AR€IUV
FÜR
NATURGESCHICHTE.
IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN
HERAUSGEGEBEN
TON
D». AR. FR. AUa. WIEaniANN,
AUSSKRORD. PROFESSOR AN DER FRIEDRICH - WILHELMS - UNIVERSITÄT
ZU BERLIN.
SECHSTER JAHRGANG,
Erster Band.
MIT ZEHN KUPFERTAFELN,
BERLIN 1840.
IN DER NICOLAI'SCHEN BUCHHANDLUNG.
Inhalt des ersten Bandes.
I. Zoologie.
Seite.
Nachträgliche Bemerkungen zur Uebersicht der Gattungs- und Art-
charaktere der europäischen Fledermäuse, von A. Graf v. Key-
serling und Prof. J. H. Bl9,sius 1
Sur une nouvelle espece du Genre Gymnetre, par Risse . . . 13
üeber das Brütorgan der Gattung Hippocampus , von Dr. August
Krohn 16
Ichthyologische Beiträge von B. Fr. Fries. Die Gattung Pleu-
ronectes 18
lieber die Lebenskraft der Eingeweidewürmer, von Dr. C. E.
Mir am 35
Cylindrella, nov. genus, nebst Bemerkungen über die übrigen Gat-
tungen der Helicinen, von Dr. L. Pfeiffer in Kassel ... 38
Fortpflanzung der Ringeltaube in der Gefangenschaft, mitgetheilt
von St. K. V. Siemuszowa-Pietruski , . 43
Neue Beiträge zur Erläuterung und endlichen Erledigung der Streit-
frage über Tur und Zw^n {JJrus und Bison) von G. G. Pusch
in Warschau 47
üeber eine neue Art der Gattung DeilepJäla von M. A. Mützel
(Hierzu Taf. VIII. Fig. 1.) 171
Diagnosen der neuen Mäuse, welche auf Darwin's Reise entdeckt
wurden, von G. R. Waterhouse ........ 174 u, 281
Zoologische Bemerkungen von Dr. A. Philipp i. (Fortsetzung.
Hiezu Taf. III. und IV.) I. Clavagella Balanornm. II. Zoe, der
erste Zustand von Pagurus. III. Asterope, neues Genus der
Ostracopoden. IV. Neue Genera der Copepoden. V. Peneus
siphonocerus. VI. Pontarachne^ eine Hydrachnide des Meers.
\II. Desniophyllum Stellar ia Ehrb 181
Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Mollusken und Zoophy-
ten, von M. Sars. (A. Mollusken: Tritonia, Äeolidia, Doris,
Jplysia. Hiezu Taf. V. VI. VII.) 196
Einige Bemerkungen über die Bekleidung des Laufs der Singvogel
von H. Burmeister 220
Berichtigungen von Gloger 227
Rechtfertigung des Herausgebers 229
Untersuchung der an den schwedischen Küsten vorkommenden
Arten der Gattung Gobius von Fries, übersetzt von F. C. H.
Creplin 233
Zur Entwickelungsgeschichte der Dekapoden. Von Heinr. Rathke 241
Uebersicht der im Januar, Februar und März 1839 auf Cuba
gesammelten Mollusken. Von Dr. Louis Pfeiffer. (Fort-
setzung von Jahrg. V. Bd. 1. S. 346) 250
IV
Seife.
Bemerkung zu dem Aufsatz der Herren v. Keyserling undBla-
s i u s über die europäischen Fledermäuse, von F. B o j e in Kiel 262
BH Hodgson, Resident in Nepal, über den Gauri Gau. (Hierzu
Tafel IX.) 263
Ueber einige Bloch'sche Fischarten, von Dr. F. H. Troschel . 267
Ueber den Bau des Pentacrinus Caput Medusae, von J. Müller 307
Ueber die Gattungen der Asteriden, von J. Müller und F. H.
Troschel 318
Ueber die Gattungen der Ophiuren, von Denselben 326
Schreiben der Herren Graf v. Keyserling und Prof. Blasius 330
Beschreibung von vier auf Cuba gefangenen Fledermäusen, von
Dr. Gundlach 356
Ueber zwei von mir gesammelte Böen von Cuba, von Dems. . . 359
Erwiederung auf Burmeister's Aufsatz: Bemerkungen über die
Bekleidung des Laufs der Singvögel, von Blasius und Key-
serling 362
Fortgesetzte Bemerkungen über die Gattungen der Asteriden, von
J. Müller und F. H. Troschel . . ^ 367
Verzeichnifs der Vögel GaUiziens von Stan. Const. Ritter von
Siemuszo wa- Pietruski 369
Observations sur quelques poissons de la mer de Nice par
A. Risso. (Hierzu Taf.X.) 376
Beiträge zur Kenntnifs der sogenannten Indianischen Vogelnester,
von Herrn Baron von S c hier br and in Java 393
Die Foraminiferen Amerikas und der Canarischen Inseln, von
Aleide d'Orbigny. Im Auszuge mitgetheilt von Dr. Troschel 398
n. Botanik.
Beiträge zur näheren Kenntnifs von Lemna arrhiza, nebst einigen
Bemerkungen über L. polyrrhi%a , gibba, minor und trisulca
von Dr. J. F. Hoffmann. (Hierzu Taf. I. u. II.) . . . . .138
Erklärung der eigenthümlichen Stellung der Embryonen im Mistel-
Saamen, wenn deren mehrere in einem und demselben Saamen
vorkommen, von J. Meyen 164
Noch einige Mittheilungen über rothen und grünen Schnee, von
J. Meyen 166
Ueber die geographische Verbreitung der Compositen, von A. F.
Do C and olle, übersetzt von Dr. W. G. Walpers .... 287
Die Vegetation in der Mark Brandenburg. Ein Beitrag zur Pflan-
zengeographie von Dr. Bar entin 331
Nachträgliche Bemerkungen
zur
üebersicht der Gattuiigs- und Artcharaktere der
europäischen Fledermäuse
im 5. Jahrgange (Bd. I. 293.)
von
A. Graf v. Keyserling und Prof. J. H. Blasius.
A e m mink's Monographies deMammalogie Vol.ll. Lhr.III:
Monographie Xlll. sw les Ghiropteres Vespertilionides, die
uns beim Niederschreiben der „Üebersicht der Gattungs- und
Artcharaktere der europäischen Fledermäuse" noch nicht zu
Gesicht gekommen war, enthält gegen 80 Arten Fledermäuse,
von denen mehr als die Hälfte neu ist. Beim Durchsehen der
dort angegebenen Charaktere haben wir die Ueberzeugung ge-
wonnen, dafs die von uns für die europäischen Arten ange-
nommenen Gattungen sich auch auf die ausländischen anwenden
lassen. Die Beschreibungen erlauben es in vielen Fällen die
einzelnen Rotten innerhalb der Gattungen mit mehr oder
weniger Sicherheit festzustellen; nur wenige Arten scheinen
etwas abweichende Formen zu repräsentiren. Von andern
sind die Beschreibungen so arm, dafs diese generische Fest-
stellung nicht möglich, oder doch unsicher ist. Folgendes ist
das aus denselben zu entnehmende Resultat für die ausländi-
schen Arten :
Erste Gattung: Synotus,
1. leucomelas CretscJt, Afrika.
2. macrotus T. Asien.
3. Maugei Besm. Amerika.
Wiegm. Archiv. VI. Jahrg. 1 Band. 4
2
Zweite Gattung: Plecot us.
1. velatus Geoffr. Amerika.
2. Tiinoriensis Geoffr. Asien.
? 3. inegalotis Raf Amerika.
* Dritte Gattung: Vespertilio.
Erste Rotte: Langöhrige.
1. tiicolor T. Afrika.
2. papillosus T, Asien.
3. adversus Horsf. Asien
Zweite Rotte: Kurzöhrige.
4. epichrysus T, Afrika.
5. HardmcJcn Horsf Asien.
6. pictus Fall. Asien.
7. Horsfieldii T. Asien.
8. tralatitius Horsf Asien.
9. macrodactylus T. Asien.
10. ^rsinoe T. Amerika.
11. Caroli T. Amerika.
12. Hilarii Js. Geojfr, Amerika.
13. Gryphus Cuv. — Amerika.
14. Salarii Cuv. — Amerika.
15. Georgianus Cuv. Amerika.
16. crassus Cuv. Amerika.
Abweichende Form:
17. Suillus T. Asien.
Unbestimmbare Arten:
18. nigricans ISeuwied. Amerika.
19. maximus Geoffr. Amerika.
20. subulatus Godm. Amerika.
21. suhflavus Cuv. Amerika.
22. Chiloensis T. Amerika.
23. Malayanus Cuv. Asien.
24. Oreias T. Asien.
Vierte Gattung: Vesperugo»
A. Vesperus.
Erste Rotte: Dem V. serotinus verwandt.
1. megalurus T. Afrika.
2. phaiops T. Amerika.
3. CreeJiS Cuv. Amerika.
Zweite Rotte: Dem V, discolor verwandt.
4. isabellinus T, Afrika.
5. pachypus T. Asien.
6. macellus T. Asien.
7. puUevulentus Neuwied. Amerika.
8. ferrugineus T. Amerika.
9. lacteus T. Amerika.
Von zweifelhafter Stellung:
10. ursinus JSeumed. Amerika.
B. Vesperugo.
Dritte Rotte: Der V. Noctula verwandt.
11. Circumdatus T. Asien.
Vierte Rotte: Dem J^. Pipistrellus verwandt.
12. platycephalus T. Afrika.
13. Teimninkii Cretsch. Afrika.
14. imbricatus Horsf. Asien.
15. ythramus T. Asien.
16. Akohomuli T. Asien.
Von zweifelhafter Stellung:
17. tenuis T. Asien.
18. Caroliniensis Geoffr, Amerika.
19. erythro dactylus T. Amerika.
C. Abweichende Form:
20. hrachypteris T. Asien.
21. Harpya T. Asien.
Zur Gattung Vesperugo gehörige unbestimmbare:
22. minuta T. Afrika.
23. Hesperida T. Afrika.
24. aenoharhus T. Amerika.
25. JSoctule de Sumatra Cuv. Asien.
26. Javanus Cuv. Asien.
27. Coromandelicus Cuv. Asien.
28. Molossus T. Asien.
Fünfte Gattung: Miniopterus.
V. hlepoüs T. aus Asien und
7^. dasythrix T. aus Afrika.
Arten, von denen die Gattung unbestimmbar bleibt-
1. Hasscltii T. Asien.
2. leucogasier T. Amerika.
3. alhescens Geoffr. Amerika.
4. parvulus T. Amerika.
5. polythrix Geoffr. Amerika.
6. laevis Geoffr, Amerika.
7. Vesp. canelle Azar. Amerika.
8. arcuatus. Amerika.
9. cyanoptejms Raf Amerika.
10. melanotis Raf Amerika.
11. calcaratus Raf. Amerika.
12. Monachus Raf Amerika.
13. phaiops Raf Amerika.
14. megalotis Raf Amerika.
Temmink hat sämmtliche Arten nach den vier Welt-
theilen, in denen sie gefunden, ohne weitere zoologische Rück-
sichten und ohne alle Angabe von Charakteren, in vier grofse
Sectionen vertheilt, und beschwört die Zoologen, diese geo-
graphischen Sectionen doch nicht zu vernichten, indem sie sich
ihm durch ein zehnjähriges Studium bewährt gezeigt.
Die erste Abtheilung bildet die der europäischen Arten,
deren 28 aufgeführt werden, von denen 4 als neu ange-
geben sind.
Die erste dieser neuen Arten ist: V. hrachyotus Baill.
nach einem einzigen von Baill on todtgefundenen Exemplare
aufgestellt, das T. in Abbeville beschrieben. Selys-Long-
champs stellt, wie es scheint nach Autopsie (EUides de
Micromammalogie p. 140. n. 25.), dies Individuum als Varietät
zu V, Pipistrellus. T. sagt, diese Art sei an Wuchs stärker
und habe eine gröfsere Flugweite, als T^. Pipistrellus, was
man aber nach seinen eigenen Maafsangaben umgekehrt ver-
stehen müfste. Im Oberkiefer sollen vier, im Unterkiefer fünf
Backzähne stehen; dies könnte, nebst dem weifsen Rande der
Interfemoralhaut, an T\ albolimhatus erinnern. Das Ohr soll
breiter als hoch, höchstens 1}'" lang sein, was einen Unter-
schied von den bekannten Arten begründen miifste, sobald die
Ueberzeugung festgestellt wäre, dafs von dieser Abweichnng
nichts auf die Art der Präparation zu reclinen sei. Jedenfalls
kann nach der sehr mangelhaften Beschreibung die Art noch
nicht als hinreichend begründet angesehen werden.
Eine zweite als neu aufgestellte Art: V. limnophilus T,
ist ohne allen Zweifel mit der von Boie in der Isis 1825
beschriebenen J^. dasycnemus, die Temmink aufserdem über-
sehen hat, identisch. Mehrere Charaktere: die Gestalt des
Ohrs, des Tragus, die Einlenkung der Schenkelhaut am Fufse,
die Behaarung derselben auf der Unterseite, die Gröfse des
zweiten und des hintern Höckers des letzten obern Backzahns
sind entscheidend, indem sie nach Exemplaren, die von Boie
selber herrühren, in der Gattung Vespertilio nur der Boie-
schen Art zukommen. Die in der Abbildung angegebene Gröfse
des Unterarms von 1" 9'", pafst mehr zu den übrigen Verhält-
nissen dieser Art, als die in der Beschreibung aufgeführte von
1" 7'". — Da der Name von Boie eine 14jährige unbestrit-
tene Priorität für sich hat, so wird der von T. überflüssig.
Die dritte Art: V, meg apodius T. ist identisch mit
T"^. Capaccinii Bonap., die T. nur aus der Beschreibung in
der Icon. d. f. it. kennt. Als entscheidend mufs der freie
Fufs und die oben und unten behaarte Schenkelflughaut ange-
sehen werden. Die von T. angegebenen Unterschiede sind
Charaktere, in denen beide Arten vollkommen übereinstimmen.
Die neu aufgestellte Art soll von V. Capaccinii abweichen
1) durch eine stumpfe Schnauze, die aber T. selber
nach Bonapart e's Angabe kurz vorher auch der V. Capac-
cinii zuschreibt, 2) durch einen falschen Backzahn
mehr, d. i. sechs Backzähne oben und unten, die Bonap.
seiner Art nach der Stellung derselben auch zuschreibt. Diese
letzte Angabe, dafs ein Lückenzahn mehr vorhanden sei, ist
um so weniger begreiflich, als T. selber kurz vorher in der
Bonaparteschen Beschreibung der V. Capaccinii eine An-
gabe des Gebisses ausdrücklich vermifst.
Die vierte Art: T^. humeralis Baillon ist wieder
nach einem einzigen ausgestopften Individuum aufgestellt, das
T. in Abbeville beschrieben hat. Wir sehen darin den
V. mystacinus Leisl, der von T. aufserdem noch als
F. mystacinus und emar^ginatus aufgeführt ist. T.
giebt mehrere comparative Unterschiede an, die aber theilweise
schon nach seinen eigenen Angaben verschwinden, in keinem
Falle eine absolute Verschiedenheit ausdrücken.
Die Behauptung, dafs diese Art kleiner sei als mysta-
cinus ^ steht in Widerspruch mit den von ihm selber angege-
benen Maafsen. Dafs der Schwanz länger sei und die Flug-
weite abweiche, können wir nach unsern und drei Kuh Ischen
Exemplaren von mystacinus nicht bestätigen. Der starke
Ausschnitt des Ohrs, auf den T. viel Werth legt, wird nur
als ein gradueller Unterschied hingestellt. T. bildet unter den
drei zusammengehörigen Arten, die ihm übrigens nicht zu
gleicher Zeit vor Augen gelegen zu haben scheinen, eine
Stufenfolge: 1) bei mystacinus Ohr gar nicht ausgerandet,
2} humer alis etwas mehr, und 3) emarginatus noch etwas
stärker ausgerandet, worauf wir nur bemerken können, dafs
die wirkliche V. mystacinus Leisl. ein sehr stark ausge-
randetes Ohr besitzt, stärker, wie es bei den andern Gattungs-
verwandten vorkommt. Hätte T. hier wirkliche Verschieden-
heiten der Arten begründen wollen, so wäre die Ausführung
seines scherzhaften Einfalls, „eine Skala über die Maxima und
Minima der beabsichtigten Ohrlängen" aufzustellen, um Gat-
tungen darnach zu bestimmen, hier nicht übel angebracht ge-
wesen. In der Beschreibung des F. mystacinus wird
aufserdem noch der Tragus lanzettförmig und abgerundet ge-
nannt, was weniger der Fall ist, als bei jeder andern Art
dieser Gattung. Von V. emarginatus Geof/r. giebt T.
nur Notizen und eine zum Nachtheil abgeänderte Copie aus
den Amiales du Mus. T. VIII., obwohl er die so sehr zwei-
felhafte Art in den Niederlanden beobachtet haben will. Die
aufgeführten Charaktere finden wir auch bei V. mystacinus.
Mit Unrecht zielit T. zu seinem V. emanrinatus den V. emar-
ginalus der Icon. d. f. it., indem Bon aparte unter diesem
Namen eine deutliche Beschreibung des F. Nattereri liefert.
Ferner tritt F. marginatus Cretsc/im., ursprünglich
von Rüppell in Afrika, später von Cantraine in Sardinien
gefunden, als europäische Art auf. Aus T.'s Angaben haben
wir die Ucberzeugung gewonnen, dafs sie mit der von T. nicht
augeführten , in der Isis 1835 beschriebenen V, alhoUmhatus
Küst. zusammenfällt, wonach also dem erstgenannten Namen
die Priorität zukommt.
Was die übrigen Arten .«nbetrifft, so sind nur einige Irr-
thümer zu verbessern, die zu Verwirrungen Anlafs geben
könnten.
Bei F. Noctula erwähnt T. eines starken Ausschnitts
unter dem Fufs, der bei T^. serotinus fehlen soll. Der Unter-
>
schied ist jedoch nur ein gradueller. Beiden Eigenthiimlich-
keiten liegt ein und dasselbe Organ, die Erweiterung eines
Hautsaumes, der sich von der Fufswurzel aus aufsen an dem
die Flughaut stützenden Spornknochen fortzieht, zu Grunde.
Dieser Hautsaum, dessen erweiterter Theil durch eine von
dem Spornknochen ausgehende Knorpelleiste gestützt wird,
koQunt bei allen Arten der Gattung Vesperugo und Synotus
vor, fehlt dagegen ganz bei T'esperülio , Miniopterus und
Plecotus. In der Untergattung Vesperugo erreicht diese Er-
weiterung das Maximum, und wird bei allen Arten mindestens
so breit wie die Länge einer Kralle; bei den Arten der Unter-
gattung Vesperus erreicht sie dagegen diese Breite nie. Zwi-
schen dieser Erweiterung und der Fufswurzel liegt nun der
von T. erwähnte Ausscluütt, der bei V. serotinus keineswegs
fehlt. — Der Liickenzahn im Oberkiefer der Noctula wird
mit Unrecht geläugnet, ebenso wie er dem V. serotinus mit
Unrecht zugeschrieben wird. Fast möchten wir vermuthen,
dafs eine partielle Verwechselung der Schädel beider Arten
stattgefunden habe. Ungeachtet wir junge Jndividuen von
V, serotinus von den frühsten Entwicklungsstufen an gesehen
haben, ist uns nie eine andere Anzahl von Zähnen vorgekom-
men, als bei alten Exemplaren mit ganz abgeschliffenen Zähnen.
Zwischen V. Leisler i und V. discolor ist entschieden
eine solche theilweise Verwechselung vorgekommen.
Die Beschreibung von V. Leisleri hat das Gebifs und die
meisten übrigen plastischen Verhältnisse von V. discolor, und
nur wenige Charaktere von der wirklichen Leisleri. Der
einspitzige erste obere Schneidezahn wird als zweispitzig an-
gegeben, und der Lückenzahn oben verneint. Die Flughaut,
die unter allen Arten der Gattung Vesperugo nur bei No-
ctula und Leisleri blofs bis zur Fufswurzel reicht, wird big
8
zur Zehenwurzel ausgedehnt. Der Schwanz, der grade bei
Leislcri kürzer ist, als der Unterarm, wird länger angegeben.
Nur die Behaarung längs dem Unterarm und die Verwachsung
des Schwanzes erinnern an die wirkliche V. Leisleri. Die
Eigenschaften, die zudem T. anführt, um Leisleri von Noctula
auf den ersten Blick zu unterscheiden, die Behaarung der
Membranen und die Einlenkung des Fufses, sind beiden Arten
ausschliefslich gemeinschaftlich.
Umgekehrt pafst bei J^. discolor nur die Beschreibung
der Haare auf die wirkliche V. discolor Natt; das Gebifs
ist das von Leisleri. So werden hier in beiden Kiefern fünf
Backzähne angegeben. Der obere Lückenzahn, der aber bei
discolor nie vorkommt, soll klein und stumpf sein; der letzte
obere Backzahn einen starken hintern Höcker haben, der aber
grade bei discolor so schwach ist, dafs kaum mehr als vier
Höcker zu zählen sind. Die beiden ersten untern Backzähne
werden fast so grofs, wie die Eckzähne beschrieben, obwohl
der erste bei discolor kaum halb so grofs wie der zweite, und
dieser noch weit kleiner ist als der Eckzahn.
Die Beschreibung des T"^. murinus könnte leicht zu
Mifsverständnissen führen. Das Gesicht ist bis auf die Mitte
des Scluiauzenrückens dicht behaart, wird aber nackt genannt.
Das Olir soll keinen Ausschnitt oder Lappen haben, womit
wolil die Mitte des Ohrs gemeint ist, da bei keiner andern
Art der Lappen an der Basis des Aufsenrandes so stark ent-
wickelt ist, wie liier. Die zweite nach hinten gerichtete Spitze
des ersten obern Vorderzahns ist übersehen.
V. Ursinii Boriap. wird im Text T'^. Orsinii und in der
Ab])ild{uig V. Orcinii genannt. — T. führt als Standort durch
ein Mifsverständnils den Monte Corno an. Bonaparte giebt
nändich als einzigen Standort eine Brücke bei Ascoli an, und
erzählt beiläufig, dafs Orsini auf den Höhen des Monte Corno
grofse Fledermäuse habe fliegen sehen, deren er aber nicht
habe habhaft werden können. T. hat die Identität mit V.
Schreibersii Natt., die er nach der Kühl sehen Monographie
mittheilt, übersehen. Die Beschreibung und 7\bbil(lung von
r. Ursinii ist aus der Icoii. d. f. it. entlehnt. In der dritten
Section, d. h. unter den asiatischen Arten, giebt T. unter dem
Namen V. hlrjwtis eine Beschreibuno: und Abbildung, und
endlich noch im Nachtrage zur zweiten Section: Afrika,
unter dem Namen V. d'asytlivix eine Beschreibung, worin
nicht ein einziger Unterschied von den Originalexemplaren von
V. Schreihersii, oder auch von den durch T. mitgetheilten
Beschreibungen derselben angegeben ist. F". Schreihersii würde
danach hier unter vier Namen, in drei Hauptsectionen ver-
theilt, an den verschiedensten Punkten der Monographie auf-
treten, eine Thatsache, die vielleicht durch eine nicht blofs
geographische, sondern zoologisch charakterisirte Vertheilung
der Arten vermieden worden wäre.
Bei V . auritus ist es unrichtig, dafs das Olir mit einer
vorspringenden Längsleiste bis zum Mundwinkel reiche und
der Tragus gerade sei. Dafs Plecotus hrevimanus Jenyns
zu dieser Art gehört, ist schon durch die englischen Zoologen
ausgesprochen; dafs aber T. auch Fl. hrevimajius Bonap,
nach den auffallenden Unterschieden eines so genauen Beob-
achters mit derselben vereinigt, scheint uns kein Resultat einer
sorgfältigen Prüfung der B onap arte sehen Angaben zu sein.
T^. comiitus \\'\Yi\ wieder als gute Art aufgeführt, ob-
schon aus der frühern F ab ersehen, wie aus der jetzigen Be-
schreibung kein einziger specifischer Unterschied von Fl.
auritus hervorgeht. Die Maafse stinimen mit den meisten
Exemplaren unseres auritus überein. Das Ohr soll von Kör^
perlänge und verhältnifsmäfsig länger sein, als bei auritus,
dem aber die von T. selber angegebenen Maafse widersprechen.
Die Abw^eichung in der Färbung, die in der Beschreibung sehr
dunkel gehalten ist, kann nichts begründen. Wir besitzen
Exemplare von sehr verschiedenen und sehr dunklen Nuancen,
obwohl keine eigentlich blauschwarzen. — Das Vaterland
Nordeuropa ist sehr verallgemeinert, indem bekanntlich nur
ein Exemplar in Jütland gefunden ist.
Bei V. Natterer i wird in der Beschreibung der Tragus
fadenförmig, spitz genannt, aber stumpf und breit gerundet
abgebildet, beides gleichweit von der Wirklichkeit entfernt.
Dafs im Oberkiefer nur fünf Backzähne vorkommen sollen, ist
sicher ein aus der Kuh Ischen Monographie entlehnter Irr-
thum, der ebensowohl an den Kuh Ischen Exemplaren selber^
wie an jedem andern Individuum dieser so bestimmt charak-
terisirten Art leicht zu berichtigen ist.
10
Von V, Kuhlii wird anfangs das Gebifs richtig ange-
geben, der Liickenzahn im Oberkiefer sei vorhanden, aber
kaum sichtbar nnd zwischen den anliegenden Zähnen versteckt;
dann aber gesagt, er fiele im Alter aus; und zuletzt bemerkt,
diese Art sei von Pipistrellus durch Gröfse und Zahl der
Zähne zu unterscheiden, was wohl wieder aus der Kuh Ischen
Monographie übergegangen ist, jedenfalls aber Schwierigkeiten
haben mufs, so lange Kuhlii im Normalzustande diesen Liicken-
zahn oben noch nicht verloren hat. Dafs V. Kuhlii übrigens
diesen Liickenzahn wirklich verloren hätte, ist uns nie vorge-
kommen, obschon wir mit grofser Sorgfalt in Gemeinschaft
mit Nathusius viele Exemplare dieser Art, und auch Ori-
ginalexemplare von Natterer untersucht haben, an denen die
Kuh Ische und Temminksche Angabe sich nicht bewährte.
Von V. Savii sagt T., im Widerspruch mit seinen ei-
genen Messungen, sie sei gröfser als V. Kuhlii und Pipi-
strellus, habe aber eine kleinere Flugweite. Da T. von dieser
Art nur ein Exemplar aus Cattaro besitzt, so ist kein Grund
vorhanden, warum er die von Bonaparte angegebenen Stand-
orte: Pisa, Rom und Sizilien durch Sardinien ersetzt.
Ueber P^. Leucippe bemerkt Bon aparte, dafs die
schwarzen Ohren fleischfarbene Spitzen hätten, worauf aber
wegen der Aufbewahrung in Weingeist nichts zu geben sei;
durch ein Mifsverständnifs referirt T., Bonaparle lege auf
diese Färbung grofsen Werth, indem sie bei allen Individuen,
und sogar noch an Weingeistexemplaren zu beobachten sei.
Von /^. Aristippe hält T. für möglich, dafs sie mit
Kuhlii zusammenfalle, was bei dem abweichenden Gebifs, der
spitzen Schnauze, dem halbelliptischen Tragus, dem bis zur
Schnauzenspitze vorragenden Unterarm, und der Färbung der
Aristippe nicht leicht möglich ist. F'. J^ispistrellus Bon.,
die mit /^. Kuhlii nach der Beschreibung identisch ist, wird
als gute Art aufgeführt.
Demnach würden sich die in der Monographie aufgeführten
28 Arten der ersten Section auf 21 reduciren.
Was die Erklärung p. 145, Anmerk. 1. betriflft, dafs alle
Abbildungen, die nicht nach dem Leben gezeichnet, nach aus-
gestopften Exemplaren angefertigt worden seien, so ist diese
dahin zu verbessern, dafs JSycticejus borhonicuSy Nigi'iia
11
und lasiuj'us, P^esperülio emarglnatiis, Barhastellus, auri-
tus, muvinus aus Geoffr, Ann. du Mus. J^lll. und F. Ca-
paccinii, Ursinü aus Bonap. Icon. d, f. it. etc. etwas sorg-
los direkt auf Stein kopirt und demnach umgekehrt wieder-
gegeben sind.
Ueber Vespertilio aedilis Jenyns.
^espertilio aedilis Jenyns (^Annals of nat. h\st. n. XV,
Jpril 1839. p. 73. VII. tah. III.) ist eine von Jenyns nach
einem weifsgefärbten ausgestopften Individuum sorgfältig be-
schriebene und als neu aufgestellte Art, die mit Dauhentonii
verglichen wird, von der sie sich unterscheiden soll:
1) durch spitzere Schnauze; war bei trocknen Exem-
plaren, bei denen die Schnauze durchgängig spitzer als bei
frischen ist, nicht zu beurtheilen;
2) durch die Gestalt des Tragus. Der Ausschnitt
an der Spitze ist wohl zufällig und individuell; wir haben
solcher Ausschnitte an beiden Ohren ein und desselben Exem-
plars sogar verschiedenartig gefunden. Der Zahn an der Basis
ist bei allen vorhanden, obschon meist übersehen, und giebt
keinen Unterschied hier;
3) durch Behaarung der Inter femoralhaut. Die
von Jenyns angegebenen Körnchen, auf denen die Haare
entspringen, sind bei frischen und weniger deutlich auch bei
trocknen Exemplaren von Dauhentonii auch zu sehen.
Die Maafse stimmen sehr mit V. Dauhentonii, zu der
wir glauben, sie in jeder Hinsicht stellen zu müssen.
Zu Vespertilio Nathusii.
Etwa um Mitte Septembers erhielten wir den V. Na-^
thusii von hier lebendig und haben ihn seit der Zeit gefüttert.
Er ist ein interessantes Thier und jetzt schon ganz zahm ge-
worden, obschon er anfangs scheu um sich bifs. Besonders
scheint es ihm zu gefallen, wenn man ihm auf dem Kopfe
kratzt. Abends ist er sehr früh munter und wird dann ge-
füttert. An einem Abend frifst er etwa gegen 6 Mehlwürmer
und leicht noch ein Dutzend Fliegen, und säuft dann sehr be-
gierig von einem Papier oder kleinem Löffel Milch oder Wasser,
Nach dem Essen mufs er im Zimmer spazieren fliegen. Im
12
Fluge ist er leicht an seiner Schnelligkeit und den fortwäh-
rend auf- und absteigenden Bogen und plötzlichen Seitenwen-
dungen zu erkennen und darin von V. Pipistrellus abweichend,
den wir nie solche Bogen machen sahen. Er fliegt aufserdem
ziendich hoch, obschon nicht so hoch wie /^. auritus und J^.
Noctula. Er ist \uec in Braunschweig dicht bei einem Hanse
in einem Baue vorgekommen, wo wir mehrmals /^. Dauhen-
lonii und P^. Bechsteinü gefunden haben. Aufserdem glauben
wir, dem Fluge nach zu schliefsen, ihn auch ziemlich früh
Abends in den Strafsen gesehen zu haben. Zu den früher von
uns aufgeführten Fundorten: „Berlin und Halle" — ist also
noch Braunschweig hinzuzufügen.
Zu verbessernde Fehler in uuserm frühern Aufsatze:
S. Barlastellus — p. 305, Zeile 18 v. o.: 34 Zähne, statt 32:
indem die obern Lückenzähne ausgelassen sind.
P. auritus — p. 306^ Zeile 10 v. u. : ungefähr, statt: über.
— Zeile 9 V. u. : nicht so lang, statt: nicht
halb so lang.
F. dasycnemus — p. 312, Zeile 7 v. o.: Schwanz 1'^ 8,5'", statt:
i" 10"'.
V. discolor — T^.Sii, Zeile 8v.u.: Oberseite, statt: Oberhaut.
V. Nathusii — p. 321, Zeile 12 v. u.: 5ter Finger 1" 8,2'", statt:
1" 1,6"'.
Ferner p. 300, Zeile 6 v. o. : Leach. statt: Kühl.
— p. 300, Zeile 12 v. o.: abweichend, statt: abwesend.
— p. 302, Zeile 4 v. u.: einander, statt: minder.
13
Sur uue nouvelle espece du Genre Gynnietre
(Gjmnetrus)
par Risso.
G. Miillerianus Risso.
G. corpore griseo plumheo, argentato picto, qiiaiuor acu-
leorinn seriehiis in caitda ornato.
JLa forme generale de cette espece est ovale -obloiigue, com-
primee, remarqnable par son profil frontal coupe en ligne
droite corame celui de l'Argyreiose; sa queue est fort longue,
deliee, retrecie, 'herissee d'epines comme celle des raies. La
plus grande hauteiir aux pectorales est presque la moitie de
la longueur du corps depuis les ouies jusqu'ä l'anus, s'amincit
ensuite tout-a-coup en se retrecissant jusqu'ä l'extreniite cau-
dale. Son epiderme coloree d*un gris de plomb ä nuances
argentees et bronzees est couverte sur la region du dos d'es-
peces d'ecailles hexagones, tres minces, fortement adherentes,
disposees en lignes regulieres, et sur celle de l'abdomen on
y voit de petites papilles lenticulaires, qui s'elevent comme
d'eruption cutanee en s'aplatissant apres la mort de l'animal.
La tete est plus grande, que la troisieme partie du corps:
eile est un peu relevee malgre sa compression, et presente
l'aspect de celle du Brame castagnole. La maclioire inferieure
armee de dents courbes, aigues, s'arrondit en demi-cercle pour
joindre la superieure, qui est egalement garnie en dessous de
sa levre de six ä liuit dents crochues, isolees ; les intermediaires
sont plus longues et plus aigues. La fente de la bouche est
ouverte obliquement, arquee vers le haut, fort grande, et tres
protractile. La langue est libre, lisse, d'un blanc argentin;
chaque palatin est 'herisse d'une rangee de pointes disposees
en carde. Les yeux sont grands, situes pres de la nuque.
14
L'iris est noire, entoiire (Yim cercle ronge corail, la prnnelle
est oblongue, noirätre, dirigee obliquement vers le crane. Les
narines sont situees en dessoiis de ces organes, et affectent
une forme arrondie simple, garnies de plusieurs pores trans-
parents principalemeiit sur le devant. Les organes operculaires
sont osseux, minces, composes d'un opercule triangulaire, pro-
fondement sillonne a rayons divergents, il est suivi d'un inter-
opercule reniforme, sculpte par de lignes rayonnantes de chaque
cote : pres de la est place le preopercule egalement traverse de
semblables rayons. L'os maxillaire est ovalaire, assez large, strie
par de sutures et rayons diriges de haut en bas, et la plaque
situee en dessous de l'oeil est couverte de larges papilles
rondes, le tout est colore comme le corps, a nuances variees,
qui se refletent en gaze d'or, d'argent, et gorge de pigeon.
Les ouies sont tres fendues; la membrane reunie sous l'isthme
est large, soutenue par de rayons courbes. L'opercule porte
une demi branchie, toutes les autres sont garnies en dessus de
faisceaux d'aiguillons.
La ligne laterale commence pres de la nuque, flechit
jusqu'au dessous de Foeil, s'etend ensuite en ligne droite en
parcourant le bas de l'abdomen jusqu'a Fextremite de la queue.
Elle est garnie d'une seule rangee de petites pointes jusqu'en
dessous de Fanus, oii commencent deux rangees alternes, a-
peu-pres egalement distantes au nombre de quarante pointes
de chaque cote, lesquelles sont longues, courbees, placees sur
tin ecusson solide, strie.
La queue commence de suite apres Forifice de Fanus,
diminue peu-a-peu, ensuite tout-a-coup jusqu'a la sommite:
eile est 'herissee de quatre rangs d'aiguillons crochus, semblables
a ceux des rayes et ornee vers son extremite, qui est tres
mince d'une tres large membrane deployee en voile bleuätre,
soutenue par de rayons simples, accompagnee d'un rayon plus
court, isole, plus epais, cartilagineux , bifide, colore d'un beau
rouge.
La nageoire dorsale commence pres de la nuque renferme
124 rayons simples, garnis a leur base d'epines armees d'un
aiguillon; les six premiers sont releves et etendus en lon-
gues flammes, soutenus d'une membrane rouge sans tache,
tous les autres rayons sont moins developpes, colores d'un
15
beau rouge, exceptes ceux de l'extremite caudale, qui sont
teints de bleu noirätre. Les nageoires pectorales sont me-
diocres, d'un rouge päJe; les tlioraciques extremement longues
sont deliees en longs filaments subtils, d'un rouge corail. Les
organes Interieurs different en general tres peu de ceux de
ses congeneres.
La femelle ne presente d'autres differences, qu'un abdomen
plus trapu et de nuances moins vives.
N. d, 124. N. p. 14. N. j. 4. N. c. 9. — 2 separes
solides, non epineux. M. b. 6.
Dimention d'un individu ordinaire.
Longueur total 0,740
id. de la bouche aux ouies . . . . 0,110
id. a l'anus 0,290
id. jusqu'a la queue 0,640
Largeur du corps aux pectorales .... 0,13-8
id. vers l'orifice de l'anus 0,074
a l'extremite caudale 0,010
Epaisseur horizontale 0,040
Diametre de l'oeil 0,026
Ouvertüre de la gueule , . . . 0,047
Contractilite de la machoire 0,083
Elevation du premier rayon de la dorsale . 0,117
id. vers le milieu de la dorsale . , . 0,054
Longueur des nageoires pectorales .... 0,044
id. des nag. jugulaires 0,112
id. de la nag. caudale 0,110
Largeur de la nag. caudale 0,130
Remarques.
Trois qualites de Gymnetres vivent dans la mer medi-
terraüee et frequentent les cotes de Nice. Ce sont l'espece,
que j'ai dedie dans le tems au savant auteur de Fhistoire
naturelle de poisson successeur de Buffon. Le Gymnetre,
que j'ai decrit sous le nom specifique de Baguette si singulier
par ses longues nageoires thoraciques solides, qui lui seirvent
comme des echasses; et celui, qui fait le sujet de ces obser-
vations, qui portera le nom du savant Ichtyologue de B(3rlin,
16
On est vraimeiit etoniie de voir, que foii Bonelli de Turin
qiii exaniina dans le tenis ce beau poisson n'ait pas recoimu
les caracteres si tranclians des Gymnetres. II est vrai, qu'il
le decrivit si mal, et eii donna une figure si mauvaise, qu'il
fut Obligo d'en constituer im noiiveaii genre sous le nom de
TraclHi)tt're, qui doit etre raye de la science. Ce poisson vit
solitaire dans les moyennes profondeurs, s'approche raremeiit
des cotes, se nourrit de meduses et de petits poissons, parvient
a des belles dinientions: sa natatioii est vive, agile, et sa chair
plus consistante que le Gymnetre Lacepede et a long rayon,
peut etre niangee sans repugnance.
Ueber das Brütorgan der Gattung Hippocanipus.
Briefliche Mittheilung an den Herausgeber
von
Dr. Aug. Krohn.
Erlauben Ew. Wohlgeboren, Ihnen eine Beobachtung mit-
zutheilen, die ich unlängst an dem Hippocampiis hrevirostris
machte. Sie betrifft eine Tasche an der Wurzel des Schwanzes
dieses Fisches, die zur Aufnahme und Entwicklung der Eier
bestimmt sein möchte. Auf diese Vermuthung wird man zu-
nächst geführt, wenn man die übrigen Verwandtschaftverhält-
nisse desselben mit Syngnathus berücksichtigt. Bekanntlich
springt die Bauchfläche an der Schwanzwurzel sehr stark vor,
es bildet eine die übrigen Stellen des Körpers in jeder Di-
mension übertreffende hügelförmige Hervorhebung. Hinter den
auf diesem Vorsprunge befindlichen Oeffnungen des Afters und
des Harn- und Geschlechtsapparates, nimmt man eine ansehn-
liche, von zwei wulstigen Lippen begrenzte Verticalspalte wahr.
Sie fidirt in eine geräumige Höhle, die die gröfsere hintere
Portion des Vorsprunges einnimmt, sich aber aufserdem noch
ziemlich weit nacli hinten erstreckt. Sie verengert sich in
diesem Verlaufe immer mehr, und endet zuletzt blind. Gegen
die Bauchhöhle ist sie durch eine sehnigte Scheidewand ge^
17
schlössen. Der Hautpanzer reicht nicht über ihre Wandungen.
Innen ist die Höhle mit einer weichen, dicken, schwärzlichen
und gefäfsreichen Schleimhaut ausgekleidet, deren Färbung
wahrscheinlich von einem in die dunkelolivenfarbene Oberhaut
übergehenden Epithelium herrührt. Die also gebildete Tasche
wäre demnach als eine Einwärtsstülpung der Hautdecken, als
ein Hautsack anzusehen. Da die Zeugungsorgane des von
mir zergliederten Exemplars sich mir durch sichere Kriterien
als Eierstöcke erwiesen haben, so erhielte Rathke's Meinung,
wenn sie nicht schon durch Valentin (Repert. Bd. 3, p. 192)
bestätigt wäre, dafs nämlich das Brutorgan der Syngnafhen
nur den Weibchen zukomme, auch von dieser Seite eine
Stütze. Allem Anschein nach ist die Bruttasche des Hippo-
Campus ein permanentes, keiner periodischen Evolution oder
Involution unterliegendes Organ, wie nach Rathke's Mitthei-
lung die der Syngnafhen. — Herr Prof. Bisch off war so
gefällig, eines seiner in Weingeist aufbewahrten Seepferdchen
für gemeinschaftliche Untersuchung aufzuopfern. Wir über-
zeugten uns von der Anwesenheit einer Bruttasche. An den
sehr wenig ausgebildeten und zudem schon verdorbenen Zeu-
gungsorganen liefs sich jedoch nichts Entscheidendes über das
Geschlecht des Individuums darthun.
Heidelberg, den 15. August 1839.
Wiegm. Archiv. VI. Jahrg. 1. Band.
\
Ichthyologische Beiträge
zur skandinavischen Fauna
von
B. Fr. Fries.
Aus dem Schwedischen von F. C. H. Creplin.
Die Gattung Pleuronectes.
Die nordischen Seh ollen -Arten sind so oft der Gegenstand
gründlicher Untersuchungen und einzelner monographischen
Bearbeitungen gewesen, dafs es ganz überflüssig sein würde,
aufs Neue von allen eine Darstellung zu liefern. Ich über-
gehe deswegen die meisten, insofern man hinsichtlich ihrer
Charaktere und wissenschaftlichen Benennungen übereinstimmt,
und will durch diesen Aufsatz die Aufmerksamkeit nur auf
einige noch streitige, die w^enigen übrigen betreffenden Punkte
richten. Wenn es auf der einen Seite den älteren Schrift-
stellern zur Last gelegt werden kann, dafs sie allzu leicht-
gläubig Arten von weit entlegenen Oertlichkeiten als identisch
betrachteten, sobald sich nur gewisse angenommene Kenn-
zeichen, oft von einer minder bezeichnenden Beschaffenheit,
bei ihnen gemeinschaftlich fanden, so ist es auf der andern
Seite eine Bemerkung, welche mehre der neueren trifft, dafs
sie ihre Bedenkliciikeiten wegen Annahme der Identität der
Arten zu weit treiben, wenn sich die geringste Verschieden-
heit zeigt, oder wenn ältere Beschreibungen etwas unvoll-
ständig ausgefallen sind. Das erstere Verfahren hat nicht
selten zur Folge gehabt, dafs ein und derselbe Namen mehre,
bestimmt verschiedene Arten verdeckt hat, welche an's Licht
zu ziehen späteren Forschungen vorbehalten worden ist; durch
das Letztere ist ein entgegengesetzter Nachtheil entstanden.
19
nämlich der, dafs eine und dieselbe Art unter mehren, ver-
schiedenen Namen aufgetreten ist, welche die Wissenschaft
belästigen und verwirren. Beispiele beider Arten, aber be-
sonders der letztern, zeigen die Arbeiten, welche wir über die
Schollengattung besitzen, und ich will, um zur Befestigung
der Nomenclatur beizutragen, jene mit Beifügung eigner An-
sichten und der Beweise, welche ich für deren Annehmlich-
keit auffinden konnte, darlegen.
ä) Fleuronectes Cynoglossus Linn.
Von dieser Art kann man wohl sagen, dafs sie seit ihrer
Aufstellung unbekannt geblieben ist. Ich habe wenigstens in
allen ichthyologischen Schriften, zu welchen ich Zugang ge-
habt, nur mifslungene Versuche, sie zu bestimmen, und keine
Stelle gefunden, welche auch nur eine Muthmafsung über die
rechte Art andeutete, wenn ich blofs eine Aeufserung im Vor-
beigehen vom Prof. Reinhardt *) ausnehme, welche zeigt,
dafs er anfangs das Verhalten ganz wohl eingesehen habe, ob-
gleich er später seine Meinung änderte. Unerklärlich würde
es scheinen, dafs Cuvier, durch dessen Scharfsinn so viele
andere Arten der älteren Auetoren wieder an's Licht gezogen
worden sind, nie dahin kam, eine strengere Untersuchung mit
dem Grono vischen Cynoglossus vorzunehmen und ihn in
seiner ersten Bedeutung wieder herzustellen, wenn er selbst
nämlich Kenntnifs von der Art gehabt hätte, welche, meiner
Meinung nach, jenem Namen zum Grunde liegt. Dies mufs
nicht der Fall gewesen sein; wenigstens giebt das „Regne
animal" keinen Anlafs, es zu glauben. Der Name C/7io^/o<s<stw
ist auch aus den späteren Verzeichnissen verschwunden, wie
ebenfalls aus der Synonymie, v^enn man den Versuch aus-
nimmt, welchen Prof. Nilsson machte, ihn wieder in's Leben
einzuführen**), dessen Anwendung des Namens aber keinen
Beifall fand. Da es jedoch nicht wahrscheinlich ist, dafs die-
selbe Art, welche sich zu Gronovius's Zeit in der Nordsee
fand, seitdem ganz aus derselben verschwunden sein sollte,
*) S. dessen „Bemerkninger til den skandinav. Ichthyologie", S. 28.
**) Arsberättelse afgifven 1829, S. 79, mid Prodromus Ichthyol.
Scand.
2*
20
noch anch, dafs sie der Aufmerksamkeit so vieler nachmaligen
Ichthyologen entgangen sein sollte, so ist es geschehen, dafs
bei mehren Gelegenheiten die Art wieder aufgefunden und
dann, als neue betrachtet, mit neuen Namen bezeichnet wor-
den ist. Wir stehen nun wirklich auf dem Punkte, dafs Gro-
novius's ursprüngliche Art, welcher Linne den Namen PI.
Cyno^Jossus gab, in England den Namen VI. Pola, in Däne-
mark und Deutschland den Namen PL Saxicola und in
Schweden den Namen PL nigromanus Nilss. führt, ohne
dafs man sich, so viel man sieht, von der Synonymie
aller dieser letzteren Namen wie von der Identität der Art,
welche ihnen sämmtlich und dem ursprünglichen Namen zum
Grunde liegt, überzeugt hätte, wenn man dies alles auch wohl
erkannt hat.
Dies ist es, was ich jetzt eigentlich wünsche, darlegen
zu können.
Was erstlich die neueren Namen betrifft, so haben schon
Reinhardt*) und Gottsche**) mit guten Gründen be-
wiesen, dafs die beiden Namen, Saxicola Fah. und nigro-
manus Nilss. synonym sind, und da später Nilsson selbst***)
mit darin eingestimmt hat, so kann ich diese Sache als völlig
abgemacht betrachten. Es ist nicht schwer für Jpden, welcher
Yarrell's-j-) und Jenyns-j-j-) Beschreibungen, ferner des
Erstem Figur, von ihrem PL Pola zu Rathe zieht, die Ueber-
einstimmung zwischen diesem und Saxicola zu finden, wes-
halb ich es für überflüssig halte, irgend einen fernem Grund
zu deren Annahme anzuführen; dagegen mufs ich zweier Punkte
erwähnen, welche den beiden letztgenannten Schriftstellern
zur Last fallen, erstlich, dafs keiner von ihnen von den durch
die dänischen und schwedischen Faunisten lange vorher ge-
schehenen Bekanntmachungen derselben Art Kenntnifs genom-
men, und dann, dafs sie auf diese Art einen Namen von
Cuvier angewendet haben, welcher, aller Wahrscheinlichkeit
*) A. a. O. S. 27.
*•) Die Seeland. Pleuronectesarten , in Wie gm. Arch. Jahrg. 1,
Bd. 2, S. 160.
'**) Obscrvationes Ichthyol, p. 12.
t) HiKt. of british Fishes, II, p. 227.
tt) Manual of british vertebr. Animals, p. 4,58.
21
nach, wie ancli weiter unten gezeigt werden soll, einer ganz
andern, oder der von ihnen selbst als PL microcephalus be-
schriebenen, zukommt, wodurch sie eine neue Namenvervvech-
selung zu Wege gebracht haben, die der Wissenschaft nicht
zum Vortheile gereicht. Ich gehe jetzt zu den Gründen über,
welche mich zur Annahme bestimmen, dafs dieselbe Art, die
unter den eben angeführten drei Namen in den letzteren Jahren
beschrieben worden, keine andere ist, als der Linneische
Fleuronectes Cynoglossus.
Da kein Umstand zu erkennen giebt, dafs Linne die ia
Rede stehende Scholle selbst gesehen habe, sondern Alles, was
er über sie anführt, fast wörtlich aus dem Gronovius ent-
nommen ist, dessen Museum ichthyologicum auch das,
einzige Werk ist, welches er citirt, so ist man wohl, ohne
Widerrede, berechtigt, anzunehmen, dafs die Art des Gro-
novius diejenige war, welche Linne unter seinem Cyno-
glossus verstand, und dafs man sonach, wenn aus Linne's
kurzer Diagnose keine hinreichende Aufklärung zu schöpfen
ist, diese in G ronoviu s 's Beschreibung suchen müsse. Erst-
lich ist es offenbar, dafs der Cynoglossus d<3r Abtheilung
Platessa Cur, angehört habe, indem schon die Diagnose an-
giebt: „oculis dextris, dentibus obtusis," und man ferner in
der Beschreibung findet, dafs „die Strahlen in der Rücken-
und Afterflosse einfach" waren. Ferner ist es deutlich, dafs
die Art eine von denen mit glatter Körperfläche war, denn in
der Diagnose steht „corpore glabro,'' und in der Beschreibung
„squamae oblongo-rotundatae,. molles et laeves;" aber so. viel
bisher bekannt geworden ist, kommen in den nordischen
Meeren nur drei Arten Platessa mit glatter Oberfläche vorj
nämlich Pleur. Platessa L., PL microstomus Fah. und PL
Saxicola Fah., oder die hier in Frage stehende. Die erste
Art kann hier nicht in Betrachtung kämmen, indem Grono-
vius sie so M'ohl gekannt, beschrieben und richtig charakterl-
sirt hat in demselben Werke unter No. 26; es bleibt also nur
die Wahl zwischen den beiden letzteren. W'elche von ihnen
gemeint sei, wird Keinem zu erkennen unmöglich fallen, wel-
cher seine Aufmerksamkeit auf folgende Stellen in der Be-
schreibung heftet: „Pinna in dorso unica, ab oculi initio ad
caudam lere extensa, ossiculorum centum et duodecim
i2
simpliciuin," und „pinna ani . . . ossiculorum centum et
du orum simpliciuin.'' Denn eine so grofse Anzahl von Strahlen
besitzt {keine bisher gefundene Platessa- Art anfser gerade
diese PI. Saxicola Fah.; aber für diese ist jene bedeutende
Anzahl xon Strahlen in der Rücken- und Afterflosse ein Cha-
racteristicum und von eben so vielem Werth, wie die „Gruben,"
welche diese Art in den Gesichtsknochen hat, und auf welche
Faber und Gottsche mit Recht ein besonderes Gewicht legen.
Mö^^e man mir hierbei nicht den zur Hand liegenden Einwurf
machen: „Die Anzahl der Strahlen variirt; es ist auf sie nicht
sicher zu bauen.*' Das ist wahr, und ich will diese Variation
mit in Rechnung ziehen; ich gestehe aucli, dafs, w-enn man
ein Individuum vom inicrostomus mit dem Maximum der
Strahlenanzahl, welches dieser Art zukommt, und eins von
Saxicola mit seinem Minimum aufsucht, der Unterschied zwi-
schen der beiderseitigen Strahlenzahl nicht besonders grofs ist;
nichtsdestoweniger bleibt doch einiger, und es existirt also
eine Grenze. Ich behaupte aber auch, dafs in der Natur eben
so wenig ein microstomus mit 112 Strahlen in der Rücken-
flosse, wie ein Saxicola mit 90, existiren könne. Hätte es
.sich so gefügt, dafs Gronovius ein Individuum mit einer
geringern Anzahl von Strahlen, welches sich demnach in der
Strahlenzald mehr dem microstomus genähert, gefunden hätte,
so würde es bedenklicher geworden sein, die Art bestimmt
anzugeben; da aber nun das beschriebene Exemplar ein solches
war, welches beinahe das Maximum der dem Saxicola ver-
liehenen Strahlenanzahl besafs, so dünkt es mich wenigstens,
dafs keine gegründeten ßedenklichkeiten dabei obwalten können.
iS^ach dem nun Dargelegten halte ich mich für berechtigt, an-
zunehmen, dafs der PI. Cynoglossus des Gronovius auf
keine andere der bis jetzt bekannten Arten angen-andt werden
könne, als auf die seitdem von Faber unter dem Namen PI,
Saxicola beschriebene.
Hier aber entsteht eine neue Frage: Ist es nicht möglich,
dafs zwpI Arten vorkonunen können, welche zwar eine gemein-
schaftliche Strahlenzahl besitzen, aber sich in anderer Rück-
sicht unterscheiden, und dafs sonach die (^ronovische Art
doch als verschieden von Saxicola bctraclitet werden müsse,
welch(! in späteren Jahren nicht wieder angetroflfcn worden sei?
23
Das ist freilich möglich, aber keineswegs wahrscheinlich, auch
übrigens ohne Einflufs, sobald die Beschreibung des Grono-
vius mit der Art, welche wir kennen, übereinstimmt. Die ein-
zigen etwas zweideutigen Ausdrücke, welche die Beschreibung
enthält, will ich deshalb hier anführen und bemerken, welche
Rücksicht sie verdienen. Also, Gronovius sagt: „Squamae
in pinnis dorsi ac ani nuUae," da Saxicola sie doch
sehr deutlich hat; aber wie wenig dieser Ausdruck berücksich-
tigt zu werden verdiene, zeigt der Zusatz „ut in Buglosso,"
bei welchem sie sich ebensowohl finden. „Maxilae ore
clauso aequales' ist auch kein Ausdruck, welcher bei un-
sern gegenwärtigen Forderungen an korrekte Charaktere auf
den Saxicola angewandt werden kann, bei welchem der Unter-
kiefer etwas länger, als der Oberkiefer ist, aber recht wohl zu
Gronovius's Zeit gebraucht werden konnte, zumal da man
sieht, dafs dies blofs geschehen ist, um einen Gegensatz ^^z^w
das Verhältnifs der Kinnladen h^vSolea auszudrücken. Ferner
heifst es: „Membranae branchiostegae ossicula sex," während
die wirkliche Anzahl, wie jetzt bekannt, sieben ist; Grono-
vius aber rechnete, wie viele Andere nach ihm, den untersten
Strahl in der Kiemenhaut nicht mit, welcher nicht allein et-
was undeutlicher ist, sondern sich auch mit dem gegenüber-
stehenden der andern Kiemenhaut vereinigt. Dies wird völlig
dadurch bewiesen, dafs er für die ganze Schollengattung nur
6 Strahlen in der Kiemenhaut annahm *). Es ist nun nur
noch eine Angabe übrig, die der „Vertebrae 65," welche
mir schwierig wird, zu erörtern, und das hauptsächlich aus
dem Grunde, weil ich noch nicht weifs, bis zu welchem Grade
die Rückenwirbel bei Saxicola an Zahl variiren können. So
viel wir wissen, hat Saxicola unter allen Flatcssis die gröfste
Anzahl von Rückenwirbeln; sie erstrecken sich mindesten^,
nach Reinhardt's Angabe, auf 58**). Aufserdem möge
man auch in Betrachtung ziehen, dafs Gronovius Ziffern
gebraucht hat, durch welche, sowohl durch Schreib- als Druck-
fehler, so unendlich leicht Irrungen entstehen können.
Nach allem dem, was jetzt hier gesagt worden ist, möchte
ich für meinen Theil zu behaupten wagen, dafs der P/. Cyno-
♦) Zoophylacium, p. 72. **) A. a. O.
24
glossus Liiin. wirklich dieselbe Schollen-Art sei,
wie der Saxicola Fah,, und dafs diese Art demnach von
jetzt an in unsern Verzeichnissen den L in n eischen Namen
führen müsse, welcher ihr mit Recht zukomme. Also:
Pleuronectes Cynoglossus Linn. Platessa corpore laevi,
capite foveolato, oculis valde obliquis, rictu parvo, maxilla
inferiore longiore; linea laterali satis recta, spinaque anali. —
D. circ. 110. A. 92.
Synon.: Gronov, Mus. Ichthyol. I, p. 14, No. 39, (Dia-
gnos. et synonym, exclus.) et II, p. 11, No. 39; —
Acta Helvet. IV, p. 263, N. 145; — Zoophil. p. 74,
N. 252.
Pleur. Cynoglossus Linn. Syst. Nat. I, p. 456, N. 5.
— Saxicola Faber^, Naturgesch. d. Dan. Schollen, s.
Isis, 1828, p. 877.
— nigromanus Nilsson, Prodr. Ichthyol. Scand. p. 55.
Glyptocephalus Saxicola Gotische, Seeland. Pleuron.
s. Wiegm. Arch. Jahrg. I, Bd. 2, p. 156.
Platessa Pola Jenyns Man. of British \ ^^
A • >i-o 'K^ A A' I Obs. mnume
Anim. p. 4d8, N, 14o. I
— — Y arellt Hist. of British f „ ? ^
T?- 1, if ctckn I "ola Luv,
Fishes, II, p. 227. J
— — Thompson^ Annais of Natural Hist.
1838, N. VII, p. 16.
Habitat in Mari septentrionali, sinu Codano et in freto
Oeresundico. llbique, uti videlur, parvo numero capitur.
h) Pleuj'onectes microcephaliis Angl.
(PI. microstomus Fah er.')
Ich will nun mit einigen Worten die Aufmerksamkeit auf
eine andere Art von Platessa Cur. richten, nämlich auf die
in die englische Fauna unter dem Namen PI. microcephaliis
Don. aufgenommene oder unsern PL inicrostomus Fah er.
Keine andere Schollenart hat man wohl so oft als neugefun-
den betraclitet, auch keine bis zu dem Grade mit Namen be-
lastet, wMi diese. Aber eben defshalb ist es nothwendig, ihre
>veitläuIligL' Syuonyrriie zu sannneln und zu ordnen, über
welche man sich nur. noch theilweise verständigt hat, so dafs
25
auch wenig ausgemittelt worden ist, welcher von allen ihren
Namen vorzugsweise das Recht habe, beibehalten zu werden.
Um mit erforderlicher Deutlichkeit eine solche Revision vor-
nehmen zu können, wird es nöthig, die Schriften der nordi-
schen Schriftsteller, ferner die der englischen und die der
französischen alle drei für sich durchzugehn, weil man die
Schriftsteller in der That so gruppirt, jeden mit seiner beson-
dern Litt^ratur und seiner eignen Nomenclatur, sie unter ein-
ander aber ohne Verbindung und ohne Mitwissen, findet. Wir
fangen mit der nordischen Abtheilung an, welche uns am näch-
sten liegt.
In Linne's und Artedi 's Schriften findet man keine
Spnr, welche andeutete, dafs die fragliche Art ihnen bekannt
gewesen sei; eben so wenig scheint Quensel, welcher im
Jahre 1806 in den Verhandlungen der Königl. Schwed. Aka-
demie der Wissenschaften seine verdienstvolle Monographie
der ihm bekannten, einheimischen Schollen herausgab, von der-
selben eine Ahndung gehabt zu haben. Der Erste, welcher
die schwedische Fauna mit ihr bereicherte, war Dr. Holl-
berg, der sie in den Götheborgs Kongl. Vetensk. och Vitterh.
Samh. nya Handlingar, 4tem Theile, (welcher 1821 erschien)
unter dem Namen Fleur. Quenselii beschrieb (p. 59.) und
abbilden liefs. Es ist merkwürdig genug, dafs dieser Namen
nie weiter gelangte oder angenommen ward , da doch gewifs
von allen Arten, welche Hol Ib er g beschrieb, keine mehr ver-
dient hätte, als diese, bemerkt und angeführt zu werden. Aber
das Schicksal wollte, dafs Faber, welcher nachdem als Schrift-
steller auftrat, Hollberg's Schriften nicht kennen lernte und
Anlafs zu der ziemlich unglücklichen Theilung der Art in zwei
gab, in Folge deren es schwer fiel, zu bestimmen, zu welcher
derselben man Hollberg citiren sollte; nur hierin kann man
wohl die Ursache suchen, aus weicher im Prodromus Ichthyo-^
logiae scandin. ein solches Citat nirgends vorkommt. Ungefähr
zu derselben Zeit, in welcher Holiberg seinen Pleur. Quen-
selii bekannt gemacht hatte, kam Faber von seiner isländi^
sehen Reise nach Kooenhag-en zurück, und hatte in seinen
Samnllungen eine Scholle, die er dann unbeschrieben fand
(dafs es Fl. Quetiselil war, wissen wir jetzt); ehe indesseri
26
seine Isländische Ichthyologie*) vollendet ward, wurden im
J. 1824 im ersten TheiJe der KongL Diinska Vidensk. Sels-
kabs Afhandl. verschiedene zoologische Beiträge vom Bischof
Oth. Fabricius veröffentlicht, unter denen die Beschreibung
einer neuen Scholle vorkam, welche dort PL Quadridens^^)
genannt wird und schon i. J. 1797 bei einem Fischerlager in
der Nähe von Kopenhagen aufgefischt worden war. Faber
glaubte nun in ihr seine isländische Art wiederzuerkennen
und diese wurde denn PL Quadridens Fahr, genannt***)
Im Jahre 1827 machte Fab^r seine Reise in den nördlichsten
Theil von Jiitland, und ein Resultat derselben war die voll-
ständige Monographie der Schollenarten des dänischen Reichs
welche in die Isis v. J. 1828, wie eine kurze Uebersicht der-
selben Arten in das 14te Heft der Tidskrift for Naturviden-
skab aufgenommen wurden, welches letztere in demselben Jahr
in Kopenhagen herauskam. In dieser Monographie findet man
folgende Veränderungen vorgenommen: a. die isländische Art
wird als verschieden von dem Fabricius'schen Quadridens
betrachtet, aber als bestimmte Art unter dem Namen PL Qua-
dridens Faher aufgenommen (!); b) Dagegen wird die Fa-
bricius'sche Benennung in PL microstomus Faher umge-
ändert. Das bedeutendste bei dieser ganzen Veränderung, und
welches Anleitung zu vieler Verwirrung gegeben hat, w-ar,
aus einer einzigen ursprünglichen Art zwei zu bilden, oder,
mit andern Worten, aus Fabricius Quadridens oder, was
dasselbe ist, HoUberg's Quenselii einen Quadridens Faher
und einen microsiomus Faher zu schaffen. Wie fern der
Umstand, dafs Faber in der, gleichzeitig mit der Monogra-
phie herausgegebenen Uebersicht in der Tidskrift nicht mehr,
als die letztgenannte Art aufnimmt und die erstere mit Still-
schweigen übergeht, anzeige, dafs er selbst seine Meinung ge-
ändert und seinen Theilungs- Versuch schnell aufgegeben habe,
lasse ich dahin gestellt seyu; einen PL Quadridens weist in-
*) Naturgeschichte der Fische Islands.
**) Diese Beiträge mögen, zufolge einer späteren Erklärung von
Reinhardt, mehre Jahre früher in der Gesellschaft vorgelesen, aber
erst nach Fabricius Todo unter dessen Papieren gefunden und dann
publiciri worden seyn.
'^') Naturgosch. d. Fische Islands, p. 138.
27
dessen jene Uebersicht nicht auf. Im J. 1829 lieferte Nil sson
über jene Faber'sche Monographie eine kurze Recension, welche
in seinem zoologischen Jahresbericht für dasselbe Jahr aufgenom-
men wurde und in welcher er sich S. 39, beim PL Quctdri-
dens Faher, so äufsert: „Wenn dieser isländische Fisch eine
von der folgenden skandinavischen (jnicrostomiis) verschiedene
Art ausmaclit, so ist er für die Fauna des Nordens neu. Man
vergleiche genauer mit ihm die Mare-Flundra der Einwoh-
ner Rä (einem Dorfe in Schonen);" Ferner sagt er bei PI.
microstomus'. „Diese Art ist durchaus nicht neu! Es ist ge-
rade der rechte PI. Cynoglossus L. welcher" u. s. w. Hier-
aus erhellt, dafs Nilsson zu jener Zeit nicht mehr, als eine
einzige Art, angenommen hat, welche er damals für identisch
mit dem Cynoglossus L. ansah, und dafs er erst durch Fa-
ber veranlafst wurde, die Existenz der zwei zu vermuthen,
die er nachher im Prodromus Ichth. scand. als verschiedene
Arten charakterisirt, in welchem jedoch Faber's Quadridens
den Linneischen Namen Cynoglossus bekommt und der mi-
crostomus unverändert beibehalten wird. Reinhardt hat
später mehre Bedenklichkeiten rücksichtlich der beiden Fa-
ber'schen Arten geäussert und in einer Recension des Pro-
dromus*) sehr gültige Gründe für seine Behauptung aufgeführt,
dafs der Fabricius'sche und der Faber'sche PI. Quadri-
dens ein und derselbe seyen und sonach auch der Cynoglos-
sus und der microstomus JSilss. nur eine einzige Art aus-
machen. Diese Ansicht hat später auch Gottsche**) mit
seinen Erfahrungen übereinstimmend befunden, doch meint er,
dafs sie beide verschiedene Varietäten ausmachen und
Mangel an Aufmerksamkeit auf diesen Umstand die entstande-
nen Mifsverhältnisse verursacht habe, dazwischen mufs Gott-
sche die Namen dieser Scholle noch nicht für zahlreich oder
richtig genug augesehen haben, denn er giebt ihr einen neuen
latidens. Ziehe ich meine eigenen Untersuchungen zu Rathe,
so mufs ich mich auch gegen die Faber'sche Zerstückelung
der Art in zwei erklären, kann aber auch die beiden Varietä-
ten nach Gottsche nicht als constant betrachten. Sie sind
*) Bemerkn. til d, Skand. Ichthyol,
*) S. Wiegm. Arch, 1 Jahrg. 5 H. Die Seeland. Pleuronectesarten,
28
nur als die beiden Extreme der Forinveränderung dieser Art
anzusehen, welche weder streng charakterisirt werden können,
noch mehr, als einer der zwischen ihnen liegenden Uebergangs-
grade berechtigt zu sein scheinen, sich als besondere Formen
bezeichnen zu lassen.
Aus dem nunmehr Dargelegten erglebt sich, dafs der
H oll bergische Namen PL puenselil, der älteste der vielen,
dieser Schollenart im Norden beigelegten Namen ist, und dafs
er also berechtigt sein würde, vorzugsweise vor den anderen
angenommen zu werden, in sofern nicht dieselbe Art im Aus-
lande schon früher gekannt und beschrieben worden wäre. Ich
gehe jetzt zur englischen Litteratur über.
In der englischen Fauna finden wir eine Schollenart von
allen spätem Ichthyologen aufgenommen und beschrieben un-
ter dem Namen PL microcephalus Donov., über deren
Identität mit unserem PL QuenseVii oder microstomus nicht
der geringste Zweifel entstehen kann. Man vergleiche Do-
novan,*) Turton,**) Fleming,***) Yarellf) und Je-
iiyns.ff) Der Letzte giebt hierüber auch einen Wink, aber
übrigens scheint man in Fngland mit den weitlauftigen Unter-
suchungen unbekannt geblieben zu sein, welche die Dänen
und Schweden über diese Art veröffentlicht haben. Alle die
citirten Schriftsteller nehmen ferner, als synonym mit dem mi-
crocephalus, Pennant's iS'mcflr-Dfl& fff) auf; etwas, dafs
auch, sollte ich glauben. Jeder, welcher Pennant's Beschrei-
bung genau durchlieft, so kurz diese auch ist, billigen wird.
Sonach war diese Art schon i. J. 1776 beschrieben, und, wenn
wir einiges Vertrauen in Pennant's Citat aus dem Jago
setzen, sogar schon im J. 1713. Denn in dem Catalogus pi-
scium rariorum von Jago, welcher sich schliefslich in Ray 's
Synopsis meth. piscium, p. 162, aufgenommen findet, kommt
*) Brit. Fishes, Vol. II, p. 42.
^*) Brit. Fauna, p. 96.
***) Brit. Animals, p. 198.
f ) Brit. Fishes, Vol. II, p. 221.
-j-J-) Manual of Br. Vertebr. Anim. p. 457.
fff ) Brit. Zool. , Vol. 111, p. 202. Bemerke man indessen die Ir-
rung und Verwechselung, -welche in den altern Auflagen mit der Fig.
vorgefallen sind.
29
eine ganz kurze Beschreibung mit beigefügter Figur vor von
einer Art, genannt „Rhombus laevis Coniiibiensis maciilis
nigris; a Kitt" welche aller Wahrscheinlichkeit nach sich
auf dieselbe Art bezieht, wenn gleich Cuvier bestinimt er-
klärt hat, es sei ein PL hirtus,*) welches aber durchaus un-
möglich ist.
Endlich wenden wir uns nach Frankreich und finden auch
dort anfangs bei Duhamel**) unsern Fl. Quenselü oder
microcephalus recht deutlich beschrieben unter dem Namen
„/a vraie Limandelle " dieselbe Art, welche Cuvier in der
zweiten Ausgabe des Regne Animal PL Pola nennt, und über
welche die Engländer, dem zufolge, worauf ich oben aufmerk-
sam gemacht habe, sich sehr irren, wenn sie sie (diese Pola
Cuv.) für denselben, wie den obigen Cynoglossus L., halten,
welcher demnach derjenige ist, welcher in der englischen
Fauna den Namen Pola bekommen hat.
Nach dieser vielleicht etwas zu weitläuftigen Darlegung
scheint die in Rede stehende Art bezeichnet werden zu müssen
mit dem Namen :
Pleuronectes microcephalus Do nov. und charakterisirt:
Platessa corpore laevissimo, rictu parvo, maxillis aequalibus;
linea laterali supra pinnas pectorales subarcuata, spinaque anali
nulla. D. radiis circiter 90. A. 72.
Synon: Rhomhus laevis CornulicusP Jago; Raji Sy-
nops., p. 162, Fig. 1.
Smear-Dah. Pennant, Brit. Zool. III. p. 202 (minima
vero Fig. 106.)
La vraie Limandelle Duhamel, Traite des Peches,
Tom. III, Sect. IX, p. 2e8, Tab. VI, Fig. 3 et 4.
Pleuron. microcephalus Donov. , Brit» Fishes, II,
Tab. 42.
— Quenselü Hollberg, Bohusl. Fiskar i Götheb. Vet.
och Vitt. Sällsk. nya Handll., Delen IV, S. 59 (mit
Figur.)
*) S. Le Regne Animal, Ed. 2. Cuvier 's Worte sind: le Tar-
geur {PL hirtus) est le Kitt de ces deux auteurs (Raj. et Pen-
nant). U suffit d'un coup d'oeil sur la pl. I, de Raj... poiir s'en
convaincre.
**) Traite des Peches, Tom. III, Sect. IX, p, 2€8. Tab. VI, Fig. 3 et 4.
30
JPleuron. Quadridens Fabriciiis, Kongl. Daiiske Vidensk.
Selsk. Afhandll. Del. 1, p. 39, et Faber, Natiirgesch.
d. Fische Isl. p. 138.
— Quadridens \ Faber, Naturgesch. d. dänischen
— Microstomus f Schollen, Isis, 1828, p. 884 et 886.
— Microstomus, Idem. Uebersicht der dänischen Schol-
lenarten in: Tidskr. for Naturvidenskab. Bd. V. N. 14,
p. 243.
— Fola Cuv:, Le Regne Animal, Tom. II, p. 339.
— Microcephalus, Flemm : Hist. of Brit. Animals, p. 198,
Nr. 106.
— Cynoglossus^ Nilsson, Prodrom. Ichthyol, scand.
— Microstomus] p. 53.
— Microstomus latideus, Gotische, Die Seeland. Pleu-
ronectes - Arten; \yiegm. Archiv f. Naturgesch.,
Jahrg. 1, H. 5, p. 150.
— micr ocephalus Jenyns, Manual, 457. Yarrell, Brit.
Fishes, II, p. 221.
Habitat in Oceano Atlantico ad oras Islandicas, in mari
septentrionali, sinn Codano et freto Oeresundico haud raro.
c) Fleuronectes Linguatula Linn.
Diefs ist nun der einzige noch übrise Linneische Na-
men bei den europäischen Schollen, welchen man noch mit
keiner Wahrscheinlichkeit auf die ursprüngliche Art, welcher
Linne ihn beilegte, hat zurückführen können. Aber solclie
unerklärte, von dem Vater der jetzt gebräuchlichen Nomen-
clatur ausgegangene Namen liegen der Wissenschaft zur Last,
indem sie, gleich dem Bodensatz in einer Flüssigkeit, durch
das mindeste Aufrühren in dieser aufsteigen und sie trüben.
Defshalb mag man es sich ajigelegen seyn lassen, ihnen nach-
zuforschen und ihre Bedeutung an den Tag zu legen; denn,
so lange, als diese nicht hinlänglich erklärt ist, ist es eben so
unmöglich, jene Namen zu unterdrücken und zu tilgen, als
sie an ihre rechte Stelle zu setzen.
Wiewohl ich nicht im Stande bin, jetzt die Frage selber
beantworten zu können, welche Art Linne's PL Lingua-
lula sei, so ist es doch meine Ueberzeugung, dafs sie sich
ganz wohl beantworten lasse, wefshalb keine Erläuterungen,
31
flie auf den richtigen Weg leiten können, unnütz seyn dürf-
ten. Für's Erste darf man sich gar nicht durch die nordischen
Ichthyologen irren lassen, welche nach Linne den Namen
Linguatula aufgenommen haben, indem sie mehr, als wahr-
scheinlich, jenen Namen in einer ganz andern Bedeutung d. i.
für eine ganz andere Art genommen haben. Es kann uns
auch für die Beantwortung der Frage ganz gleichgültig seyn,
zu wissen, welche Art Linne's Nachfolger Linguatula ge-
nannt haben; dagegen ist es uns um so wichtiger, zu erfahren,
was seine Vorgänger unter derselben verstanden haben. Es
verhält sich nämlich mit Linguatula so, wie ich oben gezeigt
habe, dafs es sich mit Cynoglossus verhalte — einer Art,
welche Linne selbst weder gesehn noch gekannt hat, sondern
die nur und allein auf die Autorität Anderer aufgenommen
und benannt worden ist. Diese Auctorität ist hier dieselbe
gewesen, welche Linne immer geehrt hat, — Artedi's. Die
Art sonach, welche Artedi in den Genera unter seiner Dia-
gnose mit Pleuron. Oculis a dextra, ano ad latus sinistrum,
dentibus acutis, bezeichnet hat, mufs auch die Linneische
seyn. Welche ist mm die Artedische? Darüber geben seine
eignen Worte keine zureichende Erläuterung; nur die, dafs
man aus ihnen sehr deutlich ersieht, Artedi habe die Art
nicht gesehen und gekannt, sondern sie blofs nach W^illough-
by's Auctorität aufgeführt. Schlägt man deswegen des Letztern
Hist. Piscium, p. 101, nach, so findet man unter der Rubrik
„Linguatula Romae, Pola Bellonii etc." eine Beschreibung
Willoughby's selbst von einer Schollenart, welche er von
Rom erhalten hatte, und welche offenbar von Artedi gemeint
worden seyn mufs, indem die von ihm festgesetzte Diagnose
ein Auszug jener Beschreibung ist.*) Die ganze Untersuchung
beschränkt sich demzufolge blofs darauf, dafs man zu bestim-
men suche, welche Art es sei, die Willoughby's Beschrei-
bung zum Grunde liege, weil diese und keine andere Art be-
rechtigt ist, einst den Namen Linguatula zu führen. Diese
*) Es bleibt für die Folge die besondere Frage zu beantworten,
wie fern Willoughby's Liiiguatula Romae wirklich, wie er es
ftir abgemacht angenommen hat, die Pola Bellonii sei. Bekanntlich
soll die letztere, nach Cuvier, eine »S'o/e« seyn. S. Le Regne Animal,
32
Untersuchung mufs ich einem Ichthyologen am Mittelmeere
überlassen, welchem es keine besondere Schwierigkeit verur-
sachen dürfte, die nöthige Aufklärung zu verschaffen. Für
uns reicht es hin, zu wifsen, dafs Linguatula ein Name ist,
welcher keiner nordischen Art zukommen und sonach in un-
serer Fauna keinen Platz finden kann.
d) Pleuronectes Cardina Cuv.
Von den sogenannten Butten {Rhombus Cuv.) hat un-
sere Fauna bisher nur eine einzige Art mit bewimperten
Schuppen aufzuweisen gehabt, oder diejenige, welche Bloch*)
zuerst unter dem Namen PL punctatus veröffentlichte und
Abildgaard**) ein Jahr danach ausführlicher und weit ge-
nauer unter einem neuen Namen {PI hirtus) in der Vermu-
thung beschrieb, dafs beide specifisch verschieden wären. Dafs
aber diese beiden Namen ein und derselben Art zugetheilt
wären, hielt schon A. I. Retzius***) für wahrscheinlich,
und dafs dies richtig sei, ist später nicht allein von allen
schwedischen und dänischen Ichthyologen, sondern auch von
Cuvierf) bestätigt worden, welche sämmtlich beide Namen,
als synonym, aufnehmen. Ganz kürzlich haben jedoch zwei
verdiente englische Ichthyologen, Jenyns und Yarrell, wie-
der die ältere Abildgaardische Meinung, als die richtige
aufgenommen und suchen die beiden Arten, welche ihrer An-
sicht nach, mit einander vermengt worden sind, genauer zu
unterscheiden und zu charakterisiren. Die eine derselben
nehmen sie als „Bloch's Topknot" {Rh. punctatus), die
andere als „Müller's Topknot" {Rh. hirtus) auf. ff) Diese
beiden einander entgegengesetzten Ansichten lassen sich jedoch
ziemlich leicht erklären.
Während eines Aufenthaltes in den Bohuslän'schen Schee-
^)' Naturgesch. d. ausl. Fische, III, p. 31, Tab. 189.
''*) Zoologia danica, Tab. 103.
***^ Fauna suecica, p. 333
t) Le Regne Animal, II, p.341.
ff) Müller ist ganz ohne Grund bei diesem Namen citirt wor-
den, welcher mit Recht Abildgaard angehört, wenn er gleich in
Müller's Zoologia danica bekannt gemacht worden ist; aber in der
Fortsetzung des Werks, Mclche nach Müller's Tode herauskam.
33
ren führte ein glücklicher Zufall mir einige Exemplare einer
kleinen, aber sehr hübschen Schollenart in die Hände, welche
ich früher nie gesehen hatte, in welcher ich aber bald die Art
erkannte, welche die genannten englischen Schriftsteller als
„Bloches Topknot" beschrieben haben. Dieser interes-
sante Fund^) zeigte auf der einen Seite, dafs die Art unstrei-
tig von hirtus Ah. verschieden, aber auf der andern, dafs sie
eben so verschieden vom punctatus Bl. ist, welchen letztern
Namen sie demnach unter keiner Bedingung bekommen kann.
Dafs Bloches punctatus in der That kein anderer, als
Abiidgaard's Inrtus ist, zeigt die Figur recht deutlich, trotz
aller ihrer Mängel; und als einen solchen mufs man den Zu-
satz des Künstlers betrachten, die Bauch- und Afterflos-
sen frei und nicht verwachsen darzustellen, woraus natürlich
die Engländer Anlafs zu ihrer Vermuthung geschöpft haben.
Schon acht Jahre vorher, ehe Bloch seinen punctatus
bekannt machte, hatte Duhamel die beiden von den Englän-
dern nachher beschriebenen „Topknots" sehr wohl unter-
schieden; davon zeugen seine in Wahrheit meisterhaften Ab-
bildungen dieser Arten, der einen mit der Unterschrift „Grosse
Plie ou Targeur," der andern „La petite Limandelle
ou Calimande royale." Zu der letztern hat er auch eine
Beschreibung geliefert. Dafs die erstere identisch mit dem so
oft genannten hirtus und punctatus sei, hat schon Cuvier
bemerkt, und dafs die letztere, welche Cuvier nachher Rh.
Cardina benannt hat, identisch mit nicht allein der kleinen,
oben erwähnten Schollenart aus Bohuslän, sondern auch mit
dem von Jenyns und Yarrell beschriebenen „Bloch 's
Topknot" sei, ist meine Behauptung, obgleich Jenyns auch
hier eine entgegengesetzte Ansicht blicken lassen, indem er
unter die Synonyme zu seinem Rh. Megastoma den R7i.
Cardina Cuv. aufgenommen hat. Was den letztern Punkt
betrifft, so scheint Cuvier dazu selbst Anlafs gegeben zu ha-
'^) Dieser neue Ankömmling in unserer Fauna wurde zuerst vom
Hrn. Silfversvärd entdeckt, welcher sich sehr bereitwillig dem
Einsammeln mit unterzog. Alle die Exemplare, (5 an der Zahl)
welche ich erhielt, wurden durch den Grundhamen heraufgeholt, wel-
chen wir in der Tiefe nach kleineren Seethieren herumzogen. Den
Fischern war diese Scholle unbekannt.
Wiegm, Archiv. VI. Jalirg. 1 Band. 3
34
hon, «1:^ er als synonym mit seinem Rh. Cardina den von
Jago gezeiclineten „Whiff" citirt hat, welcher eigentlich nach
der Ansicht der Engländer als besondere Art, nämlich als die
von ihnen unter dem Namen Megastoma aufgenommene, an-
zusehen seyn dürfte.
Dieser PL Cardina, oder, wie wir ihn auf Schwedisch
nennen könnten, Smä-Hvar (Klein -Butt), ist von allen bis
jetzt bekannten Schollenarten die kleinste. Duhamel spricht
zwar von Exemplaren an der französischen Küste, welche
9 Zoll lang gewesen seien; aber das gröfste, welches ich an-
getroffen habe, mafs nur 5 Zoll, und die englischen haben 5^
gemessen. Da sowohl eine Abbildung, als eine Beschreibung
dieser Art bald in dem iconographischen Werke, welches ich
mit C. U. Ekström und W. v. Wright gemeinschaftlich
herausgebe, erscheinen werden, so will ich mich hier auf eine
Aufstellung der Diagnosen und der Synonymie der beiden
verwandten Arten beschränken.
Plenronecfes hirtus Abildg. — Rhombus corpore su-
pra squamis ciliatis, subtus laevibus; pinnis ventralibus
analique coalitis; radiis pinnae dorsalis anticis nee discretis,
nee longioribus.
Synon.: Pennant, Brit. Zool., Vol. III, Tab. 41, N. 106,
(errore sub nom. „Sinear-Dah.'')
Grosse File ou Targeur, Duhamel, Trait. d. P., Vol. III,
Sect. IX, Tab.V, Fig. 4.
PL punclatus, Bloch, Naturgesch. d. ausl. F., Tab. 189,
Th. III, p. 31 (excius. synon.)
— hirlns Abildg.. Zool. dan. Tab. 103, Vol. III, p. 36.
— — Retz. Fn sv. p. 333, Nr. 65.
Le Targeur Cuv. Regne An., II, p. 341 (sed minime ci-
tat. „Kitt des Anglais'" quod ad PL microccphahnn
pertinet.)
PL hirtus, Nilss., Prodr. Ichth. sc, p. 59.
^eugopterus hirtus Gottsche 1. supra cit. p. 178.
PL hirtus Jenylis, Man., p. 463; Yarrell, Brit. Fi-
sbes, II, p. 243.
Pleuronectes cardina Cuv. — R h o m b u s corpore oval i,
supra subtusque squamis ciliatis; pinnis ventralibus discre-
35
tis; radiis pinnae dorsalis anticis sequentibiis longioribus,
apice discretis, siuiplicibus.
Synon: La petltc LwicmdeUe Dufiam., Trait. d. peches,
III, Sect. IX, p. 270, Tab. VI, Fig. 5.
PL punctatus Flem. Wern. Mem. Vol. II, p. 241 ; —
Philos. Zool., Tab. III, Fig. 2; — Brit. Anim.,, p. 196.
(Synonym. Blochü, Uauiner exclusis).
— Cardina Ciiv., Le Regne Anim., II, p. 341.
— punctatus Jenyns, Man., p. 462; Yarrell, Brit.
Fishes, II, p. 247.
Ueber die Lebenskraft der Eiugeweidewürmer
von
Dr. C. Ed. M i r a m.
Docenten der Zoologie und vergl. Anatomie mid Prosector an der
Kaiserl. Medicinisch- Chir. Academie zu Wilna.
Von den kaltbliitigen Wirbelthieren und namentlich von
den Amphibie]! ist es bekannt, dafs sie Jahre lang in einem,
dem Tode ähnlichen Zustande zubringen können; Kröten, in
Granitblöcken eingeschlossen, wo sie weder Luft noch Nah-
rung erhielten, lagen erstarrt eine unendliche Zeit, lebten aber,
sobald sie der Luft ausgesetzt wurden, wieder auf. Man könnte
diesen todartigen Zustand eine Erstarrung, gleichsam einen
verlängerten \VinterschIaf nennen, denn das Leben ist nicht
gänzlich dem Körper gewichen und dieser ist auch unverändert
geblieben oder höchstens nur etwas zusammengefallen.
Die wirbellosen Thiere scheinen, hinsichtlich der Lebens-
kraft, auf einer viel höhern Stufe zu stehen; werden sie der
zum Leben nöthigen Bedürfnisse, namentlich des Wassers, be-
raubt, so schrumpfen sie gänzlich zusammen und trocknen
vollkommen aus, lassen sich aber doch, wenn sie nach länge-
rer oder kürzerer Zeit günstigen Einflüssen ausgesetzt werden,
wieder in's Leben bringen — Wem sind nicht die merkwür-
• 3*
36
<ligen Versiulie Spalaiizani's über diesen Gegenstand be-
kannt? Durch ihn wissen wir, dafs Furadaria redlviva, eine
Art Vibrio und endlich der in neuern Zeiten vielfältig be-
sprochene, zu den Crustaceen gehörige, Macrohiotus Uufelan-
dii,*) nachdem sie gänzlich ausgetrocknet Jahre lang zubrach-
ten, durch einen Tropfen Wasser wieder in's Leben gerufen
werden können; eine geringe Anfeuchtung ist hinreichend um
ihnen das Daseyn wiederzugeben.
Auch einige Eingeweidewürmer zeichnen sich durch ein
solches eigenthiimlich zähes Leben aus. So führt Rudol-
phi**) ein merkwürdiges Beispiel von der Ascaris spcadf-
gera an. Er bekam vom Naturforscher Peterson aus Kiel
drei Seeraben {Fclecanus Carho'), die daselbst am dritten
Mai geschossen und gleich in Weingeist gelegt nach Berlin
geschickt wurden. Am vierzehnten Mai, also nach eilf Tagen,
öffnete Rudolphi die Speiseröhre und den Magen eines von
diesen, stark von Weingeist durchdrungenen Vögeln, und fand
hier einige Exemplare des angegebenen Wurmes, die aber
von eben dieser Behandlung getödtet und schon bereits vom
Spiritus hart und spröde gew^orden waren. Um sie nun auf-
zuweichen und ihnen die natürliche Form wiederzugeben legte
er sie in warmes Wasser und siehe da, sie fingen sich an zu
rühren und lebten wieder vollkommen auf.
Zu dieser interessanten Erfahrung kann ich nun noch die
merkwürdige Beobachtung einer Wiederbelebung von Ascaris
acus Blochii hinzufügen, die ich Gelegenheit hatte im April
Monate dieses Jahres zu machen und die gewifs eben so be-
merkenswerth ist, wie der von Rudolphi erzählte Fall.
Ich bekam die Eingeweide eines sehr grofsen Hechtes,
der für das hiesige zoologische Museum ausgestopft werden
*) Dieser mikroskopische Krebs ist nicht, wie Schul tze angiebt,
(Macrohiotus Hufelandii, animal e crustaceorum classe novum, revi-
visccndi post tUuturnam asphyxiam et ariditatem potcns, Christ. Guil.
Hufelandio sarra semisaecularia etc. celebraiiti dcdicatus et descri-
ptiis a Aug. Sigismundo Schultze. c. tab. lithogr. Berolini. 1834) ein
neues Thicr, sondern Spalanzani's Tardigrade, Müllers Acarus ursel-
lus, Srhrank's Arctiscon tardigradum und Ehrenbergs Trionichium
ursinum. (Vgl. dieses Arch. 1835. I. S. 379 u. Anm. Herausgeber.)
'♦) Entozoorun» Synopsis. Berolini 1819. pag. 290.
37
sollte, ui\d fand eine aiif^^erorcleiitliche Menge von Ascaris
actis, theils zwischen den Eingeweiden, tlieils auch auf dem
Uando des Tellers, und da sie ohne alle Flüfsigkeit auf diesen
oethan waren, so waren viele, die nicht von der Feuchtigkeit
,1er Eingeweide berührt wurden, schon gänzlich vertrocknet
x\\\i\ todt; mehrere aber waren so fest an den Teller ange-
trocknet, dafs man sie nicht, ohne sie zu zerstören, von die-
sem entfernen konnte. Um nun so viel brauchbare Exemplare
dieses Wurmes wie möglich zu erhalten, füllte ich das Ge-
fiifs mit kaltem Wasser an und suchte nun die lebenden Indi-
viduen heraus, wunderte mich aber so sehr viele lebende
AViirmer zu finden. Endlich hatte ich alle Ascariden, die
sich nur bewegten, eingesammelt, legte daher die Eingeweide
in ein anderes Geschirr und liefs den Teller mit dem Wasser
stehen, kam aber zufällig nach einigen Minuten abermals au
den Tisch, auf dem jener stand, und erstaunte nicht wenig als
ich wiederum das Wasser von vielen muntern Wiirmchen he-
v/egt sah; ich beobachtete genau die todten und angetrockne-
ten Entozoen und überzeugte mich, dafs wirklich diese, sobald
sie die Feuchtigkeit aufgesogen und so ihr früheres Volumen
erreicht hatten, mit grofser Leichtigkeit sich in der Flüfsigkeit
umherbewegten, ja ich sah sogar, dafs einige Würmer, die nicht
gänzlich vom Wasser berührt wurden, nur in dem Theile Le-
ben zeigten, der dieses aufgenommen hatte. So bewegten ei-
nige den vordem Theil des Körpers, während der hintere
vertrocknet am Teller klebte, andere wiederum bewegten das
hintere Ende des Körpers und safsen mit deni vordem, zu-
sammengeschrumpften, am Teller fest.
. 20. September .^,.^.
Wiina den -^T oc^be-rr ^^^^'
CyliTidrella, nov. geniis.
Nebst Bemerkungen über die übrigen Gattungen der Heliceen;
von
Dr. L. Pfeiffer in Kassel.
JL)ie schwierigste Frage über die G ranzen der Gattungen un-
ter den Landschnecken ist in neuerer Zeit vielfach und mit
höchst verschiedenen Resultaten verhandelt worden. Wenn
auf der einen Seite Ferussac viel zu weit ging, indem er
fast alle luftathmenden Mollusken mit 4 Fühlern in seiner
<3attung Ilclix zusammenfafste, so sind auf der andern Seite
die Versuche einer Zerlegung jener grofsen Gruppe in einzelne
Genera auch noch nicht befriedigend ausgefallen. Eine gute
Basis bilden jedenfalls die Draparnaud'schen Genera, auf welche
ich auch mit geringer Abweichung wieder zurückkommen
möchte. Lamarck legte offenbar zu viel Gewicht auf einzelne
Beschaffenheiten des Gehäuses, weil ihm nicht Arten genug
bekannt waren, wo sich die Uebergänge der Formen deutlich
nachweisen lassen. Dies gilt hauptsächlich von der Gattung
Achai'ina, die noth wendig, insofern ihr Charakter nur auf der
trnukirten Columelle beruhte, wieder mit Bidimus vereinigt
werden njufs, da die Thiere sowohl nach den äufseren, als
nach anatomischen Merkmalen ganz gleich sind, und sich
von der kurz abgestutzten Spindel der Achat, virginca bis
zu der schönen runden Mündung des Bul. haemastomiis
alle Zwischenformen verfolgen lassen. — Ausgeschlossen von
dieser Vereinigung bleiben aber die Arten, welche Mon-
lort in ^('iii(>r (iatt(nig Polypheini/s zusamuionfaf'^te, da diese
sowohl dtiirl, die cigenthümliche Form der Columelle, als in-
sonderheit i\urd\ dcu zweilappigen llüssel des Thicrcs sich
unterscheiden.
39
Ich folge daher im Ganzen der uohl ausgeführten An-
sicht von Deshayes, welcher die Lamarckschen Gattungen
Jichafina und Hiiluniis wieder vereinigt wissen will, und
durch anatomische Gründe nachweist, (Lau>. VIII, p. 14.) dafs
sie nicht mit Helix zusammenfallen können; was aber die
von demselben scharfsinnigen Forscher ausgesprocliene Mei-
nung betrifft, dafs ebensowohl Claus'dia und Fupa zu verei-
nigen seyen, so kann ich mich mit dieser durchaus nicht ein-
verstanden erklären. Ich sehe vielmehr gar keinen Grund,
das Draparnaud'sche Genus Pitpa \oi\ Bulimus zu trennen.
Bei den europäischen Arten, welche Draparnaud beschrieb,
zeigten sich allerdings einige konstante Kennzeichen, welche
diese Trennung zu rechtfertigen schienen, aber wie viele Ar-
ten haben wir seitdem kennen gelernt, welche die frühe-
ren Gattungscharaktere als unzureichend kennen gelehrt ha-
ben, und daher bald zu der einen, bald zii der andern von
diesen Gattungen gerechnet worden sind. In der That weifs
ich jetzt kein einziges Unterscheidungsmerkmal zwischen bei-
den. Die Thiere sind sich völlig gleich, die Form ist bei
beiden mehr oder weniger zylinder- oder eiförmig und der
Mundsaum unzusammenhängend. Was bleibt also übrig? Die
Form der Mündung? Oder die Falten und Zähne derselben?
Die Gestalt der Columelle? Für alle diese Kennzeichen liefert
das F e r u s s a c'sche Genus Partula oder S w a i n s o n s Acha-
ünella die deutlichsten üebergangsformen. Sollen die Zähne
und Falten der Mündung dc\s Hauptkennzeichen seyn, wie
z. B. Menke anzunehmen scheint, da er den altbekannten Bu-
limus Pupa zu den Pupen herüberzieht? Aber wie viele ge-
zähnte Arten zählen wir jetzt, der Analogie mit Helix fol-
gend, ohne Bedenken zu Bulimus, während wir z.B. Fupa
ohtusa nicht dahin rechneten. Bei der ungemein schwierigen
Gruppe der grofsen aufsereuropäischen Pupen sind i\\Q Zähne
der Mündung und die Falte der Spindel ein sehr unzuverläs-
siges Zeichen: bald sind sie vorhanden, bald fehlen sie; Fupa
sulcata ist ganz zahnlos. Dagegen ist die grofse Verwandt-
schaft dieser Gruppe mit dem Bulimus lahiosus^) Br. un-
*") Desh. Nr. 130. Diese ausgezeichnete Art, die von Deshayes
nur nach Müll er 's trefflicher Beschreibmig aufgenommen ist, bo-
40
verkennhar, und dieser kann wieder ebensowenig von BuU-
mus faha Besh. {Partula australis Fer.) getrennt werden,
als letzterer von Bul aegotis Mite QAuricula Sileni Lajn.)j
Bulimus citrinus und den übrigen ächten Bulimusarten (nach
Draparnaud's Begriff!). Ueberhaupt liegt der sicherste Be-
weis, dafs eine Gattung falsch aufgestellt sey, darin, wenn
mehrere Arten derselben aus einer in die andere herumge-
worfen worden, oder wenn man sich überhaupt nicht zu ent-
scheiden weifs, zu welcher man eine vorliegende Art zäh-
len soll. —
Aus allen diesen Gründen glaube ich die Gattung Viipa
Dr. ganz verwerfen und die Arten derselben bei Bulimus ein-
ordnen zu müssen. Dagegen bleibt mir die Gattung Clausi-
Ua nach ihrer alten Draparnaud'schen Charakteristik unan-
tastbar stehen. Wäre auch gar kein anderes Unterscheidungs-
zeichen vorJianden, so würde das Clausilium, ein offenbar dem
Opercidum vieler Molluskengattungen analoger Theil, allein
zur Begründung des Genus hinreichen, und wenn wir dieses
mit Draparnaud's kurzen Worten so definiren: „Testa fu-
si/onnis; peristoma continuum ohiongum; clausilium/'' —
so haben wir ein scharf abgeschlossenes Ganze. Ausgeschlos-
sen mufs dann freilich werden ein Theil der nach Drapar-
iiaud dieser Gattung zugezählten Arten (denen zu Gefallen
Lamark (ed. Desh. VIII. p. 295.) sagt; ce nom fut d'abord
significatif!), nämlich 1) alle, welche keinen zusammenhängen-
den Mundsaum, und 2) diejenigen, welche zwar einen kreis-
förmigen zusammenhängenden Mundsaum, aber kein Clausi-
lium haben. Von den ersteren mache ich nur namhaft die
Clausil exesa Spix (Desh. Nr. 39.) und Turton's Baha
fragilis, die zwar von Draparnaud, Nilsson und |La-
marck als Fupa, aber von Studer, C. Pfeiffer (Bd. III.)
und Menke als ClausiUa angeführt wird. Beide müssen mit
der (Gattung Bupa in die Reihe der Bulimusarten treten.
Zur zweiten Rubrik gehören Lamarck's und Deshayes
Arten Nr 2, (J, 4()^ 41^ 42, 43. Da aber alle diese wegen
sitzo irh. Sio ist bei Chemnitz (IX. 12:M.) vollkommert treu abee-
bildet, aber die fragweise citirte Abbildung bei Gualtieri (T. 4. K.)
gehört par nicht hierher, sondern zu der Art, welche Blainville
(MalacoJ. t. 39. f. 5. a) als Papa Mimia abbildet.
41
dos regelmäfsig geschlossenen Mundsaumes zu keiner der übri-
gen Gattungen aus der Familie der Heliceen gezählt, wegen
der Beschaffenheit des Thieres aber noch viel weniger an-
derswo untergebracht werden können, so halte ich dafür, dafs
sie ein gutes Genus für sich bilden, und schlage für dieses
den Namen Cylindrella vor, ein Name, welcher auf die Form
aller bekannten Arten zunächst hindeutet, modificirt durch die
bei den Molluskengattungen schon gebräuchliche Endigung.
Die Charakteristik dieser neuen Gattung würdet fol-
gende seyn;
Cylindrella L. Pfr. — Animal helidfonne. — Te-
sta suhcylindr^acea , imperforata, multispirata, saepe triin-
cata. Teristoma continuum suborhiculare. Operculum vel
clausilium nidlum.
Alle bisher bekannten Arten sind auf den westindischen
Inseln heimisch, und ich selbst habe auf Cuba vier deutlich
verschiedene Arten aufgefunden, wovon zwei schon von Fe-
russac beschrieben und abgebildet sind (IJelix Cochlodina
perplicata und subulci), die beiden anderen neu seyn dürften.
Die letzteren sind von mir in diesem Archiv (Jahr. V. I. S.353.)
initer dem Namen Clausula elegans und crispula vorläufig be-
schrieben worden. — Auffallend erscheint es, dafs alle mir be-
kannten cubanischen Cyclostomen, immer trunkirt sind, d. h. die
Spitze in einem gewissen Alter abwerfen und die offene Stelle
wieder verschliefsen. Fast alle bekannten Arten sind rechts-
gewunden, und man wäre wohl berechtigt, dies als Gattungs-
kennzeichen mitaufzunehmen, wenn nicht Chemnitz's Tiirho
elongatus von Jamaika {ClausiUa Chemjiitziana Desh.^ nach
der Abbildung (Chemn. IX, f. 956) und klaren Beschreibung
linksgewunden wäre. Uebrigens steht diese Art meiner Cyl.
elegans im ganzen Ilahiiiis so nahe, dafs man wohl mit Be-
stimmtheit annehmen kann, sie habe ebenfalls kein Clausilium,
und gehöre zu der neuen Gattung, deren bis jetzt bekannte
Arten demnach folgende sind:
1. Cylindrella gracilicollis (Clnusilia truncatula Lam,2.)
2. — collaris (^Claus. collaris Lam. 9.)
3. — antiper versa ( Claus, antiperversa Desh. 40.)
4. — suhula (Claus, suhula Desh. 41.)
5. — perplicata {Claus, perplicata Desh. 42.)
42
6. Cylindrella Chcmnitziaua (Claus. Chemnitziana
Desh. 43.)
7. — elcgans Pfi\\ Claus lila L. Pfeiffer in
8. — ciispula P/r.j Wgm. Ar. J. V. B. 1. p. 353.
9. — P torllcollls {Clausula tortlcollis Lam. 1.)
Die fünf ersten von diesen Arten sind von Ferussac
auf der lG3sten Tafel abgebildet, und werden von ihm zu der
Untergattung Cochlodlna gerechnet. Rofsmäfsler nennt sie
(Iconographie II. 2. S. 13.) „langhalsige Pupae," woliin auch
Sowerby (Genera of shells) einige hierher gehörige Arten
zäldt. — Ob Clausllla tortlcollis Lam. von Candia zu Cy-
lindrella zu zählen sey, wage ich nicht zu entscheiden, da
mir die Art unbekannt, die Abbildung jetzt nicht zugänglich
und die Beschreibung zu mangelhaft, namentlich in Hinsicht
der IMundöffnung, ist. Doch spricht Vieles dafür. —
Nach dem bisher Gesagten scheint es mir zweckmäfsig,
die Familie der Ileliceen in folgende. Gattungen einzutheileni
1. Vltrlna
2. Hellcophajita
3. Succlnea
4. Ilellx (mit Carocolla und Anostoma Lam.)
5. Bulimus (mit Achailna Lim., Pupa Dr.-, Fartula
Fer. und Megasplra Lea).
6. Vertis:o
7. Cylindrella
8. Clausllla
i). Polyphemus Montf.
Der Charakter, welchen alle mit den Limaceen gemein
hallen, und wodurch sie sich von den folgenden Ordnungen
unterscheiden, sind die retraktilen, an der Spitze mit Augen
versehenen Fühler, und die einzelnen Gattungen scheinen mir
mir auf diese Weise nach richtigen Princij)ien hinreichend be-
gründest werden zu können. Vielleicht müssen indessen nach
dor IJeschaffonheit des Thieres noch einige Veränderungen
Statt finden, wie mich hauptsächlich die Beobachtung lebender
Exemplare von Bulimus haemaslomus vermulhen läfst.
Fortpflanzung der Ringeltanbe in der
Gefangenschaft,
mitgetheilt von
StaiL Konst. v. Siemuszowa-Pietruski.
VV enn man die Sitten und Lebensweise der Ringeltauben
aufmerksam betrachtet, so scheint es eine rein unmögliche
Sache zu sein, diese von Natur so scheuen und wilden Vö-
gel bis zur Fortpflanzung im Zimmer zu bringen. Die mei-
sten Ornithologen haben es als unausführbar erklärt, und die-
jenigen Taubenliebhaber, welche über diesen Gegenstand Er-
fahrungen machten, wurden fast immer am Ende entmuthigt
und konnten die Sache nie bis zum erwünschten Ziele bringen.
In der Encyclopedie methodique des sciences et des Arts
Sect. Ornithologie liest man bei der Naturgeschichte der
Ringeltaube mit Vergnügen die darüber gemachten, aber leider
fruchtlosen Versuche.
Im Cabinet des Thierreichs von Prideaux-Selby, deutsch
bearbeitet von Hrn. Friedrich Treitschke, wird zwar ein
Fall erzählt, in welchem man es in England mit der Zähmung
der Ringeltauben so weit gebracht habe, dafs ein Paar dersel-
ben in einem, Gebüsch eines Vogelhauses der zoologischen
Gesellschaft im Jahre 1834 ein Nest baute und auf 2 Eiern
brütete; doch kamen die Jungen nicht aus, obwohl diese Tau-
ben in einem halbwilden Zustande erzogen waren, indem sie
frische Luft und Gesträuche hatten.
Die Herausgeber der vortrefflichen Monographie des Pi-
geons, Boitard und Corbie, haben diesen schönen Tauben
ihrer \Yildheit und Unbändigkeit wegen, nicht einmal ein Plätz-
chen in ihrem Werkte einräumen wollen, obgleich sie bei der
44 .
Abstaiuiiiung der Tauben zu beweisen suclien , dals die an
Farbe und Gestalt so niannichfaltigen und von einander so
verscliiedeneu Haustauben rassen aus der Mischung der Felsen-
Holz -Ringel- und Turteltaube entstanden sind.
Ohne mich in Hypothesen über die Abstammung der Haus-
tauben, diesen so vielmals besprochenen, doch immer sehr
zweifelhaften Punkt, einzulassen, theile ich meine lieobachtun-
gen über das Brüten der Ringeltaube in der Gefangenschaft
mit, und hoffe dafs sie sowohl den eigentlichen Ornithologen,
als den Taubenliebhaber interressiren werden. Ich besitze ge-
genwärtig 4 Ringeltauben, worunter sich ein sehr schönes, bey
mir erzogenes Miinnchen befindet. Im Winter halte ich sie
mit meinen andern Haustauben in einem Vorzimmer meiner
Wohnung, welches, da es von draufsen nur eine Gitterwand
hat, allen Veränderungen der Luft ausgesetzt ist. Sie leben
hier mit andern Tauben sehr friedlich und befinden sich wohl,
obgleich manchmal im Taubenschlage eine Kälte von 20 Gra-
den herrscht. Im Februar des ersten Jahres (1835) merkte
ich, dafs mein Tauber von der hochköpfigen Gattung (^Columba
palmnhiis Brelnri) mit einem anhaltenden kläglichen Rucksen
sein Weibchen zum Nisten lockte. Dieses blieb nicht lange
gefühllos. Es erfolgten dann die zärtlichsten Liebkosungen
luid endlich das Nisten selbst, welches recht emsig von stat-
ten ging', doch weiter konnte ich sie dieses Jahr nicht brin-
gen, entweder weil sie noch zu jung waren oder weil sie un-
ter andern Tauben keine genügende Ruhe geniefsen konnten;
kurz zum Eierlegen kam es in diesem Jahre nicht. Ich besafs
auch damals ein paar plattköpfiger Ringeltauben (CoZ. i07'-
fjuata Brehm.). Da diese aber gestutzte Flügel hatten, so
zeigten sie auch keine Begierde zum Nisten.
Im März des folgenden Jahres 1836 liefs ich meinen hoch-
köi)figen Tauber mit einer plattköpfigen Taube (das hoch-
köplige Weibchen ist mir im Winter zu Grunde gegangen)
in ein kleines ganz abgesondertes Zimmer hiiu/ui. Hier paar-
ten sie sicli sogleich und nisteten in einem zu diesem Zwecke
liir sie bestinunton Kasten. Am 20. März sah ich die erste
Bogaltung, welche von nun an täglich in den Nachmittagsstun-
iU'ii wi.'d.Tholt wurde. Der Tauber ruckste zu «lieser Zeit
Tag und Nacht so flinlsig und mit einer so angenehmen Stimme,
45
iiafs man ilim nie genug zuhören konnte. Am 2. April legte
die Taube um 5 Uhr Nachmittags das erste Ei, und am 3teii
Tage darauf das zweite. Jetzt kam aber wieder eine Schwie-
rigkeit, die ich nicht voraussetzen konnte. Brüten wollte sie
auf keinen Fall. Ich nahm daher die frisch gelegten Eier weg
und legte sie einer Kropftaube zum Bebrüten unter. Aml7ten
Tage kamen auch die Jungen wirklich aus, ihre Pflegemutter
bedeckte und fütterte sie aufs sorgfältigste, allein ungeachtet
aller Pflege starben alle den 4ten Tag nach ihrer Geburt. Als
ich die Kröpfe dieser Jungen untersuchte, fand ich sie reich-
lich mit Nahrung versorgt. Aus Hunger starben sie also ge-
wifs nicht, wohl aber aus Mangel an zweckmäfsiger Nahrung.
Dieses führte mich auf den Gedanken, dafs vielleicht die sal-
zige breyartige Substanz womit die Ringeltauben ihre Jungen
füttern, anders beschaffen ist als die unsrer Haustauben. Diese
Muthmafsung zeigte sich in der Folge nur allzugegründet.
In 18 Tagen nach dem ersten Eierlegen legte die Ringeltaube
wiederum 2 Eier und verliefs sie- abermals, nachdem sie 5 Tage
auf denselben gesessen. Ich legte sie einer Pfauentaube un-
ter. Es kam nur ein Junges aus und dieses lebte nur 4 Tage.
Nach dem Tode wurde der Kropf wie früher untersucht, und
ich fand darin die käseartige salzige Substanz gänzlich in Fäul-
nifs gerathen, ein sicherer Beweis, dafs es dieselbe nicht ver-
dauen konnte. Jetzt war ich von der Wirklichkeit meiner
Muthmafsung vollkommen überzeugt. Das 3te Mal legte noch
die Taube Eier, allein diese waren unbefruchtet. Während
dieses geschah, machte ich an dem übrig gebliebenen Ringel-
tauber eine weit interessantere Erfahrung. Dieser blieb, nach-
dem ich sein Weibchen dem hochköpfigen gab, unter andern
Haustauben allein im Schlage. Im May desselben Jahres
merkte ich, dafs dieser Tauber zu einer aschgrauen Kropf-
taube viele Neigung zeigte. Als ich dieses gewahr wurde,
nahm ich beide Vögel aus dem Schlage heraus, und steckte
sie in einen geräumigen Behälter. Hier nisteten sie nach
Wunsche. Die Begattung ging auch wirklich von Statten.
Das Weibchen legte auch Eier, allein diese waren unbefruch-
tet. Mit Annäherung des Herbstes endigten sich auch meine
Erfahrungen, welche obgleich ohne erwünschten Erfolg, doch
immer interessant genug für mich ausfielen, um mich zur Aus-
46
(lauer zu ermuntern. Ich steckte meine Tauben in den Tau-
benschlag mit dem festen Vorsatze, meine Beobachtungen aufs
künftige Jahr weiter fortzusetzen. Endlich kam der erwünschte
Frühling. Das Ringeltaubenpaar wurde wie gewöhnlich in das
für sie bestimmte Zimmer, und der Ringeltauber mit seiner
Kropftaube in den Käfig gesetzt. Beide Paare nisteten und
le"-ten Eier. Die Ringeltaube bebrütete aber diefsmal die ih-
rigcn fleifsig. Es kam ein Junges aus, welches zu meiner
gröfsten Freude von beiden Eltern grofsgefüttert wurde. Was,
die Kropftaube anbelangt, so legte sie zwar viele Eier, leider
kam kein einziges Junges aus. — Bei dieser Gelegenheit bitte
ich die Herrn Naturforscher und Taubenliebhaber auch ihrer-
seits Erfahrungen über das Brüten der Ringeltaube in der Ge-
fangenschaft zu machen, freilich erfordert es viel Mühe und
Geduld, doch wird man am Ende belohnt. Ich bin wenigstens
überzeugt, dafs sich diese schöne und grofse Taubengattung
bei gehöriger Behandlung so wie die Haustaube vermehren
würde, und es ist wirklich der Mühe werth. Ihre schlanke Ge-
stalt, ihre ansehnliche Gröfse^ und ihr schönes Gefieder erhe-
ben sie über viele Haustaubenrassen, das viel zartere und bes-
sere Fleisch der Jungen giebt ihnen sogar in diätetischer und
ökonomischer Hinsicht den Vorzug.
Neue Beiträge
zur Erläuterung und endliclien Erledigung der
Streitfrage über Tur und Zubr, (Urus und Bison)
von ,
G. G. Pusch in Warschau.
jVleiiie als Anhang zur Paläontologie von Polen edirte Ab-
handlung: Zur Geschichte der Auer-Ochsen hat in der
gelehrten Welt einige Anerkennung gefunden, aber auch Wi-
derspruch hervorgerufen, der mir selbst nur erwünscht sein
kann, da nur auf solche Art, nur durch mehrseitige Kritik die
endliche Ermittelung der Wahrheit gehofft werden darf. Ich
habe in jener Abhandlung die von Cuvier ausgegangene,
später auch von Hrn. von Brinken und Eichwald ange-
nommene und vertheidigte Ansicht in Uebereinstimmung mit
Bojanus und Jarocki zu wiederlegen gesucht, als hätten in
den Wäldern von Litthauen und Polen, selbst bis in die Mitte
des ITten Jahrhunderts, zwei verschiedene wilde Stierarten
neben einander gelebt, der noch heute durch Regierungsschutz
vorhandene Ziibr oder Auerochse und ein anderer jetzt aus-
gestorbener, der nach der Meinung verschiedener Schriftsteller
in Polen den Nazwen Tur geführt habe, die wilde Stammart
unseres zahmen Rindviehs gewesen sey und dessen fossile Ue-
berreste in Torf und andern Alluvionen (j5oä primigenius
BoJ.) noch gefunden würden. Hr. Prof. Wiegmann in sei-
nem werthvoUen Archiv für Naturgeschichte Jahrgang 1837.
11. p. 187 war der erste, der in seinem Bericht über die Lei-
stungen im Gebiet der Zoologie während des Jahres 1836,
meiner Abhandlung gedachte. Er sagt;
48
„Die Geschichte des Auers In Preufsen hat Biijack (In den
Preufsisch. Provinzlalblältern Bd. XV, p. 425) aus Urkunden
und historischen Schriften beleuchtet. Dabei wird auch die
Frage, ob die fossilen Auerochsenschädel specifisch verscliie-
dea und ob der dem Hausochsen ähnh'che Stier, dessen Schä-
del im aufgeschwemmten Lande und in Torfmooren gefunden
worden, zu historischen Zeiten gelebt habe, berührt, ohne
dal's sie zu bestimmter Entscheidung gebracht wird. In ge-
nauere Untersuchung dieser schwierigen Frage ist neuerlich
Pusch in Polens Paläontologie mit grofser Gründlichkeit cln-
geganjzen, indem er zu erweisen sucht, dafs die vorhandenen
Zeugnusse für die Existenz zweier wilden Ochsen-Arten unzu-
verlässig seien und in Wahrheit nur eine, der Auer, Zvbr oder
jyisent existirt hat. Eine nähere Beleuchtung dieser wichtigen
Abhandlung mufs dem folgenden Jahrgange aufgespart bleiben."
Leider hab ich vergeblich in diesem jene versprochene
Beleuchtung gesucht.*) Dagegen hat ein anderer angesehe-
ner Zoolog Hr. Akademiker von Bär in der Sitzung der Kai-
serlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg am
4ten Mai 1838 durch meine Arbeit veranlafst eine Abhandlung
unter dem Titel: Nochmalige Untersuchung der Frage:
ob in Europa in historischer Zeit zwei Arten von
wilden Stieren lebten? gelesen, die im Bullet, scientif. de
l'Acad. de St. Petersb. Tom. IV, Nr. 8 und daraus in Wieg-
ln an ns Archiv für Naturgeschichte. Jahr. 1839. 1. Heft. p. 62
bis 78 abgedruckt ist.
Hr. V. Bär ist darinnen als Gegner meiner Ansicht auf-
getreten und ich mufs es ihm Dank wissen, dafs er es gethan
hat, weil er mich dadurch veranlafste, nochmals zu einem er-
weiterten, wenn gleich Zeit raubenden Quellenstudium zurück-
zukehren, wodurch einige Mängel und Lücken meiner frühe-
ren Arbeit noch beseitigt und ausgefüllt und neue noch kräf-
tigere Beweise für meine Ansicht aufgefunden worden sind.
Wenn diese erneuerte Forschung mich abermals zu der Ueber-
zeugung geführt hat, dafs Hrn. v. Bars Einwendungen meine
frühere Ansicht noch nicht widerlegt haben, so wird auch er
erlauben, öffentlich dieselben nochmals beleuchten zu dürfen.
Dazu mufs ich zuerst hervorheben, was Hr. v. Bär haupt-
sächlich gegen meine Ansicht aufstellt. E^ scy, sagt er, nicht
seine Absicht, jetzt in eine vollständige Kritik meiner Ab-
handlung einzugehen, (was doch sehr wünschenswerth gewesen
*) Ich wurde durch meine Krankheit an der Ausführung dieses
Vorsatzes gehindert. Anm. des Herausgebers.
49
wäre) sondern er behalte sich vielmehr eine ausführlichere
Bearbeitung des durch die Vertheidigung verschiedener An-
sichten bekannt gewordenen Materials vor, zu welchem er noch
einige aufgefundene Notizen über das allinählige Schwinden
der besprochenen Tliierarten in einigen Gegenden werde hin-
zufügen können. — So gern und vollständig er auch den in
meiner Abhandlung aufgebotenen Fleifs und Scharfsinn an-
erkenne, so wenig könne er doch für das Resultat sich er-
klären, denn
1) sey die von mir aufgestellte Klassification der Schrift-
steller, welche nur eine oder zwei wilde Ochsenarten in Eu-
ropa beschrieben, nicht gerecht, denn alle diejenigen, die nur
von einer Art sprechen und die ich für die zuverlässigem
erklärt habe, seyen ja nur solche, die Mittel-Europa gar nicht
kannten und es sey nur ein negativer Beweis, wenn ein Schrift-
steller nur eine Art gekannt habe ; umgek hrt seyen alle die-
jenigen, die von 2 Ochsenarten sprachen und die ich mit Aus-
nahme von Seneca und PI in ins alle schwache Gewälirleute
aus dem unwissenden Mittelalter nannte, gerade solche, welche
Polen und Litthauen aus eigener Ansicht gekannt hätten und
ihre Zahl sey gröfser als die der Gegenparthei, obgleich ich
noch die Augenzeugen Ostrorog Und Mucante nicht mit
aufgezählt hätte.
2) hätte ich wohl mit Unrecht das Zeugnifs des Baron
Herbe rstains zu gering geschätzt und ihn unbilliger Weise
zu den unsichern Gewährsmännern gezählt, denn alle seine
Nachrichten, unter denen die über die Thierwelt die unbedeu-
tendsten seyen, trügen das Gepräge eines sorgsam prüfenden,
ruhigen kritischen Forschers und seine Zuverlässigkeit stände
deshalb bei seinen Zeitgenossen, wie bei den Historikern spä-
terer Zeiten in sehr gutem Ansehn. Sollte aber Herberstain
den Unterschied von Tur und Bison mehr durch Anderer als
durch eigenes Urtheil erkannt haben, so läge darin ein noch
gröfserer Beweis, denn die Einwohner würden wohl einen
bartlosen Bison nicht für ein anderes Thier angesehen haben.
Dabei wirft mir Hr. v. Bär geradezu vor, dafs ich mich we-
nig mit Herberstain bekannt gemacht haben müsse.
3) Zugestanden, sagt Hr. v. Bär, dafs die Benennung Twr
keinesweges eine so bestimmte Anwendung gehabt habe (das
Wiegm. Archiv. VI, Jahrg. 1. Band, 4
50
soll heifsen eine bestimmte Thierart allein bezeichnet habe)
wie Manche glanben mögen, so könne er doch meine Erklä-
rung als sei Zuhr die Litthauische und Tur die polnische
Benennung für ein und dasselbe Thier nicht für genügend fin-
den, weil Ziihr in russischer, Z'unhr, Ziimpro in moldauischer
Sprache den europaischen Bison bezeichnen, das Wort also
wohl slavonischer Abstammung sei und weil es undenkbar sei,
dafs von zwei nicht nur benachbarten, sondern unt(^r einem
Scepter vereinigten Völkern, wie Litthauer und Polen waren,
das eine Volk nicht sollte erfahren haben , wie das gröfste
Jagdthier des Landes bei dem andern heifse.
4) Endlich geht er zur Mittheilung einiger nocli nicht
benutzter Zeugnisse von der Existenz zweier gleichzeitigen
Ochsenarten namentlich in Preufsen und Pommern über, die
aber, ich kann nicht anders «urtheilen, dieselbe geringe Be-
weisknnft haben, wie alle die schon früher aus Polen, Böhmen
und den fränkischen Chronisten beigebracht wurden. Alle die
Einwände hätte ich ganz kurz durch Beibringung eines ein-
zigen Zeugnisses aus dem Mittelalter über den wirklich sy-
nonymen Gebrauch der Namen Tiir und Zuhr beseitigen
können: da ich aber einmal diesen Gegenstand im gröfsern
Umfange bearbeitet habe, so wird es nicht unwillkommen seyn,
wenn ich auch jetzt ihn nochmals von allen Seiten beleuchte
und etwas ausführlichere Ergänzungen zur früheren Abhandlung
mittheile.
Ich mufs wieder mit den Einwänden beginnen, die aus
Baron Ilerberstains *) Zer.gnifs entlehnt sind. Allerdings
hätte ich wohlgethan, gleich damals bei meiner ersten Ab-
handlung eine genauere Analyse der Herberstainschen Com-
mentarien zu geben, dann hätte ich den chronologischen Irr-
thum nicht begangen, als habe er erst 1558 das russische Reich
besucht. Ich habe diese Reisen dahin mit seinem Aufenthalt
am Hofe des Königs Siegmund August von Polen im Jahr 1553,
wofür durch Schreib- oder Druckfehler 1558 gesetzt wurde,
*) Hr. V. Bär macht bemerklich, dafs sich Herberstein nicht
so, sondern IIer])erstain geschrieben habe. So steht auf dem
lito], abrr uiwrr dnr Dedication an König Ferdinand von Ungarn und
Böhmen steht Ilerberstayn. Was ist nun eigentlich das Richtige?
51
vermengt, voh welchem sich seine Kenntnifs des sogenannten
Tur herschreibt. Analysiren wir aber diese Commentarieu
genauer, so wird mein Urtheil über Aqw Grad der kriti-
schen Zuverlässigkeit Herberstains in naturhistorischen Din-
gen nur noch mehr erschüttert, wenn ich auch nicht im Ge-
ringsten in Abrede stelle,' dafs er in Schilderung der Men-
schen und Sitten im russischen Reiche, so weit er es kennen
lernte, mit Wahrheitsliebe und Treue verfahren seyn mag.
Von seinen im Jahre 1549 dem römischen Könige Fer-
dinand I dedieirten 'Herum Moscoviticarum Comentariis habe
ich eine von Pblycarpus und Hieronymus Gemusaeus
und Balthasar' Hau besorgte Ausgabe von 1571 Basileae
ex qfficina Oporiniana. Fol. — vor mir. Dieser sind an-
gehängt:
1) Pauli 'iJovIi Novocomensis de legatione Basilii Magni
Principis Moscoviae ad dementem VII Pontificem jMax. liber.
2) de admlrandis Ilungarlae aquis Hypomnemation : Geor-
glo Vuernbero authore.
3) Scriptum recens de Graecorum fide, quos In omnibus
Moscorum natio sequitur (h. e. Claudii Cardinalis GuisanI XII
quaestlones et Graecorum ad eas responsloncs) und
4) Joannis Leuvenclavii de Moscorum bellls adversus linl-
tlmos gestis ad annum usque LXXI commentarlus.
Da es uns zunächst darauf ankommt, genau zu wissen,
welche Theile von Polen und Lithauen Herbers taiu selbst
besucht, und was er dabei von den in Frage stehenden Thie-
ren selbst gesehen, wo und wie er sie gesehen hat, so müs-
sen wir zuerst seine lünerarien befragen. Als bei der Zu-
sammenkunft der Könige Siegmund I. von Polen, Wladislaw
von Ungarn und Böhmen und dessen Sohn Ludwig beim Kai-
ser Maximilian I zu Wien im Jahre 1515 der Kaiser unter
andern auch ersacht wurde, einen Gesand1:en ariden Grofs-
fürsten Basilius von Moskau zu senden um den Frieden zwi-
schen Moskau und Polen zu ermitteln, so wterde dazu der
Baron von Herbers taiu, der eben erst aus Dänemark zu-
rückgekehrt war, auserwählt und erhielt den Befehl zn dieser
neuen Legation zu Hagenau im Elsafs. Seine Reise ging von
dort durch Schwaben nach Augsburg, wo er sich mit seinen
Reisegefährten bei dieser ersten Reise nach Russland, den
Gregorius Sagrevuski, nuncius Moscus, und Chryso-
stomus Columnus, Sekretair der Prinzessin Elisabeth, der
4 ^
52
\Vittwe fies Herzogs Johann Sforza von Mailand und Bar
vereinigte. Sie verliefsen Augsburg im Anfange des Jahres
1516 und reisten über Landshut, Linz, Znairri, Brunn, Oliniitz,
Weifskirchen (llsanitza). Tischein (Itzin), Ostrau, Freystadt
an der Elsa, Schwartzwasser (Strumen), Plest (Ptzin) von wo
2 Meilen entfernt eine Brücke über die Weichsel die Grenze
zwischen Schlesien unter böhmischer Hoheit und dem Gebiet
von Polen machte und von da über Oswiencin (Auschwitz)
nach Krakau, wo sie ihre Wagen auf Schlitten setzen mufsten.
Von Krakau ging die Reise über Prostowitza, Wlslitza, Schei-
dlow, Opatow, Sawichoct, wo sie über die; Weichsel setzten
weiter nach Ursendow, Lublin, Cotzko voh Wieprz, Meseriz,
von wo nicht weit vorwärts damals die Gränze zwischen Po-
len und Lithauen war, nach der ersten lithauischen Stadt Mel-
nik am Bug; dann weiter über Bielsko, Narew, wo der gleich-
namige Flufs aus einem See und Sümpfen so wie der Bug
entspringe und nach Norden fliefse. Von Narew aus durch-
reisten sie sodann einen grofsen 8 Meilen langen W'ald, jen-
seits weldiem die Stadt Grinki (Krinki) liegt und von da nach
Grodno, wo sich der moskauische Gesandte von Herberstain
trennte. — Dieser grofse ausdrücklich erwähnte Wald ist nichts
anders als der heutige, nur damals noch weiter ausgedelnite,
Urwald von Bialowieza, wo noch jetzt der Ziihi' lebt. Her-
berstain erwähnt aber davon kein Wort. Von Grodno ging
die Reise über Prelai, Wolconik und Rudniki nach Wilna, wo
er dem König Siegmund vorgestellt wurde und das er am
14ten xMärz 1516 scJion wieder verliefs, um über Polock, No-
wogrod (wo er am 4ten April eintraf) nach Moskau zu reisen,
was er am 18ten April erreichte. Diesen interessanten Theil
seines Itinerariunis von Wilna nach Moskau erwähne ich nur
kurz, weil er i?icht zu meinem Zwecke gehört.*)
Es geht aus diesem Itinerarium hervor, dafs Herber-
stain Polen und Lithauen auf der Linie von Krakau über
Lublin, und Grodno bis Wilna ziemlich schnell durchreiste
und sich nirgends aufliielt, und dafs er ebenfalls auf der Reise
*) Ich habe die Namen der Orte so geschrieben, als Herberstain.
Dafs sie zum giofsen Theil falsch geschrieben sind, brauche ich kaum
z(i crwahii.n z. li. Prostowitza statt Proszowice, Cotzko stalt Kock,
Lrscudow statt l rieiulow.
53
von Wilna nach IVloskau, indem er 7 Tage in Nowogrod ver-
weilte, nur 29 Tage zubrachte, was für die schlechte Jahres-
zeit, in welcher er reiste nnd wo er alle Tage über die schlech-
ten Wege durch Sürapfe, ausgetretene Flüsse und grofse Wäl-
der klagt, für damalige Zeiten schnell genug war. Auf dieser
ersten winterliclien Durchreise durch Polen und Lithauen hat
er nichts von naturhistorischen Gegenständen ervyähnt.
Nachdem die diplomatischen Verhandlungen Herber-
stains in Moskau, besonders weil die Polen die russische
Stadt Opotzka abermals angegriffen hatten, nicht zum er-
wünschten Ziele führten, so trat er seine Rückreise an , ohne
nur im Geringsten die Zeit zu bestimmen, wann er sie antrat
1 und wie lange sie dauerte. Man kann nur vermuthen, dafs sie
wieder in der Winterzeit (von 1516 auf 1517) erfolgte, weil
er 2 Tage in Sm.olensk wegen grofsen Schnees ausruhte. Er
gelangte von da über Orsa, Borisow an der Beresina etc. nach
Wüna, wo er aber den unterdefs nach Polen abgereisten Kö-
nig nicht antraf, und nur einige Tage verweilte, bis seine anf
der Hinreise in Nowogrod zurückgelassenen Diener und Pferde
durch Lievland zu ihm zurückkehrten. Von Wilna reiste er
dann nach Krakau zurück, fast auf demselben Wege als auf
d^r Hinreise und sodann durch Mähren über Wien, Neustadt,
Salzburg nach Innsbruck, wo er den Kaiser Maximilian traf,
von dem er abermals als Gesandter an den König Ludwig von
Ungarn gesendet wurde. Auch dieses Itinerarium von der
Rückreise ist ziemlich mager. Wir ersehen daraus nur 1. c.
p. 142 , dafs er vier Meilen von Wilna in Troki in einem
Thiergarten lebende /.uhr sah, denn er schreibt:
ut ibi (Troki) in quodam borto concliisos ac conseptos Bi-
sontes, quos alii Uro.s, Germani vero Auroxn appellant,
viderem.
Das sind die einzigen lebenden Auerochsen, die He rb er-
st ain sah, nicht im freien Wald, sondern im Thiergarten,
was nur zu beweisen scheint, dafs wenigstens in diesem Theil
von Lithauen im Anfange des 16. Jahrhunderts diese Thiere
schon ziemlich selten gewesen seyn mögen, obgleich sie im
14. und 15. Jahrhundert noch in der Gegend von Wilna ver-
breitet waren. Aufserdem macht er nur noch eine einzige
naturhistorische Bemerkung, dafs nämlich bei Poloniza (soll
heifsen Poiauiec) im Flusse Czerna zwischen Sandomir und
Nowe miasto Korczyn edle Fische, die man gemeinhin Lachse
nenne, gefangen würden.
Die zweite noch weniger zum Ziel führende Gesandt-
schaftsreise nach Rufsland unternahm Herberstain als Ge-
sandter König Ferdinand I. in Gemeinschaft mit dem Gesand-
ten des Kaisers Karl V., Grafen Leon ha rd Nugaroli und
den aus Spanien zurückgekehrten russischen Abgesandten im
Jalire 1526. Diesmal nahmen sie von Wien aus eine andere
Riclitnng mehr nördlich durch Seidesien über Ollmütz, Ja-
gerndorf, Oppeln an der Oder, Oleszlino oder Rosonberg,
und betraten Polen zuerst in der Stadt Alt-Krzepice (Her-
ber st ain schreibt stets anstatt Krz ein Cr) ohnweit Czensto-
chan. Sic schickten von hieraus einen Boten an den König
Siegin und, der in Piotckow seyn sollte, erfuhren aber bald,
dafs er von dort schon nach Krakau abgereist sei, und mufs-
ten also nunmehr ihre Reiseroute ebenfalls dahin richten. Sie
kamen aber über Kiobucko, Czenstochovv, Zarki, Kromolow,
Ilkusch (heut zu Tage Olkusz, wo die berühmten Bleigruben
waren) am 2. Febr. nach Krakau und verliefsen dasselbe nach
einer ziemlich ungünstigen Aufnahme am 14. Febr. Sie nah-
men diesmal ihre Reiseroute über Sandomir, Lublin, Porczow,
Bvzeic (von Herberstain Briesti geschrieben), wo der Am-
chawiec in den Bug fällt, von da über Kamieniec, Nowydwör,
Borosowa, Woikowice, Stonim, Minsk, Borisow an der Be-
rezyna, Orsza nach Dubrowna, von da wie auf der frühern
Reise nach Moskau, wurden später am 11. November vom
Grofsfürsten in Mosaisk, wo er sich auf der Hasenjagd befand,
entlassen, erfuhren auf der Rückreise zu Dubrowna den Tod
König Ludwigs von Ungarn in der Schlacht bei Mohacz (29.
August 1526), reisten dann auf demselben Wege wie früher
nach Wilna, wo sie der natürliche Sohn dej». Königs, Bischof
Johann von Wilna, sehr wohl empfing, kehrten sodann über
Murecz, Grodno, Krymki, Bielsk, Mielnik, Ocköw, die Stadt
0.\i (soll vielleicht das Städtchen Okrzeia bezeichnen), Ste-
zyca, Zwolin, Slenno, Szydiow, ATisüca, Proszowice nach
Krakau und von da über Olkusz, Bendzin, Kosel, Neifse und
(ilatz zum König nach Prag zurück.
Naturliistorische Bemerkungen sind in diesem Itinerarium
gar nicht mitgetheill.
55
Herberstaiii sah also von Polen uiul Litthauen bis zum
Jahre 1527 nur einen geringen Theil auf zwei schnellen Durch-
reisen in den Richtungen vou Czenstochau nach Krakau, von
Krakau nach Wilna, von Wilna nach Polock und von Brzesc
litewski nach Minsk. Er sah und besuchte die grofsen und
waldreichen Strecken im Innern des Landes und an der nörd-
lichen Grenze, in Sandomirien, Masovien und Podlachien gar
nicht, er wufste damals aus eigener Ansicht noch gar nichts
von seinem sogenannten Tf/r, denn sonst hätte er ihn ebenso
gut als den Zuhr von Troki erwähnt. '
Die Itinerarien hat Herberstain sonderbar genug erst
hinter seinen Commentarien über Rufsland mitgetheilt. In
diesen spricht er aber nicht allein von denjenigen Gegenstän-
den, die er selbst beobachtete, sondern er theilt auch eine
Menge geographische und historische Nachrichten über ganz
Rufsland und über benachbarte Länder mit, die er nur von
Andern einziehen konnte und deren Glaubwürdigkeit mithin
von der seiner Gewährsmänner abhängt, die er aber in der
Resrel nicht namhaft macht. Unter den mit Rufsland benach-
harten Ländern ist ein eigener Abschnitt, De Lithuvania p. 103.
überschrieben, einer ziemlich ausführlichen Schilderung dieses
Landes mit den ihm damals unterthänigen westrussischen Pro-
vinzen gewidmet und daran noch kurze Notizen über Samo-
gitien, Kurland, Livland, Scandinavien, Preufsen und Kardien
angehängt. In diesem Abschnitt ist wieder eine eigene Unter-
abtheilung de Feris überschrieben und handelt von p. 109
bis 113 auch besonders von den hier in Rede stehenden Thie
ren. Sie beginnt mit den Worten:
Feras habet Lithuvania, praeter eas quae in Germania re-
periuntiir, BIsontes, Uros, Alces, quos alii Onagros vo-
cant, equos sylvestres.
Gleich auf der folgenden Seite steht oben:
Uros sola Masowia, Lithuanlae conlermina habet, qnos ibi pa-
trlo nomine T hur vocant, nos Germani proprle Urox dicimus.
Wo bleibt hierbei die gerühmte Kritik und Glaubwürdig-
keit Herberstains? — Lebte der sogenannte Tur wirklich
nur in Masovien als ein vom Bison verschiedenes Thier, so
ist entweder die erstere Nachricht von Lithauen falsch, wo er
sie neben einander nennt, oder Urus und Bison, durch die
inländischen Namen Tuv und Zuhr bezeichnet, waren nur ein
56
iHul dasselbe Thior, dessen verschiedene Benennungen zwei
verschiedenen Dialecten oder Sprachen angehörten. Höchst
wahrscheinlich stamuit dieser Widerspruch Herberstains
davon her, dafs er in Lithauen durch Hörensagen erfuhr, es
seyen in den Wäldern B'isontes und (oder) Uri, Alces und
wilde Pferde, denn er selbst sah dort doch von allen diesen
nur die Ziibri in Troki, und dafs man ihm später am Hofe
Siegmund Augusts erzählte, es seyen in Masovien nur Turi,
weil der Erzähler oder das gemeine Volk in dieser Gegend
nur unter diesem Namen das Thier kannte. Es ist hier Her-
be rsta in wie den Sammlern alter Mythen gegangen. Fan-
den sie im Munde des Volks zwei verschiedene Varianten
einer Mythe, so stellten sie dieselben, auch wenn sie einander
widersprachen, als 2 Mythen neben einander, oder sie ver-
flochten auch wohl beide, so gut es gehen wollte, zu einer
gemeinschaftlichen Darstellung.
Wie wenig genau Herberstain ferner in linguistischen
Unterscheidungen war, davon haben wir auf derselben Seite
110 seiner Gonmientarien und auf den beigefügten Holzschnit-
ten wiederum einen Beweis. Er sagt daselbst:
Qiiae fera Lithuanis siia llngiia Loss est, enm Germani
Eilend, quiJam Laiine Aloen vocant, Poloni \oliint Onagrum,
hoc est asinum agrestem esse , neu respondente forma.
Das Elch oder Elen soll nach ihm also in der lithaui-
schen Sprache Lofs (richtig geschrieben und auFgesprochen
aber Los) heifsen. Das ist nun ein offenbarer Irrthum,
denn das Thier heifst seit uralter Zeit in polnischer und
russischer Sprache «loct und Los, in lithauischer Sprache
aber Breedis. Er hat also Lithauisch mit den slavischen Spra-
chen verwechselt mid wahrscheinlich gar keine Idee von let-
tischen Sprachdialecten gehabt und alle im Staate Lithauen
sehr zahlreich wohnhafte westrussischo Stämme und ihre ru-
sinische Sprache deshalb auch für Letten oder Lithauer mit
lithauischer Sprache gehalten. Es nuifs uns eine solche An-
gabe um so mehr auffallen, als in dem gleich hinter He rbe r-
stains Connnentarien folgenden Liber Pauli .lovii de Icgatione
Basilii M. D. Mose, ad dementem VII. p. Kvt dieser Paul Jovius,
der unter demselben Grofsfiirsten Basilius circa 1532, also
fast gleichzeitig mit Herberstain in Moskau war, schreibt
57
Ea in parfe (Russiac) qnae vcrglt in Priissiam Uri ingentes
et ferocissimi taiirorum specie repcrluntur^ quos Bisontes vo-
cant, itemqiie Alces cerviua effigle et cum Cornea proboscide,
altlsque cruribus et nuUo siiffraginiim flexn: Lozzi a Mos-
chovitis, a Germanis vero Helenes appellati, quae animalia
C. Caesar! nota fulsse videmus.
Paulus hat also Loz (Los) ganz richtig als die russi-
sche Benennung des Elens angegeben und sollte dies wohl
"Herbers tain unbekannt geblieben seyn? In der Schreibart
Helenes erkennen wir übrigens einen recht interessanten Fin-
gerzeig für den innigen Zusammenhang des polnischen Jeleii
(Hirsch) mit dem jetzigen deutschen Wort Elen, indem J. G.
und H oft im Anfang der Wörter in verschiedenen slavischen
Dialecten stellvertretend gebraucht werden. Elen ist mithin
auch in deutscher Sprache als Arten -Name schwankender und
weniger richtig als Elk und Elch, das mit ah^ri und Achlis
inniger zusammenhängt. Der Zusatz Herberstains, dafs
die Polen den Cerviis alces auch für einen Onager oder einen
wilden Esel gehalten hätten, ist gewifs auch wieder ein Irr-
thum oder eine Verwechslung, denn die Polen, die damals in
allen ihren Landschaften Elch und Hirsch oft neben einander
sahen und Jagden, konnten unmöglich ein Thier mit Hirsch-
klauen uhd hirschähnlichera Geweih für einen Esel halten und
nur ihre lateinisch schreibenden Topographen und Chronisten
brauchten zuweilen den Namen Onager irrig für Alces. Die
Quelle dieses Irrthums ist möglicher Weise eine doppelte, denn
entweder hatte er, als er in der oben citirten Stelle die Worte
niederschrieb : Alces, quos alii onagros vocant, eqiios sylve-
stres, dabei an Solinus gedacht, der zuerst irriger Weise das
Elch mit dem Maul thier verglich, oder er hat gar nur einen
Schreibfehler begangen und wollte die Worte: quos alii ona-
gros vocant hinter equos sylvestres nicht hinter alces
schreiben. Ist dies der Fall, so bekommt die Stelle einen
bessern Sinn, denn in den polnischen und preufsischen Anna-
len und selbst in den polnischen Rechtsbüchern*) wird der
*) Tadeusz Czacki O litewskich i polskich prawach, o ich diiclui,
zrz6d?ach, zwiazku i o rzeczach zawartych w pierwszem Statucie
dla Litwy 1529. roku wydanem. w Warszawie 1800. w Druk. P. O. S.
Rago czego 4 — 2 Tom. im Tom. I. Rozdzial XIII. Art. II., wo das Sta-
58
wilden rferde selir oft gedacht iii^d sie sclieinen nach Czacki
noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in den lithaui-
schen Wäldern, wenn gleich schon sehr selten, gelebt zu ha-
ben. Diese wilden Pferde werden als sehr klein, unansehnlich,
zum Reiten nicht tauglich, von fahler Farbe geschildert und
scheinen also wirklich eine Art von Eseln, entweder der Oiia-
ger {Kulan') oder der Halbesel, Equus hemionus (DscJngge-
iei) gewesen zu seyn, was ebenfalls einer eigenen Untersu-
chung noch werth ist.
Kehren wir nnn wieder zu unserm Urus und Bison zu-
rück, so ist die citirte Stelle des Paulus Jovius ebenfalls
von Interesse, denn ihr klarer Sinn ist doch kein anderer, als :
grofse und sehr wilde Uri, vom Geschlecht der Ochsen, wel-
che man Bisontcs nennt, leben in dem ^egen Preufsen zulie-
genden Theil von Rufsland (also in Schwarz- und Weifsrufs-
land, die damals zu Lithauen gehörten). Er bezeichnet also
Uri und Bisontes nicht als 2 verschiedene Arten, wie
ilerberstain p. 109 in Lithauen zu thun scheint, sondern
er gebraucht das Wort Urus als eine generische Bezeichnung
für Ochsen im wilden Zustand, Bison hingegen als einen Lo-
kal- oder Arten -Namen **). Herberstain fährt nun fort
p. dOJ): Bisontem Lithuani lingua patria vocant Suber, Ger-
niani improprie Aurox vel Urox: quod nominis uro convcnit,
fpii plane bovinam formam habet, cum bisontes specie sint
dissimillima. — Gleich darauf steht aber wii.'der über dem
Holzsclinitt, der den Bison vorstellt: Bisons siim, Polonis Su-
ber, Germanis Bisont, ignari Uri nomen dederant.
Hier tritt uns nun zuerst abermals derselbe Widerspruch
als bei Alces entgegen. Einmal soll Suher (d. h. richtig ge-
tut im Jagdgesetz die Preise des ziibr, ^os, kod dziki (wildes Pferd),
)elen, sobol etc. festsetzt.
**) Okons Uebcrsetzung jener Stelle in seiner allgemeinen Natur-
geschichte 1kl. MI. 2. Abtheil. p. 1426: „Ungeheuere Auerochsen und
sehr wilde Ochsen, die daselbst Bisonten heifsen," i>t nicht wortge-
treu, denn im Texte steht nicht: Iri inp;eutes et ferocisaimi tauri,
sondern Uri in^entcs et ferocissimi, tmtrorinn specie, und hier ist also
\\u\\\ .'•icher ß rticissimi e1)enso wie itnj;entes ein zu Uri gehöriges
Adjecti\um und wollte mun species anstatt specie lesen, so könnte
spccies dem Sinne nach nur im Singulari gebraucht seyn, wozu wie-
der der pluralis adjcctivi: ferocissimi nicht pafst.
