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Full text of "Archiv für Naturgeschichte"

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AR€IUV 

FÜR 

NATURGESCHICHTE. 


IN  VERBINDUNG  MIT  MEHREREN  GELEHRTEN 


HERAUSGEGEBEN 


TON 


D».  AR.  FR.  AUa.  WIEaniANN, 

AUSSKRORD.    PROFESSOR  AN   DER  FRIEDRICH  -  WILHELMS  -  UNIVERSITÄT 

ZU  BERLIN. 


SECHSTER  JAHRGANG, 

Erster  Band. 

MIT  ZEHN  KUPFERTAFELN, 


BERLIN  1840. 

IN  DER   NICOLAI'SCHEN  BUCHHANDLUNG. 


Inhalt  des   ersten   Bandes. 


I.      Zoologie. 

Seite. 

Nachträgliche  Bemerkungen  zur  Uebersicht  der  Gattungs-  und  Art- 
charaktere der  europäischen  Fledermäuse,  von  A.  Graf  v.  Key- 
serling und  Prof.  J.  H.  Bl9,sius 1 

Sur  une  nouvelle  espece  du  Genre  Gymnetre,  par  Risse    .    .    .    13 

üeber  das  Brütorgan  der  Gattung  Hippocampus ,  von  Dr.  August 
Krohn 16 

Ichthyologische  Beiträge  von  B.  Fr.  Fries.  Die  Gattung  Pleu- 
ronectes 18 

lieber  die  Lebenskraft  der  Eingeweidewürmer,  von  Dr.  C.  E. 
Mir  am 35 

Cylindrella,  nov.  genus,  nebst  Bemerkungen  über  die  übrigen  Gat- 
tungen der  Helicinen,  von  Dr.  L.  Pfeiffer  in  Kassel     ...    38 

Fortpflanzung  der  Ringeltaube  in  der  Gefangenschaft,  mitgetheilt 
von  St.  K.  V.  Siemuszowa-Pietruski ,    .    43 

Neue  Beiträge  zur  Erläuterung  und  endlichen  Erledigung  der  Streit- 
frage über  Tur  und  Zw^n  {JJrus  und  Bison)  von  G.  G.  Pusch 
in  Warschau 47 

üeber  eine  neue  Art  der  Gattung  DeilepJäla  von  M.  A.  Mützel 
(Hierzu  Taf.  VIII.  Fig.  1.) 171 

Diagnosen  der  neuen  Mäuse,  welche  auf  Darwin's  Reise  entdeckt 
wurden,  von  G.  R.  Waterhouse    ........     174  u,  281 

Zoologische  Bemerkungen  von  Dr.  A.  Philipp i.  (Fortsetzung. 
Hiezu  Taf.  III.  und  IV.)  I.  Clavagella  Balanornm.  II.  Zoe,  der 
erste  Zustand  von  Pagurus.  III.  Asterope,  neues  Genus  der 
Ostracopoden.  IV.  Neue  Genera  der  Copepoden.  V.  Peneus 
siphonocerus.  VI.  Pontarachne^  eine  Hydrachnide  des  Meers. 
\II.  Desniophyllum  Stellar ia  Ehrb 181 

Beitrag  zur  Entwickelungsgeschichte  der  Mollusken  und  Zoophy- 
ten,  von  M.  Sars.  (A.  Mollusken:  Tritonia,  Äeolidia,  Doris, 
Jplysia.    Hiezu  Taf.  V.  VI.  VII.) 196 

Einige  Bemerkungen  über  die  Bekleidung  des  Laufs  der  Singvogel 
von  H.  Burmeister 220 

Berichtigungen  von  Gloger 227 

Rechtfertigung  des  Herausgebers 229 

Untersuchung  der  an  den  schwedischen  Küsten  vorkommenden 
Arten  der  Gattung  Gobius  von  Fries,  übersetzt  von  F.  C.  H. 
Creplin 233 

Zur  Entwickelungsgeschichte  der  Dekapoden.   Von  Heinr.  Rathke  241 

Uebersicht  der  im  Januar,  Februar  und  März  1839  auf  Cuba 
gesammelten  Mollusken.  Von  Dr.  Louis  Pfeiffer.  (Fort- 
setzung von  Jahrg.  V.  Bd.  1.  S.  346) 250 


IV 

Seife. 

Bemerkung  zu  dem  Aufsatz  der  Herren  v.  Keyserling  undBla- 

s  i  u  s  über  die  europäischen  Fledermäuse,  von  F.  B  o j  e  in  Kiel  262 
BH  Hodgson,  Resident  in  Nepal,   über  den  Gauri  Gau.  (Hierzu 

Tafel  IX.) 263 

Ueber  einige  Bloch'sche  Fischarten,  von  Dr.  F.  H.  Troschel  .  267 
Ueber  den  Bau  des  Pentacrinus  Caput  Medusae,  von  J.  Müller  307 
Ueber  die  Gattungen  der  Asteriden,  von   J.  Müller  und  F.  H. 

Troschel 318 

Ueber  die  Gattungen  der  Ophiuren,  von  Denselben 326 

Schreiben  der  Herren  Graf  v.  Keyserling  und  Prof.  Blasius  330 
Beschreibung  von  vier  auf  Cuba  gefangenen  Fledermäusen,  von 

Dr.  Gundlach 356 

Ueber  zwei  von  mir  gesammelte  Böen  von  Cuba,  von  Dems.  .    .  359 
Erwiederung  auf  Burmeister's  Aufsatz:  Bemerkungen  über  die 
Bekleidung  des  Laufs   der  Singvögel,  von  Blasius  und  Key- 
serling   362 

Fortgesetzte  Bemerkungen  über  die  Gattungen  der  Asteriden,  von 

J.  Müller  und  F.  H.  Troschel     .     .    ^ 367 

Verzeichnifs  der  Vögel  GaUiziens  von  Stan.  Const.  Ritter  von 

Siemuszo  wa- Pietruski 369 

Observations    sur    quelques  poissons    de    la    mer    de  Nice  par 

A.  Risso.    (Hierzu  Taf.X.) 376 

Beiträge  zur  Kenntnifs  der  sogenannten  Indianischen  Vogelnester, 

von  Herrn  Baron  von  S c hier br and  in  Java 393 

Die  Foraminiferen  Amerikas  und  der  Canarischen  Inseln,  von 
Aleide  d'Orbigny.  Im  Auszuge  mitgetheilt  von  Dr.  Troschel  398 

n.     Botanik. 

Beiträge  zur  näheren  Kenntnifs  von  Lemna  arrhiza,  nebst  einigen 
Bemerkungen  über  L.  polyrrhi%a ,  gibba,  minor  und  trisulca 
von  Dr.  J.  F.  Hoffmann.    (Hierzu  Taf.  I.  u.  II.)    .    .     .    .     .138 

Erklärung  der  eigenthümlichen  Stellung  der  Embryonen  im  Mistel- 
Saamen,  wenn  deren  mehrere  in  einem  und  demselben  Saamen 
vorkommen,  von  J.  Meyen 164 

Noch  einige  Mittheilungen  über  rothen  und  grünen  Schnee,  von 
J.  Meyen 166 

Ueber  die  geographische  Verbreitung  der  Compositen,  von  A.  F. 
Do  C  and  olle,  übersetzt  von  Dr.  W.  G.  Walpers    ....  287 

Die  Vegetation  in  der  Mark  Brandenburg.  Ein  Beitrag  zur  Pflan- 
zengeographie von  Dr.  Bar  entin 331 


Nachträgliche    Bemerkungen 


zur 


üebersicht   der   Gattuiigs-   und  Artcharaktere   der 
europäischen  Fledermäuse 

im  5.  Jahrgange  (Bd.  I.  293.) 
von 

A.  Graf  v.  Keyserling   und  Prof.  J.  H.  Blasius. 

A  e m mink's Monographies  deMammalogie  Vol.ll. Lhr.III: 
Monographie  Xlll.  sw  les  Ghiropteres  Vespertilionides,  die 
uns  beim  Niederschreiben  der  „Üebersicht  der  Gattungs-  und 
Artcharaktere  der  europäischen  Fledermäuse"  noch  nicht  zu 
Gesicht  gekommen  war,  enthält  gegen  80  Arten  Fledermäuse, 
von  denen  mehr  als  die  Hälfte  neu  ist.  Beim  Durchsehen  der 
dort  angegebenen  Charaktere  haben  wir  die  Ueberzeugung  ge- 
wonnen, dafs  die  von  uns  für  die  europäischen  Arten  ange- 
nommenen Gattungen  sich  auch  auf  die  ausländischen  anwenden 
lassen.  Die  Beschreibungen  erlauben  es  in  vielen  Fällen  die 
einzelnen  Rotten  innerhalb  der  Gattungen  mit  mehr  oder 
weniger  Sicherheit  festzustellen;  nur  wenige  Arten  scheinen 
etwas  abweichende  Formen  zu  repräsentiren.  Von  andern 
sind  die  Beschreibungen  so  arm,  dafs  diese  generische  Fest- 
stellung nicht  möglich,  oder  doch  unsicher  ist.  Folgendes  ist 
das  aus  denselben  zu  entnehmende  Resultat  für  die  ausländi- 
schen Arten : 

Erste  Gattung:    Synotus, 

1.  leucomelas  CretscJt,    Afrika. 

2.  macrotus  T.     Asien. 

3.  Maugei  Besm.    Amerika. 

Wiegm.  Archiv.    VI.  Jahrg.    1  Band.  4 


2 

Zweite   Gattung:    Plecot us. 

1.  velatus  Geoffr.     Amerika. 

2.  Tiinoriensis  Geoffr.    Asien. 
?  3.  inegalotis  Raf     Amerika. 

*  Dritte   Gattung:     Vespertilio. 

Erste  Rotte:     Langöhrige. 

1.  tiicolor  T.     Afrika. 

2.  papillosus  T,    Asien. 

3.  adversus  Horsf.    Asien 

Zweite  Rotte:     Kurzöhrige. 

4.  epichrysus  T,     Afrika. 

5.  HardmcJcn  Horsf    Asien. 

6.  pictus  Fall.    Asien. 

7.  Horsfieldii  T.    Asien. 

8.  tralatitius  Horsf    Asien. 

9.  macrodactylus  T.     Asien. 

10.  ^rsinoe  T.     Amerika. 

11.  Caroli  T.    Amerika. 

12.  Hilarii  Js.  Geojfr,    Amerika. 

13.  Gryphus  Cuv.  —  Amerika. 

14.  Salarii  Cuv.  —  Amerika. 

15.  Georgianus  Cuv.    Amerika. 

16.  crassus  Cuv.     Amerika. 

Abweichende  Form: 

17.  Suillus  T.    Asien. 

Unbestimmbare  Arten: 

18.  nigricans  ISeuwied.     Amerika. 

19.  maximus  Geoffr.     Amerika. 

20.  subulatus  Godm.     Amerika. 

21.  suhflavus  Cuv.    Amerika. 

22.  Chiloensis  T.     Amerika. 

23.  Malayanus  Cuv.     Asien. 

24.  Oreias  T.     Asien. 

Vierte  Gattung:     Vesperugo» 

A.     Vesperus. 
Erste  Rotte:     Dem  V.  serotinus  verwandt. 
1.  megalurus  T.    Afrika. 


2.  phaiops  T.     Amerika. 

3.  CreeJiS  Cuv.     Amerika. 

Zweite  Rotte:    Dem  V,  discolor  verwandt. 

4.  isabellinus  T,    Afrika. 

5.  pachypus  T.    Asien. 

6.  macellus  T.     Asien. 

7.  puUevulentus  Neuwied.    Amerika. 

8.  ferrugineus  T.    Amerika. 

9.  lacteus  T.    Amerika. 

Von  zweifelhafter  Stellung: 

10.  ursinus  JSeumed.     Amerika. 

B.     Vesperugo. 
Dritte  Rotte:     Der  V.  Noctula  verwandt. 

11.  Circumdatus  T.     Asien. 

Vierte  Rotte:    Dem  J^.  Pipistrellus  verwandt. 

12.  platycephalus  T.    Afrika. 

13.  Teimninkii  Cretsch.     Afrika. 

14.  imbricatus  Horsf.     Asien. 

15.  ythramus  T.    Asien. 

16.  Akohomuli  T.    Asien. 

Von  zweifelhafter  Stellung: 

17.  tenuis  T.     Asien. 

18.  Caroliniensis  Geoffr,     Amerika. 

19.  erythro dactylus  T.    Amerika. 

C.     Abweichende  Form: 

20.  hrachypteris  T.     Asien. 

21.  Harpya  T.     Asien. 

Zur  Gattung  Vesperugo  gehörige  unbestimmbare: 

22.  minuta  T.    Afrika. 

23.  Hesperida  T.    Afrika. 

24.  aenoharhus  T.    Amerika. 

25.  JSoctule  de  Sumatra  Cuv.    Asien. 

26.  Javanus  Cuv.    Asien. 

27.  Coromandelicus  Cuv.    Asien. 

28.  Molossus  T.    Asien. 


Fünfte  Gattung:    Miniopterus. 
V.  hlepoüs  T.  aus  Asien  und 
7^.  dasythrix  T.  aus  Afrika. 

Arten,  von  denen  die  Gattung  unbestimmbar  bleibt- 

1.  Hasscltii  T.     Asien. 

2.  leucogasier  T.     Amerika. 

3.  alhescens  Geoffr.     Amerika. 

4.  parvulus  T.     Amerika. 

5.  polythrix  Geoffr.     Amerika. 

6.  laevis  Geoffr,     Amerika. 

7.  Vesp.  canelle  Azar.    Amerika. 

8.  arcuatus.     Amerika. 

9.  cyanoptejms  Raf     Amerika. 

10.  melanotis  Raf     Amerika. 

11.  calcaratus  Raf.    Amerika. 

12.  Monachus  Raf     Amerika. 

13.  phaiops  Raf     Amerika. 

14.  megalotis  Raf     Amerika. 

Temmink  hat  sämmtliche  Arten  nach  den  vier  Welt- 
theilen,  in  denen  sie  gefunden,  ohne  weitere  zoologische  Rück- 
sichten und  ohne  alle  Angabe  von  Charakteren,  in  vier  grofse 
Sectionen  vertheilt,  und  beschwört  die  Zoologen,  diese  geo- 
graphischen Sectionen  doch  nicht  zu  vernichten,  indem  sie  sich 
ihm  durch  ein  zehnjähriges  Studium  bewährt  gezeigt. 

Die  erste  Abtheilung  bildet  die  der  europäischen  Arten, 
deren  28  aufgeführt  werden,  von  denen  4  als  neu  ange- 
geben sind. 

Die  erste  dieser  neuen  Arten  ist:  V.  hrachyotus  Baill. 
nach  einem  einzigen  von  Baill on  todtgefundenen  Exemplare 
aufgestellt,  das  T.  in  Abbeville  beschrieben.  Selys-Long- 
champs  stellt,  wie  es  scheint  nach  Autopsie  (EUides  de 
Micromammalogie  p.  140.  n.  25.),  dies  Individuum  als  Varietät 
zu  V,  Pipistrellus.  T.  sagt,  diese  Art  sei  an  Wuchs  stärker 
und  habe  eine  gröfsere  Flugweite,  als  T^.  Pipistrellus,  was 
man  aber  nach  seinen  eigenen  Maafsangaben  umgekehrt  ver- 
stehen müfste.  Im  Oberkiefer  sollen  vier,  im  Unterkiefer  fünf 
Backzähne  stehen;  dies  könnte,  nebst  dem  weifsen  Rande  der 
Interfemoralhaut,  an  T\  albolimhatus  erinnern.    Das  Ohr  soll 


breiter  als  hoch,  höchstens  1}'"  lang  sein,  was  einen  Unter- 
schied von  den  bekannten  Arten  begründen  miifste,  sobald  die 
Ueberzeugung  festgestellt  wäre,  dafs  von  dieser  Abweichnng 
nichts  auf  die  Art  der  Präparation  zu  reclinen  sei.  Jedenfalls 
kann  nach  der  sehr  mangelhaften  Beschreibung  die  Art  noch 
nicht  als  hinreichend  begründet  angesehen  werden. 

Eine  zweite  als  neu  aufgestellte  Art:  V.  limnophilus  T, 
ist  ohne  allen  Zweifel  mit  der  von  Boie  in  der  Isis  1825 
beschriebenen  J^.  dasycnemus,  die  Temmink  aufserdem  über- 
sehen hat,  identisch.  Mehrere  Charaktere:  die  Gestalt  des 
Ohrs,  des  Tragus,  die  Einlenkung  der  Schenkelhaut  am  Fufse, 
die  Behaarung  derselben  auf  der  Unterseite,  die  Gröfse  des 
zweiten  und  des  hintern  Höckers  des  letzten  obern  Backzahns 
sind  entscheidend,  indem  sie  nach  Exemplaren,  die  von  Boie 
selber  herrühren,  in  der  Gattung  Vespertilio  nur  der  Boie- 
schen  Art  zukommen.  Die  in  der  Abbildung  angegebene  Gröfse 
des  Unterarms  von  1"  9'",  pafst  mehr  zu  den  übrigen  Verhält- 
nissen dieser  Art,  als  die  in  der  Beschreibung  aufgeführte  von 
1"  7'".  —  Da  der  Name  von  Boie  eine  14jährige  unbestrit- 
tene Priorität  für  sich  hat,  so  wird  der  von  T.  überflüssig. 

Die  dritte  Art:  V,  meg apodius  T.  ist  identisch  mit 
T"^.  Capaccinii  Bonap.,  die  T.  nur  aus  der  Beschreibung  in 
der  Icon.  d.  f.  it.  kennt.  Als  entscheidend  mufs  der  freie 
Fufs  und  die  oben  und  unten  behaarte  Schenkelflughaut  ange- 
sehen werden.  Die  von  T.  angegebenen  Unterschiede  sind 
Charaktere,  in  denen  beide  Arten  vollkommen  übereinstimmen. 
Die  neu  aufgestellte  Art  soll  von  V.  Capaccinii  abweichen 
1)  durch  eine  stumpfe  Schnauze,  die  aber  T.  selber 
nach  Bonapart e's  Angabe  kurz  vorher  auch  der  V.  Capac- 
cinii zuschreibt,  2)  durch  einen  falschen  Backzahn 
mehr,  d.  i.  sechs  Backzähne  oben  und  unten,  die  Bonap. 
seiner  Art  nach  der  Stellung  derselben  auch  zuschreibt.  Diese 
letzte  Angabe,  dafs  ein  Lückenzahn  mehr  vorhanden  sei,  ist 
um  so  weniger  begreiflich,  als  T.  selber  kurz  vorher  in  der 
Bonaparteschen  Beschreibung  der  V.  Capaccinii  eine  An- 
gabe des  Gebisses  ausdrücklich  vermifst. 

Die  vierte  Art:  T^.  humeralis  Baillon  ist  wieder 
nach  einem  einzigen  ausgestopften  Individuum  aufgestellt,  das 
T.   in   Abbeville   beschrieben    hat.    Wir   sehen   darin   den 


V.  mystacinus  Leisl,  der  von  T.  aufserdem  noch  als 
F.  mystacinus  und  emar^ginatus  aufgeführt  ist.  T. 
giebt  mehrere  comparative  Unterschiede  an,  die  aber  theilweise 
schon  nach  seinen  eigenen  Angaben  verschwinden,  in  keinem 
Falle  eine  absolute  Verschiedenheit  ausdrücken. 

Die  Behauptung,  dafs  diese  Art  kleiner  sei  als  mysta- 
cinus ^  steht  in  Widerspruch  mit  den  von  ihm  selber  angege- 
benen Maafsen.  Dafs  der  Schwanz  länger  sei  und  die  Flug- 
weite abweiche,  können  wir  nach  unsern  und  drei  Kuh  Ischen 
Exemplaren  von  mystacinus  nicht  bestätigen.  Der  starke 
Ausschnitt  des  Ohrs,  auf  den  T.  viel  Werth  legt,  wird  nur 
als  ein  gradueller  Unterschied  hingestellt.  T.  bildet  unter  den 
drei  zusammengehörigen  Arten,  die  ihm  übrigens  nicht  zu 
gleicher  Zeit  vor  Augen  gelegen  zu  haben  scheinen,  eine 
Stufenfolge:  1)  bei  mystacinus  Ohr  gar  nicht  ausgerandet, 
2}  humer alis  etwas  mehr,  und  3)  emarginatus  noch  etwas 
stärker  ausgerandet,  worauf  wir  nur  bemerken  können,  dafs 
die  wirkliche  V.  mystacinus  Leisl.  ein  sehr  stark  ausge- 
randetes  Ohr  besitzt,  stärker,  wie  es  bei  den  andern  Gattungs- 
verwandten vorkommt.  Hätte  T.  hier  wirkliche  Verschieden- 
heiten der  Arten  begründen  wollen,  so  wäre  die  Ausführung 
seines  scherzhaften  Einfalls,  „eine  Skala  über  die  Maxima  und 
Minima  der  beabsichtigten  Ohrlängen"  aufzustellen,  um  Gat- 
tungen darnach  zu  bestimmen,  hier  nicht  übel  angebracht  ge- 
wesen. In  der  Beschreibung  des  F.  mystacinus  wird 
aufserdem  noch  der  Tragus  lanzettförmig  und  abgerundet  ge- 
nannt, was  weniger  der  Fall  ist,  als  bei  jeder  andern  Art 
dieser  Gattung.  Von  V.  emarginatus  Geof/r.  giebt  T. 
nur  Notizen  und  eine  zum  Nachtheil  abgeänderte  Copie  aus 
den  Amiales  du  Mus.  T.  VIII.,  obwohl  er  die  so  sehr  zwei- 
felhafte Art  in  den  Niederlanden  beobachtet  haben  will.  Die 
aufgeführten  Charaktere  finden  wir  auch  bei  V.  mystacinus. 
Mit  Unrecht  zielit  T.  zu  seinem  V.  emanrinatus  den  V.  emar- 
ginalus  der  Icon.  d.  f.  it.,  indem  Bon  aparte  unter  diesem 
Namen  eine  deutliche  Beschreibung  des  F.  Nattereri  liefert. 

Ferner  tritt  F.  marginatus  Cretsc/im.,  ursprünglich 
von  Rüppell  in  Afrika,  später  von  Cantraine  in  Sardinien 
gefunden,  als  europäische  Art  auf.  Aus  T.'s  Angaben  haben 
wir  die  Ucberzeugung  gewonnen,  dafs  sie  mit  der  von  T.  nicht 


augeführten ,  in  der  Isis  1835  beschriebenen  V,  alhoUmhatus 
Küst.  zusammenfällt,  wonach  also  dem  erstgenannten  Namen 
die  Priorität  zukommt. 

Was  die  übrigen  Arten  .«nbetrifft,  so  sind  nur  einige  Irr- 
thümer  zu  verbessern,  die  zu  Verwirrungen  Anlafs  geben 
könnten. 

Bei  F.  Noctula  erwähnt  T.   eines  starken  Ausschnitts 

unter  dem  Fufs,  der  bei  T^.  serotinus  fehlen  soll.     Der  Unter- 

> 

schied   ist  jedoch   nur   ein   gradueller.     Beiden  Eigenthiimlich- 
keiten   liegt   ein   und   dasselbe   Organ,    die  Erweiterung   eines 
Hautsaumes,   der  sich  von  der  Fufswurzel  aus  aufsen  an  dem 
die  Flughaut  stützenden  Spornknochen   fortzieht,  zu  Grunde. 
Dieser  Hautsaum,    dessen   erweiterter   Theil    durch   eine    von 
dem    Spornknochen    ausgehende   Knorpelleiste    gestützt    wird, 
koQunt  bei  allen  Arten  der  Gattung  Vesperugo  und  Synotus 
vor,    fehlt   dagegen    ganz    bei    T'esperülio ,  Miniopterus  und 
Plecotus.     In  der  Untergattung  Vesperugo  erreicht  diese  Er- 
weiterung das  Maximum,  und  wird  bei  allen  Arten  mindestens 
so  breit  wie  die  Länge  einer  Kralle;  bei  den  Arten  der  Unter- 
gattung Vesperus  erreicht  sie  dagegen  diese  Breite  nie.    Zwi- 
schen  dieser   Erweiterung  und  der  Fufswurzel  liegt   nun   der 
von  T.  erwähnte  Ausscluütt,  der  bei  V.  serotinus  keineswegs 
fehlt.   —    Der  Liickenzahn   im   Oberkiefer  der  Noctula  wird 
mit  Unrecht  geläugnet,   ebenso  wie  er  dem  V.  serotinus  mit 
Unrecht    zugeschrieben    wird.     Fast   möchten   wir   vermuthen, 
dafs    eine  partielle   Verwechselung   der  Schädel  beider  Arten 
stattgefunden    habe.       Ungeachtet    wir   junge   Jndividuen   von 
V,  serotinus  von  den  frühsten  Entwicklungsstufen  an  gesehen 
haben,  ist  uns  nie  eine  andere  Anzahl  von  Zähnen  vorgekom- 
men, als  bei  alten  Exemplaren  mit  ganz  abgeschliffenen  Zähnen. 

Zwischen  V.  Leisler i  und  V.  discolor  ist  entschieden 
eine  solche  theilweise  Verwechselung  vorgekommen. 

Die  Beschreibung  von  V.  Leisleri  hat  das  Gebifs  und  die 
meisten  übrigen  plastischen  Verhältnisse  von  V.  discolor,  und 
nur  wenige  Charaktere  von  der  wirklichen  Leisleri.  Der 
einspitzige  erste  obere  Schneidezahn  wird  als  zweispitzig  an- 
gegeben, und  der  Lückenzahn  oben  verneint.  Die  Flughaut, 
die  unter  allen  Arten  der  Gattung  Vesperugo  nur  bei  No- 
ctula und  Leisleri  blofs  bis  zur  Fufswurzel  reicht,  wird   big 


8 


zur  Zehenwurzel  ausgedehnt.  Der  Schwanz,  der  grade  bei 
Leislcri  kürzer  ist,  als  der  Unterarm,  wird  länger  angegeben. 
Nur  die  Behaarung  längs  dem  Unterarm  und  die  Verwachsung 
des  Schwanzes  erinnern  an  die  wirkliche  V.  Leisleri.  Die 
Eigenschaften,  die  zudem  T.  anführt,  um  Leisleri  von  Noctula 
auf  den  ersten  Blick  zu  unterscheiden,  die  Behaarung  der 
Membranen  und  die  Einlenkung  des  Fufses,  sind  beiden  Arten 
ausschliefslich  gemeinschaftlich. 

Umgekehrt  pafst  bei  J^.  discolor  nur  die  Beschreibung 
der  Haare  auf  die  wirkliche  V.  discolor  Natt;  das  Gebifs 
ist  das  von  Leisleri.  So  werden  hier  in  beiden  Kiefern  fünf 
Backzähne  angegeben.  Der  obere  Lückenzahn,  der  aber  bei 
discolor  nie  vorkommt,  soll  klein  und  stumpf  sein;  der  letzte 
obere  Backzahn  einen  starken  hintern  Höcker  haben,  der  aber 
grade  bei  discolor  so  schwach  ist,  dafs  kaum  mehr  als  vier 
Höcker  zu  zählen  sind.  Die  beiden  ersten  untern  Backzähne 
werden  fast  so  grofs,  wie  die  Eckzähne  beschrieben,  obwohl 
der  erste  bei  discolor  kaum  halb  so  grofs  wie  der  zweite,  und 
dieser  noch  weit  kleiner  ist  als  der  Eckzahn. 

Die  Beschreibung  des  T"^.  murinus  könnte  leicht  zu 
Mifsverständnissen  führen.  Das  Gesicht  ist  bis  auf  die  Mitte 
des  Scluiauzenrückens  dicht  behaart,  wird  aber  nackt  genannt. 
Das  Olir  soll  keinen  Ausschnitt  oder  Lappen  haben,  womit 
wolil  die  Mitte  des  Ohrs  gemeint  ist,  da  bei  keiner  andern 
Art  der  Lappen  an  der  Basis  des  Aufsenrandes  so  stark  ent- 
wickelt ist,  wie  liier.  Die  zweite  nach  hinten  gerichtete  Spitze 
des  ersten  obern  Vorderzahns  ist  übersehen. 

V.  Ursinii  Boriap.  wird  im  Text  T'^.  Orsinii  und  in  der 
Ab])ild{uig  V.  Orcinii  genannt.  —  T.  führt  als  Standort  durch 
ein  Mifsverständnils  den  Monte  Corno  an.  Bonaparte  giebt 
nändich  als  einzigen  Standort  eine  Brücke  bei  Ascoli  an,  und 
erzählt  beiläufig,  dafs  Orsini  auf  den  Höhen  des  Monte  Corno 
grofse  Fledermäuse  habe  fliegen  sehen,  deren  er  aber  nicht 
habe  habhaft  werden  können.  T.  hat  die  Identität  mit  V. 
Schreibersii  Natt.,  die  er  nach  der  Kühl  sehen  Monographie 
mittheilt,  übersehen.  Die  Beschreibung  und  7\bbil(lung  von 
r.  Ursinii  ist  aus  der  Icoii.  d.  f.  it.  entlehnt.  In  der  dritten 
Section,  d.  h.  unter  den  asiatischen  Arten,  giebt  T.  unter  dem 
Namen    V.  hlrjwtis    eine    Beschreibuno:    und    Abbildung,    und 


endlich  noch  im  Nachtrage  zur  zweiten  Section:  Afrika, 
unter  dem  Namen  V.  d'asytlivix  eine  Beschreibung,  worin 
nicht  ein  einziger  Unterschied  von  den  Originalexemplaren  von 
V.  Schreihersii,  oder  auch  von  den  durch  T.  mitgetheilten 
Beschreibungen  derselben  angegeben  ist.  F".  Schreihersii  würde 
danach  hier  unter  vier  Namen,  in  drei  Hauptsectionen  ver- 
theilt,  an  den  verschiedensten  Punkten  der  Monographie  auf- 
treten, eine  Thatsache,  die  vielleicht  durch  eine  nicht  blofs 
geographische,  sondern  zoologisch  charakterisirte  Vertheilung 
der  Arten  vermieden  worden  wäre. 

Bei  V .  auritus  ist  es  unrichtig,  dafs  das  Olir  mit  einer 
vorspringenden  Längsleiste  bis  zum  Mundwinkel  reiche  und 
der  Tragus  gerade  sei.  Dafs  Plecotus  hrevimanus  Jenyns 
zu  dieser  Art  gehört,  ist  schon  durch  die  englischen  Zoologen 
ausgesprochen;  dafs  aber  T.  auch  Fl.  hrevimajius  Bonap, 
nach  den  auffallenden  Unterschieden  eines  so  genauen  Beob- 
achters mit  derselben  vereinigt,  scheint  uns  kein  Resultat  einer 
sorgfältigen  Prüfung  der  B  onap  arte  sehen  Angaben  zu  sein. 

T^.  comiitus  \\'\Yi\  wieder  als  gute  Art  aufgeführt,  ob- 
schon  aus  der  frühern  F  ab  ersehen,  wie  aus  der  jetzigen  Be- 
schreibung kein  einziger  specifischer  Unterschied  von  Fl. 
auritus  hervorgeht.  Die  Maafse  stinimen  mit  den  meisten 
Exemplaren  unseres  auritus  überein.  Das  Ohr  soll  von  Kör^ 
perlänge  und  verhältnifsmäfsig  länger  sein,  als  bei  auritus, 
dem  aber  die  von  T.  selber  angegebenen  Maafse  widersprechen. 
Die  Abw^eichung  in  der  Färbung,  die  in  der  Beschreibung  sehr 
dunkel  gehalten  ist,  kann  nichts  begründen.  Wir  besitzen 
Exemplare  von  sehr  verschiedenen  und  sehr  dunklen  Nuancen, 
obwohl  keine  eigentlich  blauschwarzen.  —  Das  Vaterland 
Nordeuropa  ist  sehr  verallgemeinert,  indem  bekanntlich  nur 
ein  Exemplar  in  Jütland  gefunden  ist. 

Bei  V.  Natterer i  wird  in  der  Beschreibung  der  Tragus 
fadenförmig,  spitz  genannt,  aber  stumpf  und  breit  gerundet 
abgebildet,  beides  gleichweit  von  der  Wirklichkeit  entfernt. 
Dafs  im  Oberkiefer  nur  fünf  Backzähne  vorkommen  sollen,  ist 
sicher  ein  aus  der  Kuh  Ischen  Monographie  entlehnter  Irr- 
thum,  der  ebensowohl  an  den  Kuh  Ischen  Exemplaren  selber^ 
wie  an  jedem  andern  Individuum  dieser  so  bestimmt  charak- 
terisirten  Art  leicht  zu  berichtigen  ist. 


10 

Von  V,  Kuhlii  wird  anfangs  das  Gebifs  richtig  ange- 
geben, der  Liickenzahn  im  Oberkiefer  sei  vorhanden,  aber 
kaum  sichtbar  nnd  zwischen  den  anliegenden  Zähnen  versteckt; 
dann  aber  gesagt,  er  fiele  im  Alter  aus;  und  zuletzt  bemerkt, 
diese  Art  sei  von  Pipistrellus  durch  Gröfse  und  Zahl  der 
Zähne  zu  unterscheiden,  was  wohl  wieder  aus  der  Kuh  Ischen 
Monographie  übergegangen  ist,  jedenfalls  aber  Schwierigkeiten 
haben  mufs,  so  lange  Kuhlii  im  Normalzustande  diesen  Liicken- 
zahn oben  noch  nicht  verloren  hat.  Dafs  V.  Kuhlii  übrigens 
diesen  Liickenzahn  wirklich  verloren  hätte,  ist  uns  nie  vorge- 
kommen, obschon  wir  mit  grofser  Sorgfalt  in  Gemeinschaft 
mit  Nathusius  viele  Exemplare  dieser  Art,  und  auch  Ori- 
ginalexemplare von  Natterer  untersucht  haben,  an  denen  die 
Kuh  Ische  und  Temminksche  Angabe  sich  nicht  bewährte. 

Von  V.  Savii  sagt  T.,  im  Widerspruch  mit  seinen  ei- 
genen Messungen,  sie  sei  gröfser  als  V.  Kuhlii  und  Pipi- 
strellus, habe  aber  eine  kleinere  Flugweite.  Da  T.  von  dieser 
Art  nur  ein  Exemplar  aus  Cattaro  besitzt,  so  ist  kein  Grund 
vorhanden,  warum  er  die  von  Bonaparte  angegebenen  Stand- 
orte:  Pisa,  Rom  und  Sizilien    durch  Sardinien  ersetzt. 

Ueber  P^.  Leucippe  bemerkt  Bon  aparte,  dafs  die 
schwarzen  Ohren  fleischfarbene  Spitzen  hätten,  worauf  aber 
wegen  der  Aufbewahrung  in  Weingeist  nichts  zu  geben  sei; 
durch  ein  Mifsverständnifs  referirt  T.,  Bonaparle  lege  auf 
diese  Färbung  grofsen  Werth,  indem  sie  bei  allen  Individuen, 
und  sogar  noch  an  Weingeistexemplaren  zu  beobachten  sei. 

Von  /^.  Aristippe  hält  T.  für  möglich,  dafs  sie  mit 
Kuhlii  zusammenfalle,  was  bei  dem  abweichenden  Gebifs,  der 
spitzen  Schnauze,  dem  halbelliptischen  Tragus,  dem  bis  zur 
Schnauzenspitze  vorragenden  Unterarm,  und  der  Färbung  der 
Aristippe  nicht  leicht  möglich  ist.  F'.  J^ispistrellus  Bon., 
die  mit  /^.  Kuhlii  nach  der  Beschreibung  identisch  ist,  wird 
als  gute  Art  aufgeführt. 

Demnach  würden  sich  die  in  der  Monographie  aufgeführten 
28  Arten  der  ersten  Section  auf  21  reduciren. 

Was  die  Erklärung  p.  145,  Anmerk.  1.  betriflft,  dafs  alle 
Abbildungen,  die  nicht  nach  dem  Leben  gezeichnet,  nach  aus- 
gestopften Exemplaren  angefertigt  worden  seien,  so  ist  diese 
dahin    zu   verbessern,    dafs   JSycticejus  borhonicuSy  Nigi'iia 


11 

und  lasiuj'us,  P^esperülio  emarglnatiis,  Barhastellus,  auri- 
tus,  muvinus  aus  Geoffr,  Ann.  du  Mus.  J^lll.  und  F.  Ca- 
paccinii,  Ursinü  aus  Bonap.  Icon.  d,  f.  it.  etc.  etwas  sorg- 
los direkt  auf  Stein  kopirt  und  demnach  umgekehrt  wieder- 
gegeben sind. 

Ueber  Vespertilio  aedilis  Jenyns. 
^espertilio  aedilis  Jenyns  (^Annals  of  nat.  h\st.  n.  XV, 
Jpril  1839.  p.  73.  VII.  tah.  III.)  ist  eine  von  Jenyns  nach 
einem  weifsgefärbten  ausgestopften  Individuum  sorgfältig  be- 
schriebene und  als  neu  aufgestellte  Art,  die  mit  Dauhentonii 
verglichen  wird,  von  der  sie  sich  unterscheiden  soll: 

1)  durch  spitzere  Schnauze;  war  bei  trocknen  Exem- 
plaren, bei  denen  die  Schnauze  durchgängig  spitzer  als  bei 
frischen  ist,  nicht  zu  beurtheilen; 

2)  durch  die  Gestalt  des  Tragus.  Der  Ausschnitt 
an  der  Spitze  ist  wohl  zufällig  und  individuell;  wir  haben 
solcher  Ausschnitte  an  beiden  Ohren  ein  und  desselben  Exem- 
plars sogar  verschiedenartig  gefunden.  Der  Zahn  an  der  Basis 
ist  bei  allen  vorhanden,  obschon  meist  übersehen,  und  giebt 
keinen  Unterschied  hier; 

3)  durch  Behaarung  der  Inter femoralhaut.  Die 
von  Jenyns  angegebenen  Körnchen,  auf  denen  die  Haare 
entspringen,  sind  bei  frischen  und  weniger  deutlich  auch  bei 
trocknen  Exemplaren  von  Dauhentonii  auch  zu  sehen. 

Die  Maafse  stimmen  sehr  mit  V.  Dauhentonii,  zu  der 
wir  glauben,  sie  in  jeder  Hinsicht  stellen  zu  müssen. 

Zu  Vespertilio  Nathusii. 
Etwa  um  Mitte  Septembers  erhielten  wir  den  V.  Na-^ 
thusii  von  hier  lebendig  und  haben  ihn  seit  der  Zeit  gefüttert. 
Er  ist  ein  interessantes  Thier  und  jetzt  schon  ganz  zahm  ge- 
worden, obschon  er  anfangs  scheu  um  sich  bifs.  Besonders 
scheint  es  ihm  zu  gefallen,  wenn  man  ihm  auf  dem  Kopfe 
kratzt.  Abends  ist  er  sehr  früh  munter  und  wird  dann  ge- 
füttert. An  einem  Abend  frifst  er  etwa  gegen  6  Mehlwürmer 
und  leicht  noch  ein  Dutzend  Fliegen,  und  säuft  dann  sehr  be- 
gierig von  einem  Papier  oder  kleinem  Löffel  Milch  oder  Wasser, 
Nach  dem  Essen  mufs  er  im  Zimmer  spazieren  fliegen.     Im 


12 

Fluge  ist  er  leicht  an  seiner  Schnelligkeit  und  den  fortwäh- 
rend auf-  und  absteigenden  Bogen  und  plötzlichen  Seitenwen- 
dungen zu  erkennen  und  darin  von  V.  Pipistrellus  abweichend, 
den  wir  nie  solche  Bogen  machen  sahen.  Er  fliegt  aufserdem 
ziendich  hoch,  obschon  nicht  so  hoch  wie  /^.  auritus  und  J^. 
Noctula.  Er  ist  \uec  in  Braunschweig  dicht  bei  einem  Hanse 
in  einem  Baue  vorgekommen,  wo  wir  mehrmals  /^.  Dauhen- 
lonii  und  P^.  Bechsteinü  gefunden  haben.  Aufserdem  glauben 
wir,  dem  Fluge  nach  zu  schliefsen,  ihn  auch  ziemlich  früh 
Abends  in  den  Strafsen  gesehen  zu  haben.  Zu  den  früher  von 
uns  aufgeführten  Fundorten:  „Berlin  und  Halle"  —  ist  also 
noch  Braunschweig  hinzuzufügen. 


Zu  verbessernde  Fehler  in  uuserm  frühern  Aufsatze: 

S.  Barlastellus  —  p.  305,   Zeile  18  v.  o.:    34  Zähne,   statt  32: 

indem  die  obern  Lückenzähne  ausgelassen  sind. 
P.  auritus  —  p.  306^  Zeile  10  v.  u. :  ungefähr,  statt:  über. 

—       Zeile  9  V.  u. :   nicht  so  lang,  statt:  nicht 

halb  so  lang. 
F.  dasycnemus  —  p.  312,  Zeile  7  v.  o.:  Schwanz  1'^  8,5'",  statt: 

i"  10"'. 
V.  discolor  —  T^.Sii,  Zeile  8v.u.:  Oberseite,  statt:  Oberhaut. 
V.  Nathusii  —  p.  321,  Zeile  12  v.  u.:  5ter  Finger  1"  8,2'",  statt: 

1"  1,6"'. 
Ferner  p.  300,  Zeile  6  v.  o. :  Leach.  statt:  Kühl. 

—  p.  300,  Zeile  12  v.  o.:  abweichend,  statt:  abwesend. 

—  p.  302,  Zeile  4  v.  u.:  einander,  statt:  minder. 


13 


Sur   uue    nouvelle    espece    du    Genre    Gynnietre 

(Gjmnetrus) 

par  Risso. 

G.  Miillerianus  Risso. 

G.  corpore  griseo  plumheo,  argentato  picto,  qiiaiuor  acu- 

leorinn  seriehiis  in  caitda  ornato. 

JLa  forme  generale  de  cette  espece  est  ovale -obloiigue,  com- 
primee,  remarqnable  par  son  profil  frontal  coupe  en  ligne 
droite  corame  celui  de  l'Argyreiose;  sa  queue  est  fort  longue, 
deliee,  retrecie,  'herissee  d'epines  comme  celle  des  raies.  La 
plus  grande  hauteiir  aux  pectorales  est  presque  la  moitie  de 
la  longueur  du  corps  depuis  les  ouies  jusqu'ä  l'anus,  s'amincit 
ensuite  tout-a-coup  en  se  retrecissant  jusqu'ä  l'extreniite  cau- 
dale.  Son  epiderme  coloree  d*un  gris  de  plomb  ä  nuances 
argentees  et  bronzees  est  couverte  sur  la  region  du  dos  d'es- 
peces  d'ecailles  hexagones,  tres  minces,  fortement  adherentes, 
disposees  en  lignes  regulieres,  et  sur  celle  de  l'abdomen  on 
y  voit  de  petites  papilles  lenticulaires,  qui  s'elevent  comme 
d'eruption  cutanee  en  s'aplatissant  apres  la  mort  de  l'animal. 

La  tete  est  plus  grande,  que  la  troisieme  partie  du  corps: 
eile  est  un  peu  relevee  malgre  sa  compression,  et  presente 
l'aspect  de  celle  du  Brame  castagnole.  La  maclioire  inferieure 
armee  de  dents  courbes,  aigues,  s'arrondit  en  demi-cercle  pour 
joindre  la  superieure,  qui  est  egalement  garnie  en  dessous  de 
sa  levre  de  six  ä  liuit  dents  crochues,  isolees ;  les  intermediaires 
sont  plus  longues  et  plus  aigues.  La  fente  de  la  bouche  est 
ouverte  obliquement,  arquee  vers  le  haut,  fort  grande,  et  tres 
protractile.  La  langue  est  libre,  lisse,  d'un  blanc  argentin; 
chaque  palatin  est  'herisse  d'une  rangee  de  pointes  disposees 
en  carde.     Les   yeux   sont  grands,  situes  pres  de  la  nuque. 


14 

L'iris  est  noire,  entoiire  (Yim  cercle  ronge  corail,  la  prnnelle 
est  oblongue,  noirätre,  dirigee  obliquement  vers  le  crane.  Les 
narines  sont  situees  en  dessoiis  de  ces  organes,  et  affectent 
une  forme  arrondie  simple,  garnies  de  plusieurs  pores  trans- 
parents  principalemeiit  sur  le  devant.  Les  organes  operculaires 
sont  osseux,  minces,  composes  d'un  opercule  triangulaire,  pro- 
fondement  sillonne  a  rayons  divergents,  il  est  suivi  d'un  inter- 
opercule  reniforme,  sculpte  par  de  lignes  rayonnantes  de  chaque 
cote :  pres  de  la  est  place  le  preopercule  egalement  traverse  de 
semblables  rayons.  L'os  maxillaire  est  ovalaire,  assez  large,  strie 
par  de  sutures  et  rayons  diriges  de  haut  en  bas,  et  la  plaque 
situee  en  dessous  de  l'oeil  est  couverte  de  larges  papilles 
rondes,  le  tout  est  colore  comme  le  corps,  a  nuances  variees, 
qui  se  refletent  en  gaze  d'or,  d'argent,  et  gorge  de  pigeon. 
Les  ouies  sont  tres  fendues;  la  membrane  reunie  sous  l'isthme 
est  large,  soutenue  par  de  rayons  courbes.  L'opercule  porte 
une  demi  branchie,  toutes  les  autres  sont  garnies  en  dessus  de 
faisceaux  d'aiguillons. 

La  ligne  laterale  commence  pres  de  la  nuque,  flechit 
jusqu'au  dessous  de  Foeil,  s'etend  ensuite  en  ligne  droite  en 
parcourant  le  bas  de  l'abdomen  jusqu'a  Fextremite  de  la  queue. 
Elle  est  garnie  d'une  seule  rangee  de  petites  pointes  jusqu'en 
dessous  de  Fanus,  oii  commencent  deux  rangees  alternes,  a- 
peu-pres  egalement  distantes  au  nombre  de  quarante  pointes 
de  chaque  cote,  lesquelles  sont  longues,  courbees,  placees  sur 
tin  ecusson  solide,  strie. 

La  queue  commence  de  suite  apres  Forifice  de  Fanus, 
diminue  peu-a-peu,  ensuite  tout-a-coup  jusqu'a  la  sommite: 
eile  est  'herissee  de  quatre  rangs  d'aiguillons  crochus,  semblables 
a  ceux  des  rayes  et  ornee  vers  son  extremite,  qui  est  tres 
mince  d'une  tres  large  membrane  deployee  en  voile  bleuätre, 
soutenue  par  de  rayons  simples,  accompagnee  d'un  rayon  plus 
court,  isole,  plus  epais,  cartilagineux ,  bifide,  colore  d'un  beau 
rouge. 

La  nageoire  dorsale  commence  pres  de  la  nuque  renferme 
124  rayons  simples,  garnis  a  leur  base  d'epines  armees  d'un 
aiguillon;  les  six  premiers  sont  releves  et  etendus  en  lon- 
gues flammes,  soutenus  d'une  membrane  rouge  sans  tache, 
tous  les   autres  rayons  sont   moins   developpes,   colores   d'un 


15 

beau  rouge,  exceptes  ceux  de  l'extremite  caudale,  qui  sont 
teints  de  bleu  noirätre.  Les  nageoires  pectorales  sont  me- 
diocres,  d'un  rouge  päJe;  les  tlioraciques  extremement  longues 
sont  deliees  en  longs  filaments  subtils,  d'un  rouge  corail.  Les 
organes  Interieurs  different  en  general  tres  peu  de  ceux  de 
ses  congeneres. 

La  femelle  ne  presente  d'autres  differences,  qu'un  abdomen 
plus  trapu  et  de  nuances  moins  vives. 

N.  d,  124.  N.  p.  14.  N.  j.  4.  N.  c.  9.  —  2  separes 
solides,  non  epineux.     M.  b.  6. 

Dimention  d'un  individu  ordinaire. 

Longueur  total 0,740 

id.        de  la  bouche  aux  ouies     .     .     .     .  0,110 

id.        a  l'anus 0,290 

id.        jusqu'a  la  queue 0,640 

Largeur  du  corps  aux  pectorales      ....  0,13-8 

id.       vers  l'orifice  de  l'anus 0,074 

a  l'extremite  caudale 0,010 

Epaisseur  horizontale 0,040 

Diametre  de  l'oeil 0,026 

Ouvertüre  de  la  gueule ,   .     .     .  0,047 

Contractilite  de  la  machoire 0,083 

Elevation  du  premier  rayon  de  la  dorsale      .  0,117 

id.       vers  le  milieu  de  la  dorsale  .     ,     .  0,054 

Longueur  des  nageoires  pectorales    ....  0,044 

id.        des  nag.  jugulaires 0,112 

id.        de  la  nag.  caudale 0,110 

Largeur  de  la  nag.  caudale 0,130 

Remarques. 

Trois  qualites  de  Gymnetres  vivent  dans  la  mer  medi- 
terraüee  et  frequentent  les  cotes  de  Nice.  Ce  sont  l'espece, 
que  j'ai  dedie  dans  le  tems  au  savant  auteur  de  Fhistoire 
naturelle  de  poisson  successeur  de  Buffon.  Le  Gymnetre, 
que  j'ai  decrit  sous  le  nom  specifique  de  Baguette  si  singulier 
par  ses  longues  nageoires  thoraciques  solides,  qui  lui  seirvent 
comme  des  echasses;  et  celui,  qui  fait  le  sujet  de  ces  obser- 
vations,  qui  portera  le  nom  du  savant  Ichtyologue  de  B(3rlin, 


16 


On  est  vraimeiit  etoniie  de  voir,  que  foii  Bonelli  de  Turin 
qiii  exaniina  dans  le  tenis  ce  beau  poisson  n'ait  pas  recoimu 
les  caracteres  si  tranclians  des  Gymnetres.  II  est  vrai,  qu'il 
le  decrivit  si  mal,  et  eii  donna  une  figure  si  mauvaise,  qu'il 
fut  Obligo  d'en  constituer  im  noiiveaii  genre  sous  le  nom  de 
TraclHi)tt're,  qui  doit  etre  raye  de  la  science.  Ce  poisson  vit 
solitaire  dans  les  moyennes  profondeurs,  s'approche  raremeiit 
des  cotes,  se  nourrit  de  meduses  et  de  petits  poissons,  parvient 
a  des  belles  dinientions:  sa  natatioii  est  vive,  agile,  et  sa  chair 
plus  consistante  que  le  Gymnetre  Lacepede  et  a  long  rayon, 
peut  etre  niangee  sans  repugnance. 


Ueber  das  Brütorgan   der   Gattung   Hippocanipus. 

Briefliche  Mittheilung  an  den  Herausgeber 


von 


Dr.   Aug.   Krohn. 

Erlauben  Ew.  Wohlgeboren,  Ihnen  eine  Beobachtung  mit- 
zutheilen,  die  ich  unlängst  an  dem  Hippocampiis  hrevirostris 
machte.  Sie  betrifft  eine  Tasche  an  der  Wurzel  des  Schwanzes 
dieses  Fisches,  die  zur  Aufnahme  und  Entwicklung  der  Eier 
bestimmt  sein  möchte.  Auf  diese  Vermuthung  wird  man  zu- 
nächst geführt,  wenn  man  die  übrigen  Verwandtschaftverhält- 
nisse desselben  mit  Syngnathus  berücksichtigt.  Bekanntlich 
springt  die  Bauchfläche  an  der  Schwanzwurzel  sehr  stark  vor, 
es  bildet  eine  die  übrigen  Stellen  des  Körpers  in  jeder  Di- 
mension übertreffende  hügelförmige  Hervorhebung.  Hinter  den 
auf  diesem  Vorsprunge  befindlichen  Oeffnungen  des  Afters  und 
des  Harn-  und  Geschlechtsapparates,  nimmt  man  eine  ansehn- 
liche, von  zwei  wulstigen  Lippen  begrenzte  Verticalspalte  wahr. 
Sie  fidirt  in  eine  geräumige  Höhle,  die  die  gröfsere  hintere 
Portion  des  Vorsprunges  einnimmt,  sich  aber  aufserdem  noch 
ziemlich  weit  nacli  hinten  erstreckt.  Sie  verengert  sich  in 
diesem  Verlaufe  immer  mehr,  und  endet  zuletzt  blind.  Gegen 
die  Bauchhöhle   ist  sie   durch   eine  sehnigte    Scheidewand  ge^ 


17 

schlössen.  Der  Hautpanzer  reicht  nicht  über  ihre  Wandungen. 
Innen  ist  die  Höhle  mit  einer  weichen,  dicken,  schwärzlichen 
und  gefäfsreichen  Schleimhaut  ausgekleidet,  deren  Färbung 
wahrscheinlich  von  einem  in  die  dunkelolivenfarbene  Oberhaut 
übergehenden  Epithelium  herrührt.  Die  also  gebildete  Tasche 
wäre  demnach  als  eine  Einwärtsstülpung  der  Hautdecken,  als 
ein  Hautsack  anzusehen.  Da  die  Zeugungsorgane  des  von 
mir  zergliederten  Exemplars  sich  mir  durch  sichere  Kriterien 
als  Eierstöcke  erwiesen  haben,  so  erhielte  Rathke's  Meinung, 
wenn  sie  nicht  schon  durch  Valentin  (Repert.  Bd.  3,  p.  192) 
bestätigt  wäre,  dafs  nämlich  das  Brutorgan  der  Syngnafhen 
nur  den  Weibchen  zukomme,  auch  von  dieser  Seite  eine 
Stütze.  Allem  Anschein  nach  ist  die  Bruttasche  des  Hippo- 
Campus  ein  permanentes,  keiner  periodischen  Evolution  oder 
Involution  unterliegendes  Organ,  wie  nach  Rathke's  Mitthei- 
lung die  der  Syngnafhen.  —  Herr  Prof.  Bisch  off  war  so 
gefällig,  eines  seiner  in  Weingeist  aufbewahrten  Seepferdchen 
für  gemeinschaftliche  Untersuchung  aufzuopfern.  Wir  über- 
zeugten uns  von  der  Anwesenheit  einer  Bruttasche.  An  den 
sehr  wenig  ausgebildeten  und  zudem  schon  verdorbenen  Zeu- 
gungsorganen liefs  sich  jedoch  nichts  Entscheidendes  über  das 
Geschlecht  des  Individuums  darthun. 

Heidelberg,  den  15.  August  1839. 


Wiegm.  Archiv.    VI.  Jahrg.    1.  Band. 

\ 


Ichthyologische  Beiträge 
zur     skandinavischen     Fauna 

von 

B.  Fr.  Fries. 
Aus  dem  Schwedischen  von  F.  C.  H.  Creplin. 


Die  Gattung   Pleuronectes. 

Die  nordischen  Seh  ollen -Arten  sind  so  oft  der  Gegenstand 
gründlicher  Untersuchungen  und  einzelner  monographischen 
Bearbeitungen  gewesen,  dafs  es  ganz  überflüssig  sein  würde, 
aufs  Neue  von  allen  eine  Darstellung  zu  liefern.  Ich  über- 
gehe deswegen  die  meisten,  insofern  man  hinsichtlich  ihrer 
Charaktere  und  wissenschaftlichen  Benennungen  übereinstimmt, 
und  will  durch  diesen  Aufsatz  die  Aufmerksamkeit  nur  auf 
einige  noch  streitige,  die  w^enigen  übrigen  betreffenden  Punkte 
richten.  Wenn  es  auf  der  einen  Seite  den  älteren  Schrift- 
stellern zur  Last  gelegt  werden  kann,  dafs  sie  allzu  leicht- 
gläubig Arten  von  weit  entlegenen  Oertlichkeiten  als  identisch 
betrachteten,  sobald  sich  nur  gewisse  angenommene  Kenn- 
zeichen, oft  von  einer  minder  bezeichnenden  Beschaffenheit, 
bei  ihnen  gemeinschaftlich  fanden,  so  ist  es  auf  der  andern 
Seite  eine  Bemerkung,  welche  mehre  der  neueren  trifft,  dafs 
sie  ihre  Bedenkliciikeiten  wegen  Annahme  der  Identität  der 
Arten  zu  weit  treiben,  wenn  sich  die  geringste  Verschieden- 
heit zeigt,  oder  wenn  ältere  Beschreibungen  etwas  unvoll- 
ständig ausgefallen  sind.  Das  erstere  Verfahren  hat  nicht 
selten  zur  Folge  gehabt,  dafs  ein  und  derselbe  Namen  mehre, 
bestimmt  verschiedene  Arten  verdeckt  hat,  welche  an's  Licht 
zu  ziehen  späteren  Forschungen  vorbehalten  worden  ist;  durch 
das   Letztere    ist    ein   entgegengesetzter  Nachtheil    entstanden. 


19 

nämlich  der,  dafs  eine  und  dieselbe  Art  unter  mehren,  ver- 
schiedenen Namen  aufgetreten  ist,  welche  die  Wissenschaft 
belästigen  und  verwirren.  Beispiele  beider  Arten,  aber  be- 
sonders der  letztern,  zeigen  die  Arbeiten,  welche  wir  über  die 
Schollengattung  besitzen,  und  ich  will,  um  zur  Befestigung 
der  Nomenclatur  beizutragen,  jene  mit  Beifügung  eigner  An- 
sichten und  der  Beweise,  welche  ich  für  deren  Annehmlich- 
keit auffinden  konnte,  darlegen. 

ä)  Fleuronectes  Cynoglossus  Linn. 
Von  dieser  Art  kann  man  wohl  sagen,  dafs  sie  seit  ihrer 
Aufstellung  unbekannt  geblieben  ist.  Ich  habe  wenigstens  in 
allen  ichthyologischen  Schriften,  zu  welchen  ich  Zugang  ge- 
habt, nur  mifslungene  Versuche,  sie  zu  bestimmen,  und  keine 
Stelle  gefunden,  welche  auch  nur  eine  Muthmafsung  über  die 
rechte  Art  andeutete,  wenn  ich  blofs  eine  Aeufserung  im  Vor- 
beigehen vom  Prof.  Reinhardt  *)  ausnehme,  welche  zeigt, 
dafs  er  anfangs  das  Verhalten  ganz  wohl  eingesehen  habe,  ob- 
gleich er  später  seine  Meinung  änderte.  Unerklärlich  würde 
es  scheinen,  dafs  Cuvier,  durch  dessen  Scharfsinn  so  viele 
andere  Arten  der  älteren  Auetoren  wieder  an's  Licht  gezogen 
worden  sind,  nie  dahin  kam,  eine  strengere  Untersuchung  mit 
dem  Grono vischen  Cynoglossus  vorzunehmen  und  ihn  in 
seiner  ersten  Bedeutung  wieder  herzustellen,  wenn  er  selbst 
nämlich  Kenntnifs  von  der  Art  gehabt  hätte,  welche,  meiner 
Meinung  nach,  jenem  Namen  zum  Grunde  liegt.  Dies  mufs 
nicht  der  Fall  gewesen  sein;  wenigstens  giebt  das  „Regne 
animal"  keinen  Anlafs,  es  zu  glauben.  Der  Name  C/7io^/o<s<stw 
ist  auch  aus  den  späteren  Verzeichnissen  verschwunden,  wie 
ebenfalls  aus  der  Synonymie,  v^enn  man  den  Versuch  aus- 
nimmt, welchen  Prof.  Nilsson  machte,  ihn  wieder  in's  Leben 
einzuführen**),  dessen  Anwendung  des  Namens  aber  keinen 
Beifall  fand.  Da  es  jedoch  nicht  wahrscheinlich  ist,  dafs  die- 
selbe Art,  welche  sich  zu  Gronovius's  Zeit  in  der  Nordsee 
fand,    seitdem  ganz   aus   derselben  verschwunden   sein   sollte, 


*)  S.  dessen  „Bemerkninger  til  den  skandinav.  Ichthyologie",  S.  28. 

**)  Arsberättelse  afgifven  1829,   S.  79,  mid  Prodromus  Ichthyol. 
Scand. 

2* 


20 

noch  anch,  dafs  sie  der  Aufmerksamkeit  so  vieler  nachmaligen 
Ichthyologen  entgangen  sein  sollte,  so  ist  es  geschehen,  dafs 
bei  mehren  Gelegenheiten  die  Art  wieder  aufgefunden  und 
dann,  als  neue  betrachtet,  mit  neuen  Namen  bezeichnet  wor- 
den ist.  Wir  stehen  nun  wirklich  auf  dem  Punkte,  dafs  Gro- 
novius's  ursprüngliche  Art,  welcher  Linne  den  Namen  PI. 
Cyno^Jossus  gab,  in  England  den  Namen  VI.  Pola,  in  Däne- 
mark und  Deutschland  den  Namen  PL  Saxicola  und  in 
Schweden  den  Namen  PL  nigromanus  Nilss.  führt,  ohne 
dafs  man  sich,  so  viel  man  sieht,  von  der  Synonymie 
aller  dieser  letzteren  Namen  wie  von  der  Identität  der  Art, 
welche  ihnen  sämmtlich  und  dem  ursprünglichen  Namen  zum 
Grunde  liegt,  überzeugt  hätte,  wenn  man  dies  alles  auch  wohl 
erkannt  hat. 

Dies  ist  es,  was  ich  jetzt  eigentlich  wünsche,  darlegen 
zu  können. 

Was  erstlich  die  neueren  Namen  betrifft,  so  haben  schon 
Reinhardt*)  und  Gottsche**)  mit  guten  Gründen  be- 
wiesen, dafs  die  beiden  Namen,  Saxicola  Fah.  und  nigro- 
manus  Nilss.  synonym  sind,  und  da  später  Nilsson  selbst***) 
mit  darin  eingestimmt  hat,  so  kann  ich  diese  Sache  als  völlig 
abgemacht  betrachten.  Es  ist  nicht  schwer  für  Jpden,  welcher 
Yarrell's-j-)  und  Jenyns-j-j-)  Beschreibungen,  ferner  des 
Erstem  Figur,  von  ihrem  PL  Pola  zu  Rathe  zieht,  die  Ueber- 
einstimmung  zwischen  diesem  und  Saxicola  zu  finden,  wes- 
halb ich  es  für  überflüssig  halte,  irgend  einen  fernem  Grund 
zu  deren  Annahme  anzuführen;  dagegen  mufs  ich  zweier  Punkte 
erwähnen,  welche  den  beiden  letztgenannten  Schriftstellern 
zur  Last  fallen,  erstlich,  dafs  keiner  von  ihnen  von  den  durch 
die  dänischen  und  schwedischen  Faunisten  lange  vorher  ge- 
schehenen Bekanntmachungen  derselben  Art  Kenntnifs  genom- 
men, und  dann,  dafs  sie  auf  diese  Art  einen  Namen  von 
Cuvier  angewendet  haben,    welcher,  aller  Wahrscheinlichkeit 

*)  A.  a.  O.  S.  27. 

*•)  Die  Seeland.  Pleuronectesarten ,  in  Wie  gm.  Arch.  Jahrg.  1, 
Bd.  2,  S.  160. 

'**)  Obscrvationes  Ichthyol,  p.  12. 

t)  HiKt.  of  british  Fishes,  II,  p.  227. 
tt)  Manual  of  british  vertebr.  Animals,  p.  4,58. 


21 

nach,  wie  ancli  weiter  unten  gezeigt  werden  soll,  einer  ganz 
andern,  oder  der  von  ihnen  selbst  als  PL  microcephalus  be- 
schriebenen, zukommt,  wodurch  sie  eine  neue  Namenvervvech- 
selung  zu  Wege  gebracht  haben,  die  der  Wissenschaft  nicht 
zum  Vortheile  gereicht.  Ich  gehe  jetzt  zu  den  Gründen  über, 
welche  mich  zur  Annahme  bestimmen,  dafs  dieselbe  Art,  die 
unter  den  eben  angeführten  drei  Namen  in  den  letzteren  Jahren 
beschrieben  worden,  keine  andere  ist,  als  der  Linneische 
Fleuronectes  Cynoglossus. 

Da  kein  Umstand  zu  erkennen  giebt,  dafs  Linne  die  ia 
Rede  stehende  Scholle  selbst  gesehen  habe,  sondern  Alles,  was 
er  über  sie  anführt,  fast  wörtlich  aus  dem  Gronovius  ent- 
nommen ist,  dessen  Museum  ichthyologicum  auch  das, 
einzige  Werk  ist,  welches  er  citirt,  so  ist  man  wohl,  ohne 
Widerrede,  berechtigt,  anzunehmen,  dafs  die  Art  des  Gro- 
novius diejenige  war,  welche  Linne  unter  seinem  Cyno- 
glossus verstand,  und  dafs  man  sonach,  wenn  aus  Linne's 
kurzer  Diagnose  keine  hinreichende  Aufklärung  zu  schöpfen 
ist,  diese  in  G  ronoviu s 's  Beschreibung  suchen  müsse.  Erst- 
lich ist  es  offenbar,  dafs  der  Cynoglossus  d<3r  Abtheilung 
Platessa  Cur,  angehört  habe,  indem  schon  die  Diagnose  an- 
giebt:  „oculis  dextris,  dentibus  obtusis,"  und  man  ferner  in 
der  Beschreibung  findet,  dafs  „die  Strahlen  in  der  Rücken- 
und  Afterflosse  einfach"  waren.  Ferner  ist  es  deutlich,  dafs 
die  Art  eine  von  denen  mit  glatter  Körperfläche  war,  denn  in 
der  Diagnose  steht  „corpore  glabro,''  und  in  der  Beschreibung 
„squamae  oblongo-rotundatae,.  molles  et  laeves;"  aber  so.  viel 
bisher  bekannt  geworden  ist,  kommen  in  den  nordischen 
Meeren  nur  drei  Arten  Platessa  mit  glatter  Oberfläche  vorj 
nämlich  Pleur.  Platessa  L.,  PL  microstomus  Fah.  und  PL 
Saxicola  Fah.,  oder  die  hier  in  Frage  stehende.  Die  erste 
Art  kann  hier  nicht  in  Betrachtung  kämmen,  indem  Grono- 
vius sie  so  M'ohl  gekannt,  beschrieben  und  richtig  charakterl- 
sirt  hat  in  demselben  Werke  unter  No.  26;  es  bleibt  also  nur 
die  Wahl  zwischen  den  beiden  letzteren.  W'elche  von  ihnen 
gemeint  sei,  wird  Keinem  zu  erkennen  unmöglich  fallen,  wel- 
cher seine  Aufmerksamkeit  auf  folgende  Stellen  in  der  Be- 
schreibung heftet:  „Pinna  in  dorso  unica,  ab  oculi  initio  ad 
caudam  lere  extensa,  ossiculorum  centum  et  duodecim 


i2 

simpliciuin,"  und  „pinna  ani  .  .  .  ossiculorum  centum  et 
du  orum  simpliciuin.''  Denn  eine  so  grofse  Anzahl  von  Strahlen 
besitzt  {keine  bisher  gefundene  Platessa- Art  anfser  gerade 
diese  PI.  Saxicola  Fah.;  aber  für  diese  ist  jene  bedeutende 
Anzahl  xon  Strahlen  in  der  Rücken-  und  Afterflosse  ein  Cha- 
racteristicum  und  von  eben  so  vielem  Werth,  wie  die  „Gruben," 
welche  diese  Art  in  den  Gesichtsknochen  hat,  und  auf  welche 
Faber  und  Gottsche  mit  Recht  ein  besonderes  Gewicht  legen. 
Mö^^e  man  mir  hierbei  nicht  den  zur  Hand  liegenden  Einwurf 
machen:  „Die  Anzahl  der  Strahlen  variirt;  es  ist  auf  sie  nicht 
sicher  zu  bauen.*'  Das  ist  wahr,  und  ich  will  diese  Variation 
mit  in  Rechnung  ziehen;  ich  gestehe  aucli,  dafs,  w-enn  man 
ein  Individuum  vom  inicrostomus  mit  dem  Maximum  der 
Strahlenanzahl,  welches  dieser  Art  zukommt,  und  eins  von 
Saxicola  mit  seinem  Minimum  aufsucht,  der  Unterschied  zwi- 
schen der  beiderseitigen  Strahlenzahl  nicht  besonders  grofs  ist; 
nichtsdestoweniger  bleibt  doch  einiger,  und  es  existirt  also 
eine  Grenze.  Ich  behaupte  aber  auch,  dafs  in  der  Natur  eben 
so  wenig  ein  microstomus  mit  112  Strahlen  in  der  Rücken- 
flosse, wie  ein  Saxicola  mit  90,  existiren  könne.  Hätte  es 
.sich  so  gefügt,  dafs  Gronovius  ein  Individuum  mit  einer 
geringern  Anzahl  von  Strahlen,  welches  sich  demnach  in  der 
Strahlenzald  mehr  dem  microstomus  genähert,  gefunden  hätte, 
so  würde  es  bedenklicher  geworden  sein,  die  Art  bestimmt 
anzugeben;  da  aber  nun  das  beschriebene  Exemplar  ein  solches 
war,  welches  beinahe  das  Maximum  der  dem  Saxicola  ver- 
liehenen Strahlenanzahl  besafs,  so  dünkt  es  mich  wenigstens, 
dafs  keine  gegründeten  ßedenklichkeiten  dabei  obwalten  können. 
iS^ach  dem  nun  Dargelegten  halte  ich  mich  für  berechtigt,  an- 
zunehmen, dafs  der  PI.  Cynoglossus  des  Gronovius  auf 
keine  andere  der  bis  jetzt  bekannten  Arten  angen-andt  werden 
könne,  als  auf  die  seitdem  von  Faber  unter  dem  Namen  PI, 
Saxicola  beschriebene. 

Hier  aber  entsteht  eine  neue  Frage:  Ist  es  nicht  möglich, 
dafs  zwpI  Arten  vorkonunen  können,  welche  zwar  eine  gemein- 
schaftliche Strahlenzahl  besitzen,  aber  sich  in  anderer  Rück- 
sicht unterscheiden,  und  dafs  sonach  die  (^ronovische  Art 
doch  als  verschieden  von  Saxicola  bctraclitet  werden  müsse, 
welch(!  in  späteren  Jahren  nicht  wieder  angetroflfcn  worden  sei? 


23 

Das  ist  freilich  möglich,  aber  keineswegs  wahrscheinlich,  auch 
übrigens  ohne  Einflufs,  sobald  die  Beschreibung  des  Grono- 
vius  mit  der  Art,  welche  wir  kennen,  übereinstimmt.  Die  ein- 
zigen etwas  zweideutigen  Ausdrücke,  welche  die  Beschreibung 
enthält,  will  ich  deshalb  hier  anführen  und  bemerken,  welche 
Rücksicht  sie  verdienen.  Also,  Gronovius  sagt:  „Squamae 
in  pinnis  dorsi  ac  ani  nuUae,"  da  Saxicola  sie  doch 
sehr  deutlich  hat;  aber  wie  wenig  dieser  Ausdruck  berücksich- 
tigt zu  werden  verdiene,  zeigt  der  Zusatz  „ut  in  Buglosso," 
bei  welchem  sie  sich  ebensowohl  finden.  „Maxilae  ore 
clauso  aequales'  ist  auch  kein  Ausdruck,  welcher  bei  un- 
sern  gegenwärtigen  Forderungen  an  korrekte  Charaktere  auf 
den  Saxicola  angewandt  werden  kann,  bei  welchem  der  Unter- 
kiefer etwas  länger,  als  der  Oberkiefer  ist,  aber  recht  wohl  zu 
Gronovius's  Zeit  gebraucht  werden  konnte,  zumal  da  man 
sieht,  dafs  dies  blofs  geschehen  ist,  um  einen  Gegensatz  ^^z^w 
das  Verhältnifs  der  Kinnladen  h^vSolea  auszudrücken.  Ferner 
heifst  es:  „Membranae  branchiostegae  ossicula  sex,"  während 
die  wirkliche  Anzahl,  wie  jetzt  bekannt,  sieben  ist;  Grono- 
vius aber  rechnete,  wie  viele  Andere  nach  ihm,  den  untersten 
Strahl  in  der  Kiemenhaut  nicht  mit,  welcher  nicht  allein  et- 
was undeutlicher  ist,  sondern  sich  auch  mit  dem  gegenüber- 
stehenden der  andern  Kiemenhaut  vereinigt.  Dies  wird  völlig 
dadurch  bewiesen,  dafs  er  für  die  ganze  Schollengattung  nur 
6  Strahlen  in  der  Kiemenhaut  annahm  *).  Es  ist  nun  nur 
noch  eine  Angabe  übrig,  die  der  „Vertebrae  65,"  welche 
mir  schwierig  wird,  zu  erörtern,  und  das  hauptsächlich  aus 
dem  Grunde,  weil  ich  noch  nicht  weifs,  bis  zu  welchem  Grade 
die  Rückenwirbel  bei  Saxicola  an  Zahl  variiren  können.  So 
viel  wir  wissen,  hat  Saxicola  unter  allen  Flatcssis  die  gröfste 
Anzahl  von  Rückenwirbeln;  sie  erstrecken  sich  mindesten^, 
nach  Reinhardt's  Angabe,  auf  58**).  Aufserdem  möge 
man  auch  in  Betrachtung  ziehen,  dafs  Gronovius  Ziffern 
gebraucht  hat,  durch  welche,  sowohl  durch  Schreib-  als  Druck- 
fehler, so  unendlich  leicht  Irrungen  entstehen  können. 

Nach  allem  dem,  was  jetzt  hier  gesagt  worden  ist,  möchte 
ich  für  meinen  Theil  zu  behaupten  wagen,  dafs  der  P/.  Cyno- 


♦)  Zoophylacium,  p.  72.  **)  A.  a.  O. 


24 

glossus  Liiin.  wirklich  dieselbe  Schollen-Art  sei, 
wie  der  Saxicola  Fah,,  und  dafs  diese  Art  demnach  von 
jetzt  an  in  unsern  Verzeichnissen  den  L in n eischen  Namen 
führen  müsse,  welcher  ihr  mit  Recht  zukomme.     Also: 

Pleuronectes  Cynoglossus  Linn.  Platessa  corpore  laevi, 
capite  foveolato,  oculis  valde  obliquis,  rictu  parvo,  maxilla 
inferiore  longiore;  linea  laterali  satis  recta,  spinaque  anali.  — 
D.  circ.  110.  A.  92. 

Synon.:  Gronov,     Mus.  Ichthyol.  I,  p.  14,  No.  39,  (Dia- 
gnos.   et  synonym,  exclus.)   et  II,   p.  11,   No.  39;  — 
Acta  Helvet.  IV,  p.  263,  N.  145;   —    Zoophil.  p.  74, 
N.  252. 
Pleur.  Cynoglossus  Linn.     Syst.  Nat.  I,  p.  456,  N.  5. 

—  Saxicola  Faber^,   Naturgesch.   d.   Dan.   Schollen,   s. 
Isis,  1828,  p.  877. 

—  nigromanus  Nilsson,  Prodr.  Ichthyol.  Scand.  p.  55. 
Glyptocephalus  Saxicola  Gotische,  Seeland.  Pleuron. 

s.  Wiegm.  Arch.  Jahrg.  I,  Bd.  2,  p.  156. 

Platessa  Pola  Jenyns    Man.   of  British  \  ^^ 

A    •  >i-o    'K^  A  A'  I  Obs.  mnume 

Anim.  p.  4d8,  N,  14o.  I 

—  —     Y arellt  Hist.    of  British   f  „  ?     ^ 

T?-  1,       if        ctckn  I   "ola  Luv, 

Fishes,  II,  p.  227.  J 

—  —     Thompson^    Annais    of   Natural   Hist. 
1838,  N.  VII,  p.  16. 

Habitat  in  Mari  septentrionali,  sinu  Codano  et  in  freto 
Oeresundico.     llbique,  uti  videlur,  parvo  numero  capitur. 

h)  Pleuj'onectes  microcephaliis  Angl. 
(PI.  microstomus  Fah  er.') 
Ich  will  nun  mit  einigen  Worten  die  Aufmerksamkeit  auf 
eine  andere  Art  von  Platessa  Cur.  richten,  nämlich  auf  die 
in  die  englische  Fauna  unter  dem  Namen  PI.  microcephaliis 
Don.  aufgenommene  oder  unsern  PL  inicrostomus  Fah  er. 
Keine  andere  Schollenart  hat  man  wohl  so  oft  als  neugefun- 
den betraclitet,  auch  keine  bis  zu  dem  Grade  mit  Namen  be- 
lastet, wMi  diese.  Aber  eben  defshalb  ist  es  nothwendig,  ihre 
>veitläuIligL'  Syuonyrriie  zu  sannneln  und  zu  ordnen,  über 
welche  man  sich  nur. noch   theilweise  verständigt  hat,  so  dafs 


25 

auch  wenig  ausgemittelt  worden  ist,  welcher  von  allen  ihren 
Namen  vorzugsweise  das  Recht  habe,  beibehalten  zu  werden. 
Um  mit  erforderlicher  Deutlichkeit  eine  solche  Revision  vor- 
nehmen zu  können,  wird  es  nöthig,  die  Schriften  der  nordi- 
schen Schriftsteller,  ferner  die  der  englischen  und  die  der 
französischen  alle  drei  für  sich  durchzugehn,  weil  man  die 
Schriftsteller  in  der  That  so  gruppirt,  jeden  mit  seiner  beson- 
dern Litt^ratur  und  seiner  eignen  Nomenclatur,  sie  unter  ein- 
ander aber  ohne  Verbindung  und  ohne  Mitwissen,  findet.  Wir 
fangen  mit  der  nordischen  Abtheilung  an,  welche  uns  am  näch- 
sten liegt. 

In  Linne's  und  Artedi 's  Schriften  findet  man  keine 
Spnr,  welche  andeutete,  dafs  die  fragliche  Art  ihnen  bekannt 
gewesen  sei;  eben  so  wenig  scheint  Quensel,  welcher  im 
Jahre  1806  in  den  Verhandlungen  der  Königl.  Schwed.  Aka- 
demie der  Wissenschaften  seine  verdienstvolle  Monographie 
der  ihm  bekannten,  einheimischen  Schollen  herausgab,  von  der- 
selben eine  Ahndung  gehabt  zu  haben.  Der  Erste,  welcher 
die  schwedische  Fauna  mit  ihr  bereicherte,  war  Dr.  Holl- 
berg, der  sie  in  den  Götheborgs  Kongl.  Vetensk.  och  Vitterh. 
Samh.  nya  Handlingar,  4tem  Theile,  (welcher  1821  erschien) 
unter  dem  Namen  Fleur.  Quenselii  beschrieb  (p.  59.)  und 
abbilden  liefs.  Es  ist  merkwürdig  genug,  dafs  dieser  Namen 
nie  weiter  gelangte  oder  angenommen  ward ,  da  doch  gewifs 
von  allen  Arten,  welche  Hol Ib er g  beschrieb,  keine  mehr  ver- 
dient hätte,  als  diese,  bemerkt  und  angeführt  zu  werden.  Aber 
das  Schicksal  wollte,  dafs  Faber,  welcher  nachdem  als  Schrift- 
steller auftrat,  Hollberg's  Schriften  nicht  kennen  lernte  und 
Anlafs  zu  der  ziemlich  unglücklichen  Theilung  der  Art  in  zwei 
gab,  in  Folge  deren  es  schwer  fiel,  zu  bestimmen,  zu  welcher 
derselben  man  Hollberg  citiren  sollte;  nur  hierin  kann  man 
wohl  die  Ursache  suchen,  aus  weicher  im  Prodromus  Ichthyo-^ 
logiae  scandin.  ein  solches  Citat  nirgends  vorkommt.  Ungefähr 
zu  derselben  Zeit,  in  welcher  Holiberg  seinen  Pleur.  Quen- 
selii bekannt  gemacht  hatte,  kam  Faber  von  seiner  isländi^ 
sehen  Reise  nach  Kooenhag-en  zurück,  und  hatte  in  seinen 
Samnllungen  eine  Scholle,  die  er  dann  unbeschrieben  fand 
(dafs  es  Fl.  Quetiselil  war,   wissen  wir  jetzt);   ehe  indesseri 


26 

seine  Isländische  Ichthyologie*)  vollendet  ward,  wurden  im 
J.  1824  im  ersten  TheiJe  der  KongL  Diinska  Vidensk.  Sels- 
kabs  Afhandl.  verschiedene  zoologische  Beiträge  vom  Bischof 
Oth.  Fabricius  veröffentlicht,  unter  denen  die  Beschreibung 
einer  neuen  Scholle  vorkam,  welche  dort  PL  Quadridens^^) 
genannt  wird  und  schon  i.  J.  1797  bei  einem  Fischerlager  in 
der  Nähe  von  Kopenhagen  aufgefischt  worden  war.  Faber 
glaubte  nun  in  ihr  seine  isländische  Art  wiederzuerkennen 
und  diese  wurde  denn  PL  Quadridens  Fahr,  genannt***) 
Im  Jahre  1827  machte  Fab^r  seine  Reise  in  den  nördlichsten 
Theil  von  Jiitland,  und  ein  Resultat  derselben  war  die  voll- 
ständige Monographie  der  Schollenarten  des  dänischen  Reichs 
welche  in  die  Isis  v.  J.  1828,  wie  eine  kurze  Uebersicht  der- 
selben Arten  in  das  14te  Heft  der  Tidskrift  for  Naturviden- 
skab  aufgenommen  wurden,  welches  letztere  in  demselben  Jahr 
in  Kopenhagen  herauskam.  In  dieser  Monographie  findet  man 
folgende  Veränderungen  vorgenommen:  a.  die  isländische  Art 
wird  als  verschieden  von  dem  Fabricius'schen  Quadridens 
betrachtet,  aber  als  bestimmte  Art  unter  dem  Namen  PL  Qua- 
dridens Faher  aufgenommen  (!);  b)  Dagegen  wird  die  Fa- 
bricius'sche  Benennung  in  PL  microstomus  Faher  umge- 
ändert. Das  bedeutendste  bei  dieser  ganzen  Veränderung,  und 
welches  Anleitung  zu  vieler  Verwirrung  gegeben  hat,  w-ar, 
aus  einer  einzigen  ursprünglichen  Art  zwei  zu  bilden,  oder, 
mit  andern  Worten,  aus  Fabricius  Quadridens  oder,  was 
dasselbe  ist,  HoUberg's  Quenselii  einen  Quadridens  Faher 
und  einen  microsiomus  Faher  zu  schaffen.  Wie  fern  der 
Umstand,  dafs  Faber  in  der,  gleichzeitig  mit  der  Monogra- 
phie herausgegebenen  Uebersicht  in  der  Tidskrift  nicht  mehr, 
als  die  letztgenannte  Art  aufnimmt  und  die  erstere  mit  Still- 
schweigen übergeht,  anzeige,  dafs  er  selbst  seine  Meinung  ge- 
ändert und  seinen  Theilungs- Versuch  schnell  aufgegeben  habe, 
lasse  ich  dahin  gestellt  seyu;    einen  PL  Quadridens  weist  in- 


*)  Naturgeschichte  der  Fische  Islands. 

**)  Diese  Beiträge  mögen,  zufolge  einer  späteren  Erklärung  von 
Reinhardt,  mehre  Jahre  früher  in  der  Gesellschaft  vorgelesen,  aber 
erst  nach  Fabricius  Todo  unter  dessen  Papieren  gefunden  und  dann 
publiciri  worden  seyn. 

'^')  Naturgosch.  d.  Fische  Islands,  p.  138. 


27 

dessen  jene  Uebersicht  nicht  auf.  Im  J.  1829  lieferte  Nil  sson 
über  jene  Faber'sche  Monographie  eine  kurze  Recension,  welche 
in  seinem  zoologischen  Jahresbericht  für  dasselbe  Jahr  aufgenom- 
men wurde  und  in  welcher  er  sich  S.  39,  beim  PL  Quctdri- 
dens  Faher,  so  äufsert:  „Wenn  dieser  isländische  Fisch  eine 
von  der  folgenden  skandinavischen  (jnicrostomiis)  verschiedene 
Art  ausmaclit,  so  ist  er  für  die  Fauna  des  Nordens  neu.  Man 
vergleiche  genauer  mit  ihm  die  Mare-Flundra  der  Einwoh- 
ner Rä  (einem  Dorfe  in  Schonen);"  Ferner  sagt  er  bei  PI. 
microstomus'.  „Diese  Art  ist  durchaus  nicht  neu!  Es  ist  ge- 
rade der  rechte  PI.  Cynoglossus  L.  welcher"  u.  s.  w.  Hier- 
aus erhellt,  dafs  Nilsson  zu  jener  Zeit  nicht  mehr,  als  eine 
einzige  Art,  angenommen  hat,  welche  er  damals  für  identisch 
mit  dem  Cynoglossus  L.  ansah,  und  dafs  er  erst  durch  Fa- 
ber veranlafst  wurde,  die  Existenz  der  zwei  zu  vermuthen, 
die  er  nachher  im  Prodromus  Ichth.  scand.  als  verschiedene 
Arten  charakterisirt,  in  welchem  jedoch  Faber's  Quadridens 
den  Linneischen  Namen  Cynoglossus  bekommt  und  der  mi- 
crostomus  unverändert  beibehalten  wird.  Reinhardt  hat 
später  mehre  Bedenklichkeiten  rücksichtlich  der  beiden  Fa- 
ber'schen  Arten  geäussert  und  in  einer  Recension  des  Pro- 
dromus*) sehr  gültige  Gründe  für  seine  Behauptung  aufgeführt, 
dafs  der  Fabricius'sche  und  der  Faber'sche  PI.  Quadri- 
dens ein  und  derselbe  seyen  und  sonach  auch  der  Cynoglos- 
sus und  der  microstomus  JSilss.  nur  eine  einzige  Art  aus- 
machen. Diese  Ansicht  hat  später  auch  Gottsche**)  mit 
seinen  Erfahrungen  übereinstimmend  befunden,  doch  meint  er, 
dafs  sie  beide  verschiedene  Varietäten  ausmachen  und 
Mangel  an  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Umstand  die  entstande- 
nen Mifsverhältnisse  verursacht  habe,  dazwischen  mufs  Gott- 
sche die  Namen  dieser  Scholle  noch  nicht  für  zahlreich  oder 
richtig  genug  augesehen  haben,  denn  er  giebt  ihr  einen  neuen 
latidens.  Ziehe  ich  meine  eigenen  Untersuchungen  zu  Rathe, 
so  mufs  ich  mich  auch  gegen  die  Faber'sche  Zerstückelung 
der  Art  in  zwei  erklären,  kann  aber  auch  die  beiden  Varietä- 
ten nach  Gottsche  nicht  als   constant  betrachten.     Sie  sind 


*)  Bemerkn.  til  d,  Skand.  Ichthyol, 

*)  S.  Wiegm.  Arch,  1  Jahrg.  5  H.  Die  Seeland.  Pleuronectesarten, 


28 

nur  als  die  beiden  Extreme  der  Forinveränderung  dieser  Art 
anzusehen,  welche  weder  streng  charakterisirt  werden  können, 
noch  mehr,  als  einer  der  zwischen  ihnen  liegenden  Uebergangs- 
grade  berechtigt  zu  sein  scheinen,  sich  als  besondere  Formen 
bezeichnen  zu  lassen. 

Aus  dem  nunmehr  Dargelegten  erglebt  sich,  dafs  der 
H oll  bergische  Namen  PL  puenselil,  der  älteste  der  vielen, 
dieser  Schollenart  im  Norden  beigelegten  Namen  ist,  und  dafs 
er  also  berechtigt  sein  würde,  vorzugsweise  vor  den  anderen 
angenommen  zu  werden,  in  sofern  nicht  dieselbe  Art  im  Aus- 
lande schon  früher  gekannt  und  beschrieben  worden  wäre.  Ich 
gehe  jetzt  zur  englischen  Litteratur  über. 

In  der  englischen  Fauna  finden  wir  eine  Schollenart  von 
allen  spätem  Ichthyologen  aufgenommen  und  beschrieben  un- 
ter dem  Namen  PL  microcephalus  Donov.,  über  deren 
Identität  mit  unserem  PL  QuenseVii  oder  microstomus  nicht 
der  geringste  Zweifel  entstehen  kann.  Man  vergleiche  Do- 
novan,*)  Turton,**)  Fleming,***)  Yarellf)  und  Je- 
iiyns.ff)  Der  Letzte  giebt  hierüber  auch  einen  Wink,  aber 
übrigens  scheint  man  in  Fngland  mit  den  weitlauftigen  Unter- 
suchungen unbekannt  geblieben  zu  sein,  welche  die  Dänen 
und  Schweden  über  diese  Art  veröffentlicht  haben.  Alle  die 
citirten  Schriftsteller  nehmen  ferner,  als  synonym  mit  dem  mi- 
crocephalus, Pennant's  iS'mcflr-Dfl&  fff)  auf;  etwas,  dafs 
auch,  sollte  ich  glauben.  Jeder,  welcher  Pennant's  Beschrei- 
bung genau  durchlieft,  so  kurz  diese  auch  ist,  billigen  wird. 
Sonach  war  diese  Art  schon  i.  J.  1776  beschrieben,  und,  wenn 
wir  einiges  Vertrauen  in  Pennant's  Citat  aus  dem  Jago 
setzen,  sogar  schon  im  J.  1713.  Denn  in  dem  Catalogus  pi- 
scium  rariorum  von  Jago,  welcher  sich  schliefslich  in  Ray 's 
Synopsis  meth.  piscium,    p.  162,  aufgenommen  findet,  kommt 


*)  Brit.  Fishes,  Vol.  II,  p.  42. 
^*)  Brit.  Fauna,  p.  96. 
***)  Brit.  Animals,  p.  198. 

f )  Brit.  Fishes,  Vol.  II,  p.  221. 
-j-J-)  Manual  of  Br.  Vertebr.  Anim.  p.  457. 

fff )  Brit.  Zool. ,  Vol.  111,  p.  202.  Bemerke  man  indessen  die  Ir- 
rung und  Verwechselung,  -welche  in  den  altern  Auflagen  mit  der  Fig. 
vorgefallen  sind. 


29 

eine  ganz  kurze  Beschreibung  mit  beigefügter  Figur  vor  von 
einer  Art,  genannt  „Rhombus  laevis  Coniiibiensis  maciilis 
nigris;  a  Kitt"  welche  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  sich 
auf  dieselbe  Art  bezieht,  wenn  gleich  Cuvier  bestinimt  er- 
klärt hat,  es  sei  ein  PL  hirtus,*)  welches  aber  durchaus  un- 
möglich ist. 

Endlich  wenden  wir  uns  nach  Frankreich  und  finden  auch 
dort  anfangs  bei  Duhamel**)  unsern  Fl.  Quenselü  oder 
microcephalus  recht  deutlich  beschrieben  unter  dem  Namen 
„/a  vraie  Limandelle  "  dieselbe  Art,  welche  Cuvier  in  der 
zweiten  Ausgabe  des  Regne  Animal  PL  Pola  nennt,  und  über 
welche  die  Engländer,  dem  zufolge,  worauf  ich  oben  aufmerk- 
sam gemacht  habe,  sich  sehr  irren,  wenn  sie  sie  (diese  Pola 
Cuv.)  für  denselben,  wie  den  obigen  Cynoglossus  L.,  halten, 
welcher  demnach  derjenige  ist,  welcher  in  der  englischen 
Fauna  den  Namen  Pola  bekommen  hat. 

Nach  dieser  vielleicht  etwas  zu  weitläuftigen  Darlegung 
scheint  die  in  Rede  stehende  Art  bezeichnet  werden  zu  müssen 
mit  dem  Namen : 

Pleuronectes  microcephalus  Do nov.  und  charakterisirt: 
Platessa  corpore  laevissimo,  rictu  parvo,  maxillis  aequalibus; 
linea  laterali  supra  pinnas  pectorales  subarcuata,  spinaque  anali 
nulla.     D.  radiis  circiter  90.  A.  72. 

Synon:  Rhomhus   laevis    CornulicusP    Jago;    Raji   Sy- 
nops.,  p.  162,  Fig.  1. 
Smear-Dah.  Pennant,   Brit.   Zool.  III.   p.  202  (minima 

vero  Fig.  106.) 
La  vraie  Limandelle  Duhamel,    Traite    des    Peches, 

Tom.  III,  Sect.  IX,  p.  2e8,  Tab.  VI,  Fig.  3  et  4. 
Pleuron.      microcephalus    Donov. ,     Brit»    Fishes,   II, 

Tab.  42. 
—  Quenselü  Hollberg,   Bohusl.   Fiskar  i   Götheb.  Vet. 
och  Vitt.  Sällsk.  nya  Handll.,  Delen  IV,  S.  59  (mit 
Figur.) 


*)  S.  Le  Regne  Animal,  Ed.  2.  Cuvier 's  Worte  sind:  le  Tar- 
geur  {PL  hirtus)  est  le  Kitt  de  ces  deux  auteurs  (Raj.  et  Pen- 
nant). U  suffit  d'un  coup  d'oeil  sur  la  pl.  I,  de  Raj...  poiir  s'en 
convaincre. 

**)  Traite  des  Peches,  Tom.  III,  Sect.  IX,  p,  2€8.  Tab.  VI,  Fig.  3  et  4. 


30 

JPleuron.  Quadridens  Fabriciiis,  Kongl.  Daiiske  Vidensk. 
Selsk.  Afhandll.  Del.  1,  p.  39,  et  Faber,  Natiirgesch. 
d.  Fische  Isl.  p.  138. 

—  Quadridens     \    Faber,     Naturgesch.    d.    dänischen 

—  Microstomus  f  Schollen,  Isis,  1828,  p.  884  et  886. 

—  Microstomus,  Idem.  Uebersicht  der  dänischen  Schol- 
lenarten in:  Tidskr.  for  Naturvidenskab.  Bd.  V.  N.  14, 
p.  243. 

—  Fola  Cuv:,  Le  Regne  Animal,  Tom.  II,  p.  339. 

—  Microcephalus,  Flemm :  Hist.  of  Brit.  Animals,  p.  198, 
Nr.  106. 

—  Cynoglossus^  Nilsson,    Prodrom.  Ichthyol,    scand. 

—  Microstomus]  p.  53. 

—  Microstomus  latideus,  Gotische,  Die  Seeland.  Pleu- 
ronectes  -  Arten;  \yiegm.  Archiv  f.  Naturgesch., 
Jahrg.  1,  H.  5,  p.  150. 

—  micr ocephalus Jenyns,  Manual, 457.  Yarrell,  Brit. 
Fishes,  II,  p.  221. 

Habitat  in  Oceano  Atlantico  ad  oras  Islandicas,  in  mari 
septentrionali,  sinn  Codano  et  freto  Oeresundico  haud  raro. 

c)  Fleuronectes  Linguatula  Linn. 

Diefs  ist  nun  der  einzige  noch  übrise  Linneische  Na- 
men  bei  den  europäischen  Schollen,  welchen  man  noch  mit 
keiner  Wahrscheinlichkeit  auf  die  ursprüngliche  Art,  welcher 
Linne  ihn  beilegte,  hat  zurückführen  können.  Aber  solclie 
unerklärte,  von  dem  Vater  der  jetzt  gebräuchlichen  Nomen- 
clatur  ausgegangene  Namen  liegen  der  Wissenschaft  zur  Last, 
indem  sie,  gleich  dem  Bodensatz  in  einer  Flüssigkeit,  durch 
das  mindeste  Aufrühren  in  dieser  aufsteigen  und  sie  trüben. 
Defshalb  mag  man  es  sich  ajigelegen  seyn  lassen,  ihnen  nach- 
zuforschen und  ihre  Bedeutung  an  den  Tag  zu  legen;  denn, 
so  lange,  als  diese  nicht  hinlänglich  erklärt  ist,  ist  es  eben  so 
unmöglich,  jene  Namen  zu  unterdrücken  und  zu  tilgen,  als 
sie  an  ihre  rechte  Stelle  zu  setzen. 

Wiewohl  ich  nicht  im  Stande  bin,  jetzt  die  Frage  selber 
beantworten  zu  können,  welche  Art  Linne's  PL  Lingua- 
lula  sei,  so  ist  es  doch  meine  Ueberzeugung,  dafs  sie  sich 
ganz   wohl   beantworten  lasse,   wefshalb  keine   Erläuterungen, 


31 

flie  auf  den  richtigen  Weg  leiten  können,  unnütz  seyn  dürf- 
ten. Für's  Erste  darf  man  sich  gar  nicht  durch  die  nordischen 
Ichthyologen  irren  lassen,  welche  nach  Linne  den  Namen 
Linguatula  aufgenommen  haben,  indem  sie  mehr,  als  wahr- 
scheinlich, jenen  Namen  in  einer  ganz  andern  Bedeutung  d.  i. 
für  eine  ganz  andere  Art  genommen  haben.  Es  kann  uns 
auch  für  die  Beantwortung  der  Frage  ganz  gleichgültig  seyn, 
zu  wissen,  welche  Art  Linne's  Nachfolger  Linguatula  ge- 
nannt haben;  dagegen  ist  es  uns  um  so  wichtiger,  zu  erfahren, 
was  seine  Vorgänger  unter  derselben  verstanden  haben.  Es 
verhält  sich  nämlich  mit  Linguatula  so,  wie  ich  oben  gezeigt 
habe,  dafs  es  sich  mit  Cynoglossus  verhalte  —  einer  Art, 
welche  Linne  selbst  weder  gesehn  noch  gekannt  hat,  sondern 
die  nur  und  allein  auf  die  Autorität  Anderer  aufgenommen 
und  benannt  worden  ist.  Diese  Auctorität  ist  hier  dieselbe 
gewesen,  welche  Linne  immer  geehrt  hat,  —  Artedi's.  Die 
Art  sonach,  welche  Artedi  in  den  Genera  unter  seiner  Dia- 
gnose mit  Pleuron.  Oculis  a  dextra,  ano  ad  latus  sinistrum, 
dentibus  acutis,  bezeichnet  hat,  mufs  auch  die  Linneische 
seyn.  Welche  ist  mm  die  Artedische?  Darüber  geben  seine 
eignen  Worte  keine  zureichende  Erläuterung;  nur  die,  dafs 
man  aus  ihnen  sehr  deutlich  ersieht,  Artedi  habe  die  Art 
nicht  gesehen  und  gekannt,  sondern  sie  blofs  nach  W^illough- 
by's  Auctorität  aufgeführt.  Schlägt  man  deswegen  des  Letztern 
Hist.  Piscium,  p.  101,  nach,  so  findet  man  unter  der  Rubrik 
„Linguatula  Romae,  Pola  Bellonii  etc."  eine  Beschreibung 
Willoughby's  selbst  von  einer  Schollenart,  welche  er  von 
Rom  erhalten  hatte,  und  welche  offenbar  von  Artedi  gemeint 
worden  seyn  mufs,  indem  die  von  ihm  festgesetzte  Diagnose 
ein  Auszug  jener  Beschreibung  ist.*)  Die  ganze  Untersuchung 
beschränkt  sich  demzufolge  blofs  darauf,  dafs  man  zu  bestim- 
men suche,  welche  Art  es  sei,  die  Willoughby's  Beschrei- 
bung zum  Grunde  liege,  weil  diese  und  keine  andere  Art  be- 
rechtigt ist,    einst  den  Namen  Linguatula  zu  führen.     Diese 


*)  Es  bleibt  für  die  Folge  die  besondere  Frage  zu  beantworten, 
wie  fern  Willoughby's  Liiiguatula  Romae  wirklich,  wie  er  es 
ftir  abgemacht  angenommen  hat,  die  Pola  Bellonii  sei.  Bekanntlich 
soll  die  letztere,  nach  Cuvier,  eine  »S'o/e«  seyn.    S.  Le  Regne  Animal, 


32 

Untersuchung  mufs  ich  einem  Ichthyologen  am  Mittelmeere 
überlassen,  welchem  es  keine  besondere  Schwierigkeit  verur- 
sachen dürfte,  die  nöthige  Aufklärung  zu  verschaffen.  Für 
uns  reicht  es  hin,  zu  wifsen,  dafs  Linguatula  ein  Name  ist, 
welcher  keiner  nordischen  Art  zukommen  und  sonach  in  un- 
serer Fauna  keinen  Platz  finden  kann. 

d)  Pleuronectes  Cardina  Cuv. 

Von  den  sogenannten  Butten  {Rhombus  Cuv.)  hat  un- 
sere Fauna  bisher  nur  eine  einzige  Art  mit  bewimperten 
Schuppen  aufzuweisen  gehabt,  oder  diejenige,  welche  Bloch*) 
zuerst  unter  dem  Namen  PL  punctatus  veröffentlichte  und 
Abildgaard**)  ein  Jahr  danach  ausführlicher  und  weit  ge- 
nauer unter  einem  neuen  Namen  {PI  hirtus)  in  der  Vermu- 
thung  beschrieb,  dafs  beide  specifisch  verschieden  wären.  Dafs 
aber  diese  beiden  Namen  ein  und  derselben  Art  zugetheilt 
wären,  hielt  schon  A.  I.  Retzius***)  für  wahrscheinlich, 
und  dafs  dies  richtig  sei,  ist  später  nicht  allein  von  allen 
schwedischen  und  dänischen  Ichthyologen,  sondern  auch  von 
Cuvierf)  bestätigt  worden,  welche  sämmtlich  beide  Namen, 
als  synonym,  aufnehmen.  Ganz  kürzlich  haben  jedoch  zwei 
verdiente  englische  Ichthyologen,  Jenyns  und  Yarrell,  wie- 
der die  ältere  Abildgaardische  Meinung,  als  die  richtige 
aufgenommen  und  suchen  die  beiden  Arten,  welche  ihrer  An- 
sicht nach,  mit  einander  vermengt  worden  sind,  genauer  zu 
unterscheiden  und  zu  charakterisiren.  Die  eine  derselben 
nehmen  sie  als  „Bloch's  Topknot"  {Rh.  punctatus),  die 
andere  als  „Müller's  Topknot"  {Rh.  hirtus)  auf. ff)  Diese 
beiden  einander  entgegengesetzten  Ansichten  lassen  sich  jedoch 
ziemlich  leicht  erklären. 

Während  eines  Aufenthaltes  in  den  Bohuslän'schen  Schee- 


^)' Naturgesch.  d.  ausl.  Fische,  III,  p.  31,  Tab.  189. 
''*)  Zoologia  danica,  Tab.  103. 
***^  Fauna  suecica,  p.  333 
t)  Le  Regne  Animal,  II,  p.341. 
ff)  Müller  ist  ganz  ohne   Grund  bei  diesem  Namen  citirt  wor- 
den,   welcher  mit  Recht  Abildgaard  angehört,    wenn  er  gleich  in 
Müller's  Zoologia  danica  bekannt  gemacht  worden  ist;  aber  in  der 
Fortsetzung  des  Werks,  Mclche  nach  Müller's  Tode  herauskam. 


33 

ren  führte  ein  glücklicher  Zufall  mir  einige  Exemplare  einer 
kleinen,  aber  sehr  hübschen  Schollenart  in  die  Hände,  welche 
ich  früher  nie  gesehen  hatte,  in  welcher  ich  aber  bald  die  Art 
erkannte,  welche  die  genannten  englischen  Schriftsteller  als 
„Bloches  Topknot"  beschrieben  haben.  Dieser  interes- 
sante Fund^)  zeigte  auf  der  einen  Seite,  dafs  die  Art  unstrei- 
tig von  hirtus  Ah.  verschieden,  aber  auf  der  andern,  dafs  sie 
eben  so  verschieden  vom  punctatus  Bl.  ist,  welchen  letztern 
Namen  sie  demnach  unter  keiner  Bedingung  bekommen  kann. 
Dafs  Bloches  punctatus  in  der  That  kein  anderer,  als 
Abiidgaard's  Inrtus  ist,  zeigt  die  Figur  recht  deutlich,  trotz 
aller  ihrer  Mängel;  und  als  einen  solchen  mufs  man  den  Zu- 
satz des  Künstlers  betrachten,  die  Bauch-  und  Afterflos- 
sen frei  und  nicht  verwachsen  darzustellen,  woraus  natürlich 
die  Engländer  Anlafs  zu  ihrer  Vermuthung  geschöpft  haben. 

Schon  acht  Jahre  vorher,  ehe  Bloch  seinen  punctatus 
bekannt  machte,  hatte  Duhamel  die  beiden  von  den  Englän- 
dern nachher  beschriebenen  „Topknots"  sehr  wohl  unter- 
schieden; davon  zeugen  seine  in  Wahrheit  meisterhaften  Ab- 
bildungen dieser  Arten,  der  einen  mit  der  Unterschrift  „Grosse 
Plie  ou  Targeur,"  der  andern  „La  petite  Limandelle 
ou  Calimande  royale."  Zu  der  letztern  hat  er  auch  eine 
Beschreibung  geliefert.  Dafs  die  erstere  identisch  mit  dem  so 
oft  genannten  hirtus  und  punctatus  sei,  hat  schon  Cuvier 
bemerkt,  und  dafs  die  letztere,  welche  Cuvier  nachher  Rh. 
Cardina  benannt  hat,  identisch  mit  nicht  allein  der  kleinen, 
oben  erwähnten  Schollenart  aus  Bohuslän,  sondern  auch  mit 
dem  von  Jenyns  und  Yarrell  beschriebenen  „Bloch 's 
Topknot"  sei,  ist  meine  Behauptung,  obgleich  Jenyns  auch 
hier  eine  entgegengesetzte  Ansicht  blicken  lassen,  indem  er 
unter  die  Synonyme  zu  seinem  Rh.  Megastoma  den  R7i. 
Cardina  Cuv.  aufgenommen  hat.  Was  den  letztern  Punkt 
betrifft,  so  scheint  Cuvier  dazu  selbst  Anlafs  gegeben  zu  ha- 


'^)  Dieser  neue  Ankömmling  in  unserer  Fauna  wurde  zuerst  vom 
Hrn.  Silfversvärd  entdeckt,  welcher  sich  sehr  bereitwillig  dem 
Einsammeln  mit  unterzog.  Alle  die  Exemplare,  (5  an  der  Zahl) 
welche  ich  erhielt,  wurden  durch  den  Grundhamen  heraufgeholt,  wel- 
chen wir  in  der  Tiefe  nach  kleineren  Seethieren  herumzogen.  Den 
Fischern  war  diese  Scholle  unbekannt. 
Wiegm,  Archiv.    VI.  Jalirg.     1  Band.  3 


34 

hon,  «1:^  er  als  synonym  mit  seinem  Rh.  Cardina  den  von 
Jago  gezeiclineten  „Whiff"  citirt  hat,  welcher  eigentlich  nach 
der  Ansicht  der  Engländer  als  besondere  Art,  nämlich  als  die 
von  ihnen  unter  dem  Namen  Megastoma  aufgenommene,  an- 
zusehen seyn  dürfte. 

Dieser  PL  Cardina,  oder,  wie  wir  ihn  auf  Schwedisch 
nennen  könnten,  Smä-Hvar  (Klein -Butt),  ist  von  allen  bis 
jetzt  bekannten  Schollenarten  die  kleinste.  Duhamel  spricht 
zwar  von  Exemplaren  an  der  französischen  Küste,  welche 
9  Zoll  lang  gewesen  seien;  aber  das  gröfste,  welches  ich  an- 
getroffen habe,  mafs  nur  5  Zoll,  und  die  englischen  haben  5^ 
gemessen.  Da  sowohl  eine  Abbildung,  als  eine  Beschreibung 
dieser  Art  bald  in  dem  iconographischen  Werke,  welches  ich 
mit  C.  U.  Ekström  und  W.  v.  Wright  gemeinschaftlich 
herausgebe,  erscheinen  werden,  so  will  ich  mich  hier  auf  eine 
Aufstellung  der  Diagnosen  und  der  Synonymie  der  beiden 
verwandten  Arten  beschränken. 

Plenronecfes  hirtus  Abildg.  — Rhombus  corpore  su- 
pra  squamis  ciliatis,  subtus  laevibus;  pinnis  ventralibus 
analique  coalitis;  radiis  pinnae  dorsalis  anticis  nee  discretis, 
nee  longioribus. 

Synon.:  Pennant,  Brit.  Zool.,  Vol.  III,  Tab.  41,  N.  106, 
(errore  sub  nom.  „Sinear-Dah.'') 

Grosse  File  ou  Targeur,  Duhamel,  Trait.  d.  P.,  Vol.  III, 
Sect.  IX,  Tab.V,  Fig.  4. 

PL  punclatus,  Bloch,  Naturgesch.  d.  ausl.  F.,  Tab.  189, 
Th.  III,  p.  31  (excius.  synon.) 

—  hirlns  Abildg..  Zool.  dan.  Tab.  103,  Vol.  III,  p.  36. 

—  —     Retz.  Fn  sv.  p.  333,  Nr.  65. 

Le  Targeur  Cuv.  Regne  An.,  II,  p.  341  (sed  minime  ci- 
tat.  „Kitt  des  Anglais'"  quod  ad  PL  microccphahnn 
pertinet.) 

PL  hirtus,  Nilss.,  Prodr.  Ichth.  sc,  p.  59. 

^eugopterus  hirtus  Gottsche  1.  supra  cit.  p.  178. 

PL  hirtus  Jenylis,  Man.,  p.  463;  Yarrell,  Brit.  Fi- 
sbes,  II,  p.  243. 

Pleuronectes  cardina  Cuv.  —  R h o m b u s  corpore  oval i, 
supra  subtusque  squamis  ciliatis;  pinnis  ventralibus  discre- 


35 

tis;    radiis    pinnae    dorsalis     anticis    sequentibiis    longioribus, 
apice  discretis,  siuiplicibus. 
Synon:  La  petltc  LwicmdeUe  Dufiam.,  Trait.  d.  peches, 
III,  Sect.  IX,  p.  270,  Tab.  VI,  Fig.  5. 
PL  punctatus  Flem.   Wern.   Mem.   Vol.  II,  p.  241 ;  — 
Philos.  Zool.,  Tab.  III,  Fig.  2;  —  Brit.  Anim.,,  p.  196. 
(Synonym.  Blochü,  Uauiner  exclusis). 

—  Cardina  Ciiv.,  Le  Regne  Anim.,  II,  p.  341. 

—  punctatus  Jenyns,   Man.,   p.  462;    Yarrell,    Brit. 
Fishes,  II,  p.  247. 


Ueber  die  Lebenskraft  der  Eiugeweidewürmer 


von 


Dr.    C.   Ed.  M  i  r  a  m. 

Docenten  der  Zoologie   und  vergl.  Anatomie  mid  Prosector  an  der 
Kaiserl.  Medicinisch-  Chir.  Academie  zu  Wilna. 


Von  den  kaltbliitigen  Wirbelthieren  und  namentlich  von 
den  Amphibie]!  ist  es  bekannt,  dafs  sie  Jahre  lang  in  einem, 
dem  Tode  ähnlichen  Zustande  zubringen  können;  Kröten,  in 
Granitblöcken  eingeschlossen,  wo  sie  weder  Luft  noch  Nah- 
rung erhielten,  lagen  erstarrt  eine  unendliche  Zeit,  lebten  aber, 
sobald  sie  der  Luft  ausgesetzt  wurden,  wieder  auf.  Man  könnte 
diesen  todartigen  Zustand  eine  Erstarrung,  gleichsam  einen 
verlängerten  \VinterschIaf  nennen,  denn  das  Leben  ist  nicht 
gänzlich  dem  Körper  gewichen  und  dieser  ist  auch  unverändert 
geblieben  oder  höchstens  nur  etwas  zusammengefallen. 

Die  wirbellosen  Thiere  scheinen,  hinsichtlich  der  Lebens- 
kraft, auf  einer  viel  höhern  Stufe  zu  stehen;  werden  sie  der 
zum  Leben  nöthigen  Bedürfnisse,  namentlich  des  Wassers,  be- 
raubt, so  schrumpfen  sie  gänzlich  zusammen  und  trocknen 
vollkommen  aus,  lassen  sich  aber  doch,  wenn  sie  nach  länge- 
rer oder  kürzerer  Zeit  günstigen  Einflüssen  ausgesetzt  werden, 
wieder  in's  Leben  bringen    —  Wem  sind  nicht  die  merkwür- 

•  3* 


36 

<ligen  Versiulie  Spalaiizani's  über  diesen  Gegenstand  be- 
kannt? Durch  ihn  wissen  wir,  dafs  Furadaria  redlviva,  eine 
Art  Vibrio  und  endlich  der  in  neuern  Zeiten  vielfältig  be- 
sprochene, zu  den  Crustaceen  gehörige,  Macrohiotus  Uufelan- 
dii,*)  nachdem  sie  gänzlich  ausgetrocknet  Jahre  lang  zubrach- 
ten, durch  einen  Tropfen  Wasser  wieder  in's  Leben  gerufen 
werden  können;  eine  geringe  Anfeuchtung  ist  hinreichend  um 
ihnen  das  Daseyn  wiederzugeben. 

Auch  einige  Eingeweidewürmer  zeichnen  sich  durch  ein 
solches  eigenthiimlich  zähes  Leben  aus.  So  führt  Rudol- 
phi**)  ein  merkwürdiges  Beispiel  von  der  Ascaris  spcadf- 
gera  an.  Er  bekam  vom  Naturforscher  Peterson  aus  Kiel 
drei  Seeraben  {Fclecanus  Carho'),  die  daselbst  am  dritten 
Mai  geschossen  und  gleich  in  Weingeist  gelegt  nach  Berlin 
geschickt  wurden.  Am  vierzehnten  Mai,  also  nach  eilf  Tagen, 
öffnete  Rudolphi  die  Speiseröhre  und  den  Magen  eines  von 
diesen,  stark  von  Weingeist  durchdrungenen  Vögeln,  und  fand 
hier  einige  Exemplare  des  angegebenen  Wurmes,  die  aber 
von  eben  dieser  Behandlung  getödtet  und  schon  bereits  vom 
Spiritus  hart  und  spröde  gew^orden  waren.  Um  sie  nun  auf- 
zuweichen und  ihnen  die  natürliche  Form  wiederzugeben  legte 
er  sie  in  warmes  Wasser  und  siehe  da,  sie  fingen  sich  an  zu 
rühren  und  lebten  wieder  vollkommen  auf. 

Zu  dieser  interessanten  Erfahrung  kann  ich  nun  noch  die 
merkwürdige  Beobachtung  einer  Wiederbelebung  von  Ascaris 
acus  Blochii  hinzufügen,  die  ich  Gelegenheit  hatte  im  April 
Monate  dieses  Jahres  zu  machen  und  die  gewifs  eben  so  be- 
merkenswerth  ist,  wie  der  von  Rudolphi   erzählte  Fall. 

Ich  bekam  die  Eingeweide  eines  sehr  grofsen  Hechtes, 
der  für   das   hiesige  zoologische  Museum   ausgestopft   werden 


*)  Dieser  mikroskopische  Krebs  ist  nicht,  wie  Schul  tze  angiebt, 
(Macrohiotus  Hufelandii,  animal  e  crustaceorum  classe  novum,  revi- 
visccndi  post  tUuturnam  asphyxiam  et  ariditatem  potcns,  Christ.  Guil. 
Hufelandio  sarra  semisaecularia  etc.  celebraiiti  dcdicatus  et  descri- 
ptiis  a  Aug.  Sigismundo  Schultze.  c.  tab.  lithogr.  Berolini.  1834)  ein 
neues  Thicr,  sondern  Spalanzani's  Tardigrade,  Müllers  Acarus  ursel- 
lus,  Srhrank's  Arctiscon  tardigradum  und  Ehrenbergs  Trionichium 
ursinum.  (Vgl.  dieses  Arch.  1835.  I.  S.  379  u.  Anm.  Herausgeber.) 
'♦)  Entozoorun»  Synopsis.    Berolini  1819.  pag.  290. 


37 

sollte,  ui\d  fand  eine  aiif^^erorcleiitliche  Menge  von  Ascaris 
actis,  theils  zwischen  den  Eingeweiden,  tlieils  auch  auf  dem 
Uando  des  Tellers,  und  da  sie  ohne  alle  Flüfsigkeit  auf  diesen 
oethan  waren,  so  waren  viele,  die  nicht  von  der  Feuchtigkeit 
,1er  Eingeweide  berührt  wurden,  schon  gänzlich  vertrocknet 
x\\\i\  todt;  mehrere  aber  waren  so  fest  an  den  Teller  ange- 
trocknet, dafs  man  sie  nicht,  ohne  sie  zu  zerstören,  von  die- 
sem entfernen  konnte.  Um  nun  so  viel  brauchbare  Exemplare 
dieses  Wurmes  wie  möglich  zu  erhalten,  füllte  ich  das  Ge- 
fiifs  mit  kaltem  Wasser  an  und  suchte  nun  die  lebenden  Indi- 
viduen heraus,  wunderte  mich  aber  so  sehr  viele  lebende 
AViirmer  zu  finden.  Endlich  hatte  ich  alle  Ascariden,  die 
sich  nur  bewegten,  eingesammelt,  legte  daher  die  Eingeweide 
in  ein  anderes  Geschirr  und  liefs  den  Teller  mit  dem  Wasser 
stehen,  kam  aber  zufällig  nach  einigen  Minuten  abermals  au 
den  Tisch,  auf  dem  jener  stand,  und  erstaunte  nicht  wenig  als 
ich  wiederum  das  Wasser  von  vielen  muntern  Wiirmchen  he- 
v/egt  sah;  ich  beobachtete  genau  die  todten  und  angetrockne- 
ten Entozoen  und  überzeugte  mich,  dafs  wirklich  diese,  sobald 
sie  die  Feuchtigkeit  aufgesogen  und  so  ihr  früheres  Volumen 
erreicht  hatten,  mit  grofser  Leichtigkeit  sich  in  der  Flüfsigkeit 
umherbewegten,  ja  ich  sah  sogar,  dafs  einige  Würmer,  die  nicht 
gänzlich  vom  Wasser  berührt  wurden,  nur  in  dem  Theile  Le- 
ben zeigten,  der  dieses  aufgenommen  hatte.  So  bewegten  ei- 
nige den  vordem  Theil  des  Körpers,  während  der  hintere 
vertrocknet  am  Teller  klebte,  andere  wiederum  bewegten  das 
hintere  Ende  des  Körpers  und  safsen  mit  deni  vordem,  zu- 
sammengeschrumpften, am  Teller  fest. 
.  20.  September   .^,.^. 

Wiina  den  -^T  oc^be-rr  ^^^^' 


CyliTidrella,    nov.    geniis. 

Nebst  Bemerkungen  über  die  übrigen  Gattungen  der  Heliceen; 


von 
Dr.  L.  Pfeiffer  in  Kassel. 


JL)ie  schwierigste  Frage  über  die  G ranzen   der  Gattungen  un- 
ter  den  Landschnecken  ist  in  neuerer   Zeit   vielfach   und   mit 
höchst    verschiedenen   Resultaten  verhandelt    worden.      Wenn 
auf  der  einen   Seite  Ferussac  viel  zu  weit  ging,   indem  er 
fast    alle    luftathmenden  Mollusken    mit   4  Fühlern   in    seiner 
<3attung  Ilclix  zusammenfafste,  so   sind   auf  der  andern  Seite 
die  Versuche  einer  Zerlegung  jener  grofsen  Gruppe  in  einzelne 
Genera  auch   noch   nicht  befriedigend   ausgefallen.     Eine  gute 
Basis  bilden  jedenfalls  die  Draparnaud'schen  Genera,  auf  welche 
ich     auch    mit    geringer    Abweichung    wieder    zurückkommen 
möchte.    Lamarck  legte  offenbar  zu  viel  Gewicht  auf  einzelne 
Beschaffenheiten   des   Gehäuses,   weil  ihm   nicht    Arten    genug 
bekannt  waren,  wo  sich  die  Uebergänge   der  Formen  deutlich 
nachweisen  lassen.     Dies   gilt  hauptsächlich  von   der   Gattung 
Achai'ina,  die  noth wendig,  insofern  ihr  Charakter  nur  auf  der 
trnukirten  Columelle   beruhte,    wieder  mit  Bidimus  vereinigt 
werden  njufs,    da   die   Thiere   sowohl   nach   den   äufseren,    als 
nach    anatomischen    Merkmalen    ganz     gleich    sind,    und    sich 
von   der   kurz   abgestutzten   Spindel   der  Achat,   virginca  bis 
zu    der   schönen    runden    Mündung    des    Bul.    haemastomiis 
alle   Zwischenformen  verfolgen   lassen.  —  Ausgeschlossen  von 
dieser    Vereinigung    bleiben     aber    die    Arten,    welche    Mon- 
lort  in  ^('iii(>r  (iatt(nig  Polypheini/s  zusamuionfaf'^te,  da  diese 
sowohl  dtiirl,  die  cigenthümliche  Form  der  Columelle,  als  in- 
sonderheit   i\urd\    dcu  zweilappigen   llüssel    des   Thicrcs    sich 
unterscheiden. 


39 

Ich  folge  daher  im  Ganzen  der  uohl  ausgeführten  An- 
sicht von  Deshayes,  welcher  die  Lamarckschen  Gattungen 
Jichafina  und  Hiiluniis  wieder  vereinigt  wissen  will,  und 
durch  anatomische  Gründe  nachweist,  (Lau>.  VIII,  p.  14.)  dafs 
sie  nicht  mit  Helix  zusammenfallen  können;  was  aber  die 
von  demselben  scharfsinnigen  Forscher  ausgesprocliene  Mei- 
nung betrifft,  dafs  ebensowohl  Claus'dia  und  Fupa  zu  verei- 
nigen seyen,  so  kann  ich  mich  mit  dieser  durchaus  nicht  ein- 
verstanden erklären.  Ich  sehe  vielmehr  gar  keinen  Grund, 
das  Draparnaud'sche  Genus Pitpa  \oi\  Bulimus  zu  trennen. 
Bei  den  europäischen  Arten,  welche  Draparnaud  beschrieb, 
zeigten  sich  allerdings  einige  konstante  Kennzeichen,  welche 
diese  Trennung  zu  rechtfertigen  schienen,  aber  wie  viele  Ar- 
ten haben  wir  seitdem  kennen  gelernt,  welche  die  frühe- 
ren Gattungscharaktere  als  unzureichend  kennen  gelehrt  ha- 
ben, und  daher  bald  zu  der  einen,  bald  zii  der  andern  von 
diesen  Gattungen  gerechnet  worden  sind.  In  der  That  weifs 
ich  jetzt  kein  einziges  Unterscheidungsmerkmal  zwischen  bei- 
den. Die  Thiere  sind  sich  völlig  gleich,  die  Form  ist  bei 
beiden  mehr  oder  weniger  zylinder-  oder  eiförmig  und  der 
Mundsaum  unzusammenhängend.  Was  bleibt  also  übrig?  Die 
Form  der  Mündung?  Oder  die  Falten  und  Zähne  derselben? 
Die  Gestalt  der  Columelle?  Für  alle  diese  Kennzeichen  liefert 
das  F  e  r u s s  a  c'sche  Genus  Partula  oder  S  w a i  n s  o  n s  Acha- 
ünella  die  deutlichsten  üebergangsformen.  Sollen  die  Zähne 
und  Falten  der  Mündung  dc\s  Hauptkennzeichen  seyn,  wie 
z.  B.  Menke  anzunehmen  scheint,  da  er  den  altbekannten  Bu- 
limus Pupa  zu  den  Pupen  herüberzieht?  Aber  wie  viele  ge- 
zähnte Arten  zählen  wir  jetzt,  der  Analogie  mit  Helix  fol- 
gend, ohne  Bedenken  zu  Bulimus,  während  wir  z.B.  Fupa 
ohtusa  nicht  dahin  rechneten.  Bei  der  ungemein  schwierigen 
Gruppe  der  grofsen  aufsereuropäischen  Pupen  sind  i\\Q  Zähne 
der  Mündung  und  die  Falte  der  Spindel  ein  sehr  unzuverläs- 
siges Zeichen:  bald  sind  sie  vorhanden,  bald  fehlen  sie;  Fupa 
sulcata  ist  ganz  zahnlos.  Dagegen  ist  die  grofse  Verwandt- 
schaft  dieser    Gruppe   mit   dem  Bulimus   lahiosus^)   Br.  un- 


*")  Desh.  Nr.  130.    Diese  ausgezeichnete  Art,  die  von  Deshayes 
nur  nach  Müll  er 's  trefflicher  Beschreibmig  aufgenommen  ist,  bo- 


40 

verkennhar,  und  dieser  kann  wieder  ebensowenig  von  BuU- 
mus  faha  Besh.  {Partula  australis  Fer.)  getrennt  werden, 
als  letzterer  von  Bul  aegotis  Mite  QAuricula  Sileni  Lajn.)j 
Bulimus  citrinus  und  den  übrigen  ächten  Bulimusarten  (nach 
Draparnaud's  Begriff!).  Ueberhaupt  liegt  der  sicherste  Be- 
weis, dafs  eine  Gattung  falsch  aufgestellt  sey,  darin,  wenn 
mehrere  Arten  derselben  aus  einer  in  die  andere  herumge- 
worfen worden,  oder  wenn  man  sich  überhaupt  nicht  zu  ent- 
scheiden weifs,  zu  welcher  man  eine  vorliegende  Art  zäh- 
len soll.  — 

Aus  allen  diesen  Gründen  glaube  ich  die  Gattung  Viipa 
Dr.  ganz  verwerfen  und  die  Arten  derselben  bei  Bulimus  ein- 
ordnen zu  müssen.  Dagegen  bleibt  mir  die  Gattung  Clausi- 
Ua  nach  ihrer  alten  Draparnaud'schen  Charakteristik  unan- 
tastbar stehen.  Wäre  auch  gar  kein  anderes  Unterscheidungs- 
zeichen vorJianden,  so  würde  das  Clausilium,  ein  offenbar  dem 
Opercidum  vieler  Molluskengattungen  analoger  Theil,  allein 
zur  Begründung  des  Genus  hinreichen,  und  wenn  wir  dieses 
mit  Draparnaud's  kurzen  Worten  so  definiren:  „Testa  fu- 
si/onnis;  peristoma  continuum  ohiongum;  clausilium/''  — 
so  haben  wir  ein  scharf  abgeschlossenes  Ganze.  Ausgeschlos- 
sen mufs  dann  freilich  werden  ein  Theil  der  nach  Drapar- 
iiaud  dieser  Gattung  zugezählten  Arten  (denen  zu  Gefallen 
Lamark  (ed.  Desh.  VIII.  p.  295.)  sagt;  ce  nom  fut  d'abord 
significatif!),  nämlich  1)  alle,  welche  keinen  zusammenhängen- 
den Mundsaum,  und  2)  diejenigen,  welche  zwar  einen  kreis- 
förmigen zusammenhängenden  Mundsaum,  aber  kein  Clausi- 
lium haben.  Von  den  ersteren  mache  ich  nur  namhaft  die 
Clausil  exesa  Spix  (Desh.  Nr.  39.)  und  Turton's  Baha 
fragilis,  die  zwar  von  Draparnaud,  Nilsson  und  |La- 
marck  als  Fupa,  aber  von  Studer,  C.  Pfeiffer  (Bd.  III.) 
und  Menke  als  ClausiUa  angeführt  wird.  Beide  müssen  mit 
der  (Gattung  Bupa  in  die  Reihe  der  Bulimusarten  treten. 
Zur  zweiten  Rubrik  gehören  Lamarck's  und  Deshayes 
Arten  Nr  2,  (J,  4()^  41^  42,  43.     Da  aber   alle  diese  wegen 

sitzo  irh.  Sio  ist  bei  Chemnitz  (IX.  12:M.)  vollkommert  treu  abee- 
bildet,  aber  die  fragweise  citirte  Abbildung  bei  Gualtieri  (T.  4.  K.) 
gehört  par  nicht  hierher,  sondern  zu  der  Art,  welche  Blainville 
(MalacoJ.  t.  39.  f.  5.  a)  als  Papa  Mimia  abbildet. 


41 

dos  regelmäfsig  geschlossenen  Mundsaumes  zu  keiner  der  übri- 
gen Gattungen  aus  der  Familie  der  Heliceen  gezählt,  wegen 
der  Beschaffenheit  des  Thieres  aber  noch  viel  weniger  an- 
derswo untergebracht  werden  können,  so  halte  ich  dafür,  dafs 
sie  ein  gutes  Genus  für  sich  bilden,  und  schlage  für  dieses 
den  Namen  Cylindrella  vor,  ein  Name,  welcher  auf  die  Form 
aller  bekannten  Arten  zunächst  hindeutet,  modificirt  durch  die 
bei  den  Molluskengattungen  schon  gebräuchliche  Endigung. 

Die  Charakteristik  dieser  neuen  Gattung  würdet  fol- 
gende seyn; 

Cylindrella  L.  Pfr.  —  Animal  helidfonne.  —  Te- 
sta  suhcylindr^acea ,  imperforata,  multispirata,  saepe  triin- 
cata.  Teristoma  continuum  suborhiculare.  Operculum  vel 
clausilium  nidlum. 

Alle  bisher  bekannten  Arten  sind  auf  den  westindischen 
Inseln  heimisch,  und  ich  selbst  habe  auf  Cuba  vier  deutlich 
verschiedene  Arten  aufgefunden,  wovon  zwei  schon  von  Fe- 
russac  beschrieben  und  abgebildet  sind  (IJelix  Cochlodina 
perplicata  und  subulci),  die  beiden  anderen  neu  seyn  dürften. 
Die  letzteren  sind  von  mir  in  diesem  Archiv  (Jahr.  V.  I.  S.353.) 
initer  dem  Namen  Clausula  elegans  und  crispula  vorläufig  be- 
schrieben worden.  —  Auffallend  erscheint  es,  dafs  alle  mir  be- 
kannten cubanischen  Cyclostomen,  immer  trunkirt  sind,  d.  h.  die 
Spitze  in  einem  gewissen  Alter  abwerfen  und  die  offene  Stelle 
wieder  verschliefsen.  Fast  alle  bekannten  Arten  sind  rechts- 
gewunden, und  man  wäre  wohl  berechtigt,  dies  als  Gattungs- 
kennzeichen mitaufzunehmen,  wenn  nicht  Chemnitz's  Tiirho 
elongatus  von  Jamaika  {ClausiUa  Chemjiitziana  Desh.^  nach 
der  Abbildung  (Chemn.  IX,  f.  956)  und  klaren  Beschreibung 
linksgewunden  wäre.  Uebrigens  steht  diese  Art  meiner  Cyl. 
elegans  im  ganzen  Ilahiiiis  so  nahe,  dafs  man  wohl  mit  Be- 
stimmtheit annehmen  kann,  sie  habe  ebenfalls  kein  Clausilium, 
und  gehöre  zu  der  neuen  Gattung,  deren  bis  jetzt  bekannte 
Arten  demnach  folgende  sind: 

1.  Cylindrella  gracilicollis  (Clnusilia  truncatula  Lam,2.) 

2.  —  collaris  (^Claus.  collaris  Lam.  9.) 

3.  —  antiper  versa  (  Claus,  antiperversa  Desh.  40.) 

4.  —  suhula  (Claus,  suhula  Desh.  41.) 

5.  —  perplicata  {Claus,  perplicata  Desh.  42.) 


42 

6.  Cylindrella  Chcmnitziaua    (Claus.    Chemnitziana 

Desh.  43.) 

7.  —        elcgans  Pfi\\  Claus  lila  L.  Pfeiffer  in 

8.  —         ciispula  P/r.j  Wgm.  Ar.  J.  V.  B.  1.  p.  353. 

9.  —     P  torllcollls  {Clausula  tortlcollis  Lam.  1.) 
Die  fünf  ersten  von   diesen   Arten   sind   von  Ferussac 

auf  der  lG3sten  Tafel  abgebildet,  und  werden  von  ihm  zu  der 
Untergattung  Cochlodlna  gerechnet.  Rofsmäfsler  nennt  sie 
(Iconographie  II.  2.  S.  13.)  „langhalsige  Pupae,"  woliin  auch 
Sowerby  (Genera  of  shells)  einige  hierher  gehörige  Arten 
zäldt.  —  Ob  Clausllla  tortlcollis  Lam.  von  Candia  zu  Cy- 
lindrella zu  zählen  sey,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  da 
mir  die  Art  unbekannt,  die  Abbildung  jetzt  nicht  zugänglich 
und  die  Beschreibung  zu  mangelhaft,  namentlich  in  Hinsicht 
der  IMundöffnung,  ist.     Doch  spricht  Vieles  dafür.  — 

Nach  dem  bisher  Gesagten  scheint  es  mir  zweckmäfsig, 
die  Familie  der  Ileliceen  in  folgende.  Gattungen  einzutheileni 

1.  Vltrlna 

2.  Hellcophajita 

3.  Succlnea 

4.  Ilellx  (mit  Carocolla  und  Anostoma  Lam.) 

5.  Bulimus  (mit  Achailna  Lim.,  Pupa  Dr.-,  Fartula 

Fer.  und  Megasplra  Lea). 

6.  Vertis:o 

7.  Cylindrella 

8.  Clausllla 

i).  Polyphemus  Montf. 

Der  Charakter,  welchen  alle  mit  den  Limaceen  gemein 
hallen,  und  wodurch  sie  sich  von  den  folgenden  Ordnungen 
unterscheiden,  sind  die  retraktilen,  an  der  Spitze  mit  Augen 
versehenen  Fühler,  und  die  einzelnen  Gattungen  scheinen  mir 
mir  auf  diese  Weise  nach  richtigen  Princij)ien  hinreichend  be- 
gründest werden  zu  können.  Vielleicht  müssen  indessen  nach 
dor  IJeschaffonheit  des  Thieres  noch  einige  Veränderungen 
Statt  finden,  wie  mich  hauptsächlich  die  Beobachtung  lebender 
Exemplare  von  Bulimus  haemaslomus  vermulhen  läfst. 


Fortpflanzung    der    Ringeltanbe    in   der 
Gefangenschaft, 

mitgetheilt  von 

StaiL  Konst.  v.  Siemuszowa-Pietruski. 


VV  enn  man  die  Sitten  und  Lebensweise  der  Ringeltauben 
aufmerksam  betrachtet,  so  scheint  es  eine  rein  unmögliche 
Sache  zu  sein,  diese  von  Natur  so  scheuen  und  wilden  Vö- 
gel bis  zur  Fortpflanzung  im  Zimmer  zu  bringen.  Die  mei- 
sten Ornithologen  haben  es  als  unausführbar  erklärt,  und  die- 
jenigen Taubenliebhaber,  welche  über  diesen  Gegenstand  Er- 
fahrungen machten,  wurden  fast  immer  am  Ende  entmuthigt 
und  konnten  die  Sache  nie  bis  zum  erwünschten  Ziele  bringen. 

In  der  Encyclopedie  methodique  des  sciences  et  des  Arts 
Sect.  Ornithologie  liest  man  bei  der  Naturgeschichte  der 
Ringeltaube  mit  Vergnügen  die  darüber  gemachten,  aber  leider 
fruchtlosen  Versuche. 

Im  Cabinet  des  Thierreichs  von  Prideaux-Selby,  deutsch 
bearbeitet  von  Hrn.  Friedrich  Treitschke,  wird  zwar  ein 
Fall  erzählt,  in  welchem  man  es  in  England  mit  der  Zähmung 
der  Ringeltauben  so  weit  gebracht  habe,  dafs  ein  Paar  dersel- 
ben in  einem,  Gebüsch  eines  Vogelhauses  der  zoologischen 
Gesellschaft  im  Jahre  1834  ein  Nest  baute  und  auf  2  Eiern 
brütete;  doch  kamen  die  Jungen  nicht  aus,  obwohl  diese  Tau- 
ben in  einem  halbwilden  Zustande  erzogen  waren,  indem  sie 
frische  Luft  und  Gesträuche  hatten. 

Die  Herausgeber  der  vortrefflichen  Monographie  des  Pi- 
geons,  Boitard  und  Corbie,  haben  diesen  schönen  Tauben 
ihrer  \Yildheit  und  Unbändigkeit  wegen,  nicht  einmal  ein  Plätz- 
chen in  ihrem  Werkte  einräumen  wollen,  obgleich  sie  bei  der 


44        . 

Abstaiuiiiung  der  Tauben  zu  beweisen  suclien ,  dals  die  an 
Farbe  und  Gestalt  so  niannichfaltigen  und  von  einander  so 
verscliiedeneu  Haustauben rassen  aus  der  Mischung  der  Felsen- 
Holz -Ringel-  und  Turteltaube  entstanden  sind. 

Ohne  mich  in  Hypothesen  über  die  Abstammung  der  Haus- 
tauben,   diesen   so   vielmals    besprochenen,    doch    immer   sehr 
zweifelhaften  Punkt,  einzulassen,  theile  ich  meine  lieobachtun- 
gen    über  das  Brüten    der   Ringeltaube   in   der  Gefangenschaft 
mit,  und  hoffe  dafs  sie   sowohl  den  eigentlichen  Ornithologen, 
als  den  Taubenliebhaber  interressiren  werden.    Ich  besitze  ge- 
genwärtig 4  Ringeltauben,  worunter  sich  ein  sehr  schönes,  bey 
mir  erzogenes  Miinnchen   befindet.      Im   Winter  halte  ich  sie 
mit  meinen  andern  Haustauben  in   einem   Vorzimmer  meiner 
Wohnung,  welches,   da  es   von  draufsen  nur  eine  Gitterwand 
hat,  allen   Veränderungen  der  Luft  ausgesetzt   ist.      Sie  leben 
hier  mit  andern  Tauben  sehr  friedlich  und  befinden  sich  wohl, 
obgleich  manchmal  im    Taubenschlage  eine  Kälte  von  20  Gra- 
den herrscht.     Im  Februar  des   ersten   Jahres  (1835)  merkte 
ich,  dafs  mein  Tauber  von  der  hochköpfigen  Gattung  (^Columba 
palmnhiis  Brelnri)  mit  einem  anhaltenden  kläglichen  Rucksen 
sein  Weibchen   zum   Nisten  lockte.     Dieses   blieb   nicht  lange 
gefühllos.      Es    erfolgten   dann   die   zärtlichsten    Liebkosungen 
luid  endlich   das  Nisten  selbst,   welches  recht  emsig  von  stat- 
ten ging',    doch  weiter   konnte   ich   sie  dieses  Jahr  nicht  brin- 
gen, entweder  weil  sie  noch  zu  jung  waren  oder  weil  sie  un- 
ter andern  Tauben  keine  genügende  Ruhe  geniefsen   konnten; 
kurz  zum  Eierlegen  kam  es  in  diesem  Jahre  nicht.    Ich  besafs 
auch   damals  ein  paar    plattköpfiger    Ringeltauben   (CoZ.    i07'- 
fjuata  Brehm.).      Da   diese   aber  gestutzte   Flügel  hatten,  so 
zeigten  sie  auch  keine  Begierde  zum  Nisten. 

Im  März  des  folgenden  Jahres  1836  liefs  ich  meinen  hoch- 
köi)figen  Tauber  mit  einer  plattköpfigen  Taube  (das  hoch- 
köplige  Weibchen  ist  mir  im  Winter  zu  Grunde  gegangen) 
in  ein  kleines  ganz  abgesondertes  Zimmer  hiiu/ui.  Hier  paar- 
ten sie  sicli  sogleich  und  nisteten  in  einem  zu  diesem  Zwecke 
liir  sie  bestinunton  Kasten.  Am  20.  März  sah  ich  die  erste 
Bogaltung,  welche  von  nun  an  täglich  in  den  Nachmittagsstun- 
iU'ii  wi.'d.Tholt  wurde.  Der  Tauber  ruckste  zu  «lieser  Zeit 
Tag  und  Nacht  so  flinlsig  und  mit  einer  so  angenehmen  Stimme, 


45 

iiafs  man  ilim  nie  genug  zuhören   konnte.     Am   2.  April  legte 
die  Taube  um  5  Uhr  Nachmittags    das  erste  Ei,  und  am  3teii 
Tage  darauf  das  zweite.     Jetzt  kam  aber  wieder  eine  Schwie- 
rigkeit, die  ich  nicht  voraussetzen  konnte.      Brüten  wollte  sie 
auf  keinen  Fall.    Ich  nahm   daher  die  frisch  gelegten  Eier  weg 
und  legte  sie  einer  Kropftaube  zum  Bebrüten  unter.    Aml7ten 
Tage  kamen   auch  die  Jungen  wirklich  aus,    ihre  Pflegemutter 
bedeckte   und   fütterte   sie   aufs  sorgfältigste,   allein  ungeachtet 
aller  Pflege  starben  alle  den  4ten  Tag  nach  ihrer  Geburt.    Als 
ich  die  Kröpfe  dieser  Jungen  untersuchte,    fand  ich  sie  reich- 
lich mit  Nahrung  versorgt.     Aus  Hunger   starben  sie  also  ge- 
wifs  nicht,  wohl  aber  aus  Mangel   an  zweckmäfsiger  Nahrung. 
Dieses  führte  mich  auf  den  Gedanken,    dafs  vielleicht  die  sal- 
zige breyartige  Substanz   womit   die  Ringeltauben  ihre  Jungen 
füttern,  anders  beschaffen  ist  als  die  unsrer  Haustauben.    Diese 
Muthmafsung   zeigte    sich    in    der  Folge    nur    allzugegründet. 
In  18  Tagen  nach  dem  ersten  Eierlegen  legte  die  Ringeltaube 
wiederum   2  Eier  und  verliefs  sie-  abermals,  nachdem  sie  5  Tage 
auf  denselben  gesessen.     Ich   legte   sie  einer  Pfauentaube  un- 
ter.    Es  kam  nur  ein  Junges  aus  und  dieses  lebte  nur  4  Tage. 
Nach  dem  Tode  wurde  der  Kropf  wie  früher  untersucht,  und 
ich  fand  darin  die  käseartige  salzige  Substanz  gänzlich  in  Fäul- 
nifs  gerathen,  ein  sicherer  Beweis,   dafs  es  dieselbe  nicht  ver- 
dauen konnte.      Jetzt   war   ich   von   der   Wirklichkeit  meiner 
Muthmafsung  vollkommen  überzeugt.    Das  3te  Mal  legte  noch 
die   Taube   Eier,   allein   diese   waren   unbefruchtet.     Während 
dieses  geschah,  machte   ich  an   dem  übrig   gebliebenen  Ringel- 
tauber eine  weit  interessantere  Erfahrung.    Dieser  blieb,  nach- 
dem ich  sein  Weibchen  dem  hochköpfigen  gab,   unter  andern 
Haustauben    allein    im    Schlage.       Im    May    desselben    Jahres 
merkte  ich,    dafs   dieser  Tauber   zu   einer  aschgrauen   Kropf- 
taube  viele   Neigung  zeigte.      Als   ich   dieses   gewahr  wurde, 
nahm  ich  beide  Vögel   aus   dem   Schlage  heraus,   und   steckte 
sie   in   einen   geräumigen    Behälter.      Hier    nisteten    sie    nach 
Wunsche.      Die    Begattung   ging    auch    wirklich    von    Statten. 
Das  Weibchen  legte  auch  Eier,  allein  diese  waren  unbefruch- 
tet.    Mit  Annäherung   des   Herbstes  endigten  sich  auch  meine 
Erfahrungen,  welche  obgleich   ohne  erwünschten  Erfolg,   doch 
immer  interessant  genug  für  mich  ausfielen,  um  mich  zur  Aus- 


46 

(lauer  zu  ermuntern.     Ich  steckte  meine  Tauben   in  den  Tau- 
benschlag mit  dem  festen  Vorsatze,  meine  Beobachtungen  aufs 
künftige  Jahr  weiter  fortzusetzen.    Endlich  kam  der  erwünschte 
Frühling.     Das  Ringeltaubenpaar  wurde  wie  gewöhnlich  in  das 
für  sie  bestimmte  Zimmer,    und   der  Ringeltauber   mit  seiner 
Kropftaube   in   den   Käfig   gesetzt.     Beide   Paare  nisteten  und 
le"-ten  Eier.     Die  Ringeltaube   bebrütete   aber  diefsmal   die  ih- 
rigcn  fleifsig.     Es   kam    ein  Junges  aus,    welches   zu   meiner 
gröfsten  Freude  von  beiden  Eltern  grofsgefüttert  wurde.    Was, 
die  Kropftaube  anbelangt,  so  legte  sie  zwar  viele  Eier,  leider 
kam  kein  einziges  Junges  aus.  —  Bei  dieser  Gelegenheit  bitte 
ich  die  Herrn  Naturforscher  und  Taubenliebhaber  auch  ihrer- 
seits Erfahrungen  über  das  Brüten  der  Ringeltaube  in  der  Ge- 
fangenschaft zu  machen,    freilich  erfordert   es  viel  Mühe  und 
Geduld,  doch  wird  man  am  Ende  belohnt.    Ich  bin  wenigstens 
überzeugt,   dafs   sich    diese   schöne  und  grofse  Taubengattung 
bei  gehöriger  Behandlung    so   wie    die    Haustaube   vermehren 
würde,  und  es  ist  wirklich  der  Mühe  werth.    Ihre  schlanke  Ge- 
stalt, ihre  ansehnliche  Gröfse^   und  ihr  schönes  Gefieder  erhe- 
ben sie  über  viele  Haustaubenrassen,  das  viel  zartere  und  bes- 
sere Fleisch  der  Jungen  giebt  ihnen  sogar  in  diätetischer  und 
ökonomischer  Hinsicht  den  Vorzug. 


Neue    Beiträge 

zur    Erläuterung    und    endliclien    Erledigung    der 
Streitfrage  über  Tur  und  Zubr,  (Urus  und  Bison) 

von  , 

G.  G.  Pusch  in  Warschau. 


jVleiiie  als  Anhang  zur  Paläontologie  von  Polen  edirte  Ab- 
handlung: Zur  Geschichte  der  Auer-Ochsen  hat  in  der 
gelehrten  Welt  einige  Anerkennung  gefunden,  aber  auch  Wi- 
derspruch hervorgerufen,  der  mir  selbst  nur  erwünscht  sein 
kann,  da  nur  auf  solche  Art,  nur  durch  mehrseitige  Kritik  die 
endliche  Ermittelung  der  Wahrheit  gehofft  werden  darf.  Ich 
habe  in  jener  Abhandlung  die  von  Cuvier  ausgegangene, 
später  auch  von  Hrn.  von  Brinken  und  Eichwald  ange- 
nommene und  vertheidigte  Ansicht  in  Uebereinstimmung  mit 
Bojanus  und  Jarocki  zu  wiederlegen  gesucht,  als  hätten  in 
den  Wäldern  von  Litthauen  und  Polen,  selbst  bis  in  die  Mitte 
des  ITten  Jahrhunderts,  zwei  verschiedene  wilde  Stierarten 
neben  einander  gelebt,  der  noch  heute  durch  Regierungsschutz 
vorhandene  Ziibr  oder  Auerochse  und  ein  anderer  jetzt  aus- 
gestorbener, der  nach  der  Meinung  verschiedener  Schriftsteller 
in  Polen  den  Nazwen  Tur  geführt  habe,  die  wilde  Stammart 
unseres  zahmen  Rindviehs  gewesen  sey  und  dessen  fossile  Ue- 
berreste  in  Torf  und  andern  Alluvionen  (j5oä  primigenius 
BoJ.)  noch  gefunden  würden.  Hr.  Prof.  Wiegmann  in  sei- 
nem werthvoUen  Archiv  für  Naturgeschichte  Jahrgang  1837. 
11.  p.  187  war  der  erste,  der  in  seinem  Bericht  über  die  Lei- 
stungen im  Gebiet  der  Zoologie  während  des  Jahres  1836, 
meiner  Abhandlung  gedachte.     Er  sagt; 


48 

„Die  Geschichte  des  Auers  In  Preufsen  hat  Biijack  (In  den 
Preufsisch.  Provinzlalblältern  Bd.  XV,  p.  425)  aus  Urkunden 
und  historischen  Schriften  beleuchtet.  Dabei  wird  auch  die 
Frage,  ob  die  fossilen  Auerochsenschädel  specifisch  verscliie- 
dea  und  ob  der  dem  Hausochsen  ähnh'che  Stier,  dessen  Schä- 
del im  aufgeschwemmten  Lande  und  in  Torfmooren  gefunden 
worden,  zu  historischen  Zeiten  gelebt  habe,  berührt,  ohne 
dal's  sie  zu  bestimmter  Entscheidung  gebracht  wird.  In  ge- 
nauere Untersuchung  dieser  schwierigen  Frage  ist  neuerlich 
Pusch  in  Polens  Paläontologie  mit  grofser  Gründlichkeit  cln- 
geganjzen,  indem  er  zu  erweisen  sucht,  dafs  die  vorhandenen 
Zeugnusse  für  die  Existenz  zweier  wilden  Ochsen-Arten  unzu- 
verlässig seien  und  in  Wahrheit  nur  eine,  der  Auer,  Zvbr  oder 
jyisent  existirt  hat.  Eine  nähere  Beleuchtung  dieser  wichtigen 
Abhandlung  mufs  dem  folgenden  Jahrgange  aufgespart  bleiben." 

Leider  hab  ich  vergeblich  in  diesem  jene  versprochene 
Beleuchtung  gesucht.*)  Dagegen  hat  ein  anderer  angesehe- 
ner Zoolog  Hr.  Akademiker  von  Bär  in  der  Sitzung  der  Kai- 
serlichen Akademie  der  Wissenschaften  zu  St.  Petersburg  am 
4ten  Mai  1838  durch  meine  Arbeit  veranlafst  eine  Abhandlung 
unter  dem  Titel:  Nochmalige  Untersuchung  der  Frage: 
ob  in  Europa  in  historischer  Zeit  zwei  Arten  von 
wilden  Stieren  lebten?  gelesen,  die  im  Bullet,  scientif.  de 
l'Acad.  de  St.  Petersb.  Tom.  IV,  Nr.  8  und  daraus  in  Wieg- 
ln an  ns  Archiv  für  Naturgeschichte.  Jahr.  1839.  1.  Heft.  p.  62 
bis  78  abgedruckt  ist. 

Hr.  V.  Bär  ist  darinnen  als  Gegner  meiner  Ansicht  auf- 
getreten und  ich  mufs  es  ihm  Dank  wissen,  dafs  er  es  gethan 
hat,  weil  er  mich  dadurch  veranlafste,  nochmals  zu  einem  er- 
weiterten, wenn  gleich  Zeit  raubenden  Quellenstudium  zurück- 
zukehren, wodurch  einige  Mängel  und  Lücken  meiner  frühe- 
ren Arbeit  noch  beseitigt  und  ausgefüllt  und  neue  noch  kräf- 
tigere Beweise  für  meine  Ansicht  aufgefunden  worden  sind. 
Wenn  diese  erneuerte  Forschung  mich  abermals  zu  der  Ueber- 
zeugung  geführt  hat,  dafs  Hrn.  v.  Bars  Einwendungen  meine 
frühere  Ansicht  noch  nicht  widerlegt  haben,  so  wird  auch  er 
erlauben,  öffentlich  dieselben  nochmals  beleuchten  zu  dürfen. 

Dazu  mufs  ich  zuerst  hervorheben,  was  Hr.  v.  Bär  haupt- 
sächlich gegen  meine  Ansicht  aufstellt.  E^  scy,  sagt  er,  nicht 
seine  Absicht,  jetzt  in  eine  vollständige  Kritik  meiner  Ab- 
handlung einzugehen,  (was  doch  sehr  wünschenswerth  gewesen 

*)  Ich  wurde  durch  meine  Krankheit  an  der   Ausführung  dieses 
Vorsatzes  gehindert.  Anm.  des  Herausgebers. 


49 

wäre)  sondern  er  behalte  sich  vielmehr  eine  ausführlichere 
Bearbeitung  des  durch  die  Vertheidigung  verschiedener  An- 
sichten bekannt  gewordenen  Materials  vor,  zu  welchem  er  noch 
einige  aufgefundene  Notizen  über  das  allinählige  Schwinden 
der  besprochenen  Tliierarten  in  einigen  Gegenden  werde  hin- 
zufügen können.  —  So  gern  und  vollständig  er  auch  den  in 
meiner  Abhandlung  aufgebotenen  Fleifs  und  Scharfsinn  an- 
erkenne, so  wenig  könne  er  doch  für  das  Resultat  sich  er- 
klären, denn 

1)  sey  die  von  mir  aufgestellte  Klassification  der  Schrift- 
steller, welche  nur  eine  oder  zwei  wilde  Ochsenarten  in  Eu- 
ropa beschrieben,  nicht  gerecht,  denn  alle  diejenigen,  die  nur 
von  einer  Art  sprechen  und  die  ich  für  die  zuverlässigem 
erklärt  habe,  seyen  ja  nur  solche,  die  Mittel-Europa  gar  nicht 
kannten  und  es  sey  nur  ein  negativer  Beweis,  wenn  ein  Schrift- 
steller nur  eine  Art  gekannt  habe ;  umgek  hrt  seyen  alle  die- 
jenigen, die  von  2  Ochsenarten  sprachen  und  die  ich  mit  Aus- 
nahme von  Seneca  und  PI  in  ins  alle  schwache  Gewälirleute 
aus  dem  unwissenden  Mittelalter  nannte,  gerade  solche,  welche 
Polen  und  Litthauen  aus  eigener  Ansicht  gekannt  hätten  und 
ihre  Zahl  sey  gröfser  als  die  der  Gegenparthei,  obgleich  ich 
noch  die  Augenzeugen  Ostrorog  Und  Mucante  nicht  mit 
aufgezählt  hätte. 

2)  hätte  ich  wohl  mit  Unrecht  das  Zeugnifs  des  Baron 
Herbe  rstains  zu  gering  geschätzt  und  ihn  unbilliger  Weise 
zu  den  unsichern  Gewährsmännern  gezählt,  denn  alle  seine 
Nachrichten,  unter  denen  die  über  die  Thierwelt  die  unbedeu- 
tendsten seyen,  trügen  das  Gepräge  eines  sorgsam  prüfenden, 
ruhigen  kritischen  Forschers  und  seine  Zuverlässigkeit  stände 
deshalb  bei  seinen  Zeitgenossen,  wie  bei  den  Historikern  spä- 
terer Zeiten  in  sehr  gutem  Ansehn.  Sollte  aber  Herberstain 
den  Unterschied  von  Tur  und  Bison  mehr  durch  Anderer  als 
durch  eigenes  Urtheil  erkannt  haben,  so  läge  darin  ein  noch 
gröfserer  Beweis,  denn  die  Einwohner  würden  wohl  einen 
bartlosen  Bison  nicht  für  ein  anderes  Thier  angesehen  haben. 
Dabei  wirft  mir  Hr.  v.  Bär  geradezu  vor,  dafs  ich  mich  we- 
nig mit  Herberstain  bekannt  gemacht  haben  müsse. 

3)  Zugestanden,  sagt  Hr.  v.  Bär,  dafs  die  Benennung  Twr 
keinesweges  eine  so  bestimmte  Anwendung   gehabt  habe   (das 

Wiegm.  Archiv.    VI,  Jahrg.    1.  Band,  4 


50 

soll  heifsen  eine  bestimmte  Thierart  allein  bezeichnet  habe) 
wie  Manche  glanben  mögen,  so  könne  er  doch  meine  Erklä- 
rung als  sei  Zuhr  die  Litthauische  und  Tur  die  polnische 
Benennung  für  ein  und  dasselbe  Thier  nicht  für  genügend  fin- 
den, weil  Ziihr  in  russischer,  Z'unhr,  Ziimpro  in  moldauischer 
Sprache  den  europaischen  Bison  bezeichnen,  das  Wort  also 
wohl  slavonischer  Abstammung  sei  und  weil  es  undenkbar  sei, 
dafs  von  zwei  nicht  nur  benachbarten,  sondern  unt(^r  einem 
Scepter  vereinigten  Völkern,  wie  Litthauer  und  Polen  waren, 
das  eine  Volk  nicht  sollte  erfahren  haben ,  wie  das  gröfste 
Jagdthier  des  Landes  bei  dem  andern  heifse. 

4)  Endlich  geht  er  zur  Mittheilung  einiger  nocli  nicht 
benutzter  Zeugnisse  von  der  Existenz  zweier  gleichzeitigen 
Ochsenarten  namentlich  in  Preufsen  und  Pommern  über,  die 
aber,  ich  kann  nicht  anders  «urtheilen,  dieselbe  geringe  Be- 
weisknnft  haben,  wie  alle  die  schon  früher  aus  Polen,  Böhmen 
und  den  fränkischen  Chronisten  beigebracht  wurden.  Alle  die 
Einwände  hätte  ich  ganz  kurz  durch  Beibringung  eines  ein- 
zigen Zeugnisses  aus  dem  Mittelalter  über  den  wirklich  sy- 
nonymen Gebrauch  der  Namen  Tiir  und  Zuhr  beseitigen 
können:  da  ich  aber  einmal  diesen  Gegenstand  im  gröfsern 
Umfange  bearbeitet  habe,  so  wird  es  nicht  unwillkommen  seyn, 
wenn  ich  auch  jetzt  ihn  nochmals  von  allen  Seiten  beleuchte 
und  etwas  ausführlichere  Ergänzungen  zur  früheren  Abhandlung 
mittheile. 

Ich  mufs  wieder  mit  den  Einwänden  beginnen,  die  aus 
Baron  Ilerberstains  *)  Zer.gnifs  entlehnt  sind.  Allerdings 
hätte  ich  wohlgethan,  gleich  damals  bei  meiner  ersten  Ab- 
handlung eine  genauere  Analyse  der  Herberstainschen  Com- 
mentarien  zu  geben,  dann  hätte  ich  den  chronologischen  Irr- 
thum  nicht  begangen,  als  habe  er  erst  1558  das  russische  Reich 
besucht.  Ich  habe  diese  Reisen  dahin  mit  seinem  Aufenthalt 
am  Hofe  des  Königs  Siegmund  August  von  Polen  im  Jahr  1553, 
wofür   durch   Schreib-  oder   Druckfehler  1558  gesetzt   wurde, 


*)  Hr.  V.  Bär  macht  bemerklich,  dafs  sich  Herberstein  nicht 
so,  sondern  IIer])erstain  geschrieben  habe.  So  steht  auf  dem 
lito],  abrr  uiwrr  dnr  Dedication  an  König  Ferdinand  von  Ungarn  und 
Böhmen  steht  Ilerberstayn.    Was  ist  nun  eigentlich  das  Richtige? 


51 

vermengt,  voh  welchem  sich  seine  Kenntnifs  des  sogenannten 
Tur  herschreibt.  Analysiren  wir  aber  diese  Commentarieu 
genauer,  so  wird  mein  Urtheil  über  Aqw  Grad  der  kriti- 
schen Zuverlässigkeit  Herberstains  in  naturhistorischen  Din- 
gen nur  noch  mehr  erschüttert,  wenn  ich  auch  nicht  im  Ge- 
ringsten in  Abrede  stelle,'  dafs  er  in  Schilderung  der  Men- 
schen und  Sitten  im  russischen  Reiche,  so  weit  er  es  kennen 
lernte,  mit  Wahrheitsliebe  und  Treue  verfahren  seyn  mag. 

Von  seinen  im  Jahre  1549  dem  römischen  Könige  Fer- 
dinand I  dedieirten 'Herum  Moscoviticarum  Comentariis  habe 
ich  eine  von  Pblycarpus  und  Hieronymus  Gemusaeus 
und  Balthasar' Hau  besorgte  Ausgabe  von  1571  Basileae 
ex  qfficina  Oporiniana.  Fol.  —  vor  mir.  Dieser  sind  an- 
gehängt: 

1)  Pauli  'iJovIi  Novocomensis  de  legatione  Basilii  Magni 
Principis  Moscoviae  ad  dementem  VII  Pontificem  jMax.   liber. 

2)  de  admlrandis  Ilungarlae  aquis  Hypomnemation  :  Geor- 
glo  Vuernbero  authore. 

3)  Scriptum  recens  de  Graecorum  fide,  quos  In  omnibus 
Moscorum  natio  sequitur  (h.  e.  Claudii  Cardinalis  GuisanI  XII 
quaestlones  et  Graecorum  ad  eas  responsloncs)  und 

4)  Joannis  Leuvenclavii  de  Moscorum  bellls  adversus  linl- 
tlmos  gestis  ad  annum  usque  LXXI  commentarlus. 

Da  es  uns  zunächst  darauf  ankommt,  genau  zu  wissen, 
welche  Theile  von  Polen  und  Lithauen  Herbers  taiu  selbst 
besucht,  und  was  er  dabei  von  den  in  Frage  stehenden  Thie- 
ren  selbst  gesehen,  wo  und  wie  er  sie  gesehen  hat,  so  müs- 
sen wir  zuerst  seine  lünerarien  befragen.  Als  bei  der  Zu- 
sammenkunft der  Könige  Siegmund  I.  von  Polen,  Wladislaw 
von  Ungarn  und  Böhmen  und  dessen  Sohn  Ludwig  beim  Kai- 
ser Maximilian  I  zu  Wien  im  Jahre  1515  der  Kaiser  unter 
andern  auch  ersacht  wurde,  einen  Gesand1:en  ariden  Grofs- 
fürsten  Basilius  von  Moskau  zu  senden  um  den  Frieden  zwi- 
schen Moskau  und  Polen  zu  ermitteln,  so  wterde  dazu  der 
Baron  von  Herbers  taiu,  der  eben  erst  aus  Dänemark  zu- 
rückgekehrt war,  auserwählt  und  erhielt  den  Befehl  zn  dieser 
neuen  Legation  zu  Hagenau  im  Elsafs.  Seine  Reise  ging  von 
dort  durch  Schwaben  nach  Augsburg,  wo  er  sich  mit  seinen 
Reisegefährten  bei  dieser  ersten  Reise  nach  Russland,  den 
Gregorius  Sagrevuski,  nuncius  Moscus,  und  Chryso- 
stomus  Columnus,  Sekretair  der  Prinzessin  Elisabeth,  der 

4  ^ 


52 

\Vittwe  fies  Herzogs  Johann  Sforza  von  Mailand  und  Bar 
vereinigte.  Sie  verliefsen  Augsburg  im  Anfange  des  Jahres 
1516  und  reisten  über  Landshut,  Linz,  Znairri,  Brunn,  Oliniitz, 
Weifskirchen  (llsanitza).  Tischein  (Itzin),  Ostrau,  Freystadt 
an  der  Elsa,  Schwartzwasser  (Strumen),  Plest  (Ptzin)  von  wo 
2  Meilen  entfernt  eine  Brücke  über  die  Weichsel  die  Grenze 
zwischen  Schlesien  unter  böhmischer  Hoheit  und  dem  Gebiet 
von  Polen  machte  und  von  da  über  Oswiencin  (Auschwitz) 
nach  Krakau,  wo  sie  ihre  Wagen  auf  Schlitten  setzen  mufsten. 
Von  Krakau  ging  die  Reise  über  Prostowitza,  Wlslitza,  Schei- 
dlow,  Opatow,  Sawichoct,  wo  sie  über  die;  Weichsel  setzten 
weiter  nach  Ursendow,  Lublin,  Cotzko  voh  Wieprz,  Meseriz, 
von  wo  nicht  weit  vorwärts  damals  die  Gränze  zwischen  Po- 
len und  Lithauen  war,  nach  der  ersten  lithauischen  Stadt  Mel- 
nik  am  Bug;  dann  weiter  über  Bielsko,  Narew,  wo  der  gleich- 
namige Flufs  aus  einem  See  und  Sümpfen  so  wie  der  Bug 
entspringe  und  nach  Norden  fliefse.  Von  Narew  aus  durch- 
reisten sie  sodann  einen  grofsen  8  Meilen  langen  W'ald,  jen- 
seits weldiem  die  Stadt  Grinki  (Krinki)  liegt  und  von  da  nach 
Grodno,  wo  sich  der  moskauische  Gesandte  von  Herberstain 
trennte.  —  Dieser  grofse  ausdrücklich  erwähnte  Wald  ist  nichts 
anders  als  der  heutige,  nur  damals  noch  weiter  ausgedelnite, 
Urwald  von  Bialowieza,  wo  noch  jetzt  der  Ziihi'  lebt.  Her- 
berstain erwähnt  aber  davon  kein  Wort.  Von  Grodno  ging 
die  Reise  über  Prelai,  Wolconik  und  Rudniki  nach  Wilna,  wo 
er  dem  König  Siegmund  vorgestellt  wurde  und  das  er  am 
14ten  xMärz  1516  scJion  wieder  verliefs,  um  über  Polock,  No- 
wogrod  (wo  er  am  4ten  April  eintraf)  nach  Moskau  zu  reisen, 
was  er  am  18ten  April  erreichte.  Diesen  interessanten  Theil 
seines  Itinerariunis  von  Wilna  nach  Moskau  erwähne  ich  nur 
kurz,  weil  er  i?icht  zu  meinem  Zwecke  gehört.*) 

Es  geht  aus  diesem  Itinerarium  hervor,  dafs  Herber- 
stain Polen  und  Lithauen  auf  der  Linie  von  Krakau  über 
Lublin,  und  Grodno  bis  Wilna  ziemlich  schnell  durchreiste 
und  sich  nirgends  aufliielt,  und  dafs  er  ebenfalls  auf  der  Reise 

*)  Ich  habe  die  Namen  der  Orte  so  geschrieben,  als  Herberstain. 
Dafs  sie  zum  giofsen  Theil  falsch  geschrieben  sind,  brauche  ich  kaum 
z(i  crwahii.n  z.  li.  Prostowitza  statt  Proszowice,  Cotzko  stalt  Kock, 
Lrscudow  statt  l  rieiulow. 


53 

von  Wilna  nach  IVloskau,  indem  er  7  Tage  in  Nowogrod  ver- 
weilte, nur  29  Tage  zubrachte,  was  für  die  schlechte  Jahres- 
zeit, in  welcher  er  reiste  nnd  wo  er  alle  Tage  über  die  schlech- 
ten Wege  durch  Sürapfe,  ausgetretene  Flüsse  und  grofse  Wäl- 
der klagt,  für  damalige  Zeiten  schnell  genug  war.  Auf  dieser 
ersten  winterliclien  Durchreise  durch  Polen  und  Lithauen  hat 
er  nichts  von  naturhistorischen  Gegenständen  ervyähnt. 

Nachdem  die  diplomatischen  Verhandlungen  Herber- 
stains  in  Moskau,  besonders  weil  die  Polen  die  russische 
Stadt  Opotzka  abermals  angegriffen  hatten,  nicht  zum  er- 
wünschten Ziele  führten,  so  trat  er  seine  Rückreise  an ,  ohne 
nur  im  Geringsten  die  Zeit  zu  bestimmen,  wann  er  sie  antrat 
1  und  wie  lange  sie  dauerte.  Man  kann  nur  vermuthen,  dafs  sie 
wieder  in  der  Winterzeit  (von  1516  auf  1517)  erfolgte,  weil 
er  2  Tage  in  Sm.olensk  wegen  grofsen  Schnees  ausruhte.  Er 
gelangte  von  da  über  Orsa,  Borisow  an  der  Beresina  etc.  nach 
Wüna,  wo  er  aber  den  unterdefs  nach  Polen  abgereisten  Kö- 
nig nicht  antraf,  und  nur  einige  Tage  verweilte,  bis  seine  anf 
der  Hinreise  in  Nowogrod  zurückgelassenen  Diener  und  Pferde 
durch  Lievland  zu  ihm  zurückkehrten.  Von  Wilna  reiste  er 
dann  nach  Krakau  zurück,  fast  auf  demselben  Wege  als  auf 
d^r  Hinreise  und  sodann  durch  Mähren  über  Wien,  Neustadt, 
Salzburg  nach  Innsbruck,  wo  er  den  Kaiser  Maximilian  traf, 
von  dem  er  abermals  als  Gesandter  an  den  König  Ludwig  von 
Ungarn  gesendet  wurde.  Auch  dieses  Itinerarium  von  der 
Rückreise  ist  ziemlich  mager.  Wir  ersehen  daraus  nur  1.  c. 
p.  142 ,  dafs  er  vier  Meilen  von  Wilna  in  Troki  in  einem 
Thiergarten  lebende  /.uhr  sah,  denn  er  schreibt: 

ut  ibi  (Troki)  in  quodam  borto  concliisos  ac  conseptos  Bi- 
sontes,  quos  alii  Uro.s,  Germani  vero  Auroxn  appellant, 
viderem. 

Das  sind  die  einzigen  lebenden  Auerochsen,  die  He rb er- 
st ain  sah,  nicht  im  freien  Wald,  sondern  im  Thiergarten, 
was  nur  zu  beweisen  scheint,  dafs  wenigstens  in  diesem  Theil 
von  Lithauen  im  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  diese  Thiere 
schon  ziemlich  selten  gewesen  seyn  mögen,  obgleich  sie  im 
14.  und  15.  Jahrhundert  noch  in  der  Gegend  von  Wilna  ver- 
breitet waren.  Aufserdem  macht  er  nur  noch  eine  einzige 
naturhistorische  Bemerkung,  dafs  nämlich  bei  Poloniza  (soll 
heifsen  Poiauiec)  im   Flusse  Czerna  zwischen  Sandomir  und 


Nowe  miasto  Korczyn  edle  Fische,  die  man  gemeinhin  Lachse 
nenne,  gefangen  würden. 

Die  zweite  noch  weniger  zum  Ziel  führende  Gesandt- 
schaftsreise nach  Rufsland  unternahm  Herberstain  als  Ge- 
sandter König  Ferdinand  I.  in  Gemeinschaft  mit  dem  Gesand- 
ten des  Kaisers  Karl  V.,  Grafen  Leon  ha  rd  Nugaroli  und 
den  aus  Spanien  zurückgekehrten  russischen  Abgesandten  im 
Jalire  1526.  Diesmal  nahmen  sie  von  Wien  aus  eine  andere 
Riclitnng  mehr  nördlich  durch  Seidesien  über  Ollmütz,  Ja- 
gerndorf,  Oppeln  an  der  Oder,  Oleszlino  oder  Rosonberg, 
und  betraten  Polen  zuerst  in  der  Stadt  Alt-Krzepice  (Her- 
ber st  ain  schreibt  stets  anstatt  Krz  ein  Cr)  ohnweit  Czensto- 
chan.  Sic  schickten  von  hieraus  einen  Boten  an  den  König 
Siegin  und,  der  in  Piotckow  seyn  sollte,  erfuhren  aber  bald, 
dafs  er  von  dort  schon  nach  Krakau  abgereist  sei,  und  mufs- 
ten  also  nunmehr  ihre  Reiseroute  ebenfalls  dahin  richten.  Sie 
kamen  aber  über  Kiobucko,  Czenstochovv,  Zarki,  Kromolow, 
Ilkusch  (heut  zu  Tage  Olkusz,  wo  die  berühmten  Bleigruben 
waren)  am  2.  Febr.  nach  Krakau  und  verliefsen  dasselbe  nach 
einer  ziemlich  ungünstigen  Aufnahme  am  14.  Febr.  Sie  nah- 
men diesmal  ihre  Reiseroute  über  Sandomir,  Lublin,  Porczow, 
Bvzeic  (von  Herberstain  Briesti  geschrieben),  wo  der  Am- 
chawiec  in  den  Bug  fällt,  von  da  über  Kamieniec,  Nowydwör, 
Borosowa,  Woikowice,  Stonim,  Minsk,  Borisow  an  der  Be- 
rezyna,  Orsza  nach  Dubrowna,  von  da  wie  auf  der  frühern 
Reise  nach  Moskau,  wurden  später  am  11.  November  vom 
Grofsfürsten  in  Mosaisk,  wo  er  sich  auf  der  Hasenjagd  befand, 
entlassen,  erfuhren  auf  der  Rückreise  zu  Dubrowna  den  Tod 
König  Ludwigs  von  Ungarn  in  der  Schlacht  bei  Mohacz  (29. 
August  1526),  reisten  dann  auf  demselben  Wege  wie  früher 
nach  Wilna,  wo  sie  der  natürliche  Sohn  dej».  Königs,  Bischof 
Johann  von  Wilna,  sehr  wohl  empfing,  kehrten  sodann  über 
Murecz,  Grodno,  Krymki,  Bielsk,  Mielnik,  Ocköw,  die  Stadt 
0.\i  (soll  vielleicht  das  Städtchen  Okrzeia  bezeichnen),  Ste- 
zyca,  Zwolin,  Slenno,  Szydiow,  ATisüca,  Proszowice  nach 
Krakau  und  von  da  über  Olkusz,  Bendzin,  Kosel,  Neifse  und 
(ilatz  zum  König  nach  Prag  zurück. 

Naturliistorische  Bemerkungen  sind  in  diesem  Itinerarium 
gar  nicht  mitgetheill. 


55 

Herberstaiii  sah  also  von  Polen  uiul  Litthauen  bis  zum 
Jahre  1527  nur  einen  geringen  Theil  auf  zwei  schnellen  Durch- 
reisen in  den  Richtungen  vou  Czenstochau  nach  Krakau,  von 
Krakau  nach  Wilna,  von  Wilna  nach  Polock  und  von  Brzesc 
litewski  nach  Minsk.  Er  sah  und  besuchte  die  grofsen  und 
waldreichen  Strecken  im  Innern  des  Landes  und  an  der  nörd- 
lichen Grenze,  in  Sandomirien,  Masovien  und  Podlachien  gar 
nicht,  er  wufste  damals  aus  eigener  Ansicht  noch  gar  nichts 
von  seinem  sogenannten  Tf/r,  denn  sonst  hätte  er  ihn  ebenso 
gut  als  den  Zuhr  von  Troki  erwähnt.     ' 

Die  Itinerarien  hat  Herberstain  sonderbar  genug  erst 
hinter  seinen  Commentarien  über  Rufsland  mitgetheilt.  In 
diesen  spricht  er  aber  nicht  allein  von  denjenigen  Gegenstän- 
den, die  er  selbst  beobachtete,  sondern  er  theilt  auch  eine 
Menge  geographische  und  historische  Nachrichten  über  ganz 
Rufsland  und  über  benachbarte  Länder  mit,  die  er  nur  von 
Andern  einziehen  konnte  und  deren  Glaubwürdigkeit  mithin 
von  der  seiner  Gewährsmänner  abhängt,  die  er  aber  in  der 
Resrel  nicht  namhaft  macht.  Unter  den  mit  Rufsland  benach- 
harten  Ländern  ist  ein  eigener  Abschnitt,  De  Lithuvania  p.  103. 
überschrieben,  einer  ziemlich  ausführlichen  Schilderung  dieses 
Landes  mit  den  ihm  damals  unterthänigen  westrussischen  Pro- 
vinzen gewidmet  und  daran  noch  kurze  Notizen  über  Samo- 
gitien,  Kurland,  Livland,  Scandinavien,  Preufsen  und  Kardien 
angehängt.  In  diesem  Abschnitt  ist  wieder  eine  eigene  Unter- 
abtheilung de  Feris  überschrieben  und  handelt  von  p.  109 
bis  113  auch  besonders  von  den  hier  in  Rede  stehenden  Thie 
ren.     Sie  beginnt  mit  den  Worten: 

Feras  habet  Lithuvania,  praeter  eas  quae  in  Germania  re- 
periuntiir,  BIsontes,  Uros,  Alces,  quos  alii  Onagros  vo- 
cant,  equos  sylvestres. 

Gleich  auf  der  folgenden  Seite  steht  oben: 

Uros  sola  Masowia,  Lithuanlae  conlermina  habet,  qnos  ibi  pa- 
trlo  nomine  T hur  vocant,  nos  Germani  proprle  Urox  dicimus. 

Wo  bleibt  hierbei  die  gerühmte  Kritik  und  Glaubwürdig- 
keit Herberstains?  —  Lebte  der  sogenannte  Tur  wirklich 
nur  in  Masovien  als  ein  vom  Bison  verschiedenes  Thier,  so 
ist  entweder  die  erstere  Nachricht  von  Lithauen  falsch,  wo  er 
sie  neben  einander  nennt,  oder  Urus  und  Bison,  durch  die 
inländischen  Namen  Tuv  und  Zuhr  bezeichnet,  waren  nur  ein 


56 

iHul  dasselbe  Thior,  dessen  verschiedene  Benennungen  zwei 
verschiedenen  Dialecten  oder  Sprachen  angehörten.  Höchst 
wahrscheinlich  stamuit  dieser  Widerspruch  Herberstains 
davon  her,  dafs  er  in  Lithauen  durch  Hörensagen  erfuhr,  es 
seyen  in  den  Wäldern  B'isontes  und  (oder)  Uri,  Alces  und 
wilde  Pferde,  denn  er  selbst  sah  dort  doch  von  allen  diesen 
nur  die  Ziibri  in  Troki,  und  dafs  man  ihm  später  am  Hofe 
Siegmund  Augusts  erzählte,  es  seyen  in  Masovien  nur  Turi, 
weil  der  Erzähler  oder  das  gemeine  Volk  in  dieser  Gegend 
nur  unter  diesem  Namen  das  Thier  kannte.  Es  ist  hier  Her- 
be rsta  in  wie  den  Sammlern  alter  Mythen  gegangen.  Fan- 
den sie  im  Munde  des  Volks  zwei  verschiedene  Varianten 
einer  Mythe,  so  stellten  sie  dieselben,  auch  wenn  sie  einander 
widersprachen,  als  2  Mythen  neben  einander,  oder  sie  ver- 
flochten auch  wohl  beide,  so  gut  es  gehen  wollte,  zu  einer 
gemeinschaftlichen  Darstellung. 

Wie  wenig  genau  Herberstain  ferner  in  linguistischen 
Unterscheidungen  war,  davon  haben  wir  auf  derselben  Seite 
110  seiner  Gonmientarien  und  auf  den  beigefügten  Holzschnit- 
ten wiederum  einen  Beweis.     Er  sagt  daselbst: 

Qiiae  fera  Lithuanis  siia  llngiia  Loss  est,  enm  Germani 
Eilend,  quiJam  Laiine  Aloen  vocant,  Poloni  \oliint  Onagrum, 
hoc  est  asinum  agrestem  esse  ,  neu  respondente  forma. 

Das  Elch  oder  Elen  soll  nach  ihm  also  in  der  lithaui- 
schen  Sprache  Lofs  (richtig  geschrieben  und  auFgesprochen 
aber  Los)  heifsen.  Das  ist  nun  ein  offenbarer  Irrthum, 
denn  das  Thier  heifst  seit  uralter  Zeit  in  polnischer  und 
russischer  Sprache  «loct  und  Los,  in  lithauischer  Sprache 
aber  Breedis.  Er  hat  also  Lithauisch  mit  den  slavischen  Spra- 
chen verwechselt  mid  wahrscheinlich  gar  keine  Idee  von  let- 
tischen Sprachdialecten  gehabt  und  alle  im  Staate  Lithauen 
sehr  zahlreich  wohnhafte  westrussischo  Stämme  und  ihre  ru- 
sinische  Sprache  deshalb  auch  für  Letten  oder  Lithauer  mit 
lithauischer  Sprache  gehalten.  Es  nuifs  uns  eine  solche  An- 
gabe um  so  mehr  auffallen,  als  in  dem  gleich  hinter  He  rbe  r- 
stains  Connnentarien  folgenden  Liber  Pauli  .lovii  de  Icgatione 
Basilii  M.  D.  Mose,  ad  dementem  VII.  p.  Kvt  dieser  Paul  Jovius, 
der  unter  demselben  Grofsfiirsten  Basilius  circa  1532,  also 
fast  gleichzeitig  mit  Herberstain  in  Moskau  war,   schreibt 


57 

Ea  in  parfe  (Russiac)  qnae  vcrglt  in  Priissiam  Uri  ingentes 
et  ferocissimi  taiirorum  specie  repcrluntur^  quos  Bisontes  vo- 
cant,  itemqiie  Alces  cerviua  effigle  et  cum  Cornea  proboscide, 
altlsque  cruribus  et  nuUo  siiffraginiim  flexn:  Lozzi  a  Mos- 
chovitis,  a  Germanis  vero  Helenes  appellati,  quae  animalia 
C.  Caesar!  nota  fulsse  videmus. 

Paulus  hat  also  Loz  (Los)  ganz  richtig  als  die  russi- 
sche Benennung  des  Elens  angegeben  und  sollte  dies  wohl 
"Herbers  tain  unbekannt  geblieben  seyn?  In  der  Schreibart 
Helenes  erkennen  wir  übrigens  einen  recht  interessanten  Fin- 
gerzeig für  den  innigen  Zusammenhang  des  polnischen  Jeleii 
(Hirsch)  mit  dem  jetzigen  deutschen  Wort  Elen,  indem  J.  G. 
und  H  oft  im  Anfang  der  Wörter  in  verschiedenen  slavischen 
Dialecten  stellvertretend  gebraucht  werden.  Elen  ist  mithin 
auch  in  deutscher  Sprache  als  Arten -Name  schwankender  und 
weniger  richtig  als  Elk  und  Elch,  das  mit  ah^ri  und  Achlis 
inniger  zusammenhängt.  Der  Zusatz  Herberstains,  dafs 
die  Polen  den  Cerviis  alces  auch  für  einen  Onager  oder  einen 
wilden  Esel  gehalten  hätten,  ist  gewifs  auch  wieder  ein  Irr- 
thum  oder  eine  Verwechslung,  denn  die  Polen,  die  damals  in 
allen  ihren  Landschaften  Elch  und  Hirsch  oft  neben  einander 
sahen  und  Jagden,  konnten  unmöglich  ein  Thier  mit  Hirsch- 
klauen uhd  hirschähnlichera  Geweih  für  einen  Esel  halten  und 
nur  ihre  lateinisch  schreibenden  Topographen  und  Chronisten 
brauchten  zuweilen  den  Namen  Onager  irrig  für  Alces.  Die 
Quelle  dieses  Irrthums  ist  möglicher  Weise  eine  doppelte,  denn 
entweder  hatte  er,  als  er  in  der  oben  citirten  Stelle  die  Worte 
niederschrieb :  Alces,  quos  alii  onagros  vocant,  eqiios  sylve- 
stres,  dabei  an  Solinus  gedacht,  der  zuerst  irriger  Weise  das 
Elch  mit  dem  Maul  thier  verglich,  oder  er  hat  gar  nur  einen 
Schreibfehler  begangen  und  wollte  die  Worte:  quos  alii  ona- 
gros vocant  hinter  equos  sylvestres  nicht  hinter  alces 
schreiben.  Ist  dies  der  Fall,  so  bekommt  die  Stelle  einen 
bessern  Sinn,  denn  in  den  polnischen  und  preufsischen  Anna- 
len   und  selbst   in    den  polnischen  Rechtsbüchern*)   wird  der 


*)  Tadeusz  Czacki  O  litewskich  i  polskich  prawach,  o  ich  diiclui, 
zrz6d?ach,  zwiazku  i  o  rzeczach  zawartych  w  pierwszem  Statucie 
dla  Litwy  1529.  roku  wydanem.  w  Warszawie  1800.  w  Druk.  P.  O.  S. 
Rago  czego  4  — 2  Tom.  im  Tom.  I.  Rozdzial  XIII.  Art.  II.,  wo  das  Sta- 


58 

wilden  rferde  selir  oft  gedacht  iii^d  sie  sclieinen  nach  Czacki 
noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  in  den  lithaui- 
schen  Wäldern,  wenn  gleich  schon  sehr  selten,  gelebt  zu  ha- 
ben. Diese  wilden  Pferde  werden  als  sehr  klein,  unansehnlich, 
zum  Reiten  nicht  tauglich,  von  fahler  Farbe  geschildert  und 
scheinen  also  wirklich  eine  Art  von  Eseln,  entweder  der  Oiia- 
ger  {Kulan')  oder  der  Halbesel,  Equus  hemionus  (DscJngge- 
iei)  gewesen  zu  seyn,  was  ebenfalls  einer  eigenen  Untersu- 
chung noch  werth  ist. 

