwiesen, Konnte man 
deutlich beobachten. wie ein Teil der Blastomeren zugrunde 
gegangen war, während andere lebensfähig geblieben waren 
und sich teilten (Fig. 23—25). 


Präparate, die solche Bilder ergaben, erhielt ich am häufigsten, 
wenn der durch das Kompressorium ausgeübte Druck besonders 
stark war. Im Stadium 2 (Fig. 23) ging eine der Zellen (AB) zu- 
erunde; im Augenblick der Beobachtung konnte man in ihr bereits 
keine typischen Chromatinfäden mehr wahrnehmen ; ihre Teilchen 
zerstreuten sich über die ganze Zelle und ergaben bei der Färbung 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. 785 


mehr oder weniger intensiv gefärbte Pünktchen. Die andere 
Blastomere Pr bewahrte ihre Lebensfähigkeit, setzte ihre Teilung 
weiter fort und bildete an der Peripherie der absterbenden 
Blastomere ein hübsches Band völlig lebensfähiger Zellen mit sehr 
schönen Chromosomen. Bei der Abbildung 24 ging offenbar eine 
der vier Blastomeren zugrunde, während sich die drei übrigen 
auf dem Wege zu weiterer Teilung befinden In Fig. 25 ist 
zu sehen, dass Pır wie auch in 
Fig. 23 ihre Teilung mit normaler 
Intensität fortsetzt, während A B 
in der Teilung zurückblieb, aber 
nichtsdestoweniger immerhin die 
Zellen A und B ergab: in einer 
von diesen ist das typische Bild 
der Degeneration vorhanden, 
während die andere fähig ist, 
ihre Teilung auch weiter fort- 
zusetzen. 

Damit ich auf diese Figuren nicht nochmals zurückzukommen 
brauche, möchte ich gleich hier hervorheben, dass es mir nicht 
gelungen ist, nach Aufhebung des Druckes die Entwicklung eines 
ausgewachsenen Wurmes aus diesen Präparaten zu beobachten. 
Eine geraume Zeit schritt die Teilung des lebensfähigen Teils 
des Eies neben dem abgestorbenen Teile fort, indem sie eine 
mehr oder weniger grosse Gruppe von Zellen ergab, aber darauf 
hörte die Teilung auf und es trat eine lange Pause in der Ver- 
mehrung der Elemente ein, welche bisweilen mit einer allgemeinen 
Degeneration endete; bisweilen war ich jedoch gezwungen, das 
Präparat zu fixieren, um die anderen Eier zu untersuchen. Daher 
findet die Frage, ob die Entwicklung eines ausgewachsenen 
Individuums aus einem Teil des Eies von Ascaris megalocephala 
möglich ist, auf Grund meines Materials keine positive Beant- 
wortung, andererseits erscheint jedoch in Anbetracht der erfolg- 
reichen Versuche von Driesch, Zoja, Hertwig u.a. und des 
allgemeinen Eindrucks, den man durch die Untersuchungen über 
die Teilung des lebensfähigen Teils des Eies gewinnt, auch eine 
negative Beantwortung der obigen Frage zum mindesten verfrüht. 
Aus der Literatur möchte ich die Arbeit von Stevens anführen, 
die eine gewisse Neigung der Blastomeren zu einer selbständigen 


Fig. 25. 


756 58 Giweelsa tif: 


Entwicklung im Ei der Ascaris megalocephala unter dem Einfluss 
der Einwirkung von ultravioletten Strahlen auf dieses beobachtete. 

In den Fällen einer sehr beträchtlichen Kompression gelingt 
es sehr oft in unmittelbarer Nähe der vollständig zerdrückten 
Eier eine Verteilung des Chromatins über die ganze Zelle und 
ihre sofortige Teilung in mehrere Teile zu beobachten, wobei in 
vielen Fällen keine Teilung des Protoplasmas eintritt. In diesen 
Fällen büsst die Eizelle vollständig ihre Kugelform ein und be- 
kommt ein eckiges Aussehen (Fig. 26 und 27). 