59
schrieben Ziibr, Z ausgesprochen wie das französische j, nicht
wie S), der lithauische, das zweite Mal der polnische
Nanie des Thiers seyn. Herberstain läfst uns also in Un-
gevvifsheit, w^elchem Sprachstamm Zuhr angehört. Sodann
entsteht die gewifs natürliche Frage: woher wnfste denn Her-
berstain, dafs die Deutschen dieses Thier fälschlich Auer-
ochse nannten? Er konnte dies in Lithauen und Polen ge-
wifs nicht erforscht haben, denn es fehlten die Mittel dazu.
Wenn aber die deutschen Ordensritter im 13. Jahrhundert in
Preufsen nacli der Annahjiie des Hrn. v. Bär wirklich zwei
wilde Ochsenarten gefunden hätten, welche sie nach der ver-
loren gegangenen Chronik des Bischof Christian bei Lucas
David Auerochsen und Bisonten nannten, sodann aber bis
zum lö. Jahrhundert, wo Lucas David nur noch vonAuern
spricht, eine Art davon ausgerottet worden wäre und zwar
der vermeintliche Tu7\ dem ursprünglich der deutsche
Name Auer entsprochen habe, so würden doch gewifs die
jagdlustigen Ritter dasjenige Thier, das übrigblieb, nändich den
wahren Zuhr oder Bison auch immerfort mit demselben Na-
men Wisent bezeichnet haben, mit dem sie es ajifangs nann-
ten. Da aber der Zuhr in Preufsen bis zu seinem Ausster-
ben im 18. Jahrhundert stets von den Deutschen Auer genannt
wurde, so ist dies auch gewifs sein alter und echter deutscher
Name gewesen. Dies ist gewifs viel natürlicher, als anzuneh-
men, die jagdkundigen Deutschen hätten den Ziibr erst dann
Auerochse und nicht mehr W^isent genannt, als der vermeint-
liche Tut ausgerottet war. Dafür läfst sich gar kein haltba-
rer Grund aufstellen. Wenn aber Wisent und Auer syno-
nyme Ausdrücke sind, so wie EIo, Elch und Elen, so haben
wir die Analogie für uns, dafs im Verlauf von Jahrhunderten
der eine Name allmählig zurückgedrängt wird und nur der
andere noch im Gebrauche bleibt. Prüfen wir nu.n weiter,
was Herberstain von seinem Tur weifs und gesehen
hat, so beschränkt sich das Ganze auf folgende wenige Worte
in der Ausgabe seiner Commentarien von 1571 p. 110:
Sunt enim vere (sc. Uri) boves sylvestres, nihil a domesticis
• bobus dlstantes, nisl qiiod omnes nigri sunt et ductiim quen-
dam instar liiieae ex albo mixtum per dorsum habent. Non
est magna herum copla: suntque pagi certi, quibus cura
et custodia eorum incumblt: nee fere aliier quam in vivariis
60
fjülbiisdam srrvanhir. Miscentiir vaccis doniesticis, sed noii
sine nota. Nain in armentiini postea, perinde atque infames,
a caeteris uris non admittuntur et qiii ex ejusdem mixtione
iinscnnter vifull, non sunt vitales. Sigismnndus Aui^nstus rex
niilii apud se oratori donavit exen tera tum nrum, quem
venalores ejectnm de armento semivivum confecerant: recisa
lanicn pelle, quae frontem tegit, quod non tenicre factum
esisc credidi: quamquam cur id fleri solerct, per incogitantiam
qiiandam non sum percontatus. Hoc ccrtnin est, in pretio ha-
bcri cingtdos ex uri corio factos, et per^uasum est vulgo, he-
rum praecinctu partum promoveri. Atqiie hoc nomine regina
r>ona, Slgisnumdi AugustI niater, ddos hoc genus cingulos
mihi dono dedit: quorum alterum Serenlssinia ])oniIna mea,
l\onian(>rum Regina, sihi a me donatum clementi animo
accepit.
Das ist also die beriilimte Stelle, durch welche Ciivier
und y\lle, die ihm folgen, eigentlich allein die Existenz des
Tur als einer besondern wilden Ochsenart neben dem Zuhr
in Polen beurkunden wollen, die aber bei einer hinlänglichen n
Kritik fast allen ihren Werth verliert.
Erst zu der Zeit, als Herberstain Gesandter bei dem
König Siegmund August IL war, lernte er den sogenannten
Tur kennen. Leider giebt er wieder nicht an, wann und wo
dies geschah. Da aber Siegmund August erst 154S zur Re-
gierung kam, in der Ausgabe der Herberstain 'sehen Com-
mentarien von 1549, die ich leider in Warschau nicht erhal-
ten konnte, die Stelle von dem getödteten Tur nicht vorkom-
n]cn soll, in der Ausgabe von 1671 aber p. 23 die dritte Ver-
mählung Siegmund Augusts mit Ferdinands L Schwester
Catharina am 31. Juli 1553 erwähnt wird und er dabei aus-
drücklich anführt, dafs er sowohl diese, als ihre Schwester Eli-
sabeth, die erste Gemahlin Siegmund Augusts, als Praefectus
Curiae ihrem Geuuihl zugeführt und er sein Geschenk (die
Gürtel aus Turfell) von der Königin Bona bokonnnen habe,
«lie im Jahre 155(5*) Polen verliefs, so scheint es, dafs er
den getödteten Tur zwischen 1548 und 1550 (M-haltcn haben
müsse, also wairrscheinlich während seiner Anwesenheit am
Hofe zu Krakau inj Jahre 1553. Wo dies aber geschehen ist,
kann man gar nicht ausmitteln. In Masovien, wo der Tur
leben sollte, wahrscheinlich nicht, denn Siegmund August rc-
*) V. Kronika polska Mareina Bielskicgo. Ed. 8. Bohoniolca.
Ksi(^gi V. 1*. 515.
61
sklirte mir in Krakau und in Litliauen und dafs Herborstain
am Hofe der Königin Bona, die in Warschau wohnte, selbst
gewesen wäre, dafür kenne ich keinen Beweis. Ilerber-
stain sah nach seiner Erzählung den Tuv nicht im leben-
den Zustande, er erhielt vom König nur einen ausge-
weideten (exenteratiiTji) zum Geschenk, den die Jäger, als
von der fleerde halblebendig ausgestofsen, tödteten. Es war
also, wie ich schon früher bemerkte, ein alter seinem natür-
lichen Tode schon naher Stier, denn auch bei den heutigen
Zubrheerden sondern sich die alten Stiere von der Heerde ab
und schweifen einzeln herum. An diesem Exemplar, das II er-
be rstain erhielt, war die Haut von der Stirn abgezogen,
was, wie er glaubte, nicht unabsichtlich geschehen zu seyn
scheint, warum es aber geschehen, habe er aus Unachtsamkeit
nicht erforscht. — Nun ist es eine in Lithauen allgemein be-
kannte Sache, dafs man ehedem dem frisch getödteten Zubr-
Stier die Stirnhaut abzog und aus dieser eine Art Gürtel
machte, welche man sehr hoch schätzte, weil der Aberglaube
ihnen, vermuthlich wegen ihres starken Bisamgeruchs, eine
Erleichterung der Geburtswehen zuschrieb, wenn sie von den
schwängern Frauen getragen wurden. Ich erinnere dabei an
die Worte Giliberts: in marihus mortuis pili fron-
iis extracii spirant penetrcmiiorein odorem mosci. — Dar-
um hatte man also auch lierberstains Tur die Stirnhaut
abgezogen und er bekam selbst solche Gürtel geschenkt. —
Dieser Theii seiner Erzählung dient also gerade zur Bestä-
tigung unserer Ansicht, dafs sein Tur nichts anders als ein
Ziibr war. — Der erstere sollte sich vom letztern dadurch
unterscheiden, dafs er schwarz von Farbe mit einem lieh.
ten Rückenstreifen sey und dafs er, wovon freilich Her-
berstain kein Wort schreibt, sondern es nur durch sei-
nen Holzschnitt andeutet, keinen Bart und keine Mähne habe.
Ist Herberstains Schilderung des Tur überhaupt sehr vag,
so kann ich auf die schwarze Färbung des Tur gar kei-
nen Werth legen, da er nicht einmal die Färbung des Zuhr
angiebt. Ich habe in meiner frühern Abhandlung p. 199
schon bemerkt, dafs das Fell des Zuhr im Sommer dunk-
ler braun und glänzender als im Winter ist, beim ganzen
Ochsengeschlecht mancherlei Nuancen der Farbe bei einer Art
«2
oft vorkommen und bei der ehemalig gröfseren Verbreitung dos
Zuhr vvalirsclieinlich aucli bei diesem vorkamen. Uebrigens
sagt man, dafs auch jetzt noch zuweilen schwärzliche Zuhv
vorkämen. Ich beziehe mich hierbei auf Hrn. v. Brinkens*)
Worte :
On pn'tend avolr vii des Bisons noiratres; on ne saiirait
cependanl dediiire de cetle asseition une varicte de Tespece et
il est plusvraiseniblable, que ce changenient de
r Olli cur est amene quelquefols par la vieillesse de
raniinal.**)
Auch unter den grofsen Heerden des amerikanischen Buf-
falo {ß. americanus), den manche gar nicht vom /.ubr tren-
nen wollen und der wie dieser dunkelbraun ist, hat man einmal
*) J. de Brinken Mem. descriptif sur la foret de Biatowieza.
Varsovie 1828 p. 53.
**) Uebrigens nennen auch fast alle weiter unten vorkommende
Schriftsteller des Mittelalters den wirklichen Bison oder Zubr schwär z,
obgleich derselbe im Winter ein dichtes wolliges Haar von pfeffer-
brauner Farbe ohne Glanz hat, an den Seiten des Halses und den
Schenkeln lichter mit weifs gemischt, die Vorderfiifse schwarz; im
Sommer hingegen ein kurzes, anliegendes glänzendes, schwarzbraunes
oder fahles Haar, dabei aber Wangen, Bart, Schwanzbüschel und
Klauen stets schwarz gefärbt. Einjährige Junge sind hingegen im
Winter aschgrau, sehr rauh, haben aber auch schwärzliche Wangen,
Bart, Mähne, Schweifbüschel und Füsse. Neugeborne Auerochsen-
Icälber sind glatt, blafs kastanienroth und haben blos Wangen, Klauen,
Schwanzspitzen und Bart von schwarzbrauner Farbe (Nach Jarocki).
Der von Herberstain dem Tur beigelegte weifsliche llückenstrei-
fen ist mir sehr verdächtig, und ich traue dieser Angabe gar nicht,
denn obgleich selbst neuere polnische und deutsche Naturgeschichts-
schreiber, wie Ladowski in seiner historya naturalna Kraju polskiego.
Krak. 1804. 8. T. II. p. 366. und Bechstein in seiner gemeinnützigen
Naturgeschichte des In- und Aaslandes. Lpz. 1792. T. I. p. 239,
dem jetzigen Zubr oder Auerochsen einen lichten mäusefahlen
Ilückenstreifen beilegen, so ist dies doch nicht' wahr, denn
er hat in der Wirklichkeit, namentlich im [lichtem Winterkleide,
nur einen Rückenstreifen, aber der ist dunkler als das übrige Fell.
So ist es nun auch sicher mit dem Rückenstreifen des Tur gewesen
imd ist Herberstain ein solcher Fehler noch eher als Ladowski und
Bechstein zu verzeihen, beweist nur aber, dafs er sein Turiell eben
nicht genau angesehcu haben mag. Es ist auch übrigens eine allge-
meine Thatsache, dafs bei einfarbigen Ochsen, Pferden, Eseln, wenn
sie einen Itiickenstrcifen haben, derselbe allemal dunkler und nicht
lichter als das übrige Fell ibt.
63
einen graulich weifsen, ein Kalb mit einer Blässe, weifsen Vor-
derfiifsen und Seitenflecken gesehen und ein Indianer bewahrte
einen Kopf mit einem weifsen Sterne auf.*") Darum wird
man aber daraus keine besondere Art machen, vvit? aus Her-
berstains einzigem schv.arzen Exemplar das er sah. — Der
fehlende Bart und die mangelnde Mähne entscheiden weiter
eben so wenig, denn alte abgelebte Zuhri verlieren eben-
falls diese Haare und erscheinen bartlos ; die Mähne aber ist,
wie der Bart, überhaupt niemals so grofs als sie Herberstain
auf seinem Holzschnitt darstellt, wenn Wir denselben mit dem
lebenden Zuhr und den besten Abbildungen, die wir von ihm
haben, nämlich denen von Jarocki**) und Eichwald***)
vergleichen. Jene Holzschnitte müssen wir nun überhaupt auch
in nähere Betrachtung ziehen. In der Ausgabe der Commen-
tarien von 1549 fehlen sie, und sind erst der von 1556 und
von 1571 beigegeben. Herberstain sagt nicht ein Wort
darüber, dafs er selbst die Thiere nach dem Leben abgezeich-
net oder einen Andern habe zeichnen lassen, er erwähnt sie
überhaupt im Texte gar nicht, wie er doch zur stärkern Be-
kräftigung seiner Meinung gethan haben sollte und wie z. B.
Sebastian Münster in seiner Cosmographia universalis
Bas. 1550 that, indem er bei seiner Beschreibung des preufsi-
schen Damthiers oder Elens doch wenigstens die Worte hin-
zufügt: „Ich habe für micli genommen die Pictur, so aus
Preusen gebracht ist," und durch die man, weil sie ebenfalls
schlecht ist, verführt wurde, anzunehmen, dafs sie nicht das
Elen, sondern den Cerviis megaceros darstelle, der (tamals
also nocli in Preufsen gelebt haben sollte, was aber Merian
widerlegt hat. Wir schöpfen also daraus den Verdacht, dafs
Herbe rstains Holzschnitte erst zwischen den Jahren 1549
und 1556 nicht nach der Natur, sondern nach der blofsen Be-
schreibung entworfen wurden, wodurch ihr Werth sehr ge-
söhmälert wird. Woher hat denn Herberstain, der nur
einen Tiij- mit abgezogener Stirnhaut sah und sich nach eige-
nem Geständnifs auch nicht näher um die Ursache dieses Ab-
*) Okens Naturgeschichte VII. 2. p. 1418.
'*'*) O puszczy Bialowieskiej i o celniejszych w niej zwierszgtach
in seinen Piswa rozmaite. T. IL p. 229.
***) In seiner Naturhistorischen Skizze von Lithauen.
G4
zieliens bokiimmorte, gewufst, dafs der Tur zwischen den Hör-
nern einen krausen Haarbüschel hatte, wie auf dem Holzschnitt
auso-edrückt ist? Diefs ist verdächtig und die Gestalt der
7Aihr\\'ön\Qv oflTenhar falsch gezeiclmet, weil sie ^^^en die Na-
tur mit ihren Spitzen aufwärts und nach aufsen gebogen sind,
während sie in der Natur stets mondförmig etwas nach vorn
und nacli innen gebogen sind, wie auch die Zeichnungen von
Jarocki und Eichwald lehren. Auf dem zweiten Holz-
schnitt vom Tur sind die Hörner ganz von derselben Gestalt
als die von Ziibr gezeichnet, auch in der Ausgabe von 1571
kein Wort über eine abweichende Gestalt dieser Hörner ge-
sagt. Dahingegen steht nach Oken in der früheren Ausgabe
p. 116: „der Urus sieht aus wie ein schwarzer Stier und hat
längere llörner als der Bison, welche daher zu Bechern ge-
braucht werden, wie schon Caesar sagt: die des Bisons tau-
gen nicht dazu." Wie" kommt 'es denn nun, dafs in der 2ten
Ausgabe nichts mehr von diesen längern Hörnern steht? und
die Holzschnitte auch dem Tur und Zuhi' gleiche Hörnerge-
stalt geben. Hat etwa Herberstain später selbst eingesehen,
dafs die Hörner beider Thiere nicht verscliieden waren und
seinen Irrthum erkannt, als seyen die ZuhT'hörner nicht zu
Bechern oder Trinkhörnern brauchbar gewesen? Diefs letz-
tere war wenigstens ein oflfenbarer Irrthum, denn bei den al-
ten heidnischen Lithauern dienten die Zuhj'hörnev zur Verzie-
rung ihrer Tempel und wurden von den Fürsten als Trink-
hörner benutzt, von denen sich noch manche in den Antiqui-
täten-Samndungen erhalten haben. Ebenso wie heute noch
die Hörner des in Awchasien am Kaukasus lebenden wilden
Ochsen, (in awchasischer Sprache Adompe genannt), welchen
der Lieutenant Lissowski von Bamburi, der in Wilna stu-
dirte, den lithauischen Zuhr kennt und der awchasischen Sprache
mächtig ist, für identisch mit dem Zuhr erklärte, von den dor-
tigen Völkern als Trinkhörner benutzt werden, denn Nord-
mann sah bei seiner Reise in den Kaukasus 1836 bei einem
Fest, dafs der Mingrelische Levan Dadian <lem General von
Rosen gab, 50 bis 70 solcher mit Gold und Silber Verzierter
Hörner, die bei allen Mingrelischen, Imiretischen und Awcha-
sischen Fürsten, so wie einst den Lithauern, Polen und Go-
65
then zu Trinkgefafsen dienten.*) Wenn ich früher geäufsert
habe, clafs Herber^tains Tur ein Zithr- im Sommerkleid
war, und zwar ein alter Stier, so bin ich damit der Wahrheit
wohl sehr nahe gekommen, denn die Verschiedenheit im An-
sehn dieser Thierart im Sommer und W' inter ist so grofs, dafs
schon Gilibert in seinem werthvollen Indigatorcs Natur ae
in Lithuania Filnae 1781 p. 34 äufsert: qiii delinearet
unuin individuiun aestate et hyeme, exhiheret figuras tarn
diver sas, ut duo apparerent aiümcdia diversae speciei.
Auch die Ansicht Cuvier's, als sei der Urus Caesars
oder dieser polnische Tur die wilde Stammrasse unsers zah-
men Rindviehs gewesen, wird durch Herberstains Bericht
gar nicht unterstützt, denn wäre es der Fall gewesen, so
miifste ihre Vermischung nicht allein wie z. B. zwischen
Wildschwein und zahmen Schwein lebende und fortpflan-
zungsfähige Jungen gegeben haben, sondern sie miifste auch
in Polen, wo das zahme Vieh sehr häufig in die Wälder zur
Weide getrieben wird, sehr oft eingetreten seyn. Allein er
berichtet gerade gegentheilig, dafs eine solche Vermischung
mit zahmen Kühen nicht sine nota, soll doch wohl heifsen
nicht ohne Mühe geschehe, dafs die Individuen, die sich mit
zahmen Kühen gemischt hätten, sodann von den übrigen Uris
nicht mehr geduldet würden und dafs die aus der Vermischung
erzeugten Kälber nicht lebensfähig seyen oder todt geboren
würden.**) Es ist diefs ganz derselbe Fall, als, nach Pallas
bei der Vermischung des aus der Mongolei nach Russland
verpflanzten Bos grunniens mit unsern Kühen eintrat. Die
Stiere davon mischten sich gern mit den zahmen Kühen, aber
ohne Folgen. Uebrigens ist die Abstammung unsers zahmen
Rindviehs von einer im nördlichen Europa ursprünglich zu
Hause gewesenen wilden species, wie schon Oken bemerkte
nicht w^ahrscheinlich, weil unser Rind schon in Schweden und
*) S. über Nordmanns Reise im l'Institut 257 v. 29. Nov. 1838.
*'^) Oken 1. c. p. 1427 hat die Stelle so übersetzt: Man paart sie
mit den zahmen Kühen, aber die Jungen werden dann nicht von den
ürochsen in der Heerde geduldet und die Kälber von solchen Ba-
starden kommen todt auf die Welt. — Diese Uebersetzung stimmt
aber nicht völlig mit den oben mitgetheilten Worten des lateinischen
Textes überein.
Wiegm. Archiv. VI. Jahrpr. 1. Band. R
66
Schottland ausartet, kleiner wird und sogar die Hörner ver-
liert. Es wird ebenso in frühester Zeit iiiit den Völkerziigen
von Osten her nach Europa gekommen seyn, wie im 6ten
Jahrhundert der Büffel.
Dafs Herberstaiii ebenso wenig davon frei war, Mär-
chen mit Wahrheit in seinen naturhistorischen Schilderungen
zu vermengen, wie andere ähnliche Schriftsteller seiner Zeit,
davon giebt er gleich einen Beweis in seiner Beschreibung
des Zuhi' in der Stelle p. 109:
Cornibus plerumque sie diductis et porrectis, ut intervallum
eorum tres homines bene corpulentos insidentes capere possit:
cujus rei periculimi factum perhlbetur a rege Poioniae Slgis-
mundo, hujus qui nunc regnat, Sigismundi August! patre, quem
bene habito et firmo corpore fuisse scimus, duobus allis se non
minoribus sibl adjunctis.
und in der 2ten Stelle p. 110; wo er von der Jagd des Zuhr
und der Gefahr dabei spricht:
Non tantum cornua sed etlam linguam vibrat, quam ita sca-
bram et asperam habet, ut venatorem solo vestis ejus attractu
comprehendat et attrahat: nee ante relinquat, quam occidat.
Beide Schilderungen sind ächte Jägermärchen. Die alten
Jäger logen so gern wie die heutigen, wenn sie dadurch ihre
Jagdabentheuer recht piquant und schauerlich machen konnten.
Der Gefahr sich zwischen die Hörner des lebenden Zubrs zu
setzen, — denn wenn er nicht gelebt hätte, wäre es keine Gefahr
gewesen, — hat sich wohl König Siegmund so wenig als jeder
andere Jäger ausgesetzt. Im wilden Zustand ist diefs ein Ding
der Unmöglichkeit und auch im Thiergarten wird diefs Thier
nicht zahm genug zu solchem Experiment. Dafs aber gar drei
dicke Männer zwischen den Hörnern Platz hätten ist eine arge
Uebertreibung, denn an einem grofsen Auerstier, den 1739 König
Friedrich Willielm I von Preufsen nach Petersburg schenkte,
war die Entfernung der Hörner unten von einander doch nur
1 Fufs und wenn auch die Ausbeugung zwischen ihnen bis
27 Zoll mifst, so sind sie doch so mondförmig nach innen ge-
beugt, dafs zum Sitzen auch von drei magern Menschen zwi-
schen ihnen kein Platz ist. Herberstain hat einen Gewährs-
mann für diese Fabel nicht angeführt, aber er ist bald gefun-
den und zwar ein sehr unsicherer, es ist Hussovianus in
seinem Gedichte de Insonte et ejus venationc anno 1523
Krakoviac ex officinci Hieron. Victoris, das für den Papst
67
Leo X bestimmt war, nach dessen Tode aber der Konigin Bona
von Polen dedicirt wurde. Hier finden wir die Q^ßlle, aus
welcher Herberstain sein Mährchen von den drei Männern
zwischen den Auerliörnern geschöpft hat, in folgenden Versen:
Haec fera LItuanIs longe saevissima sylvis
Nascltur et fieri corpore tanta seiet
Ut morlens si qiiando caput, vi victa, reclinet,
Tres sedeant inter cornua bina virl.
Barba riget late pendentibiis horrida vlllls,
Lumina terrrorum plena, furore rubent.
Terribllesque jubae collo funduntur in armes
Et genua et frontem ef pectoris ima tegiint.
Villüsuni toto prae se fert corpore caprum
Quamvis effiglant omnia membra bovem.
Durch diese au«;fiihrliche Analyse der H erberstainschen
Nachrichten über Tur und Zubr wird niemand die Ueberzeu-
gung gewinnen, dafs diese das Gepräge eines sorgsam
prüfenden, ruhigen mid kritischen Forschers an sich
trügen, wie Hr. v. Bar will. Es liegt ihnen sehr wenig Aut-
opsie zum Grunde, und noch weniger scharf prüfende Kri-
tik. Auf sie die Annahme bauen, dafs ums Jahr 1550 Tur
und Zahr zwei wirkliche in Polen lebende verschiedene spe-
cies wilder Ochsen gewesen wären, ist höchst gewagt und
eine vollkommene Ueberzeu^ung davon gewähren sie gar nicht.
Die Richtigkeit unserer Ansicht wird sich noch mehr her-
vorheben und bestätigen, wenn wir nunmehr fortfahren, in glei-
cher Art die übrigen Documente und Gewährsmänner zu prü-
fen, auf die sich Cuvier, von ßrinken und zum Theil Hr.
V. Bär berufen.
Der letztere glaubt einen neuen Beweis in Lucas Da-
vids Preufsischer Chronik dafür gefunden zu haben, dafs im
13ten Jahrhundert auch in Preufsen, in dem Polen nahe lie-
genden Culmer Lande, noch Urochsen und Bisonten neben ein-
ander als 2 verschiedene Thiere gelebt hätten, wovon die eine
Art bis zum löten Jahrhundert ausgestorben sei, weil in dem
letztern nur noch eine Art, der heutige Zubr oder Auerochse,
genannt werde. Es führe nämlich Lucas David, der 1503
in Preufsen geboren wurde und unter dem Herzog Albrecht
lebte und schrieb und der zuverläfsigste Chronist des Landes
sey, in seiner Chronik Bd.H, p. 121 aus dem 13ten Jahrhun-
dert nach der jetzt veriorenen Chronik des damals lebenden
5 *
68
Bischofs Christian an, dafs der Herzog Otto von Braiinschvveig
bei seiner Abreise aus Preufsen im Jahre 1240 die Ordens-
brüder mii vielen Gaben beschenkt und, dafs er ihnen sein
Jagdzeug und seinen Jägermeister zurückgelassen habe, weil
im Lande viel Wildes vorkomme, von Auerochsen, Bi-
son ten, wilden Pferden, Elenden, grofsen und kleinen Bären,
Rehen und Hasen. Dahingegen finde sich bei Lucas Da-
vid Bd. L p. 66 eine andere Stelle, wo erzählt wird, dafs der
deutsche Orden die Grenze gegen Lithauen verwüstet habe,
damit die Christen nicht so leicht von den Lithauern überfal-
len werden könnten und dabei heifst es weiter: diese verwü-
steten Oertersind jetzo der wilden Thiere Wohnung worden,
da sie hecken und hegen als die grofsen Auer oder wil-
den Ochsen u. s. w. Damals scheine also, wenigstens nach
den östlichen Grenzen hin, schon nur noch eine Art wilder
Ochsen in den Preufsischen "Wäldern gelebt zu haben. „Offen-
bar" fährt Hr. v. Bär fort, „bezieht sich das Gesagte (nämlich
die letztere Nachricht) auf die Zeit in der Lucas David
schrieb." Diefs wäre also um die Mitte des 16ten Jahrhun-
derts. Dafs damals wirklich nur noch der heutige Auerochse
in Preufsen gelebt habe, werde auch um so wahrscheinlicher,
als die Jagdverordnungen aus dieser Zeit im geheimen Archiv
zu Königsberg auch nur von Auern sprechen und weil H e n -
neberger, der 1.575 eine grofse Karte von Preufsen heraus-
gab und 1595 dazu eine ausführliche Erklärung drucken liefs,
in dieser auch nur den jetzigen Auer erwähnt. — Lucas Da-
vid, der genaue Kenner seines Vaterlandes mufs also für
die Zeit, in welcher er lebte, als ein sicherer Gewährs-
mann gelten, dafs nur eine Art wulde Ochsen in Preufsen
lebte und das steht in schöner Harmonie mit meinem frühem
Anspruch, dafs immer die sichern Gewährsleute nur
von einer Art wissen. Wenn aber Lucas David von
einer 3 Jahrhunderte vor ihm vergangenen Zeit spricht, wenn
er in dieser, nach der Chronik Bischof Christians, Auerochsen
und Bisonten neben einander nennt, so hat er nur seine Schul-
digkeit als gewissenhafter Chronist gethan, dafs er die Wörter
der alten Chronik treu kopirte, aber wir können von ihm bil-
liger Weise keine Gewährleistung verlangen, ob diese Worte
synonyme Namen einer Art oder wirklich Bezeichnung zweier
69
Arten seyen. Wir können jenen Worten aus den dunkeln
Zeiten des 13ten Jahrhunderts, als der deutsche Orden kaum
nach Preufsen gerufen war, als Bischof Christian als erster
Bekehrer der heidnischen Preufsen das Land unmöglich so
kennen konnte, wie Lucas David in der friedlichen Zeit seit
dem Frieden von Thorn (1466) und noch mehr seit der gänz-
lichen Beilegung aller Streitigkeiten mit Polen (1525) — ich
sage, wir können unmöglich jenen Worten aus dem 13ten
Jahrhundert denselben positiven W^erth beilegen als Lucas Da-
vids eigenen Kenntnissen aus dem 16ten Jahrhundert. — Das
wird kein Unbefangener in Abrede stellen, um so weniger als
in jener Nachricht aus dem 13. Jahrhundert kein unterscheiden-
des Kennzeichen zwischen Bisonten und Auerochsen bemerk-
lich gemacht ist.
Haben wir nun durch Lucas David und Henneber-
ger einen sichern Beweis erhalten, dafs in der Mitte des 16ten
Jahrhunderts in Preufsen wirklich nur eine Art wilde Ochsen,
unser heutiger Auer oder Zuhr lebte, so freue ich mich jetzt
gleichwohl einen schlagenden Beweis beibringen zu können, dafs
in derselben Zeit und in demselben Lande Preufsen
dennoch die Namen Ur und Bison {Tur und Zuhr} neben
einander genannt werden, und neben einander ihr neckendes
Spiel mit uns treiben, um uns immer mehr zur Ueberzeugung
zu führen, dafs beide doch nur Synonyma sind oder höchstens
durch sie eine uralte, späterhin nicht mehr beachtete Unter-
scheidung geschlechtlicher Art ausgedrückt wurde.
Der Gewährsmann dafür ist kein verwerflicher, er hat
das Thier durch eigene Anschauung kennen gelernt, und hat
Uns eine bessere Beschreibung davon gegeben als Herber-
stain; es ist Anton Maria Gratiani geboren zu Burgo
Sancti sepulchri in Toskana 1546, gestorben 1611 zuletzt
Bischof von Amelia, der seinen Wohlthäter, den Cardinal Jo-
hann Franz Commendoni als Sekretair nach Polen und
Preufsen begleitete, als dieser nach Beendigung des Concilii
zu Trident als Nuntius nach Polen zur Verhinderung der wei-
teren Ausbreitung der Reformation geschickt wurde und zu
Warschau 1565 den Cardinalshut empfing. Gratiani, der
den Cardinal auf seiner Rundreise 1563 durch fast alle pol-
nische Provinzen begleitete, giebt Uns nun in seiner lateinisch
70
geschriebenen Lebensbeschreibung des Cardinais*) die Nachricht
dafs er, während der Cardinal in Heilsberg beim dortigen Bi-
schof Cardinal Hosius verweilte, nach Königsberg reiste, vom
alten Herzog Albert von Preufsen daselbst gütig empfangen
wurde und von diesem die Erlaubnifs erhielt, seinen 5 Meilen
von Königsberg entfernten Thiergarten besuchen zu dürfen.
Er erzählt nun nach Flechier's Uebersetzung:
„Je me contenteray de parier de quelques bestes que j'y vis,
puisque ce n'est pas mon dessein de faire icy i'hlstolre de tou--
tes Celles de ce pais la, et qu'il s'est trouve des Auteurs, qui eii
ont fait des Traitez entiers. On y voil deux especes de
Boeufs sauvages, qu'ils appellent des Ures et de ßuffles,
doiit le naturel est presque le meme, quoy que l'espece en seit
diverse."
Die lateinische Ausgabe hat hingegen die Worte : Ex omni-
hus maxima differunt a nostrisfeiis Uri ac Bisontes,
Sylvester uterque hoSj, utrique natura fere eadem, sed spe-
des divers a, — Dann fährt er fort:
„Die Stärke, die Schnelligkeit, die ^^^'Idheit und die Gröfse
sind fast bei beiden Arten gleich und die Form stimmt am mei-
sten mit der der zahmen Ochsen überein, nur dafs das Haar
viel wolliger und schwärzer ist und die ganze Statur sehr grofs.
Julius Caesar schätzt sie wenig unter der der Elephanten."
Aus diesen Worten geht schon hervor, dafs Gratiani
beide Thiere wahrscheinlich nach Hörensagen oder nach der
Erinnerung an die Alten zwar für zwei verschiedene Arten
hielt, aber auch nicht im Stande ist, sie mit Bestimmtheit von
einander zu unterscheiden. Der Zusatz von Julius Cäsar
beweist aber, dafs er das Gesagte nur auf den Urus bezog;
denn Julius X^aesar nennt nur diesen und keinen Bison.
— Diefs wird noch deutlicher aus dem fernem Verlauf seiner
Erzählung, denn er fährt mit den Worten fort:
*) Die lateinische Ausgabe von Gratiani vita Card. Commendoni
Parisiis 1669. 4. habe ich jetzt nicht mehr vor mir, denn sie ist
mit dem übrigen gröfsten Theil der öffentlichen Bibliothek zu War-
schau nacli St. Petersburg gekommen, dagegen aber die ihr genau
folgende französische Uebersetzung: la vie du Cardinal Jean Fran^^ois
Commcndon par Flechier ä Paris 169 i. 12. und die polnische Ue-
bersetzung der Polen betreffenden Nachrichten aus Commendonis Le-
bensbeschreibung von Gratiani im: Zbior pami«^tniköw historycznych
o dawney Polszcze przez J. U. Niemcewicza. Tom. I. Warszowie
1822. 8. ^
71
Man findet Heerden davon In den Waldern von Masovien
und nur in der Umgegend von Rawa findet man die t/i'i, ent-
^veder weil die Beschaffenheit des Ortes ihnen am angemessen-
sten ist, oder weil sie sich da wie in ein Asyl zurückgezogen ha-
ben, wo bei Lebensstrafe verboten ist, sie ohne Erlaubnifs des
Königs zu jagen."
Offenbar ist der ganze Satz ein Einschiebsel, da Gra-
tiani nur von Preufsischen Thieren sprechen will, abe'r inso-
fern interessant, da er abermals wie Herberstains Worte
und einige andere Chronisten-Stellen, auf die ich später komme,
beweist, dafs der Name Urus (Tur^ nur in Masovien, nur in
der Gegend von Rawa noch gebräuchlich war. — Gleichwohl
fährt Gratiani fort:
„Ich sah davon in Preufsen Kälber (fortjeunes) quon la-
schoit quelquefois devant noiis, gut hondhsoient et qui couroient
dune visiesse ejciraordinnire.^) Der König und die vornehmen
Polen geniefsen ihr Fleisch, nachdem sie es zuvor eine Zeit lang
dem Frost ausgesetzt haben. Ich habe es einige mal gekostet
und fand keinen grofsen Unterschied gegen das Fleisch gemei-
ner Ochsen. Man sagt, dafs diese wilden Thiere (dzikie te Bu-
hace d. h. diese wilden Bullochsen drückt sich Niemcewicz
bestimmter aus) sich zuweilen mit den auf dem Felde weidenden
Kühen vermischten, aber die davon fallenden Jungen leben nicht
und die Kühe, die sich mit den wilden Ochsen begatteten, wer-
den von ihren Heerden ausgestofsen. Man zieht ihnen (nämlich
den Uris) die Haut ab und macht daraus Gürtel, weiche von
grofsem Nutzen für gebärende Frauen sein sollen."
Gratiani behauptet also, er habe in Preufsen Kälber
des Urus (Tiir) gesehen. Wo diefs statt fand, sagt er aber
nicht, da er doch beim Zuhr und wilden Pferde ausdrücklich
angiebt, er habe sie im Park des Herzogs gesehen. Da er
nun nach seiner Erzählung vom Zuhr ebenfalls nur ein jun-
ges Thier sah, dennoch aber eine richtige Beschreibung dieser
Thierart nach allen ihren wichtigeren Körpertheilen macht,
vom Tur aber weder Form des Kopfes und der Hörner, der
Ohren und Augen, noch die Statur des Leibes u. s. w. be-
schreibt, so wird die ganze Stelle vom Tur, als eigene Thier-
art betrachtet, um so verdächtiger als er ausdrücklich sagt,
die Uri wären häufiger als die Bisontes (^Zuhri), die Fle-
chier mit dem Namen Büffel bezeichnet, wie sie noch heute
*) Niemcewicz drückt diese Stelle wie mir scheint noch besser
aus: Widzialem w Prusiech ciel^ta ich, te wypuszczone sobory
rozkosznie biegaly i graly z soba.
72
selbst in Polen von unwissenden Menschen genannt werden.
Die ganze Erzählung ist entweder von Herberstain abge-
schrieben oder aus eben den unsichern Quellen entnommen,
aus denen Herberstain schöpfte. Ich habe oben schon
nachgewiesen, dafs die Gürtel aus der Stirnhaut des Tur
(nach Herberstain) dem Zuhr angehören und ebenso ist
das auf den Tafeln der Grofsen verzehrte Fleisch des Ut^us
(nach Gratiani) nichts anderes als ZuhrQ.e[sch, wie ich wei-
ter unten geschichtlich aus der Zeit Wladislaw Jagellos
erweisen werde. Da nun Hr. v. Bär nach Lucas Davids
Chronik selbst zugesteht, dafs zur Zeit Herzog Alberts in
Preufsen nur Ziibrj gelebt haben, so bleibt, wenn wir Gra-
tiani niclit geradezu einer Lüge beschuldigen wollen, weil er
Urus -¥Jii\hQV in Preufsen gesehen haben will, 'wieder nichts
übrig als zuzugestehen, dafs Urus und Bison ein und dasselbe
Thier bezeichnen. Es folgt nun weiter die Beschreibung des
Bison nach der UebersetzungFlechiers mit folgenden Worten:
„LesBuffles ont plus de force et leur figui e est plns terrible.
Ils onl la teste large et courbee, des cornes longues, glus gran-
des que Celles des Ures, tortues comme celles des taureaux,
dressees et prestes a fraper, aigues et de coulere noir, fort po-
lies et creiises au dedans; les oreilles petites, les yeux grands,
rouges el plelns de feu: le regard farouche et mena^ant. Lors-
que cet animal est irrite, il souffle d'une manlere horrlble. Une
touffe de poil luy pend au menton en fa^on de barbe, un crln
noir et herisse luy couvre le col, les flaues et les jambes de de-
vant; son dos va en panchant depuis le col jusqu'aux epaules;
le derriere est fort menu et fl'un peau fort seche et fort rldee;
sa queue est comme celle d'un taurcau, il la dresse, il la se-
coüe en courant, lorsqu'il est en colere. Les Buffles sont
plus rares que les Ures. J'en vis un fort jeune dans le
parc du Duo Albert et comme je fus entre dans le Heu, ou il
estolt enferme et que je voulus m'approchcr inconsidereinent
pour le Yoir de plus pres, celuy qui me condulsoit, m'averlit de
iie retlrer en diligenc.e et de "^me meltre en securete, quoj^que
'eusse a pelne avance vingt pas et que cet animal fust elolgne
i'un jet de pierre; tant il dlsoit qu'il estoit leger et prompt ä
la course. 11 y avoit un troupeau de boeufs qui palssolt avec
luy; il lui quilla point, mals il se tourna vers nous et nous re-
garda lixcincut avec beaucoup de feroclte."
Endlich beschreibt er die Jagd der Bisonten und zwar
eine zweifa(;hc Art derselben genau eben so wie Crom er in
seinem Werke de situ, populis, moribus, viagistralibus et
leijublica J'('i;iii Poloniae^
m
A
73
Offenbar ist Gratianis Beschreibung des Zubr speciel-
1er und genauer, als die von Herberstain. In ihr ist für
Uns die Bemerkung von Interesse, dafs die Bisonten viel
seltener als die Uri seyn sollten. Wenn nach Crom er,
Herberstein, Swi^cicki, und selbst Dlugosz der Tur
nur in Masovien und zwar nur in dem ehedem grofsen Wald
zwischen Wiskitki und Bolemow, also nur auf eine, sehr kleine
Gegend beschränkt gedacht wird, der Zuhr hingegen nach hi-
historischen Zeugnissen vom 12ten bis 16ten Jahrhundert fast
überall in Pommern, Preufsen, in dem an Preufsen grenzenden
nördlichen Theil von Masovien, in Podlachien, in ganz Li-
thauen und Samogitien, in dem Landstrich zwischen San und
Weichsel, in Podolien und der Moldau verbreitet war, so wäre
ja die Bemerkung Gratianis gerade zu falsch. Allein sie
wird ihre vollkommene Richtigkeit haben, wenn wir die irrige
Ansicht, als seyen Tur uud Zuhr zwei verschiedene T hier-
arten gewesen, aufgeben. Sie -wird eben so richtig, wie
seine übrige Beschreibung des Zuhr ist, nur eine sexuelle
Eigenthiimlichkeit dieser species bezeichnen, so wie sie heute
noch statt findet. Urus, Tur und Taurus bezeichnen so wue
Stier, Bulle und Ochse ursprünglich nur das männliche Ge-
schlecht in der Sippe der Rinder und nur secundär als Ab-
kürzung auch eine ganze aus männlichen und weiblichen Indi-
viduen zusammengesetzte Art, wie z.B. hos schon bei Pii-
nius, der Hausochse anstatt Rindvieh oder noch schlimmer
sogar Bos Xaurus in unserer heutigen naturhistorischen No-
menklatur in solcher Art gebraucht werden. Nun wissen wir
durch V. Brinken, Bujack und Eichwald, und selbst
statistische Zählungen bestätigen es, dafs in der noch lebenden
Auer- oder Zubrart das Verhältnifs der männlichen zu den
weiblichen Individuen beinahe wie 2ll überwiegend ist. Wenn
also Gratiani angiebt, dafs die Bisontes seltener als die
Uri seyn, was er doch nur in Preufsen von den Jägern ge-
hört haben konnte, wo damals das Auerwild noch ziemlich
verbreitet war, so hat er damit nur ausdrücken wollen: die
Auerstiere sind zahlreicher als die Auerkühe, wie
es noch heute der Fall ist. Sich selbst unbewufst hat er da-
mit eine evidente Wahrheit ausgesprochen und dadurch einen
Fingerzeig gegeben, dafs im Munde des Volks ursprünglich
74
Ullis (Ur der Gallier und Altdeutschen, Tur in alt slavoni-
schen Mundarten) nur den Auerstier im Gegensatz gegen Bi-
son (JVisent) als Bezeichnung der Auerkuh ausdrücke. Es
steht mit dieser Conjectur in Harmonie, dafs Herberstain,
Gratiani und Andere die berüchtigten Geburtsgürtel für die
Frauen nur aus der Stirnhaut des Tur fertigen lassen, weil
wirklich Polen und Lithauer dazu die am Bisamgeruch reichste
Stirnhaut des Zubr-Stiers vorzüglich benutzen, und sie hat
eine noch viel stärkere Stütze in unserm altdeutschen Helden-
gedicht, was ich weiter unten bei einer wiederholten linguisti-
schen Prüfung der Wörter Ur und Wisent, Tur und Zubr
erweisen werde. Wie aber hos ursprünglich nur den Stier
bezeichnete, doch bald auch zur Benennung der ganzen zah-
men Rindviehart wurde, so ward auch Ur und Tur (ur-
sprünglich Auerstier) bald zur Benennung der ganzen in Mit-
teleuropa einheimischen wilden Auerart.
Dafs wirklich zu Lucas Davids und des Plerzogs Al-
berts Zeit in Preufsen, wo Gratiani Uri und Bisontes ne-
beneinander als 2 species nennt, nur eine Art, der Zuhr oder
Auerochse gelebt hat, und Gratianis Angabe mithin irrig
ist, wird aufserdem noch auf andere Art erwiesen. Preufsen
war damals durch seine wilden Thiere berühmt und die jagd-
lustigen Fürsten Deutschlands, wo dergleichen schon nicht
mehr existirten, wenden sich oft mit Bittgesuchen an ihren
fürstlichen Bruder Herzog Albert, dafs er ihnen Elenkälber,
(Mann und Weiber) Auerochsen und Auerkühe, wilde Pferde
und Stuten, auch Hirschkälber und Falken für ihre Thiergär-
ten und Falkereien senden möchte, wovon die Dokumente im
Königsberger geheimen Archiv vorhanden sind, wie sie zum
Theil Bujack*) durch Professor Voigt unterstützt, wörtlich
mitgetheilt hat. Die jagdlustigen deutschen Fürsten wufsten
also recht gut, welche grofse wilde Jagdthiere in Preufsen leb-
ten; hätte also noch ein anderer C/r oder T«/*, unserm zahmen
Rindvieh ähnlich, dort gelebt, so hätten sie gevvils darum eben
so gut gebeten wie um den Auerochsen, um so mehr als er
nach Gratianis Ansicht häufiger als der letztere seyn sollte.
♦) V. Bujacks Naturgeschichte des Elchwildes. Königsb. 1837.
8. bei Gräfe und ünger p. 12—14 in den Anmerkungen.
75
Ohngefähr 30 Jahr nachdem Uns Gratiani obige Nach-
richten mittheilte, erhalten wir ähnliche durch einen andern
Italiener. Es war im Jahre 1596, als Papst Clemens Vlll. den
Cardinal Heinrich Gaetano an König Siegmund II. von Polen
schickte, um diesen zu vermögen, dem vom Papste beabsich-
tigten Biindnifs gegen die Türken beizutreten. Der Sekretair
des Cardinais, der Ceremonienmeister Johann Paul Mucante
hat über diese Reise und ihre Anwesenheit in Polen ein höchst
interessantes und ausführliches Diarium geführt, das für die
Kenntnifs des damaligen Zustandes von Polen, der Sitten und
des Lebens am Hofe und der Magnaten von hohem Interesse
ist, und Jedem, der Polen genau kennt, als eine recht treue
Schilderung erscheinen wird. Das Manuscript dieses Diariums
fand General D^browski zur Zeit der polnischen Legionen
in Italien, und schenkte es dem Woiwod Stanislaw Potocki,
in dessen Familien-Bibliothek zu Wilanow bei Warschau es nie-
dergelegt ist. Niemcewicz verdanken wir eine Uebersetzung
davon in polnischer Sprache,*) aus w^elcher ich die Uns hier
interessirenden Stellen wieder ins Deutsche übertrage.
Der Cardinal war am 12. Juni 1596 aus Byczyn in Schle-
sien über Zabor in Krakau angekommen und reiste am lOten
September mit dem päbstlichen Nuntius Malaspina am Hofe
zu Warschau, der ihm bis Krakau entgegen gekommen war,
von dort mit einem Gefolge von 300 Personen und 250 Pfer-
den wieder ab, und gelangte über Proszowice, Szydlow, Za-
gow, Kukow, Itza, Radom und Piaseczno nach Warschau am
20. September. Mucante erzählt nun zunächst: (1. c.p.l65)
„Sonnabends am 30. September schickte der König dem Car-
dinal .30 fette Ochsen für seine Küche und überdem ein graues
"Wild, Tur genant. Man sagt, dafs dieses sehr wild und grim-
mig sey, und der König hält dies mit vielem andern Wild in
seinem Thiergarten. Die zuvor dem Wild abgezogene Stiru-
haut schickte er auch dem Cardinal, versichernd, dafs diese grofse
Kräfte besäfse. Ich kostete das Fleisch desselben an der Tafel
des Cardlnals und es schien mir, dafs es dem Rindfleisch ähn-
lich sey, nur etwas trockener und härter.
Am folgenden Sonnabend (den 5. Octbr.) nach dem Mit-
tagsessen fuhr der Cardinal aus, um den 2 Meilen von Warschau
liegenden Thiergarten des Königs zu besehen. Mit dem Cardi-
*) Im Zbiör pami^tniköw historycznych o dawney Polszcze
przez I. M. Niemcewicza. Tom. IL p. 133— 215.
jial fiilir der Nuntius Malasplna und der vom König dazn abge-
.sandle Kion- Grorsniarscliall (damals Zebrzydowski) und viele
Wolwodcn und Cavallere. Wir kamen zu einem sehr grolsen
eingehegten Wald, wo verschiedene wilde Bestien, als: Zubry,
U r i , ß ä r e n , Wildschweine, Hirsche, 1) a m m li i r s c h e
u. s. w. gehalten werden. In der Mitte desselben befand sich
ein hoher Abhang, wo wir ohne alle Gefahr die Thiere sehen
konnten. Das Tielben der Bauern fing sich von verschiedenen
Selten her an, um die Thiere nach Uns hinzutreiben. Es liefen
bei Uns vorbei Hirsche, Dammhische und 7 Zuhvi zugleich alte
und junge, üiese sind den schwarzen Ochsen ähnlich, aber be-
deutend gröfser, der Kopf derselben ist klein und rauhhaarig,
der Nacken breit und nach unten ein grofser Bart. Unter den-
selben war ein Ziibv von aufserordentlicher Gröfse, bedeutend
gröfser als ein Kameel. Man sagte, dafs dieses ^VIld aufseror-
dentlich wild und so stark sey, dafs es einen Reiter mit dem
Pferde mit den Hörnern fassend über sich werfe. Viele von die-
sen Bestien wollten nicht dahin laufen, wo wir auf sie warte-
ten und der Tag neigte sich schon zu Ende. Wir kehrten
Abends nach Warschau zurück."
Diese Erzählung zeigt nun wieder deutlich, wie die Ni\-
men Tur und Zuhr abwechselnd für ein und dasselbe Thier
gebraucht wurden. Erst erhielt der Cardinal einen grauen er-
schlagenen Tur aus dem Königlichen Thiergarten für seine
Küche und die von seiner Stirn abgezogene berühmte Stirnhaut,
also, wie ich schon erwiesen habe, einen ^wfer- Stier unter
dem Namen Tur. Dann bei dem Besuch des Thiergartens
selbst werden von Mucante unter den Thieren, die er ent-
halten sollte, zwar im Anfange Zuhrt und Uri neben einan-
der genannt, dann aber als es zum Treibjagen kam, sah er
doch nur Zuhri, ähnlich den schwarzen Ochsen, deren kurze
Beschreibung doch hinreicht, um zu beweisen dafs es wirklich
Bisonten {ZuhrJ oder Auerochsen) waren. Diese Nachricht
ist nun in mehr als einer Hinsicht von NA'ichtigkeit; sie beweist
1) dafs Tur und Zuhr, es mögen nun beide Namen ganz
synonym seyn oder Tur ursprünglich nur den ^?//>/"- Stier
bezeichnet haben, in Masovien in einem 2 Meilen von ^Var-
schau entfernten Thiergarten d. h. ohnweit Blonie oder Wi-
.skitki beisannnen lebten; also ist die Behauptung irrig, als
hätt(Mi Tur und Zuhr wegen gegenseitiger Abneiguyg nicht in
einem Thiergarten zusannnengehalten werden können, wie nach
llrn V. Brinkens*) Angabe der Palatiu Ostrorog im 16teu
0 1- c. p.ig. 65 und 70.
77
Jahrhiinrlert in einem hinterhisseneu Maniiscript über dio An-
lage der Thiergärten geschrieben liaben soll. Ich selbst habe
dieses Manuscript, das sich in der Bibliothek des Grafen Jo-
seph Krasinski in Warschau befinden .soll, nicht einsehen
können. ,
2) Die Nachricht beweist, dafs es falsch ist, wenn der
Abt Ruggieri, Nuntius des Pabstes Pius IV. am Hofe König
Siegmund Augusts, in seiner Relation über den Zustand Po-
lens im Jahre 1568*) also zwischen den Jahren, in welchen
Gratiani und Mucante in Polen waren, schreibt: „dafs die
Wälder Polens voller Wild verschiedener Art sej-en, unter
denen Ziibry, Tury und i.osie bei Uns (in Italien) nicht be-
kannt seyen und dafs die Zuhry nur in der Bialowieskiey
puszezy (wo sie noch heute sind) leben könnten," denn Mu-
cante sah sie 20 Jahre später in Masovien. Und es ist fer-
ner falsch, wenn
3) Andreas Swi^cicki in seiner ebenfalls am Ende des
16. Jahrhunderts geschriebenen descriptio topographica Du-
caius Masoviae angiebt, als hätten innerhalb Masovien die
Zuhry nur in der sogenannten silva Secjuana (d. h. am
Flusse Skwa nordwärts der Narew an der Grenze der heuti-
gen Gubernien Plock und Augustow) gelebt, dahingegen die
Tjiri nur in der sogenannten silva Hectorea (d. h. in der
damaligen Jakturowska puszcza zwischen Wiskitki, Bolemow
und Mszczonow), denn gerade in derselben Wildnifs war das
Gehege und der Thiergärten der alten Herzoge von Masovien
(und der Könige von Polen seit 1525,) in welchen Mucante
die 7 Zuhry sah und als solche beschreibt.
Mucante erwähnt übrigens deu Zuh?^ und zwar den
Lithauischen noch einmal in seinem Tagebuche. Als nämlich
der König seine verstorbene Tante Anna (Schwester Siegmund
Augusts) König Stephan Batorgi hinterlassene Wittwe am 29.
October 1596 selbst zur Beisetzung ins Königliche Begräbnifs
nach Krakau begleitete, folgte ihm der Cardinal 2 Tage spä-
ter dahin nach. Der König verliefs aber Krakau wieder am
18. November und mufs sich bald darauf nach Lithauen be-
geben haben, denn am 27. Januar 1597 schickte er dem Car-
0 s. Niemcewicz 1. c. T. III, p. 7.
78
dinal Legat „zwei ungeheure Bestien und einen Zubr von
ihm selbst in den litbauischen Wäldern erlegt, nach Krakau.
Beide jener Bestien waren Weibchen und hatten keine Ge-
weihe. Sie waren so grofs als Maultlüere, ihre Gestalt dem
Hirsch ähnlich, und hatten keine Zähne (Vorderzähne) in der
Oberkinnlado. (Mucante meint also hier Elenkiihe ohne ih-
ren Namen zu nennen.) Der Zuhr, den ich schon gesehen
hatte, ist eine erschreckliche Bestie, gröf^^er als der Büffel,
schwarz von Ansehen, der Kopf nicht grofs, kurz und kraus,
der Vordertheil breit und erhaben. Der Geschmack des Flei-
sches ähnlich dem Hirschfleisch."
Fast köinite es scheinen, dafs die bisherige kritische Be-
leuchtung der Herberstainschen Nachrichten, verbunden mit
denen von Gratiani und Mucante, schon hinlänglich w^ären
die Cu vier sehe Meinung zu widerlegen. Sollte aber der Ge-
genstand ganz erschöpft werden, so konnte ich mich damit
noch nicht begnügen. Hr. v. Bär wirft mir vor, ich hätte
jnanche Zeugen, die Hr. v. Brinken für die Verschiedenheit
zwischen Tur und Zubv angeführt hat, als Ostrorog, Gra-
tiani, Mucante, Surius, Nieremberg, Swifcicki aus-
gelassen und das Zeugnifs von Gefsner zwar nicht überse-
hen, aber von der Hand gewiesen. Er macht ferner die sehr
richtige Bemerkung, dafs man in Betreff der kritischen Sich-
tung der Säugthierarten, durch topographische Schriftsteller
stets mehr Licht erhalten werde als durch die compilirenden
Naturforscher des Mittelalters bis Jonston herab, (mithin
auch durch Gefsner) und dafs die Möglichkeit, als habe
der doppelte Name eines Thieres die doppelte Nennung des-
selben veranlafst, nur dann zur Wahrscheinlichkeit und Ge-
wifsheit erhoben werden könne, wenn Stimmen aus dem Mit-
telalter selbst über die identische Bedeutung von Ur und JVi-
sent, Tur und Zuh', dem europäischen Buhalus und Bison,
sich aussprächen.
Diese Bemerkungen nöthigen mich also
1) über die ausgelassenen Zeugen mich noch zu erklären und
2) alle Polen betreffende Topographen und Chronisten des
Mittelalters, vorzüglich die innländisch polnischen über diesen
Gegenstan«! genau abzuhören und zu prüfen.
Welchen Wcrth das von Ostrorog beigebrachte Zeug-
nifs bat, habe ich oben schon angedeutet, Mucante und Gra-
tiani sind schon bereits vernommen vyorden, und Swieci-
cki gehört unter die Topographen, die wir bald näher beleuch-
ten werden. Dafs ich aber auf Surins in der historia vi-
tae Sanctorum wegen der wenigen Worte: In Lithuania
Uri sunt ac Bisontes et erranf, qui Uros vocant Bisontes,
cum /bisontes sunt juhati et villosi circa Collum und auf
Nierembergs Worte in der bist. Aninialium Lib. V.: Sepien-
trionales regiones alunt Tragelaphum ex genere Cervo-
rum, Urum et Bisontem keinen Werth lege, wird man mir
wohl nicht hoch anrechnen, denn diese Männer, die nicht
selbst Beobachter waren und zu den vielen Nachbetern von
Piinii mifsverstandenen Worten gehören, geben keine Ent-
scheidung. Habe ich sie übergangen, so habe ich dagegen frü-
her andere Zeugen von denen Hr. v. Brinken nichts wufste:
Thomas Cantapratensis, Joh. v. Marignola, Paul
Zidek und Bartholomaeus Anglicus angeführt, die in
einiger Beziehung doch nocli etwas melir Werth haben als
jene. So bleibt also nur noch Conrad Gefsner übrisr, des-
sen Zeugnifs ich ebenfalls als nicht entscheidend betrachten kann.
Zugestanden, dafs der grofse Conrad Gefsner (geboren
1516, gestorben 1562) dadurch der Schöpfer der neuern Na-
turgeschichte wurde, dafs er in seinen Werken nicht allein
Alles das, was die Alten über alle Theile der Natur erforscht
hatten, zusammentrug, sondern dafs er auch ihre Angaben mit
sehr vielen Forschungen und Beobachtungen seiner Zeitgenos-
sen und seiner selbst durchflocht und bereicherte, so müssen
wir doch auch zugestehen, dafs Gefsner bei dieser compili-
renden Methode über viele Gegenstände nicht zur klaren Ein-
sicht gelangt, wenn die zusammengetragenen Nachrichten der
Alten und seiner Zeitgenossen als einander widersprechend
oder dunkel waren und er selbst nicht im Stande war, durch
eigene Ansicht und Forschung Wahrheit und Täuschung zu
sichten. — Und so ist es gerade der Fall mit seinen Nach-
richten de hohus feris et sylvestribus diversis.
W^enn wir in seinem grofsen Werke historiae ^nima-
lium Lib. I. de quadrupedihus viviparis, Tigurini ap. Fro-
schoverum 1551. fol. die Kapitel de huhalo, de hisonte,
de honaso, de farando, de uro durchlesen, so müssen wir
80
gestehen, dafs er in Unterschcklung der Arten nicht zur kla-
ren Einsicht gelangte. Wir müssen Uns schon der Mülie un-
terziehen, ihm dabei Schritt vor Schritt zu folgen. Im Kapi-
tel de huhalo p. 13.9 b-jmerkt er sehr treffend:
„Bubali iiomen omnino incertum est, non hodle soliim sed
jam Pllnii seculo confiisum. Albertus Magnus memlnlt magno-
rum bubulorum sylvestrium, qui Yisent apud Germanos
appellentur, hos ego Biso nt es interpretor."
Hätte Hr. V. Bär diese Stelle beachtet, so würde er nicht
behaupten, dafs der untergegangene Bos prhnigenius, sein so-
genannter Ur, in den altdeutschen Annalen und Gesetzen durch
Büffel oder Buhalus ausgedruckt sey. Wenn die lex Ale-
manorum tit. Q9. § 1. im lateinischen Texte verordnet: Si
quis hisontem huh alum, vel cervum qui prugit, f Lira-
verit vel occideritj duodecim solidos componat, so hätte
Hr. V. Bär, der hier aus den zusammengestellten Namen Bi-
son hiihahis 2 Thiere machen will, doch bedenken sollen, dafs
der Verfasser, wenn das seine Meinung gewesen wäre, ebenso
zwischen hisontem und huhuhun, als zwischen dieses Wort
und cervum ein vel gestellt haben würde und dafs im deut-
schen Texte dafür wirklich Wisent oder Büffelochse steht, und
es ist also klar, dafs der Name Büffel als eine zweite Benen-
nung des Wisent d. h. des wirklichen Bison imd noch heute
lebenden Zuhii gebraucht wurde und dafs die vom Begleiter
des Pommerschen Apostels Otto (Bischof von Bamberg und
Beichtvater der Gemahlin Herzog Boleslaw Krzywousty von
Polen) im Anfang des 12. Jahrhunderts in Pommern genann-
ten Ferinae Buhalorum nichts anders als Zuhrones
sind, werde ich aus Dlugosz mit Evidenz erweisen. Wenn
mithin Daniel Gramer im Anfange des 17. Jahrhunderts in
der Pommerschen Kirchengeschichte jene W'orte mit Püffel
oder Uhr- Ochsen übersetzt, so hat das wahrhaftig so wenig
Gewicht als der Ausspruch eines Mannes, der aus Rufsland
zurückkehrend mir vor wenigen Tagen erzählte, er sey durch
die Landschaft Bialystok gereist, wo in dem benachbarten
grofsen Walde (nämlich von Bialowie/.a) noch die wiljlen
Büffel ochsen lebten, oder der falsche Ausdruck des Dr.
Karl Andrer in seinem Werke: Polen nach Malte-Brun
und Chodzko bearbeitet. Lpz. 1831. 8. der p. 43 und 45 den
Bison oder Zalr auch noch mit dem Titel Büffel beehrt.
81
Die wahre ursprünglich wörtliche Bedeutung von Büffel
auf die ich uuten nochmals zurückkomme, entschuldigt übri-
gens die alten Deutschen, wenn sie den Wisent oder Zuhr
auch zuweilen Büffel nannten. Hat Fürst Wratislav V nach
Cramer ums Jahr 1364 in Hinterpommeru einen fVysant
erlegt, so ist das nur wieder eine Bestätigung, dafs vom An-
fange des 12ten bis Ende des 14ten Jahrhunderts (von Boles-
law Krzywousty bis Wratislaw V) in Pommern so gut wie in
Preufsen und Polen von wilden Ochsen nur der Wisent oder
Zubr gelebt hat.
Sodann weiter im Cap, de Bisonte p. 143 überzeugen
wir Uns, dafs Gefsner durchaus nicht zu einer klaren Ue-
berzeugung von einem wirklichen Unterschied zwischen Bison
und Urus gelangte. Er stützt sich auch wieder nur auf Pli-
nius und Albertus magnus und will dem letztern, der
doch 2 Jahrhunderte früher, von 1192 bis 1280 in Deutsch-
land lebte, zu einer Zeit als der Auerochse wenigstens im
östlichen Deutschland noch vorkam, nicht einmal recht Glau-
ben beimessen. Er sagt im Eingange dafs der Bison von
Manchen mit dem huhalus, von Andern mit dem urus, von
noch Andern mit dem rangi/er, endlich auch mit dem hona-
sus, tarandus und urus verwechselt worden (warum er den
Urus zweimal nennt, ist unklar) und fügt hinzu: Ego quoad
ejus possum haec genera distinguam Hier kommt es nun
aber eben auf das guoad an und darüber läfst er Uns sehr
in Zweifel. Er geräth in Widersprüche wenn er z. B. hier
den Bison vom hojiasus unterscheidet, und doch im Cap. de
lonaso p. 157 schreibt:
,,Ego certe bonasum genus bisontfs crediderim, nam et Al-
bertus, ut superuis retuli, boum qui vulgo Wisent diciuitur, di-
versas species magnitudine solum difTerentes esse testatur
qu,ppe excepta cornuum figura et rejectione stercorls reliq a X'
detur omnia cum bisonte communia habere."*)
^) Dafs der bojiasus wirklich nur der Bisün ist, hat schon Cii-
v^er anerkannt und ich noch ausführlicher zu er^veisen versucht,
wenn Gefsner ferner, indem er irrig den böhmischen Namen Loni
(.soll heifsen Lossi) auf den monopics bezieht, hinzufügt: Germani
jubani vocant Möne (Mähne) ut AngUMane inde factum Monoms
veiMonopj nomen aliquü conjecerit ntpote bovis jubati, so ist diese
i>amens-Lrklärung des Monopus, so gut sie auf das vom Bison nicht
W.egm. Archiv. VI. Jahrg. l Band. g
82
Wenn er dann weiter die Worte des PI in ins anführt:
insignia tarnen houm fcrormn genera jubatos hisoiiies, ex-
cellenüque vi et velocitate uroSf quibus imperitum vulgus
huhalorum nomen imponit, cum id gignat Africa und lun-
zufiigt, dafs Raphael Volaterranus und Andere den Na-
men hiihalus nicht allein auf die Uri sondern auch auf die
Blsontes bezogen hätten, was er nicht billigen könne, indem
sich dieser auf die Uri bezöge, so hat Raphael Volater-
ranus gewifs mehr Recht als Gefsner gehabt, indem in den
Worten des Plinius selbst durchaus kein sicherer Beweis
davon liegt, dafs er einen Unterschied zwischen dem bemähn-
ten Bison und Urus gekannt habe. Er fand bei seinem Ex-
cerptensammeln die aus verschiedenen Sprachstämmen ab-
stammenden verschiedenen Namen wilder Ochsen und so stellte
er diese neben einander. Er hat so wenig gewufst, ob diese
Namen wirklich zwei verschiedene genera bezeichneten, als
er es gewufst hat, dafs der von ihm wenige Zeilen weiter ge-
nannte und ebenfalls als bemähnter Ochse bezeichnete hona-
sus nichts anders war als der von ihm schon genannte hison
jubatus.
Auch Albertus magnus hat offenbar Uri und Bisonies
nicht neben einander gekannt, obgleich er sie beide nennt,
denn im Lib. 22 de animalibus nennt er erst die Uri, {quos
nos Germanice vis ent vocamus') weifs aber davon nichts als
die grofsen Hörner anzuführen, welche als Trinkhörner dienten.
Dann erwähnt er an einem andern Ort die grofsen wilden Wald-
Büffel, ebenfalls wieder Vis ent bei den Deutschen genannt.'
Weiter bei der alphabetischen Aufzählung der vierfüfsigen
Thiere unter dem Buchstaben ?^ werden von ihm VrsonteSy
ein Schreibfehler für Visontes oder Bisontes genannt und
dieses Thier beschreibt er nun hovi simile, collo setoso et
jubis ut equus, sed perniliiis et iruculentius ut captum do-
mari vix vel nunquam possit. Dieses Alles, meint Gefsner
scheine Albertus aus dem Solinus abgeschrieben zu ha-
ben, den er kurz zuvor selbst den Affen des Plinius genannt
untcrsrhiodono Thicr pafsto, doch spracldich oino sehr gewagte Con-.
jectiir und ich halte die in der Paläontologie von Polen p. 208 vo»
mir versuchte doch für wahrscheinlicher. -^^
83
hat. Sodann führt er weiter aus Albertus Werk Lib, 2.
cap. 2. an:
Invenluntur (inqiut) in genere boiim nigri, magni, qui a qul-
busdam vocantur bubali et apud Germanos Voesent: hi per-
quam robusti sunt adeo iit irritati equiim simiil et equitem cor-
nibus ventüent; magnitiidine aequant magniim dextrarium (sie
egreglum et insignem equum Itall vocant) et facies illorum boum
aliquantulum declinat inferius ita, quod habent eminentlam su-
per medlam liueam descendentem inter oculos et declinatio ar-
tus illius est versus os et versus frontem declinatio alia et ele-
vatio in media. Cornua eis raaxima et ad dorsum recurva, ut
faciliiis cum eis elevare et vcnticare seu rejicere possint, quod
invaserint. Plura eorum genera sunt: quibusdam alta et longa
cornua, aliis brevia crassa et robusta. Nota haec genera sunt
Sclavis et Ungaris et finitimis Germanis.
Aus dieser Beschreibung geht nun wohl deutlich genug
hervor, dafs Albertus magnus damit den gemeinen Büf-
fel {Boshubalus) gemeint hat, der allerdings damals schon bei
den südöstlichen Slaven, den Ungern und im südlichen Deutsch-
land als Zugthier gehalten wurde; ob er ihm aber mit Recht
auch den deutschen Namen Voesent beilegt, möchte ich stark
bezweifeln und dafs er nach der verschiedenen Gröfse ihrer
Hörner verschiedene genera derselben unterscheiden will, ist
sicher ein Irrthum. Sodann fährt Gefsner fort aus den Wor-
ten des Albertus den Schlufs zu ziehen, dafs mit dem Na-
men Visent verschiedene genera der Waldochsen belegt wor-
den seyen, von welchen er die kleinen: Bisontes, diegrofsen
aber Uri nenne. Offenbar hat sich Gefsner zu dieser durch-
aus haltlosen Meinungs-Aeusserung nur hinreissen lassen, in-
dem er wieder an Plinius gedacht hat, obgleich dieser durch-
aus nicht gesagt hat, dafs die Lri gröfser als die Bisontes
seyen und in keiner der altdeutschen Annalen und Gesetzbü-
cher irgendwo eine Unterscheidung von grofsen und klei-
nen Visenten als 2 verschiedenen Thieren vorkommt. Diese
Meinung ist mithin als eine reine Imagination zu verwerfen
und es erweist sich auch sichtbar, dafs Gefsner gar nich^
zu einer festen Distinction gelangte, weil in demselben Kapi-
tel sogar wieder eine Verwechslung mit dem Elch vorkommt,
angedeutet durch die Worte:
Angermanniae ducatus tenet septentrionalia loca ad confinia
Lapponiae, ejus tractus est totus sylvosus et ibi in praecipuis
feris venantur Uros et Bisontes quos patria lingua dicunt
6*
84
Elg-, td est aslnos sylvestres, tantae pro c eri ta tis iit summ o dorso
aeqiient niensuram hominis porrecti in brachla elata. Sed haec
altitudo Uris convenit, non proprie dictis bisonti-
bus, qui minores sunt.
Da Gefsner mm nirgends anführt, dafs er in seinem
Lehen aufser den zu Mainz und Worms an den öffentlichen
Gebäuden schon mehrere Jahrhunderte zuvor aufgehangenen
Ochsenschädehi, jemals einen lebenden Bison oder Uvus ge-
sehen habe, und er auch nirgends einen Gevvährsmannn für
die Messung dieser Thiere anzuführen weifs, so hat er auch
nicht wissen können, ob der sogenannte Urus so hoch als
ein Elch und der Bison niedriger sey.
Ganz am Ende desselben Capitels p. 145 erwähnt er so-
dann zum erstenmal des polnischen Thiir mit den Worten:
Tortassis etiam Thuro Folonorum, quermnox in tarando
descrihcnrif hisontis genus est. Hat nun der polnische Twr
(w^ie sehr richtig) zum genus der Bisonten gehört und sollen
sich diese durch die Mähne und den Bart von den bartlosen
Uris unterscheiden, so ist ja die Verbindung des Thiir mit
dem Uj'us unzuläfsig. Wenn aber Gefsner den Thiir hier
zum Bison rechnete, so mufs es sehr auffallen, wenn er ihn
gleich darauf im Cap. de Tarando p. 156 abhandelt. Er ist
also abermals schwankend gewesen, ob der Thur zum Ta-
rand, oder Bison oder Uj^us zu rechnen sei. Dies geht aus
folgenden Worten hervor:
Tarandum igltnr esse existimo feram, quam Poloni Tur vel
II ■ T •• , • _ _ _ I .. • - • l'k L
7 pernicissmio cursu et valde robusta. Descnpti^
nem haue nobis communicavit nobllitate, doctrina et omne vir-
tutum genere vir ornatissimus Florianus Susllga Rolitz a Yar-
schovia Polonus. Ilacc fera, si jubata esset, quod nondum certo
scio, bisonti adscriberem. Nam receniiores quidam thuronem
Polonorum Zubronis, id est Url, speciem faciunt.
Wenn dieses Thier also eine Mähne hat, so will er es
zum Bison rechnen, wenn nicht zum tarandus (Rennthier)
wahrscheinlich nur wegen seines schnellen Laufes und zugleich
ersieht man daraus, dafs er den /.ulr mit Bart und Mähne
doch nicht zum Bison sondern zu seinem imaginären Unis
zählt. — Welche Begriffsverwirrung! — Wenn nach Gefs-
ners Ansicht der Urus der Zuhr der Slavcn ist, also unser
85
Auerochse mit Mähne und Bart, der polnische Tur hingegen,
wenn er eine Mähne habe, zum Bison gehöre, so weifs man
am Ende gar nicht mehr, welche Unterscheidungs-Kennzeichen
sich Gefsner denn zwischen beiden Thieren gedacht haben
imifs. Die Nachricht die er von Tur dem sehr gelehrten
Einwohner Warschaus Susliga Rolitz verdankte, ist so kurz,
dafs man in zoologischer Hinsicht daraus gar nichts ersehen
kann. Dieser Mann, in der alt polnischen Litterargeschichte
nirgends genannt, hätte wohl vermöge seines Wohnorts den
Tur etwas genauer schildern können. Er hat aber wahr-
scheinlich wenig davon gewufst, denn nicht einmal seine topo-
graphische Angabe, dafs der Tur nur in Masovien zwischen
Oszezke und Garvolijn (d. h. zwischen den beiden Städtchen
Osiek und Garwolin im Kreise Lukow des Gubernii Podlachien)
gelebt habe, ist richtig, denn wir wissen durch Swigcicki,
Gratiani und aus archivarischen Nachrichten aus derselben
Zeit, in welcher Gefsner und Susliga lebten, dafs der so-
genannte Tur damals und bis ins 17te Jahrhundert hauptsäch-
lich westwärts der Weichsel in Masovien in der Jakturowska
puszcza bei Wiskitki, also auch sehr nahe bei Warschau ge-
nannt wird. Susliga hat wahrscheinlich von einer viel frü-
hem Zeit gesprochen, und insofern ist Uns seine Angabe, dafs
der Tur auch zwischen Osiek und Garwolin gelebt hat, von
Interesse, denn der ebenfalls am Ende des löten Jahrhunderts
schreibende Swigcicki*) erzählt Uns, dafs in der Gegend
von Osiek, also in der sumpfigen Waldniederung zwischen
den Flüfschen Swider und Wilga die alten piastischen Her-
zoge von Masovien (die 1525 ausstarben und jener Gegend
nahe gegen über auf dem linken Weichselufer ihr noch in
Ruinen stehendes Resideuzschlofs Czerik hatten) einen Thier-
garten gehabt hätten, der von einem sehr selten zufrierenden
kleinen klaren J3ach durchschnitten wurde und wo sie nach
seiner Angabe (wahrscheinlich in der letzten Zeit ihrer Exi-
/ stenz) nur noch Hirsche und Damuli zu ihrem Vergnügen hiel-
ten. Vom Tur weifs der Mann in dieser Gegend nichts mehr.
*) Swigcicki descriptio Ducatus Masoviae topographica iii Mi-
cleri collectio magna Historiarum Poloniae et LIthuaiiiae scriptoruiu
Tom. I. p. 486.
86
Aber die Beschaffenheit der Gegend ist ganz so, dafs er frü-
her da wohl gelebt haben mag und Swi^cicki führt aus-
drücklich an, dafs sich von dort der grofse, heute freilich ge-
lichtete Wald längs der Weichsel bis zum Narevv (durch den
heutigen Kreis Stanislavvow hindurch) gezogen habe und vom
Flusse Sphydrus (d. h. heute Svvider) durchschnitten wor-
den sey.
Wie können wir auf GefsnerUns berufen, um den ihm
so wenig bekannten Tur für verschieden vom Ziibr zu erklä-
ren, wenn er von der im Artikel de Rangifero p. 951 mit-
getheilten sehr richtigen Zeichnung eines Elengeweihs nicht
einmal gewifs ist, ob dieses Geweih einem Rennthier oder
einem andern Thiere angehörte, da er doch selbst im Artikel
de ^Ice p. 2 schon ein Elengeweih, wenn auch etwas weni-
ger gut, abgebildet hat, und man auf den ersten Anblick be-
kennen mufs, dafs beide Zeichnungen nur einen und denselben
Gegenstand darstellen, auch zu seiner Zeit, nach Sebastian
Münsters Nachrichten, Elengevveihe sehr häufig im Handel
bei den Augsburger und andern deutschen Kaufleuten vor-
kamen.
Endlich im Artikel de Uro p. 157 erkennen wir die da-
von gegebene Abbildung sofort für einen Zubv mit dem Bart
wie er von dem hinter einem Baum versteckten Jäger mit
dem Spiefs erstochen wird und nach vorn mondförmig ge^
krümmte ziemlich kleine Hörner hat. — Noch deutlicher wird
diefs am Ende des Isten Theils p. 1097 wo er unter der
Ueberschrift ParaUpomena hinzufügt:
„Uri quoque effiglem ante paucos dies, ard vivum expres-
sam Seb. Münsterus nobis communicavit a nostra (quam ex ta-
bula Moscovlae Aiitonii Wied muluati sumus) noii nihil dlver-
sam. Corpus Uri, quem pictura illa repraesentat, perquam cras-
sum est, tergo summe fere gibboso, longltuJo ei a capitc ad
caudani brevior quam proceritas et venlris laterumque et dorsi
crassiludo postulet. Cornua densa, nigra, brcvla, ocull versus
extcriorem canthum rubicundl, os latuni, crassus et simiis nasus.
Crassum et amplum caput, facles (ut sie vocem) lata. Tempora
viliosa, nieulum barbatum, sed brcvibus vlllis nigris. Color fere
nigcr, iiiaxlnie In temporibus, niento, collo et in facle, latcribus,
crurlbtis, caiula ad puulceum verglt."
Diese Zeichnung war durch Sebastian Münster, also j
von einem preufsischen Zuher entlehnt und die Beschreibung
ist selbst bis auf die Färbung der verschiedenen Körpertheile
87
ganz genau. — Wie vertragen sich nun diese Zeichnungen
und Beschreibung mit der Gefsn ersehen Angabe in demsel-
ben Capitel, dafs die Uli oder Zuhrones zuweilen 15 Ellen
(Cuhiti) und ilire grofsen liörner 3 Ellen lang wären? —
Ein Verhältnifs der Körperlänge zur Hörneriänge =3:1
beim Zuhj' ist aber eine reine Fabel und ein 3 Ellen langes
Hörn davon hat gewifs niemals Jemand gesehen, da auch die
Körperlänge von 15 Ellen mehr als um die Hälfte übertrieben
ist. — Da nun Gefsn er ferner selbst sagt, der Lriis heifse
in der Illyrischen Sprache (damit bezeichnet er die slavischen
Dialecte) Zuhr oder Zuhro, bei den Deutschen der grofse
Wisent oder grofse wilde Büffel, bei den Russen und
in Preufseu konmie er unter dem Namen Auerochse vor,
das Wort Ur werde zwar ein gallisches Wort genannt, finde
sich aber nicht in der heutigen Sprache Galliens, wohl aber
bezeichne es allein und in Zusammensetzungen in der deut-
schen Sprache die Begriffe alt, waldig und stark; ferner erkenne
erausOppian und Pausanias, dafs der Bison, der bei den
Deutschen auch Wisent heifse, und der Päonische Ochse nicht
allein einen Bart hätten, sondern auch um den Nacken und
die Brust lang behaart seyen, — so ist doch aufser Plinii
verdächtigen Worten auch nicht ein einziges beglaubigtes Zeug-
nifs vorhanden Ur und Bison für etwas anderes als zwei ver-
schiedene Namen eines Thiers zu halten, — Gefsner bis
zum Jahr 1551 hat davon wenigstens weder eine Ueberzeu-
gung gehabt, noch sie Uns beigebracht und sein Schlufssatz
ist ein schwaches Auskunftsmittel:
„Ego certe suspicor, quoniam ab diversis advenis percimctarl
solemus, alium de alio, quem ipse viderit, vel audiverlt, sylvestri
bove respondere, et ita in unum animal congeri quod diverso-
rum est."
Hat endlich Gefsner in der Zeit von 1551 bis zu sei-
nem Tode 1568 von dem Krakauer Einwohner Anton von
Schneeberger und dem polnischen Baron Bonarus noch
einige Nachrichten über den polnischen Tur erhalten, wie sie
in der Ausgabe seines Werks von 1620 T. I. p. 141 mitge-
theilt sind, so vermögen auch diese mein Urtheil nicht zu än-
dern. Anton von Schneeberger, ein Einwohner von Kra-
kau, wird von polnischen Schriftstellern nirgends genahnt, ich
habe alier Mühe ohngeachtet nicht ausmitteln können, v^er er
88
eigentlich war; sein deutscher Name beweist nur, dafs er
höchst wahrscheinlich ein deutscher Kaufmann oder Gewerbs-
mann war, wie diese damals nach den polnischen Annalen so
wie noch heute in allen gröfsern polnischen Städten sich nie-
derliefsen, da die Nationalpolen selten nur Neigung und Ge-
schick für Handel, Kunst und Handwerk gezeigt haben. Der
Mann lebte also als ein Ausländer in Krakau, in einer Gegend
in welcher auch die polnischen Annalen und Topographen
niemals das Vorkonunen des Ziibrs oder Tiirs erwähnen.
Seine Beschreibung vom Tur, den er vielleicht nicht ein-
mal selbst sah, im Wesentlichen mit der von Herberstain über-
einstinnnend, kann Uns mithin ebenso wenig als diese zur Er-
ledigung unserer Streitfrage als entscheidend gelten. Nur die
Form der Hörner hat er anders dargestellt als Herberstain
und das mag eine Verbesserung seyn, da llerberstains
Zubrhörner auch falsch gezeichnet sind. Vom Baron Bona-
rus kennt Hr. v. Bär die Lebens -Verhältnisse nicht. Ich
mufs dieselben deshalb erläutern und sie sind bald ausgemit-
telt, wenn wir Mathias Miechovita,*) Bielcki. **)
Tomasz Swiecki***) und Niemcewiczf) zu Rathe zie-
hen. — Die Familie Bonar oder eigentlich richtiger Bonner
ist eine deutsche in Polen eingewanderte. Johann Bonar,
in der Metryk Korony sehr häufig in Unterschriften richtig^
Johann Bonner geschrieben, zog unter König KasimirlU
Jagellonczyk wegen Religions- Verfolgung aus Weifsenberg
nach Polen, war einer der reichsten Kaufleute zu Krakau, er-
warb nach damaliger Sitte durch den Besitz eines grofsen
Hauses in Krakau, das heute noch das Bonnersche heifst, den
polnisclien Adel, und hatte noch 3 ebenfalls reiche und tha-
tige Brüder Jacob, Friedrich und Andreas. Von einem dieser
Brüder stammte Seweryn Bonar ab, der sich mit der einzi-
gen Tochter des reichen KaufmannsBethmann zu Krakau ver-
heiratheto, aus welcher Ehe eiue Tochter, Sophia, entsprofs, dio
») Chronica Polonoriim. Orocowia. 1521. fol.
**) Kronika polska. Edit. Bohomulea p. 456.
'*") Opis starozytnay Polski Toni. I. p. 122.
f) Im Zbior Pomie.tuikow T. I. p. 252 und 380.
89
der nachmalige Kron-Grolsmarschall F i r 1 e y heiratliete und mit ihr
auch das eine Meile von Krakau entlegene Baiice erbte, wo Joh.
Bonnar ein zu damaliger Zeit berühmtes und schönes Schlofs
erbaut hatte. Gleich nach dem Regierungsantritt König Sieg-
mundl im Jahr 1506, als sich dieser in grofser Geldverlegen-
heit befand, machte er den Kaufmann Joh. Bonar, der zugleich
Burggraf des Königlichen Schlosses und Bürgermeister der
Stadt Krakau war, zu seinem Bevollmächtigten, der in Kurzem
so viel Geld schlagen liefs, dafs er die versetzten Königlichen
Güter, Salzwerke und den Zehnten der Olkuczer Bergwerke
wieder einlösen und das sehr verfallene Königliche Schlofs zu
Krakau restauriren konnte. Er ward bald darauf Zupnik (d. h.
Administrator der Salzwerke) von Wieliczka und Bochuia *)
Sein Neffe Seweryn Bonar war wie wir aus einem Briefe des
berühmten Erasmus von Rotterdamm (1467 — 1536) an
ihn ersehen, ein Beschützer gelehrter Polen und wird in ei-
nem Briefe des Krakauer Bischofs und Krön -Unterkanzlers
Peter Tomicki an ihn ebenfalls Zupnik und wielki Proku-
rator Krakowski genannt, zur Zeit als Papst Clejnens VII von
Karl V wieder in Freiheit gesetzt war (also nach 1527). Spä-
aber beim Einzug König Heinrichs von Valois 1574 nach Kra-
kau empfing ihn Seweryn Bonar als Starost zu Rabstyn und
Olkucz. Es ist mithin, da Gefsner seine Nachrichten von
Bonar erst nach 1551 erhalten haben mufs, ziemlich gewifs,
dafs er sie von diesem Seweryn Bonar erhielt. So aufgeklärt
der Mann nun auch seyn mochte, so läfst Uns seine Stellung als
hoher administrativer und juridischer Staats-Beamte in und bei
Krakau eben nicht erwarten, dafs er besonders befähigt gewesen
wäre über naturhistorische Gegenstände, besonders in grofser
Entfernung von seinen Wohnorten, ein entscheidendes Urtheil zu
fällen. Seine ausgesprochene Meinung, dafs der Tur aus der
*) Dies ersehen wir aus Joacliimi Vadiani Co?ttmentariohis in
Pomponmm Melam de Sarmatia in Mlcleri coUectio magna scri-
j)tor, Polononiae et Lithuan. Historiar. T. I. p. 4. 6.^ denn Vadianus
aus der Familie de Watt in St. Gallen 1484 geboren, bereiste, ehe
er 1517 in Wien Doctor wurde, Italien, Ungarn und Polen und ward
bei seiner Besichtigung der Salzwerke zu Wieliczka und Bochuia von.
diesem Zupnik Joh. Bonar, also vor 1517, empfangen.
90
V^erinischun^ eines männlichen Bison mit einer zahmen Kuh
entsprossen sey, woraus Hr v. Bär schliefsen will, dafs der
Tuj' dem zahmen Rinde ähnliclier als der Bison gewesen sey,
rechtfertigt völlig meinen Ausspruch, denn wir wissen durch
alte und neue Beobachter, dafs eine solche Vermischung keine
lebendigen und fortpflanzungsfähigen Jungen gab. — Bonars
Zeugnifs ist daher so gut wie keins. —
Nachdem ich hiermit gezeigt habe, wie wenig Gefsners
Nachrichten und Schilderungen zur Entscheidung unserer vor-
liegenden Streitfrage beitragen, gehe ich meinem Plane gemäfs
dazu über, die polnischen und über Polen schreibenden To-
pographen und Chronisten aus dem 15ten und IGten Jahrhun-
dert zu verholen, welche gelegentliche Nachrichten über Zuhr
und Tiir mittheilen. Aus der ziemlich zahlreichen Reihe der-
selben gehören hierher chronologisch geordnet nur:
1) Johann Dlugosz, 2) Aeneas Sylvius, 3) Sche-
del, 4) Mathias Miechovita, 5) Erasmus Stella,
6) Sornicki, 7) Cromer, 8) Andreas Swi^cicki und
9) Krasinski (Crassinus).
Von diesen sind Aeneas Sylvius, Schedel und Eras-
mus Stella Ausländer, die für unsern Gegenstand wenig Ge-
wicht haben; Schedel und Krasinski erwähnen übrigens
den Tur gar nicht. Ehe wir diese Schriftsteller benutzen, ist
es noth wendig, ihrer Beurtheilung wegen, ihre Lebensverhält-
nisse kurz zu schildern:
1) Johann Diugosz (Longinus) aus der Familie Wiz^
niawa, 1415 zu Brzeznika in Polen geboren, wurde von sei-
nem Vater, der später Präfect der Stadt Nowy miasto Kor-
czyn am Ausflufs der Nida war, nach Krakau auf die Univer-
sität geschickt, lebte hier in der Familie des Bischofs Zbig-
niew, widmete sich dem geistlichen Stande und wurde bereits
in seinem 2üsten Jahre Subdiakonus zu Krakau, sodann Pfar-
rer zu Klobucko bei Czenstochau, dann Canonicus zu Krakau.
Vom König Kasimir lll in seinem Kabinet gebraucht, ging er
als (iusandter nach Ungarn, Breslau und Rom, besuchte 1450
<las heilige Grab in Jerusalem, ward später der Erzieher der
Söhne des Königs Kasimir, zuletzt zum Erzbischof von Lem-
berg ernanni, starb aber bald darauf am lOten May 1480.
Sein wichtiges Werk, Johannis Dlugossi hisioriac Po-
91
lonicae Lib. XIII besitzen wir nur in einer vollständigen
Ausgabe Lipsiae 1711 in fol. die genau abgedruckt wieder in
Micleri collectio magna T. III, IV und V erschien, nach
welcher ich es hier citire. Rechnen wir die meist fabelhafte
Geschichte der ältesten Zeiten bis zur Bekehrung zum Chri-
stenthum im Isten Buche ab, so hat Diugosz für die fol-
genden Zeiten das grofse Verdienst, dafs er die vorhandenen
Nachrichten aus den ältesten polnischen Chronisten unter sich
kritisch verglich und mit einander in Harmonie zu bringen
suchte, dafs er durch seine politische Stellung begünstigt die
öffentlichen Archive und die Papiere vieler angesehenen Fa-
milien benutzen konnte, daher wir bei ihm selbst schon aus
den Zeiten von den Jagelionen manche Nachrichten antreffen,
die andere Chronisten nicht mittheilen.
2) Ziemlich gleichzeitig mit Diugosz lebte Bartholo-
mäus Piccolomini, unter dem Namen Aeneas Sylvius
bekannter, geboren in Italien 1405, unter dem Namen Pins II
1458 zum Papst erwählt, gestorben zu Ancona 1464. Er hin-
terliefs verschiedene Schriften die 1571 zu Basel in der of-
ficina Henricpetrina in einem Volumen edirt wurden und
von denen Uns hier nur cap. 25 — 29 von seiner Historia
Europae interessirt. — Das auf Polen Bezügliche steht auch
in Micleri collectio magna T. I.
3) Ebenfalls gleichzeitig mit Diugosz lebte Hartmann
Schede!. Er war Doctor Medicinae zu Nürnberg, seinem
Geburtsort, und starb 1485. Von ihm interessirt uns sein
Commentariolus de Sarmatia in seinem Werke: Liher
Chronicorum, das 1443 zu Nürnberg (diese Jahreszahl ist
wahrscheinlich irrig, vielleicht 1483) edirt seyn soll. Der
Commentariolus steht in Micleri Sammlung T. I. p. 227.
4) Mathias von Mie^how in der Stadt Miechöw im
Palatinat Krakau 1456 geboren, studirte zu Krakau, erhielt
daselbst 1476 den ersten akademischen Grad, besuchte dann
fast alle deutsche und italienische Universitäten seiner Zeit,
ward hierauf Leibarzt König Siegmund I. und später, da ihm
das Hofleben nicht zusagte, Canonicus zu Krakau, als welcher
er mehrere Schulen zu Krakau und Miechow anlegte und
1523 starb. In seinem berühmten Werke Malhiae JMiecho-
vitae descriptio Sarmatiarum Asianae et Europaeanae.
92
Cracov. 1521. 4. ap. J. Ilaller zeigt er sich als einen sehr
genauen Kenner der Lander, über die er schreibt, in Hinsicht
auf Topographie, Sprache und einige naturhistorische Gegen-
stände.
5) Erasmus Stella, geboren zu Leipzig, Doctor Me-
dicinae, dedicirte sein Werk de antiquitai'ibus Boriissiae Li-
l)ri IL dem Hochmeister des deutschen Ordens Herzog Fried-
rich von Sachsen, der von 1498 bis zu seinem Tode 1510
diese Stelle bekleidete und ward 1513 Bürgermeister zu Zwickau.
Seine Angaben sind, da sie nicht auf eigenen Beobachtungen
beruhen, von geringem Werth.
6) Stanislaw Sarnicki, ein geborner Pole, vom Wap-
pen Slepowron, ging zur reformirten Kirche über, ward Super-
intendent der rusinischen Provinzen, legte dieses Amt nieder,
ward Kriegstribun (Woyski) von Krasnostaw und starb gegen
Ende des 16. Jahrhunderts. Sein von Joh. Sienincki (Sienie^
nius) zu Krakau 1585 in Fol. edirtes Werk Sarnicii de-
scriptio veteris et novae Poloniae steht auch in der Samm-
lung der polnischen Historiker von Mi der T. l. p. 242.
7) Martin Kromer, aus niederem Stande 1512 zu
Biecz in Kleinpolen geboren, studirte zu Krakau und Bologna,
ward sodann als Königlicher Secretair und Canonicus zu Kra-
kau in verschiedenen diplomatischen Angelegenheiten gebraucht,
war 7 Jahre lang am Hofe Kaiser Ferdinand L', ward nach
dem Tode seines Freundes, des Kardinals Hosius, in dessen
Stelle als Biscliof von Ermeland eingesetzt und starb am 23.
März 1589. Aufser seinem sehr bekannten Werke De ori-
i^ine et rebus gestis Folonorum libri XXX. Basileae 1555
besitzen wir von ihm auch ein politisch -topographisches: Po-
lüiüa sive de situ, popuUs, vioribus , inagistratibns et re-
publlca regni Polonici Lih. IL Basileae 1568. foL Wieder
abgedruckt in Micleri Collectio T. I.
8) Andreas Swi^^cicki. Wir wissen von ihm nur,
dafs (T Notarius in der Ziemia Nursiva, in einer der 10 Land-
hchuiten war, in welclie damals Masovien eingotheilt wurde
und welche sich von Radzunin und Sierock am Bug aufwärts
zog und dio beiden Powiaty (Kreise) Kamienzyk und OstnW
umfafste, mit ihrer Hauptstadt Nur am Bug. Er lebte unter
Siegmujid HI., docl» ist sein Geburts- und Todesjahr unbü-
93
kannt. Die von ihm verfafste Topographie von Masovien
(Aiiflreae Swiecicki Notarii terrae Nurensis descriptio topo-
graphica ducatus Masoviae) ist erst von seinem Sohne Sieg-
inund 1634 in Warschau in 4to edirt und von diesem mancho
Zusätze gemacht worden.
9) Johann Krasinski von Krasne, ein Enkel des Bi-
schofs von Krakau, lebte in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts. Er ging seiner Ausbildung wegen nach Italien, wie
damals fast alle^tudirende Polen thaten, schrieb dort sein höchst
seltnes Werk Joh. Crassini Polonia Lib. IL Bononiae 1574,
wovon der gelehrte Bischof Zalucki in seinem Leben nur 3
Exemplare sah, und starb als Cantor und Canonicus zu Kra-
kau und Gnesen und zugleich als Königl. Secretair am 13.
April 1612. Jenes seltene Buch ist wieder abgedruckt in
Micleri Collectio magna T. 1. p. 387.
Wir beginnen mit Diugofz, der uns den besten Auf-
schlufs verschafift. Wir finden diesen im Lih. IV. ad an.
1107 in folgender Erzählung aufbewahrt: Als Boleslaw III.
Krzywousty (Folonorum princeps et Monarcha, s. Aegidii
Confessoris praecipuus cultor^ die pommersche Stadt Scze-
cino (Stettin an der Oder) belagerte und mit Hülfe des hei-
ligen Aegidius eroberte, hatte er unter seinem Heere einen
sehr thätigen Jüngling Namens Setegius, der bei ihm das
Amt eines Mundschenken verwaltete. Als sich nun nach Ein-
nahme der Stadt dieser Setegius durch gottlose Reden ver-
gangen hatte (ich übergehe die lange Erzählung davon), er-
schien ihm in der nächsten Nacht der heilige Aegidius, der
nachdem er ihn erkannt hatte, folgende Worte zu ihm sprach :
„Tu qiildem Setegi ex dilatione confesslonis, orationis etpoe-
nitentiae mortem evasisse te glorlaris, at ego tibi interitum vi-
cinimi iam iamqiie adesse praedico. — Quo diclo et vox et vi-
sio Setegium deseruit, qui etsi visione oraculi deterrltus, etiam
in membris singulis langiiidatus foret, non ob id tarnen emen-
datior effectus, Boleslaum ducem post dies quinque venationes
tractantem, in saltiis de Vsosin, quibiis Zubronum habe-
batur copia, est sequutiis. Cumque Boleslaiis dux mulctatis mul-
tis feris Zubronum, unum rarae magnitudinis et fero-
ciae, aliarum aspernantem consortia et quae lingua eo-
rum Odiniec, unicus et singularis, de cubili, in quo latebat.
exturbasset, et fera rictus canum, venabulaque militum evasura,
fuga efficaci ex omnium insidiis se eripuisset, in Setegium
forte Pincernam incurrit. Qui cum fugere aut se occultare,
94
Duce Bolcslao et caetcris commllltonibiis inspectantibiis, lurpe
diicens, eqiio deslliens, vcnabulo aegre excJpIt feram, sed ferro
nc qulcquam adacto luinil cadit prostratus, ferae saevitiam vel
ea prostratlonc evitatiirus. Verum tunis, qui sua natura et
niore in iacentes obsllnatlus grassatur, Setegium prlmum ungu-
lls, delnde cornibus exceptum et in acre altius ibidem juxta ac
quandam pilam frequentlus ventilatum, ad extremum in fruteta
et splneta confractum et semivivum projecit. Qui cum inde fera
discedente, familiarium manibus levatus, pannisque involutus et
constrictus, in proximam civitatem relatus, nullo sensu suum sa-
tls vigorem retinente, mentis insuper allenatlonem, quac illi ex
crebra ferae jactione provenerat passus, non secus ab cognitis et
familiaribus, quam prope horam moriturus plangebatur."
Dann folgt die Erzählung, wie er dennoch durch die In-
tercession des heiligen Aegidius wieder hergestellt worden und
zum Dank eine Reise zu Fufs zum Grabe des Heiligen in der
Provence gemacht habe. Diese denkwürdige Stelle, in wel-
cher glücklicher Weise das alte Chronicon oder die Legende,
aus welcher Diugofz sie entnommen haben mag, die darin
vorkommenden Thiernamen nicht in lateinischer, sondern in
polnischer Sprache uns überliefert, lehrt nun
1) dafs im Anfang des zwölften Jahrhunderts die Zuhj'o-
nes in den sumpfigen Wäldern am Unterlauf der Oder in
Pommern (im Wald von Vsosin bei Stettin) noch häufig leb-
ten. Das sind mithin die Ferinae Buhalorum, die der
der slavischen Sprachen unkundige Biograph des Bischofs Otto
(JTita St. Ottonis in Hlstor. anonymi ciijusdam Lib. IL
cap. 39. p. 324} aus derselben Zeit in Pommern namhaft
macht und welche 500 Jahre später Gramer mit den Namen
Püffel oder Uhr-Ochsen belegt. Es sind dieselben Wy-
santen, von denen drittehalb Jahrhunderte nach der Bekehrung
der Pommern Fürst Wratislaw V. einen in Hinterpommern
erlegte, dasselbe Thier, das heute noch Zuhr oder Auerochse
heifst.
2) Lernen wir daraus, dafs einer dieser Zubronen, von
seltner Gröfse und Wildheit, der die Gemeinschaft mit den
andern verschmähte {aliarum aspernans coiisortiä) und von
Herzog Boleslaw aus seinem Lager aufgescheucht wurde, in
der Landessprache {q une lingua eovum vocat) Odiniec
mit dem Zusatz müais et singularis genannt wurde. Die
damalige Landessprache von Pommern war aber ein slavi-
scher, zum nordwestlichen Hauptzweig der slavischen Spra^
95
cheii gehöriger Dialect, der von der polnischen Sprache we-
nig verschieden, sich noch bei einem schwachen Ueberrest je-
nes Stammes, den Kaztiben in Ilinterpommcrn, die sich selbst
Slowiencen nennen, erhalten hat. Daraus ersehen wir wieder,
dafs in älteren Zeiten nicht allein ein einzeln herumstreifender
alter Eber Odyniec, wie jetzt, genannt wurde, sondern dafs
auch bei andern Thieren dieses Wort angewandt wurde, in-
dem im alt slavonischen Odin dasselbe wie Jeden d. h. Ei-
ner, Jedyny ein Einzelner bezeichnet. (O für Je kommt im
Russischen auch in andern Wörtern vor, z. B. Ölen anstatt
Jelen im Polnischen.) Dieser Odiniec, den Herzog Boleslaw
aufscheuchte, war mithin ein einzeln gehender von der Heerde
abgesonderter alter Zm&z*- Stier, da wir wissen, dafs die alten
Stiere nach Ende der Begattungszeit sich von der Heerde
trennen und einzeln herumirren, während die Jüngern Stiere
bei den Kühen bleiben. Darauf pafst mm auch ganz genau
die Angabe des Dhigofz, dafs dies ein Zuhi^ von seltner Gröfse
und Wildheit gewesen sey, denn die alten Stiere sind aller-
dings die gröfsten.
3) Dieser einzeln herumirrende, durch die Hunde der
Jäger gereizte Zuhr- Stier oder Odiniec stürzte sich nun auf
den Mundschenk Setegius, der vom Pferde springend seinen
Jagdspiefs gegen ihn gebrauchte, bei diesem Angriff aber zur
Erde stürzte. Plötzlich gebraucht nunDiugofz, indem er in
seiner Erzählung fortfährt, nicht mehr die Wörter Zubro und
Odiniec sondern die Benennung Tunis. Der Turus, erzählt
er, der seiner Natur und Gewohnheit gemäfs noch hartnäcki-
ger gegen einen liegenden Feind wüthet, ergriff ihn zuerst mit
den Klauen und dann mit den Hörnern um ihn in die Höhe
zu schleudern. Hier war nun von keuiem andern Thiere als
einem Zuhr (Auerochsen) die Rede, der einzeln auf der Jagd
verfolgt in Wuth gerieth und dieses selbe Thier wird zugleich
mit dem Namen Turus bezeichnet. Hiermit ist also nach
Hrn. von Bars Wunsch durch eine unverwerfliche Stimme
aus dem Mittelalter selbst
die identische Bedeutung vom Tur und Zuhr
evident erwiesen und wenn wir damit die vom Biograph
des Heiligen Otto und von Cramer in der Pommerschen
Kirchengeschichte gebrauchten Worte und Nachrichten ver-
96
l)in(lc]i, zugleich die Identität jener Namen mit den im Mittel-
alterlichen Latein und im alten Deutsch gebrauchten Namen
fcriis hiihalus, Püffel, Ur-Ochsen und Jfysant er-
wiesen.
Gegen dieses Zeugnifs wird Niemand etwas von Gewicht
einwenden können, um so weniger, als dasselbe ganz unab-
sichtlich, im wahrhaft naiven Chronisten-Ton und ohne irgend
eine ^Vichtigkeit für naturhistorische Bestimmung darauf zu
legen, gegeben worden ist. Dadurch wird das ganze mittel-
alterliche Geschwätz von Albertus magnus bis auf Rz;j-
czynski beseitigt, was Naturforscher in der Kindheit der
Wissenschaft, Topographen und Reisende, die alle nicht in eine
kritische naturgeschichtliche Prüfung eingingen, von der Ver-
schiedenheit zweier wilden Ochsenarten in Mittel -Europa er-
hoben haben, denn alle waren nicht im Stande diese Verschie-
denheit mit Sicherheit nachzuweisen, und alle waren nur durch
Plinius verführt, zwei provinzielle oder dialectisch verschie-
dene Namen auch für zwei verschiedene Thiere zn halten.
Dlugosz theilt Uns ferner aus einer Zeit, in welcher er
selbst zum Theil schon lebte, aus der Regierungszeit des Jagd-
lustigen Königs Wladislaw Jagello noch mehrere andere Nach-
richten mit, die für die Verbreitung und Häufigkeit der Zii-
hry recht interessant sind. Als sich dieser König zu seinem
Kampfe mit den deutschen Ordensrittern in Preufsen rüstete,
sehen wir ihn in den Jahren 1409 bis 4411 von einem der
Haupt -Jagdreviere seines Reichs zum andern ziehen, um selbst
das Fleisch des erlegten Wildes in sein für den folgenden
Krieg bestimmtes Haupt- Magazin zu Plock an der Weichsel
abführen zu lassen. Nach Lib. X 1. c. p. 675 ging König
Wladislaw im Jahre 1409 von Brzesc (Litewski) nach Kami-
niec Uuthenicale (d. h. Kamenice an der Lesna im jetzigen
Gouvernement Grodno). Von da schickte er den Grofsfür-
sten Witold (Alexander) mit dem Chan der Tataren nach Li-
thauen zurück, er selbst aber
ex (^oinynlecx processit ad vcnatlonem in Biatowycze ultra flu-
viuni J^s/.na. Wladislaus autem Poionlae rcx venalloin dans
o|)L'raiii apud Bialowycze octo dicbiis <l(Mnorat«.s, sub (juibus
iiiiillas h'iMs sylveslres (also namentlich Auerochsen und Elcn-
I liiere) capit t't sale infusas in vasis per Marew et Wislam in
Plotkü pro fiituro belle asscrvandas, pennisit. Dci.- ' in ler-
97
ratn sui regni Chelmensem per Camyniecz, Lacki, et Kobria per-
veniens dies natales Christi apiid Lubomlia egit.
Sodann gleich nach abgehaltenem Christfest 1409 (im
Anfange des Lib. XI. p. 676) in Lubochnya, Thur, Loczko,
Batno (also im westlichen Theil der grofsen Sümpfe von Pin-
sil) secedens , Studium venandi resumit captas feras pro
Pruthenico hello reservens. Der Jagdzng dauerte bis zur
Fastenzeit 1410 fort, denn er ging bald darauf aus dem Lande
Chelm nach Parczow, von da über Lublin, Kazimirz Sicezie-
chow in feria quiiita ante Cornisprivium nach Kozienycze
(wo noch bis zu den Zeiten Stanislaw Augusti berühmte Hirsch-
jagden waren) und von da pro Carnisprivio nach Jedlna (d. i,
Jedlina mit einem ehemaligen Jagdschlofs in den grofsen Wäl-
dern zwischen Koszenice und Radom). Endlich zog er von
da über Itza und Opatow nach Sandomir. Auch hier war in
der Nähe noch ein damals berühmtes Jagdrevier, denn es heifst
weiter p. 678: Ex S and omiria feria tei^tia post Dominicain
Reminiscere Wladislaus rex venit in Przissoiv (d, h.
Frzyszow im heutigen Galizischen Kreise Rzeczow in der
sumpfigen waldigen Niederung zwischen San und Weichsel
1 Meile südlich von Rozwadow auf der Strafse nach Rzeczow
und etwa 3 Meilen südöstlich von Sandomirz) uhi Herum ve-
nationi intentus, multas feras sylvestr es onagrinas, quae
in Polonico Loszi vocantur, et Zuhrinas cepitj et quin-
quaginta vasa de Ulis complens, ea in Ploczko pro futura
expediiione cum aliis servanda per undas transmisit. So
war also der König vom December 1409 bis in den März
1410 auf der Auerochsen- Elen- und Hirschjagd herumgezo-
gen und ging von Przyczow über Lezaysko, Kopki und Ja-
roslaw am Sonntag Laetare nach Przemysl, eine Woche spä-
ter nach Lemberg, sodann weiter nach I^odolien. — G^^Qn
Ende des Jahres 1411 finden wir den König abermals auf der
Jagd. Als er nämlich von Brzesc in Kujavien nach Racy^sz
gegangen war, um dort mit dem deutschen Ordens -Meister
Heinrich Reufs von Plauen eine persönliche Unterhandlung zu
pflegen, die aber nicht zum Ziele führte, kehrte er nach Brzesc
zurück und bewilligte den Rittern noch eine Monatsfrist zur
Unterhandlung.
„Qua confecta (heifst es nun weiter in Lib. XI bei Micler
Wiegm. Archiv. VI. Jahrg. 1. Band. ' 7
98
T. ni- p- 715) Wladlslaus Poloniae rex e Brescie egressus per
Przedccz, Laneiciam (Lenczyce) et Lowicz in Viskitky perverilt,
et a Semovito Duce Masoviae ac consorte sua, gcrniaua Regia
Alexandra, et quinqne filüs eoriim communibus, SeinovitKo, Wla-
dlslao Alexandro, fraydeno et Casimiro magna charitate et ho-
iiore exceptus et habitus est. Post dies auteni quatuor, quibus
ferarum venatloni operam dederat, ex Viskitky disgressus per Osu-
chüw (zwischen Mszczonow und Blala) B^dkow (bei Goszczyn)
et Stromlecz (bei Blafobrzegl) Jedlnam proveniens , Nativitatls
illic Christi festos egit.
Damals werden die wilden Thiere in den Wäldern von
Viskitki nicht genannt, aber Lih. XL p. 862 ad annum 1422
erzählt D Ingo sz, dafs der König Wladislaw aus Preufsen
zurückkehrend über Posen, Pyzdry, Szadek nach Masovien
gereist sei und in Viskitki venationes tauronnn sylvestrium,
qiii in Polonico Thuri appellantur, agebat. Das ist das
zweite Mal, dafs Dlugosz den Namen Thur nennt. Weil
wir aber schon von ihm aus früherer Zeit wissen, dafs dar-
unter nur Zubr- Stiere zu verstehen sind und Mucante
in denselben Wäldern ohnweit Viskitki die Zubii gesehen hat,
so kann auch in dieser Stelle nichts anders darunter verstan-
den ,werden. — Noch später anno 1426 (wahrscheinlich im
Anfange des Jahres) finden wir den gewaltigen Jäger aber-
mals in loco venationum, qui appellatur Bialowicze, wo er
wie Diugosz naiv sich ausdrückt, bei der Jagd eines Bären
casuaUter das Bein brach. Das hielt ihn aber nicht ab, schon
am Ende desselben Jahres von Niepolomicze (ein berühmtes
Jagdrevier nicht weit unterhalb Krakau auf der Galizischen
Seite) nach Lithauen zu reisen und daselbst den ganzen Win-
ter die wilden Thiere, die dieses Land erzeugt, zu fan-
gen. Er schickte davon der Königin Sophia, seiner Gemahlin,
den Erzbischöfen, Bischöfen, Palatinen und Baronen des Reichs,
den schlesischen Herzögen, dem Krakauer Kapitel, den Magi-
stern und Doctoren der Universität, so wie den [Burgemeistern
von Krakau theils im Winter ganze Stücken Wild, theils
wenn die Jahreszeit zu warm war, das Fleisch derselben ein-
gesalzcn zum Geschenk (Lib. XI. p. 879 und 883). Ebenso
als er nach Weihnachten 1434 von Radom nach Lenczyce rei-
sete, hielt er sieh wieder etliche Tage der Jagd halber zu
Viskitki iji Masovien auf und schickte abermals seiner Ge-
wohnheit gemäfs von den vielen erlegten wilden Thieren Ge-
99
schenke an die Krakauer Prälaten, Burgemeister und die Uni-
versität. — So weit Diugosz, aus dessen Nachrichten wir
also kennen gelernt haben, dafs zu den Zeiten König Wladis-
law Jagello
1) Die Haupt -Jagd -Reviere für grofses ^Vild: die Bialo-
wiezka puszcza, die Gegend von Wiskitki bei Warschau (Jak-
turowska puszcza) die Gegend von Lubomla und Ratno am
Przypee in Volhynien, die Gegend von Przyszow zwischen
dem San und der Weichsel, die grofsen Wälder bei Kosze-
nice und Jedlina in Sandomirien und die Wälder von Niepo-
lomicze ohnweit Krakau waren/
2) Dafs der ZiibVj der heute nur noch bei Biaiowieza
lebt, in den Wäldern von Wiskitki im 17ten Jahrhundert aus-
starb, damals auch noch wahrscheinlich in den sumpfigen Wäl-
dern von Volhynien und den Sümpfen von Pinsk, sicher aber
noch mit dem Elen zusammen in den Wäldern zwischen San
und Weichsel lebte, wo diese Thiere auch schon längst ver-
schwunden sind und
3) dafs damals Zubri, Elen und Hirsche in jenen Wäl-
dern so häufig waren, dafs ihr Fleisch sogar als Proviant für
den bevorstehenden Krieg mit dem deutschen Orden aufge-
stapelt werden konnte. Gegen diese ausführlichen und lehr-
reichen Nachrichten des DJ-ugosz sind die seiner Zeitgenos-
sen Aeneas Sylvius und Seh edel in den oben angeführ-
ten Werken allerdings unbedeutend, aber der Vollständigkeit
wegen mufs ich sie doch erwähnen. Beide führen Uri und
Bisontes nicht neben einander an. Aeneas Sylvius als
er von Polen spricht, schreibt nur:
„Vini rarissimiis usus, nee vineae cultura cognita, ager Ce-
reris ferox, multa genti armenta, multa ferarum venatio, equum
sylvestrem praeter cornua Cervo similem (also das Elen)
edunt, boves feras venanlur, quos prisci Uros vocavere."
Hartmann Schedel hingegen schreibt:
„Hercynlum autem celebratissimum neraus, quo in tota Eu-
ropa nihil praestantius, Sarmatiam totam percurrit, et circa Cra-
coviam saltus suos extendit: per quos ire potest unusqliisque us-
que in Lithuaniam et Scythiam. Tantis brachiis regionem illam
totam pervagatur ferarum maximas educens greges; In ea vero
sylvae parte, quae septentrionalior est, bisontes fert, quae fe-
rox et immanis bellua est, humanum. genus raaxime perosa: ad
vescendum maxime conveniens. Formam autem gerit citrini co-
7*
100
!oris (!) frontem latam et cornua fert, ut nee venatori satls ap-
tiini Sit, iilsi niaximis varlisque laboriijus.'* —
Mathias von Miechow der sich in seiner descriptio
Sarmatiaruin im Lib. II. cap. III. de amplitudinc et conten-
tis magni Ducatus Llthuaniae als ein sehr genauer Kenner
Lithauens und der Sprachen, die da gesprochen werden, zu
erkennen giebt;*) beschreibt 1. c. p. 212 die rohe Lebensart
der Einwohner, die grofsen, sich 10, 15 und selbst 25 Millia-
rieu lang erstreckenden Wälder, an deren Rändern nur die
Menschen wohnen und die zahlreichen wilden Thiere dersel-
ben jagen, als
„Uri et boves sylvestres, quos llngua Ipsorum Thiiros
et Zumbrones vocant, Onagri et equl sylvestres, Cervi, Da-
niae, Dorcae, capreae, apri, ursi, martes, Sciuri et cetera genera
ferarum."
Dann beschreibt er noch ein sehr wildes und schädliches
TJiier in Lithauen und Rufsland mit Namen RossomaJc d. h.
den Vielfrafs (Uj^sus gido^. Er ist der erste der dieses Tliier
erwähnt und mit seinem noch jetzt gebräuchlichen polnisclien
Namen nennt.**) Es bleibt ungewifs, ob Mathias von Mie-
*) Niemand als er hat Uns aus jener Zeit so genau darüber be-
lehrt. Er sagt, dafs die lithauische Sprache in 4 Dialecte zerfalle:
1) den Jaczwingischen bei den um Drohiczin herum Wohnenden, von
denen aber schon nur sehr Wenige übrig waren; 2) den Dialect der
eigentlichen Lithauer und Samogitier, 3) den der eigentlichen Preufsen
und 4) den in Lothwa velLothihola d.h. in Lievland, an der Düna und
um Riga. Wenn gleich diese Dialecte eigentlich nur eine Sprache
seyen, so verstehe Einer den Andern doch nicht völlig, wenn er nicht
alle Provinzen besucht habe. Der Preufsische Dialect werde schon
sehr wenig mehr gesprochen, weil die polnische und deutsche Sprache
sich dort ausgebreitet haben. Eben so in Lettland (Lathwa) sprä-
chen nur noch wenig Landleute lettisch, die übrigen deutsch. Aber
in Samogitien von 50 Milliar. und in Litthauen von 300 Milliar. Länge
werde auf dem Lande litthauisch gesprochen, doch auch schon viel
Polnisch, weil die Geistlichen Polnisch predigten. Alle diese 4 Dia-
lecte gehören der römischen Kirche an, aber in den andern umlie-
genden (damals Lithauen unterworfenen) Landschaften, als in Ples-
kow, Polock, Smolensk und im südlichen Tli/)il (Weifs- und Schwarz-
Rulsland; bis herab nach Kiew seyen die Einwohner alle Russen von
griechischem Glauben und mit russischer Sprache.
**) Hr. V. Bär beruft sich, um die Glaubwürdigkeit Herber-
.stains zu beweisen, besonders darauf, dafs durch ihn zuerst die
Fabeln über das Wallrofs aufgeklart worden seyen und er das Thicr
101
chow Thur und Zumbro für zwei verschiedene flRere hielt,
aber so viel geht aus seiner Erzählung hervor, dafs beide Na-
men neben einander in Lithauen gebraucht wurden und da
hier lithauische und rufsinische (weifsrufsische) Dialecte ne-
beneinander gesprochen wurden, Zumhro aber bestimmt ein
lithauisches Wort ist, so folgt daraus, dafs Thur nicht blofs
in Masovien sondern auch bei russischen Stämmen ein Thier-
name war und wie wir nun durch Diugosz wissen, ein gleich-
bedeutender mit Zumbro oder Zuhr. Gleichzeitig mit Ma-
thias von Miechow erwähnt auch Erasmus Stella die
Vri und hisontes in Preufsen. Dieser, Mann hat aber die
Thiere gar nicht gesehen und gar keine richtige Jdee von ili-
nen gehabt. Nachdem er den Urus beschrieben hat, worunter
er, da er ihm einen Bart unter dem Kinn beilegt, nichts an-
ders als den Zuhr oder Auerochsen verstanden haben kann,
durch den Zusatz aber: excellenti vi et velocitate prqfert
schon sicher beweist, dafs er nur den Plinius abschrieb,
mufste er natürlich auch noch die hisontes juhati erwäh-
nen, von denen er aber, um seine Unwissenheit recht zu do-
cumentiren, hinzufügt sed nostra aetate admodum infrequen^
tes. Es ist ihm mit der Unterscheidung von Urus und Bi-
son gerade so gegangen, wie mit der Unterscheidung von ^l-
ces und Mochlia (eigentlich ^cÄ/m) denn nachdem er die
Fabel vom Mangel der Kniegelenke und dem Riickwärts-Wei-
den des Alces erzählt hat, fügt er hinzu: quae singula non
de alce sed de Mochlia f er a, Uli haud dissimili, Scandi-
mit seinem russischen Namen (Morsj) genannt habe. Seine Beschrei-
bung davon ist nun allerdings die erste richtigere, doch dürfen -wir
nicht vergessen, dafs schon Albertus magnus es unter die Wall-
fische gestellt hat, dafs Olaus magnus und Matthias von Mie-
chow es schon vor Herberstain mit dem richtigen Namen Morsj
bezeichneten. Der Letztere hielt es zwar auch noch für einen Fisch,
allein da weder Mathias noch Herberstain das Thier selbst sa-
hen, so hat Herberstain eigentlich nur mehr Glück als Matthias
gehabt, indem jener zufällig auf einen besser unterrichteten Erzähler
als der letztere stiefs. Matthias erzählt Uns auch, dafs es an den
Küsten von Jngrien und Karelien Wallfische und vituU seu canes ma-
rini gebe, welche die Einwohner (vom finnischen oder Samojedischeii
Stamme?) Fort;o^ nennten. Dieser Name ist wenigstens kein rus-
sischer, da der Seehund jener Küsten bei den Russen fflio»icn'i> heifst.
102
naviam mitfere aliqui prodidere, dicta sunt. Da haben
wir wiedef die Abschrift von dev Unkenntnifs des Plinius
(Lib. VIII. cap. 16) der den scandinavischen Namen ^Ich,
den er gehört haben mochte, wie ihn später Albertus ma-
gnus für Elch schreibt, durch Versetzung der Buchstaben in
Aclilis corrumpirte. Weil nun Achlls anders klang als al-
ceSf da machte er geschwind 2 verschiedene Thiere daraus,
die er niclit einmal geographisch scheiden konnte, weil er al-
ces dem Norden und achlis der Insel Scandinavia in demsel-
ben Norden zuschrieb. Auch Albertus magnus (Lib. 22.
Tract. IL cap. 1.) hat in den Artikeln de ec/uicervo, de al-
che und de aloi nicht allein das Rennthier mit dem Elch ver-
mengt, sondern auch durch fabelhafte Eigenheiten Alch und
alces unterscheiden wollen. Dennoch hat es aber Leute ge-
geben, die aus solchen confusen Nachrichten die gleichzeitige
Existenz von 2 verschiedenen Elenarten im Norden erweisen
wollten. Es ist das nur ein interessantes CJegenstiick zu der
ganz 'ähnlichen unhaltbaren Hypothese von der Verschiedenheit
des Urus vom Bison. In beiden Fällen sind 2 verschieden
klingende aber gleichbedeutende Namen für 2 verschiedene
Species genommen worden.
Fragen wir weiter den Polen Sarnicki, einen Zeitge-
nossen von Gratiaui und Mucante, in seinem oben ci-
tirten Werke descriptio veteris et novae Poloniae, so fin-
den wir darin zwar keine Beschreibungen der Landesthiere,
aber doch in dem 2ten Theile: Index tcihulae Sarmatiarinn,
simulque uihium, montium, ßuvioriim, silvarum, soUtudi-
num et aliorum nobiliwn locorum etc. hier und da Er-
wähnungen derselben. So unter andern suh Litt. B:
Bzura fluvius infra Lowicliim (Lowicz), iibi sunt nobiics
hisontiiun venationes, locus ille et silva vocatur WIskitki.
War gleich Sarnicki kein sonderlicher Historiker, so
zeigt doch jenes Werk und sein grofses seltnes llechtsbuch,
dessen nicht genau bekannter Titel nach Braun: Statuta i
Metryka przymtejow Koronnych ist, dafs er sein Vaterland
ziemlich genau kannte. In derselben Zeit also, in welcher
Herberstain, Gratiani und Mucante in Masovien und
nauH'ntlich in der Gegend zwischen Rawa und Wiskitki vom
Vrus oder Tur sprachen, der letztere aber auch nur Zuhry
103
gesehen hat, erwähnt Sarnicki nur die edeln Bisonten-
Jagden bei Viskitki. Der mit Sarnicki ganz gleichzeitige
Crom er hat Uns in seinem Werke de situ, populis etc. re-
^ni Polonici die wilden Thiere seines Vaterlandes ziemlich
vollständig aufgezählt und was er davon wirklich kannte, auch
zum Theil kurz beschrieben. Er führt eine grofse Zahl pol-
nischer Fische an, er erwähnt den Panther sive lupus cer-
varius, und fügt hinzu er heifse polnisch Ris d. i. also der
Luchs, ferner Maries sive 3Iardurec, w^elche polnisch
Kuna genannt werden, sodann die Füchse, Wölfe, RosO'
inaki (d. h. Vielfrafs) Lutrae et Castores amphihia.
(Von letzterm giebt er eine richtige Beschreibung). An der
Grenze von Ungarn erwähnt er die Gebirgsziegen (d. h. Gem-
sen). In Podolien erwähnt er ein Thier von der Gröfse der
Eichhörnchen und Kaninchen, in Höhlen oder Erdlöchern le-
bend, mit gefleckten Fellen, die zur Kleidung der Frauen be-
nutzt werden und die man im gemeinen Leben Orzecicos
nenne, d. i. der Skrzeczek oder Hamster (^cricefus). In Bezug
auf Bison und Uriis drückt er sich folgender Maafsen aus:
E ferarum animantium genere fert haec regio (Polonia) co-
plam leporum, dorcarum, Sciurorum, cuniculorum quoque ali-
cubi, Cervorum etiam et aprorum, et ursorum et luporum non-
nuUis in locls. In primimi autem Nepolomlcensis et Radomien-
sis saltus nobiles sunt cervorum venatlonibus. Et herum au-
tem et Onagrorum (die er bald weiter unter dem Namen Los
als das Elen beschreibt) atque bisontium Prussia du call s
eique finitima Masovia ferax est et in primis Podolia:
ubi agminatim in campis non modo liae ferae, verum etiam feri
equi pascuntur. Est autem Bisons praegrandis, verum per-
nicissima fera, magnis et introrsus leniter incurvis cornibus ni-
gris armata, quibus equum cum sessore correptum in sublime
identidem jactat et arbores mediocri crassitudlne evertit. Magnl-
tudlnis ejus illud quoque est argumentum , quod in capite ejus
inter cornua duo imo tres bomines posslnt insidere. Habet vil-
losum et hispidum corium et sub mento palearla. Caro ejus
sale condita in deliclis est magnatibus et principibus, cornu so-
norumetobid venatoribus in usu est: Zubrum vel Zambrum
vocant nostrates: Imo et Graeci recentiores. —
Ein wenig weiter fährt er fort: Cetenim Uri, hoc est
ioves sylvestres, quos nos Thuros dicimus, in solis Ma-
soviticis sylvis apud Kyskitcos extant. Et hariiin fera-
rum carnes aptae sunt humano esui.
Wir sehen aus dieser Beschreibung des Bison oder Zuhr
104
dafs ilm Crom er wirklich gekannt hahen mag, nur das ein-
zige Wort palearia hat er dabei unrichtig anstatt harha ge-
braucht, indem der Zuhr gerade gar keine Wamme hat.
Er wulste, dafs er im herzoglichen Preufsen d. h. Ostpreufsen
und dem angrenzenden Masovien lebte. Aufserdem führt er ihn
aber auch in den Podolischen Steppen (in campis Podolicis)
an wo ihn kein anderer Schriftsteller erwähnt, und spricht
auch von seiner dortigen Jagd durch mit Pfeilen bewaffnete
Reiter, weiche ihn umstellten und von denen einer um den
andern aus dem Kreise hervorbrechend ihn verwundete bis
er ermattet zusammenstürze. Anders sey aber die Jngd auf
ihn in den Wäldern. Fast sollte man glauben, dafs der den
Sumpf und dichten Wald liebende Zuhr nicht auf der Hoch-
steppe von Podolien habe leben können. Vielleicht spricht
Crom er von einer früheren Zeit, w'o dieses Thier in den
tiefeiugeschnittenen, wasserreichen und damals noch mehr be-
waldeten podolischen Thälern wohnte und nur zuweilen auf
die Hochsteppe heraustrat, denn allerdings verbreitet sich die
Bewaldung aus Volhynien durch Ober -Podolien noch herab
bis zu einer von Braclaw gegen ßalta laufenden Linie, die erst
den wahren, jetzigen waldlosen Steppenrand bezeichnet und
ehe die vielen Einfälle der Tataren das Land und namentlich
auch die Wälder verwüsteten, mochte auch jene Bewaldung
dichter seyn als jetzt. Uebrigens giebt es auch noch heute in
Ober-Podolien dichte Wälder und Crom er hat das Vorkom-
men des Bison dort gewafs nicht erlogen, denn die Einw^oh-
ner des Dorfes Daszkawce in der Gegend auf dem linken
Ufer des Bog zwischen Winnica und Junow wo noch ein sehr
dichter und finsterer Wald von Weifsbuchen QCarpmus he-
tulä) steht, haben die Tradition, dafs in diesem Walde einst
Tury lebten d. h. Bisonteji, weil sie in ihrer kleinrussi-
schen Sprache das Wort Zuhr gar nicht haben, sondern ihn
mit Tur bezeichnen. — Interessant ist es ferner, dafs Cro-
mcr ausdrücklich anführt, auch die neuern Griechen nann-
tun den Bison Zumhro oder Zamhro, denn diese Aussage
steht in Harmonie damit, dafs der Byzantinische Geschichts-
sclireibcr Nicetas Choniata im 14ten Jahrhundert das un-
griechischc Wort Zumpren gebraucht, als er erzählt, dafs sich
im Jahre 1312 der Kaiser Andronicus Komncnus in Tauro-
105
scythien, d. h. also in der heutigen Krimm viel mit Jagen und
Durchstechen der Zumpren beschäftigt habe. Dieser Name
ist offenbar aus dem Munde der im Byzantinischen Reich
selbst zahlreich wohnenden slavischen Stämme entlehnt, denn
in Tauroscythien selbst wohnten damals keine Slaven. Im
14ten Jahrhundert war also der Zuhr noch von den Volhy-
nischen Sümpfen aus durch Podolien bis zum Gebirge der
Krimm verbreitet. — Vom Thur weifs Crom er wieder
nichts anders anzuführen, als dafs er nur bei Viskitki in Ma-
sovien lebe. Er hat ihn nicht beschrieben und da 7 Jahr nach
Cromers Tode Mucante die den schwarzen Ochsen ähn-
lichen Zubri mit kleinen Köpfen und grofsem Bart unter dem
Kinn in demselben königlichen Jagdgehege ohnweit Warschau
sah, so wird auch dadurch wieder klar, dafs innerhalb der pol-
nisch sprechenden Provinzen Polens Thur damals nur ein
in diesem westlichen Theil von Masovien noch ge-
bräuchlicher Provinzial-Name für Zvibr war. — Diefs
wird nun auch durch Andreas Swifcicki Topographia
Ducatus Masoviae bestätigt. Indem er 1. c. (in Micleri col-
lectio T. I. p. 484.) die Jagd in Masovien schildern will,
schreibt er:
„Venatio multiplex, sed cervi, alces, bisontes non nisl in
Seqiiana sylva reperluntur, in Hectorea vero sylva Uro-
rum ingentiiim greges inerrant: eos enim a quopiam allo oc-
cidl proposita capitis poena, fas non est."
Diese Stelle müssen wir nun zuerst in geographischer
Hinsicht durch Swiecicki selbst erläutern. Er erwähnt p. 489
dafs beim Einfall des Flusses Pysia (Pysz) der aus Preufsen
kommt, in den Narew bei Nowogrod, wo dieser einen grofsen
Bogen gegen Norden mache, der Sequana Wald anstofse»
ein Theil des alten hereynischen Waldes, der sich von hier
nach Preufsen und Samogitien ausdehne und in der Mitte von
dem sumpfigen Flusse Homulvia d.h. dem heutigen Omulew,
der bei Ostrolenka in den Narew fällt, durchschnitten werde.
Der Name Sequana ist nur aus dem polnischen Namen des
Flusses Skwa gemacht, der zwischen Ostrolenka und Nowo-
grod in den Narew ausmündet. Der alte Skwana Wald*)
*) Auch von D } u g o s z in der Edü. Lips. T. L p. 35 genannt.
106 •
umfafste also die grofsen sumpfigen Wälder, welche jetzt die
OstroJecka und Myszynska puszcza zwischen Ostrol'enka und
IVIyszyniec, wo der grofse Karaska Bruch liegt, heifsen und
sich nordwärts des Narew vom Flusse Pysz westwärts bis
zum Flufs Orsic in der Gegend von Chorzellen ausdehnen.
Der Name Hectorea Sylva ist eben so ein corrumpirter
Name aus dem Namen des Dorfes Jaktorow und sollte also
richtig Jakturowska puszcza geschrieben seyn. *) Die
Lage dieses Waldes hat Swiecicki p. 494 als er von Boli-
möw und der Bzura gesprochen hat, durch folgende Worte
bezeichnet:
„nie (a Bolemow) jam orltur famosa illa Hectorea sylva,
Uroruni pr(5\'entu in orbe nostro clara, pars et ea veteris Iler-
cynlae fuit, per hanc a Boleiuovia (Bolemow) ad Vyshiticos
(Wiskitkl) hinc per Calentlnates et Drogumlos saltus quos ci-
treus pererrat amnis ad Msconovum (Mszczoiiow) penetratur.
Abest Msconovum a Bolcmovia XXIV millia passuum.-'
Diese Jakturowska puszcza, wie sie ausdrücklich in den
Lustrationen der ehemaligen W^oiwodschaft Rawa im löten
und 17ten Jahrhundert genannt wird, auch unter den Namen
der Wälder von Wiskitki oft angeführt, war mithin der grofse
sumpfige Wald, der sich vom Flusse Rawka aus der Gegend
zwischen Bolimow und Skierniewice (wo heute noch ein klei-
ner Rest davon übrig ist) ostwärts bis Mszczonow und Wis-
kitki und weiter nördlich bis Sochaczew und Blonie verbrei-
tete. Der alte Name scheint erloschen zu sein, denn der
westlich von der Rowka liegende Theil davon heifst wenig-
stens bei Bolimow jetzt die Nieborowska puszcza und gehört
dem Fürsten Radziwil zu Nieborow. In ihm steht heute noch
5 Werst südwestlich von Bolimow auf einer kleinen Wald-
wiese ein Jagdaltan. Ob das wohl dieselbe Stelle sein mag,
wo Mucante 159() von einem ähnlichen Altan der Zubr-Jagd
zusah? Um Blonie herum war, nach Swi^cicki's ausdrückli-
chem Zeugnifs, zu seiner Zeit der Wald schon fast ausgehaucn,
in älterer Zeit zog er sich aber auch noch nördlich über den
") Pus/cza bedeutet in der pohüschen Sprache eine Wildnifs
und /war eine mit dichtem Wald erfüllte. Das Dort Jaktorow liegt
im Kreise Sochaczew im Kirchspiel Grodzisk zwischen Wiskitki und
Nadarzyn.
107
Utrata-Flufs herüber und hing mit den noch heute ansehnli-
cheü sumpfigen Wäldern von Kampinos im Bicliny -Bruch zu-
sammen, die sich bis zum Weichsel -Ufer zwischen liovv, Wy-
szogrod, Zakroczyn und Warschau herunterzogen und einst
mit den von Nowydwor und Sierock am Narew aufwärts sich
ausbreitenden Wäldern, also einerseits mit dem Skwana-Wald,
andererseits gegen Osten von Sierock und Pultak weg mit
den Wäldern zusammenhingen, die noch heute zwischen Bug
und Narew durch den Pulwi- Bruch, Czerwony Bor, Biely-
Bruch gegen Tykoccin und Surasz hin vorhanden sind und
so selbst (damals gewifs) den Zusammenhang mit dem Zubr-
Wald von Biaiovvieza vermittelten.*)
*) Ich habe absichtlich den auch jetzt noch sichtbaren Zusam-
menhang dieser grofsen aus Lithauen durch Podlachien his ins west-
liche Masovien reichenden Wälder nachge%\iesen , welche alle von
gleicher Natur sind und alle zum gröfsten Theü auf den Sümpfen
stehen, welche als Ueberreste einer vorhistorischen Wasserverbin-
dung zu betrachten sind, die vom ehemaligen Binnenmeer an der
Stelle der Minkischen und Volhynischen Sümpfe am Prypec in der
tiefsten Einfurchung quer durch das sarmatische Flachland bis zur
untern Oder statt fand, ehe der Dnepr das südrussische Granitpla-
teau hei Kremenczug, der Niemen und die Weichsel den lithauisch-
preufsischen Landrücken mit seiner denkwürdigen Seenplatte, jener
bei Merecz, diese unterhalb Thorn durchbrochen hatten, wie ich in
einer andern geologischen Abhandlung zeigen werde. Wenn nun in
diesem grofsen von Ost nach West gestreckten Sumpf-Waldland einst
der Zubr wahrscheinlich überall lebte, da wir ihn mit Bestimmtheit
in Podolien am Boh, in Volhynien am Prypeo, zwischen San und
Weichsel, in der Bialowiezer Wildnifs an der Narewka, im Skwana
Wald bei Ostrolenka, in Ostpreufsen, in Hinterpommern mid an der
Oder bei Stettin seit dem 12ten Jahrhundert durch historische Zeug-
nisse kennen lernten, so ist es doch im hohen Grade unwahrschein-
lich, dafs in demselben Sumpf- Waldland nur auf die kleine Jaktu-
rowska puszcza beschränkt eine andere davon verschiedene wilde
Ochsen -Art gelebt haben sollte, die überdem noch eine Bison -Art
gewesen sein mufste, weil ihre Stirnhaut Megen des ihr eigenthümli-
chen Moschus-Geruchs zu denselben Zwecken benutzt wurde wie die
Stirnhaut des Zubr, dessen Gehirn und Stirnhaare diesen Geruch be-
sitzen. Wo von den grofsen Wiederkäuern und Einhufern ähnliche
Arten etwa nahe bei einander wohnen, sind sie gewöhnlich durch
verschiedene Art der Wohnörter von einander unterschieden. So in
Nordamerika der Moschus -Ochse in dem felsigen, waldlosen Lande
der Esquimaux und in den Steppen an der Hudsonsbai, der Buffalo
108
Im Skwana-Wald macht Andreas Swi^cicki, als er
von seiner Lage spricht, nochmals die Thiere namhaft: „varii
generis feras, cervos scilicet, hisontes, alces , ona-
gros (vielleicht versteht er darunter hier wilde Pferde) et
sylvestres apros nutrit; reperiuntur et parvae fei es
(entweder wilde Katzen oder die kleine Luchsart Rys kot)*)
quorum pclliculae insigni levore conspicuae, ipsas Moschi-
cas et Lithuanicas superant. Nee Pantherae (Wolf-Luchse)
et TJrsi desunt. Ferner die vielen wilden Bienen und Falken,
die zur Jagd erzogen werden. Mehr sagt Andreas Swig-
(Bisori) hingegen mehr südwärts vom grofsen Slavensee in den grofsen
waldigen Ebenen an den Strömen einst bis zum atlantischen Meere.
So von den beiden Kameelarten die eine auf der steinigen Hochebene
von Baktrien bis in die Mongolei, die andere in den grofsen Niede-
rungen und Sandwüsten von Vorderasien und Nordafrika. So von
den beiden sehr ähnlichen Zebraarten Südafrikas, eine auf den Ber-
gen die andere in den Ebenen. So von den beiden wilden Eselarten
neben einander in Asien, der Hemionus i^Dschiggetet) auf trockenen,
waldlosen Grasweiden in den Mongolischen und Daunischen Step-
pen, der Kulan {Onager) hingegen in den bergigen Wäldern am Aral-
see, im Gebirge um Casbin, selbst in den Gebirgen von Malabar mid
Golconda.
*) Wir nehmen in der heutigen Naturgeschichte zwar an, dafs
nur eine Art Luchs {Felis lynx L.) im nördlichen Europa lebe, wenn
wir den Polarluchs {Felis horealis) nicht mitrechnen. Es scheint aber
allerdings, dafs von dem eigentlichen grofsen Luchs, den die Schwe-
den Warg Lo, die polnischen und lithauischen Jäger aber Ryscicle
oder Ryswilk (d. h. Kalbs- oder Wolfsluchs nach der Gröfse) nen-
nen, M'clcher einen sehr kurzen Schwanz und blos geflektes Fell hat,
ein anderes Thier nicht blos als Varietät sondern als Art unterschie-
den werden müsse, welches die Schweden Katt Lo, die polnischen
Jäger Rys kat (Katzenluchs) nennen. Beide leben in Polen und ste-
hen ffiif dem zoologischen Museum in Warschau ausgestopft und sind
in der kleinen Abhandlung des Hrn. Stron czynski: Spis Zwierzat
ss^cych kraju polskiego i pogranicznych. w. Warszawie lö39. 8. p. 18.
19 abgebildet. Der viel kleinere Katzenluchs hat nach Verhältnifs
seiner Körpergrofse einen längern am Ende weifsen Schwanz und die
Hecken seines Felles fliefsen auf den Rücken so streifenweise zusam-
men, dafs er dadurch nach Hrn. Stronczynskis Aeufserung dem
Ocelot {Fei. jiardalis L.) ähnlicher wird. Die polnischen Jäger un-
t«>rsrheidcn endlich noch eine 3te sehr seltene Art, die sie Rys pics
(Hundcluchs) nennen, die zwischen den beiden vorigen in der Gröfse
die Mitte häh, gar keine Flecken, aber längeres Haar hat.
109
cicki nicht von den Thieren. Soin Sohn Siogmnnd aber
fCgte, als er 1634 seines Vaters Werk edirte, also zn einer
Zeit, als geschichtlich die Tuj^i in den Wäldern von Wiskitki
schon ausgestorben waren, von ihnen noch hinzu:
„Hoc animal priscis temporibus Germanlae sylvis familiäre,
nullibi nunc (quod sciam) in tota Europa, nisi in his angustiis,
Hercyniae veteris reliquiis, reperitur. Magnitudine est niulto
majori supra nostros boves, forma non absimili, caeterum aglli-
tatis prope stupendae, ut etlam fimum inter egerendum, prius-
quani terram atlingat, cornibus excipiant ludibundi. Pollutas do-
mesticorum taurorum coitu feminas odor maribus prodit, quas
longe ex armentis abigunt ut objectae rapacibus feris, vitlati ge-
neris poenam pendant. Tanto autem robore pollent, ut subla-
tum cornibus equitem facile prosternant. Observatum est sae-
pius, unicum marem urum prostratis ac proculcatis lupis aliquot,
integram victoriam retulisse. Nihil tarn expetitur venatorlbus
quam media et villis intorta pars frontls (Polonis Turzy wi-
ch er*) praesertim si spiranti adhuc Uro exscindatur; gestata
enim a gravidis ^aruncula, abortibus resistit et facilem partum
procurat. Eandem vlm quoque zonis inesse putant, quae resecto
in orbem corio morientibus uris detrahuntur. Obviam hominem
aut feram nisi irritentur, transire facile patiuntur, irrltati furen-
tes saeviunt. Nee tamen Caesarem mendacii arguerira, qui ali-
ter scriptum reliqult, fieri enim potest, ut animal, illls vastis Ger-
maniae solitudinlbus educatum, occurentem hominem insequere-
tur: Nunc Uri angusta inclusa sylva mitescunt necessario."
Also auch Siegismund Svviecicki hat über die T;/7y
bei Wiskitki Uns nichts Anders gesagt, als was wir schon vor-
her gewufst haben. Aus eigener Ansicht konnte er auch nicht
viel wissen, denn seit 1602 existirten nach den archivarischen
Nachrichten nur noch vier solcher Thiere in jener Gegend
und als er 1634 seines Vaters Buch edirte, war das letzte
Stück schon 7 Jahre zuvor krepirt.
Warum aber gerade in der Gegend zwischen Rawa und
Wiskitki der Name Tur für Zuhr^ sich am längsten erhalten
hat, dazu giebt Swi^ cicki noch einen schwachen Fingerzeig.
Nachdem er nämlich von der Stadt Rawa gesprochen hat, fährt
er fort:
„Biata Chelmensis RoxolanI antistitis jura agnoscit, non tarn
amplltudiue aut elegantia, quae nulla est, quam finitimorum la-
trociniis apud remotiores Masovias celebrata. Nobiles ii sunt
*) Turzj'^vicher bezeichnet Tur wir bei, denn das Wort Wi-
cher wird zuweilen anstatt Wir für den Begriff des Haarwirbels
auf dem Kopf gebraucht.
110
extremae sortis, sed qiil temerltate et audacia ad omne facinus
adciindum prompti: ditJorlbus terrorl sunt et barbara licentla
caedibus atque incendiis iuter se debachantur. Nee longe inde
absunt Pomrozanie, a Mroga*) torrente nomen sortiti, quo-
iiim mores infames et desperata audacia carminibus vulgo no-
tantur. Apud eos populos patrum memoria homicldia ita vulga-
bantur, ut indecorum omnino putaretur viro noblli et cuique
honoratissirao, aliquem saltein suis manibus non peremisse: sed
iam et vicinorum commerciis et discipb'na legum mansuefiunt
fera ingenia."
Sodann weiter als er von Bolemow mit seinem damaligen
grofsen See mit grofsen Heerden von Schwänen bevölkert ge-
sprochen hat (wovon heute keine Spur mehr ist) und von der
Hectorea sylva, sagt er noch einmal:
„Inhumani et inhospitales contra quam caetcris Masoviis
mos est, ejus sunt pagae incolae, ita ut illac transeuntes vel in
foeda pluvii coeli inclementia omnibus diversoriis exclusi aut syl-
vam petere aut sub dio pernoctare cogantur, quod et mihi ali-
quante illuc iter facienti accidit."