Kehren  wir  nnn  wieder  zu  unserm  Urus  und  Bison  zu- 
rück, so  ist  die  citirte  Stelle  des  Paulus  Jovius  ebenfalls 
von  Interesse,  denn  ihr  klarer  Sinn  ist  doch  kein  anderer,  als : 
grofse  und  sehr  wilde  Uri,  vom  Geschlecht  der  Ochsen,  wel- 
che man  Bisontcs  nennt,  leben  in  dem  ^egen  Preufsen  zulie- 
genden Theil  von  Rufsland  (also  in  Schwarz-  und  Weifsrufs- 
land,  die  damals  zu  Lithauen  gehörten).  Er  bezeichnet  also 
Uri  und  Bisontes  nicht  als  2  verschiedene  Arten,  wie 
ilerberstain  p.  109  in  Lithauen  zu  thun  scheint,  sondern 
er  gebraucht  das  Wort  Urus  als  eine  generische  Bezeichnung 
für  Ochsen  im  wilden  Zustand,  Bison  hingegen  als  einen  Lo- 
kal- oder  Arten -Namen  **).  Herberstain  fährt  nun  fort 
p.  dOJ):  Bisontem  Lithuani  lingua  patria  vocant  Suber,  Ger- 
niani  improprie  Aurox  vel  Urox:  quod  nominis  uro  convcnit, 
fpii  plane  bovinam  formam  habet,  cum  bisontes  specie  sint 
dissimillima.  —  Gleich  darauf  steht  aber  wii.'der  über  dem 
Holzsclinitt,  der  den  Bison  vorstellt:  Bisons  siim,  Polonis  Su- 
ber, Germanis  Bisont,  ignari  Uri  nomen  dederant. 

Hier  tritt  uns  nun  zuerst   abermals  derselbe  Widerspruch 
als  bei  Alces  entgegen.     Einmal  soll  Suher  (d.  h.  richtig  ge- 

tut  im  Jagdgesetz  die  Preise  des  ziibr,  ^os,  kod  dziki  (wildes  Pferd), 
)elen,  sobol  etc.  festsetzt. 

**)  Okons  Uebcrsetzung  jener  Stelle  in  seiner  allgemeinen  Natur- 
geschichte 1kl.  MI.  2.  Abtheil.  p.  1426:  „Ungeheuere  Auerochsen  und 
sehr  wilde  Ochsen,  die  daselbst  Bisonten  heifsen,"  i>t  nicht  wortge- 
treu, denn  im  Texte  steht  nicht:  Iri  inp;eutes  et  ferocisaimi  tauri, 
sondern  Uri  in^entcs  et  ferocissimi,  tmtrorinn  specie,  und  hier  ist  also 
\\u\\\  .'•icher  ß  rticissimi  e1)enso  wie  itnj;entes  ein  zu  Uri  gehöriges 
Adjecti\um  und  wollte  mun  species  anstatt  specie  lesen,  so  könnte 
spccies  dem  Sinne  nach  nur  im  Singulari  gebraucht  seyn,  wozu  wie- 
der der  pluralis  adjcctivi:  ferocissimi  nicht  pafst. 


59 

schrieben  Ziibr,  Z  ausgesprochen  wie  das  französische  j,  nicht 
wie  S),  der  lithauische,  das  zweite  Mal  der  polnische 
Nanie  des  Thiers  seyn.  Herberstain  läfst  uns  also  in  Un- 
gevvifsheit,  w^elchem  Sprachstamm  Zuhr  angehört.  Sodann 
entsteht  die  gewifs  natürliche  Frage:  woher  wnfste  denn  Her- 
berstain, dafs  die  Deutschen  dieses  Thier  fälschlich  Auer- 
ochse nannten?  Er  konnte  dies  in  Lithauen  und  Polen  ge- 
wifs nicht  erforscht  haben,  denn  es  fehlten  die  Mittel  dazu. 
Wenn  aber  die  deutschen  Ordensritter  im  13.  Jahrhundert  in 
Preufsen  nacli  der  Annahjiie  des  Hrn.  v.  Bär  wirklich  zwei 
wilde  Ochsenarten  gefunden  hätten,  welche  sie  nach  der  ver- 
loren gegangenen  Chronik  des  Bischof  Christian  bei  Lucas 
David  Auerochsen  und  Bisonten  nannten,  sodann  aber  bis 
zum  lö.  Jahrhundert,  wo  Lucas  David  nur  noch  vonAuern 
spricht,  eine  Art  davon  ausgerottet  worden  wäre  und  zwar 
der  vermeintliche  Tu7\  dem  ursprünglich  der  deutsche 
Name  Auer  entsprochen  habe,  so  würden  doch  gewifs  die 
jagdlustigen  Ritter  dasjenige  Thier,  das  übrigblieb,  nändich  den 
wahren  Zuhr  oder  Bison  auch  immerfort  mit  demselben  Na- 
men Wisent  bezeichnet  haben,  mit  dem  sie  es  ajifangs  nann- 
ten. Da  aber  der  Zuhr  in  Preufsen  bis  zu  seinem  Ausster- 
ben im  18.  Jahrhundert  stets  von  den  Deutschen  Auer  genannt 
wurde,  so  ist  dies  auch  gewifs  sein  alter  und  echter  deutscher 
Name  gewesen.  Dies  ist  gewifs  viel  natürlicher,  als  anzuneh- 
men, die  jagdkundigen  Deutschen  hätten  den  Ziibr  erst  dann 
Auerochse  und  nicht  mehr  W^isent  genannt,  als  der  vermeint- 
liche Tut  ausgerottet  war.  Dafür  läfst  sich  gar  kein  haltba- 
rer Grund  aufstellen.  Wenn  aber  Wisent  und  Auer  syno- 
nyme Ausdrücke  sind,  so  wie  EIo,  Elch  und  Elen,  so  haben 
wir  die  Analogie  für  uns,  dafs  im  Verlauf  von  Jahrhunderten 
der  eine  Name  allmählig  zurückgedrängt  wird  und  nur  der 
andere  noch  im  Gebrauche  bleibt.  Prüfen  wir  nu.n  weiter, 
was  Herberstain  von  seinem  Tur  weifs  und  gesehen 
hat,  so  beschränkt  sich  das  Ganze  auf  folgende  wenige  Worte 
in  der  Ausgabe  seiner   Commentarien  von  1571  p.  110: 

Sunt  enim  vere  (sc.  Uri)  boves  sylvestres,  nihil  a  domesticis 
•  bobus  dlstantes,  nisl  qiiod  omnes  nigri  sunt  et  ductiim  quen- 
dam  instar  liiieae  ex  albo  mixtum  per  dorsum  habent.  Non 
est  magna  herum  copla:  suntque  pagi  certi,  quibus  cura 
et  custodia    eorum  incumblt:   nee  fere  aliier   quam  in  vivariis 


60 

fjülbiisdam  srrvanhir.  Miscentiir  vaccis  doniesticis,  sed  noii 
sine  nota.  Nain  in  armentiini  postea,  perinde  atque  infames, 
a  caeteris  uris  non  admittuntur  et  qiii  ex  ejusdem  mixtione 
iinscnnter  vifull,  non  sunt  vitales.  Sigismnndus  Aui^nstus  rex 
niilii  apud  se  oratori  donavit  exen  tera  tum  nrum,  quem 
venalores  ejectnm  de  armento  semivivum  confecerant:  recisa 
lanicn  pelle,  quae  frontem  tegit,  quod  non  tenicre  factum 
esisc  credidi:  quamquam  cur  id  fleri  solerct,  per  incogitantiam 
qiiandam  non  sum  percontatus.  Hoc  ccrtnin  est,  in  pretio  ha- 
bcri  cingtdos  ex  uri  corio  factos,  et  per^uasum  est  vulgo,  he- 
rum praecinctu  partum  promoveri.  Atqiie  hoc  nomine  regina 
r>ona,  Slgisnumdi  AugustI  niater,  ddos  hoc  genus  cingulos 
mihi  dono  dedit:  quorum  alterum  Serenlssinia  ])oniIna  mea, 
l\onian(>rum  Regina,  sihi  a  me  donatum  clementi  animo 
accepit. 

Das   ist  also  die  beriilimte  Stelle,   durch  welche  Ciivier 
und  y\lle,   die  ihm  folgen,   eigentlich   allein    die  Existenz   des 
Tur  als  einer  besondern  wilden  Ochsenart  neben   dem  Zuhr 
in  Polen  beurkunden  wollen,  die  aber  bei  einer  hinlänglichen  n 
Kritik  fast  allen  ihren  Werth  verliert. 

Erst  zu  der  Zeit,  als  Herberstain  Gesandter  bei  dem 
König  Siegmund  August  IL  war,  lernte  er  den  sogenannten 
Tur  kennen.  Leider  giebt  er  wieder  nicht  an,  wann  und  wo 
dies  geschah.  Da  aber  Siegmund  August  erst  154S  zur  Re- 
gierung kam,  in  der  Ausgabe  der  Herberstain 'sehen  Com- 
mentarien  von  1549,  die  ich  leider  in  Warschau  nicht  erhal- 
ten konnte,  die  Stelle  von  dem  getödteten  Tur  nicht  vorkom- 
n]cn  soll,  in  der  Ausgabe  von  1671  aber  p.  23  die  dritte  Ver- 
mählung Siegmund  Augusts  mit  Ferdinands  L  Schwester 
Catharina  am  31.  Juli  1553  erwähnt  wird  und  er  dabei  aus- 
drücklich anführt,  dafs  er  sowohl  diese,  als  ihre  Schwester  Eli- 
sabeth, die  erste  Gemahlin  Siegmund  Augusts,  als  Praefectus 
Curiae  ihrem  Geuuihl  zugeführt  und  er  sein  Geschenk  (die 
Gürtel  aus  Turfell)  von  der  Königin  Bona  bokonnnen  habe, 
«lie  im  Jahre  155(5*)  Polen  verliefs,  so  scheint  es,  dafs  er 
den  getödteten  Tur  zwischen  1548  und  1550  (M-haltcn  haben 
müsse,  also  wairrscheinlich  während  seiner  Anwesenheit  am 
Hofe  zu  Krakau  inj  Jahre  1553.  Wo  dies  aber  geschehen  ist, 
kann  man  gar  nicht  ausmitteln.  In  Masovien,  wo  der  Tur 
leben  sollte,  wahrscheinlich  nicht,    denn  Siegmund  August  rc- 

*)  V.  Kronika  polska  Mareina  Bielskicgo.  Ed.  8.  Bohoniolca. 
Ksi(^gi  V.  1*.  515. 


61 

sklirte  mir  in  Krakau  und  in  Litliauen  und  dafs  Herborstain 
am  Hofe  der  Königin  Bona,  die  in  Warschau  wohnte,  selbst 
gewesen  wäre,  dafür  kenne  ich  keinen  Beweis.  Ilerber- 
stain  sah  nach  seiner  Erzählung  den  Tuv  nicht  im  leben- 
den Zustande,  er  erhielt  vom  König  nur  einen  ausge- 
weideten (exenteratiiTji)  zum  Geschenk,  den  die  Jäger,  als 
von  der  fleerde  halblebendig  ausgestofsen,  tödteten.  Es  war 
also,  wie  ich  schon  früher  bemerkte,  ein  alter  seinem  natür- 
lichen Tode  schon  naher  Stier,  denn  auch  bei  den  heutigen 
Zubrheerden  sondern  sich  die  alten  Stiere  von  der  Heerde  ab 
und  schweifen  einzeln  herum.  An  diesem  Exemplar,  das  II er- 
be rstain  erhielt,  war  die  Haut  von  der  Stirn  abgezogen, 
was,  wie  er  glaubte,  nicht  unabsichtlich  geschehen  zu  seyn 
scheint,  warum  es  aber  geschehen,  habe  er  aus  Unachtsamkeit 
nicht  erforscht.  —  Nun  ist  es  eine  in  Lithauen  allgemein  be- 
kannte Sache,  dafs  man  ehedem  dem  frisch  getödteten  Zubr- 
Stier  die  Stirnhaut  abzog  und  aus  dieser  eine  Art  Gürtel 
machte,  welche  man  sehr  hoch  schätzte,  weil  der  Aberglaube 
ihnen,  vermuthlich  wegen  ihres  starken  Bisamgeruchs,  eine 
Erleichterung  der  Geburtswehen  zuschrieb,  wenn  sie  von  den 
schwängern  Frauen  getragen  wurden.  Ich  erinnere  dabei  an 
die  Worte  Giliberts:  in  marihus  mortuis  pili  fron- 
iis  extracii  spirant  penetrcmiiorein  odorem  mosci.  —  Dar- 
um hatte  man  also  auch  lierberstains  Tur  die  Stirnhaut 
abgezogen  und  er  bekam  selbst  solche  Gürtel  geschenkt.  — 
Dieser  Theii  seiner  Erzählung  dient  also  gerade  zur  Bestä- 
tigung unserer  Ansicht,  dafs  sein  Tur  nichts  anders  als  ein 
Ziibr  war.  —  Der  erstere  sollte  sich  vom  letztern  dadurch 
unterscheiden,  dafs  er  schwarz  von  Farbe  mit  einem  lieh. 
ten  Rückenstreifen  sey  und  dafs  er,  wovon  freilich  Her- 
berstain  kein  Wort  schreibt,  sondern  es  nur  durch  sei- 
nen Holzschnitt  andeutet,  keinen  Bart  und  keine  Mähne  habe. 
Ist  Herberstains  Schilderung  des  Tur  überhaupt  sehr  vag, 
so  kann  ich  auf  die  schwarze  Färbung  des  Tur  gar  kei- 
nen Werth  legen,  da  er  nicht  einmal  die  Färbung  des  Zuhr 
angiebt.  Ich  habe  in  meiner  frühern  Abhandlung  p.  199 
schon  bemerkt,  dafs  das  Fell  des  Zuhr  im  Sommer  dunk- 
ler braun  und  glänzender  als  im  Winter  ist,  beim  ganzen 
Ochsengeschlecht  mancherlei  Nuancen  der  Farbe  bei  einer  Art 


«2 

oft  vorkommen  und  bei  der  ehemalig  gröfseren  Verbreitung  dos 
Zuhr  vvalirsclieinlich  aucli  bei  diesem  vorkamen.  Uebrigens 
sagt  man,  dafs  auch  jetzt  noch  zuweilen  schwärzliche  Zuhv 
vorkämen.  Ich  beziehe  mich  hierbei  auf  Hrn.  v.  Brinkens*) 
Worte : 

On  pn'tend  avolr  vii  des  Bisons  noiratres;  on  ne  saiirait 
cependanl  dediiire  de  cetle  asseition  une  varicte  de  Tespece  et 
il  est  plusvraiseniblable,  que  ce  changenient  de 
r  Olli  cur  est  amene  quelquefols  par  la  vieillesse  de 
raniinal.**) 

Auch  unter  den  grofsen  Heerden  des  amerikanischen  Buf- 
falo  {ß.  americanus),  den  manche  gar  nicht  vom  /.ubr  tren- 
nen wollen  und  der  wie  dieser  dunkelbraun  ist,  hat  man  einmal 


*)  J.  de  Brinken  Mem.   descriptif   sur   la    foret    de    Biatowieza. 
Varsovie  1828  p.  53. 

**)  Uebrigens  nennen  auch  fast  alle  weiter  unten  vorkommende 
Schriftsteller  des  Mittelalters  den  wirklichen  Bison  oder  Zubr  schwär  z, 
obgleich  derselbe  im  Winter  ein  dichtes  wolliges  Haar  von  pfeffer- 
brauner Farbe  ohne  Glanz  hat,  an  den  Seiten  des  Halses  und  den 
Schenkeln  lichter  mit  weifs  gemischt,  die  Vorderfiifse  schwarz;  im 
Sommer  hingegen  ein  kurzes,  anliegendes  glänzendes,  schwarzbraunes 
oder  fahles  Haar,  dabei  aber  Wangen,  Bart,  Schwanzbüschel  und 
Klauen  stets  schwarz  gefärbt.  Einjährige  Junge  sind  hingegen  im 
Winter  aschgrau,  sehr  rauh,  haben  aber  auch  schwärzliche  Wangen, 
Bart,  Mähne,  Schweifbüschel  und  Füsse.  Neugeborne  Auerochsen- 
Icälber  sind  glatt,  blafs  kastanienroth  und  haben  blos  Wangen,  Klauen, 
Schwanzspitzen  und  Bart  von  schwarzbrauner  Farbe  (Nach  Jarocki). 
Der  von  Herberstain  dem  Tur  beigelegte  weifsliche  llückenstrei- 
fen  ist  mir  sehr  verdächtig,  und  ich  traue  dieser  Angabe  gar  nicht, 
denn  obgleich  selbst  neuere  polnische  und  deutsche  Naturgeschichts- 
schreiber, wie  Ladowski  in  seiner  historya  naturalna  Kraju  polskiego. 
Krak.  1804.  8.  T.  II.  p.  366.  und  Bechstein  in  seiner  gemeinnützigen 
Naturgeschichte  des  In-  und  Aaslandes.  Lpz.  1792.  T.  I.  p.  239, 
dem  jetzigen  Zubr  oder  Auerochsen  einen  lichten  mäusefahlen 
Ilückenstreifen  beilegen,  so  ist  dies  doch  nicht'  wahr,  denn 
er  hat  in  der  Wirklichkeit,  namentlich  im  [lichtem  Winterkleide, 
nur  einen  Rückenstreifen,  aber  der  ist  dunkler  als  das  übrige  Fell. 
So  ist  es  nun  auch  sicher  mit  dem  Rückenstreifen  des  Tur  gewesen 
imd  ist  Herberstain  ein  solcher  Fehler  noch  eher  als  Ladowski  und 
Bechstein  zu  verzeihen,  beweist  nur  aber,  dafs  er  sein  Turiell  eben 
nicht  genau  angesehcu  haben  mag.  Es  ist  auch  übrigens  eine  allge- 
meine Thatsache,  dafs  bei  einfarbigen  Ochsen,  Pferden,  Eseln,  wenn 
sie  einen  Itiickenstrcifen  haben,  derselbe  allemal  dunkler  und  nicht 
lichter  als  das  übrige  Fell  ibt. 


63 

einen  graulich  weifsen,  ein  Kalb  mit  einer  Blässe,  weifsen  Vor- 
derfiifsen  und  Seitenflecken  gesehen  und  ein  Indianer  bewahrte 
einen  Kopf  mit  einem  weifsen  Sterne  auf.*")  Darum  wird 
man  aber  daraus  keine  besondere  Art  machen,  vvit?  aus  Her- 
berstains  einzigem  schv.arzen  Exemplar  das  er  sah.  —  Der 
fehlende  Bart  und  die  mangelnde  Mähne  entscheiden  weiter 
eben  so  wenig,  denn  alte  abgelebte  Zuhri  verlieren  eben- 
falls diese  Haare  und  erscheinen  bartlos ;  die  Mähne  aber  ist, 
wie  der  Bart,  überhaupt  niemals  so  grofs  als  sie  Herberstain 
auf  seinem  Holzschnitt  darstellt,  wenn  Wir  denselben  mit  dem 
lebenden  Zuhr  und  den  besten  Abbildungen,  die  wir  von  ihm 
haben,  nämlich  denen  von  Jarocki**)  und  Eichwald***) 
vergleichen.  Jene  Holzschnitte  müssen  wir  nun  überhaupt  auch 
in  nähere  Betrachtung  ziehen.  In  der  Ausgabe  der  Commen- 
tarien  von  1549  fehlen  sie,  und  sind  erst  der  von  1556  und 
von  1571  beigegeben.  Herberstain  sagt  nicht  ein  Wort 
darüber,  dafs  er  selbst  die  Thiere  nach  dem  Leben  abgezeich- 
net oder  einen  Andern  habe  zeichnen  lassen,  er  erwähnt  sie 
überhaupt  im  Texte  gar  nicht,  wie  er  doch  zur  stärkern  Be- 
kräftigung seiner  Meinung  gethan  haben  sollte  und  wie  z.  B. 
Sebastian  Münster  in  seiner  Cosmographia  universalis 
Bas.  1550  that,  indem  er  bei  seiner  Beschreibung  des  preufsi- 
schen  Damthiers  oder  Elens  doch  wenigstens  die  Worte  hin- 
zufügt: „Ich  habe  für  micli  genommen  die  Pictur,  so  aus 
Preusen  gebracht  ist,"  und  durch  die  man,  weil  sie  ebenfalls 
schlecht  ist,  verführt  wurde,  anzunehmen,  dafs  sie  nicht  das 
Elen,  sondern  den  Cerviis  megaceros  darstelle,  der  (tamals 
also  nocli  in  Preufsen  gelebt  haben  sollte,  was  aber  Merian 
widerlegt  hat.  Wir  schöpfen  also  daraus  den  Verdacht,  dafs 
Herbe  rstains  Holzschnitte  erst  zwischen  den  Jahren  1549 
und  1556  nicht  nach  der  Natur,  sondern  nach  der  blofsen  Be- 
schreibung entworfen  wurden,  wodurch  ihr  Werth  sehr  ge- 
söhmälert  wird.  Woher  hat  denn  Herberstain,  der  nur 
einen  Tiij-  mit  abgezogener  Stirnhaut  sah  und  sich  nach  eige- 
nem Geständnifs  auch  nicht  näher  um  die  Ursache  dieses  Ab- 


*)  Okens  Naturgeschichte  VII.  2.  p.  1418. 
'*'*)  O  puszczy  Bialowieskiej  i  o   celniejszych  w  niej  zwierszgtach 
in  seinen  Piswa  rozmaite.  T.  IL  p.  229. 
***)  In  seiner  Naturhistorischen  Skizze  von  Lithauen. 


G4 

zieliens  bokiimmorte,  gewufst,  dafs  der  Tur  zwischen  den  Hör- 
nern einen  krausen  Haarbüschel  hatte,  wie  auf  dem  Holzschnitt 
auso-edrückt    ist?     Diefs    ist  verdächtig    und    die    Gestalt    der 
7Aihr\\'ön\Qv  oflTenhar  falsch  gezeiclmet,  weil  sie  ^^^en  die  Na- 
tur mit  ihren  Spitzen  aufwärts  und  nach  aufsen  gebogen  sind, 
während   sie   in  der  Natur  stets  mondförmig    etwas  nach  vorn 
und  nacli  innen  gebogen  sind,  wie  auch   die  Zeichnungen  von 
Jarocki  und   Eichwald    lehren.      Auf   dem   zweiten  Holz- 
schnitt vom  Tur  sind  die  Hörner   ganz  von   derselben  Gestalt 
als  die  von  Ziibr  gezeichnet,  auch  in  der  Ausgabe  von  1571 
kein  Wort  über   eine   abweichende   Gestalt  dieser  Hörner  ge- 
sagt.    Dahingegen   steht  nach  Oken   in  der  früheren  Ausgabe 
p.  116:  „der  Urus  sieht  aus  wie  ein  schwarzer  Stier  und  hat 
längere  llörner  als  der  Bison,   welche   daher  zu  Bechern  ge- 
braucht werden,  wie  schon  Caesar  sagt:  die  des  Bisons  tau- 
gen nicht   dazu."     Wie"  kommt  'es  denn  nun,  dafs  in  der  2ten 
Ausgabe  nichts  mehr  von  diesen  längern  Hörnern  steht?  und 
die  Holzschnitte   auch  dem   Tur  und  Zuhi'  gleiche  Hörnerge- 
stalt geben.    Hat  etwa  Herberstain  später  selbst  eingesehen, 
dafs   die  Hörner   beider  Thiere   nicht   verscliieden    waren  und 
seinen  Irrthum    erkannt,    als   seyen    die   ZuhT'hörner  nicht  zu 
Bechern  oder   Trinkhörnern  brauchbar   gewesen?     Diefs  letz- 
tere war  wenigstens  ein  oflfenbarer  Irrthum,  denn  bei  den  al- 
ten heidnischen  Lithauern  dienten  die  Zuhj'hörnev  zur  Verzie- 
rung ihrer  Tempel  und   wurden  von    den  Fürsten   als  Trink- 
hörner  benutzt,  von  denen  sich  noch  manche   in  den  Antiqui- 
täten-Samndungen   erhalten    haben.      Ebenso    wie   heute   noch 
die  Hörner   des  in  Awchasien   am  Kaukasus   lebenden    wilden 
Ochsen,  (in  awchasischer  Sprache  Adompe  genannt),  welchen 
der  Lieutenant  Lissowski  von  Bamburi,  der  in  Wilna  stu- 
dirte,  den  lithauischen  Zuhr  kennt  und  der  awchasischen  Sprache 
mächtig  ist,  für  identisch  mit  dem  Zuhr  erklärte,  von  den  dor- 
tigen Völkern  als  Trinkhörner  benutzt  werden,   denn   Nord- 
mann  sah   bei  seiner  Reise  in  den  Kaukasus  1836  bei  einem 
Fest,  dafs  der  Mingrelische  Levan   Dadian   <lem    General  von 
Rosen  gab,  50  bis  70  solcher  mit  Gold  und  Silber  Verzierter 
Hörner,  die  bei  allen  Mingrelischen,  Imiretischen  und  Awcha- 
sischen Fürsten,    so  wie  einst  den  Lithauern,  Polen  und  Go- 


65 

then  zu  Trinkgefafsen  dienten.*)  Wenn  ich  früher  geäufsert 
habe,  clafs  Herber^tains  Tur  ein  Zithr-  im  Sommerkleid 
war,  und  zwar  ein  alter  Stier,  so  bin  ich  damit  der  Wahrheit 
wohl  sehr  nahe  gekommen,  denn  die  Verschiedenheit  im  An- 
sehn dieser  Thierart  im  Sommer  und  W' inter  ist  so  grofs,  dafs 
schon  Gilibert  in  seinem  werthvollen  Indigatorcs  Natur ae 
in  Lithuania  Filnae  1781  p.  34  äufsert:  qiii  delinearet 
unuin  individuiun  aestate  et  hyeme,  exhiheret  figuras  tarn 
diver sas,  ut  duo  apparerent  aiümcdia  diversae  speciei. 

Auch  die  Ansicht  Cuvier's,  als  sei  der  Urus  Caesars 
oder  dieser  polnische  Tur  die  wilde  Stammrasse  unsers  zah- 
men Rindviehs  gewesen,  wird  durch  Herberstains  Bericht 
gar  nicht  unterstützt,  denn  wäre  es  der  Fall  gewesen,  so 
miifste  ihre  Vermischung  nicht  allein  wie  z.  B.  zwischen 
Wildschwein  und  zahmen  Schwein  lebende  und  fortpflan- 
zungsfähige Jungen  gegeben  haben,  sondern  sie  miifste  auch 
in  Polen,  wo  das  zahme  Vieh  sehr  häufig  in  die  Wälder  zur 
Weide  getrieben  wird,  sehr  oft  eingetreten  seyn.  Allein  er 
berichtet  gerade  gegentheilig,  dafs  eine  solche  Vermischung 
mit  zahmen  Kühen  nicht  sine  nota,  soll  doch  wohl  heifsen 
nicht  ohne  Mühe  geschehe,  dafs  die  Individuen,  die  sich  mit 
zahmen  Kühen  gemischt  hätten,  sodann  von  den  übrigen  Uris 
nicht  mehr  geduldet  würden  und  dafs  die  aus  der  Vermischung 
erzeugten  Kälber  nicht  lebensfähig  seyen  oder  todt  geboren 
würden.**)  Es  ist  diefs  ganz  derselbe  Fall,  als,  nach  Pallas 
bei  der  Vermischung  des  aus  der  Mongolei  nach  Russland 
verpflanzten  Bos  grunniens  mit  unsern  Kühen  eintrat.  Die 
Stiere  davon  mischten  sich  gern  mit  den  zahmen  Kühen,  aber 
ohne  Folgen.  Uebrigens  ist  die  Abstammung  unsers  zahmen 
Rindviehs  von  einer  im  nördlichen  Europa  ursprünglich  zu 
Hause  gewesenen  wilden  species,  wie  schon  Oken  bemerkte 
nicht  w^ahrscheinlich,  weil  unser  Rind  schon  in  Schweden  und 


*)  S.  über  Nordmanns  Reise  im  l'Institut  257  v.  29.  Nov.  1838. 
*'^)  Oken  1.  c.  p.  1427  hat  die  Stelle  so  übersetzt:  Man  paart  sie 
mit  den  zahmen  Kühen,  aber  die  Jungen  werden  dann  nicht  von  den 
ürochsen  in  der  Heerde  geduldet  und  die  Kälber  von  solchen  Ba- 
starden kommen  todt  auf  die  Welt.  —  Diese  Uebersetzung  stimmt 
aber  nicht  völlig  mit  den  oben  mitgetheilten  Worten  des  lateinischen 
Textes  überein. 

Wiegm.  Archiv.     VI.  Jahrpr.     1.  Band.  R 


66 

Schottland  ausartet,  kleiner  wird  und  sogar  die  Hörner  ver- 
liert. Es  wird  ebenso  in  frühester  Zeit  iiiit  den  Völkerziigen 
von  Osten  her  nach  Europa  gekommen  seyn,  wie  im  6ten 
Jahrhundert  der  Büffel. 

Dafs  Herberstaiii  ebenso  wenig  davon  frei  war,  Mär- 
chen mit  Wahrheit  in  seinen  naturhistorischen  Schilderungen 
zu  vermengen,  wie  andere  ähnliche  Schriftsteller  seiner  Zeit, 
davon  giebt  er  gleich  einen  Beweis  in  seiner  Beschreibung 
des  Zuhi'  in  der  Stelle  p.  109: 

Cornibus  plerumque  sie  diductis  et  porrectis,  ut  intervallum 
eorum  tres  homines  bene  corpulentos  insidentes  capere  possit: 
cujus  rei  periculimi  factum  perhlbetur  a  rege  Poioniae  Slgis- 
mundo,  hujus  qui  nunc  regnat,  Sigismundi  August!  patre,  quem 
bene  habito  et  firmo  corpore  fuisse  scimus,  duobus  allis  se  non 
minoribus  sibl  adjunctis. 

und  in  der  2ten  Stelle  p.  110;  wo  er  von  der  Jagd  des  Zuhr 
und  der  Gefahr  dabei  spricht: 

Non  tantum  cornua  sed  etlam  linguam  vibrat,  quam  ita  sca- 
bram  et  asperam  habet,  ut  venatorem  solo  vestis  ejus  attractu 
comprehendat  et  attrahat:   nee  ante  relinquat,  quam  occidat. 

Beide  Schilderungen  sind  ächte  Jägermärchen.  Die  alten 
Jäger  logen  so  gern  wie  die  heutigen,  wenn  sie  dadurch  ihre 
Jagdabentheuer  recht  piquant  und  schauerlich  machen  konnten. 
Der  Gefahr  sich  zwischen  die  Hörner  des  lebenden  Zubrs  zu 
setzen,  —  denn  wenn  er  nicht  gelebt  hätte,  wäre  es  keine  Gefahr 
gewesen,  —  hat  sich  wohl  König  Siegmund  so  wenig  als  jeder 
andere  Jäger  ausgesetzt.  Im  wilden  Zustand  ist  diefs  ein  Ding 
der  Unmöglichkeit  und  auch  im  Thiergarten  wird  diefs  Thier 
nicht  zahm  genug  zu  solchem  Experiment.  Dafs  aber  gar  drei 
dicke  Männer  zwischen  den  Hörnern  Platz  hätten  ist  eine  arge 
Uebertreibung,  denn  an  einem  grofsen  Auerstier,  den  1739  König 
Friedrich  Willielm  I  von  Preufsen  nach  Petersburg  schenkte, 
war  die  Entfernung  der  Hörner  unten  von  einander  doch  nur 
1  Fufs  und  wenn  auch  die  Ausbeugung  zwischen  ihnen  bis 
27  Zoll  mifst,  so  sind  sie  doch  so  mondförmig  nach  innen  ge- 
beugt, dafs  zum  Sitzen  auch  von  drei  magern  Menschen  zwi- 
schen ihnen  kein  Platz  ist.  Herberstain  hat  einen  Gewährs- 
mann für  diese  Fabel  nicht  angeführt,  aber  er  ist  bald  gefun- 
den und  zwar  ein  sehr  unsicherer,  es  ist  Hussovianus  in 
seinem  Gedichte  de  Insonte  et  ejus  venationc  anno  1523 
Krakoviac  ex  officinci  Hieron.  Victoris,   das   für  den  Papst 


67 

Leo  X  bestimmt  war,  nach  dessen  Tode  aber  der  Konigin  Bona 

von  Polen  dedicirt  wurde.     Hier  finden   wir  die    Q^ßlle,    aus 

welcher  Herberstain  sein  Mährchen  von   den  drei  Männern 

zwischen  den  Auerliörnern  geschöpft  hat,  in  folgenden  Versen: 

Haec  fera  LItuanIs  longe  saevissima  sylvis 
Nascltur  et  fieri  corpore  tanta  seiet 
Ut  morlens  si  qiiando  caput,  vi  victa,  reclinet, 
Tres  sedeant  inter  cornua  bina  virl. 
Barba  riget  late  pendentibiis  horrida  vlllls, 
Lumina  terrrorum  plena,  furore  rubent. 
Terribllesque  jubae  collo  funduntur  in  armes 
Et  genua  et  frontem  ef  pectoris  ima  tegiint. 
Villüsuni   toto    prae  se  fert  corpore  caprum 
Quamvis  effiglant  omnia  membra  bovem. 

Durch  diese  au«;fiihrliche  Analyse  der  H  erberstainschen 
Nachrichten  über  Tur  und  Zubr  wird  niemand  die  Ueberzeu- 
gung  gewinnen,  dafs  diese  das  Gepräge  eines  sorgsam 
prüfenden,  ruhigen  mid  kritischen  Forschers  an  sich 
trügen,  wie  Hr.  v.  Bar  will.  Es  liegt  ihnen  sehr  wenig  Aut- 
opsie zum  Grunde,  und  noch  weniger  scharf  prüfende  Kri- 
tik. Auf  sie  die  Annahme  bauen,  dafs  ums  Jahr  1550  Tur 
und  Zahr  zwei  wirkliche  in  Polen  lebende  verschiedene  spe- 
cies  wilder  Ochsen  gewesen  wären,  ist  höchst  gewagt  und 
eine  vollkommene  Ueberzeu^ung  davon  gewähren  sie  gar  nicht. 

Die  Richtigkeit  unserer  Ansicht  wird  sich  noch  mehr  her- 
vorheben und  bestätigen,  wenn  wir  nunmehr  fortfahren,  in  glei- 
cher Art  die  übrigen  Documente  und  Gewährsmänner  zu  prü- 
fen, auf  die  sich  Cuvier,  von  ßrinken  und  zum  Theil  Hr. 
V.  Bär  berufen. 

Der  letztere  glaubt  einen  neuen  Beweis  in  Lucas  Da- 
vids Preufsischer  Chronik  dafür  gefunden  zu  haben,  dafs  im 
13ten  Jahrhundert  auch  in  Preufsen,  in  dem  Polen  nahe  lie- 
genden Culmer  Lande,  noch  Urochsen  und  Bisonten  neben  ein- 
ander als  2  verschiedene  Thiere  gelebt  hätten,  wovon  die  eine 
Art  bis  zum  löten  Jahrhundert  ausgestorben  sei,  weil  in  dem 
letztern  nur  noch  eine  Art,  der  heutige  Zubr  oder  Auerochse, 
genannt  werde.  Es  führe  nämlich  Lucas  David,  der  1503 
in  Preufsen  geboren  wurde  und  unter  dem  Herzog  Albrecht 
lebte  und  schrieb  und  der  zuverläfsigste  Chronist  des  Landes 
sey,  in  seiner  Chronik  Bd.H,  p.  121  aus  dem  13ten  Jahrhun- 
dert nach   der  jetzt  veriorenen   Chronik    des   damals  lebenden 

5  * 


68 

Bischofs  Christian  an,  dafs  der  Herzog  Otto  von  Braiinschvveig 
bei  seiner  Abreise  aus  Preufsen  im  Jahre  1240  die  Ordens- 
brüder mii  vielen  Gaben  beschenkt  und,  dafs  er  ihnen  sein 
Jagdzeug  und  seinen  Jägermeister  zurückgelassen  habe,  weil 
im  Lande  viel  Wildes  vorkomme,  von  Auerochsen,  Bi- 
son ten,  wilden  Pferden,  Elenden,  grofsen  und  kleinen  Bären, 
Rehen  und  Hasen.  Dahingegen  finde  sich  bei  Lucas  Da- 
vid Bd.  L  p.  66  eine  andere  Stelle,  wo  erzählt  wird,  dafs  der 
deutsche  Orden  die  Grenze  gegen  Lithauen  verwüstet  habe, 
damit  die  Christen  nicht  so  leicht  von  den  Lithauern  überfal- 
len werden  könnten  und  dabei  heifst  es  weiter:  diese  verwü- 
steten Oertersind  jetzo  der  wilden  Thiere  Wohnung  worden, 
da  sie  hecken  und  hegen  als  die  grofsen  Auer  oder  wil- 
den Ochsen  u.  s.  w.  Damals  scheine  also,  wenigstens  nach 
den  östlichen  Grenzen  hin,  schon  nur  noch  eine  Art  wilder 
Ochsen  in  den  Preufsischen  "Wäldern  gelebt  zu  haben.  „Offen- 
bar" fährt  Hr.  v.  Bär  fort,  „bezieht  sich  das  Gesagte  (nämlich 
die  letztere  Nachricht)  auf  die  Zeit  in  der  Lucas  David 
schrieb."  Diefs  wäre  also  um  die  Mitte  des  16ten  Jahrhun- 
derts. Dafs  damals  wirklich  nur  noch  der  heutige  Auerochse 
in  Preufsen  gelebt  habe,  werde  auch  um  so  wahrscheinlicher, 
als  die  Jagdverordnungen  aus  dieser  Zeit  im  geheimen  Archiv 
zu  Königsberg  auch  nur  von  Auern  sprechen  und  weil  H  e  n  - 
neberger,  der  1.575  eine  grofse  Karte  von  Preufsen  heraus- 
gab und  1595  dazu  eine  ausführliche  Erklärung  drucken  liefs, 
in  dieser  auch  nur  den  jetzigen  Auer  erwähnt.  —  Lucas  Da- 
vid, der  genaue  Kenner  seines  Vaterlandes  mufs  also  für 
die  Zeit,  in  welcher  er  lebte,  als  ein  sicherer  Gewährs- 
mann gelten,  dafs  nur  eine  Art  wulde  Ochsen  in  Preufsen 
lebte  und  das  steht  in  schöner  Harmonie  mit  meinem  frühem 
Anspruch,  dafs  immer  die  sichern  Gewährsleute  nur 
von  einer  Art  wissen.  Wenn  aber  Lucas  David  von 
einer  3  Jahrhunderte  vor  ihm  vergangenen  Zeit  spricht,  wenn 
er  in  dieser,  nach  der  Chronik  Bischof  Christians,  Auerochsen 
und  Bisonten  neben  einander  nennt,  so  hat  er  nur  seine  Schul- 
digkeit als  gewissenhafter  Chronist  gethan,  dafs  er  die  Wörter 
der  alten  Chronik  treu  kopirte,  aber  wir  können  von  ihm  bil- 
liger Weise  keine  Gewährleistung  verlangen,  ob  diese  Worte 
synonyme  Namen  einer  Art  oder  wirklich  Bezeichnung  zweier 


69 

Arten  seyen.  Wir  können  jenen  Worten  aus  den  dunkeln 
Zeiten  des  13ten  Jahrhunderts,  als  der  deutsche  Orden  kaum 
nach  Preufsen  gerufen  war,  als  Bischof  Christian  als  erster 
Bekehrer  der  heidnischen  Preufsen  das  Land  unmöglich  so 
kennen  konnte,  wie  Lucas  David  in  der  friedlichen  Zeit  seit 
dem  Frieden  von  Thorn  (1466)  und  noch  mehr  seit  der  gänz- 
lichen Beilegung  aller  Streitigkeiten  mit  Polen  (1525)  —  ich 
sage,  wir  können  unmöglich  jenen  Worten  aus  dem  13ten 
Jahrhundert  denselben  positiven  W^erth  beilegen  als  Lucas  Da- 
vids eigenen  Kenntnissen  aus  dem  16ten  Jahrhundert.  —  Das 
wird  kein  Unbefangener  in  Abrede  stellen,  um  so  weniger  als 
in  jener  Nachricht  aus  dem  13.  Jahrhundert  kein  unterscheiden- 
des Kennzeichen  zwischen  Bisonten  und  Auerochsen  bemerk- 
lich gemacht  ist. 

Haben  wir  nun  durch  Lucas  David  und  Henneber- 
ger einen  sichern  Beweis  erhalten,  dafs  in  der  Mitte  des  16ten 
Jahrhunderts  in  Preufsen  wirklich  nur  eine  Art  wilde  Ochsen, 
unser  heutiger  Auer  oder  Zuhr  lebte,  so  freue  ich  mich  jetzt 
gleichwohl  einen  schlagenden  Beweis  beibringen  zu  können,  dafs 
in  derselben  Zeit  und  in  demselben  Lande  Preufsen 
dennoch  die  Namen  Ur  und  Bison  {Tur  und  Zuhr}  neben 
einander  genannt  werden,  und  neben  einander  ihr  neckendes 
Spiel  mit  uns  treiben,  um  uns  immer  mehr  zur  Ueberzeugung 
zu  führen,  dafs  beide  doch  nur  Synonyma  sind  oder  höchstens 
durch  sie  eine  uralte,  späterhin  nicht  mehr  beachtete  Unter- 
scheidung geschlechtlicher  Art  ausgedrückt  wurde. 

Der  Gewährsmann  dafür  ist  kein  verwerflicher,  er  hat 
das  Thier  durch  eigene  Anschauung  kennen  gelernt,  und  hat 
Uns  eine  bessere  Beschreibung  davon  gegeben  als  Herber- 
stain;  es  ist  Anton  Maria  Gratiani  geboren  zu  Burgo 
Sancti  sepulchri  in  Toskana  1546,  gestorben  1611  zuletzt 
Bischof  von  Amelia,  der  seinen  Wohlthäter,  den  Cardinal  Jo- 
hann Franz  Commendoni  als  Sekretair  nach  Polen  und 
Preufsen  begleitete,  als  dieser  nach  Beendigung  des  Concilii 
zu  Trident  als  Nuntius  nach  Polen  zur  Verhinderung  der  wei- 
teren Ausbreitung  der  Reformation  geschickt  wurde  und  zu 
Warschau  1565  den  Cardinalshut  empfing.  Gratiani,  der 
den  Cardinal  auf  seiner  Rundreise  1563  durch  fast  alle  pol- 
nische Provinzen  begleitete,  giebt  Uns  nun  in  seiner  lateinisch 


70 

geschriebenen  Lebensbeschreibung  des  Cardinais*)  die  Nachricht 
dafs  er,  während  der  Cardinal  in  Heilsberg  beim  dortigen  Bi- 
schof Cardinal  Hosius  verweilte,  nach  Königsberg  reiste,  vom 
alten  Herzog  Albert  von  Preufsen  daselbst  gütig  empfangen 
wurde  und  von  diesem  die  Erlaubnifs  erhielt,  seinen  5  Meilen 
von    Königsberg   entfernten   Thiergarten   besuchen  zu    dürfen. 

Er  erzählt  nun  nach  Flechier's  Uebersetzung: 

„Je  me  contenteray  de  parier  de  quelques  bestes  que  j'y  vis, 
puisque  ce  n'est  pas  mon  dessein  de  faire  icy  i'hlstolre  de  tou-- 
tes  Celles  de  ce  pais  la,  et  qu'il  s'est  trouve  des  Auteurs,  qui  eii 
ont  fait  des  Traitez  entiers.  On  y  voil  deux  especes  de 
Boeufs  sauvages,  qu'ils  appellent  des  Ures  et  de  ßuffles, 
doiit  le  naturel  est  presque  le  meme,  quoy  que  l'espece  en  seit 
diverse." 

Die  lateinische  Ausgabe  hat  hingegen  die  Worte :  Ex  omni- 

hus  maxima   differunt   a  nostrisfeiis  Uri  ac  Bisontes, 

Sylvester  uterque  hoSj,  utrique  natura  fere  eadem,  sed  spe- 

des  divers a,  —  Dann  fährt  er  fort: 

„Die  Stärke,  die  Schnelligkeit,  die  ^^^'Idheit  und  die  Gröfse 
sind  fast  bei  beiden  Arten  gleich  und  die  Form  stimmt  am  mei- 
sten mit  der  der  zahmen  Ochsen  überein,  nur  dafs  das  Haar 
viel  wolliger  und  schwärzer  ist  und  die  ganze  Statur  sehr  grofs. 
Julius  Caesar  schätzt  sie  wenig  unter  der  der  Elephanten." 

Aus   diesen   Worten  geht   schon  hervor,    dafs    Gratiani 

beide  Thiere   wahrscheinlich   nach   Hörensagen    oder   nach  der 

Erinnerung  an   die   Alten   zwar   für   zwei  verschiedene   Arten 

hielt,  aber  auch  nicht  im  Stande  ist,  sie  mit  Bestimmtheit  von 

einander  zu  unterscheiden.      Der   Zusatz   von  Julius  Cäsar 

beweist  aber,   dafs  er  das   Gesagte   nur  auf  den  Urus  bezog; 

denn   Julius  X^aesar  nennt  nur    diesen   und  keinen  Bison. 

—  Diefs  wird  noch  deutlicher  aus  dem  fernem  Verlauf  seiner 

Erzählung,  denn  er  fährt  mit  den  Worten  fort: 


*)  Die  lateinische  Ausgabe  von  Gratiani  vita  Card.  Commendoni 
Parisiis  1669.  4.  habe  ich  jetzt  nicht  mehr  vor  mir,  denn  sie  ist 
mit  dem  übrigen  gröfsten  Theil  der  öffentlichen  Bibliothek  zu  War- 
schau nacli  St.  Petersburg  gekommen,  dagegen  aber  die  ihr  genau 
folgende  französische  Uebersetzung:  la  vie  du  Cardinal  Jean  Fran^^ois 
Commcndon  par  Flechier  ä  Paris  169 i.  12.  und  die  polnische  Ue- 
bersetzung der  Polen  betreffenden  Nachrichten  aus  Commendonis  Le- 
bensbeschreibung von  Gratiani  im:  Zbior  pami«^tniköw  historycznych 
o  dawney  Polszcze  przez  J.  U.  Niemcewicza.  Tom.  I.  Warszowie 
1822.  8.  ^ 


71 

Man  findet  Heerden  davon  In  den  Waldern  von  Masovien 
und  nur  in  der  Umgegend  von  Rawa  findet  man  die  t/i'i,  ent- 
^veder  weil  die  Beschaffenheit  des  Ortes  ihnen  am  angemessen- 
sten ist,  oder  weil  sie  sich  da  wie  in  ein  Asyl  zurückgezogen  ha- 
ben, wo  bei  Lebensstrafe  verboten  ist,  sie  ohne  Erlaubnifs  des 
Königs  zu  jagen." 

Offenbar  ist  der  ganze  Satz  ein  Einschiebsel,  da  Gra- 
tiani  nur  von  Preufsischen  Thieren  sprechen  will,  abe'r  inso- 
fern interessant,  da  er  abermals  wie  Herberstains  Worte 
und  einige  andere  Chronisten-Stellen,  auf  die  ich  später  komme, 
beweist,  dafs  der  Name  Urus  (Tur^  nur  in  Masovien,  nur  in 
der  Gegend  von  Rawa  noch  gebräuchlich  war.  —  Gleichwohl 
fährt  Gratiani  fort: 

„Ich  sah  davon  in  Preufsen  Kälber  (fortjeunes)  quon  la- 
schoit  quelquefois  devant  noiis,  gut  hondhsoient  et  qui  couroient 
dune  visiesse  ejciraordinnire.^)  Der  König  und  die  vornehmen 
Polen  geniefsen  ihr  Fleisch,  nachdem  sie  es  zuvor  eine  Zeit  lang 
dem  Frost  ausgesetzt  haben.  Ich  habe  es  einige  mal  gekostet 
und  fand  keinen  grofsen  Unterschied  gegen  das  Fleisch  gemei- 
ner Ochsen.  Man  sagt,  dafs  diese  wilden  Thiere  (dzikie  te  Bu- 
hace  d.  h.  diese  wilden  Bullochsen  drückt  sich  Niemcewicz 
bestimmter  aus)  sich  zuweilen  mit  den  auf  dem  Felde  weidenden 
Kühen  vermischten,  aber  die  davon  fallenden  Jungen  leben  nicht 
und  die  Kühe,  die  sich  mit  den  wilden  Ochsen  begatteten,  wer- 
den von  ihren  Heerden  ausgestofsen.  Man  zieht  ihnen  (nämlich 
den  Uris)  die  Haut  ab  und  macht  daraus  Gürtel,  weiche  von 
grofsem  Nutzen  für  gebärende  Frauen  sein  sollen." 

Gratiani  behauptet  also,  er  habe  in  Preufsen  Kälber 
des  Urus  (Tiir)  gesehen.  Wo  diefs  statt  fand,  sagt  er  aber 
nicht,  da  er  doch  beim  Zuhr  und  wilden  Pferde  ausdrücklich 
angiebt,  er  habe  sie  im  Park  des  Herzogs  gesehen.  Da  er 
nun  nach  seiner  Erzählung  vom  Zuhr  ebenfalls  nur  ein  jun- 
ges Thier  sah,  dennoch  aber  eine  richtige  Beschreibung  dieser 
Thierart  nach  allen  ihren  wichtigeren  Körpertheilen  macht, 
vom  Tur  aber  weder  Form  des  Kopfes  und  der  Hörner,  der 
Ohren  und  Augen,  noch  die  Statur  des  Leibes  u.  s.  w.  be- 
schreibt, so  wird  die  ganze  Stelle  vom  Tur,  als  eigene  Thier- 
art betrachtet,  um  so  verdächtiger  als  er  ausdrücklich  sagt, 
die  Uri  wären  häufiger  als  die  Bisontes  (^Zuhri),  die  Fle- 
chier  mit  dem  Namen  Büffel  bezeichnet,  wie   sie  noch  heute 

*)  Niemcewicz  drückt  diese  Stelle  wie  mir  scheint  noch  besser 
aus:  Widzialem  w  Prusiech  ciel^ta  ich,  te  wypuszczone  sobory 
rozkosznie  biegaly  i  graly  z  soba. 


72 

selbst  in  Polen  von  unwissenden  Menschen  genannt  werden. 
Die  ganze  Erzählung  ist  entweder  von  Herberstain  abge- 
schrieben oder  aus  eben  den  unsichern  Quellen  entnommen, 
aus  denen  Herberstain  schöpfte.  Ich  habe  oben  schon 
nachgewiesen,  dafs  die  Gürtel  aus  der  Stirnhaut  des  Tur 
(nach  Herberstain)  dem  Zuhr  angehören  und  ebenso  ist 
das  auf  den  Tafeln  der  Grofsen  verzehrte  Fleisch  des  Ut^us 
(nach  Gratiani)  nichts  anderes  als  ZuhrQ.e[sch,  wie  ich  wei- 
ter unten  geschichtlich  aus  der  Zeit  Wladislaw  Jagellos 
erweisen  werde.  Da  nun  Hr.  v.  Bär  nach  Lucas  Davids 
Chronik  selbst  zugesteht,  dafs  zur  Zeit  Herzog  Alberts  in 
Preufsen  nur  Ziibrj  gelebt  haben,  so  bleibt,  wenn  wir  Gra- 
tiani niclit  geradezu  einer  Lüge  beschuldigen  wollen,  weil  er 
Urus -¥Jii\hQV  in  Preufsen  gesehen  haben  will, 'wieder  nichts 
übrig  als  zuzugestehen,  dafs  Urus  und  Bison  ein  und  dasselbe 
Thier  bezeichnen.  Es  folgt  nun  weiter  die  Beschreibung  des 
Bison  nach  der  UebersetzungFlechiers  mit  folgenden  Worten: 

„LesBuffles  ont  plus  de  force  et  leur  figui  e  est  plns  terrible. 
Ils  onl  la  teste  large  et  courbee,  des  cornes  longues,  glus  gran- 
des  que  Celles  des  Ures,  tortues  comme  celles  des  taureaux, 
dressees  et  prestes  a  fraper,  aigues  et  de  coulere  noir,  fort  po- 
lies  et  creiises  au  dedans;  les  oreilles  petites,  les  yeux  grands, 
rouges  el  plelns  de  feu:  le  regard  farouche  et  mena^ant.  Lors- 
que  cet  animal  est  irrite,  il  souffle  d'une  manlere  horrlble.  Une 
touffe  de  poil  luy  pend  au  menton  en  fa^on  de  barbe,  un  crln 
noir  et  herisse  luy  couvre  le  col,  les  flaues  et  les  jambes  de  de- 
vant;  son  dos  va  en  panchant  depuis  le  col  jusqu'aux  epaules; 
le  derriere  est  fort  menu  et  fl'un  peau  fort  seche  et  fort  rldee; 
sa  queue  est  comme  celle  d'un  taurcau,  il  la  dresse,  il  la  se- 
coüe  en  courant,  lorsqu'il  est  en  colere.  Les  Buffles  sont 
plus  rares  que  les  Ures.  J'en  vis  un  fort  jeune  dans  le 
parc  du  Duo  Albert  et  comme  je  fus  entre  dans  le  Heu,  ou  il 
estolt  enferme  et  que  je  voulus  m'approchcr  inconsidereinent 
pour  le  Yoir  de  plus  pres,  celuy  qui  me  condulsoit,  m'averlit  de 
iie  retlrer  en  diligenc.e  et  de  "^me  meltre  en  securete,  quoj^que 
'eusse  a  pelne  avance  vingt  pas  et  que  cet  animal  fust  elolgne 
i'un  jet  de  pierre;  tant  il  dlsoit  qu'il  estoit  leger  et  prompt  ä 
la  course.  11  y  avoit  un  troupeau  de  boeufs  qui  palssolt  avec 
luy;  il  lui  quilla  point,  mals  il  se  tourna  vers  nous  et  nous  re- 
garda  lixcincut  avec  beaucoup  de  feroclte." 

Endlich  beschreibt  er  die  Jagd  der  Bisonten  und  zwar 
eine  zweifa(;hc  Art  derselben  genau  eben  so  wie  Crom  er  in 
seinem  Werke  de  situ,  populis,  moribus,  viagistralibus  et 
leijublica  J'('i;iii  Poloniae^ 


m 
A 


73 

Offenbar  ist  Gratianis  Beschreibung  des  Zubr  speciel- 
1er  und  genauer,  als  die  von  Herberstain.  In  ihr  ist  für 
Uns  die  Bemerkung  von  Interesse,  dafs  die  Bisonten  viel 
seltener  als  die  Uri  seyn  sollten.  Wenn  nach  Crom  er, 
Herberstein,  Swi^cicki,  und  selbst  Dlugosz  der  Tur 
nur  in  Masovien  und  zwar  nur  in  dem  ehedem  grofsen  Wald 
zwischen  Wiskitki  und  Bolemow,  also  nur  auf  eine,  sehr  kleine 
Gegend  beschränkt  gedacht  wird,  der  Zuhr  hingegen  nach  hi- 
historischen  Zeugnissen  vom  12ten  bis  16ten  Jahrhundert  fast 
überall  in  Pommern,  Preufsen,  in  dem  an  Preufsen  grenzenden 
nördlichen  Theil  von  Masovien,  in  Podlachien,  in  ganz  Li- 
thauen  und  Samogitien,  in  dem  Landstrich  zwischen  San  und 
Weichsel,  in  Podolien  und  der  Moldau  verbreitet  war,  so  wäre 
ja  die  Bemerkung  Gratianis  gerade  zu  falsch.  Allein  sie 
wird  ihre  vollkommene  Richtigkeit  haben,  wenn  wir  die  irrige 
Ansicht,  als  seyen  Tur  uud  Zuhr  zwei  verschiedene  T hier- 
arten gewesen,  aufgeben.  Sie  -wird  eben  so  richtig,  wie 
seine  übrige  Beschreibung  des  Zuhr  ist,  nur  eine  sexuelle 
Eigenthiimlichkeit  dieser  species  bezeichnen,  so  wie  sie  heute 
noch  statt  findet.  Urus,  Tur  und  Taurus  bezeichnen  so  wue 
Stier,  Bulle  und  Ochse  ursprünglich  nur  das  männliche  Ge- 
schlecht in  der  Sippe  der  Rinder  und  nur  secundär  als  Ab- 
kürzung auch  eine  ganze  aus  männlichen  und  weiblichen  Indi- 
viduen zusammengesetzte  Art,  wie  z.B.  hos  schon  bei  Pii- 
nius,  der  Hausochse  anstatt  Rindvieh  oder  noch  schlimmer 
sogar  Bos  Xaurus  in  unserer  heutigen  naturhistorischen  No- 
menklatur in  solcher  Art  gebraucht  werden.  Nun  wissen  wir 
durch  V.  Brinken,  Bujack  und  Eichwald,  und  selbst 
statistische  Zählungen  bestätigen  es,  dafs  in  der  noch  lebenden 
Auer-  oder  Zubrart  das  Verhältnifs  der  männlichen  zu  den 
weiblichen  Individuen  beinahe  wie  2ll  überwiegend  ist.  Wenn 
also  Gratiani  angiebt,  dafs  die  Bisontes  seltener  als  die 
Uri  seyn,  was  er  doch  nur  in  Preufsen  von  den  Jägern  ge- 
hört haben  konnte,  wo  damals  das  Auerwild  noch  ziemlich 
verbreitet  war,  so  hat  er  damit  nur  ausdrücken  wollen:  die 
Auerstiere  sind  zahlreicher  als  die  Auerkühe,  wie 
es  noch  heute  der  Fall  ist.  Sich  selbst  unbewufst  hat  er  da- 
mit eine  evidente  Wahrheit  ausgesprochen  und  dadurch  einen 
Fingerzeig  gegeben,    dafs  im   Munde    des  Volks  ursprünglich 


74 

Ullis  (Ur  der  Gallier  und  Altdeutschen,  Tur  in  alt  slavoni- 
schen  Mundarten)  nur  den  Auerstier  im  Gegensatz  gegen  Bi- 
son (JVisent)  als  Bezeichnung  der  Auerkuh  ausdrücke.  Es 
steht  mit  dieser  Conjectur  in  Harmonie,  dafs  Herberstain, 
Gratiani  und  Andere  die  berüchtigten  Geburtsgürtel  für  die 
Frauen  nur  aus  der  Stirnhaut  des  Tur  fertigen  lassen,  weil 
wirklich  Polen  und  Lithauer  dazu  die  am  Bisamgeruch  reichste 
Stirnhaut  des  Zubr-Stiers  vorzüglich  benutzen,  und  sie  hat 
eine  noch  viel  stärkere  Stütze  in  unserm  altdeutschen  Helden- 
gedicht, was  ich  weiter  unten  bei  einer  wiederholten  linguisti- 
schen Prüfung  der  Wörter  Ur  und  Wisent,  Tur  und  Zubr 
erweisen  werde.  Wie  aber  hos  ursprünglich  nur  den  Stier 
bezeichnete,  doch  bald  auch  zur  Benennung  der  ganzen  zah- 
men Rindviehart  wurde,  so  ward  auch  Ur  und  Tur  (ur- 
sprünglich Auerstier)  bald  zur  Benennung  der  ganzen  in  Mit- 
teleuropa einheimischen  wilden  Auerart. 

Dafs  wirklich   zu   Lucas  Davids  und  des  Plerzogs  Al- 
berts  Zeit  in  Preufsen,   wo    Gratiani  Uri  und  Bisontes  ne- 
beneinander als  2  species  nennt,  nur  eine  Art,  der  Zuhr  oder 
Auerochse   gelebt  hat,    und   Gratianis  Angabe   mithin   irrig 
ist,  wird  aufserdem  noch    auf  andere  Art   erwiesen.     Preufsen 
war  damals  durch  seine  wilden  Thiere  berühmt  und  die  jagd- 
lustigen  Fürsten   Deutschlands,    wo    dergleichen    schon    nicht 
mehr  existirten,    wenden    sich   oft  mit  Bittgesuchen    an  ihren 
fürstlichen  Bruder  Herzog  Albert,   dafs   er   ihnen   Elenkälber, 
(Mann  und  Weiber)  Auerochsen  und  Auerkühe,  wilde  Pferde 
und  Stuten,  auch  Hirschkälber  und  Falken   für   ihre  Thiergär- 
ten  und  Falkereien  senden  möchte,  wovon  die  Dokumente  im 
Königsberger  geheimen  Archiv   vorhanden  sind,    wie   sie   zum 
Theil  Bujack*)  durch  Professor  Voigt  unterstützt,  wörtlich 
mitgetheilt   hat.      Die  jagdlustigen   deutschen   Fürsten   wufsten 
also  recht  gut,  welche  grofse  wilde  Jagdthiere  in  Preufsen  leb- 
ten; hätte  also  noch  ein  anderer  C/r  oder  T«/*,  unserm  zahmen 
Rindvieh  ähnlich,  dort  gelebt,  so  hätten  sie  gevvils  darum  eben 
so  gut  gebeten  wie  um  den  Auerochsen,   um  so    mehr   als  er 
nach  Gratianis  Ansicht  häufiger  als  der  letztere  seyn  sollte. 


♦)  V.  Bujacks  Naturgeschichte   des  Elchwildes.   Königsb.    1837. 
8.  bei  Gräfe  und  ünger  p.  12—14  in  den  Anmerkungen. 


75 

Ohngefähr  30  Jahr  nachdem  Uns  Gratiani  obige  Nach- 
richten mittheilte,  erhalten  wir  ähnliche  durch  einen  andern 
Italiener.  Es  war  im  Jahre  1596,  als  Papst  Clemens  Vlll.  den 
Cardinal  Heinrich  Gaetano  an  König  Siegmund  II.  von  Polen 
schickte,  um  diesen  zu  vermögen,  dem  vom  Papste  beabsich- 
tigten Biindnifs  gegen  die  Türken  beizutreten.  Der  Sekretair 
des  Cardinais,  der  Ceremonienmeister  Johann  Paul  Mucante 
hat  über  diese  Reise  und  ihre  Anwesenheit  in  Polen  ein  höchst 
interessantes  und  ausführliches  Diarium  geführt,  das  für  die 
Kenntnifs  des  damaligen  Zustandes  von  Polen,  der  Sitten  und 
des  Lebens  am  Hofe  und  der  Magnaten  von  hohem  Interesse 
ist,  und  Jedem,  der  Polen  genau  kennt,  als  eine  recht  treue 
Schilderung  erscheinen  wird.  Das  Manuscript  dieses  Diariums 
fand  General  D^browski  zur  Zeit  der  polnischen  Legionen 
in  Italien,  und  schenkte  es  dem  Woiwod  Stanislaw  Potocki, 
in  dessen  Familien-Bibliothek  zu  Wilanow  bei  Warschau  es  nie- 
dergelegt ist.  Niemcewicz  verdanken  wir  eine  Uebersetzung 
davon  in  polnischer  Sprache,*)  aus  w^elcher  ich  die  Uns  hier 
interessirenden  Stellen  wieder  ins  Deutsche  übertrage. 

Der  Cardinal  war  am  12.  Juni  1596  aus  Byczyn  in  Schle- 
sien über  Zabor  in  Krakau  angekommen  und  reiste  am  lOten 
September  mit  dem  päbstlichen  Nuntius  Malaspina  am  Hofe 
zu  Warschau,  der  ihm  bis  Krakau  entgegen  gekommen  war, 
von  dort  mit  einem  Gefolge  von  300  Personen  und  250  Pfer- 
den wieder  ab,  und  gelangte  über  Proszowice,  Szydlow,  Za- 
gow,  Kukow,  Itza,  Radom  und  Piaseczno  nach  Warschau  am 
20.  September.     Mucante  erzählt  nun  zunächst:  (1.  c.p.l65) 

„Sonnabends  am  30.  September  schickte  der  König  dem  Car- 
dinal .30  fette  Ochsen  für  seine  Küche  und  überdem  ein  graues 
"Wild,  Tur  genant.  Man  sagt,  dafs  dieses  sehr  wild  und  grim- 
mig sey,  und  der  König  hält  dies  mit  vielem  andern  Wild  in 
seinem  Thiergarten.  Die  zuvor  dem  Wild  abgezogene  Stiru- 
haut  schickte  er  auch  dem  Cardinal,  versichernd,  dafs  diese  grofse 
Kräfte  besäfse.  Ich  kostete  das  Fleisch  desselben  an  der  Tafel 
des  Cardlnals  und  es  schien  mir,  dafs  es  dem  Rindfleisch  ähn- 
lich sey,  nur  etwas  trockener  und  härter. 

Am  folgenden  Sonnabend  (den  5.  Octbr.)  nach  dem  Mit- 
tagsessen fuhr  der  Cardinal  aus,  um  den  2  Meilen  von  Warschau 
liegenden  Thiergarten  des  Königs  zu  besehen.     Mit  dem  Cardi- 


*)  Im    Zbiör   pami^tniköw    historycznych    o    dawney    Polszcze 
przez  I.  M.  Niemcewicza.  Tom.  IL  p.  133— 215. 


jial  fiilir  der  Nuntius  Malasplna  und  der  vom  König  dazn  abge- 
.sandle  Kion- Grorsniarscliall  (damals  Zebrzydowski)  und  viele 
Wolwodcn  und  Cavallere.  Wir  kamen  zu  einem  sehr  grolsen 
eingehegten  Wald,  wo  verschiedene  wilde  Bestien,  als:  Zubry, 
U  r  i ,  ß  ä  r  e  n  ,  Wildschweine,  Hirsche,  1)  a  m  m  li  i  r  s  c  h  e 
u.  s.  w.  gehalten  werden.  In  der  Mitte  desselben  befand  sich 
ein  hoher  Abhang,  wo  wir  ohne  alle  Gefahr  die  Thiere  sehen 
konnten.  Das  Tielben  der  Bauern  fing  sich  von  verschiedenen 
Selten  her  an,  um  die  Thiere  nach  Uns  hinzutreiben.  Es  liefen 
bei  Uns  vorbei  Hirsche,  Dammhische  und  7  Zuhvi  zugleich  alte 
und  junge,  üiese  sind  den  schwarzen  Ochsen  ähnlich,  aber  be- 
deutend gröfser,  der  Kopf  derselben  ist  klein  und  rauhhaarig, 
der  Nacken  breit  und  nach  unten  ein  grofser  Bart.  Unter  den- 
selben war  ein  Ziibv  von  aufserordentlicher  Gröfse,  bedeutend 
gröfser  als  ein  Kameel.  Man  sagte,  dafs  dieses  ^VIld  aufseror- 
dentlich  wild  und  so  stark  sey,  dafs  es  einen  Reiter  mit  dem 
Pferde  mit  den  Hörnern  fassend  über  sich  werfe.  Viele  von  die- 
sen Bestien  wollten  nicht  dahin  laufen,  wo  wir  auf  sie  warte- 
ten und  der  Tag  neigte  sich  schon  zu  Ende.  Wir  kehrten 
Abends  nach  Warschau  zurück." 

Diese  Erzählung  zeigt  nun  wieder  deutlich,  wie  die  Ni\- 
men  Tur  und  Zuhr  abwechselnd  für  ein  und  dasselbe  Thier 
gebraucht  wurden.  Erst  erhielt  der  Cardinal  einen  grauen  er- 
schlagenen Tur  aus  dem  Königlichen  Thiergarten  für  seine 
Küche  und  die  von  seiner  Stirn  abgezogene  berühmte  Stirnhaut, 
also,  wie  ich  schon  erwiesen  habe,  einen  ^wfer- Stier  unter 
dem  Namen  Tur.  Dann  bei  dem  Besuch  des  Thiergartens 
selbst  werden  von  Mucante  unter  den  Thieren,  die  er  ent- 
halten sollte,  zwar  im  Anfange  Zuhrt  und  Uri  neben  einan- 
der genannt,  dann  aber  als  es  zum  Treibjagen  kam,  sah  er 
doch  nur  Zuhri,  ähnlich  den  schwarzen  Ochsen,  deren  kurze 
Beschreibung  doch  hinreicht,  um  zu  beweisen  dafs  es  wirklich 
Bisonten  {ZuhrJ  oder  Auerochsen)  waren.  Diese  Nachricht 
ist  nun  in  mehr  als  einer  Hinsicht  von  NA'ichtigkeit;  sie  beweist 

1)  dafs  Tur  und  Zuhr,  es  mögen  nun  beide  Namen  ganz 
synonym  seyn  oder  Tur  ursprünglich  nur  den  ^?//>/"- Stier 
bezeichnet  haben,  in  Masovien  in  einem  2  Meilen  von  ^Var- 
schau  entfernten  Thiergarten  d.  h.  ohnweit  Blonie  oder  Wi- 
.skitki  beisannnen  lebten;  also  ist  die  Behauptung  irrig,  als 
hätt(Mi  Tur  und  Zuhr  wegen  gegenseitiger  Abneiguyg  nicht  in 
einem  Thiergarten  zusannnengehalten  werden  können,  wie  nach 
llrn  V.  Brinkens*)  Angabe  der  Palatiu  Ostrorog  im  16teu 

0  1-  c.  p.ig.  65  und  70. 


77 

Jahrhiinrlert  in  einem  hinterhisseneu  Maniiscript  über  dio  An- 
lage der  Thiergärten  geschrieben  liaben  soll.  Ich  selbst  habe 
dieses  Manuscript,  das  sich  in  der  Bibliothek  des  Grafen  Jo- 
seph Krasinski  in  Warschau  befinden  .soll,  nicht  einsehen 
können.  , 

2)  Die  Nachricht  beweist,  dafs  es  falsch  ist,  wenn  der 
Abt  Ruggieri,  Nuntius  des  Pabstes  Pius  IV.  am  Hofe  König 
Siegmund  Augusts,  in  seiner  Relation  über  den  Zustand  Po- 
lens im  Jahre  1568*)  also  zwischen  den  Jahren,  in  welchen 
Gratiani  und  Mucante  in  Polen  waren,  schreibt:  „dafs  die 
Wälder  Polens  voller  Wild  verschiedener  Art  sej-en,  unter 
denen  Ziibry,  Tury  und  i.osie  bei  Uns  (in  Italien)  nicht  be- 
kannt seyen  und  dafs  die  Zuhry  nur  in  der  Bialowieskiey 
puszezy  (wo  sie  noch  heute  sind)  leben  könnten,"  denn  Mu- 
cante sah  sie  20  Jahre  später  in  Masovien.  Und  es  ist  fer- 
ner falsch,  wenn 

3)  Andreas  Swi^cicki  in  seiner  ebenfalls  am  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  geschriebenen  descriptio  topographica  Du- 
caius  Masoviae  angiebt,  als  hätten  innerhalb  Masovien  die 
Zuhry  nur  in  der  sogenannten  silva  Secjuana  (d.  h.  am 
Flusse  Skwa  nordwärts  der  Narew  an  der  Grenze  der  heuti- 
gen Gubernien  Plock  und  Augustow)  gelebt,  dahingegen  die 
Tjiri  nur  in  der  sogenannten  silva  Hectorea  (d.  h.  in  der 
damaligen  Jakturowska  puszcza  zwischen  Wiskitki,  Bolemow 
und  Mszczonow),  denn  gerade  in  derselben  Wildnifs  war  das 
Gehege  und  der  Thiergärten  der  alten  Herzoge  von  Masovien 
(und  der  Könige  von  Polen  seit  1525,)  in  welchen  Mucante 
die  7  Zuhry  sah  und  als  solche  beschreibt. 

Mucante  erwähnt  übrigens  deu  Zuh?^  und  zwar  den 
Lithauischen  noch  einmal  in  seinem  Tagebuche.  Als  nämlich 
der  König  seine  verstorbene  Tante  Anna  (Schwester  Siegmund 
Augusts)  König  Stephan  Batorgi  hinterlassene  Wittwe  am  29. 
October  1596  selbst  zur  Beisetzung  ins  Königliche  Begräbnifs 
nach  Krakau  begleitete,  folgte  ihm  der  Cardinal  2  Tage  spä- 
ter dahin  nach.  Der  König  verliefs  aber  Krakau  wieder  am 
18.  November  und  mufs  sich  bald  darauf  nach  Lithauen  be- 
geben haben,  denn  am  27.  Januar  1597  schickte  er  dem  Car- 


0  s.  Niemcewicz  1.  c.  T.  III,  p.  7. 


78 

dinal  Legat  „zwei  ungeheure  Bestien  und  einen  Zubr  von 
ihm  selbst  in  den  litbauischen  Wäldern  erlegt,  nach  Krakau. 
Beide  jener  Bestien  waren  Weibchen  und  hatten  keine  Ge- 
weihe. Sie  waren  so  grofs  als  Maultlüere,  ihre  Gestalt  dem 
Hirsch  ähnlich,  und  hatten  keine  Zähne  (Vorderzähne)  in  der 
Oberkinnlado.  (Mucante  meint  also  hier  Elenkiihe  ohne  ih- 
ren Namen  zu  nennen.)  Der  Zuhr,  den  ich  schon  gesehen 
hatte,  ist  eine  erschreckliche  Bestie,  gröf^^er  als  der  Büffel, 
schwarz  von  Ansehen,  der  Kopf  nicht  grofs,  kurz  und  kraus, 
der  Vordertheil  breit  und  erhaben.  Der  Geschmack  des  Flei- 
sches ähnlich  dem  Hirschfleisch." 

Fast  köinite  es  scheinen,  dafs  die  bisherige  kritische  Be- 
leuchtung der  Herberstainschen  Nachrichten,  verbunden  mit 
denen  von  Gratiani  und  Mucante,  schon  hinlänglich  w^ären 
die  Cu  vier  sehe  Meinung  zu  widerlegen.  Sollte  aber  der  Ge- 
genstand ganz  erschöpft  werden,  so  konnte  ich  mich  damit 
noch  nicht  begnügen.  Hr.  v.  Bär  wirft  mir  vor,  ich  hätte 
jnanche  Zeugen,  die  Hr.  v.  Brinken  für  die  Verschiedenheit 
zwischen  Tur  und  Zubv  angeführt  hat,  als  Ostrorog,  Gra- 
tiani, Mucante,  Surius,  Nieremberg,  Swifcicki  aus- 
gelassen und  das  Zeugnifs  von  Gefsner  zwar  nicht  überse- 
hen, aber  von  der  Hand  gewiesen.  Er  macht  ferner  die  sehr 
richtige  Bemerkung,  dafs  man  in  Betreff  der  kritischen  Sich- 
tung der  Säugthierarten,  durch  topographische  Schriftsteller 
stets  mehr  Licht  erhalten  werde  als  durch  die  compilirenden 
Naturforscher  des  Mittelalters  bis  Jonston  herab,  (mithin 
auch  durch  Gefsner)  und  dafs  die  Möglichkeit,  als  habe 
der  doppelte  Name  eines  Thieres  die  doppelte  Nennung  des- 
selben veranlafst,  nur  dann  zur  Wahrscheinlichkeit  und  Ge- 
wifsheit  erhoben  werden  könne,  wenn  Stimmen  aus  dem  Mit- 
telalter selbst  über  die  identische  Bedeutung  von  Ur  und  JVi- 
sent,  Tur  und  Zuh',  dem  europäischen  Buhalus  und  Bison, 
sich  aussprächen. 

Diese  Bemerkungen  nöthigen  mich  also 

1)  über  die  ausgelassenen  Zeugen  mich  noch  zu  erklären  und 

2)  alle  Polen  betreffende  Topographen  und  Chronisten  des 
Mittelalters,  vorzüglich  die  innländisch  polnischen  über  diesen 
Gegenstan«!  genau  abzuhören  und  zu  prüfen. 

Welchen  Wcrth    das  von   Ostrorog  beigebrachte  Zeug- 


nifs  bat,  habe  ich  oben  schon  angedeutet,  Mucante  und  Gra- 
tiani  sind  schon  bereits    vernommen  vyorden,    und   Swieci- 
cki  gehört  unter  die  Topographen,  die  wir  bald  näher  beleuch- 
ten werden.     Dafs  ich  aber   auf  Surins   in    der   historia   vi- 
tae  Sanctorum   wegen    der    wenigen  Worte:    In  Lithuania 
Uri  sunt  ac  Bisontes  et  erranf,  qui  Uros  vocant  Bisontes, 
cum    /bisontes  sunt  juhati   et  villosi  circa   Collum   und   auf 
Nierembergs  Worte  in  der  bist.  Aninialium  Lib.  V.:  Sepien- 
trionales  regiones   alunt  Tragelaphum   ex  genere   Cervo- 
rum,  Urum  et  Bisontem  keinen  Werth  lege,   wird   man   mir 
wohl   nicht  hoch   anrechnen,    denn    diese   Männer,    die   nicht 
selbst  Beobachter   waren   und   zu   den    vielen  Nachbetern  von 
Piinii  mifsverstandenen   Worten    gehören,   geben  keine   Ent- 
scheidung.    Habe  ich  sie  übergangen,  so  habe  ich  dagegen  frü- 
her andere  Zeugen  von  denen  Hr.  v.  Brinken  nichts  wufste: 
Thomas     Cantapratensis,    Joh.    v.    Marignola,     Paul 
Zidek  und  Bartholomaeus    Anglicus   angeführt,    die  in 
einiger  Beziehung   doch    nocli    etwas    melir   Werth    haben  als 
jene.     So  bleibt  also  nur  noch  Conrad  Gefsner  übrisr,  des- 
sen  Zeugnifs  ich  ebenfalls  als  nicht  entscheidend  betrachten  kann. 
Zugestanden,  dafs  der  grofse  Conrad  Gefsner  (geboren 
1516,  gestorben  1562)  dadurch  der  Schöpfer  der  neuern  Na- 
turgeschichte wurde,    dafs   er   in   seinen   Werken  nicht   allein 
Alles  das,  was  die  Alten  über  alle  Theile  der  Natur  erforscht 
hatten,  zusammentrug,  sondern  dafs  er  auch  ihre  Angaben  mit 
sehr  vielen  Forschungen  und  Beobachtungen  seiner  Zeitgenos- 
sen und  seiner  selbst  durchflocht   und   bereicherte,    so  müssen 
wir  doch  auch  zugestehen,  dafs  Gefsner   bei   dieser  compili- 
renden  Methode  über  viele  Gegenstände  nicht  zur  klaren  Ein- 
sicht gelangt,    wenn  die  zusammengetragenen  Nachrichten  der 
Alten    und    seiner   Zeitgenossen   als    einander    widersprechend 
oder  dunkel  waren  und  er  selbst  nicht  im  Stande  war,  durch 
eigene  Ansicht  und   Forschung  Wahrheit   und    Täuschung   zu 
sichten.  —  Und   so   ist   es   gerade   der  Fall   mit  seinen  Nach- 
richten de  hohus  feris  et  sylvestribus  diversis. 

W^enn  wir  in  seinem  grofsen  Werke  historiae  ^nima- 
lium  Lib.  I.  de  quadrupedihus  viviparis,  Tigurini  ap.  Fro- 
schoverum  1551.  fol.  die  Kapitel  de  huhalo,  de  hisonte, 
de  honaso,  de  farando,  de  uro  durchlesen,  so  müssen  wir 


80 

gestehen,  dafs  er  in  Unterschcklung  der  Arten  nicht  zur  kla- 
ren Einsicht  gelangte.  Wir  müssen  Uns  schon  der  Mülie  un- 
terziehen, ihm  dabei  Schritt  vor  Schritt  zu  folgen.  Im  Kapi- 
tel de  huhalo  p.  13.9  b-jmerkt  er  sehr  treffend: 

„Bubali  iiomen  omnino  incertum  est,  non  hodle  soliim  sed 
jam  Pllnii  seculo  confiisum.  Albertus  Magnus  memlnlt  magno- 
rum  bubulorum  sylvestrium,  qui  Yisent  apud  Germanos 
appellentur,  hos  ego  Biso nt es  interpretor." 

Hätte  Hr.  V.  Bär  diese  Stelle  beachtet,  so  würde  er  nicht 
behaupten,  dafs  der  untergegangene  Bos  prhnigenius,  sein  so- 
genannter Ur,  in  den  altdeutschen  Annalen  und  Gesetzen  durch 
Büffel  oder  Buhalus  ausgedruckt  sey.  Wenn  die  lex  Ale- 
manorum  tit.  Q9.  §  1.  im  lateinischen  Texte  verordnet:  Si 
quis  hisontem  huh alum,  vel  cervum  qui  prugit,  f Lira- 
verit  vel  occideritj  duodecim  solidos  componat,  so  hätte 
Hr.  V.  Bär,  der  hier  aus  den  zusammengestellten  Namen  Bi- 
son  hiihahis  2  Thiere  machen  will,  doch  bedenken  sollen,  dafs 
der  Verfasser,  wenn  das  seine  Meinung  gewesen  wäre,  ebenso 
zwischen  hisontem  und  huhuhun,  als  zwischen  dieses  Wort 
und  cervum  ein  vel  gestellt  haben  würde  und  dafs  im  deut- 
schen Texte  dafür  wirklich  Wisent  oder  Büffelochse  steht,  und 
es  ist  also  klar,  dafs  der  Name  Büffel  als  eine  zweite  Benen- 
nung des  Wisent  d.  h.  des  wirklichen  Bison  imd  noch  heute 
lebenden  Zuhii  gebraucht  wurde  und  dafs  die  vom  Begleiter 
des  Pommerschen  Apostels  Otto  (Bischof  von  Bamberg  und 
Beichtvater  der  Gemahlin  Herzog  Boleslaw  Krzywousty  von 
Polen)  im  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  in  Pommern  genann- 
ten Ferinae  Buhalorum  nichts  anders  als  Zuhrones 
sind,  werde  ich  aus  Dlugosz  mit  Evidenz  erweisen.  Wenn 
mithin  Daniel  Gramer  im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  in 
der  Pommerschen  Kirchengeschichte  jene  W'orte  mit  Püffel 
oder  Uhr- Ochsen  übersetzt,  so  hat  das  wahrhaftig  so  wenig 
Gewicht  als  der  Ausspruch  eines  Mannes,  der  aus  Rufsland 
zurückkehrend  mir  vor  wenigen  Tagen  erzählte,  er  sey  durch 
die  Landschaft  Bialystok  gereist,  wo  in  dem  benachbarten 
grofsen  Walde  (nämlich  von  Bialowie/.a)  noch  die  wiljlen 
Büffel  ochsen  lebten,  oder  der  falsche  Ausdruck  des  Dr. 
Karl  Andrer  in  seinem  Werke:  Polen  nach  Malte-Brun 
und  Chodzko  bearbeitet.  Lpz.  1831.  8.  der  p.  43  und  45  den 
Bison   oder  Zalr  auch   noch    mit    dem   Titel    Büffel    beehrt. 


81 

Die  wahre   ursprünglich    wörtliche    Bedeutung    von  Büffel 
auf  die  ich  uuten  nochmals  zurückkomme,   entschuldigt  übri- 
gens die  alten  Deutschen,  wenn   sie  den   Wisent  oder  Zuhr 
auch  zuweilen  Büffel   nannten.     Hat   Fürst  Wratislav  V  nach 
Cramer  ums  Jahr  1364  in   Hinterpommeru   einen   fVysant 
erlegt,  so  ist  das  nur  wieder  eine  Bestätigung,  dafs  vom  An- 
fange des  12ten  bis  Ende  des  14ten  Jahrhunderts  (von  Boles- 
law  Krzywousty  bis  Wratislaw  V)  in  Pommern  so  gut  wie  in 
Preufsen  und  Polen  von  wilden  Ochsen  nur  der  Wisent  oder 
Zubr  gelebt  hat. 

Sodann  weiter  im   Cap,  de  Bisonte  p.  143  überzeugen 
wir  Uns,    dafs   Gefsner  durchaus  nicht  zu  einer  klaren  Ue- 
berzeugung  von  einem  wirklichen  Unterschied  zwischen  Bison 
und  Urus  gelangte.     Er  stützt  sich  auch  wieder  nur  auf  Pli- 
nius  und   Albertus   magnus   und  will  dem  letztern,    der 
doch  2  Jahrhunderte  früher,   von   1192  bis  1280  in  Deutsch- 
land lebte,    zu   einer  Zeit   als  der  Auerochse  wenigstens   im 
östlichen  Deutschland  noch  vorkam,  nicht   einmal  recht  Glau- 
ben beimessen.      Er    sagt  im  Eingange   dafs   der  Bison   von 
Manchen   mit  dem  huhalus,  von  Andern  mit  dem  urus,   von 
noch  Andern  mit  dem  rangi/er,  endlich  auch  mit  dem  hona- 
sus,  tarandus  und  urus  verwechselt  worden  (warum  er  den 
Urus  zweimal  nennt,  ist  unklar)  und  fügt  hinzu:  Ego  quoad 
ejus  possum  haec  genera  distinguam     Hier  kommt  es  nun 
aber  eben  auf  das  guoad  an  und   darüber  läfst  er  Uns  sehr 
in  Zweifel.     Er  geräth   in  Widersprüche   wenn  er  z.  B.  hier 
den  Bison  vom  hojiasus  unterscheidet,  und  doch  im  Cap.  de 
lonaso  p.  157  schreibt: 

,,Ego  certe  bonasum  genus   bisontfs  crediderim,   nam  et  Al- 
bertus, ut  superuis  retuli,  boum  qui  vulgo  Wisent  diciuitur,  di- 
versas    species     magnitudine     solum     difTerentes     esse     testatur 
qu,ppe  excepta  cornuum  figura  et  rejectione  stercorls  reliq  a  X' 
detur  omnia  cum  bisonte  communia  habere."*) 

^)  Dafs  der  bojiasus  wirklich  nur  der  Bisün  ist,  hat  schon  Cii- 
v^er  anerkannt  und  ich  noch  ausführlicher  zu  er^veisen  versucht, 
wenn  Gefsner  ferner,  indem  er  irrig  den  böhmischen  Namen  Loni 
(.soll  heifsen  Lossi)  auf  den  monopics  bezieht,  hinzufügt:  Germani 
jubani  vocant  Möne  (Mähne)  ut  AngUMane  inde  factum  Monoms 
veiMonopj  nomen  aliquü  conjecerit  ntpote  bovis  jubati,  so  ist  diese 
i>amens-Lrklärung  des  Monopus,  so  gut  sie  auf  das  vom  Bison  nicht 

W.egm.  Archiv.    VI.  Jahrg.     l  Band.  g 


82 

Wenn  er  dann  weiter  die  Worte  des  PI  in  ins  anführt: 
insignia  tarnen  houm  fcrormn  genera  jubatos  hisoiiies,  ex- 
cellenüque  vi  et  velocitate  uroSf  quibus  imperitum  vulgus 
huhalorum  nomen  imponit,  cum  id  gignat  Africa  und  lun- 
zufiigt,  dafs  Raphael  Volaterranus  und  Andere  den  Na- 
men hiihalus  nicht  allein  auf  die  Uri  sondern  auch  auf  die 
Blsontes  bezogen  hätten,  was  er  nicht  billigen  könne,  indem 
sich  dieser  auf  die  Uri  bezöge,  so  hat  Raphael  Volater- 
ranus gewifs  mehr  Recht  als  Gefsner  gehabt,  indem  in  den 
Worten  des  Plinius  selbst  durchaus  kein  sicherer  Beweis 
davon  liegt,  dafs  er  einen  Unterschied  zwischen  dem  bemähn- 
ten  Bison  und  Urus  gekannt  habe.  Er  fand  bei  seinem  Ex- 
cerptensammeln  die  aus  verschiedenen  Sprachstämmen  ab- 
stammenden verschiedenen  Namen  wilder  Ochsen  und  so  stellte 
er  diese  neben  einander.  Er  hat  so  wenig  gewufst,  ob  diese 
Namen  wirklich  zwei  verschiedene  genera  bezeichneten,  als 
er  es  gewufst  hat,  dafs  der  von  ihm  wenige  Zeilen  weiter  ge- 
nannte und  ebenfalls  als  bemähnter  Ochse  bezeichnete  hona- 
sus  nichts  anders  war  als  der  von  ihm  schon  genannte  hison 
jubatus. 

Auch  Albertus  magnus  hat  offenbar  Uri  und  Bisonies 
nicht  neben  einander  gekannt,  obgleich  er  sie  beide  nennt, 
denn  im  Lib.  22  de  animalibus  nennt  er  erst  die  Uri,  {quos 
nos  Germanice  vis ent  vocamus')  weifs  aber  davon  nichts  als 
die  grofsen  Hörner  anzuführen,  welche  als  Trinkhörner  dienten. 
Dann  erwähnt  er  an  einem  andern  Ort  die  grofsen  wilden  Wald- 
Büffel,  ebenfalls  wieder  Vis  ent  bei  den  Deutschen  genannt.' 
Weiter  bei  der  alphabetischen  Aufzählung  der  vierfüfsigen 
Thiere  unter  dem  Buchstaben  ?^  werden  von  ihm  VrsonteSy 
ein  Schreibfehler  für  Visontes  oder  Bisontes  genannt  und 
dieses  Thier  beschreibt  er  nun  hovi  simile,  collo  setoso  et 
jubis  ut  equus,  sed  perniliiis  et  iruculentius  ut  captum  do- 
mari  vix  vel  nunquam  possit.  Dieses  Alles,  meint  Gefsner 
scheine  Albertus  aus  dem  Solinus  abgeschrieben  zu  ha- 
ben, den  er  kurz  zuvor  selbst  den  Affen  des  Plinius  genannt 


untcrsrhiodono  Thicr  pafsto,  doch  spracldich  oino  sehr  gewagte  Con-. 
jectiir  und  ich  halte  die  in  der  Paläontologie  von  Polen  p.  208  vo» 
mir  versuchte  doch  für  wahrscheinlicher.  -^^ 


83 

hat.     Sodann   führt  er  weiter  aus  Albertus   Werk  Lib,  2. 

cap.  2.  an: 

Invenluntur  (inqiut)  in  genere  boiim  nigri,  magni,  qui  a  qul- 
busdam  vocantur  bubali  et  apud  Germanos  Voesent:  hi  per- 
quam  robusti  sunt  adeo  iit  irritati  equiim  simiil  et  equitem  cor- 
nibus  ventüent;  magnitiidine  aequant  magniim  dextrarium  (sie 
egreglum  et  insignem  equum  Itall  vocant)  et  facies  illorum  boum 
aliquantulum  declinat  inferius  ita,  quod  habent  eminentlam  su- 
per medlam  liueam  descendentem  inter  oculos  et  declinatio  ar- 
tus  illius  est  versus  os  et  versus  frontem  declinatio  alia  et  ele- 
vatio  in  media.  Cornua  eis  raaxima  et  ad  dorsum  recurva,  ut 
faciliiis  cum  eis  elevare  et  vcnticare  seu  rejicere  possint,  quod 
invaserint.  Plura  eorum  genera  sunt:  quibusdam  alta  et  longa 
cornua,  aliis  brevia  crassa  et  robusta.  Nota  haec  genera  sunt 
Sclavis  et  Ungaris  et  finitimis  Germanis. 

Aus  dieser  Beschreibung  geht  nun  wohl  deutlich  genug 
hervor,  dafs  Albertus  magnus  damit  den  gemeinen  Büf- 
fel {Boshubalus)  gemeint  hat,  der  allerdings  damals  schon  bei 
den  südöstlichen  Slaven,  den  Ungern  und  im  südlichen  Deutsch- 
land als  Zugthier  gehalten  wurde;  ob  er  ihm  aber  mit  Recht 
auch  den  deutschen  Namen  Voesent  beilegt,  möchte  ich  stark 
bezweifeln  und  dafs  er  nach  der  verschiedenen  Gröfse  ihrer 
Hörner  verschiedene  genera  derselben  unterscheiden  will,  ist 
sicher  ein  Irrthum.  Sodann  fährt  Gefsner  fort  aus  den  Wor- 
ten des  Albertus  den  Schlufs  zu  ziehen,  dafs  mit  dem  Na- 
men Visent  verschiedene  genera  der  Waldochsen  belegt  wor- 
den seyen,  von  welchen  er  die  kleinen:  Bisontes,  diegrofsen 
aber  Uri  nenne.  Offenbar  hat  sich  Gefsner  zu  dieser  durch- 
aus haltlosen  Meinungs-Aeusserung  nur  hinreissen  lassen,  in- 
dem er  wieder  an  Plinius  gedacht  hat,  obgleich  dieser  durch- 
aus nicht  gesagt  hat,  dafs  die  Lri  gröfser  als  die  Bisontes 
seyen  und  in  keiner  der  altdeutschen  Annalen  und  Gesetzbü- 
cher irgendwo  eine  Unterscheidung  von  grofsen  und  klei- 
nen Visenten  als  2  verschiedenen  Thieren  vorkommt.  Diese 
Meinung  ist  mithin  als  eine  reine  Imagination  zu  verwerfen 
und  es  erweist  sich  auch  sichtbar,  dafs  Gefsner  gar  nich^ 
zu  einer  festen  Distinction  gelangte,  weil  in  demselben  Kapi- 
tel sogar  wieder  eine  Verwechslung  mit  dem  Elch  vorkommt, 
angedeutet  durch  die  Worte: 

Angermanniae  ducatus  tenet  septentrionalia  loca  ad  confinia 
Lapponiae,  ejus  tractus  est  totus  sylvosus  et  ibi  in  praecipuis 
feris  venantur    Uros    et    Bisontes    quos    patria  lingua  dicunt 

6* 


84 

Elg-,  td  est  aslnos  sylvestres,  tantae  pro c eri ta tis  iit  summ o  dorso 
aeqiient  niensuram  hominis  porrecti  in  brachla  elata.  Sed  haec 
altitudo  Uris  convenit,  non  proprie  dictis  bisonti- 
bus,  qui  minores  sunt. 

Da  Gefsner  mm  nirgends  anführt,  dafs  er  in  seinem 
Lehen  aufser  den  zu  Mainz  und  Worms  an  den  öffentlichen 
Gebäuden  schon  mehrere  Jahrhunderte  zuvor  aufgehangenen 
Ochsenschädehi,  jemals  einen  lebenden  Bison  oder  Uvus  ge- 
sehen habe,  und  er  auch  nirgends  einen  Gevvährsmannn  für 
die  Messung  dieser  Thiere  anzuführen  weifs,  so  hat  er  auch 
nicht  wissen  können,  ob  der  sogenannte  Urus  so  hoch  als 
ein  Elch  und  der  Bison  niedriger  sey. 

Ganz  am  Ende  desselben  Capitels  p.  145  erwähnt  er  so- 
dann zum  erstenmal  des  polnischen  Thiir  mit  den  Worten: 
Tortassis  etiam  Thuro  Folonorum,  quermnox  in  tarando 
descrihcnrif  hisontis  genus  est.  Hat  nun  der  polnische  Twr 
(w^ie  sehr  richtig)  zum  genus  der  Bisonten  gehört  und  sollen 
sich  diese  durch  die  Mähne  und  den  Bart  von  den  bartlosen 
Uris  unterscheiden,  so  ist  ja  die  Verbindung  des  Thiir  mit 
dem  Uj'us  unzuläfsig.  Wenn  aber  Gefsner  den  Thiir  hier 
zum  Bison  rechnete,  so  mufs  es  sehr  auffallen,  wenn  er  ihn 
gleich  darauf  im  Cap.  de  Tarando  p.  156  abhandelt.  Er  ist 
also  abermals  schwankend  gewesen,  ob  der  Thur  zum  Ta- 
rand,  oder  Bison  oder  Uj^us  zu  rechnen  sei.  Dies  geht  aus 
folgenden  Worten  hervor: 

Tarandum  igltnr    esse    existimo  feram,  quam  Poloni  Tur  vel 

II ■  T  ••         ,        •   _         _  _  I         ..        •   -         •       l'k   L 


7  pernicissmio  cursu   et  valde   robusta.     Descnpti^ 

nem  haue  nobis  communicavit  nobllitate,  doctrina  et  omne  vir- 
tutum  genere  vir  ornatissimus  Florianus  Susllga  Rolitz  a  Yar- 
schovia  Polonus.  Ilacc  fera,  si  jubata  esset,  quod  nondum  certo 
scio,  bisonti  adscriberem.  Nam  receniiores  quidam  thuronem 
Polonorum  Zubronis,  id  est  Url,  speciem  faciunt. 

Wenn  dieses   Thier   also  eine  Mähne  hat,   so   will   er  es 

zum  Bison  rechnen,  wenn   nicht  zum   tarandus  (Rennthier) 

wahrscheinlich  nur  wegen  seines  schnellen  Laufes  und  zugleich 

ersieht  man  daraus,   dafs   er  den  /.ulr   mit  Bart  und  Mähne 

doch   nicht   zum  Bison  sondern  zu  seinem   imaginären  Unis 

zählt.  —  Welche   Begriffsverwirrung!    —   Wenn   nach   Gefs- 

ners  Ansicht  der  Urus  der  Zuhr  der  Slavcn  ist,  also  unser 


85 

Auerochse  mit  Mähne  und  Bart,  der  polnische  Tur  hingegen, 
wenn  er  eine  Mähne  habe,  zum  Bison  gehöre,  so  weifs  man 
am  Ende  gar  nicht  mehr,  welche  Unterscheidungs-Kennzeichen 
sich  Gefsner  denn  zwischen  beiden  Thieren  gedacht  haben 
imifs.  Die  Nachricht  die  er  von  Tur  dem  sehr  gelehrten 
Einwohner  Warschaus  Susliga  Rolitz  verdankte,  ist  so  kurz, 
dafs  man  in  zoologischer  Hinsicht  daraus  gar  nichts  ersehen 
kann.  Dieser  Mann,  in  der  alt  polnischen  Litterargeschichte 
nirgends  genannt,  hätte  wohl  vermöge  seines  Wohnorts  den 
Tur  etwas  genauer  schildern  können.  Er  hat  aber  wahr- 
scheinlich wenig  davon  gewufst,  denn  nicht  einmal  seine  topo- 
graphische Angabe,  dafs  der  Tur  nur  in  Masovien  zwischen 
Oszezke  und  Garvolijn  (d.  h.  zwischen  den  beiden  Städtchen 
Osiek  und  Garwolin  im  Kreise  Lukow  des  Gubernii  Podlachien) 
gelebt  habe,  ist  richtig,  denn  wir  wissen  durch  Swigcicki, 
Gratiani  und  aus  archivarischen  Nachrichten  aus  derselben 
Zeit,  in  welcher  Gefsner  und  Susliga  lebten,  dafs  der  so- 
genannte Tur  damals  und  bis  ins  17te  Jahrhundert  hauptsäch- 
lich westwärts  der  Weichsel  in  Masovien  in  der  Jakturowska 
puszcza  bei  Wiskitki,  also  auch  sehr  nahe  bei  Warschau  ge- 
nannt wird.  Susliga  hat  wahrscheinlich  von  einer  viel  frü- 
hem Zeit  gesprochen,  und  insofern  ist  Uns  seine  Angabe,  dafs 
der  Tur  auch  zwischen  Osiek  und  Garwolin  gelebt  hat,  von 
Interesse,  denn  der  ebenfalls  am  Ende  des  löten  Jahrhunderts 
schreibende  Swigcicki*)  erzählt  Uns,  dafs  in  der  Gegend 
von  Osiek,  also  in  der  sumpfigen  Waldniederung  zwischen 
den  Flüfschen  Swider  und  Wilga  die  alten  piastischen  Her- 
zoge von  Masovien  (die  1525  ausstarben  und  jener  Gegend 
nahe  gegen  über  auf  dem  linken  Weichselufer  ihr  noch  in 
Ruinen  stehendes  Resideuzschlofs  Czerik  hatten)  einen  Thier- 
garten  gehabt  hätten,  der  von  einem  sehr  selten  zufrierenden 
kleinen  klaren  J3ach  durchschnitten  wurde  und  wo  sie  nach 
seiner  Angabe  (wahrscheinlich  in  der  letzten  Zeit  ihrer  Exi- 
/  stenz)  nur  noch  Hirsche  und  Damuli  zu  ihrem  Vergnügen  hiel- 
ten.   Vom  Tur  weifs  der  Mann  in  dieser  Gegend  nichts  mehr. 


*)  Swigcicki  descriptio  Ducatus  Masoviae  topographica  iii  Mi- 
cleri  collectio  magna  Historiarum  Poloniae  et  LIthuaiiiae  scriptoruiu 
Tom.  I.  p.  486. 


86 

Aber  die  Beschaffenheit  der  Gegend  ist  ganz  so,  dafs  er  frü- 
her da  wohl  gelebt  haben  mag  und  Swi^cicki  führt  aus- 
drücklich an,  dafs  sich  von  dort  der  grofse,  heute  freilich  ge- 
lichtete Wald  längs  der  Weichsel  bis  zum  Narevv  (durch  den 
heutigen  Kreis  Stanislavvow  hindurch)  gezogen  habe  und  vom 
Flusse  Sphydrus  (d.  h.  heute  Svvider)  durchschnitten  wor- 
den sey. 

Wie  können  wir  auf  GefsnerUns  berufen,  um  den  ihm 
so  wenig  bekannten  Tur  für  verschieden  vom  Ziibr  zu  erklä- 
ren, wenn  er  von  der  im  Artikel  de  Rangifero  p.  951  mit- 
getheilten  sehr  richtigen  Zeichnung  eines  Elengeweihs  nicht 
einmal  gewifs  ist,  ob  dieses  Geweih  einem  Rennthier  oder 
einem  andern  Thiere  angehörte,  da  er  doch  selbst  im  Artikel 
de  ^Ice  p.  2  schon  ein  Elengeweih,  wenn  auch  etwas  weni- 
ger gut,  abgebildet  hat,  und  man  auf  den  ersten  Anblick  be- 
kennen mufs,  dafs  beide  Zeichnungen  nur  einen  und  denselben 
Gegenstand  darstellen,  auch  zu  seiner  Zeit,  nach  Sebastian 
Münsters  Nachrichten,  Elengevveihe  sehr  häufig  im  Handel 
bei  den  Augsburger  und  andern  deutschen  Kaufleuten  vor- 
kamen. 

Endlich  im  Artikel  de  Uro  p.  157  erkennen  wir  die  da- 
von gegebene  Abbildung  sofort  für  einen  Zubv  mit  dem  Bart 
wie  er  von  dem  hinter  einem  Baum  versteckten  Jäger  mit 
dem  Spiefs  erstochen  wird  und  nach  vorn  mondförmig  ge^ 
krümmte  ziemlich  kleine  Hörner  hat.  —  Noch  deutlicher  wird 
diefs  am  Ende  des  Isten  Theils  p.  1097  wo  er  unter  der 
Ueberschrift  ParaUpomena  hinzufügt: 

„Uri  quoque  effiglem  ante  paucos  dies,  ard  vivum  expres- 
sam  Seb.  Münsterus  nobis  communicavit  a  nostra  (quam  ex  ta- 
bula Moscovlae  Aiitonii  Wied  muluati  sumus)  noii  nihil  dlver- 
sam.  Corpus  Uri,  quem  pictura  illa  repraesentat,  perquam  cras- 
sum  est,  tergo  summe  fere  gibboso,  longltuJo  ei  a  capitc  ad 
caudani  brevior  quam  proceritas  et  venlris  laterumque  et  dorsi 
crassiludo  postulet.  Cornua  densa,  nigra,  brcvla,  ocull  versus 
extcriorem  canthum  rubicundl,  os  latuni,  crassus  et  simiis  nasus. 
Crassum  et  amplum  caput,  facles  (ut  sie  vocem)  lata.  Tempora 
viliosa,  nieulum  barbatum,  sed  brcvibus  vlllis  nigris.  Color  fere 
nigcr,  iiiaxlnie  In  temporibus,  niento,  collo  et  in  facle,  latcribus, 
crurlbtis,  caiula  ad  puulceum  verglt." 

Diese  Zeichnung  war  durch  Sebastian  Münster,  also  j 

von  einem  preufsischen  Zuher  entlehnt   und  die  Beschreibung 

ist  selbst  bis  auf  die  Färbung  der  verschiedenen  Körpertheile 


87 

ganz  genau.   —  Wie  vertragen   sich   nun    diese  Zeichnungen 
und  Beschreibung  mit  der  Gefsn ersehen  Angabe  in  demsel- 
ben Capitel,  dafs   die  Uli  oder  Zuhrones  zuweilen   15  Ellen 
(Cuhiti)   und   ilire  grofsen   liörner   3  Ellen   lang   wären?  — 
Ein   Verhältnifs    der    Körperlänge  zur   Hörneriänge   =3:1 
beim  Zuhj'  ist   aber   eine  reine  Fabel  und   ein  3  Ellen  langes 
Hörn  davon  hat  gewifs  niemals  Jemand  gesehen,   da  auch  die 
Körperlänge  von  15  Ellen  mehr  als  um  die  Hälfte  übertrieben 
ist.  —  Da  nun  Gefsn  er  ferner  selbst  sagt,   der  Lriis  heifse 
in  der  Illyrischen  Sprache  (damit  bezeichnet  er  die  slavischen 
Dialecte)  Zuhr  oder  Zuhro,  bei  den  Deutschen  der  grofse 
Wisent   oder  grofse  wilde  Büffel,  bei  den  Russen  und 
in  Preufseu  konmie   er  unter  dem  Namen   Auerochse   vor, 
das  Wort    Ur  werde  zwar  ein  gallisches  Wort  genannt,  finde 
sich  aber  nicht  in   der  heutigen  Sprache   Galliens,   wohl  aber 
bezeichne  es   allein   und  in  Zusammensetzungen   in  der  deut- 
schen Sprache  die  Begriffe  alt,  waldig  und  stark;  ferner  erkenne 
erausOppian  und  Pausanias,  dafs  der  Bison,  der  bei  den 
Deutschen  auch  Wisent  heifse,  und  der  Päonische  Ochse  nicht 
allein  einen  Bart  hätten,    sondern   auch   um  den  Nacken  und 
die   Brust  lang  behaart  seyen,    —  so  ist  doch  aufser  Plinii 
verdächtigen  Worten  auch  nicht  ein  einziges  beglaubigtes  Zeug- 
nifs  vorhanden  Ur  und  Bison  für  etwas  anderes  als  zwei  ver- 
schiedene Namen   eines   Thiers   zu  halten,  —   Gefsner  bis 
zum  Jahr  1551  hat  davon  wenigstens  weder  eine  Ueberzeu- 
gung  gehabt,   noch  sie  Uns  beigebracht  und   sein  Schlufssatz 
ist  ein  schwaches  Auskunftsmittel: 

„Ego  certe  suspicor,  quoniam  ab  diversis  advenis  percimctarl 
solemus,  alium  de  alio,  quem  ipse  viderit,  vel  audiverlt,  sylvestri 
bove  respondere,  et  ita  in  unum  animal  congeri  quod  diverso- 
rum  est." 

Hat  endlich  Gefsner  in  der  Zeit  von  1551  bis  zu  sei- 
nem Tode  1568  von  dem  Krakauer  Einwohner  Anton  von 
Schneeberger  und  dem  polnischen  Baron  Bonarus  noch 
einige  Nachrichten  über  den  polnischen  Tur  erhalten,  wie  sie 
in  der  Ausgabe  seines  Werks  von  1620  T.  I.  p.  141  mitge- 
theilt  sind,  so  vermögen  auch  diese  mein  Urtheil  nicht  zu  än- 
dern. Anton  von  Schneeberger,  ein  Einwohner  von  Kra- 
kau,  wird  von  polnischen  Schriftstellern  nirgends  genahnt,  ich 
habe  alier  Mühe   ohngeachtet  nicht  ausmitteln  können,  v^er  er 


88 

eigentlich  war;  sein  deutscher  Name  beweist  nur,  dafs  er 
höchst  wahrscheinlich  ein  deutscher  Kaufmann  oder  Gewerbs- 
mann war,  wie  diese  damals  nach  den  polnischen  Annalen  so 
wie  noch  heute  in  allen  gröfsern  polnischen  Städten  sich  nie- 
derliefsen,  da  die  Nationalpolen  selten  nur  Neigung  und  Ge- 
schick für  Handel,  Kunst  und  Handwerk  gezeigt  haben.  Der 
Mann  lebte  also  als  ein  Ausländer  in  Krakau,  in  einer  Gegend 
in  welcher  auch  die  polnischen  Annalen  und  Topographen 
niemals  das  Vorkonunen  des  Ziibrs  oder  Tiirs  erwähnen. 

Seine  Beschreibung  vom  Tur,  den  er  vielleicht  nicht  ein- 
mal selbst  sah,  im  Wesentlichen  mit  der  von  Herberstain  über- 
einstinnnend,  kann  Uns  mithin  ebenso  wenig  als  diese  zur  Er- 
ledigung unserer  Streitfrage  als  entscheidend  gelten.  Nur  die 
Form  der  Hörner  hat  er  anders  dargestellt  als  Herberstain 
und  das  mag  eine  Verbesserung  seyn,  da  llerberstains 
Zubrhörner  auch  falsch  gezeichnet  sind.  Vom  Baron  Bona- 
rus  kennt  Hr.  v.  Bär  die  Lebens -Verhältnisse  nicht.  Ich 
mufs  dieselben  deshalb  erläutern  und  sie  sind  bald  ausgemit- 
telt,  wenn  wir  Mathias  Miechovita,*)  Bielcki.  **) 
Tomasz  Swiecki***)  und  Niemcewiczf)  zu  Rathe  zie- 
hen. —  Die  Familie  Bonar  oder  eigentlich  richtiger  Bonner 
ist  eine  deutsche  in  Polen  eingewanderte.  Johann  Bonar, 
in  der  Metryk  Korony  sehr  häufig  in  Unterschriften  richtig^ 
Johann  Bonner  geschrieben,  zog  unter  König  KasimirlU 
Jagellonczyk  wegen  Religions- Verfolgung  aus  Weifsenberg 
nach  Polen,  war  einer  der  reichsten  Kaufleute  zu  Krakau,  er- 
warb nach  damaliger  Sitte  durch  den  Besitz  eines  grofsen 
Hauses  in  Krakau,  das  heute  noch  das  Bonnersche  heifst,  den 
polnisclien  Adel,  und  hatte  noch  3  ebenfalls  reiche  und  tha- 
tige  Brüder  Jacob,  Friedrich  und  Andreas.  Von  einem  dieser 
Brüder  stammte  Seweryn  Bonar  ab,  der  sich  mit  der  einzi- 
gen Tochter  des  reichen  KaufmannsBethmann  zu  Krakau  ver- 
heiratheto,  aus  welcher  Ehe  eiue  Tochter,  Sophia,  entsprofs,  dio 


»)  Chronica  Polonoriim.    Orocowia.  1521.  fol. 
**)  Kronika  polska.  Edit.  Bohomulea  p.  456. 
'*")  Opis  starozytnay  Polski  Toni.  I.  p.  122. 

f)  Im  Zbior  Pomie.tuikow  T.  I.  p.  252  und  380. 


89 

der  nachmalige  Kron-Grolsmarschall  F  i  r  1  e  y  heiratliete  und  mit  ihr 
auch  das  eine  Meile  von  Krakau  entlegene  Baiice  erbte,  wo  Joh. 
Bonnar  ein  zu  damaliger  Zeit  berühmtes  und  schönes  Schlofs 
erbaut  hatte.  Gleich  nach  dem  Regierungsantritt  König  Sieg- 
mundl  im  Jahr  1506,  als  sich  dieser  in  grofser  Geldverlegen- 
heit befand,  machte  er  den  Kaufmann  Joh.  Bonar,  der  zugleich 
Burggraf  des  Königlichen  Schlosses  und  Bürgermeister  der 
Stadt  Krakau  war,  zu  seinem  Bevollmächtigten,  der  in  Kurzem 
so  viel  Geld  schlagen  liefs,  dafs  er  die  versetzten  Königlichen 
Güter,  Salzwerke  und  den  Zehnten  der  Olkuczer  Bergwerke 
wieder  einlösen  und  das  sehr  verfallene  Königliche  Schlofs  zu 
Krakau  restauriren  konnte.  Er  ward  bald  darauf  Zupnik  (d.  h. 
Administrator  der  Salzwerke)  von  Wieliczka  und  Bochuia  *) 
Sein  Neffe  Seweryn  Bonar  war  wie  wir  aus  einem  Briefe  des 
berühmten  Erasmus  von  Rotterdamm  (1467  — 1536)  an 
ihn  ersehen,  ein  Beschützer  gelehrter  Polen  und  wird  in  ei- 
nem Briefe  des  Krakauer  Bischofs  und  Krön -Unterkanzlers 
Peter  Tomicki  an  ihn  ebenfalls  Zupnik  und  wielki  Proku- 
rator Krakowski  genannt,  zur  Zeit  als  Papst  Clejnens  VII  von 
Karl  V  wieder  in  Freiheit  gesetzt  war  (also  nach  1527).  Spä- 
aber  beim  Einzug  König  Heinrichs  von  Valois  1574  nach  Kra- 
kau empfing  ihn  Seweryn  Bonar  als  Starost  zu  Rabstyn  und 
Olkucz.  Es  ist  mithin,  da  Gefsner  seine  Nachrichten  von 
Bonar  erst  nach  1551  erhalten  haben  mufs,  ziemlich  gewifs, 
dafs  er  sie  von  diesem  Seweryn  Bonar  erhielt.  So  aufgeklärt 
der  Mann  nun  auch  seyn  mochte,  so  läfst  Uns  seine  Stellung  als 
hoher  administrativer  und  juridischer  Staats-Beamte  in  und  bei 
Krakau  eben  nicht  erwarten,  dafs  er  besonders  befähigt  gewesen 
wäre  über  naturhistorische  Gegenstände,  besonders  in  grofser 
Entfernung  von  seinen  Wohnorten,  ein  entscheidendes  Urtheil  zu 
fällen.     Seine  ausgesprochene  Meinung,  dafs  der  Tur  aus  der 


*)  Dies  ersehen  wir  aus  Joacliimi  Vadiani  Co?ttmentariohis  in 
Pomponmm  Melam  de  Sarmatia  in  Mlcleri  coUectio  magna  scri- 
j)tor,  Polononiae  et  Lithuan.  Historiar.  T.  I.  p.  4.  6.^  denn  Vadianus 
aus  der  Familie  de  Watt  in  St.  Gallen  1484  geboren,  bereiste,  ehe 
er  1517  in  Wien  Doctor  wurde,  Italien,  Ungarn  und  Polen  und  ward 
bei  seiner  Besichtigung  der  Salzwerke  zu  Wieliczka  und  Bochuia  von. 
diesem  Zupnik  Joh.  Bonar,  also  vor  1517,  empfangen. 


90 

V^erinischun^  eines  männlichen  Bison  mit  einer  zahmen  Kuh 
entsprossen  sey,  woraus  Hr  v.  Bär  schliefsen  will,  dafs  der 
Tuj'  dem  zahmen  Rinde  ähnliclier  als  der  Bison  gewesen  sey, 
rechtfertigt  völlig  meinen  Ausspruch,  denn  wir  wissen  durch 
alte  und  neue  Beobachter,  dafs  eine  solche  Vermischung  keine 
lebendigen  und  fortpflanzungsfähigen  Jungen  gab.  —  Bonars 
Zeugnifs  ist  daher  so  gut  wie  keins.  — 

Nachdem  ich  hiermit  gezeigt  habe,  wie  wenig  Gefsners 
Nachrichten  und  Schilderungen  zur  Entscheidung  unserer  vor- 
liegenden Streitfrage  beitragen,  gehe  ich  meinem  Plane  gemäfs 
dazu  über,  die  polnischen  und  über  Polen  schreibenden  To- 
pographen und  Chronisten  aus  dem  15ten  und  IGten  Jahrhun- 
dert zu  verholen,  welche  gelegentliche  Nachrichten  über Zuhr 
und  Tiir  mittheilen.  Aus  der  ziemlich  zahlreichen  Reihe  der- 
selben gehören  hierher  chronologisch  geordnet  nur: 

1)  Johann  Dlugosz,  2)  Aeneas  Sylvius,  3)  Sche- 
del,  4)  Mathias  Miechovita,  5)  Erasmus  Stella, 
6)  Sornicki,  7)  Cromer,  8)  Andreas  Swi^cicki  und 
9)  Krasinski  (Crassinus). 

Von  diesen  sind  Aeneas  Sylvius,  Schedel  und  Eras- 
mus Stella  Ausländer,  die  für  unsern  Gegenstand  wenig  Ge- 
wicht haben;  Schedel  und  Krasinski  erwähnen  übrigens 
den  Tur  gar  nicht.  Ehe  wir  diese  Schriftsteller  benutzen,  ist 
es  noth wendig,  ihrer  Beurtheilung  wegen,  ihre  Lebensverhält- 
nisse kurz  zu  schildern: 

1)  Johann  Diugosz  (Longinus)  aus  der  Familie  Wiz^ 
niawa,  1415  zu  Brzeznika  in  Polen  geboren,  wurde  von  sei- 
nem Vater,  der  später  Präfect  der  Stadt  Nowy  miasto  Kor- 
czyn  am  Ausflufs  der  Nida  war,  nach  Krakau  auf  die  Univer- 
sität geschickt,  lebte  hier  in  der  Familie  des  Bischofs  Zbig- 
niew,  widmete  sich  dem  geistlichen  Stande  und  wurde  bereits 
in  seinem  2üsten  Jahre  Subdiakonus  zu  Krakau,  sodann  Pfar- 
rer zu  Klobucko  bei  Czenstochau,  dann  Canonicus  zu  Krakau. 
Vom  König  Kasimir  lll  in  seinem  Kabinet  gebraucht,  ging  er 
als  (iusandter  nach  Ungarn,  Breslau  und  Rom,  besuchte  1450 
<las  heilige  Grab  in  Jerusalem,  ward  später  der  Erzieher  der 
Söhne  des  Königs  Kasimir,  zuletzt  zum  Erzbischof  von  Lem- 
berg  ernanni,  starb  aber  bald  darauf  am  lOten  May  1480. 

Sein  wichtiges  Werk,  Johannis  Dlugossi  hisioriac   Po- 


91 

lonicae  Lib.  XIII  besitzen  wir  nur  in  einer  vollständigen 
Ausgabe  Lipsiae  1711  in  fol.  die  genau  abgedruckt  wieder  in 
Micleri  collectio  magna  T.  III,  IV  und  V  erschien,  nach 
welcher  ich  es  hier  citire.  Rechnen  wir  die  meist  fabelhafte 
Geschichte  der  ältesten  Zeiten  bis  zur  Bekehrung  zum  Chri- 
stenthum  im  Isten  Buche  ab,  so  hat  Diugosz  für  die  fol- 
genden Zeiten  das  grofse  Verdienst,  dafs  er  die  vorhandenen 
Nachrichten  aus  den  ältesten  polnischen  Chronisten  unter  sich 
kritisch  verglich  und  mit  einander  in  Harmonie  zu  bringen 
suchte,  dafs  er  durch  seine  politische  Stellung  begünstigt  die 
öffentlichen  Archive  und  die  Papiere  vieler  angesehenen  Fa- 
milien benutzen  konnte,  daher  wir  bei  ihm  selbst  schon  aus 
den  Zeiten  von  den  Jagelionen  manche  Nachrichten  antreffen, 
die  andere  Chronisten  nicht  mittheilen. 

2)  Ziemlich  gleichzeitig  mit  Diugosz  lebte  Bartholo- 
mäus Piccolomini,  unter  dem  Namen  Aeneas  Sylvius 
bekannter,  geboren  in  Italien  1405,  unter  dem  Namen  Pins  II 
1458  zum  Papst  erwählt,  gestorben  zu  Ancona  1464.  Er  hin- 
terliefs  verschiedene  Schriften  die  1571    zu  Basel  in  der  of- 

ficina  Henricpetrina  in  einem  Volumen  edirt  wurden  und 
von  denen  Uns  hier  nur  cap.  25  —  29  von  seiner  Historia 
Europae  interessirt.  —  Das  auf  Polen  Bezügliche  steht  auch 
in  Micleri  collectio  magna  T.  I. 

3)  Ebenfalls  gleichzeitig  mit  Diugosz  lebte  Hartmann 
Schede!.  Er  war  Doctor  Medicinae  zu  Nürnberg,  seinem 
Geburtsort,  und  starb  1485.  Von  ihm  interessirt  uns  sein 
Commentariolus  de  Sarmatia  in  seinem  Werke:  Liher 
Chronicorum,  das  1443  zu  Nürnberg  (diese  Jahreszahl  ist 
wahrscheinlich  irrig,  vielleicht  1483)  edirt  seyn  soll.  Der 
Commentariolus  steht  in  Micleri  Sammlung  T.  I.  p.  227. 

4)  Mathias  von  Mie^how  in  der  Stadt  Miechöw  im 
Palatinat  Krakau  1456  geboren,  studirte  zu  Krakau,  erhielt 
daselbst  1476  den  ersten  akademischen  Grad,  besuchte  dann 
fast  alle  deutsche  und  italienische  Universitäten  seiner  Zeit, 
ward  hierauf  Leibarzt  König  Siegmund  I.  und  später,  da  ihm 
das  Hofleben  nicht  zusagte,  Canonicus  zu  Krakau,  als  welcher 
er  mehrere  Schulen  zu  Krakau  und  Miechow  anlegte  und 
1523  starb.  In  seinem  berühmten  Werke  Malhiae  JMiecho- 
vitae   descriptio  Sarmatiarum   Asianae  et   Europaeanae. 


92 

Cracov.  1521.  4.  ap.  J.  Ilaller  zeigt  er  sich  als  einen  sehr 
genauen  Kenner  der  Lander,  über  die  er  schreibt,  in  Hinsicht 
auf  Topographie,  Sprache  und  einige  naturhistorische  Gegen- 
stände. 

5)  Erasmus  Stella,  geboren  zu  Leipzig,  Doctor  Me- 
dicinae,  dedicirte  sein  Werk  de  antiquitai'ibus  Boriissiae  Li- 
l)ri  IL  dem  Hochmeister  des  deutschen  Ordens  Herzog  Fried- 
rich von  Sachsen,  der  von  1498  bis  zu  seinem  Tode  1510 
diese  Stelle  bekleidete  und  ward  1513  Bürgermeister  zu  Zwickau. 
Seine  Angaben  sind,  da  sie  nicht  auf  eigenen  Beobachtungen 
beruhen,  von  geringem  Werth. 

6)  Stanislaw  Sarnicki,  ein  geborner Pole,  vom  Wap- 
pen Slepowron,  ging  zur  reformirten  Kirche  über,  ward  Super- 
intendent der  rusinischen  Provinzen,  legte  dieses  Amt  nieder, 
ward  Kriegstribun  (Woyski)  von  Krasnostaw  und  starb  gegen 
Ende  des  16.  Jahrhunderts.  Sein  von  Joh.  Sienincki  (Sienie^ 
nius)  zu  Krakau  1585  in  Fol.  edirtes  Werk  Sarnicii  de- 
scriptio  veteris  et  novae  Poloniae  steht  auch  in  der  Samm- 
lung der  polnischen  Historiker  von  Mi  der  T.  l.  p.  242. 

7)  Martin  Kromer,  aus  niederem  Stande  1512  zu 
Biecz  in  Kleinpolen  geboren,  studirte  zu  Krakau  und  Bologna, 
ward  sodann  als  Königlicher  Secretair  und  Canonicus  zu  Kra- 
kau in  verschiedenen  diplomatischen  Angelegenheiten  gebraucht, 
war  7  Jahre  lang  am  Hofe  Kaiser  Ferdinand  L',  ward  nach 
dem  Tode  seines  Freundes,  des  Kardinals  Hosius,  in  dessen 
Stelle  als  Biscliof  von  Ermeland  eingesetzt  und  starb  am  23. 
März  1589.  Aufser  seinem  sehr  bekannten  Werke  De  ori- 
i^ine  et  rebus  gestis  Folonorum  libri  XXX.  Basileae  1555 
besitzen  wir  von  ihm  auch  ein  politisch -topographisches:  Po- 
lüiüa  sive  de  situ,  popuUs,  vioribus ,  inagistratibns  et  re- 
publlca  regni  Polonici  Lih.  IL  Basileae  1568.  foL  Wieder 
abgedruckt  in  Micleri  Collectio  T.  I. 

8)  Andreas  Swi^^cicki.  Wir  wissen  von  ihm  nur, 
dafs  (T  Notarius  in  der  Ziemia  Nursiva,  in  einer  der  10  Land- 
hchuiten  war,  in  welclie  damals  Masovien  eingotheilt  wurde 
und  welche  sich  von  Radzunin  und  Sierock  am  Bug  aufwärts 
zog  und  dio  beiden  Powiaty  (Kreise)  Kamienzyk  und  OstnW 
umfafste,  mit  ihrer  Hauptstadt  Nur  am  Bug.  Er  lebte  unter 
Siegmujid   HI.,    docl»   ist  sein   Geburts-  und   Todesjahr  unbü- 


93 

kannt.  Die  von  ihm  verfafste  Topographie  von  Masovien 
(Aiiflreae  Swiecicki  Notarii  terrae  Nurensis  descriptio  topo- 
graphica  ducatus  Masoviae)  ist  erst  von  seinem  Sohne  Sieg- 
inund  1634  in  Warschau  in  4to  edirt  und  von  diesem  mancho 
Zusätze  gemacht  worden. 

9)  Johann  Krasinski  von  Krasne,  ein  Enkel  des  Bi- 
schofs von  Krakau,  lebte  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts. Er  ging  seiner  Ausbildung  wegen  nach  Italien,  wie 
damals  fast  alle^tudirende  Polen  thaten,  schrieb  dort  sein  höchst 
seltnes  Werk  Joh.  Crassini  Polonia  Lib.  IL  Bononiae  1574, 
wovon  der  gelehrte  Bischof  Zalucki  in  seinem  Leben  nur  3 
Exemplare  sah,  und  starb  als  Cantor  und  Canonicus  zu  Kra- 
kau und  Gnesen  und  zugleich  als  Königl.  Secretair  am  13. 
April  1612.  Jenes  seltene  Buch  ist  wieder  abgedruckt  in 
Micleri  Collectio  magna  T.  1.  p.  387. 

Wir  beginnen  mit  Diugofz,  der  uns  den  besten  Auf- 
schlufs  verschafift.  Wir  finden  diesen  im  Lih.  IV.  ad  an. 
1107  in  folgender  Erzählung  aufbewahrt:  Als  Boleslaw  III. 
Krzywousty  (Folonorum  princeps  et  Monarcha,  s.  Aegidii 
Confessoris  praecipuus  cultor^  die  pommersche  Stadt  Scze- 
cino  (Stettin  an  der  Oder)  belagerte  und  mit  Hülfe  des  hei- 
ligen Aegidius  eroberte,  hatte  er  unter  seinem  Heere  einen 
sehr  thätigen  Jüngling  Namens  Setegius,  der  bei  ihm  das 
Amt  eines  Mundschenken  verwaltete.  Als  sich  nun  nach  Ein- 
nahme der  Stadt  dieser  Setegius  durch  gottlose  Reden  ver- 
gangen hatte  (ich  übergehe  die  lange  Erzählung  davon),  er- 
schien ihm  in  der  nächsten  Nacht  der  heilige  Aegidius,  der 
nachdem  er  ihn  erkannt  hatte,  folgende  Worte  zu  ihm  sprach : 

„Tu  qiildem  Setegi  ex  dilatione  confesslonis,  orationis  etpoe- 
nitentiae  mortem  evasisse  te  glorlaris,  at  ego  tibi  interitum  vi- 
cinimi  iam  iamqiie  adesse  praedico.  —  Quo  diclo  et  vox  et  vi- 
sio  Setegium  deseruit,  qui  etsi  visione  oraculi  deterrltus,  etiam 
in  membris  singulis  langiiidatus  foret,  non  ob  id  tarnen  emen- 
datior  effectus,  Boleslaum  ducem  post  dies  quinque  venationes 
tractantem,  in  saltiis  de  Vsosin,  quibiis  Zubronum  habe- 
batur  copia,  est  sequutiis.  Cumque  Boleslaiis  dux  mulctatis  mul- 
tis  feris  Zubronum,  unum  rarae  magnitudinis  et  fero- 
ciae,  aliarum  aspernantem  consortia  et  quae  lingua  eo- 
rum  Odiniec,  unicus  et  singularis,  de  cubili,  in  quo  latebat. 
exturbasset,  et  fera  rictus  canum,  venabulaque  militum  evasura, 
fuga  efficaci  ex  omnium  insidiis  se  eripuisset,  in  Setegium 
forte  Pincernam    incurrit.     Qui    cum  fugere    aut    se   occultare, 


94 

Duce  Bolcslao  et  caetcris  commllltonibiis  inspectantibiis,  lurpe 
diicens,  eqiio  deslliens,  vcnabulo  aegre  excJpIt  feram,  sed  ferro 
nc  qulcquam  adacto  luinil  cadit  prostratus,  ferae  saevitiam  vel 
ea  prostratlonc  evitatiirus.  Verum  tunis,  qui  sua  natura  et 
niore  in  iacentes  obsllnatlus  grassatur,  Setegium  prlmum  ungu- 
lls,  delnde  cornibus  exceptum  et  in  acre  altius  ibidem  juxta  ac 
quandam  pilam  frequentlus  ventilatum,  ad  extremum  in  fruteta 
et  splneta  confractum  et  semivivum  projecit.  Qui  cum  inde  fera 
discedente,  familiarium  manibus  levatus,  pannisque  involutus  et 
constrictus,  in  proximam  civitatem  relatus,  nullo  sensu  suum  sa- 
tls  vigorem  retinente,  mentis  insuper  allenatlonem,  quac  illi  ex 
crebra  ferae  jactione  provenerat  passus,  non  secus  ab  cognitis  et 
familiaribus,  quam  prope  horam  moriturus  plangebatur." 

Dann  folgt  die  Erzählung,  wie  er  dennoch  durch  die  In- 
tercession  des  heiligen  Aegidius  wieder  hergestellt  worden  und 
zum  Dank  eine  Reise  zu  Fufs  zum  Grabe  des  Heiligen  in  der 
Provence  gemacht  habe.  Diese  denkwürdige  Stelle,  in  wel- 
cher glücklicher  Weise  das  alte  Chronicon  oder  die  Legende, 
aus  welcher  Diugofz  sie  entnommen  haben  mag,  die  darin 
vorkommenden  Thiernamen  nicht  in  lateinischer,  sondern  in 
polnischer  Sprache  uns  überliefert,  lehrt  nun 

1)  dafs  im  Anfang  des  zwölften  Jahrhunderts  die  Zuhj'o- 
nes  in  den  sumpfigen  Wäldern  am  Unterlauf  der  Oder  in 
Pommern  (im  Wald  von  Vsosin  bei  Stettin)  noch  häufig  leb- 
ten. Das  sind  mithin  die  Ferinae  Buhalorum,  die  der 
der  slavischen  Sprachen  unkundige  Biograph  des  Bischofs  Otto 
(JTita  St.  Ottonis  in  Hlstor.  anonymi  ciijusdam  Lib.  IL 
cap.  39.  p.  324}  aus  derselben  Zeit  in  Pommern  namhaft 
macht  und  welche  500  Jahre  später  Gramer  mit  den  Namen 
Püffel  oder  Uhr-Ochsen  belegt.  Es  sind  dieselben  Wy- 
santen,  von  denen  drittehalb  Jahrhunderte  nach  der  Bekehrung 
der  Pommern  Fürst  Wratislaw  V.  einen  in  Hinterpommern 
erlegte,  dasselbe  Thier,  das  heute  noch  Zuhr  oder  Auerochse 
heifst. 

2)  Lernen  wir  daraus,  dafs  einer  dieser  Zubronen,  von 
seltner  Gröfse  und  Wildheit,  der  die  Gemeinschaft  mit  den 
andern  verschmähte  {aliarum  aspernans  coiisortiä)  und  von 
Herzog  Boleslaw  aus  seinem  Lager  aufgescheucht  wurde,  in 
der  Landessprache  {q  une  lingua  eovum  vocat)  Odiniec 
mit  dem  Zusatz  müais  et  singularis  genannt  wurde.  Die 
damalige  Landessprache  von  Pommern  war  aber  ein  slavi- 
scher,    zum   nordwestlichen   Hauptzweig   der  slavischen  Spra^ 


95 

cheii  gehöriger  Dialect,  der  von  der  polnischen  Sprache  we- 
nig verschieden,  sich  noch  bei  einem  schwachen  Ueberrest  je- 
nes Stammes,  den  Kaztiben  in  Ilinterpommcrn,  die  sich  selbst 
Slowiencen  nennen,  erhalten  hat.  Daraus  ersehen  wir  wieder, 
dafs  in  älteren  Zeiten  nicht  allein  ein  einzeln  herumstreifender 
alter  Eber  Odyniec,  wie  jetzt,  genannt  wurde,  sondern  dafs 
auch  bei  andern  Thieren  dieses  Wort  angewandt  wurde,  in- 
dem im  alt  slavonischen  Odin  dasselbe  wie  Jeden  d.  h.  Ei- 
ner, Jedyny  ein  Einzelner  bezeichnet.  (O  für  Je  kommt  im 
Russischen  auch  in  andern  Wörtern  vor,  z.  B.  Ölen  anstatt 
Jelen  im  Polnischen.)  Dieser  Odiniec,  den  Herzog  Boleslaw 
aufscheuchte,  war  mithin  ein  einzeln  gehender  von  der  Heerde 
abgesonderter  alter  Zm&z*- Stier,  da  wir  wissen,  dafs  die  alten 
Stiere  nach  Ende  der  Begattungszeit  sich  von  der  Heerde 
trennen  und  einzeln  herumirren,  während  die  Jüngern  Stiere 
bei  den  Kühen  bleiben.  Darauf  pafst  mm  auch  ganz  genau 
die  Angabe  des  Dhigofz,  dafs  dies  ein  Zuhi^  von  seltner  Gröfse 
und  Wildheit  gewesen  sey,  denn  die  alten  Stiere  sind  aller- 
dings die  gröfsten. 

3)  Dieser  einzeln  herumirrende,  durch  die  Hunde  der 
Jäger  gereizte  Zuhr- Stier  oder  Odiniec  stürzte  sich  nun  auf 
den  Mundschenk  Setegius,  der  vom  Pferde  springend  seinen 
Jagdspiefs  gegen  ihn  gebrauchte,  bei  diesem  Angriff  aber  zur 
Erde  stürzte.  Plötzlich  gebraucht  nunDiugofz,  indem  er  in 
seiner  Erzählung  fortfährt,  nicht  mehr  die  Wörter  Zubro  und 
Odiniec  sondern  die  Benennung  Tunis.  Der  Turus,  erzählt 
er,  der  seiner  Natur  und  Gewohnheit  gemäfs  noch  hartnäcki- 
ger gegen  einen  liegenden  Feind  wüthet,  ergriff  ihn  zuerst  mit 
den  Klauen  und  dann  mit  den  Hörnern  um  ihn  in  die  Höhe 
zu  schleudern.  Hier  war  nun  von  keuiem  andern  Thiere  als 
einem  Zuhr  (Auerochsen)  die  Rede,  der  einzeln  auf  der  Jagd 
verfolgt  in  Wuth  gerieth  und  dieses  selbe  Thier  wird  zugleich 
mit  dem  Namen  Turus  bezeichnet.  Hiermit  ist  also  nach 
Hrn.  von  Bars  Wunsch  durch  eine  unverwerfliche  Stimme 
aus  dem  Mittelalter  selbst 

die  identische  Bedeutung  vom  Tur  und  Zuhr 
evident  erwiesen  und  wenn  wir  damit  die  vom  Biograph 
des  Heiligen  Otto  und  von  Cramer  in  der  Pommerschen 
Kirchengeschichte    gebrauchten    Worte   und  Nachrichten  ver- 


96 

l)in(lc]i,  zugleich  die  Identität  jener  Namen  mit  den  im  Mittel- 
alterlichen Latein  und  im  alten  Deutsch  gebrauchten  Namen 
fcriis  hiihalus,  Püffel,  Ur-Ochsen  und  Jfysant  er- 
wiesen. 

Gegen  dieses  Zeugnifs  wird  Niemand  etwas  von  Gewicht 
einwenden  können,  um  so  weniger,  als  dasselbe  ganz  unab- 
sichtlich, im  wahrhaft  naiven  Chronisten-Ton  und  ohne  irgend 
eine  ^Vichtigkeit  für  naturhistorische  Bestimmung  darauf  zu 
legen,  gegeben  worden  ist.  Dadurch  wird  das  ganze  mittel- 
alterliche Geschwätz  von  Albertus  magnus  bis  auf  Rz;j- 
czynski  beseitigt,  was  Naturforscher  in  der  Kindheit  der 
Wissenschaft,  Topographen  und  Reisende,  die  alle  nicht  in  eine 
kritische  naturgeschichtliche  Prüfung  eingingen,  von  der  Ver- 
schiedenheit zweier  wilden  Ochsenarten  in  Mittel -Europa  er- 
hoben haben,  denn  alle  waren  nicht  im  Stande  diese  Verschie- 
denheit mit  Sicherheit  nachzuweisen,  und  alle  waren  nur  durch 
Plinius  verführt,  zwei  provinzielle  oder  dialectisch  verschie- 
dene Namen  auch  für  zwei  verschiedene  Thiere  zn  halten. 

Dlugosz  theilt  Uns  ferner  aus  einer  Zeit,  in  welcher  er 
selbst  zum  Theil  schon  lebte,  aus  der  Regierungszeit  des  Jagd- 
lustigen Königs  Wladislaw  Jagello  noch  mehrere  andere  Nach- 
richten mit,  die  für  die  Verbreitung  und  Häufigkeit  der  Zii- 
hry  recht  interessant  sind.  Als  sich  dieser  König  zu  seinem 
Kampfe  mit  den  deutschen  Ordensrittern  in  Preufsen  rüstete, 
sehen  wir  ihn  in  den  Jahren  1409  bis  4411  von  einem  der 
Haupt -Jagdreviere  seines  Reichs  zum  andern  ziehen,  um  selbst 
das  Fleisch  des  erlegten  Wildes  in  sein  für  den  folgenden 
Krieg  bestimmtes  Haupt- Magazin  zu  Plock  an  der  Weichsel 
abführen  zu  lassen.  Nach  Lib.  X  1.  c.  p.  675  ging  König 
Wladislaw  im  Jahre  1409  von  Brzesc  (Litewski)  nach  Kami- 
niec  Uuthenicale  (d.  h.  Kamenice  an  der  Lesna  im  jetzigen 
Gouvernement  Grodno).  Von  da  schickte  er  den  Grofsfür- 
sten  Witold  (Alexander)  mit  dem  Chan  der  Tataren  nach  Li- 
thauen  zurück,  er  selbst  aber 

ex  (^oinynlecx  processit  ad  vcnatlonem  in  Biatowycze  ultra  flu- 
viuni  J^s/.na.  Wladislaus  autem  Poionlae  rcx  venalloin  dans 
o|)L'raiii  apud  Bialowycze  octo  dicbiis  <l(Mnorat«.s,  sub  (juibus 
iiiiillas  h'iMs  sylveslres  (also  namentlich  Auerochsen  und  Elcn- 
I liiere)  capit  t't  sale  infusas  in  vasis  per  Marew  et  Wislam  in 
Plotkü  pro  fiituro  belle   asscrvandas,  pennisit.     Dci.- '     in  ler- 


97 

ratn  sui  regni  Chelmensem  per  Camyniecz,  Lacki,  et  Kobria  per- 
veniens  dies  natales  Christi  apiid  Lubomlia  egit. 

Sodann  gleich  nach  abgehaltenem  Christfest  1409  (im 
Anfange  des  Lib.  XI.  p.  676)  in  Lubochnya,  Thur,  Loczko, 
Batno  (also  im  westlichen  Theil  der  grofsen  Sümpfe  von  Pin- 
sil)  secedens ,  Studium  venandi  resumit  captas  feras  pro 
Pruthenico  hello  reservens.  Der  Jagdzng  dauerte  bis  zur 
Fastenzeit  1410  fort,  denn  er  ging  bald  darauf  aus  dem  Lande 
Chelm  nach  Parczow,  von  da  über  Lublin,  Kazimirz  Sicezie- 
chow  in  feria  quiiita  ante  Cornisprivium  nach  Kozienycze 
(wo  noch  bis  zu  den  Zeiten  Stanislaw  Augusti  berühmte  Hirsch- 
jagden waren)  und  von  da  pro  Carnisprivio  nach  Jedlna  (d.  i, 
Jedlina  mit  einem  ehemaligen  Jagdschlofs  in  den  grofsen  Wäl- 
dern zwischen  Koszenice  und  Radom).  Endlich  zog  er  von 
da  über  Itza  und  Opatow  nach  Sandomir.  Auch  hier  war  in 
der  Nähe  noch  ein  damals  berühmtes  Jagdrevier,  denn  es  heifst 
weiter  p.  678:  Ex  S and omiria  feria  tei^tia  post  Dominicain 
Reminiscere  Wladislaus  rex  venit  in  Przissoiv  (d,  h. 
Frzyszow  im  heutigen  Galizischen  Kreise  Rzeczow  in  der 
sumpfigen  waldigen  Niederung  zwischen  San  und  Weichsel 
1  Meile  südlich  von  Rozwadow  auf  der  Strafse  nach  Rzeczow 
und  etwa  3  Meilen  südöstlich  von  Sandomirz)  uhi  Herum  ve- 
nationi  intentus,  multas  feras  sylvestr es  onagrinas,  quae 
in  Polonico  Loszi  vocantur,  et  Zuhrinas  cepitj  et  quin- 
quaginta  vasa  de  Ulis  complens,  ea  in  Ploczko  pro  futura 
expediiione  cum  aliis  servanda  per  undas  transmisit.  So 
war  also  der  König  vom  December  1409  bis  in  den  März 
1410  auf  der  Auerochsen-  Elen-  und  Hirschjagd  herumgezo- 
gen und  ging  von  Przyczow  über  Lezaysko,  Kopki  und  Ja- 
roslaw  am  Sonntag  Laetare  nach  Przemysl,  eine  Woche  spä- 
ter nach  Lemberg,  sodann  weiter  nach  I^odolien.  —  G^^Qn 
Ende  des  Jahres  1411  finden  wir  den  König  abermals  auf  der 
Jagd.  Als  er  nämlich  von  Brzesc  in  Kujavien  nach  Racy^sz 
gegangen  war,  um  dort  mit  dem  deutschen  Ordens -Meister 
Heinrich  Reufs  von  Plauen  eine  persönliche  Unterhandlung  zu 
pflegen,  die  aber  nicht  zum  Ziele  führte,  kehrte  er  nach  Brzesc 
zurück  und  bewilligte  den  Rittern  noch  eine  Monatsfrist  zur 
Unterhandlung. 

„Qua  confecta   (heifst  es    nun  weiter  in  Lib.  XI  bei  Micler 

Wiegm.  Archiv.    VI.  Jahrg.    1.  Band.  '      7 


98 

T.  ni-  p-  715)  Wladlslaus  Poloniae  rex  e  Brescie  egressus  per 
Przedccz,  Laneiciam  (Lenczyce)  et  Lowicz  in  Viskitky  perverilt, 
et  a  Semovito  Duce  Masoviae  ac  consorte  sua,  gcrniaua  Regia 
Alexandra,  et  quinqne  filüs  eoriim  communibus,  SeinovitKo,  Wla- 
dlslao  Alexandro,  fraydeno  et  Casimiro  magna  charitate  et  ho- 
iiore  exceptus  et  habitus  est.  Post  dies  auteni  quatuor,  quibus 
ferarum  venatloni  operam  dederat,  ex  Viskitky  disgressus  per  Osu- 
chüw  (zwischen  Mszczonow  und  Blala)  B^dkow  (bei  Goszczyn) 
et  Stromlecz  (bei  Blafobrzegl)  Jedlnam  proveniens ,  Nativitatls 
illic  Christi  festos  egit. 

Damals  werden  die  wilden  Thiere  in  den  Wäldern  von 
Viskitki  nicht  genannt,  aber  Lih.  XL  p.  862  ad  annum  1422 
erzählt  D  Ingo sz,  dafs  der  König  Wladislaw  aus  Preufsen 
zurückkehrend  über  Posen,  Pyzdry,  Szadek  nach  Masovien 
gereist  sei  und  in  Viskitki  venationes  tauronnn  sylvestrium, 
qiii  in  Polonico  Thuri  appellantur,  agebat.  Das  ist  das 
zweite  Mal,  dafs  Dlugosz  den  Namen  Thur  nennt.  Weil 
wir  aber  schon  von  ihm  aus  früherer  Zeit  wissen,  dafs  dar- 
unter nur  Zubr- Stiere  zu  verstehen  sind  und  Mucante 
in  denselben  Wäldern  ohnweit  Viskitki  die  Zubii  gesehen  hat, 
so  kann  auch  in  dieser  Stelle  nichts  anders  darunter  verstan- 
den ,werden.  —  Noch  später  anno  1426  (wahrscheinlich  im 
Anfange  des  Jahres)  finden  wir  den  gewaltigen  Jäger  aber- 
mals in  loco  venationum,  qui  appellatur  Bialowicze,  wo  er 
wie  Diugosz  naiv  sich  ausdrückt,  bei  der  Jagd  eines  Bären 
casuaUter  das  Bein  brach.  Das  hielt  ihn  aber  nicht  ab,  schon 
am  Ende  desselben  Jahres  von  Niepolomicze  (ein  berühmtes 
Jagdrevier  nicht  weit  unterhalb  Krakau  auf  der  Galizischen 
Seite)  nach  Lithauen  zu  reisen  und  daselbst  den  ganzen  Win- 
ter die  wilden  Thiere,  die  dieses  Land  erzeugt,  zu  fan- 
gen. Er  schickte  davon  der  Königin  Sophia,  seiner  Gemahlin, 
den  Erzbischöfen,  Bischöfen,  Palatinen  und  Baronen  des  Reichs, 
den  schlesischen  Herzögen,  dem  Krakauer  Kapitel,  den  Magi- 
stern und  Doctoren  der  Universität,  so  wie  den  [Burgemeistern 
von  Krakau  theils  im  Winter  ganze  Stücken  Wild,  theils 
wenn  die  Jahreszeit  zu  warm  war,  das  Fleisch  derselben  ein- 
gesalzcn  zum  Geschenk  (Lib.  XI.  p.  879  und  883).  Ebenso 
als  er  nach  Weihnachten  1434  von  Radom  nach  Lenczyce  rei- 
sete,  hielt  er  sieh  wieder  etliche  Tage  der  Jagd  halber  zu 
Viskitki  iji  Masovien  auf  und  schickte  abermals  seiner  Ge- 
wohnheit gemäfs  von  den  vielen  erlegten  wilden  Thieren  Ge- 


99 

schenke  an  die  Krakauer  Prälaten,  Burgemeister  und  die  Uni- 
versität. —  So  weit  Diugosz,  aus  dessen  Nachrichten  wir 
also  kennen  gelernt  haben,  dafs  zu  den  Zeiten  König  Wladis- 
law  Jagello 

1)  Die  Haupt -Jagd -Reviere  für  grofses  ^Vild:  die  Bialo- 
wiezka  puszcza,  die  Gegend  von  Wiskitki  bei  Warschau  (Jak- 
turowska  puszcza)  die  Gegend  von  Lubomla  und  Ratno  am 
Przypee  in  Volhynien,  die  Gegend  von  Przyszow  zwischen 
dem  San  und  der  Weichsel,  die  grofsen  Wälder  bei  Kosze- 
nice  und  Jedlina  in  Sandomirien  und  die  Wälder  von  Niepo- 
lomicze  ohnweit  Krakau  waren/ 

2)  Dafs  der  ZiibVj  der  heute  nur  noch  bei  Biaiowieza 
lebt,  in  den  Wäldern  von  Wiskitki  im  17ten  Jahrhundert  aus- 
starb, damals  auch  noch  wahrscheinlich  in  den  sumpfigen  Wäl- 
dern von  Volhynien  und  den  Sümpfen  von  Pinsk,  sicher  aber 
noch  mit  dem  Elen  zusammen  in  den  Wäldern  zwischen  San 
und  Weichsel  lebte,  wo  diese  Thiere  auch  schon  längst  ver- 
schwunden sind  und 

3)  dafs  damals  Zubri,  Elen  und  Hirsche  in  jenen  Wäl- 
dern so  häufig  waren,  dafs  ihr  Fleisch  sogar  als  Proviant  für 
den  bevorstehenden  Krieg  mit  dem  deutschen  Orden  aufge- 
stapelt werden  konnte.  Gegen  diese  ausführlichen  und  lehr- 
reichen Nachrichten  des  DJ-ugosz  sind  die  seiner  Zeitgenos- 
sen Aeneas  Sylvius  und  Seh  edel  in  den  oben  angeführ- 
ten Werken  allerdings  unbedeutend,  aber  der  Vollständigkeit 
wegen  mufs  ich  sie  doch  erwähnen.  Beide  führen  Uri  und 
Bisontes  nicht  neben  einander  an.  Aeneas  Sylvius  als 
er  von  Polen  spricht,  schreibt  nur: 

„Vini  rarissimiis  usus,  nee  vineae  cultura  cognita,  ager  Ce- 
reris  ferox,  multa  genti  armenta,  multa  ferarum  venatio,  equum 
sylvestrem  praeter  cornua  Cervo  similem  (also  das  Elen) 
edunt,    boves   feras    venanlur,   quos   prisci   Uros    vocavere." 

Hartmann  Schedel  hingegen  schreibt: 

„Hercynlum  autem  celebratissimum  neraus,  quo  in  tota  Eu- 
ropa nihil  praestantius,  Sarmatiam  totam  percurrit,  et  circa  Cra- 
coviam  saltus  suos  extendit:  per  quos  ire  potest  unusqliisque  us- 
que  in  Lithuaniam  et  Scythiam.  Tantis  brachiis  regionem  illam 
totam  pervagatur  ferarum  maximas  educens  greges;  In  ea  vero 
sylvae  parte,  quae  septentrionalior  est,  bisontes  fert,  quae  fe- 
rox et  immanis  bellua  est,  humanum.  genus  raaxime  perosa:  ad 
vescendum  maxime  conveniens.    Formam  autem  gerit  citrini  co- 

7* 


100 

!oris  (!)  frontem  latam  et  cornua  fert,  ut  nee  venatori  satls  ap- 
tiini  Sit,  iilsi  niaximis  varlisque  laboriijus.'*  — 

Mathias  von  Miechow  der  sich  in  seiner  descriptio 
Sarmatiaruin  im  Lib.  II.  cap.  III.  de  amplitudinc  et  conten- 
tis  magni  Ducatus  Llthuaniae  als  ein  sehr  genauer  Kenner 
Lithauens  und  der  Sprachen,  die  da  gesprochen  werden,  zu 
erkennen  giebt;*)  beschreibt  1.  c.  p.  212  die  rohe  Lebensart 
der  Einwohner,  die  grofsen,  sich  10,  15  und  selbst  25  Millia- 
rieu  lang  erstreckenden  Wälder,  an  deren  Rändern  nur  die 
Menschen  wohnen  und  die  zahlreichen  wilden  Thiere  dersel- 
ben jagen,  als 

„Uri  et  boves  sylvestres,  quos  llngua  Ipsorum  Thiiros 
et  Zumbrones  vocant,  Onagri  et  equl  sylvestres,  Cervi,  Da- 
niae,  Dorcae,  capreae,  apri,  ursi,  martes,  Sciuri  et  cetera  genera 
ferarum." 

Dann  beschreibt  er  noch  ein  sehr  wildes  und  schädliches 
TJiier  in  Lithauen  und  Rufsland  mit  Namen  RossomaJc  d.  h. 
den  Vielfrafs  (Uj^sus  gido^.  Er  ist  der  erste  der  dieses  Tliier 
erwähnt  und  mit  seinem  noch  jetzt  gebräuchlichen  polnisclien 
Namen  nennt.**)    Es  bleibt  ungewifs,  ob  Mathias  von  Mie- 


*)  Niemand  als  er  hat  Uns  aus  jener  Zeit  so  genau  darüber  be- 
lehrt. Er  sagt,  dafs  die  lithauische  Sprache  in  4  Dialecte  zerfalle: 
1)  den  Jaczwingischen  bei  den  um  Drohiczin  herum  Wohnenden,  von 
denen  aber  schon  nur  sehr  Wenige  übrig  waren;  2)  den  Dialect  der 
eigentlichen  Lithauer  und  Samogitier,  3)  den  der  eigentlichen  Preufsen 
und  4)  den  in  Lothwa  velLothihola  d.h.  in  Lievland,  an  der  Düna  und 
um  Riga.  Wenn  gleich  diese  Dialecte  eigentlich  nur  eine  Sprache 
seyen,  so  verstehe  Einer  den  Andern  doch  nicht  völlig,  wenn  er  nicht 
alle  Provinzen  besucht  habe.  Der  Preufsische  Dialect  werde  schon 
sehr  wenig  mehr  gesprochen,  weil  die  polnische  und  deutsche  Sprache 
sich  dort  ausgebreitet  haben.  Eben  so  in  Lettland  (Lathwa)  sprä- 
chen nur  noch  wenig  Landleute  lettisch,  die  übrigen  deutsch.  Aber 
in  Samogitien  von  50  Milliar.  und  in  Litthauen  von  300  Milliar.  Länge 
werde  auf  dem  Lande  litthauisch  gesprochen,  doch  auch  schon  viel 
Polnisch,  weil  die  Geistlichen  Polnisch  predigten.  Alle  diese  4  Dia- 
lecte gehören  der  römischen  Kirche  an,  aber  in  den  andern  umlie- 
genden (damals  Lithauen  unterworfenen)  Landschaften,  als  in  Ples- 
kow,  Polock,  Smolensk  und  im  südlichen  Tli/)il  (Weifs-  und  Schwarz- 
Rulsland;  bis  herab  nach  Kiew  seyen  die  Einwohner  alle  Russen  von 
griechischem  Glauben  und  mit  russischer  Sprache. 

**)  Hr.  V.  Bär  beruft  sich,  um  die  Glaubwürdigkeit  Herber- 
.stains  zu  beweisen,  besonders  darauf,  dafs  durch  ihn  zuerst  die 
Fabeln  über  das  Wallrofs  aufgeklart  worden  seyen  und  er  das  Thicr 


101 

chow  Thur  und  Zumbro  für  zwei  verschiedene  flRere  hielt, 
aber  so  viel  geht  aus  seiner  Erzählung  hervor,  dafs  beide  Na- 
men neben  einander  in  Lithauen  gebraucht  wurden  und  da 
hier  lithauische  und  rufsinische  (weifsrufsische)  Dialecte  ne- 
beneinander gesprochen  wurden,  Zumhro  aber  bestimmt  ein 
lithauisches  Wort  ist,  so  folgt  daraus,  dafs  Thur  nicht  blofs 
in  Masovien  sondern  auch  bei  russischen  Stämmen  ein  Thier- 
name  war  und  wie  wir  nun  durch  Diugosz  wissen,  ein  gleich- 
bedeutender mit  Zumbro  oder  Zuhr.  Gleichzeitig  mit  Ma- 
thias von  Miechow  erwähnt  auch  Erasmus  Stella  die 
Vri  und  hisontes  in  Preufsen.  Dieser,  Mann  hat  aber  die 
Thiere  gar  nicht  gesehen  und  gar  keine  richtige  Jdee  von  ili- 
nen  gehabt.  Nachdem  er  den  Urus  beschrieben  hat,  worunter 
er,  da  er  ihm  einen  Bart  unter  dem  Kinn  beilegt,  nichts  an- 
ders als  den  Zuhr  oder  Auerochsen  verstanden  haben  kann, 
durch  den  Zusatz  aber:  excellenti  vi  et  velocitate  prqfert 
schon  sicher  beweist,  dafs  er  nur  den  Plinius  abschrieb, 
mufste  er  natürlich  auch  noch  die  hisontes  juhati  erwäh- 
nen, von  denen  er  aber,  um  seine  Unwissenheit  recht  zu  do- 
cumentiren,  hinzufügt  sed  nostra  aetate  admodum  infrequen^ 
tes.  Es  ist  ihm  mit  der  Unterscheidung  von  Urus  und  Bi- 
son gerade  so  gegangen,  wie  mit  der  Unterscheidung  von  ^l- 
ces  und  Mochlia  (eigentlich  ^cÄ/m)  denn  nachdem  er  die 
Fabel  vom  Mangel  der  Kniegelenke  und  dem  Riickwärts-Wei- 
den  des  Alces  erzählt  hat,  fügt  er  hinzu:  quae  singula  non 
de  alce  sed  de  Mochlia  f er a,  Uli  haud  dissimili,  Scandi- 


mit  seinem  russischen  Namen  (Morsj)  genannt  habe.  Seine  Beschrei- 
bung davon  ist  nun  allerdings  die  erste  richtigere,  doch  dürfen  -wir 
nicht  vergessen,  dafs  schon  Albertus  magnus  es  unter  die  Wall- 
fische  gestellt  hat,  dafs  Olaus  magnus  und  Matthias  von  Mie- 
chow es  schon  vor  Herberstain  mit  dem  richtigen  Namen  Morsj 
bezeichneten.  Der  Letztere  hielt  es  zwar  auch  noch  für  einen  Fisch, 
allein  da  weder  Mathias  noch  Herberstain  das  Thier  selbst  sa- 
hen, so  hat  Herberstain  eigentlich  nur  mehr  Glück  als  Matthias 
gehabt,  indem  jener  zufällig  auf  einen  besser  unterrichteten  Erzähler 
als  der  letztere  stiefs.  Matthias  erzählt  Uns  auch,  dafs  es  an  den 
Küsten  von  Jngrien  und  Karelien  Wallfische  und  vituU  seu  canes  ma- 
rini  gebe,  welche  die  Einwohner  (vom  finnischen  oder  Samojedischeii 
Stamme?)  Fort;o^  nennten.  Dieser  Name  ist  wenigstens  kein  rus- 
sischer, da  der  Seehund  jener  Küsten  bei  den  Russen  fflio»icn'i>  heifst. 


102 

naviam  mitfere  aliqui  prodidere,  dicta  sunt.  Da  haben 
wir  wiedef  die  Abschrift  von  dev  Unkenntnifs  des  Plinius 
(Lib.  VIII.  cap.  16)  der  den  scandinavischen  Namen  ^Ich, 
den  er  gehört  haben  mochte,  wie  ihn  später  Albertus  ma- 
gnus  für  Elch  schreibt,  durch  Versetzung  der  Buchstaben  in 
Aclilis  corrumpirte.  Weil  nun  Achlls  anders  klang  als  al- 
ceSf  da  machte  er  geschwind  2  verschiedene  Thiere  daraus, 
die  er  niclit  einmal  geographisch  scheiden  konnte,  weil  er  al- 
ces  dem  Norden  und  achlis  der  Insel  Scandinavia  in  demsel- 
ben Norden  zuschrieb.  Auch  Albertus  magnus  (Lib.  22. 
Tract.  IL  cap.  1.)  hat  in  den  Artikeln  de  ec/uicervo,  de  al- 
che  und  de  aloi  nicht  allein  das  Rennthier  mit  dem  Elch  ver- 
mengt, sondern  auch  durch  fabelhafte  Eigenheiten  Alch  und 
alces  unterscheiden  wollen.  Dennoch  hat  es  aber  Leute  ge- 
geben, die  aus  solchen  confusen  Nachrichten  die  gleichzeitige 
Existenz  von  2  verschiedenen  Elenarten  im  Norden  erweisen 
wollten.  Es  ist  das  nur  ein  interessantes  CJegenstiick  zu  der 
ganz  'ähnlichen  unhaltbaren  Hypothese  von  der  Verschiedenheit 
des  Urus  vom  Bison.  In  beiden  Fällen  sind  2  verschieden 
klingende  aber  gleichbedeutende  Namen  für  2  verschiedene 
Species  genommen  worden. 

Fragen  wir  weiter  den  Polen  Sarnicki,  einen  Zeitge- 
nossen von  Gratiaui  und  Mucante,  in  seinem  oben  ci- 
tirten  Werke  descriptio  veteris  et  novae  Poloniae,  so  fin- 
den wir  darin  zwar  keine  Beschreibungen  der  Landesthiere, 
aber  doch  in  dem  2ten  Theile:  Index  tcihulae  Sarmatiarinn, 
simulque  uihium,  montium,  ßuvioriim,  silvarum,  soUtudi- 
num  et  aliorum  nobiliwn  locorum  etc.  hier  und  da  Er- 
wähnungen derselben.     So  unter  andern  suh  Litt.  B: 

Bzura    fluvius   infra   Lowicliim    (Lowicz),   iibi   sunt   nobiics 
hisontiiun   venationes,    locus  ille  et  silva  vocatur  WIskitki. 

War  gleich   Sarnicki   kein   sonderlicher   Historiker,    so 

zeigt  doch  jenes  Werk   und   sein   grofses  seltnes  llechtsbuch, 

dessen  nicht  genau   bekannter  Titel    nach  Braun:    Statuta  i 

Metryka  przymtejow  Koronnych  ist,  dafs  er  sein  Vaterland 

ziemlich   genau  kannte.       In    derselben  Zeit  also,    in  welcher 

Herberstain,  Gratiani  und  Mucante    in    Masovien   und 

nauH'ntlich   in    der  Gegend    zwischen  Rawa  und  Wiskitki  vom 

Vrus  oder  Tur  sprachen,    der  letztere   aber  auch  nur  Zuhry 


103 

gesehen  hat,  erwähnt  Sarnicki  nur  die   edeln  Bisonten- 
Jagden  bei  Viskitki.     Der   mit  Sarnicki  ganz  gleichzeitige 
Crom  er  hat  Uns  in  seinem  Werke  de  situ,  populis  etc.  re- 
^ni  Polonici  die   wilden   Thiere   seines  Vaterlandes   ziemlich 
vollständig  aufgezählt  und  was  er  davon  wirklich  kannte,  auch 
zum  Theil  kurz  beschrieben.     Er  führt  eine  grofse  Zahl  pol- 
nischer Fische   an,    er   erwähnt  den  Panther  sive  lupus  cer- 
varius,  und  fügt  hinzu  er  heifse  polnisch  Ris  d.  i.  also  der 
Luchs,    ferner   Maries    sive   3Iardurec,    w^elche    polnisch 
Kuna  genannt  werden,   sodann  die  Füchse,  Wölfe,  RosO' 
inaki    (d.  h.  Vielfrafs)  Lutrae  et   Castores   amphihia. 
(Von  letzterm  giebt   er  eine  richtige  Beschreibung).     An  der 
Grenze  von  Ungarn  erwähnt  er  die  Gebirgsziegen  (d.  h.  Gem- 
sen).    In  Podolien  erwähnt   er   ein  Thier  von  der  Gröfse  der 
Eichhörnchen  und  Kaninchen,    in  Höhlen  oder  Erdlöchern  le- 
bend, mit  gefleckten  Fellen,  die  zur  Kleidung   der  Frauen  be- 
nutzt werden    und    die    man    im    gemeinen  Leben   Orzecicos 
nenne,  d.  i.  der  Skrzeczek  oder  Hamster  (^cricefus).    In  Bezug 
auf  Bison  und  Uriis  drückt  er  sich  folgender  Maafsen  aus: 

E  ferarum  animantium  genere  fert  haec  regio  (Polonia)  co- 
plam  leporum,  dorcarum,  Sciurorum,  cuniculorum  quoque  ali- 
cubi,  Cervorum  etiam  et  aprorum,  et  ursorum  et  luporum  non- 
nuUis  in  locls.  In  primimi  autem  Nepolomlcensis  et  Radomien- 
sis  saltus  nobiles  sunt  cervorum  venatlonibus.  Et  herum  au- 
tem et  Onagrorum  (die  er  bald  weiter  unter  dem  Namen  Los 
als  das  Elen  beschreibt)  atque  bisontium  Prussia  du  call  s 
eique  finitima  Masovia  ferax  est  et  in  primis  Podolia: 
ubi  agminatim  in  campis  non  modo  liae  ferae,  verum  etiam  feri 
equi  pascuntur.  Est  autem  Bisons  praegrandis,  verum  per- 
nicissima  fera,  magnis  et  introrsus  leniter  incurvis  cornibus  ni- 
gris  armata,  quibus  equum  cum  sessore  correptum  in  sublime 
identidem  jactat  et  arbores  mediocri  crassitudlne  evertit.  Magnl- 
tudlnis  ejus  illud  quoque  est  argumentum ,  quod  in  capite  ejus 
inter  cornua  duo  imo  tres  bomines  posslnt  insidere.  Habet  vil- 
losum  et  hispidum  corium  et  sub  mento  palearla.  Caro  ejus 
sale  condita  in  deliclis  est  magnatibus  et  principibus,  cornu  so- 
norumetobid  venatoribus  in  usu  est:  Zubrum  vel  Zambrum 
vocant  nostrates:  Imo  et  Graeci  recentiores.  — 

Ein  wenig  weiter  fährt  er  fort:  Cetenim  Uri,  hoc  est 
ioves  sylvestres,  quos  nos  Thuros  dicimus,  in  solis  Ma- 
soviticis  sylvis  apud  Kyskitcos  extant.  Et  hariiin  fera- 
rum carnes  aptae  sunt  humano  esui. 

Wir  sehen  aus  dieser  Beschreibung  des  Bison  oder  Zuhr 


104 

dafs  ilm  Crom  er   wirklich  gekannt  hahen  mag,  nur  das  ein- 
zige Wort  palearia  hat  er   dabei  unrichtig  anstatt  harha  ge- 
braucht,   indem    der  Zuhr    gerade    gar  keine   Wamme  hat. 
Er  wulste,  dafs  er  im  herzoglichen  Preufsen  d.  h.  Ostpreufsen 
und  dem  angrenzenden  Masovien  lebte.    Aufserdem  führt  er  ihn 
aber  auch  in  den  Podolischen  Steppen  (in  campis  Podolicis) 
an     wo   ihn   kein  anderer  Schriftsteller  erwähnt,   und  spricht 
auch  von  seiner  dortigen   Jagd  durch  mit  Pfeilen  bewaffnete 
Reiter,  weiche   ihn  umstellten  und  von  denen  einer  um  den 
andern  aus  dem   Kreise  hervorbrechend   ihn  verwundete    bis 
er  ermattet  zusammenstürze.     Anders   sey  aber  die  Jngd  auf 
ihn  in  den  Wäldern.     Fast  sollte  man  glauben,  dafs  der  den 
Sumpf  und  dichten  Wald  liebende  Zuhr  nicht   auf  der  Hoch- 
steppe von  Podolien  habe   leben  können.      Vielleicht  spricht 
Crom  er  von   einer  früheren   Zeit,    w'o   dieses   Thier  in  den 
tiefeiugeschnittenen,  wasserreichen  und  damals  noch   mehr  be- 
waldeten podolischen   Thälern   wohnte  und  nur   zuweilen  auf 
die  Hochsteppe  heraustrat,  denn  allerdings  verbreitet  sich  die 
Bewaldung  aus   Volhynien  durch   Ober -Podolien    noch  herab 
bis  zu  einer  von  Braclaw  gegen  ßalta  laufenden  Linie,  die  erst 
den  wahren,  jetzigen  waldlosen   Steppenrand  bezeichnet  und 
ehe  die  vielen  Einfälle  der  Tataren  das  Land  und  namentlich 
auch  die  Wälder  verwüsteten,    mochte   auch  jene  Bewaldung 
dichter  seyn  als  jetzt.    Uebrigens  giebt  es  auch  noch  heute  in 
Ober-Podolien  dichte  Wälder  und  Crom  er  hat  das  Vorkom- 
men des  Bison  dort  gewafs  nicht  erlogen,  denn  die  Einw^oh- 
ner  des   Dorfes   Daszkawce    in   der   Gegend    auf   dem  linken 
Ufer  des  Bog  zwischen  Winnica  und  Junow  wo  noch  ein  sehr 
dichter  und   finsterer  Wald  von  Weifsbuchen   QCarpmus  he- 
tulä)  steht,  haben   die  Tradition,  dafs  in  diesem  Walde  einst 
Tury  lebten  d.  h.  Bisonteji,    weil  sie  in  ihrer  kleinrussi- 
schen Sprache  das  Wort  Zuhr  gar  nicht  haben,   sondern  ihn 
mit  Tur  bezeichnen.  —  Interessant   ist   es  ferner,   dafs   Cro- 
mcr  ausdrücklich  anführt,  auch  die  neuern  Griechen  nann- 
tun  den  Bison  Zumhro  oder  Zamhro,   denn  diese   Aussage 
steht  in  Harmonie  damit,    dafs   der  Byzantinische   Geschichts- 
sclireibcr  Nicetas   Choniata  im  14ten  Jahrhundert  das  un- 
griechischc  Wort  Zumpren  gebraucht,  als  er  erzählt,  dafs  sich 
im  Jahre  1312   der   Kaiser  Andronicus    Komncnus   in   Tauro- 


105 

scythien,  d.  h.  also  in  der  heutigen  Krimm  viel  mit  Jagen  und 
Durchstechen  der  Zumpren  beschäftigt  habe.  Dieser  Name 
ist  offenbar  aus  dem  Munde  der  im  Byzantinischen  Reich 
selbst  zahlreich  wohnenden  slavischen  Stämme  entlehnt,  denn 
in  Tauroscythien  selbst  wohnten  damals  keine  Slaven.  Im 
14ten  Jahrhundert  war  also  der  Zuhr  noch  von  den  Volhy- 
nischen  Sümpfen  aus  durch  Podolien  bis  zum  Gebirge  der 
Krimm  verbreitet.  —  Vom  Thur  weifs  Crom  er  wieder 
nichts  anders  anzuführen,  als  dafs  er  nur  bei  Viskitki  in  Ma- 
sovien  lebe.  Er  hat  ihn  nicht  beschrieben  und  da  7  Jahr  nach 
Cromers  Tode  Mucante  die  den  schwarzen  Ochsen  ähn- 
lichen Zubri  mit  kleinen  Köpfen  und  grofsem  Bart  unter  dem 
Kinn  in  demselben  königlichen  Jagdgehege  ohnweit  Warschau 
sah,  so  wird  auch  dadurch  wieder  klar,  dafs  innerhalb  der  pol- 
nisch sprechenden  Provinzen  Polens  Thur  damals  nur  ein 
in  diesem  westlichen  Theil  von  Masovien  noch  ge- 
bräuchlicher Provinzial-Name  für  Zvibr  war.  —  Diefs 
wird  nun  auch  durch  Andreas  Swifcicki  Topographia 
Ducatus  Masoviae  bestätigt.  Indem  er  1.  c.  (in  Micleri  col- 
lectio  T.  I.  p.  484.)  die  Jagd  in  Masovien  schildern  will, 
schreibt  er: 

„Venatio  multiplex,  sed  cervi,  alces,  bisontes  non  nisl  in 
Seqiiana  sylva  reperluntur,  in  Hectorea  vero  sylva  Uro- 
rum  ingentiiim  greges  inerrant:  eos  enim  a  quopiam  allo  oc- 
cidl  proposita  capitis  poena,  fas  non  est." 

Diese  Stelle  müssen  wir  nun  zuerst  in  geographischer 
Hinsicht  durch  Swiecicki  selbst  erläutern.  Er  erwähnt  p. 489 
dafs  beim  Einfall  des  Flusses  Pysia  (Pysz)  der  aus  Preufsen 
kommt,  in  den  Narew  bei  Nowogrod,  wo  dieser  einen  grofsen 
Bogen  gegen  Norden  mache,  der  Sequana  Wald  anstofse» 
ein  Theil  des  alten  hereynischen  Waldes,  der  sich  von  hier 
nach  Preufsen  und  Samogitien  ausdehne  und  in  der  Mitte  von 
dem  sumpfigen  Flusse  Homulvia  d.h.  dem  heutigen  Omulew, 
der  bei  Ostrolenka  in  den  Narew  fällt,  durchschnitten  werde. 
Der  Name  Sequana  ist  nur  aus  dem  polnischen  Namen  des 
Flusses  Skwa  gemacht,  der  zwischen  Ostrolenka  und  Nowo- 
grod in  den  Narew  ausmündet.     Der  alte  Skwana  Wald*) 


*)  Auch  von  D }  u  g  o  s  z  in  der  Edü.  Lips.  T.  L  p.  35  genannt. 


106  • 

umfafste  also  die  grofsen  sumpfigen  Wälder,  welche  jetzt  die 
OstroJecka  und  Myszynska  puszcza  zwischen  Ostrol'enka  und 
IVIyszyniec,  wo  der  grofse  Karaska  Bruch  liegt,  heifsen  und 
sich  nordwärts  des  Narew  vom  Flusse  Pysz  westwärts  bis 
zum  Flufs  Orsic  in  der  Gegend  von  Chorzellen  ausdehnen. 
Der  Name  Hectorea  Sylva  ist  eben  so  ein  corrumpirter 
Name  aus  dem  Namen  des  Dorfes  Jaktorow  und  sollte  also 
richtig  Jakturowska  puszcza  geschrieben  seyn. *)  Die 
Lage  dieses  Waldes  hat  Swiecicki  p.  494  als  er  von  Boli- 
möw  und  der  Bzura  gesprochen  hat,  durch  folgende  Worte 
bezeichnet: 

„nie  (a  Bolemow)  jam  orltur  famosa  illa  Hectorea  sylva, 
Uroruni  pr(5\'entu  in  orbe  nostro  clara,  pars  et  ea  veteris  Iler- 
cynlae  fuit,  per  hanc  a  Boleiuovia  (Bolemow)  ad  Vyshiticos 
(Wiskitkl)  hinc  per  Calentlnates  et  Drogumlos  saltus  quos  ci- 
treus  pererrat  amnis  ad  Msconovum  (Mszczoiiow)  penetratur. 
Abest  Msconovum  a  Bolcmovia  XXIV  millia  passuum.-' 

Diese  Jakturowska  puszcza,  wie  sie  ausdrücklich  in  den 
Lustrationen  der  ehemaligen  W^oiwodschaft  Rawa  im  löten 
und  17ten  Jahrhundert  genannt  wird,  auch  unter  den  Namen 
der  Wälder  von  Wiskitki  oft  angeführt,  war  mithin  der  grofse 
sumpfige  Wald,  der  sich  vom  Flusse  Rawka  aus  der  Gegend 
zwischen  Bolimow  und  Skierniewice  (wo  heute  noch  ein  klei- 
ner Rest  davon  übrig  ist)  ostwärts  bis  Mszczonow  und  Wis- 
kitki und  weiter  nördlich  bis  Sochaczew  und  Blonie  verbrei- 
tete. Der  alte  Name  scheint  erloschen  zu  sein,  denn  der 
westlich  von  der  Rowka  liegende  Theil  davon  heifst  wenig- 
stens bei  Bolimow  jetzt  die  Nieborowska  puszcza  und  gehört 
dem  Fürsten  Radziwil  zu  Nieborow.  In  ihm  steht  heute  noch 
5  Werst  südwestlich  von  Bolimow  auf  einer  kleinen  Wald- 
wiese ein  Jagdaltan.  Ob  das  wohl  dieselbe  Stelle  sein  mag, 
wo  Mucante  159()  von  einem  ähnlichen  Altan  der  Zubr-Jagd 
zusah?  Um  Blonie  herum  war,  nach  Swi^cicki's  ausdrückli- 
chem Zeugnifs,  zu  seiner  Zeit  der  Wald  schon  fast  ausgehaucn, 
in  älterer  Zeit  zog  er  sich  aber  auch  noch  nördlich  über  den 


")  Pus/cza  bedeutet  in  der  pohüschen  Sprache  eine  Wildnifs 
und  /war  eine  mit  dichtem  Wald  erfüllte.  Das  Dort  Jaktorow  liegt 
im  Kreise  Sochaczew  im  Kirchspiel  Grodzisk  zwischen  Wiskitki  und 
Nadarzyn. 


107 

Utrata-Flufs  herüber  und  hing  mit  den  noch  heute  ansehnli- 
cheü  sumpfigen  Wäldern  von  Kampinos  im  Bicliny -Bruch  zu- 
sammen, die  sich  bis  zum  Weichsel -Ufer  zwischen  liovv,  Wy- 
szogrod,  Zakroczyn  und  Warschau  herunterzogen  und  einst 
mit  den  von  Nowydwor  und  Sierock  am  Narew  aufwärts  sich 
ausbreitenden  Wäldern,  also  einerseits  mit  dem  Skwana-Wald, 
andererseits  gegen  Osten  von  Sierock  und  Pultak  weg  mit 
den  Wäldern  zusammenhingen,  die  noch  heute  zwischen  Bug 
und  Narew  durch  den  Pulwi- Bruch,  Czerwony  Bor,  Biely- 
Bruch  gegen  Tykoccin  und  Surasz  hin  vorhanden  sind  und 
so  selbst  (damals  gewifs)  den  Zusammenhang  mit  dem  Zubr- 
Wald  von  Biaiovvieza  vermittelten.*) 


*)  Ich  habe  absichtlich  den  auch  jetzt  noch  sichtbaren  Zusam- 
menhang dieser  grofsen  aus  Lithauen  durch  Podlachien  his  ins  west- 
liche Masovien   reichenden  Wälder  nachge%\iesen ,    welche   alle  von 
gleicher  Natur   sind  und  alle  zum   gröfsten   Theü   auf  den  Sümpfen 
stehen,   welche  als  Ueberreste  einer  vorhistorischen  Wasserverbin- 
dung zu  betrachten    sind,    die  vom   ehemaligen  Binnenmeer  an  der 
Stelle  der  Minkischen  und  Volhynischen  Sümpfe   am  Prypec  in  der 
tiefsten  Einfurchung  quer  durch  das  sarmatische  Flachland  bis  zur 
untern  Oder  statt  fand,   ehe  der  Dnepr   das   südrussische  Granitpla- 
teau hei  Kremenczug,   der  Niemen  und  die  Weichsel  den  lithauisch- 
preufsischen  Landrücken  mit  seiner  denkwürdigen  Seenplatte,  jener 
bei  Merecz,   diese  unterhalb  Thorn  durchbrochen  hatten,  wie  ich  in 
einer  andern  geologischen  Abhandlung  zeigen  werde.     Wenn  nun  in 
diesem  grofsen  von  Ost  nach  West  gestreckten  Sumpf-Waldland  einst 
der  Zubr  wahrscheinlich  überall  lebte,  da  wir  ihn  mit  Bestimmtheit 
in  Podolien  am  Boh,  in  Volhynien  am  Prypeo,  zwischen  San  und 
Weichsel,  in  der  Bialowiezer  Wildnifs  an  der  Narewka,   im  Skwana 
Wald  bei  Ostrolenka,  in  Ostpreufsen,  in  Hinterpommern  mid  an  der 
Oder  bei  Stettin  seit  dem  12ten  Jahrhundert  durch  historische  Zeug- 
nisse kennen  lernten,  so  ist  es  doch  im  hohen  Grade  unwahrschein- 
lich,  dafs  in  demselben  Sumpf- Waldland  nur  auf  die  kleine  Jaktu- 
rowska  puszcza  beschränkt    eine    andere   davon  verschiedene  wilde 
Ochsen -Art  gelebt  haben  sollte,   die  überdem  noch  eine  Bison -Art 
gewesen  sein  mufste,  weil  ihre  Stirnhaut  Megen  des   ihr  eigenthümli- 
chen  Moschus-Geruchs  zu  denselben  Zwecken  benutzt  wurde  wie  die 
Stirnhaut  des  Zubr,  dessen  Gehirn  und  Stirnhaare  diesen  Geruch  be- 
sitzen.   Wo  von   den   grofsen  Wiederkäuern   und  Einhufern  ähnliche 
Arten  etwa  nahe   bei  einander  wohnen,   sind   sie  gewöhnlich  durch 
verschiedene  Art  der  Wohnörter  von   einander  unterschieden.     So  in 
Nordamerika  der  Moschus -Ochse  in   dem  felsigen,  waldlosen  Lande 
der  Esquimaux  und  in   den  Steppen  an  der  Hudsonsbai,  der  Buffalo 


108 

Im  Skwana-Wald  macht  Andreas  Swi^cicki,  als  er 
von  seiner  Lage  spricht,  nochmals  die  Thiere  namhaft:  „varii 
generis  feras,  cervos  scilicet,  hisontes,  alces ,  ona- 
gros  (vielleicht  versteht  er  darunter  hier  wilde  Pferde)  et 
sylvestres  apros  nutrit;  reperiuntur  et  parvae  fei  es 
(entweder  wilde  Katzen  oder  die  kleine  Luchsart  Rys  kot)*) 
quorum  pclliculae  insigni  levore  conspicuae,  ipsas  Moschi- 
cas  et  Lithuanicas  superant.  Nee  Pantherae  (Wolf-Luchse) 
et  TJrsi  desunt.  Ferner  die  vielen  wilden  Bienen  und  Falken, 
die  zur  Jagd  erzogen   werden.     Mehr  sagt  Andreas  Swig- 


(Bisori)  hingegen  mehr  südwärts  vom  grofsen  Slavensee  in  den  grofsen 
waldigen  Ebenen  an  den  Strömen  einst  bis  zum  atlantischen  Meere. 
So  von  den  beiden  Kameelarten  die  eine  auf  der  steinigen  Hochebene 
von  Baktrien  bis  in  die  Mongolei,  die  andere  in  den  grofsen  Niede- 
rungen und  Sandwüsten  von  Vorderasien  und  Nordafrika.  So  von 
den  beiden  sehr  ähnlichen  Zebraarten  Südafrikas,  eine  auf  den  Ber- 
gen die  andere  in  den  Ebenen.  So  von  den  beiden  wilden  Eselarten 
neben  einander  in  Asien,  der  Hemionus  i^Dschiggetet)  auf  trockenen, 
waldlosen  Grasweiden  in  den  Mongolischen  und  Daunischen  Step- 
pen, der  Kulan  {Onager)  hingegen  in  den  bergigen  Wäldern  am  Aral- 
see, im  Gebirge  um  Casbin,  selbst  in  den  Gebirgen  von  Malabar  mid 
Golconda. 

*)  Wir  nehmen  in  der  heutigen  Naturgeschichte  zwar  an,  dafs 
nur  eine  Art  Luchs  {Felis  lynx  L.)  im  nördlichen  Europa  lebe,  wenn 
wir  den  Polarluchs  {Felis  horealis)  nicht  mitrechnen.  Es  scheint  aber 
allerdings,  dafs  von  dem  eigentlichen  grofsen  Luchs,  den  die  Schwe- 
den Warg  Lo,  die  polnischen  und  lithauischen  Jäger  aber  Ryscicle 
oder  Ryswilk  (d.  h.  Kalbs-  oder  Wolfsluchs  nach  der  Gröfse)  nen- 
nen, M'clcher  einen  sehr  kurzen  Schwanz  und  blos  geflektes  Fell  hat, 
ein  anderes  Thier  nicht  blos  als  Varietät  sondern  als  Art  unterschie- 
den werden  müsse,  welches  die  Schweden  Katt  Lo,  die  polnischen 
Jäger  Rys  kat  (Katzenluchs)  nennen.  Beide  leben  in  Polen  und  ste- 
hen ffiif  dem  zoologischen  Museum  in  Warschau  ausgestopft  und  sind 
in  der  kleinen  Abhandlung  des  Hrn.  Stron  czynski:  Spis  Zwierzat 
ss^cych  kraju  polskiego  i  pogranicznych.  w.  Warszawie  lö39.  8.  p.  18. 
19  abgebildet.  Der  viel  kleinere  Katzenluchs  hat  nach  Verhältnifs 
seiner  Körpergrofse  einen  längern  am  Ende  weifsen  Schwanz  und  die 
Hecken  seines  Felles  fliefsen  auf  den  Rücken  so  streifenweise  zusam- 
men, dafs  er  dadurch  nach  Hrn.  Stronczynskis  Aeufserung  dem 
Ocelot  {Fei.  jiardalis  L.)  ähnlicher  wird.  Die  polnischen  Jäger  un- 
t«>rsrheidcn  endlich  noch  eine  3te  sehr  seltene  Art,  die  sie  Rys  pics 
(Hundcluchs)  nennen,  die  zwischen  den  beiden  vorigen  in  der  Gröfse 
die  Mitte  häh,  gar  keine  Flecken,  aber  längeres  Haar  hat. 