Der in solchem Falle vor sich gehende Prozess erinnert in 
hohem Maße an das, was bei den Versuchen Hertwigs über 
den Einfluss von niedriger Temperatur und Chininlösungen auf 
die Teilung geschildert worden ist. Dieselbe Erscheinung beob- 
achtete Loeb bei seinen Versuchen über den Einfluss von 
Magnesiumchlorid- und Natriumchloridlösungen, sowie Ziegler 
nach Zusatz von Alkohol zum Wasser, in dem sich Seeigeleier 
entwickelten. 

Somit zeigen diese Figuren eine interessante Analogie in 
der Einwirkung von Temperatur-, chemischen und mechanischen 
Momenten auf die Teilung der Eizelle. Es handelt sich hier also 
um bedeutende Schädigung der Eizelle, indem das Protoplasma 
schon nicht mehr imstande ist, der Kernteilung zu folgen und 
der Kern sich unvollständig und unregelmässig vermehrt. Bei 
meinen Versuchen unterschieden sich diese Eier nur äusserst 
wenig von denjenigen, bei denen man schon keine Äusserungen 


Kompressionsversuche am betruchteten Ei. TOT 


der Lebensfähigkeit und selbst des Lebens wahrnehmen kann. 
Einen weiteren Entwicklungsgang bei diesen Eiern vermochte ich 
nicht zu beobachten. 

Was die Lebensfähigkeit aller oben erwähnten Eier angeht, 
so erwiesen sich die Eier der ersten und zweiten Kategorie, 
d. h. die mit ebener Lage der Blastomeren und einer Öffnung 
in ihrer Mitte sowie einer dichtgedrängten ebenen Lage der 
Zellen in der Mehrzahl der Fälle als völlig lebensfähig und er- 
gaben schliesslich ein vollständiges Bild der Entwicklung, die bis 
zur Bildung eines selbständig bewegungsfähigen Wurmes führte. 
Weiter oben war die Teilung dieser Eier bis zum Achtzellen- 
stadium geschildert, in einzelnen Fällen gelang es 12, ja selbst 
16 in einer Ebene verteilte Zellen zu erhalten, ohne dass es 
jedoch möglich gewesen wäre, ihre Entwicklung bis zur Bildung 
eines Wurmes zu verfolgen. In der Regel wurden jedoch auf 
dem Präparat, das Eier verschiedener Stadien mit unregelmässiger 
Verteilung der Blastomeren enthielt, einzelne Exemplare sorg- 
fältig gekennzeichnet (mit Hilfe des Kreuztisches von Zeiss), der 
Druck auf das Ei vollständig aufgehoben und dann die Entwicklung 
jedes einzelnen Eies beobachtet. Hierbei ergab sich, dass die 
Eischale von Ascaris megalocephala, die dem Druck ausgesetzt 
gewesen war, in der Mehrzahl der Fälle nicht in der Lage war, 
ihre frühere kugelförmige oder eiförmige (restalt wieder anzu- 
nehmen; die Enden bleiben gewöhnlich denn auch bei ihr mehr 
oder weniger abgeplattet. Nichtsdestoweniger begann die weitere 
Teilung in der allerersten Zeit in der Weise fortzuschreiten, dass 
die Zellen nicht mehr in eine Ebene zu liegen kamen. In 
einigen Fällen konnte man dagegen sogar eine leicht veränderte 
Verteilung der Zellen beobachten, die sich unter der Einwirkung 
des Druckes gebildet und bis dahin genau in einer Ebene gelegen 
hatten. Bei den Eiern, wo die Lage der Zellen eine dichtge- 
drängte war, schreitet die weitere Entwicklung in der Regel 
schneller fort als bei den Eiern, wo die Blastomeren eine innere 
offene Figur bildeten. Gewöhnlich konnte man schon an den 
ersten Eiern nach 24 Stunden eine kugelförmige Anordnung der 
Zellen beobachten. Wo dagegen eine Öffnung vorhanden oder 
die Figur nicht geschlossen war. wurde die Zeit zur Ausfüllung 
verwandt, so dass die Teilung noch eine geraume Zeit in einer 
Ebene vor sich ging und erst im weiteren Verlauf den ersten 