Aus dieser Erzählung geht nun hervor, dafs die Stadt
BiaJa in Masovien, ohngefähr 2 Meilen östlich von Rawa die
Rechte des antistes (Bischofs) von russinisch Clielm, d. i. des
einst nur von Russinen bewohnten Landes Cheim zwischen
Lublin und Volhynien anerkannt habe. Es entsteht die Frage,
wie kam diese Stadt, mitten in Uem von katholischen Polen
bewohnten Masovien gelegen dazu, unter dem griechisch unir-
Xqw Bischof von Chelm zu stehen, wie auch Starowolski
bezeugt. Wir finden die Ursache davon nirgends angeführt
und es ist also wohl nur die Vermuthung erlaubt, dafs einst
in dieser Gegend eine russinische Niederlassung von griechi«
schem Glauben statt gefunden haben möchte. Verbinden wir
damit die Nachricht, dafs das Volk in der Nähe der Jaktu-
rowska puszcza, wo die Turi lebten und besonders die am
Fliisschcn Mroga wohnenden Pomrozoni, die man. also auch
im 17ten Jahrhundert noch mit einem besondern Namen be-
zeichnete, sich von den übrigen Masoviern durch rohe Sitten,
Ungastliohkeit, Neigung zu Raub und Mord sehr unvortheil-
haft auszeichneten, so wird es noch wahrscheinlicher, dafs in
*) Mropa hoifst das Fliifschen, das bei Brzezyn entspringt, bei
Glowno dio Mrozyca aufnimmt und weiter durch Bielowy nordwärts
fliefst, bis es bei Sobota in die Bzura fällt.
111
(lieser Gegend einst ein von den übrigen lachischen Stämmen
verschiedener kleinrussischer oder wie die Polen sagen russini-
scher Stamm (ruskie plemie)*) angesiedelt war, was offenbar der
am weitesten gegen Westen vorgedrungen gewesene wäre und
in dieser Wildnifs eigenthiimliche rohe Sitten lange Zeit bei-
behielt. Ist diese Conjectur richtig, so würde dadurch auch
erläutert, warum der Zuhi' gerade nur in dieser Gegend von
Masovien den Namen Tur so lange beibehielt, weil in den
kleinrussischen Mundarten der aus der litthauischen Sprache
in die polnischen und weifsrussischen Mundarten übergegan-
gene Name Zuhr bis heute noch dem gemeinen Volke unbe-
kannt ist und dafür immer der Name Tur gebraucht wird.
Daher darf es Uns gar nicht befremden, wenn der eine pol-
nische Schriftsteller den Namen Tur erwähnt, der andere nicht,
und wenn der eine dieselbe Beschreibung vom Tur wie der
andere vom Zuhr giebt. So hat auch der letzte Topograph,
den ich oben angeführt habe, Krasinski, ein Zeitgenosse
Swi^cickis in seinem seltenen Werke de Polonia Lih, L
cap. XIII. de Ubertate Poloniae zwar viele Jagdthiere und
Vögel Polens aufgezählt, aber dabei weder den Tz/r noch Zuhr
erwähnt, dann ferner im Lih. II. cap. I. als er von Lithauen
handelt, die juhati hisoiites, ferocissima taurorwn species
genannt; endlich aber Lih. II. cap. VIII. de Masovia den
Tur erwähnt, darin aber sichtlich nur Herberstains Nach-
richt wörtlich abgeschrieben, so dafs wir durch Krasinski
durchaus nichts Neues darüber erfahren.
Hr. V. Bär, der sich nun durchaus noch nicht von der
Hypothese losreifsen konnte, dafs Urus und Bison zwei ver-
schiedene Thiere gewesen wären, und einen überwiegenden
Werth darauf legt, dafs Herberstain und Schneeberger
den Tur schwarz geschildert hätten, was aber, wie ich früher
und auch jetzt wieder gezeigt habe, von gar keinem Gewicht ist,
hat auch die Hypothese aufgestellt, dafs nur dieser vermeint-
lich jetzt untergegangene Urochs der Deutschen in den alt-
deutschen Chroniken und Gesetzen mit den Namen Buhalus
*) Die Polen unterscheiden sehr genau die Namen Rosyanin
(Grofsrusse, Moskoviter) von Ruisin (Kleinrusse, Reusse, Rusniak)
oder imAdjectiv: rossyiski von ruski.
112
im Büffel bezeichnet soy. Ich habe schon erwähnt, wie die
in der lex Alemannorum von ihm aufgefundene Stelle,
wo Bisons hubalus, ohne Conjunction dazwischen genannt
wird, gar nicht berechtigt dieses Doppelwort als Bezeichnung
zweier Thierarten anzusehen. Noch mehr mufs ich aber er-
staunen, die Behauptung zu lesen: dafs der 2?w&f/Z«^ oder Büf-
fel Deutschlands, der, wie Plinius sagt, eigentlich Uj' hiefs,
wirklich schwarz von Farbe gewesen sey, mache die lex
Bavariorum im Tit. XIX. §. 7. wahrsheinlich, weil dort die
7^7^?)«// unter das Schwarzwild gerechnet wurden. Wenn
die Deutschen heut zu Tage ihre noch vorhandenen grofsen
jagdbaren Waldthiere in Schwarz- und Roth wild scheiden und
unter das erstere das Wildschwein rechnen, weil es darunter
am dunkelsten, meist schwarz gefärbt ist, so werden die al-
ten Deutschen auch demselben Grundsatz gefolgt seyn. Ge-
setzt nun, es hätten wirklich zur Zeit, als die lex Bavario-
rum aufgezeichnet wurde, in Deutschland noch schwarze Bu-
hau und sehr dunkelbraun, ebenfalls theilweise schwarz ge-
färbte Wisenten oder Zuhri neben einander als 2 Thierarten
bestanden, so hätten doch offenbar die Biibali und Wisenten
beide dem Schwarzwild zugerechnet werden müssen und der
Wisent auf keinen Fall dem Rothwild beigezählt werden kön-
nen. Wie kann also die Zurechnung des hubalus zum Schwarz-
wild eine specifische Unterscheidung vom Wisent beweisen?
Vergessen wir dabei ja nicht, wie im Mittelalter die in natur-
historischen Dingen so wenig unterricliteten Mönche und Ge-
richtspersonen, welche die Chroniken, Gesetze und Privilegien
in einem barbarischen Latein niederschrieben, oft in dieser
Sprache ganz irrige Namen einer Thierart oder einer Pflan-
zenart beilegten, wenn sie gleich recht gut ihre richtigen va-
terländischen Namen dafür kannten. Ich habe schon oben
angeführt, dafs z. B. Crom er und Swiecicki den Luchs,
dessen richtigen polnischen Namen Rys Crom er selbst an-
führt, dennoch im lateinischen Panther oder lupus cervarius
nannten. Aber ich kann noch ein besseres Beispiel beibringen.
Czacki *) belehrt Uns nämlich, dafs die Herzoge von Maso-
vien besonders geizig mit Ertheilung von Privilegien auf die
*) O polskich i litewskich prawach T. II. in der Anmerkung 1735
113
hohe Jagd gewesen seyen. So wird unter andern in der Bulle
Gregor IX. vom Jahre 1232, welche die Schenkungen Herzog
Conrads an die Geistlichen bestätigt, ausdrücklich gesagt, dafs
dieselben auf ihren Gütern nur Rehe, Haasen, Füchse und
Eichhörnchen jagen dürften. Im 14ten und 15ten Jahrhun-
dert sind in den ertheilten Privilegien auf die Jagd immer der
Fang der Zuhiy, rysie und die Falkenjagd davon ausgeschlos-
sen. Besonders interessant ist in dieser Hinsicht nur ein Pri-
vilegium jener Herzoge von Masovien vom Jahr 1436 über
das Dorf Zator (zwischen Wiskitki und Stara Rawa), wie es
in der Krön Metryk in der Abtheilung der Akten der maso-
vischen Herzoge (vv Metryce Koronney w Xi^dze aktow Xi^-
z^t Mazowieckich) aufbewahrt ist Darinnen sind die Worte
gebraucht:
„Dominus Diix consideratis fidellbus serviciis Nobilis Michae-
lis de Ziemianezice Succamerarii Varschoviensls ■ — terram Za-
thor dictam in longnm et latum velutl in suis granicibus ab an-
tiquo circum fercntialiter est distincta ac venatlonibus quarum-
cunque ferarum, centauris et Tigridis exceptis, aucupationi-
bus omnium avium, falconibus exceptis etc."
Nun wird wohl hoffentlich Niemand im Ernste glauben,
dafs in Masovien Centauren und Tiger in den Wäldern
lebten, sondern erkennen, dafs unter diesen irrigen Namen
andere wilde Thiere gemeint seyen, Czacki, der gelehrteste
Pole seiner Zeit und ein genauer Kenner seines Vaterlandes
fügt also die Erläuterung hinzu;
Te Centauri nie innego nie s^ tylko Zubry, Urami ad
Cezara, Turami od Gminu w Litwie zwane. Tigrides nie
innego nie s^ tylko rysie d, h. diese Centauren sind nichts
anderes als Zubry, von Caesar Uri, vom gemeinen Volk
(^Gminü) in Lit hauen Turi genannt und die Tigrides
sind nichts anderes als die Luchse, die also im damaligen
Latein bald Tiger bald Panther genannt wurden. Czacki
hat also ebenfalls schon ganz richtig erkannt, dafs die Zu-
hry auch mit dem Namen Turi belegt wurden und zwar,
wie er ausdrücklich sagt, vom gemeinen Volk in Lithauen
d. h. indem er natürlich hierbei nur von seiner Zeit (Ende
des 18ten Jahrhunderts) spricht, von den russinischen
Bauern in Lithauen, denn zu seiner Zeit wurde im eigentli-
chen Lithauen, so wie jetzt nur noch in kleinen Districten die
Wiegm. Archiv. VI. Jahrg. 1 Band. g
114
lithauischc Sprache 'gesprochen, übrigens aber und nament-
lich in den Gegenden, wo die Zuhry noch leben, nnr ein
w ei fs russisch er Dialect, mithin ein Beweis, dafs unter den
russiuischen Stämmen der Name Tiir nic!it allein, wie wir
oben bemerkten, bei den Podolischen Kleinriissen, sondern
auch unter den lithauischen Weifsrussen, im Munde des Volks
bis heute sich erhalten hat.
Ganz anders verhält es sich aber mit den in den Lan-
des-Dialecten geschriebenen polnischen und lithauischen Ge-
setzen. In ihnen finden wir solche Namens -Verwechslungen
und Namens- Verdrehungen wie in den lateinisch geschriebe-
nen niemals. Das wichtigste darunter für Uns ist das li-
thauische Statut {Statut TV. Xkstwa Litewsldego^ zu-
erst 1529 vom Kanzler Gastold unter Siegmund I. in russi-
nischer Sprache geschrieben, sodann verbessert 1564 (nach
Czacki's Angabe in polnischer Sprache) und endlich 1578
als 3tes Statut wieder in russinischer Sprache gegeben. Alle
diese drei ursprünglichen Statute existirten nur in Handschrif-
ten, bis der Fürst Leo Sapieha dieselben ins polnische über-
setzte, in welcher üebersetzung sie mehrmals gedruckt sind,
zuerst 1588 zu Krakau, dann 1619 zu Wilna, 1648 zu War-
schau, 1698 zu Wilna und zuletzt 1796 in Wilna in fol. Das
lithauische Statut hatte nun nicht allein im ganzen eigentlichen
Lithauen Gesetzeskraft, sondern auch in den zu Lithauen da-
mals gerechneten Woiwodschaften Kiuw, Braclaw und Volhy-
nien und wurde aufserdem auch in den Kronländern d. h. im
eigentlichen Königreich Polen als ein llülfsgesetz angesehen.
Es zählt im Rozdziat XII und XIII bei den Jagdgesetzen die
wichtigsten jagdbaren Thiere des Landes mit ihren innländischen
Namen auf. Nachdem im Rozdziat XIII. Art. 1. bestinunt ist,
dafs Jeder, der im fremden W\alcle ohne Erlanbnifs des Ei-
genthiimers jagt, das erlegte Wild abgeben und dafür eine ge-
wisse Geldsumme bezahlen mufs und dafs der Jäger, der bei
W'ilddicbstahl gefangen wird, nach dem Isten und 2ten Statut
der Todesstrafe unterliege, wie ein Dieb, welche Strafe erst
im 3ten Statut aufgehoben wurde, so folgt dann im Art. 2.
die Bestimmung des zu bezahlenden Preises für das erlegte
Wild, liier werden nun aufgeführt: Ziibr, l.os, Kond'Jki,
115
Jeleji, Sorka, SohoJa*) (Auorochs, Elen, Wild-Pferd, Hirsch,
Reh, Zobel). Der Tur wird als ein besonderes Thier nicht
genannt, obgleich ihn mehrere Schriftsteller aus dieser Zeit,
*) Für die Kenntnifs der seit dem IGten Jahrhundert aus Lithauen
allmählig zurückgedrängten Thiere ist das Gesetz von hohem Interesse,
wenn es aufser den Thieren, die noch daselbst, wenn gleich auch
schon sehr selten oder nur noch vereinzelt existiren, als den Auer-
ochsen, das Elen, den Edelhirsch, das Reh, den Lieber auch solche
nennt, die gar nicht mehr dort existiren, als das wilde Pferd, und
den Zobel. Dafs der Zobel damals noch in den Wäldern von Li-
thauen existirte, ist durch die namentliche Aufführung im Gesetz er-
wiesen. Czacki macht in seinem mehrmals citirten Werke dazu
noch die Bemerkung: „Ich habe in dem Bruchstück einer Handschrift
aus der Zeit Siegmund I. aufserdem noch gelesen, dafs in der Ge-
gend von Knyszyn (im Kreise Bialystok) damals als Seltenheit ein
weifser Zobel gefangen worden sey" und Scheffer in seiner
Geschichte von Lappland p. 318 erwähnt, dafs zuweilen in diesem
Lande ebenfalls weifse Zobel vorkämen. Das Rennthier, von
dem am Bug einige fossile Ueberreste aufgefunden wurden, wird im
Isten lithauischen Statut nicht mehr genannt, aber Czacki macht
die Bemerkung, dafs unter König Alexander, also kurze Zeit vor Ab-
fassung des Statuts, noch Spuren seiner Existenz in den Wildnissen
von Samogitien vorhanden gewesen seyen, indem sich eine Nachricht
erhalten hat, dafs damals dort ein Thier Betsy erschlagen worden
sey. Polnisch ist dieser Name nicht, wahrscheinlich auch nicht li-
thauisch, sondern finnischen Stammes, da nach Buffons Angabe in ei-
nem Theil von Lappland das Renn den Namen Betsvi führen soll.
Der Name Betsy scheint also dasselbe zu bezeichnen und von den
Esthen oder alten Liven entlehnt zu seyn. — Die Bieber, welche
im jetzigen Königreich Polen kaum mehr vorkommen, höchstens in
einzelnen Exemplaren noch an der untern Weichsel und am Bug, wa-
ren vom 13ten bis 16ten Jahrhundert noch sehr häufig, besonders
am Narew und an der untern Nida in der Gegend von Wislica^ wo
die alten Topographen Bieber und zahlreiche Reptilien in den dorti-
gen jetzt mehr abgetrockneten und ganz entwaldeten Sümpfen auf-
führen. Das Iste lithauische Statut giebt im Rozdzial XUl. Art. IX.
die besondere Vorschrift : Kiedy kto ma w czyjej ziemie bobrowe go-
ny, ma prawo /'^dac, aby wia-ciciel tego grunta, ani sam ani ludziom
pozwolilpodorac pole, lub karczowac, siano i^e w odleglosci jednego
rzucenia kija od tego zerewenia. d. h. Wenn Einer auf Jemandes
Grund Bieber- Jagd hat, so hat er das Recht zu verlangen, dafs we-
der der Besitzer noch seine Leute das Feld ackern, noch Wald aus-
rotten, noch Heu machen dürfen in der Entfernung eines Stabwurfs
(die GrÖfse dieses Maafses war auch Czacki imbekannt) von dem
9*
116
wie Mathias von Miechow und andere in Lithanen ge-
nannt haben und der Name noch im Volks-Dialect der vvest-
russischen Provinzen existirt. Wäre es ein besonderes, vom
Ziibj^ verschiedenes, ebenso ansehnliches Thier gewesen, so
hätte ihn das Gesetz, das viel unbedeutendere Thiere anführt,
auf keinen Fall übergangen. Solche unbedeutendere Thiere
sind z. B. Falkenarten, die 'das Gesetz im Rozdzial XII. an-
führt, als: Soliol {Falco communis), Krzeczot der russinische
oder Bialozor der polnische Name für Falco candicans L.,
Krogulec {Falco nisus L.) Rarog {Falco lanarius L.) und
Drzemlik {Falco Aesalon. Emerilloii).
Hr. V. Bär sucht seine Ansicht auch noch auf andere
Art zu erweisen. Er meint nämlich, wenn man nicht blos
nach Beweisen vom gleichzeitigen Vorkommen zweier wilden
Stiere, sondern nur nach Beweisen suche, dafs ein vom Zuhr
verschiedener, aber dem zahmen Ochsen ähnlicher Stier
in Europa wohnte, so wird Grofsbritanien, wo er sich noch
erhalten hat, wohl am wichtigsten. Durch diese Wendung
entschlüpft Hr. v. Bär dem eigentlichen Streitpunkt, ob der
von den Polen und Kleinrussen Tur genannte wilde Ochse
Ort, wo die Bieber wohnen (zerewenia). Nach Czacki o prawach
polskich i litewskich T. I. p. 264 Anmerk. 1753. bezeugen Privilegien
aus dem 14ten Jahrhund, noch die Existenz besonderer fürstlicher
Bieber-Aufseher an der Nida und Narew. Er hat ein im mittel-
alterlichen Latein geschriebenes Register von Biebern unter den Hän-
den gehabt, welches im J. 1229 der Bieber-Meister am Narew, Jaszko
de Makow, dem Herzog Konrad von Masovien vorlegte. Man ersieht
daraus, dafs die Bieber -Kolonien noch sehr ansehnlich imd so ein-
gerichtet waren, dafs in einer Kolonie nur Bieber von einerlei Fär-
bung beisammen gehalten wurden. Damals waren bei Pultusk 251
nigricini castores, von denen für den Hof des Herzogs 10, zum Ver-
kauf 50, die übrigen ad restantiam et prolicatioiietn bestimmt wur-
den. Der Biebermeister Jaszko berichtet, dafs ihm viel Ahornholz
im Bestand geblieben sey, wenn die Biber ihre Auswintenmg hätten^
Er beklagt sich aber auch über den Edelmann Maczka de Gol^czyn,
dafs dieser aus Neid befohlen habe, den Biehern die Nahrung weg-
zunehmen, aber der Diebstahl sey leicht zu erkennen, durch die
Nichtanfüllung der Locher oder Ruhren, welche im Winter die Thiere
machen. — Nach dem 3ten lithauischen Statut konnte aber ein Biber,
der seinen Bau verläfst und in einen andern geht, von seüiem frü-
heren Besitzer nicht wieder zurückverlangt v;erden.
117
vom Ziibr verschieden war oder nicht. Nachdem nun aber
durch die von mir beigebrachten Beweise wohl sicher erwie-
sen ist, dafs Bonasus, Päonischer Ochse, Monopus, Ur\ Tiir,
Ziihr und Wisent nur ein und dasselbe Thier bezeichnen
und dafs neben dieser Ochsenart in historischer Zeit in Nord-
Griechenland, Thrazien, Rufsland, Lithauen, der Moldau, Polen
und Deutschland keine andere wilde Ochsenart gelebt hat, so
wäre mein früherer Ausspruch, dafs kein Mensch in Eu-
ropa zwei wilde Ochsenarten neben einander gese-
hen habe, höchstens dahin zu berichtigen seyn, dafs man dies
auf das feste Land von Europa beschränke, wenn die in den
Parks von Nord -England und Schottland noch erhaltene Vieh-
race wirklich der Ueberrest einer eigenen species ist. — Lei-
der ist aber unsere Kenntnifs von dieser Race noch höchst
unvollkommen und der letzte Bericht darüber, der von Hind-
march über das wilde Hornvieh im Chillingham Park, vor-
getragen in der British Association zu Newcastle 1838*)
so unvollkommen und so unbefriedigend, dafs man wohl er-
staunen mufs, aus dem aufgeklärten England, namentlich in
anatomischer Hinsicht über dieses Hornvieh keine bessern Auf-
klärungen erhalten zu haben. Wir erfahren auch von Hind-
marsch nichts über die Maafse des Thieres, nichts über die
Gröfse und Richtung der Augen und Hörner, nichts über die
Zahl der Rippen oder andere anatomische Eigenheiten, ob-
gleich Lord Tankerville Haut und Schädel des Chillingha-
mer Viehs an Hrn. Children ins brittische Museum geschickt
hat. — So wie jetzt diese jViehrace noch in den Parks exi-
stirt, ist sie offenbar eine durch die Einhegung, selbst durch
gewaltsame Mittel höchst veränderte, von ihrem ursprüngli-
chen Zustand wahrscheinlich sehr abweichende. Nach Lord
Tankervilles Nachrichten ist das wilde Vieh zu Chatelherault
von dem zu Chillingham sehr verschieden^ es ist weder schön
noch von edler Race, noch wild und in einer Art Zwinger
eingepfercht. Das Vieh vom Chillingham Park hat halbmond-
förmig gebogene Hörner, seine Farbe ist rein weifs, doch sind
die Augenränder, Augenwimpern und die Spitze der Hörner
*) V. Frorieps neue Notizen für Natur- uud Heilkunde X. Nr. 6.
1839. p. 81.
118
schwarz, der Nasenspiegel braun, das Innere der Ohren roth
oder braun. Daraus und aus der Angabe Bewicks, dafs vor
40 Jahren mehrere Stücke des Chillinghamer Viehs, die
aber getödtet wurden, schwarze Ohren hatten, und nach der
Angabe des Park-Wärters Cale, dafs während seiner Amtirung
6 Stücke vorgekommen wären, welche an Hals und Wangen
kleine braune und blaue Flecken hatten, welche aber so wie
alle andern fehlerhaften Exemplare getödtet worden seyen, um
die schöne weifse Race rein zu erhalten, und aus der Nach-
richt, dafs das am Ende des 18. Jahrhunderts durch eine Seuche
vertilgte wilde Vieh im Park von Burton Constable in York-
shire und zu Drumlonrig in Dumfrieshire schwarze Ohren,
Nasenspiegel und Schwanzbüschel hatte, geht nun einerseits
hervor, dafs die Zucht an der jetzigen gleichförmig weifsen
Färbung dieser Viehrace offenbar Antheil hat und dafs fer-
ner diese weifse Färbung höchst wahrscheinlich keine ursprüng-
liche war, sondern dafs dieses weifse Rindvieh wohl nur Al-
binos einer einst dunkelgefärbten Art darstelle, vielleicht zu-
erst durch das kalte Klima der Caledouischen Wälder gebleicht.
Darauf deutet auch ihre so dünne Haut, dafs manche Bullen
isabellfarben aussehen. — Wir wissen gar nicht mit Zuver-
lässigkeit, bis zu welcher Zeit diese Rindviehart wirklich wild
in Schottlands Wäldern lebte, denn wenn gleich Sibbald 1684
angiebt, dafs sie noch in einigen Berggegenden wild lebe, so
bemerkt doch Hindmarsch, dafs gar keine Urkunden darü-
ber vorhanden wären, wann sie zuerst eingehegt worden sey,
und Pennant sah sie im 17ten Jahrhundert auch schon nur in
Parks. Diese Ochsenart hat jetzt keine Mähne, aber doch ein
gröberes Haar auf dem Kamme. Zu behaupten, wie Hr. von
Bär, dafs Boethius, der diesen weifsen Ochsen in der hi-
sloria Scotorum Paris 1526, eine löwenartige Mähne giebt,
diese nach seiner Art aus den Alten compilirt habe, ist doch
wohl etwas gewagt, weil Bischof Leslie in seinem Werke de
Origine, jnorihus et rehus gestis Scotorum. Rom 1578.
diese Mäline ebenfalls erwähnt, und bei der starken Degene-
ration, die dieses Vieh durch Jahrluinderto lange Einhegung
offenbar erlitten hat, wohl auch die mähuenartig längeren
Halshaare verloren gegangen seyn können, wie schon For-
stor in seinem Briefe an Buffon meinte. Forster sagt
119
auch, diese wilden Bisons, wie er sie nannte, hätten eine un«
bezwingbare Abneigung gegen das zahme Rindvieh und ver-
misicliten sich nie mit diesem, dahingegen giebt Hindmarsch
an, dafs jung eingefangene Kälber ganz zahm würden, und in
diesem Zustande hätte sich ein Ochse schnell gemästet, eine
Kuh sei aber von einem Landbullen belegt worden und die
davon gefallenen Jungen seyen der Mutter sehr ähnlich ge-
blieben. Kurz, offenherzig gestanden, wissen wir von dem
weifsen caledonischen Rindvieh noch so wenig Gründliches,
dafs wir noch ganz ungewifs sind, ob wir dasselbe zu der Ab-
theilung des genus Bos rechnen können, die wir mit dem Na-
men Bison bezeichnen, oder zu der, zu welcher der Zebu
und unser zahmes Rindvieh gehören. Es mag sich nun aber
damit verhalten, wie es will, so giebt Uns der caledonische
weifse wilde Ochse nicht den geringsten Aufschlufs über die
vermeintliche Verschiedenheit des Tur vom Zuhr in den ger-
manischen und slavischen Wäldern.
Endlich mufs ich mich nochmals zu einer linguistischen Un-
tersuchung über die Namen Tut' und Zuhr, TJr und Wisent
wenden. Hr. v. Bär bezweifelt meine Ansicht: das Wort
Zuhr sey das lithauische Wort für das polnische
Tur, Er halte sie jetzt für wenig begründet, denn die Rus-
sen nennten noch jetzt von Grodno bis zum Kau-
kasus den jetzigen Auer Zuhr und hätten diesen
Namen selbst auf den amerikanischen Bison über-
tragen. Es ist nicht genug dafs Hr. v. Bär meine wohlbe-
gründete Ansicht, die mehr als eine blofse Ansicht war und
ist, bezweifelt; er hätte sie, wenn er gekonnt hätte, durch
haltbare Gründe widerlegen sollen. Das hat er aber gar nicht
gethan, er ist in keine genauere linguistische Forschung ein-
gegangen, die ich defshalb genöthigt bin nachzuholen. Den
schwachen Einwand, den Hr. v. Bar dagegen erhebt, wird
wohl kein Sprachforscher, selbst wenn es damit seine völlige
Richtigkeit hätte, für einen genügenden erkennen. Es ist nicht
genug, dafs in den zoologischen Lehrbuchern die in Riifsland
erschienen sind z. B. in dem von Eichwald steht: Bosurus
russisch 3j opi» (^Zuhr^ obgleich auch da ein- etiatn Tur an-
gehängt ist, sondern man mufs die Volks- Dialecte befragen^
Ich habe schon erwähnt, dafs die heutigen Stämme, welch*^
120
den kleinrussischen Volkszweig in Südwest- und Südrussland
bilden, das Wort Zuhr in ihrer Volkssprache gar nicht
kennen, sondern, so weit die von ihren Vätern auf sie ver-
erbten Sagen von diesem Thiere sprechen, es stets mit dem
Namen Tur bezeichnen. Nur die westrussinischen Stämme,
die in Lithauen und Werfsrussland vor altet* Zeit mit lithaui-
schen Stämmen vermischt wohnten, haben das lithauische Wort
Zuhi' auch in ihren Volks-Dialect aufgenommen, sie allein
kennen das Thier noch aus eigener Ansicht und so ist dieser
Name aus ihrem Dialect in die neuere grofsrussische Bücher-
sprache übergegangen. So kann die Uebertragung auch nach
Amerika gekommen und der Name Zubr^ dem ihm sehrä hn-
lichen amerikanischen Bison beigelegt worden seyn. Dafs
aber die Russen im Kaukasus den awchasischen Adompe, des-
sen Existenz wir erst seit wenig Jahren kennen und von des-
sen völliger Identität mit dem Zubr wir doch noch keine
ganz genauen Beweise haben, auch Zuhr benennen sollen,
wie aus Hrn. v. Bars AVorten zu vermuthen steht, bedarf
noch einer bessern Bestätigung; denn wir haben noch keinen
Beweifs, dafs die russischen Ansiedler an der Kuban-Linie das
Thier wirklich kennen und wenn etwa die Officiere der rus-
sischen Besatzung von Suchum Kaie den Zuhr ähnlichen Och-
sen im Thal des Flusses Psoeh so benannten, so ist diefs nichts
Auffälliges. — Mit Hrn. v. Bars Behauptung, dafs alle Rus-
sen vom Grodno bis zum Kaukasus den Auerochsen Zuhr
nannten, hat es also gar nicht einmal seine Richtigkeit, denn
die Kleinrussen kennen dieses Wort nicht und ein anderer
grofser Theil der Grofsrussen, die schon seit mehreren Jahr-
hunderten das Thier in ihren Wohnsitzen nicht mehr sahen,
wird es nur noch aus der heutigen Büchersprache kennen.
Der Name Tz/r ist hingegen heute noch in den kleinrussischen
Mundarten von Podolien, Ukraine und Volhynien erhalten,
nicht blos als Name des einst auch dort lebenden Zuhr, son-
dern auch figürlich noch. Ein genauer Kenner der russischen
Sprache und der Mundarten jener Provinzen, in denen er er-
zogen ist und lange gelebt hat, erzählte mir, dafs das gemeine
Volk daselbst von einem trunkenen Menschen, der in diesem
Zustand wüthend ^a^Qw andere andringt, sagt: er gebehrde
sich wie ein Tur\ von einer dicken, vierschrötigen, rothwan-
121
gig aufgedunsenen Frau: sie gehe einher wie eine turzyca
d. i. die weibliche Form desselben Worts, wie einst in Maso-
vien, in den Lustrationen der Woiwodschaft Rowa turzyca
als Bezeichnung der Zubr-Kuh gebraucht wurde.*) Tur ist
also nicht blofs Bezeichnung für den Waldochsen, wie zavQog
bei Phoarinus, sondern es ist ebenso Bezeichnung für grofs
und wild, wie ür und Auer in deutschen Diaiecten. Der
Name Zuhr ist auch nicht in alle slavische Dialecte überge-
gangen; Linde in seinem grofsen Lexikon der slavischen
Sprachen führt ihn nur in alt-slavonischer, polnischer, russi-
scher und böhmischer Sprache an, dagegen hat sich für den-
selben Begriff Tur neben Zuhr in böhmischer, und allein für
sich Ur in slavakischer, t/r in slavonischer, Turin in der win-
dischen Sprache erhalten. Noch andere slavische Dialecte ken-
nen weder Zuhr noch Tur, so die Sorben wendische Sprache
der Lausitz hat dafür den Namen dziwi wohw, die kroatische
Mundart divywol (d. h. wilder Ochse). Tur ist also nicht
blos, wie ich früher angab, in polnischer Sprache und wie wir
nun gewifs durch Dtugofz wissen, ein synonymer Name für
Auer oder Zuhr, sondern es ist überhaupt der echte alt sla-
vische Name dieses Thiers sowohl in den Diaiecten des nord-
westlichen als des südöstlichen Slavenzweigs. Und seitdem in
neuerer Zeit eine liefere und philosophischere Sprachforschung
die innige Verwandsehaft aller Sprachstämme der indogerma-
*) Dafs Tur nicht blos in kleinrussischen und westrussischen
Diaiecten, sondern auch in polnischer Sprache für Ztibr gebraucht
wurde, ersehen wir auch noch aus einem polnischen Hochzeits- Ge-
sang aus dem ITten Jahrhundert, ich glaube von Janicki oder Janu-
szowski, was ich eben jetzt aus Mangel einer vollständigen Samm-
lung alt polnischer Dichterwerke nicht ausmitteln kann. In diesem
Gesänge kommt, als von den Geschenken die Rede ist^ welche der
Bräutigam seiner Braut zum Hochzeitfest geben wird, die Strophe vor:
I czerwone Turz^tko na pieczyste b^dzie d. h. Und ein rothes
Tur-Kälbchen wird zum Braten sein.
Nun habe ich oben in einer Anmerkung ausdrücklich angeführt»
dafs neugeborne Auerochsen-Kälber ein glattes Fell von jrÖthlicher
kastanienrother Farbe haben. Der Dichter nennt aber das junge
Thier., das zum seltenen Hochzeitsbraten dienen sollte, nicht Zubr^
x^tko (ZuBr-Kalh) sondern Turze^tko (^Tur-Kalh). Ernennt es roth
wie jenes, zum Beweifs, dafs beide Namen wieder nur ein und das-
selbe Thier bezeichnen.
122
nisclien Menschcnrace von sanskritischer Form und Beugung
nachgewiesen hat, kann es nicht mehr auffallen, wenn das grie-
chische xavQog, altslavische Tur, alt -oberdeutsche Ur, Aiier
und Taiir und das gallische Ur, so genau iui Ton wie in
der Bedeutung übereinstimmen.
Meine Bemerkung, dafs alle Ortsnamen, welche vom
Wort Zuhr abstammen, nur in den vormals oder noch jetzt
vom lithauischen Stamm bewohnten Theil von Polen und im
eigentlichen Lithauen vorkommen, die vom Wort Tur abstam-
menden Ortsnamen aber im ganzen übrigen Polen, ist durch-
aus nicht von der Hand zu weisen. Ich mufs ihr jetzt sogar
noch eine gröfsere Ausdehnung geben. Wäre Zubr oder
Zumpro ein ursprünglich slavisches Wort im engern Sinne,
hätten alle Russen, wie Hr. Bär irrthümlich behauptete, den
Aueiochsen von jeher Zuhr genannt, so müfsten doch auch
vom Zuhr abstammende Ortsnamen in den russinischen und
russischen Provinzen vorkommen, die niemals lithauische Be-
völkerung hatten z. B. im eigentlichen Volhynien , Podolien,
Rothrussländ (d* h. Ostgallizien bis zum San) Ukraine, Smo-
lensk, JMohilew und weiter nach Osten., Vergeblich habe ich
si,e aber in diesen Provinzen gesucht, wohl aber in ihnen wie im
eigentlichen Polen, vom Tur abstammende Ortsnamen gefunden.
Wir; haben aus Ding OS z kennen gelernt, dafs im 15. Jahrhun-
dert bei Przyszow in dem Winkel zwischen San und Weich-
sel die Zuhry noch gejagt wurden. In der Nähe 'davon ist
aber kein vom Zuhr abgeleiteter Ortsname, wohl aber liegen in
der Nälie die Orte Turbin bei Rozwadow und Turza bei So-
kolow. Gehn wir über den San ostwärts in den südlichen
Theil des Lubliner Gubernii und das alte Land Chelm, in wel-
chen Pulen mit Russinen gemischt wohnen, die letztern aber
die ursprüngliche Bevölkerung sind, so finden wir südlich von
Szczebrzeszyn am Wege nach Josefow, noch den Thiergarten
(Zwierzyniec) der Familie Zamoyski, in welchem einst Pala-
tin Ostrorog l^ur und Zuhr gesehen haben will. Gleich da-
neben liegt das Dorf Turzyniec. Verfolgen wir das nahe da-
neben liegende Thal des Pör-Bachs, das von Kajetanow nord-
wärts die tertiäre Bergkette von Franijjol und Goray durch-
«^ichneidet, so korrunen wir ins jetzige Städtchen Turabin, eine
Gegend, die noch im 15ten Jahrhundert mit dichtem Wald be-
123
deckt und durch ihre Jagden bekannt war, denn Dlugosz
1. c. Lib. I. bei Mi der T. III. p. 643 schreibt: idem ßuvius
Bia^ft, cujus fons in villa Godzieszow, ostia habet in Brnew
(heute auch Branvvica geschrieben, der bei Brenica, gegen-
über Rozwadow in den San fällt) circa Venationes Tu-
rohienses. Wenn nun von Pryszow über Rozwadow und
den San und am Flüfschen Brnew aufwärts über Janow bis
Turobin auf nicht mehr als 9 Meilen Länge noch heute die
sumpfigen Wälder fast ohne Unterbrechung sich erstrecken,
in denen am südlichen Ende König Wladislavv Jagello 1410
Zuhry und Elen jagte, wer kann da noch zweifeln, dafs die
T^enationes Turohienses am andern Ende des Waldes was
anderes bezeichnen als die Jagd derselben Zuhry? Im ganz
russinischen Land Chelm jenseits des Bugs finden wir den
Ort und Flufs Turzysk, der ehemals jene Landschaft von Vol-
hynien trennte und unterhalb Ratro bei Kamin in den Przy-
pet fällt. Das wird der Ort Thur sein, den Diugosz 1410
nennt, als Wladislavv Jagello um. Lubomla, Ratro, Thur, Laczko
und Lubochnia jagte. Weiter hin am Prypet finden wir die
einst 'beträchtliche Stadt Turow, welche nebst Pinsk die Li-
thauer 1220 den Russen entrissen, als sie den Fürsten Mscis-
law Romanowitsch von Kiew an der Jasiolda geschlagen hat-
ten. Noch weiter nördlich im heutigen Gouvernement Minsk
d. h. in Schwarz-Russland oder der nachmaligen Woiwodschaft
Nowogrodek liegt der Ort Turocz im Fürstenthum Sluck. Ba-»
ron von Herberstain nennt in der Beschreibung von Li-
thauen, nachdem er Mosier (Mozyr) am Prypet 30 Meilen
oberhalb Kiew angeführt hat, den Flufs Thur {flmnen pisco-
sum inßuit Pre^etz) der von Norden her in den Prypet falle.
W'elchen von den auf dieser Seite in den Prypet fallenden
Flüssen er damit gemeint hat, weifs ich nicht gewifs, denn
die mir zu Gebote stehenden Specialkarten von Westrussland
nennen jetzt dort keinen Flufs Tur. Aber auch noch weiter
nördlich kommt in der ehemaligen Woiwodschaft Polock der
Ort und Flufs Turowka (Turowla) vor, der von Süden her
in die Düna fällt. (Hat diesen vielleicht Herbertain ge-
meint?) — So finden wir also in den nur von russischen
vStämmen bewohnten Landschaften vom Land Chelm bis zu
den Ufern der obern Düna, in diesem grofsen Wald -Sumpf-
124
Terrain, welches das Flufsgebiet des Prypet und obern Dneprs
bildet, und alle Eigenheiten des Bodens in sich vereinigt, wie
sie der Zuhr liebt, die von Tur abstammenden Lokalna-
men so gut wie im eigentlichen Polen, weil das einst hier
überall verbreitete Tliier nicht blos in polnischen, sondern
auch in russijiischen Mundarten diesen Namen führte. Darum
ist es schon irrig, wenn der Tur nur in Masovien, der Zuhr
als ein anderes Thier nur in Lithauen und Russland leben
sollte. Darum konnte auch Mathias von Miechow, der so ge-
nau die lettischen und russinischen Dialecte neben einander
in Lithauen kannte, mit Recht sagen: Uri et (vel) hoves syl-
vestres quos lingua ipsorum Thuros et Zumbrones vocant,
denn die lingua ipsorum ist nicht eine, es ist die ver-
schiedene Sprache der neben- und unter einander im Staate
Lithauen wohnenden Letten und Russinen, jene mit Zumhro,
diese mit Tur ihren gemeinschaftlichen Waldochsen bezeich-
nend. — Dafs der Zuhr im 13ten und 14ten Jahrhundert
ndch häufig in der Gegend von VVilna selbst lebte, wird Nie-
mand" bezweifeln und ist aus der Geschichte der Stadt Wilna
bekannt. Da wo jetzt die Kathedralkirche steht, war ein dich-
ter heiliger Eichenwald. In ihm erbaute Fürst Sieragmund
1285, nachdem sein Vater Swintorag die Priester in Samogi-
tien um Rath gefragt hatte, einen Tempel des Gottes Perun,
dessen grofser gemauerter Altar oben mit einer Menge Zubr-
liörner verziert war. *) In seiner Nähe erlegte Grofsfürst
Gedymin, nachdem er die Russen besiegt und Kijow einge-
nommen hatte, ums Jahr 1320 einen Zuhr und die durch den
Oberpriester Lizdeyko versuchte Auslegung eines Traums, den
der in der folgenden Nacht unter freiem Himmel auf dem jetzi-
gen Schlofsberg von Wilna schlafende Fürst hatte, ward Ver-
anlassung zur Gründung der Stadt. Das Hörn jenes erlegten
Zuhr, wahrscheinlich von besonderer Gröfse oder Schönheit,
mit Perlen und Gold verziert, blieb fast hundert Jahr bei der
Familie des Grofsfürsten, denn sein Enkel, der bekannte Grofs-
fürst Witold schenkte es 1428 dem Kaiser Siegmund I., als
dieser persönlich dem bekannten Fürsten -Congrefs zu Luck
*) V. Ojns starohjtnego kosciola Jowis%a Perhina u -po^an Zwa-
negn w Wilnie prxex Teodor Narburt im Tugodnik WUenski 1817,
r. ///. p. 103. T, IV. jK 207.
125
in Volhynien beiwohnte, wo aufser der Berathiing über ein
Bündnifs gegen die aufkeimende Uebermacht der Osuianen,
Witold durch dieses und andere Geschenke die Gunst des
Kaisers zur Ertheilung der lithauischen Königswiirde im Ge-
heim zu erkaufen versuchte. Diese Nachrichten verdanken wir
dem zu Kowno in Lithauen 1607 geborenen Jesuiten Koja-
lovvicz in seiner Ilistoria Lituaniae Danzig 1650. 4. Tom. I.
p. 264, der von SchlÖzer für einen der besten Geschichts-
schreiber des 17ten Jahrhunderts erklärt wurde und für die
altern Zeiten meistens aus Stryikowskiego Kronika polskoj
Liteivska, Ruska schöpfte, welcher nach seiner Angabe aus
vielen alten jetzt leider verlorenen lithauischen und russini-
schen Chroniken seine Nachrichten entnahm. Für Uns ist
Kojalowicz Erzählung in sofern von besonderem Interesse,
weil er, selbst in Lithauen geboren, den vom Gedymin er-
legten Zubr einen Tur und das von Witold verschenkte
Hörn desselben ein Turhorn nennt. Wiederum ein fast
gleichwerthiges Zeugnifs mit dem von Dingos z, dafs auch
in Lithauen selbst der synonyme Name Tur (aus russinischem
Dialect) bekannt war,
Hr. V. Bär will nicht glauben, dafs Zumper oder Ziibr
ein lithauisches Wort sey, weil er nicht glauben könne, dafs
die Russen einen lithauischen Thiernamen in ihre Sprache auf-
genommen hätten. Ich habe schon angedeutet, wie dieser Ue-
bergang in die grofsrussischen Dialecte erfolgt seyn könne,
allein es giebt noch einen andern, tiefer im Wesen indoger-
manischer Sprach - Verwandschaften liegenden Grund dafür.
Dafs jenes Wort dem lettischen Sprachstamm , den ich noch
als einen selbstständigen betrachtete, wirklich angehört, dafür
habe ich zwei unverwerfliche Zeugen. Der erste ist der ge-
naue Kenner der lithauischen Sprache, der verstorbene Wii-
naer Prälat Xawer Bohusz in seiner Rozprawa o pocz^tkach
norodu i jezyka litewskiego. w Warzawie 1808. 8, der in dem
p. 119 — 145 gegebenen lithauischen Wortverzeichnifs für das
polnische Wort Bawol (Büffel) das lithauische S tum b ras an-
führt. Der zweite ist Dr. A. Fr. Pott in seiner gelehrten
Commentatio de Borusso-Lithuanicae tarn in slavicis c/uam
letticis Unguis principaiu. Halis Saxonum in Uhr. Gebau-
eria. 1837. 4. Er führt p. 68, als er von der Verwandlung
126
des lithauischen Buchstaben S bei Letten und Slaven in die
Töne C und S (Gernianiscli sz>, Französisch <;) spriclit und
hinziififgt: Vi.v casu factum est, nt multa inveiüantur vo-
cahiila, qiiae modo ah s cum, muta conjuncta, modo ah
sola sihila aut muta littera incipiant, ausdrücklich unter an-
dern Wörtern auch an
Lith. Stumbras, lettisch Sumbrs (urus), russ. 3y6p'b
slavonisch 'Ssj\rb (jirus et hison).
Ol) dieses nomen proprium vielleicht mit dem Zeitwort
stimpu {rigescere~) und mit stiprus, lettisch stiprs (^i^ohustus^
in Verwandschaft steht, mufs ich den genauem Kennern letti-
scher Dialecte überlassen, dak aber mit Stumhras oder Sumhrs
in nächster Verwandschaft stehen oder in slavische Dialecte
übergegangen sind:
Das moldauische Zimhr, das neugriechisch-slavische Zuin-
pj'os, das böhmische Zuhro, das von Miechovita gebrauchte
Zumhro (^nes), das alt slavonische «Jöop'L, das grofsrussi-
sche 3.y6|>'j7, das polnische Zuhr
das springt unverkennbar in die Augen, und zugleich, dafs das
Wort durch Auswerfung des Buchstaben m vor dem h bei
Russen und Polen am meisten verändert und verweichlicht
worden ist.
Die Erscheinung, dafs das lettische Wort nicht blos in
den Dialecten der mit den Lithauern zunächst grenzenden und
damit vermischten lechischen und russinischen Stämmen sich
findet, sondern auch bei den entferntem Böhmen und den
südslavischen Stämmen in der Moldau und im ehemals by-
zantinischen Reich, durch die allein es den neuern Griechen
des Mittelalters bekannt werden konnte, nnifs Uns allerdings
bedenklich machen, ob wirklich eine Uebertragung dieses
W^ortcs von einem Sprachstamm in den andern statt-
gefunden haben könne. Das führt Uns zu der Frage, in
welchem Verwandschafts - Verhältnifs die lettischen zu den
slavischen Sprachen stehen. — Von jeher sind die Sprach-
und Geschichtsforscher unter sich uneinig gewesen, ob man
die lettischen Dialecte zusannnen als einen eigenen Sprach-
stannii, gleichwerthig mit dem deutschen, slavischen und linni-
schen i)etrachten könne oder nicht. Nachdem die auf einzelne
Wortähnlichkeilen gebauten fabelhaften Conjecturen, als seyen
127
die lettischen Völkerschaften Nachkömmlinge eines vor Ale-
xanders Siegen nach Norden geflohenen griechischen Stammes
oder einer dort angesiedelten lateinisch-italischen Kolonie, kei-
nen Glauben mehr finden konnten, wurden doch die lettischen
Stämme entweder völlig unzulässig dem finnischen Völker-
stamni beigezählt, vielleicht weil in die Sprache der den Est-
hen benachbarten Letten einzelne esthnische Wörter finnischen
Stammes eingemengt w^orden waren, oder sie und ihre Spra-
chen wurden als ein Gemisch von Finnen, Slaven und Deut-
schen oder von Slaven und Gothen allein betrachtet. Schon
Schlözer*) mochte fühlen, dafs es unzuläfsig sey, die lettischen
Völker als blofse Mischlinge zu betrachten; er machte aus ih-
nen einen eigenen Völkerstamm. Seinem Scharfsinn ent-
ging es dabei, zu einer Zeit, in welcher an ein wahrhaft ver-
gleichendes Sprachstudium noch nicht zu denken w^ar, auch
nicht, dafs dieser Stamm und seine Sprache dem slavischen
sehr nahe verwandt wäre. Er sagt ausdrücklich:
„Es Ist wahr und ich habe es eben schon eingestanden, die
Letten haben In der Religion sowohl als In der Sprache sehr
vieles mit den Slaven gemein. Mehr als die Hälfie lettischer
V^örter Ist rein slavisch; und auch In der Grammatik findet sich
zw^Ischen beiden Sprachklassen eine mehr als zufällige Aehn-
lichkelt. Allein es findet sich dennoch keine lettische Mundart,
die sich zu Irgend einer Slavischen so verhielte, wie das Rus-
sische zum Kroatischen. Und wenn Slaven, Finnen und Vas-
ken gar nicht verwandt, Russen und Kroaten aber Brüder, und
Slaven, Deutsche und Griechen Cousins Im 2ten Grade sind,
so Hessen sich vielleicht Letten und Slaven höchstens als Cou«
sins im Isten Grade ansehen/'
Diese Vermuthung hat sich durch genauere Erforschung
dieser Sprachen in neuerer Zeit glänzend bestätigt und ich
glaube, dass man der daraus von Pott in der oben citirten
Abhandlung gewonnenen Ansicht, den Beifall nicht mehr ver-
sagen kann. Nachdem er 1. c. p. s. sehr richtig bemerkt:
„LInguas Letticas (receptum nomen retin eo) e confuslone
elementorum Slavicorum cum Germanicis, In bis vero cum Go-
thlcls potlssimum traxisse orlglnem, falsum est, ut quod maxiiue/'
und welter: „Linguae autem, de quibus nunc disputamiis, magna
et clara voce clamant contra et permlxtlonis et corruptelae sus-
piclonem, quibus inter alias Othomanorum vel Anglo -Britani-«
cam hodlernam laborare In vulgus nolum est.*'
*) In seiner Nordischen Geschichte. Halle. 1771. 4. p. 316. sq.
128
Kommt Pott p. 11 zu dem Schluss:'
„Letticae linf^uae si qiiaeras iium stirpem efficere diel pos-
slnt nulla ex parte non propriam suisque inclusam finfbus,
praefracte nego; forma enim totoque habitu utuntur Sla-
vico vere totque numerls Slavico, ut, contra qui dicat, vix
ulllus hominis sibi facturus sit audientiam merito. Quin adeo,
quod senlio me, renlsurls fortasse nonnullis, qui minus ducun-
tur amore verltatis, quam abripi se patluntur studio patriae in-
iquiore alienacque laudis invio, at vero, si spes me mea non
fallit, non sine approbatione eorum , qnorum in comparanda-
rum inier se linguarum studio aliqua est auctoritas, uli olim du-
bitantius a me significatum est, ita nunc, metu abjecto, libere
declarare et pro certo affirmare, non, quemadmoduru vulgo rem
sIbi fingunt animo, e Russica illae aliave lingua Slavica, quam
strictlore sensu vocamus, tanquam ex matre et genlis auctore
descendisse exlstlmandae sunt, sed Slavicarum sororum
ipsae praesules chorum ducere."
Wenn somit aus dem Lautsystem, der Laut Wandlung^,
Formbeugung und dem ganzen Sprachbau die innigste Ver-
wandtschaft der lettischen mit den Slavischen Dialecten folgt
und jene nicht mehr als ein eigner Sprachstamm zu betrach-
ten sind, so ordnet Pott dieselben dem Slavischen Sprach-
stamm dergestalt zu, dass zu den beiden, bis jetzt in ihm an-
genommenen Ordnungen oder Zweigen
der ersten, welche die zweite von Osten und Süden
umgürtet und aus der Alt-SIavonischen, Russischen, Ser-
bischen, Kroatischen und Windischen Sprache bestellt und
der zweiten, welche Böhmisch, Slavakisch, Moravisch,
Polnisch und Ober- und'Niederlausitzer Wendisch umfasst, noch
eine dritte, die 2te Ordnung vom Norden umgürtend,
hinzutritt, welche in die 3 Sprachen: Alt-Preussich, Preufsisch
und Polnisch- Lithauisch oder Samogitisch und das eigentlich
Lettische zerfällt.
Diese sogenannt lettischen Dialecte sind aber nur wenig
mehr von den Slavischen Sprachen der Isten und 2ten Ord-
nung entfernt, als Gothisch von Angelsächsisch, von den
Skandinavischen Dialecten und Altdeutsch.
Von diesem neu gewonnenen Gesichtspunkt ausgehend,
gehört also der Name SumhrSy Zumpros und Zuhr ebenso
wie der gleichbedeutende Name Tur dem slavischen SpracK-
stamm im weitern Sinne, jener ursprünglich seiner nördli-
chen 3ten, dieser seiner mittlem westlichen Ordnung an.
129
Es wirtl verständlicher, wie das Wort Zuhr neben Tut auch
in einigen, von lettischen Stämmen entferntem eii^entlichen
SJaven Stämmen wohl nicht (hirch secundäre lieber tragung,
sondern aus den primären genaeinschaftliclven Urelementen der
Sprache auftauchen konnte, Dass aber von vQrscIitedeneii
Slavenstämmen für ein und dasselbe Thier der eine den Na-
men Ziihry der andere den Namen Tur gebrauchte, ist so
vyenig auffällig, als wenn in deutscher Spraclie die eben so
'verschieden klingenden Namen Pferd , Gaul und Ross oder
nur in niederdeutschen Mundarten Peerd, Hest, Horse, Mar
und Poge ebenfalls auch nur dasselbe Thier bezeichnen; oder
wenn beide Namen bei einem und d-eraselben Slavenstamm,
wie bei den Polen und wohl aucli bei den Böhmen vorkom-
men, so ist es derselbe Fall, als wenn der Isländer in seiner
Sprache neben einander die Wörter Eikur Heste, Mar und
Hross zur Bezeichnung des Pferdes braucht.
Hr, V. Bär findet es unbegreiflich, wie von zwei benach-
barten Völkern, die sogar unter einem Scepter vereinigt wa-
ren (Lithauern und Polen) das eine Volk nicht sollte erfahren
haben, wie das gröfste Jagdthier des Landes bei dem Andern
heisse. -— - Das ist so auffallend und unbegreiflich gar nicht,
als ^ es scheinen mag, wenn man genau beachtet, wie., locker
überhaupt 4ie Vereinigung der beiden Staaten war, wi^ wenig
die Pjolen s^ich/jei^ials bemühten, die lithauische Sprache kern
nen zu lernen, wie sie vielmehr als das mehr gebildete Valk
üire , Sprache dem rohern Staatsbruder aufdrangen und wie
selbst unter den Jagellonen schon die lithauische Sprache in
Lithauen selbst nicht; mehr Geschäfts-- und Gerichtssprache
war, d^ das erste geschriebene Landesgesetz, das lithauische
Iste Statut, nicht in lithauischer, sondern in russinischer
Sprache geschrieben ist, weil die Mehrzaiil der Landesbewoh-
ner auch, damals schon Russinen waren, auf dem . platten
J^nde vom eigentlichen Litwa ein eigenes Gemisch von russi-
nisch und lithauisch gesprochen wurde und nur die im Gehei-
men ihr Heidenthum, namentlich ihren Schlangen -Dienst bis
in sehr späte Zeit festhaltenden Samogitier in ihren unzu-
gänglichen Wildnissen ihre Sprache rein erhielten. Es ist
Thatsache, dass heute voti 4 Millionen Polen ausser einigen
wenigen Gelehrten und einigen wenigen Grenznachbarn ge-
VViegm. Arthir. VI. Ja!irg. J. Band. 9
130
wifs Niemand weiss, \v\e rÜe gewöhnlichen Ilaiis-, Jagd- und
Feldthiere und Waldbäume in lithauischer Sprache' heissetfl,
z. 15. dass der Ochse Janczis, das Pferd ArMis, das Sehaaf
Amnas, das Schwein Mey felis, der Hirsch Etnis\ das Eleu
Bredis , dier I§^el Elil'i oder die Kiefer Ptiszis, die Eiche
Uzjiolas, die Buche EsJxulos u. s. w. , heissen. Wie leicht
•also, dass einige wenige Polen und noch mehr Ausländer, die
in ihren Schriften Twr und Zuhr erwähnten, ebenfalls nicht
wussten, dass dies zwei gleichbedeutende Namen waren, Und
dass Zuhr eigentlich lettischen Ursprungs sei? Wenn man
in den Karpathen in den Grenz -Districten reist, wo unter
einem Scepter stehende polnisch sprechende Goralen, Slavaken
und Russniaken mit ihren eignen Dialecten an einander und
unter einander wohnen, da trifft man auf eine Menge, die ge-
wöhnlichsten Dinge des Lebens und der Natur bezeichnende
und sehr abweichende Benennungen, welche diese slavischen
Grenznachbarn unter einander selbst nicht verstehen, wenn man
z. B. unter den Slavaken das gorälische, unter den Goralen um-
gekehrt das slavakische W^ort für einen und denselben Gegen-
stand gebraucht. Oder weiss denn eben jeder Deutsche, wenn
ich die Ausdrücke: es thornt, es tömmelt, es k lupft, es
grummmelt und es wedert gebrauche, dass ich mit allen
diesen den Naturlaut dips Donners, nur in verschiedenen
noch heute im Munde des Volkes lebenden Mundarten aus-
drücke?
In altdeutschen Annaleu und Gesetzbücheru ist der ür-
ochs oder Wisent zuweilen huhalus und Püffe 1 benannt,
wie noch heute manche, der Naturgeschichte Unkundige den
Auerochsen ebenfalls zuweilen Büffel nennen. Ist eine sol-
che Benennung, wenn wir sie nach unserer jetzt acceptirten
naturhistoriscl)en Nomenclatur beurtlieilen, irrig, so ist sie
es deimoch nicht, wenn wir die pi*imäre wörtliche 15edeutung
von huhalus und Büfftd untersuchen, denn diese Wörter sind
ursi)riiiiglich keine iwmiiia piopfia spccici, sondern rtomina
collccliva geiieris \n Bezug auf licbensweise und Aufenthalt.
Der griechisch -lateinische Name huhalis, huhalus, ßo^i
ßalog. wie ihn Aelian, Oppian und Piinius ursprüngfidi
für die nordafrikanische, stierartige Antilope huhnlis ge-
braucht haben, ist ein dem ganzen indogermanischen Sprach-
131
stamm angehöriges Wort. Niemand kann verkennen, dass
das griechische ßovßcdog, das lateinische huhalus. das Alt-
slavische und russische dywßoXb das Polnische Baw6\ und
Buy^öt, das Böhmische Buaol und Bauwol, das Slawa-
kische, Kroatische, Bosnische und Slavonische hiwol, hivo^
das Windische hivol, pivol, pjfß, das Deutsche, Däni-
sche, Englische Büffel. Byffel, Bufße^ (durch Verwand-
lung des w in /) und das Spanische und Italienische huf-
fano un4 huffalo^ aus 'einer und derselben Wurzel her-
vorgegangen sind. Der Schlüssel für seine Bedeutung liegt
in den slavischen Sprachen. Büwo\, Buywöl ist sichtbar
zusammenhängend aus den Worten
wöl K^ul)^ d. h. der Ochse, womit wieder das germa-
nische Bulle genau zusammenhängt und
der Sylbe Bu oder Buy, welche mit dem Zeitwort Jw-"
ja6j hujac sk, d. h. sich über die Grenzen der Massigkeit
wegsetzen, hitzig seyn, üppig werden, ausschweifen, zusam-
menhängt und also überhaupt den Begriff wild, unbändig
ausdrückt.
Buywol", was genau dem grichisch-lateinischen Bubal mit
den Endsylben is, os und us entspricht und nur durch Laut-
wandlung des w in / in das germanische Büffel umgeformt
ist, hat also keine andere Grundbedeutung als wilder Ochse.
Damit steht in genauer Verbindung, dafs selbst in arabischer
Sprache die stierartige nordafrikanische Antilope Bekkev el
Wash d. h. wilder Ochse heifst, weshalb auch Gefsner
das Thier Bos Elaphus (Hirschochse) und P^errault später
Vache de Barharie nannten. Wenn mithin in altdeutschen
Urkunden und Schriften, selbst ehe die aus Asien eingeführte,
heut zu Tage mit dem Specialnamen Büffel bezeichnete Och-
senart in Mittel -Europa bekannt wurde, der innländische
wilde Ochse: der Auer oder Wisent mit dem Namen
Büffel belegt wurde, so war das eine ganz richtige generische
Benennung, aus welcher wir durchaus kein Recht haben zu
schliefsen, als habe man damit eine vom Auerochsen verschie-
dene Ochsenart bezeichnen wollen. , • .
Endlich bleibt mir nur noch der Beweis zu führen übrig,
dafs auch die deutschen Namen Ur (Auer) und Wisent sprach-
lich aufgefafst ebenfalls nur eine und dieselbe species be-
9 *
132
zeichnen, obgleich sie nur einem Sprachstamm angehören nnd
defshalb auch in etwas anderer Art synonym sind als die Na-r
men Tm/' und Zuhj\ Ich finde den Beweis dafür gerade in
demselben löten Gesang des Niebelungen Lieds (Abentheuer
wie Held Siegfried erschlagen wird), welchen man schon mehr-
mals, aber gewifs mit Unrecht benutzt hat, um die Existenz
mehrerer jetzt erloschenen Jagdthiere im westlichen Deutsch-
land, in der Zeit vom 6ten bis höchstens zum 13ten Jahrhun-
dert zu erweisen, in welcher unser National- Epos aus ein-
zelnen ursprünglichen Sagen und Liedern allmählig zusam-
menflofs und zuletzt in seine gegenwärtige Gestalt umgear-
beitet wurde.
Als Siegfried von Niebelungenland mit Günther, dem Bur-
gunder König, und dem falschen Hagen in der Gegend von
Worms über den Rhein zur Jagd zogen, erzählt Uns das Ge-
dicht, dafs Siegfried zuerst einen starken Halbwolf, dann einen
ungefügigen Leuen*) erschlug. Dann folgen nach der Lach-
mannschen Ausgabe der Niebelungen (in ursprünglicher Ge-
stalt) p. 104 Vers 880 die Worte:
Dar nach sluoc er schiere. . einen Wisent und einen Elch
Starker Ure viere und einen grimmen Scheich
Sin res truoc in so balde daz im niht entran
Hirze oder Hin de . . . kund im wenic enkam. Ai^HuL'i
Aus diesen Versen hat man geschlossen, dafs U^ und
Wisent verschiedene Thiere gewesen seyen, man hat Ur
mit Auerochse und Wisent mit Büffel übersetzt, man hat dem
grimmen Scheich für einen Brandhirsch, ja man hat ihn end-
lich sogar für ^len untergegangenen irischen Riesenhirsch, Cer-
vus megaceros, erklärt. Daher die fehlerhafte Uebersetzung
jener Stelle in Büschings Uebersetzung des Niebelungenlieds.
Leipz. und Altenb. 1815.:
Darnach schlug er bald einen Büffel und ein Elentbier
Einen grimmen Brandhirsch und starker Auerochsen vier.
Sein Reis trug ihn so kühn, dafs ihm nichts könnt entstehu,
Hirsch oder Hindinnen konnten ihm wenig entgelm.
*) Man hat den erwähnten H a 1 b w o 1 f für eine Hyäne gehalten.i
vielleicht nur weil unsere deutschen Knochcnliölen viel Hyänenkno-
chen enthalten. Es ist hier nicht der Ort, diefs näher zu prüfen,,
aber ich bin ziemlich fest überzeugt, dafs der erwähnte Halbwolf soi
wenig eine Hyäne als der genannte Leu ein Löwe war.
133
•
Nun hat Bujack in einer besondern Abhandlung*) er-
wiesen, dafs der grimme Scheich der Niebelungen
1) weder ein Bockhirsch oder Brandhirsch war, wie
Scheller, von Hagen, Büsching und Zeune meinten, noch
2) der irische Riesenhirsch, wie Weawer und Hibbert
vermutheten, noch
3) ein Steinbock wie Schönhut behauptete.
Die Aehnlichkeit der Namen Scheich und Elch, von
welchen der letztere bekanntlich unser noch lebender Cervus
alces ist, könnte zwar die Vermuthung begründen, dafs Sclielch
eine <lem Elen sehr ähnliche Thierart habe bezeichnen sollen,
wenn ihr nicht eine Urkunde, welche sich im Jahre 943 Bi-
schof Baldrich von Utrecht von Kaiser Otto dem Grofsen er-
wirkte, direct entgegenstände. In ihr heifst es:
Nemo venia Baiderici episcopf in pago forestensi Trentano
(d. h. der Drenter Forst zwischen der Vechte und Ems) cer-
vos, ursos, capreas, apros, bestias insuper, qiiae teutonica lin-
gua Elo vel Schelo appeiiantur, venaripraesumat. (Heda Epis.
Ultraj. p. 84.)
Dasselbe Recht wird dem Utrechter Bischof Anfried vom
Kaiser Heinrich II iu einer 2ten Urkunde vom Jahre 1006 und
dem Bischof Adelbold vom Kaiser Conrad II in einer StenUr-
von 1025 wieder bestätigt.
Wir ersehen daraus mit Bestimmtheit, dafs im löten und
Uten Jahrhundert das Elchwild noch in den sumpfigen Wäl-
dern von Niederland lebte und dafs es vom Verfasser der
Urkunde nicht wie die übrigen bekanntern Jagdthiere mit ei-
nem lateinischen Namen belegt, sondern ausdrücklich mit sei-
nem alt - niederdeutschen Namen Elo oder Schelo, soviel
als Elch und Scheich genannt wurde. Die ausdrückliche
Coiijunctio vel beweist evident, dafs beide Namen nur eine
und dieselbe Thierart, nämlich das Elch, bezeiclmen. Wenn
nun das Niebelungen -Lied, dessen erste Elemente aus einer
noch frühern Zeit abstammen, den aus Niederland stammen-
den Helden Siegfried auf der Jagd in Mittel -Burgund, der
Hauptstadt Worms gegenüber in der breiten damals gewifs
noch mehr versumpften Rhein -Niederung gegen den Fufs des
*) Bujack über den grimmen Scheich der Niebelungen in den
preufsischen Provinzialblättern T. XVII. Febr. 1837. p. 97. ff.
134
OdenwaWes hin*) gleichfalls einen Elch und Scheich erle-
gen läfst, so ist nicht der geringste triflftige Grund vorhanden
zu zweifeln, dafs hier beide Namen nur Thiere einer und der-
selben Art bezeichnen. Weil aber dem Scheich das Epithe-
ton grimm beigefügt ist, Scheich und Schelo übrigens
eine verstärkte Wortform von Elch und Elo bezeichnen, so
mufs der Dichter doch einen Grund gehabt haben, warum er
beide neben einander nannte und den Scheich im Gegensatz ge-
gen Elch durch das Epitheton grimm auszeichnete. Bujacks
Conjectur ist gewifs die richtige. Grimm bezeichnet den Ausflufs
der zur Leidenschaft gesteigerten männlichen Kraft, darum ist
der Scheich das männliche Elen, der Elenhirsch, der sich
durch gröfsere Wildheit, durch Grimm besonders in der Brunst-
zeit vor dem Thiere oder Weibchen auszeichnet, das nur durch
Elo oder Elch bezeichnet ist. Dafür spricht eine ganz gleich-
bedeutende Verstärkungsform zur Unterscheidung der beiden
Pferdegeschlechter. In alt- niederdeutschen Dialecten bezeich-
net Hengst zuweilen das Pferd im Allgemeinen, Schälhengst,
Beschäler (schwedisch Beskallare) hingegen das männ-
liche Pferd, den Zuchthengst allein. la Adelung führt in sei-
ner ältesten Geschichte der Deutschen, ihrer Sprache und Lit-
teratur p. 313 sogar an, dafs im Glossarium Mons. Sc elo
und in der Lex Alemamiorum auch Schelo als Bezeich-
nung des Pferdehengstes vorkämen. Ob diefs ganz richtig ist,
will ich dahin gestellt seyn lassen, aber im Niebelungenlied
selbst liegt ein zweiter Beweifs dafür, dafs Scheich im Ge-
gensatz gegen Elch den Elenhirsch bezeichnet, weil der Dich-
*) Bujack hat erwiesen, dafs die berühmte Jagd, auf welcher
Siegfried ana Brunnen von Hagen erschlagen wurde, am rechten Ufer
des Rheins, zwischen dem Rhein und dem Odenwald beim Dorfe
Otenheim statt fand, Nach Zeune haben 2 Berliner Handschrif-
ten für Otenheim: Nordheim, ein Dorf Worms gegenüber südlich von
der Mündung der Weschnitz in den Rhein. Diese Rhein -Niederung,
ein Theil des bei Bingen geschlossenen mittlem Rhein -Bassins, be-
kannt durch die interessanten miocenisch-tertiärcn Ablagerungen von
Kppelsheim und Mainz mufste nothwendig in frühern Zeiten ein mehr
versumpftes Land als heute seyn, che der Dammbruch bei Bingen
so sehr wie jetzt erniedrigt und der Rhein durcji Kunst eingeengt
wurde, ein Terrain, das für die den Sumpf-Wald liebenden Aueroch-
sen und Elen ein passender Aufenthalt war.
135
ter im letzten Vers der angeführten Stelle avisdriicklihh den
Edelhirsch ebenfalls in söinen beiden Geschlechtern, aber mit
den verschiedenen Namen Hirsche und Hindin auftreten
läfst. Wäre die Bedeutung des Wortes Hindin für Uns ver-
loren gegangen, hätte sie sich nicht in unserer heutigen Jä-
gersprache noch als Bezeichnung der Hirschkuh im Gegen-
satz gegen den Hirsch erhalten, so hätte man ebenfalls ver-
führt werden können, H i r z e und H i n d e im Niebelungen-Lied
auch für zwei verschiedene Thierarten zu halten. Ist nun in
den citirten Versen in der 4ten Zeile Hirze und Hinde evi-
dent die Bezeichnung beider Edelhirschgeschlechter, sind in er-
ster und zweiter Zeile ebenso gewifs Elch und Scheich die
Namen beider Elengeschlechter, so ist dem Gesetz der Analogie
gemäfs fast eben so sicher, dafs die in denselben Zeilen ge-
nannten Namen Ur und Wisent ebenfalls nichts anderes
sind als die Bezeichnung der beiden v^m?)/'- Geschlechter Au-
erochse und Auerkuh, um so mehr als dem Namen Ur
ebenso das verstärkende Epitheton, das die männliche Kraft
ausdrückende Wort stark vorgesetzt ist, als dem männlichen
Elch das Epitheton grimm. Bedenken wir die Eigenheit des
Niebellungen- Lieds, dafs seine vierzeiligen gereimten Strophen
eben dieser Form wegen eine Menge Alliterationen und As-
sonanzen haben, so wird es auch klar, warum im Isten Vers
jener Strophe die beiden weiblichen Geschlechter Wisent und
Elch, im 2ten die beiden männlichen ür und Scheich unter-
einander gestellt werden mufsten, obgleich im 4ten Vers die
beiden Edelhirsch- Geschlechter nehen einander stehen. Auf-
fallen wird auch Niemand die grofse Verschiedenheit der Na-
men Ur und Wisent für die beiden Geschlechter dersell)en
wilden Ochsenart, wenn in der deutschen Jägersprache die
Geschlechter und Alters- Verschiedenheiten durch eben so ver-
schieden klingende Namen bezeichnet werden, als beim Edel
hirsch durch Hirsch und Hindin oder Stück -Wild, Hirsch-
kalb und .Wildkalb, Spiefser und Schmalthier, beim Darnm-
hirsch durch Hirsch und Dammgeifs, beim Reh durch Bock
und Geifs oder Ricke, Spiefsbock und Schmalreh.
Erinnern wir Uns zurück an (iratianis Angabe, dafs
die Uri häufiger als die Bisonteii seyen, welches wir durch
die wirklich stattfindende Ueberzahl der männlichen über die
136
weiblichen Individuen in der Species de!s Basw^us L. erklärt
haben, so sind das Niebellungen-Lied nnd Gratiani im völ-
ligen Einklang. Ur ist hier wie dort der Auerochse, die
gleichwurzlichen Wörter JViserit und Bison hier wie dort
die Auerkuh. So aufgefafst wird selbst Gefsners vorher
unverständliche Unterscheidung von grofsen Wisenten für
Urus und kleinen Wisenten, fiir Bison einigermaafsen ver-
ständlich. Die synonyme Bedeutung von Lr und Wisent ist
mithin, indem sie wenigstens ursprünglich eine ge-
schlechtliche Verschiedenheit in sich fafst, eine etwas andere
als die synonyme Bedeutung von Tiir und Zuhi\ weil diese
aus zwei verschiedenen Ordnungen eines Sprachstamms-
abstammen. Bezeichnet gleich Tur ebenso wie Ur den männ-
lichen Auerochsen, so ist doch Zubr nicht der weibliche Ge-
gensatz vom Tur, weil Turzyca und Ziibrzyca für beide
männliche Namen die weiblichen Gesclilechts-Benennungen sind.
E 11 (1 - R e s u 1 1 a t.
Aus sieben Hauptgründen ergiebt sich also als Resultat
unserer Untersuchung, dafs die Namen Urus und Bison —
Twr und Zuhr in slavisch-lettischeu Sprachen — Ur,
Urochs, Auer, Wisent und selbst Büffel in altdeut-
schen Mundarten und Schriften — nicht zwei ver-
schiedene neben einander lebende wilde Stierarten,
sondern nur eine, den noch jetzt lebenden Bas
urus L. bezeichnen, weil:
1) kein Naturforscher und Topograph des Mittelalters
eine wirkliche specifische Verschiedenheit der mit diesen sy-
nonymen Namen bezeichneten Thiere zu erweisen im Stande
gewesen ist.
2) weil der polnische Geschichtsschreiber Dlugosz im
Mittelalter selbst die Namen Turus und Zuhro als wirklich
synonyme Namen desselben Thiers gebraucht.
3) weil in den lithauisch-polnischen Jagdgesetzen stets
nur eine und niemals zwei wilde Stierarten unter den jagdba-
ren Thieren des Landes genannt werden.
137
4) weil der Pole Kajalowicz im löten Jahrhundert und
ein polnischer Dichter des 17ten Jahrhunderts Tur in Lithauen
und Turz^tko in Polen als Bezeichnung des Zuhrs und Zu-
i^r-Kalbes gebrauchen, womit auch Czacki und unter den
neuen Naturforschern Jundziö, Jarocki und andere einverstan-
den sind.
5) weil der Name Tur noch jetzt in kleinrussischen Dia-
lekten im Munde des Volks als Bezeichnung des Zubr (Au-
erochsen) allein existirt.
6) weil aus mehreren Zeugnissen aus dem 16ten Jahr-
hundert unter sich verglichen, gleichfalls nur der synonyme
Sinn jener Thiernamen hervorgeht; denn Gratiani nennt
XJri und Bisontes in Preufsen, als daselbst nach Lucas David
wirklich nur eine Art lebte; Mucante und Sarnicki ken-
nen im Jagdgehege von Wiskitki nur Bisonten und Bisonten-
Jagden, wo Cromer, Herberstain und Swifcicki fast
ganz gleichzeitig gerade den alleinigen Stand der Turi auge-
ben und endlich
7) weil auch die deutschen Namen Ui' und Wisent im
Niebelungen-Lied ebenfalls nur die beiden Geschlechter des
Bos urus L. bezeichnen.
Beiträge zur näheren Kenntnifs \ori IJemna arrhiza
nebst einigen Bemerkungen über
L. pofyrrhiza, gibba, rnuior und Lrlsulca
von
Dr. J. F. Hoffmann.
(Hiezu Tafel I und U.)
iVleine früheren Beobachtungen*) über diese so höchst eigen-
thiimlich gebildete Pflanze wurden zu einer ^eit angestellt, in
der mir nur ein einfaches, englisches Mikroscop zu Gebote
stand. Sie konnten sich daher weniger auf die innere Stru-
ctur der Pflanze erstrecken, sondern bezogen sich mehr auf
die Beantwortung der Frage, in wie fern Lemna arrhiza
eine eigene beständige oder eine Entwickelungsstufe irgend
einer andern Art der Gattung Lemna sei. In den Weih-
nachtsferien des vorigen Jahres hatte ich Gelegenheit, die aus
*) Vgl. Tydschrift voor Natuurlyke Geschiedenis en PhyshIop;ic
door J. V. d. Hoevefi en W. H. de Vriese. IV deel IL 282 — 333
und hieraus auch besonders abgedruckt. Im Bulletin des Sciences
physiques et naturelles et Neerlande redige par F. A. W Miquel^
C 7. Mulder en W. Wen de buch. Anne'e 1838 p. 73 — 76 gab Hr.
Miquel einen äufserst genauen Auszug aus meiner Abhandlung, be-
merkt aber dabei am Schlüsse „mais d'un untre cote elles (meine
Beobachtungen) ne peuvent encore pronver l'existence de cette Lcn-
title comme une espece incontestable." Da Hr. Miquel weiter gar
keine Gründe angicbt um diesen Ausspruch zu rechtfertigen, so ent-
hielt ich mich aller Widerlegung und hoffe ihn durch das Vorliegende
niihcr zu überzeugen.
139
Holland mitgenommenen Exemplare näher zu untersuchen, und
zwar mit dem schönen Amicischen Instrumente, welches Hr. Prof.
Meyen mir freundlichst zur Benutzung gab. Die Bedeutung
einzelner, früher von mir zwar erkannter, aber nicht gehörig
aufgefafster Theile wurde mir nun klar und bald fand ich so-
gar die Veranlassung zu meinem Irrthume. Vor Kurzem er-
hielt ich ein neues, mit vieler Sorgfalt in der Werkstatt des
Hrn. Pistor verfertigtes Mik oscop, womit ich die Beobachtun-
gen noch einmal wiederholte und theilweise vervollständigte.
Ich werde der Mittheilung derselben eine kurze Darstel-
lung der verschiedenen Meinungen anderer Schriftsteller vor-
ausschicken, und überhaupt alles, was ich über die Pflanze
habe finden können, hier zusammenfassen.
I. Darstellung der Meinungen anderer
Schriftsteller. *)
Es giebt fast keine phanerogamische Pflanze, welche, bis
in die neuere Zeit, zu so vielen Verwechselungen und Irr-
thümern Veranlassung gegeben hat, als Lemna arrJiiza au ct.
Ihre aufserordentliche Kleinheit, die wenigen bis jetzt bekann-
ten Fundorte der wahren, und mehrere Umstände, welche wir
näher werden kennen lernen, entschuldigen genügend viele
sonst trefi'Iiche Beobachter. Nachdem Micheli**) die „Len-
ücularia omnium minima , . . in piscinis regit suhurhani
ruris viilgo Ivivai dell Imperiale et alihi paucis in locis^'
aufgefunden, und aufser dieser dürftigen Diagnose weiter nicht
beschrieben, dagegen im etwas vergröfserten Maafsstabe ziem-
lich deutlich abgebildet***) hatte, glaubte man in vielen, ohne
*) Vgl. die holländische Schrift S. 4—12 die Tydschrift u, s. "W.
285 — 293.
**) Nova Genera p. 16 nr. 4. Tab. XI fig. 4.
***) In natürlicher Gröfse ist sie dagegen sehr undeutlich darge-
stellt. Die Abbildung von Lamarck {Encycl. Meth. Bot. pl. 47,)
die im {Bulletin philomat. HL 1811. nr. 79. ])l XVIIL fig. % 7. c/c.)
die von Wolff {Diss. inaug. de Lemna Altorf f. et Norimb. 1801
fig. 22, 23) und Sturm (Deutschlands Flora in Abbild, nach der
Natur I. 44. Heft.) sind alle noch schlechter, was aber keineswegs
auffallen mufs, da sie sämmtlich von der Michelischen Abbildung od.
vielmehr von der Wollfschen Copie ccpirt sind. Wolff (a. a. O.
p. 30.) ist der einzige der diesen Umstand erwähnt.
140
Wurzel herumsch\vinimen(lten, kleine» Blättchen von Lemiittj
die seinig^e wieder zu finden. Einige scliarfsinnige Beobachter
erkannten aber in jenen, nicht völlig entwickelte Individuen-,
und zogen daraus den Schl'ufs, dafs auch die MichelJsche L.
arrhiza eine unvollkommne Pflanze gewesen sei. Meistens
gab man hiebei weniger Acht auf die Form, als vielmehr auf
die Abwesenheit der Wurzel, welche sich bei zur Beobach-
tung aufbewahrten Exemplaren bald entwickelte. Wenn auch-
vielleicht von Einigen die convexe ünterfläche der Micheli-
schen Pflanze berücksichtigt wurde, so bot doch L. gihha in
dieser Hinsicht eine gewisse Aehnlichkeit dar, welche jene^
Vermutlmng nur bestätigen konnte. Viele sahen weder die
eine noch die andere Form, und mufsten daher die Frage
unentschieden lassen. Mittelstufen zwischen der Michel ischen
und irgend einer anderen Lemna-Art, sind indessen von kei-
nem beobachtet worden. Der gröfseren Deutlichkeit wegen
erlaube ich mir eine kurze Aufzählung der hieraus entstande-
nen Ansichten.
1) Einige behaupten, dafs man oft für L. ar-
rhiza hält, was es keineswegs sei.
Herr Sturm meint, dafs die in Deutschland aufgefundene
sogenannte L. «., nicht völlig entwickelte Exemplare von L.
gibha oder polyrrhiza seien , indem sobald sich zwei Blätt-
chen entwickelt hätten, am gröfsten derselben ein Wurzelchen
sich zeigen soll, welches an der wahren L. a. von Micheli
fehlen mufs.
Nees V. Esenbeck*) bemerkte bei dem Verein der
Naturforscher zu Bonn, dafs manchmal nicht völlig entwickelte,
wurzellose Exemplare von L. minor für L. a. gehalten wor-
den seien. Die von Hrn. Dumor tier der Versammlung vor-
gelegten Exemplare gaben Veranlassung zu dieser Bemerkung.
Die Diagnose, welche Herr Dumortier von der Pflanze gab
„die sich von L. gihha durch den Mangel des Wul-
stes . . , auszeichne," macht es höchst wahrscheinlich,
*) Protokolle der botanischen Section der 13ten Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte zu Bonn im September 1835 mit-
get heilt vom .Secrctair Dr. Ctamor Marquart in Bonn (Allge-
meine botanische Zeitung nr. 4. 20 Jan. 1836 p. 56 sq.)
141
clafs Hr. D. nicht die wahre arrhha, sondern die anfangs
uurzellosen kleinen Exemplare von L. minor vorgezeigt habe.
Wir werden in der zweiten Abtheilung diese sehr rich-
tige Ansicht näher betrachten, da sie uns hier zu weilt ^b vooi
Zwecke führen würden,
2) Andere lassen die Frage unentschieden.
Decandolle {Flore Francaise Paris 1815 IL 590.)
Mertens und Koch Deutschlands Flora 1823 I. p. 296.
Poiret (histoire philo sophique litteraire, economique
-des plantes de l'Europe Paris iSSo. II p. 37.) Dieser fügt
noch die Frage hinzu „ob es wahrscheinlich sein würde, dafs
eine Pflanze erst Blätter entwickeln sollte, und nachher die
Wurzelchen," was aber, wie wir späterhin sehen werden, bei
Lemiia manchmal der Fall ist.
3) Noch andere nehmen die L. arrhiza als Entr-
wickelungsstufe an und zwar:
a. von L. polyrrhiza. F, H. TViggers^) Primitiae
Florae hols^iicae, Kiliae 1700 p. 67. „L. arhiza L.est pri"
jrunn initkim L. poly r hiza e. "
h, von Z>. minor. Hooker (R eiche nb ach flora ger<-
man. excurs. I, p. 10) „tJie young frons of L. minor com-
Mitutes the L. a. of french authors'* . '.' - \'^\
o. \<)n L. gihha. Herr v. Bönninghausen behauptete,
dafs die von Herrn Dumortier mitgebrachten Exemplare aus
-Saamen; entwickelte Individuen seien von Z>» gihha , wie er
sie in verschiedenen Entwickelungsstufen bei Münster beobach-
tet haljen will.**) Da diese Exemplare, wie wir oben be-
merkten, wahrscheinlich keine arrhiza gewesen sind, so mag
die Bemerkung des Hrn. v. B., ihre Richtigkeit haben; man
bekommt indessen die Entwickelung aus Saamen von L'.' gihha
nicht so sehr leicht zu sehen. Dafs aber die ächte L. «.un-
möglich mit keimenden Individuen von L. gihha zu verwech-
seln ist, wird jeder anerkennen müssen, der, hätte er auch nie
;4ie arrhiza oder die keimende gihha gesehen ^ nur die Ah-
'^) Auf dem Titelblatt der Dissertation steht Wi'gger s Utisumen-
ils, in der Zueignung aber ^Vichers.
**) Protokolle der botanischen Section a. a. O.
'U2
bilflnng von Micheli mit denen von Wilson*) und L. C.
Richard**) vergleicht.
d. von allen drei Arten.
So behauptet Hr. Reichenbach (a. a. O.) L. arrhha
auctorum nil videtur nisi plantula Itarum specierum e
gemmulis orta incomplefa." Späterhin beschrieb er angeb-
lich nach eigener Beobachtung die Weise ihres Entstehens.
Die Pflänzchen sollen sich nämlich aus den zu Boden gesun-
kenen Parenchymkörnern der anderen Lemnaarten entwik-
kelnl!***) Ich glaube, dafs es unnöthig sein wird, die in der
holländischen Schrift zu ausführliche Wiederlegung einer sol-
chen Behauptung zu wiederholen.
Herr Nees von Esenbeck vermuthete (1S16), dafs die
L. arrhiza nicht ausschliefslich die junge Brut der polyr-
rhiza, aber überhaupt die Nachkommenschaft der durch Saa-
men sich fortpflanzenden Lemna- Arten sei. f) Seine Ansicht
stützte sich auf die Beobachtung eines bestimmten Verhältnis-
ses zwischen dem Blühen der übrigen Arten und dem vor-
kommenden von L. arrhiza. Dabei fand er diese von dop-
pelter Beschafi'enheit, einige mit rother, andere mit grüner Un-
terfläche, diese letzteren gewöhnlich etwas kleiner und in zahl-
reicher Menge.
Ich mufs gestehen dafs meine Beobachtungen in unseren
holländischen Gewässern, mir ein durchaus verschiedenes Re-
sultat gegeben haben. Irgend ein Verhältnifs zwischen dem
Blühen der Lemna -Arten und dem Vorkommen der L. «r-
rhiza glaube ich um so eher läugnen zu dürfen, als diese sich
*) Kemarlcs ort the Structure and germination of L. gibha hy
Wm. MHlson Esq. of Warrmgt07i (W. S. Hook er Botanical Mis-
cellany London 1830 jtart. 2 7;/. XLIV.
**) Archives de hotanUpie jmr. M. A^ J. Guillemin I jü. 6 fg.
S~OE p. 205 — 210. Pans 1833-
'**) Vgl. Mösslers Handbuch der Gewächskimde u. s. w. 3te Aufl.
Umgearbeitet und vermehrt von H. G. L. Reichenbach Altona 1833
I. p. 50. Und: Handbuch des natürlichen Systems u. s. w. Leipzig
und Dresden 1837 I. p. 144.
f) Bemerkungen über die Gattung Lemna L von Dr. Nees von^
Esenbeck zu Sickershausen p. 23. sq. im: Magazin der Gesell-
schaft naturforschender Freunde zu Berlin u. s. \v. 7 Jahr-
gang Berlin 1816 pag. 15 — 24.
143
in grofser Anzahl, schon vot* der Bliithezeit der übrigen Ar-
ten vorfindet, ja sogar, wie wir näher auseinander setzen wer-
den, auch während des ^Virtters einzeln zwischen den schwim-
menden Blättchen der Lemnae, vorzüglich aber im Schlamm
heruntergesunken vorkommt. Ich fand ebenfalls nie ü. ar~
rÄ/sa mit rother ünterfläche. Bei polyrrhiza ist diese bekannt-
lich immer roth (oder vielmehr röthlich violett); bei einigen
Exemplaren zeigten sogar die Würzelchen diese Farbe. Bei
gihha erscheint die obere Fläche bisweilen ebenso gefärbt,
vorzüglich im Spätherbst oder nach wiedereintretender Kälte
im Frühjahr; da viele Individuen oft gleichzeitig diese Fär-
bung bekommen, so zeichnen sich gewisse Stellen eines Gra-
bens schon vom Ufer durch den röthlichen Schimmer aus^
während andere ihre normale grüne behalten. Bei arrhiza
sah ich dagegen diese Aenderung der Farbe nie.
Es ist sehr wahrscheinlich dafs Hr. Nees v. Esenbeck,
die unten näher zu beschreibende Winterform von polyr^
rhiza und die wurzellose von miner für die arrhiza gehalten
hat. Bei so genauer Beobachtung hätte er sonst wohl die
auffallende kugelige Gestalt der arrhiza erwähnt. Die klei-
nen Wärzchen, welche Hr. NeeS als die Ansätze jüngerer
Würzelchen betrachtet, können sich nur auf polyrrhiza be-
ziehen, da bekanntlich die anderen Arten an jedem Blättchen
nur ein einzelnes Würzelchep 'treit)en. Die genannte Form
von polyrrhiza erscheint allerdings häufig in kleinerer Ge-
stalt,*) schwimmt einige Zeit ohne Würzelchen herum, und
zeigt die erwähnten Wärzchen ganz deutlich. Ich halte also
A\Q arrhiza von Hm. Nees mit rother ünterfläche für die
Winterform von polyrrhiza, die mit grüner, für junge wur-'
zellose Individuen von minor. '"'^^ ♦ '•
4) Andere endlich halten die L: arfhiza iipeci-
fisch verschieden von den übrigen Lemna-Arten.
^'' Michel i, der erste Auffirider der Pflanze, scheint dieser
Meinung gewesen zu sein, welche Linne näher 'durch den
speoifisclien Namen bestätigte. Nachher haben viele, beson-
ders französische- Systematiker sie in ihren Beschreibungen
-! : ^ . \- ',i-'f ■*(. i. ^.ilj,.: '!;■ j // » • ■ .,!■;,;. • ' • : • • •>■'.'
*) Vgl. TV^/'i^. '^'if-der''hölll^r^dischett1S^hria " ' ■''''
141
ohne weiteres 'aufgenommen. Nur bei folgenden Schriftstel-
lern fand ich eine bestimmte Aeufserung: ; ,).'«;•
Willdenovv {spec. plant. IF'. 1. p. 196) „non est ini-
iium L. polyrrhizaa ut Wiggers autumat, sed planta
peculiaris a reliquis diversa.^' ,.,i»Mn
Steudel {Nomenciator Z>of. 1821) „arrJiizanonpo-
lyj'j'hizae initium.^^ .
Roemer und Schul tes {Sysiema veget. 1817 J.;;.283.)
ffttJ'J^hiLa minbne initiwn L. polyrrhiz>ae**'^
Hr. Koch {Synopsis flora Germanicae et Ilelveticae
1837 p, 681.) „Secundum Specimina circa Parisios lecta
a Lemna minore div^ersam sine dubio efficit speciem.^^
Dieser ist der einzige der einen Beweis für seine Meinung
anfülirt, indem er sagt: „Frondes quadruplo minores radi-
cihus prorsus carejit licet prolificatione iterata auctae sint.^*
Nach längeren und wiederholten Beobachtungen, sowohl
der Vegetationsverhältnisse als der inneren Structur von L.
«., jmufs ich letztere Meinung als die richtige annehmen. Ich
hoffe sie durch die Darstellung meiner Untersuchungen au be-
weisen, wobei ich zuvörderst die Vegetations-Verhältnisse und
sodann die innere Structur des Piflänzchens näher betrach-
tenwerde. ,,u .; ..' ujhiio.i ,,.,.,.
II. Ueber die \ egetationsverhaltnisse von
, L. arrhiza. i v , ^,
Pa I In 4er Provinz Süd-Holland und namentlich in der Um-
gegend von Gouda findet man vom Mai oder Juni bis Octo-
her oder November, je nach der mehr o<ler winder gelinden
Witterung, zynischen den gewöhnlichen Lemna^-iArten Kleine,
bald einzelne, bald gepaarte Kiigejchen«! In einigaU: Gräben
kommen sie in unzähliger Menge^ yor^ i ir[ ^ndereuc pur. sehr
spärlich, während sie sogar in .;benachbarten dvirchaus, fehlen,
Di,e Bjüimisctiung der Lemna -Arten ist sehr verschieden, bald
bildet polyrrJiiza, hald gibha die Hauptmasse, dagegen treten
minor und; trisulca nur in geringerer Menge, auf und fehlen
bisweilen fast gänzlich. Niemals fand icli- die genannten Kü-
gelchen für sich allein, so wie überhaupt von den Lemna-Ar-
ten nur L. minor mitunter einzelne, zumal kleinere, beschat-
tete Gräben ohne sonstige Beimischung bedeckt. Auch in
145
solchen habe ich die Kiigelchen nie angetroffen. Lemna tri-
sulca erscheint zwar im Frühjahr, wo die andern Arten sich
noch nicht so sehr über die Gewässer verbreitet haben, in
einzelnen zusammenhängenden Haufen, diese theilen sich aber
später in kleinere Verzweigungen und gerathen dann zwischen
jene. In der Mischung von Lemna-Arten, welche als eine Decke
über so viele Gräben und Gewässer in Holland ausgebreitet
ist, bildet trisiilca daher nie die Hauptmasse. Bisweilen, vor-
züglich in Ecken und Buchten, theilen sich ihre Haufen, jedoch
weniger, bleiben an solchen Stellen vorherrschend, und sind
dann nur von einzelnen Pflänzchen polyrrhiza, gihha oder
minor begleitet.
Schon bei dem ersten Auffinden der erwähnten Kügel-
chen im Jahre 1834 hielt ich sie nach der Beschreibung fran-
zösischer Systematiker für die ächte L. anJiiza. Später be-
stätigte die Vergleichung der Abbildung von Micheli meine
Ansicht*). Auch die Beschreibung anderer Schriftsteller pafste
ziemlich genau und die nähere Beobachtung erklärte genügend
etwaige kleine Abweichungen in der Gestalt des Pflänzchens,
welche wir jetzt spezieller beschreiben wollen.
Eine nähere Betrachtung des Pflänzchens lässt sehr bald
zwei Seiten an demselben unterscheiden, von denen die eine
ganz flach oder in der Mitte etwas gewölbt, bisweilen an der
Spitze ein wenig erhaben, elliptisch, umgekehrt eirund oder
rundlich und von hellgrüner Farbe ist, während sich die an-
dere convex, breiter, weniger gefärbt, fast durchsichtig zeigt.
Da erstere meistens nach oben gekehrt ist, und manchmal so-
gar mit trockner Oberfläche auf dem Wasser schwimmt, so
hielt ich sie für die obere Blattseite, die convexe dagegen für
die untere. Die anatomische Untersuchung hob nachher allen
Zweifel auf, indem ich in jener sehr deutlich die Spaltöfi'nun-
gen erkannte, welche bekanntlich bei schwimmenden Wasser-
pflanzen nur auf der obern Blattseite vorkommen. (In dem
letzten Abschnitt werden diese Spaltöfi'nungen ausführlicher
beschrieben.)
Die einfachen sowohl als die gepaarten Blättchen sind
*) Dieselbe stellt nämlich sowohl einfache als gepaarte Blätt-
chen vor.
VViegm. Archiv. VI. Jahrg. 1 Band. \Q
146
einander weder in Gestalt noch in Grösse, ganz gleich. Je
nachdem die Längen- und Breiten -Axe der ohern Blattseite
verschieden, und die horizontale Durchschnittfläche durch die
Mitte des convexen unteren Theiles breiter und länger als
jene ist, wird auch die Form der ganzen Pflanze mehr oder
weniger elliptisch oder kugelig erscheinen.*) Bei den ge-
paarten ist das eine Blättchen immer kleiner als das andere,
ein Unterschied der aus dem sogleich näher zu betrachtenden
Verhalten des einfachen Pflänzchens deutlich hervorgehen wird.
Die einfachen Blättchen haben eine Länge von 0,02 bis
0,05 P. Z., eine Breite von 0,01 bis 0,03, eine Dicke von
0,01 bis 0,04. (S. fig. 2. a und &) Mit einer Loupe betrach-
tet zeigen sie an der, der Spitze entgegengesetzten Seite, welche
wir als Basis annehmen können, einen gelblichen, von einer
runden Einfassung umgebenen Punkt. Eine genauere Beob-
achtung läfst bald erkennen, dafs dieser Punkt das Rudiment
eines zweiten Blättchens ist, denn, wenn man diese augen-
scheinlich einfachen Pflänzchen isolirt aufbewahrt, sieht man
wie der gelbe Punkt sich allmälig entwickelt, indem er an
Länge und Breite zunimmt, also mehr aus dem Mutterblätt-
chen hervortritt und eine grüne Farbe bekommt. Hat das
junge Blatt beinahe die Gröfse des älteren erreicht, so tren-
nen sich beide und die Entwickelung wiederholt sich in der-
selben Art bei jedem Einzelnen, bei dem jüngeren jedoch
grade in entgegengesetzter Richtung als bei dem älteren. Bei
gegenseitig umgeänderter Lage beider Blättchen kann man
diefs leicht beobachten, besonders deutlich aber habe ich es
an einem Exemplare wahrgenommen, an dem durch angewach-
sene Algen die Trennung zufällig verhindert wurde. (S. fig.4)
Der gelbliche Punkt ist also eine Knospe und erklärt
durch seine allmälige Entwickelung den Unterschied in der
Gröfse der beiden Blättchen der gepaarten Pflanze. Völlig
gleich sind diese niemals, selbst bei ihrer Trennung nicht, in-
defs ist der Unterschied zwischen beiden je nach der Entwik-
kelungsstufe verschieden. Anfangs ist er am aufi"allendsten in
♦) Vielleicht lassen sich die von Herrn Koch (a. a. O.) vcrmu-
theten Arten, die ^iullica froiidibiis suhrotundo-ovatis und die italica
fr. ovato -oblong ts hierdurch erklären.
147
der Länge, bei vollkommener Entwickelung aber beruhet er,
bei manchmal ziemlich gleicher Länge und Breite, fast nur
anf einer Verschiedenheit in der Dicke. Die gepaarten Pflänz-
chen sind aufserdem grade wie die einfachen unter sich in
Gröfse verschieden. Die gröfseren sind bis etwa 0,1 P, Z.
zusammen, und einzeln 0,06 und 0,04 lang; .0,04 und 0,035
breit; 0,04 und 0,03 dick; die kleineren bis 0,05 zusammen
und einzeln, 0,03 und 0,02 lang 0,02 und 0,015 breit; 0,03 und
und 0,02 dick. (S. fig. 2 c und d) Dieser Unterschied ist be-
dingt durch die spätere oder frühere Entwickelung der Knospe
des eben getrennten Blättchens. Findet diese gleich nach der
Trennung bei einem Individuum statt, welches bedeutend klei-
ner als das Mutterblättchen war, so kann sich jenes nicht bis
zur Gröfse des letzteren entwickeln, und es ist klar, dafs in
gleichem Verhältnifs auch das aus ihm entstandene gepaarte
Pflänzchen stets kleiner sein wird. Waren dagegen bei der
ersten Trennung die beiden Blättchen beinahe von gleicher
Gröfse, oder entwickelt sich das jüngere getrennte noch ei-
nige Zeit ohne seine Knospe zu treiben, so wird auch nach-
her ein gröfseres gepaartes Individuum daraus entstehen. Dafs
dieses Kleiner werden seine Grenze hat, und von ganz spe-
ciellen, schwerlich zu ermittelnden, Umständen abhängt, unter-
liegt wohl keinem Zweifel.
Da sowohl der Spröfsling nach der Trennung vom Mut-
terpflänzchen eine neue Knospe treibt, als auch das letztere
selbst, so geht die Vermehrung rasch und äufserst regelmäfsig
vor sich. Der Zahl nach findet sie nämlich statt in dem Ver-
hältnifs von 1, 2, 4, 8, 16 u, s. w. Indem ferner die Knos-
pen die Mutterpflänzchens und des Spröfslings sich in entge-
gengesetzter Richtung entwickeln (s. fig. 4.), bilden sie gewis-
sermafsen zwei Systeme, welche ich in den heiligenden Abbil-
dungen durch algebraische Benennungen angedeutet habe. Wäh-
rend «^, fl^, «*, a^ sich aus dem Mutterpflänzchen «, nach
einer Richtung entwickeln, folgen Z>, ?>^, aus dem ersten Spröfs-
ling a^, c aus a^ und d aus a*, der entgegengesetzten da-
gegen e aus & w^ieder der übereinstimmenden.
Bei den übrigen Lemnen geschieht die gewöhnlichste Ver-
mehrung ebenfalls durch Knospenbildung und nachherige Tren-
nung, wobei jedoch ein sehr auffallender Unterschiedzu be-
10*
448
merken ist. Lemna trisulca bildet bekanntlich verzweigte,
aus einer unbestimmten Anzahl Blättchcn zusammengesetzte
Haufen, welche, indem jedes Blättclien mit einer Wurzel ver-
sehen ist und bei natürlicher oder künstlicher Trennung so-
gleich üppig fortwächst, ein sehr deutliches Beispiel darl)ieten,
wie eine Pflanze eigentlich aus einer Vereinigung von Indivi-
duen besteht. Herr Meyen erklärt in seiner Physiologie
diese verzweigte Form, durch die höchst regelmäfsige Ent-
wickelung der Knospen. Diese entspringen an beiden Seiten
jedes Blättchens, dicht unter der Theilung des Blattnerven,
aus fast halbmondförmigen Spalten, welche von den hier ge-
trennten beiden Lamellen der Blattsubstanz gebildet werden.
Bei der Betrachtung unter dem einfachen Mikroskope sieht
man, dafs ihre Substanz an den Rändern der Basis gespalten,
und in jeder dieser beiden äufserst kleinen Spalten schon wie-
der eine junge Knospe enthalten ist.*) Das Zahlenverhältnifs
der Blättchen eines Exemplars wäre also vom einfachen Indi-
viduum an: 1, 3, 7, 15, 31 u. s. w.
Wenn auch bei polyrrhiza, gihha und minor die Zahl
der vereinigten Blättchen gleichfalls unbestimmt ist, so finden
sich jedoch nie so viele zusammen verbunden, wie bei tri-
sulca, und zwar bei minor und gihha noch weniger, als bei
polyrrhiza. Das gröfste Exemplar, das ich je von letzterer
fand, bestand aus 19 Blättchen, gewöhnlich aber finden sich
nur 2 — 12 zusammen, bei minor und gihhn dagegen 2 — 6
oder höchstens 8. Die Bewegung des W^assers durch Wind
oder sonstige Erschütterung ist schon hinreichend die Tren-
nung zu veranlassen. Da sich die in der Spalte an beiden
Seiten befindlichen Knospen nicht gleichzeitig entwickeln, dafs
eine schon wieder eine junge Knospe getrieben hat, ehe das
andere hervortritt, ja dieses manchmal gar nicht zur Entwik-
kelung kommt, so entsteht hierdurch die unregelmäfsige, un-
ter sich sehr ungleiche Form der verschiedenen Individuen
von den 3 erwähnten Arten. Der nämliclie Typus der Ver-
mehrung ist zwar da, die Gestalt der Individuen wird aber
durch dieses Abortiren, so wie durch den loseren Zusammen-
hang der Blättchen bedeutend modificirt.
')
Neues System der Pflanzeiiphysiologie III. S. 52 und 63.
149
An den Blättchen von L. arrhiza habe ich niemals Fru-
ctificationsorgane gefunden, weder an den einfachen, noch an
den gepaarten. Nur an einem einzigen Exemplare beobach-
tete ich eine ganz eigenthiimliche Knospe, in einer ungewöhn-
Jich grofsen Spalte; dieser Fall ist in der holländischen Schrift
abgebildet (S. Taf. I. fig. 8 und 80 und ausführlich beschrie-
ben; (S. 36 und 37; der Tydschrift S. 317 und 318) ich
legQ jetzt aber darauf um so weniger einen hohen Werth, als
es mir nur eine anomale Knospenbildung gewesen zu sein
scheint. Auch von keinem andern ist jemals die Bliithe be-
obachtet worden. Thuillar sagt zwar (^Flore des environs
de Faris. Paris an VII. I. p. 475.) ,,ßores spiuxo-alhi (Jleurs
dhin hlanc sale) Maio'^ wahrscheinlich ist dies aber aus Ver-
sehen, auch bei L. arrhiza abgedruckt worden, so wie es bei
den übrigen Arten jedesmal wiederholt wird. Ohnehin hat
eine solche Angabe durchaus keinen Werth. Merat (^NoU"
velle flore des environs de Paris. Paris I. p. 353«) setzt
die Möglichkeit einer Blüthenentwickelung aufser allen Zwei-
fel, was er aber mit den Worten: ,.ßeurs devant necessaire-
ment etre placees soiis les feiiilles^^ meinen mag, ist wohl
schwerlich zu begreifen.
Obgleich bei den Lemna-Arten überhaupt die Vermehrung
durch Saamen weit seltner ist, als die durch Knospenbildung,
so sind doch die Fruktificationsorgane bei minor, gihha und
trisulca von Vielen beobachtet, genau beschrieben und abge-
bildet worden. Ich sah sie ebenfalls und zwar von minor
und gihha in Töpfen meiner Stube, von trisulca in einem
Graben an einer sehr sonnigen Stelle.*) Letztere zeigt da-
bei eine eigenthümliche Form der blühenden Blättchen. Sie
sind nämlich schmaler und kürzer als die unfruchtbaren, schwim-
men einzeln oder höchstens mit ein paar von jenen vereinigt
herum. Ihre Spitze ist bis zur Hälfte oder ein Drittheil unter
Wasser zurückgebogen, der übrige Theil, w^oran die Blüthe in
einer Spalte vorhanden ist, schwimmt mit trockener Oberfläche
*) Am 30 Juni d. Jahres fand ich L. trisulca in Blüthe in einem
Wassergraben auf dem Wege nach dem Neuen Kruge bei Berlin;
den 10 Juli ebenfalls L. minor in einem kleinen Teiche unweit Schön-
hausen bei Berlin.
150
und hat eine mit Spaltöffnungen versehene Epidermis, wäh-
rend diese sowohl an den unfruchtbaren BUittchen, als an der
untergetauchten Spitze der blühenden fehlen. An jeder Seite
der Basis ist eine Spalte, worin sich die Bliithen entwickeln,
in der Regel findet dieses nur an der einen statt, in seltenen
Fällen kommen sie an beiden vor. In der Spalte worin sich
keine Bliithe entwickelt, zeigt sich häufig ein Blättchen, wel-
ches dem Blühenden in der Form ähnlich ist. Herr Nees*)
beobachtete einige sehr seltene Fälle, wo nach dem Verblühen
der Blume aus derselben Ritze ein neues Blättchen hervor-
sprofste. Im Allgemeinen bieten die fruktificirenden Blättchen
von L. trisulca wert mehr Aehnlichkeit mit den anderen Ar-
ten von Lemna, zumal minor und gibha dar, als die un-
fruchtbaren. L.polyrrhizn dagegen scheint weit seltener zur
Blüt?te zu kommen, denn so weit ich habe finden können, ist
diese nur von Grauer und Herr Nees beobachtet worden.
Wiggers, der ersteren Auffuider er\vähnt, beschreibt die Blii-
the und Frucht ziemlich ungenügend {Fiimitiaeflorae IIol-
saticae p. 67). Herr Nees fand nur ein einziges Exemplar,
was sich leider zwischen anderen von L. gibha unterwegs ver-
lor (a. a. O, S. 24). Dafs auch bei L. anhiza sich Frukti-
fikationsorgane entwickeln können, dürfen wir wohl annehmen,
es ist aber wahrscheinlich, dafs sie der eigenthümlichen Knos-
penbHdung wegen, nur an einfachen Blättehen vorkommen
werden. Es ist um so mehr zu wünschen, dafs man diese
Organe beobachten möchte, da die Gattungsbestimmung erst
dann völlige Sicherheit erlangen wird.
So auffallend die augenscheinliche Abwesenheit der Wur-
zel, sowohl an den einfachen als an den gepaarten Blättchen
auch ist, hat man doch zu grofse Wichtigkeit darauf gelegt,
da die anderen Arten ebenfalls in gewissen Lebensperioden
ohne Wurzel vorkommen, so erwähnten wir schon die wur-
zellose Form von minor und polyrrhiza, ja ich beobachtete
wie selbst in ihrer gewöhnlichen Form L. polyrrhiza längere
Zeit lebte, ohne ihre Wurzeln, in Folge zufälliger Umstände,
entwickelt zu haben. In einem Topfe nämlich war das Was-
ser in meiner Abwesenheit allmälig verdunstet, bei meiner
'*) Beuierkimgcn über die Gattung Lemna p. 16.
151
Ziirückkiinft fand ich eine Menge Exemplare auf denselben,
gleichsam angeklebt, von denen einige gänzlich ohne Wurzel
waren, andere dagegen die ihrigen horizontal über den Boden
ausgebreitet hatten. Nachdem ich die bewurzelten herausge-
nommen und den Topf bis zur Hälfte mit Wasser angefüllt
hatte, ohne die wurzellosen Exemplare vom Boden abzulösen,
lebten diese noch mehrere Wochen fort und entwickelten
Ende Octobers ihre letzte Knospe. (Wir werden in der drit-
ten Abtheilung näher auf die Abwesenheit der Wurzel zurück
kommen.)
In der beschriebenen Gestalt schwimmt L. ai^rlnza mit
den anderen Lemna-Arten bis Ende Octobers oder Mitte No-
vembers umher, wo dann eine auffallende Veränderung in dem
Vorkommen der Lemnen statt findet. Die Gewässer, welche
während des Sommers über ihre ganze Breite mit Lemnen be-
deckt waren, werden allmählig klar, indem die Pflänzchen vom
W'inde in Ecken und Buchten zusammengetrieben werden.
Hier bilden sie nun eine, bisweilen einen halben Fufs starke
Decke. In diesem Gemenge herrschen minor und gihha vor,
trisulca zeigt sich meistens nur in kleinen zerstückelten Zwei-
gen, und arrhiza findet sich sehr wenig, selbst da, wo sie im
Sommer häufig vorkam. Polyrrhiza ist gleichsam verschwun-
den, statt dessen findet man einzelne wurzellose nierenförmige
Blättchen, von dunkelgrüner bis bräunlich rother Ober- und
röthlich-violetter Unterfläche, die nur in dem Gemenge sich
über dem Wasser erhalten, da sie, in klares W^asser kommend,
alsbald untersinken.*) Dieselben Blättchen findet man daher
auch in unzähliger Menge im Schlamm, welchen man aus einem
Graben mit klarem Wasser entnimmt. In denjenigen Gräben,
in welchen arrhiza reichlich vorhanden war, sind sie mit klei-
nen gelblichen Körnchen vermischt. Im nächsten Frühjahr
ergiebt es sich bald, dafs jene die Winterknospe von po/yr-
rJiiza, diese von arrliiza sind. Durch genauere Beobachtung
der in der Stube aufbewahrten Exemplare beider Arten, kommt
*) Die membraneusen Schuppen, welche an der Basis der jmigen
Blättchen von 'polyrrhiza vorkommen, sieht man sehr deutlich an die-
sen Winterknospen, da sie von den sehr feinen Schlammtheilchen
schwärzlich gefärbt sind.
152
man früher zum nämlichen Resultat, in(lem man da ganz deut-
licli wahrnimmt, wie jede der erwähnten Arten ihre Winter-
knospe treibt, welclie frei oder mit dem todten Mutterblätt-
chen heruntersinkt. Herr Meyen beobachtete ebenfalls bei
minor, g'ibha und trisulca dies Heruntersinken; ich sah es
jiicht, was theils davon herrühren mag, dafs polyrrhiza und
arrhha meine Aufmerksamkeit ganz auf sich zogen, theils
weil eine grofse Anzahl Individuen, in dem oben beschriebe-,
nen Gemenge überwintern, d. h. einfrieren, ohne getödtet zu
werden und so bei dem im Frühjahr erfolgten Aufthauen ihre
Knospen entwickeln und sich alsbald in ungeheurer Menge
vermehren*)
Die Winterknospe ist vorzüglich bei polyrrhiza aufifal-
lend von den gewöhnlichen, im Sommer getriebenen, verschie-
den. Aufser ihrer Gestalt und Farbe unterscheidet sie sich
vorzüglich dadurch, dafs sie bei der Entwickelung ihre eigene
Form nicht ändert.**) Bald treibt sie einige kleine Würzel-
chen und aus einer Seitenspalte wächst ein ganz gew^öhnliches
Blättchen, was bei der sehr verschiedenen Gröfse der Winter-
knospe, diese manchmal um das 3 — 4fache übertrifft.***) Bei
arrliiza ist die Winterknospe zwar nicht so auffallend aber
doch charakteristisch genug von völlig entwickelten Sommer-
knospen verschieden; sie ist mehr den noch nicht ganz ent-
wickelten Knospen ähnlich, kleiner, gelblich gefärbt, mehr drei-
eckig mit abgerundeten Ecken. Indefs kommen auch gröfsere,
(breitere und dickere) mehr kugelige vor. Während sie ihre
*) Es fanden sich zwischen den, im Mai d. Jahres, aus dem
Schlamm eines Grabens bei Gouda gesammelten und mir zugeschick-
ten Winterknospen von arrhixa und polyrrJii^a mehrere von mitior
imd gibba, wovon viele sich durch eine röthliche obere Blattseite
auszeichneten. Ich kann nicht umhin hier zu bemerken, dafs in die-
sem so jungen Zustande es schwer halt, fniuor und gihba von ein-
ander zu unterscheiden, da der Wulst wodurch diese characterisirt
wird, sieh erst später und sehr allmälig entwickelt. Viele Exem-
plare, welche ich anfangs für minor hielt, ergaben sich bei weiterer
Entwickelung als gibba.
**) Dies ist auch der Fall bei den in der vorigen Note erwähn-
ten Winterknospen von 7m'7ior imd gibba.
***) Die oben erwähnten Schuppen, welche die Spalte verdecken,
werden hieibei abgestofsen.
153
neue Knospe treibt entwickelt sie sich weiter, und unterschei-
det sich also in der Hinsicht von den Winterknospen von po-
lyrrMza, gihha und minor.
Wärme und Kälte haben einen grofsen Einflufs auf dieses
Heruntersinken und Wiederemporsteigen, da es sich nach der
Witterung richtet. Es findet aber gleichfalls bei den in der
Stube aufbewahrten Exemplaren statt. Die Versuche*), die
ich um dies näher auszumitteln, anstellte, gaben mir kein be-
stimmtes Resultat. Durch künstliche Kälte konnte ich sie nicht
zum Heruntersinken bringen, was freilich davon herrühren
üjag, dafs ich diese nur kürzere Zeit auf sie einwirken lassen
konnte. Durch Wärme wurde im Allgemeinen das Emporstei-
gen und die Entwickelung sehr beschleunigt; manchmal rührte
das Emporkommen nur von einem angehefteten Luftbläschen
her, wurde das entfernt, so tauchte die Knospe wieder unter.
Bei Versuchen im Kleinen erfolgt das spontane Emporsteigen
nicht, vorzüglich bei L. arrhiza, wovon die Ursache im fe-
steren Zusammensinken des Schlammes in einem ruhig stehen-
den Gefäfse zu suchen ist. In Gräben dagegen, wo das Was-
ser immer mehr bewegt wird, und der Schlamm daher nie so
fest zusammendrängen kann, tritt dies in jedem Jahre sehr
regelmäfsig ein. Schüttelt man daher oder rührt man den
Schlamm um, bei den Versuchen in Töpfen, so kommen je-
desmal viele Blättchen mit trockener Oberfläche auf den Was-
serspiegel hervor. Dasselbe findet auch statt, wenn man die
Knospen rings herum vom Schlamme los macht. Sie können
indefs längere Zeit im Schlamme fortleben, wie mir dies ein
Versuch zeigte, bei welchem sie vom 6ten May bis 25sten
September im Schlamm einer Flasche ihre Wintergestalt be-
hielten und nachher, als ich sie emporsteigen liefs, sich wie
gewöhnlich entwickelten.**) Bei den im Gefäfse aufbewahr-
ten Exemplaren, nahm ich auch im Sommer ein Zuboden-
sinken der einfachen Blättchen wahr, ohne die Veranlassung
dazu bestimmt angeben zu können. Vielleicht rührt es von
dem in die Spalte eindringenden Wasser her. Wurden sie
abgetrocknet und vorsichtig auf das Wasser gelegt, so erhiel-
*) Die holländische Schrift S. 29 — 32; der Tydschrift 310 — 313.
**) S. die holländische Schrift S. 27; der Tydschrift S. 308.
154
teil sie sich schwimmend und triehcn in wenigen Tagen ihre
Knospen; wurden sie dagegen wieder gleich untergestofsen,
so sanken sie immer zu Uoden, während die, mit trockener
Oberfläche treibenden, nach dieser Manipulation, stets wieder
emporstiegen. Was die mikroskopische Untersuchung der her-
untergesunkenen Blättchen darbot, werden wir in der letzten
Abtheilung anführen.
üie Vermehrung geht, nachdem die Knospen emporge-
stiegen sind, ungemein schnell vor sich, so wie überhaupt
Lemnen durch Knospenbildung und Theilung sich bei warmer
Witterung aufserordentlich vervielfältigen. Nehmen wir bei
X. anhiz>a an, dafs eine Winterknospe den Isten Juni em-
porgestiegen sei, und jedesmal 8 Tage zu der völligen Ent-
wickelung einer jungen Knospe nöthig siiul, (im Sommer fin-
det sie unter günstigen Umständen manchmal in 3 — 4 Tage?i
statt), dann wird sie den 20. October 32786 Pflänzchen pro-
ducirt haben. Es hat mir bis jetzt nicht gelingen wollen, die
Lebensperiode in der Zahl der Spröfslinge eines Individuums
zu determiniren, da die einzeln aufbewahrten Exemplare nur
kümmerlich lebten und bald abstarben. Ich mufs hierbei be-
merken, dafs die im Zimmer beobachteten Exemplare oft ei?i
verschiedenes Verfahren zeigten, dergestalt, dafs manche bis
zu 3 und mehr Knospen trieben, während andere schon nach
der Entwickelung der ersten Knospe verwelkten.
Wenn wir das Gesagte hier kurz zusammenfassen, so geht
daraus hervor:
1) dafs bei den hier erwähnten Lemnaen, die Winter-
knospen wurzellos sind, bei minor auch häufig die im Som-
mer getriebenen Knospen.
2) Dafs die Winterknospen im Herbste zu Boden sinken,
im Schlamm überwintern und im Frühjahr wieder emporsteigen.
3) Dafs bei polyrrhiza diese Winterknospen aufl"alleml
von den gewöhnlichen, im Sonnner vorkonnnenden, verschie-
den sind, wälu'ond bei arrhiza der Unterschied zwischen den
Soiimier und Winterknospen zwar nicht so bedeutend, aber
inuiier noch cluirakteristisch ist.
4) Bei ni'mor und £^ibba, welche auch sehr häufig schwim-
mend idjervvint(!»ji, findet in der CJ estalt kaum ein Unterschied
zwischen beiden Arten Knospen statt.
155
5) Bei trisulca sind diese Verhältnisse weniger zu beob-
achten, weil der Zusammenhang der ßlättchen gröfser ist, und
nur die blühenden mit trockener Oberfläche auf dem Wasser
schwimmen.
6) Die erwähnten wurzellosen Formen hat man häufig
mit der wahren ar^rhiza verwechselt, und letztere daher nicht
für eine selbständige Pflanze gehalten, sondern für eine Ent-
wickelungsstufe irgend einer anderen.
Betrachten wir aufserdem die Vegetationsverhältnisse der
L. arrhiza näher, so dürfte sich daraus für den specifischen
Unterschied derselben folgern lassen:
1) Wäre die ächte arrhiza eine Entwickelungsstufe von
den andern Arten, so könnten diese nicht so sehr häufig ohne
jene vorkommen.
2) Dafs dieselbe, so weit meine jetzigen Erfahrungen rei-
chen, immer mit anderen Arten vermischt gefunden ist, beweist
nichts gegen meine Ansicht, da auch diese fast immer zusam-
men vermengt vegetiren.
3) Die zwei Jahre lang auf meiner Stube besonders auf-
bewahrten Exemplare von polyrrhiza, minor, gibha und tri-
sulca erzeugten Nichts, welches mit der wahren L. atrhiza
übereinstimmte.
4. Letztere behielt ihre eigenthümliche Form u. s. w. und
vrrmehrte sich ganz regelmäfsig.
5. Die Art der Vermehrung, welche zwar im Wesentli-
chen mit der der anderen Lemnen übereinstimmt, in ihren Ty-
pus aber einen bedeutenden Unterschied zeigt, liefert wohl
einen sehr schlagenden Beweis.
III. Mikroskopische Untersuchung der
L. arrhiza.
In dieser Abtheilung werden wir die verschiedenen Or-
gane der Pflanze näher betrachten und zwar zunächst die
Epidermis, sodann die Knospen u. s. w.
1) Epidermis.
a) Von der oberen Blattseite.
Wie wir bereits oben sahen, ist die obere Blattseite ellip-
tisch, umgekehrt eirund, oder rundlich, flacli oder in der Mitte
ein wenig gewölbt, bisweilen an der, der Basis entgegenge-
156
setzten Seite, in eine Spitze emporgehoben, kürzer, vorzüglich
aber schmaler, als die untere. Ihre Epidermis besteht aus
4 — 8 eckigen Zellen von ziemlich ungleicher Gröfse, zwischen
welchen sich die Spaltöffnungen vorfinden. Diese sind von
elliptischer Form, 0,0013 — 0,0015 P. Z. lang und 0,0009 bis
0,0012 breit (S. fig. 5). Zur besseren Vergleichung habe ich
ebenfalls die Epidermis der oberen Blattseite von polyrrlüz,a,
g'ibha und minor abgebildet. Bei polyrrhiza sind die Zellen
viel kleiner, mehr länglich, von sehr verschiedener Form, mit
geschlangelten Wänden, die Spaltöffnungen rundlich von 0,0006
bis 0,0008 P. Z. Länge und 0,0005 — 0,0007 Breite (S. fig. 6)
Lejiina gibha hat ebenfalls längliche aber gröfsere Zellen mit
sehr gekräuselten Wänden. Die Spaltöffnungen stehen ihrer
Form und Gröfse nach zwischen denen von polyrrhiza und
arrhiza, sie haben eine Länge von 0,0008 — 0,00011 V. Z.
und eine Breite von 0,0007 — 0,0009 (S. fig. 7.). L. minor
stimmt in Hinsicht der Epidermiszellen, sowohl als der Spalt-
öffnungen ziemlich mit gibha überein, im Allgemeinen möch-
ten die Zellenwände etwas weniger gekräuselt und ihre Spalt-
öffnungen etwas kleiner sein, von 0,0006 — 0,0009 P. Z. Länge
und 0,0004 — 7 Breite (S. fig. 8.) Die Spaltöffnungen sind
bei allen erwähnten Arten in den untergetauchten Winterknos-
pen geschlossen,*) bei den mit trockner Oberfläche scli wim-
menden mehr geöffnet. Bei polyrrhiza ziehen sie sich beim
Oeffnen im Allgemeinen mehr in die Länge, bei arrhiza mehr
in die Breite, man bemerkt indefs am nändichen Blatte, in die-
ser Hinsicht gewaltige ünteÄSchiede, wie die Extreme fig» 9. c,
/, 11 zeigen.
b) Von der untern Blatlseite.
Die untere Blattseite ist convex, wenig gefärbt, fast durch-
sichtig. Ihre Länge, vorzüglich aber ihre Breitenaxe ist län-
ger als die der oberen und mit dichter an einander liegenden
Wänden (S, fig. 10).
*) Dies ist aiicli der Fall bei den oben erwähnten im Sommer
ohne deutliche \'«>ranla.ssung heruntergesunkenen einfachen Blättcheii
von L. arrhixa und war der einzige Unterschied, welchen ich in der
btiuktur finden konnte.
157
2. Aeufsere Oeffnung der Spalte und daraus
hervorragende Knospe (S. fig. 11, 12, 13).
Ungefähr in der Mitte der untern Blattseite und zwar au
der Basis, findet sich ein kleines Wärzchen, eben aus einer
runden Umfassung hervorragend ; wie wir oben sahen ist jenes
die junge Knospe, diese die Oeffnung der Spalte worin sie
liegt. Die Zellen der Epidermis werden an dieser Stelle all-
mählig länglicher und schmaler bis sie einen Ring von etwa 3 — 5
Kreisen bilden (S. fig. 12, 13). Bei der weiteren Entwickelung
wird die Oefi'nung im gleichen Verhältnifs mit der heraus-
wachsenden Knospe allmählig gröfser, und wenn die vollkom-
men entwickelten Blättchen sich trennen, ist sie an dem al-
tern ungleich gröfser als an dem jüngeren. Bei jenem bildet
sie eine Vertiefung, worin die junge Knospe versteckt liegt,
bei diesem einen Ring welcher ebenfalls eine neue Knospe in
der oben beschriebenen Weise umfafst. Diefs verschiedene
Verhalten der Oefi'nung g bietet ein sicheres Mittel dar, die
Mutterblättchen von den Spröfslingen zu unterscheiden (S.
fig. 12, 13, 14).
3) Narbe des Stiels womit der Spröfsling an dem
Mutterblättchen geheftet war (S. fig. 11, 12, 13).
Etwas tiefer als diese Oeffnung der Spalte findet sie eine
Stelle, wo die Epidermis-Zellen der untern Blattseite ebenfalls
länglicher, fast prismatisch sind (S. fig. 11, 12). Dafs hier
früher der Stiel (wovon unten die Rede sein wird) angeheftet
war, geht deutlich aus der Betrachtung der eben künstlich ge-
trennten Blätteben hervor. Bei den Winterknospen unterschei-
det sich diese JNarbe durch eine schwarze Farbe, welche von
den kleinen zwischen den abgelösten Zellen angehäuften Schlamm-
theilchen herrührt.
4) Vertikaler Durchschnitt.
a) Parenchym.
Die mehr oder weniger elliptischen Zellen bilden ein
ziemlich lockeres Gewebe und können also in ihren Zwischen-
räumen viel Luft enthalten, wodurch das Pflänzchen auf dem
Wasserspiegel schwimmen bleibt. Die Entwickelung von Luft
in diesen Intercellulargängen in Verbindung mit dem Oeffnen und
Schliefsen der Spaltöffnungen ist wohl die nächste Ursache des
Zubodensinkens und Wiederemporsteigens. Die Zellen des
158
Parenchyms sind in der Mitte am gröfsten, unter der oberen
Blattseite am kleinsten, die um die Spalte herum und die an
der untern Blattseite stehen in Hinsicht der Gröfse in der
Mitte zwischen beiden.
b) Spalte (S. %. 15, 20, 26, 27, 28, 34, 35).
Die Spalte ist nach der verschiedenen Entvvickelungsstu-
fen sehr in Gröfse verschieden, wie bei der Vergleichun^ der
fig. 15 und 20 u. s. w. zu sehen ist. Ihre Zellen werden nach
der äufsern Seite länglicher und schmaler (S. fig. 27). Aus
der Betrachtung der sehr jungen Knospen (z.B. fig. 16^, 21c
und e, 2b c und d u. s. w.) geht hervor, dafs die Spalte von
aufsen nach innen entsteht, sie urafafst nämlich die erwähnten
Knospen nur bis zur Hälfte oder f , die analoge dagegen (fig. 21,
22, 23 h u. s. w.) gänzlich.
c) Knospenbildung.
In der Spalte liegen die jungen Knospen und zwar hin-
ter, aber zugleich auch neben einander. Die eben emporge-
stiegenen einfachen Blättchen (Winterknospen) zeigen deren zwei
von sehr verschiedener Gröfse (S. fig. 16«^ und ö^). welche
beide wieder eine ganz kleine enthalten (S. fig. 16 & und c).
So wie die gröfsere sich etwas weiter entwickelt hat, bemerkt
man eine dritte (S. fig. 17, 18, 19 a*) und bei völliger Aus-
bildung jener manchmal eine vierte, vorzüglich an solchen Pflänz-
chen, wo die beiden Blättchen beinahe von gleicher Gröfse
sind (S. fig. 22, 24, 25«^), Der Spröfsling hat in die-
sem Falle nur zwei', wovon oft allein das gröfsere eine junge
Knospe zeigt (fig. 21, 22, 23 e) bisweilen enthalten aber beide
eine solche (S. fig. 26 e und f.). Die Betrachtung der Abbil-
dungen, wo die analogen Knospen und Blättchen immer mit
den nämlichen Buchstaben bezeichnet sind, wird die Entwicke-
lung und gegenseitige Lage der Knospen deutlicher darthun,
als wir es hier beschreiben können. Das Mutterblättchen ist
mit a bezeichnet, die erste Knospe (nachher das jüngere Blätt-
chen) mit a *, die folgenden mit ö ^, « *, « ^ ; die kleine Knospe,
(gleichfalls die zweite Generation) von a ^ mit &, die folgende
mit 6^; die von a^ mit c, von a* mit d; die von h und h^
(dritte Generation) mit e und/.
An dem Mutterblättchen sind die Knospen vermittelst
eines Stieles angeheftet, welcher aus langgestreckten Zellen be-
159
steht (S. fig, 20, 26 u. s. w.) Bei dor Trennung löfst sich der
Spröfsling vom Stiele, welcher in der Spalte des Mutterblätt-
chens zurückbleibt, und an jenem die oben beschriebene Narbe
hinterläfst. An vielen zur Trennung reifen Individuen war
schon die Stelle angedeutet, wo das jüngere sich ablösen
würde (S. fig. 20 und 21). Dieser Stiel ist manchmal so be-
schaffen, dafs man ihn für eine kleine rudimentäre Wurzel
halten möchte (S. fig. 20* 29, 30 und 31), wie ich selber bei
der Beobachtung der abgebildeten Exemplare dieser Meinung
zugethan war. Aufser der wirklich täuschenden Aehnlichkeit
in der Form, kommt noch dazu, dafs grade an solchen Pflänz-
chen, wo die Knospe a* nur wenig ausgebildet ist, derglei-
chen sich zeigen. Es wird nämlich hierdurch viel Raum in
der Spalte irbrig gelassen, und also gleichsam Gelegenheit zur
Entwickelung eines Würzelchens gegeben. Anderseits läfst
sich nicht läugnen', dafs das abgelöste Ende sich leicht ia
eine Spitze zusammenziehen und so zur Verwechselung ver-
anlassen kann. Damit ich zur Gewifsheit über diesen Punkt
kommen möchte, isolirte ich mehrere Winterknospen, um sie
zu untersuchen, sobald das jüngere Blättchen dem Zeitpunkt
des Ablösens sehr nahe sein sollte; würde sich dann an den
noch vereinigten Blättchen das erwähnte Organ zeigen, so
blieb kein Zweifel übrig, dafs es ein Wurzelchen sei, da sich
noch kein Blättchen abgelöst hatte und mithin kein Stiel zu-
rückbleiben konnte. Von einigen dreifsig, die ich untersuchte,
bot aber kein einziges das in Rede stehende Organ dar,
hatte sich während der Manipulation der Spröfsling vom
Mutterpflänzchen getrennt, so fand sich in diesem der Stiel.
Auch die Untersuchung solcher Individuen, welche ihre Knospe
a^ bis zur völligen Entwickelung gebracht hatten, gab mir
kein anderes Resultat. Bei vielen zeigte sich der Stiel von «^,
bei anderen war er entweder schon verschwunden, oder durch
den Schnitt verloren gegangen; ja einige Exemplare, wo ich
mit Bestimmtheit wufste, dafs «^ und a^ sich vom Mutter-
pflänzchen a schon getrennt hatten, boten deren alle Stiele
dar (S. fig. 32 und 33 p«^ und pa^). Mit einem Worte bei
allen Pflänzchen, an welchen ich das erwähnte Organ beob-
achtete, war die Möglichkeit da, dafs es der Stiel des vorigen
Spröfslinges wäre. Bei den mehrsten Durchschnitten suchte
160
ich es vergebens und überhaupt fand es sich nur an gepaarten
Blattchen von fast gleicher Gröfse. In dieser Ungewifsheit
scheint es mir sicherer, das Organ für den zurückgebliebenen
Stiel des vorhergehenden Blättchens zu halten, der nach der
Trennung bald früher, bald später verschwindet und bisweilen
bei der Verwelkung ein wurzelähnliches Ansehen bekommt.
5. Horizontaler Durchschnitt (S. fig.34und35)
Dieser ist bei weitem nicht so lehrreich als der vertikale,
weil bei der schrägen Lage der Knospen, der [Schnitt nur
durch einen Theil derselben geführt werden kann , die eine
Knospe daher vom Stiele abgelöst, die andere gar nicht be-
rührt wird. Die nähere Auseinandersetzung, so wie überhaupt
mehreres, was bei den Durchschnitten zu bemerken ist, findet
sich in der Erklärung der Abbildungen.
6. Blattnerven und Gefäfse.
Bis jetzt habe ich keine Blattnerven in der obern Blatt-
seite finden können, so wie auch keine Spiral- oder sonstige
Gefäfse. Bekanntlich ist es noch nicht so sehr lange her,
dafs man den Lemnen die Spiralgefäfse gänzlich absprach.
Herr Treviranus entdeckte sie in den Wurzeln von polyr-
rhiza,*^ nachher nahmen viele Beobachter sie wahr, sowohl
bei dieser Art, als bei minore gihha und trisulca.
Aus diesem dritten Abschnitte können wir einige schla-
gende Beweise für den specifischen Charakter der L. arrhiza
ziehen, insbesondere würde hier aufzuzählen sein.
1) Die Gestalt und Gröfse der Spaltöffnungen;
2) die nicht geschlängelte oder gekräuselte Form der
Epidermis -Zellen;
3) die eigenthümliche Lage und Entwicklung der Knos-
pen und
*) Aus Leeuwcnhoeck's Abbildung eines horizontalen Durch-
schnitts von einer Wurzel von polyrrhiza (Philos. Tra?is. 1703 voF.
XXIJI. f. S h — r) in den Worten ^Jti wh'ch roots were to he seen^
tJie vessels with their divisions thro the length of tlie ivhole root"' Ibid.
p. 1305 geht hervor, dafs er die vSpiralgefäfse zwar gesehen, aber nicht JM
gehörig aufgefafst hat. Sonst enthält seine Abhandlung (p. 1304 — "
1311) so wie die eines ungenannten Land -Edelmannes (Ibid. p. 1494
bis 1501) viele trefüiche Beobachtungen über L. imlyrrhixa, gihha
und minor.
161
4) die convexe Gestalt des Pflanzcliens.
In Bezug auf die convexe Gestalt mufs ich hier noch be-
merken, dafs dieselbe sich schon in der ersten Entwickehing
2eigt; — wodurch L. arrliiza sich wesentlich von L. glhha
unterscheidet, bei welcher die untere Blattseite Anfangs ganz
flach ist, und sich erst später in einen aus Luftbehältern zu-
sammengesetzten NYulst ausbildet.
Weiterer Betrachtungen über die eigenthümliche Gestalt
des Pflänzchens und Vergleicliungen desselben mit anderen
Gewächsen enthalte ich mich hier um so mehr, als es leicht
möglich sein könnte, dafs, wenn die Pflanze irgend einmal blü-
hend gefunden wird , sich ebenso wie bei L. trisuica noch
bedeutende Modificationen darthun möchten.
Berlin im Juli 1839.
Nachschrift, den 5tpn Februar 1840.
Dr. Schieiden in Jena theilte mir im October vorigen
Jahres eine Stelle aus Roxburgh Flora Indica III. p. 565
mit, welche ohne Zweifel auf Lemna arrhiza Bezug hat, in-
dem die Beschreibung genau auf die Michelische und meine
Beschreibung pafst. Zum bequemeren Vergleich nehme ich
sie hier herüber: „L. glohosa R. Single, glohular, root-
lefs, minutey oiie, or cd most two together singly aboiit
tlie size of a grain of sand. With L. oihiculata (polyr-
rhiza L,) found in very great abundance on hajics and
pools of stagnant water in Bengal forming a compact
green scum over the surface.
Erklärung der Abbildungen.
1) Einfache und gepaarte Blättchen von Lemna arrhiza in
natürlicher Gröfse.
2) Einige Exemplare 5mal vergröfsert.
a. kleine einfache; .^^\Qi\
h. grofse einfache; /^^^^^ —
c. kleine gepaarte; /^"^/^^^'^ '
d. grolse gepaarte. / *j^ -«^j^^
.3) Ein Pflänzchen «, woran sich n^ entwickelt Iia^Devor
a"^ zur Trennung vollkommen ausgebildet war.
VN'iegm. Archiv. VI. Jahrg. 1. Band. 11
162
4) Gepaartes Pflanzchcn, woran das Miitterbrattchen a mit
dem Sprölsling a^, bei der Entwickelung ilirer Knospen a^ und
h, durch zufallige Umstände, vereinigt blieb. Die entgegenge-
setzte Richtung in welche a^ und b sich ausbilden, ist durch
Pfeilchen angedeutet.
(Beide Figuren 3 und 4 sind aus der Tafel I zu der holläu-
dischen Schrift entlehnt.)
5) Epidermis der oberen Blattselte von La. arrhha nach
230 maliger Vergröfserung.
6) Dieselbe von L. polyrrJiizcv\
7) - - L. gibba l Ebenfalls 230mal vergröfsert
8) - -Li. minor J
9) Einzelne Spaltöffnungen mit ihren Hautdrüsen,
a. von L. a. 3S0mal vergröfsert
b. dieselbe 680mal,
c. eine ungemein weit geöffnete 6S0mal;
d. und e. von L. g. jene 380- diese 680nial vergröfsert,
y. und g. desgleichen von L. m.;
h — n. von Li. p., erstere 380- die übrigen 680 mal ver-
gröfsert.
10) Epidermis der untern Blattseite von Li. arrhiza 230 mal.
11) Stückchen Epidermis einer Winterknospe, mit der Oeff-
nung der Spalte, der darin liegenden jungen Knospe a^ und
der Narbe n des Stiels, welcher früher die Winterknospe am
Mutterblättchen verband, 150 mal vergröfsert.
12) Dasselbe eines zur Trennung reifen Blättchens «^ mit
der jungen Knospe b und der Narbe n 150mal.
13) Oeffnung der Spalte des mit obigen Blättchen a"^ zu
einem Exemplare vereinigten Blätlchen «, bei 80 maliger Ver-
gröfserung von oben betrachtet. Die Knospe a"^ liegt etwas ver-
tieft in der Spalte, und zeigt in c ihre eigene junge Knospe;
n Narbe.
14) Kreise, welche die relative Gröfse der gennaten Oeffnun-
gen vorstellen; 1) vom Mutteiblättchen «, 2) vom Sprölsling a*
1,5) Yerticaler Durchschnitt einer noch untergetauchten Win-
terknospe a\ «^ ihre junge Knospe 80 mal.
16) Letztere mit der folgenden «^ aus der Spalte heraus-
genommen und nach 180maliger Vergröfserung dargestellt. Beide
zeigen ihre jungen Knospen b und c.
17) Verticaler Durchschnitt einer emporgestiegenen ^Vlnter-
knospe 80nial. Dieser Schnitt ist mitten durch ein Scheibchen
geführt, welches ich erhielt nachdem ich beide Seiten der con-
vexen unteren Blattselte weggenommen hatte,
18) Die Knospe aus der Spalte genonnnen von der enlge-
gengesetzten Seite betrachtet 80mal.
19) l'^In Thell dieser Knospe 230mal vergröfsert.
20) Verticaler Durchschnitt eines völlig ausgebildeten Pfläuz-
chens; p ist wahrscheinlich <lt'r Stiel eines vorigen Sprölslings,
die übrigen Thclh; lassen sich aus den vorhergclK'nden und den
folgenden Figuren leicht erklären.
20*) Die zweite Knospe a^, mit dem Stiele des ersten «^
163
und p, aus der Spalte praeparirt, und mit ISOinaliger Vergröfse-
rung von der entgegengesetzten Seite gesehen.
21) Verticaler Durcnschnltt, welcher die Knospe a^ mehr,
h dagegen weniger ausgebildet zeigt.
22 — 25) Nachdem die beiden Seiten des unteren convexen
Theils von einem gepaarten Exemplare weggenommen waren,
wurde das hierdurch erhaltene Mittelstückchen vertikal durch-
schnitten. Der Theil worin die Knospen vorkommen, istfig. 22
von einer, fig. 23- von der andern Seite nach SOmallger Ver-
gröfserung dargestellt. Fig. 24 zeigt die aus der Spalte präpa-
rirte Knospe 150mal ver^röfsert; Fig. 25 dieselbe von der ent-
gegengesetzten Seite. Die Bedeutung der Buchstaben findet
sich im Texte.
26) Verticaler Durchschnitt um die Spalte zu zeigen, wel-
che fig. 27 besonders abgebildet ist, SOmal.
28 — 31) Specielle Darstellung des nur noch nicht klaren
Theiles p. Fig. 20 zeigt die gegenseitige Lage der gepaarten
Blättchen fig. 29; Nach der Entfernung des Spröfslings «^ tritt
p deutlicher zum Vorschein. Fig. 30 stellt die nämlichen Theile
nach 150mallger Vergröfserung vor; Fig. 31 ein Stück von p
nach 230maHger.
32 und .33) Zwei aus der Spalte der Mutterbl'attchen pr'apa-
rlrte Spröfslinge. Da jene Isolirt aufbewahrt wurden, konnte
ich mit Bestimmtheit nachweisen, dafs das eine zwei, das andere
eine Knospe zur völligen Entwlckelung vor den abgebildeten
gebracht hatte. Es wird hierdurch höchst wahrscheinlich, dafs
pa"^ und pa^ die zurückgebliebenen Stiele sind. Auf diese Ver-
muthung bezieht sich die Benennung der gesagten Theile.
34) Horizontaler Durchschnitt eines Theils von einem ge-
paarten Exemplare.
35) Derselbe von der entgegengesetzten Seite. Die Knos-
pen u. s. w. lassen sich aus den vorhergehenden Figuren leicht
erkennen.
11*
i
Erklärung der eigentliümliclien Stellung der Em-
brjonen im Mistel -Saamen, wenn deren mehrere
in einem und demselben Saanien vorkommen.
von
I. M e y e n.
Jjei einer grofsen Menge von Mistelfrüchten {Visciim alhum^
welche ich im Anfange dieses Winters dem Keimungsprozesse
aussetzte, war ich so glülckich zu finden, dafs die Saamen der
Früchte einer Staude fast sämmtlich zwei Würzelchen ent-
wickelten; die Untersuchung dieser Saamen auf Längsschnit-
ten zeigte gleich bei dem ersten Anblicke, dafs jedes Wür-
zelchen einen besondern Embryo angehörte, und eine nähere
Untersuchung dünner Schnitte unter dem einfachen Mikroskope
zeigte, dafs diese Embryonen meistens mit den Enden ihrer
Cotyledonen mehr oder weniger fast neben einander lagen,
aber mit Leichtigkeit von einander zu trennen waren, so dafs
also bei Viscum, von einer wirklichen Verwachsung oder Ver-
schmelzung mehrerer Embryonen oder mehrerer Eychen zu
einem einzigen, wohl nicht die Rede sein kann. Auflfallen
mufs es aber sogleich, dafs die Embryonen, wenn zwei oder
drei in einem und demselben Saamen vorkommen, in solcher
Stellung zu einander stehen, dafs sie einen spitzen Winkel
von etwa 40 bis 60 Graden bilden; nämlich an der Vereini-
gungsstelle der Cotyledonen -Enden zweier Embryonen wird
der Winkel dargestellt und die Strünckchen der Embryonen,
welche bis zur Peripherie des Eyweifskörpers verlaufen, bil-
den die ausgespreitzten Schenkel des Winkels. Ist ein ein-
zelner Embryo im Mistelsa^men vorhanden, so liegt die Spitze
der Radicula ganz wie gewöhnlich in dem Mikropylende des-
165
selben und tritt auch bei dem Keimen aus diesem hervor, sind
aber mehrere Embryonen vorhanden, so liegen die Würzel-
cheu nicht in der Achse des Saamens und kommen auch nicht
an dem Mikropylende desselben h&rvor, sondern seitlich und
zwar in einer mehr oder weniger grofsen Entfernung von die-
sem. Zuweilen sieht man nur einen entwickelten Embryo im
Mistelsaaraen und auch dieser liegt nicht genau in der Achse,
dann wird aber die nähere Untersuchung zeigen, dafs auch
ein zweiter Embryo vorhanden war und dafs dieser erst in
einer spätem Periode abortirte. Diese auffallende Lage !der
Embryonen, wenn denen mehrere in einem Saamen vorkom-
men, wie sie auch schon von Richard in ([qh Ann. du Mus.
de Paris tob. 27. abgebildet ist, läfst sich gegenwärtig ganz
leicht nach den Beobachtungen erklären, welche ich an einem
andern Orte über die Entwickelung des Eyweilskörpers in
den Saamen von Viscum alhum mitgetheilt habe. Das Auf-
treten des Eyweifskörpers geschieht nämlich hier wie bei an-
dern Pflanzen bald nach erfolgter Befruchtung, indessen bei
der Mistelpflanze ist dasseibe mit einer sehr starken Erweite-
rung des Mikropylendes des Embryosackes begleitet, so dafs
dieser, der anfangs fast cylindrisch war, später an jenem Ende
wohl 10 — 15mal so breit wird als an dem entgegengesetzten
Chalazaende. Erst nachdem dieser Eyweifskörper eine starke
Ausbildung erlangt hat, beginnt die Vergröfserung des Em-
bryo's, der genau in der Achse des früheren Embryosackes
hinabsteigt, und den darin gebildeten Eyweifskörper durch-
bricht. Da nun aber die Embryosäcke vor und gleich nach
der Befruchtung bei Viscum ganz parallel neben einander
stehen, so werden die Achsen in den obern Hälften derselben
ganz in demselben Verhältnisse aus einander geschoben wer-
den müssen, als sich die oberen Enden mehr als die unteren
Enden des Embryosacks verdicken und zugleich erfolgt eine,
meistentheils sehr vollständige Zusammenschmelzung der Ey-
weifskörper der nebeneinander liegenden Embryonen. Eine
Trennung und Unterscheidung derselben durch die umschlies-
sende Membran der Embryosäcke kann hier schon ohnehin
nicht verlangt werden, da sich dieselbe bei der Bildung des
Eyweifskörpers ganz in kleinere Zellen umwandelt und später
Spurlos verschwindet. Wenn nun diese Verwachsung mehre-
166
rer nebeneinander liegenden Eyweifskörper schon mehr oder
weniger vollständig ausgeführt ist, dann entwickeln sich erst
die Embryonen und durchbrechen die Masse des Eyweiskör-
pers, jedoch so, dafs stets ein jeder Embryo in der Längen-
achse des ihm angehörigen Eyweifskörpers herabsteigt, und da
diese in einem mehr oder weniger grofsen spitzen Winkel
auseinander geschoben sind, so werden die Embryonen ganz
natürlich diejenige Lage annehmen müssen, von welcher oben
die Rede war, sie werden nämlich mit den Wurzelenden aus-
einanderstehen und mit den Enden der Cotyledonen zusam-
menstofsen. Es giebt aber auch Fälle, wo sich die Cotyledo-
nenenden der beiden Embryonen nicht unmittelbar berühren.