109 

cicki  nicht  von  den  Thieren.  Soin  Sohn  Siogmnnd  aber 
fCgte,  als  er  1634  seines  Vaters  Werk  edirte,  also  zn  einer 
Zeit,  als  geschichtlich  die  Tuj^i  in  den  Wäldern  von  Wiskitki 
schon  ausgestorben  waren,  von  ihnen  noch  hinzu: 

„Hoc  animal  priscis  temporibus  Germanlae  sylvis  familiäre, 
nullibi  nunc  (quod  sciam)  in  tota  Europa,  nisi  in  his  angustiis, 
Hercyniae  veteris  reliquiis,  reperitur.  Magnitudine  est  niulto 
majori  supra  nostros  boves,  forma  non  absimili,  caeterum  aglli- 
tatis  prope  stupendae,  ut  etlam  fimum  inter  egerendum,  prius- 
quani  terram  atlingat,  cornibus  excipiant  ludibundi.  Pollutas  do- 
mesticorum  taurorum  coitu  feminas  odor  maribus  prodit,  quas 
longe  ex  armentis  abigunt  ut  objectae  rapacibus  feris,  vitlati  ge- 
neris  poenam  pendant.  Tanto  autem  robore  pollent,  ut  subla- 
tum  cornibus  equitem  facile  prosternant.  Observatum  est  sae- 
pius,  unicum  marem  urum  prostratis  ac  proculcatis  lupis  aliquot, 
integram  victoriam  retulisse.  Nihil  tarn  expetitur  venatorlbus 
quam  media  et  villis  intorta  pars  frontls  (Polonis  Turzy wi- 
ch er*)  praesertim  si  spiranti  adhuc  Uro  exscindatur;  gestata 
enim  a  gravidis  ^aruncula,  abortibus  resistit  et  facilem  partum 
procurat.  Eandem  vlm  quoque  zonis  inesse  putant,  quae  resecto 
in  orbem  corio  morientibus  uris  detrahuntur.  Obviam  hominem 
aut  feram  nisi  irritentur,  transire  facile  patiuntur,  irrltati  furen- 
tes  saeviunt.  Nee  tamen  Caesarem  mendacii  arguerira,  qui  ali- 
ter  scriptum  reliqult,  fieri  enim  potest,  ut  animal,  illls  vastis  Ger- 
maniae  solitudinlbus  educatum,  occurentem  hominem  insequere- 
tur:  Nunc  Uri  angusta  inclusa  sylva  mitescunt  necessario." 

Also  auch  Siegismund  Svviecicki  hat  über  die  T;/7y 
bei  Wiskitki  Uns  nichts  Anders  gesagt,  als  was  wir  schon  vor- 
her gewufst  haben.  Aus  eigener  Ansicht  konnte  er  auch  nicht 
viel  wissen,  denn  seit  1602  existirten  nach  den  archivarischen 
Nachrichten  nur  noch  vier  solcher  Thiere  in  jener  Gegend 
und  als  er  1634  seines  Vaters  Buch  edirte,  war  das  letzte 
Stück  schon  7  Jahre  zuvor  krepirt. 

Warum  aber  gerade   in   der  Gegend  zwischen  Rawa  und 

Wiskitki  der  Name  Tur  für  Zuhr^  sich  am  längsten  erhalten 

hat,  dazu  giebt  Swi^ cicki  noch  einen  schwachen  Fingerzeig. 

Nachdem  er  nämlich  von  der  Stadt  Rawa  gesprochen  hat,  fährt 

er  fort: 

„Biata  Chelmensis  RoxolanI  antistitis  jura  agnoscit,  non  tarn 
amplltudiue  aut  elegantia,  quae  nulla  est,  quam  finitimorum  la- 
trociniis   apud  remotiores   Masovias   celebrata.      Nobiles  ii   sunt 


*)  Turzj'^vicher  bezeichnet  Tur  wir  bei,  denn  das  Wort  Wi- 
cher  wird  zuweilen  anstatt  Wir  für  den  Begriff  des  Haarwirbels 
auf  dem  Kopf  gebraucht. 


110 

extremae  sortis,  sed  qiil  temerltate  et  audacia  ad  omne  facinus 
adciindum  prompti:  ditJorlbus  terrorl  sunt  et  barbara  licentla 
caedibus  atque  incendiis  iuter  se  debachantur.  Nee  longe  inde 
absunt  Pomrozanie,  a  Mroga*)  torrente  nomen  sortiti,  quo- 
iiim  mores  infames  et  desperata  audacia  carminibus  vulgo  no- 
tantur.  Apud  eos  populos  patrum  memoria  homicldia  ita  vulga- 
bantur,  ut  indecorum  omnino  putaretur  viro  noblli  et  cuique 
honoratissirao,  aliquem  saltein  suis  manibus  non  peremisse:  sed 
iam  et  vicinorum  commerciis  et  discipb'na  legum  mansuefiunt 
fera  ingenia." 

Sodann  weiter  als  er  von  Bolemow  mit  seinem  damaligen 
grofsen  See  mit  grofsen  Heerden  von  Schwänen  bevölkert  ge- 
sprochen hat  (wovon  heute  keine  Spur  mehr  ist)  und  von  der 
Hectorea  sylva,  sagt  er  noch  einmal: 

„Inhumani  et  inhospitales  contra  quam  caetcris  Masoviis 
mos  est,  ejus  sunt  pagae  incolae,  ita  ut  illac  transeuntes  vel  in 
foeda  pluvii  coeli  inclementia  omnibus  diversoriis  exclusi  aut  syl- 
vam  petere  aut  sub  dio  pernoctare  cogantur,  quod  et  mihi  ali- 
quante illuc  iter  facienti  accidit." 

Aus  dieser  Erzählung  geht  nun  hervor,  dafs  die  Stadt 
BiaJa  in  Masovien,  ohngefähr  2  Meilen  östlich  von  Rawa  die 
Rechte  des  antistes  (Bischofs)  von  russinisch  Clielm,  d.  i.  des 
einst  nur  von  Russinen  bewohnten  Landes  Cheim  zwischen 
Lublin  und  Volhynien  anerkannt  habe.  Es  entsteht  die  Frage, 
wie  kam  diese  Stadt,  mitten  in  Uem  von  katholischen  Polen 
bewohnten  Masovien  gelegen  dazu,  unter  dem  griechisch  unir- 
Xqw  Bischof  von  Chelm  zu  stehen,  wie  auch  Starowolski 
bezeugt.  Wir  finden  die  Ursache  davon  nirgends  angeführt 
und  es  ist  also  wohl  nur  die  Vermuthung  erlaubt,  dafs  einst 
in  dieser  Gegend  eine  russinische  Niederlassung  von  griechi« 
schem  Glauben  statt  gefunden  haben  möchte.  Verbinden  wir 
damit  die  Nachricht,  dafs  das  Volk  in  der  Nähe  der  Jaktu- 
rowska  puszcza,  wo  die  Turi  lebten  und  besonders  die  am 
Fliisschcn  Mroga  wohnenden  Pomrozoni,  die  man.  also  auch 
im  17ten  Jahrhundert  noch  mit  einem  besondern  Namen  be- 
zeichnete, sich  von  den  übrigen  Masoviern  durch  rohe  Sitten, 
Ungastliohkeit,  Neigung  zu  Raub  und  Mord  sehr  unvortheil- 
haft  auszeichneten,   so  wird  es  noch  wahrscheinlicher,  dafs  in 


*)  Mropa  hoifst  das  Fliifschen,  das  bei  Brzezyn  entspringt,  bei 
Glowno  dio  Mrozyca  aufnimmt  und  weiter  durch  Bielowy  nordwärts 
fliefst,  bis  es  bei  Sobota  in  die  Bzura  fällt. 


111 

(lieser  Gegend  einst  ein  von  den  übrigen  lachischen  Stämmen 
verschiedener  kleinrussischer  oder  wie  die  Polen  sagen  russini- 
scher Stamm  (ruskie  plemie)*)  angesiedelt  war,  was  offenbar  der 
am  weitesten  gegen  Westen  vorgedrungen  gewesene  wäre  und 
in  dieser  Wildnifs  eigenthiimliche  rohe  Sitten  lange  Zeit  bei- 
behielt. Ist  diese  Conjectur  richtig,  so  würde  dadurch  auch 
erläutert,  warum  der  Zuhi'  gerade  nur  in  dieser  Gegend  von 
Masovien  den  Namen  Tur  so  lange  beibehielt,  weil  in  den 
kleinrussischen  Mundarten  der  aus  der  litthauischen  Sprache 
in  die  polnischen  und  weifsrussischen  Mundarten  übergegan- 
gene Name  Zuhr  bis  heute  noch  dem  gemeinen  Volke  unbe- 
kannt ist  und  dafür  immer  der  Name  Tur  gebraucht  wird. 
Daher  darf  es  Uns  gar  nicht  befremden,  wenn  der  eine  pol- 
nische Schriftsteller  den  Namen  Tur  erwähnt,  der  andere  nicht, 
und  wenn  der  eine  dieselbe  Beschreibung  vom  Tur  wie  der 
andere  vom  Zuhr  giebt.  So  hat  auch  der  letzte  Topograph, 
den  ich  oben  angeführt  habe,  Krasinski,  ein  Zeitgenosse 
Swi^cickis  in  seinem  seltenen  Werke  de  Polonia  Lih,  L 
cap.  XIII.  de  Ubertate  Poloniae  zwar  viele  Jagdthiere  und 
Vögel  Polens  aufgezählt,  aber  dabei  weder  den  Tz/r  noch  Zuhr 
erwähnt,  dann  ferner  im  Lih.  II.  cap.  I.  als  er  von  Lithauen 
handelt,  die  juhati  hisoiites,  ferocissima  taurorwn  species 
genannt;  endlich  aber  Lih.  II.  cap.  VIII.  de  Masovia  den 
Tur  erwähnt,  darin  aber  sichtlich  nur  Herberstains  Nach- 
richt wörtlich  abgeschrieben,  so  dafs  wir  durch  Krasinski 
durchaus  nichts  Neues  darüber  erfahren. 

Hr.  V.  Bär,  der  sich  nun  durchaus  noch  nicht  von  der 
Hypothese  losreifsen  konnte,  dafs  Urus  und  Bison  zwei  ver- 
schiedene Thiere  gewesen  wären,  und  einen  überwiegenden 
Werth  darauf  legt,  dafs  Herberstain  und  Schneeberger 
den  Tur  schwarz  geschildert  hätten,  was  aber,  wie  ich  früher 
und  auch  jetzt  wieder  gezeigt  habe,  von  gar  keinem  Gewicht  ist, 
hat  auch  die  Hypothese  aufgestellt,  dafs  nur  dieser  vermeint- 
lich jetzt  untergegangene  Urochs  der  Deutschen  in  den  alt- 
deutschen Chroniken  und   Gesetzen  mit  den  Namen  Buhalus 


*)  Die  Polen  unterscheiden  sehr  genau  die  Namen  Rosyanin 
(Grofsrusse,  Moskoviter)  von  Ruisin  (Kleinrusse,  Reusse,  Rusniak) 
oder  imAdjectiv:  rossyiski  von  ruski. 


112 

im  Büffel  bezeichnet  soy.  Ich  habe  schon  erwähnt,  wie  die 
in  der  lex  Alemannorum  von  ihm  aufgefundene  Stelle, 
wo  Bisons  hubalus,  ohne  Conjunction  dazwischen  genannt 
wird,  gar  nicht  berechtigt  dieses  Doppelwort  als  Bezeichnung 
zweier  Thierarten  anzusehen.  Noch  mehr  mufs  ich  aber  er- 
staunen, die  Behauptung  zu  lesen:  dafs  der  2?w&f/Z«^  oder  Büf- 
fel Deutschlands,  der,  wie  Plinius  sagt,  eigentlich  Uj'  hiefs, 
wirklich  schwarz  von  Farbe  gewesen  sey,  mache  die  lex 
Bavariorum  im  Tit.  XIX.  §.  7.  wahrsheinlich,  weil  dort  die 
7^7^?)«// unter  das  Schwarzwild  gerechnet  wurden.  Wenn 
die  Deutschen  heut  zu  Tage  ihre  noch  vorhandenen  grofsen 
jagdbaren  Waldthiere  in  Schwarz-  und  Roth  wild  scheiden  und 
unter  das  erstere  das  Wildschwein  rechnen,  weil  es  darunter 
am  dunkelsten,  meist  schwarz  gefärbt  ist,  so  werden  die  al- 
ten Deutschen  auch  demselben  Grundsatz  gefolgt  seyn.  Ge- 
setzt nun,  es  hätten  wirklich  zur  Zeit,  als  die  lex  Bavario- 
rum  aufgezeichnet  wurde,  in  Deutschland  noch  schwarze  Bu- 
hau  und  sehr  dunkelbraun,  ebenfalls  theilweise  schwarz  ge- 
färbte Wisenten  oder  Zuhri  neben  einander  als  2  Thierarten 
bestanden,  so  hätten  doch  offenbar  die  Biibali  und  Wisenten 
beide  dem  Schwarzwild  zugerechnet  werden  müssen  und  der 
Wisent  auf  keinen  Fall  dem  Rothwild  beigezählt  werden  kön- 
nen. Wie  kann  also  die  Zurechnung  des  hubalus  zum  Schwarz- 
wild eine  specifische  Unterscheidung  vom  Wisent  beweisen? 
Vergessen  wir  dabei  ja  nicht,  wie  im  Mittelalter  die  in  natur- 
historischen Dingen  so  wenig  unterricliteten  Mönche  und  Ge- 
richtspersonen, welche  die  Chroniken,  Gesetze  und  Privilegien 
in  einem  barbarischen  Latein  niederschrieben,  oft  in  dieser 
Sprache  ganz  irrige  Namen  einer  Thierart  oder  einer  Pflan- 
zenart beilegten,  wenn  sie  gleich  recht  gut  ihre  richtigen  va- 
terländischen Namen  dafür  kannten.  Ich  habe  schon  oben 
angeführt,  dafs  z.  B.  Crom  er  und  Swiecicki  den  Luchs, 
dessen  richtigen  polnischen  Namen  Rys  Crom  er  selbst  an- 
führt, dennoch  im  lateinischen  Panther  oder  lupus  cervarius 
nannten.  Aber  ich  kann  noch  ein  besseres  Beispiel  beibringen. 
Czacki  *)  belehrt  Uns  nämlich,  dafs  die  Herzoge  von  Maso- 
vien  besonders  geizig  mit  Ertheilung  von  Privilegien   auf  die 

*)  O  polskich  i  litewskich  prawach  T.  II.  in  der  Anmerkung  1735 


113 

hohe  Jagd  gewesen  seyen.  So  wird  unter  andern  in  der  Bulle 
Gregor  IX.  vom  Jahre  1232,  welche  die  Schenkungen  Herzog 
Conrads  an  die  Geistlichen  bestätigt,  ausdrücklich  gesagt,  dafs 
dieselben  auf  ihren  Gütern  nur  Rehe,  Haasen,  Füchse  und 
Eichhörnchen  jagen  dürften.  Im  14ten  und  15ten  Jahrhun- 
dert sind  in  den  ertheilten  Privilegien  auf  die  Jagd  immer  der 
Fang  der  Zuhiy,  rysie  und  die  Falkenjagd  davon  ausgeschlos- 
sen. Besonders  interessant  ist  in  dieser  Hinsicht  nur  ein  Pri- 
vilegium jener  Herzoge  von  Masovien  vom  Jahr  1436  über 
das  Dorf  Zator  (zwischen  Wiskitki  und  Stara  Rawa),  wie  es 
in  der  Krön  Metryk  in  der  Abtheilung  der  Akten  der  maso- 
vischen  Herzoge  (vv  Metryce  Koronney  w  Xi^dze  aktow  Xi^- 
z^t  Mazowieckich)  aufbewahrt  ist  Darinnen  sind  die  Worte 
gebraucht: 

„Dominus  Diix  consideratis  fidellbus  serviciis  Nobilis  Michae- 
lis de  Ziemianezice  Succamerarii  Varschoviensls  ■ —  terram  Za- 
thor  dictam  in  longnm  et  latum  velutl  in  suis  granicibus  ab  an- 
tiquo  circum  fercntialiter  est  distincta  ac  venatlonibus  quarum- 
cunque  ferarum,  centauris  et  Tigridis  exceptis,  aucupationi- 
bus  omnium  avium,  falconibus  exceptis  etc." 

Nun  wird  wohl  hoffentlich  Niemand  im  Ernste  glauben, 
dafs  in  Masovien  Centauren  und  Tiger  in  den  Wäldern 
lebten,  sondern  erkennen,  dafs  unter  diesen  irrigen  Namen 
andere  wilde  Thiere  gemeint  seyen,  Czacki,  der  gelehrteste 
Pole  seiner  Zeit  und  ein  genauer  Kenner  seines  Vaterlandes 
fügt  also  die  Erläuterung  hinzu; 

Te  Centauri  nie  innego  nie  s^  tylko  Zubry,  Urami  ad 
Cezara,  Turami  od  Gminu  w  Litwie  zwane.  Tigrides  nie 
innego  nie  s^  tylko  rysie  d,  h.  diese  Centauren  sind  nichts 
anderes  als  Zubry,  von  Caesar  Uri,  vom  gemeinen  Volk 
(^Gminü)  in  Lit  hauen  Turi  genannt  und  die  Tigrides 
sind  nichts  anderes  als  die  Luchse,  die  also  im  damaligen 
Latein  bald  Tiger  bald  Panther  genannt  wurden.  Czacki 
hat  also  ebenfalls  schon  ganz  richtig  erkannt,  dafs  die  Zu- 
hry  auch  mit  dem  Namen  Turi  belegt  wurden  und  zwar, 
wie  er  ausdrücklich  sagt,  vom  gemeinen  Volk  in  Lithauen 
d.  h.  indem  er  natürlich  hierbei  nur  von  seiner  Zeit  (Ende 
des  18ten  Jahrhunderts)  spricht,  von  den  russinischen 
Bauern  in  Lithauen,  denn  zu  seiner  Zeit  wurde  im  eigentli- 
chen Lithauen,  so  wie  jetzt  nur  noch  in  kleinen  Districten  die 

Wiegm.  Archiv.    VI.  Jahrg.     1  Band.  g 


114 

lithauischc  Sprache  'gesprochen,  übrigens  aber  und  nament- 
lich in  den  Gegenden,  wo  die  Zuhry  noch  leben,  nnr  ein 
w  ei  fs  russisch  er  Dialect,  mithin  ein  Beweis,  dafs  unter  den 
russiuischen  Stämmen  der  Name  Tiir  nic!it  allein,  wie  wir 
oben  bemerkten,  bei  den  Podolischen  Kleinriissen,  sondern 
auch  unter  den  lithauischen  Weifsrussen,  im  Munde  des  Volks 
bis  heute  sich  erhalten  hat. 

Ganz   anders   verhält   es   sich   aber  mit   den  in  den  Lan- 
des-Dialecten   geschriebenen  polnischen   und  lithauischen   Ge- 
setzen.    In  ihnen  finden   wir  solche  Namens -Verwechslungen 
und  Namens- Verdrehungen  wie    in   den   lateinisch  geschriebe- 
nen  niemals.      Das   wichtigste   darunter  für    Uns    ist   das    li- 
thauische  Statut   {Statut  TV.  Xkstwa   Litewsldego^  zu- 
erst 1529  vom  Kanzler  Gastold  unter  Siegmund  I.   in  russi- 
nischer Sprache   geschrieben,    sodann    verbessert  1564   (nach 
Czacki's  Angabe  in  polnischer  Sprache)  und    endlich   1578 
als  3tes  Statut  wieder  in  russinischer  Sprache  gegeben.     Alle 
diese  drei  ursprünglichen  Statute  existirten  nur  in  Handschrif- 
ten, bis  der  Fürst  Leo   Sapieha  dieselben  ins  polnische  über- 
setzte,  in  welcher  üebersetzung  sie  mehrmals  gedruckt  sind, 
zuerst  1588  zu  Krakau,  dann  1619  zu  Wilna,  1648  zu  War- 
schau, 1698  zu  Wilna  und  zuletzt  1796  in  Wilna  in  fol.    Das 
lithauische  Statut  hatte  nun  nicht  allein  im  ganzen  eigentlichen 
Lithauen  Gesetzeskraft,   sondern  auch  in  den  zu  Lithauen  da- 
mals gerechneten  Woiwodschaften  Kiuw,  Braclaw  und  Volhy- 
nien  und  wurde  aufserdem  auch  in  den  Kronländern  d.  h.  im 
eigentlichen   Königreich   Polen  als  ein  llülfsgesetz  angesehen. 
Es  zählt  im  Rozdziat  XII  und  XIII  bei   den  Jagdgesetzen  die 
wichtigsten  jagdbaren  Thiere  des  Landes  mit  ihren  innländischen 
Namen  auf.   Nachdem  im  Rozdziat  XIII.  Art.  1.  bestinunt  ist, 
dafs  Jeder,   der   im  fremden   W\alcle   ohne  Erlanbnifs   des   Ei- 
genthiimers  jagt,  das  erlegte  Wild  abgeben  und  dafür  eine  ge- 
wisse Geldsumme  bezahlen  mufs  und  dafs   der  Jäger,   der  bei 
W'ilddicbstahl  gefangen  wird,  nach  dem  Isten   und  2ten  Statut 
der  Todesstrafe  unterliege,    wie  ein  Dieb,    welche  Strafe  erst 
im  3ten  Statut  aufgehoben   wurde,    so    folgt  dann  im  Art.  2. 
die  Bestimmung   des   zu    bezahlenden    Preises    für  das  erlegte 
Wild,     liier  werden  nun  aufgeführt:   Ziibr,    l.os,   Kond'Jki, 


115 

Jeleji,  Sorka,  SohoJa*)  (Auorochs,  Elen,  Wild-Pferd,  Hirsch, 
Reh,  Zobel).  Der  Tur  wird  als  ein  besonderes  Thier  nicht 
genannt,  obgleich  ihn  mehrere   Schriftsteller  aus   dieser  Zeit, 


*)  Für  die  Kenntnifs  der  seit  dem  IGten  Jahrhundert  aus  Lithauen 
allmählig  zurückgedrängten  Thiere  ist  das  Gesetz  von  hohem  Interesse, 
wenn  es  aufser  den  Thieren,  die  noch  daselbst,  wenn  gleich  auch 
schon  sehr  selten  oder  nur  noch  vereinzelt  existiren,  als  den  Auer- 
ochsen, das  Elen,  den  Edelhirsch,  das  Reh,  den  Lieber  auch  solche 
nennt,  die  gar  nicht  mehr  dort  existiren,  als  das  wilde  Pferd,  und 
den  Zobel.  Dafs  der  Zobel  damals  noch  in  den  Wäldern  von  Li- 
thauen existirte,  ist  durch  die  namentliche  Aufführung  im  Gesetz  er- 
wiesen. Czacki  macht  in  seinem  mehrmals  citirten  Werke  dazu 
noch  die  Bemerkung:  „Ich  habe  in  dem  Bruchstück  einer  Handschrift 
aus  der  Zeit  Siegmund  I.  aufserdem  noch  gelesen,  dafs  in  der  Ge- 
gend von  Knyszyn  (im  Kreise  Bialystok)  damals  als  Seltenheit  ein 
weifser  Zobel  gefangen  worden  sey"  und  Scheffer  in  seiner 
Geschichte  von  Lappland  p.  318  erwähnt,  dafs  zuweilen  in  diesem 
Lande  ebenfalls  weifse  Zobel  vorkämen.  Das  Rennthier,  von 
dem  am  Bug  einige  fossile  Ueberreste  aufgefunden  wurden,  wird  im 
Isten  lithauischen  Statut  nicht  mehr  genannt,  aber  Czacki  macht 
die  Bemerkung,  dafs  unter  König  Alexander,  also  kurze  Zeit  vor  Ab- 
fassung des  Statuts,  noch  Spuren  seiner  Existenz  in  den  Wildnissen 
von  Samogitien  vorhanden  gewesen  seyen,  indem  sich  eine  Nachricht 
erhalten  hat,  dafs  damals  dort  ein  Thier  Betsy  erschlagen  worden 
sey.  Polnisch  ist  dieser  Name  nicht,  wahrscheinlich  auch  nicht  li- 
thauisch,  sondern  finnischen  Stammes,  da  nach  Buffons  Angabe  in  ei- 
nem Theil  von  Lappland  das  Renn  den  Namen  Betsvi  führen  soll. 
Der  Name  Betsy  scheint  also  dasselbe  zu  bezeichnen  und  von  den 
Esthen  oder  alten  Liven  entlehnt  zu  seyn.  —  Die  Bieber,  welche 
im  jetzigen  Königreich  Polen  kaum  mehr  vorkommen,  höchstens  in 
einzelnen  Exemplaren  noch  an  der  untern  Weichsel  und  am  Bug,  wa- 
ren vom  13ten  bis  16ten  Jahrhundert  noch  sehr  häufig,  besonders 
am  Narew  und  an  der  untern  Nida  in  der  Gegend  von  Wislica^  wo 
die  alten  Topographen  Bieber  und  zahlreiche  Reptilien  in  den  dorti- 
gen jetzt  mehr  abgetrockneten  und  ganz  entwaldeten  Sümpfen  auf- 
führen. Das  Iste  lithauische  Statut  giebt  im  Rozdzial  XUl.  Art.  IX. 
die  besondere  Vorschrift :  Kiedy  kto  ma  w  czyjej  ziemie  bobrowe  go- 
ny,  ma  prawo  /'^dac,  aby  wia-ciciel  tego  grunta,  ani  sam  ani  ludziom 
pozwolilpodorac  pole,  lub  karczowac,  siano  i^e  w  odleglosci  jednego 
rzucenia  kija  od  tego  zerewenia.  d.  h.  Wenn  Einer  auf  Jemandes 
Grund  Bieber- Jagd  hat,  so  hat  er  das  Recht  zu  verlangen,  dafs  we- 
der der  Besitzer  noch  seine  Leute  das  Feld  ackern,  noch  Wald  aus- 
rotten, noch  Heu  machen  dürfen  in  der  Entfernung  eines  Stabwurfs 
(die  GrÖfse  dieses  Maafses  war  auch  Czacki  imbekannt)   von  dem 

9* 


116 

wie  Mathias  von  Miechow  und  andere  in  Lithanen  ge- 
nannt haben  und  der  Name  noch  im  Volks-Dialect  der  vvest- 
russischen  Provinzen  existirt.  Wäre  es  ein  besonderes,  vom 
Ziibj^  verschiedenes,  ebenso  ansehnliches  Thier  gewesen,  so 
hätte  ihn  das  Gesetz,  das  viel  unbedeutendere  Thiere  anführt, 
auf  keinen  Fall  übergangen.  Solche  unbedeutendere  Thiere 
sind  z.  B.  Falkenarten,  die  'das  Gesetz  im  Rozdzial  XII.  an- 
führt, als:  Soliol  {Falco  communis),  Krzeczot  der  russinische 
oder  Bialozor  der  polnische  Name  für  Falco  candicans  L., 
Krogulec  {Falco  nisus  L.)  Rarog  {Falco  lanarius  L.)  und 
Drzemlik  {Falco  Aesalon.  Emerilloii). 

Hr.  V.  Bär  sucht  seine  Ansicht  auch  noch  auf  andere 
Art  zu  erweisen.  Er  meint  nämlich,  wenn  man  nicht  blos 
nach  Beweisen  vom  gleichzeitigen  Vorkommen  zweier  wilden 
Stiere,  sondern  nur  nach  Beweisen  suche,  dafs  ein  vom  Zuhr 
verschiedener,  aber  dem  zahmen  Ochsen  ähnlicher  Stier 
in  Europa  wohnte,  so  wird  Grofsbritanien,  wo  er  sich  noch 
erhalten  hat,  wohl  am  wichtigsten.  Durch  diese  Wendung 
entschlüpft  Hr.  v.  Bär  dem  eigentlichen  Streitpunkt,  ob  der 
von   den  Polen  und  Kleinrussen  Tur  genannte  wilde   Ochse 


Ort,  wo  die  Bieber  wohnen  (zerewenia).  Nach  Czacki  o  prawach 
polskich  i  litewskich  T.  I.  p.  264  Anmerk.  1753.  bezeugen  Privilegien 
aus  dem  14ten  Jahrhund,  noch  die  Existenz  besonderer  fürstlicher 
Bieber-Aufseher  an  der  Nida  und  Narew.  Er  hat  ein  im  mittel- 
alterlichen Latein  geschriebenes  Register  von  Biebern  unter  den  Hän- 
den gehabt,  welches  im  J.  1229  der  Bieber-Meister  am  Narew,  Jaszko 
de  Makow,  dem  Herzog  Konrad  von  Masovien  vorlegte.  Man  ersieht 
daraus,  dafs  die  Bieber -Kolonien  noch  sehr  ansehnlich  imd  so  ein- 
gerichtet waren,  dafs  in  einer  Kolonie  nur  Bieber  von  einerlei  Fär- 
bung beisammen  gehalten  wurden.  Damals  waren  bei  Pultusk  251 
nigricini  castores,  von  denen  für  den  Hof  des  Herzogs  10,  zum  Ver- 
kauf 50,  die  übrigen  ad  restantiam  et  prolicatioiietn  bestimmt  wur- 
den. Der  Biebermeister  Jaszko  berichtet,  dafs  ihm  viel  Ahornholz 
im  Bestand  geblieben  sey,  wenn  die  Biber  ihre  Auswintenmg  hätten^ 
Er  beklagt  sich  aber  auch  über  den  Edelmann  Maczka  de  Gol^czyn, 
dafs  dieser  aus  Neid  befohlen  habe,  den  Biehern  die  Nahrung  weg- 
zunehmen, aber  der  Diebstahl  sey  leicht  zu  erkennen,  durch  die 
Nichtanfüllung  der  Locher  oder  Ruhren,  welche  im  Winter  die  Thiere 
machen.  —  Nach  dem  3ten  lithauischen  Statut  konnte  aber  ein  Biber, 
der  seinen  Bau  verläfst  und  in  einen  andern  geht,  von  seüiem  frü- 
heren Besitzer  nicht  wieder  zurückverlangt  v;erden. 


117 

vom  Ziibr  verschieden   war   oder  nicht.      Nachdem   nun  aber 
durch  die  von  mir  beigebrachten  Beweise   wohl   sicher  erwie- 
sen ist,  dafs  Bonasus,  Päonischer  Ochse,  Monopus,  Ur\  Tiir, 
Ziihr  und  Wisent  nur  ein  und  dasselbe  Thier  bezeichnen 
und  dafs  neben  dieser  Ochsenart  in  historischer  Zeit  in  Nord- 
Griechenland,  Thrazien,  Rufsland,  Lithauen,  der  Moldau,  Polen 
und  Deutschland  keine  andere  wilde  Ochsenart  gelebt  hat,  so 
wäre  mein  früherer  Ausspruch,    dafs  kein  Mensch   in  Eu- 
ropa zwei  wilde  Ochsenarten  neben  einander  gese- 
hen habe,  höchstens  dahin  zu  berichtigen  seyn,  dafs  man  dies 
auf  das  feste  Land  von  Europa  beschränke,  wenn  die  in  den 
Parks  von  Nord -England  und  Schottland  noch  erhaltene  Vieh- 
race  wirklich  der  Ueberrest  einer  eigenen  species  ist.  —  Lei- 
der ist   aber  unsere  Kenntnifs    von   dieser  Race   noch   höchst 
unvollkommen  und  der  letzte  Bericht  darüber,  der  von  Hind- 
march  über   das   wilde   Hornvieh  im  Chillingham  Park,   vor- 
getragen in  der  British   Association  zu  Newcastle    1838*) 
so  unvollkommen  und  so   unbefriedigend,    dafs  man  wohl  er- 
staunen mufs,   aus   dem   aufgeklärten   England,    namentlich  in 
anatomischer  Hinsicht  über  dieses  Hornvieh  keine  bessern  Auf- 
klärungen erhalten  zu  haben.     Wir  erfahren  auch  von  Hind- 
marsch  nichts   über  die  Maafse  des  Thieres,  nichts  über  die 
Gröfse  und  Richtung  der  Augen  und  Hörner,   nichts  über  die 
Zahl  der   Rippen   oder  andere   anatomische   Eigenheiten,    ob- 
gleich Lord  Tankerville  Haut  und  Schädel  des   Chillingha- 
mer  Viehs  an  Hrn.  Children  ins  brittische  Museum  geschickt 
hat.  —  So  wie  jetzt  diese  jViehrace   noch  in  den  Parks  exi- 
stirt,  ist  sie  offenbar   eine  durch   die  Einhegung,    selbst   durch 
gewaltsame   Mittel  höchst  veränderte,  von  ihrem    ursprüngli- 
chen Zustand   wahrscheinlich   sehr  abweichende.     Nach   Lord 
Tankervilles  Nachrichten  ist  das   wilde  Vieh   zu  Chatelherault 
von  dem  zu  Chillingham  sehr  verschieden^  es  ist  weder  schön 
noch  von   edler  Race,    noch  wild  und   in   einer  Art   Zwinger 
eingepfercht.     Das  Vieh  vom  Chillingham   Park  hat  halbmond- 
förmig gebogene  Hörner,  seine  Farbe  ist  rein  weifs,  doch  sind 
die  Augenränder,   Augenwimpern  und   die  Spitze   der  Hörner 


*)  V.  Frorieps  neue  Notizen  für  Natur-  uud  Heilkunde  X.  Nr.  6. 
1839.  p.  81. 


118 

schwarz,  der  Nasenspiegel  braun,  das  Innere  der  Ohren  roth 
oder  braun.  Daraus  und  aus  der  Angabe  Bewicks,  dafs  vor 
40  Jahren  mehrere  Stücke  des  Chillinghamer  Viehs,  die 
aber  getödtet  wurden,  schwarze  Ohren  hatten,  und  nach  der 
Angabe  des  Park-Wärters  Cale,  dafs  während  seiner  Amtirung 
6  Stücke  vorgekommen  wären,  welche  an  Hals  und  Wangen 
kleine  braune  und  blaue  Flecken  hatten,  welche  aber  so  wie 
alle  andern  fehlerhaften  Exemplare  getödtet  worden  seyen,  um 
die  schöne  weifse  Race  rein  zu  erhalten,  und  aus  der  Nach- 
richt, dafs  das  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts  durch  eine  Seuche 
vertilgte  wilde  Vieh  im  Park  von  Burton  Constable  in  York- 
shire  und  zu  Drumlonrig  in  Dumfrieshire  schwarze  Ohren, 
Nasenspiegel  und  Schwanzbüschel  hatte,  geht  nun  einerseits 
hervor,  dafs  die  Zucht  an  der  jetzigen  gleichförmig  weifsen 
Färbung  dieser  Viehrace  offenbar  Antheil  hat  und  dafs  fer- 
ner diese  weifse  Färbung  höchst  wahrscheinlich  keine  ursprüng- 
liche war,  sondern  dafs  dieses  weifse  Rindvieh  wohl  nur  Al- 
binos einer  einst  dunkelgefärbten  Art  darstelle,  vielleicht  zu- 
erst durch  das  kalte  Klima  der  Caledouischen  Wälder  gebleicht. 
Darauf  deutet  auch  ihre  so  dünne  Haut,  dafs  manche  Bullen 
isabellfarben  aussehen.  —  Wir  wissen  gar  nicht  mit  Zuver- 
lässigkeit, bis  zu  welcher  Zeit  diese  Rindviehart  wirklich  wild 
in  Schottlands  Wäldern  lebte,  denn  wenn  gleich  Sibbald  1684 
angiebt,  dafs  sie  noch  in  einigen  Berggegenden  wild  lebe,  so 
bemerkt  doch  Hindmarsch,  dafs  gar  keine  Urkunden  darü- 
ber vorhanden  wären,  wann  sie  zuerst  eingehegt  worden  sey, 
und  Pennant  sah  sie  im  17ten  Jahrhundert  auch  schon  nur  in 
Parks.  Diese  Ochsenart  hat  jetzt  keine  Mähne,  aber  doch  ein 
gröberes  Haar  auf  dem  Kamme.  Zu  behaupten,  wie  Hr.  von 
Bär,  dafs  Boethius,  der  diesen  weifsen  Ochsen  in  der  hi- 
sloria  Scotorum  Paris  1526,  eine  löwenartige  Mähne  giebt, 
diese  nach  seiner  Art  aus  den  Alten  compilirt  habe,  ist  doch 
wohl  etwas  gewagt,  weil  Bischof  Leslie  in  seinem  Werke  de 
Origine,  jnorihus  et  rehus  gestis  Scotorum.  Rom  1578. 
diese  Mäline  ebenfalls  erwähnt,  und  bei  der  starken  Degene- 
ration, die  dieses  Vieh  durch  Jahrluinderto  lange  Einhegung 
offenbar  erlitten  hat,  wohl  auch  die  mähuenartig  längeren 
Halshaare  verloren  gegangen  seyn  können,  wie  schon  For- 
stor in    seinem  Briefe  an    Buffon    meinte.      Forster  sagt 


119 

auch,  diese  wilden  Bisons,  wie  er  sie  nannte,  hätten  eine  un« 
bezwingbare  Abneigung  gegen  das   zahme   Rindvieh  und  ver- 
misicliten  sich  nie  mit  diesem,  dahingegen  giebt  Hindmarsch 
an,  dafs  jung  eingefangene  Kälber  ganz  zahm  würden,  und  in 
diesem  Zustande   hätte   sich   ein  Ochse   schnell  gemästet,  eine 
Kuh   sei   aber  von   einem  Landbullen   belegt  worden  und  die 
davon   gefallenen  Jungen  seyen   der  Mutter  sehr   ähnlich  ge- 
blieben.     Kurz,   offenherzig  gestanden,    wissen   wir  von  dem 
weifsen   caledonischen    Rindvieh    noch    so   wenig  Gründliches, 
dafs  wir  noch  ganz  ungewifs  sind,  ob  wir  dasselbe  zu  der  Ab- 
theilung des  genus  Bos  rechnen  können,  die  wir  mit  dem  Na- 
men  Bison  bezeichnen,   oder  zu   der,  zu   welcher  der  Zebu 
und  unser  zahmes  Rindvieh  gehören.     Es  mag  sich  nun  aber 
damit  verhalten,    wie   es  will,    so    giebt  Uns  der  caledonische 
weifse  wilde  Ochse   nicht  den  geringsten  Aufschlufs  über  die 
vermeintliche  Verschiedenheit  des  Tur  vom  Zuhr  in  den  ger- 
manischen und  slavischen  Wäldern. 

Endlich  mufs  ich  mich  nochmals  zu  einer  linguistischen  Un- 
tersuchung über  die  Namen  Tut'  und  Zuhr,  TJr  und  Wisent 
wenden.  Hr.  v.  Bär  bezweifelt  meine  Ansicht:  das  Wort 
Zuhr  sey  das  lithauische  Wort  für  das  polnische 
Tur,  Er  halte  sie  jetzt  für  wenig  begründet,  denn  die  Rus- 
sen nennten  noch  jetzt  von  Grodno  bis  zum  Kau- 
kasus den  jetzigen  Auer  Zuhr  und  hätten  diesen 
Namen  selbst  auf  den  amerikanischen  Bison  über- 
tragen. Es  ist  nicht  genug  dafs  Hr.  v.  Bär  meine  wohlbe- 
gründete Ansicht,  die  mehr  als  eine  blofse  Ansicht  war  und 
ist,  bezweifelt;  er  hätte  sie,  wenn  er  gekonnt  hätte,  durch 
haltbare  Gründe  widerlegen  sollen.  Das  hat  er  aber  gar  nicht 
gethan,  er  ist  in  keine  genauere  linguistische  Forschung  ein- 
gegangen, die  ich  defshalb  genöthigt  bin  nachzuholen.  Den 
schwachen  Einwand,  den  Hr.  v.  Bar  dagegen  erhebt,  wird 
wohl  kein  Sprachforscher,  selbst  wenn  es  damit  seine  völlige 
Richtigkeit  hätte,  für  einen  genügenden  erkennen.  Es  ist  nicht 
genug,  dafs  in  den  zoologischen  Lehrbuchern  die  in  Riifsland 
erschienen  sind  z.  B.  in  dem  von  Eichwald  steht:  Bosurus 
russisch  3j  opi»  (^Zuhr^  obgleich  auch  da  ein-  etiatn  Tur  an- 
gehängt ist,  sondern  man  mufs  die  Volks- Dialecte  befragen^ 
Ich  habe    schon   erwähnt,    dafs  die  heutigen  Stämme,   welch*^ 


120 

den  kleinrussischen  Volkszweig  in  Südwest-  und  Südrussland 
bilden,  das  Wort  Zuhr  in  ihrer  Volkssprache  gar  nicht 
kennen,  sondern,  so  weit  die  von  ihren  Vätern  auf  sie  ver- 
erbten Sagen  von  diesem  Thiere  sprechen,  es  stets  mit  dem 
Namen  Tur  bezeichnen.  Nur  die  westrussinischen  Stämme, 
die  in  Lithauen  und  Werfsrussland  vor  altet*  Zeit  mit  lithaui- 
schen  Stämmen  vermischt  wohnten,  haben  das  lithauische  Wort 
Zuhi'  auch  in  ihren  Volks-Dialect  aufgenommen,  sie  allein 
kennen  das  Thier  noch  aus  eigener  Ansicht  und  so  ist  dieser 
Name  aus  ihrem  Dialect  in  die  neuere  grofsrussische  Bücher- 
sprache übergegangen.  So  kann  die  Uebertragung  auch  nach 
Amerika  gekommen  und  der  Name  Zubr^  dem  ihm  sehrä  hn- 
lichen  amerikanischen  Bison  beigelegt  worden  seyn.  Dafs 
aber  die  Russen  im  Kaukasus  den  awchasischen  Adompe,  des- 
sen Existenz  wir  erst  seit  wenig  Jahren  kennen  und  von  des- 
sen völliger  Identität  mit  dem  Zubr  wir  doch  noch  keine 
ganz  genauen  Beweise  haben,  auch  Zuhr  benennen  sollen, 
wie  aus  Hrn.  v.  Bars  AVorten  zu  vermuthen  steht,  bedarf 
noch  einer  bessern  Bestätigung;  denn  wir  haben  noch  keinen 
Beweifs,  dafs  die  russischen  Ansiedler  an  der  Kuban-Linie  das 
Thier  wirklich  kennen  und  wenn  etwa  die  Officiere  der  rus- 
sischen Besatzung  von  Suchum  Kaie  den  Zuhr  ähnlichen  Och- 
sen im  Thal  des  Flusses  Psoeh  so  benannten,  so  ist  diefs  nichts 
Auffälliges.  —  Mit  Hrn.  v.  Bars  Behauptung,  dafs  alle  Rus- 
sen vom  Grodno  bis  zum  Kaukasus  den  Auerochsen  Zuhr 
nannten,  hat  es  also  gar  nicht  einmal  seine  Richtigkeit,  denn 
die  Kleinrussen  kennen  dieses  Wort  nicht  und  ein  anderer 
grofser  Theil  der  Grofsrussen,  die  schon  seit  mehreren  Jahr- 
hunderten das  Thier  in  ihren  Wohnsitzen  nicht  mehr  sahen, 
wird  es  nur  noch  aus  der  heutigen  Büchersprache  kennen. 
Der  Name  Tz/r  ist  hingegen  heute  noch  in  den  kleinrussischen 
Mundarten  von  Podolien,  Ukraine  und  Volhynien  erhalten, 
nicht  blos  als  Name  des  einst  auch  dort  lebenden  Zuhr,  son- 
dern auch  figürlich  noch.  Ein  genauer  Kenner  der  russischen 
Sprache  und  der  Mundarten  jener  Provinzen,  in  denen  er  er- 
zogen ist  und  lange  gelebt  hat,  erzählte  mir,  dafs  das  gemeine 
Volk  daselbst  von  einem  trunkenen  Menschen,  der  in  diesem 
Zustand  wüthend  ^a^Qw  andere  andringt,  sagt:  er  gebehrde 
sich  wie  ein  Tur\  von  einer  dicken,  vierschrötigen,  rothwan- 


121 

gig  aufgedunsenen  Frau:  sie  gehe  einher  wie  eine  turzyca 
d.  i.  die  weibliche  Form  desselben  Worts,  wie  einst  in  Maso- 
vien,  in  den  Lustrationen  der  Woiwodschaft  Rowa  turzyca 
als  Bezeichnung  der  Zubr-Kuh  gebraucht  wurde.*)  Tur  ist 
also  nicht  blofs  Bezeichnung  für  den  Waldochsen,  wie  zavQog 
bei  Phoarinus,  sondern  es  ist  ebenso  Bezeichnung  für  grofs 
und  wild,  wie  ür  und  Auer  in  deutschen  Diaiecten.  Der 
Name  Zuhr  ist  auch  nicht  in  alle  slavische  Dialecte  überge- 
gangen; Linde  in  seinem  grofsen  Lexikon  der  slavischen 
Sprachen  führt  ihn  nur  in  alt-slavonischer,  polnischer,  russi- 
scher und  böhmischer  Sprache  an,  dagegen  hat  sich  für  den- 
selben Begriff  Tur  neben  Zuhr  in  böhmischer,  und  allein  für 
sich  Ur  in  slavakischer,  t/r  in  slavonischer,  Turin  in  der  win- 
dischen  Sprache  erhalten.  Noch  andere  slavische  Dialecte  ken- 
nen weder  Zuhr  noch  Tur,  so  die  Sorben  wendische  Sprache 
der  Lausitz  hat  dafür  den  Namen  dziwi  wohw,  die  kroatische 
Mundart  divywol  (d.  h.  wilder  Ochse).  Tur  ist  also  nicht 
blos,  wie  ich  früher  angab,  in  polnischer  Sprache  und  wie  wir 
nun  gewifs  durch  Dtugofz  wissen,  ein  synonymer  Name  für 
Auer  oder  Zuhr,  sondern  es  ist  überhaupt  der  echte  alt  sla- 
vische Name  dieses  Thiers  sowohl  in  den  Diaiecten  des  nord- 
westlichen als  des  südöstlichen  Slavenzweigs.  Und  seitdem  in 
neuerer  Zeit  eine  liefere  und  philosophischere  Sprachforschung 
die  innige  Verwandsehaft  aller  Sprachstämme   der  indogerma- 

*)  Dafs  Tur  nicht  blos  in  kleinrussischen  und  westrussischen 
Diaiecten,  sondern  auch  in  polnischer  Sprache  für  Ztibr  gebraucht 
wurde,  ersehen  wir  auch  noch  aus  einem  polnischen  Hochzeits- Ge- 
sang aus  dem  ITten  Jahrhundert,  ich  glaube  von  Janicki  oder  Janu- 
szowski,  was  ich  eben  jetzt  aus  Mangel  einer  vollständigen  Samm- 
lung alt  polnischer  Dichterwerke  nicht  ausmitteln  kann.  In  diesem 
Gesänge  kommt,  als  von  den  Geschenken  die  Rede  ist^  welche  der 
Bräutigam  seiner  Braut  zum  Hochzeitfest  geben  wird,  die  Strophe  vor: 
I  czerwone  Turz^tko  na  pieczyste  b^dzie  d.  h.  Und  ein  rothes 
Tur-Kälbchen  wird  zum  Braten  sein. 

Nun  habe  ich  oben  in  einer  Anmerkung  ausdrücklich  angeführt» 
dafs  neugeborne  Auerochsen-Kälber  ein  glattes  Fell  von  jrÖthlicher 
kastanienrother  Farbe  haben.  Der  Dichter  nennt  aber  das  junge 
Thier.,  das  zum  seltenen  Hochzeitsbraten  dienen  sollte,  nicht  Zubr^ 
x^tko  (ZuBr-Kalh)  sondern  Turze^tko  (^Tur-Kalh).  Ernennt  es  roth 
wie  jenes,  zum  Beweifs,  dafs  beide  Namen  wieder  nur  ein  und  das- 
selbe Thier  bezeichnen. 


122 

nisclien  Menschcnrace  von  sanskritischer  Form  und  Beugung 
nachgewiesen  hat,  kann  es  nicht  mehr  auffallen,  wenn  das  grie- 
chische xavQog,  altslavische  Tur,  alt -oberdeutsche  Ur,  Aiier 
und  Taiir  und  das  gallische  Ur,  so  genau  iui  Ton  wie  in 
der  Bedeutung  übereinstimmen. 

Meine  Bemerkung,  dafs  alle  Ortsnamen,  welche  vom 
Wort  Zuhr  abstammen,  nur  in  den  vormals  oder  noch  jetzt 
vom  lithauischen  Stamm  bewohnten  Theil  von  Polen  und  im 
eigentlichen  Lithauen  vorkommen,  die  vom  Wort  Tur  abstam- 
menden Ortsnamen  aber  im  ganzen  übrigen  Polen,  ist  durch- 
aus nicht  von  der  Hand  zu  weisen.  Ich  mufs  ihr  jetzt  sogar 
noch  eine  gröfsere  Ausdehnung  geben.  Wäre  Zubr  oder 
Zumpro  ein  ursprünglich  slavisches  Wort  im  engern  Sinne, 
hätten  alle  Russen,  wie  Hr.  Bär  irrthümlich  behauptete,  den 
Aueiochsen  von  jeher  Zuhr  genannt,  so  müfsten  doch  auch 
vom  Zuhr  abstammende  Ortsnamen  in  den  russinischen  und 
russischen  Provinzen  vorkommen,  die  niemals  lithauische  Be- 
völkerung hatten  z.  B.  im  eigentlichen  Volhynien ,  Podolien, 
Rothrussländ  (d*  h.  Ostgallizien  bis  zum  San)  Ukraine,  Smo- 
lensk,  JMohilew  und  weiter  nach  Osten.,  Vergeblich  habe  ich 
si,e  aber  in  diesen  Provinzen  gesucht,  wohl  aber  in  ihnen  wie  im 
eigentlichen  Polen,  vom  Tur  abstammende  Ortsnamen  gefunden. 
Wir;  haben  aus  Ding  OS  z  kennen  gelernt,  dafs  im  15.  Jahrhun- 
dert bei  Przyszow  in  dem  Winkel  zwischen  San  und  Weich- 
sel die  Zuhry  noch  gejagt  wurden.  In  der  Nähe  'davon  ist 
aber  kein  vom  Zuhr  abgeleiteter  Ortsname,  wohl  aber  liegen  in 
der  Nälie  die  Orte  Turbin  bei  Rozwadow  und  Turza  bei  So- 
kolow.  Gehn  wir  über  den  San  ostwärts  in  den  südlichen 
Theil  des  Lubliner  Gubernii  und  das  alte  Land  Chelm,  in  wel- 
chen Pulen  mit  Russinen  gemischt  wohnen,  die  letztern  aber 
die  ursprüngliche  Bevölkerung  sind,  so  finden  wir  südlich  von 
Szczebrzeszyn  am  Wege  nach  Josefow,  noch  den  Thiergarten 
(Zwierzyniec)  der  Familie  Zamoyski,  in  welchem  einst  Pala- 
tin  Ostrorog  l^ur  und  Zuhr  gesehen  haben  will.  Gleich  da- 
neben liegt  das  Dorf  Turzyniec.  Verfolgen  wir  das  nahe  da- 
neben liegende  Thal  des  Pör-Bachs,  das  von  Kajetanow  nord- 
wärts die  tertiäre  Bergkette  von  Franijjol  und  Goray  durch- 
«^ichneidet,  so  korrunen  wir  ins  jetzige  Städtchen  Turabin,  eine 
Gegend,  die  noch  im  15ten  Jahrhundert  mit  dichtem  Wald  be- 


123 

deckt  und  durch  ihre  Jagden  bekannt  war,  denn  Dlugosz 
1.  c.  Lib.  I.  bei  Mi  der  T.  III.  p.  643  schreibt:  idem  ßuvius 
Bia^ft,  cujus  fons  in  villa  Godzieszow,  ostia  habet  in  Brnew 
(heute  auch  Branvvica  geschrieben,  der  bei  Brenica,  gegen- 
über Rozwadow  in  den  San  fällt)  circa  Venationes  Tu- 
rohienses.  Wenn  nun  von  Pryszow  über  Rozwadow  und 
den  San  und  am  Flüfschen  Brnew  aufwärts  über  Janow  bis 
Turobin  auf  nicht  mehr  als  9  Meilen  Länge  noch  heute  die 
sumpfigen  Wälder  fast  ohne  Unterbrechung  sich  erstrecken, 
in  denen  am  südlichen  Ende  König  Wladislavv  Jagello  1410 
Zuhry  und  Elen  jagte,  wer  kann  da  noch  zweifeln,  dafs  die 
T^enationes  Turohienses  am  andern  Ende  des  Waldes  was 
anderes  bezeichnen  als  die  Jagd  derselben  Zuhry?  Im  ganz 
russinischen  Land  Chelm  jenseits  des  Bugs  finden  wir  den 
Ort  und  Flufs  Turzysk,  der  ehemals  jene  Landschaft  von  Vol- 
hynien  trennte  und  unterhalb  Ratro  bei  Kamin  in  den  Przy- 
pet  fällt.  Das  wird  der  Ort  Thur  sein,  den  Diugosz  1410 
nennt,  als  Wladislavv  Jagello  um. Lubomla,  Ratro,  Thur,  Laczko 
und  Lubochnia  jagte.  Weiter  hin  am  Prypet  finden  wir  die 
einst  'beträchtliche  Stadt  Turow,  welche  nebst  Pinsk  die  Li- 
thauer  1220  den  Russen  entrissen,  als  sie  den  Fürsten  Mscis- 
law  Romanowitsch  von  Kiew  an  der  Jasiolda  geschlagen  hat- 
ten. Noch  weiter  nördlich  im  heutigen  Gouvernement  Minsk 
d.  h.  in  Schwarz-Russland  oder  der  nachmaligen  Woiwodschaft 
Nowogrodek  liegt  der  Ort  Turocz  im  Fürstenthum  Sluck.  Ba-» 
ron  von  Herberstain  nennt  in  der  Beschreibung  von  Li- 
thauen,  nachdem  er  Mosier  (Mozyr)  am  Prypet  30  Meilen 
oberhalb  Kiew  angeführt  hat,  den  Flufs  Thur  {flmnen  pisco- 
sum  inßuit  Pre^etz)  der  von  Norden  her  in  den  Prypet  falle. 
W'elchen  von  den  auf  dieser  Seite  in  den  Prypet  fallenden 
Flüssen  er  damit  gemeint  hat,  weifs  ich  nicht  gewifs,  denn 
die  mir  zu  Gebote  stehenden  Specialkarten  von  Westrussland 
nennen  jetzt  dort  keinen  Flufs  Tur.  Aber  auch  noch  weiter 
nördlich  kommt  in  der  ehemaligen  Woiwodschaft  Polock  der 
Ort  und  Flufs  Turowka  (Turowla)  vor,  der  von  Süden  her 
in  die  Düna  fällt.  (Hat  diesen  vielleicht  Herbertain  ge- 
meint?) —  So  finden  wir  also  in  den  nur  von  russischen 
vStämmen  bewohnten  Landschaften  vom  Land  Chelm  bis  zu 
den  Ufern  der  obern  Düna,   in   diesem   grofsen  Wald -Sumpf- 


124 

Terrain,  welches  das  Flufsgebiet  des  Prypet  und  obern  Dneprs 
bildet,  und  alle  Eigenheiten  des  Bodens  in  sich  vereinigt,  wie 
sie  der   Zuhr   liebt,     die   von   Tur  abstammenden    Lokalna- 
men so  gut   wie  im   eigentlichen  Polen,    weil    das    einst   hier 
überall    verbreitete    Tliier    nicht    blos   in  polnischen,  sondern 
auch  in  russijiischen  Mundarten  diesen  Namen  führte.     Darum 
ist  es  schon  irrig,  wenn  der  Tur  nur  in  Masovien,  der  Zuhr 
als   ein   anderes  Thier  nur  in  Lithauen  und  Russland   leben 
sollte.     Darum  konnte  auch  Mathias  von  Miechow,  der  so  ge- 
nau  die   lettischen    und   russinischen  Dialecte    neben  einander 
in  Lithauen  kannte,   mit  Recht  sagen:  Uri  et  (vel)  hoves  syl- 
vestres  quos  lingua  ipsorum  Thuros  et  Zumbrones  vocant, 
denn   die   lingua  ipsorum   ist    nicht    eine,   es   ist    die   ver- 
schiedene Sprache  der  neben-  und  unter  einander  im  Staate 
Lithauen  wohnenden  Letten  und  Russinen,  jene   mit  Zumhro, 
diese  mit  Tur  ihren  gemeinschaftlichen   Waldochsen   bezeich- 
nend. —    Dafs  der  Zuhr    im   13ten    und   14ten    Jahrhundert 
ndch  häufig  in  der  Gegend  von  VVilna  selbst  lebte,  wird  Nie- 
mand" bezweifeln  und  ist  aus  der  Geschichte    der  Stadt  Wilna 
bekannt.     Da  wo  jetzt  die  Kathedralkirche  steht,  war  ein  dich- 
ter heiliger  Eichenwald.      In    ihm    erbaute   Fürst  Sieragmund 
1285,  nachdem  sein  Vater  Swintorag   die  Priester   in  Samogi- 
tien   um  Rath    gefragt  hatte,   einen  Tempel  des  Gottes  Perun, 
dessen   grofser  gemauerter  Altar  oben  mit  einer  Menge  Zubr- 
liörner   verziert    war.  *)      In    seiner    Nähe   erlegte   Grofsfürst 
Gedymin,    nachdem    er  die  Russen   besiegt  und    Kijow   einge- 
nommen hatte,  ums  Jahr  1320  einen  Zuhr  und  die  durch  den 
Oberpriester  Lizdeyko  versuchte  Auslegung  eines  Traums,  den 
der  in  der  folgenden  Nacht  unter  freiem  Himmel  auf  dem  jetzi- 
gen Schlofsberg  von  Wilna  schlafende  Fürst  hatte,  ward  Ver- 
anlassung zur  Gründung  der  Stadt.     Das  Hörn  jenes  erlegten 
Zuhr,   wahrscheinlich   von  besonderer  Gröfse  oder  Schönheit, 
mit  Perlen  und  Gold  verziert,  blieb  fast  hundert  Jahr  bei  der 
Familie  des  Grofsfürsten,  denn  sein  Enkel,  der  bekannte  Grofs- 
fürst Witold   schenkte    es   1428   dem   Kaiser  Siegmund  I.,    als 
dieser  persönlich  dem   bekannten   Fürsten -Congrefs   zu  Luck 

*)  V.  Ojns  starohjtnego  kosciola  Jowis%a  Perhina  u  -po^an  Zwa- 
negn  w  Wilnie  prxex  Teodor  Narburt  im  Tugodnik  WUenski  1817, 
r.  ///.  p.  103.  T,  IV.  jK  207. 


125 

in  Volhynien  beiwohnte,  wo  aufser  der  Berathiing  über  ein 
Bündnifs  gegen  die  aufkeimende  Uebermacht  der  Osuianen, 
Witold  durch  dieses  und  andere  Geschenke  die  Gunst  des 
Kaisers  zur  Ertheilung  der  lithauischen  Königswiirde  im  Ge- 
heim zu  erkaufen  versuchte.  Diese  Nachrichten  verdanken  wir 
dem  zu  Kowno  in  Lithauen  1607  geborenen  Jesuiten  Koja- 
lovvicz  in  seiner  Ilistoria  Lituaniae  Danzig  1650.  4.  Tom.  I. 
p.  264,  der  von  SchlÖzer  für  einen  der  besten  Geschichts- 
schreiber des  17ten  Jahrhunderts  erklärt  wurde  und  für  die 
altern  Zeiten  meistens  aus  Stryikowskiego  Kronika  polskoj 
Liteivska,  Ruska  schöpfte,  welcher  nach  seiner  Angabe  aus 
vielen  alten  jetzt  leider  verlorenen  lithauischen  und  russini- 
schen Chroniken  seine  Nachrichten  entnahm.  Für  Uns  ist 
Kojalowicz  Erzählung  in  sofern  von  besonderem  Interesse, 
weil  er,  selbst  in  Lithauen  geboren,  den  vom  Gedymin  er- 
legten Zubr  einen  Tur  und  das  von  Witold  verschenkte 
Hörn  desselben  ein  Turhorn  nennt.  Wiederum  ein  fast 
gleichwerthiges  Zeugnifs  mit  dem  von  Dingos z,  dafs  auch 
in  Lithauen  selbst  der  synonyme  Name  Tur  (aus  russinischem 
Dialect)  bekannt  war, 

Hr.  V.  Bär  will  nicht  glauben,  dafs  Zumper  oder  Ziibr 
ein  lithauisches  Wort  sey,  weil  er  nicht  glauben  könne,  dafs 
die  Russen  einen  lithauischen  Thiernamen  in  ihre  Sprache  auf- 
genommen hätten.  Ich  habe  schon  angedeutet,  wie  dieser  Ue- 
bergang  in  die  grofsrussischen  Dialecte  erfolgt  seyn  könne, 
allein  es  giebt  noch  einen  andern,  tiefer  im  Wesen  indoger- 
manischer Sprach  -  Verwandschaften  liegenden  Grund  dafür. 
Dafs  jenes  Wort  dem  lettischen  Sprachstamm ,  den  ich  noch 
als  einen  selbstständigen  betrachtete,  wirklich  angehört,  dafür 
habe  ich  zwei  unverwerfliche  Zeugen.  Der  erste  ist  der  ge- 
naue Kenner  der  lithauischen  Sprache,  der  verstorbene  Wii- 
naer  Prälat  Xawer  Bohusz  in  seiner  Rozprawa  o  pocz^tkach 
norodu  i  jezyka  litewskiego.  w  Warzawie  1808.  8,  der  in  dem 
p.  119 — 145  gegebenen  lithauischen  Wortverzeichnifs  für  das 
polnische  Wort  Bawol  (Büffel)  das  lithauische  S tum b ras  an- 
führt. Der  zweite  ist  Dr.  A.  Fr.  Pott  in  seiner  gelehrten 
Commentatio  de  Borusso-Lithuanicae  tarn  in  slavicis  c/uam 
letticis  Unguis  principaiu.  Halis  Saxonum  in  Uhr.  Gebau- 
eria.  1837.  4.     Er  führt  p.  68,  als  er  von   der  Verwandlung 


126 

des  lithauischen  Buchstaben  S  bei  Letten  und  Slaven  in  die 
Töne  C  und  S  (Gernianiscli  sz>,  Französisch  <;)  spriclit  und 
hinziififgt:  Vi.v  casu  factum  est,  nt  multa  inveiüantur  vo- 
cahiila,  qiiae  modo  ah  s  cum,  muta  conjuncta,  modo  ah 
sola  sihila  aut  muta  littera  incipiant,  ausdrücklich  unter  an- 
dern Wörtern  auch  an 

Lith.  Stumbras,  lettisch  Sumbrs  (urus),  russ.  3y6p'b 
slavonisch  'Ssj\rb  (jirus  et  hison). 

Ol)  dieses  nomen  proprium  vielleicht  mit  dem  Zeitwort 
stimpu  {rigescere~)  und  mit  stiprus,  lettisch  stiprs  (^i^ohustus^ 
in  Verwandschaft  steht,  mufs  ich  den  genauem  Kennern  letti- 
scher Dialecte  überlassen,  dak  aber  mit  Stumhras  oder  Sumhrs 
in  nächster  Verwandschaft  stehen  oder  in  slavische  Dialecte 
übergegangen  sind: 

Das  moldauische  Zimhr,  das  neugriechisch-slavische  Zuin- 
pj'os,  das  böhmische  Zuhro,  das  von  Miechovita  gebrauchte 
Zumhro  (^nes),  das  alt  slavonische  «Jöop'L,  das  grofsrussi- 
sche  3.y6|>'j7,  das  polnische  Zuhr 

das  springt  unverkennbar  in  die  Augen,  und  zugleich,  dafs  das 
Wort  durch  Auswerfung  des  Buchstaben  m  vor  dem  h  bei 
Russen  und  Polen  am  meisten  verändert  und  verweichlicht 
worden  ist. 

Die  Erscheinung,  dafs  das  lettische  Wort  nicht  blos  in 
den  Dialecten  der  mit  den  Lithauern  zunächst  grenzenden  und 
damit  vermischten  lechischen  und  russinischen  Stämmen  sich 
findet,  sondern  auch  bei  den  entferntem  Böhmen  und  den 
südslavischen  Stämmen  in  der  Moldau  und  im  ehemals  by- 
zantinischen Reich,  durch  die  allein  es  den  neuern  Griechen 
des  Mittelalters  bekannt  werden  konnte,  nnifs  Uns  allerdings 
bedenklich  machen,  ob  wirklich  eine  Uebertragung  dieses 
W^ortcs  von  einem  Sprachstamm  in  den  andern  statt- 
gefunden haben  könne.  Das  führt  Uns  zu  der  Frage,  in 
welchem  Verwandschafts  -  Verhältnifs  die  lettischen  zu  den 
slavischen  Sprachen  stehen.  —  Von  jeher  sind  die  Sprach- 
und  Geschichtsforscher  unter  sich  uneinig  gewesen,  ob  man 
die  lettischen  Dialecte  zusannnen  als  einen  eigenen  Sprach- 
stannii,  gleichwerthig  mit  dem  deutschen,  slavischen  und  linni- 
schen  i)etrachten  könne  oder  nicht.  Nachdem  die  auf  einzelne 
Wortähnlichkeilen  gebauten  fabelhaften  Conjecturen,  als  seyen 


127 

die  lettischen  Völkerschaften  Nachkömmlinge  eines  vor  Ale- 
xanders Siegen  nach  Norden  geflohenen  griechischen  Stammes 
oder  einer  dort  angesiedelten  lateinisch-italischen  Kolonie,  kei- 
nen Glauben  mehr  finden  konnten,  wurden  doch  die  lettischen 
Stämme  entweder  völlig  unzulässig  dem  finnischen  Völker- 
stamni  beigezählt,  vielleicht  weil  in  die  Sprache  der  den  Est- 
hen  benachbarten  Letten  einzelne  esthnische  Wörter  finnischen 
Stammes  eingemengt  w^orden  waren,  oder  sie  und  ihre  Spra- 
chen wurden  als  ein  Gemisch  von  Finnen,  Slaven  und  Deut- 
schen oder  von  Slaven  und  Gothen  allein  betrachtet.  Schon 
Schlözer*)  mochte  fühlen,  dafs  es  unzuläfsig  sey,  die  lettischen 
Völker  als  blofse  Mischlinge  zu  betrachten;  er  machte  aus  ih- 
nen einen  eigenen  Völkerstamm.  Seinem  Scharfsinn  ent- 
ging es  dabei,  zu  einer  Zeit,  in  welcher  an  ein  wahrhaft  ver- 
gleichendes Sprachstudium  noch  nicht  zu  denken  w^ar,  auch 
nicht,  dafs  dieser  Stamm  und  seine  Sprache  dem  slavischen 
sehr  nahe  verwandt  wäre.     Er  sagt  ausdrücklich: 

„Es  Ist  wahr  und  ich  habe  es  eben  schon  eingestanden,  die 
Letten  haben  In  der  Religion  sowohl  als  In  der  Sprache  sehr 
vieles  mit  den  Slaven  gemein.  Mehr  als  die  Hälfie  lettischer 
V^örter  Ist  rein  slavisch;  und  auch  In  der  Grammatik  findet  sich 
zw^Ischen  beiden  Sprachklassen  eine  mehr  als  zufällige  Aehn- 
lichkelt.  Allein  es  findet  sich  dennoch  keine  lettische  Mundart, 
die  sich  zu  Irgend  einer  Slavischen  so  verhielte,  wie  das  Rus- 
sische zum  Kroatischen.  Und  wenn  Slaven,  Finnen  und  Vas- 
ken gar  nicht  verwandt,  Russen  und  Kroaten  aber  Brüder,  und 
Slaven,  Deutsche  und  Griechen  Cousins  Im  2ten  Grade  sind, 
so  Hessen  sich  vielleicht  Letten  und  Slaven  höchstens  als  Cou« 
sins  im  Isten  Grade  ansehen/' 

Diese  Vermuthung  hat  sich  durch  genauere  Erforschung 
dieser  Sprachen  in  neuerer  Zeit  glänzend  bestätigt  und  ich 
glaube,  dass  man  der  daraus  von  Pott  in  der  oben  citirten 
Abhandlung  gewonnenen  Ansicht,  den  Beifall  nicht  mehr  ver- 
sagen kann.     Nachdem  er  1.  c.  p.  s.  sehr  richtig  bemerkt: 

„LInguas  Letticas  (receptum  nomen  retin eo)  e  confuslone 
elementorum  Slavicorum  cum  Germanicis,  In  bis  vero  cum  Go- 
thlcls  potlssimum  traxisse  orlglnem,  falsum  est,  ut  quod  maxiiue/' 
und  welter:  „Linguae  autem,  de  quibus  nunc  disputamiis,  magna 
et  clara  voce  clamant  contra  et  permlxtlonis  et  corruptelae  sus- 
piclonem,  quibus  inter  alias  Othomanorum  vel  Anglo -Britani-« 
cam  hodlernam  laborare  In  vulgus  nolum  est.*' 


*)  In  seiner  Nordischen  Geschichte.    Halle.  1771.   4.  p.  316.  sq. 


128 

Kommt  Pott  p.  11  zu  dem  Schluss:' 

„Letticae  linf^uae  si  qiiaeras  iium  stirpem  efficere  diel  pos- 
slnt  nulla  ex  parte  non  propriam  suisque  inclusam  finfbus, 
praefracte  nego;  forma  enim  totoque  habitu  utuntur  Sla- 
vico  vere  totque  numerls  Slavico,  ut,  contra  qui  dicat,  vix 
ulllus  hominis  sibi  facturus  sit  audientiam  merito.  Quin  adeo, 
quod  senlio  me,  renlsurls  fortasse  nonnullis,  qui  minus  ducun- 
tur  amore  verltatis,  quam  abripi  se  patluntur  studio  patriae  in- 
iquiore  alienacque  laudis  invio,  at  vero,  si  spes  me  mea  non 
fallit,  non  sine  approbatione  eorum ,  qnorum  in  comparanda- 
rum  inier  se  linguarum  studio  aliqua  est  auctoritas,  uli  olim  du- 
bitantius  a  me  significatum  est,  ita  nunc,  metu  abjecto,  libere 
declarare  et  pro  certo  affirmare,  non,  quemadmoduru  vulgo  rem 
sIbi  fingunt  animo,  e  Russica  illae  aliave  lingua  Slavica,  quam 
strictlore  sensu  vocamus,  tanquam  ex  matre  et  genlis  auctore 
descendisse  exlstlmandae  sunt,  sed  Slavicarum  sororum 
ipsae  praesules  chorum  ducere." 

Wenn  somit  aus  dem  Lautsystem,  der  Laut  Wandlung^, 
Formbeugung  und  dem  ganzen  Sprachbau  die  innigste  Ver- 
wandtschaft der  lettischen  mit  den  Slavischen  Dialecten  folgt 
und  jene  nicht  mehr  als  ein  eigner  Sprachstamm  zu  betrach- 
ten sind,  so  ordnet  Pott  dieselben  dem  Slavischen  Sprach- 
stamm dergestalt  zu,  dass  zu  den  beiden,  bis  jetzt  in  ihm  an- 
genommenen Ordnungen  oder  Zweigen 

der  ersten,  welche  die  zweite  von  Osten  und  Süden 
umgürtet  und  aus  der  Alt-SIavonischen,  Russischen,  Ser- 
bischen, Kroatischen  und  Windischen  Sprache  bestellt  und 

der  zweiten,  welche  Böhmisch,  Slavakisch,  Moravisch, 
Polnisch  und  Ober-  und'Niederlausitzer  Wendisch  umfasst,  noch 

eine  dritte,  die  2te  Ordnung  vom  Norden  umgürtend, 
hinzutritt,  welche  in  die  3  Sprachen:  Alt-Preussich,  Preufsisch 
und  Polnisch- Lithauisch  oder  Samogitisch  und  das  eigentlich 
Lettische  zerfällt. 

Diese  sogenannt  lettischen  Dialecte  sind  aber  nur  wenig 
mehr  von  den  Slavischen  Sprachen  der  Isten  und  2ten  Ord- 
nung entfernt,  als  Gothisch  von  Angelsächsisch,  von  den 
Skandinavischen  Dialecten  und  Altdeutsch. 

Von  diesem  neu  gewonnenen  Gesichtspunkt  ausgehend, 
gehört  also  der  Name  SumhrSy  Zumpros  und  Zuhr  ebenso 
wie  der  gleichbedeutende  Name  Tur  dem  slavischen  SpracK- 
stamm  im  weitern  Sinne,  jener  ursprünglich  seiner  nördli- 
chen  3ten,    dieser  seiner    mittlem   westlichen    Ordnung    an. 


129 

Es  wirtl  verständlicher,  wie  das  Wort  Zuhr  neben  Tut  auch 
in  einigen,    von   lettischen  Stämmen   entferntem    eii^entlichen 
SJaven Stämmen    wohl    nicht    (hirch    secundäre    lieber tragung, 
sondern  aus  den  primären  genaeinschaftliclven  Urelementen  der 
Sprache   auftauchen    konnte,       Dass    aber  von    vQrscIitedeneii 
Slavenstämmen  für  ein  und  dasselbe  Thier  der  eine   den  Na- 
men Ziihry   der   andere   den  Namen   Tur  gebrauchte,    ist  so 
vyenig   auffällig,    als   wenn  in   deutscher  Spraclie  die  eben  so 
'verschieden  klingenden  Namen   Pferd ,    Gaul  und  Ross   oder 
nur  in  niederdeutschen   Mundarten  Peerd,  Hest,  Horse,   Mar 
und  Poge  ebenfalls  auch  nur  dasselbe  Thier  bezeichnen;  oder 
wenn  beide   Namen  bei   einem    und    d-eraselben  Slavenstamm, 
wie  bei  den  Polen  und  wohl  aucli   bei   den  Böhmen  vorkom- 
men, so  ist  es  derselbe  Fall,  als  wenn  der  Isländer  in  seiner 
Sprache  neben  einander  die   Wörter   Eikur  Heste,   Mar  und 
Hross  zur  Bezeichnung  des  Pferdes  braucht. 

Hr,  V.  Bär  findet  es  unbegreiflich,  wie  von  zwei  benach- 
barten Völkern,  die  sogar  unter  einem  Scepter  vereinigt  wa- 
ren (Lithauern  und  Polen)  das  eine  Volk  nicht  sollte  erfahren 
haben,  wie  das  gröfste  Jagdthier  des  Landes  bei  dem  Andern 
heisse.  -— -  Das  ist  so  auffallend  und  unbegreiflich  gar  nicht, 
als ^  es  scheinen  mag,  wenn  man  genau  beachtet,  wie., locker 
überhaupt  4ie  Vereinigung  der  beiden  Staaten  war,  wi^  wenig 
die  Pjolen  s^ich/jei^ials  bemühten,  die  lithauische  Sprache  kern 
nen  zu  lernen,  wie  sie  vielmehr  als  das  mehr  gebildete  Valk 
üire  , Sprache  dem  rohern  Staatsbruder  aufdrangen  und  wie 
selbst  unter  den  Jagellonen  schon  die  lithauische  Sprache  in 
Lithauen  selbst  nicht;  mehr  Geschäfts--  und  Gerichtssprache 
war,  d^  das  erste  geschriebene  Landesgesetz,  das  lithauische 
Iste  Statut,  nicht  in  lithauischer,  sondern  in  russinischer 
Sprache  geschrieben  ist,  weil  die  Mehrzaiil  der  Landesbewoh- 
ner  auch,  damals  schon  Russinen  waren,  auf  dem .  platten 
J^nde  vom  eigentlichen  Litwa  ein  eigenes  Gemisch  von  russi- 
nisch und  lithauisch  gesprochen  wurde  und  nur  die  im  Gehei- 
men ihr  Heidenthum,  namentlich  ihren  Schlangen -Dienst  bis 
in  sehr  späte  Zeit  festhaltenden  Samogitier  in  ihren  unzu- 
gänglichen Wildnissen  ihre  Sprache  rein  erhielten.  Es  ist 
Thatsache,  dass  heute  voti  4  Millionen  Polen  ausser  einigen 
wenigen   Gelehrten   und   einigen    wenigen    Grenznachbarn    ge- 

VViegm.  Arthir.     VI.  Ja!irg.    J.  Band.  9 


130 

wifs  Niemand  weiss,  \v\e  rÜe  gewöhnlichen  Ilaiis-,   Jagd-  und 
Feldthiere   und    Waldbäume    in    lithauischer    Sprache'  heissetfl, 
z.  15.  dass  der  Ochse  Janczis,   das  Pferd  ArMis,  das   Sehaaf 
Amnas,   das  Schwein  Mey felis,   der  Hirsch  Etnis\   das  Eleu 
Bredis ,    dier  I§^el   Elil'i  oder   die   Kiefer  Ptiszis,    die  Eiche 
Uzjiolas,  die  Buche  EsJxulos  u.  s.  w. ,    heissen.     Wie  leicht 
•also,  dass  einige  wenige  Polen  und  noch  mehr  Ausländer,  die 
in  ihren   Schriften   Twr  und   Zuhr  erwähnten,  ebenfalls  nicht 
wussten,  dass  dies  zwei  gleichbedeutende  Namen   waren,  Und 
dass   Zuhr   eigentlich    lettischen    Ursprungs   sei?     Wenn   man 
in   den   Karpathen   in   den    Grenz -Districten   reist,    wo  unter 
einem  Scepter  stehende  polnisch  sprechende  Goralen,  Slavaken 
und  Russniaken   mit   ihren   eignen  Dialecten  an    einander  und 
unter  einander  wohnen,  da  trifft  man  auf  eine  Menge,  die  ge- 
wöhnlichsten Dinge   des    Lebens  und   der  Natur  bezeichnende 
und  sehr  abweichende  Benennungen,    welche   diese   slavischen 
Grenznachbarn  unter  einander  selbst  nicht  verstehen,  wenn  man 
z.  B.  unter  den  Slavaken  das  gorälische,  unter  den  Goralen  um- 
gekehrt das  slavakische  W^ort  für  einen  und  denselben  Gegen- 
stand gebraucht.     Oder  weiss  denn  eben  jeder  Deutsche,  wenn 
ich  die  Ausdrücke:  es  thornt,  es  tömmelt,    es  k lupft,   es 
grummmelt  und  es  wedert  gebrauche,  dass  ich  mit  allen 
diesen  den  Naturlaut  dips  Donners,  nur  in  verschiedenen 
noch  heute  im   Munde   des   Volkes   lebenden  Mundarten   aus- 
drücke? 

In  altdeutschen  Annaleu  und  Gesetzbücheru  ist  der  ür- 
ochs  oder  Wisent  zuweilen  huhalus  und  Püffe  1  benannt, 
wie  noch  heute  manche,  der  Naturgeschichte  Unkundige  den 
Auerochsen  ebenfalls  zuweilen  Büffel  nennen.  Ist  eine  sol- 
che Benennung,  wenn  wir  sie  nach  unserer  jetzt  acceptirten 
naturhistoriscl)en  Nomenclatur  beurtlieilen,  irrig,  so  ist  sie 
es  deimoch  nicht,  wenn  wir  die  pi*imäre  wörtliche  15edeutung 
von  huhalus  und  Büfftd  untersuchen,  denn  diese  Wörter  sind 
ursi)riiiiglich  keine  iwmiiia  piopfia  spccici,  sondern  rtomina 
collccliva  geiieris  \n  Bezug  auf  licbensweise  und  Aufenthalt. 
Der  griechisch -lateinische  Name  huhalis,  huhalus,  ßo^i 
ßalog.  wie  ihn  Aelian,  Oppian  und  Piinius  ursprüngfidi 
für  die  nordafrikanische,  stierartige  Antilope  huhnlis  ge- 
braucht haben,   ist   ein   dem  ganzen  indogermanischen  Sprach- 


131 

stamm  angehöriges  Wort.  Niemand  kann  verkennen,  dass 
das  griechische  ßovßcdog,  das  lateinische  huhalus.  das  Alt- 
slavische und  russische  dywßoXb  das  Polnische  Baw6\  und 
Buy^öt,  das  Böhmische  Buaol  und  Bauwol,  das  Slawa- 
kische,  Kroatische,  Bosnische  und  Slavonische  hiwol,  hivo^ 
das  Windische  hivol,  pivol,  pjfß,  das  Deutsche,  Däni- 
sche, Englische  Büffel.  Byffel,  Bufße^  (durch  Verwand- 
lung des  w  in  /)  und  das  Spanische  und  Italienische  huf- 
fano  un4  huffalo^  aus  'einer  und  derselben  Wurzel  her- 
vorgegangen sind.  Der  Schlüssel  für  seine  Bedeutung  liegt 
in  den  slavischen  Sprachen.  Büwo\,  Buywöl  ist  sichtbar 
zusammenhängend  aus  den  Worten 

wöl  K^ul)^  d.  h.  der  Ochse,  womit  wieder  das  germa- 
nische Bulle  genau  zusammenhängt  und 

der  Sylbe  Bu  oder  Buy,  welche   mit   dem   Zeitwort  Jw-" 
ja6j  hujac    sk,   d.  h.    sich   über  die  Grenzen  der  Massigkeit 
wegsetzen,   hitzig  seyn,   üppig  werden,   ausschweifen,   zusam- 
menhängt und  also  überhaupt  den    Begriff  wild,    unbändig 
ausdrückt. 

Buywol",  was  genau  dem  grichisch-lateinischen  Bubal  mit 
den  Endsylben  is,  os  und  us  entspricht  und  nur  durch  Laut- 
wandlung des  w  in  /  in  das  germanische  Büffel  umgeformt 
ist,  hat  also  keine  andere  Grundbedeutung  als  wilder  Ochse. 
Damit  steht  in  genauer  Verbindung,  dafs  selbst  in  arabischer 
Sprache  die  stierartige  nordafrikanische  Antilope  Bekkev  el 
Wash  d.  h.  wilder  Ochse  heifst,  weshalb  auch  Gefsner 
das  Thier  Bos  Elaphus  (Hirschochse)  und  P^errault  später 
Vache  de  Barharie  nannten.  Wenn  mithin  in  altdeutschen 
Urkunden  und  Schriften,  selbst  ehe  die  aus  Asien  eingeführte, 
heut  zu  Tage  mit  dem  Specialnamen  Büffel  bezeichnete  Och- 
senart in  Mittel -Europa  bekannt  wurde,  der  innländische 
wilde  Ochse:  der  Auer  oder  Wisent  mit  dem  Namen 
Büffel  belegt  wurde,  so  war  das  eine  ganz  richtige  generische 
Benennung,  aus  welcher  wir  durchaus  kein  Recht  haben  zu 
schliefsen,  als  habe  man  damit  eine  vom  Auerochsen  verschie- 
dene Ochsenart  bezeichnen  wollen.  ,    •  . 

Endlich  bleibt  mir  nur  noch  der  Beweis  zu  führen  übrig, 
dafs  auch  die  deutschen  Namen  Ur  (Auer)  und  Wisent  sprach- 
lich aufgefafst  ebenfalls  nur  eine   und  dieselbe  species  be- 

9  * 


132 

zeichnen,  obgleich  sie  nur  einem  Sprachstamm  angehören  nnd 
defshalb  auch  in  etwas  anderer  Art  synonym  sind  als  die  Na-r 
men  Tm/'  und  Zuhj\  Ich  finde  den  Beweis  dafür  gerade  in 
demselben  löten  Gesang  des  Niebelungen  Lieds  (Abentheuer 
wie  Held  Siegfried  erschlagen  wird),  welchen  man  schon  mehr- 
mals, aber  gewifs  mit  Unrecht  benutzt  hat,  um  die  Existenz 
mehrerer  jetzt  erloschenen  Jagdthiere  im  westlichen  Deutsch- 
land, in  der  Zeit  vom  6ten  bis  höchstens  zum  13ten  Jahrhun- 
dert zu  erweisen,  in  welcher  unser  National- Epos  aus  ein- 
zelnen ursprünglichen  Sagen  und  Liedern  allmählig  zusam- 
menflofs  und  zuletzt  in  seine  gegenwärtige  Gestalt  umgear- 
beitet wurde. 

Als  Siegfried  von  Niebelungenland  mit  Günther,  dem  Bur- 
gunder König,  und  dem  falschen  Hagen  in  der  Gegend  von 
Worms  über  den  Rhein  zur  Jagd  zogen,  erzählt  Uns  das  Ge- 
dicht, dafs  Siegfried  zuerst  einen  starken  Halbwolf,  dann  einen 
ungefügigen  Leuen*)  erschlug.  Dann  folgen  nach  der  Lach- 
mannschen  Ausgabe  der  Niebelungen  (in  ursprünglicher  Ge- 
stalt) p.  104  Vers  880  die  Worte: 

Dar  nach  sluoc  er  schiere.  .  einen  Wisent  und  einen  Elch 

Starker  Ure  viere  und  einen  grimmen  Scheich 

Sin  res  truoc  in  so  balde  daz  im  niht  entran 

Hirze  oder  Hin  de  .  .  .  kund  im  wenic  enkam.        Ai^HuL'i 

Aus  diesen  Versen  hat  man  geschlossen,  dafs  U^  und 
Wisent  verschiedene  Thiere  gewesen  seyen,  man  hat  Ur 
mit  Auerochse  und  Wisent  mit  Büffel  übersetzt,  man  hat  dem 
grimmen  Scheich  für  einen  Brandhirsch,  ja  man  hat  ihn  end- 
lich sogar  für  ^len  untergegangenen  irischen  Riesenhirsch,  Cer- 
vus  megaceros,  erklärt.  Daher  die  fehlerhafte  Uebersetzung 
jener  Stelle  in  Büschings  Uebersetzung  des  Niebelungenlieds. 
Leipz.  und  Altenb.  1815.: 

Darnach  schlug  er  bald  einen  Büffel  und  ein  Elentbier 
Einen  grimmen  Brandhirsch  und  starker  Auerochsen  vier. 
Sein  Reis  trug  ihn  so  kühn,  dafs  ihm  nichts  könnt  entstehu, 
Hirsch  oder  Hindinnen  konnten  ihm  wenig  entgelm. 

*)  Man  hat  den  erwähnten  H  a  1  b  w  o  1  f  für  eine  Hyäne  gehalten.i 
vielleicht  nur  weil  unsere  deutschen  Knochcnliölen  viel  Hyänenkno- 
chen enthalten.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  diefs  näher  zu  prüfen,, 
aber  ich  bin  ziemlich  fest  überzeugt,  dafs  der  erwähnte  Halbwolf  soi 
wenig  eine  Hyäne  als  der  genannte  Leu  ein  Löwe  war. 


133 

• 

Nun  hat  Bujack  in   einer   besondern  Abhandlung*)  er- 
wiesen, dafs  der  grimme  Scheich  der  Niebelungen 

1)  weder    ein    Bockhirsch    oder    Brandhirsch    war,     wie 
Scheller,  von  Hagen,  Büsching  und  Zeune  meinten,  noch 

2)  der    irische    Riesenhirsch,    wie  Weawer  und  Hibbert 
vermutheten,  noch 

3)  ein  Steinbock  wie  Schönhut  behauptete. 

Die  Aehnlichkeit  der  Namen  Scheich  und  Elch,  von 
welchen  der  letztere  bekanntlich  unser  noch  lebender  Cervus 
alces  ist,  könnte  zwar  die  Vermuthung  begründen,  dafs  Sclielch 
eine  <lem  Elen  sehr  ähnliche  Thierart  habe  bezeichnen  sollen, 
wenn  ihr  nicht  eine  Urkunde,  welche  sich  im  Jahre  943  Bi- 
schof Baldrich  von  Utrecht  von  Kaiser  Otto  dem  Grofsen  er- 
wirkte, direct  entgegenstände.     In  ihr  heifst  es: 

Nemo  venia  Baiderici  episcopf  in  pago  forestensi  Trentano 
(d.  h.  der  Drenter  Forst  zwischen  der  Vechte  und  Ems)  cer- 
vos,  ursos,  capreas,  apros,  bestias  insuper,  qiiae  teutonica  lin- 
gua  Elo  vel  Schelo  appeiiantur,  venaripraesumat.  (Heda  Epis. 
Ultraj.  p.  84.) 

Dasselbe  Recht  wird  dem  Utrechter  Bischof  Anfried  vom 
Kaiser  Heinrich  II  iu  einer  2ten  Urkunde  vom  Jahre  1006  und 
dem  Bischof  Adelbold  vom  Kaiser  Conrad  II  in  einer  StenUr- 
von  1025  wieder  bestätigt. 

Wir  ersehen  daraus  mit  Bestimmtheit,  dafs  im  löten  und 
Uten  Jahrhundert  das  Elchwild  noch  in  den  sumpfigen  Wäl- 
dern von  Niederland  lebte  und  dafs  es  vom  Verfasser  der 
Urkunde  nicht  wie  die  übrigen  bekanntern  Jagdthiere  mit  ei- 
nem lateinischen  Namen  belegt,  sondern  ausdrücklich  mit  sei- 
nem alt  -  niederdeutschen  Namen  Elo  oder  Schelo,  soviel 
als  Elch  und  Scheich  genannt  wurde.  Die  ausdrückliche 
Coiijunctio  vel  beweist  evident,  dafs  beide  Namen  nur  eine 
und  dieselbe  Thierart,  nämlich  das  Elch,  bezeiclmen.  Wenn 
nun  das  Niebelungen -Lied,  dessen  erste  Elemente  aus  einer 
noch  frühern  Zeit  abstammen,  den  aus  Niederland  stammen- 
den Helden  Siegfried  auf  der  Jagd  in  Mittel -Burgund,  der 
Hauptstadt  Worms  gegenüber  in  der  breiten  damals  gewifs 
noch  mehr  versumpften  Rhein -Niederung  gegen  den  Fufs  des 


*)  Bujack  über  den  grimmen  Scheich   der  Niebelungen  in  den 
preufsischen  Provinzialblättern  T.  XVII.  Febr.  1837.  p.  97.  ff. 


134 

OdenwaWes  hin*)  gleichfalls  einen  Elch  und  Scheich  erle- 
gen läfst,  so  ist  nicht  der  geringste  triflftige  Grund  vorhanden 
zu  zweifeln,  dafs  hier  beide  Namen  nur  Thiere  einer  und  der- 
selben Art  bezeichnen.    Weil  aber  dem  Scheich  das  Epithe- 
ton  grimm   beigefügt   ist,    Scheich    und  Schelo   übrigens 
eine  verstärkte  Wortform   von   Elch  und   Elo   bezeichnen,  so 
mufs  der  Dichter  doch  einen  Grund  gehabt  haben,   warum  er 
beide  neben  einander  nannte  und  den  Scheich  im  Gegensatz  ge- 
gen Elch  durch  das  Epitheton  grimm  auszeichnete.   Bujacks 
Conjectur  ist  gewifs  die  richtige.    Grimm  bezeichnet  den  Ausflufs 
der  zur  Leidenschaft  gesteigerten  männlichen  Kraft,  darum  ist 
der  Scheich  das   männliche  Elen,   der  Elenhirsch,   der  sich 
durch  gröfsere  Wildheit,  durch  Grimm  besonders  in  der  Brunst- 
zeit vor  dem  Thiere  oder  Weibchen  auszeichnet,  das  nur  durch 
Elo  oder  Elch  bezeichnet  ist.     Dafür  spricht  eine  ganz  gleich- 
bedeutende  Verstärkungsform   zur  Unterscheidung    der  beiden 
Pferdegeschlechter.     In  alt- niederdeutschen  Dialecten   bezeich- 
net Hengst  zuweilen  das  Pferd  im  Allgemeinen,  Schälhengst, 
Beschäler  (schwedisch    Beskallare)   hingegen   das   männ- 
liche Pferd,  den  Zuchthengst  allein.     la  Adelung  führt  in  sei- 
ner ältesten  Geschichte  der  Deutschen,  ihrer  Sprache  und  Lit- 
teratur  p.  313  sogar  an,   dafs   im   Glossarium  Mons.  Sc  elo 
und  in   der  Lex  Alemamiorum   auch   Schelo  als   Bezeich- 
nung des  Pferdehengstes  vorkämen.    Ob  diefs  ganz  richtig  ist, 
will  ich   dahin  gestellt    seyn  lassen,   aber  im   Niebelungenlied 
selbst  liegt  ein  zweiter  Beweifs  dafür,  dafs  Scheich   im    Ge- 
gensatz gegen  Elch  den  Elenhirsch  bezeichnet,  weil  der  Dich- 


*)  Bujack  hat  erwiesen,  dafs  die  berühmte  Jagd,  auf  welcher 
Siegfried  ana  Brunnen  von  Hagen  erschlagen  wurde,  am  rechten  Ufer 
des  Rheins,  zwischen  dem  Rhein  und  dem  Odenwald  beim  Dorfe 
Otenheim  statt  fand,  Nach  Zeune  haben  2  Berliner  Handschrif- 
ten für  Otenheim:  Nordheim,  ein  Dorf  Worms  gegenüber  südlich  von 
der  Mündung  der  Weschnitz  in  den  Rhein.  Diese  Rhein -Niederung, 
ein  Theil  des  bei  Bingen  geschlossenen  mittlem  Rhein -Bassins,  be- 
kannt durch  die  interessanten  miocenisch-tertiärcn  Ablagerungen  von 
Kppelsheim  und  Mainz  mufste  nothwendig  in  frühern  Zeiten  ein  mehr 
versumpftes  Land  als  heute  seyn,  che  der  Dammbruch  bei  Bingen 
so  sehr  wie  jetzt  erniedrigt  und  der  Rhein  durcji  Kunst  eingeengt 
wurde,  ein  Terrain,  das  für  die  den  Sumpf-Wald  liebenden  Aueroch- 
sen und  Elen  ein  passender  Aufenthalt  war. 


135 

ter  im  letzten  Vers  der  angeführten  Stelle  avisdriicklihh  den 
Edelhirsch  ebenfalls  in  söinen  beiden  Geschlechtern,  aber  mit 
den  verschiedenen  Namen  Hirsche  und  Hindin  auftreten 
läfst.  Wäre  die  Bedeutung  des  Wortes  Hindin  für  Uns  ver- 
loren gegangen,  hätte  sie  sich  nicht  in  unserer  heutigen  Jä- 
gersprache noch  als  Bezeichnung  der  Hirschkuh  im  Gegen- 
satz gegen  den  Hirsch  erhalten,  so  hätte  man  ebenfalls  ver- 
führt werden  können,  H  i  r z  e  und  H  i  n  d  e  im  Niebelungen-Lied 
auch  für  zwei  verschiedene  Thierarten  zu  halten.  Ist  nun  in 
den  citirten  Versen  in  der  4ten  Zeile  Hirze  und  Hinde  evi- 
dent die  Bezeichnung  beider  Edelhirschgeschlechter,  sind  in  er- 
ster und  zweiter  Zeile  ebenso  gewifs  Elch  und  Scheich  die 
Namen  beider  Elengeschlechter,  so  ist  dem  Gesetz  der  Analogie 
gemäfs  fast  eben  so  sicher,  dafs  die  in  denselben  Zeilen  ge- 
nannten Namen  Ur  und  Wisent  ebenfalls  nichts  anderes 
sind  als  die  Bezeichnung  der  beiden  v^m?)/'- Geschlechter  Au- 
erochse  und  Auerkuh,  um  so  mehr  als  dem  Namen  Ur 
ebenso  das  verstärkende  Epitheton,  das  die  männliche  Kraft 
ausdrückende  Wort  stark  vorgesetzt  ist,  als  dem  männlichen 
Elch  das  Epitheton  grimm.  Bedenken  wir  die  Eigenheit  des 
Niebellungen- Lieds,  dafs  seine  vierzeiligen  gereimten  Strophen 
eben  dieser  Form  wegen  eine  Menge  Alliterationen  und  As- 
sonanzen haben,  so  wird  es  auch  klar,  warum  im  Isten  Vers 
jener  Strophe  die  beiden  weiblichen  Geschlechter  Wisent  und 
Elch,  im  2ten  die  beiden  männlichen  ür  und  Scheich  unter- 
einander gestellt  werden  mufsten,  obgleich  im  4ten  Vers  die 
beiden  Edelhirsch- Geschlechter  nehen  einander  stehen.  Auf- 
fallen wird  auch  Niemand  die  grofse  Verschiedenheit  der  Na- 
men Ur  und  Wisent  für  die  beiden  Geschlechter  dersell)en 
wilden  Ochsenart,  wenn  in  der  deutschen  Jägersprache  die 
Geschlechter  und  Alters- Verschiedenheiten  durch  eben  so  ver- 
schieden klingende  Namen  bezeichnet  werden,  als  beim  Edel 
hirsch  durch  Hirsch  und  Hindin  oder  Stück -Wild,  Hirsch- 
kalb und  .Wildkalb,  Spiefser  und  Schmalthier,  beim  Darnm- 
hirsch  durch  Hirsch  und  Dammgeifs,  beim  Reh  durch  Bock 
und  Geifs  oder  Ricke,  Spiefsbock  und  Schmalreh. 

Erinnern  wir  Uns  zurück  an  (iratianis  Angabe,  dafs 
die  Uri  häufiger  als  die  Bisonteii  seyen,  welches  wir  durch 
die  wirklich   stattfindende  Ueberzahl   der  männlichen  über  die 


136 

weiblichen  Individuen  in  der  Species  de!s  Basw^us  L.  erklärt 
haben,  so  sind  das  Niebellungen-Lied  nnd  Gratiani  im  völ- 
ligen Einklang.  Ur  ist  hier  wie  dort  der  Auerochse,  die 
gleichwurzlichen  Wörter  JViserit  und  Bison  hier  wie  dort 
die  Auerkuh.  So  aufgefafst  wird  selbst  Gefsners  vorher 
unverständliche  Unterscheidung  von  grofsen  Wisenten  für 
Urus  und  kleinen  Wisenten,  fiir  Bison  einigermaafsen  ver- 
ständlich. Die  synonyme  Bedeutung  von  Lr  und  Wisent  ist 
mithin,  indem  sie  wenigstens  ursprünglich  eine  ge- 
schlechtliche Verschiedenheit  in  sich  fafst,  eine  etwas  andere 
als  die  synonyme  Bedeutung  von  Tiir  und  Zuhi\  weil  diese 
aus  zwei  verschiedenen  Ordnungen  eines  Sprachstamms- 
abstammen.  Bezeichnet  gleich  Tur  ebenso  wie  Ur  den  männ- 
lichen Auerochsen,  so  ist  doch  Zubr  nicht  der  weibliche  Ge- 
gensatz vom  Tur,  weil  Turzyca  und  Ziibrzyca  für  beide 
männliche  Namen  die  weiblichen  Gesclilechts-Benennungen  sind. 


E  11  (1  -  R  e  s  u  1 1  a  t. 

Aus  sieben  Hauptgründen  ergiebt  sich  also  als  Resultat 
unserer  Untersuchung,  dafs  die  Namen  Urus  und  Bison  — 
Twr  und  Zuhr  in  slavisch-lettischeu  Sprachen — Ur, 
Urochs,  Auer,  Wisent  und  selbst  Büffel  in  altdeut- 
schen Mundarten  und  Schriften  —  nicht  zwei  ver- 
schiedene neben  einander  lebende  wilde  Stierarten, 
sondern  nur  eine,  den  noch  jetzt  lebenden  Bas 
urus  L.  bezeichnen,  weil: 

1)  kein  Naturforscher  und  Topograph  des  Mittelalters 
eine  wirkliche  specifische  Verschiedenheit  der  mit  diesen  sy- 
nonymen Namen  bezeichneten  Thiere  zu  erweisen  im  Stande 
gewesen  ist. 

2)  weil  der  polnische  Geschichtsschreiber  Dlugosz  im 
Mittelalter  selbst  die  Namen  Turus  und  Zuhro  als  wirklich 
synonyme  Namen  desselben  Thiers  gebraucht. 

3)  weil  in  den  lithauisch-polnischen  Jagdgesetzen  stets 
nur  eine  und  niemals  zwei  wilde  Stierarten  unter  den  jagdba- 
ren Thieren  des  Landes  genannt  werden. 


137 

4)  weil  der  Pole  Kajalowicz  im  löten  Jahrhundert  und 
ein  polnischer  Dichter  des  17ten  Jahrhunderts  Tur  in  Lithauen 
und  Turz^tko  in  Polen  als  Bezeichnung  des  Zuhrs  und  Zu- 
i^r-Kalbes  gebrauchen,  womit  auch  Czacki  und  unter  den 
neuen  Naturforschern  Jundziö,  Jarocki  und  andere  einverstan- 
den sind. 

5)  weil  der  Name  Tur  noch  jetzt  in  kleinrussischen  Dia- 
lekten im  Munde  des  Volks  als  Bezeichnung  des  Zubr  (Au- 
erochsen) allein  existirt. 

6)  weil  aus  mehreren  Zeugnissen  aus  dem  16ten  Jahr- 
hundert unter  sich  verglichen,  gleichfalls  nur  der  synonyme 
Sinn  jener  Thiernamen  hervorgeht;  denn  Gratiani  nennt 
XJri  und  Bisontes  in  Preufsen,  als  daselbst  nach  Lucas  David 
wirklich  nur  eine  Art  lebte;  Mucante  und  Sarnicki  ken- 
nen im  Jagdgehege  von  Wiskitki  nur  Bisonten  und  Bisonten- 
Jagden,  wo  Cromer,  Herberstain  und  Swifcicki  fast 
ganz  gleichzeitig  gerade  den  alleinigen  Stand  der  Turi  auge- 
ben und  endlich 

7)  weil  auch  die  deutschen  Namen  Ui'  und  Wisent  im 
Niebelungen-Lied  ebenfalls  nur  die  beiden  Geschlechter  des 
Bos  urus  L.  bezeichnen. 


Beiträge  zur  näheren  Kenntnifs  \ori  IJemna  arrhiza 
nebst  einigen  Bemerkungen  über 

L.  pofyrrhiza,   gibba,  rnuior  und  Lrlsulca 

von 
Dr.    J.    F.    Hoffmann. 


(Hiezu  Tafel  I  und  U.) 

iVleine  früheren  Beobachtungen*)  über  diese  so  höchst  eigen- 
thiimlich  gebildete  Pflanze  wurden  zu  einer  ^eit  angestellt,  in 
der  mir  nur  ein  einfaches,  englisches  Mikroscop  zu  Gebote 
stand.  Sie  konnten  sich  daher  weniger  auf  die  innere  Stru- 
ctur  der  Pflanze  erstrecken,  sondern  bezogen  sich  mehr  auf 
die  Beantwortung  der  Frage,  in  wie  fern  Lemna  arrhiza 
eine  eigene  beständige  oder  eine  Entwickelungsstufe  irgend 
einer  andern  Art  der  Gattung  Lemna  sei.  In  den  Weih- 
nachtsferien des  vorigen  Jahres  hatte  ich  Gelegenheit,  die  aus 


*)  Vgl.  Tydschrift  voor  Natuurlyke  Geschiedenis  en  PhyshIop;ic 
door  J.  V.  d.  Hoevefi  en  W.  H.  de  Vriese.  IV  deel  IL  282  —  333 
und  hieraus  auch  besonders  abgedruckt.  Im  Bulletin  des  Sciences 
physiques  et  naturelles  et  Neerlande  redige  par  F.  A.  W  Miquel^ 
C  7.  Mulder  en  W.  Wen  de  buch.  Anne'e  1838  p.  73  —  76  gab  Hr. 
Miquel  einen  äufserst  genauen  Auszug  aus  meiner  Abhandlung,  be- 
merkt aber  dabei  am  Schlüsse  „mais  d'un  untre  cote  elles  (meine 
Beobachtungen)  ne  peuvent  encore  pronver  l'existence  de  cette  Lcn- 
title  comme  une  espece  incontestable."  Da  Hr.  Miquel  weiter  gar 
keine  Gründe  angicbt  um  diesen  Ausspruch  zu  rechtfertigen,  so  ent- 
hielt ich  mich  aller  Widerlegung  und  hoffe  ihn  durch  das  Vorliegende 
niihcr  zu  überzeugen. 


139 

Holland  mitgenommenen  Exemplare  näher  zu  untersuchen,  und 
zwar  mit  dem  schönen  Amicischen  Instrumente,  welches  Hr.  Prof. 
Meyen  mir  freundlichst  zur  Benutzung  gab.  Die  Bedeutung 
einzelner,  früher  von  mir  zwar  erkannter,  aber  nicht  gehörig 
aufgefafster  Theile  wurde  mir  nun  klar  und  bald  fand  ich  so- 
gar die  Veranlassung  zu  meinem  Irrthume.  Vor  Kurzem  er- 
hielt ich  ein  neues,  mit  vieler  Sorgfalt  in  der  Werkstatt  des 
Hrn.  Pistor  verfertigtes  Mik  oscop,  womit  ich  die  Beobachtun- 
gen noch  einmal  wiederholte  und  theilweise  vervollständigte. 
Ich  werde  der  Mittheilung  derselben  eine  kurze  Darstel- 
lung der  verschiedenen  Meinungen  anderer  Schriftsteller  vor- 
ausschicken, und  überhaupt  alles,  was  ich  über  die  Pflanze 
habe  finden  können,  hier  zusammenfassen. 

I.     Darstellung    der    Meinungen    anderer 
Schriftsteller.  *) 

Es  giebt  fast  keine  phanerogamische  Pflanze,  welche,  bis 
in  die  neuere  Zeit,  zu  so  vielen  Verwechselungen  und  Irr- 
thümern  Veranlassung  gegeben  hat,  als  Lemna  arrJiiza  au  ct. 
Ihre  aufserordentliche  Kleinheit,  die  wenigen  bis  jetzt  bekann- 
ten Fundorte  der  wahren,  und  mehrere  Umstände,  welche  wir 
näher  werden  kennen  lernen,  entschuldigen  genügend  viele 
sonst  trefi'Iiche  Beobachter.  Nachdem  Micheli**)  die  „Len- 
ücularia  omnium  minima  ,  .  .  in  piscinis  regit  suhurhani 
ruris  viilgo  Ivivai  dell  Imperiale  et  alihi  paucis  in  locis^' 
aufgefunden,  und  aufser  dieser  dürftigen  Diagnose  weiter  nicht 
beschrieben,  dagegen  im  etwas  vergröfserten  Maafsstabe  ziem- 
lich deutlich  abgebildet***)  hatte,  glaubte  man  in  vielen,  ohne 


*)  Vgl.  die  holländische  Schrift  S.  4—12  die  Tydschrift  u,  s.  "W. 
285  —  293. 

**)  Nova  Genera  p.  16  nr.  4.  Tab.  XI  fig.  4. 
***)  In  natürlicher  Gröfse  ist  sie  dagegen  sehr  undeutlich  darge- 
stellt. Die  Abbildung  von  Lamarck  {Encycl.  Meth.  Bot.  pl.  47,) 
die  im  {Bulletin  philomat.  HL  1811.  nr.  79.  ])l  XVIIL  fig.  %  7.  c/c.) 
die  von  Wolff  {Diss.  inaug.  de  Lemna  Altorf  f.  et  Norimb.  1801 
fig.  22,  23)  und  Sturm  (Deutschlands  Flora  in  Abbild,  nach  der 
Natur  I.  44.  Heft.)  sind  alle  noch  schlechter,  was  aber  keineswegs 
auffallen  mufs,  da  sie  sämmtlich  von  der  Michelischen  Abbildung  od. 
vielmehr  von  der  Wollfschen  Copie  ccpirt  sind.  Wolff  (a.  a.  O. 
p.  30.)  ist  der  einzige  der  diesen  Umstand  erwähnt. 


140 

Wurzel  herumsch\vinimen(lten,   kleine»  Blättchen  von  Lemiittj 
die  seinig^e  wieder  zu  finden.     Einige  scliarfsinnige  Beobachter 
erkannten  aber  in  jenen,  nicht  völlig  entwickelte   Individuen-, 
und  zogen  daraus  den  Schl'ufs,    dafs  auch  die  MichelJsche  L. 
arrhiza   eine  unvollkommne  Pflanze  gewesen  sei.     Meistens 
gab  man  hiebei  weniger  Acht  auf  die  Form,  als  vielmehr  auf 
die  Abwesenheit  der  Wurzel,  welche  sich   bei    zur    Beobach- 
tung aufbewahrten  Exemplaren  bald  entwickelte.     Wenn  auch- 
vielleicht  von   Einigen   die   convexe  ünterfläche    der  Micheli- 
schen Pflanze  berücksichtigt  wurde,   so  bot  doch  L.  gihha  in 
dieser   Hinsicht   eine   gewisse   Aehnlichkeit  dar,   welche  jene^ 
Vermutlmng  nur  bestätigen   konnte.      Viele  sahen  weder  die 
eine  noch   die   andere  Form,    und    mufsten    daher    die  Frage 
unentschieden  lassen.     Mittelstufen  zwischen  der  Michel ischen 
und  irgend  einer  anderen  Lemna-Art,    sind  indessen  von  kei- 
nem  beobachtet  worden.      Der  gröfseren   Deutlichkeit   wegen 
erlaube  ich  mir  eine  kurze  Aufzählung  der  hieraus  entstande- 
nen Ansichten. 

1)  Einige  behaupten,  dafs  man  oft  für  L.  ar- 
rhiza hält,   was  es  keineswegs  sei. 

Herr  Sturm  meint,  dafs  die  in  Deutschland  aufgefundene 
sogenannte  L.  «.,  nicht  völlig  entwickelte  Exemplare  von  L. 
gibha  oder  polyrrhiza  seien ,  indem  sobald  sich  zwei  Blätt- 
chen entwickelt  hätten,  am  gröfsten  derselben  ein  Wurzelchen 
sich  zeigen  soll,  welches  an  der  wahren  L.  a.  von  Micheli 
fehlen  mufs. 

Nees  V.  Esenbeck*)  bemerkte  bei  dem  Verein  der 
Naturforscher  zu  Bonn,  dafs  manchmal  nicht  völlig  entwickelte, 
wurzellose  Exemplare  von  L.  minor  für  L.  a.  gehalten  wor- 
den seien.  Die  von  Hrn.  Dumor  tier  der  Versammlung  vor- 
gelegten Exemplare  gaben  Veranlassung  zu  dieser  Bemerkung. 
Die  Diagnose,  welche  Herr  Dumortier  von  der  Pflanze  gab 
„die  sich  von  L.  gihha  durch  den  Mangel  des  Wul- 
stes .  .  ,   auszeichne,"    macht  es    höchst    wahrscheinlich, 


*)  Protokolle  der  botanischen  Section  der  13ten  Versammlung 
deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Bonn  im  September  1835  mit- 
get heilt  vom  .Secrctair  Dr.  Ctamor  Marquart  in  Bonn  (Allge- 
meine botanische  Zeitung  nr.  4.  20  Jan.  1836  p.  56  sq.) 


141 

clafs  Hr.  D.  nicht  die  wahre  arrhha,  sondern  die  anfangs 
uurzellosen  kleinen  Exemplare  von  L.  minor  vorgezeigt  habe. 
Wir  werden  in  der  zweiten  Abtheilung  diese  sehr  rich- 
tige Ansicht  näher  betrachten,  da  sie  uns  hier  zu  weilt  ^b  vooi 
Zwecke  führen  würden, 

2)  Andere  lassen  die  Frage  unentschieden. 
Decandolle  {Flore  Francaise  Paris  1815  IL  590.) 
Mertens  und  Koch  Deutschlands  Flora  1823  I.  p.  296. 
Poiret  (histoire  philo sophique  litteraire,  economique 

-des  plantes  de  l'Europe  Paris  iSSo.  II  p.  37.)  Dieser  fügt 
noch  die  Frage  hinzu  „ob  es  wahrscheinlich  sein  würde,  dafs 
eine  Pflanze  erst  Blätter  entwickeln  sollte,  und  nachher  die 
Wurzelchen,"  was  aber,  wie  wir  späterhin  sehen  werden,  bei 
Lemiia  manchmal  der  Fall  ist. 

3)  Noch  andere  nehmen  die  L.  arrhiza  als  Entr- 
wickelungsstufe  an  und  zwar: 

a.  von  L.  polyrrhiza.  F,  H.  TViggers^)  Primitiae 
Florae  hols^iicae,  Kiliae  1700  p.  67.  „L.  arhiza  L.est  pri" 
jrunn  initkim  L.  poly r hiza e. " 

h,  von  Z>.  minor.  Hooker  (R eiche nb ach  flora  ger<- 
man.  excurs.  I,  p.  10)  „tJie  young  frons  of  L.  minor  com- 
Mitutes  the  L.  a.  of french  authors'*  .  '.'    -      \'^\ 

o.  \<)n  L.  gihha.  Herr  v.  Bönninghausen  behauptete, 
dafs  die  von  Herrn  Dumortier  mitgebrachten  Exemplare  aus 
-Saamen;  entwickelte  Individuen  seien  von  Z>»  gihha ,  wie  er 
sie  in  verschiedenen  Entwickelungsstufen  bei  Münster  beobach- 
tet haljen  will.**)  Da  diese  Exemplare,  wie  wir  oben  be- 
merkten, wahrscheinlich  keine  arrhiza  gewesen  sind,  so  mag 
die  Bemerkung  des  Hrn.  v.  B.,  ihre  Richtigkeit  haben;  man 
bekommt  indessen  die  Entwickelung  aus  Saamen  von  L'.'  gihha 
nicht  so  sehr  leicht  zu  sehen.  Dafs  aber  die  ächte  L.  «.un- 
möglich mit  keimenden  Individuen  von  L.  gihha  zu  verwech- 
seln ist,  wird  jeder  anerkennen  müssen,  der,  hätte  er  auch  nie 
;4ie  arrhiza  oder  die  keimende  gihha  gesehen ^   nur   die   Ah- 

'^)  Auf  dem  Titelblatt  der  Dissertation  steht  Wi'gger  s  Utisumen- 
ils,  in  der  Zueignung  aber  ^Vichers. 

**)  Protokolle  der  botanischen  Section  a.  a.  O. 


'U2 

bilflnng  von  Micheli  mit  denen  von  Wilson*)  und  L.  C. 
Richard**)  vergleicht. 

d.  von  allen  drei  Arten. 

So  behauptet  Hr.  Reichenbach  (a.  a.  O.)  L.  arrhha 
auctorum  nil  videtur  nisi  plantula  Itarum  specierum  e 
gemmulis  orta  incomplefa."  Späterhin  beschrieb  er  angeb- 
lich nach  eigener  Beobachtung  die  Weise  ihres  Entstehens. 
Die  Pflänzchen  sollen  sich  nämlich  aus  den  zu  Boden  gesun- 
kenen Parenchymkörnern  der  anderen  Lemnaarten  entwik- 
kelnl!***)  Ich  glaube,  dafs  es  unnöthig  sein  wird,  die  in  der 
holländischen  Schrift  zu  ausführliche  Wiederlegung  einer  sol- 
chen Behauptung  zu  wiederholen. 

Herr  Nees  von  Esenbeck  vermuthete  (1S16),  dafs  die 
L.  arrhiza  nicht  ausschliefslich  die  junge  Brut  der  polyr- 
rhiza,  aber  überhaupt  die  Nachkommenschaft  der  durch  Saa- 
men  sich  fortpflanzenden  Lemna- Arten  sei.  f)  Seine  Ansicht 
stützte  sich  auf  die  Beobachtung  eines  bestimmten  Verhältnis- 
ses zwischen  dem  Blühen  der  übrigen  Arten  und  dem  vor- 
kommenden von  L.  arrhiza.  Dabei  fand  er  diese  von  dop- 
pelter Beschafi'enheit,  einige  mit  rother,  andere  mit  grüner  Un- 
terfläche, diese  letzteren  gewöhnlich  etwas  kleiner  und  in  zahl- 
reicher Menge. 

Ich  mufs  gestehen  dafs  meine  Beobachtungen  in  unseren 
holländischen  Gewässern,  mir  ein  durchaus  verschiedenes  Re- 
sultat gegeben  haben.  Irgend  ein  Verhältnifs  zwischen  dem 
Blühen  der  Lemna -Arten  und  dem  Vorkommen  der  L.  «r- 
rhiza  glaube  ich  um  so  eher  läugnen  zu  dürfen,  als  diese  sich 

*)  Kemarlcs  ort  the  Structure  and  germination  of  L.  gibha  hy 
Wm.  MHlson  Esq.  of  Warrmgt07i  (W.  S.  Hook  er  Botanical  Mis- 
cellany  London  1830  jtart.  2  7;/.  XLIV. 

**)  Archives  de  hotanUpie  jmr.  M.  A^  J.  Guillemin  I  jü.  6  fg. 
S~OE  p.  205  —  210.  Pans  1833- 

'**)  Vgl.  Mösslers  Handbuch  der  Gewächskimde  u.  s.  w.  3te  Aufl. 
Umgearbeitet  und  vermehrt  von  H.  G.  L.  Reichenbach  Altona  1833 
I.  p.  50.  Und:  Handbuch  des  natürlichen  Systems  u.  s.  w.  Leipzig 
und  Dresden  1837  I.  p.  144. 

f)  Bemerkungen  über   die  Gattung  Lemna  L  von  Dr.  Nees  von^ 
Esenbeck  zu  Sickershausen  p.  23.  sq.  im:  Magazin  der  Gesell- 
schaft naturforschender  Freunde  zu  Berlin  u.  s.  \v.  7  Jahr- 
gang Berlin  1816  pag.  15  —  24. 


143 

in  grofser  Anzahl,   schon  vot*  der  Bliithezeit  der  übrigen  Ar- 
ten vorfindet,  ja  sogar,  wie  wir  näher  auseinander  setzen  wer- 
den, auch  während  des  ^Virtters  einzeln  zwischen  den  schwim- 
menden Blättchen   der  Lemnae,    vorzüglich   aber  im  Schlamm 
heruntergesunken  vorkommt.     Ich    fand  ebenfalls  nie   ü.  ar~ 
rÄ/sa  mit  rother  ünterfläche.    Bei  polyrrhiza  ist  diese  bekannt- 
lich  immer  roth  (oder  vielmehr   röthlich  violett);    bei  einigen 
Exemplaren  zeigten   sogar  die  Würzelchen   diese  Farbe.     Bei 
gihha   erscheint    die   obere   Fläche    bisweilen   ebenso   gefärbt, 
vorzüglich   im   Spätherbst    oder   nach  wiedereintretender  Kälte 
im  Frühjahr;    da  viele   Individuen   oft   gleichzeitig   diese   Fär- 
bung bekommen,    so  zeichnen  sich  gewisse  Stellen  eines  Gra- 
bens   schon   vom   Ufer  durch    den   röthlichen   Schimmer  aus^ 
während   andere   ihre   normale   grüne   behalten.     Bei  arrhiza 
sah  ich  dagegen  diese  Aenderung  der  Farbe  nie. 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich  dafs  Hr.  Nees  v.  Esenbeck, 
die  unten  näher  zu  beschreibende  Winterform  von  polyr^ 
rhiza  und  die  wurzellose  von  miner  für  die  arrhiza  gehalten 
hat.  Bei  so  genauer  Beobachtung  hätte  er  sonst  wohl  die 
auffallende  kugelige  Gestalt  der  arrhiza  erwähnt.  Die  klei- 
nen Wärzchen,  welche  Hr.  NeeS  als  die  Ansätze  jüngerer 
Würzelchen  betrachtet,  können  sich  nur  auf  polyrrhiza  be- 
ziehen, da  bekanntlich  die  anderen  Arten  an  jedem  Blättchen 
nur  ein  einzelnes  Würzelchep  'treit)en.  Die  genannte  Form 
von  polyrrhiza  erscheint  allerdings  häufig  in  kleinerer  Ge- 
stalt,*) schwimmt  einige  Zeit  ohne  Würzelchen  herum,  und 
zeigt  die  erwähnten  Wärzchen  ganz  deutlich.  Ich  halte  also 
A\Q  arrhiza  von  Hm.  Nees  mit  rother  ünterfläche  für  die 
Winterform  von  polyrrhiza,  die  mit  grüner,  für  junge  wur-' 
zellose  Individuen  von  minor.  '"'^^    ♦  '• 

4)  Andere  endlich  halten  die  L:  arfhiza  iipeci- 
fisch  verschieden  von  den  übrigen  Lemna-Arten. 
^''  Michel i,  der  erste  Auffirider  der  Pflanze,  scheint  dieser 
Meinung  gewesen  zu  sein,  welche  Linne  näher 'durch  den 
speoifisclien  Namen  bestätigte.  Nachher  haben  viele,  beson- 
ders   französische-  Systematiker   sie    in    ihren   Beschreibungen 

-! : ^ .     \-     ',i-'f      ■*(.  i.  ^.ilj,.: '!;■        j  //     » •  ■     .,!■;,;.     •     '     •       :  •    •  •>■'.' 

*)  Vgl.  TV^/'i^. '^'if-der''hölll^r^dischett1S^hria         "  '   ■'''' 


141 

ohne  weiteres 'aufgenommen.     Nur   bei  folgenden  Schriftstel- 
lern fand  ich  eine  bestimmte  Aeufserung:  ;  ,).'«;• 

Willdenovv  {spec.  plant.  IF'.  1.  p.  196)  „non  est  ini- 
iium  L.  polyrrhizaa  ut  Wiggers  autumat,  sed  planta 
peculiaris  a  reliquis  diversa.^'  ,.,i»Mn 

Steudel  {Nomenciator  Z>of.  1821)  „arrJiizanonpo- 
lyj'j'hizae  initium.^^  . 

Roemer  und  Schul tes  {Sysiema  veget.  1817  J.;;.283.) 
ffttJ'J^hiLa  minbne  initiwn  L.  polyrrhiz>ae**'^ 

Hr.  Koch  {Synopsis  flora  Germanicae  et  Ilelveticae 
1837  p,  681.)  „Secundum  Specimina  circa  Parisios  lecta 
a  Lemna  minore  div^ersam  sine  dubio  efficit  speciem.^^ 
Dieser  ist  der  einzige  der  einen  Beweis  für  seine  Meinung 
anfülirt,  indem  er  sagt:  „Frondes  quadruplo  minores  radi- 
cihus  prorsus  carejit  licet  prolificatione  iterata  auctae  sint.^* 

Nach  längeren  und  wiederholten  Beobachtungen,  sowohl 
der  Vegetationsverhältnisse  als  der  inneren  Structur  von  L. 
«.,  jmufs  ich  letztere  Meinung  als  die  richtige  annehmen.  Ich 
hoffe  sie  durch  die  Darstellung  meiner  Untersuchungen  au  be- 
weisen, wobei  ich  zuvörderst  die  Vegetations-Verhältnisse  und 
sodann  die  innere  Structur  des  Piflänzchens  näher  betrach- 
tenwerde. ,,u    .;  ..'   ujhiio.i   ,,.,.,. 

II.    Ueber  die   \  egetationsverhaltnisse  von 

,  L.   arrhiza.  i       v        ,  ^, 

Pa  I  In  4er  Provinz  Süd-Holland  und  namentlich  in  der  Um- 
gegend von  Gouda  findet  man  vom  Mai  oder  Juni  bis  Octo- 
her  oder  November,  je  nach  der  mehr  o<ler  winder  gelinden 
Witterung,  zynischen  den  gewöhnlichen  Lemna^-iArten  Kleine, 
bald  einzelne,  bald  gepaarte  Kiigejchen«!  In  einigaU:  Gräben 
kommen  sie  in  unzähliger  Menge^  yor^  i  ir[  ^ndereuc  pur. sehr 
spärlich,  während  sie  sogar  in  .;benachbarten  dvirchaus,  fehlen, 
Di,e  Bjüimisctiung  der  Lemna -Arten  ist  sehr  verschieden,  bald 
bildet  polyrrJiiza,  hald  gibha  die  Hauptmasse,  dagegen  treten 
minor  und;  trisulca  nur  in  geringerer  Menge,  auf  und  fehlen 
bisweilen  fast  gänzlich.  Niemals  fand  icli- die  genannten  Kü- 
gelchen  für  sich  allein,  so  wie  überhaupt  von  den  Lemna-Ar- 
ten  nur  L.  minor  mitunter  einzelne,  zumal  kleinere,  beschat- 
tete  Gräben   ohne  sonstige    Beimischung    bedeckt.      Auch    in 


145 

solchen  habe  ich  die  Kiigelchen  nie  angetroffen.  Lemna  tri- 
sulca  erscheint  zwar  im  Frühjahr,  wo  die  andern  Arten  sich 
noch  nicht  so  sehr  über  die  Gewässer  verbreitet  haben,  in 
einzelnen  zusammenhängenden  Haufen,  diese  theilen  sich  aber 
später  in  kleinere  Verzweigungen  und  gerathen  dann  zwischen 
jene.  In  der  Mischung  von  Lemna-Arten,  welche  als  eine  Decke 
über  so  viele  Gräben  und  Gewässer  in  Holland  ausgebreitet 
ist,  bildet  trisiilca  daher  nie  die  Hauptmasse.  Bisweilen,  vor- 
züglich in  Ecken  und  Buchten,  theilen  sich  ihre  Haufen,  jedoch 
weniger,  bleiben  an  solchen  Stellen  vorherrschend,  und  sind 
dann  nur  von  einzelnen  Pflänzchen  polyrrhiza,  gihha  oder 
minor  begleitet. 

Schon  bei  dem  ersten  Auffinden  der  erwähnten  Kügel- 
chen  im  Jahre  1834  hielt  ich  sie  nach  der  Beschreibung  fran- 
zösischer Systematiker  für  die  ächte  L.  anJiiza.  Später  be- 
stätigte die  Vergleichung  der  Abbildung  von  Micheli  meine 
Ansicht*).  Auch  die  Beschreibung  anderer  Schriftsteller  pafste 
ziemlich  genau  und  die  nähere  Beobachtung  erklärte  genügend 
etwaige  kleine  Abweichungen  in  der  Gestalt  des  Pflänzchens, 
welche  wir  jetzt  spezieller  beschreiben  wollen. 

Eine  nähere  Betrachtung  des  Pflänzchens  lässt  sehr  bald 
zwei  Seiten  an  demselben  unterscheiden,  von  denen  die  eine 
ganz  flach  oder  in  der  Mitte  etwas  gewölbt,  bisweilen  an  der 
Spitze  ein  wenig  erhaben,  elliptisch,  umgekehrt  eirund  oder 
rundlich  und  von  hellgrüner  Farbe  ist,  während  sich  die  an- 
dere convex,  breiter,  weniger  gefärbt,  fast  durchsichtig  zeigt. 
Da  erstere  meistens  nach  oben  gekehrt  ist,  und  manchmal  so- 
gar mit  trockner  Oberfläche  auf  dem  Wasser  schwimmt,  so 
hielt  ich  sie  für  die  obere  Blattseite,  die  convexe  dagegen  für 
die  untere.  Die  anatomische  Untersuchung  hob  nachher  allen 
Zweifel  auf,  indem  ich  in  jener  sehr  deutlich  die  Spaltöfi'nun- 
gen  erkannte,  welche  bekanntlich  bei  schwimmenden  Wasser- 
pflanzen nur  auf  der  obern  Blattseite  vorkommen.  (In  dem 
letzten  Abschnitt  werden  diese  Spaltöfi'nungen  ausführlicher 
beschrieben.) 

Die    einfachen    sowohl   als  die   gepaarten  Blättchen   sind 


*)  Dieselbe    stellt  nämlich  sowohl  einfache  als  gepaarte   Blätt- 
chen vor. 

VViegm.  Archiv.    VI.  Jahrg.     1  Band.  \Q 


146 

einander  weder  in  Gestalt  noch  in  Grösse,  ganz  gleich.  Je 
nachdem  die  Längen-  und  Breiten -Axe  der  ohern  Blattseite 
verschieden,  und  die  horizontale  Durchschnittfläche  durch  die 
Mitte  des  convexen  unteren  Theiles  breiter  und  länger  als 
jene  ist,  wird  auch  die  Form  der  ganzen  Pflanze  mehr  oder 
weniger  elliptisch  oder  kugelig  erscheinen.*)  Bei  den  ge- 
paarten ist  das  eine  Blättchen  immer  kleiner  als  das  andere, 
ein  Unterschied  der  aus  dem  sogleich  näher  zu  betrachtenden 
Verhalten  des  einfachen  Pflänzchens  deutlich  hervorgehen  wird. 

Die  einfachen  Blättchen  haben  eine  Länge  von  0,02  bis 
0,05  P.  Z.,  eine  Breite  von  0,01  bis  0,03,  eine  Dicke  von 
0,01  bis  0,04.  (S.  fig.  2.  a  und  &)  Mit  einer  Loupe  betrach- 
tet  zeigen  sie  an  der,  der  Spitze  entgegengesetzten  Seite,  welche 
wir  als  Basis  annehmen  können,  einen  gelblichen,  von  einer 
runden  Einfassung  umgebenen  Punkt.  Eine  genauere  Beob- 
achtung läfst  bald  erkennen,  dafs  dieser  Punkt  das  Rudiment 
eines  zweiten  Blättchens  ist,  denn,  wenn  man  diese  augen- 
scheinlich einfachen  Pflänzchen  isolirt  aufbewahrt,  sieht  man 
wie  der  gelbe  Punkt  sich  allmälig  entwickelt,  indem  er  an 
Länge  und  Breite  zunimmt,  also  mehr  aus  dem  Mutterblätt- 
chen  hervortritt  und  eine  grüne  Farbe  bekommt.  Hat  das 
junge  Blatt  beinahe  die  Gröfse  des  älteren  erreicht,  so  tren- 
nen sich  beide  und  die  Entwickelung  wiederholt  sich  in  der- 
selben Art  bei  jedem  Einzelnen,  bei  dem  jüngeren  jedoch 
grade  in  entgegengesetzter  Richtung  als  bei  dem  älteren.  Bei 
gegenseitig  umgeänderter  Lage  beider  Blättchen  kann  man 
diefs  leicht  beobachten,  besonders  deutlich  aber  habe  ich  es 
an  einem  Exemplare  wahrgenommen,  an  dem  durch  angewach- 
sene Algen  die  Trennung  zufällig  verhindert  wurde.  (S.  fig.4) 

Der  gelbliche  Punkt  ist  also  eine  Knospe  und  erklärt 
durch  seine  allmälige  Entwickelung  den  Unterschied  in  der 
Gröfse  der  beiden  Blättchen  der  gepaarten  Pflanze.  Völlig 
gleich  sind  diese  niemals,  selbst  bei  ihrer  Trennung  nicht,  in- 
defs  ist  der  Unterschied  zwischen  beiden  je  nach  der  Entwik- 
kelungsstufe  verschieden.     Anfangs  ist  er  am  aufi"allendsten  in 


♦)  Vielleicht  lassen  sich  die  von  Herrn  Koch  (a.  a.  O.)  vcrmu- 
theten  Arten,  die  ^iullica  froiidibiis  suhrotundo-ovatis  und  die  italica 
fr.  ovato -oblong ts  hierdurch  erklären. 


147 

der  Länge,  bei  vollkommener  Entwickelung  aber  beruhet  er, 
bei  manchmal  ziemlich  gleicher  Länge  und  Breite,  fast  nur 
anf  einer  Verschiedenheit  in  der  Dicke.  Die  gepaarten  Pflänz- 
chen  sind  aufserdem  grade  wie  die  einfachen  unter  sich  in 
Gröfse  verschieden.  Die  gröfseren  sind  bis  etwa  0,1  P,  Z. 
zusammen,  und  einzeln  0,06  und  0,04  lang;  .0,04  und  0,035 
breit;  0,04  und  0,03  dick;  die  kleineren  bis  0,05  zusammen 
und  einzeln,  0,03  und  0,02  lang  0,02  und  0,015  breit;  0,03  und 
und  0,02  dick.  (S.  fig.  2  c  und  d)  Dieser  Unterschied  ist  be- 
dingt durch  die  spätere  oder  frühere  Entwickelung  der  Knospe 
des  eben  getrennten  Blättchens.  Findet  diese  gleich  nach  der 
Trennung  bei  einem  Individuum  statt,  welches  bedeutend  klei- 
ner als  das  Mutterblättchen  war,  so  kann  sich  jenes  nicht  bis 
zur  Gröfse  des  letzteren  entwickeln,  und  es  ist  klar,  dafs  in 
gleichem  Verhältnifs  auch  das  aus  ihm  entstandene  gepaarte 
Pflänzchen  stets  kleiner  sein  wird.  Waren  dagegen  bei  der 
ersten  Trennung  die  beiden  Blättchen  beinahe  von  gleicher 
Gröfse,  oder  entwickelt  sich  das  jüngere  getrennte  noch  ei- 
nige Zeit  ohne  seine  Knospe  zu  treiben,  so  wird  auch  nach- 
her ein  gröfseres  gepaartes  Individuum  daraus  entstehen.  Dafs 
dieses  Kleiner  werden  seine  Grenze  hat,  und  von  ganz  spe- 
ciellen,  schwerlich  zu  ermittelnden,  Umständen  abhängt,  unter- 
liegt wohl  keinem  Zweifel. 

Da  sowohl  der  Spröfsling  nach  der  Trennung  vom  Mut- 
terpflänzchen  eine  neue  Knospe  treibt,  als  auch  das  letztere 
selbst,  so  geht  die  Vermehrung  rasch  und  äufserst  regelmäfsig 
vor  sich.  Der  Zahl  nach  findet  sie  nämlich  statt  in  dem  Ver- 
hältnifs von  1,  2,  4,  8,  16  u,  s.  w.  Indem  ferner  die  Knos- 
pen die  Mutterpflänzchens  und  des  Spröfslings  sich  in  entge- 
gengesetzter Richtung  entwickeln  (s.  fig.  4.),  bilden  sie  gewis- 
sermafsen  zwei  Systeme,  welche  ich  in  den  heiligenden  Abbil- 
dungen durch  algebraische  Benennungen  angedeutet  habe.  Wäh- 
rend «^,  fl^,  «*,  a^  sich  aus  dem  Mutterpflänzchen  «,  nach 
einer  Richtung  entwickeln,  folgen  Z>,  ?>^,  aus  dem  ersten  Spröfs- 
ling a^,  c  aus  a^  und  d  aus  a*,  der  entgegengesetzten  da- 
gegen e  aus  &  w^ieder  der  übereinstimmenden. 

Bei  den  übrigen  Lemnen  geschieht  die  gewöhnlichste  Ver- 
mehrung ebenfalls  durch  Knospenbildung  und  nachherige  Tren- 
nung,   wobei  jedoch  ein    sehr  auffallender  Unterschiedzu  be- 

10* 


448 

merken  ist.  Lemna  trisulca  bildet  bekanntlich  verzweigte, 
aus  einer  unbestimmten  Anzahl  Blättchcn  zusammengesetzte 
Haufen,  welche,  indem  jedes  Blättclien  mit  einer  Wurzel  ver- 
sehen ist  und  bei  natürlicher  oder  künstlicher  Trennung  so- 
gleich üppig  fortwächst,  ein  sehr  deutliches  Beispiel  darl)ieten, 
wie  eine  Pflanze  eigentlich  aus  einer  Vereinigung  von  Indivi- 
duen besteht.  Herr  Meyen  erklärt  in  seiner  Physiologie 
diese  verzweigte  Form,  durch  die  höchst  regelmäfsige  Ent- 
wickelung  der  Knospen.  Diese  entspringen  an  beiden  Seiten 
jedes  Blättchens,  dicht  unter  der  Theilung  des  Blattnerven, 
aus  fast  halbmondförmigen  Spalten,  welche  von  den  hier  ge- 
trennten beiden  Lamellen  der  Blattsubstanz  gebildet  werden. 
Bei  der  Betrachtung  unter  dem  einfachen  Mikroskope  sieht 
man,  dafs  ihre  Substanz  an  den  Rändern  der  Basis  gespalten, 
und  in  jeder  dieser  beiden  äufserst  kleinen  Spalten  schon  wie- 
der eine  junge  Knospe  enthalten  ist.*)  Das  Zahlenverhältnifs 
der  Blättchen  eines  Exemplars  wäre  also  vom  einfachen  Indi- 
viduum an:  1,  3,  7,  15,  31  u.  s.  w. 

Wenn  auch  bei  polyrrhiza,  gihha  und  minor  die  Zahl 
der  vereinigten  Blättchen  gleichfalls  unbestimmt  ist,  so  finden 
sich  jedoch  nie  so  viele  zusammen  verbunden,  wie  bei  tri- 
sulca, und  zwar  bei  minor  und  gihha  noch  weniger,  als  bei 
polyrrhiza.  Das  gröfste  Exemplar,  das  ich  je  von  letzterer 
fand,  bestand  aus  19  Blättchen,  gewöhnlich  aber  finden  sich 
nur  2  — 12  zusammen,  bei  minor  und  gihhn  dagegen  2  —  6 
oder  höchstens  8.  Die  Bewegung  des  W^assers  durch  Wind 
oder  sonstige  Erschütterung  ist  schon  hinreichend  die  Tren- 
nung zu  veranlassen.  Da  sich  die  in  der  Spalte  an  beiden 
Seiten  befindlichen  Knospen  nicht  gleichzeitig  entwickeln,  dafs 
eine  schon  wieder  eine  junge  Knospe  getrieben  hat,  ehe  das 
andere  hervortritt,  ja  dieses  manchmal  gar  nicht  zur  Entwik- 
kelung  kommt,  so  entsteht  hierdurch  die  unregelmäfsige,  un- 
ter sich  sehr  ungleiche  Form  der  verschiedenen  Individuen 
von  den  3  erwähnten  Arten.  Der  nämliclie  Typus  der  Ver- 
mehrung ist  zwar  da,  die  Gestalt  der  Individuen  wird  aber 
durch  dieses  Abortiren,  so  wie  durch  den  loseren  Zusammen- 
hang der  Blättchen  bedeutend  modificirt. 


') 


Neues  System  der  Pflanzeiiphysiologie  III.  S.  52  und  63. 


149 

An  den  Blättchen  von  L.  arrhiza  habe  ich  niemals  Fru- 
ctificationsorgane  gefunden,  weder  an  den  einfachen,  noch  an 
den  gepaarten.  Nur  an  einem  einzigen  Exemplare  beobach- 
tete ich  eine  ganz  eigenthiimliche  Knospe,  in  einer  ungewöhn- 
Jich  grofsen  Spalte;  dieser  Fall  ist  in  der  holländischen  Schrift 
abgebildet  (S.  Taf.  I.  fig.  8  und  80  und  ausführlich  beschrie- 
ben; (S.  36  und  37;  der  Tydschrift  S.  317  und  318)  ich 
legQ  jetzt  aber  darauf  um  so  weniger  einen  hohen  Werth,  als 
es  mir  nur  eine  anomale  Knospenbildung  gewesen  zu  sein 
scheint.  Auch  von  keinem  andern  ist  jemals  die  Bliithe  be- 
obachtet worden.  Thuillar  sagt  zwar  (^Flore  des  environs 
de  Faris.  Paris  an  VII.  I.  p.  475.)  ,,ßores  spiuxo-alhi  (Jleurs 
dhin  hlanc  sale)  Maio'^  wahrscheinlich  ist  dies  aber  aus  Ver- 
sehen, auch  bei  L.  arrhiza  abgedruckt  worden,  so  wie  es  bei 
den  übrigen  Arten  jedesmal  wiederholt  wird.  Ohnehin  hat 
eine  solche  Angabe  durchaus  keinen  Werth.  Merat  (^NoU" 
velle  flore  des  environs  de  Paris.  Paris  I.  p.  353«)  setzt 
die  Möglichkeit  einer  Blüthenentwickelung  aufser  allen  Zwei- 
fel, was  er  aber  mit  den  Worten:  ,.ßeurs  devant  necessaire- 
ment  etre  placees  soiis  les  feiiilles^^  meinen  mag,  ist  wohl 
schwerlich  zu  begreifen. 

Obgleich  bei  den  Lemna-Arten  überhaupt  die  Vermehrung 
durch  Saamen  weit  seltner  ist,  als  die  durch  Knospenbildung, 
so  sind  doch  die  Fruktificationsorgane  bei  minor,  gihha  und 
trisulca  von  Vielen  beobachtet,  genau  beschrieben  und  abge- 
bildet worden.  Ich  sah  sie  ebenfalls  und  zwar  von  minor 
und  gihha  in  Töpfen  meiner  Stube,  von  trisulca  in  einem 
Graben  an  einer  sehr  sonnigen  Stelle.*)  Letztere  zeigt  da- 
bei eine  eigenthümliche  Form  der  blühenden  Blättchen.  Sie 
sind  nämlich  schmaler  und  kürzer  als  die  unfruchtbaren,  schwim- 
men einzeln  oder  höchstens  mit  ein  paar  von  jenen  vereinigt 
herum.  Ihre  Spitze  ist  bis  zur  Hälfte  oder  ein  Drittheil  unter 
Wasser  zurückgebogen,  der  übrige  Theil,  w^oran  die  Blüthe  in 
einer  Spalte  vorhanden  ist,  schwimmt  mit  trockener  Oberfläche 


*)  Am  30  Juni  d.  Jahres  fand  ich  L.  trisulca  in  Blüthe  in  einem 
Wassergraben  auf  dem  Wege  nach  dem  Neuen  Kruge  bei  Berlin; 
den  10  Juli  ebenfalls  L.  minor  in  einem  kleinen  Teiche  unweit  Schön- 
hausen bei  Berlin. 


150 

und  hat  eine  mit  Spaltöffnungen  versehene    Epidermis,    wäh- 
rend diese  sowohl  an  den  unfruchtbaren  BUittchen,  als  an  der 
untergetauchten  Spitze  der  blühenden  fehlen.      An  jeder  Seite 
der  Basis  ist  eine  Spalte,  worin  sich  die  Bliithen   entwickeln, 
in  der  Regel  findet  dieses  nur  an  der  einen  statt,  in  seltenen 
Fällen  kommen  sie  an  beiden  vor.     In  der   Spalte  worin  sich 
keine  Bliithe  entwickelt,   zeigt  sich  häufig   ein  Blättchen,  wel- 
ches dem  Blühenden  in  der  Form  ähnlich  ist.     Herr  Nees*) 
beobachtete  einige  sehr  seltene  Fälle,  wo  nach  dem  Verblühen 
der  Blume   aus   derselben   Ritze    ein  neues  Blättchen  hervor- 
sprofste.     Im  Allgemeinen  bieten  die  fruktificirenden  Blättchen 
von  L.  trisulca  wert  mehr  Aehnlichkeit  mit  den  anderen  Ar- 
ten von  Lemna,    zumal    minor  und  gibha  dar,  als  die  un- 
fruchtbaren.    L.polyrrhizn  dagegen  scheint  weit  seltener  zur 
Blüt?te  zu  kommen,  denn  so  weit  ich  habe  finden  können,  ist 
diese  nur  von   Grauer  und  Herr  Nees   beobachtet  worden. 
Wiggers,  der  ersteren  Auffuider  er\vähnt,  beschreibt  die  Blii- 
the  und  Frucht  ziemlich  ungenügend   {Fiimitiaeflorae  IIol- 
saticae  p.  67).     Herr  Nees  fand  nur  ein  einziges  Exemplar, 
was  sich  leider  zwischen  anderen  von  L.  gibha  unterwegs  ver- 
lor (a.  a.  O,  S.  24).     Dafs  auch  bei  L.  anhiza  sich  Frukti- 
fikationsorgane  entwickeln  können,  dürfen  wir  wohl  annehmen, 
es  ist  aber  wahrscheinlich,  dafs  sie  der  eigenthümlichen  Knos- 
penbHdung    wegen,    nur   an    einfachen   Blättehen  vorkommen 
werden.      Es    ist  um   so  mehr  zu  wünschen,   dafs  man  diese 
Organe  beobachten  möchte,  da  die   Gattungsbestimmung   erst 
dann  völlige  Sicherheit  erlangen  wird. 

So  auffallend  die  augenscheinliche  Abwesenheit  der  Wur- 
zel, sowohl  an  den  einfachen  als  an  den  gepaarten  Blättchen 
auch  ist,  hat  man  doch  zu  grofse  Wichtigkeit  darauf  gelegt, 
da  die  anderen  Arten  ebenfalls  in  gewissen  Lebensperioden 
ohne  Wurzel  vorkommen,  so  erwähnten  wir  schon  die  wur- 
zellose Form  von  minor  und  polyrrhiza,  ja  ich  beobachtete 
wie  selbst  in  ihrer  gewöhnlichen  Form  L.  polyrrhiza  längere 
Zeit  lebte,  ohne  ihre  Wurzeln,  in  Folge  zufälliger  Umstände, 
entwickelt  zu  haben.  In  einem  Topfe  nämlich  war  das  Was- 
ser in    meiner  Abwesenheit    allmälig  verdunstet,    bei  meiner 


'*)  Beuierkimgcn  über  die  Gattung  Lemna  p.  16. 


151 

Ziirückkiinft  fand  ich  eine  Menge  Exemplare  auf  denselben, 
gleichsam  angeklebt,  von  denen  einige  gänzlich  ohne  Wurzel 
waren,  andere  dagegen  die  ihrigen  horizontal  über  den  Boden 
ausgebreitet  hatten.  Nachdem  ich  die  bewurzelten  herausge- 
nommen und  den  Topf  bis  zur  Hälfte  mit  Wasser  angefüllt 
hatte,  ohne  die  wurzellosen  Exemplare  vom  Boden  abzulösen, 
lebten  diese  noch  mehrere  Wochen  fort  und  entwickelten 
Ende  Octobers  ihre  letzte  Knospe.  (Wir  werden  in  der  drit- 
ten Abtheilung  näher  auf  die  Abwesenheit  der  Wurzel  zurück 
kommen.) 

In  der  beschriebenen  Gestalt  schwimmt  L.  ai^rlnza  mit 
den  anderen  Lemna-Arten  bis  Ende  Octobers  oder  Mitte  No- 
vembers umher,  wo  dann  eine  auffallende  Veränderung  in  dem 
Vorkommen  der  Lemnen  statt  findet.  Die  Gewässer,  welche 
während  des  Sommers  über  ihre  ganze  Breite  mit  Lemnen  be- 
deckt waren,  werden  allmählig  klar,  indem  die  Pflänzchen  vom 
W'inde  in  Ecken  und  Buchten  zusammengetrieben  werden. 
Hier  bilden  sie  nun  eine,  bisweilen  einen  halben  Fufs  starke 
Decke.  In  diesem  Gemenge  herrschen  minor  und  gihha  vor, 
trisulca  zeigt  sich  meistens  nur  in  kleinen  zerstückelten  Zwei- 
gen, und  arrhiza  findet  sich  sehr  wenig,  selbst  da,  wo  sie  im 
Sommer  häufig  vorkam.  Polyrrhiza  ist  gleichsam  verschwun- 
den, statt  dessen  findet  man  einzelne  wurzellose  nierenförmige 
Blättchen,  von  dunkelgrüner  bis  bräunlich  rother  Ober-  und 
röthlich-violetter  Unterfläche,  die  nur  in  dem  Gemenge  sich 
über  dem  Wasser  erhalten,  da  sie,  in  klares  W^asser  kommend, 
alsbald  untersinken.*)  Dieselben  Blättchen  findet  man  daher 
auch  in  unzähliger  Menge  im  Schlamm,  welchen  man  aus  einem 
Graben  mit  klarem  Wasser  entnimmt.  In  denjenigen  Gräben, 
in  welchen  arrhiza  reichlich  vorhanden  war,  sind  sie  mit  klei- 
nen gelblichen  Körnchen  vermischt.  Im  nächsten  Frühjahr 
ergiebt  es  sich  bald,  dafs  jene  die  Winterknospe  von  po/yr- 
rJiiza,  diese  von  arrliiza  sind.  Durch  genauere  Beobachtung 
der  in  der  Stube  aufbewahrten  Exemplare  beider  Arten,  kommt 


*)  Die  membraneusen  Schuppen,  welche  an  der  Basis  der  jmigen 
Blättchen  von  'polyrrhiza  vorkommen,  sieht  man  sehr  deutlich  an  die- 
sen Winterknospen,  da  sie  von  den  sehr  feinen  Schlammtheilchen 
schwärzlich  gefärbt  sind. 


152 

man  früher  zum  nämlichen  Resultat,  in(lem  man  da  ganz  deut- 
licli  wahrnimmt,  wie  jede  der  erwähnten  Arten  ihre  Winter- 
knospe treibt,  welclie  frei  oder  mit  dem  todten  Mutterblätt- 
chen  heruntersinkt.  Herr  Meyen  beobachtete  ebenfalls  bei 
minor,  g'ibha  und  trisulca  dies  Heruntersinken;  ich  sah  es 
jiicht,  was  theils  davon  herrühren  mag,  dafs  polyrrhiza  und 
arrhha  meine  Aufmerksamkeit  ganz  auf  sich  zogen,  theils 
weil  eine  grofse  Anzahl  Individuen,  in  dem  oben  beschriebe-, 
nen  Gemenge  überwintern,  d.  h.  einfrieren,  ohne  getödtet  zu 
werden  und  so  bei  dem  im  Frühjahr  erfolgten  Aufthauen  ihre 
Knospen  entwickeln  und  sich  alsbald  in  ungeheurer  Menge 
vermehren*) 

Die  Winterknospe  ist  vorzüglich  bei  polyrrhiza  aufifal- 
lend  von  den  gewöhnlichen,  im  Sommer  getriebenen,  verschie- 
den. Aufser  ihrer  Gestalt  und  Farbe  unterscheidet  sie  sich 
vorzüglich  dadurch,  dafs  sie  bei  der  Entwickelung  ihre  eigene 
Form  nicht  ändert.**)  Bald  treibt  sie  einige  kleine  Würzel- 
chen und  aus  einer  Seitenspalte  wächst  ein  ganz  gew^öhnliches 
Blättchen,  was  bei  der  sehr  verschiedenen  Gröfse  der  Winter- 
knospe, diese  manchmal  um  das  3 — 4fache  übertrifft.***)  Bei 
arrliiza  ist  die  Winterknospe  zwar  nicht  so  auffallend  aber 
doch  charakteristisch  genug  von  völlig  entwickelten  Sommer- 
knospen verschieden;  sie  ist  mehr  den  noch  nicht  ganz  ent- 
wickelten Knospen  ähnlich,  kleiner,  gelblich  gefärbt,  mehr  drei- 
eckig mit  abgerundeten  Ecken.  Indefs  kommen  auch  gröfsere, 
(breitere  und  dickere)  mehr  kugelige  vor.    Während  sie  ihre 


*)  Es  fanden  sich  zwischen  den,  im  Mai  d.  Jahres,  aus  dem 
Schlamm  eines  Grabens  bei  Gouda  gesammelten  und  mir  zugeschick- 
ten Winterknospen  von  arrhixa  und  polyrrJii^a  mehrere  von  mitior 
imd  gibba,  wovon  viele  sich  durch  eine  röthliche  obere  Blattseite 
auszeichneten.  Ich  kann  nicht  umhin  hier  zu  bemerken,  dafs  in  die- 
sem so  jungen  Zustande  es  schwer  halt,  fniuor  und  gihba  von  ein- 
ander zu  unterscheiden,  da  der  Wulst  wodurch  diese  characterisirt 
wird,  sieh  erst  später  und  sehr  allmälig  entwickelt.  Viele  Exem- 
plare, welche  ich  anfangs  für  minor  hielt,  ergaben  sich  bei  weiterer 
Entwickelung  als  gibba. 

**)  Dies  ist  auch  der  Fall  bei  den  in  der  vorigen  Note  erwähn- 
ten Winterknospen  von  7m'7ior  imd  gibba. 

***)  Die  oben  erwähnten  Schuppen,  welche   die  Spalte  verdecken, 
werden  hieibei  abgestofsen. 


153 

neue  Knospe  treibt  entwickelt  sie  sich  weiter,  und  unterschei- 
det sich  also  in  der  Hinsicht  von  den  Winterknospen  von  po- 
lyrrMza,  gihha  und  minor. 

Wärme  und  Kälte  haben  einen  grofsen  Einflufs  auf  dieses 
Heruntersinken  und  Wiederemporsteigen,  da  es  sich  nach  der 
Witterung  richtet.     Es  findet  aber  gleichfalls   bei   den  in  der 
Stube  aufbewahrten   Exemplaren   statt.     Die  Versuche*),    die 
ich   um  dies  näher  auszumitteln,  anstellte,  gaben  mir  kein  be- 
stimmtes Resultat.    Durch  künstliche  Kälte  konnte  ich  sie  nicht 
zum    Heruntersinken    bringen,    was    freilich   davon    herrühren 
üjag,  dafs  ich  diese  nur  kürzere  Zeit  auf  sie  einwirken  lassen 
konnte.     Durch  Wärme  wurde  im  Allgemeinen  das  Emporstei- 
gen und  die  Entwickelung  sehr  beschleunigt;  manchmal  rührte 
das  Emporkommen  nur  von   einem    angehefteten  Luftbläschen 
her,  wurde  das  entfernt,  so  tauchte  die  Knospe  wieder  unter. 
Bei  Versuchen  im  Kleinen  erfolgt  das  spontane  Emporsteigen 
nicht,  vorzüglich  bei  L.  arrhiza,   wovon   die  Ursache  im  fe- 
steren Zusammensinken  des  Schlammes  in  einem  ruhig  stehen- 
den Gefäfse  zu  suchen  ist.    In  Gräben  dagegen,  wo  das  Was- 
ser immer  mehr  bewegt  wird,  und  der  Schlamm  daher  nie  so 
fest  zusammendrängen  kann,    tritt  dies  in  jedem  Jahre   sehr 
regelmäfsig    ein.      Schüttelt    man  daher    oder  rührt  man  den 
Schlamm  um,    bei  den  Versuchen  in  Töpfen,    so  kommen  je- 
desmal viele  Blättchen  mit  trockener  Oberfläche  auf  den  Was- 
serspiegel hervor.     Dasselbe   findet  auch  statt,  wenn  man  die 
Knospen  rings  herum  vom  Schlamme  los  macht.     Sie  können 
indefs  längere   Zeit  im   Schlamme  fortleben,   wie  mir  dies  ein 
Versuch  zeigte,    bei  welchem  sie  vom  6ten   May   bis  25sten 
September  im  Schlamm   einer  Flasche   ihre  Wintergestalt  be- 
hielten und  nachher,    als  ich  sie   emporsteigen  liefs,  sich  wie 
gewöhnlich  entwickelten.**)     Bei   den  im  Gefäfse  aufbewahr- 
ten  Exemplaren,   nahm    ich    auch    im  Sommer   ein   Zuboden- 
sinken   der   einfachen  Blättchen  wahr,    ohne  die  Veranlassung 
dazu  bestimmt  angeben   zu  können.      Vielleicht  rührt   es  von 
dem  in    die  Spalte    eindringenden   Wasser  her.      Wurden  sie 
abgetrocknet  und  vorsichtig  auf  das  Wasser  gelegt,  so  erhiel- 

*)  Die  holländische  Schrift  S.  29  —  32;  der  Tydschrift  310  —  313. 
**)  S.  die  holländische  Schrift  S.  27;  der  Tydschrift  S.  308. 


154 

teil  sie  sich  schwimmend  und  triehcn  in  wenigen  Tagen  ihre 
Knospen;  wurden  sie  dagegen  wieder  gleich  untergestofsen, 
so  sanken  sie  immer  zu  Uoden,  während  die,  mit  trockener 
Oberfläche  treibenden,  nach  dieser  Manipulation,  stets  wieder 
emporstiegen.  Was  die  mikroskopische  Untersuchung  der  her- 
untergesunkenen Blättchen  darbot,  werden  wir  in  der  letzten 
Abtheilung  anführen. 

üie  Vermehrung  geht,  nachdem  die  Knospen  emporge- 
stiegen sind,  ungemein  schnell  vor  sich,  so  wie  überhaupt 
Lemnen  durch  Knospenbildung  und  Theilung  sich  bei  warmer 
Witterung  aufserordentlich  vervielfältigen.  Nehmen  wir  bei 
X.  anhiz>a  an,  dafs  eine  Winterknospe  den  Isten  Juni  em- 
porgestiegen sei,  und  jedesmal  8  Tage  zu  der  völligen  Ent- 
wickelung  einer  jungen  Knospe  nöthig  siiul,  (im  Sommer  fin- 
det sie  unter  günstigen  Umständen  manchmal  in  3  —  4  Tage?i 
statt),  dann  wird  sie  den  20.  October  32786  Pflänzchen  pro- 
ducirt  haben.  Es  hat  mir  bis  jetzt  nicht  gelingen  wollen,  die 
Lebensperiode  in  der  Zahl  der  Spröfslinge  eines  Individuums 
zu  determiniren,  da  die  einzeln  aufbewahrten  Exemplare  nur 
kümmerlich  lebten  und  bald  abstarben.  Ich  mufs  hierbei  be- 
merken, dafs  die  im  Zimmer  beobachteten  Exemplare  oft  ei?i 
verschiedenes  Verfahren  zeigten,  dergestalt,  dafs  manche  bis 
zu  3  und  mehr  Knospen  trieben,  während  andere  schon  nach 
der  Entwickelung  der  ersten  Knospe  verwelkten. 

Wenn  wir  das  Gesagte  hier  kurz  zusammenfassen,  so  geht 
daraus  hervor: 

1)  dafs  bei  den  hier  erwähnten  Lemnaen,  die  Winter- 
knospen wurzellos  sind,  bei  minor  auch  häufig  die  im  Som- 
mer getriebenen  Knospen. 

2)  Dafs  die  Winterknospen  im  Herbste  zu  Boden  sinken, 
im  Schlamm  überwintern  und  im  Frühjahr  wieder  emporsteigen. 

3)  Dafs  bei  polyrrhiza  diese  Winterknospen  aufl"alleml 
von  den  gewöhnlichen,  im  Sonnner  vorkonnnenden,  verschie- 
den sind,  wälu'ond  bei  arrhiza  der  Unterschied  zwischen  den 
Soiimier  und  Winterknospen  zwar  nicht  so  bedeutend,  aber 
inuiier  noch  cluirakteristisch  ist. 

4)  Bei  ni'mor  und  £^ibba,  welche  auch  sehr  häufig  schwim- 
mend idjervvint(!»ji,  findet  in  der  CJ estalt  kaum  ein  Unterschied 
zwischen  beiden  Arten  Knospen  statt. 


155 

5)  Bei  trisulca  sind  diese  Verhältnisse  weniger  zu  beob- 
achten, weil  der  Zusammenhang  der  ßlättchen  gröfser  ist,  und 
nur  die  blühenden  mit  trockener  Oberfläche  auf  dem  Wasser 
schwimmen. 

6)  Die  erwähnten  wurzellosen  Formen  hat  man  häufig 
mit  der  wahren  ar^rhiza  verwechselt,  und  letztere  daher  nicht 
für  eine  selbständige  Pflanze  gehalten,  sondern  für  eine  Ent- 
wickelungsstufe  irgend  einer  anderen. 

Betrachten  wir  aufserdem  die  Vegetationsverhältnisse  der 
L.  arrhiza  näher,  so  dürfte  sich  daraus  für  den  specifischen 
Unterschied  derselben  folgern  lassen: 

1)  Wäre  die  ächte  arrhiza  eine  Entwickelungsstufe  von 
den  andern  Arten,  so  könnten  diese  nicht  so  sehr  häufig  ohne 
jene  vorkommen. 

2)  Dafs  dieselbe,  so  weit  meine  jetzigen  Erfahrungen  rei- 
chen, immer  mit  anderen  Arten  vermischt  gefunden  ist,  beweist 
nichts  gegen  meine  Ansicht,  da  auch  diese  fast  immer  zusam- 
men vermengt  vegetiren. 

3)  Die  zwei  Jahre  lang  auf  meiner  Stube  besonders  auf- 
bewahrten Exemplare  von  polyrrhiza,  minor,  gibha  und  tri- 
sulca erzeugten  Nichts,  welches  mit  der  wahren  L.  atrhiza 
übereinstimmte. 

4.  Letztere  behielt  ihre  eigenthümliche  Form  u.  s.  w.  und 
vrrmehrte  sich  ganz  regelmäfsig. 

5.  Die  Art  der  Vermehrung,  welche  zwar  im  Wesentli- 
chen mit  der  der  anderen  Lemnen  übereinstimmt,  in  ihren  Ty- 
pus aber  einen  bedeutenden  Unterschied  zeigt,  liefert  wohl 
einen  sehr  schlagenden  Beweis. 

III.     Mikroskopische  Untersuchung  der 
L.    arrhiza. 

In  dieser  Abtheilung   werden  wir  die   verschiedenen  Or- 
gane  der  Pflanze    näher    betrachten  und  zwar    zunächst   die 
Epidermis,  sodann  die  Knospen  u.  s.  w. 
1)  Epidermis. 

a)  Von  der  oberen  Blattseite. 

Wie  wir  bereits  oben  sahen,  ist  die  obere  Blattseite  ellip- 
tisch, umgekehrt  eirund,  oder  rundlich,  flacli  oder  in  der  Mitte 
ein  wenig  gewölbt,  bisweilen  an  der,   der  Basis  entgegenge- 


156 

setzten  Seite,  in  eine  Spitze  emporgehoben,  kürzer,  vorzüglich 
aber  schmaler,  als  die  untere.  Ihre  Epidermis  besteht  aus 
4  —  8 eckigen  Zellen  von  ziemlich  ungleicher  Gröfse,  zwischen 
welchen  sich  die  Spaltöffnungen  vorfinden.  Diese  sind  von 
elliptischer  Form,  0,0013  —  0,0015  P.  Z.  lang  und  0,0009  bis 
0,0012  breit  (S.  fig.  5).  Zur  besseren  Vergleichung  habe  ich 
ebenfalls  die  Epidermis  der  oberen  Blattseite  von  polyrrlüz,a, 
g'ibha  und  minor  abgebildet.  Bei  polyrrhiza  sind  die  Zellen 
viel  kleiner,  mehr  länglich,  von  sehr  verschiedener  Form,  mit 
geschlangelten  Wänden,  die  Spaltöffnungen  rundlich  von  0,0006 
bis  0,0008  P.  Z.  Länge  und  0,0005  —  0,0007  Breite  (S.  fig.  6) 
Lejiina  gibha  hat  ebenfalls  längliche  aber  gröfsere  Zellen  mit 
sehr  gekräuselten  Wänden.  Die  Spaltöffnungen  stehen  ihrer 
Form  und  Gröfse  nach  zwischen  denen  von  polyrrhiza  und 
arrhiza,  sie  haben  eine  Länge  von  0,0008  —  0,00011  V.  Z. 
und  eine  Breite  von  0,0007  —  0,0009  (S.  fig.  7.).  L.  minor 
stimmt  in  Hinsicht  der  Epidermiszellen,  sowohl  als  der  Spalt- 
öffnungen ziemlich  mit  gibha  überein,  im  Allgemeinen  möch- 
ten die  Zellenwände  etwas  weniger  gekräuselt  und  ihre  Spalt- 
öffnungen etwas  kleiner  sein,  von  0,0006  —  0,0009  P.  Z.  Länge 
und  0,0004  —  7  Breite  (S.  fig.  8.)  Die  Spaltöffnungen  sind 
bei  allen  erwähnten  Arten  in  den  untergetauchten  Winterknos- 
pen geschlossen,*)  bei  den  mit  trockner  Oberfläche  scli wim- 
menden mehr  geöffnet.  Bei  polyrrhiza  ziehen  sie  sich  beim 
Oeffnen  im  Allgemeinen  mehr  in  die  Länge,  bei  arrhiza  mehr 
in  die  Breite,  man  bemerkt  indefs  am  nändichen  Blatte,  in  die- 
ser Hinsicht  gewaltige  ünteÄSchiede,  wie  die  Extreme  fig»  9.  c, 
/,  11  zeigen. 

b)  Von  der  untern  Blatlseite. 

Die  untere  Blattseite  ist  convex,  wenig  gefärbt,  fast  durch- 
sichtig. Ihre  Länge,  vorzüglich  aber  ihre  Breitenaxe  ist  län- 
ger als  die  der  oberen  und  mit  dichter  an  einander  liegenden 

Wänden  (S,  fig.   10). 


*)  Dies  ist  aiicli  der  Fall  bei  den  oben  erwähnten  im  Sommer 
ohne  deutliche  \'«>ranla.ssung  heruntergesunkenen  einfachen  Blättcheii 
von  L.  arrhixa  und  war  der  einzige  Unterschied,  welchen  ich  in  der 
btiuktur  finden  konnte. 


157 

2.    Aeufsere  Oeffnung  der  Spalte  und  daraus 
hervorragende  Knospe  (S.  fig.  11,  12,  13). 

Ungefähr  in  der  Mitte  der  untern  Blattseite  und  zwar  au 
der  Basis,  findet  sich  ein  kleines  Wärzchen,  eben  aus  einer 
runden  Umfassung  hervorragend ;  wie  wir  oben  sahen  ist  jenes 
die  junge  Knospe,  diese  die  Oeffnung  der  Spalte  worin  sie 
liegt.  Die  Zellen  der  Epidermis  werden  an  dieser  Stelle  all- 
mählig  länglicher  und  schmaler  bis  sie  einen  Ring  von  etwa  3 — 5 
Kreisen  bilden  (S.  fig.  12, 13).  Bei  der  weiteren  Entwickelung 
wird  die  Oefi'nung  im  gleichen  Verhältnifs  mit  der  heraus- 
wachsenden Knospe  allmählig  gröfser,  und  wenn  die  vollkom- 
men entwickelten  Blättchen  sich  trennen,  ist  sie  an  dem  al- 
tern ungleich  gröfser  als  an  dem  jüngeren.  Bei  jenem  bildet 
sie  eine  Vertiefung,  worin  die  junge  Knospe  versteckt  liegt, 
bei  diesem  einen  Ring  welcher  ebenfalls  eine  neue  Knospe  in 
der  oben  beschriebenen  Weise  umfafst.  Diefs  verschiedene 
Verhalten  der  Oefi'nung  g  bietet  ein  sicheres  Mittel  dar,  die 
Mutterblättchen  von  den  Spröfslingen  zu  unterscheiden  (S. 
fig.  12,  13,  14). 
3)  Narbe  des  Stiels  womit  der  Spröfsling  an  dem 
Mutterblättchen  geheftet   war  (S.  fig.  11,  12,  13). 

Etwas  tiefer  als  diese  Oeffnung  der  Spalte  findet  sie  eine 
Stelle,  wo  die  Epidermis-Zellen  der  untern  Blattseite  ebenfalls 
länglicher,  fast  prismatisch  sind  (S.  fig.  11,  12).  Dafs  hier 
früher  der  Stiel  (wovon  unten  die  Rede  sein  wird)  angeheftet 
war,  geht  deutlich  aus  der  Betrachtung  der  eben  künstlich  ge- 
trennten Blätteben  hervor.  Bei  den  Winterknospen  unterschei- 
det sich  diese  JNarbe  durch  eine  schwarze  Farbe,  welche  von 
den  kleinen  zwischen  den  abgelösten  Zellen  angehäuften  Schlamm- 
theilchen  herrührt. 

4)    Vertikaler   Durchschnitt. 

a)  Parenchym. 

Die  mehr  oder  weniger  elliptischen  Zellen  bilden  ein 
ziemlich  lockeres  Gewebe  und  können  also  in  ihren  Zwischen- 
räumen viel  Luft  enthalten,  wodurch  das  Pflänzchen  auf  dem 
Wasserspiegel  schwimmen  bleibt.  Die  Entwickelung  von  Luft 
in  diesen  Intercellulargängen  in  Verbindung  mit  dem  Oeffnen  und 
Schliefsen  der  Spaltöffnungen  ist  wohl  die  nächste  Ursache  des 
Zubodensinkens    und  Wiederemporsteigens.      Die    Zellen    des 


158 

Parenchyms  sind  in  der  Mitte  am  gröfsten,  unter  der  oberen 
Blattseite  am  kleinsten,  die  um  die  Spalte  herum  und  die  an 
der  untern  Blattseite  stehen  in  Hinsicht  der  Gröfse  in  der 
Mitte  zwischen  beiden. 

b)  Spalte  (S.  %.  15,  20,  26,  27,  28,  34,  35). 

Die  Spalte  ist  nach  der  verschiedenen  Entvvickelungsstu- 
fen  sehr  in  Gröfse  verschieden,  wie  bei  der  Vergleichun^  der 
fig.  15  und  20  u.  s.  w.  zu  sehen  ist.  Ihre  Zellen  werden  nach 
der  äufsern  Seite  länglicher  und  schmaler  (S.  fig.  27).  Aus 
der  Betrachtung  der  sehr  jungen  Knospen  (z.B.  fig.  16^,  21c 
und  e,  2b c  und  d  u.  s.  w.)  geht  hervor,  dafs  die  Spalte  von 
aufsen  nach  innen  entsteht,  sie  urafafst  nämlich  die  erwähnten 
Knospen  nur  bis  zur  Hälfte  oder  f ,  die  analoge  dagegen  (fig.  21, 
22,  23  h  u.  s.  w.)  gänzlich. 

c)  Knospenbildung. 

In  der  Spalte  liegen  die  jungen  Knospen  und  zwar  hin- 
ter, aber  zugleich  auch  neben  einander.  Die  eben  emporge- 
stiegenen einfachen  Blättchen  (Winterknospen)  zeigen  deren  zwei 
von  sehr  verschiedener  Gröfse  (S.  fig.  16«^  und  ö^).  welche 
beide  wieder  eine  ganz  kleine  enthalten  (S.  fig.  16 &  und  c). 
So  wie  die  gröfsere  sich  etwas  weiter  entwickelt  hat,  bemerkt 
man  eine  dritte  (S.  fig.  17,  18,  19  a*)  und  bei  völliger  Aus- 
bildung jener  manchmal  eine  vierte,  vorzüglich  an  solchen  Pflänz- 
chen,  wo  die  beiden  Blättchen  beinahe  von  gleicher  Gröfse 
sind  (S.  fig.  22,  24,  25«^),  Der  Spröfsling  hat  in  die- 
sem Falle  nur  zwei',  wovon  oft  allein  das  gröfsere  eine  junge 
Knospe  zeigt  (fig.  21,  22,  23  e)  bisweilen  enthalten  aber  beide 
eine  solche  (S.  fig.  26  e  und  f.).  Die  Betrachtung  der  Abbil- 
dungen, wo  die  analogen  Knospen  und  Blättchen  immer  mit 
den  nämlichen  Buchstaben  bezeichnet  sind,  wird  die  Entwicke- 
lung  und  gegenseitige  Lage  der  Knospen  deutlicher  darthun, 
als  wir  es  hier  beschreiben  können.  Das  Mutterblättchen  ist 
mit  a  bezeichnet,  die  erste  Knospe  (nachher  das  jüngere  Blätt- 
chen) mit  a  *,  die  folgenden  mit  ö  ^,  «  *,  «  ^ ;  die  kleine  Knospe, 
(gleichfalls  die  zweite  Generation)  von  a  ^  mit  &,  die  folgende 
mit  6^;  die  von  a^  mit  c,  von  a*  mit  d;  die  von  h  und  h^ 
(dritte  Generation)  mit  e  und/. 

An  dem  Mutterblättchen  sind  die  Knospen  vermittelst 
eines  Stieles  angeheftet,  welcher  aus  langgestreckten  Zellen  be- 


159 

steht  (S.  fig,  20,  26  u.  s.  w.)  Bei  dor  Trennung  löfst  sich  der 
Spröfsling  vom  Stiele,  welcher  in  der  Spalte  des  Mutterblätt- 
chens  zurückbleibt,  und  an  jenem  die  oben  beschriebene  Narbe 
hinterläfst.  An  vielen  zur  Trennung  reifen  Individuen  war 
schon  die  Stelle  angedeutet,  wo  das  jüngere  sich  ablösen 
würde  (S.  fig.  20  und  21).  Dieser  Stiel  ist  manchmal  so  be- 
schaffen, dafs  man  ihn  für  eine  kleine  rudimentäre  Wurzel 
halten  möchte  (S.  fig.  20*  29,  30  und  31),  wie  ich  selber  bei 
der  Beobachtung  der  abgebildeten  Exemplare  dieser  Meinung 
zugethan  war.  Aufser  der  wirklich  täuschenden  Aehnlichkeit 
in  der  Form,  kommt  noch  dazu,  dafs  grade  an  solchen  Pflänz- 
chen,  wo  die  Knospe  a*  nur  wenig  ausgebildet  ist,  derglei- 
chen sich  zeigen.  Es  wird  nämlich  hierdurch  viel  Raum  in 
der  Spalte  irbrig  gelassen,  und  also  gleichsam  Gelegenheit  zur 
Entwickelung  eines  Würzelchens  gegeben.  Anderseits  läfst 
sich  nicht  läugnen',  dafs  das  abgelöste  Ende  sich  leicht  ia 
eine  Spitze  zusammenziehen  und  so  zur  Verwechselung  ver- 
anlassen kann.  Damit  ich  zur  Gewifsheit  über  diesen  Punkt 
kommen  möchte,  isolirte  ich  mehrere  Winterknospen,  um  sie 
zu  untersuchen,  sobald  das  jüngere  Blättchen  dem  Zeitpunkt 
des  Ablösens  sehr  nahe  sein  sollte;  würde  sich  dann  an  den 
noch  vereinigten  Blättchen  das  erwähnte  Organ  zeigen,  so 
blieb  kein  Zweifel  übrig,  dafs  es  ein  Wurzelchen  sei,  da  sich 
noch  kein  Blättchen  abgelöst  hatte  und  mithin  kein  Stiel  zu- 
rückbleiben konnte.  Von  einigen  dreifsig,  die  ich  untersuchte, 
bot  aber  kein  einziges  das  in  Rede  stehende  Organ  dar, 
hatte  sich  während  der  Manipulation  der  Spröfsling  vom 
Mutterpflänzchen  getrennt,  so  fand  sich  in  diesem  der  Stiel. 
Auch  die  Untersuchung  solcher  Individuen,  welche  ihre  Knospe 
a^  bis  zur  völligen  Entwickelung  gebracht  hatten,  gab  mir 
kein  anderes  Resultat.  Bei  vielen  zeigte  sich  der  Stiel  von  «^, 
bei  anderen  war  er  entweder  schon  verschwunden,  oder  durch 
den  Schnitt  verloren  gegangen;  ja  einige  Exemplare,  wo  ich 
mit  Bestimmtheit  wufste,  dafs  «^  und  a^  sich  vom  Mutter- 
pflänzchen a  schon  getrennt  hatten,  boten  deren  alle  Stiele 
dar  (S.  fig.  32  und  33  p«^  und  pa^).  Mit  einem  Worte  bei 
allen  Pflänzchen,  an  welchen  ich  das  erwähnte  Organ  beob- 
achtete, war  die  Möglichkeit  da,  dafs  es  der  Stiel  des  vorigen 
Spröfslinges  wäre.     Bei   den  mehrsten   Durchschnitten  suchte 


160 

ich  es  vergebens  und  überhaupt  fand  es  sich  nur  an  gepaarten 
Blattchen  von  fast  gleicher  Gröfse.  In  dieser  Ungewifsheit 
scheint  es  mir  sicherer,  das  Organ  für  den  zurückgebliebenen 
Stiel  des  vorhergehenden  Blättchens  zu  halten,  der  nach  der 
Trennung  bald  früher,  bald  später  verschwindet  und  bisweilen 
bei  der  Verwelkung  ein  wurzelähnliches  Ansehen  bekommt. 
5.     Horizontaler  Durchschnitt  (S.  fig.34und35) 

Dieser  ist  bei  weitem  nicht  so  lehrreich  als  der  vertikale, 
weil  bei  der  schrägen  Lage  der  Knospen,  der  [Schnitt  nur 
durch  einen  Theil  derselben  geführt  werden  kann ,  die  eine 
Knospe  daher  vom  Stiele  abgelöst,  die  andere  gar  nicht  be- 
rührt wird.  Die  nähere  Auseinandersetzung,  so  wie  überhaupt 
mehreres,  was  bei  den  Durchschnitten  zu  bemerken  ist,  findet 
sich  in  der  Erklärung  der  Abbildungen. 

6.  Blattnerven   und  Gefäfse. 

Bis  jetzt  habe  ich  keine  Blattnerven  in  der  obern  Blatt- 
seite finden  können,  so  wie  auch  keine  Spiral-  oder  sonstige 
Gefäfse.  Bekanntlich  ist  es  noch  nicht  so  sehr  lange  her, 
dafs  man  den  Lemnen  die  Spiralgefäfse  gänzlich  absprach. 
Herr  Treviranus  entdeckte  sie  in  den  Wurzeln  von  polyr- 
rhiza,*^  nachher  nahmen  viele  Beobachter  sie  wahr,  sowohl 
bei  dieser  Art,  als  bei  minore  gihha  und  trisulca. 

Aus  diesem  dritten  Abschnitte  können  wir  einige  schla- 
gende Beweise  für  den  specifischen  Charakter  der  L.  arrhiza 
ziehen,  insbesondere  würde  hier  aufzuzählen  sein. 

1)  Die  Gestalt  und  Gröfse  der  Spaltöffnungen; 

2)  die  nicht  geschlängelte  oder  gekräuselte  Form  der 
Epidermis -Zellen; 

3)  die  eigenthümliche  Lage  und  Entwicklung  der  Knos- 
pen und 


*)  Aus  Leeuwcnhoeck's  Abbildung  eines  horizontalen  Durch- 
schnitts von  einer  Wurzel  von  polyrrhiza  (Philos.  Tra?is.  1703  voF. 
XXIJI.  f.  S  h  —  r)  in  den  Worten  ^Jti  wh'ch  roots  were  to  he  seen^ 
tJie  vessels  with  their  divisions  thro  the  length  of  tlie  ivhole  root"'  Ibid. 
p.  1305  geht  hervor,  dafs  er  die  vSpiralgefäfse  zwar  gesehen,  aber  nicht  JM 
gehörig  aufgefafst  hat.  Sonst  enthält  seine  Abhandlung  (p.  1304  — " 
1311)  so  wie  die  eines  ungenannten  Land -Edelmannes  (Ibid.  p.  1494 
bis  1501)  viele  trefüiche  Beobachtungen  über  L.  imlyrrhixa,  gihha 
und  minor. 


161 

4)  die  convexe  Gestalt  des  Pflanzcliens. 

In  Bezug  auf  die  convexe  Gestalt  mufs  ich  hier  noch  be- 
merken, dafs  dieselbe  sich  schon  in  der  ersten  Entwickehing 
2eigt;  —  wodurch  L.  arrliiza  sich  wesentlich  von  L.  glhha 
unterscheidet,  bei  welcher  die  untere  Blattseite  Anfangs  ganz 
flach  ist,  und  sich  erst  später  in  einen  aus  Luftbehältern  zu- 
sammengesetzten NYulst  ausbildet. 

Weiterer  Betrachtungen  über  die  eigenthümliche  Gestalt 
des  Pflänzchens  und  Vergleicliungen  desselben  mit  anderen 
Gewächsen  enthalte  ich  mich  hier  um  so  mehr,  als  es  leicht 
möglich  sein  könnte,  dafs,  wenn  die  Pflanze  irgend  einmal  blü- 
hend gefunden  wird ,  sich  ebenso  wie  bei  L.  trisuica  noch 
bedeutende  Modificationen  darthun  möchten. 

Berlin  im  Juli  1839. 

Nachschrift,  den  5tpn  Februar  1840. 

Dr.  Schieiden  in  Jena  theilte  mir  im  October  vorigen 
Jahres  eine  Stelle  aus  Roxburgh  Flora  Indica  III.  p.  565 
mit,  welche  ohne  Zweifel  auf  Lemna  arrhiza  Bezug  hat,  in- 
dem die  Beschreibung  genau  auf  die  Michelische  und  meine 
Beschreibung  pafst.  Zum  bequemeren  Vergleich  nehme  ich 
sie  hier  herüber:  „L.  glohosa  R.  Single,  glohular,  root- 
lefs,  minutey  oiie,  or  cd  most  two  together  singly  aboiit 
tlie  size  of  a  grain  of  sand.  With  L.  oihiculata  (polyr- 
rhiza  L,)  found  in  very  great  abundance  on  hajics  and 
pools  of  stagnant  water  in  Bengal  forming  a  compact 
green  scum  over  the  surface. 


Erklärung  der    Abbildungen. 

1)  Einfache  und  gepaarte  Blättchen  von  Lemna  arrhiza  in 
natürlicher  Gröfse. 

2)  Einige  Exemplare  5mal  vergröfsert. 
a.  kleine  einfache;  .^^\Qi\ 
h.  grofse  einfache;                                           /^^^^^ — 

c.  kleine   gepaarte;  /^"^/^^^'^    ' 

d.  grolse  gepaarte.  /     *j^   -«^j^^ 
.3)  Ein  Pflänzchen  «,  woran   sich  n^  entwickelt  Iia^Devor 

a"^  zur  Trennung  vollkommen  ausgebildet  war. 

VN'iegm.  Archiv.    VI.  Jahrg.    1.  Band.  11 


162 

4)  Gepaartes  Pflanzchcn,  woran  das  Miitterbrattchen  a  mit 
dem  Sprölsling  a^,  bei  der  Entwickelung  ilirer  Knospen  a^  und 
h,  durch  zufallige  Umstände,  vereinigt  blieb.  Die  entgegenge- 
setzte Richtung  in  welche  a^  und  b  sich  ausbilden,  ist  durch 
Pfeilchen  angedeutet. 

(Beide  Figuren  3  und  4  sind  aus  der  Tafel  I  zu  der  holläu- 
dischen  Schrift  entlehnt.) 

5)  Epidermis  der  oberen  Blattselte  von  La.  arrhha  nach 
230  maliger   Vergröfserung. 

6)  Dieselbe  von  L.  polyrrJiizcv\ 

7)  -  -     L.  gibba  l  Ebenfalls  230mal  vergröfsert 

8)  -  -Li.  minor         J 

9)  Einzelne  Spaltöffnungen  mit  ihren  Hautdrüsen, 

a.  von  L.  a.  3S0mal  vergröfsert 

b.  dieselbe  680mal, 

c.  eine  ungemein  weit  geöffnete  6S0mal; 

d.  und  e.  von  L.  g.  jene  380-  diese  680nial  vergröfsert, 
y.  und  g.  desgleichen  von  L.  m.; 

h — n.  von  Li.  p.,  erstere  380-  die  übrigen  680  mal  ver- 
gröfsert. 

10)  Epidermis  der  untern  Blattseite   von  Li.  arrhiza  230  mal. 

11)  Stückchen  Epidermis  einer  Winterknospe,  mit  der  Oeff- 
nung  der  Spalte,  der  darin  liegenden  jungen  Knospe  a^  und 
der  Narbe  n  des  Stiels,  welcher  früher  die  Winterknospe  am 
Mutterblättchen  verband,  150 mal  vergröfsert. 

12)  Dasselbe  eines  zur  Trennung  reifen  Blättchens  «^  mit 
der  jungen  Knospe  b  und  der  Narbe  n  150mal. 

13)  Oeffnung  der  Spalte  des  mit  obigen  Blättchen  a"^  zu 
einem  Exemplare  vereinigten  Blätlchen  «,  bei  80 maliger  Ver- 
gröfserung von  oben  betrachtet.  Die  Knospe  a"^  liegt  etwas  ver- 
tieft in  der  Spalte,  und  zeigt  in  c  ihre  eigene  junge  Knospe; 
n  Narbe. 