788 3.8. GireolaFft: 


ähnliche kugelförmige (oder eiförmige) Bildungen ergab. Über- 
haupt entwickelten sich im allgemeinen die Eier dieser Kategorie 
langsamer und unter ihnen konnte man nicht selten Exemplare 
antreffen, denen die Fähigkeit abging, eine vollendete Form eines 
Embryos hervorzubringen. Zu den Übergangsformen kann man 
solche zählen, bei denen man allerdings einen Wurm erhielt, 
dieser jedoch eine höchst unregelmässige Form mit ganz sonder- 
baren Konturen aufwies, keine aktive Bewegungsfähigkeit zeigte, 
vielmehr im Gegenteil sofort Degenerationserscheinungen erkennen 
liess. Die Ausfüllung des Hohlraumes erforderte nicht selten eine 
längere Zeit: bisweilen erwiesen sich 24 Stunden als noch nicht 
ausreichend zur Herstellung einer diehtgedrängten Verteilung der 
Zellen. Hiernach dauerte die Teilung der Zellen fort und es 
bildete sich ein Embryo von normaler Gestalt. 

Bei diesen Formen liess sich stets die Entwicklung eines 
Wurmes beobachten, der in hohem Grade vom normalen abwich. 
Solche Würmer bildeten sich wenigstens aus den Eiern, deren 
Entwicklung unter ständiger Beobachtung vor sich ging; anderer- 
seits konnte ich auch an den Versuchen, die eine grosse Menge 
anormal geteilte Eier aufwiesen, 
in entsprechender Zahl auch 
anormale Würmer beobachten. 
Die Würmer von anormaler Form 
lassen sich in zwei Gruppen ein- 
teilen. Die eine Gruppe (Fig. 28) 
umfasst völlig regelmässig ge- 
formte Würmer mit glatten Kon- 
turen, die an ihrem Kopfende eine 
stark hervortretende kugelige 
Erweiterung zeigten, die für die 
Ascariden charakteristische Zu- 
spitzungbeider Enden fehlte gänz- 
lich. vielmehr bildete sich anstatt 
einer Verdünnung eine Verdickung. Der Wurm hatte die auf 
Zeichnung 28 dargestellte Form. Wie hieraus ersichtlich, habe ich 
im gegebenenFalle bereits einen Wurm von beträchtlicher Grösse 
und keinen eben erst zur Bildung gelangten im Auge. Bei der 
anderen Gruppe kann man wie bekannt auch unter normalen 
Voraussetzungen an den Enden dann und wann eine gewisse 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. 159 