Treten mehrere Embryonen in einem und demselben Viscum-
Saamen auf, so sind dieselben auch immer kleiner, als die
einzeln stehenden; sehr oft ist auch der eine von ihnen be-
deutend gröfser als der andere.
Noch einige Mittheilungen üher rothen und
grünen Schnee.
von
l. M e y e n.
Von Hrn. Ch* Martins, dem zweimaligen Begleiter der
französischen Expedition nach Spitzbergen, haben wir interes-
sante Beobachtungen über farbige Schneearten erhalten, welche
auf diesen Gegenstand ein ganz neues Licht werfen. Bei Ge-
le"-enheit, als Herr Martins in einer Concours- Schrift: Du
Microscope et de son applicatlon a Vetude des etres orga-
nises et en particulier ä ceUe de Vutricule vegetale et
des glohules du sang {Paris 1139. 4:to pag. 19) über die
Struktur und Entwickelung der Pflanzenzelle spricht, führt er
die verschiedenen einfachen Algengattungen auf, deren ein-
zelne Individuen aus einzelnen Bläschen bestehen, und da wer-
den Protococciis viridis und Pr. nivalis als die einfach-
167
sten Pflänzcheii bezeichnet und die Beschreibung eines grünen
Sclineefeldes gegeben, welches die Herren Martins und Bra-
vais am 25. Juli 1838 an der Küste von Spitzbergen sahen.
Die Oberfläche des Schneefeldes war weifs, aber einige
Centiineter unterhalb derselben schien der Schnee so gefärbt,
als wäre er mit einer Spinatabkochung begossen worden. Auf
einem andern Wege fand Herr Martins diese grüne Materie,
ähnlich einem Staube, der auf der Oberfläche eines Schnee-
feldes verschüttet war, dessen gröfserer Theil mit einer unge-
heueren Masse von Protococcus nivalis bedeckt erschien;
unterhalb der Oberfläche und an den Rändern des Feldes war
der Schnee ebenfalls grün gefärbt. Die mikroskopischen Un-
tersuchungen wurden erst in Paris angestellt und ergaben,
dafs das Schneewasser mit einer ungeformten grünen Materie
angefüllt war, zwischen welchen sich sphärische Protococcus-
Zellchen befanden ; einige waren auch von rother Farbe und
viel gröfser als die grünen und noch andere waren etwas ro-
senroth und standen in Hinsicht ihrer Gröfse zwischen jenen
beiden Formen. Spätere Untersuchungen zeigten, dafs jener
Schnee aus Kügelchen zusammengesetzt war, welche in Gröfse
und Färbung sehr variirten; die einen schienen einfach, grün
oder blafsrosenroth und waren 0,01 — 0,05 Millimetre im Durch-
messer, andere die aber seltener erschienen, waren blutroth
und hatten 0,02, Millimeter» Andere Kügelchpu schienen zu-
sammengesetzt, denn sie zeigten eine Hülle, welche Kügelchen
im Innern einschlofs; ihr Durchmesser betrug 0,05 — 0,055
Millimeter, in der einen Kugel waren 5 rothe Kügelchen und
niemals sah Herr Martins solche mit grünen Kügelchen im
Innern. Nach vielen vergleichenden Beobachtungen schlofs
Herr Martins, dafs die rotlien Kügelchen des grünen Schnees
niit jenen des rothen Schnees identisch wären, und dafs der
grüne Schnee (^Protococcus viridis) und der rothe Schnee
(^Protococcus nivalis) ein und dieselbe Pflanze wäre, nur in
verschiedenen Zuständen der Entwickelung, es sei aber schwer
zu sagen, welcher von diesen beiden Zuständen der ursprüng-
liche sei.
Aufserdem fanden sich in dem rothen Schnee auch noch
rosenkranzartige Schnüre von rother Farbe, welche der Gat-
tung Torula anzugehören schienen.
168
Zu diesen Beobachtungen über die Färbung des Schnees
durch sogenannte Profococcus- Arten, können wir folgende
Zusätze machen. Es ist jetzt keinem Zweifel mehr unterwor-
fen, dafs jene Protococcus-Arten wirkliche Infusorien sind,*)
und zwar sind Protococcus viridis und Pr. nivalis nichts
weiter, als Enchelis sanguinea und Euch. Pulvisculus (Eu-
glena sanguinea und Engl, viridis Ehren}).) ; das Vorkom-
des rothen Pünktchens in der Nähe der Basis des Rüssels,
welches man für das Auge hält, machen es bei den gegen-
wärtio-en Vergröfserungen möglich mit Bestiuimtheit darüber
zu entscheiden. Die langgestreckten und sich schnellbewegen-
den Encheliden hat man zwar auch früher nicht für die Pro-
/oco6'C//^- Arten angesehen; aber die ohigen Encheliden zeigen
zuweilen einen vollkommen bewegungslosen Zustand, in wel-
chem sie kugelrund erscheinen, und in diesem sind sie als
Pj'Oto CO ccus- Arten beschrieben. In jenem ruhenden Zustande
hat auch schon Müller und Herr Ehrenberg die Encheli-
den beobachtet. Ersterer hielt sie in diesem Zustande für todt
und Letzterer sagt von Enchelis Pulvisculus,'^^) dafs sie oft
plötzlich birnförmig und allmälig kugelförmig werden, ohne
sich je wieder zu entfalten und dieses scheine Folge von Un-
behaglichkeit bei chemischer Veränderung des Wassers zu sein^
welche sie tödtet. Diese Erklärung jener Erscheinung ist
aber offenbar unrichtig, auch sind die Thierchen in dem kugel-
förmig contrahirten Zustande gar nicht todt, sondern sie be-
finden sich in einem Zustande der Fortpflanzung; sie wer-
den allmählig gröfser, ja ihr Volum schwillt mitunter bis auf
das Vierfache ihrer früheren Gröfse an. In solchen vergrös-
serten Individuen bilden sich mehrere kleinere, und es ist gar
*) Agardh's Gattung Protococcus bestand aber nicht nur aus
Encheliden, zu Pr viridis wurde auch das kleine grüne Pflänzchen
gebracht, welches zwischen der sogenannten Oscillatoria muralis in
unendlich grofser Anzahl auftritt und die Rinden der Bäume mit ei-
nem grünen Ueberzuge bekleidet. Dieses Pflänzchen ist es, welches
ich an einem andern Orte {Linnaea von 1827 />«<,'-. 403 Tab. VII /ig:
A. 1 — 4.) als Protococcus viridis beschrieben und abgebildet habe;
man hat es oft für Brutzellen der Flechten gehalten und Turpin
belegte es im .Tahro 1828 mit dem Namen lleterocarpella qtiadrijuga.
**) Die Infu^iionsthiercheu u. s. w. pag. 110,
169
Dicht selten, 3, 4, 5, 6 und noch mehr derselben darin zu
sehen; bei Enchelis Pulvisculus sind diese jungen Kugeln
schön grün gefärbt und die einscldiefsende Hülle besteht aus
einer zarten und ungefärbten Haut, welche später verschwin-
det. Sehr oft sieht man schon an diesen jungen Kugeln das
rothe Pünktchen und dieses giebt dann immer ein gutes Zei-
chen um diese Gebilde von einigen kleinen Nostochineen zu
unterscheiden. Herr Martins sah nun zwar niemals an den
grünen Kugeln des gefärbten Schnees kleinere Kugeln auftre-
ten, aber er kam doch zu dem Resultate, dafs der grüne und
der rothe Schnee durch ein und dieselbe Pflanze (wofür er
die Bläschen hielt) in verschiedenen Zuständen der Entwicke-
lung gebildet werde.
Diese kugelförmigen ruhenden Thierchen sind es, welche
oft in undaublicher Anzahl auftreten und in einen Schleim
gehüllt mehr oder weniger dicke Häute bilden, womit nicht
selten der ganze Boden flacher stehender Gewässer, besonders
der Gräben u. s. w. bedeckt ist. Solche grüne Häute halten
sich zuweilen sowohl in der freien Natur, als im Zimmer meh-
rere Monate hindurch, und nur dann und wann gehen einzelne
der j];rünen Kugeln wieder in den, sich frei bewegenden Zu-
stand über; sie strecken sich, zeigen den Rüssel u. s. w. Im
Verhältnisse zu der unendlich grofsen Anzahl von einzelnen,
alten und jungen Individuen, gehen aus diesen, sich ganz
pflanzlich verhaltenden Massen nur wenige sich frei bewegende
Thierchen hervor. Schon Herr Agardh hat im Jahre 1823
an dem rothen Schnee gesehen, dafs die Kügelchen, welche
man für Pflanzen hielt, zuweilen wieder in Thierchen über-
gingen; und das Verhalten der Encheliden im beweglichen
und im ruhenden Zustande ist überhaupt die Ursache, dafs
so viele Naturforscher von einer Umwandlung der kleinen
Infusorien in Pflänzchen gelehrt haben. Man müfste diese ku-
gelrunden, ruhenden Encheliden auch wahrlich für Pflanzen
ansehen, wenn sich nicht dann und wann einzelne derselben
zu bewegen anfingen und man nicht ihren Ursprung beobach-
tet hat. Wenn sich die Thierchen zusammenziehen, so wird
der Rüssel seitlich gelegt, aber nur in der ersten Zeit ist er
noch zu bemerken. Uebrigens liegt in diesem ruhenden Zu-
stande der Encheliden und der seltenen Vermehrunsr dersel-
170
ben auf diese Weise noch etwas sehr Geheimnifsvolles, was
wohl durch vervielfältigte Beobachtungen zu lösen sein wird.
Es fragt sich nur noch, ob Enchdis Pulvisculus und En-
chelis sanguinca, welche den Schnee bald grün, bald roth
färben, ein und dasselbe Infusorium sind. Herr Ehren-
berg hat zwar beide durch Beschreibung wie durch Abbil-
dungen als verschiedene Species characterisirt, bei den rothen
Thieren sah er auch viele körnige Kugeln im Innern auftre-
ten, aus deren Abbildung aber hervorgeht, dafs sie mit den
von mir bei dem grünen Thiere beobachteten jungen Kugeln
einerlei sind. Herr Ehrenberg selbst hält sie irrthiiudich
für mit farbigen, erst grünen, dann rothwerdenden Eyern
dicht umhüllte Magenzellen. Zwar sah derselbe, dafs die rothen
Thiere gröfser waren, als die grünen, aber schon Herr Mar-
tins sah die rothen Bläschen des gefärbten Schnee's von sehr
verschiedener Gröfse und ich selbst habe sehr oft einzelne
Individuen von Eiichelis Pulvisculus gefunden, welche sehr
bedeutend gröfser waren, als die gewöhnlichen und eben so
grofs als die rothen Thierchen zuweilen sind, weshalb wohl
die Gröfse kein Unterschiedsmerkmal sein kann. Herr Ehren-
berg selbst erzählt von den rothen Encheliden, dafs manche
noch ganz grün sind, während andere lialbroth und halbgrün
oder gefleckt erscheinen, und dieses möchte mit der beste
Beweis sein, dafs diese so verschieden gefärbten Infusorien
einer und derselben Species angehören. Ich selbst konnte
das rothe Thier von dem grünen nicht unterscheiden, wenn
Individuen von gleicher Gröfse mit einander verglichen wur-
den. Wir haben nun zwar noch keine Erklärung, dafs die
rothe Farbe in eine grüne oder umgekehrt die grüne in eine
rothe übergehen kann, aber wir wissen doch, dafs dieses bei
den Algen gar nicht so selten erfolgt, ohne dafs dadurch die
Species verändert wird; freilich hat es auch bei den Algen i
nicht an Botanikern gefehlt, welche ein und dieselbe Conferve
im rothen wie im grünen Zustande als verschiedene Arten
beschrieben haben.
Auch Herr Turpin*) hat in einer neuen Abhandlung
*) Quelques observations nouvelles sur Ics Protococcus, qui 00-
lorent en rouge les eaux des marais salants. — Comptes rendus de
18. Nov. p. ^2ö.
171
die grüne und rothe Färbung des Wassers, des Schnees, der
Erde, der Hölzer, der Marmorstatuen u. s. w. von grünen
yiid rothen Protococcus -Bläschen abgeleitet, welche nach ihm
noch immer wahre Pflanzen sind, aber er hat sie offenbar
nur in dem ruhenden Zustande beobachtet.
lieber
eine neue Art dei' Gattung Deüephüa,
Von
M. A. Mutz eil.
(Hiezu Taf. VIII. Fig. 1.)
Die Erfahrung hat gelehrt, dafs so eifrig und aufmerksam
auch die Entomologie in den verschiedepen Gebieten betrie-
ben wird, dennoch alljährlich neue Arten aufgefunden werden.
Seltener kam dies bei gröfseren Schmetterlingen vor und am
seltensten in der nächsten Umgebung der Hauptstädte des
nördlichen Europas. Um so auffallender mufs es erscheinen,
dafs in der nächsten Umgegend von Berlin eine neue Art
aus dem Genus Deilephila — welches nur grofse und auf-
fallende Schmetterlinge enthält — aufgefunden worden ist; in
der Umgegend einer Stadt, deren Mauern so viele Entomolo-
gen und Sammler einschliefsen, bei einer Stadt, wo jedes
Fleckchen Grün, — welches wie eine Steppe inmitten des
vielen Sandes zu liegen scheint — von so vielen Sammlern
den Sommer über besucht und durchforscht wird!
Zu Ende des Augusts wurden im Jahre 1838 auf der
EiipJiorhia Cyparissias drei Raupen gefunden, an denen es
auffiel, dafs sie diese Pflanzen frafsen, da sie doch das ganze
Ansehen von denen des D. Galii zu haben schienen , die
sonst keine andere Nahrungspflanze, als das Galium t^eruni
haben. Man hatte weder Beschreibung, noch Abbildung ge-
172
macht, noch eine der Ranpen ausgehlasen, als sie sich ver-
puppten, und im Juni dieses Jahres zog man aus zweien der-
selben männliche Schmetterlinge*), die man mir zeigte und
die ich auf den ersten Blick weder für 1). Galii noch für
D. EupJiorhiae erklärte, sondern für eine neue Art, oder
für Bastarde aus der Begattnng beider genannten Arten hielt.
Weil nun aber Bastarde durch Fortpflanzung sich nicht wieder
zu erzeugen pflegen, dieselben Raupen aber im jüngst ver-
flossenen September, zum Theil von mir selbst, in grofser
Anzahl wieder aufgefunden wurden, so hielt ich es nicht für
zu gewagt dieselben, wegen dieses Wiedererscheinens, bei
charakteristisch hervortretenden Unterscheidungsmerkmalen für
Raupen einer neuen Art zu erklären, welche ich mit dem
Namen Phileuphorhia belegte. Da diese zwischen beiden
oben genannten Arten in der Mitte steht, die Beschreibung
aber vergleichend am bestimmtesten und kürzesten wird, darf
ich die Bekanntschaft jener wohl allgemein voraussetzen.
Beschreibung.
„Die Raupe**) ist in der vorletzten Häutung hell-
grün mit einem schwach hervortretenden gelben Flecken auf
jedem Ringe zu beiden Seiten des dunkleren Rückenstreifs.
Das Ilorn ist hellroth, an der Spitze schwarz. In der letzten
Häutung ist ihre Grundfarbe hell olivengrün, nach dem Bauch
zu fleischfarbig oder röthlich; zu beiden Seiten eines feinen
gelbgrünen Rückenstreifs und ziemlich nahe demselben stehen
zehn — auf den ersteren Gliedern ganz kleine, auf den hin-
teren gröfsere — gelbe, in der Mitte gröfstenthentheils mit
einem ziegelrothen Wisch versehenen Flecken auf schwarzem
Grunde; auf jedem Ringe steht nach dem Bauche zu ein
schwärzlicher Fleck ; in den Seiten, bis zu den gelben Flecken
und zwischen denselben ist sie mit feinen rothgelben Punkten
besetzt, die zuweilen sehr sparsam vorhanden und dann ge-
*) Den einen davon besitzt dasKönigl. Museum, der andere steckt
in mehior Sammhnig.
**) Dieselbe Raupe hat Füssli in seinem N. IMagazin im 2ten
Bande, St. 1., Seite 70. und Ochsenheinier im 2ten Bande, Seite
220. seiner NVerke beschrieben. Die erwähnte Raupe starb aber vor
der Verwandlung,
173
wöhnlfch heller sind; Kopf und Hörn sind roth; ersterer um
das Maul schwarz und hinter demselben steht ein rothes
Nackenschild; Brust-, Bauch- und Afterfüfse sind schwarz mit
rothen Flecken. Die Länge der Gröfsten betrug nahe an
drei Zoll.''
„Die Puppe, deren Flügelscheiden dunkler sind, als der
übrige Körper ist kaffeebraun mit schwärzlichen Strichen und
Punkten. Alle, die ich sah, errreichten nur die Gröfse einer
mittelmäfsigen D. Eiiphorhiae.
„Des Schmetterlings Oberseite ist ähnlich der der
D. Euphorhiae , die Grundfarbe der Vorderflügel aber mehr
graugrün; zwischen dem Flecken an der Wurzel und dem in
der Mitte am Vorderrande steht noch ein kleiner dritter, so
dafs sich eine deutliche Binde in der Mitte des Flügels her-
ausstellt, welche blafsgelb, unten und an der Spitze grüngrau
von Farbe ist; der Thorax ist vor den weifsen Härchen schwarz
begrenzt; die Fühhler sind grüngrau, an der Spitze weifslich.
Die Rückseite ist ähnlicher der der D* Galii, alle Begren-
zungen aber sind unbestimmter, alle Farbentöne heller und
mit einer schmutzigen Fleischfarbe gemischt und die gelbliche
Binde im Vorderflügel ist weniger durchscheinend."
D. Phileuphorhia unterscheidet sich auf den ersten Blick
von Galii auf der Oberseite durch den Mangel der weifsen
Punkte längs der Mitte des Hinterleibes, und von Euphorhiae
durch die graugrünen Fühler, die bei der letzteren immer
weifs sind.
Diagnosen.
Dell. Galii. Alis anticis vlrescentibus vitta alblda; posticis
nigris, fascia pallida, rubromaculata; thorace nigrofinito ciliis
albis; antennis fuscis apice albis, corpore aibipunctato; parte
aversa virescente.
Larva caudata virescens nitida, punctls utrlnque decem ocel-
larlbus, ano sanguineo.
Piipa brunnea.
Deil. Euphorhiae. Alis anticis vlrescentibus, vitta lata, llvida
maculaque disci virescente: poslicls fascia marglneque exteriore
rubris ; thorace fusco ciliis albis, antennis niveis: parte aversa
rubra vel rubescente.
Larva caudata, nigra, llavopunctata, linea dorsali sanguinea,
laterali punctisque flavicantibus.
Pupa brunnea.
174
Deih PJuleupJiorhia» Alis anticis virescentibus, vitta palllda
pellucente: posticis nigrfs fascia rubella, rnhromaculata; tnorace
nigro terminato clllls albls; antennis viridl-fuscis apice albis:
parte aversa pene subrubricunda.
Larva caudata virescens punctis pallldls utrinque decem ocel-
laribiis capite cornuque rubro, llnea dorsal! lutea»
Pupa brunnea sligmatibus nigris et fuscis.
Diagnosen der neuen 3Iäuse5
welche auf Darwin's Reise entdeckt wurden.
Von .
G. R. Waterhouse.
]\Ius iumidus. M. brunneus, iilgro lavatus, rostro ad apicem,
lablis, niento, gula, pectore, abdomlneque albis, naso supra ni-
grescente; myslacibiis atris; capite magno; auribus medlocribus
rotundatis, pllls nigris et griseis interniixtis, vestilis; corpore
crasso; cauda capite corporeque breviore, pilis nigricantibus,
subtiis albescentibiis prope basin, vestita ; artubus pedibusqne
grisescentibus; vellere longo, molli; pills dorsi ochraceo annu-
lalis apicibus nigris; pllls latcrum apicibus fuscescentl-griseis;
pilis Omnibus ad basin plumbeis; unguibus longis.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostrl ad caudae basin » . 6 9
caudae 5 4
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 9
- - ab apice rostri ad basin auris ... 18
tarsi digltorumque 1 6
auris . . , »...».... 0 7
Hab. Maldonado.
Mus nasutus. M. supra obscure flavescenti-fuscus, ad latera
fulvescens; subtus obscure fulvo tinctus: pedibus pilis obscure
fuscis tectis; unguibus longis; auribus medlocribus; cauda cor-
pore breviore, supra fusca, subtus sordide alba: rhinario pro-
ducto: vellere longo et molli.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri usque ad caudae basin 5 2
caudae 2 8
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 7^
- - ab apice rostri ad basin auris ... 13
tarsi digltorumque 1 0^
auris 0 5
Hab. Maldonado.
175
Mus obscnrus, M. siipra fusco-nigrescens, subtiis flavescens;
Eedibus obscure fuscis; iinguibus longliisculis; auribiis medlocri-
iis; caiida corpore breviore, siipra nigrescente, subtus sordide
alba: vellere mediocrl, molli.
unc. lin.
Longitudo ab api'ce rostri usqiie ad caiidae basln 5 3
caudae 2 7
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 6
- - ab apice rostri ad basin auris ... 1 2.|-
tarsi digitorumque 0 lly
auris 0 4
Hab. Maldonado.
JMus longipUis. M. supra obscure griseus, flavo lavatus;
subtus griseus; pedibus fuscis, iinguibus longlusculis, auribus
mediocribus; cauda corpore breviore, supra nigrescente, subtus
fuscescente; rhinarlo sub-producto: vellere longissimo, molli.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri usque ad caudae basin 5 4
caudae 3 1
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 6y
- - ab apice rostri ad basin auris ... 12
tarsi digitorumque 1 0^
auris 0 6^
Hab. Coquimbo.
Blus oliunceus. M. corpore supra subollvaceo, subtus cine-
rascente; auribus mediocribus, rotundatis, pilis parvulis fusces-
centibus obsitis; cauda corpore breviore, pilosa, at squamas
ostendente, supra fusca subtus albescente; pedibus pilis fusces-
centlbus tectis.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri usque adcaudaebasin 5 1
caudae 2 8
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 6
- - ab apice rostri ad basin auris ... 12
tarsi digitorumque 0 11
auris 0 5
Latitudo auris 0 5^
Hujus speciel pili corporis omnes longl sunt, laxi , molles-
que, plumbeo colore, sed In dorso ad apicem ilavescente; ab-
domlne, albescentes; pIII longiores dorsales apicem versus ni-
gricantes, cinerascentes desinunnt: mystaces pilos tenues osten-
dunt cinereo colore, sed ad basin nigrescentes.
Hab. Valparaiso.
31us jnicropus. M. supra cinerascenti-fuscus flavo lavatus;
subtus obscure flavo tinctus, pedibus pilis sordide albis tectis,
antipedibus parvulis; auribus mediocribus; cauda, qnoad longl-
tudinem, corpus fere aequante, supra fusca, subtus sordide alba.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri usque ad caudae basin 6 0
caudae 3 8
- - ab apice rostri ad marginem ocnli 0 7^
176
unc. lin.
Longitudo ab apicc rostri ad basin aiiris ... 14
larsl (llgltoramque 1 OJ
auris 0 6
Hab. Santa Cruz.
Mus hrachyolis. M. siipra obscure fusciis, subtiis obsciire
griseo llnctiis; pedibus griseo-fuscis; auribus parviilis; cauda,
quoad longitudineni, corpus fere aequanle: vellere longo et molli.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri iisque ad caudae basin 4 9
caudae 2 8
ab apice rostri ad marginem oculi 0 6^
_ - ab apice rostri ad basia auris ... 12
tarsi digitorumque 0 11
auris 0 3
Hab. in insula parvula apud Midship Bay, Chonos Archipelago,
Mus ccaniliorhinus. M. supra griseus, subtus albus, rblnario
flavo; auribus parvulis, intus pilis flavis obsitis; myslaclbus lon-
gis, canis, ad basin nigrescentibus: cauda corpore breviore,
supra fusca, ad latera flavescente, subtus sordide alba: pedibus
anticis tarsisque flavis, digltis albis: vellere longo, molli.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri ad caudae basin . . 4 0
caudae 2 0
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 b\
- - ab apice rostri ad basin auris ... 1 OJ
tarsi digitorumque 0 9
auris 0 3|
Statura mure musculo paulo major.
Hab. Santa Cruz.
Mus cnnescens, M. supra canescens, subtus albus palllde
flavo lavatus; oculis flavido cinctis; auribus parvulis, pilis palllde
flavis et plumbeis obsitis; mystacibus medlocribus, canis, ad basiii
nigricantibus; cauda vix corpore breviore, supra fusco-nigra,
5ublus sordide alba; pedibus canescentibus; vellere medlocri,
molli, supra pilis palllde et sordide flavis, nonnullis cinerascen-
tibus intermixtis.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri ad caudae basin . . 3 4
caudae • 2 10
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 5^
- - ab apice rostri ad basin auris ... 0 llj
tarsi digitorumque 0 9
auris 0 34
Slnlura muri musculo appropinquat.
Hab. Porl. J)eslre.
Mus aremcola. M. supra fuscus, subtus clnerascentl-albus,
palllde llavo iluctus; auribus medlocribus rolundatls, [)llls ilavis,
fuscisque obsitis: cauda quod ad longitudineni pertlnet corpus
arquantr, pilis subveslila, squamisque apparenlibus, supra fusca,
iiifia albcscentcj pedibus obscure albis. Vellere longo, molli;
177
pllis ad bases plumbeis, illis capitis, dorsi, laterumquc apicem
versus sordide flavo et fusco-nigrescente variegatls; mento, gula,
pectore, abdomiiieque, pilis ad apicem flavo-albidis; mystacibus
plenis, brevibus tenerrimis ad basin fuscescentibus, ad apicem
grisescenti-albis.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri usque ad caudae basin 4 3
caudae 2 9
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 5^
- - ab apice rostri ad basin auris ... 10
tarsi digitorumque 0 10
auris 0 4^
Hab. Maldonado.
Mus bimaculaius. M. vellere pallide ochraceo, pilis nigri-
cantibus adsperso, bis ad latcra rarioribus; rostri lateribus, nota
magna pone aurem iitramque, corporeque subtus niveis: mysta-
cibus albis, ad basin nigrescentibus; auribus majusculis, pib's fla-
vis atque albis intermixtis obsitis: cauda , quoad longitudineni,
corpus fere aequante, carnea, pilis albis brevissimis obsita; artu-
bus albis; pedibus pilis albis sparsim tectis; tarsis ad calcem pi-
lis argenteo-candidis obsitis.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri usque ad caudae basin .3 1
caudae 1 11
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 4^
- - ab apice rostri ad basin auris ... 0 84
tarsi digitorumque 0 8
auris 0 42"
Haec species mure musculo minor; auribus paululum gran-
dioribus ratione ad totam magnitudinem habita; pili gulae, pec-
toris abdominisque albi sunt usque ad radices.
Hab. Maldonado.
Mus eJegans. M. supra flavus, vellere pilis fuscescentibus
adsperso, bis ad latera et prope oculos, rarioribus: pilis pone
aurem utramque, lablis, corpore subtus, pedibusque niveis: auri-
bus magnis, intus pilis flavis, externe, ad partem anteriorem fus-
cis obsitis: mystacibus nigrescentibus, ad apicem albescentibus;
cauda capite corporeque paulo longiore, pilis albis, supra fu-
scescentibus, obsita : tarsis longis, ad calcem pilis albis tectis.
unc. lin,
Longitudo ab apice rostri usque ad caudae basin .3 7
caudae 3 9
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 6
' - - ab apice rostri ad basin auris ... 10
tarsi digitorumque 0 10
auris 0 6
Haec species statura muri musculo appropinquat. Yellus in
gula usque ad radicem album, in abdomine pallide cinereum ad
basin.
Hab. Babia Bianca.
Mus graciUpes. M. supra fuscus flavo -lavatus; hoc colore
Wicgm. Archiv. VI. Jahrg. 1. Band. 12 .
178
apiid latcra et in artubiis lactlore; pilis pone aurcm utramque,
labiis, corporeqiie subtus, albls: pedibus parvulis, graclllbus, car-
neis supra et ad calcem pills albis tectis: cauda gracili, carnea,
pilis albis instructa: auribus majusculis, pilis flavescentibus obsi-
tis: vellere mediocn et molll, pilis omnibus ad basin plumbeis:
mystacibus nigrescentibus ad apicem albescentibus; nonnullis
omnino albis.
unc. lin.
Longitudp ab apice rostri usque adcaiidaebasin 2 10
caudae 1 7
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 4^
- - ab apice rostri ad basin auris ... 08^
tarsi digitorumque 0 67
auris 0 4^
Hab. Bahia Bianca.
IMus ßavescens. M. supra colore cinnamomeo, lateribus ca-
pitis, corporisque, aeque ac pectore, auratis ; gula abdomineque
Ilavescenti- albis: pedibus albis: auribus mediocribus rotundatls,
pilis flavis obsitis; illis ad marginem superiorem extrinsecus in-
intense fuscis; cauda corpore capiteque longiore, gracili, supra
fusca, subtus sordide alba.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri ad caudae basin . . 3 9
caudae 4 1^
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 5^
- - ab apice rostri ad basin auris ... 10
tarsl digitorumque 1 OV
auris . . , 0 4^
Hab. Maldonado.
IMus hrevirosiris. M. supra fuscus fulvo lavatus; ad later;
flavescens, subtus sordide ocbraceus; auribus magnis, pilis indi
stincte obsitis, illis internis auratis; cauda capilcm corpusqui
fere aequante, pilis parce tecta; supra obscure fusca, subtus pal
lide fusca; pedibus fuscescentibus, digltis albicantibus; mystaci
bus fusco-nigris : vellere brevi, molli; capite parvulo, brevi.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri ad caudae basin . . 3 2
caudae 2 9
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 Z\
- - ab apice rostri ad basin auris ... 07
tarsi digitorumque 0 9
auris 0 4j
Haec species muri musculo appropinquat; differt attamer
capite minore (ratione ad magnitudinem habita), rostro breviore. '
tarsisque longioribus.
Hab. Maldonado.
Mus JMaurus. M. pilis subrigidls, supra purpurascenti-ni-
grls, subtus fusco- plumbeis; capite fusco-nigro, rostro fusco
auribus parvulls sordide albis, pilis minutissimis pallide fuscij
obsitis: cauda corpus fere aequante, nigra, pilis sparse vesüiSi
pedibus fuscis; mystacibus fusco-nigris, ad apicem grisescentibus
179
tmc. lln.
Longltudo ab apice rostri usque ad caudae basin n 3
caiidae 7 ß
- - ab apice rostri ad marginem oculi 1 0
- - ab apice rostri ad basiii aiiris ... 22
tarsi digitorumqiie 1 8
aiiris 0 6j
Haec species colore muri ratto approplnquat, at purpuras-
centi-fusco tincta. Quoad statiiram murem decumanum pergran-
dem aequat; velliis quoad texturam fere est ut in mure decu-
mano; et ad basin plumbeum; pilis albis in dorso laterlbusque
intersparsis.
Hab. Maldonado.
Obwohl ich in der vorhergehenden Beschreibung den Gat-
tungsnamen Mus beibehalten habe, so mufs ich doch bemer-
ken, dafs sich die beschriebenen Arten natürlich in verschie-
dene Unterabtheilungen bringen lassen, deren Charactere hin-
reichend hervorstechend sind, nicht nur unter einander, son-
dern auch zwischen jeder derselben und derjenigen, auf welche
der Name Mus beschränkt werden mufs und als deren Typus
die Hausmaus (Mus musculus) gelten kann.
1. Untergattung. Scapteromys (GnamriQ Gräber
und i-LVQ). Der Schmelz an der Krone der Backenzähne tief
eingekerbt; am vorderen Backenzahne des Unterkiefers bildet
er zwei Falten an der äufseren, drei an der inneren Seite;
am zweiten Backenzahne eine Falte an der Aufsenseite, zwei
an der Innenseite; am hinteren eine an der Aufsen-, zwei
an der Innenseite. Pelz lang und weich. Schwanz mittel-
mäfsig, gut behaart. Nägel lang, nur schwach gekrümmt, zum
Graben tauglich. Vorderfüfse mäfsig grofs. Daumen mit deut-
lichem Nagel versehen» Ohren mittelmäfsig, wohl behaart:
M. tumidus.
2. Untergattung. Oxymycterus (von o^vg und
fivxTi'^Q). Die Schmelzfalten der Backenzähne dringen tief in
den Zahn ein; der vordere Backzahn des Unterkiefers hat
drei Falten an der Innenseite, zwei an der Aufsenseite; der
zweite zwei an der Aufsen- und ebensoviel an der Innen-
seite; der letzte eine Falte an beiden Seiten. Pelz lang,
weich. Nägel lang, schwach gekrümmt, zum Graben tauglich;
ein deutlicher Daumennagel. Schwanz kurz, mäfsig behaart.
Nase sehr verlängert und spitz. Hieher: M. nasutus.
3. Untergattung. Ahrothrix (von aßQog weich
12*
180
und ^Qi^. Die Schmelzfalten dringen tief in die Seiten der
Backenzähne ein; der vordere des Unterkiefers hat drei Fal-
ten an der Innen- und zwei an der Aufsenseite; der zweite
hat zwei an der Innenseite und eine an der Aufsenseite;
der hintere hat eine an beiden Seiten. Pelz lang und weich.
Schwanz kurz, gut behaart. Daumen mit einem kurzen ab-
gerundeten Nagel. Ohren gut behaart. Hielier: 31. longipiUsj
ohscurus, olivaceus, micropus, hrachyot'is ^ xanthorlünus^
canescens, arenicola. Im Habitus gleichen diese den Arvi-
colen.
4. Untergattung. Calomys (von Dialog und (.tvg)*
Pelz mittelmäfsig, weich. Tarsus unterhalb fast ganz behaart.
Vorderer Backenzahn mit drei Schmelzfalten innen und zwei
aufsen; der zweite mit zwei an beiden Seiten; der letzte mit
einer auf beiden Seiten: M. himaculatus y elegans, graci-
lipes.
Mus mauriis und hrevirostris gehören zu Mus s. siv.
Bei M, ßavescens weicht das Gebifs nur wenig von den ge-
meinen Mäusen ab.
(Fortsetzung folgt.)
181
Zoologische Beiiierkungen
von
Dr. A. P h i 1 i p p i.
(Fortsetzung.)
(Hiezu Tafel lU und IV.)
l. Ciavag eil a halanorum Scacchi. (Taf. III. Fig. 1 — 6.)
Gl. vagina adnata, ahhreviata , apertura simplici;
valvis suhtriajigulanbus; libera tenui, rugosa, paruin
convexa; spinis fistulosis irregularibus ahscondltis.
Uahltat in cespitibus Balanorum ad costain Pausi-
lypi prope Neapolin.
Im December V. J. hat Herr Scacchi die höchst interes-
sante Entdeckung dieser lebenden Art Clavagella gemacht,
und der hiesigen K.Akademie mitgetheilt; da aber noch Jahre
vergehen werden, bis die Verhandlungen dieser Akademie ge-
druckt sind, so glaube ich den Zoologen durch eine ausführ-
liche Mittheilung seiner Entdeckung einen Dienst zu leisten.
Wir haben das Thier gemeinschaftlich untersucht, die Beob-
achtung über die Bildung der dornartigen Röhren gehört aber
Herrn Scacchi allein.
Die Röhre ist kurz, höchstens 1^^ Zoll lang, sehr dünn-
wandig und auf das Innigste mit den umgebenden Körpern
(fast allemal Baianus halanoides) verwachsen; nur sehr sel-
ten ragt sie 1 oder 2 Linien hervor. Sie ist zusammenge-
drückt, mifst etwa 2^ Linien in der einen, i^ — 2'" in der an-
dern Dimension; ihre obere Oeffnung ist einfach, nach unten
endigt sie in eine im Allgemeinen birnförmige Erweiterung,
in welcher die Muschel sitzt. Diese besteht aus einer freien
und einer angewachsenen Schaale. Die freie Seh aale ist
182
die rechte, sie ist von einer imregelmäfsigen Gestalt, am Rük-
kenrande oft concav und übertrifft selten eine Länge von 6
und eine Breite von 4 Linien. Sie ist dünn und sehr wenig
gewölbt, so dafs zwischen beiden Schaalen auf der Bauchseite
ein weiter Zwischenraum bleibt, den der dicke Mantel des
Thieres versclüiefst. Die Anwachsstreifen sind sehr deut-
lich, und, was sehr merkwürdig ist, sie gehen nicht dem
Bauchrande, sondern dem vordem Rande parallel, so dafs der
Anfangspunkt der Schaale sich an deren hintern Ende befin-
det, und nicht an den Wirbeln, wie bei den übrigen Muscheln.
Es scheint, dafs ein grofser Theil des Rückenrandes später
wieder resorbirt wird. Hierdurch erscheinen die Wirbel zum
Theil hakenförmig. Die linke, festgewachsene Schaale
ist überaus dünn, sonst der andern gleich. Inwendig sind
beide Schaalen so wie die Röhre perlmutterartig glänzend,
daher Mantel- und Muskeleindrücke nur äufserst schwierig zu
unterscheiden sind. Ein Schlofs fehlt gänzlich, selbst ein
eigentliches knorpeliges Ligament fehlt; ich finde nur ein
schwaches, faseriges, hornartiges Ligament vor, s. Fig. 4. b.
Wo beide Schaalen im Rücken einander berühren, ist oft in
der Röhre ein Vorsprung, so wie man awch in der Regel in
derselben einen queren Vorsprung bemerkt, wo der Raum für
die Schaale aufhört und die eigentliche Röhre anfängt. Die
dornförmigen Röhren fehlen nicht; sie sind unregelmäfsig
und werden von dem Thier nur da angebracht, wo es in der
umgebenden Balanenmasse gerade einen freien Raum findet.
Beim Ablösen des Gehäuses gehen sie meist verloren, so dafs
selten eine andre Spur von ihnen übrig bleibt, als die punkt-
förmigen Oefi'nungen im Innern der Schaale, wie ich sie auch
in Fig. 2. e. angegeben habe. In einzelnen glücklichen Fäl-
len sieht man sie jedoch sehr deutlich.
Das Thier hat ganz die Gestalt eines Sackes, der vorn
nur eine sehr kleine Spalte hat, aus welcher kaum die Spitze
des sehr dünnen Fufses heraustreten kann. S. a in Fig. 1
und 4. Hinten verlängert sich der Mantel in zwei fast bis
zur Spitze verwachsene Siphonen, die bis an das Ende der
Röhre reichen. Der gemeinschaftliche Theil der Siphonen en-
digt mit einem gefranzten Rande, und nun folgen noch zwei
sehr kurze Röhren, von denen die untere, oder der Bronchial-
183
giphö, die weitere ist. Beide sind an ihrer Mündung mit ein-
fachen Cirren besetzt, und karminroth, während das übrige
Thier farblos ist. Zu bemerken ist noch, dafs die gemein-
schaftliche Röhre vor ihrem Rande mit einer Menge Sand-
körnchen besetzt ist, die sich nicht leicht von ihr lostrennen
lassen. S. Fig. 3. — Fig. 4. zeigt das Thier, nachdem es
eine Zeit in Spiritus gewesen, auf der rechten Schaale lie-
gend. Man sieht jetzt deutlich die beiden Adduktoren, von
denen der hintere rund und grofs, der vordere nierenförmig
und klein ist. Schneidet man den Mantel in der Bauchlinie
auf, so bemerkt man zuerst, dafs der Mantel in der Bauch-
seite sehr dick und fleischig ist; hinten sieht man die starken
Muskeln, welche die Siphonen zurückziehn; in der Mitte die
halbkreisförmigen Kiemen, aus denen der kleine, schmale,
wurmförmige Fufs (d in Fig. 5 und 6) hervorsieht, und über
demselben jederseits zwei sehr lange, linealische, etwas gebo-
gene appendices huccales, c. Jederseits ist nur eine
Kieme vorhanden, die aber in der Nähe des Rückens fest-
gewachsen ist und oberhalb der Nath noch einen schmalen
Anhängsel hat, den man mit der zweiten Kieme vergleichen
könnte, und der mit seinem freien Rande den vordem Schliefs-
muskel halb umgiebt. Mit der hintern Hälfte sind die Kie-
men beider Seiten in der Nath verwachsen. Sie sind stark
und deutlich gestreift. Auffallend klein ist die zwischen den
Kiemen frei hervorragende Masse der Eingeweide. S. Fig. 6,
wo dieselbe besonders vorgestellt ist.
Ueber die Bildung der dornförmigeu Röhren sagt Herr
Scacchi in seiner in der hiesigen Akademie vorgelesenen Ab-
handlung, die er mir im Manuskript mitgetheilt hat. Folgendes:
«Rang ist der Meinung, dafs die dornförmigeu Röhren
dazu dienten, einer Art Byssus, womit das Thier sich Im
Grunde seiner Wohnung befestige, den Austritt zu verstatten;
aber keine Beobachtung unterstützt eine solche Ansicht, und
ich glaube mit Bestimmtheit sagen zu können, dafs die Cla-
vagellen keinen Byssus besitzen ; es sieht auch jedermann leicht
ein, wie unnütz ein solcher ihnen sein würde, da sie ja mit
einer ihrer Schaalen unbeweglich festgewachsen sind. — Da
sie in der Mitte der Seeeicheln leben, welche eine Gruppe
leerer Zellen bilden, indem sie eine auf der andern fortwach-
184
sen, so mufs es nothwendig geschehn, dafs die Clavagelle beim
Wachsen auf die Höhlen der sie umgebenden Balanen stöfst,
wenn sie Alles ringsherum absorbirt oder zerstört, um ihre
Wohnung geräumiger zu machen. Die Beobachtung hat mir
nun gezeigt, dafs wenn sich neben dem Thier solche Höhlen
öffnen, von dem grofsen Muskel, der die Ränder des Mantels
vereinigt, einige fleischige Fäden ausgehn, welche sich dort-
hin richten, wo die Höhle der Seeeichel geöffnet ist und kleine
alkige Röhren bilden. Sie enden meist mit zwei kurzen
Aesten, die sich zuletzt schliefsen; doch habe ich bisweilen
bei einigen am Ende ein kleines Loch gefunden. Diese Röh-
ren verhindern jedem fremden Körper den Zutritt, und ver-
theilen sich wie die Wurzeln der Pflanzen, so dafs diejeni-
gen, welche der innern Fläche der Balanen nahe kommen, an
dieser sich befestigen; die andern bleiben entweder frei oder
befestigen sich an Sand und anderen fremden Substanzen, die
sie zufällig antreffen. Es scheint, dafs wenige Tage zur Bil-
dung dieser Röhren hinreichend sind, da ich unter so vielen
Individuen, die ich Gelegenheit gehabt habe lebendig zu un-
tersuchen, nur zwei Mal das Vergnügen gehabt habe, das
Thier mit den erwähnten fleischigen Fäden zu überraschen,
welche in den Röhren steckten, die eben gebildet wurden, und
einige andere Male habe ich einige dieser Fäden angetroffen,
welche ihr Geschäft vollendet hatten, vertrocknet waren, und
nun wie Fortsätze der Epidermis am grofsen Muskel des Man-
tels hingen.« — Diese dornartigen Röhren dienen demThiere
wohl zur Befestigung und sind daher bei den im Sand leben-
den Arten, wie z, B, Ciavagella hacillaris war, am stärksten i
entwickelt.
I
n. Das Genus Zoe
ist der erste Zustand von Fagurus. (Fig. 7 und 8.)
Kein Genus unter den Crustaceen ist vielleicht sonder-
barer und hat mehr den Scharfsinn der Naturforscher in Be-
ziehung auf die Stelle, die es im System einnehmen mufs, in
Anspruch genommen, als das von Bosc entdeckte wunder-
liche, von ihm Zoe genannte Thier, das äufserst wenige Na- ;
turforscljcr nach ihm wieder gesehn haben. Er stellte es zwi- •
sehen die IJriuichiopoden und die Flohkrebse; Latrcille, in der
185
ersten Ausgabe des Regne animdl von Cuvier in die Ord-
nung der Branchiopoden, zwischen PolypJiemus und Cyclops,
indem er aber dabei die Meinung ausspricht, es könne leicht
zu der Abtheilung der Schizopoden gehören. Diese letztere
Meinung wurde von Leach angenommen, allein die meisten
Zoologen haben fortwährend Zoe zu den Branchiopoden ge-
rechnet. Zu diesen Zweifeln über die Natur dieses Thieres
gesellten sich neue, indem Herr Thompson ankündigte, dafs
diese sonderbaren Thiere nichts anderes als die Larven der
gewöhnlichen Krabbe {Carduus Maenas) seien, welche einer
wahren Metamorphose unterliege. Diese Meinung wurde sehr
stark von Herrn Westwood bekämpft. Endlich ist Herr Milne-
Edwards der Meinung (s. Lamarck hist. nat. des anim. saiis
vert. edit. 2. vol. V. p. 195) die Zoe möchten allerdinj^js nur
Jugendzustand einer Art Dekapoden, aber wahrscheinlich aus
der Abtheilung seiner Anomouren (wohin er Dromia, Ho-
mola, Albiinea, Pagurus etc. rechnet) sein. Der Zufall hat
mir die Gelegenheit gegeben, die direkte Beobachtung zu
machen, dafs in der That Zoe nichts Anderes als der erste
Zustand von Fagurus ist.
Den 13. März d. J. fand ich in Palermo in einem Bek-
ken, worin ich mehrere Seethiere hielt, zu meiner grofsen
Freude etwa ein Dutzend Individuen von Zoe, aber leider
schon alle todt. Ich beeilte mich, sie unter dem Mikroskop
so gut es ging zu untersuchen. Den andern Morgen fand ich
zu meinem gröfsten Erstaunen dasselbe Becken, in welchem
ich Tags zuvor mit grofser Mühe ein Dutzend Zoe gefischt
hatte, von mehreren hundert Zoe ganz erfüllt. Ich hatte un-
ter andern Thieren in dem Becken einen Pagurus hunga-
rus Her-hst, der in einer Natica millepunctata safs; ich
fafste sogleich den Verdacht, dafs die Zoe seine Jungen sein
müfsten, zerschlug vorsichtig die Natica, und fand in der
That den Eiersack des Pagurus fast ganz leer, während ich
in den zurückgebliebenen Eiern die kleinen Zoe deutlich er-
kannte. Mit einiger Mühe befreite ich sie auch von den Ei-
häuten.
Diese kleinen Zoe waren vollkommen wasserhell, mit
schwarzen Augen, einem rothen Fleck in der Mittellinie un-
mittelbar hinter den Augen, und bisweilen mit einem zweiten
186
rothen Streifen vor dem After. Diese rothen Flecke sind of-
fenbar im üarmkanal, und Ueberreste des Eidotters. Das
Kopfbruststiick nimmt zwei Fünftel der Länge des Thie-
res ein, und ist vorn in einen, wie es scheint horizontalen,
Schnabel verlängert, hinten abgerundet, hinter den Augen
schwach eingeschnürt. Die Augengegend tritt blasenartig her-
vor. Der Hinterleib ist anderthalbmal so lang, und fiinf-
gliedrig. Die vier ersten Glieder sind walzenförmig und neh-
men allmählig an Länge zu; das letzte hat die Gestalt eines
Fächers und trägt zwölf strahlenförmig gestellte Dornen, von
denen die äufsersten die kürzesten sind.- Die Augen sind
sitzend, sehr grofs, schwarz, netzförmig gegittert. Die äus-
sern Fühler sind zw^eiästig und entspringen auf der untern
Seite; ihr gemeinschaftlicher Stiel ragt kaum bis zum Rande
des Kopfbruststücks; der äufsere Ast ist ziemlich breit, endet
aufsen mit einem Dorn und trägt an der Spitze eine Menge
Borsten; der innere Ast ist kürzer, weit schmaler und trägt
nur zwei Borsten. Zwischen beiden Aesten steht noch ein
kurzes halbsichelförmiges, schwach gewimpertes Glied. Die
Innern Fühler sind so lang wie die äufsern, schmal, zwei-
gliedrig, und enden mit zwei Borsten. Von allen andern Or-
ganen erkannte ich nur die beiden einander vollkommen glei-
chen Fufspaare, welche zweiästig sind imd an Cyclops erin-
nern. Der äufsere Ast ist dreigliedrig, der innere etwas stär-
kere viergliedrig. Das Endglied ist bei beiden kurz und spitz
und mit langen Borsten besetzt. — Alle längern Borsten der
Füfse wie der Fühler sind gefiedert.
lU. A s t e r o p e,
ein neues Genus der Ostracopodcn.
(Taf. HL Fig. 9—11.)
Schon öfter hatte ich im Meeressande und zwischen Zoo-
phyten Cytherina- ähnliche Schaalen gefunden von mehreren
Arten, welche sich von Cytherina wesentlich durch einen
Einschnitt in der Schaale unterschieden, allein erst den
(). März d. J. gelang es mir, in Palermo ein Individuum mit
dem Tliier zu finden. Wenn es mir auch nicht möglich war,
alle Organe desselben zu erkennen, so überzeugte ich mich
doch vollkommen, dufs auch das Thier sowohl von Cypris
187
und Cytherina als auch von Cypridina Milne - Edwards
(welches Genus ich ebenfalls so glücklieh gewesen bin zu
beobachten) so bedeutend verschieden ist, dafs es nothwendig
ein eigenes Genus bilden mufs.
Die Schaale ist nur \ Linie lang, bräunlich von Farbe,
vollkommen elliptisch, hat aber vorn und unten einen Ein-
schnitt, und zu beiden Seiten dieses Einschnittes ist der Rand
verdickt. Unter dem Einschnitt sahen die Fühler, dahinter
das erste Fufspaar, am hintern Ende die Spitze des Schwan-
zes hervor. Bei stärkerer Vergröfserung erschienen die Schaa-
len mit undurchsichtigen weifsen Punkten besetzt. Die Schaa-
len gingen leicht ab, und nun erschien das Thier, wie es
Fig. 11 zeigt. Unmittelbar hinter dem Auge, welches sich
beim Druck zwischen den Glasplatten als ein doppeltes
zeigte, geht nach oben ein birnförmiger Muskel ab, der das
Thier am die Schaalen jederseits befestigt. Dahinter sah ich
ein Paar cylindrischer, geringelter, mit einigen Borsten be-
setzter Fäden, und hinter ihnen noch zwei Paar andre, kür-
zere, dickere, nicht geringelte und nicht mit Borsten versehene
Fäden. Diese Organe dienen vermuthlich zum Anheften der
Eier. Es ist nur ein Paar Fühlhörner vorhanden, das
gröfste Organ am ganzen Thier, da es dem Körper an Länge
gleich kommt. Sie sitzen unmittelbar unter den Augen, haben
ein grofses eiförmiges Grundglied, welches mit einem zweiten
walzenförmigen ebenso langen Gliede den Stiel bildet, und
endet mit einer kurzen mehrgliedrigen mit langen Borsten
pinselartig besetzten Geifsel. Es sind zwei Paar Füfse vor-
handen, welche beide nach vorn gerichtet sind und nur zwei-
gliedrig erscheinen; beide Glieder sind länglich, stark zusam-
mengedrückt, beinah blattartig, und mit wenigen aber kräfti-
gen Borsten gewimpert. Der Schwanz ist zusammenge-
drückt, breit, nach unten und etwas nach vorn gebogen und
mit etwa 10, erst an der Spitze gekrümmten, rückwärts ge-
bogenen Haken besetzt, die von vorn nach hinten allmählig
an Gröfse abnehmen. An der Basis der Füfse sitzen zwei
beinah dreieckige, vorn ausgebogene und mit langen steifen
Wimpern dicht besetzte Lamellen Fig. B. ob Kiemen? Hin-
ter ihnen und vor dem Schwanz sah ich eine andre verschie-
den gestaltete und nur kurz gewimperte Lamelle, Fig. g.
188
Aufscrdem fand ich drei Paar sichelförmige, lang gewiiuperte
Palpen oder Kaufiifse, Fig. C. Doch gelang es mir nicht, die
weiteren Frefswerkzenge zu sehen.
So unvollständig diese Beobachtungen auch sind, so be-
weisen sie doch zur Geniige die Selbstständigkeit dieses Ge-
nus. Es unterscheidet sich von Cypris: 1. durch den Ein-
schnitt der Schaale, 2. durch das Vorhandensein von zwei
Augen, 3. durch den breiten hakentragenden Schwanz, 4. in-
dem luu' 2 Paar blattartige Fiifse vorhanden, indem 5. eigene
Organe zur Anheftung der Eier vorhanden sind, welche Funk-
tion bei Cypris durch das dritte Fufspaar übernommen wird.
Von Cypridina unterscheidet sich Asterope: 1. durch den
Einschnitt der Schaale, 2. indem nur zwei Paar blattartiger
Fiifse vorhanden sind, 3. indem der Schwanz einfach ist (bei
Cypridina besteht er aus zwei Lamellen) etc. — Cytherina
unterscheidet sich von Asterope: 1. durch den Mangel des
Einschnitts der Schaale, 2. indem vier Paar Fiifse vorhan-
den sind, wie O. Fr. Müller ganz richtig angiebt, 3. indem
der Schwanz wie bei Cypridina aus zwei Lamellen besteht.
(Ich habe gegen acht Arten Cytherina bei Neapel betrachtet.)
Die generischenCharaktere wären demnach folgende:
Testa hivalvis, corpus ahscondens, antice subiusque
incisa. Antennae duae simplices, apice penicillatae*
Oculi duo. Pedes quatuor compressiy subfoliacei, Fila
■peculiaria ad retinenda ova. Canda compressa iincinis
pluribus tenninata.
Die Art könnte folgendermafsen bezeichnet werden:
Asterope elliptica. A. testa exacte elliptica, ni-
tida, sah lente fortiori punctis opacis albis adspersa.
IV. Kurze Charakteristik mehrerer neuer Genera
aus der Familie der Copepoden.
Während der grofsen Hitze der Sonmiermonate habe ich
mich in Sorrent damit beschäftigt, die kleinen Thierchen zu
untersuchen, welche zwischen den feinen Algen leben. Hier
wohnen, um nur von den Criistaceen zu reden, besonders
Caprellen, euiige Dynamene, Janira, Jassa, Juera, welche drei
letztere sehr selten zu sein scheinen, zahlreiche Ampithoe/
einige Gannnarns, und vor allem Cytherinen und eine grofse
189
Menge Cyclopsälinlicher Tlüerchcn, nebst Peltidien nnrl einem
verwandten Genus. Die neuen Genera, welche ich darunter
gefunden, will ich jetzt kurz angeben, eine ausführlichere Dar-
stellung derselben für eine gröfsere Arbeit mir vorbehaltend.
1. Nciuplius mild (jion O. Fr. Müller*). (Fig. 12.)
Corpus elongatwn, postice sens'nn atteiiuafum, seg-
mento primo s. capite (cum segmenio primo thoracis con-
nctiö) maxijno\ cauda hifida, setiger a. Antennae qua-
iuor; superiores inulfiarticulatae, apice penicillatae; infe-
riores tri? ajüculatae, apice setis uncinatis, hasi seta pec~
tinata mwiitae, Fes masticatorius ungue incurvo fal-
cato. Pes primus capiti insertus, desciscens, hiraim/s,
ramis elongatis, apice unguiculatis. Fe des natatorii,
hirami sex. Pedes spurii duo, e lainellis duahus hasi
coimnuni insidentihus formaü, sacculum ovoruin ex parle
obtegentes.
Dieses Genus ist reich an Arten. Von Cyclops unter-
scheidet es sich: 1. durch die abweichende Beschaffenheit des
ersten Fufspaares, welches nicht zum Rudern dient, 2. durch
den Kaufufs, 3. durch die Lamellen, welche den Eiersack
grofsentheils bedecken» — Merkwürdig ist es, tlafs der Kau-
fufs und das erste Fufspaar genau so beschafi'en sind wie bei
Peltidium, welche Gattung ich an ein Paar neuen Arten voll-
ständiger habe untersuchen können, als es mir mit P. pur-
pureum möglich war.
2. Laophonte mihi. (Fig. 13.)
Omnia ut in Naupliis, sed primum corporis segmen-
tum cum capite non coalitujn, ideoque par primum pe-
dum desciscens non capiti sed segmento peculiuii ilio-
racis inserium, hiramum, ramo altero minimo rudimeiita-
rio, altero ungue unico maximo terminatum.
Nur eine Art, aber sehr gemein; der Rücken erscheint
wie gesägt, indem die einzelnen Segmente sehr scharf von
einander abgesetzt sind.
3. Psamathe mihi, (Taf. IV. Fig. 1.)
Corpus elongatum, semiieres. Pes masticatorius
*) O. F. Müller hatte diesen Namen einem der Jugendzustände
von Cyclops gegeben.
190
lamellis dualms terminnhis. Pcdes sex, hirami natatoriu
Pedes spiirii duo, hiarticulati, angusfi Reliqua ut in
Cyclope vel in Nauplio.
Nur eine Art, selten, zwar langgestreckt wie Cyclops,
aber doch zugleich flach, dadurch den Uebergang zu den
schildförmigen Copepoden bildend. Die Frefswerkzeuge sehr
eigenthiimlich, fast genau wie bei dem schildförmigen Genus
Thyone, Merkwürdig ist der Parallelismus zwischen Nau-
plius und Peltidium und zwischen Psamathe und Thyone,
4. Thyone mihi. (Taf. IV. Fig. 2.)
Corpus depressum scutiforme, ovatum, segmentis
quinque consfans, segmento primo maximo. Caiida e la-
mellis duahus formata. Oculi duo confluentes. ^nten-
nae quatuor; anteriores multiarticulatae; inferiores tri-
ariiculatae, apice setis uncinatis, hasi seta pectinata mu-
nitae. Pes masticatorius apice lamellis duahus termi-
natus. Pedes seXy natatorii hirami; Pedes spurii duo,
lamellares, spatiwn inter segmentum penidtimum caudam-
que opplentes.
Drei Arten, die eine Th. viridis, fast f " lang, gemein.
Die Frefswerkzeuge äufserst complicirt. — Peltidium unter-
scheidet sich durch die Kaufiifse, den Scliwanz, und dadurch,
dafs das erste Fufspaar abweichend gebildet ist; Sapphirina
Thompson, indem der Körper neun Segmente besitzt. — An
den Frefswerkzeugen sitzen zwei Paar eigenthiimlich gefranz-
ter Blättcheu (Fig. 2 e und g), vielleicht den von Straus bei
Cypris für Kiemen gehaltenen Lamellen analog.
V. Peneus siphonoceros mihi. (Taf. IV. Fig. 3.)
P. rosiro hrevissimo, supra 7 dentato inermi; ßagel-
lis antennarum superiorum aequalihus, omnihus quatuor
canalem clausum fonnantihus.
Von diesem durch die sonderbare Bildung der obern
Fühlergeifsein höchst merkwürdigen Peneus habe ich nach
und nach in Neapel wohl ein halbes Dutzend Individuen be-
kommen. Sie sind fleischfarben, die Fühler, Füfse, und die
hintern Ränder der Ilinterleibssegmente dunkler. Die Lange
von der Spitze des Schnabels bis an das Ende des Schwan-
zes beträgt zwei und einen halben Zoll, wovon auf den Hin-
terleib ein Zoll sieben Linien, auf den Schnabel kaum 21 Li-
191
nlen kommen. Das KopfhnistJ^tiick hat keine Längsfurchen.
Der Hinterleib ist wie gewöhnlich stark zusammengedrückt,
und die letzten drei Glieder gekielt. Das Endglied hat in der
Mitte eine breite Furche, und endigt mit zwei Spitzen. Die
Schuppe der äufsern Fühler ist reichlich zwei Mal so lang
als der Schnabel von gewöhnlicher Gestalt mit einer Längs-
furche; der Stiel reicht nicht bis zur halben Länge der
Schuppe; die Geifsel ist anderthalbmal so lang als der Kör-
per. Die innern Fühler haben einen sehr dicken Stiel, so
lang wie die Schuppe der äufsern Fühler, am Grunde wie ge-
wöhnlich ausgehöhlt für die grofsen schwarzen Augen und mit
einem gebogenen nach vorn gerichteten Fortsatz, Sie haben
zwei gleich lange, und wie gesagt sehr sonderbar gebildete
Geifseln. Mit denen der andern Seite bilden sie nämlich eine
fast geschlossene Röhre. Zu dem Ende ist jede einzelne
Geifsel aufsen gewölbt mit einem Kiel, innen ausgehöhlt, an
den Rändern gesägt und fein gewimpert, so dafs sie vollkom-
men schliefsen. Der Kanal setzt sich in den Stiel fort, wird
hier aber nur zur obern Hälfte vom Stiel gebildet und unten
durch die Schuppen der äufsern Fühler geschlossen. Wie es
scheint, theilt die Oberlippe den Kanal, der sich dann rechts
und links zu den Kiemeu hegiebt. — Meines Wissens existirt
unter den Crustaceen keine ähnliche Bildung.
Die Füfse sind genau wie bei den andern Peneus-Arten ;
alle haben am Grunde einen fadenförmigen Anhang, dem Taster
derKaufüfse entsprechend; die drei ersten Paare haben Schee-
ren und nehmen vom ersten bis zum dritten an Länge zu,
welche Zunahme namentlich durch das Wachsthum der tihia
geschieht. Das vierte Fufspaar ist so lang wie das zweite,
das fünfte so lang wie das dritte. — Der äufsere Kaufufs
ist fast zwei Mal so lang wie das erste Fufspaar, und besteht
aus ziemlich walzenförmigen und haarigen Gliedern.
Die Figur Tab. IV. Fig. 3. wird eine noch ausführlichere
Beschreibung überflüssig machen.
VL PontaracJina pujictulum Fh.,
eine Hydrachnide des Meeres. (Taf. IV. Fig. 4 und 5.)
Bis jetzt hat man nur im süfsen Wasser Hydrachnen
gefunden, allein ich habe im Meerbusen von Neapel auch im
192
Meer w asser eine in diese Abtlioilung der Arachniden gehö-
rige Spinne und gar nicht selten angetroffen. Leider ist sie
so klein, höchstens ^ Linie lang, dafs ich nicht alle ihre Theile
habe erkennen können, ungeachtet ich zu wiederholten Malen
mehrere Exemplare untersucht habe. Der Körper ist ziem-
lich kugelförmig, nach vorn etwas spitzer, ganz kahl. Seine
Farbe ist bräunlich gelb. Öfter orangeroth oder braunroth, auch
wohl braun mit weifslichem, durchsichtigem, verschieden ge-
zacktem Rande, so dafs selten zwei Individuen einander voll-
kommen gleich sehen; ein Mal fand ich eins, welches auf
dunkelbraunem Grunde mit einem weifsen T sehr hübsch ge-
zeichnet war. Der blasse Rand ist vorn breiter, so dafs man
deutlich die beiden kleinen entfernten Augen erkennen kann.
Die vorderen Fiifse übertreffen kaum die Länge des Leibes,
die hintern sind anderthalbmal so lang. Die vier Hüften sind
jederseits einander genähert, und die vordem berühren sich
auch in der Mittellinie. S. Tab. IV. Fig. 5. Zwischen den
Hüften finde ich zwei kleine Punkte, von denen ich mir keine
Rechenschaft zu geben vveifs. Von den folgenden Gliedern
sind die ersten die kürzesten, die letzten die längsten, in all-
mähliger Progression; sie sind sämmtlich ziemlich walzenför-
mig, jedoch erscheint Aev femur oben, die tibia unten schwach
ausgeschnitten. Alle Glieder mit Ausnahme des letzten sind
auf der untern Seite, am Ende und auch wohl in der Mitte
mit Borsten besetzt. Dieses ist völlig kahl, am Ende oben
schräg abgestutzt und trägt zwei hakenförmige, unter einem
ziemlich spitzen Winkel umgebogene Klauen. Auf der untern
Seite des Körpers ist eine ringförmige punktirte Platte, welche
die Spalte der Geschlechtstheile umgiebt. S. Fig. 5 f, ähnlich
wie bei Diplodonta und Atax. Von den Frefswerkzeugen
habe ich nur die beiden Palpen erkennen können. Diese
sind fast halb so lang wie die vordem Fiifse, fadenförmig und
fünfgliedrig. Das erste Glied ist sehr kurz, das zweite und
dritte dick und walzenförmig; das vierte, das längste von al-
len, ebenfalls walzenförmig, aber weit dünner; das fünfte kurz
und zugespitzt. — Palpen und Füfse sind beinah farblos, höch-
stens gelblich.
Von (\in\ sechs Gattungen, welche gegenwärtig die Ab-
theilung der llydrachnen bilden: nändich: Diplodonta, Alax,
193
Arvhcmirus , Eidcds, Limnochares , ITydracJma, stimmt es
durch die ringförmige, die Spalte der Geschlechtstheilo umge-
bende Platte u. a. Kennzeichen am meisten mit den ersten
iiberein, unterscheidet sich aber von ihnen: 1) indem alle vier
Hüften jederseits genähert sind; 2) durch die Beschaffenheit
der Palpen, welche bei D'iplodoiita am vierten Glied eine
Spitze von der Länge des fünften Gliedes haben, bei Atax
ein sehr langes viertes Glied besitzen, welches am Ende etwas
ausgehöhlt ist, um das fünfte Glied in der äufsersten Beu-
gung aufzunehmen. Die andern vier Genera weichen noch
mehr ab: Arrhenurus und Lunnochaj^es durch die sehr kur-
zen Palpen, Eulais durch die Palpen, die Hüften; Hydrachna
durch die Palpen, den Schnabel etc. — Es folgt hieraus, dafs,
selbst abgesehen von den, von mir nicht aufgefundenen, Kie-
fern, Unterschiede genug vorhanden sind, um die Aufstellung
eines neuen Genus zu rechtfertigen, welches ich Ponta-
raclina nenne und folgendermafsen charakterisire: Corpus
suhglohoswn. Oculi duo, remoii. Mandibulae , , . , nullaep
ininimae? Palpi duo, elongati, 5 arüculati; cnticulo quarto
longiorij quinto hrevi, acuminato. Coxae utriusque leite? is
unitae, anticae duae in linea mediana quoque sese tan-
gentes. Pedes unguibus duohus uncinatis tenninati. Vulva
lamina crustacea granulata cincta.
Desmophyllum Stellaria Ehrenberg.
Das Genus Desmophyllum, von Herrn Ehrenberg in den
Abhandlungen der Berliner Akademie aufgestellt, ist nicht we-
niger durch die Kennzeichen seines kalkigen Stammes, wel-
cher stets unverästelt ist, und bündeiförmig vereinte Lamellen
I des Sternes hat, ausgezeichnet, als durch sein Thier. Bei
I diesem fällt vor Allem die erstaunliche Dünnheit des Mantels
auf, welcher gänzlich zu fehlen scheint, so dafs man durch
! denselben die Zellen am Rande des Sterns, ja die geringste
! Rauhigkeit der Oberfläche auf das Deutlichste erkennt. Ueber-
! haupt ist die thierische Masse im Verhältnifs zur Kalkmasse
ein wahres Minimum, und zieht sich bei der Kontraktion des
Thieres dergestalt in die Zwischenräume der Lamellen zurück,
dafs ich das Individuum, als ich es in diesem Zustand bekam,
für das blofse seines Bewohners schon längst beraubte Gehäuse
Wiegm. Archiv. VI. Jahrg. 1. Band. j^g
194
hielt. Dasselbe habe ich auch an Cladocora cespitosa Eh-
renherg (Caryophyllia LamJi) beobachtet, während die thie-
rische Masse von Cladocora {CaryophyWui) calycularis sehr
viel bedeutender ist, und sogar beim Trocknen als eine ziem-
lich dicke Haut übrig bleibt. Wenn das Thier von Desmo-
phyllum Stellaria sich vollkommen ausbreitet, ragt es wohl
eine Linie über den Stern hervor, während der Rand jedoch
in ziemlicher Breite alles thierischen Ueberzuges zu entbeh-
ren scheint. Man unterscheidet sehr deutlich den ovalen, von
einer innen und aufsen gefalteten Lippe umgebenen Mund
von gelblicher Farbe. Wahre Tentakeln fehlen; eine grün-
liche fleischige Masse erstreckt sich vom Maul bis nahe an
den Rand des Sterns, und ist dort in viele an der Spitze gelb-
liche Falten vorgezogen, die keine bestimmte Ordnung erken-
nen lassen, aber doch im Allgemeinen zwei Reihen zeigen.
W^enn die Falten am deutlichsten sind, ragen sie höchstens
•g- Linie hervor; gröfser habe ich sie nie gesehen, ungeachtet
ich das Thier mehrere Tage lebend erhalten und beobachtet
habe. Durch diesen Mangel wahrer Fühler unterscheidet sich
das Genus, auch was das Thier anbetrifft, sehr wesentlich von
Cyathina Ehrenhergy wo die Tentakeln sehr regelmäfsig, fa-
denförmig und geknöpft sind. — Alle Bewegungen des Thie-
res sind im höchsten Grade langsam und träge, was ich auch
bei Cyathina, Oculina und Cladocora beobachtet habe.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel m.
Fig. 1. Clavagetta halattorum Scac. In einer gnöfstenthells
aus Balanen gebildeten, mit Schwammen, Scrpeln etc. bewach-
senen Masse sitzend, in natürlicher Gröfse, etwas kontrahlrt; die
eine Wand der Höhlung ist weggebrochen. — a die Spalte im
Mantel, durch welche der Fufs hinaustritt.
Fig. 2. Das Thier ist hinweggenommen, man sieht die linke
mit der Rohre verwachsene Schale, auf welcher die beiden Mns-
kcleindrücke angegeben sind. Die Punkte e sind die Oeffnun-
gen der dornartigen Röhren.
Fig. 3. Das Ende der SIphonen, vcrgröfsert, um zu zei-
gen, dafs der gemeinschaftliche Theil derselben seinen Leson-
dern, gefranzlen Rand besitzt.
195
Flg. 4. Das Thi'er im Spiritus gestorben, stark kontrahirt,
auf der rechten Schale llegeiifl. — a die Mantelspalte für den
Fufs, Ä das rudimentäre Ligament, c, d die beiden Adduktoren.
Fig. 5. Dasselbe, der Mantel In der Bauchliniengegend auf-
geschnitten und zurückgeschlagen. Man sieht die Kieme, den
Fufs </, die nppendices buccales c, von denen nur die beiden der
einen Seite vorgestellt sind.
Fig. 6. Der Fufs mit dem Bauch oder der Eingeweide-
masse des Thieres, vergröfsert.
Fig. 7. Zoe, das Junge von Pagiirus Jiungarus Herbst^ sehr
stark vergröfsert.
Fig. 8. Dasselbe, noch im Ei befindlich, ebenfalls sehr
stark vergröfsert.
Fig. 9. udsterope elliptica Phil, vergröfsert, ji. seine
natürliche Gröfse.
Fig. 10. Die linke Schale von innen gesehen, mäfsig ver-
gröfsert.
Fig. 11. Das Thier bei 60maliger Vergröfserung gesehen.
jB eine der 4 an der Basis der Füfse befestigten Lamellen, noch
stärker vergröfsert. C eins der 3 Paar Lamellen, welche in der
Nähe der Frefswerkzeuge sitzen, g die Lamelle zwischen Füs-
sen und Schwanz.
Fig. 12. Nauplius ciViatus Phil, bei 60 maliger Vergröfse-
rung gesehen, a seine natürliche Gröfse.
Fig. 13. Laophanie cornuta Phil. Weibchen bei öOmaliger
Vergröfserung gesehen.
Tafel IV.
Fig. 1. Psamathe longicaiiäa Ph. bei öOmaliger Vergröfse-
rung gesehen, cc die natürliche Gröfse. — a der äufsere Kau-
fufs, 150mal vergröfsert.
Fig. 2. Thyone viridis Ph. bei 60mallger Vergröfserung un-
tersucht. — a natürliche Gröfse — b der äufsere Kaufufs mit
seinem Taster, stärker vergröfsert — d das zweite Paar Fühler
— e die Mandibel, daneben ein blattartig gefranztes Organ, dem
mit g bezeichneten ähnlich, ob als Kieme anzusehn? — f der
eine Kaufufs. — NB. Die Maxlllen konnten bei diesem Maafs-
stab nicht angegeben werden.
Fig. 3. Peneus siphonoceros Ph. natürl. Gröfse. — a Quer-
durchschnitt durch die von den obern Fühlergelfseln gebildete
Röhre, vergröfsert.
Fig. 4. Poninrachna Punciidmn Ph. bei 60maliger Vergrös-
serung gezeichnet. — g die natürliche Gröfse.
Fig. 5. Der Leib derselben von unten, 90mal vergröfsert.
— d die Palpen, e die Hüften,/* die Platte, welche die Spalte
der Geschlechtstheile umgiebt.
Fig. 6. DesmophyJImn Siellaria Ehrenbeig In natürlicher
Gröfse, auf Nullipora Liihophyllum eocpansum Ph, sitzend.
13*
496
Beifrag zur Entwickelungsgescliiclite der Mollus-
ken und Zooplijten.
Von
M. S a r s.
Hiezu Taf. V, VI u. VII.
Der Verfasser der folgenden Beobachtungen, welcher in
einer entlegenen, von zoologischen Bibliotheken weit entfern-
ten Gegend wohnt, mag wohl diesen Umstand zur Entschuldi-
gung anführen, wenn er einige ältere W^erke über Gegenstände
seiner Untersuchungen übersehen haben sollte. Aber noch
weit empfuidlicher war ihm der Mangel eines guten Mikro-
skopes; er hat sich mit einem von der alten englischen Kon-
struktion behelfen müssen, welches ein für Untersuchungen
jener Art in jetziger Zeit unzureichendes Werkzeug ist. Der
Verf. hofft deshalb, dafs man ihm seine UnvoUständigkeiten
bei den folgenden Beobachtungen nicht vorwerfen werde. Er
glaubt, dafs er gethan hat, was ihm bei den zu seiner Dispo-
sition stehenden unvollkommenen Mitteln möglich war. Einige
neue Thatsachen glaubt er doch auf einem bisher wenig ange-
bauten, aber höchst interessanten Gebiete für die Wissenschaft
gewonnen zu haben, und es ist deren Interesse allein, in wel-
chem er arbeitet.
A. Mollusken.
I. Tritonia A s c anii.
Ampliitrite frondos a Ascanius in TrondJi. Viden-
sJiah. Selskab, Skr. 5 B. Tab. 5, Fig. 2. f
Während des Winters (im Dezember, Januar u. m.) zei-
gen sich gewöhnlich die meisten hier an der Küste vorkoin-
197
menden Weichthiere aus der Ordnung der Nudibranchien, als
Tritonien, Aeoüdien, Doriden, in grofser Menge nahe am
Strande, kriechend an den Klippen, am Tange u. s. w. Sie
kommen nämlich zu der Zeit, um ihre Eier oder ihren Rogen
abzusetzen; dagegen halten sie sich im Sommer weiter unten
in der Tiefe der Buchten auf. Schon im Anfange des Decem-
ber sieht man sonach einzelne Individuen der grofsen und
schönen Tritonia Ascanii (s. Fig. a, dieselbe von der rechten
Seite, in nat. Gr.), und allmählig sammeln sich immer mehrere
auf den Seepflanzen und den Klippen am Strande, am meisten
in stillen kleinen Buchten von der Tiefe einiger Ellen und
weniger. Im Verlaufe des Decenfbers und im Anfange des
Januars trifft man dann diese Thiere, welche bekanntlich Her-
maphroditen mit wechselseitiger Paarung sind, oft in diesem
Actus zu zwei zusammenhangend an.
a. Die Eier im Eierstocke.
Den Eierstock, welcher hinter und über der Leber innen
in der Körperhöhle liegt und aus einer grofsen Menge kleiner
randlicher Lappen von der Gröfse eines Nadelknopfs besteht
(Fig. b, vergröfsert Fig. d), die mit kleineren ovalen Ultricu-
lis besetzt sind, sämmtlich mit Eiern angefüllt, mit dünnen
communicirenden Ausführungsgängen, fmdet man zu jener Zeit
bedeutend entwickelt und eine unzählige Menge ungemein klei-
ner, kugelförmiger, hellgelber Eier enthaltend, in denen ich
deutlich ein durchsichtiges, rundes Bläschen, die Vesicula
Vurhlnjiij bemerkte (Fig. d vergröfsert.)
b. Die eben gelegten Eier.
Am Ende des Januars und im Februar (dies richtet sich
nach der Temperatur der See, welche in gewissen Jahren zu
dieser Jahreszeit niedriger ist, als in anderen) wird der Rogen
abgesetzt. Es gelang mir mehrmals, das Thier in diesem Akte
zu sehen. Aus der an der rechten Körperseite sich befinden-
den Geschlechtsöffnung (s. Fig. a, a^) tritt der Rogen, in der
Gestalt einer cylindrischen geschlängelten Schnur (Fig. e zeigt
ein Stück derselben in nat. Gr., Fig. f vergröfsert), von 1^'"
Dicke, sehr langsam und in langen Intervallen, heraus. Es
währt bisweilen fast zwei Tage, bis das Thier dies Geschäft
198
ganz vollbracht hat. Die Eierschnur ist gemeinhin 8 — 10", ja
bis 18" lang, wenn ihre Krümmungen gerade ausgezogen wer-
den, und besteht aus 2 — 3 Stücken, welche aber an einander
befestigt sind. Dies beweist, dafs sie während verschiedener
Zeiträume abgesetzt wird, welche indessen nicht lange dauern
können, da man nur zur erwähnten Jahreszeit Tritonienrogen
findet. Die Eierschnur besteht aus einer Ungeheuern Menge
hellrother oder hellgelber Eier (die aber gegen das Ende der
Entwickelung weifs werden), welche eine lange, regelmäfsig
schraubenförmig gedrehte Schnur bilden , die ihrer ganzen
Länge nach von einer gelatinösen, ungefärbten, cylindrischen
Hülle umgeben wird. Das Thier schlingt diese Eierschnur in
vielen Windungen um die Stämme und das Laub von See-
pflanzen {Fuciis, Zoster ä) und befestigt sie daran mittelst
eines dünnen, aber starken und klebrigen Schleimblatts, wel-
ches die ganze Länge der Eierschnur entlang läuft. Wenn
dieses Geschäft vollbracht ist, so verläfst die Mutter ihre Brut,
ohne sich weiter um deren Schicksal zu bekifmmern. — Eine
Tritonie, welche ich in ein mit Seewasser gefülltes Glas ge-
setzt hatte, setzte ihren Rogen in demselben ab, heftete ihn
auf dieselbe Art an die Wände des Glases und folgte ihrem
natürlichen Triebe auch darin, dafs sie ihn in runde Krüm-
mungen legte, welche aus Mangel eines Gegenstandes, um
welchen er hätte geschlungen werden können, mehr unregel-
mäfsig und in ihren Richtungen verschieden waren. ^
Durschneidet man die Eierschnur, so fallen immer einige
Eier (Fig. h, i, vergröfsert; Fig. g, nat. Gr.) aus, wiewohl sie
alle im Allgemeinen etwas fest kleben und dicht an einander
gedrückt sind. Sie sind von eirunder Gestalt (doch durch den
Druck der dicht aneinander liegenden Eier oft eckig oder von
minder regelmäfsigem Umrisse), durchsichtig, jedes immer meh-
rere, im Allgemeinen 5 — 11 Dotter {yitellos) enthaltend. In
einer \ Zoll langen Eierschnur zählte ich etwa 200 Eier.
Rechnen wir nun im Durchschnitt 8 Dotter auf jedes der letz-
teren, so konmit auf eine 16" lange Eierschnur die bedeutende
Anzahl von 25,600 Eiern imd 204,800 Dottern. — Die erste-
ren werden uneigentlich Eier genannt, die Dotter sind hinge-
gen im strengen Sinne erst die rechten und eigentlichen Eier,
da sie als solche im Eierstocke erzeugt und erst im Eierlei-
199
ter (ßviductus) mit der eirunden, glatten, durchsichtigen Hülle
und dem innerhalb dieser befindlichen dünnen, wasserklaren
Eiweifs umgeben werden, welche beiden Theile also als hinzu-
kommende zu betrachten sind. Die Eihaut, wie wir der Kürze
wegen jene eirunde Hülle nannten, entspricht wohl am mei-
sten der Schale des Vogeleies (welche unrichtig mit einem
Chorion verglichen worden ist). Sie ist zwar dünn und weich,
aber sehr stark und elastisch, so dafs sie nur bei sehr star-
kem Drucke des Compressoriums entzweireifst. Die den Dot-
ter umgebende Haut entspricht dagegen dem Chorion der leben-
diggebärenden und der Dotterhaut {Mcjnhrana vitellinci) der
eierlegenden Thiere; sie umschliefst den kugelrunden Dotter
sehr dicht, ist glatt und schwächer, indem sie bei einem mas-
sigen Drucke des Compressoriums entzweigeht, wobei der un-
durchsichtige äufserst feinkörnige Dotter austritt. Da die Ei-
liaut und das Eiweifs wasserklar sind, so sind es allein die
blafsröthlichen oder gelblichen Dotter, welche der Eierschnur
ihre Farbe verleihen. — Die Dotter liegen alle der einen
Seite der Eihaut näher (Fig. i); nur am ersten Tage zeigen
sie beim Druck ein rundes, durchsichtiges Bläschen, die J^esi-
ciila PurJiinj'U, w^elche nachdem verschwindet. — Endlich ist
zu bemerken, dafs in den beiden äufsersten Enden der Eier-
schuur jede Eihaut wenigere (3-2-1) Dotter umschliefst, und
nicht wenige ohne die geringste Spur eines Dotters sind (wie
die sogenannten Windeier der Vögel).
c. Die Umbildungen des Dotters.
Von nun an zeigen die Dotter oder die eigentlichen Eier
unter den Augen des aufmerksamen Beobachters eine Reihe
äufserst merkwürdiger Verwandlungen oder regelmäfsiger Form-
veränderungen, indem sich nämlich ihre kreisförmige Periphe-
rie beim Beginnen des zweiten Tages in zwei ebenfalls kreis-
runde, gleich grofse, zusammenhängende Theile (Fig. 1) theilt;
am Ende desselben Tages haben viele Dotter sich schon in 4
getheilt, indem jeder der 2 erwähnten Theile sich wieder in
2 getheilt haben (Fig. m). Am dritten Tage haben alle sich
in 4 (Fig. p) und viele schon in 8 (Fig. q) getheilt. So geht
es in regelmäfsiger Progression mit den Theilungen und fer-
neren Theilungen des Dotters (Fig. r und s) fort, bis seine
200
Oberfläche, welche dabei wieder zur Kugelgestalt zuriickge-
formt wird, am neunten und zehnten Tage die feinste Granu-
lation zeigt (Fig. s). Es ist jedoch zu bemerken, dafs nicht
alle Dotter in der Eierschnur sich eben so schnell entwickeln;
im Gegentheil sieht man, und das besonders in den Enden
der letztern, einige ungetheilt, während die andern zweige-
theilt sind, oder zweigetheilte, während die übrigen schon vier-
getheilt sind u. s. w.
Eine ähnliche, regelmäfsige Theilung des Dotters haben
schon Prevost und Dumas im Frosch -Eie bemerkt (Ann.
d. sc. nat., Tom. IL, pl. 6.) und Rusconi noch vollständiger
beim Eie der Wassersalamander und der Fische (Müll er' s
Arch. f. Anat. u. Physiol., 1836, Tab. VIII.). Es ist von nicht
geringer Wichtigkeit, dafs dieses interessante physiologische
Phänomen, welches die Naturforscher nur noch wenig kennen,
sich auch, und noch deutlicher und leichter zu beobachten, bei
den Mollusken zeigt, welches diese meine während zweier
Winter fortgesetzten Beobaclitungen bestätigen. Es scheint in
der That, als ob die Bildung des Embryos nicht vor sich ge-
hen könne ohne eine solche vorhergehende Operation (eine
eigenthümliche Art von Krystallisation , wie Rusconi sie
nennt), mittelst welcher die Natur die Elementartheile der
vorzüglichsten Systeme bereitet. Aus einzelnen Figuren Lei
Carus in seinen Untersuchungen an den Flufsmuscheln möchte
man veramtlien, dafs dasselbe Phänomen sich auch bei den
Acephalen finde und überhaupt vielleicht im Thierreiche allge-
meiner, als mau geglaubt hat, vorkomme.
d. Die Bildung und weitere Entwickelung
des Embryos.
Bei diesen Theilungen geht der Dotter unmerklich in
einen Embryo über, denn man bemerkt gar keine Abtrennung
oder Abschnürung irgend eines einzelnen Theils, auch keine
Embryobildung in einer gewissen Stelle desselben (wefshalb
auch die Theilungen hier an der Oberfläche des ganzen Dot-
ters Statt finden, wogegen sie bei den Eiern der Reptilien und
Fische, nach Rusconi' s Beobachtungen, nur an einer einzel-
nen Stelle oder in einem einzelnen Räume, nämlich demjeni-
gen, welcher zum Embryo gebildet wird, existiren), sondern
201
der ganze Dotter verwandelt sich in den Embryo, ohne dafs
irgend ein Theil oder Häute abfielen, — welches Carus und
Andere bei anderen Mollusken schon gezeigt haben, und wel-
ches wahrscheinlich für alle wirbellose Thiere gilt, die Dinten-
fische vielleicht allein ausgenommen. — Am 12ten und bis
zum 14ten Tage sind die Dotter nicht weiter ganz kugelför-
mig, sondern werden allmahlig mehr länglich (Fig. t) und am
einen Ende in der Mitte eingeschnitten, wodurch zwei sehr
kleine runde Ausschnitte oder Lappen (Fig. u) erzeugt wer-
den; am 15ten und löten Tage bemerkt man aufserdem einen
Quereinschnitt mitten über dem Dotter, an der einen Seite,
oder, was dasselbe ist, es biegt sich das andere, zugerundete
Ende einwärts. Der Embryo, wie wir jetzt den umgewandel-
ten Dotter nennen wollen, obzwar er noch keine Spur von
Leben zeigt, ist solchergestalt knieförmig gebogen und gleicht
einem Pferdehufe (Fig. v); die konvexe Fläche ist der Rük-
ken, die konkave der Bauch, die zwei runden Lappen bezeich-
nen das Vorderende, das entgegengesetzte einwärts gebogene
Ende ist das Hinterende. Die Bedeutung dieser Theile zeigt
sich aber erst später deutlich. — Am 17ten Tage wurde zu-
erst die anfangende Bewegung bei einzelnen Embryonen be-
merkt; sie besteht dann in einem fast unmerklichen Rücken nach
vorwärts, oder vor- und rückwärts; am Rande der zwei klei-
nen runden Lappen am Vorderende sieht man einige wenige
überaus feine und kurze Cilien (Randhaare), bei deren zittern-
der Bewegung der Embryo sich langsam dreht. — Am ISten
und 19ten Tage werden diese Lappen, welche Verlängerungen
des Mantels zu sein scheinen, gröfser und strecken sich gern
horizontal aus (Fig. x). Die Bewegung ist meistens ein Dre-
hen im Kreise. In einem spätem Stadium werden die Bewe-
gungen äufserst rasch und lebhaft. Dicht hinter den runden
Lappen bemerkt man jetzt im Profil auf der Bauchseite eine
hervorstehende Querwulst; dies ist der hervorwachsende Fufs
(Fig. y). Andere Embryone sind inzwischen noch ohne Be-
wegung und gleichen ganz denen vom löten Tage. — Am
21sten und 22sten Tage bewegen sich die Embryone, welche
nach und nach an Gröfse zugenommen hal>en (welches man
sogar an der Eierschnur sehen kann, welche jetzt fast dop-
pelt ist, so dick als sie sich nun zeigt), jetzt etwas Iiurtiger,
202
stets mit Hülfe der vibrirenden Cilieii (wie bei den Rippen-
quallen, Acalepha ctenophora Eschscli., ganz mechanisch,
denn wenn sich die Cilien nicht bewegen, liegt der Embryo
still), und zwar nun nach allen Riclitungen, aber stets mit
dem Vorderende des Körpers voran, unter einander herum in
dem dünnen, wasserklaren Eiweifse, welches von der gemein-
schaftlichen Eihaut (Schalenhaut) eingeschlossen wird. Man
sieht nun ziemlich deutlich, dafs der Embryo eigentlich in
einer Konchylie sitzt, aus welcher nur die runden Lappen und
das Fufsrudiment hei vorragen (Fig. z). Diese Konchylie ist
ziemlich niedergedrückt, mit einer länglichen, weiten Oeffnung,
zugerundet an der Seite, welche dem Rücken des Embryos
entspricht, etwas zusammengedrückt von den Seiten und schmä-
ler an dem hintersten, der Bauchfläche zugewendeten Ende;
mit anderen Worten, sie gleicht etwas einem kurzen, plum-
pen Schuhe, dessen Sohle aber nicht flach, sondern konvex
ist. Sie ist nun noch gelatinös und weich; erst in einem spä-
tem Zeiträume, nämlich bei dem ausgeschlüpften Jungen, wird
sie kalkartig, hart und spröde. In diesem letztern Zustande
war es wo ich sie zum ersten Male für eine wirkliche Kon-
chylie erkannte; in dem Stadium, von welchem wir jetzt spre-
chen, hielt ich sie immer für die allgemeine Hautdecke oder
den Mantel. Die Tritonien, diese nackten Mollusken, in ihrem
frühen Lebensalter von einer Konchylie umgeben! Ich traute
kaum meinen eigenen Augen, als ich zuerst diese Entdeckung
machte; so wenig schien sie mit der Organisation des erwach-
senen Thiers sich zusammen zu reimen. Ich habe indessen
dieselbe Beobachtung bei einer ganzen Reihe anderer ähnlicher
sogenannter nackter Mollusken gemacht, welche sich sonach
auch in dieser Rücksicht nach demselben Typus gebildet zei-
gen, wie die übrigen im erwachsenen Zustande mit einer
Schale versehenen Gasteropoden.
Uebrigens hat zu dieser Zeit der Eiubryo, welcher früher
beinahe undurchsichtig war, mehr Durchsichtigkeit erhalten,
und diese nimmt in der folgenden Zeit noch mehr und mehr
zu. So sieht man nun schon Spuren des Darms; aber die
geringere Durchsichtigkeit der Konchylie, in welcher man noch
viele feinkörnige Materie (Eidotter) bemerkt, verhindert den
Beobachter, mit Deutlichkeit die inneren Theile sehen zu können.
203
Am 23sten und bis zum SOsten Tage wächst die Kon-
chylie bedeutend in die Länge (Fig. a — •^) und geht nach
lind nach von der niedrigen, breiten und niedergedrückten
Schuhgestalt zu einer ovalen, von den Seiten zusammenge-
drückten, nach hinten zugerundeten und an der Bauchseite in
sich selbst hineingebogenen Schale über, ungefähr wie bei
einem Nautilus. Die Bewegungen sind jetzt äufserst rasch, die
Embryone laufen in einem fort zwischen einander in dem flüs-
sigen Eiweifs nach allen Richtungen herum, mit Hülfe der jetzt
ausgezeichnet deutlichen, gröfser gewordenen Cilien, welche
die zwei runden Lappen besetzen — ein vorzüglich schönes
und unterhaltendes Schauspiel für den Beobachter! (Fig. /.)
— Jene zwei oft erwähnten runden Lappen am vordersten
Ende des Körpers sind, jeder an seiner Seite desselben, ge-
stellt; sie sind während der Bewegungen flach ausgebreitet
oder horizontal, wenn sich das Vorderende auf- oder abwärts
wendet (Fig. ?/); in der Ruhe aber oder bei der Kontraktion
legen sie sich zusammen (Fig. e, t). Sie scheinen unmittel-
bare Verlängerungen des Mantels zu sein und müssen ohne
Zweifel als transitorische Organe betrachtet werden; auch kann
ich die Cilien, mit welchen ihr Rand besetzt ist, nicht anders
ansehen; sie als Kiemen zu betrachten, oder zu glauben, dafs
sie in solche verwandelt würden, möchte sich wegen der an-
derwärts befindlichen Stelle der letzteren Organe (nämlich zu
beiden Seiten des Rückens) bei der erwachsenen Tritonie,
kaum vertheidigen lassen, obwohl sie gewifs zur Respiration
dadurch beitragen, dafs sie mittelst ihrer Bewegungen dem
Embryo (und in einer spätem Periode auch dem Jungen)
neues respirables Fluidum zuführen. — In Rücksicht der an-
deren äufseren Organe bemerkt man keinen deutlichen Kopf,
keine Tentakeln, keine Kiemen. Dagegen sieht man auf der
hintersten Fläche des jetzt deutlichen Fufses einen ungemein
dünnen, kreisrunden, sehr durchsichtigen Deckel befestigt, um
die Oefi'nung der Konchylie zu schliefsen, welches die Aehn-
lichkeit mit den Gasteropoden vollendet, die mit Gehäusen
versehen sind. Dieser Deckel ist enface fast unsichtbar we-
gen seiner Dünne und Durchsichtigkeit, aber im Profile zeigt
er sich als ein Strich oder eine dunkle Linie, welche ein we-
nig vor dem Ende des Fufses hervorragt (Fig. d-). — Was
204
die inneren Theile betrifft, welche nun sichtbarer werden, so
sieht man eine undurclisichtige gelbweifse Masse sich von den
eben so gefärbten runden Lappen und dem Fufse rückwärts
in die Konchylie ziehen; aus dieser Masse entspringt der
Darmkanal; dieser läuft von vorn nach hinten, erweitert sich
an der letztern Stelle in einen länglichen, krummgebogenen
Magen, von welchem er sich nach der rechten Seite und wie-
der in einem Bogen aufwärts biegt, indem er sehr dünn wird;
wie er endete, wurde nicht sichtbar. Vorn und nach oben
auf der linken Seite des Magens sitzt ein grofser, runder oder
ovaler, gelbweifser, undurchsichtiger Knoten, an der rechten
Seite und etwas mehr nach hinten zwei kleinere, ebenfalls
runde Knoten von derselben Beschaffenheit, der eine über oder
vor dem andern (Fig. s — ^9^). Der Darmkanal ist, wie man
sieht, im Wesentlichen mit dem des erwachsenen Thiers über-
einstimmend; die eben erwähnten Knoten, wenigstens der grös-
sere von ihnen, müssen wohl für die hervorwachsende Leber
angesehen werden. Endlich läuft von der vorderen Einge-
weidemasse, und vermuthlich vom Fufse, ein durchsichtiger,
doch deutlicher Muskel, nach unten an der linken Seite des
Darmkanals, nach dem hintern Ende des Körpers, entweder
nach dem dicht an der Konchylie anliegenden Mantel des
Embryos, oder, was das Wahrscheinlichste ist,, nach der Kon-
chylie selbst, in welchem letztern Falle er als analog mit
dem Anheftungsmuskel der Schnecken betrachtet werden kann
(Fig. € — d). Man bemerkt nämlich jetzt, dafs der Embryo
sich öfters ganz in seine Koncliylie zieht. Der Mantel ist
sehr durchsichtig und liegt dicht an der Schale; doch zieht
or sich bisweilen ein wenig zusammen und zeigt sich dann
etwas von der innern Wand der Konchylie abgelöst (wie Lei
dem Jungen, Fig. X). Man bemerkt zu dieser Zeit auf ihm,
besonders auf dem Rücken, einige überaus feine, klare Quer-
streifen, welche an den Seiten in kloine Knoten (Fig. ^) an-
gescliwollen zu sein scheinen; — ob dies Blutgefäfse sein
mögen? Das Herz habe ich nicht sehen können, woran die
Unvollkommenheit meines Mikroskopes ohne Zweifel Schuld ist.
e. Die ausgeschlüpften Jungen.
Während aller dioser Veränderungen mid der auf diesel-
205
ben verwandten Zeit ist die Eiersehnur etwa dreimal so dick
geworden, wie sie bei ihrem Austritt am ersten Tage war
(Fig. (5), indem nämlich sowohl die Eiliäute durch das ver-
niittelst der Einsaugung von Seewasser gebildete Eiweifs er-
weitert worden und die eingeschlossenen Embryone so bedeu-
tend gewachsen sind.*) Diese sind nun endlich so grofs ge-
worden, dafs sie nur mit Mühe Platz innerhalb der Eihaut
finden; ihre Bewegungen sind so kräftig, sie stofsen so lange
gegen die jetzt sehr dünne Eihaut, dafs diese endlich gesprengt
wird; da nun auch die die Eierschnur umgebende Schleim-
hülle zu dieser Zeit sehr locker und im BegrijQFe, sich aufzu-
lösen, ist, so treten sie ohne Hindernifs in das umgebende
Seewasser hinaus. — Es war am 31sten Tage, als ich be-
merkte, dafs die ersten Jungen (es waren ihrer nur wenige)
auskamen, und dies fand am einen Ende der Eierschnur statt.
Es geht übrigens mit dem Ausschlüpfen nur langsam; erst am
36sten Tage kamen die Jungen in grofser Menge hervor, in-
dem die Eierschnur an mehreren Stellen anfing, sich aufzulösen
und in Stücke zu zerfallen. Die sogar dem unbewaffneten
Auge sichtbaren ausgeschlüpften Jungen (Fig. y, nat. Gr., Fig.
A, fi, V, vergröfsert) schwammen sogleich nach allen Richtun-
gen im Wasser herum, mit Hülfe der vibrirenden Cilien auf
den runden Lappen, welche letzteren während des Schwim-
mens immer unbeweglich ausgestreckt gehalten wurden. Das
Schwimmen geschieht ziemlich rasch und gleichmäfsig fort-
schreitend (stets mit den runden Lappen voran), bald auf-
wärts, bald abwärts, oder nach den Seiten hin, ganz so wie
bei den Thieren, welche ich in meiner Schrift: „Beshivelser
og Jagttagelser over Södyr ved den Bergenske KysV\
Cirropteron genannt, die ich aber jetzt nur für die Jungen
von Gasteropoden halte. — Erst am 38sten Tage hatte die
Eierschnur sich ganz aufgelöst, und das Seewasser in dem
'^) Schade, dafs ich kein Mikrometer hatte, um mit Genauigkeit
die Stärke des Wachsthums angeben zu können. Aus den gegebenen
Figuren, welche alle gleich stark vergröfsert und mit möglichster
Genauigkeit nach dem Augenmaafse gezeichnet sind, ersieht man doch
den bedeutenden Wachsthum, z. B. beim Vergleichen der Fig. r. mit
Fig. y.
206
Glase, in welchem sie lagen, wimmelte von den iimhersclnvim-
menden zahllosen Schaaren der Jungen. — Nimmehr wird die
Konchylie, wie es scheint durch die Berührung mit dem See-
wasser, hart, kalkartig und spröde, so dafs sie dem Eindrucke
einer Nadel nicht nachgiebt, sondern bei demselben immer in
mehrere Stücke zerspringt; sie ist fernerhin etwas weifslich
und ganz durclisichtig, wie Wasser, glänzt auch ausnehmend
dcutlicli (Fig. J^, (f,'/). Sie hat nur eine Windung, die in sich
selbst eingebogen ist, ganz so wie die eines Nautilus, welcher
sie auch in ihrer Gestalt am meisten gleicht; das Vorderende
ist schief abgeschnitten, die Oeflfnung länglich (so wie die
Konchylie von den Seiten zusammengedrückt ist), regelraäfsig.
Reizt man das Thier, so zieht es sich wie eine wirkliche Scha-
lenschnecke ganz in seine Konchylie hinein (Fig. r), welche
demnach dem schwachen Thiere zur Beschirmung dient. — Im
Vorbeigehen mufs ich bemerken, dafs die Lebhaftigkeit der
Cilien fast bis ins Unglaubliche geht; selbst bei einem sehr
kleinen, abgerissenen Stücke der runden Lappen fuhren sie
fort, sich unablässig über zwei Stunden lang zu bewegen und
dabei das Stück fortwährend im Kreise herumzudrehen.
Bei häufiger Erneuerung des Seewassers erhielt ich einige
dieser Jungen noch fast zwei Wochen hindurch am Leben,
aber länger war mir dies nicht möglich; sie starben dann alle
nach und nach, fielen haufenweise zu Boden, oder sammelten
sich an der Wasserfläche, die weichen Tlieile lösten sich auf
und die leeren Konchylien (welche austrockneten und ganz
ihre Gestalt behielten) schwammen in Menge auf der Ober-
fläche des Wassers, dem blofsen Auge bemerkbar durch ihre
weifsliche, glänzende Farbe (Fig. 9, /). — Späterhin habe ich
öfters eine ungeheure Menge solcher Jimgen in der See um
Florö im März und Anfange des Aprils gefunden; aber es ist
mir bisher nicht geglückt, ihre fernere Entwickelung und Ver-
wandlung zu beobacliten. Man begreift leicht, dafs es hier
auf eine glückliche Gelegenheit ankommt, um die Uebergänge
vom vorigen zum nachfolgenden Entwickelungszustande zu
finden, da man sonst leicht dasselbe Thier in seinen verschie-
nen Gestalten für eben so viele verschiedene Thiere halten
kann. Dafs die Konchylie in einem späteren Stadium abge-
worfen wird, und dafs eine bedeutende Veränderung vorgehen
207
mnfs, bevor das Junge zn der Gestalt und Lebensweise dos
erwachsenen nackten und langsam kriechenden Thieres ge-
langt, ist einleuchtend.
Erklärung der Figuren.
Fig. «. Trkonia Ascanii in nat. Gr. a^ die Geschlecbls-
öffniing, ein wenig erweitert; h^ der After; c^ die oberen Ofler
eigentlichen Tentakeln in ihrer Röhre; d^ die Labialtentakeln;
e' e^ 5—6 Paar verzweigte Kiemen auf dem Rücken.
Fig. b. Einige Lappen des Eierstocks in nat. Gr.
Fig. c. Ein Lappen vergröfsert.
Fig. d. Zwei Eier nock mehr vergröfsert.
Fig. e. Ein Stück einer Eierschnur in nat. Gr.
Fig. f. Ein Stück derselben vergröfsert. a die eigentliche
schraubenförmige Eierschnur, b die Schleimhülle.
Fig. g. Sechs Eier vom Istcn Tage in nat. Gr.
Fig. h. Eins derselben vergröfsert, mit 9 eingeschlossenen
Dottern.
Fig. I. Ein anderes von der Seite; man sieht, dafs die Dot-
ter an der einen Seite angehäuft liegen.
Fig. h, Ist Fig. h ganz leicht mittelst des Compressoriums
gedrückt, um die Dotter mehr zu isoliren. Alle folgenden Eier
sind ebenfalls leicht gedrückt, um die Dotter besser zu sehen.
Fig. l. Vom 2ten Tage Morgens; die Dotter sind zwei-
getheilt.
Fig. ;;t. Vom Abende desselben Tages; einige Dotter sind
schon viergetheilt.
Fig. n und o. Sind 2 Eier von den Enden der Eierschnur
vom 2ten Tage: man sieht, dafs die Entwickelung hier langsa-
mer vor sich geht.
Fig. ^. Ein Ei vom 2ten — 3ten Tage; alle Dotter vier-
getheilt.
Fig. q. Vom .3ten — 4ten Tage; alle Dotter achttheilig.
Fig. r. Vom 6ten Tage; noch mehr getheilt.
Fig. s. Vom 9ten Tage; die Dotter fein granulirt.
Fig./. Vom 12ten Tage; die Dotter sind länglich geworden.
Fig. w. Vom 14tenTage; am einen Ende der Dotter zeigt
sich der Anfang der 2 runden Lappen.
Fig. V. Vom 16ten Tage; die Dotter sind pferdehufförmig
gebogen.
Fig. w. Ein Embryo vom ITten Tage, an welchem er zu-
erst anfängt, sich schwach zu bewegen; man sieht die feinen
Cilien.
Fig. oc. Ein Ei vom ISten Tage; einige Embryone sind
ohne Bewegung, andere strecken die runden Lappen mit ihren
Cilien aus und rotiren.
Fig. y. Vier Embryone vom 19tenTage; sie bewegen sich
kreisförmig; man sieht nun das Fufsrudiment; die unterste Figur
rechts ist von hinten gesehen; die 3 anderen von den Seiten.
208
Fig. z. Vier Embryonc vom 21stenTa£;c; die 2 ersten an-
gesehen von der linken Seite, der 3te rechts von hinten, der
unterste von oben; die Konchylle ist schubförmig.
Flg. «. Vom 23sten Tage ein Embryo; die Konchylle v\'Ird
länger.
Fig. ß. Sechs Eier vom 26sten Tage, In nat. Gr.
Flg. y. Eins derselben vergrüfsert; die Embryone laufen
rasch zwischen einander umher.
Fig. €. Ein Embryo vom 26sten Tage, von der linken Seite
angeselien.
Flg. C. Derselbe von der rechten Seite.
Fig. 1]. Derselbe von hinten.
Bei allen bemerkt man die runden Lappen und deren Ci-
llen, den Fufs, die in die Längewachsende Konchylle, und in-
wendig den Darmkanal mit den runden Knoten (die Leber),
ferner zu hinterst den Anheftungsmuskel.
Fig. O. Ein Embryo vom 29sten Tage, von der linken
Seite angesehen; hinten auf dem Fufse erscheint der Deckel im
Profile.
Fig. (T. Ein Stück der Eierschnur vom 27sten Tage.
Fig. X. Sechs Junge, frei herumschwimmend, nat. Gr.
Flg. X. Eines derselben, von der linken Seite angesehen;
der Mantel hat sich an einigen Stellen etwas von der Konchylle
abgelöst.
Fig. fx. Dasselbe von vorn.
Fig. V. Dasselbe von der linken Seite. Das Thier hat sich
in seine Konchylle hineingezogen, vibrirt aber noch mit seinen
Cilien.
Fig. (p. Die Konchylle von der linken Seite gesehen.
Fig. X' Die Konchylle von vorn.
Von der Scyllcißa pelagica, dieser den Tritonien so
nahe verwandten Niidibranchie, hatte ich im Herbste 1837 Ge-
legenheit, in der Sammlung des naturhistorischen Vereins in
Kopenhagen den Rogen zu untersuchen, welcher sich um
Fuciis natans geschlungen befand und vom Dr. Lund im
atlantischen Meere gesammelt worden war. Er hat die Ge-
stalt einer langen, cylindrischen, mannichfach gebogenen
Schnur, eben wie bei der Tritoiiia; die grofsen, eirunden Ei-
häute umschliefsen, jede, eine grofse Menge, nämlich bis an
30 hellgelber Dotter.
209
II. Aeolidia hodöensis.
Doris hodöensis, Gunnerus inKj6benh.Vid.SelsJ{,
Skr. Bd. 10, Tab. e, Fig. 11 — 16.
Boris papulosa, Müller, Prodr., N. 2775. — 0. Fa-
hr icius, Fn. Grönl., N. 336.
Bei den Aeolidien verhält es sich mit der Paarung, dem
Eierlegen und der Entwickelung in allen wesentlichen Punk-
ten eben so wie bei der Tritonia. Aeolidia hodöensis, eine
an unserer Küste gemeine Art (welche von Lamarck und
Anderen unrichtig mit A. Cuvieri zusammengeworfen worden
ist), kommt im INovember und December an den Strand, be-
sonders in stillen, wenig tiefen kleinen Buchten, deren Grund
mit Zostera bewachsen ist, auf deren Blättern sie herum-
kriecht, um die zahlreichen, auf denselben sitzenden, kleinen
Aktinien (^A, viduata Muell.^ zu greifen, von welchen sie
sich ornährt.*) Im Januar oder Februar setzt sie ihren Rogen
oder ihre lange Eierschnur ab, welche eine ähnliche, obgleich
etwas zusammengedrückte nnd unregelmäfsiger gekrümmte
Form und dieselbe Beschaffenheit, wie bei der Tritonia, hat
und in vielen Krümmungen um Zostera- oder Tangblätter ge-
schlungen wird. Die Eier bilden jedoch keine schraubenför-
mig gewundene Schnur, wie bei Tritonia, sondern sind, wie
es scheint, unordentlich auf einander gehäuft innerhalb der
umgebenden Schleimhülle. Die Dotter sind blafsröthlich; jede
Eihaut, welche sehr wenig oval oder fast kugelförmig ist,
schliefst 2 — 7 Dotter ein. Diese theilen und theilen sich ganz
so wie bei der Tritonia. Erst am 24sten Tage liefsen sich
Bewegungen bei den Embryonen bemerken ; diese haben die-
selben mit Cilien besetzten Lappen und sitzen ebenfalls in
einer Konchylie von ähnlicher Form; da ihrer aber im Gan-
zen weit wenigere sind als der Tritonienembryone, so konn-
ten die übrigen Eigenthümlichkeiten nicht so genau beobach-
tet werden.
*) Ich habe Aktinien in ihrem Magen gefunden, auch gesehen,
dafs sie sie verzehrten. Ebenfalls hat Ehrenberg im rothen Meere
eine fleischfressende Aeolidie, sein Phyllodesmium {Symbolae phys.,
Evertebr., Bogen h), entdeckt, welche sich von Polypen (Xenien)
nährt.
Wiegm. Archiv. VI. Jahrg. 1. Band. 14
210
Von einer andern Art derselben Gattung, meiner A co-
li dia pulchella, hatte ich ein Individuum in ein mit See-
wasser gefidltes Glas gethan, welches am 10. April eine Eier-
schnur von weifser Farbe und einer merkwürdig regelmäfsi-
gen Form absetzte. Sie hatte nämlich die Dicke eines ge-
wöhnlichen Zwirnfaden (^ — i"'X ^^'^r mit der gewöhnlichen
Schleimhülle umgeben und bildete eine vollkommen regelmäs-
sig 7mal gewundene Spirale, welche ihrer ganzen Länge nach
an die Wand des Glases geheftet war. Die Form dieser Eier-
schnur gleicht ziemlich der bei Doris, welche wir weiter un-
ten betrachten wollen; auch umschliefst jede Eihaut, so wie
bei dieser, nur einen Dotter.
III. Doris muricata, Varietas (fortasse species
distinctay
Am Ende des Februar und am Anfange des März be-
merkt man bei Florö häufig, besonders an steil in die See
abschüssigen Bergen, einen gelatinösen, schneeweifsen, in eine
Spirale zusammengewundenen Rogen an Klippen oder Meer-
eicheln {Baianus) befestigt, zu welcher Zeit auch Doris mu-
ricata (Fig. a in nat. Gr.) sich in Menge zu finden pflegt.
Diese Eierschnüre sind nahe an der gewöhnlichen Ebbengrenze
befestigt, so dafs viele von ihnen bei den starken Ebben,
welche in dieser Jahreszeit vorkommen, weit oberhalb des See-
spiegels ganz trocken liegen. Sie sind zu einem dünnen, brei-
ten Bande stark zusammengedrückt (Fig. b), welches mit dem
einen scharfen Rande an Meereicheln oder Klippen geheftet
ist, während das Band übrigens lothrecht und ganz frei, mit
dem obern freien Rande etwas auswärts gebogen steht. —
Obgleich ich vermuthete, dafs diese Eierbänder der erwähnten
Doris-Art angehörten, so erlangte ich hierüber doch erst Ge-
wifsheit, als ich sah, dafs ein in ein Glas voll Sewasser ge-
brachtes Individuum ein solches Band (Fig. b) absetzte, wel-
ches es dicht an und unter der Wasserfläche an der Wand
des Glases befestigte, gerade so, wie diese Doris dasselbe an
die Klippen bei der Wasserfläche zu heften pflegt. Es war
am Morgen des 3. März, als ich dies bemerkte, und da war
schon beinahe die Hälfte des Eierbandes aus der weiten Ge-
211
schlechtsöffnung an der rechten Seite des Körpers herausge-
treten. Diesen ganzen Tag blieb das Thier unbeweglich auf
derselben Stelle sitzen, und nur ab und an kam äufserst lang-
sam etwas mehr von dem Bande hervor. Am Morgen des
folgenden Tages hatte das Thier sich endlich ganz von seinem
Rogen getrennt. Dieser besteht aus einer zahllosen Menge
schneeweifser Eier oder Dotter-, deren jeder von einer ovalen,
ungefärbten Eihaut umschlossen wird, zwischen welcher und
dem Dotter der Raum mit klarem Eiweifs angefüllt ist (Fig. c).
Die ganze Eiermasse wird von einer klebrigen, zähen, was-
serklaren Schleimhiille von bandförmiger Gestalt, wie vorher
beschrieben, umgeben, in welcher die Eier so fest kleben, dafs
sie auf keine Weise einzeln herauszubringen sind. Jede Ei-
haut schliefst nie mehr als einen Dotter in sich. Der letztere
ist kugelrund, glatt, schneeweifs, undurchsichtig, und liegt, wie
Tritonia, der einen Wand der Eihaut allezeit näher. So ver-
halten sich die Dotter am Isten Tage. Nachdem theilen sie
sich regelmäfsig, wie bei Tritonia, am 2ten Tage in 2 (Fig. d),
obgleich noch viele ungetheilt sind; am 3ten Tage Abends
waren fast alle in 4 getheilt (Fig. e, f, h), ja einige wenige
zeigten schon den Anfang zu einer Theilung (Fig. g); am
4ten Tage sind die meisten noch viertheilig, doch manche
schon achtfach getheilt (Fig. i, k) u. s. w., bis sie am 13ten
oder 14ten Tage auf der ganzen Oberfläche fein granulirt
(Fig. m) und am 20sten Tage ganz glatt und dem Ansehen
nach homogen sind. Am 24sten Tage fingen die runden Lap-
pen an, heryorzuwachsen, und der Embryo ein wenig krumm-
gebogen zu werden, während sich die Konchylie entwickelt
(Fig. n). — Am 25 — 27sten Tnge sieht man die Konchylie
deutlicher, auch den Fufswulst, die runden Lappen sind merk-
bar ausgewachsen und am Rande mit deutlichen, vibrirenden
Cilien versehen, mit welchen der Embryo sich kreisförmig be-
wegt (Fig. o, p), denn es ist nicht sonderlich Platz zu Be-
wegungen anderer Art in der ziemlich dicht umschliefsenden
Eihaut. Dieser Umstand ist auch die Ursache, dafs schon am
36sten Tage eine grofse Menge (mehrere Tausende) von Jun-
gen (Fig. q, r) ausgekommen war, welche frei im Wasser
herumschwammen, wie die Tritonienjungen, welchen sie auch
in allen Stücken gleichen, wie in den runden Lappen mit de-
14*
212
ren Cilien, dem Fufse und dessen Deckel hintenauf, mit wel-
chem die Oeffnung der Koncliylie verschlossen wird u. s. w.
Die Konchylie (Fig. s, t), welche im Wesentlichen ebenfalls
wie bei Tritonia gebildet ist, indem sie eine nautilusartige
Form hat, kalkartig, hart, spröde, weifslich- durchsichtig, glän-
zend und ausgezeichnet deutlich ist, ist bei Doris kürzer, mehr
eingerollt (doch nur in einer Windung), und hat eine weitere
Oeffnung.
Grant, welcher im Edhib. Jomn. of sc, N. 13, 1827,
einige Momente der Entwickelung der Doris beschreibt, hat
das Ausschlüpfen der Jungen und ihr freies Umherschwimmen
in der See vermittelst der Cilien beobachtet; er aber so we-
nig, wie ein anderer mir bekannter Naturforscher, hat die Kon-
chylie, auch nicht die Theilungen der Dotter bemerkt, noch
überhaupt eine fortgesetzte Entwickelungsgeschichte geliefert.
Lange vor ihm scheint Bomme (^^cta Soc. Fiessing, Vol. 3,
1773) die Bewegungen der Jungen im Eie bemerkt zu haben.
Er bildet nämlich eine Doris (a. a. O. Fig. 4), welche ver-
muthlich Dorw pilosa Muell. ist, auch den von ihr abgesetz-
ten Rogen, sehr richtig ab. Nach Verlauf einiger Zeit fand
er zu seiner grofsen Verwunderung im Rogen eine Menge
„Raderdiertjes", wie er sich ausdrückt, welche ohne Zweifel
die in den Eiern sich bewegenden Jungen waren.
Auch Doris obvelata Muell. setzt am Schlüsse des Fe-
bruar ähnliche spiralförmige Eierbänder von einer röthlich-
weifsen Farbe ab; auch bei dieser Art umschliefst jede Eihaut
nur einen Dotter. — Dagegen unterscheidet sich Tolycera,
eine sehr nahe mit Doris verwandte Gattung, dadurch, dafs
jede Eihaut im Bande mehrere (bis 6) Dotter enthält, welches
ich bei Volycera variaiis nohis (Doj'is quadrilineata
et D. cornuttty Zool. dam, et D. flava Montagu, welche
alle drei einer und derselben Art angehören) wahrnahm, die
ihren blafsvioletten Rogen um die Mitte des März absetzt.
Erklärung der Figuren.
Fig. a. stellt die Doris muricata^ l^ar., vom Rücken in nat.
Gr. vor.
Fig. h. Ein Kierband in nat, Gr.
Fig. c. Zwei Eier vom Isten Tage, wie alle folgenden Fi-
guren, vergrüfserl.
213
Fig. d. Zwei Eier vom ^ten Tage; die Dotter sind zwei-
theilig.
Fig. e, f, g, h. Eier vom ,3ten Tage; die Dotter vierthei-
lig; bei Fig. g fangt der eine der 4 Theile wieder an, sich fer-
ner in 2 zu theilen.
Fig. i, k. Eier vom 4tenTage; die Dotter achttheilig. Bei
Fig. i sieht man jedoch nur 7 Theile.
Fig. /. Ein Ei vom Sten Tage, überall granulirt.
Fig. m. Ein Ei vom 13ten Tage, sehr fein granulirt, oder
fast ganz glatt.
Fig. n. Zwei Eier vom 24sten Tage; die runden Lappen
beginnen hervorzuwachsen ; der Embryo ist ein wenig gebogen,
mid die Konchylie entwickelt sich.
Fig. o, p. Zwei Eier vom 27sten Tage ; Fig. o von vorn
gesehen, Fig. ^ von der rechten Seite;, die runden Lappen sind
gröfser geworden, ihre Cilien bewegen sich, wobei der Embryo
sich im Kreise herum bewegt, der Fufswulst ist sichtbar.
Fig. gr, r. Eben ausgeschlüpfte, herumschwimmende Junge.
Fig. q von der linken Seite, Fig. r von oben; die Konchyjie ist
deutlicher; der Deckel hinten auf dem Fufse zeigt sich im Pro-
file; endlich erscheint innerlich das Verdauungssystem, welches
demselben bei den Tritonienjungen gleicht.
Fig.. Sy i, zeigen die Konchylie, s von der S^ite, t von vorn-
IV. Aplysia guttata noh»
Dieser Seehase, welcher grofse Aehnlichkeit mit Aplysia
üepilans und punctata hat, ohne, doch ganz mit diesen oder
den übrigen in Rang's Monographie des Aplysiens aufge-
führten Arten übereinzustimmen, ist die einzige hier an der
Küste vorkommende Art der Gattung Aplysia und zeigt sich
an unserm Strande einzeln, nie in irgend einiger Menge, den
ganzen Winter hindurch ; im Sommer findet sie sich hier und
und da in den Tiefen der Buchten. Am Anfange des März
habe ich sie ihren Rogen absetzen sehn, ^) welcher eine cylin-
drische Eierschnur von fast 1 File Länge, aber nur 1'" Dicke
ist und mit vielen Biegungen um Tang oder andere Gegen-
stände in der See geschlungen und an ihnen ziemlich stark
*) Anders scheint es sich in südlicheren Meeren zu verhalteR;
denn Rang sagt a. a. O, S. 28: „An unsern Gestaden paaren sich
die Aplysien vom Juni bis zum September, ja sogar bis zum Octo-
ber; das Eierlegen scheint kurze Zeit danach Statt zu finden;" und
S. 55 von Aplysia fmciatu: „In der stürmischen Jahreszeit ziehen
sie sich in die gröfsten Tiefen zurück."
214
befestigt wird. Auszeichnend ist die geringe Dicke im Ver-
gleiche mit der des Tritonienrogens. Bei einem Individuum,
welches ich in einem Glase voll Seewasser mit nach Hause
genommen hatte, beobachtete ich das Eierlegen. Es war am
3. März, als die Eierschnur (Fig. a, ein Stück in nat. Gr.)
anfing, langsam aus der Vulva herauszutreten, welche am hin-
tern Ende der längs an der rechten Seite des Körpers laufen-
den Furche liegt, an deren vordem Ende der Penis hervor-
tritt. Das Thier befestigte das Ende der Schnur stark an das
Glas, so dafs sie nur schwer unbeschädigt loszureifsen war
und zog sie von da weiter in vielen und unordentlichen Krüm-
mungen bald an der Wand des Glases, bald querüber nach
der gegenüberstehenden Wand; erst am Morgen des folgenden
Tages hatte das Thier sich von seinem Rogen ganz befreit.
Die die ganze Eiermasse umgebende gelatinöse, ungefärbte
cylindrische Hülle ist von ziemlich fester BeschafiFenheit und
darin von der bei den vorher erwähnten Nudibranchien , bei
welchen sie viel weicher ist, abweichend. — Uebrigens gleicht
die Eierschnur des Seehasen der der Nudibranchien so sehr,
dafs ich schon danach vermuthete, die von Carus gegebene
Abbildung jener (Erläuterungstafeln zur vergl. Anat., Heft 3,
Tab. 2, Fig. 5, 6, 7) sei niclit ganz genau, insofern er die
Dotter oder Eier als in mannichfache Häufchen, ohne irgend
eine besondere Hülle oder Eihaut, gesondert darstellt. Dage-
gen hat Rang (a. a. O. Tab. 7, Fig. 3, 4) richtigere Zeich-
nungen von der Eierschnur und den einzelnen Eiern der
Aplysia fasciata geliefert. Jeder der eben genannten Häuf-
chen ist nämlich wirklich von einer ovalen, ungefärbten Hülle
oder Eihaut umgeben, oder, mit andern Worten: es verhält
sich auf alle Weise wie bei Tritonia, dafs nämlich jede Ei-
haut mehrere Dotter umschliefst (Fig. b, c). Gemeinhin ent-
hält jede Eihaut 5 — 8 derselben, aber im hintern Ende der
Eierschnur nur 4-2-1, ja ganz zu äufserst waren viele völlig
leer, so wie oben von Tritonia bemerkt worden ist. Reifst
man die äufsere, die Eiermasse umgebende Hülle entzwei, so
fallen die Eier nicht aus, sondern sie sind so hineingesenkt in
sie und kleben in ihr so fest, dafs man nur mit grofser Mühe
einige einzelne herauspräpariren kann. — Die Dotter, welche
alle der einen Seite, der Eihaut näher liegen, haben eine kugel-
215
runde Form und eine gelbbraune, undurchsichtige Farbe (Fig. c).
An den folgenden Tagen theilten sie sich wie bei Tritonia
etc., ich habe aber nicht Gelegenheit gehabt, so genau, wie
ich es gewünscht hatte, alle ihre Veränderungen zu beobach-
ten. — Am 36sten bis 38sten Tage (an den meisten vorher-
gehenden Tagen wurde die Beobachtung gestört) war fast die
ganze Eierschnur durch Unvorsichtigkeit verdorben; aber die
noch erhaltenen Dotter waren jetzt in Embryone (Fig. d, e, Q
verwandelt, von derselben Form wie bei Tritonia, nur waren
die 2 runden, mit vibrirenden Cilien besetzten Lappen weni-
ger getheilt auf der Rückenseite, auch war auf dem übrigens
deutlichen Fufse der Deckel nicht zu bemerken. Die Kon-
chylie, welche noch weich und gelatinös war, hatte übrigens
eine ähnliche Form wie bei Tritonia. Die Embryone waren
jetzt in lebhafter Bewegung mittelst der vibrirenden Cilien;
zerrifs man die Eihaut, so schwammen sie eine Zeit lang im
Wasser herum. — Am 48sten Tage waren viele Eier durch
die Maceration, in welcher sich die Eierschnur befand, von
der allgemeinen Schleimhülle gelöst, so dafs sie leicht von
einander getrennt werden konnten; die Embryone waren so
sehr gewachsen, dafs sie nur mit Mühe Platz innerhalb der
Eihaut fanden. — Am 52sten Tage waren fast alle todt; bei
einigen wenigen noch lebenden war die Konchylie schon etwas
in die Länge gewachsen (Fig. g). — Man sieht übrigens leicht
ein, dafs diese Konchylie, welche völlig äufserlich ist, sich
nicht in das halb innerliche, sogenannte Konchylienrudiment
oder die Schale verwandeln kann, welche die Kiemen des See-
haasen im erwachsenen Zustande bedeckt; diese Art von Kie-
mendeckel bildet sich ohne Zweifel in einer viel spätem Pe-
riode. Dafs die erstere transitorisch sei, folgt aus der Ana-
logie mit den Tritonien.
Diese, wie es scheint, im Verhältnisse zu der der Nudi-
branchien, langsamere Entwickelung mag vielleicht nur schein-
bar und von dem verdorbenen Zustande, in welchem sich die
erwähnte Eierschnur befand, verursacht worden sein. — Dafs
übrigens die Jungen der Seehasen nicht in einem Jahre voll
auswachsen, schliefse ich daraus, dafs ich am Ende des Fe-
bruars Junge gefunden habe, welche ausgestreckt kaum 1"
lang waren (und übrigens den erwachseneu gleich), da hinge-
216
gen die ganz erwachsenen, welche zu derselben Zeit vorkom-
men, eine Länge von 4 — 6" besitzen. Denn analog mit den
Nudibranchien, mit welchen sie in der Entwickelung so sehr
übereinstimmen, kann man nicht annehmen, dafe diese Thiere
sich öfter als einmal im Jahre fortpflanzten.
Erklärung der Figuren.
Fig. a. Ein Stück der Eierschnur von Aplysia guttata noh.,
in nat. Gr.
Fig. b. Ein Stück davon vergröfsert.
Fig. c. Ein Ei mit 7 Dottern, noch mehr vergröfsert und
leicht unter dem Compiessorlum gedrückt, vom Isten Tage.
Elg. d. Ein EI vom 37sten Tage mit 6 rotirenden Em-
bryonen.
Fig. e. Einer von diesen, noch stärker vergröfsert, von hin-
ten angesehen.
Fig, f. Derselbe von der rechten Seite.
Fig. g. Ein Embryo vom 52sten Tage; dieselbe Vergröfse-
rung, von der rechten Seite; die runden Lappen und der Fufs
deutlich; die Konchylie ist In die Länge gewachsen.
Schlufsbemerkungen.
Fassen wir nun kurz die dargelegten Entwickelungsge-
schichten, so weit wir sie bis dahin von Tritonia, Aeolid'taj
Doris und Aplysia kennen gelernt haben, zusammen, so er-
geben sich folgende Resultate als die wichtigsten:
1) Bei allen diesen nackten Molluskengattungen (Nudibran-
chien und Tectibranchien) fällt die Zeit des Eierlegens, nach
vorhergegangener Paarung im Winter, in die ersten Monate
des Jahres. Die zahlreichen Eier werden in Form einer lan-
gen, zusammenhangenden Schnur oder eines solchen Bandes
abgesetzt, welche von einer eben so geformten Schleimhülle
umgeben sind, und dann von der Mutter ganz verlassen.
2) Das Ei besteht aus dem Dotter, welcher dicht von der
Dotterhaut umschlossen ist; aufserhalb dieser befindet sich Ei-
weifs, welches jedoch häufig mehreren Dottern gemeinschaft-
lich ist und von der Ei- oder Schalenhaut umschlossen wird.
3) Der Dotter, welcher im strengen Sinne das eigentliche
Ei ist, durchläuft eine Reihe von Umformungen durch regel-
mäfsige Theilungcn und weitere Theilungen, damit der Em-
bryo gebildet werden könne.
217
4) Der ganzö Dotter verwandelt sich in den Embryo; es
findet keine Abschniirung eines einzelnen Theiles desselben
zum Embryo Statt (folglich giebt es da keine Vesicula umbi-
licalis), noch geht die Embryobildung an irgend einer gewis-
sen Stelle des Dotters, sondern überall in demselben vor sich.
5) Der Embryo giebt sein Leben zuerst durch eine roti-
rende Bewegung zu erkennen, welche durch zahlreiche, vibri-
rende Cilien bewirkt wird, mit denen zwei aus seinem vor-
dem Ende hervorwachsende runde Lappen, welche Verlänge-
rungen des Mantels zu sein scheinen, am Rande besetzt sind.
Diese Bewegung wird allmählig stärker, mehr variabel und
willkiihrlich. Durch sie wird auch dem Embryo stets neues
respirablcs Fluidum zugeführt. — Nach und nach entwickeln
sich die einzelnen Organe, das Verdauungssystem mit der Le-
ber, der Fufs (mit seinem Deckel), und, was besonders merk-
würdig ist,' eine äufsere Konchylie, welche die weichen Theile
umfafst. Diese Konchylie ist anfangs gelatinös und weich.
Der Kopf entwickelt sich noch nicht deutlich; keine Tenta-
keln, keine Kiemen.
6) Endlich nach dem Zeitraum eines Monates oder etwas
mehr sprengen die Embryone die dünne Ei- oder Schalenhaut,
treten als Junge, welche an Gestalt und Bewegungsart den er-
wachsenen Thieren sehr unähnlich sind, aus der aufgelocker-
ten allgemeinen Schleimhülle heraus und schwimmen rasch in
der See umher mittelst der vibrirenden Cilien. Die Konchy-
lie, welche inzwischen in die Länge gewachsen ist und eine
nautilusartige Gestalt mit einer in sich selbst eingerollten Win-
dung hat, wird nun durch aufgenommene kalkartige Theile
hart und spröde, und beschützt das Junge vollkommen, wenn
dieses sich, wie bei einer Reizung geschieht, ganz in sie hin-
einzieht. •-
Die fernere Entwicklung und die folgenden Metamorpho-
sen, welche die hier bemeldeten Thiere untergehen, sind noch
durch keine Beobachtung entdeckt worden, dafs sie aber be-
deutend sein müssen, können wir aus dem nun schon Bekann-
ten schliefsen. Diese Mollusken können in der Hinsicht fast
den Insekten an die Seite gesetzt werden, jener Thierklasse,
welche man besonders durch die merkwürdigen Verwandlun-
218
gen charakterisirt hat, welche ihre Individuen in deren Ent-
wickelung erleiden.
Dafs auch die meisten Gasteropoden aus der Ordnung
der Pectinibranchien eine der Entwickelung der hier erwähn-
ten Mollusken sehr ähnliche besitzen, habe ich mehrere Gründe
anzunehmen. So ist es kaum einem Zweifel unterworfen, dafs
die beiden Arten der Gattung, welche ich in meiner oben ci-
tirten Schrift unter dem Namen Cirropteron beschrieben habe,
und die nun als eine eigene Gattung betrachtet werden mufs,
hierher gehören; sie sind wahrscheinlich die Jungen eines oder
des andern Turbo, TvochuSy einer Nerita oder anderer Pectini-
branchien, indem sie eine in mehrere Windungen in eine her-
vorstehende Spitze gedrehte Konchylie besitzen. Auch zeigen
nach Grant's obzwar weniger vollständigen und nicht fort-
laufenden Beobachtungen (JEdinb. Journ. of scißnce, N. 13,
1827) die Gattungen Buccinum, Purpura, Turbo, Nerita,
grofse Aehnlichkeit, besonders die beiden letztgenannten.
Endlich kann ich nicht unterlassen, auf die anscheinende
höhere Stufe der Entwickelung aufmerksam zu machen, auf
welcher die Jungen der obengenannten Mollusken rücksichtlich
der Bewegung vor den erwachsenen Thieren zu stehen schei-
nen; jene bewegen sich rasch und frei in der See umher-
schwimmend, diese dagegen kriechen langsam und schwerfällig
am Grunde der See dahin. Dieses Phänomen steht nicht verein-
zelt da. Aufser dem, was man von den Jungen der Cirripe-
dien aus Thompson 's Beobachtungen kennen gelernt hat,
deren Richtigkeit man jedoch anfangs bezweifelte, kennen wir
Nordmann's genaue Beobachtungen über die Entwickelung
der Lernäen, deren Junge mit Schwimmfüfsen und Augen ver-
sehen sind und in diesem Zustande frei und rasch in der See,
wie Mcffioculi, umherschwimmen. Von den zusammengesetz-
ten Ascidien habe ich, ohne Audouin's und Ed ward's frü-
here Beobachtung zu kennen, etwas Aehnliches (Bcskr. og
Jagilageher, p. 69, Tab. 13*) gezeigt, indem diese im er-
wachsenen Zustande stets festgevvaclisenen Thiere als Junge
frei sind und mit Hülfe eines schwanzartigen Aiiliangs wie die
♦) In diesem WcM'ke ist dem Texte zufolge Tab. 12 mit 13 uiul
Tab. 13 mit l'i uiirichlij; bezeichnet.
219
Kaulquappen der Frösche umherschwimmen. Bei den See-
sternen werden wir bald eine ähnliche, wie es scheint retro-
grade Entwickelung zu sehen bekommen.
Ueber die oben dargelegte Entwickelung der Mollusken
habe ich bei anderen mir bekannten Schriftstellern nur sehr
wenig gefunden, und bei keinem fortgesetzte Beobachtungen.
Die besten Beiträge hat Graut a. a. O. geliefert. Audouin
und Edwards (fiecherches sur le litoral frangais, Vol. L,
p. 134) beschreiben nur ganz kurz den Rogen von Doris und
PleurohranchuSf ohne der Entwickelung zu erwähnen, wie
Cuvier (Das Thierreich, übers, v. Voigt, Bd. 3, S. 114)
den Rogen von Boris und (S. 133) von Aplysia. Was ich
demnach oben vorgetragen habe, ist nur das Resultat eigener
Beobachtungen. — Abbildungen vom Rogen oder von den
Eiern dieser Thiere finden sich, so viel ich weifs, nur bei
Carus (Erläuterungstafeln, Tab. 2) und bei Rang (Mowo-
graphie des Apfysiens, Tab. 1) yon Aplysia und bei Bomme
(^Acta Soc, Flessing.y 1773, F. 4) von Boris»
(Fortsetzung folgt.)
221)
Einige Bemerkniigen über die Bekleidung des L aufs
der Singvögel, Passerinae, Nitzsch.
Von
H. Burmeister,
Prof. zu Halle.
Die interessante und sehr dankenswertlie Mittheilung des
Herrn Grafen v. Keyserling und Herrn Prof. Blasius über
die Bekleidung des Laufs der Singvögel, in welcher beide ein
charakteristisches Merkmal dieser anderweitig nur nach ana-
tomischen Eigenschaften bestimmt begrenzten Gruppe wahrzu-
nehmen glauben, hat gewifs die Aufmerksamkeit aller Orni-
thologen in hohem Grade erregt, besonders da es an einem
solchen allgemein gültigen Merkmale der Passerinen in ihrer
richtigen Begrenzung noch immer gefehlt hat. Wenn ieh da-
her auch im ersten Augenblick, als ich diese Mittheilung er-
fuhr, nur von Freude über den glücklichen Fund erfüllt
wurde, so konnte ich doch bald darauf einige leise Zweifel
an der allgemeinen Anwendbarkeit jenes Merkmales nicht un-
terdrücken, besonders weil es mir nicht in den Sinn wollte^
dafs ein Beobachter wie Nitzsch, dessen Genauigkeit unter
den Zoologen fast sprichwörtlich geworden ist, ein so wichti-
ges und so leicht in die Augen fallendes Kriterium übersehea
haben sollte» Ich musterte daher seine Manuscripte, welche
sich Behufs der Herausgabe des literarischen Nachlasses fast
siunmtlich in meinen Händen befinden, genau durch, und fand
dann auch bald, dafs ihm der erwähnte Character weder übei*-
haupt entgegen war, noch er die keinesweges allgemeine An-
wendbarkeit desselben übersehen hatte. Indefs ist die Anzahl
der von ihm beobachteten Ausnahmen nur gering und be-
schränkt sich auf zwei Fälle, welche ich hier mit seinen eige-
nen Worten anlülire:
221
«Bei Synallaxis setaria, Temm. pl. col. 311. finde ich
die Läufe oder Metatarsen ungemein merkwürdig dadurch, dafs
die Hinter- ocler Seitenschienen gänzlich fehlen, die vorderen
Schilder sich an der Innenseite ganz bis nach hinten fortsez-
zen, und an der äufseren Seite hinter den lange nicht so weit
nach hinten reichenden Schildern eine Reihe rundlicher ellip-
tischer Papillen oder Schuppen sich befinden , welche etwas
vertieft zu sein scheinen, im Leben aber weich und erhaben
gewesen sein dürften. Dadurch ist diese Gattung von Malu-
rus sehr verschieden.»
Den zweiten Fall fand Nitzsch bei Cephalopterus or-
natus, von dem er sagt: «Die Läufe vorn etwa mit sieben
Schienen, übrigens hinten blofs kleine körnige Schuppen.»
Aus diesen Notizen, namentlich aus der über Synallaxis,
geht aber hervor, dafs Nitzsch die typische Bedeckung des
Laufs der Singvögel sehr gut kannte, da er Synallaxis als
eine so merkwürdige Ausnahme hervorhebt, und darin einen
Unterschied von Malm^us sucht; es beweist aber zugleich
seine Darstellung, dafs er durch Anerkennung dieser Ausnahme
auch die Allgemeinheit der gewöhnlichen Laufbekleidung nicht
behaupten konnte. Noch mehr mufste ihn der Bau bei Cepha-
lopterus in dieser Ansicht bestätigen.
Dem Andenken eines so schätzbaren, um die Ornitholo-
gie hochverdienten Mannes glaubte ich diese Bemerkung,
welche einen neuen Beweis für den Umfang seiner Studien,
und für die Behutsamkeit, mit welcher er allgemeine und be-
stimmende Charactere aufstellte, zu liefern im Stande ist, schul-
dig zu sein; und mache sie um so lieber, als dadurch der
Werth des von jenen Herren gefundenen Gruppencharakters
keinesweges weggeleugnet werden soll, sondern vielmehr blofs
in seine gehörigen Grenzen eingeschlossen. Um letztere mit
bestimmen zu können, habe ich in der Zeit, welche zwischen
der Veröffentlichung des Charakters und dem Moment, wo
ich dies schreibe, liegt, alle Singvögel des hiesigen fcDologi-
schen Museums einzeln durchgemustert, und dabei gefunden,
dafs aufser den beiden von Nitzsch bemerkten Ausnahmen
nicht blofs noch mehrere ganz ähnliche vorkommen, sondern
auch einige andere und eigenthümliche, welche ich, so weit
sie mir bekannt geworden sind, hier näher anzugeben beab-
222
sichtige. Ich gehe dabei von einer etwas genaueren Angabo
der gewöhnlichen Laufbekleidung bei den Singvögeln aus.
Dieselbe besteht auf der vorderen Seite ohne Ausnahme aus
halbgiirtelförmigen Schienen, deren Anzahl von ein bis neun
wechselt, und gewöhnlich sich auf 5, 6 oder 7 zu belaufen
pflegt. Von diesen Schienen sind in der Regel die mittleren
etwas gröfser als die obern, und zumal untern, welche bald
die Zehenschienen nicht an Gröfse übertreffen, ja richtiger
noch, sie nicht erreichen, um die Beweglichkeit der Zehen an
ihrer Gelenkstelle nicht zu hindern. Ist nur eine Hauptschiene
da, so pflegt man dies durch den Ausdruck gestiefelt zu
bezeichnen. Die hintere oder Sohlenseite des Laufs, welche
jedoch bei den Singvögeln niemals als Sohle benutzt wird,
hat in der Regel eine aus zwei langen schmalen Schienen ge-
bildete Bedeckung. Beide Schienen beginnen oben neben dem
Hacken mit abgerundeten Enden, nähern sich einander an der
Hinterkante, stofsen hier zusammen, und bilden so eine ziem-
lich scharfe Leiste, welche nach unten bis in die Gegend des
Daumens hinabreicht. Hier runden sich dann die Schienen
noch einmal zu, und die Bekleidung des Fufses hinter ihnen
wird wieder warzig, wie sie auch am Hacken zu sein pflegt,
wenn nicht, was öfters der Fall ist, unten neben jeder Schiene
noch 1 oder 2 Schilder angebracht sind. Diesen Hauptsing-
vogeltypus, wie man ihn passend nennen könnte, da er aus-
serhalb der Gruppe der Passerinen nirgends vor-
kommt, finde ich konstant bei den Gattungen Corvus, Glau-
copis, Paradisea, Epimachus *), Ptilorhynchus, Kitfa, Ca-
lodera, Bomhycilla, Frocnias, Tanagra, Euphone, Parda-
lotus, Fringilla, Loxia, Emheriza, Ploceus, Cassicus, Icte-
rus, Sturniis, Pasfoj\ Buphaga, Oriolus, den meisten La-
niadejiy Muscicapiden , ferner bei Bethyliis, Edolius, Lam-
protomis, Ixos, Malurus, Turdus, Accentor, Grallinay
Motacßla, Anthus, Saxicola, Sylvia, Regidus, Parus, Tro-
glodyWs, Cinclus, Pitta, Pteropfochus, Myothera, Anaha-
tes^ Certhia, Philedon, Neciarinca, Tichodroma, Arach-
noihcres, Coercha und llirundo. Eine geringe Modifikation
'') Nach Nitzsch's dctaillirtcr Untersuchung ein ächter Singvogel
und naher Verwandter von Paradisea.
223
dieses Typus ist es, wenn die beiden hinteren langen Schie-
nen so schmal sind, dafs sie auf der hintersten Kante des
Laufs, wo sie gewöhnlich die Kante bilden, eine Lücke zwi-
schen sich lassen, welche von derselben warzigen Haut, die
über und unter den Schienen am Lauf sichtbar ist, ausgefüllt
wird. So fand ich es bei Gracula religiosa (JEuldbes Cuv.)
und Nectarinea cqffra (Fromerops Cuv.'). Gerade entge-
gengesetzt verhalten sich einige Gattungen mit sehr dünnen
zierlichen Läufen, insofern diesen die beiden hinteren schma-
len Schienen ganz fehlen, aber dafür die vorderen Halbgür-
telschilder so grofs sind, dafs sie wie ganze Gürtel um den
Lauf herumgreifen und in einer feinen Linie auf der hinteren
Seite des Laufs an einander stofsen. Dies ist der Typus bei
den ächten kleinen P/p7*«- Arten, wie P. caudata, P. Mana-
cus, P. pareola, P. ßlicauda Spix. ; vielleicht auch bei Tro-
glodytes und einigen kleinen Myotheren, welche ich nur
in einzelnen, 'schlecht erhaltenen Stücken untersuchen konnte.