14)  Kreise,  welche  die  relative  Gröfse  der  gennaten  Oeffnun- 
gen  vorstellen;  1)  vom  Mutteiblättchen  «,  2)  vom  Sprölsling  a* 

1,5)  Yerticaler  Durchschnitt  einer  noch  untergetauchten  Win- 
terknospe a\  «^  ihre  junge  Knospe  80  mal. 

16)  Letztere  mit  der  folgenden  «^  aus  der  Spalte  heraus- 
genommen und  nach  180maliger  Vergröfserung  dargestellt.  Beide 
zeigen  ihre  jungen  Knospen  b  und  c. 

17)  Verticaler  Durchschnitt  einer  emporgestiegenen  ^Vlnter- 
knospe  80nial.  Dieser  Schnitt  ist  mitten  durch  ein  Scheibchen 
geführt,  welches  ich  erhielt  nachdem  ich  beide  Seiten  der  con- 
vexen  unteren  Blattselte  weggenommen   hatte, 

18)  Die  Knospe  aus  der  Spalte  genonnnen  von  der  enlge- 
gengesetzten  Seite  betrachtet  80mal. 

19)  l'^In  Thell  dieser  Knospe  230mal  vergröfsert. 

20)  Verticaler  Durchschnitt  eines  völlig  ausgebildeten  Pfläuz- 
chens;  p  ist  wahrscheinlich  <lt'r  Stiel  eines  vorigen  Sprölslings, 
die  übrigen  Thclh;  lassen  sich  aus  den  vorhergclK'nden  und  den 
folgenden  Figuren  leicht  erklären. 

20*)  Die   zweite  Knospe  a^,   mit   dem   Stiele   des  ersten  «^ 


163 

und  p,  aus  der  Spalte  praeparirt,  und  mit  ISOinaliger  Vergröfse- 
rung  von  der  entgegengesetzten  Seite  gesehen. 

21)  Verticaler  Durcnschnltt,  welcher  die  Knospe  a^  mehr, 
h  dagegen  weniger  ausgebildet  zeigt. 

22  —  25)  Nachdem  die  beiden  Seiten  des  unteren  convexen 
Theils  von  einem  gepaarten  Exemplare  weggenommen  waren, 
wurde  das  hierdurch  erhaltene  Mittelstückchen  vertikal  durch- 
schnitten. Der  Theil  worin  die  Knospen  vorkommen,  istfig.  22 
von  einer,  fig.  23-  von  der  andern  Seite  nach  SOmallger  Ver- 
gröfserung  dargestellt.  Fig.  24  zeigt  die  aus  der  Spalte  präpa- 
rirte  Knospe  150mal  ver^röfsert;  Fig.  25  dieselbe  von  der  ent- 
gegengesetzten Seite.  Die  Bedeutung  der  Buchstaben  findet 
sich  im   Texte. 

26)  Verticaler  Durchschnitt  um  die  Spalte  zu  zeigen,  wel- 
che fig.  27  besonders  abgebildet  ist,  SOmal. 

28  —  31)  Specielle  Darstellung  des  nur  noch  nicht  klaren 
Theiles  p.  Fig.  20  zeigt  die  gegenseitige  Lage  der  gepaarten 
Blättchen  fig.  29;  Nach  der  Entfernung  des  Spröfslings  «^  tritt 
p  deutlicher  zum  Vorschein.  Fig.  30  stellt  die  nämlichen  Theile 
nach  150mallger  Vergröfserung  vor;  Fig.  31  ein  Stück  von  p 
nach  230maHger. 

32  und  .33)  Zwei  aus  der  Spalte  der  Mutterbl'attchen  pr'apa- 
rlrte  Spröfslinge.  Da  jene  Isolirt  aufbewahrt  wurden,  konnte 
ich  mit  Bestimmtheit  nachweisen,  dafs  das  eine  zwei,  das  andere 
eine  Knospe  zur  völligen  Entwlckelung  vor  den  abgebildeten 
gebracht  hatte.  Es  wird  hierdurch  höchst  wahrscheinlich,  dafs 
pa"^  und  pa^  die  zurückgebliebenen  Stiele  sind.  Auf  diese  Ver- 
muthung  bezieht  sich  die  Benennung  der  gesagten  Theile. 

34)  Horizontaler  Durchschnitt  eines  Theils  von  einem  ge- 
paarten Exemplare. 

35)  Derselbe  von  der  entgegengesetzten  Seite.  Die  Knos- 
pen u.  s.  w.  lassen  sich  aus  den  vorhergehenden  Figuren  leicht 
erkennen. 


11* 


i 


Erklärung  der  eigentliümliclien  Stellung   der  Em- 

brjonen  im  Mistel -Saamen,   wenn  deren  mehrere 

in  einem  und  demselben  Saanien  vorkommen. 

von 

I.     M  e  y  e  n. 

Jjei  einer  grofsen  Menge  von  Mistelfrüchten  {Visciim  alhum^ 
welche  ich  im  Anfange  dieses  Winters  dem  Keimungsprozesse 
aussetzte,  war  ich  so  glülckich  zu  finden,  dafs  die  Saamen  der 
Früchte  einer  Staude  fast  sämmtlich  zwei  Würzelchen  ent- 
wickelten; die  Untersuchung  dieser  Saamen  auf  Längsschnit- 
ten zeigte  gleich  bei  dem  ersten  Anblicke,  dafs  jedes  Wür- 
zelchen einen  besondern  Embryo  angehörte,  und  eine  nähere 
Untersuchung  dünner  Schnitte  unter  dem  einfachen  Mikroskope 
zeigte,  dafs  diese  Embryonen  meistens  mit  den  Enden  ihrer 
Cotyledonen  mehr  oder  weniger  fast  neben  einander  lagen, 
aber  mit  Leichtigkeit  von  einander  zu  trennen  waren,  so  dafs 
also  bei  Viscum,  von  einer  wirklichen  Verwachsung  oder  Ver- 
schmelzung mehrerer  Embryonen  oder  mehrerer  Eychen  zu 
einem  einzigen,  wohl  nicht  die  Rede  sein  kann.  Auflfallen 
mufs  es  aber  sogleich,  dafs  die  Embryonen,  wenn  zwei  oder 
drei  in  einem  und  demselben  Saamen  vorkommen,  in  solcher 
Stellung  zu  einander  stehen,  dafs  sie  einen  spitzen  Winkel 
von  etwa  40  bis  60  Graden  bilden;  nämlich  an  der  Vereini- 
gungsstelle der  Cotyledonen -Enden  zweier  Embryonen  wird 
der  Winkel  dargestellt  und  die  Strünckchen  der  Embryonen, 
welche  bis  zur  Peripherie  des  Eyweifskörpers  verlaufen,  bil- 
den die  ausgespreitzten  Schenkel  des  Winkels.  Ist  ein  ein- 
zelner Embryo  im  Mistelsa^men  vorhanden,  so  liegt  die  Spitze 
der  Radicula  ganz  wie  gewöhnlich  in   dem  Mikropylende  des- 


165 

selben  und  tritt  auch  bei  dem  Keimen  aus  diesem  hervor,  sind 
aber  mehrere  Embryonen  vorhanden,  so  liegen  die  Würzel- 
cheu  nicht  in  der  Achse  des  Saamens  und  kommen  auch  nicht 
an  dem  Mikropylende  desselben  h&rvor,  sondern  seitlich  und 
zwar  in  einer  mehr  oder  weniger  grofsen  Entfernung  von  die- 
sem. Zuweilen  sieht  man  nur  einen  entwickelten  Embryo  im 
Mistelsaaraen  und  auch  dieser  liegt  nicht  genau  in  der  Achse, 
dann  wird  aber  die  nähere  Untersuchung  zeigen,  dafs  auch 
ein  zweiter  Embryo  vorhanden  war  und  dafs  dieser  erst  in 
einer  spätem  Periode  abortirte.  Diese  auffallende  Lage  !der 
Embryonen,  wenn  denen  mehrere  in  einem  Saamen  vorkom- 
men, wie  sie  auch  schon  von  Richard  in  ([qh  Ann.  du  Mus. 
de  Paris  tob.  27.  abgebildet  ist,  läfst  sich  gegenwärtig  ganz 
leicht  nach  den  Beobachtungen  erklären,  welche  ich  an  einem 
andern  Orte  über  die  Entwickelung  des  Eyweilskörpers  in 
den  Saamen  von  Viscum  alhum  mitgetheilt  habe.  Das  Auf- 
treten des  Eyweifskörpers  geschieht  nämlich  hier  wie  bei  an- 
dern Pflanzen  bald  nach  erfolgter  Befruchtung,  indessen  bei 
der  Mistelpflanze  ist  dasseibe  mit  einer  sehr  starken  Erweite- 
rung des  Mikropylendes  des  Embryosackes  begleitet,  so  dafs 
dieser,  der  anfangs  fast  cylindrisch  war,  später  an  jenem  Ende 
wohl  10 — 15mal  so  breit  wird  als  an  dem  entgegengesetzten 
Chalazaende.  Erst  nachdem  dieser  Eyweifskörper  eine  starke 
Ausbildung  erlangt  hat,  beginnt  die  Vergröfserung  des  Em- 
bryo's,  der  genau  in  der  Achse  des  früheren  Embryosackes 
hinabsteigt,  und  den  darin  gebildeten  Eyweifskörper  durch- 
bricht. Da  nun  aber  die  Embryosäcke  vor  und  gleich  nach 
der  Befruchtung  bei  Viscum  ganz  parallel  neben  einander 
stehen,  so  werden  die  Achsen  in  den  obern  Hälften  derselben 
ganz  in  demselben  Verhältnisse  aus  einander  geschoben  wer- 
den müssen,  als  sich  die  oberen  Enden  mehr  als  die  unteren 
Enden  des  Embryosacks  verdicken  und  zugleich  erfolgt  eine, 
meistentheils  sehr  vollständige  Zusammenschmelzung  der  Ey- 
weifskörper der  nebeneinander  liegenden  Embryonen.  Eine 
Trennung  und  Unterscheidung  derselben  durch  die  umschlies- 
sende  Membran  der  Embryosäcke  kann  hier  schon  ohnehin 
nicht  verlangt  werden,  da  sich  dieselbe  bei  der  Bildung  des 
Eyweifskörpers  ganz  in  kleinere  Zellen  umwandelt  und  später 
Spurlos  verschwindet.     Wenn  nun   diese  Verwachsung  mehre- 


166 

rer  nebeneinander  liegenden  Eyweifskörper  schon  mehr  oder 
weniger  vollständig  ausgeführt  ist,  dann  entwickeln  sich  erst 
die  Embryonen  und  durchbrechen  die  Masse  des  Eyweiskör- 
pers,  jedoch  so,  dafs  stets  ein  jeder  Embryo  in  der  Längen- 
achse des  ihm  angehörigen  Eyweifskörpers  herabsteigt,  und  da 
diese  in  einem  mehr  oder  weniger  grofsen  spitzen  Winkel 
auseinander  geschoben  sind,  so  werden  die  Embryonen  ganz 
natürlich  diejenige  Lage  annehmen  müssen,  von  welcher  oben 
die  Rede  war,  sie  werden  nämlich  mit  den  Wurzelenden  aus- 
einanderstehen und  mit  den  Enden  der  Cotyledonen  zusam- 
menstofsen.  Es  giebt  aber  auch  Fälle,  wo  sich  die  Cotyledo- 
nenenden  der  beiden  Embryonen  nicht  unmittelbar  berühren. 
Treten  mehrere  Embryonen  in  einem  und  demselben  Viscum- 
Saamen  auf,  so  sind  dieselben  auch  immer  kleiner,  als  die 
einzeln  stehenden;  sehr  oft  ist  auch  der  eine  von  ihnen  be- 
deutend gröfser  als  der  andere. 


Noch   einige  Mittheilungen    üher   rothen  und 
grünen   Schnee. 

von 

l.    M  e  y  e  n. 

Von  Hrn.  Ch*  Martins,  dem  zweimaligen  Begleiter  der 
französischen  Expedition  nach  Spitzbergen,  haben  wir  interes- 
sante Beobachtungen  über  farbige  Schneearten  erhalten,  welche 
auf  diesen  Gegenstand  ein  ganz  neues  Licht  werfen.  Bei  Ge- 
le"-enheit,  als  Herr  Martins  in  einer  Concours- Schrift:  Du 
Microscope  et  de  son  applicatlon  a  Vetude  des  etres  orga- 
nises  et  en  particulier  ä  ceUe  de  Vutricule  vegetale  et 
des  glohules  du  sang  {Paris  1139.  4:to  pag.  19)  über  die 
Struktur  und  Entwickelung  der  Pflanzenzelle  spricht,  führt  er 
die  verschiedenen  einfachen  Algengattungen  auf,  deren  ein- 
zelne Individuen  aus  einzelnen  Bläschen  bestehen,  und  da  wer- 
den Protococciis    viridis   und    Pr.  nivalis  als  die    einfach- 


167 

sten  Pflänzcheii  bezeichnet  und  die  Beschreibung  eines  grünen 
Sclineefeldes  gegeben,  welches  die  Herren  Martins  und  Bra- 
vais am  25.  Juli  1838  an  der  Küste  von  Spitzbergen  sahen. 
Die  Oberfläche  des  Schneefeldes  war  weifs,  aber  einige 
Centiineter  unterhalb  derselben  schien  der  Schnee  so  gefärbt, 
als  wäre  er  mit  einer  Spinatabkochung  begossen  worden.  Auf 
einem  andern  Wege  fand  Herr  Martins  diese  grüne  Materie, 
ähnlich  einem  Staube,  der  auf  der  Oberfläche  eines  Schnee- 
feldes verschüttet  war,  dessen  gröfserer  Theil  mit  einer  unge- 
heueren Masse  von  Protococcus  nivalis  bedeckt  erschien; 
unterhalb  der  Oberfläche  und  an  den  Rändern  des  Feldes  war 
der  Schnee  ebenfalls  grün  gefärbt.  Die  mikroskopischen  Un- 
tersuchungen wurden  erst  in  Paris  angestellt  und  ergaben, 
dafs  das  Schneewasser  mit  einer  ungeformten  grünen  Materie 
angefüllt  war,  zwischen  welchen  sich  sphärische  Protococcus- 
Zellchen  befanden ;  einige  waren  auch  von  rother  Farbe  und 
viel  gröfser  als  die  grünen  und  noch  andere  waren  etwas  ro- 
senroth  und  standen  in  Hinsicht  ihrer  Gröfse  zwischen  jenen 
beiden  Formen.  Spätere  Untersuchungen  zeigten,  dafs  jener 
Schnee  aus  Kügelchen  zusammengesetzt  war,  welche  in  Gröfse 
und  Färbung  sehr  variirten;  die  einen  schienen  einfach,  grün 
oder  blafsrosenroth  und  waren  0,01 — 0,05  Millimetre  im  Durch- 
messer, andere  die  aber  seltener  erschienen,  waren  blutroth 
und  hatten  0,02,  Millimeter»  Andere  Kügelchpu  schienen  zu- 
sammengesetzt, denn  sie  zeigten  eine  Hülle,  welche  Kügelchen 
im  Innern  einschlofs;  ihr  Durchmesser  betrug  0,05  —  0,055 
Millimeter,  in  der  einen  Kugel  waren  5  rothe  Kügelchen  und 
niemals  sah  Herr  Martins  solche  mit  grünen  Kügelchen  im 
Innern.  Nach  vielen  vergleichenden  Beobachtungen  schlofs 
Herr  Martins,  dafs  die  rotlien  Kügelchen  des  grünen  Schnees 
niit  jenen  des  rothen  Schnees  identisch  wären,  und  dafs  der 
grüne  Schnee  (^Protococcus  viridis)  und  der  rothe  Schnee 
(^Protococcus  nivalis)  ein  und  dieselbe  Pflanze  wäre,  nur  in 
verschiedenen  Zuständen  der  Entwickelung,  es  sei  aber  schwer 
zu  sagen,  welcher  von  diesen  beiden  Zuständen  der  ursprüng- 
liche sei. 

Aufserdem  fanden  sich  in  dem  rothen  Schnee  auch  noch 
rosenkranzartige  Schnüre  von  rother  Farbe,  welche  der  Gat- 
tung Torula  anzugehören  schienen. 


168 

Zu  diesen  Beobachtungen   über  die  Färbung  des  Schnees 
durch  sogenannte   Profococcus- Arten,   können   wir   folgende 
Zusätze  machen.     Es  ist  jetzt  keinem  Zweifel  mehr  unterwor- 
fen, dafs  jene  Protococcus-Arten  wirkliche  Infusorien  sind,*) 
und   zwar  sind   Protococcus  viridis    und  Pr.  nivalis   nichts 
weiter,  als  Enchelis  sanguinea  und  Euch.  Pulvisculus  (Eu- 
glena  sanguinea  und  Engl,  viridis  Ehren}).) ;   das  Vorkom- 
des    rothen   Pünktchens   in   der  Nähe   der   Basis    des   Rüssels, 
welches  man   für   das   Auge   hält,    machen   es  bei  den  gegen- 
wärtio-en    Vergröfserungen    möglich   mit   Bestiuimtheit   darüber 
zu  entscheiden.    Die  langgestreckten  und  sich  schnellbewegen- 
den Encheliden  hat  man  zwar  auch  früher  nicht  für  die  Pro- 
/oco6'C//^- Arten  angesehen;  aber  die  ohigen  Encheliden  zeigen 
zuweilen  einen  vollkommen   bewegungslosen  Zustand,  in  wel- 
chem  sie   kugelrund   erscheinen,   und   in   diesem   sind   sie   als 
Pj'Oto CO ccus- Arten  beschrieben.     In  jenem  ruhenden  Zustande 
hat  auch  schon  Müller  und  Herr  Ehrenberg  die  Encheli- 
den beobachtet.  Ersterer  hielt  sie  in  diesem  Zustande  für  todt 
und  Letzterer  sagt  von  Enchelis  Pulvisculus,'^^)  dafs  sie  oft 
plötzlich  birnförmig    und   allmälig   kugelförmig   werden,   ohne 
sich  je  wieder  zu  entfalten  und  dieses  scheine  Folge  von  Un- 
behaglichkeit  bei  chemischer  Veränderung  des  Wassers  zu  sein^ 
welche   sie   tödtet.       Diese   Erklärung   jener    Erscheinung   ist 
aber  offenbar  unrichtig,  auch  sind  die  Thierchen  in  dem  kugel- 
förmig contrahirten  Zustande  gar  nicht  todt,   sondern   sie   be- 
finden  sich   in   einem   Zustande   der  Fortpflanzung;   sie   wer- 
den allmählig  gröfser,  ja  ihr  Volum  schwillt  mitunter  bis  auf 
das  Vierfache  ihrer  früheren  Gröfse  an.     In  solchen  vergrös- 
serten  Individuen  bilden  sich  mehrere  kleinere,  und  es  ist  gar 


*)  Agardh's  Gattung  Protococcus  bestand  aber  nicht  nur  aus 
Encheliden,  zu  Pr  viridis  wurde  auch  das  kleine  grüne  Pflänzchen 
gebracht,  welches  zwischen  der  sogenannten  Oscillatoria  muralis  in 
unendlich  grofser  Anzahl  auftritt  und  die  Rinden  der  Bäume  mit  ei- 
nem grünen  Ueberzuge  bekleidet.  Dieses  Pflänzchen  ist  es,  welches 
ich  an  einem  andern  Orte  {Linnaea  von  1827  />«<,'-.  403  Tab.  VII  /ig: 
A.  1  —  4.)  als  Protococcus  viridis  beschrieben  und  abgebildet  habe; 
man  hat  es  oft  für  Brutzellen  der  Flechten  gehalten  und  Turpin 
belegte  es  im  .Tahro  1828  mit  dem  Namen  lleterocarpella  qtiadrijuga. 
**)  Die  Infu^iionsthiercheu  u.  s.  w.  pag.  110, 


169 

Dicht  selten,  3,  4,  5,  6  und  noch  mehr  derselben  darin  zu 
sehen;  bei  Enchelis  Pulvisculus  sind  diese  jungen  Kugeln 
schön  grün  gefärbt  und  die  einscldiefsende  Hülle  besteht  aus 
einer  zarten  und  ungefärbten  Haut,  welche  später  verschwin- 
det. Sehr  oft  sieht  man  schon  an  diesen  jungen  Kugeln  das 
rothe  Pünktchen  und  dieses  giebt  dann  immer  ein  gutes  Zei- 
chen um  diese  Gebilde  von  einigen  kleinen  Nostochineen  zu 
unterscheiden.  Herr  Martins  sah  nun  zwar  niemals  an  den 
grünen  Kugeln  des  gefärbten  Schnees  kleinere  Kugeln  auftre- 
ten, aber  er  kam  doch  zu  dem  Resultate,  dafs  der  grüne  und 
der  rothe  Schnee  durch  ein  und  dieselbe  Pflanze  (wofür  er 
die  Bläschen  hielt)  in  verschiedenen  Zuständen  der  Entwicke- 
lung  gebildet  werde. 

Diese  kugelförmigen  ruhenden  Thierchen  sind  es,  welche 
oft  in  undaublicher  Anzahl  auftreten  und  in  einen  Schleim 
gehüllt  mehr  oder  weniger  dicke  Häute  bilden,  womit  nicht 
selten  der  ganze  Boden  flacher  stehender  Gewässer,  besonders 
der  Gräben  u.  s.  w.  bedeckt  ist.  Solche  grüne  Häute  halten 
sich  zuweilen  sowohl  in  der  freien  Natur,  als  im  Zimmer  meh- 
rere Monate  hindurch,  und  nur  dann  und  wann  gehen  einzelne 
der  j];rünen  Kugeln  wieder  in  den,  sich  frei  bewegenden  Zu- 
stand über;  sie  strecken  sich,  zeigen  den  Rüssel  u.  s.  w.  Im 
Verhältnisse  zu  der  unendlich  grofsen  Anzahl  von  einzelnen, 
alten  und  jungen  Individuen,  gehen  aus  diesen,  sich  ganz 
pflanzlich  verhaltenden  Massen  nur  wenige  sich  frei  bewegende 
Thierchen  hervor.  Schon  Herr  Agardh  hat  im  Jahre  1823 
an  dem  rothen  Schnee  gesehen,  dafs  die  Kügelchen,  welche 
man  für  Pflanzen  hielt,  zuweilen  wieder  in  Thierchen  über- 
gingen; und  das  Verhalten  der  Encheliden  im  beweglichen 
und  im  ruhenden  Zustande  ist  überhaupt  die  Ursache,  dafs 
so  viele  Naturforscher  von  einer  Umwandlung  der  kleinen 
Infusorien  in  Pflänzchen  gelehrt  haben.  Man  müfste  diese  ku- 
gelrunden, ruhenden  Encheliden  auch  wahrlich  für  Pflanzen 
ansehen,  wenn  sich  nicht  dann  und  wann  einzelne  derselben 
zu  bewegen  anfingen  und  man  nicht  ihren  Ursprung  beobach- 
tet hat.  Wenn  sich  die  Thierchen  zusammenziehen,  so  wird 
der  Rüssel  seitlich  gelegt,  aber  nur  in  der  ersten  Zeit  ist  er 
noch  zu  bemerken.  Uebrigens  liegt  in  diesem  ruhenden  Zu- 
stande  der  Encheliden   und   der  seltenen  Vermehrunsr  dersel- 


170 

ben  auf  diese  Weise  noch  etwas  sehr  Geheimnifsvolles,    was 
wohl   durch  vervielfältigte  Beobachtungen   zu  lösen  sein  wird. 

Es  fragt  sich  nur  noch,  ob  Enchdis  Pulvisculus  und  En- 
chelis  sanguinca,  welche  den  Schnee  bald  grün,  bald  roth 
färben,  ein  und  dasselbe  Infusorium  sind.  Herr  Ehren- 
berg hat  zwar  beide  durch  Beschreibung  wie  durch  Abbil- 
dungen als  verschiedene  Species  characterisirt,  bei  den  rothen 
Thieren  sah  er  auch  viele  körnige  Kugeln  im  Innern  auftre- 
ten, aus  deren  Abbildung  aber  hervorgeht,  dafs  sie  mit  den 
von  mir  bei  dem  grünen  Thiere  beobachteten  jungen  Kugeln 
einerlei  sind.  Herr  Ehrenberg  selbst  hält  sie  irrthiiudich 
für  mit  farbigen,  erst  grünen,  dann  rothwerdenden  Eyern 
dicht  umhüllte  Magenzellen.  Zwar  sah  derselbe,  dafs  die  rothen 
Thiere  gröfser  waren,  als  die  grünen,  aber  schon  Herr  Mar- 
tins sah  die  rothen  Bläschen  des  gefärbten  Schnee's  von  sehr 
verschiedener  Gröfse  und  ich  selbst  habe  sehr  oft  einzelne 
Individuen  von  Eiichelis  Pulvisculus  gefunden,  welche  sehr 
bedeutend  gröfser  waren,  als  die  gewöhnlichen  und  eben  so 
grofs  als  die  rothen  Thierchen  zuweilen  sind,  weshalb  wohl 
die  Gröfse  kein  Unterschiedsmerkmal  sein  kann.  Herr  Ehren- 
berg selbst  erzählt  von  den  rothen  Encheliden,  dafs  manche 
noch  ganz  grün  sind,  während  andere  lialbroth  und  halbgrün 
oder  gefleckt  erscheinen,  und  dieses  möchte  mit  der  beste 
Beweis  sein,  dafs  diese  so  verschieden  gefärbten  Infusorien 
einer  und  derselben  Species  angehören.  Ich  selbst  konnte 
das  rothe  Thier  von  dem  grünen  nicht  unterscheiden,  wenn 
Individuen  von  gleicher  Gröfse  mit  einander  verglichen  wur- 
den. Wir  haben  nun  zwar  noch  keine  Erklärung,  dafs  die 
rothe  Farbe  in  eine  grüne  oder  umgekehrt  die  grüne  in  eine 
rothe  übergehen  kann,  aber  wir  wissen  doch,  dafs  dieses  bei 
den  Algen  gar  nicht  so  selten  erfolgt,  ohne  dafs  dadurch  die 
Species  verändert  wird;  freilich  hat  es  auch  bei  den  Algen  i 
nicht  an  Botanikern  gefehlt,  welche  ein  und  dieselbe  Conferve 
im  rothen  wie  im  grünen  Zustande  als  verschiedene  Arten 
beschrieben  haben. 

Auch   Herr  Turpin*)  hat    in    einer    neuen   Abhandlung 

*)  Quelques  observations  nouvelles  sur  Ics  Protococcus,  qui  00- 
lorent  en  rouge  les  eaux  des  marais  salants.  —  Comptes  rendus  de 
18.  Nov.  p.  ^2ö. 


171 

die  grüne  und  rothe  Färbung  des  Wassers,  des  Schnees,  der 
Erde,  der  Hölzer,  der  Marmorstatuen  u.  s.  w.  von  grünen 
yiid  rothen  Protococcus -Bläschen  abgeleitet,  welche  nach  ihm 
noch  immer  wahre  Pflanzen  sind,  aber  er  hat  sie  offenbar 
nur  in  dem  ruhenden  Zustande  beobachtet. 


lieber 
eine   neue  Art  dei'  Gattung  Deüephüa, 

Von 
M.  A.  Mutz  eil. 


(Hiezu  Taf.  VIII.  Fig.  1.) 

Die  Erfahrung  hat  gelehrt,  dafs  so  eifrig  und  aufmerksam 
auch  die  Entomologie  in  den  verschiedepen  Gebieten  betrie- 
ben wird,  dennoch  alljährlich  neue  Arten  aufgefunden  werden. 
Seltener  kam  dies  bei  gröfseren  Schmetterlingen  vor  und  am 
seltensten  in  der  nächsten  Umgebung  der  Hauptstädte  des 
nördlichen  Europas.  Um  so  auffallender  mufs  es  erscheinen, 
dafs  in  der  nächsten  Umgegend  von  Berlin  eine  neue  Art 
aus  dem  Genus  Deilephila  —  welches  nur  grofse  und  auf- 
fallende Schmetterlinge  enthält  —  aufgefunden  worden  ist;  in 
der  Umgegend  einer  Stadt,  deren  Mauern  so  viele  Entomolo- 
gen und  Sammler  einschliefsen,  bei  einer  Stadt,  wo  jedes 
Fleckchen  Grün,  —  welches  wie  eine  Steppe  inmitten  des 
vielen  Sandes  zu  liegen  scheint  —  von  so  vielen  Sammlern 
den  Sommer  über  besucht  und  durchforscht  wird! 

Zu  Ende  des  Augusts  wurden  im  Jahre  1838  auf  der 
EiipJiorhia  Cyparissias  drei  Raupen  gefunden,  an  denen  es 
auffiel,  dafs  sie  diese  Pflanzen  frafsen,  da  sie  doch  das  ganze 
Ansehen  von  denen  des  D.  Galii  zu  haben  schienen ,  die 
sonst  keine  andere  Nahrungspflanze,  als  das  Galium  t^eruni 
haben.     Man  hatte    weder  Beschreibung,    noch  Abbildung  ge- 


172 

macht,  noch  eine  der  Ranpen  ausgehlasen,  als  sie  sich  ver- 
puppten, und  im  Juni  dieses  Jahres  zog  man  aus  zweien  der- 
selben männliche  Schmetterlinge*),  die  man  mir  zeigte  und 
die  ich  auf  den  ersten  Blick  weder  für  1).  Galii  noch  für 
D.  EupJiorhiae  erklärte,  sondern  für  eine  neue  Art,  oder 
für  Bastarde  aus  der  Begattnng  beider  genannten  Arten  hielt. 
Weil  nun  aber  Bastarde  durch  Fortpflanzung  sich  nicht  wieder 
zu  erzeugen  pflegen,  dieselben  Raupen  aber  im  jüngst  ver- 
flossenen September,  zum  Theil  von  mir  selbst,  in  grofser 
Anzahl  wieder  aufgefunden  wurden,  so  hielt  ich  es  nicht  für 
zu  gewagt  dieselben,  wegen  dieses  Wiedererscheinens,  bei 
charakteristisch  hervortretenden  Unterscheidungsmerkmalen  für 
Raupen  einer  neuen  Art  zu  erklären,  welche  ich  mit  dem 
Namen  Phileuphorhia  belegte.  Da  diese  zwischen  beiden 
oben  genannten  Arten  in  der  Mitte  steht,  die  Beschreibung 
aber  vergleichend  am  bestimmtesten  und  kürzesten  wird,  darf 
ich  die  Bekanntschaft  jener  wohl  allgemein  voraussetzen. 

Beschreibung. 

„Die  Raupe**)  ist  in  der  vorletzten  Häutung  hell- 
grün mit  einem  schwach  hervortretenden  gelben  Flecken  auf 
jedem  Ringe  zu  beiden  Seiten  des  dunkleren  Rückenstreifs. 
Das  Ilorn  ist  hellroth,  an  der  Spitze  schwarz.  In  der  letzten 
Häutung  ist  ihre  Grundfarbe  hell  olivengrün,  nach  dem  Bauch 
zu  fleischfarbig  oder  röthlich;  zu  beiden  Seiten  eines  feinen 
gelbgrünen  Rückenstreifs  und  ziemlich  nahe  demselben  stehen 
zehn  —  auf  den  ersteren  Gliedern  ganz  kleine,  auf  den  hin- 
teren gröfsere  —  gelbe,  in  der  Mitte  gröfstenthentheils  mit 
einem  ziegelrothen  Wisch  versehenen  Flecken  auf  schwarzem 
Grunde;  auf  jedem  Ringe  steht  nach  dem  Bauche  zu  ein 
schwärzlicher  Fleck ;  in  den  Seiten,  bis  zu  den  gelben  Flecken 
und  zwischen  denselben  ist  sie  mit  feinen  rothgelben  Punkten 
besetzt,    die   zuweilen   sehr   sparsam   vorhanden  und  dann  ge- 

*)  Den  einen  davon  besitzt  dasKönigl.  Museum,  der  andere  steckt 
in  mehior  Sammhnig. 

**)  Dieselbe  Raupe  hat  Füssli  in  seinem  N.  IMagazin  im  2ten 
Bande,  St.  1.,  Seite  70.  und  Ochsenheinier  im  2ten  Bande,  Seite 
220.  seiner  NVerke  beschrieben.  Die  erwähnte  Raupe  starb  aber  vor 
der  Verwandlung, 


173 

wöhnlfch  heller  sind;  Kopf  und  Hörn  sind  roth;  ersterer  um 
das  Maul  schwarz  und  hinter  demselben  steht  ein  rothes 
Nackenschild;  Brust-,  Bauch-  und  Afterfüfse  sind  schwarz  mit 
rothen  Flecken.  Die  Länge  der  Gröfsten  betrug  nahe  an 
drei  Zoll.'' 

„Die  Puppe,  deren  Flügelscheiden  dunkler  sind,  als  der 
übrige  Körper  ist  kaffeebraun  mit  schwärzlichen  Strichen  und 
Punkten.  Alle,  die  ich  sah,  errreichten  nur  die  Gröfse  einer 
mittelmäfsigen  D.  Eiiphorhiae. 

„Des  Schmetterlings  Oberseite  ist  ähnlich  der  der 
D.  Euphorhiae ,  die  Grundfarbe  der  Vorderflügel  aber  mehr 
graugrün;  zwischen  dem  Flecken  an  der  Wurzel  und  dem  in 
der  Mitte  am  Vorderrande  steht  noch  ein  kleiner  dritter,  so 
dafs  sich  eine  deutliche  Binde  in  der  Mitte  des  Flügels  her- 
ausstellt, welche  blafsgelb,  unten  und  an  der  Spitze  grüngrau 
von  Farbe  ist;  der  Thorax  ist  vor  den  weifsen  Härchen  schwarz 
begrenzt;  die  Fühhler  sind  grüngrau,  an  der  Spitze  weifslich. 
Die  Rückseite  ist  ähnlicher  der  der  D*  Galii,  alle  Begren- 
zungen aber  sind  unbestimmter,  alle  Farbentöne  heller  und 
mit  einer  schmutzigen  Fleischfarbe  gemischt  und  die  gelbliche 
Binde  im  Vorderflügel  ist  weniger  durchscheinend." 

D.  Phileuphorhia  unterscheidet  sich  auf  den  ersten  Blick 
von  Galii  auf  der  Oberseite  durch  den  Mangel  der  weifsen 
Punkte  längs  der  Mitte  des  Hinterleibes,  und  von  Euphorhiae 
durch  die  graugrünen  Fühler,  die  bei  der  letzteren  immer 
weifs  sind. 

Diagnosen. 

Dell.  Galii.  Alis  anticis  vlrescentibus  vitta  alblda;  posticis 
nigris,  fascia  pallida,  rubromaculata;  thorace  nigrofinito  ciliis 
albis;  antennis  fuscis  apice  albis,  corpore  aibipunctato;  parte 
aversa  virescente. 

Larva  caudata  virescens  nitida,  punctls  utrlnque  decem  ocel- 
larlbus,  ano  sanguineo. 

Piipa  brunnea. 

Deil.  Euphorhiae.  Alis  anticis  vlrescentibus,  vitta  lata,  llvida 
maculaque  disci  virescente:  poslicls  fascia  marglneque  exteriore 
rubris ;  thorace  fusco  ciliis  albis,  antennis  niveis:  parte  aversa 
rubra  vel  rubescente. 

Larva  caudata,  nigra,  llavopunctata,  linea  dorsali  sanguinea, 
laterali  punctisque  flavicantibus. 

Pupa  brunnea. 


174 


Deih  PJuleupJiorhia»  Alis  anticis  virescentibus,  vitta  palllda 
pellucente:  posticis  nigrfs  fascia  rubella,  rnhromaculata;  tnorace 
nigro  terminato  clllls  albls;  antennis  viridl-fuscis  apice  albis: 
parte  aversa  pene  subrubricunda. 

Larva  caudata  virescens  punctis  pallldls  utrinque  decem  ocel- 
laribiis  capite  cornuque  rubro,  llnea  dorsal!  lutea» 

Pupa  brunnea  sligmatibus  nigris  et  fuscis. 


Diagnosen  der  neuen  3Iäuse5 

welche  auf  Darwin's  Reise  entdeckt  wurden. 

Von         . 
G.   R.    Waterhouse. 


]\Ius  iumidus.  M.  brunneus,  iilgro  lavatus,  rostro  ad  apicem, 
lablis,  niento,  gula,  pectore,  abdomlneque  albis,  naso  supra  ni- 
grescente;  myslacibiis  atris;  capite  magno;  auribus  medlocribus 
rotundatis,  pllls  nigris  et  griseis  interniixtis,  vestilis;  corpore 
crasso;  cauda  capite  corporeque  breviore,  pilis  nigricantibus, 
subtiis  albescentibiis  prope  basin,  vestita ;  artubus  pedibusqne 
grisescentibus;  vellere  longo,  molli;  pills  dorsi  ochraceo  annu- 
lalis  apicibus  nigris;  pllls  latcrum  apicibus  fuscescentl-griseis; 
pilis  Omnibus  ad  basin  plumbeis;  unguibus  longis. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostrl  ad  caudae  basin  »  .       6    9 
caudae 5     4 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0     9 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       18 

tarsi  digltorumque 1     6 

auris  .  .  , »...»....      0    7 

Hab.  Maldonado. 

Mus  nasutus.  M.  supra  obscure  flavescenti-fuscus,  ad  latera 
fulvescens;  subtus  obscure  fulvo  tinctus:  pedibus  pilis  obscure 
fuscis  tectis;  unguibus  longis;  auribus  medlocribus;  cauda  cor- 
pore breviore,  supra  fusca,  subtus  sordide  alba:  rhinario  pro- 
ducto:  vellere  longo  et  molli. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin       5     2 
caudae 2    8 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0     7^ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       13 

tarsi  digltorumque 1     0^ 

auris 0     5 

Hab.  Maldonado. 


175 

Mus  obscnrus,    M.  siipra  fusco-nigrescens,  subtiis  flavescens; 

Eedibus  obscure  fuscis;  iinguibus  longliisculis;  auribiis  medlocri- 
iis;    caiida  corpore  breviore,   siipra  nigrescente,  subtus  sordide 
alba:  vellere  mediocrl,  molli. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  api'ce  rostri  usqiie  ad  caiidae  basln      5    3 
caudae 2     7 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0     6 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       1     2.|- 

tarsi  digitorumque 0  lly 

auris 0     4 

Hab.  Maldonado. 

JMus  longipUis.  M.  supra  obscure  griseus,  flavo  lavatus; 
subtus  griseus;  pedibus  fuscis,  iinguibus  longlusculis,  auribus 
mediocribus;  cauda  corpore  breviore,  supra  nigrescente,  subtus 
fuscescente;  rhinarlo  sub-producto:  vellere  longissimo,  molli. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin      5     4 
caudae 3     1 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0     6y 

-  -       ab  apice  rostri  ad  basin  auris   ...       12 

tarsi  digitorumque 1     0^ 

auris 0     6^ 

Hab.  Coquimbo. 

Blus  oliunceus.  M.  corpore  supra  subollvaceo,  subtus  cine- 
rascente;  auribus  mediocribus,  rotundatis,  pilis  parvulis  fusces- 
centibus  obsitis;  cauda  corpore  breviore,  pilosa,  at  squamas 
ostendente,  supra  fusca  subtus  albescente;  pedibus  pilis  fusces- 
centlbus  tectis. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  adcaudaebasin       5     1 
caudae 2     8 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0     6 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       12 

tarsi  digitorumque 0  11 

auris 0     5 

Latitudo  auris 0     5^ 

Hujus  speciel  pili  corporis  omnes  longl  sunt,  laxi ,  molles- 
que,  plumbeo  colore,  sed  In  dorso  ad  apicem  ilavescente;  ab- 
domlne,  albescentes;  pIII  longiores  dorsales  apicem  versus  ni- 
gricantes,  cinerascentes  desinunnt:  mystaces  pilos  tenues  osten- 
dunt  cinereo  colore,  sed  ad  basin  nigrescentes. 
Hab.  Valparaiso. 

31us  jnicropus.  M.  supra  cinerascenti-fuscus  flavo  lavatus; 
subtus  obscure  flavo  tinctus,  pedibus  pilis  sordide  albis  tectis, 
antipedibus  parvulis;  auribus  mediocribus;  cauda,  qnoad  longl- 
tudinem,  corpus  fere  aequante,  supra  fusca,  subtus  sordide  alba. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin       6     0 
caudae 3     8 

-  -       ab  apice  rostri  ad  marginem  ocnli      0    7^ 


176 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apicc  rostri  ad  basin  aiiris  ...       14 

larsl  (llgltoramque 1     OJ 

auris 0     6 

Hab.  Santa  Cruz. 

Mus  hrachyolis.  M.  siipra  obscure  fusciis,  subtiis  obsciire 
griseo  llnctiis;  pedibus  griseo-fuscis;  auribus  parviilis;  cauda, 
quoad  longitudineni,  corpus  fere  aequanle:  vellere  longo  et  molli. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  iisque  ad  caudae basin      4    9 

caudae 2     8 

ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0     6^ 
_       -        ab  apice  rostri  ad  basia  auris  ...       12 

tarsi  digitorumque 0  11 

auris 0     3 

Hab.  in  insula  parvula  apud  Midship  Bay,  Chonos  Archipelago, 
Mus  ccaniliorhinus.  M.  supra  griseus,  subtus  albus,  rblnario 
flavo;  auribus  parvulis,  intus  pilis  flavis  obsitis;  myslaclbus  lon- 
gis,  canis,  ad  basin  nigrescentibus:  cauda  corpore  breviore, 
supra  fusca,  ad  latera  flavescente,  subtus  sordide  alba:  pedibus 
anticis  tarsisque  flavis,  digltis  albis:  vellere  longo,  molli. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  ad  caudae  basin  .  .       4     0 
caudae 2     0 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0     b\ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       1     OJ 

tarsi  digitorumque 0     9 

auris 0     3| 

Statura  mure  musculo  paulo  major. 
Hab.  Santa  Cruz. 

Mus  cnnescens,  M.  supra  canescens,  subtus  albus  palllde 
flavo  lavatus;  oculis  flavido  cinctis;  auribus  parvulis,  pilis  palllde 
flavis  et  plumbeis  obsitis;  mystacibus  medlocribus,  canis,  ad  basiii 
nigricantibus;  cauda  vix  corpore  breviore,  supra  fusco-nigra, 
5ublus  sordide  alba;  pedibus  canescentibus;  vellere  medlocri, 
molli,  supra  pilis  palllde  et  sordide  flavis,  nonnullis  cinerascen- 

tibus  intermixtis. 

unc.  lin. 

Longitudo  ab  apice  rostri  ad  caudae  basin  .  .  3    4 

caudae •  2  10 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi  0     5^ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...  0  llj 

tarsi  digitorumque 0     9 

auris 0     34 

Slnlura  muri  musculo  appropinquat. 
Hab.  Porl.  J)eslre. 

Mus  aremcola.  M.  supra  fuscus,  subtus  clnerascentl-albus, 
palllde  llavo  iluctus;  auribus  medlocribus  rolundatls,  [)llls  ilavis, 
fuscisque  obsitis:  cauda  quod  ad  longitudineni  pertlnet  corpus 
arquantr,  pilis  subveslila,  squamisque  apparenlibus,  supra  fusca, 
iiifia  albcscentcj  pedibus  obscure   albis.     Vellere  longo,  molli; 


177 

pllis  ad  bases  plumbeis,  illis  capitis,  dorsi,  laterumquc  apicem 
versus  sordide  flavo  et  fusco-nigrescente  variegatls;  mento,  gula, 
pectore,  abdomiiieque,  pilis  ad  apicem  flavo-albidis;  mystacibus 
plenis,  brevibus  tenerrimis  ad  basin  fuscescentibus,  ad  apicem 
grisescenti-albis. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin      4    3 
caudae 2    9 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0    5^ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       10 

tarsi  digitorumque 0  10 

auris 0    4^ 

Hab.  Maldonado. 

Mus  bimaculaius.  M.  vellere  pallide  ochraceo,  pilis  nigri- 
cantibus  adsperso,  bis  ad  latcra  rarioribus;  rostri  lateribus,  nota 
magna  pone  aurem  iitramque,  corporeque  subtus  niveis:  mysta- 
cibus albis,  ad  basin  nigrescentibus;  auribus  majusculis,  pib's  fla- 
vis  atque  albis  intermixtis  obsitis:  cauda ,  quoad  longitudineni, 
corpus  fere  aequante,  carnea,  pilis  albis  brevissimis  obsita;  artu- 
bus  albis;  pedibus  pilis  albis  sparsim  tectis;  tarsis  ad  calcem  pi- 
lis argenteo-candidis  obsitis. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin      .3    1 
caudae 1     11 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0    4^ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       0     84 

tarsi  digitorumque 0     8 

auris 0    42" 

Haec  species  mure  musculo  minor;   auribus  paululum  gran- 
dioribus  ratione  ad  totam  magnitudinem  habita;  pili  gulae,  pec- 
toris abdominisque  albi  sunt  usque  ad  radices. 
Hab.  Maldonado. 

Mus  eJegans.  M.  supra  flavus,  vellere  pilis  fuscescentibus 
adsperso,  bis  ad  latera  et  prope  oculos,  rarioribus:  pilis  pone 
aurem  utramque,  lablis,  corpore  subtus,  pedibusque  niveis:  auri- 
bus magnis,  intus  pilis  flavis,  externe,  ad  partem  anteriorem  fus- 
cis  obsitis:  mystacibus  nigrescentibus,  ad  apicem  albescentibus; 
cauda  capite  corporeque  paulo  longiore,  pilis  albis,  supra  fu- 
scescentibus, obsita :  tarsis  longis,  ad  calcem  pilis  albis  tectis. 

unc.  lin, 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin       .3     7 
caudae 3    9 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0     6 
'         -       -       ab  apice  rostri  ad  basin  auris   ...       10 

tarsi  digitorumque 0  10 

auris 0     6 

Haec  species  statura  muri  musculo  appropinquat.    Yellus  in 
gula  usque  ad  radicem  album,  in  abdomine  pallide  cinereum  ad 
basin. 
Hab.  Babia  Bianca. 

Mus  graciUpes.     M.  supra  fuscus  flavo -lavatus;   hoc  colore 

Wicgm.  Archiv.    VI.  Jahrg.    1.  Band.  12    . 


178 

apiid  latcra  et  in  artubiis  lactlore;  pilis  pone  aurcm  utramque, 
labiis,  corporeqiie  subtus,  albls:  pedibus  parvulis,  graclllbus,  car- 
neis  supra  et  ad  calcem  pills  albis  tectis:  cauda  gracili,  carnea, 
pilis  albis  instructa:  auribus  majusculis,  pilis  flavescentibus  obsi- 
tis:  vellere  mediocn  et  molll,  pilis  omnibus  ad  basin  plumbeis: 
mystacibus  nigrescentibus  ad  apicem  albescentibus;  nonnullis 
omnino  albis. 

unc.  lin. 
Longitudp  ab  apice  rostri  usque  adcaiidaebasin       2  10 
caudae 1     7 

-  -       ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi      0     4^ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       08^ 

tarsi  digitorumque 0     67 

auris 0     4^ 

Hab.  Bahia  Bianca. 

IMus  ßavescens.  M.  supra  colore  cinnamomeo,  lateribus  ca- 
pitis, corporisque,  aeque  ac  pectore,  auratis ;  gula  abdomineque 
Ilavescenti- albis:  pedibus  albis:  auribus  mediocribus  rotundatls, 
pilis  flavis  obsitis;  illis  ad  marginem  superiorem  extrinsecus  in- 
intense  fuscis;  cauda  corpore  capiteque  longiore,  gracili,  supra 
fusca,  subtus  sordide  alba. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  ad  caudae  basin  .  .      3    9 
caudae 4    1^ 

-  -       ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi      0    5^ 

-  -       ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...      10 

tarsl  digitorumque 1     OV 

auris  .  .  , 0    4^ 

Hab.  Maldonado. 

IMus  hrevirosiris.  M.  supra  fuscus  fulvo  lavatus;  ad  later; 
flavescens,  subtus  sordide  ocbraceus;  auribus  magnis,  pilis  indi 
stincte  obsitis,  illis  internis  auratis;  cauda  capilcm  corpusqui 
fere  aequante,  pilis  parce  tecta;  supra  obscure  fusca,  subtus  pal 
lide  fusca;  pedibus  fuscescentibus,  digltis  albicantibus;  mystaci 
bus  fusco-nigris :  vellere  brevi,  molli;   capite  parvulo,  brevi. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  ad  caudae  basin  .  .      3    2 
caudae 2    9 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       0    Z\ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       07 

tarsi  digitorumque 0     9 

auris 0     4j 

Haec  species   muri  musculo   appropinquat;    differt   attamer 
capite  minore  (ratione  ad  magnitudinem  habita),  rostro  breviore. ' 
tarsisque  longioribus. 
Hab.  Maldonado. 

Mus  JMaurus.     M.  pilis  subrigidls,  supra   purpurascenti-ni- 
grls,  subtus  fusco- plumbeis;   capite   fusco-nigro,  rostro   fusco 
auribus   parvulls   sordide   albis,    pilis   minutissimis    pallide   fuscij 
obsitis:   cauda  corpus  fere  aequante,  nigra,   pilis  sparse  vesüiSi 
pedibus  fuscis;  mystacibus  fusco-nigris,  ad  apicem  grisescentibus 


179 

tmc.  lln. 
Longltudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin    n     3 
caiidae 7     ß 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi       1     0 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basiii  aiiris  ...       22 

tarsi  digitorumqiie 1     8 

aiiris 0     6j 

Haec  species  colore  muri  ratto  approplnquat,  at  purpuras- 
centi-fusco  tincta.  Quoad  statiiram  murem  decumanum  pergran- 
dem  aequat;  velliis  quoad  texturam  fere  est  ut  in  mure  decu- 
mano;  et  ad  basin  plumbeum;  pilis  albis  in  dorso  laterlbusque 
intersparsis. 

Hab.  Maldonado. 

Obwohl  ich  in  der  vorhergehenden  Beschreibung  den  Gat- 
tungsnamen Mus  beibehalten  habe,  so  mufs  ich  doch  bemer- 
ken, dafs  sich  die  beschriebenen  Arten  natürlich  in  verschie- 
dene Unterabtheilungen  bringen  lassen,  deren  Charactere  hin- 
reichend hervorstechend  sind,  nicht  nur  unter  einander,  son- 
dern auch  zwischen  jeder  derselben  und  derjenigen,  auf  welche 
der  Name  Mus  beschränkt  werden  mufs  und  als  deren  Typus 
die  Hausmaus  (Mus  musculus)  gelten  kann. 

1.  Untergattung.  Scapteromys  (GnamriQ  Gräber 
und  i-LVQ).  Der  Schmelz  an  der  Krone  der  Backenzähne  tief 
eingekerbt;  am  vorderen  Backenzahne  des  Unterkiefers  bildet 
er  zwei  Falten  an  der  äufseren,  drei  an  der  inneren  Seite; 
am  zweiten  Backenzahne  eine  Falte  an  der  Aufsenseite,  zwei 
an  der  Innenseite;  am  hinteren  eine  an  der  Aufsen-,  zwei 
an  der  Innenseite.  Pelz  lang  und  weich.  Schwanz  mittel- 
mäfsig,  gut  behaart.  Nägel  lang,  nur  schwach  gekrümmt,  zum 
Graben  tauglich.  Vorderfüfse  mäfsig  grofs.  Daumen  mit  deut- 
lichem Nagel  versehen»  Ohren  mittelmäfsig,  wohl  behaart: 
M.  tumidus. 

2.  Untergattung.  Oxymycterus  (von  o^vg  und 
fivxTi'^Q).  Die  Schmelzfalten  der  Backenzähne  dringen  tief  in 
den  Zahn  ein;  der  vordere  Backzahn  des  Unterkiefers  hat 
drei  Falten  an  der  Innenseite,  zwei  an  der  Aufsenseite;  der 
zweite  zwei  an  der  Aufsen-  und  ebensoviel  an  der  Innen- 
seite; der  letzte  eine  Falte  an  beiden  Seiten.  Pelz  lang, 
weich.  Nägel  lang,  schwach  gekrümmt,  zum  Graben  tauglich; 
ein  deutlicher  Daumennagel.  Schwanz  kurz,  mäfsig  behaart. 
Nase  sehr  verlängert  und  spitz.     Hieher:    M.  nasutus. 

3.  Untergattung.     Ahrothrix    (von    aßQog    weich 

12* 


180 

und  ^Qi^.  Die  Schmelzfalten  dringen  tief  in  die  Seiten  der 
Backenzähne  ein;  der  vordere  des  Unterkiefers  hat  drei  Fal- 
ten an  der  Innen-  und  zwei  an  der  Aufsenseite;  der  zweite 
hat  zwei  an  der  Innenseite  und  eine  an  der  Aufsenseite; 
der  hintere  hat  eine  an  beiden  Seiten.  Pelz  lang  und  weich. 
Schwanz  kurz,  gut  behaart.  Daumen  mit  einem  kurzen  ab- 
gerundeten Nagel.  Ohren  gut  behaart.  Hielier:  31.  longipiUsj 
ohscurus,  olivaceus,  micropus,  hrachyot'is ^  xanthorlünus^ 
canescens,  arenicola.  Im  Habitus  gleichen  diese  den  Arvi- 
colen. 

4.  Untergattung.  Calomys  (von  Dialog  und  (.tvg)* 
Pelz  mittelmäfsig,  weich.  Tarsus  unterhalb  fast  ganz  behaart. 
Vorderer  Backenzahn  mit  drei  Schmelzfalten  innen  und  zwei 
aufsen;  der  zweite  mit  zwei  an  beiden  Seiten;  der  letzte  mit 
einer  auf  beiden  Seiten:  M.  himaculatus y  elegans,  graci- 
lipes. 

Mus  mauriis  und  hrevirostris  gehören  zu  Mus  s.  siv. 
Bei  M,  ßavescens  weicht  das  Gebifs  nur  wenig  von  den  ge- 
meinen Mäusen  ab. 

(Fortsetzung  folgt.) 


181 


Zoologische  Beiiierkungen 

von 
Dr.     A.     P  h  i  1  i  p  p  i. 

(Fortsetzung.) 


(Hiezu  Tafel  lU  und  IV.) 

l.  Ciavag  eil  a  halanorum  Scacchi.    (Taf.  III.  Fig.  1 — 6.) 
Gl.  vagina  adnata,    ahhreviata ,  apertura  simplici; 
valvis  suhtriajigulanbus;    libera  tenui,  rugosa,  paruin 
convexa;  spinis  fistulosis  irregularibus  ahscondltis. 

Uahltat  in  cespitibus  Balanorum  ad  costain  Pausi- 
lypi  prope  Neapolin. 

Im  December  V.  J.  hat  Herr  Scacchi  die  höchst  interes- 
sante Entdeckung  dieser  lebenden  Art  Clavagella  gemacht, 
und  der  hiesigen  K.Akademie  mitgetheilt;  da  aber  noch  Jahre 
vergehen  werden,  bis  die  Verhandlungen  dieser  Akademie  ge- 
druckt sind,  so  glaube  ich  den  Zoologen  durch  eine  ausführ- 
liche Mittheilung  seiner  Entdeckung  einen  Dienst  zu  leisten. 
Wir  haben  das  Thier  gemeinschaftlich  untersucht,  die  Beob- 
achtung über  die  Bildung  der  dornartigen  Röhren  gehört  aber 
Herrn  Scacchi  allein. 

Die  Röhre  ist  kurz,  höchstens  1^^  Zoll  lang,  sehr  dünn- 
wandig und  auf  das  Innigste  mit  den  umgebenden  Körpern 
(fast  allemal  Baianus  halanoides)  verwachsen;  nur  sehr  sel- 
ten ragt  sie  1  oder  2  Linien  hervor.  Sie  ist  zusammenge- 
drückt, mifst  etwa  2^  Linien  in  der  einen,  i^ — 2'"  in  der  an- 
dern Dimension;  ihre  obere  Oeffnung  ist  einfach,  nach  unten 
endigt  sie  in  eine  im  Allgemeinen  birnförmige  Erweiterung, 
in  welcher  die  Muschel  sitzt.  Diese  besteht  aus  einer  freien 
und  einer  angewachsenen  Schaale.     Die  freie  Seh  aale  ist 


182 

die  rechte,  sie  ist  von  einer  imregelmäfsigen  Gestalt,  am  Rük- 
kenrande  oft  concav  und  übertrifft  selten  eine  Länge  von  6 
und  eine  Breite  von  4  Linien.  Sie  ist  dünn  und  sehr  wenig 
gewölbt,  so  dafs  zwischen  beiden  Schaalen  auf  der  Bauchseite 
ein  weiter  Zwischenraum  bleibt,  den  der  dicke  Mantel  des 
Thieres  versclüiefst.  Die  Anwachsstreifen  sind  sehr  deut- 
lich, und,  was  sehr  merkwürdig  ist,  sie  gehen  nicht  dem 
Bauchrande,  sondern  dem  vordem  Rande  parallel,  so  dafs  der 
Anfangspunkt  der  Schaale  sich  an  deren  hintern  Ende  befin- 
det, und  nicht  an  den  Wirbeln,  wie  bei  den  übrigen  Muscheln. 
Es  scheint,  dafs  ein  grofser  Theil  des  Rückenrandes  später 
wieder  resorbirt  wird.  Hierdurch  erscheinen  die  Wirbel  zum 
Theil  hakenförmig.  Die  linke,  festgewachsene  Schaale 
ist  überaus  dünn,  sonst  der  andern  gleich.  Inwendig  sind 
beide  Schaalen  so  wie  die  Röhre  perlmutterartig  glänzend, 
daher  Mantel-  und  Muskeleindrücke  nur  äufserst  schwierig  zu 
unterscheiden  sind.  Ein  Schlofs  fehlt  gänzlich,  selbst  ein 
eigentliches  knorpeliges  Ligament  fehlt;  ich  finde  nur  ein 
schwaches,  faseriges,  hornartiges  Ligament  vor,  s.  Fig.  4.  b. 
Wo  beide  Schaalen  im  Rücken  einander  berühren,  ist  oft  in 
der  Röhre  ein  Vorsprung,  so  wie  man  awch  in  der  Regel  in 
derselben  einen  queren  Vorsprung  bemerkt,  wo  der  Raum  für 
die  Schaale  aufhört  und  die  eigentliche  Röhre  anfängt.  Die 
dornförmigen  Röhren  fehlen  nicht;  sie  sind  unregelmäfsig 
und  werden  von  dem  Thier  nur  da  angebracht,  wo  es  in  der 
umgebenden  Balanenmasse  gerade  einen  freien  Raum  findet. 
Beim  Ablösen  des  Gehäuses  gehen  sie  meist  verloren,  so  dafs 
selten  eine  andre  Spur  von  ihnen  übrig  bleibt,  als  die  punkt- 
förmigen Oefi'nungen  im  Innern  der  Schaale,  wie  ich  sie  auch 
in  Fig.  2.  e.  angegeben  habe.  In  einzelnen  glücklichen  Fäl- 
len sieht  man  sie  jedoch  sehr  deutlich. 

Das  Thier  hat  ganz  die  Gestalt  eines  Sackes,  der  vorn 
nur  eine  sehr  kleine  Spalte  hat,  aus  welcher  kaum  die  Spitze 
des  sehr  dünnen  Fufses  heraustreten  kann.  S.  a  in  Fig.  1 
und  4.  Hinten  verlängert  sich  der  Mantel  in  zwei  fast  bis 
zur  Spitze  verwachsene  Siphonen,  die  bis  an  das  Ende  der 
Röhre  reichen.  Der  gemeinschaftliche  Theil  der  Siphonen  en- 
digt mit  einem  gefranzten  Rande,  und  nun  folgen  noch  zwei 
sehr  kurze  Röhren,  von  denen  die  untere,  oder  der  Bronchial- 


183 

giphö,  die  weitere  ist.  Beide  sind  an  ihrer  Mündung  mit  ein- 
fachen Cirren  besetzt,  und  karminroth,  während  das  übrige 
Thier  farblos  ist.  Zu  bemerken  ist  noch,  dafs  die  gemein- 
schaftliche Röhre  vor  ihrem  Rande  mit  einer  Menge  Sand- 
körnchen besetzt  ist,  die  sich  nicht  leicht  von  ihr  lostrennen 
lassen.  S.  Fig.  3.  —  Fig.  4.  zeigt  das  Thier,  nachdem  es 
eine  Zeit  in  Spiritus  gewesen,  auf  der  rechten  Schaale  lie- 
gend. Man  sieht  jetzt  deutlich  die  beiden  Adduktoren,  von 
denen  der  hintere  rund  und  grofs,  der  vordere  nierenförmig 
und  klein  ist.  Schneidet  man  den  Mantel  in  der  Bauchlinie 
auf,  so  bemerkt  man  zuerst,  dafs  der  Mantel  in  der  Bauch- 
seite sehr  dick  und  fleischig  ist;  hinten  sieht  man  die  starken 
Muskeln,  welche  die  Siphonen  zurückziehn;  in  der  Mitte  die 
halbkreisförmigen  Kiemen,  aus  denen  der  kleine,  schmale, 
wurmförmige  Fufs  (d  in  Fig.  5  und  6)  hervorsieht,  und  über 
demselben  jederseits  zwei  sehr  lange,  linealische,  etwas  gebo- 
gene appendices  huccales,  c.  Jederseits  ist  nur  eine 
Kieme  vorhanden,  die  aber  in  der  Nähe  des  Rückens  fest- 
gewachsen ist  und  oberhalb  der  Nath  noch  einen  schmalen 
Anhängsel  hat,  den  man  mit  der  zweiten  Kieme  vergleichen 
könnte,  und  der  mit  seinem  freien  Rande  den  vordem  Schliefs- 
muskel  halb  umgiebt.  Mit  der  hintern  Hälfte  sind  die  Kie- 
men beider  Seiten  in  der  Nath  verwachsen.  Sie  sind  stark 
und  deutlich  gestreift.  Auffallend  klein  ist  die  zwischen  den 
Kiemen  frei  hervorragende  Masse  der  Eingeweide.  S.  Fig.  6, 
wo  dieselbe  besonders  vorgestellt  ist. 

Ueber  die  Bildung  der  dornförmigeu  Röhren  sagt  Herr 
Scacchi  in  seiner  in  der  hiesigen  Akademie  vorgelesenen  Ab- 
handlung, die  er  mir  im  Manuskript  mitgetheilt  hat.  Folgendes: 

«Rang  ist  der  Meinung,  dafs  die  dornförmigeu  Röhren 
dazu  dienten,  einer  Art  Byssus,  womit  das  Thier  sich  Im 
Grunde  seiner  Wohnung  befestige,  den  Austritt  zu  verstatten; 
aber  keine  Beobachtung  unterstützt  eine  solche  Ansicht,  und 
ich  glaube  mit  Bestimmtheit  sagen  zu  können,  dafs  die  Cla- 
vagellen  keinen  Byssus  besitzen ;  es  sieht  auch  jedermann  leicht 
ein,  wie  unnütz  ein  solcher  ihnen  sein  würde,  da  sie  ja  mit 
einer  ihrer  Schaalen  unbeweglich  festgewachsen  sind.  —  Da 
sie  in  der  Mitte  der  Seeeicheln  leben,  welche  eine  Gruppe 
leerer  Zellen  bilden,  indem  sie  eine  auf  der  andern  fortwach- 


184 

sen,  so  mufs  es  nothwendig  geschehn,  dafs  die  Clavagelle  beim 
Wachsen  auf  die  Höhlen  der  sie  umgebenden  Balanen  stöfst, 
wenn  sie  Alles  ringsherum  absorbirt  oder  zerstört,  um  ihre 
Wohnung  geräumiger  zu  machen.  Die  Beobachtung  hat  mir 
nun  gezeigt,  dafs  wenn  sich  neben  dem  Thier  solche  Höhlen 
öffnen,  von  dem  grofsen  Muskel,  der  die  Ränder  des  Mantels 
vereinigt,  einige  fleischige  Fäden  ausgehn,  welche  sich  dort- 
hin richten,  wo  die  Höhle  der  Seeeichel  geöffnet  ist  und  kleine 
alkige  Röhren  bilden.  Sie  enden  meist  mit  zwei  kurzen 
Aesten,  die  sich  zuletzt  schliefsen;  doch  habe  ich  bisweilen 
bei  einigen  am  Ende  ein  kleines  Loch  gefunden.  Diese  Röh- 
ren verhindern  jedem  fremden  Körper  den  Zutritt,  und  ver- 
theilen  sich  wie  die  Wurzeln  der  Pflanzen,  so  dafs  diejeni- 
gen, welche  der  innern  Fläche  der  Balanen  nahe  kommen,  an 
dieser  sich  befestigen;  die  andern  bleiben  entweder  frei  oder 
befestigen  sich  an  Sand  und  anderen  fremden  Substanzen,  die 
sie  zufällig  antreffen.  Es  scheint,  dafs  wenige  Tage  zur  Bil- 
dung dieser  Röhren  hinreichend  sind,  da  ich  unter  so  vielen 
Individuen,  die  ich  Gelegenheit  gehabt  habe  lebendig  zu  un- 
tersuchen, nur  zwei  Mal  das  Vergnügen  gehabt  habe,  das 
Thier  mit  den  erwähnten  fleischigen  Fäden  zu  überraschen, 
welche  in  den  Röhren  steckten,  die  eben  gebildet  wurden,  und 
einige  andere  Male  habe  ich  einige  dieser  Fäden  angetroffen, 
welche  ihr  Geschäft  vollendet  hatten,  vertrocknet  waren,  und 
nun  wie  Fortsätze  der  Epidermis  am  grofsen  Muskel  des  Man- 
tels hingen.«  —  Diese  dornartigen  Röhren  dienen  demThiere 
wohl  zur  Befestigung  und  sind  daher  bei  den  im  Sand  leben- 
den Arten,  wie  z,  B,  Ciavagella  hacillaris  war,  am  stärksten  i 
entwickelt. 


I 


n.     Das     Genus     Zoe 
ist   der   erste  Zustand  von  Fagurus.    (Fig.  7  und  8.) 

Kein  Genus  unter  den  Crustaceen  ist  vielleicht  sonder- 
barer und  hat  mehr  den  Scharfsinn  der  Naturforscher  in  Be- 
ziehung auf  die  Stelle,  die  es  im  System  einnehmen  mufs,  in 
Anspruch  genommen,  als  das  von  Bosc  entdeckte  wunder- 
liche, von  ihm  Zoe  genannte  Thier,  das  äufserst  wenige  Na-  ; 
turforscljcr  nach  ihm  wieder  gesehn  haben.  Er  stellte  es  zwi-  • 
sehen  die  IJriuichiopoden  und  die  Flohkrebse;  Latrcille,  in  der 


185 

ersten  Ausgabe  des  Regne  animdl  von  Cuvier  in  die  Ord- 
nung der  Branchiopoden,  zwischen  PolypJiemus  und  Cyclops, 
indem  er  aber  dabei  die  Meinung  ausspricht,  es  könne  leicht 
zu  der  Abtheilung  der  Schizopoden  gehören.  Diese  letztere 
Meinung  wurde  von  Leach  angenommen,  allein  die  meisten 
Zoologen  haben  fortwährend  Zoe  zu  den  Branchiopoden  ge- 
rechnet. Zu  diesen  Zweifeln  über  die  Natur  dieses  Thieres 
gesellten  sich  neue,  indem  Herr  Thompson  ankündigte,  dafs 
diese  sonderbaren  Thiere  nichts  anderes  als  die  Larven  der 
gewöhnlichen  Krabbe  {Carduus  Maenas)  seien,  welche  einer 
wahren  Metamorphose  unterliege.  Diese  Meinung  wurde  sehr 
stark  von  Herrn  Westwood  bekämpft.  Endlich  ist  Herr  Milne- 
Edwards  der  Meinung  (s.  Lamarck  hist.  nat.  des  anim.  saiis 
vert.  edit.  2.  vol.  V.  p.  195)  die  Zoe  möchten  allerdinj^js  nur 
Jugendzustand  einer  Art  Dekapoden,  aber  wahrscheinlich  aus 
der  Abtheilung  seiner  Anomouren  (wohin  er  Dromia,  Ho- 
mola,  Albiinea,  Pagurus  etc.  rechnet)  sein.  Der  Zufall  hat 
mir  die  Gelegenheit  gegeben,  die  direkte  Beobachtung  zu 
machen,  dafs  in  der  That  Zoe  nichts  Anderes  als  der  erste 
Zustand  von  Fagurus  ist. 

Den  13.  März  d.  J.  fand  ich  in  Palermo  in  einem  Bek- 
ken,  worin  ich  mehrere  Seethiere  hielt,  zu  meiner  grofsen 
Freude  etwa  ein  Dutzend  Individuen  von  Zoe,  aber  leider 
schon  alle  todt.  Ich  beeilte  mich,  sie  unter  dem  Mikroskop 
so  gut  es  ging  zu  untersuchen.  Den  andern  Morgen  fand  ich 
zu  meinem  gröfsten  Erstaunen  dasselbe  Becken,  in  welchem 
ich  Tags  zuvor  mit  grofser  Mühe  ein  Dutzend  Zoe  gefischt 
hatte,  von  mehreren  hundert  Zoe  ganz  erfüllt.  Ich  hatte  un- 
ter andern  Thieren  in  dem  Becken  einen  Pagurus  hunga- 
rus  Her-hst,  der  in  einer  Natica  millepunctata  safs;  ich 
fafste  sogleich  den  Verdacht,  dafs  die  Zoe  seine  Jungen  sein 
müfsten,  zerschlug  vorsichtig  die  Natica,  und  fand  in  der 
That  den  Eiersack  des  Pagurus  fast  ganz  leer,  während  ich 
in  den  zurückgebliebenen  Eiern  die  kleinen  Zoe  deutlich  er- 
kannte. Mit  einiger  Mühe  befreite  ich  sie  auch  von  den  Ei- 
häuten. 

Diese  kleinen  Zoe  waren  vollkommen  wasserhell,  mit 
schwarzen  Augen,  einem  rothen  Fleck  in  der  Mittellinie  un- 
mittelbar hinter  den  Augen,  und  bisweilen  mit  einem  zweiten 


186 

rothen  Streifen  vor  dem  After.  Diese  rothen  Flecke  sind  of- 
fenbar im  üarmkanal,  und  Ueberreste  des  Eidotters.  Das 
Kopfbruststiick  nimmt  zwei  Fünftel  der  Länge  des  Thie- 
res  ein,  und  ist  vorn  in  einen,  wie  es  scheint  horizontalen, 
Schnabel  verlängert,  hinten  abgerundet,  hinter  den  Augen 
schwach  eingeschnürt.  Die  Augengegend  tritt  blasenartig  her- 
vor. Der  Hinterleib  ist  anderthalbmal  so  lang,  und  fiinf- 
gliedrig.  Die  vier  ersten  Glieder  sind  walzenförmig  und  neh- 
men allmählig  an  Länge  zu;  das  letzte  hat  die  Gestalt  eines 
Fächers  und  trägt  zwölf  strahlenförmig  gestellte  Dornen,  von 
denen  die  äufsersten  die  kürzesten  sind.-  Die  Augen  sind 
sitzend,  sehr  grofs,  schwarz,  netzförmig  gegittert.  Die  äus- 
sern Fühler  sind  zw^eiästig  und  entspringen  auf  der  untern 
Seite;  ihr  gemeinschaftlicher  Stiel  ragt  kaum  bis  zum  Rande 
des  Kopfbruststücks;  der  äufsere  Ast  ist  ziemlich  breit,  endet 
aufsen  mit  einem  Dorn  und  trägt  an  der  Spitze  eine  Menge 
Borsten;  der  innere  Ast  ist  kürzer,  weit  schmaler  und  trägt 
nur  zwei  Borsten.  Zwischen  beiden  Aesten  steht  noch  ein 
kurzes  halbsichelförmiges,  schwach  gewimpertes  Glied.  Die 
Innern  Fühler  sind  so  lang  wie  die  äufsern,  schmal,  zwei- 
gliedrig, und  enden  mit  zwei  Borsten.  Von  allen  andern  Or- 
ganen erkannte  ich  nur  die  beiden  einander  vollkommen  glei- 
chen Fufspaare,  welche  zweiästig  sind  imd  an  Cyclops  erin- 
nern. Der  äufsere  Ast  ist  dreigliedrig,  der  innere  etwas  stär- 
kere viergliedrig.  Das  Endglied  ist  bei  beiden  kurz  und  spitz 
und  mit  langen  Borsten  besetzt.  —  Alle  längern  Borsten  der 
Füfse  wie  der  Fühler  sind  gefiedert. 

lU.   A  s  t  e  r  o  p  e, 

ein  neues   Genus   der   Ostracopodcn. 
(Taf.  HL  Fig.  9—11.) 

Schon  öfter  hatte  ich  im  Meeressande  und  zwischen  Zoo- 
phyten  Cytherina- ähnliche  Schaalen  gefunden  von  mehreren 
Arten,  welche  sich  von  Cytherina  wesentlich  durch  einen 
Einschnitt  in  der  Schaale  unterschieden,  allein  erst  den 
().  März  d.  J.  gelang  es  mir,  in  Palermo  ein  Individuum  mit 
dem  Tliier  zu  finden.  Wenn  es  mir  auch  nicht  möglich  war, 
alle  Organe  desselben  zu  erkennen,  so  überzeugte  ich  mich 
doch   vollkommen,    dufs   auch  das  Thier  sowohl  von  Cypris 


187 

und  Cytherina  als  auch  von  Cypridina  Milne  -  Edwards 
(welches  Genus  ich  ebenfalls  so  glücklieh  gewesen  bin  zu 
beobachten)  so  bedeutend  verschieden  ist,  dafs  es  nothwendig 
ein  eigenes  Genus  bilden  mufs. 

Die  Schaale  ist  nur  \  Linie  lang,  bräunlich  von  Farbe, 
vollkommen  elliptisch,  hat  aber  vorn  und  unten  einen  Ein- 
schnitt, und  zu  beiden  Seiten  dieses  Einschnittes  ist  der  Rand 
verdickt.  Unter  dem  Einschnitt  sahen  die  Fühler,  dahinter 
das  erste  Fufspaar,  am  hintern  Ende  die  Spitze  des  Schwan- 
zes hervor.  Bei  stärkerer  Vergröfserung  erschienen  die  Schaa- 
len  mit  undurchsichtigen  weifsen  Punkten  besetzt.  Die  Schaa- 
len  gingen  leicht  ab,  und  nun  erschien  das  Thier,  wie  es 
Fig.  11  zeigt.  Unmittelbar  hinter  dem  Auge,  welches  sich 
beim  Druck  zwischen  den  Glasplatten  als  ein  doppeltes 
zeigte,  geht  nach  oben  ein  birnförmiger  Muskel  ab,  der  das 
Thier  am  die  Schaalen  jederseits  befestigt.  Dahinter  sah  ich 
ein  Paar  cylindrischer,  geringelter,  mit  einigen  Borsten  be- 
setzter Fäden,  und  hinter  ihnen  noch  zwei  Paar  andre,  kür- 
zere, dickere,  nicht  geringelte  und  nicht  mit  Borsten  versehene 
Fäden.  Diese  Organe  dienen  vermuthlich  zum  Anheften  der 
Eier.  Es  ist  nur  ein  Paar  Fühlhörner  vorhanden,  das 
gröfste  Organ  am  ganzen  Thier,  da  es  dem  Körper  an  Länge 
gleich  kommt.  Sie  sitzen  unmittelbar  unter  den  Augen,  haben 
ein  grofses  eiförmiges  Grundglied,  welches  mit  einem  zweiten 
walzenförmigen  ebenso  langen  Gliede  den  Stiel  bildet,  und 
endet  mit  einer  kurzen  mehrgliedrigen  mit  langen  Borsten 
pinselartig  besetzten  Geifsel.  Es  sind  zwei  Paar  Füfse  vor- 
handen, welche  beide  nach  vorn  gerichtet  sind  und  nur  zwei- 
gliedrig erscheinen;  beide  Glieder  sind  länglich,  stark  zusam- 
mengedrückt, beinah  blattartig,  und  mit  wenigen  aber  kräfti- 
gen Borsten  gewimpert.  Der  Schwanz  ist  zusammenge- 
drückt, breit,  nach  unten  und  etwas  nach  vorn  gebogen  und 
mit  etwa  10,  erst  an  der  Spitze  gekrümmten,  rückwärts  ge- 
bogenen Haken  besetzt,  die  von  vorn  nach  hinten  allmählig 
an  Gröfse  abnehmen.  An  der  Basis  der  Füfse  sitzen  zwei 
beinah  dreieckige,  vorn  ausgebogene  und  mit  langen  steifen 
Wimpern  dicht  besetzte  Lamellen  Fig.  B.  ob  Kiemen?  Hin- 
ter ihnen  und  vor  dem  Schwanz  sah  ich  eine  andre  verschie- 
den  gestaltete   und    nur   kurz    gewimperte    Lamelle,    Fig.  g. 


188 

Aufscrdem  fand  ich  drei  Paar  sichelförmige,  lang  gewiiuperte 
Palpen  oder  Kaufiifse,  Fig.  C.  Doch  gelang  es  mir  nicht,  die 
weiteren  Frefswerkzenge  zu  sehen. 

So  unvollständig  diese  Beobachtungen  auch  sind,  so  be- 
weisen sie  doch  zur  Geniige  die  Selbstständigkeit  dieses  Ge- 
nus. Es  unterscheidet  sich  von  Cypris:  1.  durch  den  Ein- 
schnitt der  Schaale,  2.  durch  das  Vorhandensein  von  zwei 
Augen,  3.  durch  den  breiten  hakentragenden  Schwanz,  4.  in- 
dem luu'  2  Paar  blattartige  Fiifse  vorhanden,  indem  5.  eigene 
Organe  zur  Anheftung  der  Eier  vorhanden  sind,  welche  Funk- 
tion bei  Cypris  durch  das  dritte  Fufspaar  übernommen  wird. 
Von  Cypridina  unterscheidet  sich  Asterope:  1.  durch  den 
Einschnitt  der  Schaale,  2.  indem  nur  zwei  Paar  blattartiger 
Fiifse  vorhanden  sind,  3.  indem  der  Schwanz  einfach  ist  (bei 
Cypridina  besteht  er  aus  zwei  Lamellen)  etc.  —  Cytherina 
unterscheidet  sich  von  Asterope:  1.  durch  den  Mangel  des 
Einschnitts  der  Schaale,  2.  indem  vier  Paar  Fiifse  vorhan- 
den sind,  wie  O.  Fr.  Müller  ganz  richtig  angiebt,  3.  indem 
der  Schwanz  wie  bei  Cypridina  aus  zwei  Lamellen  besteht. 
(Ich  habe  gegen  acht  Arten  Cytherina  bei  Neapel  betrachtet.) 
Die  generischenCharaktere  wären  demnach  folgende: 
Testa  hivalvis,  corpus  ahscondens,  antice  subiusque 
incisa.  Antennae  duae  simplices,  apice  penicillatae* 
Oculi  duo.  Pedes  quatuor  compressiy  subfoliacei,  Fila 
■peculiaria  ad  retinenda  ova.  Canda  compressa  iincinis 
pluribus  tenninata. 

Die  Art  könnte  folgendermafsen  bezeichnet  werden: 
Asterope  elliptica.    A.  testa  exacte  elliptica,  ni- 
tida, sah  lente  fortiori  punctis  opacis  albis  adspersa. 

IV.     Kurze   Charakteristik    mehrerer  neuer   Genera 
aus   der  Familie   der   Copepoden. 

Während  der  grofsen  Hitze  der  Sonmiermonate  habe  ich 
mich  in  Sorrent  damit  beschäftigt,  die  kleinen  Thierchen  zu 
untersuchen,  welche  zwischen  den  feinen  Algen  leben.  Hier 
wohnen,  um  nur  von  den  Criistaceen  zu  reden,  besonders 
Caprellen,  euiige  Dynamene,  Janira,  Jassa,  Juera,  welche  drei 
letztere  sehr  selten  zu  sein  scheinen,  zahlreiche  Ampithoe/ 
einige  Gannnarns,   und  vor  allem  Cytherinen  und  eine  grofse 


189 

Menge  Cyclopsälinlicher  Tlüerchcn,  nebst  Peltidien  nnrl  einem 
verwandten  Genus.     Die  neuen  Genera,  welche   ich  darunter 
gefunden,  will  ich  jetzt  kurz  angeben,  eine  ausführlichere  Dar- 
stellung derselben  für  eine  gröfsere  Arbeit  mir  vorbehaltend. 
1.   Nciuplius  mild  (jion  O.  Fr.  Müller*).    (Fig.  12.) 

Corpus  elongatwn,  postice  sens'nn  atteiiuafum,  seg- 
mento  primo  s.  capite  (cum  segmenio  primo  thoracis  con- 
nctiö)  maxijno\  cauda  hifida,  setiger a.  Antennae  qua- 
iuor;  superiores  inulfiarticulatae,  apice  penicillatae;  infe- 
riores  tri?  ajüculatae,  apice  setis  uncinatis,  hasi  seta  pec~ 
tinata  mwiitae,  Fes  masticatorius  ungue  incurvo  fal- 
cato.  Pes  primus  capiti  insertus,  desciscens,  hiraim/s, 
ramis  elongatis,  apice  unguiculatis.  Fe  des  natatorii, 
hirami  sex.  Pedes  spurii  duo,  e  lainellis  duahus  hasi 
coimnuni  insidentihus  formaü,  sacculum  ovoruin  ex  parle 
obtegentes. 

Dieses  Genus  ist  reich  an  Arten.  Von  Cyclops  unter- 
scheidet es  sich:  1.  durch  die  abweichende  Beschaffenheit  des 
ersten  Fufspaares,  welches  nicht  zum  Rudern  dient,  2.  durch 
den  Kaufufs,  3.  durch  die  Lamellen,  welche  den  Eiersack 
grofsentheils  bedecken»  —  Merkwürdig  ist  es,  tlafs  der  Kau- 
fufs und  das  erste  Fufspaar  genau  so  beschafi'en  sind  wie  bei 
Peltidium,  welche  Gattung  ich  an  ein  Paar  neuen  Arten  voll- 
ständiger habe  untersuchen  können,  als  es  mir  mit  P.  pur- 
pureum möglich  war. 

2.  Laophonte  mihi.    (Fig.  13.) 

Omnia  ut  in  Naupliis,  sed  primum  corporis  segmen- 
tum  cum  capite  non  coalitujn,  ideoque  par  primum  pe- 
dum  desciscens  non  capiti  sed  segmento  peculiuii  ilio- 
racis  inserium,  hiramum,  ramo  altero  minimo  rudimeiita- 
rio,  altero  ungue  unico  maximo  terminatum. 

Nur  eine  Art,  aber  sehr  gemein;  der  Rücken  erscheint 
wie  gesägt,  indem  die  einzelnen  Segmente  sehr  scharf  von 
einander  abgesetzt  sind. 

3.  Psamathe  mihi,    (Taf.  IV.  Fig.  1.) 

Corpus  elongatum,   semiieres.     Pes  masticatorius 


*)  O.  F.  Müller  hatte  diesen  Namen  einem  der  Jugendzustände 
von  Cyclops  gegeben. 


190 

lamellis  dualms  terminnhis.  Pcdes  sex,  hirami  natatoriu 
Pedes  spiirii  duo,  hiarticulati,  angusfi  Reliqua  ut  in 
Cyclope  vel  in  Nauplio. 

Nur  eine  Art,  selten,  zwar  langgestreckt  wie  Cyclops, 
aber  doch  zugleich  flach,  dadurch  den  Uebergang  zu  den 
schildförmigen  Copepoden  bildend.  Die  Frefswerkzeuge  sehr 
eigenthiimlich,  fast  genau  wie  bei  dem  schildförmigen  Genus 
Thyone,  Merkwürdig  ist  der  Parallelismus  zwischen  Nau- 
plius  und  Peltidium  und  zwischen  Psamathe  und  Thyone, 
4.  Thyone  mihi.     (Taf.  IV.  Fig.  2.) 

Corpus  depressum  scutiforme,  ovatum,  segmentis 
quinque  consfans,  segmento  primo  maximo.  Caiida  e  la- 
mellis duahus  formata.  Oculi  duo  confluentes.  ^nten- 
nae  quatuor;  anteriores  multiarticulatae;  inferiores  tri- 
ariiculatae,  apice  setis  uncinatis,  hasi  seta  pectinata  mu- 
nitae.  Pes  masticatorius  apice  lamellis  duahus  termi- 
natus.  Pedes  seXy  natatorii  hirami;  Pedes  spurii  duo, 
lamellares,  spatiwn  inter  segmentum  penidtimum  caudam- 
que  opplentes. 

Drei  Arten,  die  eine  Th.  viridis,  fast  f "  lang,  gemein. 
Die  Frefswerkzeuge  äufserst  complicirt.  —  Peltidium  unter- 
scheidet sich  durch  die  Kaufiifse,  den  Scliwanz,  und  dadurch, 
dafs  das  erste  Fufspaar  abweichend  gebildet  ist;  Sapphirina 
Thompson,  indem  der  Körper  neun  Segmente  besitzt.  —  An 
den  Frefswerkzeugen  sitzen  zwei  Paar  eigenthiimlich  gefranz- 
ter  Blättcheu  (Fig.  2  e  und  g),  vielleicht  den  von  Straus  bei 
Cypris  für  Kiemen  gehaltenen  Lamellen  analog. 
V.     Peneus  siphonoceros  mihi.     (Taf.  IV.  Fig.  3.) 

P.  rosiro  hrevissimo,  supra  7  dentato  inermi;  ßagel- 
lis  antennarum  superiorum  aequalihus,  omnihus  quatuor 
canalem  clausum  fonnantihus. 

Von  diesem  durch  die  sonderbare  Bildung  der  obern 
Fühlergeifsein  höchst  merkwürdigen  Peneus  habe  ich  nach 
und  nach  in  Neapel  wohl  ein  halbes  Dutzend  Individuen  be- 
kommen. Sie  sind  fleischfarben,  die  Fühler,  Füfse,  und  die 
hintern  Ränder  der  Ilinterleibssegmente  dunkler.  Die  Lange 
von  der  Spitze  des  Schnabels  bis  an  das  Ende  des  Schwan- 
zes beträgt  zwei  und  einen  halben  Zoll,  wovon  auf  den  Hin- 
terleib ein  Zoll  sieben  Linien,  auf  den  Schnabel  kaum  21  Li- 


191 

nlen  kommen.  Das  KopfhnistJ^tiick  hat  keine  Längsfurchen. 
Der  Hinterleib  ist  wie  gewöhnlich  stark  zusammengedrückt, 
und  die  letzten  drei  Glieder  gekielt.  Das  Endglied  hat  in  der 
Mitte  eine  breite  Furche,  und  endigt  mit  zwei  Spitzen.  Die 
Schuppe  der  äufsern  Fühler  ist  reichlich  zwei  Mal  so  lang 
als  der  Schnabel  von  gewöhnlicher  Gestalt  mit  einer  Längs- 
furche; der  Stiel  reicht  nicht  bis  zur  halben  Länge  der 
Schuppe;  die  Geifsel  ist  anderthalbmal  so  lang  als  der  Kör- 
per. Die  innern  Fühler  haben  einen  sehr  dicken  Stiel,  so 
lang  wie  die  Schuppe  der  äufsern  Fühler,  am  Grunde  wie  ge- 
wöhnlich ausgehöhlt  für  die  grofsen  schwarzen  Augen  und  mit 
einem  gebogenen  nach  vorn  gerichteten  Fortsatz,  Sie  haben 
zwei  gleich  lange,  und  wie  gesagt  sehr  sonderbar  gebildete 
Geifseln.  Mit  denen  der  andern  Seite  bilden  sie  nämlich  eine 
fast  geschlossene  Röhre.  Zu  dem  Ende  ist  jede  einzelne 
Geifsel  aufsen  gewölbt  mit  einem  Kiel,  innen  ausgehöhlt,  an 
den  Rändern  gesägt  und  fein  gewimpert,  so  dafs  sie  vollkom- 
men schliefsen.  Der  Kanal  setzt  sich  in  den  Stiel  fort,  wird 
hier  aber  nur  zur  obern  Hälfte  vom  Stiel  gebildet  und  unten 
durch  die  Schuppen  der  äufsern  Fühler  geschlossen.  Wie  es 
scheint,  theilt  die  Oberlippe  den  Kanal,  der  sich  dann  rechts 
und  links  zu  den  Kiemeu  hegiebt.  —  Meines  Wissens  existirt 
unter  den  Crustaceen  keine  ähnliche  Bildung. 

Die  Füfse  sind  genau  wie  bei  den  andern  Peneus-Arten ; 
alle  haben  am  Grunde  einen  fadenförmigen  Anhang,  dem  Taster 
derKaufüfse  entsprechend;  die  drei  ersten  Paare  haben  Schee- 
ren  und  nehmen  vom  ersten  bis  zum  dritten  an  Länge  zu, 
welche  Zunahme  namentlich  durch  das  Wachsthum  der  tihia 
geschieht.  Das  vierte  Fufspaar  ist  so  lang  wie  das  zweite, 
das  fünfte  so  lang  wie  das  dritte.  —  Der  äufsere  Kaufufs 
ist  fast  zwei  Mal  so  lang  wie  das  erste  Fufspaar,  und  besteht 
aus  ziemlich  walzenförmigen  und  haarigen  Gliedern. 

Die  Figur  Tab.  IV.  Fig.  3.  wird  eine  noch  ausführlichere 
Beschreibung  überflüssig  machen. 

VL    PontaracJina  pujictulum  Fh., 
eine  Hydrachnide  des  Meeres.     (Taf.  IV.  Fig.  4  und  5.) 

Bis  jetzt  hat  man  nur  im  süfsen  Wasser  Hydrachnen 
gefunden,    allein  ich  habe  im  Meerbusen  von  Neapel  auch  im 


192 

Meer w asser  eine  in  diese  Abtlioilung  der  Arachniden  gehö- 
rige Spinne  und  gar  nicht  selten  angetroffen.  Leider  ist  sie 
so  klein,  höchstens  ^  Linie  lang,  dafs  ich  nicht  alle  ihre  Theile 
habe  erkennen  können,  ungeachtet  ich  zu  wiederholten  Malen 
mehrere  Exemplare  untersucht  habe.  Der  Körper  ist  ziem- 
lich kugelförmig,  nach  vorn  etwas  spitzer,  ganz  kahl.  Seine 
Farbe  ist  bräunlich  gelb.  Öfter  orangeroth  oder  braunroth,  auch 
wohl  braun  mit  weifslichem,  durchsichtigem,  verschieden  ge- 
zacktem Rande,  so  dafs  selten  zwei  Individuen  einander  voll- 
kommen gleich  sehen;  ein  Mal  fand  ich  eins,  welches  auf 
dunkelbraunem  Grunde  mit  einem  weifsen  T  sehr  hübsch  ge- 
zeichnet war.  Der  blasse  Rand  ist  vorn  breiter,  so  dafs  man 
deutlich  die  beiden  kleinen  entfernten  Augen  erkennen  kann. 
Die  vorderen  Fiifse  übertreffen  kaum  die  Länge  des  Leibes, 
die  hintern  sind  anderthalbmal  so  lang.  Die  vier  Hüften  sind 
jederseits  einander  genähert,  und  die  vordem  berühren  sich 
auch  in  der  Mittellinie.  S.  Tab.  IV.  Fig.  5.  Zwischen  den 
Hüften  finde  ich  zwei  kleine  Punkte,  von  denen  ich  mir  keine 
Rechenschaft  zu  geben  vveifs.  Von  den  folgenden  Gliedern 
sind  die  ersten  die  kürzesten,  die  letzten  die  längsten,  in  all- 
mähliger  Progression;  sie  sind  sämmtlich  ziemlich  walzenför- 
mig, jedoch  erscheint  Aev  femur  oben,  die  tibia  unten  schwach 
ausgeschnitten.  Alle  Glieder  mit  Ausnahme  des  letzten  sind 
auf  der  untern  Seite,  am  Ende  und  auch  wohl  in  der  Mitte 
mit  Borsten  besetzt.  Dieses  ist  völlig  kahl,  am  Ende  oben 
schräg  abgestutzt  und  trägt  zwei  hakenförmige,  unter  einem 
ziemlich  spitzen  Winkel  umgebogene  Klauen.  Auf  der  untern 
Seite  des  Körpers  ist  eine  ringförmige  punktirte  Platte,  welche 
die  Spalte  der  Geschlechtstheile  umgiebt.  S.  Fig.  5  f,  ähnlich 
wie  bei  Diplodonta  und  Atax.  Von  den  Frefswerkzeugen 
habe  ich  nur  die  beiden  Palpen  erkennen  können.  Diese 
sind  fast  halb  so  lang  wie  die  vordem  Fiifse,  fadenförmig  und 
fünfgliedrig.  Das  erste  Glied  ist  sehr  kurz,  das  zweite  und 
dritte  dick  und  walzenförmig;  das  vierte,  das  längste  von  al- 
len, ebenfalls  walzenförmig,  aber  weit  dünner;  das  fünfte  kurz 
und  zugespitzt.  —  Palpen  und  Füfse  sind  beinah  farblos,  höch- 
stens gelblich. 

Von   (\in\  sechs  Gattungen,    welche  gegenwärtig  die  Ab- 
theilung der  llydrachnen  bilden:  nändich:  Diplodonta,  Alax, 


193 

Arvhcmirus ,  Eidcds,  Limnochares ,  ITydracJma,  stimmt  es 
durch  die  ringförmige,  die  Spalte  der  Geschlechtstheilo  umge- 
bende Platte  u.  a.  Kennzeichen  am  meisten  mit  den  ersten 
iiberein,  unterscheidet  sich  aber  von  ihnen:  1)  indem  alle  vier 
Hüften  jederseits  genähert  sind;  2)  durch  die  Beschaffenheit 
der  Palpen,  welche  bei  D'iplodoiita  am  vierten  Glied  eine 
Spitze  von  der  Länge  des  fünften  Gliedes  haben,  bei  Atax 
ein  sehr  langes  viertes  Glied  besitzen,  welches  am  Ende  etwas 
ausgehöhlt  ist,  um  das  fünfte  Glied  in  der  äufsersten  Beu- 
gung aufzunehmen.  Die  andern  vier  Genera  weichen  noch 
mehr  ab:  Arrhenurus  und Lunnochaj^es  durch  die  sehr  kur- 
zen Palpen,  Eulais  durch  die  Palpen,  die  Hüften;  Hydrachna 
durch  die  Palpen,  den  Schnabel  etc.  —  Es  folgt  hieraus,  dafs, 
selbst  abgesehen  von  den,  von  mir  nicht  aufgefundenen,  Kie- 
fern, Unterschiede  genug  vorhanden  sind,  um  die  Aufstellung 
eines  neuen  Genus  zu  rechtfertigen,  welches  ich  Ponta- 
raclina  nenne  und  folgendermafsen  charakterisire:  Corpus 
suhglohoswn.  Oculi  duo,  remoii.  Mandibulae , , . ,  nullaep 
ininimae?  Palpi  duo,  elongati,  5  arüculati;  cnticulo  quarto 
longiorij  quinto  hrevi,  acuminato.  Coxae  utriusque  leite?  is 
unitae,  anticae  duae  in  linea  mediana  quoque  sese  tan- 
gentes.  Pedes  unguibus  duohus  uncinatis  tenninati.  Vulva 
lamina  crustacea  granulata  cincta. 

Desmophyllum  Stellaria  Ehrenberg. 

Das  Genus  Desmophyllum,  von  Herrn  Ehrenberg  in  den 
Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  aufgestellt,  ist  nicht  we- 
niger  durch   die  Kennzeichen   seines   kalkigen  Stammes,   wel- 
cher stets  unverästelt  ist,  und  bündeiförmig  vereinte  Lamellen 
I  des  Sternes  hat,    ausgezeichnet,    als   durch   sein    Thier.     Bei 
I  diesem  fällt  vor  Allem   die  erstaunliche  Dünnheit  des  Mantels 
auf,   welcher  gänzlich  zu  fehlen  scheint,   so  dafs  man   durch 
!  denselben   die  Zellen  am  Rande   des  Sterns,  ja   die  geringste 
!  Rauhigkeit  der  Oberfläche  auf  das  Deutlichste  erkennt.    Ueber- 
!  haupt  ist  die  thierische  Masse   im  Verhältnifs  zur  Kalkmasse 
ein  wahres  Minimum,  und  zieht  sich  bei  der  Kontraktion  des 
Thieres  dergestalt  in  die  Zwischenräume  der  Lamellen  zurück, 
dafs  ich  das  Individuum,  als  ich  es  in  diesem  Zustand  bekam, 
für  das  blofse  seines  Bewohners  schon  längst  beraubte  Gehäuse 

Wiegm.  Archiv.    VI.  Jahrg.      1.  Band.  j^g 


194 

hielt.  Dasselbe  habe  ich  auch  an  Cladocora  cespitosa  Eh- 
renherg  (Caryophyllia  LamJi)  beobachtet,  während  die  thie- 
rische  Masse  von  Cladocora  {CaryophyWui)  calycularis  sehr 
viel  bedeutender  ist,  und  sogar  beim  Trocknen  als  eine  ziem- 
lich dicke  Haut  übrig  bleibt.  Wenn  das  Thier  von  Desmo- 
phyllum  Stellaria  sich  vollkommen  ausbreitet,  ragt  es  wohl 
eine  Linie  über  den  Stern  hervor,  während  der  Rand  jedoch 
in  ziemlicher  Breite  alles  thierischen  Ueberzuges  zu  entbeh- 
ren scheint.  Man  unterscheidet  sehr  deutlich  den  ovalen,  von 
einer  innen  und  aufsen  gefalteten  Lippe  umgebenen  Mund 
von  gelblicher  Farbe.  Wahre  Tentakeln  fehlen;  eine  grün- 
liche fleischige  Masse  erstreckt  sich  vom  Maul  bis  nahe  an 
den  Rand  des  Sterns,  und  ist  dort  in  viele  an  der  Spitze  gelb- 
liche Falten  vorgezogen,  die  keine  bestimmte  Ordnung  erken- 
nen lassen,  aber  doch  im  Allgemeinen  zwei  Reihen  zeigen. 
W^enn  die  Falten  am  deutlichsten  sind,  ragen  sie  höchstens 
•g-  Linie  hervor;  gröfser  habe  ich  sie  nie  gesehen,  ungeachtet 
ich  das  Thier  mehrere  Tage  lebend  erhalten  und  beobachtet 
habe.  Durch  diesen  Mangel  wahrer  Fühler  unterscheidet  sich 
das  Genus,  auch  was  das  Thier  anbetrifft,  sehr  wesentlich  von 
Cyathina  Ehrenhergy  wo  die  Tentakeln  sehr  regelmäfsig,  fa- 
denförmig und  geknöpft  sind.  —  Alle  Bewegungen  des  Thie- 
res  sind  im  höchsten  Grade  langsam  und  träge,  was  ich  auch 
bei  Cyathina,  Oculina  und  Cladocora  beobachtet  habe. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Tafel  m. 

Fig.  1.  Clavagetta  halattorum  Scac.  In  einer  gnöfstenthells 
aus  Balanen  gebildeten,  mit  Schwammen,  Scrpeln  etc.  bewach- 
senen Masse  sitzend,  in  natürlicher  Gröfse,  etwas  kontrahlrt;  die 
eine  Wand  der  Höhlung  ist  weggebrochen.  —  a  die  Spalte  im 
Mantel,  durch  welche  der  Fufs  hinaustritt. 

Fig.  2.  Das  Thier  ist  hinweggenommen,  man  sieht  die  linke 
mit  der  Rohre  verwachsene  Schale,  auf  welcher  die  beiden  Mns- 
kcleindrücke  angegeben  sind.  Die  Punkte  e  sind  die  Oeffnun- 
gen  der  dornartigen  Röhren. 

Fig.  3.  Das  Ende  der  SIphonen,  vcrgröfsert,  um  zu  zei- 
gen, dafs  der  gemeinschaftliche  Theil  derselben  seinen  Leson- 
dern,  gefranzlen  Rand  besitzt. 


195 

Flg.  4.  Das  Thi'er  im  Spiritus  gestorben,  stark  kontrahirt, 
auf  der  rechten  Schale  llegeiifl.  —  a  die  Mantelspalte  für  den 
Fufs,  Ä  das  rudimentäre  Ligament,  c,  d  die  beiden  Adduktoren. 

Fig.  5.  Dasselbe,  der  Mantel  In  der  Bauchliniengegend  auf- 
geschnitten und  zurückgeschlagen.  Man  sieht  die  Kieme,  den 
Fufs  </,  die  nppendices  buccales  c,  von  denen  nur  die  beiden  der 
einen  Seite  vorgestellt  sind. 

Fig.  6.  Der  Fufs  mit  dem  Bauch  oder  der  Eingeweide- 
masse des  Thieres,  vergröfsert. 

Fig.  7.  Zoe,  das  Junge  von  Pagiirus  Jiungarus  Herbst^  sehr 
stark  vergröfsert. 

Fig.  8.  Dasselbe,  noch  im  Ei  befindlich,  ebenfalls  sehr 
stark  vergröfsert. 

Fig.  9.  udsterope  elliptica  Phil,  vergröfsert,  ji.  seine 
natürliche  Gröfse. 

Fig.  10.  Die  linke  Schale  von  innen  gesehen,  mäfsig  ver- 
gröfsert. 

Fig.  11.  Das  Thier  bei  60maliger  Vergröfserung  gesehen. 
jB  eine  der  4  an  der  Basis  der  Füfse  befestigten  Lamellen,  noch 
stärker  vergröfsert.  C  eins  der  3  Paar  Lamellen,  welche  in  der 
Nähe  der  Frefswerkzeuge  sitzen,  g  die  Lamelle  zwischen  Füs- 
sen und  Schwanz. 

Fig.  12.  Nauplius  ciViatus  Phil,  bei  60 maliger  Vergröfse- 
rung gesehen,     a  seine  natürliche  Gröfse. 

Fig.  13.  Laophanie  cornuta  Phil.  Weibchen  bei  öOmaliger 
Vergröfserung  gesehen. 

Tafel  IV. 

Fig.  1.  Psamathe  longicaiiäa  Ph.  bei  öOmaliger  Vergröfse- 
rung gesehen,  cc  die  natürliche  Gröfse.  —  a  der  äufsere  Kau- 
fufs,  150mal  vergröfsert. 

Fig.  2.  Thyone  viridis  Ph.  bei  60mallger  Vergröfserung  un- 
tersucht. —  a  natürliche  Gröfse  —  b  der  äufsere  Kaufufs  mit 
seinem  Taster,  stärker  vergröfsert  —   d  das  zweite  Paar  Fühler 

—  e  die  Mandibel,  daneben  ein  blattartig  gefranztes  Organ,  dem 
mit  g  bezeichneten  ähnlich,  ob  als  Kieme  anzusehn?  —  f  der 
eine  Kaufufs.  —  NB.  Die  Maxlllen  konnten  bei  diesem  Maafs- 
stab  nicht  angegeben  werden. 

Fig.  3.  Peneus  siphonoceros  Ph.  natürl.  Gröfse.  —  a  Quer- 
durchschnitt durch  die  von  den  obern  Fühlergelfseln  gebildete 
Röhre,  vergröfsert. 

Fig.  4.  Poninrachna  Punciidmn  Ph.  bei  60maliger  Vergrös- 
serung  gezeichnet.  —  g  die  natürliche  Gröfse. 

Fig.  5.     Der  Leib  derselben  von  unten,  90mal  vergröfsert. 

—  d  die  Palpen,  e  die  Hüften,/*  die  Platte,  welche  die  Spalte 
der  Geschlechtstheile  umgiebt. 

Fig.  6.  DesmophyJImn  Siellaria  Ehrenbeig  In  natürlicher 
Gröfse,  auf  Nullipora  Liihophyllum  eocpansum  Ph,  sitzend. 


13* 


496 


Beifrag  zur  Entwickelungsgescliiclite  der  Mollus- 
ken und  Zooplijten. 

Von 

M.    S  a  r  s. 


Hiezu  Taf.  V,  VI  u.  VII. 

Der  Verfasser  der  folgenden  Beobachtungen,  welcher  in 
einer  entlegenen,  von  zoologischen  Bibliotheken  weit  entfern- 
ten Gegend  wohnt,  mag  wohl  diesen  Umstand  zur  Entschuldi- 
gung anführen,  wenn  er  einige  ältere  W^erke  über  Gegenstände 
seiner  Untersuchungen  übersehen  haben  sollte.  Aber  noch 
weit  empfuidlicher  war  ihm  der  Mangel  eines  guten  Mikro- 
skopes;  er  hat  sich  mit  einem  von  der  alten  englischen  Kon- 
struktion behelfen  müssen,  welches  ein  für  Untersuchungen 
jener  Art  in  jetziger  Zeit  unzureichendes  Werkzeug  ist.  Der 
Verf.  hofft  deshalb,  dafs  man  ihm  seine  UnvoUständigkeiten 
bei  den  folgenden  Beobachtungen  nicht  vorwerfen  werde.  Er 
glaubt,  dafs  er  gethan  hat,  was  ihm  bei  den  zu  seiner  Dispo- 
sition stehenden  unvollkommenen  Mitteln  möglich  war.  Einige 
neue  Thatsachen  glaubt  er  doch  auf  einem  bisher  wenig  ange- 
bauten, aber  höchst  interessanten  Gebiete  für  die  Wissenschaft 
gewonnen  zu  haben,  und  es  ist  deren  Interesse  allein,  in  wel- 
chem er  arbeitet. 

A.     Mollusken. 
I.     Tritonia    A  s  c  anii. 

Ampliitrite  frondos a  Ascanius  in  TrondJi.  Viden- 
sJiah.  Selskab,  Skr.  5  B.  Tab.  5,  Fig.  2.  f 

Während  des  Winters  (im  Dezember,  Januar  u.  m.)  zei- 
gen sich  gewöhnlich  die  meisten  hier  an  der  Küste  vorkoin- 


197 

menden  Weichthiere  aus  der  Ordnung  der  Nudibranchien,  als 
Tritonien,  Aeoüdien,  Doriden,  in  grofser  Menge  nahe  am 
Strande,  kriechend  an  den  Klippen,  am  Tange  u.  s.  w.  Sie 
kommen  nämlich  zu  der  Zeit,  um  ihre  Eier  oder  ihren  Rogen 
abzusetzen;  dagegen  halten  sie  sich  im  Sommer  weiter  unten 
in  der  Tiefe  der  Buchten  auf.  Schon  im  Anfange  des  Decem- 
ber  sieht  man  sonach  einzelne  Individuen  der  grofsen  und 
schönen  Tritonia  Ascanii  (s.  Fig.  a,  dieselbe  von  der  rechten 
Seite,  in  nat.  Gr.),  und  allmählig  sammeln  sich  immer  mehrere 
auf  den  Seepflanzen  und  den  Klippen  am  Strande,  am  meisten 
in  stillen  kleinen  Buchten  von  der  Tiefe  einiger  Ellen  und 
weniger.  Im  Verlaufe  des  Decenfbers  und  im  Anfange  des 
Januars  trifft  man  dann  diese  Thiere,  welche  bekanntlich  Her- 
maphroditen mit  wechselseitiger  Paarung  sind,  oft  in  diesem 
Actus  zu  zwei  zusammenhangend  an. 

a.  Die  Eier  im  Eierstocke. 

Den  Eierstock,  welcher  hinter  und  über  der  Leber  innen 
in  der  Körperhöhle  liegt  und  aus  einer  grofsen  Menge  kleiner 
randlicher  Lappen  von  der  Gröfse  eines  Nadelknopfs  besteht 
(Fig.  b,  vergröfsert  Fig.  d),  die  mit  kleineren  ovalen  Ultricu- 
lis  besetzt  sind,  sämmtlich  mit  Eiern  angefüllt,  mit  dünnen 
communicirenden  Ausführungsgängen,  fmdet  man  zu  jener  Zeit 
bedeutend  entwickelt  und  eine  unzählige  Menge  ungemein  klei- 
ner, kugelförmiger,  hellgelber  Eier  enthaltend,  in  denen  ich 
deutlich  ein  durchsichtiges,  rundes  Bläschen,  die  Vesicula 
Vurhlnjiij  bemerkte  (Fig.  d  vergröfsert.) 

b.  Die   eben   gelegten   Eier. 

Am  Ende  des  Januars  und  im  Februar  (dies  richtet  sich 
nach  der  Temperatur  der  See,  welche  in  gewissen  Jahren  zu 
dieser  Jahreszeit  niedriger  ist,  als  in  anderen)  wird  der  Rogen 
abgesetzt.  Es  gelang  mir  mehrmals,  das  Thier  in  diesem  Akte 
zu  sehen.  Aus  der  an  der  rechten  Körperseite  sich  befinden- 
den Geschlechtsöffnung  (s.  Fig.  a,  a^)  tritt  der  Rogen,  in  der 
Gestalt  einer  cylindrischen  geschlängelten  Schnur  (Fig.  e  zeigt 
ein  Stück  derselben  in  nat.  Gr.,  Fig.  f  vergröfsert),  von  1^'" 
Dicke,  sehr  langsam  und  in  langen  Intervallen,  heraus.  Es 
währt  bisweilen   fast  zwei  Tage,  bis   das  Thier   dies  Geschäft 


198 

ganz  vollbracht  hat.  Die  Eierschnur  ist  gemeinhin  8 — 10",  ja 
bis  18"  lang,  wenn  ihre  Krümmungen  gerade  ausgezogen  wer- 
den, und  besteht  aus  2  —  3  Stücken,  welche  aber  an  einander 
befestigt  sind.  Dies  beweist,  dafs  sie  während  verschiedener 
Zeiträume  abgesetzt  wird,  welche  indessen  nicht  lange  dauern 
können,  da  man  nur  zur  erwähnten  Jahreszeit  Tritonienrogen 
findet.  Die  Eierschnur  besteht  aus  einer  Ungeheuern  Menge 
hellrother  oder  hellgelber  Eier  (die  aber  gegen  das  Ende  der 
Entwickelung  weifs  werden),  welche  eine  lange,  regelmäfsig 
schraubenförmig  gedrehte  Schnur  bilden ,  die  ihrer  ganzen 
Länge  nach  von  einer  gelatinösen,  ungefärbten,  cylindrischen 
Hülle  umgeben  wird.  Das  Thier  schlingt  diese  Eierschnur  in 
vielen  Windungen  um  die  Stämme  und  das  Laub  von  See- 
pflanzen {Fuciis,  Zoster ä)  und  befestigt  sie  daran  mittelst 
eines  dünnen,  aber  starken  und  klebrigen  Schleimblatts,  wel- 
ches die  ganze  Länge  der  Eierschnur  entlang  läuft.  Wenn 
dieses  Geschäft  vollbracht  ist,  so  verläfst  die  Mutter  ihre  Brut, 
ohne  sich  weiter  um  deren  Schicksal  zu  bekifmmern.  —  Eine 
Tritonie,  welche  ich  in  ein  mit  Seewasser  gefülltes  Glas  ge- 
setzt hatte,  setzte  ihren  Rogen  in  demselben  ab,  heftete  ihn 
auf  dieselbe  Art  an  die  Wände  des  Glases  und  folgte  ihrem 
natürlichen  Triebe  auch  darin,  dafs  sie  ihn  in  runde  Krüm- 
mungen legte,  welche  aus  Mangel  eines  Gegenstandes,  um 
welchen  er  hätte  geschlungen  werden  können,  mehr  unregel- 
mäfsig  und  in  ihren  Richtungen  verschieden  waren.    ^ 

Durschneidet  man  die  Eierschnur,  so  fallen  immer  einige 
Eier  (Fig.  h,  i,  vergröfsert;  Fig.  g,  nat.  Gr.)  aus,  wiewohl  sie 
alle  im  Allgemeinen  etwas  fest  kleben  und  dicht  an  einander 
gedrückt  sind.  Sie  sind  von  eirunder  Gestalt  (doch  durch  den 
Druck  der  dicht  aneinander  liegenden  Eier  oft  eckig  oder  von 
minder  regelmäfsigem  Umrisse),  durchsichtig,  jedes  immer  meh- 
rere, im  Allgemeinen  5  — 11  Dotter  {yitellos)  enthaltend.  In 
einer  \  Zoll  langen  Eierschnur  zählte  ich  etwa  200  Eier. 
Rechnen  wir  nun  im  Durchschnitt  8  Dotter  auf  jedes  der  letz- 
teren, so  konmit  auf  eine  16"  lange  Eierschnur  die  bedeutende 
Anzahl  von  25,600  Eiern  imd  204,800  Dottern.  —  Die  erste- 
ren  werden  uneigentlich  Eier  genannt,  die  Dotter  sind  hinge- 
gen im  strengen  Sinne  erst  die  rechten  und  eigentlichen  Eier, 
da  sie  als  solche   im  Eierstocke   erzeugt  und  erst  im  Eierlei- 


199 

ter  (ßviductus)  mit  der  eirunden,  glatten,  durchsichtigen  Hülle 
und  dem   innerhalb  dieser  befindlichen  dünnen,    wasserklaren 
Eiweifs  umgeben  werden,  welche  beiden  Theile  also  als  hinzu- 
kommende zu  betrachten  sind.    Die  Eihaut,  wie  wir  der  Kürze 
wegen  jene  eirunde  Hülle  nannten,   entspricht  wohl   am  mei- 
sten  der   Schale   des   Vogeleies    (welche   unrichtig  mit   einem 
Chorion  verglichen  worden  ist).    Sie  ist  zwar  dünn  und  weich, 
aber  sehr  stark  und  elastisch,   so  dafs   sie  nur  bei   sehr  star- 
kem Drucke  des  Compressoriums  entzweireifst.     Die  den  Dot- 
ter umgebende  Haut  entspricht  dagegen  dem  Chorion  der  leben- 
diggebärenden und  der  Dotterhaut   {Mcjnhrana  vitellinci)  der 
eierlegenden  Thiere;   sie   umschliefst   den  kugelrunden  Dotter 
sehr  dicht,  ist  glatt  und  schwächer,  indem  sie  bei  einem  mas- 
sigen Drucke  des  Compressoriums  entzweigeht,  wobei  der  un- 
durchsichtige äufserst  feinkörnige  Dotter  austritt.     Da  die  Ei- 
liaut  und  das  Eiweifs  wasserklar  sind,   so   sind   es  allein   die 
blafsröthlichen  oder  gelblichen  Dotter,   welche  der  Eierschnur 
ihre  Farbe   verleihen.    —    Die  Dotter    liegen  alle    der  einen 
Seite  der  Eihaut   näher  (Fig.  i);    nur  am   ersten  Tage  zeigen 
sie  beim  Druck  ein  rundes,  durchsichtiges  Bläschen,  die  J^esi- 
ciila  PurJiinj'U,  w^elche  nachdem  verschwindet.   —   Endlich  ist 
zu  bemerken,    dafs   in   den  beiden  äufsersten  Enden  der  Eier- 
schuur  jede  Eihaut  wenigere  (3-2-1)  Dotter  umschliefst,  und 
nicht  wenige  ohne  die  geringste  Spur  eines  Dotters  sind  (wie 
die  sogenannten  Windeier  der  Vögel). 

c.     Die  Umbildungen  des   Dotters. 

Von  nun  an  zeigen  die  Dotter  oder  die  eigentlichen  Eier 
unter  den  Augen  des  aufmerksamen  Beobachters  eine  Reihe 
äufserst  merkwürdiger  Verwandlungen  oder  regelmäfsiger  Form- 
veränderungen, indem  sich  nämlich  ihre  kreisförmige  Periphe- 
rie beim  Beginnen  des  zweiten  Tages  in  zwei  ebenfalls  kreis- 
runde, gleich  grofse,  zusammenhängende  Theile  (Fig.  1)  theilt; 
am  Ende  desselben  Tages  haben  viele  Dotter  sich  schon  in  4 
getheilt,  indem  jeder  der  2  erwähnten  Theile  sich  wieder  in 
2  getheilt  haben  (Fig.  m).  Am  dritten  Tage  haben  alle  sich 
in  4  (Fig.  p)  und  viele  schon  in  8  (Fig.  q)  getheilt.  So  geht 
es  in  regelmäfsiger  Progression  mit  den  Theilungen  und  fer- 
neren Theilungen  des  Dotters  (Fig.  r  und  s)  fort,  bis  seine 


200 

Oberfläche,  welche  dabei  wieder  zur  Kugelgestalt  zuriickge- 
formt  wird,  am  neunten  und  zehnten  Tage  die  feinste  Granu- 
lation zeigt  (Fig.  s).  Es  ist  jedoch  zu  bemerken,  dafs  nicht 
alle  Dotter  in  der  Eierschnur  sich  eben  so  schnell  entwickeln; 
im  Gegentheil  sieht  man,  und  das  besonders  in  den  Enden 
der  letztern,  einige  ungetheilt,  während  die  andern  zweige- 
theilt  sind,  oder  zweigetheilte,  während  die  übrigen  schon  vier- 
getheilt  sind  u.  s.  w. 

Eine  ähnliche,  regelmäfsige  Theilung  des  Dotters  haben 
schon  Prevost  und  Dumas  im  Frosch -Eie  bemerkt  (Ann. 
d.  sc.  nat.,  Tom.  IL,  pl.  6.)  und  Rusconi  noch  vollständiger 
beim  Eie  der  Wassersalamander  und  der  Fische  (Müll er' s 
Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1836,  Tab.  VIII.).  Es  ist  von  nicht 
geringer  Wichtigkeit,  dafs  dieses  interessante  physiologische 
Phänomen,  welches  die  Naturforscher  nur  noch  wenig  kennen, 
sich  auch,  und  noch  deutlicher  und  leichter  zu  beobachten,  bei 
den  Mollusken  zeigt,  welches  diese  meine  während  zweier 
Winter  fortgesetzten  Beobaclitungen  bestätigen.  Es  scheint  in 
der  That,  als  ob  die  Bildung  des  Embryos  nicht  vor  sich  ge- 
hen könne  ohne  eine  solche  vorhergehende  Operation  (eine 
eigenthümliche  Art  von  Krystallisation ,  wie  Rusconi  sie 
nennt),  mittelst  welcher  die  Natur  die  Elementartheile  der 
vorzüglichsten  Systeme  bereitet.  Aus  einzelnen  Figuren  Lei 
Carus  in  seinen  Untersuchungen  an  den  Flufsmuscheln  möchte 
man  veramtlien,  dafs  dasselbe  Phänomen  sich  auch  bei  den 
Acephalen  finde  und  überhaupt  vielleicht  im  Thierreiche  allge- 
meiner, als  mau  geglaubt  hat,  vorkomme. 

d.     Die  Bildung  und  weitere  Entwickelung 
des   Embryos. 

Bei  diesen  Theilungen  geht  der  Dotter  unmerklich  in 
einen  Embryo  über,  denn  man  bemerkt  gar  keine  Abtrennung 
oder  Abschnürung  irgend  eines  einzelnen  Theils,  auch  keine 
Embryobildung  in  einer  gewissen  Stelle  desselben  (wefshalb 
auch  die  Theilungen  hier  an  der  Oberfläche  des  ganzen  Dot- 
ters Statt  finden,  wogegen  sie  bei  den  Eiern  der  Reptilien  und 
Fische,  nach  Rusconi' s  Beobachtungen,  nur  an  einer  einzel- 
nen Stelle  oder  in  einem  einzelnen  Räume,  nämlich  demjeni- 
gen, welcher  zum  Embryo  gebildet  wird,   existiren),   sondern 


201 

der  ganze  Dotter  verwandelt  sich  in  den  Embryo,  ohne  dafs 
irgend  ein  Theil  oder  Häute  abfielen,  —  welches  Carus  und 
Andere  bei  anderen  Mollusken  schon  gezeigt  haben,  und  wel- 
ches wahrscheinlich  für  alle  wirbellose  Thiere  gilt,  die  Dinten- 
fische  vielleicht  allein  ausgenommen.  —  Am  12ten  und  bis 
zum  14ten  Tage  sind  die  Dotter  nicht  weiter  ganz  kugelför- 
mig, sondern  werden  allmahlig  mehr  länglich  (Fig.  t)  und  am 
einen  Ende  in  der  Mitte  eingeschnitten,  wodurch  zwei  sehr 
kleine  runde  Ausschnitte  oder  Lappen  (Fig.  u)  erzeugt  wer- 
den; am  15ten  und  löten  Tage  bemerkt  man  aufserdem  einen 
Quereinschnitt  mitten  über  dem  Dotter,  an  der  einen  Seite, 
oder,  was  dasselbe  ist,  es  biegt  sich  das  andere,  zugerundete 
Ende  einwärts.  Der  Embryo,  wie  wir  jetzt  den  umgewandel- 
ten Dotter  nennen  wollen,  obzwar  er  noch  keine  Spur  von 
Leben  zeigt,  ist  solchergestalt  knieförmig  gebogen  und  gleicht 
einem  Pferdehufe  (Fig.  v);  die  konvexe  Fläche  ist  der  Rük- 
ken,  die  konkave  der  Bauch,  die  zwei  runden  Lappen  bezeich- 
nen das  Vorderende,  das  entgegengesetzte  einwärts  gebogene 
Ende  ist  das  Hinterende.  Die  Bedeutung  dieser  Theile  zeigt 
sich  aber  erst  später  deutlich.  —  Am  17ten  Tage  wurde  zu- 
erst die  anfangende  Bewegung  bei  einzelnen  Embryonen  be- 
merkt; sie  besteht  dann  in  einem  fast  unmerklichen  Rücken  nach 
vorwärts,  oder  vor-  und  rückwärts;  am  Rande  der  zwei  klei- 
nen runden  Lappen  am  Vorderende  sieht  man  einige  wenige 
überaus  feine  und  kurze  Cilien  (Randhaare),  bei  deren  zittern- 
der Bewegung  der  Embryo  sich  langsam  dreht.  —  Am  ISten 
und  19ten  Tage  werden  diese  Lappen,  welche  Verlängerungen 
des  Mantels  zu  sein  scheinen,  gröfser  und  strecken  sich  gern 
horizontal  aus  (Fig.  x).  Die  Bewegung  ist  meistens  ein  Dre- 
hen im  Kreise.  In  einem  spätem  Stadium  werden  die  Bewe- 
gungen äufserst  rasch  und  lebhaft.  Dicht  hinter  den  runden 
Lappen  bemerkt  man  jetzt  im  Profil  auf  der  Bauchseite  eine 
hervorstehende  Querwulst;  dies  ist  der  hervorwachsende  Fufs 
(Fig.  y).  Andere  Embryone  sind  inzwischen  noch  ohne  Be- 
wegung und  gleichen  ganz  denen  vom  löten  Tage.  —  Am 
21sten  und  22sten  Tage  bewegen  sich  die  Embryone,  welche 
nach  und  nach  an  Gröfse  zugenommen  hal>en  (welches  man 
sogar  an  der  Eierschnur  sehen  kann,  welche  jetzt  fast  dop- 
pelt ist,  so  dick  als  sie  sich  nun  zeigt),  jetzt  etwas  Iiurtiger, 


202 

stets  mit  Hülfe  der  vibrirenden  Cilieii  (wie  bei  den  Rippen- 
quallen, Acalepha  ctenophora  Eschscli.,  ganz  mechanisch, 
denn  wenn  sich  die  Cilien  nicht  bewegen,  liegt  der  Embryo 
still),  und  zwar  nun  nach  allen  Riclitungen,  aber  stets  mit 
dem  Vorderende  des  Körpers  voran,  unter  einander  herum  in 
dem  dünnen,  wasserklaren  Eiweifse,  welches  von  der  gemein- 
schaftlichen Eihaut  (Schalenhaut)  eingeschlossen  wird.  Man 
sieht  nun  ziemlich  deutlich,  dafs  der  Embryo  eigentlich  in 
einer  Konchylie  sitzt,  aus  welcher  nur  die  runden  Lappen  und 
das  Fufsrudiment  hei  vorragen  (Fig.  z).  Diese  Konchylie  ist 
ziemlich  niedergedrückt,  mit  einer  länglichen,  weiten  Oeffnung, 
zugerundet  an  der  Seite,  welche  dem  Rücken  des  Embryos 
entspricht,  etwas  zusammengedrückt  von  den  Seiten  und  schmä- 
ler an  dem  hintersten,  der  Bauchfläche  zugewendeten  Ende; 
mit  anderen  Worten,  sie  gleicht  etwas  einem  kurzen,  plum- 
pen Schuhe,  dessen  Sohle  aber  nicht  flach,  sondern  konvex 
ist.  Sie  ist  nun  noch  gelatinös  und  weich;  erst  in  einem  spä- 
tem Zeiträume,  nämlich  bei  dem  ausgeschlüpften  Jungen,  wird 
sie  kalkartig,  hart  und  spröde.  In  diesem  letztern  Zustande 
war  es  wo  ich  sie  zum  ersten  Male  für  eine  wirkliche  Kon- 
chylie erkannte;  in  dem  Stadium,  von  welchem  wir  jetzt  spre- 
chen, hielt  ich  sie  immer  für  die  allgemeine  Hautdecke  oder 
den  Mantel.  Die  Tritonien,  diese  nackten  Mollusken,  in  ihrem 
frühen  Lebensalter  von  einer  Konchylie  umgeben!  Ich  traute 
kaum  meinen  eigenen  Augen,  als  ich  zuerst  diese  Entdeckung 
machte;  so  wenig  schien  sie  mit  der  Organisation  des  erwach- 
senen Thiers  sich  zusammen  zu  reimen.  Ich  habe  indessen 
dieselbe  Beobachtung  bei  einer  ganzen  Reihe  anderer  ähnlicher 
sogenannter  nackter  Mollusken  gemacht,  welche  sich  sonach 
auch  in  dieser  Rücksicht  nach  demselben  Typus  gebildet  zei- 
gen, wie  die  übrigen  im  erwachsenen  Zustande  mit  einer 
Schale  versehenen  Gasteropoden. 

Uebrigens  hat  zu  dieser  Zeit  der  Eiubryo,  welcher  früher 
beinahe  undurchsichtig  war,  mehr  Durchsichtigkeit  erhalten, 
und  diese  nimmt  in  der  folgenden  Zeit  noch  mehr  und  mehr 
zu.  So  sieht  man  nun  schon  Spuren  des  Darms;  aber  die 
geringere  Durchsichtigkeit  der  Konchylie,  in  welcher  man  noch 
viele  feinkörnige  Materie  (Eidotter)  bemerkt,  verhindert  den 
Beobachter,  mit  Deutlichkeit  die  inneren  Theile  sehen  zu  können. 


203 

Am  23sten  und  bis  zum  SOsten  Tage  wächst  die  Kon- 
chylie  bedeutend  in  die  Länge  (Fig.  a  —  •^)  und  geht  nach 
lind  nach  von  der  niedrigen,  breiten  und  niedergedrückten 
Schuhgestalt  zu  einer  ovalen,  von  den  Seiten  zusammenge- 
drückten, nach  hinten  zugerundeten  und  an  der  Bauchseite  in 
sich  selbst  hineingebogenen  Schale  über,  ungefähr  wie  bei 
einem  Nautilus.  Die  Bewegungen  sind  jetzt  äufserst  rasch,  die 
Embryone  laufen  in  einem  fort  zwischen  einander  in  dem  flüs- 
sigen Eiweifs  nach  allen  Richtungen  herum,  mit  Hülfe  der  jetzt 
ausgezeichnet  deutlichen,  gröfser  gewordenen  Cilien,  welche 
die  zwei  runden  Lappen  besetzen  —  ein  vorzüglich  schönes 
und  unterhaltendes  Schauspiel  für  den  Beobachter!  (Fig.  /.) 
—  Jene  zwei  oft  erwähnten  runden  Lappen  am  vordersten 
Ende  des  Körpers  sind,  jeder  an  seiner  Seite  desselben,  ge- 
stellt; sie  sind  während  der  Bewegungen  flach  ausgebreitet 
oder  horizontal,  wenn  sich  das  Vorderende  auf-  oder  abwärts 
wendet  (Fig.  ?/);  in  der  Ruhe  aber  oder  bei  der  Kontraktion 
legen  sie  sich  zusammen  (Fig.  e,  t).  Sie  scheinen  unmittel- 
bare Verlängerungen  des  Mantels  zu  sein  und  müssen  ohne 
Zweifel  als  transitorische  Organe  betrachtet  werden;  auch  kann 
ich  die  Cilien,  mit  welchen  ihr  Rand  besetzt  ist,  nicht  anders 
ansehen;  sie  als  Kiemen  zu  betrachten,  oder  zu  glauben,  dafs 
sie  in  solche  verwandelt  würden,  möchte  sich  wegen  der  an- 
derwärts befindlichen  Stelle  der  letzteren  Organe  (nämlich  zu 
beiden  Seiten  des  Rückens)  bei  der  erwachsenen  Tritonie, 
kaum  vertheidigen  lassen,  obwohl  sie  gewifs  zur  Respiration 
dadurch  beitragen,  dafs  sie  mittelst  ihrer  Bewegungen  dem 
Embryo  (und  in  einer  spätem  Periode  auch  dem  Jungen) 
neues  respirables  Fluidum  zuführen.  —  In  Rücksicht  der  an- 
deren äufseren  Organe  bemerkt  man  keinen  deutlichen  Kopf, 
keine  Tentakeln,  keine  Kiemen.  Dagegen  sieht  man  auf  der 
hintersten  Fläche  des  jetzt  deutlichen  Fufses  einen  ungemein 
dünnen,  kreisrunden,  sehr  durchsichtigen  Deckel  befestigt,  um 
die  Oefi'nung  der  Konchylie  zu  schliefsen,  welches  die  Aehn- 
lichkeit  mit  den  Gasteropoden  vollendet,  die  mit  Gehäusen 
versehen  sind.  Dieser  Deckel  ist  enface  fast  unsichtbar  we- 
gen seiner  Dünne  und  Durchsichtigkeit,  aber  im  Profile  zeigt 
er  sich  als  ein  Strich  oder  eine  dunkle  Linie,  welche  ein  we- 
nig vor  dem  Ende   des   Fufses  hervorragt  (Fig.  d-).  —  Was 


204 

die  inneren  Theile  betrifft,  welche  nun  sichtbarer  werden,  so 
sieht  man  eine  undurclisichtige  gelbweifse  Masse  sich  von  den 
eben  so  gefärbten  runden  Lappen  und  dem  Fufse  rückwärts 
in  die  Konchylie  ziehen;  aus  dieser  Masse  entspringt  der 
Darmkanal;  dieser  läuft  von  vorn  nach  hinten,  erweitert  sich 
an  der  letztern  Stelle  in  einen  länglichen,  krummgebogenen 
Magen,  von  welchem  er  sich  nach  der  rechten  Seite  und  wie- 
der in  einem  Bogen  aufwärts  biegt,  indem  er  sehr  dünn  wird; 
wie  er  endete,  wurde  nicht  sichtbar.  Vorn  und  nach  oben 
auf  der  linken  Seite  des  Magens  sitzt  ein  grofser,  runder  oder 
ovaler,  gelbweifser,  undurchsichtiger  Knoten,  an  der  rechten 
Seite  und  etwas  mehr  nach  hinten  zwei  kleinere,  ebenfalls 
runde  Knoten  von  derselben  Beschaffenheit,  der  eine  über  oder 
vor  dem  andern  (Fig.  s  —  ^9^).  Der  Darmkanal  ist,  wie  man 
sieht,  im  Wesentlichen  mit  dem  des  erwachsenen  Thiers  über- 
einstimmend; die  eben  erwähnten  Knoten,  wenigstens  der  grös- 
sere von  ihnen,  müssen  wohl  für  die  hervorwachsende  Leber 
angesehen  werden.  Endlich  läuft  von  der  vorderen  Einge- 
weidemasse, und  vermuthlich  vom  Fufse,  ein  durchsichtiger, 
doch  deutlicher  Muskel,  nach  unten  an  der  linken  Seite  des 
Darmkanals,  nach  dem  hintern  Ende  des  Körpers,  entweder 
nach  dem  dicht  an  der  Konchylie  anliegenden  Mantel  des 
Embryos,  oder,  was  das  Wahrscheinlichste  ist,,  nach  der  Kon- 
chylie selbst,  in  welchem  letztern  Falle  er  als  analog  mit 
dem  Anheftungsmuskel  der  Schnecken  betrachtet  werden  kann 
(Fig.  € — d).  Man  bemerkt  nämlich  jetzt,  dafs  der  Embryo 
sich  öfters  ganz  in  seine  Koncliylie  zieht.  Der  Mantel  ist 
sehr  durchsichtig  und  liegt  dicht  an  der  Schale;  doch  zieht 
or  sich  bisweilen  ein  wenig  zusammen  und  zeigt  sich  dann 
etwas  von  der  innern  Wand  der  Konchylie  abgelöst  (wie  Lei 
dem  Jungen,  Fig.  X).  Man  bemerkt  zu  dieser  Zeit  auf  ihm, 
besonders  auf  dem  Rücken,  einige  überaus  feine,  klare  Quer- 
streifen, welche  an  den  Seiten  in  kloine  Knoten  (Fig.  ^)  an- 
gescliwollen  zu  sein  scheinen;  —  ob  dies  Blutgefäfse  sein 
mögen?  Das  Herz  habe  ich  nicht  sehen  können,  woran  die 
Unvollkommenheit  meines  Mikroskopes  ohne  Zweifel  Schuld  ist. 

e.     Die   ausgeschlüpften  Jungen. 
Während  aller  dioser  Veränderungen   mid  der  auf  diesel- 


205 

ben  verwandten  Zeit  ist  die  Eiersehnur  etwa  dreimal  so  dick 
geworden,  wie  sie  bei  ihrem  Austritt  am  ersten  Tage  war 
(Fig.  (5),  indem  nämlich  sowohl  die  Eiliäute  durch  das  ver- 
niittelst  der  Einsaugung  von  Seewasser  gebildete  Eiweifs  er- 
weitert worden  und  die  eingeschlossenen  Embryone  so  bedeu- 
tend gewachsen  sind.*)  Diese  sind  nun  endlich  so  grofs  ge- 
worden, dafs  sie  nur  mit  Mühe  Platz  innerhalb  der  Eihaut 
finden;  ihre  Bewegungen  sind  so  kräftig,  sie  stofsen  so  lange 
gegen  die  jetzt  sehr  dünne  Eihaut,  dafs  diese  endlich  gesprengt 
wird;  da  nun  auch  die  die  Eierschnur  umgebende  Schleim- 
hülle zu  dieser  Zeit  sehr  locker  und  im  BegrijQFe,  sich  aufzu- 
lösen, ist,  so  treten  sie  ohne  Hindernifs  in  das  umgebende 
Seewasser  hinaus.  —  Es  war  am  31sten  Tage,  als  ich  be- 
merkte, dafs  die  ersten  Jungen  (es  waren  ihrer  nur  wenige) 
auskamen,  und  dies  fand  am  einen  Ende  der  Eierschnur  statt. 
Es  geht  übrigens  mit  dem  Ausschlüpfen  nur  langsam;  erst  am 
36sten  Tage  kamen  die  Jungen  in  grofser  Menge  hervor,  in- 
dem die  Eierschnur  an  mehreren  Stellen  anfing,  sich  aufzulösen 
und  in  Stücke  zu  zerfallen.  Die  sogar  dem  unbewaffneten 
Auge  sichtbaren  ausgeschlüpften  Jungen  (Fig.  y,  nat.  Gr.,  Fig. 
A,  fi,  V,  vergröfsert)  schwammen  sogleich  nach  allen  Richtun- 
gen im  Wasser  herum,  mit  Hülfe  der  vibrirenden  Cilien  auf 
den  runden  Lappen,  welche  letzteren  während  des  Schwim- 
mens  immer  unbeweglich  ausgestreckt  gehalten  wurden.  Das 
Schwimmen  geschieht  ziemlich  rasch  und  gleichmäfsig  fort- 
schreitend (stets  mit  den  runden  Lappen  voran),  bald  auf- 
wärts, bald  abwärts,  oder  nach  den  Seiten  hin,  ganz  so  wie 
bei  den  Thieren,  welche  ich  in  meiner  Schrift:  „Beshivelser 
og  Jagttagelser  over  Södyr  ved  den  Bergenske  KysV\ 
Cirropteron  genannt,  die  ich  aber  jetzt  nur  für  die  Jungen 
von  Gasteropoden  halte.  —  Erst  am  38sten  Tage  hatte  die 
Eierschnur  sich  ganz  aufgelöst,    und   das  Seewasser  in  dem 


'^)  Schade,  dafs  ich  kein  Mikrometer  hatte,  um  mit  Genauigkeit 
die  Stärke  des  Wachsthums  angeben  zu  können.  Aus  den  gegebenen 
Figuren,  welche  alle  gleich  stark  vergröfsert  und  mit  möglichster 
Genauigkeit  nach  dem  Augenmaafse  gezeichnet  sind,  ersieht  man  doch 
den  bedeutenden  Wachsthum,  z.  B.  beim  Vergleichen  der  Fig.  r.  mit 
Fig.  y. 


206 

Glase,  in  welchem  sie  lagen,  wimmelte  von  den  iimhersclnvim- 
menden  zahllosen  Schaaren  der  Jungen.  —  Nimmehr  wird  die 
Konchylie,  wie  es  scheint  durch  die  Berührung  mit  dem  See- 
wasser, hart,  kalkartig  und  spröde,  so  dafs  sie  dem  Eindrucke 
einer  Nadel  nicht  nachgiebt,  sondern  bei  demselben  immer  in 
mehrere  Stücke  zerspringt;  sie  ist  fernerhin  etwas  weifslich 
und  ganz  durclisichtig,  wie  Wasser,  glänzt  auch  ausnehmend 
dcutlicli  (Fig.  J^,  (f,'/).  Sie  hat  nur  eine  Windung,  die  in  sich 
selbst  eingebogen  ist,  ganz  so  wie  die  eines  Nautilus,  welcher 
sie  auch  in  ihrer  Gestalt  am  meisten  gleicht;  das  Vorderende 
ist  schief  abgeschnitten,  die  Oeflfnung  länglich  (so  wie  die 
Konchylie  von  den  Seiten  zusammengedrückt  ist),  regelraäfsig. 
Reizt  man  das  Thier,  so  zieht  es  sich  wie  eine  wirkliche  Scha- 
lenschnecke ganz  in  seine  Konchylie  hinein  (Fig.  r),  welche 
demnach  dem  schwachen  Thiere  zur  Beschirmung  dient.  —  Im 
Vorbeigehen  mufs  ich  bemerken,  dafs  die  Lebhaftigkeit  der 
Cilien  fast  bis  ins  Unglaubliche  geht;  selbst  bei  einem  sehr 
kleinen,  abgerissenen  Stücke  der  runden  Lappen  fuhren  sie 
fort,  sich  unablässig  über  zwei  Stunden  lang  zu  bewegen  und 
dabei  das  Stück  fortwährend  im  Kreise  herumzudrehen. 

Bei  häufiger  Erneuerung  des  Seewassers  erhielt  ich  einige 
dieser  Jungen  noch  fast  zwei  Wochen  hindurch  am  Leben, 
aber  länger  war  mir  dies  nicht  möglich;  sie  starben  dann  alle 
nach  und  nach,  fielen  haufenweise  zu  Boden,  oder  sammelten 
sich  an  der  Wasserfläche,  die  weichen  Tlieile  lösten  sich  auf 
und  die  leeren  Konchylien  (welche  austrockneten  und  ganz 
ihre  Gestalt  behielten)  schwammen  in  Menge  auf  der  Ober- 
fläche des  Wassers,  dem  blofsen  Auge  bemerkbar  durch  ihre 
weifsliche,  glänzende  Farbe  (Fig.  9,  /).  —  Späterhin  habe  ich 
öfters  eine  ungeheure  Menge  solcher  Jimgen  in  der  See  um 
Florö  im  März  und  Anfange  des  Aprils  gefunden;  aber  es  ist 
mir  bisher  nicht  geglückt,  ihre  fernere  Entwickelung  und  Ver- 
wandlung zu  beobacliten.  Man  begreift  leicht,  dafs  es  hier 
auf  eine  glückliche  Gelegenheit  ankommt,  um  die  Uebergänge 
vom  vorigen  zum  nachfolgenden  Entwickelungszustande  zu 
finden,  da  man  sonst  leicht  dasselbe  Thier  in  seinen  verschie- 
nen  Gestalten  für  eben  so  viele  verschiedene  Thiere  halten 
kann.  Dafs  die  Konchylie  in  einem  späteren  Stadium  abge- 
worfen wird,  und  dafs  eine  bedeutende  Veränderung  vorgehen 


207 

mnfs,  bevor  das  Junge  zn  der  Gestalt  und  Lebensweise  dos 
erwachsenen  nackten  und  langsam  kriechenden  Thieres  ge- 
langt, ist  einleuchtend. 

Erklärung  der  Figuren. 

Fig.  «.     Trkonia  Ascanii  in  nat.  Gr.     a^    die  Geschlecbls- 
öffniing,  ein  wenig  erweitert;  h^   der  After;  c^   die  oberen  Ofler 
eigentlichen  Tentakeln   in  ihrer  Röhre;  d^   die  Labialtentakeln; 
e'  e^  5—6  Paar  verzweigte  Kiemen  auf  dem  Rücken. 
Fig.  b.    Einige  Lappen  des  Eierstocks  in  nat.  Gr. 

Fig.  c.     Ein  Lappen  vergröfsert. 

Fig.  d.     Zwei  Eier  nock  mehr  vergröfsert. 

Fig.  e.    Ein  Stück  einer  Eierschnur  in  nat.  Gr. 

Fig.  f.  Ein  Stück  derselben  vergröfsert.  a  die  eigentliche 
schraubenförmige  Eierschnur,  b  die  Schleimhülle. 

Fig.  g.     Sechs  Eier  vom  Istcn  Tage  in  nat.  Gr. 

Fig.  h.  Eins  derselben  vergröfsert,  mit  9  eingeschlossenen 
Dottern. 

Fig.  I.  Ein  anderes  von  der  Seite;  man  sieht,  dafs  die  Dot- 
ter an  der  einen  Seite  angehäuft  liegen. 

Fig.  h,  Ist  Fig.  h  ganz  leicht  mittelst  des  Compressoriums 
gedrückt,  um  die  Dotter  mehr  zu  isoliren.  Alle  folgenden  Eier 
sind  ebenfalls  leicht  gedrückt,  um  die  Dotter  besser  zu  sehen. 

Fig.  l.  Vom  2ten  Tage  Morgens;  die  Dotter  sind  zwei- 
getheilt. 

Fig.  ;;t.  Vom  Abende  desselben  Tages;  einige  Dotter  sind 
schon  viergetheilt. 

Fig.  n  und  o.  Sind  2  Eier  von  den  Enden  der  Eierschnur 
vom  2ten  Tage:  man  sieht,  dafs  die  Entwickelung  hier  langsa- 
mer vor  sich  geht. 

Fig.  ^.  Ein  Ei  vom  2ten  —  3ten  Tage;  alle  Dotter  vier- 
getheilt. 

Fig.  q.    Vom  .3ten  —  4ten  Tage;  alle  Dotter  achttheilig. 

Fig.  r.    Vom  6ten  Tage;  noch  mehr  getheilt. 

Fig.  s.     Vom  9ten  Tage;  die  Dotter  fein  granulirt. 

Fig./.     Vom  12ten  Tage;  die  Dotter  sind  länglich  geworden. 

Fig.  w.  Vom  14tenTage;  am  einen  Ende  der  Dotter  zeigt 
sich  der  Anfang  der  2  runden  Lappen. 

Fig.  V.  Vom  16ten  Tage;  die  Dotter  sind  pferdehufförmig 
gebogen. 

Fig.  w.  Ein  Embryo  vom  ITten  Tage,  an  welchem  er  zu- 
erst anfängt,  sich  schwach  zu  bewegen;  man  sieht  die  feinen 
Cilien. 

Fig.  oc.  Ein  Ei  vom  ISten  Tage;  einige  Embryone  sind 
ohne  Bewegung,  andere  strecken  die  runden  Lappen  mit  ihren 
Cilien  aus  und  rotiren. 

Fig.  y.  Vier  Embryone  vom  19tenTage;  sie  bewegen  sich 
kreisförmig;  man  sieht  nun  das  Fufsrudiment;  die  unterste  Figur 
rechts  ist  von  hinten  gesehen;   die  3  anderen  von  den  Seiten. 


208 

Fig.  z.  Vier  Embryonc  vom  21stenTa£;c;  die  2  ersten  an- 
gesehen von  der  linken  Seite,  der  3te  rechts  von  hinten,  der 
unterste  von  oben;  die  Konchylle  ist  schubförmig. 

Flg.  «.  Vom  23sten  Tage  ein  Embryo;  die  Konchylle  v\'Ird 
länger. 

Fig.  ß.    Sechs  Eier  vom  26sten  Tage,  In  nat.  Gr. 

Flg.  y.  Eins  derselben  vergrüfsert;  die  Embryone  laufen 
rasch  zwischen  einander  umher. 

Fig.  €.  Ein  Embryo  vom  26sten  Tage,  von  der  linken  Seite 
angeselien. 

Flg.  C.     Derselbe  von  der  rechten  Seite. 

Fig.  1].     Derselbe  von  hinten. 

Bei  allen  bemerkt  man  die  runden  Lappen  und  deren  Ci- 
llen,  den  Fufs,  die  in  die  Längewachsende  Konchylle,  und  in- 
wendig den  Darmkanal  mit  den  runden  Knoten  (die  Leber), 
ferner  zu  hinterst  den  Anheftungsmuskel. 

Fig.  O.  Ein  Embryo  vom  29sten  Tage,  von  der  linken 
Seite  angesehen;  hinten  auf  dem  Fufse  erscheint  der  Deckel  im 
Profile. 

Fig.  (T.    Ein  Stück  der  Eierschnur  vom  27sten  Tage. 

Fig.  X.    Sechs  Junge,  frei  herumschwimmend,  nat.  Gr. 

Flg.  X.  Eines  derselben,  von  der  linken  Seite  angesehen; 
der  Mantel  hat  sich  an  einigen  Stellen  etwas  von  der  Konchylle 
abgelöst. 

Fig.  fx.    Dasselbe  von  vorn. 

Fig.  V.  Dasselbe  von  der  linken  Seite.  Das  Thier  hat  sich 
in  seine  Konchylle  hineingezogen,  vibrirt  aber  noch  mit  seinen 
Cilien. 

Fig.  (p.     Die  Konchylle  von  der  linken  Seite  gesehen. 

Fig.  X'     Die  Konchylle  von  vorn. 


Von  der  Scyllcißa  pelagica,  dieser  den  Tritonien  so 
nahe  verwandten  Niidibranchie,  hatte  ich  im  Herbste  1837  Ge- 
legenheit, in  der  Sammlung  des  naturhistorischen  Vereins  in 
Kopenhagen  den  Rogen  zu  untersuchen,  welcher  sich  um 
Fuciis  natans  geschlungen  befand  und  vom  Dr.  Lund  im 
atlantischen  Meere  gesammelt  worden  war.  Er  hat  die  Ge- 
stalt einer  langen,  cylindrischen,  mannichfach  gebogenen 
Schnur,  eben  wie  bei  der  Tritoiiia;  die  grofsen,  eirunden  Ei- 
häute umschliefsen,  jede,  eine  grofse  Menge,  nämlich  bis  an 
30  hellgelber  Dotter. 


209 

II.     Aeolidia   hodöensis. 

Doris  hodöensis,  Gunnerus  inKj6benh.Vid.SelsJ{, 
Skr.  Bd.  10,  Tab.  e,  Fig.  11  —  16. 

Boris  papulosa,  Müller,  Prodr.,  N.  2775.  —  0.  Fa- 
hr icius,  Fn.  Grönl.,  N.  336. 

Bei  den  Aeolidien  verhält  es  sich  mit  der  Paarung,  dem 
Eierlegen  und  der  Entwickelung  in  allen  wesentlichen  Punk- 
ten eben  so  wie  bei  der  Tritonia.  Aeolidia  hodöensis,  eine 
an  unserer  Küste  gemeine  Art  (welche  von  Lamarck  und 
Anderen  unrichtig  mit  A.  Cuvieri  zusammengeworfen  worden 
ist),  kommt  im  INovember  und  December  an  den  Strand,  be- 
sonders in  stillen,  wenig  tiefen  kleinen  Buchten,  deren  Grund 
mit  Zostera  bewachsen  ist,  auf  deren  Blättern  sie  herum- 
kriecht, um  die  zahlreichen,  auf  denselben  sitzenden,  kleinen 
Aktinien  (^A,  viduata  Muell.^  zu  greifen,  von  welchen  sie 
sich  ornährt.*)  Im  Januar  oder  Februar  setzt  sie  ihren  Rogen 
oder  ihre  lange  Eierschnur  ab,  welche  eine  ähnliche,  obgleich 
etwas  zusammengedrückte  nnd  unregelmäfsiger  gekrümmte 
Form  und  dieselbe  Beschaffenheit,  wie  bei  der  Tritonia,  hat 
und  in  vielen  Krümmungen  um  Zostera-  oder  Tangblätter  ge- 
schlungen wird.  Die  Eier  bilden  jedoch  keine  schraubenför- 
mig gewundene  Schnur,  wie  bei  Tritonia,  sondern  sind,  wie 
es  scheint,  unordentlich  auf  einander  gehäuft  innerhalb  der 
umgebenden  Schleimhülle.  Die  Dotter  sind  blafsröthlich;  jede 
Eihaut,  welche  sehr  wenig  oval  oder  fast  kugelförmig  ist, 
schliefst  2 — 7  Dotter  ein.  Diese  theilen  und  theilen  sich  ganz 
so  wie  bei  der  Tritonia.  Erst  am  24sten  Tage  liefsen  sich 
Bewegungen  bei  den  Embryonen  bemerken ;  diese  haben  die- 
selben mit  Cilien  besetzten  Lappen  und  sitzen  ebenfalls  in 
einer  Konchylie  von  ähnlicher  Form;  da  ihrer  aber  im  Gan- 
zen weit  wenigere  sind  als  der  Tritonienembryone,  so  konn- 
ten die  übrigen  Eigenthümlichkeiten  nicht  so  genau  beobach- 
tet werden. 


*)  Ich  habe  Aktinien  in  ihrem  Magen  gefunden,  auch  gesehen, 
dafs  sie  sie  verzehrten.  Ebenfalls  hat  Ehrenberg  im  rothen  Meere 
eine  fleischfressende  Aeolidie,  sein  Phyllodesmium  {Symbolae  phys., 
Evertebr.,  Bogen  h),  entdeckt,  welche  sich  von  Polypen  (Xenien) 
nährt. 

Wiegm.  Archiv.    VI.  Jahrg.    1.  Band.  14 


210 

Von  einer  andern  Art  derselben  Gattung,  meiner  A co- 
li dia  pulchella,  hatte  ich  ein  Individuum  in  ein  mit  See- 
wasser gefidltes  Glas  gethan,  welches  am  10.  April  eine  Eier- 
schnur von  weifser  Farbe  und  einer  merkwürdig  regelmäfsi- 
gen  Form  absetzte.  Sie  hatte  nämlich  die  Dicke  eines  ge- 
wöhnlichen Zwirnfaden  (^  —  i"'X  ^^'^r  mit  der  gewöhnlichen 
Schleimhülle  umgeben  und  bildete  eine  vollkommen  regelmäs- 
sig 7mal  gewundene  Spirale,  welche  ihrer  ganzen  Länge  nach 
an  die  Wand  des  Glases  geheftet  war.  Die  Form  dieser  Eier- 
schnur gleicht  ziemlich  der  bei  Doris,  welche  wir  weiter  un- 
ten betrachten  wollen;  auch  umschliefst  jede  Eihaut,  so  wie 
bei  dieser,  nur  einen  Dotter. 


III.    Doris  muricata,  Varietas  (fortasse  species 

distinctay 

Am  Ende  des  Februar  und  am  Anfange  des  März  be- 
merkt man  bei  Florö  häufig,  besonders  an  steil  in  die  See 
abschüssigen  Bergen,  einen  gelatinösen,  schneeweifsen,  in  eine 
Spirale  zusammengewundenen  Rogen  an  Klippen  oder  Meer- 
eicheln {Baianus)  befestigt,  zu  welcher  Zeit  auch  Doris  mu- 
ricata (Fig.  a  in  nat.  Gr.)  sich  in  Menge  zu  finden  pflegt. 
Diese  Eierschnüre  sind  nahe  an  der  gewöhnlichen  Ebbengrenze 
befestigt,  so  dafs  viele  von  ihnen  bei  den  starken  Ebben, 
welche  in  dieser  Jahreszeit  vorkommen,  weit  oberhalb  des  See- 
spiegels ganz  trocken  liegen.  Sie  sind  zu  einem  dünnen,  brei- 
ten Bande  stark  zusammengedrückt  (Fig.  b),  welches  mit  dem 
einen  scharfen  Rande  an  Meereicheln  oder  Klippen  geheftet 
ist,  während  das  Band  übrigens  lothrecht  und  ganz  frei,  mit 
dem  obern  freien  Rande  etwas  auswärts  gebogen  steht.  — 
Obgleich  ich  vermuthete,  dafs  diese  Eierbänder  der  erwähnten 
Doris-Art  angehörten,  so  erlangte  ich  hierüber  doch  erst  Ge- 
wifsheit,  als  ich  sah,  dafs  ein  in  ein  Glas  voll  Sewasser  ge- 
brachtes Individuum  ein  solches  Band  (Fig.  b)  absetzte,  wel- 
ches es  dicht  an  und  unter  der  Wasserfläche  an  der  Wand 
des  Glases  befestigte,  gerade  so,  wie  diese  Doris  dasselbe  an 
die  Klippen  bei  der  Wasserfläche  zu  heften  pflegt.  Es  war 
am  Morgen  des  3.  März,  als  ich  dies  bemerkte,  und  da  war 
schon  beinahe  die  Hälfte  des  Eierbandes  aus  der  weiten  Ge- 


211 

schlechtsöffnung  an  der  rechten  Seite  des  Körpers  herausge- 
treten. Diesen  ganzen  Tag  blieb  das  Thier  unbeweglich  auf 
derselben  Stelle  sitzen,  und  nur  ab  und  an  kam  äufserst  lang- 
sam etwas  mehr  von  dem  Bande  hervor.  Am  Morgen  des 
folgenden  Tages  hatte  das  Thier  sich  endlich  ganz  von  seinem 
Rogen  getrennt.  Dieser  besteht  aus  einer  zahllosen  Menge 
schneeweifser  Eier  oder  Dotter-,  deren  jeder  von  einer  ovalen, 
ungefärbten  Eihaut  umschlossen  wird,  zwischen  welcher  und 
dem  Dotter  der  Raum  mit  klarem  Eiweifs  angefüllt  ist  (Fig.  c). 
Die  ganze  Eiermasse  wird  von  einer  klebrigen,  zähen,  was- 
serklaren Schleimhiille  von  bandförmiger  Gestalt,  wie  vorher 
beschrieben,  umgeben,  in  welcher  die  Eier  so  fest  kleben,  dafs 
sie  auf  keine  Weise  einzeln  herauszubringen  sind.  Jede  Ei- 
haut schliefst  nie  mehr  als  einen  Dotter  in  sich.  Der  letztere 
ist  kugelrund,  glatt,  schneeweifs,  undurchsichtig,  und  liegt,  wie 
Tritonia,  der  einen  Wand  der  Eihaut  allezeit  näher.  So  ver- 
halten sich  die  Dotter  am  Isten  Tage.  Nachdem  theilen  sie 
sich  regelmäfsig,  wie  bei  Tritonia,  am  2ten  Tage  in  2  (Fig.  d), 
obgleich  noch  viele  ungetheilt  sind;  am  3ten  Tage  Abends 
waren  fast  alle  in  4  getheilt  (Fig.  e,  f,  h),  ja  einige  wenige 
zeigten  schon  den  Anfang  zu  einer  Theilung  (Fig.  g);  am 
4ten  Tage  sind  die  meisten  noch  viertheilig,  doch  manche 
schon  achtfach  getheilt  (Fig.  i,  k)  u.  s.  w.,  bis  sie  am  13ten 
oder  14ten  Tage  auf  der  ganzen  Oberfläche  fein  granulirt 
(Fig.  m)  und  am  20sten  Tage  ganz  glatt  und  dem  Ansehen 
nach  homogen  sind.  Am  24sten  Tage  fingen  die  runden  Lap- 
pen an,  heryorzuwachsen,  und  der  Embryo  ein  wenig  krumm- 
gebogen zu  werden,  während  sich  die  Konchylie  entwickelt 
(Fig.  n).  —  Am  25  —  27sten  Tnge  sieht  man  die  Konchylie 
deutlicher,  auch  den  Fufswulst,  die  runden  Lappen  sind  merk- 
bar ausgewachsen  und  am  Rande  mit  deutlichen,  vibrirenden 
Cilien  versehen,  mit  welchen  der  Embryo  sich  kreisförmig  be- 
wegt (Fig.  o,  p),  denn  es  ist  nicht  sonderlich  Platz  zu  Be- 
wegungen anderer  Art  in  der  ziemlich  dicht  umschliefsenden 
Eihaut.  Dieser  Umstand  ist  auch  die  Ursache,  dafs  schon  am 
36sten  Tage  eine  grofse  Menge  (mehrere  Tausende)  von  Jun- 
gen (Fig.  q,  r)  ausgekommen  war,  welche  frei  im  Wasser 
herumschwammen,  wie  die  Tritonienjungen,  welchen  sie  auch 
in  allen  Stücken  gleichen,  wie  in  den  runden  Lappen  mit  de- 

14* 


212 

ren  Cilien,  dem  Fufse  und  dessen  Deckel  hintenauf,  mit  wel- 
chem die  Oeffnung  der  Koncliylie  verschlossen  wird  u.  s.  w. 
Die  Konchylie  (Fig.  s,  t),  welche  im  Wesentlichen  ebenfalls 
wie  bei  Tritonia  gebildet  ist,  indem  sie  eine  nautilusartige 
Form  hat,  kalkartig,  hart,  spröde,  weifslich- durchsichtig,  glän- 
zend und  ausgezeichnet  deutlich  ist,  ist  bei  Doris  kürzer,  mehr 
eingerollt  (doch  nur  in  einer  Windung),  und  hat  eine  weitere 
Oeffnung. 

Grant,  welcher  im  Edhib.  Jomn.  of  sc,  N.  13,  1827, 
einige  Momente  der  Entwickelung  der  Doris  beschreibt,  hat 
das  Ausschlüpfen  der  Jungen  und  ihr  freies  Umherschwimmen 
in  der  See  vermittelst  der  Cilien  beobachtet;  er  aber  so  we- 
nig, wie  ein  anderer  mir  bekannter  Naturforscher,  hat  die  Kon- 
chylie, auch  nicht  die  Theilungen  der  Dotter  bemerkt,  noch 
überhaupt  eine  fortgesetzte  Entwickelungsgeschichte  geliefert. 
Lange  vor  ihm  scheint  Bomme  (^^cta  Soc.  Fiessing,  Vol.  3, 
1773)  die  Bewegungen  der  Jungen  im  Eie  bemerkt  zu  haben. 
Er  bildet  nämlich  eine  Doris  (a.  a.  O.  Fig.  4),  welche  ver- 
muthlich  Dorw  pilosa  Muell.  ist,  auch  den  von  ihr  abgesetz- 
ten Rogen,  sehr  richtig  ab.  Nach  Verlauf  einiger  Zeit  fand 
er  zu  seiner  grofsen  Verwunderung  im  Rogen  eine  Menge 
„Raderdiertjes",  wie  er  sich  ausdrückt,  welche  ohne  Zweifel 
die  in  den  Eiern  sich  bewegenden  Jungen  waren. 

Auch  Doris  obvelata  Muell.  setzt  am  Schlüsse  des  Fe- 
bruar ähnliche  spiralförmige  Eierbänder  von  einer  röthlich- 
weifsen  Farbe  ab;  auch  bei  dieser  Art  umschliefst  jede  Eihaut 
nur  einen  Dotter.  —  Dagegen  unterscheidet  sich  Tolycera, 
eine  sehr  nahe  mit  Doris  verwandte  Gattung,  dadurch,  dafs 
jede  Eihaut  im  Bande  mehrere  (bis  6)  Dotter  enthält,  welches 
ich  bei  Volycera  variaiis  nohis  (Doj'is  quadrilineata 
et  D.  cornuttty  Zool.  dam,  et  D.  flava  Montagu,  welche 
alle  drei  einer  und  derselben  Art  angehören)  wahrnahm,  die 
ihren  blafsvioletten  Rogen  um  die  Mitte  des  März  absetzt. 

Erklärung  der  Figuren. 

Fig.  a.  stellt  die  Doris  muricata^  l^ar.,  vom  Rücken  in  nat. 
Gr.  vor. 

Fig.  h.  Ein  Kierband  in  nat,  Gr. 

Fig.  c.  Zwei  Eier  vom  Isten  Tage,  wie  alle  folgenden  Fi- 
guren, vergrüfserl. 


213 

Fig.  d.  Zwei  Eier  vom  ^ten  Tage;  die  Dotter  sind  zwei- 
theilig. 

Fig.  e,  f,  g,  h.  Eier  vom  ,3ten  Tage;  die  Dotter  vierthei- 
lig; bei  Fig.  g  fangt  der  eine  der  4  Theile  wieder  an,  sich  fer- 
ner in  2  zu  theilen. 

Fig.  i,  k.  Eier  vom  4tenTage;  die  Dotter  achttheilig.  Bei 
Fig.  i  sieht  man  jedoch  nur  7  Theile. 

Fig.  /.    Ein  Ei  vom  Sten  Tage,  überall  granulirt. 

Fig.  m.  Ein  Ei  vom  13ten  Tage,  sehr  fein  granulirt,  oder 
fast  ganz  glatt. 

Fig.  n.  Zwei  Eier  vom  24sten  Tage;  die  runden  Lappen 
beginnen  hervorzuwachsen ;  der  Embryo  ist  ein  wenig  gebogen, 
mid  die  Konchylie  entwickelt  sich. 

Fig.  o,  p.  Zwei  Eier  vom  27sten  Tage ;  Fig.  o  von  vorn 
gesehen,  Fig.  ^  von  der  rechten  Seite;,  die  runden  Lappen  sind 
gröfser  geworden,  ihre  Cilien  bewegen  sich,  wobei  der  Embryo 
sich  im  Kreise  herum  bewegt,  der  Fufswulst  ist  sichtbar. 

Fig.  gr,  r.  Eben  ausgeschlüpfte,  herumschwimmende  Junge. 
Fig.  q  von  der  linken  Seite,  Fig.  r  von  oben;  die  Konchyjie  ist 
deutlicher;  der  Deckel  hinten  auf  dem  Fufse  zeigt  sich  im  Pro- 
file; endlich  erscheint  innerlich  das  Verdauungssystem,  welches 
demselben  bei  den  Tritonienjungen  gleicht. 

Fig..  Sy  i,  zeigen  die  Konchylie,  s  von  der  S^ite,  t  von  vorn- 


IV.    Aplysia  guttata  noh» 

Dieser  Seehase,  welcher  grofse  Aehnlichkeit  mit  Aplysia 
üepilans  und  punctata  hat,  ohne,  doch  ganz  mit  diesen  oder 
den  übrigen  in  Rang's  Monographie  des  Aplysiens  aufge- 
führten Arten  übereinzustimmen,  ist  die  einzige  hier  an  der 
Küste  vorkommende  Art  der  Gattung  Aplysia  und  zeigt  sich 
an  unserm  Strande  einzeln,  nie  in  irgend  einiger  Menge,  den 
ganzen  Winter  hindurch ;  im  Sommer  findet  sie  sich  hier  und 
und  da  in  den  Tiefen  der  Buchten.  Am  Anfange  des  März 
habe  ich  sie  ihren  Rogen  absetzen  sehn,  ^)  welcher  eine  cylin- 
drische  Eierschnur  von  fast  1  File  Länge,  aber  nur  1'"  Dicke 
ist  und  mit  vielen  Biegungen  um  Tang  oder  andere  Gegen- 
stände in  der  See  geschlungen  und  an  ihnen  ziemlich  stark 


*)  Anders  scheint  es  sich  in  südlicheren  Meeren  zu  verhalteR; 
denn  Rang  sagt  a.  a.  O,  S.  28:  „An  unsern  Gestaden  paaren  sich 
die  Aplysien  vom  Juni  bis  zum  September,  ja  sogar  bis  zum  Octo- 
ber;  das  Eierlegen  scheint  kurze  Zeit  danach  Statt  zu  finden;"  und 
S.  55  von  Aplysia  fmciatu:  „In  der  stürmischen  Jahreszeit  ziehen 
sie  sich  in  die  gröfsten  Tiefen  zurück." 


214 

befestigt  wird.     Auszeichnend  ist  die  geringe  Dicke  im  Ver- 
gleiche mit  der  des  Tritonienrogens.     Bei  einem  Individuum, 
welches  ich  in  einem  Glase  voll  Seewasser  mit  nach  Hause 
genommen  hatte,  beobachtete  ich  das  Eierlegen.     Es  war  am 
3.  März,  als  die  Eierschnur  (Fig.  a,  ein  Stück  in  nat.  Gr.) 
anfing,  langsam  aus  der  Vulva  herauszutreten,  welche  am  hin- 
tern Ende  der  längs  an  der  rechten  Seite  des  Körpers  laufen- 
den Furche  liegt,  an   deren  vordem  Ende  der  Penis  hervor- 
tritt.    Das  Thier  befestigte  das  Ende  der  Schnur  stark  an  das 
Glas,   so  dafs  sie  nur  schwer  unbeschädigt  loszureifsen  war 
und  zog  sie  von  da  weiter  in  vielen  und  unordentlichen  Krüm- 
mungen bald  an  der  Wand  des   Glases,  bald  querüber  nach 
der  gegenüberstehenden  Wand;  erst  am  Morgen  des  folgenden 
Tages  hatte  das  Thier  sich  von  seinem  Rogen  ganz  befreit. 

Die  die  ganze  Eiermasse  umgebende  gelatinöse,  ungefärbte 
cylindrische  Hülle  ist  von  ziemlich  fester  BeschafiFenheit  und 
darin  von  der  bei  den  vorher  erwähnten  Nudibranchien ,  bei 
welchen  sie  viel  weicher  ist,  abweichend.  —  Uebrigens  gleicht 
die  Eierschnur  des  Seehasen  der  der  Nudibranchien  so   sehr, 
dafs  ich  schon  danach  vermuthete,  die  von  Carus   gegebene 
Abbildung  jener  (Erläuterungstafeln  zur  vergl.  Anat.,  Heft  3, 
Tab.  2,  Fig.  5,  6,  7)  sei  niclit  ganz  genau,  insofern  er  die 
Dotter  oder  Eier  als  in  mannichfache  Häufchen,   ohne  irgend 
eine  besondere  Hülle  oder  Eihaut,   gesondert  darstellt.     Dage- 
gen hat  Rang  (a.  a.  O.  Tab.  7,   Fig.  3,  4)  richtigere  Zeich- 
nungen   von    der   Eierschnur   und    den    einzelnen    Eiern    der 
Aplysia  fasciata  geliefert.    Jeder  der  eben  genannten  Häuf- 
chen ist  nämlich  wirklich  von  einer  ovalen,  ungefärbten  Hülle 
oder  Eihaut   umgeben,   oder,  mit  andern  Worten:  es   verhält 
sich  auf  alle  Weise  wie  bei  Tritonia,  dafs  nämlich  jede  Ei- 
haut mehrere  Dotter  umschliefst  (Fig.  b,   c).     Gemeinhin  ent- 
hält jede  Eihaut  5  —  8  derselben,   aber  im  hintern  Ende   der 
Eierschnur  nur  4-2-1,  ja  ganz  zu  äufserst  waren  viele  völlig 
leer,  so  wie  oben  von  Tritonia   bemerkt  worden  ist.     Reifst 
man  die  äufsere,  die  Eiermasse  umgebende  Hülle  entzwei,   so 
fallen  die  Eier  nicht  aus,  sondern  sie  sind  so  hineingesenkt  in 
sie  und  kleben  in  ihr  so  fest,  dafs  man  nur  mit  grofser  Mühe 
einige  einzelne  herauspräpariren  kann.  —  Die  Dotter,  welche 
alle  der  einen  Seite,  der  Eihaut  näher  liegen,  haben  eine  kugel- 


215 

runde  Form  und  eine  gelbbraune,  undurchsichtige  Farbe  (Fig.  c). 
An  den  folgenden  Tagen  theilten  sie  sich  wie  bei  Tritonia 
etc.,  ich  habe  aber  nicht  Gelegenheit  gehabt,  so  genau,  wie 
ich  es  gewünscht  hatte,  alle  ihre  Veränderungen  zu  beobach- 
ten. —  Am  36sten  bis  38sten  Tage  (an  den  meisten  vorher- 
gehenden Tagen  wurde  die  Beobachtung  gestört)  war  fast  die 
ganze  Eierschnur  durch  Unvorsichtigkeit  verdorben;  aber  die 
noch  erhaltenen  Dotter  waren  jetzt  in  Embryone  (Fig.  d,  e,  Q 
verwandelt,  von  derselben  Form  wie  bei  Tritonia,  nur  waren 
die  2  runden,  mit  vibrirenden  Cilien  besetzten  Lappen  weni- 
ger getheilt  auf  der  Rückenseite,  auch  war  auf  dem  übrigens 
deutlichen  Fufse  der  Deckel  nicht  zu  bemerken.  Die  Kon- 
chylie,  welche  noch  weich  und  gelatinös  war,  hatte  übrigens 
eine  ähnliche  Form  wie  bei  Tritonia.  Die  Embryone  waren 
jetzt  in  lebhafter  Bewegung  mittelst  der  vibrirenden  Cilien; 
zerrifs  man  die  Eihaut,  so  schwammen  sie  eine  Zeit  lang  im 
Wasser  herum.  —  Am  48sten  Tage  waren  viele  Eier  durch 
die  Maceration,  in  welcher  sich  die  Eierschnur  befand,  von 
der  allgemeinen  Schleimhülle  gelöst,  so  dafs  sie  leicht  von 
einander  getrennt  werden  konnten;  die  Embryone  waren  so 
sehr  gewachsen,  dafs  sie  nur  mit  Mühe  Platz  innerhalb  der 
Eihaut  fanden.  —  Am  52sten  Tage  waren  fast  alle  todt;  bei 
einigen  wenigen  noch  lebenden  war  die  Konchylie  schon  etwas 
in  die  Länge  gewachsen  (Fig.  g).  —  Man  sieht  übrigens  leicht 
ein,  dafs  diese  Konchylie,  welche  völlig  äufserlich  ist,  sich 
nicht  in  das  halb  innerliche,  sogenannte  Konchylienrudiment 
oder  die  Schale  verwandeln  kann,  welche  die  Kiemen  des  See- 
haasen  im  erwachsenen  Zustande  bedeckt;  diese  Art  von  Kie- 
mendeckel bildet  sich  ohne  Zweifel  in  einer  viel  spätem  Pe- 
riode. Dafs  die  erstere  transitorisch  sei,  folgt  aus  der  Ana- 
logie mit  den  Tritonien. 

Diese,  wie  es  scheint,  im  Verhältnisse  zu  der  der  Nudi- 
branchien,  langsamere  Entwickelung  mag  vielleicht  nur  schein- 
bar und  von  dem  verdorbenen  Zustande,  in  welchem  sich  die 
erwähnte  Eierschnur  befand,  verursacht  worden  sein.  —  Dafs 
übrigens  die  Jungen  der  Seehasen  nicht  in  einem  Jahre  voll 
auswachsen,  schliefse  ich  daraus,  dafs  ich  am  Ende  des  Fe- 
bruars Junge  gefunden  habe,  welche  ausgestreckt  kaum  1" 
lang  waren  (und  übrigens  den  erwachseneu  gleich),  da  hinge- 


216 

gen  die  ganz  erwachsenen,  welche  zu  derselben  Zeit  vorkom- 
men, eine  Länge  von  4  —  6"  besitzen.  Denn  analog  mit  den 
Nudibranchien,  mit  welchen  sie  in  der  Entwickelung  so  sehr 
übereinstimmen,  kann  man  nicht  annehmen,  dafe  diese  Thiere 
sich  öfter  als  einmal  im  Jahre  fortpflanzten. 

Erklärung  der  Figuren. 

Fig.  a.  Ein  Stück  der  Eierschnur  von  Aplysia  guttata  noh., 
in  nat.  Gr. 

Fig.  b.    Ein  Stück  davon  vergröfsert. 

Fig.  c.  Ein  Ei  mit  7  Dottern,  noch  mehr  vergröfsert  und 
leicht  unter  dem  Compiessorlum  gedrückt,  vom  Isten  Tage. 

Elg.  d.  Ein  EI  vom  37sten  Tage  mit  6  rotirenden  Em- 
bryonen. 

Fig.  e.  Einer  von  diesen,  noch  stärker  vergröfsert,  von  hin- 
ten angesehen. 

Fig,  f.    Derselbe  von  der  rechten  Seite. 

Fig.  g.  Ein  Embryo  vom  52sten  Tage;  dieselbe  Vergröfse- 
rung,  von  der  rechten  Seite;  die  runden  Lappen  und  der  Fufs 
deutlich;  die  Konchylie  ist  In  die  Länge  gewachsen. 


Schlufsbemerkungen. 

Fassen  wir  nun  kurz  die  dargelegten  Entwickelungsge- 
schichten,  so  weit  wir  sie  bis  dahin  von  Tritonia,  Aeolid'taj 
Doris  und  Aplysia  kennen  gelernt  haben,  zusammen,  so  er- 
geben sich  folgende  Resultate  als  die  wichtigsten: 

1)  Bei  allen  diesen  nackten  Molluskengattungen  (Nudibran- 
chien und  Tectibranchien)  fällt  die  Zeit  des  Eierlegens,  nach 
vorhergegangener  Paarung  im  Winter,  in  die  ersten  Monate 
des  Jahres.  Die  zahlreichen  Eier  werden  in  Form  einer  lan- 
gen, zusammenhangenden  Schnur  oder  eines  solchen  Bandes 
abgesetzt,  welche  von  einer  eben  so  geformten  Schleimhülle 
umgeben  sind,  und  dann  von  der  Mutter  ganz  verlassen. 

2)  Das  Ei  besteht  aus  dem  Dotter,  welcher  dicht  von  der 
Dotterhaut  umschlossen  ist;  aufserhalb  dieser  befindet  sich  Ei- 
weifs,  welches  jedoch  häufig  mehreren  Dottern  gemeinschaft- 
lich ist  und  von  der  Ei-   oder  Schalenhaut  umschlossen  wird. 

3)  Der  Dotter,  welcher  im  strengen  Sinne  das  eigentliche 
Ei  ist,  durchläuft  eine  Reihe  von  Umformungen  durch  regel- 
mäfsige  Theilungcn  und  weitere  Theilungen,  damit  der  Em- 
bryo gebildet  werden  könne. 


217 

4)  Der  ganzö  Dotter  verwandelt  sich  in  den  Embryo;  es 
findet  keine  Abschniirung  eines  einzelnen  Theiles  desselben 
zum  Embryo  Statt  (folglich  giebt  es  da  keine  Vesicula  umbi- 
licalis), noch  geht  die  Embryobildung  an  irgend  einer  gewis- 
sen Stelle  des  Dotters,  sondern  überall  in  demselben  vor  sich. 

5)  Der  Embryo  giebt  sein  Leben  zuerst  durch  eine  roti- 
rende  Bewegung  zu  erkennen,  welche  durch  zahlreiche,  vibri- 
rende  Cilien  bewirkt  wird,  mit  denen  zwei  aus  seinem  vor- 
dem Ende  hervorwachsende  runde  Lappen,  welche  Verlänge- 
rungen des  Mantels  zu  sein  scheinen,  am  Rande  besetzt  sind. 
Diese  Bewegung  wird  allmählig  stärker,  mehr  variabel  und 
willkiihrlich.  Durch  sie  wird  auch  dem  Embryo  stets  neues 
respirablcs  Fluidum  zugeführt.  —  Nach  und  nach  entwickeln 
sich  die  einzelnen  Organe,  das  Verdauungssystem  mit  der  Le- 
ber, der  Fufs  (mit  seinem  Deckel),  und,  was  besonders  merk- 
würdig ist,'  eine  äufsere  Konchylie,  welche  die  weichen  Theile 
umfafst.  Diese  Konchylie  ist  anfangs  gelatinös  und  weich. 
Der  Kopf  entwickelt  sich  noch  nicht  deutlich;  keine  Tenta- 
keln, keine  Kiemen. 

6)  Endlich  nach  dem  Zeitraum  eines  Monates  oder  etwas 
mehr  sprengen  die  Embryone  die  dünne  Ei-  oder  Schalenhaut, 
treten  als  Junge,  welche  an  Gestalt  und  Bewegungsart  den  er- 
wachsenen Thieren  sehr  unähnlich  sind,  aus  der  aufgelocker- 
ten allgemeinen  Schleimhülle  heraus  und  schwimmen  rasch  in 
der  See  umher  mittelst  der  vibrirenden  Cilien.  Die  Konchy- 
lie, welche  inzwischen  in  die  Länge  gewachsen  ist  und  eine 
nautilusartige  Gestalt  mit  einer  in  sich  selbst  eingerollten  Win- 
dung hat,  wird  nun  durch  aufgenommene  kalkartige  Theile 
hart  und  spröde,  und  beschützt  das  Junge  vollkommen,  wenn 
dieses  sich,  wie  bei  einer  Reizung  geschieht,  ganz  in  sie  hin- 
einzieht. •- 

Die  fernere  Entwicklung  und  die  folgenden  Metamorpho- 
sen, welche  die  hier  bemeldeten  Thiere  untergehen,  sind  noch 
durch  keine  Beobachtung  entdeckt  worden,  dafs  sie  aber  be- 
deutend sein  müssen,  können  wir  aus  dem  nun  schon  Bekann- 
ten schliefsen.  Diese  Mollusken  können  in  der  Hinsicht  fast 
den  Insekten  an  die  Seite  gesetzt  werden,  jener  Thierklasse, 
welche  man  besonders  durch  die  merkwürdigen  Verwandlun- 


218 

gen  charakterisirt  hat,  welche  ihre  Individuen  in  deren  Ent- 
wickelung  erleiden. 

Dafs  auch  die  meisten  Gasteropoden  aus  der  Ordnung 
der  Pectinibranchien  eine  der  Entwickelung  der  hier  erwähn- 
ten Mollusken  sehr  ähnliche  besitzen,  habe  ich  mehrere  Gründe 
anzunehmen.  So  ist  es  kaum  einem  Zweifel  unterworfen,  dafs 
die  beiden  Arten  der  Gattung,  welche  ich  in  meiner  oben  ci- 
tirten  Schrift  unter  dem  Namen  Cirropteron  beschrieben  habe, 
und  die  nun  als  eine  eigene  Gattung  betrachtet  werden  mufs, 
hierher  gehören;  sie  sind  wahrscheinlich  die  Jungen  eines  oder 
des  andern  Turbo,  TvochuSy  einer  Nerita  oder  anderer  Pectini- 
branchien, indem  sie  eine  in  mehrere  Windungen  in  eine  her- 
vorstehende Spitze  gedrehte  Konchylie  besitzen.  Auch  zeigen 
nach  Grant's  obzwar  weniger  vollständigen  und  nicht  fort- 
laufenden Beobachtungen  (JEdinb.  Journ.  of  scißnce,  N.  13, 
1827)  die  Gattungen  Buccinum,  Purpura,  Turbo,  Nerita, 
grofse  Aehnlichkeit,  besonders  die  beiden  letztgenannten. 

Endlich  kann  ich  nicht  unterlassen,  auf  die  anscheinende 
höhere  Stufe  der  Entwickelung  aufmerksam  zu  machen,  auf 
welcher  die  Jungen  der  obengenannten  Mollusken  rücksichtlich 
der  Bewegung  vor  den  erwachsenen  Thieren  zu  stehen  schei- 
nen; jene  bewegen  sich  rasch  und  frei  in  der  See  umher- 
schwimmend,  diese  dagegen  kriechen  langsam  und  schwerfällig 
am  Grunde  der  See  dahin.  Dieses  Phänomen  steht  nicht  verein- 
zelt da.  Aufser  dem,  was  man  von  den  Jungen  der  Cirripe- 
dien  aus  Thompson 's  Beobachtungen  kennen  gelernt  hat, 
deren  Richtigkeit  man  jedoch  anfangs  bezweifelte,  kennen  wir 
Nordmann's  genaue  Beobachtungen  über  die  Entwickelung 
der  Lernäen,  deren  Junge  mit  Schwimmfüfsen  und  Augen  ver- 
sehen sind  und  in  diesem  Zustande  frei  und  rasch  in  der  See, 
wie  Mcffioculi,  umherschwimmen.  Von  den  zusammengesetz- 
ten Ascidien  habe  ich,  ohne  Audouin's  und  Ed ward's  frü- 
here Beobachtung  zu  kennen,  etwas  Aehnliches  (Bcskr.  og 
Jagilageher,  p.  69,  Tab.  13*)  gezeigt,  indem  diese  im  er- 
wachsenen Zustande  stets  festgevvaclisenen  Thiere  als  Junge 
frei  sind  und  mit  Hülfe  eines  schwanzartigen  Aiiliangs  wie  die 


♦)  In  diesem  WcM'ke  ist  dem  Texte  zufolge  Tab.  12  mit  13  uiul 
Tab.  13  mit  l'i  uiirichlij;  bezeichnet. 


219 

Kaulquappen  der  Frösche  umherschwimmen.  Bei  den  See- 
sternen werden  wir  bald  eine  ähnliche,  wie  es  scheint  retro- 
grade Entwickelung  zu  sehen  bekommen. 


Ueber  die  oben  dargelegte  Entwickelung  der  Mollusken 
habe  ich  bei  anderen  mir  bekannten  Schriftstellern  nur  sehr 
wenig  gefunden,  und  bei  keinem  fortgesetzte  Beobachtungen. 
Die  besten  Beiträge  hat  Graut  a.  a.  O.  geliefert.  Audouin 
und  Edwards  (fiecherches  sur  le  litoral frangais,  Vol.  L, 
p.  134)  beschreiben  nur  ganz  kurz  den  Rogen  von  Doris  und 
PleurohranchuSf  ohne  der  Entwickelung  zu  erwähnen,  wie 
Cuvier  (Das  Thierreich,  übers,  v.  Voigt,  Bd.  3,  S.  114) 
den  Rogen  von  Boris  und  (S.  133)  von  Aplysia.  Was  ich 
demnach  oben  vorgetragen  habe,  ist  nur  das  Resultat  eigener 
Beobachtungen.  —  Abbildungen  vom  Rogen  oder  von  den 
Eiern  dieser  Thiere  finden  sich,  so  viel  ich  weifs,  nur  bei 
Carus  (Erläuterungstafeln,  Tab.  2)  und  bei  Rang  (Mowo- 
graphie  des  Apfysiens,  Tab.  1)  yon  Aplysia  und  bei  Bomme 
(^Acta  Soc,  Flessing.y  1773,  F.  4)  von  Boris» 

(Fortsetzung  folgt.) 


221) 


Einige  Bemerkniigen  über  die  Bekleidung  des  L  aufs 
der  Singvögel,   Passerinae,  Nitzsch. 