Verdiekung wahrnehmen, welche bei weiterem Wachstum rasch 
durch eine Verdünnung abgelöst wird. Die Verdiekung, wie sie 
bei den sich anormaliter entwickelnden Würmern auftritt, hat 
eine flach kugelige Form, und der Wurm selbst bewegt sich 
lebhaft. In einigen recht seltenen Fällen war diese Verdiekung 
nicht unmittelbar am äussersten Ende des Wurmes zu sehen, und 
ganz vereinzelt konnte man sogar zwei Verdickungen an beiden 
Enden wahrnehmen. Eine andere Form des anormalen Wurmes 
ist folgende: Die eine Hälfte des Wurmes war völlig normal 
entwickelt, während man an 
Stelle der anderen Hälfte eine 
ziemlich formlose oder besser 
gesagt höchst seltsame Bildung 
mit unregelmässigen kantigen, 
auch im allgemeinen abge- 
tlachten Formen bemerkte 
(Fig. 29). Trotz dreitägiger 
Beobachtung liess sich an 
diesem Wurm keine Neigung 
zu weiterer Entwicklung oder 
Formveränderung erkennen. 
Der Wurm selbst bewegte sich. | 
wie auch in der vorher Fig. 29. 
gehenden Gestalt, lebhaft. in 
erster Linie mit Hilfe seines regelmässig gebildeten Schwanzes. 
Selbstverständlich liessen sich zwischen diesen reinen Vertretern der 
ersten und zweiten Gruppe zahlreiche Übergangsformen erkennen. 
Diese Formen in Verbindung mit den auf verschiedenen Stadien 
stehen gebliebenen Embryonen, in Verbindung, ferner mit den Eiern, 
welche in dem Entwicklungsstadium gleichsam erstarrten, indem 
sie aus dem Kompressorium genommen wurden, ohne deutliche 
degenerative Erscheinungen, aber auch ohne eine für eine weitere 
Teilung ausreichende Lebensfähigkeit zu zeigen, verliehen dem 
Präparat ein äusserst buntes Bild, das sich in hohem Maße von der 
gleichzeitig vor sich gehenden regelmässigen Entwicklungder Eier 
der Ascaris megalocephala unter normalen Voraussetzungen abhob. 
Was die Entstehung der Missbildungen in beiden Gruppen 
betriftt, so entsprachen den Würmern mit glatten Konturen jene 
Eier, bei denen die Blastomeren in einer ebenen Fläche verteilt 


90 SIS Gireoakaftr: 


waren ohne Bildung eines Hohlraumes oder nur mit einer kleinen 
vorübergehenden Öffnung im Stadium 4 (Fig. 13), während den 
Würmern mit formloser Hälfte schärfere ursprüngliche Formen 
mit einer grossen Öffnung entsprachen. In einem Falle gelang 
es mir übrigens, die Verwandlung der Figur mit Öffnung im 
Achtzellenstadium in einen Wurm mit regelmässiger flachkugeliger 
Verdickung an einem Ende zu beobachten. Offenbar handelt es 
sich hier um einen Stillstand in der Entwicklung eines Teils der 
Blastomeren in einem der späteren Entwicklungsstadien, wobei 
diese Zellen, die die Fähigkeit, eine abgeschlossene Bildung ins 
Leben zu rufen, eingebüsst haben, eben die erwähnte unregel- 
mässige Verdickung bilden. In Abhängigkeit von der Anzahl 
der sie bildenden Elemente ist die Grösse und die Form derselben 
höchst verschieden. Als Beispiel kann man folgende Verhältnis- 
zahlen anführen. Die Achsenlänge des ganzen Wurmes betrug 
68 « (Zeiss’, Obj. D, Oc. 3), wobei auf den verdickten Teil 20 «# 
entfielen, während der Rest den 
Körper des äusserlich normal 
erscheinenden Wurmes bildete. 
In anderen Fällen hatte der ver- 
dickte und unregelmässig ent- 
wickelte Teil eine noch grössere 
Ausdehnung. Bei längerer Be- 
obachtung (2—3 Tage) konnte 
man eine Zunahme der Länge 
des normalen Teils konstatieren, 
während der anormale Teil keine 
Veränderungen aufwies. 

Irgendwelche Verdoppelung eines Teils des Wurmes oder 
des Wurmes im ganzen vermochte ich bei sorgsamer Untersuchung 
der Präparate nicht wahrzunehmen. Bei den Massenversuchen 
konnte man Formen sehen, die grosse Ähnlichkeit hatten mit 
der Verdoppelung eines Wurmendes (Fig. 30), indessen fehlt in 
Anbetracht der grossen Verschiedenartigkeit und Absonderlichkeit 
der oben beschriebenen unregelmässigen Verdickungen sowie unter 
Berücksichtigung der oberflächlichen Beobachtung des ganzen 
Entwicklungsganges solcher Eier jede Unterlage, irgendwelche 
positive Behauptungen aufzustellen, und man möchte eher geneigt 
sein. eine negative Antwort zu geben. 