Hiervon ist nun die durch Nitzsch von Synallaxis setaria
bekannte Form eine geringe Abweichung, die darin besteht,
dafs die Gürtelschienen an der Aufsenseite des Laufs nicht
ganz bis zum Hinterrande herumgreifen, sondern einen schma-
len Streifen frei lassen, auf dem sich dann die elliptischen ge-
nabelten Schuppen zeigen, welche den Lauf überall da beklei-
den, wo Schienen oder Schilder fehlen. Ich habe dieselbe
Bildung noch einmal bei Opetiorhynchus rupestris Kit iL
gefunden, und auch bei Philedon Novae Hollandiae (^Certh.
N. H. Lath^, wo indefs die Reihe der elliptischen Schup-
pen nicht an der Aufsenseite des Laufs liegt, sondern an der
inneren. — Für eine Modifikation anderer Art ist es zu hal-
ten, wenn die Gürtel der Vorderfläche an beiden Seiten gleich
weit herumgreifen, aber noch nicht zusammenstofsen, sondern
vielmehr die äufserste Hinterfläche frei lassen. Auf dieser bil-
det sich dann eine eigenthümliche Bedeckung, welche hei Sitta
aus einer einzigen schmalen Schiene besteht, bei Bendro-
colaptes aber aus einer Reihe grofser quadratischer
Schilder. — Hieran schliefst sich, als neue Modifikations-
stufe, ziemlich nahe der Bau der Lerchen, welche darin ab-
weichen, dafs so wie vorn eine Reihe Halbgürtel auf dem
Laufe liegt, so hinten zwei Reihen länglicher Schilder wahr-
224
genommen werden, die in ihrer Lage den beiden langen Schie-
nen des Haupttypus entsprechen. Die Anzahl dieser Schilder
ist verschieden, je nachdem sie auf der Aufsenseite liegen»
oder auf der inneren; denn ich fand bei Alauda calandra
z. B. aufsen nur 5, innen aber gegen 12. Natürlich sind die
inneren auch viel kleiner, und nähern sich, zumal nach un-
ten, ganz den elliptischen Schuppen von Synallaxis, Opetio-
rhynchus und Fhiledon. Höchst ähnlich dieser den Ler-
chen eigenthümlichen Bildung ist die Bekleidung des Laufs
bei Meriura superha. Vorn findet man neun Halbgürtel von
beträchtlicher Länge; hinten aber zwei Reihen schief neben
einander liegender Schilder, von denen die äufsere Reihe bei
dem mir vorliegenden Exemplar 12 enthält, die innere aber
gegen 20, freilich an beiden Enden schon sehr verkleinerte
und in die gewöhnliche Schuppen- oder Warzenbildung über-
gehende.
Die letzte und bedeutendste Abweichung findet sich in
der Familie der Ampeliden, und ist von Nitzsch bei Ce-
-phaloptevus ornatus schon erkannt worden. Sämmtliche
gröfsere Repräsentanten dieser Gruppe, auf welche man sie
daher am richtigsten beschränken sollte, haben blofs auf der
vorderen Seite des Laufs die gewöhnlichen Halbgürtel in ver-
schiedener Zahl (5 — 9), aber die ganze Hinterfläche ist ent-
weder von den elliptischen genabelten warzenartigen Schup-
pen bedeckt, oder ganz nackt. Jenes Schuppenkleid sah ich
bei Coracina calva, scutata, ruhricollisj w^ohin Cephalopte-
rus ornatus ebenfalls gezogen werden könnte; ferner bei
Chasmarhynchus nudicollis, bei Ampelis foetida^ A. Poin-
padora, A. purpurea und den kleineren Eurjlaimus-Arteny
wie E. nasutus, Horsfieldii und cucullatus. Dagegen hat Euryl.
Corydon mitten in dem Schuppenkleide, genau an der hinte-
ren Kante des Laufs, eine Reihe gröfserer Schilder. Ampe-
lis cayana weicht wieder in anderer Weise ab, und hat aus-
sen an der Hinterseite des Laufs mehrere grofse Schilder in
einer Reihe, innen dagegen zwei Reihen, von denen die mehr
vordere aus etwas gröfseren Schildern besteht, die hintere aus
den gewöhnlichen elliptischen Schuppen. Allein auch mit die-
ser Modifikation ist die Menge der Ausnahmen nicht erschöpft,
es fehlt noch die Form der ganz nackten häutigen Sohle, wie
225
sie in den gröfseren Pipra- Arten (im Sinne Wagler's, Isis,
d830, 928.) auftritt. Bei diesen ist überhaupt die Bekleidung
des Laufs nur ein spezifischer Charakter. So hat Pipra rii-
picola {Rupicola aurantia Vieill.^ vorn blofs eine einzige
lange Stiefelschiene und innen vom Hacken bis auf die Mitte
des Laufs eine schwache Befiederung, der nach aufsen und
oben die elliptischen Warzen gegenüberstehen; aber unten und
hinten ist der Lauf ganz nackt. Noch deutlicher tritt die Be-
fiederung an gleicher Stelle bei Pipra coccinea (^Ampelis
carnifex Spix.) auf, bei welcher Art jedoch vorn 6 deut-
liche, aber schmale Schilder am Lauf gesehen werden und die
Warzen an der llinterseite ganz fehlen» Pipra viridis (^Ca-
lyptomene Horsf.^ hat zwar vorn ebenfalls Schilder, aber
keine Befiederung an der Innenseite; diese ist ganz nackt,
während die äufsere Warzen erkennen läfst. Pipra chyso-
pogon {Phibalura P^ielL) endlich hat weder Federn noch
Warzen am Lauf, sondern vorn Halbgürtel, und an der hin-
teren Aufsenseite zwei Reihen ziemlich grofser elliptischer
Schilder.
Diese Abweichungen vom Haupttypus, wie er den mei-
sten Passerinen eigen ist, zeigen nun wohl zur Genüge, dafs
sich der von der Bekleidung des Laufs herzunehmende Cha-
rakter mit nicht gröfserer Sicherheit als Gruppenmerkmal in
Anwendung bringen lafst, als der von Nitzsch bisher be-
nutzte, und von mir immer als dessen Kriterium angegebene
(z. B. in meiner Naturgeschichte S. 767), welcher im Bau und
in der Nacktheit der Bürzeldrüse, wie auch in der Zahl der
Schwanzfedern ausgedrückt ist. Letztere erleiden zwar einige
Ausnahmen, denn manche Edolius- Arten und Phrenotrix Te-
mia Horsf. {Glaucopis varians Temm.^ haben nur zehn,
keinesweges aber irgend eine Sylvia, wie Wiegmann (Handb.
d. Zoologie S. 100.) von allen behauptet*); allein die nackte.
*) Dieser Fehler, auf welchen mich schon der verewigte Nitzsch
gleich nach Erscheinen meines Handbuchs aufmerksam machte, mag
allerdings gröfstentheils durch den Zufall herbeigeführt sein, dafs
die von mir 1829 in unserem Museum untersuchten Exemplare vieler
Sylvien -Arten defekte Schwänze hatten. Vielleicht findet sich indes-
sen die Zahl 10, welche bei Sylvia Cetti wirklich regelmäfsig ist,
noch bei manchen anderen Arten, und diese hat mir damals der Zu-
fall in die Hände geführt. Ich werde gelegentlich hierüber nähere
Wiegm. Archiv. VI. Jahrg. 1. ßandö J.^
226
kurze, herzförmige Biirzeldriise ist allen eigen, und wohl ihr
sicherster Charakter.
Es findet sich nämlich die zuletzt geschilderte Modifika-
tion der Laufbekleidiing gerade auch bei denjenigen Cuculi-
nen (Nitzsch), welche den Passerinen äufserlich am ähn-
lichsten sind und bisher dalnn gezogen wurden, nämlich bei
Caprimulgus, Coracias, Prionites, Upupa, Buceros, Co-
lius, selbst vielen Cohtmhis; und es bleibt mithin diese Form
weder für die eine noch für die andere Gruppe ein bestimm-
tes Kriterium. Für die übrigen mit Kletter- oder Schreit-
füfsen versehenen Gattungen der Cuculinen bedurfte es eines
solchen nicht mehr, da beide Fufsformen den Passerinen nicht
eigen sind (die letztere etwa nur in schwacher Anlage bei
Pipra\ und wo sie bestimmt auftreten, eine Verwandtschaft
mit den Cuculinen deutlich genug beweisen. Ein Gleiches
läfst sich also von der hinteren warzigen Bekleidung des Laufs
nicht behaupten, selbst wenn man die Ampeliden von den
Passerinen trennen und mit den Cuculinen verbinden
wollte, was wegen des einzigen abweichenden Verhältnisses
in der Fufsbildung doch immer nur ein unnatürliches Verfah-
ren bleiben würde; denn auch aufserhalb der Ampeliden ist
die bei ihnen beschriebene Bildung noch einmal konstantes
Gruppenmerkmal. Ich finde dieselbe nämlich als Gattungs-
charakter derjenigen Muscicapiden undLaniaden, welche
die Gattung Tyrannus und Psaris Ciiv. bilden, so viele ich
deren habe untersuchen können, namentlich bei Lantus flaviis^
Muscicapa plumhea, M. animosa, M.ferox, M. despotes,
M. cayennensis, M. Paradisi; dann bei den Psaris Temm.,
z. B. bei Lan. cayanus, L. validus und Ps. leucospilon.
Bei allen diesen hat der Lauf vorn Halbgürtel und hinten die
elliptischen genabelten Warzen, vor denen an der Aufsenseite
neben dem Rande der Halbgürtel noch eine Reihe gröfserer
platter schildförmiger Schuppen herabläuft.
Nachsiichungen anstellen. Zugleich sehe ich mich genöthigt, zu be-
merken, dafs mir Nitzsch's System in dessen Abhandlung de caro-
tide avium erst nach dem Druck der die Singvögel enthaltenden Bo-
gen meines Hanäbuchs bekannt wurde. Icli kannte damals nur seine
Beiträge zu Naumann's 5 ersten Bänden und in Meckel's Archiv;
daher denn einzelne Mifsgriffe und Mängel nicht ausbleiben konnten.
Herausgeber.
227
Bericlitigiingen.
Von Gloger.
Eine mir so eben zu Gesicht kommende Abhandlung von
den Herren Graf Keyserling und Prof. Blasius, „über
ein zoologisches Kennzeichen der Ordnung der Sperlingsarti-
gen oder Singvögel", Jahrgang 1839, Heft 4, S. 322 dieses
Archivs, beginnt mit folgenden Worten: „Während die ü<bri-
gen Ordnungen der Vögel so ausgezeichnete Physiognomieen
und Charactere an sich tragen, dafs nur selten ungeschicktere
Systematiker einzelne Fehlgriffe bei ihrer Begränzung gethan,
hat, mit Ausnahme Wiegmann's (auch Gloger" für die euro-
päischen Gattungen), kein Systematiker die Ordnung der Sper-
lingsartigen oder Singvögel naturgemäfs zusammengestellt ;
durchaus Niemand aber für sie einen zoologischen Charakter
angegeben." Im Folgenden wird diese Behauptung, die trotz
der Bestimmtheit, mit welcher sie ausgesprochen wird, in Be-
zug auf mich das gerade Gegentheil von der W^ahrheit ist, noch
ihrem wesentlichsten Sinne nach wiederholt. Thl. I., Seite 124
meines Handbuches der N. G. der Vögel Europa's (bereits im
Jahre 1834 erschienen) steht aber, mit Ciceroschrift gedruckt,
Folgendes :
„Singende Sperlingsvögel,
Aves passerinae melodusae, rnh.
Füfse: nie über der Ferse nackt (aber auch nur bei
Einer Gattung in mehreren Fällen noch unterhalb derselben
mit Federn versehen). Von den vier Zehen ohne Aus-
nahme die hintere die kürzeste, aber bei weitem die
stärkste, auch mit dem gröfsten Nagel unter allen ver-
sehen; von den vorderen die mittlere und äufsere nie
ganz getrennt, sondern stets wenigstens bis zum Ende des
ersten Gliedes der äufseren, aber auch nie weiter als
bis zum ersten Gelenke der mittleren, mit einander
verwachsen.
Schwanz: bei allen regelmäfsig zwölffedrig."
Das ist doch wohl, denke ich, ein Charakter: und
zwar ein so acht- zoologisch er wie irgend einer; dabei ge-
wifs treffender als der, allerdings nicht gerade zu verachtende,
welchen die Herren Graf Keyserling und Prof. Blasius
15«
228
aufstellen, von welchen sie aber selbst schon unter den deut-
schen Vögeln einen Ausnalimefall anführen (bei den Lerchen);
ferner auch zum Glücke stets etwas leichter zu erkennen,
als der ihrige, dessen Prüfung wohl bei kleinen Vögeln nicht
selten die Anwendung einer Loupe erfordern dürfte.
Uebrigens konnte ein Absprechen der Art mir gerade in
diesem Archive nicht überraschend kommen, da ich für meine
Person von dem Herausgeber selbst längst daran gewöhnt
bin. Aus Rücksichten auf Raum und Zeit will ich mich mit
der Anführung Eines Beispieles begnügen.
In seinem sonst sehr dankenswerthen Aufsatze über die
Gebisse der Raubthiere, im vorigen Jahrgange des Archivs,
den ich im Augenblicke nicht zur Hand habe, spricht der Hr.
Herausgeber vom Nörze aufser mehrerem Anderem ungefähr
mit folgenden Worten: Was Gloger auch sagen mag, der
Nörz ist, ganz abgesehen vom Gebifs, ein Iltis und keine Lu-
tj'a u. s. w. Hiernach wird und mufs Jeder schliefsen: dafs
ich für die bestimmte und beständige Einstellung dieses Thie-
res unter die Ottern {Lutra) gleichsam wie pro aris etfocis
gestritten hätte. Wer aber erstens meinen Aufsatz in den
Verhandlungen der Leop. Carol. Akademie der Naturforscher,
auf welchen Hr. Prof. WMegmann anspielt, nur einen Augen-
blick vergleicht ^Act. Ac. Nat. Cur. XUL, 2, p. 480—512),
der wird sich überzeugen: dafs mir das gar nicht eingefallen
ist; dafs ich vielmehr diese Stellung des Thieres, trotz der
dafür angeführten Gründe, lediglich nur als eine „provisori-
sche" betrachtet und die definitive Entscheidung hierüber der
Zukunft überlassen habe.*) Und wer sich zweitens die
Mühe nimmt, meine kleine „Wirbelthierfauna von Schle-
sien" nachzuschlagen (welche Hr. Professor Wiegmann nicht
blofs selbst besitzt, sondern mir auch wenigstens mündlich
mehr gerühmt hat, als sie es nach meinem eigenen Dafürhal-
ten verdient) der wird sehen: dafs ich daselbst (S. 9) den
Nörz schon eben so gut zu Mustela gerechnet habe,
wie heut Hr. W.: indem ich für ihn eine besondere Abthei-
lung der Gattung Mustela unter der Rubrik „otterähnliche
*) Eine Meinung, die damals auch ein von mir hochverehrter
beiderseitiger Lehrer von uns (heilte.
229
Wiesel, Nörze" aufgestellt habe. — Was für ein Prädikat soll
uiari nun einer Krittelei beilegen, die einen, durch Umstände
und damalige Ansichten wohl entschuldigten Mifsgriff aus dem
Jahre 1827 her doch im Jahre 1838 noch rügt und mit so
doppelsinnigen Worten rügt, obwohl derselbe bereits im Jahre
1833 von dem Malefikanten selbst verbessert worden ist?
Ich weifs nicht, ob ein gewisses vornehmes Wesen unter
die Vorrechte mancher Schriftsteller und Schriften aus der
Metropole gehören soll; unter ihre Vorzüge aber würde
ich wenigstens es nicht zählen.
Breslau, den 2. December 1839.
Dr. G 1 0 g e r.
Reclitfertigung des Herausgebers.
Obgleich es mein Vorsatz ist, persönliche Zänkereien, welche
die Wissenschaft um nichts fördern, von diesen Blättern aiiszu-
schliefsen, weil diesen schon ein karger Raum zugemessen ist,
so sehe ich mich doch genöthigt, bei vorstehendem Aufsatze
eine Ausnahme zu machen, weil der Angriff gegen meine Hand-
lungsweise als Herausgeber gerichtet ist, und sonach eine Zu-
rückweisung mir leicht als Scheu der Veröffentlichung gedeutet
werden könnte. W^enn ich also hiermit antworte, so geschieht
es, um mich nochmals über meine Redactionsgrundsätze auszu-
sprechen und zugleich ein für alle Mal zu erklären, dafs mein
Journal für blofs persönliche Zänkereien nicht bestimmt ist.
Es ist schon betrübend genug für mich, dafs Persönlichkelten
in manchen sehr verdienstlichen Aufsätzen nicht ausgeblieben
sind. Der oben angeführte Grund ist es auch hauptsächlich,
welcher mich zurückhält, den höchst insolenten, noch dazu
einer fremden Hand diktirten Brief hier abdrucken zu lassen,
mit welchem Hr. Gl. seinen Aufsatz zu begleiten für gut fand.
Ich bedaure dies um so mehr, als dieser Brief sowohl mir, wie
allen, die ihn bei mir lasen, manchen heiteren Augenblick be-
reitet hat, wofür ich dem Herrn Absender meinen verbindlich-
sten Dank hier auszusprechen nicht unterlassen kann. Einiges
mufs ich aber doch aus seinem Inhalte mitthellen, weil es die
Anklage ergänzt, und indem es auf den vorstehenden Aufsatz
des Hrn. Gl. das gehörige Licht wirft, die eigentliche Ursache
seines Zornes gegen mich aufklärt. Hr. Gl. macht es mir näm-?
Heb in jenem Schreiben zum Vorwurfe, dafs ich „die recht un-
besonnen falsche und absprechende Aeufserung der Herren von
Keyserling und Blaslus in Bezug auf ihn nicht sofort berich-
tigt hätte." Ich mufs feierlichst betheuern, dafs es mir nicht
von fern in den Sinn gekommen ist, dafs jener Ausspruch irgend
Jemanden, am wenigsten aber Hrn. Gl. verletzen könne.
Und selbst wenn dies wirklich der Fall wäre, so habe ich als
230
Herausgeber durchaus nicht die Verpflichtung, Parthei zu neh-
men. Ich habe bisher immer die strengste Ünparlhelllchkelt zu
behaupten gesucht, obgleich es mich nicht selten schmerzlich
berührt hat, in diesen Blättern manchen meiner Freunde, sogar
meinen eigenen Vater, verunglimpft zu sehen. Es hat mir in-
dessen zur Beruhigung gereicht, dafs man im Allgemeinen meine
Stellung als Herausgeber richtig erkannt und die Sünden mei-
ner Mitarbeiter nicht mir zur Last gelegt hat. Bei jenem Aus-
spruche der beiden genannten Herren hatte Ich aber gar nichts
zu berichtigen, weil er durchaus nichts Persönliches und auch
nichts Falsches enthält. Allenfalls hätte ich In einer Anmerkung
sagen können, was die Verfasser auszusprechen vergessen haben,
dafs sie unter einem zoologischen Charakter einen solchen ver-
stehen, der ausschllefsliches Eigenthum der Gruppe Ist, für
welche er aufgestellt wird; und jenen Ausspruch, in diesem
Sinne genommen, mufs jeder Zoolog unbedingt unterschreiben,
denn dafs kein einziges der von Hrn. Gl. angegebenen
Merkmale ausschllefsliches Eigenthum der Singvögel Ist, wird
jedem Unbefangenen einleuchten. Die pedes ambulatorii finden
sich unter den Hockern ohne Singapparat bei Upupa^ Trochi-
luSy umgekehrt ist die Verbindung zwischen den äufseren Zehen
schon sehr unbedeutend bei manchen Raben; dagegen kommen
sogenannte pedes gressorii oder syndaclyli bei wahren Sängern
vor, so bei Pipra^ Eiirylaimus^ die selbst von Nltzsch als solche
anerkannt werden, denn er nimmt sie von Cuvier's Passereaux
nicht aus, und auch Hr. Burmeister, der in der Systematik der
Vögel seinem Lehrer gefolgt ist, führt sie In seinem Handbuche als
Singvögel auf. Hrn. Gl.'s Diagnose hat also höchstens nur für die
europäische Fauna Geltung. Eben so wenig ist der zwölffedrige
Schwanz, aufweichen Hr. Burmeister schon mehr Gewicht legt,
ein unterscheidendes Merkmal, denn nicht nur kommt bei Sing-
vögeln, wenn auch als seltene Ausnahme, ein zehnfedriger vor,
sondern es findet sich auch bei Coracias, ^Icedo^ JMerops ein
zwölffedrlger. Wendet man mir ein , dafs diese hinreichend
durch die Fufsblldung als Nichtsänger charaktcrisirt seien, so
erinnere ich an Pipra und Eurylabnus ^ welche einen zwölf-
fedrlgen Schwanz und pedes syndadyll besitzen und doch Sing-
vögel sind. (Burmelster's Angabe, Handb. S. 773, dafs bei der
letzteren Gattung die Aufsenzehen am Grunde etwas ver-
wachsen seien, ist unrichtig; es sind wahre pedes gressorii
vorhanden, wodurch ich verleitet wurde, diese Gattung in mei-
nem Handbuche mit den Todiden zu verbinden, obgleich ihr
Nestbau und sonstige Eigenthümllchkeiten ihrer Lebensweise da-
gegen sprechen.) Es ergiebt sich also, dafs keines der von Hrn.
Gl. aufgestellten Merkmale für sich allein unterscheidend ist,
wenngleich sie im Complex mit anderen den typischen Charak-
ter der Singvögel bilden. Es wirft dies auch kelnesweges ein
nachtheiliges Licht auf Hrn. Gl.'s anerkannt vortreffliches Hand-
buch, und auch ich hätte auf mich denselben Tadel zu beziehen,
weil auch ich nach einem durchgreifend unterscheidenden Cha-
rakter für die Singvögel bei Ablassung meines Handbuchs vcr-
231
geblich suchte. Schon wiederholt habe ich mich cLihin aiisge-
sproclien, dafs ein einzelner Charakter für sich allein selten
unterscheidend sei, da die Natur überall Uebergänge haben will,
und so verhehlte ich auch den Herren Graf v. Keyserling und
Blasius meine Besorgnisse für den von ihnen aufgefundenen
Charakter nicht, als mir diese Herren den besprochenen Auf-
satz während meines Aufenthalts in Braunschweig zum Abdrucke
einhändigten, konnte ihn auch, entfernt von der hiesigen Samm-
lung, auf seine Haltbarkeit nicht weiter prüfen, welches Ge-
schäft Hr. Prof. Burmeister mir inzwischen abgenommen hat.
Ueberhaupt würde es eine grofse x\rroganz verrathen, wenn ich
mir beikommen lassen wollte, die für mein Journal eingehenden
Aufsätze zu censiren, oder solche, die gegen meine Ansichten
oder gegen etwaige persönliche Rücksichten anstofsen, zu ver-
bessern oder gar zurückzuweisen.
Doch wenden wir uns zu dem andern gegen mich gerich-
teten Theile des vorstehenden Aufsatzes. Hr. Gl. beklagt sich,
dafs er iu meinem Archive von mir selbst an ein derartiges Ab-
sprechen gewöhnt sei, und führt dafür, grofsmüthig genug, nur
ein Beispiel an. Zwei andere Beweise meines „bösen Willens"
glebt er in seinem Briefe. Der eine ist im x\rchive Jahrg. II.
hd. 2. S. 165 Anm. zu lesen, und wird dem geneigten Leser
zur Beurthellung anheimgestellt. Eben so wenig, glaube ich,
trifft mich ein anderer Vorwurf de^ Briefes, „dafs mich bei bes-
serem Willen mein Gedächtnifs hätte überzeugen und meine
Unparthellichkeit mit ein Paar Worten darauf hätte hindeuten
können, dafs z. B. fast alle Bemerkungen über die geographi-
sche Verbreitung der Vogel, welche ich besonders nach Schrif-
ten der Engländer resumlrt hätte, nur thells die Wiederholung
oder weitere Ausführung von Hrn. Gl.'s Ideen (!), theils wenig-
stens durch das angeregt seien, was Hr. Gl. in seinem Hand-
buche und in seinem Werke über das Abändern der Vögel zu-
erst vorgebracht habe." Es bezieht sich dies wahrscheinlich auf
die von Strickland u. A. gegebenen Verzeichnisse der von ihnen
in Kleinasien, den Inseln des Archipels u. s. w. beobachteten
Vögel, die ich in meinem Archive abdrucken llefs. Die For-
derung des Hrn. Gloger scheint mir zu ungereimt, als dafs ich
eine Entschuldigung nöthig hielte. Ich bin schon zufrieden,
wenn ich mit genauer Noth den Platz gewinne, um ein solches
Verzelchnli's in meinem Berichte aufzunehmen; und nun soll ich
noch gar bei vielen oder gar fast allen Vögeln bemerken, dafs
dies Vorkommen Hr. Gl. vorausgesehen oder wirklich be-
reits angegeben habe. ^Venn Hr. Gl. nun aber gar glaubt, dafs
jene Engländer erst durch seine beiden Werke (welche, bei-
läufig gesagt, trotz ihrer Trefflichkeit kaum ein Engländer
kennt) dazu angeregt seien, so irrt er sehr. Sie sind blolse
Sammler, referirten kurz, was sie fanden, und Ihre Listen thellte
ich mit, und ich bin überzeuge, dafs die übrigen Leser meines
Archivs, selbst wenn sie auch Hrn. Gl.'s Handbuch besitzen, mir
Dank wissen werden, wenn ich ihnen in Zukunft ähnliche Mit-
theilungen nicht vorenthalte.
232
Von dem Kapitalverbrechen endlich, dessen mich Hr. Glo-
ger im Aufsatze, wie Im lirlefe anklagt, Ich meine die Nörzge-
scliichte, kann ich mich allerdings selbst nicht ganz freisprechen,
aber nur insofern, als ich vergessen oder übersehn habe, dafs
Hr. Gloger in seiner wirklich verdienstlichen „W irbelthlerfauna
Schlesiens" von seiner früheren Ansicht zurückgekommen ist,
lind dafür bitte ich denn auch hiemit um Verzeihung. Sonst
aber sehe ich in den Worten weder etwas Beleidigendes, noch
irgend etwas, was im geringsten einer Rüge ähnlich erscheinen
könnte, noch finde ich einen Doppelsinn in den Ausdrücken.
Sie sagen nichts Anderes, als: „Was auch Gloger dagegen ein-
wenden mag, derNörz Ist, ganz abgesehen vom Gebifs, ein Iltis
und keine Otter." I-'^g v/irklich etwas Kränkendes in diesen
Worten, und wäre der grofse Linne, mit welchem Hr. Gl. sich
in seiner Eigenschaft als Erfinder eines neuen Sysiema natu-
rae doch nicht ungern vergleichen lassen wird, so empfindlich
wie Hr. Gl. gewesen, so müfste er sich 1786 noch in seinem
Grabe umgewandt haben, als Peter Camper von ihm schrieb:
„Das Wallrofs hat, was Linne auch sagen mag" u. s. w. — ein
Passus, der mir so eben wieder zufällig In die Hände kommt
und merkwürdiger Weise fast in denselben ^Vorten abgefalst
ist. Eben so wenig darf mir Hr. Gloger es als Krittelei an-
rechnen, wenn ich mich noch Im Jahre 1S38 gegen seinen Aus-
spruch von 1827 auflehnte; denn wenn er auch auf die Syste-
niatik ohne EInflufs geblieben ist, so hat doch gewifs bei ]\Ian-
chen Hrn. Gl.'s Autorität, wie billig, gegolten. Ich verweise nur
auf F i s c h e r' s Syn. Dlamm. S. 221 : hahhus lutrae. Der Einwand,
dafs diese Entscheidung nur eine provisorische gewesen, kann
dabei nicht gelten. Ich wenigstens vermag es nicht zu fassen,
wie ein Zoolog, wenn er im Stande ist, Gebifs, Schädel und
alle sonstigen Körpertheile zu untersuchen, zweifelhaft bleiben
kann, zu welcher von beiden Gattungen er den Nürz zu stel-
len habe. Mich hat Hr. Gloger übrigens damals nicht von der
geltenden, auch von Cuvier vertretenen Ansicht abwendig machen
können, und ich mufs demnach seine Angabe, dafs ich zu der
von ihm selbst bereits 1833 angenommenen Ansicht erst heute
fekommen sei, als falsch zurückweisen (s. auch mein Handbuch
. 45, dessen erste Hälfte laut Vorrede bereits Im Frühling und
Sommer 1831 gedruckt wurde).
Was nun endlich von dem Vorwurfe eines gewissen vor-
nehmen Wesens zu halten sei, welchen Hr. Gl. manchen Natur-
forschern Berlins und auch mir macht, so wird, wer uns beide
persönlich kennt, am besten wissen, wer von uns am meisten
dazu hinneigt. Soll der Vorwurf für jenen speclellen Fall gel-
ten, so möge man bedenken, dafs sich dort Hrn. Gl.'s Ansicht
nur beiläufig als irrig anführen, nicht aber Im Einzelnen wider-
legen llefs. Wer sich die Mühe geben will, Hrn. Gl.'s Gründe
an einem Exemplar des Nörzes zu prüfen, wird sich von der
Bichtigkelt meines Ausspruchs überzeugen. Soll sich nun aber
jener Vorwmf auf meine Jahresberichte bezichen, so bemerke
ich, dafs allerdings ein Urtheil darin nicht selten absprechend
233
erscheinen mag, weil es wegen Mangel an Raum nicht ausführ-
lich motivirt werden kann. Ich beziehe mich deshalb nochmals
auf die von mir im Prospektus zu dieser Zeitschrift ausgespro-
chenen Worte: „Der Jahresbericht wird seinem Wesen nach
vorzüglich referirend sein. Wenn jedoch die Referenten hier-
bei ihr subjektives Urtheil nicht gänzlich zurückhalten können,
ja es dem Leser wünschenswerth erscheinen mufs, wenn hie und
da, wo es nöthig ist, zugleich Berichtigungen gegeben werden,
so dürfen sie wohl die üeberzeugung hegen, dafs ihnen dies
nicht als Anmafsung gedeutet werde. Vielmehr wird der Leser
die Bemerkungen der Berichterstatter als das, was sie sind, als
deren sukjektive Ansicht betrachten, deren weitere Prüfung
ihm überlassen bleibt. Jede Berichtigung solcher ab-
weichenden Ansichten der Referenten wird stets
mit Danke in diesen Blättern aufgenommen werden."
Ich habe es mir angelegen sein lassen, meine Berichte so ob-
jektiv wie möglich zu halten, und freue mich, dafs dies von
Männern, auf deren Urtheil ich was geben darf, wiederholt an-
erkannt worden ist. Wer nichtsdestoweniger in den Berichten
nur Anmafsung sieht, dem kann ich nur rathen, sie ungelesen
zu lassen.
IJntersucliiiiig der an den scliwedischen Küsten
vorkommenden Arten der Gattung* Gobius L.
Von
B. F r. F r i e s.
Aus den Kongl. Vetenskaps-Academietis Bandlingar for 1838.
Stockholm 1839.
Von
F. C. H. C r e p 1 i u.
Linne kannte zu seiner Zeit keinen Gohiiis als einen
Schwedischen, und brachte daher diese Gattung nicht in die
Fauna suecica. Erst Euphrasen machte eine kleine Art be-
kannt, die er an der bohuslanischen Küste entdeckte und un-
ter dem Namen Gr. Ituthensparri in den Verhandlungen
der Königl. schwedischen Akademie der Wissenschaften für
1786 beschrieb. Retzius nahm später nicht allein diese in
seiner Ausgabe der schwedischen Fauna auf, sondern fügte
noch zwei L in neische Arten, G.niger und G.JozO) hinzu.
234
Der letztere Namen wurde jedoch, aus manchen Gründen, wie-
der ausgeschlossen von Nilfson in der Synopsis IclilhyoL
scand., dagegen aber der Artnamen, G. Ruthensparri,
verworfen und gegen Gmelin's G. mmiitus in der Vermu-
thung umgetauscht, dafs beide identisch wären. Mehr als zwei
Arten, niger und minutus, hat die Synopsis demnach nicht.
Fast zu derselben Zeit beschrieb C. U. Ek ström die Fische
der Sclieeren von Mörkö und nahm von den dort vorkom-
menden auch zwei Arten unter demselben Namen, wie die in
der Synopsis, auf. Auf diesem Standpunkte befand sich un-
sere Kenntnifs der in Rede stehenden Gattung, als wir unsere
bohuslänischen Excursionen begannen. Ich hatte dort schon
zeitig Gelegenheit, zu beobachten, dafs zwei sehr bestimmte,
wenn gleich ziemlich kleine Arten unter dem Namen G. mi~
nutiis zusammengeworfen worden seien, dafs die eine von ih-
nen offenbar dieselbe Art sei, welche Euph rasen zuerst be-
schrieben hat, und die andere völlig mit der Gmel in 'sehen
Beschreibung des G. minutus übereinstimme, die gleichwohl
nur eine Uebersetzung der Pennantschen Beschreibung sei-
nes Spotted Gohy ist. Nachdem erhielt ich Yarrell's Ili-
story of hritish Fishes und fand in derselben jene beiden
Arten gut diagnosticirt, obzwar die Euphrasensche einen
neuen Namen, G. hipunctatus Yarr.^ bekommen hatte, indem
die kleine Abhandlung in den Verhandlungen der Akademie
dem Verf. unbekannt geblieben war. Da später Hr. Valen-
ciennes im 12ten Bande von seiner und Cuvier's Hist.
nat. des Poissons auf den Gegenstand seine Aufmerksamkeit
gerichtet und den ältesten Namen wieder in seine Rechte ein-
gesetzt hat, so habe ich nichts weiter dazu zu thun, als zu
berichten, dafs es durch spätere Unterhaltungen mit Ekström
sich ergeben hat, dafs der bei Mörkö vorkommende G. minu-
tus völlig identisch mit dem bohuslänischen und sonach die
Art ist, welcher jener Namen mit Recht zukommt, ferner dafs
G. Ruthensparri dagegen in den Scheeren von Mörkö noch
nicht gefiuiden worden ist. Ich habe sogar einen besondern
Grund, zu vermuthen, dafs die letztere Art gar nicht in die
Ostsee gelange; ich weifs nicht, dafs er auch nur einziges Mal
im Sunde gefunden worden wäre. Gewifsheit hierüber mögen
künftige L'interbuchungen verschaffen.
235
Was den Gohius niger betrifft, so darf ich die Ungewifs-
heit nicht verhehlen, welche darüber entstanden ist, in wie
fern die Art, welche an unseren Küsten vorkommt und bei
uns jenen Namen führt, wirklich dieselbe sei, welche llr. Va-
lenciennes beschrieben hat.*) Von der einen Seite betrach-
tet, und obgleich unser Fisch im Allgemeinen mit der voll-
ständigen Beschreibung sehr genau übereinstimmt, so pafst
doch die folgende Stelle nicht auf ihn (S. 10): ,,Les pecto-
rales sont .... leurs 6 ou 7 premiers rayons sont courts^
Uhr es de la membrane sur plus des deux tievs deleuv
longeur, et leurs hranches efJiUes ressemhlent ä des poils
ou ä des hrins de soie: les autres, au nomhre de seize,
oiit la forme et la consistance ordinaires et sont lies par
la memhrane;^^ denn bei unserm, sobald man nämlich Exem-
plare untersucht, deren Brustflossen nicht abgerieben sind, be-
steht jede Brustflosse aus nur 17 bis 19 Strahlen, welche
nahe an der Wurzel gespalten, wie der eine oder beide Aeste
gegen die Spitze wiederum zweispaltig sind; alle sind durch
die Flossenhaut verbunden und alle von derselben Gestalt und
Beschaß'enheit. Diese Verschiedenheit würde sonach mehr als
hinreichend sein, die Identität beider in Zweifel zu stellen, in-
sonderheit, da das beschriebene Exemplar von der südwest-
lichen Küste Frai^creichs herstannnte. Von einer andern Seite
aber betrachtet, nimmt Hr. Valenciennes selbst den an den
englischen Küsten vorkommenden G. niger, von Jenyns und
Yarrell beschrieben, als synonym mit seinem eigenen an,
lUnd keiner von ihnen beiden erwähnt einer so beschaffenen
iBrustflossenbildung, wie die von Valenciennes angegebene
jist, sondern beide geben dieselbe Strahlenzahl an, welche ich
ioben von unserer Art bemerkt habe, die ohne Zweifel mit der
(englischen ein und dieselbe ist. Die Möglichkeit einer unrich-
Itigen Auffassung des Strahlenverhältnisses in den Brustflossen
ist auch sehr annehmbar, wenn man erwägt, wie äufserst
spröde alle Flossenhäute bei den Gobien sind, und wie selten
man an ihnen ganze Flossen sieht, sobald man sie, sei es auch
noch so wenig, in den Händen gehabt hat; besonders an
Exemplaren, welche einige Zeit im Weingeiste gelegen haben.
0 Hist. nat. des Poiss. Tom. XII, 9.
236
Bei so bewandten Umständen lafst man sich leicht verleiten,
abgetrennte Zweige für ganze Strahlen zu neinnen. Dies führt
mich zu einer andern Bemerkung, welche sich auf die Ver-
binduns: der Strahlen in der ersten Rückenflosse mit der Flos-
senhaut bezieht. Jeder der fünf ersten Strahlen in dieser
Flosse ist bei G. niger bedeutend länger als die ganze Flos-
senhöhe, und dessenungeachtet sind diese Strahlen bis zur
äufsersten Spitze durch die Haut verbunden, auf die Weise
nämlich, dafs sie bogenförmig, einer hinter dem andern, nach
der Richtung der Flosse, stehen. Davon überzeugt man sich,
wenn man den Fisch betrachtet, während er frei im Wasser
■schwimmt, oder wenn man sich die Mühe giebt, die Flosse
unter Wasser auszubreiten (eine Vorsicht, welche man nicht
unterlassen mufs, wenn es darauf ankommt, leicht zerbrech-
liche, feinstrahlige Flossen zu untersuchen). Wird dagegen
dieselbe Flosse auch noch so behutsam behandelt, beson-
ders wenn sie etwas trocken geworden ist, oder im Wein-
geiste gelegen hat, so reifst die Verbindungshaut durch, und
die zarten Strahlenspitzen erheben sich über den Rand der
Flossenhaut. Den augenscheinlichsten Beweis hierüber liefert
der Fisch, welcher zum Originale für ßloch's Fig. 3. auf
der 107ten Tafel gedient und Anleitung zu der nominellen
Art gegeben hat, die ihn als einen G. Jozo darstellt*), denn
in der That ist dieser nie etwas Anderes, als ein Männchen
des gewöhnlichen G. niger gewesen.
Diese drei jetzt bemeldeten skandinavischen Arten von
Gobius können auf folgende Weise diagnosticirt werden:
1. Gohius niger Linn,
Pinna caudali apice rotundata; pinnis dorsualibus valde
appropinquatis, saepe in mare basi connatis: anteriore 6 — ra»
diata, posteriore radiis 13 — 14 fere aequalibus, apice postico-
rum basin caudae attingente.
Maculae tres vel quattuor nigrae, apicales, interstitia ra-"
diorum 3 vel 4 anteriorum occupantes, utramque pinnam dar-
sualcm ornant. Longit. corporis 3 — 6 poll.
'^) Den ^virkli^hen G. Jo%o Z#. , welcher dem Mittehneerc ange-
gehört, hat Ilr. Valciiciennes in den Hist. nat. d. Poiss., Tom. XU,
p, 35, beschrieben.
237
Synon.: G. niger Linn. Syst. Nat., I., p. 449. Artedi,
Gen. 28; ~ Syn. 46. Retz, Fn. sv., 326, N. 48.
Nilfs., Synops., 93. Ekström, Act. Holm., 1834,
60. Bloch, Natorgescli. d. F. D., Tab. 38, Fig.
2—5 et Tab. 107, Fig. 3. Yarr., Brit. F., L,
251. Cuv. et Valenc, Hist. nat. d. P., XII., 9.
Kommt sehr allgemein sowohl an den östlichen, als den
westlichen Küsten von Schweden vor, erreicht aber an erste-
ren nicht dieselbe Gröfse, als an den letzteren.
2. Gohius minutus Gmel,
Pinna caudali apice truncata; pinnis dorsualibns discre-
tis; anteriore 6 — radiata, posteriore a basi pinnae caudalis
longe remota, radiis undecim, anticis longioribus, posticis sen-
sim decrescentibus.
Pinna dorsualis anterior macula satis magna nigra margi-
nali inter radium 5tum et 6tum notata. Longitudo 2 — 4 poll.
Synon.: Spotted Goly, Penn., Br. Zool., Ilt., 187, Tab.37,
N. 96. G.jninuius, Gmel, l., 111,1199. Ekstr.,
Act. Holm., 1834, N. 64. Yarr., Br. F., I., 258.
Cuv. et Val., H. N. d. P. XII., 39.
Kommt eben so allgemein und an denselben Stellen, wie
der erstere, vor; doch sind die Exemplare aus dem Kattegatt
bedeutend, ja doppelt gröfser, als die in der Ostsee.
3. Gohius Ruthensparri Euphras.
Pinna caudali apice truncata; pinnis dorsualibus appropin-
quatis: anteriore 7 — radiata, posteriore a basi pinnae caudalis
longe remota, radiis undecim, satis altis et ^ere aequalibus.
Macula lateralis nigra, distinctissima, annulo pallidiore
postice circumdata, in basi pinnae caudalis, et altera minor,
interdum evanescens, juxta lineam lateralem, sub pinna dör-
suali anteriore. Longit. 1^ — 2 poll.
Synon.: G. Ruthensparri Euphr., Act. Holm., 1786, 64.
Retz., Fn. sv., 326, N. 47. G. minutus Nilfs.,
Synops. 94. G. hipunctatus Yarr., Br. F., L,
255. Cuv. et Val., H. n. d. P., XII., p. 48.
Kommt in Menge um die Stränder der bohuslänischen
Scheerengruppe vor, ist aber, so viel ich weifs, noch nicht in
238
der Ostseo gefunden worden. Gewifs ist es diese Art, welche
insonderheit den Namen Aat an den norwegischen Küsten
führt, und ohne alle Frage die, welche der Beschreibung des
Gohius minuius in der Zoologia danica, IV., p. 38, zum
Grunde liegt, wenn gleich die zu derselben gehörende Figur
auf Tab. 154. den Cyclopterus minutus vorstellt. — Er ist
der kleinste aller unserer Gobien und unterscheidet sich durch
seine Lebensart himmelweit von den übrigen.
Diesen schon Lekannten und, zufolge des oben Bemerk-
ten, höchst gemeinen Arten erlaube ich mir eine vierte, sehr
ausgezeichnete, hinzuzufügen, welche wir in den westlichen
Scheeren im Januarmonate entdeckten, welche aber an unse-
ren Küsten sehr selten zu sein scheint, da es während unse-
res ganzen langen Aufenthalts an jener Gegend nur gelang, ein
einziges Exemplar zu erwischen. Nach Allem, was ich aus-
finden kann, ist dies dieselbe Gobius-Art, welche Hr. Jenyns
unter dem Namen G, gracilis beschrieben hat. Beide stim-
men wenigstens in allen wichtigsten Einzelnheiten aufs Ge-
naueste überein. Das Einzige, welches mir dabei einigen Zwei-
fel erweckt hat, ist die verschiedene Strahlenanzahl, welche
Jenyns in der letzten Rückenflosse angiebt (nämlich 12, wäh-
rend mein Exemplar 15 hat), ferner, dafs er ganz unterläfst,
die Gestalt der Schwanzflosse zu erwähnen, welche an mei-
nem Exemplar eine höchst ausgezeichnete und eigenthündiche
ist. Vielleicht verdient dies keine Aufmerksamkeit, da die Be-
schreibung übrigens vollkommen zu passen scheint, und ich
selbst einen Gohius niger gesehen habe, welcher nur 10 Strah-
len in der zweiten Rückenflosse, statt der normalen 13 — 14,
hatte. Diesen G. gracilis übergeht Hr. Valenciennes mit
Stillschweigen; ich finde ihn nicht einmal an irgend einer
Stelle citirt, da doch Yarrell ihn auf Jenyn's Auctorität
angenommen hat und Yarrell's übrige Arten berücksiclitigt
werden. Es ist mir indessen sehr wahrscheinlich, dafs der
G. gracilis Jen. kein Anderer ist, als der von Valencien-
nes unter dem Namen G. cruentatus Gniel. beschriebene,
eine Art, welche im Mittelmeere sehr gemein sein soll. Dies
schliefse ich aus meinem Exemplare, welches, was wenigstens
die Form betrifft, völlig mit Valencienne's kurzer und un-
vollständiger Be!»chreibun? übereinzustimmen und auch, was
239
die Farben betrifft, ibr nicbt zu widerstreiten scbeint. Leider
läfst Hr. Valenciennes uns in Ungevvifsheit über die Flos-
senform bei seinem G. crueiitatus, welche, vorausgesetzt, dafs
meine Vermuthung gegründet sei, wohl verdient hätte, ange-
führt zu werden, und in jedem Falle von der allergröfsten
^Vichtigkeit in der Diagnostik der Gobiusarten ist. Auf der
andern Seite muls ich auch bedauern, dafs ich mein einziges
Exemplar nicht in so frischem Zustande erhielt, dafs ich mit
voller Gewifsheit seine natürlichen Farben angeben könnte;
das Einzige, welches ich sehen konnte, war, dafs mein Fisch
mehrere grÖfsere, hoch gefärbte Flecken, sowohl längs des
Körpers, als auf den Rückenflossen und der Schwanzflosse,
hatte, welche sich damals goldgelb zeigten; aber wie fern diese
Farbe beim lebenden Fisch existirt, oder ob sie dort roth ge-
wesen und nachher in Gelb übergegangen sei, vermag ich
nicht auszumitteln. Bei einer solchen Ungewifsheit ist es wohl
das Rathsamste, bis die Sache ausgemacht ist, Jenyn's Be-
nennung anzunehmen.
4. Gohius gracilis Jen.
Pinna caudali ampla, apice acuminata, pinnis dorsualibus
discretis; anteriore 6-radiata, posteriore radiis 15, anticis bre-
vioribus, postice sensim longioribus, apice posticorum ultra
basin caudae extenso.
Maculae phires aureae (fortasse sanguineae?) et latera
corporis et pinnas dorsuales caudalemque exornant. Longit.
4 poll. — D. 6, 15; A. 13; P. 19; V. 6; C. 25.
Synon.: G, gracilis Jenyns, Manual of British Vertebr.
Anim., 387, 64. — Yarr. Brit. F., I., 260. F.
G. cruentatus Cuv. etVal, H. N. d. P., XII, 29.
Da die von mir gegebene Contourzeichnung in nat. Gr.
(Tab. IV, Fig. 2.*) ein getreues Bild von der Form und den
Verhältnissen der Flossen dieses Fisches giebt, so halte ich es
für überflüssig, davon noch eine ausführlichere Beschreibung
zu geben. Der Kopf macht J der ganzen Länge aus, ist hö-
her als breit, und sonach von den Seiten etwas abgeplattet.
Die Augen sind sehr grofs, machen \ der Kopflänge aus und
*) Es kann davon, wegen Mangel an Raum, in diesem Archive
keine Copie mitgetheilt werden. Herausgeber.
240
sitzen hoch nach oben, ferner so nahe hei einander, dafs die
Entfernung kaum \ des Augendurchmessers beträgt. Der
Mund ist grofs, schief gestellt; die untere Kinnlade etwas län-
ger; in beiden finden sich kleine, kurze, spitzige Zähne, in
dichte, nicht recht regelmäfsige Reihen gestellt. Die gröfste
Körperhöhe beträgt j der ganzen Länge; der Körper ist nach
seiner ganzen Länge mäfsig zusammengedrückt und mit gros-
sen Schuppen versehen (welche jedoch an meinem Exemplar
abgefallen sind). Die beiden Rückenflossen sind getrennt, wie
beim minuius, doch nicht völlig so lang, so dafs, wenn die
erste Flosse niedergesenkt wird, die Spitzen der Strahlen bis
zur AVurzel der andern reichen; die 5 ersten Strahlen sind
beinahe von derselben Länge, der 6te ist der kürzeste und,
wie gewöhnlich bei unsern Gobien, auch durch einen weitern
Zwischenraum vom 5ten geschieden, als zwischen den ersteren
unter einander existirt. Die andere Rückenflosse hat einen
einfachen und 14 getheilte Strahlen, von welchen der letzte
bis zur Wurzel gespalten, also gleichsam doppelt ist. Diese
Flosse hat, so wie die Afterflosse, die eigene Jiildung, welche
sich bei keiner unserer übrigen Arten findet, dafs die Strah-
len nach hi nten stufenweise an Länge zunehmen, welchem zu-
folge diese beiden Flossen nach hinten die gröfste Höhe er-
reichen. Der eigentliche Schwanz ist auch kürzer, so dafs,
wenn die zweite Rückenflosse niedergesenkt wird, die hinte-
ren Strahlen über die Wurzel der Schwanzflosse hinweg und
die hinteren Strahlen der Afterflosse bis zur Wurzel selbst
reichen. Die Schwanzflosse ist, wenn sie ausgebreitet wird,
sehr grofs, gerundet, in der Mitte zu einer Spitze ausgezogen,
zusammengefallen dagegen lancettförmig; wenn man auch die
kleinsten Strahlen an der Wurzel mitrechnet, so ist die An-
zahl im Ganzen 25. Die Länge der Flosse ist etwas gröfser,
als die des Kopfs. Das einzige Exemplar, welches ich von
diesem Fische gesehen habe, mochte schon allzu lange todt
gewesen sein, um nach ihm die Farbe des lebenden beurthei-
len zu können. So viel man sehen konnte, möchte ich schlies-
sen, dafs diese Art eine der am hübschsten gezeichneten sei.
Eine Reihe goldgelber Flecken erschien noch längs der Sei-
tenlinie auf gelbbraunem Grunde, und ähnliche Flecken folg-
ten den Flossenstrahlen in beiden Rückenflossen und der obern
Hälfte der Schwanzflosse. Die Afterflosse war dunkel schattirt
gegen die Spitze zu, und die Bauchflossen waren fast dintenfarbig.
Das Exemplar wurde in der grofsen Herings wathe unter
einer Monge anderer Fische ganz allein, in der tiefen Bucht
von Gullmare, nicht weit von deren Mündung, am 5. Januar
1838 gefangen und wird jetzt im Stockholmer zoologischen
Reichsmuseum aufbewahrt.
241
Zur Entwickelungsgeschiclitc der Dekapoden.
Von
H e i n r. R a t h k e.
Eine von den Aufgaben, die ich mir für meine Reise
durch Skandinavien und Dänemark gestellt hatte, war die Un-
tersuchung von Crustaceen auf ihre Entwickelung. Von De-
kapoden, an denen ich sie ausführen konnte, boten sich mir
zwar mehrere dar, doch viel weniger, als ich erwartet hatte.
Es waren diefs Astacus jnarinus, Paguriis Beinhardus,
Galathea rugosa und eine Krabbe, die ich für Hyas ara-
neus halte. Das Nähere hierüber werde ich in Verbindung
mit dem, was mir die Untersuchung verschiedener andern
Thiere gewährt hat, in einem besondern Werke bekannt
machen. Da jedoch bis dahin eine geraume Zeit vergehen
dürfte, will ich hier vorläufig das Wesentlichste von dem mit-
theilen, was ich über die Entwickelung der oben genannten
Crustaceen erfahren habe, um möglichst bald ein Zeugnifs über
die Richtigkeit der Entdeckung Thompson's ablegen zu kön-
nen, dafs auch Dekapoden, nachdem sie bereits das Ei ver-
lassen haben, eine sehr erhebliche Metamorphose erleiden.
1. Astacus marinus. Embryonen, die zur Enthül-
lung reif sind, besitzen bereits fünf Beinpaare, und es haben
diese auch schon ähnliche Formen, wie bei den Erwachsenen.
Aber mit dem Hüftgliede eines jeden hängt dann ein Theil zu-
sammen, der einen schmalen und langen Anhang des Beines
darstellt, an der äufsern Seite herabläuft, an Länge ihm etwas
nachsteht und aus 2 gröfsern Gliedern zusammengesetzt ist,
von denen das untere wieder aus 10 kleinern Gliedern be-
steht und eine Menge lauger Borsten trägt. Dasselbe gilt
auch von den Kieferfüfsen des zweiten und dritten Paares^
Wiegm. Archiy. YI, Jahrg. 1. Band. ^Q
242
von denen übrigens das hinterste jetzt schon das gröfste von
allen ist, und an diesen ist es klar, dafs der erwähnte Anhang
den nachherigen V aJpus flagelliformis bezeichnet. Die 4 hin-
tern Kieferfiifse und die Gangbeine haben also allerdings im
Allgemeinen eine Aehnlichkeit mit den Beinen der Scliizopo-
den, namentlich der Mj^w- Arten. An den Gangbeinen aber
gellt die Aehnlichkeit nachher verloren, indem der Anhang,
den sie tragen, nachher abfallt. Die Kieferfiifse des vorder-
sten Paares sind schon ähnlich denen der Erwachsenen. —
Kiemen sind an den Beinen und hintern Kieferfiifsen zwar
schon vorhanden, aber noch sehr klein, und höchstens nur mit
kleinen niedrigen Warzen an ihrer Oberfläche versehen. — Der
Schwanz oder Hinterleib besitzt noch keine Afterbeine, und
der Fächer besteht nur aus einer einzigen beinahe dreiecki-
gen Platte von beträchtlicher Gröfse, deren hinterer Rand-
einen leichten Ausschnitt hat, und deren Seitenhälften nach
unten zusammengeklappt sind, so dafs sie an einander gros-
sentheils anliegen. — Das vordere Fühlhorn besteht zwar aus
mehreren Gliedern, ist aber noch nicht in 2 Aeste gespalten.
Das hintere Fühlhorn ist nicht viel länger als jenes, besteht
aber aus 2 an Länge einander fast gleichen Aesten, von de-
nen der eine ein ziemlich breites Blatt (Anhang), der andere
eine Walze darstellt. — Vorne geht vom Cephalothorax ein
einfacher beinahe pfriemenförmiger Rüssel ab, der wenigstens
so lang wie das vordere oder kleinere Fühlhorn ist und sich
zwischen den Augen nach unten umgekrümmt hat.
2. Vagurus Bernhardus. ZurEnniüllung reife Em-
bryonen haben nur 3 Paar Gliedmafsen, die zur Ortsbewegung
dienen könnten. Das vordere ist das längste, das mittlere f
etwas kürzer, das hintere etwa nur halb so lang wie das mitt-
lere. Diese hinterste Glied mafse besteht aus 3 an Gröfse im-
gleichen Gliedern, ist übrigens aber einfach. Dagegen besteht
von den 4 übrigen Gliedirialsen eine jede aus einem ziemlich
langen und ziemlich dicken Stamme und aus 2 ziemlich gleich '
langen Aesten, die neben einander von dem untern Ende des
Stammes abgehen, und von denen der eine nach aufsen von
dem andern liegt: der äufsere ist abgeplattet und aus 2 Glie-
dern zusammengesetzt, der innere aber walzenförmig und aus
5 Gliedern zusammongesetzt. Alle diese G Gliedmafsen sind
243
nicht, wie man vermuthen sollte, eigentliche Beine auf niede-
rer Stufe der Entwickeliing, sondern, wie sich weiterhin erge-
ben wird, die Kieferfiifse. — Vor ihnen sind auch die Maxil-
len und Mandibeln zu erkennen, diese bieten aber nichts be-
sonders auffallendes dar. — Von den eigentlichen Beinen und
auch von den Kiemen ist noch keine Spur vorhanden. — Die
Fühlhörner sind ähnlich beschaffen wie bei reifen Embryonen
des Hummers. — Vom Cephalothorax geht vorne ein dünner
und mäfsig langer Rüssel ab. — Der Schwanz ist lang, dünn
und deutlich gegliedert. Afterbeine sind an ihm noch nicht
bemerkbar. Vom Fächer ist nur das mittlere Blatt vorhan-
den und stellt eine vorn schmale, hinten bedeutend breite
einfache Platte dar, deren beide hintere Ecken etwas abgerun-
det sind, und deren hinterer Rand einen schwachen Ausschnitt
hat. Bei Jungen, die eine Länge von If Linien hatten und
bedeutend gröfser als die reiferen Embryonen waren, hatten
die 4 vordem Kieferfüfse noch dieselbe Form wie bei diesen,
nur war ihr Stamm auch relativ viel breiter geworden; an
den beiden hinteren aber, die auch relativ langer geworden
waren, hatte sich schon ein innerer Ast zu bilden begonnen,
war jedoch noch nicht gegliedert. Dicht hinter diesen Orga-
nen kamen an der untern Seite des Cephalothorax 2 bis 3
Paar sehr kurzer, aber recht dicker walzenförmiger und hak-
kenförraig stark zusammengekrümmter Gliedmafsen zum Vor-
schein, von denen die des vordem Paares an ihrem Ende ein
wenig angeschwollen und daselbst mit einem kaum merkbaren
Einschnitte versehen waren, die übrigen aber ganz einfach und
an ihrem Ende stumpf abgerundet erscheinen. Diese kleinen
Organe waren die ersten Andeutungen von eigentlichen Bei-
nen. — Von Kiemen fand sich kein Anzeichen vor. — Die
hintern Fühlhörner hatten sich in ihrer Form nicht auffallend
verändert, auch hatten sie immer noch eine nur geringe Länge;
an den vordem aber hatte sich schon ein kleiner Ast gebil-
det, so dafs ein jedes in 2 kurze, an Länge ungleiche Aeste
auslief. — Der Rüssel war ungefähr so lang wie die Fühl-
hörner, hatte also eine ansehnliche Länge und war stark zu-
gespitzt. — Der Schwanz war im Verhältnifs zu seiner Länge
dicker geworden. Das schon bei den Embryonen vorhandene
Blatt des Fächers hatte noch eine bedeutende Länge, stellte
16*
244
aber ein unregelmäfsiges Viereck dar, das hinten etwas brei-
ter als vorne war und an seinem hintern Rande einen mäfsig
tiefen Ausschnitt hatte. Neben dem vordem Ende desselben
hing beweglich mit dem sechsten Gliede des Schwanzes jeder-
seits eine im Verhältnifs zu jenem Blatte sehr kleine Platte
zusammen, die durch einen tiefen schmalen Einschnitt in 2
an Gröfse ungleiche, aber von einander nicht abgegliederte
Lappen getheilt war. Diese beiden kleinen Platten bezeichne-
ten die ersten Anlagen der Seitenblätter des Fächers. After-
beine waren an den andern Gliedern des Schwanzes noch
nicht vorhanden.
Bei Jungen, die etwas über 2 Linien lang waren, kamen
schon 5 Paar eigentliche Beine vor. Obgleich diese alle im
Verhältnifs zu den Kieferfüfsen noch sehr klein waren, liefs
sich an ihnen (besonders an denen der 3 vordem Paare) doch
schon eine schwach bezeichnete Gliederung erkennen; auch
war an denen des vordersten Paares schon deutlich eine
Scheere ausgeprägt, und diese w^ar sogar schon an dem einen
etwas gröfser als an dem andern. Dagegen waren Kiemen
noch nicht bestimmt wahrnehmbar. — Am Fächer des Schwan-
zes waren die Seitenblätter im Verhältnifs zu dem mittleren
Blatte gröfser geworden, und die beiden an Gröfse ungleichen
Lappen eines jeden waren abgegliedert. Von Afterbeinen Hes-
sen sich nur schwache Spuren bemerken. Im Uebrigen ver-
hielt sich die Organisation dieser Jungen wie die der oben
beschriebenen.
Bei noch altern Jungen, die jedoch nicht viel länger als
jene Jüngern waren, hatten mehrere Organe schon bedeutende
Veränderungen erfahren, so dafs diese Exemplare schon viele
Aehnlichkeit mit den Erwachsenen zeigten. Die Beine hatten
sich in Hinsicht der Form schon vollständig ausgebildet: auch
hatten die 6 vordem von ihnen schon eine solche Gröfse er-
langt, dafs sie den Cephalothorax an Länge übertrafen. Des-
gleichen hatte derjenige Theil des Cephalothorax, an dem die
Beine befestigt waren, in Hinsicht der Länge über denjenigen,
mit welclien die Kieferfüfse und Frefswerkzeuge in Verbin-
dung standen, das Uebergewicht bekommen. Die Kieferfüfse
waren sehr zusammengedrängt und hatten im Verhältnifs zu
den Beinen eine nur geringe Gröfse, waren aber in Hinsicht
245
der Form schon denen der Erwachsenen ähnlich. Die des
vordersten Paares, welche früher die gröfsten vv^aren, erschie-
nen jetzt als die kleinsten und hatten in der That an Umfang
verloren : ihre beiden Aeste hatten sich merklich verkürzt, und
an dem innern Aste fehlte sogar die Gliederung, dagegen
hatte sich der Stamm weiter ausgebildet. An den mittlem
und hintern Kieferfüfsen war der äufsere Ast (der Palpus) der
längere und bestand aus 3 Gliedern, hatte also ein Glied mehr
bekommen (das neu hinzugekommene, welches nun das End-
theil war, theilt sich späterhin in mehrere). Der innere Ast
hatte sich an den mittlem Kieferfüfsen verkürzt, dagegen war
er an den hintern länger geworden, so dafs er jetzt an die-
sen letztern überhaupt am gröfsten erschien. — Kiemen wa-
ren an den Beinen und hintern Kieferfüfsen bereits vorhan-
den. — Die Fühlhörner hatten eine Form wie bei den Er-
wachsenen, doch bestand die lange Geifsel der hintern oder
äufsern Fühlhörner nur erst aus 15 Gliedern. — Auch die
Augen waren sclion wie bei den Erwachsenen geformt und
nach vorn gerichtet. — Der Rüssel war ganz verloren gegan-
gen. — Der Schwanz w^ar zwar breiter, aber nicht in glei-
chem Grade auch dicker geworden, zeigte sich also ziemlich
abgeplattet; seine Glieder waren noch scharf von einander ab-
gegrenzt; eine Krümmung zur Seite fand an ihm noch nicht
statt. Das mittlere Blatt des Fächers stellte sich als ein an
dem dünnern Ende abgeschnittenes Oval dar, und hing an die-
sem abgestutzten Ende mit dem sechsten Gliede des Schwan-
zes zusammen, hatte also eine ganz andere Form als bei den
weniger entwickelten Jungen. Die Seitenblätter des Fächers
hatten zwar gleichfalls schon eine Aehnlichkeit mit denen der
Erwachsenen, waren jedoch noch ganz platt und dünn; auch
waren die der rechten und linken Hälfte an Gröfse einander
noch gleich.
3. Galatliea riigosa. Reife Embryonen dieses Kreb-
ses haben einen solchen Bau und Form wie die des Pagu-
rus. Es sind also auch bei ihnen nur 3 Paar zur Bewegung
dienende Gliedmafsen vorhanden, und allem Vermuthen nach-
bilden sich diese späterhin zu den Kieferfüfsen aus. Von de-
nen des Fagurus weichen sie nur darin ab, dafs an den bei-
den vordem Paaren die beiden Aeste im Verhältnifs zu dem
246
Stamme etwas länger sind. An dem gleichfalls nur aus einem
Blatte bestehenden Fächer des Schwanzes ist der Einschnitt
beträchtlich tief, so dafs dieser Körpertheil deutlicher als bei
den reifen Embryonen des Paguriis in 2 Lappen getheilt ist.
4. Hyas araneus. Von dem Etatsrathe und Professor
Reinhardt zu Kopenhagen, dem ich auch die oben beschrie-
benen Jungen des Pagiirus verdanke, erhielt ich mehrere
Exemplare eines krebsartigen Thieres, die von einem seiner
Zuhörer, der in der Nordsee einen grofsen Schwärm davon
gefunden hatte, gefangen worden waren, nnd die wohl die Jun-
gen von Hyas araneus aus zwei verschiedenen Entwickelungs-
Perioden sein dürften.
Die kleinsten hatten ohne ihren Rüssel eine Länge von
1^ Linie und eine grofse Aehnlichkeit mit denjenigen Crusta-
ceen, die schon Thompson für Junge eines kurzschwänzi-
gen Krebses ausgegeben hat. Das Rückenschild war von den
Seiten mäfsig zusammengedrückt und hatte in seiner hintern
Hälfte im Verhältnifs zu der Breite eine ansehnliche Höhe,
so dafs es sich einigermafsen mit dem Schilde der Daphnien
vergleichen liefs. Von der obern Seite desselben ging ein
nach oben und hinten gerichteter dünner Fortsatz ab, der un-
gefähr eben so lang als das Rückenschild selbst war; nach
vorn und unten aber ging ein ungefähr eben so langer ein-
facher und dünner Rüssel ab. Von Gliedmafsen, die zum
Schwimmen dienen konnten, kamen 3 Paar vor, und von ih-
nen war, wie bei den oben beschriebenen kleinsten Larven
oder Jungen des Pagujus, das vorderste Paar am gröfsten,
das hinterste aber, das völlig vom Rückenschilde verdeckt
wurde, das kleinste. Ein jedes dieser Organe bestand wieder
aus einem Stamme und 2 Aesten, von denen der innere fast
drehrund war und aus 5 Gliedern bestand, der äufsere sich
aber abgeplattet zeigte und nur aus 2 Gliedern bestand. Hin-
ter ihnen waren auch schon 5 Beinpaare vorhanden, von de-
nen das vorderste oder gröfste sogar mit ziemlich weit aus-
gebildeten Scheeren versehen war. Doch waren alle Beine im
Vergleich mit den beiden vordem Paaren jener zum Schwim-
men eingerichteten Gliedmafsen, die sich als die Kieferfüfse
auf einer niedern Entwickelungsstufe zu erkennen gaben, noch
sehr klein, und lagen noch völlig unter dem Rückenschilde
247
verborgeil. Von Kiemen schien noch keine Spur vorhanden
zu sein. — Die kleinen Maxillen und Mandibeln hatten eine
ähnliche Form wie bei erwachsenen Exemplaren von Hycis:
jiamentlich hatten die Mandibeln schon einen recht langen Pal-
pus. Dagegen hatten die Fühlhörner eine ganz andere Form
als bei den Erwachsenen, doch würde es mich zuletzt zu weit
führen, wenn ich dieselbe näher beschreiben wollte. Die
Augen waren im Verhältnifs zu dem ganzen Körper enorm
grofs und seitwärts gerichtet. — Der Schwanz war viel län-
ger als der Cephalothorax, wenn man den Rüssel nicht mit
in Anschlag brachte, aber nur schmal und beinahe so dick wie
breit. An dem Ende desselben befand sich ein grofses unre-
gelmäfsiges dreieckiges Blatt, das an seinem hintern breitem
Rande, oder an seiner Basis, einen nur mäfsig tiefen, aber lan-
gen Ausschnitt hatte, und an dessen beiden nach hinten ge-
kehrten Ecken zwei lange, dicke, und nach hinten gerichtete
Stachel eingelenkt waren. Afterbeine waren schon vorhanden,
aber noch nicht in 2 Aeste gespalten, sondern beinahe spin-
delförmig. Zwei eben solche einfache Anhänge wie die After-
beine, aber von geringerer Gröfse, waren zu beiden Seiten
jenes den Fächer darstellenden Blattes an dem hintern Ende
des sechsten Schwanzgliedes eingelenkt.
Mit den eben beschriebenen Larven waren noch andere
gefangen worden, die etwas tiefer als jene geschwommen hat-
ten. Diese nun waren sehr viel weiter entwickelt und zeig-
ten schon eine ziemlich grofse Aehnlichkeit mit erwachsenen
Exemplaren von Hyas araneiis: namentlich hatten die Fühl-
hörner, Kieferfüfse und Beine schon ähnliche Formen und Di-
mensionsverhältnisse wie bei diesen, und dasselbe war auch
der Fall an dem Rückenschilde, nur lief dieses Schild vorne
in 3 ziemlich lange, starke und beinahe in einer und dersel-
ben horizontalen Ebene liegende Stacheln aus, von denen der
mittlere gröfser als die beiden andern war. Der Schwanz da-
gegen war verhältnifsmäfsig viel länger als bei den Erwachse-
nen, und war auch bei einer nur mäfsig grofsen Breite ziem-
lich dick. Die Afterbeine waren im Verhältnifs zu dem Schwänze
recht lang, schon mit 2 an Gröfse ungleichen Aesten versehen
und mit sehr langen Borsten besetzt. Der Fächer bestand aus
einer breiten, mäfsig langen und hinten abgerundeten Platte,
248
und aus zwei zu beiden Seiten derselben gleichfalls an dem
sechsten Gliede des Schwanzes cingclenkten sehr kleinen und
einfachen länglich -ovalen Blättern, die ungefähr nur halb so
lang waren wie die Afterbeine des fünften Schwanzgliedes.
Aus den Mittheilungen, die ich in der Kürze hier über
die Entwickelung einiger Dekapoden gemacht habe, geht also
hervor, dafs allerdings manche von diesen Thieren, wie Thomp-
son zuerst gefunden und angegeben hat, eine sehr bedeutende
und höchst merkwürdige Metamorphose überstehen, nachdem
sie ihre Eihüllen abgestreift haben. Ich bekenne daher auch,
dafs ich Thompson Unrecht gethan habe, indem ich, auf die
Entwickelungsgeschichte des Flufskrebses mich stützend, und
auf die Analogieen im Baue erwachsener Dekapoden mich zu
sehr verlassend, vielleicht auch eben dadurch bei den Unter-
suchungen der sehr kleinen Embryonen der lEviphia spini-
frons und des Palaemon Squilla irre geleitet, jener Entdek-
kung Thompson's nicht Glauben schenken wollte. Indefs
geht aus den obigen Mittheilungen und aus der Geschichte,
die ich von der Entwickelung des Flufskrebses gegeben habe
(und die ich im nächsten Frühjahre zum Theil einer Revision
zu unterwerfen gedenke), auch hervor, dafs verschiedene De-
kapoden verschiedentlich weit entwickelt ihr Ei verlassen.
Vagurus, Galaihea und Jlyas enthüllen sich in einem wenig
ausgebildeten Zustande, indem sie zu der Zeit, da sie das Ei
verlassen, nicht einmal eine Spur von Beinen und Kiemen be-
sitzen. Astacus marinus dagegen und Astacus fluviatilis
sind dann schon mit allen Beinen und Kiemen versehen, die
zu ihrer Organisation gehören. Andere Körpertheile aber, mit
denen alle Dekapoden dann schon ausgerüstet zu sein schei-
nen, sind bei einigen zu jener Zeit in Hinsicht ihrer Gröfse
nur wenig, bei andern dagegen schon recht weit ausgebildet.
Diefs gilt namentlich von den Fühlhörnern. Andererseits be-
sitzen einige anfänglich Theile, die späterhin gänzlich verloren
gehen, wie z. B. Astacus marinus an seinen Beinen zum
Schwimmen dienliche Anhänge, und Hyas araneus an der
obern Seite seines Rückcnschildes einen bedeutend langen
Stachel, indefs bei andern Dekapoden dergleichen Theile nie-
mals vorkommen. Oder es gehen bei ciniffen Theile verloren,
249
die bei andern für immer verbleiben, wie namentlich der Rüs-
sel bei den Paguren und die Seitenblätter des Fächers bei
Jlyas. Und noch andere Theile erleiden mitunter so bedeu-
tende Veränderungen in ihrer Form, dafs diese eine ganz an-
dere wird, wie z. B. das mittlere Blatt des Fächers, die Kie-
ferfüfse und die Fühlhörner mancher Arten. Eine der auffal-
lendsten Erscheinungen aber ist diese, dafs bei Dekapoden,
welche im Meere leben, die Gliedmafsen, deren sie sich zur
Ortsbewegung bedienen, anfänglich so organisirt sind, dafs sie
nur allein oder doch hauptsächlich (wie es beim Hummer der
Fall zu sein scheint) zum Schwimmen benutzt werden kön-
nen, bei dem Flufskrebse dagegen, wenn er das Ei verläfst,
jene Werkzeuge einen solchen Bau haben, dafs sie nur zum
Gehen gebraucht werden können.
Endlich will ich noch auf den Umstand aufmerksam machen,
dafs obgleich viele Dekapoden, ja vielleicht die Mehrzahl von
ihnen, in Hinsicht der Form ihrer Gliedmafsen anfänglich eine
grofse Aehnlichkeit mit den Schizopoden und namentlich mit
den Mysis -Avien haben, die Entwickelung dieser und jener
Thiere doch in mancher andern Hinsicht sehr verschieden ist.
250
Uebersiclit Jer im Januar, Februar und IWärz 1839
auf Cuba gesammelten Mollusken.
Von
Dr. Louis Pfeiffer.
(Fortsetzung von Jahrg. V. Bd. 1. S. 346.)
Nach dem verspäteten Empfang eines Theiles meiner
Sammlungen und nach genauerer Vergleichung der mir zu
Gebote stehenden Literatur habe ich zunächst zu dem vori-
gen Aufsatze Einiges nachzutragen, und fahre dann in der
Aufzählung aller gefundenen mit kurzer Beschreibung der für
neu zu haltenden Arten fort.
6. Bulla pusilla Pfr. Testa oblonga solida nitide alba;
spira brevi, apice mammillata; anfract. 2, ultimo spiram qua-
druplo superante; columella basi uniplicata; labro niedio ar-
cuato; apertura superne angustata. — Long. 2, diam. -J lin.
7. Onchidium cubense Pfr. Corpore oblongo, laevi,
olivaceo-fusco, punctis luteis et nigris consperso; dorso sub-
carinato, linea longitudinali flava notato, disco gressorio an-
gusto, unicolore. — Long. 2 — 2^ poll.
11. llelix cubensis Pfr. Testa globulosa imperforata,
unicolore. fasciata vel punctulata, longitudinaliter tenerrime
striata, nitidula, basi convexa; anfract. 4 convexiusculis; peri-
stomate acuto; apertura magna suborbiculari. — Diam. 7 — 8,
alt. 5 — 7 lin. — Diese in Farbe und Gestalt unendlich va-
riirende Art ist zwar mit nitidiuscula und punctulata Sovv.
nahe verwandt, zeigt aber bei genauer Vergleichung hinrei-
chende specifische Unterschiede.
18. Ilclix Gundlachii Pfr. Der früher ertheilte Name
IL pusilla ist sclion von Lowe vergeben; ich nenne daher
diese zierliche Art nach meinem Freund und Reisegefährten
251
Dr. Giindlach. — Sie ist, wie das angegebene Mafs ergiebt;
nicht gröfser, sondern kleiner als H. fulva.
30. Cylindrella elegans Pfr.
31. — perplicata Pfr.
32. — subula Pfr.
33. — crispula Pfr. — Die von mir in die-
sem Arohiv 1840. Bd. 1. S. 38. vorgeschlagene Trennung die-
ser Gruppe von der Gattung Clausilia ist schon vonGuilding
(Zool. Journ. IV. pag. 167.) für nöthig erachtet worden. Da
aber der von ihm gebrauchte Name Brachypus schon an eine
Vögelgattung vergeben war, so brauche ich den meinigen
nicht zurückzunehmen. Die von Guilding auf Barbados ge-
fundene Art (Br. costatus) ist keine der meinigen, sondern
wahrscheinlich Cl. collaris Lam.
39. Auricula (Anfangs für monile gehalten) ist A. co-
niformis Lam. (Melampus coniformis Montf., Lowe).
40. Auricula cingulata Pfr. Testa solidiuscula utrin-
que conica, sordide albida, spadiceo cingulata; anfract. 7 pla-
nis angustis, ultimo spiram duplo superante; columella basi
uniplicata; labro acuto; apertura oblonga, angustissima. —
Long. 4, diam. 2| lin.
59. Pedipes quadridens. Ist der von Lowe (ZooL
Journ. V. p. 296. 1. 13. f. 8—12.) beschriebenen P. afra sehr
ähnlich, unterscheidet sich aber durch mehr konvexe Windun-
gen und hat nur einen Zahn am Labrum. Auch versichert
Lowe, sich überzeugt zu haben, dafs seine Art mit Adan-
son's Pedipes identisch sei.
63. Hei ix saxicola Pfr. Testa depresso- conica tenui,
brunnea, oblique striata, umbilicata; anfract. 4^ arcte spiratis;
labro acuto tenui; apertura orbiculari. — Diam. 1^, alt. 1 lin.
— Unserer H. rupestris nahe verwandt.
64. Helix(?) cyclostomoides Pfr. Testa hyalina, su-
perne vix convexa, infra concava, late umbilicata; anfract. 3.j,
ultimo obsolete carinato; labro simplice; apertura orbiculari.
— Diam. Ir}, alt. | lin. — Ich besitze nur ein gutes, ausge-
wachsenes Exemplar, was ich leer am Seestrande fand. Es
hat fast das Ansehen eines Cyclostoma (aus der Gruppe von
Volvulus, mexicanum etc.).
65. Hei ix Ottonis. Testa depressa, pallide Cornea, pel-
252
lucida, umbilicata, basi subplaiia; anfract. 4 convexiusculis
striatis; labro tenui acuto; apertura sublunari. — Diam 2^-,
alt. ^ lin. — Nach meinem Freunde und Reisegefährten Ed.
Otto benannt, am nächsten verwandt mit Hei. nitidosa Fer.
und arborea Say.
66. Eulimus pumilus Pfr. Testa turrita, apice obtusa,
hyalina; anfract. 5 longitudinaliter tenerrime striatis, ultimo
tertiam fere totius testae aequante; apertura ovata. — Long.
1|, diam. f lin.
67. Achatina (?) pellucida Pfr. Testa sinistrorsa,
ovato-turrita, albida, pellucida; anfract. 7 planatis, ultimo spi-
ram aequante; columella basi acute plicata; apertura angusta,
oblonga. — Long. 2, diam. | lin.
68. Achatina (?) pusilla Pfr. Testa lineari solidula
nitida, laete Cornea; anfract. 6 planulatis, fulvo-cingulatis; colu-
mella oblique truncata; apertura ovali. — Long. 1, diam. | lin.
69. Polyphemus solidulus Pfr. Testa fusiformi soli-
dula, nitide eornea, subpellucida; anfract. 6 vix convexis; co-
lumellaetruncaturavaldeobliqua; labro acuto, medio ampliato;
apertura spiram aequante. — Long. 7|-, diam. 3 lin. — Pol.
subulatus ist vielleicht nur als Varietät dieser Hauptform zu
betrachten,
70. Cylindrella Humboldtii Pfr. Testa subcylindrica,
versus apicem truncatum attenuata, tenui, fulva; anfract. 11
planulatis, confertissime oblique striatis, ultimo ruguloso, pa-
rum protracto, obsolete carinato; peristomatc patulo, ovato.
— Long. 11, diam. in medio 2J — 3 lin. — Columella in an-
fractibus omnibus praeter ultimum triplicata.
Diese ausgezeichnetste unter den bisher bekannten Arten
von Cylindrella erlaube ich mir, dem höclistverchrten Herrn
Alexander von Humboldt ehrfurchtsvoll zu widmen. —
Sie zu beschreiben wurde ich erst durch einige von E. Otto
aus Cuba an das k. zoolog. Museum zu Berlin eingesandte
Exemplare in den Stand gesetzt, da ich selbst nur Fragmente
dieser schönen Art am Meeresstrande (vielleicht auch von an-
deren Gegenden dahingespült) gefunden hatte, darunter ein
linksgewundenes! *)
*) Aufscr dieser Art hat Herr E. Otto aus anderen, von mir
253
71. Pupa marginalba Pfr. Testa ovato turrita Cornea
umbilicata; anfract. 5 convexis; labro crassiusculo subexpanso
albo; apertura quadridentata. — Long. 1|, diani. ~ lin. —
Dentes 2 parvuli in labro, tertius major in columella et quar-
tus maximus in anfractu penultimo juxta labri insertionem. —
Specimen unicum!
72. Helicina depressa Gray, Desh. 18.
73. Cyclostoma obesum Ffr. (Truncatella obesa Mke.)
74. Truncatella bilabiata Pfr. Testa cylindracea so-
lidula, nitide carnea, longitudinaliter confertim costulata; an-
fract. 4^ convexis ; sutura profunda; apertura obliqua ovali;
peristomate incrassato, duplicato. — Long. 2|, diam. f lin.
75. Paludina succinea Pfr. Testa conica glabra, pel-
lucida, succinea, imperforata ; anfract. 5, ultimo ventroso; pe-
ristomate subincrassato, albido. — Long. 1, diam. f lin.*)
76. Paludina coronata Pfr. Testa ovato- conica, te-
nui, vitrea; anfract. 5, prope suturam spinoso-carinatis, ultimo
ventroso, rima umbilicari notato; apertura oblonga. — Long.
2^, diam. 1| lin.
77. Paludina crystallina Pfr. Testa turrita crystal-
lina; anfract. 5 convexiusculis, ultimo subperforato ; apertura
integra ovali. — Long. 2J, diam. l^lin. — An varietas prae-
cedentis?
78. Melania cerithioides Pfr. Testa conico- turrita
solida alba; anfract. 9 planis, longitudinaliter confertim costu-
latis, ultimo basi concentrice striato; apertura subtriangulari,
basi subcanaliculata; labro simplice, lato, sinuoso. — Long. 4,
diam. 2 lin.
79. Melania varicosa Pfr. Testa conico -turrita dia-
phane albida, concentrice striata, hinc inde varicosa; anfract.
nicht besuchten Gegenden der Insel Cuba noch zwei schöne Arten
von Helix und ein mir unbekanntes Cyclostoma gesandt, welche eben-
falls neu seyn dürften.
*) Eine in der Gestalt ziemlich ähnliche, aber noch viel kleinere
Art entdeckte ich kürzlich in dem Meersande, welcher in einer Pha-
sianella bulimoides sich befand. Ich nenne sie P. amethystea:
testa abbreviato-conica amethystea pellucida; anfract. 3 convexiuscu-
lis, ultimo obsolete angulato; apertura ovali. — Long. |, diam. ^ lin.
■— Derselbe Sand bot aufserdem eine reiche Ausbeute an mikrosko^
pischen Polythalamien dar.
254
8 planiusculis, ultimo basi obsolete angulato; coluraella sub-
truncata; labro acuto; apertura ovali. — Long. 4, cliam. 1^^^ liii.
Diese beiden Arten, wie auch allenfalls die zwei folgen-
den, könnte man auch vielleicht zu Rissoa rechnen.
80. Melania turritella Pfr. Testa turrita pallide Cor-
nea nitida, longitudinaliter confertissime costulata; anfract. 8 — 9
convexiusculis; labro simplice; apertura ovali, basi vix cana-
liculata. — Long. 2 — 2~, diam. ^ — | lin.
81. Melania acus Pfr. Testa lineari-turrita albida, lon-
gitudinaliter costulata; anfract. 10 planis; labro simplice tenui;
apertura ovali. — Long. If, diam \ lin.
82. Melania Campanellae PhiL (Moll. SiciL p. 156.
t. 9. f. 5.)
83 — 88. Rissoae species sex.
89 — 91. Eulimae species tres.
92. Littorina muricata Fer.
93. — tuberculata Menke.
94. — scabra Pfr. (Hei. scabra L. Gm., Pha-
sianella angulifera Lam., Ilel. solida Bork.)
95. — ziczac Pfr. (Troch. ziczac Chem., Pha-
sian. lineata Lam.)
— — var? An species?
*) — nodulosa Pfr. V. No. 62.
96. — fusca Pfr. Testa minuta, semiovata, so-
lidiuscula, glabra, fusca, basi subperforata; spira brevi, obtusa;
columella compressa, glabra, nigricante; apertura ovali, intus
nigricante. — Long. 3, diam. 2| lin. — Operculum tenue,
nigrum, paucispinim.
97. Vermetus spiratus Phil. (Wiegm. Arch. 1836. I.
pag. 224. t. 7. f. 1.
98. Natica pes elephantis. Desh. 40.
99. — livida Pfr. Testa subglobosa solida, unico-
lore livida; anfract. 4, infra suturam oblique rugosis, ultimo
vcntroso; umbilico semilunari; callo fusco; apertura intus ni-
tida, fusca. — Long. 7, diam. 7 lin.
100) Natica pul che IIa Pfr. Testa parva, subglobosa,
nitida, alba, lineolis longitudinalibus undatis picta; spira mam-
millata; anfract. 3 convexis; umbilico callo nigricante clause
— Long. 3^, diam. 3^ lin.
255
101. Nerita virginea L.
102. — viridis L.
103. — Piipa L. (Neritina venosa Mke.)
104. — Listeri Pfr. (List. t. 604. f. 26. 27,) Testa
subglobosa, crassa, glabra, sordide lutea, lineolis nigris varie
picta; spira brevissima; anfract. 2— 2|; coluniella recta, irre-
gulariter deiiticiilata, late callosa, lutea; labro acuto, intus Iii-
teo. — Diam. 10 — 11 lin. — An varietas N. virguieae?
105. Narita peloronta L.
106. — versicolor Gm.
107. — tessellata Gm.
108. — Antillarum Gm.
109. — exarataPfr. Testa crassa ovata, transver-
sim sulcata, nigra, sulcis irregularibus, latis, obliquis, albis pro-
funde exarata; columella alba, superne rugulosa, inferne gra-
nulata, margine bidentata; labro acuto, intus valde dentato;
apertura semiovata. — Diam. transversus 11 lin.
110. AmpuUaria fasciata Lam.
111. Rotella pusilla Pfr. Testa discoidea nitide alba;
anfract. 3; basi concaviuscula, medio callosa: apertura orbicu-
lari, — Diam. |, alt, ~ lin.
112. Janthina communis Lam.
113. Litiopa nitidulaPfr. Testa ovato-turrita solidula,
laevigata, nitide albida vel flavida, saepe punctorum rubrorum
Seriebus ornata; anfract. 6 convexiusculis; columella torta,
truncata; labro subincrassato. — Long. 2|, diam. 1} lin.
114. Litiopa ventrosaPfr. Testa ovato-conica glabra,
pellucide Cornea; anfract. 6 convexiusculis, ultimo ventroso,
spiram aequante. Long. 2, diam. Ij lin.
115. Litiopa striata Pfr. Testa ovato-turrita, tenui,
nigricante, apice acuta saepius albida, transversim minutissime
striata; anfract. 7 convexis, ultimo spiram fere aequante; labro
acuto. — Long. 2-}, diam. 1 lin.
116. Litiopa carinata Pfr. Testa ovato-turrita, tenui,
brunnea, transversim striata; anfract. 6—7 planiusculis, medio
absolete carinatis; columella recta, truncatula; labro acuto. —
Long. If, diam. | lin.
117. Phasianella Vieuxii Payr. (?)
118. -— punctata Pfr. Testa ovato-conica
256
solida, fusco-purpurea, maculis albis seriatis squamaeformibus
ornata; anfract. 4J convexis, ultimo spiram duplo superante;
columella plana, fiisco - callosa ; apertura ovali. — Long. 3,
diam. 2^ lin. — An Littorina?
119. Turbo hippocastanum Lam.
120. Monodonta carchedonius Lam.
121. — modulus Lam.
122. Delphinula radiata Kien. p. 7. f. 9. — List. t.
608. flg. min.
123. Trochus pica Pfr. (Turbo pica L. Lam.) Opercu-
lum corneum arctespiratum!
124. Trochus Stella Lam.
125. — tuber Lam.
126. — calcar Argenv.
127. — carneolus Lam.
128. Scalaria coronata Lam.
129. — acuta Pfr. Testa conico-turrita, imper-
forata, apice acutissima, cinerea; anfract. 7 convexis, iongitu-
dinaliter confertimlamellosis; apertura orbiculari. — Long. If,
diam. f lin.
130. Tornatella Ovulum Pfr. Testa pusilla ovata ni-
tide alba; spira conica; anfract. 6 planiusculis, ultimo spiram
triplo superante; columella basi biplicata; apertura integra,
oblonga, angusta; labro simplice, medio ampliato. — Long.
1|, diam. f lin.
131. Pyramidella dolabrata Lam.
132. Cerithium vulgatum Lam. (?)
133. — litteratum Lam.
134. — punctatum Lam. (?)
135. — nigrescens Menke.
136. — lutosum Menke.
137. — trilineatum Phil, mollusc. Sicil. pag."
195. t. 11. f. 13.
138. — pusillum Pfr. (Trochus pusillus Gm.?
— Chemn. IX. 966.?) Testa sinistrorsa turrita tenui cinna-
jnomea; anfract. 11 planis, sulcis longitvidinalibus et transver-
sis granuloso-decussatis; sutura profunda; canali brevissimo,
vix recurvo; labro simplice, expanso. — Long. 2], diam. } lin.
139. Cerithium varium Pfr. Testa turrita tenui dia-
257
phana griseo-fusca, uiiicolore vol nigro-eingulata; anfract. 8
convexis, plicis loiigitudiiialibus et striis traiisversis subdocus-
satis, ultimo varicoso-gibboso; basi concentrice striata; colu-
inella nigra; canali brevissimo, vix recnrvo; labro teiiul.
Long. 2y, diam. f lin.
140. Cerithium pallidum Pfr. Testa siibulato-turrita
solidula, albida vel pallide carnea; anfract. 9 convexiusculis
longitudinaliter plicatis, transverse minutim striatis^ ultimo va-
ricoso; canali brevissimo subrecto; labro simplice, tenui, fra-
gili. — Long. 3, diam. 1 lin.
141. Cerithium perversum Lam. Var. dextra?
142. Potamides fragilis Defr.
143. Buccinum flexuosum Lara. Kien. f. 106.
144. — miga Er. Kien. f. 87.
145. — ambiguum Mont. Kien. f. 81. (?)
146. — cribrarium Lam. (Columbella?)
147. — pediculare Lam. Kien. f. 102.
148. — • pulchellum Blainv. Kien. f. 68. —
Purpura picta Turt.?
149. — polygonatum Lam. (?)
150. — pusillum Pfr. Testa subfusiformi, gla-
berrima, nitida, albida, lineis undulatis rufis elegantissime picta,
apice aurantia vel nigricante; anfract. 6 planiusculis, ultimo
spiram aequante; columella oblique striata; labro rufo-margi-
nato; intus striato. -— Long. IJ, diam. | lin.
151. Purpura patula Lam.
152. — undata Lam.
153. — turbinella Lam.
154. — deltoidea Lam.
155. — margin alba Blainv. Kien. f. 11. (?)
156. Dolium perdix Lam.
157. Cassis testiculus Lam.
158. Oniscia triseriata Mke.
159. Columbella mercatoria Lam.
160. — nitida Lam.
161. ^^lurex adustus Lam.
162. Tritonium variegatum Lam.
163. — chlorostomum Lam.
164. — tuberosum Lam.
Wiegm. Archiv. VI. Jahrg, 1. Band. j^^
258
165. Turbinolla cingulifera Lam. •
166. Fasciolaria tulipa Lam.
167. Pyrula perversa Lam.
168. — Corona Pfr. (Fusus corona Lam.)
169. Fusus pulchellus Ffr. (Murex pulchellus Lam.
65.?) Lamarck's Beschreibung pafst; nur kann ich die ^egel-
mäfsigen dichtstehenden Längsfalten nicht als Varices betrachten.
170. Fusus pusillus Pfr. Testa fusiformi-turrita, alba,
longitudinaliter plicata; anfract. 6, infra suturam profundam
subangulatis , ultimo spiram aequante; cauda breviuscula. —
Long. 2, diam. f lin.
171. Pleurotoma zebra Kien.
172. — elongata Ant. (?)
173. — Villiersii Mich. (?)
174. — hexagonum Pfr. Testa oblonga, al-
bida, longitudinaliter costata ; anfract. 6 scalariformibus, ultimo
spiram fere aequante; costis anfractus cujusvisö; apertura an-
gusta oblonga; labro expanso, valde incrassato, prope suturam
inciso. — Long. 2^, diam. 1 lin.
175. Pleurotoma cinctellum Pfr. Testa subfusiformi
nitida fulva vel nigricante, infra suturam pallide cingulata; lon-
gitudinaliter confertim costata; anfract. 5 subscalariformibus,
ultimo spiram aequante; columella oblique striatula; apertura
oblonga, basi et apice coarctata; labro incrassato, juxta sutu-
ram canaliculato„ — Long. 2^, diam. | lin.
176. Strombus Gigas L.
177. — pugilis L.
178. — pyrulatus Lam.
179. Conus nebulosus Soland.
180. — CedonuUi Lam. var. o.
181. — Mus Br.
182. — Daucus Br.
183. Oliva reticularis Lam.
184. — eburnca Lam.
185. — conoidalis Lam.
186. Marginella longivaricosa Lam.
187. — margarita Kien.
188. — pellucida Pfr. Testa ovata, tennis-
sima pellucida, succinea; spira brevi, apice aurantiaca; anfract.
259
5; columella 4-plicata; labro incrassato, aurantiaco, intus inte-
gerriino. — Long. 5|, dlam. 3^ lin.
189. Marginella minuta Pfr. Testa ovata, glabra,
alba; spira brevissima ; anfract. 3; columinella siibqiiadripli-
cata; apertura angustissima. — Long. 1, diam. J lin.
190. Volvaria pallida Lam.
191. — triticea Lam.
192. — avena VaL
193. Ovula gibbosa Lam.
194. — acicularis Lam.
195. — birostris Lam. (?)
196. Cypraea cinerea Gm.
197. — pediculus L.
198. — quadripunctata Gray (tremeza Ducl.?)
199. Mitra obliquata Lam.
200. — striatula Lam,
201. Crepidula porcellana Lam.
202. — aculeata Lam.
203. — hepatica Desh.
204. Calyptraea equestris Lam.
205. Pileopsis mitrula Lam.
206. — subrufa Lam.
207. Dentalium.
208. Fissurella graeca Lam.
209. — nodosa Lam.
210. — barbadensis Lam.
211. — viridula Lam.
212. — costaria Desh. 27. (?)
213. — Pustulae Lam. affinis.
214 — 216. Fissurella species tres incertae.
217. Patella notata L.
218. — leucopleura Gm.
219—221. Patellae species tres.
222 — 228. Chiton species Septem.
IL Acephala.
Cl. III. Elatobranchia.
229. Ostrea virginica Lam.
230. — parasitica Gm.
17*
260
231. Ostrea excavata Lam.
232. Spondylus coccineus Lani.
233. Plicatula ramosa Lam.
234. Pecten gibbiis Lam.
235. — sauciatus Lam.
236. Lima glacialis Lam.
237. — squamosa Lam.
238. Perna ephippium Lam.
239. — obliqua Lam.
240. — Linnaei Pfr. (Ostrea perna L. — Perna
vulsella Lam. var.)
241. Pinna flabellum Lam.
242. — pectinata L.
243. Area Noae L.
244. — umbonata Lam.
245. — retusa Lam.
246. — fusca Br.
247. — domingensis Lam.
248. — antiquata L.
249. — rhombea Br.
250. — indica Gm. *
251. — divaricata (Byssoarca divaric. Sow.)
252. Pectunculus marmoratus tam.
253. — pectinatus Lam.
254. Mytilus bilocnlaris Lam.
255. — exustus Lam.
256. 257. Mytilus species duae.
258. Modiola tulipa Lam.
259. — sulcata Lam.
260. Lithodomus dactylus Sow.
261. Chama lazarus Lam.
262. — gryphoides L.
263. — unicornis Br.
264. — florida Lam.
265. — lamellosa Gm.
266. Cardium bullatum Lam.
267. — muricatum L.
268. — medium Lam.
269. Lucina jamaicensis Lam.
261
270. Lucina edentula Lani.
271. — divaricata Lam.
272. — carnaria Lam.
273. — coliimbella Lam.
274. — pecten Lam. (?)
275. — ti gerin a Desh. (Cytherea Lam.)
276. Diplodonta semiaspera Phil.
277. Amphidesma corrugatiim Sovv. (?)
278. Tellina remies L.
279. — brasiliana Lam.
280. — oviformisMus.Berol. (T. striatulaLam.?)
281. — sp.
282. Capsa laevigata Lam.
283. Venus cancellata L.
284. — granulata Gm.
285. Petricola sp.
286. Corbula aequivalvis PlüL
287. Solen caribaeus L.
288. — radiatus L.
289. Sanguinolaria rugusa Lam. var. rubra. An sp.?
Diese Uebersicht der cubanischen Mollusken, wovon ich
die Cirripeden ausgeschlossen habe, ist bei weitem nicht voll-
ständig, da ich selbst sowohl unter den Gasteropoden noch
Arten besitze, die ich des zweifelhaften Genus wegen einst-
weilen ausgelassen habe, als auch besonders noch viele klei-
nere Arten von Acephalen, die theils aus demselben Grunde,
theils weil ich nur ungenügende Exemplare davon gefunden
habe, zurückgesetzt und der gröfsern Arbeit vorbehalten sind.
Bis diese erscheinen kann, hoffe ich sowohl durch Nachsen-
dung von Exemplaren, als auch durch zuverlässige Notizen
von Hrn. Dr. Gundlach noch über manches jetzt Zweifel-
hafte ins Klare zu kommen. Einstweilen wird dieses Ver-
zeichnifs wenigstens Sicherheit über das bisher unbekannte Va-
terland mancher interessanten Mollusken geben, indem ich nur
solcher Arten erwähnte, welche ich selbst dort fand, während
ich noch manche besitze, von welchen ich fast zuverlässig
weifs, dafs sie von dort herstammen, die mir aber nicht zu
Gesichte kamen.
262
Bemerkung zu dem Aufsatze der Herren v. Key-
serling und Blasius über die europäischen
Fledermäuse.
(Jahrgang V. Bd. I. S. 293.)
Von
F. Boje in Kiel.
Die Uebersicht der Gattungs- und Art - Charactere der
europäischen Fledermäuse im Archiv 5. Jahrgang Bd. I. pag.
293. erwähnt auch meiner Beiträge zur Naturgeschichte die-
ser Thiere, indessen auf eine Weise, welche vermuthen läfst,
dafs die Verf. zwar den Aufsatz in der Isis, woselbst die T^.
Dasycneme beschrieben, gekannt, nicht aber einen zweiten
(Isis 1830. p. 256.), in dem die sogenannten Wasserfleder-
mäuse unter dem Namen Leuconöe als Gattung abgesondert
sind.
Ich erlaube mir hierauf aufmerksam zu machen, wie dies
auch im Fall der betreffende Aufsatz nicht von mir selbst wäre,
geschehen sein würde, mich übrigens der Uebereinstimmung mit
den Verf. inmancher Ueberzeugung erfreuend,welche diese meine
Vindication der Priorität einer Ansicht und meines Namens
nicht für ein unbeikömmliches Jagen nach einem mihi er-
klären werden.
Dafs auch Pallas den Namen F^espertilio als fem. ge-
brauchte, erwähne ich bei der Bitte statt Dasycnemus meine
Endigung Dasycneme beibehalten zu wollen, die gleiclizeitig
dem Namen der nunmehrigen Sippe entspricht.
Aus meinem letzterwähnten Aufsatze werden die Verf.
annoch die Identität meiner V.otiis mit cornutus F ah er erse-
hen und habe ich dabei weiter hervorgehoben, dafs nach dem was
mir über die besagte Art in der Erinnerung vorschwebt, solche
263
nicht der Gattung Plecotus sondern Synotus beizuziililen sein
würde.
Sollte ich ein Exemplar dieses noch ungenügend bekann-
ten Thieres auftreiben, werde ich mich beeilen dasselbe den
Verf. mitzutheilen und bitte diese den Lesern des Archivs
auch ihre Beobachtungen über die Lebensweise der Vesperti-
Jionen nicht vorenthalten zu wollen.
B. H. Ho dg so 11, Resident in Nepal,
über den Gauri Gau.
Nach dem Journ. of the Asiatic. Soc. of Bengal.
VI. Bd. 1. S. 499. und VlI. Bd. 2. S. 745.
Zusammengestellt
vom
Herausgeber.
Vgl den Jahresbericht Jahrg. V. Bd. 2. S. 415.
(Hiezu Taf. IX.*)
Kopf und Vorderkörper sind aufserordentlich grofs.. Der
Schädel gleicht seinem allgemeinen Charakter nach dem des
Rindes, ist aber massiver und mehr niedergedrückt; die Breite
der Stirn zwischen den Augenhöhlenrändern gleich der Höhe
und der halben Länge des Schädels, Stirn sehr tief concav, in
einer starken (Jiuge), halbkreisförmigen (im Text semicylindri-
cal in beiden Mittheilungen) Leiste sich über der Basis der
Hörner erhebend. Bei erwachsenen Männchen ist der obere
*) Ich gebe hier eine Copie der von Evans gelieferten Abbil-
dung, weil sie nach Hodgson den Schädel seines Gauri Gau wirk
lieh darstellt. Herausgeber.
264
Raiul der Wurzel des Hornes 1 — 2'' unter der Höhe der
Ilinterhauptleiste. Hiuterhauptsfläche des Schädels vertikal,
von gleicher Länge mit der Stirnfläche. Augenhöhlen stärker
hervorspringend unddie Aeste des Unterkiefers gerader (straigh-
ter) und mit weniger erhabenen Gelenkfortsätzen als beim
Rinde; 13 Paar Rippen wie bei diesem, Dornfortsätze äufserst
entwickelt*) nach hinten allmählig abnehmend, daher der ganze
Rücken vom Widerriist zur Krappe sehr abfallend. Hals
niedrig, gleichsam eingesunken zwischen Kopf und Rücken.
Hautwamme verscliwindend (^evanescent). Hörner kurz, sehr
dick und entfernt, flach gedrückt (^depressed^ fast dreieckig,
den scharfen Winkel des Dreiecks der Stirn zukehrend. Aufser
dem Gauri Gau QBibos cavifrons) glaubt Verf. noch den
fossilen Ur Europas, den er B. classicus und den aracho-
sischen Stier, dessen Aristoteles erwähnt {Bib. Aristotelis)
als Arten hierher ziehen zu müfsen. Dafs der erstere ein
wahrer Wisent ist, leidet wohl keinen Zweifel; ob aber der
letztere, welchen man gewöhnlich auf den Büffel bezieht, nicht
vielmehr mit dem Gauri Gau zusammenfällt, läfst sich wohl
nicht bestimmt ermitteln.**) Nach dem Verf. hat der Gauri
Gau feine, kurze Beine, einen kurzen, nicht zur Hackenbeuge
lierabreichenden Schwanz, breite, fächerförmige (fan-shaped)
horizontale Ohren; ein glattes glänzendes Haar von braun-
rother oder schwarzer Farbe, welches an Stirn und Beinen
blasser wird; Haarbüschel an Kinn und Stirn, indem hier das
Haar länger und etwas gekräuselt ist, ausgebreitete, grünliche
Hörner mit runden einwärts gekrümmten schwarzen Spitzen,
*) Nach Hodgson, 1. c. Bd.I. S. 499. beträgt die gröfste Er-
hebung am Dornfortsatze des dritten Rückenwirbels 14" über der
Wirbelsäule. Senkt das Thier den Kopf so beschreibt der Rücken
fast einen Kreisbogen. Ein Unterschied zwischen ihm und den Auern
findet aber in dieser Hinsicht nicht statt, denn auch bei diesen er-
streckt sich die starke Entwicklung der Dornfortsätze nur auf die
Rückenwirbel, nicht wie Verf. glaubt, auch auf die Halswirbel.
Herausgeber.
**) Aristoteles Worte: H. A. IL c. 2. §. 3. Nascuntur autcm
hippelaphi in Arachotis, ubi et feri bovcs, qui a domesticis codom
modo diffcriint, quo apri a suibus. Nam aspcctu nigri sunt, validi-
que, curvatonasu (t/riyovz^oOet cornibus magis in dorsum reclinatis"
passen auch auf den Gauri Gau. Herausgeber.
265
schvvaclirunzlig an der Basis und mit einem stark riechenden
Sekrete au der Hinterseite. Die Lange beträgt von Schnauze
zum Steifs 10 F., die Höhe an der Schulter 5t} F.; Kopf
bis zur Hinterhauptleiste 23'', Schwanz 33''. Die Kuh ist
etwas kleiner, besitzt aber alle Charaktere des Stiers.
Der Gauri Gau verläfst nie das tiefste Dickicht des
Sal -Waldes, vermeidet einerseits die Annäherung an das
Tarai, und andererseits an das Hügelland. In seinen Heerden
von 10 — 30 herrscht das weibliche Geschlecht vor; gewöhn-
lich 2 oder 3 erwachsene Bullen führen und schützen die
Heerde mit grofser Wachsamkeit, die sowohl von grofser
Schärfe der Sinne als von hohem Muthe zeugt. Weder Ti-
ger, noch Rhinoceros, noch Elephant wagen die Heerde zu
belästigen. Während der Tageshitze ruht diese im Dickicht,
und kommt nur Morgens und Abends hervor auf die kleinen,
offenen, in den Wäldern zerstreuten Wiesen, wo sie sich um
zu weiden ausbreiten, während sie, wenn sie sich zur Weide
und zurück begeben in einfacher Reihe (z/i Single file) vorge-
hen auf den von ihnen, von Elephanten, Rusas und anderen
Thieren des Waldes getretenen Stegen.
Auf einem Elephanten kann man sich am Tage ihnen bis
auf wenige Schritte nähern. Wahrscheinlich fürchten sie den
wilden Elephanten nicht und werden nie von Jägern auf zah-
men Elephanten belästigt, denn die Sastras haben decretirt:
j,ihe Gaini is lilie iinto Bos." Kein Edelmann der Gegend
wird versuchen einen Gauri zu tödten; und das geraeine Volk,
wenn es auch ein weniger zartes Gewissen hat, besitzt ge-
wöhnlich nicht die erforderlichen Hülfsmittel dazu. Nach
Aussage von Leuten der unteren Kaste, welche ein Thier bis
zum Tode mit guten Flinten verfolgten, ist die Jagd sehr an-
regend. Man mufs in das tiefste Dickicht der Wälder drin-
gen, mufs alles Kochen vermeiden wegen des Geruchs, und
alle Kleidung w^egeiü der ungewöhnlichen Farben. Drei oder
vier Mann nur mit Wasser und geröstetem Korn versehen,
gehen in die Nachbarschaft des bekannten Aufenthalts einer
Heerde, und indem sie aus Furcht vor Tigern in einem
Baume ihren Aufenthalt nehmen, steigen sie täglich herab,
um die Ochsen auf ihrem Weideplatz zu beschleichen, Ist
das Wild aufgefunden, vertheilen sich die* Jäorer unter dem
266
Schutz des Jangal und umgeben den kleinen Grasplatz. Da-
bei hüten sie sich sorgfäitiji^ zwischen den Wind und den
Adel (nobility) des Gauri zu gcrathen, denn er hat einen aus-
gezeichneten Geruchssinn, uud sollte sich sein scharfes Auge
zweifelnd auf den sich rührenden Jiiger richten, so mufs er
sogleich stock still stehen, bis der Argwohn geschwunden ist.
Auf diese Weise geschieht die Annäherung und oft ohne Er-
folg wegen der W^achsamkeit der Heerde, die sich bei dem
geringsten ungewöhnlichen Vorfalle sogleich in das dicke
Jangal zurückzieht und oft mit einer in Hinsicht auf die
Gröfse der Thiere bewundrungswerthen Eile. In einem sol-
chen Falle ist die Hoffnung des Tages gänzlich vereitelt.
Wird aber kein Arwohn erregt und gelingt es der Jagdpartie
oder einzelnen Gliedern derselben bis innerhalb 30 — 40 Schritt
heranzukriechen und einen Baum zum Rückzuge zur Ha-ad zu
haben, so wird Feuer gegeben, und sogleich der Baum er-
stiegen, wenn der Angriffspunkt vom verwundeten Thiere er-
späht ist. Wenn nicht, so wird das Versteck beibehalten
und das Feuer wiederholt, denn selten ist es auf einmal tödt-
lich, und es ist möglich, dafs die ganze unwillige Heerde,
aber mehr wahrscheinlich, dafs das verwundete Individuum
den Rückzug versclimäht und nur seinen Angreifer zu ent-
decken sucht. W'ehe ihm, wenn er entdeckt wird und nicht
seinen Baum erklimmen kann, denn das leidende Thier wird
eine furchtbare Rache nehmen, und nicht zufrieden gestellt
mit seinem Tode, noch seinen Leichnam mit den Hörnern
durchbobren und mit den Hufen zertreten. Hat der Jäger
den Baum erklommen, so giebt der Gauri einen ausgezeich-
neten Beweis seines unzähmbaren Muthes, gleichviel, ob es
dem Jäger gelungen ist seine Flinte mit hinaufzunehmen oder
nicht. Im letzteren Falle mufs er verhungern, wenn nicht
seine Kameraden den Gauri erlegen. Im ersteren kann er
seinen Vorsatz gegen das Thier ausführen; denn lebend wird
es nicht ohne Rache vom Flecke weichen; und selbst wenn
ihm eine Flinte geradezu in's Gesicht gerichtet und wieder-
holt abgefeuert wird, so wird das Thier docli fortfahren ge-
gen den Baum zu stofsen, und bis zum Tode seinen Angrei-
fer zu bedrohen. In Fällen, wo der unglückliche Erklctterer
des Baumes seine Waffen verloren, und seine Gefährten sich
267
gefürchtet haben, sogleich zu seiner Rettung herbeizueilen,
hat man es schon erlebt, dafs der Gauri seine Stelluno: am
Fufse des Baumes 24 Stunden lang behauptet hat und man
glaubt, dafs er nicht vom Platze gewichen sein würde, so
lange der Mann noch oben und das Thier nicht erlegt wäre.
Die Tharu's, ein Stamm der eingebornen Waldbewohner, be-
haupten, die Trächtigkeitsdauer der Gauri sei länger als die
der Kühe; und nach dem Aussehen des Fötus im Uterus kann
wenig Zweifel obwalten, dafs die Begattungszeit in den Februar oder
März fällt. Nur ein Kalb wird zur Zeit zur Welt gebracht.
Die unreife Leibesfrucht hat eine weifse Haut; die Hufe sind
goldgelb; der Kopf ist im Schädel vollkommen abgerundet.
Die Stimme des Gauri ist sehr absonderlich und ganz ungleich
der des Ochsen, Büffel und Bison, da ich mich aber nicht auf
die Sprachen der Thiere verstehe, sagt Hodgson, will ich
nicht versuchen, ihren Ausdruck in Silben zu bringen.
lieber einige Blocli'sclie Fisch -Arten
von
Dr. F. H. Troschel.
In der grofsen Naturgeschichte der Fische von Cuvier
und Valenciennes sind über manche Bloch 'sehe Arten
Zweifel ausgesprochen worden, deren Beseitigung für die
Wissenschaft nicht ohne Interesse sein kann. Natürlich kann
eine Aufklärung nur von denen geschehen, welchen dieBloch-
schen Originalexemplare zugänglich sind, und ich halte es
daher für meine Pfliciit, folgende Bemerkungen, welche mir
bei einer genaueren Revision der ichthyologischen Sammlung
des Königl. Berliner Museums aufstiefsen, hiermit zu ver-
öffentlichen.
1. Platycephalus sc ah er Bloch.
Im vierten Bande von Cuvier u. Valenciennes Hist.
nat. d. poissons p. 182. wird ein Flmycephauis beschrieben, zu
268
dem als zweifelhaftes Synonym Platycephaliis scaber Bl.
citirt wird. Die Verfasser spreclien schon bei diesem Arti-
kel die Vermuthung aus, dafs unter dieser Art zwei verscliie-
dene confundirt waren. Das Zoologische Museum besitzt
zwei Fische in Weingeist und in einem Glase aus der Bloch-
schen Sammlnng mit Flatycephalus scaber Bl. bezeichnet,
deso-leichen einen halben getrockneten Fisch mit Cottus scciber
bezeichnet. Freilich kann ich kaum annehmen, dafs eins von
diesen Exemplaren wirklich der Abbildung als Original ge-
dient habe, da alle drei viel zu klein sind. Ein wirkliches
Ori"-inal ist jedoch nicht vorhanden, und jedenfalls hat Bloch
selbst die Fische mit seinem PL scciber für identisch gehal-
ten. Diese drei Exemplare gehören aber zwei verschiedenen
Arten an, von denen die eine in Weingeist wahrscheinlich
Vlatyceplialus rodericensis Cuv. Val., die andere in Wein-
o-eist nebst dem trocknen Exemplar eine noch unbesichriebene
Art ist. Daraus geht also hervor, dafs die Bloch 'sehe Art
eine Collectivart war, und dafs sich bei dem nicht mehr Vor-
handensein des wirklichen Originals die Art nicht mehr mit
Sicherheit fesstellen läfst. — Vor einiger Zeit erhielt das
Zool. Museum auch drei Exemplare aus Paris von der Art,
welche Cuvier und Valenciennes für den Bloch'schen
Flatycephalus scaber hielten, und diese sind von deuBloch-
schen Exemplaren wiederum specifisch verschieden. Es han-
delt sich also hier um die Unterscheidung dreier Arten, von
denen man zwei mit gleichem Rechte Flatycephalus scaber
Bl. nennen könnte. Die Pariser Exemplare verdienen den
Namen am allerwenigsten. Bei einer solchen Verwirrung
scheint es mir am. zweckmäfsigsten den alten Collectivnamen,
(wenn nändich die Möglichkeit, die Sache aufzuhellen, aufge-
lioben ist) ganz auszustreichen, und die neu unterschiedenen
Arten auch neu zu benennen. Der Pariser Art lege ich da-
her den Namen Fl. suppositus , den Blochschen Exemplaren
Fl. rodericensis Cuv. FaL? und Fl. neglectus bei, bemerke
jedoch, dafs für den Fall, dafs Fl. rodericensis Cuv. Val.
\\\v\\i mit unserm Fische übereinstimmen sollte, dem unsrigen
noch ein neuer Namen gegeben werden müfslc. Ich lasse
jetzt eine vergleichende Beschreibung dieser drei Arten folgen:
209
a. Platycephalus suppositus IS oh.
Unter einander stimmen die drei vorliegenden Excmpiaro
sehr gut iiberein, so dafs die folgende Beschreibung auf alle
vollkommen pafst. Der Raum z^vischen den Augen ist sehr
wenig concav, und ungefähr so breit, wie der Durchmesser
der Augenhöhle. Vor jeder Augenhöhle steht ein ziemlich
starker Zahn, an welchen sich nach einer kleinen Einbucht
eine nach hinten gehende Leiste anschliefst (la crete surciliaire
Cuv. Val.), die in der Mitte einen stumpfen Zahn trägt, hin-
ter welchem noch zwei bis drei sehr kleine stumpfe Zähne
stehen, die einen kleinen nach innen convexen Bogen machen.
An sie schliefst sich als Verlängerung nach hinten eine andere
Leiste, auf der nach Cuv. et Val. vier gröfsere Zähne stehen
sollen, auf der ich aber in der That nur zwei, allerdings bei
weitem gröfsere finde: einen am Anfange gleich hinter der
Augenhöhle, so dafs er gleichsam in den Bogen gehört, den
die so eben besprochenen kleinen Zähne bilden, den zweiten
nach einem zahnlosen Zwischenräume von f der ganzen Lange
dieser Leiste, gerade über der Spitze des Präoperculums. Auf
der Leiste, die von der Mitte des Auges nach hinten zum
Schulterknochen geht, und die seitliche Grenze der oberen
Fläche des Kopfes bildet, auch sich unmittelbar in die Seiten-
linie des Körpers verlängert (la crete de la tempe Cuv. et
Val.), stehen in ziemlich gleichen Abständen vier Zähne, von
denen der dritte immer der kleinste, der zweite und vierte
immer die gröfsten sind. An diese Leiste schliefst sich, wie
bei den andern beiden in Rede stehenden Arten, das os super-
scapulare, welches gleichsam den fünften Zahn dieser Leiste,
oder wenn man will den ersten Stachel der Seitenlinie bildet.
Auf der dritten Leiste, Avelche auf dem grofsen Suborbital-
knochen verläuft, sollen nach Cuv. et Val. fünf bis sechs
Zähne stehen, was nur dann richtig ist, wenn man den gros-
sen Stachel des Präoperculums und den kleinen an dessen
Grunde mitzählt. Den Anfang derselben bildet ein Zahn vor
und unter dem Auge, ein zweiter Zahn findet sich ziemlich
vmter der Pupille, ein dritter unter dem Hinterrande der
Augenhöhle; an einem der drei vorliegenden Exemplare be-
findet sich nahe hinter diesem Zahne noch ein kleiner auf der-
selben Leiste, von dem aber in den beiden andern Exempla-
270
ren keine Spur ist. An diese Leiste schliefst sich der drei-
schneidige Zahn am Winkel des Präoperculums, der an sei-
nem Grunde nach aufsen einen kleinen Zahn trägt, und des-
sen Länge gleicli seiner Entfernung von der Augenhöhle ist
Unter ihm hat das Präoperculum noch zwei bedeutend klei-
nere Stacheln, von denen der obere der gröfsere ist, und nur
den vierten Theil so lang wie der grofse Stachel. Auf dem
Kiemendeckel finden sich drei Leisten: die untere ist die
schwächste, und verschwindet, ohne in einen Zahn auszulau-
fen; die mittlere verläuft quer über den Kiemendeckel, ist wie
die meisten Theile des Kopfes mit feinen crenulirten Linien
besetzt, trägt aber in ihrem Verlaufe keinen Zahn; die obere
ist kürzer, weniger deutlich und trägt ebenfalls keinen Zahn,
beide laufen aber in eine stachlige Spitze aus. Die Seitenlinie ist
mit 44 kleinen Stacheln bewaffnet, die bis hinter das Ende der
zweiten Rückenflosse selbst mit blofsen Augen deutlich zu be-
merken sind. Die Zahl der Flossenstrahlen wird bei Cuv. et
Val. anders angegeben, als sie sich in der Natur findet. Statt
B. 7; D. 8 — 12; A. 12; C. 18; P. 22; V. | mufs es heifsen
B. 7; D. 9 — 12; A. 13 etc. Der vordere Stachel der Rük-
kenflosse ist sehr klein und beträgt nur etwa den vierten
Theil des zweiten; der vierte ist der längste, und nun neh-
men die Zahlen so an Gröfse ab, dafs ihre Spitzen eine ge-
rade Linie bilden. Der letzte Stachel ist etwa von der
Gröfse des ersten, so dafs sich die letzten sechs Stacheln an
Länge verhalten umgekehrt wie die natürlichen Zahlen.
b. Platycephahis rodericensis Cuv. VaL ;
Der Raum zwischen den Augen ist nur halb so breit, wie
der Querdurchmesser der Augenhöhle, und weit mehr concav
als bei der vorhergehenden Art. Vor der Augenhöhle steht
wieder ein Zahn, an welchen sich nach Unterbrechung durch
eine kleine Einbucht eine Leiste anschliefst. Diese trägt je-
doch nicht einen Höcker auf der Mitte, sondern vier ziemlich i
gleich grofse Zähne, die einen weit längern und weniger ge-
krümmten Bogen bilden. Die Zähne auf der Verlängerung
dieser Leiste stehen ganz ebenso wie bei der vorigen Art,
nur hat die Leiste selbst einen sehr scharfen kleinen Kiel, wo-
gegen <lic Leiste der vorigen stumpf ist. Ueberhaupt ist die
271
Sculptur auf dem Kopfe eine ganz andoro. Wenn gleich die
ganze Oberfläche desselben eine feinkörnip^e Bescliaffenheit hat,
so bemerkt man doch nicht die Linienbildung, welche bei PI.
suppositus so sehr auffallend ist. Ein (freilich selir feiner)
Unterschied thut sich ferner noch darin kund, dafs auf der
Mittellinie vor den Augen sich an PL rodericensis? eine
kleine Längsfurche zeigt, die durch zwei parallellaufende, sehr
kleine, äufserst fein crenulirte Leisten gebildet wird. Auf der
Schläfenleiste stehen die Zähne ebenso wie bei der vorigen
Art, nur steht der vorderste viel dichter an dem Augenhöh-
lenrande. Das OS superscapulare ist von derselben Beschaffen-
heit, aber verhältnifsmäfsig weit kürzer. Die untere Leiste auf
dem grofsen Suborbitalknochen stimmt besser mit der Cuvier-
Valenciennes'schen Beschreibung als die Pariser Originalexem-
plare, denn auf ihr befinden sich allerdings sechs starke Zähne,
einer vor und unter der Augenhöhle, ein zweiter unter der
Pupille, der dritte unter dem Hinterrande der Augenhöhle, und
hinter ihm bewaffnen noch drei fast eben so starke Zähne die
I Fortsetzung dieser Leiste. Der Stachel des Präoperculuras
I mit seinem kleinen Zahne auf der Basis bildet auch hier gleich-
\ sam eine Fortsetzung dieser Leiste; er ist ebenfalls dreischnei-
dig, ist aber so lang, dafs er nach vorn gewendet noch fast
in das erste Drittel der Augenhöhle hineinreichen würde, was
wohl besonders dadurch hervorgebracht wird, dafs der Raum
hinter der Augenhöhle verhältnifsmäfsig höher und kürzer ist.
Die Zähne unter dem Hauptstachel wie bei PI. suppositus.
Die untere Leiste auf dem Kiemendeckel ist kaum zu bemer-
ken, die mittlere trägt auf ihrem vorderen Theile zwei starke
spitze Zähne, die obere ist sehr kurz und läuft in eine starke
■ nach oben gerichtete zahnartige Spitze aus. Die Seitenlinie
jist nur bis zum Anfange der zweiten Rückenflosse mit 21
i spitzen Zähnen bewaffnet, die bis zu ihrem Aufhören an Gröfse
allmählig abnehmen; weiterhin ist selbst mit der Lupe keine
Spur eines Zahns zu bemerken, wenn gleich die Seitenlinie
selbst deutlich genug markirt bis zur Schwanzflosse verläuft.
Die Zahl der Flossenstrahlen ist: B.7; D.9— 12; A.12; C...
|P. 21; V. |. Der vojdere Stachel der ersten Rückenflosse
ist ebenfalls sehr klein, aber der dritte ist schon von allen
der längste, von wo die folgenden nach hinten zu allmähiis'
272
an Gröfse abnehmen; der letzte neunte Stachel ist zum Ver-
schwinden klein, und ganz nach hinten gerichtet.
0. Tlatyceplialus neglectus Nol).
Der Raum zwischen den Augen beträgt etwa f des Queer-
durchmessers der Augenhöhle, ist zwar mehr convex als bei
PL suppositus , aber weit weniger als bei rodericensis , so
dafs er zwischen diesen beiden Arten die Mitte hält. Der
Zahn vor der Augenhöhle ist vorhanden, eben so nach der
kleinen Einbucht der Superciliarleiste, jedoch mit fünf (am
trocknen Exemplar sechs) spitzen Zähnen, an welche sich
unmittelbar ein sechster reiht, der dem ersten Zahne der
Fortsetzung dieser Leiste in den beiden anderen Arten ent-
spricht. Er schliefst sich so an die vor ihm stehenden Zähne
an, dafs man ihn kaum noch als den Anfang der nun folgen-
den Leiste, von der ihn ein Einschnitt trennt, ansehen kann.
Diese Leiste erhebt sich in einen scharfen Kiel, welcher vor
dem Zahne auf f seiner Länge, der ebenso wie in den bei-
den vorigen Arten vorhanden ist, bei dem Weingeist-
exemplare noch die Andeutung zu zw^ei bis drei Zähn-
chen trägt; am trocknen Exemplare sind dieselben kaum noch
wahrzunehmen. •
Die Sculptur des Kopfes ist hier wieder eine andere, in-
dem statt der Crenulirungen nur schwache erhabene glatte
Linien auftreten. In der Mittellinie vor den Augen findet sich
auch eine Furche, bei der aber die begrenzenden Leisten
vollkommen glatt sind. In der Mittellinie , gerade über dem ^
Winkel des Praeopercülums findet sich eine kleine glatte er-
habene Längsleiste, die den beiden anderen Arten fehlt. Diei
Schläfenleiste trägt dieselben vier den beiden vorigen Arten i
zukommenden Zähne, nur bei dem Weingeistexemplar findet'
sich noch ein kleinerer fünfter, der zwischen dem ersten und!
zweiten Zahne, näher dem zweiten steht. Das os supersca- '
pulare ist etwas länger als bei PL rodericensh , und gleicfTt •
daher wieder mehr dem von suppositus. Die untere Seiten-
leiste trägt mehrere Zähne. Der vorderste derselben vor der
Augenhöhle ist sehr klein , und hat hinter sich zwei eben-
falls sehr kleine Zähne , der vierte steht unter der Pupille,
der fünfte unter dem liinterraude der Augenhöhle, und dann
273
folgt bei den Weingeistexemplaren ein glatter scharf vortre-
tender Kiel, der bis zum Stachel des Praeoperculums geht;
(las trockene Exemplar hat auf diesem ebenso langen Kiele
noch drei Zähne; der Praeopercularstachel ist weit kürzer
als in beiden vorhergehenden Arten, und ^eine Lange beträgt
nur etwa die Hälfte der Entfernung seiner Basis, die auch
einen kleinen Zahn trägt, von dem Augenhöhlenrande. Er ist
ebenfalls dreischneidig. Die Zähne unter dem Hauptstachel
sind verhältnifsmäfsig stark, der obere ist halb so lang wie
der Stachel, und doppelt so lang wie der untere Zahn. Die
untere Leiste auf dem Kiemendeckel verschwindend, die mitt-
lere einen scharfen aber ganz glatten Kiel bildend, die obere
kurz und in einen ziemlich schwachen Zahn auslaufend. Die
Seitenlinie ist mit 52 starken spitzen Zähnen bis zur Schwanz-
flosse bewaffnet. Die Zahl der Flossenstrahlen:
B. 7. D. 9 — 12. ^. 12. C... P. 20. F. 1.5.
Der vordere Stachel der ersten Rückenflosse ist verhältnifs-
mäfsig noch kleiner, als bei den beiden andern Arten; der
dritte ist der längste von allen.
Eine vergleichende Tabelle der Maafse der drei Arten in
Pariser Linien mag hier eine Stelle finden. Von PL suppo-
Situs hat jedes der drei vorhandenen Exemplare seine beson-
dere Columne. Bei dem trockenen Exemplare liefsen sich
die Maafse nicht mehr mit Sicherheit angeben, daher bleiben
sie lieber ganz weg»
■Ganze Länge
iBreite am Grunde des Präopercular-
stachels , . . . .
Entfernung der Augen von einander .
Queerdurchmesser der Augenhöhle . .
Längsdurchmesser der Augenhöhle . .
Länge von der Spitze des Oberkiefers
bis zur Rückenflosse
Entfernung der Oberkieferspitze vom
Präopercularstachel
Länge des Os superscapulare ....
Länge des Präopercularstachels . . ,
Entfernung der Spitze des Unterkie-
fers vom After
Wiegm. Arcbiv. VI. Jahrg. 2. Band.
Platycephalus
suppositus.
i.
2.
97
15
3,5
4,5
5,75
28,5
20
2,6
6,6
43,5
89
13,3
3
4
5,1
25
17,6
2,3
6,5
41,5
89
13,3
3
4
5,1
25
17,6
2,3
6,6
41,3
18
6S
12
1,75
4
4,25
19
14
1,5
4,75
36,6
68,5
10,5
2
3
3,75
18,5
11
2
2,5
31,5
274
Länge d. erstenRückenflosse am Grunde
Länge des ersten Stachels derselben .
Länge des zweiten
Länge des dritten
Länge des vierten
Länge der zweiten Rückenflosse am
Grunde
Länge des ersten Strahls derselben
Länge der Brustflosse vom obern Grunde
zur Spitze
Länge der Bauchflosse vom untern
Grunde zur Spitze
Länge der Afterflosse am Grunde . .
Länge der Schwanzflosse
Gröfste Entfernimg der Seitenlinien von
einander
Platyrephahis
sujtpositus.
1 . '
«^ Jü
•««i, ^
1. 2.
3.
17,6
17
15,5
12,5
12
2,6
2,5
2,25
1,5
10
9,3
9,3
8
6,5
12
10,5
11
8,5
7,3
12,3
—
11
8
7
25
23,5
24
18,5
21
12
11
10,5
7,5
7,5
11,25
9,5
10,5
7,3
7
17
15
15
11,5
11
28,5
27,5
26,5
21
22
15,5
14,6
14
10
8
8
7
7
6
5,5
\
2. Scorpaena gihhosa Bloch.
Nach der Beschreibung von Scorpaena hiifo in Cuvier
und Valenciennes Histoire naturelle des poissons tome IV.
p. 226. sprechen die Verf. die Vermuthung aus: „es wäre
nicht unmöglich, dafs die Scorpaena gibhosa Bl. (VA. Syst.
ed. Schneider p. 192. pl. 44.) zu dieser Art gehöre, und nach
einem trockenen Exemplare gezeichnet sei, an dem die Lap-
pen (Jamheaux) verschwunden seien; die Figur Aväre jedoch
dann eine ungenaue in Beziehung auf die Vertheilung der
Farben und der Dornen am Kopfe, und an der man ganz
vernachlässigt hätte, die Gröfse des zweiten Stachels der Af-
terflosse anzudeuten."
Die Diagnose, welche Schneider 1. c. giebt, ist freilich
nicht ausführlich genug, um einen Unterschied von Sc. hufo
Cnv. Val. anzugeben, denn sie pafst auf beide Arten recht
gut. Da nun auch als Vaterland Amerika augegeben wird,
so war es natürlich, dafs die berühmten Verfasser der Hist.
nat. des poissons die Abbildung für mangelhaft hielten, und
die Möglichkeit einer Identität beider Arten aufstellten.
Die Abbildung der Bloch 'sehen Art (Taf. 44.) ist zwar
nach einer Vergleichung mit dem Originalexemplare, das sich
im hiesigen Königl. Zool. Museo befindet, nicht ganz genau,
indessen doch, namentlich in Beziehung auf die Vertheilung
der Farben vollkommen kenntlich, so dafs man sie mit Recht
nach Abzug einiger Mängel eine für den damaligen Standpunkt
gute Abbildung nennen kann.
Da sich in der letzten Sendung von Fischen aus dem
pariser Museum eine Scorpaena hufo Cuv. J^cil. befindet,
so habe ich eine genaue Vergleichung beider Arten anstellen
können.
Das hiesige Museum besitzt aufser dem Bloch' sehen
Exemplare, zu welchem die Amerikanische Küste als Fund-
ort angegeben ist, noch ein Exemplar vom Grafen v. Bork
aus unbekanntem Vaterlande, und ein Exemplar, das der
Professor M eye n aus China mitgebracht hat» Alle drei stim-
men bis in's kleinste, bis auf Armatur und Zeichnung so gut
überein, dafs es keinem Zweifel unterliegt, sie gehören der-
selben Species an. Auffallend wäre es nur, dafs der Fund-
ort ein so verschiedener sein sollte. Da jedoch Bloch wohl
öfter sich in diesem Punkte getäuscht hat, und da der von
Meyen angegebene keinem Zweifel unterliegt, so ist es wahr-
scheinlich, dafs alle drei aus dem Chinesischen Meere stam-
men, was schon für die Verschiedenheit von Sc. hufo spricht.
Eine gründliche Vergleichung bestätigt letztere vollkommen,
und ich hoffe durch folgende vergleichende Beschreibung die
Scorpaena gibhosa BL der Wissenschaft als Species zu
retten.
Die allgemeine Körperform, so wie die grofsen schon
von Schneider in Bloch's Systeme angegebenen Furchen:
eine Querfurche vor den Augen und eme Längsfurche zwischen
denselben stimmen bei beiden Arten überein, doch zeigt sich
schon darin ein Unterschied, dafs die Furche zwischen den
Augen von der Vertiefung hinter denselben bei Sc. gibhos a
nur durch eine sehr geringe Querleiste getrennt ist, wogegen
bei Sc. hu/o diese Leiste weit bedeutender hervortritt. Der
obere Augenhöhlenrand ist bei beiden sehr stark hervortre-
tend und durch kleine Einschnitte gleichsam in drei Abthei-
lungen getheilt, die jedoch bei Sc. gihhosa weit deutlicher
sind. Bei dieser besteht die vordere Abtheilung aus vier mit
einander verwachsenen Stacheln, welche vom Rande aus, wo
sie als starke Crenulirnno-en mit ihren Spitzen frei liervortre-
18*
276
ten, als starke Leisten bis zur Basis verlaufen; die mittlere
trägt auf dem Rande vier ziemlich starke, gleich grofse spitze
Zähne; die hintere ist die kleinste und am Rande crenulirt.
Am Innern Grunde dieser Abtheilung findet sich eine Grube,
hinter welcher sich ein starker Zahn erhebt, zwischen wel-
chem und dem ihm auf der andern Seite entsprechenden die
schwache Erhebung liegt, welche die hintere Vertiefung
von der Furche zwischen den Augen trennt. Die diese Ver-
tiefung begrenzende Leiste setzt sich nach hinten in einen mit
vier starken stumpfen Höckern gekrönten Kamm fort. Bei
Sc. hufo ist die vordere Abtheilung des oberen Augenhöhlen-
randes der von Sc. gibhosa ähnlich, doch ist die Crenulirung
am Rande weniger deutlich; die mittlere ist sehr lang, besteht
aus einer langen glatten Leiste, die nur hinten in einen klei-
nen Zahn ausläuft ; die hintere wird durch einen einzigen sehr
starken Zahn gebildet. Die Leiste, welche die hinter den
Augen gelegene Vertiefung begrenzt, ist schwächer als bei Sc.
gibhosa, und ihre Fortsetzung nach hinten trägt nur zwei
von einander entfernte, ziemlich stumpfe Zähne. Die übrige
Armatur des Kopfes stimmt recht gut bei beiden Arten
überein, nur könnte man wohl noch als Unterschied an-
geben , dafs der Dorn an der Nase ( Fepine nasale Cuv.
Val.) verhältnifsmäfsig bei Sc. gibhosa viel kleiner ist, wenn
gleich er ebenfalls crenulirt erscheint. Eine Vergleichung der
Hautlapen, welche bei Sc. gibhosa in grofser Menge die ver-
schiedenen Theile des Körpers bedecken, kann ich nicht an-
stellen, da sie an den vorhandenen Exemplaren von Sc. gib-
hosa zum Theil, an dem von Sc. hvfo aber fast ganz fehlen.
Die Färbung der beiden Arten stimmt, soweit sich dies
nach Weingeist -Exemplaren bestimmen läfst, in sofern über-
ein, als sich auf hellerem Grunde dunkle braunschwarze Bin-
den und Marmorirungen finden. Unterschiede möchten fol-
gende sein. Auf der Schwanzflosse findet sich bei Sc. hufo
eine dunkele Querbinde am Hinterrande, eine zweite in der
Mitte, und die Andeutung einer dritten am Grunde; bei Sc.
gibhosa finden sich nur zwei Binden aber breitere, eine am
Hinterrande, die andere am Grunde der Schwanzflosse. Die
Bauchflossen sind bei Sc. gibhosa weit dunkler gefärbt und
haben nur wenige helle Flecke, besonders nach dem Grunde
277
zu. Die Brustflossen haben auf der äufseren Fläche bei Sc.
hufo drei Querbinden, Lei Sc. gihhosa nur zwei, von denen
die stärkere fast ganz an den Rand gedrängt ist. Als Haupt-
merkmal zwischen beiden Arten mufs man aber, da es bei der
Bestimmung am klarsten in die Augen fällt, angeben, dafs bei
Sc. gihhosa die Achsel der Brustflossen gelblich ist, mit
dunkelbraunen Flecken, wogegen sie bei Sc. hiifo dunkel-
braun ist mit milchweifsen Flecken.
Was die Zahl und das Verhältnifs der Flossenstrahlen
anlangt, so finden sich auch da einige Verschiedenheiten:
Sc. hitfo D. 12 — 10. A. 3. 5. P. 20.
Sc, gihhosa D. 12 — 10. A. 3. 5. P. 17. vel 18.
Die Rückenflosse hat bei beiden Arten 12 Stachelstrah-
len, von denen der erste nur etwa halb so lang ist, wie
der zweite. Der vierte ist der längste und von da an neh-
men sie etwas an Gröfse ab. Bei Sc. hufo ist der zwölfte
etwas länger als der vorhergehende, bei Sc. gihhosa aber ist
der zwölfte fast noch einmal so lang wie der elfte. Merk-
würdig ist es, dafs Schneider sowohl in Bloch 's Systema,
wie Cuvier und Valenciennes die Zahl der weichen
Strahlen der Rückenflosse auf neun angeben, obgleich, bei
allen vier vorliegenden Exemplaren zehn vorhanden sind, In
der Afterflosse beider Arten finden sich drei Stacheln, von
denen in beiden der erste kaum die Hälfte des zweiten an
Länge erreicht, in dem. Verhältnifs des zweiten und dritten
jedoch liegt ein Unterschied. Bei Sc. gihhosa sind beide fast
gleich lang und gleich stark, bei Sc. hufo dagegen ist der
zweite etwas länger und übertrifft den dritten bedeutend an
Stärke. Cuvier und Valenciennes thun also der Bloch-
schen Abbildung Unrecht, wenn sie ihr vorwerfen, man habe
vernachläfsigt die Gröfse des zweiten Stachels der Afterflosse
anzudeuten. In den Brustflossen hat das vorliegende Exem-
plar von Sc. hvfo zwanzig Strahlen; die von Sc, gihhosa
stimmen nicht ganz überein; es finden sich nämlich in dem
Exemplare des Grafen v. Bork achtzehn, in denen von Bloch
und von Meyen dagegen nur siebenzehn.
Jedenfalls glaube ich durch diese genaue Vergleichung
aufser Zweifel gesetzt zu haben, dafs die Bloch'sche Sc,
gihhosa als gute von Sc. hufo verschiedene Species aner-
278
kauiit werden müsse. Man kann vielleicht bei ihrer grofsen
V^ervvandtschaft sie als sich ergänzende Species im Indischen
nnd Amerikanischen Meere ansehen.
3. Mugil cephalus Bloch.
In Cuvier und Valenciennes Hist. nat. XI. p. 65.
(^Octavausgabe) findet sich folgende Bemerkung: „da Bloch
nicht die Species unterschieden hat, so ist es schwer genau
zu sagen, welche sein Mugil cephalus war, seine Figur
scheint dem Mugil capito zu gleichen, aber der Suborbital-
und der Maxillarknochen sind nicht genau genug eingegeben,
und es ist nicht möglich gewesen, sein Original zu finden."
Dafs Bloch unter dem Namen JMugil cephalus mehrere
Arten verwechselt hat, ist gar keinem Zweifel unterworfen,
wenn man seine noch vorhandenen Exemplare mit einander
vergleicht. Es sind deren fünf getrocknete, freilich sehr
schlecht erhaltene, und drei in Weingeist in einem Glase vor-
handen. Auf seine Beschreibung passen alle Exemplare, und
es möchte sich wohl kaum der Mühe verlohnen, zu bestim-
men, welche Art der von ihm Taf. 394. abgebildete Fisch
vorsteilen soll. Dafs diese Abbildung nicht zu den genausten
gehört, geht schon daraus hervor, dafs die Strahlen in der
ersten Rückenflosse gleiche Zwischenräume haben, was doch
bei keinem einzigen Mugil der Fall ist, im Gegentheil sind
die drei vorderen Strahlen auffallend genähert. Uebrigens
stimmt doch die Abbildung zu einem unserer von Bloch her-
rührenden getrockneten Exemplare so gut, dafs ich mit Be-
stimmtheit annehmen zu können glaube, dasselbe habe der
Bloch' sehen Abbildung als Originell gedient. Es ist das am
besten erhaltene, zugleich das gröfseste und gehört offenbar
der von Risso aufgestellten Art Mugil auratus an, wie es
auch schon Valenciennes erkannt liat, der offenbar dies
Exemplar meint, von dem er I. c. p. 65. angiebt, Bloch habe
es von Lissabon durch den Grafen v. Iloffmannsegg erhal-
ten. Drei andere trockene Exemplare und die Wcingoistcx-
emplare gehören der Art M. capilo an, und das noch übrige
trockene Exenijilar ist ein 31. salicfis Risso. Demnach
verwechselte Bloch drei Arten unter dem Namen M. ce-
phalus, während er den echten M. cephalus, den er von
279
der Küste von Guinea erhalten hatte (vergl. Cuv. Val. Hist.
nat. d. poiss. p. 101.) als neue Art M. tang beschrieb und
abbildete. Diese Abbildung ist freilich sehr schlecht, die im
Bloch Systema ed. Schneider gegebene Abbildung des M.
tang ist offenbar nur Copie der Bloch'schen im verjüngten
Maafsstabe.
4. Cossyphus Anchorago {Sparus Anchor ago
Bloch.)
In dem Artikel Tautoga fasciata (Cuv. et Val. Hist. nat.
des poissons XIII. p. 307.) finden wir folgende Bemerkung
von Valenciennes: J'avais cru que Ton devait aussi en rap-
procher le Sparus anchorago de Bloch pl. 177*); mais
j'avoue que ce rapprochement ne me parait pas possible; en
meme temps je suis oblige de dire que j'ignore tout-a-fait ä
quelle espece il faut rapporter cette figure, qui est peut-etre
Celle d'un labre ou d'un cossyphe.
Dieser Zweifel würde wohl nicht leicht gehoben werden
können, wenn sich nicht das Bloch' sehe Original-Exemplar
in Weingeist noch im hiesigen Königl. Zool. Museo befinde.
Wenngleich dasselbe nicht eben schön erhalten ist, indem es
mehrfach genäht und geflickt ist, so befindet es sich doch in
einem solchen Zustande, dafs man auf den ersten Blick er-
kennt, dafs es der in Rede stehenden Abbildung von Bloch
als Original gedient habe. Dieselbe ist im Ganzen recht treu
zu nennen; besonders charakteristisch ist die Gestalt der vor-
deren grofsen Zähne, welche Veranlassung zu dem Namen
gegeben hat. Die Form der Schwanzflosse weicht in sofern
ab, als sie abgerundet erscheint, wogegen sie auf der Tafel
mondförmig ausgeschnitten dargestellt ist; das mag jedoch
darin liegen, dafs diese Flosse an dem Exemplare stark ver-
stümmelt ist, so wie denn der ganze Schwanz nur noch lose
an dem Kürper hängt, und mittelst einiger Zwirnfäden ange-
heftet ist; sie mag wohl im completen Zustande der abgebil-
deten Form entsprochen haben. Was die Farben betrifft, so
sind sie fast ganz ausgebleicht, indessen bemerkt man doch
noch Spuren von den breiten dunkleren (Juerbinden, welche
*) Spams anchorago BL steht auf der 276sten Tafel,
280
auf der Abbildung angegebeu sind. Von den Flecken auf der
Rückenflosse ist kaum noch eine Spur vorhanden. Die Sei-
tenlinie stimmt gut mit der Abbildung. Aufserdem spricht
für die Richtigkeit des Exemplars die Etiquette, welche den
Fisch als von Bloch herstammend bezeichnet, und den
Bloch'schen Namen Sparus anchorago enthält. Uebrigens
stimmt die Bloch'sche Beschreibung (Naturgeschichte der
ausländischen Fische V. p. 108.) vollkommen mit dem Exem-
plare. Als Fundort wird das Mittelmeer angegeben, ob das
seine Richtigkeit hat, lasse ich dahingestellt.
Nachdem wir uns so überzeugt haben, dafs wir es mit
dem ächten Bloch'schen Exemplare zu thun haben, kommt
es nur noch darauf an, den Fisch zu bestimmen. Dafs der-
selbe der Gattung Cossyphus angehört, zeigt auf den ersten
Blick die Zahnbildung. Hinter den sehr starken vordem co-
iiischen Zähnen finden sich in mehreren unregelmälsigen Rei-
hen die der Gattung eigenthümlichen kleinen runden körnigen
Zähnchen, welche man auch in der Abbildung ziemlich deut-
lich angegeben findet. Unter den Arten des Cuvier u. Va-
lencienn es 'sehen Werkes ist aber keine, welcher man den
Bloch'schen Fisch zuzählen könnte. Viele Aehnlichkeit hat
er zwar mit dem Cossyphus hodianus Cuv. Val., und je-
denfalls ist er mit ihm am nächsten verwandt, indessen un-
terscheidet er sich doch von ihm sehr auffallend.