Von 

H.     Burmeister, 
Prof.  zu  Halle. 


Die  interessante  und  sehr  dankenswertlie  Mittheilung  des 
Herrn  Grafen  v.  Keyserling  und  Herrn  Prof.  Blasius  über 
die  Bekleidung  des  Laufs  der  Singvögel,  in  welcher  beide  ein 
charakteristisches  Merkmal  dieser  anderweitig  nur  nach  ana- 
tomischen Eigenschaften  bestimmt  begrenzten  Gruppe  wahrzu- 
nehmen glauben,  hat  gewifs  die  Aufmerksamkeit  aller  Orni- 
thologen  in  hohem  Grade  erregt,  besonders  da  es  an  einem 
solchen  allgemein  gültigen  Merkmale  der  Passerinen  in  ihrer 
richtigen  Begrenzung  noch  immer  gefehlt  hat.  Wenn  ieh  da- 
her auch  im  ersten  Augenblick,  als  ich  diese  Mittheilung  er- 
fuhr, nur  von  Freude  über  den  glücklichen  Fund  erfüllt 
wurde,  so  konnte  ich  doch  bald  darauf  einige  leise  Zweifel 
an  der  allgemeinen  Anwendbarkeit  jenes  Merkmales  nicht  un- 
terdrücken, besonders  weil  es  mir  nicht  in  den  Sinn  wollte^ 
dafs  ein  Beobachter  wie  Nitzsch,  dessen  Genauigkeit  unter 
den  Zoologen  fast  sprichwörtlich  geworden  ist,  ein  so  wichti- 
ges und  so  leicht  in  die  Augen  fallendes  Kriterium  übersehea 
haben  sollte»  Ich  musterte  daher  seine  Manuscripte,  welche 
sich  Behufs  der  Herausgabe  des  literarischen  Nachlasses  fast 
siunmtlich  in  meinen  Händen  befinden,  genau  durch,  und  fand 
dann  auch  bald,  dafs  ihm  der  erwähnte  Character  weder  übei*- 
haupt  entgegen  war,  noch  er  die  keinesweges  allgemeine  An- 
wendbarkeit desselben  übersehen  hatte.  Indefs  ist  die  Anzahl 
der  von  ihm  beobachteten  Ausnahmen  nur  gering  und  be- 
schränkt sich  auf  zwei  Fälle,  welche  ich  hier  mit  seinen  eige- 
nen Worten  anlülire: 


221 

«Bei  Synallaxis  setaria,  Temm.  pl.  col.  311.  finde  ich 
die  Läufe  oder  Metatarsen  ungemein  merkwürdig  dadurch,  dafs 
die  Hinter-  ocler  Seitenschienen  gänzlich  fehlen,  die  vorderen 
Schilder  sich  an  der  Innenseite  ganz  bis  nach  hinten  fortsez- 
zen,  und  an  der  äufseren  Seite  hinter  den  lange  nicht  so  weit 
nach  hinten  reichenden  Schildern  eine  Reihe  rundlicher  ellip- 
tischer Papillen  oder  Schuppen  sich  befinden ,  welche  etwas 
vertieft  zu  sein  scheinen,  im  Leben  aber  weich  und  erhaben 
gewesen  sein  dürften.  Dadurch  ist  diese  Gattung  von  Malu- 
rus  sehr  verschieden.» 

Den  zweiten  Fall  fand  Nitzsch  bei  Cephalopterus  or- 
natus,  von  dem  er  sagt:  «Die  Läufe  vorn  etwa  mit  sieben 
Schienen,  übrigens  hinten  blofs  kleine  körnige  Schuppen.» 

Aus  diesen  Notizen,  namentlich  aus  der  über  Synallaxis, 
geht  aber  hervor,  dafs  Nitzsch  die  typische  Bedeckung  des 
Laufs  der  Singvögel  sehr  gut  kannte,  da  er  Synallaxis  als 
eine  so  merkwürdige  Ausnahme  hervorhebt,  und  darin  einen 
Unterschied  von  Malm^us  sucht;  es  beweist  aber  zugleich 
seine  Darstellung,  dafs  er  durch  Anerkennung  dieser  Ausnahme 
auch  die  Allgemeinheit  der  gewöhnlichen  Laufbekleidung  nicht 
behaupten  konnte.  Noch  mehr  mufste  ihn  der  Bau  bei  Cepha- 
lopterus in  dieser  Ansicht  bestätigen. 

Dem  Andenken  eines  so  schätzbaren,  um  die  Ornitholo- 
gie hochverdienten  Mannes  glaubte  ich  diese  Bemerkung, 
welche  einen  neuen  Beweis  für  den  Umfang  seiner  Studien, 
und  für  die  Behutsamkeit,  mit  welcher  er  allgemeine  und  be- 
stimmende Charactere  aufstellte,  zu  liefern  im  Stande  ist,  schul- 
dig zu  sein;  und  mache  sie  um  so  lieber,  als  dadurch  der 
Werth  des  von  jenen  Herren  gefundenen  Gruppencharakters 
keinesweges  weggeleugnet  werden  soll,  sondern  vielmehr  blofs 
in  seine  gehörigen  Grenzen  eingeschlossen.  Um  letztere  mit 
bestimmen  zu  können,  habe  ich  in  der  Zeit,  welche  zwischen 
der  Veröffentlichung  des  Charakters  und  dem  Moment,  wo 
ich  dies  schreibe,  liegt,  alle  Singvögel  des  hiesigen  fcDologi- 
schen  Museums  einzeln  durchgemustert,  und  dabei  gefunden, 
dafs  aufser  den  beiden  von  Nitzsch  bemerkten  Ausnahmen 
nicht  blofs  noch  mehrere  ganz  ähnliche  vorkommen,  sondern 
auch  einige  andere  und  eigenthümliche,  welche  ich,  so  weit 
sie  mir  bekannt  geworden  sind,  hier  näher  anzugeben  beab- 


222 

sichtige.  Ich  gehe  dabei  von  einer  etwas  genaueren  Angabo 
der  gewöhnlichen  Laufbekleidung  bei  den  Singvögeln  aus. 
Dieselbe  besteht  auf  der  vorderen  Seite  ohne  Ausnahme  aus 
halbgiirtelförmigen  Schienen,  deren  Anzahl  von  ein  bis  neun 
wechselt,  und  gewöhnlich  sich  auf  5,  6  oder  7  zu  belaufen 
pflegt.  Von  diesen  Schienen  sind  in  der  Regel  die  mittleren 
etwas  gröfser  als  die  obern,  und  zumal  untern,  welche  bald 
die  Zehenschienen  nicht  an  Gröfse  übertreffen,  ja  richtiger 
noch,  sie  nicht  erreichen,  um  die  Beweglichkeit  der  Zehen  an 
ihrer  Gelenkstelle  nicht  zu  hindern.  Ist  nur  eine  Hauptschiene 
da,  so  pflegt  man  dies  durch  den  Ausdruck  gestiefelt  zu 
bezeichnen.  Die  hintere  oder  Sohlenseite  des  Laufs,  welche 
jedoch  bei  den  Singvögeln  niemals  als  Sohle  benutzt  wird, 
hat  in  der  Regel  eine  aus  zwei  langen  schmalen  Schienen  ge- 
bildete Bedeckung.  Beide  Schienen  beginnen  oben  neben  dem 
Hacken  mit  abgerundeten  Enden,  nähern  sich  einander  an  der 
Hinterkante,  stofsen  hier  zusammen,  und  bilden  so  eine  ziem- 
lich scharfe  Leiste,  welche  nach  unten  bis  in  die  Gegend  des 
Daumens  hinabreicht.  Hier  runden  sich  dann  die  Schienen 
noch  einmal  zu,  und  die  Bekleidung  des  Fufses  hinter  ihnen 
wird  wieder  warzig,  wie  sie  auch  am  Hacken  zu  sein  pflegt, 
wenn  nicht,  was  öfters  der  Fall  ist,  unten  neben  jeder  Schiene 
noch  1  oder  2  Schilder  angebracht  sind.  Diesen  Hauptsing- 
vogeltypus, wie  man  ihn  passend  nennen  könnte,  da  er  aus- 
serhalb der  Gruppe  der  Passerinen  nirgends  vor- 
kommt, finde  ich  konstant  bei  den  Gattungen  Corvus,  Glau- 
copis,  Paradisea,  Epimachus  *),  Ptilorhynchus,  Kitfa,  Ca- 
lodera,  Bomhycilla,  Frocnias,  Tanagra,  Euphone,  Parda- 
lotus,  Fringilla,  Loxia,  Emheriza,  Ploceus,  Cassicus,  Icte- 
rus, Sturniis,  Pasfoj\  Buphaga,  Oriolus,  den  meisten  La- 
niadejiy  Muscicapiden ,  ferner  bei  Bethyliis,  Edolius,  Lam- 
protomis,  Ixos,  Malurus,  Turdus,  Accentor,  Grallinay 
Motacßla,  Anthus,  Saxicola,  Sylvia,  Regidus,  Parus,  Tro- 
glodyWs,  Cinclus,  Pitta,  Pteropfochus,  Myothera,  Anaha- 
tes^  Certhia,  Philedon,  Neciarinca,  Tichodroma,  Arach- 
noihcres,  Coercha  und  llirundo.     Eine  geringe  Modifikation 


'')  Nach  Nitzsch's  dctaillirtcr  Untersuchung  ein  ächter  Singvogel 
und  naher  Verwandter  von  Paradisea. 


223 

dieses  Typus  ist  es,  wenn  die  beiden  hinteren  langen  Schie- 
nen so  schmal  sind,  dafs  sie  auf  der  hintersten  Kante  des 
Laufs,  wo  sie  gewöhnlich  die  Kante  bilden,  eine  Lücke  zwi- 
schen sich  lassen,  welche  von  derselben  warzigen  Haut,  die 
über  und  unter  den  Schienen  am  Lauf  sichtbar  ist,  ausgefüllt 
wird.  So  fand  ich  es  bei  Gracula  religiosa  (JEuldbes  Cuv.) 
und  Nectarinea  cqffra  (Fromerops  Cuv.').  Gerade  entge- 
gengesetzt verhalten  sich  einige  Gattungen  mit  sehr  dünnen 
zierlichen  Läufen,  insofern  diesen  die  beiden  hinteren  schma- 
len Schienen  ganz  fehlen,  aber  dafür  die  vorderen  Halbgür- 
telschilder so  grofs  sind,  dafs  sie  wie  ganze  Gürtel  um  den 
Lauf  herumgreifen  und  in  einer  feinen  Linie  auf  der  hinteren 
Seite  des  Laufs  an  einander  stofsen.  Dies  ist  der  Typus  bei 
den  ächten  kleinen  P/p7*«- Arten,  wie  P.  caudata,  P.  Mana- 
cus,  P.  pareola,  P.  ßlicauda  Spix. ;  vielleicht  auch  bei  Tro- 
glodytes  und  einigen  kleinen  Myotheren,  welche  ich  nur 
in  einzelnen,  'schlecht  erhaltenen  Stücken  untersuchen  konnte. 
Hiervon  ist  nun  die  durch  Nitzsch  von  Synallaxis  setaria 
bekannte  Form  eine  geringe  Abweichung,  die  darin  besteht, 
dafs  die  Gürtelschienen  an  der  Aufsenseite  des  Laufs  nicht 
ganz  bis  zum  Hinterrande  herumgreifen,  sondern  einen  schma- 
len Streifen  frei  lassen,  auf  dem  sich  dann  die  elliptischen  ge- 
nabelten Schuppen  zeigen,  welche  den  Lauf  überall  da  beklei- 
den, wo  Schienen  oder  Schilder  fehlen.  Ich  habe  dieselbe 
Bildung  noch  einmal  bei  Opetiorhynchus  rupestris  Kit  iL 
gefunden,  und  auch  bei  Philedon  Novae  Hollandiae  (^Certh. 
N.  H.  Lath^,  wo  indefs  die  Reihe  der  elliptischen  Schup- 
pen nicht  an  der  Aufsenseite  des  Laufs  liegt,  sondern  an  der 
inneren.  —  Für  eine  Modifikation  anderer  Art  ist  es  zu  hal- 
ten, wenn  die  Gürtel  der  Vorderfläche  an  beiden  Seiten  gleich 
weit  herumgreifen,  aber  noch  nicht  zusammenstofsen,  sondern 
vielmehr  die  äufserste  Hinterfläche  frei  lassen.  Auf  dieser  bil- 
det sich  dann  eine  eigenthümliche  Bedeckung,  welche  hei  Sitta 
aus  einer  einzigen  schmalen  Schiene  besteht,  bei  Bendro- 
colaptes  aber  aus  einer  Reihe  grofser  quadratischer 
Schilder.  —  Hieran  schliefst  sich,  als  neue  Modifikations- 
stufe, ziemlich  nahe  der  Bau  der  Lerchen,  welche  darin  ab- 
weichen, dafs  so  wie  vorn  eine  Reihe  Halbgürtel  auf  dem 
Laufe  liegt,  so  hinten  zwei  Reihen  länglicher  Schilder  wahr- 


224 

genommen  werden,  die  in  ihrer  Lage  den  beiden  langen  Schie- 
nen des  Haupttypus  entsprechen.  Die  Anzahl  dieser  Schilder 
ist  verschieden,  je  nachdem  sie  auf  der  Aufsenseite  liegen» 
oder  auf  der  inneren;  denn  ich  fand  bei  Alauda  calandra 
z.  B.  aufsen  nur  5,  innen  aber  gegen  12.  Natürlich  sind  die 
inneren  auch  viel  kleiner,  und  nähern  sich,  zumal  nach  un- 
ten, ganz  den  elliptischen  Schuppen  von  Synallaxis,  Opetio- 
rhynchus  und  Fhiledon.  Höchst  ähnlich  dieser  den  Ler- 
chen eigenthümlichen  Bildung  ist  die  Bekleidung  des  Laufs 
bei  Meriura  superha.  Vorn  findet  man  neun  Halbgürtel  von 
beträchtlicher  Länge;  hinten  aber  zwei  Reihen  schief  neben 
einander  liegender  Schilder,  von  denen  die  äufsere  Reihe  bei 
dem  mir  vorliegenden  Exemplar  12  enthält,  die  innere  aber 
gegen  20,  freilich  an  beiden  Enden  schon  sehr  verkleinerte 
und  in  die  gewöhnliche  Schuppen-  oder  Warzenbildung  über- 
gehende. 

Die  letzte  und  bedeutendste  Abweichung  findet  sich  in 
der  Familie  der  Ampeliden,  und  ist  von  Nitzsch  bei  Ce- 
-phaloptevus  ornatus  schon  erkannt  worden.  Sämmtliche 
gröfsere  Repräsentanten  dieser  Gruppe,  auf  welche  man  sie 
daher  am  richtigsten  beschränken  sollte,  haben  blofs  auf  der 
vorderen  Seite  des  Laufs  die  gewöhnlichen  Halbgürtel  in  ver- 
schiedener Zahl  (5  —  9),  aber  die  ganze  Hinterfläche  ist  ent- 
weder von  den  elliptischen  genabelten  warzenartigen  Schup- 
pen bedeckt,  oder  ganz  nackt.  Jenes  Schuppenkleid  sah  ich 
bei  Coracina  calva,  scutata,  ruhricollisj  w^ohin  Cephalopte- 
rus  ornatus  ebenfalls  gezogen  werden  könnte;  ferner  bei 
Chasmarhynchus  nudicollis,  bei  Ampelis  foetida^  A.  Poin- 
padora,  A.  purpurea  und  den  kleineren  Eurjlaimus-Arteny 
wie  E.  nasutus,  Horsfieldii  und  cucullatus.  Dagegen  hat  Euryl. 
Corydon  mitten  in  dem  Schuppenkleide,  genau  an  der  hinte- 
ren Kante  des  Laufs,  eine  Reihe  gröfserer  Schilder.  Ampe- 
lis  cayana  weicht  wieder  in  anderer  Weise  ab,  und  hat  aus- 
sen an  der  Hinterseite  des  Laufs  mehrere  grofse  Schilder  in 
einer  Reihe,  innen  dagegen  zwei  Reihen,  von  denen  die  mehr 
vordere  aus  etwas  gröfseren  Schildern  besteht,  die  hintere  aus 
den  gewöhnlichen  elliptischen  Schuppen.  Allein  auch  mit  die- 
ser Modifikation  ist  die  Menge  der  Ausnahmen  nicht  erschöpft, 
es  fehlt  noch  die  Form  der  ganz  nackten  häutigen  Sohle,  wie 


225 

sie  in  den  gröfseren  Pipra- Arten  (im  Sinne  Wagler's,  Isis, 
d830,  928.)  auftritt.  Bei  diesen  ist  überhaupt  die  Bekleidung 
des  Laufs  nur  ein  spezifischer  Charakter.  So  hat  Pipra  rii- 
picola  {Rupicola  aurantia  Vieill.^  vorn  blofs  eine  einzige 
lange  Stiefelschiene  und  innen  vom  Hacken  bis  auf  die  Mitte 
des  Laufs  eine  schwache  Befiederung,  der  nach  aufsen  und 
oben  die  elliptischen  Warzen  gegenüberstehen;  aber  unten  und 
hinten  ist  der  Lauf  ganz  nackt.  Noch  deutlicher  tritt  die  Be- 
fiederung an  gleicher  Stelle  bei  Pipra  coccinea  (^Ampelis 
carnifex  Spix.)  auf,  bei  welcher  Art  jedoch  vorn  6  deut- 
liche, aber  schmale  Schilder  am  Lauf  gesehen  werden  und  die 
Warzen  an  der  llinterseite  ganz  fehlen»  Pipra  viridis  (^Ca- 
lyptomene  Horsf.^  hat  zwar  vorn  ebenfalls  Schilder,  aber 
keine  Befiederung  an  der  Innenseite;  diese  ist  ganz  nackt, 
während  die  äufsere  Warzen  erkennen  läfst.  Pipra  chyso- 
pogon  {Phibalura  P^ielL)  endlich  hat  weder  Federn  noch 
Warzen  am  Lauf,  sondern  vorn  Halbgürtel,  und  an  der  hin- 
teren Aufsenseite  zwei  Reihen  ziemlich  grofser  elliptischer 
Schilder. 

Diese  Abweichungen  vom  Haupttypus,  wie  er  den  mei- 
sten Passerinen  eigen  ist,  zeigen  nun  wohl  zur  Genüge,  dafs 
sich  der  von  der  Bekleidung  des  Laufs  herzunehmende  Cha- 
rakter mit  nicht  gröfserer  Sicherheit  als  Gruppenmerkmal  in 
Anwendung  bringen  lafst,  als  der  von  Nitzsch  bisher  be- 
nutzte, und  von  mir  immer  als  dessen  Kriterium  angegebene 
(z.  B.  in  meiner  Naturgeschichte  S.  767),  welcher  im  Bau  und 
in  der  Nacktheit  der  Bürzeldrüse,  wie  auch  in  der  Zahl  der 
Schwanzfedern  ausgedrückt  ist.  Letztere  erleiden  zwar  einige 
Ausnahmen,  denn  manche  Edolius- Arten  und  Phrenotrix  Te- 
mia  Horsf.  {Glaucopis  varians  Temm.^  haben  nur  zehn, 
keinesweges  aber  irgend  eine  Sylvia,  wie  Wiegmann  (Handb. 
d.  Zoologie  S.  100.)  von  allen  behauptet*);  allein  die  nackte. 


*)  Dieser  Fehler,  auf  welchen  mich  schon  der  verewigte  Nitzsch 
gleich  nach  Erscheinen  meines  Handbuchs  aufmerksam  machte,  mag 
allerdings  gröfstentheils  durch  den  Zufall  herbeigeführt  sein,  dafs 
die  von  mir  1829  in  unserem  Museum  untersuchten  Exemplare  vieler 
Sylvien -Arten  defekte  Schwänze  hatten.  Vielleicht  findet  sich  indes- 
sen die  Zahl  10,  welche  bei  Sylvia  Cetti  wirklich  regelmäfsig  ist, 
noch  bei  manchen  anderen  Arten,  und  diese  hat  mir  damals  der  Zu- 
fall in  die  Hände  geführt.    Ich  werde  gelegentlich   hierüber   nähere 

Wiegm.  Archiv.    VI.  Jahrg.      1.  ßandö  J.^ 


226 

kurze,  herzförmige  Biirzeldriise  ist  allen  eigen,   und  wohl  ihr 
sicherster  Charakter. 

Es  findet  sich  nämlich  die  zuletzt  geschilderte  Modifika- 
tion der  Laufbekleidiing  gerade  auch  bei  denjenigen  Cuculi- 
nen  (Nitzsch),  welche  den  Passerinen  äufserlich  am  ähn- 
lichsten sind  und  bisher  dalnn  gezogen  wurden,  nämlich  bei 
Caprimulgus,  Coracias,  Prionites,  Upupa,  Buceros,  Co- 
lius,  selbst  vielen  Cohtmhis;  und  es  bleibt  mithin  diese  Form 
weder  für  die  eine  noch  für  die  andere  Gruppe  ein  bestimm- 
tes Kriterium.  Für  die  übrigen  mit  Kletter-  oder  Schreit- 
füfsen  versehenen  Gattungen  der  Cuculinen  bedurfte  es  eines 
solchen  nicht  mehr,  da  beide  Fufsformen  den  Passerinen  nicht 
eigen  sind  (die  letztere  etwa  nur  in  schwacher  Anlage  bei 
Pipra\  und  wo  sie  bestimmt  auftreten,  eine  Verwandtschaft 
mit  den  Cuculinen  deutlich  genug  beweisen.  Ein  Gleiches 
läfst  sich  also  von  der  hinteren  warzigen  Bekleidung  des  Laufs 
nicht  behaupten,  selbst  wenn  man  die  Ampeliden  von  den 
Passerinen  trennen  und  mit  den  Cuculinen  verbinden 
wollte,  was  wegen  des  einzigen  abweichenden  Verhältnisses 
in  der  Fufsbildung  doch  immer  nur  ein  unnatürliches  Verfah- 
ren bleiben  würde;  denn  auch  aufserhalb  der  Ampeliden  ist 
die  bei  ihnen  beschriebene  Bildung  noch  einmal  konstantes 
Gruppenmerkmal.  Ich  finde  dieselbe  nämlich  als  Gattungs- 
charakter derjenigen  Muscicapiden  undLaniaden,  welche 
die  Gattung  Tyrannus  und  Psaris  Ciiv.  bilden,  so  viele  ich 
deren  habe  untersuchen  können,  namentlich  bei  Lantus flaviis^ 
Muscicapa  plumhea,  M.  animosa,  M.ferox,  M.  despotes, 
M.  cayennensis,  M.  Paradisi;  dann  bei  den  Psaris  Temm., 
z.  B.  bei  Lan.  cayanus,  L.  validus  und  Ps.  leucospilon. 
Bei  allen  diesen  hat  der  Lauf  vorn  Halbgürtel  und  hinten  die 
elliptischen  genabelten  Warzen,  vor  denen  an  der  Aufsenseite 
neben  dem  Rande  der  Halbgürtel  noch  eine  Reihe  gröfserer 
platter  schildförmiger  Schuppen  herabläuft. 

Nachsiichungen  anstellen.  Zugleich  sehe  ich  mich  genöthigt,  zu  be- 
merken, dafs  mir  Nitzsch's  System  in  dessen  Abhandlung  de  caro- 
tide  avium  erst  nach  dem  Druck  der  die  Singvögel  enthaltenden  Bo- 
gen meines  Hanäbuchs  bekannt  wurde.  Icli  kannte  damals  nur  seine 
Beiträge  zu  Naumann's  5  ersten  Bänden  und  in  Meckel's  Archiv; 
daher  denn  einzelne  Mifsgriffe  und  Mängel  nicht  ausbleiben  konnten. 

Herausgeber. 


227 
Bericlitigiingen. 

Von  Gloger. 

Eine  mir  so  eben  zu  Gesicht  kommende  Abhandlung  von 
den  Herren  Graf  Keyserling  und  Prof.  Blasius,  „über 
ein  zoologisches  Kennzeichen  der  Ordnung  der  Sperlingsarti- 
gen oder  Singvögel",  Jahrgang  1839,  Heft  4,  S.  322  dieses 
Archivs,  beginnt  mit  folgenden  Worten:  „Während  die  ü<bri- 
gen  Ordnungen  der  Vögel  so  ausgezeichnete  Physiognomieen 
und  Charactere  an  sich  tragen,  dafs  nur  selten  ungeschicktere 
Systematiker  einzelne  Fehlgriffe  bei  ihrer  Begränzung  gethan, 
hat,  mit  Ausnahme  Wiegmann's  (auch  Gloger"  für  die  euro- 
päischen Gattungen),  kein  Systematiker  die  Ordnung  der  Sper- 
lingsartigen oder  Singvögel  naturgemäfs  zusammengestellt ; 
durchaus  Niemand  aber  für  sie  einen  zoologischen  Charakter 
angegeben."  Im  Folgenden  wird  diese  Behauptung,  die  trotz 
der  Bestimmtheit,  mit  welcher  sie  ausgesprochen  wird,  in  Be- 
zug auf  mich  das  gerade  Gegentheil  von  der  W^ahrheit  ist,  noch 
ihrem  wesentlichsten  Sinne  nach  wiederholt.  Thl.  I.,  Seite  124 
meines  Handbuches  der  N.  G.  der  Vögel  Europa's  (bereits  im 
Jahre  1834  erschienen)  steht  aber,  mit  Ciceroschrift  gedruckt, 
Folgendes  : 

„Singende  Sperlingsvögel, 
Aves  passerinae  melodusae,  rnh. 

Füfse:  nie  über  der  Ferse  nackt  (aber  auch  nur  bei 
Einer  Gattung  in  mehreren  Fällen  noch  unterhalb  derselben 
mit  Federn  versehen).  Von  den  vier  Zehen  ohne  Aus- 
nahme die  hintere  die  kürzeste,  aber  bei  weitem  die 
stärkste,  auch  mit  dem  gröfsten  Nagel  unter  allen  ver- 
sehen; von  den  vorderen  die  mittlere  und  äufsere  nie 
ganz  getrennt,  sondern  stets  wenigstens  bis  zum  Ende  des 
ersten  Gliedes  der  äufseren,  aber  auch  nie  weiter  als 
bis  zum  ersten  Gelenke  der  mittleren,  mit  einander 
verwachsen. 

Schwanz:  bei  allen  regelmäfsig  zwölffedrig." 

Das  ist  doch  wohl,  denke  ich,  ein  Charakter:  und 
zwar  ein  so  acht- zoologisch  er  wie  irgend  einer;  dabei  ge- 
wifs  treffender  als  der,  allerdings  nicht  gerade  zu  verachtende, 
welchen  die  Herren    Graf  Keyserling   und  Prof.  Blasius 

15« 


228 

aufstellen,  von  welchen  sie  aber  selbst  schon  unter  den  deut- 
schen Vögeln  einen  Ausnalimefall  anführen  (bei  den  Lerchen); 
ferner  auch  zum  Glücke  stets  etwas  leichter  zu  erkennen, 
als  der  ihrige,  dessen  Prüfung  wohl  bei  kleinen  Vögeln  nicht 
selten  die  Anwendung  einer  Loupe  erfordern  dürfte. 

Uebrigens  konnte  ein  Absprechen  der  Art  mir  gerade  in 
diesem  Archive  nicht  überraschend  kommen,  da  ich  für  meine 
Person  von  dem  Herausgeber  selbst  längst  daran  gewöhnt 
bin.  Aus  Rücksichten  auf  Raum  und  Zeit  will  ich  mich  mit 
der  Anführung  Eines  Beispieles  begnügen. 

In  seinem  sonst  sehr  dankenswerthen  Aufsatze  über  die 
Gebisse  der  Raubthiere,  im  vorigen  Jahrgange  des  Archivs, 
den  ich  im  Augenblicke  nicht  zur  Hand  habe,  spricht  der  Hr. 
Herausgeber  vom  Nörze  aufser  mehrerem  Anderem  ungefähr 
mit  folgenden  Worten:  Was  Gloger  auch  sagen  mag,  der 
Nörz  ist,  ganz  abgesehen  vom  Gebifs,  ein  Iltis  und  keine  Lu- 
tj'a  u.  s.  w.  Hiernach  wird  und  mufs  Jeder  schliefsen:  dafs 
ich  für  die  bestimmte  und  beständige  Einstellung  dieses  Thie- 
res  unter  die  Ottern  {Lutra)  gleichsam  wie  pro  aris  etfocis 
gestritten  hätte.  Wer  aber  erstens  meinen  Aufsatz  in  den 
Verhandlungen  der  Leop.  Carol.  Akademie  der  Naturforscher, 
auf  welchen  Hr.  Prof.  WMegmann  anspielt,  nur  einen  Augen- 
blick vergleicht  ^Act.  Ac.  Nat.  Cur.  XUL,  2,  p.  480—512), 
der  wird  sich  überzeugen:  dafs  mir  das  gar  nicht  eingefallen 
ist;  dafs  ich  vielmehr  diese  Stellung  des  Thieres,  trotz  der 
dafür  angeführten  Gründe,  lediglich  nur  als  eine  „provisori- 
sche" betrachtet  und  die  definitive  Entscheidung  hierüber  der 
Zukunft  überlassen  habe.*)  Und  wer  sich  zweitens  die 
Mühe  nimmt,  meine  kleine  „Wirbelthierfauna  von  Schle- 
sien" nachzuschlagen  (welche  Hr.  Professor  Wiegmann  nicht 
blofs  selbst  besitzt,  sondern  mir  auch  wenigstens  mündlich 
mehr  gerühmt  hat,  als  sie  es  nach  meinem  eigenen  Dafürhal- 
ten verdient)  der  wird  sehen:  dafs  ich  daselbst  (S.  9)  den 
Nörz  schon  eben  so  gut  zu  Mustela  gerechnet  habe, 
wie  heut  Hr.  W.:  indem  ich  für  ihn  eine  besondere  Abthei- 
lung  der  Gattung  Mustela  unter   der  Rubrik   „otterähnliche 


*)  Eine  Meinung,  die  damals  auch  ein  von  mir  hochverehrter 
beiderseitiger  Lehrer  von  uns  (heilte. 


229 

Wiesel,  Nörze"  aufgestellt  habe.  —  Was  für  ein  Prädikat  soll 
uiari  nun  einer  Krittelei  beilegen,  die  einen,  durch  Umstände 
und  damalige  Ansichten  wohl  entschuldigten  Mifsgriff  aus  dem 
Jahre  1827  her  doch  im  Jahre  1838  noch  rügt  und  mit  so 
doppelsinnigen  Worten  rügt,  obwohl  derselbe  bereits  im  Jahre 
1833  von  dem  Malefikanten  selbst  verbessert  worden  ist? 

Ich  weifs  nicht,  ob  ein  gewisses  vornehmes  Wesen  unter 
die  Vorrechte  mancher  Schriftsteller  und  Schriften  aus  der 
Metropole  gehören  soll;  unter  ihre  Vorzüge  aber  würde 
ich  wenigstens  es  nicht  zählen. 

Breslau,  den  2.  December  1839. 

Dr.     G  1  0  g  e  r. 


Reclitfertigung  des  Herausgebers. 

Obgleich  es  mein  Vorsatz  ist,  persönliche  Zänkereien,  welche 
die  Wissenschaft  um  nichts  fördern,  von  diesen  Blättern  aiiszu- 
schliefsen,  weil  diesen  schon  ein  karger  Raum  zugemessen  ist, 
so  sehe  ich  mich  doch  genöthigt,  bei  vorstehendem  Aufsatze 
eine  Ausnahme  zu  machen,  weil  der  Angriff  gegen  meine  Hand- 
lungsweise als  Herausgeber  gerichtet  ist,  und  sonach  eine  Zu- 
rückweisung mir  leicht  als  Scheu  der  Veröffentlichung  gedeutet 
werden  könnte.  W^enn  ich  also  hiermit  antworte,  so  geschieht 
es,  um  mich  nochmals  über  meine  Redactionsgrundsätze  auszu- 
sprechen und  zugleich  ein  für  alle  Mal  zu  erklären,  dafs  mein 
Journal  für  blofs  persönliche  Zänkereien  nicht  bestimmt  ist. 
Es  ist  schon  betrübend  genug  für  mich,  dafs  Persönlichkelten 
in  manchen  sehr  verdienstlichen  Aufsätzen  nicht  ausgeblieben 
sind.  Der  oben  angeführte  Grund  ist  es  auch  hauptsächlich, 
welcher  mich  zurückhält,  den  höchst  insolenten,  noch  dazu 
einer  fremden  Hand  diktirten  Brief  hier  abdrucken  zu  lassen, 
mit  welchem  Hr.  Gl.  seinen  Aufsatz  zu  begleiten  für  gut  fand. 
Ich  bedaure  dies  um  so  mehr,  als  dieser  Brief  sowohl  mir,  wie 
allen,  die  ihn  bei  mir  lasen,  manchen  heiteren  Augenblick  be- 
reitet hat,  wofür  ich  dem  Herrn  Absender  meinen  verbindlich- 
sten Dank  hier  auszusprechen  nicht  unterlassen  kann.  Einiges 
mufs  ich  aber  doch  aus  seinem  Inhalte  mitthellen,  weil  es  die 
Anklage  ergänzt,  und  indem  es  auf  den  vorstehenden  Aufsatz 
des  Hrn.  Gl.  das  gehörige  Licht  wirft,  die  eigentliche  Ursache 
seines  Zornes  gegen  mich  aufklärt.  Hr.  Gl.  macht  es  mir  näm-? 
Heb  in  jenem  Schreiben  zum  Vorwurfe,  dafs  ich  „die  recht  un- 
besonnen falsche  und  absprechende  Aeufserung  der  Herren  von 
Keyserling  und  Blaslus  in  Bezug  auf  ihn  nicht  sofort  berich- 
tigt hätte."  Ich  mufs  feierlichst  betheuern,  dafs  es  mir  nicht 
von  fern  in  den  Sinn  gekommen  ist,  dafs  jener  Ausspruch  irgend 
Jemanden,  am  wenigsten  aber  Hrn.  Gl.  verletzen  könne. 
Und  selbst  wenn  dies  wirklich  der  Fall  wäre,  so  habe  ich  als 


230 

Herausgeber  durchaus  nicht  die  Verpflichtung,  Parthei  zu  neh- 
men. Ich  habe  bisher  immer  die  strengste  Ünparlhelllchkelt  zu 
behaupten  gesucht,  obgleich  es  mich  nicht  selten  schmerzlich 
berührt  hat,  in  diesen  Blättern  manchen  meiner  Freunde,  sogar 
meinen  eigenen  Vater,  verunglimpft  zu  sehen.  Es  hat  mir  in- 
dessen zur  Beruhigung  gereicht,  dafs  man  im  Allgemeinen  meine 
Stellung  als  Herausgeber  richtig  erkannt  und  die  Sünden  mei- 
ner Mitarbeiter  nicht  mir  zur  Last  gelegt  hat.  Bei  jenem  Aus- 
spruche der  beiden  genannten  Herren  hatte  Ich  aber  gar  nichts 
zu  berichtigen,  weil  er  durchaus  nichts  Persönliches  und  auch 
nichts  Falsches  enthält.  Allenfalls  hätte  ich  In  einer  Anmerkung 
sagen  können,  was  die  Verfasser  auszusprechen  vergessen  haben, 
dafs  sie  unter  einem  zoologischen  Charakter  einen  solchen  ver- 
stehen, der  ausschllefsliches  Eigenthum  der  Gruppe  Ist,  für 
welche  er  aufgestellt  wird;  und  jenen  Ausspruch,  in  diesem 
Sinne  genommen,  mufs  jeder  Zoolog  unbedingt  unterschreiben, 
denn  dafs  kein  einziges  der  von  Hrn.  Gl.  angegebenen 
Merkmale  ausschllefsliches  Eigenthum  der  Singvögel  Ist,  wird 
jedem  Unbefangenen  einleuchten.  Die  pedes  ambulatorii  finden 
sich  unter  den  Hockern  ohne  Singapparat  bei  Upupa^  Trochi- 
luSy  umgekehrt  ist  die  Verbindung  zwischen  den  äufseren  Zehen 
schon  sehr  unbedeutend  bei  manchen  Raben;  dagegen  kommen 
sogenannte  pedes  gressorii  oder  syndaclyli  bei  wahren  Sängern 
vor,  so  bei  Pipra^  Eiirylaimus^  die  selbst  von  Nltzsch  als  solche 
anerkannt  werden,  denn  er  nimmt  sie  von  Cuvier's  Passereaux 
nicht  aus,  und  auch  Hr.  Burmeister,  der  in  der  Systematik  der 
Vögel  seinem  Lehrer  gefolgt  ist,  führt  sie  In  seinem  Handbuche  als 
Singvögel  auf.  Hrn.  Gl.'s  Diagnose  hat  also  höchstens  nur  für  die 
europäische  Fauna  Geltung.  Eben  so  wenig  ist  der  zwölffedrige 
Schwanz,  aufweichen  Hr.  Burmeister  schon  mehr  Gewicht  legt, 
ein  unterscheidendes  Merkmal,  denn  nicht  nur  kommt  bei  Sing- 
vögeln, wenn  auch  als  seltene  Ausnahme,  ein  zehnfedriger  vor, 
sondern  es  findet  sich  auch  bei  Coracias,  ^Icedo^  JMerops  ein 
zwölffedrlger.  Wendet  man  mir  ein ,  dafs  diese  hinreichend 
durch  die  Fufsblldung  als  Nichtsänger  charaktcrisirt  seien,  so 
erinnere  ich  an  Pipra  und  Eurylabnus ^  welche  einen  zwölf- 
fedrlgen  Schwanz  und  pedes  syndadyll  besitzen  und  doch  Sing- 
vögel sind.  (Burmelster's  Angabe,  Handb.  S.  773,  dafs  bei  der 
letzteren  Gattung  die  Aufsenzehen  am  Grunde  etwas  ver- 
wachsen seien,  ist  unrichtig;  es  sind  wahre  pedes  gressorii 
vorhanden,  wodurch  ich  verleitet  wurde,  diese  Gattung  in  mei- 
nem Handbuche  mit  den  Todiden  zu  verbinden,  obgleich  ihr 
Nestbau  und  sonstige  Eigenthümllchkeiten  ihrer  Lebensweise  da- 
gegen sprechen.)  Es  ergiebt  sich  also,  dafs  keines  der  von  Hrn. 
Gl.  aufgestellten  Merkmale  für  sich  allein  unterscheidend  ist, 
wenngleich  sie  im  Complex  mit  anderen  den  typischen  Charak- 
ter der  Singvögel  bilden.  Es  wirft  dies  auch  kelnesweges  ein 
nachtheiliges  Licht  auf  Hrn.  Gl.'s  anerkannt  vortreffliches  Hand- 
buch, und  auch  ich  hätte  auf  mich  denselben  Tadel  zu  beziehen, 
weil  auch  ich  nach  einem  durchgreifend  unterscheidenden  Cha- 
rakter für  die  Singvögel  bei  Ablassung  meines  Handbuchs  vcr- 


231 

geblich  suchte.  Schon  wiederholt  habe  ich  mich  cLihin  aiisge- 
sproclien,  dafs  ein  einzelner  Charakter  für  sich  allein  selten 
unterscheidend  sei,  da  die  Natur  überall  Uebergänge  haben  will, 
und  so  verhehlte  ich  auch  den  Herren  Graf  v.  Keyserling  und 
Blasius  meine  Besorgnisse  für  den  von  ihnen  aufgefundenen 
Charakter  nicht,  als  mir  diese  Herren  den  besprochenen  Auf- 
satz während  meines  Aufenthalts  in  Braunschweig  zum  Abdrucke 
einhändigten,  konnte  ihn  auch,  entfernt  von  der  hiesigen  Samm- 
lung, auf  seine  Haltbarkeit  nicht  weiter  prüfen,  welches  Ge- 
schäft Hr.  Prof.  Burmeister  mir  inzwischen  abgenommen  hat. 
Ueberhaupt  würde  es  eine  grofse  x\rroganz  verrathen,  wenn  ich 
mir  beikommen  lassen  wollte,  die  für  mein  Journal  eingehenden 
Aufsätze  zu  censiren,  oder  solche,  die  gegen  meine  Ansichten 
oder  gegen  etwaige  persönliche  Rücksichten  anstofsen,  zu  ver- 
bessern oder  gar  zurückzuweisen. 

Doch  wenden  wir  uns  zu  dem  andern  gegen  mich  gerich- 
teten Theile  des  vorstehenden  Aufsatzes.  Hr.  Gl.  beklagt  sich, 
dafs  er  iu  meinem  Archive  von  mir  selbst  an  ein  derartiges  Ab- 
sprechen gewöhnt  sei,  und  führt  dafür,  grofsmüthig  genug,  nur 
ein  Beispiel  an.  Zwei  andere  Beweise  meines  „bösen  Willens" 
glebt  er  in  seinem  Briefe.  Der  eine  ist  im  x\rchive  Jahrg.  II. 
hd.  2.  S.  165  Anm.  zu  lesen,  und  wird  dem  geneigten  Leser 
zur  Beurthellung  anheimgestellt.  Eben  so  wenig,  glaube  ich, 
trifft  mich  ein  anderer  Vorwurf  de^  Briefes,  „dafs  mich  bei  bes- 
serem Willen  mein  Gedächtnifs  hätte  überzeugen  und  meine 
Unparthellichkeit  mit  ein  Paar  Worten  darauf  hätte  hindeuten 
können,  dafs  z.  B.  fast  alle  Bemerkungen  über  die  geographi- 
sche Verbreitung  der  Vogel,  welche  ich  besonders  nach  Schrif- 
ten der  Engländer  resumlrt  hätte,  nur  thells  die  Wiederholung 
oder  weitere  Ausführung  von  Hrn.  Gl.'s  Ideen  (!),  theils  wenig- 
stens durch  das  angeregt  seien,  was  Hr.  Gl.  in  seinem  Hand- 
buche und  in  seinem  Werke  über  das  Abändern  der  Vögel  zu- 
erst vorgebracht  habe."  Es  bezieht  sich  dies  wahrscheinlich  auf 
die  von  Strickland  u.  A.  gegebenen  Verzeichnisse  der  von  ihnen 
in  Kleinasien,  den  Inseln  des  Archipels  u.  s.  w.  beobachteten 
Vögel,  die  ich  in  meinem  Archive  abdrucken  llefs.  Die  For- 
derung des  Hrn.  Gloger  scheint  mir  zu  ungereimt,  als  dafs  ich 
eine  Entschuldigung  nöthig  hielte.  Ich  bin  schon  zufrieden, 
wenn  ich  mit  genauer  Noth  den  Platz  gewinne,  um  ein  solches 
Verzelchnli's  in  meinem  Berichte  aufzunehmen;  und  nun  soll  ich 
noch  gar  bei  vielen  oder  gar  fast  allen  Vögeln  bemerken,  dafs 
dies  Vorkommen  Hr.  Gl.  vorausgesehen  oder  wirklich  be- 
reits angegeben  habe.  ^Venn  Hr.  Gl.  nun  aber  gar  glaubt,  dafs 
jene  Engländer  erst  durch  seine  beiden  Werke  (welche,  bei- 
läufig gesagt,  trotz  ihrer  Trefflichkeit  kaum  ein  Engländer 
kennt)  dazu  angeregt  seien,  so  irrt  er  sehr.  Sie  sind  blolse 
Sammler,  referirten  kurz,  was  sie  fanden,  und  Ihre  Listen  thellte 
ich  mit,  und  ich  bin  überzeuge,  dafs  die  übrigen  Leser  meines 
Archivs,  selbst  wenn  sie  auch  Hrn.  Gl.'s  Handbuch  besitzen,  mir 
Dank  wissen  werden,  wenn  ich  ihnen  in  Zukunft  ähnliche  Mit- 
theilungen nicht  vorenthalte. 


232 

Von  dem  Kapitalverbrechen  endlich,  dessen  mich  Hr.  Glo- 
ger  im  Aufsatze,  wie  Im  lirlefe  anklagt,   Ich  meine  die  Nörzge- 
scliichte,  kann  ich  mich  allerdings  selbst  nicht  ganz  freisprechen, 
aber  nur  insofern,   als  ich  vergessen   oder   übersehn   habe,    dafs 
Hr.  Gloger  in  seiner  wirklich  verdienstlichen  „W  irbelthlerfauna 
Schlesiens"    von   seiner    früheren   Ansicht    zurückgekommen    ist, 
lind   dafür   bitte   ich   denn    auch   hiemit  um   Verzeihung.     Sonst 
aber  sehe  ich  in  den  Worten  weder  etwas  Beleidigendes,  noch 
irgend  etwas,   was  im  geringsten  einer  Rüge  ähnlich  erscheinen 
könnte,    noch   finde   ich   einen   Doppelsinn  in    den   Ausdrücken. 
Sie  sagen  nichts  Anderes,  als:   „Was  auch  Gloger  dagegen  ein- 
wenden mag,  derNörz  Ist,  ganz  abgesehen  vom  Gebifs,  ein  Iltis 
und  keine   Otter."     I-'^g   v/irklich   etwas   Kränkendes   in   diesen 
Worten,  und  wäre  der  grofse  Linne,  mit  welchem  Hr.  Gl.  sich 
in   seiner  Eigenschaft  als  Erfinder   eines   neuen  Sysiema  natu- 
rae   doch   nicht   ungern  vergleichen  lassen  wird,   so    empfindlich 
wie  Hr.  Gl.  gewesen,    so   müfste   er   sich  1786   noch   in  seinem 
Grabe  umgewandt  haben,   als  Peter  Camper  von  ihm  schrieb: 
„Das  Wallrofs  hat,  was  Linne  auch  sagen  mag"  u.  s.  w.  —  ein 
Passus,  der  mir  so  eben  wieder  zufällig  In    die  Hände  kommt 
und  merkwürdiger  Weise   fast  in   denselben   ^Vorten   abgefalst 
ist.     Eben   so   wenig   darf  mir  Hr.  Gloger  es   als  Krittelei  an- 
rechnen, wenn  ich  mich  noch  Im  Jahre  1S38  gegen  seinen  Aus- 
spruch von  1827  auflehnte;    denn  wenn   er  auch   auf  die  Syste- 
niatik  ohne  EInflufs  geblieben  ist,  so  hat  doch  gewifs  bei  ]\Ian- 
chen  Hrn.  Gl.'s  Autorität,  wie  billig,  gegolten.    Ich  verweise  nur 
auf  F  i  s  c  h  e  r' s  Syn.  Dlamm.  S.  221 :  hahhus  lutrae.    Der  Einwand, 
dafs   diese  Entscheidung   nur   eine   provisorische   gewesen,   kann 
dabei  nicht  gelten.     Ich  wenigstens   vermag   es   nicht   zu  fassen, 
wie  ein  Zoolog,   wenn    er  im  Stande   ist,   Gebifs,   Schädel  und 
alle  sonstigen  Körpertheile   zu  untersuchen,   zweifelhaft  bleiben 
kann,    zu  welcher  von  beiden  Gattungen   er   den  Nürz   zu  stel- 
len habe.     Mich  hat  Hr.  Gloger  übrigens  damals   nicht  von  der 
geltenden,  auch  von  Cuvier  vertretenen  Ansicht  abwendig  machen 
können,   und  ich  mufs  demnach  seine  Angabe,   dafs   ich   zu  der 
von  ihm  selbst  bereits  1833  angenommenen  Ansicht  erst  heute 

fekommen  sei,   als  falsch  zurückweisen   (s.  auch  mein  Handbuch 
.  45,  dessen  erste  Hälfte  laut  Vorrede  bereits  Im  Frühling  und 
Sommer  1831  gedruckt  wurde). 

Was  nun  endlich  von  dem  Vorwurfe  eines  gewissen  vor- 
nehmen Wesens  zu  halten  sei,  welchen  Hr.  Gl.  manchen  Natur- 
forschern Berlins  und  auch  mir  macht,  so  wird,  wer  uns  beide 
persönlich  kennt,  am  besten  wissen,  wer  von  uns  am  meisten 
dazu  hinneigt.  Soll  der  Vorwurf  für  jenen  speclellen  Fall  gel- 
ten, so  möge  man  bedenken,  dafs  sich  dort  Hrn.  Gl.'s  Ansicht 
nur  beiläufig  als  irrig  anführen,  nicht  aber  Im  Einzelnen  wider- 
legen llefs.  Wer  sich  die  Mühe  geben  will,  Hrn.  Gl.'s  Gründe 
an  einem  Exemplar  des  Nörzes  zu  prüfen,  wird  sich  von  der 
Bichtigkelt  meines  Ausspruchs  überzeugen.  Soll  sich  nun  aber 
jener  Vorwmf  auf  meine  Jahresberichte  bezichen,  so  bemerke 
ich,  dafs  allerdings   ein  Urtheil   darin   nicht  selten  absprechend 


233 

erscheinen  mag,  weil  es  wegen  Mangel  an  Raum  nicht  ausführ- 
lich motivirt  werden  kann.  Ich  beziehe  mich  deshalb  nochmals 
auf  die  von  mir  im  Prospektus  zu  dieser  Zeitschrift  ausgespro- 
chenen Worte:  „Der  Jahresbericht  wird  seinem  Wesen  nach 
vorzüglich  referirend  sein.  Wenn  jedoch  die  Referenten  hier- 
bei ihr  subjektives  Urtheil  nicht  gänzlich  zurückhalten  können, 
ja  es  dem  Leser  wünschenswerth  erscheinen  mufs,  wenn  hie  und 
da,  wo  es  nöthig  ist,  zugleich  Berichtigungen  gegeben  werden, 
so  dürfen  sie  wohl  die  üeberzeugung  hegen,  dafs  ihnen  dies 
nicht  als  Anmafsung  gedeutet  werde.  Vielmehr  wird  der  Leser 
die  Bemerkungen  der  Berichterstatter  als  das,  was  sie  sind,  als 
deren  sukjektive  Ansicht  betrachten,  deren  weitere  Prüfung 
ihm  überlassen  bleibt.  Jede  Berichtigung  solcher  ab- 
weichenden Ansichten  der  Referenten  wird  stets 
mit  Danke  in  diesen  Blättern  aufgenommen  werden." 
Ich  habe  es  mir  angelegen  sein  lassen,  meine  Berichte  so  ob- 
jektiv wie  möglich  zu  halten,  und  freue  mich,  dafs  dies  von 
Männern,  auf  deren  Urtheil  ich  was  geben  darf,  wiederholt  an- 
erkannt worden  ist.  Wer  nichtsdestoweniger  in  den  Berichten 
nur  Anmafsung  sieht,  dem  kann  ich  nur  rathen,  sie  ungelesen 
zu  lassen. 


IJntersucliiiiig    der    an    den    scliwedischen  Küsten 
vorkommenden  Arten  der  Gattung*  Gobius  L. 

Von 

B.     F  r.     F  r  i  e  s. 

Aus  den  Kongl.  Vetenskaps-Academietis  Bandlingar  for  1838. 

Stockholm  1839. 

Von 

F.     C.    H.     C  r  e  p  1  i  u. 

Linne  kannte  zu  seiner  Zeit  keinen  Gohiiis  als  einen 
Schwedischen,  und  brachte  daher  diese  Gattung  nicht  in  die 
Fauna  suecica.  Erst  Euphrasen  machte  eine  kleine  Art  be- 
kannt, die  er  an  der  bohuslanischen  Küste  entdeckte  und  un- 
ter dem  Namen  Gr.  Ituthensparri  in  den  Verhandlungen 
der  Königl.  schwedischen  Akademie  der  Wissenschaften  für 
1786  beschrieb.  Retzius  nahm  später  nicht  allein  diese  in 
seiner  Ausgabe  der  schwedischen  Fauna  auf,  sondern  fügte 
noch  zwei  L in neische  Arten,  G.niger  und  G.JozO)  hinzu. 


234 

Der  letztere  Namen  wurde  jedoch,  aus  manchen  Gründen,  wie- 
der ausgeschlossen  von  Nilfson  in  der  Synopsis  IclilhyoL 
scand.,  dagegen  aber  der  Artnamen,  G.  Ruthensparri, 
verworfen  und  gegen  Gmelin's  G.  mmiitus  in  der  Vermu- 
thung  umgetauscht,  dafs  beide  identisch  wären.  Mehr  als  zwei 
Arten,  niger  und  minutus,  hat  die  Synopsis  demnach  nicht. 
Fast  zu  derselben  Zeit  beschrieb  C.  U.  Ek ström  die  Fische 
der  Sclieeren  von  Mörkö  und  nahm  von  den  dort  vorkom- 
menden auch  zwei  Arten  unter  demselben  Namen,  wie  die  in 
der  Synopsis,  auf.  Auf  diesem  Standpunkte  befand  sich  un- 
sere Kenntnifs  der  in  Rede  stehenden  Gattung,  als  wir  unsere 
bohuslänischen  Excursionen  begannen.  Ich  hatte  dort  schon 
zeitig  Gelegenheit,  zu  beobachten,  dafs  zwei  sehr  bestimmte, 
wenn  gleich  ziemlich  kleine  Arten  unter  dem  Namen  G.  mi~ 
nutiis  zusammengeworfen  worden  seien,  dafs  die  eine  von  ih- 
nen offenbar  dieselbe  Art  sei,  welche  Euph rasen  zuerst  be- 
schrieben hat,  und  die  andere  völlig  mit  der  Gmel  in 'sehen 
Beschreibung  des  G.  minutus  übereinstimme,  die  gleichwohl 
nur  eine  Uebersetzung  der  Pennantschen  Beschreibung  sei- 
nes Spotted  Gohy  ist.  Nachdem  erhielt  ich  Yarrell's  Ili- 
story  of  hritish  Fishes  und  fand  in  derselben  jene  beiden 
Arten  gut  diagnosticirt,  obzwar  die  Euphrasensche  einen 
neuen  Namen,  G.  hipunctatus  Yarr.^  bekommen  hatte,  indem 
die  kleine  Abhandlung  in  den  Verhandlungen  der  Akademie 
dem  Verf.  unbekannt  geblieben  war.  Da  später  Hr.  Valen- 
ciennes  im  12ten  Bande  von  seiner  und  Cuvier's  Hist. 
nat.  des  Poissons  auf  den  Gegenstand  seine  Aufmerksamkeit 
gerichtet  und  den  ältesten  Namen  wieder  in  seine  Rechte  ein- 
gesetzt  hat,  so  habe  ich  nichts  weiter  dazu  zu  thun,  als  zu 
berichten,  dafs  es  durch  spätere  Unterhaltungen  mit  Ekström 
sich  ergeben  hat,  dafs  der  bei  Mörkö  vorkommende  G.  minu- 
tus völlig  identisch  mit  dem  bohuslänischen  und  sonach  die 
Art  ist,  welcher  jener  Namen  mit  Recht  zukommt,  ferner  dafs 
G.  Ruthensparri  dagegen  in  den  Scheeren  von  Mörkö  noch 
nicht  gefiuiden  worden  ist.  Ich  habe  sogar  einen  besondern 
Grund,  zu  vermuthen,  dafs  die  letztere  Art  gar  nicht  in  die 
Ostsee  gelange;  ich  weifs  nicht,  dafs  er  auch  nur  einziges  Mal 
im  Sunde  gefunden  worden  wäre.  Gewifsheit  hierüber  mögen 
künftige  L'interbuchungen  verschaffen. 


235 

Was  den  Gohius  niger  betrifft,  so  darf  ich  die  Ungewifs- 
heit  nicht  verhehlen,  welche  darüber  entstanden  ist,  in  wie 
fern  die  Art,  welche  an  unseren  Küsten  vorkommt  und  bei 
uns  jenen  Namen  führt,  wirklich  dieselbe  sei,  welche  llr.  Va- 
lenciennes  beschrieben  hat.*)  Von  der  einen  Seite  betrach- 
tet, und  obgleich  unser  Fisch  im  Allgemeinen  mit  der  voll- 
ständigen Beschreibung  sehr  genau  übereinstimmt,  so  pafst 
doch  die  folgende  Stelle  nicht  auf  ihn  (S.  10):  ,,Les  pecto- 
rales  sont  ....  leurs  6  ou  7  premiers  rayons  sont  courts^ 
Uhr  es  de  la  membrane  sur  plus  des  deux  tievs  deleuv 
longeur,  et  leurs  hranches  efJiUes  ressemhlent  ä  des  poils 
ou  ä  des  hrins  de  soie:  les  autres,  au  nomhre  de  seize, 
oiit  la  forme  et  la  consistance  ordinaires  et  sont  lies  par 
la  memhrane;^^  denn  bei  unserm,  sobald  man  nämlich  Exem- 
plare untersucht,  deren  Brustflossen  nicht  abgerieben  sind,  be- 
steht jede  Brustflosse  aus  nur  17  bis  19  Strahlen,  welche 
nahe  an  der  Wurzel  gespalten,  wie  der  eine  oder  beide  Aeste 
gegen  die  Spitze  wiederum  zweispaltig  sind;  alle  sind  durch 
die  Flossenhaut  verbunden  und  alle  von  derselben  Gestalt  und 
Beschaß'enheit.  Diese  Verschiedenheit  würde  sonach  mehr  als 
hinreichend  sein,  die  Identität  beider  in  Zweifel  zu  stellen,  in- 
sonderheit, da  das  beschriebene  Exemplar  von  der  südwest- 
lichen Küste  Frai^creichs  herstannnte.  Von  einer  andern  Seite 
aber  betrachtet,  nimmt  Hr.  Valenciennes  selbst  den  an  den 
englischen  Küsten  vorkommenden  G.  niger,  von  Jenyns  und 
Yarrell  beschrieben,  als  synonym  mit  seinem  eigenen  an, 
lUnd  keiner  von  ihnen  beiden  erwähnt  einer  so  beschaffenen 
iBrustflossenbildung,  wie  die  von  Valenciennes  angegebene 
jist,  sondern  beide  geben  dieselbe  Strahlenzahl  an,  welche  ich 
ioben  von  unserer  Art  bemerkt  habe,  die  ohne  Zweifel  mit  der 
(englischen  ein  und  dieselbe  ist.  Die  Möglichkeit  einer  unrich- 
Itigen  Auffassung  des  Strahlenverhältnisses  in  den  Brustflossen 
ist  auch  sehr  annehmbar,  wenn  man  erwägt,  wie  äufserst 
spröde  alle  Flossenhäute  bei  den  Gobien  sind,  und  wie  selten 
man  an  ihnen  ganze  Flossen  sieht,  sobald  man  sie,  sei  es  auch 
noch  so  wenig,  in  den  Händen  gehabt  hat;  besonders  an 
Exemplaren,  welche  einige  Zeit  im  Weingeiste  gelegen  haben. 


0  Hist.  nat.  des  Poiss.  Tom.  XII,  9. 


236 

Bei  so  bewandten  Umständen  lafst  man  sich  leicht  verleiten, 
abgetrennte  Zweige  für  ganze  Strahlen  zu  neinnen.  Dies  führt 
mich  zu  einer  andern  Bemerkung,  welche  sich  auf  die  Ver- 
binduns:  der  Strahlen  in  der  ersten  Rückenflosse  mit  der  Flos- 
senhaut  bezieht.  Jeder  der  fünf  ersten  Strahlen  in  dieser 
Flosse  ist  bei  G.  niger  bedeutend  länger  als  die  ganze  Flos- 
senhöhe, und  dessenungeachtet  sind  diese  Strahlen  bis  zur 
äufsersten  Spitze  durch  die  Haut  verbunden,  auf  die  Weise 
nämlich,  dafs  sie  bogenförmig,  einer  hinter  dem  andern,  nach 
der  Richtung  der  Flosse,  stehen.  Davon  überzeugt  man  sich, 
wenn  man  den  Fisch  betrachtet,  während  er  frei  im  Wasser 
■schwimmt,  oder  wenn  man  sich  die  Mühe  giebt,  die  Flosse 
unter  Wasser  auszubreiten  (eine  Vorsicht,  welche  man  nicht 
unterlassen  mufs,  wenn  es  darauf  ankommt,  leicht  zerbrech- 
liche, feinstrahlige  Flossen  zu  untersuchen).  Wird  dagegen 
dieselbe  Flosse  auch  noch  so  behutsam  behandelt,  beson- 
ders wenn  sie  etwas  trocken  geworden  ist,  oder  im  Wein- 
geiste gelegen  hat,  so  reifst  die  Verbindungshaut  durch,  und 
die  zarten  Strahlenspitzen  erheben  sich  über  den  Rand  der 
Flossenhaut.  Den  augenscheinlichsten  Beweis  hierüber  liefert 
der  Fisch,  welcher  zum  Originale  für  ßloch's  Fig.  3.  auf 
der  107ten  Tafel  gedient  und  Anleitung  zu  der  nominellen 
Art  gegeben  hat,  die  ihn  als  einen  G.  Jozo  darstellt*),  denn 
in  der  That  ist  dieser  nie  etwas  Anderes,  als  ein  Männchen 
des  gewöhnlichen  G.  niger  gewesen. 

Diese  drei  jetzt  bemeldeten  skandinavischen  Arten  von 
Gobius  können  auf  folgende  Weise  diagnosticirt  werden: 

1.    Gohius  niger  Linn, 

Pinna  caudali  apice  rotundata;  pinnis  dorsualibus  valde 
appropinquatis,  saepe  in  mare  basi  connatis:  anteriore  6  —  ra» 
diata,  posteriore  radiis  13  —  14  fere  aequalibus,  apice  postico- 
rum  basin  caudae  attingente. 

Maculae  tres  vel  quattuor  nigrae,   apicales,  interstitia  ra-" 
diorum  3  vel  4  anteriorum  occupantes,  utramque  pinnam  dar- 
sualcm  ornant.     Longit.  corporis  3  —  6  poll. 

'^)  Den  ^virkli^hen  G.  Jo%o  Z#. ,  welcher  dem  Mittehneerc  ange- 
gehört, hat  Ilr.  Valciiciennes  in  den  Hist.  nat.  d.  Poiss.,  Tom. XU, 
p,  35,  beschrieben. 


237 

Synon.:  G.  niger  Linn.  Syst.  Nat.,  I.,  p.  449.    Artedi, 

Gen.  28;  ~  Syn.  46.    Retz,  Fn.  sv.,  326,  N.  48. 

Nilfs.,  Synops.,  93.  Ekström,  Act.  Holm.,  1834, 

60.     Bloch,  Natorgescli.  d.  F.  D.,  Tab.  38,  Fig. 

2—5   et  Tab.  107,  Fig.  3.     Yarr.,  Brit.  F.,  L, 

251.     Cuv.  et  Valenc,   Hist.  nat.  d.  P.,  XII.,  9. 

Kommt  sehr  allgemein  sowohl  an  den  östlichen,  als  den 

westlichen  Küsten  von  Schweden  vor,  erreicht  aber  an  erste- 

ren  nicht  dieselbe  Gröfse,  als  an  den  letzteren. 

2.   Gohius  minutus  Gmel, 

Pinna  caudali  apice  truncata;  pinnis  dorsualibns  discre- 
tis;  anteriore  6  —  radiata,  posteriore  a  basi  pinnae  caudalis 
longe  remota,  radiis  undecim,  anticis  longioribus,  posticis  sen- 
sim  decrescentibus. 

Pinna  dorsualis  anterior  macula  satis  magna  nigra  margi- 

nali  inter  radium  5tum  et  6tum  notata.    Longitudo  2 — 4  poll. 

Synon.:  Spotted  Goly,  Penn.,  Br.  Zool.,  Ilt.,  187,  Tab.37, 

N.  96.    G.jninuius,  Gmel,  l.,  111,1199.    Ekstr., 

Act.  Holm.,  1834,  N.  64.     Yarr.,  Br.  F.,  I.,  258. 

Cuv.  et  Val.,  H.  N.  d.  P.  XII.,  39. 

Kommt  eben  so  allgemein  und  an  denselben  Stellen,   wie 

der  erstere,  vor;    doch  sind  die  Exemplare  aus  dem  Kattegatt 

bedeutend,  ja  doppelt  gröfser,  als  die  in  der  Ostsee. 

3.   Gohius  Ruthensparri  Euphras. 

Pinna  caudali  apice  truncata;  pinnis  dorsualibus  appropin- 
quatis:  anteriore  7  —  radiata,  posteriore  a  basi  pinnae  caudalis 
longe  remota,  radiis  undecim,  satis  altis  et  ^ere  aequalibus. 

Macula  lateralis  nigra,  distinctissima,  annulo  pallidiore 
postice  circumdata,  in  basi  pinnae  caudalis,  et  altera  minor, 
interdum  evanescens,  juxta  lineam  lateralem,  sub  pinna  dör- 
suali  anteriore.     Longit.  1^ — 2  poll. 

Synon.:  G.  Ruthensparri  Euphr.,  Act.  Holm.,  1786,  64. 

Retz.,  Fn.  sv.,  326,  N.  47.     G.  minutus  Nilfs., 

Synops.   94.     G.   hipunctatus  Yarr.,   Br.  F.,   L, 

255.     Cuv.  et  Val.,  H.  n.  d.  P.,  XII.,  p.  48. 

Kommt   in   Menge  um   die   Stränder    der   bohuslänischen 

Scheerengruppe  vor,  ist  aber,  so  viel  ich  weifs,  noch  nicht  in 


238 

der  Ostseo  gefunden  worden.  Gewifs  ist  es  diese  Art,  welche 
insonderheit  den  Namen  Aat  an  den  norwegischen  Küsten 
führt,  und  ohne  alle  Frage  die,  welche  der  Beschreibung  des 
Gohius  minuius  in  der  Zoologia  danica,  IV.,  p.  38,  zum 
Grunde  liegt,  wenn  gleich  die  zu  derselben  gehörende  Figur 
auf  Tab.  154.  den  Cyclopterus  minutus  vorstellt.  —  Er  ist 
der  kleinste  aller  unserer  Gobien  und  unterscheidet  sich  durch 
seine  Lebensart  himmelweit  von  den  übrigen. 

Diesen  schon  Lekannten  und,  zufolge  des  oben  Bemerk- 
ten, höchst  gemeinen  Arten  erlaube  ich  mir  eine  vierte,  sehr 
ausgezeichnete,  hinzuzufügen,  welche  wir  in  den  westlichen 
Scheeren  im  Januarmonate  entdeckten,  welche  aber  an  unse- 
ren Küsten  sehr  selten  zu  sein  scheint,  da  es  während  unse- 
res ganzen  langen  Aufenthalts  an  jener  Gegend  nur  gelang,  ein 
einziges  Exemplar  zu  erwischen.  Nach  Allem,  was  ich  aus- 
finden kann,  ist  dies  dieselbe  Gobius-Art,  welche  Hr.  Jenyns 
unter  dem  Namen  G,  gracilis  beschrieben  hat.  Beide  stim- 
men wenigstens  in  allen  wichtigsten  Einzelnheiten  aufs  Ge- 
naueste überein.  Das  Einzige,  welches  mir  dabei  einigen  Zwei- 
fel erweckt  hat,  ist  die  verschiedene  Strahlenanzahl,  welche 
Jenyns  in  der  letzten  Rückenflosse  angiebt  (nämlich  12,  wäh- 
rend mein  Exemplar  15  hat),  ferner,  dafs  er  ganz  unterläfst, 
die  Gestalt  der  Schwanzflosse  zu  erwähnen,  welche  an  mei- 
nem Exemplar  eine  höchst  ausgezeichnete  und  eigenthündiche 
ist.  Vielleicht  verdient  dies  keine  Aufmerksamkeit,  da  die  Be- 
schreibung übrigens  vollkommen  zu  passen  scheint,  und  ich 
selbst  einen  Gohius  niger  gesehen  habe,  welcher  nur  10  Strah- 
len in  der  zweiten  Rückenflosse,  statt  der  normalen  13  — 14, 
hatte.  Diesen  G.  gracilis  übergeht  Hr.  Valenciennes  mit 
Stillschweigen;  ich  finde  ihn  nicht  einmal  an  irgend  einer 
Stelle  citirt,  da  doch  Yarrell  ihn  auf  Jenyn's  Auctorität 
angenommen  hat  und  Yarrell's  übrige  Arten  berücksiclitigt 
werden.  Es  ist  mir  indessen  sehr  wahrscheinlich,  dafs  der 
G.  gracilis  Jen.  kein  Anderer  ist,  als  der  von  Valencien- 
nes unter  dem  Namen  G.  cruentatus  Gniel.  beschriebene, 
eine  Art,  welche  im  Mittelmeere  sehr  gemein  sein  soll.  Dies 
schliefse  ich  aus  meinem  Exemplare,  welches,  was  wenigstens 
die  Form  betrifft,  völlig  mit  Valencienne's  kurzer  und  un- 
vollständiger Be!»chreibun?   übereinzustimmen   und  auch,    was 


239 

die  Farben  betrifft,  ibr  nicbt  zu  widerstreiten  scbeint.     Leider 
läfst  Hr.  Valenciennes  uns  in  Ungevvifsheit   über  die  Flos- 
senform bei  seinem  G.  crueiitatus,  welche,  vorausgesetzt,  dafs 
meine  Vermuthung  gegründet  sei,   wohl  verdient  hätte,   ange- 
führt zu   werden,    und  in  jedem  Falle  von  der  allergröfsten 
^Vichtigkeit   in   der  Diagnostik   der  Gobiusarten  ist.     Auf  der 
andern  Seite  muls  ich  auch  bedauern,    dafs  ich  mein  einziges 
Exemplar  nicht  in  so  frischem  Zustande  erhielt,   dafs  ich  mit 
voller  Gewifsheit   seine   natürlichen   Farben   angeben   könnte; 
das  Einzige,  welches  ich  sehen  konnte,  war,  dafs  mein  Fisch 
mehrere   grÖfsere,   hoch   gefärbte   Flecken,   sowohl   längs   des 
Körpers,    als  auf  den  Rückenflossen  und   der  Schwanzflosse, 
hatte,  welche  sich  damals  goldgelb  zeigten;  aber  wie  fern  diese 
Farbe  beim  lebenden  Fisch  existirt,  oder  ob  sie  dort  roth  ge- 
wesen   und    nachher   in   Gelb    übergegangen  sei,    vermag   ich 
nicht  auszumitteln.    Bei  einer  solchen  Ungewifsheit  ist  es  wohl 
das  Rathsamste,  bis   die  Sache  ausgemacht  ist,   Jenyn's  Be- 
nennung anzunehmen. 

4.    Gohius  gracilis  Jen. 
Pinna  caudali  ampla,  apice  acuminata,   pinnis  dorsualibus 
discretis;  anteriore  6-radiata,  posteriore  radiis  15,  anticis  bre- 
vioribus,   postice   sensim  longioribus,    apice  posticorum  ultra 
basin  caudae  extenso. 

Maculae  phires  aureae  (fortasse  sanguineae?)  et  latera 
corporis  et  pinnas  dorsuales  caudalemque  exornant.  Longit. 
4  poll.  —  D.  6,  15;  A.  13;  P.  19;  V.  6;  C.  25. 

Synon.:  G,  gracilis  Jenyns,    Manual   of  British  Vertebr. 
Anim.,   387,  64.  —  Yarr.  Brit.  F.,  I.,  260.     F. 
G.  cruentatus  Cuv.  etVal,  H.  N.  d.  P.,  XII,  29. 
Da  die  von  mir  gegebene  Contourzeichnung  in  nat.  Gr. 
(Tab.  IV,  Fig.  2.*)  ein  getreues  Bild  von  der  Form  und  den 
Verhältnissen  der  Flossen  dieses  Fisches  giebt,  so  halte  ich  es 
für  überflüssig,   davon   noch   eine  ausführlichere  Beschreibung 
zu  geben.     Der  Kopf  macht  J  der  ganzen  Länge  aus,  ist  hö- 
her als  breit,   und  sonach  von   den  Seiten   etwas  abgeplattet. 
Die  Augen  sind  sehr  grofs,    machen  \  der  Kopflänge  aus  und 

*)  Es  kann  davon,  wegen  Mangel  an  Raum,  in  diesem  Archive 
keine  Copie  mitgetheilt  werden.  Herausgeber. 


240 

sitzen  hoch  nach  oben,  ferner  so  nahe  hei  einander,  dafs  die 
Entfernung  kaum  \  des  Augendurchmessers  beträgt.  Der 
Mund  ist  grofs,  schief  gestellt;  die  untere  Kinnlade  etwas  län- 
ger; in  beiden  finden  sich  kleine,  kurze,  spitzige  Zähne,  in 
dichte,  nicht  recht  regelmäfsige  Reihen  gestellt.  Die  gröfste 
Körperhöhe  beträgt  j  der  ganzen  Länge;  der  Körper  ist  nach 
seiner  ganzen  Länge  mäfsig  zusammengedrückt  und  mit  gros- 
sen Schuppen  versehen  (welche  jedoch  an  meinem  Exemplar 
abgefallen  sind).  Die  beiden  Rückenflossen  sind  getrennt,  wie 
beim  minuius,  doch  nicht  völlig  so  lang,  so  dafs,  wenn  die 
erste  Flosse  niedergesenkt  wird,  die  Spitzen  der  Strahlen  bis 
zur  AVurzel  der  andern  reichen;  die  5  ersten  Strahlen  sind 
beinahe  von  derselben  Länge,  der  6te  ist  der  kürzeste  und, 
wie  gewöhnlich  bei  unsern  Gobien,  auch  durch  einen  weitern 
Zwischenraum  vom  5ten  geschieden,  als  zwischen  den  ersteren 
unter  einander  existirt.  Die  andere  Rückenflosse  hat  einen 
einfachen  und  14  getheilte  Strahlen,  von  welchen  der  letzte 
bis  zur  Wurzel  gespalten,  also  gleichsam  doppelt  ist.  Diese 
Flosse  hat,  so  wie  die  Afterflosse,  die  eigene  Jiildung,  welche 
sich  bei  keiner  unserer  übrigen  Arten  findet,  dafs  die  Strah- 
len nach  hi  nten  stufenweise  an  Länge  zunehmen,  welchem  zu- 
folge diese  beiden  Flossen  nach  hinten  die  gröfste  Höhe  er- 
reichen. Der  eigentliche  Schwanz  ist  auch  kürzer,  so  dafs, 
wenn  die  zweite  Rückenflosse  niedergesenkt  wird,  die  hinte- 
ren Strahlen  über  die  Wurzel  der  Schwanzflosse  hinweg  und 
die  hinteren  Strahlen  der  Afterflosse  bis  zur  Wurzel  selbst 
reichen.  Die  Schwanzflosse  ist,  wenn  sie  ausgebreitet  wird, 
sehr  grofs,  gerundet,  in  der  Mitte  zu  einer  Spitze  ausgezogen, 
zusammengefallen  dagegen  lancettförmig;  wenn  man  auch  die 
kleinsten  Strahlen  an  der  Wurzel  mitrechnet,  so  ist  die  An- 
zahl im  Ganzen  25.  Die  Länge  der  Flosse  ist  etwas  gröfser, 
als  die  des  Kopfs.  Das  einzige  Exemplar,  welches  ich  von 
diesem  Fische  gesehen  habe,  mochte  schon  allzu  lange  todt 
gewesen  sein,  um  nach  ihm  die  Farbe  des  lebenden  beurthei- 
len  zu  können.  So  viel  man  sehen  konnte,  möchte  ich  schlies- 
sen,  dafs  diese  Art  eine  der  am  hübschsten  gezeichneten  sei. 
Eine  Reihe  goldgelber  Flecken  erschien  noch  längs  der  Sei- 
tenlinie auf  gelbbraunem  Grunde,  und  ähnliche  Flecken  folg- 
ten den  Flossenstrahlen  in  beiden  Rückenflossen  und  der  obern 
Hälfte  der  Schwanzflosse.  Die  Afterflosse  war  dunkel  schattirt 
gegen  die  Spitze  zu,  und  die  Bauchflossen  waren  fast  dintenfarbig. 
Das  Exemplar  wurde  in  der  grofsen  Herings wathe  unter 
einer  Monge  anderer  Fische  ganz  allein,  in  der  tiefen  Bucht 
von  Gullmare,  nicht  weit  von  deren  Mündung,  am  5.  Januar 
1838  gefangen  und  wird  jetzt  im  Stockholmer  zoologischen 
Reichsmuseum  aufbewahrt. 


241 


Zur  Entwickelungsgeschiclitc   der  Dekapoden. 

Von 
H  e  i  n  r.     R  a  t  h  k  e. 


Eine  von  den  Aufgaben,  die  ich  mir  für  meine  Reise 
durch  Skandinavien  und  Dänemark  gestellt  hatte,  war  die  Un- 
tersuchung von  Crustaceen  auf  ihre  Entwickelung.  Von  De- 
kapoden, an  denen  ich  sie  ausführen  konnte,  boten  sich  mir 
zwar  mehrere  dar,  doch  viel  weniger,  als  ich  erwartet  hatte. 
Es  waren  diefs  Astacus  jnarinus,  Paguriis  Beinhardus, 
Galathea  rugosa  und  eine  Krabbe,  die  ich  für  Hyas  ara- 
neus  halte.  Das  Nähere  hierüber  werde  ich  in  Verbindung 
mit  dem,  was  mir  die  Untersuchung  verschiedener  andern 
Thiere  gewährt  hat,  in  einem  besondern  Werke  bekannt 
machen.  Da  jedoch  bis  dahin  eine  geraume  Zeit  vergehen 
dürfte,  will  ich  hier  vorläufig  das  Wesentlichste  von  dem  mit- 
theilen, was  ich  über  die  Entwickelung  der  oben  genannten 
Crustaceen  erfahren  habe,  um  möglichst  bald  ein  Zeugnifs  über 
die  Richtigkeit  der  Entdeckung  Thompson's  ablegen  zu  kön- 
nen, dafs  auch  Dekapoden,  nachdem  sie  bereits  das  Ei  ver- 
lassen haben,  eine  sehr  erhebliche  Metamorphose  erleiden. 

1.  Astacus  marinus.  Embryonen,  die  zur  Enthül- 
lung reif  sind,  besitzen  bereits  fünf  Beinpaare,  und  es  haben 
diese  auch  schon  ähnliche  Formen,  wie  bei  den  Erwachsenen. 
Aber  mit  dem  Hüftgliede  eines  jeden  hängt  dann  ein  Theil  zu- 
sammen, der  einen  schmalen  und  langen  Anhang  des  Beines 
darstellt,  an  der  äufsern  Seite  herabläuft,  an  Länge  ihm  etwas 
nachsteht  und  aus  2  gröfsern  Gliedern  zusammengesetzt  ist, 
von  denen  das  untere  wieder  aus  10  kleinern  Gliedern  be- 
steht und  eine  Menge  lauger  Borsten  trägt.  Dasselbe  gilt 
auch  von  den   Kieferfüfsen   des   zweiten  und  dritten  Paares^ 

Wiegm.  Archiy.    YI,  Jahrg.    1.  Band.  ^Q 


242 

von  denen  übrigens  das  hinterste  jetzt  schon  das  gröfste  von 
allen  ist,  und  an  diesen  ist  es  klar,  dafs  der  erwähnte  Anhang 
den  nachherigen  V aJpus  flagelliformis  bezeichnet.  Die  4  hin- 
tern Kieferfiifse  und  die  Gangbeine  haben  also  allerdings  im 
Allgemeinen  eine  Aehnlichkeit  mit  den  Beinen  der  Scliizopo- 
den,  namentlich  der  Mj^w- Arten.  An  den  Gangbeinen  aber 
gellt  die  Aehnlichkeit  nachher  verloren,  indem  der  Anhang, 
den  sie  tragen,  nachher  abfallt.  Die  Kieferfiifse  des  vorder- 
sten Paares  sind  schon  ähnlich  denen  der  Erwachsenen.  — 
Kiemen  sind  an  den  Beinen  und  hintern  Kieferfiifsen  zwar 
schon  vorhanden,  aber  noch  sehr  klein,  und  höchstens  nur  mit 
kleinen  niedrigen  Warzen  an  ihrer  Oberfläche  versehen.  —  Der 
Schwanz  oder  Hinterleib  besitzt  noch  keine  Afterbeine,  und 
der  Fächer  besteht  nur  aus  einer  einzigen  beinahe  dreiecki- 
gen Platte  von  beträchtlicher  Gröfse,  deren  hinterer  Rand- 
einen leichten  Ausschnitt  hat,  und  deren  Seitenhälften  nach 
unten  zusammengeklappt  sind,  so  dafs  sie  an  einander  gros- 
sentheils  anliegen.  —  Das  vordere  Fühlhorn  besteht  zwar  aus 
mehreren  Gliedern,  ist  aber  noch  nicht  in  2  Aeste  gespalten. 
Das  hintere  Fühlhorn  ist  nicht  viel  länger  als  jenes,  besteht 
aber  aus  2  an  Länge  einander  fast  gleichen  Aesten,  von  de- 
nen der  eine  ein  ziemlich  breites  Blatt  (Anhang),  der  andere 
eine  Walze  darstellt.  —  Vorne  geht  vom  Cephalothorax  ein 
einfacher  beinahe  pfriemenförmiger  Rüssel  ab,  der  wenigstens 
so  lang  wie  das  vordere  oder  kleinere  Fühlhorn  ist  und  sich 
zwischen  den  Augen  nach  unten  umgekrümmt  hat. 

2.  Vagurus  Bernhardus.  ZurEnniüllung  reife  Em- 
bryonen haben  nur  3  Paar  Gliedmafsen,  die  zur  Ortsbewegung 
dienen  könnten.  Das  vordere  ist  das  längste,  das  mittlere  f 
etwas  kürzer,  das  hintere  etwa  nur  halb  so  lang  wie  das  mitt- 
lere. Diese  hinterste  Glied mafse  besteht  aus  3  an  Gröfse  im- 
gleichen  Gliedern,  ist  übrigens  aber  einfach.  Dagegen  besteht 
von  den  4  übrigen  Gliedirialsen  eine  jede  aus  einem  ziemlich 
langen  und  ziemlich  dicken  Stamme  und  aus  2  ziemlich  gleich  ' 
langen  Aesten,  die  neben  einander  von  dem  untern  Ende  des 
Stammes  abgehen,  und  von  denen  der  eine  nach  aufsen  von 
dem  andern  liegt:  der  äufsere  ist  abgeplattet  und  aus  2  Glie- 
dern zusammengesetzt,  der  innere  aber  walzenförmig  und  aus 
5  Gliedern    zusammongesetzt.     Alle   diese  G  Gliedmafsen   sind 


243 

nicht,  wie  man  vermuthen  sollte,  eigentliche  Beine  auf  niede- 
rer Stufe  der  Entwickeliing,  sondern,  wie  sich  weiterhin  erge- 
ben wird,  die  Kieferfiifse.  —  Vor  ihnen  sind  auch  die  Maxil- 
len  und  Mandibeln  zu  erkennen,  diese  bieten  aber  nichts  be- 
sonders auffallendes  dar.  —  Von  den  eigentlichen  Beinen  und 
auch  von  den  Kiemen  ist  noch  keine  Spur  vorhanden.  —  Die 
Fühlhörner  sind  ähnlich  beschaffen  wie  bei  reifen  Embryonen 
des  Hummers.  —  Vom  Cephalothorax  geht  vorne  ein  dünner 
und  mäfsig  langer  Rüssel  ab.  —  Der  Schwanz  ist  lang,  dünn 
und  deutlich  gegliedert.  Afterbeine  sind  an  ihm  noch  nicht 
bemerkbar.  Vom  Fächer  ist  nur  das  mittlere  Blatt  vorhan- 
den und  stellt  eine  vorn  schmale,  hinten  bedeutend  breite 
einfache  Platte  dar,  deren  beide  hintere  Ecken  etwas  abgerun- 
det sind,  und  deren  hinterer  Rand  einen  schwachen  Ausschnitt 
hat.  Bei  Jungen,  die  eine  Länge  von  If  Linien  hatten  und 
bedeutend  gröfser  als  die  reiferen  Embryonen  waren,  hatten 
die  4  vordem  Kieferfüfse  noch  dieselbe  Form  wie  bei  diesen, 
nur  war  ihr  Stamm  auch  relativ  viel  breiter  geworden;  an 
den  beiden  hinteren  aber,  die  auch  relativ  langer  geworden 
waren,  hatte  sich  schon  ein  innerer  Ast  zu  bilden  begonnen, 
war  jedoch  noch  nicht  gegliedert.  Dicht  hinter  diesen  Orga- 
nen kamen  an  der  untern  Seite  des  Cephalothorax  2  bis  3 
Paar  sehr  kurzer,  aber  recht  dicker  walzenförmiger  und  hak- 
kenförraig  stark  zusammengekrümmter  Gliedmafsen  zum  Vor- 
schein, von  denen  die  des  vordem  Paares  an  ihrem  Ende  ein 
wenig  angeschwollen  und  daselbst  mit  einem  kaum  merkbaren 
Einschnitte  versehen  waren,  die  übrigen  aber  ganz  einfach  und 
an  ihrem  Ende  stumpf  abgerundet  erscheinen.  Diese  kleinen 
Organe  waren  die  ersten  Andeutungen  von  eigentlichen  Bei- 
nen. —  Von  Kiemen  fand  sich  kein  Anzeichen  vor.  —  Die 
hintern  Fühlhörner  hatten  sich  in  ihrer  Form  nicht  auffallend 
verändert,  auch  hatten  sie  immer  noch  eine  nur  geringe  Länge; 
an  den  vordem  aber  hatte  sich  schon  ein  kleiner  Ast  gebil- 
det, so  dafs  ein  jedes  in  2  kurze,  an  Länge  ungleiche  Aeste 
auslief.  —  Der  Rüssel  war  ungefähr  so  lang  wie  die  Fühl- 
hörner, hatte  also  eine  ansehnliche  Länge  und  war  stark  zu- 
gespitzt. —  Der  Schwanz  war  im  Verhältnifs  zu  seiner  Länge 
dicker  geworden.  Das  schon  bei  den  Embryonen  vorhandene 
Blatt   des  Fächers   hatte   noch   eine  bedeutende  Länge,  stellte 

16* 


244 

aber  ein  unregelmäfsiges  Viereck  dar,  das  hinten  etwas  brei- 
ter als  vorne  war  und  an  seinem  hintern  Rande  einen  mäfsig 
tiefen  Ausschnitt  hatte.  Neben  dem  vordem  Ende  desselben 
hing  beweglich  mit  dem  sechsten  Gliede  des  Schwanzes  jeder- 
seits  eine  im  Verhältnifs  zu  jenem  Blatte  sehr  kleine  Platte 
zusammen,  die  durch  einen  tiefen  schmalen  Einschnitt  in  2 
an  Gröfse  ungleiche,  aber  von  einander  nicht  abgegliederte 
Lappen  getheilt  war.  Diese  beiden  kleinen  Platten  bezeichne- 
ten die  ersten  Anlagen  der  Seitenblätter  des  Fächers.  After- 
beine waren  an  den  andern  Gliedern  des  Schwanzes  noch 
nicht  vorhanden. 

Bei  Jungen,  die  etwas  über  2  Linien  lang  waren,  kamen 
schon  5  Paar  eigentliche  Beine  vor.  Obgleich  diese  alle  im 
Verhältnifs  zu  den  Kieferfüfsen  noch  sehr  klein  waren,  liefs 
sich  an  ihnen  (besonders  an  denen  der  3  vordem  Paare)  doch 
schon  eine  schwach  bezeichnete  Gliederung  erkennen;  auch 
war  an  denen  des  vordersten  Paares  schon  deutlich  eine 
Scheere  ausgeprägt,  und  diese  w^ar  sogar  schon  an  dem  einen 
etwas  gröfser  als  an  dem  andern.  Dagegen  waren  Kiemen 
noch  nicht  bestimmt  wahrnehmbar.  —  Am  Fächer  des  Schwan- 
zes waren  die  Seitenblätter  im  Verhältnifs  zu  dem  mittleren 
Blatte  gröfser  geworden,  und  die  beiden  an  Gröfse  ungleichen 
Lappen  eines  jeden  waren  abgegliedert.  Von  Afterbeinen  Hes- 
sen sich  nur  schwache  Spuren  bemerken.  Im  Uebrigen  ver- 
hielt sich  die  Organisation  dieser  Jungen  wie  die  der  oben 
beschriebenen. 

Bei  noch  altern  Jungen,  die  jedoch  nicht  viel  länger  als 
jene  Jüngern  waren,  hatten  mehrere  Organe  schon  bedeutende 
Veränderungen  erfahren,  so  dafs  diese  Exemplare  schon  viele 
Aehnlichkeit  mit  den  Erwachsenen  zeigten.  Die  Beine  hatten 
sich  in  Hinsicht  der  Form  schon  vollständig  ausgebildet:  auch 
hatten  die  6  vordem  von  ihnen  schon  eine  solche  Gröfse  er- 
langt, dafs  sie  den  Cephalothorax  an  Länge  übertrafen.  Des- 
gleichen hatte  derjenige  Theil  des  Cephalothorax,  an  dem  die 
Beine  befestigt  waren,  in  Hinsicht  der  Länge  über  denjenigen, 
mit  welclien  die  Kieferfüfse  und  Frefswerkzeuge  in  Verbin- 
dung standen,  das  Uebergewicht  bekommen.  Die  Kieferfüfse 
waren  sehr  zusammengedrängt  und  hatten  im  Verhältnifs  zu 
den  Beinen  eine  nur  geringe  Gröfse,   waren  aber  in  Hinsicht 


245 

der  Form   schon  denen  der   Erwachsenen  ähnlich.     Die   des 
vordersten  Paares,  welche  früher  die  gröfsten  vv^aren,  erschie- 
nen jetzt  als  die  kleinsten  und  hatten  in  der  That  an  Umfang 
verloren :  ihre  beiden  Aeste  hatten  sich  merklich  verkürzt,  und 
an   dem   innern  Aste    fehlte    sogar   die   Gliederung,    dagegen 
hatte   sich  der  Stamm  weiter  ausgebildet.      An  den  mittlem 
und  hintern  Kieferfüfsen  war  der  äufsere  Ast  (der  Palpus)  der 
längere  und  bestand  aus  3  Gliedern,  hatte  also  ein  Glied  mehr 
bekommen  (das  neu  hinzugekommene,   welches  nun  das  End- 
theil  war,   theilt  sich  späterhin  in  mehrere).    Der  innere  Ast 
hatte  sich  an  den  mittlem  Kieferfüfsen  verkürzt,  dagegen  war 
er  an  den  hintern  länger  geworden,  so  dafs   er  jetzt  an  die- 
sen letztern   überhaupt  am  gröfsten  erschien.  —  Kiemen  wa- 
ren  an  den  Beinen  und  hintern  Kieferfüfsen  bereits  vorhan- 
den.  —   Die  Fühlhörner  hatten   eine  Form  wie  bei  den  Er- 
wachsenen, doch  bestand   die  lange  Geifsel  der  hintern  oder 
äufsern  Fühlhörner  nur  erst  aus  15  Gliedern.   —  Auch  die 
Augen  waren  sclion  wie  bei   den   Erwachsenen  geformt  und 
nach  vorn  gerichtet.  —  Der  Rüssel  war  ganz  verloren  gegan- 
gen. —  Der  Schwanz   w^ar  zwar  breiter,   aber  nicht  in  glei- 
chem Grade  auch  dicker  geworden,   zeigte  sich  also  ziemlich 
abgeplattet;  seine  Glieder  waren  noch  scharf  von  einander  ab- 
gegrenzt;  eine  Krümmung  zur  Seite  fand  an  ihm  noch  nicht 
statt.     Das  mittlere  Blatt  des  Fächers  stellte  sich  als  ein  an 
dem  dünnern  Ende  abgeschnittenes  Oval  dar,  und  hing  an  die- 
sem abgestutzten  Ende  mit  dem  sechsten  Gliede  des  Schwan- 
zes zusammen,  hatte  also  eine  ganz  andere  Form  als  bei  den 
weniger  entwickelten  Jungen.     Die  Seitenblätter  des  Fächers 
hatten  zwar  gleichfalls  schon  eine  Aehnlichkeit  mit  denen  der 
Erwachsenen,   waren  jedoch  noch  ganz  platt  und  dünn;   auch 
waren   die   der  rechten  und  linken  Hälfte  an  Gröfse  einander 
noch  gleich. 

3.  Galatliea  riigosa.  Reife  Embryonen  dieses  Kreb- 
ses haben  einen  solchen  Bau  und  Form  wie  die  des  Pagu- 
rus.  Es  sind  also  auch  bei  ihnen  nur  3  Paar  zur  Bewegung 
dienende  Gliedmafsen  vorhanden,  und  allem  Vermuthen  nach- 
bilden sich  diese  späterhin  zu  den  Kieferfüfsen  aus.  Von  de- 
nen des  Fagurus  weichen  sie  nur  darin  ab,  dafs  an  den  bei- 
den vordem  Paaren   die  beiden  Aeste  im  Verhältnifs  zu  dem 


246 

Stamme  etwas  länger  sind.  An  dem  gleichfalls  nur  aus  einem 
Blatte  bestehenden  Fächer  des  Schwanzes  ist  der  Einschnitt 
beträchtlich  tief,  so  dafs  dieser  Körpertheil  deutlicher  als  bei 
den  reifen  Embryonen  des  Paguriis  in  2  Lappen  getheilt  ist. 
4.  Hyas  araneus.  Von  dem  Etatsrathe  und  Professor 
Reinhardt  zu  Kopenhagen,  dem  ich  auch  die  oben  beschrie- 
benen Jungen  des  Pagiirus  verdanke,  erhielt  ich  mehrere 
Exemplare  eines  krebsartigen  Thieres,  die  von  einem  seiner 
Zuhörer,  der  in  der  Nordsee  einen  grofsen  Schwärm  davon 
gefunden  hatte,  gefangen  worden  waren,  nnd  die  wohl  die  Jun- 
gen von  Hyas  araneus  aus  zwei  verschiedenen  Entwickelungs- 
Perioden  sein  dürften. 

Die  kleinsten  hatten   ohne  ihren  Rüssel  eine  Länge  von 
1^  Linie   und  eine  grofse  Aehnlichkeit  mit  denjenigen  Crusta- 
ceen,   die   schon  Thompson  für  Junge  eines  kurzschwänzi- 
gen  Krebses  ausgegeben  hat.     Das  Rückenschild  war  von  den 
Seiten  mäfsig   zusammengedrückt  und  hatte  in  seiner  hintern 
Hälfte   im   Verhältnifs  zu  der  Breite    eine   ansehnliche  Höhe, 
so  dafs   es   sich   einigermafsen  mit  dem  Schilde  der  Daphnien 
vergleichen  liefs.     Von   der   obern  Seite    desselben   ging   ein 
nach  oben  und  hinten  gerichteter  dünner  Fortsatz  ab,  der  un- 
gefähr  eben  so   lang   als  das   Rückenschild   selbst   war;    nach 
vorn  und  unten   aber  ging  ein  ungefähr   eben  so  langer  ein- 
facher und   dünner  Rüssel  ab.     Von  Gliedmafsen,    die    zum 
Schwimmen  dienen  konnten,  kamen  3  Paar  vor,  und  von  ih- 
nen war,   wie  bei  den  oben  beschriebenen  kleinsten  Larven 
oder  Jungen  des   Pagujus,  das  vorderste  Paar  am  gröfsten, 
das    hinterste    aber,   das    völlig   vom  Rückenschilde  verdeckt 
wurde,  das  kleinste.     Ein  jedes  dieser  Organe  bestand  wieder 
aus  einem  Stamme  und  2  Aesten,  von   denen   der  innere  fast 
drehrund  war  und   aus  5  Gliedern  bestand,   der  äufsere   sich 
aber  abgeplattet  zeigte  und  nur  aus  2  Gliedern  bestand.    Hin- 
ter ihnen  waren  auch  schon  5  Beinpaare  vorhanden,   von  de- 
nen das   vorderste   oder   gröfste  sogar  mit  ziemlich  weit  aus- 
gebildeten Scheeren  versehen  war.     Doch  waren  alle  Beine  im 
Vergleich  mit  den  beiden  vordem  Paaren  jener  zum  Schwim- 
men eingerichteten  Gliedmafsen,   die   sich   als   die   Kieferfüfse 
auf  einer  niedern  Entwickelungsstufe  zu  erkennen  gaben,  noch 
sehr  klein,    und  lagen  noch  völlig  unter  dem  Rückenschilde 


247 

verborgeil.     Von  Kiemen   schien   noch  keine  Spur  vorhanden 
zu  sein.  —   Die   kleinen  Maxillen  und  Mandibeln  hatten  eine 
ähnliche  Form   wie   bei   erwachsenen  Exemplaren   von  Hycis: 
jiamentlich  hatten  die  Mandibeln  schon  einen  recht  langen  Pal- 
pus.    Dagegen   hatten  die  Fühlhörner  eine  ganz  andere  Form 
als  bei  den  Erwachsenen,  doch  würde  es  mich  zuletzt  zu  weit 
führen,    wenn    ich    dieselbe    näher    beschreiben    wollte.      Die 
Augen  waren  im   Verhältnifs   zu  dem  ganzen   Körper   enorm 
grofs  und  seitwärts  gerichtet.   —  Der  Schwanz  war  viel  län- 
ger als    der  Cephalothorax,   wenn  man   den  Rüssel  nicht  mit 
in  Anschlag  brachte,  aber  nur  schmal  und  beinahe  so  dick  wie 
breit.     An  dem  Ende  desselben  befand   sich  ein  grofses  unre- 
gelmäfsiges  dreieckiges  Blatt,   das   an   seinem  hintern  breitem 
Rande,  oder  an  seiner  Basis,  einen  nur  mäfsig  tiefen,  aber  lan- 
gen Ausschnitt  hatte,   und   an  dessen   beiden  nach  hinten  ge- 
kehrten Ecken  zwei  lange,   dicke,  und  nach  hinten  gerichtete 
Stachel  eingelenkt  waren.    Afterbeine  waren  schon  vorhanden, 
aber  noch  nicht  in  2  Aeste  gespalten,   sondern   beinahe   spin- 
delförmig.    Zwei  eben  solche  einfache  Anhänge  wie  die  After- 
beine,  aber  von  geringerer  Gröfse,   waren   zu   beiden  Seiten 
jenes  den  Fächer  darstellenden  Blattes  an  dem  hintern  Ende 
des  sechsten  Schwanzgliedes  eingelenkt. 

Mit  den  eben  beschriebenen  Larven  waren  noch  andere 
gefangen  worden,  die  etwas  tiefer  als  jene  geschwommen  hat- 
ten. Diese  nun  waren  sehr  viel  weiter  entwickelt  und  zeig- 
ten schon  eine  ziemlich  grofse  Aehnlichkeit  mit  erwachsenen 
Exemplaren  von  Hyas  araneiis:  namentlich  hatten  die  Fühl- 
hörner, Kieferfüfse  und  Beine  schon  ähnliche  Formen  und  Di- 
mensionsverhältnisse wie  bei  diesen,  und  dasselbe  war  auch 
der  Fall  an  dem  Rückenschilde,  nur  lief  dieses  Schild  vorne 
in  3  ziemlich  lange,  starke  und  beinahe  in  einer  und  dersel- 
ben horizontalen  Ebene  liegende  Stacheln  aus,  von  denen  der 
mittlere  gröfser  als  die  beiden  andern  war.  Der  Schwanz  da- 
gegen war  verhältnifsmäfsig  viel  länger  als  bei  den  Erwachse- 
nen, und  war  auch  bei  einer  nur  mäfsig  grofsen  Breite  ziem- 
lich dick.  Die  Afterbeine  waren  im  Verhältnifs  zu  dem  Schwänze 
recht  lang,  schon  mit  2  an  Gröfse  ungleichen  Aesten  versehen 
und  mit  sehr  langen  Borsten  besetzt.  Der  Fächer  bestand  aus 
einer  breiten,  mäfsig  langen   und  hinten  abgerundeten  Platte, 


248 

und  aus  zwei  zu  beiden  Seiten  derselben  gleichfalls  an  dem 
sechsten  Gliede  des  Schwanzes  cingclenkten  sehr  kleinen  und 
einfachen  länglich -ovalen  Blättern,  die  ungefähr  nur  halb  so 
lang  waren  wie  die  Afterbeine  des  fünften  Schwanzgliedes. 


Aus  den  Mittheilungen,   die  ich   in  der  Kürze  hier  über 
die  Entwickelung  einiger  Dekapoden  gemacht  habe,   geht  also 
hervor,  dafs  allerdings  manche  von  diesen  Thieren,  wie  Thomp- 
son zuerst  gefunden  und  angegeben  hat,  eine  sehr  bedeutende 
und   höchst  merkwürdige  Metamorphose   überstehen,   nachdem 
sie  ihre  Eihüllen   abgestreift  haben.     Ich  bekenne  daher  auch, 
dafs  ich  Thompson  Unrecht  gethan  habe,  indem  ich,  auf  die 
Entwickelungsgeschichte  des  Flufskrebses   mich  stützend,   und 
auf  die  Analogieen   im  Baue  erwachsener  Dekapoden  mich  zu 
sehr  verlassend,   vielleicht  auch   eben  dadurch  bei  den  Unter- 
suchungen   der    sehr  kleinen  Embryonen   der  lEviphia  spini- 
frons  und  des  Palaemon  Squilla  irre  geleitet,  jener  Entdek- 
kung  Thompson's  nicht  Glauben  schenken  wollte.      Indefs 
geht   aus   den   obigen  Mittheilungen  und  aus  der  Geschichte, 
die  ich  von  der  Entwickelung  des  Flufskrebses   gegeben  habe 
(und  die  ich  im  nächsten  Frühjahre  zum  Theil  einer  Revision 
zu  unterwerfen  gedenke),   auch  hervor,  dafs  verschiedene  De- 
kapoden   verschiedentlich    weit    entwickelt    ihr   Ei    verlassen. 
Vagurus,  Galaihea  und  Jlyas  enthüllen  sich  in  einem  wenig 
ausgebildeten  Zustande,  indem  sie  zu  der  Zeit,  da  sie  das  Ei 
verlassen,  nicht  einmal  eine  Spur  von  Beinen  und  Kiemen  be- 
sitzen.    Astacus  marinus  dagegen    und  Astacus  fluviatilis 
sind  dann   schon  mit  allen  Beinen  und  Kiemen  versehen,  die 
zu  ihrer  Organisation  gehören.    Andere  Körpertheile  aber,  mit 
denen  alle  Dekapoden   dann  schon  ausgerüstet  zu  sein  schei- 
nen, sind   bei   einigen  zu  jener  Zeit  in  Hinsicht  ihrer  Gröfse 
nur  wenig,   bei  andern  dagegen   schon  recht  weit  ausgebildet. 
Diefs  gilt  namentlich   von  den  Fühlhörnern.     Andererseits  be- 
sitzen einige  anfänglich  Theile,  die  späterhin  gänzlich  verloren 
gehen,  wie   z.  B.  Astacus  marinus  an  seinen   Beinen  zum 
Schwimmen   dienliche   Anhänge,    und  Hyas  araneus  an   der 
obern    Seite    seines   Rückcnschildes    einen    bedeutend   langen 
Stachel,  indefs   bei  andern  Dekapoden  dergleichen  Theile  nie- 
mals vorkommen.    Oder  es  gehen  bei  ciniffen  Theile  verloren, 


249 

die  bei  andern  für  immer  verbleiben,  wie  namentlich  der  Rüs- 
sel bei  den  Paguren  und  die  Seitenblätter  des  Fächers  bei 
Jlyas.  Und  noch  andere  Theile  erleiden  mitunter  so  bedeu- 
tende Veränderungen  in  ihrer  Form,  dafs  diese  eine  ganz  an- 
dere wird,  wie  z.  B.  das  mittlere  Blatt  des  Fächers,  die  Kie- 
ferfüfse  und  die  Fühlhörner  mancher  Arten.  Eine  der  auffal- 
lendsten Erscheinungen  aber  ist  diese,  dafs  bei  Dekapoden, 
welche  im  Meere  leben,  die  Gliedmafsen,  deren  sie  sich  zur 
Ortsbewegung  bedienen,  anfänglich  so  organisirt  sind,  dafs  sie 
nur  allein  oder  doch  hauptsächlich  (wie  es  beim  Hummer  der 
Fall  zu  sein  scheint)  zum  Schwimmen  benutzt  werden  kön- 
nen, bei  dem  Flufskrebse  dagegen,  wenn  er  das  Ei  verläfst, 
jene  Werkzeuge  einen  solchen  Bau  haben,  dafs  sie  nur  zum 
Gehen  gebraucht  werden  können. 

Endlich  will  ich  noch  auf  den  Umstand  aufmerksam  machen, 
dafs  obgleich  viele  Dekapoden,  ja  vielleicht  die  Mehrzahl  von 
ihnen,  in  Hinsicht  der  Form  ihrer  Gliedmafsen  anfänglich  eine 
grofse  Aehnlichkeit  mit  den  Schizopoden  und  namentlich  mit 
den  Mysis -Avien  haben,  die  Entwickelung  dieser  und  jener 
Thiere  doch  in  mancher  andern  Hinsicht  sehr  verschieden  ist. 


250 


Uebersiclit  Jer  im  Januar,  Februar  und  IWärz  1839 
auf  Cuba  gesammelten  Mollusken. 

Von 
Dr.     Louis     Pfeiffer. 


(Fortsetzung  von  Jahrg.  V.  Bd.  1.  S.  346.) 

Nach  dem  verspäteten  Empfang  eines  Theiles  meiner 
Sammlungen  und  nach  genauerer  Vergleichung  der  mir  zu 
Gebote  stehenden  Literatur  habe  ich  zunächst  zu  dem  vori- 
gen Aufsatze  Einiges  nachzutragen,  und  fahre  dann  in  der 
Aufzählung  aller  gefundenen  mit  kurzer  Beschreibung  der  für 
neu  zu  haltenden  Arten  fort. 

6.  Bulla  pusilla  Pfr.  Testa  oblonga  solida  nitide  alba; 
spira  brevi,  apice  mammillata;  anfract.  2,  ultimo  spiram  qua- 
druplo  superante;  columella  basi  uniplicata;  labro  niedio  ar- 
cuato;  apertura  superne  angustata.  —  Long.  2,  diam.  -J  lin. 

7.  Onchidium  cubense  Pfr.  Corpore  oblongo,  laevi, 
olivaceo-fusco,  punctis  luteis  et  nigris  consperso;  dorso  sub- 
carinato,  linea  longitudinali  flava  notato,  disco  gressorio  an- 
gusto,  unicolore.  —  Long.  2 — 2^  poll. 

11.  llelix  cubensis  Pfr.  Testa  globulosa  imperforata, 
unicolore.  fasciata  vel  punctulata,  longitudinaliter  tenerrime 
striata,  nitidula,  basi  convexa;  anfract.  4  convexiusculis;  peri- 
stomate  acuto;  apertura  magna  suborbiculari.  —  Diam.  7 — 8, 
alt.  5  —  7  lin.  —  Diese  in  Farbe  und  Gestalt  unendlich  va- 
riirende  Art  ist  zwar  mit  nitidiuscula  und  punctulata  Sovv. 
nahe  verwandt,  zeigt  aber  bei  genauer  Vergleichung  hinrei- 
chende specifische  Unterschiede. 

18.  Ilclix  Gundlachii  Pfr.  Der  früher  ertheilte  Name 
IL  pusilla  ist  sclion  von  Lowe  vergeben;  ich  nenne  daher 
diese   zierliche  Art   nach   meinem   Freund   und  Reisegefährten 


251 

Dr.  Giindlach.  —  Sie  ist,  wie  das  angegebene  Mafs  ergiebt; 
nicht  gröfser,  sondern  kleiner  als  H.  fulva. 

30.  Cylindrella  elegans  Pfr. 

31.  —  perplicata  Pfr. 

32.  —  subula  Pfr. 

33.  —  crispula  Pfr.  —  Die  von  mir  in  die- 
sem Arohiv  1840.  Bd.  1.  S.  38.  vorgeschlagene  Trennung  die- 
ser Gruppe  von  der  Gattung  Clausilia  ist  schon  vonGuilding 
(Zool.  Journ.  IV.  pag.  167.)  für  nöthig  erachtet  worden.  Da 
aber  der  von  ihm  gebrauchte  Name  Brachypus  schon  an  eine 
Vögelgattung  vergeben  war,  so  brauche  ich  den  meinigen 
nicht  zurückzunehmen.  Die  von  Guilding  auf  Barbados  ge- 
fundene Art  (Br.  costatus)  ist  keine  der  meinigen,  sondern 
wahrscheinlich  Cl.  collaris  Lam. 

39.  Auricula  (Anfangs  für  monile  gehalten)  ist  A.  co- 
niformis  Lam.  (Melampus  coniformis  Montf.,  Lowe). 

40.  Auricula  cingulata  Pfr.  Testa  solidiuscula  utrin- 
que  conica,  sordide  albida,  spadiceo  cingulata;  anfract.  7  pla- 
nis  angustis,  ultimo  spiram  duplo  superante;  columella  basi 
uniplicata;  labro  acuto;  apertura  oblonga,  angustissima.  — 
Long.  4,  diam.  2|  lin. 

59.  Pedipes  quadridens.  Ist  der  von  Lowe  (ZooL 
Journ.  V.  p.  296.  1. 13.  f.  8—12.)  beschriebenen  P.  afra  sehr 
ähnlich,  unterscheidet  sich  aber  durch  mehr  konvexe  Windun- 
gen und  hat  nur  einen  Zahn  am  Labrum.  Auch  versichert 
Lowe,  sich  überzeugt  zu  haben,  dafs  seine  Art  mit  Adan- 
son's  Pedipes  identisch  sei. 

63.  Hei  ix  saxicola  Pfr.  Testa  depresso- conica  tenui, 
brunnea,  oblique  striata,  umbilicata;  anfract.  4^  arcte  spiratis; 
labro  acuto  tenui;  apertura  orbiculari.  —  Diam.  1^,  alt.  1  lin. 

—  Unserer  H.  rupestris  nahe  verwandt. 

64.  Helix(?)  cyclostomoides  Pfr.  Testa  hyalina,  su- 
perne  vix  convexa,  infra  concava,  late  umbilicata;  anfract.  3.j, 
ultimo   obsolete  carinato;  labro   simplice;   apertura  orbiculari. 

—  Diam.  Ir},  alt.  |  lin.  —  Ich  besitze  nur  ein  gutes,  ausge- 
wachsenes Exemplar,  was  ich  leer  am  Seestrande  fand.  Es 
hat  fast  das  Ansehen  eines  Cyclostoma  (aus  der  Gruppe  von 
Volvulus,  mexicanum  etc.). 

65.  Hei  ix  Ottonis.    Testa  depressa,  pallide  Cornea,  pel- 


252 

lucida,  umbilicata,  basi  subplaiia;  anfract.  4  convexiusculis 
striatis;  labro  tenui  acuto;  apertura  sublunari.  —  Diam  2^-, 
alt.  ^  lin.  —  Nach  meinem  Freunde  und  Reisegefährten  Ed. 
Otto  benannt,  am  nächsten  verwandt  mit  Hei.  nitidosa  Fer. 
und  arborea  Say. 

66.  Eulimus  pumilus  Pfr.  Testa  turrita,  apice  obtusa, 
hyalina;  anfract.  5  longitudinaliter  tenerrime  striatis,  ultimo 
tertiam  fere  totius  testae  aequante;  apertura  ovata.  —  Long. 
1|,  diam.  f  lin. 

67.  Achatina  (?)  pellucida  Pfr.  Testa  sinistrorsa, 
ovato-turrita,  albida,  pellucida;  anfract.  7  planatis,  ultimo  spi- 
ram  aequante;  columella  basi  acute  plicata;  apertura  angusta, 
oblonga.  —  Long.  2,  diam.  |  lin. 

68.  Achatina  (?)  pusilla  Pfr.  Testa  lineari  solidula 
nitida,  laete  Cornea;  anfract.  6  planulatis,  fulvo-cingulatis;  colu- 
mella oblique  truncata;  apertura  ovali.  —  Long.  1,  diam.  |  lin. 

69.  Polyphemus  solidulus  Pfr.  Testa  fusiformi  soli- 
dula, nitide  eornea,  subpellucida;  anfract.  6  vix  convexis;  co- 
lumellaetruncaturavaldeobliqua;  labro  acuto,  medio  ampliato; 
apertura  spiram  aequante.  —  Long.  7|-,  diam.  3  lin.  —  Pol. 
subulatus  ist  vielleicht  nur  als  Varietät   dieser  Hauptform  zu 

betrachten, 

70.  Cylindrella  Humboldtii  Pfr.  Testa  subcylindrica, 
versus  apicem  truncatum  attenuata,  tenui,  fulva;  anfract.  11 
planulatis,  confertissime  oblique  striatis,  ultimo  ruguloso,  pa- 
rum  protracto,  obsolete  carinato;  peristomatc  patulo,  ovato. 
—  Long.  11,  diam.  in  medio  2J  — 3  lin.  —  Columella  in  an- 
fractibus  omnibus  praeter  ultimum  triplicata. 

Diese  ausgezeichnetste  unter  den  bisher  bekannten  Arten 
von  Cylindrella  erlaube  ich  mir,  dem  höclistverchrten  Herrn 
Alexander  von  Humboldt  ehrfurchtsvoll  zu  widmen.  — 
Sie  zu  beschreiben  wurde  ich  erst  durch  einige  von  E.  Otto 
aus  Cuba  an  das  k.  zoolog.  Museum  zu  Berlin  eingesandte 
Exemplare  in  den  Stand  gesetzt,  da  ich  selbst  nur  Fragmente 
dieser  schönen  Art  am  Meeresstrande  (vielleicht  auch  von  an- 
deren Gegenden  dahingespült)  gefunden  hatte,  darunter  ein 
linksgewundenes!  *) 


*)  Aufscr  dieser  Art  hat  Herr  E.  Otto  aus  anderen,  von  mir 


253 

71.  Pupa  marginalba  Pfr.  Testa  ovato  turrita  Cornea 
umbilicata;  anfract.  5  convexis;  labro  crassiusculo  subexpanso 
albo;  apertura  quadridentata.  —  Long.  1|,  diani.  ~  lin.  — 
Dentes  2  parvuli  in  labro,  tertius  major  in  columella  et  quar- 
tus  maximus  in  anfractu  penultimo  juxta  labri  insertionem.  — 
Specimen  unicum! 

72.  Helicina  depressa  Gray,  Desh.  18. 

73.  Cyclostoma  obesum  Ffr.  (Truncatella obesa Mke.) 

74.  Truncatella  bilabiata  Pfr.  Testa  cylindracea  so- 
lidula,  nitide  carnea,  longitudinaliter  confertim  costulata;  an- 
fract. 4^  convexis ;  sutura  profunda;  apertura  obliqua  ovali; 
peristomate  incrassato,  duplicato.  —  Long.  2|,  diam.  f  lin. 

75.  Paludina  succinea  Pfr.  Testa  conica  glabra,  pel- 
lucida,  succinea,  imperforata ;  anfract.  5,  ultimo  ventroso;  pe- 
ristomate subincrassato,  albido.  —  Long.  1,  diam.  f  lin.*) 

76.  Paludina  coronata  Pfr.  Testa  ovato- conica,  te- 
nui,  vitrea;  anfract.  5,  prope  suturam  spinoso-carinatis,  ultimo 
ventroso,  rima  umbilicari  notato;  apertura  oblonga.  —  Long. 
2^,  diam.  1|  lin. 

77.  Paludina  crystallina  Pfr.  Testa  turrita  crystal- 
lina; anfract.  5  convexiusculis,  ultimo  subperforato ;  apertura 
integra  ovali.  —  Long.  2J,  diam.  l^lin.  —  An  varietas  prae- 
cedentis? 

78.  Melania  cerithioides  Pfr.  Testa  conico- turrita 
solida  alba;  anfract.  9  planis,  longitudinaliter  confertim  costu- 
latis,  ultimo  basi  concentrice  striato;  apertura  subtriangulari, 
basi  subcanaliculata;  labro  simplice,  lato,  sinuoso.  —  Long.  4, 
diam.  2  lin. 

79.  Melania  varicosa  Pfr.  Testa  conico -turrita  dia- 
phane  albida,  concentrice  striata,  hinc  inde  varicosa;   anfract. 


nicht  besuchten  Gegenden  der  Insel  Cuba  noch  zwei  schöne  Arten 
von  Helix  und  ein  mir  unbekanntes  Cyclostoma  gesandt,  welche  eben- 
falls neu  seyn  dürften. 

*)  Eine  in  der  Gestalt  ziemlich  ähnliche,  aber  noch  viel  kleinere 
Art  entdeckte  ich  kürzlich  in  dem  Meersande,  welcher  in  einer  Pha- 
sianella  bulimoides  sich  befand.  Ich  nenne  sie  P.  amethystea: 
testa  abbreviato-conica  amethystea  pellucida;  anfract.  3  convexiuscu- 
lis, ultimo  obsolete  angulato;  apertura  ovali.  —  Long.  |,  diam.  ^  lin. 
■—  Derselbe  Sand  bot  aufserdem  eine  reiche  Ausbeute  an  mikrosko^ 
pischen  Polythalamien  dar. 


254 

8  planiusculis,  ultimo  basi  obsolete   angulato;   coluraella  sub- 
truncata;  labro  acuto;  apertura  ovali.  —  Long.  4,  cliam.  1^^^  liii. 
Diese  beiden  Arten,   wie  auch  allenfalls   die  zwei  folgen- 
den, könnte  man  auch  vielleicht  zu  Rissoa  rechnen. 

80.  Melania  turritella  Pfr.  Testa  turrita  pallide  Cor- 
nea nitida,  longitudinaliter  confertissime  costulata;  anfract.  8 — 9 
convexiusculis;  labro  simplice;  apertura  ovali,  basi  vix  cana- 
liculata.  —  Long.  2 — 2~,  diam.  ^ — |  lin. 

81.  Melania  acus  Pfr.  Testa  lineari-turrita  albida,  lon- 
gitudinaliter costulata;  anfract.  10  planis;  labro  simplice  tenui; 
apertura  ovali.  —  Long.  If,  diam  \  lin. 

82.  Melania  Campanellae  PhiL  (Moll.  SiciL  p.  156. 
t.  9.  f.  5.) 

83 — 88.  Rissoae  species  sex. 
89 — 91.  Eulimae  species  tres. 

92.  Littorina  muricata  Fer. 

93.  —  tuberculata  Menke. 

94.  —  scabra  Pfr.     (Hei.  scabra  L.  Gm.,  Pha- 

sianella  angulifera  Lam.,  Ilel.  solida  Bork.) 

95.  —  ziczac  Pfr.    (Troch.  ziczac  Chem.,  Pha- 

sian.  lineata  Lam.) 
—  —        var?  An  species? 

*)  —  nodulosa  Pfr.   V.  No.  62. 

96.  —  fusca  Pfr.  Testa  minuta,  semiovata,  so- 
lidiuscula,  glabra,  fusca,  basi  subperforata;  spira  brevi,  obtusa; 
columella  compressa,  glabra,  nigricante;  apertura  ovali,  intus 
nigricante.  —  Long.  3,  diam.  2|  lin.  —  Operculum  tenue, 
nigrum,  paucispinim. 

97.  Vermetus  spiratus  Phil.  (Wiegm.  Arch.  1836.  I. 
pag.  224.  t.  7.  f.  1. 

98.  Natica  pes  elephantis.     Desh.  40. 

99.  —  livida  Pfr.  Testa  subglobosa  solida,  unico- 
lore  livida;  anfract.  4,  infra  suturam  oblique  rugosis,  ultimo 
vcntroso;  umbilico  semilunari;  callo  fusco;  apertura  intus  ni- 
tida, fusca.  —  Long.  7,  diam.  7  lin. 

100)  Natica  pul  che  IIa  Pfr.  Testa  parva,  subglobosa, 
nitida,  alba,  lineolis  longitudinalibus  undatis  picta;  spira  mam- 
millata;  anfract.  3  convexis;  umbilico  callo  nigricante  clause 
—  Long.  3^,  diam.  3^  lin. 


255 

101.  Nerita  virginea  L. 

102.  —       viridis  L. 

103.  —       Piipa  L.  (Neritina  venosa  Mke.) 

104.  —  Listeri  Pfr.  (List.  t.  604.  f.  26.  27,)  Testa 
subglobosa,  crassa,  glabra,  sordide  lutea,  lineolis  nigris  varie 
picta;  spira  brevissima;  anfract.  2— 2|;  coluniella  recta,  irre- 
gulariter  deiiticiilata,  late  callosa,  lutea;  labro  acuto,  intus  Iii- 
teo.  —  Diam.  10 — 11  lin.  —  An  varietas  N.  virguieae? 

105.  Narita  peloronta  L. 

106.  —       versicolor  Gm. 

107.  —       tessellata  Gm. 

108.  —       Antillarum  Gm. 

109.  —  exarataPfr.  Testa  crassa  ovata,  transver- 
sim  sulcata,  nigra,  sulcis  irregularibus,  latis,  obliquis,  albis  pro- 
funde exarata;  columella  alba,  superne  rugulosa,  inferne  gra- 
nulata,  margine  bidentata;  labro  acuto,  intus  valde  dentato; 
apertura  semiovata.  —  Diam.  transversus  11  lin. 

110.  AmpuUaria  fasciata  Lam. 

111.  Rotella  pusilla  Pfr.  Testa  discoidea  nitide  alba; 
anfract.  3;  basi  concaviuscula,  medio  callosa:  apertura  orbicu- 
lari,  —  Diam.  |,  alt,  ~  lin. 

112.  Janthina  communis  Lam. 

113.  Litiopa  nitidulaPfr.  Testa  ovato-turrita  solidula, 
laevigata,  nitide  albida  vel  flavida,  saepe  punctorum  rubrorum 
Seriebus  ornata;  anfract.  6  convexiusculis;  columella  torta, 
truncata;   labro  subincrassato.  —  Long.  2|,  diam.  1}  lin. 

114.  Litiopa  ventrosaPfr.  Testa  ovato-conica  glabra, 
pellucide  Cornea;  anfract.  6  convexiusculis,  ultimo  ventroso, 
spiram  aequante.     Long.  2,  diam.  Ij  lin. 

115.  Litiopa  striata  Pfr.  Testa  ovato-turrita,  tenui, 
nigricante,  apice  acuta  saepius  albida,  transversim  minutissime 
striata;  anfract.  7  convexis,  ultimo  spiram  fere  aequante;  labro 
acuto.  —  Long.  2-},  diam.  1  lin. 

116.  Litiopa  carinata  Pfr.  Testa  ovato-turrita,  tenui, 
brunnea,  transversim  striata;  anfract.  6—7  planiusculis,  medio 
absolete  carinatis;  columella  recta,  truncatula;  labro  acuto.  — 
Long.  If,  diam.  |  lin. 

117.  Phasianella  Vieuxii  Payr.  (?) 

118.  -—  punctata   Pfr.     Testa    ovato-conica 


256 

solida,  fusco-purpurea,  maculis  albis  seriatis  squamaeformibus 
ornata;  anfract.  4J  convexis,  ultimo  spiram  duplo  superante; 
columella  plana,  fiisco - callosa ;  apertura  ovali.  —  Long.  3, 
diam.  2^  lin.  —  An  Littorina? 

119.  Turbo  hippocastanum  Lam. 

120.  Monodonta  carchedonius  Lam. 

121.  —  modulus  Lam. 

122.  Delphinula  radiata  Kien.  p.  7.  f.  9.  —  List.  t. 
608.  flg.  min. 

123.  Trochus  pica  Pfr.  (Turbo  pica  L.  Lam.)  Opercu- 
lum  corneum  arctespiratum! 

124.  Trochus  Stella  Lam. 

125.  —        tuber  Lam. 

126.  —         calcar  Argenv. 

127.  —         carneolus  Lam. 

128.  Scalaria  coronata  Lam. 

129.  —  acuta  Pfr.  Testa  conico-turrita,  imper- 
forata,  apice  acutissima,  cinerea;  anfract.  7  convexis,  iongitu- 
dinaliter  confertimlamellosis;  apertura  orbiculari.  —  Long.  If, 
diam.  f  lin. 

130.  Tornatella  Ovulum  Pfr.  Testa  pusilla  ovata  ni- 
tide  alba;  spira  conica;  anfract.  6  planiusculis,  ultimo  spiram 
triplo  superante;  columella  basi  biplicata;  apertura  integra, 
oblonga,  angusta;  labro  simplice,  medio  ampliato.  —  Long. 
1|,  diam.  f  lin. 

131.  Pyramidella  dolabrata  Lam. 

132.  Cerithium  vulgatum  Lam.  (?) 

133.  —  litteratum  Lam. 

134.  —  punctatum  Lam.  (?) 

135.  —  nigrescens  Menke. 

136.  —  lutosum  Menke. 

137.  —  trilineatum  Phil,  mollusc.  Sicil.  pag." 

195.  t.  11.  f.  13. 

138.  —  pusillum  Pfr.  (Trochus  pusillus  Gm.? 
—  Chemn.  IX.  966.?)  Testa  sinistrorsa  turrita  tenui  cinna- 
jnomea;  anfract.  11  planis,  sulcis  longitvidinalibus  et  transver- 
sis  granuloso-decussatis;  sutura  profunda;  canali  brevissimo, 
vix  recurvo;  labro  simplice,  expanso.  —  Long.  2],  diam.  }  lin. 

139.  Cerithium   varium  Pfr.     Testa  turrita  tenui  dia- 


257 

phana  griseo-fusca,  uiiicolore  vol  nigro-eingulata;  anfract.  8 
convexis,  plicis  loiigitudiiialibus  et  striis  traiisversis  subdocus- 
satis,  ultimo  varicoso-gibboso;   basi  concentrice  striata;   colu- 

inella  nigra;   canali   brevissimo,   vix  recnrvo;   labro  teiiul.  

Long.  2y,  diam.  f  lin. 

140.  Cerithium  pallidum  Pfr.     Testa  siibulato-turrita 
solidula,   albida  vel  pallide  carnea;   anfract.  9  convexiusculis 
longitudinaliter  plicatis,  transverse  minutim  striatis^  ultimo  va- 
ricoso;   canali  brevissimo  subrecto;  labro  simplice,  tenui,   fra- 
gili.  —  Long.  3,  diam.  1  lin. 

141.  Cerithium  perversum  Lam.  Var.  dextra? 

142.  Potamides  fragilis  Defr. 

143.  Buccinum  flexuosum  Lara.  Kien.  f.  106. 

144.  —  miga  Er.  Kien.  f.  87. 

145.  —  ambiguum  Mont.  Kien.  f.  81.  (?) 

146.  —  cribrarium  Lam.  (Columbella?) 

147.  —  pediculare  Lam.  Kien.  f.  102. 

148.  — •  pulchellum   Blainv.   Kien.  f.  68.   — 

Purpura  picta  Turt.? 

149.  —  polygonatum  Lam.  (?) 

150.  —  pusillum  Pfr.  Testa  subfusiformi,  gla- 
berrima,  nitida,  albida,  lineis  undulatis  rufis  elegantissime  picta, 
apice  aurantia  vel  nigricante;  anfract.  6  planiusculis,  ultimo 
spiram  aequante;  columella  oblique  striata;  labro  rufo-margi- 
nato;  intus  striato.  -—  Long.  IJ,  diam.  |  lin. 

151.  Purpura  patula  Lam. 

152.  —  undata  Lam. 

153.  —  turbinella  Lam. 

154.  —  deltoidea  Lam. 

155.  —  margin  alba  Blainv.  Kien.  f.  11.  (?) 

156.  Dolium  perdix  Lam. 

157.  Cassis  testiculus  Lam. 

158.  Oniscia  triseriata  Mke. 

159.  Columbella  mercatoria  Lam. 

160.  —  nitida  Lam. 

161.  ^^lurex  adustus  Lam. 

162.  Tritonium  variegatum  Lam. 

163.  —  chlorostomum  Lam. 

164.  —  tuberosum  Lam. 

Wiegm.  Archiv.    VI.  Jahrg,    1.  Band.  j^^ 


258 

165.  Turbinolla  cingulifera  Lam.        • 

166.  Fasciolaria  tulipa  Lam. 

167.  Pyrula  perversa  Lam. 

168.  —       Corona  Pfr.  (Fusus  corona  Lam.) 

169.  Fusus  pulchellus  Ffr.  (Murex  pulchellus  Lam. 
65.?)  Lamarck's  Beschreibung  pafst;  nur  kann  ich  die  ^egel- 
mäfsigen  dichtstehenden  Längsfalten  nicht  als  Varices  betrachten. 

170.  Fusus  pusillus  Pfr.  Testa  fusiformi-turrita,  alba, 
longitudinaliter  plicata;  anfract.  6,  infra  suturam  profundam 
subangulatis ,  ultimo  spiram  aequante;  cauda  breviuscula.  — 
Long.  2,  diam.  f  lin. 

171.  Pleurotoma  zebra  Kien. 

172.  —  elongata  Ant.  (?) 

173.  —  Villiersii  Mich.  (?) 

174.  —  hexagonum  Pfr.  Testa  oblonga,  al- 
bida,  longitudinaliter  costata ;  anfract.  6  scalariformibus,  ultimo 
spiram  fere  aequante;  costis  anfractus  cujusvisö;  apertura  an- 
gusta  oblonga;  labro  expanso,  valde  incrassato,  prope  suturam 
inciso.  —  Long.  2^,  diam.  1  lin. 

175.  Pleurotoma  cinctellum  Pfr.  Testa  subfusiformi 
nitida  fulva  vel  nigricante,  infra  suturam  pallide  cingulata;  lon- 
gitudinaliter confertim  costata;  anfract.  5  subscalariformibus, 
ultimo  spiram  aequante;  columella  oblique  striatula;  apertura 
oblonga,  basi  et  apice  coarctata;  labro  incrassato,  juxta  sutu- 
ram canaliculato„  —  Long.  2^,  diam.  |  lin. 

176.  Strombus  Gigas  L. 

177.  —  pugilis  L. 

178.  —  pyrulatus  Lam. 

179.  Conus  nebulosus  Soland. 

180.  —       CedonuUi  Lam.  var.  o. 

181.  —       Mus  Br. 

182.  —      Daucus  Br. 

183.  Oliva  reticularis  Lam. 

184.  —       eburnca  Lam. 

185.  —       conoidalis  Lam. 

186.  Marginella  longivaricosa  Lam. 

187.  —  margarita  Kien. 

188.  —  pellucida  Pfr.  Testa  ovata,  tennis- 
sima  pellucida,  succinea;  spira  brevi,  apice  aurantiaca;  anfract. 


259 

5;  columella  4-plicata;  labro  incrassato,  aurantiaco,  intus  inte- 
gerriino.  —  Long.  5|,  dlam.  3^  lin. 

189.  Marginella  minuta  Pfr.  Testa  ovata,  glabra, 
alba;  spira  brevissima ;  anfract.  3;  columinella  siibqiiadripli- 
cata;  apertura  angustissima.  —  Long.  1,  diam.  J  lin. 

190.  Volvaria  pallida  Lam. 

191.  —         triticea  Lam. 

192.  —         avena  VaL 

193.  Ovula  gibbosa  Lam. 

194.  —       acicularis  Lam. 

195.  —       birostris  Lam.  (?) 

196.  Cypraea  cinerea  Gm. 

197.  —        pediculus  L. 

198.  —        quadripunctata  Gray  (tremeza  Ducl.?) 

199.  Mitra  obliquata  Lam. 

200.  —       striatula  Lam, 

201.  Crepidula  porcellana  Lam. 

202.  —  aculeata  Lam. 

203.  —  hepatica  Desh. 

204.  Calyptraea  equestris  Lam. 

205.  Pileopsis  mitrula  Lam. 

206.  —         subrufa  Lam. 

207.  Dentalium. 

208.  Fissurella  graeca  Lam. 

209.  —  nodosa  Lam. 

210.  —  barbadensis  Lam. 

211.  —  viridula  Lam. 

212.  —  costaria  Desh.  27.  (?) 

213.  —  Pustulae  Lam.  affinis. 

214 — 216.  Fissurella  species  tres  incertae. 

217.  Patella  notata  L. 

218.  —  leucopleura  Gm. 
219—221.  Patellae  species  tres. 
222 — 228.  Chiton  species  Septem. 

IL    Acephala. 
Cl.  III.     Elatobranchia. 

229.  Ostrea  virginica  Lam. 

230.  —       parasitica  Gm. 

17* 


260 

231.  Ostrea  excavata  Lam. 

232.  Spondylus  coccineus  Lani. 

233.  Plicatula  ramosa  Lam. 

234.  Pecten  gibbiis  Lam. 

235.  —       sauciatus  Lam. 

236.  Lima  glacialis  Lam. 

237.  —     squamosa  Lam. 

238.  Perna  ephippium  Lam. 

239.  —       obliqua  Lam. 

240.  —       Linnaei   Pfr.    (Ostrea  perna  L.   —  Perna 
vulsella  Lam.  var.) 

241.  Pinna  flabellum  Lam. 

242.  —      pectinata  L. 

243.  Area  Noae  L. 

244.  —  umbonata  Lam. 

245.  —  retusa  Lam. 

246.  —  fusca  Br. 

247.  —  domingensis  Lam. 

248.  —  antiquata  L. 

249.  —  rhombea  Br. 

250.  —  indica  Gm.  * 

251.  —  divaricata  (Byssoarca  divaric.  Sow.) 

252.  Pectunculus  marmoratus  tam. 

253.  —  pectinatus  Lam. 

254.  Mytilus  bilocnlaris  Lam. 

255.  —       exustus  Lam. 

256.  257.  Mytilus  species  duae. 

258.  Modiola  tulipa  Lam. 

259.  —        sulcata  Lam. 

260.  Lithodomus  dactylus  Sow. 

261.  Chama  lazarus  Lam. 

262.  —  gryphoides  L. 

263.  —  unicornis  Br. 

264.  —  florida  Lam. 

265.  —  lamellosa  Gm. 

266.  Cardium  bullatum  Lam. 

267.  —         muricatum  L. 

268.  —         medium  Lam. 

269.  Lucina  jamaicensis  Lam. 


261 

270.  Lucina  edentula  Lani. 

271.  —  divaricata  Lam. 

272.  —  carnaria  Lam. 

273.  —  coliimbella  Lam. 

274.  —  pecten  Lam.  (?) 

275.  —  ti gerin a  Desh.  (Cytherea  Lam.) 

276.  Diplodonta  semiaspera  Phil. 

277.  Amphidesma  corrugatiim  Sovv.  (?) 

278.  Tellina  remies  L. 

279.  —        brasiliana  Lam. 

280.  —        oviformisMus.Berol.  (T. striatulaLam.?) 

281.  —        sp. 

282.  Capsa  laevigata  Lam. 

283.  Venus  cancellata  L. 

284.  —      granulata  Gm. 

285.  Petricola  sp. 

286.  Corbula  aequivalvis  PlüL 

287.  Solen  caribaeus  L. 

288.  —      radiatus  L. 

289.  Sanguinolaria  rugusa  Lam.  var.  rubra.   An  sp.? 

Diese  Uebersicht  der  cubanischen  Mollusken,  wovon  ich 
die  Cirripeden  ausgeschlossen  habe,  ist  bei  weitem  nicht  voll- 
ständig, da  ich  selbst  sowohl  unter  den  Gasteropoden  noch 
Arten  besitze,  die  ich  des  zweifelhaften  Genus  wegen  einst- 
weilen ausgelassen  habe,  als  auch  besonders  noch  viele  klei- 
nere Arten  von  Acephalen,  die  theils  aus  demselben  Grunde, 
theils  weil  ich  nur  ungenügende  Exemplare  davon  gefunden 
habe,  zurückgesetzt  und  der  gröfsern  Arbeit  vorbehalten  sind. 
Bis  diese  erscheinen  kann,  hoffe  ich  sowohl  durch  Nachsen- 
dung von  Exemplaren,  als  auch  durch  zuverlässige  Notizen 
von  Hrn.  Dr.  Gundlach  noch  über  manches  jetzt  Zweifel- 
hafte ins  Klare  zu  kommen.  Einstweilen  wird  dieses  Ver- 
zeichnifs  wenigstens  Sicherheit  über  das  bisher  unbekannte  Va- 
terland mancher  interessanten  Mollusken  geben,  indem  ich  nur 
solcher  Arten  erwähnte,  welche  ich  selbst  dort  fand,  während 
ich  noch  manche  besitze,  von  welchen  ich  fast  zuverlässig 
weifs,  dafs  sie  von  dort  herstammen,  die  mir  aber  nicht  zu 
Gesichte  kamen. 


262 


Bemerkung  zu  dem  Aufsatze  der  Herren  v.  Key- 
serling    und    Blasius     über    die    europäischen 

Fledermäuse. 

(Jahrgang  V.  Bd.  I.  S.  293.) 
Von 

F.   Boje   in  Kiel. 

Die  Uebersicht  der  Gattungs-  und  Art  -  Charactere  der 
europäischen  Fledermäuse  im  Archiv  5.  Jahrgang  Bd.  I.  pag. 
293.  erwähnt  auch  meiner  Beiträge  zur  Naturgeschichte  die- 
ser Thiere,  indessen  auf  eine  Weise,  welche  vermuthen  läfst, 
dafs  die  Verf.  zwar  den  Aufsatz  in  der  Isis,  woselbst  die  T^. 
Dasycneme  beschrieben,  gekannt,  nicht  aber  einen  zweiten 
(Isis  1830.  p.  256.),  in  dem  die  sogenannten  Wasserfleder- 
mäuse unter  dem  Namen  Leuconöe  als  Gattung  abgesondert 
sind. 

Ich  erlaube  mir  hierauf  aufmerksam  zu  machen,  wie  dies 
auch  im  Fall  der  betreffende  Aufsatz  nicht  von  mir  selbst  wäre, 
geschehen  sein  würde,  mich  übrigens  der  Uebereinstimmung  mit 
den  Verf.  inmancher  Ueberzeugung  erfreuend,welche  diese  meine 
Vindication  der  Priorität  einer  Ansicht  und  meines  Namens 
nicht  für  ein  unbeikömmliches  Jagen  nach  einem  mihi  er- 
klären werden. 

Dafs  auch  Pallas  den  Namen  F^espertilio  als  fem.  ge- 
brauchte, erwähne  ich  bei  der  Bitte  statt  Dasycnemus  meine 
Endigung  Dasycneme  beibehalten  zu  wollen,  die  gleiclizeitig 
dem  Namen  der  nunmehrigen  Sippe  entspricht. 

Aus  meinem  letzterwähnten  Aufsatze  werden  die  Verf. 
annoch  die  Identität  meiner  V.otiis  mit  cornutus  F ah  er  erse- 
hen und  habe  ich  dabei  weiter  hervorgehoben,  dafs  nach  dem  was 
mir  über  die  besagte  Art  in  der  Erinnerung  vorschwebt,  solche 


263 

nicht  der  Gattung  Plecotus  sondern  Synotus  beizuziililen  sein 

würde. 

Sollte  ich  ein  Exemplar  dieses  noch  ungenügend  bekann- 
ten Thieres  auftreiben,  werde  ich  mich  beeilen  dasselbe  den 
Verf.  mitzutheilen  und  bitte  diese  den  Lesern  des  Archivs 
auch  ihre  Beobachtungen  über  die  Lebensweise  der  Vesperti- 
Jionen  nicht  vorenthalten  zu  wollen. 


B.  H.  Ho  dg  so  11,  Resident  in  Nepal, 

über  den  Gauri  Gau. 

Nach  dem  Journ.  of  the  Asiatic.  Soc.  of  Bengal. 
VI.  Bd.  1.  S.  499.  und  VlI.  Bd.  2.  S.  745. 

Zusammengestellt 

vom 

Herausgeber. 

Vgl  den  Jahresbericht  Jahrg.  V.  Bd.  2.  S.  415. 

(Hiezu  Taf.  IX.*) 

Kopf  und  Vorderkörper  sind  aufserordentlich  grofs..  Der 
Schädel  gleicht  seinem  allgemeinen  Charakter  nach  dem  des 
Rindes,  ist  aber  massiver  und  mehr  niedergedrückt;  die  Breite 
der  Stirn  zwischen  den  Augenhöhlenrändern  gleich  der  Höhe 
und  der  halben  Länge  des  Schädels,  Stirn  sehr  tief  concav,  in 
einer  starken  (Jiuge),  halbkreisförmigen  (im  Text  semicylindri- 
cal  in  beiden  Mittheilungen)  Leiste  sich  über  der  Basis  der 
Hörner  erhebend.     Bei  erwachsenen  Männchen  ist  der  obere 


*)  Ich  gebe  hier  eine  Copie  der  von  Evans  gelieferten  Abbil- 
dung, weil  sie  nach  Hodgson  den  Schädel  seines  Gauri  Gau  wirk 
lieh  darstellt.  Herausgeber. 


264 

Raiul  der  Wurzel  des  Hornes  1  —  2''  unter  der  Höhe  der 
Ilinterhauptleiste.  Hiuterhauptsfläche  des  Schädels  vertikal, 
von  gleicher  Länge  mit  der  Stirnfläche.  Augenhöhlen  stärker 
hervorspringend  unddie  Aeste  des  Unterkiefers  gerader  (straigh- 
ter)  und  mit  weniger  erhabenen  Gelenkfortsätzen  als  beim 
Rinde;  13  Paar  Rippen  wie  bei  diesem,  Dornfortsätze  äufserst 
entwickelt*)  nach  hinten  allmählig  abnehmend,  daher  der  ganze 
Rücken  vom  Widerriist  zur  Krappe  sehr  abfallend.  Hals 
niedrig,  gleichsam  eingesunken  zwischen  Kopf  und  Rücken. 
Hautwamme  verscliwindend  (^evanescent).  Hörner  kurz,  sehr 
dick  und  entfernt,  flach  gedrückt  (^depressed^  fast  dreieckig, 
den  scharfen  Winkel  des  Dreiecks  der  Stirn  zukehrend.  Aufser 
dem  Gauri  Gau  QBibos  cavifrons)  glaubt  Verf.  noch  den 
fossilen  Ur  Europas,  den  er  B.  classicus  und  den  aracho- 
sischen  Stier,  dessen  Aristoteles  erwähnt  {Bib.  Aristotelis) 
als  Arten  hierher  ziehen  zu  müfsen.  Dafs  der  erstere  ein 
wahrer  Wisent  ist,  leidet  wohl  keinen  Zweifel;  ob  aber  der 
letztere,  welchen  man  gewöhnlich  auf  den  Büffel  bezieht,  nicht 
vielmehr  mit  dem  Gauri  Gau  zusammenfällt,  läfst  sich  wohl 
nicht  bestimmt  ermitteln.**)  Nach  dem  Verf.  hat  der  Gauri 
Gau  feine,  kurze  Beine,  einen  kurzen,  nicht  zur  Hackenbeuge 
lierabreichenden  Schwanz,  breite,  fächerförmige  (fan-shaped) 
horizontale  Ohren;  ein  glattes  glänzendes  Haar  von  braun- 
rother  oder  schwarzer  Farbe,  welches  an  Stirn  und  Beinen 
blasser  wird;  Haarbüschel  an  Kinn  und  Stirn,  indem  hier  das 
Haar  länger  und  etwas  gekräuselt  ist,  ausgebreitete,  grünliche 
Hörner    mit  runden  einwärts  gekrümmten  schwarzen  Spitzen, 


*)  Nach  Hodgson,  1.  c.  Bd.I.  S.  499.  beträgt  die  gröfste  Er- 
hebung am  Dornfortsatze  des  dritten  Rückenwirbels  14"  über  der 
Wirbelsäule.  Senkt  das  Thier  den  Kopf  so  beschreibt  der  Rücken 
fast  einen  Kreisbogen.  Ein  Unterschied  zwischen  ihm  und  den  Auern 
findet  aber  in  dieser  Hinsicht  nicht  statt,  denn  auch  bei  diesen  er- 
streckt sich  die  starke  Entwicklung  der  Dornfortsätze  nur  auf  die 
Rückenwirbel,  nicht  wie  Verf.  glaubt,  auch  auf  die  Halswirbel. 

Herausgeber. 

**)  Aristoteles  Worte:  H.  A.  IL  c.  2.  §.  3.  Nascuntur  autcm 
hippelaphi  in  Arachotis,  ubi  et  feri  bovcs,  qui  a  domesticis  codom 
modo  diffcriint,  quo  apri  a  suibus.  Nam  aspcctu  nigri  sunt,  validi- 
que,  curvatonasu  (t/riyovz^oOet  cornibus  magis  in  dorsum  reclinatis" 
passen  auch  auf  den  Gauri  Gau.  Herausgeber. 


265 

schvvaclirunzlig  an  der  Basis  und  mit  einem  stark  riechenden 
Sekrete  au  der  Hinterseite.  Die  Lange  beträgt  von  Schnauze 
zum  Steifs  10  F.,  die  Höhe  an  der  Schulter  5t}  F.;  Kopf 
bis  zur  Hinterhauptleiste  23'',  Schwanz  33''.  Die  Kuh  ist 
etwas  kleiner,  besitzt  aber  alle  Charaktere  des  Stiers. 

Der  Gauri  Gau  verläfst  nie  das  tiefste  Dickicht  des 
Sal -Waldes,  vermeidet  einerseits  die  Annäherung  an  das 
Tarai,  und  andererseits  an  das  Hügelland.  In  seinen  Heerden 
von  10  —  30  herrscht  das  weibliche  Geschlecht  vor;  gewöhn- 
lich 2  oder  3  erwachsene  Bullen  führen  und  schützen  die 
Heerde  mit  grofser  Wachsamkeit,  die  sowohl  von  grofser 
Schärfe  der  Sinne  als  von  hohem  Muthe  zeugt.  Weder  Ti- 
ger, noch  Rhinoceros,  noch  Elephant  wagen  die  Heerde  zu 
belästigen.  Während  der  Tageshitze  ruht  diese  im  Dickicht, 
und  kommt  nur  Morgens  und  Abends  hervor  auf  die  kleinen, 
offenen,  in  den  Wäldern  zerstreuten  Wiesen,  wo  sie  sich  um 
zu  weiden  ausbreiten,  während  sie,  wenn  sie  sich  zur  Weide 
und  zurück  begeben  in  einfacher  Reihe  (z/i  Single  file)  vorge- 
hen auf  den  von  ihnen,  von  Elephanten,  Rusas  und  anderen 
Thieren  des  Waldes  getretenen  Stegen. 

Auf  einem  Elephanten  kann  man  sich  am  Tage  ihnen  bis 
auf  wenige  Schritte  nähern.  Wahrscheinlich  fürchten  sie  den 
wilden  Elephanten  nicht  und  werden  nie  von  Jägern  auf  zah- 
men Elephanten  belästigt,  denn  die  Sastras  haben  decretirt: 
j,ihe  Gaini  is  lilie  iinto  Bos."  Kein  Edelmann  der  Gegend 
wird  versuchen  einen  Gauri  zu  tödten;  und  das  geraeine  Volk, 
wenn  es  auch  ein  weniger  zartes  Gewissen  hat,  besitzt  ge- 
wöhnlich nicht  die  erforderlichen  Hülfsmittel  dazu.  Nach 
Aussage  von  Leuten  der  unteren  Kaste,  welche  ein  Thier  bis 
zum  Tode  mit  guten  Flinten  verfolgten,  ist  die  Jagd  sehr  an- 
regend. Man  mufs  in  das  tiefste  Dickicht  der  Wälder  drin- 
gen, mufs  alles  Kochen  vermeiden  wegen  des  Geruchs,  und 
alle  Kleidung  w^egeiü  der  ungewöhnlichen  Farben.  Drei  oder 
vier  Mann  nur  mit  Wasser  und  geröstetem  Korn  versehen, 
gehen  in  die  Nachbarschaft  des  bekannten  Aufenthalts  einer 
Heerde,  und  indem  sie  aus  Furcht  vor  Tigern  in  einem 
Baume  ihren  Aufenthalt  nehmen,  steigen  sie  täglich  herab, 
um  die  Ochsen  auf  ihrem  Weideplatz  zu  beschleichen,  Ist 
das  Wild  aufgefunden,    vertheilen   sich   die*  Jäorer  unter  dem 


266 

Schutz  des  Jangal  und  umgeben  den  kleinen  Grasplatz.  Da- 
bei hüten  sie  sich  sorgfäitiji^  zwischen  den  Wind  und  den 
Adel  (nobility)  des  Gauri  zu  gcrathen,  denn  er  hat  einen  aus- 
gezeichneten Geruchssinn,  uud  sollte  sich  sein  scharfes  Auge 
zweifelnd  auf  den  sich  rührenden  Jiiger  richten,  so  mufs  er 
sogleich  stock  still  stehen,  bis  der  Argwohn  geschwunden  ist. 
Auf  diese  Weise  geschieht  die  Annäherung  und  oft  ohne  Er- 
folg wegen  der  W^achsamkeit  der  Heerde,  die  sich  bei  dem 
geringsten  ungewöhnlichen  Vorfalle  sogleich  in  das  dicke 
Jangal  zurückzieht  und  oft  mit  einer  in  Hinsicht  auf  die 
Gröfse  der  Thiere  bewundrungswerthen  Eile.  In  einem  sol- 
chen Falle  ist  die  Hoffnung  des  Tages  gänzlich  vereitelt. 
Wird  aber  kein  Arwohn  erregt  und  gelingt  es  der  Jagdpartie 
oder  einzelnen  Gliedern  derselben  bis  innerhalb  30 — 40  Schritt 
heranzukriechen  und  einen  Baum  zum  Rückzuge  zur  Ha-ad  zu 
haben,  so  wird  Feuer  gegeben,  und  sogleich  der  Baum  er- 
stiegen, wenn  der  Angriffspunkt  vom  verwundeten  Thiere  er- 
späht ist.  Wenn  nicht,  so  wird  das  Versteck  beibehalten 
und  das  Feuer  wiederholt,  denn  selten  ist  es  auf  einmal  tödt- 
lich,  und  es  ist  möglich,  dafs  die  ganze  unwillige  Heerde, 
aber  mehr  wahrscheinlich,  dafs  das  verwundete  Individuum 
den  Rückzug  versclimäht  und  nur  seinen  Angreifer  zu  ent- 
decken sucht.  W'ehe  ihm,  wenn  er  entdeckt  wird  und  nicht 
seinen  Baum  erklimmen  kann,  denn  das  leidende  Thier  wird 
eine  furchtbare  Rache  nehmen,  und  nicht  zufrieden  gestellt 
mit  seinem  Tode,  noch  seinen  Leichnam  mit  den  Hörnern 
durchbobren  und  mit  den  Hufen  zertreten.  Hat  der  Jäger 
den  Baum  erklommen,  so  giebt  der  Gauri  einen  ausgezeich- 
neten Beweis  seines  unzähmbaren  Muthes,  gleichviel,  ob  es 
dem  Jäger  gelungen  ist  seine  Flinte  mit  hinaufzunehmen  oder 
nicht.  Im  letzteren  Falle  mufs  er  verhungern,  wenn  nicht 
seine  Kameraden  den  Gauri  erlegen.  Im  ersteren  kann  er 
seinen  Vorsatz  gegen  das  Thier  ausführen;  denn  lebend  wird 
es  nicht  ohne  Rache  vom  Flecke  weichen;  und  selbst  wenn 
ihm  eine  Flinte  geradezu  in's  Gesicht  gerichtet  und  wieder- 
holt abgefeuert  wird,  so  wird  das  Thier  docli  fortfahren  ge- 
gen den  Baum  zu  stofsen,  und  bis  zum  Tode  seinen  Angrei- 
fer zu  bedrohen.  In  Fällen,  wo  der  unglückliche  Erklctterer 
des  Baumes  seine  Waffen  verloren,   und  seine  Gefährten  sich 


267 

gefürchtet  haben,  sogleich  zu  seiner  Rettung  herbeizueilen, 
hat  man  es  schon  erlebt,  dafs  der  Gauri  seine  Stelluno:  am 
Fufse  des  Baumes  24  Stunden  lang  behauptet  hat  und  man 
glaubt,  dafs  er  nicht  vom  Platze  gewichen  sein  würde,  so 
lange  der  Mann  noch  oben  und  das  Thier  nicht  erlegt  wäre. 
Die  Tharu's,  ein  Stamm  der  eingebornen  Waldbewohner,  be- 
haupten, die  Trächtigkeitsdauer  der  Gauri  sei  länger  als  die 
der  Kühe;  und  nach  dem  Aussehen  des  Fötus  im  Uterus  kann 
wenig  Zweifel  obwalten,  dafs  die  Begattungszeit  in  den  Februar  oder 
März  fällt.  Nur  ein  Kalb  wird  zur  Zeit  zur  Welt  gebracht. 
Die  unreife  Leibesfrucht  hat  eine  weifse  Haut;  die  Hufe  sind 
goldgelb;  der  Kopf  ist  im  Schädel  vollkommen  abgerundet. 
Die  Stimme  des  Gauri  ist  sehr  absonderlich  und  ganz  ungleich 
der  des  Ochsen,  Büffel  und  Bison,  da  ich  mich  aber  nicht  auf 
die  Sprachen  der  Thiere  verstehe,  sagt  Hodgson,  will  ich 
nicht  versuchen,  ihren  Ausdruck  in  Silben  zu  bringen. 


lieber  einige  Blocli'sclie  Fisch -Arten 

von 
Dr.  F.  H.  Troschel. 

In  der  grofsen  Naturgeschichte  der  Fische  von  Cuvier 
und  Valenciennes  sind  über  manche  Bloch 'sehe  Arten 
Zweifel  ausgesprochen  worden,  deren  Beseitigung  für  die 
Wissenschaft  nicht  ohne  Interesse  sein  kann.  Natürlich  kann 
eine  Aufklärung  nur  von  denen  geschehen,  welchen  dieBloch- 
schen  Originalexemplare  zugänglich  sind,  und  ich  halte  es 
daher  für  meine  Pfliciit,  folgende  Bemerkungen,  welche  mir 
bei  einer  genaueren  Revision  der  ichthyologischen  Sammlung 
des  Königl.  Berliner  Museums  aufstiefsen,  hiermit  zu  ver- 
öffentlichen. 

1.    Platycephalus  sc  ah  er  Bloch. 

Im  vierten  Bande  von  Cuvier  u.  Valenciennes  Hist. 
nat.  d.  poissons  p.  182.  wird  ein  Flmycephauis  beschrieben,  zu 


268 

dem  als  zweifelhaftes  Synonym  Platycephaliis  scaber  Bl. 
citirt  wird.  Die  Verfasser  spreclien  schon  bei  diesem  Arti- 
kel die  Vermuthung  aus,  dafs  unter  dieser  Art  zwei  verscliie- 
dene  confundirt  waren.  Das  Zoologische  Museum  besitzt 
zwei  Fische  in  Weingeist  und  in  einem  Glase  aus  der  Bloch- 
schen  Sammlnng  mit  Flatycephalus  scaber  Bl.  bezeichnet, 
deso-leichen  einen  halben  getrockneten  Fisch  mit  Cottus  scciber 
bezeichnet.  Freilich  kann  ich  kaum  annehmen,  dafs  eins  von 
diesen  Exemplaren  wirklich  der  Abbildung  als  Original  ge- 
dient habe,  da  alle  drei  viel  zu  klein  sind.  Ein  wirkliches 
Ori"-inal  ist  jedoch  nicht  vorhanden,  und  jedenfalls  hat  Bloch 
selbst  die  Fische  mit  seinem  PL  scciber  für  identisch  gehal- 
ten. Diese  drei  Exemplare  gehören  aber  zwei  verschiedenen 
Arten  an,  von  denen  die  eine  in  Weingeist  wahrscheinlich 
Vlatyceplialus  rodericensis  Cuv.  Val.,  die  andere  in  Wein- 
o-eist  nebst  dem  trocknen  Exemplar  eine  noch  unbesichriebene 
Art  ist.  Daraus  geht  also  hervor,  dafs  die  Bloch 'sehe  Art 
eine  Collectivart  war,  und  dafs  sich  bei  dem  nicht  mehr  Vor- 
handensein des  wirklichen  Originals  die  Art  nicht  mehr  mit 
Sicherheit  fesstellen  läfst.  —  Vor  einiger  Zeit  erhielt  das 
Zool.  Museum  auch  drei  Exemplare  aus  Paris  von  der  Art, 
welche  Cuvier  und  Valenciennes  für  den  Bloch'schen 
Flatycephalus  scaber  hielten,  und  diese  sind  von  deuBloch- 
schen  Exemplaren  wiederum  specifisch  verschieden.  Es  han- 
delt sich  also  hier  um  die  Unterscheidung  dreier  Arten,  von 
denen  man  zwei  mit  gleichem  Rechte  Flatycephalus  scaber 
Bl.  nennen  könnte.  Die  Pariser  Exemplare  verdienen  den 
Namen  am  allerwenigsten.  Bei  einer  solchen  Verwirrung 
scheint  es  mir  am.  zweckmäfsigsten  den  alten  Collectivnamen, 
(wenn  nändich  die  Möglichkeit,  die  Sache  aufzuhellen,  aufge- 
lioben  ist)  ganz  auszustreichen,  und  die  neu  unterschiedenen 
Arten  auch  neu  zu  benennen.  Der  Pariser  Art  lege  ich  da- 
her den  Namen  Fl.  suppositus ,  den  Blochschen  Exemplaren 
Fl.  rodericensis  Cuv.  FaL?  und  Fl.  neglectus  bei,  bemerke 
jedoch,  dafs  für  den  Fall,  dafs  Fl.  rodericensis  Cuv.  Val. 
\\\v\\i  mit  unserm  Fische  übereinstimmen  sollte,  dem  unsrigen 
noch  ein  neuer  Namen  gegeben  werden  müfslc.  Ich  lasse 
jetzt  eine  vergleichende  Beschreibung  dieser  drei  Arten  folgen: 


209 

a.  Platycephalus  suppositus  IS  oh. 
Unter  einander  stimmen  die  drei  vorliegenden  Excmpiaro 
sehr  gut  iiberein,  so  dafs  die  folgende  Beschreibung  auf  alle 
vollkommen  pafst.  Der  Raum  z^vischen  den  Augen  ist  sehr 
wenig  concav,  und  ungefähr  so  breit,  wie  der  Durchmesser 
der  Augenhöhle.  Vor  jeder  Augenhöhle  steht  ein  ziemlich 
starker  Zahn,  an  welchen  sich  nach  einer  kleinen  Einbucht 
eine  nach  hinten  gehende  Leiste  anschliefst  (la  crete  surciliaire 
Cuv.  Val.),  die  in  der  Mitte  einen  stumpfen  Zahn  trägt,  hin- 
ter welchem  noch  zwei  bis  drei  sehr  kleine  stumpfe  Zähne 
stehen,  die  einen  kleinen  nach  innen  convexen  Bogen  machen. 
An  sie  schliefst  sich  als  Verlängerung  nach  hinten  eine  andere 
Leiste,  auf  der  nach  Cuv.  et  Val.  vier  gröfsere  Zähne  stehen 
sollen,  auf  der  ich  aber  in  der  That  nur  zwei,  allerdings  bei 
weitem  gröfsere  finde:  einen  am  Anfange  gleich  hinter  der 
Augenhöhle,  so  dafs  er  gleichsam  in  den  Bogen  gehört,  den 
die  so  eben  besprochenen  kleinen  Zähne  bilden,  den  zweiten 
nach  einem  zahnlosen  Zwischenräume  von  f  der  ganzen  Lange 
dieser  Leiste,  gerade  über  der  Spitze  des  Präoperculums.  Auf 
der  Leiste,  die  von  der  Mitte  des  Auges  nach  hinten  zum 
Schulterknochen  geht,  und  die  seitliche  Grenze  der  oberen 
Fläche  des  Kopfes  bildet,  auch  sich  unmittelbar  in  die  Seiten- 
linie des  Körpers  verlängert  (la  crete  de  la  tempe  Cuv.  et 
Val.),  stehen  in  ziemlich  gleichen  Abständen  vier  Zähne,  von 
denen  der  dritte  immer  der  kleinste,  der  zweite  und  vierte 
immer  die  gröfsten  sind.  An  diese  Leiste  schliefst  sich,  wie 
bei  den  andern  beiden  in  Rede  stehenden  Arten,  das  os  super- 
scapulare,  welches  gleichsam  den  fünften  Zahn  dieser  Leiste, 
oder  wenn  man  will  den  ersten  Stachel  der  Seitenlinie  bildet. 
Auf  der  dritten  Leiste,  Avelche  auf  dem  grofsen  Suborbital- 
knochen verläuft,  sollen  nach  Cuv.  et  Val.  fünf  bis  sechs 
Zähne  stehen,  was  nur  dann  richtig  ist,  wenn  man  den  gros- 
sen Stachel  des  Präoperculums  und  den  kleinen  an  dessen 
Grunde  mitzählt.  Den  Anfang  derselben  bildet  ein  Zahn  vor 
und  unter  dem  Auge,  ein  zweiter  Zahn  findet  sich  ziemlich 
vmter  der  Pupille,  ein  dritter  unter  dem  Hinterrande  der 
Augenhöhle;  an  einem  der  drei  vorliegenden  Exemplare  be- 
findet sich  nahe  hinter  diesem  Zahne  noch  ein  kleiner  auf  der- 
selben Leiste,  von  dem  aber  in  den  beiden  andern  Exempla- 


270 

ren  keine  Spur  ist.  An  diese  Leiste  schliefst  sich  der  drei- 
schneidige Zahn  am  Winkel  des  Präoperculums,  der  an  sei- 
nem Grunde  nach  aufsen  einen  kleinen  Zahn  trägt,  und  des- 
sen Länge  gleicli  seiner  Entfernung  von  der  Augenhöhle  ist 
Unter  ihm  hat  das  Präoperculum  noch  zwei  bedeutend  klei- 
nere Stacheln,  von  denen  der  obere  der  gröfsere  ist,  und  nur 
den  vierten  Theil  so  lang  wie  der  grofse  Stachel.  Auf  dem 
Kiemendeckel  finden  sich  drei  Leisten:  die  untere  ist  die 
schwächste,  und  verschwindet,  ohne  in  einen  Zahn  auszulau- 
fen; die  mittlere  verläuft  quer  über  den  Kiemendeckel,  ist  wie 
die  meisten  Theile  des  Kopfes  mit  feinen  crenulirten  Linien 
besetzt,  trägt  aber  in  ihrem  Verlaufe  keinen  Zahn;  die  obere 
ist  kürzer,  weniger  deutlich  und  trägt  ebenfalls  keinen  Zahn, 
beide  laufen  aber  in  eine  stachlige  Spitze  aus.  Die  Seitenlinie  ist 
mit  44  kleinen  Stacheln  bewaffnet,  die  bis  hinter  das  Ende  der 
zweiten  Rückenflosse  selbst  mit  blofsen  Augen  deutlich  zu  be- 
merken sind.  Die  Zahl  der  Flossenstrahlen  wird  bei  Cuv.  et 
Val.  anders  angegeben,  als  sie  sich  in  der  Natur  findet.  Statt 
B.  7;  D.  8  —  12;  A.  12;  C.  18;  P.  22;  V.  |  mufs  es  heifsen 
B.  7;  D.  9  —  12;  A.  13  etc.  Der  vordere  Stachel  der  Rük- 
kenflosse  ist  sehr  klein  und  beträgt  nur  etwa  den  vierten 
Theil  des  zweiten;  der  vierte  ist  der  längste,  und  nun  neh- 
men die  Zahlen  so  an  Gröfse  ab,  dafs  ihre  Spitzen  eine  ge- 
rade Linie  bilden.  Der  letzte  Stachel  ist  etwa  von  der 
Gröfse  des  ersten,  so  dafs  sich  die  letzten  sechs  Stacheln  an 
Länge  verhalten  umgekehrt  wie  die  natürlichen  Zahlen. 

b.    Platycephahis  rodericensis  Cuv.  VaL         ; 

Der  Raum  zwischen  den  Augen  ist  nur  halb  so  breit,  wie 
der  Querdurchmesser  der  Augenhöhle,  und  weit  mehr  concav 
als  bei  der  vorhergehenden  Art.  Vor  der  Augenhöhle  steht 
wieder  ein  Zahn,  an  welchen  sich  nach  Unterbrechung  durch 
eine  kleine  Einbucht  eine  Leiste  anschliefst.  Diese  trägt  je- 
doch nicht  einen  Höcker  auf  der  Mitte,  sondern  vier  ziemlich  i 
gleich  grofse  Zähne,  die  einen  weit  längern  und  weniger  ge- 
krümmten Bogen  bilden.  Die  Zähne  auf  der  Verlängerung 
dieser  Leiste  stehen  ganz  ebenso  wie  bei  der  vorigen  Art, 
nur  hat  die  Leiste  selbst  einen  sehr  scharfen  kleinen  Kiel,  wo- 
gegen <lic  Leiste   der  vorigen   stumpf  ist.     Ueberhaupt  ist  die 


271 

Sculptur  auf  dem  Kopfe  eine  ganz  andoro.     Wenn  gleich  die 
ganze  Oberfläche  desselben  eine  feinkörnip^e  Bescliaffenheit  hat, 
so  bemerkt  man  doch  nicht  die  Linienbildung,  welche  bei  PI. 
suppositus  so   sehr  auffallend  ist.     Ein  (freilich   selir  feiner) 
Unterschied  thut  sich  ferner  noch  darin  kund,    dafs  auf  der 
Mittellinie    vor    den  Augen    sich    an    PL    rodericensis?   eine 
kleine  Längsfurche  zeigt,  die  durch  zwei  parallellaufende,  sehr 
kleine,  äufserst  fein  crenulirte  Leisten  gebildet  wird.     Auf  der 
Schläfenleiste   stehen  die  Zähne   ebenso   wie  bei  der  vorigen 
Art,   nur   steht   der  vorderste  viel  dichter  an  dem  Augenhöh- 
lenrande.    Das  OS  superscapulare  ist  von  derselben  Beschaffen- 
heit, aber  verhältnifsmäfsig  weit  kürzer.    Die  untere  Leiste  auf 
dem  grofsen  Suborbitalknochen  stimmt  besser  mit  der  Cuvier- 
Valenciennes'schen  Beschreibung  als  die  Pariser  Originalexem- 
plare, denn  auf  ihr  befinden  sich  allerdings  sechs  starke  Zähne, 
einer  vor  und  unter  der  Augenhöhle,   ein   zweiter  unter  der 
Pupille,  der  dritte  unter  dem  Hinterrande  der  Augenhöhle,  und 
hinter  ihm  bewaffnen  noch  drei  fast  eben  so  starke  Zähne  die 
I  Fortsetzung    dieser  Leiste.     Der    Stachel    des    Präoperculuras 
I  mit  seinem  kleinen  Zahne  auf  der  Basis  bildet  auch  hier  gleich- 
\  sam  eine  Fortsetzung  dieser  Leiste;  er  ist  ebenfalls  dreischnei- 
dig,  ist   aber  so  lang,    dafs  er  nach  vorn  gewendet  noch  fast 
in  das  erste  Drittel  der  Augenhöhle  hineinreichen  würde,  was 
wohl  besonders   dadurch  hervorgebracht  wird,   dafs  der  Raum 
hinter  der  Augenhöhle  verhältnifsmäfsig  höher   und  kürzer  ist. 
Die   Zähne  unter  dem   Hauptstachel   wie   bei   PI.  suppositus. 
Die  untere  Leiste  auf  dem  Kiemendeckel  ist  kaum  zu  bemer- 
ken, die  mittlere  trägt  auf  ihrem  vorderen  Theile  zwei  starke 
spitze  Zähne,  die  obere  ist  sehr  kurz  und  läuft  in  eine  starke 
■  nach  oben  gerichtete  zahnartige  Spitze  aus.     Die  Seitenlinie 
jist   nur  bis   zum   Anfange    der  zweiten  Rückenflosse   mit  21 
i  spitzen  Zähnen  bewaffnet,  die  bis  zu  ihrem  Aufhören  an  Gröfse 
allmählig  abnehmen;  weiterhin   ist  selbst  mit  der  Lupe  keine 
Spur   eines  Zahns  zu  bemerken,  wenn  gleich  die  Seitenlinie 
selbst  deutlich   genug  markirt   bis  zur  Schwanzflosse  verläuft. 
Die  Zahl  der  Flossenstrahlen  ist:  B.7;  D.9— 12;  A.12;  C... 
|P.  21;  V.  |.     Der  vojdere   Stachel  der  ersten   Rückenflosse 
ist  ebenfalls  sehr  klein,   aber   der   dritte  ist  schon  von   allen 
der  längste,   von  wo   die   folgenden   nach  hinten  zu  allmähiis' 


272 

an  Gröfse  abnehmen;  der  letzte  neunte  Stachel  ist  zum  Ver- 
schwinden klein,  und  ganz  nach  hinten  gerichtet. 

0.    Tlatyceplialus  neglectus  Nol). 

Der  Raum  zwischen  den  Augen  beträgt  etwa  f  des  Queer- 
durchmessers  der  Augenhöhle,  ist  zwar  mehr  convex  als  bei 
PL  suppositus ,  aber  weit  weniger  als  bei  rodericensis ,  so 
dafs  er  zwischen  diesen  beiden  Arten  die  Mitte  hält.  Der 
Zahn  vor  der  Augenhöhle  ist  vorhanden,  eben  so  nach  der 
kleinen  Einbucht  der  Superciliarleiste,  jedoch  mit  fünf  (am 
trocknen  Exemplar  sechs)  spitzen  Zähnen,  an  welche  sich 
unmittelbar  ein  sechster  reiht,  der  dem  ersten  Zahne  der 
Fortsetzung  dieser  Leiste  in  den  beiden  anderen  Arten  ent- 
spricht. Er  schliefst  sich  so  an  die  vor  ihm  stehenden  Zähne 
an,  dafs  man  ihn  kaum  noch  als  den  Anfang  der  nun  folgen- 
den Leiste,  von  der  ihn  ein  Einschnitt  trennt,  ansehen  kann. 
Diese  Leiste  erhebt  sich  in  einen  scharfen  Kiel,  welcher  vor 
dem  Zahne  auf  f  seiner  Länge,  der  ebenso  wie  in  den  bei- 
den vorigen  Arten  vorhanden  ist,  bei  dem  Weingeist- 
exemplare noch  die  Andeutung  zu  zw^ei  bis  drei  Zähn- 
chen trägt;  am  trocknen  Exemplare  sind  dieselben  kaum  noch 
wahrzunehmen.  • 

Die  Sculptur  des  Kopfes  ist  hier  wieder  eine  andere,  in- 
dem statt  der   Crenulirungen    nur    schwache   erhabene   glatte 
Linien  auftreten.     In  der  Mittellinie  vor  den  Augen  findet  sich 
auch  eine   Furche,   bei  der    aber    die    begrenzenden    Leisten 
vollkommen  glatt  sind.     In  der  Mittellinie ,    gerade   über  dem  ^ 
Winkel  des  Praeopercülums  findet   sich   eine  kleine  glatte  er- 
habene Längsleiste,    die  den  beiden  anderen  Arten  fehlt.     Diei 
Schläfenleiste  trägt  dieselben  vier  den  beiden    vorigen  Arten  i 
zukommenden  Zähne,    nur  bei  dem  Weingeistexemplar  findet' 
sich  noch  ein  kleinerer  fünfter,  der  zwischen  dem  ersten  und! 
zweiten  Zahne,    näher  dem  zweiten  steht.     Das  os  supersca- ' 
pulare  ist  etwas  länger  als  bei  PL  rodericensh ,   und  gleicfTt  • 
daher  wieder  mehr  dem  von  suppositus.      Die  untere  Seiten- 
leiste trägt  mehrere  Zähne.     Der  vorderste  derselben  vor  der 
Augenhöhle  ist  sehr   klein ,    und  hat  hinter   sich    zwei  eben- 
falls  sehr   kleine   Zähne ,    der    vierte   steht  unter  der  Pupille, 
der  fünfte  unter  dem  liinterraude  der  Augenhöhle,   und  dann 


273 

folgt   bei  den  Weingeistexemplaren  ein  glatter  scharf  vortre- 
tender Kiel,    der   bis  zum   Stachel   des   Praeoperculums  geht; 
(las   trockene   Exemplar  hat  auf  diesem   ebenso  langen  Kiele 
noch  drei  Zähne;    der  Praeopercularstachel    ist  weit   kürzer 
als  in  beiden  vorhergehenden  Arten,  und  ^eine  Lange  beträgt 
nur  etwa   die  Hälfte   der  Entfernung  seiner  Basis,    die  auch 
einen  kleinen  Zahn  trägt,  von  dem  Augenhöhlenrande.     Er  ist 
ebenfalls  dreischneidig.      Die  Zähne  unter   dem  Hauptstachel 
sind  verhältnifsmäfsig   stark,    der  obere  ist  halb  so  lang  wie 
der  Stachel,    und  doppelt  so  lang  wie  der  untere  Zahn.     Die 
untere  Leiste  auf  dem  Kiemendeckel  verschwindend,  die  mitt- 
lere einen  scharfen  aber  ganz  glatten  Kiel  bildend,  die  obere 
kurz  und  in  einen  ziemlich  schwachen  Zahn  auslaufend.     Die 
Seitenlinie  ist  mit  52  starken  spitzen  Zähnen  bis  zur  Schwanz- 
flosse bewaffnet.    Die  Zahl  der  Flossenstrahlen: 

B.  7.  D.  9  —  12.  ^.  12.  C...  P.  20.  F.  1.5. 
Der  vordere  Stachel   der  ersten  Rückenflosse  ist  verhältnifs- 
mäfsig noch  kleiner,    als   bei  den  beiden  andern  Arten;    der 
dritte  ist  der  längste  von  allen. 

Eine  vergleichende  Tabelle  der  Maafse  der  drei  Arten  in 
Pariser  Linien  mag  hier  eine  Stelle  finden.  Von  PL  suppo- 
Situs  hat  jedes  der  drei  vorhandenen  Exemplare  seine  beson- 
dere Columne.  Bei  dem  trockenen  Exemplare  liefsen  sich 
die  Maafse  nicht  mehr  mit  Sicherheit  angeben,  daher  bleiben 
sie  lieber  ganz  weg» 


■Ganze  Länge 

iBreite  am  Grunde  des  Präopercular- 
stachels ,    .    .    .    . 

Entfernung  der  Augen  von  einander     . 

Queerdurchmesser  der  Augenhöhle  .     . 

Längsdurchmesser  der  Augenhöhle  .    . 

Länge  von  der  Spitze  des  Oberkiefers 
bis  zur  Rückenflosse 

Entfernung  der  Oberkieferspitze  vom 
Präopercularstachel 

Länge  des  Os  superscapulare  .... 

Länge  des  Präopercularstachels  .    .    , 

Entfernung  der  Spitze  des  Unterkie- 
fers vom  After 

Wiegm.  Arcbiv.  VI.  Jahrg.  2.  Band. 


Platycephalus 
suppositus. 


i. 


2. 


97 

15 
3,5 
4,5 
5,75 

28,5 

20 
2,6 
6,6 


43,5 


89 

13,3 
3 
4 
5,1 


25 

17,6 
2,3 
6,5 

41,5 


89 

13,3 
3 
4 
5,1 

25 

17,6 
2,3 
6,6 

41,3 

18 


6S 

12 
1,75 
4 
4,25 

19 

14 
1,5 
4,75 

36,6 


68,5 

10,5 
2 
3 
3,75 

18,5 

11 

2 

2,5 

31,5 


274 


Länge  d.  erstenRückenflosse  am  Grunde 

Länge  des  ersten  Stachels  derselben    . 

Länge  des  zweiten 

Länge  des  dritten 

Länge  des  vierten 

Länge  der   zweiten   Rückenflosse    am 

Grunde     

Länge  des  ersten  Strahls  derselben 
Länge  der  Brustflosse  vom  obern  Grunde 

zur  Spitze 

Länge    der    Bauchflosse    vom    untern 

Grunde  zur  Spitze 

Länge  der  Afterflosse  am  Grunde     .    . 

Länge  der  Schwanzflosse 

Gröfste  Entfernimg  der  Seitenlinien  von 

einander 


Platyrephahis 
sujtpositus. 

1  . ' 

«^  Jü 

•««i,  ^ 

1.        2. 

3. 

17,6 

17 

15,5 

12,5 

12 

2,6 



2,5 

2,25 

1,5 

10 

9,3 

9,3 

8 

6,5 

12 

10,5 

11 

8,5 

7,3 

12,3 

— 

11 

8 

7 

25 

23,5 

24 

18,5 

21 

12 

11 

10,5 

7,5 

7,5 

11,25 

9,5 

10,5 

7,3 

7 

17 

15 

15 

11,5 

11 

28,5 

27,5 

26,5 

21 

22 

15,5 

14,6 

14 

10 

8 

8 

7 

7 

6 

5,5 

\ 


2.    Scorpaena  gihhosa  Bloch. 

Nach  der  Beschreibung  von  Scorpaena  hiifo  in  Cuvier 
und  Valenciennes  Histoire  naturelle  des  poissons  tome  IV. 
p.  226.  sprechen  die  Verf.  die  Vermuthung  aus:  „es  wäre 
nicht  unmöglich,  dafs  die  Scorpaena  gibhosa  Bl.  (VA.  Syst. 
ed.  Schneider  p.  192.  pl.  44.)  zu  dieser  Art  gehöre,  und  nach 
einem  trockenen  Exemplare  gezeichnet  sei,  an  dem  die  Lap- 
pen (Jamheaux)  verschwunden  seien;  die  Figur  Aväre  jedoch 
dann  eine  ungenaue  in  Beziehung  auf  die  Vertheilung  der 
Farben  und  der  Dornen  am  Kopfe,  und  an  der  man  ganz 
vernachlässigt  hätte,  die  Gröfse  des  zweiten  Stachels  der  Af- 
terflosse anzudeuten." 

Die  Diagnose,  welche  Schneider  1.  c.  giebt,  ist  freilich 
nicht  ausführlich  genug,  um  einen  Unterschied  von  Sc.  hufo 
Cnv.  Val.  anzugeben,  denn  sie  pafst  auf  beide  Arten  recht 
gut.  Da  nun  auch  als  Vaterland  Amerika  augegeben  wird, 
so  war  es  natürlich,  dafs  die  berühmten  Verfasser  der  Hist. 
nat.  des  poissons  die  Abbildung  für  mangelhaft  hielten,  und 
die  Möglichkeit  einer  Identität  beider  Arten  aufstellten. 

Die  Abbildung  der  Bloch 'sehen  Art  (Taf.  44.)  ist  zwar 
nach  einer  Vergleichung  mit  dem  Originalexemplare,  das  sich 
im  hiesigen   Königl.  Zool.  Museo  befindet,    nicht  ganz  genau, 


indessen  doch,  namentlich  in  Beziehung  auf  die  Vertheilung 
der  Farben  vollkommen  kenntlich,  so  dafs  man  sie  mit  Recht 
nach  Abzug  einiger  Mängel  eine  für  den  damaligen  Standpunkt 
gute  Abbildung  nennen  kann. 

Da  sich  in  der  letzten  Sendung  von  Fischen  aus  dem 
pariser  Museum  eine  Scorpaena  hufo  Cuv.  J^cil.  befindet, 
so  habe  ich  eine  genaue  Vergleichung  beider  Arten  anstellen 
können. 

Das  hiesige  Museum  besitzt  aufser  dem  Bloch' sehen 
Exemplare,  zu  welchem  die  Amerikanische  Küste  als  Fund- 
ort angegeben  ist,  noch  ein  Exemplar  vom  Grafen  v.  Bork 
aus  unbekanntem  Vaterlande,  und  ein  Exemplar,  das  der 
Professor  M eye n  aus  China  mitgebracht  hat»  Alle  drei  stim- 
men bis  in's  kleinste,  bis  auf  Armatur  und  Zeichnung  so  gut 
überein,  dafs  es  keinem  Zweifel  unterliegt,  sie  gehören  der- 
selben Species  an.  Auffallend  wäre  es  nur,  dafs  der  Fund- 
ort ein  so  verschiedener  sein  sollte.  Da  jedoch  Bloch  wohl 
öfter  sich  in  diesem  Punkte  getäuscht  hat,  und  da  der  von 
Meyen  angegebene  keinem  Zweifel  unterliegt,  so  ist  es  wahr- 
scheinlich, dafs  alle  drei  aus  dem  Chinesischen  Meere  stam- 
men, was  schon  für  die  Verschiedenheit  von  Sc.  hufo  spricht. 
Eine  gründliche  Vergleichung  bestätigt  letztere  vollkommen, 
und  ich  hoffe  durch  folgende  vergleichende  Beschreibung  die 
Scorpaena  gibhosa  BL  der  Wissenschaft  als  Species  zu 
retten. 

Die  allgemeine  Körperform,  so  wie  die  grofsen  schon 
von  Schneider  in  Bloch's  Systeme  angegebenen  Furchen: 
eine  Querfurche  vor  den  Augen  und  eme  Längsfurche  zwischen 
denselben  stimmen  bei  beiden  Arten  überein,  doch  zeigt  sich 
schon  darin  ein  Unterschied,  dafs  die  Furche  zwischen  den 
Augen  von  der  Vertiefung  hinter  denselben  bei  Sc.  gibhos a 
nur  durch  eine  sehr  geringe  Querleiste  getrennt  ist,  wogegen 
bei  Sc.  hu/o  diese  Leiste  weit  bedeutender  hervortritt.  Der 
obere  Augenhöhlenrand  ist  bei  beiden  sehr  stark  hervortre- 
tend und  durch  kleine  Einschnitte  gleichsam  in  drei  Abthei- 
lungen getheilt,  die  jedoch  bei  Sc.  gihhosa  weit  deutlicher 
sind.  Bei  dieser  besteht  die  vordere  Abtheilung  aus  vier  mit 
einander  verwachsenen  Stacheln,  welche  vom  Rande  aus,  wo 
sie  als  starke  Crenulirnno-en  mit  ihren  Spitzen  frei  liervortre- 

18* 


276 

ten,  als  starke  Leisten  bis  zur  Basis  verlaufen;  die  mittlere 
trägt  auf  dem  Rande  vier  ziemlich  starke,  gleich  grofse  spitze 
Zähne;  die  hintere  ist  die  kleinste  und  am  Rande  crenulirt. 
Am  Innern  Grunde  dieser  Abtheilung  findet  sich  eine  Grube, 
hinter  welcher  sich  ein  starker  Zahn  erhebt,  zwischen  wel- 
chem und  dem  ihm  auf  der  andern  Seite  entsprechenden  die 
schwache  Erhebung  liegt,  welche  die  hintere  Vertiefung 
von  der  Furche  zwischen  den  Augen  trennt.  Die  diese  Ver- 
tiefung begrenzende  Leiste  setzt  sich  nach  hinten  in  einen  mit 
vier  starken  stumpfen  Höckern  gekrönten  Kamm  fort.  Bei 
Sc.  hufo  ist  die  vordere  Abtheilung  des  oberen  Augenhöhlen- 
randes der  von  Sc.  gibhosa  ähnlich,  doch  ist  die  Crenulirung 
am  Rande  weniger  deutlich;  die  mittlere  ist  sehr  lang,  besteht 
aus  einer  langen  glatten  Leiste,  die  nur  hinten  in  einen  klei- 
nen Zahn  ausläuft ;  die  hintere  wird  durch  einen  einzigen  sehr 
starken  Zahn  gebildet.  Die  Leiste,  welche  die  hinter  den 
Augen  gelegene  Vertiefung  begrenzt,  ist  schwächer  als  bei  Sc. 
gibhosa,  und  ihre  Fortsetzung  nach  hinten  trägt  nur  zwei 
von  einander  entfernte,  ziemlich  stumpfe  Zähne.  Die  übrige 
Armatur  des  Kopfes  stimmt  recht  gut  bei  beiden  Arten 
überein,  nur  könnte  man  wohl  noch  als  Unterschied  an- 
geben ,  dafs  der  Dorn  an  der  Nase  ( Fepine  nasale  Cuv. 
Val.)  verhältnifsmäfsig  bei  Sc.  gibhosa  viel  kleiner  ist,  wenn 
gleich  er  ebenfalls  crenulirt  erscheint.  Eine  Vergleichung  der 
Hautlapen,  welche  bei  Sc.  gibhosa  in  grofser  Menge  die  ver- 
schiedenen Theile  des  Körpers  bedecken,  kann  ich  nicht  an- 
stellen, da  sie  an  den  vorhandenen  Exemplaren  von  Sc.  gib- 
hosa zum  Theil,  an  dem  von  Sc.  hvfo  aber  fast  ganz  fehlen. 
Die  Färbung  der  beiden  Arten  stimmt,  soweit  sich  dies 
nach  Weingeist -Exemplaren  bestimmen  läfst,  in  sofern  über- 
ein, als  sich  auf  hellerem  Grunde  dunkle  braunschwarze  Bin- 
den und  Marmorirungen  finden.  Unterschiede  möchten  fol- 
gende sein.  Auf  der  Schwanzflosse  findet  sich  bei  Sc.  hufo 
eine  dunkele  Querbinde  am  Hinterrande,  eine  zweite  in  der 
Mitte,  und  die  Andeutung  einer  dritten  am  Grunde;  bei  Sc. 
gibhosa  finden  sich  nur  zwei  Binden  aber  breitere,  eine  am 
Hinterrande,  die  andere  am  Grunde  der  Schwanzflosse.  Die 
Bauchflossen  sind  bei  Sc.  gibhosa  weit  dunkler  gefärbt  und 
haben  nur  wenige  helle  Flecke,   besonders  nach  dem  Grunde 


277 

zu.  Die  Brustflossen  haben  auf  der  äufseren  Fläche  bei  Sc. 
hufo  drei  Querbinden,  Lei  Sc.  gihhosa  nur  zwei,  von  denen 
die  stärkere  fast  ganz  an  den  Rand  gedrängt  ist.  Als  Haupt- 
merkmal zwischen  beiden  Arten  mufs  man  aber,  da  es  bei  der 
Bestimmung  am  klarsten  in  die  Augen  fällt,  angeben,  dafs  bei 
Sc.  gihhosa  die  Achsel  der  Brustflossen  gelblich  ist,  mit 
dunkelbraunen  Flecken,  wogegen  sie  bei  Sc.  hiifo  dunkel- 
braun ist  mit  milchweifsen  Flecken. 