Fig 30. 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. To 


Bei der Betrachtung der Präparate von komprimierten Eiern 
fallen einige charakteristische Besonderheiten ins Auge. Vor allem 
kann nicht entgehen die konstante Verzögerung in der Entwicklung 
der komprimierten Eier im Vergleich zu den sich unter normalen 
Voraussetzungen entwickelnden Eiern. Diese Verzögerung ist 
zum Teil dem Mangel an Sauerstoff (King) zuzuschreiben, und 
in der Tat entwickelten sich die im Zentrum des Präparates 
liegenden Eier langsamer als die an der Peripherie befindlichen. 
Indessen zeigten die Kontrollpräparate mit den von Deckgläsern 
überdeckten Eiern, die sich mithin, was den Zutritt von Sauer- 
stoff anbetrifft, unter gleichartigen Voraussetzungen befanden, 
zwar ebenfalls eine gewisse Verzögerung, doch bei weitem nicht 
in so hohem Maße, wie dies bei den Kompressionseiern der Fall 
ist. Bei einigen Präparaten, die 24 Stunden im Thermostat ge- 
blieben waren, erhielt ich beim Herausnehmen derselben aus dem 
Kompressorium fast ausschliesslich Eier im Zweiteilungsstadium 
oder solche, welche sich noch nicht einmal zu teilen begonnen 
hatten, während bei den Kontrolleiern nach Verlauf dieser Zeit 
weit spätere Stadien zutage traten. Sodann ging infolge des 
verschieden starken Druckes an den verschiedenen Teilen des 
Präparats ebenso wie infolge der verschiedenen Voraus- 
setzungen für den Zutritt des Sauerstoftes zu den einzelnen 
Eiern ihre Entwicklung äusserst unregelmässig vor sich. Bei 
einigen Exemplaren geschah dies so langsam, dass sie in das 
Stadium 16 gelangten, während bei anderen sich bereits ein 
Wurm vollständig entwickelt hatte, der fähig war, sich frei zu 
bewegen. 

Die oben beschriebenen Veränderungen im vollendeten Bau 
des Wurmes traten ausnahmslos in dem Fall ein, wenn dem 
Kompressorium Präparate entnommen wurden, die aus sechs bis 
acht oder doch zum mindesten aus vier Zellen bestanden. Die 
Versuche, bei denen nur die erste Teilung vor sich ging, endeten 
immer mit der Entwicklung eines äusserlich völlig normalen 
Wurmes; daher gelang es denn auch bei meinen Kompressions- 
versuchen nicht, die erste Teilung irgendwie zu verändern, wie 
dies bei den Versuchen von Boveri und Hogue an eben jenen 
Eiern mit Zentrifugierung und bei Brown mit den Eiern der 
Molluske Cumingia der Fall war. Andererseits scheinen die Eier, 
die sich unter Einwirkung der Kompression bis zu zwölf und 