Die vorderen Zähne sind sehr stark entwickelt. Im Ober-
kiefer finden sieh ganz vorn zwei von etwa drei Linien Länge ;
diese sind nach unten und vorn gerichtet und etwas gekrümmt,
hinter ihnen findet sich im Abstände von etwa einer Linie
jederseits wiederum ein ähnlicher Zahn, der jedoch nur etwas
über eine Linie lang ist. Zwischen und hinter den beiden
gröfsereu Zähnen finden sich zwei kleinere, die gleichsam als
die ersten von den hintern körnigen Zähnen angesehen wer-
den können, vor denen sie sich jedoch durch ihre Gröfse aus-
zeichnen. Im Unterkiefer stehn vorn dicht neben einander
vier sehr starke conische Zähne, von denen die äufsern nach
oben und aufsen gekrümmt sind. Cossyphus hodianus da-
gegen hat in jedem Kiefer vier conische Zähne, von denen
jedesmal die inneren die kleineren sind. Der Suborbitalkno-
cheu ist bei C. anchorago viel breiter und länger, so dafs
281
die Entfernung des Mundwinkels vom Auge mehr als zwei-
mal den Durchmesser des Auges beträgt, wogegen diese Ent-
fernung bei C. hodianus den E^rchmesser des Auges nur
wenig übertriflft. Während bei letzterem die Bauchflossen ge-
rade unter den Brustflossen, und fast noch ein wenig vor
ihnen entspringen, und nur eben bis zum After hinreichen,
so nehmen sie bei C. anchorago etwas hinter den Brustflos-
sen ihren Anfang, wie es Bloch in seiner Beschreibung ganz
richtig angiebt, und sie ragen dafür nicht nur über den After,
sondern sogar bis über den Anfang der Afterflosse hinaus.
Die Höhe des Körpers ist nur dreimal in der ganzen Länge
enthalten, wogegen dies Verhältnifs bei C. hodianus wie 1:4
ist. Eine detaillirte Beschreibung der Flossenstrahlen läfst
sich nach dem vorhandenen Exemplare nicht füglich machen;
jedoch kann w^ohl ohnehin die Art als hinreichend charakteri-
sirt angesehen werden. Es versteht sich von selbst, dafs die-
ser Art der Bloch'sche Name erhalten werden mufs, und
ich gebe das Thier als Cossyphus anchorago der Wissen-
schaft wieder.
Diagnosen der neuen Mäuse ,
welche auf Darwin 's Reise entdeckt wurden.
Beschrieben von
G. R. Waterhouse.
(Schlufs.)
Drei der Gattung Mus verwandte Arten zeigen eine ge-
ringe Modification nicht nur in der äufseren Gestalt, sondern
auch im Zahnbau. Ihr Pelz ist weich, seidenartig; ihr Kopf
grofs, die Vorderfüfse sehr klein und zart; Tarsus mäfsig
lang und unterhalb kahl ; Zahl und Proportion der Zehen wie
bei den wahren Mäusen; Schwanz mäfsig lang und dicker be-
haart als bei den typischen Ratten. Ohren grofs, behaart.
282
Zwölf Backenzähne mit Wurzeln; die Schmelzfalten dringei».
tiefer in den Zahn ein, so dafs die Kronen in quere und
etwas rautenförmige oder dreieckige Lappen getheilt werden.
In dem vorderen Backenzahne bildet der Schmelz 2 Falten,
sowohl an der Aufsen- wie an der Innenseite; am zweiten u,
dritten Zahne im Ober- und Unterkiefer bildet er aufsen wie
innen nur eine Feilte. In dem vorderen Backenzahne des
Unterkiefers tritt der Schmelz innen mit 3, aufsen mit 2 Fal-
ten ein. Sie bilden die Untergattung Phyllotis.^^
31us (P/iylJoiis) Dnrwlnü. M. supra pilis cinnamomeis et
nigrescentibus intermixtis; ante oculos cinerascentibus; genis la-
teribus corporis, et cauda prope basin, fulvo -cinnamomeis; par-
tlbiis inferioribus pedibusque albis; aurlbus permagnis, fere nu-
dis; cauda caput corpusque fere aequante, supra fusco-nigricante,
subtus alba.
unc. lln.
Longltudo ab apice rostri usque ad caudae basin 6 0
caudae 4 9
- - ab apice rostri ad niarglnem oculi 0 8^
- - ab apice rostri ad basin auris ... 14^
tarsi dlgitorumque 1 1^-
auris 0 llj
Auris latitudo 0 11|
Hab. Coquimbo.
IMits (PhylJoiis) ocaniJiopygus. M. supra palllde brunneus
flavo-lavatus, ad latcra flavcsccns, subtus albus, capite grises-
cente; natibus flavis; pedlbus albis; auribus uiajuscuh's pilis al-
bis et flavis intermixtis obsitls; cauda longltudlneni corporis fere
aequante, supra nigricanle; subtus alba; vellerc longo et niolll;
pilis corporis Omnibus ad basin plumbeis ; mystacibus periongis
albescentibus, ad basin nigris.
une. lin.
Longltudo ab apice roslrl usque ad caudae basin 5 3
caudae 3 10
- - ab apice rostri ad marglnem oculi 0 6J
ab apice rostri ad basin auris ... 13
iarsi dlgitorumque 1 1
auris 0 7
Auris latitudo 0 G;J
Hab. Santa Cruz.
Mus (Phyi/olis) gr'iseo-flaviis. M. supra griseus flavo -lava-
tus, ad lalera ilavus, subtus albus; pedlbus albis; aurlbus ma-
gnis cL f(;re nudls; cauda caput corpusque fere aequante, supra
fusco-nigricante, subtus alba; vellerc longo, molll; pilis basi
plumbeis.
*) PJnjUotis von 'bvli.uv ein ßlatt und Ovq uiio?.
283
unc. lin.
Longltiido ab apice rostri iisque ad caiidae basin 6 8
caudae 5 6
- - ab apice rostri ad marglnem ocull 0 8
- - ab apice rostri ad basin auris ... 1 4-1
tarsi digitorumque 1 2^
auris 0 8j^
Latitudo auris 0 8|^
Hab. Rio Negro.
Reithrodon,^^ Nov. Gen.
Dentes primores -|, inferloribus acutis, gracillbus, et antice
laevibus; superioribus gracilibus, antice longitudlnaliter sulcatls.
Molares utrinque -f radicati; primo maximo, ultimo minimo:
primo superlore plicas vitreas duas externe et interne alterna-
tlm exhibente; secundo et tertio, plicas duas externe, interne
unam; primo inferiore plicas vitreas tres externe, duas interne;
secundo, plicas duas externe, unam interne; tertio unam externe
et interne, exhibentibus.
Artus inaequales: antipedes 4-dactylI, cum polllce exiguo
unguiculato: pedes postici S-dactyll, digltls externis et Internis
brevissimls.
Ungues parvuli et debiles. Tarsi subtus pllosl.
Cauda medlocris, pills brevibus adpressis instructa.
Caput magnum, fronte convexo: oculls magnis: auribiis
medlocribus.
Pelz sehr lang, welch, aus zweierlei Haar. Der grofse
Kopf und die grolsen Augen geben diesen Thleren eine ent-
fernte Aehnllchkeit mit kleinen Kaninchen.
Rehliroäoii iypicus. Relthr. vellere supra puls flavescentl-
fuscls et nigrescentibus intermixtls composito; reglone circa
oculos, genis laterlbusque corporis auratis, pllls pallide fuscis
intermixtls; partIbus inferloribus auratis; rhinarlo ad latera fla-
vescentl-albo ; aurlbus magnis, intus pllls flavis, extus flavis et
fuscis, indutls; cauda supra pallide fusca, subtus sordide alba;
pedibus albls.
unc. lln.
Longitudo ab apice rostri usque ad caudae basin 6 0
- - ab apice rostri ad marglnem oculi 0 8^
- - ab apice rostri ad basin auris ... 1 4^-
tarsi digitorumque 1 2^
-^ - auris 0 8^
Latitudo auris 0 8^
Hab. Maldonado.
RehJiroäon cun'iculoides. Relthr. supra griseus, flavo-lava-
tus, pllls iilgris Intermixtls; abdomine gulaque pallide flavis; na-
tlbus albls; pedibus albls; aurlbus medlocribus, intus pilis flavis,
0 PeiOQog, eine Furche; VSovg.
284
extus pllls palllde flavis, obsitis, macula nigrescenle ad margl-
nem anteriorem posita; pone aures, nota magna albescenti-flava;
cauda corpore brcviore, supra palllde fusca, subtus alba.
unc. lin.
Longitiido ab apice rostrl iisque ad caudae basin 6 5
caudae 3 3y
ab apIce rostrl ad marglnem oculi 0 9^
- - ab apice roslrl ad basin auris ... 14
tarsi digitorumqiie 1 4^
auris 0 4
Hab. Sancta Cruz.
^hrocoma.*)
Dentes primores ^ acut!, eradlcatl, antice laeves: molares
iitrinque \ subaequales, Ulis maxillae superioris in areas duas
transversales ob plicas vitreas acute Indentatas divisis; plicis
utriusque lateris vix aeque profundis; Ulis mandibulae inferioris
in tres partes divisis, plicis vitreis bis interne, semel externe
indentatis, area prima saglttae euspidem fmgente, caeteris acute
triangularibus.
Artus subaequales.
Antipedes 4-dactyli, externo brevisslmo, intermediis longls-
slmis et fere aequalibus.
Pedes posticl 5-dactyli; digito Interno brevisslmo. Ungues
breves et debiles, illo digiti secundi lato et lamellari; omnibus
setls rigidls obtectis.
Caput medlocre, auribus magnis, membranaceis ; oculis me-
diocribus.
Cauda breviuscula.
Vellus perlongum, et moUe.
Die Gattg. Ahiocoma ist einerseits verwandt mit Octo-
don, Ctenomys und Poephagojnys; andererseits nähert sie
sich den Hasenmäusen. Der Zahnbau weicht von beiden be-
trächtlich ab. In der Fufsbildung nähert sie sich sehr der
Gattung Octodon, indem bei ihr die Sohlen der Vorder- u.
Hinterfiifse haarlos, und mit kleinen, runden, fleischigen Höckern
besetzt sind, auch die Unterseite der Zehen ist damit bedeckt,
was bei Ociodon nicht der Fall ist. Pelz äufserst weich, von
zneierlei Haar, die längeren dünn wie Spinnewebe.
Ahrocoma Benncüü. A. corpore supra griseo, ad latera
pallidiore et pallidc cervino lavalo, subtus albescenti-cervino;
gula albescenti-grisea; pedibus sordide albis: auribus aniplls, ad
marginem posticum rcclis, fere nudis, attamcn extus ad bases
vellere, sicut in corpore, obsitis: cauda corpore brcviore, ad
basin crassluscula, pilis brcvibus Incumbentibus vestita.
*) 'AßQoq, weich; Ao^a;;, Haar.
285
unc. lln.
Longitudo ab apice rostri usque ad caiidaebasJn 9 9
caiidae 5 0
ab apice rostri ad marglnem oculi 0 11^
- - ab apice rostri ad basin aiiris ... 1 11
tarsi digitorumque 1 4
aiiris 0 10
Latitudo auris 1 0^
Hab. Chili.
Ahrocoma Cuvieri. Ab. siipra grisea, leviter ochraceo la-
vata; abdomine gulaque albescenti-griseis; pedibus sordide albis;
auribus amplis, ad marginem posticiim distincte emarginatis,
fere midis attamen extus ad bases vellere, sicut in corpore, ob-
sitis: caiida corpore multo breviore, et nigrescente.
unc. lin.
Longitudo ab apice rostri usque ad caudae basin 6 6
caudae » 2 10
- - ab apice rostri ad marginem oculi 0 6^
- - ab apice rostri ad basin auris ... 14
tarsi digitorumque 1 1
auris . . , • 0 7
Latitudo auris 0 7^
Hab, Valparaiso.
Bemerkungen zur Naturgeschichte des Blutegels
von
Dr. Barentin.
Ihrem Vorschlage gemäfs habe ich meinen Blutegel (H,
medicinalis) gemessen. Er war aber auf keine Weise dahin
zu bringen, seinen ganzen Körper auf einmal zu strecken,
sondern ein Theil desselben blieb immer zusammengezogen.
Dennoch blieb die gröfste wirklich gemessene Streckung reich-
lich zehn Zoll, der man ohne Uebertreibung recht gut 2 bis
3 Zoll zulegen darf, um die ganze Länge bei völliger Aus-
dehnung, wenn dem Thier eine solche möglich ist, zu erhal-
ten. Ich besitze ihn seit Neujahr 1833, also fast achtehalb
Jahr, und in dieser Zeit hat er 5 mal gesogen, das letzte-
286
mal vorigen Sommer. Nie ist ihm das aufgesogene Blut
durch irgend ein Mittel genommen worden, er gab nach
jedem Saugen etwas Blut wieder von sich, hörte aber bald
damit auf. Er erhält alle 14 Tage, im Winter alle 4 Wochen
einmal frisches Flufswasser, und steht in einem Glase an
einem wenig hellen Ort. — Zwanzig andere, die ich Mitte
Maerz dieses Jahres in ein Gks setzte, sind mir alle gestor-
ben, und zwar hauptsächlich nachdem ich sie in ein offenes
Fenster gesetzt hatte, und ihnen täglich frisches Wasser gab,
als sie zu kränkeln anfingen. Vorher standen sie dunkel
lange Zeit, und es starben nur 2, obgleich das Wasser oft
blutig und sehr übelriechend war, da ich ihnen nur 2 mal
M'öchentlich frisches Wasser gab.
287
Ueber
die geograpliisclie Verbreitung der Compositen
von
A. P. DeCandolle.*)
Uebersetzt
von
Dr. W, G. Walpers,
(Mit 4 Tabellen.)
ifdit dem Namen Statistik einer Familie, Klasse oder eines
Naturreiches bezeichne ich (analog der gewöhnlichen Anwen-
dung dieses Wortes in den politischen Wissenschaften) die
Gesammtheit der Betrachtungen, welche aus numerischen Ver-
hältnissen der Arten oder Gattungen abgeleitet werden können,
sofern jene von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet
werden, nehmlich:
1, in Bezug auf das Naturreich, zu welchem die Klasse
oder Familie gehört;
2, in Bezug auf die Zeitabschnitte, wo sie mehr oder
weniger bekannt war;
3, in Bezug auf die Anzahl der Arten im Verhältnifs zu
den Gruppen oder Gattungen;
4, in Bezug auf die Dauer und den Habitus der Arten;
'^) Statistique de la famille des Composees par M. A. P.DeCan-
dolle. Avec quatre tableaiix; Paris. Treuttel et Würtz. 1838. 4. —
oder Collection de Memoires pour servir a l'Histoire du regne ve-
?etal. Dixieme memoire. —
288
5, in Bezug auf ihre Vertheilung in den verschiedenen
botanischen Regionen des Erdballs, oder in den geographi-
schen Bezirken;
6. in Bezug auf ihre Vertheilung nach Standort, nach
Clima, Höhe etc.
Man könnte diese Betrachtungsweise noch mit einigen an-
deren Gesichtspunkten vermehren, doch scheinen die angeführ-
ten diejenigen zu sein, welche mit der allgemeinen Geschichte
irgend einer Pflanzengruppe innigst zusammenhängen.
Diesem Studium hat man bisweilen den Namen botani-
sche Arithmetik gegeben, doch scheint es mir, als wenn
dieses Wort nur allein für die numerischen Verhältnifse der
Gattungen und Arten passe, das Wort Statistik hingegen
das ganze Studium umfasse.
Die vier beigefügten Tabellen enthalten freilich alle we-
sentlichen Thatsachen, welche zur Statistik der Compositen
gehören, doch ist es vielleicht nicht ohne Nutzen, dieselben
in etwas w^eiterer Form zu analysiren, um einige auf den
ersten Blick schwer begreifliche Verhältnisse und einige Ein-
zelnheiten, die mir gar nicht ohne Interesse zu sein scheinen,
aus einander zu setzen.
Da ich acht Jahr langwieriger Arbeit dem Studium die-
ser Familie gewidmet, und zur Untersuchung der Arten mir
ungeheure Hiilfsmittel zu Gebote standen*), so glaube ich
hier den Hauptinhalt meiner Beobachtungen über ihre statisti-
schen Verhältnifse darlegen zu müssen.
*) Aufser den Compositen, welche ich bereits in meinem Her-
barium besafs, erhielt ich bei Gelgenheit meiner Arbeit von der
Englisch - Ostindischen -Compagnie, von den Herren Wallich,
Wight, Royle und Blume eine grofse Anzahl von Arten aus In-
dien; von der Academie der Wissenschaften zu St. Petersburg, so
•wie von den Herren Bunge, Turczaninow, Fischer und C. A.
Meyer die Compositen von Nordchina und Kufsland; von dem Mu-
seum der Naturgeschichte zu Paris die Compositen, welche D omb ey
im mittäglichen Amerika gesammelt hat, so wie (geliehen) diejeni-
gen, welche ihm von dem Kaiserlichen Museum von Brasilien zuge-
schickt worden waren; aus dem Prager Museum durch Herrn Graf
von Sternberg die auf den Philippinen u. in Amerika von Hänke
gesammelten Arten; von der Gartenbau -Gesellschaft zu London die
durch Douglas in Californien so wie die auf den Sandwichsinseln
289
§. 1. Ueber die Artenzahl der Compositen, oder
Anmerkungen zu der Tabelle I.
Die Compositen bilden eine der natürlichsten Gruppen
des Pflanzenreiches, aber zu Anfange der Wissenschaft wurden
sie schlecht aufgefalst. C. Bauhin hat die 548 Arten welche
er von dieser Familie kannte, unter fast alle Klassen seiner
Pinax vertheilt. Die folgenden Autoren haben diese Zahl sehr
(Vermehrt, und die Gruppirung der Compositen besser ver-
standen. Tournefort führt (wenn man die Institutionen mit
dem Corollarium vereinigt) zusammen 1077 Arten, welche in
drei recht genauen Klassen vertheilt sind, an. Da die Unter-
gesammelten Arten; vom Indianischen Bureau die am Euphrat vom
Colonel Chesney gesammelten Pflanzen; von den Herren Bertero,
A, Gay und Poeppig die Arten, welche sie in Chili und auf Juan
Fernandez gesammelt haben; vom Berliner Königlichen Herbarium
mehrere von den Herren v. Chamisso, Lessing und v. Schlech-
ten dal beschriebene Arten; von den Herren Delessert, Durand,
Moricand und Lindley erhielt ich die Erlaubnifs mehrere seltene
Arten ihrer Herbarien zu untersuchen und zu beschreiben; von den
Herren Blanchet, Gaudichaud, von Chamisso, Silva de
Manzo, Salzmann und Lund die aus Brasilien; von Herrn Ra-
mondelaSagra die Compositen von Cuba; von den Herren Ala-
man, Berlandier, Mendez und Mairet die von Mexico, von
HerrnSchomburgk die vonGuiana; von den Herren Gre en, Tor-
rey und Teintesuer die der Vereinigten Staaten von Nordamerika;
von den Herren Burchell, Drege und Eckion drei prächtige
Sammlungen von Compositen von dem Vorgebirge der guten Hoff-
nung; von HerrnBojer werthvolle Arten aus Madagascar und von der
Insel Zanzibar; von den Herren Bory und Bouton die Compositen
von Isle de France; von den Herren A. Cunningham, Gaudi-
chaud und Sieb er die von Neu-Holland; von den Herren Webb,
Berthelot und Courrand die von den Canarischen Inseln; von
den Herren Schimper, Aucher — E'loy, Bove, Acerbi und
Belanger beträchtliche Sammlungen von Compositen aus dem
Orient; von Herren Löwe die aus Madeira; von den Herren Bois-
sier. Besser, Gussone, Durieu, Thomas, Margot, Mo-
retti, Jan, Graaf und Tenore die Compositen von Europa u. s.w.
U.S.W. Alle diese Botaniker bitte ich, meinen Dank für ihre Mit-
theilungen hiermit entgegenzunehmen; ich bin in dem Prodromus
darauf bedacht gewesen, sie bei jeder Art welche ich von ihnen er-
halten habe, anzuführen.
Wiegln. Archiv, Vf. Jahrg. 1. band. j^Q
290
scheiduug der Arten von den Varietäten in diesem Werke oft
schwierig ist, so wird man das Verhältnifs der Compositeii
zur Totalität des Gewächsreiches leichter erhalten, wenn man
sich mit dem numerischen Verhältnifs der Seitenzahlen be-
gnügt; von den 643 Seiten seines Werkes hat er 65 dieser
Familie gewidmet, was sich, wie man sieht, von dem zehn-
ten Theile sehr wenig entfernt.
Linne hat in seinen verschiedenen Werken 785 Com-
positen characterisirt, und da seine Schriften fast 8000 Arten
enthalten, so sieht man, dafs die Compositen von dem zehn-
Theile der zu seiner Zeit bekannnten Pflanzen der Zahl nach
sehr wenig abweichen.
Sprengel bietet ein ein wenig geringeres Verhältnifs dar,
von 3786 Seiten, welche sein Werk bilden, hat er nur 330
den Compositen gewidmet; allein man mufs bedenken, dafs
bei den zahllosen Auslassungen und Ungenauigkeiten, welche
sein Werk enthält, diese Familie durch Weglassung fast aller von
Cassini beschriebenen Compositen besonders unvollständig ist.
Ich finde durch sehr genaue Berechnungen, dafs in dem
Zeitpunkte des Jahres 1830, wo ich begann, mich mit den
Compositen zu beschäftigen, mit Hinzufügung aller derjenigen
Arten, welche während der Dauer meiner Arbeit publicirt wur-
den, man gerade 5247 Arten kannte, ferner war die Zahl
der Arten des gesammten Gewächsreiches, wie sie sich nach
Steudels Catalog vom Jahre 1821 ergiobt, 50,534, die An-
nahme von einem Zehntheil Compositen ist somit von dieser
Zahl wenig abweichend.
Seitdem eine mehrjährige Arbeit mir Gelegenheit gab,
eine grofse Zahl noch unpublicirter Arten verschiedener Bo- <
taniker aufzunehmen, und die Mehrzahl der grofsen Europäi-
schen Herbarien zu studiren, habe icli 3174 Arten zu den
bekannten hinzugefügt. Wenn man zu dieser Zahl noch 559
zweifelhafte oder nur unvollständig bekannte Arten hinzu-
fügt, so kommt man zu der Einsicht^ dafs die gegenwärtige'
Totalsumme 8523 sei.*) Wenn das Verhältnifs sich seit
*) Die Totalsumme wäre nach den hier gesjebenen Berechnungen
nicht 8523, sondern 8980. Wahrscheinlirh sind die zweifelhaften Arten
291
Toiirnefort gleich geblieben ist, so könnte man daraus ab-
nehmen, dafs man in den Büchern oder Europäischen Samm-
lungen 85000 mehr oder weniger bekannte Pflanzenarten ha-
ben müsse. Ich glaube, dafs diese Zahl sich von der Wahr-
heit nicht weit entferne. Zweifelsohne übersteigt die Zahl
der beschriebenen Corapositen gegenwärtig ein Zehntheil des
Pflanzenreiches, welches man nicht über 75000 — 78000 Ar-
ten schätzen kann; wenn aber alle Familien mit dem in den
Sammlungen vorhandenem Materiale augenblicklich einer mo-
nographischen Bearbeitung wie dio, welche über die Compo-
siten beendet worden ist, unterworfen würden, dann glaube
ich, würde ich keinen merklichen Irrthum begehen, wenn ich
annehme, dafs die Gesammtheit des Pflanzenreiches aus 85000
Arten bestehe. Ich beharre somit in meinem Glauben, dafs
heute, wie vor anderthalb Jahrhunderten die Compositen fast
den zehnten Theil der bekannten Pflanzen ausmachen. Diese
Stetigkeit der Verhältnisse kommt, wie wir später sehen
I werden, daher, dafs die Compositen in der ganzen Welt ver-
' theilt sind, so, dafs die Untersuchung irgend eines Landes
diese Verhältnifse nur wenig abzuändern im Stande ist. Des-
halb bietet diese Familie ein gutes' Criterium dar, um das
ganze Gewächsreich zu beurtheilen.
§. 2. Die Zahl der Arten in Vergleich mit der Zahl
der Gattungen, oder Anmerkungen zu der Tab. II.
Das Verhältnifs der Arten zu den Gattungen, oder, wenn
man lieber will, die mittlere Artenzahl einer jeden Gattung ist
ivon derjenigen, welche sich bei einer Betrachtung des gesamm-
ten Pflanzenreiches ergiebt, nicht sehr verschieden. C. Bau-
hin führt von 56 Gattungen der Compositen 548 Arten auf,
Imithin je zehn Arten für eine Gattung, Linne in 86 Gat-
tungen 785 Arten, was im Mittel für die Gattung 9 Arten
Zu der Zeit kurz vor meiner Arbeit rechnete man blos 8
Arten für eine Gattung, und kaum 7, wenn man alle von
Cassini aufgestellte Gattungen angenommen hätte. Diese
zweifach aufgeführt worden und nur die unvollständig beschriebenen
jenen beiden Hauptsummen hinzuzufügen , um zu jenem Resultate zu
gelangen. -yy^
19*
292
Zahl kam daher, dafs dieser Monograph fast einzig darum be-
müht war, neue Gattungen zu beschreiben, und aus diesem Grunde
ihre Zahl zu sehr vermehrt hatte. Seitdem die vollständige
Bearbeitung zu dem Studium der in den Sammlungen zu un-
geheurer Zahl aufgehäuften Arten antrieb, und vermittelst der
3174 Arten, mit welchen die Familie bereichert wurde, ist
das Verhältnifs derselben wieder auf das Verhältnifs der Fa-
milie zum ganzen Gewächsreiche zurückgekommen, nelmdich
im Durchschnitt 10 Arten für die Gattung. Dieses beweis!^
dafs obgleich ich 229 neue Compositengattungen aufzustellen
genöthigt war, die Anzahl der Gattungen sich im Verhältnifs
zu den Arten verringert hat.
Es giebt keine phanerogamische Familie, in welcher man
mehr Verschiedenheit in der Artenzahl der verschiedenen
Gattungen antrifft. Denn wenn man auf der einen Seite 363
Gattungen bemerkt, welche nur aus einer Art bestehen, so
sieht man auf der anderen Seite, gleichsam zur Compensi-
rung einige ungeheuer umfangsreiche Gattungen, wie sie sich
sonst bei den phanerogamischen Pflanzen nicht wieder vorfinden,
und was vielleicht am bemerkenswerthesten sein mag, es besitzt
eine jede Tribus oder Subtribus der Familie eine von jenen
grofsen Gattungen, welche gleichsam das Centrum oder der
Typus für dieselbe zu sein scheint. So bemerkt man bei den
Vernoniaceen die Gattung T^emonia , welche 295 Arten be-
sitzt, und allein mehr als die Hälfte der Tribus ausmacht;
bei den Eupatorieen die Gattung Eupatoriuiriy welche aus i
303 Arten besteht, und fast die Hälfte der Tribus bildet.
Unter den Asteroideen besitzt eine jede Subtribus eine be-
trächtliche Gattung. Die Gattung ^ster bei den Asteroideen
besteht noch, trotz der zahlreichen, und vielleicht übertriebe-
nen Abscheidungen aus 153 Arten. Unter den Conyzeen be-
sitzt die Gattung Conyza 104 Arten, und von den Tarcho-
nantheen zählt die von mir zu Ehren des berühmten Verfas-
sers der Flora von Java aufgestellte Gattung Bhimra bereits
97 Arten. In der Gruppe der Senecionideen bemerken wir
die Gattung Artemisia mit 186 Arten, Ilelychrysumnni^iö^
und SeneciOy welche die ungeheure Zahl von 600 Arten er-
reicht. Bei den Cynareen Cenfaurea , welche 248 Arten
293
zählt. Unter den Cichoraceen kann man Hieracium mit 160
Arten aufführen. Was die Mutisiaceen und Nassauviaceen
anlangt, so sind diese ausländische, seit kurzer Zeit erst be-
kannte Gruppen, wo die den Arten nach wenig zahlreichen
Gattungen vielleicht sehr vervielfältigt hätten werden können.
Die so eben angeführten Gattungen bilden allein den
dritten Theil der ganzen Familie. Diese Ungleichheit findet
sich bei der Vergleichung der Tribus unter einander (Vgl.
Tab. I.) wieder, und giebt eine Idee von dem numerischen
Mifsverhältnifse der Gruppen. Dasselbe Mifsverhältnifs be-
merkt man auch zwischen den Familien und im Allgemeinen
auch im ganzen natürlichen Systeme. Bei dem natürlichen
Systeme sind die Autoren bemüht gewesen, die Abschnitte
von fast gleichem Umfange zu machen und dieses ist ein
Grund, welcher aus dem Verlangen nach einfacher Bequem-
lichkeit entsprungen ist, dieselben sehr häufig von der Wahr-
heit entfernt hat.
§. 3. Ueber die Zahl der Compositen in Vergleich
mit der Dauer und der Tracht der Arten, oder An-
merkungen zu der Tabelle III.
Die dritte Tabelle zeigt die numerischen VerhäUnisse
der Compositen und einer jeder ihrer Tribus: ob sie einjäh-
rig, zweijährig oder perennirend, Sträucher, kleine Bäume,
grofse Bäume, windend oder in dieser Beziehung noch nicht
hinlänglich bekannt sind. Wenn man diese Zahlen auf eine
allgemeine Art und Weise anordnet, so findet man, dafs der
fünfte Theil der Compositen monocarpisch ist, welche nur ein
jMal Saamen tragen, ein Drittheil ist rhizocarpisch, welche aus
demselben Wurzelstocke einjährige Stengel treiben; die Hälfte
ist caulocarpisch, d. h. trägt an demselben Stengel mehrere
Male Saamen, und ein Achttheil ist nicht genau bekannt.
Doch würden diese Zahlen ohne weitere Erklärung eine fal-
sche Idee geben.
! Die zweijährigen Compositen können sich mit den ein-
jährigen und perennirenden leicht vermengen. Wirklich be
ginnen viele unter ihnen, wie man weifs, zumal in den war-
294
nieii Ländern, ihr Leben im Herbste und setzen es im folgen-
den Jahre fort; doch giebt man eigentlich nur denjenigen den
Namen zweijährige Gewächse, bei welchen man im Winter
eine Stockung der Lebensthätigkeit beobachtet, so dafs sie
wirklich zwei verschiedene Vegetationsepochen besitzen. Die
Unterscheidung zweijähriger und perennirender Pflanzen, welche
an der lebenden Pflanze leicht ist, ist nach dem Trockenen
dagegen oft sehr schwer, und diese Ungewifsheit hat die Zahl
der zweifelhaften auf dieser Tabelle sehr vermehrt. Ich habe
unter den zweijährigen und perennirenden nur diejenigen auf-
geführt, deren Dauer gewifs ist oder zu sein scheint. Endlich
merkt man, dafs die zweijährigen Compositen in den in Eu-
ropa gemeinsten beideu Gruppen der Cynareen und Cichora-
ceen am häufigsten sind. Dieses kommt daher, dafs die zwei-
jährigen Gewächse weder in den sehr warmen, noch in den
sehr kalten Ländern vorkommen, weil in den ersteren die
Gleichheit der Temperatur die winterliche Vegetationsruhe
aufzuheben strebt, und weil in letzteren die Pflanzen im All-
gemeinen zu empfindlich sind, um der Kälte widerstehen zu
können. Aus diesem Grunde sind die zweijährigen so wie
die einjährigen Pflanzen im Allgemeinen den gemäfsigten Cli-
maten eigen.
Die Unterscheidung perennirender Pflanzen und Sträucher
ist häufig ungenau in der Anwendung, denn fast immer, und
wahrscheinlich immer, ereignet es sich, dafs ein Theil des
Stengels über dem Wurzelstocke stehen bleibt und im Früh»
jähre neue Zweige treibt, so dafs es oft unmöglich ist, zu ent-
scheiden, zu welcher Klasse eine gewisse Art gehöre; man
begnügt sich in dieser Beziehung mit einer ein wenig ober-
flächlichen Anwendung, welche jedoch geübte Augen selten
täuscht. Wollte man die mehrjährigen und die verholzenden
Compositen vereinigen, so würde man sehen, dafs diese bei'
den Klassen in Verbindung mit den einjährigen Gewächsen
fast sieben Achttheil der Familie ausmachen würden, und
dafs gerade diese Klassen es sind, welche die Strenge
des Winters am Besten ertragen, welches Verhältnifs es er-
klärlich macht, weshalb die Compositen in den gemäfsigten
und nördlichen Ländern so häufig sind, und warum sie zu der
295
Zahl derjenigen Pflanzen gehören, welche in unserem Clima
sich am Besten in freiem Lande cultiviren lassen.
Die baumartigen Compositen verdienen eine besondere
Erwähnung, vorzüglich in Bezug auf ihr Vaterland. Schon
früher habe ich beobachtet (art. geogr. bot. des Dict. Sc. nat.),
dafs die holzigen Pflanzen auf den von den Continenten ent-
fernten Inseln auöallend häufiger seien, als die krautartigen
Gewächse. Diese Beobachtung findet bei den Compositen
eine merkwürdige Bestätigung.
Man kennt in dieser Familie nur vier Bäume, deren ge-
wöhnliche Höhe mehr als 20 Fufs beträgt, nehmlich Vernonia
celehica und /^. Blumeana, Syncho elend ron lamiflorum
welches 50 — 60 Fufs hoch wird, und Melanodendron inte-
grifolium, dessen Höhe nicht angegeben ist, dessen Stamm
jedoch einen Umfang von 5 — 6 Fufs erreicht. Es wachsen
aber diese vier aufsergewöhnlichen Arten auf den Inseln Java,
Madagaskar und St. Helena.
Von den weniger dicken Bäumen, deren Höhe ungefähr
20 Fufs beträgt, findet man die Arten von Brachyglottis auf
Neu- Seeland, Microglossa altissima auf Madagaskar, die
fünf Arten von Commidendron, Petrobium und die Laclia-
nodien sind von St. Helena bekannt, die 4 Rohinsonia - Arten
so wie die 7 Arten von Rea wachsen auf der Insel Juan
Fernandez, die 4 Arten von Raillarda auf den Sandwichsin-
seln, und selbst wenn man zu den Sträuchern heruntergeht,
so wachsen die holzigen Arten von SoncJius auf den Canari-
schen Inseln und auf Madeira, die holzigen Tolpis - Arien auf
Madeira, Carlomzia auf Madeira und Teneriffa u. s. w.
Wenn man nach dieser Tabelle die Zahl der Composi-
ten, welche auf entlegenen Inseln wachsen, zusammenzählt
und sie mit der Zahl der Bäume vergleicht, so gelangt mau
zu dem merkwürdigen Resultate, dafs in Vergleich mit der
ganzen Familie die Bäume nur yj^ ausmachen, und dafs die-
selben, sofern es sich um entlegene Inseln handelt, y^ betra-
gen, oder mit anderen Worten, dafs es auf den Inseln 10 Mal
mehr baumartige Compositen gebe, als auf den Continenteii.
Die windenden Compositen, deren es im Ganzen 126 giebt,
sind den warmen Ländern eigen. Man findet von denselben
296
keine einzige Art aus den in den gemafsigten Climaten am
Meisten verbreiteten Gruppen, den Cichoraceen und Cyna-
reen, und selbst in den Gruppen, wo sie sich finden, ist
dieses nur unter den Arten der warmen Länder der Fall;
fast alle wachsen in Hainen oder Gebüschen und entwickeln
sich in Folge jener üppigen Vegetation der Tropengegenden.
Ich sage nichts darüber, ob sich die windenden Compositen
von der Linken zur Rechten, oder von der Rechten zur Lin-
ken winden, weil ich in den Schriften derjenigen, welche die-
selben lebend beobachtet haben, hierüber nichts Genaues aufge-
zeichnet finde.
§, 4. Ueber die geographische Verbreitung der
Compositen, oder Anmerkungen zu der Tabelle IV.
Die Vertheilung der wildwachsenden Pflanzen auf der
Erdoberfläche ist ein Studium, welches mit den höchsten
Wahrheiten der Cosmogonie innig verknüpft ist und ein ho-
hes Interesse verdient; in den letzteren Zeiten hat man über
diesen Gegenstand vielfache Untersuchungen angestellt, doch
diese Untersuchungen sind offenbar von der Zahl der be-
kannten Pflanzen und von den Prinzipien, nach welchen
man dieselben anordnen zu müssen glaubt, abhängig. In
der ersteren Beziehung ist es offenbar, dafs man so lange,
bis man glauben kann, alle oder fast alle Pflanzen des Erd-
balls eingesammelt zu haben, in einer Art von Unsicherheit
befangen sein wird, allein dieser Irrthum kommt meistentheils
daher, w^eil die Principien für die Anordnung festgestellter
Thatsachen noch nicht gut begründet sind. Durch Einzelfälle
gelangt man zu jenem Grundgesetze der botanischen Geogra-
phie, wie ich schon früher die Gesetze für die Vertheilung
der Pflanzen Frankreichs anzuzeigen versuchte und was ich
jetzt durch ein umgekehrtes Beispiel versuche, nehmlich die
Vertheilung der Compositen-Arten über den Erdball auseinan-
derzusetzen.
Diese Familie bietet eine dreifache Merkwürdigkeit dar,
nehmlich: 1. dafs sie die natürlichste des gesammten Gewächs-
reiches ist, so dafs fast noch nie Zweifel über die zu ihr ge-
hörigen Pflanzen obgewaltet hat; 2, dafs sie die zahlreichste
297
des Gewächsreiches ist, dessen zehnten Theil sie ausmacht;
3 dafs sie diejenige ist, welche sich in der bei Weitem gröfs-
ten Anzahl von Regionen vorfindet. In solcher Beziehung
kann sie unter den Phanerogamen nur mit den Gramineen
verglichen werden, und wenn man die Einzelnheiten in der Ver-
theilung der Gramineen so kennte, wie bei den Compositen,
so könnte man vermittelst dieser beiden ungeheuren Familien
recht gut allgemeine Sätze für das gesammte Gewächsreich
entwerfen. Hier beschränke ich mich lediglich auf die Com-
positen.
Auf der vierten Tabelle habe ich die Verbreitung der
Compositen in 40 Regionen angezeigt. Diese Regionen sind
nicht willkührlich angenommen worden, sondern ich habe als
solche nur Länder von mehr oder minder natürlicher Ungrän-
zung angenommen, von welchen ich sah, dafs eine grofse
Anzahl verwandter Arten in denselben vorkomme. Um nun
von der zu dieser Untersuchung gewählten Familie zu spre-
chen, so folgt aus den Zahlen jener Tafel, dafs von den 8523
bekannten Arten nur 562 in mehr, als einer Region gefunden
worden sind. Selbst diese Zahl ist noch übertrieben, denn:
1, ist dieselbe Art bisweilen in 3, 4, 5 und mehr Regionen
vorhanden, wie dieses mit Gnciphaliiim luteo-albinn der
Fall ist; und 2, war ich verbunden die von verschiedenen
Schriftstellern als verschiedenen Regionen gemeinsam aufge-
führten Arten anzunehmen, deren Identität hierdurch noch
nichts weniger, als bewiesen ist. Man kann also ohne in
einen Irrthum zu verfallen, diese Zahl auf 500 vermindern,
und somit annehmen, dafs höchstens yy ^^^ Compositen sich
in mehreren Regionen finde, oder mit anderen Worten, dafs
im Durchschnitt y-f- der für eine jede Region angeführten Ar-
ten endemische seien, oder sich nicht anderswo vorfinden.
Es giebt in dieser Beziehung sehr markirte Abweichun-
gen von einander.
Wenn diese Regionen durch grofse Meere oder Wüsten,
welche die Vegetation nicht überspringen kann, oder von
bedeutenden Ungleichheiten der Temperatur begränzt werden,
so gehen die Pflanzen der einen Region nur schwierig in eine
andere hinüber. So besitzen ins Besondere entfernte Inseln
298
iinr wenige mit anderen Ländern gemeinsame Arten, aulser
etwa einigen Strandpflanzen.
In den Continentalregionen können einestheils die Pflan-
zen viel leichter vor einem Lande in das andere gelangen, so
dafs der Verbreitungsbezirk der Arten sehr ausgedehnt ist,
und sich über zwei oder mehrere Regionen erstreckt; andern-
theils mufs man viel gröfsere Regionen annehmen, weil die
bisherigen Beweise nicht genau genug sind, um engere Ein-
theilungen annehmen zu können. So habe icli das ganze
tropische Afrika als eine einzige Region angenommen, eine
Fläche von mehs als 350000 □ lieues. Diese Region wird
sicherlich in mehrere getheilt werden, doch ist sie bis jetzt
fast unbekannt, vorzüglich, was die Compositen anlangt; der
etwa begangene Irrthum ist sehr gering, weil man nur 62
Arten dieser Familie von dorther kennt. Dasselbe könnte
man ebenfalls, obwohl in geringerem Maafse auf Brasilien,
China und die benachbarten Lander, vorzüglich aber auf Cen-
tral-Asien anwenden, welches ich in der Tafel kaum erwälnit
habe, weil ich keine Compositen von dort anführen konnte.
Wenn man ferner die 500 Compositen, welche in 2 oder meh-
reren Regionen gefunden worden sind, betrachtet, so bemerkt
man, dafs sie sich fast alle entweder in unmittelbar an ein-
ander gränzenden Ländern finden, wie in Europa und im
Oriente, im Oriente und in Sibirien, oder in Regionen, welche
theils durch unterbrochene und unregelmäfsige Meeresarme
von einander getrennt werden, wie Sibirien und Nord-Amerika,
theils durch Meere unterbrochen werden, welche vielleicht
späteren Ursprunges sind, als die Vegetation, wie das mittäg-
liche Europa und die Barbarei, theils durch die Menschen
dahin gebracht zu sein scheinen, entweder mit oder ohne
deren Willen, wie man es von Erigeron Canadense, Xan-
tliium macrocarpinn und Bidens leucaniJia weifs, welche
in den alten Floren derjenigen Länder von Europa, wo sie
gegenwärtig in grofser Menge wachsen, nicht aufgeführt sind.
Dieses kann man auch mit vieler Wahrscheinlichkeit von an-
deren Pflanzen vermuthen, wie von Cnicus hcnedictus, welcher
in Südamerika eingeführt zu sein scheint, Guiz>oüa oleifera
welche in Indien und Abyssinien gebaut wird, u. s. w.
299
Nehmen wir alle diese Ursachen des Irrthums aus, und
übergehen wir einige seltene Falle, in welchen die Identität
der Arten nicht constatirt ist*), so finden wir, dafs die An-
zahl der Compositen, von denen man annehmen kann, dafs
sie entfernten Regionen gemeinsam seien, sehr gering und
zweifelhaft ist. Hierher gehören:
1, Eclypta erecta, welche in Nord- und Süd-Amerika,
so wie in Nord- und Süd -Afrika gefunden worden ist.
2, Erigeron subulatum, welches in Amerika von den
Vereinigten Staaten bis nach Chili wächst und sich auf den
Sandwichsinseln wiederfindet.
3, Cotula coronopifolia, welche bei Hamburg, am Vorge-
birge der guten Hoffnung, auf Neu-Seeland, auf Van Diemens-
Land und vielleicht auf dem Monte Video wächst.
4, Cotula anthemifolia ^ welche am Vorgebirge der gu-
ten Hoffnung, in Indien, am Senegal und vielleicht auch auf
St. Helena wächst.
5, Myriogyne minuta, welche in Indien, Japan, auf den
Philippinen, in Neu-HoUand, auf den Societäts-Inseln auf Neu-
Seeland, Madagaskar und St. ?4oritz gesammelt worden ist.
6, Chevreulia stolonifera, von welcher man sagt, dafs
sie auf dem Monte Video und auf Tristan d' Aucuba wachse.
7, Urospennum picroides, von welchem man Exemplare
vom Vorgebirge der guten Hoffnung und Madeira besitzt, ob-
gleich es am Strande des mittelländischen Meeres vorzüglich
häufig ist. Endlich besonders:
8, Gnaphalium luteo-album, welches man in allen Erd-
theilen findet und eine vorzüglich sporadische Art zu sein scheint.
Es sind somit in einer Familie, welche man zu den am
Besten bekannten zählen kann, 8 Arten unter 8500, welche
den allgemeinen Gesetzen der botanischen Regionen des Erd-
balls sich zu entziehen scheinen, und diese 8 Arten besitzen so
kleine und zahlreiche Saamen, wachsen überdiefs meistentheils
so nahe an den Küsten, so dafs es mir nicht schwer zu glau-
*) Dergleichen sind: Bidens aurita von Amerika und Indien,
Artemisia biennis von Kamtschatka u. Neu-Seeland, Acliillea san-
toUna von Brasilien, welche dieselbe, wie die aus dem Oriente
sein soll.
300
ben scheint, dafs sie durch Menschen oder physikalische Ur-
sachen, wie Meeresströmungen und Winde dahin verführt
worden seien.
Dieses Ergebnifs ist um so aufiallender, als die Familie
der Conipositen zu denjenigen gehört, bei welchen eine grofse
Verbreitung der Arten am Leichtesten zu bewerkstelligen
scheint; wirklich sind die Compositen auch im hohen Grade
ausdauernd, fügen sich in eine grofse Anzahl von climatischen
Verschiedenheiten, die Saamcn keimen mit grofser Leichtig-
keit, sie sind sehr klein und fast alle mit Haarkronen verse-
hen, welche ihre Verstreuung in sehr entfernte Gegenden er-
leichtern. Es ist diese Familie auf solche Art und Weise
organisirt, nnd trotz dem finden wir nur so wenige Arten in
derselben, welche in von einander entfernten Regionen, oder
in benachbarten Regionen wachsen. Ich komme fast zu der
Vermuthung, dafs diese Thatsache ganz natürlich zu folgen-
den allgemeinen Gesetzen hinleite.
1 , Es ist nicht nothwendig, w ie ein talentvoller und tüch-
tiger Botaniker, Herr Schouw gethan hat, für die Arten,
welche man in grofsen Entfernungen auf dem Erdball ver-
streut antrifft, oder gefunden zu haben glaubt, einen ver-
schiedenen Ursprung anzunehmen.
2, Die sehr oberflächlich entworfene Theorie von der
Eintheilung des Erdballs in botanische Regionen, scheint auf
einer sehr imposante Anzahl von Thatsachen zu beruhen, weil
gerade bei derjenigen Familie, welche zu Ausnahmen am pas-
sendsten zu sein scheint, diese Vertheilung unter 17 Malen
sich 16 Mal angedeutet findet und es in derselbei» keine Aus-
nahmen gl<ibt die viel bedeutender wären, als 8 unter 8500!
3, Das Vorhandensein der Artea, (diese Basis aller or-
ganischen Naturgeschichte) scheint dadurch einen neuen Grad
von Sicherh'^it zu gewinnen, dafs in einer w^ohl bekannten
Familie, welche den zehnten Theil des ganzen Gewächsrei-
ches ausmacht, einander den physikalischen Verhältnissen
nach sehr analoge Regionen doch eine ungeheure Masse spe-
cifisch verschiedener Pflanzen besitzen.
Die Eintheilung des Erdballs in botanische Regionen hat,
wenn ich mich nicht täusche, durch obige Beobachtungen ei-
301
niges Gewicht erhalten und es bleibt mir noch übrig, dieselbe
von einigen anderen Gesicht«;pnnkten aus zu beweisen.
Die Zahlen, welche in der vierten Tabelle die Anzahl
der Compositen einer jeden Region anzeigen, reichen nicht
zu, um ihr gegenseitiges Verhältnifs zu verstehen, denn man
mufs sie mit denjenigen, welche die approximotive Ausdeh-
nung der Region angeben, vergleichen."*)
Um mir eine Idee von diesem Verhältnisse zu bilden,
habe ich die Rechnung auf zweierlei Weise angestellt: 1, habe
ich untersucht, wieviel Quadratlieues in einer jeden Region
von Nöthen sind , um eine Composite hervorzubringen und in
jener Tabelle zeigen die niedrigsten Zahlen die an Compositen
verhältnifsmäfsig reichsten Länder an ; 2, habe ich auch gefragt,
wieviel Compositen in einer jeden Region im Durchschnitt
auf eine Quadratlieue kommen, so dafs in dieser Colonne die
gröfsten Brüche die an Arten reichsten Länder anzeigen^
Aber Zweierlei mufs man dabei beobachten, damit die Benu-
tzung dieser Zahlen nicht zu grofsen Irrthümern verleite.
1, Man darf nur solche Länder mit einiger Genauigkeit
mit einander vergleichen, welche in botanischer Beziehung so
ziemlich gleich bekannt sind; so dafs z. B. obgleich die Zah-
len, welche den Flächeninhalt ausdrücken, für Aegypten und
Neu-Caledonien fast gleich sind, man hierauf nicht zu viel
Gewicht legen darf, w^eil das letztere Land bei Weitem weni-
ger bekannt ist, als das erstere.
2, Die Ausdehnung der Regionen mufs ebenfalls in Be-
tracht gezogen werden. Wenn es sich um Strandgegenden
handelt, so wird, je kleiner das Land ist welches man unter-
sucht, das Verzeichnifs der Pflanzen, w^elche daselbst gefun-
den \vorden, im Verhältnifs zu seiner Ausdehnung um so
gröfser sein; so besitzt die Umgegend von Genf 148 Compo-
siten, während die Schweiz, welche 50 Mal gröfser ist, nicht
mehr, als doppelt so viele besitzt, nehmlich 310^ und Frank-
reich, welcihes einen fast 14 Mal gröfseren Flächeninhalt be-
"f) Die Zahlen, welche die Ausdehnung der Regionen bezeich-
nen, verdanke ich der Gefälligkeit des Herrn Chaix, welchem ich
hiermit meinen Dank abstatte.
302
sitzt als flie Schweitz, besitzt deren 384, nehmlich kaum ein
Drittheil mehr. Man darf also nur Länder von fast gleicher
Ausdehnung mit einander vergleichen, so bieten die Magel-
lansländer und Chili, Central-Amerika und Californien, deren
Flächeninhalt wenig von einander abweicht, sehr verschiedene
Proportionen dar, so dafs, wollte man annehmen, diese Län-
der seien gleichmäfsig bekannt, Chili den gröfsten Composi-
tenreichthum besitzt, da hier auf 10 Lieues eine Composite
kommt, Californien bietet ein 20 Mal geringeres Verhältnifs
dar, die Magellanländer ein 100 Mal, und Central-Amerika
gar ein 570 Mal geringeres Verhältnifs.
Im ferneren Verlaufe dieser Vergleichung, gelangt man
bei Anwendung desselben auf die Inseln und Continente, zu
dem Resultate, dafs eine jede derelben im Verhältnifs zu ihrer
Ausdehnung eine gröfsere Anzahl von Compositen besitzt als
ein gleicher Flächenraum auf dem Continente. So ist die
Oberfläche der Continente, wenn man Neu-Holland dazu rech-
net, 24 Mal gröfser als der Flächenraum der Inseln, und doch
ist die Zahl der Compositen, welche auf diesen wachsen,
fast 10 Mal bedeutender; das Verhältnifs der Compositen auf
den Inseln zu denen des Festlandes ist somit 24:10. Es ge-
horcht somit auch in dieser Beziehung wie in so vielem An-
deren, welches ich schon früher gegeben habe (Art. geogr. bot.
du Dict. des sc. orat.), die Vegetation der Inseln von der des
Festlandes abweichenden Gesetzen.
Aus den Zahlen der dreizehnten Columne auf der vier-
ten Tabelle folgt, dafs, wenn man auf den Grad, in welchem
jedes Land bekannt ist, keine Rücksicht nimmt, jene Regio-
nen vielleicht auf folgende Weise auf einander folgen, um
das Verhältnifs der daselbst einheimischen Compositen zu ei-
nem Quadratlieus anzugeben:
Insel Juan Fernandez .... 3,5000
Insel St. Helena 0,9220
Insel Madeira 0,8900
Orient 0,3250
Canarische Inseln 0,2333
Insel St. Moritz 0,1740
Societäts-Inseln 0,0675
303
Zangibar 0,0790
Insel Tristan d'Auciiba . . . 0,0666
Sandwichsinseln 0,0370
Falklands-Inseln 0,0300
Chili 0,0300
Vorgebirge der guten Hoffnung 0,0256
Mittägliches Europa .... 0,0118
Insel Neu- Caledonien. . . . 0,0077
Mexico 0,0070
Sibirien 0,0066
Aleutische Inseln 0,0066
Californien 0,0050
Barbarei 0,0041
Insel Neu-Seeland 0,0038
Festland von Indien .... 0,0029
Vereinigte Staaten und Canada 0,0020
Brasilien 0,0020
Antillen 0,0020
Columbien 0,0020
Nord -Europa 0,0017
Indianische Inseln 0,0013
Magellans- Länder 0,0010
Neu-Holland 0,0008
Rio de la Plata 0,0005
Peru 0,0003
Guiana 0,0003
Aegypten und Arabien . . . 0,0003
Insel Madagascar 0,0003
China, Cochinchina und Japan . 0,0002
Central -Amerika 0,0001
Central -Asien 2,0002
Diese Tabelle zeigt, obgleich sie einige Ausnahmen
aufweist, ziemlich gut, dafs die entfernten Inseln oder Conti-
nente diejenigen Länder sind, wo in Verhältnifs zu ihrer
Ausdehnung die gröfste Anzahl von Compositen- Arten vor-
handen ist. Man würde vielleicht zu einigen interessanten
Resultaten gelangen, wollte man bei jedem Lande die Zahl
der Compositen mit der Zahl der überhaupt daselbst wachsen-
304
den Pflanzen vergleichen, aber dieser Arbeit stehen mehrere
Schwierigkeiten entgegen; nehmlich:
1, das Studium der Cryptogamen ist im Allgemeinen
noch so unzureichend, und die verschiedenen Floristen haben
dieselben bald mehr, bald weniger berücksichtigt, so dafs es
nnmöglich wäre, sie bei Berechnungen dieser Art zu benutzen.
2. Wollte man sich selbst nur auf die Phanerogamen be-
schränken, so besitzen wir doch nur eine verhältnifsmäfsig so
kleine Anzahl von Floren, welche mit Genauigkeit und dem
gegenwärtigen Standpunkte der "Wissenschaft gemäfs bearbei-
tet sind, dafs es unmöglich sein würde, jene Vergleichung auf
eine regelmäfsige Weise und mit Bezugnahme auf die so eben
angenommenen Regionen anzustellen. Ich beschränke mich
somit darauf gleichsam als Beispiel dieser Methode folgende
Fälle aufzuführen, welche meistentheils aus einer noch un-
gedruckten Arbeit meines Sohnes über Pflanzengeographie,
welche er mir mitgetheilt hat, ausgezogen worden sind, und die
einige sehr brauchbare Folgerungen zu ergeben seheinen.
Die Compositen verhalten sich zu der Summe der Pha-
nerogamen :
Auf St. Helena wie 1:4
Auf den Falklands Inseln
Auf Tristan d' Aucuba
Auf der Insel Portugal \ wie 1:5
Auf Madeira
In Californien
Auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung wie 1:6.
Auf dem Caucasus
In der Umgegend des Sinai . -An
In Frankreich
Auf dem Altai
In Deutschland
In der Schweiz
In Aegypten
In Portugal
Auf den Canarischen Inseln ' ^^'^ *
Auf der Insel Zante
In den Verein. Staaten u. in Nord-Carolina
Auf Neu -Seeland j
305
In Sarflinien
V vvi(
Auf den Balearen ^ "^
In der Barbarei wie 1 : 10.
In Grofs- Britannien wie 1:11.
Im arctischen Amerika wie 1:12.
In China und Japan ■ . . .^^
wie 1:13.
}
> wie 1:16.
In Lappland
Auf den Sandwichsinseln
Auf der Insel St. Barthelemy (Antillen)
Auf dem Festlande von Indien wie 1:19.
Am Congo, in Guinea "j
Im Indischen Archipelagus l wie 1:23.
Auf der Insel Sitcha j
Auf den Societätsinseln wie 1:28.
In Guinea wie 1 : 33.
Im holländischen Antheile von Guiana wie 1:43.
Wir müssen aber noch bemerken, dafs die auffallenden
Ausnahmen, welche obige Tabelle von dem angegebenen Ge-
setze, dafs auf den Inseln die Compositeu vorherrschen, aufweist
daher kommen, dafs die am Ende der Tabelle angeführten Inseln
entweder in botanischer Beziehung nur unzlänglich bekannt
sind, wie die Societätsinseln, oder den Küsten sehr nahe lie-
gen, wie die Balearen, oder endlich im hohen Norden liegen
wie die Insel Sitcha.
Es bliebe nur noch übrig, die Compositen in Bezug auf
ihre Standorte, nehmlich in Bezug auf Temperatur, Höhe
über dem Meere, Bodenart etc., einer vergleichenden Unter-
; suchung zu unterwerfen, doch ist es nicht möglich, diese Ar-
beit bei dem gegenwärtigen Materiale auf eine nur einiger
Maafsen genaue Art und Weise zu unternehmen.
j^ Im Allgemeinen kann man wohl sagen, dafs die Compo-
siten in der gemäfsigten Zone in Vergleich zu den sehr
kalten oder sehr heifsen Gegenden häufig seien, denn unter
den Tropen findet man sie nur auf den Gebirgen in sehr
grofser Menge, doch scheint es mir nicht möglich nur an-
näherende Zahlenverhältnifse aufzustellen. In Bezug auf die
Höhe ist dieses auch der Fall, obgleich es wahr sein mag, dafs
sie zu denjenigen Pflanzen gehören, welche auf bedeutender
Höhe vorkommen. Die überwiegende Zahl der perenniren-
Wieg^m. Archiv. VI. Jahrg. 1. Band. 2()
306
lien oder straiicliartigen Arten wiinle schon hierauf schliefsen
lassen, doeh die ungeheure Zahl der Arten, deren Standorte
nicht genau bekannt sind, erlaubt derartige Untersuclmngen nicht.
Ich werde hiermit die statistische Arbeit über die Fami-
lie der Compositen schliefsen. Ich fühle deren mehrfache
Unvollkommenheit, doch glaube ich, dafs diese Arbeit als
Beispi<d meiner Methode einiges Interesse haben könne. Nach-
dem ich so viel Mühe auf das Studinm dieser Familie ver-
wendet habe, glaubte ich dieses letzte Resume unternehmen
zu müssen, und da es sehr wahrscheinlich ist, dafs ich bei
der langwierigen Herausgabe des Prodromus nie auf die
Compositen zurückkommen werde, so darf ich wohl mit An-
wendung einer berühmten Stelle auf meine Person mit d.^m
Dichter sagen:
„C'est ainsi, qu' en partant je leur fais mes adieux!"
-=
.
.t = c ö =
0 0 M « O) tO O) -< c
^H
CO
CS
cS
c ^ £ ^ i
J§^=^=>^ »
Cl
.- -•= ^
in
c
^c
•fliT-eslCMrHMCJ 0
Ci
-
■rH CO »^ 0 X PO
In
^
j: j3
o
s
0
o
1
S?-fOM^(N-rt»
z
S
i. t:
.^•«XiNSCO^CC (N
Cl
M
■3
c
«='=|
(N CO l- ^ -^ -rt 2
■;-i (NINtH tH
05
.^
Ü
.-;
cooMt-t^eo'*« c
<M \
™^
<
*ä
CJCNootcinTiTr^irs
'*' 1
o
0
1
t^rtoriaOTft-'rHei c
T^ CO 0^ -^ ^ -^
CID l
Ö.2
t^ 1
Ä
c
J
h
, ü
1<Xi»COOtOinM c-
m
CCl~'«'^0-H(Nt^ c
(N
^(Ote'>'c^(NTHX
'2
>
H; =
TSCO -rt
X
a
«
"
&.
2
-0
s
6fl
fc
g g cj §
0 S q 'S
III
I.
1
1
« 0
S c
3 O
© S
- W
CS
H
I Tfi)« O) cc in
in CO in CO t> CO -
I I i I I II
in (N CO t^ X CO r)< CO m
•O T-l O tO O tH O '
t^ojO^iniMosco in
CO "^ "^ CO*^ Tf T^ TJI -^H
■»M'ji<Ninin(NcC5 c
050in'NX(NC005 c
lO'S'cot^c-intNi^ CO
1 1 2 s s :2 i 0 :§ <
c
-2
«Ü
h .
a>
1
1
t
!^-^>'X ^ — " ■ .
•}qoi.'.iXn»iU3a
qoi'u -lunsiBjox
'^ f^t (N
0
IN
CO
(M
in
X
•sipss onupt;
i> , >n X ■^
i 1 1 1 1
C-
Ol
CO
CO
X
•aB3Dl.'.T0H0I3
s-^g - - 1 1 II
co
■aBaDBiAnBSSBfij
S |5 ^ ' , 1 ^1
s
in
NM
0)
•aB3:>B!spn[\i
in 0 —1 CO 'S" (NO
tH 1 O! rj* CO 1 (N
a
CO
■aBOJBU-Ca
CO —1 CO in CO
C) CO CO 0 1 1 11
(N
0
(N
i
0
J1
■aBapiopauag
coc-\g^xerä ino
CS
m
CO
%
ce
B
b
0
Ei
0
■aBop!0.iojsv
x'^S S S 2 ^ ?5"
•ri m in ■«
c^
CO
h
aBaoBUojBclng
^■rtOjxini> (M^
(N -rt X n< 1 (NC:
X
CO
CO
:3
■aBa3Buiouja,\
mT^»* in m in eo coco
»Jl "5)1 'S! CS <N -rt
CS
CO
•<S"
5
ö
0
0
Finjährige
Zweijährige
Pcrcnnirende
Kleine Sträucher (von
1-3 Fufs.) ....
Sträucher (von 4—15
Fufs.)
Kleine Bäume (von 15
—25 Fufs.) ....
Grofse Bäume (über25
Fufs hoch.) ....
Holzige Gewächse
(ohne weitere Be-
zeichnung.)
Der Tracht oder der
's ■
3 .2
q2
1
7.
0
a^?
I I I
I I
BS
-^.2.- 2.-
-J
" 5»
• m
. a
■ o
. TS
l 2.2
« -•
>
.J
3
m" 2
^ OD Oi
m Kl
O ÜO »^ Ql cc
^1 CO w ►^
<S CC K) W -»
o w« CC' )U :;(
CO CC >b h^ to
O H*. O^ »-* K)
1^ -3 u< <s o
CO» li^
io
S^^
l-O oc o
!-»■ 00 (O r-i
M O 05 J»
Ol U< OO >«k 00
CO
CO 1—
CO o: S
347
2224
1827
1042
3590
1 C -■ CO .
. IC ;o — rc
? = 'o ;
35 CC X O; CO
^^<^ X 4^
ilill
tO GC O ►-■
'0©OOS>^Oi-^-^i— *»COIO>^Oi— OOOOO^OÄOO
^^ *fc W Co lO —
•OOCOCOOOp«»l>SC03ViX = h<^»^S-»tOO:
CO u< ;;> c hj *i -1 o «1 5 — OD X ^;
XI-.-0 a s o
^'.£to^iooK)_ — ■_o;oi*^ t^c;'»coj^ coco»— oo oi^ak^kd m -a.
00 hO 05
CO O: C wO
H^CO OD KÄ)^»^taA.K)CO __
'5i*kM.tvic;*»o-acooo>oooooüi*»i>xiioi— o^itotoc cotoooc. oio*.h-^£i«>Sai
■ t<i «> « ö" -j
tO lO wi-
. . _' O^ O ^^ w ■
k; Hi- »^ cn 05 o h^ '-0
td
C5
x^
o
-^OOM.O = Sh^l0-JSSi-^b3-l,-t-.i^ = O = = OObi = i^S35=c:S«i — Si^oX--
C>
t-i
CO ,_
o
-jOOOOOOOOOOOO = OOOSOOC = OOCOO"^S=-^©S>-^!Soo = §»»='.
1
CO
CO 00
tu
^^ w' ^^ ^-* 0- t>0 » l<i> X >o C^ *--1 H^ '
■"^OOCOCi— lOIOX<lC50i-i--^i-^OOSlOp6»^r-. C;;iSb3aiXtOOtOCS)i(ilOifeX — ICC
(O tO — 10
'ooocccotocccocciiocecc — — -cccj^H-^sos^i — o;^^^ — —
'OlCiC0<I<ICr. liiWi^i^i^^lC-ctOtö^XxiiSüi'-JbitOxS'iCJiifeXX — SlS
CO ;o ^ X bo C) ',2 *k c; Lc '.fi c
X -^ ^1 — 10
I I I I I
X C . C: lO
ccoaioo
>^ X » <^ 'o
I I I I I
►-^ CO CO CT) C ■ ,
hO . bS X CO
lO -»uitoc-xi— *» t^xco-icw- iiOo^iü'NBC/T — »o;oiai-.sK;3io= coS
_C5^ OT_>-^y:__x O'jo o;_;o;_a>_;o_;cjjc_5;i c-. *> *> »^ — _p c oo — c^ a>,U' c^^ coaio'SÄo^ioo
Vi'J^ o'>u <i — « tn CO ~"^i x"oi o o *.lo co'^V.V. öl"« oo"c""-~c"c~c s"^ 3 üi co"~
I I I i
Vernoniaceac.
Eupatoriaceae.
Asteroideae.
Senecioideae.
Nas^auviaceae.
Gen. incert.sedii
Totalsuuimo
Flächeiiiiilialt
nacli □lieues.
Zahl der Qlieues
welche auf eine
Art kommen.
I I
NSc. -^ Ol *"*'"'s'?^;..^"-co-i.s>
i>o H^ Co ^ X wi o y ;o X c:' to ui itk X d o« CT. ** y' ü ^i ^ä to oo wi 5^
!Oi-»to»'a'co*-ci^35W'a5<iobaui = -jKto*»oc<»»«coxgii-.oü;ui^co
» i^i CT> ^ v
Zahl der Coniposi-
lenwelcheaufeine
□ Heues kommen.
Endemische Arten
der Compositei).
307
lieber den Bau des Pentacrinus Caput Medusae
Von
J. M ü 1 1 e r.
(Auszug aus dem Monatsbericht der Königl. Akademie der
Wissenschaften zu Berlin. Monat April 1840.)
Nach einer historischen Uebersicht der bisherigen Leistun-
gen zur Anatomie der Comatulen von Leuckart, Heusin-
ger, Meckel, Delle Chiaje, Thompson, Dujardinund
zur Anatomie des Skelets der Crinoiden von Guettard,
Miller, Goldfufs u.a., theilte der Verf. die Resultate einer
vergleichenden Anatomie eines in Weingeist erhaltenen Exem-
plars des Pentacrinus Caput Medusae der Antillen und der
Comatulen und Asterien mit. Die Untersuchungen an den
Comatulen sind gröfstentheils an Comatula mediterranea an-
gestellt, von welcher der Verf. zu einer früheren Mittheilung
schon einige Exemplare benutzte, neuerlich aber durch die
Güte der Herren Agassiz und Grube in den Stand gesetzt
war, eine ansehnliche Zahl zu zergliedern.
Die Stengelgebilde der Pentacrinen sind ohne alle Mus-
keln, sowohl der Stengel selbst als die Cirren, letztere auch
bei den Comatulen, aber der Stengel der jungen Comatulen,
Pentacrinus europaeus Thompson, ist contractu. Durch
Muskeln beweglich sind die Arme und Pinnulae der Arme
die Muskeln liegen nur an der Bauchseite, die Streckung er-
folgt durch die elastische Interarticularsubstanz. Durch die
Mitte aller Skelettheile geht der sogenannte Nahrungscanal,
welcher bei den Comatulen im Centrodorsalstück eine aus-
wendig gerippte herzartige Anschwellung bildet. Die übrigen
jWeichtheile liegen bei den Pentacrinen und Comatulen in
gleicher Weise theils auf dem Kelch der Krone, theils sich
fortsetzend auf der Bauchseite der Arme und Pinnulae in der
dort befindlichen Gliederrinne.
20*
30S
Der mikroskopische Bau des Skelets verliält sich wie bei
den übrigen Echinodernien, alle Skclettheile wachsen an den
Oberflächen, nicht durch Vergröfserung der kleinsten Theile;
denn die Balken des Kalknetzes sind bei der ganz jungen
noch gestielten Comatula, welche der Verf. durch die Güte
des Hrn. Gray in London erhielt, schon eben so grofs wie
bei dem erwachsenen Thier. Die neuen Glieder entstehen
theils durch Anbildung an den Enden der Reihen, theils durch
Interpolation. Das erstere findet an den Enden der Arme,
Cirren und Pinnulae statt, das letztere am Stengel. Hier bil-
den sich die neuen Glieder am oberen Theil des Stengels, der
sich durch geringere Zahl der Glieder zwisclien den Intern o-
dien auszeichnet, durch Interpolation zwischen den schon vor-
handenen Gliedern in der gezackten Naht derselben. Dalier
ist am oberen Theil des Stengels jedesmal ein dünnes Glied
zwischen zwei dicken, unten sind alle Glieder gleich. Die
Interpolationen finden so lange statt, bis die Normalzahl der
Glieder zwischen zwei Internodien oder Verticillargliedern her-
gestellt ist. Am unteren Theil des Stengels ist die normale
Zahl der Glieder zwischen den Internodien erreicht. Bei den
Encrinus geschieht dasselbe, an der Stelle der Verticillarglie-
der sind hier die breiteren Glieder. Abgebrochene Arme der
Comatulen ersetzen sich durch dünne Sprossen, welche auf
dem Bruchstück wie ein Pfropfreis aufsitzen. Die neuen Ver-
ticillarglieder der Pentacrinen entstehen dicht unter dem Kelch
Durch den ganzen Stengel der Pentacrinen gehen 5 un-
unterbrochene Sehnen, an den Gelenken bilden sie die Gelenk-
bänder. Von ihnen rührt auf dem Durchschnitt der Gelenke
die fünfblättrige Figur her. Um die Sehnen herum liegt an
den Gelenken eine elastisc.'he Interarticularsubstanz, eine krau-
senartig gefaltete Membran bildend. Ihr Rand entspricht der
gezackten äufseren Naht der Stengelglieder. Diese Substanz
hat einen sehr eigenthümlichen mikroskopischen Bau. In ihrer
Dicke stehen lauter Fasersäulchen, aus denen einfache Fasern,
hervorgehen, welche Reihen regelmäfsiger synunetrischer Ar-
kaden zwischen den Fasersäulchen bilden; in der oberen und
unteren Hälfte der Dicke dieser Substanz sind sich die Ar-
kaden entgegengesetzt. Diese Bogen gehören wahrscheinlich
einer Spirale an, deren gröfserer Theil in den Fasersäulchen
309
abwechselnd herab und hinauf steigt. Die Interarticularsub-
stanz der Cirren, Arme und Pinnulae ist nicht krausenartig
gefaltet, sondern bildet elastische Kissen von demselben Bau.
Diese Glieder haben aufserdem besondere fibröse Gelenkbändchen
an der Leiste, auf welcher sie sich wiegen.
Der Kelch der Pentacrinen und Comatulen besteht aus
den Kelchradien und der sie verbindenden Haut, welche sich
auf den Scheitel und die Bauchseite der Arme fortsetzt. Die
Kelchradien bestehen aus 3 Gliedern, wovon das unterste
immer durch Naht aufsitzt. Bei der eolossalen grönländischen
neuen Comatula Eschrichtii mit gegen 100 Ranken des halb-
kugelförmigen Centrodorsalstiicks, welche Mr. Eschricht zur
Aufklärung der Anatomie der Crinoiden mit grofsmüthiger Auf-
opferung mittheilte, ist das unterste Glied aufsen nicht sichtbar,
es liegt im Innern auf dem Centrodorsalstück wie bei den fos-
silen Solanocrinus, und das nächste Glied stützt sich zum
Theil auf das Centrodorsalstück selbst; aber die den Solaiio-
crinus und Pentaciinus eigenen sogenannten Beckenstücke
fehlen, wie bei den wahren Comatulen, während sie bei Co-
master Ag. (Com, mulüradiata Goldf.) vorhanden sind. Von
den Radiengliedern radialia ist das letzte das Stützglied für
zwei Arme, radiale axillare, an den weiteren Theilungen der
Arme liegt das ähnliche hrachiale axillare.
Die ungestielten Crinoiden mit Armen bilden 3 Familien^
1) Articulata gen. Comatula Lam. mid. Comaster A^. 2) Co-
stata mit schaligem geripptem Kelch und entgegengesetzten
Pinnulae, wovon sonst bei allen übrigen Crinoiden kein Bei-
spiel vorkommt, gen. Saccocoma Ag» 3) Tessellata, gen.
Marsupites.
Der Kelch der gestielten und bearmten Crinoidea arti"
culata, Pentacrinus, Encrinus, Apiocrinus ist im Wesent-
lichen übereinstimmend. Beim Kelch der gestielten und be-
armten Crinoidea tessellata kommen folgende Elemente nach
consequenter Bezeichnung vor. Erstens 3 oder 4 oder 5 ha-
salia, m«ist ein Pentagon bildend, darauf zuweilen ein Kreis
von alternirenden Parahasen, parabasaMa. Sobald die As-
seln sich in die Richtung der Arme ordnen, beginnen die ra-
dialia, wovon das dritte meist ein axillare. Zwischen den
radialia können inter radialia, zwichen den axiliaria können
310
interaxillaria liegen. Entweder sind die Arme von nun an
frei, oder der Kelch setzt sich noch weiter fort, die Radien
zerfallen dann in 2 Distichalradien mit radialia disüclialiay
die jedes mit einem distichale axillare enden, wie bei Acti-
nocrinus moniliformis und Eucalyptocrinus (identisch mit
Hypanthocrinus Phill.)« Zwisclien den Distichalradien können
Interdistichalia liegen, zwischen 2 Distichien interpalmaria.
Die Pinnulae der Pentacrinen und Comatulen beginnen
an den Armen immer aufsen am zweiten, innen 'am dritten
Glied über einem axillare; dies wiederholt sich bei allen weite-
ren Theilungen der Arme. Das axillare ist immer ohne Pinnula.
Die Armglieder der Pentacrinen und Comatulen sind dop-
pelter Art, die meisten sind durch Gelenke und Muskeln be-
weglich verbunden, einige an bestimmten Stellen unbeweglich
durch radiirte Nahtflächen, zwischen welchen ein in Radien
auslaufendes äufserst dünnes Häutchen. Zwei durch Naht ver-
bundene Armglieder bilden ein Syzygium, das untere Glied
eines Syzygiums kann hypozygale, das obere epizygale
heifsen. Das letztere trägt die Pinnula, das erstere hat nie
eine Pinnula, eine Syzygium gilt daher beim Alterniren der
Pinnulae für ein Glied.
Bei Pentacrinus Caput Medusae liegen die Syzygien
regelmäfsig über den axillaria, nie an einer anderen Stelle.
Bei den Comatulen liegen nie an dieser Stelle Syzygien. Bei
den vielarmigen ist die Lage des Syzygiums nach den Species
verschieden; das brachiale axillare selbst kann ein Syzygium
bilden; in diesem Fall sind, wie aus dem vorhergehenden
folgt, hypozygale sowohl als epizygale ohne Pinnula; oder
aber die Syzygien fehlen an jener Stelle. Alle Comatulen
ohne Ausnahme zeichnen sich vor den Pentacrinen aus, dafs
sie auch Syzygien in der ganzen Länge der Arme haben. Das
erste Syzygium liegt über dem zweiten Glied nach einem axil-
lare, daher steht die erste Pinnula hier an dem zweiten ein-
fachen Armglied, bei den Pentacrinus zwar auch an dem zwei-
ten Armglied, dies ist aber ein epizygale. Die Zahl der Glie-
der zwischen den Syzygien der Arme ist verschieden bei den
Arten der Comatulen, bei Comatula mediterranea Lam. liegen
2-4 einfache Glieder zwischen den gcjochten Gliederpaaren
oder Syzygien, sie hat gegen 25-30 Syzygien an jedem Arme i
311
bei C. polyartha Nob. dagegen liegen 10 - 14 Glieder zwi-
schen den Syzygien und diese hat daher nur wenige Jochver-
bindungen, bei C. carinata Lam. liegen 2-5, bei C. Eschrichtii
Nob. 2-3, bei C. echlnoptera Nob. 3-5, bei C. horrida {Alecto
horrida Leach.) und C. rotularia Lam. 8-10 Glieder zwischen
den Syzygien.
Viele Comatulen besitzen aufsen an der Syzygiennaht ei-
nen Kranz von Poren.
Die bei den Gattungen Encrimis, Platycrinus, Actino-
crinus imd Dimer ocrinus Ph. vorkommende alternirende Zwei-
zeiligkeit, Distichie, der Armglieder mit mittlerer Zickzacknaht
bildet sich aus einer einfachen Succession schief abgeschnitte-
ner Glieder durch Verkürzung der Winkel. Zweizeilige Arme
theilen sich nicht weiter. Die mit den Actinocrimis verei-
nigten Crinoiden mit einzeiligen Armen, denen auch das un-
regelmäfsige einzelne interradiale aller wahren Actinocrinen
fehlt, sondert der Verf. von diesen ab, unter dem neuen Genus
Carpocrinus, wohin Actinocvinus simplex Ph. (identisch mit
Acünocrinus tesseracontadactylus His.) und aufserdem Acti-
nocvinus expansus Ph. gehören.
Der Scheitel der Comatulen und Pentacrinen ist von ei-
ner Haut bedeckt, welche von den Radien des Kelchs ausgeht
und sich über die Bauchseite der Arme und Pinnulae fortsetzt.
Zwischen der ventralen Haut des Discus und dem Kelch und
zwischen der ventralen Haut der Arme und Pinnulae und den
Gliedern liegen die Weichtheile. In jener Haut liegt die Ten-
takelfurche. Die Tentakelfurchen der Pinnulae setzen sich in
die Tentakelfurche der Arme, diese in die Tentakelfurchen
des Scheitels fort; aus den 10 Tentakelfurchen, die von den
Armen kommen, werden durch Vereinigung von je zweien 5.
Diese setzen ihren Weg zum Munde fort, und hier entfernen
sich ihre tentaculirten Ränder und biegen über dem Mund in
die nächsten um. Die Tentakelfurchen zweier Arme, welche
sich auf dem Scheitel vereinigen, schliefsen ein Interbrachial-
feld ein, die übrigen gröfseren Intertentacularfelder reichen
von dem Zwischenraum zweier Kelchradien bis zum Mund,
es sind die Interpalmarfelder, welche über dem Mund 5 spitze
häutige Klappen bilden. Die Haut des Interradiums des Kelchs,
des ganzen Scheitels und der Bauchseite der Arme ist bei den
312
Comatulen meistens weich, bei einigen enthält sie mikroskopi-
sche Kalktheilchen, in Form von Stäbclien, einfachen oder
zertheilten Balken, Anfänge der Ossification. Es sind dieselben
Theilchen, welche Hr. Ehren berg bereits in der weichen
äufseren Haut der Holothurien beobachtete. Bei vielen Echi-
nodermen zeigen auch einzelne innere weiche Theile diese
Erscheinung und so sind die von Jaeger beobachteten Figu-
ren in den Häuten der Lungen und Eierstöcke der Holothu-
rien zu erklären, welche derselbe den Körperchen im Blut
und Saamen der Thiere frageweise verglich. Einige Seesterne
wie Arcliastcr typicus Nob. haben diese Gebilde auch in
den häutigen Wänden der Verdauungsorgane. In der Haut
der Comatula echinoptera ordnen sich diese Theilchen zu
einem Netz mit einzelnen Papillen, bei anderen treten schon
kleine ossificirte Plättchen auf, beim Pentacj'inus ist die Haut
bereits von harten Täfelchen bedeckt, und ähnliche Täfelchen
begleiten schuppenartig die Seiten der Tentakelfurchen der
Arme und des Scheitels. Die Täfelchen in der Interradialhaut
unterscheiden sich wesentlich von denen in der Haut des
Scheitels, letztere besitzen viele kleine mit der Loupe zu er-
kennende Poren, vielleicht Spiracula, welche in die Bauch-
höhle des Discus führen. Die Schuppen an den Seiten der
Tentakelfurchen besitzen diese Poren nicht. Die Tontakelfur-
chen der Comatulen und Pentacrinen sind inwendig mit zwei
Reihen sehr kleiner Tentakeln besetzt, die wieder mit noch
viel feineren mikroskopischen Fiihlcrchcn besetzt sind. Sie
führen die Nahrungsstoffe von den Pinnulae und Armen zum
Mund. Unter den Mundklappen gehen die Tentakelreihen je
zweier Furchen in einander über.
Der Scheitel der ungestielten Crinoidea tessellata (JMnr-
siipiles) ist noch nicht bekannt, denn was Man teil in seiner
Abbildung dafür nimmt, jene gegliederten Reihen, sind sowohl
nach der Abbildung als nach der Bemerkung, dafs diese Glie-
derchen auf der Berührungsfläche einen Riff haben, offenbar
von den Armen abgelöste Pinnulae.
Vergleicht man den Scheitel der gestielten Crinoidea tes-
scllala mit Armen mit dem der Articulala, so zeigt sich
wenig Aehnlichkeit. Der Scheitel dieser Thiere ist von ziem-
lich dicken Plättchen oder Platten gebildet, welche mit ihren
313
Rändern aneinanderstofsen und sich auch noch in dieser Art
auf den Anfang der Arme fortsetzen. Bei Platycrinus ven-
tricosus, micr 0 Stylus , rugosus, deren Scheitel vorliegen, ist
ihre Zahl sehr gering und bei Platycrinus ventricosus rei-
chen 12 dicke Platten hin, den ganzen Scheitel zu bedecken.
Diese Platten zeichnen sich hier durch die langen Spitzen oder
Stacheln aus, in welche sie auslaufen. Gerade in der Mitte
des Scheitels liegt hier eine solche grofse Platte. Zu einer
solchen Vertheilung von Tentakelrinnen, wie bei den Penta-
crinen und Comatulen ist hier gar kein Platz. Obgleich die
Scheitel an den vorgelegten Kelchen von 3 Species von Pla-
tycrinus und 2 Species von Actinocrinus alle vollkommen er-
halten sind, so zeigen sich doch niemals 2 Oeffnungen, Mund
und After, immer ist nur eine Oeflfnung vorhanden, entwe-
der in der Mitte, wie bei Actinocrinus, wo sie in eine mit
Asseln besetzte Röhre ausgezogen ist, oder an der Seite des
Scheitels zwischen den Armen, wie bei den Platycrinus (und
einem Theil der Melocrinus). Bei Pentacrinus Caput Me-
dusae ist zwar der After in einem der Interpalmarfelder nicht
gesehen, denn bei dem untersuchten Exemplar ist der Schei-
tel bis auf den peripherischen Theil zerstört, indefs mufs sich
dieser wie bei Comatula verhalten. Liegen sich Mund und
Afterröhre sehr nahe, wie bei Comatula horrida^ wo die
Afterröhre in der Spitze ihres Interpalmarfeldes stehend, den
Mund fast bedeckt, so könnte zwar die Mundöflfnung ganz
unsichtbar geworden sein ; indefs sieht man an den vorgelegten
Scheiteln alle Linien der zusammenstofsenden Platten sehr
deutlich und man darf nicht für ganz bestimmt annehmen,
dafs die gestielten Crinoidea tessellata mit Armen zwei ge-
trennte Oeffnungen besitzen, da eine andere Abtheilung von
Crinoidea (Holopus d'Orb.) keinen After hat und es, wie wei-
ter erörtert werden soll, unter den Asterien Gattungen mit
After und ohne After giebt.
Wenn Eugeniacrinus inespüiformis Goldf. wirklich ein
Crinoid mit Armen ist, die ihm Goldf ufs beilegt, so ist er
nicht allein der Typus eines neuen Genus in der Abtheilung
der gestielten Crinoiden mit Armen, sondern selbst der Typus
einer eigenen von den gestielten Crinoidea tessellata mit
Armen abzusondernden Familie der Testacea, indem der Kelch
314
und Scheitel desselben wie bei den armlosen Pentremites eine
zusammenhängende feste Schale bildet und wie bei diesen 5
gegen den Mund aufsteigende Tentakelfelder dieser Schale
besitzt. Hierher würde auch Platycrinus pentangularis Miil.
als eigenes Genus gehören, wenn er wirklich Arme haben
sollte, die Miller abbildet. Indefs behauptet Phillips, dal's
dieser Crinoid ein Pentremit sei und dafs ihm Miller Arme
beigefügt habe. Obgleich diese Bemerkung in keiner Weise
von Phillips begründet ist, so läfst sich gleichwohl nicht ver-
kennen, dafs die abgebildeten 5 Arme, welche einfach fort-
laufend 6 Glieder bis zum axillare besitzen, unter den Cri-
noiden ganz ungewöhnlich sind.
Die gestielten Crinoiden ohne Arme bilden 2 Familien.
Beide sind höchst wahrscheinlich mit getrennter Mund- und
Afteröfl'nung versehen. Die einen zeichnen sich durch ihre
auf einer unbeweglichen Schale ausgeprägten Tentakelfelder,
die sternförmig am Munde zusammenkommen, aus. Es sind
die Pentremiten. Um den Mund befmden sich bekanntlich 5
Oeffnungeu, wovon jede der Spitze eines Intertentakelfeldes
entspricht und eine sehr viel gröfser als die übrigen ist. An
dem Pentremiten, welchen Hr. v. Buch dem Verf. mitzuthei-
len die Güte hatte, liefs sich durch Aufräumung der Löcher
ermitteln, dafs jedes der vier kleineren Löcher in der Tiefe
durch eine senkrechte Scheidewand in zwei getheilt ist. In
dem grofsen fünften Loch fehlte diese Scheidewand in der
Mitte, dagegen fand sich jederseits eine Leiste, so dafs diese
Oeft'nung in 2 seitliche kleine und eine mittlere grofse zerfällt.
Die letztere ist offenbar der After. Die seitlichen entsprechen
den übrigen Oeflfnungen und sind mit diesen wahrscheinlich
Ausgänge für Eier und Samen. Das Verhalten der Oefifnun-
gen bestätigte sich an den Pentremiten des mineralogischen
Museums.
Die Tessellata dieser Abtheilung ohne Stern von Tenta-
kelfeldern sind die Sphäroniten mit den von Herrn v. Buch
aufgestellten Gattungen derselben. Ihre innige Verwandtschaft
mit den übrigen Crinoiden ist kürzlich durch ebendenselben
so überzeugend bewiesen, dafs davon hier keine Rede sein
kann. Tentakeln mögen auch Aorhanden aber ganz anders
vertheilt gewesen sein. Mund und After sind nachgewiesen,
315
liegen auseinander und sind bei einigen noch von einer drit-
ten (Geschlechts-) Oeffnung unterschieden.
Die letzte Abtheilung der Crinoiden wird von den Cri-
noiden mit Armen und fest gewurzeltem Kelch aus einem
röhrigen Stück gebildet. Denn der sogenannte Stiel des noch
lebenden Holopus ist wohl nur der Kelch. Sie scheinen nach
dem Wenigen, was von ihnen bekannt ist, keinen After zu
besitzen. Von den Armen ziehen sich Furchen gegen den
Mnnd. Diese Thiere sind hier das, was die Afterlosen unter
den mit einem Afterporus versehenen Asterien.
Die innere Fläche des Kelches und Scheitels der Coma-
tulen ist mit einer eigenen Haut verwachsen, welche die Bauch-
höhle begrenzt. Zwischen beiden bemerkt man am Scheitel
Muskelfasern, die sich an der Afterröhre in Längsreihen ord-
nen, die Bauchhöhlenhaut der Comatulen ist weich, bei dem
Pentacrinus enthält sie sehr kleine Kalkplättchen. Die Einge-
w^eidemasse der Comatulen ist mit der zweiten Lamelle der
Bauchhöhlenhaut überzogen, die äufsere und innere Lamelle
hängen um den Mund und an der entgegengesetzten unteren
Seite zusammen, zwischen beiden ist die enge Bauchhöhle,
welche sich durch 5 kleine Oeffnungen in den Bauchhöhlen-
canal der Arme fortsetzt.
In der Mitte des Discus der Comatulen bildet eine spon-
giöse Masse eine Art Spindel, um welche sich der Darm,
vom Mund schief abgehend, bis zum After windet. Von der
inneren Wand des Darmes, welche an diese Spindel grenzt,
springt eine gleich gewundene zottige lamina spiralis ins In-
nere des Darmes vor. Von der inneren Wand des Darmes
gehen auch Vertiefungen in die spongiöse Masse hinein, welche
blind zu endigen scheinen. An der unteren Seite der spongiö-
sen Masse, wo diese an dem Kelch angewachsen ist, befindet
sich in der Bauchhaut eine ansehnliche unregelmäfsige Ossifi-
cation. Sie wird von einem dicken Gefäfscanal durchbohrt,
der sich von der im Centrodorsalstück gelegenen herzartigen
Anschwellung in die spongiöse Masse begiebt.
Die Arme der Comatulen und Pentacrinen besitzen aufser
dem durch die Mitte gehenden Gefäfscanal der Skelettheile
und aufser der oberflächlichen Tcntakelrinne, zwei Canäle:
der untere ist der Bauchhöhlencanal, welcher an den Verbin-
316
<^iingsstellen der Glieder einen blinden Fortsatz in die Tiefe
abschickt, und der Tentakelcanal j der letztere liegt darüber,
unter der Tentakelrinne, mit deren Tentakeln er durcli seine
Poren zusammenliängt. Beide Canäle liegen in der Rinne
der Arniglieder unter der ventralen Haut der Arme, zwischen
beiden ersteren verläuft der Nervenstrang der Arme, der dem
Abgang der Pinnulae entsprechend eine längliche Anschwel-
lung bildet, von welcher der Nerve der Pinnula abgeht. An
der Scheibe entfernen sich der Bauchhöhlencanal der Arme
und der Tentakelkanal, ersterer öjETnet sich in die Bauchhöhle,
es sind 5 kleine Oeffnungen den 5 Radien entsprechend. Der
Tentakelcanal bleibt oberflächlich unter der Haut und unter
den Teiitakelfurchen des Scheitels, diese Canäle ergiefsen sich
um den Mund herum in die Höhlen der spongiösen Substanz,
welche die Mitte der Eingeweidemasse einnimmt.
In der Scheibe liegen unter der Haut des Scheitels die *
Verdauungseingeweide, an den Pinnulae unter der ventralen
Haut die Geschlechtstheile, über welche das Tentakelsystem
hinweggeht. Der untere Theil der Pinnulae ist von den reifen
Geschlechtstheilen angeschwollen. Die weiblichen Comatulen
besitzen hier an jeder Pinnula einen Eierstock, Eier mit Dotter,
Keimbläschen und bläschenartigem Keimfieck. Eine Comatula
mit 10 Armen besitzt daher gegen 1000 und mehr Eierstöcke,
eine Vermehrung dieser Organe, welche an die pflanzlichen
Verhältnisse erinnert. Unter den Thieren bieten die Band-
würmer etwas ähnliches dar, insofern alle reifen Glieder der-
selben mit besonderen Eierstöcken versehen sind.
Das Exemplar von Pentacrinus besafs keine Eierchen; die
dicken Theile der Pinnidae enthalten hier einen Schlauch mit
dicken Wänden.
Eierstöcke finden sich nur bei einem Theil der Individuen
der Comatulen. Andere haben auch Anschwellungen der Pin-
iHilae, aber keine Eierchen darin. Bei einer grofsen von Cap.
Wendt mitgebrachten neuen Comatula cchinoplera Nob.
fanden sich die männlichen Organe im strotzendsten Zustande.
Die Anschwellungen gehen mehr in die Breite. Jeder Hoden
ist ein unregelmäisiger an den Seiten in mehrere Abtheilungen
eingeschnittener Schiaucli, der gegen die Basis der Pinnulae
am dicksten ist, oben dünner plötzlich endigt. Er enthält eine
317
geronnene Masse ohne Spnr von Eikeiinen. Hiernach sind
die Comatulen in Gescliloclitcr getrennt, wie es bereits durch
die Herren Valentin, Rathke, Peters von den übrigen
Echinodermen erwiesen ist.
Die Elemente des Kelchs kommen auch an den Armen
vor, die Arme sind in allen Beziehungen Verlängerungen des
Kelchs und Scheitels, sie können bis auf diese reducirt sein,
wie bei den Pentremiten und Sphaeroniten; bei diesen haben
sich daher auch die Geschlechtstheile in den Kelch zurück-
gezogen.
Da die Arme den Crinoiden fehlen können, bis zur scha-
ligen Form der Seeigel, der After bei vielen oder den mei-
sten Asterien vorkommt, so ist es in der That jetzt schwer
zu sagen, was ein Crinoid sei. Der einzige constante eigen-
thiimliche Charakter dieser Abtheilung der Echinodermen ist,
dafs sie in der Jugend oder das ganze Leben hindurch ge-
stielt sind und dafs, wenn Armradien vorhanden sind, ihre
Glieder vom dorsalen Theil des Kelchs ausgehen, dagegen die
Wirbel bei den Asterien immer der ventralen Seite angehören,
und dafs die Glieder der Radien und Arme der Crinoiden
Verkalkungen des Perisoms sind, die Gliedersäulen der Aste-
riden dagegen dem Perisom nicht angehören. Auch sind die
Armfortsätze nur bei den Crinoiden gegliedert.
Dafs die Glieder der Kelchradien und Arme der Crinoi-
den nicht von der Haut überzogene Theile, sondern Indura-
tionen der Haut selbst sind, lehrt ihre vergleichende Anatomie.
Denn die ventrale Haut geht von ihrem Rande aus und bei
den Tessellaten tritt die Interradialhaut durch Entwickelung
von Asseln in eine Linie mit den Radialasseln. Die Reihe
wirbelartiger Stücke in der Tiefe der 7\rmfurchen der Aste-
rien, welche aus 2 Seitentheilen gebildet sind, hat in der Tiefe
der Furche noch eine weiche Haut über sich und zwischen
der Wirbelcolumne und dieser Haut liegt der Nervenstrang
des Armes. Diese Columnen reichen an der Bauchseite der
Scheibe bis zum Munde. Bei den Ophiuren und Euryalen,
wo die Bauchfurchen fehlen, bleibt die Lage dieser Columnen
an der Bauchseite der Scheibe, unter der lederartigen Haut
und an den Armen sind die Columnen allseitig von der leder-
artigen Haut eingeschlossen, indem die Eingeweidehöhle der
318
Arme bei diesen Tliieren fehlt, lieber und unter der Colnmne
zwischen ihr und der Haut verläuft ein Canal. Die Ophiuren
sind die einzigen Asteriden mit Zahnpapillen an jenen Leisten,
welche sich auf je 2 der Columnen am Munde stützen.
Aus dem Vorhergehenden folgt, dafs die Crinoiden und
Asteriden nicht zusammengehörende Gruppen sind, sondern
durch fundamentale Unterschiede der Skeletbildung geschieden,
nur Abtheilungen der Echinodermen in gleicher Linie mit den
Seeigeln und Holothurien bilden. Die Abtheilung der Asteriden
zerfällt dann in die eigentlichen Asterien und Ophiuren. Bei
den Gattungen der letzteren, welche Hr. Agassiz festgestellt,
fehlen die Blinddärme des Magens in den Armen und der
After, und die Madreporenplatte verläfst die Dorsalseite. Ihre
Eierstöcke liegen immer in der Scheibe selbst. Bei den Aste-
rien enthalten die Arme immer Blindsäcke der Verdauungs-
organe, der Rücken besitzt immer die Madreporenplatte der
Seeigel, der After ist bald vorhanden, bald fehlt er nach den
Gattungen, die Eierstöcke liegen bald in der Scheibe am Ab»
gang der Arme, bald in den Armen selbst, wie bei den See-
sternen mit cylindrischen langen Armen, bei den Ophidiastern
reichen sie durch zwei Drittheil der Arme.
lieber die Gattungen der Asterien.
Von
J. Müller und F. H. T r o s c h e 1.
(Auszug aus dem Monatsbericht der Königl. Akademie der
Wissenschaften zu Berlin. Monat April 1840.)
Die meisten Asterien haben einen von eigenthümlichen
Wärzchen wie bei den Seeigeln umstellten After. Dieser After
ist nicht oder nur wenig kleiner als der After der Seeigel.
Bast er sagte einst mit Bezug auf Asievias rubensi iitrum-
que geiuis (^eclunornin et sicllarum marinaruiii) os inferne
319
et ad excrementa ejicienda aperturam superne Jiahent. In
der Zoologia Danica ist bei A. müitaris CXXXI. p. 14
eine centrale Stelle als macula verruciformis angegeben und
''■esagt, da dieser Fleck nicht perforirt sei, so könne Baster's
Ansicht vom After nicht richtig sein. Die Warze öffne sich
wahrscheinlich zur Zeit des Abgangs der Eier. Tiedemann
widerlegte Baster's Angabe als völlig unbegründet und die
Neuern betrachten allgemein die Asterien als afterlos, es steht
in allen zootomischen und zoologischen Werken. Die von
Tiedemann untersuchte Asterias aurantiaca ist wirklich
afterlos und gehört der einen der beiden afterlosen Gattungen
unter 14 Gattungen von Asterien an: aber gerade die von
Bast er untersuchte Asterias rubens besitzt, wie alle der
Gattung, zu welcher sie gehört, einen After. Vor einiger Zeit
(1831) hat Hr. Wiegmann zuerst wieder diesen Porus bei
einer pentagonalen Asterienart bemerkt und bei den zwei trock-
nen Exemplaren derselben auf der Etiquette mit folgenden
Worten bezeichnet: Ast. pleyadeJIa Lam. var. angulis pro-
ductioribus. Ind. oc. Specimen utrumque acu pertusum
eratj altermn in ipso foramine, quod ani orißcimn fortasse
ducendum. Dieses Thier gehört zu der Gattung Goniaster
Agass. oder zu den Scutasterien Blainville's.
Als wir auf diesen Gegenstand die Asteriensammlung des
zoologischen Museums nachsahen, fanden wir, dafs der bei
weitem gröfste Theil aller Asterien mit einer kleinen After-
öffnung versehen ist.
Der Afterporus ist bald central, bald subcentral. Bei den
Gattungen Archaster Nob., Ophidiaster Ag. und Gross aster
Nob. ist er ganz central, subcentral ist er bei den Gattungen
Aster acanthion Nob., Stichaster Nob., Echinaster Nob., Ghae-
taster Nob., Linckia Nob., Goniaster Ag., Asteropsis Nob.,
Gulcita Ag. und Asteriscus Nob. Dann liegt er ganz nahe
der Mitte links vom Radius der Madreporenplatte. Bei den
bekannten Species der Gattung Asterias Ag. ist keine Spur
eines Afterporus vorhanden. Ganz ähnliche äufsere Charactere
hat die neue mit einem After versehene Gattung Archaster,
Afterlos sind die beiden Gattungen Asterias Ag. und Ilemi-
cnemis Nob. Diejenigen Seesterne, welche einen After haben,
besitzen innuer auch eine Absonderung der Magenhöhie von
320
einer Darmhöhle (hircli eine Cirk elfalte, in der unteren Hohle
unter dieser Falte gehen dann erst die Blinddärme der Arme
ab. Diese Höhle ist es auch, welche in den Afterporus aus-
mündet. Der Vorrath nordischer Asterien, die reiche Schultz-
sche Sammlung- sicilianischer Asterien im anatomischen Mu-
seum, sowie der eben so wichtige Schatz von Asterien des
indischen Archi'oels in Weinc^eist von Hrn. Geh. Rath Schoen-
lein lieferten die Materialien zur Feststellung der anatomi-
schen Thatsachen.
Mehrere in neuerer Zeit aufgestellte Gattungen von Aste-
rien sind sehr zweckmäfsig, wie die Gattungen Asterias Ag.
(jStellaria Nardö), Goniaster Ag., Culcita Ag. Die Gattung
Lincliia Nardo würde gut sein, wenn sie aufser TAnchia
variolata nicht wahre Ophidiaster umfafste und wenn ihre
Gattungscharactere nicht gerade von diesen entnommen wären.
Die Gattung Stellonia Nardo ist nicht haltbar, denn sie um-
fafst Stachelasterien verschiedener Genera und selbst verschie-
dener Familien, nämlich Asterien mit 4 Tentakelreihen wie
Ai. rubens, glacialis und Asterien mit 2 Tentakelreihen wie
y4. sepitosa und spinosa. Die Gattungen Asterma und An-
seropoda Nardo gehören in eine zusammen, da die dahin
gezogenen Thiere sich nicht generisch unterscheiden. Die fol-
gende Classification ist auf 55 Arten von Asterien der hiesi-
gen Museen gegründet. Die Asterien zerfallen nach den vor-
hergehenden Thatsachen, so wie einem wichtigen und leicht
erkennbaren bisher unbenutzten Unterschied in der Zahl der
Tentakelreihen der Bauchfurchen in 3 Familien.
I. Familie. Asterien mit 4 Tentakelreihen der Bauchfurchen
und einem After. '
Gen. 1. Asieracanthion Nob.
Ueberall regelmäfsig oder unregelmäfsig mit spitzen
oder stumpfen Stacheln oder Tuberkeln besetzt. Zwi-
schen den Stacheln nackthäutig mit vielen Poren der
respiratorischen Tentakeln. Pedicellarien zangenartig
an weichen Stielen, kranzartig um die Basis der Sta-
cheln, oder dazwischen, oder beides zugleich. After
subcentral.
8 Arten: Aslcrias nibens Lam., A.violacea O. Fr. Müll.,
321
A. glacialis Lam., A. tenuispina Lam. {A. Savare-
sH D. Ch.), ^. rosea O. Fr. Müll., A. IJelianthus
Lam., A. granifera Lam., A, gelatinosa Meyen
Reise 1. 222.
Gen. 2. Stichaster Nob.
Körper auf der Bauchseite nahe den Furchen dicht
gestachelt, sonst überall dicht mit Platten in regel-
mäfsigen Reihen gepanzert, welche dicht mit gestielten
Knöpfen besetzt sind. Zwischen den Platten nur ein-
zelne Poren. Zangenartige Pedicellarien an den Bauch-
furchen. After subcentral.
Stichaster striatus Nob. (? Ast, striata Lam., Ast.
aurantiaca Meyen 1. 222).
II. Familie. Asterien mit 2 Tentakelreihen der Bauchfurchen
und einem After.
Gen. 3. Echinaster^) Nob.
Arme walzig. In der Haut ein zusammenhängendes
Balkennetz, überall regelmäfsig oder unregelmäfsig mit
einzelnen Stacheln oder dicht mit Stacheln besetzt.
Haut zwischen den Balken nackt mit vielen Tentakel-
poren. Keine Pedicellarien. After subcentral.
4 Arten: A. sepitosa Lam., A. echinophora Lam. (Pen-
tadactylosaster spinosus Linck,) E. spongiosus Nob.
(Linck t. 36. n. 62.) und eine neue Art.
Gen. 4. Crossaster Nob.
Die Haut überall mit gestielten Wedeln besetzt, da-
zwischen nackt mit vielen Tentakelporen. Keine Pe-
dicellarien. After central.
2 Arten: A papposa Lam., A. endeca Lam.
Gen. 5. Chaetaster Nob.
Haut überall dicht mit Reihen von Platten besetzt,
deren Gipfel mit Borsten gekrönt sind. Zwischen den
Platten nur ein Porus. Keine Pedicellarien. After
subcentral.
A. siibulata Lam.
*) Echinaster ist der älteste von Luidius und Petiver für ein hie-
hergehöriges Thier gebrauchte Name.
Wiegm. Archiv. VI. Jahrg. 1. Band. 21
322
^
Gen. 6. Opliidiaster Ag.
Arme cylindrisch. Haut überall mit graiiulirten
Plättcheii besetzt, die Haut dazwischen auch granulirt
bildet Porenfelder mit vielen Poren. Keine Pedicel-
larieu. After central.
8 Arten: 0. ophidianus Ag., ^. cylindrica Lam., ^. lae-
vigata Lam., A. multiforis Lam., die übrigen neu.
Gen. 7. LlncMa Nob. {Linckia Nardo zum Theil).
Arme flach. Ueberall mit granulirten Platten be-
setzt, die sich am Rande in zwei Reihen ordnen. Zwi-
schen den Platten einzelne Poren. Keine Pedicella-
rien. After subcentral.
3 Arten: A. variolata Lam., A. milleporella Lam., die
dritte neu.
Gen. 8. Goniaster Ag.
Arme kurz bis zur pentagonalen Gestalt der Scheibe,
die untere Seite platt, die Rückseite flach oder erha-
ben. An den Kanten der Scheibe und Arme zw^ei
Reihen Platten. Diese und die Platten der Bauch-
und Rückenseite granulirt, zuweilen in Tuberkeln ver-
längert, die Haut zwischen den Platten und die Po-
renfelder mit vielen Poren ebenfalls granulirt. Wo
Pedicellarien vorkommen sind sie zangenartig oder
klappenartig, sessil. After subcentral.
7 Arten: Gon. tessellatus Ag., G. eqiiestris Ag., G. no-
dosus Ag., G. reticulatus Ag., A. pentagonula Lam.,
Gr. Sebae Nob. {Artocreas altera Seba), Gr. iuher-
culatus Nob. (Linck t. 25. n. 40.)
Gen. 9. Asteropsis Nob.
Charactere der Goniaster, aber die Haut zwischen
den Platten nackt, die nackten Porenfelder mit vielen
Poren. Sessüe zangenartige Pedicellarien. After sub-
central.
A. carinifera Lam.
Gen. 10. Culcita Ag.
Pentagonal, ohne Randplatten, Haut gekörnt, die
Furchen des Bauches setzen sich auf den Rücken
fort. Zangenartige oder klappenartige sessile Pedi-
cellarien. After subcentral.
323
2 Arten: C. discoidea Ag. und eine neue Art.
Gen. 11. Asteiisciis*^ Nob. (^ Asterina et Anseropoda
JSardo ).
Scheibe und Arme ganz oder am Rande abgeplattet,
der Rand gekielt ohne Randplatten. Die Täfelchen
der Bauchseite mit einem, zwei oder mehreren kamm-
förmig gestellten Stachelchen besetzt, die dos Rückens
mit einer oder mehreren Reihen von ähnlichen Fort-
sätzen besetzt. Der platte Randtheil der Scheibe und
Arme ist von Tentakelporen eine gröfsere oder klei-
nere Strecke frei. After subcentral.
4 Arten: A. inembranacea Lam., A. penicillaris Lam.,
A. exigua Delle Chiaje., Asteriscits pentagonus Nob
(Seba V, 13.)
<3en. 12. Arcliaster Nob.
Auf beiden Seiten platt, mit 2 Reihen grofser Rand-
platten, die unteren mit beweglichen Stacheln, Rücken-
seite mit Stielen besetzt, die mit borstenartigen Fort-
sätzen gekrönt sind. Zwischen den Stielen Tentakel-
poren. Keine Pedicellarien. Alles wie bei dem Ge-
nus Asterias, von denen sie sich durch den centralen
After unterscheiden.
2 Arten: Archaster typicus Neb. Celebes, eine Reihe
Randstacheln, Bekleidung des Rückens in regelmäfsi-
gen Längsreihen. A. hesperus Nob., ähnlich mit un-
regelmäfsiger Bekleidung des Rückens.
III. Familie. Asterien mit 2 Tentakelreihen der Bauchfurchen,
ohne After.
Oen. 13. Asterias Ag. (^Stellaria Nardo.)
Auf beiden Seiten platt, mit 2 Reihen grofser Rand-
platten, die unteren mit beweglichen Stacheln, Rücken-
seite mit Stielen besetzt, die mit borstenartigen Fort-
sätzen gekrönt sind. Zwischen den Stielen Tentakel-
poren, Keine Pedicellarien.
11 Arten: A. aurantiaca Lam., A, pentacaniha D. Ch.,
A. Johnstoni D. Gh., A. spinulosa Philippi, A, hi-
*) Asteriscus ist der älteste für ein hieher gehöriges Thier ge-
brauchte Name, welcher bei Luidius und Petiver vorkömmt.
21*
324
spinosa Ott., A. suhinermis Phil., yl. plaiyacnnlha
V\\. Die übrigen neu.
Gen. 14. Ilcimcnemis. Nob. *)
Von den Randplatten ist blofs die ventrale Reihe
vorhanden, mit Stacheln. Riickenseite ganz mit gebor-
steten Stielen besetzt. Keine Pedicellarien.
2 Arten: A. ciliaris Phil, und A. senes^alensis Lam.
Die excentrische MadreiDorenplatte, welche allen diesen Gat-
tungen zukommt, ist bei den meisten Asterien einfach, bei A.
helianthus ist sie vielfach, ein Haufen einzelner Platten. Bei
anderen Asterien mit vielfachen Armen bleibt sie einfach, wie
bei papposa, endeca, ciliaris u. a. Mehrere Arten der Ophi-
diaster, (z. B. O. multiforis) haben constant 2 Madreporenplat-
ten, welche bei 5 Armen durch die Breite eines oder zweier
Arme von einander entfernt sind. Die Arten, welche zwei
Madreporenplatten haben, besitzen sie auch dann, wenn sie
nur vier Arme haben; vermehren sich die Arme, so können
drei- Madreporenplatten vorhanden sein. A. tenidspina (mit
6-8 Armen) hat regelmäfsig wenigstens zwei Madreporen-
platten, durch die Breite eines oder zweier Arme getrennt,
die Exemplare mit 8 Armen haben 3 Madreporenplatten. In
diesen Fällen läfst sich der bilaterale Typus, welchen Herr
Agassiz auf eine sehr geistreiche Weise bei allen Echino-
dermen nachgewiesen, nicht nach dem Radius der Madrepo-
renplatte bestimmen. Man kann sich vorstellen, dafs sich hier
constant ein oder mehrere Arme im Interradialraum der Ma-
dreporenplatte entwickeln, bei Mangel des vordem Arms. Auch
bei der Abtheilung der Clypeaster, unter den Seeigeln, wie
bei Gen. Clypeaster, Scutella, Echinoneus, Echinarachnius
könnte die Madreporenplatte nicht zur Bestimmung der Achse
dienen, denn sie findet sich merkwürdiger Weise im dorsalen
Pol der radialen Entwicklung , entweder von 5 oder 4 Ovi-
ducalöfi'nungen umgeben. Indessen ist bei diesen Thieren die
Achse des bilateralen Typus durch die Lage des Afters be-
stimmt. Die excentrische oder subcentrale Lage der After-
öflfnung am Centrum links vom Radius der Madreporenplatte
*) Bei dieser Gattung reichen die Geschlcchtstheilo durch die
ganze Länge dor Arme.
325
trifft sich auch bei den Gattungen Echinometra und Echiiius.
Diese Lage kann kein Einwurf sein gegen die vollkommen be-
gründete Ansicht von der Combination des bilateralen mit
dem radialen Typus bei den Echinen und Asterien und erklärt
sich hinreicliend durch eine Störung der Symmetrie, wie sie
auch bei einigen Wirbelthieren mit lateralem After, Lepidosi-
ren und Amphioxus vorkommt.
Dafs die Madreporenplatte und der After demselben Ra-
dius angehören, beweisen die Spatangen. Aber die eine und
der andere können aus ihrem Radius in das Centrum rücken,
die Madreporenplatte bei den Clypeastern, der After bei den
Echinen.
Bei den Ophiuriden ist die Madreporenplatte bisher nicht
beobachtet; sie ist vorhanden, liegt aber an einer ganz ande-
ren Stelle als bei den Asterien, nämlich an der Bauchseite,
in der Nähe des Mundes. Bei Euryale ist sie sehr leicht zu
beobaiTiiten, sie liegt im Winkel zweier nach dem Munde lau-
fender Wirbelreihen der Arme. Bei den Ophiuren ist sie in
eigenthümlicher Weise ersetzt. In den Winkeln der Wirbel-
columnen liegen um den Mund herum 5 schildförmige Platten.
Eine von diesen Platten besitzt meist einen Umbo und zeich-
net sich dadurch von den 4 übrigen Platten aus.
Die Madreporenplatte liegt also in verschiedenen Abthei-
lungen der Echinodermen an verschiedenen Stellen ihres Ra«
dius, von der Bauchseite an bis ins dorsale Centrum; ebenso
ist es mit dem After. Die Genitalöffnungen sind immer ra-
dial, nie central, aber ihre Lage kann in ihren Radien bald
ventral (Ophiuren, Pentremiten), bald dorsal (Seeigel) sein
und sie sind bald einfach bald gedoppelt. Einfach sind sie
bei den Seeigeln, gedoppelt bei den Ophiuriden und Pentre-
miten. Wenn sie einfach sind, liegen sie in den Interbrachial-
feldern oder Interambulacralfeldern; wenn sie gedoppelt sind,
können sie bis in die Nähe der Arme auseinanderweichen und
an den Armen selbst, aufserhalb der Ambulacralfurchen liegen,
wie bei den Crinoiden die Pinnulae selbst zur Ausschüttung
der Eier an der Aufseuseite dehisciren.
Die Pedicellarien sind zweiarmig bei den Asterien, drei-
armig bei den Seeigeln, bei den langarmigen Pedicellarien sind
326
che ganzen Arme gezähnelt, bei den zangenartigen Pedicella-
rien mit kürzeren Armen sind die Enden der Arme mit einem
oder mehreren längeren Zähnen versehen.
üebcr die Gattungen der Ophiurcii.
Von
J. Müller und F. IL Troschel.
(Mitgetheiit in der Gesellschaft naturforschender Freunde
am 16. Juni und 21. Juli 1840. )
Die Ophiuriden sind Seesterne, welche mit den Asteriea
gemein haben, dafs ihre Armcolumnen vom Munde ausgehen,
und sich von ihnen dnrch den Ursprung der Arme und den
Mangel der Bauchfurchen uaterscheiden. Ihre Scheibe ist von
den Armen abgesetzt, während diese bei den Asterien Aus-
dehnungen der Scheibe sind. Ihre Tentakeln auf der ßauchseite
durchbohren einfach die Haut. Die einspringenden Winkel des
Mundes sind auf ihrer senkrechten Höhe mit Papillen (Zahn-
papillen) besetzt. Bei allen fehlt der After. Sie zerfallen in
zwei Famiien: die Ophiuren und Euryalen. Die letzteren ha-
ben verzweigte Arme, und ihre Haut an den Armen besitzt
keine Schuppen, sondern ist einfach granulirt. Der Rücken
der Scheibe ist mehr oder weniger deutlich strahlig gerippt,
Sie haben kleine Papillenkämme in 2 Reihen an der Bauch-
seite der Arme. Die Armcolumnen srofsen am Minide unmit-
telbar aneinander, ohne dazwischenliegende Mundschilder. In
einem der dadurch gebildeten Winkel liegt die Madreporen-
platte. Herr Agassiz hat sie in die Gattungen Euryale und
Tricasier getheilt, je nachdem die Arme ^vom Grunde aus,
oder erst an der Spitze verzweigt sind.
Die Ophiuren haben einfache Arme, an denen man
Rücken-, Bauch- und Seitenschuppen unterscheidet. Die Quer-
reihen der Papillen oder Stacheln stehen an den Seiten der
Arme. Zwischen den Armen am Munde liegen fünf Mund-
327
Schilder, von denen eins gemeiniglich mit einem Uniho ver-
sehen ist.
Herr Agassiz hat bereits die Ophiuren mit Stacheln,
und diejenigen mit anliegenden Papillen generell getrennt
(Ophiocojna Ag. und Ophiura Ag.), und auch die fossilen
Ophiuren in Gattungen geordnet. Die Untersuchung einer an-
sehnlichen Zahl von lebenden Ophiuren der hiesigen Museen,
führte uns auf noch mehrere andere wesentliche Unterschiede
unter den Ophiuren, welche, indem sie keinen Uebergängen
unterworfen sind, zur generischen Unterscheidung der sonst
wegen ihrer grofsen Zahl schwer bestimmbaren Ophiuren
dienen können. Dahin gehört die Bekleidung der Scheibe,
welche entweder aus völlig glatten Schuppen oder Schildchen
besteht, oder aus kleinen, die Haut besetzenden Körnern,
Papillen, Stachelchen gebildet ist» Dann kommt die Zahl der
Genitalöffnungen in den Interbrachialräumen der Bauchscheibe
in Betracht, welche 2, aber auch 4 sein kann. Ferner gehört
hierher die Beschaffenheit der Mundränder an den 5 Spalten
des Mundes, welche entweder nackt, oder mit Papillen ein-
gefafst sind. Endlich sind auch die Stacheln an den Seiten
der Arme von Wichtigkeit, indem sie entweder glatt oder
echinulirt sind.
Herr Delle Chiaje spricht bei einer Ophiura von ei-
ner Central- Oeffnung des Rückens. Wir haben diese Art un-
tersucht, und nur einen nackten Fleck gefunden, der auch
nicht constant ist. Derselbe beschreibt auch eine Madreporen-
platte, die ausnahmsweise bei einer Species von Ophiura
(0. tricolor^ nahe einem der Winkel der pentagonalen Scheibe
vorkommen soll: discopentagono quasi acuore, spinosetto, ne-
ricciOj col corpo hibirintifero a solchi e margini ßessuosi
presso mio de cinque ajigoli, essendo questo il primo es-
empio di sua esisteiiza neue OJlure. Dies kann indefs nur
etwas Abnormes gewesen sein, denn was bei den Ophiuren
die Madreporenplatte ersetzt, liegt an einer ganz andern Stelle,
wie in der vorhergehenden Abhandlung erwähnt ist. *)
*) Auch bei den Comatulen glaubte dieser verdienstvolle Beob-
achter eine Madreporenplatte wahrgenommen zu haben, wo sie indefs
auch nicht vorkommt.
328
Wir theilen die lebenden Ophiuren wie folgt in fünf Gat-
tungen :
Genus 1. OphioJepis Nob. {Ophinra Ag. zum Theil).
Die Scheibe ganz mit glatten Schuppen oder Schild-
chen bedeckt; zwei Genitalspalten in jedem Interbrachial-
raum der Bauchseite; Papillen oder Stachelchen an den
Seiten der Arme. Die Ränder der Mundspalten mit har-
ten Papillen besetzt.
8 Arten: 0. annulosa Blainv, Actin. XXIV. {non annu-
losa Lam.)
0. texturata Lam. (^Ast. cordifera delle Chiaje XX. f. 12;
0. aurora Risso; 0. hracteata Johnst.)
Ast. scjamata delle Chiaje XXXIV. fig. 1. (0. neglecla
Johnston).
Ast filiformis O. F. Müll. Zool. dan. tab. 59.
Ast. aciileaia O. F. Müller Zool. dan, tab, 99. (0. lel-
lis Johnston).
Ast. Tenorii delle Chiaje XXI. fig. 7-11.
Die ürigen neu.
Genus 2. Ophiocoma Ag.
Scheibe überall gleichmäfsig gekörnt, ohne hervortre-
tende nackte Schilder des Rückens. Glatte Stacheln an
den Seiten der Arme. Zwei Genitalspalten in den Inter-
brachialfeldern der Bauchseite. An jedem Tentakelporus
eine oder zwei Schuppen. Die Ränder der Muudspalten
sind mit harten Papillen eingefafst.
6 Arten: 0. echinata Ag.
0. scolopendrina Lam.
Ast. nigra O. F. Müll. Zool. dan. tab. 93.
und drei neue.
Genus 3. Ophiothrix Nob.
Scheibe gekörnt oder gestachelt. Aus der Haut des
Rückens der Scheibe treten mehr oder weniger deutlich
zehn radiale Schilder hervor, die entweder nackt, oder
sparsam bewaflfnet, oder durch die Art ihrer Bewaffnung
von der übrigen Haut der Scheibe ausgezeichnet sind. Die
Ränder der Mundspalten sind nackt, und die harten Pa
pillen der vorigen Gattung fehlen, so dals nur Zahnpapil-
329
len vorhanden sind. Die Stacheln der Arme sind echinu-
lirt. Genitalspalten zwei in jedem Interbrachialfelde.
12 Arten: 0. echinophora Nob. {Ast echinata delle Chiaje
tab. 34. %. 5. non 0. echinata Lam.)
Astfragilis O.F.Müll. Zool. dan. tab. 98. (0. rosida
Johnston.)
jist. tricolor delle Chiaje tab. 34. fig. 9.
Ast. pentagona delle Chiaje tab. 34. %. 15.
Ast. Ferussaci delle Chiaje tab. 34. fig. 12.
Ast. Cuvieri delle Chiaje tab. 34. fig. 17.
Ast. quinquemaculata delle Chiaje tab. 68. fig. 1.
O. granulata Johnst.
0. spinulosa Risso Hist nat. fig. 30.
und 3 neue Arten.
Genus 4. Ophioderma.
Die Scheibe ist granulirt. Die Mundspalten sind mit
harten Papillen eingefafst, an den Seiten der Arme Kamme
von Papillen. Statt zwei Genitalspalten in jedem Felde
des Bauches vier Oeffnungen; wovon zwei in der Nähe
des Randes der Scheibe, zwei dicht hinter den Mund-
schildern liegen.
2 Arten: 0. lacertosa Lam. (Encycl. tab. 122. %. 4. Ast-
ophiura delle Chiaje tab. 20. fig. 1.)
0. pectinatum Nob. (Seba tab. 5. fig. 1-2).
Genus 5. Ophionyx.
An den Armen befinden sich unter den Stacheln noch
bewegliche Haken. Die Scheibe ist mit mehrzackigen Stachel-
chen besetzt. Die Ränder der Mundspalten scheinen nackt
zu sein. Eine Species 0. armata Nob. neu.
Der Gegenstand dieser Beobachtung ist ein sehr kleines
nur 2y Linien grofses Thierchen. welches auf dem Arme einer
Ophiotlirix gefunden wurde. Es ist vielleicht nur der Jugend-
zustand einer Art aus den vorhergehenden Gattungen. Die
Scheibe zeigt unter dem Microscop auf dem Rücken, beson-
ders gegen den Rand hin einzelne sehr zerstreute kurze Döru-
chen, welche in drei Zacken endigen. Die Arme hatten an
dem untersuchten Individuum nur acht ausgebildete Glieder.
Diese Glieder sind lang, an ihrer Basis schmal, am Ende breit.
Die Rücken- und Bauchschiippen sind elliptisch und länger
330
als breit. Die Seitenschuppen ragen in schiefer Richtung nach
aufsen und vorwärts sehr stark hervor, und tragen 1) ein
Ilakenglied und 2) mehr nach oben zwei Dörnchen. Das Ha-
Ivenglied besteht aus einem grofsen krummen Haken, der in
zwei hinter einander liegende Spitzen ausläuft. Die Dörnchen
sind am ersten und zweiten Gliede nächst der Scheibe echi-
nulirt, oder laufen vielmehr am Ende in mehrere Zacken aus;
an den übrigen Gliedern sind die Dörnchen einfach, und nur
an ihrem Ende fein getheilt. Am ersten Gliede nächst der
Scheibe scheinen die Haken zu fehlen. Die gewöhnlichen Ten-
takeln fmden sich wie bei den übrigen Ophiurea.
Schreiben der Herren Graf Kejserling und
Professor ßlasius.
Petersburg, yV- J""i 1^40.
Im Augenblick der Abreise in das Innere von Rufsland
mit der Mayendorfschen Expedition, erlauben wir uns Ihnen
folgende kurze Notiz zur möglichst schnellen Aufnahme in Ihr
Archiv mitzuth eilen.
„Mifsverständnisse und Verfehlungen, deren Auseinander-
setzung ohne wissenschaftliches Interesse ist, haben uns, bei
dem Streben nach gröfstmöglicher Vollständigkeit in Unter-
scheidung der europäischen Wirbelthiere, zuwider unseren mehr-
fachen Bemühungen in die Nothwendigkeit versetzt, zwei neue
Thiere zu publiciren, die wir mit Nathusius untersucht hatten,
imd die von Nordmann gesendet waren. Erst nachdem der
Druck des ersten Bandes unserer europäischen Wirbelthiere
beendigt war, erhielten wir die unterdefs erschienene zoologi-
sche Abthellung der Demidofschen Reise von Nordmann, in der
nun eben diese beiden Thiere unter anderen Namen bekannt
gemacht sind. Der Mus horhilanus Nordmann ist unser
Mus Nordmanni, der Sminthus Joriger Nathus. ex litt.
ist unser Sminthus ISordmmmi. Wir beeilen uns hiermit,
unsere Artnamen einzuziehen und die Synonymie unzweifelhaft
festzustellen, durch die Bemerkung, dafs dieselben Individuen
zu Nordmanns Abbildungen und unserer Untersuchung gedient
haben.'' Blasius und Keyserling.
331
Die Vegetation in der Mark Brandenburg.
Ein Beitrag zur Pflanzen - Geographie
von
Dr. Barentio.
I. Beziehungen zwischen der Vegetation und
dem Klima.
Unter allen Ursachen, welche auf das Gedeihen der Pflan-
zen einwirken, sind Warme, Licht und Wasser von so ent-
schiedenem Einflufs, dafs ihnen gegenüber nur in seltenen
Fällen ein anderes Element Bedeutung erlangt. Daher spre-
chen sich die klimatischen Verhältnisse in den Pflanzen auf
so bestimmte Weise aus, dafs sich von diesen auf jene und
umgekehrt die erspriefslichsten Folgerungen haben herleiten
lassen; ja es werden von den Gewächsen atmosphärische Zu-
stände angedeutet, zu deren wissenschaftlicher Beobachtung
es noch sogar an den geeigneten Instrumenten fehlt. Zwar
giebt es Pflanzen, die unter den verschiedensten Himmelsstri-
chen gedeihen: Lemna minor, Lemna trisidca, Marsüia
quadrifolia, Convolvulus Sepium, Festuca fliiitans, Arundo
Thragmites y Panicum Crus Galli, Scirpus lacustris, Cla-
dium Maris cus, Jiincus effusus, Solanum nigrum*) sämmt-
lich bei uns wohlbekannte Arten, wachsen auch auf Neu-
Holland. Samolus P^alerandi ist über alle Erdtheile verbrei-
tet; desgleichen Nasturtium officinale, welches nur in Neu-
Holland noch nicht gefunden ist. Aira flexuosa, Sagina
-procumhens , Callitriche verna, Marchantia polymorplia
kommen nach Dumont d'Urville unter ganz ähnlichen Ver-
hältnissen wie bei uns auch auf den Falklands -Inseln vor.
Myriophyllum spicatum und Poa maritima werden in Lapp-
*) Meyen Pflanzengeographie. Berlin 1836. p. 110.
332
land, Deutschland und in der subtropischen Region der Cana-
rischen Inseln angetroffen. Ueberraschend ist die weite Ver-
breitung vieler niederen Pflanzen. Unsere Farmelia perforata
fand Hr. Meyen selbst auf den entlegenen Sandwichs -Inseln,
udspergillus glaucus sah Ilr. Ehrenberg in Afrika unter
ahnlichen Umständen sich bilden wie bei uns. Wenn aber
auch Beispiele dieser Art nicht geeignet sind über klimatische
Differenzen Aufklärung zu geben, so scheinen sie mir doch in
anderer Beziehung sehr beachtenswerth, da sie sich als schwer
zu beseitigende Einwürfe gegen die Lehren anführen lassen,
welche Linne*) und Wildenow**) von der Verbreitung
der Pflanzen über die Erdoberfläche aufstellten. Grade jenen
Vorstellungen entgegen, die im Wesentlichen darauf hinaus-
kommen, dafs alle Gewächse von einem inselartig hervorra-
genden Bergrücken sich über die allmählig aus den Gewässern
emportretende Erde verbreiteten, reden sie vielmehr der An-
sicht das Wort, dafs sich Pflanzen wie Thiere ***) zugleich
an vielen Stellen der Erdoberfläche erzeugten, wo die zu ihrer
Entstehung nothwendigen Bedingungen sich vorfanden. In ge-
wissen Fällen sind wir für manche niedere Gebilde jetzt noch
dasselbe anzunehmen genöthigt, wie vorsichtig uns auch die
neueren mikroskopischen Entdeckungen in der Hiudeutung auf
die generatio aecjuivoca gemacht haben.
Wie genau der eben ausgesprochenen Ansicht die Erfah-
rung sich anschliefst, ergiebt sich noch aus einem anderen
Umstand. II. B. Saussure hat zuerst die richtigen Gründe auf-
gefunden, aus denen eine Abnahme der Temperatur mit zu-
nehmender Höhe der Berge nothwendig wird; daher trifft man
denn auf den Gebirgen südlicher Breiten die Temperatur nörd-
lich gelegener Gegenden w^icder, wodurch das Klima nordi-
scher Ebenen und südlicher Höhen eine gewisse Aehnlichkeit
erhält, die sogleich auf die Vegetation übergeht, und sicli hier
nicht selten auf das Wiedererscheinen derselben Species er-
*) C. Liimaei Disscrt, de teUnris habitabi/Zs increjnento.
**) Giundrifs der Kräuteikunde. 5. Aufl. p. 491.
***) Z. B. Trochus adglutma?is unter den Schnecken, Arpi/ro-
nccta aijuatica unter den .Spinnen, Vanessa Cardiii aus der Klasse
der Insekten, sind ähnliche Beispiele in der Thierwelt.
333
streckt. Saxifraga opposif/folia, Süene acaulis, Dryas oc-
topetala, Erigeron alpinus, welche in Lapplaud auf niedri-
gen Inseln und Küsten wachsen, finden sich auf den Alpen in
der Nähe der Schneeregion wieder; die Heidelbeeren (J^acci-
nium MyrtiUus)^ bei uns überall in den Wäldern, trifft man
in Italien nur noch auf den höchsten Bergen; Birken {Betula
alba), die Zierde hochnordischer Gegenden, giebt es in Por-
tugal *) nur auf der hohen Serra de Marao und in Italien auf
den Bergen von Aspromonte. Die Region zwischen 5000 und
9000' am nördlichen Himalaya trägt eine ganz europäische
Physiognomie**); Prunella vulgaris, Thymus Serpylluin
Origanmn vulgare, Ranunculus arvensis, Thlaspi arvense,
Capsella Bursa Pastoris, Heder a Helix, Galium Aparine,
Leontodoji Taraxacum, Acorus Calamus, yllopecurus ge-
niculatus, Poa aninia u. a. bei uns die gewöhnlichsten Pflan-
zen, sind auch dort zu finden. Ebenso Alsine media, über-
all auf unseren Ebenen, wächst am Pik von Teneriffa in einer
Höhe von 8000', in einem Klima ähnlich dem der Schottischen
Hochlande. Wo aber, wie in Amerika, zwischen den Wende-
kreisen hohe Gebirge in die Region des ewigen Schnee's hin-
einragen, da finden sich alle Abstufungen der Temperatur, alle
Klimate liegen übereinander und mit ihnen alle Vegetations-
formen, die im Niveau des Meeres vom Aequator bis zum Pol
in unübersehbare Ferne auseinander gerückt sind. „So hat
die Natur dem Menschen in der heifsen Zone verliehen, ohne
seine Heimath zu verlassen, alle Pflanzengestalten der Erde
zu sehen; wie das Himmelsgewölbe von Pol zu Pol ihm kei-
nes seiner leuchtenden Welten verbirgt ***)."
Im Ganzen gehört es jedoch immer zu den seltneren Fäl-
len, dafs dieselbe Art weit über die Erde verbreitet ist; viel
allgemeiner ist der Fall, dafs derselbe Typus wiederkehrt, aber
ausgeprägt in den allermannigfaltigsten Gestalten. Orchideen,
Leguminosen, Cyperaceen u. a. finden sich überall auf der
Erde; eine ideale Grundform verbindet alle Familienglieder
*) Link Urwelt und Alterthum. I. 2I>7.
**) S. Royle Illustr. London, 1833. fasc. I Meyen Pflanzengeo-
graphie 107.
^**) Alex. V. Humboldt Ansichten der Natur. II. p. 45.
334
vom Polarkreise bis zum Aequator, aber die Urgestalt ist in
eben so viele Arten auseinandergegangen, als es verschiedene
Umstände gab, unter denen' sie in die \Yirkli€hkeit trat.
Die Ursache dieses Formenwandels bei den Pflanzen liegt
hauptsächlich im Klima, dessen grofse Verschiedenheiten, nicht
allein durch die geographische Breite, sondern auch durch
Meeresnähe, ansehnliche Continente, durch Hochebenen, Ge-
birge und weite niedere Flächen hervorgerufen, in der Vege-
tation am auffallendsten sich darstellen. Einige Klimate sind
der Entwickelung gewisser Pflanzenformen besonders günstig.
— An der Westküste Norwegens hört die Tanne (Phius Ahies)
schon bei 67" auf, aber die Kiefer (Fin. sylvestris) geht noch
bis zum 70". Die Birke sogar bis zum 71^. In Sibirien da-
gegen, welches durch ein continentales Klima characterisirt
wird, bleibt die Kiefer schon südlich von Obdorsk zurück, die
Birke erreicht noch diese Stadt', aber die Tanne dringt hier
noch viel weiter nach Norden vor, bis auch sie nicht mehr
fortkommt, und Lerchenbäume (Pm. Larix) welche sich all-
mählig jenen anschlössen, mit Alnus incana bis an die Kü-
sten des Eismeers gehen. Fin. Alnes verlangt demnach wär-
mere Sommer, kann aber gröfsere Kälte ertragen als Fin. syl-
vestris. Die Lerchenbäume aber sind die Nadelhölzer, welche
die grofsen klimatischen Extreme Sibiriens zu ertragen ver-
mögen; ja noch auf dem Berge Ulagtschan (134" 40' östl.
von Paris, 61" 30' Breite); der eine Höhe von 2544' hat zei-
gen sie ein freudiges Wachsthum, und fmden sich selbst auf
dem 3780' hohen Kapitanberg (138" L. von Paris, 60" 45' Br.)
in einer Mitteltemperatur, die zwischen — 10" und — 11<^II.
liegt*) Aehnlich wie im alten Continent ist die Reihenfolge
der Nadelhölzer, wenn man von der Westküste Nord-Ameri-
*) A. Erman Reise mn die Erde. Histor. Bericht IL 372. 275.
Erwägt man noch, dafs auch auf der IVIelville's Insel bei einer Mit-
tel-Temperatur von — 14,6*' R. eine namhafte Flor angetroffen wird,
so ist man genöthigt, solchen Thatsachen gegenüber, die gewöli^jliche '
Vorstellung von der Schneegränze fallen zu lassen, und sich der neuer-
dings von Hrn. Erman entschieden ausgesprochenen Ansicht anzu-
schliefsen: dafs sich auf der Erde im Allgemeinen keine
Mittel - Temperatur angeben läfst, bei welcher die
Schneegränze zu setzen ist.
335
kas östlich wandert: anfangs wieder Plnus sylvestris iibor-
gehend successive in andere Pinusartcn. Wie der Norden hat
auch der Süden auf den Gebirgen seine eignen Formen, so
auf der pyrenäischen Halbinsel Pin. Pinaster, in Italien Pin,
Pinea, am Aetna P. Laricio, auf den Bergen der griechischen
Küste P, maritima, auf dem Libanon die Ceder, u. s. w. Das
Verzeichnifs solcher stellvertretenden Arten liefse sich noch
sehr bereichern, wenn es darauf ankäme eine vollständige üe-
bersicht zu liefern. Mögen auch die Ursachen, die eine solche
Mannichfaltigkeit von Arten zur Folge haben, noch nicht über-
all nachweisbar sein, so werden sie sich doch sicher bei nä-
herer Untersuchung und Vergleichung der Standörter genann-
ter Bäume nachweisen lassen, wie dies schon bei vielen ge-
genwärtig der Fall ist. Die Grasform ist über alle Länder
verbreitet; baumförmig aber werden die Gräser nur unter dem
tropischen Himmel; gesellig wachsend zu Rasen und Wiesen
dichtgedrängt vereint sind sie nur in kälteren Regionen ; starr-
blättrige Gräser erzeugt Asien, wo durch die eigentlüimliche
Stellung der Gebirge eine kalte stagnirende Luftscliicht den
Strömungen der Atmosphäre in anderen Erdtheilen fremd bleibt.
Lilien haben am Polarkreis wie unter der Linie ihre Reprä-
sentanten, aber einen Formenreichthum wie ihn das südliche
Afrika in dieser Familie aufzuweisen hat, bringt kein anderer
Himmelsstrich hervor. Was in Amerika zu Agaven und präch-
tigen Fourcroyen geworden ist, das gestaltete sich unter afri-
kanischen Einflüssen zu Aloegewächsen, den einsamen melan-
cholischen Bewohnern dürrer \^ üsteneien. AVieder anderen
Formen ist es unmöglich geblieben, auch nur durch eine Spe-
cies in jedem Klima sich darzustellen. Es fehlen der kalten
Zone die Asclepiadeen, Malven, Euphorbien, Laurineen und
andere, während die edle Gestalt der Palmen, die abentheuer-
lichen Nopaleen, die Bananengewächse, die segenverbreitende
Zierde bebauter Fluren der heifsen Zone, sich allein auf den
wärmsten Erdgürtel beschränken. Wie ähnlich endlich auch
der Habitus einer Gebirgsflora mit dem einer nördlicheren
Gegend sein mag, immer bewahrt die Vegetation der Gebirge
eine nicht zu verkennende Eigenthümlichkeit, die sich haupt-
sächlich durch die grofse Mehrzahl perennirender Gewächse,
durch lebhaft gefärbte im Verhältnifs zur Pflanze grofse Blu-
336
men und durch den Reichthiim an bitteren aromatischen Stof-
fan in den Gebirgspflanzen characterisirt *). Gröfsere Durch-
sichtigkeit der Luft, vermehrte Intensität des Sonnenlichts, ge-
ringere Schwere der Atmosphäre, abgestumpfte Wärmeextreme
und noch manches Andere sind die Ursachen, welche der Ge-
birgsflor den eigenthümlichen Character vindiciren.
Zwar wird nicht selten der Reichthum verwandter Arten
einer Gegend aufgewogen durch die Menge der Individuen,
mit welcher eine einzige Species in einem andern Himmels-
strich auftritt; allein diese Thatsache giebt keinen Einwurf ge-
gen die Behauptung ab, dafs nur unter bestimmten klimati-
schen Bedingungen gewisse Pflanzengestalten zu einer formen-
reichen Entwickelung kommen. Es ist schwer zu sagen, ob
alle Exemplare der Hunderte von Ericaarten, welche Afrika
und namentlich das südliche hervorbringt, zusammengenommen
die zahllosen Individuen von Erica vulgaris, welche bei uns
und in anderen nördlichen Gegenden mit Erica Tetralix die
Familie repräsentirt, um ein Namhaftes in der Menge über-
trefi'en mögen; aber gerade der Umstand, dafs unter Hunder-
ten dort ausgebildeter Formen nur die eine oder die andere
der zwei genannten bei uns sich findet, spricht dafür, dafs un-
ter unserem Himmel vieles der Ericaceengestalt hinderlich in
den Weg tritt. Dieselbe Wichtigkeit, welche der Individuen-
zahl für die Physiognomie eines Landes in Hinsicht auf die
Ve"-etation zukommt, hat die Specieszahl für das Klima des-
selben, und nur von dieser Ansicht ausgehend, habe ich es
der Mühe werth gehalten alle später .mitgetheilten Rechnungen
anzustellen.
Diese Andeutungen geben den Inhalt eines wesentlichen
Abschnitts der erst durch Hrn. Alex. v. Humboldt zu wis-
senschaftlicher Bedeutung erhobenen Pflanzengeographie an.
Es darf daher nicht W^under nehmen, dafs in einer so jugend-
lichen W^issenschaft bisher nur die besser gekannten Phanero-
gamen und etwa noch die Farrn Gegenstand der Untersuchung
gewesen sind, während die Bedeutung der übrigen cryptoga-
mischen Gewächse in der Pflanzengeögraphie noch sehr dun-
kel ist, da sie ihrer specifischen Verschiedenheit, ihren nume-
') Schouw Pflanzengeographie. Berlin J823. p. 469.
337
Tischen Verhältnissen und ihrer Verbreitung nach, noch viel
zu wenig bekannt sind, als dafs sie jetzt schon eine für un-
sere Disciplin erfolgreiche Betrachtung gestatteten. Dies ist
auch der Grund, weshalb ich sie bei den nachfolgenden An-
gaben unberücksichtigt gelassen habe, obgleich für unsere Ge-
P-end viel für die Kenntnifs derselben schon sjethan ist. Ueber-
dies aber dürfen wir uns auch der V^ersicherung hingeben, von
den Phanerogamen, welche die Natur durch einen vollendete-
ren Bau so sichtlich bevorzugt hat, viel bedeutendere Auf-
schlüsse zu erhalten, als von den Zellenpflanzen, die hier
wahrscheinlich nie eine erhebliche Wichtigkeit erlangen werden.
Aus dem vorigen erhellt zugleich die Nothwendigkeit der
sorgfältigen Beobachtung alles dessen, was auf das Klima Be-
zug hat. Nun sind aber genaue Beobachtungen über die Luft-
feuchtigkeit noch immer so vereinzelt, dafs sie zu einer nütz-
lichen Uebersicht keineswegs zusammengestellt werden kön-
nen; der Einflufs des Lichts läfst sich noch gar nicht in Rech-
nung ziehen, sondern eben nur im Allgemeinen angeben, und
nur die Temperatur-Beobachtungen sind in einer so umfas-
senden Weise angestellt, dafs sie eine brauchbare Zusammen-
stellung gestatten, die denn auch bereits ausgeführt ist, und
auf viele interessante Thatsachen geführt hat.
II, Verhalten der einheimischen Pflanzenfornven
in anderen Klimaten,
Um den Einflufs der Wärme auf die bei uns durch Ar-
ten - Reichthum ausgezeichneten Pflanzenformen darzustellen,
habe ich die Floren dreier Länder, die sich durch Tempera-
tur-Differenzen auffallend von einander unterscheiden, vergli-
chen, und in jedem das Verhältnifs derselben Familie zur
übrigen Vegetation berechnet. Für den Norden bot sich mir
Wahlenberg's Flora von Lappland*) dar, für Deutschland
benutzte ich Koch's**) bekanntes Werk, mit Fortlassung
der aufser Deutschland vorkommenden Gewächse, und für den
*) Flora lappo7iica. Berolini 1812.
**) Synopsis florae germanicae et helveticae. Francof. ad M. 1837.
Wiegm, Archiv. V^I, Jahrg. !. Band. O^
338
Süden lag mir das bei L. v. Bnch*) befindliche Verzeiobnifs
der auf den Canarischen Inseln wachsenden Pflanzen vor.
Da aber fünf dieser Inseln eine so bedeutende Höhe erreichen,
dafs sich mehrere Regionen unterscheiden lassen, und also in
der Gesammt-Uebersicht der Pflanzen die Formen kälterer und
warmer Gegenden untereinander gerathen, so habe ich die in
der subtropischen Region vorkommenden besonders hervorge-
hoben, und sie allein für den vorliegenden Zweck in Betracht
gezogen. Ich bemerke jedoch ausdrücklich, dafs es nicht
meine Absicht war, die Vegetation der in Rede stehenden Län-
der überhaupt vergleichen zu wollen, dies würde offenbar ein
ganz anderes Verfahren und namentlich eine Berücksichti-
gung der hier ganz übergangenen Individuenzahl in Anspruch
nehmen.
In der nachfolgenden Tafel giebt die erste Vertikalreihe
jeder Spalte die absolute Artenzahl an, die zweite drückt das
Verhältnifs derselben zur Anzahl aller Phanerogamen aus,
wenn diese überall zu 400 angenommen wird. Wäre es aus
anderen Gründen nicht unstatthaft, so könnte man neben die
Zahlen der zweiten Reihe das Wort „Procente" setzen.
*) Physikalische Beschreibung der Canarischen Inseln. Berlin 1825.
339
Mittl. Temp. nach R.
Lappland.
0 — S\
Anzahl verhälln,
.^"«^ :1UU.
Arten.
Deutschland.
6 — 8».