Was   die   Zahl  und    das  Verhältnifs    der   Flossenstrahlen 
anlangt,  so  finden  sich  auch  da  einige  Verschiedenheiten: 
Sc.  hitfo  D.  12  —  10.  A.  3.  5.  P.  20. 
Sc,  gihhosa  D.  12  —  10.  A.  3.  5.  P.  17.  vel  18. 

Die  Rückenflosse  hat  bei  beiden  Arten  12  Stachelstrah- 
len, von  denen  der  erste  nur  etwa  halb  so  lang  ist,  wie 
der  zweite.  Der  vierte  ist  der  längste  und  von  da  an  neh- 
men sie  etwas  an  Gröfse  ab.  Bei  Sc.  hufo  ist  der  zwölfte 
etwas  länger  als  der  vorhergehende,  bei  Sc.  gihhosa  aber  ist 
der  zwölfte  fast  noch  einmal  so  lang  wie  der  elfte.  Merk- 
würdig ist  es,  dafs  Schneider  sowohl  in  Bloch 's  Systema, 
wie  Cuvier  und  Valenciennes  die  Zahl  der  weichen 
Strahlen  der  Rückenflosse  auf  neun  angeben,  obgleich,  bei 
allen  vier  vorliegenden  Exemplaren  zehn  vorhanden  sind,  In 
der  Afterflosse  beider  Arten  finden  sich  drei  Stacheln,  von 
denen  in  beiden  der  erste  kaum  die  Hälfte  des  zweiten  an 
Länge  erreicht,  in  dem.  Verhältnifs  des  zweiten  und  dritten 
jedoch  liegt  ein  Unterschied.  Bei  Sc.  gihhosa  sind  beide  fast 
gleich  lang  und  gleich  stark,  bei  Sc.  hufo  dagegen  ist  der 
zweite  etwas  länger  und  übertrifft  den  dritten  bedeutend  an 
Stärke.  Cuvier  und  Valenciennes  thun  also  der  Bloch- 
schen  Abbildung  Unrecht,  wenn  sie  ihr  vorwerfen,  man  habe 
vernachläfsigt  die  Gröfse  des  zweiten  Stachels  der  Afterflosse 
anzudeuten.  In  den  Brustflossen  hat  das  vorliegende  Exem- 
plar von  Sc.  hvfo  zwanzig  Strahlen;  die  von  Sc,  gihhosa 
stimmen  nicht  ganz  überein;  es  finden  sich  nämlich  in  dem 
Exemplare  des  Grafen  v.  Bork  achtzehn,  in  denen  von  Bloch 
und  von  Meyen  dagegen  nur  siebenzehn. 

Jedenfalls  glaube  ich  durch  diese  genaue  Vergleichung 
aufser  Zweifel  gesetzt  zu  haben,  dafs  die  Bloch'sche  Sc, 
gihhosa  als    gute   von    Sc.  hufo    verschiedene  Species  aner- 


278 

kauiit  werden  müsse.  Man  kann  vielleicht  bei  ihrer  grofsen 
V^ervvandtschaft  sie  als  sich  ergänzende  Species  im  Indischen 
nnd  Amerikanischen  Meere  ansehen. 

3.    Mugil  cephalus  Bloch. 

In  Cuvier  und  Valenciennes  Hist.  nat.  XI.  p.  65. 
(^Octavausgabe)  findet  sich  folgende  Bemerkung:  „da  Bloch 
nicht  die  Species  unterschieden  hat,  so  ist  es  schwer  genau 
zu  sagen,  welche  sein  Mugil  cephalus  war,  seine  Figur 
scheint  dem  Mugil  capito  zu  gleichen,  aber  der  Suborbital- 
und  der  Maxillarknochen  sind  nicht  genau  genug  eingegeben, 
und  es  ist  nicht  möglich  gewesen,  sein  Original  zu  finden." 

Dafs  Bloch  unter  dem  Namen  JMugil  cephalus  mehrere 
Arten  verwechselt  hat,  ist  gar  keinem  Zweifel  unterworfen, 
wenn  man  seine  noch  vorhandenen  Exemplare  mit  einander 
vergleicht.  Es  sind  deren  fünf  getrocknete,  freilich  sehr 
schlecht  erhaltene,  und  drei  in  Weingeist  in  einem  Glase  vor- 
handen. Auf  seine  Beschreibung  passen  alle  Exemplare,  und 
es  möchte  sich  wohl  kaum  der  Mühe  verlohnen,  zu  bestim- 
men, welche  Art  der  von  ihm  Taf.  394.  abgebildete  Fisch 
vorsteilen  soll.  Dafs  diese  Abbildung  nicht  zu  den  genausten 
gehört,  geht  schon  daraus  hervor,  dafs  die  Strahlen  in  der 
ersten  Rückenflosse  gleiche  Zwischenräume  haben,  was  doch 
bei  keinem  einzigen  Mugil  der  Fall  ist,  im  Gegentheil  sind 
die  drei  vorderen  Strahlen  auffallend  genähert.  Uebrigens 
stimmt  doch  die  Abbildung  zu  einem  unserer  von  Bloch  her- 
rührenden getrockneten  Exemplare  so  gut,  dafs  ich  mit  Be- 
stimmtheit annehmen  zu  können  glaube,  dasselbe  habe  der 
Bloch' sehen  Abbildung  als  Originell  gedient.  Es  ist  das  am 
besten  erhaltene,  zugleich  das  gröfseste  und  gehört  offenbar 
der  von  Risso  aufgestellten  Art  Mugil  auratus  an,  wie  es 
auch  schon  Valenciennes  erkannt  liat,  der  offenbar  dies 
Exemplar  meint,  von  dem  er  I.  c.  p.  65.  angiebt,  Bloch  habe 
es  von  Lissabon  durch  den  Grafen  v.  Iloffmannsegg  erhal- 
ten. Drei  andere  trockene  Exemplare  und  die  Wcingoistcx- 
emplare  gehören  der  Art  M.  capilo  an,  und  das  noch  übrige 
trockene  Exenijilar  ist  ein  31.  salicfis  Risso.  Demnach 
verwechselte  Bloch  drei  Arten  unter  dem  Namen  M.  ce- 
phalus, während  er  den   echten    M.  cephalus,    den    er    von 


279 

der  Küste  von  Guinea  erhalten  hatte  (vergl.  Cuv.  Val.  Hist. 
nat.  d.  poiss.  p.  101.)  als  neue  Art  M.  tang  beschrieb  und 
abbildete.  Diese  Abbildung  ist  freilich  sehr  schlecht,  die  im 
Bloch  Systema  ed.  Schneider  gegebene  Abbildung  des  M. 
tang  ist  offenbar  nur  Copie  der  Bloch'schen  im  verjüngten 
Maafsstabe. 

4.     Cossyphus  Anchorago    {Sparus  Anchor ago 

Bloch.) 

In  dem  Artikel  Tautoga  fasciata  (Cuv.  et  Val.  Hist.  nat. 
des  poissons  XIII.  p.  307.)  finden  wir  folgende  Bemerkung 
von  Valenciennes:  J'avais  cru  que  Ton  devait  aussi  en  rap- 
procher  le  Sparus  anchorago  de  Bloch  pl.  177*);  mais 
j'avoue  que  ce  rapprochement  ne  me  parait  pas  possible;  en 
meme  temps  je  suis  oblige  de  dire  que  j'ignore  tout-a-fait  ä 
quelle  espece  il  faut  rapporter  cette  figure,  qui  est  peut-etre 
Celle  d'un  labre  ou  d'un  cossyphe. 

Dieser  Zweifel  würde  wohl  nicht  leicht  gehoben  werden 
können,  wenn  sich  nicht  das  Bloch' sehe  Original-Exemplar 
in  Weingeist  noch  im  hiesigen  Königl.  Zool.  Museo  befinde. 
Wenngleich  dasselbe  nicht  eben  schön  erhalten  ist,  indem  es 
mehrfach  genäht  und  geflickt  ist,  so  befindet  es  sich  doch  in 
einem  solchen  Zustande,  dafs  man  auf  den  ersten  Blick  er- 
kennt, dafs  es  der  in  Rede  stehenden  Abbildung  von  Bloch 
als  Original  gedient  habe.  Dieselbe  ist  im  Ganzen  recht  treu 
zu  nennen;  besonders  charakteristisch  ist  die  Gestalt  der  vor- 
deren grofsen  Zähne,  welche  Veranlassung  zu  dem  Namen 
gegeben  hat.  Die  Form  der  Schwanzflosse  weicht  in  sofern 
ab,  als  sie  abgerundet  erscheint,  wogegen  sie  auf  der  Tafel 
mondförmig  ausgeschnitten  dargestellt  ist;  das  mag  jedoch 
darin  liegen,  dafs  diese  Flosse  an  dem  Exemplare  stark  ver- 
stümmelt ist,  so  wie  denn  der  ganze  Schwanz  nur  noch  lose 
an  dem  Kürper  hängt,  und  mittelst  einiger  Zwirnfäden  ange- 
heftet ist;  sie  mag  wohl  im  completen  Zustande  der  abgebil- 
deten Form  entsprochen  haben.  Was  die  Farben  betrifft,  so 
sind  sie  fast  ganz  ausgebleicht,  indessen  bemerkt  man  doch 
noch  Spuren   von   den  breiten  dunkleren  (Juerbinden,   welche 


*)  Spams  anchorago  BL  steht  auf  der  276sten  Tafel, 


280 

auf  der  Abbildung  angegebeu  sind.  Von  den  Flecken  auf  der 
Rückenflosse  ist  kaum  noch  eine  Spur  vorhanden.  Die  Sei- 
tenlinie stimmt  gut  mit  der  Abbildung.  Aufserdem  spricht 
für  die  Richtigkeit  des  Exemplars  die  Etiquette,  welche  den 
Fisch  als  von  Bloch  herstammend  bezeichnet,  und  den 
Bloch'schen  Namen  Sparus  anchorago  enthält.  Uebrigens 
stimmt  die  Bloch'sche  Beschreibung  (Naturgeschichte  der 
ausländischen  Fische  V.  p.  108.)  vollkommen  mit  dem  Exem- 
plare. Als  Fundort  wird  das  Mittelmeer  angegeben,  ob  das 
seine  Richtigkeit  hat,  lasse  ich  dahingestellt. 

Nachdem  wir  uns  so  überzeugt  haben,  dafs  wir  es  mit 
dem  ächten  Bloch'schen  Exemplare  zu  thun  haben,  kommt 
es  nur  noch  darauf  an,  den  Fisch  zu  bestimmen.  Dafs  der- 
selbe der  Gattung  Cossyphus  angehört,  zeigt  auf  den  ersten 
Blick  die  Zahnbildung.  Hinter  den  sehr  starken  vordem  co- 
iiischen  Zähnen  finden  sich  in  mehreren  unregelmälsigen  Rei- 
hen die  der  Gattung  eigenthümlichen  kleinen  runden  körnigen 
Zähnchen,  welche  man  auch  in  der  Abbildung  ziemlich  deut- 
lich angegeben  findet.  Unter  den  Arten  des  Cuvier  u.  Va- 
lencienn  es 'sehen  Werkes  ist  aber  keine,  welcher  man  den 
Bloch'schen  Fisch  zuzählen  könnte.  Viele  Aehnlichkeit  hat 
er  zwar  mit  dem  Cossyphus  hodianus  Cuv.  Val.,  und  je- 
denfalls ist  er  mit  ihm  am  nächsten  verwandt,  indessen  un- 
terscheidet er  sich  doch  von  ihm  sehr  auffallend. 

Die  vorderen  Zähne  sind  sehr  stark  entwickelt.  Im  Ober- 
kiefer finden  sieh  ganz  vorn  zwei  von  etwa  drei  Linien  Länge  ; 
diese  sind  nach  unten  und  vorn  gerichtet  und  etwas  gekrümmt, 
hinter  ihnen  findet  sich  im  Abstände  von  etwa  einer  Linie 
jederseits  wiederum  ein  ähnlicher  Zahn,  der  jedoch  nur  etwas 
über  eine  Linie  lang  ist.  Zwischen  und  hinter  den  beiden 
gröfsereu  Zähnen  finden  sich  zwei  kleinere,  die  gleichsam  als 
die  ersten  von  den  hintern  körnigen  Zähnen  angesehen  wer- 
den können,  vor  denen  sie  sich  jedoch  durch  ihre  Gröfse  aus- 
zeichnen. Im  Unterkiefer  stehn  vorn  dicht  neben  einander 
vier  sehr  starke  conische  Zähne,  von  denen  die  äufsern  nach 
oben  und  aufsen  gekrümmt  sind.  Cossyphus  hodianus  da- 
gegen hat  in  jedem  Kiefer  vier  conische  Zähne,  von  denen 
jedesmal  die  inneren  die  kleineren  sind.  Der  Suborbitalkno- 
cheu  ist  bei   C.  anchorago  viel  breiter  und  länger,    so  dafs 


281 

die  Entfernung  des  Mundwinkels  vom  Auge  mehr  als  zwei- 
mal den  Durchmesser  des  Auges  beträgt,  wogegen  diese  Ent- 
fernung bei  C.  hodianus  den  E^rchmesser  des  Auges  nur 
wenig  übertriflft.  Während  bei  letzterem  die  Bauchflossen  ge- 
rade unter  den  Brustflossen,  und  fast  noch  ein  wenig  vor 
ihnen  entspringen,  und  nur  eben  bis  zum  After  hinreichen, 
so  nehmen  sie  bei  C.  anchorago  etwas  hinter  den  Brustflos- 
sen ihren  Anfang,  wie  es  Bloch  in  seiner  Beschreibung  ganz 
richtig  angiebt,  und  sie  ragen  dafür  nicht  nur  über  den  After, 
sondern  sogar  bis  über  den  Anfang  der  Afterflosse  hinaus. 
Die  Höhe  des  Körpers  ist  nur  dreimal  in  der  ganzen  Länge 
enthalten,  wogegen  dies  Verhältnifs  bei  C.  hodianus  wie  1:4 
ist.  Eine  detaillirte  Beschreibung  der  Flossenstrahlen  läfst 
sich  nach  dem  vorhandenen  Exemplare  nicht  füglich  machen; 
jedoch  kann  w^ohl  ohnehin  die  Art  als  hinreichend  charakteri- 
sirt  angesehen  werden.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dafs  die- 
ser Art  der  Bloch'sche  Name  erhalten  werden  mufs,  und 
ich  gebe  das  Thier  als  Cossyphus  anchorago  der  Wissen- 
schaft wieder. 


Diagnosen  der  neuen  Mäuse , 

welche  auf  Darwin 's   Reise  entdeckt  wurden. 

Beschrieben  von 

G.  R.  Waterhouse. 

(Schlufs.) 

Drei  der  Gattung  Mus  verwandte  Arten  zeigen  eine  ge- 
ringe Modification  nicht  nur  in  der  äufseren  Gestalt,  sondern 
auch  im  Zahnbau.  Ihr  Pelz  ist  weich,  seidenartig;  ihr  Kopf 
grofs,  die  Vorderfüfse  sehr  klein  und  zart;  Tarsus  mäfsig 
lang  und  unterhalb  kahl ;  Zahl  und  Proportion  der  Zehen  wie 
bei  den  wahren  Mäusen;  Schwanz  mäfsig  lang  und  dicker  be- 
haart als  bei   den  typischen  Ratten.     Ohren  grofs,    behaart. 


282 


Zwölf  Backenzähne  mit  Wurzeln;  die  Schmelzfalten  dringei». 
tiefer  in  den  Zahn  ein,  so  dafs  die  Kronen  in  quere  und 
etwas  rautenförmige  oder  dreieckige  Lappen  getheilt  werden. 
In  dem  vorderen  Backenzahne  bildet  der  Schmelz  2  Falten, 
sowohl  an  der  Aufsen-  wie  an  der  Innenseite;  am  zweiten  u, 
dritten  Zahne  im  Ober-  und  Unterkiefer  bildet  er  aufsen  wie 
innen  nur  eine  Feilte.  In  dem  vorderen  Backenzahne  des 
Unterkiefers  tritt  der  Schmelz  innen  mit  3,  aufsen  mit  2  Fal- 
ten ein.     Sie  bilden  die  Untergattung  Phyllotis.^^ 

31us  (P/iylJoiis)  Dnrwlnü.  M.  supra  pilis  cinnamomeis  et 
nigrescentibus  intermixtis;  ante  oculos  cinerascentibus;  genis  la- 
teribus  corporis,  et  cauda  prope  basin,  fulvo -cinnamomeis;  par- 
tlbiis  inferioribus  pedibusque  albis;  aurlbus  permagnis,  fere  nu- 
dis;  cauda  caput  corpusque  fere  aequante,  supra  fusco-nigricante, 
subtus  alba. 

unc.  lln. 
Longltudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin      6    0 
caudae 4    9 

-  -        ab  apice  rostri  ad  niarglnem  oculi       0     8^ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       14^ 

tarsi  dlgitorumque 1  1^- 

auris 0  llj 

Auris  latitudo 0  11| 

Hab.  Coquimbo. 

IMits  (PhylJoiis)  ocaniJiopygus.  M.  supra  palllde  brunneus 
flavo-lavatus,  ad  latcra  flavcsccns,  subtus  albus,  capite  grises- 
cente;  natibus  flavis;  pedlbus  albis;  auribus  uiajuscuh's  pilis  al- 
bis et  flavis  intermixtis  obsitls;  cauda  longltudlneni  corporis  fere 
aequante,  supra  nigricanle;  subtus  alba;  vellerc  longo  et  niolll; 
pilis  corporis  Omnibus  ad  basin  plumbeis ;  mystacibus  periongis 
albescentibus,  ad  basin  nigris. 

une.  lin. 
Longltudo  ab  apice  roslrl  usque  ad  caudae  basin      5    3 
caudae 3     10 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marglnem  oculi       0     6J 

ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...  13 

iarsi  dlgitorumque 1     1 

auris 0     7 

Auris  latitudo 0     G;J 

Hab.  Santa  Cruz. 

Mus  (Phyi/olis)  gr'iseo-flaviis.  M.  supra  griseus  flavo  -lava- 
tus,  ad  lalera  ilavus,  subtus  albus;  pedlbus  albis;  aurlbus  ma- 
gnis  cL  f(;re  nudls;  cauda  caput  corpusque  fere  aequante,  supra 
fusco-nigricante,  subtus  alba;  vellerc  longo,  molll;  pilis  basi 
plumbeis. 

*)  PJnjUotis  von  'bvli.uv  ein  ßlatt  und  Ovq  uiio?. 


283 

unc.  lin. 
Longltiido  ab  apice  rostri  iisque  ad  caiidae  basin      6    8 
caudae 5    6 

-  -       ab  apice  rostri  ad  marglnem  ocull       0     8 

-  -       ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       1     4-1 

tarsi  digitorumque 1  2^ 

auris 0  8j^ 

Latitudo  auris 0  8|^ 

Hab.  Rio  Negro. 

Reithrodon,^^    Nov.  Gen. 

Dentes  primores  -|,  inferloribus  acutis,  gracillbus,  et  antice 
laevibus;  superioribus  gracilibus,   antice  longitudlnaliter  sulcatls. 

Molares  utrinque  -f  radicati;  primo  maximo,  ultimo  minimo: 
primo  superlore  plicas  vitreas  duas  externe  et  interne  alterna- 
tlm  exhibente;  secundo  et  tertio,  plicas  duas  externe,  interne 
unam;  primo  inferiore  plicas  vitreas  tres  externe,  duas  interne; 
secundo,  plicas  duas  externe,  unam  interne;  tertio  unam  externe 
et  interne,  exhibentibus. 

Artus  inaequales:  antipedes  4-dactylI,  cum  polllce  exiguo 
unguiculato:  pedes  postici  S-dactyll,  digltls  externis  et  Internis 
brevissimls. 

Ungues  parvuli  et  debiles.     Tarsi  subtus  pllosl. 

Cauda  medlocris,  pills  brevibus  adpressis  instructa. 

Caput  magnum,  fronte  convexo:  oculls  magnis:  auribiis 
medlocribus. 

Pelz  sehr  lang,  welch,  aus  zweierlei  Haar.  Der  grofse 
Kopf  und  die  grolsen  Augen  geben  diesen  Thleren  eine  ent- 
fernte Aehnllchkeit  mit  kleinen  Kaninchen. 

Rehliroäoii  iypicus.  Relthr.  vellere  supra  puls  flavescentl- 
fuscls  et  nigrescentibus  intermixtls  composito;  reglone  circa 
oculos,  genis  laterlbusque  corporis  auratis,  pllls  pallide  fuscis 
intermixtls;  partIbus  inferloribus  auratis;  rhinarlo  ad  latera  fla- 
vescentl-albo ;  aurlbus  magnis,  intus  pllls  flavis,  extus  flavis  et 
fuscis,  indutls;  cauda  supra  pallide  fusca,  subtus  sordide  alba; 
pedibus  albls. 

unc.  lln. 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin       6    0 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marglnem  oculi       0     8^ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       1     4^- 

tarsi  digitorumque 1  2^ 

-^      -        auris 0  8^ 

Latitudo  auris 0  8^ 

Hab.  Maldonado. 

RehJiroäon  cun'iculoides.  Relthr.  supra  griseus,  flavo-lava- 
tus,  pllls  iilgris  Intermixtls;  abdomine  gulaque  pallide  flavis;  na- 
tlbus  albls;  pedibus  albls;  aurlbus  medlocribus,  intus  pilis  flavis, 


0  PeiOQog,  eine  Furche;  VSovg. 


284 

extus  pllls  palllde  flavis,  obsitis,  macula  nigrescenle  ad  margl- 
nem  anteriorem  posita;  pone  aures,  nota  magna  albescenti-flava; 
cauda  corpore  brcviore,  supra  palllde  fusca,  subtus  alba. 

unc.  lin. 
Longitiido  ab  apice  rostrl  iisque  ad  caudae  basin      6    5 

caudae 3     3y 

ab  apIce  rostrl  ad  marglnem  oculi       0     9^ 
-       -        ab  apice  roslrl  ad  basin  auris  ...       14 

tarsi  digitorumqiie 1     4^ 

auris 0    4 

Hab.  Sancta  Cruz. 

^hrocoma.*) 

Dentes  primores  ^  acut!,  eradlcatl,  antice  laeves:  molares 
iitrinque  \  subaequales,  Ulis  maxillae  superioris  in  areas  duas 
transversales  ob  plicas  vitreas  acute  Indentatas  divisis;  plicis 
utriusque  lateris  vix  aeque  profundis;  Ulis  mandibulae  inferioris 
in  tres  partes  divisis,  plicis  vitreis  bis  interne,  semel  externe 
indentatis,  area  prima  saglttae  euspidem  fmgente,  caeteris  acute 
triangularibus. 

Artus  subaequales. 

Antipedes  4-dactyli,  externo  brevisslmo,  intermediis  longls- 
slmis  et  fere  aequalibus. 

Pedes  posticl  5-dactyli;  digito  Interno  brevisslmo.  Ungues 
breves  et  debiles,  illo  digiti  secundi  lato  et  lamellari;  omnibus 
setls  rigidls  obtectis. 

Caput  medlocre,  auribus  magnis,  membranaceis ;  oculis  me- 
diocribus. 

Cauda  breviuscula. 

Vellus  perlongum,  et  moUe. 

Die  Gattg.  Ahiocoma  ist  einerseits  verwandt  mit  Octo- 
don,  Ctenomys  und  Poephagojnys;  andererseits  nähert  sie 
sich  den  Hasenmäusen.  Der  Zahnbau  weicht  von  beiden  be- 
trächtlich ab.  In  der  Fufsbildung  nähert  sie  sich  sehr  der 
Gattung  Octodon,  indem  bei  ihr  die  Sohlen  der  Vorder-  u. 
Hinterfiifse  haarlos,  und  mit  kleinen,  runden,  fleischigen  Höckern 
besetzt  sind,  auch  die  Unterseite  der  Zehen  ist  damit  bedeckt, 
was  bei  Ociodon  nicht  der  Fall  ist.  Pelz  äufserst  weich,  von 
zneierlei  Haar,  die  längeren  dünn  wie  Spinnewebe. 

Ahrocoma  Benncüü.  A.  corpore  supra  griseo,  ad  latera 
pallidiore  et  pallidc  cervino  lavalo,  subtus  albescenti-cervino; 
gula  albescenti-grisea;  pedibus  sordide  albis:  auribus  aniplls,  ad 
marginem  posticum  rcclis,  fere  nudis,  attamcn  extus  ad  bases 
vellere,  sicut  in  corpore,  obsitis:  cauda  corpore  brcviore,  ad 
basin  crassluscula,  pilis  brcvibus  Incumbentibus  vestita. 


*)  'AßQoq,  weich;  Ao^a;;,  Haar. 


285 

unc.  lln. 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caiidaebasJn      9    9 

caiidae 5    0 

ab  apice  rostri  ad  marglnem  oculi       0  11^ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  aiiris  ...       1  11 

tarsi  digitorumque 1     4 

aiiris 0  10 

Latitudo  auris 1    0^ 

Hab.  Chili. 

Ahrocoma  Cuvieri.  Ab.  siipra  grisea,  leviter  ochraceo  la- 
vata;  abdomine  gulaque  albescenti-griseis;  pedibus  sordide  albis; 
auribus  amplis,  ad  marginem  posticiim  distincte  emarginatis, 
fere  midis  attamen  extus  ad  bases  vellere,  sicut  in  corpore,  ob- 
sitis:  caiida  corpore  multo  breviore,  et  nigrescente. 

unc.  lin. 
Longitudo  ab  apice  rostri  usque  ad  caudae  basin      6    6 
caudae » 2  10 

-  -        ab  apice  rostri  ad  marginem  oculi      0     6^ 

-  -        ab  apice  rostri  ad  basin  auris  ...       14 

tarsi  digitorumque 1  1 

auris  .  .  , •  0  7 

Latitudo  auris 0  7^ 

Hab,  Valparaiso. 


Bemerkungen  zur  Naturgeschichte  des  Blutegels 

von 

Dr.   Barentin. 

Ihrem  Vorschlage  gemäfs  habe  ich  meinen  Blutegel  (H, 
medicinalis)  gemessen.  Er  war  aber  auf  keine  Weise  dahin 
zu  bringen,  seinen  ganzen  Körper  auf  einmal  zu  strecken, 
sondern  ein  Theil  desselben  blieb  immer  zusammengezogen. 
Dennoch  blieb  die  gröfste  wirklich  gemessene  Streckung  reich- 
lich zehn  Zoll,  der  man  ohne  Uebertreibung  recht  gut  2  bis 
3  Zoll  zulegen  darf,  um  die  ganze  Länge  bei  völliger  Aus- 
dehnung, wenn  dem  Thier  eine  solche  möglich  ist,  zu  erhal- 
ten. Ich  besitze  ihn  seit  Neujahr  1833,  also  fast  achtehalb 
Jahr,    und   in   dieser  Zeit  hat  er  5  mal  gesogen,    das  letzte- 


286 

mal  vorigen  Sommer.  Nie  ist  ihm  das  aufgesogene  Blut 
durch  irgend  ein  Mittel  genommen  worden,  er  gab  nach 
jedem  Saugen  etwas  Blut  wieder  von  sich,  hörte  aber  bald 
damit  auf.  Er  erhält  alle  14  Tage,  im  Winter  alle  4  Wochen 
einmal  frisches  Flufswasser,  und  steht  in  einem  Glase  an 
einem  wenig  hellen  Ort.  —  Zwanzig  andere,  die  ich  Mitte 
Maerz  dieses  Jahres  in  ein  Gks  setzte,  sind  mir  alle  gestor- 
ben, und  zwar  hauptsächlich  nachdem  ich  sie  in  ein  offenes 
Fenster  gesetzt  hatte,  und  ihnen  täglich  frisches  Wasser  gab, 
als  sie  zu  kränkeln  anfingen.  Vorher  standen  sie  dunkel 
lange  Zeit,  und  es  starben  nur  2,  obgleich  das  Wasser  oft 
blutig  und  sehr  übelriechend  war,  da  ich  ihnen  nur  2 mal 
M'öchentlich  frisches  Wasser  gab. 


287 


Ueber 
die  geograpliisclie  Verbreitung   der  Compositen 

von 

A.   P.  DeCandolle.*) 

Uebersetzt 

von 
Dr.  W,    G.    Walpers, 


(Mit  4  Tabellen.) 

ifdit  dem  Namen  Statistik  einer  Familie,  Klasse  oder  eines 
Naturreiches  bezeichne  ich  (analog  der  gewöhnlichen  Anwen- 
dung dieses  Wortes  in  den  politischen  Wissenschaften)  die 
Gesammtheit  der  Betrachtungen,  welche  aus  numerischen  Ver- 
hältnissen der  Arten  oder  Gattungen  abgeleitet  werden  können, 
sofern  jene  von  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus  betrachtet 
werden,  nehmlich: 

1,  in  Bezug  auf  das  Naturreich,    zu  welchem  die  Klasse 
oder  Familie  gehört; 

2,  in  Bezug  auf  die  Zeitabschnitte,    wo   sie  mehr  oder 
weniger  bekannt  war; 

3,  in  Bezug  auf  die  Anzahl  der  Arten  im  Verhältnifs  zu 
den  Gruppen  oder  Gattungen; 

4,  in  Bezug  auf  die  Dauer  und  den  Habitus  der  Arten; 


'^)  Statistique  de  la  famille  des  Composees  par  M.  A.  P.DeCan- 
dolle.  Avec  quatre  tableaiix;  Paris.  Treuttel  et  Würtz.  1838.  4.  — 
oder  Collection  de  Memoires  pour  servir  a  l'Histoire  du  regne  ve- 
?etal.    Dixieme  memoire.  — 


288 

5,  in  Bezug  auf  ihre  Vertheilung  in  den  verschiedenen 
botanischen  Regionen  des  Erdballs,  oder  in  den  geographi- 
schen Bezirken; 

6.  in  Bezug  auf  ihre  Vertheilung  nach  Standort,  nach 
Clima,  Höhe  etc. 

Man  könnte  diese  Betrachtungsweise  noch  mit  einigen  an- 
deren Gesichtspunkten  vermehren,  doch  scheinen  die  angeführ- 
ten diejenigen  zu  sein,  welche  mit  der  allgemeinen  Geschichte 
irgend  einer  Pflanzengruppe  innigst  zusammenhängen. 

Diesem  Studium  hat  man  bisweilen  den  Namen  botani- 
sche Arithmetik  gegeben,  doch  scheint  es  mir,  als  wenn 
dieses  Wort  nur  allein  für  die  numerischen  Verhältnifse  der 
Gattungen  und  Arten  passe,  das  Wort  Statistik  hingegen 
das  ganze  Studium  umfasse. 

Die  vier  beigefügten  Tabellen  enthalten  freilich  alle  we- 
sentlichen Thatsachen,  welche  zur  Statistik  der  Compositen 
gehören,  doch  ist  es  vielleicht  nicht  ohne  Nutzen,  dieselben 
in  etwas  w^eiterer  Form  zu  analysiren,  um  einige  auf  den 
ersten  Blick  schwer  begreifliche  Verhältnisse  und  einige  Ein- 
zelnheiten, die  mir  gar  nicht  ohne  Interesse  zu  sein  scheinen, 
aus  einander  zu  setzen. 

Da  ich  acht  Jahr  langwieriger  Arbeit  dem  Studium  die- 
ser Familie  gewidmet,  und  zur  Untersuchung  der  Arten  mir 
ungeheure  Hiilfsmittel  zu  Gebote  standen*),  so  glaube  ich 
hier  den  Hauptinhalt  meiner  Beobachtungen  über  ihre  statisti- 
schen Verhältnifse  darlegen  zu  müssen. 


*)  Aufser  den  Compositen,  welche  ich  bereits  in  meinem  Her- 
barium besafs,  erhielt  ich  bei  Gelgenheit  meiner  Arbeit  von  der 
Englisch  -  Ostindischen -Compagnie,  von  den  Herren  Wallich, 
Wight,  Royle  und  Blume  eine  grofse  Anzahl  von  Arten  aus  In- 
dien; von  der  Academie  der  Wissenschaften  zu  St.  Petersburg,  so 
•wie  von  den  Herren  Bunge,  Turczaninow,  Fischer  und  C.  A. 
Meyer  die  Compositen  von  Nordchina  und  Kufsland;  von  dem  Mu- 
seum der  Naturgeschichte  zu  Paris  die  Compositen,  welche  D  omb  ey 
im  mittäglichen  Amerika  gesammelt  hat,  so  wie  (geliehen)  diejeni- 
gen, welche  ihm  von  dem  Kaiserlichen  Museum  von  Brasilien  zuge- 
schickt worden  waren;  aus  dem  Prager  Museum  durch  Herrn  Graf 
von  Sternberg  die  auf  den  Philippinen  u.  in  Amerika  von  Hänke 
gesammelten  Arten;  von  der  Gartenbau -Gesellschaft  zu  London  die 
durch  Douglas  in  Californien  so  wie  die  auf  den  Sandwichsinseln 


289 


§.  1.     Ueber  die  Artenzahl   der  Compositen,  oder 
Anmerkungen  zu  der  Tabelle  I. 

Die   Compositen   bilden   eine    der    natürlichsten  Gruppen 
des  Pflanzenreiches,  aber  zu  Anfange  der  Wissenschaft  wurden 
sie  schlecht  aufgefalst.     C.  Bauhin  hat  die  548  Arten  welche 
er  von  dieser  Familie  kannte,    unter  fast  alle  Klassen   seiner 
Pinax  vertheilt.     Die  folgenden  Autoren  haben  diese  Zahl  sehr 
(Vermehrt,    und  die    Gruppirung   der   Compositen   besser   ver- 
standen.    Tournefort  führt  (wenn  man  die  Institutionen  mit 
dem  Corollarium  vereinigt)  zusammen  1077  Arten,  welche  in 
drei  recht  genauen  Klassen  vertheilt  sind,  an.     Da  die  Unter- 


gesammelten Arten;  vom  Indianischen  Bureau  die  am  Euphrat  vom 
Colonel  Chesney  gesammelten  Pflanzen;  von  den  Herren  Bertero, 
A,  Gay  und  Poeppig  die  Arten,  welche  sie  in  Chili  und  auf  Juan 
Fernandez  gesammelt  haben;  vom  Berliner  Königlichen  Herbarium 
mehrere  von  den  Herren  v.  Chamisso,  Lessing  und  v.  Schlech- 
ten dal  beschriebene  Arten;  von  den  Herren  Delessert,  Durand, 
Moricand  und  Lindley  erhielt  ich  die  Erlaubnifs  mehrere  seltene 
Arten  ihrer  Herbarien  zu  untersuchen  und  zu  beschreiben;  von  den 
Herren  Blanchet,  Gaudichaud,  von  Chamisso,  Silva  de 
Manzo,  Salzmann  und  Lund  die  aus  Brasilien;  von  Herrn  Ra- 
mondelaSagra  die  Compositen  von  Cuba;  von  den  Herren  Ala- 
man,  Berlandier,  Mendez  und  Mairet  die  von  Mexico,  von 
HerrnSchomburgk  die  vonGuiana;  von  den  Herren  Gre  en,  Tor- 
rey  und  Teintesuer  die  der  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika; 
von  den  Herren  Burchell,  Drege  und  Eckion  drei  prächtige 
Sammlungen  von  Compositen  von  dem  Vorgebirge  der  guten  Hoff- 
nung; von  HerrnBojer  werthvolle  Arten  aus  Madagascar  und  von  der 
Insel  Zanzibar;  von  den  Herren  Bory  und  Bouton  die  Compositen 
von  Isle  de  France;  von  den  Herren  A.  Cunningham,  Gaudi- 
chaud und  Sieb  er  die  von  Neu-Holland;  von  den  Herren  Webb, 
Berthelot  und  Courrand  die  von  den  Canarischen  Inseln;  von 
den  Herren  Schimper,  Aucher  —  E'loy,  Bove,  Acerbi  und 
Belanger  beträchtliche  Sammlungen  von  Compositen  aus  dem 
Orient;  von  Herren  Löwe  die  aus  Madeira;  von  den  Herren  Bois- 
sier.  Besser,  Gussone,  Durieu,  Thomas,  Margot,  Mo- 
retti,  Jan,  Graaf  und  Tenore  die  Compositen  von  Europa  u.  s.w. 
U.S.W.  Alle  diese  Botaniker  bitte  ich,  meinen  Dank  für  ihre  Mit- 
theilungen hiermit  entgegenzunehmen;  ich  bin  in  dem  Prodromus 
darauf  bedacht  gewesen,  sie  bei  jeder  Art  welche  ich  von  ihnen  er- 
halten habe,  anzuführen. 

Wiegln.    Archiv,     Vf.  Jahrg.     1.  band.  j^Q 


290 

scheiduug  der  Arten  von  den  Varietäten  in  diesem  Werke  oft 
schwierig  ist,  so  wird  man  das  Verhältnifs  der  Compositeii 
zur  Totalität  des  Gewächsreiches  leichter  erhalten,  wenn  man 
sich  mit  dem  numerischen  Verhältnifs  der  Seitenzahlen  be- 
gnügt; von  den  643  Seiten  seines  Werkes  hat  er  65  dieser 
Familie  gewidmet,  was  sich,  wie  man  sieht,  von  dem  zehn- 
ten Theile  sehr  wenig  entfernt. 

Linne    hat  in   seinen    verschiedenen   Werken  785  Com- 
positen  characterisirt,  und  da  seine  Schriften  fast  8000  Arten 
enthalten,    so  sieht  man,  dafs  die  Compositen  von  dem  zehn- 
Theile  der  zu  seiner  Zeit  bekannnten  Pflanzen  der  Zahl  nach 
sehr  wenig  abweichen. 

Sprengel  bietet  ein  ein  wenig  geringeres  Verhältnifs  dar, 
von  3786  Seiten,  welche  sein  Werk  bilden,  hat  er  nur  330 
den  Compositen  gewidmet;  allein  man  mufs  bedenken,  dafs 
bei  den  zahllosen  Auslassungen  und  Ungenauigkeiten,  welche 
sein  Werk  enthält,  diese  Familie  durch  Weglassung  fast  aller  von 
Cassini  beschriebenen  Compositen  besonders  unvollständig  ist. 

Ich  finde  durch  sehr  genaue  Berechnungen,  dafs  in  dem 
Zeitpunkte  des  Jahres  1830,  wo  ich  begann,  mich  mit  den 
Compositen  zu  beschäftigen,  mit  Hinzufügung  aller  derjenigen 
Arten,  welche  während  der  Dauer  meiner  Arbeit  publicirt  wur- 
den, man  gerade  5247  Arten  kannte,  ferner  war  die  Zahl 
der  Arten  des  gesammten  Gewächsreiches,  wie  sie  sich  nach 
Steudels  Catalog  vom  Jahre  1821  ergiobt,  50,534,  die  An- 
nahme von  einem  Zehntheil  Compositen  ist  somit  von  dieser 
Zahl  wenig  abweichend. 

Seitdem  eine  mehrjährige  Arbeit  mir  Gelegenheit  gab, 
eine  grofse  Zahl  noch  unpublicirter  Arten  verschiedener  Bo-  < 
taniker  aufzunehmen,  und  die  Mehrzahl  der  grofsen  Europäi- 
schen Herbarien  zu  studiren,  habe  icli  3174  Arten  zu  den 
bekannten  hinzugefügt.  Wenn  man  zu  dieser  Zahl  noch  559 
zweifelhafte  oder  nur  unvollständig  bekannte  Arten  hinzu- 
fügt, so  kommt  man  zu  der  Einsicht^  dafs  die  gegenwärtige' 
Totalsumme    8523    sei.*)      Wenn    das    Verhältnifs    sich    seit 


*)    Die  Totalsumme  wäre  nach  den  hier  gesjebenen  Berechnungen 
nicht  8523,  sondern  8980.    Wahrscheinlirh  sind  die  zweifelhaften  Arten 


291 

Toiirnefort  gleich  geblieben  ist,  so  könnte  man  daraus  ab- 
nehmen, dafs  man  in  den  Büchern  oder  Europäischen  Samm- 
lungen 85000  mehr  oder  weniger  bekannte  Pflanzenarten  ha- 
ben müsse.     Ich  glaube,  dafs  diese  Zahl  sich   von  der   Wahr- 
heit nicht   weit  entferne.      Zweifelsohne    übersteigt    die   Zahl 
der  beschriebenen  Corapositen  gegenwärtig  ein   Zehntheil   des 
Pflanzenreiches,   welches   man   nicht  über  75000  —  78000  Ar- 
ten schätzen  kann;    wenn  aber  alle  Familien  mit  dem  in  den 
Sammlungen  vorhandenem  Materiale  augenblicklich  einer  mo- 
nographischen Bearbeitung  wie  dio,    welche  über  die  Compo- 
siten   beendet  worden  ist,    unterworfen  würden,    dann  glaube 
ich,  würde  ich  keinen  merklichen  Irrthum  begehen,  wenn  ich 
annehme,  dafs  die  Gesammtheit  des  Pflanzenreiches  aus  85000 
Arten   bestehe.     Ich    beharre  somit  in  meinem  Glauben,    dafs 
heute,  wie  vor  anderthalb  Jahrhunderten  die  Compositen   fast 
den  zehnten  Theil  der  bekannten  Pflanzen  ausmachen.     Diese 
Stetigkeit    der   Verhältnisse    kommt,    wie    wir    später   sehen 
I  werden,  daher,  dafs  die  Compositen  in  der  ganzen  Welt  ver- 
'  theilt   sind,    so,   dafs   die   Untersuchung   irgend  eines  Landes 
diese  Verhältnifse  nur  wenig  abzuändern  im  Stande  ist.     Des- 
halb bietet  diese  Familie    ein    gutes'  Criterium   dar,    um  das 
ganze  Gewächsreich  zu  beurtheilen. 

§.  2.  Die  Zahl  der  Arten  in  Vergleich  mit  der  Zahl 
der  Gattungen,  oder  Anmerkungen  zu  der  Tab.  II. 
Das  Verhältnifs  der  Arten  zu  den  Gattungen,  oder,  wenn 
man  lieber  will,  die  mittlere  Artenzahl  einer  jeden  Gattung  ist 
ivon  derjenigen,  welche  sich  bei  einer  Betrachtung  des  gesamm- 
ten  Pflanzenreiches  ergiebt,  nicht  sehr  verschieden.  C.  Bau- 
hin führt  von  56  Gattungen  der  Compositen  548  Arten  auf, 
Imithin  je  zehn  Arten  für  eine  Gattung,  Linne  in  86  Gat- 
tungen 785  Arten,  was  im  Mittel  für  die  Gattung  9  Arten 
Zu  der  Zeit  kurz  vor  meiner  Arbeit  rechnete  man  blos  8 
Arten  für  eine  Gattung,  und  kaum  7,  wenn  man  alle  von 
Cassini    aufgestellte    Gattungen   angenommen    hätte.      Diese 

zweifach  aufgeführt  worden  und  nur  die  unvollständig  beschriebenen 
jenen  beiden  Hauptsummen  hinzuzufügen ,  um  zu  jenem  Resultate  zu 
gelangen.  -yy^ 

19* 


292 

Zahl  kam  daher,  dafs  dieser  Monograph  fast  einzig  darum  be- 
müht war,  neue  Gattungen  zu  beschreiben,  und  aus  diesem  Grunde 
ihre  Zahl  zu  sehr  vermehrt  hatte.  Seitdem  die  vollständige 
Bearbeitung  zu  dem  Studium  der  in  den  Sammlungen  zu  un- 
geheurer Zahl  aufgehäuften  Arten  antrieb,  und  vermittelst  der 
3174  Arten,  mit  welchen  die  Familie  bereichert  wurde,  ist 
das  Verhältnifs  derselben  wieder  auf  das  Verhältnifs  der  Fa- 
milie zum  ganzen  Gewächsreiche  zurückgekommen,  nelmdich 
im  Durchschnitt  10  Arten  für  die  Gattung.  Dieses  beweis!^ 
dafs  obgleich  ich  229  neue  Compositengattungen  aufzustellen 
genöthigt  war,  die  Anzahl  der  Gattungen  sich  im  Verhältnifs 
zu  den  Arten  verringert  hat. 

Es  giebt  keine  phanerogamische  Familie,  in  welcher  man 
mehr  Verschiedenheit  in  der  Artenzahl  der  verschiedenen 
Gattungen  antrifft.  Denn  wenn  man  auf  der  einen  Seite  363 
Gattungen  bemerkt,  welche  nur  aus  einer  Art  bestehen,  so 
sieht  man  auf  der  anderen  Seite,  gleichsam  zur  Compensi- 
rung  einige  ungeheuer  umfangsreiche  Gattungen,  wie  sie  sich 
sonst  bei  den  phanerogamischen  Pflanzen  nicht  wieder  vorfinden, 
und  was  vielleicht  am  bemerkenswerthesten  sein  mag,  es  besitzt 
eine  jede  Tribus  oder  Subtribus  der  Familie  eine  von  jenen 
grofsen  Gattungen,  welche  gleichsam  das  Centrum  oder  der 
Typus  für  dieselbe  zu  sein  scheint.  So  bemerkt  man  bei  den 
Vernoniaceen  die  Gattung  T^emonia ,  welche  295  Arten  be- 
sitzt, und  allein  mehr  als  die  Hälfte  der  Tribus  ausmacht; 
bei  den  Eupatorieen  die  Gattung  Eupatoriuiriy  welche  aus  i 
303  Arten  besteht,  und  fast  die  Hälfte  der  Tribus  bildet. 
Unter  den  Asteroideen  besitzt  eine  jede  Subtribus  eine  be- 
trächtliche Gattung.  Die  Gattung  ^ster  bei  den  Asteroideen 
besteht  noch,  trotz  der  zahlreichen,  und  vielleicht  übertriebe- 
nen Abscheidungen  aus  153  Arten.  Unter  den  Conyzeen  be- 
sitzt die  Gattung  Conyza  104  Arten,  und  von  den  Tarcho- 
nantheen  zählt  die  von  mir  zu  Ehren  des  berühmten  Verfas- 
sers der  Flora  von  Java  aufgestellte  Gattung  Bhimra  bereits 
97  Arten.  In  der  Gruppe  der  Senecionideen  bemerken  wir 
die  Gattung  Artemisia  mit  186  Arten,  Ilelychrysumnni^iö^ 
und  SeneciOy  welche  die  ungeheure  Zahl  von  600  Arten  er- 
reicht.     Bei    den    Cynareen  Cenfaurea ,    welche    248    Arten 


293 

zählt.      Unter  den  Cichoraceen  kann  man  Hieracium  mit   160 
Arten  aufführen.      Was   die   Mutisiaceen    und    Nassauviaceen 
anlangt,   so  sind  diese  ausländische,   seit  kurzer  Zeit  erst  be- 
kannte  Gruppen,   wo   die   den  Arten  nach  wenig  zahlreichen 
Gattungen  vielleicht  sehr  vervielfältigt  hätten  werden  können. 
Die    so    eben    angeführten   Gattungen    bilden   allein    den 
dritten   Theil  der  ganzen  Familie.      Diese  Ungleichheit  findet 
sich  bei  der  Vergleichung   der  Tribus     unter   einander    (Vgl. 
Tab.  I.)  wieder,    und   giebt  eine  Idee  von    dem    numerischen 
Mifsverhältnifse   der   Gruppen.      Dasselbe    Mifsverhältnifs    be- 
merkt man  auch  zwischen  den  Familien  und  im  Allgemeinen 
auch  im   ganzen   natürlichen  Systeme.     Bei   dem   natürlichen 
Systeme    sind  die  Autoren   bemüht   gewesen,    die    Abschnitte 
von    fast    gleichem  Umfange   zu    machen   und    dieses    ist  ein 
Grund,  welcher  aus   dem   Verlangen  nach   einfacher  Bequem- 
lichkeit entsprungen  ist,  dieselben  sehr  häufig  von  der  Wahr- 
heit entfernt  hat. 


§.  3.     Ueber  die  Zahl  der  Compositen  in  Vergleich 
mit  der  Dauer  und  der  Tracht  der  Arten,   oder  An- 
merkungen  zu   der  Tabelle  III. 

Die  dritte  Tabelle  zeigt  die  numerischen  VerhäUnisse 
der  Compositen  und  einer  jeder  ihrer  Tribus:  ob  sie  einjäh- 
rig, zweijährig  oder  perennirend,  Sträucher,  kleine  Bäume, 
grofse  Bäume,  windend  oder  in  dieser  Beziehung  noch  nicht 
hinlänglich  bekannt  sind.  Wenn  man  diese  Zahlen  auf  eine 
allgemeine  Art  und  Weise  anordnet,  so  findet  man,  dafs  der 
fünfte  Theil  der  Compositen  monocarpisch  ist,  welche  nur  ein 
jMal  Saamen  tragen,  ein  Drittheil  ist  rhizocarpisch,  welche  aus 
demselben  Wurzelstocke  einjährige  Stengel  treiben;  die  Hälfte 
ist  caulocarpisch,  d.  h.  trägt  an  demselben  Stengel  mehrere 
Male  Saamen,  und  ein  Achttheil  ist  nicht  genau  bekannt. 
Doch  würden  diese  Zahlen  ohne  weitere  Erklärung  eine  fal- 
sche Idee  geben. 

!        Die   zweijährigen   Compositen  können  sich  mit  den  ein- 
jährigen und  perennirenden  leicht  vermengen.     Wirklich   be 
ginnen  viele  unter  ihnen,  wie  man  weifs,   zumal  in  den  war- 


294 

nieii  Ländern,  ihr  Leben  im  Herbste  und  setzen  es  im  folgen- 
den Jahre  fort;  doch  giebt  man  eigentlich  nur  denjenigen  den 
Namen  zweijährige  Gewächse,  bei  welchen  man  im  Winter 
eine  Stockung  der  Lebensthätigkeit  beobachtet,  so  dafs  sie 
wirklich  zwei  verschiedene  Vegetationsepochen  besitzen.  Die 
Unterscheidung  zweijähriger  und  perennirender  Pflanzen,  welche 
an  der  lebenden  Pflanze  leicht  ist,  ist  nach  dem  Trockenen 
dagegen  oft  sehr  schwer,  und  diese  Ungewifsheit  hat  die  Zahl 
der  zweifelhaften  auf  dieser  Tabelle  sehr  vermehrt.  Ich  habe 
unter  den  zweijährigen  und  perennirenden  nur  diejenigen  auf- 
geführt, deren  Dauer  gewifs  ist  oder  zu  sein  scheint.  Endlich 
merkt  man,  dafs  die  zweijährigen  Compositen  in  den  in  Eu- 
ropa gemeinsten  beideu  Gruppen  der  Cynareen  und  Cichora- 
ceen  am  häufigsten  sind.  Dieses  kommt  daher,  dafs  die  zwei- 
jährigen Gewächse  weder  in  den  sehr  warmen,  noch  in  den 
sehr  kalten  Ländern  vorkommen,  weil  in  den  ersteren  die 
Gleichheit  der  Temperatur  die  winterliche  Vegetationsruhe 
aufzuheben  strebt,  und  weil  in  letzteren  die  Pflanzen  im  All- 
gemeinen zu  empfindlich  sind,  um  der  Kälte  widerstehen  zu 
können.  Aus  diesem  Grunde  sind  die  zweijährigen  so  wie 
die  einjährigen  Pflanzen  im  Allgemeinen  den  gemäfsigten  Cli- 
maten  eigen. 

Die  Unterscheidung  perennirender  Pflanzen  und  Sträucher 
ist  häufig  ungenau  in  der  Anwendung,  denn  fast  immer,  und 
wahrscheinlich  immer,  ereignet  es  sich,  dafs  ein  Theil  des 
Stengels  über  dem  Wurzelstocke  stehen  bleibt  und  im  Früh» 
jähre  neue  Zweige  treibt,  so  dafs  es  oft  unmöglich  ist,  zu  ent- 
scheiden, zu  welcher  Klasse  eine  gewisse  Art  gehöre;  man 
begnügt  sich  in  dieser  Beziehung  mit  einer  ein  wenig  ober- 
flächlichen Anwendung,  welche  jedoch  geübte  Augen  selten 
täuscht.  Wollte  man  die  mehrjährigen  und  die  verholzenden 
Compositen  vereinigen,  so  würde  man  sehen,  dafs  diese  bei' 
den  Klassen  in  Verbindung  mit  den  einjährigen  Gewächsen 
fast  sieben  Achttheil  der  Familie  ausmachen  würden,  und 
dafs  gerade  diese  Klassen  es  sind,  welche  die  Strenge 
des  Winters  am  Besten  ertragen,  welches  Verhältnifs  es  er- 
klärlich macht,  weshalb  die  Compositen  in  den  gemäfsigten 
und  nördlichen  Ländern  so  häufig  sind,  und  warum  sie  zu  der 


295 

Zahl  derjenigen  Pflanzen  gehören,  welche  in  unserem  Clima 
sich  am  Besten  in  freiem  Lande  cultiviren  lassen. 

Die  baumartigen  Compositen  verdienen  eine  besondere 
Erwähnung,  vorzüglich  in  Bezug  auf  ihr  Vaterland.  Schon 
früher  habe  ich  beobachtet  (art.  geogr.  bot.  des  Dict.  Sc.  nat.), 
dafs  die  holzigen  Pflanzen  auf  den  von  den  Continenten  ent- 
fernten Inseln  auöallend  häufiger  seien,  als  die  krautartigen 
Gewächse.  Diese  Beobachtung  findet  bei  den  Compositen 
eine  merkwürdige  Bestätigung. 

Man  kennt  in  dieser  Familie  nur  vier  Bäume,  deren  ge- 
wöhnliche Höhe  mehr  als  20  Fufs  beträgt,  nehmlich  Vernonia 
celehica  und  /^.  Blumeana,  Syncho elend ron  lamiflorum 
welches  50  —  60  Fufs  hoch  wird,  und  Melanodendron  inte- 
grifolium,  dessen  Höhe  nicht  angegeben  ist,  dessen  Stamm 
jedoch  einen  Umfang  von  5  —  6  Fufs  erreicht.  Es  wachsen 
aber  diese  vier  aufsergewöhnlichen  Arten  auf  den  Inseln  Java, 
Madagaskar  und  St.  Helena. 

Von  den  weniger  dicken  Bäumen,  deren  Höhe  ungefähr 
20  Fufs  beträgt,  findet  man  die  Arten  von  Brachyglottis  auf 
Neu- Seeland,  Microglossa  altissima  auf  Madagaskar,  die 
fünf  Arten  von  Commidendron,  Petrobium  und  die  Laclia- 
nodien  sind  von  St.  Helena  bekannt,  die  4  Rohinsonia  -  Arten 
so  wie  die  7  Arten  von  Rea  wachsen  auf  der  Insel  Juan 
Fernandez,  die  4  Arten  von  Raillarda  auf  den  Sandwichsin- 
seln, und  selbst  wenn  man  zu  den  Sträuchern  heruntergeht, 
so  wachsen  die  holzigen  Arten  von  SoncJius  auf  den  Canari- 
schen  Inseln  und  auf  Madeira,  die  holzigen  Tolpis  -  Arien  auf 
Madeira,  Carlomzia  auf  Madeira  und  Teneriffa  u.  s.  w. 

Wenn  man  nach  dieser  Tabelle  die  Zahl  der  Composi- 
ten, welche  auf  entlegenen  Inseln  wachsen,  zusammenzählt 
und  sie  mit  der  Zahl  der  Bäume  vergleicht,  so  gelangt  mau 
zu  dem  merkwürdigen  Resultate,  dafs  in  Vergleich  mit  der 
ganzen  Familie  die  Bäume  nur  yj^  ausmachen,  und  dafs  die- 
selben, sofern  es  sich  um  entlegene  Inseln  handelt,  y^  betra- 
gen, oder  mit  anderen  Worten,  dafs  es  auf  den  Inseln  10  Mal 
mehr  baumartige  Compositen  gebe,  als  auf  den  Continenteii. 
Die  windenden  Compositen,  deren  es  im  Ganzen  126  giebt, 
sind   den   warmen  Ländern  eigen.     Man  findet  von  denselben 


296 

keine  einzige  Art  aus  den  in  den  gemafsigten  Climaten  am 
Meisten  verbreiteten  Gruppen,  den  Cichoraceen  und  Cyna- 
reen,  und  selbst  in  den  Gruppen,  wo  sie  sich  finden,  ist 
dieses  nur  unter  den  Arten  der  warmen  Länder  der  Fall; 
fast  alle  wachsen  in  Hainen  oder  Gebüschen  und  entwickeln 
sich  in  Folge  jener  üppigen  Vegetation  der  Tropengegenden. 
Ich  sage  nichts  darüber,  ob  sich  die  windenden  Compositen 
von  der  Linken  zur  Rechten,  oder  von  der  Rechten  zur  Lin- 
ken winden,  weil  ich  in  den  Schriften  derjenigen,  welche  die- 
selben lebend  beobachtet  haben,  hierüber  nichts  Genaues  aufge- 
zeichnet finde. 

§,  4.     Ueber  die  geographische  Verbreitung  der 
Compositen,  oder  Anmerkungen  zu  der  Tabelle  IV. 

Die  Vertheilung  der  wildwachsenden  Pflanzen  auf  der 
Erdoberfläche  ist  ein  Studium,  welches  mit  den  höchsten 
Wahrheiten  der  Cosmogonie  innig  verknüpft  ist  und  ein  ho- 
hes  Interesse  verdient;  in  den  letzteren  Zeiten  hat  man  über 
diesen  Gegenstand  vielfache  Untersuchungen  angestellt,  doch 
diese  Untersuchungen  sind  offenbar  von  der  Zahl  der  be- 
kannten Pflanzen  und  von  den  Prinzipien,  nach  welchen 
man  dieselben  anordnen  zu  müssen  glaubt,  abhängig.  In 
der  ersteren  Beziehung  ist  es  offenbar,  dafs  man  so  lange, 
bis  man  glauben  kann,  alle  oder  fast  alle  Pflanzen  des  Erd- 
balls eingesammelt  zu  haben,  in  einer  Art  von  Unsicherheit 
befangen  sein  wird,  allein  dieser  Irrthum  kommt  meistentheils 
daher,  w^eil  die  Principien  für  die  Anordnung  festgestellter 
Thatsachen  noch  nicht  gut  begründet  sind.  Durch  Einzelfälle 
gelangt  man  zu  jenem  Grundgesetze  der  botanischen  Geogra- 
phie, wie  ich  schon  früher  die  Gesetze  für  die  Vertheilung 
der  Pflanzen  Frankreichs  anzuzeigen  versuchte  und  was  ich 
jetzt  durch  ein  umgekehrtes  Beispiel  versuche,  nehmlich  die 
Vertheilung  der  Compositen-Arten  über  den  Erdball  auseinan- 
derzusetzen. 

Diese  Familie  bietet  eine  dreifache  Merkwürdigkeit  dar, 
nehmlich:  1.  dafs  sie  die  natürlichste  des  gesammten  Gewächs- 
reiches  ist,  so  dafs  fast  noch  nie  Zweifel  über  die  zu  ihr  ge- 
hörigen Pflanzen  obgewaltet  hat;    2,   dafs   sie   die  zahlreichste 


297 

des  Gewächsreiches  ist,  dessen  zehnten  Theil  sie  ausmacht; 
3  dafs  sie  diejenige  ist,  welche  sich  in  der  bei  Weitem  gröfs- 
ten  Anzahl  von  Regionen  vorfindet.  In  solcher  Beziehung 
kann  sie  unter  den  Phanerogamen  nur  mit  den  Gramineen 
verglichen  werden,  und  wenn  man  die  Einzelnheiten  in  der  Ver- 
theilung  der  Gramineen  so  kennte,  wie  bei  den  Compositen, 
so  könnte  man  vermittelst  dieser  beiden  ungeheuren  Familien 
recht  gut  allgemeine  Sätze  für  das  gesammte  Gewächsreich 
entwerfen.  Hier  beschränke  ich  mich  lediglich  auf  die  Com- 
positen. 

Auf  der  vierten  Tabelle  habe  ich  die  Verbreitung  der 
Compositen  in  40  Regionen  angezeigt.  Diese  Regionen  sind 
nicht  willkührlich  angenommen  worden,  sondern  ich  habe  als 
solche  nur  Länder  von  mehr  oder  minder  natürlicher  Ungrän- 
zung  angenommen,  von  welchen  ich  sah,  dafs  eine  grofse 
Anzahl  verwandter  Arten  in  denselben  vorkomme.  Um  nun 
von  der  zu  dieser  Untersuchung  gewählten  Familie  zu  spre- 
chen, so  folgt  aus  den  Zahlen  jener  Tafel,  dafs  von  den  8523 
bekannten  Arten  nur  562  in  mehr,  als  einer  Region  gefunden 
worden  sind.  Selbst  diese  Zahl  ist  noch  übertrieben,  denn: 
1,  ist  dieselbe  Art  bisweilen  in  3,  4,  5  und  mehr  Regionen 
vorhanden,  wie  dieses  mit  Gnciphaliiim  luteo-albinn  der 
Fall  ist;  und  2,  war  ich  verbunden  die  von  verschiedenen 
Schriftstellern  als  verschiedenen  Regionen  gemeinsam  aufge- 
führten Arten  anzunehmen,  deren  Identität  hierdurch  noch 
nichts  weniger,  als  bewiesen  ist.  Man  kann  also  ohne  in 
einen  Irrthum  zu  verfallen,  diese  Zahl  auf  500  vermindern, 
und  somit  annehmen,  dafs  höchstens  yy  ^^^  Compositen  sich 
in  mehreren  Regionen  finde,  oder  mit  anderen  Worten,  dafs 
im  Durchschnitt  y-f-  der  für  eine  jede  Region  angeführten  Ar- 
ten endemische  seien,  oder  sich  nicht  anderswo  vorfinden. 

Es  giebt  in  dieser  Beziehung  sehr  markirte  Abweichun- 
gen von  einander. 

Wenn  diese  Regionen  durch  grofse  Meere  oder  Wüsten, 
welche  die  Vegetation  nicht  überspringen  kann,  oder  von 
bedeutenden  Ungleichheiten  der  Temperatur  begränzt  werden, 
so  gehen  die  Pflanzen  der  einen  Region  nur  schwierig  in  eine 
andere   hinüber.     So  besitzen   ins  Besondere  entfernte  Inseln 


298 

iinr  wenige  mit  anderen  Ländern  gemeinsame  Arten,    aulser 
etwa  einigen  Strandpflanzen. 

In  den  Continentalregionen  können  einestheils  die  Pflan- 
zen viel  leichter  vor  einem  Lande  in  das  andere  gelangen,  so 
dafs  der  Verbreitungsbezirk  der  Arten  sehr  ausgedehnt  ist, 
und  sich  über  zwei  oder  mehrere  Regionen  erstreckt;  andern- 
theils  mufs  man  viel  gröfsere  Regionen  annehmen,  weil  die 
bisherigen  Beweise  nicht  genau  genug  sind,  um  engere  Ein- 
theilungen  annehmen  zu  können.  So  habe  icli  das  ganze 
tropische  Afrika  als  eine  einzige  Region  angenommen,  eine 
Fläche  von  mehs  als  350000  □  lieues.  Diese  Region  wird 
sicherlich  in  mehrere  getheilt  werden,  doch  ist  sie  bis  jetzt 
fast  unbekannt,  vorzüglich,  was  die  Compositen  anlangt;  der 
etwa  begangene  Irrthum  ist  sehr  gering,  weil  man  nur  62 
Arten  dieser  Familie  von  dorther  kennt.  Dasselbe  könnte 
man  ebenfalls,  obwohl  in  geringerem  Maafse  auf  Brasilien, 
China  und  die  benachbarten  Lander,  vorzüglich  aber  auf  Cen- 
tral-Asien  anwenden,  welches  ich  in  der  Tafel  kaum  erwälnit 
habe,  weil  ich  keine  Compositen  von  dort  anführen  konnte. 
Wenn  man  ferner  die  500  Compositen,  welche  in  2  oder  meh- 
reren Regionen  gefunden  worden  sind,  betrachtet,  so  bemerkt 
man,  dafs  sie  sich  fast  alle  entweder  in  unmittelbar  an  ein- 
ander gränzenden  Ländern  finden,  wie  in  Europa  und  im 
Oriente,  im  Oriente  und  in  Sibirien,  oder  in  Regionen,  welche 
theils  durch  unterbrochene  und  unregelmäfsige  Meeresarme 
von  einander  getrennt  werden,  wie  Sibirien  und  Nord-Amerika, 
theils  durch  Meere  unterbrochen  werden,  welche  vielleicht 
späteren  Ursprunges  sind,  als  die  Vegetation,  wie  das  mittäg- 
liche Europa  und  die  Barbarei,  theils  durch  die  Menschen 
dahin  gebracht  zu  sein  scheinen,  entweder  mit  oder  ohne 
deren  Willen,  wie  man  es  von  Erigeron  Canadense,  Xan- 
tliium  macrocarpinn  und  Bidens  leucaniJia  weifs,  welche 
in  den  alten  Floren  derjenigen  Länder  von  Europa,  wo  sie 
gegenwärtig  in  grofser  Menge  wachsen,  nicht  aufgeführt  sind. 
Dieses  kann  man  auch  mit  vieler  Wahrscheinlichkeit  von  an- 
deren Pflanzen  vermuthen,  wie  von  Cnicus  hcnedictus,  welcher 
in  Südamerika  eingeführt  zu  sein  scheint,  Guiz>oüa  oleifera 
welche  in  Indien  und  Abyssinien  gebaut  wird,  u.  s.  w. 


299 

Nehmen  wir  alle  diese  Ursachen  des  Irrthums  aus,  und 
übergehen  wir  einige  seltene  Falle,  in  welchen  die  Identität 
der  Arten  nicht  constatirt  ist*),  so  finden  wir,  dafs  die  An- 
zahl der  Compositen,  von  denen  man  annehmen  kann,  dafs 
sie  entfernten  Regionen  gemeinsam  seien,  sehr  gering  und 
zweifelhaft  ist.     Hierher  gehören: 

1,  Eclypta  erecta,  welche  in  Nord-  und  Süd-Amerika, 
so  wie  in  Nord-  und  Süd -Afrika  gefunden  worden  ist. 

2,  Erigeron  subulatum,  welches  in  Amerika  von  den 
Vereinigten  Staaten  bis  nach  Chili  wächst  und  sich  auf  den 
Sandwichsinseln  wiederfindet. 

3,  Cotula  coronopifolia,  welche  bei  Hamburg,  am  Vorge- 
birge der  guten  Hoffnung,  auf  Neu-Seeland,  auf  Van  Diemens- 
Land  und  vielleicht  auf  dem  Monte  Video  wächst. 

4,  Cotula  anthemifolia  ^  welche  am  Vorgebirge  der  gu- 
ten Hoffnung,  in  Indien,  am  Senegal  und  vielleicht  auch  auf 
St.  Helena  wächst. 

5,  Myriogyne  minuta,  welche  in  Indien,  Japan,  auf  den 
Philippinen,  in  Neu-HoUand,  auf  den  Societäts-Inseln  auf  Neu- 
Seeland,  Madagaskar  und  St.  ?4oritz  gesammelt  worden  ist. 

6,  Chevreulia  stolonifera,  von  welcher  man  sagt,  dafs 
sie  auf  dem  Monte  Video  und  auf  Tristan  d'  Aucuba  wachse. 

7,  Urospennum  picroides,  von  welchem  man  Exemplare 
vom  Vorgebirge  der  guten  Hoffnung  und  Madeira  besitzt,  ob- 
gleich es  am  Strande  des  mittelländischen  Meeres  vorzüglich 
häufig  ist.     Endlich  besonders: 

8,  Gnaphalium  luteo-album,  welches  man  in  allen  Erd- 
theilen  findet  und  eine  vorzüglich  sporadische  Art  zu  sein  scheint. 

Es  sind  somit  in  einer  Familie,  welche  man  zu  den  am 
Besten  bekannten  zählen  kann,  8  Arten  unter  8500,  welche 
den  allgemeinen  Gesetzen  der  botanischen  Regionen  des  Erd- 
balls sich  zu  entziehen  scheinen,  und  diese  8  Arten  besitzen  so 
kleine  und  zahlreiche  Saamen,  wachsen  überdiefs  meistentheils 
so  nahe  an  den  Küsten,  so  dafs  es  mir  nicht  schwer  zu  glau- 

*)  Dergleichen  sind:  Bidens  aurita  von  Amerika  und  Indien, 
Artemisia  biennis  von  Kamtschatka  u.  Neu-Seeland,  Acliillea  san- 
toUna  von  Brasilien,  welche  dieselbe,  wie  die  aus  dem  Oriente 
sein  soll. 


300 

ben  scheint,  dafs  sie  durch  Menschen  oder  physikalische  Ur- 
sachen, wie  Meeresströmungen  und  Winde  dahin  verführt 
worden  seien. 

Dieses  Ergebnifs  ist  um  so  aufiallender,  als  die  Familie 
der  Conipositen  zu  denjenigen  gehört,  bei  welchen  eine  grofse 
Verbreitung  der  Arten  am  Leichtesten  zu  bewerkstelligen 
scheint;  wirklich  sind  die  Compositen  auch  im  hohen  Grade 
ausdauernd,  fügen  sich  in  eine  grofse  Anzahl  von  climatischen 
Verschiedenheiten,  die  Saamcn  keimen  mit  grofser  Leichtig- 
keit, sie  sind  sehr  klein  und  fast  alle  mit  Haarkronen  verse- 
hen, welche  ihre  Verstreuung  in  sehr  entfernte  Gegenden  er- 
leichtern. Es  ist  diese  Familie  auf  solche  Art  und  Weise 
organisirt,  nnd  trotz  dem  finden  wir  nur  so  wenige  Arten  in 
derselben,  welche  in  von  einander  entfernten  Regionen,  oder 
in  benachbarten  Regionen  wachsen.  Ich  komme  fast  zu  der 
Vermuthung,  dafs  diese  Thatsache  ganz  natürlich  zu  folgen- 
den allgemeinen  Gesetzen  hinleite. 

1 ,  Es  ist  nicht  nothwendig,  w  ie  ein  talentvoller  und  tüch- 
tiger Botaniker,  Herr  Schouw  gethan  hat,  für  die  Arten, 
welche  man  in  grofsen  Entfernungen  auf  dem  Erdball  ver- 
streut antrifft,  oder  gefunden  zu  haben  glaubt,  einen  ver- 
schiedenen Ursprung  anzunehmen. 

2,  Die  sehr  oberflächlich  entworfene  Theorie  von  der 
Eintheilung  des  Erdballs  in  botanische  Regionen,  scheint  auf 
einer  sehr  imposante  Anzahl  von  Thatsachen  zu  beruhen,  weil 
gerade  bei  derjenigen  Familie,  welche  zu  Ausnahmen  am  pas- 
sendsten zu  sein  scheint,  diese  Vertheilung  unter  17  Malen 
sich  16  Mal  angedeutet  findet  und  es  in  derselbei»  keine  Aus- 
nahmen gl<ibt  die  viel  bedeutender  wären,  als  8  unter  8500! 

3,  Das  Vorhandensein  der  Artea,  (diese  Basis  aller  or- 
ganischen Naturgeschichte)  scheint  dadurch  einen  neuen  Grad 
von  Sicherh'^it  zu  gewinnen,  dafs  in  einer  w^ohl  bekannten 
Familie,  welche  den  zehnten  Theil  des  ganzen  Gewächsrei- 
ches ausmacht,  einander  den  physikalischen  Verhältnissen 
nach  sehr  analoge  Regionen  doch  eine  ungeheure  Masse  spe- 
cifisch  verschiedener  Pflanzen  besitzen. 

Die  Eintheilung  des  Erdballs  in  botanische  Regionen  hat, 
wenn  ich  mich  nicht  täusche,    durch  obige  Beobachtungen  ei- 


301 

niges  Gewicht  erhalten  und  es  bleibt  mir  noch  übrig,  dieselbe 
von  einigen  anderen  Gesicht«;pnnkten  aus  zu  beweisen. 

Die  Zahlen,  welche  in  der  vierten  Tabelle  die  Anzahl 
der  Compositen  einer  jeden  Region  anzeigen,  reichen  nicht 
zu,  um  ihr  gegenseitiges  Verhältnifs  zu  verstehen,  denn  man 
mufs  sie  mit  denjenigen,  welche  die  approximotive  Ausdeh- 
nung der  Region  angeben,  vergleichen."*) 

Um  mir  eine  Idee  von  diesem  Verhältnisse  zu  bilden, 
habe  ich  die  Rechnung  auf  zweierlei  Weise  angestellt:  1,  habe 
ich  untersucht,  wieviel  Quadratlieues  in  einer  jeden  Region 
von  Nöthen  sind ,  um  eine  Composite  hervorzubringen  und  in 
jener  Tabelle  zeigen  die  niedrigsten  Zahlen  die  an  Compositen 
verhältnifsmäfsig  reichsten  Länder  an ;  2,  habe  ich  auch  gefragt, 
wieviel  Compositen  in  einer  jeden  Region  im  Durchschnitt 
auf  eine  Quadratlieue  kommen,  so  dafs  in  dieser  Colonne  die 
gröfsten  Brüche  die  an  Arten  reichsten  Länder  anzeigen^ 
Aber  Zweierlei  mufs  man  dabei  beobachten,  damit  die  Benu- 
tzung dieser  Zahlen  nicht  zu  grofsen  Irrthümern  verleite. 

1,  Man  darf  nur  solche  Länder  mit  einiger  Genauigkeit 
mit  einander  vergleichen,  welche  in  botanischer  Beziehung  so 
ziemlich  gleich  bekannt  sind;  so  dafs  z.  B.  obgleich  die  Zah- 
len, welche  den  Flächeninhalt  ausdrücken,  für  Aegypten  und 
Neu-Caledonien  fast  gleich  sind,  man  hierauf  nicht  zu  viel 
Gewicht  legen  darf,  w^eil  das  letztere  Land  bei  Weitem  weni- 
ger bekannt  ist,  als  das  erstere. 

2,  Die  Ausdehnung  der  Regionen  mufs  ebenfalls  in  Be- 
tracht gezogen  werden.  Wenn  es  sich  um  Strandgegenden 
handelt,  so  wird,  je  kleiner  das  Land  ist  welches  man  unter- 
sucht, das  Verzeichnifs  der  Pflanzen,  w^elche  daselbst  gefun- 
den \vorden,  im  Verhältnifs  zu  seiner  Ausdehnung  um  so 
gröfser  sein;  so  besitzt  die  Umgegend  von  Genf  148  Compo- 
siten, während  die  Schweiz,  welche  50  Mal  gröfser  ist,  nicht 
mehr,  als  doppelt  so  viele  besitzt,  nehmlich  310^  und  Frank- 
reich, welcihes  einen   fast  14  Mal  gröfseren  Flächeninhalt  be- 


"f)  Die  Zahlen,  welche  die  Ausdehnung  der  Regionen  bezeich- 
nen, verdanke  ich  der  Gefälligkeit  des  Herrn  Chaix,  welchem  ich 
hiermit  meinen  Dank  abstatte. 


302 

sitzt  als  flie  Schweitz,  besitzt  deren  384,  nehmlich  kaum  ein 
Drittheil  mehr.  Man  darf  also  nur  Länder  von  fast  gleicher 
Ausdehnung  mit  einander  vergleichen,  so  bieten  die  Magel- 
lansländer  und  Chili,  Central-Amerika  und  Californien,  deren 
Flächeninhalt  wenig  von  einander  abweicht,  sehr  verschiedene 
Proportionen  dar,  so  dafs,  wollte  man  annehmen,  diese  Län- 
der seien  gleichmäfsig  bekannt,  Chili  den  gröfsten  Composi- 
tenreichthum  besitzt,  da  hier  auf  10  Lieues  eine  Composite 
kommt,  Californien  bietet  ein  20  Mal  geringeres  Verhältnifs 
dar,  die  Magellanländer  ein  100  Mal,  und  Central-Amerika 
gar  ein  570  Mal  geringeres  Verhältnifs. 

Im  ferneren  Verlaufe  dieser  Vergleichung,  gelangt  man 
bei  Anwendung  desselben  auf  die  Inseln  und  Continente,  zu 
dem  Resultate,  dafs  eine  jede  derelben  im  Verhältnifs  zu  ihrer 
Ausdehnung  eine  gröfsere  Anzahl  von  Compositen  besitzt  als 
ein  gleicher  Flächenraum  auf  dem  Continente.  So  ist  die 
Oberfläche  der  Continente,  wenn  man  Neu-Holland  dazu  rech- 
net, 24  Mal  gröfser  als  der  Flächenraum  der  Inseln,  und  doch 
ist  die  Zahl  der  Compositen,  welche  auf  diesen  wachsen, 
fast  10  Mal  bedeutender;  das  Verhältnifs  der  Compositen  auf 
den  Inseln  zu  denen  des  Festlandes  ist  somit  24:10.  Es  ge- 
horcht somit  auch  in  dieser  Beziehung  wie  in  so  vielem  An- 
deren, welches  ich  schon  früher  gegeben  habe  (Art.  geogr.  bot. 
du  Dict.  des  sc.  orat.),  die  Vegetation  der  Inseln  von  der  des 
Festlandes  abweichenden  Gesetzen. 

Aus  den  Zahlen  der  dreizehnten  Columne  auf  der  vier- 
ten Tabelle  folgt,  dafs,  wenn  man  auf  den  Grad,  in  welchem 
jedes  Land  bekannt  ist,  keine  Rücksicht  nimmt,  jene  Regio- 
nen vielleicht  auf  folgende  Weise  auf  einander  folgen,  um 
das  Verhältnifs  der  daselbst  einheimischen  Compositen  zu  ei- 
nem Quadratlieus  anzugeben: 

Insel  Juan  Fernandez  ....     3,5000 

Insel  St.  Helena 0,9220 

Insel  Madeira 0,8900 

Orient 0,3250 

Canarische  Inseln 0,2333 

Insel  St.  Moritz 0,1740 

Societäts-Inseln 0,0675 


303 

Zangibar 0,0790 

Insel  Tristan  d'Auciiba  .     .     .  0,0666 

Sandwichsinseln 0,0370 

Falklands-Inseln 0,0300 

Chili 0,0300 

Vorgebirge  der  guten  Hoffnung  0,0256 

Mittägliches  Europa     ....  0,0118 

Insel  Neu- Caledonien.     .     .     .  0,0077 

Mexico 0,0070 

Sibirien 0,0066 

Aleutische  Inseln 0,0066 

Californien 0,0050 

Barbarei 0,0041 

Insel  Neu-Seeland 0,0038 

Festland  von  Indien     ....  0,0029 

Vereinigte  Staaten  und  Canada  0,0020 

Brasilien 0,0020 

Antillen 0,0020 

Columbien 0,0020 

Nord -Europa 0,0017 

Indianische  Inseln 0,0013 

Magellans- Länder 0,0010 

Neu-Holland 0,0008 

Rio  de  la  Plata 0,0005 

Peru 0,0003 

Guiana 0,0003 

Aegypten  und  Arabien     .     .     .  0,0003 

Insel  Madagascar 0,0003 

China,  Cochinchina  und  Japan  .  0,0002 

Central -Amerika 0,0001 

Central -Asien 2,0002 

Diese    Tabelle    zeigt,     obgleich    sie  einige    Ausnahmen 

aufweist,  ziemlich  gut,  dafs  die  entfernten  Inseln  oder  Conti- 
nente  diejenigen  Länder  sind,  wo  in  Verhältnifs  zu  ihrer 
Ausdehnung  die  gröfste  Anzahl  von  Compositen- Arten  vor- 
handen ist.  Man  würde  vielleicht  zu  einigen  interessanten 
Resultaten  gelangen,  wollte  man  bei  jedem  Lande  die  Zahl 
der  Compositen  mit  der  Zahl  der  überhaupt  daselbst  wachsen- 


304 

den  Pflanzen  vergleichen,   aber  dieser  Arbeit   stehen  mehrere 
Schwierigkeiten  entgegen;  nehmlich: 

1,  das  Studium  der  Cryptogamen  ist  im  Allgemeinen 
noch  so  unzureichend,  und  die  verschiedenen  Floristen  haben 
dieselben  bald  mehr,  bald  weniger  berücksichtigt,  so  dafs  es 
nnmöglich  wäre,  sie  bei  Berechnungen  dieser  Art  zu  benutzen. 

2.  Wollte  man  sich  selbst  nur  auf  die  Phanerogamen  be- 
schränken, so  besitzen  wir  doch  nur  eine  verhältnifsmäfsig  so 
kleine  Anzahl  von  Floren,  welche  mit  Genauigkeit  und  dem 
gegenwärtigen  Standpunkte  der  "Wissenschaft  gemäfs  bearbei- 
tet sind,  dafs  es  unmöglich  sein  würde,  jene  Vergleichung  auf 
eine  regelmäfsige  Weise  und  mit  Bezugnahme  auf  die  so  eben 
angenommenen  Regionen  anzustellen.  Ich  beschränke  mich 
somit  darauf  gleichsam  als  Beispiel  dieser  Methode  folgende 
Fälle  aufzuführen,  welche  meistentheils  aus  einer  noch  un- 
gedruckten Arbeit  meines  Sohnes  über  Pflanzengeographie, 
welche  er  mir  mitgetheilt  hat,  ausgezogen  worden  sind,  und  die 
einige  sehr  brauchbare  Folgerungen  zu  ergeben  seheinen. 

Die  Compositen  verhalten  sich  zu  der  Summe  der  Pha- 
nerogamen : 

Auf  St.  Helena  wie  1:4 

Auf  den  Falklands  Inseln 

Auf  Tristan  d'  Aucuba 

Auf  der  Insel  Portugal  \  wie  1:5 

Auf  Madeira 

In  Californien 

Auf  dem  Vorgebirge  der  guten  Hoffnung  wie  1:6. 

Auf  dem  Caucasus 

In  der  Umgegend   des  Sinai  .       -An 

In  Frankreich 

Auf  dem  Altai 

In  Deutschland 

In  der  Schweiz 

In  Aegypten 

In  Portugal 

Auf  den  Canarischen  Inseln  '    ^^'^        * 

Auf  der  Insel  Zante 

In  den  Verein.  Staaten  u.  in  Nord-Carolina 

Auf  Neu -Seeland  j 


305 

In  Sarflinien 


V  vvi( 


Auf  den  Balearen   ^   "^ 

In  der  Barbarei  wie  1 :  10. 

In  Grofs- Britannien  wie  1:11. 

Im  arctischen  Amerika  wie  1:12. 

In  China  und  Japan    ■       .     .    .^^ 

wie  1:13. 


} 


>  wie  1:16. 


In  Lappland 

Auf  den  Sandwichsinseln 

Auf  der  Insel  St.  Barthelemy  (Antillen) 

Auf  dem  Festlande  von  Indien  wie  1:19. 

Am  Congo,  in  Guinea        "j 

Im  Indischen  Archipelagus   l  wie  1:23. 

Auf  der  Insel  Sitcha  j 

Auf  den  Societätsinseln  wie  1:28. 

In  Guinea  wie  1 :  33. 

Im  holländischen  Antheile  von  Guiana  wie  1:43. 
Wir  müssen  aber  noch  bemerken,  dafs  die  auffallenden 
Ausnahmen,  welche  obige  Tabelle  von  dem  angegebenen  Ge- 
setze, dafs  auf  den  Inseln  die  Compositeu  vorherrschen,  aufweist 
daher  kommen,  dafs  die  am  Ende  der  Tabelle  angeführten  Inseln 
entweder  in  botanischer  Beziehung  nur  unzlänglich  bekannt 
sind,  wie  die  Societätsinseln,  oder  den  Küsten  sehr  nahe  lie- 
gen, wie  die  Balearen,  oder  endlich  im  hohen  Norden  liegen 
wie  die  Insel  Sitcha. 

Es  bliebe  nur  noch  übrig,  die  Compositen  in  Bezug  auf 
ihre  Standorte,  nehmlich  in  Bezug  auf  Temperatur,  Höhe 
über  dem  Meere,  Bodenart  etc.,  einer  vergleichenden  Unter- 
; suchung  zu  unterwerfen,  doch  ist  es  nicht  möglich,  diese  Ar- 
beit bei  dem  gegenwärtigen  Materiale  auf  eine  nur  einiger 
Maafsen  genaue  Art  und  Weise  zu  unternehmen. 
j^  Im  Allgemeinen  kann  man  wohl  sagen,  dafs  die  Compo- 
siten in  der  gemäfsigten  Zone  in  Vergleich  zu  den  sehr 
kalten  oder  sehr  heifsen  Gegenden  häufig  seien,  denn  unter 
den  Tropen  findet  man  sie  nur  auf  den  Gebirgen  in  sehr 
grofser  Menge,  doch  scheint  es  mir  nicht  möglich  nur  an- 
näherende  Zahlenverhältnifse  aufzustellen.  In  Bezug  auf  die 
Höhe  ist  dieses  auch  der  Fall,  obgleich  es  wahr  sein  mag,  dafs 
sie  zu  denjenigen  Pflanzen  gehören,  welche  auf  bedeutender 
Höhe  vorkommen.      Die  überwiegende  Zahl  der   perenniren- 

Wieg^m.  Archiv.    VI.  Jahrg.     1.  Band.  2() 


306 

lien  oder  straiicliartigen  Arten  wiinle  schon  hierauf  schliefsen 
lassen,  doeh  die  ungeheure  Zahl  der  Arten,  deren  Standorte 
nicht  genau  bekannt  sind,  erlaubt  derartige  Untersuclmngen  nicht. 
Ich  werde  hiermit  die  statistische  Arbeit  über  die  Fami- 
lie der  Compositen  schliefsen.  Ich  fühle  deren  mehrfache 
Unvollkommenheit,  doch  glaube  ich,  dafs  diese  Arbeit  als 
Beispi<d  meiner  Methode  einiges  Interesse  haben  könne.  Nach- 
dem ich  so  viel  Mühe  auf  das  Studinm  dieser  Familie  ver- 
wendet habe,  glaubte  ich  dieses  letzte  Resume  unternehmen 
zu  müssen,  und  da  es  sehr  wahrscheinlich  ist,  dafs  ich  bei 
der  langwierigen  Herausgabe  des  Prodromus  nie  auf  die 
Compositen  zurückkommen  werde,  so  darf  ich  wohl  mit  An- 
wendung einer  berühmten  Stelle  auf  meine  Person  mit  d.^m 
Dichter  sagen: 

„C'est  ainsi,  qu'  en  partant  je  leur  fais  mes  adieux!" 


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Finjährige 

Zweijährige 

Pcrcnnirende 

Kleine  Sträucher  (von 
1-3  Fufs.)    .... 

Sträucher  (von  4—15 
Fufs.) 

Kleine  Bäume  (von  15 
—25  Fufs.)    .... 

Grofse  Bäume  (über25 
Fufs  hoch.)    .... 

Holzige  Gewächse 
(ohne  weitere  Be- 
zeichnung.)   

Der  Tracht  oder  der 

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Eupatoriaceae. 


Asteroideae. 


Senecioideae. 


Nas^auviaceae. 


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Zahl  der  Qlieues 

welche    auf  eine 

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Zahl  der  Coniposi- 
lenwelcheaufeine 
□  Heues  kommen. 


Endemische  Arten 
der    Compositei). 


307 


lieber  den  Bau  des   Pentacrinus   Caput   Medusae 

Von 
J.     M  ü  1  1  e  r. 

(Auszug  aus  dem  Monatsbericht  der  Königl.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Berlin.    Monat  April  1840.) 


Nach  einer  historischen  Uebersicht  der  bisherigen  Leistun- 
gen zur  Anatomie  der  Comatulen  von  Leuckart,  Heusin- 
ger, Meckel,  Delle  Chiaje,  Thompson,  Dujardinund 
zur  Anatomie  des  Skelets  der  Crinoiden  von  Guettard, 
Miller,  Goldfufs  u.a.,  theilte  der  Verf.  die  Resultate  einer 
vergleichenden  Anatomie  eines  in  Weingeist  erhaltenen  Exem- 
plars des  Pentacrinus  Caput  Medusae  der  Antillen  und  der 
Comatulen  und  Asterien  mit.  Die  Untersuchungen  an  den 
Comatulen  sind  gröfstentheils  an  Comatula  mediterranea  an- 
gestellt,  von  welcher  der  Verf.  zu  einer  früheren  Mittheilung 
schon  einige  Exemplare  benutzte,  neuerlich  aber  durch  die 
Güte  der  Herren  Agassiz  und  Grube  in  den  Stand  gesetzt 
war,  eine  ansehnliche  Zahl  zu  zergliedern. 

Die  Stengelgebilde  der  Pentacrinen  sind  ohne  alle  Mus- 
keln, sowohl  der  Stengel  selbst  als  die  Cirren,  letztere  auch 
bei  den  Comatulen,  aber  der  Stengel  der  jungen  Comatulen, 
Pentacrinus  europaeus  Thompson,  ist  contractu.  Durch 
Muskeln  beweglich  sind  die  Arme  und  Pinnulae  der  Arme 
die  Muskeln  liegen  nur  an  der  Bauchseite,  die  Streckung  er- 
folgt durch  die  elastische  Interarticularsubstanz.  Durch  die 
Mitte  aller  Skelettheile  geht  der  sogenannte  Nahrungscanal, 
welcher  bei  den  Comatulen  im  Centrodorsalstück  eine  aus- 
wendig gerippte  herzartige  Anschwellung  bildet.  Die  übrigen 
jWeichtheile  liegen  bei  den  Pentacrinen  und  Comatulen  in 
gleicher  Weise  theils  auf  dem  Kelch  der  Krone,  theils  sich 
fortsetzend  auf  der  Bauchseite  der  Arme  und  Pinnulae  in  der 
dort  befindlichen  Gliederrinne. 

20* 


30S 

Der  mikroskopische  Bau  des  Skelets  verliält  sich  wie  bei 
den  übrigen  Echinodernien,    alle  Skclettheile  wachsen  an  den 
Oberflächen,  nicht   durch  Vergröfserung  der  kleinsten  Theile; 
denn  die  Balken  des   Kalknetzes   sind   bei    der   ganz   jungen 
noch  gestielten  Comatula,    welche   der   Verf.   durch   die  Güte 
des  Hrn.  Gray  in  London  erhielt,   schon   eben   so  grofs  wie 
bei    dem    erwachsenen    Thier.     Die   neuen    Glieder    entstehen 
theils  durch  Anbildung  an  den  Enden  der  Reihen,  theils  durch 
Interpolation.     Das   erstere  findet    an    den  Enden  der  Arme, 
Cirren  und  Pinnulae  statt,  das  letztere  am  Stengel.     Hier  bil- 
den sich  die  neuen  Glieder  am  oberen  Theil  des  Stengels,  der 
sich   durch  geringere  Zahl   der  Glieder  zwisclien  den  Intern o- 
dien  auszeichnet,  durch  Interpolation  zwischen  den  schon  vor- 
handenen  Gliedern   in   der  gezackten  Naht  derselben.     Dalier 
ist  am   oberen   Theil  des  Stengels  jedesmal  ein  dünnes  Glied 
zwischen  zwei   dicken,    unten  sind   alle   Glieder   gleich.     Die 
Interpolationen  finden  so  lange  statt,    bis   die  Normalzahl  der 
Glieder  zwischen  zwei  Internodien  oder  Verticillargliedern  her- 
gestellt ist.     Am  unteren  Theil   des  Stengels   ist   die  normale 
Zahl  der  Glieder  zwischen  den  Internodien  erreicht.     Bei  den 
Encrinus  geschieht  dasselbe,  an  der  Stelle  der  Verticillarglie- 
der  sind  hier  die   breiteren  Glieder.     Abgebrochene  Arme  der 
Comatulen  ersetzen   sich   durch   dünne   Sprossen,    welche  auf 
dem  Bruchstück  wie  ein  Pfropfreis  aufsitzen.   Die  neuen  Ver- 
ticillarglieder  der  Pentacrinen  entstehen  dicht  unter  dem  Kelch 

Durch  den  ganzen  Stengel  der  Pentacrinen  gehen  5  un- 
unterbrochene Sehnen,  an  den  Gelenken  bilden  sie  die  Gelenk- 
bänder. Von  ihnen  rührt  auf  dem  Durchschnitt  der  Gelenke 
die  fünfblättrige  Figur  her.  Um  die  Sehnen  herum  liegt  an 
den  Gelenken  eine  elastisc.'he  Interarticularsubstanz,  eine  krau- 
senartig gefaltete  Membran  bildend.  Ihr  Rand  entspricht  der 
gezackten  äufseren  Naht  der  Stengelglieder.  Diese  Substanz 
hat  einen  sehr  eigenthümlichen  mikroskopischen  Bau.  In  ihrer 
Dicke  stehen  lauter  Fasersäulchen,  aus  denen  einfache  Fasern, 
hervorgehen,  welche  Reihen  regelmäfsiger  synunetrischer  Ar- 
kaden zwischen  den  Fasersäulchen  bilden;  in  der  oberen  und 
unteren  Hälfte  der  Dicke  dieser  Substanz  sind  sich  die  Ar- 
kaden entgegengesetzt.  Diese  Bogen  gehören  wahrscheinlich 
einer  Spirale  an,    deren  gröfserer  Theil  in  den  Fasersäulchen 


309 

abwechselnd  herab  und  hinauf  steigt.  Die  Interarticularsub- 
stanz  der  Cirren,  Arme  und  Pinnulae  ist  nicht  krausenartig 
gefaltet,  sondern  bildet  elastische  Kissen  von  demselben  Bau. 
Diese  Glieder  haben  aufserdem  besondere  fibröse  Gelenkbändchen 
an  der  Leiste,  auf  welcher  sie  sich  wiegen. 

Der  Kelch  der  Pentacrinen  und  Comatulen  besteht  aus 
den  Kelchradien  und  der  sie  verbindenden  Haut,  welche  sich 
auf  den  Scheitel  und  die  Bauchseite  der  Arme  fortsetzt.  Die 
Kelchradien  bestehen  aus  3  Gliedern,  wovon  das  unterste 
immer  durch  Naht  aufsitzt.  Bei  der  eolossalen  grönländischen 
neuen  Comatula  Eschrichtii  mit  gegen  100  Ranken  des  halb- 
kugelförmigen Centrodorsalstiicks,  welche  Mr.  Eschricht  zur 
Aufklärung  der  Anatomie  der  Crinoiden  mit  grofsmüthiger  Auf- 
opferung mittheilte,  ist  das  unterste  Glied  aufsen  nicht  sichtbar, 
es  liegt  im  Innern  auf  dem  Centrodorsalstück  wie  bei  den  fos- 
silen Solanocrinus,  und  das  nächste  Glied  stützt  sich  zum 
Theil  auf  das  Centrodorsalstück  selbst;  aber  die  den  Solaiio- 
crinus  und  Pentaciinus  eigenen  sogenannten  Beckenstücke 
fehlen,  wie  bei  den  wahren  Comatulen,  während  sie  bei  Co- 
master  Ag.  (Com,  mulüradiata  Goldf.)  vorhanden  sind.  Von 
den  Radiengliedern  radialia  ist  das  letzte  das  Stützglied  für 
zwei  Arme,  radiale  axillare,  an  den  weiteren  Theilungen  der 
Arme  liegt  das  ähnliche  hrachiale  axillare. 

Die  ungestielten  Crinoiden  mit  Armen  bilden  3  Familien^ 
1)  Articulata  gen.  Comatula  Lam.  mid.  Comaster  A^.  2)  Co- 
stata  mit  schaligem  geripptem  Kelch  und  entgegengesetzten 
Pinnulae,  wovon  sonst  bei  allen  übrigen  Crinoiden  kein  Bei- 
spiel vorkommt,  gen.  Saccocoma  Ag»  3)  Tessellata,  gen. 
Marsupites. 

Der  Kelch  der  gestielten  und  bearmten  Crinoidea  arti" 
culata,  Pentacrinus,  Encrinus,  Apiocrinus  ist  im  Wesent- 
lichen übereinstimmend.  Beim  Kelch  der  gestielten  und  be- 
armten Crinoidea  tessellata  kommen  folgende  Elemente  nach 
consequenter  Bezeichnung  vor.  Erstens  3  oder  4  oder  5  ha- 
salia,  m«ist  ein  Pentagon  bildend,  darauf  zuweilen  ein  Kreis 
von  alternirenden  Parahasen,  parabasaMa.  Sobald  die  As- 
seln sich  in  die  Richtung  der  Arme  ordnen,  beginnen  die  ra- 
dialia, wovon  das  dritte  meist  ein  axillare.  Zwischen  den 
radialia  können  inter radialia,   zwichen  den  axiliaria  können 


310 

interaxillaria  liegen.  Entweder  sind  die  Arme  von  nun  an 
frei,  oder  der  Kelch  setzt  sich  noch  weiter  fort,  die  Radien 
zerfallen  dann  in  2  Distichalradien  mit  radialia  disüclialiay 
die  jedes  mit  einem  distichale  axillare  enden,  wie  bei  Acti- 
nocrinus  moniliformis  und  Eucalyptocrinus  (identisch  mit 
Hypanthocrinus  Phill.)«  Zwisclien  den  Distichalradien  können 
Interdistichalia  liegen,  zwischen  2  Distichien  interpalmaria. 

Die  Pinnulae  der  Pentacrinen  und  Comatulen  beginnen 
an  den  Armen  immer  aufsen  am  zweiten,  innen  'am  dritten 
Glied  über  einem  axillare;  dies  wiederholt  sich  bei  allen  weite- 
ren Theilungen  der  Arme.  Das  axillare  ist  immer  ohne  Pinnula. 
Die  Armglieder  der  Pentacrinen  und  Comatulen  sind  dop- 
pelter Art,  die  meisten  sind  durch  Gelenke  und  Muskeln  be- 
weglich verbunden,  einige  an  bestimmten  Stellen  unbeweglich 
durch  radiirte  Nahtflächen,  zwischen  welchen  ein  in  Radien 
auslaufendes  äufserst  dünnes  Häutchen.  Zwei  durch  Naht  ver- 
bundene Armglieder  bilden  ein  Syzygium,  das  untere  Glied 
eines  Syzygiums  kann  hypozygale,  das  obere  epizygale 
heifsen.  Das  letztere  trägt  die  Pinnula,  das  erstere  hat  nie 
eine  Pinnula,  eine  Syzygium  gilt  daher  beim  Alterniren  der 
Pinnulae  für  ein  Glied. 

Bei  Pentacrinus  Caput  Medusae  liegen  die  Syzygien 
regelmäfsig  über  den  axillaria,  nie  an  einer  anderen  Stelle. 
Bei  den  Comatulen  liegen  nie  an  dieser  Stelle  Syzygien.  Bei 
den  vielarmigen  ist  die  Lage  des  Syzygiums  nach  den  Species 
verschieden;  das  brachiale  axillare  selbst  kann  ein  Syzygium 
bilden;  in  diesem  Fall  sind,  wie  aus  dem  vorhergehenden 
folgt,  hypozygale  sowohl  als  epizygale  ohne  Pinnula;  oder 
aber  die  Syzygien  fehlen  an  jener  Stelle.  Alle  Comatulen 
ohne  Ausnahme  zeichnen  sich  vor  den  Pentacrinen  aus,  dafs 
sie  auch  Syzygien  in  der  ganzen  Länge  der  Arme  haben.  Das 
erste  Syzygium  liegt  über  dem  zweiten  Glied  nach  einem  axil- 
lare, daher  steht  die  erste  Pinnula  hier  an  dem  zweiten  ein- 
fachen Armglied,  bei  den  Pentacrinus  zwar  auch  an  dem  zwei- 
ten  Armglied,  dies  ist  aber  ein  epizygale.  Die  Zahl  der  Glie- 
der zwischen  den  Syzygien  der  Arme  ist  verschieden  bei  den 
Arten  der  Comatulen,  bei  Comatula  mediterranea  Lam.  liegen 
2-4  einfache  Glieder  zwischen  den  gcjochten  Gliederpaaren 
oder  Syzygien,  sie  hat  gegen  25-30  Syzygien  an  jedem  Arme  i 


311 

bei  C.  polyartha  Nob.  dagegen  liegen  10  - 14  Glieder  zwi- 
schen den  Syzygien  und  diese  hat  daher  nur  wenige  Jochver- 
bindungen,  bei  C.  carinata  Lam.  liegen  2-5,  bei  C.  Eschrichtii 
Nob.  2-3,  bei  C.  echlnoptera  Nob.  3-5,  bei  C.  horrida  {Alecto 
horrida  Leach.)  und  C.  rotularia  Lam.  8-10  Glieder  zwischen 
den  Syzygien. 

Viele  Comatulen  besitzen  aufsen  an  der  Syzygiennaht  ei- 
nen Kranz  von  Poren. 

Die  bei  den  Gattungen  Encrimis,  Platycrinus,  Actino- 
crinus  imd  Dimer  ocrinus  Ph.  vorkommende  alternirende  Zwei- 
zeiligkeit, Distichie,  der  Armglieder  mit  mittlerer  Zickzacknaht 
bildet  sich  aus  einer  einfachen  Succession  schief  abgeschnitte- 
ner Glieder  durch  Verkürzung  der  Winkel.  Zweizeilige  Arme 
theilen  sich  nicht  weiter.  Die  mit  den  Actinocrimis  verei- 
nigten Crinoiden  mit  einzeiligen  Armen,  denen  auch  das  un- 
regelmäfsige  einzelne  interradiale  aller  wahren  Actinocrinen 
fehlt,  sondert  der  Verf.  von  diesen  ab,  unter  dem  neuen  Genus 
Carpocrinus,  wohin  Actinocvinus  simplex  Ph.  (identisch  mit 
Acünocrinus  tesseracontadactylus  His.)  und  aufserdem  Acti- 
nocvinus expansus  Ph.  gehören. 

Der  Scheitel  der  Comatulen  und  Pentacrinen  ist  von  ei- 
ner Haut  bedeckt,  welche  von  den  Radien  des  Kelchs  ausgeht 
und  sich  über  die  Bauchseite  der  Arme  und  Pinnulae  fortsetzt. 
Zwischen  der  ventralen  Haut  des  Discus  und  dem  Kelch  und 
zwischen  der  ventralen  Haut  der  Arme  und  Pinnulae  und  den 
Gliedern  liegen  die  Weichtheile.  In  jener  Haut  liegt  die  Ten- 
takelfurche. Die  Tentakelfurchen  der  Pinnulae  setzen  sich  in 
die  Tentakelfurche  der  Arme,  diese  in  die  Tentakelfurchen 
des  Scheitels  fort;  aus  den  10  Tentakelfurchen,  die  von  den 
Armen  kommen,  werden  durch  Vereinigung  von  je  zweien  5. 
Diese  setzen  ihren  Weg  zum  Munde  fort,  und  hier  entfernen 
sich  ihre  tentaculirten  Ränder  und  biegen  über  dem  Mund  in 
die  nächsten  um.  Die  Tentakelfurchen  zweier  Arme,  welche 
sich  auf  dem  Scheitel  vereinigen,  schliefsen  ein  Interbrachial- 
feld  ein,  die  übrigen  gröfseren  Intertentacularfelder  reichen 
von  dem  Zwischenraum  zweier  Kelchradien  bis  zum  Mund, 
es  sind  die  Interpalmarfelder,  welche  über  dem  Mund  5  spitze 
häutige  Klappen  bilden.  Die  Haut  des  Interradiums  des  Kelchs, 
des  ganzen  Scheitels  und  der  Bauchseite  der  Arme  ist  bei  den 


312 

Comatulen  meistens  weich,  bei  einigen  enthält  sie  mikroskopi- 
sche Kalktheilchen,  in  Form  von  Stäbclien,  einfachen  oder 
zertheilten  Balken,  Anfänge  der  Ossification.  Es  sind  dieselben 
Theilchen,  welche  Hr.  Ehren berg  bereits  in  der  weichen 
äufseren  Haut  der  Holothurien  beobachtete.  Bei  vielen  Echi- 
nodermen  zeigen  auch  einzelne  innere  weiche  Theile  diese 
Erscheinung  und  so  sind  die  von  Jaeger  beobachteten  Figu- 
ren in  den  Häuten  der  Lungen  und  Eierstöcke  der  Holothu- 
rien zu  erklären,  welche  derselbe  den  Körperchen  im  Blut 
und  Saamen  der  Thiere  frageweise  verglich.  Einige  Seesterne 
wie  Arcliastcr  typicus  Nob.  haben  diese  Gebilde  auch  in 
den  häutigen  Wänden  der  Verdauungsorgane.  In  der  Haut 
der  Comatula  echinoptera  ordnen  sich  diese  Theilchen  zu 
einem  Netz  mit  einzelnen  Papillen,  bei  anderen  treten  schon 
kleine  ossificirte  Plättchen  auf,  beim  Pentacj'inus  ist  die  Haut 
bereits  von  harten  Täfelchen  bedeckt,  und  ähnliche  Täfelchen 
begleiten  schuppenartig  die  Seiten  der  Tentakelfurchen  der 
Arme  und  des  Scheitels.  Die  Täfelchen  in  der  Interradialhaut 
unterscheiden  sich  wesentlich  von  denen  in  der  Haut  des 
Scheitels,  letztere  besitzen  viele  kleine  mit  der  Loupe  zu  er- 
kennende Poren,  vielleicht  Spiracula,  welche  in  die  Bauch- 
höhle des  Discus  führen.  Die  Schuppen  an  den  Seiten  der 
Tentakelfurchen  besitzen  diese  Poren  nicht.  Die  Tontakelfur- 
chen  der  Comatulen  und  Pentacrinen  sind  inwendig  mit  zwei 
Reihen  sehr  kleiner  Tentakeln  besetzt,  die  wieder  mit  noch 
viel  feineren  mikroskopischen  Fiihlcrchcn  besetzt  sind.  Sie 
führen  die  Nahrungsstoffe  von  den  Pinnulae  und  Armen  zum 
Mund.  Unter  den  Mundklappen  gehen  die  Tentakelreihen  je 
zweier  Furchen  in  einander  über. 

Der  Scheitel  der  ungestielten  Crinoidea  tessellata  (JMnr- 
siipiles)  ist  noch  nicht  bekannt,  denn  was  Man  teil  in  seiner 
Abbildung  dafür  nimmt,  jene  gegliederten  Reihen,  sind  sowohl 
nach  der  Abbildung  als  nach  der  Bemerkung,  dafs  diese  Glie- 
derchen  auf  der  Berührungsfläche  einen  Riff  haben,  offenbar 
von  den  Armen  abgelöste  Pinnulae. 

Vergleicht  man  den  Scheitel  der  gestielten  Crinoidea  tes- 
scllala  mit  Armen  mit  dem  der  Articulala,  so  zeigt  sich 
wenig  Aehnlichkeit.  Der  Scheitel  dieser  Thiere  ist  von  ziem- 
lich dicken  Plättchen  oder  Platten  gebildet,    welche   mit  ihren 


313 

Rändern  aneinanderstofsen  und  sich  auch  noch  in  dieser  Art 
auf  den  Anfang  der  Arme  fortsetzen.  Bei  Platycrinus  ven- 
tricosus,  micr 0 Stylus ,  rugosus,  deren  Scheitel  vorliegen,  ist 
ihre  Zahl  sehr  gering  und  bei  Platycrinus  ventricosus  rei- 
chen 12  dicke  Platten  hin,  den  ganzen  Scheitel  zu  bedecken. 
Diese  Platten  zeichnen  sich  hier  durch  die  langen  Spitzen  oder 
Stacheln  aus,  in  welche  sie  auslaufen.  Gerade  in  der  Mitte 
des  Scheitels  liegt  hier  eine  solche  grofse  Platte.  Zu  einer 
solchen  Vertheilung  von  Tentakelrinnen,  wie  bei  den  Penta- 
crinen  und  Comatulen  ist  hier  gar  kein  Platz.  Obgleich  die 
Scheitel  an  den  vorgelegten  Kelchen  von  3  Species  von  Pla- 
tycrinus und  2  Species  von  Actinocrinus  alle  vollkommen  er- 
halten sind,  so  zeigen  sich  doch  niemals  2  Oeffnungen,  Mund 
und  After,  immer  ist  nur  eine  Oeflfnung  vorhanden,  entwe- 
der in  der  Mitte,  wie  bei  Actinocrinus,  wo  sie  in  eine  mit 
Asseln  besetzte  Röhre  ausgezogen  ist,  oder  an  der  Seite  des 
Scheitels  zwischen  den  Armen,  wie  bei  den  Platycrinus  (und 
einem  Theil  der  Melocrinus).  Bei  Pentacrinus  Caput  Me- 
dusae  ist  zwar  der  After  in  einem  der  Interpalmarfelder  nicht 
gesehen,  denn  bei  dem  untersuchten  Exemplar  ist  der  Schei- 
tel bis  auf  den  peripherischen  Theil  zerstört,  indefs  mufs  sich 
dieser  wie  bei  Comatula  verhalten.  Liegen  sich  Mund  und 
Afterröhre  sehr  nahe,  wie  bei  Comatula  horrida^  wo  die 
Afterröhre  in  der  Spitze  ihres  Interpalmarfeldes  stehend,  den 
Mund  fast  bedeckt,  so  könnte  zwar  die  Mundöflfnung  ganz 
unsichtbar  geworden  sein ;  indefs  sieht  man  an  den  vorgelegten 
Scheiteln  alle  Linien  der  zusammenstofsenden  Platten  sehr 
deutlich  und  man  darf  nicht  für  ganz  bestimmt  annehmen, 
dafs  die  gestielten  Crinoidea  tessellata  mit  Armen  zwei  ge- 
trennte Oeffnungen  besitzen,  da  eine  andere  Abtheilung  von 
Crinoidea  (Holopus  d'Orb.)  keinen  After  hat  und  es,  wie  wei- 
ter erörtert  werden  soll,  unter  den  Asterien  Gattungen  mit 
After  und  ohne  After  giebt. 

Wenn  Eugeniacrinus  inespüiformis  Goldf.  wirklich  ein 
Crinoid  mit  Armen  ist,  die  ihm  Goldf ufs  beilegt,  so  ist  er 
nicht  allein  der  Typus  eines  neuen  Genus  in  der  Abtheilung 
der  gestielten  Crinoiden  mit  Armen,  sondern  selbst  der  Typus 
einer  eigenen  von  den  gestielten  Crinoidea  tessellata  mit 
Armen  abzusondernden  Familie  der  Testacea,  indem  der  Kelch 


314 

und  Scheitel  desselben  wie  bei  den  armlosen  Pentremites  eine 
zusammenhängende  feste  Schale  bildet  und  wie  bei  diesen  5 
gegen  den  Mund  aufsteigende  Tentakelfelder  dieser  Schale 
besitzt.  Hierher  würde  auch  Platycrinus  pentangularis  Miil. 
als  eigenes  Genus  gehören,  wenn  er  wirklich  Arme  haben 
sollte,  die  Miller  abbildet.  Indefs  behauptet  Phillips,  dal's 
dieser  Crinoid  ein  Pentremit  sei  und  dafs  ihm  Miller  Arme 
beigefügt  habe.  Obgleich  diese  Bemerkung  in  keiner  Weise 
von  Phillips  begründet  ist,  so  läfst  sich  gleichwohl  nicht  ver- 
kennen, dafs  die  abgebildeten  5  Arme,  welche  einfach  fort- 
laufend 6  Glieder  bis  zum  axillare  besitzen,  unter  den  Cri- 
noiden  ganz  ungewöhnlich  sind. 

Die  gestielten  Crinoiden  ohne  Arme  bilden  2  Familien. 
Beide  sind  höchst  wahrscheinlich  mit  getrennter  Mund-  und 
Afteröfl'nung  versehen.  Die  einen  zeichnen  sich  durch  ihre 
auf  einer  unbeweglichen  Schale  ausgeprägten  Tentakelfelder, 
die  sternförmig  am  Munde  zusammenkommen,  aus.  Es  sind 
die  Pentremiten.  Um  den  Mund  befmden  sich  bekanntlich  5 
Oeffnungeu,  wovon  jede  der  Spitze  eines  Intertentakelfeldes 
entspricht  und  eine  sehr  viel  gröfser  als  die  übrigen  ist.  An 
dem  Pentremiten,  welchen  Hr.  v.  Buch  dem  Verf.  mitzuthei- 
len  die  Güte  hatte,  liefs  sich  durch  Aufräumung  der  Löcher 
ermitteln,  dafs  jedes  der  vier  kleineren  Löcher  in  der  Tiefe 
durch  eine  senkrechte  Scheidewand  in  zwei  getheilt  ist.  In 
dem  grofsen  fünften  Loch  fehlte  diese  Scheidewand  in  der 
Mitte,  dagegen  fand  sich  jederseits  eine  Leiste,  so  dafs  diese 
Oeft'nung  in  2  seitliche  kleine  und  eine  mittlere  grofse  zerfällt. 
Die  letztere  ist  offenbar  der  After.  Die  seitlichen  entsprechen 
den  übrigen  Oeflfnungen  und  sind  mit  diesen  wahrscheinlich 
Ausgänge  für  Eier  und  Samen.  Das  Verhalten  der  Oefifnun- 
gen  bestätigte  sich  an  den  Pentremiten  des  mineralogischen 
Museums. 

Die  Tessellata  dieser  Abtheilung  ohne  Stern  von  Tenta- 
kelfeldern  sind  die  Sphäroniten  mit  den  von  Herrn  v.  Buch 
aufgestellten  Gattungen  derselben.  Ihre  innige  Verwandtschaft 
mit  den  übrigen  Crinoiden  ist  kürzlich  durch  ebendenselben 
so  überzeugend  bewiesen,  dafs  davon  hier  keine  Rede  sein 
kann.  Tentakeln  mögen  auch  Aorhanden  aber  ganz  anders 
vertheilt   gewesen   sein.     Mund   und  After   sind  nachgewiesen, 


315 

liegen  auseinander  und  sind  bei  einigen  noch  von  einer  drit- 
ten (Geschlechts-)  Oeffnung  unterschieden. 

Die  letzte  Abtheilung  der  Crinoiden  wird  von  den  Cri- 
noiden  mit  Armen  und  fest  gewurzeltem  Kelch  aus  einem 
röhrigen  Stück  gebildet.  Denn  der  sogenannte  Stiel  des  noch 
lebenden  Holopus  ist  wohl  nur  der  Kelch.  Sie  scheinen  nach 
dem  Wenigen,  was  von  ihnen  bekannt  ist,  keinen  After  zu 
besitzen.  Von  den  Armen  ziehen  sich  Furchen  gegen  den 
Mnnd.  Diese  Thiere  sind  hier  das,  was  die  Afterlosen  unter 
den  mit  einem  Afterporus  versehenen  Asterien. 

Die  innere  Fläche  des  Kelches  und  Scheitels  der  Coma- 
tulen  ist  mit  einer  eigenen  Haut  verwachsen,  welche  die  Bauch- 
höhle begrenzt.  Zwischen  beiden  bemerkt  man  am  Scheitel 
Muskelfasern,  die  sich  an  der  Afterröhre  in  Längsreihen  ord- 
nen, die  Bauchhöhlenhaut  der  Comatulen  ist  weich,  bei  dem 
Pentacrinus  enthält  sie  sehr  kleine  Kalkplättchen.  Die  Einge- 
w^eidemasse  der  Comatulen  ist  mit  der  zweiten  Lamelle  der 
Bauchhöhlenhaut  überzogen,  die  äufsere  und  innere  Lamelle 
hängen  um  den  Mund  und  an  der  entgegengesetzten  unteren 
Seite  zusammen,  zwischen  beiden  ist  die  enge  Bauchhöhle, 
welche  sich  durch  5  kleine  Oeffnungen  in  den  Bauchhöhlen- 
canal  der  Arme  fortsetzt. 

In  der  Mitte  des  Discus  der  Comatulen  bildet  eine  spon- 
giöse  Masse  eine  Art  Spindel,  um  welche  sich  der  Darm, 
vom  Mund  schief  abgehend,  bis  zum  After  windet.  Von  der 
inneren  Wand  des  Darmes,  welche  an  diese  Spindel  grenzt, 
springt  eine  gleich  gewundene  zottige  lamina  spiralis  ins  In- 
nere des  Darmes  vor.  Von  der  inneren  Wand  des  Darmes 
gehen  auch  Vertiefungen  in  die  spongiöse  Masse  hinein,  welche 
blind  zu  endigen  scheinen.  An  der  unteren  Seite  der  spongiö- 
sen  Masse,  wo  diese  an  dem  Kelch  angewachsen  ist,  befindet 
sich  in  der  Bauchhaut  eine  ansehnliche  unregelmäfsige  Ossifi- 
cation.  Sie  wird  von  einem  dicken  Gefäfscanal  durchbohrt, 
der  sich  von  der  im  Centrodorsalstück  gelegenen  herzartigen 
Anschwellung  in  die  spongiöse  Masse  begiebt. 

Die  Arme  der  Comatulen  und  Pentacrinen  besitzen  aufser 
dem  durch  die  Mitte  gehenden  Gefäfscanal  der  Skelettheile 
und  aufser  der  oberflächlichen  Tcntakelrinne,  zwei  Canäle: 
der  untere  ist  der  Bauchhöhlencanal,  welcher  an  den  Verbin- 


316 

<^iingsstellen  der  Glieder  einen  blinden  Fortsatz  in  die  Tiefe 
abschickt,  und  der  Tentakelcanal j  der  letztere  liegt  darüber, 
unter  der  Tentakelrinne,  mit  deren  Tentakeln  er  durcli  seine 
Poren  zusammenliängt.  Beide  Canäle  liegen  in  der  Rinne 
der  Arniglieder  unter  der  ventralen  Haut  der  Arme,  zwischen 
beiden  ersteren  verläuft  der  Nervenstrang  der  Arme,  der  dem 
Abgang  der  Pinnulae  entsprechend  eine  längliche  Anschwel- 
lung bildet,  von  welcher  der  Nerve  der  Pinnula  abgeht.  An 
der  Scheibe  entfernen  sich  der  Bauchhöhlencanal  der  Arme 
und  der  Tentakelkanal,  ersterer  öjETnet  sich  in  die  Bauchhöhle, 
es  sind  5  kleine  Oeffnungen  den  5  Radien  entsprechend.  Der 
Tentakelcanal  bleibt  oberflächlich  unter  der  Haut  und  unter 
den  Teiitakelfurchen  des  Scheitels,  diese  Canäle  ergiefsen  sich 
um  den  Mund  herum  in  die  Höhlen  der  spongiösen  Substanz, 
welche  die  Mitte  der  Eingeweidemasse  einnimmt. 

In  der  Scheibe  liegen  unter  der  Haut  des  Scheitels  die  * 
Verdauungseingeweide,  an  den  Pinnulae  unter  der  ventralen 
Haut  die  Geschlechtstheile,  über  welche  das  Tentakelsystem 
hinweggeht.  Der  untere  Theil  der  Pinnulae  ist  von  den  reifen 
Geschlechtstheilen  angeschwollen.  Die  weiblichen  Comatulen 
besitzen  hier  an  jeder  Pinnula  einen  Eierstock,  Eier  mit  Dotter, 
Keimbläschen  und  bläschenartigem  Keimfieck.  Eine  Comatula 
mit  10  Armen  besitzt  daher  gegen  1000  und  mehr  Eierstöcke, 
eine  Vermehrung  dieser  Organe,  welche  an  die  pflanzlichen 
Verhältnisse  erinnert.  Unter  den  Thieren  bieten  die  Band- 
würmer etwas  ähnliches  dar,  insofern  alle  reifen  Glieder  der- 
selben mit  besonderen  Eierstöcken  versehen  sind. 

Das  Exemplar  von  Pentacrinus  besafs  keine  Eierchen;  die 
dicken  Theile  der  Pinnidae  enthalten  hier  einen  Schlauch  mit 
dicken  Wänden. 

Eierstöcke  finden  sich  nur  bei  einem  Theil  der  Individuen 
der  Comatulen.  Andere  haben  auch  Anschwellungen  der  Pin- 
iHilae,  aber  keine  Eierchen  darin.  Bei  einer  grofsen  von  Cap. 
Wendt  mitgebrachten  neuen  Comatula  cchinoplera  Nob. 
fanden  sich  die  männlichen  Organe  im  strotzendsten  Zustande. 
Die  Anschwellungen  gehen  mehr  in  die  Breite.  Jeder  Hoden 
ist  ein  unregelmäisiger  an  den  Seiten  in  mehrere  Abtheilungen 
eingeschnittener  Schiaucli,  der  gegen  die  Basis  der  Pinnulae 
am  dicksten  ist,  oben  dünner  plötzlich  endigt.   Er  enthält  eine 


317 

geronnene  Masse  ohne  Spnr  von  Eikeiinen.  Hiernach  sind 
die  Comatulen  in  Gescliloclitcr  getrennt,  wie  es  bereits  durch 
die  Herren  Valentin,  Rathke,  Peters  von  den  übrigen 
Echinodermen  erwiesen  ist. 

Die  Elemente  des  Kelchs  kommen  auch  an  den  Armen 
vor,  die  Arme  sind  in  allen  Beziehungen  Verlängerungen  des 
Kelchs  und  Scheitels,  sie  können  bis  auf  diese  reducirt  sein, 
wie  bei  den  Pentremiten  und  Sphaeroniten;  bei  diesen  haben 
sich  daher  auch  die  Geschlechtstheile  in  den  Kelch  zurück- 
gezogen. 

Da  die  Arme  den  Crinoiden  fehlen  können,  bis  zur  scha- 
ligen Form  der  Seeigel,  der  After  bei  vielen  oder  den  mei- 
sten Asterien  vorkommt,  so  ist  es  in  der  That  jetzt  schwer 
zu  sagen,  was  ein  Crinoid  sei.  Der  einzige  constante  eigen- 
thiimliche  Charakter  dieser  Abtheilung  der  Echinodermen  ist, 
dafs  sie  in  der  Jugend  oder  das  ganze  Leben  hindurch  ge- 
stielt sind  und  dafs,  wenn  Armradien  vorhanden  sind,  ihre 
Glieder  vom  dorsalen  Theil  des  Kelchs  ausgehen,  dagegen  die 
Wirbel  bei  den  Asterien  immer  der  ventralen  Seite  angehören, 
und  dafs  die  Glieder  der  Radien  und  Arme  der  Crinoiden 
Verkalkungen  des  Perisoms  sind,  die  Gliedersäulen  der  Aste- 
riden  dagegen  dem  Perisom  nicht  angehören.  Auch  sind  die 
Armfortsätze  nur  bei  den  Crinoiden  gegliedert. 

Dafs  die  Glieder  der  Kelchradien  und  Arme  der  Crinoi- 
den nicht  von  der  Haut  überzogene  Theile,  sondern  Indura- 
tionen der  Haut  selbst  sind,  lehrt  ihre  vergleichende  Anatomie. 
Denn  die  ventrale  Haut  geht  von  ihrem  Rande  aus  und  bei 
den  Tessellaten  tritt  die  Interradialhaut  durch  Entwickelung 
von  Asseln  in  eine  Linie  mit  den  Radialasseln.  Die  Reihe 
wirbelartiger  Stücke  in  der  Tiefe  der  7\rmfurchen  der  Aste- 
rien, welche  aus  2  Seitentheilen  gebildet  sind,  hat  in  der  Tiefe 
der  Furche  noch  eine  weiche  Haut  über  sich  und  zwischen 
der  Wirbelcolumne  und  dieser  Haut  liegt  der  Nervenstrang 
des  Armes.  Diese  Columnen  reichen  an  der  Bauchseite  der 
Scheibe  bis  zum  Munde.  Bei  den  Ophiuren  und  Euryalen, 
wo  die  Bauchfurchen  fehlen,  bleibt  die  Lage  dieser  Columnen 
an  der  Bauchseite  der  Scheibe,  unter  der  lederartigen  Haut 
und  an  den  Armen  sind  die  Columnen  allseitig  von  der  leder- 
artigen Haut   eingeschlossen,    indem  die  Eingeweidehöhle  der 


318 

Arme  bei  diesen  Tliieren  fehlt,  lieber  und  unter  der  Colnmne 
zwischen  ihr  und  der  Haut  verläuft  ein  Canal.  Die  Ophiuren 
sind  die  einzigen  Asteriden  mit  Zahnpapillen  an  jenen  Leisten, 
welche  sich  auf  je  2  der  Columnen  am  Munde  stützen. 

Aus  dem  Vorhergehenden  folgt,  dafs  die  Crinoiden  und 
Asteriden  nicht  zusammengehörende  Gruppen  sind,  sondern 
durch  fundamentale  Unterschiede  der  Skeletbildung  geschieden, 
nur  Abtheilungen  der  Echinodermen  in  gleicher  Linie  mit  den 
Seeigeln  und  Holothurien  bilden.  Die  Abtheilung  der  Asteriden 
zerfällt  dann  in  die  eigentlichen  Asterien  und  Ophiuren.  Bei 
den  Gattungen  der  letzteren,  welche  Hr.  Agassiz  festgestellt, 
fehlen  die  Blinddärme  des  Magens  in  den  Armen  und  der 
After,  und  die  Madreporenplatte  verläfst  die  Dorsalseite.  Ihre 
Eierstöcke  liegen  immer  in  der  Scheibe  selbst.  Bei  den  Aste- 
rien enthalten  die  Arme  immer  Blindsäcke  der  Verdauungs- 
organe, der  Rücken  besitzt  immer  die  Madreporenplatte  der 
Seeigel,  der  After  ist  bald  vorhanden,  bald  fehlt  er  nach  den 
Gattungen,  die  Eierstöcke  liegen  bald  in  der  Scheibe  am  Ab» 
gang  der  Arme,  bald  in  den  Armen  selbst,  wie  bei  den  See- 
sternen mit  cylindrischen  langen  Armen,  bei  den  Ophidiastern 
reichen  sie  durch  zwei  Drittheil  der  Arme. 


lieber  die  Gattungen  der   Asterien. 

Von 
J.   Müller   und   F.  H.  T  r  o  s  c  h  e  1. 

(Auszug  aus   dem  Monatsbericht  der  Königl.   Akademie   der 
Wissenschaften  zu  Berlin.    Monat  April  1840.) 


Die  meisten  Asterien  haben  einen  von  eigenthümlichen 
Wärzchen  wie  bei  den  Seeigeln  umstellten  After.  Dieser  After 
ist  nicht  oder  nur  wenig  kleiner  als  der  After  der  Seeigel. 
Bast  er  sagte  einst  mit  Bezug  auf  Asievias  rubensi  iitrum- 
que  geiuis  (^eclunornin  et  sicllarum  marinaruiii)  os  inferne 


319 

et  ad  excrementa  ejicienda  aperturam  superne  Jiahent.  In 
der  Zoologia  Danica  ist  bei  A.  müitaris  CXXXI.  p.  14 
eine  centrale  Stelle  als  macula  verruciformis  angegeben  und 
''■esagt,  da  dieser  Fleck  nicht  perforirt  sei,  so  könne  Baster's 
Ansicht  vom  After  nicht  richtig  sein.  Die  Warze  öffne  sich 
wahrscheinlich  zur  Zeit  des  Abgangs  der  Eier.  Tiedemann 
widerlegte  Baster's  Angabe  als  völlig  unbegründet  und  die 
Neuern  betrachten  allgemein  die  Asterien  als  afterlos,  es  steht 
in  allen  zootomischen  und  zoologischen  Werken.  Die  von 
Tiedemann  untersuchte  Asterias  aurantiaca  ist  wirklich 
afterlos  und  gehört  der  einen  der  beiden  afterlosen  Gattungen 
unter  14  Gattungen  von  Asterien  an:  aber  gerade  die  von 
Bast  er  untersuchte  Asterias  rubens  besitzt,  wie  alle  der 
Gattung,  zu  welcher  sie  gehört,  einen  After.  Vor  einiger  Zeit 
(1831)  hat  Hr.  Wiegmann  zuerst  wieder  diesen  Porus  bei 
einer  pentagonalen  Asterienart  bemerkt  und  bei  den  zwei  trock- 
nen Exemplaren  derselben  auf  der  Etiquette  mit  folgenden 
Worten  bezeichnet:  Ast.  pleyadeJIa  Lam.  var.  angulis  pro- 
ductioribus.  Ind.  oc.  Specimen  utrumque  acu  pertusum 
eratj  altermn  in  ipso  foramine,  quod  ani  orißcimn  fortasse 
ducendum.  Dieses  Thier  gehört  zu  der  Gattung  Goniaster 
Agass.  oder  zu  den  Scutasterien  Blainville's. 

Als  wir  auf  diesen  Gegenstand  die  Asteriensammlung  des 
zoologischen  Museums  nachsahen,  fanden  wir,  dafs  der  bei 
weitem  gröfste  Theil  aller  Asterien  mit  einer  kleinen  After- 
öffnung versehen  ist. 

Der  Afterporus  ist  bald  central,  bald  subcentral.  Bei  den 
Gattungen  Archaster  Nob.,  Ophidiaster  Ag.  und  Gross aster 
Nob.  ist  er  ganz  central,  subcentral  ist  er  bei  den  Gattungen 
Aster acanthion  Nob.,  Stichaster  Nob.,  Echinaster  Nob.,  Ghae- 
taster  Nob.,  Linckia  Nob.,  Goniaster  Ag.,  Asteropsis  Nob., 
Gulcita  Ag.  und  Asteriscus  Nob.  Dann  liegt  er  ganz  nahe 
der  Mitte  links  vom  Radius  der  Madreporenplatte.  Bei  den 
bekannten  Species  der  Gattung  Asterias  Ag.  ist  keine  Spur 
eines  Afterporus  vorhanden.  Ganz  ähnliche  äufsere  Charactere 
hat  die  neue  mit  einem  After  versehene  Gattung  Archaster, 
Afterlos  sind  die  beiden  Gattungen  Asterias  Ag.  und  Ilemi- 
cnemis  Nob.  Diejenigen  Seesterne,  welche  einen  After  haben, 
besitzen  innuer   auch   eine  Absonderung  der  Magenhöhie  von 


320 

einer  Darmhöhle  (hircli  eine  Cirk elfalte,  in  der  unteren  Hohle 
unter  dieser  Falte  gehen  dann  erst  die  Blinddärme  der  Arme 
ab.  Diese  Höhle  ist  es  auch,  welche  in  den  Afterporus  aus- 
mündet. Der  Vorrath  nordischer  Asterien,  die  reiche  Schultz- 
sche  Sammlung-  sicilianischer  Asterien  im  anatomischen  Mu- 
seum, sowie  der  eben  so  wichtige  Schatz  von  Asterien  des 
indischen  Archi'oels  in  Weinc^eist  von  Hrn.  Geh.  Rath  Schoen- 
lein  lieferten  die  Materialien  zur  Feststellung  der  anatomi- 
schen Thatsachen. 

Mehrere  in  neuerer  Zeit  aufgestellte  Gattungen  von  Aste- 
rien sind  sehr  zweckmäfsig,  wie  die  Gattungen  Asterias  Ag. 
(jStellaria  Nardö),  Goniaster  Ag.,  Culcita  Ag.  Die  Gattung 
Lincliia  Nardo  würde  gut  sein,  wenn  sie  aufser  TAnchia 
variolata  nicht  wahre  Ophidiaster  umfafste  und  wenn  ihre 
Gattungscharactere  nicht  gerade  von  diesen  entnommen  wären. 
Die  Gattung  Stellonia  Nardo  ist  nicht  haltbar,  denn  sie  um- 
fafst  Stachelasterien  verschiedener  Genera  und  selbst  verschie- 
dener Familien,  nämlich  Asterien  mit  4  Tentakelreihen  wie 
Ai.  rubens,  glacialis  und  Asterien  mit  2  Tentakelreihen  wie 
y4.  sepitosa  und  spinosa.  Die  Gattungen  Asterma  und  An- 
seropoda  Nardo  gehören  in  eine  zusammen,  da  die  dahin 
gezogenen  Thiere  sich  nicht  generisch  unterscheiden.  Die  fol- 
gende Classification  ist  auf  55  Arten  von  Asterien  der  hiesi- 
gen Museen  gegründet.  Die  Asterien  zerfallen  nach  den  vor- 
hergehenden Thatsachen,  so  wie  einem  wichtigen  und  leicht 
erkennbaren  bisher  unbenutzten  Unterschied  in  der  Zahl  der 
Tentakelreihen  der  Bauchfurchen  in  3  Familien. 

I.  Familie.    Asterien  mit  4  Tentakelreihen  der  Bauchfurchen 

und  einem  After.     ' 

Gen.  1.  Asieracanthion  Nob. 

Ueberall  regelmäfsig  oder  unregelmäfsig  mit  spitzen 
oder  stumpfen  Stacheln  oder  Tuberkeln  besetzt.  Zwi- 
schen den  Stacheln  nackthäutig  mit  vielen  Poren  der 
respiratorischen  Tentakeln.  Pedicellarien  zangenartig 
an  weichen  Stielen,  kranzartig  um  die  Basis  der  Sta- 
cheln, oder  dazwischen,  oder  beides  zugleich.  After 
subcentral. 
8  Arten:  Aslcrias  nibens  Lam.,  A.violacea  O.  Fr.  Müll., 


321 

A.  glacialis  Lam.,  A.  tenuispina  Lam.  {A.  Savare- 
sH  D.  Ch.),  ^.  rosea  O.  Fr.  Müll.,   A.  IJelianthus 
Lam.,    A.  granifera  Lam.,    A,  gelatinosa    Meyen 
Reise  1.  222. 
Gen.  2.  Stichaster  Nob. 

Körper  auf  der  Bauchseite  nahe  den  Furchen  dicht 
gestachelt,  sonst  überall  dicht  mit  Platten  in  regel- 
mäfsigen  Reihen  gepanzert,  welche  dicht  mit  gestielten 
Knöpfen  besetzt  sind.  Zwischen  den  Platten  nur  ein- 
zelne Poren.  Zangenartige  Pedicellarien  an  den  Bauch- 
furchen.    After  subcentral. 

Stichaster  striatus  Nob.  (?  Ast,  striata  Lam.,  Ast. 
aurantiaca  Meyen  1.  222). 

II.  Familie.     Asterien  mit  2  Tentakelreihen  der  Bauchfurchen 

und  einem  After. 
Gen.  3.  Echinaster^)  Nob. 

Arme  walzig.  In  der  Haut  ein  zusammenhängendes 
Balkennetz,  überall  regelmäfsig  oder  unregelmäfsig  mit 
einzelnen  Stacheln  oder  dicht  mit  Stacheln  besetzt. 
Haut  zwischen  den  Balken  nackt  mit  vielen  Tentakel- 
poren. Keine  Pedicellarien.  After  subcentral. 
4  Arten:  A.  sepitosa  Lam.,  A.  echinophora  Lam.  (Pen- 
tadactylosaster  spinosus  Linck,)  E.  spongiosus  Nob. 
(Linck  t.  36.  n.  62.)  und  eine  neue  Art. 

Gen.  4.  Crossaster  Nob. 

Die  Haut  überall  mit  gestielten  Wedeln  besetzt,  da- 
zwischen nackt  mit  vielen  Tentakelporen.    Keine  Pe- 
dicellarien.    After  central. 
2  Arten:  A  papposa  Lam.,  A.  endeca  Lam. 
Gen.  5.  Chaetaster  Nob. 

Haut  überall   dicht  mit  Reihen  von  Platten  besetzt, 
deren  Gipfel  mit  Borsten  gekrönt  sind.   Zwischen  den 
Platten    nur   ein  Porus.     Keine  Pedicellarien.    After 
subcentral. 
A.  siibulata  Lam. 


*)  Echinaster  ist  der  älteste  von  Luidius  und  Petiver  für  ein  hie- 
hergehöriges  Thier  gebrauchte  Name. 

Wiegm.   Archiv.  VI.  Jahrg.   1.   Band.  21 


322 


^ 


Gen.  6.  Opliidiaster  Ag. 

Arme  cylindrisch.  Haut  überall  mit  graiiulirten 
Plättcheii  besetzt,  die  Haut  dazwischen  auch  granulirt 
bildet  Porenfelder  mit  vielen  Poren.  Keine  Pedicel- 
larieu.  After  central. 
8  Arten:  0.  ophidianus  Ag.,  ^.  cylindrica  Lam.,  ^.  lae- 
vigata  Lam.,  A.  multiforis  Lam.,  die  übrigen  neu. 
Gen.  7.  LlncMa  Nob.  {Linckia  Nardo  zum  Theil). 

Arme  flach.  Ueberall  mit  granulirten  Platten  be- 
setzt, die  sich  am  Rande  in  zwei  Reihen  ordnen.  Zwi- 
schen den  Platten  einzelne  Poren.  Keine  Pedicella- 
rien.  After  subcentral. 
3  Arten:  A.  variolata  Lam.,  A.  milleporella  Lam.,  die 
dritte  neu. 
Gen.  8.  Goniaster  Ag. 

Arme  kurz  bis  zur  pentagonalen  Gestalt  der  Scheibe, 
die  untere  Seite  platt,  die  Rückseite  flach  oder  erha- 
ben. An  den  Kanten  der  Scheibe  und  Arme  zw^ei 
Reihen  Platten.  Diese  und  die  Platten  der  Bauch- 
und  Rückenseite  granulirt,  zuweilen  in  Tuberkeln  ver- 
längert, die  Haut  zwischen  den  Platten  und  die  Po- 
renfelder mit  vielen  Poren  ebenfalls  granulirt.  Wo 
Pedicellarien  vorkommen  sind  sie  zangenartig  oder 
klappenartig,  sessil.  After  subcentral. 
7  Arten:  Gon.  tessellatus  Ag.,  G.  eqiiestris  Ag.,  G.  no- 
dosus  Ag.,  G.  reticulatus  Ag.,  A.  pentagonula  Lam., 
Gr.  Sebae  Nob.  {Artocreas  altera  Seba),  Gr.  iuher- 
culatus  Nob.  (Linck  t.  25.  n.  40.) 
Gen.  9.  Asteropsis  Nob. 

Charactere  der  Goniaster,  aber  die  Haut  zwischen 
den  Platten  nackt,  die  nackten  Porenfelder  mit  vielen 
Poren.  Sessüe  zangenartige  Pedicellarien.  After  sub- 
central. 

A.  carinifera  Lam. 
Gen.  10.  Culcita  Ag. 

Pentagonal,  ohne  Randplatten,  Haut  gekörnt,  die 
Furchen  des  Bauches  setzen  sich  auf  den  Rücken 
fort.  Zangenartige  oder  klappenartige  sessile  Pedi- 
cellarien.    After  subcentral. 


323 

2  Arten:  C.  discoidea  Ag.  und  eine  neue  Art. 
Gen.  11.  Asteiisciis*^  Nob.  (^  Asterina  et  Anseropoda 
JSardo  ). 

Scheibe  und  Arme  ganz  oder  am  Rande  abgeplattet, 
der  Rand   gekielt    ohne  Randplatten.     Die   Täfelchen 
der  Bauchseite  mit  einem,  zwei  oder  mehreren  kamm- 
förmig  gestellten  Stachelchen  besetzt,  die  dos  Rückens 
mit  einer  oder   mehreren  Reihen  von  ähnlichen  Fort- 
sätzen besetzt.    Der  platte  Randtheil  der  Scheibe  und 
Arme  ist  von  Tentakelporen  eine  gröfsere  oder  klei- 
nere Strecke  frei.     After  subcentral. 
4  Arten:  A.  inembranacea  Lam.,  A.  penicillaris  Lam., 
A.  exigua  Delle  Chiaje.,  Asteriscits  pentagonus  Nob 
(Seba  V,  13.) 
<3en.  12.  Arcliaster  Nob. 

Auf  beiden  Seiten  platt,  mit  2  Reihen  grofser  Rand- 
platten, die  unteren  mit  beweglichen  Stacheln,  Rücken- 
seite mit  Stielen  besetzt,  die  mit  borstenartigen  Fort- 
sätzen gekrönt  sind.  Zwischen  den  Stielen  Tentakel- 
poren. Keine  Pedicellarien.  Alles  wie  bei  dem  Ge- 
nus Asterias,  von  denen  sie  sich  durch  den  centralen 
After  unterscheiden. 
2  Arten:  Archaster  typicus  Neb.  Celebes,  eine  Reihe 
Randstacheln,  Bekleidung  des  Rückens  in  regelmäfsi- 
gen  Längsreihen.  A.  hesperus  Nob.,  ähnlich  mit  un- 
regelmäfsiger  Bekleidung  des  Rückens. 
III.  Familie.    Asterien  mit  2  Tentakelreihen  der  Bauchfurchen, 

ohne   After. 
Oen.  13.  Asterias  Ag.    (^Stellaria  Nardo.) 

Auf  beiden  Seiten  platt,  mit  2  Reihen  grofser  Rand- 
platten, die  unteren  mit  beweglichen  Stacheln,  Rücken- 
seite mit  Stielen  besetzt,  die  mit  borstenartigen  Fort- 
sätzen gekrönt  sind.  Zwischen  den  Stielen  Tentakel- 
poren, Keine  Pedicellarien. 
11  Arten:  A.  aurantiaca  Lam.,  A,  pentacaniha  D.  Ch., 
A.  Johnstoni  D.  Gh.,    A.  spinulosa  Philippi,  A,  hi- 


*)  Asteriscus  ist  der  älteste  für  ein  hieher  gehöriges  Thier  ge- 
brauchte Name,  welcher  bei  Luidius  und  Petiver  vorkömmt. 

21* 


324 

spinosa  Ott.,  A.  suhinermis  Phil.,  yl.  plaiyacnnlha 
V\\.     Die  übrigen  neu. 
Gen.  14.  Ilcimcnemis.  Nob.  *) 

Von  den  Randplatten  ist  blofs  die  ventrale  Reihe 
vorhanden,  mit  Stacheln.  Riickenseite  ganz  mit  gebor- 
steten Stielen  besetzt.  Keine  Pedicellarien. 
2  Arten:  A.  ciliaris  Phil,  und  A.  senes^alensis  Lam. 
Die  excentrische  MadreiDorenplatte,  welche  allen  diesen  Gat- 
tungen zukommt,  ist  bei  den  meisten  Asterien  einfach,  bei  A. 
helianthus  ist  sie  vielfach,  ein  Haufen  einzelner  Platten.  Bei 
anderen  Asterien  mit  vielfachen  Armen  bleibt  sie  einfach,  wie 
bei  papposa,  endeca,  ciliaris  u.  a.  Mehrere  Arten  der  Ophi- 
diaster,  (z.  B.  O.  multiforis)  haben  constant  2  Madreporenplat- 
ten,  welche  bei  5  Armen  durch  die  Breite  eines  oder  zweier 
Arme  von  einander  entfernt  sind.  Die  Arten,  welche  zwei 
Madreporenplatten  haben,  besitzen  sie  auch  dann,  wenn  sie 
nur  vier  Arme  haben;  vermehren  sich  die  Arme,  so  können 
drei-  Madreporenplatten  vorhanden  sein.  A.  tenidspina  (mit 
6-8  Armen)  hat  regelmäfsig  wenigstens  zwei  Madreporen- 
platten, durch  die  Breite  eines  oder  zweier  Arme  getrennt, 
die  Exemplare  mit  8  Armen  haben  3  Madreporenplatten.  In 
diesen  Fällen  läfst  sich  der  bilaterale  Typus,  welchen  Herr 
Agassiz  auf  eine  sehr  geistreiche  Weise  bei  allen  Echino- 
dermen  nachgewiesen,  nicht  nach  dem  Radius  der  Madrepo- 
renplatte  bestimmen.  Man  kann  sich  vorstellen,  dafs  sich  hier 
constant  ein  oder  mehrere  Arme  im  Interradialraum  der  Ma- 
dreporenplatte  entwickeln,  bei  Mangel  des  vordem  Arms.  Auch 
bei  der  Abtheilung  der  Clypeaster,  unter  den  Seeigeln,  wie 
bei  Gen.  Clypeaster,  Scutella,  Echinoneus,  Echinarachnius 
könnte  die  Madreporenplatte  nicht  zur  Bestimmung  der  Achse 
dienen,  denn  sie  findet  sich  merkwürdiger  Weise  im  dorsalen 
Pol  der  radialen  Entwicklung ,  entweder  von  5  oder  4  Ovi- 
ducalöfi'nungen  umgeben.  Indessen  ist  bei  diesen  Thieren  die 
Achse  des  bilateralen  Typus  durch  die  Lage  des  Afters  be- 
stimmt. Die  excentrische  oder  subcentrale  Lage  der  After- 
öflfnung  am   Centrum  links  vom  Radius  der  Madreporenplatte 


*)  Bei  dieser  Gattung   reichen    die  Geschlcchtstheilo   durch  die 
ganze  Länge  dor  Arme. 


325 

trifft  sich  auch  bei  den  Gattungen  Echinometra  und  Echiiius. 
Diese  Lage  kann  kein  Einwurf  sein  gegen  die  vollkommen  be- 
gründete Ansicht  von  der  Combination  des  bilateralen  mit 
dem  radialen  Typus  bei  den  Echinen  und  Asterien  und  erklärt 
sich  hinreicliend  durch  eine  Störung  der  Symmetrie,  wie  sie 
auch  bei  einigen  Wirbelthieren  mit  lateralem  After,  Lepidosi- 
ren  und  Amphioxus  vorkommt. 

Dafs  die  Madreporenplatte  und  der  After  demselben  Ra- 
dius angehören,  beweisen  die  Spatangen.  Aber  die  eine  und 
der  andere  können  aus  ihrem  Radius  in  das  Centrum  rücken, 
die  Madreporenplatte  bei  den  Clypeastern,  der  After  bei  den 
Echinen. 

Bei  den  Ophiuriden  ist  die  Madreporenplatte  bisher  nicht 
beobachtet;  sie  ist  vorhanden,  liegt  aber  an  einer  ganz  ande- 
ren Stelle  als  bei  den  Asterien,  nämlich  an  der  Bauchseite, 
in  der  Nähe  des  Mundes.  Bei  Euryale  ist  sie  sehr  leicht  zu 
beobaiTiiten,  sie  liegt  im  Winkel  zweier  nach  dem  Munde  lau- 
fender Wirbelreihen  der  Arme.  Bei  den  Ophiuren  ist  sie  in 
eigenthümlicher  Weise  ersetzt.  In  den  Winkeln  der  Wirbel- 
columnen  liegen  um  den  Mund  herum  5  schildförmige  Platten. 
Eine  von  diesen  Platten  besitzt  meist  einen  Umbo  und  zeich- 
net sich  dadurch  von  den  4  übrigen  Platten  aus. 

Die  Madreporenplatte  liegt  also  in  verschiedenen  Abthei- 
lungen der  Echinodermen  an  verschiedenen  Stellen  ihres  Ra« 
dius,  von  der  Bauchseite  an  bis  ins  dorsale  Centrum;  ebenso 
ist  es  mit  dem  After.  Die  Genitalöffnungen  sind  immer  ra- 
dial, nie  central,  aber  ihre  Lage  kann  in  ihren  Radien  bald 
ventral  (Ophiuren,  Pentremiten),  bald  dorsal  (Seeigel)  sein 
und  sie  sind  bald  einfach  bald  gedoppelt.  Einfach  sind  sie 
bei  den  Seeigeln,  gedoppelt  bei  den  Ophiuriden  und  Pentre- 
miten. Wenn  sie  einfach  sind,  liegen  sie  in  den  Interbrachial- 
feldern  oder  Interambulacralfeldern;  wenn  sie  gedoppelt  sind, 
können  sie  bis  in  die  Nähe  der  Arme  auseinanderweichen  und 
an  den  Armen  selbst,  aufserhalb  der  Ambulacralfurchen  liegen, 
wie  bei  den  Crinoiden  die  Pinnulae  selbst  zur  Ausschüttung 
der  Eier  an  der  Aufseuseite  dehisciren. 

Die  Pedicellarien  sind  zweiarmig  bei  den  Asterien,  drei- 
armig  bei  den  Seeigeln,  bei  den  langarmigen  Pedicellarien  sind 


326 

che  ganzen  Arme  gezähnelt,  bei  den  zangenartigen  Pedicella- 
rien  mit  kürzeren  Armen  sind  die  Enden  der  Arme  mit  einem 
oder  mehreren  längeren  Zähnen  versehen. 


üebcr    die    Gattungen    der   Ophiurcii. 

Von 
J.  Müller  und  F.  IL  Troschel. 


(Mitgetheiit  in  der  Gesellschaft  naturforschender  Freunde 
am  16.  Juni  und  21.  Juli  1840. ) 

Die  Ophiuriden  sind  Seesterne,  welche  mit  den  Asteriea 
gemein  haben,  dafs  ihre  Armcolumnen  vom  Munde  ausgehen, 
und  sich  von  ihnen  dnrch  den  Ursprung  der  Arme  und  den 
Mangel  der  Bauchfurchen  uaterscheiden.  Ihre  Scheibe  ist  von 
den  Armen  abgesetzt,  während  diese  bei  den  Asterien  Aus- 
dehnungen der  Scheibe  sind.  Ihre  Tentakeln  auf  der  ßauchseite 
durchbohren  einfach  die  Haut.  Die  einspringenden  Winkel  des 
Mundes  sind  auf  ihrer  senkrechten  Höhe  mit  Papillen  (Zahn- 
papillen)  besetzt.  Bei  allen  fehlt  der  After.  Sie  zerfallen  in 
zwei  Famiien:  die  Ophiuren  und  Euryalen.  Die  letzteren  ha- 
ben verzweigte  Arme,  und  ihre  Haut  an  den  Armen  besitzt 
keine  Schuppen,  sondern  ist  einfach  granulirt.  Der  Rücken 
der  Scheibe  ist  mehr  oder  weniger  deutlich  strahlig  gerippt, 
Sie  haben  kleine  Papillenkämme  in  2  Reihen  an  der  Bauch- 
seite der  Arme.  Die  Armcolumnen  srofsen  am  Minide  unmit- 
telbar aneinander,  ohne  dazwischenliegende  Mundschilder.  In 
einem  der  dadurch  gebildeten  Winkel  liegt  die  Madreporen- 
platte.  Herr  Agassiz  hat  sie  in  die  Gattungen  Euryale  und 
Tricasier  getheilt,  je  nachdem  die  Arme  ^vom  Grunde  aus, 
oder  erst  an  der  Spitze  verzweigt  sind. 

Die  Ophiuren  haben  einfache  Arme,  an  denen  man 
Rücken-,  Bauch- und  Seitenschuppen  unterscheidet.  Die  Quer- 
reihen der  Papillen  oder  Stacheln  stehen  an  den  Seiten  der 
Arme.     Zwischen   den  Armen  am  Munde  liegen  fünf  Mund- 


327 

Schilder,  von   denen  eins  gemeiniglich  mit  einem  Uniho  ver- 
sehen ist. 

Herr  Agassiz   hat    bereits   die   Ophiuren   mit    Stacheln, 
und  diejenigen    mit    anliegenden    Papillen    generell    getrennt 
(Ophiocojna  Ag.   und   Ophiura  Ag.),   und  auch  die  fossilen 
Ophiuren  in  Gattungen  geordnet.    Die  Untersuchung  einer  an- 
sehnlichen Zahl  von  lebenden  Ophiuren  der  hiesigen  Museen, 
führte  uns  auf  noch  mehrere  andere  wesentliche  Unterschiede 
unter  den  Ophiuren,   welche,    indem   sie   keinen  Uebergängen 
unterworfen   sind,    zur   generischen   Unterscheidung  der  sonst 
wegen    ihrer    grofsen    Zahl    schwer    bestimmbaren   Ophiuren 
dienen  können.      Dahin  gehört   die   Bekleidung  der    Scheibe, 
welche  entweder  aus  völlig  glatten  Schuppen  oder  Schildchen 
besteht,    oder   aus   kleinen,    die    Haut    besetzenden    Körnern, 
Papillen,  Stachelchen  gebildet  ist»     Dann  kommt  die  Zahl  der 
Genitalöffnungen  in  den  Interbrachialräumen  der  Bauchscheibe 
in  Betracht,  welche  2,  aber  auch  4  sein  kann.    Ferner  gehört 
hierher  die  Beschaffenheit   der  Mundränder  an  den  5  Spalten 
des  Mundes,    welche  entweder  nackt,    oder  mit  Papillen  ein- 
gefafst  sind.     Endlich    sind   auch   die  Stacheln   an   den  Seiten 
der  Arme   von  Wichtigkeit,    indem  sie   entweder    glatt   oder 
echinulirt  sind. 

Herr  Delle  Chiaje  spricht  bei  einer  Ophiura  von  ei- 
ner Central- Oeffnung  des  Rückens.  Wir  haben  diese  Art  un- 
tersucht, und  nur  einen  nackten  Fleck  gefunden,  der  auch 
nicht  constant  ist.  Derselbe  beschreibt  auch  eine  Madreporen- 
platte,  die  ausnahmsweise  bei  einer  Species  von  Ophiura 
(0.  tricolor^  nahe  einem  der  Winkel  der  pentagonalen  Scheibe 
vorkommen  soll:  discopentagono  quasi acuore,  spinosetto,  ne- 
ricciOj  col  corpo  hibirintifero  a  solchi  e  margini  ßessuosi 
presso  mio  de  cinque  ajigoli,  essendo  questo  il  primo  es- 
empio  di  sua  esisteiiza  neue  OJlure.  Dies  kann  indefs  nur 
etwas  Abnormes  gewesen  sein,  denn  was  bei  den  Ophiuren 
die  Madreporenplatte  ersetzt,  liegt  an  einer  ganz  andern  Stelle, 
wie  in  der  vorhergehenden  Abhandlung  erwähnt  ist.  *) 


*)  Auch  bei  den  Comatulen  glaubte  dieser  verdienstvolle  Beob- 
achter eine  Madreporenplatte  wahrgenommen  zu  haben,  wo  sie  indefs 
auch  nicht  vorkommt. 


328 


Wir  theilen  die  lebenden  Ophiuren  wie  folgt  in  fünf  Gat- 


tungen : 

Genus  1.    OphioJepis  Nob.  {Ophinra  Ag.  zum  Theil). 

Die  Scheibe  ganz  mit  glatten  Schuppen  oder  Schild- 
chen bedeckt;  zwei  Genitalspalten  in  jedem  Interbrachial- 
raum  der  Bauchseite;  Papillen  oder  Stachelchen  an  den 
Seiten  der  Arme.  Die  Ränder  der  Mundspalten  mit  har- 
ten Papillen  besetzt. 

8  Arten:    0.  annulosa  Blainv,  Actin.  XXIV.  {non  annu- 
losa  Lam.) 
0.  texturata  Lam.  (^Ast.  cordifera  delle  Chiaje  XX.  f.  12; 

0.  aurora  Risso;  0.  hracteata  Johnst.) 
Ast.  scjamata  delle  Chiaje  XXXIV.  fig.  1.  (0.  neglecla 

Johnston). 
Ast  filiformis  O.  F.  Müll.  Zool.  dan.  tab.  59. 
Ast.  aciileaia  O.  F.  Müller  Zool.  dan,  tab,  99.  (0.  lel- 

lis  Johnston). 
Ast.  Tenorii  delle  Chiaje  XXI.  fig.  7-11. 
Die  ürigen  neu. 

Genus  2.    Ophiocoma  Ag. 

Scheibe  überall   gleichmäfsig   gekörnt,    ohne  hervortre- 
tende nackte  Schilder   des   Rückens.     Glatte  Stacheln  an 
den  Seiten  der  Arme.     Zwei  Genitalspalten  in  den  Inter- 
brachialfeldern  der  Bauchseite.     An  jedem  Tentakelporus 
eine  oder  zwei  Schuppen.     Die  Ränder  der  Muudspalten 
sind  mit  harten  Papillen  eingefafst. 
6  Arten:   0.  echinata  Ag. 
0.  scolopendrina  Lam. 
Ast.  nigra  O.  F.  Müll.  Zool.  dan.  tab.  93. 
und  drei  neue. 

Genus  3.    Ophiothrix  Nob. 

Scheibe  gekörnt  oder  gestachelt.  Aus  der  Haut  des 
Rückens  der  Scheibe  treten  mehr  oder  weniger  deutlich 
zehn  radiale  Schilder  hervor,  die  entweder  nackt,  oder 
sparsam  bewaflfnet,  oder  durch  die  Art  ihrer  Bewaffnung 
von  der  übrigen  Haut  der  Scheibe  ausgezeichnet  sind.  Die 
Ränder  der  Mundspalten  sind  nackt,  und  die  harten  Pa 
pillen  der  vorigen  Gattung  fehlen,  so  dals  nur  Zahnpapil- 


329 

len  vorhanden  sind.    Die  Stacheln  der  Arme  sind  echinu- 

lirt.    Genitalspalten  zwei  in  jedem  Interbrachialfelde. 
12  Arten:  0.  echinophora  Nob.  {Ast  echinata  delle  Chiaje 
tab.  34.  %.  5.  non  0.  echinata  Lam.) 

Astfragilis  O.F.Müll.  Zool.  dan.  tab.  98.  (0.  rosida 
Johnston.) 

jist.  tricolor  delle  Chiaje  tab.  34.  fig.  9. 

Ast.  pentagona  delle  Chiaje  tab.  34.  %.  15. 

Ast.  Ferussaci  delle  Chiaje  tab.  34.  fig.  12. 

Ast.  Cuvieri  delle  Chiaje  tab.  34.  fig.  17. 

Ast.  quinquemaculata  delle  Chiaje  tab.  68.  fig.  1. 

O.  granulata  Johnst. 

0.  spinulosa  Risso  Hist  nat.  fig.  30. 

und  3  neue  Arten. 
Genus  4.    Ophioderma. 

Die  Scheibe  ist  granulirt.     Die   Mundspalten  sind  mit 

harten  Papillen  eingefafst,  an  den  Seiten  der  Arme  Kamme 

von  Papillen.     Statt  zwei   Genitalspalten   in  jedem  Felde 

des  Bauches  vier  Oeffnungen;  wovon   zwei  in  der  Nähe 

des  Randes   der  Scheibe,    zwei   dicht  hinter  den  Mund- 
schildern liegen. 
2  Arten:  0.  lacertosa  Lam.  (Encycl.  tab.  122.  %.  4.  Ast- 
ophiura  delle  Chiaje  tab.  20.  fig.  1.) 

0.  pectinatum  Nob.  (Seba  tab.  5.  fig.  1-2). 
Genus  5.    Ophionyx. 

An  den  Armen  befinden  sich  unter  den  Stacheln  noch 
bewegliche  Haken.  Die  Scheibe  ist  mit  mehrzackigen  Stachel- 
chen  besetzt.  Die  Ränder  der  Mundspalten  scheinen  nackt 
zu  sein.     Eine  Species  0.  armata  Nob.  neu. 

Der  Gegenstand  dieser  Beobachtung  ist  ein  sehr  kleines 
nur  2y  Linien  grofses  Thierchen.  welches  auf  dem  Arme  einer 
Ophiotlirix  gefunden  wurde.  Es  ist  vielleicht  nur  der  Jugend- 
zustand einer  Art  aus  den  vorhergehenden  Gattungen.  Die 
Scheibe  zeigt  unter  dem  Microscop  auf  dem  Rücken,  beson- 
ders gegen  den  Rand  hin  einzelne  sehr  zerstreute  kurze  Döru- 
chen,  welche  in  drei  Zacken  endigen.  Die  Arme  hatten  an 
dem  untersuchten  Individuum  nur  acht  ausgebildete  Glieder. 
Diese  Glieder  sind  lang,  an  ihrer  Basis  schmal,  am  Ende  breit. 
Die   Rücken-  und  Bauchschiippen  sind  elliptisch  und   länger 


330 

als  breit.  Die  Seitenschuppen  ragen  in  schiefer  Richtung  nach 
aufsen  und  vorwärts  sehr  stark  hervor,  und  tragen  1)  ein 
Ilakenglied  und  2)  mehr  nach  oben  zwei  Dörnchen.  Das  Ha- 
Ivenglied  besteht  aus  einem  grofsen  krummen  Haken,  der  in 
zwei  hinter  einander  liegende  Spitzen  ausläuft.  Die  Dörnchen 
sind  am  ersten  und  zweiten  Gliede  nächst  der  Scheibe  echi- 
nulirt,  oder  laufen  vielmehr  am  Ende  in  mehrere  Zacken  aus; 
an  den  übrigen  Gliedern  sind  die  Dörnchen  einfach,  und  nur 
an  ihrem  Ende  fein  getheilt.  Am  ersten  Gliede  nächst  der 
Scheibe  scheinen  die  Haken  zu  fehlen.  Die  gewöhnlichen  Ten- 
takeln fmden  sich  wie  bei  den  übrigen  Ophiurea. 


Schreiben  der  Herren   Graf  Kejserling  und 
Professor  ßlasius. 

Petersburg,  yV-  J""i  1^40. 

Im  Augenblick  der  Abreise  in  das  Innere  von  Rufsland 
mit  der  Mayendorfschen  Expedition,  erlauben  wir  uns  Ihnen 
folgende  kurze  Notiz  zur  möglichst  schnellen  Aufnahme  in  Ihr 
Archiv  mitzuth eilen. 

„Mifsverständnisse  und  Verfehlungen,  deren  Auseinander- 
setzung ohne  wissenschaftliches  Interesse  ist,  haben  uns,  bei 
dem  Streben  nach  gröfstmöglicher  Vollständigkeit  in  Unter- 
scheidung der  europäischen  Wirbelthiere,  zuwider  unseren  mehr- 
fachen Bemühungen  in  die  Nothwendigkeit  versetzt,  zwei  neue 
Thiere  zu  publiciren,  die  wir  mit  Nathusius  untersucht  hatten, 
imd  die  von  Nordmann  gesendet  waren.  Erst  nachdem  der 
Druck  des  ersten  Bandes  unserer  europäischen  Wirbelthiere 
beendigt  war,  erhielten  wir  die  unterdefs  erschienene  zoologi- 
sche Abthellung  der  Demidofschen  Reise  von  Nordmann,  in  der 
nun  eben  diese  beiden  Thiere  unter  anderen  Namen  bekannt 
gemacht  sind.  Der  Mus  horhilanus  Nordmann  ist  unser 
Mus  Nordmanni,  der  Sminthus  Joriger  Nathus.  ex  litt. 
ist  unser  Sminthus  ISordmmmi.  Wir  beeilen  uns  hiermit, 
unsere  Artnamen  einzuziehen  und  die  Synonymie  unzweifelhaft 
festzustellen,  durch  die  Bemerkung,  dafs  dieselben  Individuen 
zu  Nordmanns  Abbildungen  und  unserer  Untersuchung  gedient 
haben.''  Blasius   und   Keyserling. 


331 


Die  Vegetation  in  der  Mark  Brandenburg. 

Ein  Beitrag  zur  Pflanzen  -  Geographie 


von 
Dr.     Barentio. 


I.     Beziehungen  zwischen  der  Vegetation  und 

dem  Klima. 

Unter  allen  Ursachen,  welche  auf  das  Gedeihen  der  Pflan- 
zen einwirken,  sind  Warme,  Licht  und  Wasser  von  so  ent- 
schiedenem Einflufs,  dafs  ihnen  gegenüber  nur  in  seltenen 
Fällen  ein  anderes  Element  Bedeutung  erlangt.  Daher  spre- 
chen sich  die  klimatischen  Verhältnisse  in  den  Pflanzen  auf 
so  bestimmte  Weise  aus,  dafs  sich  von  diesen  auf  jene  und 
umgekehrt  die  erspriefslichsten  Folgerungen  haben  herleiten 
lassen;  ja  es  werden  von  den  Gewächsen  atmosphärische  Zu- 
stände angedeutet,  zu  deren  wissenschaftlicher  Beobachtung 
es  noch  sogar  an  den  geeigneten  Instrumenten  fehlt.  Zwar 
giebt  es  Pflanzen,  die  unter  den  verschiedensten  Himmelsstri- 
chen gedeihen:  Lemna  minor,  Lemna  trisidca,  Marsüia 
quadrifolia,  Convolvulus  Sepium,  Festuca  fliiitans,  Arundo 
Thragmites y  Panicum  Crus  Galli,  Scirpus  lacustris,  Cla- 
dium  Maris cus,  Jiincus  effusus,  Solanum  nigrum*)  sämmt- 
lich  bei  uns  wohlbekannte  Arten,  wachsen  auch  auf  Neu- 
Holland.  Samolus  P^alerandi  ist  über  alle  Erdtheile  verbrei- 
tet; desgleichen  Nasturtium  officinale,  welches  nur  in  Neu- 
Holland  noch  nicht  gefunden  ist.  Aira  flexuosa,  Sagina 
-procumhens ,  Callitriche  verna,  Marchantia  polymorplia 
kommen  nach  Dumont  d'Urville  unter  ganz  ähnlichen  Ver- 
hältnissen wie  bei  uns  auch  auf  den  Falklands -Inseln  vor. 
Myriophyllum  spicatum  und  Poa  maritima  werden  in  Lapp- 


*)  Meyen  Pflanzengeographie.    Berlin  1836.  p.  110. 


332 

land,  Deutschland  und  in  der  subtropischen  Region  der  Cana- 
rischen  Inseln   angetroffen.     Ueberraschend  ist  die   weite  Ver- 
breitung vieler  niederen  Pflanzen.   Unsere  Farmelia  perforata 
fand  Hr.  Meyen  selbst  auf  den  entlegenen  Sandwichs -Inseln, 
udspergillus    glaucus   sah   Ilr.  Ehrenberg  in  Afrika  unter 
ahnlichen   Umständen  sich    bilden  wie    bei  uns.     Wenn    aber 
auch  Beispiele  dieser  Art  nicht  geeignet  sind  über  klimatische 
Differenzen  Aufklärung  zu  geben,  so  scheinen  sie  mir  doch  in 
anderer  Beziehung  sehr  beachtenswerth,  da  sie  sich  als  schwer 
zu   beseitigende  Einwürfe  gegen   die   Lehren   anführen  lassen, 
welche  Linne*)    und   Wildenow**)  von   der  Verbreitung 
der  Pflanzen   über  die  Erdoberfläche  aufstellten.     Grade  jenen 
Vorstellungen   entgegen,   die   im  Wesentlichen  darauf  hinaus- 
kommen,  dafs   alle  Gewächse   von   einem   inselartig  hervorra- 
genden Bergrücken  sich  über  die  allmählig  aus  den  Gewässern 
emportretende  Erde  verbreiteten,  reden  sie  vielmehr  der  An- 
sicht das  Wort,   dafs   sich  Pflanzen  wie  Thiere  ***)   zugleich 
an  vielen  Stellen  der  Erdoberfläche  erzeugten,  wo  die  zu  ihrer 
Entstehung  nothwendigen  Bedingungen  sich  vorfanden.     In  ge- 
wissen Fällen  sind  wir  für  manche  niedere  Gebilde  jetzt  noch 
dasselbe    anzunehmen  genöthigt,  wie  vorsichtig  uns   auch   die 
neueren  mikroskopischen  Entdeckungen  in  der  Hiudeutung  auf 
die  generatio  aecjuivoca  gemacht  haben. 

Wie  genau  der  eben  ausgesprochenen  Ansicht  die  Erfah- 
rung sich  anschliefst,  ergiebt  sich  noch  aus  einem  anderen 
Umstand.  II.  B.  Saussure  hat  zuerst  die  richtigen  Gründe  auf- 
gefunden, aus  denen  eine  Abnahme  der  Temperatur  mit  zu- 
nehmender Höhe  der  Berge  nothwendig  wird;  daher  trifft  man 
denn  auf  den  Gebirgen  südlicher  Breiten  die  Temperatur  nörd- 
lich gelegener  Gegenden  w^icder,  wodurch  das  Klima  nordi- 
scher Ebenen  und  südlicher  Höhen  eine  gewisse  Aehnlichkeit 
erhält,  die  sogleich  auf  die  Vegetation  übergeht,  und  sicli  hier 
nicht  selten   auf  das  Wiedererscheinen   derselben   Species   er- 


*)  C.  Liimaei  Disscrt,  de  teUnris  habitabi/Zs  increjnento. 
**)  Giundrifs  der  Kräuteikunde.   5.  Aufl.  p.  491. 
***)  Z.  B.   Trochus    adglutma?is   unter   den    Schnecken,    Arpi/ro- 
nccta  aijuatica  unter  den  .Spinnen,    Vanessa  Cardiii  aus    der  Klasse 
der  Insekten,  sind  ähnliche  Beispiele  in  der  Thierwelt. 


333 

streckt.  Saxifraga  opposif/folia,  Süene  acaulis,  Dryas  oc- 
topetala,  Erigeron  alpinus,  welche  in  Lapplaud  auf  niedri- 
gen Inseln  und  Küsten  wachsen,  finden  sich  auf  den  Alpen  in 
der  Nähe  der  Schneeregion  wieder;  die  Heidelbeeren  (J^acci- 
nium  MyrtiUus)^  bei  uns  überall  in  den  Wäldern,  trifft  man 
in  Italien  nur  noch  auf  den  höchsten  Bergen;  Birken  {Betula 
alba),  die  Zierde  hochnordischer  Gegenden,  giebt  es  in  Por- 
tugal *)  nur  auf  der  hohen  Serra  de  Marao  und  in  Italien  auf 
den  Bergen  von  Aspromonte.  Die  Region  zwischen  5000  und 
9000'  am  nördlichen  Himalaya  trägt  eine  ganz  europäische 
Physiognomie**);  Prunella  vulgaris,  Thymus  Serpylluin 
Origanmn  vulgare,  Ranunculus  arvensis,  Thlaspi  arvense, 
Capsella  Bursa  Pastoris,  Heder a  Helix,  Galium  Aparine, 
Leontodoji  Taraxacum,  Acorus  Calamus,  yllopecurus  ge- 
niculatus,  Poa  aninia  u.  a.  bei  uns  die  gewöhnlichsten  Pflan- 
zen, sind  auch  dort  zu  finden.  Ebenso  Alsine  media,  über- 
all auf  unseren  Ebenen,  wächst  am  Pik  von  Teneriffa  in  einer 
Höhe  von  8000',  in  einem  Klima  ähnlich  dem  der  Schottischen 
Hochlande.  Wo  aber,  wie  in  Amerika,  zwischen  den  Wende- 
kreisen hohe  Gebirge  in  die  Region  des  ewigen  Schnee's  hin- 
einragen, da  finden  sich  alle  Abstufungen  der  Temperatur,  alle 
Klimate  liegen  übereinander  und  mit  ihnen  alle  Vegetations- 
formen, die  im  Niveau  des  Meeres  vom  Aequator  bis  zum  Pol 
in  unübersehbare  Ferne  auseinander  gerückt  sind.  „So  hat 
die  Natur  dem  Menschen  in  der  heifsen  Zone  verliehen,  ohne 
seine  Heimath  zu  verlassen,  alle  Pflanzengestalten  der  Erde 
zu  sehen;  wie  das  Himmelsgewölbe  von  Pol  zu  Pol  ihm  kei- 
nes seiner  leuchtenden  Welten  verbirgt  ***)." 

Im  Ganzen  gehört  es  jedoch  immer  zu  den  seltneren  Fäl- 
len, dafs  dieselbe  Art  weit  über  die  Erde  verbreitet  ist;  viel 
allgemeiner  ist  der  Fall,  dafs  derselbe  Typus  wiederkehrt,  aber 
ausgeprägt  in  den  allermannigfaltigsten  Gestalten.  Orchideen, 
Leguminosen,  Cyperaceen  u.  a.  finden  sich  überall  auf  der 
Erde;    eine    ideale  Grundform  verbindet   alle  Familienglieder 


*)  Link  Urwelt  und  Alterthum.  I.  2I>7. 

**)  S.  Royle  Illustr.   London,  1833.  fasc.  I  Meyen  Pflanzengeo- 
graphie 107. 

^**)  Alex.  V.  Humboldt  Ansichten  der  Natur.  II.  p.  45. 


334 

vom  Polarkreise  bis  zum  Aequator,  aber  die  Urgestalt  ist  in 
eben  so  viele  Arten  auseinandergegangen,  als  es  verschiedene 
Umstände  gab,  unter  denen'  sie  in  die  \Yirkli€hkeit  trat. 

Die  Ursache  dieses  Formenwandels  bei  den  Pflanzen  liegt 
hauptsächlich  im  Klima,  dessen  grofse  Verschiedenheiten,  nicht 
allein  durch  die  geographische  Breite,  sondern  auch  durch 
Meeresnähe,  ansehnliche  Continente,  durch  Hochebenen,  Ge- 
birge und  weite  niedere  Flächen  hervorgerufen,  in  der  Vege- 
tation am  auffallendsten  sich  darstellen.  Einige  Klimate  sind 
der  Entwickelung  gewisser  Pflanzenformen  besonders  günstig. 
—  An  der  Westküste  Norwegens  hört  die  Tanne  (Phius  Ahies) 
schon  bei  67"  auf,  aber  die  Kiefer  (Fin.  sylvestris)  geht  noch 
bis  zum  70".  Die  Birke  sogar  bis  zum  71^.  In  Sibirien  da- 
gegen, welches  durch  ein  continentales  Klima  characterisirt 
wird,  bleibt  die  Kiefer  schon  südlich  von  Obdorsk  zurück,  die 
Birke  erreicht  noch  diese  Stadt',  aber  die  Tanne  dringt  hier 
noch  viel  weiter  nach  Norden  vor,  bis  auch  sie  nicht  mehr 
fortkommt,  und  Lerchenbäume  (Pm.  Larix)  welche  sich  all- 
mählig  jenen  anschlössen,  mit  Alnus  incana  bis  an  die  Kü- 
sten des  Eismeers  gehen.  Fin.  Alnes  verlangt  demnach  wär- 
mere Sommer,  kann  aber  gröfsere  Kälte  ertragen  als  Fin.  syl- 
vestris. Die  Lerchenbäume  aber  sind  die  Nadelhölzer,  welche 
die  grofsen  klimatischen  Extreme  Sibiriens  zu  ertragen  ver- 
mögen; ja  noch  auf  dem  Berge  Ulagtschan  (134"  40'  östl. 
von  Paris,  61"  30'  Breite);  der  eine  Höhe  von  2544'  hat  zei- 
gen sie  ein  freudiges  Wachsthum,  und  fmden  sich  selbst  auf 
dem  3780'  hohen  Kapitanberg  (138"  L.  von  Paris,  60"  45'  Br.) 
in  einer  Mitteltemperatur,  die  zwischen  —  10"  und  —  11<^II. 
liegt*)  Aehnlich  wie  im  alten  Continent  ist  die  Reihenfolge 
der  Nadelhölzer,  wenn  man  von  der  Westküste  Nord-Ameri- 


*)  A.  Erman  Reise  mn  die  Erde.  Histor.  Bericht  IL  372.  275. 
Erwägt  man  noch,  dafs  auch  auf  der  IVIelville's  Insel  bei  einer  Mit- 
tel-Temperatur von  —  14,6*'  R.  eine  namhafte  Flor  angetroffen  wird, 
so  ist  man  genöthigt,  solchen  Thatsachen  gegenüber,  die  gewöli^jliche  ' 
Vorstellung  von  der  Schneegränze  fallen  zu  lassen,  und  sich  der  neuer- 
dings von  Hrn.  Erman  entschieden  ausgesprochenen  Ansicht  anzu- 
schliefsen:  dafs  sich  auf  der  Erde  im  Allgemeinen  keine 
Mittel  -  Temperatur  angeben  läfst,  bei  welcher  die 
Schneegränze  zu  setzen  ist. 


335 

kas  östlich  wandert:  anfangs  wieder  Plnus  sylvestris  iibor- 
gehend  successive  in  andere  Pinusartcn.  Wie  der  Norden  hat 
auch  der  Süden  auf  den  Gebirgen  seine  eignen  Formen,  so 
auf  der  pyrenäischen  Halbinsel  Pin.  Pinaster,  in  Italien  Pin, 
Pinea,  am  Aetna  P.  Laricio,  auf  den  Bergen  der  griechischen 
Küste  P,  maritima,  auf  dem  Libanon  die  Ceder,  u.  s.  w.  Das 
Verzeichnifs  solcher  stellvertretenden  Arten  liefse  sich  noch 
sehr  bereichern,  wenn  es  darauf  ankäme  eine  vollständige  üe- 
bersicht  zu  liefern.  Mögen  auch  die  Ursachen,  die  eine  solche 
Mannichfaltigkeit  von  Arten  zur  Folge  haben,  noch  nicht  über- 
all nachweisbar  sein,  so  werden  sie  sich  doch  sicher  bei  nä- 
herer Untersuchung  und  Vergleichung  der  Standörter  genann- 
ter Bäume  nachweisen  lassen,  wie  dies  schon  bei  vielen  ge- 
genwärtig der  Fall  ist.  Die  Grasform  ist  über  alle  Länder 
verbreitet;  baumförmig  aber  werden  die  Gräser  nur  unter  dem 
tropischen  Himmel;  gesellig  wachsend  zu  Rasen  und  Wiesen 
dichtgedrängt  vereint  sind  sie  nur  in  kälteren  Regionen ;  starr- 
blättrige Gräser  erzeugt  Asien,  wo  durch  die  eigentlüimliche 
Stellung  der  Gebirge  eine  kalte  stagnirende  Luftscliicht  den 
Strömungen  der  Atmosphäre  in  anderen  Erdtheilen  fremd  bleibt. 
Lilien  haben  am  Polarkreis  wie  unter  der  Linie  ihre  Reprä- 
sentanten, aber  einen  Formenreichthum  wie  ihn  das  südliche 
Afrika  in  dieser  Familie  aufzuweisen  hat,  bringt  kein  anderer 
Himmelsstrich  hervor.  Was  in  Amerika  zu  Agaven  und  präch- 
tigen Fourcroyen  geworden  ist,  das  gestaltete  sich  unter  afri- 
kanischen Einflüssen  zu  Aloegewächsen,  den  einsamen  melan- 
cholischen Bewohnern  dürrer  \^  üsteneien.  AVieder  anderen 
Formen  ist  es  unmöglich  geblieben,  auch  nur  durch  eine  Spe- 
cies  in  jedem  Klima  sich  darzustellen.  Es  fehlen  der  kalten 
Zone  die  Asclepiadeen,  Malven,  Euphorbien,  Laurineen  und 
andere,  während  die  edle  Gestalt  der  Palmen,  die  abentheuer- 
lichen  Nopaleen,  die  Bananengewächse,  die  segenverbreitende 
Zierde  bebauter  Fluren  der  heifsen  Zone,  sich  allein  auf  den 
wärmsten  Erdgürtel  beschränken.  Wie  ähnlich  endlich  auch 
der  Habitus  einer  Gebirgsflora  mit  dem  einer  nördlicheren 
Gegend  sein  mag,  immer  bewahrt  die  Vegetation  der  Gebirge 
eine  nicht  zu  verkennende  Eigenthümlichkeit,  die  sich  haupt- 
sächlich durch  die  grofse  Mehrzahl  perennirender  Gewächse, 
durch  lebhaft  gefärbte  im  Verhältnifs  zur  Pflanze  grofse  Blu- 


336 

men  und  durch  den  Reichthiim  an  bitteren  aromatischen  Stof- 
fan  in  den  Gebirgspflanzen  characterisirt  *).  Gröfsere  Durch- 
sichtigkeit der  Luft,  vermehrte  Intensität  des  Sonnenlichts,  ge- 
ringere Schwere  der  Atmosphäre,  abgestumpfte  Wärmeextreme 
und  noch  manches  Andere  sind  die  Ursachen,  welche  der  Ge- 
birgsflor  den  eigenthümlichen  Character  vindiciren. 

Zwar  wird  nicht  selten  der  Reichthum  verwandter  Arten 
einer  Gegend  aufgewogen  durch  die  Menge  der  Individuen, 
mit  welcher  eine  einzige  Species  in  einem  andern  Himmels- 
strich auftritt;  allein  diese  Thatsache  giebt  keinen  Einwurf  ge- 
gen die  Behauptung  ab,  dafs  nur  unter  bestimmten  klimati- 
schen Bedingungen  gewisse  Pflanzengestalten  zu  einer  formen- 
reichen Entwickelung  kommen.  Es  ist  schwer  zu  sagen,  ob 
alle  Exemplare  der  Hunderte  von  Ericaarten,  welche  Afrika 
und  namentlich  das  südliche  hervorbringt,  zusammengenommen 
die  zahllosen  Individuen  von  Erica  vulgaris,  welche  bei  uns 
und  in  anderen  nördlichen  Gegenden  mit  Erica  Tetralix  die 
Familie  repräsentirt,  um  ein  Namhaftes  in  der  Menge  über- 
trefi'en  mögen;  aber  gerade  der  Umstand,  dafs  unter  Hunder- 
ten dort  ausgebildeter  Formen  nur  die  eine  oder  die  andere 
der  zwei  genannten  bei  uns  sich  findet,  spricht  dafür,  dafs  un- 
ter unserem  Himmel  vieles  der  Ericaceengestalt  hinderlich  in 
den  Weg  tritt.  Dieselbe  Wichtigkeit,  welche  der  Individuen- 
zahl für  die  Physiognomie  eines  Landes  in  Hinsicht  auf  die 
Ve"-etation  zukommt,  hat  die  Specieszahl  für  das  Klima  des- 
selben, und  nur  von  dieser  Ansicht  ausgehend,  habe  ich  es 
der  Mühe  werth  gehalten  alle  später  .mitgetheilten  Rechnungen 
anzustellen. 