192 Ss.S. Ga neolarfte 


mehr Zellen entwickeln, nicht die Fähigkeit zu besitzen, ihre 
Entwicklung bis zu einem sich bewegenden Wurm fortzusetzen. 
Beim Vergleich meiner Ergebnisse mit den Resultaten, die 
Boveri und Hogue bei Zentrifugierung erzielten, muss eine 
Ähnlichkeit in der Entwicklung des Eies unter Einwirkung dieser 
beiden Faktoren — mit Ausnahme nur jener in den sogenannten 
„Balleiern“ stattfindenden protoplasmatischen Bildung — auf- 
fallen. Fine Ähnlichkeit ergibt sich auch in den Endresultaten 
insofern, als die auf einigen Zeichnungen dargestellten Würmer 
mit unregelmässiger Verdickung an einem Ende den von mir 
erhaltenen Formen sehr nahe kommen. Allein Würmer mit 
glatter regelmässiger Verdiekung konnten bei diesen Versuchen 
gar nicht wahrgenommen werden (Fig. 25). Die letzteren Formen 
entwickelten sich, wie bereits erwähnt, dann, wenn der Embryo 
keine Beschädigungen zeigt. Die starke Zentrifugierung hin- 
gegen, die sich als stärkerer Eingriff darstellt, als die einfache 
Kompression, wirkt natürlich auch stärker auf das Ei ein. 
Morgan sieht bei der Beschreibung der Ursache der unter 
der Kompression stattfindenden Veränderungen die Bedeutung des 
Druckes darin, dass er einen unregelmässigen Gang der Teilungs- 
furche bedingt, welche bei einer bestimmten Spezifizierung der 
Eiteile zu einem gewissen anormalen Plus in den einen und zu 
einem Defekt in den anderen Teilen führt. Betrefis der Spezi- 
fizierung bei der Entwicklung des Eies kommt dieser Autor auf 
Grund seiner Versuche zu dem Schluss, dass dieselbe vor oder 
während der Teilung erfolgt, die Wirkung durch die Beziehung 
der Blastomeren zu den anderen unterhalten werde, während 
diese Beziehung nur durch die gegenseitige Beziehung der Zellen 
bedingt werde und keineswegs eingeführt sei. Das weitere Fort- 
schreiten der Spezifizierung in den frühzeitigen Entwicklungsstadien 
erschwere es den isolierten Blastomeren, ihre Schritte wieder zurück 
zu machen und hierin eben sei der Unterschied zwischen Eiern 
mit früher und solehen mit allmählicher Spezifizierung zu sehen. 
Aus einer ganzen Reihe von Versuchen, die seitens ver- 
schiedener Autoren vorgenommen wurden, ergibt sich, dass in 
den frühen Stadien der Entwicklung eine Spezifizierung der 
einzelnen Blastomeren nicht zu finden ist. Solche Spezifizierung 
tritt erst in viel späteren Entwicklungsstadien ein. Ferner hat 
die vom Ei so konservativ bewahrte, streng bestimmte Verteilung 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. 195 
der Blastomeren in ganz bestimmter Beziehung zueinander (zum 
Teil auch bei Ascaris megalocephala) unzweifelhaft auch eine 
bestimmte Bedeutung für den Bau des ausgewachsenen Embryos. 
Der Druck verändert diese übliche Lage der Blastomeren, und 
in den Fällen, wo in den weiteren Stadien der Entwicklung nach 
Aufhebung des Druckes die mehr oder weniger normale gegen- 
seitige Lage der Zellen nicht wieder hergestellt wird, bedingt 
dieser Umstand Abweichungen vom normalen Bau. Zahlreiche Ver- 
suche haben gezeigt, dass die Entwicklung von Zwillingenund die 
Verdoppelung in den Fällen eintritt, in denen der normale Zusammen- 
hang zwischen den Blastomeren mehr oder weniger zerstört war. 

Endlich übt der Druck auf die Zelle einen deutlich hervor- 

tretenden hemmenden Einfluss aus. Meine Versuche lassen den 
Schluss zu. dass die verschiedenen Blastomeren nicht dieselbe 
Lebensfähigkeit besitzen. Unter gleichen Voraussetzungen gehen 
die einen zugrunde, während die anderen das deutliche Bestreben 
zu weiterer Vermehrung zeigen. Hieraus folgt, dass bei weniger 
starkem Druck von einem Zugrundegehen der Zelle keine Rede 
sein kann, vielmehr nur eine Hemmung eintritt. Die verschiedenen 
Blastomeren können auf Grund ihrer verschiedenen Lebensfähigkeit, 
ja ausserdem auch auf Grund der veränderten gegenseitigen Lage 
zueinander sich mit ungleicher Kraft entwickeln ; infolgedessen kann 
man auch jene seltsamen Formen des ausgewachsenenEmbryos be- 
obachten, bei denen das eine Ende ein normales Aussehen hat, das 
andere dagegen eine unregelmässige Anhäufung von Zellen darstellt, 
welche nicht bis zur normalen Grenze der Entwicklung gelangt sind. 