Arten. * ^'^*^-
Subtrop. Region,
d. Canar. Inseln.
17 — 18".
Anzahl!
aller
Arten.
Verhältn,
:1UU.
Phanerogamen . .
Monokotyledonen
Dikotyledonen
Gramineen . .
Cyperaceen . .
Junceen ....
Orchideen . . .
Liliaceen*) . .
Amentaceen . .
Euphorbiaceen
Polygoneen . .
Chenopodien**
Labiaten ....
Personaten***)
Asperifolien . ,
Solaneenf) . .
Syngenesisten .
Umbellaten . .
Saxifrageen . .
Semperviven .
Rosaceen. . . .
Leguminosen .
Caryophylleen ff)
Cruciferen . . .
Ranunculaceen
496
146
350
46
5.3
22
12
7
28
0
12
2
7
12
6
0
39
9
14
4
24
10
29
21
20
100
29
71
9,2
11,3
4,4
2,4
iA
5,6
0
2,4
0,4
14
2,4
iß
0
7,9
1,8
2,8
0,8
4,8
2
6
4,2
4
2906
613
2296
205
150
41
56
110
68
34
33
48
100
119
46
47
352
141
44
29
107
178
122
156
102
100
21
79
7
5
1.4
2
4
2,3
1,1
1,1
1,6
3,4
4
1,6
1,6
12
5
1,5
1
3,6
6
4,2
5,3
3,4
182
35
147
15
6
1
0
10
0
8
1
11
8
3
1
11
32
2
0
5
2
5
0
2
1
100
19
81
8,2
3,3
0,5
0
5,5
0
4,4
0,5
6
4,4
1,6
0,5
6
17
14
0
2,7
1,1
2,7
0
14
0,5
Hieraus ergiebt sich, dafs mit steigender Temperatur von
Norden nach Süden
relativ zunehmen;
Dikotyledonen
Liliaceen
Chenopodien
Labiaten
relativ abnehmen:
Monokotyledonen
Cyperaceen
Junceen
Orchideen
keine Regelmäfsigk. zeigen
Gramineen
Personaten
Asperifolien
Umbellaten
*) Nebst Jrideen, Colchicaceen, Smilaceen.
*'^) Und Amaranthen.
***) Rhinanthaceen und Anthirrineen.
f ) Mit Einschlufs der Gattungen Verbascum, Convolvulus und
Cuscuta.
ff) Nebst Alsineen.
22*
340
relativ zunehmen
Solaneen
Syngeiiesisten
Semperviven
Euphorbien.
relativ abnehmen:
Amentaceen
Polygoneen
Saxifrageen
Caryophylleen
Rosaceen
Ranunculaceen.
keine Regelmäfsigk. ^seigeti
Leguminosen
Cruciferen,
Deutschland ist zu einem Vergleich mit Lappland uml den
Canarischen Inseln nicht ganz günstig gelegen, da es dem Ein-
flufs des Meeres, dem diese unterworfen sind, me)ir entrückt
ist. Dies tritt auch sogleich in dem abweichenden Verhalten
der Gramineen und Leguminosen hervor. Erstere verhalten
sich nach Hrn. v. Humboldt zu den Phanerogamen:
Die Leguminosen dagegen;
in der heifsen Zone wie 1 : 14. wie 1 : 10.
in der gemäfs. Zone wie 1 : 12. wie 1 : 18.
in der kalten Zone wie 1 : 10. wie 1 : 35.
In feuchten Himmelsstrichen nehmen also die Gräser selbst
bei steigender Wärme nicht nur relativ, sondern wahrschein-
lich auch absolut ab, in trocknen Klimaten erfolgt dies noch
schneller. Die Leguminosen sind in der heifsen Zone am ar-
tenreichsten, die eigentlichen Mimosen gehören ihr, wie be-
kannt, ausschliefslich an ; sollten die oben angegebenen Zahlen,
von denen nur die für Deutschland gefundene mit dem im
Allgemeinen in der gemäfsigten Zon^ herrschenden Verhält-
nisse annähernd übereinstimmt, während die anderen weit un-
ter den für ihre Zone berechneten Zahlen zurückbleiben, nicht
dafür sprechen, dafs Leguminosen, wenigstens die Papiiiona-
ceen, neben Wärme eine gewisse Trockenheit verlangen, wie
sie in Binnenländern eher als an der Küste zu erwarten ist?
Viele Straucli- und baumartige Gewächse dieser Familie zei-
gen sich einer solchen Annahme günstig. Cruciferen, Umbel-
laten, Asperifolien sind Formen der gemäfsigten Zone vor-
zugsweise angehörig, wie dies aus anderen Untersuchungen
schon bekannt ist, und sich hier wieder bestätigt findet.
Dafs die Orchideen der wärmsten Region der Canarischen
Inseln fehlen, ist in Uebereinstimmung mit der von Hrn. Otto
in einem Schreiben aus Cuba geäufserten Vermuthung, zu
341
Folo-e welcher Orchideen grofse Wärmeextreme, kalte Nächte
and heifse Tage lieben. Auf Cuba gedeihen die Orchideen in
einer mittleren Tages - Temperatur von 21° R., während bei
starkem Thau gegen den Morgen das Thermometer bis auf
'5 — 6" sinkt; auch bei uns sind in der Zeit, wo die meisten
Orchideen blühen, im Mai und Juni die Nächte kalt und feucht,
während es bei Tage oft drückend heifs ist. Auf den Cana-
rischen Inseln dagegen ist die mittlere Temperatur des kälte-
sten Monats in der subtropischen Region 14° R., und selbst
dann sinkt das Thermometer kaum je unter + 10°.
III. Statistik der märkischen Flora.
Wie überall hat auch bei uns der stetig erweiterte Anbau
des Bodens an vielen Stellen den ursprünglichen Vegetations-
charakter zum Theil oder gänzlich verwischt. Wir besitzen
von dem durch seine geognostischen Arbeiten über die Mark
vielfach verdienten Direktor Klöden vortreffliche Schilderun-
gen des Zustandes, in welchem vor Jahrhunderten verschiedene
Gegenden der Mark sich befanden, ehe der unwirthbare Boden
in finichtbare Fluren urageschaffen war. Meilenweite sumpfige
Niederungen mit ausgedehnten Sandflächea und zahlreichen
Seen wechselnd, gaben dem Lande ein& nur noch an wenigen
Stellen erhaltene Physiognomie. Möge es genügen nur an ein
Beispiel zu erinnern. „Bis zum Jahr 1718 war das Havellän-
dische Luch eine wilde Urgegend, wie die Hand der Natur sie
gebildet hatte, ein Seitenstück zu den Urwäldern, nur in ge-
ringerer Ausdehnung und als Luch abgeändert. — Weit und
breit bedeckte ein Rasen auf zusammengefilzter Wurzeldecke
von bräunlich grüner Farbe die wassergleiche Ebene, deren
kurze Grashalme den Rietgräsern namentlich Carex vulpina,
C. paniculata, stellulata, Pseudo-Cyperus, acuta so wie der
^ira caespitosa und aquatica angehören. — In jedem Früh-
jahr quoll der Boden dieses Luchs durch das hervordringend©
Grundwasser auf, die Rasendecke hob sich in die Höhe-, bil-
dete eine schwimmende elastische Fläche, welche bei jedem
Schritt unter den Füfsen einsank, während ringsum ein flach
trichterförmig ansteigender Abhang sich bildete. Andere Stel-
len, welche sich nicht in die Höhe heben konnten, sogenannte
Lanken, wurden überschwemmt, uud so glich das Luch in je-
342
dem Frühjahr einem weiten See, über welchem jene Rasen-
stellen wie grüne schwimmende Inseln zwischen den erhöhten
Plateaus hervorragten*)." Mit zahlreichen Seggen und schön-
blühenden Sumpfpflanzen wechselten Weiden, Elsen und Bir-
ken, und gaben der Landschaft den herrschenden Charakter,
der durch die geschäftige Regsamkeit unzähliger Wasser- und
Sumpfthiere eine Lebensfülle gewann, wie kein Landstrich un-
serer Provinz sie heute zeigt. Wo der unfruchtbare Boden
kein Laubholz aufkommen liefs, bedeckten gesellig wachsende
Kiefern die weithin sich streckenden Sandebenen, bis es nütz-
licher befunden wurde, die Wälder abzuholzen, um dem oft
schwer verbesserlichen Boden eine kümmerliche Roggenerndte
abzugewinnen. Die Cultur verschiedener ausländischer Pflan-
zen fand allmählig Eingang, und den aus fremden Gegenden
eingeführten Zier- und Nutzgewächsen folgten andere, deren
Nachbarschaft liebend, und siedelten sich als wuchernde Un-
kräuter auf dem gastlichen Boden in einer Weise an, dafs
selbst die sichtenden Botaniker in nicht wenigen Fällen auf-
gehört haben, die Fremdlinge als solche zu betrachten. Wenn
das Feld, wie es wohl vorkommt, mehr Hederich {RapJianus
RapJi anist jwn) als Korn trägt, wer sieht jenem da wohl die
fremde Abkunft an; und wer zum ersten Male auf, gewissen
Aeckern in der Umgebung Berlins die dichtgedrängten Haufen
der erst in neuerer Zeit aus Peru eingewanderten Wihorgia
parvl/Iora erblickt, der hört nicht ohne Verwunderung, dafs
die sich hier so heimisch fühlende Pflanze ein so weit entle-
genes Vaterland hat. Wie bei vielen anderen wird man auch
hier nach und nach aufhören auf den Excursionen an die ur-
sprüngliche Heimath zu erinnern, und die Peruanische Pflanze
wird ein märkisches Unkraut.
Die Zahl der unserm Boden ursprünglich nicht angehöri-
gon Gewächse ist demnach beträchtlicher als oft geglaubt wird,
und es dürfte daher eine Aufzählung aller eingewanderten
Pflanzen, die im Grofsen und Freien angebaut werden oder
verwildert sind, hier wohl am Orte sein. Es stammen aus
anderen Theilen
^) K. F. Kl öden Beitrage zur mineralogischen Kenntnifs der
Mark Brandenburg. Stück VIII. p. 50 u, f.
343
1. Europas: Beta vulgaris ^ Lycium harharum, Petroseli-
num sativum, Foeniculum vulgare, Scandix Cerefo-
lium, Anethum graveolens (Spanien, Portugal), Linum
usitatissimum , Spiraea salicifolia (südöstliches E. und
Sibirien), Brassica oleracea (England), RapJianus sati-
vus (besonders Portugal), Ervwn lens, Silyhum maria-
num, Scorzonera hispanica, Centaurea solstitialis
(üalmatien), Ahles pectinata (südl. Deutschland), Larix
europaea (Gebirge des südöstl. E.), Populus alba (östl.
E.), Populus dilatata (Italien, Griechenland). Bei Na-
men ohne nähere Angabe ist dassiidiiche Europa zu ver-
stehen.
2. Asien: Aus Ostindien: Phaseolus nanus, Ph. vulgaris,
Datura Stramonium (durch Zigeuner verbreitet), Medi-
cago sativa (Medien), Sium Sisarum (China); aus der
Tartarei: Polygonum tataricum, P. fagopyrum, Atri-
plex horteusis; Persien: Aesculus Hippocastanum, Le-
pidium sativum, Morus alba, Cannahis sativa; aus ver-
schiedeneu Gegenden des westlichen Asiens: Borago
officinalis, Acorus Calamus*^, Pisum sativum, Centau-
rea Cyanus, Agrostemma Githago, Papaver RhoeaSf
Prunus Cerasus, Malva crispa (Syrien), Vicia Faha,
Platanus acerifolia, Raphanus Raphanistrum, Spina-
cia oleracea, und wahrscheinlich auch die Getraidearten
aus den Gattungen Triticum, Seeale, Kordeum, Avena,
Panicum (Ostindien?).
3. Amerika: Nicotiana rustica, N. Tahacum (aus dem war-
men A.); aus Nord-A.: Oxalis stricta, Oenothera hieiv-
nis, Cornus alba, Acer dasycarpum, Prunus serotina
(Virginien), Rohinia Pseud - Acacia , Helianthus an-
nuus (Mexiko), Erigeron canadense, Pinus Strohus,
Populus monilifera; Süd-A.: Phaseolus multiflorus,
Solanum tuberosum (in den kälteren Regionen der Cor-
dülere von Peru und Chile wild), Wiborgia parviflora
(Peru), Helianthus tuberosus (Brasilien).
Mit Einschlufs der eben genannten Pflanzen, die unter
sich keine zu rechtfertigende Absonderung einzelner zulassen,
*) Relchenhuch ßora germanica excurs p. 11. Nr. 38. nach Dier-
bach bot. Zeitung. 1828. p. 545.
344
und von denen viele einen so vvesentliclien Antheil an dem
Charakter unserer Vegetation nehmen, haben wir in der Mark
1283 Arten*) phanerogamischer Gewächse, die auf 308 Mo-
nokotyledonen und 975 Dikotyledonen, und näher auf folgende
Familien, bei denen die nebenstehende Zahl die Artenzahl an-
giebt, vertheilt sind:
A. Monocotyledoneae.
liydrocharideae 2 Naiadeae .
2 Irideae ....
6
Alismaceae . .
. 5 Lemnaceae
. 5 Liliaceae . . .
31
Butomeae . . .
. 1 Typhaceae
. 5 Juncaceae . .
18
Juncagineae .
. 3 Aroideae .
. 3 Cyperaceae .
73
Fotameae . . .
. 15 Oj'chideae.
. 27 Gramineae . 112
B. Dicotyledo
71 e«^.
Ranunculaceae
38 Sanguisorbeae
4 Jasmineae . . .
. 3
]S ymphaeaceae .
2 Onagreae, . .
13 Gentianeae. . .
. la
Tapaveraceae .
6 Hygrohiae . .
5 Asperifoliae . .
. 21
Fujnariaceae » .
4 Lytlirarieae .
3 Convolvulaceae
. 6
Cruciferae . . .
52 Cucurhitaceae
2 Solaneae ....
. 23 1
Violaceae ....
10 Portulaceae .
2 Personatae . .
. 44
Resedaceae . . .
2 Illecehreae . .
5 OrohancJieae .
. 9^
J) roser cicecte . .
3 Crtissulaceae .
8 Lahiatoe ....
. 46 i
Polygaleae . . .
3 Grossidarieae
4 Lenühidarieae .
. 41
CaryopJiylleae .
60 Saxifrageae .
4 Primidaceae . .
. 14
Elatineae ....
4 Uinbelliferae .
54 Plantagineae .
. 6
Lineae
3 Araliaceae . .
2 Chenopodeae
W
Mcdvaceae . . .
7 Corneae. . . .
3 Amaraiithaceae
Tiliaceae ....
3 Capri/oliaceae
6 Pölygoneae . .
. 23
Hypeiicineae .
6 Stellatae . . .
18 Santalaceae . .
. 4
Acerineae . . .
4 Falerianeac .
7 Aristolochieae .
. 2
Geraniaceae . .
12 Dipsaceae . . .
8 Euphorhiaceae .
. 13
Oxalideae . . .
2 Compositae . 124 Urticeae
. 10
Rhamjieae . . .
2 CampanuIaceaei'S Amentacene . .
. 42
Papilionaceae
Rosaccae . . .
71 J^accinieae . .
5 Conifcrae . . . .
. 7
49 Ericineae . . .
13
*) Bei dieser Zählung habe ich Ruthe's Flora der Mark Bran-
denburg, 2. Auflage, zum Grunde gelegt, und die von Herrn Stange
herausgegebene Ennmeratlo der um Frankfurt wachsenden Pflanzen
benutzt.
a45
Mit einer Species kommen noch vor die
Cisteae Callitrichineae Apocyneae
Berberideae Loranthaceae Verhenaceae
Hippocastaneae Monotropeae Plumhagineae
Balsamineae Ilicineae Thymeleae
Celastrineae Asclepiadeae Myriceae
Das Verhältnifs der Monokotyledonen zu den Dikotyle-
donen ergiebt sich daher für unsre Gegend wie 1:4^ in ge-
nauer Uebereinstimmung mit dem Resultat, welches Hr. v. Hum-
boldt für die gemäfsigte Zone im Allgemeinen gefunden hat.
Dafs sich dies Verhältnifs nach Norden und Süden hin ändere,
und die Monokotyledonen in der kalten Zone in relativ grös-
serer Zalü auftreten als in der gemäfsigten, und zwischen den
Wendekreisen in relativ geringerer, hat der Begründer der
wissenschaftlichen Pflanzengeograplüe selbst schon nachgewie-
sen, und dieses Verhältnifs ist seitdem durch zahlreiche For-
schungen und Berechnungen immer wieder bestätigt worden,
auch die im ersten Abschnitt mitgetheilten Resultate sprechen
dasselbe Gesetz aus. Es ist ferner bekannt, dafs in wasser-
reichen Gegenden die Monokotyledonen auch in der temperir-
ten Zone einen gröfseren Theil der Flora ausmachen, als in
trockneren Länderstrichen. Holland z. B. hat nach Miquel*)
1210 Phanerogamen, darunter sind 305 Monokotyledonen und
905 Dikotyledonen; in Rheinpreufsen findet man nach Wirt-
gen**) 1480 Phanerogamen, nämlich 334 Monokotyledonen
und 1146 Dikotyledonen. In Holland machen hiernach die
Monokotyledonen 25 Procent aus, in Rheinpreufsen nur 22.
Es wäre hiernach zu erwarten, dafs ein mit Sümpfen und
stehenden Gewässern oder langsam fliefsenden seichten Flüs-
sen bedecktes Land eine überwiegend grofse Zaiil von mono-
kotyledonischen Gewächsen hervorbringen würde. Ich habe
daher für unsere Gegend alle in Wasser und Sümpfen und
nassem Torfboden wachsenden Pflanzen zusammengestellt, und
dabei die Vermuthung bestätigt gefunden, dafs die Mono-
kotyledonen in überwiegender Menge den feuchten
*) Wiegmann 's Archiv für Naturgeschichte V. 144.
**) Ebendaselbst.
346
und nassen Boden bewohnen, denn unter 214 Sumpf-
und Wasserpflanzen sind nur lOö Dikotyledonen, die übrigen
108 gehören der anderen grofsen Abtheilung des Pflanzen-
reichs an; während in der Gesammtflora also viermal mehr
Dikotyledonen sind als einsamenlappige Gewächse, stellen sich
beide Klassen hier gleich an Zahl dar, d. h., es giebt auf dem
in Rede stehenden Boden bei uns ungefähr viermal mehr Mo-
nokotyledonen als auf trockenem Boden. Dasselbe habe ich
auch in der Flora von Lappland gefunden. Hier giebt es
144 Sumpf- und Wasserpflanzen, darunter sind 75 Monoko-
tyledonen und nur 65) Dikotyledonen, während unter den 496
Phanerogamen das Verhältnifs der genannten Klassen nahe
1 : 3 ist. Es verdient wohl erwähnt zu werden, dafs von die-
sen 144 Pflanzen 78 auch bei uns vorkommen, und dafs 49
davon Monokotyledonen sind, deren Verbreitung also auch
hier sich weiter zeigt als bei Dikotyledonen, was bei niedrige-
ren Formen gewöhnlich der Fall ist. Das Ergebnifs dieser
Vergleichung liefert einen entschiedenen Beweis für einen
wichtigen geologischen Gegenstand, dafs die in den ältesten
Schichten der Erde begrabenen hauptsächlich aus kryptogami-
schcn Gefäfspflanzen und Monokotyledonen bestehenden Pflan-
zenreste die Flora sumpfiger niedriger Länder oder Inseln in
hoch erwärmten Erdstrichen ausgemacht haben, was auch in der
gleichzeitig untergegangenen Fauna eine mächtige Stütze findet.
Grade ein den Sumpfpflanzen entgegengesetztes Verhalten
zeigen die auf trocknem Sandboden sich befindenden Ge-
w^ächse. Wir haben 80 Sandpflanzen, von denen 59 Dikoty-
ledonen sind, also nahe dreimal so viel als die übrigen 21.
Aehnlich verhält es sich wieder in Lappland', wo 15 Sand-
pflanzen vorkommen, von denen 10 zu den Dikotyledonen
gehören. Nehmen wir an, dafs es nur Sand und Sumpfboden
gäbe, so würden auf dem ersteren fast nur Dikotyledonen vor-
kommen, und diese ächten Sandpflanzen würden in Ansehung
ihrer Verbreitung den eigentlichen Sumpfpflanzen, die bei un-
serer Annahme dann hauptsächlich Monokotyledonen wären,
nichts nachgeben. Denn unter den 10 zweisamenlappigen
Sandpflanzen in Lappland kommt nur eine (Phaca sordidd)
bei uns nicht vor, während schon unter den 5 Monokotyledo-
nen 2 uns fehlen.
347
Wie ich im vorangehenden Abschnitt das Verhalten un-
serer Pflanzenformen gegen die Flora entfernter liegender Län-
der im Norden und Süden verglich, so habe ich in ähnlicher
Weise die nämlichen Formen in der Mark, um die Verände-
rungen zu erfahren, welche sie innerhalb Deutschlands wahr-
nehmen lassen, mit den Floren von Pommern und Baden nebst
Elsass verglichen, wie sie in Bartjiold's Geschichte von Rügen
und Pommern Thl. L p. 61., in der das Klima und die Na-
turgeschichte des Landes ausführlich behandelnden Einleitung
dargestellt sind. Die Einrichtung der Tafel ist die nämliche,
wie die pag. 339. Die Temperatur in Baden kann man durch-
schnittlich zu 8^ R. annehmen, in Strafsburg ist sie 7,86^, in
Carlsruh 8,29^ *). Die anderen Temperaturen sind die jähr-
lichen Mittel von Berlin und Swinemünde, für letzteres aus
neunjährigen Beobachtungen. Meteorologische Angaben für
Stettin sind mir nicht bekannt.
Pommern.
Brandenburg.
Baden.
Mittl. Temp. nach R.
6,9«.
7,2».
8».
Anzahl -^ ,..,^
aller ^^^^S "'
Arten • l'^'^-
Anzahl ,r , ••,.
„iip„ Verhaltn.
Anzahl ....
aller Verhaltn.
Arten. * ^•^^•
Phanerogamen . . .
Monokotyledonen .
Dikotyledonen . . .
Gramineen
Cyperaceen
Junceen
Orchideen
Liliaceen**)
Amentaceen
Euphorbiaceen . . .
Polygoneen
Chenopodien*') . .
Labiaten
Personaten '^*) ...
Asperifolien
Syngenesisten ....
Umbellaten
Rosaceen
Leguminosen ....
Caryophylleen **) .
Cruciferen
Ranunculaceen . . .
1055 100
288 27
767 73
105 9,9
71 6,7
19 1,8
28 2,6
25 2,3
33 3
7 0,6
19 1,8
23 2
40 3,8
51 4,8
18 1,7
113 10,7
42 4
34 3,2
54 5,1
45 4,2
42 4
31 3
1283 100
308 24
975 76
112 8,7
73 5,7
18 1,4
27 2,1
37 2,8
42 3,4
13 1
23 1,7
27 2,1
46 3,5
44 3,4
21 1,6
124 9,7
54 4,2
49 3,8
71 5,5
60 4,7
52 4
38 2,9
1460 100
327 22
1133 78
107 7,3
79 5,4
21 1,4
39 2,6
44 3
33 2,2
15 1
22 1,5
30 2
54 3.7
67 4,6
23 1,6
153 10,4
60 4
50 3,4
70 4,8
48 3,3
67 4,6
40 2,7
*) Nach Eisen lehr. Poggendorff's Annalen XXXV. 148. und
XXXXI. 551.
**) Die Familien sind in demselben Umfang wie p. 339. genommen.
348
Läfst man alle Untersclüede die weniger als 0, 5 betra-
gen unberücksichtigt, so sieht man, dafs mit zunehmender
Warme von Norden nach Süden in relativer Zahl
zunehmen: abnehmen: gleichbleiben:
Dikotyledonen Monokotyledonen Polygoneen
Liliaceen Gramineen Chenopodieit
Euphorbiaceen Cyperaceen. Labiaten
Rosaceen Junceen Asperifolien
Cruciferen. Ümbelliferen
Leguminosen
Ranunculaceen.
Für die Familien unter der dritten Columne sind also die
zwischen Pommern, der Mark und Baden stattfindenden kli-
matischen Differenzen noch nicht bedeutend genug, um ihr
Verhältnifs gegen die übrigen Pflanzen in irgend einer Art
abzuändern; die unter den beiden anderen Rubriken befindli-
chen Gruppen sind ganz in Uebereinstimmung mit den schon
oben gefundenen Reihen, nur die Rosaceen machen eine Aus^
nähme, und scheinen uoch unter einem anderen von der Tem-
peratur unabhängigen Einflufs zu stehen. Für die Mark ist
es ferner eigenthümlich, dafs Orchideen, Personaten und Syn-
genesisteu in einem geringeren Verhältnifs zu den übrigen
Phanerogamen stehen als in Pommern und Baden, während bei
den Amentaceen das Umgekehrte stattfindet. Die Coniferen,
welche sich nicht in obiger Tafel finden, verhalten sich durch
die drei Gebiete ziemlich gleich.
IV. Blüthezeit.
Die- Entfaltung der Blüthenknospen ist das Ergebnifs der
Einwirkung aller Elemente, welche zum Gedeihen der Pflan-
zen nothwendig sind. Zahlreiche, auf mannichfaltige ^Yeise
abgeänderte Versuche haben dargethan, dafs, wo Wärme oder
Feuchtigkeit, oder nährender Humus fehlt, der Same im gün-
stigsten Falle es nur zum Keimen und zur Entwicklung eini-
ger Blätter bringt, eine Blüthenbildung der Pflanze aber nicht
gelingt. Ja schon ein gröfserer oder geringerer Mangel an
Helligkeit hemmt bei lichtgewohnten Pflanzen die richtige Ent-
wickeluug, und bringt verkümmerte, bleiche Gebilde hervor.
349
Es sind daher die Umstände, welche das Hervortreten von
Bliithen möglich machen, besonders beachtenswerth, und auch
schon viele schätzbare Beobachtungen hierüber bekannt ge-
worden. Vor allen interessirt uns hier die Blüthenentfaltung
in der jährlichen Periode, die bei derselben Species desto spä-
ter erfolgt, je nördlicher ihr Standort ist, was nur eine durch
die Gewächse ausgedrückte Wiederholung der bekannten Er-
fahrung ist, dafs im Süden auf der nördlichen Halbkugel
alle den \Yinter besiegenden Kräfte früher erscheinen als im
Norden,
Schübler*) hat durch eine sorgfältige Benutzung
der vorhandenen Beobachtungen diese Verspätung m der Blü-
thenentwickeluug näher zu bestimmen gesucht. Er fand, dafs
die nämlichen Pflanzen um Parma, welches 9*^ 16' 34" süd-
licher liegt als Greifswalde, 36i Tag früher blühen, als in der
Gegend von GreifswaWe, und zog daraus den Schlufs, dafs
unter übrigens gleichen Umständen in Deutschland eine Pflanze
um 4 Tage später aufblüht, wenn sie um 1** nördlicher wächst
als eine andere derselben Art. Aus der bekannten Wärme-
abnahme im mittleren Europa wird dann weiter gefolgert, dafs
sich überhaupt das Aufblühen um einen Tag verspäte, wenn
die mittlere Temperatur um 0, 135" R. sinkt, oder was das-
selbe ist, dafs die Vegetationserscheinungen an zwei Orten,
deren mittlere Temperatur um 1° R. difl'erirt, um 7^ T^g aus-
einander liegen. Im nördlichen Europa verkürzt sich dieser
Zeitraum, im Süden dehnt er sich noch mehr aus.
Es gebührt diesen Untersuchungen das Verdienst, das
Faktum nicht allein aufser Zweifel gesetzt, sondern auch eine
Gesetzmäfsigkeit, wie man sie aus anderen Ursachen wohl ver-
muthen durfte, in der Erscheinung nachgew-iesen zu haben;
obwohl jene Zahlen nur annähernd richtig sein können, und
ihre, durch die Rechnung entstandene Genauigkeit nur eine
scheinbare ist. Dafs überhaupt das Erblühen der Pflanzen in
verschiedenen Jahren sich keineswegs nach einem bestimm-
ten Datum, sondern nach den jedesmaligen Witterungserschei-
*) UntersucKmigen über die Zeit der Blüthenentwicklung mehre-
rer Pflanzen der Flora Deutschlands und benachbarter Länder. Bota-
nische Zeitimg 1830. B. I. S. 353.
350
nungen richtet, die aus bekannten meteorologischen Gründen
in unserer Zone grofsen Wechselfällen unterworfen sind *)
wird auch abgesehen von diesen Gründen, Jedem bekannt
sein, der mehrere Jahre hintereinander dieselbe Gegend bota-
nisirend durchwanderte. In den Jahren 1835, 1836, 1837 war
die Mitteltemperatur des Märzes nach einander 3,87°, 7,19*^,
4 49° R. Welchen «Einflufs müssen solche Differenzen auf das
Wachsthum haben! ja selbst noch der August der genannten
Jahre sucht diese Extreme auszugleichen, denn hier betragen
die Mittel in derselben Folge 16,09°, 14,91°, 17,67° R.
Dies vorausgeschickt, wird es einleuchten, dafs man An-
fang und Ende der Blüthezeit wohl in jedem besonderen Fall,
nie aber im Allgemeinen durch einen bestimmten Tag bezeich-
nen kann, und dafs sich hier nur ungefähre Gränzen ziehen
lassen, bei denen ein Spielraum von 8 Tagen, ja im Frühjahr
noch darüber gestattet werden mufs. Alle nachfolgenden An-
gaben über Blüthezeit sind nur Mittel, gefunden durch eine
vieljährige Beobachtung, die den nämlichen Werth haben, wie
bei den Meteorologen die Mitteltemperaturen in der gemäfsig-
ten Zone. Sie sind der feste Mittelpunkt, um den die ewig
schwankende Erscheinung sich dreht.
Wie es Gewächse gab, und wir machten deren mehrere
namhaft, die allen Klimaten angehören, so haben wir auch
Pflanzen, die unter allen Wechseln der Witterung Blumen und
Blätter treiben, vom wetteränderlichen April bis dahin, wo
kalte Novemberwinde den Fluren die letzte Zierde rauben. Die
L«mii/7n- Arten, Bellis perennis, Viola tricolor, Alsine
media, Thlaspi arvense, Capsella Bursa Pastoris , Poa
annua, Erodiwn cicutarium, Leontodon Taraxacwn sind
die bekanntesten Beispiele dieser Art. Bei Weitem aber die
Mehrzahl hat eine beschränkte Blüthezeit, und stellt sich hier
bei genauerer Betrachtung derselben eine interessante Analo-
gie, deren Detail die später folgende Tafel genauer nachweist,
zwischen Blüthezeit und der gleichzeitig herrschenden Witte-
rungsverhältnisse einerseits und der geographischen Verbrei-
tung gewisser Pflanzenformen andererseits heraus. Wie näm-
*) Dove Meteorologische Untersuchungen 278. und Poggen
dorff's Annalcn XXXVI 318. 320.
351
lieh viele Pflanzengruppen in fast allen Zonen repräsentirt
sind, unter einem bestimmten Himmelsstrich aber am vortreff-
lichsten gedeihen, eigentlich heimisch sind, so finden sich auch
fast zu jeder Zeit innerhalb der Vegetationsperiode ein oder
einige Repräsentanten der in unseren Breiten herrschenden
Familien in Blüthe, aber immer ist es eine bestimmte Zeit,
in welcher eine entschiedene Mehrzahl der Arten aus einer
Familie gleichzeitig blüht und welkt, um einer anderen Gruppe
Platz zu machen. Es hat sich bei der unten angegebenen
Zusammenstellung ganz unzweideutig gezeigt, dafs die meteo-
rologischen Verhältnisse, unter denen eine Pflanzenform bei
uns ihr Bliithen- Maximum erreicht, denjenigen am ähnlichsten
sind, die da herrschen, wo dieselbe Form eigentlich ihre Hei-
math hat. Wie wir vom Frühling an in immer südlichere
Klimate rücken, so kommen im Verlauf des Sommers immer
südlichere Formen zur Eßtwicklung, und wir sehen nachein-
ander die Vegetationen des Nordens bis zu einer um 23^ Grad
südlicheren Region als unsere geographische Breite an uns
vorübergehen, freilich nach der eigenthümlichen Lage unseres
Landes abgeändert, und den hier herrschenden Bedingungen
angepafst. Die Amentaceen z. B. nahmen, wie wir sahen, nach
Norden hin im Verhältnifs zur übrigen Pflanzenzahl zu, und
so sehen wir sie denn auch in überwiegender Anzahl in den
kältesten Monaten des Frühjahrs-, gegen den Sommer aber bei
steigender Wärme relativ und absolut sich vermindern. Unser
wärmster Monat ist der Juli, die Syngenesisten erreichen in
ihm ihr Blüthen -Maximum, eine Gruppe, die wir nach Süden
hin entschieden in gröfserer relativer Zahl auftreten sahen.
Dafs nun im letzten Theil des Sommers nicht die nämlichen
Erscheinungen wie im Anfang desselben auftreten, liegt darin,
dafs gegen den Herbst Luft und Erde trockner sind, als vor
der Mitte des Sommers, wo dieselbe Temperatur herrschend
war, und die Temperatur nicht das allein Bedingende ist.
Leider fehlt es noch zu sehr an den nöthigen Beobachtungen,
um diesen gewifs nicht unfruchtbaren Gegenstand weiter zu
verfolgen; es gehört nämlich dazu, dafs aufser dem Pflanzen-
verzeichnifs auch die Blüthezeit jeder Species, die monatli-
chen Mittel -Temperaturen und Regenmengen, überhaupt der
Feuchtigkeits- Zustand der Luft ermittelt seien; Bedingungen,
352
die sich bis jetzt nur äiifserst selten möchten vereinigt antref-
fen lassen, ungerechnet noch die Ausdauer, welche die müh-
same Zusammenstellung und Vergleichung dieser Elemente
erfordert.
Für unsere Gegend habe ich eine solche Zusammenstel-
lung ausgeführt, und habe, da nur bei äufserst wenigen Ge-
wächsen die Blüthezeit in demselben Monat auch schon auf-
hört, in welchem sie begann, sondern sich gewöhnlich darüber
hinaus verlängert, diejenigen Pflanzen zusammengezogen, die
man in jedem Monat in Blüthe trifft. Dies ist nicht allein
mit sämmtlichen Phanerogamen geschehen, sondern mit allen
Familien, welche bei uns durch mehr als 20 Arten repräsen-
tirt sind. Nachfolgende Tafel, zu deren Verständnifs es kei-
ner Erläuterung weiter bedarf, enthält die Summe aller in je-
dem Monat blühenden Arten, deren namentliche Aufzählung
ein vollständiger Pflanzenkalender sein würde. Die Bedeutung
der in den Klammern befindlichen Zahlen ist weiter unten i
angegeben.
353
u
o
■*^
o
O
u
o
<
s
c
o .
^^
WtH-^ ȧO>
«MffliO
■^-' C5 Ci CO O
<N CO C5 'Ä ^
O
^.^CO CO (N -r^rj« -rH ift tH CO CO QC
ift ■Tt'-rt'-'-rift CO irr--H'co''^'»t'o"
•^ ^ -r-i CO CO -^CO T*< 'X) -^ -rH ©i
T-t ^ tH tH CS -tH -r-i t-I
in
^ <N Tf »ft CO Tj< (N
.IT o -^ -^ 'rt
O 'H Iß
Jg^S^S-H2'---S5?S05
<N CO (N (N
•n? (N (M
(N 00
-ift ift ,^Ȁ r* ift
'^"^ (M*"-^*'C0"^'^ ^4h i'i'o^ r^ ift'cO «M*"
ift ^ -^ (N 55
(M Tj* -^ Tj< (M
"-• ■-. '^ --- v* '^ X-; ^r« ^^ «^^ ^^ ^^ ^^^ u^
(N'^C0'rM<M^iO(M«5iflC0<N
\fi
'^ifi'f^-^^-ri'CO'^Oi'^
O O Tt -C^V,^-s^_v^-N^^ -V ^ ■-— ^ VV -^--^ V^-s
^c^ i-^^cosQC^io^cocoiNc^coco-^i^iftcoco
^ CO 00 ^-^ CO'^'^OJ'-^(Na5COC5— -OOtOCOrft^
155 CO tft ^ ift (M (N CO CO '«n -rH US CO CO CO lö CO (M
JD ff-l CO *"
O «O '?}- /->>© -V^^y-^ -^.
— '^OJ t^ CO -r- CO •TT -^ o
-Tt (N CO^CO^CO
^"CO CO*"© Tf'-TH CO"--* lA l~-
•^COGO-r^T-XO-^C^-^ißOOCOCOCO'^CsOSCOift
C CO CO CO lA -<r< <N iM >«?^ -r-l -^ <N CO -h (N CO (N
tO -«H CO
^(M 'X O "-^ -^ ifi "^
O -^ CO C<l T^ «O
tO""^ -^ l~- CO
CO CO QO »A CO
O CO
_^ CO
C5 t-' ffl
T}* ''J^ tH T}< ^ CO
y
ift e^co
<MCO
CO
o e V-;
. c3
o
s ^
O 0-2 SJ C' _ ^
^^ >^,3 g-ö o
ä 2 o S s -^ ,^
a o C *
- - § C
4^ o ii ;;
o
C3 o
Q +j C '7^
o
C.2
ü
r^
a
f « '
a
S ü •
0
c;
0 ?^ a;
<«
s-ö 2;
SS
ü «j d
c;=j P'S 0-« «
CJ «t *H «3
legm
Ph S Q O UC J < ü J PXh < VD Ä'P W J ü ü tf
Archiv. VI. .Talirp,. 1, Band.
c
a>
s
^
0
0
a
;;>
1— 1
K
B
rJ2
cS
^
^
S
«5
d
5*
0
«J
u
«0
«ö
Ö
0
-0
Js
r^
v^
CJ
Ü
u
0
05
ü
0
ü
Ü
'^
-fc*
T-l
.^^
-*j
.1^
c:
a
1-^
<:
0
Co
0
na
42
JH
0)
42
s
-t->
1—1
jS
cj
0
^
0
;-i
«3
0
i/>
a
^
MJ
c
£
a
W <
a
U
-»A
Ti
>p^
• l-H
§
S
23
354
Nehmen wir nun für irgend eine der auffreführten Al)-
theilungen in derjenigen Zeit ein Blüthenmaximuin an, in wel-
cher mindestens |, oder wo eine so hohe Zahl nicht erreicht
wird, doch wenigstens f der in der Gruppe vorkommenden
Species blühen, so erhalten wir für die Monate vom April
bis August in folgenden Familien ein absolutes Maximum:
Oeg uoSunqonsjo^uQ uoipsiSo|
-ojoo^ai\[ SjOAo Q snu uoSuauiuoSoH
oip puis H ip^" uoJinBJoduiox oia
>
3
o
s
o
O
E3
ci > a
O O o
o
3
o
s
o
o
3
o
P3
o n
o
•TS
cr
t3
r< W > ►tJ
O O C/5 O
3
3'
o
VI
o^ ??.
O O O
p
o
0
in-
o
o
3
o
•-<
p
o
o
o
3
o
o
f« p
o ^
o
(TD
3.
5"
o
Ol
fp
Ö Cß Cß ►tJ
B *-< O CD
. - 3
P O
g K-
CO
3
p
o p
o
3
o
3
O
(D ►r;
3 O
&
3
o
3*
P
3
O
o ^
3 3
o o
3 3
Ö Cn CO
p
er
fD f6 "TS
3 3 o
3
"^1
00
>
K>
t-^
h^
Hä
h*-
O
o
^
h^
CO
o
ff
3
ro
H«-
tjf)
1)^
05
(O
ff
lO
ff
CTQ
ff
355
Ein sehr iiberrascliend^s Resultat aber stellt sich heraus,
wenn man das Verhältnifs der blühenden Arten von den auf-
geführten Familien zur Zahl aller in einem je<len Monat blü-
henden Gewächse berechnet, und in diesem Verhältnifs die
jedem Monat zukommende Anzahl sämmtlicher Arten überall
durch 100 ausdrückt. Bei den Cyperaceen z. B. erhält man
dann für die Monate April, Mai, Juni, die Zahlen 12, 10, 6,
wodurch, bei ganzen Zahlen wie hier, angezeigt wird, dafs
man unter 100 blühenden Pflanzen im April 12, im Mai 10,
im Juni 6 Cyperaceen findet, also gegen den Sommer hin die
Rietgräser relativ seltener werden. Man kann jede Gränze
dieser Zahlenreihen, wenn sie regelmafsig ab- oder zunehmen,
«in relatives Minimum oder Maximum nennen. Denselben
Sinn haben die übrigen, in obiger Tafel enthaltenen und durch
eine Klammer eingeschlossenen Zahlen, bei deren Ansicht man
sogleich wahrnimmt, dafs mit zunehmender Wärme
relativ abnehmen:
Cyperaceen
Orchideen
Liliaceen
Amentaceen
Ranunculaceen.
relativ zunehmen : keine Kcgelmäfsigkeit zeigen :
Chenopodien
Labiaten
Solaneen
Syngenesisten,
Gramineen
Personaten
Asperifolien
Umbellaten
Leguminoson
Caryophylleen
Cruciferen.
Ein Vergleich dieser Reihen mit denen pag. 339 u, 347 zeigt
©ine merkwürdige Uebereinstinimung in der Entwi<'l\hing ge-
wisser Familien von Norden nach Süden und der Entfaltung
ihrer Blüthen während der Vegetationsperiode; woraus sich
ergiebt: dafs die Flora bei uns im Frühjahr mit nor-
dischen Formen beginnt, zu immer südlicheren
übergeht, und bei zunehmender Temperatur haupt-
sächlich diejenigen aus wärmeren Klimalen ent-
wickelt, die während unseres Sommers noch im
Stande sind, zur Reife zu gelangen. Als Ursachen des
abweichenden Verhaltens der in der dritten Reihe befindlichen
Glieder, lassen sich verschiedene, zum Theil wohlbegründete
Hypothesen anführen; zu einem unzweifelhaften Resultat sind
aber noch Vergleichungen erforderlich, die sich wegen man-
23*
356
gelnder Beobachtungen zur Zeit noch nicht anstellen lassen.
Sicherlich aber wird, wenn das nöthig^ Material zur Hand
sein wird, diese Arbeit von grofsem Interesse nnd nicht nn-
belohnend sein , da wir es mit Pflanzenformen zu thun haben,
die in einem hohen Grade von anderen Umständen als die
Temperaturverhältnisse abhängig sind.
Besclireibiing von vier auf Cnha gefange =
nen Fledermäusen.
Von
Dr. G u n d 1 a c h.
1. Vespertilio harhatiis. Gundlach.
Blafs, kastanienbraun, Haarspitzen der Oberseite dunkler.
Schnauzengegend mit sehr kurzen Häärchen besetzt und durch
einen, von einem Mundwinkel zum andern sich erstreckenden
Bogen längerer Haare, die am Mundwinkel wie ein Bart ab-
stehen, begränzt. Zwischen der Nase und diesem Haarbogen
ist noch ein kleinerer, auf dem Nasenrücken unterbrochener.
Ohren etwas in eine stumpfe Spitze verlängert. Ohrdeckel an
der Wurzel schmal, dann sich verbreitend. Innere Ecke des-
selben in eine Spitze sich umbeugend.
Ganze Länge 2" 3'". Länge von der Nasenspitze bis
zum Anfange des Schwanzes 1" 3'", mithin dieser 1". Sporn
3'", Breite 6''', Daumen 1'" lang. Aufenthalt in Gebäuden
von Cafetal St. Antonio el Fundador.
2. und 3. bilden ein neues*) Genus, das ich
LoJ)Ost07na, Lappenmund
nenne. Die Charaktere sind:
Oben und unten 4 Schneidezähne. Die oberen sind von
ungleicher Gröfse, nämlich in der Mitte stehen 2 grofse, zwei lap-
*) Das Genus scheint mit Chilonycteris Gray {An7t. of Nat.
Hist. IV. p. 4.) zusammenzufallen; die Arten sind aber unbeschrieben
und von Ch. Mac Leayii Gr. verschieden, die ebenfalls auf Cuba ge-
funden wurde. Herausgeber.
357
liige und zu beiden Seiten ein kleiner, einfacher Zahn. Eck-
iind Backenzäline noch nicht initersucht, da ich das einzige,
bis jetzt gefangene Exemplar nicht zergliedern wollte. Oberer
Band der Schnauze tritt scharf hervor, und bildet mit 2Haut-
Jappen zur Seite der Nase eine schräg nach unten gerichtete
Fläche, in welcher auch die Nasenlöcher sich befinden. Un-
terlippe aufser der eigentlichen Lippe mit 2 quer hintereinan-
der gestellten Hautlappen, deren vorderer mit Wärzchen be-
setzt, und deren hinterer theils aus 1 Stück besteht, theils in
der Mitte getrennt ist. Ohren getrennt. Schwanz gröfsten-
theils in die Zwischenschenkelmembran gehüllt, die Spitze frei
über die sich noch weiter erstreckende Haut. Die erste Art
L. cinnamomewn Gundiach
hat einen oben dunkel-, unten hellzimmtbraunen Pelz. Der
Grund der Haare ist überall blasser, Gesicht mehr schwärz-
lich behaart. Ohren kurz, weit, gerundet, am unteren Rande
sehr mit Haaren gefranzt, die man auch an den Falten im
Ohre sieht. Ohrdeckel kurz, an der inneren Seite mit einem
Ausschnitte. Nasenrücken kahl. Oberlippe nach den Mund-
winkeln hin mit längeren zimmtbraunen, seidenartig glänzen-
den Haaren besetzt. Vorderes Lippenblatt etwas länglich vier-
eckig, hinteres zweitheilig, jeder Theil noch mit einer Ausker-
bung in der Mitte. Die Nase, die Blätter der Unterlippe, die
Ohrränder und Flughäute sind schwarzbraun. Die Haare bil-
den über der Nase und unter dem Kinne ein Grübchen.
Länge des ganzen Körpers 3" 5'". Länge des Körpers
von der Nasenspitze bis zum Anfang des Schwanzes 1" 10"'
der Schwanz ist bis zum Freiwerden 10|'", das freie Stück
2'" lang. Die Flughaut erstreckt sich vom Freiwerden an
noch 8}'" weiter. Sporn 8^'" lang. Breite 10^".
Aufenthalt. Das einzige Exemplar wurde des Abends in
der Stube des Cafetal St, Antonio cl Fundador fliegend
gefangen.
L. quadridens Gundiach
Farbe des Pelzes blafs bräunlichgrau, die Haarspitzen der
Oberseite dunkler. Kehlgegend hat eine etwas ins Gelbliche
spielende Farbe. Ohröffnung weit. Oberer Rand sehr ver-
längert zu einer stumpfen Spitze. Oben am Hinter rande ist
es etwas ausgeschweift. Die untere Hälfte des Vorderrandes
358
ist erweitert, die Erweiterung selbst bildet 4 Zähnchen. Das
vordere Lippenblatt dehnt sich bis zum Mundwinkel aus, das
hintere ist ungetheilt und nur wenig kürzer als das vordere,
an das es sich mit seinem Rande anlehnt. Die Wärzchen des
vordem sind nur in der Mitte vorhanden. Die Hautlappen
zur Seite der Nase an ihrem oberen Rande in eine Spitze
herTortretend. Nase oben nackt. Flughäute, Nase, Lippen-
blätter und Ohrränder schwarzbraun. Länge des ganzen Kör-
pers 1"6:^'"; des Schwanzes in der Haut 6^'" aufser derselben
3'"; der Flughaut vom Freiwerden des Schwanzes an, noch
7^"^ Des Sporns 7^". Breite 8'' 3'".
Aufenthalt. Wie die vorige Art.
4. Rhinopoma carolinense Geoffr.
Da ich aus Mangel einer ordentlieherea Beschreibung
nicht sicher wegen der Bestimmung bin, so theile ich die Be-
schreibung der meinigen mit. — Pelz braungrau. Oberseite
dunkler als die Unterseite. Der Grund der Haare ist weifs-
lich. Ohren weit, nackt, nur aufsen bei der Verwachsung und
innen vorn, wo die Cancavität anfangt, behaart. Am vorderen
Ohrrande 6 — 7 Wärzchen. Auf den Nasenrücken, an den
Zehen der Hinterbeine und am After und Geschlechtsöffnung
mit längeren Borstenhaaren besetzt. Lippe grofs, über die
Unterlippe weit hervorragend. Flughäute schwarzbraun. Die
Haut zwischen Vorder- und Hinterbeinen ist in der Nähe des
Körpers mit Reihen feiner Haarbüschelclien besetzt. Der Rand
der Zwischenschenkehnembran hat in der Nähe des Schwan-
zes 2 zahnartige Hervorragungen, wovon die äufscre durch
das Ende des Sporns entsteht. Ohrdeckel viereckig, an sei-
nem inneren Rande etwas ausgeschweift. Länge des ganzen
Thieres 4", des Körpers von der Nasenspitze bis zum An-
fange des Schwanzes 1" 11'", des Schwanzes 2" 1'". Ge-
wöhnlich ist der Schwanz 8"' eingehüllt und frei 5'". Sporn
9'^' lang. Breite 9J".
Aufenthalt. Bei Tage unter den Dachschindeln zu Fundador
pjcfangen.
J^59
UebcT zwei von mir gesammelte Koen von Cuba.
Von
Dr. G u n d 1 a c h.
H«rr Dr. Schlegel bescbreibt iii seiaem Essai sur le Phy-
siognomie des serpens eine Sclilange, die M. Ricord von Cuba
in einem einzigen Exemplar an den Jardiii des plantes ge-
schickt hatte, die er Boa melanitra nennt. Schlegel bemerkt
jedoch dabei, dafs sich keine Art seines Geschlechts Boa so
sehr von den Gattungs - Charakteren der Böen entferne, als
diese. Ich habe dem Casseler Verein für Naturwissenscliaften
2 Exemplare iibersandt, die ich im Jahr 1839 in Cuba
! gesammelt habe, und nenne sie Boa paidaliSy weil der
I Name Melanura nur eine zufällige Varietät, der meinige
i aber jedes Alter bezeichnet. Ich gebe hier Ergänzungen
j der ziemlich ausführlichen Beschreibung von Schlegel. Ob
diese Art in Ramond de la. Sagra Werk über Cuba be-
schrieben wird, weifs Ich nicht, glaube es jedoch. Ist dies
der Fall,, so wird üerr Cocteau, der Beschreiber der Amphi-
bien dieses Werks auf jeden Fall ein neues Geschlecht mit
ihr eröffnen. Das alte Thier mifst 0/466 + 0,057. Das |unge,
dessen Schwanzspitze schon im Leben verletzt wurde ^ mifst
0,236 + 0,034. Schlegel giebt 0,420 + 0,060 für das Pariser
Exemplar an. Das alte Thier hat 201 Bauchschilder und
36 Schwanzschilder; das junge 147 + 24, Schlegel giebt
206 + 38.
Sie gleicht den Böen durch den komprimirten Körper,
durch den kurzen, sehr bestimmt ausgebildeten Wickelschwanz
mit ganzen Schildern, durch die Aftersporne *) und durch die
Rinne an, der Kehle; sie weicht von den Böen ab 1) durch
verschiedene Physiognomie, durch die Kopfschilder, durch die
geringe Zahl der Körperschuppen, die nur 27 beträgt. Auf
*) Schlegel läuguet die Aftersporne; sie müssen demnach sexuell
scyn
360
den ersten Blick hält mau sie eher zu der grofsen Familie
Coluber gehörig.
Die Kopfschilder hat Schlegel beschrieben und das über-
hebt mich einer näheren Besclireibung.
Schlegel giebt 4 Augenschilder; ich zähle nur 3. Die
mittlere ist durch eine schwarze Linie in der Mitte getheilt,
und dies verführt leicht, sie für 4 zu halten. Das junge Exem-
plar hat nur 2. Das vorderste Lippenschild ist halbcirkelför-
mig, und hat am unteren Rand eine schwach halbmondför-
mige Vertiefung; über dieser ein schwarzes, noch dunkler be-
gränztes Quer-Bindchen. 10 obere, 12 untere Mundrandschil-
der. Das vorderste Lippenschild ist durch eine Rinne schein-
bar getheilt. Das daranstofsende Schildpaar ist das gröfste,
herzförmig, allein mit 8 Seiten, das folgende Paar ist 12seitig.
Eine Rinne theilt das Kinn bis zur 6ten Schuppenreihe. Der
breiteste Theil der Kehle hat 8 Schuppen in einer Reihe, die
bei den eigentlichen Böen vielmehr enthält. Die Schuppen
des Körpers sind nicht stark gekielt, bis auf die 4 seitlich-
sten, die glatt sind. Bei dem jungen Thier sind sämmtliche
Schuppen glatt; dies und seine geringe Zahl der Bauchschup-
pen könnte den Glauben veranlassen, dafs es einer eigenen
Art angehöre, allein vollkommen gleiche Kopfschilder, ähliche,
allein schärfere Zeichnung halten mich berechtigt, es für das
junge Thier zu halten. Die Zahl der Bauchschilder weicht
auch bei andern Böen sehr bedeutend ab.
Färbung: dem jungen Thier fehlt die Stirnbinde und der
Kopf ist einfarbig dunkelgrau, schwarz punktirt. Ueber den
Rücken laufen in scharfer Richtung 2 Reihen ovaler Flecken,
die hellgelblich eingefafst sind. Diese Flecken fliefsen öfters
zusammen; auf diese folgt die zweite Reihe, und an diese
stöfst eine dritte, die sich in die Bauchschilder herumzieht.
Alle Flecken stehen * . * im Dreieck. Auf dem Schwanz sind
die Seitenflecken verschwunden und die Flecken der unteren
Schilder und des Rückens werden gröfser, so dafs die ocker-
gelbe Grundfarbe nicht die Hauptfarbe ausmacht. Haben die
schwarzen Flecke alle Grundfarbe verdrängt, dann ist es Boa
melaniira Schlegel. Das junge Thier ist durch die bestimm-
ten Flecken und durch eine etwas dunklere Grundfarbe
dunkler als das alte Thier.
361
Altes Thier. Obenher graubräunlich; jede Schuppe mit
vielen dunkleren Spritzchen. Längs den Bauchschildern hin
heller ins ockerfarbige. Bauch und Schwanzschilder graugelb-
Jich; erstere mit einzelnen Spritzchen, (^uer über den Schei-
tel eine dunkel schwarz eingefafste Binde; über den Hinter-
kopf ein schwarzer Fleck. Vom hinteren Augenrand an ein
dunkler Streifen, der sich in die dunklere Farbe des Kopfs
verläuft und sich in schiefer Richtung zum Mundwinkel hin-
zieht. Von den unteren Lippenschildern ziehen sich Flecken
bis fast zur Spitze des Schwanzes hin; einige Zoll vom Hals
kommt über diesen eine zweite Reihe Flecke; eine dritte Reihe,
jedoch sehr verwischt, auf den Seiten der Bauchschilder; alle
diese Flecken stehen wie beim jungen im * . * Dreieck. Ueber
den Rücken laufen in schiefer Richtung über 8 — 10 Schup-
pen hin dunkel gewölkte Flecken, die zuweilen in 2 getheilt
sind, wovon die äufserste Schuppe auf ihrer äufseren Seite
zuweilen hellockerfarbig ist. Ueber den Schwanz erstrecken
sich 5 Reihen Flecken.
Aufser diesem höchst interessanten Ophidier fand ich
noch eine ächte Boa, die neu ist, die ich aber erst benennen
will, im Fall sie von Ramond de la Sagra nicht schon ge-
sammelt ist.
Boa. . . . Sie hat 276 + 52 Schilder. Die 5 vorderen
oberen Lippenschilder tragen 4, und die 14 unteren 12 Gru-
ben. Das Auge hat ein ganzes oberes Augenschild und vorn
ein grofses Zügelschild; nach hinten und unten ist es mit
6 Schupen umgeben. Die Nasenlöcher sind von 4 Schuppen
von ungleicher Gröfse und Gestalt umgeben. Die Schuppen
des Oberkopfs können fast Schilder genannt werden, sind je-
doch von ungleicher Gestalt, die 2 Paar Nasenschilder ausge-
nommen. Zwischen den Lippenschildern und den 2 Zügel-
schildern stehen noch 3, fast 4 eckige Schildchen. Der Bauch
und Kopf ist einfarbig, allein der dunklere Rücken und die
helleren Seiten, äluilich wie hortulana bezeichnet, das schwer zu
beschreiben ist. In den Kopfschildern gleicht sie der Ceiichris.
362
Erwiederung auf Burnieisters Aufsalz:
Bomcrkuugeii über die Bekleidung des Laufs der Singvögel.
(S. oben p. 220.)
Von
Blasius und Keyserling.
Bei Arbeiten über die Vögel Europa's sind uns unbe-
inerktc Eigentliüiidichkeiten aufgefallen, die zur Sonderung
und Gruppirung von Gattungen brauchbar. Von dem Vor-
satz, dergleichen Beobachtungen nur bei Gelegenheit ihrer sy-
stematischen Anwendung vorzubringen, gingen wir in einer
kurzen Notiz ab, um auf die eigenthü milche Bedeckung der
Ilinterseite des Laufes der Vögel aufmerksam zu machen,
desshalb, weil wir einsehen, dafs unsere allgemeinen syste-
matischen Arbeiten über Gattungen der Sing- und Klettervö-
gel noch viel Zeit zur Reife bedürfen, andererseits aber ein
längeres Zurückhalten dieser für Systematik nicht unwichtigen
Erfahrung geflissentliches Hemmen der Fortschritte in einem
Thcil der Wissenschaft schien. — Burmeister nennt den
Inhalt unserer Notiz einen glücklichen Fund; man könnte mit
mehr Recht (in Bezug auf die zu gewinnenden Ergebnisse be-
sonders für die Klettervögel, aber auch für andere Ordnun-
gen) den Inhalt für die Angal>e einer glücklichen Fundgrube
halten, in der sich Burmeister als rüstiger Arbeiter zu uns
gesellt hat. Als solchen begrüfsen wir ihn und freuen uns
dessen, was von ihm zu Tage gefördert worden, möchten auch
durch keinerlei getrübte Polemik einander die Freude an dei
Arbeit verkümmern, wiewohl die wissenschaftliche Discussion,
zu der hier Gelegenheit geboten, uns nur erwünscht sein
kann. Am wenigsten erwarten wir von unseren Commili-
toncn den Vorwurf vorschneller Unbehutsamkeit darum, weil
wir ilmen den Gang angedeutet, ohne ihn zugleich auszubeu-
ten. — Dürften wir hoffen, dafs noch andere Männer, die durch
ihre Stellung über ein umfassendes Material schalten, unserer
Andeutung so ernste und eifrige Beachtung schenkten, wie
Burmeister, so wären wir sicher, zu einem Ziel zu gelan-
gen, das unsere vereinzelten Bestrebungen weder so schnell,
noch so voUständiii; hätten erreichen können.
363
Burmefster drückt a^^er auf eine in Bezug zu seinen
eignen Beobachtungen inconsequente Weise den systematischen
Werth der in Rede stehenden Structurverhältnisse herab, in-
dem er ihn für die Oscines und deren Sonderung von den
Scansores nicht höher schätzt, als den Werth der Schwanz-
federzalil und des Baues der Bürzeldriise.
Was die 12 Schwanzfedern betrifft, so haben aufser den
Singvögeln auch die meisten anderen Vögel eben so viel; an-
dererseits finden sich davon Ausnahmen bei typischen Sing-
vögeln*) und wiewohl Burmeister versichert „keineswegs
bei irgend einer Sylvia", so ist den Ornithologen gerade
in dieser Gattung (in dem Sinne Burmeisters) die seltne
Ausnahme bekannt, und auf Grund derselben von Bonaparte
die Gattung Cettia gemacht, zu der, aufser der europäischen
Sylvia Cetti, noch afrtcanische Formen gehören. ;—
Ueber die systematische Bedeutung der Bürzeldriise kön-
nen wir nicht aus eigner Erfahrung urtheilen, da wir nur an
wenigen heimischen Vögeln diese Drüse zu beobachten Gele-
genheit hatten. Indefs nach der Art wie Burmeister in sei-
nem Handbuch sich darüber ausgesprochen, dient sie zur Schil-
derung der Ordnung, nicht zur Unterscheidung. Von den
Picariis, heifst es, haben die Meisten eine befiederte
Bürzeldrüse; die Passerinae besitzen eine nackte
Bürzeldrüse. Das ist eine Form des Unterscheid ens, die
den Bedürftigen in jedem einzelnen Falle rathlos läfst. Zu
weiterer Würdigung der Angaben von der Bürzeldrüse in dem
Aufsatz, den wir beantworten, fügen wir concise Bemerkungen
von Nitsch, dem competentesten Richter über diesen Gegen-
stand bei: „Glandulae processus — nsque nudus, et Co-
rona illa phnnosa destitutus est in Accipitrinis nocturnis,
Passerinis , Macrochiribus , Cu'cidinis (Indicatoris gener e
— excepto^ et in Columhinis. — Glandulae forma trian-
gularis in Vulture leucocepJialo , Falcone MilvOj Lanio
*) Wir erinnern uns, dafs dem Tiirdus variu& der Pallasischen
Zoographie 14 Schwanzfedern zugeschrieben werden; er mufs zu den
Drosseln gehören, die Gould als Oreocmcla generisch gesondert;
von den sehr verwandten Arten Turdus variiis Horsf, Whlici
Eylon, u. a ist, wie viel wir wissen, die Schwanzfederzahl nicht
angegeben
364
minore et plurihiis Vasseruüs. — Fere transverse ren'ifor-
Ulis apparet in Stuvno et consiniiüs formae in Passerinis
pennultis alds. — Sed sunt formae mediae inter illas ai-
que eliam aliqua ßgurae varialio in iisdem speciebus pro
aelatisy sexus, et individuonim differeniia ohservatur. '
Uebrigeiis bleibt es daiikenswerth , dafs Burmeister bei die-
ser Gelegenheit den Zoologen die Beachtung der Bürzeldrüse
einschärft, die von den Arbeiten noch immer nicht berücksich-
tigt wird. Die von uns in Anregung gebracliten Verhältnisse
haben vor den beiden besprochenen auch durch zald reichere
Modificationen und gröfsere Handlichkeit für den Systeuiatikcr
einen Vorzug. Um diesen, den Burmeisters Beobachtungen
bestätigen, seine Darstellung aber in den Hintergrund drängt,
hervorzuheben, stellen wir noch einmal das Ergebnifs bisheri-
ger Beobachtung allgemein hin. Dafs solch ein allgemeiner
Satz in inductiven Wissenschaften nur auf den gemachten Be-
obachtungen ruhet, bei deren Erweiterung aber in Umfang und
Form sich ändert, ist ein so nothwendiges Verhältnrfs, dafs
es keinen Vorwurf begründet; diesen Vorwurf verdient hin-
gegen ein Ausspruch, sobald er Unbekanntschaft mit vorhan-
denen Beobachtungen verräth.
Die bei weitem gröfste Zahl aller Singvögel, namentlich
alle typischen, sind ausgezeichnet durch den Mangel der Quer-
theilung auf einem grofsen Theil ihrer hornigen Sohlendecke,
solche Bildung ist nur bei den Oscines beobachtet und ent-
scheidet an und für sich über die bisher zweifelhafte Stelhnig
vieler Vögel. Dazu liefern Burmeisters Beobachtungen Be-
weise. — Es treten unter einigen aberranten Formen von
Singvögeln Modificationen in dieser Bildung auf. Von den
Europäischen weicht nur bei den Lerchen diese Structur so
sehr ab, dafs wir sie nicht unter denselben Ausdruck mit der
typischen bringen konnten; sie bleibt aber iuunerhin verschie-
den von der, die wir bei den Seansores beobachtet haben.
Burmeister hat das Verdienst ähnliche Abweichungen an-
derer Vögel, die uns theilweise unbekainit waren, zuerst dar-
zustellen. Wir schieben jedes Urtheil über diese Einzelheiten
auf, da wir unsere speciellen Untersuchungen nicht anders, als
in ihrem systematischen Zusammenhange mittheilen mögen.
An anderen Vögeln aber beobachtet Burmcistci dieselbe
3C5
Art und Weise der Sohlenbekleidung, wie bei CaprimiiJgus,
Coracios , PrioniteSj Upiipcty Colins, und hält sie für wahr-
hafte Singvögel. Wenn die Beobachtung richtig wäre, und die
Ansicht sich bestätigte, so miifsten wir einräumen, dafs eine
kleine Gruppe aberranter Singvögel durch die Sohlenbeklcidung
nicht von allen Klettervögeln, wohl aber von allen Singvö-
geln unterschieden wäre. Die Sohlenbekleidung eines dieser
Singvögel kann nur mit der Bekleidung sehr weniger Gattun-
gen von Klettervögeln übereinstimmen, da die letzteren man-
nigfach von einander verschiedene Sohlen tragen. Da es wich-
tig scheint, über diesen Gegenstand sich zu vereinigen, so
glauben wir, unsere Prüfung nicht zurückhalten zu dürfen,
wenn sie gleich, wegen der Mittel, unzureichend bleiben
mufs. —
Coracina calva, scutata — Chasmorhynclius nudicol-
Vis — ylmpelis foetida, Pompadora, purpurea — Eurylai-
mus nasicus, ILorsfieldii, — Corydon — Ampelis cayana
sind diejenigen von Burmeister bei dieser Gelegenheit ge-
nannten Ampeliden, die wir nachuntersuchten. Auch die
Muscicapa plumhea wollen wir zugleich nennen, da sie un-
serer Ansicht nach zu diesen Ampeliden gehört. Bei diesen
finden wir nun die Hinterseite der Läufe im trocknen Zu-
stande besetzt mit Reihen elliptischer Pustelchen, die ein ver-
tieftes oder [häufig wahrhaft perforirendes Loch zeigen. Je-
derseits zwischen dieser Sohlenbekleidung und den Tafeln der
Vorderseite (Halbgürtel B.) bemerken wir von dem Fersenge-
lenk her einen häutigen (nackten B.) Striemen, der über einen
ansehnlichen Theil der Lauflänge sich erstreckt und spitz aus-
läuft. Bei Emyl. Corydon, der generisch zu sondern, wur-
zelt auf diesen häutigen Striemen etwas Befiederung und fin-
den wir auch die Reihe gröfserei Schildchen, wie B urm ei-
ste r sie angegeben. Die von ihm genannten Gattungen der
Klettervögel haben nach den von uns untersuchten Arten nicht
diese nackten Striemen mit Ausnahme von Prionites, dessen
Sohle aber von grofsen polygonen Platten bedeckt ist; auch
übrigens erinnern wir uns keiner Gattung der Klettervögel
die vollkommen gleiche Sohlenbekleidung mit diesen Ampeli-
den hätte. Wir halten es für möglich, dafs die im Leben
wahrscheinlich turgiden Pusteln dieser Ampeliden von den
366
Maschen auf den Sohlen vieler Klettervögel dem Bau nach
verschieden sind, haben aber kein Material, um das zu ent-
scheiden.
Bei Psarls beobachten wir an den Läufen vorn zur
Hälfte umfassende Tafeln, neben denen sich jederseits eine
Längsreihe rhomboidischer Plättchen mit hie und da unregel-
mäfsig abgerundeten Ecken findet; diese Plättchen sind nach
dem Fersengelenk hin und innen gröfser; ihre Zahl in einer
Reihe übertrifft die der vorderen Tafeln nicht um das Dop-
pelte, Die beiden Plattenreihen lassen zwischen sich einen
schmalen Streifen, der von sehr kleinen Plättchen bedeckt ist.
— Wenn wir unsere Beobachtungen durchlaufen über die
Sohlen von Coracias, CaprimulguSy Buceros^ die wir grob
genetzt nennen, von Upupa mit der hinteren Längsreihe gros-
ser Platten, von Colius mit den innen und aufsen weit her-
umgreifenden Tafeln und dem feinschuppigen, fast chagrinar-
tigen Sohlenstreifen, so finden wir nicht die Uebereinstimmung,
die Burmeisters Angaben fordern.
Es bleibt noch Laniiis ßavuSj — Miiscicapa feroXy
DespoteSf cayanensis und Faradisi. üeber die letztere wi-
derspricht unsere Beobachtung den Angaben von Burmei-
ster, und wir bitten anderweitig um Untersuchung und Ent-
scheidung. M. Paradisi ist ein ächter Singvogel, mit der
langen Sohlenschiene jederseits, die nur nach der Zehenwur-
zel hin einzelne Quertheilung zeigt. — Bei den übrigen ge-
nannten Arten greifen die Tafeln um die ganze Aufsenseite
bis nach hinten herum, ein Verhalten, das wir an keinem
Klettervogel beobachtet. Bei Lantus flaviis liegt hinten an
der Innenseite des Laufes ein schmaler Streifen, auf dem an
2 Längsreihen sehr feiner gestreckter Maschen zu bemerken;
bei M.fcroXy Despotes, cayanensis liegt an der Innenseite
der Sohle ein glatter Striemen, nach dem Glanz zu urtheilen,
etwa von weich horniger Beschaffenheit, an dem wir hinten
eine Längsreihe sehr kleiner Maschen bemerken. Diese zu-
letzt erwähnten Fälle können wir durchaus nicht mit Sohlen-
bekleidnng der Klettervögel für übereinstimmend halten.
Diese Discussion berechtigt zu der Behauptung, dafs, selbst
in dem Sinne Burmeisters, alle Gattungen der Singvögel-
gruppe durch die Sohlcnbekleidung, nach den bisherigen Er-
367
fahningö», von den Klottervögeln abweichen. Das ist aber
mehr als wir behaupten wollen. Uns war das Verhalten ei-
niger Ampeliden früher bekannt; wir berücksichtigten nur defs-
halb nicht diese Formen, weil wir sie nicht für Singvögel
hielten, und auch noch keinen Beweis dafür ke^lnen. Sollte
er in den Manuscripten von Nitsch enthalten sein, so wäre
uns Belehrung von daher sehr erwünscht. Eben so wenig
verläfslich scheint uns die Stellung von Vsaris und anderen
Vögeln, die durch die Autoren in die Nähe von Lanuis und
Muscicapa gebracht sind. Entscheidung erwarten wir von
der Zukunft, aber wir glauben, wie sie auch fallen mag, dafs
diese in mancher Beziehung anormalen Formen aus einer na-
türlich begrenzten Familie (das Wort in dem Sinne von
Nitsch gebraucht) der Singvögel gestofsen werden müssen,
und für sich eine kleine Familie bilden, analog den vielen, die
man bei den Klettervögeln oder Vicariis anerkennen mufs, so
dafs uns immer einige einfache Angaben über die Bekleidung
der Hinterseite des Laufes sichere Norm für die Familie der
Singvögel bleiben.
Fortgesetzte Bemerkungen über die Gattungen
der Ästenden.
Von
J*Müller und F. H. Troschel.
Seit unserer letzten Mittheilung haben wir Gelegenheit
gehabt, noch andere grofse Museen Frankreichs, Hollands und
j Deutschlands in Beziehung auf die AsteriJen zu studiren.
i Namentlich ist es uns von Wichtigkeit gewesen, die Lamarck-
schen Originalexemplare in Paris vergleichen zu können.
Der vielfachen Unterstützungen, deren wir uns zu erfreuen
gehabt, werden wir in einer besondern Arbeit über die See-
sterne ausführlicher anerkennende Erwähnung thun. Vorläu-
fig beschränken wir uns auf die Mittheilung einiger Thatsa-
chen von allgemeinerem Interesse.
368
Die Zahl der Gattungen der Asterkn hat sich nicht,
wohl aber ganz ungemein die der Arten vermehrt. Doch
dürfte es vielleicht zweckmäfsig sein, die Aster acanthien mit
beperltem Rücken unter dem Namen Pisaster, und von den
Goniastern mit gekieltem Rücken die platten in einer eigenen
Gattung, der wir den Blainville'schen Namen Platyaster
erhalten, abzutrennen. — Wir dürfen ferner nicht unerwähnt
lassen, dafs Pedicellarien sich bei einigen Gattungen gefunden
haben, an denen wir sie früher vermifst hatten. EcJiinaster echi-
nites Noh. (^Asterias ecJünites Lam.) hat sie, während sie
den übrigen Arten dieser Gattung zu fehlen scheinen; gleich-
wie solche Artenunterschiede auch bei den Gattungen Pla-
tyaster und Asteriscus vorkommen. Dasselbe gilt von einem
neuen Chaetasfer. Dreizackige Pedicellarien wurden auch
bei zwei neuen Arten der Gattung Luidia Foj;hes *) {Hemicne-
mis Noh.) beobachtet. — Die Vielfachheit der Madreporen-
platte ist am auffallendsten bei Echinaster echinites, auf de-
ren Scheibe in einem Kreise 5 — 6 solcher Platten vorkom-
men. — Aus der Familie der OpTiiuriden sind uns mehrere
neue Gattungen vorgekommen:
1) OpJiiopJwlis Noi). von Opliiolepis verschieden dadurch,
dafs auf der Scheibe aufser den Schuppen auch noch Stacheln
vorkommen. Dahin gehört Ophiura annulosa Lam u. Asterias
aculeata O. F. Müller.
2) Ophiomyxa Noh. Haut der Scheibe und der Arme
ganz nackt und schleimig; zwei Genitalspalten in jedem Inter-
brachialraum ; die Papillen der Mundränder und die Zahnpapil-
Icn sägeförmig gezähnelt. Hierher eine Art im Wiener und Pa-
riser Museum.
3) Ophiocnemis Noh. Vier Genitalspalten in jedem Inter-
brachialraum , je 2 nebeneinander und von Schienen begrenzt.
Keine Papillen an den Mundrändern. Scheibe granulirt; grofse
Radialschilder. Stacheln der Arme glatt. Hierher Ophiura mar-
VW rata Lam.
*) Die Abhandlung von Forbcs in den Memoiren der Wem er-
sehen Gesellschaft ist uns erst nach dem Druck unserer früheren
Abhandlungen bekannt geworden. Seine Gattung StcUoiiia ist iden-
tiscli unserer AstcracantJiion und enger als Stelhti?a Nardo. Ebenso
fallen die Gattungen Solaster Forbes und Crossaster Nob. zusammen,
369
Verzeiehnifs der Vögel Galliziens.
Von
Stan. Const. Ritter von Siemuszowa-Pietruski.
Gallizien ist ein, was die Ornithologie betrifft, von der
Natur vorzüglich begünstigtes, leider aber aus Mangel an in-
ländischen Naturforschern in dieser Hinsicht noch zu wenig
bekanntes Land. Ich glaube daher, dafs es den Naturforschern
nicht unangenehm sein wird, alle mir bekannten, in meinem
Vaterlande sich findenden Vögel hier aufgezählt zu sehen, be-
sonders da sich diese an seltenen Naturproducten so reiche
Provinz einer eigenen Fauna nicht rühmen kann.
1. Vulturcinereus Gm. überall sehr selten.
2. Falco (Haliaetos) albicilla L. in den Ebenen nicht
selten, meistentheils im Stryier und Sambour Kreise, in
den Gebirgsgegenden als Zugvogel.
3 Falco (Aquila) fulvus Will, überall ziemlich selten.
4. F. (Aquila) naevius Gm. allenthalben gemein.
5. F. (Aquila) haliaetos L. *) in der Nähe der grofsen
Flüsse: am Dniester, San und Stryi nicht selten.
6. Falco subbuteoL. überall nicht selten.
7. Falco peregrinus Gm. in den nördlichen Kreisen, je-
doch nicht sehr häufig.
8. Falco rufipes Beseke, im Stryier Kreise, sehr selten,
9. Falco tinnunculus L. allenthalben gemein.
10. F. (Buteo) Buteo L. in den Ebenen gemein.
*) Anmerk. des Herausgebers. Im Text steht Aquila pygar^
gus; doch kann kein anderer Vogel gemeint sein. Der Verf möge ent-
schuldigen, dafs ich überall seinen Benennungen die allgemein üblichen
substituirt habe; ebenso dafs ich seine systematischen Rubriken weg-
lasse. Jede eigenthümliche Systematik einer Fauna ist, da sie sich
nicht am Ganzen, sondern nur an Bruchstücken des Ganzen versucht,
wenn nicht ein Unding, doch mindestens eine vergebliche Mühe
iViegm. Archiv. VT. Jahrg. I. Band. 24
370
H. F. (Buteo) lagopus Gm. ziemlich selten.
12. F. (Milvus) Milvus L. in ganz Gallizien gemein.
13. Falco (Astur) palumbarins L. überall sehr gemein.
14. F. (Astur) Nisus L. allenthalben gemein.
15. F. (Circus) rufus L. in Ebenen, auf sumpfigen Stellen
nicht selten.
16. F. (Circus) cyaneus Moni. (L.) im Tarnopoler und
Rzesrower Kreise nicht selten.
17. Strix nisoria W. u. M. in Gallizien nur auf dem Zuge
als Seltenheit.
18. Strix flammea L. überall gemein.
19. Strix passerina L. nicht sehr häufig, jedoch überall.
20. Strix Noctua Retz. in den Gebirgsgegenden gemein.
21. Strix Alu CO L. allenthalben gemein.
22. Strix Bubo L. in den grofsen Gebirgswäldern nicht
selten.
23. Strix Ot US L. allenthalben gemein.
24. Strix Scops L. in den an Ungarn gränzenden Kreisen:
jedoch sehr selten.
25. Caprimulgus europaeus L. überall gemein.
26. Cypselus murarius T. überall nicht selten.
27. Hirundo rustica L. allenthalben gemein.
28. H. urbica Gessn. allenthalben häufig.
29. H. riparia Gessn. an den Ufern der Flüsse nicht selten.
30. Merops Apiaster L. in den südlichen Kreisen Galli-
ziens als verirrter Vogel.
31. Alcedo Ispida L. allenthalben am Wasser.
32. Coracias garrulaL. in den südlichen Kreisen Galliziens.
33. Cuculus canorus L. überall gemein.
34. Oriolus galbula L. in den Ebenen nicht selten.
35. Corvus Corax L. überall; jedoch nicht häufig.
36. C. Corone L. überall gemein.
37. C. Cornix L. allenthalben gemein.
38. C. frugilegusL. im Frühjahr und Herbste gemein, nistet
jedoch bei uns nicht.
39. C. Monedula L. allenthalben gemein.
40. C. Pica L. überall gemein.
41. C. glandarius L. überall gemein.
371
42. C. Caryocatactes L. in den Gebirgsgegenden nicht
selten. ^
43. Picus Martins L. in den grofsen Nadelwäldern nicht
selten.
44. P. viridis Gessn. allenthalben gemein.
45. P. canus Gm. allenthalben gemein.
46. P. major L. überall gemein.
47. P. medius L. allenthalben gemein,
48. P. minor L. desgl.
49. Yunx torquilla L. desgl.
50. SittaeuropaeaL. überall nicht selten.
51. Certhia familiaris allenthalben gemein in Nadelhölzern.
'52. Upupa Epops L. nicht selten.
53. Muscicapa grisola L. bewohnt ganz Gallizien in Wäl-
dern und Gärten, jedoch nicht sehr häufig.
54. M. parva Bechst. ziemlich selten.
55. M. albicollis T. nur ein Exemplar wurde bei Lemberg
gefangen.
56. Bombycilla garrula L. zieht in manchen Jahren in
ungeheurer Anzahl durch Gallizien.
57. Lanius excubitor L. überall häufig.
58. L. ruficeps Bechst. in den Ebenen nicht selten.
5^. L. collurio L. allenthalben, jedoch nicht sehr häufig.
60. Loxia pityopsittacus Bechst. in den grofsen Nadel-
wäldern nicht selten,
61. L. ourvirostra L. überall häufig.
62. Fringilla enucleator L. sehr selten, nur ein einziges
Exemplar wurde bei Lemberg gefangen.
63. F. pyrrhula L. allenthalben gemein.
64. F. Coccothraustes L. desgl.
65. F. chloris L. desgl.
66. F. domestica L. desgl., jedoch in den Ebenen häufiger
als in Gebirgsgegenden.
67. F. montana L. überall gemein.
68. F. coelebs L. desgl.
69. F. monti fringilla L. als Zugvogel im Winter.
70. F. nivalis L. kommt nur in manchen Jahren im Winter
zu uns.
71. F. cannabina L. gemein.
24*
372
72. Fringilla flavirostris L. sehr seiton, in Gebirgsge-
genden.
73. F. linaria L. zieht in manchen Jahren in grofser Anzahl
durch Gallizien.
74. F. spinus L. allenthalben gemein.
75. F. carduelis in ganz Gallizien gemein.
76. Emberiza miliar ia L. in den Ebenen nicht selten
77. E. citrinella L. allenthalben gemein.
78. E. Cirhis L. im Stryier Kreise.
79. E. Schoeniclus L. überall in grofsen Rohrwäldern.
80. E. nivalis L. in manchen Jahren als Zugvogel zur "Win-
terzeit.
81. AI au da alpestris L. in manchen Jahren als Zugvogel.
82. A. cristata L. allenthalben gemein.
83. A. arborea Will, desgl.
84. A. arvensis L. desgl.
85. Anthus campestris Bechst. überall, jedoch ziemlich
selten.
86. A. arboreus Bechst. in den Ebenen ziemlich gemein.
87. A. pratensis L. im Lemberger, Stryier und Prnmysler
Kreise.
88. A. aquaticus Bechst. ziemlich selten.
89. Motacilla sulphurea Bechst. überall gemein.
90. M. alba Gessn. desgl.
91. M. flava Gessn. desgl.
92. Turdus Merula L. desgl.
93. T. torquatus L. in den Gebirgsgegenden nicht selten.
94. T. viscivorus L. allenthalben gemein.
95. T. musicus L. desgl.
96. T. pilaris L. durchzieht in manchen Jahren Gallizien.
97. T. iliacus L. Herbst und Frühling als Zugvogel.
98. T. saxatilis Lth. findet sich in den südlichen Kreisen,
jedoch sehr selten.
99. T. cyaneus Gm. ein einziges Exemplar ward bei Lem-
berg geschossen.
100. Sylvia rubecula L. allenthalben gemein.
101. S. phoenicurus L. desgl.
102. S. Thetis Lth. desgl.
103. S. Suecica L. im temberger, Tarnopoler und Brunzaner
Kreise ziemlich selten.
373
104» Sylvia Luscinia L. nicht selten.
105. S. Philomela L. allenthalben gemein.
106. S. (Curruca) nisoria Bechst. nicht selten.
107. S. hortensis Bechst. allenthalben.
108. S. atricapilla L. in Ebenen, jedoch ziemlich selten.
109. S. cinerea Briss. in den Ebenen gemein, in den Gebirgs-
gegenden als Zugvogel.
110. S. Curruca L. ziemlich selten.
111. S. (Ficedula) Hypolais L. desgl.
112. S. sibilatrix Bechst. überall häufig.
113. S. Trochilus L. allenthalben.
114. S. rufa Lth. überall gemein.
115. S. (Salicaria) turdoides Meyer, an grofsen Teichen.
116. S. arundinacea Lth. in rohrreichen Gegenden.
117. S. locustella Penn, überall, jedoch nicht gemein.
118. S. phragmitis Bechst. an binsenreichen Orten,
119. Saxicola Oenanthe L. an grofsen Teichen.
120. S. rubicola L.
121. Cinclus aquaticus Briss. in moorreichen Gegenden.
122. Accentor modularis L. überall in Gärten, an den
Hecken nicht selten.
123. Troglodytes parvulus Koch, allenthalben.
124. Sturnus vulgaris L. allenthalben.
125. Parus major Gessn. nicht selten.
126. P. ater Gessn. in Tannenwäldern.
127. P. palustris L. allenthalben.
128. P. caeruleus Belon. überall nicht sehr häufig.
129. P. biarmicus L. an den grofsen Teichen bei Komarno
Brzcrzany, jedoch immer eine grofse Seltenheit.
130. P. caudatus Gessn. im Lemberger Kreise.
131. P. pendulinus L. in den grofsen Rohrwäldern Galli-
ziens, jedoch nicht sehr häufig.
132. Regulus cristatus Koch, allenthalben gemein.
133. Columba palumbus L. in den Gallizischen Wäldern
nicht selten.
134. C. Oenas L allenthalben gemein.
135. C. turtur L. desgl.
136. Tetrao Urogallus L. in den Urwälilern der Carp»-
374
then, da man ihnen aber viel nachstellt, so hat sich
ihre Anzahl berleutend vermindert.
137. Tetrao Tetrix L. im Stryier Kreise nicht selten.
138. T. Bonasia L. gemein in grofsen Wäldern.
139. T. lagopus L. höchst selten als verirrter Vogel im Tar-
nopoler Kreise.
140. Per d ix cinerea Aldr. allenthalben gemein.
141. P. Coturnix L. desgl.
142. Otis tarda L. in den grofsen Ebenen der Tarnopoler
und Brczcower Kreise.
143. Oedicnemus crepitans T. sehr selten, als verirrter
Vogel.
144. Charadrius pluvialis L. an morastigen Triften.
145. Ch. Morinellus L. selten, als Zugvogel.
146. Ch. minor M. u. W. an den Ufern der Gewässer.
147. Ch. Van eil US, allenthalben.
148. Grus cinerea Beclist. auf grofsen Morästen.
149. Ciconia alba Bei. allenthalben gemein.
150. C. nigra Bei. in den grofsen morastigen Wäldern.
151. Ardea cinerea Lth. an den Flüssen nicht selten.
152. A. purpurea L. sehr selten.
153. A. Egretta, kommt zuweilen aus Ungarn nach Gallizien.
154. A. Garzetta L. desgl.
155. A. stellaris L. allenthalben gemein.
156. A. minuta L. an rohrbewachsenen Teichen.
157. A. nycti corax L. in den südlichen Kreisen, jedoch
selten.
158. Platalea leucorodia L. verirrt sich bisweilen zu uns.
159. Ibis falcinellus Gm. sehr selten, nur ein Exemplar
wurde im Stryier i\rcise geschossen.
160. Scolopax rusticola L. besucht manchmal im Herbste
die Brachfelder Galliziens.
161. S. (media B.) major L. allenthalben.
162. S. G allin ago L. nicht selten.
163. S. Gallinula L. allenthalben, jedoch nicht sehr liäufig.
164. Numenius arquatus Lth. ziemlich selten.
165. Totanus o ehr opus, ziemlich selten.
166. T. hypolcucos Gm. L. an Morästen.
167. Tringa subarquata T. sehr selten.
375
168. Machetes pugnax L. auf Morästen, jedoch nicht sehr
häufig.
169. Rallus aquatjcus L. allenthalben häufig.
170. Crex pratensis Bechst. desgl.
171. C porzana Lth. an den Gewässern Galliziens, selten,
^12. C. pusilla Bechst. an grofsen Teichen.
^73. Gallinula chloropus Lth. nicht selten an den grofsen
Teichen.
174. Fulica atra L. allenthalben gemein.
175. Lestris parasitica Gm. durch Stürme verschlagen,
kommt sie nur selten nach Gallizien.
176. Laras fusciis L. ebenfalls eine seltene Erscheinung.
177. L. marinus L. kommt bisweilen im Winter nach Gal-
lizien.
178. L. ridibundus L. bewohnt, jedoch selten, unsere grofsen
Flüsse, meistens am Dniester.
179. Stern a Hiruudo L. an unseren Flüssen und Teichen
nicht selten.
180. St. minuta L. nicht selten.
181. Carbo Cormoranus W. u. M., besucht nicht selten die
grofsen Flüsse und Teiche.
182. Pelecanus Orocrotalus, zuweilen aus Ungarn kom-
mend. Ich besitze ein Paar Exemplare, die im Stryier
Kreise geschossen sind.
183. Cygnus musicus Bechst. kommt bisweilen im Winter
nach Gallizien.
184. Anser cinereus M. bewohnt die grofsen Moräste.
185. A. segetum Gm. zieht im Herbste durch Gallizien.
186. Anas Boschas L. allenthalben häufig.
187. A. clypeata L. sehr selten.
188. A. crecca L. nicht sehr häufig.
189. A. querquedula, überall häufig.
190. A. Tadorna L. ziemlich selten.
191. A. nigra L. sehr selten.
192. A. fusca L. sehr selten.
193. A. clangula L. im Winter keine Seltenheit.
194. Mergus Merganser L. findet sich manchmal auf un-
seren grofsen Teichen, ob er hier brütet, weifs ich nicht.
376
195. Colymbus cristatus L. (Gm.) auf unsern grofsen
Teichen.
196. C. minor Lth. allenthalben im Wasser.
Dieses Verzeichnifs, worin sich bereits viele seltene Vögel
vereinigt finden, und deren Anzahl vielleicht mit der Zeit um
20 — 30 Arten vermehrt werden könnte, übergebe ich dem
ornithologischen Publikum als das Resultat meiner eigenen
vieljährigen Forschungen, in der Hoffnung, dafs ich bald im
Stande sein werde, das Fehlende durch eine schon längst be-
absichtigte Reise in die mir nicht genügend bekannten Kreise
zu vervollständigen.
Observations sur quelques poissons de la mer de
Nice.
Par
A. R i s s o.
Notacanthus Notacanthe
Bloc.
N, Bonaparte N. Bonaparte
N.
Planche X.
N. Corpore elongato, compressOy nigro-punctulato; pars anterior
lata, caeruleo-ärgentata, posterior tenuissima, incarnata, Rostro
Chimaeriformi; cauda acuta.
Le Corps de ce Notacanthe est alonge, suelte, apiati, plus
gros et plus epais sur le devant, diminuant peu-a-peu, et se
prolongeant insensiblement en pointe vers la queue. II est
colore d'un bleu de plomb argente sur toute sa partie ante-
rieure, et d*une teinte rouge incarnat livide sur l'inferieure;
le tout couvert de tres-fines ecailles, assez adherentes ä la
peau comme colles des couleuvrcs tres-finement pointillees
de noir.
377
La tete ayaiit la forme de celle de la Chiaiere presente
un museau proeminent, avance, aplati, termine en pointe ob-
tuse. Les deux seules narines sont oblongues, plus rappro-
chees de l'oeil que de l'extremite du museau. La bouche
est inferieure, arquee, assez fendue, la mandibule plus avan-
cee que la mächoire est armee d'une rangee de dents tran-
chantes au nombre de vingt a vingt-deux. Elles sont suivies
de quelques dents palatines disposees sur deux rangees. La
mächoire inferieure est garnie d'un seul rang de dents plus
petites, plus fines et plus subtiles. Les levres sont assez
epaisses, Tesophage est grisätre; le preopercule et Fopercule
ne forment qu'une piece mince, flexible, cartilagineuse, tres-
finement striee; Touverture des brancbies est fort ample, la
ligne laterale commence au-dessus des ouies, suit la cour-
bure du dos jusqu'au dernier rayon de la dorsale, traverse
ensuite le milieu du corps jusqu'ä la queue ; Torifice de l'anus
est muni dans cet individu d'un long tuyau creux qui pourroit
bien servir d'oviductus.
La nageoire dorsale est compose de neuf rayons epineux
libres, courbes, aigus, isoles; le premier est presque cache
sous la peau, l'avant dernier est le plus long. Les nageoires
pectorales situees un peu en dessous de l'ouverture des bran-
chies sont coupees en forme de queue d'hirondelle, et poin-
tillees de uoir; les nageoires ventrales sont peu etalees, rap-
prochees par leur base, procedees de trois petits aiguillons
inegaux de chaque cote. L'anale commence par quinze rayons
epineux, subtils, tres- aigus, courbes, libres, ils sont suivis
d'une membrane tres-deliee noire, traversee par 120 rayons
simples, mous, flexibles, tres-inclines, lesquels se reunissent
pour former l'extremite de la queue, qui termine en pointe.
Long, totale 0,148; Larg. 0,024. Sejour abymes marins
vaseux. Aparit. ete. N. D.9; P.16; V. 3 — 11; A. 1.4 — 200;
M. B. 6.
Dimension s.
Distance de Textremite du museau aux narines . . 0,008.
Id. id. a la bouche . . 0,010.
Id. id. aux yeux . . . 0,012.
Id. id. aux nageoires pectorales 00,36,
Id. id. aux nageoires ventrales 0,072.
378
Distance de l'extremite au premier rayon de la dorsale 0,081.
!d. id. a l'orifice de ranus .... 0,092.
Elevation des rayoiis dorsaux les plus longs . . . 0,006.
Diametre de l'oeil 0,007.
Ouvertüre de la bouche 0,008.
Protractilite des maclioires 0,003.
Long, des rayons des nageoires pectorales .... 0,013.
Id. id. des ventrales . . . 0,010.
Espace oecupe par les rayons libres dorsaux . . . 0,040.
Remarques.
Des caracteres, que Ton vient de relater les continuations
de riiistoire naturelle des poissons de Cuvier, pourra bien
s'assurer „si la hauteur verticale du bout du museau de ce
„poisson est plus du quart de la longueur de la tete, et si
„son epaisseur aux nageoires pectorales est plus du tiers de
„sa hauteur, et s'il ne devient pas plus mince en arriere, si
„la longueur de sa t^ie est du huitieme de la longueur to-
„tale, et sa hauteur de deux tiers de sa longueur,'' et autres
caracteres aussi nets, aussi clairs, aussi precis et aussi faciles
ä saisir, que Mr. Valanciennes a donne du Notacanthe deco-
lore et sans visceres, qu'il a observe dans le cabinet d'his-
toire naturelle de Berlin, sur lequel, dit-H il n'a pas trouve
sur le dos les larges bandes brunes, qu'il a vu peintes sur la
figures de Bloch; caracteres, qui joints aux six pages de pa-
roles ou nage a son aise la notice descriptive de ce poissön,
nous permet de croire, que IcNotacanthe de la Mediterranee
que Ton vient de decrire, n'est pas celui des Indes orientales,
ni celui du Groenland, niais peut-etre uue espece nouvelle»
qui portera le nom du savant et illustre auteur de la faune
d'ltalie, ä qui l'histoire naturelle est redevable de tant de
travaux utiles.
D e ?i t e X D e 71 l e
Cuv.
1). V II l g a r i s. D. o r d i 7i a i r e.
D, Gorpore argcntalo, caerulescente; Jrmite depressa, lateribus^
caerulco fiißrescente violaceo pu7ictatis; hasi pinna dorsali lutea -
ferrugineo guttata; vaitda semilutuita,
Sparus de7itcx auct.
j 379
Son Corps est ovale, fort alonge, epais, crune tcinte ar-
gcntine, se nuan^ant sur le dos en bleu Celeste, se reflechis-
saiit sur Ics cotes en or, en argent, en amethiste, entremeles
fle petits points d'un bleu noir violätre, et s'etendant ensuite
par ondes azurees sur lo museau.
La tete est grande; sa longueur n'egale jamais la hauteur
du Corps, et ne fait jamais les trois quart de la longueur
totale, conime l'avance Mr. Valanciennes ; le front est plus
I deprime dans son profil que convexe; le museau est assez
prolonge et obtus.
Les yeux sont mediocres, situes au haut du front a-peu-
pres a egale distance du bout du museau et de la pointe de
l'opercule, quand la bouche est fermee; l'iris est d'un argent
dore, la prunelle noire.
Le preopercule est bien developpe, et occupe une partie
de la joue; son bord posterieur est lisse, uni, strie, et non
un peu ride; le limbe est marque par deux aretes, qui sui-
vent le contour du bord; tout Fespace entre cette arete et
I le sousorbitaire est creux, et non caverneux, recouvert dans
I
l'etat sec et fraix de tres-fines ecailles lisses, pointillees de noir.
L'opercule et le sousopercule ne sont point remiis; le
Premier est recouvert d'ecailles plus grandes et plus diverse-
I ment nuancees, que le second, tous les deux sont inegalement
sinues sur leurs bords.
L'interopercule est assez large, separe des autres pieces
operculaires, et couvert de petites ecailles, qui reflechissent le
pur eclat de l'or, il est lisse, uni, subarrondi sur son bord,
I traverse de fines lignes concentriques, qui s'evanouissent en
approchant de l'opercule.
Les narines sont munies de deux ouvertures, Tanterieure
i est petite, ronde; la poitrine fort grande, oblongue, terminee
en pointe du cote de l'oeil.
La fente de la bouche est bien elöignee, et ne se pro-
longe jamais au-dela de la premiere Ouvertüre des narines;
les mächoires sont presque egales, peu protractiles, l'inferieure
n'est pas aussi longue que la supe/ieure soit que la bouche se
trouve ouverte, ou bien fermee. Les maxillaires sont garnies
des levres epaisses, le dessous de la mächoire inferieure est
nud, Sans ecailles, avec un petit menton oblique.
380
La machoire superieure est garnie de trois a quatre
grosses dents canines crochues, suivies sur les cotes d'une
rangee de dents assez fortes, courtes, presque droites, les-
quelles sont accompagnees de plusieurs series de dents tres-
fines en veloiir; la machoire inferieure est ornee d'une rangee
de dents presqu'egales suivies d'un grand nombre des petites
en Velours, avec les quatre anterieures fortes, crochues, placees
a egale distance les unes des autres.
Le palais est lisse, ainsi que la langue, qui est subarron-
die ä son extremite.
L'ouverture des branchies est assez grande, la distance. (
de la dorsale au bout du museau n*est pas egale au tiers dei
la longueur du corps ; et l'espace qu'elle occupe sur le dos
est presque aussi long que la moitie de sa longueur. Les
trois Premiers rayons epineux sont les plus courts, les autres
huit sont assez longs; la membrane qui les unit est trans-
parente, pointillee de bleu a sa base, et bariolee de jaune
avec une tacfee ferrugineuse au bout: les rayons peuvent sei
cacher dans une rainure couverte d'ecailles du cote du dos,
•qui se relevent assez pour servir a cacher la nageoire dorsale.
L'anus est beaucoup plus rapproche de la queue, que de
la tete; un peu en arriere commence la nageoire anale, qui
est courte, nuancee de jaune, dont le premier rayon epineux (
est plus courte que le second, celui-ci du troisieme qui
est moins haut, que les rayons mous ou rameux, lesquelsi
sont termines par huit filamens articules. La nageoire cau-
dale est en demi-lune et non fourchue, eile est d'un rose<
pale avec le lobe superieur, qui depasse tres-rarement l'infe-'
rieur; les ventrales sont placees en arriere des pectorales,
elles sont libres, a-peu-pres triangulaires, mais reunies en-
tr'elles par un ecusson conique couvert de petites ecailles'
argen tees, obtuses, et ornee sur leur aiselle laterale d'une
longue ecaille triangulaire pointue. Les nageoires pectorales
sont tres-developpees, le plus long rayon atteint au-delä du
neuvieme rayon de la dorsale. Elles sont un peu decoupees'
en forme de queue d'hirondelle, et ont des rayons teintes de
ronge sur une membrane transparente jaunatre.
La ligne laterale est situee sur la region dorsale a troiS;
381
quart de la hauteur du poisson, eile commence aux ouies, et
suit modestement la courbure du dos.
Les ecailles sont assez grandes, on en compte 76 dans
sa longueur et 30 dans sa plus grande hauteur; elles sont
tres-adherentes a la peau, Celles du dos et du ventre sont
un peu moins developpees que Celles des flancs.
Chaque ecaille est subelliptique a bords lisses, tres-fine-
ment cilies, la partie recouverte est marquee de stries rayon-
nantes du centre vers le bord radical qui est un peu festonne.
La femelle presente ä-peu-pres les memes gradations
des nuances, eile devient plus grosse et plus trapue que le
male; on la trouve pleine d'oeufs pendant les cinq premiers
mois de l'annee, eile fraye dans les bas fonds a l'approcbe
de l'ete; les petits s'approchent du rivage, ceux qui sont deja
un peu developpes et du poids d'une livre ont le corps cou-
vert, ainsi que les flancs de petites täches bleu amethyste
tres-chatoyant, et les nageoires ventrales et anale d'un beau
jaune fonce.
M.B.6; N.D.ll — 11; P.14; V.l — 5; A.3— 8; C. 16,
Dimensions d'un individu ordinaire.
Long, totale 0,600.
Larg. a la base des pectorales 0,155.
Epaiss. id. 0,065,
Distance du museau au milieu de l'oeil 0,080.
Distance en ligne droite a Touverture des branchies . 0,155.
li a la base de la nageoire dorsale .... 0,186.
Id. id. des nageoires pectorales . ♦ . . 0,170,
Id. id. des nageoires ventrales . . • . 0,192.
Id. id. de l'anale .... - 0,340.
Id. id. de la caudale 0,530.
Longueur des nag. pectorales 0,130.
Id. de la nag. dorsale 0,287.
Id. de Fanale 0,120.
Envergure de la queue 0,170.
Diametre de l'oeil 0,022,
Ouvertüre de la bouche 0,044
382
D, Synodon D. S y n o d o 7i
N.
D. Corpore ovato ohlongo, ventricoso, crasso, ruh'ginoso. Frorite
gihhosii; lateribus macvlh mgris sparsis ornatis; cauda In nah f.
An Synoden cmct.
Le Corps de ce poisson est ovale -oblong, renfle, epais,
tres-large vers la tete, aminci vers la queue, brillant de l'eclat
de Targent et du platine, qui se change en rubis vers la
partie anterieure; en reflechissant diverses nuances metalliqiies
Jaunatres vers la posterieure, etant parseme sur la moitie de
la region du dos de täche eparpillees d'un noir d'ebene.
La tete est fort grande, et forme presque le tiers de la
longueur totale du corps. Le museau se prolonge en avant; :!
le front est bombe; son chaufrein est tres-releve, globuleux
et bossu; l'espace entre Foeil et le front est surmohte dune^
ossature proeminente, arrondie; le profil du front descend en
ligne oblique vers Textremite du museau, qui est obtus, sub-^
arrondi, couvert de petits pores. La nuque est haute, pres-
que trancliantc jusqu'a la base de la nageoire dorsale, et
parait comme nue, quoiqu'elle soit couverte de tres-petites
ecailles fort adhereutes a la peau.
L'oeil est tres-grand, arrondi, place au milieu de la di-^
stance entre Fouverture de la bouche et la nuque; l'iris est«
d'un argent iiacre et dore, la prunelle tres-developpe est noire»
Le sousorbitaire est tres-grand, de forme trapezoide a
surface couverte de longues stries divergentes, diversement
nuancees en cuivre rubigineux.
Le preopercule est assez developpe pour couvrir une
grande partie de la joue ; le bord montant est rectiligne, uni,
l'inferieur presente un sinus, et s'arrondit ensuite vers la base
de l'angle de la mächoire inferieure. Le limbe est large, re-,
gulierement strie de fuies lignes, qui nuancent en pourpre la
peau, qui le recouvre.
L'opcrcule et le sousopercule sont larges, point reunis,
ces deux pieces sont ondulees et sinuees sur leurs bords,
terminees au sonimet en pointe obtuse; elles sont recouvertes ;
383
de grosses ecailles dans la premiere, et ile petites moins
miancees dans la secondo.
L'interopercule est fort large, separe des antres pieces
operciilaires , il est coiivert d'assez grosses ecailles d'un rose
pourpre, est lisse, foiblement siniie siir son bord, traverse de
fines lignes coiicentriques.
Les narines sont inegales, place es en ligne oblique au-
devant de l'oeil, Tanterieure est petite, ovale, arrondie, celles
situees ä cote des yeux sont fort grandes, oblongues, aigues.
La fente de la bouche est peu eloignee, et ne se pro-
longe Jamals au-delä de la premiere Ouvertüre des narines;
les mächoires sont inegales, tres-peii protractiles; l'inferieure
est arrondie, beaucoup plus longue que la superieure, soit
qu'elle soit fermee ou ouverte; le maxillairc est presque
Cache sous le bord du sousorbitaire, qui est fort epais; les
intermaxillaires sont garnies des levres tres-epaisses et char-
nues. Le dessous de la mächoire infsrieure est nud, glabre,
sans ecailles, avec un long menton proeminant, rectiligne.
La mächoire superieure est garnie de quatre grosses dents
canines, crochues, inegales, qui alternent avec les inferieures;
elles sont suivies d'une rangee de dents en carde, espacees,
plus fortes que celles, qui lui sont opposees, et d'un grand
nombre de plus petites egalement disposees en carde. La
mächoire inferieure est armee de six grosses dents aigues,
espacees sur le devant, elles sont accompagnees de chaque
cote d'une rangee de dents rapprochees les unes des autres,
suivies d'autres rangees plus petites ^ carde. Le palais est
glabre ainsi que la langue, qui est libre et arrondie ä son
extremite.
L'ouverture des branchies est fort grande, la distance de
la dorsale au bout du museau est egale au tiers de la lon-
gueur du corps, et l'espace qu'elle occupe sur le dos est
moins long, que la moitie de sa longueur, eile s'abaisse apres
le quatrieme rayon epineux, et se releve ensuite. Le premier
rayon est le plus court, les trois, qui suivent, sont les plus
longs. La membrane qui les unit est d'un rose clair avec
les rayons rouges. Ges rayons peuvent se cacher en partie
dans un sillon couvert d'ecailles, qui se relevent vers le bas.
L'orifice de l'amis est gros, plus rapproche de la queue
384
que de la tete; a quelque distance coramence la nageoire
anale, qui est fort courte, bien developpee, dun blanc opale,
nuancee de bruu vers le milieu de la membrane, dont le
Premier rayon est le plus court et les deux autres epineux
sont aussi longs que les rayons raous, lesquels se ramifient
en huit a dix petits filaments ; la caudale est decoupee en
demi-lune, eile est fort ample, avec ses rayons ramifies, aplatis.
stries d'un rouge pourpre; le lobe superieur est un peu plus
long que l'inferieur. Les nageoires ventrales sont placees en
dessous des pectorales, elles sont libres, triangulaires, atta-
chees entr'elles au moyen d'une piece ecussonee rectUigne,
couvert d'assez grosses ecailles, et garnies sur leur aiselle
laterale d'un tres-long appendice triangulaire, termine en pointe,
les nageoires pectorales sont araples, fortes, subtriangulaires,
d'vn rouge transparent, dont les plus longs rayons, qui sont
articules, atteignent ä peine le neuvieme rayon de la dorsale.
La ligne laterale est relevee et betend presquo en droite
ligne depuis les ouies jusqu'au-dessus du milieu de la queue.
Les ecailles sont fort grosses, on en compte soixante-
dix dans sa longueur, et vingt-quatre dans sa plus grande
hauteur; elles sont fort adlierentes a la peau, Celles du milieu !
sont plus developpees que celles du ventre, et Celles -ci que
Celles du dos.
Chaque ecaille est elliptique, a bords cilies, dont les
rayons sont concentriques, pointilles vers le milieu.
Je ne connois pas la femelle, ni les petits.
M.B.5. N.D. 11 — 10; P.14; V. 1—5; A.3-8, C.24.
Dimensions d'un individu ordinaire.
Long, totale 0,825.
Larg. a la base des pectorales 0,220.
Epaiss. idem 0,080.
Distance du museau a l'oeil 0,124.
Id. en droite ligne a l'ouverture des branchies . 0,220,
Id. a la base de la nageoire dorsale .... 0,270.
Id. id. des nageoires pectorales .... 0,240.
Id. id. des ventrales 0,242.
Id. id. de l'anale 0,454.
Id. id. de la caudale 0,790.
• 385
Distance a la base a l'ouverture de l'anus .... 0,410
LoDgueur de la pectorale 0,176
Id. de la dorsale 0,390
Id. de l'anale 0,145
Envergure de la queue ........... 0,240
Diametre de l'oeil 0,033
Ouvertüre en long de la bouche 0,075
3. D, Erythrostoma D. Bouche rouge
N.
D. Corpore argentato ruberrimo, fronte ohtusa-, lateribus fa-
sciis longitudinalibus luteis , coccineis, pictis, oculis maximis,
gula rubra, cauda furcata.
Spar US Macrophthalmus Bloch. 272. Riss, lere edit.
250 — 19.
Dentex Erytrostoma Riss. 2e edit. 3 — 261 — 279. etc.
Son Corps est ovale -oblong, un peu comprinie, plus large
vers la tete que vers la queue. II est colore d'une belle teinte
rouge -rubis sur un fond argente, plus ou moins foncee sur
le dos, brillant de l'eclat du platine sous le ventre, traverse
sur les cotes de plusieurs ruses longitudinales legerement im-
primees de jaune et de rouge, gazees d'une couche doree, qui
se refiechissent en mille manieres pendant la vie de ranimal.
Sa tete est beaucoup moins grande que la hauteur du
Corps, et ne forme pas le tiers de sa longueur totale; le
museau s'avance ä-peu-pres sous forme d'un triangle obtus;
la nuque est aplatie, nue, lisse, d'un rouge vif, sans ecailles,
parsemee de petits pores.
Les yeux sont fort grands, aplatis comme ceux du Gym-
netre Lacepede; ils sont situes au sommet du bord de la nu-
que; riris est nacre, nuage par des grandes täches d'un rouge
carmin, la prunelle est fort grande bleuatre.
Les narines sont doubles, presque egales, ovales arron-
dies, placees en ligne droite au-devant des yeux.
Le sousorbitaire est etroit, situe obliquement sous roeil^
le long des machoires, et se retrecit un peu en arriere.
Le preopercule est tres-grand, couvre toute la pore qui
Wiegmann's Archiv. VI. Jahrg. 1. Bd. i 95
386 •
est recouverte de petites ecailles argentees; son angle est
arrondi, a-bord festonne par les rides sillonant le linibe, qui
est pointille de noir.
L'opercule et le sousopcrcule sont recouvert d' ecailles
etroiteinent imbriquees, fortement adherentes, apres et rüdes
sur leurs bords.
L'interopercule est grand, ooiivert d'ecallles plus petites
qiie Celles de la Jone; le maxiJlaire est cacbe sous le bord
du sousorbitaire, quand la bouche est ferniee, il se courbe et
contribue ainsi a la grandeur de l'ouverture de la bouche.
Les mächoires sont egales, quand la bouche est close, iiiais
Tinferieure est un peu plus longue , quand celle - ci est ou-
verte; eile est munie sous le menton d'une protuberence
osseuse assez saillante.
La fente de la bouche se pfolonge jusque sous la ligne
de la premiere Ouvertüre des narines; son interieur, Teso-
phage, le palais sont colores d'un rouge de feu, ainsi que la
langue, qui est libre, lisse, obtuse, et les levres minces peu
charnues.
La niächoire superieure est garnie de quatre grosses
dents aigues, egalenient espacees sur le devant, suivies sur
les cotes de deux ou trois rangees fort petites en carde, dis-
posees sur une rneme ligne; la mächoire inferieure est munie
d'une rangee de dents laterales un peu plus fortes, et de
deux rangees un peu plus developpees et aigues sur le devant.
La ligne laterale suit la courbure du dos et se detache
du Corps par une teinte dififerente, qui fait paraitre couinie si
les ecailles etaient plus relevees.
Les ecailles sont fort adherentes ä la peau, et sont pres-
que aussi grosses que Celles du Deute ordinaire; on en compte
cinquante-six rangs dans sa longeur, et vingt- quatre dans sa
hauteur; elles sont hexagones a angles inegaux, leur bord
radical est tronque, deutele par ses saillies qui forinent cha-
cune des stries, lesquelles ne rayonnent pas du centre a la
circonference, mais' elles sont toutes presque droites; les deu\'
bords laterau}^ sont unis, la partie libre de l'ecaille presente
trois faces herissees de petites asperites, qui la rendent apre
et fort rüde au toucher.
Les nageoires sont variees de rouge ; la dorsale presente
387
des rayons epineux plus releves et aussi forts qiie ceux du
Dente; les pectorales sont lanceolees, aigues, et s'etendent
aii-delä de la nageoire anale; les ventrales sont tachees de
rouge; la caudale est plus fourchue qu'echancree, eile est
jaunätre a sa base, rouge au milieu, et blanchätre au soramet.
La femelle differe tres-peu dans la disposition de ses
teintes du male principalement, quand eile est couverte de sa
robe nuptiale, son ventre est plus developpe, rorifice de Fa-
nus plus large, eile renferme deux longues grappes de petits
oeufs d'un jaune rougeatre, qu'elle fraye vers la fin d'avril.
La chair de ce poisson est moUe, tendre, huileuse, rou-
geatre; son foye est mince couleur de chair pale; l'estomac
est etroit en cul de sac; les boyaux petits, entortilles; les
ovaires du male extremement longs, attenuees a leur sommite;
la vessie natatoire assez grande, ä parois assez epais d'un
blanc nacre.
M.B.5; N.D.12 — 10; P.16; V. 1 — 5; A.3 — 7; C.20.
Dimensions d'un individu ordinaire.
Long, totale . 0,316.
Long, du Corps a la base des pectorales 0,110.
Epaiss. id. 0,040.
Long, de la tete 0,086.
Distance du museau ä l'oeil 0,028.
Id. a la base de la nageoire dorsale .... 0,088.
Id. id. des nageoires ventrales . . . . , 0,087.
Id. id. de l'anale . 0,158.
Id. id. de la caudale 0,250.
I Id. id. ä l'orifice de Tanus 0,155.
Long, de la nageoire pectorale 0,186.
Id. id. de la dorsale 0,140.
Id. id. de Fanale 0,051.
Envergure de la queue 0,106.
Diametre de l'oeil 0,033.
Espace qui separe les deux yeux 0,030.
Long, de la bouche 0,030.
Duverture de la bouche 0,045.
Remarques.
Aristote parle de deux especes de poisson Dente, qu'il
25*
388
distingue sous le nom de Synagris et de Synodon, selon
Gilius, Beton, Salviani etRondelet. La denomination de Syn-
agris est usitee en Grece pour distinguer le Dente ordinaire.
Mais il ne s'en suit pas de la, qiie le nom de Synodon soit
aplicable au Spare inacrophtalme conime Mr. V^alanciennes Fa
avance dernierement.
Gaza a traduit indistinctement ces deux noms par Den-
teXy quoique en langue grecque. 11s designent deux noms
differents, malgre celle plusieurs auteurs les ont confondus en
une seule espece; Rondelet va meme jusqu'ä dire qae le nom
de Synagris et de Synodon indiquent le meme poisson , mais
d'age different.
Le tQ:!dQ d'Hicesius, d'Athenee et d'Epicharme ne laisseat
aucun doute sur l'identite de ces deux especes, et Belon en
avouant la confusion, qu'il regne parmi ces deux poissons n'a
pü faire a moins, que de les considerer comme deux especes
diverses sans relater aucun caractere pour pouvoir les distin-
guer l'une de l'autre.
Le Dente ordinaire frequente au bas des grands escar-
pements sousmarins de la Mediterranee, qui sont plonges de
26 a 36 brasses de profondeur* ou il vit reunis en societe
ce qui est confirme par Aristote lorsqu'il dit, que le poissor
se tient sur les cotes, et qu'il vit en troupe avec l'Orphus, \i
Dorade, le Muge etc. *) A l'approche du printems le Dent<
quitte les lieux de sa residence, s'approche alors plus pre:
des bords, et Ton en prend meme a la ligne, principalemen
si on le peche avec des petits poissons tels que Gertes, Bo
gues Vivantes attachee a Thamegon par la queue.
Les Dentes frayent vers la fin du printems toujourj
remis par petites bandes, et lorsque leurs petits ont acquiJ
une certaine grosseur, ils viennent voltiger pendant quelquei
tems proche du rivage, et se retirent ensuite dans les profon
deurs, qu'ils habitent la plus grande partie de l'annee. Leui
croissance est rapide dans les premieres annees de leur exi
stence, et se ralentit a mesure, qu'ils avancent en äge. Ce:
poissons sont fort malicieux et difficiles a prendre, mais quan(
ils sont poursuivis par la faim ils se jettent sans defiance su
*) Aristot L. 8. C. 13. — L. 9. C. I.
389
tonte Sorte de proie, qu'on y presente, et Ton eri fait alors
des peches assez abondantes au moyen du palangre; mais
aussitot qu'ils se trouvent pris, ils deployent toute leur forme
et leur adresse pour se degager du fatal hamegon. La iiata-
tion des Dentes est fort vive et poursuivent leur proie jus-
qu'a deux brasses d'eaux pres du rivage sans qu'aucun acci-
dent „de leur vessie natatoire comprimee par la grande
„colonne d'eau, qui pesait sur lui, se dilate, et dechirant la
„vessie, et meme Je mesentere fait retourner et saillir les
„intestins de la boucheü" *) Le Dente ordinaire parvient
daiis notre mer de 15 a 17 kilogrames.
Le Dente, que je presume etre le Synodon des anciens;
Vit solitaire dans des regions plus profondes, que Celles liabi-
tees par Tespece ci-dessus, il s'approche rarement du rivage,
et plus rarement encore il se laisse prendre aux engins em-
ployes pour le pecher, quoiqu'il soit tres-vorace; on ne con-
noit pas ses petits, qui n'habitent point les bords de la Medi-
terranee boreale, oii Ton ne peche que par hazard ce poisson
dans tout son developpement, qui est fort superieur a celui
du Dente ordinaire.
Belon dit avoir connu ce poisson sans qu'il en ait donne
aucun des grands traits qui le distinguent; j'avais crü aussi
que le Sparus Gibbosus de Rafinesque pourroit bien etre cette
espece, mais sa bosse placee derriere la tete, des dents mo-
laires avec des incisives et autres caracteres, dont eet auteur
fait mention, m'out empeche de croire, que ce soit le Syna-
don, que je viens de decrire.
Le Dente Bouche rouge, que Valanciennes dit etre le
S. macrophtalme de Bloch, malgre la difference qui nous a
presente la planche figuree de cet auteur, que nous avons
examine dans le teuis avec feu Cuvier, et que ce grand ana-
tomiste eflfaga de sa main le nom de Macrophthalme, que ce
poisson portait dans ma coUection des poissons peints de la
Mediterranees, habite les profondeurs rocailleuses de 20 a 35
brasses, ou il se nourrit des petits poissons et des crabes. II
Vit en petite societe; ses petits parvenus au poid de 2 a 3
onces poursuivent les poissons litoraux jusque pres des bords.
*) Valancienn. loc. cit.
390
ou Ton en prend alors aux aissargaes. L'Erythrostome ne
parvient jamais au poids de deux kilogrames, et presente une
cliair beaucoiip meilleure que celle du Synodon et celui-ci,
que le Dente ordinaire.
Quant au Dente ä qui je donna dans le tems le nom de
Cetti, mes observations ne sont pas encore süffisantes pour
affirmer si c'est une nouvelle espece, ou si les doutes, que
je communiqua dans le tems au celebre Cuvier, qui m'a tou-
jours honore de son amitie, se realiseront.
C'est pour convaincre ceux, qui s'imaginent dans leur
cabinet, au milieu de tous les livres ecrits ä ce sujet, et pos-
sesseur des collections gouvernamentales, avoir tout epuise,
que je suis entre dans certains details sur ces trois especes
de poisson, persuade d'avance, que je laisserai toujours a mes
successeurs de Lacunes a remplir sur leur histoire naturelle;
mais a la maniere nouvellement adoptee par certain natura-
liste de trainer aux gemonies, ceux qui se sont occupes avec
plus ou moins de connaissance des objets soumis a leurs in-
vestigations ne pourrait Ton pas dire avec Pline: Non sumus
profecto grati erga eos, qui labore curaque lucem nobis apa-
ruere in hac luce. *)
Sehastes S e b a s t e
Cuv.
S. A r g u s. S, A r g u s.
S. Corpore ovato-ohlongo, depresso, fiisco-cupreOy laterihus vi-
rescenti guttatis; ahlomine aurantiaco; pinnis dorsali caudall-
que oculatls.
Holocentrus Argus Spinol. Annal. du Mus. 10. 372. 3.
De la division des Scorpenes a tete sans lambeaux char-
nus, ni filaments, sans aiguillons ni epines, couverte de fines
ecailles, cette espece placee parmi les Holocentres, les Perches
et les Serrans est la seule de la Meditcrranec, qui puisse
etre comprise. Dans le nouveau gonre Sebastes, quoique son
auteur ait confondu ce poisson avec la Perca cabrilla de Linne.
Son Corp.? est ovale -oblong, deprimc, aplati, couvert de
0 Plin. L. 2. C. 9.
391
petites ecailles extreinemeiit adherentes a la peau, qui est
tres-forte; Ja regioii dorsale est d'un brun bronze; ses flancs
sont inegalenient tachetes de vert cuivreux, siir un fond brun
rougeatre, et toute la partie inferieure de la gorge jusqu'ä
l'anus est coloree d'une coiiche jaiine orange et jaune dore,
melange de petites ecailles d'un bronze clair.
La tete est grande; l'ouverture de la bouche ample; les
mächoires inegales, l'inferieure plus loiigue que la superieure,
toutes les deux sont armees de trois rangs de dents fines,
aigues, lesquelles ne se prolongent que jusqu'au milieu des
dites niachoires, quelques -unes places sur le devant sont mo-
biles. Les yeux sont gros, arrondis, d'un rouge bronze, la
prunelle bleuätre, entoure d'un cercle dore; les narines sont
doubles, inegales, noirätres; le preopercule est arrondi, se-
i coule sur son pourtour inferieur, le sousopercule est muni
de trois pointes cachees sous la peau; la membrane bran-
chiale est translucide, coloree en travers de traits rouges;
l'ouverture de branchies est tres-feudue; le palais est rouge,
garni d'un arc de dents en crochets; la ligne laterale suit la
courbure du dos, et l'anus est situe bien avant la nageoire
anale. '
Les nageoires sont fortes et consistantes, la dorsale est
d'un noir bronze, les rayons epineux ont leur membrane plus
courte, tächee de jaune ä la sommite; les rayons rameux
sont . beaucoup plus longs et garriis des täches ocellees con-
fuses, verdätres, ainsi que la caudale qui est arrondie, liseree
de blanc a la sommite. Les nageoires pectorales offrent des
rayons noirs sur un fond rouge brun; les thoraciques sont
bariolees de diverses couleurs, ainsi que Fanale.
L'esophage est court, glabre, a plusieurs plis; les inte-
stins sont longs, epais; les ovaires assez gros; le foye volumi-
neux a cinq lobes arrondis, dilates; le pylore a dix divisions
oblongues; la vesicule du fiel mediocre; la vessie natatoire
peu apparente.
Long. 0,324. Larg. a la base des pectorales 0,105. Sej.
profondeurs rocailleuses. Aparit. ete.
N. D. 11— 17; P. 17; T. 1 — 5; A. 3— 9; C. 19;
M, B. 7.
392
Dimensions d'un individu ordinaire.
Distaiice de l'extremite du museau aux narines . . 0,020.
Id. id. aux yeux 0,030.
Id. id. aux nageoires pectorales . . 0,100.
Id. id. aux nageoires thoraciques . . 0,103.
Id. id. a lanageoire dorsale . . . 0,105.
Id. id. a l'orifice de l'anus .... 0,190.
Elevation du rayon dorsal epineux le plus long . . 0,030.
Id. id. des rameux 0,040.
Diametre de l'oeil . 0,017.
Ouvertüre de la bouclie 0,048.
Long, des nageoires pectorales 0,064.
Id. des nageoires thoraciques 0,045.
Envergure de la queue 0,067.
♦
Remarques.
r
Neuf qualites de poissons a caracteres divers du g^enre
Perca, Holocentrus , Serranus, Sehastes vivent sur les bords
de la Mediterranee boreale. Les anciens ichthyologues jusqu'a
Linne en ont renonce positivement six especes, qui sont le
Merou Perca gigas; l'Hepate Labrus hepatus; i'Anthias Labrus
anthias; la Perca scriba et la Perca cahrilla de Linne, Gme-
lin, les deux derniers ayant servi de piscine a Mr. Valanciennes
pour y faire devorer la Perca marina tres-bien decrite par
Artedi ou Holocentrus niarinus de Laroche et de moi; l'Ho-
jocentrus argus de Spinola, espece remarquable qu'il faut
maintenant placer dans le genre Sebastes de Cuvier et de
Valanciennes; mon Serranus fasciatus dont la livree les moeurs
et habitudes sont si differentes de tous ses congeneres; nion
Serranus flavus, poisson particulier habitant les grandes pro-
fondeurs, qu'on pourroit tont a plus rapprocher de la Perche
jaunätre du museum Frederic. Dans un travail entrepris sur
les perches du midi , connues maintenant sous le nom de
Serran, de Sebastes etc. je prouverois que c'est avec bien de
la legerete qu'on juge aujourd'hui les travaux des anciens
relativement aux poissons de la Mediterranee et que ceux,
qui croyent faire avancer la science, en disant avec emphase
„que les meprises des nomenclateurs touchant la Perca ca-
393
brilla et scriba sont nombreuses et difficiles ä debrouiller." *)
(Aper^oivent bien la paille sur les yeux d'autrui, sans faire
attention aux poutres qii'ils ont suspendu devant les leurs,)
ne fönt que ralentir la marche de la science, sans rien dire
de plus.
Beiträge zur Kenntnifs der sogenannten Indiani-
schen Vogelnester.
Von
Herrn Capitain Bar. v. Schierbrand, in Java.
Aus einer brieflichen Mittheilung an Herrn Grafen v. Hoffmannsegg.
1) Die überschickten Nester sind von zwei Arten Vogel.
Die weifsen sind die bekannten efsbaren. Die braunen oder
schwarzen zusammengeschrumpften gehören auch einer Art
Schwalbe (oder vielleicht Hökler, wie Sie diesen Vogel nen-
nen) zu. Ich habe dieselben auf Nussa Kambangan (der be-
kannten Insel südlich von Java, wovon sie nur durch einen
schmalen Kanal geschieden wird, und auf welchen man die
Patmak- Blume (Ra/ßesia Patma Bl.) antrifft), in einer Grotte
an der Küste, in welche wir einige Faden weit mit dem klei-
nen Boote hineinfahren konnten, gefunden, wo sie, wie die
efsbaren Nester, an der Felsen wand klebten. Sie hatten die-
selbe Form wie die weifsen, nämlich die eines vierten Theils
einer Eierschale, wie man sich diese der Länge nach in zwei
Theile, und diese wieder der Länge nach in noch zwei Theile
zerschnitten denkt. Ihr Hauptbestandtheil war eine zähe, doch
ziemlich weiche, schmutzig grüne Gallerte, mit Moos und vor-
züglich auch Dug. Dieses ist eins Art Fäden, sehr den Pfer-
dehaaren ähnlich, die man in dichten Büscheln oder Geweben
zwischen dem dicken Blattstengel, da wo solcher aus der
Rinde hervorwächst und der Rinde selbst, des Aren-Baums
antrifft, einer Art Sago- Palme, die auch Palmwein liefert, aus
dem die Javaner den sogenannten Aren- Zucker kochen. Jene
Fäden sind ein Material, wovon man vortreffliches Tauwerk
') Valanciennes Hist. des poissons T. 2. p. 126.
394
verfertigt, das der Nässe besser als alles Andere widersteht.
Die Nester, welche beim Trocknen zusammengeschrumpft und
unförmlich geworden sind, waren weder mit Moos noch mit
Federn ausgefüttert.
2) Der Vogel von den efsbaren Nestern ist eine kleine
Schwalbe (vielleicht Hökler) mit dnnkelgrauer Kehle und
Bauche, das Uebrige schwarz, auch die Augen, und etwas
kleiner als die gewöhnliche Hausschwalbe. Der Vogel der
braunen Nester ist diesem ähnlich; da ich iiin aber nicht in
Händen gehabt, so kann ich ihn nicht näher beschreiben.
3) Wie sclion erwähnt, sind die Nester mit nichts ausge-
füttert, und die Eier wie die Vögel liegen blos auf dem harten
Grunde. Im Handel werden die Nester nach ihrer Reinheit
und Weifse sortirt, und von der ersten Sorte das Kattie = j^q
des Pikkol's, der 125 alten Amsterdamer U gleich ist, mit
70 — 80 Holl. Fl. bezahlt. Doch ist mir dabei aufgefallen^
dafs ich auf Borneo ganz schwarze Nester gesehen habe, d. h.
die ganz mit feinen Federn durchmengt waren. Mau sagte mir,
es wären die, in welchen die Vögel wirklich ausgebrütet wä-
ren. Sie wurden wenig geachtet, und gewöhnlich nur mit 2
bis 3 Fl. das Kattie bezahlt. Zu Karang-Bollong, an der
Südküste von Java, von welchem Orte die Ihnen zugesandten
Nester sind, habe ich ebenfalls solche gesehen, die mit Federn
durchmengt waren, doch bei weitem nicht so sehr wie die
eben erwähnten; und demungeachtet versichert man mich, dafs
man alle Nester, frische mit Eiern, oder auch schon ausge-
brüteten, „pflückt," wie man das nennt, die man nur habhaft
werden kann. So viel ich weifs, haben, w^enigstens zu Karang-
Bollong, jährlich drei Plukk&n (Lesen) statt. Die einträg-
licliste fängt zu Ende August oder Anfang September an, die
zweite im November oder Dezember, und die dritte im Fe-
bruar. Da man, wie schon gesagt. Alles einsammelt, was man
erlangen kann, und dabei jedesmal Tausende von Eiern und
Jungen ins Meer geworfen werden, so mufs sich dieser Vogel
aufserordentlich stark vermehren, indem man mir gesagt hat,
dafs ungeachtet dieser fürchterlichen Zerstörungen die Pro-
duction der Nester sich im Durchschnitt jährlich gleich bleibt.
Man behauptet, dafs die Nester aus klebrigen See -Erzeug-
nissen bestehen. So viel ich wcifs, ist dies jedoch noch nicht
395
völlig erwiesen. Ich erinnere mich, die Vögel oft in ganzen
Schwärmen des Abends aus dem Innern des Landes nach
ihren Grotten zurückkehren gesehen zu haben. Waren sie
nun dahin geflogen blos der Nahrung wegen, oder auch um
da Bestandtheile zu ihren Nestern zu suchen?
4) Die Nester werden auf Java meistentheils in unzu-
gänglichen Grotten längs der Küste gefunden, da wo dieselbe
aus schroffen, oft mehrere hundert Fufs hohen Felsenwänden
besteht. Diese mit Booten zu bereichen, ist der fürchterlichen
Brandung wegen unmöglich. Zuweilen findet man sie auch
im Innern des Landes , doch beinahe immer in dergleichen
Grotten, wie dies mit denen der portugiesischen Familie Mi-
chiels zu Tjietrap, ungefähr 25 Englische Meilen von Batavia,
der Fall ist, die jährlich 80,000 Piaster (c. 200,000 Fl. Holl.)
einbringen. Dies sind, meines Wissens, die einzigen, die au£
Privat -Ländereien gefunden werden. Die Sammler sind Leute,
welche sich ihrem Berufe von Jugend auf widmen, und wie
es meist allen Einsammlern kostbarer Produkte geht — man
denke hierbei an unsre Sächsischen Bergleute! — so werden
auch sie dabei nicht reich, da sie für alle Mühe und Gefahr,
denen sie unterworfen sind, einen nur geringen Lohn erhalten.
Einige Tage bevor die Lese ihren Anfang nimmt, belustigen
sich diese Javaner mit einheimischen Spielen, Tanz u. s. w.,
und es wird unter sie dann, wie auch während der Lesezeit,
die vierzehn Tage oder auch länger dauert, Opium ausgetheilt,
wovon, wie bekannt, ein grofser Theil der Einwohner leiden-
schaftliche Liebhaber sind, und der, mit Tabak vermischt, in
langsamen Zügen aus einer besondern Art Pfeife geraucht
wird. Die Regierung führt hiermit den Alleinhandel, der jähr-
lich viele Millionen einbringt. Ich spreche übrigens hier von
Karang-Bollong, wo ich während der Lese einige Tage gewe-
sen bin; wie es an andern Orten üblich ist, weifs ich nicht.
Dafs der abergläubische Javaner sich auf die gefahrvolle Reise
nicht ohne eine Teufelsbeschwörung begiebt, ist leicht begreiflich.
Dies hat er mit so manchen Standesgenossen anderer Erd-
gegenden, vielleicht selbst in Europa, Bergleuten, Perlen-
fischern u. s. w. gemein, mit denen man die Vogelnestleser in
solchen Rücksichten vergleichen kann. In dem kleinen Maga-
zin, wo die Nester aufgehoben werden, befindet sich also eine
396
Bettstelle mit Gardinen, Kissen u. s. w. , die keiner gerin-
gern Personage als dem Teufel selbst, oder eigentlich dem
bösen Dämon, der die Grotte bewacht, zugehört. Um die-
sem Geiste zu gefallen und sich seiner Beschirmung zu ver-
sichern, wird diese Bettstelle täglich mit frischen Blumen be-
streut, mit Weihrauch beräuchert u. s. w. Gleich den Eider-
gänsejägern befestigen die Nesterleser an einen starken Baum
oder Felsblock über der Grotte eine Strickleiter von dickem
Rottang, auf der sie, mit einem Stocke, einigen Stricken und
wenn ich nicht irre, auch Fadc^ln versehen, hinabsteigen. In
der Grotte befindet sich von früheren Lesen her gewöhnlich auch
eine Art von bambusenem Gerüst, das man so viel als möglich
benutzt, um ein neues anzufertigen. Man stelle sich aber dar-
unter nicht ein starkes, mit Laufbrettern versehenes Gerüst
vor, wie die unserer Maurer und Zimmerleute. Nein, es sind
einzelne Bambusstämme, auf eine ziemlich unsichere Weise
mit Haken und Stricken an den Felsenspitzen, oder zwischen
den Steinwänden befestigt und eingeklemmt. Auf diesen schwan-
kenden Gestellen klettern nun die Sammler längs den Wänden
herum, an denen die Vogelnester kleben, wovon man mehren-
theils einige an einander hangend findet, die verschiedenen
Vögeln zugehören, und nicht von verschiedenen Brützeiten
sind. Alles, was sich im Bereich der Hände findet, wird ohne
Barmherzigkeit heruntergeholt, Eier aber und Junge werden
ins Meer geworfen, die Nester in den Sack gesteckt. Ein
Sammler verdient gewöhnlich während einer ganzen Lesezeit
nicht mehr als 25 Fl. Man kann sich leicht vorstellen, wie
gefahrvoll diese Arbeit ist, da ein Fehltritt, das Brechen eines
Bambuses, ein Schreck, ein Schwindel u. s. w. hinreichend ist,
um den Sammler in die Tiefe zu stürzen, w^o er ohne Rettung
verloren ist, und durch die Brandung zersclimettert wird. Und
doch sollen nur wenige Unglücksfälle Statt finden. Doch für-
wahr, zu einem solchen Betriebe gehört Muth. So viel mir
bekannt ist, hat es bis jetzt nur ein einziger Europäer, ein
gewisser Herr van den Berg gewagt, eine der Karang-Bollong-
schen Vogelnester -Grotten zu besuchen, von welchem Wage-
stück er auch beinahe das Opfer geworden wäre.
Wegen des hohen Werthes der Nester wird natürlich auf
die. Sammler ein wachsames Auge gerichtet, und den scldaueu
397
Chinesen auch nicht gestattet, sich zu Karang-Bollong und in
dessen Umgebungen niederzulassen. Die Consimition der Nester
auf Java seihst ist unbedeutend; beinahe alle werden nach
China ausgeführt. Der Betrag dieser Ausfuhr, welcher sehr
grofs ist, läfst sich aus dem Handelsberichte, der jährlich durch
die Regierung veröfifentlicht wird, ersehen. Wie bekannt, spie-
len die Vogelnester auf der Tafel des reichen Chinesen eine
Hauptrolle, ungefähr wie die Trüffeln in Frankreich, und wer-
den, wie diese, für eine sehr reizende Speise gehalten. Dies
ist hinreichend um sie den üppigen Chinesen anzuempfehlen,
denen alles Derartige willkommen ist. Gewifs sind die Vogel-
nester sehr nahrhaft und stärkend, eben so wie starke Fleisch-
brühe, Gelee von Hirschhorn u. dergl.; doch alles Uebrige
halte ich für Einbildung. Ich habe sie auf Borueo sehr pft
und zuweilen in grofser Menge gegessen, und kann nicht sa-
gen, dafs sie mich je sehr erhitzt hätten. Es ist aber keine
Nation in der Welt, die solchen Gegenständen gröfsere Opfer
bringt als die chinesische, und daher dem reichen Mandarin
Nichts dieser Art zu theuer; der Gaumen wird hierbei wenig
zu Rathe gezogen. Ich erinnere mich unter andern von einem
chinesischen Gericht gegessen zu haben, das aus fettem Schwei-
nefleisch mit halbgargekochten Gemüsen, feingeschnittenem
jungen Hirschhorn, Sehnen von Hirschen, Büffeln u. s. w.,
Vogelnestern, Triepang (ein polypähnliches Seethier), Ingwer
«.s.w. bestand, und wie alle chinesische Speisen, ungesalzen
-war. Es schmeckte beinahe wie Leim, und hatte auch den-
selben widrigen Geruch. Es ist auch kein Volk, das mehr an
den Sitten, Gebräuchen und Vorurtheilen seiner Vorältern hängt,
als das chinesische. Weil nun diese Vorältern einmal gesagt
haben, dafs die Nester diese oder jene Eigenschaft haben, so
bleibt es auch bis zum jüngsten Tage dabei. Man glaubt wohl
in Europa, dafs die Nester zu einer Gallerte gekocht und so
verspeist werden? Aber so ist es nicht. Sie werden in kal-
tem oder lauem Wasser eingeweicht, dann zerrupft oder zer-
schnitten, ungefähr wie Fadennudeln, von allen feinen Federn,
die etwa daran kleben, gut gesäubert, und dann als Timm,
eine Art Suppe von kräftiger Fleischbrühe, mit Spezereien
und Zwiebeln abgeschwellt, mit Zuckerwasser angemengt, mit
Ragouts aller Art u. s. w. angerichtet. Es ist beinahe kein
398
chinesisches Gericht, mit dem* sie sich nicht vertrügen. Ge-
schmack ist ihnen beinahe eben so wenig zuzuerkennen wie
reinem Wasser, und ich habe zwischen den kostbaren weifsen
und den hundertmal wohlfeilem schwarzen, wenn diese gut
gereinigt sind, was eine ziemlich mühsame Arbeit für zarte
Frauenhände ist, nie den geringsten Unterschied finden können.
Die schönsten Nester, die ich gesehen habe, kommen von
Passier auf der Südostküste von Borneo. Sie waren ungemein
grofs, *) ganz weifs, dünn und durchscheinend, und unter-
schieden sich vorzüglich durch einen sehr dünnen Fufs, wie
man den Theil des Nestes zu nennen pflegt, mit dem es am
Felsen anklebt. Ich werde mich bemühen , durch die^ Vermit-
telung eines Freundes, der Assistent -Resident von Ambal ist,
worunter Karang-Bollong gehört, einige der Schwalben zu
besorgen, die dann wohl am besten in Branntwein überkom-
men werden.
Das ist bis jetzt Alles, was ich Ihnen von den efsbaren
Nestern zu sagen 'weifs.
Die Foraminiferen Amerika''s iiiid der Canarlsclieii
Inseln.
Von
Aleide d'Orbigny.
(Im Auszuge mitgetheilt von Dr. Troschel.)
Aleide d'Orbigny, berühmt durch seine Reisen in Süd-
amerika, hat neuerlich über die noch so wenig gekannte Klasse
der Foraminiferen drei ausgedehnte Arbeiten bekannt gemacht.
Die eine findet sich in der Histoire physique, politique et na-
turelle de nie de Cula par M. Rainon de la Sagra; die
zweite in der Histoire naturelle des lies Canaries par M. M.
*) Sollte dies nicht eine dritte Species andeuten?
Anm. d. Abschreibers.
399
P, Barker- Webh et Salin Berthelot; die dritte in der Voyage
dam VAmerique meridionule par M. Aleide d'Orhigny. Da die
drei^ für diese Thierklasse so höchst wichtigen Arbeiten in
sehr kostbaren und dem gröfseren Publikum daher luinder zu-
gänglichen Werken erschienen, und wegen ihrer Ausdehnung
eiuQ genauere Mittheilung in A^w Jahresberichten nicht zulas-
sen, so glaube ich dem Interesse der Leser des Archivs nicht
zuwider zu handeln, wenn ich in diesen Blättern einen Aus-
zug gebe. Es scheint mir am Zweckmäfsigsten, das Interes-
santeste aus allen drei genannten Arbeiten hier zusammenzu-
stellen.
Alles, was in der Natur dem unbewaffneten Auge entgeht,
bleibt nicht nur der grofsen Masse der Bevölkerung unbe-
kannt, sondern es bleibt auch Jahrhunderte hindurch unbe-
merkt von denen, welche die Schönheiten der Schöpfung zu
erforschen streben. Wie viele Myriaden von Wesen bleiben
uns noch zu kennen übrig ! wie viele Jahre werden noch vor-
übergehen, bevor wir eine richtige Idee von dem Umfange
der Zoologie erlangt haben werden!
Wenn die ungeheure Masse der gröfsten Thiere unseres
Erdballs uns auf die Allmacht des Schöpfers führt, wenn die
Regelmäfsigkeit ihrer Formen, der Zusammenhang und die
Ausbildung ihrer Organe, der Reichthum ihres ganzen Orga-
nismus uns ihre wunderbare Vollendung zeigen, — so staunt
unser Geist nicht minder, wenn wir zu diesen kaum bemerk-
baren Wesen hinabsteigen, deren Zahl ihre unendliche Klein-
heit auf wägt, so dafs sie durch ihre Vielfältigkeit, ohne unser
Wissen, eine der ersten Rollen in der Natur spielen.
In der That, wer sollte nicht erstaunen, wenn er bedenkt,
dafs der Sand aller Meeresufer so erfüllt ist mit diesen mi-
croscopischen Schalen, welche den Namen Foraminiferen
erhalten haben, dafs er oft zur Hälfte aus ihnen besteht?
Plauens*) hat 6000 in einer Unze Sand aus dem Adria-
tischen Meere gezählt, wir selbst 3,840,000 in einer Unze von
*) Ariminensis de conchis minus notis.
400
den Antillen. Berechnet man hiernach gröfsere Räume, z.B.
einen Cubikmeter, so übersteigt das alle menschliche Vorstel-
lungen und man hat Mühe die ZiflFern auszusprechen, welche
sich daraus ergeben. Aber wie gering ist das Alles noch, wie
verschwindet es dagegen, wenn man es auf die ganze unge-
heure Masse der Meeresküsten der Erde ausdehnt? Daraus
wird man die Gewilsheit erlangen, dafs keine andere Reihe
von Wesen der Zahl nach sich dieser vergleichen kann ; selbst
nicht die Myriaden kleiner Crustaceen, welche auf bedeutende
Strecken die Oberfläche *) des Meeres färben, und die gröfse-
sten Thiere, die Wallfische ernähren, selbst nicht die Infusions-
thiere des süfsen Wassers, deren Panzer zum Theil den Tri-
pel zusammensetzen **), denn diese sind beschränkt in ihrem
Vorkommen, während die Foraminiferen sich auf allen Küsten
finden.
Wenn man untersuchen will, welche Rolle die kleinen
Körper, welche uns beschäftigen, und deren viele nur die
Hälfte, das Viertel oder das Sechstel eines Millimeters errei-
chen, spielen können, so wird man nicht weniger Ursache i
haben zu erstaunen. Der Verfasser hat den Sand von allen
Theilen der Erde untersucht, und gesehen, dafs die Reste der
Foraminiferen es sind, welche zum grofsen Theile Bänke bil-
den, die die Schifffahrt hemmen, dafs sie es sind, welche Meer-
busen und Meerengen verstopfen, Häfen anfüllen und mit den
Korallen die Inseln bilden, welche sich in den warmen Ge-
genden des grofsen Oceans erheben. Wenn man den Einflufs
der Foraminiferen auf die Schichten der Erdrinde betrachtet,]
so wird man sich um so mehr von dem überzeugen, was wiri
so eben an den lebenden Arten nachgewiesen haben, und es<
wird leicht sein durch Facta zu zeigen, dafs sie viel zur Bil-
dung ganzer Lagen beitragen. Beginnen wir bei den neueren \
*) In der Nähe von Brasilien haben wir auf fast einen Grad Ober
fläche das Meer dunkelroth gefärbt gesehen; dies geschah durch einei
Art der Gattung Cetochylus, welche nach Aussage der Wallfischfänger
fast auschliefslich die Nahrung der Wallfische ausmacht. V. Voya^e
dans VAm^rique meridionale ^ pari, hist. t.I. p. 17.