Diese  Andeutungen  geben  den  Inhalt  eines  wesentlichen 
Abschnitts  der  erst  durch  Hrn.  Alex.  v.  Humboldt  zu  wis- 
senschaftlicher Bedeutung  erhobenen  Pflanzengeographie  an. 
Es  darf  daher  nicht  W^under  nehmen,  dafs  in  einer  so  jugend- 
lichen W^issenschaft  bisher  nur  die  besser  gekannten  Phanero- 
gamen  und  etwa  noch  die  Farrn  Gegenstand  der  Untersuchung 
gewesen  sind,  während  die  Bedeutung  der  übrigen  cryptoga- 
mischen  Gewächse  in  der  Pflanzengeögraphie  noch  sehr  dun- 
kel ist,  da  sie  ihrer  specifischen  Verschiedenheit,  ihren  nume- 


')  Schouw  Pflanzengeographie.   Berlin  J823.  p.  469. 


337 

Tischen  Verhältnissen  und  ihrer  Verbreitung  nach,  noch  viel 
zu  wenig  bekannt  sind,  als  dafs  sie  jetzt  schon  eine  für  un- 
sere Disciplin  erfolgreiche  Betrachtung  gestatteten.  Dies  ist 
auch  der  Grund,  weshalb  ich  sie  bei  den  nachfolgenden  An- 
gaben unberücksichtigt  gelassen  habe,  obgleich  für  unsere  Ge- 
P-end  viel  für  die  Kenntnifs  derselben  schon  sjethan  ist.  Ueber- 
dies  aber  dürfen  wir  uns  auch  der  V^ersicherung  hingeben,  von 
den  Phanerogamen,  welche  die  Natur  durch  einen  vollendete- 
ren Bau  so  sichtlich  bevorzugt  hat,  viel  bedeutendere  Auf- 
schlüsse zu  erhalten,  als  von  den  Zellenpflanzen,  die  hier 
wahrscheinlich  nie  eine  erhebliche  Wichtigkeit  erlangen  werden. 
Aus  dem  vorigen  erhellt  zugleich  die  Nothwendigkeit  der 
sorgfältigen  Beobachtung  alles  dessen,  was  auf  das  Klima  Be- 
zug hat.  Nun  sind  aber  genaue  Beobachtungen  über  die  Luft- 
feuchtigkeit noch  immer  so  vereinzelt,  dafs  sie  zu  einer  nütz- 
lichen Uebersicht  keineswegs  zusammengestellt  werden  kön- 
nen; der  Einflufs  des  Lichts  läfst  sich  noch  gar  nicht  in  Rech- 
nung ziehen,  sondern  eben  nur  im  Allgemeinen  angeben,  und 
nur  die  Temperatur-Beobachtungen  sind  in  einer  so  umfas- 
senden Weise  angestellt,  dafs  sie  eine  brauchbare  Zusammen- 
stellung gestatten,  die  denn  auch  bereits  ausgeführt  ist,  und 
auf  viele  interessante  Thatsachen  geführt  hat. 


II,     Verhalten  der  einheimischen  Pflanzenfornven 
in    anderen   Klimaten, 

Um  den  Einflufs  der  Wärme  auf  die  bei  uns  durch  Ar- 
ten -  Reichthum  ausgezeichneten  Pflanzenformen  darzustellen, 
habe  ich  die  Floren  dreier  Länder,  die  sich  durch  Tempera- 
tur-Differenzen auffallend  von  einander  unterscheiden,  vergli- 
chen, und  in  jedem  das  Verhältnifs  derselben  Familie  zur 
übrigen  Vegetation  berechnet.  Für  den  Norden  bot  sich  mir 
Wahlenberg's  Flora  von  Lappland*)  dar,  für  Deutschland 
benutzte  ich  Koch's**)  bekanntes  Werk,  mit  Fortlassung 
der  aufser  Deutschland  vorkommenden  Gewächse,  und  für  den 


*)  Flora  lappo7iica.   Berolini  1812. 
**)  Synopsis  florae  germanicae  et  helveticae.  Francof.  ad M.  1837. 

Wiegm,  Archiv.   V^I,  Jahrg.    !.  Band.  O^ 


338 

Süden  lag  mir  das  bei  L.  v.  Bnch*)  befindliche  Verzeiobnifs 
der  auf  den  Canarischen  Inseln  wachsenden  Pflanzen  vor. 
Da  aber  fünf  dieser  Inseln  eine  so  bedeutende  Höhe  erreichen, 
dafs  sich  mehrere  Regionen  unterscheiden  lassen,  und  also  in 
der  Gesammt-Uebersicht  der  Pflanzen  die  Formen  kälterer  und 
warmer  Gegenden  untereinander  gerathen,  so  habe  ich  die  in 
der  subtropischen  Region  vorkommenden  besonders  hervorge- 
hoben, und  sie  allein  für  den  vorliegenden  Zweck  in  Betracht 
gezogen.  Ich  bemerke  jedoch  ausdrücklich,  dafs  es  nicht 
meine  Absicht  war,  die  Vegetation  der  in  Rede  stehenden  Län- 
der überhaupt  vergleichen  zu  wollen,  dies  würde  offenbar  ein 
ganz  anderes  Verfahren  und  namentlich  eine  Berücksichti- 
gung der  hier  ganz  übergangenen  Individuenzahl  in  Anspruch 
nehmen. 

In  der  nachfolgenden  Tafel  giebt  die  erste  Vertikalreihe 
jeder  Spalte  die  absolute  Artenzahl  an,  die  zweite  drückt  das 
Verhältnifs  derselben  zur  Anzahl  aller  Phanerogamen  aus, 
wenn  diese  überall  zu  400  angenommen  wird.  Wäre  es  aus 
anderen  Gründen  nicht  unstatthaft,  so  könnte  man  neben  die 
Zahlen  der  zweiten  Reihe  das  Wort  „Procente"  setzen. 


*)  Physikalische  Beschreibung  der  Canarischen  Inseln.   Berlin  1825. 


339 


Mittl.  Temp.  nach  R. 


Lappland. 


0  —  S\ 


Anzahl   verhälln, 

.^"«^        :1UU. 
Arten. 


Deutschland. 


6  —  8». 


Arten.       *  ^'^*^- 


Subtrop.  Region, 
d.  Canar.  Inseln. 


17  —  18". 


Anzahl! 
aller 
Arten. 


Verhältn, 

:1UU. 


Phanerogamen  .  . 
Monokotyledonen 
Dikotyledonen 
Gramineen  .  . 
Cyperaceen  .  . 
Junceen  .... 
Orchideen  .  .  . 
Liliaceen*)  .  . 
Amentaceen  .  . 
Euphorbiaceen 
Polygoneen  .  . 
Chenopodien** 
Labiaten  .... 
Personaten***) 
Asperifolien  .  , 
Solaneenf)  .  . 
Syngenesisten . 
Umbellaten  .  . 
Saxifrageen  .  . 
Semperviven  . 
Rosaceen.  .  .  . 
Leguminosen  . 
Caryophylleen  ff) 
Cruciferen  .  .  . 
Ranunculaceen 


496 
146 
350 
46 
5.3 
22 
12 

7 
28 

0 
12 

2 

7 
12 

6 

0 
39 

9 
14 

4 
24 
10 
29 
21 
20 


100 

29 

71 
9,2 

11,3 
4,4 
2,4 
iA 
5,6 
0 

2,4 
0,4 
14 
2,4 

iß 
0 

7,9 

1,8 

2,8 

0,8 

4,8 

2 

6 

4,2 

4 


2906 

613 

2296 

205 

150 

41 

56 

110 

68 

34 

33 

48 

100 

119 

46 

47 

352 

141 

44 

29 

107 

178 

122 

156 

102 


100 

21 

79 
7 
5 

1.4 
2 
4 

2,3 
1,1 
1,1 
1,6 
3,4 
4 

1,6 
1,6 

12 
5 

1,5 
1 

3,6 
6 

4,2 
5,3 
3,4 


182 

35 

147 

15 

6 

1 

0 

10 

0 

8 

1 

11 
8 
3 
1 
11 
32 
2 
0 
5 
2 
5 
0 
2 
1 


100 

19 

81 
8,2 
3,3 
0,5 
0 

5,5 
0 

4,4 
0,5 
6 

4,4 
1,6 
0,5 
6 

17 

14 

0 

2,7 

1,1 

2,7 
0 

14 

0,5 


Hieraus  ergiebt  sich,  dafs  mit  steigender  Temperatur  von 
Norden  nach  Süden 


relativ  zunehmen; 
Dikotyledonen 
Liliaceen 
Chenopodien 
Labiaten 


relativ  abnehmen: 
Monokotyledonen 
Cyperaceen 
Junceen 
Orchideen 


keine  Regelmäfsigk.  zeigen 
Gramineen 
Personaten 
Asperifolien 
Umbellaten 


*)  Nebst  Jrideen,  Colchicaceen,  Smilaceen. 
*'^)  Und  Amaranthen. 
***)  Rhinanthaceen  und  Anthirrineen. 

f )  Mit  Einschlufs    der  Gattungen    Verbascum,    Convolvulus  und 


Cuscuta. 

ff)  Nebst  Alsineen. 


22* 


340 


relativ  zunehmen 

Solaneen 
Syngeiiesisten 
Semperviven 
Euphorbien. 


relativ  abnehmen: 

Amentaceen 

Polygoneen 

Saxifrageen 

Caryophylleen 

Rosaceen 

Ranunculaceen. 


keine  Regelmäfsigk.  ^seigeti 

Leguminosen 
Cruciferen, 


Deutschland  ist  zu  einem  Vergleich  mit  Lappland  uml  den 
Canarischen  Inseln  nicht  ganz  günstig  gelegen,  da  es  dem  Ein- 
flufs  des  Meeres,  dem  diese  unterworfen  sind,  me)ir  entrückt 
ist.  Dies  tritt  auch  sogleich  in  dem  abweichenden  Verhalten 
der  Gramineen  und  Leguminosen  hervor.  Erstere  verhalten 
sich  nach  Hrn.  v.  Humboldt  zu  den  Phanerogamen: 

Die  Leguminosen  dagegen; 

in  der  heifsen  Zone  wie  1 :  14.  wie  1 :  10. 

in  der  gemäfs.  Zone  wie  1 :  12.  wie  1 :  18. 

in  der  kalten  Zone  wie  1 :  10.  wie  1 :  35. 

In  feuchten  Himmelsstrichen  nehmen  also  die  Gräser  selbst 
bei  steigender  Wärme  nicht  nur  relativ,  sondern  wahrschein- 
lich auch  absolut  ab,  in  trocknen  Klimaten  erfolgt  dies  noch 
schneller.  Die  Leguminosen  sind  in  der  heifsen  Zone  am  ar- 
tenreichsten, die  eigentlichen  Mimosen  gehören  ihr,  wie  be- 
kannt, ausschliefslich  an ;  sollten  die  oben  angegebenen  Zahlen, 
von  denen  nur  die  für  Deutschland  gefundene  mit  dem  im 
Allgemeinen  in  der  gemäfsigten  Zon^  herrschenden  Verhält- 
nisse annähernd  übereinstimmt,  während  die  anderen  weit  un- 
ter den  für  ihre  Zone  berechneten  Zahlen  zurückbleiben,  nicht 
dafür  sprechen,  dafs  Leguminosen,  wenigstens  die  Papiiiona- 
ceen,  neben  Wärme  eine  gewisse  Trockenheit  verlangen,  wie 
sie  in  Binnenländern  eher  als  an  der  Küste  zu  erwarten  ist? 
Viele  Straucli-  und  baumartige  Gewächse  dieser  Familie  zei- 
gen sich  einer  solchen  Annahme  günstig.  Cruciferen,  Umbel- 
laten,  Asperifolien  sind  Formen  der  gemäfsigten  Zone  vor- 
zugsweise angehörig,  wie  dies  aus  anderen  Untersuchungen 
schon  bekannt  ist,   und  sich  hier  wieder  bestätigt  findet. 

Dafs  die  Orchideen  der  wärmsten  Region  der  Canarischen 
Inseln  fehlen,  ist  in  Uebereinstimmung  mit  der  von  Hrn.  Otto 
in   einem  Schreiben    aus  Cuba   geäufserten   Vermuthung,   zu 


341 

Folo-e  welcher  Orchideen  grofse  Wärmeextreme,  kalte  Nächte 
and  heifse  Tage  lieben.     Auf  Cuba  gedeihen  die  Orchideen  in 
einer  mittleren   Tages  -  Temperatur  von  21°  R.,   während  bei 
starkem   Thau  gegen   den  Morgen   das   Thermometer   bis  auf 
'5  —  6"  sinkt;    auch  bei  uns  sind  in  der  Zeit,  wo  die  meisten 
Orchideen  blühen,  im  Mai  und  Juni  die  Nächte  kalt  und  feucht, 
während  es   bei  Tage   oft  drückend  heifs  ist.     Auf  den  Cana- 
rischen   Inseln  dagegen   ist  die  mittlere  Temperatur  des  kälte- 
sten Monats  in  der  subtropischen  Region  14°  R.,   und  selbst 
dann  sinkt  das  Thermometer  kaum  je  unter  +  10°. 

III.  Statistik  der  märkischen  Flora. 
Wie  überall  hat  auch  bei  uns  der  stetig  erweiterte  Anbau 
des  Bodens  an  vielen  Stellen  den  ursprünglichen  Vegetations- 
charakter zum  Theil  oder  gänzlich  verwischt.  Wir  besitzen 
von  dem  durch  seine  geognostischen  Arbeiten  über  die  Mark 
vielfach  verdienten  Direktor  Klöden  vortreffliche  Schilderun- 
gen des  Zustandes,  in  welchem  vor  Jahrhunderten  verschiedene 
Gegenden  der  Mark  sich  befanden,  ehe  der  unwirthbare  Boden 
in  finichtbare  Fluren  urageschaffen  war.  Meilenweite  sumpfige 
Niederungen  mit  ausgedehnten  Sandflächea  und  zahlreichen 
Seen  wechselnd,  gaben  dem  Lande  ein&  nur  noch  an  wenigen 
Stellen  erhaltene  Physiognomie.  Möge  es  genügen  nur  an  ein 
Beispiel  zu  erinnern.  „Bis  zum  Jahr  1718  war  das  Havellän- 
dische Luch  eine  wilde  Urgegend,  wie  die  Hand  der  Natur  sie 
gebildet  hatte,  ein  Seitenstück  zu  den  Urwäldern,  nur  in  ge- 
ringerer Ausdehnung  und  als  Luch  abgeändert.  —  Weit  und 
breit  bedeckte  ein  Rasen  auf  zusammengefilzter  Wurzeldecke 
von  bräunlich  grüner  Farbe  die  wassergleiche  Ebene,  deren 
kurze  Grashalme  den  Rietgräsern  namentlich  Carex  vulpina, 
C.  paniculata,  stellulata,  Pseudo-Cyperus,  acuta  so  wie  der 
^ira  caespitosa  und  aquatica  angehören.  —  In  jedem  Früh- 
jahr quoll  der  Boden  dieses  Luchs  durch  das  hervordringend© 
Grundwasser  auf,  die  Rasendecke  hob  sich  in  die  Höhe-,  bil- 
dete eine  schwimmende  elastische  Fläche,  welche  bei  jedem 
Schritt  unter  den  Füfsen  einsank,  während  ringsum  ein  flach 
trichterförmig  ansteigender  Abhang  sich  bildete.  Andere  Stel- 
len, welche  sich  nicht  in  die  Höhe  heben  konnten,  sogenannte 
Lanken,  wurden  überschwemmt,  uud  so  glich  das  Luch  in  je- 


342 

dem  Frühjahr  einem   weiten  See,  über  welchem  jene  Rasen- 
stellen wie  grüne  schwimmende  Inseln   zwischen  den  erhöhten 
Plateaus  hervorragten*)."     Mit  zahlreichen  Seggen  und  schön- 
blühenden Sumpfpflanzen  wechselten  Weiden,  Elsen  und  Bir- 
ken, und  gaben  der  Landschaft   den  herrschenden   Charakter, 
der  durch  die  geschäftige  Regsamkeit  unzähliger  Wasser-  und 
Sumpfthiere  eine  Lebensfülle  gewann,  wie  kein  Landstrich  un- 
serer  Provinz   sie  heute    zeigt.     Wo   der  unfruchtbare  Boden 
kein  Laubholz  aufkommen  liefs,   bedeckten  gesellig  wachsende 
Kiefern  die  weithin  sich  streckenden  Sandebenen,  bis  es  nütz- 
licher befunden  wurde,   die  Wälder   abzuholzen,  um  dem  oft 
schwer  verbesserlichen  Boden  eine  kümmerliche  Roggenerndte 
abzugewinnen.     Die  Cultur  verschiedener   ausländischer  Pflan- 
zen fand  allmählig  Eingang,  und   den  aus   fremden  Gegenden 
eingeführten  Zier-  und  Nutzgewächsen  folgten  andere,   deren 
Nachbarschaft   liebend,  und  siedelten   sich   als  wuchernde  Un- 
kräuter auf  dem  gastlichen   Boden    in   einer  Weise   an,   dafs 
selbst   die  sichtenden  Botaniker  in   nicht  wenigen  Fällen   auf- 
gehört haben,  die  Fremdlinge  als  solche  zu  betrachten.   Wenn 
das  Feld,  wie  es  wohl  vorkommt,  mehr  Hederich  {RapJianus 
RapJi anist jwn)  als  Korn  trägt,  wer  sieht  jenem  da  wohl  die 
fremde  Abkunft  an;    und  wer  zum   ersten  Male  auf,  gewissen 
Aeckern  in  der  Umgebung  Berlins  die  dichtgedrängten  Haufen 
der  erst  in  neuerer  Zeit  aus  Peru   eingewanderten  Wihorgia 
parvl/Iora  erblickt,  der  hört  nicht  ohne  Verwunderung,    dafs 
die  sich  hier  so  heimisch  fühlende  Pflanze   ein  so  weit  entle- 
genes Vaterland  hat.     Wie  bei  vielen  anderen  wird  man  auch 
hier  nach  und  nach  aufhören   auf  den  Excursionen  an  die  ur- 
sprüngliche Heimath  zu  erinnern,  und  die  Peruanische  Pflanze 
wird  ein  märkisches  Unkraut. 

Die  Zahl  der  unserm  Boden  ursprünglich  nicht  angehöri- 
gon  Gewächse  ist  demnach  beträchtlicher  als  oft  geglaubt  wird, 
und  es  dürfte  daher  eine  Aufzählung  aller  eingewanderten 
Pflanzen,  die  im  Grofsen  und  Freien  angebaut  werden  oder 
verwildert  sind,  hier  wohl  am  Orte  sein.  Es  stammen  aus 
anderen  Theilen 


^)  K.  F.  Kl  öden  Beitrage    zur  mineralogischen  Kenntnifs   der 
Mark  Brandenburg.    Stück  VIII.  p.  50  u,  f. 


343 

1.  Europas:  Beta  vulgaris ^  Lycium  harharum,  Petroseli- 
num  sativum,  Foeniculum  vulgare,  Scandix  Cerefo- 
lium,  Anethum  graveolens  (Spanien,  Portugal),  Linum 
usitatissimum ,  Spiraea  salicifolia  (südöstliches  E.  und 
Sibirien),  Brassica  oleracea  (England),  RapJianus  sati- 
vus  (besonders  Portugal),  Ervwn  lens,  Silyhum  maria- 
num,  Scorzonera  hispanica,  Centaurea  solstitialis 
(üalmatien),  Ahles  pectinata  (südl.  Deutschland),  Larix 
europaea  (Gebirge  des  südöstl.  E.),  Populus  alba  (östl. 
E.),  Populus  dilatata  (Italien,  Griechenland).  Bei  Na- 
men ohne  nähere  Angabe  ist  dassiidiiche  Europa  zu  ver- 
stehen. 

2.  Asien:   Aus  Ostindien:    Phaseolus   nanus,  Ph.  vulgaris, 

Datura  Stramonium  (durch  Zigeuner  verbreitet),  Medi- 
cago  sativa  (Medien),  Sium  Sisarum  (China);  aus  der 
Tartarei:  Polygonum  tataricum,  P.  fagopyrum,  Atri- 
plex  horteusis;  Persien:  Aesculus  Hippocastanum,  Le- 
pidium  sativum,  Morus  alba,  Cannahis  sativa;  aus  ver- 
schiedeneu Gegenden  des  westlichen  Asiens:  Borago 
officinalis,  Acorus  Calamus*^,  Pisum  sativum,  Centau- 
rea Cyanus,  Agrostemma  Githago,  Papaver  RhoeaSf 
Prunus  Cerasus,  Malva  crispa  (Syrien),  Vicia  Faha, 
Platanus  acerifolia,  Raphanus  Raphanistrum,  Spina- 
cia oleracea,  und  wahrscheinlich  auch  die  Getraidearten 
aus  den  Gattungen  Triticum,  Seeale,  Kordeum,  Avena, 
Panicum  (Ostindien?). 

3.  Amerika:   Nicotiana  rustica,  N.  Tahacum  (aus  dem  war- 

men A.);  aus  Nord-A.:  Oxalis  stricta,  Oenothera  hieiv- 
nis,  Cornus  alba,  Acer  dasycarpum,  Prunus  serotina 
(Virginien),  Rohinia  Pseud  -  Acacia ,  Helianthus  an- 
nuus  (Mexiko),  Erigeron  canadense,  Pinus  Strohus, 
Populus  monilifera;  Süd-A.:  Phaseolus  multiflorus, 
Solanum  tuberosum  (in  den  kälteren  Regionen  der  Cor- 
dülere  von  Peru  und  Chile  wild),  Wiborgia  parviflora 
(Peru),  Helianthus  tuberosus  (Brasilien). 
Mit  Einschlufs  der  eben  genannten  Pflanzen,  die  unter 
sich  keine  zu  rechtfertigende  Absonderung  einzelner  zulassen, 

*)  Relchenhuch  ßora  germanica  excurs  p.  11.  Nr.  38.  nach  Dier- 
bach  bot.  Zeitung.  1828.  p.  545. 


344 

und  von  denen  viele  einen  so  vvesentliclien  Antheil  an  dem 
Charakter  unserer  Vegetation  nehmen,  haben  wir  in  der  Mark 
1283  Arten*)  phanerogamischer  Gewächse,  die  auf  308  Mo- 
nokotyledonen  und  975  Dikotyledonen,  und  näher  auf  folgende 
Familien,  bei  denen  die  nebenstehende  Zahl  die  Artenzahl  an- 
giebt,  vertheilt  sind: 

A.    Monocotyledoneae. 


liydrocharideae    2    Naiadeae  . 

2    Irideae  .... 

6 

Alismaceae  .  . 

.     5     Lemnaceae 

.     5     Liliaceae  .  .  . 

31 

Butomeae  .  .  . 

.     1     Typhaceae 

.     5    Juncaceae  .  . 

18 

Juncagineae    . 

.    3     Aroideae  . 

.     3     Cyperaceae  . 

73 

Fotameae  .  .  . 

.  15     Oj'chideae. 

.  27     Gramineae  .  112 

B.    Dicotyledo 

71  e«^. 

Ranunculaceae 

38  Sanguisorbeae 

4  Jasmineae  .  .  . 

.    3 

]S ymphaeaceae . 

2  Onagreae,  .  . 

13  Gentianeae.    .  . 

.  la 

Tapaveraceae   . 

6  Hygrohiae  .  . 

5  Asperifoliae  .  . 

.  21 

Fujnariaceae  »  . 

4  Lytlirarieae  . 

3  Convolvulaceae 

.    6 

Cruciferae    .  .  . 

52  Cucurhitaceae 

2  Solaneae  .... 

.  23  1 

Violaceae  .... 

10  Portulaceae   . 

2  Personatae    .  . 

.  44 

Resedaceae  .  .  . 

2  Illecehreae  .  . 

5  OrohancJieae    . 

.    9^ 

J) roser cicecte  .  . 

3  Crtissulaceae  . 

8  Lahiatoe  .... 

.  46  i 

Polygaleae  .  .  . 

3  Grossidarieae 

4  Lenühidarieae  . 

.    41 

CaryopJiylleae . 

60  Saxifrageae    . 

4  Primidaceae  .  . 

.  14 

Elatineae  .... 

4  Uinbelliferae  . 

54  Plantagineae  . 

.     6 

Lineae 

3  Araliaceae  .  . 

2  Chenopodeae 

W 

Mcdvaceae  .  .  . 

7  Corneae.  .  .  . 

3  Amaraiithaceae 

Tiliaceae  .... 

3  Capri/oliaceae 

6  Pölygoneae    .  . 

.  23 

Hypeiicineae    . 

6  Stellatae    .  .  . 

18  Santalaceae   .  . 

.    4 

Acerineae  .  .  . 

4  Falerianeac   . 

7  Aristolochieae  . 

.     2 

Geraniaceae .  . 

12  Dipsaceae .  .  . 

8  Euphorhiaceae . 

.  13 

Oxalideae  .  .  . 

2  Compositae  .   124  Urticeae 

.  10 

Rhamjieae .  .  . 

2  CampanuIaceaei'S  Amentacene    .  . 

.  42 

Papilionaceae 
Rosaccae    .  .  . 

71  J^accinieae  .  . 

5  Conifcrae  .  .  .  . 

.     7 

49  Ericineae  .  .  . 

13 

*)  Bei  dieser  Zählung  habe  ich  Ruthe's  Flora  der  Mark  Bran- 
denburg, 2.  Auflage,  zum  Grunde  gelegt,  und  die  von  Herrn  Stange 
herausgegebene  Ennmeratlo  der  um  Frankfurt  wachsenden  Pflanzen 
benutzt. 


a45 

Mit  einer  Species  kommen  noch  vor  die 

Cisteae  Callitrichineae  Apocyneae 

Berberideae  Loranthaceae  Verhenaceae 

Hippocastaneae  Monotropeae  Plumhagineae 

Balsamineae  Ilicineae  Thymeleae 

Celastrineae  Asclepiadeae  Myriceae 

Das  Verhältnifs  der  Monokotyledonen  zu  den  Dikotyle- 
donen  ergiebt  sich  daher  für  unsre  Gegend  wie  1:4^  in  ge- 
nauer Uebereinstimmung  mit  dem  Resultat,  welches  Hr.  v.  Hum- 
boldt für  die  gemäfsigte  Zone  im  Allgemeinen  gefunden  hat. 
Dafs  sich  dies  Verhältnifs  nach  Norden  und  Süden  hin  ändere, 
und  die  Monokotyledonen  in  der  kalten  Zone  in  relativ  grös- 
serer Zalü  auftreten  als  in  der  gemäfsigten,  und  zwischen  den 
Wendekreisen  in  relativ  geringerer,  hat  der  Begründer  der 
wissenschaftlichen  Pflanzengeograplüe  selbst  schon  nachgewie- 
sen, und  dieses  Verhältnifs  ist  seitdem  durch  zahlreiche  For- 
schungen und  Berechnungen  immer  wieder  bestätigt  worden, 
auch  die  im  ersten  Abschnitt  mitgetheilten  Resultate  sprechen 
dasselbe  Gesetz  aus.  Es  ist  ferner  bekannt,  dafs  in  wasser- 
reichen Gegenden  die  Monokotyledonen  auch  in  der  temperir- 
ten  Zone  einen  gröfseren  Theil  der  Flora  ausmachen,  als  in 
trockneren  Länderstrichen.  Holland  z.  B.  hat  nach  Miquel*) 
1210  Phanerogamen,  darunter  sind  305  Monokotyledonen  und 
905  Dikotyledonen;  in  Rheinpreufsen  findet  man  nach  Wirt- 
gen**) 1480  Phanerogamen,  nämlich  334  Monokotyledonen 
und  1146  Dikotyledonen.  In  Holland  machen  hiernach  die 
Monokotyledonen  25  Procent  aus,  in  Rheinpreufsen  nur  22. 

Es  wäre  hiernach  zu  erwarten,  dafs  ein  mit  Sümpfen  und 
stehenden  Gewässern  oder  langsam  fliefsenden  seichten  Flüs- 
sen bedecktes  Land  eine  überwiegend  grofse  Zaiil  von  mono- 
kotyledonischen  Gewächsen  hervorbringen  würde.  Ich  habe 
daher  für  unsere  Gegend  alle  in  Wasser  und  Sümpfen  und 
nassem  Torfboden  wachsenden  Pflanzen  zusammengestellt,  und 
dabei  die  Vermuthung  bestätigt  gefunden,  dafs  die  Mono- 
kotyledonen in  überwiegender  Menge  den  feuchten 


*)  Wiegmann 's  Archiv  für  Naturgeschichte  V.  144. 
**)  Ebendaselbst. 


346 

und  nassen  Boden  bewohnen,  denn  unter  214  Sumpf- 
und  Wasserpflanzen  sind  nur  lOö  Dikotyledonen,  die  übrigen 
108  gehören  der  anderen  grofsen  Abtheilung  des  Pflanzen- 
reichs an;  während  in  der  Gesammtflora  also  viermal  mehr 
Dikotyledonen  sind  als  einsamenlappige  Gewächse,  stellen  sich 
beide  Klassen  hier  gleich  an  Zahl  dar,  d.  h.,  es  giebt  auf  dem 
in  Rede  stehenden  Boden  bei  uns  ungefähr  viermal  mehr  Mo- 
nokotyledonen  als  auf  trockenem  Boden.  Dasselbe  habe  ich 
auch  in  der  Flora  von  Lappland  gefunden.  Hier  giebt  es 
144  Sumpf-  und  Wasserpflanzen,  darunter  sind  75  Monoko- 
tyledonen  und  nur  65)  Dikotyledonen,  während  unter  den  496 
Phanerogamen  das  Verhältnifs  der  genannten  Klassen  nahe 
1 : 3  ist.  Es  verdient  wohl  erwähnt  zu  werden,  dafs  von  die- 
sen 144  Pflanzen  78  auch  bei  uns  vorkommen,  und  dafs  49 
davon  Monokotyledonen  sind,  deren  Verbreitung  also  auch 
hier  sich  weiter  zeigt  als  bei  Dikotyledonen,  was  bei  niedrige- 
ren Formen  gewöhnlich  der  Fall  ist.  Das  Ergebnifs  dieser 
Vergleichung  liefert  einen  entschiedenen  Beweis  für  einen 
wichtigen  geologischen  Gegenstand,  dafs  die  in  den  ältesten 
Schichten  der  Erde  begrabenen  hauptsächlich  aus  kryptogami- 
schcn  Gefäfspflanzen  und  Monokotyledonen  bestehenden  Pflan- 
zenreste die  Flora  sumpfiger  niedriger  Länder  oder  Inseln  in 
hoch  erwärmten  Erdstrichen  ausgemacht  haben,  was  auch  in  der 
gleichzeitig  untergegangenen  Fauna  eine  mächtige  Stütze  findet. 
Grade  ein  den  Sumpfpflanzen  entgegengesetztes  Verhalten 
zeigen  die  auf  trocknem  Sandboden  sich  befindenden  Ge- 
w^ächse.  Wir  haben  80  Sandpflanzen,  von  denen  59  Dikoty- 
ledonen sind,  also  nahe  dreimal  so  viel  als  die  übrigen  21. 
Aehnlich  verhält  es  sich  wieder  in  Lappland',  wo  15  Sand- 
pflanzen vorkommen,  von  denen  10  zu  den  Dikotyledonen 
gehören.  Nehmen  wir  an,  dafs  es  nur  Sand  und  Sumpfboden 
gäbe,  so  würden  auf  dem  ersteren  fast  nur  Dikotyledonen  vor- 
kommen, und  diese  ächten  Sandpflanzen  würden  in  Ansehung 
ihrer  Verbreitung  den  eigentlichen  Sumpfpflanzen,  die  bei  un- 
serer Annahme  dann  hauptsächlich  Monokotyledonen  wären, 
nichts  nachgeben.  Denn  unter  den  10  zweisamenlappigen 
Sandpflanzen  in  Lappland  kommt  nur  eine  (Phaca  sordidd) 
bei  uns  nicht  vor,  während  schon  unter  den  5  Monokotyledo- 
nen 2  uns  fehlen. 


347 


Wie  ich  im  vorangehenden  Abschnitt  das  Verhalten  un- 
serer Pflanzenformen  gegen  die  Flora  entfernter  liegender  Län- 
der im  Norden  und  Süden  verglich,  so  habe  ich  in  ähnlicher 
Weise  die  nämlichen  Formen  in  der  Mark,  um  die  Verände- 
rungen zu  erfahren,  welche  sie  innerhalb  Deutschlands  wahr- 
nehmen lassen,  mit  den  Floren  von  Pommern  und  Baden  nebst 
Elsass  verglichen,  wie  sie  in  Bartjiold's  Geschichte  von  Rügen 
und  Pommern  Thl.  L  p.  61.,  in  der  das  Klima  und  die  Na- 
turgeschichte des  Landes  ausführlich  behandelnden  Einleitung 
dargestellt  sind.  Die  Einrichtung  der  Tafel  ist  die  nämliche, 
wie  die  pag.  339.  Die  Temperatur  in  Baden  kann  man  durch- 
schnittlich zu  8^  R.  annehmen,  in  Strafsburg  ist  sie  7,86^,  in 
Carlsruh  8,29^  *).  Die  anderen  Temperaturen  sind  die  jähr- 
lichen Mittel  von  Berlin  und  Swinemünde,  für  letzteres  aus 
neunjährigen  Beobachtungen.  Meteorologische  Angaben  für 
Stettin  sind  mir  nicht  bekannt. 


Pommern. 

Brandenburg. 

Baden. 

Mittl.  Temp.  nach  R. 

6,9«. 

7,2». 

8». 

Anzahl    -^    ,..,^ 
aller     ^^^^S  "' 
Arten          •  l'^'^- 

Anzahl   ,r    ,  ••,. 
„iip„      Verhaltn. 

Anzahl         .... 
aller     Verhaltn. 

Arten.         *  ^•^^• 

Phanerogamen   .  .  . 
Monokotyledonen  . 
Dikotyledonen   .  .  . 

Gramineen 

Cyperaceen 

Junceen    

Orchideen 

Liliaceen**) 

Amentaceen 

Euphorbiaceen  .  .  . 

Polygoneen 

Chenopodien*')   .  . 

Labiaten 

Personaten  '^*)    ... 

Asperifolien 

Syngenesisten  .... 

Umbellaten 

Rosaceen 

Leguminosen    .... 
Caryophylleen  **)    . 

Cruciferen 

Ranunculaceen  .  .  . 

1055    100 
288      27 
767      73 
105        9,9 
71        6,7 
19        1,8 
28        2,6 
25        2,3 

33  3 

7        0,6 
19        1,8 
23        2 
40        3,8 
51        4,8 
18        1,7 
113      10,7 
42        4 

34  3,2 
54        5,1 
45        4,2 
42        4 
31        3 

1283    100 
308      24 
975      76 
112        8,7 
73        5,7 
18        1,4 
27        2,1 

37  2,8 
42        3,4 
13        1 
23        1,7 
27        2,1 
46        3,5 
44        3,4 
21        1,6 

124        9,7 
54        4,2 
49        3,8 
71        5,5 
60        4,7 
52        4 

38  2,9 

1460    100 
327      22 

1133      78 
107        7,3 
79        5,4 

21  1,4 

39  2,6 
44        3 
33        2,2 
15        1 

22  1,5 
30        2 
54        3.7 
67        4,6 

23  1,6 
153      10,4 

60        4 
50        3,4 
70        4,8 
48        3,3 
67        4,6 

40  2,7 

*)  Nach  Eisen  lehr.  Poggendorff's  Annalen  XXXV.  148.  und 
XXXXI.  551. 

**)  Die  Familien  sind  in  demselben  Umfang  wie  p.  339.  genommen. 


348 

Läfst  man  alle  Untersclüede  die  weniger  als  0,  5  betra- 
gen unberücksichtigt,  so  sieht  man,  dafs  mit  zunehmender 
Warme  von  Norden  nach  Süden  in  relativer  Zahl 

zunehmen:  abnehmen:  gleichbleiben: 

Dikotyledonen      Monokotyledonen  Polygoneen 

Liliaceen  Gramineen  Chenopodieit 

Euphorbiaceen       Cyperaceen.  Labiaten 

Rosaceen  Junceen  Asperifolien 

Cruciferen.  Ümbelliferen 

Leguminosen 
Ranunculaceen. 

Für  die  Familien  unter  der  dritten  Columne  sind  also  die 
zwischen  Pommern,  der  Mark  und  Baden  stattfindenden  kli- 
matischen Differenzen  noch  nicht  bedeutend  genug,  um  ihr 
Verhältnifs  gegen  die  übrigen  Pflanzen  in  irgend  einer  Art 
abzuändern;  die  unter  den  beiden  anderen  Rubriken  befindli- 
chen Gruppen  sind  ganz  in  Uebereinstimmung  mit  den  schon 
oben  gefundenen  Reihen,  nur  die  Rosaceen  machen  eine  Aus^ 
nähme,  und  scheinen  uoch  unter  einem  anderen  von  der  Tem- 
peratur unabhängigen  Einflufs  zu  stehen.  Für  die  Mark  ist 
es  ferner  eigenthümlich,  dafs  Orchideen,  Personaten  und  Syn- 
genesisteu  in  einem  geringeren  Verhältnifs  zu  den  übrigen 
Phanerogamen  stehen  als  in  Pommern  und  Baden,  während  bei 
den  Amentaceen  das  Umgekehrte  stattfindet.  Die  Coniferen, 
welche  sich  nicht  in  obiger  Tafel  finden,  verhalten  sich  durch 
die  drei  Gebiete  ziemlich  gleich. 

IV.    Blüthezeit. 

Die-  Entfaltung  der  Blüthenknospen  ist  das  Ergebnifs  der 
Einwirkung  aller  Elemente,  welche  zum  Gedeihen  der  Pflan- 
zen nothwendig  sind.  Zahlreiche,  auf  mannichfaltige  ^Yeise 
abgeänderte  Versuche  haben  dargethan,  dafs,  wo  Wärme  oder 
Feuchtigkeit,  oder  nährender  Humus  fehlt,  der  Same  im  gün- 
stigsten Falle  es  nur  zum  Keimen  und  zur  Entwicklung  eini- 
ger Blätter  bringt,  eine  Blüthenbildung  der  Pflanze  aber  nicht 
gelingt.  Ja  schon  ein  gröfserer  oder  geringerer  Mangel  an 
Helligkeit  hemmt  bei  lichtgewohnten  Pflanzen  die  richtige  Ent- 
wickeluug,  und   bringt  verkümmerte,   bleiche  Gebilde  hervor. 


349 

Es  sind  daher  die  Umstände,  welche  das  Hervortreten  von 
Bliithen  möglich  machen,  besonders  beachtenswerth,  und  auch 
schon  viele  schätzbare  Beobachtungen  hierüber  bekannt  ge- 
worden. Vor  allen  interessirt  uns  hier  die  Blüthenentfaltung 
in  der  jährlichen  Periode,  die  bei  derselben  Species  desto  spä- 
ter erfolgt,  je  nördlicher  ihr  Standort  ist,  was  nur  eine  durch 
die  Gewächse  ausgedrückte  Wiederholung  der  bekannten  Er- 
fahrung ist,  dafs  im  Süden  auf  der  nördlichen  Halbkugel 
alle  den  \Yinter  besiegenden  Kräfte  früher  erscheinen  als  im 
Norden, 

Schübler*)  hat  durch  eine  sorgfältige  Benutzung 
der  vorhandenen  Beobachtungen  diese  Verspätung  m  der  Blü- 
thenentwickeluug  näher  zu  bestimmen  gesucht.  Er  fand,  dafs 
die  nämlichen  Pflanzen  um  Parma,  welches  9*^  16'  34"  süd- 
licher liegt  als  Greifswalde,  36i  Tag  früher  blühen,  als  in  der 
Gegend  von  GreifswaWe,  und  zog  daraus  den  Schlufs,  dafs 
unter  übrigens  gleichen  Umständen  in  Deutschland  eine  Pflanze 
um  4  Tage  später  aufblüht,  wenn  sie  um  1**  nördlicher  wächst 
als  eine  andere  derselben  Art.  Aus  der  bekannten  Wärme- 
abnahme im  mittleren  Europa  wird  dann  weiter  gefolgert,  dafs 
sich  überhaupt  das  Aufblühen  um  einen  Tag  verspäte,  wenn 
die  mittlere  Temperatur  um  0,  135"  R.  sinkt,  oder  was  das- 
selbe ist,  dafs  die  Vegetationserscheinungen  an  zwei  Orten, 
deren  mittlere  Temperatur  um  1°  R.  difl'erirt,  um  7^  T^g  aus- 
einander liegen.  Im  nördlichen  Europa  verkürzt  sich  dieser 
Zeitraum,  im  Süden  dehnt  er  sich  noch  mehr  aus. 

Es  gebührt  diesen  Untersuchungen  das  Verdienst,  das 
Faktum  nicht  allein  aufser  Zweifel  gesetzt,  sondern  auch  eine 
Gesetzmäfsigkeit,  wie  man  sie  aus  anderen  Ursachen  wohl  ver- 
muthen  durfte,  in  der  Erscheinung  nachgew-iesen  zu  haben; 
obwohl  jene  Zahlen  nur  annähernd  richtig  sein  können,  und 
ihre,  durch  die  Rechnung  entstandene  Genauigkeit  nur  eine 
scheinbare  ist.  Dafs  überhaupt  das  Erblühen  der  Pflanzen  in 
verschiedenen  Jahren  sich  keineswegs  nach  einem  bestimm- 
ten Datum,  sondern  nach  den  jedesmaligen  Witterungserschei- 


*)  UntersucKmigen  über  die  Zeit  der  Blüthenentwicklung  mehre- 
rer Pflanzen  der  Flora  Deutschlands  und  benachbarter  Länder.  Bota- 
nische Zeitimg  1830.  B.  I.  S.  353. 


350 

nungen  richtet,  die  aus  bekannten  meteorologischen  Gründen 
in  unserer  Zone  grofsen  Wechselfällen  unterworfen  sind  *) 
wird  auch  abgesehen  von  diesen  Gründen,  Jedem  bekannt 
sein,  der  mehrere  Jahre  hintereinander  dieselbe  Gegend  bota- 
nisirend  durchwanderte.  In  den  Jahren  1835,  1836,  1837  war 
die  Mitteltemperatur  des  Märzes  nach  einander  3,87°,  7,19*^, 
4  49°  R.  Welchen  «Einflufs  müssen  solche  Differenzen  auf  das 
Wachsthum  haben!  ja  selbst  noch  der  August  der  genannten 
Jahre  sucht  diese  Extreme  auszugleichen,  denn  hier  betragen 
die  Mittel  in  derselben  Folge  16,09°,  14,91°,  17,67°  R. 

Dies  vorausgeschickt,  wird  es  einleuchten,  dafs  man  An- 
fang und  Ende  der  Blüthezeit  wohl  in  jedem  besonderen  Fall, 
nie  aber  im  Allgemeinen  durch  einen  bestimmten  Tag  bezeich- 
nen kann,  und  dafs  sich  hier  nur  ungefähre  Gränzen  ziehen 
lassen,  bei  denen  ein  Spielraum  von  8  Tagen,  ja  im  Frühjahr 
noch  darüber  gestattet  werden  mufs.  Alle  nachfolgenden  An- 
gaben über  Blüthezeit  sind  nur  Mittel,  gefunden  durch  eine 
vieljährige  Beobachtung,  die  den  nämlichen  Werth  haben,  wie 
bei  den  Meteorologen  die  Mitteltemperaturen  in  der  gemäfsig- 
ten  Zone.  Sie  sind  der  feste  Mittelpunkt,  um  den  die  ewig 
schwankende  Erscheinung  sich  dreht. 

Wie  es  Gewächse  gab,  und  wir  machten  deren  mehrere 
namhaft,  die  allen  Klimaten  angehören,  so  haben  wir  auch 
Pflanzen,  die  unter  allen  Wechseln  der  Witterung  Blumen  und 
Blätter  treiben,  vom  wetteränderlichen  April  bis  dahin,  wo 
kalte  Novemberwinde  den  Fluren  die  letzte  Zierde  rauben.  Die 
L«mii/7n- Arten,  Bellis  perennis,  Viola  tricolor,  Alsine 
media,  Thlaspi  arvense,  Capsella  Bursa  Pastoris ,  Poa 
annua,  Erodiwn  cicutarium,  Leontodon  Taraxacwn  sind 
die  bekanntesten  Beispiele  dieser  Art.  Bei  Weitem  aber  die 
Mehrzahl  hat  eine  beschränkte  Blüthezeit,  und  stellt  sich  hier 
bei  genauerer  Betrachtung  derselben  eine  interessante  Analo- 
gie, deren  Detail  die  später  folgende  Tafel  genauer  nachweist, 
zwischen  Blüthezeit  und  der  gleichzeitig  herrschenden  Witte- 
rungsverhältnisse einerseits  und  der  geographischen  Verbrei- 
tung gewisser  Pflanzenformen  andererseits  heraus.     Wie  näm- 


*)    Dove    Meteorologische    Untersuchungen   278.    und    Poggen 
dorff's  Annalcn  XXXVI   318.  320. 


351 

lieh  viele  Pflanzengruppen  in  fast  allen  Zonen  repräsentirt 
sind,  unter  einem  bestimmten  Himmelsstrich  aber  am  vortreff- 
lichsten gedeihen,  eigentlich  heimisch  sind,  so  finden  sich  auch 
fast  zu  jeder  Zeit  innerhalb  der  Vegetationsperiode  ein  oder 
einige  Repräsentanten  der  in  unseren  Breiten  herrschenden 
Familien  in  Blüthe,  aber  immer  ist  es  eine  bestimmte  Zeit, 
in  welcher  eine  entschiedene  Mehrzahl  der  Arten  aus  einer 
Familie  gleichzeitig  blüht  und  welkt,  um  einer  anderen  Gruppe 
Platz  zu  machen.  Es  hat  sich  bei  der  unten  angegebenen 
Zusammenstellung  ganz  unzweideutig  gezeigt,  dafs  die  meteo- 
rologischen Verhältnisse,  unter  denen  eine  Pflanzenform  bei 
uns  ihr  Bliithen- Maximum  erreicht,  denjenigen  am  ähnlichsten 
sind,  die  da  herrschen,  wo  dieselbe  Form  eigentlich  ihre  Hei- 
math hat.  Wie  wir  vom  Frühling  an  in  immer  südlichere 
Klimate  rücken,  so  kommen  im  Verlauf  des  Sommers  immer 
südlichere  Formen  zur  Eßtwicklung,  und  wir  sehen  nachein- 
ander die  Vegetationen  des  Nordens  bis  zu  einer  um  23^  Grad 
südlicheren  Region  als  unsere  geographische  Breite  an  uns 
vorübergehen,  freilich  nach  der  eigenthümlichen  Lage  unseres 
Landes  abgeändert,  und  den  hier  herrschenden  Bedingungen 
angepafst.  Die  Amentaceen  z.  B.  nahmen,  wie  wir  sahen,  nach 
Norden  hin  im  Verhältnifs  zur  übrigen  Pflanzenzahl  zu,  und 
so  sehen  wir  sie  denn  auch  in  überwiegender  Anzahl  in  den 
kältesten  Monaten  des  Frühjahrs-,  gegen  den  Sommer  aber  bei 
steigender  Wärme  relativ  und  absolut  sich  vermindern.  Unser 
wärmster  Monat  ist  der  Juli,  die  Syngenesisten  erreichen  in 
ihm  ihr  Blüthen -Maximum,  eine  Gruppe,  die  wir  nach  Süden 
hin  entschieden  in  gröfserer  relativer  Zahl  auftreten  sahen. 
Dafs  nun  im  letzten  Theil  des  Sommers  nicht  die  nämlichen 
Erscheinungen  wie  im  Anfang  desselben  auftreten,  liegt  darin, 
dafs  gegen  den  Herbst  Luft  und  Erde  trockner  sind,  als  vor 
der  Mitte  des  Sommers,  wo  dieselbe  Temperatur  herrschend 
war,  und  die  Temperatur  nicht  das  allein  Bedingende  ist. 
Leider  fehlt  es  noch  zu  sehr  an  den  nöthigen  Beobachtungen, 
um  diesen  gewifs  nicht  unfruchtbaren  Gegenstand  weiter  zu 
verfolgen;  es  gehört  nämlich  dazu,  dafs  aufser  dem  Pflanzen- 
verzeichnifs  auch  die  Blüthezeit  jeder  Species,  die  monatli- 
chen Mittel -Temperaturen  und  Regenmengen,  überhaupt  der 
Feuchtigkeits- Zustand   der  Luft  ermittelt  seien;    Bedingungen, 


352 

die  sich  bis  jetzt  nur  äiifserst  selten  möchten  vereinigt  antref- 
fen lassen,  ungerechnet  noch  die  Ausdauer,  welche  die  müh- 
same Zusammenstellung  und  Vergleichung  dieser  Elemente 
erfordert. 

Für  unsere  Gegend  habe  ich  eine  solche  Zusammenstel- 
lung ausgeführt,  und  habe,  da  nur  bei  äufserst  wenigen  Ge- 
wächsen die  Blüthezeit  in  demselben  Monat  auch  schon  auf- 
hört, in  welchem  sie  begann,  sondern  sich  gewöhnlich  darüber 
hinaus  verlängert,  diejenigen  Pflanzen  zusammengezogen,  die 
man  in  jedem  Monat  in  Blüthe  trifft.  Dies  ist  nicht  allein 
mit  sämmtlichen  Phanerogamen  geschehen,  sondern  mit  allen 
Familien,  welche  bei  uns  durch  mehr  als  20  Arten  repräsen- 
tirt  sind.  Nachfolgende  Tafel,  zu  deren  Verständnifs  es  kei- 
ner Erläuterung  weiter  bedarf,  enthält  die  Summe  aller  in  je- 
dem Monat  blühenden  Arten,  deren  namentliche  Aufzählung 
ein  vollständiger  Pflanzenkalender  sein  würde.  Die  Bedeutung 
der  in  den  Klammern  befindlichen  Zahlen  ist  weiter  unten  i 
angegeben. 


353 


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354 


Nehmen  wir  nun  für  irgend  eine  der  auffreführten  Al)- 
theilungen  in  derjenigen  Zeit  ein  Blüthenmaximuin  an,  in  wel- 
cher mindestens  |,  oder  wo  eine  so  hohe  Zahl  nicht  erreicht 
wird,  doch  wenigstens  f  der  in  der  Gruppe  vorkommenden 
Species  blühen,  so  erhalten  wir  für  die  Monate  vom  April 
bis  August  in  folgenden  Familien  ein  absolutes  Maximum: 

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355 


Ein  sehr  iiberrascliend^s  Resultat  aber  stellt  sich  heraus, 
wenn  man  das  Verhältnifs  der  blühenden  Arten  von  den  auf- 
geführten Familien  zur  Zahl  aller  in  einem  je<len  Monat  blü- 
henden Gewächse  berechnet,  und  in  diesem  Verhältnifs  die 
jedem  Monat  zukommende  Anzahl  sämmtlicher  Arten  überall 
durch  100  ausdrückt.  Bei  den  Cyperaceen  z.  B.  erhält  man 
dann  für  die  Monate  April,  Mai,  Juni,  die  Zahlen  12,  10,  6, 
wodurch,  bei  ganzen  Zahlen  wie  hier,  angezeigt  wird,  dafs 
man  unter  100  blühenden  Pflanzen  im  April  12,  im  Mai  10, 
im  Juni  6  Cyperaceen  findet,  also  gegen  den  Sommer  hin  die 
Rietgräser  relativ  seltener  werden.  Man  kann  jede  Gränze 
dieser  Zahlenreihen,  wenn  sie  regelmafsig  ab-  oder  zunehmen, 
«in  relatives  Minimum  oder  Maximum  nennen.  Denselben 
Sinn  haben  die  übrigen,  in  obiger  Tafel  enthaltenen  und  durch 
eine  Klammer  eingeschlossenen  Zahlen,  bei  deren  Ansicht  man 
sogleich  wahrnimmt,   dafs  mit  zunehmender  Wärme 


relativ  abnehmen: 
Cyperaceen 
Orchideen 
Liliaceen 
Amentaceen 
Ranunculaceen. 


relativ  zunehmen :     keine  Kcgelmäfsigkeit  zeigen : 


Chenopodien 
Labiaten 
Solaneen 
Syngenesisten, 


Gramineen 

Personaten 

Asperifolien 

Umbellaten 

Leguminoson 

Caryophylleen 

Cruciferen. 


Ein  Vergleich  dieser  Reihen  mit  denen  pag.  339  u,  347  zeigt 
©ine  merkwürdige  Uebereinstinimung  in  der  Entwi<'l\hing  ge- 
wisser Familien  von  Norden  nach  Süden  und  der  Entfaltung 
ihrer  Blüthen  während  der  Vegetationsperiode;  woraus  sich 
ergiebt:  dafs  die  Flora  bei  uns  im  Frühjahr  mit  nor- 
dischen Formen  beginnt,  zu  immer  südlicheren 
übergeht,  und  bei  zunehmender  Temperatur  haupt- 
sächlich diejenigen  aus  wärmeren  Klimalen  ent- 
wickelt, die  während  unseres  Sommers  noch  im 
Stande  sind,  zur  Reife  zu  gelangen.  Als  Ursachen  des 
abweichenden  Verhaltens  der  in  der  dritten  Reihe  befindlichen 
Glieder,  lassen  sich  verschiedene,  zum  Theil  wohlbegründete 
Hypothesen  anführen;  zu  einem  unzweifelhaften  Resultat  sind 
aber   noch  Vergleichungen  erforderlich,   die  sich  wegen  man- 

23* 


356 

gelnder  Beobachtungen  zur  Zeit  noch  nicht  anstellen  lassen. 
Sicherlich  aber  wird,  wenn  das  nöthig^  Material  zur  Hand 
sein  wird,  diese  Arbeit  von  grofsem  Interesse  nnd  nicht  nn- 
belohnend  sein ,  da  wir  es  mit  Pflanzenformen  zu  thun  haben, 
die  in  einem  hohen  Grade  von  anderen  Umständen  als  die 
Temperaturverhältnisse  abhängig  sind. 


Besclireibiing  von  vier  auf  Cnha  gefange  = 
nen    Fledermäusen. 

Von 
Dr.     G  u  n  d  1  a  c  h. 


1.  Vespertilio  harhatiis.    Gundlach. 

Blafs,  kastanienbraun,  Haarspitzen  der  Oberseite  dunkler. 
Schnauzengegend  mit  sehr  kurzen  Häärchen  besetzt  und  durch 
einen,  von  einem  Mundwinkel  zum  andern  sich  erstreckenden 
Bogen  längerer  Haare,  die  am  Mundwinkel  wie  ein  Bart  ab- 
stehen, begränzt.  Zwischen  der  Nase  und  diesem  Haarbogen 
ist  noch  ein  kleinerer,  auf  dem  Nasenrücken  unterbrochener. 
Ohren  etwas  in  eine  stumpfe  Spitze  verlängert.  Ohrdeckel  an 
der  Wurzel  schmal,  dann  sich  verbreitend.  Innere  Ecke  des- 
selben in  eine  Spitze  sich  umbeugend. 

Ganze  Länge  2"  3'".  Länge  von  der  Nasenspitze  bis 
zum  Anfange  des  Schwanzes  1"  3'",  mithin  dieser  1".  Sporn 
3'",  Breite  6''',  Daumen  1'"  lang.  Aufenthalt  in  Gebäuden 
von  Cafetal  St.  Antonio  el  Fundador. 

2.  und  3.  bilden  ein  neues*)  Genus,  das  ich 

LoJ)Ost07na,  Lappenmund 
nenne.     Die  Charaktere  sind: 

Oben  und  unten  4  Schneidezähne.  Die  oberen  sind  von 
ungleicher  Gröfse,  nämlich  in  der  Mitte  stehen  2  grofse,  zwei  lap- 


*)  Das  Genus  scheint  mit  Chilonycteris  Gray  {An7t.  of  Nat. 
Hist.  IV.  p.  4.)  zusammenzufallen;  die  Arten  sind  aber  unbeschrieben 
und  von  Ch.  Mac  Leayii  Gr.  verschieden,  die  ebenfalls  auf  Cuba  ge- 
funden wurde.  Herausgeber. 


357 

liige  und  zu  beiden  Seiten  ein  kleiner,  einfacher  Zahn.  Eck- 
iind  Backenzäline  noch  nicht  initersucht,  da  ich  das  einzige, 
bis  jetzt  gefangene  Exemplar  nicht  zergliedern  wollte.  Oberer 
Band  der  Schnauze  tritt  scharf  hervor,  und  bildet  mit  2Haut- 
Jappen  zur  Seite  der  Nase  eine  schräg  nach  unten  gerichtete 
Fläche,  in  welcher  auch  die  Nasenlöcher  sich  befinden.  Un- 
terlippe aufser  der  eigentlichen  Lippe  mit  2  quer  hintereinan- 
der gestellten  Hautlappen,  deren  vorderer  mit  Wärzchen  be- 
setzt, und  deren  hinterer  theils  aus  1  Stück  besteht,  theils  in 
der  Mitte  getrennt  ist.  Ohren  getrennt.  Schwanz  gröfsten- 
theils  in  die  Zwischenschenkelmembran  gehüllt,  die  Spitze  frei 
über  die  sich  noch  weiter  erstreckende  Haut.     Die  erste  Art 

L.  cinnamomewn  Gundiach 
hat  einen  oben  dunkel-,  unten  hellzimmtbraunen  Pelz.  Der 
Grund  der  Haare  ist  überall  blasser,  Gesicht  mehr  schwärz- 
lich behaart.  Ohren  kurz,  weit,  gerundet,  am  unteren  Rande 
sehr  mit  Haaren  gefranzt,  die  man  auch  an  den  Falten  im 
Ohre  sieht.  Ohrdeckel  kurz,  an  der  inneren  Seite  mit  einem 
Ausschnitte.  Nasenrücken  kahl.  Oberlippe  nach  den  Mund- 
winkeln hin  mit  längeren  zimmtbraunen,  seidenartig  glänzen- 
den Haaren  besetzt.  Vorderes  Lippenblatt  etwas  länglich  vier- 
eckig, hinteres  zweitheilig,  jeder  Theil  noch  mit  einer  Ausker- 
bung in  der  Mitte.  Die  Nase,  die  Blätter  der  Unterlippe,  die 
Ohrränder  und  Flughäute  sind  schwarzbraun.  Die  Haare  bil- 
den über  der  Nase  und  unter  dem  Kinne  ein  Grübchen. 

Länge  des  ganzen  Körpers  3"  5'".  Länge  des  Körpers 
von  der  Nasenspitze  bis  zum  Anfang  des  Schwanzes  1"  10"' 
der  Schwanz  ist  bis  zum  Freiwerden  10|'",  das  freie  Stück 
2'"  lang.  Die  Flughaut  erstreckt  sich  vom  Freiwerden  an 
noch  8}'"  weiter.     Sporn  8^'"  lang.     Breite  10^". 

Aufenthalt.  Das  einzige  Exemplar  wurde  des  Abends  in 
der  Stube  des  Cafetal  St,  Antonio  cl  Fundador  fliegend 
gefangen. 

L.  quadridens  Gundiach 
Farbe  des  Pelzes  blafs  bräunlichgrau,  die  Haarspitzen  der 
Oberseite  dunkler.  Kehlgegend  hat  eine  etwas  ins  Gelbliche 
spielende  Farbe.  Ohröffnung  weit.  Oberer  Rand  sehr  ver- 
längert zu  einer  stumpfen  Spitze.  Oben  am  Hinter rande  ist 
es  etwas  ausgeschweift.    Die  untere  Hälfte  des  Vorderrandes 


358 

ist  erweitert,  die  Erweiterung  selbst  bildet  4  Zähnchen.  Das 
vordere  Lippenblatt  dehnt  sich  bis  zum  Mundwinkel  aus,  das 
hintere  ist  ungetheilt  und  nur  wenig  kürzer  als  das  vordere, 
an  das  es  sich  mit  seinem  Rande  anlehnt.  Die  Wärzchen  des 
vordem  sind  nur  in  der  Mitte  vorhanden.  Die  Hautlappen 
zur  Seite  der  Nase  an  ihrem  oberen  Rande  in  eine  Spitze 
herTortretend.  Nase  oben  nackt.  Flughäute,  Nase,  Lippen- 
blätter  und  Ohrränder  schwarzbraun.  Länge  des  ganzen  Kör- 
pers 1"6:^'";  des  Schwanzes  in  der  Haut  6^'"  aufser  derselben 
3'";  der  Flughaut  vom  Freiwerden  des  Schwanzes  an,  noch 
7^"^     Des  Sporns  7^".    Breite  8''  3'". 

Aufenthalt.     Wie  die  vorige  Art. 
4.  Rhinopoma  carolinense  Geoffr. 

Da  ich  aus  Mangel  einer  ordentlieherea  Beschreibung 
nicht  sicher  wegen  der  Bestimmung  bin,  so  theile  ich  die  Be- 
schreibung der  meinigen  mit.  —  Pelz  braungrau.  Oberseite 
dunkler  als  die  Unterseite.  Der  Grund  der  Haare  ist  weifs- 
lich.  Ohren  weit,  nackt,  nur  aufsen  bei  der  Verwachsung  und 
innen  vorn,  wo  die  Cancavität  anfangt,  behaart.  Am  vorderen 
Ohrrande  6  —  7  Wärzchen.  Auf  den  Nasenrücken,  an  den 
Zehen  der  Hinterbeine  und  am  After  und  Geschlechtsöffnung 
mit  längeren  Borstenhaaren  besetzt.  Lippe  grofs,  über  die 
Unterlippe  weit  hervorragend.  Flughäute  schwarzbraun.  Die 
Haut  zwischen  Vorder-  und  Hinterbeinen  ist  in  der  Nähe  des 
Körpers  mit  Reihen  feiner  Haarbüschelclien  besetzt.  Der  Rand 
der  Zwischenschenkehnembran  hat  in  der  Nähe  des  Schwan- 
zes 2  zahnartige  Hervorragungen,  wovon  die  äufscre  durch 
das  Ende  des  Sporns  entsteht.  Ohrdeckel  viereckig,  an  sei- 
nem inneren  Rande  etwas  ausgeschweift.  Länge  des  ganzen 
Thieres  4",  des  Körpers  von  der  Nasenspitze  bis  zum  An- 
fange des  Schwanzes  1"  11'",  des  Schwanzes  2"  1'".  Ge- 
wöhnlich ist  der  Schwanz  8"'  eingehüllt  und  frei  5'".  Sporn 
9'^'  lang.    Breite  9J". 

Aufenthalt.     Bei  Tage  unter  den  Dachschindeln  zu  Fundador 
pjcfangen. 


J^59 


UebcT  zwei  von  mir  gesammelte  Koen  von  Cuba. 


Von 
Dr.    G  u  n  d  1  a  c  h. 


H«rr  Dr.  Schlegel  bescbreibt  iii  seiaem  Essai  sur  le  Phy- 
siognomie des  serpens  eine  Sclilange,  die  M.  Ricord  von  Cuba 
in  einem  einzigen  Exemplar  an  den  Jardiii  des  plantes  ge- 
schickt hatte,  die  er  Boa  melanitra  nennt.  Schlegel  bemerkt 
jedoch  dabei,  dafs  sich  keine  Art  seines  Geschlechts  Boa  so 
sehr  von  den  Gattungs  -  Charakteren  der  Böen  entferne,  als 
diese.  Ich  habe  dem  Casseler  Verein  für  Naturwissenscliaften 
2  Exemplare  iibersandt,  die  ich  im  Jahr  1839  in  Cuba 
!  gesammelt  habe,  und  nenne  sie  Boa  paidaliSy  weil  der 
I  Name  Melanura  nur  eine  zufällige  Varietät,  der  meinige 
i  aber  jedes  Alter  bezeichnet.  Ich  gebe  hier  Ergänzungen 
j  der  ziemlich  ausführlichen  Beschreibung  von  Schlegel.  Ob 
diese  Art  in  Ramond  de  la.  Sagra  Werk  über  Cuba  be- 
schrieben wird,  weifs  Ich  nicht,  glaube  es  jedoch.  Ist  dies 
der  Fall,,  so  wird  üerr  Cocteau,  der  Beschreiber  der  Amphi- 
bien dieses  Werks  auf  jeden  Fall  ein  neues  Geschlecht  mit 
ihr  eröffnen.  Das  alte  Thier  mifst  0/466  +  0,057.  Das  |unge, 
dessen  Schwanzspitze  schon  im  Leben  verletzt  wurde ^  mifst 
0,236  +  0,034.  Schlegel  giebt  0,420  +  0,060  für  das  Pariser 
Exemplar  an.  Das  alte  Thier  hat  201  Bauchschilder  und 
36  Schwanzschilder;  das  junge  147  +  24,  Schlegel  giebt 
206  +  38. 

Sie  gleicht  den  Böen  durch  den  komprimirten  Körper, 
durch  den  kurzen,  sehr  bestimmt  ausgebildeten  Wickelschwanz 
mit  ganzen  Schildern,  durch  die  Aftersporne  *)  und  durch  die 
Rinne  an,  der  Kehle;  sie  weicht  von  den  Böen  ab  1)  durch 
verschiedene  Physiognomie,  durch  die  Kopfschilder,  durch  die 
geringe   Zahl   der  Körperschuppen,    die  nur  27  beträgt.     Auf 


*)  Schlegel  läuguet  die  Aftersporne;  sie  müssen  demnach  sexuell 
scyn 


360 

den   ersten  Blick  hält   mau    sie  eher  zu   der  grofsen  Familie 
Coluber  gehörig. 

Die  Kopfschilder  hat  Schlegel  beschrieben  und  das  über- 
hebt mich  einer  näheren  Besclireibung. 

Schlegel  giebt  4  Augenschilder;    ich   zähle   nur  3.     Die 
mittlere   ist  durch   eine  schwarze  Linie  in  der  Mitte  getheilt, 
und  dies  verführt  leicht,  sie  für  4  zu  halten.   Das  junge  Exem- 
plar hat  nur  2.     Das  vorderste  Lippenschild  ist  halbcirkelför- 
mig,    und  hat  am  unteren  Rand  eine    schwach    halbmondför- 
mige Vertiefung;  über  dieser  ein  schwarzes,  noch  dunkler  be- 
gränztes  Quer-Bindchen.     10  obere,  12  untere  Mundrandschil- 
der.    Das  vorderste  Lippenschild  ist  durch  eine  Rinne  schein- 
bar getheilt.     Das   daranstofsende  Schildpaar   ist   das  gröfste, 
herzförmig,  allein  mit  8  Seiten,  das  folgende  Paar  ist  12seitig. 
Eine  Rinne  theilt  das  Kinn  bis  zur  6ten  Schuppenreihe.     Der 
breiteste  Theil  der  Kehle  hat  8  Schuppen  in  einer  Reihe,   die 
bei   den    eigentlichen  Böen   vielmehr    enthält.     Die  Schuppen 
des   Körpers  sind  nicht   stark   gekielt,   bis  auf  die  4  seitlich- 
sten, die   glatt  sind.     Bei   dem  jungen  Thier  sind  sämmtliche 
Schuppen  glatt;   dies  und  seine  geringe  Zahl  der  Bauchschup- 
pen könnte  den   Glauben  veranlassen,    dafs   es  einer   eigenen 
Art  angehöre,  allein  vollkommen  gleiche  Kopfschilder,  ähliche, 
allein  schärfere  Zeichnung  halten  mich  berechtigt,   es   für  das 
junge   Thier   zu  halten.     Die  Zahl    der  Bauchschilder   weicht 
auch  bei  andern  Böen  sehr  bedeutend  ab. 

Färbung:  dem  jungen  Thier  fehlt  die  Stirnbinde  und  der 
Kopf  ist  einfarbig  dunkelgrau,  schwarz  punktirt.  Ueber  den 
Rücken  laufen  in  scharfer  Richtung  2  Reihen  ovaler  Flecken, 
die  hellgelblich  eingefafst  sind.  Diese  Flecken  fliefsen  öfters 
zusammen;  auf  diese  folgt  die  zweite  Reihe,  und  an  diese 
stöfst  eine  dritte,  die  sich  in  die  Bauchschilder  herumzieht. 
Alle  Flecken  stehen  * .  *  im  Dreieck.  Auf  dem  Schwanz  sind 
die  Seitenflecken  verschwunden  und  die  Flecken  der  unteren 
Schilder  und  des  Rückens  werden  gröfser,  so  dafs  die  ocker- 
gelbe Grundfarbe  nicht  die  Hauptfarbe  ausmacht.  Haben  die 
schwarzen  Flecke  alle  Grundfarbe  verdrängt,  dann  ist  es  Boa 
melaniira  Schlegel.  Das  junge  Thier  ist  durch  die  bestimm- 
ten Flecken  und  durch  eine  etwas  dunklere  Grundfarbe 
dunkler  als  das  alte  Thier. 


361 

Altes  Thier.  Obenher  graubräunlich;  jede  Schuppe  mit 
vielen  dunkleren  Spritzchen.  Längs  den  Bauchschildern  hin 
heller  ins  ockerfarbige.  Bauch  und  Schwanzschilder  graugelb- 
Jich;  erstere  mit  einzelnen  Spritzchen,  (^uer  über  den  Schei- 
tel eine  dunkel  schwarz  eingefafste  Binde;  über  den  Hinter- 
kopf ein  schwarzer  Fleck.  Vom  hinteren  Augenrand  an  ein 
dunkler  Streifen,  der  sich  in  die  dunklere  Farbe  des  Kopfs 
verläuft  und  sich  in  schiefer  Richtung  zum  Mundwinkel  hin- 
zieht. Von  den  unteren  Lippenschildern  ziehen  sich  Flecken 
bis  fast  zur  Spitze  des  Schwanzes  hin;  einige  Zoll  vom  Hals 
kommt  über  diesen  eine  zweite  Reihe  Flecke;  eine  dritte  Reihe, 
jedoch  sehr  verwischt,  auf  den  Seiten  der  Bauchschilder;  alle 
diese  Flecken  stehen  wie  beim  jungen  im  * .  *  Dreieck.  Ueber 
den  Rücken  laufen  in  schiefer  Richtung  über  8  —  10  Schup- 
pen hin  dunkel  gewölkte  Flecken,  die  zuweilen  in  2  getheilt 
sind,  wovon  die  äufserste  Schuppe  auf  ihrer  äufseren  Seite 
zuweilen  hellockerfarbig  ist.  Ueber  den  Schwanz  erstrecken 
sich  5  Reihen  Flecken. 

Aufser  diesem  höchst  interessanten  Ophidier  fand  ich 
noch  eine  ächte  Boa,  die  neu  ist,  die  ich  aber  erst  benennen 
will,  im  Fall  sie  von  Ramond  de  la  Sagra  nicht  schon  ge- 
sammelt ist. 

Boa.  .  .  .  Sie  hat  276  +  52  Schilder.  Die  5  vorderen 
oberen  Lippenschilder  tragen  4,  und  die  14  unteren  12  Gru- 
ben. Das  Auge  hat  ein  ganzes  oberes  Augenschild  und  vorn 
ein  grofses  Zügelschild;  nach  hinten  und  unten  ist  es  mit 
6  Schupen  umgeben.  Die  Nasenlöcher  sind  von  4  Schuppen 
von  ungleicher  Gröfse  und  Gestalt  umgeben.  Die  Schuppen 
des  Oberkopfs  können  fast  Schilder  genannt  werden,  sind  je- 
doch von  ungleicher  Gestalt,  die  2  Paar  Nasenschilder  ausge- 
nommen. Zwischen  den  Lippenschildern  und  den  2  Zügel- 
schildern stehen  noch  3,  fast  4  eckige  Schildchen.  Der  Bauch 
und  Kopf  ist  einfarbig,  allein  der  dunklere  Rücken  und  die 
helleren  Seiten,  äluilich  wie  hortulana  bezeichnet,  das  schwer  zu 
beschreiben  ist.    In  den  Kopfschildern  gleicht  sie  der  Ceiichris. 


362 


Erwiederung  auf  Burnieisters  Aufsalz: 


Bomcrkuugeii  über  die  Bekleidung  des  Laufs  der  Singvögel. 

(S.  oben  p.  220.) 

Von 

Blasius  und  Keyserling. 


Bei  Arbeiten  über  die  Vögel  Europa's  sind  uns  unbe- 
inerktc  Eigentliüiidichkeiten  aufgefallen,  die  zur  Sonderung 
und  Gruppirung  von  Gattungen  brauchbar.  Von  dem  Vor- 
satz, dergleichen  Beobachtungen  nur  bei  Gelegenheit  ihrer  sy- 
stematischen Anwendung  vorzubringen,  gingen  wir  in  einer 
kurzen  Notiz  ab,  um  auf  die  eigenthü milche  Bedeckung  der 
Ilinterseite  des  Laufes  der  Vögel  aufmerksam  zu  machen, 
desshalb,  weil  wir  einsehen,  dafs  unsere  allgemeinen  syste- 
matischen Arbeiten  über  Gattungen  der  Sing-  und  Klettervö- 
gel noch  viel  Zeit  zur  Reife  bedürfen,  andererseits  aber  ein 
längeres  Zurückhalten  dieser  für  Systematik  nicht  unwichtigen 
Erfahrung  geflissentliches  Hemmen  der  Fortschritte  in  einem 
Thcil  der  Wissenschaft  schien.  —  Burmeister  nennt  den 
Inhalt  unserer  Notiz  einen  glücklichen  Fund;  man  könnte  mit 
mehr  Recht  (in  Bezug  auf  die  zu  gewinnenden  Ergebnisse  be- 
sonders für  die  Klettervögel,  aber  auch  für  andere  Ordnun- 
gen) den  Inhalt  für  die  Angal>e  einer  glücklichen  Fundgrube 
halten,  in  der  sich  Burmeister  als  rüstiger  Arbeiter  zu  uns 
gesellt  hat.  Als  solchen  begrüfsen  wir  ihn  und  freuen  uns 
dessen,  was  von  ihm  zu  Tage  gefördert  worden,  möchten  auch 
durch  keinerlei  getrübte  Polemik  einander  die  Freude  an  dei 
Arbeit  verkümmern,  wiewohl  die  wissenschaftliche  Discussion, 
zu  der  hier  Gelegenheit  geboten,  uns  nur  erwünscht  sein 
kann.  Am  wenigsten  erwarten  wir  von  unseren  Commili- 
toncn  den  Vorwurf  vorschneller  Unbehutsamkeit  darum,  weil 
wir  ilmen  den  Gang  angedeutet,  ohne  ihn  zugleich  auszubeu- 
ten. —  Dürften  wir  hoffen,  dafs  noch  andere  Männer,  die  durch 
ihre  Stellung  über  ein  umfassendes  Material  schalten,  unserer 
Andeutung  so  ernste  und  eifrige  Beachtung  schenkten,  wie 
Burmeister,  so  wären  wir  sicher,  zu  einem  Ziel  zu  gelan- 
gen, das  unsere  vereinzelten  Bestrebungen  weder  so  schnell, 
noch  so  voUständiii;  hätten  erreichen  können. 


363 

Burmefster  drückt  a^^er  auf  eine  in  Bezug  zu  seinen 
eignen  Beobachtungen  inconsequente  Weise  den  systematischen 
Werth  der  in  Rede  stehenden  Structurverhältnisse  herab,  in- 
dem er  ihn  für  die  Oscines  und  deren  Sonderung  von  den 
Scansores  nicht  höher  schätzt,  als  den  Werth  der  Schwanz- 
federzalil  und  des  Baues  der  Bürzeldriise. 

Was  die  12  Schwanzfedern  betrifft,  so  haben  aufser  den 
Singvögeln  auch  die  meisten  anderen  Vögel  eben  so  viel;  an- 
dererseits finden  sich  davon  Ausnahmen  bei  typischen  Sing- 
vögeln*) und  wiewohl  Burmeister  versichert  „keineswegs 
bei  irgend  einer  Sylvia",  so  ist  den  Ornithologen  gerade 
in  dieser  Gattung  (in  dem  Sinne  Burmeisters)  die  seltne 
Ausnahme  bekannt,  und  auf  Grund  derselben  von  Bonaparte 
die  Gattung  Cettia  gemacht,  zu  der,  aufser  der  europäischen 
Sylvia  Cetti,  noch  afrtcanische  Formen  gehören.  ;— 

Ueber  die  systematische  Bedeutung  der  Bürzeldriise  kön- 
nen wir  nicht  aus  eigner  Erfahrung  urtheilen,  da  wir  nur  an 
wenigen  heimischen  Vögeln  diese  Drüse  zu  beobachten  Gele- 
genheit hatten.  Indefs  nach  der  Art  wie  Burmeister  in  sei- 
nem Handbuch  sich  darüber  ausgesprochen,  dient  sie  zur  Schil- 
derung der  Ordnung,  nicht  zur  Unterscheidung.  Von  den 
Picariis,  heifst  es,  haben  die  Meisten  eine  befiederte 
Bürzeldrüse;  die  Passerinae  besitzen  eine  nackte 
Bürzeldrüse.  Das  ist  eine  Form  des  Unterscheid ens,  die 
den  Bedürftigen  in  jedem  einzelnen  Falle  rathlos  läfst.  Zu 
weiterer  Würdigung  der  Angaben  von  der  Bürzeldrüse  in  dem 
Aufsatz,  den  wir  beantworten,  fügen  wir  concise  Bemerkungen 
von  Nitsch,  dem  competentesten  Richter  über  diesen  Gegen- 
stand bei:  „Glandulae  processus  —  nsque  nudus,  et  Co- 
rona illa  phnnosa  destitutus  est  in  Accipitrinis  nocturnis, 
Passerinis  ,  Macrochiribus ,  Cu'cidinis  (Indicatoris  gener e 
—  excepto^  et  in  Columhinis.  —  Glandulae  forma  trian- 
gularis  in  Vulture   leucocepJialo ,   Falcone  MilvOj    Lanio 

*)  Wir  erinnern  uns,  dafs  dem  Tiirdus  variu&  der  Pallasischen 
Zoographie  14  Schwanzfedern  zugeschrieben  werden;  er  mufs  zu  den 
Drosseln  gehören,  die  Gould  als  Oreocmcla  generisch  gesondert; 
von  den  sehr  verwandten  Arten  Turdus  variiis  Horsf,  Whlici 
Eylon,  u.  a  ist,  wie  viel  wir  wissen,  die  Schwanzfederzahl  nicht 
angegeben 


364 

minore  et  plurihiis  Vasseruüs.  —  Fere  transverse  ren'ifor- 
Ulis  apparet  in  Stuvno  et  consiniiüs  formae  in  Passerinis 
pennultis  alds.  —  Sed  sunt  formae  mediae  inter  illas  ai- 
que  eliam  aliqua  ßgurae  varialio  in  iisdem  speciebus  pro 
aelatisy  sexus,  et  individuonim  differeniia  ohservatur.  ' 
Uebrigeiis  bleibt  es  daiikenswerth ,  dafs  Burmeister  bei  die- 
ser Gelegenheit  den  Zoologen  die  Beachtung  der  Bürzeldrüse 
einschärft,  die  von  den  Arbeiten  noch  immer  nicht  berücksich- 
tigt wird.  Die  von  uns  in  Anregung  gebracliten  Verhältnisse 
haben  vor  den  beiden  besprochenen  auch  durch  zald reichere 
Modificationen  und  gröfsere  Handlichkeit  für  den  Systeuiatikcr 
einen  Vorzug.  Um  diesen,  den  Burmeisters  Beobachtungen 
bestätigen,  seine  Darstellung  aber  in  den  Hintergrund  drängt, 
hervorzuheben,  stellen  wir  noch  einmal  das  Ergebnifs  bisheri- 
ger Beobachtung  allgemein  hin.  Dafs  solch  ein  allgemeiner 
Satz  in  inductiven  Wissenschaften  nur  auf  den  gemachten  Be- 
obachtungen ruhet,  bei  deren  Erweiterung  aber  in  Umfang  und 
Form  sich  ändert,  ist  ein  so  nothwendiges  Verhältnrfs,  dafs 
es  keinen  Vorwurf  begründet;  diesen  Vorwurf  verdient  hin- 
gegen ein  Ausspruch,  sobald  er  Unbekanntschaft  mit  vorhan- 
denen Beobachtungen  verräth. 

Die  bei  weitem  gröfste  Zahl  aller  Singvögel,  namentlich 
alle  typischen,  sind  ausgezeichnet  durch  den  Mangel  der  Quer- 
theilung  auf  einem  grofsen  Theil  ihrer  hornigen  Sohlendecke, 
solche  Bildung  ist  nur  bei  den  Oscines  beobachtet  und  ent- 
scheidet an  und  für  sich  über  die  bisher  zweifelhafte  Stelhnig 
vieler  Vögel.  Dazu  liefern  Burmeisters  Beobachtungen  Be- 
weise. —  Es  treten  unter  einigen  aberranten  Formen  von 
Singvögeln  Modificationen  in  dieser  Bildung  auf.  Von  den 
Europäischen  weicht  nur  bei  den  Lerchen  diese  Structur  so 
sehr  ab,  dafs  wir  sie  nicht  unter  denselben  Ausdruck  mit  der 
typischen  bringen  konnten;  sie  bleibt  aber  iuunerhin  verschie- 
den von  der,  die  wir  bei  den  Seansores  beobachtet  haben. 
Burmeister  hat  das  Verdienst  ähnliche  Abweichungen  an- 
derer Vögel,  die  uns  theilweise  unbekainit  waren,  zuerst  dar- 
zustellen. Wir  schieben  jedes  Urtheil  über  diese  Einzelheiten 
auf,  da  wir  unsere  speciellen  Untersuchungen  nicht  anders,  als 
in  ihrem  systematischen  Zusammenhange  mittheilen  mögen. 
An  anderen   Vögeln   aber    beobachtet  Burmcistci    dieselbe 


3C5 

Art  und  Weise  der  Sohlenbekleidung,  wie  bei  CaprimiiJgus, 
Coracios ,  PrioniteSj  Upiipcty  Colins,  und  hält  sie  für  wahr- 
hafte Singvögel.  Wenn  die  Beobachtung  richtig  wäre,  und  die 
Ansicht  sich  bestätigte,  so  miifsten  wir  einräumen,  dafs  eine 
kleine  Gruppe  aberranter  Singvögel  durch  die  Sohlenbeklcidung 
nicht  von  allen  Klettervögeln,  wohl  aber  von  allen  Singvö- 
geln unterschieden  wäre.  Die  Sohlenbekleidung  eines  dieser 
Singvögel  kann  nur  mit  der  Bekleidung  sehr  weniger  Gattun- 
gen von  Klettervögeln  übereinstimmen,  da  die  letzteren  man- 
nigfach von  einander  verschiedene  Sohlen  tragen.  Da  es  wich- 
tig scheint,  über  diesen  Gegenstand  sich  zu  vereinigen,  so 
glauben  wir,  unsere  Prüfung  nicht  zurückhalten  zu  dürfen, 
wenn  sie  gleich,  wegen  der  Mittel,  unzureichend  bleiben 
mufs.  — 

Coracina  calva,  scutata  —  Chasmorhynclius  nudicol- 
Vis  —  ylmpelis  foetida,  Pompadora,  purpurea  —  Eurylai- 
mus  nasicus,  ILorsfieldii,  —  Corydon  —  Ampelis  cayana 
sind  diejenigen  von  Burmeister  bei  dieser  Gelegenheit  ge- 
nannten Ampeliden,  die  wir  nachuntersuchten.  Auch  die 
Muscicapa  plumhea  wollen  wir  zugleich  nennen,  da  sie  un- 
serer Ansicht  nach  zu  diesen  Ampeliden  gehört.  Bei  diesen 
finden  wir  nun  die  Hinterseite  der  Läufe  im  trocknen  Zu- 
stande besetzt  mit  Reihen  elliptischer  Pustelchen,  die  ein  ver- 
tieftes oder  [häufig  wahrhaft  perforirendes  Loch  zeigen.  Je- 
derseits  zwischen  dieser  Sohlenbekleidung  und  den  Tafeln  der 
Vorderseite  (Halbgürtel  B.)  bemerken  wir  von  dem  Fersenge- 
lenk her  einen  häutigen  (nackten  B.)  Striemen,  der  über  einen 
ansehnlichen  Theil  der  Lauflänge  sich  erstreckt  und  spitz  aus- 
läuft. Bei  Emyl.  Corydon,  der  generisch  zu  sondern,  wur- 
zelt auf  diesen  häutigen  Striemen  etwas  Befiederung  und  fin- 
den wir  auch  die  Reihe  gröfserei  Schildchen,  wie  B urm ei- 
ste r  sie  angegeben.  Die  von  ihm  genannten  Gattungen  der 
Klettervögel  haben  nach  den  von  uns  untersuchten  Arten  nicht 
diese  nackten  Striemen  mit  Ausnahme  von  Prionites,  dessen 
Sohle  aber  von  grofsen  polygonen  Platten  bedeckt  ist;  auch 
übrigens  erinnern  wir  uns  keiner  Gattung  der  Klettervögel 
die  vollkommen  gleiche  Sohlenbekleidung  mit  diesen  Ampeli- 
den hätte.  Wir  halten  es  für  möglich,  dafs  die  im  Leben 
wahrscheinlich    turgiden    Pusteln    dieser  Ampeliden    von    den 


366 

Maschen  auf  den  Sohlen  vieler  Klettervögel  dem  Bau  nach 
verschieden  sind,  haben  aber  kein  Material,  um  das  zu  ent- 
scheiden. 

Bei  Psarls  beobachten  wir  an  den  Läufen  vorn  zur 
Hälfte  umfassende  Tafeln,  neben  denen  sich  jederseits  eine 
Längsreihe  rhomboidischer  Plättchen  mit  hie  und  da  unregel- 
mäfsig  abgerundeten  Ecken  findet;  diese  Plättchen  sind  nach 
dem  Fersengelenk  hin  und  innen  gröfser;  ihre  Zahl  in  einer 
Reihe  übertrifft  die  der  vorderen  Tafeln  nicht  um  das  Dop- 
pelte, Die  beiden  Plattenreihen  lassen  zwischen  sich  einen 
schmalen  Streifen,  der  von  sehr  kleinen  Plättchen  bedeckt  ist. 
—  Wenn  wir  unsere  Beobachtungen  durchlaufen  über  die 
Sohlen  von  Coracias,  CaprimulguSy  Buceros^  die  wir  grob 
genetzt  nennen,  von  Upupa  mit  der  hinteren  Längsreihe  gros- 
ser Platten,  von  Colius  mit  den  innen  und  aufsen  weit  her- 
umgreifenden Tafeln  und  dem  feinschuppigen,  fast  chagrinar- 
tigen  Sohlenstreifen,  so  finden  wir  nicht  die  Uebereinstimmung, 
die  Burmeisters  Angaben  fordern. 

Es  bleibt  noch  Laniiis  ßavuSj  —  Miiscicapa  feroXy 
DespoteSf  cayanensis  und  Faradisi.  üeber  die  letztere  wi- 
derspricht unsere  Beobachtung  den  Angaben  von  Burmei- 
ster,  und  wir  bitten  anderweitig  um  Untersuchung  und  Ent- 
scheidung. M.  Paradisi  ist  ein  ächter  Singvogel,  mit  der 
langen  Sohlenschiene  jederseits,  die  nur  nach  der  Zehenwur- 
zel hin  einzelne  Quertheilung  zeigt.  —  Bei  den  übrigen  ge- 
nannten Arten  greifen  die  Tafeln  um  die  ganze  Aufsenseite 
bis  nach  hinten  herum,  ein  Verhalten,  das  wir  an  keinem 
Klettervogel  beobachtet.  Bei  Lantus  flaviis  liegt  hinten  an 
der  Innenseite  des  Laufes  ein  schmaler  Streifen,  auf  dem  an 
2  Längsreihen  sehr  feiner  gestreckter  Maschen  zu  bemerken; 
bei  M.fcroXy  Despotes,  cayanensis  liegt  an  der  Innenseite 
der  Sohle  ein  glatter  Striemen,  nach  dem  Glanz  zu  urtheilen, 
etwa  von  weich  horniger  Beschaffenheit,  an  dem  wir  hinten 
eine  Längsreihe  sehr  kleiner  Maschen  bemerken.  Diese  zu- 
letzt erwähnten  Fälle  können  wir  durchaus  nicht  mit  Sohlen- 
bekleidnng  der  Klettervögel  für  übereinstimmend  halten. 

Diese  Discussion  berechtigt  zu  der  Behauptung,  dafs,  selbst 
in  dem  Sinne  Burmeisters,  alle  Gattungen  der  Singvögel- 
gruppe  durch  die  Sohlcnbekleidung,   nach  den  bisherigen  Er- 


367 

fahningö»,  von  den  Klottervögeln  abweichen.  Das  ist  aber 
mehr  als  wir  behaupten  wollen.  Uns  war  das  Verhalten  ei- 
niger Ampeliden  früher  bekannt;  wir  berücksichtigten  nur  defs- 
halb  nicht  diese  Formen,  weil  wir  sie  nicht  für  Singvögel 
hielten,  und  auch  noch  keinen  Beweis  dafür  ke^lnen.  Sollte 
er  in  den  Manuscripten  von  Nitsch  enthalten  sein,  so  wäre 
uns  Belehrung  von  daher  sehr  erwünscht.  Eben  so  wenig 
verläfslich  scheint  uns  die  Stellung  von  Vsaris  und  anderen 
Vögeln,  die  durch  die  Autoren  in  die  Nähe  von  Lanuis  und 
Muscicapa  gebracht  sind.  Entscheidung  erwarten  wir  von 
der  Zukunft,  aber  wir  glauben,  wie  sie  auch  fallen  mag,  dafs 
diese  in  mancher  Beziehung  anormalen  Formen  aus  einer  na- 
türlich begrenzten  Familie  (das  Wort  in  dem  Sinne  von 
Nitsch  gebraucht)  der  Singvögel  gestofsen  werden  müssen, 
und  für  sich  eine  kleine  Familie  bilden,  analog  den  vielen,  die 
man  bei  den  Klettervögeln  oder  Vicariis  anerkennen  mufs,  so 
dafs  uns  immer  einige  einfache  Angaben  über  die  Bekleidung 
der  Hinterseite  des  Laufes  sichere  Norm  für  die  Familie  der 
Singvögel  bleiben. 


Fortgesetzte  Bemerkungen  über  die  Gattungen 
der  Ästenden. 

Von 
J*Müller  und  F.  H.  Troschel. 


Seit  unserer  letzten  Mittheilung  haben  wir  Gelegenheit 
gehabt,  noch  andere  grofse  Museen  Frankreichs,  Hollands  und 

j  Deutschlands    in   Beziehung    auf    die  AsteriJen    zu    studiren. 

i  Namentlich  ist  es  uns  von  Wichtigkeit  gewesen,  die  Lamarck- 
schen  Originalexemplare  in  Paris  vergleichen  zu  können. 
Der  vielfachen  Unterstützungen,  deren  wir  uns  zu  erfreuen 
gehabt,  werden  wir  in  einer  besondern  Arbeit  über  die  See- 
sterne ausführlicher  anerkennende  Erwähnung  thun.  Vorläu- 
fig beschränken  wir  uns  auf  die  Mittheilung  einiger  Thatsa- 
chen  von  allgemeinerem  Interesse. 


368 

Die  Zahl  der  Gattungen  der  Asterkn  hat  sich  nicht, 
wohl  aber  ganz  ungemein  die  der  Arten  vermehrt.  Doch 
dürfte  es  vielleicht  zweckmäfsig  sein,  die  Aster acanthien  mit 
beperltem  Rücken  unter  dem  Namen  Pisaster,  und  von  den 
Goniastern  mit  gekieltem  Rücken  die  platten  in  einer  eigenen 
Gattung,  der  wir  den  Blainville'schen  Namen  Platyaster 
erhalten,  abzutrennen.  —  Wir  dürfen  ferner  nicht  unerwähnt 
lassen,  dafs  Pedicellarien  sich  bei  einigen  Gattungen  gefunden 
haben,  an  denen  wir  sie  früher  vermifst  hatten.  EcJiinaster  echi- 
nites  Noh.  (^Asterias  ecJünites  Lam.)  hat  sie,  während  sie 
den  übrigen  Arten  dieser  Gattung  zu  fehlen  scheinen;  gleich- 
wie  solche  Artenunterschiede  auch  bei  den  Gattungen  Pla- 
tyaster und  Asteriscus  vorkommen.  Dasselbe  gilt  von  einem 
neuen  Chaetasfer.  Dreizackige  Pedicellarien  wurden  auch 
bei  zwei  neuen  Arten  der  Gattung  Luidia  Foj;hes  *)  {Hemicne- 
mis  Noh.)  beobachtet.  —  Die  Vielfachheit  der  Madreporen- 
platte  ist  am  auffallendsten  bei  Echinaster  echinites,  auf  de- 
ren Scheibe  in  einem  Kreise  5  —  6  solcher  Platten  vorkom- 
men. —  Aus  der  Familie  der  OpTiiuriden  sind  uns  mehrere 
neue  Gattungen  vorgekommen: 

1)  OpJiiopJwlis  Noi).  von  Opliiolepis  verschieden  dadurch, 
dafs  auf  der  Scheibe  aufser  den  Schuppen  auch  noch  Stacheln 
vorkommen.  Dahin  gehört  Ophiura  annulosa  Lam  u.  Asterias 
aculeata  O.  F.  Müller. 

2)  Ophiomyxa  Noh.  Haut  der  Scheibe  und  der  Arme 
ganz  nackt  und  schleimig;  zwei  Genitalspalten  in  jedem  Inter- 
brachialraum ;  die  Papillen  der  Mundränder  und  die  Zahnpapil- 
Icn  sägeförmig  gezähnelt.  Hierher  eine  Art  im  Wiener  und  Pa- 
riser Museum. 

3)  Ophiocnemis  Noh.  Vier  Genitalspalten  in  jedem  Inter- 
brachialraum ,  je  2  nebeneinander  und  von  Schienen  begrenzt. 
Keine  Papillen  an  den  Mundrändern.  Scheibe  granulirt;  grofse 
Radialschilder.  Stacheln  der  Arme  glatt.  Hierher  Ophiura  mar- 
VW  rata  Lam. 


*)  Die  Abhandlung  von  Forbcs  in  den  Memoiren  der  Wem  er- 
sehen Gesellschaft  ist  uns  erst  nach  dem  Druck  unserer  früheren 
Abhandlungen  bekannt  geworden.  Seine  Gattung  StcUoiiia  ist  iden- 
tiscli  unserer  AstcracantJiion  und  enger  als  Stelhti?a  Nardo.  Ebenso 
fallen  die  Gattungen  Solaster  Forbes  und  Crossaster  Nob.  zusammen, 


369 


Verzeiehnifs  der  Vögel  Galliziens. 

Von 
Stan.  Const.  Ritter  von  Siemuszowa-Pietruski. 


Gallizien  ist  ein,  was  die  Ornithologie  betrifft,  von  der 
Natur  vorzüglich  begünstigtes,  leider  aber  aus  Mangel  an  in- 
ländischen Naturforschern  in  dieser  Hinsicht  noch  zu  wenig 
bekanntes  Land.  Ich  glaube  daher,  dafs  es  den  Naturforschern 
nicht  unangenehm  sein  wird,  alle  mir  bekannten,  in  meinem 
Vaterlande  sich  findenden  Vögel  hier  aufgezählt  zu  sehen,  be- 
sonders da  sich  diese  an  seltenen  Naturproducten  so  reiche 
Provinz  einer  eigenen  Fauna  nicht  rühmen  kann. 

1.  Vulturcinereus  Gm.  überall  sehr  selten. 

2.  Falco  (Haliaetos)  albicilla  L.  in  den  Ebenen  nicht 
selten,  meistentheils  im  Stryier  und  Sambour  Kreise,  in 
den  Gebirgsgegenden  als  Zugvogel. 

3    Falco  (Aquila)  fulvus  Will,  überall  ziemlich  selten. 

4.  F.  (Aquila)  naevius  Gm.  allenthalben  gemein. 

5.  F.  (Aquila)  haliaetos  L.  *)  in  der  Nähe  der  grofsen 
Flüsse:  am  Dniester,  San  und  Stryi  nicht  selten. 

6.  Falco  subbuteoL.  überall  nicht  selten. 

7.  Falco  peregrinus  Gm.  in  den  nördlichen  Kreisen,  je- 
doch nicht  sehr  häufig. 

8.  Falco  rufipes  Beseke,  im  Stryier  Kreise,  sehr  selten, 

9.  Falco  tinnunculus  L.  allenthalben  gemein. 
10.    F.  (Buteo)  Buteo  L.  in  den  Ebenen  gemein. 


*)  Anmerk.  des  Herausgebers.  Im  Text  steht  Aquila  pygar^ 
gus;  doch  kann  kein  anderer  Vogel  gemeint  sein.  Der  Verf  möge  ent- 
schuldigen, dafs  ich  überall  seinen  Benennungen  die  allgemein  üblichen 
substituirt  habe;  ebenso  dafs  ich  seine  systematischen  Rubriken  weg- 
lasse. Jede  eigenthümliche  Systematik  einer  Fauna  ist,  da  sie  sich 
nicht  am  Ganzen,  sondern  nur  an  Bruchstücken  des  Ganzen  versucht, 
wenn  nicht  ein  Unding,  doch  mindestens  eine  vergebliche  Mühe 

iViegm.  Archiv.    VT.  Jahrg.    I.  Band.  24 


370 

H.    F.  (Buteo)  lagopus  Gm.  ziemlich  selten. 

12.  F.  (Milvus)  Milvus  L.  in  ganz  Gallizien  gemein. 

13.  Falco  (Astur)  palumbarins  L.  überall  sehr  gemein. 

14.  F.  (Astur)  Nisus  L.  allenthalben  gemein. 

15.  F.  (Circus)  rufus  L.  in  Ebenen,  auf  sumpfigen  Stellen 
nicht  selten. 

16.  F.   (Circus)  cyaneus  Moni.  (L.)   im   Tarnopoler  und 
Rzesrower  Kreise  nicht  selten. 

17.  Strix  nisoria  W.  u.  M.  in  Gallizien  nur  auf  dem  Zuge 
als  Seltenheit. 

18.  Strix  flammea  L.  überall  gemein. 

19.  Strix  passerina  L.  nicht  sehr  häufig,  jedoch  überall. 

20.  Strix  Noctua  Retz.   in  den  Gebirgsgegenden  gemein. 

21.  Strix  Alu  CO  L.  allenthalben  gemein. 

22.  Strix   Bubo   L.    in    den    grofsen    Gebirgswäldern    nicht 
selten. 

23.  Strix  Ot US  L.  allenthalben  gemein. 

24.  Strix  Scops  L.  in  den  an  Ungarn  gränzenden  Kreisen: 
jedoch  sehr  selten. 

25.  Caprimulgus  europaeus  L.  überall  gemein. 

26.  Cypselus  murarius  T.  überall  nicht  selten. 

27.  Hirundo  rustica  L.  allenthalben  gemein. 

28.  H.  urbica  Gessn.  allenthalben  häufig. 

29.  H.  riparia  Gessn.  an  den  Ufern  der  Flüsse  nicht  selten. 

30.  Merops   Apiaster  L.   in   den   südlichen   Kreisen   Galli- 
ziens  als  verirrter  Vogel. 

31.  Alcedo  Ispida  L.  allenthalben  am  Wasser. 

32.  Coracias  garrulaL.  in  den  südlichen  Kreisen  Galliziens. 

33.  Cuculus  canorus  L.  überall  gemein. 

34.  Oriolus  galbula  L.  in  den  Ebenen  nicht  selten. 

35.  Corvus  Corax  L.  überall;  jedoch  nicht  häufig. 

36.  C.  Corone  L.  überall  gemein. 

37.  C.  Cornix  L.  allenthalben  gemein. 

38.  C.  frugilegusL.  im  Frühjahr  und  Herbste  gemein,  nistet 
jedoch  bei  uns  nicht. 

39.  C.  Monedula  L.  allenthalben  gemein. 

40.  C.  Pica  L.  überall  gemein. 

41.  C.  glandarius  L.  überall  gemein. 


371 

42.  C.   Caryocatactes   L.    in    den    Gebirgsgegenden    nicht 
selten.  ^ 

43.  Picus  Martins  L.   in   den  grofsen  Nadelwäldern  nicht 
selten. 

44.  P.  viridis  Gessn.  allenthalben  gemein. 

45.  P.  canus  Gm.  allenthalben  gemein. 

46.  P.  major  L.  überall  gemein. 

47.  P.  medius  L.  allenthalben  gemein, 

48.  P.  minor  L.  desgl. 

49.  Yunx  torquilla  L.  desgl. 

50.  SittaeuropaeaL.  überall  nicht  selten. 

51.  Certhia  familiaris  allenthalben  gemein  in  Nadelhölzern. 
'52.    Upupa  Epops  L.  nicht  selten. 

53.  Muscicapa  grisola  L.  bewohnt  ganz  Gallizien  in  Wäl- 
dern und  Gärten,  jedoch  nicht  sehr  häufig. 

54.  M.  parva  Bechst.  ziemlich  selten. 

55.  M.  albicollis  T.  nur  ein  Exemplar  wurde  bei  Lemberg 
gefangen. 

56.  Bombycilla  garrula  L.    zieht    in  manchen  Jahren   in 
ungeheurer  Anzahl  durch  Gallizien. 

57.  Lanius  excubitor  L.  überall  häufig. 

58.  L.  ruficeps  Bechst.  in  den  Ebenen  nicht  selten. 

5^.    L.  collurio  L.  allenthalben,  jedoch  nicht  sehr  häufig. 

60.  Loxia  pityopsittacus  Bechst.  in  den  grofsen  Nadel- 
wäldern nicht  selten, 

61.  L.  ourvirostra  L.  überall  häufig. 

62.  Fringilla  enucleator  L.  sehr  selten,  nur  ein   einziges 
Exemplar  wurde  bei  Lemberg  gefangen. 

63.  F.  pyrrhula  L.  allenthalben  gemein. 

64.  F.  Coccothraustes  L.  desgl. 

65.  F.  chloris  L.  desgl. 

66.  F.  domestica  L.  desgl.,  jedoch  in  den  Ebenen  häufiger 
als  in  Gebirgsgegenden. 

67.  F.  montana  L.  überall  gemein. 

68.  F.  coelebs  L.  desgl. 

69.  F.  monti fringilla  L.  als  Zugvogel  im  Winter. 

70.  F.  nivalis  L.  kommt  nur  in  manchen  Jahren  im  Winter 
zu  uns. 

71.  F.  cannabina  L.  gemein. 

24* 


372 

72.  Fringilla   flavirostris   L.   sehr  seiton,    in   Gebirgsge- 
genden. 

73.  F.  linaria  L.  zieht  in  manchen  Jahren  in  grofser  Anzahl 
durch  Gallizien. 

74. F.  spinus  L.  allenthalben  gemein. 

75.  F.  carduelis  in  ganz  Gallizien  gemein. 

76.  Emberiza  miliar ia  L.  in  den  Ebenen  nicht  selten 

77.  E.   citrinella  L.  allenthalben  gemein. 

78.  E.  Cirhis  L.  im  Stryier  Kreise. 

79.  E.  Schoeniclus  L.  überall  in  grofsen  Rohrwäldern. 

80.  E.  nivalis  L.  in  manchen  Jahren  als  Zugvogel  zur  "Win- 
terzeit. 

81.  AI  au  da  alpestris  L.  in  manchen  Jahren    als  Zugvogel. 

82.  A.  cristata  L.  allenthalben  gemein. 

83.  A.  arborea  Will,  desgl. 

84.  A.  arvensis  L.  desgl. 

85.  Anthus    campestris   Bechst.   überall,    jedoch    ziemlich 
selten. 

86.  A.  arboreus  Bechst.  in  den  Ebenen  ziemlich  gemein. 

87.  A.  pratensis  L.  im  Lemberger,   Stryier  und  Prnmysler 
Kreise. 

88.  A.  aquaticus  Bechst.  ziemlich  selten. 

89. Motacilla  sulphurea  Bechst.  überall  gemein. 

90.  M.  alba  Gessn.  desgl. 

91.  M.  flava  Gessn.  desgl. 

92.  Turdus  Merula  L.  desgl. 

93.  T.  torquatus  L.  in  den  Gebirgsgegenden  nicht  selten. 

94.  T.  viscivorus  L.  allenthalben  gemein. 

95.  T.  musicus  L.  desgl. 

96.  T.  pilaris  L.  durchzieht  in  manchen  Jahren  Gallizien. 

97.  T.  iliacus  L.  Herbst  und  Frühling  als  Zugvogel. 

98.  T.  saxatilis  Lth.   findet   sich   in  den   südlichen  Kreisen, 
jedoch  sehr  selten. 

99.  T.  cyaneus  Gm.   ein   einziges  Exemplar  ward  bei  Lem- 
berg  geschossen. 

100.  Sylvia  rubecula  L.  allenthalben  gemein. 

101.  S.  phoenicurus  L.  desgl. 

102.  S.  Thetis  Lth.  desgl. 

103.  S.  Suecica  L.  im  temberger,  Tarnopoler  und  Brunzaner 
Kreise  ziemlich  selten. 


373 

104»  Sylvia  Luscinia  L.  nicht  selten. 

105.  S.  Philomela  L.  allenthalben  gemein. 

106.  S.  (Curruca)  nisoria  Bechst.  nicht  selten. 

107.  S.  hortensis  Bechst.  allenthalben. 

108.  S.  atricapilla  L.  in  Ebenen,  jedoch  ziemlich  selten. 

109.  S.  cinerea  Briss.  in  den  Ebenen  gemein,  in  den  Gebirgs- 
gegenden als  Zugvogel. 

110.  S.  Curruca  L.  ziemlich  selten. 

111.  S.  (Ficedula)  Hypolais  L.  desgl. 

112.  S.  sibilatrix  Bechst.  überall  häufig. 

113.  S.  Trochilus  L.  allenthalben. 

114.  S.  rufa  Lth.  überall  gemein. 

115.  S.  (Salicaria)  turdoides  Meyer,  an  grofsen  Teichen. 

116.  S.  arundinacea  Lth.  in  rohrreichen  Gegenden. 

117.  S.  locustella  Penn,  überall,  jedoch  nicht  gemein. 

118.  S.  phragmitis  Bechst.  an  binsenreichen  Orten, 

119.  Saxicola  Oenanthe  L.  an  grofsen  Teichen. 

120.  S.  rubicola  L. 

121.  Cinclus  aquaticus  Briss.  in  moorreichen  Gegenden. 

122.  Accentor  modularis  L.    überall  in  Gärten,   an   den 
Hecken  nicht  selten. 

123.  Troglodytes  parvulus  Koch,  allenthalben. 

124.  Sturnus  vulgaris  L.  allenthalben. 

125.  Parus  major  Gessn.  nicht  selten. 

126.  P.  ater  Gessn.  in  Tannenwäldern. 

127.  P.  palustris  L.  allenthalben. 

128.  P.  caeruleus  Belon.  überall  nicht  sehr  häufig. 

129.  P.  biarmicus  L.   an  den  grofsen  Teichen  bei  Komarno 
Brzcrzany,  jedoch  immer  eine  grofse  Seltenheit. 

130.  P.  caudatus  Gessn.  im  Lemberger  Kreise. 

131.  P.  pendulinus  L.   in  den   grofsen  Rohrwäldern   Galli- 
ziens,  jedoch  nicht  sehr  häufig. 

132.  Regulus  cristatus  Koch,  allenthalben  gemein. 

133.  Columba  palumbus  L.    in   den   Gallizischen  Wäldern 
nicht  selten. 

134.  C.  Oenas  L    allenthalben  gemein. 

135.  C.  turtur  L.  desgl. 

136.  Tetrao   Urogallus  L.    in   den  Urwälilern    der  Carp»- 


374 

then,    da   man   ihnen    aber    viel  nachstellt,    so   hat   sich 
ihre  Anzahl  berleutend  vermindert. 

137.  Tetrao  Tetrix  L.  im  Stryier  Kreise  nicht  selten. 

138.  T.  Bonasia  L.  gemein  in  grofsen  Wäldern. 

139.  T.  lagopus  L.  höchst  selten  als  verirrter  Vogel  im  Tar- 
nopoler  Kreise. 

140.  Per d ix  cinerea  Aldr.  allenthalben  gemein. 

141.  P.  Coturnix  L.   desgl. 

142.  Otis  tarda  L.  in   den   grofsen  Ebenen   der    Tarnopoler 
und  Brczcower  Kreise. 

143.  Oedicnemus  crepitans  T.  sehr   selten,  als   verirrter 
Vogel. 

144.  Charadrius  pluvialis  L.  an  morastigen  Triften. 

145.  Ch.  Morinellus  L.  selten,  als  Zugvogel. 

146.  Ch.  minor  M.  u.  W.  an  den  Ufern  der  Gewässer. 

147.  Ch.  Van  eil  US,  allenthalben. 

148.  Grus  cinerea  Beclist.  auf  grofsen  Morästen. 

149.  Ciconia  alba  Bei.  allenthalben  gemein. 

150.  C.  nigra  Bei.  in  den  grofsen  morastigen  Wäldern. 

151.  Ardea  cinerea  Lth.  an  den  Flüssen  nicht  selten. 

152.  A.  purpurea  L.  sehr  selten. 

153.  A.  Egretta,  kommt  zuweilen  aus  Ungarn  nach  Gallizien. 

154.  A.  Garzetta  L.  desgl. 

155.  A.  stellaris  L.  allenthalben  gemein. 

156.  A.  minuta  L.  an  rohrbewachsenen  Teichen. 

157.  A.   nycti corax   L.    in    den    südlichen   Kreisen,   jedoch 
selten. 

158.  Platalea  leucorodia  L.  verirrt  sich  bisweilen  zu  uns. 

159.  Ibis  falcinellus  Gm.   sehr  selten,  nur  ein   Exemplar 
wurde  im  Stryier  i\rcise  geschossen. 

160.  Scolopax  rusticola  L.  besucht  manchmal  im  Herbste 
die  Brachfelder  Galliziens. 

161.  S.  (media  B.)  major  L.  allenthalben. 

162.  S.  G allin ago  L.  nicht  selten. 

163.  S.  Gallinula  L.  allenthalben,  jedoch  nicht  sehr  liäufig. 

164.  Numenius  arquatus  Lth.  ziemlich  selten. 

165.  Totanus  o  ehr  opus,  ziemlich  selten. 

166.  T.  hypolcucos  Gm.  L.  an  Morästen. 

167.  Tringa  subarquata  T.  sehr  selten. 


375 

168.  Machetes  pugnax  L.  auf  Morästen,  jedoch  nicht  sehr 
häufig. 

169.  Rallus  aquatjcus  L.  allenthalben  häufig. 

170.  Crex  pratensis  Bechst.  desgl. 

171.  C  porzana  Lth.  an  den  Gewässern  Galliziens,  selten, 
^12.  C.  pusilla  Bechst.  an  grofsen  Teichen. 

^73.  Gallinula  chloropus  Lth.  nicht  selten  an  den  grofsen 
Teichen. 

174.  Fulica  atra  L.  allenthalben  gemein. 

175.  Lestris  parasitica  Gm.  durch  Stürme  verschlagen, 
kommt  sie  nur  selten  nach  Gallizien. 

176.  Laras  fusciis  L.  ebenfalls  eine  seltene  Erscheinung. 

177.  L.  marinus  L.  kommt  bisweilen  im  Winter  nach  Gal- 
lizien. 

178.  L.  ridibundus  L.  bewohnt,  jedoch  selten,  unsere  grofsen 
Flüsse,  meistens  am  Dniester. 

179.  Stern a  Hiruudo  L.  an  unseren  Flüssen  und  Teichen 
nicht  selten. 

180.  St.  minuta  L.  nicht  selten. 

181.  Carbo  Cormoranus  W.  u.  M.,  besucht  nicht  selten  die 
grofsen  Flüsse  und  Teiche. 

182.  Pelecanus  Orocrotalus,  zuweilen  aus  Ungarn  kom- 
mend. Ich  besitze  ein  Paar  Exemplare,  die  im  Stryier 
Kreise  geschossen  sind. 

183.  Cygnus  musicus  Bechst.  kommt  bisweilen  im  Winter 
nach   Gallizien. 

184.  Anser  cinereus  M.  bewohnt  die  grofsen  Moräste. 

185.  A.  segetum  Gm.  zieht  im  Herbste  durch  Gallizien. 

186.  Anas  Boschas  L.  allenthalben  häufig. 

187.  A.  clypeata  L.  sehr  selten. 

188.  A.  crecca  L.  nicht  sehr  häufig. 

189.  A.  querquedula,  überall  häufig. 

190.  A.  Tadorna  L.  ziemlich  selten. 

191.  A.  nigra  L.  sehr  selten. 

192.  A.  fusca  L.   sehr  selten. 

193.  A.  clangula  L.  im  Winter  keine  Seltenheit. 

194.  Mergus  Merganser  L.  findet  sich  manchmal  auf  un- 
seren grofsen  Teichen,  ob  er  hier  brütet,  weifs  ich  nicht. 


376 

195.  Colymbus    cristatus  L.  (Gm.)    auf  unsern  grofsen 
Teichen. 

196.  C.  minor  Lth.  allenthalben  im  Wasser. 

Dieses  Verzeichnifs,  worin  sich  bereits  viele  seltene  Vögel 
vereinigt  finden,  und  deren  Anzahl  vielleicht  mit  der  Zeit  um 
20  —  30  Arten  vermehrt  werden  könnte,  übergebe  ich  dem 
ornithologischen  Publikum  als  das  Resultat  meiner  eigenen 
vieljährigen  Forschungen,  in  der  Hoffnung,  dafs  ich  bald  im 
Stande  sein  werde,  das  Fehlende  durch  eine  schon  längst  be- 
absichtigte Reise  in  die  mir  nicht  genügend  bekannten  Kreise 
zu  vervollständigen. 


Observations  sur  quelques  poissons  de  la  mer  de 

Nice. 


Par 
A.     R  i  s  s  o. 


Notacanthus  Notacanthe 

Bloc. 
N,     Bonaparte  N.     Bonaparte 

N. 

Planche  X. 

N.  Corpore  elongato,  compressOy  nigro-punctulato;  pars  anterior 

lata,  caeruleo-ärgentata,  posterior  tenuissima,  incarnata,  Rostro 

Chimaeriformi;  cauda  acuta. 

Le  Corps  de  ce  Notacanthe  est  alonge,  suelte,  apiati,  plus 
gros  et  plus  epais  sur  le  devant,  diminuant  peu-a-peu,  et  se 
prolongeant  insensiblement  en  pointe  vers  la  queue.  II  est 
colore  d'un  bleu  de  plomb  argente  sur  toute  sa  partie  ante- 
rieure,  et  d*une  teinte  rouge  incarnat  livide  sur  l'inferieure; 
le  tout  couvert  de  tres-fines  ecailles,  assez  adherentes  ä  la 
peau  comme  colles  des  couleuvrcs  tres-finement  pointillees 
de  noir. 


377 


La  tete  ayaiit  la  forme  de  celle  de  la  Chiaiere  presente 
un  museau  proeminent,  avance,  aplati,  termine  en  pointe  ob- 
tuse.  Les  deux  seules  narines  sont  oblongues,  plus  rappro- 
chees  de  l'oeil  que  de  l'extremite  du  museau.  La  bouche 
est  inferieure,  arquee,  assez  fendue,  la  mandibule  plus  avan- 
cee  que  la  mächoire  est  armee  d'une  rangee  de  dents  tran- 
chantes  au  nombre  de  vingt  a  vingt-deux.  Elles  sont  suivies 
de  quelques  dents  palatines  disposees  sur  deux  rangees.  La 
mächoire  inferieure  est  garnie  d'un  seul  rang  de  dents  plus 
petites,  plus  fines  et  plus  subtiles.  Les  levres  sont  assez 
epaisses,  Tesophage  est  grisätre;  le  preopercule  et  Fopercule 
ne  forment  qu'une  piece  mince,  flexible,  cartilagineuse,  tres- 
finement  striee;  Touverture  des  brancbies  est  fort  ample,  la 
ligne  laterale  commence  au-dessus  des  ouies,  suit  la  cour- 
bure  du  dos  jusqu'au  dernier  rayon  de  la  dorsale,  traverse 
ensuite  le  milieu  du  corps  jusqu'ä  la  queue ;  Torifice  de  l'anus 
est  muni  dans  cet  individu  d'un  long  tuyau  creux  qui  pourroit 
bien  servir  d'oviductus. 

La  nageoire  dorsale  est  compose  de  neuf  rayons  epineux 
libres,  courbes,  aigus,  isoles;  le  premier  est  presque  cache 
sous  la  peau,  l'avant  dernier  est  le  plus  long.  Les  nageoires 
pectorales  situees  un  peu  en  dessous  de  l'ouverture  des  bran- 
chies  sont  coupees  en  forme  de  queue  d'hirondelle,  et  poin- 
tillees  de  uoir;  les  nageoires  ventrales  sont  peu  etalees,  rap- 
prochees  par  leur  base,  procedees  de  trois  petits  aiguillons 
inegaux  de  chaque  cote.  L'anale  commence  par  quinze  rayons 
epineux,  subtils,  tres- aigus,  courbes,  libres,  ils  sont  suivis 
d'une  membrane  tres-deliee  noire,  traversee  par  120  rayons 
simples,  mous,  flexibles,  tres-inclines,  lesquels  se  reunissent 
pour  former  l'extremite  de  la  queue,  qui  termine  en  pointe. 

Long,  totale  0,148;  Larg.  0,024.  Sejour  abymes  marins 
vaseux.  Aparit.  ete.  N.  D.9;  P.16;  V.  3  — 11;  A.  1.4  — 200; 
M.  B.  6. 

Dimension  s. 
Distance  de  Textremite  du  museau  aux  narines      .     .    0,008. 

Id.  id.  a  la  bouche      .     .     0,010. 

Id.  id.  aux  yeux     .     .     .    0,012. 

Id.  id.  aux  nageoires  pectorales    00,36, 

Id.  id.         aux  nageoires  ventrales      0,072. 


378 

Distance  de  l'extremite  au  premier  rayon  de  la  dorsale   0,081. 

!d.  id.  a  l'orifice  de  ranus   ....     0,092. 

Elevation  des  rayoiis  dorsaux  les  plus  longs      .     .     .     0,006. 

Diametre  de  l'oeil 0,007. 

Ouvertüre  de  la  bouche 0,008. 

Protractilite  des  maclioires 0,003. 

Long,  des  rayons  des  nageoires  pectorales     ....     0,013. 

Id.  id.  des  ventrales     .     .     .     0,010. 

Espace  oecupe  par  les  rayons  libres  dorsaux     .     .     .     0,040. 

Remarques. 

Des  caracteres,  que  Ton  vient  de  relater  les  continuations 
de  riiistoire  naturelle  des  poissons  de  Cuvier,  pourra  bien 
s'assurer  „si  la  hauteur  verticale  du  bout  du  museau  de  ce 
„poisson  est  plus  du  quart  de  la  longueur  de  la  tete,  et  si 
„son  epaisseur  aux  nageoires  pectorales  est  plus  du  tiers  de 
„sa  hauteur,  et  s'il  ne  devient  pas  plus  mince  en  arriere,  si 
„la  longueur  de  sa  t^ie  est  du  huitieme  de  la  longueur  to- 
„tale,  et  sa  hauteur  de  deux  tiers  de  sa  longueur,''  et  autres 
caracteres  aussi  nets,  aussi  clairs,  aussi  precis  et  aussi  faciles 
ä  saisir,  que  Mr.  Valanciennes  a  donne  du  Notacanthe  deco- 
lore  et  sans  visceres,  qu'il  a  observe  dans  le  cabinet  d'his- 
toire  naturelle  de  Berlin,  sur  lequel,  dit-H  il  n'a  pas  trouve 
sur  le  dos  les  larges  bandes  brunes,  qu'il  a  vu  peintes  sur  la 
figures  de  Bloch;  caracteres,  qui  joints  aux  six  pages  de  pa- 
roles  ou  nage  a  son  aise  la  notice  descriptive  de  ce  poissön, 
nous  permet  de  croire,  que  IcNotacanthe  de  la  Mediterranee 
que  Ton  vient  de  decrire,  n'est  pas  celui  des  Indes  orientales, 
ni  celui  du  Groenland,  niais  peut-etre  uue  espece  nouvelle» 
qui  portera  le  nom  du  savant  et  illustre  auteur  de  la  faune 
d'ltalie,  ä  qui  l'histoire  naturelle  est  redevable  de  tant  de 
travaux  utiles. 

D  e  ?i  t  e  X  D  e  71  l  e 

Cuv. 
1).     V  II  l  g  a  r  i  s.  D.     o  r  d  i  7i  a  i  r  e. 

D,  Gorpore  argcntalo,  caerulescente;  Jrmite  depressa,  lateribus^ 
caerulco  fiißrescente  violaceo  pu7ictatis;  hasi  pinna  dorsali  lutea - 
ferrugineo  guttata;   vaitda  semilutuita, 
Sparus    de7itcx    auct. 


j  379 

Son  Corps  est  ovale,  fort  alonge,  epais,  crune  tcinte  ar- 
gcntine,  se  nuan^ant  sur  le  dos  en  bleu  Celeste,  se  reflechis- 
saiit  sur  Ics  cotes  en  or,  en  argent,  en  amethiste,  entremeles 
fle  petits  points  d'un  bleu  noir  violätre,  et  s'etendant  ensuite 
par  ondes  azurees  sur  lo  museau. 

La  tete  est  grande;  sa  longueur  n'egale  jamais  la  hauteur 

du   Corps,    et  ne   fait  jamais  les   trois   quart   de   la   longueur 

totale,    conime    l'avance    Mr.   Valanciennes ;    le   front  est  plus 

I  deprime   dans   son  profil   que  convexe;   le   museau   est  assez 

prolonge  et  obtus. 

Les  yeux  sont  mediocres,  situes  au  haut  du  front  a-peu- 
pres  a  egale  distance  du  bout  du  museau  et  de  la  pointe  de 
l'opercule,  quand  la  bouche  est  fermee;  l'iris  est  d'un  argent 
dore,  la  prunelle  noire. 

Le  preopercule  est  bien  developpe,   et  occupe  une  partie 

de  la  joue;    son  bord  posterieur  est  lisse,   uni,   strie,   et  non 

un  peu  ride;  le  limbe   est  marque   par  deux  aretes,   qui  sui- 

vent   le   contour  du  bord;    tout  Fespace   entre   cette  arete  et 

I  le  sousorbitaire  est  creux,   et  non  caverneux,  recouvert  dans 
I 
l'etat  sec  et  fraix  de  tres-fines  ecailles  lisses,  pointillees  de  noir. 

L'opercule   et  le  sousopercule    ne    sont  point  remiis;    le 
Premier  est  recouvert  d'ecailles  plus  grandes  et  plus  diverse- 
I  ment  nuancees,  que  le  second,  tous  les  deux  sont  inegalement 
sinues  sur  leurs  bords. 

L'interopercule   est   assez  large,   separe  des  autres  pieces 

operculaires,  et  couvert  de  petites  ecailles,  qui  reflechissent  le 

pur  eclat   de  l'or,   il  est  lisse,   uni,   subarrondi  sur  son  bord, 

I  traverse    de   fines   lignes   concentriques,   qui  s'evanouissent  en 

approchant  de  l'opercule. 

Les  narines  sont  munies  de  deux  ouvertures,  Tanterieure 
i  est  petite,  ronde;    la  poitrine  fort  grande,  oblongue,   terminee 
en  pointe  du  cote  de  l'oeil. 

La  fente  de  la  bouche  est  bien  elöignee,  et  ne  se  pro- 
longe jamais  au-dela  de  la  premiere  Ouvertüre  des  narines; 
les  mächoires  sont  presque  egales,  peu  protractiles,  l'inferieure 
n'est  pas  aussi  longue  que  la  supe/ieure  soit  que  la  bouche  se 
trouve  ouverte,  ou  bien  fermee.  Les  maxillaires  sont  garnies 
des  levres  epaisses,  le  dessous  de  la  mächoire  inferieure  est 
nud,  Sans  ecailles,  avec  un  petit  menton  oblique. 


380 

La  machoire  superieure  est  garnie  de  trois  a  quatre 
grosses  dents  canines  crochues,  suivies  sur  les  cotes  d'une 
rangee  de  dents  assez  fortes,  courtes,  presque  droites,  les- 
quelles  sont  accompagnees  de  plusieurs  series  de  dents  tres- 
fines  en  veloiir;  la  machoire  inferieure  est  ornee  d'une  rangee 
de  dents  presqu'egales  suivies  d'un  grand  nombre  des  petites 
en  Velours,  avec  les  quatre  anterieures  fortes,  crochues,  placees 
a  egale  distance  les  unes  des  autres. 

Le  palais  est  lisse,  ainsi  que  la  langue,  qui  est  subarron- 
die  ä  son  extremite. 

L'ouverture   des   branchies   est  assez  grande,   la  distance. ( 
de  la   dorsale   au  bout   du  museau  n*est  pas  egale  au  tiers  dei 
la  longueur  du  corps ;   et  l'espace   qu'elle   occupe   sur  le  dos 
est  presque   aussi  long   que   la  moitie   de   sa  longueur.     Les 
trois  Premiers  rayons  epineux  sont  les  plus  courts,  les  autres 
huit  sont  assez   longs;    la  membrane  qui   les  unit   est  trans- 
parente, pointillee   de  bleu   a  sa  base,   et  bariolee   de  jaune 
avec  une  tacfee  ferrugineuse  au  bout:   les   rayons  peuvent  sei 
cacher  dans  une  rainure   couverte  d'ecailles  du  cote  du  dos, 
•qui  se  relevent  assez  pour  servir  a  cacher  la  nageoire  dorsale. 

L'anus  est  beaucoup  plus  rapproche  de  la  queue,  que  de 
la  tete;  un   peu   en  arriere  commence  la  nageoire  anale,   qui 
est  courte,  nuancee  de  jaune,   dont  le  premier  rayon  epineux ( 
est  plus  courte    que    le    second,    celui-ci   du    troisieme    qui 
est   moins   haut,    que   les   rayons   mous   ou   rameux,  lesquelsi 
sont  termines   par  huit  filamens  articules.     La   nageoire   cau- 
dale  est   en   demi-lune  et  non  fourchue,    eile   est  d'un  rose< 
pale  avec  le  lobe  superieur,   qui  depasse  tres-rarement  l'infe-' 
rieur;    les   ventrales   sont  placees   en  arriere    des    pectorales, 
elles  sont  libres,   a-peu-pres   triangulaires,   mais   reunies  en- 
tr'elles   par   un   ecusson   conique    couvert    de    petites   ecailles' 
argen tees,    obtuses,    et   ornee   sur  leur  aiselle   laterale   d'une 
longue   ecaille   triangulaire   pointue.     Les  nageoires  pectorales 
sont  tres-developpees,  le   plus  long  rayon  atteint  au-delä  du 
neuvieme   rayon  de  la  dorsale.     Elles  sont  un  peu  decoupees' 
en  forme  de  queue  d'hirondelle,    et  ont  des  rayons  teintes  de 
ronge  sur  une  membrane  transparente  jaunatre. 

La   ligne  laterale  est  situee  sur  la  region  dorsale  a  troiS; 


381 

quart  de  la  hauteur  du  poisson,   eile  commence  aux  ouies,  et 
suit  modestement  la  courbure  du  dos. 

Les  ecailles  sont  assez  grandes,  on  en  compte  76  dans 
sa  longueur  et  30  dans  sa  plus  grande  hauteur;  elles  sont 
tres-adherentes  a  la  peau,  Celles  du  dos  et  du  ventre  sont 
un  peu  moins  developpees  que  Celles  des  flancs. 

Chaque  ecaille  est  subelliptique  a  bords  lisses,  tres-fine- 
ment  cilies,  la  partie  recouverte  est  marquee  de  stries  rayon- 
nantes  du  centre  vers  le  bord  radical  qui  est  un  peu  festonne. 
La  femelle  presente  ä-peu-pres  les  memes  gradations 
des  nuances,  eile  devient  plus  grosse  et  plus  trapue  que  le 
male;  on  la  trouve  pleine  d'oeufs  pendant  les  cinq  premiers 
mois  de  l'annee,  eile  fraye  dans  les  bas  fonds  a  l'approcbe 
de  l'ete;  les  petits  s'approchent  du  rivage,  ceux  qui  sont  deja 
un  peu  developpes  et  du  poids  d'une  livre  ont  le  corps  cou- 
vert,  ainsi  que  les  flancs  de  petites  täches  bleu  amethyste 
tres-chatoyant,  et  les  nageoires  ventrales  et  anale  d'un  beau 
jaune  fonce. 

M.B.6;  N.D.ll  — 11;  P.14;  V.l  — 5;  A.3— 8;  C.  16, 

Dimensions   d'un   individu   ordinaire. 

Long,  totale 0,600. 

Larg.  a  la  base  des  pectorales 0,155. 

Epaiss.  id. 0,065, 

Distance  du  museau  au  milieu  de  l'oeil 0,080. 

Distance  en  ligne  droite  a  Touverture  des  branchies   .  0,155. 

li       a  la  base  de  la  nageoire  dorsale      ....  0,186. 

Id.  id.         des  nageoires  pectorales    .     ♦     .     .  0,170, 

Id.  id.         des  nageoires  ventrales      .     .     •     .  0,192. 

Id.  id.         de  l'anale    ....  - 0,340. 

Id.  id.         de  la  caudale 0,530. 

Longueur  des  nag.  pectorales 0,130. 

Id.        de  la  nag.  dorsale 0,287. 

Id.       de  Fanale 0,120. 

Envergure  de  la  queue 0,170. 

Diametre  de  l'oeil       0,022, 

Ouvertüre  de  la  bouche 0,044 


382 


D,     Synodon  D.    S  y  n  o  d  o  7i 

N. 

D.    Corpore  ovato  ohlongo,  ventricoso,  crasso,  ruh'ginoso.   Frorite 
gihhosii;  lateribus  macvlh  mgris  sparsis  ornatis;   cauda  In  nah  f. 

An  Synoden  cmct. 

Le  Corps  de  ce  poisson  est  ovale -oblong,  renfle,  epais, 
tres-large  vers  la  tete,  aminci  vers  la  queue,  brillant  de  l'eclat 
de  Targent  et  du  platine,  qui  se  change  en  rubis  vers  la 
partie  anterieure;  en  reflechissant  diverses  nuances  metalliqiies 
Jaunatres  vers  la  posterieure,  etant  parseme  sur  la  moitie  de 
la  region  du  dos  de  täche  eparpillees  d'un  noir  d'ebene. 

La  tete  est  fort  grande,   et  forme   presque  le  tiers  de  la 
longueur  totale   du  corps.     Le  museau  se  prolonge  en  avant; :! 
le  front  est  bombe;  son   chaufrein  est  tres-releve,   globuleux 
et  bossu;  l'espace  entre  Foeil  et  le  front  est  surmohte  dune^ 
ossature  proeminente,  arrondie;  le  profil  du  front  descend  en 
ligne  oblique  vers  Textremite  du  museau,   qui  est  obtus,   sub-^ 
arrondi,   couvert  de  petits  pores.     La  nuque  est  haute,   pres- 
que   trancliantc   jusqu'a  la   base    de    la    nageoire    dorsale,   et 
parait   comme   nue,   quoiqu'elle   soit  couverte  de  tres-petites 
ecailles  fort  adhereutes  a  la  peau. 

L'oeil  est  tres-grand,  arrondi,  place  au  milieu  de  la  di-^ 
stance  entre  Fouverture  de  la  bouche  et  la  nuque;  l'iris  est« 
d'un  argent  iiacre  et  dore,  la  prunelle  tres-developpe  est  noire» 

Le  sousorbitaire  est  tres-grand,  de  forme  trapezoide  a 
surface  couverte  de  longues  stries  divergentes,  diversement 
nuancees  en  cuivre  rubigineux. 

Le  preopercule  est  assez  developpe  pour  couvrir  une 
grande  partie  de  la  joue ;  le  bord  montant  est  rectiligne,  uni, 
l'inferieur  presente  un  sinus,  et  s'arrondit  ensuite  vers  la  base 
de  l'angle  de  la  mächoire  inferieure.  Le  limbe  est  large,  re-, 
gulierement  strie  de  fuies  lignes,  qui  nuancent  en  pourpre  la 
peau,  qui  le  recouvre. 

L'opcrcule  et  le  sousopercule  sont  larges,  point  reunis, 
ces  deux  pieces  sont  ondulees  et  sinuees  sur  leurs  bords, 
terminees  au  sonimet  en  pointe  obtuse;  elles  sont  recouvertes  ; 


383 

de   grosses    ecailles    dans    la    premiere,    et   ile    petites   moins 

miancees  dans  la  secondo. 

L'interopercule   est   fort  large,  separe  des   antres  pieces 

operciilaires ,  il  est  coiivert  d'assez  grosses  ecailles  d'un  rose 

pourpre,  est  lisse,  foiblement  siniie  siir  son  bord,  traverse  de 

fines  lignes  coiicentriques. 

Les    narines   sont  inegales,   place  es   en  ligne  oblique  au- 

devant  de  l'oeil,  Tanterieure  est  petite,  ovale,  arrondie,  celles 
situees  ä  cote  des  yeux  sont  fort  grandes,  oblongues,  aigues. 
La  fente  de  la  bouche  est  peu  eloignee,  et  ne  se  pro- 
longe  Jamals  au-delä  de  la  premiere  Ouvertüre  des  narines; 
les  mächoires  sont  inegales,  tres-peii  protractiles;  l'inferieure 
est  arrondie,  beaucoup  plus  longue  que  la  superieure,  soit 
qu'elle  soit  fermee  ou  ouverte;  le  maxillairc  est  presque 
Cache  sous  le  bord  du  sousorbitaire,  qui  est  fort  epais;  les 
intermaxillaires  sont  garnies  des  levres  tres-epaisses  et  char- 
nues.  Le  dessous  de  la  mächoire  infsrieure  est  nud,  glabre, 
sans  ecailles,   avec  un  long  menton  proeminant,  rectiligne. 

La  mächoire  superieure  est  garnie  de  quatre  grosses  dents 
canines,  crochues,  inegales,  qui  alternent  avec  les  inferieures; 
elles  sont  suivies  d'une  rangee  de  dents  en  carde,  espacees, 
plus  fortes  que  celles,  qui  lui  sont  opposees,  et  d'un  grand 
nombre  de  plus  petites  egalement  disposees  en  carde.  La 
mächoire  inferieure  est  armee  de  six  grosses  dents  aigues, 
espacees  sur  le  devant,  elles  sont  accompagnees  de  chaque 
cote  d'une  rangee  de  dents  rapprochees  les  unes  des  autres, 
suivies  d'autres  rangees  plus  petites  ^  carde.  Le  palais  est 
glabre  ainsi  que  la  langue,  qui  est  libre  et  arrondie  ä  son 
extremite. 

L'ouverture  des  branchies  est  fort  grande,  la  distance  de 
la  dorsale  au  bout  du  museau  est  egale  au  tiers  de  la  lon- 
gueur  du  corps,  et  l'espace  qu'elle  occupe  sur  le  dos  est 
moins  long,  que  la  moitie  de  sa  longueur,  eile  s'abaisse  apres 
le  quatrieme  rayon  epineux,  et  se  releve  ensuite.  Le  premier 
rayon  est  le  plus  court,  les  trois,  qui  suivent,  sont  les  plus 
longs.  La  membrane  qui  les  unit  est  d'un  rose  clair  avec 
les  rayons  rouges.  Ges  rayons  peuvent  se  cacher  en  partie 
dans  un  sillon  couvert  d'ecailles,  qui  se  relevent  vers  le  bas. 
L'orifice  de  l'amis  est  gros,  plus  rapproche  de  la  queue 


384 

que  de  la  tete;  a  quelque  distance  coramence  la  nageoire 
anale,  qui  est  fort  courte,  bien  developpee,  dun  blanc  opale, 
nuancee  de  bruu  vers  le  milieu  de  la  membrane,  dont  le 
Premier  rayon  est  le  plus  court  et  les  deux  autres  epineux 
sont  aussi  longs  que  les  rayons  raous,  lesquels  se  ramifient 
en  huit  a  dix  petits  filaments ;  la  caudale  est  decoupee  en 
demi-lune,  eile  est  fort  ample,  avec  ses  rayons  ramifies,  aplatis. 
stries  d'un  rouge  pourpre;  le  lobe  superieur  est  un  peu  plus 
long  que  l'inferieur.  Les  nageoires  ventrales  sont  placees  en 
dessous  des  pectorales,  elles  sont  libres,  triangulaires,  atta- 
chees  entr'elles  au  moyen  d'une  piece  ecussonee  rectUigne, 
couvert  d'assez  grosses  ecailles,  et  garnies  sur  leur  aiselle 
laterale  d'un  tres-long  appendice  triangulaire,  termine  en  pointe, 
les  nageoires  pectorales  sont  araples,  fortes,  subtriangulaires, 
d'vn  rouge  transparent,  dont  les  plus  longs  rayons,  qui  sont 
articules,   atteignent  ä  peine  le  neuvieme  rayon  de  la  dorsale. 

La  ligne  laterale  est  relevee  et  betend  presquo  en  droite 
ligne  depuis  les  ouies  jusqu'au-dessus  du  milieu  de  la  queue. 

Les  ecailles  sont  fort  grosses,    on   en   compte   soixante- 
dix  dans   sa   longueur,    et  vingt-quatre   dans  sa  plus  grande 
hauteur;  elles  sont  fort  adlierentes  a  la  peau,  Celles  du  milieu  ! 
sont  plus  developpees  que  celles  du  ventre,   et  Celles -ci  que 
Celles  du  dos. 

Chaque    ecaille    est    elliptique,    a   bords   cilies,    dont   les 
rayons  sont  concentriques,  pointilles  vers  le  milieu. 

Je  ne  connois  pas  la  femelle,  ni  les  petits. 

M.B.5.  N.D.  11  — 10;  P.14;  V.  1—5;  A.3-8,  C.24. 

Dimensions  d'un  individu  ordinaire. 

Long,  totale 0,825. 

Larg.  a  la  base  des  pectorales 0,220. 

Epaiss.  idem  0,080. 

Distance  du  museau  a  l'oeil 0,124. 

Id.       en  droite  ligne  a  l'ouverture  des  branchies    .  0,220, 

Id.       a  la  base  de  la  nageoire  dorsale      ....  0,270. 

Id.  id.         des  nageoires  pectorales   ....  0,240. 

Id.  id.         des  ventrales        0,242. 

Id.  id.         de  l'anale 0,454. 

Id.  id.         de  la  caudale 0,790. 


•  385 

Distance  a  la  base  a  l'ouverture  de  l'anus      ....  0,410 

LoDgueur  de  la  pectorale 0,176 

Id.        de  la  dorsale 0,390 

Id.        de  l'anale 0,145 

Envergure  de  la  queue   ...........  0,240 

Diametre  de  l'oeil 0,033 

Ouvertüre  en  long  de  la  bouche 0,075 


3.    D,  Erythrostoma         D.    Bouche   rouge 

N. 

D.   Corpore  argentato  ruberrimo,  fronte  ohtusa-,  lateribus  fa- 
sciis  longitudinalibus  luteis ,   coccineis,  pictis,   oculis  maximis, 

gula  rubra,   cauda  furcata. 
Spar  US    Macrophthalmus    Bloch.    272.     Riss,  lere  edit. 

250  —  19. 
Dentex  Erytrostoma  Riss.  2e  edit.  3  —  261 — 279.  etc. 

Son  Corps  est  ovale -oblong,  un  peu  comprinie,  plus  large 
vers  la  tete  que  vers  la  queue.  II  est  colore  d'une  belle  teinte 
rouge -rubis  sur  un  fond  argente,  plus  ou  moins  foncee  sur 
le  dos,  brillant  de  l'eclat  du  platine  sous  le  ventre,  traverse 
sur  les  cotes  de  plusieurs  ruses  longitudinales  legerement  im- 
primees  de  jaune  et  de  rouge,  gazees  d'une  couche  doree,  qui 
se  refiechissent  en  mille  manieres  pendant  la  vie  de  ranimal. 

Sa  tete  est  beaucoup  moins  grande  que  la  hauteur  du 
Corps,  et  ne  forme  pas  le  tiers  de  sa  longueur  totale;  le 
museau  s'avance  ä-peu-pres  sous  forme  d'un  triangle  obtus; 
la  nuque  est  aplatie,  nue,  lisse,  d'un  rouge  vif,  sans  ecailles, 
parsemee  de  petits  pores. 

Les  yeux  sont  fort  grands,  aplatis  comme  ceux  du  Gym- 
netre  Lacepede;  ils  sont  situes  au  sommet  du  bord  de  la  nu- 
que; riris  est  nacre,  nuage  par  des  grandes  täches  d'un  rouge 
carmin,  la  prunelle  est  fort  grande  bleuatre. 

Les  narines  sont  doubles,  presque  egales,  ovales  arron- 
dies,  placees  en  ligne  droite  au-devant  des  yeux. 

Le  sousorbitaire  est  etroit,  situe  obliquement  sous  roeil^ 
le  long  des  machoires,  et  se  retrecit  un  peu  en  arriere. 

Le  preopercule  est  tres-grand,  couvre  toute  la  pore  qui 

Wiegmann's  Archiv.  VI.  Jahrg.  1.  Bd.  i  95 


386  • 

est  recouverte  de  petites  ecailles  argentees;  son  angle  est 
arrondi,  a-bord  festonne  par  les  rides  sillonant  le  linibe,  qui 
est  pointille  de  noir. 

L'opercule  et  le  sousopcrcule  sont  recouvert  d' ecailles 
etroiteinent  imbriquees,  fortement  adherentes,  apres  et  rüdes 
sur  leurs  bords. 

L'interopercule  est  grand,  ooiivert  d'ecallles  plus  petites 
qiie  Celles  de  la  Jone;  le  maxiJlaire  est  cacbe  sous  le  bord 
du  sousorbitaire,  quand  la  bouche  est  ferniee,  il  se  courbe  et 
contribue  ainsi  a  la  grandeur  de  l'ouverture  de  la  bouche. 
Les  mächoires  sont  egales,  quand  la  bouche  est  close,  iiiais 
Tinferieure  est  un  peu  plus  longue ,  quand  celle  -  ci  est  ou- 
verte;  eile  est  munie  sous  le  menton  d'une  protuberence 
osseuse  assez  saillante. 

La  fente  de  la  bouche  se  pfolonge  jusque  sous  la  ligne 
de  la  premiere  Ouvertüre  des  narines;  son  interieur,  Teso- 
phage,  le  palais  sont  colores  d'un  rouge  de  feu,  ainsi  que  la 
langue,  qui  est  libre,  lisse,  obtuse,  et  les  levres  minces  peu 
charnues. 

La  niächoire  superieure  est  garnie  de  quatre  grosses 
dents  aigues,  egalenient  espacees  sur  le  devant,  suivies  sur 
les  cotes  de  deux  ou  trois  rangees  fort  petites  en  carde,  dis- 
posees  sur  une  rneme  ligne;  la  mächoire  inferieure  est  munie 
d'une  rangee  de  dents  laterales  un  peu  plus  fortes,  et  de 
deux  rangees  un  peu  plus  developpees  et  aigues  sur  le  devant. 

La  ligne  laterale  suit  la  courbure  du  dos  et  se  detache 
du  Corps  par  une  teinte  dififerente,  qui  fait  paraitre  couinie  si 
les  ecailles  etaient  plus  relevees. 

Les  ecailles  sont  fort  adherentes  ä  la  peau,  et  sont  pres- 
que  aussi  grosses  que  Celles  du  Deute  ordinaire;  on  en  compte 
cinquante-six  rangs  dans  sa  longeur,  et  vingt- quatre  dans  sa 
hauteur;  elles  sont  hexagones  a  angles  inegaux,  leur  bord 
radical  est  tronque,  deutele  par  ses  saillies  qui  forinent  cha- 
cune  des  stries,  lesquelles  ne  rayonnent  pas  du  centre  a  la 
circonference,  mais'  elles  sont  toutes  presque  droites;  les  deu\' 
bords  laterau}^  sont  unis,  la  partie  libre  de  l'ecaille  presente 
trois  faces  herissees  de  petites  asperites,  qui  la  rendent  apre 
et  fort  rüde  au  toucher. 

Les  nageoires  sont  variees  de  rouge ;   la  dorsale  presente 


387 

des  rayons  epineux  plus  releves  et  aussi  forts  qiie  ceux  du 
Dente;  les  pectorales  sont  lanceolees,  aigues,  et  s'etendent 
aii-delä  de  la  nageoire  anale;  les  ventrales  sont  tachees  de 
rouge;  la  caudale  est  plus  fourchue  qu'echancree,  eile  est 
jaunätre  a  sa  base,  rouge  au  milieu,  et  blanchätre  au  soramet. 

La  femelle  differe  tres-peu  dans  la  disposition  de  ses 
teintes  du  male  principalement,  quand  eile  est  couverte  de  sa 
robe  nuptiale,  son  ventre  est  plus  developpe,  rorifice  de  Fa- 
nus  plus  large,  eile  renferme  deux  longues  grappes  de  petits 
oeufs  d'un  jaune  rougeatre,  qu'elle  fraye  vers  la  fin  d'avril. 

La  chair  de  ce  poisson  est  moUe,  tendre,  huileuse,  rou- 
geatre; son  foye  est  mince  couleur  de  chair  pale;  l'estomac 
est  etroit  en  cul  de  sac;  les  boyaux  petits,  entortilles;  les 
ovaires  du  male  extremement  longs,  attenuees  a  leur  sommite; 
la  vessie  natatoire  assez  grande,  ä  parois  assez  epais  d'un 
blanc  nacre. 

M.B.5;  N.D.12  — 10;  P.16;  V.  1  — 5;  A.3  — 7;  C.20. 

Dimensions  d'un  individu  ordinaire. 

Long,  totale  . 0,316. 

Long,  du  Corps  a  la  base  des  pectorales 0,110. 

Epaiss.  id.  0,040. 

Long,  de  la  tete 0,086. 

Distance  du  museau  ä  l'oeil 0,028. 

Id.       a  la  base  de  la  nageoire  dorsale     ....  0,088. 

Id.  id.         des  nageoires  ventrales     .     .     .     . ,  0,087. 

Id.  id.         de  l'anale .  0,158. 

Id.  id.        de  la  caudale 0,250. 

I     Id.  id.        ä  l'orifice  de  Tanus 0,155. 

Long,  de  la  nageoire  pectorale 0,186. 

Id.  id.  de  la  dorsale 0,140. 

Id.  id.  de  Fanale 0,051. 

Envergure  de  la  queue 0,106. 

Diametre  de  l'oeil       0,033. 

Espace  qui  separe  les  deux  yeux 0,030. 

Long,  de  la  bouche 0,030. 

Duverture  de  la  bouche 0,045. 

Remarques. 
Aristote  parle  de   deux  especes  de  poisson  Dente,  qu'il 

25* 


388 

distingue  sous  le  nom  de  Synagris  et  de  Synodon,  selon 
Gilius,  Beton,  Salviani  etRondelet.  La  denomination  de  Syn- 
agris est  usitee  en  Grece  pour  distinguer  le  Dente  ordinaire. 
Mais  il  ne  s'en  suit  pas  de  la,  qiie  le  nom  de  Synodon  soit 
aplicable  au  Spare  inacrophtalme  conime  Mr.  V^alanciennes  Fa 
avance  dernierement. 

Gaza  a  traduit  indistinctement  ces  deux  noms  par  Den- 
teXy  quoique  en  langue  grecque.  11s  designent  deux  noms 
differents,  malgre  celle  plusieurs  auteurs  les  ont  confondus  en 
une  seule  espece;  Rondelet  va  meme  jusqu'ä  dire  qae  le  nom 
de  Synagris  et  de  Synodon  indiquent  le  meme  poisson ,  mais 
d'age  different. 

Le  tQ:!dQ  d'Hicesius,  d'Athenee  et  d'Epicharme  ne  laisseat 
aucun  doute  sur  l'identite  de  ces  deux  especes,  et  Belon  en 
avouant  la  confusion,  qu'il  regne  parmi  ces  deux  poissons  n'a 
pü  faire  a  moins,  que  de  les  considerer  comme  deux  especes 
diverses  sans  relater  aucun  caractere  pour  pouvoir  les  distin- 
guer l'une  de  l'autre. 

Le  Dente  ordinaire  frequente  au  bas  des  grands  escar- 
pements  sousmarins  de  la  Mediterranee,  qui  sont  plonges  de 
26  a  36  brasses  de  profondeur*  ou  il  vit  reunis  en  societe 
ce  qui  est  confirme  par  Aristote  lorsqu'il  dit,  que  le  poissor 
se  tient  sur  les  cotes,  et  qu'il  vit  en  troupe  avec  l'Orphus,  \i 
Dorade,  le  Muge  etc.  *)  A  l'approche  du  printems  le  Dent< 
quitte  les  lieux  de  sa  residence,  s'approche  alors  plus  pre: 
des  bords,  et  Ton  en  prend  meme  a  la  ligne,  principalemen 
si  on  le  peche  avec  des  petits  poissons  tels  que  Gertes,  Bo 
gues  Vivantes  attachee  a  Thamegon  par  la  queue. 

Les  Dentes  frayent  vers  la  fin  du  printems  toujourj 
remis  par  petites  bandes,  et  lorsque  leurs  petits  ont  acquiJ 
une  certaine  grosseur,  ils  viennent  voltiger  pendant  quelquei 
tems  proche  du  rivage,  et  se  retirent  ensuite  dans  les  profon 
deurs,  qu'ils  habitent  la  plus  grande  partie  de  l'annee.  Leui 
croissance  est  rapide  dans  les  premieres  annees  de  leur  exi 
stence,  et  se  ralentit  a  mesure,  qu'ils  avancent  en  äge.  Ce: 
poissons  sont  fort  malicieux  et  difficiles  a  prendre,  mais  quan( 
ils  sont  poursuivis  par  la  faim  ils  se  jettent  sans  defiance  su 


*)  Aristot  L.  8.  C.  13.  —  L.  9.  C.  I. 


389 

tonte  Sorte  de  proie,   qu'on  y  presente,   et  Ton  eri  fait  alors 

des  peches    assez    abondantes   au    moyen    du    palangre;    mais 

aussitot  qu'ils  se  trouvent  pris,  ils  deployent  toute  leur  forme 

et  leur  adresse  pour  se  degager  du  fatal  hamegon.     La   iiata- 

tion  des  Dentes   est  fort   vive   et  poursuivent  leur  proie  jus- 

qu'a  deux   brasses   d'eaux  pres  du  rivage  sans  qu'aucun  acci- 

dent    „de    leur    vessie    natatoire    comprimee   par    la    grande 

„colonne  d'eau,    qui  pesait  sur  lui,    se  dilate,   et  dechirant  la 

„vessie,    et   meme  Je   mesentere   fait   retourner   et  saillir  les 

„intestins  de   la  boucheü"  *)      Le  Dente  ordinaire  parvient 

daiis  notre  mer  de  15  a  17  kilogrames. 

Le  Dente,  que  je  presume  etre  le  Synodon  des  anciens; 
Vit  solitaire  dans  des  regions  plus  profondes,  que  Celles  liabi- 
tees  par  Tespece  ci-dessus,  il  s'approche  rarement  du  rivage, 
et  plus  rarement  encore  il  se  laisse  prendre  aux  engins  em- 
ployes  pour  le  pecher,  quoiqu'il  soit  tres-vorace;  on  ne  con- 
noit  pas  ses  petits,  qui  n'habitent  point  les  bords  de  la  Medi- 
terranee  boreale,  oii  Ton  ne  peche  que  par  hazard  ce  poisson 
dans  tout  son  developpement,  qui  est  fort  superieur  a  celui 
du  Dente  ordinaire. 

Belon  dit  avoir  connu  ce  poisson  sans  qu'il  en  ait  donne 
aucun  des  grands  traits  qui  le  distinguent;  j'avais  crü  aussi 
que  le  Sparus  Gibbosus  de  Rafinesque  pourroit  bien  etre  cette 
espece,  mais  sa  bosse  placee  derriere  la  tete,  des  dents  mo- 
laires  avec  des  incisives  et  autres  caracteres,  dont  eet  auteur 
fait  mention,  m'out  empeche  de  croire,  que  ce  soit  le  Syna- 
don,  que  je  viens  de  decrire. 

Le  Dente  Bouche  rouge,  que  Valanciennes  dit  etre  le 
S.  macrophtalme  de  Bloch,  malgre  la  difference  qui  nous  a 
presente  la  planche  figuree  de  cet  auteur,  que  nous  avons 
examine  dans  le  teuis  avec  feu  Cuvier,  et  que  ce  grand  ana- 
tomiste  eflfaga  de  sa  main  le  nom  de  Macrophthalme,  que  ce 
poisson  portait  dans  ma  coUection  des  poissons  peints  de  la 
Mediterranees,  habite  les  profondeurs  rocailleuses  de  20  a  35 
brasses,  ou  il  se  nourrit  des  petits  poissons  et  des  crabes.  II 
Vit  en  petite  societe;  ses  petits  parvenus  au  poid  de  2  a  3 
onces  poursuivent  les  poissons  litoraux  jusque  pres  des  bords. 


*)  Valancienn.  loc.  cit. 


390 

ou  Ton  en  prend  alors  aux  aissargaes.  L'Erythrostome  ne 
parvient  jamais  au  poids  de  deux  kilogrames,  et  presente  une 
cliair  beaucoiip  meilleure  que  celle  du  Synodon  et  celui-ci, 
que  le  Dente  ordinaire. 

Quant  au  Dente  ä  qui  je  donna  dans  le  tems  le  nom  de 
Cetti,  mes  observations  ne  sont  pas  encore  süffisantes  pour 
affirmer  si  c'est  une  nouvelle  espece,  ou  si  les  doutes,  que 
je  communiqua  dans  le  tems  au  celebre  Cuvier,  qui  m'a  tou- 
jours  honore  de  son  amitie,  se  realiseront. 

C'est  pour  convaincre  ceux,  qui  s'imaginent  dans  leur 
cabinet,  au  milieu  de  tous  les  livres  ecrits  ä  ce  sujet,  et  pos- 
sesseur  des  collections  gouvernamentales,  avoir  tout  epuise, 
que  je  suis  entre  dans  certains  details  sur  ces  trois  especes 
de  poisson,  persuade  d'avance,  que  je  laisserai  toujours  a  mes 
successeurs  de  Lacunes  a  remplir  sur  leur  histoire  naturelle; 
mais  a  la  maniere  nouvellement  adoptee  par  certain  natura- 
liste  de  trainer  aux  gemonies,  ceux  qui  se  sont  occupes  avec 
plus  ou  moins  de  connaissance  des  objets  soumis  a  leurs  in- 
vestigations  ne  pourrait  Ton  pas  dire  avec  Pline:  Non  sumus 
profecto  grati  erga  eos,  qui  labore  curaque  lucem  nobis  apa- 
ruere  in  hac  luce.  *) 

Sehastes  S  e  b  a  s  t  e 

Cuv. 
S.     A  r  g  u  s.  S,    A  r  g  u  s. 

S.  Corpore  ovato-ohlongo,  depresso,  fiisco-cupreOy  laterihus  vi- 
rescenti  guttatis;  ahlomine  aurantiaco;  pinnis  dorsali  caudall- 

que  oculatls. 

Holocentrus  Argus  Spinol.  Annal.  du  Mus.  10.  372.  3. 

De  la  division  des  Scorpenes  a  tete  sans  lambeaux  char- 
nus,  ni  filaments,  sans  aiguillons  ni  epines,  couverte  de  fines 
ecailles,  cette  espece  placee  parmi  les  Holocentres,  les  Perches 
et  les  Serrans  est  la  seule  de  la  Meditcrranec,  qui  puisse 
etre  comprise.  Dans  le  nouveau  gonre  Sebastes,  quoique  son 
auteur  ait  confondu  ce  poisson  avec  la  Perca  cabrilla  de  Linne. 

Son  Corp.?  est  ovale -oblong,  deprimc,  aplati,  couvert  de 

0  Plin.  L.  2.  C.  9. 


391 

petites  ecailles  extreinemeiit  adherentes  a  la  peau,  qui  est 
tres-forte;  Ja  regioii  dorsale  est  d'un  brun  bronze;  ses  flancs 
sont  inegalenient  tachetes  de  vert  cuivreux,  siir  un  fond  brun 
rougeatre,  et  toute  la  partie  inferieure  de  la  gorge  jusqu'ä 
l'anus  est  coloree  d'une  coiiche  jaiine  orange  et  jaune  dore, 
melange  de  petites  ecailles  d'un  bronze  clair. 

La  tete  est  grande;  l'ouverture  de  la  bouche  ample;  les 
mächoires  inegales,  l'inferieure  plus  loiigue  que  la  superieure, 
toutes  les  deux  sont  armees  de  trois  rangs  de  dents  fines, 
aigues,  lesquelles  ne  se  prolongent  que  jusqu'au  milieu  des 
dites  niachoires,  quelques -unes  places  sur  le  devant  sont  mo- 
biles. Les  yeux  sont  gros,  arrondis,  d'un  rouge  bronze,  la 
prunelle  bleuätre,  entoure  d'un  cercle  dore;  les  narines  sont 
doubles,  inegales,  noirätres;  le  preopercule  est  arrondi,  se- 
i  coule  sur  son  pourtour  inferieur,  le  sousopercule  est  muni 
de  trois  pointes  cachees  sous  la  peau;  la  membrane  bran- 
chiale  est  translucide,  coloree  en  travers  de  traits  rouges; 
l'ouverture  de  branchies  est  tres-feudue;  le  palais  est  rouge, 
garni  d'un  arc  de  dents  en  crochets;  la  ligne  laterale  suit  la 
courbure  du  dos,  et  l'anus  est  situe  bien  avant  la  nageoire 
anale.     ' 

Les  nageoires  sont  fortes  et  consistantes,  la  dorsale  est 
d'un  noir  bronze,  les  rayons  epineux  ont  leur  membrane  plus 
courte,  tächee  de  jaune  ä  la  sommite;  les  rayons  rameux 
sont .  beaucoup  plus  longs  et  garriis  des  täches  ocellees  con- 
fuses,  verdätres,  ainsi  que  la  caudale  qui  est  arrondie,  liseree 
de  blanc  a  la  sommite.  Les  nageoires  pectorales  offrent  des 
rayons  noirs  sur  un  fond  rouge  brun;  les  thoraciques  sont 
bariolees  de  diverses  couleurs,  ainsi  que  Fanale. 

L'esophage  est  court,  glabre,  a  plusieurs  plis;  les  inte- 
stins  sont  longs,  epais;  les  ovaires  assez  gros;  le  foye  volumi- 
neux  a  cinq  lobes  arrondis,  dilates;  le  pylore  a  dix  divisions 
oblongues;  la  vesicule  du  fiel  mediocre;  la  vessie  natatoire 
peu  apparente. 

Long.  0,324.  Larg.  a  la  base  des  pectorales  0,105.  Sej. 
profondeurs  rocailleuses.     Aparit.  ete. 

N.  D.  11— 17;  P.  17;  T.  1  —  5;  A.  3— 9;  C.  19; 
M,  B.  7. 


392 


Dimensions  d'un  individu  ordinaire. 

Distaiice  de  l'extremite  du  museau  aux  narines       .     .  0,020. 

Id.  id.  aux  yeux 0,030. 

Id.  id.  aux  nageoires  pectorales     .     .  0,100. 

Id.  id.  aux  nageoires  thoraciques  .     .  0,103. 

Id.  id.  a  lanageoire  dorsale      .     .     .  0,105. 

Id.  id.  a  l'orifice  de  l'anus    ....  0,190. 

Elevation  du  rayon  dorsal  epineux  le  plus  long     .     .  0,030. 

Id.  id.  des  rameux 0,040. 

Diametre  de  l'oeil       . 0,017. 

Ouvertüre  de  la  bouclie        0,048. 

Long,  des  nageoires  pectorales 0,064. 

Id.     des  nageoires  thoraciques 0,045. 

Envergure  de  la  queue 0,067. 

♦ 

Remarques. 

r 

Neuf  qualites   de  poissons   a  caracteres  divers  du  g^enre 
Perca,  Holocentrus ,  Serranus,   Sehastes    vivent  sur  les  bords 
de  la  Mediterranee  boreale.    Les  anciens  ichthyologues  jusqu'a 
Linne   en    ont  renonce  positivement  six   especes,  qui  sont  le 
Merou  Perca  gigas;  l'Hepate  Labrus  hepatus;  i'Anthias  Labrus 
anthias;   la  Perca  scriba  et  la  Perca  cahrilla  de  Linne,   Gme- 
lin,  les  deux  derniers  ayant  servi  de  piscine  a  Mr.  Valanciennes 
pour  y   faire   devorer  la  Perca  marina   tres-bien  decrite   par 
Artedi   ou  Holocentrus   niarinus   de  Laroche   et  de  moi;  l'Ho- 
jocentrus    argus    de    Spinola,    espece    remarquable    qu'il    faut 
maintenant    placer    dans    le    genre   Sebastes   de   Cuvier   et   de 
Valanciennes;  mon  Serranus  fasciatus  dont  la  livree  les  moeurs 
et  habitudes  sont   si   differentes  de  tous  ses  congeneres;   nion 
Serranus  flavus,  poisson  particulier  habitant  les  grandes  pro- 
fondeurs,  qu'on  pourroit  tont  a  plus  rapprocher  de  la  Perche 
jaunätre  du  museum  Frederic.     Dans  un  travail   entrepris  sur 
les   perches   du   midi ,    connues  maintenant   sous   le   nom   de 
Serran,  de  Sebastes  etc.  je  prouverois  que  c'est  avec  bien  de 
la   legerete   qu'on   juge    aujourd'hui    les    travaux   des    anciens 
relativement   aux    poissons  de   la  Mediterranee   et  que   ceux, 
qui  croyent  faire  avancer  la  science,   en  disant  avec  emphase 
„que   les   meprises   des  nomenclateurs   touchant  la  Perca   ca- 


393 

brilla  et  scriba  sont  nombreuses  et  difficiles  ä  debrouiller."  *) 
(Aper^oivent  bien  la  paille  sur  les  yeux  d'autrui,  sans  faire 
attention  aux  poutres  qii'ils  ont  suspendu  devant  les  leurs,) 
ne  fönt  que  ralentir  la  marche  de  la  science,  sans  rien  dire 
de  plus. 


Beiträge   zur   Kenntnifs   der  sogenannten   Indiani- 
schen Vogelnester. 

Von 

Herrn  Capitain  Bar.   v.  Schierbrand,   in  Java. 
Aus  einer  brieflichen  Mittheilung  an  Herrn  Grafen  v.  Hoffmannsegg. 


1)  Die  überschickten  Nester  sind  von  zwei  Arten  Vogel. 
Die  weifsen  sind  die  bekannten  efsbaren.  Die  braunen  oder 
schwarzen  zusammengeschrumpften  gehören  auch  einer  Art 
Schwalbe  (oder  vielleicht  Hökler,  wie  Sie  diesen  Vogel  nen- 
nen) zu.  Ich  habe  dieselben  auf  Nussa  Kambangan  (der  be- 
kannten Insel  südlich  von  Java,  wovon  sie  nur  durch  einen 
schmalen  Kanal  geschieden  wird,  und  auf  welchen  man  die 
Patmak- Blume  (Ra/ßesia  Patma  Bl.)  antrifft),  in  einer  Grotte 
an  der  Küste,  in  welche  wir  einige  Faden  weit  mit  dem  klei- 
nen Boote  hineinfahren  konnten,  gefunden,  wo  sie,  wie  die 
efsbaren  Nester,  an  der  Felsen  wand  klebten.  Sie  hatten  die- 
selbe Form  wie  die  weifsen,  nämlich  die  eines  vierten  Theils 
einer  Eierschale,  wie  man  sich  diese  der  Länge  nach  in  zwei 
Theile,  und  diese  wieder  der  Länge  nach  in  noch  zwei  Theile 
zerschnitten  denkt.  Ihr  Hauptbestandtheil  war  eine  zähe,  doch 
ziemlich  weiche,  schmutzig  grüne  Gallerte,  mit  Moos  und  vor- 
züglich auch  Dug.  Dieses  ist  eins  Art  Fäden,  sehr  den  Pfer- 
dehaaren ähnlich,  die  man  in  dichten  Büscheln  oder  Geweben 
zwischen  dem  dicken  Blattstengel,  da  wo  solcher  aus  der 
Rinde  hervorwächst  und  der  Rinde  selbst,  des  Aren-Baums 
antrifft,  einer  Art  Sago- Palme,  die  auch  Palmwein  liefert,  aus 
dem  die  Javaner  den  sogenannten  Aren- Zucker  kochen.  Jene 
Fäden   sind  ein  Material,   wovon  man  vortreffliches  Tauwerk 


')  Valanciennes  Hist.  des  poissons  T.  2.  p.  126. 


394 

verfertigt,  das  der  Nässe  besser  als  alles  Andere  widersteht. 
Die  Nester,  welche  beim  Trocknen  zusammengeschrumpft  und 
unförmlich  geworden  sind,  waren  weder  mit  Moos  noch  mit 
Federn  ausgefüttert. 

2)  Der  Vogel  von  den  efsbaren  Nestern  ist  eine  kleine 
Schwalbe  (vielleicht  Hökler)  mit  dnnkelgrauer  Kehle  und 
Bauche,  das  Uebrige  schwarz,  auch  die  Augen,  und  etwas 
kleiner  als  die  gewöhnliche  Hausschwalbe.  Der  Vogel  der 
braunen  Nester  ist  diesem  ähnlich;  da  ich  iiin  aber  nicht  in 
Händen  gehabt,  so  kann  ich  ihn  nicht  näher  beschreiben. 

3)  Wie  sclion  erwähnt,  sind  die  Nester  mit  nichts  ausge- 
füttert, und  die  Eier  wie  die  Vögel  liegen  blos  auf  dem  harten 
Grunde.  Im  Handel  werden  die  Nester  nach  ihrer  Reinheit 
und  Weifse  sortirt,  und  von  der  ersten  Sorte  das  Kattie  =  j^q 
des  Pikkol's,  der  125  alten  Amsterdamer  U  gleich  ist,  mit 
70  —  80  Holl.  Fl.  bezahlt.  Doch  ist  mir  dabei  aufgefallen^ 
dafs  ich  auf  Borneo  ganz  schwarze  Nester  gesehen  habe,  d.  h. 
die  ganz  mit  feinen  Federn  durchmengt  waren.  Mau  sagte  mir, 
es  wären  die,  in  welchen  die  Vögel  wirklich  ausgebrütet  wä- 
ren. Sie  wurden  wenig  geachtet,  und  gewöhnlich  nur  mit  2 
bis  3  Fl.  das  Kattie  bezahlt.  Zu  Karang-Bollong,  an  der 
Südküste  von  Java,  von  welchem  Orte  die  Ihnen  zugesandten 
Nester  sind,  habe  ich  ebenfalls  solche  gesehen,  die  mit  Federn 
durchmengt  waren,  doch  bei  weitem  nicht  so  sehr  wie  die 
eben  erwähnten;  und  demungeachtet  versichert  man  mich,  dafs 
man  alle  Nester,  frische  mit  Eiern,  oder  auch  schon  ausge- 
brüteten, „pflückt,"  wie  man  das  nennt,  die  man  nur  habhaft 
werden  kann.  So  viel  ich  weifs,  haben,  w^enigstens  zu  Karang- 
Bollong,  jährlich  drei  Plukk&n  (Lesen)  statt.  Die  einträg- 
licliste  fängt  zu  Ende  August  oder  Anfang  September  an,  die 
zweite  im  November  oder  Dezember,  und  die  dritte  im  Fe- 
bruar. Da  man,  wie  schon  gesagt.  Alles  einsammelt,  was  man 
erlangen  kann,  und  dabei  jedesmal  Tausende  von  Eiern  und 
Jungen  ins  Meer  geworfen  werden,  so  mufs  sich  dieser  Vogel 
aufserordentlich  stark  vermehren,  indem  man  mir  gesagt  hat, 
dafs  ungeachtet  dieser  fürchterlichen  Zerstörungen  die  Pro- 
duction  der  Nester  sich  im  Durchschnitt  jährlich  gleich  bleibt. 
Man  behauptet,  dafs  die  Nester  aus  klebrigen  See -Erzeug- 
nissen bestehen.     So  viel  ich  wcifs,  ist  dies  jedoch  noch  nicht 


395 

völlig  erwiesen.  Ich  erinnere  mich,  die  Vögel  oft  in  ganzen 
Schwärmen  des  Abends  aus  dem  Innern  des  Landes  nach 
ihren  Grotten  zurückkehren  gesehen  zu  haben.  Waren  sie 
nun  dahin  geflogen  blos  der  Nahrung  wegen,  oder  auch  um 
da  Bestandtheile  zu  ihren  Nestern  zu  suchen? 

4)  Die  Nester  werden  auf  Java  meistentheils  in  unzu- 
gänglichen Grotten  längs  der  Küste  gefunden,  da  wo  dieselbe 
aus  schroffen,  oft  mehrere  hundert  Fufs  hohen  Felsenwänden 
besteht.  Diese  mit  Booten  zu  bereichen,  ist  der  fürchterlichen 
Brandung  wegen  unmöglich.  Zuweilen  findet  man  sie  auch 
im  Innern  des  Landes ,  doch  beinahe  immer  in  dergleichen 
Grotten,  wie  dies  mit  denen  der  portugiesischen  Familie  Mi- 
chiels  zu  Tjietrap,  ungefähr  25  Englische  Meilen  von  Batavia, 
der  Fall  ist,  die  jährlich  80,000  Piaster  (c.  200,000  Fl.  Holl.) 
einbringen.  Dies  sind,  meines  Wissens,  die  einzigen,  die  au£ 
Privat -Ländereien  gefunden  werden.  Die  Sammler  sind  Leute, 
welche  sich  ihrem  Berufe  von  Jugend  auf  widmen,  und  wie 
es  meist  allen  Einsammlern  kostbarer  Produkte  geht  —  man 
denke  hierbei  an  unsre  Sächsischen  Bergleute!  —  so  werden 
auch  sie  dabei  nicht  reich,  da  sie  für  alle  Mühe  und  Gefahr, 
denen  sie  unterworfen  sind,  einen  nur  geringen  Lohn  erhalten. 
Einige  Tage  bevor  die  Lese  ihren  Anfang  nimmt,  belustigen 
sich  diese  Javaner  mit  einheimischen  Spielen,  Tanz  u.  s.  w., 
und  es  wird  unter  sie  dann,  wie  auch  während  der  Lesezeit, 
die  vierzehn  Tage  oder  auch  länger  dauert,  Opium  ausgetheilt, 
wovon,  wie  bekannt,  ein  grofser  Theil  der  Einwohner  leiden- 
schaftliche Liebhaber  sind,  und  der,  mit  Tabak  vermischt,  in 
langsamen  Zügen  aus  einer  besondern  Art  Pfeife  geraucht 
wird.  Die  Regierung  führt  hiermit  den  Alleinhandel,  der  jähr- 
lich viele  Millionen  einbringt.  Ich  spreche  übrigens  hier  von 
Karang-Bollong,  wo  ich  während  der  Lese  einige  Tage  gewe- 
sen bin;  wie  es  an  andern  Orten  üblich  ist,  weifs  ich  nicht. 
Dafs  der  abergläubische  Javaner  sich  auf  die  gefahrvolle  Reise 
nicht  ohne  eine  Teufelsbeschwörung  begiebt,  ist  leicht  begreiflich. 
Dies  hat  er  mit  so  manchen  Standesgenossen  anderer  Erd- 
gegenden, vielleicht  selbst  in  Europa,  Bergleuten,  Perlen- 
fischern u.  s.  w.  gemein,  mit  denen  man  die  Vogelnestleser  in 
solchen  Rücksichten  vergleichen  kann.  In  dem  kleinen  Maga- 
zin, wo  die  Nester  aufgehoben  werden,  befindet  sich  also  eine 


396 

Bettstelle  mit  Gardinen,  Kissen  u.  s.  w. ,  die  keiner  gerin- 
gern Personage  als  dem  Teufel  selbst,  oder  eigentlich  dem 
bösen  Dämon,  der  die  Grotte  bewacht,  zugehört.  Um  die- 
sem Geiste  zu  gefallen  und  sich  seiner  Beschirmung  zu  ver- 
sichern, wird  diese  Bettstelle  täglich  mit  frischen  Blumen  be- 
streut, mit  Weihrauch  beräuchert  u.  s.  w.  Gleich  den  Eider- 
gänsejägern befestigen  die  Nesterleser  an  einen  starken  Baum 
oder  Felsblock  über  der  Grotte  eine  Strickleiter  von  dickem 
Rottang,  auf  der  sie,  mit  einem  Stocke,  einigen  Stricken  und 
wenn  ich  nicht  irre,  auch  Fadc^ln  versehen,  hinabsteigen.  In 
der  Grotte  befindet  sich  von  früheren  Lesen  her  gewöhnlich  auch 
eine  Art  von  bambusenem  Gerüst,  das  man  so  viel  als  möglich 
benutzt,  um  ein  neues  anzufertigen.  Man  stelle  sich  aber  dar- 
unter nicht  ein  starkes,  mit  Laufbrettern  versehenes  Gerüst 
vor,  wie  die  unserer  Maurer  und  Zimmerleute.  Nein,  es  sind 
einzelne  Bambusstämme,  auf  eine  ziemlich  unsichere  Weise 
mit  Haken  und  Stricken  an  den  Felsenspitzen,  oder  zwischen 
den  Steinwänden  befestigt  und  eingeklemmt.  Auf  diesen  schwan- 
kenden Gestellen  klettern  nun  die  Sammler  längs  den  Wänden 
herum,  an  denen  die  Vogelnester  kleben,  wovon  man  mehren- 
theils  einige  an  einander  hangend  findet,  die  verschiedenen 
Vögeln  zugehören,  und  nicht  von  verschiedenen  Brützeiten 
sind.  Alles,  was  sich  im  Bereich  der  Hände  findet,  wird  ohne 
Barmherzigkeit  heruntergeholt,  Eier  aber  und  Junge  werden 
ins  Meer  geworfen,  die  Nester  in  den  Sack  gesteckt.  Ein 
Sammler  verdient  gewöhnlich  während  einer  ganzen  Lesezeit 
nicht  mehr  als  25  Fl.  Man  kann  sich  leicht  vorstellen,  wie 
gefahrvoll  diese  Arbeit  ist,  da  ein  Fehltritt,  das  Brechen  eines 
Bambuses,  ein  Schreck,  ein  Schwindel  u.  s.  w.  hinreichend  ist, 
um  den  Sammler  in  die  Tiefe  zu  stürzen,  w^o  er  ohne  Rettung 
verloren  ist,  und  durch  die  Brandung  zersclimettert  wird.  Und 
doch  sollen  nur  wenige  Unglücksfälle  Statt  finden.  Doch  für- 
wahr, zu  einem  solchen  Betriebe  gehört  Muth.  So  viel  mir 
bekannt  ist,  hat  es  bis  jetzt  nur  ein  einziger  Europäer,  ein 
gewisser  Herr  van  den  Berg  gewagt,  eine  der  Karang-Bollong- 
schen  Vogelnester -Grotten  zu  besuchen,  von  welchem  Wage- 
stück er  auch  beinahe  das  Opfer  geworden  wäre. 

Wegen  des  hohen  Werthes  der  Nester  wird  natürlich  auf 
die.  Sammler  ein  wachsames  Auge  gerichtet,  und  den  scldaueu 


397 

Chinesen  auch  nicht  gestattet,  sich  zu  Karang-Bollong  und  in 
dessen  Umgebungen  niederzulassen.   Die  Consimition  der  Nester 
auf  Java   seihst   ist  unbedeutend;    beinahe    alle   werden  nach 
China   ausgeführt.     Der  Betrag   dieser   Ausfuhr,    welcher  sehr 
grofs  ist,  läfst  sich  aus  dem  Handelsberichte,  der  jährlich  durch 
die  Regierung  veröfifentlicht  wird,  ersehen.    Wie  bekannt,  spie- 
len die  Vogelnester  auf  der  Tafel   des   reichen  Chinesen  eine 
Hauptrolle,  ungefähr  wie  die  Trüffeln  in  Frankreich,  und  wer- 
den, wie  diese,   für  eine  sehr  reizende  Speise  gehalten.     Dies 
ist  hinreichend  um   sie   den   üppigen  Chinesen  anzuempfehlen, 
denen  alles  Derartige   willkommen  ist.     Gewifs  sind  die  Vogel- 
nester sehr  nahrhaft  und  stärkend,  eben  so  wie  starke  Fleisch- 
brühe,   Gelee   von  Hirschhorn   u.  dergl.;    doch    alles  Uebrige 
halte   ich   für    Einbildung.     Ich  habe   sie   auf  Borueo  sehr  pft 
und   zuweilen  in  grofser  Menge  gegessen,   und  kann  nicht  sa- 
gen,  dafs   sie  mich  je  sehr  erhitzt  hätten.     Es  ist  aber  keine 
Nation  in  der  Welt,  die  solchen  Gegenständen  gröfsere  Opfer 
bringt   als    die   chinesische,    und  daher  dem  reichen  Mandarin 
Nichts  dieser  Art  zu  theuer;   der  Gaumen  wird  hierbei  wenig 
zu  Rathe  gezogen.   Ich  erinnere  mich  unter  andern  von  einem 
chinesischen  Gericht  gegessen  zu  haben,  das  aus  fettem  Schwei- 
nefleisch   mit    halbgargekochten    Gemüsen,    feingeschnittenem 
jungen   Hirschhorn,    Sehnen    von    Hirschen,    Büffeln  u.  s.  w., 
Vogelnestern,  Triepang  (ein  polypähnliches  Seethier),  Ingwer 
«.s.w.  bestand,  und  wie  alle  chinesische  Speisen,   ungesalzen 
-war.     Es   schmeckte   beinahe   wie  Leim,   und   hatte   auch  den- 
selben widrigen  Geruch.     Es  ist  auch  kein  Volk,  das  mehr  an 
den  Sitten,  Gebräuchen  und  Vorurtheilen  seiner  Vorältern  hängt, 
als  das  chinesische.     Weil  nun   diese  Vorältern  einmal   gesagt 
haben,  dafs  die  Nester  diese  oder  jene  Eigenschaft  haben,   so 
bleibt  es  auch  bis  zum  jüngsten  Tage  dabei.    Man  glaubt  wohl 
in  Europa,    dafs  die  Nester  zu  einer  Gallerte  gekocht  und  so 
verspeist   werden?     Aber  so  ist  es  nicht.     Sie  werden  in  kal- 
tem oder  lauem  Wasser  eingeweicht,  dann  zerrupft  oder  zer- 
schnitten, ungefähr  wie  Fadennudeln,  von  allen  feinen  Federn, 
die  etwa  daran  kleben,   gut  gesäubert,    und  dann   als   Timm, 
eine   Art  Suppe    von   kräftiger   Fleischbrühe,    mit   Spezereien 
und  Zwiebeln  abgeschwellt,  mit  Zuckerwasser  angemengt,  mit 
Ragouts  aller  Art  u.  s.  w.   angerichtet.      Es   ist  beinahe  kein 


398 

chinesisches  Gericht,  mit  dem*  sie  sich  nicht  vertrügen.  Ge- 
schmack ist  ihnen  beinahe  eben  so  wenig  zuzuerkennen  wie 
reinem  Wasser,  und  ich  habe  zwischen  den  kostbaren  weifsen 
und  den  hundertmal  wohlfeilem  schwarzen,  wenn  diese  gut 
gereinigt  sind,  was  eine  ziemlich  mühsame  Arbeit  für  zarte 
Frauenhände  ist,  nie  den  geringsten  Unterschied  finden  können. 
Die  schönsten  Nester,  die  ich  gesehen  habe,  kommen  von 
Passier  auf  der  Südostküste  von  Borneo.  Sie  waren  ungemein 
grofs,  *)  ganz  weifs,  dünn  und  durchscheinend,  und  unter- 
schieden sich  vorzüglich  durch  einen  sehr  dünnen  Fufs,  wie 
man  den  Theil  des  Nestes  zu  nennen  pflegt,  mit  dem  es  am 
Felsen  anklebt.  Ich  werde  mich  bemühen ,  durch  die^  Vermit- 
telung  eines  Freundes,  der  Assistent -Resident  von  Ambal  ist, 
worunter  Karang-Bollong  gehört,  einige  der  Schwalben  zu 
besorgen,  die  dann  wohl  am  besten  in  Branntwein  überkom- 
men werden. 

Das  ist  bis  jetzt  Alles,  was  ich  Ihnen  von  den  efsbaren 
Nestern  zu  sagen  'weifs. 


Die  Foraminiferen  Amerika''s  iiiid  der  Canarlsclieii 

Inseln. 

Von 

Aleide    d'Orbigny. 
(Im  Auszuge  mitgetheilt  von  Dr.  Troschel.) 


Aleide  d'Orbigny,  berühmt  durch  seine  Reisen  in  Süd- 
amerika, hat  neuerlich  über  die  noch  so  wenig  gekannte  Klasse 
der  Foraminiferen  drei  ausgedehnte  Arbeiten  bekannt  gemacht. 
Die  eine  findet  sich  in  der  Histoire  physique,  politique  et  na- 
turelle de  nie  de  Cula  par  M.  Rainon  de  la  Sagra;  die 
zweite  in   der  Histoire  naturelle  des  lies  Canaries  par  M.  M. 


*)  Sollte  dies  nicht  eine  dritte  Species  andeuten? 

Anm.  d.  Abschreibers. 


399 

P,  Barker-  Webh  et  Salin  Berthelot;  die  dritte  in  der   Voyage 
dam  VAmerique  meridionule  par  M.  Aleide  d'Orhigny.     Da  die 
drei^  für    diese   Thierklasse   so   höchst  wichtigen   Arbeiten    in 
sehr  kostbaren  und  dem  gröfseren  Publikum  daher  luinder  zu- 
gänglichen Werken   erschienen,  und  wegen  ihrer  Ausdehnung 
eiuQ  genauere  Mittheilung  in  A^w  Jahresberichten  nicht  zulas- 
sen, so  glaube  ich  dem  Interesse  der  Leser  des  Archivs  nicht 
zuwider  zu  handeln,   wenn  ich   in  diesen  Blättern  einen  Aus- 
zug gebe.     Es   scheint  mir  am  Zweckmäfsigsten,   das  Interes- 
santeste  aus  allen  drei  genannten  Arbeiten  hier  zusammenzu- 
stellen. 


Alles,  was  in  der  Natur  dem  unbewaffneten  Auge  entgeht, 
bleibt  nicht  nur  der  grofsen  Masse  der  Bevölkerung  unbe- 
kannt, sondern  es  bleibt  auch  Jahrhunderte  hindurch  unbe- 
merkt von  denen,  welche  die  Schönheiten  der  Schöpfung  zu 
erforschen  streben.  Wie  viele  Myriaden  von  Wesen  bleiben 
uns  noch  zu  kennen  übrig !  wie  viele  Jahre  werden  noch  vor- 
übergehen, bevor  wir  eine  richtige  Idee  von  dem  Umfange 
der  Zoologie  erlangt  haben  werden! 

Wenn  die  ungeheure  Masse  der  gröfsten  Thiere  unseres 
Erdballs  uns  auf  die  Allmacht  des  Schöpfers  führt,  wenn  die 
Regelmäfsigkeit  ihrer  Formen,  der  Zusammenhang  und  die 
Ausbildung  ihrer  Organe,  der  Reichthum  ihres  ganzen  Orga- 
nismus uns  ihre  wunderbare  Vollendung  zeigen,  —  so  staunt 
unser  Geist  nicht  minder,  wenn  wir  zu  diesen  kaum  bemerk- 
baren Wesen  hinabsteigen,  deren  Zahl  ihre  unendliche  Klein- 
heit auf  wägt,  so  dafs  sie  durch  ihre  Vielfältigkeit,  ohne  unser 
Wissen,  eine  der  ersten  Rollen  in  der  Natur  spielen. 