Zum Schluss halte ich es für meine angenehme Pflicht, 

Herrn (reheimrat Professor Hertwig meinen tiefsten Dank aus- 
zusprechen für die Stellung des Themas und das mir in liebens- 
würdigster Weise bei jeder Gelegenheit gezeigte Entgegenkommen. 
Ferner bin ich zu vielem Dank verpflichtet, Herrn Professor 
Krause, der mir mit seinem wertvollen Rat jederzeit hilfreichst 
zur Seite stand. 

Ergebnis. 

1. Der Druck auf die Eizelle, welcher der Teilung der 
letzteren stets eine zur Druckfläche senkrechte Richtung 
gibt, verändert die gegenseitige Beziehung der Blastomeren 
zueinander und bedingt dadurch Abnormitäten in dem 
endgültigen Bau des Embryos. 


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Dies letztere ist dann der Fall, wenn das Ei, dessen 
Teilung nach Aufhebung der Kompression vor sich geht, 
nicht imstande ist, die normale gegenseitige Beziehung 
der Blastomeren wieder herzustellen 

In den Fällen, in denen eine Verletzung nicht eintrat, 
hatte die durch den Druck hervorgerufene Verteilung 
der Blastomeren in einer Ebene eine Verdickung dieses 
oder jenes Teils des Embryos zur Folge. 

Die Entwicklung des Eies, die unter der Einwirkung der 
Kompression vor sich geht, zeigt eine bestimmte Gesetz- 
mässigkeit zwischen dem Bestreben des Eies, den Typus 
seiner Entwicklung zu bewahren und der unmittelbaren 
Einwirkung äusserer Momente 

Die Lebensfähiekeit der einzelnen Blastomeren im Ei ist 
verschieden: der Untergang und die Degeneration der 
einen schliesst die Möglichkeit der Fortdauer der Teilung 
in anderen nicht aus. 

Im Entwicklungsgang des der Kompression ausgesetzten 
Eies von Ascaris megalocephala sind solche Fälle möglich, 
wo ein Teil der Zellen, indem sie in der Entwicklung 
zurückbleiben, in einem bestimmten Entwicklungsstadium 
verharren, während andere Zellen ihre Teilung bis zu 
Ende durchführen. 

Die Kompression der Eizelle verringert im allgemeinen 
ihre Lebensfähigkeit und hemmt den Gang der Ent- 
wicklung. Der äusserste (Grad dieser Erscheinung besteht 
in der Unfähigkeit des Protoplasmas zur Teilung, während 
der Kern die Neigung, sich zu teilen, noch erkennen 
lässt. In dieser Beziehung führt die Kompression zu 
Resultaten, die denen sehr ähnlich sind, welche sich bei 
der Einwirkung chemischer Stoffe und niedriger Tempe- 
raturen auf die Eizelle ergaben. 

Die Hemmung der Entwicklung und die Herabminderung 
der Lebensfähigkeit. die mit der Anwendung der Kom- 
pression des Eies Hand in Hand gehen, bleiben auch 
nach Aufhebung der Kompression bestehen; infolgedessen 
gelangt ein Teil nicht zum Abschluss seiner Entwicklung. 
Hat das Ei von Ascaris megalocephala unter Einwirkung 
der Kompression erst seine erste Teilung durchgemacht, 


10. 


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13. 


14. 


Kompressionsversuche am befruchteten Ei. 28)5) 


so unterscheidet sich der aus solchem Ei zur Entwicklung 
gelangende Wurm nach seiner äusseren Form nicht vom 
normalen. Wenn dagegen das Ei unter Einwirkung der 
Kompression das Stadium S—10 überschritten hat, so 
scheint es nicht zum Abschluss der Entwicklung zu 
gelangen. 

10. Die Teilung des Eies von Ascaris megalocephala unter 
Einwirkung der Kompression und solche bei Zentri- 
fugierung weisen einige gemeinsame Züge auf. 


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Archiv f araslon. Anatomie. Bd.LXXV. 


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Werner u.Winter Prankfiart®M. 


Irehiv f- mikroskon.. Inatomie Bd. LXXW. 


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