**) Academie der Wissenschaften zu Berlin, vom 29. Juli 1837.
Annales des Sciences nat. tom. VJIl p» 374.
401
Epochen, den tertiären Bildungen, so geben uns vor allen die
Umgebungen von Paris ein schlagendes Beispiel. Der Grob-
kalk dieses weiten Beckens ist in gewissen Partien so erfüllt
von Foraminiferen, dafs ein Cubikzoll aus den Steinbrüchen
von Gentilly mehr als 58,000 lieferte, und das in Lagen von
grofser Mächtigkeit auf einer ungeheuren Fläche. Das giebt
auf den Cubikmeter etwa 3,000,000,000 im Durchschnitt, was
uns jeder weitern Rechnung überhebt. Man kann daraus ohne
Uebertreibung schliefsen, dafs Frankreichs Hauptstadt, so wie
die Städte und Dörfer einiger umliegenden Departements fast
ganz aus Foraminiferen erbaut sind. Die Foraminiferen sind nicht
weniger gemein in den Tertiärformationen von der Champagne
bis an das Meer, und ihre Zahl ist erstaunenswerth in den
Becken der Gironde, Oesterreich's und Italiens etc. Die Kreide-
lager enthalten auch Myriaden, wie es die Nummuliten, aus
denen die gröfste der Aegyptischen Pyramiden erbaut ist, und
die grofse Menge dieser Körper, aus denen die weifse Kreide
von der Cliampagne in Frankreich bis nach England gebildet
ist *), beweisen. Wir finden auch Foraminiferen bis in die un-
tersten Schichten der Juraformation. So verändern diese Scha-
len, welche man mit unbewaffnetem Auge kaum wahrnimmt,
nicht nur jetzt die Tiefe der Meere, sondern sie haben schon
vor unserer Epoche Berge gebildet und Becken von beträcht-
licher Ausdehnung ausgefüllt.
Diese so zahlreichen Wesen sind dennoch Jahrhunderte
hindurch unbemerkt geblieben. Die ersten wurden im Jahre
1731 von Beccarius im Sande des Adriatischen Meeres be-
obachtet. Von diesem Meere glaubte man lange Zeit, dafs es
allein Foraminiferen besitze, und mit Ausnahme einiger von
Walcker und Boys als in England lebend, und einiger
von Lamarck als fossil bei Paris beschriebener Arten, wufste
man nichts von dem Vorhandensein der Foraminiferen in den
andern Erdtheilen bis zum Jahr 1825, wo der Verfasser seine
erste Arbeit über diesen Gegenstand bekannt machte.
Man mufs das Dunkel, in dem die Foraminiferen geblie-
ben sind, der Schwierigkeit der Beobachtung und dem gerin-
*) Foraminiferes de la craie blanche du hassin de Paris, Mem. d.
l. Societe geologique de France.
Wiegmann's Archiv. VI. Jahrg. 1. Bd. 26
402
gen Erfolg zuschreiben, den man gemeiniglich durch die Er-
forschung microscopischcr Körper erlangt; und doch giebt es
wenige Zweige des Studiums, welche Jedermann leichter zu-
gänglich und deren Resultate von gröfserer Wichtigkeit waren.
Mag ein Beobachter an irgend einer Küste der verschiede-
nen Erdtheile wohnen, oder auf irgend einer Tertiär-, Kreide-
oder Oolithen- Formation eines Continents, — überall findet
er unter seinen Fiifsen eine grofse Menge Foraminiferen, zu
deren Untersuchung eine einfache Lupe ausreicht. Was die
Wichtigkeit dieses Studiums betrifft, so mag es wohl dem
Geologen wie dem Zoologen gleiches Interesse gewähren: dem
ersteren um die Temperatur der Gegenden zu bestimmen, wo
die untergegangenen Thiere lebten, durch eine Vergleichung
mit denjenigen, welche wir jetzt in den Meeren finden, und
um die Bildung der Schichten zu deuten (Fragen von der
höchsten Bedeutung für die Geschichte unseres Planeten); dem
letzteren durch bewunderungswürdige Mannigfaltigkeit, durch
die Eleganz ihrer Formen, durch die Eigenthümlichkeit ihrer
Organisation, und endlich dadurch, dafs sie eine der zahlreich-
sten Klassen in der Natur bilden und trotz ihrer Kleinheit
eine grofso Rolle in derselben spielen.
Die Angaben über die geographische Verbreitung der
Foraminiferen sind sehr interessant. Der Verfasser hat in
Südamerika auf beiden Küsten 81 Arten zusammengebracht, '
eine Zahl, welche wohl schon Resultate geben kann, die aber
ohne Zweifel in der Folge noch erhöht werden wird.
Die Beschaffenheit der Küsten, ihre gröfsere oder gerin-
gere Tiefe, ihre Natur selbst, und besonders die Richtung der
grofsen Strömungen haben den gröfsesten Einflufs auf die Ver-
theilung und die Zahl der Arten der Seethiere. Jedermann
kennt die Configuration des südlichen Amerika's, Jedermann
vveifs, dafs «liese schmale Spitze gegen den Pol hin sich vor-
streckend die schärfste Grenze zwischen dem Atlantischen und
grofsen Ocean bildet; al)er Niemand weifs, dafs hier die Rich-
tung der Ströunnigen nicht weniger als die Configuration des
Landes dazu beiträgt, die beiden M(!ere aufser Verbindung zu
setzen. In der That theilen sich die grofsen Strömungen,
welche von den südwestlichen Polarregionen gegen die Spitze
von Südamerika sich richten, daselbst in zwei verschiedene
403
Arme. Der eine geht östlich vom Kap Hörn vorüber, folgt
im Atlantischen Ocean in der Richtung von Süden nach Nor-
den der Küste des Continents und erstreckt sich längs Pata-
gonien, den Pampas von Buenos-Ayres bis nach Brasilien ; der
andere dagegen stöfst gegen die Spitze Amerika*s, bleibt in
dem grofsen Ocean, folgt dem Gestade von Süden nach Nor-
den und reicht längs der Küsten von Chili, Bolivia, Peru bis
über den Aequator hinaus. Das Polarwasser, welches sich am
Cap Hörn theilt und den Küsten jederseits folgt, verhindert,
dafs die Thiere aus einem Ocean in den andern übergehen,
denn sie würden dann gegen die Strömung und gegen die
herrschenden Winde sich bewegen müssen, was ilinen unmög-
lich ist. Die Gestalt des Continents und die Richtung der
Strömungen würden also schon a priori es wahrscheinlich ma-
chen, dafs beide Meere ganz verschiedene Faunen haben, und
dafs der einzige mögliche Berührungpunkt beider am Cap
Hörn wäre, da, wo die Trennung beginnt. Die Verbreitung
der Foraminiferen wird dies sogleich bestätigen.
Dem Cap Hörn gegenüber wurde in einer Tiefe von etwa
160 Metres mittelst eines Senkbleis, das nur einige Centime-
tres im Durchmesser hatte, der Grund des Meeres untersucht,
und dennoch lieferte diese kleine Oberfläche eine ziemliche
Anzahl von Foraminiferen und Polypen. Es ist dies eine
Thatsache von grofser Wichtigkeit, denn sie zeigt, dafs diese
Thiere in bedeutenden Tiefen im Meere leben können, und
giebfc uns eine Vorstellung von der zahllosen Menge dieser
Wesen in diesen kalten Gegenden. Der Grund des Meeres
niufste im strengen Sinne des Wortes damit bedeckt sein, um
bei der Kleinheit des Senkbleis mehr als vierzig Individuen
liefern zu können. Unter diesen vierzig Individuen fanden
I sich fünf Arten: Rotalina Alvnre%ii, Rotalina patagonica,
Truncatulina vermiculata, Cassidulina crassa, und BuUmina
I elegmitissima. Von diesen 5 Arten kommen die vier ersten
1 nur an der Küste von Patagonien und der Malwinen vor, und
I gehören also der Fauna des Atlantischen Oceans an, während
I die fünfte bei Chili und ganz Peru lebt , und daher sich an
die Fauna des grofsen Oceans anschliefst. Dies Resultat zeigt
deutlich, dafs das Cap Hörn der Ausgangspunkt beider, jedem
, Meere eigenthümlicher, Faunen ist, und dafs mehr Arten dem
I 26*
404
Atlantisclien als dem grofsen Ocean angehören. Das erklärt
sich auch aus der Richtung der Strömungen; denn da diese
von Südwesten kommen, so müssen sie ihre Wasser leichter
nach Osten vom Cap Hörn führen als nach Westen, und da-
her mehr ihnen eigene Arten dem Atlantischen Ocean als dem
grofsen Ocean mittheilen. Das stimmt sehr gut mit der Ver-
theilung der 5 Arten von Foraminiferen.
Von den 81 an den Küsten Südamerika's beobachteten
Arten finden sich 52 im Atlantischen Ocean, ohne dafs auch
nur eine sich im stillen Meere zeigte, und 30 sind dem stil-
len Meere eigen, ohne dafs eine einzige im Atlantischen Ocean
vorkäme. Die eine Art, welche beiden Meeren gemeinsam ist
{Globlgerina hulloides), lebt nicht nur an beiden Küsten Ameri-
ka's, sondern auch an den Canarischen Inseln, im Mittelmeer
und selbst in Indien. Da sie demnach überall vorkommt, so
ändert sie in nichts die festgestellten Resultate. Folgendes Ver-
zeichnifs der Arten wird das Gesagte noch specieller darthun.
Arten des Atlantischen des stillen Oceans.
Oolina compressa
Malwinen
— laevigata
desgL
— Vilardeboana
desgl.
— caudata
desgl.
— Isabelleana
desgl.
— melo
desgL
— raricosta
desgl.
— striata
desgl. ~
— inornata
desgl.
— striaticoUis
desgl.
Dentalina aeutissima
desgl.
Marginulina Webbiana
desgl.
Robulina subcultrata
desgl.
Nonionina cultrata
desgl. '
— subcarinata
desgl.
~ pelagica
im hohen Meere.
Polystomella Lessonü
Malwinen. Patagonien.
— Ovvenii
Patagonien.
— articulata
Malwinen. Patagonien.
— Alvarezii
desgl.
Peneroplis pulchellus
desgl.
.
— carin.itus
Patagonien.
1
Rotalina Alvarezii
Cap Hörn. Malwinen.
Patagonien.
\
— patagonica
Cap Hörn. Patagonien.
1
Arten
des Atlantischen
405
des stillen Oceans.
Rotalina peruviana
Globigerina bulloides
Truncatulina dispar
— vermiculata
— depressa
— ornata
Kosalina peruviana
— Saulcyi
— araucana
— cora
— inca
— consobrina
— rugosa
— ornata
— Isabelleana
— Vilardeboana
V'alvulina pileolus
— auris
— inflata
— inaequalis
Bulimina pulchella
— Ovula
— elegantissima
— patagonica
üvigerina raricosta
— striata
— bifurcata
Asterigina monticula
Cassidulina crassa
— pupa
— pulchella
Guttulina Plancii
Globulina australis
Bolivina plicata
— costata
— punctata
Biloculina peruviana
. — patagonica
— sphaera
— Isabelleana
Malwinen.
desgl.
Cap Hörn. Malwinen.
Patagonien.
desgl.
Malwinen.
des^l.
Patagonien.
Malwunen.
desgl.
desgl.
Patagonien.
Cap Hörn. Malwinen.
Malwinen.
Patagonien,
desgl.
Patagonien.
Malwinen.
desgl.
Valparaiso. Cobija. Cal-
lao. Payta.
Valparaiso.
Valparaiso.
desgl.
Cobija. Ariea. Payta.
Arica.
Valparaiso.
Callao.
desgl.
desgl.
Arica.
Chili, Cobija. Arica.
Callao. Payta.
Valparaiso.
Payta.
Valparaiso. Callao.
Payta.
Valparaiso. Callao.
Cap Hörn. Valparaiso.
Callao.
Payta.
Valparaiso.
Cobija.
Valparaiso.
Payta.
406
Arten
des Atlantischen
des stillen Oceans.
Biloculina irregularis
— Bougainvillii
Triloculina rosea
-— cryjitella
— lutea
— boliviana
— globulus
Cruciloculina triangu-
laris
Quinqueloculina meri-
dionalis
— patagonica
— Isabelleana
— magellanica
— peruviana
— flexuosa
— inca
— araucana
— cora
Malwinen.
desgl.
Patagonien.
Malwinen.
desgl.
Malwinen.
Patagonien.
desgl.
desgl.
Malwinen.
Cobija.
Payta.
Arica.
desgl.
desgl.
Valparaiso.
Payta.
Von den fünf Foraminiferen des Cap Hörn sind vier der i
Fauna des Atlantischen Oceans eigenthiimlich. Von diesen
vier sind zwei häufig an den Malwinen, ohne bis zu den nörd-
lichen Küsten Patagoniens hinabzureichen; eine findet sich an
der Küste von Patagonien, ohne sich an den Malwinen zu zei-
gen, und eine kommt zugleich an beiden Localitaten vor. Man
sieht also, dafs die Foraminiferen des Cap Ilorn sich in den
Atlantischen Ocean verbreiten, indem sie der Richtung der
Strömungen folgen.
An den Malwinen kommen 38 Arten vor, eine hohe Zahl
in Betracht der südlichen Lage und der niedrigen Temperatur
dieser Inseln, welches beweist, dafs die Foraminiferen in allen
Erdgegenden und bei allen Temperaturen leben und sich ver-
vielfältigen können, wenn die Oertlichkeit ihnen günstig ist.
Von diesen 38 Arten haben sich nur fünf auf den Küsten
Patagoniens bei Rio Negro gezeigt. Man könnte sich dar-
über wundern, wenn die Strömungen, welche vom Cap Hörn
ausgehen, nicht ein wenig gegen den südlichen Theil von Ame-
rika divergirten, so dafs einer von beiden Armen den Küsten
des Continents folgte, der andere durch die Malwinen ginge,
so dafs das Wasser, welches diese Inseln bespült, die Conti-
407
nentalkiisten nicht wieder berührt. Es folgt daraus, dafs die
Malwinen und Patagonien nur die auf allen Küsten verbreite-
ten Arten gemein haben können, während die Malwinen ihre
eigenen Arten besitzen können, die von denen des Continents
verschieden sind. Dies ist Thatsache, da man dieser eigen-
thiimlichen Arten 33 zahlt.
An der Nordkiiste Patagoniens von der Bai San Blas bis
zur Halbinsel San Jose, also vom 20^ — 23^ südlicher Breite,
hat der Verfasser achtzehn Arten von Foraminiferen entdeckt,
von denen sich fünf auch an den Malwinen finden; es bleiben
also dreizehn Arten, die diesem Theile Amerika's eigenthüm-
lich sind.
Um diese Vergleichung zu verfolgen, wenden wir uns
nun auf die entgegengesetzte Seite Amerika's. Bei Valparaiso,
unter dem 34° südlicher Breite haben vielfältige Nachforschun-
gen ergeben, dafs die Zahl der Arten nach den Localitäten
ungeheuer variirt. In dem Sande der Bai von Valparaiso,
wo die Schwäche der Strömung vermuthen lassen sollte, dafs
die leichten Körper sich in grofser Menge anhäufen müfsten,
fanden sich nur zwei Arten von Foraminiferen, dagegen jen-
seit der Spitze von Cormillera, wo die Strömung sich sehr
fühlbar macht, ergab die Nachforschung in einer Tiefe von
12 — 20 Metres, auf einem mit Korallen bedeckten Grunde
eine grofse Anzahl von Foraminiferen. Daraus ergiebt es
sich, dafs die Foraminiferen zahlreicher an den Orten sind,
wo die Strömung mächtig ist, als in ruhigen Busen. Es be-
stätigt sich auch, dafs diese Differenz mehr von der natür-
lichen Beschaffenheit des Bodens, als von den Strömungen
abhängt, indem die sandigen und schlammigen Ufer weniger
günstig für die Foraminiferen sind, während die korallenreichen
Oerter geeignet sind, die Entwickelung gröfserer Massen dieser
Thiere zu fördern. In Chili wurden zwölf Arten Foramini-
feren gesammelt, von denen acht dieser Gegend eigenthümlich
sind. Die vier andern erstrecken sich nicht nur bis an die
Küsten von ßolivia, sondern kommen auch noch in den Ae-
quatorialgegenden vor. Man kann annehmen, dafs gewisse
Arten sich in gewissen Grenzen der Temperatur halten, wäh-
rend andere, weniger abhängig von der Wärme, durch die
408
Strömungen nach allen Ufern des südlichen Amerika's getra-
gen werden.
Wenn man, ohne die zwischenliegenden Punkte zu be- !
rücksichtigen, die Arten von Arica mit denen von Callao, dem
Hafen von Lima, d. h. vom 12 — 15° südlicher Breite vereinigt,
um sie mit denen vom 34° zu vergleichen, so findet man
vierzehn, von denen vier auch bei Valparaiso vorkommen,
und vier sich gegen Norden bis Payta und bis zum Aequator \
erstrecken. Es bleiben also nur acht Arten eigenthümlich;
was beweist, dafs die Foraminiferen der Peruanischen Küste i
theils mit denen der gemälsigten Gegenden von Chili überein-
stimmen, theils mit denen der warmen Gegenden des Aequa-
tors, theils aber auch einige besondere Arten darbieten. '
Es bleibt noch übrig, von den Foraminiferen der Aequa-
torialgegenden zu sprechen, theils von denen bei Payta in
Peru, theils von denen an der Mündung des Guayaquil. Es
sind dies neun Arten, von denen vier zugleich den bereits er-
wähnten Localitäten angehören, während die fünf andern die-
sen Gegenden eigenthümlich sind.
Es ist durch die Vergleichung der Arten gezeigt worden,
dafs die beiden Küsten des südlichen Amerika in Hinsicht auf
die Foraminiferen zwei durchaus verschiedene und doch gleich-
zeitige Faunen bilden. Vergleicht man n\m die Arten der
südlichen Küste des Atlantischen Oceans mit denen der An-
tillen oder mit der Aequatorialfauna, welche hundert und acht-
zehn Arten enthält, so wird man unter diesen keine der Arten
der südlichen Küste finden, und obgleich in demselben Ocean,
werden diese beiden Reihen doch durchaus verschieden sein.
Dies Resultat findet unmittelbar seine Anwendung auf die
Geologie der tertiären Terrains, und beweist, dafs in geringen
Abständen auf demselben Continent ganz verschiedene und
doch gleichzeitige Faunen bestehen können. Verschiedene
Becken, welche verschiedene Arten enthalten, können also
dennoch derselben Epoche angehören.
Nach dieser numerischen Vergleichung der Arten wetfen
wir noch einen Blick auf die Vertheilung der Gattungen in
den beiden Faunen des südlichen Amerika.
In der Ordnung Monostega finden wir, dafs die Gattung
OoliTUt, so gemein und so zahlreich an Arten an den Mal-
409
winen, durch keine einzige Art an den Küsten des stillen
Meeres repräsentirt wird.
Die Stichostega liefern uns dasselbe Resultat auf der Ost-
kiiste; es kommen die Gattungen Dentalina und Marginulina
vor, während sich keine Art im grofsen Ocean findet.
Die viel zahlreicheren Helicostega sind gleichförmiger
vertheilt, jedoch hat jedes Meer einige besondere Gattungen.
Rohulina, Polijstomella, Pener oplis und Uvigerina finden sich
nur auf der Ostküste an den Mal winen und in Patagonien;
' Valvulina allein kommt nur an der Westküste in Chili, Bo-
livia und Peru vor; Nofiionina, Rotalina, Glohigerinay Trunca-
i tulina, Rosalina, Bulimina sind beiden Meeren gemeinschaftlich.
, Von den Entomostega lebt Asterigerina auf der östlichen
I Küste allein, Cassidulina auf beiden Seiten.
Die Enallostega haben die Gattungen Guttulina und Glo-
\ hulina im Atlantischen Ocean allein , und BoUviTia ausschliefs-
lich im grofsen Ocean.
Unter den Jgathistega sieht man die Gattung Crucilocu-
lina im Osten, während Biloculina^ Triloculina und Quinque-
I loculina Bewohner des Osten wie des Westen sind.
Fafst man dies zusammen, so leben von den vier und
zwanzig Gattungen des südlichen Amerika zehn auf beiden
Seiten zugleich, zwei sind dem grofsen Ocean eigenthümlich
\ und zwölf dem Atlantischen Ocean; oder was dasselbe ist, es
leben zwei und zwanzig Gattungen auf dem Ufer des Atlan-
tischen, und nur zwölf auf dem des grofsen Oceans. Fragen
wir, woher diese grofse Differenz in der Zahl der Arten, und
besonders der Gattungen zwischen den beiden Küsten des süd-
lichen America kommen könne, so werden wir vielleicht eine
befriedigende Lösung der Frage in der eigenthümlichen Be-
schaffenkeit der beiden Ufer finden. In der That sind durch
die Nähe der Andes die Küsten des grofsen Oceans so ab-
schüssig, und der Abfall ist so jähe, dafs schon bei einer ge-
ringen Entfernung (eine viertel Lieue) vom Ufer die Tiefe
unermefslich ist; deshalb bleibt den Foraminiferen nur ein
schmaler Streifen, ja hier und da können sie gar nicht leben.
Auf dem Gestade des Atlantischen Oceans dagegen setzt sich
die sanfte Abdachung des. Festlandes von den Andes bis zum
Meere weit auf dem Grunde des Oceans fort, so dafs man
410
auf mehr als zwei Grade Entfernung von den Küsten noch
eine den Foraminiferen angemessene Tiefe findet. Es ist also
auf dieser Seite von Amerika ein breiter Streifen, auf dem
sich die Foraminiferen fortpflanzen, dessen Fläche mindestens
den zehnfachen Raum einnimmt. Diese doppelte Thatsache
schliefst noch die Lösung einer sehr wichtigen Frage in sich,
der über den unbestreitbaren Einflufs der Configuration der
Terrains auf die Zusammensetzung der Reihe von Wesen,
welche sie bewohnen, und eine der interessantesten Anwen-
dungen auf die Geologie für Erklärung der Difi'erenzen zwi-
schen den Arten fossiler Schalen zweier gleichzeitigen Ge-
birgslagen.
Das reiche Material von Cuba, Haiti, St. Thomas, .Ja-
maica, Martinique und Guadeloupe gab das Resultat, dafs Cuba
durch seine weite Ausdehnung, durch seine günstige Lage un-
ter dem Winde und in den Strömungen von allen andern In-
seln, alle Arten von Foraminiferen auf seinen Küsten ernährt,
welche man auf dem Ufer der Antillen findet, während die
Cubanischen Arten nicht gleichmäfsig in dem übrigen Theil
des Archipels vertheilt sind. Ein anderes Resultat ist, dafs an"
Vielfältigkeit der Arten, welche man in Cuba antrifft, kein
anderer Ort, mit Ausnahme des Adiiatischen Meeres, ihm
verseuchen werden kann. Cuba besitzt hundert und achtzehn
Arten, den zehnten Theil aller derer, welche Verfasser kennt.
Die Foraminiferen der Canarischen Inseln, drei und vier-
zig an der Zahl, sind aus zu geringem Material zusammenge-
bracht, als dafs man nicht eine bei weitem gröfsere Anzahl in
dieser Localfauna vermuthen sollte. In Beziehung auf ihre
geographische Verbreitung ergeben sich folgende Resultate:
Der Foraminiferen der Canarischen Inseln, welche zu-
gleich die Küsten Frankreichs bewohnen, sind sieben, und bil-
den demnach fast den sechsten Theil aller Arten. Man kann^
sie in drei Reihen theilen nach ihrem Vorkommen, 1) an den
Küsten des Oceans allein, 2) an den Küsten des Mittelmeers,
3) an den Küsten des Oceans und des Mittelmeeres. In der
ersten Abtheilung haben wir keine Art; in der zweiten sechs:
Orhulina universa, Glohigeruiu huUoides, PlanorbuUna vulgaris^
Truncatidina variahilis und Textularia sagittula; in der drit-
ten nur eilie, Truncatulifia lohata, '
411
Hieraus ergiebt sich, dafs, mit Ausnahme der Truncatu-
lina lohata, welclie weniger abhängig von der Temperatur
[ist, da sie bis gegen den Nordpol hin vorkommt, alle nur dem
Mittelmeer angehören. Man kann daraus schliefsen, dafs die
Foraminifereu, welche man an den Canarischen Inseln und an
der Küste Frankreichs findet, noch in einer Abhängigkeit der
ifiir sie passenden Zone leben, da das Mittelmeer wärmer ist,
ials seine Breite es mit sich bringt; dies ist eine Folge seiner
(Lage im Schutze vor den kalten Strömungen des Nordens.
Solcher Arten von den Canarischen Inseln, welche auch
an anderen Orten vorkommen, sind vier: Orhulina universa,
Ldngulina carinataf Planorhulina vulgaris und Kosalina val-
imlata. Diese leben auch an den Antillen und scheinen dem-
nach den tropischen Gegenden eigenthümlich zu sein, oder
sie sind durch Winde oder SchiflFe nach der Amerikanischen
Küste hinübergeführt.
Noch eine andere Abtheilung Canarischer Arten bilden
die, welche auch fossil in Gebirgslagen vorkommen. Dahin
gehören sechs, von denen fünf: Orhulina universa, Lingulina
carinata, Glohigerina lulloidesy Truncatulina lobata und Tex^
tularia sagittula in den subapenninischen Tertiär- Terrains in
Italien vorkommen, und die drei letzten zugleich auch in den
Tertiär-Terrains Oesterreichs bei Nussdorf und Buitur. Diese
Zahl identischer Arten vermehrt die Annäherung der Cana-
rischen Foraminifereu zu denen des Mittelmeeres; denn der
gröfste Theil der noch in diesem Meere lebenden Arten kommt
auch fossil in den Tertiär -Terrains von Italien und Oester-
reich vor. Es bleibt die sechste Art, Quinqv^loculina laevigata,
übrig, welche sich in dem tertiären Becken von Paris findet.
Aufserdem giebt es noch drei und dreifsig Arten, welche
den Canarischen Inseln eigenthümlich sind. Im Ganzen haben
diese, wenn gleich specifisch verschieden, den Habitus derer
des Mittelmeers.
Die Foraminiferen sind sehr kleine microscopische , nicht
angehäufte Thiere, mit stets gesonderter individueller Existenz.
Sie haben einen gefärbten gallertartigen Körper y der entweder
gan% und abgerundet, oder in Abschnitte getheilt ist, die dann in
412
einfacher oder alternir ender Linie liefen, spiralförmig aufge-
rollt oder mn eine Axe geknättslt sind. Dieser Körper ist in
einer kreidigen, selten knorpligen Schale e7it halten, die nach
den Segmenten des Thiers gebildet und ihm der Form nach
"ganz entsprechend ist. Aus einer oder mehreren Oeffnungen
öder Poren des letzten Segmentes der Schale treten contractile,
ungefärhte, sehr lange ^ dünne, get heilte und verästelte Fäden
hervor, welche %um Kriechen dierien^
Wenn man die verschiedenen, eben aufgestellten Chara-
ctere durchgeht, so wird man sehen, dafs wenn gleich mit ei-
ner individuellen, deutlichen und gesonderten Existenz begabt,
dennoch nicht alle frei, sondern dafs einige stets angeheftet
sind (^Truncatuli7ia , Planorhuli7ia etc.'), sich anschmiegend an
die Körper, auf denen sie ihr Leben begonnen haben.
Der Körper ist sehr verschieden, jedoch constant in jeder
Art gefärbt, und ist gelb, rothbraun, braun, roth, violett oder
bläulich. Seine Consistenz variirt ebenfalls nach den Arten
und er scheint aus einer Menge kleiner Kiigelchen zusammen-
gesetzt, welche die Färbung geben, und von einer Haut umhüllt
sind, die den ganzen Körper oder die einzelnen Segmente umgiebt.
Zuweilen ist der Körper ganz, rund, ohne Segmente, wie bei den
Gattungen Gromia und Orhdina, welche gleichsam den Em-
bryozustand der andern darstellen. Sie wachsen ohne Zweifel
in ihrem ganzen Umfange. Wenn der KörpeT in Lappen oder
Segmente getheilt ist, so ist das erste von allen, ähnlich deiii
beständigen Zustande der Gromia, rund oder länglich eiförmig
nach den Gattungen, aber einmal gebildet, vergröfsert es sich
nicht mehr, bedeckt sich mit kreideartiger Masse und stellt
mehr oder weniger eine Kugel dar, an welche sich allmälig
immer gröfsere ansetzen. Die Segmente einer Schale sind
nicht gleichförmig an einander gereiht, sondern sind verschie-
denartig angehäuft oder gewunden, aber äufserst regelmäfsig,
und sie folg^ui in ihrer Anordnung fast mathematischen Gesetzen.
1) Bei einigen sind die Segmente in eine gerade oder
gebogene Linie geordnet, allmälig von dem ersten bis zum
letzten an Gröfse zunehmend.
2) Bei andern rollou sich diese Segmente, sich an ihren
Enden berührend, schief auf, und bilden eine thurmförmigc
413
Spira, oder sie winden sich in derselben Ebene und bilden
eine regelmäfsige Windung.
3) Bei noch anderen rollen sie sich nicht auf, sondern
sie wachsen alternirend, rechts und links vom ersten Segmente,
jederseits von einer gedachten Längsaxe.
4) Einige Gattungen stellen eine Vereinigung der beiden
letzten Arten dar, d. h. sie sind aus alternirenden Segmenten
gebildet, und rollen sich dabei im Ganzen in einer Spirale
auf, entweder in derselben Ebene oder schief.
5) Endlich knäueln sich die Segmente um eine Axe
seitlich der Länge nach auf zwei, drei, vier oder fünf ent-
gegengesetzten Seiten {faces^^ nach jedem vollkommenen
Umschlag zurückkommend, um sich genau an einander anzu-
schliefsen.
Beim Wachsthum des Körpers legen sich also die Seg-
mente auf sechs verschiedene Arten an einander. Von diesen
Modificationen hängt die Verschiedenheit der Schale ab, welche
als Basis der Classification dient.
Die Fäden sind bei allen Foraminiferen der Form nach
ähnlich, aus einer farblosen Masse gebildet und durchsich-
tig wie Glas. Sie verlängern sich bis zum Fünf- oder Sechs-
fachen des Durchmessers des Körpers. Mehr oder weniger
zahlreich theilen sie sich auf ihrer Länge in Aeste, welche
sich wiederum verzweigen. Diese Verästelungen heften sich
bei den freien Arten an verschiedene Körper, und haben die
Kraft, die Schale nach sich zu ziehen und so fortzubewegen.
Wenn die Fäden der Form nach einander gleichen, so unter-
scheiden sie sich in ihrem Durchmesser und besonders in der
Lage. Bei allen Agat/dstega, einem Theil der Enallostega^
einigen Helicostega, der Gattung Gromia und ohne Zweifel
bei vielen Stichostega bilden sie ein Bündel, welches aus einer
einzigen Oeffnung heraustritt und durch dieselbe eingezogen
werden kann. Bei Pe7ieroplis und Polystomella gelien die Fä-
den nur durch jede der kleinen Oeffnungen des oberen Theils
der letzten Kammer. Bei Rosali?ia, Glohigerina , Glohulina,
Tnmcatulina , Planorhulina gehen sie zuweilen noch durch
eine Oeffnung, aber aufserdem durch jede der zahlreichen
Poren, welche die letzten Kammern gleichsam siebartig ma-
chen. Ueberhaupt erfüllen sie bei den Foraminiferen dieselben
414
Functionen, wie die zahlreichen Tentakeln der Asterien; sie
dienen dazu, das Thier anzuheften, und sind Organe für die
Ortsbewegung. Was die eben angedeuteten Verschiedenheiten
anlangt, so mufs man ihnen nicht zu viele Wichtigkeit bei-
legen; denn bei einer übereinstimmenden Form sieht man
Schalen auf ihrer ganzen Oberfläche durchbohrt, und andere
die es nicht sind, wobei beide sogar noch eine durchaus ähn-
liche Oeffnung der letzten Kammer besitzen. Es kann dies
also nur einen secundaren Charakter abgeben.
Ernährungs- und Fortpflanzungs- Organe sind noch nicht
beobachtet worden. Wenn man voraussetzen möchte, dafs bei
den Gattungen, bei welchen aus einer Oeffnung die Fäden
heraustreten, die Nahrung durch die Zwischenräume zwischen
den Fäden absorbirt würde, so kann dies doch nicht bei den-
jenigen Gattungen stattfinden, deren letzte Kammer zuweilen
geschlossen ist, und deren Fäden durch kleine Poren austre-
ten. Man könnte also glauben, dafs diese Organe selbst zur
Einnahme von Nahrung dienen, weil man nicht weifs, wie
sich diese Thiere anders ernähren sollten. Die kleinen Röh-
ren, welche sich an den Poren gewisser Arten bilden, geben
vvenigstens die Gewifsheit, dafs die Faden kalkige Massen ab-
sondern. Sie sind es auch, welche die Schale von aufsen
auf eine so merkwürdige Art mit Kalk überziehen, wie man
es bei vielen Foraminiferen nach der Bildung der Kammern
findet.
Die Textur der Schale ist verschieden, und diese Ver-
schiedenheit stimmt fast immer mit den Abtlieilungen nach der
Form und der Art des Aneinanderfügens der Segmente des
Thieres überein. Sind die Segmente angehäuft, so ist die
Schale undurchsichtig, von dichter Textur wie Porzellan und
ohne irgend eine Spur von äufserer Porosität; sind die Seg-
mente alternirend und die Schale gleichseitig, oder findet ein
spirales oder schiefes Aufrollen statt, so ist sie porös und be-
sonders an den letzten Kanuncm von einer grofsen Menge
kleiner Löcher durchbohrt, die in dem Maafse, wie das Thier
ihrer nicht mehr bedarf, obliteriren, und oft in Röhren vorste-
hen. Weiui die Segmente in einer graden Linie liegen, oder
sich in derselben Ebene spiralförmig winden, oder wenn sie
mit ungleichseitiger Schale alternirend sind, dann sind sie fast
415
immer durchsichtig, fest und glasartig. Es giebt gewifs Aus-
nahmen in jeder Abtheilung, aber im Allgemeinen gilt das
eben angedeutete Gesetz.
♦ Die Schalen sind meist einfarbig, entweder weifs oder
gelblich. Fast alle, deren Kammern sich knäueln, sind milch-
weifs, bei den andern kommen alle Übergänge vom vollkom-
men glashellen bis zum matten Weifs vor. Bei gewissen Ar-
ten der Gattungen Rotalina, Rosalina, Planorhulina, Globigerina
(ind einiger andern sind die Schalen gelb, röthlich oder violet,
immer jedoch der Farbe des Thieres entsprechend; und diese
Farben werden um so lebhafter, je mehr sie sich von der letz-
ten Kammer entfernen, und sich der erstem nähern.
Die Schalen sind im Allgemeinen frei; indessen giebt es
auch Ausnahmen, wo. die Schale an einem bestimmten Punkt
befestigt ist, sich an ihn anschmiegt und seine Form annimmt.
Dieser Charakter ist jedoch nur secundär, da die angehefteten
Thiere nicht zu leiden scheinen, wenn man sie losreifst.
Da der Körper bei allen Thieren von gleicher Masse ge-
bildet ist und gleiche Fäden hat, so kann nur die Anordnung
der Segmente, oder das Wachsthum der Kammern der Schale
die Grundlage für die Classification abgeben.
Der Verfasser unterscheidet nun folgende sechs Ordnungen :
1) Monostega: Nur eine knorplige oder kalkige Kammer
in allen Alterszuständen.
2) Stichostega: Die Kammern sind in einer geraden oder
gekrümmten Linie aneinandergereiht, ohne sich aufzurollen.
3) Helicostega: Die Kammern in einer Axe aneinander-
gereiht, und spiralförmig aufgewunden.
4) Entomostega : Die Kammern alternirend auf zwei Axen,
und das Ganze ist in einer Ebene oder schief aufgerollt.
5) Enallostega: Die Kammern liegend alternirend in zwei
oder drei Axen, ohne sich aufzurollen.
6) AgatJiistega: Die Kammern sind auf mehreren Seiten
um eine gemeinsame Axe aufgewickelt, so dafs jede die Hälfte
des Umfanges bildet.
Obgleich ihrer inneren Organisation nach weniger entwik-
kelt als die Echinodermen, Polypen und selbst manche Infusions-
thiere, so nehmen sie doch durch ihre Fäden Theil an der Art
der Ortsbewegung der erstercn, stehen höher als die Polypen
416
durch ihre isolirte, nicht geliäuftc und freie Existenz, und zei*
gen viele Beziehungen in der organischen Zusammensetzung
mit den letzteren, bei denen man jedoch nie eine so grofse
Regelmäfsigkeit in der Schale und in der Anordnung der Theile
findet. Deshalb glaubt Verf. sie als eigene Klasse betrachten i
zu müssen, und er weist ihnen ihren Platz unter den Strahl- ^
thieren Cuvier's oder den Actinozoaires Blainville's an,
und stellt sie zwischen die Echinodermen und Polypen.
Erste Ordnung.
Mo7iostega.
Die Schale ist nur aus einer kalkigen oder häutigen Kam-
mer gebildet. Die Kammer ist hohl und mit einer Oeffnung
versehen.
Genus 1. Gromia Duj.
Schale häutig, frei, regelmäfsig, kuglig, hohl, mit einem
sehr kurzen Halse. Die Fäden treten aus dieser, und dienen
wie Fiifse. Das Innere ist mit einer gallertartigen Masse an-
gefüllt.
Eine Art an den Europäischen Küsten.
Genus 2. Orhulina d'Orh.
Schale frei, regelmässig, kuglig, hohl, überall durchbohrt]
von einer grossen Anzahl kleiner, nur bei starker Vergröfse-
rung sichtbarer Löcher. Oeffnung klein, rund.
1. 0. universa d'Orb, testa bullata, sphaerica, tenui, irre-
gulariter, minutissime perforata; apertura circulari. \ Millim.
Gelblich weiss. Mittelmeer, Canarische Inseln, Antillen, Indien.
Genus 3. Oolina d'Orb.
Schale frei, regelmäfsig oval, länglich oder gedrückt, hohl,
glasartig, nicht durchbohrt. Oeffnung klein, am Ende einer
vorderen Verlängerung.
1. O. compressa d'Orb. testa suborbiculari, antice subacu-
minata, alba, laevigata, compressa, margine limbata; apertura
minima. \ Mill. Malwinen, Patagonien.
2. 0. laevigata d'Orb. testa ovata, laevigata, alba, antice
acuminata, postice rotunda; apertura acuminata, marginata.
\ Mill. Malwinen
h
417
3. 0. Vilardehoana cVOrb, testa ovata, inflata, alba, antice
acuminata; postice rotunda, longitudinaliter costata; costis ele-
vatis, plus viginti numero; apertura acuminata. ^ Mill. Mal-
winen.
4. 0. caudata ,d^Orh. testa elongata, subfusiformi , antice,
laevigata, angustata, postice longitudinaliter striata, inflata, cau-
data; apertura elongata. -^ Mill. Malwinen.
5. 0. Isabella d'Orh. testa globulosa, alba, antice acumi-
nata, postice rotunda, longitudinaliter costata, costis elevatis
tredecim ornata; apertura elongata conica. \ Mill. Malwinen.
6. 0. melo d'Orl. testa globuloso- ovata, alba, diaphana,
longitudinaliter variolata, antice subacumiuata, postice rotunda;
apertura rotunda, obtusa. ^ Mill. Malwinen.
7. 0. raricosta d'Orlj. testa ovata, alba, antice acumi-
nata, postice subtruncata, longitudinaliter costata; costis acto
vel novem elevatis ornata; apertura rotunda, acuminata. -g-MilL
Malwinen.
8. 0. striata d'Orh. testa subsp aerica, alba, antice elon-
gata, angustata, postice rotundo-obtusa, longitudinaliter minute
striata; apertura elongatisskna, subcylindrica. 3^ Mill. Malwinen.
9. 0, inornata d'Orh. testa ovato-gibbosa, glabra, alba,
translucida, antice posticeque obtusa; apertura brevii \ Mill.
Malwinen.
10. 0. striaticollis d'Orh. testa ovata, laevigata, nitida,
alba, antice elongata, acuminata, postice obtusa, aculeata, lon-
gitudinaliter striata; apertura elongatissima, oblique striata.
\ Mill. Malwinen.
Zweite Ordnung.
Stichostega.
Die Kammern in einer geraden oder gebogenen Linie mit
ihren Enden an einander gereiht. Keine Spirale.
Erste Familie.
Aequilateridae,
Erste Abtheilung. Eine centrale Oeffnung.
Genus 1. Nodosaria Lam,
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, länglich, oval, conisch,
Wiegmann's Archiv. VI. Jahrg. 1, Bd. 27
418
oder cylindrisch. Die meist kugligen Kammern in einer gera-
den oder gebogenen Axe an einander gereiht, und so variiren,
dafs sie sich bald fast ganz bedecken, bald durch Einschnürun-
gen getrennt sind. Mündung rund, central.
Subgenus 1. Glandulina d'Orh.
Schale eiförmig, kuglig; die Kammern kuglig, sich fast
ganz bedeckend, die letzte immer convex und vorgezogen;
Axe central und gerade, Oeffnung rund, klein, am Ende einer
Verlängerung der letzten Kammer.
Vier Arten, von denen zwei im Adriatischen Meere, eine
in Indien, die vierte fossil von Kaienberg in Oesterreich.
Subgenus 2. Nodosaria.
Schale verlängert, gerade, abgerundet oder deprimirt, co-
nisch oder cylindrisch; Kammern kuglig mit tiefen Einschnü-
rungen zwischen sich, die letzte immer convex, oft verlängert.
Oeffnung am Ende eines Vorsprunges der letzten Kammer.
1. iV. rugosa dOrh. testa elongata, conica, recta, alba;
loculis quinis globosis, rotundatis, rugoso-asperis, disjunctis;
apertura stellata, prominula. 1 Mill. Antillen.
2. N. punc^ita d'Orh. testa elongata, subarcuata, alba;
loculis octonis globosis, rotundatis, aequalibus, punctatis, mi-
nime distinctis; apertura rotundata, subelevata. 1 Mill. Antillen.
3. N. Candei d'Orh. testa elongata, recta, alba, antice
prolongata, postice acuminata; loculis trinis pyriformibus, in-
aeqnalibus, longitudinaliter striatis; apertura rotundata. \ Mill.
Antillen.
4. N. Cateshyi d'Orh. testa brevi, recta, alba, antice elon-
gata, postice acuminata; loculis binis pyriformibus, inaequali-
bus, longitudinaliter costatis; costis tredecim acutis, distinctis;
apertura elongata, radiata. \ Mill. Antillen.
5. N. striaticollis d'Orh. testa elongata, recta, albida, an- \
tice prolongata, postice !?ubacuminata, loculis quinis pyriformi-
bus, inaequalibus, longitudinaliter minute costatis; apertura i
rotunda; siphone elongato, oblique costato. ^ Mill. Canarische i
Inseln.
Subgenus 3. Dentalina d'Orh.
Schale verlängert, gebogen, conisch oder deprimirt. Die
419
Kammern kuglig, oft schief, sich zum Theil bedeckend, die
letzte immer convex und oft verlängert; die Einschnürungen
zwischen ihnen nicht sehr stark. Die Axe immer gebogen. Die
seitliche Convexität der Oeffnung entgegengesetzt; die. Oeff-
nung rund, terminal, meist ohne Vorsprung, und ein wenig
zur Seite liegend.
1. D. acutissima d'Orh, testa elongata, arcuata, laevigata,
nitida, alba, antice obtusa, pöstice acuminata, acutissima; locu-
lis numerosis, lateraliter semi-distinctis; apertura rotunda, sim-
plici. 5 Millim. Malwinen.
Subgenus 4. Orthocerina d'Orb.
Schale conisch; die Kammern nicht convex, ohne Ein-
schnürung und ohne überzugreifen, die letzte fast eben, ohne
Endverlängerung. Oeffnung in der Mitte der letzten Kammer.
1. 0. quadrilatera d'Orb. testa conica, brevi, quadrilatera,
subarcuata, luteo-albida, postice obtusa, supra subplana; locu-
lis numerosis, crescentibus, quadrilateribus , irregulariter pun-
ctatis; apertura rotunda, minima, centrali. \ Millim. Antillen.
Genus 2. Frondicularia Defrance.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, oblong oder rhom-
boidal, seitlich stark zusammengedrückt. Kammern deprimirt,
jede einen Halbkreis oder die beiden Seiten eines Dreiecks,
dessen Spitze oft verlängert ist, bildend, die erste immer oval
und regelmäfsig. Axe gerade. Eine runde Oeffnung an der
vorderen Spitze des Winkels, den jede Kammer bildet.
Die Arten sind lebend oder fossil in Italien und bei Paris.
. Genus 3. Lingulina d'Orh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, länglich, zusammen-
gedrückt. Kammern zusammengedrückt, sich theil weise be-
deckend, die letzte sehr convex ohne Vorsprung. Axe gerade.
Eine mittlere Endöffnung als Querspalte auf der oberen Con-
vexität der letzten Kammer. Textur glasig.
1. L. carinata d'Orh. testa oblongo- elongata, compressa,
carinata, nitida, laevigata, translucida, antice rotundata, postice
cuneata, loculis numerosis, inaequalibus ; apertura lineari, trans-
versali. 3 Millim. Teneriffa. Antillen.
27*
420
Genus 4. Rimtilt?ia (TOrh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, verlängert, gebogen,
Kammern wenig kuglig, schief, sich theilvveise bedeckend, ohne
Einschnürung; die letzte convex, die Axe gebogen, die Con-
vexität auf der Seite der Oeffnung. Die Oeffnung als Längs-
spalte, seitlich, fast die ganze Länge der letzten Kammer ein-
nehmend.
Nur eine Art im Adriatischen Meere.
Genus 5. Vaginulina (TOrh.
Schale frei, verlängert, gleichseitig, conisch, deprimirt oder
winklig. Die Kammern an einander gereiht, ohne überzugreifen,
ein wenig schief, ohne je die Neigung zur Spirale zu zeigen,
die letzte immer abgestutzt, concav und ohne Vorsprung.
Oeffnung rund, marginal, in der Concavität, immer in einem
vorspringenden Winkel der Schale.
Acht Arten im Adriatischen Meere.
Genus 6. Marginidina cVOrh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, verlängert, gebogen,
oft krückenartig nach hinten umgebogen. Kammern kuglig,
sich zum Theil bedeckend, die letzte immer convex, oft in
einen Sipho verlängert, die ersten nach hinten aufgewunden
und bei einigen Arten mit einem Anfang einer Spiralen Auf-
rollung. Axe gebogen, die Convexität auf derselben Seite mit
der Oeffnung. Oeffnung rund, meist am Ende eines Vor-
sprungs der letzten Kammer am Rande.
1. M. Wehbkma 'iVOrh. testa elongata, arcuata, compres-
siuscula, laevigata, translucida, nitida, antice acuminata, postice
curvato-obtusa; loculis numerosis, inaequaliter obliquis; aper-
tura rotunda, peripheria radiata. 1 Mill. Teneriffa. Malwinen.
2. M. Berthelotiana cTOrh. testa oblonga, arcuata, cylin-
drica, subpunctata, albida, antice acuminata, postice obtusa;
loculis quatuor convexis, globuloso-pyriformibus; apertura ro-
tunda. \ Mill. Teneriffa.
Zweite Abtheilung. Mehrere Oeffnungen.
Genus 7. Conulina dOrh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, conisch. Kammern
421
an einander gereiht, ohne überzugreifen, die letzte oben fast
eben und ohne Vorsprung. Oeffnungen zahlreich auf dem obe-
ren Theil der letzten Kammer.
i. C. conica iVOrh. testa conico-oblonga, recta, crassa,
albida, postice acuminata, antice truncata, subplana; loculis
numerosis, angustatis; aperturis numerosis, rotundis« 3 Millim.
Cuba.
Genus 8. Pavonina d'Orh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, fast kreisförmig oder
fächerförmig, zusammengedrückt. Kammern concentrisch, nie-
dergedrückt, jede zum Theil einen Kreisbogen bildend. Axe
gerade. Oefifnungen rund, zahlreich in einer Querlinie über
den ganzen oberen Theil der letzten Kammer.
Eine Art bei Madagascar.
Zweite Familie.
Inaequilateridae.
Genus 9. Wehbina dVrh.
Schale fest, unregelmäfsig, ungleichseitig, verlängert, gebo-
gen, oben convex, unten eben; Kammern deprimirt, oben con-
vex, unten eben, oval, sich an ihren Enden nur oben bedek-
kend; jede bildet die Hälfte einer Kammer der vorigen Gat-
tungen. Axe gewunden. Eine runde Oeffliung am Ende der
letzten Kammer, ganz seitwärts von der Läugsaxe.
1. W. rugosa d'Orh. testa depressa, elongata, contorta,
albida, supra convexo-rugosa, subtus complanata, loculis tribus,
pyriformibus ; apertura rotuuda, peristomate clevato, incrassato.
^ Millim. Teneriflfa.
Dritte Ordnung.
Helicostega.
Kammern in einer Axe aneinandergereiht, eine regel-
nȊfsige Spiralwindung bildend. Die Spira schief oder iii einer
Ebene gewunden.
422
Erste Familie.
Nautiloidae.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig; Spira regelmäfsig,
in derselben Ebene gewunden. Schale glasig, durchsichtig oder
undurchsichtig.
Erste Abtheilung. Eine Oeffnung, Textur glasig,
durchsichtig.
Erste Gruppe. Oeffnung am "Winkel des Kiels.
Genus 1. Cf'istellaria ham.
Schale länglich oder oval, zusammengedrückt, oft gekielt,
glänzend und glasartig, häufig oberhalb mit Wülsten oder
Höckern bedeckt. Spira ganz übergreifend, bisweilen kaum
aus einer oder einer halben Windung zusammengesetzt. Kam-
mern zusammengedrückt, verlängert, oft sich an die vorige
Windung genau anschiiefsend , oder etwas schief. Oeffnung
rund, am Kielwinkel der Kammern, entgegengesetzt der vori-
gen Windung.
1. C. Saulciß d'Orh. testa oblongo-elongata, convexa,
subcarinata, antice laevigata, postice costata; loculis octouis,
oblongatis, duobus ultimis laevigatis; suturis elevatis; umbilico
convexo; apertura simplici. f Millim. Teneriffa.
2. C. Berthelotiana d'Orh. testa elongata, angulata, com-
pressa, laevigata, alba, nitida, margine rotundato-integra ; locu-
lis decem elongatis, ultimo supra convexo, duobus ultimis
projectis, suturis complanatis, apertura simplici. 1 Mill- Te-
neriffa.
3. C. gihha d'Orh. (Tabl. d. Ceph. p. 126) testa oblongo-
convexa, inflata, subcarinata, laevigata, nitida, flavescente; locu-
lis decem, elongatis, arcuatis, ultimo supra subconcavo, limbato;
suturis complanatis; umbilico impresso; apertura marginata,
radiata. \ Mill. Antillen, Mittelmeer.
4. C. crepidula (tOrh, (Nautilus crepidulus Fichtel, Poly-
stomella niargaritacea Blainv., Planularia crepidula d'Orb. Tabl.
d. Ceph. p. 94.) testa oblongo-compressa, laevigata, nitida, alba,
margine rotundata, integra; loculis decem, elongatis, minime
arcuatis, ultimo supra convexo; suturis complanatis; apertura
simplici. 4 Mill. Antillen.
423
Genus 2. Flahellina d'Orb.
Schale sehr zusammengedrückt, oval oder länglich, fest,
oft mit Wülsten bedeckt. Spira anfangs regelmäfsig, in der
Jugend übergreifend, später in eine breite, comprimirte, wink-
lige Fläche sich vorstreckend. Kammern zusammengedrückt,
sich an die vorige Windung anschliefsend, bei vorschreitendem
Alter sich in verkehrten Winkelhaken, die in einer Linie ge-
reiht sind, vorstreckend. Oeffnung in der Jugend rund und
am Kielwinkel, später am Ende des durch die Haken gebilde-
ten vorspringenden Winkels.
Fünf fossile Arten in der Kreide.
Genus 3. Rohulina d'Orh,
(Phoneme, Pharame, Herione, Clisiphonte, Patrocle, Lampadie,
Antenore, Robule, Rhi?iocure, Sphincterule Montfort; Lenticu-
Una, Polystomella Blainv.)
Schale fast kreisförmig, stark comprimirt, gekielt, glas-
artig, glänzend. Spira immer übergreifend. Kammern ver-
längert, sich an den Umbilicaltheil der vorigen Windung an-
schliefsend. Oeffnung dreieckig als Längsspalte, am Kielwinkel
der Kammern.
1. R. sulcultrata d'Orb. (R. canariensis Foram. d. Cana-
ries p. 127) testa orbiculato-compressa, laevigata, nitida, alba,
carinata: carina brevi, non secante; loculis quinque vel sex
arcuatis, ultimo supra complanato; suturis complanatis; disco
umbilicali magno; apertura triangulari, antice radiata. \ Mill-
Teneriffa. Malwinen.
Zweite Gruppe, Oeffnung in der Nähe der vorigen
Windung.
Genus 4. Nonionina d'Orh.
(JSonione, Melonie, Cancride^ Florilie , Chrysole, Macrodite
Montfort; Cristellaria Lam.-, Polystomella, Lenticulina Blainv.)
Schale fast kreisförmig, blasig oder zusammengedrückt,
Rücken abgerundet, nicht gekielt, meist glasig und glänzend.
Spira immer übergreifend. Kammern gebogen, sich immer an
die vorige Windung und an das Umbilicalcentrum anschliefsend,
Oeffnung als Querjpalte in jedem Alter.
424
1. N. steUigera d'Orh, testa suborhiculato - compressa,
punctata, alba, umbilicata, margine rotundata; lateraliter steUi-
gera; loculis novem arcuatis, convexis, in umbilico articulatis;
ultimo convexo, rotundo; suturis excavatis; apertura angustata.
\ Millim. Teneriffa.
2. N. Canariensis d'Orh. testa suborbiculata, compressa,
rugosa, flavescente, umbilicata, margine rotundato, non integro.
Loculis sex convexo - inflatis ; ultimo convexo. \ Mill. Te-
neriffa.
3. N. Broivnii (TOrh. testa oblonga, compressa, subrugosa,
alba, margine rotundato - subincisa ; loculis novem, elongatis,
arcuatis, convexis, in umbilico articulatis, ultimo convexo, su-
turis excavatis; apertura angustata, lineari. \ Millim. Cuba,
Jamaica.
4. N. Grateloupii d'Orb. testa elongato-compressa, nitida,
alba, laevigata, margine integra; loculis decem elongatis, mi-
nime arcuatis, simplici ultimo supra subcomplanato ; suturis
planis. \ Millim. Antillen.
5. N. Sloanii d'Orh. testa oblonga, compressa, nitida, alba,
laevigata, margine minime incisa; loculis tredecim elongatis,
arcuatis, subcomplanatis, ultimo supra convexo; suturis minime i
excavatis. \ Millim. Cuba, Jamaica, fossil im Sande der Um-
gegend von Dax.
6. N. pelagica d'Orh. testa orbiculato-globulosa, tuberosa,
rugosa, aculeata, flava, convexa, inflata, margine profunde secto;|
loculis quinis triangularibus, convexis, ultimo supra convexis-
simo-rotundato, suturis profunde excavatis; umbilico depresso.
•|- Millim. Im hohen Meer, sehr entfernt von der Küste Peru's;J
20« siidl. Br. 89« westl. L. von Paris.
?♦ N. punctulata d'Orh. testa ovato-compressa, punctulata,
alba, margine subintegra, rotunda; loculis numerosis, elongatis,
angustatis, minime arcuatis, simplicihus, ultimo supra convexo;
suturis excavatis. \ Millim. Malwinen.
8. N. suhcarlnata d'Orh. testa suborbiculari, laevigata,,
alba, convexa, margine integra, subcarinata; loculis sex trian-
gularibus, planis, ultimo supra subcomplanato, suturis non ex-
cavatis; umbilico nullo; apertura angustata, lineari. \ Millim.
Malwinen.
425
Genus 5. Nummulina iVOrh,
Schale kreisförmig oder scheibenförmig, zusammengedrückt,
dick, aufsen kalkig. Spira mehr oder weniger übergreifend, mit
sehr genäherten und zahlreichen Windungen. Kammern klein,
kurz, genähert, sehr zahlreich, die letzte springt in der Jugend
vor, bei alten Exemplaren ist sie wenig deutlich. Oeffnung
quer linear, oft im Alter maskirt.
Subgenus 1. Siderolina (TOrh.
{Siderolites Montf. Lam.)
Die Windungen in allen Alterszuständen übergreifend.
Schale angeschwollen, im Umkreise mit verlängerten Anhängen
versehen, die im Innern die Folge der Kammern unterbrechen.
Oeffnung maskirt.
Zwei Arten in der Kreide von Maestricht.
Subgenus 2. Nummulina d'Orh.
Die Windungen immer übergreifend. Schale comprimirt,
ohne Anhänge am Umfange; Folge der Kammern nicht unter-
brochen. Oeffnung an der vorigen Windung, deutlich in der
Jugend.
Alle Arten fossil in der Kreide. Die grösste Aegyptische
Pyramide ist aus einem Felsen erbaut, der ganz aus ihnen be-
steht.
Subgenus 3. Ässilina d'Orh.
Die Windungen nur in der Jugend übergreifend, ohne An-
hänge am Umfange. Oeffnung an der vorigen Windung, oft
sichtbar.
Zwei lebende Arten aus dem rothen Meer und von Ra-
wack; drei fossile in der Kreide,
Genus 6. Operculina d'Orb.
{Lenticulites Basterot.)
Schale oval oder scheibenförmig, sehr comprimirt. Spira
nicht übergreifend, regelmäfsig, auf beiden Seiten gleich sicht-
bar, schnell zunehmend. Kammern zahlreich, eng, die letzte
springt in allen Alterszuständen in der ganzen Breite der Spira
vor. Oeffnung dreieckig, an der vorigen Windung, nie maskirt.
426
1. 0. incerta d'Orb. testa orbiculato-compressa, lateraliter
concava, laevigata, flavescente, margine rotntidata; spira regu-
lär!, anfractibiis octo, cylindricis, suturis excavatis. -jö Millim.
Cuba, Martinique.
Pritte Gruppe. , Die Oeffnuiig nimmt die ganze Breite der
letzten Kammer ein.
Genus 7. Vertehralina d'Orb.
Schale frei, regelmäfsig, sehr comprimirt, meist ungleich-
seitig, auf einer Seite mehr convex als auf der andern, fast
kreisförmig oder verlängert, fast ohne Löcher. Spira nur in
der Jugend übergreifend, später in gerader Linie vorragend.
Zwei oder drei Kammern in jeder Windung, bevor sie vorra-
gen, immer oben in einen Wulst endigend, der die einzige
Oeffnung, welche die ganze obere Breite einnimmt, begrenzt.
1. V. cassis d'Orh. testa cassiformi, compressima, carinata,
cultrata, alba; loculis duobus minime convexis, longitudinaliter
striatis, margine limbatis, carinatis, postice dilatatis, antice
truncatis; apertura elongata, late marginata. \ Mill. Cuba.
2. V. mucronata d'Orl. testa elongata, compressissima,
alba; loculis tribus convexis, longitudinaliter costatis, margine
rotundata, postice inflatis, antice dilatatis, lateraliter mucrona-
tis; apertura elongata, angustata. \ Mill. Antillen.
Zweite Abtheilung. Mehrere Oe ff nun gen.
Erste Gruppe. Kammern einfach, mit einer einfachen
Höhle.
Genus 8. Polystomella.
{Andromede, Cellulie, SporuUe, Themeoiie, Pelore, Geopone,
Elphide Montfort; Polystomella, Vortidalis Lam. Blainv,, Poly-
stomella d'Orb.)
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, fast kreisförmig, com-
primirt, Rücken oft gekielt. Spira übergreifend. Kammern
mit einer Höhle, gebogen oder grade, sich immer bis zum Um-
bilicalcentnuYi an die vorige Windung anschliefsend, immer
zwischen den Näthen oder auf den Näthen mit (Juergruben
versehen. Oeflfnungen zahlreich, zerstreut, als Einfassung oder
427
ein Dreieck auf dem oberen Theil der letzten Kammer bildend,
und noch offen in den Gruben der letzten Nathe.
1. P. Berthelotiami d'Orh. testa suborbiculato - convexa,
alba; margine carinata, loculis viginti duobus angustatis, minime
arcuatis, transversim irregulariter costatis, ultimo angustato;
suturis elevatis. \ Millim. Teneriffa.
2. P. complanata iVOih. testa suborbiculato -compressa,
alba, margine subrotundata; loculis duodecim arcuatissimis, ad
mediam longitudinem striatis, ultimo subconvexo, suturis mar-
ginatis; aperturis marginatis. \ Millim. Teneriffa.
3. P. Lanieri cVOrh. testa suborbiculata, flavescente, lu-
cida, lateraliter convexa, margine subcarinata; loculis viginti
arcuatis, transversim profunde regulariter costatis, ultimo an-
gulato; suturis complanatis ; aperturis numerosis, triangularibus.
\ Millim. Cuba.
4. P. Sagra cVOrh. testa suborbiculato -convexa, lucida,
alba, margine rotundata, integra; loculis tredecim arcuatis,
tcansversim profunde striatte; striis interruptis, suturis com-
planatis. \ Millim. Cuba.
5. P. Poeyana d'Orh. testa suborbiculata, compressa, alba,
nitida, punctata, margine inflato-rotundata; loculis undecim non
arcuatis, convexis, laevigatis, ultimo convexo; suturis articula-
tis;.umbilico subexcavato, aperturis numerosis. -^ Millim. Cuba,
Jamaica.
6. P. (liscoidalis d'Orb. testa suborbiculata, discoidali,
compressa, alba, nitida, punctata, margine subcarinata, non in-
tegra; loculis decem arcuatis, convexis, laevigatis, ultimo con-
vexo; suturis excavatis, articulatis; umbilico discoidali con-
vexo; aperturis numerosis. \ Millim. Cuba, Jamaica.
7. P. Lessonü d'Orh. (Tabl d. Ceph. p. 118) testa sub-
orbiculato-compressa, alba, margine non integra; centro laterali
subdepresso; loculis septemdecim arcuatis, transversim pro-
funde costatis, ultimo supra truncato; suturis convexis. -j Mill.
Patagonien. Malwinen.
8. P. Oweniana d'Orh. testa suborbiculato - compressa,
alba, margine carinata, limbata, centro laterali convexo; locu-
lis sexdecim minime arcuatis, transversim profunde costatis,
ultimo truncato, piano ; aperturis submarginalibus, numerosis,
triangulum formantibus. | Millim. Patagonien.
428
9. P. articulata d'Orh. testa suborbiculata, compressa,
alba, nitida, punctata, niargine rotundata, non integra; loculis
deceni, arcuatis, convexis, laevigatis, ultimo convexo; suturis
excavatis, transversiin articulatis; aperturis subsparsis. \ Mill.
Patagopien, Malvvinen.
10. P. Alvare%iana cVOrh. testa suborbiculato-compressa,
alba, margine carinata, integra, loculis undecim, arcuatis com-
planatis, ultimo piano; suturis transversim fossiculiferis ; aper-
turis marginalibus. \ Millim. Patagonien, Malwinen.
Genus 9. PeneropHs Moni f.
(JPeneroplis Montf. Blainv., Cristellaria^ RenuUtes Lam., Renu-
/m« Blainv.)
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, comprimirt, Rücken
wenig gekielt. Spira in der Jugend übergreifend, oft später
vorgezogen. Kammern mit einer Höhlung, gebogen, compri-
mirt, niemals siebartig durch Quergruben, oft gestreift. Oeflf-
nungen zahlreich, zerstreut, in Längslinien, oder anastomosirt,
nur an dem oberen Theil der letzten Kammer offen.
Subgenus 1. Dendritina d'Orh.
Schale wenig variabel in ihren Formen, regelmäfsig über-
greifend, Oeffnungen zu baumartigen Verästelungen vereint.
1. D. Antillarum d'Orh. (Tabl. d. Ceph. p. 119.) testa
suborbiculato-compressa, alba vel coerulescente, umbilicata,
margine subcarinata, non integra; loculis tredecim arcuatis,
minime convexis, transversim profunde striatis: ultimo subcon-
cavo; suturis excavatis; aperturis numerosis, distinctis. -^ Mill.
Cuba.
Subgenus 2. PeneropHs d'Oih.
Schale sehr comprimirt, sehr variabel in ihren Formen,
nur in der Jugend regelmäfsig übergreifend, dann erweitert
oder vorgezogen, aber nicht constant. Oeffnungen zahlreich, ge-
trennt, in einer oder mehreren Längslinien.
2. P. protca d'Orh. testa variabili, compressa, alba, umbi-
licata, margine rotundata; loculis angustatis, laevigatis, arcua-
tis, minime convexis, ultimo complanato; suturis excavatis;
aperturis numerosis lineatis. 1 Millim. Cuba, Jamaica.
3. P. elegans d'Orh. testa suborbiculato-compressa, alba
429
vel coerulescente, fragili, transliicida, margine rotundata, non
integra, iimbilico magno ; loculis undecim minime arciiatis, con-
vexis, profunde transversim striatis; suturis excavatis; apertu-
ris sparsis. ^ Millim. Cuba, Jamaica.
4. F. duhius (VOrh. testa orbiculato-convexa, alba, crassa,
margine subcarinato-gradata; umbilico nullo; loculis octo vel
decem arcuatis, complanatis, laevigatis; suturis marginatis;
aperturis nuraerosis, lineatis, triangularibus. \ Mill. Cuba.
5. P. pulchellus cVOrh. testa suborbiculata, compressa,
alba, margine angustata, obtusa, subgradata, umbilicata; loculis
octonis minime arcuatis, complanatis, regulariter transversim
striatis; aperturis tribus rotundis. \ Millim. Patagonien, Mal-
winen.
6. P. carinatus d'Orh. testa suborbiculato-compressa, alba,
nitida, margine carinata, centro laterali minime concava; locu-
lis decem, arcuatis, complanatis, laevigatis, ultimo truncato,
piano; aperturis subsparsis. \ Millim. Patagonien.
Subgenus 3. Spirolina Lam,
Schale comprimirt oder nicht, variabel nach dem Alter;
in der Jugend regelmäfsig, nautilusartig, später verlängert sie
sich immer regelmäfsig in grader Linie und bildet eine Krücke,
Oeffnungen in der Jugend zahlreich, im Alter oft eine.
Eine Art im rothen Meer und sieben fossile.
Zweite Gruppe. Kammern zusammengesetzt, in Höhlungen
getheilt.
Genus 10. Orhiculina Lam.
{Helenide^ Archidie, Bote Montf. Orhiculina Lam., Blainv., d'Orb.)
Schale scheibenförmig, frei, regelmäfsig, gleichseitig, sehr
comprimirt, sehr variabel nach dem Alter; in der Jugend spi-
ralförmig, übergreifend . und sehr regelmäfsig, später sich zu
einem mehr oder weniger vollkommenen Discus erweiternd.
Kammern in ihrer ganzen Länge durch Querwände in eine
Menge besonderer Höhlungen getheilt. Die Kammern sind alle
eng, gebogen, oft bei alten Exemplaren kreisförmig. Viele
runde, zerstreute Oeffnungen in Längslinien.
1. 0. cidunca Lam, Junior: testa variabili, orbiculato-
430
angulata, lateraliter convexa, inargine integra, carinata; loculis
angiistatis, arcnatis, suturis convexis. — Adulta: testa orbicu-
lato - compressa, subdiscoidali, iiiargine truncata, alba; loculis
arcnatis ; aperturis numerosis, sparsis. 3 — 4 Millim. Antillen,
Indien, Mariannen. Variirt sehr nach den Localitäten.
2. 0. compressa cTOrh. Junior: testa o.vato-compressa,
lateraliter compressa, subplana, margine rotundata, non Inte-
gra; loculis angustatis, articulatis, convexis, suturis excavatis.
Adulta: testa orbiculata, compressissima, discoidali, alba, mar-
gine truncata; aperturis numerosis linearibus. 2 — 3 Millim.
Antillen.
Genus 11. Alveolina d'Orb.
{DiscoKtes Fortis; Alveolites Bosc; Borelie, ClausuUe, Milio-
Ute Montf.; Melonia Lam., Blainv.; Ori%aria Defrance; Alveo-
lina d'Orb.)
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, abgerundet, länglich
oder im Sinne der Axe verlängert, nicht veränderlich beim
Wachsthum. Spira übergreifend. Kammern wenig zahlreich,
quer verlängert, durch Längsscheidewände in eine grofse Zahl
haarförmiger Höhlungen getheilt. Oeffnungen rund, zahlreich,
in Querlinien.
1. A, piilchra d'Orb. testa sphaerica, crassa, alba, rugosa,
loculis quinque, transversim striatis; suturis subplanis; apertu-
ris Serie unica dispositis. \ Millim. Cuba.
Zweite Familie.
Turhinoidae.
Schale frei, mehr oder weniger regelmäfsig, ungleichseitig.
Spira schief aufgewunden, daher auf einer Seite mehr vorsprin-
gend, als auf der anderen. Oft glasartig, mit kleinen Löchern
durchbohrt.
Erste Abtheilung. Dieselbe Form in allen Alters-
zuständen, die Spirale immer vollständig.
Erste Gruppe. Nur eine Oeffnung.
A. Spira kreiseiförmig oder niedrig gewölbt.
431
Genus 12. Rotalina cTOrb.
{Rotalia Lam.)
Schale frei, niedrig oder kreiseiförmig, fein durchbohrt,
oft gekielt. Spira niedrig, abgestutzt oder kegelförmig. Kam-
mern deprimirt, oft gekielt. Oeffnung als Längsspalte an der
vorigen Windung, nur einen Theil der letzten Kammer ein-
nehmend.
Subgenus 1. Rotalina d'Orb.
Umfang ohne marginale Anhänge, mit oder ohne centralen
Discus.
1. jR. Berthelotiana d'Orh. testa orbiculato-convexa, supra
subtusque aequaliter convexis, laevigata, flavescente, oarinata;
margine integra; spira conica, tninime convexa, anfractibus
tjuaternis; suturis elevatis, coeruleis ; loculis septem angulatis,
obliquis, supra subtusque limbatis, ultimo carinato. \ Millim.
Teneriffa.
2. R. canariensis d'Orh. testa oblongato-depressa, punctata
vel rugosa, flavescente, carinata, margine non integra; spira
obtusissima, anfractibus tribus distinctis; loculis quinis, oblon-
gatis, arcuatis, supra limbatis, infra simplicibus; apertura lim-
bata. \ Millim. Teneriffa.
3. R. hirsuta d'Orh. testa depressa, fragili, rugosa, hirsuta
vel perforata, alba, carinata, margine non integra; spira de-
pressa, anfractibus binis, parum distinctis, loculis quatuor oblon-
gatis, ultimo punctato; apertura minima. \ Millim. Teneriffa. -
4. R. contecta d'Orh. {Gyroidina contecta Tabl. d. Ceph.
p. 112.) testa suborbiculata, depressa, punctata, flavescente,
subcarinata, supra complanata, subtus convexo- conica; spira
plana, anfractibus tribus ; loculis undecim, angustatis, arcuatis,
disco umbilicali magno. | Millim. Rimini, Jeneriffa. Sie ist
rechts oder links gewunden.
5. R. Lamar Chiana d'Orh, testa suborbiculata, laevi-
gata, alba, umbilicata ; margine rotundata, supra concava, subtus
convexa, spira depressa, anfractibus trinis distinctis; loculis
sex arcuatis, laevigatis. ~ Millim. Teneriffa.
6. R. truncatulinoides d'Orh. testa suborbiculato- conica,
punctata, alba, carinata, supra plano-truncata, vel concava,
subtus elevato- conica, umbilicata, spira depressa, limbata, an-
432
fractibus tribus, complanatis; loculis qnatuor angulatis. ^ Mill.
Teneriffa.
7. R. rosea cVOrh. (TabJ. d. Ceph. p. 106.) testa orbicu-
lato-conica, trochiformi, subcarinata, punctata, rosea vel rubra,
subtus convexa; spira elevata, conica, apice obtuso, anfracti-
bus tribus, non distinctis; loculis ultimis subconvexis, obli-
quis, carinatis. Disco umbilicali. \ Millim. Antillen.
8. R. caribaea d'Orh. testa ovali, depressa, supra subtus-
que aequaliter convexa, rugosa, carinata; spira convexiuscula,
conica, anfractibus duobus subplanis; loculis octo obliquis,
carinatis, supra limbatis, subtus simplicibus, ultimo carinato;
apertura elongata. -^ Millim. Antillen.
9. R. deformis d'Orh. testa ovali, depressa, deformi, su-
pra subtusque convexa, punctata, flavescente ; spira rainime con-
vexa, anfractibus duobus; loculis sex obliquis, arcuatis, carina-
tis, subtus externeque solummodo limbatis, ultimo subcarinato;
apertura elongata. 1 Millim. Cuba, Martinique, St. Helena.
10. R. Antillarum d'Orh. testa orbiculato, depressa, supra
subtusque aequaliter convexa, punctata, margine carinata; spira
conica minime convexa, anfractibus quatuor subplanis; loculis
Septem, supra obliquis, arcuatis subcomplanatis, subtus trigo-
nis; apertura elongata. \ Millim. Cuba, Jamaica.
11. R. cultrata d'Orh. testa ovali, depressissima, punctata,
carinata, cultrata, supra subcomplanata, subtus convexiuscula;
spira subplana, anfractibus duobus limbatis; loculis sex ovatis,
contectis, supra limbatis. \ Millim. Antillen.
12. R. Sagra d'Orh. testa elliptico -oblonga, depressa,
punctata, alba, carinata, supra et subtus inaequaliter convexa;
spira subcomplanata, anfractibus duobus, simplicibus; loculii
sex angulatis, carinatis, rapidissime crescentibus. \ Millim
Cuba, Jamaica.
13. R. dubia d'Orh. testa orbiculato -depressa, laevigata,
alba, umbilicata, subtus concava; spira convexiuscula; apice
obtuso, anfractibus tribus convexis, cylindricis; loculis quatuor
elongatis, minime distinctis. \ Millim. Cuba, Jamaica.
14. R, 'peruviana d'Orh. testa orbiculato -depressa, laevi-
gata, alba, margine subcarinata; spira convexiuscula, conica,
anfractibus quiiüs subcomplanatis; loculis undecim, supra obli-
quis, limbatis, infra radiantibus limbatis. \ Mill. Callao, Arica.
i
433
15. JR. Alvare%n (VOrb. testa orbiculato-depressa, laevi-
gata, alba, subcarinata; spira convexiuscula, obtusa, anfractibus
quatuor, complanatis ; loculis Septem, supra obliquis, complana-
tis, subtiis convexis, externe limbatis. \ Mill. Patagonien, Mal-
winen, Cap Hörn.
16. R. patagonica d'Orb. testa orbiculato-depressa, pun-
ctata, alba, lucida, carinata; spira convexiuscula, anfractibus
tribus complanatis; loculis Septem complanatis, non limbatis.
\ Millim. Patagonien, Cap Hörn.
Subgenus 2. Calcarina cVOrh,
Schale frei, spiral, deprimirt, sehr runzlig. Spira seitlich
aufgewunden, oben ganz sichtbar, unten übergreifend. Kam-
mern in seitliche Anhänge ausgezogen, spornartig, Oeffnung
als Längsspalte an der vorletzten Windung.
1. C. pulchella d'Orh. testa depressa, orbiculari, rugosa,
trispinosa, spinis elongatis, acutis; spira subplana, anfractibus
distinctis; loculis convexis. \ Millim. Cuba.
2. C. calcar (TOfb. (Tabl. d. Ceph.) testa depressa, cal-
cariformi, spinis numero loculos aequantibus; spira convexiu-
scula, anfractibus tribus ; loculis acuminatis. 2 Millim. Antillen?
Genus 13. Globig er ina d'Orb.
Schale frei, spiral, sehr kuglig, immer runzlig oder mit
kleinen Löchern durchbohrt. Spira seitlich aufgerollt, aus
zahlreichen Kammern zusammengesetzt. Kammern kuglig.
Oeffnung mondförmig oder in Form eines mehr oder min-
der tiefen Ausschnitts, am Nabelwinkel gegen die Axe der
Spira hin.
1. G. bulloides d'Orb. (Tabl. d. Ceph. p. 111; Polymör-
phium tuberosum et globiferum Soldani) testa convexiuscula,
rugosa, flavescente, spira convexa, loculis quatuor sphaericis,
apertura magna. | Millim. Rimini, Teneriffa, Indien, Malwi-
nen, Chili.
2. G. Canariensis d'Orb. testa convexo-ovata, rugosa, alba ;
spira elevata, anfractibus tribus parum distinctis, apice obtuso;
loculis tribus, oblongatis, subangulatis ; apertura minima. \ Mill.
Teneriffa.
3. G. hirsuta d'Orb. testa suborbiculata, depressa, tube-
Wiegm, Archiv. VI. Jahrg. 1. Band. 28
434
rosa, hirsuta, alba, perforata; spira depresso-concava, anfracti-
bus binis; loculis quinis, sphaericis; suturis excavatis; aper-
tura mediocri. -^ Millim. Teneriffa.
4. G. ifißata d'Orh. testa suborbiculata, globosa, punctata,
lucifla, alba; spira brevi, obtusa, anfractibus diiobus, partim
amplexantibus ; loculis quaternis, convexis; suturis miuime ex-
cavatis; apertura magna. -5 Millim. Teneriffa.
5. G. rubra d'Orh. testa elevata, rugosa, rubra; spira con-
vcxa, loculis tribus, sphaericis; aperturis plurimis. \ Millim.
Antillen.
6. G. siphonifera d'Orh. testa creberrima, tubulifera, alba;
spira plana, loculis tribus sphaericis; apertura elongata. i'Mil-
lim. Cuba, Jamaica.
7. G. Dutertrei d'Orh. testa suborbiculata, convexa, alba,
creberrime rugosa, spira convexo- obtusa, anfractibus tribus,
distinctis; loculis quinis, oblongatis; suturis excavatis; apertura
magna in umbilico. \ Millim. Cuba, Martinique, Guadeloupe.
Genus 14. Planorhulina dOrh.
Schale festsitzend, spiral, scheibenförmig, sehr deprimirt,
stark durchbohrt. Spira unregelmäfsig, scheibenförmig, aus
vielen Windungen bestehend, in derselben Ebene aufgerollt,
auf beiden Seiten sichtbar, aber oben mehr verdeckt als unten.
Kammern oben convex, unten abgeschnitten und der Form
der Körper entsprechend, denen sie aufsitzen.
1. P. vulgaris d'Orh. (P. mediterranensis d'Orh. Tabl. d.
Ceph. p. 114) testa orbiculari, depressissima, punctata, alba
vel flavescente; anfractibus numerosis irregulariter involutis;
loculis inaequalibus numerosis, subtus truncatis, squamosis;
supra convexis. 3 Millim. Mittelmeer, Teneriffa, Antillen,
Mexico.
Genus 15. Truncatulina d'Orh.
{Polyxenis, Tibicides Montf )
Schale angeheftet, spiral. Spira scheibenförmig, in der-
selben Ebejie aufgerollt, sichtbar auf der angehefteten Seite,
übergreifend und convex auf der anderen. Kammern oben
convex, unten eben. Oeffnung als Spalte, die oben ein wenig
435
sichtbar ist und sich nach unten in der Nath bis zur zweiten
vorletzten Kammer fortsetzt.
1. T, lohata d'Orh. (^Serpula lohata Montag., Hammonia
tuherculata Sokl.) testa depressa, suborbiculari, irregnlari, ca-
rinata, creberrima, alba, anfractibiis dnobus vel tribus; loculis
convexis, minime arcuatis; ajDertura scissurata, prolongata.
1 Millim. Mittelmeer, England, Canarische Inseln.
2. T, variabilis d'Orb. {Hammonia tuherculata Sold.) testa
tuberosa, irregulariter contorta, perforata, rosea; anfractibus
irregularibus , loculis inaequaliter convexis, tuberosis; apertura
rotunda. 1 — 1:^ Millim. Mittelmeer, Teneriflfa.
3. T. advena dOrh. testa depressa, orbiculari, subcarinata,
punctata, alba; anfractibus tribus; loculis octo convexis, sutu-
ris excavatis. \ Millim. Cuba, Jamaica.
4. J*. Candei d'Orh. testa depressissima, orbiculari, alba,
irregulari, carinata, carina acuta; umbilico convexo, distincto,
anfractibus duobus, loculis depressis, arcuatis, supra convexiu-
sculis, laevigatis; subtus marginatis. ^ Millim. Cuba.
5. T. dispars d'Oih, testa depressa, suborbiculari, subca-
rinata, alba, supra punctata, subtus perforata; anfractibus tri-
bus; loculis octonis convexis, suturis excavatis. \ Millim.
Malvvinen.
6. T. vermiculata d'Orh. testa globulosa, inflata, suborbi-
culari, punctata, rosea, margine rotunda; umbilico magno; an-
fractibus tribus convexis; loculis globulosis, externe punctatis,
supra subtusque convexis; apertura lineari. 1 Millim. Mal-
winen, Cap Hörn.
7. T. depressa d'Orh. testa depressissima, irregulari, cari-
nata, punctato-rugosa, alba; anfractibus duobus, minime distin-
ctis; loculis Septem, depressis, irregularibus. 1 Millim. Val-
paraiso.
8. T. örnata dOrh. testa depressa, carinata, supra minime
convexa, subtus complanata, alba, perForata; anfractibus tribus,
depressis; loculis Septem, late limbatis. \ Millim. Valparaiso.
Genus 16. Anomalina d'Orh,
Schale frei, deprimirt, runzlich oder durchbohrt. Spira
nicht sichtbar, an der der Oeffnung entgegengesetzten Seite
ganz übergreifend. Kammern geschwollen^ verlängert. Oeif-
28*
436
nuiig als Spalte in der llmbilicalgpgend, oft von einer Kammer
zur analeren fortsetzend.
Zwei Arten im Adriatisclien Meer, eine in Isle de France;
zwei andere fossil.
Genus 17. Rosalina d'Orh.
Schale frei, oder leicht auf der Nabelseite angeheftet,
deprimirt oder kreiseiförmig, runzlig oder an den letzten
Kammern stark durchbohrt. Spira oben sichtbar, schwach
gewölbt oder conisch. Kammern deprimirt, oft gekielt. Oeflf-
nung als Spalte in der Nabelgegend und von einer Kammer
zur anderen fortsetzend.
1. R. Bertheloti cTOrh. testa depressissima, carinata, pun-
ctata; spira brevi; anfractibus duobus, partim opertis; loculis
depressis, carinatis, arcuatis, margine limbatis. \ Millim.
Teneriffa.
2. ß. vahmlata iTOrh. (Tabl. d. Ceph. p. 105) testa de-
pressa, lutescente, supra convexiuscula, subtus concava, margine
convexa, limbata; spira minime convexa; anfractibus trinis
distinctis, loculis subplanis, limbatis. ~ Millim. Teneriffa,
Antillen.
3. R. squamosa d'Orh. (Tabl. d. Ceph. p. 106) testa
orbiculato- convexa, trochiformi, subcarinata, supra elevata,
conica, longitudinaliter creberrima, subtus subconcava, laevigata;
spira elevata, conica, apice obtusa, anfractibus quinque, suturis
complanatis. Loculis squamosis, obliquis, carinatis, subtus su-
turis irregularibus excavatis. f Millim. Antdlen.
4. -R. Poeyi dOrh. testa orbiculato -depressa, trochiformi,
subcarinata, supra irregulariter perforata, subtus laevigata,
spira convexiuscula, obtusa, anfractibus quatuor, loculis mini-
mis, squamosis. \ Millim. Antillen.
5. R. opercularis (VOrh. (Tabl. d. Ceph. p. 105) testa
ovato-depressa, carinata, spira brevi, conica; anfractibus tribus
complanatis. Loculis numerosis, angustatis, arcuatis, supra
laevigata, subtus transversim striata; umbilico disculo ornato.
\ Millim. Cuba, Martinique.
6. R. Auberii ctOrh. testa orbiculato-conica, carinata, su-
pra subtusque perforata, luteo-rubescente; spira conica, anfra-
437
ctibus tribus subplanis; loculis niagnis, squauiosis, per quanique
spiram qiiateniis. ^ Millim. Cuba, Martinique.
7. R. semistriata dOrh. (Tabl. d. Ceph. p. 105) testa
depressa, perforata, supra subplana, subtiis concava, margine
transversim striata; spira subplana, anfractibus tribus; loculis
coiivexis, distinctis, per quamque spiram quaternis. \ Millim.
Antillen.
8. R, Camleiana cVOrb. testa orbiculato-depressa, tuberosa,
perforata, rugosa, supra minime convexa, subtus umbilicata;
spira convexiuscula, anfractibus tribus convexis; loculis tube-
rosis, per quamque spiram senis, in umbilico acuminatis. \ Mil-
lim. Cuba.
9. R, lulloides dOrh. testa globoso-orbiculata, perforata,
rubescente, supra subtusque convexa; spira convexo-obtusa,
anfractibus quatuor distinctis; loculis squamosis, ultimo magno,
bullato. \ Millim. Cuba, Haiti.
10. R. Cateshjana cl'Orh. testa orbiculato-depressa, umbi-
licata, rugosa, alboflavescente; spira depresso-conica, anfractibus
quatuor convexis; loculis decem angulatis, obliquis, minime
convexis, ultimo subcarinato. \ Millim. Cuba, Martinique.
11. R. Parkinsoniana d'Orh. (i?. Beccarii cVOrh. Tabl.
d. Ceph. p. 109) testa orbiculato-depressa, laevigata, nitida, alba;
spira convexiuscula, obtusa; anfractibus quatuor distinctis; lo-
culis novem, convexis; disco in umbilico. \ Millim. Europäi-
sche Meere, Antillen?
12. R, Linneiana dOrh. testa orbiculato-depressa, rugosa,
alba, margine bicarinata, umbilicata: umbilico magno; spira
subplana, anfractibus tribus distinctis; loculis sex lateraliter
compressis, supra subtusque limbatis. \ Millim. Cuba.
13. R. Edivardsiana dOrh. testa ovali, depressa, rugosa,
supra subcomplanata; subtus convexa; margine subcarinata;
umbilico magno; spira complanata, anfractibus tribus depressis;
loculis octonis, supra complanatis, limbatis, subtus convexis,
simplicibus. \ Millim. Cuba, Jamaica.
14. R. peruviana dOrb. testa depressa, rubescente, supra
convexa, subtus concava, perforata; spira convexiuscula, co-
nica, apice obtuso; anfractibus duobus distinctis ;^ loculis parum
convexis, supra limbatis. ^ Millim. Cobija, Arica, Acapulco.
15. R. Saiilcyi dOrh, testa depressa, supra subplana, sub^
438
tus convexa, rugoso-perforato, spira plana vel concava; an-
fractibiis tribiis; loculis distinctis, simplicibus. ^ Millim. Arica.
16. R, rugosa iVOrh, testa orbiculato-depressa, tuberosa,
rugosa, umbilicata; spira subplaiia ; anfractibiis tribus, convexis, i
loculis quiiiis in iimbilico obtusis. \ Millim. Patagonien. S
17. R. ornata (TOrh. testa orbiciilato, convexa, crassa, fla-
vescente, lucida; spira rotundato-obtusa; anfractibus tribus;
suturis elevatis, incrassatis ; loculis supra concavis, luteis, aureo- |.
punctatis, late marginatis, subtus laevigatis. \ Millim. Patagonien.
•
18. R. Isabelleana (VOrh. testa orbiculato-convexa, crassa,
rosea, lucida, punctata, supra convexa, subtus umbilicata; an- i
fractibus tribus carinatis; loculis supra subtusque minime con- '
vexis, limbatis, carinatis, arcuatis. 2 Millim. Malwinen.
19. R. Vilardehoana <TOrh. testa orbiculato-conica, tro-
clioidea, fulva, punctata, subtus umbilicata; spira conica, obtusa;
anfractibus quaternis, subconvexis, margine rotundatis, loculis
quinis, supra arcuatis, subtus triangularibus, convexis. \ Mil-
lim. Malwinen.
20. R. araucaim (TOrh, testa orbiculato-depressa; tro-
choidea, alba, punctata; spira brevi, obtusa; anfractibus tribus,
subcarinatis ; loculis octonis angustatis, supra subtusque arcua-
tis, triangularibus; centro umbilicali incrassato. \ Millim.
Valparaiso.
21. R, Cora d'Orh. testa depressissima, ovali, punctulata,
irregulari, spira brevi, plana; anfractibus tribus, depressis, ca-
rinatis; loculis senis irregularibus, supra arcuatis, subtus undu-
latis, triangularibus. ^ Millim. Lima.
22. R. Inca (TOrb. testa orbiculato-depressa, laevigata,
nitida, alba, supra subcomplanata, subtus subconcava; umbilico
rugoso, incrassato; spira plana; anfractibus quatuor rotundatis,
margine non integra; loculis duodecim convexis, supra arcuatis,
subtus rectis, disco umbilicali nullo. ~ Millim. Lima.
23. 11. consobrina cVOrb. testa orbiculato-convexa, laevi-
gata, alba, supra convexa, subtus umbilicata; spira obtusa; an-
fractibus tribus convexis; margine non integra; loculis octonis
convexis, su])ra rectis, subtus arcuatis; disco umbilicali nullo.
} Millim. Lima.
439
Genus 18. Valvulina (TOrh.
Schale frei, Spiral, coiiisch, tlmrmförmig oder depriiiiirt,
runzlig. Spira verlängert, kreis eiförmig oder deprimirt. Kam-
mern wenig zahlreich, in einer Spiralen regelmäfsigen Axe,
etwas vorspringend. Oeffnung mondförmig, quer auf die Axe,
neben dem Nabelwinkel, zum Theil durch eine convexe vor-
tretende Platte verdeckt, oder durch einen klappenartigen
Deckel, der den ganzen Nabeltheil bedeckt.
1. V. ohlmga iVOrh, testa oblonga, depressa, punctata,
alba, nitida, subtus convexa; spira brevissima, anfractibus binis^
loculis senis eloiigatis, convexis, ultimo magno, convexo; val-
vula rotunda, umbilicali. \ Millim. Teneriffa.
2. V. excavata dOrh. testa ovali, depressa, alba, subcari-
nata, subtus laevigata, nitida, umbilicata, supra subplana, rugoso-
punctata; spira brevissima; anfractibus duobus; loculis octo,
elongato-triangularibus, supra planis, subtus convexis; valvula
oblonga, laterali. \ Millim. Teneriffa.
3. V. Oviedoiana cTOrh. testa oblongo-conica, rugosa, fla-
vescente, anguloso-tricarinata; spira conica, irregulari, apice
obtuso, anfractibus quinis angulosis; loculis tribus supra angu-
latis, subtus convexis; valvula magna, f Millim. Cuba.
4. V. pileolus dOrh. testa orbiculato- depressa, punctata,
flavescente, subcarinata, supra rotundata, subtus concava; spira
brevi, obtusissima, anfractibus tribus subcomplanatis; loculis
quatuor supra arcuatis, obliquis, parum distinctis, subtus pun-
ctato-radiatis; valvula subrotunda. \ Millim. Arica.
5. V. auris dOrh. testa ovato- depressa, laevigata, alba,
nitida, supra subtusque aequaliter convexa; spira concava;
anfractibus duobus, distinctis; loculis decem, elongatis, angusta-
tis, arcuatis, convexis; valvula oblonga, linguiforrai. \ Millim.
Chili, Peru.
6. V. inßata dOrh. testa ovata, inflata, punctata, alba
velutea, supra concava, subtus convexa, profunde umbilicata;
spira concava; anfractibus tribus distinctis, loculis sex inflatis,
supra primis limbatis; valvula minima, obtusa. 1 Millim.
Chili, Peru.
7. V. inaequalis dOrh, testa ovato-oblonga, punctata, teniii,
diaphana, flava, supra complanata, subtus inflata, margine sub-
440 ;
carinata; spira complanata, anfractibus cliiobiis; loculis octoiii«, ■
inflatis, oblongatis, suturis excavatisi valvula rotuiula, minima. ^
I Millim. Peru.
B. Schale verlängert, thurmförmig.
Genus 19. Verneuilluia d'Orl.
Schale frei, spiral, verlängert, runzlig. Spira conisch,
sehr ausgezogen. Kammern deprimirt, in drei Linien an einan-
der gereiht, jede um die Längsaxe gekielt. Oefifnung als Längs-
spalte an dem inneren Theil der letzten Kammer und ohne
Deckelklappe.
Arten fossiL
Genus 20. Bulimina (VOih.
Schale frei, spiral, thurmförmig, Spira ausgezogen. Kam-
mern auf einer regelmäfsigen, Spiralen Axe, sich mehr oder
weniger bedeckend, wenig vorspringend, die letzte nicht in
eine Röhre verlängert. Die Oefifnung längs der Axe, gebogen
oder rundlich, seitlich auf der inneren Seite oder neben dem
oberen Winkel der letzten Kammer.
1. J5. squamigera d'Orh. testa elongata, laevigata, punctata,
alba, antice posticeque acuminata; spira elongata, turrita; an-
fractibus quiuis, subplanis; loculis squamosis, elongatis, postice
acuminatis; apertura virgulari. \ Millim. Teneriffa.
2. J5. affinis d'Orh. testa oblongo-ovata, laevigata, alba,
postice subacuminata; spira brevi, anfractibus quatuor subpla-
nis; loculis convexiusculis per quamque spiram trinis. Aper-
tura virgulari. ^ Millim.
3. B. pulchella d'Orh. testa elongato- turrita, laevigata,
alba, postice acuminata; spira elongata, turrita, anfractibus
Septem convexis, postice carinato-crenulatis; loculis convexis,
obliquis; apertura virgulata, marginata. ~ Millim. Chili, Peru.
4. B. Patagonica dOrb. testa oblongo-conica, alba, antice
laevigata, postice acuminata, irregulariter echinata; spira conica,
anfractibus quinis convexis; loculis convexis, obliquis, ultimo
magno, convexo; apertura virgulari. ~ Millim. Patagonien.
5. B. Ovula dOrb. testa ovata, alba, antice posticeque
acuminata, translucida, tenui, punctata; spira brevi, anfractibus
441
tribus, ultimo magno; loculis elongatis, convexis; apertura eloii-
gata, marginata. -| Millim. Chili, Peru.
6. B. elegantissima (ÜOrh. testa elongata, antice obtusa,
postice acuminata, tenui, diaphana, lucida, alba; spira brevi,
anfractibus tribus, elongatis, ultimo magno; loculis numerosis,
angustatis, complanatis, ultimo subcarinato, piano; apertura
virgulata. \ Millim. Cap Hörn, Chili, Peru.
Genus 21. Uvigerina (TOrb.
Schale frei, spiral, thurmförmig. Spira ausgezogen. Kam-
mern sehr vorspringend, kuglig, eine Art Traube bildend,
die letzte in eine Röhre verlängert. Oeffnung central, rund,
am Ende der Röhre.
1. U. Canariensis dOrl, testa oblongo-conica, punctata,
albida; spira conica, anfractibus quinis minime convexis; locu-
lis convexis, per quamque spiram trinis; apertura rotunda,
siphone brevi. | Millim. Teneriffa.
2. V. Auheriana dVrb. testa oblongo-conica, rugoso-aspera,
albida; spira elongata, conica, anfractibus quinis convexis, locu-
lis globosis, per quamque spiram duobus; apertura rotunda,
elongata. | Millim. Cuba, Jamaica, Martinique.
3. U. raricosta dVrh. testa oblonga, alba, antice acumi-
nata, postice obtusa, longitudinaliter costata; costis separatis,
raris; spira elongata, anfractibus quaternis, minime distinctis;
loculis nodosis. -J Millim. Malwinen.
4. U. striata (TOrh. testa oblonga, alba, antice posticeque
acuminata, longitudinaliter striata, striis interruptis; spira elon-
gata, apice acuminata, anfractibus quaternis, obscuris; loculis
nodosis. \ Millim. Malwinen.
5. U. bi/urcata dOrb. testa oblongo-elongata, albida, antice
posticeque obtusa, longitudinaliter costata; costis elevatis, bi-
furcatis; spira elongata, anfractibus septenis; loculis nodosis.
^ Millim. Malwinen.
Genus 22. Pyrulina d'Orb.
Schale glasig und glatt, frei, spiral. Spira kurz, wenig
deutlich. Kammern halb übergreifend, wenig getrennt; die
letzte vorn zugespitzt. Oeffnung rund, am Ende der letzten
Kammer.
Zwei fossile Arten.
442
Zweite Gruppe. Mehrere Oeffiuingen.
Genus 23. C an de Ina iVOrh,
Scliale frei, Spiral, conisch, glatt, nicht mit kleinen Löcheni
durchbohrt. Spira regelmäfsig, schief, kreiseiförmig. Kammern
zahlreich, kuglig. Oeffnungen zahlreich, in Linien dicht au
der vorletzten Windung.
1. C 7iitida (TOrh. testa elevato-conica, laevigata, lucida,
alba, spira elevata, conica, anfractibus quinis; loculis tribus
sphaericis; aperturis numerosis. ^ Millim. Cuba, Jamaica.
Genus 24. Faujasina d^Orh,
Schale frei, spiral, deprimirt, kreiseiförmig, ungleichseitig.
Spira niedrig gewölbt, oben sichtbar, unten übergreifend. Kam-
mern comprimirt, gekielt, gebogen, mit Querfurchen zwischen
den Näthen. Oeffnungen zahlreich, zerstreut, auf dem oberen
Theil der letzten Kammer, und noch offen in den Gruben der
Näthe der lt. en Kammern.
Eine fossile Art.
Genus 25. Chrysalidina d'Orh,
Schale frei, pupaförmig, conisch, glatt. Spira ausgezogen,
sehr schmal, wenig regelmäfsig, wachsend durch Stufen, welche
in drei Längslinien geordnet sind. Kammern sehr zahlreich,
deprimirt, eng, nach drei regelmäfsigen Axen aufgereiht. Oeff-
nungen sehr zahlreich, rund, den oberen Theil der drei letzten
Kammern einnehmend.
Eine fossile Art.
Zweite Abtheilung. Schale veränderlich in der
Gestalt; nur in der Jugend spiral.
Genus 26. Clavulina dOrh.
Schale frei, spiral, thurmförmig in der Jugend, wie Vvi-
gerinuy aber später strecken sich die Kammern in gerader
Linie vor nach Art der Stichostega, sich auf dieselbe Axe auf-
reihend, wie die der Spira. Oeffnung rund, central am Gipfel
der letzten Kammer.
1. C. nodosaria d'Orh. testa clongata, subcylindrica, rugosa,
443
albida; spira brevi, obtusa; anfractibiis tribiis; loculis nodulosis;
apertura rotunda. ^ Milliin. Ciiba, Martinique.
2. C tricarinata (TOrh. testa elongata, tricarinata, rugosa,
flavescente; spira brevi, tricarinata, anfractibus tribus; loculis
numerosis, angulatis, angulo acuto; apertura rotunda, nee pro-
minente, unidentata. 1 Millim. Cuba, Jamaica.
Genus 27. Gaudryina d'Orh.
Schale frei, dreikielig in der Jugend, coniprimirt im Alter^
runzlig. Spira verlängert, kreiseiförmig. Kammern anfangs
spiralförmig aufgerollt, später alternirend in zwei entgegenge-
setzten Linien. OeflFnung quer als Spalte an der vorigen
Windung.
Eine fossile Art.
Vierte Ordnung.
Entomostega.
Die Kammern auf zwei verschiedenen Axen alternirend
aufgereiht, und sich zusammen in einer regelmäfsigen Spirale
windend. Spira schief, aber in derselben Ebene aufgerollt.
Erste Familie. ^
Ästerig erinidae d'Orb,
Schale frei, regelmäfsig, ungleichseitig. Spira regelhiäfsig,
schief; übergreifend oder nicht. Die Kammern alterniren nur
auf einer Seite.*)
Erste Abtheilung. Spira nur auf einer Seite sicht-
bar, auf der anderen übergreifend.
Genus 1. Asterigerina d'Orh.
Schale frei, spiral. Spira seitlich aufgerollt, oben sicht-
bar, unten übergreifend, oben aus gleichen Kammern zusam-
*) d.h. die Kammern der einen Axe sind so klein, dafs sie auf
der anderen Seite nicht sichtbar werden, sondern in der Mitte ihrer
Seite einen kleinen Stern bilden.
444
mengesetzt, unten zur Hälfte der Breite von den oberen Kam-
mern gebildet, die mit kleineren, einen Stern in der Mitte
bildenden Kammern alterniren. Oeffnung- an der Seite der
letzten Kammer.
1. ui. carimita d'Orl. testa orbiculari, alba, punctata,
snpra complanata, subtus convexa, marginata; margine carinata,
integra; spira plana, anfractibus tribus; loculis obliquis, suturis
complanatis. ^ Millim. Cuba, Jamaica.
2. A. lobata d'Orb. testa orbiculata, alba, punctata, supra
subcomplanata, subtus convexiuscula, margine subcarinata; an-
fractibus quatuor distinctis; loculis obliquis, convexis, suturis
excavatis. \ Millim. Cuba.
3. A. monticula dOrh. testa orbiculata, alba, supra com-
planata, subtus convexa, elevata, subconica, margine subcari-
nata, integra; spira plana, anfractibus quatuor; loculis obliquis,
suturis complanatis. ^ Millim. Patagonien.
Zweite Abtheilung. Spira%iuf beiden Seiten gleich,
übergreifend oder nicht.
Genus 2. Amphistegina iVOrh,
Schale scheibenförmig, frei, spiral, ungleichseitig, auf einer
Seite mehr gewölbt als auf der anderen. Spira übergreifend,
oben aus gleichen Kammern zusammengesetzt, unten zur
Hälfte der Breite durch die oberen Kammern gebildet, die
mit kleineren, eine Rosette in der Mitte bildenden Kammern
alterniren. Oeffnung unterhalb auf der Seite der letzten
Kammer.
1. A. gilbosa (TOrh. testa suborbiculato- convexa, albe-
scente, rainutissime punctata, nitida, crassa; subtus convexa,
supra complanata, margine subcarinata, integra; loculis arcua-
tis, sinuosis. \ Millim. Cuba, St. Thomas, Jamaica.
Genus 3. Heterostegina dOrh.
Schale fast kreisförmig, frei, ungleichseitig, innen auf einer \
Seite mehr gewölbt, als auf der anderen, sehr comprimtrt, ,
Spira übergreifend oder nicht. Kannnern zahlreich, gebogen,!
ganz gegen das Nabelccntruni, aber auf der Hälfte ihrer Breite,
gegen den Dorsaltlieil durch eine grofse Anzahl an beiden j
445
Seiten der Schale sichtbarer Querscheidewände in Fächer ge-
theilt. Eine Oeflfniing an der vorigen Windung, ein wenig
mehr an der minder gewölbten Seite.
1. H. Antillarum (TOrl. testa ovali-compressissiraa, alba,
lucida, laevigata, margine subcarinata, loculis numerosis, angu-
statis, arcuatis; disco umbilicali. 2 Millim. Cuba, Jamaica.
Zweite Familie.
Cassiduliiiidae d*Orh,
Schale frei, regelmäfsig', gleichseitig. Spira regelmäfsig,
in derselben Ebene aufgerollt. Kammern auf beiden Seiten
alternirend.
Genns 4. Cassidulina d^Orh.
Schale fast kreisförmig, frei, spiral, gleichseitig. Spira
übergreifend, aus alternirenden Kammern zusammengesetzt,
die sich jederseits regelmäfsig folgen, und einen kleinen Theil
der entgegengesetzten Seite bedecken. Oeffnung verlängert
auf der Mitte der letzten Kammer und quer auf die Axe.
\. C. crassci dOrh. testa ovali, convexa, laevigata, albida,
nitida, margine rotundata; loculis ovatis, convexis; apertura
angulosa. 1 Millim. Malvvinen, Cap Hörn.
2. C. pupa d'Orh, testa oblonga, arcuata, compressa, lae-
vigata, albida, margine lata, convexa; loculis angustatis, arcua-
tis, squamosis; apertura arcuata. \ Millim. Malwinen.
3. C. pulchella dOrh. testa suborbiculata, compressa,
laevigata, lucida, diaphana, alba, margine carinata; loculis
numerosis triangularibus, subplanis; apertura virgulari. \ Mil-
lim. Peru.
Fünfte Ordnung.
Enallostega d'Orh.
Kammern ganz oder theilweise alternirend, auf zwei oder
drei verschiedenen Axen, ohne sich spiralförmig aufzuwinden.
446
Erste Familie.
Volymorphinidae cVOrh.
Schale frei, uiiregelmäfsig, ungleicliseitig. Kammern alter-
nirend, aber nicht paarig in ihren Theilen, auf zwei oder drei
Axen. Schafe glasartig, durclisichtig, meist glänzend.
Erste Abtheilung. Kammern nach drei Seiten
alternirend.
Genus 1. Dimorphina d-Orh.
Schale frei, ungleichseitig, glasig, länglich. Kammern an-
fangs nach drei Seiten alternirend, später sich nach einer Längs-
axe reihend. Eine runde Oeffnung am Gipfel der letzten
Kammer.
Nur eine Art im Mittelmeer.
Genus 2. Guttulina d'Orh,
Schale frei, ungleichseitig, glasig, länglich, rhomboidal,
oder kuglig. Kammern übergreifend oder nicht, nach drei
Seiten alternirend. Oeffnung rund, am Gipfel der letzten
Kammer.
Subgenus 1. Guttulina d^Orh,
Kammern grofsentheils übergreifend, immer an der con-
vexen Seite fünf Kammern sichtbar.
1. G vitrea d'Orb. testa oblonga, laevigata, translucida,
vitrea, alba, antice acuminata, postice obtuso-rotunda; loculis
obliquis, oblongis, suturis planis, apertura rotunda, radiata.
\ Millim. Cuba, Jamaica.
2. G. pulchella d'Orh. testa oblongo-elongata, translucida,
alba, longitudinaliter striata, antice acuminata, postice obtusa;
loculis quinis elongatis, suturis excavatis; apertura rotunda.
\ Millim. Cuba, Martinique.
3. G. Vkincii d'Orh. testa ovata, alba, translucida, laevi-
gata; antice posticeque obtusa, compressiuscula; loculis quinis,
convexis, oblongis, obliquis, suturis excavatiusculis; apertura
rotunda. v Millim. Patagonien.
447
Subgenus 2. Glohulina d^Orh.
Kammern ganz und gar übergreifend, nur drei sichtbar.
1. G. Cartbaea (TOrh. testa ovata, alba, translucida, antice
laevigata, postice rugosa, obtusa; loculis globulosis trinis ob-
longatis, obliqiiis, 5Uturis excavatis ; apertura rotunda. \ Millim.
Cuba, Martinique.
2. G. australis ctOrh. testa ovata, alba, translucida, antice
laevigata, acuminata, postice longitudinaliter striata, obtusa;
loculis trinis, obliquis, suturis subcomplanatis; apertura rotunda,
radiata. \ Millim. Patagonien.
Zweite Abtheilung. Kammern nach zwei Seiten
alternireud.
Genus 3. Volymorphina d'Orh,
Schale frei, ungleichseitig, glasig, länglich oder verlängert,
zusammengedrückt. Kammern oft zahlreich, wenig übergrei-
fend, in zwei Linien alternireud, aber von der einen Seite sich
immer viel mehr bedeckend als von der anderen, was die
Schale unregelmäfsig und ungleichseitig macht. Oeffnung rund
am Gipfel der letzten Kammer.
1. P. Rochefortiana d'Orh, testa ovato-oblonga, compres-
siuscula, laevigata, translucida, vitrea, alba, antice posticeque
obtusa; loculis angustatis, transversis, obliquis; apertura ro-
tunda. ^ Millim. Cuba, Martinique.
2. P. irregularis dOrl. testa oblonga, compressa, longitu-
dinaliter sulcata, translucida, alba, postice obtusa, antice sub-
acumiuata; loculis inaequalibus, irregularibus, inflatis, suturis
excavatis; apertura rotunda. \ Millim. Antillen.
3." P. rugosa d'Orh. testa oblonga, compressa, rugoso-
aspera, alba, antice posticeque acuminata; loculis inaequalibus
inflatis, ultimo magno; apertura rotunda. \ Millim. Cuba,
Martinique.
Genus 4. Virgulina d^Orb.
Schale frei, ungleichseitig, glasig, verlängert, comprimirt.
Kammern zahlreich, wenig übergreifend, in zwei Linien fast
regelmäfsig alternirend, sich von einer Seite mehr bedeckend
448
als von der anderen. Oeffming gebogen und herablaufend,
am oberen Theil der letzten Kammer.
1. V. ptmclata d'Orb. testa elongata, compressiuscula,
punctata, albo-flavescente; postice subacuminata; loculis nume-
rosis, obliquis; apertura minima. ^ Miliim. Cuba, Jamaica.
Zweite Familie,
Textularidae.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, die Kammern ganz
oder theilweise alternirend, aber auf zwei entgegengesetzten
Seiten in derselben Ebene. Schale porös, runzlig oder selbst
mit kleinen Löchern siebartig durchbohrt, oft agglutinirend.
Erste Abtheilung. Kammern in der Jugend alter-
nirend, im Alter in gerader Linie vorgezogen.
Genus 5, Bigenerina d'Orh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, sehr runzlig. Kam-
mern in der Jugend regelmäfsig auf zwei Axen alternirend;
im Alter reihen sich einzelne Kammern in eine Längsaxe;
Oeffnung central am oberen Ende dieser Kammern.
Drei Arten im Adriatischen Meere.
Genus 6. Gemmulina d'0?'h.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, gefingert. Kammern
anfangs regelmäfsig auf zwei Axen alternirend, später in eine
Längsaxe ausgezogen. Oeflfnung marginal, oberhalb.
Eine Art im Mittelmeer.
Zweite Abtheilung. Kammern in jedem Alter regel-
mäfsig alternirend.
Genus 7. Textularia Defrance.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, runzlig oder agglutini-
rend, conisch, länglich oder keilförmig. Kammern kuglig oder
eckig, in jedem Alter regelmäfsig alternirend. Oeffnung halb-
mondförmig, quer, lateral, an der inneren Seite jeder Kammer.
T. sagittula d'Orh. {Pohjmorpkum sagittulum Soldani, Tex-
tularia sagütuki d'Orb. Tabl. d. Ceph. p. f)7) testa elongata,
449
compressiiisculo-riigosissima; postico acnminato-carinata, antico
subcylindrico-truncata; loculis angustatis, arcuatis, siipra lim-
batis; apertiira lineari. 2 Millim. Mittelmeer, Teneriffa.
2. T. Cornea d'Orh. testa brevi, conica; troclioidea, riigoso-
aspera, compressa, lateraliter subcariiiata, flavescente, postice
obtusa, antice dilatata, troncata; loculis angustatis; apertiira
lineari. \ Millim. Cuba, Jamaica.
3. T, Candeiana d'Orh. testa elongato-conica, riigosa, fla-
vescente, lateraliter convoxa, postice aciiminata; antice globoso-
convexa; loculis angustatis, ultimis magnis, convexis; apertura
lineari. 1 Millim. Cuba, Martinique, St. Thomas.
4. T. aßgluthimis d'Orh. testa elongato-conica, rugoso-
agglutinante, alba, lateraliter convexiuscula; postice cuneata;
loculis largis, ultimis convexis ; apertura semilunari. 1 Millim.
Antillen.
5. T. carihaea d^Orh. testa elongato- compressa, punctata;
alba, lateraliter subcarinata, postice obtusa; loculis obliquis;
apertura semilunari. i Millim. Antillen.
6. T. Saulcycma d'Orh. testa oblongo-compressa, punctata,
alba, carinata, postice obtusissima; loculis arcuatis, complanatis;
apertura subrotunda. \ Millim. Cuba, Jamaica.
7. T. cunciformis d'Orh. (Tabl. rl. Ceph.) testa conico-
compressa, alba, carinata, postice acuminata; loculis angustatis,
arcuatis; apertura lineari. 1 Millim. Antillen.
Genus 8. Vulvulina d'Orh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, wenig runzlig, oval,
comprimirt. Kammern comprimirt, in allen Alterszuständeii
regelmäfsig alternirend, sich theilweise bedeckend. Eine Oeff-
nung oben an der letzten Kammer, und als Längsspalte parallel
der seitlichen Zusammendriickung.
1. V. gramen d'Orh. testa oblongo-compressa, laevigata,
alba, lateraliter carinata, postice obtusa, antice convexa; locu-
lis obliquis, acuminatis, serratis; apertura lineari. - Millim.
Cuba, Jamaica.
Genus 9. Sagrina d'Orh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, conisch. Kammern
kuglig, in jedem Alter regelmäfsig alternirend, und sich theil-
_ Wiegmann's Archiv. VI. Jahrg. J, Bd. 29
450
weise bedeckend. Oeffmiiig rund, oben an der letzten Kammer
und am Ende eines Vorsprunges.
~ 1. iS*. pulchella tVOrh. testa oblongo-conica, compressa,
alba, apice obtusa, longitudinaliter costata, costis elevatis; lo-
culis globulosis; apertura rotunda. :;^ Millira. Cuba, St. Thomas,
Jamaica.
Genus 10. Bolivinct (TOrh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, runzlig oder gerippt,
keilförmig. Kammern in jedem Alter regelmäfsig alternirend,
oft vorn mit einem Vorsprung. Oeffnung als Längsspalte von
dem inneren Theil jeder Kammer bis zu dem vorderen con-
vexen Theil, wo ihre Ränder oft stark vorspringen.
1. B. plicata d'Orh. testa elongata, alba, longitudinaliter
irregulariterque plicata, vel rugosa, postice acuminata, obtusa,
lateraliter convexa; loculis numerosis, angustatis, ultimo acu-
minato; apertura elongata, prolongata, marginata. \ Millim.
Valparaiso.
2. B. costata (TOrh. testa elongato-oblonga, cuneiformi,
compressa, alba, longitudinaliter costata; costis elevatis; loculis
obliquis, numerosis, ultimo minime convexo; apertura elongata,
non marginata. \ Millim. Cobija.
3. B. pwictata d'Orh. testa elongata, compressa, conica,
antice obtusa, postice acuminata, alba, punctata, lateraliter
subcarinata; loculis numerosis, obliquis, undulatis, ultimo ob
tusoj apertura simplici. \ Millim. Valparaiso.
Genus 11. Cuneolina d'Orh.
Schale frei, regelmäfsig, gleichseitig, runzlig oder gestreift,
sehr comprimirt, conisch oder fächerförmig. Kammern cora-
primirt, schmal, stets regelmäfsig alternirend. Zahlreiche OefT-
nungen in einer Linie auf der ganzen Länge der äufseren
Seite der letzten Kammer.
Drei fossile Arten.
Sechste Ordnung.
Agathisteg a.
Kammorn nach zwoi, drei, vier oder fünf Seiten um eine
I
451
gemeinsame Axe-zusammengel^näuelt, jede in ihrer Aufwicko-
lung die ganze Länge der Schale oder die Hälfte ihres Um-
fanges einnehmend; dadurch befindet sich die Oeffnung, die
fast immer mit einem Anhange versehen ist, abwechselnd an
einem oder an dem anderen Ende.
Erste Familie.
Miliolidae.
Schale frei, regclmäfsig, gleichseitig, aus Kammern zusam-
mengesetzt, die in einer Ebene um die Axe aufgewickelt sind;
alle Theile paarig.
Erste Abtheilung. Die Kammern bilden eine
vollkommene Einrollung um die Axe, nur eine
ist sichtbar.
Genus 1. Uniloculina cTOrh.
Schale kuglig. Umwickelung regelmäfsig um die Axe.
Kammern übergreifend, sich ganz bedeckend, nur eine sichtbar,
eine vollständige Rückwindung um die vorhergehende machend;
Höhlung einfach. Eine gezähnte Oeffnung.
Nur eine Art in Indien.
Zweite Abtheilung. Kammern nach zwei entgegen-
gesetzten Seiten aufgewickelt, übergreifend, nur
zwei Kammern sichtbar»
Genus 2. Biloculina d'Orh.
Schale kuglig oder comprimirt; die Höhlung der Kammern
einfach. Eine Oeffnung, abwechselnd an beiden Enden der
Längsaxe, am Ende der vorletzten Kammer mit Zähnen ver-
sehen.
1. B. Canariensis d'Orh. testa ovali, convexa, laevigata,
lucida; margine minime carinata; loculis convexis, antice trun-
catis, apertura magna, transversali, lineari, unidentata, dente
lato, angustato, lateraliter lobato. \ Millim. Teneriffa.
2. B. suhsphaerica d'Orh. testa globulosa, subsphaerica^
laevigata, lucida, lactea, antice contracta, postice rotundata,
29*
452 , ,
margine convexa; localis globosis rotundatis; apertiira ovali
imidentata; deute transversim elongato, utriiique digitato. ^\
Millim. Ciiba, Jamaica.
3. B. ohlonga d'Orh. testa oblonga, convexa, laevigata,
lucida, albida, margine rotundata; localis convexis, antice acu-
minatis, truncatis; postice dilatatis, rotundatis; apertura trans-
versal! angustata, unidentata; dente transversali, simplici. ^
Millim. Cuba, Jamaica.
4. B. carinata d'Orb. testa ovali, compressa, laevigata vel
siibrugosa, albida, margine carinata acuta; localis convexiuscu-
lis, antice truncatis, postice dilatatis; apertura magna, trans-
versali, angusta, nnidentata; dente lato, transversali, lateraliter
digitato. f Millim. Cuba, St. Thomas.
5. B. Patagonica d'Orb. testa oblongo-convexa, laevigata,
vel transversaliter undulata, lucida, albida; margine rotundata;
localis convexis, antice acaminatis, postice rotundatis ; apertura
longitudinaliter ovali, mediocri, nnidentata; dente angustato,
elongato, lateraliter digitato. ^ Millim. Patagonien.
6. B. sphaera d'Orh. testa sphaerica, laevigata, lucida; la-
ctea (junior antice subrostrata); loculis inaequalibus, globulosis,
ultimo magno, penultimo minimo; apertura triangnlari, fere
aperta, dente triangnlari magno. 1 Millim. Malwinen.
7. B. Isahelleana dOrh. tosta gl o])OSo- compressa, laevigata,
lucida, antice posticcque rotundata, margine convexa; loculis
orbicularibus, convexis; apertura fere aperta, lineari, transver-
sali, Icibiata. ^ Millim. Malwinen.
8. B. irreguU.ris d'^Orh. testa ovali, laevigata, nitida, antice
truncata, postice rotunda, lateraliter compressa; localis com-
pressis, convexis; apertura triangnlari, irregulari. 1 Mijlim.
Malwinen.
9. B. Boiigainvillei dOrh. testa oblongo-ovata, depressa,
laevigata, nitida, antice truncata, postice subacuminata, latera-
liter carinata; loculis depres.sis, carinatis; apertura transversali,
lata, dcntata; dente brevi, utrinque digitato. \ Millim. Mal-
winen.
10. B. peruviana d'Orh. testa ovata, globulosa, laevigata,
nitida, antice posticeque obtusa; lateraliter convexa; localis
convexis; apertura somilunari, lata dentata: dente brevi,
utrinque digifato. \ Miliiin. I\iyta.
453
Genus 3. Fahularia De/nmce.
Schale kuglig oder comprimirt. Höhlung dw Kammern
voll, in eine grofse Menge Langsröliren getheilt. Zahlreiche
runde Oeffnungen am Ende der letzten Kammer, bald an dem
einen Ende, bald am andern.
Eine fossile Art.
Genus 4. Spiroloculuia d^Orh,
Schale comprimirt. Kammern nicht übergreifend, an ein-
ander gelegt ohne sich zu bedecken, und daher alle sichtbar,
ihre Höhlung ist einfach. Eine Oeffniuig abwechselnd an beiden
Enden der Längsaxe ; sie ist einfach oder mit Zähnen versehen,
fast immer in eine Röhre ausgezogen,
1. S. cymhium iVOrh. testa elongata, compressissima, alba,
laevigata, antice posticeque elongata, rostrata, margine truncata
bicarinata; loculis angustatis, quadrangularibus, dorso truncata,
concava; aperturaunidentata, deute simplici. f Millim. Teneriffa.
2. S. Antülarum d'Orb. testa oblonga, compressa, longitu-
dinaliter striata; alba, antice elongata, postice obtusa, margine
rotundata; loculis angustatis, convexis, suturis excavatis; aper-
tura subrotundata, unidentata, deute simplici. | Millim. Cuba.
3. S, ornata cVOrl). testa oblonga, compressissima, alba,
antice acuminata, postice obtusa, margine bicarinata; loculis
angustatis, dorso bicarinatis, latere bicostatis, costis interruptis ;
apertura angustata. \ Millim. Cuba.
4. S, Poeijana iVOrl. testa oblonga, minime compressa,
alba, longitudinaliter striata, antice elongata, margine rotunda;
loculis convexis, dorso convexis, lateraliter acute carinatis;
apertura rotunda, dentataj deute lateraliter digitato. \ Millim.
Cuba, Jamaica.
Zweite Familie.
Multiloculidae.
Schale frei, regelmäfsig, ungleichseitig; Kammern auf drei,
vier oder fünf entgegengesetzten Seiten längs der Axe auf-
gewickelt, daher kein Theil paarig.
Erste Abtheilung. Kammern auf drei Seiten auf-
gewickelt, drei Kammern sichtbar.
454
Genus 5. Triloculina cFOrb.
Schale kuglig oder comprimirt, mit derselben Form in
allen Alterszuständen. Kammern sich bedeckend, nur drei
sichtbar; ihre Höhlung einfach. Eine runde oder ovale Oeff-
nung, abwechselnd an dem einen oder dem anderen Ende der
Axe, mit einem mehr oder weniger complicirten Zahn,
1. T. Welhiana d'Orb. testa ovato-compressa, alba, longi-
tudinaliter striata, antice posticeque obtusa, margine rotundata;
loculis inflatis, arcuatis; suturis excavatis, apertura semi-lunari,
unidentata, dente magno, lato, quadrangulari. i Mill. Teneriffa.
2. T. Martinicma (TOrh. testa ovato-oblonga, inflata, nitida,
alba, laevigata; antice truncata, postice subacuminata; loculis
elongatis, gibbosis, suturis sinuosis, dorso rotundo; apertura
rotunda, magna, unidentata, dente magno, lato, quadrato. \
Millim. Teneriffa.
3. T. Chemnitziana dOrh. testa oblonga-ovata, compressa,
nitida, alba, laevigata, antice posticeque acuminata; loculis
elongatis, arcuatis, aequalibus, dorso rotundo ; suturis excavatis ;
apertura ovali, unidentata, dente elongato, angustato. \ Millim.
Teneriffa.
4. T. nitida d'Orl. testa elongata, oblongo- inflata, nitida,
laevigata, alba, antice posticeque obtusa; loculis elongatis, antice
gibbosis; dorso convexo, rotundato; suturis excavatis; apertura
elongata, longitudinaliter angustata, unidentata, dente lineari,
ad extremam partem bilobato. ~ Millim. Teneriffa.
5. T. Chmlteriana d'Orh. testa oblongo - elongata, triangu-
lato-compressa, longitudinaliter tenuiterquc substriata, alba, antice
posticeque obtusa, margine convexa; loculis elongatis, elevatis;
apertura peristomata, unidentata; dente elongato, simplici. ^
Millim. Cuba.
6. T. Fichieliana (VOrh, testa orbiculato- convexa, alba,
longitudinaliter striata, antice posticeque obtusissima, margine
convexa, rotunda; loculis magnis, arcuatis, globulosis: suturis
excavatis; apertura magna, transversali, ovali, unidentata, dente
brevissimo, acuto. ~ Millim. Cuba, Jamaica.
7. T. Ltmieiana d'Orh. testa oblonga, convexa, alba, antice
posticeque obtusa, margine convexa; longitudinaliter costata;
luoulis convcxis, arcuatis; costis acutis scptcm vcl quatuor
455
ornatis; apertura rotuiida, unidentata, deute bifurcato. | Mill.
Cuba, Jamaica.
8. T. quadrilateralis iVOrh. testa oblonga, angulata, alba,
rugosa, antice elongata, truncata, postice obtusa; loculis qua-
drilateralibus, dorso subplano, lateraliter carinato; apertura
quadrilatera, unidentata; deute elongato, truncato, simplici.
i Millim. Cuba. '
9. T. Plancicma tVOrJ). testa oblongo-depressa, nitida, alba,
longitudinaliter minime rugosa, antice posticeque obtusa, mar-
gine rotundata, loculis arcuatis, convexis, antice angustatis,
postice dilatatis, dorso subangulatis ; apertura ovali, unidentata;
deute elongato, ad extremam partem dilatato. \ Millim. Cuba,
Jamaica^.
10. T. Schreiberiana d'Orh. testa ovata, subtriangulari,
convexa, nitida, alba, antice posticeque obtusa, margine rotun-
data; loculis magnis, minime arcuatis, convexis, dorso rotun-
dato; apertura subrotundata, unidentata, deute brevi, simplici.
^ Millim. Antillen.
11. T. ollmiga d'Orh. ( Vermiculum oUongum Montagu,
Flemming. Tr. oblonga d'Orb. Tabl. d. Ceph. p. 134) testa
oblonga, triangulari, convexa, nitida, alba, antice truncata,
postice rotundata, margine subcarinata; loculis elongatis, sub-
triangularibus, dorso subangulatis; apertura rotunda, unidentata;
deute simplici. \ Millim. Mittelmeer, Atlantischer Ocean,
Antillen.
12. T. Brongniartiana d'Orh. (Tr. suborUcularh d'Orb.
Tabl. d. Ceph. p. 134) testa oblonga, gibbosa convexa, alba,
longitudinaliter striata, antice acuminata, subrostrata, postice
rotundata, margine rotundata; loculis elongatis, gibbosis, dorso
convexis, antice acuminatis; apertura rotunda, unidentata, deute
simplici. \ Millim. Antillen, fossil in Italien.
13. T. suborhicularis d'Orh. (Tabl. d. Ceph. p. 134) testa
orbiculato-compressa, alba, longitudinaliter tenuiter striata,
antice posticeque rotunda, margine convexa; loculis magnis,
arcuatis, inflatis, suturis impressis; apertura mediocri, rotunda,
unidentata, deute brevi, simplici, obtuso. \ Millim. Antillen.
14. T. lahiosa d'Orh. testa tuberosa, convexa, alba, laevi-
gata, nitida, lateraliter expansa, antice posticeque obtusissima,
margine convexa; loculis globulosis, inflatis, oblongatis, suturis
456
excavatis; apertura transversaliter elongata, angustata. ^- Mil-
lim. Ciiba.
15. T. carinata iVOrh. testa ovato-oblonga, compressa, alba
profunde variolata, aiitice truncata, postice rotundata; iiiargine
acute carinata; loculis compressis, dorso carinatis, antice an-
gustatis; apertura elongata, linibata, unidentata, dente angustato
elongato, simplici, truncato. \ Millim. Cuba.
16. T. hicarinata iVOrh. testa ovato-convexa, alba, profunde
excavato-variolatii, antice posticeque obtusa, margine bicarinata;
loculis quadrilateralibus, dorso coniplanatis, lateraliter carinatis;'
apertura ovali, uiu'dentata. \ Millim. Cuba.
17. T. eburnea d'Orh, testa oblonga, minime compressa
nitida, laevigata, lactea, antice posticeque obtusa, margine con-
vexa, loculis elongatis, rotundis, dorso convexis; suturis sub-
complanatis; apertura fere aperta; dente elongato, magno.
\ Millim. Cuba.
18. T. graciUs d'Orh, testa elongata, gracili, convexa, ni-
tida, alba, longitudinaliter irregulariter striata, antice posticeque
elongata, margine rotundata; loculis flexuosis, elongatis, antice
truncatis; apertura rotunda unidentata, dente simplici, peristo-
mate reflexo, magno. •- Millim. Cuba, Jaraaica.
19. T. holiviana d'Orh. testa oblonga, compressa, alba,
laevigata, transversim undulata, antice posticeque obtusa, mar-
gine convexa; loculis elongatis, arcuatis, irregulari-gibbosis;
apertura ovali, unidentata, dente elongato, simplici. \ Millim!
Cobija.
20. T. rosea d'Orh. testa ovata, convexa, rosea, laevigata,
nitida, transversim undulata, antice posticeque obtusa, margine
rotundata; loculis magnLs, arcuatis, suturis excavatis; apertura
limbata, semilunari, transversali, unidentata; dente obtusissimo,
rotundo. i Millim. Patagonien.
21. T. cryptella d'Orh. testa ovato- convexa, albida, lae-
vigata, antice posticeque obtusa, margine rotundata; loculis
uiaequalibus, suturis excavatis; apertura suboperta, dente ob-
tuso, magno. \ Millim. Malwinen.
22. T. lutea d'Orh. testa ovato-oblonga, gibbosa, lutea,
laevigata, antice truncata, postice convexa, margine rotundata;
loculis flexuosis, antice acuminatis, postic« dilatatis, suturis
excavatis; apertura transversali, angustata, bilabiata. \ Millim.
f
45:
23. T. glohulus iVOrh, testa globulosa, subsphaerica, lae-
vigata, antice posticeque convexa, niargiiie rotiiiidata; loculis
ovatis, convexis, suturis excavatis; apertura semiluiiari, iinideii-
tata; (lente simplici. -| Millini. Payta,
Genus 6. Crucilocnlina cVOrb.
Schale dreieckig, mit derselben Form in allen Alterszu-
ständen. Kammern sich bedeckend, nur drei sichtbar. Eine
Oeffnung, kreuzförmig oder mit zwei Zähnen, die sich an ihrem
Ende berühren, versehen.
1. C triangularis d'Orh, testa triangulär!, tricarinata, lae-
vigata, alba, lucida, antice posticeque angulosa; loculis ovatis?
complanatis, antice posticeque acuminatis, margine carinatis,
suturis non excavatis; apertura lineari. 1 Millim. Malvviaen.
Genus 7. Articulina cVOrh.
Schale verlängert, in der Jugend auf drei Seiten aufge-
wickelt, dann in gerader Linie vorgezogen. Kammern in der
Jugend sich bedeckend, so dafs nur drei Kammern sichtbar
sind, später wachsen sie in gerader Linie fort, wie Nodosaria.
Eine Oeflfnung, gezähnt oder nicht.
1. A. Sagra iVOrh. testa elongata, compressa, alba, lon-
gitudinaliter costata, antice dilatata, truncata, postice obtusa;
loculis oblongatis, compressis, ventricosis, antice dilatatis ; aper-
tura magna, ovali; peristomate crasso, lato, reflexo. \ Millim.
Antillen.
Zweite Abtheilung. Kammern auf vier Seiten auf-
gewickelt, vier Kammern sichtbar.
Genus 8. Sphneroidina d'Orh.
Schale kuglig, in jedem Alter gleich gestaltet. Kammern
sich bedeckend, mit einfacher Höhlung. Eine Oeffnung an der
Seite der letzten Kammer, neben der älteren sichtbaren. Ein
einfacher Zahn.
Eine Art im Adriatischen Meere.
Dritte Abtheilung. Kammern auf fünf Seiten auf-
gewickelt, fünf Kammern sichtbar.
458
Genus 9. Quinqueloculina (VOrh.
Schale knglig oder comprimirt, abgerundet oder winklig,
in jedem Alter gleich gestaltet. Kammern sich bedeckend, so
dafs nur fünf sichtbar sind; ihre Höhlung einfach. Eine Oeff-
nung mit einem einfachen oder zusammengesetzten Zahn»
4. Q. 3erthelotlana iVOrh. testa ovato-convexa, alba, ru-
gosa, flavescente, antice elongata, rostrata, postice obtusa, mar-
gine bicarinata, loculis flexuosis, antice triangularibus, elongatis,
truncatis; postice quadrangularibus obtusis, dorso antice cari-
nato, postice bicarinato; apertura ovali, unidentata. ^ Millim.
Teneriffa.
2. Q. inaeqtmlis d'Orh. testa suborbiculato-convexa, triau-
gulata, laevigata, nitida; antice posticeque obtusa, margine sub-
carinata; loculis inaequalibus, hinc convexis, illinc concavis,
triaugularibus, dorso carinatis; apertura ovali, unidentata, dente
brevi, simplici. \ Millim. Teneriffa.
3. Q. Guancha (VOrh, testa oblonga, convexa, lutea, lon-
gitudinaliter striata, antice subtruncata, postice obtusa, rotunda,
margine subcomplanata, loculis elongatis, subquadrilateralibus,
antice acuminatis, truncatis, postice dilatatis, obtusis, '.dorso
subcomplanatis ; apertura ovali, unidentata, dente lateraliter
lobato. 1 Millim. Teneriffa.
4. ö. laevigata iVOil. (Tabl; d. Ceph. p. 135) testa ovato-
oblongata, laevigata, nitida, alba, antice posticeque obtusa,
margine rotundato- convexa; loculis convexis, elongatis, arcua-
tis, antice truncatis; dorso rotundato; apertura ovali, unidentata.
1 Millim. Teneriffa, fossil bei Paris.
5. ö. Planciana d'Orl. testa ovata, compressa, alba, sub-
rugosa, antice angulata, postice subrotundata, margine subcari-
nata; loculis triangulato-inflatis, arcuatis; apertura longitudina-
liter ovata, unidentata; dente elongato, bifurcato^; peristomate
simplici. | Millim. Cuba, St. Thomas.
6. Q, Gualtieri (VOrh. testa ovato-gibbosa, compressa, alba,
laevigata, transversaliter undulata, antice truncata, postice ob-
tusa, margine carinata; loculis antice angustatis, rectis truncatis,
postice dilatatis, arcuatis, dorso carinatis ; apertura longitudina-
liter elongata, anguslata; dente elongato, simplici. 4^ Millim.
Cuba, Jamaica.
459
7. Q. tricarinata tVOrh, testa elongato-ovata, crassa, con-
vexa, alba, rugosa, longitiidinaliter costata vel roticulata, aiitice
posticequc acuminata; loculis sinuosis, tricostatis, ultimo sub-
reticulato, apertura minima rotunda, miidcntata; deute bifurcato.
1 Millim. Cuba, Jamaica.
8. Q. Sagra tVOrl. testa suborbiculari, angulosa, convexa,
crassissima, alba, rugosa, trausversaliter costato-reticulata, an-
tice posticeque obtusa; loculis arcuatis, quadrilateralibus, antice
aiigustatis, postice dilatato-obtusis, lateraliter traiisverse costatis,
dorso piano, reliculato, utrinque carinato; apertura ovali, uni-
dentata; dente lateraliter ad extremam partem dilatato. ^Mil-
lim. Cuba.
9. Q. LamarcMana d'Orh, testa suborbiculari, convexa,
alba, laevigata, nitida, antice elongato-truncata, postice obtusa,
margine carinata; loculis triangularibus, arcuatis, sinuosis, antice
i truncatis, postice subacuminatis, dorso carinatis; apertura ovali,
unidentata; dente elongato, simplici. f Millim. Cuba, Jamaica.
40. Q, Ctivieriana iVOrh, testa suborbiculari, convexa, alba,
nitida, laevigata, margine carinata, longitudinaliter striata, antice
posticeque obtusa; loculis triangulatis, arcuatis, antice truncatis,
: dorso carinatis; apertura oblonga, unidentata; dente elongato,
angustato, simplici. \ Millim. Cuba.
11. Q. Bosciaria d'Orh. testa elongato-oblonga, compressa,
alba, laevigata, nitida, antice truncata, postice obtusa, margine
rotundata; loculis convexis, elongatis, minime arcuatis, antice
angustatis, postice dilatatis obtusis, dorso rotundatis; apertura
rotunda, unidentata; dente brevi, simplici. \ Millim. Antillen.
12. Q. Poeyana (TOrh. testa elongata, oblonga, minime
compressa, alba, longitudinaliter costato-striata , antice postice-
que obtusa, margine convexa; loculis convexis, angustatis, mi-
nime arcuatis, subaequalibus, dorso rotundatis; apertura ovata,
unidentata. -1- Millim. Cuba, St. Thomas.
13. Q, dilatata d'Orb. testa orbiculato-dilatata, compressa;
alba, laevigata vel subrugosa, antice posticeque obtusissima,
margine convexa; loculis sinuosis, dilatatis, carinatis, dorso
rotundatis; apertura obliqua, depressa. | Millim. Cuba, St.
Thomas.
14. Q. Auberimia d'Orh. testa suborbiculari, convexa,
alba, laevigata, transversim undulata, margine carinata, antice
460
posticeque obtiisa; loculis convexo-triaiigularibiis, arcuaiis, an-
tice truucatis, dorso carinatis ; apertura ovata, unidentata, deute
cloiigato, simplici. ^ Millim. Cuba, Martinique.
15. Q. Antillarum dOrb. testa ovato-oblouga, couipressa,
alba, profunde et oblique variolata, margine irregulariter cari-
nata, antice posticeque obtusa; loculis triaugularibus, compres-
sis, arcuatis, antice truncatis, dorso gibboso carinatis; apertura
oblonga, infra dilatata, unidentata, deute elongato, bifurcato;
peristoniate acute sinuato. 1^ Millim. Cuba, Jamaica,
16. Q,. licosfata cVOrl. testa ovata, convexa, alba, laevi-
gata, margine bicostata, antice posticeque obtusa; loculis sub-
quadrilatcralibus, regulariter arcuatis, dorso bicostatis; apertura
mediocri, rotunda, miidentata, deute brevi, simplici. \ Millim.
Cuba, Jamaica.
17. Q. agglutincms cVOrh. testa ovata, convexa, alba, irre-
gulari, agglutinante, antice posticeque acuminato-obtusa, margine
subcomplanata; loculis subangularibus, arcuatis, antice truncatis,
dorso subcomplanatis, apertura ovali, intus denticulata. 1 Mill.
Cuba, Jamaica.
18. Q. enoplostoma (TOrh. testa ovato-angulosa, convexa,
alba, irregulari, agglutinante, antice posticeque subacuminata,
margine bicarinata; loculis quadrilateralibus , arcuatis, antice
truncatis, postice acuminatis; dorso complanato, bicarinato,
suturis excavatis; apertura ovata, intus periphaeriam internam
serrata, unidentata, dente elongato, bifurcato. \ Millim. Cuba,
St. Thomas, Guadeloupe.
19. Q. hidentata d'Orh. testa ovato-angulosa, alba, rugosa^ ^
antice posticeque acuminata, margine bicarinata; loculis angu-
latis, irregulariter arcuatis, antice truncatis, postice dilatatis;
dorso subbicarinato ; apertura quadrilaterali , bidentata. \ Mil-
lim. Cuba. ^
20. Q. polygona d'Orh. testa oblonga, convexa, imiltian-"
gulata, laevigata, alba, antice angustata, postice obtusa, rotun-
data, margine bicarinata; loculis quadrilateralibus, flexuosis, .
antice angustato- truncatis, postice dilatatis: dorso canaliculato,
bicarinato, carinis acutis, crenulatis; apertura minima, rotun-
data, unidentata. r} Millim. Cid^a, Jamaica.
21. Q. Candeimm d'Oth. testa ovato- oblonga, triangulari,
alba, laevigata, nitida, antice acuminato-elongata, postice obtusa,
461
niargine carinata, ciiltrata; loculis flexiiosis, triaiigiilaribiis, an-
licc prolongatis, triincatis, postice ohtnsis, dorso carinato-acutis;
apertiira rotunda, iinidentata, dente brevi, simplici. 1 Millim.
Jamaica, Cuba.
22. Q. Peruviana iVOrh. tosta ovali, compressa, alba, lae-
vigata, nitida, antice posticeqiie obtusa, margiiie rotunda; locu-
lis convexis, inflatis, arcuatis, antice minime angustatis, dorso
rotundatis ; apertura ovali, unidentata, dente dilatato. \ Millim.
Arica.
23. Q. ßexuosa (TOrh. testa oblonga, gibbosa, convexa,
alba, irregnlariter et longitudinaliter oblique striata, antice
posticeque obtusa, margine subcomplanata; loculis subquadri-
lateralibus, flexuosis, antice angustatis, truncatis, postice dilata-
tis, obtusis, dorso complanatis; apertura ovali, unidentata;
dente brevi, bifurcato. 1- Millim. Arica.
24. Q. Fatagonica cl'Orh. testa oblongo-convexa, alba, ni-
tida, laevigata, antice posticeque obtusa, margine rotundata;
loculis elongatis, convexis, angustatis, minime arcuatis, subae-
qualibug, dorso rotundatis; apertura ovali, unidentata; dente
brevi, simplici. \ Millim. Patagonien.
25. Q. IsaheUei (Wrh. testa ovato-compressa, alba, nitida,
laevigata, transversim subundulata, antice truncata, postice ro-
tunda, margine rotundata; loculis convexis, antice truncatis,
postice obtusis, dorso rotundatis; apertura subrotunda, uniden-
tata; dente elongato, truncato. | Millim. Patagonien.
20. Q. Inca (VOrh. testa oblongo-elongata, compressa, alba,
longitudinaliter striata, antice truncata, postice obtusa, margine
carinata; loculis triangularibus, angustatis, antice acuminato-
truncatis, postice dilatatis, inaequilateralibus, dorso carinatis;
apertura semilunari, unidentata. \ Millim. Arica.
27. Q. meridmiaUs d'Orh. testa suborbiculari, compressa,
alba, laevigata, transversim undata, antice posticeque subacumi-
nata, margine convexa; loculis convexis, arcuatis, dorso rotun-
datis; apertura subrotunda, unidentata; dente simplici. |-Mill.
Patagonien, Malwinen.
28. Q. araucana iVOrh. tosta ovato-oblonga, gibbosa, com-
pressa, laevigata, antice truncata, postice rotundata, margine
convexa: loculis convexis, arcuatis; apertura unidentata; dente
simplici. 1 Millim. Valparaiso, Payta.
462
29. Q. cora (FOrh. testa siiborbiculari, compressissima,
transversim iimlulata, subrugosa, antice posticeque obtusa,
margino carinata; loculis comprcssis, arcuatis, carinatis; aper-
tura angustata, elongata, dentata; deute simplici. \ Millim.
Acapulco.
30. Q. magellamca cVOrb, testa ovata, elevata, laevigata,
lucida, antice truncata, postice rotunda, margine subcarinata;
loculis arcuatis, angustatis, subcarinatis; apertura oblonga, uni-
dentata, deute truucato. \ Millim. Malwiuen.
* f.
Genus 10. Adelosina dOrh,
Schale frei, ungleichseitig im Alter, winklig, mit einer
grofsen comprimirten, fast kreisförmigen, mit einem Vorsprunge
versehenen Kammer beginnend, um die sich die Kammern
wickeln. Höhlung der Kammern einfach. Oeffnung mit Zäh-
nen bewaffnet, abwechselnd an dem einen oder dem anderen
Ende der Längsaxe.
Zwei lebende Arten im Adriatischen Meere, zwei fossile
in Italien.
\
Gedruckt bei den Gebr. Uiiger.
■I'.,l 1
r F Srli-midl lilh.
DKB_AJliilipp, adnal aol.
CK SrhrniitüttL.
•T3
1840
6 ^ Tae
Tiitoiua
g^f'Ta^.
IZ!!"- lae
Taf M-
±J^*'J Tae
l6'5Ta°
w
l7*rTa2.
iWTc^i
J
19*? Tag.
«6*"Ta2
27*!^Ta£
% '5 Tag.
29^5Tag
^
36 -^ jO*5Ta£
er SclmaAtliili.
1840.
1
TU
Tnf.Vn
Doris
, iL
i^Tag St *!^ Tag
k
g) ^^
Tai
U
-C/
36^1^ Tag
I
Aplvsia
4^ Tag.
-^ —
S7*?^Tag
37 *!^ Tag
r!:^Tag.
52^!^Tas
C'.Z.SciBiiiHrliäL.
ir.Ao.
latVil
f'.K Scimult littu
a^o.
Tar.iz
C.I. SrlimuTt liÖL.
H
Cm
ci
o
/
©
1
1
a)