In  der  That,  wer  sollte  nicht  erstaunen,  wenn  er  bedenkt, 
dafs  der  Sand  aller  Meeresufer  so  erfüllt  ist  mit  diesen  mi- 
croscopischen  Schalen,  welche  den  Namen  Foraminiferen 
erhalten  haben,  dafs  er  oft  zur  Hälfte  aus  ihnen  besteht? 
Plauens*)  hat  6000  in  einer  Unze  Sand  aus  dem  Adria- 
tischen  Meere  gezählt,  wir  selbst  3,840,000  in  einer  Unze  von 


*)  Ariminensis  de  conchis  minus  notis. 


400 

den  Antillen.  Berechnet  man  hiernach  gröfsere  Räume,  z.B. 
einen  Cubikmeter,  so  übersteigt  das  alle  menschliche  Vorstel- 
lungen und  man  hat  Mühe  die  ZiflFern  auszusprechen,  welche 
sich  daraus  ergeben.  Aber  wie  gering  ist  das  Alles  noch,  wie 
verschwindet  es  dagegen,  wenn  man  es  auf  die  ganze  unge- 
heure Masse  der  Meeresküsten  der  Erde  ausdehnt?  Daraus 
wird  man  die  Gewilsheit  erlangen,  dafs  keine  andere  Reihe 
von  Wesen  der  Zahl  nach  sich  dieser  vergleichen  kann ;  selbst 
nicht  die  Myriaden  kleiner  Crustaceen,  welche  auf  bedeutende 
Strecken  die  Oberfläche  *)  des  Meeres  färben,  und  die  gröfse- 
sten  Thiere,  die  Wallfische  ernähren,  selbst  nicht  die  Infusions- 
thiere  des  süfsen  Wassers,  deren  Panzer  zum  Theil  den  Tri- 
pel zusammensetzen  **),  denn  diese  sind  beschränkt  in  ihrem 
Vorkommen,  während  die  Foraminiferen  sich  auf  allen  Küsten 
finden. 

Wenn  man  untersuchen  will,    welche  Rolle   die  kleinen 
Körper,    welche   uns   beschäftigen,    und   deren   viele  nur   die 
Hälfte,   das  Viertel  oder  das  Sechstel   eines  Millimeters  errei- 
chen,   spielen   können,   so   wird   man    nicht  weniger  Ursache  i 
haben  zu  erstaunen.     Der  Verfasser  hat  den  Sand  von   allen 
Theilen  der  Erde  untersucht,  und  gesehen,  dafs  die  Reste  der 
Foraminiferen  es  sind,  welche  zum  grofsen  Theile  Bänke  bil- 
den, die  die  Schifffahrt  hemmen,  dafs  sie  es  sind,  welche  Meer- 
busen und  Meerengen  verstopfen,  Häfen  anfüllen  und  mit  den 
Korallen   die   Inseln  bilden,   welche  sich   in   den  warmen  Ge- 
genden des  grofsen  Oceans  erheben.     Wenn  man  den  Einflufs 
der  Foraminiferen   auf  die  Schichten  der  Erdrinde  betrachtet,] 
so  wird  man  sich  um  so  mehr  von  dem  überzeugen,  was  wiri 
so  eben  an  den  lebenden   Arten  nachgewiesen  haben,   und  es< 
wird  leicht  sein  durch  Facta  zu  zeigen,  dafs  sie  viel  zur  Bil- 
dung ganzer  Lagen  beitragen.     Beginnen  wir  bei  den  neueren  \ 


*)  In  der  Nähe  von  Brasilien  haben  wir  auf  fast  einen  Grad  Ober 
fläche  das  Meer  dunkelroth  gefärbt  gesehen;  dies  geschah  durch  einei 
Art  der  Gattung  Cetochylus,  welche  nach  Aussage  der  Wallfischfänger 
fast  auschliefslich  die  Nahrung  der  Wallfische   ausmacht.    V.   Voya^e 
dans  VAm^rique  meridionale  ^  pari,  hist.  t.I.  p.  17. 

**)  Academie    der  Wissenschaften  zu  Berlin,  vom  29.  Juli  1837. 
Annales  des  Sciences  nat.  tom.  VJIl  p»  374. 


401 

Epochen,  den  tertiären  Bildungen,  so  geben  uns  vor  allen  die 
Umgebungen  von  Paris  ein  schlagendes  Beispiel.  Der  Grob- 
kalk dieses  weiten  Beckens  ist  in  gewissen  Partien  so  erfüllt 
von  Foraminiferen,  dafs  ein  Cubikzoll  aus  den  Steinbrüchen 
von  Gentilly  mehr  als  58,000  lieferte,  und  das  in  Lagen  von 
grofser  Mächtigkeit  auf  einer  ungeheuren  Fläche.  Das  giebt 
auf  den  Cubikmeter  etwa  3,000,000,000  im  Durchschnitt,  was 
uns  jeder  weitern  Rechnung  überhebt.  Man  kann  daraus  ohne 
Uebertreibung  schliefsen,  dafs  Frankreichs  Hauptstadt,  so  wie 
die  Städte  und  Dörfer  einiger  umliegenden  Departements  fast 
ganz  aus  Foraminiferen  erbaut  sind.  Die  Foraminiferen  sind  nicht 
weniger  gemein  in  den  Tertiärformationen  von  der  Champagne 
bis  an  das  Meer,  und  ihre  Zahl  ist  erstaunenswerth  in  den 
Becken  der  Gironde,  Oesterreich's  und  Italiens  etc.  Die  Kreide- 
lager enthalten  auch  Myriaden,  wie  es  die  Nummuliten,  aus 
denen  die  gröfste  der  Aegyptischen  Pyramiden  erbaut  ist,  und 
die  grofse  Menge  dieser  Körper,  aus  denen  die  weifse  Kreide 
von  der  Cliampagne  in  Frankreich  bis  nach  England  gebildet 
ist  *),  beweisen.  Wir  finden  auch  Foraminiferen  bis  in  die  un- 
tersten Schichten  der  Juraformation.  So  verändern  diese  Scha- 
len, welche  man  mit  unbewaffnetem  Auge  kaum  wahrnimmt, 
nicht  nur  jetzt  die  Tiefe  der  Meere,  sondern  sie  haben  schon 
vor  unserer  Epoche  Berge  gebildet  und  Becken  von  beträcht- 
licher Ausdehnung  ausgefüllt. 

Diese  so  zahlreichen  Wesen  sind  dennoch  Jahrhunderte 
hindurch  unbemerkt  geblieben.  Die  ersten  wurden  im  Jahre 
1731  von  Beccarius  im  Sande  des  Adriatischen  Meeres  be- 
obachtet. Von  diesem  Meere  glaubte  man  lange  Zeit,  dafs  es 
allein  Foraminiferen  besitze,  und  mit  Ausnahme  einiger  von 
Walcker  und  Boys  als  in  England  lebend,  und  einiger 
von  Lamarck  als  fossil  bei  Paris  beschriebener  Arten,  wufste 
man  nichts  von  dem  Vorhandensein  der  Foraminiferen  in  den 
andern  Erdtheilen  bis  zum  Jahr  1825,  wo  der  Verfasser  seine 
erste  Arbeit  über  diesen  Gegenstand  bekannt  machte. 

Man  mufs  das  Dunkel,  in  dem  die  Foraminiferen  geblie- 
ben sind,   der  Schwierigkeit  der  Beobachtung  und  dem  gerin- 


*)  Foraminiferes  de  la  craie  blanche  du  hassin  de  Paris,  Mem.  d. 
l.  Societe  geologique  de  France. 

Wiegmann's  Archiv.     VI.  Jahrg.   1.  Bd.  26 


402 

gen  Erfolg  zuschreiben,  den  man  gemeiniglich  durch  die  Er- 
forschung microscopischcr  Körper  erlangt;  und  doch  giebt  es 
wenige  Zweige  des  Studiums,  welche  Jedermann  leichter  zu- 
gänglich und  deren  Resultate  von  gröfserer  Wichtigkeit  waren. 
Mag  ein  Beobachter  an  irgend  einer  Küste  der  verschiede- 
nen Erdtheile  wohnen,  oder  auf  irgend  einer  Tertiär-,  Kreide- 
oder Oolithen- Formation  eines  Continents,  —  überall  findet 
er  unter  seinen  Fiifsen  eine  grofse  Menge  Foraminiferen,  zu 
deren  Untersuchung  eine  einfache  Lupe  ausreicht.  Was  die 
Wichtigkeit  dieses  Studiums  betrifft,  so  mag  es  wohl  dem 
Geologen  wie  dem  Zoologen  gleiches  Interesse  gewähren:  dem 
ersteren  um  die  Temperatur  der  Gegenden  zu  bestimmen,  wo 
die  untergegangenen  Thiere  lebten,  durch  eine  Vergleichung 
mit  denjenigen,  welche  wir  jetzt  in  den  Meeren  finden,  und 
um  die  Bildung  der  Schichten  zu  deuten  (Fragen  von  der 
höchsten  Bedeutung  für  die  Geschichte  unseres  Planeten);  dem 
letzteren  durch  bewunderungswürdige  Mannigfaltigkeit,  durch 
die  Eleganz  ihrer  Formen,  durch  die  Eigenthümlichkeit  ihrer 
Organisation,  und  endlich  dadurch,  dafs  sie  eine  der  zahlreich- 
sten Klassen  in  der  Natur  bilden  und  trotz  ihrer  Kleinheit 
eine  grofso  Rolle  in  derselben  spielen. 

Die    Angaben    über    die    geographische    Verbreitung    der 
Foraminiferen    sind    sehr    interessant.     Der  Verfasser    hat    in 
Südamerika   auf  beiden   Küsten   81   Arten    zusammengebracht, ' 
eine  Zahl,  welche  wohl  schon  Resultate  geben  kann,  die  aber 
ohne  Zweifel  in  der  Folge  noch  erhöht  werden  wird. 

Die  Beschaffenheit  der  Küsten,  ihre  gröfsere  oder  gerin- 
gere Tiefe,  ihre  Natur  selbst,  und  besonders  die  Richtung  der 
grofsen  Strömungen  haben  den  gröfsesten  Einflufs  auf  die  Ver- 
theilung  und  die  Zahl  der  Arten  der  Seethiere.  Jedermann 
kennt  die  Configuration  des  südlichen  Amerika's,  Jedermann 
vveifs,  dafs  «liese  schmale  Spitze  gegen  den  Pol  hin  sich  vor- 
streckend die  schärfste  Grenze  zwischen  dem  Atlantischen  und 
grofsen  Ocean  bildet;  al)er  Niemand  weifs,  dafs  hier  die  Rich- 
tung der  Ströunnigen  nicht  weniger  als  die  Configuration  des 
Landes  dazu  beiträgt,  die  beiden  M(!ere  aufser  Verbindung  zu 
setzen.  In  der  That  theilen  sich  die  grofsen  Strömungen, 
welche  von  den  südwestlichen  Polarregionen  gegen  die  Spitze 
von   Südamerika   sich    richten,    daselbst   in   zwei   verschiedene 


403 

Arme.  Der  eine  geht  östlich  vom  Kap  Hörn  vorüber,  folgt 
im  Atlantischen  Ocean  in  der  Richtung  von  Süden  nach  Nor- 
den der  Küste  des  Continents  und  erstreckt  sich  längs  Pata- 
gonien, den  Pampas  von  Buenos-Ayres  bis  nach  Brasilien ;  der 
andere  dagegen  stöfst  gegen  die  Spitze  Amerika*s,  bleibt  in 
dem  grofsen  Ocean,  folgt  dem  Gestade  von  Süden  nach  Nor- 
den und  reicht  längs  der  Küsten  von  Chili,  Bolivia,  Peru  bis 
über  den  Aequator  hinaus.  Das  Polarwasser,  welches  sich  am 
Cap  Hörn  theilt  und  den  Küsten  jederseits  folgt,  verhindert, 
dafs  die  Thiere  aus  einem  Ocean  in  den  andern  übergehen, 
denn  sie  würden  dann  gegen  die  Strömung  und  gegen  die 
herrschenden  Winde  sich  bewegen  müssen,  was  ilinen  unmög- 
lich ist.  Die  Gestalt  des  Continents  und  die  Richtung  der 
Strömungen  würden  also  schon  a  priori  es  wahrscheinlich  ma- 
chen, dafs  beide  Meere  ganz  verschiedene  Faunen  haben,  und 
dafs  der  einzige  mögliche  Berührungpunkt  beider  am  Cap 
Hörn  wäre,  da,  wo  die  Trennung  beginnt.  Die  Verbreitung 
der  Foraminiferen  wird  dies  sogleich  bestätigen. 

Dem  Cap  Hörn  gegenüber  wurde  in  einer  Tiefe  von  etwa 

160  Metres  mittelst  eines  Senkbleis,   das  nur  einige  Centime- 

tres  im  Durchmesser  hatte,  der  Grund  des  Meeres  untersucht, 

und   dennoch   lieferte    diese   kleine   Oberfläche   eine  ziemliche 

Anzahl    von   Foraminiferen   und   Polypen.     Es    ist    dies    eine 

Thatsache  von  grofser  Wichtigkeit,  denn  sie  zeigt,  dafs   diese 

Thiere   in  bedeutenden  Tiefen  im  Meere   leben  können,   und 

giebfc  uns   eine  Vorstellung   von   der   zahllosen  Menge   dieser 

Wesen  in  diesen  kalten   Gegenden.     Der  Grund  des   Meeres 

niufste  im  strengen  Sinne  des  Wortes  damit  bedeckt  sein,  um 

bei   der  Kleinheit  des   Senkbleis   mehr   als  vierzig  Individuen 

liefern   zu  können.     Unter   diesen  vierzig    Individuen    fanden 

I  sich    fünf   Arten:     Rotalina   Alvnre%ii,    Rotalina  patagonica, 

Truncatulina  vermiculata,    Cassidulina  crassa,    und  BuUmina 

I  elegmitissima.     Von  diesen  5  Arten  kommen  die  vier   ersten 

1  nur  an  der  Küste  von  Patagonien  und  der  Malwinen  vor,  und 

I  gehören  also  der  Fauna  des  Atlantischen  Oceans  an,  während 

I  die  fünfte   bei  Chili  und   ganz   Peru   lebt ,   und  daher  sich  an 

die  Fauna  des  grofsen  Oceans  anschliefst.     Dies  Resultat  zeigt 

deutlich,  dafs  das  Cap  Hörn  der  Ausgangspunkt  beider,  jedem 

,  Meere  eigenthümlicher,  Faunen  ist,  und  dafs  mehr  Arten  dem 

I  26* 


404 


Atlantisclien  als  dem  grofsen  Ocean  angehören.  Das  erklärt 
sich  auch  aus  der  Richtung  der  Strömungen;  denn  da  diese 
von  Südwesten  kommen,  so  müssen  sie  ihre  Wasser  leichter 
nach  Osten  vom  Cap  Hörn  führen  als  nach  Westen,  und  da- 
her mehr  ihnen  eigene  Arten  dem  Atlantischen  Ocean  als  dem 
grofsen  Ocean  mittheilen.  Das  stimmt  sehr  gut  mit  der  Ver- 
theilung  der  5  Arten  von  Foraminiferen. 

Von  den  81  an  den  Küsten  Südamerika's  beobachteten 
Arten  finden  sich  52  im  Atlantischen  Ocean,  ohne  dafs  auch 
nur  eine  sich  im  stillen  Meere  zeigte,  und  30  sind  dem  stil- 
len Meere  eigen,  ohne  dafs  eine  einzige  im  Atlantischen  Ocean 
vorkäme.  Die  eine  Art,  welche  beiden  Meeren  gemeinsam  ist 
{Globlgerina  hulloides),  lebt  nicht  nur  an  beiden  Küsten  Ameri- 
ka's,  sondern  auch  an  den  Canarischen  Inseln,  im  Mittelmeer 
und  selbst  in  Indien.  Da  sie  demnach  überall  vorkommt,  so 
ändert  sie  in  nichts  die  festgestellten  Resultate.  Folgendes  Ver- 
zeichnifs  der  Arten  wird  das  Gesagte  noch  specieller  darthun. 

Arten  des  Atlantischen  des  stillen  Oceans. 


Oolina  compressa 

Malwinen 

—    laevigata 

desgL 

—    Vilardeboana 

desgl. 

—    caudata 

desgl. 

—    Isabelleana 

desgl. 

—    melo 

desgL 

—    raricosta 

desgl. 

—    striata 

desgl.     ~ 

—    inornata 

desgl. 

—    striaticoUis 

desgl. 

Dentalina  aeutissima 

desgl. 

Marginulina  Webbiana 

desgl. 

Robulina  subcultrata 

desgl. 

Nonionina  cultrata 

desgl.    ' 

—    subcarinata 

desgl. 

~    pelagica 

im  hohen  Meere. 

Polystomella  Lessonü 

Malwinen.  Patagonien. 

—     Ovvenii 

Patagonien. 

—    articulata 

Malwinen.  Patagonien. 

—    Alvarezii 

desgl. 

Peneroplis  pulchellus 

desgl. 

. 

—    carin.itus 

Patagonien. 

1 

Rotalina  Alvarezii 

Cap   Hörn.  Malwinen. 
Patagonien. 

\ 

—    patagonica 

Cap  Hörn.  Patagonien. 

1 

Arten 


des  Atlantischen 


405 

des  stillen  Oceans. 


Rotalina  peruviana 

Globigerina  bulloides 
Truncatulina  dispar 

—  vermiculata 

—  depressa 

—  ornata 
Kosalina  peruviana 

—  Saulcyi 

—  araucana 

—  cora 

—  inca 

—  consobrina 

—  rugosa 

—  ornata 

—  Isabelleana 

—  Vilardeboana 
V'alvulina  pileolus 

—  auris 

—  inflata 

—  inaequalis 
Bulimina  pulchella 

—  Ovula 

—  elegantissima 

—  patagonica 
üvigerina  raricosta 

—  striata 

—  bifurcata 
Asterigina  monticula 
Cassidulina  crassa 

—  pupa 

—  pulchella 
Guttulina  Plancii 
Globulina  australis 
Bolivina  plicata 

—  costata 

—  punctata 
Biloculina  peruviana 
.    —    patagonica 

—  sphaera 

—  Isabelleana 


Malwinen. 

desgl. 
Cap  Hörn.  Malwinen. 


Patagonien. 

desgl. 
Malwinen. 

des^l. 


Patagonien. 
Malwunen. 

desgl. 

desgl. 
Patagonien. 
Cap  Hörn.  Malwinen. 
Malwinen. 


Patagonien, 
desgl. 


Patagonien. 

Malwinen. 

desgl. 


Valparaiso.  Cobija.  Cal- 

lao.  Payta. 
Valparaiso. 


Valparaiso. 

desgl. 
Cobija.  Ariea.  Payta. 
Arica. 
Valparaiso. 
Callao. 

desgl. 

desgl. 


Arica. 

Chili,     Cobija.     Arica. 

Callao.  Payta. 
Valparaiso. 
Payta. 
Valparaiso.    Callao. 

Payta. 
Valparaiso.  Callao. 
Cap  Hörn.  Valparaiso. 

Callao. 


Payta. 


Valparaiso. 
Cobija. 
Valparaiso. 
Payta. 


406 


Arten 


des  Atlantischen 


des  stillen  Oceans. 


Biloculina  irregularis 

—  Bougainvillii 
Triloculina  rosea 

-—    cryjitella 

—  lutea 

—  boliviana 

—  globulus 
Cruciloculina    triangu- 

laris 
Quinqueloculina   meri- 
dionalis 

—  patagonica 

—  Isabelleana 

—  magellanica 

—  peruviana 

—  flexuosa 

—  inca 

—  araucana 

—  cora 


Malwinen. 

desgl. 
Patagonien. 
Malwinen. 

desgl. 


Malwinen. 

Patagonien. 

desgl. 

desgl. 
Malwinen. 


Cobija. 
Payta. 


Arica. 

desgl. 

desgl. 
Valparaiso. 
Payta. 


Von  den  fünf  Foraminiferen  des  Cap  Hörn  sind  vier  der  i 
Fauna  des  Atlantischen  Oceans  eigenthiimlich.  Von  diesen 
vier  sind  zwei  häufig  an  den  Malwinen,  ohne  bis  zu  den  nörd- 
lichen Küsten  Patagoniens  hinabzureichen;  eine  findet  sich  an 
der  Küste  von  Patagonien,  ohne  sich  an  den  Malwinen  zu  zei- 
gen, und  eine  kommt  zugleich  an  beiden  Localitaten  vor.  Man 
sieht  also,  dafs  die  Foraminiferen  des  Cap  Ilorn  sich  in  den 
Atlantischen  Ocean  verbreiten,  indem  sie  der  Richtung  der 
Strömungen  folgen. 

An  den  Malwinen  kommen  38  Arten  vor,  eine  hohe  Zahl 
in  Betracht  der  südlichen  Lage  und  der  niedrigen  Temperatur 
dieser  Inseln,  welches  beweist,  dafs  die  Foraminiferen  in  allen 
Erdgegenden  und  bei  allen  Temperaturen  leben  und  sich  ver- 
vielfältigen können,  wenn  die  Oertlichkeit  ihnen  günstig  ist. 
Von  diesen  38  Arten  haben  sich  nur  fünf  auf  den  Küsten 
Patagoniens  bei  Rio  Negro  gezeigt.  Man  könnte  sich  dar- 
über wundern,  wenn  die  Strömungen,  welche  vom  Cap  Hörn 
ausgehen,  nicht  ein  wenig  gegen  den  südlichen  Theil  von  Ame- 
rika divergirten,  so  dafs  einer  von  beiden  Armen  den  Küsten 
des  Continents  folgte,  der  andere  durch  die  Malwinen  ginge, 
so  dafs  das  Wasser,   welches  diese  Inseln  bespült,   die  Conti- 


407 

nentalkiisten  nicht  wieder  berührt.  Es  folgt  daraus,  dafs  die 
Malwinen  und  Patagonien  nur  die  auf  allen  Küsten  verbreite- 
ten Arten  gemein  haben  können,  während  die  Malwinen  ihre 
eigenen  Arten  besitzen  können,  die  von  denen  des  Continents 
verschieden  sind.  Dies  ist  Thatsache,  da  man  dieser  eigen- 
thiimlichen  Arten  33  zahlt. 

An  der  Nordkiiste  Patagoniens  von  der  Bai  San  Blas  bis 
zur  Halbinsel  San  Jose,  also  vom  20^  —  23^  südlicher  Breite, 
hat  der  Verfasser  achtzehn  Arten  von  Foraminiferen  entdeckt, 
von  denen  sich  fünf  auch  an  den  Malwinen  finden;  es  bleiben 
also  dreizehn  Arten,  die  diesem  Theile  Amerika's  eigenthüm- 
lich  sind. 

Um  diese  Vergleichung  zu  verfolgen,  wenden  wir  uns 
nun  auf  die  entgegengesetzte  Seite  Amerika's.  Bei  Valparaiso, 
unter  dem  34°  südlicher  Breite  haben  vielfältige  Nachforschun- 
gen ergeben,  dafs  die  Zahl  der  Arten  nach  den  Localitäten 
ungeheuer  variirt.  In  dem  Sande  der  Bai  von  Valparaiso, 
wo  die  Schwäche  der  Strömung  vermuthen  lassen  sollte,  dafs 
die  leichten  Körper  sich  in  grofser  Menge  anhäufen  müfsten, 
fanden  sich  nur  zwei  Arten  von  Foraminiferen,  dagegen  jen- 
seit  der  Spitze  von  Cormillera,  wo  die  Strömung  sich  sehr 
fühlbar  macht,  ergab  die  Nachforschung  in  einer  Tiefe  von 
12 — 20  Metres,  auf  einem  mit  Korallen  bedeckten  Grunde 
eine  grofse  Anzahl  von  Foraminiferen.  Daraus  ergiebt  es 
sich,  dafs  die  Foraminiferen  zahlreicher  an  den  Orten  sind, 
wo  die  Strömung  mächtig  ist,  als  in  ruhigen  Busen.  Es  be- 
stätigt sich  auch,  dafs  diese  Differenz  mehr  von  der  natür- 
lichen Beschaffenheit  des  Bodens,  als  von  den  Strömungen 
abhängt,  indem  die  sandigen  und  schlammigen  Ufer  weniger 
günstig  für  die  Foraminiferen  sind,  während  die  korallenreichen 
Oerter  geeignet  sind,  die  Entwickelung  gröfserer  Massen  dieser 
Thiere  zu  fördern.  In  Chili  wurden  zwölf  Arten  Foramini- 
feren gesammelt,  von  denen  acht  dieser  Gegend  eigenthümlich 
sind.  Die  vier  andern  erstrecken  sich  nicht  nur  bis  an  die 
Küsten  von  ßolivia,  sondern  kommen  auch  noch  in  den  Ae- 
quatorialgegenden  vor.  Man  kann  annehmen,  dafs  gewisse 
Arten  sich  in  gewissen  Grenzen  der  Temperatur  halten,  wäh- 
rend  andere,  weniger  abhängig  von  der  Wärme,    durch    die 


408 

Strömungen  nach  allen  Ufern  des  südlichen  Amerika's  getra- 
gen werden. 

Wenn   man,   ohne   die  zwischenliegenden  Punkte  zu  be-     ! 
rücksichtigen,  die  Arten  von  Arica  mit  denen  von  Callao,  dem 
Hafen  von  Lima,  d.  h.  vom  12 — 15°  südlicher  Breite  vereinigt, 
um   sie  mit   denen  vom   34°    zu  vergleichen,    so   findet  man 
vierzehn,    von   denen   vier    auch   bei   Valparaiso  vorkommen, 
und  vier  sich  gegen  Norden   bis  Payta  und  bis  zum  Aequator    \ 
erstrecken.     Es    bleiben   also   nur    acht  Arten   eigenthümlich; 
was  beweist,    dafs  die  Foraminiferen   der  Peruanischen  Küste    i 
theils  mit  denen  der  gemälsigten  Gegenden  von  Chili  überein- 
stimmen,  theils  mit  denen  der  warmen  Gegenden   des  Aequa- 
tors,  theils  aber  auch  einige  besondere  Arten  darbieten.  ' 

Es  bleibt  noch  übrig,  von  den  Foraminiferen  der  Aequa- 
torialgegenden  zu  sprechen,  theils  von  denen  bei  Payta  in 
Peru,  theils  von  denen  an  der  Mündung  des  Guayaquil.  Es 
sind  dies  neun  Arten,  von  denen  vier  zugleich  den  bereits  er- 
wähnten Localitäten  angehören,  während  die  fünf  andern  die- 
sen Gegenden  eigenthümlich  sind. 

Es  ist  durch  die  Vergleichung  der  Arten  gezeigt  worden, 
dafs  die  beiden  Küsten  des  südlichen  Amerika  in  Hinsicht  auf 
die  Foraminiferen  zwei  durchaus  verschiedene  und  doch  gleich- 
zeitige Faunen  bilden.  Vergleicht  man  n\m  die  Arten  der 
südlichen  Küste  des  Atlantischen  Oceans  mit  denen  der  An- 
tillen oder  mit  der  Aequatorialfauna,  welche  hundert  und  acht- 
zehn Arten  enthält,  so  wird  man  unter  diesen  keine  der  Arten 
der  südlichen  Küste  finden,  und  obgleich  in  demselben  Ocean, 
werden  diese  beiden  Reihen  doch  durchaus  verschieden  sein. 
Dies  Resultat  findet  unmittelbar  seine  Anwendung  auf  die 
Geologie  der  tertiären  Terrains,  und  beweist,  dafs  in  geringen 
Abständen  auf  demselben  Continent  ganz  verschiedene  und 
doch  gleichzeitige  Faunen  bestehen  können.  Verschiedene 
Becken,  welche  verschiedene  Arten  enthalten,  können  also 
dennoch  derselben  Epoche  angehören. 

Nach  dieser  numerischen  Vergleichung  der  Arten  wetfen 
wir  noch  einen  Blick  auf  die  Vertheilung  der  Gattungen  in 
den  beiden  Faunen  des  südlichen  Amerika. 

In  der  Ordnung  Monostega  finden  wir,  dafs  die  Gattung 
OoliTUt,    so   gemein  und  so  zahlreich   an  Arten  an  den  Mal- 


409 

winen,   durch   keine    einzige  Art   an  den  Küsten  des  stillen 
Meeres  repräsentirt  wird. 

Die  Stichostega  liefern  uns  dasselbe  Resultat  auf  der  Ost- 
kiiste;  es  kommen  die  Gattungen  Dentalina  und  Marginulina 
vor,  während  sich  keine  Art  im  grofsen  Ocean  findet. 

Die  viel  zahlreicheren  Helicostega  sind  gleichförmiger 
vertheilt,  jedoch  hat  jedes  Meer  einige  besondere  Gattungen. 
Rohulina,  Polijstomella,  Pener oplis  und  Uvigerina  finden  sich 
nur   auf  der  Ostküste   an  den  Mal  winen    und  in   Patagonien; 

'  Valvulina  allein  kommt  nur  an  der  Westküste  in  Chili,  Bo- 
livia  und  Peru  vor;  Nofiionina,  Rotalina,  Glohigerinay  Trunca- 

i  tulina,  Rosalina,  Bulimina  sind  beiden  Meeren  gemeinschaftlich. 
,  Von  den  Entomostega  lebt  Asterigerina  auf  der  östlichen 

I  Küste  allein,  Cassidulina  auf  beiden  Seiten. 

Die  Enallostega  haben  die  Gattungen  Guttulina  und  Glo- 

\  hulina  im  Atlantischen  Ocean  allein ,  und  BoUviTia  ausschliefs- 
lich  im  grofsen  Ocean. 

Unter  den  Jgathistega  sieht  man  die  Gattung  Crucilocu- 
lina  im  Osten,  während  Biloculina^  Triloculina  und  Quinque- 

I  loculina  Bewohner  des  Osten  wie  des  Westen  sind. 

Fafst  man  dies  zusammen,  so  leben  von  den  vier  und 
zwanzig  Gattungen  des  südlichen  Amerika  zehn  auf  beiden 
Seiten  zugleich,  zwei  sind   dem   grofsen  Ocean  eigenthümlich 

\  und  zwölf  dem  Atlantischen  Ocean;  oder  was  dasselbe  ist,  es 
leben  zwei  und  zwanzig  Gattungen  auf  dem  Ufer  des  Atlan- 
tischen, und  nur  zwölf  auf  dem  des  grofsen  Oceans.  Fragen 
wir,  woher  diese  grofse  Differenz  in  der  Zahl  der  Arten,  und 
besonders  der  Gattungen  zwischen  den  beiden  Küsten  des  süd- 
lichen America  kommen  könne,  so  werden  wir  vielleicht  eine 
befriedigende  Lösung  der  Frage  in  der  eigenthümlichen  Be- 
schaffenkeit der  beiden  Ufer  finden.  In  der  That  sind  durch 
die  Nähe  der  Andes  die  Küsten  des  grofsen  Oceans  so  ab- 
schüssig, und  der  Abfall  ist  so  jähe,  dafs  schon  bei  einer  ge- 
ringen Entfernung  (eine  viertel  Lieue)  vom  Ufer  die  Tiefe 
unermefslich  ist;  deshalb  bleibt  den  Foraminiferen  nur  ein 
schmaler  Streifen,  ja  hier  und  da  können  sie  gar  nicht  leben. 
Auf  dem  Gestade  des  Atlantischen  Oceans  dagegen  setzt  sich 
die  sanfte  Abdachung  des.  Festlandes  von  den  Andes  bis  zum 
Meere   weit  auf  dem  Grunde   des  Oceans  fort,  so  dafs  man 


410 

auf  mehr  als  zwei  Grade  Entfernung  von  den  Küsten  noch 
eine  den  Foraminiferen  angemessene  Tiefe  findet.  Es  ist  also 
auf  dieser  Seite  von  Amerika  ein  breiter  Streifen,  auf  dem 
sich  die  Foraminiferen  fortpflanzen,  dessen  Fläche  mindestens 
den  zehnfachen  Raum  einnimmt.  Diese  doppelte  Thatsache 
schliefst  noch  die  Lösung  einer  sehr  wichtigen  Frage  in  sich, 
der  über  den  unbestreitbaren  Einflufs  der  Configuration  der 
Terrains  auf  die  Zusammensetzung  der  Reihe  von  Wesen, 
welche  sie  bewohnen,  und  eine  der  interessantesten  Anwen- 
dungen auf  die  Geologie  für  Erklärung  der  Difi'erenzen  zwi- 
schen den  Arten  fossiler  Schalen  zweier  gleichzeitigen  Ge- 
birgslagen. 

Das  reiche  Material  von  Cuba,  Haiti,  St.  Thomas,  .Ja- 
maica,  Martinique  und  Guadeloupe  gab  das  Resultat,  dafs  Cuba 
durch  seine  weite  Ausdehnung,  durch  seine  günstige  Lage  un- 
ter dem  Winde  und  in  den  Strömungen  von  allen  andern  In- 
seln, alle  Arten  von  Foraminiferen  auf  seinen  Küsten  ernährt, 
welche  man  auf  dem  Ufer  der  Antillen  findet,  während  die 
Cubanischen  Arten  nicht  gleichmäfsig  in  dem  übrigen  Theil 
des  Archipels  vertheilt  sind.  Ein  anderes  Resultat  ist,  dafs  an" 
Vielfältigkeit  der  Arten,  welche  man  in  Cuba  antrifft,  kein 
anderer  Ort,  mit  Ausnahme  des  Adiiatischen  Meeres,  ihm 
verseuchen  werden  kann.  Cuba  besitzt  hundert  und  achtzehn 
Arten,  den  zehnten  Theil  aller  derer,  welche  Verfasser  kennt. 

Die  Foraminiferen  der  Canarischen  Inseln,  drei  und  vier- 
zig an  der  Zahl,  sind  aus  zu  geringem  Material  zusammenge- 
bracht, als  dafs  man  nicht  eine  bei  weitem  gröfsere  Anzahl  in 
dieser  Localfauna  vermuthen  sollte.  In  Beziehung  auf  ihre 
geographische  Verbreitung  ergeben  sich  folgende  Resultate: 

Der  Foraminiferen  der  Canarischen  Inseln,  welche  zu- 
gleich die  Küsten  Frankreichs  bewohnen,  sind  sieben,  und  bil- 
den demnach  fast  den  sechsten  Theil  aller  Arten.  Man  kann^ 
sie  in  drei  Reihen  theilen  nach  ihrem  Vorkommen,  1)  an  den 
Küsten  des  Oceans  allein,  2)  an  den  Küsten  des  Mittelmeers, 
3)  an  den  Küsten  des  Oceans  und  des  Mittelmeeres.  In  der 
ersten  Abtheilung  haben  wir  keine  Art;  in  der  zweiten  sechs: 
Orhulina  universa,  Glohigeruiu  huUoides,  PlanorbuUna  vulgaris^ 
Truncatidina  variahilis  und  Textularia  sagittula;  in  der  drit- 
ten nur  eilie,  Truncatulifia  lohata,     ' 


411 

Hieraus  ergiebt  sich,   dafs,  mit  Ausnahme  der  Truncatu- 

lina  lohata,    welclie    weniger  abhängig  von   der  Temperatur 

[ist,  da  sie  bis  gegen  den  Nordpol  hin  vorkommt,  alle  nur  dem 

Mittelmeer  angehören.     Man  kann  daraus  schliefsen,   dafs  die 

Foraminifereu,  welche  man  an  den  Canarischen  Inseln  und  an 

der  Küste  Frankreichs  findet,  noch  in  einer  Abhängigkeit  der 

ifiir  sie  passenden  Zone  leben,   da  das  Mittelmeer  wärmer  ist, 

ials  seine  Breite  es  mit  sich  bringt;  dies  ist  eine  Folge  seiner 

(Lage  im  Schutze  vor  den  kalten  Strömungen  des  Nordens. 

Solcher  Arten  von  den  Canarischen  Inseln,  welche  auch 
an  anderen  Orten  vorkommen,  sind  vier:  Orhulina  universa, 
Ldngulina  carinataf  Planorhulina  vulgaris  und  Kosalina  val- 
imlata.  Diese  leben  auch  an  den  Antillen  und  scheinen  dem- 
nach den  tropischen  Gegenden  eigenthümlich  zu  sein,  oder 
sie  sind  durch  Winde  oder  SchiflFe  nach  der  Amerikanischen 
Küste  hinübergeführt. 

Noch  eine  andere  Abtheilung  Canarischer  Arten  bilden 
die,  welche  auch  fossil  in  Gebirgslagen  vorkommen.  Dahin 
gehören  sechs,  von  denen  fünf:  Orhulina  universa,  Lingulina 
carinata,  Glohigerina  lulloidesy  Truncatulina  lobata  und  Tex^ 
tularia  sagittula  in  den  subapenninischen  Tertiär- Terrains  in 
Italien  vorkommen,  und  die  drei  letzten  zugleich  auch  in  den 
Tertiär-Terrains  Oesterreichs  bei  Nussdorf  und  Buitur.  Diese 
Zahl  identischer  Arten  vermehrt  die  Annäherung  der  Cana- 
rischen Foraminifereu  zu  denen  des  Mittelmeeres;  denn  der 
gröfste  Theil  der  noch  in  diesem  Meere  lebenden  Arten  kommt 
auch  fossil  in  den  Tertiär -Terrains  von  Italien  und  Oester- 
reich  vor.  Es  bleibt  die  sechste  Art,  Quinqv^loculina  laevigata, 
übrig,  welche  sich  in  dem  tertiären  Becken  von  Paris  findet. 
Aufserdem  giebt  es  noch  drei  und  dreifsig  Arten,  welche 
den  Canarischen  Inseln  eigenthümlich  sind.  Im  Ganzen  haben 
diese,  wenn  gleich  specifisch  verschieden,  den  Habitus  derer 
des  Mittelmeers. 


Die  Foraminiferen  sind  sehr  kleine  microscopische ,  nicht 
angehäufte  Thiere,  mit  stets  gesonderter  individueller  Existenz. 
Sie  haben  einen  gefärbten  gallertartigen  Körper  y  der  entweder 
gan%  und  abgerundet,  oder  in  Abschnitte  getheilt  ist,  die  dann  in 


412 

einfacher  oder  alternir ender  Linie  liefen,  spiralförmig  aufge- 
rollt oder  mn  eine  Axe  geknättslt  sind.  Dieser  Körper  ist  in 
einer  kreidigen,  selten  knorpligen  Schale  e7it halten,  die  nach 
den  Segmenten  des  Thiers  gebildet  und  ihm  der  Form  nach 
"ganz  entsprechend  ist.  Aus  einer  oder  mehreren  Oeffnungen 
öder  Poren  des  letzten  Segmentes  der  Schale  treten  contractile, 
ungefärhte,  sehr  lange  ^  dünne,  get heilte  und  verästelte  Fäden 
hervor,  welche  %um  Kriechen  dierien^ 

Wenn  man  die  verschiedenen,  eben  aufgestellten  Chara- 
ctere  durchgeht,  so  wird  man  sehen,  dafs  wenn  gleich  mit  ei- 
ner individuellen,  deutlichen  und  gesonderten  Existenz  begabt, 
dennoch  nicht  alle  frei,  sondern  dafs  einige  stets  angeheftet 
sind  (^Truncatuli7ia ,  Planorhuli7ia  etc.'),  sich  anschmiegend  an 
die  Körper,  auf  denen  sie  ihr  Leben  begonnen  haben. 

Der  Körper  ist  sehr  verschieden,  jedoch  constant  in  jeder 
Art  gefärbt,  und  ist  gelb,  rothbraun,  braun,  roth,  violett  oder 
bläulich.  Seine  Consistenz  variirt  ebenfalls  nach  den  Arten 
und  er  scheint  aus  einer  Menge  kleiner  Kiigelchen  zusammen- 
gesetzt, welche  die  Färbung  geben,  und  von  einer  Haut  umhüllt 
sind,  die  den  ganzen  Körper  oder  die  einzelnen  Segmente  umgiebt. 
Zuweilen  ist  der  Körper  ganz,  rund,  ohne  Segmente,  wie  bei  den 
Gattungen  Gromia  und  Orhdina,  welche  gleichsam  den  Em- 
bryozustand der  andern  darstellen.  Sie  wachsen  ohne  Zweifel 
in  ihrem  ganzen  Umfange.  Wenn  der  KörpeT  in  Lappen  oder 
Segmente  getheilt  ist,  so  ist  das  erste  von  allen,  ähnlich  deiii 
beständigen  Zustande  der  Gromia,  rund  oder  länglich  eiförmig 
nach  den  Gattungen,  aber  einmal  gebildet,  vergröfsert  es  sich 
nicht  mehr,  bedeckt  sich  mit  kreideartiger  Masse  und  stellt 
mehr  oder  weniger  eine  Kugel  dar,  an  welche  sich  allmälig 
immer  gröfsere  ansetzen.  Die  Segmente  einer  Schale  sind 
nicht  gleichförmig  an  einander  gereiht,  sondern  sind  verschie- 
denartig angehäuft  oder  gewunden,  aber  äufserst  regelmäfsig, 
und  sie  folg^ui  in  ihrer  Anordnung  fast  mathematischen  Gesetzen. 

1)  Bei  einigen  sind  die  Segmente  in  eine  gerade  oder 
gebogene  Linie  geordnet,  allmälig  von  dem  ersten  bis  zum 
letzten  an  Gröfse  zunehmend. 

2)  Bei  andern  rollou  sich  diese  Segmente,  sich  an  ihren 
Enden  berührend,   schief  auf,    und   bilden   eine   thurmförmigc 


413 

Spira,   oder  sie  winden  sich  in  derselben  Ebene  und  bilden 
eine  regelmäfsige  Windung. 

3)  Bei  noch  anderen  rollen  sie  sich  nicht  auf,  sondern 
sie  wachsen  alternirend,  rechts  und  links  vom  ersten  Segmente, 
jederseits  von  einer  gedachten  Längsaxe. 

4)  Einige  Gattungen  stellen  eine  Vereinigung  der  beiden 
letzten  Arten  dar,  d.  h.  sie  sind  aus  alternirenden  Segmenten 
gebildet,  und  rollen  sich  dabei  im  Ganzen  in  einer  Spirale 
auf,  entweder  in  derselben  Ebene  oder  schief. 

5)  Endlich  knäueln  sich  die  Segmente  um  eine  Axe 
seitlich  der  Länge  nach  auf  zwei,  drei,  vier  oder  fünf  ent- 
gegengesetzten Seiten  {faces^^  nach  jedem  vollkommenen 
Umschlag  zurückkommend,  um  sich  genau  an  einander  anzu- 
schliefsen. 

Beim  Wachsthum  des  Körpers  legen  sich  also  die  Seg- 
mente auf  sechs  verschiedene  Arten  an  einander.  Von  diesen 
Modificationen  hängt  die  Verschiedenheit  der  Schale  ab,  welche 
als  Basis  der  Classification  dient. 

Die  Fäden  sind  bei  allen  Foraminiferen  der  Form  nach 
ähnlich,  aus  einer  farblosen  Masse  gebildet  und  durchsich- 
tig wie  Glas.  Sie  verlängern  sich  bis  zum  Fünf-  oder  Sechs- 
fachen des  Durchmessers  des  Körpers.  Mehr  oder  weniger 
zahlreich  theilen  sie  sich  auf  ihrer  Länge  in  Aeste,  welche 
sich  wiederum  verzweigen.  Diese  Verästelungen  heften  sich 
bei  den  freien  Arten  an  verschiedene  Körper,  und  haben  die 
Kraft,  die  Schale  nach  sich  zu  ziehen  und  so  fortzubewegen. 
Wenn  die  Fäden  der  Form  nach  einander  gleichen,  so  unter- 
scheiden sie  sich  in  ihrem  Durchmesser  und  besonders  in  der 
Lage.  Bei  allen  Agat/dstega,  einem  Theil  der  Enallostega^ 
einigen  Helicostega,  der  Gattung  Gromia  und  ohne  Zweifel 
bei  vielen  Stichostega  bilden  sie  ein  Bündel,  welches  aus  einer 
einzigen  Oeffnung  heraustritt  und  durch  dieselbe  eingezogen 
werden  kann.  Bei  Pe7ieroplis  und  Polystomella  gelien  die  Fä- 
den nur  durch  jede  der  kleinen  Oeffnungen  des  oberen  Theils 
der  letzten  Kammer.  Bei  Rosali?ia,  Glohigerina ,  Glohulina, 
Tnmcatulina ,  Planorhulina  gehen  sie  zuweilen  noch  durch 
eine  Oeffnung,  aber  aufserdem  durch  jede  der  zahlreichen 
Poren,  welche  die  letzten  Kammern  gleichsam  siebartig  ma- 
chen.    Ueberhaupt  erfüllen  sie  bei  den  Foraminiferen  dieselben 


414 

Functionen,  wie  die  zahlreichen  Tentakeln  der  Asterien;  sie 
dienen  dazu,  das  Thier  anzuheften,  und  sind  Organe  für  die 
Ortsbewegung.  Was  die  eben  angedeuteten  Verschiedenheiten 
anlangt,  so  mufs  man  ihnen  nicht  zu  viele  Wichtigkeit  bei- 
legen; denn  bei  einer  übereinstimmenden  Form  sieht  man 
Schalen  auf  ihrer  ganzen  Oberfläche  durchbohrt,  und  andere 
die  es  nicht  sind,  wobei  beide  sogar  noch  eine  durchaus  ähn- 
liche Oeffnung  der  letzten  Kammer  besitzen.  Es  kann  dies 
also  nur  einen  secundaren  Charakter  abgeben. 

Ernährungs-  und  Fortpflanzungs- Organe  sind  noch  nicht 
beobachtet  worden.  Wenn  man  voraussetzen  möchte,  dafs  bei 
den  Gattungen,  bei  welchen  aus  einer  Oeffnung  die  Fäden 
heraustreten,  die  Nahrung  durch  die  Zwischenräume  zwischen 
den  Fäden  absorbirt  würde,  so  kann  dies  doch  nicht  bei  den- 
jenigen Gattungen  stattfinden,  deren  letzte  Kammer  zuweilen 
geschlossen  ist,  und  deren  Fäden  durch  kleine  Poren  austre- 
ten. Man  könnte  also  glauben,  dafs  diese  Organe  selbst  zur 
Einnahme  von  Nahrung  dienen,  weil  man  nicht  weifs,  wie 
sich  diese  Thiere  anders  ernähren  sollten.  Die  kleinen  Röh- 
ren, welche  sich  an  den  Poren  gewisser  Arten  bilden,  geben 
vvenigstens  die  Gewifsheit,  dafs  die  Faden  kalkige  Massen  ab- 
sondern. Sie  sind  es  auch,  welche  die  Schale  von  aufsen 
auf  eine  so  merkwürdige  Art  mit  Kalk  überziehen,  wie  man 
es  bei  vielen  Foraminiferen  nach  der  Bildung  der  Kammern 
findet. 

Die  Textur  der  Schale  ist  verschieden,  und  diese  Ver- 
schiedenheit stimmt  fast  immer  mit  den  Abtlieilungen  nach  der 
Form  und  der  Art  des  Aneinanderfügens  der  Segmente  des 
Thieres  überein.  Sind  die  Segmente  angehäuft,  so  ist  die 
Schale  undurchsichtig,  von  dichter  Textur  wie  Porzellan  und 
ohne  irgend  eine  Spur  von  äufserer  Porosität;  sind  die  Seg- 
mente alternirend  und  die  Schale  gleichseitig,  oder  findet  ein 
spirales  oder  schiefes  Aufrollen  statt,  so  ist  sie  porös  und  be- 
sonders an  den  letzten  Kanuncm  von  einer  grofsen  Menge 
kleiner  Löcher  durchbohrt,  die  in  dem  Maafse,  wie  das  Thier 
ihrer  nicht  mehr  bedarf,  obliteriren,  und  oft  in  Röhren  vorste- 
hen. Weiui  die  Segmente  in  einer  graden  Linie  liegen,  oder 
sich  in  derselben  Ebene  spiralförmig  winden,  oder  wenn  sie 
mit  ungleichseitiger  Schale  alternirend  sind,  dann  sind  sie  fast 


415 

immer  durchsichtig,  fest  und  glasartig.  Es  giebt  gewifs  Aus- 
nahmen in  jeder  Abtheilung,  aber  im  Allgemeinen  gilt  das 
eben  angedeutete  Gesetz. 

♦  Die  Schalen  sind  meist  einfarbig,  entweder  weifs  oder 
gelblich.  Fast  alle,  deren  Kammern  sich  knäueln,  sind  milch- 
weifs,  bei  den  andern  kommen  alle  Übergänge  vom  vollkom- 
men glashellen  bis  zum  matten  Weifs  vor.  Bei  gewissen  Ar- 
ten der  Gattungen  Rotalina,  Rosalina,  Planorhulina,  Globigerina 
(ind  einiger  andern  sind  die  Schalen  gelb,  röthlich  oder  violet, 
immer  jedoch  der  Farbe  des  Thieres  entsprechend;  und  diese 
Farben  werden  um  so  lebhafter,  je  mehr  sie  sich  von  der  letz- 
ten Kammer  entfernen,  und  sich  der  erstem  nähern. 

Die  Schalen  sind  im  Allgemeinen  frei;  indessen  giebt  es 
auch  Ausnahmen,  wo.  die  Schale  an  einem  bestimmten  Punkt 
befestigt  ist,  sich  an  ihn  anschmiegt  und  seine  Form  annimmt. 
Dieser  Charakter  ist  jedoch  nur  secundär,  da  die  angehefteten 
Thiere  nicht  zu  leiden  scheinen,  wenn  man  sie  losreifst. 

Da  der  Körper  bei  allen  Thieren  von  gleicher  Masse  ge- 
bildet ist  und  gleiche  Fäden  hat,  so  kann  nur  die  Anordnung 
der  Segmente,  oder  das  Wachsthum  der  Kammern  der  Schale 
die  Grundlage  für  die  Classification  abgeben. 

Der  Verfasser  unterscheidet  nun  folgende  sechs  Ordnungen : 

1)  Monostega:  Nur  eine  knorplige  oder  kalkige  Kammer 
in  allen  Alterszuständen. 

2)  Stichostega:  Die  Kammern  sind  in  einer  geraden  oder 
gekrümmten  Linie  aneinandergereiht,  ohne  sich  aufzurollen. 

3)  Helicostega:  Die  Kammern  in  einer  Axe  aneinander- 
gereiht, und  spiralförmig  aufgewunden. 

4)  Entomostega :  Die  Kammern  alternirend  auf  zwei  Axen, 
und  das  Ganze  ist  in  einer  Ebene  oder  schief  aufgerollt. 

5)  Enallostega:  Die  Kammern  liegend  alternirend  in  zwei 
oder  drei  Axen,  ohne  sich  aufzurollen. 

6)  AgatJiistega:  Die  Kammern  sind  auf  mehreren  Seiten 
um  eine  gemeinsame  Axe  aufgewickelt,  so  dafs  jede  die  Hälfte 
des  Umfanges  bildet. 

Obgleich  ihrer  inneren  Organisation  nach  weniger  entwik- 
kelt  als  die  Echinodermen,  Polypen  und  selbst  manche  Infusions- 
thiere,  so  nehmen  sie  doch  durch  ihre  Fäden  Theil  an  der  Art 
der  Ortsbewegung  der  erstercn,  stehen  höher  als  die  Polypen 


416 

durch  ihre  isolirte,  nicht  geliäuftc  und  freie  Existenz,  und  zei* 
gen  viele  Beziehungen  in  der  organischen  Zusammensetzung 
mit  den  letzteren,  bei  denen  man  jedoch  nie  eine  so  grofse 
Regelmäfsigkeit  in  der  Schale  und  in  der  Anordnung  der  Theile 
findet.  Deshalb  glaubt  Verf.  sie  als  eigene  Klasse  betrachten  i 
zu  müssen,  und  er  weist  ihnen  ihren  Platz  unter  den  Strahl- ^ 
thieren  Cuvier's  oder  den  Actinozoaires  Blainville's  an, 
und  stellt  sie  zwischen  die  Echinodermen  und  Polypen. 

Erste   Ordnung. 

Mo7iostega. 

Die  Schale  ist  nur  aus  einer  kalkigen  oder  häutigen  Kam- 
mer gebildet.  Die  Kammer  ist  hohl  und  mit  einer  Oeffnung 
versehen. 

Genus  1.     Gromia  Duj. 

Schale  häutig,  frei,  regelmäfsig,  kuglig,  hohl,  mit  einem 
sehr  kurzen  Halse.  Die  Fäden  treten  aus  dieser,  und  dienen 
wie  Fiifse.  Das  Innere  ist  mit  einer  gallertartigen  Masse  an- 
gefüllt. 

Eine  Art  an  den  Europäischen  Küsten. 
Genus  2.     Orhulina  d'Orh. 

Schale  frei,  regelmässig,  kuglig,  hohl,  überall  durchbohrt] 
von  einer  grossen  Anzahl  kleiner,   nur  bei  starker  Vergröfse- 
rung  sichtbarer  Löcher.     Oeffnung  klein,  rund. 

1.  0.  universa  d'Orb,  testa  bullata,  sphaerica,  tenui,  irre- 
gulariter,  minutissime   perforata;  apertura  circulari.   \  Millim. 
Gelblich  weiss.  Mittelmeer,  Canarische  Inseln,  Antillen,  Indien. 
Genus  3.     Oolina  d'Orb. 

Schale  frei,  regelmäfsig  oval,  länglich  oder  gedrückt,  hohl, 
glasartig,  nicht  durchbohrt.  Oeffnung  klein,  am  Ende  einer 
vorderen  Verlängerung. 

1.  O.  compressa  d'Orb.  testa  suborbiculari,  antice  subacu- 
minata,  alba,  laevigata,  compressa,  margine  limbata;  apertura 
minima.  \  Mill.  Malwinen,  Patagonien. 

2.  0.  laevigata  d'Orb.  testa  ovata,  laevigata,  alba,  antice 
acuminata,  postice  rotunda;  apertura  acuminata,  marginata. 
\  Mill.   Malwinen 


h 


417 

3.  0.  Vilardehoana  cVOrb,  testa  ovata,  inflata,  alba,  antice 
acuminata;  postice  rotunda,  longitudinaliter  costata;  costis  ele- 
vatis,  plus  viginti  numero;  apertura  acuminata.  ^  Mill.  Mal- 
winen. 

4.  0.  caudata  ,d^Orh.  testa  elongata,  subfusiformi ,  antice, 
laevigata,  angustata,  postice  longitudinaliter  striata,  inflata,  cau- 
data;  apertura  elongata.  -^  Mill.  Malwinen. 

5.  0.  Isabella  d'Orh.  testa  globulosa,  alba,  antice  acumi- 
nata, postice  rotunda,  longitudinaliter  costata,  costis  elevatis 
tredecim  ornata;  apertura  elongata  conica.  \  Mill.  Malwinen. 

6.  0.  melo  d'Orl.  testa  globuloso- ovata,  alba,  diaphana, 
longitudinaliter  variolata,  antice  subacumiuata,  postice  rotunda; 
apertura  rotunda,  obtusa.  ^  Mill.  Malwinen. 

7.  0.  raricosta  d'Orlj.  testa  ovata,  alba,  antice  acumi- 
nata, postice  subtruncata,  longitudinaliter  costata;  costis  acto 
vel  novem  elevatis  ornata;  apertura  rotunda,  acuminata.  -g-MilL 
Malwinen. 

8.  0.  striata  d'Orh.  testa  subsp  aerica,  alba,  antice  elon- 
gata, angustata,  postice  rotundo-obtusa,  longitudinaliter  minute 
striata;  apertura  elongatisskna,  subcylindrica.  3^ Mill.  Malwinen. 

9.  0,  inornata  d'Orh.  testa  ovato-gibbosa,  glabra,  alba, 
translucida,  antice  posticeque  obtusa;  apertura  brevii  \  Mill. 
Malwinen. 

10.  0.  striaticollis  d'Orh.  testa  ovata,  laevigata,  nitida, 
alba,  antice  elongata,  acuminata,  postice  obtusa,  aculeata,  lon- 
gitudinaliter striata;  apertura  elongatissima,  oblique  striata. 
\  Mill.  Malwinen. 

Zweite   Ordnung. 

Stichostega. 

Die  Kammern  in  einer  geraden  oder  gebogenen  Linie  mit 
ihren  Enden  an  einander  gereiht.     Keine  Spirale. 

Erste    Familie. 
Aequilateridae, 

Erste  Abtheilung.   Eine  centrale  Oeffnung. 

Genus  1.   Nodosaria  Lam, 
Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  länglich,  oval,  conisch, 

Wiegmann's  Archiv.  VI.  Jahrg.  1,  Bd.  27 


418 

oder  cylindrisch.  Die  meist  kugligen  Kammern  in  einer  gera- 
den oder  gebogenen  Axe  an  einander  gereiht,  und  so  variiren, 
dafs  sie  sich  bald  fast  ganz  bedecken,  bald  durch  Einschnürun- 
gen getrennt  sind.     Mündung  rund,  central. 

Subgenus  1.     Glandulina  d'Orh. 

Schale  eiförmig,  kuglig;  die  Kammern  kuglig,  sich  fast 
ganz  bedeckend,  die  letzte  immer  convex  und  vorgezogen; 
Axe  central  und  gerade,  Oeffnung  rund,  klein,  am  Ende  einer 
Verlängerung  der  letzten  Kammer. 

Vier  Arten,  von  denen  zwei  im  Adriatischen  Meere,  eine 
in  Indien,  die  vierte  fossil  von  Kaienberg  in  Oesterreich. 

Subgenus  2.     Nodosaria. 

Schale  verlängert,  gerade,  abgerundet  oder  deprimirt,  co- 
nisch oder  cylindrisch;  Kammern  kuglig  mit  tiefen  Einschnü- 
rungen zwischen  sich,  die  letzte  immer  convex,  oft  verlängert. 
Oeffnung  am  Ende  eines  Vorsprunges  der  letzten  Kammer. 

1.  iV.  rugosa  dOrh.  testa  elongata,  conica,  recta,  alba; 
loculis  quinis  globosis,  rotundatis,  rugoso-asperis,  disjunctis; 
apertura  stellata,  prominula.  1  Mill.  Antillen. 

2.  N.  punc^ita  d'Orh.  testa  elongata,  subarcuata,  alba; 
loculis  octonis  globosis,  rotundatis,  aequalibus,  punctatis,  mi- 
nime  distinctis;  apertura  rotundata,  subelevata.  1  Mill.  Antillen. 

3.  N.  Candei  d'Orh.  testa  elongata,  recta,  alba,  antice 
prolongata,  postice  acuminata;  loculis  trinis  pyriformibus,  in- 
aeqnalibus,  longitudinaliter  striatis;  apertura  rotundata.  \  Mill. 
Antillen. 

4.  N.  Cateshyi  d'Orh.  testa  brevi,  recta,  alba,  antice  elon- 
gata, postice  acuminata;  loculis  binis  pyriformibus,  inaequali- 
bus,  longitudinaliter  costatis;  costis  tredecim  acutis,  distinctis; 
apertura  elongata,  radiata.  \  Mill.  Antillen. 

5.  N.  striaticollis  d'Orh.  testa  elongata,  recta,  albida,  an-  \ 
tice  prolongata,  postice  !?ubacuminata,  loculis  quinis  pyriformi- 
bus, inaequalibus,  longitudinaliter  minute  costatis;  apertura  i 
rotunda;  siphone  elongato,  oblique  costato.  ^  Mill.  Canarische  i 
Inseln. 

Subgenus  3.     Dentalina  d'Orh. 

Schale  verlängert,  gebogen,  conisch  oder  deprimirt.     Die 


419 

Kammern  kuglig,  oft  schief,  sich  zum  Theil  bedeckend,  die 
letzte  immer  convex  und  oft  verlängert;  die  Einschnürungen 
zwischen  ihnen  nicht  sehr  stark.  Die  Axe  immer  gebogen.  Die 
seitliche  Convexität  der  Oeffnung  entgegengesetzt;  die.  Oeff- 
nung  rund,  terminal,  meist  ohne  Vorsprung,  und  ein  wenig 
zur  Seite  liegend. 

1.  D.  acutissima  d'Orh,  testa  elongata,  arcuata,  laevigata, 
nitida,  alba,  antice  obtusa,  pöstice  acuminata,  acutissima;  locu- 
lis  numerosis,  lateraliter  semi-distinctis;  apertura  rotunda,  sim- 
plici.  5  Millim.  Malwinen. 

Subgenus  4.     Orthocerina  d'Orb. 

Schale  conisch;  die  Kammern  nicht  convex,  ohne  Ein- 
schnürung und  ohne  überzugreifen,  die  letzte  fast  eben,  ohne 
Endverlängerung.    Oeffnung  in  der  Mitte  der  letzten  Kammer. 

1.  0.  quadrilatera  d'Orb.  testa  conica,  brevi,  quadrilatera, 
subarcuata,  luteo-albida,  postice  obtusa,  supra  subplana;  locu- 
lis  numerosis,  crescentibus,  quadrilateribus ,  irregulariter  pun- 
ctatis;  apertura  rotunda,  minima,  centrali.  \  Millim.  Antillen. 

Genus  2.     Frondicularia  Defrance. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  oblong  oder  rhom- 
boidal, seitlich  stark  zusammengedrückt.  Kammern  deprimirt, 
jede  einen  Halbkreis  oder  die  beiden  Seiten  eines  Dreiecks, 
dessen  Spitze  oft  verlängert  ist,  bildend,  die  erste  immer  oval 
und  regelmäfsig.  Axe  gerade.  Eine  runde  Oeffnung  an  der 
vorderen  Spitze  des  Winkels,  den  jede  Kammer  bildet. 

Die  Arten  sind  lebend  oder  fossil  in  Italien  und  bei  Paris. 

.  Genus  3.   Lingulina  d'Orh. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  länglich,  zusammen- 
gedrückt. Kammern  zusammengedrückt,  sich  theil  weise  be- 
deckend, die  letzte  sehr  convex  ohne  Vorsprung.  Axe  gerade. 
Eine  mittlere  Endöffnung  als  Querspalte  auf  der  oberen  Con- 
vexität der  letzten  Kammer.     Textur  glasig. 

1.  L.  carinata  d'Orh.  testa  oblongo- elongata,  compressa, 
carinata,  nitida,  laevigata,  translucida,  antice  rotundata,  postice 
cuneata,  loculis  numerosis,  inaequalibus ;  apertura  lineari,  trans- 
versali.  3  Millim.  Teneriffa.  Antillen. 

27* 


420 

Genus  4.     Rimtilt?ia  (TOrh. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  verlängert,  gebogen, 
Kammern  wenig  kuglig,  schief,  sich  theilvveise  bedeckend,  ohne 
Einschnürung;  die  letzte  convex,  die  Axe  gebogen,  die  Con- 
vexität  auf  der  Seite  der  Oeffnung.  Die  Oeffnung  als  Längs- 
spalte, seitlich,  fast  die  ganze  Länge  der  letzten  Kammer  ein- 
nehmend. 

Nur  eine  Art  im  Adriatischen  Meere. 

Genus  5.     Vaginulina  (TOrh. 

Schale  frei,  verlängert,  gleichseitig,  conisch,  deprimirt  oder 
winklig.  Die  Kammern  an  einander  gereiht,  ohne  überzugreifen, 
ein  wenig  schief,  ohne  je  die  Neigung  zur  Spirale  zu  zeigen, 
die  letzte  immer  abgestutzt,  concav  und  ohne  Vorsprung. 
Oeffnung  rund,  marginal,  in  der  Concavität,  immer  in  einem 
vorspringenden  Winkel  der  Schale. 

Acht  Arten  im  Adriatischen  Meere. 

Genus  6.     Marginidina  cVOrh. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  verlängert,  gebogen, 
oft  krückenartig  nach  hinten  umgebogen.  Kammern  kuglig, 
sich  zum  Theil  bedeckend,  die  letzte  immer  convex,  oft  in 
einen  Sipho  verlängert,  die  ersten  nach  hinten  aufgewunden 
und  bei  einigen  Arten  mit  einem  Anfang  einer  Spiralen  Auf- 
rollung. Axe  gebogen,  die  Convexität  auf  derselben  Seite  mit 
der  Oeffnung.  Oeffnung  rund,  meist  am  Ende  eines  Vor- 
sprungs der  letzten  Kammer  am  Rande. 

1.  M.  Wehbkma  'iVOrh.  testa  elongata,  arcuata,  compres- 
siuscula,  laevigata,  translucida,  nitida,  antice  acuminata,  postice 
curvato-obtusa;  loculis  numerosis,  inaequaliter  obliquis;  aper- 
tura  rotunda,  peripheria  radiata.  1  Mill.  Teneriffa.  Malwinen. 

2.  M.  Berthelotiana  cTOrh.  testa  oblonga,  arcuata,  cylin- 
drica,  subpunctata,  albida,  antice  acuminata,  postice  obtusa; 
loculis  quatuor  convexis,  globuloso-pyriformibus;  apertura  ro- 
tunda. \  Mill.  Teneriffa. 

Zweite  Abtheilung.    Mehrere  Oeffnungen. 
Genus  7.     Conulina  dOrh. 
Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,   conisch.     Kammern 


421 

an  einander  gereiht,  ohne  überzugreifen,  die  letzte  oben  fast 
eben  und  ohne  Vorsprung.  Oeffnungen  zahlreich  auf  dem  obe- 
ren Theil  der  letzten  Kammer. 

i.  C.  conica  iVOrh.  testa  conico-oblonga,  recta,  crassa, 
albida,  postice  acuminata,  antice  truncata,  subplana;  loculis 
numerosis,  angustatis;  aperturis  numerosis,  rotundis«  3  Millim. 
Cuba. 

Genus  8.    Pavonina  d'Orh. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  fast  kreisförmig  oder 
fächerförmig,  zusammengedrückt.  Kammern  concentrisch,  nie- 
dergedrückt, jede  zum  Theil  einen  Kreisbogen  bildend.  Axe 
gerade.  Oefifnungen  rund,  zahlreich  in  einer  Querlinie  über 
den  ganzen  oberen  Theil  der  letzten  Kammer. 

Eine  Art  bei  Madagascar. 

Zweite    Familie. 
Inaequilateridae. 

Genus  9.     Wehbina  dVrh. 

Schale  fest,  unregelmäfsig,  ungleichseitig,  verlängert,  gebo- 
gen, oben  convex,  unten  eben;  Kammern  deprimirt,  oben  con- 
vex,  unten  eben,  oval,  sich  an  ihren  Enden  nur  oben  bedek- 
kend;  jede  bildet  die  Hälfte  einer  Kammer  der  vorigen  Gat- 
tungen. Axe  gewunden.  Eine  runde  Oeffliung  am  Ende  der 
letzten  Kammer,  ganz  seitwärts  von  der  Läugsaxe. 

1.  W.  rugosa  d'Orh.  testa  depressa,  elongata,  contorta, 
albida,  supra  convexo-rugosa,  subtus  complanata,  loculis  tribus, 
pyriformibus ;  apertura  rotuuda,  peristomate  clevato,  incrassato. 
^  Millim.  Teneriflfa. 

Dritte  Ordnung. 

Helicostega. 

Kammern  in  einer  Axe  aneinandergereiht,  eine  regel- 
nȊfsige  Spiralwindung  bildend.  Die  Spira  schief  oder  iii  einer 
Ebene  gewunden. 


422 

Erste  Familie. 

Nautiloidae. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig;  Spira  regelmäfsig, 
in  derselben  Ebene  gewunden.  Schale  glasig,  durchsichtig  oder 
undurchsichtig. 

Erste  Abtheilung.    Eine  Oeffnung,  Textur  glasig, 

durchsichtig. 

Erste  Gruppe.  Oeffnung  am  "Winkel  des  Kiels. 
Genus  1.  Cf'istellaria  ham. 
Schale  länglich  oder  oval,  zusammengedrückt,  oft  gekielt, 
glänzend  und  glasartig,  häufig  oberhalb  mit  Wülsten  oder 
Höckern  bedeckt.  Spira  ganz  übergreifend,  bisweilen  kaum 
aus  einer  oder  einer  halben  Windung  zusammengesetzt.  Kam- 
mern zusammengedrückt,  verlängert,  oft  sich  an  die  vorige 
Windung  genau  anschiiefsend ,  oder  etwas  schief.  Oeffnung 
rund,  am  Kielwinkel  der  Kammern,  entgegengesetzt  der  vori- 
gen Windung. 

1.  C.  Saulciß  d'Orh.  testa  oblongo-elongata,  convexa, 
subcarinata,  antice  laevigata,  postice  costata;  loculis  octouis, 
oblongatis,  duobus  ultimis  laevigatis;  suturis  elevatis;  umbilico 
convexo;  apertura  simplici.  f  Millim.  Teneriffa. 

2.  C.  Berthelotiana  d'Orh.  testa  elongata,  angulata,  com- 
pressa,  laevigata,  alba,  nitida,  margine  rotundato-integra ;  locu- 
lis decem  elongatis,  ultimo  supra  convexo,  duobus  ultimis 
projectis,  suturis  complanatis,  apertura  simplici.  1  Mill-  Te- 
neriffa. 

3.  C.  gihha  d'Orh.  (Tabl.  d.  Ceph.  p.  126)  testa  oblongo- 
convexa,  inflata,  subcarinata,  laevigata,  nitida,  flavescente;  locu- 
lis decem,  elongatis,  arcuatis,  ultimo  supra  subconcavo,  limbato; 
suturis  complanatis;  umbilico  impresso;  apertura  marginata, 
radiata.  \  Mill.  Antillen,  Mittelmeer. 

4.  C.  crepidula  (tOrh,  (Nautilus  crepidulus  Fichtel,  Poly- 
stomella  niargaritacea  Blainv.,  Planularia  crepidula  d'Orb.  Tabl. 
d.  Ceph.  p.  94.)  testa  oblongo-compressa,  laevigata,  nitida,  alba, 
margine  rotundata,  integra;  loculis  decem,  elongatis,  minime 
arcuatis,  ultimo  supra  convexo;  suturis  complanatis;  apertura 
simplici.  4  Mill.  Antillen. 


423 

Genus  2.     Flahellina  d'Orb. 

Schale  sehr  zusammengedrückt,  oval  oder  länglich,  fest, 
oft  mit  Wülsten  bedeckt.  Spira  anfangs  regelmäfsig,  in  der 
Jugend  übergreifend,  später  in  eine  breite,  comprimirte,  wink- 
lige Fläche  sich  vorstreckend.  Kammern  zusammengedrückt, 
sich  an  die  vorige  Windung  anschliefsend,  bei  vorschreitendem 
Alter  sich  in  verkehrten  Winkelhaken,  die  in  einer  Linie  ge- 
reiht sind,  vorstreckend.  Oeffnung  in  der  Jugend  rund  und 
am  Kielwinkel,  später  am  Ende  des  durch  die  Haken  gebilde- 
ten vorspringenden  Winkels. 

Fünf  fossile  Arten  in  der  Kreide. 

Genus  3.     Rohulina  d'Orh, 

(Phoneme,  Pharame,  Herione,  Clisiphonte,  Patrocle,  Lampadie, 
Antenore,  Robule,  Rhi?iocure,  Sphincterule  Montfort;  Lenticu- 
Una,  Polystomella  Blainv.) 

Schale  fast  kreisförmig,  stark  comprimirt,  gekielt,  glas- 
artig,  glänzend.  Spira  immer  übergreifend.  Kammern  ver- 
längert, sich  an  den  Umbilicaltheil  der  vorigen  Windung  an- 
schliefsend. Oeffnung  dreieckig  als  Längsspalte,  am  Kielwinkel 
der  Kammern. 

1.  R.  sulcultrata  d'Orb.  (R.  canariensis  Foram.  d.  Cana- 
ries  p.  127)  testa  orbiculato-compressa,  laevigata,  nitida,  alba, 
carinata:  carina  brevi,  non  secante;  loculis  quinque  vel  sex 
arcuatis,  ultimo  supra  complanato;  suturis  complanatis;  disco 
umbilicali  magno;  apertura  triangulari,  antice  radiata.  \  Mill- 
Teneriffa.  Malwinen. 

Zweite   Gruppe,     Oeffnung  in   der  Nähe   der  vorigen 

Windung. 

Genus  4.     Nonionina  d'Orh. 

(JSonione,  Melonie,  Cancride^  Florilie ,  Chrysole,  Macrodite 
Montfort;  Cristellaria  Lam.-,  Polystomella,  Lenticulina  Blainv.) 

Schale  fast  kreisförmig,  blasig  oder  zusammengedrückt, 
Rücken  abgerundet,  nicht  gekielt,  meist  glasig  und  glänzend. 
Spira  immer  übergreifend.  Kammern  gebogen,  sich  immer  an 
die  vorige  Windung  und  an  das  Umbilicalcentrum  anschliefsend, 
Oeffnung  als  Querjpalte  in  jedem  Alter. 


424 

1.  N.  steUigera  d'Orh,  testa  suborhiculato  -  compressa, 
punctata,  alba,  umbilicata,  margine  rotundata;  lateraliter  steUi- 
gera; loculis  novem  arcuatis,  convexis,  in  umbilico  articulatis; 
ultimo  convexo,  rotundo;  suturis  excavatis;  apertura  angustata. 
\  Millim.  Teneriffa. 

2.  N.  Canariensis  d'Orh.  testa  suborbiculata,  compressa, 
rugosa,  flavescente,  umbilicata,  margine  rotundato,  non  integro. 
Loculis  sex  convexo  -  inflatis ;  ultimo  convexo.  \  Mill.  Te- 
neriffa. 

3.  N.  Broivnii  (TOrh.  testa  oblonga,  compressa,  subrugosa, 
alba,  margine  rotundato  -  subincisa ;  loculis  novem,  elongatis, 
arcuatis,  convexis,  in  umbilico  articulatis,  ultimo  convexo,  su- 
turis excavatis;  apertura  angustata,  lineari.  \  Millim.  Cuba, 
Jamaica. 

4.  N.  Grateloupii  d'Orb.  testa  elongato-compressa,  nitida, 
alba,  laevigata,  margine  integra;  loculis  decem  elongatis,  mi- 
nime  arcuatis,  simplici  ultimo  supra  subcomplanato ;  suturis 
planis.  \  Millim.  Antillen. 

5.  N.  Sloanii  d'Orh.  testa  oblonga,  compressa,  nitida,  alba, 
laevigata,  margine   minime  incisa;   loculis  tredecim   elongatis, 
arcuatis,  subcomplanatis,  ultimo  supra  convexo;  suturis  minime i 
excavatis.   \  Millim.   Cuba,  Jamaica,  fossil  im  Sande  der  Um- 
gegend von  Dax. 

6.  N.  pelagica  d'Orh.  testa  orbiculato-globulosa,  tuberosa, 
rugosa,  aculeata,  flava,  convexa,  inflata,  margine  profunde  secto;| 
loculis  quinis  triangularibus,  convexis,  ultimo  supra  convexis- 
simo-rotundato,  suturis  profunde  excavatis;  umbilico  depresso. 
•|- Millim.  Im  hohen  Meer,  sehr  entfernt  von  der  Küste  Peru's;J 
20«  siidl.  Br.  89«  westl.  L.  von  Paris. 

?♦  N.  punctulata  d'Orh.  testa  ovato-compressa,  punctulata, 
alba,  margine  subintegra,  rotunda;  loculis  numerosis,  elongatis, 
angustatis,  minime  arcuatis,  simplicihus,  ultimo  supra  convexo; 
suturis  excavatis.  \  Millim.  Malwinen. 

8.    N.    suhcarlnata   d'Orh.    testa    suborbiculari,    laevigata,, 
alba,  convexa,  margine  integra,   subcarinata;  loculis   sex  trian- 
gularibus, planis,  ultimo  supra  subcomplanato,  suturis  non  ex- 
cavatis; umbilico  nullo;   apertura  angustata,  lineari.  \  Millim. 
Malwinen. 


425 

Genus  5.    Nummulina  iVOrh, 

Schale  kreisförmig  oder  scheibenförmig,  zusammengedrückt, 
dick,  aufsen  kalkig.  Spira  mehr  oder  weniger  übergreifend,  mit 
sehr  genäherten  und  zahlreichen  Windungen.  Kammern  klein, 
kurz,  genähert,  sehr  zahlreich,  die  letzte  springt  in  der  Jugend 
vor,  bei  alten  Exemplaren  ist  sie  wenig  deutlich.  Oeffnung 
quer  linear,  oft  im  Alter  maskirt. 

Subgenus  1.    Siderolina  (TOrh. 
{Siderolites  Montf.  Lam.) 

Die  Windungen  in  allen  Alterszuständen  übergreifend. 
Schale  angeschwollen,  im  Umkreise  mit  verlängerten  Anhängen 
versehen,  die  im  Innern  die  Folge  der  Kammern  unterbrechen. 
Oeffnung  maskirt. 

Zwei  Arten  in  der  Kreide  von  Maestricht. 

Subgenus  2.     Nummulina  d'Orh. 

Die  Windungen  immer  übergreifend.  Schale  comprimirt, 
ohne  Anhänge  am  Umfange;  Folge  der  Kammern  nicht  unter- 
brochen. Oeffnung  an  der  vorigen  Windung,  deutlich  in  der 
Jugend. 

Alle  Arten  fossil  in  der  Kreide.  Die  grösste  Aegyptische 
Pyramide  ist  aus  einem  Felsen  erbaut,  der  ganz  aus  ihnen  be- 
steht. 

Subgenus  3.     Ässilina  d'Orh. 

Die  Windungen  nur  in  der  Jugend  übergreifend,  ohne  An- 
hänge am  Umfange.  Oeffnung  an  der  vorigen  Windung,  oft 
sichtbar. 

Zwei  lebende  Arten  aus  dem  rothen  Meer  und  von  Ra- 
wack;  drei  fossile  in  der  Kreide, 

Genus  6.     Operculina  d'Orb. 
{Lenticulites  Basterot.) 

Schale  oval  oder  scheibenförmig,  sehr  comprimirt.  Spira 
nicht  übergreifend,  regelmäfsig,  auf  beiden  Seiten  gleich  sicht- 
bar, schnell  zunehmend.  Kammern  zahlreich,  eng,  die  letzte 
springt  in  allen  Alterszuständen  in  der  ganzen  Breite  der  Spira 
vor.  Oeffnung  dreieckig,  an  der  vorigen  Windung,  nie  maskirt. 


426 

1.  0.  incerta  d'Orb.  testa  orbiculato-compressa,  lateraliter 
concava,  laevigata,  flavescente,  margine  rotntidata;  spira  regu- 
lär!, anfractibiis  octo,  cylindricis,  suturis  excavatis.  -jö  Millim. 
Cuba,  Martinique. 

Pritte  Gruppe.  ,  Die  Oeffnuiig  nimmt  die  ganze  Breite  der 

letzten  Kammer  ein. 

Genus  7.     Vertehralina  d'Orb. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  sehr  comprimirt,  meist  ungleich- 
seitig, auf  einer  Seite  mehr  convex  als  auf  der  andern,  fast 
kreisförmig  oder  verlängert,  fast  ohne  Löcher.  Spira  nur  in 
der  Jugend  übergreifend,  später  in  gerader  Linie  vorragend. 
Zwei  oder  drei  Kammern  in  jeder  Windung,  bevor  sie  vorra- 
gen, immer  oben  in  einen  Wulst  endigend,  der  die  einzige 
Oeffnung,  welche  die  ganze  obere  Breite  einnimmt,  begrenzt. 

1.  V.  cassis  d'Orh.  testa  cassiformi,  compressima,  carinata, 
cultrata,  alba;  loculis  duobus  minime  convexis,  longitudinaliter 
striatis,  margine  limbatis,  carinatis,  postice  dilatatis,  antice 
truncatis;  apertura  elongata,  late  marginata.  \  Mill.  Cuba. 

2.  V.  mucronata  d'Orl.  testa  elongata,  compressissima, 
alba;  loculis  tribus  convexis,  longitudinaliter  costatis,  margine 
rotundata,  postice  inflatis,  antice  dilatatis,  lateraliter  mucrona- 
tis;  apertura  elongata,  angustata.  \  Mill.  Antillen. 

Zweite  Abtheilung.     Mehrere  Oe  ff  nun  gen. 

Erste   Gruppe.      Kammern   einfach,  mit   einer  einfachen 

Höhle. 

Genus  8.     Polystomella. 

{Andromede,  Cellulie,  SporuUe,  Themeoiie,  Pelore,  Geopone, 
Elphide  Montfort;  Polystomella,  Vortidalis  Lam.  Blainv,,  Poly- 
stomella d'Orb.) 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  fast  kreisförmig,  com- 
primirt, Rücken  oft  gekielt.  Spira  übergreifend.  Kammern 
mit  einer  Höhle,  gebogen  oder  grade,  sich  immer  bis  zum  Um- 
bilicalcentnuYi  an  die  vorige  Windung  anschliefsend,  immer 
zwischen  den  Näthen  oder  auf  den  Näthen  mit  (Juergruben 
versehen.     Oeflfnungen  zahlreich,  zerstreut,  als  Einfassung  oder 


427 

ein  Dreieck  auf  dem  oberen  Theil  der  letzten  Kammer  bildend, 
und  noch  offen  in  den  Gruben  der  letzten  Nathe. 

1.  P.  Berthelotiami  d'Orh.  testa  suborbiculato  -  convexa, 
alba;  margine  carinata,  loculis  viginti  duobus  angustatis,  minime 
arcuatis,  transversim  irregulariter  costatis,  ultimo  angustato; 
suturis  elevatis.  \  Millim.  Teneriffa. 

2.  P.  complanata  iVOih.  testa  suborbiculato -compressa, 
alba,  margine  subrotundata;  loculis  duodecim  arcuatissimis,  ad 
mediam  longitudinem  striatis,  ultimo  subconvexo,  suturis  mar- 
ginatis;  aperturis  marginatis.  \  Millim.  Teneriffa. 

3.  P.  Lanieri  cVOrh.  testa  suborbiculata,  flavescente,  lu- 
cida,  lateraliter  convexa,  margine  subcarinata;  loculis  viginti 
arcuatis,  transversim  profunde  regulariter  costatis,  ultimo  an- 
gulato;  suturis  complanatis ;  aperturis  numerosis,  triangularibus. 
\  Millim.  Cuba. 

4.  P.  Sagra  cVOrh.  testa  suborbiculato -convexa,  lucida, 
alba,  margine  rotundata,  integra;  loculis  tredecim  arcuatis, 
tcansversim  profunde  striatte;  striis  interruptis,  suturis  com- 
planatis. \  Millim.  Cuba. 

5.  P.  Poeyana  d'Orh.  testa  suborbiculata,  compressa,  alba, 
nitida,  punctata,  margine  inflato-rotundata;  loculis  undecim  non 
arcuatis,  convexis,  laevigatis,  ultimo  convexo;  suturis  articula- 
tis;.umbilico  subexcavato,  aperturis  numerosis.  -^  Millim.  Cuba, 
Jamaica. 

6.  P.  (liscoidalis  d'Orb.  testa  suborbiculata,  discoidali, 
compressa,  alba,  nitida,  punctata,  margine  subcarinata,  non  in- 
tegra; loculis  decem  arcuatis,  convexis,  laevigatis,  ultimo  con- 
vexo; suturis  excavatis,  articulatis;  umbilico  discoidali  con- 
vexo; aperturis  numerosis.  \  Millim.  Cuba,  Jamaica. 

7.  P.  Lessonü  d'Orh.  (Tabl  d.  Ceph.  p.  118)  testa  sub- 
orbiculato-compressa,  alba,  margine  non  integra;  centro  laterali 
subdepresso;  loculis  septemdecim  arcuatis,  transversim  pro- 
funde costatis,  ultimo  supra  truncato;  suturis  convexis.  -j  Mill. 
Patagonien.  Malwinen. 

8.  P.  Oweniana  d'Orh.  testa  suborbiculato  -  compressa, 
alba,  margine  carinata,  limbata,  centro  laterali  convexo;  locu- 
lis sexdecim  minime  arcuatis,  transversim  profunde  costatis, 
ultimo  truncato,  piano ;  aperturis  submarginalibus,  numerosis, 
triangulum  formantibus.  |  Millim.  Patagonien. 


428 

9.  P.  articulata  d'Orh.  testa  suborbiculata,  compressa, 
alba,  nitida,  punctata,  niargine  rotundata,  non  integra;  loculis 
deceni,  arcuatis,  convexis,  laevigatis,  ultimo  convexo;  suturis 
excavatis,  transversiin  articulatis;  aperturis  subsparsis.  \  Mill. 
Patagopien,  Malvvinen. 

10.  P.  Alvare%iana  cVOrh.  testa  suborbiculato-compressa, 
alba,  margine  carinata,  integra,  loculis  undecim,  arcuatis  com- 
planatis,  ultimo  piano;  suturis  transversim  fossiculiferis ;  aper- 
turis marginalibus.  \  Millim.  Patagonien,  Malwinen. 

Genus  9.    PeneropHs  Moni  f. 

(JPeneroplis  Montf.  Blainv.,  Cristellaria^  RenuUtes  Lam.,  Renu- 
/m«  Blainv.) 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  comprimirt,  Rücken 
wenig  gekielt.  Spira  in  der  Jugend  übergreifend,  oft  später 
vorgezogen.  Kammern  mit  einer  Höhlung,  gebogen,  compri- 
mirt, niemals  siebartig  durch  Quergruben,  oft  gestreift.  Oeflf- 
nungen  zahlreich,  zerstreut,  in  Längslinien,  oder  anastomosirt, 
nur  an  dem  oberen  Theil  der  letzten  Kammer  offen. 

Subgenus  1.     Dendritina  d'Orh. 

Schale  wenig  variabel  in  ihren  Formen,  regelmäfsig  über- 
greifend, Oeffnungen  zu  baumartigen  Verästelungen  vereint. 

1.  D.  Antillarum  d'Orh.  (Tabl.  d.  Ceph.  p.  119.)  testa 
suborbiculato-compressa,  alba  vel  coerulescente,  umbilicata, 
margine  subcarinata,  non  integra;  loculis  tredecim  arcuatis, 
minime  convexis,  transversim  profunde  striatis:  ultimo  subcon- 
cavo;  suturis  excavatis;  aperturis  numerosis,  distinctis.  -^  Mill. 
Cuba. 

Subgenus  2.     PeneropHs  d'Oih. 

Schale  sehr  comprimirt,  sehr  variabel  in  ihren  Formen, 
nur  in  der  Jugend  regelmäfsig  übergreifend,  dann  erweitert 
oder  vorgezogen,  aber  nicht  constant.  Oeffnungen  zahlreich,  ge- 
trennt, in  einer  oder  mehreren  Längslinien. 

2.  P.  protca  d'Orh.  testa  variabili,  compressa,  alba,  umbi- 
licata, margine  rotundata;  loculis  angustatis,  laevigatis,  arcua- 
tis, minime  convexis,  ultimo  complanato;  suturis  excavatis; 
aperturis  numerosis  lineatis.  1  Millim.  Cuba,  Jamaica. 

3.  P.  elegans  d'Orh.  testa  suborbiculato-compressa,  alba 


429 

vel  coerulescente,  fragili,  transliicida,  margine  rotundata,  non 
integra,  iimbilico  magno ;  loculis  undecim  minime  arciiatis,  con- 
vexis,  profunde  transversim  striatis;  suturis  excavatis;  apertu- 
ris  sparsis.  ^  Millim.  Cuba,  Jamaica. 

4.  F.  duhius  (VOrh.  testa  orbiculato-convexa,  alba,  crassa, 
margine  subcarinato-gradata;  umbilico  nullo;  loculis  octo  vel 
decem  arcuatis,  complanatis,  laevigatis;  suturis  marginatis; 
aperturis  nuraerosis,  lineatis,  triangularibus.  \  Mill.  Cuba. 

5.  P.  pulchellus  cVOrh.  testa  suborbiculata,  compressa, 
alba,  margine  angustata,  obtusa,  subgradata,  umbilicata;  loculis 
octonis  minime  arcuatis,  complanatis,  regulariter  transversim 
striatis;  aperturis  tribus  rotundis.  \  Millim.  Patagonien,  Mal- 
winen. 

6.  P.  carinatus  d'Orh.  testa  suborbiculato-compressa,  alba, 
nitida,  margine  carinata,  centro  laterali  minime  concava;  locu- 
lis decem,  arcuatis,  complanatis,  laevigatis,  ultimo  truncato, 
piano;  aperturis  subsparsis.  \  Millim.  Patagonien. 

Subgenus  3.     Spirolina  Lam, 

Schale  comprimirt  oder  nicht,  variabel  nach  dem  Alter; 
in  der  Jugend  regelmäfsig,  nautilusartig,  später  verlängert  sie 
sich  immer  regelmäfsig  in  grader  Linie  und  bildet  eine  Krücke, 
Oeffnungen  in  der  Jugend  zahlreich,  im  Alter  oft  eine. 

Eine  Art  im  rothen  Meer  und  sieben  fossile. 

Zweite  Gruppe.    Kammern  zusammengesetzt,  in  Höhlungen 

getheilt. 

Genus  10.     Orhiculina  Lam. 
{Helenide^  Archidie,  Bote  Montf.  Orhiculina  Lam.,  Blainv.,  d'Orb.) 

Schale  scheibenförmig,  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  sehr 
comprimirt,  sehr  variabel  nach  dem  Alter;  in  der  Jugend  spi- 
ralförmig, übergreifend  .  und  sehr  regelmäfsig,  später  sich  zu 
einem  mehr  oder  weniger  vollkommenen  Discus  erweiternd. 
Kammern  in  ihrer  ganzen  Länge  durch  Querwände  in  eine 
Menge  besonderer  Höhlungen  getheilt.  Die  Kammern  sind  alle 
eng,  gebogen,  oft  bei  alten  Exemplaren  kreisförmig.  Viele 
runde,  zerstreute  Oeffnungen  in  Längslinien. 

1.  0.    cidunca  Lam,   Junior:    testa  variabili,    orbiculato- 


430 

angulata,  lateraliter  convexa,  inargine  integra,  carinata;  loculis 
angiistatis,  arcnatis,  suturis  convexis.  —  Adulta:  testa  orbicu- 
lato  -  compressa,  subdiscoidali,  iiiargine  truncata,  alba;  loculis 
arcnatis ;  aperturis  numerosis,  sparsis.  3  —  4  Millim.  Antillen, 
Indien,  Mariannen.     Variirt  sehr  nach  den  Localitäten. 

2.  0.  compressa  cTOrh.  Junior:  testa  o.vato-compressa, 
lateraliter  compressa,  subplana,  margine  rotundata,  non  Inte- 
gra; loculis  angustatis,  articulatis,  convexis,  suturis  excavatis. 
Adulta:  testa  orbiculata,  compressissima,  discoidali,  alba,  mar- 
gine truncata;  aperturis  numerosis  linearibus.  2 — 3  Millim. 
Antillen. 

Genus  11.     Alveolina  d'Orb. 

{DiscoKtes  Fortis;  Alveolites  Bosc;  Borelie,  ClausuUe,  Milio- 
Ute  Montf.;  Melonia  Lam.,  Blainv.;  Ori%aria  Defrance;  Alveo- 
lina d'Orb.) 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  abgerundet,  länglich 
oder  im  Sinne  der  Axe  verlängert,  nicht  veränderlich  beim 
Wachsthum.  Spira  übergreifend.  Kammern  wenig  zahlreich, 
quer  verlängert,  durch  Längsscheidewände  in  eine  grofse  Zahl 
haarförmiger  Höhlungen  getheilt.  Oeffnungen  rund,  zahlreich, 
in  Querlinien. 

1.  A,  piilchra  d'Orb.  testa  sphaerica,  crassa,  alba,  rugosa, 
loculis  quinque,  transversim  striatis;  suturis  subplanis;  apertu- 
ris Serie  unica  dispositis.  \  Millim.  Cuba. 

Zweite  Familie. 
Turhinoidae. 

Schale  frei,  mehr  oder  weniger  regelmäfsig,  ungleichseitig. 
Spira  schief  aufgewunden,  daher  auf  einer  Seite  mehr  vorsprin- 
gend, als  auf  der  anderen.  Oft  glasartig,  mit  kleinen  Löchern 
durchbohrt. 

Erste  Abtheilung.     Dieselbe  Form   in  allen  Alters- 
zuständen,  die  Spirale  immer  vollständig. 

Erste  Gruppe.     Nur  eine  Oeffnung. 
A.    Spira  kreiseiförmig  oder  niedrig  gewölbt. 


431 

Genus  12.     Rotalina  cTOrb. 
{Rotalia  Lam.) 

Schale  frei,  niedrig  oder  kreiseiförmig,  fein  durchbohrt, 
oft  gekielt.  Spira  niedrig,  abgestutzt  oder  kegelförmig.  Kam- 
mern deprimirt,  oft  gekielt.  Oeffnung  als  Längsspalte  an  der 
vorigen  Windung,  nur  einen  Theil  der  letzten  Kammer  ein- 
nehmend. 

Subgenus  1.     Rotalina  d'Orb. 

Umfang  ohne  marginale  Anhänge,  mit  oder  ohne  centralen 
Discus. 

1.  jR.  Berthelotiana  d'Orh.  testa  orbiculato-convexa,  supra 
subtusque  aequaliter  convexis,  laevigata,  flavescente,  oarinata; 
margine  integra;  spira  conica,  tninime  convexa,  anfractibus 
tjuaternis;  suturis  elevatis,  coeruleis ;  loculis  septem  angulatis, 
obliquis,  supra  subtusque  limbatis,  ultimo  carinato.  \  Millim. 
Teneriffa. 

2.  R.  canariensis  d'Orh.  testa  oblongato-depressa,  punctata 
vel  rugosa,  flavescente,  carinata,  margine  non  integra;  spira 
obtusissima,  anfractibus  tribus  distinctis;  loculis  quinis,  oblon- 
gatis,  arcuatis,  supra  limbatis,  infra  simplicibus;  apertura  lim- 
bata.  \  Millim.  Teneriffa. 

3.  R.  hirsuta  d'Orh.  testa  depressa,  fragili,  rugosa,  hirsuta 
vel  perforata,  alba,  carinata,  margine  non  integra;  spira  de- 
pressa, anfractibus  binis,  parum  distinctis,  loculis  quatuor  oblon- 
gatis,  ultimo  punctato;  apertura  minima.  \  Millim.  Teneriffa.  - 

4.  R.  contecta  d'Orh.  {Gyroidina  contecta  Tabl.  d.  Ceph. 
p.  112.)  testa  suborbiculata,  depressa,  punctata,  flavescente, 
subcarinata,  supra  complanata,  subtus  convexo- conica;  spira 
plana,  anfractibus  tribus ;  loculis  undecim,  angustatis,  arcuatis, 
disco  umbilicali  magno.  |  Millim.  Rimini,  Jeneriffa.  Sie  ist 
rechts  oder  links  gewunden. 

5.  R.  Lamar Chiana  d'Orh,  testa  suborbiculata,  laevi- 
gata, alba,  umbilicata ;  margine  rotundata,  supra  concava,  subtus 
convexa,  spira  depressa,  anfractibus  trinis  distinctis;  loculis 
sex  arcuatis,  laevigatis.  ~  Millim.  Teneriffa. 

6.  R.  truncatulinoides  d'Orh.  testa  suborbiculato- conica, 
punctata,  alba,  carinata,  supra  plano-truncata,  vel  concava, 
subtus  elevato- conica,  umbilicata,  spira  depressa,  limbata,  an- 


432 

fractibus  tribus,  complanatis;  loculis  qnatuor  angulatis.  ^  Mill. 
Teneriffa. 

7.  R.  rosea  cVOrh.  (TabJ.  d.  Ceph.  p.  106.)  testa  orbicu- 
lato-conica,  trochiformi,  subcarinata,  punctata,  rosea  vel  rubra, 
subtus  convexa;  spira  elevata,  conica,  apice  obtuso,  anfracti- 
bus  tribus,  non  distinctis;  loculis  ultimis  subconvexis,  obli- 
quis,  carinatis.     Disco  umbilicali.   \  Millim.  Antillen. 

8.  R.  caribaea  d'Orh.  testa  ovali,  depressa,  supra  subtus- 
que  aequaliter  convexa,  rugosa,  carinata;  spira  convexiuscula, 
conica,  anfractibus  duobus  subplanis;  loculis  octo  obliquis, 
carinatis,  supra  limbatis,  subtus  simplicibus,  ultimo  carinato; 
apertura  elongata.  -^  Millim.  Antillen. 

9.  R.  deformis  d'Orh.  testa  ovali,  depressa,  deformi,  su- 
pra subtusque  convexa,  punctata,  flavescente  ;  spira  rainime  con- 
vexa, anfractibus  duobus;  loculis  sex  obliquis,  arcuatis,  carina- 
tis, subtus  externeque  solummodo  limbatis,  ultimo  subcarinato; 
apertura  elongata.  1  Millim.  Cuba,  Martinique,  St.  Helena. 

10.  R.  Antillarum  d'Orh.  testa  orbiculato,  depressa,  supra 
subtusque  aequaliter  convexa,  punctata,  margine  carinata;  spira 
conica  minime  convexa,  anfractibus  quatuor  subplanis;  loculis 
Septem,  supra  obliquis,  arcuatis  subcomplanatis,  subtus  trigo- 
nis;  apertura  elongata.  \  Millim.  Cuba,  Jamaica. 

11.  R.  cultrata  d'Orh.  testa  ovali,  depressissima,  punctata, 
carinata,  cultrata,  supra  subcomplanata,  subtus  convexiuscula; 
spira  subplana,  anfractibus  duobus  limbatis;  loculis  sex  ovatis, 
contectis,  supra  limbatis.  \  Millim.  Antillen. 

12.  R.    Sagra  d'Orh.   testa    elliptico -oblonga,    depressa, 
punctata,  alba,  carinata,  supra  et  subtus  inaequaliter  convexa; 
spira  subcomplanata,   anfractibus   duobus,   simplicibus;  loculii 
sex   angulatis,   carinatis,    rapidissime   crescentibus.     \  Millim 
Cuba,  Jamaica. 

13.  R.  dubia  d'Orh.  testa  orbiculato -depressa,  laevigata, 
alba,  umbilicata,  subtus  concava;  spira  convexiuscula;  apice 
obtuso,  anfractibus  tribus  convexis,  cylindricis;  loculis  quatuor 
elongatis,  minime  distinctis.   \  Millim.  Cuba,  Jamaica. 

14.  R,  'peruviana  d'Orh.  testa  orbiculato -depressa,  laevi- 
gata, alba,  margine  subcarinata;  spira  convexiuscula,  conica, 
anfractibus  quiiüs  subcomplanatis;  loculis  undecim,  supra  obli- 
quis, limbatis,  infra  radiantibus  limbatis.  \  Mill.  Callao,  Arica. 


i 


433 

15.  JR.  Alvare%n  (VOrb.  testa  orbiculato-depressa,  laevi- 
gata,  alba,  subcarinata;  spira  convexiuscula,  obtusa,  anfractibus 
quatuor,  complanatis ;  loculis  Septem,  supra  obliquis,  complana- 
tis,  subtiis  convexis,  externe  limbatis.  \  Mill.  Patagonien,  Mal- 
winen,  Cap  Hörn. 

16.  R.  patagonica  d'Orb.  testa  orbiculato-depressa,  pun- 
ctata, alba,  lucida,  carinata;  spira  convexiuscula,  anfractibus 
tribus  complanatis;  loculis  Septem  complanatis,  non  limbatis. 
\  Millim.    Patagonien,  Cap  Hörn. 

Subgenus  2.     Calcarina  cVOrh, 

Schale  frei,  spiral,  deprimirt,  sehr  runzlig.  Spira  seitlich 
aufgewunden,  oben  ganz  sichtbar,  unten  übergreifend.  Kam- 
mern in  seitliche  Anhänge  ausgezogen,  spornartig,  Oeffnung 
als  Längsspalte  an  der  vorletzten  Windung. 

1.  C.  pulchella  d'Orh.  testa  depressa,  orbiculari,  rugosa, 
trispinosa,  spinis  elongatis,  acutis;  spira  subplana,  anfractibus 
distinctis;  loculis  convexis.    \  Millim.  Cuba. 

2.  C.  calcar  (TOfb.  (Tabl.  d.  Ceph.)  testa  depressa,  cal- 
cariformi,  spinis  numero  loculos  aequantibus;  spira  convexiu- 
scula, anfractibus  tribus ;  loculis  acuminatis.  2 Millim.  Antillen? 

Genus  13.     Globig  er  ina  d'Orb. 

Schale  frei,  spiral,  sehr  kuglig,  immer  runzlig  oder  mit 
kleinen  Löchern  durchbohrt.  Spira  seitlich  aufgerollt,  aus 
zahlreichen  Kammern  zusammengesetzt.  Kammern  kuglig. 
Oeffnung  mondförmig  oder  in  Form  eines  mehr  oder  min- 
der tiefen  Ausschnitts,  am  Nabelwinkel  gegen  die  Axe  der 
Spira  hin. 

1.  G.  bulloides  d'Orb.  (Tabl.  d.  Ceph.  p.  111;  Polymör- 
phium  tuberosum  et  globiferum  Soldani)  testa  convexiuscula, 
rugosa,  flavescente,  spira  convexa,  loculis  quatuor  sphaericis, 
apertura  magna.  |  Millim.  Rimini,  Teneriffa,  Indien,  Malwi- 
nen,  Chili. 

2.  G.  Canariensis  d'Orb.  testa  convexo-ovata,  rugosa,  alba ; 
spira  elevata,  anfractibus  tribus  parum  distinctis,  apice  obtuso; 
loculis  tribus,  oblongatis,  subangulatis ;  apertura  minima.  \  Mill. 
Teneriffa. 

3.  G.  hirsuta  d'Orb.  testa  suborbiculata,    depressa,    tube- 

Wiegm,  Archiv.    VI.  Jahrg.    1.  Band.  28 


434 

rosa,  hirsuta,  alba,  perforata;  spira  depresso-concava,  anfracti- 
bus  binis;  loculis  quinis,  sphaericis;  suturis  excavatis;  aper- 
tura  mediocri.   -^  Millim.   Teneriffa. 

4.  G.  ifißata  d'Orh.  testa  suborbiculata,  globosa,  punctata, 
lucifla,  alba;  spira  brevi,  obtusa,  anfractibus  diiobus,  partim 
amplexantibus ;  loculis  quaternis,  convexis;  suturis  miuime  ex- 
cavatis; apertura  magna.  -5  Millim.  Teneriffa. 

5.  G.  rubra  d'Orh.  testa  elevata,  rugosa,  rubra;  spira  con- 
vcxa,  loculis  tribus,  sphaericis;  aperturis  plurimis.  \  Millim. 
Antillen. 

6.  G.  siphonifera  d'Orh.  testa  creberrima,  tubulifera,  alba; 
spira  plana,  loculis  tribus  sphaericis;  apertura  elongata.  i'Mil- 
lim.  Cuba,  Jamaica. 

7.  G.  Dutertrei  d'Orh.  testa  suborbiculata,  convexa,  alba, 
creberrime  rugosa,  spira  convexo- obtusa,  anfractibus  tribus, 
distinctis;  loculis  quinis,  oblongatis;  suturis  excavatis;  apertura 
magna  in  umbilico.   \  Millim.    Cuba,  Martinique,  Guadeloupe. 

Genus  14.     Planorhulina  dOrh. 

Schale  festsitzend,  spiral,  scheibenförmig,  sehr  deprimirt, 
stark  durchbohrt.  Spira  unregelmäfsig,  scheibenförmig,  aus 
vielen  Windungen  bestehend,  in  derselben  Ebene  aufgerollt, 
auf  beiden  Seiten  sichtbar,  aber  oben  mehr  verdeckt  als  unten. 
Kammern  oben  convex,  unten  abgeschnitten  und  der  Form 
der  Körper  entsprechend,  denen  sie  aufsitzen. 

1.  P.  vulgaris  d'Orh.  (P.  mediterranensis  d'Orh.  Tabl.  d. 
Ceph.  p.  114)  testa  orbiculari,  depressissima,  punctata,  alba 
vel  flavescente;  anfractibus  numerosis  irregulariter  involutis; 
loculis  inaequalibus  numerosis,  subtus  truncatis,  squamosis; 
supra  convexis.  3  Millim.  Mittelmeer,  Teneriffa,  Antillen, 
Mexico. 

Genus  15.     Truncatulina  d'Orh. 
{Polyxenis,  Tibicides  Montf  ) 

Schale  angeheftet,  spiral.  Spira  scheibenförmig,  in  der- 
selben Ebejie  aufgerollt,  sichtbar  auf  der  angehefteten  Seite, 
übergreifend  und  convex  auf  der  anderen.  Kammern  oben 
convex,  unten  eben.     Oeffnung  als  Spalte,  die  oben  ein  wenig 


435 

sichtbar  ist  und  sich  nach  unten  in  der  Nath  bis  zur  zweiten 
vorletzten  Kammer  fortsetzt. 

1.  T,  lohata  d'Orh.  (^Serpula  lohata  Montag.,  Hammonia 
tuherculata  Sokl.)  testa  depressa,  suborbiculari,  irregnlari,  ca- 
rinata,  creberrima,  alba,  anfractibiis  dnobus  vel  tribus;  loculis 
convexis,  minime  arcuatis;  ajDertura  scissurata,  prolongata. 
1  Millim.    Mittelmeer,  England,  Canarische  Inseln. 

2.  T,  variabilis  d'Orb.  {Hammonia  tuherculata  Sold.)  testa 
tuberosa,  irregulariter  contorta,  perforata,  rosea;  anfractibus 
irregularibus ,  loculis  inaequaliter  convexis,  tuberosis;  apertura 
rotunda.    1  —  1:^  Millim.    Mittelmeer,  Teneriflfa. 

3.  T.  advena  dOrh.  testa  depressa,  orbiculari,  subcarinata, 
punctata,  alba;  anfractibus  tribus;  loculis  octo  convexis,  sutu- 
ris  excavatis.    \  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

4.  J*.  Candei  d'Orh.  testa  depressissima,  orbiculari,  alba, 
irregulari,  carinata,  carina  acuta;  umbilico  convexo,  distincto, 
anfractibus  duobus,  loculis  depressis,  arcuatis,  supra  convexiu- 
sculis,  laevigatis;  subtus  marginatis.    ^  Millim.    Cuba. 

5.  T.  dispars  d'Oih,  testa  depressa,  suborbiculari,  subca- 
rinata, alba,  supra  punctata,  subtus  perforata;  anfractibus  tri- 
bus; loculis  octonis  convexis,  suturis  excavatis.  \  Millim. 
Malvvinen. 

6.  T.  vermiculata  d'Orh.  testa  globulosa,  inflata,  suborbi- 
culari, punctata,  rosea,  margine  rotunda;  umbilico  magno;  an- 
fractibus tribus  convexis;  loculis  globulosis,  externe  punctatis, 
supra  subtusque  convexis;  apertura  lineari.  1  Millim.  Mal- 
winen,  Cap  Hörn. 

7.  T.  depressa  d'Orh.  testa  depressissima,  irregulari,  cari- 
nata, punctato-rugosa,  alba;  anfractibus  duobus,  minime  distin- 
ctis;  loculis  Septem,  depressis,  irregularibus.  1  Millim.  Val- 
paraiso. 

8.  T.  örnata  dOrh.  testa  depressa,  carinata,  supra  minime 
convexa,  subtus  complanata,  alba,  perForata;  anfractibus  tribus, 
depressis;  loculis  Septem,  late  limbatis.   \  Millim.    Valparaiso. 

Genus  16.     Anomalina  d'Orh, 

Schale  frei,  deprimirt,  runzlich  oder  durchbohrt.  Spira 
nicht  sichtbar,  an  der  der  Oeffnung  entgegengesetzten  Seite 
ganz  übergreifend.     Kammern  geschwollen^  verlängert.     Oeif- 

28* 


436 

nuiig  als  Spalte  in  der  llmbilicalgpgend,  oft  von  einer  Kammer 
zur  analeren  fortsetzend. 

Zwei  Arten  im  Adriatisclien  Meer,  eine  in  Isle  de  France; 
zwei  andere  fossil. 

Genus  17.     Rosalina  d'Orh. 

Schale  frei,  oder  leicht  auf  der  Nabelseite  angeheftet, 
deprimirt  oder  kreiseiförmig,  runzlig  oder  an  den  letzten 
Kammern  stark  durchbohrt.  Spira  oben  sichtbar,  schwach 
gewölbt  oder  conisch.  Kammern  deprimirt,  oft  gekielt.  Oeflf- 
nung  als  Spalte  in  der  Nabelgegend  und  von  einer  Kammer 
zur  anderen  fortsetzend. 

1.  R.  Bertheloti  cTOrh.  testa  depressissima,  carinata,  pun- 
ctata; spira  brevi;  anfractibus  duobus,  partim  opertis;  loculis 
depressis,  carinatis,  arcuatis,  margine  limbatis.  \  Millim. 
Teneriffa. 

2.  ß.  vahmlata  iTOrh.  (Tabl.  d.  Ceph.  p.  105)  testa  de- 
pressa,  lutescente,  supra  convexiuscula,  subtus  concava,  margine 
convexa,  limbata;  spira  minime  convexa;  anfractibus  trinis 
distinctis,  loculis  subplanis,  limbatis.  ~  Millim.  Teneriffa, 
Antillen. 

3.  R.  squamosa  d'Orh.  (Tabl.  d.  Ceph.  p.  106)  testa 
orbiculato- convexa,  trochiformi,  subcarinata,  supra  elevata, 
conica,  longitudinaliter  creberrima,  subtus  subconcava,  laevigata; 
spira  elevata,  conica,  apice  obtusa,  anfractibus  quinque,  suturis 
complanatis.  Loculis  squamosis,  obliquis,  carinatis,  subtus  su- 
turis irregularibus  excavatis.    f  Millim.    Antdlen. 

4.  -R.  Poeyi  dOrh.  testa  orbiculato -depressa,  trochiformi, 
subcarinata,  supra  irregulariter  perforata,  subtus  laevigata, 
spira  convexiuscula,  obtusa,  anfractibus  quatuor,  loculis  mini- 
mis,  squamosis.    \  Millim.    Antillen. 

5.  R.  opercularis  (VOrh.  (Tabl.  d.  Ceph.  p.  105)  testa 
ovato-depressa,  carinata,  spira  brevi,  conica;  anfractibus  tribus 
complanatis.  Loculis  numerosis,  angustatis,  arcuatis,  supra 
laevigata,  subtus  transversim  striata;  umbilico  disculo  ornato. 
\  Millim.    Cuba,  Martinique. 

6.  R.  Auberii  ctOrh.  testa  orbiculato-conica,  carinata,  su- 
pra subtusque  perforata,  luteo-rubescente;  spira  conica,  anfra- 


437 

ctibus  tribus  subplanis;  loculis  niagnis,  squauiosis,  per  quanique 
spiram  qiiateniis.    ^  Millim.    Cuba,  Martinique. 

7.  R.  semistriata  dOrh.  (Tabl.  d.  Ceph.  p.  105)  testa 
depressa,  perforata,  supra  subplana,  subtiis  concava,  margine 
transversim  striata;  spira  subplana,  anfractibus  tribus;  loculis 
coiivexis,  distinctis,  per  quamque  spiram  quaternis.  \  Millim. 
Antillen. 

8.  R,  Camleiana  cVOrb.  testa  orbiculato-depressa,  tuberosa, 
perforata,  rugosa,  supra  minime  convexa,  subtus  umbilicata; 
spira  convexiuscula,  anfractibus  tribus  convexis;  loculis  tube- 
rosis,  per  quamque  spiram  senis,  in  umbilico  acuminatis.  \  Mil- 
lim.   Cuba. 

9.  R,  lulloides  dOrh.  testa  globoso-orbiculata,  perforata, 
rubescente,  supra  subtusque  convexa;  spira  convexo-obtusa, 
anfractibus  quatuor  distinctis;  loculis  squamosis,  ultimo  magno, 
bullato.    \  Millim.    Cuba,  Haiti. 

10.  R.  Cateshjana  cl'Orh.  testa  orbiculato-depressa,  umbi- 
licata, rugosa,  alboflavescente;  spira  depresso-conica,  anfractibus 
quatuor  convexis;  loculis  decem  angulatis,  obliquis,  minime 
convexis,  ultimo  subcarinato.    \  Millim.    Cuba,  Martinique. 

11.  R.  Parkinsoniana  d'Orh.  (i?.  Beccarii  cVOrh.  Tabl. 
d.  Ceph.  p.  109)  testa  orbiculato-depressa,  laevigata,  nitida,  alba; 
spira  convexiuscula,  obtusa;  anfractibus  quatuor  distinctis;  lo- 
culis novem,  convexis;  disco  in  umbilico.  \  Millim.  Europäi- 
sche Meere,  Antillen? 

12.  R,  Linneiana  dOrh.  testa  orbiculato-depressa,  rugosa, 
alba,  margine  bicarinata,  umbilicata:  umbilico  magno;  spira 
subplana,  anfractibus  tribus  distinctis;  loculis  sex  lateraliter 
compressis,  supra  subtusque  limbatis.    \  Millim.    Cuba. 

13.  R.  Edivardsiana  dOrh.  testa  ovali,  depressa,  rugosa, 
supra  subcomplanata;  subtus  convexa;  margine  subcarinata; 
umbilico  magno;  spira  complanata,  anfractibus  tribus  depressis; 
loculis  octonis,  supra  complanatis,  limbatis,  subtus  convexis, 
simplicibus.   \  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

14.  R.  peruviana  dOrb.  testa  depressa,  rubescente,  supra 
convexa,  subtus  concava,  perforata;  spira  convexiuscula,  co- 
nica,  apice  obtuso;  anfractibus  duobus  distinctis  ;^  loculis  parum 
convexis,  supra  limbatis.    ^  Millim.    Cobija,  Arica,  Acapulco. 

15.  R.  Saiilcyi  dOrh,  testa  depressa,  supra  subplana,  sub^ 


438 

tus   convexa,  rugoso-perforato,   spira  plana  vel  concava;   an- 
fractibiis  tribiis;  loculis  distinctis,  simplicibus.   ^  Millim.   Arica. 

16.  R,  rugosa  iVOrh,  testa  orbiculato-depressa,   tuberosa, 
rugosa,  umbilicata;  spira  subplaiia ;  anfractibiis  tribus,  convexis,    i 
loculis  quiiiis  in  iimbilico  obtusis.    \  Millim.    Patagonien.  S 

17.  R.  ornata  (TOrh.  testa  orbiciilato,  convexa,  crassa,  fla- 

vescente,   lucida;    spira  rotundato-obtusa;    anfractibus   tribus; 

suturis  elevatis,  incrassatis ;  loculis  supra  concavis,  luteis,  aureo-    |. 

punctatis,  late  marginatis,  subtus  laevigatis.  \  Millim.  Patagonien. 

• 

18.  R.  Isabelleana  (VOrh.  testa  orbiculato-convexa,  crassa, 
rosea,  lucida,  punctata,    supra  convexa,  subtus  umbilicata;  an-    i 
fractibus  tribus  carinatis;  loculis  supra  subtusque  minime  con-    ' 
vexis,  limbatis,  carinatis,  arcuatis.    2  Millim.    Malwinen. 

19.  R.  Vilardehoana  <TOrh.  testa  orbiculato-conica,  tro- 
clioidea,  fulva,  punctata,  subtus  umbilicata;  spira  conica,  obtusa; 
anfractibus  quaternis,  subconvexis,  margine  rotundatis,  loculis 
quinis,  supra  arcuatis,  subtus  triangularibus,  convexis.  \  Mil- 
lim.   Malwinen. 

20.  R.  araucaim  (TOrh,  testa  orbiculato-depressa;  tro- 
choidea,  alba,  punctata;  spira  brevi,  obtusa;  anfractibus  tribus, 
subcarinatis ;  loculis  octonis  angustatis,  supra  subtusque  arcua- 
tis, triangularibus;  centro  umbilicali  incrassato.  \  Millim. 
Valparaiso. 

21.  R,  Cora  d'Orh.  testa  depressissima,  ovali,  punctulata, 
irregulari,  spira  brevi,  plana;  anfractibus  tribus,  depressis,  ca- 
rinatis; loculis  senis  irregularibus,  supra  arcuatis,  subtus  undu- 
latis,  triangularibus.    ^  Millim.    Lima. 

22.  R.  Inca  (TOrb.  testa  orbiculato-depressa,  laevigata, 
nitida,  alba,  supra  subcomplanata,  subtus  subconcava;  umbilico 
rugoso,  incrassato;  spira  plana;  anfractibus  quatuor  rotundatis, 
margine  non  integra;  loculis  duodecim  convexis,  supra  arcuatis, 
subtus  rectis,  disco  umbilicali  nullo.    ~  Millim.  Lima. 

23.  11.  consobrina  cVOrb.  testa  orbiculato-convexa,  laevi- 
gata, alba,  supra  convexa,  subtus  umbilicata;  spira  obtusa;  an- 
fractibus tribus  convexis;  margine  non  integra;  loculis  octonis 
convexis,  su])ra  rectis,  subtus  arcuatis;  disco  umbilicali  nullo. 
}  Millim.    Lima. 


439 

Genus  18.     Valvulina  (TOrh. 

Schale  frei,  Spiral,  coiiisch,  tlmrmförmig  oder  depriiiiirt, 
runzlig.  Spira  verlängert,  kreis  eiförmig  oder  deprimirt.  Kam- 
mern wenig  zahlreich,  in  einer  Spiralen  regelmäfsigen  Axe, 
etwas  vorspringend.  Oeffnung  mondförmig,  quer  auf  die  Axe, 
neben  dem  Nabelwinkel,  zum  Theil  durch  eine  convexe  vor- 
tretende Platte  verdeckt,  oder  durch  einen  klappenartigen 
Deckel,  der  den  ganzen  Nabeltheil  bedeckt. 

1.  V.  ohlmga  iVOrh,  testa  oblonga,  depressa,  punctata, 
alba,  nitida,  subtus  convexa;  spira  brevissima,  anfractibus  binis^ 
loculis  senis  eloiigatis,  convexis,  ultimo  magno,  convexo;  val- 
vula  rotunda,  umbilicali.    \  Millim.    Teneriffa. 

2.  V.  excavata  dOrh.  testa  ovali,  depressa,  alba,  subcari- 
nata,  subtus  laevigata,  nitida,  umbilicata,  supra  subplana,  rugoso- 
punctata;  spira  brevissima;  anfractibus  duobus;  loculis  octo, 
elongato-triangularibus,  supra  planis,  subtus  convexis;  valvula 
oblonga,  laterali.    \  Millim.    Teneriffa. 

3.  V.  Oviedoiana  cTOrh.  testa  oblongo-conica,  rugosa,  fla- 
vescente,  anguloso-tricarinata;  spira  conica,  irregulari,  apice 
obtuso,  anfractibus  quinis  angulosis;  loculis  tribus  supra  angu- 
latis,  subtus  convexis;  valvula  magna,    f  Millim.    Cuba. 

4.  V.  pileolus  dOrh.  testa  orbiculato- depressa,  punctata, 
flavescente,  subcarinata,  supra  rotundata,  subtus  concava;  spira 
brevi,  obtusissima,  anfractibus  tribus  subcomplanatis;  loculis 
quatuor  supra  arcuatis,  obliquis,  parum  distinctis,  subtus  pun- 
ctato-radiatis;  valvula  subrotunda.    \  Millim.    Arica. 

5.  V.  auris  dOrh.  testa  ovato- depressa,  laevigata,  alba, 
nitida,  supra  subtusque  aequaliter  convexa;  spira  concava; 
anfractibus  duobus,  distinctis;  loculis  decem,  elongatis,  angusta- 
tis,  arcuatis,  convexis;  valvula  oblonga,  linguiforrai.  \  Millim. 
Chili,  Peru. 

6.  V.  inßata  dOrh.  testa  ovata,  inflata,  punctata,  alba 
velutea,  supra  concava,  subtus  convexa,  profunde  umbilicata; 
spira  concava;  anfractibus  tribus  distinctis,  loculis  sex  inflatis, 
supra  primis  limbatis;  valvula  minima,  obtusa.  1  Millim. 
Chili,  Peru. 

7.  V.  inaequalis  dOrh,  testa  ovato-oblonga,  punctata,  teniii, 
diaphana,  flava,  supra  complanata,  subtus  inflata,  margine  sub- 


440  ; 

carinata;  spira  complanata,  anfractibus  cliiobiis;  loculis  octoiii«,  ■ 
inflatis,  oblongatis,  suturis  excavatisi  valvula  rotuiula,  minima.  ^ 
I  Millim.  Peru. 


B.    Schale  verlängert,  thurmförmig. 

Genus  19.     Verneuilluia  d'Orl. 

Schale  frei,  spiral,  verlängert,  runzlig.  Spira  conisch, 
sehr  ausgezogen.  Kammern  deprimirt,  in  drei  Linien  an  einan- 
der gereiht,  jede  um  die  Längsaxe  gekielt.  Oefifnung  als  Längs- 
spalte an  dem  inneren  Theil  der  letzten  Kammer  und  ohne 
Deckelklappe. 

Arten  fossiL 

Genus  20.     Bulimina  (VOih. 

Schale  frei,  spiral,  thurmförmig,  Spira  ausgezogen.  Kam- 
mern auf  einer  regelmäfsigen,  Spiralen  Axe,  sich  mehr  oder 
weniger  bedeckend,  wenig  vorspringend,  die  letzte  nicht  in 
eine  Röhre  verlängert.  Die  Oefifnung  längs  der  Axe,  gebogen 
oder  rundlich,  seitlich  auf  der  inneren  Seite  oder  neben  dem 
oberen  Winkel  der  letzten  Kammer. 

1.  J5.  squamigera  d'Orh.  testa  elongata,  laevigata,  punctata, 
alba,  antice  posticeque  acuminata;  spira  elongata,  turrita;  an- 
fractibus quiuis,  subplanis;  loculis  squamosis,  elongatis,  postice 
acuminatis;  apertura  virgulari.    \  Millim.    Teneriffa. 

2.  J5.  affinis  d'Orh.  testa  oblongo-ovata,  laevigata,  alba, 
postice  subacuminata;  spira  brevi,  anfractibus  quatuor  subpla- 
nis; loculis  convexiusculis  per  quamque  spiram  trinis.  Aper- 
tura virgulari.    ^  Millim. 

3.  B.  pulchella  d'Orh.  testa  elongato- turrita,  laevigata, 
alba,  postice  acuminata;  spira  elongata,  turrita,  anfractibus 
Septem  convexis,  postice  carinato-crenulatis;  loculis  convexis, 
obliquis;  apertura  virgulata,  marginata.    ~  Millim.    Chili,  Peru. 

4.  B.  Patagonica  dOrb.  testa  oblongo-conica,  alba,  antice 
laevigata,  postice  acuminata,  irregulariter  echinata;  spira  conica, 
anfractibus  quinis  convexis;  loculis  convexis,  obliquis,  ultimo 
magno,  convexo;  apertura  virgulari.    ~  Millim.    Patagonien. 

5.  B.  Ovula  dOrb.  testa  ovata,  alba,  antice  posticeque 
acuminata,  translucida,  tenui,  punctata;  spira  brevi,  anfractibus 


441 

tribus,  ultimo  magno;  loculis  elongatis,  convexis;  apertura  eloii- 
gata,  marginata.    -|  Millim.    Chili,  Peru. 

6.  B.  elegantissima  (ÜOrh.  testa  elongata,  antice  obtusa, 
postice  acuminata,  tenui,  diaphana,  lucida,  alba;  spira  brevi, 
anfractibus  tribus,  elongatis,  ultimo  magno;  loculis  numerosis, 
angustatis,  complanatis,  ultimo  subcarinato,  piano;  apertura 
virgulata.    \  Millim.    Cap  Hörn,  Chili,  Peru. 

Genus  21.     Uvigerina  (TOrb. 
Schale  frei,  spiral,  thurmförmig.    Spira  ausgezogen.    Kam- 
mern  sehr    vorspringend,    kuglig,    eine    Art   Traube    bildend, 
die  letzte  in   eine  Röhre  verlängert.     Oeffnung   central,  rund, 
am  Ende  der  Röhre. 

1.  U.  Canariensis  dOrl,  testa  oblongo-conica,  punctata, 
albida;  spira  conica,  anfractibus  quinis  minime  convexis;  locu- 
lis convexis,  per  quamque  spiram  trinis;  apertura  rotunda, 
siphone  brevi.    |  Millim.    Teneriffa. 

2.  V.  Auheriana  dVrb.  testa  oblongo-conica,  rugoso-aspera, 
albida;  spira  elongata,  conica,  anfractibus  quinis  convexis,  locu- 
lis globosis,  per  quamque  spiram  duobus;  apertura  rotunda, 
elongata.    |  Millim.    Cuba,  Jamaica,  Martinique. 

3.  U.  raricosta  dVrh.  testa  oblonga,  alba,  antice  acumi- 
nata, postice  obtusa,  longitudinaliter  costata;  costis  separatis, 
raris;  spira  elongata,  anfractibus  quaternis,  minime  distinctis; 
loculis  nodosis.    -J  Millim.    Malwinen. 

4.  U.  striata  (TOrh.  testa  oblonga,  alba,  antice  posticeque 
acuminata,  longitudinaliter  striata,  striis  interruptis;  spira  elon- 
gata, apice  acuminata,  anfractibus  quaternis,  obscuris;  loculis 
nodosis.    \  Millim.  Malwinen. 

5.  U.  bi/urcata  dOrb.  testa  oblongo-elongata,  albida,  antice 
posticeque  obtusa,  longitudinaliter  costata;  costis  elevatis,  bi- 
furcatis;  spira  elongata,  anfractibus  septenis;  loculis  nodosis. 
^  Millim.    Malwinen. 

Genus  22.     Pyrulina  d'Orb. 

Schale  glasig  und  glatt,  frei,  spiral.  Spira  kurz,  wenig 
deutlich.  Kammern  halb  übergreifend,  wenig  getrennt;  die 
letzte  vorn  zugespitzt.  Oeffnung  rund,  am  Ende  der  letzten 
Kammer. 

Zwei  fossile  Arten. 


442 

Zweite  Gruppe.     Mehrere  Oeffiuingen. 
Genus  23.     C  an  de  Ina  iVOrh, 

Scliale  frei,  Spiral,  conisch,  glatt,  nicht  mit  kleinen  Löcheni 
durchbohrt.  Spira  regelmäfsig,  schief,  kreiseiförmig.  Kammern 
zahlreich,  kuglig.  Oeffnungen  zahlreich,  in  Linien  dicht  au 
der  vorletzten  Windung. 

1.  C  7iitida  (TOrh.  testa  elevato-conica,  laevigata,  lucida, 
alba,  spira  elevata,  conica,  anfractibus  quinis;  loculis  tribus 
sphaericis;  aperturis  numerosis.    ^  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

Genus  24.     Faujasina  d^Orh, 

Schale  frei,  spiral,  deprimirt,  kreiseiförmig,  ungleichseitig. 
Spira  niedrig  gewölbt,  oben  sichtbar,  unten  übergreifend.  Kam- 
mern comprimirt,  gekielt,  gebogen,  mit  Querfurchen  zwischen 
den  Näthen.  Oeffnungen  zahlreich,  zerstreut,  auf  dem  oberen 
Theil  der  letzten  Kammer,  und  noch  offen  in  den  Gruben  der 
Näthe  der  lt.    en  Kammern. 

Eine  fossile  Art. 

Genus  25.     Chrysalidina  d'Orh, 

Schale  frei,  pupaförmig,  conisch,  glatt.  Spira  ausgezogen, 
sehr  schmal,  wenig  regelmäfsig,  wachsend  durch  Stufen,  welche 
in  drei  Längslinien  geordnet  sind.  Kammern  sehr  zahlreich, 
deprimirt,  eng,  nach  drei  regelmäfsigen  Axen  aufgereiht.  Oeff- 
nungen sehr  zahlreich,  rund,  den  oberen  Theil  der  drei  letzten 
Kammern  einnehmend. 

Eine  fossile  Art. 

Zweite    Abtheilung.      Schale    veränderlich    in    der 
Gestalt;   nur  in   der  Jugend   spiral. 

Genus  26.     Clavulina  dOrh. 

Schale  frei,  spiral,  thurmförmig  in  der  Jugend,  wie  Vvi- 
gerinuy  aber  später  strecken  sich  die  Kammern  in  gerader 
Linie  vor  nach  Art  der  Stichostega,  sich  auf  dieselbe  Axe  auf- 
reihend, wie  die  der  Spira.  Oeffnung  rund,  central  am  Gipfel 
der  letzten  Kammer. 

1.  C.  nodosaria  d'Orh.  testa  clongata,  subcylindrica,  rugosa, 


443 

albida;  spira  brevi,  obtusa;  anfractibiis  tribiis;  loculis  nodulosis; 
apertura  rotunda.    ^  Milliin.    Ciiba,  Martinique. 

2.  C  tricarinata  (TOrh.  testa  elongata,  tricarinata,  rugosa, 
flavescente;  spira  brevi,  tricarinata,  anfractibus  tribus;  loculis 
numerosis,  angulatis,  angulo  acuto;  apertura  rotunda,  nee  pro- 
minente, unidentata.    1  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

Genus  27.     Gaudryina  d'Orh. 

Schale  frei,  dreikielig  in  der  Jugend,  coniprimirt  im  Alter^ 
runzlig.  Spira  verlängert,  kreiseiförmig.  Kammern  anfangs 
spiralförmig  aufgerollt,  später  alternirend  in  zwei  entgegenge- 
setzten Linien.  OeflFnung  quer  als  Spalte  an  der  vorigen 
Windung. 

Eine  fossile  Art. 


Vierte    Ordnung. 

Entomostega. 

Die  Kammern  auf  zwei  verschiedenen  Axen  alternirend 
aufgereiht,  und  sich  zusammen  in  einer  regelmäfsigen  Spirale 
windend.    Spira  schief,  aber  in  derselben  Ebene  aufgerollt. 

Erste  Familie.  ^ 

Ästerig erinidae  d'Orb, 

Schale  frei,  regelmäfsig,  ungleichseitig.  Spira  regelhiäfsig, 
schief;  übergreifend  oder  nicht.  Die  Kammern  alterniren  nur 
auf  einer  Seite.*) 

Erste  Abtheilung.     Spira  nur   auf  einer  Seite  sicht- 
bar, auf  der  anderen  übergreifend. 

Genus  1.     Asterigerina  d'Orh. 

Schale  frei,  spiral.  Spira  seitlich  aufgerollt,  oben  sicht- 
bar, unten  übergreifend,   oben  aus   gleichen  Kammern  zusam- 


*)  d.h.  die  Kammern  der  einen  Axe  sind  so  klein,  dafs  sie  auf 
der  anderen  Seite  nicht  sichtbar  werden,  sondern  in  der  Mitte  ihrer 
Seite  einen  kleinen  Stern  bilden. 


444 

mengesetzt,  unten  zur  Hälfte  der  Breite  von  den  oberen  Kam- 
mern gebildet,  die  mit  kleineren,  einen  Stern  in  der  Mitte 
bildenden  Kammern  alterniren.  Oeffnung-  an  der  Seite  der 
letzten  Kammer. 

1.  ui.  carimita  d'Orl.  testa  orbiculari,  alba,  punctata, 
snpra  complanata,  subtus  convexa,  marginata;  margine  carinata, 
integra;  spira  plana,  anfractibus  tribus;  loculis  obliquis,  suturis 
complanatis.    ^  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

2.  A.  lobata  d'Orb.  testa  orbiculata,  alba,  punctata,  supra 
subcomplanata,  subtus  convexiuscula,  margine  subcarinata;  an- 
fractibus quatuor  distinctis;  loculis  obliquis,  convexis,  suturis 
excavatis.    \  Millim.    Cuba. 

3.  A.  monticula  dOrh.  testa  orbiculata,  alba,  supra  com- 
planata, subtus  convexa,  elevata,  subconica,  margine  subcari- 
nata,  integra;  spira  plana,  anfractibus  quatuor;  loculis  obliquis, 
suturis  complanatis.    ^  Millim.    Patagonien. 

Zweite  Abtheilung.    Spira%iuf  beiden  Seiten  gleich, 
übergreifend  oder  nicht. 

Genus  2.     Amphistegina  iVOrh, 

Schale  scheibenförmig,  frei,  spiral,  ungleichseitig,  auf  einer 
Seite  mehr  gewölbt  als  auf  der  anderen.  Spira  übergreifend, 
oben  aus  gleichen  Kammern  zusammengesetzt,  unten  zur 
Hälfte  der  Breite  durch  die  oberen  Kammern  gebildet,  die 
mit  kleineren,  eine  Rosette  in  der  Mitte  bildenden  Kammern 
alterniren.  Oeffnung  unterhalb  auf  der  Seite  der  letzten 
Kammer. 

1.  A.  gilbosa  (TOrh.  testa  suborbiculato- convexa,  albe- 
scente,  rainutissime  punctata,  nitida,  crassa;  subtus  convexa, 
supra  complanata,  margine  subcarinata,  integra;  loculis  arcua- 
tis,  sinuosis.    \  Millim.    Cuba,  St.  Thomas,  Jamaica. 

Genus  3.     Heterostegina  dOrh. 

Schale  fast  kreisförmig,  frei,  ungleichseitig,  innen  auf  einer  \ 
Seite  mehr  gewölbt,    als   auf  der  anderen,    sehr   comprimtrt, , 
Spira  übergreifend   oder  nicht.     Kannnern  zahlreich,   gebogen,! 
ganz  gegen  das  Nabelccntruni,  aber  auf  der  Hälfte  ihrer  Breite, 
gegen   den   Dorsaltlieil   durch   eine    grofse   Anzahl    an    beiden  j 


445 

Seiten  der  Schale  sichtbarer  Querscheidewände  in  Fächer  ge- 
theilt.  Eine  Oeflfniing  an  der  vorigen  Windung,  ein  wenig 
mehr  an  der  minder  gewölbten  Seite. 

1.  H.  Antillarum  (TOrl.  testa  ovali-compressissiraa,  alba, 
lucida,  laevigata,  margine  subcarinata,  loculis  numerosis,  angu- 
statis,  arcuatis;  disco  umbilicali.    2  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

Zweite  Familie. 
Cassiduliiiidae    d*Orh, 

Schale  frei,  regelmäfsig',  gleichseitig.  Spira  regelmäfsig, 
in  derselben  Ebene  aufgerollt.  Kammern  auf  beiden  Seiten 
alternirend. 

Genns  4.     Cassidulina  d^Orh. 

Schale  fast  kreisförmig,  frei,  spiral,  gleichseitig.  Spira 
übergreifend,  aus  alternirenden  Kammern  zusammengesetzt, 
die  sich  jederseits  regelmäfsig  folgen,  und  einen  kleinen  Theil 
der  entgegengesetzten  Seite  bedecken.  Oeffnung  verlängert 
auf  der  Mitte  der  letzten  Kammer  und  quer  auf  die  Axe. 

\.  C.  crassci  dOrh.  testa  ovali,  convexa,  laevigata,  albida, 
nitida,  margine  rotundata;  loculis  ovatis,  convexis;  apertura 
angulosa.    1  Millim.    Malvvinen,  Cap  Hörn. 

2.  C.  pupa  d'Orh,  testa  oblonga,  arcuata,  compressa,  lae- 
vigata, albida,  margine  lata,  convexa;  loculis  angustatis,  arcua- 
tis,  squamosis;  apertura  arcuata.    \  Millim.    Malwinen. 

3.  C.  pulchella  dOrh.  testa  suborbiculata,  compressa, 
laevigata,  lucida,  diaphana,  alba,  margine  carinata;  loculis 
numerosis  triangularibus,  subplanis;  apertura  virgulari.  \  Mil- 
lim.   Peru. 


Fünfte     Ordnung. 

Enallostega  d'Orh. 

Kammern  ganz  oder  theilweise  alternirend,  auf  zwei  oder 
drei  verschiedenen  Axen,   ohne  sich  spiralförmig  aufzuwinden. 


446 


Erste  Familie. 
Volymorphinidae  cVOrh. 

Schale  frei,  uiiregelmäfsig,  ungleicliseitig.  Kammern  alter- 
nirend,  aber  nicht  paarig  in  ihren  Theilen,  auf  zwei  oder  drei 
Axen.     Schafe  glasartig,  durclisichtig,  meist  glänzend. 

Erste   Abtheilung.     Kammern    nach    drei  Seiten 

alternirend. 

Genus  1.     Dimorphina  d-Orh. 

Schale  frei,  ungleichseitig,  glasig,  länglich.  Kammern  an- 
fangs nach  drei  Seiten  alternirend,  später  sich  nach  einer  Längs- 
axe  reihend.  Eine  runde  Oeffnung  am  Gipfel  der  letzten 
Kammer. 

Nur  eine  Art  im  Mittelmeer. 

Genus  2.     Guttulina  d'Orh, 

Schale  frei,  ungleichseitig,  glasig,  länglich,  rhomboidal, 
oder  kuglig.  Kammern  übergreifend  oder  nicht,  nach  drei 
Seiten  alternirend.  Oeffnung  rund,  am  Gipfel  der  letzten 
Kammer. 

Subgenus  1.     Guttulina  d^Orh, 

Kammern  grofsentheils  übergreifend,  immer  an  der  con- 
vexen  Seite  fünf  Kammern  sichtbar. 

1.  G  vitrea  d'Orb.  testa  oblonga,  laevigata,  translucida, 
vitrea,  alba,  antice  acuminata,  postice  obtuso-rotunda;  loculis 
obliquis,  oblongis,  suturis  planis,  apertura  rotunda,  radiata. 
\  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

2.  G.  pulchella  d'Orh.  testa  oblongo-elongata,  translucida, 
alba,  longitudinaliter  striata,  antice  acuminata,  postice  obtusa; 
loculis  quinis  elongatis,  suturis  excavatis;  apertura  rotunda. 
\  Millim.    Cuba,  Martinique. 

3.  G.  Vkincii  d'Orh.  testa  ovata,  alba,  translucida,  laevi- 
gata; antice  posticeque  obtusa,  compressiuscula;  loculis  quinis, 
convexis,  oblongis,  obliquis,  suturis  excavatiusculis;  apertura 
rotunda.    v  Millim.    Patagonien. 


447 

Subgenus  2.     Glohulina  d^Orh. 
Kammern  ganz  und  gar  übergreifend,  nur  drei  sichtbar. 

1.  G.  Cartbaea  (TOrh.  testa  ovata,  alba,  translucida,  antice 
laevigata,  postice  rugosa,  obtusa;  loculis  globulosis  trinis  ob- 
longatis,  obliqiiis,  5Uturis  excavatis ;  apertura  rotunda.  \  Millim. 
Cuba,  Martinique. 

2.  G.  australis  ctOrh.  testa  ovata,  alba,  translucida,  antice 
laevigata,  acuminata,  postice  longitudinaliter  striata,  obtusa; 
loculis  trinis,  obliquis,  suturis  subcomplanatis;  apertura  rotunda, 
radiata.    \  Millim.   Patagonien. 

Zweite  Abtheilung.     Kammern   nach  zwei  Seiten 

alternireud. 

Genus  3.     Volymorphina  d'Orh, 

Schale  frei,  ungleichseitig,  glasig,  länglich  oder  verlängert, 
zusammengedrückt.  Kammern  oft  zahlreich,  wenig  übergrei- 
fend, in  zwei  Linien  alternireud,  aber  von  der  einen  Seite  sich 
immer  viel  mehr  bedeckend  als  von  der  anderen,  was  die 
Schale  unregelmäfsig  und  ungleichseitig  macht.  Oeffnung  rund 
am  Gipfel  der  letzten  Kammer. 

1.  P.  Rochefortiana  d'Orh,  testa  ovato-oblonga,  compres- 
siuscula,  laevigata,  translucida,  vitrea,  alba,  antice  posticeque 
obtusa;  loculis  angustatis,  transversis,  obliquis;  apertura  ro- 
tunda.   ^  Millim.    Cuba,  Martinique. 

2.  P.  irregularis  dOrl.  testa  oblonga,  compressa,  longitu- 
dinaliter sulcata,  translucida,  alba,  postice  obtusa,  antice  sub- 
acumiuata;  loculis  inaequalibus,  irregularibus,  inflatis,  suturis 
excavatis;  apertura  rotunda.    \  Millim.    Antillen. 

3."  P.  rugosa  d'Orh.  testa  oblonga,  compressa,  rugoso- 
aspera,  alba,  antice  posticeque  acuminata;  loculis  inaequalibus 
inflatis,  ultimo  magno;  apertura  rotunda.  \  Millim.  Cuba, 
Martinique. 

Genus  4.     Virgulina  d^Orb. 

Schale  frei,  ungleichseitig,  glasig,  verlängert,  comprimirt. 
Kammern  zahlreich,  wenig  übergreifend,  in  zwei  Linien  fast 
regelmäfsig  alternirend,  sich  von  einer  Seite  mehr  bedeckend 


448 

als   von   der    anderen.     Oeffming    gebogen   und   herablaufend, 
am  oberen  Theil  der  letzten  Kammer. 

1.  V.  ptmclata  d'Orb.  testa  elongata,  compressiuscula, 
punctata,  albo-flavescente;  postice  subacuminata;  loculis  nume- 
rosis,  obliquis;  apertura  minima.   ^  Miliim.    Cuba,  Jamaica. 

Zweite    Familie, 
Textularidae. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  die  Kammern  ganz 
oder  theilweise  alternirend,  aber  auf  zwei  entgegengesetzten 
Seiten  in  derselben  Ebene.  Schale  porös,  runzlig  oder  selbst 
mit  kleinen  Löchern  siebartig  durchbohrt,  oft  agglutinirend. 

Erste  Abtheilung.     Kammern    in   der  Jugend  alter- 
nirend,  im   Alter  in  gerader  Linie  vorgezogen. 

Genus  5,     Bigenerina  d'Orh. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  sehr  runzlig.  Kam- 
mern in  der  Jugend  regelmäfsig  auf  zwei  Axen  alternirend; 
im  Alter  reihen  sich  einzelne  Kammern  in  eine  Längsaxe; 
Oeffnung  central  am  oberen  Ende  dieser  Kammern. 

Drei  Arten  im  Adriatischen  Meere. 

Genus  6.     Gemmulina  d'0?'h. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  gefingert.  Kammern 
anfangs  regelmäfsig  auf  zwei  Axen  alternirend,  später  in  eine 
Längsaxe  ausgezogen.     Oeflfnung  marginal,  oberhalb. 

Eine  Art  im  Mittelmeer. 

Zweite  Abtheilung.    Kammern  in  jedem  Alter  regel- 
mäfsig alternirend. 

Genus  7.     Textularia  Defrance. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  runzlig  oder  agglutini- 
rend, conisch,  länglich  oder  keilförmig.  Kammern  kuglig  oder 
eckig,  in  jedem  Alter  regelmäfsig  alternirend.  Oeffnung  halb- 
mondförmig, quer,  lateral,  an  der  inneren  Seite  jeder  Kammer. 

T.  sagittula  d'Orh.  {Pohjmorpkum  sagittulum  Soldani,  Tex- 
tularia  sagütuki  d'Orb.     Tabl.  d.  Ceph.  p.  f)7)  testa  elongata, 


449 

compressiiisculo-riigosissima;  postico  acnminato-carinata,  antico 
subcylindrico-truncata;  loculis  angustatis,  arcuatis,  siipra  lim- 
batis;  apertiira  lineari.    2  Millim.    Mittelmeer,  Teneriffa. 

2.  T.  Cornea  d'Orh.  testa  brevi,  conica;  troclioidea,  riigoso- 
aspera,  compressa,  lateraliter  subcariiiata,  flavescente,  postice 
obtusa,  antice  dilatata,  troncata;  loculis  angustatis;  apertiira 
lineari.    \  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

3.  T,  Candeiana  d'Orh.  testa  elongato-conica,  riigosa,  fla- 
vescente, lateraliter  convoxa,  postice  aciiminata;  antice  globoso- 
convexa;  loculis  angustatis,  ultimis  magnis,  convexis;  apertura 
lineari.    1  Millim.    Cuba,  Martinique,  St.  Thomas. 

4.  T.  aßgluthimis  d'Orh.  testa  elongato-conica,  rugoso- 
agglutinante,  alba,  lateraliter  convexiuscula;  postice  cuneata; 
loculis  largis,  ultimis  convexis ;  apertura  semilunari.  1  Millim. 
Antillen. 

5.  T.  carihaea  d^Orh.  testa  elongato- compressa,  punctata; 
alba,  lateraliter  subcarinata,  postice  obtusa;  loculis  obliquis; 
apertura  semilunari.    i  Millim.    Antillen. 

6.  T.  Saulcycma  d'Orh.  testa  oblongo-compressa,  punctata, 
alba,  carinata,  postice  obtusissima;  loculis  arcuatis,  complanatis; 
apertura  subrotunda.    \  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

7.  T.  cunciformis  d'Orh.  (Tabl.  rl.  Ceph.)  testa  conico- 
compressa,  alba,  carinata,  postice  acuminata;  loculis  angustatis, 
arcuatis;  apertura  lineari.    1  Millim.    Antillen. 

Genus  8.      Vulvulina  d'Orh. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  wenig  runzlig,  oval, 
comprimirt.  Kammern  comprimirt,  in  allen  Alterszuständeii 
regelmäfsig  alternirend,  sich  theilweise  bedeckend.  Eine  Oeff- 
nung  oben  an  der  letzten  Kammer,  und  als  Längsspalte  parallel 
der  seitlichen  Zusammendriickung. 

1.  V.  gramen  d'Orh.  testa  oblongo-compressa,  laevigata, 
alba,  lateraliter  carinata,  postice  obtusa,  antice  convexa;  locu- 
lis obliquis,  acuminatis,  serratis;  apertura  lineari.  -  Millim. 
Cuba,  Jamaica. 

Genus  9.     Sagrina  d'Orh. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  conisch.  Kammern 
kuglig,  in  jedem  Alter  regelmäfsig  alternirend,  und  sich  theil- 

_   Wiegmann's  Archiv.    VI.  Jahrg.  J,  Bd.  29 


450 

weise  bedeckend.    Oeffmiiig  rund,  oben  an  der  letzten  Kammer 
und  am  Ende  eines  Vorsprunges. 

~  1.  iS*.  pulchella  tVOrh.  testa  oblongo-conica,  compressa, 
alba,  apice  obtusa,  longitudinaliter  costata,  costis  elevatis;  lo- 
culis  globulosis;  apertura  rotunda.  :;^  Millira.  Cuba,  St.  Thomas, 
Jamaica. 

Genus  10.     Bolivinct  (TOrh. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  runzlig  oder  gerippt, 
keilförmig.  Kammern  in  jedem  Alter  regelmäfsig  alternirend, 
oft  vorn  mit  einem  Vorsprung.  Oeffnung  als  Längsspalte  von 
dem  inneren  Theil  jeder  Kammer  bis  zu  dem  vorderen  con- 
vexen  Theil,  wo  ihre  Ränder  oft  stark  vorspringen. 

1.  B.  plicata  d'Orh.  testa  elongata,  alba,  longitudinaliter 
irregulariterque  plicata,  vel  rugosa,  postice  acuminata,  obtusa, 
lateraliter  convexa;  loculis  numerosis,  angustatis,  ultimo  acu- 
minato;  apertura  elongata,  prolongata,  marginata.  \  Millim. 
Valparaiso. 

2.  B.  costata  (TOrh.  testa  elongato-oblonga,  cuneiformi, 
compressa,  alba,  longitudinaliter  costata;  costis  elevatis;  loculis 
obliquis,  numerosis,  ultimo  minime  convexo;  apertura  elongata, 
non  marginata.    \  Millim.    Cobija. 

3.  B.  pwictata  d'Orh.  testa  elongata,    compressa,   conica, 
antice    obtusa,    postice   acuminata,    alba,   punctata,   lateraliter 
subcarinata;   loculis  numerosis,  obliquis,  undulatis,  ultimo  ob 
tusoj  apertura  simplici.    \  Millim.    Valparaiso. 

Genus  11.     Cuneolina  d'Orh. 

Schale  frei,  regelmäfsig,  gleichseitig,  runzlig  oder  gestreift, 
sehr  comprimirt,  conisch  oder  fächerförmig.  Kammern  cora- 
primirt,  schmal,  stets  regelmäfsig  alternirend.  Zahlreiche  OefT- 
nungen  in  einer  Linie  auf  der  ganzen  Länge  der  äufseren 
Seite  der  letzten  Kammer. 

Drei  fossile  Arten. 


Sechste    Ordnung. 

Agathisteg  a. 
Kammorn  nach  zwoi,  drei,  vier  oder  fünf  Seiten  um  eine 


I 


451 

gemeinsame  Axe-zusammengel^näuelt,  jede  in  ihrer  Aufwicko- 
lung  die  ganze  Länge  der  Schale  oder  die  Hälfte  ihres  Um- 
fanges  einnehmend;  dadurch  befindet  sich  die  Oeffnung,  die 
fast  immer  mit  einem  Anhange  versehen  ist,  abwechselnd  an 
einem  oder  an  dem  anderen  Ende. 

Erste  Familie. 

Miliolidae. 

Schale  frei,  regclmäfsig,  gleichseitig,  aus  Kammern  zusam- 
mengesetzt, die  in  einer  Ebene  um  die  Axe  aufgewickelt  sind; 
alle  Theile  paarig. 

Erste   Abtheilung.      Die    Kammern   bilden    eine 
vollkommene   Einrollung   um   die    Axe,    nur   eine 

ist  sichtbar. 

Genus  1.     Uniloculina  cTOrh. 

Schale  kuglig.  Umwickelung  regelmäfsig  um  die  Axe. 
Kammern  übergreifend,  sich  ganz  bedeckend,  nur  eine  sichtbar, 
eine  vollständige  Rückwindung  um  die  vorhergehende  machend; 
Höhlung  einfach.     Eine  gezähnte  Oeffnung. 

Nur  eine  Art  in  Indien. 

Zweite  Abtheilung.     Kammern  nach  zwei  entgegen- 
gesetzten   Seiten    aufgewickelt,    übergreifend,    nur 
zwei  Kammern  sichtbar» 

Genus  2.      Biloculina   d'Orh. 

Schale  kuglig  oder  comprimirt;  die  Höhlung  der  Kammern 
einfach.  Eine  Oeffnung,  abwechselnd  an  beiden  Enden  der 
Längsaxe,  am  Ende  der  vorletzten  Kammer  mit  Zähnen  ver- 
sehen. 

1.  B.  Canariensis  d'Orh.  testa  ovali,  convexa,  laevigata, 
lucida;  margine  minime  carinata;  loculis  convexis,  antice  trun- 
catis,  apertura  magna,  transversali,  lineari,  unidentata,  dente 
lato,  angustato,  lateraliter  lobato.    \  Millim.  Teneriffa. 

2.  B.  suhsphaerica  d'Orh.  testa  globulosa,  subsphaerica^ 
laevigata,  lucida,  lactea,    antice  contracta,  postice  rotundata, 

29* 


452  ,      , 

margine  convexa;  localis  globosis  rotundatis;  apertiira  ovali 
imidentata;  deute  transversim  elongato,  utriiique  digitato.  ^\ 
Millim.    Ciiba,  Jamaica. 

3.  B.  ohlonga  d'Orh.  testa  oblonga,  convexa,  laevigata, 
lucida,  albida,  margine  rotundata;  localis  convexis,  antice  acu- 
minatis,  truncatis;  postice  dilatatis,  rotundatis;  apertura  trans- 
versal! angustata,  unidentata;  dente  transversali,  simplici.  ^ 
Millim.    Cuba,  Jamaica. 

4.  B.  carinata  d'Orb.  testa  ovali,  compressa,  laevigata  vel 
siibrugosa,  albida,  margine  carinata  acuta;  localis  convexiuscu- 
lis,  antice  truncatis,  postice  dilatatis;  apertura  magna,  trans- 
versali,  angusta,  nnidentata;  dente  lato,  transversali,  lateraliter 
digitato.    f  Millim.    Cuba,  St.  Thomas. 

5.  B.  Patagonica  d'Orb.  testa  oblongo-convexa,  laevigata, 
vel  transversaliter  undulata,  lucida,  albida;  margine  rotundata; 
localis  convexis,  antice  acaminatis,  postice  rotundatis ;  apertura 
longitudinaliter  ovali,  mediocri,  nnidentata;  dente  angustato, 
elongato,  lateraliter  digitato.    ^  Millim.   Patagonien. 

6.  B.  sphaera  d'Orh.  testa  sphaerica,  laevigata,  lucida;  la- 
ctea  (junior  antice  subrostrata);  loculis  inaequalibus,  globulosis, 
ultimo  magno,  penultimo  minimo;  apertura  triangnlari,  fere 
aperta,  dente  triangnlari  magno.    1  Millim.    Malwinen. 

7.  B.  Isahelleana  dOrh.  tosta  gl o])OSo- compressa,  laevigata, 
lucida,  antice  posticcque  rotundata,  margine  convexa;  loculis 
orbicularibus,  convexis;  apertura  fere  aperta,  lineari,  transver- 
sali, Icibiata.    ^  Millim.    Malwinen. 

8.  B.  irreguU.ris  d'^Orh.  testa  ovali,  laevigata,  nitida,  antice 
truncata,  postice  rotunda,  lateraliter  compressa;  localis  com- 
pressis,  convexis;  apertura  triangnlari,  irregulari.  1  Mijlim. 
Malwinen. 

9.  B.  Boiigainvillei  dOrh.  testa  oblongo-ovata,  depressa, 
laevigata,  nitida,  antice  truncata,  postice  subacuminata,  latera- 
liter carinata;  loculis  depres.sis,  carinatis;  apertura  transversali, 
lata,  dcntata;  dente  brevi,  utrinque  digitato.  \  Millim.  Mal- 
winen. 

10.  B.  peruviana  d'Orh.  testa  ovata,  globulosa,  laevigata, 
nitida,  antice  posticeque  obtusa;  lateraliter  convexa;  localis 
convexis;  apertura  somilunari,  lata  dentata:  dente  brevi, 
utrinque  digifato.     \   Miliiin.    I\iyta. 


453 

Genus  3.     Fahularia  De/nmce. 

Schale  kuglig  oder  comprimirt.  Höhlung  dw  Kammern 
voll,  in  eine  grofse  Menge  Langsröliren  getheilt.  Zahlreiche 
runde  Oeffnungen  am  Ende  der  letzten  Kammer,  bald  an  dem 
einen  Ende,  bald  am  andern. 

Eine  fossile  Art. 

Genus  4.     Spiroloculuia  d^Orh, 

Schale  comprimirt.  Kammern  nicht  übergreifend,  an  ein- 
ander gelegt  ohne  sich  zu  bedecken,  und  daher  alle  sichtbar, 
ihre  Höhlung  ist  einfach.  Eine  Oeffniuig  abwechselnd  an  beiden 
Enden  der  Längsaxe ;  sie  ist  einfach  oder  mit  Zähnen  versehen, 
fast  immer  in  eine  Röhre  ausgezogen, 

1.  S.  cymhium  iVOrh.  testa  elongata,  compressissima,  alba, 
laevigata,  antice  posticeque  elongata,  rostrata,  margine  truncata 
bicarinata;  loculis  angustatis,  quadrangularibus,  dorso  truncata, 
concava;  aperturaunidentata,  deute  simplici.  f  Millim.  Teneriffa. 

2.  S.  Antülarum  d'Orb.  testa  oblonga,  compressa,  longitu- 
dinaliter  striata;  alba,  antice  elongata,  postice  obtusa,  margine 
rotundata;  loculis  angustatis,  convexis,  suturis  excavatis;  aper- 
tura  subrotundata,  unidentata,  deute  simplici.   |  Millim.    Cuba. 

3.  S,  ornata  cVOrl).  testa  oblonga,  compressissima,  alba, 
antice  acuminata,  postice  obtusa,  margine  bicarinata;  loculis 
angustatis,  dorso  bicarinatis,  latere  bicostatis,  costis  interruptis ; 
apertura  angustata.    \  Millim.    Cuba. 

4.  S,  Poeijana  iVOrl.  testa  oblonga,  minime  compressa, 
alba,  longitudinaliter  striata,  antice  elongata,  margine  rotunda; 
loculis  convexis,  dorso  convexis,  lateraliter  acute  carinatis; 
apertura  rotunda,  dentataj  deute  lateraliter  digitato.  \  Millim. 
Cuba,  Jamaica. 

Zweite  Familie. 

Multiloculidae. 
Schale  frei,  regelmäfsig,  ungleichseitig;  Kammern  auf  drei, 
vier  oder  fünf   entgegengesetzten  Seiten   längs  der  Axe   auf- 
gewickelt, daher  kein  Theil  paarig. 

Erste  Abtheilung.     Kammern   auf   drei    Seiten    auf- 
gewickelt,  drei  Kammern  sichtbar. 


454 

Genus  5.     Triloculina  cFOrb. 

Schale  kuglig  oder  comprimirt,  mit  derselben  Form  in 
allen  Alterszuständen.  Kammern  sich  bedeckend,  nur  drei 
sichtbar;  ihre  Höhlung  einfach.  Eine  runde  oder  ovale  Oeff- 
nung,  abwechselnd  an  dem  einen  oder  dem  anderen  Ende  der 
Axe,  mit  einem  mehr  oder  weniger  complicirten  Zahn, 

1.  T.  Welhiana  d'Orb.  testa  ovato-compressa,  alba,  longi- 
tudinaliter  striata,  antice  posticeque  obtusa,  margine  rotundata; 
loculis  inflatis,  arcuatis;  suturis  excavatis,  apertura  semi-lunari, 
unidentata,  dente  magno,  lato,  quadrangulari.   i  Mill.  Teneriffa. 

2.  T.  Martinicma  (TOrh.  testa  ovato-oblonga,  inflata,  nitida, 
alba,  laevigata;  antice  truncata,  postice  subacuminata;  loculis 
elongatis,  gibbosis,  suturis  sinuosis,  dorso  rotundo;  apertura 
rotunda,  magna,  unidentata,  dente  magno,  lato,  quadrato.  \ 
Millim.    Teneriffa. 

3.  T.  Chemnitziana  dOrh.  testa  oblonga-ovata,  compressa, 
nitida,  alba,  laevigata,  antice  posticeque  acuminata;  loculis 
elongatis,  arcuatis,  aequalibus,  dorso  rotundo ;  suturis  excavatis ; 
apertura  ovali,  unidentata,  dente  elongato,  angustato.  \  Millim. 
Teneriffa. 

4.  T.  nitida  d'Orl.  testa  elongata,  oblongo- inflata,  nitida, 
laevigata,  alba,  antice  posticeque  obtusa;  loculis  elongatis,  antice 
gibbosis;  dorso  convexo,  rotundato;  suturis  excavatis;  apertura 
elongata,  longitudinaliter  angustata,  unidentata,  dente  lineari, 
ad  extremam  partem  bilobato.    ~  Millim.    Teneriffa. 

5.  T.  Chmlteriana  d'Orh.  testa  oblongo  -  elongata,  triangu- 
lato-compressa,  longitudinaliter  tenuiterquc  substriata,  alba,  antice 
posticeque  obtusa,  margine  convexa;  loculis  elongatis,  elevatis; 
apertura  peristomata,  unidentata;  dente  elongato,  simplici.  ^ 
Millim.    Cuba. 

6.  T.  Fichieliana  (VOrh,  testa  orbiculato- convexa,  alba, 
longitudinaliter  striata,  antice  posticeque  obtusissima,  margine 
convexa,  rotunda;  loculis  magnis,  arcuatis,  globulosis:  suturis 
excavatis;  apertura  magna,  transversali,  ovali,  unidentata,  dente 
brevissimo,  acuto.   ~  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

7.  T.  Ltmieiana  d'Orh.  testa  oblonga,  convexa,  alba,  antice 
posticeque  obtusa,  margine  convexa;  longitudinaliter  costata; 
luoulis  convcxis,    arcuatis;    costis  acutis    scptcm  vcl  quatuor 


455 

ornatis;  apertura  rotuiida,  unidentata,  deute  bifurcato.    |  Mill. 
Cuba,  Jamaica. 

8.  T.  quadrilateralis  iVOrh.  testa  oblonga,  angulata,  alba, 
rugosa,  antice  elongata,  truncata,  postice  obtusa;  loculis  qua- 
drilateralibus,  dorso  subplano,  lateraliter  carinato;  apertura 
quadrilatera,  unidentata;  deute  elongato,  truncato,  simplici. 
i  Millim.    Cuba.        ' 

9.  T.  Plancicma  tVOrJ).  testa  oblongo-depressa,  nitida,  alba, 
longitudinaliter  minime  rugosa,  antice  posticeque  obtusa,  mar- 
gine  rotundata,  loculis  arcuatis,  convexis,  antice  angustatis, 
postice  dilatatis,  dorso  subangulatis ;  apertura  ovali,  unidentata; 
deute  elongato,  ad  extremam  partem  dilatato.  \  Millim.   Cuba, 

Jamaica^. 

10.  T.  Schreiberiana  d'Orh.  testa  ovata,  subtriangulari, 
convexa,  nitida,  alba,  antice  posticeque  obtusa,  margine  rotun- 
data;  loculis  magnis,  minime  arcuatis,  convexis,  dorso  rotun- 
dato;  apertura  subrotundata,  unidentata,  deute  brevi,  simplici. 
^  Millim.    Antillen. 

11.  T.  ollmiga  d'Orh.  (  Vermiculum  oUongum  Montagu, 
Flemming.  Tr.  oblonga  d'Orb.  Tabl.  d.  Ceph.  p.  134)  testa 
oblonga,  triangulari,  convexa,  nitida,  alba,  antice  truncata, 
postice  rotundata,  margine  subcarinata;  loculis  elongatis,  sub- 
triangularibus,  dorso  subangulatis;  apertura rotunda,  unidentata; 
deute  simplici.  \  Millim.  Mittelmeer,  Atlantischer  Ocean, 
Antillen. 

12.  T.  Brongniartiana  d'Orh.  (Tr.  suborUcularh  d'Orb. 
Tabl.  d.  Ceph.  p.  134)  testa  oblonga,  gibbosa  convexa,  alba, 
longitudinaliter  striata,  antice  acuminata,  subrostrata,  postice 
rotundata,  margine  rotundata;  loculis  elongatis,  gibbosis,  dorso 
convexis,  antice  acuminatis;  apertura  rotunda,  unidentata,  deute 
simplici.    \  Millim.    Antillen,  fossil  in  Italien. 

13.  T.  suborhicularis  d'Orh.  (Tabl.  d.  Ceph.  p.  134)  testa 
orbiculato-compressa,  alba,  longitudinaliter  tenuiter  striata, 
antice  posticeque  rotunda,  margine  convexa;  loculis  magnis, 
arcuatis,  inflatis,  suturis  impressis;  apertura  mediocri,  rotunda, 
unidentata,  deute  brevi,  simplici,  obtuso.    \  Millim.    Antillen. 

14.  T.  lahiosa  d'Orh.  testa  tuberosa,  convexa,  alba,  laevi- 
gata,  nitida,  lateraliter  expansa,  antice  posticeque  obtusissima, 
margine  convexa;  loculis  globulosis,  inflatis,  oblongatis,  suturis 


456 

excavatis;   apertura  transversaliter  elongata,  angustata.    ^-  Mil- 
lim.    Ciiba. 

15.  T.  carinata  iVOrh.  testa  ovato-oblonga,  compressa,  alba 
profunde  variolata,  aiitice  truncata,  postice  rotundata;  iiiargine 
acute  carinata;  loculis  compressis,  dorso  carinatis,  antice  an- 
gustatis;  apertura  elongata,  linibata,  unidentata,  dente  angustato 
elongato,  simplici,  truncato.    \  Millim.    Cuba. 

16.  T.  hicarinata  iVOrh.  testa  ovato-convexa,  alba,  profunde 
excavato-variolatii,  antice  posticeque  obtusa,  margine  bicarinata; 
loculis  quadrilateralibus,  dorso  coniplanatis,  lateraliter  carinatis;' 
apertura  ovali,  uiu'dentata.    \  Millim.  Cuba. 

17.  T.  eburnea  d'Orh,   testa   oblonga,   minime   compressa 
nitida,  laevigata,  lactea,  antice  posticeque  obtusa,  margine  con- 
vexa,  loculis  elongatis,  rotundis,  dorso  convexis;  suturis  sub- 
complanatis;    apertura    fere    aperta;    dente    elongato,    magno. 
\  Millim.    Cuba. 

18.  T.  graciUs  d'Orh,  testa  elongata,  gracili,  convexa,  ni- 
tida, alba,  longitudinaliter  irregulariter  striata,  antice  posticeque 
elongata,  margine  rotundata;  loculis  flexuosis,  elongatis,  antice 
truncatis;  apertura  rotunda  unidentata,  dente  simplici,  peristo- 
mate  reflexo,  magno.    •-  Millim.    Cuba,  Jaraaica. 

19.  T.  holiviana  d'Orh.  testa  oblonga,  compressa,  alba, 
laevigata,  transversim  undulata,  antice  posticeque  obtusa,  mar- 
gine convexa;  loculis  elongatis,  arcuatis,  irregulari-gibbosis; 
apertura  ovali,  unidentata,  dente  elongato,  simplici.  \  Millim! 
Cobija. 

20.  T.  rosea  d'Orh.  testa  ovata,  convexa,  rosea,  laevigata, 
nitida,  transversim  undulata,  antice  posticeque  obtusa,  margine 
rotundata;  loculis  magnLs,  arcuatis,  suturis  excavatis;  apertura 
limbata,  semilunari,  transversali,  unidentata;  dente  obtusissimo, 
rotundo.    i  Millim.    Patagonien. 

21.  T.  cryptella  d'Orh.  testa  ovato- convexa,  albida,  lae- 
vigata, antice  posticeque  obtusa,  margine  rotundata;  loculis 
uiaequalibus,  suturis  excavatis;  apertura  suboperta,  dente  ob- 
tuso,  magno.    \  Millim.    Malwinen. 

22.  T.  lutea  d'Orh.  testa  ovato-oblonga,  gibbosa,  lutea, 
laevigata,  antice  truncata,  postice  convexa,  margine  rotundata; 
loculis  flexuosis,  antice  acuminatis,  postic«  dilatatis,  suturis 
excavatis;  apertura  transversali,  angustata,  bilabiata.    \  Millim. 


f 


45: 

23.  T.  glohulus  iVOrh,  testa  globulosa,  subsphaerica,  lae- 
vigata,  antice  posticeque  convexa,  niargiiie  rotiiiidata;  loculis 
ovatis,  convexis,  suturis  excavatis;  apertura  semiluiiari,  iinideii- 
tata;  (lente  simplici.    -|  Millini.    Payta, 

Genus  6.     Crucilocnlina  cVOrb. 

Schale  dreieckig,  mit  derselben  Form  in  allen  Alterszu- 
ständen.  Kammern  sich  bedeckend,  nur  drei  sichtbar.  Eine 
Oeffnung,  kreuzförmig  oder  mit  zwei  Zähnen,  die  sich  an  ihrem 
Ende  berühren,  versehen. 

1.  C  triangularis  d'Orh,  testa  triangulär!,  tricarinata,  lae- 
vigata,  alba,  lucida,  antice  posticeque  angulosa;  loculis  ovatis? 
complanatis,  antice  posticeque  acuminatis,  margine  carinatis, 
suturis  non   excavatis;   apertura  lineari.    1  Millim.   Malvviaen. 

Genus  7.     Articulina  cVOrh. 

Schale  verlängert,  in  der  Jugend  auf  drei  Seiten  aufge- 
wickelt, dann  in  gerader  Linie  vorgezogen.  Kammern  in  der 
Jugend  sich  bedeckend,  so  dafs  nur  drei  Kammern  sichtbar 
sind,  später  wachsen  sie  in  gerader  Linie  fort,  wie  Nodosaria. 
Eine  Oeflfnung,  gezähnt  oder  nicht. 

1.  A.  Sagra  iVOrh.  testa  elongata,  compressa,  alba,  lon- 
gitudinaliter  costata,  antice  dilatata,  truncata,  postice  obtusa; 
loculis  oblongatis,  compressis,  ventricosis,  antice  dilatatis ;  aper- 
tura magna,  ovali;  peristomate  crasso,  lato,  reflexo.  \  Millim. 
Antillen. 

Zweite  Abtheilung.     Kammern   auf  vier  Seiten  auf- 
gewickelt, vier  Kammern  sichtbar. 

Genus  8.     Sphneroidina  d'Orh. 

Schale  kuglig,  in  jedem  Alter  gleich  gestaltet.  Kammern 
sich  bedeckend,  mit  einfacher  Höhlung.  Eine  Oeffnung  an  der 
Seite  der  letzten  Kammer,  neben  der  älteren  sichtbaren.  Ein 
einfacher  Zahn. 

Eine  Art  im  Adriatischen  Meere. 

Dritte   Abtheilung.     Kammern  auf  fünf  Seiten  auf- 
gewickelt, fünf  Kammern  sichtbar. 


458 

Genus  9.     Quinqueloculina  (VOrh. 

Schale  knglig  oder  comprimirt,  abgerundet  oder  winklig, 
in  jedem  Alter  gleich  gestaltet.  Kammern  sich  bedeckend,  so 
dafs  nur  fünf  sichtbar  sind;  ihre  Höhlung  einfach.  Eine  Oeff- 
nung  mit  einem  einfachen  oder  zusammengesetzten  Zahn» 

4.  Q.  3erthelotlana  iVOrh.  testa  ovato-convexa,  alba,  ru- 
gosa,  flavescente,  antice  elongata,  rostrata,  postice  obtusa,  mar- 
gine  bicarinata,  loculis  flexuosis,  antice  triangularibus,  elongatis, 
truncatis;  postice  quadrangularibus  obtusis,  dorso  antice  cari- 
nato,  postice  bicarinato;  apertura  ovali,  unidentata.  ^  Millim. 
Teneriffa. 

2.  Q.  inaeqtmlis  d'Orh.  testa  suborbiculato-convexa,  triau- 
gulata,  laevigata,  nitida;  antice  posticeque  obtusa,  margine  sub- 
carinata;  loculis  inaequalibus,  hinc  convexis,  illinc  concavis, 
triaugularibus,  dorso  carinatis;  apertura  ovali,  unidentata,  dente 
brevi,  simplici.    \  Millim.    Teneriffa. 

3.  Q.  Guancha  (VOrh,  testa  oblonga,  convexa,  lutea,  lon- 
gitudinaliter  striata,  antice  subtruncata,  postice  obtusa,  rotunda, 
margine  subcomplanata,  loculis  elongatis,  subquadrilateralibus, 
antice  acuminatis,  truncatis,  postice  dilatatis,  obtusis,  '.dorso 
subcomplanatis ;  apertura  ovali,  unidentata,  dente  lateraliter 
lobato.    1  Millim.    Teneriffa. 

4.  ö.  laevigata  iVOil.  (Tabl;  d.  Ceph.  p.  135)  testa  ovato- 
oblongata,  laevigata,  nitida,  alba,  antice  posticeque  obtusa, 
margine  rotundato- convexa;  loculis  convexis,  elongatis,  arcua- 
tis,  antice  truncatis;  dorso  rotundato;  apertura  ovali,  unidentata. 
1  Millim.    Teneriffa,  fossil  bei  Paris. 

5.  ö.  Planciana  d'Orl.  testa  ovata,  compressa,  alba,  sub- 
rugosa,  antice  angulata,  postice  subrotundata,  margine  subcari- 
nata;  loculis  triangulato-inflatis,  arcuatis;  apertura  longitudina- 
liter  ovata,  unidentata;  dente  elongato,  bifurcato^;  peristomate 
simplici.    |  Millim.    Cuba,  St.  Thomas. 

6.  Q,  Gualtieri  (VOrh.  testa  ovato-gibbosa,  compressa,  alba, 
laevigata,  transversaliter  undulata,  antice  truncata,  postice  ob- 
tusa, margine  carinata;  loculis  antice  angustatis,  rectis  truncatis, 
postice  dilatatis,  arcuatis,  dorso  carinatis ;  apertura  longitudina- 
liter  elongata,  anguslata;  dente  elongato,  simplici.  4^  Millim. 
Cuba,  Jamaica. 


459 

7.  Q.  tricarinata  tVOrh,  testa  elongato-ovata,  crassa,  con- 
vexa,  alba,  rugosa,  longitiidinaliter  costata  vel  roticulata,  aiitice 
posticequc  acuminata;  loculis  sinuosis,  tricostatis,  ultimo  sub- 
reticulato,  apertura  minima  rotunda,  miidcntata;  deute  bifurcato. 
1  Millim.    Cuba,  Jamaica. 

8.  Q.  Sagra  tVOrl.  testa  suborbiculari,  angulosa,  convexa, 
crassissima,  alba,  rugosa,  trausversaliter  costato-reticulata,  an- 
tice  posticeque  obtusa;  loculis  arcuatis,  quadrilateralibus,  antice 
aiigustatis,  postice  dilatato-obtusis,  lateraliter  traiisverse  costatis, 
dorso  piano,  reliculato,  utrinque  carinato;  apertura  ovali,  uni- 
dentata;  dente  lateraliter  ad  extremam  partem  dilatato.  ^Mil- 
lim.   Cuba. 

9.  Q.  LamarcMana  d'Orh,  testa  suborbiculari,  convexa, 
alba,  laevigata,  nitida,  antice  elongato-truncata,  postice  obtusa, 
margine  carinata;  loculis  triangularibus,  arcuatis,  sinuosis,  antice 

i  truncatis,  postice  subacuminatis,  dorso  carinatis;  apertura  ovali, 
unidentata;  dente  elongato,  simplici.  f  Millim.  Cuba,  Jamaica. 

40.  Q,  Ctivieriana  iVOrh,  testa  suborbiculari,  convexa,  alba, 
nitida,  laevigata,  margine  carinata,  longitudinaliter  striata,  antice 
posticeque  obtusa;  loculis  triangulatis,  arcuatis,  antice  truncatis, 

:  dorso  carinatis;   apertura  oblonga,  unidentata;   dente  elongato, 
angustato,  simplici.    \  Millim.    Cuba. 

11.  Q.  Bosciaria  d'Orh.  testa  elongato-oblonga,  compressa, 
alba,  laevigata,  nitida,  antice  truncata,  postice  obtusa,  margine 
rotundata;  loculis  convexis,  elongatis,  minime  arcuatis,  antice 
angustatis,  postice  dilatatis  obtusis,  dorso  rotundatis;  apertura 
rotunda,  unidentata;    dente  brevi,  simplici.   \  Millim.   Antillen. 

12.  Q.  Poeyana  (TOrh.  testa  elongata,  oblonga,  minime 
compressa,  alba,  longitudinaliter  costato-striata ,  antice  postice- 
que obtusa,  margine  convexa;  loculis  convexis,  angustatis,  mi- 
nime arcuatis,  subaequalibus,  dorso  rotundatis;  apertura  ovata, 
unidentata.    -1-  Millim.    Cuba,  St.  Thomas. 

13.  Q,  dilatata  d'Orb.  testa  orbiculato-dilatata,  compressa; 
alba,  laevigata  vel  subrugosa,  antice  posticeque  obtusissima, 
margine  convexa;  loculis  sinuosis,  dilatatis,  carinatis,  dorso 
rotundatis;  apertura  obliqua,  depressa.  |  Millim.  Cuba,  St. 
Thomas. 

14.  Q.  Auberimia  d'Orh.  testa  suborbiculari,  convexa, 
alba,  laevigata,  transversim  undulata,  margine  carinata,  antice 


460 

posticeque  obtiisa;  loculis  convexo-triaiigularibiis,  arcuaiis,  an- 
tice  truucatis,  dorso  carinatis ;  apertura  ovata,  unidentata,  deute 
cloiigato,  simplici.    ^  Millim.    Cuba,  Martinique. 

15.  Q.  Antillarum  dOrb.  testa  ovato-oblouga,  couipressa, 
alba,  profunde  et  oblique  variolata,  margine  irregulariter  cari- 
nata,  antice  posticeque  obtusa;  loculis  triaugularibus,  compres- 
sis,  arcuatis,  antice  truncatis,  dorso  gibboso  carinatis;  apertura 
oblonga,  infra  dilatata,  unidentata,  deute  elongato,  bifurcato; 
peristoniate  acute  sinuato.    1^  Millim.    Cuba,  Jamaica, 

16.  Q,.  licosfata  cVOrl.  testa  ovata,  convexa,  alba,  laevi- 
gata,  margine  bicostata,  antice  posticeque  obtusa;  loculis  sub- 
quadrilatcralibus,  regulariter  arcuatis,  dorso  bicostatis;  apertura 
mediocri,  rotunda,  miidentata,  deute  brevi,  simplici.  \  Millim. 
Cuba,  Jamaica. 

17.  Q.  agglutincms  cVOrh.  testa  ovata,  convexa,  alba,  irre- 
gulari,  agglutinante,  antice  posticeque  acuminato-obtusa,  margine 
subcomplanata;  loculis  subangularibus,  arcuatis,  antice  truncatis, 
dorso  subcomplanatis,  apertura  ovali,  intus  denticulata.  1  Mill. 
Cuba,  Jamaica. 

18.  Q.  enoplostoma  (TOrh.  testa  ovato-angulosa,  convexa, 
alba,  irregulari,  agglutinante,  antice  posticeque  subacuminata, 
margine  bicarinata;  loculis  quadrilateralibus ,  arcuatis,  antice 
truncatis,  postice  acuminatis;  dorso  complanato,  bicarinato, 
suturis  excavatis;  apertura  ovata,  intus  periphaeriam  internam 
serrata,  unidentata,  dente  elongato,  bifurcato.  \  Millim.  Cuba, 
St.  Thomas,  Guadeloupe. 

19.  Q.  hidentata  d'Orh.  testa  ovato-angulosa,  alba,  rugosa^  ^ 
antice  posticeque  acuminata,  margine  bicarinata;   loculis  angu- 
latis,   irregulariter  arcuatis,  antice  truncatis,   postice  dilatatis; 
dorso  subbicarinato ;  apertura  quadrilaterali ,  bidentata.    \  Mil- 
lim.   Cuba.  ^ 

20.  Q.  polygona  d'Orh.  testa  oblonga,   convexa,  imiltian-" 
gulata,  laevigata,  alba,  antice  angustata,  postice  obtusa,  rotun- 
data,    margine  bicarinata;    loculis   quadrilateralibus,    flexuosis,  . 
antice  angustato- truncatis,  postice  dilatatis:  dorso  canaliculato, 
bicarinato,  carinis  acutis,  crenulatis;   apertura  minima,   rotun- 
data,  unidentata.    r}  Millim.    Cid^a,  Jamaica. 

21.  Q.  Candeimm  d'Oth.  testa  ovato- oblonga,  triangulari, 
alba,  laevigata,  nitida,  antice  acuminato-elongata,  postice  obtusa, 


461 

niargine  carinata,  ciiltrata;  loculis  flexiiosis,  triaiigiilaribiis,  an- 
licc  prolongatis,  triincatis,  postice  ohtnsis,  dorso  carinato-acutis; 
apertiira  rotunda,  iinidentata,  dente  brevi,  simplici.  1  Millim. 
Jamaica,  Cuba. 

22.  Q.  Peruviana  iVOrh.  tosta  ovali,  compressa,  alba,  lae- 
vigata,  nitida,  antice  posticeqiie  obtusa,  margiiie  rotunda;  locu- 
lis convexis,  inflatis,  arcuatis,  antice  minime  angustatis,  dorso 
rotundatis ;  apertura  ovali,  unidentata,  dente  dilatato.  \  Millim. 
Arica. 

23.  Q.  ßexuosa  (TOrh.  testa  oblonga,  gibbosa,  convexa, 
alba,  irregnlariter  et  longitudinaliter  oblique  striata,  antice 
posticeque  obtusa,  margine  subcomplanata;  loculis  subquadri- 
lateralibus,  flexuosis,  antice  angustatis,  truncatis,  postice  dilata- 
tis,  obtusis,  dorso  complanatis;  apertura  ovali,  unidentata; 
dente  brevi,  bifurcato.    1-  Millim.    Arica. 

24.  Q.  Fatagonica  cl'Orh.  testa  oblongo-convexa,  alba,  ni- 
tida, laevigata,  antice  posticeque  obtusa,  margine  rotundata; 
loculis  elongatis,  convexis,  angustatis,  minime  arcuatis,  subae- 
qualibug,  dorso  rotundatis;  apertura  ovali,  unidentata;  dente 
brevi,  simplici.   \  Millim.    Patagonien. 

25.  Q.  IsaheUei  (Wrh.  testa  ovato-compressa,  alba,  nitida, 
laevigata,  transversim  subundulata,  antice  truncata,  postice  ro- 
tunda, margine  rotundata;  loculis  convexis,  antice  truncatis, 
postice  obtusis,  dorso  rotundatis;  apertura  subrotunda,  uniden- 
tata; dente  elongato,  truncato.    |  Millim.    Patagonien. 

20.  Q.  Inca  (VOrh.  testa  oblongo-elongata,  compressa,  alba, 
longitudinaliter  striata,  antice  truncata,  postice  obtusa,  margine 
carinata;  loculis  triangularibus,  angustatis,  antice  acuminato- 
truncatis,  postice  dilatatis,  inaequilateralibus,  dorso  carinatis; 
apertura  semilunari,  unidentata.    \  Millim.  Arica. 

27.  Q.  meridmiaUs  d'Orh.  testa  suborbiculari,  compressa, 
alba,  laevigata,  transversim  undata,  antice  posticeque  subacumi- 
nata,  margine  convexa;  loculis  convexis,  arcuatis,  dorso  rotun- 
datis; apertura  subrotunda,  unidentata;  dente  simplici.  |-Mill. 
Patagonien,  Malwinen. 

28.  Q.  araucana  iVOrh.  tosta  ovato-oblonga,  gibbosa,  com- 
pressa, laevigata,  antice  truncata,  postice  rotundata,  margine 
convexa:  loculis  convexis,  arcuatis;  apertura  unidentata;  dente 
simplici.    1  Millim.    Valparaiso,  Payta. 


462 

29.  Q.  cora  (FOrh.  testa  siiborbiculari,  compressissima, 
transversim  iimlulata,  subrugosa,  antice  posticeque  obtusa, 
margino  carinata;  loculis  comprcssis,  arcuatis,  carinatis;  aper- 
tura  angustata,  elongata,  dentata;  deute  simplici.  \  Millim. 
Acapulco. 

30.  Q.  magellamca  cVOrb,  testa  ovata,   elevata,  laevigata, 

lucida,  antice  truncata,  postice  rotunda,  margine  subcarinata; 

loculis  arcuatis,  angustatis,  subcarinatis;  apertura  oblonga,  uni- 

dentata,  deute  truucato.    \  Millim.    Malwiuen. 

*  f. 

Genus  10.     Adelosina  dOrh, 

Schale  frei,  ungleichseitig  im  Alter,  winklig,  mit  einer 
grofsen  comprimirten,  fast  kreisförmigen,  mit  einem  Vorsprunge 
versehenen  Kammer  beginnend,  um  die  sich  die  Kammern 
wickeln.  Höhlung  der  Kammern  einfach.  Oeffnung  mit  Zäh- 
nen bewaffnet,  abwechselnd  an  dem  einen  oder  dem  anderen 
Ende  der  Längsaxe. 

Zwei  lebende  Arten  im  Adriatischen  Meere,  zwei  fossile 
in  Italien. 


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Gedruckt  bei  den  Gebr.  Uiiger. 


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